Wikimedia Labs http://de.labs.wikimedia.org/wiki/Hauptseite MediaWiki 1.21wmf9 first-letter Medium Spezial Diskussion Benutzer Benutzer Diskussion Wikibooks Wikibooks Diskussion Datei Datei Diskussion MediaWiki MediaWiki Diskussion Vorlage Vorlage Diskussion Hilfe Hilfe Diskussion Kategorie Kategorie Diskussion Schweizer Fussballnationalmannschaft 0 23491 28350 28349 2011-06-23T14:38:58Z Axpde 417 Änderungen von [[Special:Contributions/62.226.42.37|62.226.42.37]] ([[User talk:62.226.42.37|Diskussion]]) rückgängig gemacht und letzte Version von [[User:85.3.134.87|85.3.134.87]] wiederhergestellt <!--schweizbezogen-->{{Dieser Artikel|befasst sich mit der Schweizer Fussballnationalmannschaft der Männer. Für das Team der Frauen siehe [[Schweizer Fussballnationalmannschaft der Frauen|hier]].}} {{Infobox Fußballnationalmannschaft | land_deutsch = Schweiz | land_regional = | logo = [[Datei:SFV Logo.svg|200px|Logo des Schweizerischen Fussballverbandes]] | spitzname = ''«Nati»'' | verband = [[Schweizerischer Fussballverband|Schweizerischer<br />Fussballverband]] | konföderation = UEFA | tech_sponsor = [[Puma (Sportartikel)|Puma]] | trainer = {{flagicon|GER}} [[Ottmar Hitzfeld]] | co-trainer = {{flagicon|CHE}} [[Michel Pont]] | kapitän = | rekordtorschütze = [[Alexander Frei]] (40) | rekordspieler = [[Heinz Hermann]] (117) | heimstadion = | fifa_abkürzung = SUI | fifa_rang = 18. (924 Punkte) <small>(20. November 2009)</small> | pattern_la1 = | pattern_b1 = | pattern_ra1 = | pattern_sh1 = | leftarm1 = D81E05 | body1 = D81E05 | rightarm1 = D81E05 | shorts1 = FFFFFF | socks1 = D81E05 | pattern_la2 = | pattern_b2 = | pattern_ra2 = | leftarm2 = FFFFFF | body2 = FFFFFF | rightarm2 = FFFFFF | shorts2 = D81E05 | socks2 = FFFFFF | spiele = 699 | siege = 226 | unentschieden = 151 | niederlagen = 322 | erstes_spiel = {{flagicon|FRA}} [[Französische Fußballnationalmannschaft|Frankreich]] 1:0 Schweiz {{flagicon|CHE}} | datum1 = ([[Paris]], [[Frankreich]]; 12. Februar 1905) | ho_sieg = {{flagicon|CHE}} Schweiz 9:0 [[Litauische Fußballnationalmannschaft|Litauen]] {{flagicon|Lithuania}} | datum2 = ([[Paris]], [[Frankreich]]; 25. 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November 2009 }} Die '''Schweizer Fussballnationalmannschaft''' (kurz «Nati») ist die Auswahlmannschaft des [[Schweizerischer Fussballverband|Schweizerischen Fussballverbands]] (SFV) und vertritt die [[Schweiz]] auf internationaler Ebene. Sie wird seit Juli 2008 von [[Ottmar Hitzfeld]] trainiert. Ihr erstes Länderspiel absolvierten die Schweizer 1905 gegen [[Französische Fußballnationalmannschaft|Frankreich]]. Der bisher grösste Erfolg des A-Teams war der Gewinn der Silbermedaille bei den [[Olympische Sommerspiele 1924|Olympischen Sommerspielen 1924]], der grösste Erfolg einer Juniorenauswahl 2009 der Weltmeistertitel der U 17. Von den 1930er- bis 1960er-Jahren prägte der Österreicher [[Karl Rappan]] den Schweizer Fussball entscheidend; er führte den [[Schweizer Riegel]] ein und betreute die Mannschaft an drei Weltmeisterschaften. Die [[Fußball-Weltmeisterschaft 1954|WM&nbsp;1954]] fand in der Schweiz statt. In den 1960er-Jahren begann eine Ära der Erfolglosigkeit, die fast dreissig Jahre dauerte. Nationaltrainer [[Roy Hodgson]] brachte die Mannschaft wieder in die Nähe der Weltspitze und erreichte die Qualifikation für die [[Fußball-Weltmeisterschaft 1994|WM&nbsp;1994]] und die [[Fußball-Europameisterschaft 1996|EM&nbsp;1996]]. Mit Nationaltrainer Jakob Kuhn qualifizierten sich die Schweizer für die [[Fußball-Europameisterschaft 2004|EM&nbsp;2004]] und die [[Fußball-Weltmeisterschaft 2006|WM&nbsp;2006]]. An der [[Fußball-Europameisterschaft 2008|EM&nbsp;2008]] war man als Gastgeber gemeinsam mit [[Österreich]] automatisch teilnahmeberechtigt. Unter [[Ottmar Hitzfeld]] schaffte die Schweiz die Qualifikation für die [[Fußball-Weltmeisterschaft 2010|WM&nbsp;2010]]. == Geschichte == === Fussball-Pionierland Schweiz === Nach dem [[Vereinigtes Königreich|Vereinigten Königreich]] war die Schweiz das erste Land Europas, in dem der Fussballsport ausgeübt wurde. Britische Studenten gründeten 1860 den [[Lausanne Football and Cricket Club]], der möglicherweise der erste Fussballclub Kontinentaleuropas war. 1879 entstand der älteste noch heute bestehende Club der Schweiz, der [[FC St. Gallen]]. Elf Vereine gründeten 1895 im [[Bahnhofbuffet Olten]] die «Schweizerische Football-Association». Anfänglich waren vier von fünf Mitgliedern der Verbandsleitung Briten. Der Schweizer Verband gehörte 1904 zu den sieben Gründungsmitgliedern der [[FIFA]] und nannte sich 1913 in [[Schweizerischer Fussballverband]] (SFV) um. Mit der Eindeutschung des Namens sollte der damals noch immer als typisch «britisch» geltende Fussball besser in der Bevölkerung verankert werden. Darüber hinaus hoffte der Verband, mit diesem Schritt den Status einer subventionsberechtigten Organisation zu erhalten, was jedoch erst in den 1920er-Jahren gelang. Dass sich im Schweizer Fussball nur wenige deutschsprachige Begriffe durchgesetzt haben, ist auf den starken anglophonen Einfluss in der Frühphase zurückzuführen. So wird der Elfmeter nach wie vor ''Penalty'', die Ecke ''Corner'', das Tor ''Goal'' und der Spielführer ''Captain'' genannt. Auch zahlreiche Vereine tragen englische Namen wie zum Beispiel die [[BSC Young Boys|Young Boys]] oder die [[Grasshopper-Club Zürich|Grasshoppers]]. Die weitere Verbreitung des Fussballs in Europa erfolgte hauptsächlich von der Schweiz aus, durch Absolventen hiesiger Eliteschulen und Universitäten, die das Spiel während ihrer Studienaufenthalte kennengelernt hatten und es in ihre jeweiligen Heimatländer brachten. Zu ihnen gehören unter anderem der Deutsche [[Walther Bensemann]], der 1889 den ersten Fussballverein in Süddeutschland gründete, und [[Vittorio Pozzo]], der das Spiel ebenfalls in der Schweiz kennengelernt hatte und entscheidend zu dessen Popularisierung in Italien beitrug. Auch Schweizer sorgten für die Verbreitung: Der Turnlehrer Georges de Rebius führte 1893 den Fussball in [[Bulgarien]] ein<ref>Gergana Ghanbarian-Baleva: ''Ein englischer Sport aus der Schweiz'', aus ''Überall ist der Ball rund – zur Geschichte und Gegenwart des Fussballs in Ost- und Südosteuropa'', S. 155–182</ref>, [[Hans Gamper]] gründete 1899 den [[FC Barcelona]], die Mehrheit der Gründungsmitglieder von [[Inter Mailand]] waren Schweizer. Der fast vollständig aus Schweizern zusammengesetzte Verein [[Stade Helvétique Marseille]] gewann 1909, 1911 und 1913 die Meisterschaft des grössten französischen Verbandes [[Union des Sociétés Françaises de Sports Athlétiques|USFSA]]. === Die ersten Jahre der Nationalmannschaft (1905–1918) === Internationale Spiele fanden ab Mitte der 1890er-Jahre zunächst auf Vereinsebene gegen Teams aus dem grenznahen Ausland statt. Am 4. Dezember 1898 spielte erstmals eine Auswahl Schweizer Vereinsmannschaften; eine süddeutsche Auswahl wurde mit 3:2 bezwungen. Das Aufgebot bestand zur Hälfte aus in der Schweiz lebenden Ausländern, die meisten davon waren Briten. Es folgten weitere Partien dieser Art, so zum Beispiel am 8. April 1901 die Begegnung mit Österreich, die in der österreichischen Fussball-Literatur als «[[Ur-Länderspiel]]» bezeichnet wird. [[Datei:France-Suisse 1905.jpg|thumb|upright=1.5|Das erste Länderspiel (Frankreich-Schweiz am 12. Februar 1905)]] Ihr erstes offizielles Länderspiel trugen die Schweizer am 12. Februar 1905 in [[Paris]] gegen [[Französische Fußballnationalmannschaft|Frankreich]] aus. Das Rückspiel in [[Genf]] konnte aufgrund finanzieller Probleme des Verbandes erst drei Jahre später stattfinden. Im dritten Spiel am 5. April 1908 kamen die Schweizer zu ihrem ersten Sieg. In [[Basel]] schlugen sie die [[Deutsche Fußballnationalmannschaft|Fussballnationalmannschaft des Deutschen Reiches]] mit 5:3, es war zugleich das erste Länderspiel der Reichsdeutschen. Am 20. Mai 1909 war [[Englische Fußballnationalmannschaft|England]] zu Gast, die Schweizer verloren 0:9. Diese Begegnung sowie ein Auswärtsspiel gegen [[Ungarische Fußballnationalmannschaft|Ungarn]] im Jahr 1911 mit demselben Ergebnis sind bis heute die höchsten Niederlagen. Der Verband plante eine Teilnahme bei den [[Olympische Sommerspiele 1912|Olympischen Spielen 1912]] in [[Stockholm]], dieses Vorhaben konnte jedoch wegen Geldmangels nicht in die Tat umgesetzt werden. Zu Beginn des [[Erster Weltkrieg|Ersten Weltkriegs]] war der Spielbetrieb in der Schweiz stark eingeschränkt, so wurden über die Hälfte der Spielfelder in Äcker umfunktioniert und viele Vereine lösten sich auf, da die Spieler Militärdienst leisten mussten. Doch dem SFV gelang es nach und nach, die zunächst skeptischen Militärbehörden von der guten physischen Konstitution der zum Dienst eingezogenen Fussballer zu überzeugen. Der Spielbetrieb normalisierte sich ab 1916 weitgehend. Es konnten auch fünf Länderspiele durchgeführt werden, zwei Heimspiele gegen Österreich sowie je ein Auswärtsspiel in Italien, Österreich und Ungarn. === Zwischenkriegszeit (1918–1938) === Das erste Nachkriegsländerspiel wurde am 29. Februar 1920 gegen Frankreich ausgetragen. Die Partie am 27. Juni 1920 in [[Zürich]] gegen das Deutsche Reich war politisch äusserst brisant. Die FIFA hatte den Kriegsverlierer mit einem Länderspielverbot belegt, den die Schweizer aber ignorierten. Frankreich drohte der Schweiz mit einem Fussballboykott, auch aus Belgien und England gab es Proteste. Der Regionalverband der [[Romandie]] untersagte seinen Mitgliedern die Teilnahme am Spiel. Dieses fand dennoch statt und endete mit einem 4:1-Sieg der Schweizer. England beantragte daraufhin den Ausschluss des Deutschen Reiches aus der FIFA, kam damit jedoch nicht durch und trat selbst aus. Der SFV hatte bereits im August 1919 beschlossen, am Fussballturnier der [[Olympische Sommerspiele 1920|Olympischen Sommerspiele 1920]] in [[Antwerpen]] teilzunehmen. Nur gerade eine Woche vor Turnierbeginn zog sie die Anmeldung wieder zurück. Einerseits fehlte das Geld, andererseits befürchtete man angesichts des umstrittenen Deutschland-Spiels eine Spaltung des Verbandes entlang der Volksgruppen- bzw. Sprachgrenze. 17 Spieler und drei Trainer fuhren mit dem Zug nach Paris zu den [[Olympische Sommerspiele 1924|Olympischen Sommerspielen 1924]]. Der SFV hatte in Erwartung eines frühzeitigen Ausscheidens ein Gruppenbillett gelöst, das nur zehn Tage gültig war. Im Vorrundenspiel gewann die Schweiz gegen [[Litauische Fußballnationalmannschaft|Litauen]] mit 9:0 und erzielte den höchsten Sieg ihrer Geschichte. Im Achtelfinale traf man auf die [[Tschechoslowakische Fußballnationalmannschaft|Tschechoslowakei]], das Spiel endete 1:1 nach Verlängerung. Im Wiederholungsspiel setzten sich die Schweizer mit 1:0 durch. Nachdem im Viertelfinale [[Italienische Fußballnationalmannschaft|Italien]] mit 2:1 besiegt wurde, rief die Zeitung «Sport» zu einer Spendenaktion auf, um die zusätzlich anfallenden Kosten für Hotelübernachtungen aufbringen zu können. Im Halbfinale trafen die Schweizer auf den Turnierfavoriten [[Schwedische Fußballnationalmannschaft|Schweden]] und siegten unerwartet mit 2:1. Die Sensation im Finalspiel blieb aus; man verlor 0:3 gegen [[Uruguayische Fußballnationalmannschaft|Uruguay]], sicherte sich aber die Silbermedaille und erhielt den inoffiziellen Titel eines Europameisters. Nach diesem Höhenflug sank das Leistungsniveau der Nationalmannschaft spürbar. Bei den [[Olympische Sommerspiele 1928|Olympischen Sommerspielen 1928]] in [[Amsterdam]] spielte die Schweiz nur eine einzige Partie; nach der 0:4-Niederlage gegen das Deutsche Reich schied sie bereits aus. Ebenfalls bescheiden waren die Leistungen beim [[Europapokal der Fußball-Nationalmannschaften|Europapokal der Fussball-Nationalmannschaften]], dem Vorgänger der [[Fußball-Europameisterschaft|Europameisterschaft]]. Bei allen sechs Austragungen klassierten sich die Schweizer auf dem letzten Platz, allerdings wurde [[Leopold Kielholz]] bei der dritten Ausgabe (1933–35) gemeinsam mit dem Ungaren [[György Sárosi]] Torschützenkönig. An der ersten [[Fußball-Weltmeisterschaft 1930|Weltmeisterschaft]] 1930 in [[Uruguay]] nahm die Schweiz wie zahlreiche andere europäische Länder aus Kostengründen nicht teil. Die Qualifikation für die [[Fußball-Weltmeisterschaft 1934|WM 1934]] in Italien schafften die Schweizer nur mit Glück. Die zwei Unentschieden gegen [[Jugoslawische Fußballnationalmannschaft|Jugoslawien]] und [[Rumänische Fußballnationalmannschaft|Rumänien]] hätten eigentlich nicht gereicht, doch die Rumänen hatten einen nicht berechtigten Spieler eingesetzt, weshalb das Unentschieden am [[Grüner Tisch|Grünen Tisch]] in einen 2:0-Forfaitsieg umgewandelt wurde. Vor Beginn der Endrunde kam es zu einer Auseinandersetzung zwischen dem SFV und [[Servette FC Genève|Servette Genf]]. Der Verein befürchtete längere Verletzungspausen seiner Spieler und forderte im Voraus eine finanzielle Entschädigung. Erst nach Androhung schwerer Sanktionen seitens des SFV gab Servette Genf nach und stellte eine Woche vor Beginn der Weltmeisterschaft die nominierten Spieler frei. Ihr erstes WM-Spiel gewannen die Schweizer mit 3:2 gegen die [[Niederländische Fußballnationalmannschaft|Niederlande]] und zogen ins Viertelfinale ein. Dieses ging mit 2:3 gegen den späteren Vizeweltmeister Tschechoslowakei verloren. 1931 hatte der SFV die Einführung einer Liga mit Berufsspielern beschlossen. Diese erfüllte die hochgesteckten Erwartungen jedoch nicht. Zahlreiche Nationalspieler zogen lukrativere Engagements im Ausland vor, das Zuschauerinteresse blieb bescheiden und das Hauptziel, eine Leistungssteigerung der Nationalmannschaft, erfüllte sich nicht. Zwischen 1934 und 1938 konnte nur jedes vierte Länderspiel gewonnen werden. Einflussreiche Funktionäre sahen im Professionalismus den Hauptgrund für die Missstände und idealisierten die Leistungen der Amateurzeit. 1937 wurde die Lohnobergrenze so tief angesetzt, dass die Spieler gezwungen waren, einen Beruf auszuüben. 1943 setzte der damalige SFV-Präsident Robert Zumbühl ein vollständiges Verbot des Professionalismus durch. Die strengen Bestimmungen sahen unter anderem eine einjährige Zwangspause bei einem Vereinswechsel vor und wurden erst zwei Jahrzehnte später etwas gelockert. Im September 1937 übernahm [[Karl Rappan]] das Amt des Nationaltrainers, während des nächsten Vierteljahrhunderts sollte er den Schweizer Fussball entscheidend prägen. Seine Amtszeit war auf vier Perioden verteilt (1937–38, 1942–49, 1952–54, 1960–63). Der wegen seiner [[Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei|NSDAP]]-Mitgliedschaft umstrittene Deutschösterreicher führte ein ursprünglich in Ostmitteleuropa entstandenes Abwehrkonzept ein, das unter der Bezeichnung [[Schweizer Riegel]] bekannt wurde. Dabei handelte es sich um eine Mischform aus Mann- und Raumdeckung, mit der die Schweizer Nationalmannschaft in der Lage war, auch gegen stärker eingestufte Teams zu bestehen. Später entwickelte sich daraus der italienische [[Catenaccio]]. === Im Dienste der geistigen Landesverteidigung (1938–1945) === Um sich für die [[Fußball-Weltmeisterschaft 1938|WM 1938]] in Frankreich zu qualifizieren, mussten die Schweizer in [[Mailand]] gegen [[Portugiesische Fußballnationalmannschaft|Portugal]] antreten; das Spiel endete mit einem 2:1-Sieg. In der ersten Runde traf die Schweiz auf die Mannschaft des von den [[Nationalsozialismus|Nationalsozialisten]] beherrschten Deutschen Reiches. Drei Monate zuvor war der «[[Anschluss (Österreich)|Anschluss]]» Österreichs erfolgt, weshalb die Österreicher nicht mehr als eigenständige Mannschaft antreten durften. Das Spiel endete nach Verlängerung 1:1, weshalb fünf Tage später eine Wiederholung nötig war. [[Datei:Schweiz-Deutschland 1938.jpg|thumb|upright=1.5|Der Sieg über Grossdeutschland]] Die Wiederholung am 9. Juni 1938 ging als eines der bedeutendsten Spiele in die Schweizer Fussballgeschichte ein. Das grossdeutsche Team, das einem Zwangszusammenschluss der beiden WM-Halbfinalisten von 1934 Deutschland und Österreich entsprach und als Turnierfavorit galt, lag bis zur 40. Minute 2:0 in Führung, doch dann brach sie ein. Die Schweizer erzielten vier Tore hintereinander und siegten mit 4:2. Der Sieg über «Grossdeutschland» galt als Sensation und wurde in der Schweiz begeistert gefeiert. Drei Tage später stand das Viertelfinale gegen Ungarn auf dem Programm; das die Schweizer aber 0:2 verloren. Nach dem Sieg über die Deutschen galten die Fussballer nicht mehr als Vertreter eines «unschweizerischen» Sports, sondern als Identifikationsfiguren. Zahlreiche Zeitungen verglichen sie mit den Helden der frühen [[Alte Eidgenossenschaft|Eidgenossenschaft]]. So schrieb beispielsweise die ''Gazette de Lausanne'': «Die kleinen Schweizer […] haben gekämpft wie bei [[Schlacht bei St. Jakob an der Birs|St. Jakob]] und haben einen Sieg errungen, von dem man noch lange sprechen wird».<ref>Gazette de Lausanne, Ausgabe vom 10. Juni 1938</ref> Die Schweiz, so schien es, hatte zumindest auf dem Fussballfeld das expandierende Deutsche Reich in die Schranken verwiesen. Der Fussball war nun ein Element der «[[Geistige Landesverteidigung|Geistigen Landesverteidigung]]», jener Kulturpolitik, welche die demokratischen und kulturellen Grundwerte der Schweiz vor dem Einfluss der totalitären Nachbarstaaten bewahren sollte. Der Schweizer Riegel wandelte sich in der Wahrnehmung der Öffentlichkeit zu einem mythisch überhöhten Symbol des schweizerischen Selbstbehauptungswillens. Auch in der Literatur hat das Spiel Einzug gefunden: [[Otto F. Walter]] baute in seinem Roman «Zeit des Fasans» (1988) eine längere Passage über die Radioübertragung ein, der Tessiner Autor [[Giovanni Orelli]] widmete 1991 [[Eugène Walaschek]], einem der Torschützen, ein ganzes Buch («Il&nbsp;sogno di Walaschek»). Während des [[Zweiter Weltkrieg|Zweiten Weltkriegs]] konnte der Meisterschaftsbetrieb mit Ausnahme der Mobilisierungsphase aufrechterhalten werden. Nationalligaspieler hatten in der Regel keine Probleme, während des [[Aktivdienst]]es Urlaub für Meisterschaftsspiele zu erhalten. Die Nationalmannschaft trug 16 Spiele aus, elf davon gegen die [[Achsenmächte]] und ihre Verbündeten. Die Heimspiele inszenierte man als nationale Ereignisse, an einigen war auch General [[Henri Guisan]] anwesend. Zwar genossen die Achsenmächte und insbesondere Deutschland in breiten Schichten der Bevölkerung keinerlei Sympathie, doch die Partien gegen deren Nationalmannschaften dienten den Politikern dazu, das Bild der absoluten Neutralität der Schweiz aufrechtzuerhalten. Am 20. April 1941, dem Geburtstag von [[Adolf Hitler]], gewannen die Schweizer in [[Bern]] mit 2:1 gegen das Deutsche Reich. [[Joseph Goebbels]] schrieb danach in einem Brief an Reichssportführer [[Hans von Tschammer und Osten]], es dürfe «vor allem kein Sportaustausch gemacht werden, wenn das Ergebnis im geringsten zweifelhaft sei».<ref>Gerhard Fischer/Ulrich Lindner: ''Die Niederlage an Hitlers Geburtstag'', aus ''Stürmer für Hitler'', S. 119</ref> === Vier WM-Teilnahmen in der Nachkriegszeit (1945–1966) === Am 21. Mai 1945 hiess der erste Gegner nach dem Krieg Portugal. Am 11. November 1945 empfingen die Schweizer in Zürich die Italiener und ermöglichten damit deren Reintegration in den internationalen Fussball. Mit zwei Siegen gegen [[Luxemburgische Fußballnationalmannschaft|Luxemburg]] qualifizierte sich die Schweiz für die [[Fußball-Weltmeisterschaft 1950|WM 1950]]. Für die Betreuung während der Endrunde in [[Brasilien]] verpflichtete der SFV den ehemaligen Nationalspieler [[Franco Andreoli]]. Zum ersten Mal überhaupt war die Nationalmannschaft ausserhalb Europas im Einsatz. Das erste Spiel gegen [[Jugoslawische Fußballnationalmannschaft|Jugoslawien]] verloren die Schweizer 0:3. Gegner im zweiten Spiel war die brasilianische ''[[Brasilianische Fußballnationalmannschaft|Seleção]]''. Die Partie gegen den Gastgeber und klaren Turnierfavoriten endete überraschenderweise 2:2, fünf Minuten vor Ende hätten die Schweizer beinahe das Siegestor geschossen. Der 2:1-Sieg gegen [[Mexikanische Fußballnationalmannschaft|Mexiko]] reichte nicht für den Einzug in die Finalrunde. Die Schweiz hatte 1948 die Deutschen beim Antrag auf Wiederaufnahme in die FIFA unterstützt, dieser war jedoch abgelehnt worden. Die drei darauf folgenden Städtespiele zwischen deutschen und Schweizer Vereinsmannschaften stiessen in ausländischen Medien, insbesondere in den Niederlanden, auf Kritik. Die Schweizer entgingen der von der FIFA ausgesprochenen Sperrandrohung nur, indem der SFV gegen die Organisatoren der Städtespiele Geldstrafen in Höhe von 500 Franken verhängte.<ref>Werner Skrentny: ''Nachkriegspremiere: Eine Bresche in die Mauer'' aus ''Die Geschichte der Fußball-Nationalmannschaft'' S. 130</ref> Im Juni wurden der [[Saarländischer Fußballverband|Saarländische Fußballverband]] des damals eigenständigen Saarlandes in die FIFA aufgenommen, im September auch wieder der [[Deutscher Fußball-Bund|DFB]]. Am 22. November 1950 war die Schweiz gleich bei zwei ersten deutschen Nachkriegsländerspielen zu Gast: in [[Stuttgart]] verlor die A-Mannschaft 0:1, und in Saarbrücken die B-Auswahl 3:5 gegen die [[Saarländische Fußballnationalmannschaft]], die bis 1956 bestand. Dem SFV-Präsidenten und FIFA-Vizepräsidenten [[Ernst Thommen]] gelang es, die [[Fußball-Weltmeisterschaft 1954|WM 1954]] in die Schweiz zu holen. Um die Nationalmannschaft darauf vorzubereiten, engagierte man im November 1952 ein weiteres Mal [[Karl Rappan]]. Am 25. April 1954 übertrug das [[Schweizer Fernsehen]] erstmals ein Länderspiel live, ein Vorbereitungsspiel gegen Deutschland. Im ersten WM-Spiel gegen Italien in [[Lausanne]] konnten die Schweizer einen 2:1-Sieg feiern, während das Spiel gegen England in [[Bern]] 0:2 verloren ging. Wegen Punktgleichheit mussten die Schweizer in [[Basel]] nochmals gegen Italien antreten; mit einem 4:1-Sieg sicherten sie sich die Viertelfinalteilnahme. Die Begegnung mit [[Österreichische Fußballnationalmannschaft|Österreich]] entwickelte sich zum torreichsten Spiel der WM-Geschichte. Die Schweizer verloren die «[[Hitzeschlacht von Lausanne]]» mit 5:7, nachdem sie eine 3:0-Führung preisgegeben hatten. Die Jahre nach der Heimweltmeisterschaft waren von Erfolglosigkeit geprägt. Nur noch selten gelangen Siege und mit Nationaltrainer [[Jacques Spagnoli]] verpasste man auch die Qualifikation für die [[Fußball-Weltmeisterschaft 1958|WM 1958]] in [[Schweden]]. Der SFV engagierte 1960 zum vierten und letzten Mal Karl Rappan. Die Nationalmannschaft erzwang nach drei Siegen und einer Niederlage in der Qualifikation zur [[Fußball-Weltmeisterschaft 1962|WM 1962]] ein Entscheidungsspiel gegen Vizeweltmeister [[Schwedische Fußballnationalmannschaft|Schweden]]. Dieses fand im November 1961 in [[Berlin]] statt und wurde mit 2:1 gewonnen; aufgrund des [[Berliner Mauer|Mauerbaus]] drei Monate zuvor hatte das Spiel im isolierten Westteil der Stadt eine besondere politische Bedeutung. An der WM-Endrunde schied die Schweiz nach drei Niederlagen gegen Gastgeber [[Chilenische Fußballnationalmannschaft|Chile]], Deutschland und Italien frühzeitig aus. Im Sommer 1964 erhielt die Nationalmannschaft einen prominenten Trainer, den Italiener [[Alfredo Foni]], der 1936 Olympiasieger und 1938 Weltmeister geworden war. Mit etwas Glück schafften die Schweizer die Qualifikation für die Endrunde der [[Fußball-Weltmeisterschaft 1966|WM 1966]] in England, dank eines 2:1-Sieges gegen die [[Niederländische Fußballnationalmannschaft|Niederlande]] und des unerwarteten Erfolgs der [[Albanische Fußballnationalmannschaft|Albaner]] über [[Nordirische Fußballnationalmannschaft|Nordirland]]. An der WM selbst stiessen die Schweizer an ihre spielerischen Grenzen und konnten den Teams aus Deutschland, [[Spanische Fußballnationalmannschaft|Spanien]] und [[Argentinische Fußballnationalmannschaft|Argentinien]] wenig entgegensetzen. Viel mehr Aufsehen als die Leistungen auf dem Fussballfeld erregte in den Medien allerdings eine nächtliche Autostopptour der Spieler [[Jakob Kuhn]], [[Leo Eichmann]] und [[Werner Leimgruber]], die daraufhin wegen ihres angeblich skandalösen Verhaltens vom Verband für mehrere Monate gesperrt wurden. Der Fall zog weitere Kreise und gipfelte in einer Ehrverletzungsklage der betroffenen Spieler gegen die Verbandsspitze. Die Klage wurde schliesslich über ein Jahr später nach einem Vergleich zurückgezogen. === «Ehrenvolle Niederlagen» (1967–1989) === Schon 1962 hatte Karl Rappan geschrieben: «Wenn wir unseren Spitzenfussball nicht umorganisieren – und zwar sofort – dann werden wir zwar hier und da mit Glück und gewissermassen als schweizerisches Fussball-Wunder das eine oder andere Länderspielchen gewinnen, aber à la longue werden wir international nicht mehr das Geringste zu bestellen haben.»<ref>«Sport», Ausgabe 12. Juli 1962</ref> Mit seiner Einschätzung lag er richtig. Dass die Nationalmannschaft und der Schweizer Fussball im Allgemeinen immer weiter hinter die Weltspitze zurückfielen, war auf mehrere Ursachen zurückzuführen. Der Schweizer Riegel galt als veraltet und wurde auch auf Vereinsebene nicht mehr angewendet. Entlang der Sprachgrenzen entwickelte sich stattdessen eine Art fussballerischer «[[Röstigraben]]». In der [[Deutschschweiz]] herrschte eine athletische und schnörkellose, auf Abwehr bedachte Spielweise vor, die viel Kraft und Disziplin verlangte. In der [[Romandie]] und (im geringeren Masse) im [[Kanton Tessin|Tessin]] hingegen favorisierten die Vereine einen technisch versierten Stil mit offensiver Ausrichtung und vielen Kurzpässen. Während eines Vierteljahrhunderts gelang es nicht, diese gegensätzlichen Spielkulturen miteinander zu verbinden. Zwischen 1967 und 1989 waren nicht weniger als zehn Nationaltrainer im Amt, die ihre vorgegebenen Ziele (WM- bzw. EM-Qualifikation) jeweils verfehlten. In den Augen vieler war der ideale Schweizer Sportler ein [[Amateur]] oder bestenfalls ein Halbprofi. Dem reinen Berufssport, verbunden mit Kommerzialisierung und hoher Medienpräsenz, begegnete man in der Regel mit grosser Skepsis. Dazu kam, dass sich die Politik damals praktisch nicht für den Sport im Allgemeinen und den Spitzensport im Besonderen einsetzte. Das Parlament hatte 1964 sogar beschlossen, zur Dämpfung der Hochkonjunktur die Errichtung von Sportanlagen kurzfristig zu verbieten. Im Fussball wurde der Profibetrieb erst ab Mitte der 1970er schrittweise eingeführt. Beim Fussballverband dauerte die Ära der Ehrenamtlichkeit und des Halbprofessionalismus noch länger. Im Juniorenbereich werden erst seit 1995 professionelle Trainer eingesetzt. In den 1970er-Jahren war «ehrenvolle Niederlage» ein sehr häufig verwendeter Begriff; die Nationalmannschaft verlor überproportional viele Spiele, meist aber mit nur einem Tor Unterschied. Unentschieden gegen stärkere Gegner wurden wie Siege gefeiert. Darüber hinaus besass die Nationalmannschaft bei vielen Spielern mit der Zeit einen immer geringeren Stellenwert. Erst unter [[Paul Wolfisberg]] deutete sich ein Aufschwung an. Den Schweizern gelangen in Testspielen einzelne spektakuläre Erfolge, so zum Beispiel 1982 ein 0:1-Auswärtssieg gegen den neuen Weltmeister Italien. Doch in den entscheidenden Qualifikationsspielen blieb der Erfolg weiterhin aus. Erst als Ende der 1980er-Jahre auch der mit vielen Vorschusslorbeeren bedachte [[Daniel Jeandupeux]] nicht die erhofften Ergebnisse erzielen konnte, leitete der SFV längst überfällige Reformen bei den Verbandsstrukturen und bei der Juniorenförderung ein. === Aufbruchstimmung und Zwischentief (1989–2001) === 1989 engagierte der Verband den Deutschen [[Uli Stielike]] als Trainer. Gleich bei seinem Einstand konnte er einen beachtlichen Erfolg erzielen, einen 1:0-Sieg über Brasilien. Zwar wurde die Qualifikation zur WM 1990 verpasst, allerdings benötigte der angestrebte Mentalitätswandel – weg von der bisher üblichen, in den Medien als «Abbruch GmbH» verspotteten Defensivtaktik hin zu mehr Offensive – noch Zeit. Nur ein Punkt fehlte für die Qualifikation zur EM 1992 (damals noch mit acht Mannschaften). Der Engländer [[Roy Hodgson]] führte ab 1992 Stielikes Aufbauarbeit fort. Die Qualifikation zur [[Fußball-Weltmeisterschaft 1994|WM 1994]] verlief erfolgreich, die Schweizer belegten hinter Italien den zweiten Gruppenplatz und in der [[FIFA-Weltrangliste]] belegten sie im August 1993 Platz 3<ref name="weltrangliste">[http://de.fifa.com/associations/association=sui/ranking/gender=m/index.html FIFA-Weltranglistenstatistik der Schweizer Fussballnationalmannschaft]</ref>. Erstmals seit 28 Jahren konnten sie wieder an einer WM-Endrunde teilnehmen. Das Eröffnungsspiel gegen die [[Fußballnationalmannschaft der Vereinigten Staaten|USA]] endete 1:1. Es folgte ein 4:1-Sieg gegen [[Rumänische Fußballnationalmannschaft|Rumänien]] und trotz einer 0:2-Niederlage gegen [[Kolumbianische Fußballnationalmannschaft|Kolumbien]] reichte es für die Teilnahme am Achtelfinale. Dieses ging dann aber mit 0:3 gegen [[Spanische Fußballnationalmannschaft|Spanien]] verloren. Die Schweiz beendete die Qualifikation für die [[Fußball-Europameisterschaft 1996|EM 1996]] als Gruppensieger. Für weltweite Schlagzeilen sorgte am 6. September 1995 eine Aktion vor dem Qualifikationsspiel gegen Schweden in [[Göteborg]]. Auf Anregung von [[Alain Sutter]] hielten die Spieler während des Abspielens der Nationalhymnen ein Transparent mit der Botschaft «Stop it Chirac» hoch. Damit protestierten sie gegen die vom französischen Staatspräsidenten [[Jacques Chirac]] angeordneten [[Kernwaffentest|Atomtests]] im [[Mururoa]]-Atoll. Daraufhin verbot die [[UEFA]] jegliche politische Kundgebungen auf Spielfeldern. Die Spieler wurden nicht bestraft, da die Aktion in der Bevölkerung und in den Medien auf breite Zustimmung gestossen war. Auf Hodgson, der seinen Vertrag vorzeitig beendete, folgte [[Artur Jorge]]. Von Anfang an stand der Portugiese unter Kritik. Nachdem er die beliebten Spieler [[Adrian Knup]] und Alain Sutter nicht für die EM 1996 nominiert und seinen Entscheid mangelhaft kommuniziert hatte, führte die Boulevardzeitung [[Blick (Zeitung)|Blick]] die längste und intensivste Negativkampagne gegen einen Nationaltrainer, die es in der Schweiz je gab („Jetzt spinnt er!“). Trotz wochenlanger [[Polemik]] startete die Mannschaft gut in die EM-Endrunde und erreichte ein 1:1 gegen Gastgeber England. Nach den Niederlagen gegen die Niederlande (0:2) und Schottland (0:1) schied sie jedoch frühzeitig aus und Jorge erklärte umgehend seinen Rücktritt. Die Auslosung der Qualifikationsgruppen für die WM 1998 hatte den Schweizern scheinbar einfache Gegner beschert. Doch das erste Spiel unter dem Österreicher [[Rolf Fringer]] geriet zur Blamage. Die sichtbar unmotiviert wirkenden Schweizer verloren am 31. August 1996 in [[Baku]] 0:1 gegen den klaren Aussenseiter [[Aserbaidschanische Fußballnationalmannschaft|Aserbaidschan]] und sorgten so für eine der peinlichsten Niederlagen überhaupt, vergleichbar mit dem [[Fußballländerspiel Färöer – Österreich 1990|Fussballländerspiel Färöer – Österreich 1990]]. Auf Fringer folgte 1998 der Elsässer [[Gilbert Gress]]. Die Schweizer verpassten die Qualifikation für die EM 2000 denkbar knapp. Sie hatten zwar gleich viele Punkte wie die zweitplatzierten [[Dänische Fußballnationalmannschaft|Dänen]] und auch das bessere Torverhältnis, aber die schlechtere Bilanz in den Direktbegegnungen. Im Jahr 2000 übernahm der Argentinier [[Enzo Trossero]] die Nationalmannschaft, doch auch er schaffte das angestrebte Ziel (Qualifikation für die WM 2002) nicht. Für das Zwischentief um die Jahrtausendwende gab es zwei Gründe: Viele Leistungsträger waren nach der EM 1996 aus Altersgründen zurückgetreten und das Mitte der 1990er-Jahre lancierte Nachwuchskonzept hatte noch nicht genügend Talente hervorgebracht. Dies sollte sich aber bald ändern. === Erfolge unter Jakob Kuhn (2001–2008) === Nach Trosseros Rücktritt fiel die Wahl auf [[Jakob Kuhn|Jakob «Köbi» Kuhn]]. Von 1962 bis 1976 war er selber Nationalspieler gewesen und hatte vor seinem Amtsantritt die U-21-Nationalmannschaft betreut. Wurde Kuhn nach den ersten Spielen von den Medien noch als Fehlbesetzung bezeichnet, so war nach rund einem Jahr wieder ein deutlicher Aufwärtstrend feststellbar. Kuhn gelang es, die früher von ihm selbst betreuten Jugendspieler in die Nationalmannschaft zu integrieren und einen Generationenwechsel herbeizuführen. Die Schweizer beendeten die Qualifikation für die [[Fußball-Europameisterschaft 2004|EM 2004]] als Gruppensieger und liessen dabei unter anderem [[Russische Fußballnationalmannschaft|Russland]] und [[Irische Fußballnationalmannschaft|Irland]] hinter sich. In [[Portugal]] konnten sie ihre Leistungen aber nicht bestätigen. Nach dem 0:0 gegen [[Kroatische Fußballnationalmannschaft|Kroatien]] folgten zwei Niederlagen gegen England (0:3) und Frankreich (1:3). Das einzige Tor schoss der damals 18-jährige [[Johan Vonlanthen]], der zum jüngsten Torschützen der EM-Geschichte wurde. [[Datei:Nati061115.jpg|thumb|upright=1.5|Startaufstellung beim Testspiel Schweiz – Brasilien am 15. November 2006]] Die Qualifikation für die [[Fußball-Weltmeisterschaft 2006|WM 2006]] beendeten die Schweizer hinter Frankreich als Gruppenzweite, womit ein Entscheidungsspiel gegen die [[Türkische Fußballnationalmannschaft|Türkei]], den WM-Dritten von 2002, nötig wurde. Auf den 2:0-Sieg im Hinspiel in Bern folgte eine 2:4-Niederlage in [[Istanbul]]. Aufgrund der Auswärtstor-Regel war die Schweiz jedoch qualifiziert. Nach dem Schlusspfiff kam es auf dem Spielfeld und in den Kabinengängen durch türkische Spieler und Sicherheitskräfte zu Angriffen auf Schweizer Spieler. Mehrere türkische Spieler sowie der Schweizer [[Benjamin Huggel]], der ebenfalls gewalttätig geworden war, erhielten Spielsperren, während die türkische Mannschaft drei ihrer Heimspiele der Qualifikation für die EM 2008 im Ausland und vor leeren Rängen austragen musste. Bei der WM-Endrunde in Deutschland wurden die Schweizer Gruppensieger vor dem späteren Vizeweltmeister [[Französische Fußballnationalmannschaft|Frankreich]] (0:0), [[Südkoreanische Fußballnationalmannschaft|Südkorea]] (2:0) und [[Togoische Fußballnationalmannschaft|Togo]] (2:0), schieden aber im Achtelfinale gegen die [[Ukrainische Fußballnationalmannschaft|Ukraine]] mit 0:3 im Elfmeterschiessen aus. Die Schweiz ist das einzige Team in der WM-Geschichte, das ohne einen einzigen Gegentreffer in der regulären Spielzeit ausschied. Gleichzeitig ist sie auch die einzige Mannschaft, die in einem Elfmeterschiessen kein Tor erzielen konnte. In der am 14. Januar 2007 veröffentlichten [[FIFA-Weltrangliste]] lag die Mannschaft auf dem 17. Platz<ref name="weltrangliste" />. Doch folgte anschliessend ein Rückfall in der Tabelle, da die Schweiz als Mitveranstalterin neben Österreich für die [[Fußball-Europameisterschaft 2008|EM 2008]] automatisch qualifiziert war und deshalb nur Freundschaftsspiele bestreiten konnte. An der Europameisterschaft 2008 traf die Schweiz in der Vorrunde auf [[Tschechische Fußballnationalmannschaft|Tschechien]], die [[Türkische Fußballnationalmannschaft|Türkei]] und [[Portugiesische Fußballnationalmannschaft|Portugal]]. Nachdem die beiden ersten Spiele gegen Tschechien und die Türkei mit knappen Niederlagen geendet hatten, schied die Schweizer Nationalmannschaft vorzeitig aus. Im dritten Gruppenspiel gelang den Schweizern gegen Portugal – das allerdings mit einer Reservemannschaft angetreten war, um sich für das Viertelfinale zu schonen – der erste Sieg an einer EM-Endrunde. Mit diesem Spiel verabschiedete sich Trainer [[Jakob Kuhn]] von der Nationalmannschaft; er ist der erfolgreichste Schweizer Nationaltrainer aller Zeiten. === Unter Ottmar Hitzfeld (seit 2008) === Für die Nachfolge Kuhns konnte der SFV [[Ottmar Hitzfeld]] gewinnen. Der Vertrag des Deutschen lief zunächst zwei Jahre bis nach der [[Fußball-Weltmeisterschaft 2010|WM 2010]] in Südafrika<ref name="sfv-OttmarHitzfeld">Schweizerischer Fussballverband: [http://www.football.ch/de/start.aspx?vNews=1&newsID=11 Ottmar Hitzfeld neuer Nati-Coach]</ref> und wurde im August 2009 um zwei Jahre verlängert.<ref>[http://www.focus.de/sport/fussball/fussball-hitzfeld-verlaengert-in-der-schweiz-bis-2012_aid_426332.html Hitzfeld verlängert bis 2012]</ref> Unter Hitzfeld hatte die Nationalmannschaft einen durchwachsenen Start in die [[Fußball-Weltmeisterschaft 2010/Qualifikation|WM-Qualifikation 2010]]: Einem 2:2-Unentschieden in Tel Aviv gegen [[Israelische Fußballnationalmannschaft|Israel]] folgte eine peinliche 1:2-Heimniederlage gegen [[Luxemburgische Fußballnationalmannschaft|Luxemburg]], was die Qualifikation in weite Ferne zu rücken schien. Seither hat sich die Mannschaft gesteigert und blieb achtmal in Folge unbesiegt (darunter zwei Siege gegen den Gruppenfavoriten Griechenland), womit sie sich als Gruppensieger direkt für die WM-Endrunde qualifizierte. == Spielkleidung == {| class="toccolours" style="background:#ffffff;" align="right" | {{Football kit|leftarm=FFFFFF|pattern_la=|pattern_b=_CH_classic2|pattern_ra=|body=FFFFFF|rightarm=FFFFFF|shorts=D81E05|socks=FFFFFF|title=<small>Klassisches Auswärtstrikot</small>}} |} {| class="toccolours" style="background:#ffffff;" align="right" | {{Football kit|leftarm=D81E05|pattern_la=|pattern_b=_CH_classic1|pattern_ra=|body=D81E05|rightarm=D81E05|shorts=FFFFFF|socks=D81E05|title=<small>Klassisches Heimtrikot</small>}} |} Seit dem ersten Länderspiel im Jahr 1905 ist die Spielkleidung der Schweizer Nationalspieler mehr oder weniger unverändert geblieben. Sie besteht bei Heimspielen aus rotem Trikot, weissen Hosen und roten Stutzen. Der rote Farbton entspricht in der Regel jenem der [[Fahne und Wappen der Schweiz|Flagge der Schweiz]]. Bei Auswärtsspielen ist die Farbzusammensetzung umgekehrt. Gelegentlich spielt die Mannschaft ganz in Rot oder Weiss. Während eines Dreivierteljahrhunderts war auf dem Trikot über der linken Brust ein markantes weisses [[Fahne und Wappen der Schweiz|Schweizerkreuz]] angebracht (beim Auswärtstrikot in einem kreisrunden roten Feld). Über die Jahre hinweg verringerte sich die Grösse des Kreuzes um etwa einen Drittel. Zu Beginn der 1980er-Jahre wurde das Kreuz durch das Logo des Fussballverbandes ersetzt. In diesem ist das Kreuz nur noch ansatzweise zu erkennen. Offizieller Teamausrüster ist [[Puma (Sportartikel)|Puma]]. Nur bei einem Freundschaftsspiel gegen Dänemark am 4. September 1999 spielte die Schweiz in blauen, am 11. Oktober 2006 gegen Österreich in goldfarbenen Trikots. == Turnierteilnahmen == Die Schweizer Nationalmannschaft konnte bisher noch keinen Titel erringen. Der bedeutendste Erfolg ist der Gewinn der Silbermedaille bei den [[Olympische Sommerspiele 1924|Olympischen Sommerspielen 1924]] in [[Paris]], als man erst im Finale gegen [[Uruguayische Fußballnationalmannschaft|Uruguay]] verlor. Das beste Ergebnis an Weltmeisterschaften ist das dreimalige Erreichen des Viertelfinals (1934, 1938, 1954). Bei den drei Teilnahmen an Europameisterschafts-Endrunden (1996, 2004, 2008) schied die Schweiz bereits nach den Gruppenspielen aus. In jüngster Zeit machten vor allem die Junioren mit hervorragenden Leistungen auf sich aufmerksam. Die U-17-Nationalmannschaft wurde 2002 [[U-17-Fußball-Europameisterschaft 2002|Europameister]] und 2009 [[U-17-Fußball-Weltmeisterschaft 2009|Weltmeister]]. Darüber hinaus schafften die Schweizer an der [[U-21-Fußball-Europameisterschaft 2002|U-21-EM 2002]], der [[U-19-Fußball-Europameisterschaft 2004|U-19-EM 2004]] und der [[U-17-Fußball-Europameisterschaft 2009|U-17-EM 2009]] jeweils die Qualifikation für das Halbfinale. Ausserdem qualifizierte sich die Schweizer U-20 für die [[U-20-Fußball-Weltmeisterschaft 2005|Junioren-WM]] (2005). {| class="wikitable" |+ Teilnahme an [[Fußball-Weltmeisterschaft|Weltmeisterschaften]] |- ! width="50" | Jahr ! width="150" | Gastgeber ! width="200" | Ergebnis ! width="50" | S ! width="50" | U ! width="50" | N ! width="100" | Tore ! width="100" | Artikel |- align="center" ! [[Fußball-Weltmeisterschaft 1934|1934]] | [[Italien]] || Viertelfinale || 1 || 0 || 1 || 5:5 || [[Fußball-Weltmeisterschaft 1934/Schweiz|Artikel]] |- align="center" bgcolor="#EEE9E9" ! [[Fußball-Weltmeisterschaft 1938|1938]] | [[Frankreich]] || Viertelfinale || 1 || 1 || 1 || 5:5 || [[Fußball-Weltmeisterschaft 1938/Schweiz|Artikel]] |- align="center" ! [[Fußball-Weltmeisterschaft 1950|1950]] | [[Brasilien]] || Vorrunde || 1 || 1 || 1 || 4:6 || [[Fußball-Weltmeisterschaft 1950/Schweiz|Artikel]] |- align="center" bgcolor="#EEE9E9" ! [[Fußball-Weltmeisterschaft 1954|1954]] | [[Schweiz]] || Viertelfinale || 2 || 0 || 2 || 11:11 || [[Fußball-Weltmeisterschaft 1954/Schweiz|Artikel]] |- align="center" ! [[Fußball-Weltmeisterschaft 1962|1962]] | [[Chile]] || Vorrunde || 0 || 0 || 3 || 2:8 || [[Fußball-Weltmeisterschaft 1962/Schweiz|Artikel]] |- align="center" bgcolor="#EEE9E9" ! [[Fußball-Weltmeisterschaft 1966|1966]] | [[England]] || Vorrunde || 0 || 0 || 3 || 1:9 || [[Fußball-Weltmeisterschaft 1966/Schweiz|Artikel]] |- align="center" ! [[Fußball-Weltmeisterschaft 1994|1994]] | [[Vereinigte Staaten|USA]] || Achtelfinale || 1 || 1 || 2 || 5:7 || [[Fußball-Weltmeisterschaft 1994/Schweiz|Artikel]] |- align="center" bgcolor="#EEE9E9" ! [[Fußball-Weltmeisterschaft 2006|2006]] | [[Deutschland]] || Achtelfinale || 2 || 1 || 1 || 4:0 || [[Fußball-Weltmeisterschaft 2006/Schweiz|Artikel]] |- align="center" ! [[Fußball-Weltmeisterschaft 2010|2010]] | [[Südafrika]] || - || - || - || - || - || [[Fußball-Weltmeisterschaft 2010/Schweiz|Artikel]] |} {| class="wikitable" |+ Teilnahme an [[Fußball-Europameisterschaft|Europameisterschaften]] |- ! width="50" | Jahr ! width="150" | Gastgeber ! width="200" | Ergebnis ! width="50" | S ! width="50" | U ! width="50" | N ! width="100" | Tore ! width="100" | Artikel |- align="center" ! [[Fußball-Europameisterschaft 1996|1996]] | [[England]] || Vorrunde || 0 || 1 || 2 || 1:4 || [[Fußball-Europameisterschaft 1996/Schweiz|Artikel]] |- align="center" bgcolor="#EEE9E9" ! [[Fußball-Europameisterschaft 2004|2004]] | [[Portugal]] || Vorrunde || 0 || 1 || 2 || 1:6 || [[Fußball-Europameisterschaft 2004/Schweiz|Artikel]] |- align="center" ! [[Fußball-Europameisterschaft 2008|2008]] | [[Schweiz]] und [[Österreich]] || Vorrunde || 1 || 0 || 2 || 3:3 || [[Fußball-Europameisterschaft 2008/Schweiz|Artikel]] |} {| class="wikitable" |+ Teilnahme an [[Europapokal der Fußball-Nationalmannschaften|Fussball-Europapokalen]] |- ! width="100" | Jahr ! width="250" | Ergebnis ! width="50" | S ! width="50" | U ! width="50" | N ! width="100" | Tore ! width="150" | Artikel |- align="center" ! [[Europapokal der Fußball-Nationalmannschaften 1927 bis 1930|1927–1930]] | Platz 5 || 0 || 0 || 8 || 11:28 || – |- align="center" bgcolor="#EEE9E9" ! [[Europapokal der Fußball-Nationalmannschaften 1931 bis 1932|1931–1932]] | Platz 5 || 2 || 1 || 5 || 16:30 || – |- align="center" ! [[Europapokal der Fußball-Nationalmannschaften 1933 bis 1935|1933–1935]] | Platz 5 || 1 || 1 || 6 || 13:24 || – |- align="center" bgcolor="#EEE9E9" ! [[Europapokal der Fußball-Nationalmannschaften 1936 bis 1938|1936–1938]] | * || 1 || 1 || 6 || 16:25 || – |- align="center" ! [[Europapokal der Fußball-Nationalmannschaften 1948 bis 1953|1948–1953]] | Platz 5 || 0 || 3 || 5 || 12:25 || – |- align="center" bgcolor="#EEE9E9" ! [[Europapokal der Fußball-Nationalmannschaften 1955 bis 1960|1955–1960]] | Platz 6 || 0 || 2 || 8 || 10:37 || – |} <nowiki>*</nowiki> aufgrund des Anschlusses Österreichs an das Deutsche Reich wurde der Wettbewerb vorzeitig abgebrochen {| class="wikitable" |+ Teilnahme an [[Olympische Spiele|Olympischen Spielen]] |- ! width="100" | Jahr ! width="100" | Ort ! width="250" | Ergebnis ! width="50" | S ! width="50" | U ! width="50" | N ! width="100" | Tore ! width="150" | Artikel |- align="center" ! [[Olympische Sommerspiele 1924|1924]] | [[Paris]] || Platz 2 (Silbermedaille) || 4 || 1 || 1 || 16:6 || [[Olympische Sommerspiele 1924/Fußball|Artikel]] |- align="center" bgcolor="#EEE9E9" ! [[Olympische Sommerspiele 1928|1928]] | [[Amsterdam]] || Vorrunde || 0 || 0 || 1 || 0:4 || [[Olympische Sommerspiele 1928/Fußball|Artikel]] |} == Spieler und Trainer == === Rekordhalter === Bei der Ermittlung des Rekordnationalspielers und des Rekordtorschützen ist zu berücksichtigen, dass in den Anfangsjahren des Fussballs jährlich weitaus weniger Länderspiele absolviert wurden als heutzutage. Rudolf Ramseier war der Erste, der die Grenze von 50 Länderspielen überschritt; zwischen 1920 und 1931 kam er 59 Mal zum Einsatz. Wenig später wurde er von Max «Xam» Abegglen übertroffen (68 Spiele zwischen 1922 und 1937). Der von Severino Minelli aufgestellte Rekord (80 Spiele zwischen 1930 und 1943) galt lange Zeit als unerreichbar und wurde erst vier Jahrzehnte später von Heinz Hermann gebrochen (117 Spiele). Von den aktuellen Spielern ist Patrick Müller mit 80 Einsätzen am nächsten und liegt auf dem siebten Platz. Die Abegglen-Brüder waren die besten Torschützen der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Max Abegglen erzielte 32 Tore in 68 Spielen, André Abegglen 30 Tore in 52 Spielen. Auch bei diesem Rekord dauerte es mehrere Jahrzehnte, bis er gebrochen wurde. Kubilay Türkyılmaz traf in 60 Spielen 34 Mal und war damit ab 2001 der Rekordhalter. Alexander Frei übertraf diese Marke am 30. Mai 2008 und ist mit bisher 40 Toren der beste Torschütze in der Geschichte der Nationalmannschaft. Anlässlich des WM-Qualifikationsspieles gegen [[Luxemburgische Fußballnationalmannschaft|Luxemburg]] am 10. Oktober 2009 erzielte [[Benjamin Huggel]] das 1000. Tor der Schweizer Fussballnationalmannschaft.<ref>[http://www.20min.ch/wm2010/news/story/Wie-war-das-mit-dem-1000--Tor--10528789 Wie war das mit dem 1000. Tor?], 20 Minuten, 12. Oktober 2009</ref> {| class="wikitable" width="49%" |- ! colspan="4" bgcolor="#EEE9E9" | Rekordspieler |- bgcolor="#EEE9E9" ! Spiele || align="left" | Spieler || Zeitraum || Tore |- bgcolor="#F9F9F9" | align="center" | 117 || [[Heinz Hermann]] || 1978–1991 || align="center" | 15 |- bgcolor="#F9F9F9" | align="center" | 112 || [[Alain Geiger]] || 1980–1996 || align="center" | 2 |- bgcolor="#F9F9F9" | align="center" | 103 || [[Stéphane Chapuisat]] || 1989–2004 || align="center" | 21 |- bgcolor="#F9F9F9" | align="center" | 94 || [[Johann Vogel]] || 1995–2007 || align="center" | 2 |- bgcolor="#F9F9F9" | align="center" | 81 || [[Patrick Müller]] || seit 1998 || align="center" | 3 |- bgcolor="#F9F9F9" | align="center" | 80 || [[Severino Minelli]] || 1930–1943 || align="center" | 0 |- bgcolor="#F9F9F9" | align="center" | 80 || [[Hakan Yakin]] || seit 2000 || align="center" | 20 |- bgcolor="#F9F9F9" | align="center" | 79 || [[Ciriaco Sforza]] || 1991–2001 || align="center" | 6 |- bgcolor="#F9F9F9" | align="center" | 77 || [[Andy Egli]] || 1979–1994 ||align="center" | 8 |- bgcolor="#F9F9F9" | align="center" | 75 || [[Raphael Wicky]] || 1996–2007 || align="center" | 1 |} {| class="wikitable" width="49%" |- ! colspan="4" bgcolor="#EEE9E9" | Rekordschützen |- bgcolor="#EEE9E9" ! Tore || align="left" | Spieler || Zeitraum || Spiele |- bgcolor="#F9F9F9" | align="center" | 40 || [[Alexander Frei]] || seit 2001 || align="center" | 73 |- bgcolor="#F9F9F9" | align="center" | 34 || [[Kubilay Türkyılmaz|Kubilay «Kubi» Türkyılmaz]] || 1988–2001 || align="center" | 62 |- bgcolor="#F9F9F9" | align="center" | 32 || [[Max Abegglen|Max «Xam» Abegglen]] || 1922–1937 || align="center" | 68 |- bgcolor="#F9F9F9" | align="center" | 30 || [[André Abegglen|André «Trello» Abegglen]] || 1927–1943 || align="center" | 52 |- bgcolor="#F9F9F9" | align="center" | 29 || [[Jacques Fatton]] || 1946–1955 || align="center" | 53 |- bgcolor="#F9F9F9" | align="center" | 26 || [[Adrian Knup]] || 1989–1996 || align="center" | 48 |- bgcolor="#F9F9F9" | align="center" | 23 || [[Josef Hügi|Josef «Seppe» Hügi]] || 1951–1961 || align="center" | 34 |- bgcolor="#F9F9F9" | align="center" | 22 || [[Charles Antenen|Charles «Kiki» Antenen]] || 1948–1962 || align="center" | 56 |- bgcolor="#F9F9F9" | align="center" | 21 || [[Lauro Amadò|Lauro «Lajo» Amadò]] || 1935–1948 || align="center" | 54 |- bgcolor="#F9F9F9" | || [[Stéphane Chapuisat]] || 1989–2004 || align="center" | 103 |} <small>Stand: 14. November 2009</small> Anmerkung: Eine vollständige Liste der Rekordnationalspieler mit 40 oder mehr Länderspielen sowie der Rekordnationalschützen mit 10 oder mehr Länderspieltoren ist [[Liste der Schweizer Fussballnationalspieler#Spieler mit den meisten Einsätzen|hier]] bzw. [[Liste der Schweizer Fussballnationalspieler#Die erfolgreichsten Torschützen|hier]] zu finden. === Aktuelle Nationalspieler === Der folgende Kader ist das Aufgebot während der Qualifikation zur Weltmeisterschaft 2010. <small>Stand: 14. November 2009</small> {| class="wikitable" width="99%" |- bgcolor="#BEBEBE" ! align="left" | Name || align="left" | Geburtstag || align="left" | Spiele || align="left" | Tore || align="center" | Verein || align="left" | Debüt |- ! colspan="6" bgcolor="#FFDEAD" align="left" | Tor |- bgcolor="#FFECCE" | [[Diego Benaglio]] || 8. September 1983 || 25 || 0 || [[VfL Wolfsburg]] || 2006 |- bgcolor="#FFECCE" | [[Johnny Leoni]] || 30. Juni 1984 || 0 || 0 || [[FC Zürich]] || — |- bgcolor="#FFECCE" | [[Marco Wölfli]] || 22. August 1982 || 3 || 0 || [[BSC Young Boys]] || 2008 |- ! colspan="6" bgcolor="#BBF0C9" align="left" | Abwehr |- bgcolor="#E7FAEC" | [[Heinz Barmettler]] || 21. Juli 1987 || 1 || 0 || [[FC Zürich]] || 2009 |- bgcolor="#E7FAEC" | [[Philipp Degen]] || 15. Februar 1983 || 32 || 1 || [[FC Liverpool]] || 2005 |- bgcolor="#E7FAEC" | [[Johan Djourou]] || 18. Januar 1987 || 24 || 1 || [[FC Arsenal]] || 2006 |- bgcolor="#E7FAEC" | [[Mario Eggimann]] || 24. Januar 1981 || 8 || 0 || [[Hannover 96]] || 2007 |- bgcolor="#E7FAEC" | [[Stéphane Grichting]] || 30. März 1979 || 32 || 1 || [[AJ Auxerre]] || 2004 |- bgcolor="#E7FAEC" | [[Stephan Lichtsteiner]] || 16. Januar 1984 || 25 || 0 || [[Lazio Rom]] || 2006 |- bgcolor="#E7FAEC" | [[Ludovic Magnin]] || 20. April 1979 || 61 || 3 || [[FC Zürich]] || 2000 |- bgcolor="#E7FAEC" | [[Patrick Müller]] || 17. Dezember 1976 || 81 || 3 || [[AS Monaco]] || 1998 |- bgcolor="#E7FAEC" | [[Alain Nef]] || 6. Februar 1982 || 3 || 1 || [[US Triestina]] || 2008 |- bgcolor="#E7FAEC" | [[Philippe Senderos]] || 14. Februar 1985 || 38 || 5 || [[FC Everton]] || 2005 |- bgcolor="#E7FAEC" | [[Christoph Spycher]] || 30. März 1978 || 46 || 0 || [[Eintracht Frankfurt]] || 2002 |- bgcolor="#E7FAEC" | [[Steve von Bergen]] || 10. Juni 1983 || 9 || 0 || [[Hertha BSC]] || 2006 |- bgcolor="#E7FAEC" | [[Reto Ziegler]] || 16. Januar 1986 || 9 || 1 || [[Sampdoria Genua]] || 2005 |- ! colspan="6" bgcolor="#B0D3FB" align="left" | Mittelfeld |- bgcolor="#DFEDFD" | [[Almen Abdi]] || 21. Oktober 1986 || 6 || 0 || [[Le Mans UC|Le Mans Union Club 72]] || 2008 |- bgcolor="#DFEDFD" | [[Tranquillo Barnetta]] || 22. Mai 1985 || 49 || 6 || [[Bayer 04 Leverkusen]] || 2004 |- bgcolor="#DFEDFD" | [[Valon Behrami]] || 19. April 1985 || 25 || 2 || [[West Ham United]] || 2005 |- bgcolor="#DFEDFD" | [[Sandro Burki]] || 16. September 1985 || 1 || 0 || [[FC Aarau]] || 2008 |- bgcolor="#DFEDFD" | [[David Degen]] || 15. Februar 1983 || 10 || 1 || [[BSC Young Boys]] || 2006 |- bgcolor="#DFEDFD" | [[Blerim Džemaili]] || 12. April 1986 || 10 || 0 || [[FC Parma]] || 2006 |- bgcolor="#DFEDFD" | [[Gelson Fernandes]] || 2. September 1986 || 21 || 1 || [[AS Saint-Étienne]] || 2007 |- bgcolor="#DFEDFD" | [[Benjamin Huggel]] || 7. Juli 1977 || 36 || 2 || [[FC Basel]] || 2003 |- bgcolor="#DFEDFD" | [[Fabian Lustenberger]] || 2. Mai 1988 || 0 || 0 || [[Hertha BSC]] || — |- bgcolor="#DFEDFD" | [[Gökhan Inler]] || 27. Juni 1984 || 33 || 1 || [[Udinese Calcio]] || 2006 |- bgcolor="#DFEDFD" | [[Marco Padalino]] || 8. Dezember 1983 || 7 || 1 || [[Sampdoria Genua]] || 2009 |- bgcolor="#DFEDFD" | [[Pirmin Schwegler]] || 9. März 1987 || 2 || 0 || [[Eintracht Frankfurt]] || 2009 |- bgcolor="#DFEDFD" | [[Valentin Stocker]] || 12. April 1989 || 3 || 1 || [[FC Basel]] || 2008 |- bgcolor="#DFEDFD" | [[Johan Vonlanthen]] || 1. Februar 1986 || 40 || 7 || [[FC Zürich]] || 2004 |- bgcolor="#DFEDFD" | [[Hakan Yakin]] || 22. Februar 1977 || 80 || 20 || [[FC Luzern]] || 2000 |- ! colspan="9" bgcolor="#FFACB3" align="left" | Sturm |- bgcolor="#FFD2D6" | [[Albert Bunjaku]] || 29. November 1983 || 1 || 0 || [[1. FC Nürnberg]] || 2009 |- bgcolor="#FFD2D6" | [[Eren Derdiyok]] || 12. Juni 1988 || 18 || 2 || [[Bayer 04 Leverkusen]] || 2008 |- bgcolor="#FFD2D6" | [[Alexander Frei]] || 15. Juli 1979 || 73 || 40 || [[FC Basel]] || 2001 |- bgcolor="#FFD2D6" | [[Mauro Lustrinelli]] || 26. Februar 1976 || 12 || 0 || [[AC Bellinzona]] || 2005 |- bgcolor="#FFD2D6" | [[Blaise Nkufo]] || 25. Mai 1975 || 29 || 7 || [[FC Twente Enschede]] || 2000 |- bgcolor="#FFD2D6" | [[Alberto Regazzoni]] || 4. Mai 1983 || 3 || 0 || [[BSC Young Boys]] || 2006 |- bgcolor="#FFD2D6" | [[Marco Streller]] || 18. Juni 1981 || 31 || 11 || [[FC Basel]] || 2003 |} === Liste der Nationalspieler === [[Datei:Hitzfeld BMK.jpg|thumb|upright|Ottmar Hitzfeld]] Eine vollständige Aufstellung sämtlicher Nationalspieler seit 1905 sowie von Schweizern, die für andere Nationalmannschaften spielten, ist unter [[Liste der Schweizer Fussballnationalspieler]] zu finden. === Trainer === Der Nationaltrainer wird vom Zentralvorstand des SFV bestimmt. Er betreut mit seinen Assistenten die Nationalmannschaft und kann selbständig über Nominationen von Spielern entscheiden. Aktueller Nationaltrainer ist seit dem 1. Juli 2008 [[Ottmar Hitzfeld]]. Er wird vorerst während zwei Jahren tätig sein, bis Ende der [[Fußball-Weltmeisterschaft 2010|Weltmeisterschaft 2010]] in [[Südafrika]].<ref name="sfv-OttmarHitzfeld"/> Seine Assistenten sind [[Michel Pont]] (seit 2001) und [[Pierluigi Tami]] (seit 2006). Einen Überblick über alle Trainer der Nationalmannschaft gibt es unter [[Fussballnationaltrainer (Schweiz)]]. == Länderspielbilanz == ''Hauptartikel: [[Liste der Länderspiele der Schweizer Fussballnationalmannschaft]] Die nachfolgende Tabelle zeigt jene Nationalmannschaften, gegen die die Schweiz mindestens zehn Mal angetreten ist. Insgesamt hat die Schweizer Nationalmannschaft 700 Länderspiele bestritten und dabei gegen 74 verschiedene Mannschaften gespielt. Sie gewann 226 Spiele, erreichte 151 Mal ein Unentschieden und verlor 323 Mal. <small>Stand: 3. März 2010</small> {| | {| class="wikitable" |- style="background:#efefef" ! Land ! Spiele ! S ! U ! N ! Tore |- | [[Italienische Fußballnationalmannschaft|Italien]] || align="center" | 57 || 8 || 21 || 28 || 66:106 |- | [[Deutsche Fußballnationalmannschaft|Deutschland]] || align="center" | 50 || 8 || 6 || 36 || 60:135 |- | [[Ungarische Fußballnationalmannschaft|Ungarn]] || align="center" | 44 || 9 || 5 || 30 || 58:127 |- | [[Österreichische Fußballnationalmannschaft|Österreich]] || align="center" | 40 || 10 || 5 || 25 || 57:104 |- | [[Französische Fußballnationalmannschaft|Frankreich]] || align="center" | 36 || 12 || 9 || 15 || 58:62 |- | [[Niederländische Fußballnationalmannschaft|Niederlande]] || align="center" | 32 || 15 || 2 || 15 || 61:68 |- | [[Schwedische Fußballnationalmannschaft|Schweden]] || align="center" | 28 || 11 || 7 || 10 || 42:46 |- | [[Tschechoslowakische Fußballnationalmannschaft|Tschechoslowakei]] || align="center" | 27 || 7 || 6 || 14 || 38:58 |- | [[Belgische Fußballnationalmannschaft|Belgien]] || align="center" | 26 || 8 || 6 || 12 || 37:49 |- | [[Englische Fußballnationalmannschaft|England]] || align="center" | 24 || 3 || 4 || 17 || 19:70 |- | [[Portugiesische Fußballnationalmannschaft|Portugal]] || align="center" | 20 || 9 || 5 || 6 || 30:25 |} | {| class="wikitable" |- style="background:#efefef" ! Land ! Spiele ! S ! U ! N ! Tore |- | [[Spanische Fußballnationalmannschaft|Spanien]] || align="center" | 18 || 0 || 3 || 15 || 15:45 |- | [[Norwegische Fußballnationalmannschaft|Norwegen]] || align="center" | 17 || 5 || 4 || 8 || 17:25 |- | [[Schottische Fußballnationalmannschaft|Schottland]] || align="center" | 16 || 5 || 3 || 8 || 24:26 |- | [[Irische Fußballnationalmannschaft|Irland]] || align="center" | 15 || 5 || 3 || 7 || 10:17 |- | [[Türkische Fußballnationalmannschaft|Türkei]] || align="center" | 15 || 4 || 3 || 8 || 20:21 |- | [[Jugoslawische Fußballnationalmannschaft|Jugoslawien]] || align="center" | 13 || 2 || 5 || 6 || 16:29 |- | [[Russische Fußballnationalmannschaft|Russland]] (inkl. UdSSR) || align="center" | 12 || 0 || 4 || 8 || 11:29 |- | [[Griechische Fußballnationalmannschaft|Griechenland]] || align="center" | 12 || 7 || 3 || 2 || 17:11 |- | [[Rumänische Fußballnationalmannschaft|Rumänien]] || align="center" | 11 || 4 || 3 || 4 || 19:14 |- | [[Luxemburgische Fußballnationalmannschaft|Luxemburg]] || align="center" | 11 || 9 || 1 || 1 || 29:9 |- | [[Dänische Fußballnationalmannschaft|Dänemark]] || align="center" | 10 || 2 || 5 || 3 || 11:13 |} |} == Spielstätten == Die Schweiz besitzt nur dem Namen nach ein Nationalstadion, das [[Stade de Suisse]] (ehemals Wankdorfstadion) in [[Bern]]. Dieses wird aber momentan aufgrund des Kunstrasen-Belags von der Nati nicht berücksichtigt. Seit Beginn des 21. Jahrhunderts spielte die Nationalmannschaft vorwiegend im [[St. Jakob-Park]] in [[Basel]], was unter anderem darauf zurückzuführen ist, dass dieses Stadion mit Abstand am meisten Plätze aufweist. Entsprechend dem föderalistischen Aufbau des Landes kommen auch im fussballerischen Bereich die grösseren geographischen Regionen ansonsten gleichmässig zum Zuge. Die weiteren Hauptspielstätten sind der [[Letzigrund]] in [[Zürich]] und das [[Stade de Genève]] in [[Lancy]] bei [[Genf]]. Basel, Bern, Genf und Zürich, die vier grössten Städte des Landes, etablierten sich bereits in den ersten Jahren als Hauptspielorte. Eine weitere Hauptspielstätte, das [[Stade Olympique de la Pontaise]] in [[Lausanne]], kam 1923 hinzu, ist aber 1999 zum bisher letzten Mal genutzt worden. Das Stade de Genève ersetzte 2003 die traditionelle Spielstätte in der Stadt Genf, das [[Stade des Charmilles]]. Bei Freundschaftsspielen, bei denen ein weniger grosses Zuschauerinteresse zu erwarten ist, kommen auch Stadien in kleineren Städten zum Zuge. Die 337 Heimspiele der Nationalmannschaft fanden in folgenden Stadien statt: [[Datei:StJakobParkB.JPG|thumb|St. Jakob-Park Basel]] [[Datei:Stadedesuisse.jpg|thumb|Stade de Suisse]] [[Datei:Stade de Geneve wide.JPG|thumb|Stade de Genève]] {| class="wikitable sortable" |- style="background:#efefef" ! Stadt ! Stadion ! Spiele ! Zeitraum |- | [[Bern]] || [[Stade de Suisse#Das alte Wankdorf|Wankdorfstadion]] || align="center" | 72 || 1911–1998 |- | [[Zürich]] || [[Hardturm (Stadion)|Hardturm-Stadion]] || align="center" | 60 || 1911–2006 |- | [[Basel]] || [[St. Jakob-Park|St.-Jakob-Stadion]] || align="center" | 55 || 1911–1998 |- | [[Lausanne]] || [[Stade Olympique de la Pontaise]] || align="center" | 36 || 1923–1999 |- | [[Genf]] || [[Stade des Charmilles]] || align="center" | 33 || 1908–2001 |- | [[Basel]] || [[St. Jakob-Park]] || align="center" | 23 || {{SortKey|2001}}seit 2001 |- | [[St. Gallen]] || [[Espenmoos]] || align="center" | 12 || 1912–2002 |- | [[Lancy]] || [[Stade de Genève]] || align="center" | 11 || {{SortKey|2003}}seit 2003 |- | [[Luzern]] || [[Stadion Allmend]] || align="center" | 10 || 1971–1997 |- | [[Lugano]] || [[Stadio Cornaredo]] || align="center" | 6 || {{SortKey|1951}}seit 1951 |- | [[Neuchâtel (Stadt)|Neuchâtel]] || [[Stade de la Maladière]] || align="center" | 4 || 1983–1989 |- | [[St. Gallen]] || [[AFG Arena]] || align="center" | 4 || {{SortKey|2008}}seit 2008 |- | [[Zürich]] || [[Letzigrund]] (neu) || align="center" | 3 || {{SortKey|2007}}seit 2007 |- | [[Bern]] || [[Stade de Suisse]] || align="center" | 2 || {{SortKey|2005}}seit 2005 |- | [[Sion]] || [[Stade de Tourbillon]] || align="center" | 2 || 1985–1994 |- | [[Aarau]] || [[Stadion Brügglifeld]] || align="center" | 1 || 1987 |- | [[Basel]] || [[Landhof]] || align="center" | 1 || 1908 |- | [[Bellinzona]] || [[Stadio Comunale (Bellinzona)|Stadio Comunale]] || align="center" | 1 || 1987 |- | [[La Chaux-de-Fonds]] || [[Stade de la Charrière]] || align="center" | 1 || 1911 |- | [[Zürich]] || [[Letzigrund]] (alt) || align="center" | 1 || 1999 |} <small>Stand: 14. November 2009</small> == Andere Auswahlmannschaften == === Junioren-Auswahlen === * [[Schweizer Fussballnationalmannschaft (U-21-Männer)|U 21]]: Halbfinalist EM 2002 * [[Schweizer Fussballnationalmannschaft (U-20-Junioren)|U 20]]: Qualifikation WM 2005 * [[Schweizer Fussballnationalmannschaft (U-19-Junioren)|U 19]]: Halbfinalist EM 2004 * [[Schweizer Fussballnationalmannschaft (U-18-Junioren)|U 18]] * [[Schweizer Fussballnationalmannschaft (U-17-Junioren)|U 17]]: Europameister 2002, Halbfinalist EM 2009, Weltmeister 2009 * [[Schweizer Fussballnationalmannschaft (U-16-Junioren)|U 16]] * [[Schweizer Fussballnationalmannschaft (U-15-Junioren)|U 15]] === Frauen === * [[Schweizer Fussballnationalmannschaft der Frauen|Frauen (A-Team)]] * [[Schweizer Fussballnationalmannschaft (Frauen U-19-Junioren)|Frauen U 19]] * [[Schweizer Fussballnationalmannschaft (Frauen U-17-Junioren)|Frauen U 17]] === Amateur-Nationalmannschaft === 1958 beschloss die Delegiertenversammlung des SFV auf Anregung des Präsidenten Gustav Wiederkehr, eine Nationalmannschaft für [[Amateur]]e aufzustellen. Dieser Schritt entsprach dem damaligen Zeitgeist, der den professionellen Sport ablehnte. Die Mannschaft bestand fast ausschliesslich aus Spielern aus der [[1. Liga (Schweiz)|1. Liga]], der dritthöchsten Spielklasse. Das erste Spiel wurde am 3. November 1959 in [[Enschede]] gegen die Niederlande ausgetragen (1:1). Die Versuche, sich für die olympischen Turniere der Jahre 1960, 1964, 1968 und 1972 zu qualifizieren, scheiterten allesamt. Nach dem Qualifikationsspiel am 5. November 1971 in [[Kopenhagen]] gegen Dänemark (0:4) beschloss der SFV die Auflösung der Mannschaft. Mehrere Gründe waren dafür entscheidend: Erstens blieb das Interesse der Zuschauer stets sehr bescheiden, zweitens erwies sich die Konkurrenz der [[Staatsamateur]]e der [[Ostblock]]staaten als viel zu stark und drittens entschieden sich die Leistungsträger jeweils nach kurzer Zeit für den Halbprofessionalismus, so dass die Mannschaft nie ein aufeinander abgestimmtes Team bilden konnte. === Landesauswahl der Arbeiterfussballer === Neben der offiziellen Nationalmannschaft des SFV trug über ein halbes Jahrhundert lang eine weitere Auswahl sporadisch Landerspiele aus. Dabei handelte es sich um die Verbandsauswahl des sozialdemokratischen Schweizerischen Arbeiter-Turn- und Sportverbandes ([[SATUS]]), der in der Schweiz den [[Arbeitersport in der Schweiz|Arbeitersport]] organisierte und sich bewusst vom «bürgerlichen» Sport abgrenzte. Die Auswahl des 1917 gegründeten Verbandes gab ihr Debut 1922 gegen Frankreich, das Spiel in [[Genf]] endete mit einer 1:3-Niederlage. Bei der ersten [[Arbeiterolympiade]] 1925 in [[Frankfurt am Main]] gewannen die SATUS-Vertreter gegen Frankreich, verloren aber gegen Belgien und [[Arbeitersport in Deutschland#Fußball|Deutschland]] und schieden in der Vorrunde aus. Bei der zweiten Arbeiterolympiade 1931 in [[Wien]] siegten die Schweizer gegen Lettland, doch die Niederlage gegen den späteren Turniersieger Österreich bedeutete das vorzeitige Ausscheiden. Die dritte und letzte Arbeiterolympiade fand 1937 in [[Antwerpen]] statt. Die Schweizer schlugen Finnland und schieden im Halbfinale gegen Norwegen aus. Nach dem offiziellen Bekenntnis des SATUS zur Sozialdemokratie wurden 1929 die kommunistischen Vereine ausgeschlossen, die daraufhin die «Kampfgemeinschaft für rote Sporteinheit» gründeten. Diese führte 1930 eine Tour durch die [[Sowjetunion]] durch, nahm 1931 an einer verbotenen [[Kinder- und Jugendspartakiade|Spartakiade]] in [[Berlin]] und 1934 an einer «Arbeiterfussball-Weltmeisterschaft» in [[Paris]] teil. 1936 schlossen sich die kommunistischen Sportler wieder dem SATUS an. Nach dem Zweiten Weltkrieg beteiligte sich die SATUS-Auswahl nur noch sporadisch an internationalen Anlässen, so zum Beispiel 1948 und 1958 an den Jubiläumsturnieren des französischen sowie 1960 und 1970 an jenen des belgischen Arbeitersportverbandes. Nach einem Turnier in Italien wurde 1979 der internationale Spielbetrieb mangels Interesse der Sportler eingestellt. === Fussballauswahl von Makkabi Schweiz === Auch der [[Juden|jüdische]] Sportdachverband verfügte über eine Fussballauswahl. Der Verband war 1918 gegründet worden und nannte sich ab 1938 Makkabi Schweiz. An der dritten [[Makkabiade]], die 1950 in [[Tel Aviv-Jaffa|Tel Aviv]] stattfand, beteiligte sich auch eine Auswahl von Schweizer Juden. Ihr erstes Spiel gegen die [[Israelische Fußballnationalmannschaft|Israelische Nationalmannschaft]] verloren sie 1:9. Es folgten eine Niederlage gegen England, ein Unentschieden gegen Südafrika und ein Sieg gegen Frankreich, womit die Schweizer den vierten Schlussrang belegten. Bei ihrer zweiten Teilnahme 1953 mussten die Schweizer innert acht Tagen fünf Spiele austragen; zwei Partien gegen Finnland wurden gewonnen, während man gegen England, Israel und die USA verlor. 1961 beteiligten sich die Schweizer Juden zum letzten Mal am Fussballturnier der Makkabiade. Sie gewannen das erste Spiel gegen Argentinien, während das zweite Spiel gegen England aufgrund organisatorischer Probleme nicht ausgetragen werden konnte, woraufhin sich beide Mannschaften am grünen Tisch für die Finalrunde qualifizierten. Nach deutlichen Niederlagen gegen England und Südafrika resultierte der vierte Schlussrang. Seit den 1980er-Jahren tritt Makkabi Schweiz mit einem [[Futsal]]-Team an. Die beste Platzierung an der Welt-Makkabiade war der siebte Platz im Jahr 1993. Bei den europäischen Makkabi-Spielen 1987 gelang der Gewinn der Bronzemedaille, dazu kamen 1991 und 1995 vierte Plätze. == Literatur == * Beat Jung (Hrsg.): ''Die Nati – Die Geschichte der Schweizer Fussball-Nationalmannschaft.'' Verlag Die Werkstatt, Göttingen 2006, ISBN 3-89533-532-0 * Peter Birrer, Albert Staudenmann: ''Köbi Kuhn – Eine Hommage der Schweizer Fussball-Nationalmannschaft an ihren Trainer''. Wörterseh Verlag, Gockhausen 2006, ISBN 3-033-00689-2 * Daniel Schaub: ''Das grosse Schweizer Buch der WM 2006.'' Friedrich Reinhardt Verlag, Basel 2006, ISBN 3-7245-1432-8 * Gottfried Schmid (Hrsg.): ''Das Goldene Buch des Schweizer Fussballs.'' Verlag Domprobstei, Basel 1953. == Weblinks == * [http://www.football.ch Seite des Schweizerischen Fussballverbandes] * [http://www.football.ch/nm/de/A_Team-statistik.aspx Spielstatistik der Nationalmannschaft] * [http://www.ideesuisse.ch/261.0.html?&no_cache=1&tx_ttnews%5Btt_news%5D=679&tx_ttnews%5Blist%5D=679%2C349%2C1612%2C1600%2C920%2C926%2C687%2C674&cHash=c5e9b06e96 Videobeitrag zum Länderspiel Schweiz-Deutschland 24. April 1941 in Bern] == Einzelnachweise == <references /> {{NaviBlock |Navigationsleiste Schweizer Fussball |Navigationsleiste Schweizer Nationalmannschaft bei Fußball-Weltmeisterschaften |Navigationsleiste Europäische Fußballnationalmannschaften }} {{Exzellent}} [[Kategorie:Schweizer Fussballnationalmannschaft| ]] {{Link GA|uk}} [[ar:منتخب سويسرا لكرة القدم]] [[az:İsveçrə Milli Futbol Komandası]] [[bg:Национален отбор по футбол на Швейцария]] [[ca:Selecció de futbol de Suïssa]] [[cs:Švýcarská fotbalová reprezentace]] [[da:Schweiz' fodboldlandshold]] [[en:Switzerland national football team]] [[eo:Svisa nacia teamo de futbalo]] [[es:Selección de fútbol de Suiza]] [[et:Šveitsi jalgpallikoondis]] [[fi:Sveitsin jalkapallomaajoukkue]] [[fr:Équipe de Suisse de football]] [[he:נבחרת שווייץ בכדורגל]] [[hr:Švicarska nogometna reprezentacija]] [[hu:Svájci labdarúgó-válogatott]] [[id:Tim nasional sepak bola Swiss]] [[it:Nazionale di calcio della Svizzera]] [[ja:サッカースイス代表]] [[jv:Tim nasional bal-balan Swiss]] [[ka:შვეიცარიის ეროვნული საფეხბურთო ნაკრები]] [[ko:스위스 축구 국가대표팀]] [[lt:Šveicarijos vyrų futbolo rinktinė]] [[lv:Šveices futbola izlase]] [[mr:स्वित्झर्लंड फुटबॉल संघ]] [[mt:Tim nazzjonali tal-futbol tal-Iżvizzera]] [[nl:Zwitsers voetbalelftal]] [[no:Sveits' herrelandslag i fotball]] [[pl:Reprezentacja Szwajcarii w piłce nożnej]] [[pt:Seleção Suíça de Futebol]] [[rm:Squadra naziunala svizra da ballape]] [[ro:Echipa naţională de fotbal a Elveţiei]] [[ru:Сборная Швейцарии по футболу]] [[simple:Switzerland national football team]] [[sk:Švajčiarske národné futbalové mužstvo]] [[sr:Фудбалска репрезентација Швајцарске]] [[sv:Schweiz herrlandslag i fotboll]] [[tr:İsviçre Millî Futbol Takımı]] [[uk:Збірна Швейцарії з футболу]] [[vi:Đội tuyển bóng đá quốc gia Thụy Sĩ]] [[wuu:斯维斯国家足球队]] [[zh:瑞士國家足球隊]] ipvqqv9kvosewb6pzyx4cgy5eeybz9i wikitext text/x-wiki Blade Runner 0 23492 27297 26091 2010-06-04T09:52:18Z Church of emacs 13 testedit {{Dieser Artikel|behandelt den Film ''Blade Runner''; zum darauf basierenden Computerspiel siehe [[Blade Runner (Computerspiel)]].}} {{Infobox Film |DT= Blade Runner |OT= Blade Runner |PL= [[Vereinigte Staaten|USA]] |PJ= 1982 |AF= 16 |LEN= 112 |OS= [[Englische Sprache|Englisch]] |REG= [[Ridley Scott]] |DRB= [[Hampton Fancher]],<br />[[David Webb Peoples]] |PRO= [[Michael Deeley]] |MUSIK= [[Vangelis]] |KAMERA= [[Jordan Cronenweth]] |SCHNITT= [[Terry Rawlings]] |DS= * [[Harrison Ford]]: Rick Deckard<br /><small>Deutsche Synchronstimme: [[Wolfgang Pampel]]</small> * [[Rutger Hauer]]: Roy Batty<br /><small>DS: [[Thomas Danneberg]]</small> * [[Sean Young]]: Rachael<br /><small>DS: Bettina Weiß</small> * [[Edward James Olmos]]: Gaff<br /><small>DS: [[Bernd Schramm]]</small> * [[Daryl Hannah]]: Pris<br /><small>DS: [[Arianne Borbach]]</small> * [[M. Emmet Walsh]]: Bryant<br /><small>DS: [[Gerd Duwner]]</small> * [[Joe Turkel]]: Tyrell<br /><small>DS: [[Jürgen Thormann]]</small> * [[William Sanderson]]: J.F. Sebastian<br /><small>DS: [[Stefan Krause (Synchronsprecher)|Stefan Krause]]</small> * [[Brion James]]: Leon<br /><small>DS: [[Tilo Schmitz]]</small> * [[Joanna Cassidy]]: Zhora<br /><small>DS: [[Heike Schroetter]]</small> * [[James Hong]]: Hannibal Chew }} '''Blade Runner''' [{{IPA|bleɪd ˌrʌnɚ}}], deutscher Verleihtitel zeitweise auch '''Der Blade Runner''', ist ein am 25. Juni 1982 erschienener [[US-amerikanisch]]er [[Science-Fiction-Film]] des Regisseurs [[Ridley Scott]]. Literarische Vorlage ist der Roman ''[[Träumen Androiden von elektrischen Schafen?]]'' von [[Philip K. Dick]]. Dieser wurde später ebenfalls unter dem Titel „Blade Runner“ vertrieben. Der Film, der Elemente des [[Film noir]] übernimmt, war bei Kritik und Publikum zunächst kein großer Erfolg, wurde mit der Zeit aber zum [[Kultfilm]]. In der Bundesrepublik Deutschland war am 14. Oktober 1982 die Erstaufführung in den Kinos. Bemerkenswert sind das einflussreiche visuelle Design, die detailreiche Ausstattung und die Filmmusik von [[Vangelis]]. Überdies bieten einige Themen des Films vielfältige philosophische Deutungsmöglichkeiten. Der erste Hollywood-Film des Regisseurs Ridley Scott eröffnete das Genre des [[Cyberpunk]] für das Kino und machte den Autor Philip K. Dick nach seinem Tod berühmt. == Handlung == [[Los Angeles]] im November 2019: Der Stadtmoloch ist durchtränkt von Dauerregen. Die Stadt ist schmutzig und übervölkert, und die Menschen sind allgegenwärtiger Werbung ausgesetzt. Gesprochen wird „Cityspeak“, eine Mischung aus Englisch, Japanisch, Deutsch, Spanisch und weiteren Sprachen. Die Tiere sind fast ausgestorben und nur als teure künstliche Wesen zu erhalten. Ein besseres Leben auf fernen Planeten wird versprochen, Welten, die durch so genannte „Replikanten“ erschlossen worden sind. Diese von der mächtigen Tyrell-[[Gesellschaftsrecht der Vereinigten Staaten#Corporation|Corporation]] hergestellten künstlichen Menschen sind äußerlich nicht mehr von den natürlich geborenen Menschen zu unterscheiden, verfügen jedoch über weit größere Kräfte als diese und entwickeln im Laufe der Zeit eigene Gefühle und Ambitionen. Daher werden sie mit einer auf vier Jahre begrenzten Lebensdauer ausgestattet, und man implantiert ihnen künstliche Erinnerungen, um sie besser kontrollieren zu können. Den Replikanten ist es unter Androhung der [[Todesstrafe]] verboten, die Erde zu betreten. Für die Durchsetzung dieses Verbotes, also das Aufspüren und die [[Hinrichtung|Exekution]] von Replikanten, die dennoch auf die Erde gelangen, sind spezielle Polizeibeamte, die ''Blade Runner'', verantwortlich. Sie identifizieren Replikanten mittels des sogenannten Voight-Kampff-Tests, welcher emotionale Reaktionen provoziert, die Replikanten von Menschen unterscheiden. Als einige Replikanten der hoch entwickelten Serie Nexus-6 ein Raumschiff kapern, Menschen töten und auf die Erde fliehen, wird der ehemalige Blade Runner Rick Deckard eingeschaltet. Er soll die Replikanten „aus dem Verkehr ziehen“ (im Original lautet der [[Euphemismus]] für die Hinrichtung ''„to retire“,'' „in den Ruhestand versetzen“). Im Verlauf seiner Ermittlungen trifft Deckard die bei der Tyrell-Corporation arbeitende Rachael und findet heraus, dass auch sie, ohne es zu wissen, eine Replikantin ist. Deckard eröffnet ihr schonungslos die Wahrheit darüber und über ihre gefälschten Erinnerungen, worauf sie verstört und verletzt reagiert. Deckard verliebt sich bald in sie und beginnt, an der Berechtigung seines Auftrags zu zweifeln, zumal als Rachael ebenfalls auf die Todesliste der Polizei kommt. Unterdessen versuchen die Replikanten unter Führung von Roy Batty und mit Hilfe des kranken und anfangs arglosen Genetik-Designers J. F. Sebastian in die Tyrell-Corporation einzudringen: Sie fordern Aufklärung über ihre Herkunft und ihre Lebensdauer. Als Roy begreift, dass selbst sein „Schöpfer“ Tyrell sein Leben nicht verlängern kann, tötet er ihn und Sebastian. Nur mit Mühe kann Deckard eine Replikantin ausschalten, ein weiterer Replikant wird von Rachael erschossen, die Deckard damit das Leben rettet. Schließlich, nachdem Deckard auch Roys Gefährtin, die Replikantin Pris, getötet hat, liefern sich er und Roy einen dramatischen Zweikampf. Roy gewinnt, doch er rettet dem auf der Flucht von einem Hochhausdach abrutschenden Deckard das Leben, ehe seine eigene Zeit abgelaufen ist und er selbst sterben muss. Am Schluss flieht Deckard mit Rachael aus der Stadt. In der Originalversion des Films gelingt ihnen die Flucht, und Rachaels Lebenszeit ist nicht begrenzt wie die der anderen Replikanten. Im [[Director’s Cut]] bleibt offen, ob die Flucht gelingt und ob Rachael leben wird, und sogar die Frage, ob Deckard selbst ein Replikant ist, wird aufgeworfen. == Produktion == === Entstehungsgeschichte === <!-- Quellen für diesen Abschnitt: Sammon, [http://www.brmovie.com/FAQs/BR_FAQ_BR_Part.htm FAQ: How did Blade Runner come to be made], [http://www.imdb.com/title/tt0083658/locations IMDb: Filming Locations for ''Blade Runner''], [http://www.imdb.com/title/tt0083658/trivia IMDb: Trivia for ''Blade Runner'']--> [[Hampton Fancher]] wollte seit 1975 Philip K. Dicks Buch ''Träumen Androiden von elektrischen Schafen?'' verfilmen. Sein Freund Brian Kelly konnte Dick 1977 die Rechte für eine Verfilmung abkaufen. Mit einem ersten Drehbuchentwurf von Fancher gewannen sie 1978 den Produzenten [[Michael Deeley]] für die Idee. Nach weiteren Drehbuchentwürfen konnte schließlich 1980 Ridley Scott, der gerade mit ''[[Alien – Das unheimliche Wesen aus einer fremden Welt|Alien]]'' einen Erfolg gelandet hatte, als Regisseur verpflichtet werden. In der Folgezeit arbeiteten Fancher und Scott an weiteren Entwürfen. Den Titel ''Blade Runner'' entlieh der Film dem Titel des Buches ''The Bladerunner'' von [[Alan E. Nourse]], das 1979 von [[William S. Burroughs]] in einen Filmentwurf umgearbeitet worden war, sonst aber keine Ähnlichkeit mit dem späteren Film hat&nbsp;– dort bezeichnet Blade Runner (Klingenschmuggler) noch Schwarzhändler für medizinische Produkte. Scott und Fancher gefiel der Titel, und sie kauften ihn Nourse und Burroughs ab. Frühere geplante Titel waren ''Android'' und ''Dangerous Days'' (Gefährliche Tage). Nachdem sie sich über einige Punkte nicht einigen konnten, engagierte Scott [[David Webb Peoples|David Peoples]] für eine weitere Umarbeitung des Drehbuchs. Schließlich fügte Scott aus mehreren früheren Entwürfen das endgültige Drehbuch zusammen. Die Dreharbeiten begannen am 9. März 1981 in Los Angeles und Filmstudios in [[Burbank (Los Angeles County)|Burbank]]. Die Arbeiten wurden durch Spannungen zwischen Regisseur, Schauspielern und Filmcrew sowie durch finanzielle Probleme belastet. Die lange Produktionszeit und damit einhergehende hohe Kosten wurden Scott angelastet.<ref name="Duke">B. Duke: ''Harrison Ford: The Films'', Jefferson 2005, ISBN 0-7864-2016-2, S. 97f.</ref> Nachdem die ursprüngliche Produktionsfirma Filmways abgesprungen war, konnte Produzent Deeley von der Ladd Company, dem Hongkonger Produzenten Sir [[Run Run Shaw]] und Tandem Productions das nötige Geld bekommen. Als die Produktionskosten schließlich mit 28 Millionen Dollar das geplante Budget überschritten, fielen die Rechte an dem Film durch eine Vertragsklausel alleine an Tandem Productions, bestehend aus [[Bud Yorkin]] und dem [[Medienmogul]] [[Jerry Perenchio]]. Diese rechtliche Lage erschwerte später das Zustandekommen des 1992er Director’s Cut und des neuen Director’s Cut ab 2000. Rohfassungen des Films („[[Workprint]]s“) stießen in Testvorführungen Anfang März 1982 auf Kritik des Publikums. Die Geldgeber verlangten daraufhin Änderungen an dem Film. So wurden, zum Missfallen des Regisseurs, eine Reihe von [[Voice-over]]-Kommentaren (geschrieben von [[Roland Kibbee]]) sowie ein [[Happy End]] hinzugefügt. Für Letzteres wurde unbenutztes Filmmaterial aus ''[[Shining (Film)|Shining]]'' (Luftaufnahmen von Wäldern, vergleiche den Anfang von ''Shining'') benutzt.<ref name="Duke"/> Die Voice-overs enthalten Hintergrundinformationen, welche die Filmhandlung verständlicher und stringenter machen sollten. === Soundtrack === Die Musik zum Film stammt von [[Vangelis]], der zuvor mit der Musik zu ''[[Die Stunde des Siegers]]'' (''Chariots of Fire'') bekannt geworden war. Die Filmmusik verbindet klassische Komposition mit dem futuristischen Klang von [[Synthesizer]]n, auf denen sie von Vangelis eingespielt wurde. Hierbei kommt besonders oft Vangelis' Lieblingsinstrument, ein [[Yamaha CS-80]] Synthesizer mit seinen charakteristischen, bläserartigen Klängen, zum Einsatz. Ein Titel stammte aus einem früheren Album des Künstlers. Sie trägt stark zur melancholisch-düsteren Atmosphäre des Films bei und wurde von vielen Kritikern gelobt. Vangelis wurde für seine Arbeit 1983 für den [[British Academy of Film and Television Arts|BAFTA Award]] und den [[Golden Globe Award|Golden Globe]] nominiert. Auch für seinen späteren Film ''[[1492 – Die Eroberung des Paradieses]]'' engagierte Regisseur Scott Vangelis als Komponisten. Die Musik nimmt grundsätzlich die Themen der Nostalgie und der Durchmischung verschiedener Epochen und Kulturen auf. In Anlehnung an den Film noir sind etwa [[blues]]- und [[jazz]]artige Saxofon- (von [[Dick Morrissey]]) und Trompetensoli zu hören. An anderen Stellen des Films läuft Synthesizermusik, die Anfang der 1980er noch deutlich futuristischer und Science-Fiction-typischer war als heute. Aus einer der Werbetafeln erklingt japanische [[Biwa]]-Musik. Besondere Bedeutung hat die Musik in Szenen mit wenig Dialog, so etwa in den fast wortlosen romantischen Szenen zwischen Deckard und Rachael&nbsp;– die selbst eine kurze [[Frédéric Chopin|Chopin]]-Variation am Klavier spielt –, beim Kampf zwischen Deckard und Roy oder bei der Hinrichtung der Replikantin Zhora. Auch die Eröffnungssequenz mit dem Blick über die Stadt und der Sterbemonolog Roys werden von der Musik in ihrer Wirkung deutlich verstärkt. Einige musikalische [[Leitmotiv]]e ziehen sich durch den Film. Es ist auch auf den oft auftretenden Widerhall von Geräuscheffekten hingewiesen worden, der das hörbare Äquivalent zur nebligen, paranoid-eingeschlossenen Atmosphäre des Films darstelle.<ref>A. Stiller: ''The Music in Blade Runner'' in: Kerman, S. 196-201</ref> Ein Soundtrack-Album zu ''Blade Runner'' wurde 1982 in den Endtiteln des Films angekündigt. Zunächst erschien jedoch nur eine orchestrale Interpretation der Musikthemen des Films. Die bereits 1982 veröffentlichte [[Langspielplatte|LP]] wurde unter dem Titel: „''Blade Runner&nbsp;– Orchestral Adaptation Of Music Composed For The Motion Picture By Vangelis&nbsp;– performed by The New American Orchestra''“ herausgebracht. 1989 erschien die ''Vangelis'' Compilation „''Themes''“, auf der sich auch drei Themen aus dem ''Blade-Runner''-Soundtrack befinden. Der erste Originalsoundtrack erschien jedoch erst 1994. Er enthält größtenteils Musikstücke aus dem Film, teilweise verlängert, sowie einige für den Film nicht genutzte Stücke. Zudem sind an manchen Stellen Dialoge aus dem Film zu hören. Es sind jedoch bei weitem nicht alle im Film zu hörenden Musikstücke enthalten. Wohl auch aus diesem Grund kursieren seit dem Erscheinen des Films [[Bootleg]]-Kassetten und nun auch CDs, die den Filmsoundtrack mehr oder weniger vollständig zusammenfassen, ergänzen oder einen [[Filmmusik|Original-Score]] anstreben. Darunter die Doppel-CD „Esper Edition“, die dreiteilige „Deck Art Definitive Edition“ und die zweiteilige „2001 Edition“.<ref>[http://ptless.org/bladerunner.html der perfekte Blade-Runner-Soundtrack], Stand: 6. Oktober 2007</ref> Im Jahr 2007 erschien zum 25. Geburtstag des Films bei Warner eine Box mit drei CDs. Dabei ist die erste der Soundtrack von 1994, die zweite CD enthält hauptsächlich zusätzliche Musik aus dem Film, und auf der dritten ist neue Musik von Vangelis, „inspiriert“ von ''Blade Runner'', zu hören. == Hintergrund == === Analyse === Die erste Einstellung des Films zeigt nach dem Titel „Los Angeles, November 2019“, eine bis an den Horizont reichende Riesenstadt, die von Feuerstößen erleuchtet wird. Gegengeschnitten ist ein Auge in Großaufnahme, in dem sich dieses Bild spiegelt. Diese von der Filmcrew als „[[Hades]]landschaft“ bezeichnete Szenerie bestimmt den ganzen Film. In den Flugszenen wird die Stadt als ein sich nach allen Seiten ausdehnender Moloch gezeigt, dessen gigantische Wolkenkratzer nur von der aus zwei Pyramiden gebildeten Zentrale der Tyrell Corporation überragt werden. Regisseur Scott und Kameramann Cronenweth&nbsp;– der engagiert wurde, weil er entgegen der Gewerkschaftsbestimmungen bereit war, in einigen Szenen Scott die Kameraführung zu überlassen<ref>[http://media.bladezone.com/contents/film/interviews/Morgan-Paull/ Interview mit dem Schauspieler Morgan Paull] bei bladezone.com, vergleiche auch Sammon S. 220</ref>&nbsp;– arbeiten in vielen Einstellungen mit Lichteffekten. So werfen etwa die Pyramiden der Tyrell Corporation [[Skybeamer|lichtdomartige Strahlen]] in den Himmel, die Scheinwerfer der über die Stadt kreisenden Werbetafeln wandern durch die Gebäude und sorgen für [[stroboskop]]artige Verfremdungen. Charaktere sind oft halb im Licht, halb im Schatten zu sehen. Weitere Stilmittel sind der Einsatz von [[Einstellungsgröße#Totale|Totalen]], in welchen die Charaktere meist am Rand des Bildes postiert sind, um ihre Isolation zu zeigen, und eine von oben in die Szene fahrende Kamera.<ref>B. Sherris in der Zeitschrift ''Videofax'', Frühjahr 1988, S. 43, und H. Lightman / R. Patterson in der Zeitschrift ''American Cinematographer'', Juli 1982, S. 720-725; nach Kerman S. 171</ref> Die Tode aller Replikanten werden durch jeweils unterschiedliche filmische Mittel ([[Zeitlupe]], Einsatz der Filmmusik, erhöhte Lautstärke, [[Steadicam]]) hervorgehoben und emotionalisiert. Der Film besteht über weite Strecken aus langen Einstellungen, nur in den Kämpfen zwischen Deckard und den Replikanten kommt durch mehr Schnitte und schnelle Kamerabewegung Tempo auf. Im Endkampf zwischen Deckard und Roy bewegen sich beide immer weiter aufwärts, bis sie sich auf dem Dach des Gebäudes gegenüberstehen und schließlich die Rollen von Jäger und Gejagtem tauschen, als Deckard über dem Abgrund hängt und Roy ihn von oben beobachtet. Besonders reich an Symbolik sind die Straßenszenen des Films. Hier wird die untere Stadt als [[Ethnie|ethnisch]] und [[Religiosität|religiös]] gemischter [[Slum]] ohne menschliche Nähe und Rücksichtnahme gezeigt. Die Szenerien sind gefüllt mit hunderten Statisten, darunter [[Ordensschwester|Nonnen]], [[Chassidismus|Chassidim]], Geschäftsleute, [[Internationale Gesellschaft für Krishna-Bewusstsein|Hare-Krishna]]-Jünger und [[Punk]]s. Vielen Rezensenten fiel der Reichtum an&nbsp;– vielfach unterhaltsamen, rein beiläufigen&nbsp;– Details auf, der ein mehrmaliges Ansehen des Films lohnend mache: zum Beispiel haben manche Leute beleuchtete Regenschirme; der nur für Sekundenbruchteile zu sehende Hausmeister von Leons Hotel trägt eine Gasmaske. Auch Bryants Büro, Deckards Appartement und die Wohnung von J.F. Sebastian sind mit detailliert ausgearbeiteten Kleinigkeiten gefüllt. [[Datei:Ennis House front view 2005.jpg|thumb|Das ''Ennis House'', Drehort für Deckards Wohnung]] [[Datei:198393434 31de5b5eb2 b.jpg|thumb|Im Inneren des Bradbury Building, das als Drehort für Sebastians Wohnung diente]] Die Durchmischung von Versatzstücken verschiedener [[Kulturkreis]]e und Epochen setzt sich in der Architektur, in den Kostümen und in der Ausstattung fort: Die aus dem [[Film noir]] bekannte Grundkonstellation des einsamen Detektivs (Deckard), der sich in eine [[femme fatale]] (Rachael) verliebt, wird durch Versatzstücke aus jenem Genre betont, darunter Deckards [[Trenchcoat]], Rachaels Kostüm und Frisur sowie, in der Originalversion, die [[lakonisch]]en [[Voice-over]]s Deckards, der als typischer [[Antiheld]] voller Selbstzweifel ist. Roy trägt eine schwarze Lederjacke und wirkt mit hellblonden Haaren, blauen Augen und muskulösem Körper wie der Prototyp eines nationalsozialistischen „[[Herrenrasse|Herrenmenschen]]“. Die Wohnungen Deckards und Sebastians ebenso wie Tyrells Büro erinnern an die [[Loftwohnung]]en aus der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, die äußere Architektur zeigt aber auch Anleihen an [[Jugendstil]] und [[Art Déco]]. Sebastian wohnt im [[Bradbury Building]], Deckard im von [[Frank Lloyd Wright]] entworfenen ''Ennis-Haus'', welches auch schon für die Aufnahmen des Films ''[[Das Haus auf dem Gespensterhügel]]'' (''The House on Haunted Hill'', USA 1959) mit [[Vincent Price]] diente. Für die Inneneinrichtung von Deckards Wohnung ließ sich Designer [[Syd Mead]] von einem Buch der frühen 1980er über futuristische Wohnungen inspirieren. Die Polizeizentrale wird von außen in einer Trickaufnahme als dunkler Wolkenkratzer gezeigt, das Innere wurde in der&nbsp;– wieder mit Licht- und Raucheffekten verfremdeten&nbsp;– [[Los Angeles Union Station]] gedreht. Scott und Mead wollten eine Stadt zeigen, in der alte Gebäude nicht abgerissen, sondern mit neuer Technik versehen oder schließlich in Neubauten integriert werden. Futuristische Elemente haben die Vergangenheit nicht einfach ersetzt, sondern es ist ein „[[postmoderne]]s“ Gemisch entstanden.<ref>M. C. Boyer: Cybercities, New York 1996, ISBN 1-56898-048-5, S. 112ff.; R. Scott: ''Interviews'', Jackson 2005, ISBN 1-57806-726-X, S. 50f.</ref> So konnte auch der Gegensatz zwischen den futuristischen Wolkenkratzern in der Stadtansicht und den verfallenden Bauten am Boden erzeugt werden, der wiederum einen inhaltlichen Gegensatz widerspiegelt: Wie in ''[[Metropolis (Film)|Metropolis]]'' wohnen die Mächtigen an der Spitze der Stadt, wo die Sonne wenigstens durch den Smog zu sehen ist, während die Straßenschluchten als riesiger, dunkler Slum gezeigt werden. {{Zitat|Futuristische Visionen paaren sich in ''Blade Runner'' mit Versatzstücken des Film Noir, die Verbindung von Endzeitphantasie mit nostalgischer Rückschau auf Stilepochen und Modeerscheinungen vergangener Jahrhunderte erinnert an Fritz Langs ''Metropolis'' […] und verleiht dem Film sein charakteristisches Design|Fabienne Will&nbsp;<ref name="Will">S. 377</ref>}} === Themen === In Deutungen des Films ist auf eine Vielzahl von Themen und Motiven hingewiesen worden, die in ''Blade Runner'' eine Rolle spielen. {{Zitat-en|Blade Runner embodies a number of the recurring themes in Dick’s writings: the restless paranoia of the characters, the dismissive influence of a higher authority, the substitution of reality by fakes and imitations, the self-perpetuating increase of garbage and waste.|Übersetzung=Blade Runner behandelt eine Reihe der in Dicks Schriften wiederkehrenden Themen: die beständige Paranoia der Charaktere, die verachtende Machtausübung höherer Autoritäten, die Ersetzung der Wirklichkeit durch Fälschungen und Imitate, die sich selbst verstärkende Zunahme von Abfall und Müll.|Philip Strick|International Dictionary of Films and Filmmakers<ref>Band 1, 2. Auflage 1990, ISBN 1-55862-037-0, S. 114f.</ref>}} {{Zitat|Der Film, der auf der Handlungsebene einem eher einfachen und klar strukturierten Muster folgt […] eröffnet bei genauerer Betrachtung vielschichtige Deutungsebenen, die vor allem zahlreiche Reflexionen über die neuzeitliche Realitätsauffassung und den damit verbundenen Humanitätsbegriff zulassen.|Fabienne Will<ref>S. 378</ref>}} ==== „Menschlicher als der Mensch“ ==== Zentrales Thema der Werke Philip K. Dicks und auch dieses Films ist die Frage, was den Menschen zum Menschen macht, und die [[Paranoia|paranoide]] Furcht davor, dass es Wesen gibt, die wie Menschen aussehen, aber keine sind. Laut Buch und Film sind die Replikanten daran zu erkennen, dass sie nicht das menschliche Vermögen der [[Empathie]] besitzen. Sie werden mit einem Gerät getestet, das emotionale Reaktionen überprüft. Die Brauchbarkeit dieses Unterscheidungskriteriums wird im Laufe des Films aber in Frage gestellt. Es sind die ''Menschen'', die isoliert und gefühllos wirken, während die Replikanten [[Emotion]]en&nbsp;– Furcht, Zuneigung, Hass, Trauer&nbsp;– zeigen. Obwohl sie als unbarmherzige Mörder eingeführt werden und auch tatsächlich töten, wirbt der Film für sie um Sympathie (vergleiche die Rezeption der Darstellung Roys durch Rutger Hauer im Abschnitt [[#Kritiken|Kritiken]]). Das Motto der Tyrell Corporation lautet „more human than human“&nbsp;– „menschlicher als der Mensch“&nbsp;–, und so verhalten sich die Replikanten schließlich. Die Andeutung der Möglichkeit, dass Deckard selbst ein Replikant ist, verwischt die Grenze zwischen Menschen und Replikanten weiter. Dies wirft [[Ethik|ethische]] Fragen auf: {{Zitat|Das Thema von ‚Blade Runner‘ ist also die Auseinandersetzung mit der Frage: Wann ist der Punkt erreicht, wo man eine Existenz achten muß?|Rudi Steiner|Das Lexikon der Kultfilme&nbsp;<ref name="Steiner">Berlin 1999, ISBN 3-89602-216-4, S. 33&nbsp;f.</ref>}} {{Zitat|Auf diesen Problemkreis konzentriert sich auch der Film: Wenn […] Deckard einen echten Androiden in Zeitlupe tötet, inwieweit ist er als Mensch besser als der Androide? Und warum rettet der angeblich empfindungslose Replikant Batty schließlich im Angesicht seines baldigen ‚Todes‘ den Blade Runner Deckard, anstatt ihn zu töten?|[[Ronald M. Hahn|Roland Hahn]]/V. Jansen|Die 100 besten Kultfilme&nbsp;<ref name="Hahn/Jansen">7. Auflage, München 1998, ISBN 3-453-86073-X, S. 49&nbsp;f.</ref>}} In dem Film wird an mehreren Stellen ein als „[[Voight-Kampff-Test]]“ bezeichnetes Verfahren gezeigt, mit dem herausgefunden werden soll, ob ein Proband ein Replikant oder ein Mensch ist. Dabei werden mehrere Fragen an den Probanden gestellt und dessen Reaktion, insbesondere die der Augen, aufgenommen und bewertet. Dieses Prozedere erinnert an den [[Turing-Test]]. ==== Bioethische Fragen ==== Der Film hat auf dem Gebiet der genetischen Forschung einige Entwicklungen vorweggenommen. [[Gentechnisch veränderter Organismus|Gentechnisch veränderte Organismen]] sind heute Realität. Die embryonische Technologie des [[Somatischer Zellkerntransfer|somatischen Zellkerntransfers]] von einem spezifischen [[Genotyp]] mit [[Klonen]], genauso wie einige der im Film beschriebenen damit zusammenhängenden Probleme ([[Seneszenz]]), wurden beim Klonen von [[Dolly (Schaf)|Dolly dem Schaf]] im Jahre 1996 demonstriert. Über die Zulässigkeit des Klonens von Menschen wird seit einigen Jahren öffentlich intensiv diskutiert. In diesen Entwicklungen offenbart sich eine Kluft zwischen kommerziellen und nicht-kommerziellen Interessen. Wissenschaftliche und geschäftliche Motive kollidieren mit ethischen und religiösen Bedenken über die Korrektheit menschlichen Eingreifens in die Natur. Im Film wird die Partei des Eigennutzes etwa durch den überreichen Konzernchef Tyrell repräsentiert, der zwar ein wissenschaftliches Genie ist, aber nur kommerzielle Interessen verfolgt. Einige der [[Bioethik|bioethischen]] Probleme, über die Tyrell und Roy ihren Dialog führen, sind dabei real, andere rein fiktiver Natur. ==== Paranoia und Misstrauen, Kontrolle und Macht ==== Nicht nur die Ungewissheit über die eigene Identität und Ununterscheidbarkeit von wirklichen und künstlichen Menschen sind Gegenstand von Paranoia. Das Thema „Misstrauen“ durchzieht den Film wie ein [[Leitmotiv]]. Deckard will von Rachael nicht nur wissen: ''„Liebst du mich?“'', sondern auch: ''„Vertraust du mir?“''. Im [[Filmkanon|bpb-Filmkanon]] heißt es: {{Zitat|[D]ie Blicke der Figuren in ''Blade Runner'', die knappen Dialoge, die Schweigsamkeit des ganzen Films, die Künstlichkeit, die Dunkelheit [weisen] auf ein totales Misstrauen in die üblichen Kommunikationsformen hin […]|Alfred Holighaus|Der Filmkanon&nbsp;<ref>Berlin 2005, ISBN 3-86505-160-X, S. 210</ref>}} Immer wieder kehren in ''Blade Runner'' Situationen wieder, in denen Personen beobachtet und kontrolliert werden. Die aufdringlichen Werbetafeln, allgegenwärtige Polizei, Suchlichter und die übervölkerte Stadt sind charakteristische Versatzstücke in diesen paranoiden Szenarien. Deckard wird von seinem ehemaligen Vorgesetzten Bryant zwangsverpflichtet, und sein geheimnisvoller Kollege Gaff erscheint wie sein Aufseher. Auch die Replikanten werden als auszubeutende Maschinen dargestellt und zu Sklavenarbeiten gehalten. Maschinen dienen vor allem der Kontrolle und dem Machterhalt. Über die Replikanten scheinen die Menschen aber die Macht zu verlieren: Die Geschöpfe sind ihren Schöpfern schließlich in allen Belangen überlegen. Einige Interpreten sehen die Machtordnung in Frage gestellt oder bereits verloren: {{Zitat|Gleichzeitig kommt es aber zu einer Auflehnung gegen die gottgegebene Ordnung|Stefan Krauss<ref name="Krauss">in: ''Metzler Film-Lexikon'', 2. Auflage, Stuttgart 2005, ISBN 3-476-02068-1, S. 79</ref>}} {{Zitat-en|In ''Blade Runner'', control is so powerfully and uniformly deployed that the disciplinary order and rational management of urban form have long been abandoned.|Übersetzung=In ''Blade Runner'' ist Kontrolle so stark und gleichmäßig verteilt, dass die Disziplinarordnung und eine vernünftige Planung der Stadtform schon lange aufgegeben worden sind.&nbsp;<ref>M. C. Boyer, a.a.O.</ref>}} ==== Sehen und Erinnerung ==== Das an symbolischen Deutungen reiche Motiv des [[Auge]]s erscheint an vielen Stellen des Films, auch der Begriff „[[Sehen]]“ kommt mehrfach vor. [[Fotografie]]n werden ebenfalls oft gezeigt. Diese Motivik unterstreicht das Thema Paranoia und Machtausübung, aber auch das Thema der Identität und der Realität von [[Erinnerung (Psychologie)|Erinnerung]]. Auf verschiedenen Ebenen zieht der Film in Zweifel, ob man dem, was man sieht, trauen kann: so sind Rachaels Erinnerungsfotos eine Fälschung. Die Maschine, mit der Deckard ein gefundenes Foto nach Hinweisen untersucht, dreht das Motiv solange, bis etwas erscheint, das auf dem ursprünglichen Bild überhaupt nicht zu sehen war (und der Ausdruck entspricht nicht dem Bild auf dem Monitor). Die Replikantin Rachael verfügt über gefälschte Erinnerungen. Die Wahrheit von Erinnerungen wird aber auch auf andere Weise in Frage gestellt: die Befragung Leons durch den Blade Runner Holden aus der Eröffnungsszene wird im Film mehrfach wiederholt, dabei aber jedes Mal mit kleinen Veränderungen versehen. Schließlich ist in der Befragung Rachaels durch Deckard (im englischen Original) leise ein Ausschnitt aus einem späteren Dialog zwischen den beiden zu hören. Das Thema „Sehen“ und „Erinnerung“ lässt sich mit dem in der [[postmoderne]]n Philosophie verstärkt vertretenen Ansatz verbinden, nach dem „[[Wahrheit]]“ von der Perspektive abhängt ([[Perspektivismus]]) oder immer schon vom Beobachter konstruiert wird ([[Konstruktivismus (Philosophie)|Konstruktivismus]]).<ref>N. Wheale: ''Recognizing a ’human-Thing’'' in: ders.: ''The Postmodern Arts: An Introductory Reader'', London 1995, ISBN 0-415-07776-1, S. 101–117</ref> ==== Technischer Fortschritt, Umweltzerstörung und Verfall ==== In der fiktiven Zukunft von ''Blade Runner'' sind hochentwickelte technische Geräte allgegenwärtig. Freie Natur ist dagegen überhaupt nicht zu sehen, die Sonne nur selten und durch Nebel. Zumeist ist die Szenerie dunkel, regnerisch und dreckig. Tiere sind künstlich erschaffen. Im Buch erscheint die Umweltzerstörung als Folge eines [[Atomkrieg]]s; im Film wird dieser Zusammenhang lediglich angedeutet. Die [[Übervölkerung]] der Stadt ist stets präsent: {{Zitat|Unrast, Hektik und die krampfhafte Suche nach Ablenkung haben zugenommen, und der […] Eindruck einer hoffnungslos übervölkerten Stadt bleibt stets allgegenwärtig, selbst in Szenen, die leere Räume zeigen.|Quelle=Science Fiction Times&nbsp;<ref>zit. nach R. Hahn/V. Jansen: ''Heyne Lexikon des Science-Fiction-Films'', München 1993, ISBN 3-453-06318-X, S. 100</ref>}} Der Film lässt sich als [[Dystopie]] beschreiben. Die Werbetafeln deuten darauf hin, dass ein schöneres Leben außerhalb der Erde existiert, während hier nur Kranke, Schwache und Kriminelle zurückgelassen wurden, die wiederum von skrupellosen Kapitalisten und der Polizei beherrscht werden: {{Zitat|[D]ie Herren der Welt [haben] die Erde mehr oder weniger den Slumbewohnern, Verbrechern und Industriellen überlassen […] [Der Film] ist die Vision des Jahrtausends, und zwar eine [[Endzeit]]vision. Er sagt uns, daß<!--sic!--> wir die Erde und uns selbst ausgelaugt haben und daß<!--sic!--> die neue Geschichte sich anderswo abspielt&nbsp;– vielleicht auf anderen Planeten, wo man sich fröhlichere Geschichten erzählt.|John Clute|SF&nbsp;– Die illustrierte Enzyklopädie&nbsp;<ref>München 1996, ISBN 3-453-11512-0, S. 289</ref>}} Nicht nur die Gebäude, auch die Menschen verfallen&nbsp;– etwa J.&nbsp;F. Sebastian, der an beschleunigter Alterung leidet. Es scheint keine Kultur, nur „niedrigere“ Formen der Unterhaltung und viel Kriminalität zu geben. Auch die vielfältig gezeigte Durchmischung von Völkern, Sprachen, Weltanschauungen&nbsp;– der Film zeigt vor allem ein starkes Eindringen ostasiatischer Elemente in das amerikanische Leben&nbsp;– wird vorausgesagt und negativ bewertet. So ist die Stadtsprache, die Gaff zu Beginn des Films spricht, eine teilweise vom Schauspieler Edward James Olmos selbst erdachte Mischung aus Koreanisch, Französisch, Ungarisch, Deutsch und Japanisch. Die Kleinwüchsigen, die Teile von Deckards Auto stehlen wollen, sprechen im Original Deutsch. Chew, der künstliche Augen herstellt, spricht eine Mischung aus Chinesisch und Englisch. Ein weiteres Element des Films ist eine durchscheinende [[Melancholie]] und [[Nostalgie]], die Sehnsucht nach einer besseren Vergangenheit im Konflikt mit dem Versprechen einer besseren Zukunft. Dieses Gefühl wird vor allem von der Filmmusik (siehe [[#Musik und Ton|Musik]]) transportiert. Auch im [[#Visuelles Design|Design des Films]] findet eine Durchmischung von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft statt. ==== Literarische, mythologische und philosophische Bezüge ==== An einigen Stellen des Films lassen sich Bezüge sowohl zu [[Bibel|biblischen]] als auch zu anderen [[Mythos|Mythen]] finden. Neben den Augen spielt beispielsweise das Symbol des [[Einhorn]]s eine wichtige Rolle. Fans des Films haben auf weitere mögliche Symbole aufmerksam gemacht, darunter Gaffs [[Origami]]-Figuren, die Tiere&nbsp;– jedem Charakter kann leicht ein Tier zugeordnet werden&nbsp;– oder die Schachkombination, die aus der „[[Unsterbliche Partie|Unsterblichen Partie]]“ stammt (in der deutschen [[Synchronisation]] ist die [[Schachnotation#Englische Notation|englische Schachnotation]] fehlerhaft übersetzt). Mit einer Vielzahl von Symbolen ist besonders die Figur Roy verbunden, die sowohl zu dem [[Verlorener Sohn|verlorenen Sohn]] als auch zu [[Jesus Christus]] Bezüge aufweist. Roy wurde von Tyrell erschaffen. Er nennt ihn selbst sowohl Schöpfer („Maker“) als auch Vater („Father“). Dieses Motiv wird jedoch in der Mitte des Films gebrochen. Als Roy erfährt, dass der „Vater“ sein Leben nicht verlängern kann, blendet und tötet er ihn (auch hier scheint das allgegenwärtige Augenmotiv durch). Andererseits vergleicht Roy&nbsp;– ein Gedicht von [[William Blake]] zitierend&nbsp;– die Replikanten auch mit [[Höllensturz|gefallenen Engeln]] und sich selbst mit [[Luzifer]]. {{Zitat|Das Verhältnis von Mensch und Replikant ist […] weniger bestimmt vom [[Frankenstein (Roman)|Frankenstein]]-Mythos als von der Bibel|Stefan Krauss&nbsp;<ref name="Krauss"/>}} Themen wie die Herrschaft des Menschen über die Natur und über die Replikanten führen schließlich auch zum Motiv der [[Hybris]] aus dem griechischen Drama. Ein Kritiker sah das ''{{"|alte Thema vom [[Der Zauberlehrling|Zauberlehrling]] […] variiert}}'' und fand: {{Zitat|Der wahre Reiz des Films liegt denn auch weniger in der […] Vision einer verrosteten Zukunftswelt, sondern in der Inszenierung religiöser Mythen innerhalb der üblichen Detektivgeschichte.|Wolfgang Limmer|Böse neue Welt&nbsp;<ref name="Spiegel"> in: ''Der Spiegel'' Nr. 43/1982, S. 286</ref>}} Verweise auf die abendländische Philosophie deuten sich beim Namen Deckard an, der klanglich an den französischen Philosophen [[René Descartes]], den Begründer des modernen [[Rationalismus]], erinnert. Descartes’ berühmtes Diktum „[[Cogito ergo sum]]“&nbsp;– „Ich denke, also bin ich“ wird im Film wörtlich zitiert. Dadurch dass die Replikantin Pris diese Worte ausspricht, wird die absolute Gültigkeit des Prinzips für eine Welt mit künstlichen Menschen jedoch infrage gestellt.<ref>John W. Whitehead: [http://www.gadflyonline.com/02-18-02/film-blade_runner.html ''What it Means to Be Humans in the Cybernetic State'']. Auf: ''GadflyOnline'', undatiert. Zu weiteren Bezügen des Films auf Descartes, siehe: Stephen T. Asma: [http://annhetzelgunkel.com/film/asma.htm ''Philosophy Meets Hollywood. Descartes Among the Androids'']. Auf: ''annhetzelgunkel.com'', 1999.</ref> === Kultstatus, Director’s Cut und Final Cut === Der Film war ein kommerzieller Fehlschlag, fand aber bald eine treue Fangemeinde. Bereits Ende 1982 erschien das erste ''Blade-Runner''-[[Fanzine]]. Die verschiedenen Video- und [[Laserdisc]]-Fassungen, die im Laufe der 1980er erschienen, erwiesen sich als sehr erfolgreich: Der Film wurde zu einem der am meisten verliehenen und verkauften Filme auf dem Videomarkt. Auch erschienen immer wieder neue Besprechungen, auch akademische Veröffentlichungen über ''Blade Runner'', der so den Status eines [[Kultfilm]]s gewann.<ref>Sammon, S. 321–330</ref> Der Filmrestaurator Michael Arick fand 1989 zufällig eine der [[Workprint]]-Fassungen. Sie wurde 1990 und 1991 zunächst bei Filmfestivals gezeigt und lief ab September 1991 in einigen Kinos, wo sie unerwartet großen Zulauf erhielt. [[Warner Bros.|Warner Brothers]] rechnete bei einer US-weiten Neuaufführung mit großem, auch kommerziellem Erfolg, und gab daraufhin einen so genannten [[Director’s Cut]] in Auftrag, der von Arick in Absprache mit Ridley Scott erstellt wurde. Scott bestreitet aber, dass es sich bei diesem Director’s Cut&nbsp;– der aufgrund von verschiedenen Missverständnissen und Interessenkonflikten in großer Eile und mit einigen technischen Mängeln realisiert wurde&nbsp;– um seine endgültige Fassung handelt, obwohl sie seiner Vision „näher kommt“.<ref>W. Kolb: ''Reconstructing the Director’s Cut'' in: Kerman, S. 294–302; Sammon, S. 330–368</ref> Diese Fassung des Films verzichtet auf alle [[Voice-over]]-Kommentare und hat ein offenes Ende. Als weitere wichtige Änderung enthält sie eine zusätzliche Szene, die darauf schließen lässt, dass Deckard selbst ein Replikant sein könnte. Damit verzichtet sie noch stärker als die Kinoversion auf Deckard als Identifikationsfigur. Sie gilt als düsterer und erfordert zum Verständnis noch mehr Aufmerksamkeit. Der Director’s Cut stieß auch bei den Kritikern auf Zustimmung ([[#Kritiken|siehe unten]]). Er kam ab 1992 (Deutschland: 22. April 1993) weltweit in die Kinos und erschien bald danach auf Videokassette sowie&nbsp;– in den USA bereits im März 1997 und damit als einer der ersten Filme überhaupt&nbsp;– auf [[DVD]]. Da die DVD nicht in optimaler Qualität hergestellt wurde und seit längerer Zeit nicht mehr erhältlich war, wollte Warner 2001 ein stark erweitertes DVD-Set mit vielen Extras und einem neuen, „echten“ Director’s Cut nach den Vorstellungen Scotts zu heutigen Bild- und Tonstandards herausbringen. Nach längeren Anlaufschwierigkeiten kündigte Warner 2006<ref>[http://today.reuters.com/news/newsArticle.aspx?type=entertainmentNews&storyID=2006-05-30T071105Z_01_N29266256_RTRUKOC_0_US-BLADERUNNER.xml Meldung von Reuters, 30. Mai 2006]</ref> für Anfang 2007 eine „25th Anniversary Edition“ an. Später wurde der Termin auf Oktober 2007 verschoben und zwei zusätzliche Versionen für [[HD DVD]] und [[Blu-ray Disc]] angekündigt.<ref>[http://www.areadvd.de/blu-ray/2007/Blade_Runner_BD_HD_DVD.shtml Meldung bei areadvd]</ref> Scotts neue Fassung wurde bei den [[Internationale Filmfestspiele von Venedig|Internationalen Filmfestspielen von Venedig]] am 1. September 2007 gezeigt und lief im Oktober 2007 in einigen US-amerikanischen Kinos an. Eine DVD mit diesem „Final Cut“ erschien am 7. Dezember 2007 auf dem deutschen DVD-Markt.<ref>[http://www.hollywoodreporter.com/hr/content_display/international/news/e3i0bcc34b3ab0af91a92462de6b083575e ''Venice to unspool Blade Runner''] Hollywood Reporter, 3. August 2007</ref> Die neue Version enthält neue und erweiterte Szenen, neue Musik, verbesserte Spezialeffekte sowie einen verbesserten Ton ([[5.1]]). In Deutschland liegen die Fernsehrechte an der Originalversion offenbar bei der [[ProSiebenSat.1 Media]] AG, die diese Fassung in den 1990er und 2000ern auf den Sendern Sat.1, ProSieben und Kabel 1 ausstrahlte, teilweise in noch einmal geschnittener Version. Der Director’s Cut ist mehrfach im [[Bezahlfernsehen]] (zunächst [[DF1]], dann [[Sky Deutschland|Premiere]]) gezeigt worden. In Deutschland erschien der Director’s Cut mit minimaler Ausstattung im September 1999 auf DVD. Eine als „Special Edition“ vertriebene Box enthielt neben dieser DVD einige Bilder aus dem Film, ein Drehbuch und ein Filmplakat. Die 1999er Veröffentlichung wurde nur in geringer Stückzahl produziert. Der Director’s Cut wurde digital restauriert und im November/Dezember 2006 neu veröffentlicht. Die Restaurierung brachte auch einige Dialogänderungen in der deutschen Synchronisation mit sich, die die poetischen Elemente des englischen Originals einfacher, jedoch auch karger erscheinen lassen. 2008 ist als deutsche Variante der „25th Anniversary Edition“ eine Edition mit fünf DVDs („Ultimate Collector’s Edition“) erschienen, welche fünf Versionen des Films (Workprint, US-Kinofassung, internationale Kinofassung, 1992er Director’s Cut, 2007er Final Cut) sowie umfangreiches Bonusmaterial enthält. Am 6. August 2009 zeigte [[Das Erste]] die „Final-Cut“-Version als [[Free-TV]]-Premiere. == Romanvorlage und Einfluss == Der Film basiert auf [[Philip K. Dick]]s Roman ''[[Träumen Androiden von elektrischen Schafen?]]'', unterscheidet sich aber in vielen Punkten von der Vorlage<ref>Gegenüberstellung, siehe [[Träumen Androiden von elektrischen Schafen?#Unterschiede zum Film Blade Runner|Unterschiede zwischen Buch und Film]]</ref>. Einige Änderungen, auch größere, lassen sich leicht nachvollziehen. Die Religion des „Mercerismus“, eine surreale Szene in einer von Replikanten geleiteten Polizeidienststelle oder identisches Aussehen der Figuren Rachael und Pris hätten erklärt werden müssen und damit den Film über die Maßen verlängert.<ref>M. Casey: [http://media.bladezone.com/contents/film/dissertation/index.html Do Androids Dream of Bladerunning?], S. 24f.</ref> Die Darstellung der Replikanten im Film wird als eine der wichtigsten Änderungen gegenüber dem Buch angesehen. Dick konzipierte sie als seelenlose, egoistische Wesen. Während der Film ihnen (schon durch die Bezeichnung „Replikant“) schließlich Menschlichkeit und Menschenrechte zugestehen will, wendet das Buch sich am Ende gegen diese Möglichkeit. Dicks Text konzentriert sich auf die Feststellung, dass Menschen sich manchmal wie Maschinen verhalten; der Film macht die umgekehrte Aussage.<ref name="Oleniacz">J.J. Oleniacz: [http://www.br-insight.com/2001/07/15/how-why-the-movie-is-different/ How &amp; Why the Movie is Different]</ref> Die Frage, was menschlich ist, wird im Buch fast ausschließlich in den Gedanken Deckards diskutiert. In der ersten Version des Films sollte dies offenbar durch die Voice-overs Deckards wiedergegeben werden. Im Director’s Cut vertraute der Regisseur darauf, dass diese Frage schon hinreichend durch das Handeln der Replikanten aufgeworfen wird, besonders bei der im Vergleich zum Buch am stärksten aufgewerteten Figur Roy.<ref name="Meaney"> P. Meaney: [http://www.brmovie.com/Analysis/BR-DADoES.htm Alienations in a Dystopia]</ref> In Rezensionen gibt es sehr unterschiedliche Deutungen und Bewertungen der Unterschiede zwischen Buch und Film. Auf geringe Werktreue der Adaption weisen die meisten Rezensenten hin<ref>so Hardy, Strick und Will</ref>, auch die Drehbuchautoren Fancher und Peoples haben erklärt, sich nur lose an Dicks Buch orientiert zu haben.<ref>M. Casey, a.a.O., S. 18 und 25</ref> Es ist aber auch konstatiert worden, dass der Film zumindest die Kernaussagen Dicks korrekt wiedergebe.<ref>so Hahn/Jansen, Casey, [[Norman Spinrad]] im Magazin ''Starlog'' (November 1982)</ref> Schließlich gehen unter denen, die deutliche Unterschiede erkennen, die Meinungen darüber auseinander: Der bpb-Filmkanon stellt den „Hang zum globalen Weihespiel“ des Films der „satirische[n], verrückte[n]“ Vorlage gegenüber und sieht im Fehlen des „bittersüßen Sarkasmus“ Dicks den einzigen Makel des Films. Andere sehen zwar ebenfalls Dicks Satire durch einen abstrakten Symbolismus ersetzt, halten den Film aber gerade wegen seiner Änderungen für kraftvoller.<ref name="Meaney"/> Schließlich ist auch die Position vertreten worden, Buch und Film seien zwei voneinander unabhängige, bedeutende Werke mit ähnlicher, aber nicht gleicher Botschaft.<ref name="Oleniacz"/> Philip K. Dick selbst war zunächst sehr skeptisch gegenüber dem Film und kritisierte ihn schon in der Entwurfsphase öffentlich. Nachdem er einige Sequenzen aus dem Film gesehen hatte, unter anderem auf Einladung Ridley Scotts, änderte Dick seine Meinung und äußerte sich enthusiastisch über das Projekt. Nach Aussage Paul Sammons war es vor allem die veränderte Darstellung der Androiden, die Dick zunächst gegen den Film eingenommen hatte. Schließlich sei er aber damit einverstanden gewesen und habe seine Warnung vor menschlicher Arroganz im Film, wenn auch durch andere Mittel als im Buch, verwirklicht gesehen. Obwohl man Dick die damals für ihn sehr hohe Summe von 75.000&nbsp;$ anbot, seinen Roman neu zu verfassen, so dass er als Buch zum Film verkauft werden kann, lehnte er ab und widmete seine Energie einem neuen Buch, für welches er deutlich weniger Geld bekam. Dick starb wenige Monate vor Erscheinen des Films.<ref>zu Dicks wechselnden Ansichten zum Film siehe Sammon, S. 282–286 und passim; G. Rickman: ''Philip K. Dick on Blade Runner: „They Did Sight Stimulation On My Brain“'' in: Kerman, S. 103–109; [http://brmovie.com/Articles/Sammon_Interview_06.htm Interview mit Sammon] bei brmovie.com; [http://www.philipkdick.com/new_letters-laddcompany.html Brief von Dick an die Ladd Company, 11. Oktober 1981]</ref> Ein Vorbild für das Los Angeles des Films ist offensichtlich [[Fritz Lang]]s ''Metropolis''. Als weitere filmische Vorläufer sind ''[[Was kommen wird]]'', ''[[Just Imagine]]'' und ''[[Lemmy Caution gegen Alpha 60|Alphaville]]'' genannt worden.<ref>S. Bukatman: ''Blade Runner'', S. 84f.; D. Desser: ''Race, Space and Class'' in: Kerman, S. 110–124</ref><ref name="Will"/> Atmosphäre und Teile der Handlung stehen auch in der Tradition des [[Film noir]], siehe dazu oben unter [[#Analyse|Analyse]]. Ridley Scott und Syd Mead haben als weitere Inspirationen für das Design [[Edward Hopper]]s bekanntes Gemälde ''Nighthawks'' angegeben, zudem das französische Comicmagazin [[Métal hurlant]] oder dessen US-amerikanisches Pendant ''Heavy Metal'', hier insbesondere die von [[Dan O’Bannon]] verfasste und von [[Jean Giraud|Moebius]] illustrierte Kurzgeschichte ''The Long Tomorrow''.<ref>Sammon, S. 74</ref> == Rezeption == === Umsatz === <!-- Uraufführungskino? --> Der Film lief in den USA am 25. Juni 1982 in 1.295 Kinos an. Mit etwas über 26 Millionen Dollar spielte er zumindest in den USA nicht einmal die Produktionskosten wieder ein. Ein Grund für das schlechte Abschneiden war, dass gleichzeitig ''[[E.T. – Der Außerirdische]]'' in die Kinos kam und den Markt für Science-Fiction-Filme für Monate besetzt hielt. In der Bundesrepublik Deutschland war der Film zunächst unter dem Titel ''Aufstand der Anti-Menschen'' angekündigt, kam aber dann unter dem Titel ''Der Blade Runner'' am 14. Oktober 1982 in die Kinos und fand ungefähr eine Million Besucher. === Kritiken === Beim ersten Erscheinen 1982 war die Reaktion der Kritiker gemischt. Einerseits wurde der Film als ambitioniert gelobt. Durchweg hohe Anerkennung fanden das [[Szenenbild]], nach den Entwürfen Scotts und Syd Meads realisiert von Lawrence G. Paull, und die [[Spezialeffekt]]e, für die der Oscar-Preisträger [[Douglas Trumbull]] verantwortlich war. Weiteres Lob gab es für Vangelis’ Musik.<ref>[http://www.musicoutfitter.com/store/item/075678262326/bladerunner.html Zitate aus Besprechungen des Soundtracks]</ref> Wiederholt kritisiert wurde dagegen, dass die Entwicklung des Plots und der Charaktere hinter der formalen Gestaltung zurückbleiben: {{Zitat|Überwältigt von den großartigen Sets und den auffallenden Bildern, ist die dünne Handlung […] streckenweise davon bedroht, ganz zu verschwinden|Phil Hardy|Die Science Fiction Filmenzyklopädie&nbsp;<ref name="Hardy">Königswinter 1998, ISBN 3-89365-601-4, S. 385.</ref>}} Einige Kritiker hielten den Film für zu lang, auch für langweilig.<ref>als Beispiel [http://deseretnews.com/movies/view/0,1257,200,00.html Chris Hicks], weitere Beispiele werden [http://www.towson.edu/~flynn/br.htm hier] zitiert</ref> Bekannte Rezensenten, die den Film für misslungen hielten, waren beispielsweise [[Pauline Kael]] und [[Roger Ebert]]. Der ''[[film-dienst]]'' lobte dagegen die ''„Ruhe und Stilisierung über weite Strecken des Films“'' ebenso wie die ''„brillanten Szenerien des Verfalls“'', kritisierte aber die Vernachlässigung von Handlungsführung und Charakterzeichnung.<ref>J. Schnelle in ''film-dienst'', Oktober 1982</ref> Über die Voice-over-Kommentare gab es unterschiedliche Ansichten, das Happy End wurde von den meisten Kritikern als aufgesetzt und unpassend empfunden. So schrieb ''[[Der Spiegel]]'', das ''„kitschige Happy End“'' sei eine ''„falsch verstandene Konzession an die Riten des Kinos“''<ref name="Spiegel"/>, und ein britischer Kritiker urteilte über das Ende sogar: {{Zitat-en|[T]he hero’s [[voice-over]] and the ending feel as if they’ve strayed in from another movie.|Übersetzung=Das Voice-over des Helden und das Ende wirken, als hätten sie sich aus einem anderen Film hierher verirrt.|David Pirie&nbsp;<ref>in: ''Time Out Film Guide'', London 2000, ISBN 0-14-028365-X</ref>}} Viele Rezensenten wiesen auf die stilistischen Bezüge auf den Film noir hin, insbesondere erkannten ''{{"|die Filmkritiker [in Deckard] scharenweise den [[Philip Marlowe]] des 21. Jahrhunderts}}.<ref name="Hahn/Jansen"/>'' [[Hellmuth Karasek]] bezeichnete den Film als ''{{"|düstere Replik auf den Weltraumoptimismus von E.&nbsp;T.}}'', lobte ''{{"|sein eindrucksvolles alptraumhaftes<!--sic!--> Zukunftsdesign}}'' und sah im Film durch dessen ''{{"|überraschende, tiefsinnige Seiten}}'' einen weit überdurchschnittlichen Science-Fiction-Film.<ref>H. Karasek: ''Mein Kino'', München 1999, ISBN 3-453-14853-3, S. 479ff.</ref> Von den mit Ausnahme Harrison Fords 1982 recht unbekannten Darstellern ist insbesondere Rutger Hauer gelobt worden, der es schaffe, beim Zuschauer Sympathie für eine Kampfmaschine zu wecken: {{Zitat|[…] Hauer [reißt] den Film mit seiner seltsam bewegenden Rolle eines abtrünnigen arischen Replikanten, der blind für mehr Zeit kämpft, an sich|Phil Hardy&nbsp;<ref name="Hardy"/>}} {{Zitat|Ein weiterer Grund, warum der Film seine Zuschauer dermaßen packte, ist die Darstellung des Roy von Rutger Hauer […] [A]m Ende des Films bereuen wir unseren Irrtum. Wir können Roys Handlungen verstehen […] Als Roy dann stirbt, leiden wir mit ihm.|Rudi Steiner&nbsp;<ref name="Steiner"/>}} Auch Sean Young und Harrison Ford fanden bei der Mehrzahl der Kritiker Anerkennung. Teile des Publikums waren 1982 offenbar dadurch irritiert, dass Fords Rolle nicht den durch ''[[Star Wars]]'' und ''[[Indiana Jones]]'' geweckten Erwartungen entsprach. In diese Richtung äußerte sich auch Scott in einem Interview, als er davon sprach, dass die ''{{"|Fans eines Stars vom Kaliber Harrison Fords […] ihren Helden [damals] nicht auf Frauen schießen sehen oder erleben [wollten], wie er verprügelt wird}}<ref>[http://www.spiegel.de/kultur/kino/0,1518,524165,00.html Interview mit dem Regisseur auf Spiegel ONLINE vom 19. Dezember 2007]</ref>.'' Dass die Figur Deckard kein Held und keine Identifikationsfigur für das Publikum ist, wurde von Kritikern an beiden Versionen des Films bemängelt. Der Director’s Cut von 1992 wurde anders als die erste Fassung überwiegend gelobt, die Änderungen wurden begrüßt: {{Zitat-en|In its earlier incarnation, the film was a flawed masterpiece; in Scott’s restored version, it is, quite simply, a masterpiece.|Übersetzung=In seiner früheren Fassung war der Film ein Meisterwerk mit Fehlern; in Scotts restaurierter Fassung ist er einfach ein Meisterwerk.|Nigel Floyd<ref>in: ''Time Out Film Guide'', a.a.O.</ref>}} {{Zitat|[D]er Director’s Cut erweist sich nicht nur als die filmisch bessere Version, sondern auch als die einzig logische.|Stefan Krauss&nbsp;<ref name="Krauss"/>}} Die hohe Anerkennung für den Director’s Cut ist dennoch erstaunlich, weil zumindest einige früher kritisierte Punkte dort nicht wesentlich verändert wurden. Offenbar sahen die Kritiker sie nicht mehr als so schwerwiegend an wie zehn Jahre zuvor; einige gaben auch zu, ihre Meinung geändert zu haben.<ref>So etwa [[Roger Ebert|Siskel&Ebert]] laut [http://imdb.com/title/tt0083658/trivia IMDb Trivia for Blade Runner].</ref> Einige blieben jedoch bei ihrer Kritik und verwiesen auf Elemente des Films, die sie immer noch oder ohne die Voice-overs noch mehr als verwirrend oder sinnlos empfanden. Es ist auf die polarisierende Wirkung des Films beim Publikum hingewiesen worden: viele fänden ihn sehr gut, viele aber auch sehr schlecht. Spätestens seit Mitte der 1990er taucht der Film in vielen der populären Listen bester Filme (aus einem Genre, Jahrzehnt oder überhaupt) auf.<ref>Zusammenstellung einiger Platzierungen unter http://www.brmovie.com/BR_Views.htm</ref> Dabei ist er in Publikumsbefragungen meist noch besser platziert als bei Befragungen von professionellen Filmkritikern. === Auszeichnungen === Der Film erhielt unter anderem die folgenden Auszeichnungen: * 1982: Los Angeles Film Critics Association Award – Jordan Cronenweth (Bester Kameramann) * 1983: 3 [[BAFTA Award]]s – Jordan Cronenweth (Bester Kameramann), Charles Knode und Michael Kaplan (Beste Kostümausstattung), Lawrence G. Paull (Bestes Szenenbild); 5 weitere Nominierungen * 1983: [[Hugo Award]] für das beste Drehbuch (Best Dramatic Presentation) * 1983: London Critics Circle Film Award&nbsp;– Sonderpreis für das visuelle Design an Lawrence G. Paull, Douglas Trumbull und Syd Mead * 1993: Aufnahme in das [[National Film Registry]] Daneben gab es zwei Nominierungen für den [[Academy Awards|Oscar]] ([[Oscar/Bestes Szenenbild|Bestes Szenenbild]] und [[Oscar/Beste visuelle Effekte|Beste visuelle Effekte]]) und eine [[Golden Globe Award|Golden-Globe]]-Nominierung für die Musik von Vangelis. In vier Kategorien war ''Blade Runner'' für den [[Saturn Award]] nominiert, nämlich ''Bester Science-Fiction-Film'', ''Beste Regie'', ''Beste Spezialeffekte'' und ''Bester Nebendarsteller'' (Rutger Hauer); eine weitere Nominierung für den Saturn Award erhielt 1994 der Director’s Cut als ''Beste Veröffentlichung auf Video''. Die Originalversion wurde 1983, der Director’s Cut 1993 beim Fantasporto Film Festival als ''Bester Film'' vorgeschlagen, Jordan Cronenweth erhielt 1982 eine Nominierung für die ''Beste Kameraführung'' von der British Society of Cinematographers. 2003 erstellte die [[Bundeszentrale für politische Bildung]] in Zusammenarbeit mit zahlreichen Filmschaffenden einen [[Filmkanon]] für die Arbeit an Schulen und nahm diesen Film in ihre Liste auf. == Fortsetzungen, Spin-offs und Nachfolger == === Bücher === [[K. W. Jeter]], ein Freund von Philip K. Dick, hat bisher drei Fortsetzungen geschrieben. Die Rechteinhaber des Films erlaubten ihm, den Titel ''Blade Runner'' zu benutzen. Die Bücher tragen im Original die Titel: * ''Blade Runner 2: The Edge of Human'' (erschienen 1995) * ''Blade Runner 3: Replicant Night'' (1996) * ''Blade Runner 4: Eye and Talon'' (2000) Jeters Bücher sollen dabei eine Fortsetzung sowohl zu Dicks Roman ''Träumen Androiden von elektrischen Schafen?'' als auch zum Film sein, was aufgrund der deutlichen Unterschiede zwischen diesen beiden schwierig ist. Um dennoch einen möglichst breiten Leserkreis zu erreichen, benutzt er eine, sowohl in Bezug auf den Film, als auch auf die Romanvorlage, einfachere Sprache und bedient sich des Kniffs, Handlung eher zu erklären als sie darzustellen. Auf Deutsch sind bisher die Bücher 2 und 3 erschienen, wobei der zweite Teil hier lediglich „Blade Runner II“ heißt, ohne den Zusatztitel. Er erschien im Heyne-Verlag. Der dritte Band ist im Doppelpack mit dem zweiten zusammen unter dem Titel ''Blade Runner: Die Rückkehr'' erschienen. === Film === Der 1998 erschienene Film ''[[Star Force Soldier]]'' spielt nach Aussagen von Regisseur [[Paul W. S. Anderson]] und Drehbuchautor David Peoples in derselben fiktiven Welt wie ''Blade Runner''. Peoples, der Coautor des ''Blade-Runner''-Drehbuchs war, baute einige Bezüge dazu ins Drehbuch von ''Soldier'' ein. === Computerspiel === {{Hauptartikel|Blade Runner (Computerspiel)}} 1997 veröffentlichte die Spielefirma [[Westwood Studios]] das offizielle PC-Spiel „Blade Runner“. Die Handlung findet in etwa zeitgleich zum Film statt. Der Spieler übernimmt die Rolle des Blade Runners Ray McCoy und entscheidet, ob er einer Gruppe von Replikanten um ihren Anführer Clovis hilft oder diese „aus dem Verkehr zieht“. Je nachdem, wie er sich entscheidet und wer vom Computer zu Beginn als Replikant festgelegt wurde, gibt es zwölf unterschiedliche Endsequenzen, wobei das Gameplay aber dennoch recht linear ist. Mehrere Nebendarsteller des Films sprechen auch im Spiel ihre Rollen. === Indirekter Einfluss === Der Film gilt als atmosphärisch und visuell prägend für die später, ebenfalls in den 1980er Jahren, entstandene Literaturrichtung [[Cyberpunk]]. [[William Gibson]] hat erklärt, dass er seinen einflussreichen Roman ''[[Neuromancer]]'' schon begonnen hatte, als er ''Blade Runner'' sah. Auch ihn hatten die ''Heavy Metal''-Comics inspiriert.&nbsp;<ref>Interview mit Gibson in der Zeitschrift ''Details'', Oktober 1992, zitiert nach [http://www.brmovie.com/FAQs/BR_FAQ_BR_Influence.htm Blade Runner FAQ: Did Blade Runner influence cyberpunk?]</ref> Bis heute ist der von Scott und Mead konzipierte ''Look'' des Films Vorbild für viele [[Fantastik|fantastische]] Werke. Oft genannt werden hier etwa die Filme ''[[Brazil]]'', ''[[Terminator (Film)|Terminator]]'', ''[[Batman (Film)|Batman]]'', ''[[RoboCop]]'', ''[[Das fünfte Element]]'', ''[[Strange Days]]'' und ''[[Matrix (Film)|Matrix]]'' sowie die Fernsehserien ''[[Max Headroom]]'' und ''[[Total Recall 2070]]''. Auch eine Reihe von [[Anime]]s&nbsp;– etwa ''[[Akira (Manga)|Akira]]'', ''[[Bubblegum Crisis]]'', ''[[Cowboy Bebop]]'', ''[[Silent Möbius]]'', ''[[Armitage the Third]]'' und ''[[Ghost in the Shell]]''&nbsp;– und Computerspielen&nbsp;– etwa ''[[Snatcher]]'' oder ''[[Final Fantasy VII]]''&nbsp;– im Umfeld des Cyberpunk-Genres ist von ''Blade Runner'' beeinflusst. Als direktes Remake kann die südkoreanische Produktion ''[[Natural City]]'' von Min Byung-chun aus dem Jahr 2003 gelten. Dieser Film greift nicht nur die Optik von ''Blade Runner'' auf, sondern übernimmt auch zum Großteil den Handlungsverlauf. Das Thema der „Menschlichkeit“ von Robotern und Androiden beziehungsweise der Unterscheidbarkeit zwischen Menschen und Humanoiden wird in vielen weiteren Filmen aufgegriffen, wie z.&nbsp;B. ''[[Aliens – Die Rückkehr|Aliens]]'', ''[[A.I. – Künstliche Intelligenz]]'', ''[[I, Robot (Film)|I, Robot]]'' und ''[[Der 200 Jahre Mann]]'' (wobei die zugrundeliegenden Erzählungen der beiden letztgenannten Filme älter als Dicks Werk sind). ''Blade Runner'' machte Philip K. Dick [[postum]] in Hollywood bekannt. Später gedrehte Filme, die Geschichten Dicks als Vorlage haben, sind etwa ''[[Die totale Erinnerung – Total Recall]]'', ''[[Screamers – Tödliche Schreie|Screamers]]'', ''[[Minority Report]]'', ''[[Paycheck]]'', ''[[A Scanner Darkly – Der dunkle Schirm|A Scanner Darkly]]'' und ''[[Next (Film)|Next]]''. Es gibt viele weitere Werke vor allem der [[Popkultur]], die auf den Film Bezug nehmen. Darunter sind etwa Stücke der Gruppen [[Audioslave]], [[White Zombie]] und des Sängers [[Gary Numan]]. Das Video zu ''Tonight, Tonight, Tonight'' von [[Genesis (Band)|Genesis]] ist den Szenen im Bradbury Building nachempfunden und wurde auch dort gedreht. Für das Cover ihres 1986 erschienenen Albums ''[[Somewhere in Time]]'' nahm auch die englische Heavy-Metal-Band [[Iron Maiden]] Anleihen bei ''Blade Runner'', der sogar namentlich genannt wird. Die Band-Fotos für dieses Album entstanden in einer Art Fuhrpark, zu dem auch das Flugauto und das „normale“ Auto gehören, mit denen Deckard und Gaff unterwegs sind. In ihrem Song ''Time What Is Time'' vom 1992er Album [[Somewhere Far Beyond]] greift die deutsche Speed-Metal-Band [[Blind Guardian]] das Thema auf. Die britische Sängerin [[Kim Wilde]] veröffentlichte 1984 auf dem Album „Teases & Dares“ ein Stück mit dem Namen „Bladerunner“ und verwendete hierin auch einige kurze [[Sampling (Musik)|Soundsamples]] aus dem Kinofilm. Das 1996 erschienene Album „Dead Cities“ der englischen Electronica-Band [[The Future Sound of London]] erzeugt durch Musik, Thematik und Cover-Artwork eine düster-endzeitliche Atmosphäre und zitiert dabei auch Blade Runner oder speziell seinen Film-Soundtrack. Im Stück „My Kingdom“ wird äußerst wirkungsvoll ein [[Sampling (Musik)|Gesangssample]] aus „Rachel’s Song“ verwendet. Der im Film erstmals erwähnte fiktive Ort [[Tannhäuser Tor]] hat in Science-Fiction-Kreisen weitere Verbreitung gefunden. Sowohl „The Replicants“ als auch „The Blade Runners“ waren auch Namen zweier Gruppen aus der [[Atari ST|Atari-ST]]-[[Demoszene]]. == Verweise == === Quellen === <references /> === Literatur === * [[Philip K. Dick]]: ''Blade Runner''. 2002, ISBN 3-453-21728-4 (''siehe [[Träumen Androiden von elektrischen Schafen?]]'') '''Sekundärliteratur:''' * Paul M. Sammon: ''Future Noir&nbsp;– The Making of Blade Runner''. Orion Media, London 1996, ISBN 0-7528-0740-4. (Der Filmjournalist Sammon beobachtete schon die Dreharbeiten, stellte für dieses Buch weitere Recherchen an und interviewte viele Beteiligte. Das Buch gilt in Fankreisen als die „Blade-Runner-Bibel“, ist aber nicht völlig fehlerfrei.) * Scott Bukatman: ''Blade Runner (BFI Modern Classics)''. British Film Institute, London 1997, ISBN 0-85170-623-1. * Judith B. Kerman (Hrsg.): ''Retrofitting Blade Runner''. University of Wisconsin Press, 2. Auflage Madison 1997, ISBN 0-87972-510-9. (Etwa 20 Aufsätze über den Film und Dicks Buch, enthält auch eine kommentierte Bibliographie.) * Frank Schnelle: ''Ridley Scott’s Blade Runner''. Wiedleroither, Stuttgart 1997, ISBN 3-923990-06-5. * [[Ronald M. Hahn]], Volker Jansen: ''Die 100 besten Kultfilme von „Metropolis“ bis „Fargo“.'' Wilhelm Heyne, München 1998, ISBN 3-453-86073-X, S. 45–51. * [[Johannes F. Sievert]]: ''Theoretische und filmanalytische Aspekte in Ridley Scotts Blade Runner''. 2000, ISBN 3-930258-72-2. * Fabienne Will: ''Der Blade Runner''. In: [[Thomas Koebner]] (Hrsg.): ''Filmgenres: Science Fiction''. Reclam, Stuttgart 2003, ISBN 3-15-018401-0, S. 376–387. (Kurzer Essay, der fast alle wichtigen Themen aus dem Film anschneidet und in größere philosophische Zusammenhänge einordnet. Konzentriert sich auf die Originalversion und zieht insbesondere die Voice-over-Kommentare heran; kleinere sachliche Fehler.) Ausführliche Verzeichnisse von internationalen Kritiken und weiterer Literatur finden sich auch unten unter [[#Kritiken|Weblinks]] sowie in: * ''Metzler Film-Lexikon''. Metzler, 2. Auflage Stuttgart 2005, ISBN 3-476-02068-1, S. 79 und * ''International Dictionary of Films and Filmmakers. Volume 1: Films.'' St. James Press, 2. Auflage Chicago 1990, ISBN 1-55862-037-0, S. 113f. == Weblinks == '''Allgemeines:''' * {{IMDb Titel|tt0083658}} * {{OFDb|281|Blade Runner}} * [http://brmovie.com/ brmovie.com] (umfangreiche englische Seite) mit der [http://brmovie.com/FAQs/index.htm Blade Runner FAQ] * [http://bladezone.com bladezone.com] (umfangreiche englische Seite) '''Kritiken:''' * [http://www.filmzentrale.com/rezis/bladerunnersk.htm Umfangreiche Filmkritik, sowie Deutung der Symbolik] von Siegfried König auf filmzentrale.com (deutsch) * [http://www.filmsite.org/blad.html Umfangreiche Besprechung] von Tim Dirks auf filmsite.org (englisch) * [http://uk.rottentomatoes.com/m/blade_runner/ Besprechungen der Originalversion] auf [[Rotten Tomatoes|rottentomatoes.com]] (englisch) * [http://uk.rottentomatoes.com/m/blade_runner_the_directors_cut/ Besprechungen des Director’s Cut] auf rottentomatoes.com (englisch) * [http://uk.rottentomatoes.com/m/blade_runner_the_final_cut/ Besprechungen des Final Cut] auf rottentomatoes.com (englisch) * [http://www.metacritic.com/video/titles/bladerunnerdirectorscut Besprechungen des Director’s Cut] auf metacritic.com (englisch) '''Interviews:''' * [http://www.spiegel.de/kultur/kino/0,1518,524165,00.html Interview mit Ridley Scott] bei Spiegel Online '''Essays:''' * [http://br-insight.com/ br-insight.com] (englisch, enthält viele Analysen und Interpretationen des Films) * [http://scribble.com/uwi/br/ 2019: Off-World] (englisch, enthält einige Essays zum Film, ein nicht gedrucktes Kapitel aus Sammons Buch und umfangreiche Archive) * [http://hubcap.clemson.edu/~sparks/sffilm/blader.html Blade Runner and The Postmodern City] (englische Essay- und Linksammlung) '''Drehbücher:''' * [http://brmovie.com/Downloads/Docs/BR_Multi-Script_by_Netrunner.txt „Multiscript“] (von Fans erstelltes, paralleles Skript zu Workprint, Originalversion und Director’s Cut; englisch, txt-Format) * [http://dailyscript.com/scripts/Blade-runner_early.html Drehbuchentwurf von Fancher, 24. Juli 1980] (englisch, txt-Format) * [http://dailyscript.com/scripts/blade-runner_shooting.html Drehbuch von Fancher und Peoples, Version vom 23. Februar 1981] (englisch, txt-Format) {{Navigationsleiste Filme von Ridley Scott}} {{Exzellent}} [[Kategorie:Filmtitel 1982]] [[Kategorie:US-amerikanischer Film]] [[Kategorie:Literaturverfilmung]] [[Kategorie:Science-Fiction-Film]] [[Kategorie:Filmdrama]] [[Kategorie:Dystopie]] [[Kategorie:Endzeitfilm]] [[Kategorie:Philip K. Dick]] {{Link GA|ca}} {{Link GA|ru}} {{Link FA|en}} {{Link FA|es}} [[bg:Блейд Рънър]] [[bn:ব্লেড রানার]] [[br:Blade Runner]] [[ca:Blade Runner]] [[cs:Blade Runner]] [[cy:Blade Runner]] [[da:Blade Runner]] [[de:Blade Runner]] [[en:Blade Runner]] [[es:Blade Runner]] [[et:Blade Runner]] [[eu:Blade Runner]] [[fa:بلید رانر]] [[fi:Blade Runner]] [[fr:Blade Runner (film)]] [[gl:Blade Runner]] [[he:בלייד ראנר]] [[hr:Istrebljivač]] [[hu:Szárnyas fejvadász]] [[hy:Սայրի վազորդ]] [[it:Blade Runner]] [[ja:ブレードランナー]] [[ko:블레이드 러너]] [[lt:Bėgantis skustuvo ašmenimis]] [[lv:Pa asmeni skrejošais]] [[nl:Blade Runner]] [[no:Blade Runner]] [[pl:Łowca androidów]] [[pt:Blade Runner]] [[ro:Vânătorul de recompense]] [[ru:Бегущий по лезвию]] [[simple:Blade Runner]] [[sr:Истребљивач]] [[sv:Blade Runner]] [[tr:Bıçak Sırtı]] [[zh:银翼杀手]] 69tmpk3lib9ruuvvz6yffzxxfcbt7ed wikitext text/x-wiki Kritischer Rationalismus 0 23493 26092 2010-04-29T08:40:31Z Luha 0 Änderungen von [[Special:Contributions/Lucjesuistonpere|Lucjesuistonpere]] ([[User talk:Lucjesuistonpere|Diskussion]]) rückgängig gemacht und letzte Version von [[User:91.6.205.165|91.6.205.165]] wiederhergestellt Der '''Kritische Rationalismus''' ist eine von [[Karl R. Popper]] begründete philosophische Denkrichtung. Popper beschreibt ihn als [[Lebenseinstellung]], „die zugibt, dass ich mich irren kann, dass du recht haben kannst und dass wir zusammen vielleicht der Wahrheit auf die Spur kommen werden“<ref name="gesell2">''Offene Gesellschaft II''</ref>{{rp|281}}. Kennzeichnend ist ein vorsichtig optimistischer Blickwinkel auf Leben und Dinge, der in den Buchtiteln ''Alles Leben ist Problemlösen''<ref name="popper">Karl R. Popper: ''Alles Leben ist Problemlösen'' (Piper, 1994), ISBN 3-492-22300-1.</ref> und ''Auf der Suche nach einer besseren Welt''<ref name="popper2">Karl R. Popper: ''Auf der Suche nach einer besseren Welt'' (Piper, 1984), ISBN 3-492-20699-9.</ref> seinen Ausdruck findet. == Überblick == Der Kritische Rationalismus setzt sich mit der Frage auseinander, wie wissenschaftliche oder gesellschaftliche (aber prinzipiell auch alltägliche) Probleme undogmatisch, planmäßig (‚methodisch‘) und vernünftig (‚rational‘) untersucht und geklärt werden können. Dabei sucht er nach einem Ausweg aus der Wahl zwischen Wissenschaftsgläubigkeit ([[Szientismus]]) und der Auffassung, dass wissenschaftliches Wissen auf positiven Befunden aufbauen muss ([[Positivismus]]) auf der einen Seite, sowie andererseits dem Standpunkt, dass Wahrheit vom Blickwinkel abhängig ist ([[Relativismus]]) und dass Wissen der Willkür preisgegeben ist, wenn Beweise unmöglich sind ([[Wahrheitsskeptizismus]]). Der Kritische Rationalismus übernimmt die im Alltagsverstand selbstverständliche Überzeugung, dass es die Welt wirklich gibt, und dass sie vom menschlichen [[Erkenntnis]]vermögen unabhängig ist. Das bedeutet beispielsweise, dass sie nicht zu existieren aufhört, wenn man die Augen schließt. Der Mensch aber ist in seiner Erkenntnisfähigkeit dieser Welt durch seine Wahrnehmung begrenzt, so dass er sich keine endgültige Gewissheit darüber verschaffen kann, dass seine Erfahrungen und Meinungen mit der tatsächlichen Wirklichkeit übereinstimmen ([[Kritischer Realismus]]). Er muss daher davon ausgehen, dass jeder seiner Problemlösungsversuche falsch sein kann ([[Fallibilismus]]). Das Bewusstsein der Fehlbarkeit führt einerseits zu der Forderung nach der ständigen kritischen Prüfung von Überzeugungen und Annahmen, andererseits zum methodischen und rationalen Vorgehen bei der Lösung von Problemen ([[Methodischer Rationalismus]]). Der Kritische Rationalismus fragt also zum Beispiel nicht, wie man eine naturwissenschaftliche Theorie beweisen kann, sondern wie man herausfinden kann, ob und wo sie fehlerhaft ist, und was man tun sollte, wenn man einen Fehler gefunden hat. Ein starkes Argument dafür, die Suche nach Beweisen für eine Theorie aufzugeben, ist die Ablösung der [[Gravitationstheorie]] von [[Isaac Newton]] durch die von [[Albert Einstein]]. Newtons Theorie war nach ihrer Entdeckung 200&nbsp;Jahre lang durch Beobachtung immer wieder ausnahmslos bestätigt worden. Hätte man also von überhaupt einer bewiesenen naturwissenschaftlichen Theorie sprechen können, dann wäre es mit großem Abstand die newtonische gewesen. Dennoch ließ sich Einstein nicht davon abhalten, die Richtigkeit dieser Theorie anzuzweifeln und ihr eine eigene Theorie gegenüberzustellen. Newton hatte dieser neuen Theorie zufolge zwar auf einem beschränkten Bereich näherungsweise recht gehabt, außerhalb dieses Bereichs war seine Theorie aber fehlerhaft und verbesserungsbedürftig. Sie wäre dann also nicht mehr als Beispiel für eine sichere Theorie zu sehen, sondern eher als Beispiel für die grundsätzliche Fehlbarkeit auch des am sichersten geglaubten menschlichen Wissens. Statt seinerseits nun zu behaupten, Verfahren zum Beweis der eigenen Theorie angeben zu können, schlug Einstein anspruchsvolle Experimente zur ihrer Überprüfung vor und gab an, unter welchen Gegebenheiten er sich gezwungen sehen würde, sie wieder zu verwerfen. Die von Einstein empfohlene Herangehensweise deutet an, wie wissenschaftliche Probleme mittels [[Versuch und Irrtum]] gelöst werden können: Hätte seine Theorie die vorgeschlagenen Prüfungen nicht bestanden, so hätte man eine andere ausprobieren können. Vor Einsteins Revolution der Physik war die Ansicht weit verbreitet, dass Beweise von wissenschaftlichen Theorien durch die Methode der [[Induktion (Denken)|Induktion]] möglich seien. Das ist die Verallgemeinerung eines Sachverhalts ausgehend von einzelnen Beobachtungen. Die [[Wissenschaftstheorie|wissenschaftstheoretischen]] Grundaussagen des kritischen Rationalismus sind daher die Verneinung der Möglichkeit einer solchen Induktionsmethode und der Gegenvorschlag der Methode der Falsifikation. Das ist der Versuch, durch Experimente und Beobachtung Gegenbeispiele zu finden. Der Standpunkt des Kritischen Rationalismus zur Politik ist seinem Standpunkt zur Wissenschaft sehr ähnlich. Hier ist nicht ausschlaggebend, wie man im Voraus den besten Herrscher findet oder was man tun sollte, um für ideale Verhältnisse zu sorgen. Stattdessen ist viel wichtiger, wie schlechte Herrscher unblutig abgesetzt und Missstände beseitigt werden können. Ebenso verzichtet er auf dem Gebiet der [[Ethik]] und der Gesellschaft auf eine Begründung für Normen und konzentriert sich stattdessen auf die Frage, wie schlechte Regeln erkannt und verbessert werden können. Ethik ist für den Kritischen Rationalismus also das Problemlösen auf sozialem Gebiet. Auch hier fordert er ein kritisch-rationales Vorgehen und den Verzicht auf jegliches [[Dogma]]. Wie in der Wissenschaft findet man neue, bessere Lösungen nach dem Prinzip von Versuch und Irrtum. Um schwerwiegende negative Auswirkungen von Versuchen in diesem Bereich zu vermeiden, spricht sich der Kritische Rationalismus für eine Politik der kleinen Schritte („piecemeal-engineering“ – „Stückwerkstechnik“) aus. In jedem dieser Bereiche wendet der Kritische Rationalismus also das Prinzip der Kritik an, das auf Beobachtung, Überprüfung auf Selbstwidersprüche, Widersprüche zu empirisch-wissenschaftlichen Theorien sowie auf der Erfolgskontrolle hinsichtlich des zu lösenden Problems basiert. So räumt er Kreativität, Phantasie und [[Staunen]] über die Welt einen Stellenwert ein, der sich deutlich von dem traditionellen Bild der strengen Sterilität der Wissenschaft distanziert. Sie wird nicht als eine stetige Anhäufung von unfehlbaren Wahrheiten verstanden, andererseits aber auch nicht als Bau von Luftschlössern. Aus der Sicht des Kritischen Rationalismus ist sie vielmehr ein großes Abenteuer und eine spannende Entdeckungsreise. Mit seiner Grundauffassung, dass alle Menschen fehlbar sind, wendet sich der Kritische Rationalismus gegen alle Positionen, die von der Möglichkeit einer [[Letztbegründung]] (beispielsweise im Hinblick auf moralische Normen) ausgehen. Er macht den Vorschlag einer offenen [[Pluralismus (Politik)|pluralistischen]] Gesellschaft, die [[Toleranz|tolerant]] gegenüber allen friedlichen Menschen ist, die Konflikte durch rationale Diskussion und mit Hilfe der aufrichtigen Wahrheitssuche löst; in der die Menschen frei sind, ihrem Leben einen [[Individualismus|individuellen]] [[Sinn des Lebens|Sinn]] zu geben und ihren Weg in einer offenen Zukunft suchen zu können. Als Konsequenz bekämpft er jede Form von Bevormundung durch [[Autorität]]en, [[Intoleranz]] und [[Ideologie]], [[Totalitarismus]] und [[Irrationalismus]]. == Vertreter == Der Kritische Rationalismus wurde von [[Karl R. Popper]] im Rahmen seiner Auseinandersetzung mit [[Wissenschaftstheorie]] und [[Sozialphilosophie]] begründet. (Er führte diese Bezeichnung 1944 in seinem Werk ''Die offene Gesellschaft und ihre Feinde'' ein,<ref name="gesell">''Offene Gesellschaft''</ref>{{rp|269}} entwickelte grundsätzliche Inhalte jedoch bereits in seinen früheren Werken.) Seine umfassendste Darstellung hat er in ''Objektive Erkenntnis'' erarbeitet. Daneben gibt es divergierende Abwandlungen, die sich zum Teil grundlegend unterscheiden.<ref>Hans Albert: Varianten des Kritischen Rationalismus. In Jan M. Böhm, Heiko Holweg, Claudia Hoock (Hrsg.): ''Karl Poppers kritischer Rationalismus heute. Zur Aktualität kritisch-rationaler Wissenschaftstheorie'' (Tübingen: Mohr Siebeck, 2002), S.&nbsp;3–22</ref><ref name="wettersten">John R. Wettersten: ''The Roots of Critical Rationalism,'' Amsterdam Atlanta, GA 1992, S. 9&nbsp;f.</ref> [[William Warren Bartley|William W. Bartley]] setzte sich in ''Flucht ins Engagement'' mit der Frage auseinander, ob der Kritische Rationalismus seinen eigenen Ansprüchen genügt, wenn er auf sich selbst angewendet wird, und somit ohne [[Integrität (Ethik)|Integritätsverlust]] akzeptiert werden kann. [[Hans Albert]] hat ihn für die [[Sozialwissenschaft|Sozial]]- und [[Geisteswissenschaften]] weiterentwickelt und ihn in seinem ''Traktat über kritische Vernunft'' systematisch ausgearbeitet. Ein zeitgenössischer Vertreter, der die Ansätze von Popper und Bartley verbindet, weiterentwickelt und sich mit Kritik auseinandersetzt, ist [[David Miller (Philosoph)|David Miller]]. Diese Positionen stehen der von Popper am nächsten. [[Joseph Agassi]] hat sich mit Grundfragen zur Rationalitätsauffassung befasst, löste sie aber in anderer Weise als Bartley. [[Imre Lakatos]] entwarf eine stark abgewandelte, konservative Form des Kritischen Rationalismus, die mehr auf den Schutz des harten Kerns einer Theorie ausgerichtet ist. Varianten mit Elementen der klassischen [[Rechtfertigungsstrategie]] entwickelten [[John W. N. Watkins]] und [[Alan Musgrave]]. [[Adolf Grünbaum]] und [[Wesley C. Salmon]] vertraten Abwandlungen mit induktivistischen Elementen. [[Gerhard Vollmer]] hat versucht, den kritischen Rationalismus mit dem Naturalismus zu verbinden. Das weltanschauliche Spektrum unter den Anhängern des Kritischen Rationalismus reicht von rigorosen Anhängern von [[Atheismus]], [[Religionskritik]] und der [[Skeptikerbewegung]] wie [[Michael Schmidt-Salomon]] und [[Bernulf Kanitscheider]] bis zu dem [[Opus Dei|Opus-Dei]]-Priester [[Mariano Artigas]] (1938–2006). Popper vertrat eine differenzierende Sicht,<ref>Edward Zerin: Karl Popper On God: The Lost Interview. ''Skeptic'' '''6''':2 (1998)</ref> Bartley schloss sich den Lehren von [[Landmark Education|Werner Erhard]] an, dem Gründer des umstrittenen [[Landmark Education|EST]] (Erhard Seminar Training).<ref>W.&nbsp;W. Bartley: [http://www.nybooks.com/articles/7784 Deep-Est]. ''The New York Review of Books'' '''26''':9 (31. Mai 1979).</ref> == Kritischer Realismus == ''Hauptartikel: [[Kritischer Realismus]]'' Der [[Realismus (Philosophie)|Realismus]] ist die metaphysische Theorie, dass eine vom Menschen unabhängige Wirklichkeit existiert. Während der naive Realismus davon ausgeht, dass die Welt so ist, wie der Mensch sie wahrnimmt, vertritt der kritische Realismus die Auffassung, dass Vorstellungen von ihr durch subjektive Elemente, die in der Wahrnehmung und im Denken liegen, mehr oder weniger stark beeinflusst werden. Weil die Sinne und die Verarbeitungsprozesse im Gehirn der angenommenen Außenwelt und der Vorstellung zwischengeschaltet sind, kann man auch vom indirekten Realismus sprechen. Dieser Vermittlungsvorgang schließt eine „reine Wahrnehmung“ aus, denn es kann sich um Täuschungen handeln. Der Kritische Realismus ist keine ontologische Annahme, die der Wissenschaft vorausgeht, sondern er ist eine metaphysische Konsequenz aus den empirisch-wissenschaftlichen Theorien.<ref name="rationalism">''Critical Rationalism''</ref>{{rp|2.2i}} <ref name="erkenntnis">''Objektive Erkenntnis''</ref>{{rp|Kap.2}} <ref name="engagement">''Flucht ins Engagement'', Anhang 2, Abschnitt 8</ref> (Gegen antirealistische Tendenzen bei der Quantentheorie argumentierte Popper mit einer von ihm selbst aufgestellten und weiterentwickelten realistischen Interpretation.) Er ist aber nicht nur [[Kosmologie|kosmologisch]] (eine äußere Welt existiert) zu verstehen, sondern auch erkenntnistheoretisch: Indem der Mensch im Rahmen einer Falsifikation einen Irrtum feststellt und ihn korrigiert, nähert er sich der Erkenntnis der Wirklichkeit an. Er wird zwar nie wissen, ob oder inwieweit er sich ihr angenähert hat, aber die Ablösung eines Irrtums durch eine bessere Erklärung bedeutet eine bessere Kenntnis darüber, wie die Welt wirklich ist. Davon unabhängig gibt es auch eine Position im [[Universalienstreit]], die Realismus heißt. Diese Position geht davon aus, dass Allgemeinbegriffen eine wirkliche Existenz zukommt. Konkret ist das beispielsweise die Behauptung, dass es wahre Kunst, den wahren Menschen oder den wahren Staat gibt. Diese Position lehnt der Kritische Rationalismus strikt ab, da sie im Zusammenhang mit der Behauptung steht, dass Dinge essentielle Eigenschaften und Begriffe ein Wesen, eine Natur oder einen Kern haben, der nicht verändert werden kann. Popper nennt sie zur Vermeidung von Missverständnissen [[Essentialismus]]. Der Essentialismus äußert sich im „Denken in Begriffen“ und in Fragen, die mit „Was ist“ beginnen, z.B. „Was ist der Staat?“ Sie müssen nach Popper durch eine Diskussion von Problemen ersetzt werden, beispielsweise „Wie sehr sollte sich der Staat in die privaten Angelegenheiten der Bürger einmischen?“ Popper selbst vertrat erst den [[Nominalismus]], für den Begriffe reine konventionelle Mittel zur Abkürzung sind. In seinem metaphysischen Spätwerk bekannte er sich zu einem modifizierten Essentialismus, der zugesteht, dass in einem Entwicklungsvorgang von Generation zu Generation immer einige Eigenschaften vererbt werden und so erhalten bleiben, und dass manche Eigenschaften einer stärkeren Selektion unterworfen sind als andere. Er lehnte jedoch die Auffassung ab, dass es unter diesen Eigenschaften einen Kern gibt, der in besonderer, prinzipieller Weise von der Veränderung ausgenommen ist. == Fallibilismus == ''Hauptartikel: [[Fallibilismus]]'' Das Ziel, mit Theorien zutreffende Aussagen zu machen, führt zu der Frage nach der Erkennbarkeit der Wirklichkeit. Dabei geht der Kritische Rationalismus davon aus, dass es aufgrund der logischen Eigenschaften aller [[Wahrheitstheorie]]n nicht möglich ist, eine gesicherte Wahrheitsbegründung zu geben. Denn jeder Versuch, die Wahrheit einer Aussage nachzuweisen, führt entweder in einen unendlichen Regress, einen logischen Zirkel oder zu einem Abbruch des Beweisverfahrens, oft mit dem Hinweis auf die [[Evidenz]] der Aussage (siehe [[Münchhausen-Trilemma]]). Jeder solche Abbruch bedeutet, dass keine strenge Wahrheitsbegründung stattgefunden hat. Die Lösung des Kritischen Rationalismus geht davon aus, dass Wissen stets nur ein hypothetisches Wissen, ein vermutendes (''konjekturales'') Wissen ist, dem die klassische Bestimmung der Wahrheit als Übereinstimmung einer Aussage mit einer Tatsache zugrunde liegt. Wahrheit kann dabei, in Anlehnung an [[Alfred Tarski]], nicht durch ein Kriterium definiert werden; dennoch ist der semantische Gebrauch des Begriffs ‚Wahrheit‘ in der normalen Sprache, also die [[Korrespondenztheorie|Wahrheit als Übereinstimmung]] mit den Tatsachen, bei jedem konkreten Anwendungsfall unproblematisch. Trotz der Schlussfolgerung, dass man nie wissen kann, ob man die absolute [[Wahrheit]] gefunden hat, hält der Kritische Rationalismus an ihrer Existenz fest und lehnt den Relativismus, also die Abhängigkeit der Wahrheit vom Blickwinkel, ab. Man kann also die Wahrheit gefunden haben und einen wahren Satz aussprechen, aber man kann nicht beweisen, dass er wahr ist. Das trifft für alltägliche Behauptungen ebenso zu wie für die Theorien der Wissenschaft. Der Kritische Rationalismus sieht jedoch die fehlende Sicherheit einer Behauptung noch nicht – wie etwa der Wahrheitsskeptizismus – als notwendigen Grund zum Zweifel an ihrer Wahrheit an. Er argumentiert gegen den Wahrheitsskeptizismus mit dem Einwand, dass es rational sinnvoll ist, eine Theorie versuchsweise als wahr zu akzeptieren, wenn man sie kritikoffen vertritt und gegen ihre Haltbarkeit (bisher) keine Argumente gefunden wurden. Denn ohne Theorien sind selbst die alltäglichsten Probleme nicht lösbar. Dazu kommt, dass Falschheit nichts fatales ist: Die falsche Theorie kann dennoch viele wahre Konsequenzen haben oder Erklärungen liefern, die für die Praxis hilfreich sind. Diese Sicht führt außerdem zu einem [[Theorienpluralismus]], da es meist mehrere Alternativen gibt, die nach dem Stand der Diskussion akzeptabel sind und ausprobiert werden können. Rational ist es, bestehende Theorien in genügendem Umfang kritisch zu hinterfragen und die Notwendigkeit einer Erfahrungskontrolle immer im Auge zu behalten. An die Stelle des Beweisdenkens tritt die Idee der kritischen Prüfung. – „Look before you leap!“<ref name="rationalism"/>{{rp|2.2c}} Darauf aufbauend kann man auch Elemente des Empirismus, des Naturalismus und des Konstruktivismus in den Kritischen Rationalismus integrieren. So ist es vernünftig, Wahrnehmungsurteile als Hypothesen aufzufassen, die in der Regel wahr sind, solange man in Rechnung stellt, dass es Umstände der Wahrnehmungstäuschungen gibt. Hier unterscheidet sich der Kritische Rationalismus nicht vom [[Gemeinsinn|Alltagsverstand]]. Wahrnehmung ist also ein sehr unproblematisches Element, und selbst wenn sie einmal zu unschlüssigen Ergebnissen führt, ist eine Klärung meist unkompliziert. Auch wenn Wahrnehmungsurteile einmal im Nachhinein problematisch werden, bleiben sie immer durch weitere Wahrnehmung überprüf- und revidierbar. Die unproblematische Wahrnehmungsbasis ist zentral für den Kritischen Rationalismus, denn ohne sie wären Annahmen über die Wirklichkeit keiner Kontrolle unterworfen. Dass sie unproblematisch ist, bleibt jedoch nicht unhintergehbar: Es lässt sich mit der evolutionären Anpassung der Sinnesorgane des Menschen an seine Umwelt sehr gut naturalistisch erklären. Ebenso ist es dem Kritischen Rationalismus möglich, die konstruktivistische These zu akzeptieren, dass der Mensch die Naturgesetze nicht quasi im ‚Buch der Natur‘ liest, sondern dass er sie erfindet und, wie Kant sagte, sie der Natur vorschreibt. Naturgesetze sind Hypothesen über die Welt, die stets einer kritischen Überprüfung bedürfen. == Negativismus und Erkenntnisskeptizismus == Über den Fallibilismus hinaus beinhaltet der Kritische Rationalismus auch den Erkenntnisskeptizismus. Der Fallibilismus besagt nur, dass die Wahrheit einer Aussage nicht begründet werden kann. Der Erkenntnisskeptizismus geht noch weiter und behauptet, dass sogar das Fürwahrhalten einer Aussage nicht begründet werden kann. Daraus darf jedoch nicht auf den Wahrheitsskeptizismus geschlossen werden: Es folgt nicht, dass an der Wahrheit alles Fürwahrgehaltenen gezweifelt werden muss oder dass es gar verboten ist, etwas für wahr zu halten oder als wahr zu beurteilen. Popper stimmte mit Bartley und Miller überein, dass es niemals gute, positive Gründe dafür geben kann, etwas zu glauben: Gute Gründe existieren nicht; wenn sie existieren würden, wären sie nutzlos; und sie werden für Rationalität auch nicht benötigt.<ref name="popper3">''The Philosophy of Karl Popper'', S. 1041 und 1043</ref> (Zwar interpretierte Popper den [[Grad der Bewährung]] – der Grad, in dem eine Behauptung der Kritik standgehalten hat – als Maß der Rationalität der versuchsweisen Annahme einer Vermutung,<ref name="logik">''Logik''</ref>{{rp|''*IX'', Punkt 12}} aber nach Bartley müssen diese Passagen ignoriert werden, wenn die Stimmigkeit des Gesamtzusammenhangs gewahrt bleiben soll.<ref name="bartley">William W. Bartley: [http://web.archive.org/web/20071210212638/http://www.geocities.com/criticalrationalist/rcl.doc Rationality, Criticism, and Logic]. ''Philosophia'' '''11''':1-2 (1982), Abschnitt XXVI</ref> Bewährung muss als erkenntnistheoretisch völlig irrelevant angesehen werden.<ref name="rationalism"/>{{rp|6.3}}) Rationale Argumente hingegen sind unabdingbar, sind aber immer negativ und kritisch (‚[[Negativismus (Kritischer Rationalismus)|Negativismus]]‘).<ref name="rationalism"/>{{rp|Kapitel 3}} Ob man eine Annahme oder ein Argument akzeptiert, ist immer eine freie Willens- und Gewissensentscheidung, und kann argumentativ nicht erzwungen werden. Rationalität liegt darin, eine erfolgreich kritisierte Annahme zu verwerfen.<ref name="popper4">''The Philosophy of Karl Popper'', S. 69</ref> Fehlende gute Gründe machen jedoch eine Annahme nicht rein willkürlich. Denn eine wechselseitige Kontrolle von Vermutungen untereinander ist möglich (‚[[Checks and Balances]]‘).<ref name="rationalism"/>{{rp|6.3}} Zur Akzeptanz gehört immer der Verwurf von Alternativen. Dieser negative Verwurf wird aber nicht zum positiven Grund für die Akzeptanz: Es ist ebenso rational, eine neue Alternative zu erdenken. Es ist auch sinnvoll, gar keine Alternative zu akzeptieren, wenn sie alle für das zu lösende Problem uninteressant sind. Akzeptanz ist eine kritische Bevorzugung, ein fehlbares, aber auch kritisier- und revidierbares Urteil, mit dem man festlegt, was man für wahr hält. Jedes Urteil ist demnach ein Vorurteil. Der Kritische Rationalismus verwirft also die klassische Vorstellung, dass es Verfahren gibt, mit denen Wissen begründet (gewiss, akzeptabel, annehmbar, fest, verlässlich, vertrauenswürdig, glaubwürdig, wahrscheinlich oder zuverlässig gemacht, gerechtfertigt, bewiesen, erkannt, verifiziert, garantiert, verbürgt, bestätigt, fundiert, gestützt, legitimiert, auf Evidenz gegründet, etabliert, gesichert, verteidigt, validiert, autorisiert, vindiziert, gestärkt oder am Leben erhalten) werden kann und dass Vernunft sich durch den Gebrauch solcher Verfahren auszeichnet. Logik ist demnach ein „Organon der Kritik“, nicht ein Instrument zur positiven Begründung oder Rechtfertigung. == Wissenschaftstheorie == [[Datei:Black Swans.jpg|thumb|300px|Sind alle Schwäne weiß? Die klassische Sicht der Wissenschaftstheorie war, dass es Aufgabe der Wissenschaft ist, solche [[Hypothese]]n zu „beweisen“ oder aus Beobachtungsdaten herzuleiten. Das erscheint jedoch schwer möglich, da dazu von Einzelfällen auf eine allgemeine Regel geschlossen werden müsste, was logisch nicht zulässig ist. Doch wenn wir einen schwarzen Schwan finden, können wir logisch folgern, dass die Aussage, alle Schwäne seien weiß, falsch ist. Der Falsifikationismus strebt somit nach einem Hinterfragen, einer [[Falsifizierung]], von Hypothesen statt dem Versuch eines Beweises.]] ''Hauptartikel: [[Falsifikationismus]]'' Wesentlichen Einfluss auf den Kritischen Rationalismus hatte die Auseinandersetzung Poppers mit der Wissenschaftstheorie des [[Logischer Empirismus|Logischen Empirismus]]. Ausgehend vom Positivismus [[Ernst Mach|Machs]] und der [[Analytische Philosophie|Analytischen (Sprach-)Philosophie]] der Mathematiker [[Gottlob Frege|Frege]] und [[Bertrand Russell|Russell]] versuchten die Mitglieder des [[Wiener Kreis]]es eine Philosophie auf der Grundlage von Sprachanalyse und [[Logik]] im Rahmen eines [[Physikalismus|physikalistischen]] [[Weltanschauung|Weltbildes]] zu entwickeln. Ziel war der Aufbau einer [[Einheitswissenschaft]]. In dieser sollte Wissenschaftstheorie als Theorie der Wissenschaftssprache fungieren. Sätze der Philosophie, die nicht analytisch (Logik und Mathematik) oder empirisch (‚positive‘ Wissenschaften) sind, müssen nach dem Logischen Empirismus als Scheinprobleme angesehen werden, sind also nicht wissenschaftlich. Empirische Sätze müssen auf [[Protokollsatz|Protokollsätze]] [[Reduktionismus|reduzierbar]] sein. Dies sind grundlegende Erfahrungs- und Beobachtungssätze in der formalen Struktur der zu entwickelnden Wissenschaftssprache. Nur Aussagen, die in diesem Rahmen [[Verifikation|verifiziert]] bzw. bestätigt werden können, erfüllen die notwendigen und hinreichenden Bedingungen für sinnvolle Tatsachenaussagen. Popper beschritt einen anderen Weg. Er vertrat die Auffassung, dass es eine Hauptaufgabe der Philosophie sei, den für den Positivismus charakteristischen Glauben an die Autorität der Beobachtung kritisch zu hinterfragen.<ref name="logik"/>{{rp|Abschnitt 10}} Die Grundidee, dass selbst die sicherste Theorie falsch sein könnte, führte ihn dazu, der Induktion und der Verifizierbarkeit einerseits das Prinzip der Falsifikation entgegenzusetzen (Suche nach Fehlern, nicht nur nach neuen Verifikationen) und andererseits das Kriterium der Falsifizierbarkeit (nur falsifizierbare Theorien sind erfahrungswissenschaftlich). === Induktionsproblem === ''Hauptartikel: [[Induktionsproblem]]'' [[Datei:Induktive Vorgehensweise.svg|thumb|Induktive Vorstellung: Wissenschaft beginnt mit Beobachtung, verallgemeinert dann und macht Vorhersagen auf dieser Grundlage]] Der Induktivismus geht von der Annahme aus, dass durch eine genügende Anzahl von Beobachtungen im Wege der Schlussweise der [[Induktion (Denken)|Induktion]], das heißt nach dem Schema {| style="border: 0px;" | Dieser Schwan ist weiß | rowspan="2" style="text-align:center; padding-left:8px; padding-right:8px;" | oder || Alle bekannten Schwäne sind weiß | rowspan="2" |, |- | style="border-top: 1px solid black;"|Daher sind alle Schwäne weiß | style="border-top: 1px solid black;"|Daher sind alle Schwäne weiß |} oder in einer konkreten Anwendung in der Physik {| style="border: 0px;" | Gegenstände fallen herunter, weitere Beobachtungen … |- | style="border-top: 1px solid black;"|Daher gilt allgemein das [[Gravitationsgesetz]] |} allgemeine Aussagen über einen Gegenstandsbereich gemacht werden können, die einen Gesetzescharakter haben. Die induktive Schlussweise ist also logisch betrachtet der Schluss von einem Fall und einem Resultat auf eine Regel. Der Schluss ist synthetisch (der Übergang von der Annahme zur Schlussfolgerung vergrößert den Aussagegehalt) und damit logisch nicht zwingend. Die Vertreter des logischen Empirismus waren der Auffassung, dass solche Sätze dennoch sinnvoll sind, wenn die gewonnene Theorie (als [[Nomologie|nomologische]] Hypothese) durch Protokollsätze bestätigt werden kann. Von den Protokollsätzen wurde gefordert, dass sie den strengen Anforderungen einer Wissenschaftssprache entsprechen. Die Bestätigung einer Theorie durch Protokollsätze galt dann als Verifikation der Theorie. Bereits [[Galileo Galilei|Galilei]] hatte das Induktionsprinzip abgelehnt.<ref name="popper5">Karl R. Popper: Zurück zu den Vorsokratikern. Kapitel 5 von ''Vermutungen und Widerlegungen'', Abschnitt XII</ref> [[David Hume|Hume]] zeigte in einer ausführlichen Kritik, dass ein logischer Nachweis der Induktion nicht möglich ist. Hume hatte demgemäß die Auffassung vertreten, dass das Prinzip der [[Kausalität]] auf menschlicher Gewohnheit beruht, der zu folgen nützlich sei. Auch [[Albert Einstein]] lehnte die Induktion ab. Sein Standpunkt war die Motivation für Popper, sich intensiv mit der Thematik auseinanderzusetzen und aufzuzeigen, dass allgemeine empirische Sätze oder Theorien nicht verifiziert, sondern nur falsifiziert werden können. Das Konzept der Protokollsätze ist mit dem Problem behaftet, dass sie bereits Theorien voraussetzen (sie sind ‚theoriegeladen‘), so dass die Begründung mit Hilfe von Protokollsätzen in einen Zirkel führt. Die mit der Induktion verbundene Problematik ist in der Wissenschaftstheorie weitgehend akzeptiert. So Wolfgang Stegmüller: ''„Entweder ist ein Schluss korrekt; dann ist er zwar wahrheitskonservierend, aber nicht gehaltserweiternd. Oder aber er ist gehaltserweiternd; dann haben wir keine Gewähr dafür, dass die Konklusion wahr ist, selbst wenn sämtliche Prämissen richtig sind.“''<ref name="stegmueller">Wolfgang Stegmüller: ''Das Problem der Induktion: Humes Herausforderung und moderne Antworten'', WBG, Darmstadt 1996, 5, ISBN 3-534-07011-9</ref> Popper betrachtete Induktion jedoch nicht nur als unbegründet, sondern als gar nicht existent: Es gibt aus seiner Sicht in Wirklichkeit eine Verallgemeinerung von Einzelfällen auf allgemeine Sätze überhaupt nicht – es handelt sich um eine Illusion. Die Verallgemeinerung, also die Theorie, muss (möglicherweise unbewusst) bereits vorhanden sein, bevor eine Beobachtung überhaupt möglich wird. Induktion wird im Kritischen Rationalismus also nicht abgelehnt, weil sie unbegründet ist, sondern weil die Annahme, dass es so etwas wie einen Induktions- oder Verallgemeinerungsschluss überhaupt gibt, deduktiv widerlegt werden kann. Ein Induktionsprinzip ist demnach selbst bei Hypothesenbildung nicht vorhanden: Bei dem Übergang von „Dieser Schwan ist weiß“ zu „Daher sind alle Schwäne weiß“ stehen im Hintergrund Theorien über die weiße Farbe und über Schwäne. Entweder diese enthielten zusammen bereits die Eigenschaft – dann handelt es sich schlicht um zwei hintereinandergeschriebene deduktive Konsequenzen daraus – oder, wenn sie diese nicht enthielten, dann wurde sie beim Übergang zu den Theorien hinzugefügt und die Bedeutung von „weiß“ und „Schwan“ hat sich damit unsystematisch verändert. Die Illusion einer systematischen Induktionsregel ergibt sich dabei nur aus der Verwendung gleicher Wörter. Auch wenn die Induktion kein strenger logischer Schluss ist, könnte sie zumindest strenge Schlüsse über Wahrscheinlichkeiten ermöglichen. Der Logische Empirismus, insbesondere [[Rudolf Carnap]], vertrat eine solche Interpretation der Induktion. Aus diesem Blickwinkel ist diejenige Theorie die rationalste Wahl, die bei gegebener Beobachtungsbasis (Evidenzmaterial) die höchste induktive Wahrscheinlichkeit hat. Popper vertrat in der ''[[Logik der Forschung]]'' den Standpunkt, dass es keine Wahrscheinlichkeitsinduktion gibt und dass alle Theorien grundsätzlich nur die logische Wahrscheinlichkeit <math>0</math> haben können. In mehreren nacheinander angefügten Anhängen des Buchs versuchte er ausführlich, die These der Möglichkeit eines wahrscheinlichkeitstheoretischen Induktionsprinzips selbst unter der in seinen Augen nicht gerechtfertigten Annahme zu widerlegen, dass bei Theorien Wahrscheinlichkeiten größer <math>0</math> existieren. 1983 veröffentlichte er zusammen mit David Miller einen letzten „ganz einfachen Beweis“<ref name="logik-vorwort">''Logik'', Vorwort zur achten deutschen Auflage</ref>, bei dem er zu zeigen versuchte, dass deduktive Zusammenhänge jede wahrscheinlichkeitsbasierte Induktion logisch untergraben.<ref name="popper6">Karl R. Popper, David W. Miller: A proof of the impossibility of inductive probability. ''Nature'' '''302''' (1983), 687–688</ref> Dieser Beweis hat eine Kontroverse ausgelöst. Die Falsifikation ist Poppers Versuch, ohne Induktions- oder Regelmäßigkeitsprinzip auszukommen, und dabei gleichzeitig zu vermeiden, auf ein solches in verdeckter Form zurückzugreifen. Die Grundidee ist, dass Regelmäßigkeiten in der Natur zwar vorhanden sein müssen, damit die Falsifikation Ergebnisse liefert, dass man jedoch auf die Annahme verzichten kann, dass sie vorhanden sind: Für den abstrakten Fall, dass es keine Regelmäßigkeiten in der Natur gibt, liefert die Falsifikation kein Ergebnis, da dann jede Hypothese falsifiziert wird, die Regelmäßigkeiten vorhersagt. Die Induktion hingegen erzeugt in einer solchen Situation falsche Ergebnisse.<ref name="rationalism"/>{{rp|2.2a}} Popper führte statt eines Regelmäßigkeitsprinzips die methodologische Regel ein, dass Naturgesetze stets orts- und zeitpunktunabhängig formuliert werden sollen. Die Falsifikation beseitigt auch das Zirkelproblem, das die Verifikation mit der theoriegeladenen Beobachtung hat. Denn die Theorie wird nicht benutzt, um Beobachtungssätze zu bilden, die sie wiederum bestätigen sollen, sondern um aus der Annahme, dass sie wahr ist, einen Widerspruch herzuleiten. === Abgrenzungsproblem === ''Hauptartikel: [[Abgrenzungsproblem]]'' Weil empirische Theorien nicht endgültig entscheidbar sind, entwickelte Popper das Kriterium der Falsifizierbarkeit als alternative Lösung des Abgrenzungsproblems für Erfahrungswissenschaften. Popper sah in diesem Abgrenzungsproblem, also der Frage, wie sich empirisch-wissenschaftliche und metaphysische Sätze voneinander unterscheiden lassen, im Vergleich zum Induktionsproblem, also der Frage, wie sich Theorien durch besondere Sätze rechtfertigen lassen, das wichtigere Problem. : ''„Ein empirisch-wissenschaftliches System muss an der Erfahrung scheitern können.“''<ref name="logik"/>{{rp|17}} Sein Anspruch ist es, mit dem Abgrenzungskriterium der Falsifizierbarkeit ein rationales, systematisches und objektives, also intersubjektiv nachprüfbares Instrument zu liefern. Popper unterschied grundsätzlich logische Falsifizierbarkeit von der praktischen Falsifizierbarkeit. Eine Theorie ist empirisch, wenn es mindestens einen Beobachtungssatz gibt, der zu ihr logisch im Widerspruch steht. Dabei ist nicht ausgeschlossen, dass in der Praxis mangels geeigneter Experimente (zum Beispiel in der Astronomie oder in der Atomphysik) eine tatsächliche Beobachtung gar nicht durchgeführt werden kann. Aussagen, die nicht falsifizierbar (widerlegbar) sind, also nicht empirisch-wissenschaftlich, sind [[Metaphysik|metaphysisch]]. Definitionen sind nicht falsifizierbar. Daher sind Aussagen nicht falsifizierbar, die implizit die Definition des Ausgesagten enthalten. Wenn der Satz „Alle Schwäne sind weiß“ beinhaltet, dass es ein Wesensmerkmal von Schwänen ist, weiß zu sein, kann er durch die Existenz eines schwarzen Vogels, der ansonsten die Merkmale eines Schwans aufweist, nicht widerlegt werden. Denn er wäre dann nach der Definition aufgrund seiner Farbe kein Schwan. Wenn hingegen die Farbe nicht Bestandteil der Definition eines Schwans ist, kann der Satz „Alle Schwäne sind weiß“ dadurch überprüft werden, dass man ihm einen Beobachtungssatz gegenüberstellt: „Im Duisburger Zoo gibt es einen schwarzen Schwan“, unabhängig davon, ob dort wirklich ein schwarzer Schwan existiert. Ebenso sind Axiome der Mathematik als Festsetzungen nicht falsifizierbar. Man kann sie daraufhin prüfen, ob sie widerspruchsfrei, voneinander unabhängig, vollständig und notwendig zur Herleitung (Deduktion) der Aussagen eines Theoriensystems sind. So hat die Veränderung des [[Parallelenaxiom]]s im 19. Jahrhundert dazu geführt, dass neben der euklidischen auch andere Geometrien entwickelt wurden. Hierdurch wurde aber die euklidische Geometrie nicht falsifiziert. Allerdings wäre ohne diese nichtlinearen Geometrien die Entwicklung der Relativitätstheorie nicht möglich gewesen. : ''„Eine Theorie ist falsifizierbar, wenn die Klasse ihrer Falsifikationsmöglichkeiten nicht leer ist.“''<ref name="logik"/>{{rp|62}} Widerspruchsvolle Aussagen sind prinzipiell falsifizierbar, diese Falsifizierbarkeit ist jedoch ohne Wert. Man kann mittels des [[Satz vom ausgeschlossenen Widerspruch|Satzes vom ausgeschlossenen Widerspruch]] jede beliebige Folgerung aus ihnen herleiten. Insbesondere folgt daraus zu jedem Basissatz sein Gegenteil. Dies bedeutet jedoch, dass überhaupt jeder Basissatz eine widerspruchsvolle Aussage falsifiziert.<ref name="logik23">''Logik'', Abschnitt 23, letzter Absatz und Fußnote <sup>10</sup>*2/<sup>11</sup>15</ref> Zur Abgrenzung wissenschaftlicher Theorien von pseudowissenschaftlichen (oder allgemeiner Rationalität von Pseudorationalität) ist im Kritischen Rationalismus nicht die Falsifizierbarkeit ausschlaggebend, sondern die Frage, ob ein ‚[[doppelt verschanzter Dogmatismus]]‘ enthalten ist.<ref name="bartley2">William W. Bartley: [http://web.archive.org/web/20071210212638/http://www.geocities.com/criticalrationalist/rcl.doc Rationality, Criticism, and Logic]. ''Philosophia'' '''11''':1-2 (1982), Abschnitt XXIII</ref> Während jede Theorie bei unwissenschaftlicher Vorgehensweise gegen Kritik immunisiert werden kann, zwingen solche Dogmatismen selbst dann zu einer Immunisierung, wenn sie in einen wissenschaftlichen und kritisch-rationalen Kontext gesetzt werden. Sie entziehen eine These jedoch nicht prinzipiell der kritischen Analyse, sondern müssen lediglich vor der Diskussion entfernt werden.<ref name="rationalism"/>{{rp|4.3b}} Den häufig anzutreffenden Fehler, mangelnde Falsifizierbarkeit als etwas schlechtes oder gar als Kennzeichen für Unsinn anzusehen, gab sogar Albert zu, der anfänglich Poppers Position mit dem Standpunkt verbunden hatte, dass Metaphysik sinnlos sei.<ref name="fossati">Lorenzo Fossati: [http://www.gkpn.de/fossati.pdf Wir sind alle nur vorläufig!]. ''Aufklärung und Kritik'' 2/2002, S. 8</ref> Popper hatte das zwar ausdrücklich nicht so gesehen, betonte aber mehrfach, dass er in der ersten Ausgabe der ''Logik der Forschung'' fälschlicherweise die Grenze der Wissenschaft mit der Grenze der Diskutierbarkeit gleichgesetzt hatte, und dass er in diesem Punkt seine Meinung geändert hatte.<ref name=logik/>{{rp|A. ''69'' Fn.*2}} <ref name=erkenntnis/>{{rp|Kap.2 Fn.9}} Der Kritische Rationalismus selbst ist nicht falsifizierbar. Er ist jedoch kritisierbar und rational diskutierbar (siehe [[Pankritischer Rationalismus]]). === Metaphysik === Ein Ziel des Logischen Empirismus war es, die Metaphysik als sinnlos zu entlarven und nur solche Theorien in der Wissenschaft zuzulassen, die vollständig verifizierbar sind, also vollständig auf Beobachtungssätze reduziert werden können. Jede Theorie hat jedoch immer einen metaphysischen Gehalt in Form von Elementen und Voraussetzungen, die über reine Beobachtung hinausgehen. Ein einfaches Beispiel ist die erfahrungswissenschaftliche Theorie, dass Menschen höchstens 150&nbsp;Jahre alt werden, und die daraus folgende metaphysische Aussage, dass alle Menschen sterblich sind. In der Einstellung zu solchen Sachverhalten findet sich ein wesentlicher Unterschied zwischen der Verifizierbarkeitsforderung und dem Falsifizierbarkeitskriterium: Der Logische Empirismus sieht metaphysische Elemente als problematisch an und versucht, Theorien davon möglichst zu bereinigen. Der Kritische Rationalismus hingegen harmoniert wegen seiner realistischen Grundeinstellung mit ihnen und hält sie für zulässig und wünschenswert, solange die Theorie als ganzes falsifizierbar bleibt. Denn sie sagen etwas über die Beschaffenheit der Wirklichkeit aus. Popper war außerdem der Auffassung, dass auch rein metaphysische Sätze Sinn haben. Sie sind Mythen und Träume, die der Wissenschaft durch ihre schöpferische Kraft helfen, neue Probleme zu entdecken, neue, falsifizierbare Theorien zu konstruieren und sich somit selbst Zwecke und Ziele zu geben. Er nannte sie metaphysische Forschungsprogramme, und führte die aus seiner Sicht zehn wichtigsten an:<ref name="maxwell">Nicholas Maxwell: [http://philsci-archive.pitt.edu/archive/00002246/ Popper's Paradoxical Pursuit of Natural Philosophy] (2004).</ref> # Die Vorstellung des Universums als gleichförmige, unabänderliche Sphäre ([[Parmenides von Elea|Parmenides]]) # Die Atomvorstellung # Das Geometrisierungsprogramm ([[Platon]] und andere) # Die Konzepte der Wesenseigenschaften und Potenzen ([[Aristoteles]]) # Die Physik zur Zeit der Renaissance ([[Johannes Kepler|Kepler]], [[Galileo Galilei|Galileo]] und andere) # Die Uhrwerktheorie des Universums ([[Descartes]] und andere) # Die Theorie, dass das Universum aus Kräften besteht ([[Isaac Newton|Newton]], [[Gottfried Wilhelm Leibniz|Leibniz]], [[Immanuel Kant|Kant]], [[Boscovich]]) # Die Feldtheorie ([[Faraday]] und [[James Clerk Maxwell|Maxwell]]) # Die Idee eines einheitlichen Felds ([[Einstein]] und andere) # Die indeterministische Partikeltheorie (so wie in [[Max Born|Borns]] Interpretation der Quantentheorie) Zum Beispiel war die Atomvorstellung der griechischen Philosophen 2300&nbsp; Jahre lang eine rein metaphysische Vorstellung, bevor im 19. Jahrhundert auf der Idee aufbauende Theorien entstanden, die experimentell geprüft werden konnten und sich – zumindest für eine gewisse Zeit – bewährten. Stehen metaphysische Sätze wie ''„Alle Menschen sind sterblich“'' oder ''„Es gibt Positronen“'' isoliert für sich, sind sie vorwissenschaftlich. Eine erfahrungswissenschaftliche Theorie entsteht erst, wenn eine Eigenschaft vorausgesagt wird, die anhand eines Beobachtungssatzes (Basissatzes) überprüft werden kann. Prüfbar ist somit die Aussage ''„Jeder Mensch stirbt spätestens 150&nbsp;Jahre nach seiner Geburt“''. Sollte es einmal jemanden geben, der älter wird, ist diese Theorie falsifiziert. Metaphysische Aussagen sind also in der empirischen Wissenschaft grundsätzlich erlaubt, so lange sie huckepack als Konsequenz falsifizierbarer Theorien auftreten. Metaphysik bleibt trotz Nichtfalsifizierbarkeit kritisierbar, da Falsifikation nur eine Form der logisch gültigen, rationalen Kritik ist.<ref name="popper7">Karl R. Popper: On the Status of Science and of Metaphysics. ''Ratio'' '''1''' (1958), S. 97–115, auch Kapitel 8 von Vermutungen und Widerlegungen</ref><ref name=logik/>{{rp|''*I''}} Popper fügte zu seiner Liste noch ein eigenes elftes metaphysisches Forschungsprogramm hinzu, das diese zehn verband und erweiterte: Die Vorstellung des Universums als ein einheitliches [[Propensität]]sfeld. === Erkenntnisfortschritt === [[Datei:Entwicklungsschema.svg|thumb|Entwicklungsschema des Erkenntnisfortschritts nach Popper]] Die Suche nach Falsifikationen, nach den denkbaren Anwendungsfällen, an denen Theorien scheitern, also letztlich die Suche nach Fehlern, hat Popper als entscheidend für den Erkenntnisfortschritt angesehen. Nur die Korrektur dieser Fehler durch bessere Theorien führt demnach zu Fortschritt. Bei der Methode der Falsifikation sind Entdeckungs- und Begründungszusammenhang getrennt. Falsifikation ist ein Verfahren zur Beurteilung bestehender Theorien. Nach Auffassung des Kritischen Rationalismus gibt es kein methodisch rationales Verfahren zur Entdeckung von Theorien. Sie ist ein kreativer Prozess, der im Wesentlichen durch [[Spekulation (Philosophie)|spekulative]] Phantasie, Intuition, Zufälle und Geistesblitze beeinflusst wird. Theorien sind also immer frei erfunden. Diese Auffassung hatte auch Einstein vertreten.<ref name="logik"/>{{rp|''*XIII''}} Der Kritische Rationalismus wendet sich hier insbesondere gegen die pessimistische Einstellung „von nichts kommt nichts“: Theorien bauen zwar immer auf bestehendem, auch auf angeborenem Wissen auf (wie etwa auf der Neigung, eine Sprache zu lernen), ihre Neuerungen entstehen aber förmlich aus dem Nichts. Mit ihnen tritt etwas neues in das Universum ein, das zuvor nicht dagewesen ist. Die Existenz einer wissenschaftlichen Methode im üblichen Sinn hat Popper dabei aber abgelehnt.<ref>Karl Popper: On the non-existence of scientific method. ''Realism and the Aim of Science'' (1983)</ref> Für ihn gibt es in Wirklichkeit nur eine einzige, allgemeine Methode, die Methode von Versuch und Irrtum, die ebenso in der Philosophie und auf jedem anderen Gebiet als Methode der Kritik und in der Wissenschaft als Falsifikation zur Anwendung kommt. Aber selbst beim menschlichen Wissen zog Popper keine Grenze. Er betrachtete es als Grundprinzip jeden Handelns überhaupt, das in allen Bereichen der Natur bis hin zur Amöbe wiederzufinden ist, dass nach jedem Fehlversuch in der Weltorientierung ein neuer alternativer Weg gesucht und begonnen wird. Entsprechend handeln auch Wissenschaftler. Jede Falsifikation führt solange zu Modifikationen bestehender Theorien oder zum Aufbau neuer Theorien, bis eine Theorie eine ausreichende [[Grad der Bewährung|Bewährung]] erfährt. Auf der Suche nach Lösungen für neue Probleme kommen daher bewährte Theorien immer wieder auf den Prüfstand, bewähren sich erneut oder werden falsifiziert und durch modifizierte oder neue Theorien abgelöst. Der Fortschritt ist umso größer, je mutiger die neuen Theorien sind. Zudem steigt mit der Kühnheit der Theorie die Möglichkeit der Falsifikation, und damit das Angebot an möglichen Experimenten zur Überprüfung, an das die weitere Forschung anknüpfen kann. Im Rahmen dieses Prozesses wird ein immer höheres Niveau des Wissens erreicht. Eine Theorie stellt einen Erkenntnisfortschritt gegenüber einer anderen Theorie dar, wenn sie eine höhere [[Wahrheitsnähe]] aufweist. Wahrheitsnähe ist nicht messbar. Jedoch kann man die Wahrheitsnähe zweier Theorien modellhaft vergleichen. Eine Theorie hat gegenüber einer anderen Theorie eine höhere Wahrheitsnähe, wenn sie ‚gehaltvoller‘ ist und wenn sie mehr oder bessere Erklärungen für Sachverhalte bietet als die schwächere Theorie. Mit ‚gehaltvoll‘ ist dabei nicht der logische Wahrheitsgehalt einer Theorie gemeint (die Menge aller wahren Aussagen, die aus ihr folgen), sondern der ‚informative Gehalt‘. Das ist die Menge aller Aussagen, die die Theorie ausschließt. Die Aussage „Morgen gibt es Südwind“ ist gehaltvoller als die Aussage „Morgen Winde aus wechselnden Richtungen“, weil erstere Nord-, West- und Ostwind ausschließt. Nach solchen ‚gehaltvollen‘ Aussagen sucht die Wissenschaft. Würde sie nach hohem logischen Wahrheitsgehalt suchen, käme sie zu gehaltlosen, fast [[Tautologie (Logik)|tautologischen]] Aussagen. Auch zwei Aussagen, die beide wahr sind, können somit unterschiedliche Wahrheitsnähe haben. Betrachtet man, wie die Wissenschaften bei Anwendung dieser Falsifikationsmethode von spezielleren Theorien zu immer allgemeineren fortschreitet, kann der Eindruck entstehen, dass sie induktiv fortschreitet, weshalb Popper auch von einer unproblematischen ‚Quasi-Induktion‘ spricht. Popper ist also der Auffassung, dass es den einen wahren Ausgangspunkt, die erste Philosophie oder den [[Archimedischer Punkt|Archimedischen Punkt]] nicht gibt, aus dem dann systematisch das gesamte Wissen hergeleitet werden kann, sondern dass Menschen immer von sehr vielen, oft falschen Ausgangspunkten aus starten, diese durch Kritik beständig korrigieren und immer allgemeinere Prinzipien finden, mit denen diese Ausgangspunkte vereinheitlicht werden können. Popper hat stets betont, dass seine Forschungslogik selbst keine erfahrungswissenschaftliche Theorie ist. Sie ist eine Methodenlehre, die davon ausgeht, dass es eine Sache der Festlegung ist, was man als Wissenschaft anerkennt. Popper wandte sich insbesondere gegen die ‚[[Naturalismus (Philosophie)|naturalistische]]‘ Auffassung der Methodenlehre,<ref name="logik"/>{{rp|Abschnitt 10}} für die eine Methode dann wissenschaftlich ist, wenn sie von der Wissenschaft tatsächlich angewendet wird. Die Charakterisierung der wissenschaftlichen Methode durch den Kritischen Rationalismus erhebt als normativer Vorschlag insbesondere nicht den Anspruch auf eine Übereinstimmung mit dem historischen Verlauf der Wissenschaftsgeschichte, obwohl sich viele Ereignisse finden lassen, die prinzipiell als Anwendung dieser Methode interpretierbar sind.<ref name="logik"/>{{rp|*XIV}} Aufgrund ihres normativen Charakters ist die Falsifikation also selbst nicht falsifizierbar. Denn eine Methode sagt nur, wie man etwas machen soll, nicht dass etwas sein wird. Umgekehrt jedoch ist sie als Festlegung nicht „weil konventionell, das heißt vom Menschen geschaffen, ‚bloß willkürlich‘“<ref name="gesell"/>{{rp|Kapitel 5}} Man kann sie mit anderen Methoden vergleichen und für sie mit Argumenten werben: ''„durch Analyse ihrer logischen Konsequenzen, durch den Hinweis auf ihre Fruchtbarkeit, ihre aufklärende Kraft gegenüber den erkenntnistheoretischen Problemen.“''<ref name="logik"/>{{rp|14}} === Verstehen === Verstehen ist im Kritischen Rationalismus das Gegenstück zum Erkenntnisfortschritt. Erkenntnisfortschritt liefert Theorien, die Sachverhalte erklären. Verstehen besteht aus der Rekonstruktion der historischen Problemsituation, in der die zu verstehende Theorie aufgestellt wurde.<ref name="pailer">Ulrike Pailer: [http://sammelpunkt.philo.at:8080/archive/00001100/01/se05arbpailer.pdf Verstehen versus Erklären] (2005)</ref> Ziel des Verstehens ist folglich eine neue Theorie, die ein Problem beschreibt und so den Lösungsversuch erklärt. Eine solche Erklärung zu finden ist selbst der Versuch, ein anderes Problem zu lösen, das wiederum dem Verstehen zugänglich ist. Dies ist die Methode der [[Situationslogik]]. Da diese Methode auf die kritische Methode zurückgreift und weil Verstehen immer auch ein Erklären ist, gibt es im Kritischen Rationalismus den traditionellen Gegensatz zwischen beidem nicht. Popper wendet sich dabei insbesondere gegen die [[Hermeneutik|hermeneutische]] Methode der Psychologisierung, der es an Objektivität mangelt, weil sie alles auf persönliche Motive zu reduzieren versucht, sowie gegen die [[Historizismus|historizistische]] Methode, die alles als Geschichtsnotwendigkeit zu verstehen versucht, und somit dogmatische Züge trägt. Geschichte ist im Kritischen Rationalismus also [[Problemgeschichte]]. === Objektive Erkenntnis === Erkenntnisfortschritt und Verstehen ergeben zusammen eine Erkenntnistheorie, die anerkennt, dass eine [[Totalität]]sperspektive nicht möglich ist. Demnach ist der Entwurf und die Überprüfung jeder wissenschaftlichen Theorie von Interessen geleitet, da dies immer im Zusammenhang mit dem Versuch stattfindet, bestimmte Probleme zu lösen. Jede Beobachtung ist theoriegeladen. Naturwissenschaften sind ebenso abhängig vom Interesse des Forschers wie Geschichtsschreibung nicht unabhängig von der Perspektive des Historikers ist. Immer findet eine Auswahl der Tatsachen und Aspekte statt, für die sich der Forscher interessiert. Die Methoden und Instrumente sind so konstruiert, dass der Forscher seine Interessen realisieren kann. Was nicht in seinem Fokus liegt, kann er leicht übersehen. Popper sprach hier von einer „[[Scheinwerfertheorie]]“. Was nicht angeleuchtet wird, wird nicht erkannt. Dennoch war Popper der Auffassung, dass es objektive Erkenntnis gibt. Er meint damit, dass Forschungsergebnisse intersubjektiv nachprüfbar und reproduzierbar sind. Objektive Erkenntnis hat aber auch in einem ganz anderen Sinne noch mit subjektunabhängigem Wissen zu tun: Bücher, der Plan eines Architekten oder andere Dokumentationen konservieren und transportieren Wissen, ohne dass dabei Menschen unmittelbar mit diesem Wissen kommunizieren müssen. Jederzeit kann dieses Wissen auf Menschen einwirken und etwas bewirken; und jederzeit können Menschen auf dieses Wissen einwirken und es z.&nbsp;B. verbessern. Popper stuft dieses Wissen als transzendent ein. Es übersteigt seine materielle Darstellung, da es objektive logische Konsequenzen hat, die einem Menschen nie alle gleichzeitig bewusst sein können. Sie können nach und nach entdeckt werden und sehr unerwartet sein. Er bezog [[Bertrand Russell]]s Diktum „''We never know what we are talking about''“<ref>''Unended Quest'', S. 26</ref> daher nicht nur auf die Mathematik, sondern auf alles Wissen allgemein. Für Popper sind die materielle Welt, die Welt des objektiven Wissens und die dazwischen vermittelnde Welt des menschlichen Bewusstseins alle wirklich ([[Drei-Welten-Lehre]]). == Gesellschaft und Ethik == === Rationalität === Nachdem der Kritische Rationalismus eine Letztbegründung in der Erkenntnistheorie ablehnt, wehrt er sich auch gegen alle Auffassungen, absolute Werte oder ein höchstes Gut als [[Archimedischer Punkt|archimedischen Punkt]] anzunehmen. Im Sinne des Abgrenzungskriteriums ist Ethik keine Wissenschaft, da Werte nicht einer empirischen Überprüfung durch Beobachtung und Experiment unterzogen werden können: : ''„Die Ethik ist keine Wissenschaft.“''<ref name="gesell2"/>{{rp|279}} Dennoch haben Popper und Albert ethische Positionen vertreten und Stellung zu ethischen Fragen genommen. Dieser scheinbare Widerspruch löst sich auf, weil der Kritische Rationalismus als Philosophie – dies steckt programmatisch in der Bezeichnung – eine (logisch nicht begründbare) Entscheidung für Rationalität ist. Es ist ein bewusst gewählter Weg zwischen Dogmatismus, der als logisch nicht haltbar ausgeschlossen wird, und Relativismus, der [[Irrationalismus]] und [[Laissez-faire]] möglich macht. Irrationalität kann nach Popper durch Rationalität überwunden werden. Zur Rationalität gehört insbesondere:<ref name="gesell2"/>{{rp|278/279}} * Kritische Einstellung mit Nachdruck auf Argument und Erfahrung * Akzeptanz, dass jeder Fehler machen kann (Fallibilismus) * Bereitschaft zur kritischen Fehlersuche (Falsifizierbarkeit) * Idee der Unparteilichkeit * Schluss von der eigenen Vernunft auf die Vernunft des Anderen * Ablehnung von Autoritätsansprüchen * Bereitschaft, aus Fehlern zu lernen (Erkenntnisfortschritt) * Bereitschaft, die Argumente anderer zu hören und zu prüfen * Anerkennung des Prinzips der Toleranz Die Entscheidung zur Rationalität (Vernunft) ist eine ethische Grundentscheidung, die Popper für die einzige Alternative hält, die bei der Lösung von Konflikten nicht in irgendeiner Form zu Gewalt führt.<ref name="popper8">Popper, ''Myth of Framework'', Routledge 1994, Kap. 3, Abschn. II</ref> Grundsätzlich ist zu unterscheiden zwischen Tatsachen und Maßstäben. Der Begriff Gesetz ist mit beiden verbunden. In Zusammenhang mit Regelmäßigkeiten in der Natur bezieht er sich auf Naturgesetze. Maßstäbe sind normative Gesetze, die von Menschen durch Konventionen gemacht werden und die Beziehungen zwischen Menschen regeln. Naturgesetze kann man nicht übertreten, normative Gesetze hingegen schon. : ''„Aus der Feststellung einer Tatsache lässt sich niemals ein Satz herleiten, der eine Norm, eine Entscheidung oder einen Vorschlag für ein bestimmtes Vorgehen ausspricht.“''<ref name="gesell"/>{{rp|77}} Diese logische Aussage ist eine Formulierung des Prinzips über den [[Naturalistischer Fehlschluss|Naturalistischen Fehlschluss]]. : ''„Alle Diskussionen über die Definition des Guten oder die Möglichkeit es zu definieren, sind völlig unnütz.“''<ref name="gesell"/>{{rp|294}} Aus dem Dualismus von Tatsachen und Normen sowie der Grundentscheidung für Rationalität ergibt sich die Forderung nach Freiheit. Freiheit ist die Freiheit des Denkens und die Freiheit der Suche nach der Wahrheit. Freiheit und Verantwortung sind die Grundlage für die Bewahrung der Menschenwürde. : ''„Nur die Freiheit macht menschliche Verantwortung möglich. Aber ohne Verantwortung geht die Freiheit verloren; vor allem ohne intellektuelle Verantwortung.“''<ref name="gesell2"/>{{rp|362}} Die Grundforderung nach Freiheit und Verantwortung führt zu Pluralität. Deswegen ist dem Kritischen Rationalismus oft vorgehalten worden, eine liberalistische Position zu vertreten. Doch ob eine Politik konservativ, liberal oder sozialistisch ausgerichtet wird, ist eine Frage des Diskurses. Die Philosophie kann diesen Diskurs nur begleiten, indem sie die Logik der Argumente prüft, indem sie prüft, ob Sollen auch Können beinhaltet, und indem sie auf die Einhaltung der Rationalität drängt. Poppers Philosophie beinhaltet auch eine Kritik am ''Laissez-Faire''-Liberalismus. Dieser ist insofern eine Ideologie, als er den ‚freien Markt‘, der alles zum Guten regelt, als empirisches [[Naturgesetz]] oder als Ergebnis der Wissenschaft auffasst. Aber weder die Wissenschaft noch die Natur können sagen, was das Gute ist. === Offene Gesellschaft === ''Hauptartikel: [[Offene Gesellschaft]]'' Als Konsequenz der Idee des [[Kritizismus]] setzt sich der Kritische Rationalismus für eine offene Gesellschaft ein. Nur in einer Gesellschaft, die nicht an Dogmen und starre Lebensweisen gebunden ist, besteht die Möglichkeit zu ständigen Reformen, also zu Verbesserungen durch Fehlerbeseitigung und Erwägung von Alternativen. Die Ergebnisse von Poppers Wissenschaftstheorie werden auf diese Weise politisch wirksam. Seine ersten sozialphilosophischen Arbeiten (''Das Elend des [[Historizismus]]'' und ''Die offene Gesellschaft und ihre Feinde'') schrieb Popper im Exil in [[Neuseeland]]. Er sah sie als Beitrag zum Kampf gegen den [[Nationalsozialismus]]. Um seine Position zu verdeutlichen, setzte er sich kritisch, oftmals auch polemisch verkürzend, mit der [[Staatstheorie]] [[Platon]]s in der ''[[Politeia]]'', mit [[Georg Wilhelm Friedrich Hegel|Hegel]] und [[Karl Marx|Marx]] auseinander. Das Grundproblem solcher Ideensysteme ist, dass sie dogmatisch sind und sich gegen Kritik und Widerlegung immunisieren (siehe auch [[Rechtfertigungsstrategie]] und [[Konventionalistische Wendung]]). Popper vertrat den Standpunkt, dass Voraussagen des [[Marxismus]] bzw. [[Kommunismus]] über die Zukunft (z.&nbsp;B. in Form der sozialistischen [[Revolution]]) nicht eingetroffen und die zugrundeliegenden Thesen damit falsifiziert worden seien. Statt sie deshalb aufzugeben, sind sie aus seiner Sicht mit ‚verschärften Dogmen‘ angereichert worden und haben so pseudowissenschaftlichen Charakter bekommen.<ref name="popper9">Karl R. Popper: [http://philosophyfaculty.ucsd.edu/faculty/rarneson/Courses/popperphil1.pdf Science: Conjectures and Refutations.] ''Conjectures and Refutations'' (1963), S. 43–86.</ref> Als [[Historizismus]] bezeichnete Popper die Auffassung, dass der Lauf der Geschichte unabhängig von handelnden Menschen von Gesetzmäßigkeiten bestimmt wird und dass ein großer Denker diesen Lauf vorhersehen kann. Die Idee Platons, dass ein vollkommener (von Philosophen regierter) Staat erreichbar ist, die Vorstellung eines auserwählten Volkes, der Sinn der Geschichte als Zweck Gottes, aber auch die Geschichtsnotwendigkeit im Marxismus ([[Teleologie]]) sind solche historizistischen Theorien. Teleologie in der Geschichte ist ebenso wenig möglich wie die sichere Erkenntnis einer absoluten Wahrheit. Aus der Geschichte kann man lernen. Aber sie ist heute zu Ende, und die Zukunft ist offen und von den Entscheidungen der Menschen abhängig. Für diese Entscheidungen sind sie selbst verantwortlich. Mit der teleologischen Geschichtsdeutung verbunden ist die Bestimmung eines Ideals, auf das die Geschichte zustrebt. Die Ideologen, die dieses Ideal vertreten, bestehen oft auf der Forderung, dass alles Mögliche getan werden soll, um das Ideal zu erreichen. Eine solche Position vertritt in Poppers Augen der [[Marxismus]], der seinen philosophischen Ausgangspunkt bei Hegel hat. Neben dem Vorwurf, mit der Sprache jongliert und verbalen Nebel verbreitet zu haben, hielt Popper Hegel insbesondere eine preußische Staatsphilosophie vor, in der der regierende König immer das Recht auch gegen das Volk auf seiner Seite hat. Das humanistische Anliegen von Marx (die Aufhebung der Klassengegensätze, Bekämpfung des Arbeiterelends) kommentierte Popper durchaus mit Sympathie, kritisierte aber massiv die politische [[Ideologie]] und den im [[Historischer Materialismus|historischen Materialismus]] enthaltenen Glauben an die Notwendigkeit des Gangs der Geschichte. Wenn man Menschen mit Gewalt in die Richtung eines Ziels, so gut es auch sei, zwingen will, ist damit die Ausübung von Macht und Intoleranz verbunden; und wenn diese nicht unter demokratischer Kontrolle steht, führt sie in einen Totalitarismus, sei es der nationalsozialistische, sei es der [[Stalinismus|stalinistische]]. In dieser These ist sich Popper u.&nbsp;a. einig mit [[Ernst Cassirer]] und [[Hannah Arendt]]. Alle drei entwickelten die Hypothese im Exil unabhängig voneinander.<ref name="geismann">Vergleiche hierzu auch: Georg Geismann, [http://www.kiesewetter.be/geismann/20warumkant.pdf Warum Kants Friedenslehre für die Praxis taugt und warum die Friedenslehren von Fichte, Hegel und Marx schon in der Theorie nicht richtig sind], in ''Kritisches Jahrbuch der Philosophie'', 1 (1996) 37-51</ref> Als einzig rationale und damit sinnvolle Alternative sah Popper eine offene Gesellschaft, in der die [[Demokratie]] institutionalisiert ist. Demokratie aber nicht verstanden als Herrschaft des Volkes, sondern als eine Institution, in der es besonders leicht ist, die Herrschenden, also die jeweilige Regierung, zur Rechenschaft zu ziehen und gegebenenfalls ohne Gewalt abzuwählen. === Stückwerk-Sozialtechnik === In der Sozialphilosophie wird das Modell der Problemlösung analog angewendet. Soziale [[Institution]]en sind Problemlösungsversuche. Politik muss sich darauf konzentrieren, die größten Übel abzuschaffen. Neue Lösungen werden in der gesellschaftlichen Praxis geprüft. Wenn sie Verschlechterungen mit sich gebracht hat oder fehlerhaft ist, wird sie verworfen oder korrigiert. Damit politische Entscheidungen revidierbar sind, empfiehlt der Kritische Rationalismus bei der Lösung gesellschaftlicher Probleme ein [[Iteration|iteratives]] Vorgehen in kleinen, überschaubaren Schritten ([[Stückwerk-Sozialtechnik|piecemeal social engineering]]). Auch in der Sozialphilosophie gelten somit die kritisch rationalen Prinzipien. Der Konsequente Fallibilismus findet sich in der Position wieder, dass jeder gesellschaftliche Zustand kritisierbar ist, da alle politischen Meinungen und Entscheidungen mit Fehlern behaftet sein können. Jeder Dogmatismus in der Politik ist daher konsequent abzulehnen. Dem Methodischen Rationalismus entspricht die Haltung, dass soziale Konflikte Probleme sind, die gelöst werden müssen. Hierzu bedarf es einer kritisch rationalen Diskussion, in der der Pluralismus der Meinungen toleriert und beachtet wird. Die Freiheit des Einzelnen ist daher soweit wie möglich sicherzustellen. Gewalt muss möglichst vermieden werden. In dieser Hinsicht ergänzt der Kritische Rationalismus den [[Liberalismus]]. Der Kritische Realismus schließlich spiegelt sich im Standpunkt wider, dass radikale Utopien zu Unterdrückung und gewaltsamer Revolution führen. Daher muss sich die Politik auf das Machbare konzentrieren. Priorität haben immer die größten gesellschaftlichen Übel. Daher muss Politik auf der Seite der gesellschaftlich und wirtschaftlich Schwachen stehen. Diese Haltung Poppers wird als negativer [[Utilitarismus]] bezeichnet. == Logik == Hans Albert hat einen Katalog von Grundsätzen der Logik aufgestellt, der mit einfachen Grundaussagen hilft, die Plausibilität von Aussagen und Theorien zu überprüfen und zu beurteilen.<ref name="albert">Vergleiche Hans Albert: ''Kritik der reinen Erkenntnislehre'', Mohr Siebeck, Tübingen 1987, Abschnitt 16, sowie den entsprechenden Eintrag bei Niemann</ref> Diese Grundsätze bestehen unabhängig von der Philosophie des Kritischen Rationalismus; ihre Verwendung entspricht aber dem Geist seiner Weltsicht und sie vermitteln ein Stück Lebensweisheit, das man auch ohne tiefere Kenntnis der Logik anwenden kann. ''Aus Wahrem kann nur Wahres folgen.'' : Das Grundprinzip der Deduktion, dass bei einem wahren Obersatz und einer wahren Prämisse die Wahrheit in die Konklusion übertragen wird. Wichtig für Wissenschaft und Alltagsdenken ist die Umkehrung: Folgt etwas Falsches, muss mindestens eine der Prämissen (bzw. der Obersatz) falsch sein. ''Aus Falschem kann auch Wahrheit folgen.'' : Logisch können falsche Annahmen zu einem Schluss führen, der eine wahre Aussage macht. Hierin liegt die Begründung des Fallibilismus. Niemand kann sicher sein, dass eine als wahr angesehene Aussage nicht auf einer fehlerhaften Prämisse beruht. Auch wenn die Vorhersagen richtig sind, kann die Theorie falsch sein. ''Aus jeder Theorie folgen unendlich viele Sätze.'' : Auch dieser Satz bestätigt den Fallibilismus. Da das Wissen des Menschen endlich ist, kann er nicht wissen, ob eine Theorie zu einer Aussage führt, die sich als falsch erweist und damit die Theorie falsifiziert. ''Für die Erklärung von Beobachtungen gibt es unendlich viele Theorien''. : Wenn eine Tatsache durch eine Theorie zureichend erklärt wird, darf man dennoch nicht davon ausgehen, dass die Theorie die beste Erklärung liefert. Es kann eine bessere geben. ''Aus Widersprüchen folgen beliebige Behauptungen.'' : Jeder Hinweis auf einen Widerspruch in einer Theorie ist eine Aufforderung, eine neue, widerspruchsfreie Theorie zu finden. Dialektik in diesem Sinne verstanden ist ein Prinzip zur Ausräumung von Widersprüchen. ''Nur gehaltvolle Aussagen enthalten Informationen.'' : Je höher der Gehalt einer Aussage ist, das heißt je präziser sie formuliert ist und je konkreter sie sagt, was sie ein- und was sie ausschließt, umso besser kann sie überprüft werden. ''Es gibt keine gehaltserweiternden Schlüsse.'' : Mit Hilfe der Logik kann man kein zusätzliches Wissen erwerben. Daher können induktive Schlüsse, die von wenig Wissen auf viel Wissen schließen, keine logischen Schlüsse sein. Sie sind heuristisch und nicht zwingend. == Rezeption und Kritik == === Politik === Grundgedanken des Kritischen Rationalismus sind von verschiedenen politischen Gruppierungen programmatisch rezipiert bzw. in Anspruch genommen worden.<ref name="spinner">Helmut B. Spinner: ''Popper und die Politik'' (Berlin: 1985)</ref> In Deutschland zunächst von liberaler Seite (FDP; [[Ralf Dahrendorf]]<ref name="dahrendorf">Ralf Dahrendorf, Ungewißheit, Wissenschaft und Demokratie, in: ders., Konflikt und Freiheit, München 1972</ref>), später von CDU und SPD. Die CDU sah im Konzept der ‚offenen Gesellschaft‘ eine Grundlage zur Abwehr überzogener Ideologie- und Beglückungsansprüche.<ref name="dettling">Warnfried Dettling, Der kritische Rationalismus und die Programmatik der CDU, in: Wulf Schönbohm (Hrsg.), Zur Programmatik der CDU, Bonn 1974, S. 79–108</ref> Die SPD sah im Kritischen Rationalismus das Leitbild ihres „schöpferischen Reformismus“<ref name="glotz"> P. Glotz, Der Weg der Sozialdemokratie, Wien 1975</ref>. In Deutschland ist Bundeskanzler a. D. [[Helmut Schmidt]] (SPD) der bekannteste bekennende politische Anhänger des Kritischen Rationalismus.<ref name="luehrs">s. sein Vorwort zu G. Lührs/T. Sarrazin/F. Spreer/M. Tietzel (Hrsg.), Kritischer Rationalismus und Sozialdemokratie, 2 Bde., Berlin/Bonn-Bad Godesberg 1975/1976</ref> === Grundlagenkritik === Prominente Kritiker des Fallibilismus und Vertreter der [[Rechtfertigungsstrategie|Letztbegründungsthese]] sind [[Wolfgang Kuhlmann]] und [[Karl-Otto Apel]], die eine Letztbegründung in den impliziten Voraussetzungen der Kommunikation, vor allem des argumentativen Diskurses sehen. Im argumentativen Diskurs selbst seien bereits Normen akzeptiert, welche nicht sinnvoll bestritten werden können und daher letztbegründet sind. Auch der Fallibilismus erkenne die impliziten Normen der Argumentation bereits an, wenn er eine Letztbegründung solcher Normen argumentativ bestreite. Die Kritik umfasst außerdem das Argument, dass der Fallibilismus nicht auf sich selbst anwendbar sei<ref>Vgl. K.O. Apel: ''Das Problem der philosophischen Letztbegründung im Lichte einer transzendentalen Sprachpragmatik: Versuch einer Metakritik des "Kritischen Rationalismus'"'', in: B. Kanitscheider (Hg.): ''Sprache und Erkenntnis''. (Festschrift für G. Frey), Innsbruck 1976, S. 55-82</ref>. Er immunisiere sich selbst gegen Kritik, indem er zum Schluss auf Argumente für eine Letztbegründung immer behaupten kann, dass auch diese Argumente nicht gewiss seien. Das [[Münchhausen-Trilemma]] wiederum ist speziell auf logische, insbesondere [[Deduktion|deduktive]] Schlussweisen ausgerichtet, erfasst aber weder [[Phänomenologie|phänomenologische]] (evidenzbasierte), noch [[Existenzphilosophie|existentialistische]] oder [[Pragmatismus|pragmatische]] Rechtfertigungsstrategien, also allgemein das, was unter den Schlagworten ‚partielle‘, ‚zirkuläre‘, ‚epistemische‘ oder ‚unzureichende Begründung‘ bekannt geworden ist.<ref>Jahn M. Böhm: ''Kritische Rationalität und Verstehen'' (Amsterdam, New York: Editions Rodopi B.V, 2006), ISBN 90-420-1816-X, Abschnitt 1.6.2</ref><ref name="rationalism"/>{{rp|Kap3}} Jürgen Habermas warf dem Kritischen Rationalismus eine nicht selbstreflexive und daher im Grunde positivistische Einstellung vor, die bei einem „abstrakten Vorsatz zum unbedingten Zweifel“ stehen bliebe.<ref name="habermas">Jürgen Habermas: ''Erkenntnis und Interesse'' (Suhrkamp, 1968), S. 22</ref> Er griff ihn immer wieder an, und verwarf ihn insbesondere wegen Bartleys Erkenntnis, dass er wegen der [[Kernlogik]] nicht umfassend revidierbar ist.<ref name="habermas2">Jürgen Habermas: Gegen einen positivistisch halbierten Rationalismus. ''Der Positivismusstreit in der deutschen Soziologie'' (Neuwied/Berlia: 1969), S. 252ff.</ref> Unabhängig voneinander fanden [[Pavel Tichý]]<ref name="tichy">Pavel Tichý: On Popper's definitions of verisimilitude. ''The British Journal for the Philosophy of Science'' '''25''':2 (Juni 1974), S. 155–160.</ref> und David Miller<ref name="miller">David Miller: Popper's Qualitative Theory of Verisimilitude. ''The British Journal for the Philosophy of Science'' '''25''':2 (Juni 1974), S. 166–177.</ref> heraus, dass Poppers logische Definition der Wahrheitsnähe nicht adäquat war. (Es existiert ein Neuvorschlag von Miller<ref name="rationalism"/>{{rp|10.3}} und mehrere von Popper.<ref name="logik"/>{{rp|*XV}}) [[Margherita von Brentano]] kritisierte den Pluralismus des Kritischen Rationalismus als Monopluralismus.<ref name="brentano">Margherita v. Brentano: Wissenschaftspluralismus – Zur Funktion, Genese und Kritik eines Kampfbegriffs. ''Das Argument'' '''13''' (6/7 1971), S. 476–493</ref> [[Peter Janich]], [[Lothar Schäfer]] und [[Peter Strasser (Philosoph)|Peter Strasser]] kritisierten, dass Popper den von ihm selbst vorgezeichneten Weg nicht konsequent genug gegangen und zu sehr bei positivistischen Ausgangsproblemen stehengeblieben sei.<ref name="strasser">Peter Strasser: ''Philosophie der Wirklichkeitssuche'', Suhrkamp, Frankfurt 1989,93/94</ref><ref name="janich">Peter Janich: Karl Popper: Logik der Forschung. In Reinhard Brandt, Thomas Strum (Hrsg.): ''Klassische Werke der Philosophie von Aristoteles bis Habermas'' (Leipzig: Reclam, 2002), S. 310</ref><ref name="schaefer">Lothar Schäfer: ''Karl R. Popper'', Beck, München, 3. Aufl. 1996, S. 10</ref> [[Charles Taylor (Philosoph)|Charles Taylor]] kritisierte Poppers Philosophie als die eines Popstars, der mit überheblichen Urteilen über große Philosophen eine Aufmerksamkeit erhascht hätte, die nur noch durch die angeborene Unwichtigkeit seiner Gedanken übertroffen werde.<ref name="taylor">Charles Taylor: [http://www.marxists.org/reference/subject/philosophy/works/us/taylor.htm Overcoming Epistemology]. ''Philosophical Arguments'' (Harvard University Press, 1995).</ref> Von [[Joachim Hofmann]] stammt eine umfassende Fundamentalkritik am Kritischen Rationalismus mit Verteidigung von Induktion, Historizismus, sowie Ablehnung der These, dass eine offene Gesellschaft dauerhaft möglich ist.<ref name="hofmann">Joachim Hofmann: ''Anti-Popper'' (Donauwörth: Empeiria Verlag, 2004), ISBN 3-9809784-1-9</ref><ref name="hofmann2">Joachim Hofmann: ''Die Induktion und ihre Widersacher'' (Frankfurt/Main: Verlag Dr. Hänsel-Hohenhausen, 2002), ISBN 3-8267-1213-7.</ref><ref name="niemann">Hans-Joachim Niemann: [http://www.opensociety.de/Web1/pdf-Dateien/Niemann_Rez_Hofmann.pdf Rezension ANTI-POPPER]. ''Aufklärung und Kritik'' 1/2006</ref> [[Herbert Keuth]] hat eine Kritik erarbeitet, die sich mit nahezu dem gesamten Werk Poppers und folglich mit allen Hauptthesen aller Bereiche des Kritischen Rationalismus auseinandergesetzt.<ref>Herbert Keuth: ''Karl Popper, Logik der Forschung'' (Akademie-Verlag, 2004), ISBN 3-05-004085-8</ref><ref>Herbert Keuth: ''Die Philosophie Karl Poppers'', UTB, Stuttgart 2000, ISBN 3-8252-2156-3</ref> Er richtet sich dabei insbesondere gegen die Rehabilitation der Korrespondenztheorie sowie gegen Poppers metaphysische Standpunkte. === Wissenschaftstheoretische Kritik === Der Wissenschaftshistoriker [[Thomas Samuel Kuhn|Thomas Kuhn]] formulierte in seinem Werk ''The Structure of Scientific Revolutions'' den Einwand, dass Poppers Vorstellungsmodell die historische Entwicklung der Wissenschaften nicht erklären könne. Er kritisierte insbesondere, dass Popper nur die außergewöhnliche Wissenschaft in der Phase einer wissenschaftlichen Revolution behandele und nicht die Normalwissenschaft, die im Rahmen eines allgemein anerkannten, gefestigten [[Paradigma]]s stattfindet, das sich ausschließlich bei solchen Revolutionen ändert. Ein Paradigma ist für Kuhn ein Instrument zur Problemlösung, das nur in Frage gestellt werden darf, wenn es seine Aufgabe nicht mehr erfüllt. Er sieht echte Wissenschaft erst dann gegeben, wenn ein solches Paradigma vorhanden ist und Normalwissenschaft stattfindet, während jede andere Form nur als embryonale [[Protowissenschaft]] oder als Krisenzeit gesehen werden darf. Dies steht im scharfen Widerspruch zu Poppers Position, der genau das Gegenteil vertrat: Seine Erkenntnistheorie „behauptet die Permanenz der Krise; wenn [sie] recht hat, so ist die Krise der Normalzustand einer hochentwickelten rationalen Wissenschaft“<ref name="grundprobleme">''Grundprobleme'', S. XIV</ref>. Popper dankte Kuhn zwar für den Hinweis auf die Normalwissenschaft, hielt sie aber nicht für einen wünschenswerten Teil des Forschungsbetriebs. Nach seiner Auffassung ist sie lediglich schlechte Wissenschaft.<ref name="gadenne">Volker Gadenne: [https://ssl.humanities-online.de/download/popper.html Hommage an Sir Karl Popper – Fortschritt zu tieferen Problemen]. ''Protosociology'' '''7''' (1995), S. 272–281</ref> Lakatos kritisierte an Popper, dass dieser in der ''Logik der Forschung'' zwar den dogmatischen Falsifikationismus kritisiert und zurückgewiesen, aber nicht scharf zwischen der naiven und der raffinierten Form des methodologischen Falsifikationismus unterschieden habe (das betrifft die Frage, ob eine falsifizierte Theorie sofort aufgegeben werden muss oder erst dann, wenn eine bessere vorhanden ist). Die raffinierte Form des methodologischen Falsifikationismus spielt insbesondere bei Lakatos eigener Wissenschaftsauffassung eine große Rolle. Ausgehend von Hegels These, dass sich Vernunft in der Geschichte realisiert, versuchte er darin, Aspekte der Ansichten von Popper und Kuhn zu vereinbaren. Er interpretierte die Wissenschaftsgeschichte als eine Geschichte des rationalen Aufstiegs und Verfalls von Forschungsprogrammen. Er versuchte auf dieser Basis, vom dogmatischen über den naiven und den methodologischen Falsifikationismus zu seiner eigenen Sichtweise einen rationalen Entwicklungsfortschritt zu konstruieren und seine Ansichten so selbstgenügsam zu machen. Kuhn war der Ansicht, der Vorwurf, Popper sei ein naiver Falsifikationist, sei zwar theoretisch falsch, aber trotzdem könne man ihn in allen praktischen Belangen legitim als solchen sehen.<ref>Thomas S. Kuhn: Logic of Discovery or Psychology of Research? ''Criticism and the growth of knowledge'' (London: Cambridge University Press, 1970).</ref> [[Paul Feyerabend]] war zunächst selbst ein Vertreter des Kritischen Rationalismus. Er gelangte jedoch zu der Ansicht, dass Durchbrüche in der Wissenschaftsgeschichte immer dort erreicht wurden, wo die gerade vorherrschenden methodischen Regeln ignoriert wurden. Nach Feyerabend hätten bedeutende wissenschaftliche Erkenntnisse verworfen werden müssen, wenn man nach der Methode des Kritischen Rationalismus vorgegangen wäre. Nach seiner Argumentation könnten Rationalisten den irrationalen Verlauf der Wissenschaftsgeschichte mit keiner allgemeinen und rationalen Grundlage beschreiben, weswegen für den Rationalisten nur ‚[[anything goes]]‘ als allgemeine Methodologie in Frage käme.<ref>[[Paul Feyerabend]]: ''[[Erkenntnis für freie Menschen]] – Veränderte Ausgabe''. [[Edition suhrkamp|es]], Suhrkamp, Frankfurt am Main 1981². S. 97-99, 100-102 et passim.</ref> Er vertrat damit nicht wie der Kritische Rationalismus einen rationalen, sondern einen [[Methodenanarchismus|anarchistischen Methodenpluralismus]]. Kritik an den Grundlagen der Falsifikation wurde von so vielen Kritikern geäußert, dass sich jedes Argument mehreren bis vielen Vertretern zuordnen lässt.<ref name="rationalism"/>{{rp|Kapitel 2}} Die Einwände betreffen die Frage, ob die Falsifikation metaphysische Annahmen benötigt ([[Anthony O'Hear|O'Hear]], Feyerabend, [[Jennifer Trusted|Trusted]]); ob nicht jedes Wissen durch Beobachtung und Ableitung entstehen muss (Salmon, [[Irving John Good|Good]], O'Hear); ob die Akzeptanz von Beobachtungssätzen, die Forderung nach der Reproduzierbarkeit von Experimenten oder die Forderung nach den strengstmöglichen Prüfungen nicht induktive Elemente enthält ([[Kurt Hübner (Philosoph)|Hübner]], [[William Newton-Smith|Newton-Smith]], Watkins, Ayer, [[Mary Hesse|Hesse]], [[Geoffrey James Warnock|Warnock]], [[Arnold Levison|Levison]], Trusted, O'Hear, [[George N. Schlesinger|Schlesinger]], [[Adolf Grünbaum|Grünbaum]], Musgrave); ob die Falsifikation nicht dem [[Goodman-Paradoxon]] unterliegt, das sich um die rationale Unterscheidbarkeit von zwei Theorien dreht, die sich nur in den zukünftigen Aussagen unterscheiden ([[R. H. Vincent|Vincent]], [[Henry E. Kyburg, Jr.|Kyburg]], [[John Worrall|Worrall]]); ob Induktion nicht zumindest für die praktische Anwendung von Theorien notwendig ist ([[Herbert Feigl|Feigl]], [[L. Jonathan Cohen|Cohen]], Salmon, [[Ilkka Niiniluoto|Niiniluoto]], [[Raimo Tuomela|Tuomela]], Lakatos, [[Colin Howson|Howson]], Worrall, [[Hilary Putnam|Putnam]], [[Richard C. Jeffrey|Jeffrey]], O'Hear, Watkins u.v.a.m); ob nicht eine induktive Garantie dafür notwendig ist, dass eine Methode mit höherer Wahrscheinlichkeit näher zur Wahrheit führt als alle anderen (Lakatos); und schließlich ob das ‚[[Miracle-Argument]]‘ (die Frage nach der Erklärung des Erfolgs der wissenschaftlichen Theorien) nicht doch für induktive Schlüsse auf die Wahrheitsnähe einer Theorie oder für Wahrscheinlichkeitsschlüsse auf ihre Wahrheit spricht (O'Hear, Newton-Smith u.a.). [[Otto Neurath]] hielt Popper einen „Pseudorationalismus der Falsifikation“ vor. Er vertrat die Auffassung, dass wissenschaftliche Theorien nicht logisch präzise als Satzsysteme formulierbar sind. Statt von Falsifikation könne man daher in der Praxis nur von einer „Erschütterung“ von Theorien sprechen.<ref name="neurath">Otto Neurath: Wissenschaftliche Weltauffassung (1935), hrsg. Von Hegselmann, Suhrkamp.</ref> Hilary Putnam vertrat den Standpunkt, der Kritische Rationalismus vernachlässige die Erklärungsfunktion von Theorien.<ref name="putnam">Hilary Putnam: Corroboration of Theories. ''The Philosophy of Karl Popper''</ref> Adolf Grünbaum versuchte zu zeigen, dass die [[Psychoanalyse]], die Popper gemäß seinem Abgrenzungskriterium als pseudowissenschaftlich eingestuft hatte, entgegen dieser Auffassung eine durchaus überprüfbare und somit wissenschaftliche Theorie sei.<ref name="gruenbaum">Adolf Grünbaum: ''Die Grundlagen der Psychoanalyse: Eine philosophische Kritik'', Stuttgart 1988</ref> Er war stattdessen der Auffassung, dass Behauptungen von Freud über die Psychoanalyse, insbesondere die so genannte ‚Necessary Condition Thesis‘, durch klinische Befunde falsifiziert worden seien. Er stufte sie als schlechte Wissenschaft ein.<ref name="gruenbaum2">Adolf Grünbaum: Validation in the Clinical Theory of Psychoanalysis. A Study in the Philosophy of Psychoanalysis, Psychological Issues, 61; Madison, 1993, s. dazu etwa [http://www.priory.com/ital/9grunb-i.htm A century of psychoanalysis: critical retrospect and prospect] und [http://www.personalityresearch.org/psychoanalysis.html Psychoanalysis: Is it Science?], John Forrester: [http://links.jstor.org/sici?sici=0021-1753(198612)77:4%3C670:H%3E2.0.CO%3B2-4 Essay Reviews – The Foundations of Psychoanalysis: A Philosophical Critique by Adolf Grunbaum] ''Isis'' '''77''':4 (Dezember 1986), S. 670–674</ref> [[Albrecht Wellmer]] sah im Kritischen Rationalismus einen Abkömmling des logischen Positivismus. Er führte dafür als Argument die Reduktion der Erkenntnistheorie auf die Methodologie an.<ref name="wellmer">Albrecht Wellmer: ''Methodologie als erkenntnistheorie: Zur Wissenschaftslehre Karl R. Poppers'' (Frankfurt: 1967)</ref> [[David Stove]] warf Popper wegen dessen Erkenntnisskeptizismus und Ablehnung der Induktion postmodernen Irrationalismus vor.<ref name="stove">David Stove: ''Popper and After: Four Modern Irrationalists'' (Oxford: Pergamon, 1982), auch unter den abweichenden Titeln ''Scientific Irrationalism: Origins of a Postmodern Cult'' und ''Anything Goes: Origins of the Cult of Scientific Irrationalism'' erschienen.</ref> [[Martin Gardner]] vertrat die Auffassung, Poppers Wissenschaftsphilosophie sei irrelevant und praxisfern und ersetze ansonsten nur vorhandene Wörter suggestiv durch andere.<ref name="gardner">Martin Gardner: [http://www.stephenjaygould.org/ctrl/gardner_popper.html A Skeptical Look at Karl Popper]. ''Skeptical Inquirer'' '''25''':4 (2001), 13-14, 72</ref><ref name="lester">Jan C. Lester: [http://www.la-articles.org.uk/popper.htm A Sceptical Look at „A Skeptical Look at Karl Popper“] (Januar 2004)</ref><ref name="ross">Kelley L. Ross: [http://www.friesian.com/gardner.htm Criticism of Karl Popper in Martin Gardner's ''Are Universes Thicker Than Blackberries?''] (2003)</ref> === Gesellschaftstheoretische Kritik === Popper, der in seiner Jugend [[Sozialist]] war, wurde mit der Veröffentlichung von ''Die Offene Gesellschaft und ihre Feinde'' durch seine provozierenden Thesen zu Platon, Hegel und Marx bekannt. Kritik am zum Teil polemischen Stil und selektiver Interpretation haben insbesondere [[Ronald B. Levinson]],<ref name="levinson">Ronald Bartlett Levinson: ''In defense of Plato'', Russell & Russell, 1970, ISBN 0-8462-1461-X</ref> [[Walter Arnold Kaufmann|Walter Kaufmann]]<ref name="kaufmann">Walter Kaufmann: [http://hegel-system.de/popper/W.Kaufmann-Hegel_%20Legend_und_Wirklichkeit.pdf Hegel: Legende und Wirklichkeit]. In: ''Zeitschrift für philosophische Forschung'' Band X, 1956, 191–226.</ref> und [[Maurice Cornforth]]<ref name="cornforth">Maurice Cornforth: ''The Open Philosophy and the Open Society: A Reply to Dr. Karl Popper's Refutations of Marxism'', New York: International Publishers, 1968.</ref> geübt. Hauptkritiker am Inhalt waren [[Helmut F. Spinner]]<ref name="spinner"/> und [[Robert Ackermann]].<ref name="ackermann">Robert Ackermann: Popper and German Social Philosophy. In Gregory Currie, Alan Musgrave (Hrsg.): ''Popper and the Human Sciences'' (Dordrecht: 1985).</ref> Weitere Kritik an Poppers Sozialphilosophie äußerten, im Rahmen des [[Positivismusstreit]]s, [[Theodor W. Adorno]],<ref name="adorno">Theodor W. Adorno: [http://www.vordenker.de/ggphilosophy/adorno_logik-sozialwiss.pdf Zur Logik der Sozialwissenschaften]. ''Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie'' '''14''' (1962), S. 249–263</ref> und [[Jürgen Habermas]],<ref name="habermas3">Jürgen Habermas: [http://www.vordenker.de/ggphilosophy/habermas_analyt-wissenth.pdf Analytische Wissenschaftstheorie und Dialektik]. In: Max Horkheimer (Hrsg): ''Zeugnisse. Festschrift für Theodor W. Adorno'' (Frankfurt am Main: Europäische Verlagsanstalt, 1963), S. 473–501</ref><ref name="habermas4">Jürgen Habermas: Ein Literaturbericht (1967): Zur Logik der Sozialwissenschaften ''Philosophische Rundschau, Beiheft'' '''5''' (1967); auch in: J. H., Zur Logik der Sozialwissenschaften. Materialien, Frankfurt/M. 1970, S. 71 ff., ISBN 3-518-28117-8; Auszug: [http://www.vordenker.de/ggphilosophy/habermas_logik-sozialwiss.pdf Zur Logik der Sozialwissenschaften]</ref> die beide die [[Kritische Theorie]] vertraten. Sie waren der Auffassung, dass der Kritische Rationalismus die Gesellschaft mit seiner Stückwerk-Sozialtechnik auf symptomatische Erscheinungen reduziere und daher positivistisch sei. Die Kritische Theorie selbst vertrat den Standpunkt, dass die Gesellschaft dialektisch aus inneren Widersprüchen aufgebaut sei und dass eine Reform mit der Aufgabe beginnen müsse, diese inneren Widersprüche aufzuspüren und zu erkennen.<ref name="strobach">Niko Strobach: [http://www.uni-rostock.de/fakult/philfak/fkw/iph/strobach/hroseminare/pol/popper.pdf Überblick über: Karl Popper, The Open Society and its Enemies]</ref> Abwägungen zu Poppers Kritik am Historizismus finden sich bei [[Werner Habermehl]].<ref name="habermehl">Werner Habermehl: Historizismus und Kritischer Rationalismus. Einwände gegen Poppers Kritik an Comte, Marx und Platon, Alber, München 1960</ref> [[Rudolf Thienel]] kritisierte die von Albert vertretene kritisch-rationale Position zur Rechtswissenschaft.<ref name="thienel">Rudolf Thienel: ''Kritischer Rationalismus und Jurisprudenz. Zugleich eine Kritik an Hans Alberts Konzept einer sozialtechnologischen Jurisprudenz'', Wien 1991</ref> === Reaktion auf die Kritik === Die Hauptvertreter des Kritischen Rationalismus haben Kritik nur sehr selten als schlüssig akzeptiert und sie in den überwiegenden Fällen zurückgewiesen. Popper bemerkte zu dem Vorwurf, in der ''Logik der Forschung'' teilweise einen naiven Falsifikationismus vertreten zu haben: ''„Das ist natürlich alles Unsinn“''<ref name="logik"/>{{rp|*XIV}} Ausführlich mit allen von Kuhn und Lakatos vorgebrachten Varianten dieses Vorwurfs hat sich [[Gunnar Andersson (Wissenschaftstheoretiker)|Gunnar Andersson]] auseinandergesetzt und sie als [[Strohmannargument]]e verworfen.<ref>Gunnar Andersson: Naïve and critical falsificationism. ''In Pursuit of Truth'' (New Jersey: Humanities Press, Sussex: Harvester Press, 1982)</ref> Popper fand dennoch, dass Kuhns Kritik die interessanteste war, die bis dahin geäußert wurde.<ref>Karl Popper: Normal Science and its Dangers. ''Criticism and the Growth of Knowledge'' (Cambridge: Cambridge University Press, 1970), S. 51, zitiert bei I. C. Jarvie: Popper on the difference between the Natural and the Social Sciences. ''In Pursuit of Truth'' (1982), Fn. 36, S. 107</ref> Überaus deutlich distanzierte sich Popper außerdem im Addendum, das in der ''Offenen Gesellschaft'' ab der vierten englischen Auflage enthalten ist, von der oft gemachten Annahme, beim Kritischen Rationalismus handle es sich um eine Kriterienphilosophie. John Watkins fasste dies schärfer und deutlicher zusammen: :'' ''Kriterien'' für den wissenschaftlichen Fortschritt? Die Popper-Tradition will nichts von ''Kriteriums-Philosophien'' wissen. Wenn wir mit Kriterien gepanzert aufgetreten wären, dann hätte man uns sofort gefragt, worin deren ''Autorität'' bestehe. Da wir der Auffassung sind, daß es (abgesehen von der Logik) weder innerhalb noch außerhalb der Wissenschaft Gewißheit gibt, hätten wir zugeben müssen, daß diese "Kriterien" fehlbar sind und daß im Falle eines Konflikts zwischen ihnen und er Wissenschaft vielleicht unsere "Kriterien" auf dem Holzweg sind ... Jawohl, wir haben keine Kriterien.''<ref>John W. N. Watkins: Die Poppersche Analyse der wissenschaftlichen Erkenntnis. ''Fortschritt und Rationalität der Wissenschaft'' (Tübingen: Mohr, 1980), S. 28, zitiert in Norbert Hinterberger: ''Der kritische Rationalismus und seine antirealistischen Gegner'' (Amsterdam: Rodopi, 1996) S. 360</ref> (Ob es in er Logik Sicherheit gibt, ist im Kritischen Rationalismus allerdings sehr kontrovers.) [[Hans-Joachim Niemann]] betonte, dass ein wichtiger Punkt des Kritischen Rationalismus besonders häufig übersehen werde: Dass Beobachtung, obwohl fehlbar, revidierbar, selektiv und theoriegeladen, trotzdem unproblematisch ist und Wahrheit liefern kann. Er warnte außerdem davor, dass die große Masse der Darstellungen und der Kritik entstellend sei und oft Teile des Kritischen Rationalismus außer acht ließe, die für das Thema wesentlich seien.<ref name="niemann2">[[Hans-Joachim Niemann]]: [http://www.gkpn.de/Niemann_Falsifikation.pdf 70 Jahre Falsifikation: Königsweg oder Sackgasse?] ''Aufklärung und Kritik'' 2/2005</ref> Bartley erklärte die vielen Missverständnisse zum Kritischen Rationalismus mit einer zentralen, revolutionären Neuerung in Poppers Vernunftdenken, die es so schwer für vorhandene Denkschemata macht, es richtig nachzuvollziehen: : ''The main originality of Popper’s position lies in the fact that it is the first ''non justificational philosophy of criticism'' in the history of philosophy.''<ref name="bartley3">William W. Bartley: [http://www.the-rathouse.com/2008/Bartley1964CCR.html Rationality versus the Theory of Rationality], In Mario Bunge: ''The Critical Approach to Science and Philosophy'' (The Free Press of Glencoe, 1964), Abschnitt IX.</ref> Auch David Miller machte in sehr vielen Argumenten gegen den Kritischen Rationalismus diesen zentralen Fehler aus, d.h. dass sie zwar den Fallibilismus berücksichtigten, nicht aber die Aufgabe positiver, guter Gründe. Bartley vertrat die Auffassung, dass die Neuerungen Poppers wegen der Missverständnisse nicht die Aufmerksamkeit bekämen, die ihnen objektiv zustünde: : ''The gulf between Popper's way of doing philosophy and that of the bulk of professional philosophers is as great as that between astronomy and astrology.''<ref name="bartley4">William W. Bartley: The Philosophy of Karl Popper I. ''Philosophia'' '''6''' (1976), pp. 463–494.</ref><ref>W. W. Bartley: A Popperian Harvest. In Paul Levison: ''In Pursuit of Truth'' (1982), Abschnitt III, S. 268ff</ref> === Anwendung === [[Lawrence A. Boland]] wendete den Kritischen Rationalismus auf die Wirtschaftswissenschaften an, [[Gary Cziko]] auf Biologie und Bildung, [[Gerard Radnitzky]] auf die Politik, [[David Deutsch (Wissenschaftler)|David Deutsch]] auf die Physik, [[Jeremy Shearmur]] auf die Sozialwissenschaft, [[Donald T. Campbell]] auf die Evolution, [[Thomas Szasz]] auf die Psychiatrie, [[Peter Medawar]] auf die Medizin, [[Ernst Gombrich]] auf die Kunst, [[Sarah Fitz-Claridge]] auf die [[Eltern-Kind-Beziehung]], [[Noretta Koertge]] auf Gesellschaftsprobleme, [[Joe Edward Barnhart]] auf die Religionswissenschaft. In Deutschland wird der Kritische Rationalismus von der [[Gesellschaft für kritische Philosophie Nürnberg]] praktiziert, in Form eines kritischen Dialogs unter den Mitgliedern. == Quellen == <div class="references-small" style="-moz-column-count:2; column-count:2;"><references/></div> == Literatur == * Paul A. Schilpp (Hrsg.): ''The Philosophy of Karl Popper'', La Salle: Open Court Press, 1974, zwei Bände, Library of Living Philosophers XIV, ISBN 0-87548-141-8 * [[Hans-Joachim Niemann]]: ''Lexikon des Kritischen Rationalismus'', Tübingen (Mohr-Siebeck) 2004, 423 + XII S., ISBN 3-16-148395-2 * Helmut Seiffert, [[Gerard Radnitzky]] (Hrsg.): ''Handlexikon zur Wissenschaftstheorie'', dtv Wissenschaft, München 1992, ISBN 3-423-04586-8 * Ian Jarvie, Karl Milford, David Miller (Hrsg.): ''Karl Popper: A Centenary Assessment'', drei Bände, Aldershot; Burlington, VT: Ashgate, 2006, ISBN 0-7546-5387-0 === Literatur zu den Grundlagen === * [[Hans Albert]]: ''Traktat über Kritische Vernunft'', 5. Aufl. Tübingen 1991, ISBN 3-16-145710-2 * William W. Bartley: ''Flucht ins Engagement'', Mohr Siebeck, 1987, ISBN 3-16-945130-8 * Volker Gadenne, Hans Jürgen Wendel: ''Rationalität und Kritik'', Mohr Siebeck, Tübingen 1996, ISBN 3-16-146658-6 * Hans Albert: [http://www.gkpn.de/albert.htm Die Idee der kritischen Vernunft]. ''Aufklärung und Kritik'' (2/1994), S. 16 ff., {{ISSN|0945-6627}} * Karl R. Popper: ''Objektive Erkenntnis'', 2. Aufl., Hamburg 1974, ISBN 3-455-09088-5 * Jan M. Böhm, Heiko Holweg, Claudia Hoock: ''Karl Poppers kritischer Rationalismus heute'' (Tübingen: Mohr Siebeck, 2002), ISBN 3-16-147774-X. === Literatur zur Gesellschaftstheorie === * Hans Albert: ''Kritische Vernunft und menschliche Praxis'', Reclam, Stuttgart 1977, ISBN 3-15-009874-2 * Karl R. Popper: ''Die offene Gesellschaft und ihre Feinde I. Studienausgabe. Der Zauber Platons.'' (hrsg. von Hubert Kiesewetter), 8. Aufl., Tübingen 2003, ISBN 3-16-148068-6 * Karl R. Popper: ''Die offene Gesellschaft und ihre Feinde II. Studienausgabe. Falsche Propheten Hegel, Marx und die Folgen.'' (hrsg. von Hubert Kiesewetter), 8. Aufl., Tübingen 2003, ISBN 3-16-148069-4 * [[Kurt Salamun]] (Hrsg.): ''Moral und Politik aus der Sicht des kritischen Rationalismus'', Rodopi, Amsterdam/Atlanta 1991, ISBN 90-5183-203-6 * [[Ingo Pies]]/Martin Leschke (Hrsg.): ''Karl Poppers kritischer Rationalismus'', Mohr Siebeck, Tübingen 1999, ISBN 3-16-147211-X === Literatur zur Wissenschaftstheorie === * David Miller: ''Critical Rationalism'', Open Court Publishing Company, 1994, ISBN 0-8126-9198-9 * David Miller: ''Out Of Error'', Ashgate Publishing, 2006, ISBN 0-7546-5068-5 * Alan Musgrave: ''Alltagswissen, Wissenschaft und Skeptizismus'', Mohr Siebeck/UTB, Tübingen 1993, ISBN 3-8252-1740-X * Karl R. Popper: ''Die beiden Grundprobleme der Erkenntnistheorie'', Tübingen 1979, ISBN 3-16-838212-4 * Karl R. Popper: ''[[Logik der Forschung]].'' 11. Auflage, Tübingen 2005, ISBN 3-16-148410-X * Hans Günther Ruß: ''Wissenschaftstheorie, Erkenntnistheorie und die Suche nach der Wahrheit. Eine Einführung'', Kohlhammer, Stuttgart 2004, ISBN 3-17-018190-4 * Peter Kappelhoff: [http://www.wiwi.uni-wuppertal.de/kappelhoff/papers/kapitel2.pdf Wissenschaftstheorie]. ''Skript zur Vorlesung Methoden der empirischen Wirtschafts- und Sozialforschung,'' 4. Aufl. 2000 * Gunnar Andersson: ''Kritik und Wissenschaftsgeschichte. Lakatos’ und Feyerabends Kritik des Kritischen Rationalismus'' Mohr Siebeck, Tübingen 1988, ISBN 3-16-945308-4 === Literatur zur Ethik === *[[Hans Albert]], 'Ethik und Meta-Ethik' in: Ders. ''Konstruktion und Kritik'', 2. Aufl. Hamburg, Hoffmann und Campe, S. 127-167. *Christoph Lütge, 'Kritisch-rationalistische Ethik', ''Ethica'' 10, 4 (2002) S. 377-405. *Christoph Lütge, 'Was leistet die kritisch-rationalistische Ethik?', ''Ethica'' 11, 4 (2003), S. 389-409. *[[Hans-Joachim Niemann]], ''Die Strategie der Vernunft – Problemlösende Vernunft, rationale Metaphysik und Kritisch-Rationale Ethik'', 2. verbesserte und erweiterte Aufl., Tübingen (Mohr Siebeck) 2008. 306 S., ISBN 978-3161498787. *Hans-Joachim Niemann, 'Über die Grenzen der Toleranz und ›objektive Toleranz‹ als Instrument der Gewaltminimierung', in: Eric Hilgendorf (Hrsg.), ''Wissenschaft, Religion und Recht - [[Hans Albert]] zum 85. Geburtstag'', Berlin (LOGOS) 2006, S. 313-338. *Hans-Joachim Niemann, 'Wie objektiv kann Ethik sein?' ''Aufklärung und Kritik'' 5 (2001), S. 23-41. == Weblinks == * {{Wikibooks|Studienführer Hans Albert}} * {{Wikibooks|Sei doch vernünftig! – Ein Crash-Kurs}} * [http://www.kritischer-rationalismus.de/ Webseite zum Kritischen Rationalismus von Hans-Joachim Niemann] * [http://www.ted.com/index.php/talks/view/id/47 David Deutsch TED talk: What is our place in the cosmos?] * [http://www.wisewords.demon.co.uk/popper/ Critical Rationalism: a personal account] * [http://www.takingchildrenseriously.com/ Taking Children Seriously – Eltern-Kind-Beziehung basierend auf dem Kritischen Rationalismus] {{Exzellent}} [[Kategorie:Erkenntnistheorie]] [[Kategorie:Wissenschaftstheorie]] [[Kategorie:Staatsphilosophie]] [[Kategorie:Sozialphilosophie]] [[Kategorie:Kritischer Rationalismus| ]] [[cs:Kritický racionalismus]] [[da:Kritisk rationalisme]] [[en:Critical rationalism]] [[it:Razionalismo critico]] [[no:Kritisk rasjonalisme]] [[pl:Krytyczny racjonalizm]] [[pt:Racionalismo crítico]] [[ro:Raţionalism critic]] [[ru:Критический рационализм]] [[sk:Kritický racionalizmus]] [[fi:Kriittinen rationalismi]] [[tr:Eleştirel rasyonalizm]] lgeq5e3pfxibxy32pq66ewho3nfacbd wikitext text/x-wiki Ernest Shackleton 0 23494 26093 2010-04-29T19:42:59Z 79.206.250.121 /* Im Beiboot nach Südgeorgien */ [[Datei:Ernest Henry Shackleton Nadar.jpg|thumb|Ernest Shackleton (fotografiert von [[Nadar]], circa 1909)]] [[Datei:Ernest Shackleton Signature.svg|thumb|Shackletons Signatur]] [[Knight|Sir]] '''Ernest Henry Shackleton''' [[Royal Victorian Order|CVO]], [[Order of the British Empire|OBE (Mil.)]], [[Ehrendoktor|LL.D]]<ref>Mill, ''The Life of Sir Ernest Shackleton'', [http://www.archive.org/stream/lifeofsirernests00milluoft#page/n9/mode/2up Titelseite.]</ref> (* [[15. Februar]] [[1874]] in Kilkea, [[County Kildare]], [[Irland]]; † [[5. Januar]] [[1922]] in [[Grytviken]], [[Südgeorgien und die Südlichen Sandwichinseln|Südgeorgien]]) war ein [[Vereinigtes Königreich|britischer]] [[Polarforscher]] irischer Abstammung und eine der herausragenden Persönlichkeiten des sogenannten [[Goldenes Zeitalter der Antarktis-Forschung|''Goldenen Zeitalters der Antarktisforschung'']]. Er nahm an vier Antarktisexpeditionen teil, von denen er bei dreien als Expeditionsleiter tätig war. Seine ersten antarktischen Erfahrungen machte Shackleton als Dritter Offizier bei der von [[Robert Falcon Scott]] geleiteten [[Discovery-Expedition]], von der er aufgrund vermeintlicher gesundheitlicher Probleme durch den Expeditionsleiter 1903 nach Hause geschickt wurde. Mit der Entschlossenheit, diesen persönlichen Makel zu tilgen, kehrte Shackleton 1908 als Leiter der [[Nimrod-Expedition]] in die Antarktis zurück. Im Januar 1909 stellte er zusammen mit drei Begleitern einen neuen Rekord in der größten Annäherung an einen der beiden geographischen Erdpole auf, bevor sie bei 88°23'S und noch 180&nbsp;km vom Südpol entfernt umkehren mussten. Für diese Leistung wurde Shackleton durch König [[Eduard VII. |Edward VII.]] zum Ritter geschlagen. Nachdem der Norweger [[Roald Amundsen]] 1911 den Südpol erobert hatte, verlagerte Shackleton sein Augenmerk auf die seiner Meinung nach letzte verbliebene Herausforderung der Antarktisforschung: Die Durchquerung des antarktischen Kontinents von Küste zur Küste über den geographischen Südpol hinweg. Doch auch mit dieser Forschungsreise, die als [[Endurance-Expedition]] bekannt ist, scheiterte er. Das Expeditionsschiff sank im [[Weddell-Meer]], nachdem es vom Packeis zerdrückt worden war. Durch eine abenteuerliche Rettungsaktion, für die Shackleton weitaus bekannter ist als für seine wissenschaftlichen Beiträge zur Antarktisforschung, konnte er alle Expeditionsteilnehmer vor dem sicheren Tod bewahren. 1921 führte ihn die [[Quest-Expedition]] ein letztes Mal in antarktische Gewässer. Noch vor dem eigentlichen Beginn der Forschungsreise starb Shackleton in Grytviken auf Südgeorgien an einem Herzinfarkt und wurde auf Wunsch seiner Frau auch dort begraben. Abseits seiner Forschungsreisen war Shackletons Leben rastlos und unerfüllt. Auf der Suche nach Wegen, möglichst rasch zu Ruhm und Reichtum zu gelangen, scheiterte er mit zahlreichen Unternehmungen. Am Ende seines Lebens war Shackleton hoch verschuldet. Obwohl er im Nachruf durch die Presse als Held gefeiert wurde, geriet sein Name im Gegensatz zu dem seines Rivalen Scott bald darauf für lange Zeit in Vergessenheit. Erst zur Jahrtausendwende wurde Shackleton als vorbildhafte Führungspersönlichkeit wiederentdeckt, die es in extremen Situationen vermochte, ihre Untergebenen zu außergewöhnlichen Leistungen zu motivieren. == Herkunft == [[Datei:Shackleton-coat-of-arms.jpg|thumb|hochkant=0.5|Familienwappen]] Ernest Shackleton kam im ''Kilkea House'', einem Anwesen in der Nähe der Ortschaft [[Athy]], als zweites von zehn Kindern des Grundbesitzers Henry Shackleton (1847–1920) und dessen Frau Henrietta Letitia Sophia (geborene Gavan, 1845–1929) zur Welt. In engstem Zusammenhang mit seinem späteren Leben steht die Tatsache, dass die ''[[Challenger (Schiff)|HMS Challenger]]'' am Tag nach seiner Geburt als erstes Dampfschiff den südlichen Polarkreis überquerte.<ref>Riffenburg, ''Nimrod'', S. 38.</ref> Shackletons väterliche Vorfahren, deren Linie sich bis ins 13. Jahrhundert zurückverfolgen lässt, waren [[Quäker]] aus der nordenglischen Grafschaft [[Yorkshire]], die bereits seit 1720 in Irland lebten.<ref>Riffenburgh, ''Nimrod'', S. 36.</ref> Zum englischen Seefahrer [[Martin Frobisher]] besteht ein entferntes Verwandtschaftsverhältnis.<ref>Mill, ''The Life of Sir Ernest Shackleton'', [http://www.archive.org/stream/lifeofsirernests00milluoft#page/4/mode/2up S. 4.]</ref> Shackletons einziger Bruder Francis (genannt Frank, 1876–1941) erlangte traurige Berühmtheit, als er 1907 in Verdacht geriet, am Raub der [[Order of Saint Patrick#Gewänder und Rüstungen|irischen Kronjuwelen]] beteiligt gewesen zu sein.<ref>Huntford, ''Shackleton'', S. 227–228.</ref> Der Leitspruch der Familie Shackleton, deren Name sich von demjenigem eines [[Weiler|Weilers]] in der Nähe des Dorfes Heptonstall ableitet, lautet „Fortitudine Vincimus“ (im Englischen: „by endurance we conquer“, im Deutschen: „Durch Ausdauer zum Sieg“).<ref name="mi8">Mill, ''The Life of Sir Ernest Shackleton'', [http://www.archive.org/stream/lifeofsirernests00milluoft#page/8/mode/2up S. 8.]</ref> Das etwa seit dem Jahr 1600 existierende Familienwappen trägt drei goldene Spangen auf rotem Grund.<ref name="mi8"/> Oftmals wurde versucht, Shackletons Eigenschaften und Charakterzüge von seiner Herkunft abzuleiten, doch nach Meinung seiner Biographen ist dies eine unzulässige oder bestenfalls verkürzte Darstellung. <!--sic-->''„Shackletons Mut und Kampfeslust waren ebenso wenig typisch nordenglisch, wie sein Charme und seine Vorliebe für Poesie typisch irisch waren. Ein Studium seiner Herkunft liefert einen Hintergrund, erklären kann es ihn jedoch nicht.“''<ref>Fisher, ''Shackleton'', S. 1.</ref> == Frühe Lebensjahre == === Kindheit und Jugend (1874–1890) === [[Datei:HRM EHS p23.jpg|thumb|Der 11-jährige Ernest Shackleton]] Im Zuge des [[Land War]] und des allgemeinen Niedergangs der Landwirtschaft in Irland Ende des 19. Jahrhunderts entschloss sich Shackletons Vater, eine neue berufliche Richtung einzuschlagen. 1880 zog die Familie nach [[Dublin]], wo Henry Shackleton am [[Trinity College (Dublin)|Trinity College]] in den nächsten vier Jahren Medizin studierte. Im Dezember 1884 verließ die Familie Irland und Shackletons Vater eröffnete eine Arztpraxis in [[London Borough of Croydon|Croydon]] unweit von [[London]]. Diese gab er bereits nach sechs Monaten auf, um sich schließlich erfolgreich in [[London Borough of Lewisham|Sydenham]] als Arzt niederzulassen.<ref>Huntford, ''Shackleton'', S. 6–9.</ref> Seit frühester Jugend war Ernest Shackleton ein begeisterter Leser. Zugang zu Literatur und Dichtung erhielt er durch seinen Vater. Besonders faszinierten ihn die Abenteuerromane von George Alfred Henty (1832–1902) und [[Jules Verne]].<ref>Kimmel, ''Ice Story'', S. 4–5.</ref> Sein Lieblingsbuch soll ''Life with the Esquimaux''<ref>Hall, Charles Francis: ''Life with the Esquimaux''. Low, Son & Marston, London 1864, [http://www.archive.org/stream/lifewithesquima00hallgoog#page/n8/mode/2up Vol. I] und [http://www.archive.org/stream/lifewithesquima01hallgoog#page/n8/mode/2up Vol. II] (abgerufen am 7. Januar 2010).</ref> des Polarforschers [[Charles Francis Hall]] gewesen sein.<ref>Riffenburgh, ''Nimrod'', S. 44.</ref> Über seine besondere Vorliebe für die Suche nach verborgenen Schätzen, seinen schon früh ausgeprägten Drang nach Unabhängigkeit und seine mitreißende Begeisterungsfähigkeit, die ihm auch als Erwachsener erhalten blieb, sind zahlreiche Anekdoten überliefert. Zu Beginn seiner schulischen Ausbildung wurde Shackleton von einer Hauslehrerin unterrichtet. Seit die Familie in Sydenham wohnte, besuchte er die ''Fir Lodge Preparatory School''. Von seinen Mitschülern wurde der für sein Alter groß und kräftig gebaute Ernest als freundlich und wohlwollend beschrieben.<ref>Mill, ''The Life of Sir Ernest Shackleton'', [http://www.archive.org/stream/lifeofsirernests00milluoft#page/n47/mode/2up S. 23.]</ref> Durch sein reizbares Temperament scheute er sich dennoch nicht, seine Fäuste zu gebrauchen, wenn jemand etwas Negatives über seine Herkunft oder seinen irischen Akzent sagte.<ref>Riffenburgh, ''Nimrod'', S. 37.</ref> Im Sommer 1887 wechselte Shackleton an das angesehene [[Dulwich College]]. Den vom Großmachtsanspruch des [[Britisches Weltreich|Empire]] geprägten Unterricht, zu dessen wichtigsten Bausteinen christlicher Militarismus und militärische Tugenden zählten,<ref>Riffenburgh, ''Nimrod'', S. 43.</ref> beschrieb Shackleton selbst als langweilig. <!--sic-->''„Über Geographie und Literatur habe ich in der Schule nie viel gelernt“''.<ref>Huntford, ''Shackleton'', S. 6.</ref> Er war nach Meinung seiner Lehrer kein besonders guter Schüler und <!--sic-->''„scherte sich einen feuchten Kehricht um den Unterricht“'',<ref>Riffenburgh, ''Nimrod'', S. 45. Zitiertes Originaldokument: Mrs. J.Q Rowett im Gespräch mit Autor James Fisher (1912–1970), SPRI MS 1456/75.</ref> dennoch schloss er 1890 als Fünftbester von 30 Schülern seines Jahrgangs ab.<ref>Mill, ''The Life of Sir Ernest Shackleton'', [http://www.archive.org/stream/lifeofsirernests00milluoft#page/24/mode/2up S. 24.]</ref> === Dienst bei der Handelsmarine (1890–1901) === [[Datei:HRM EHS p28.jpg|thumb|Shackleton als Seekadet auf der der ''Hoghton Tower'']] Shackletons Vater wollte eigentlich, dass er Medizin studiert. Schließlich gab er jedoch dem Wunsch seines Sohnes nach, in der Seefahrt sein Auskommen zu suchen. Da er eine Ausbildung auf der ''Britannia'', dem Schulschiff der [[Royal Navy]] finanziell nicht ermöglichen konnte, schickte er den 16-jährigen Ernest zur [[Handelsmarine]].<ref>Riffenburgh, ''Nimrod'', S. 46.</ref> Shackleton heuerte im April 1890 in [[Liverpool]] als [[Seekadett]] auf der ''Hoghton Tower'', einem [[Rahsegel|Rahsegler]] der ''North Western Shipping Company'', an.<ref>Huntford, ''Shackleton'', S. 11.</ref> In den folgenden vier Jahren erlernte er das Schifffahrtshandwerk von Grund auf, besuchte ferne Länder und hatte Umgang mit Menschen verschiedenster Herkunft und Bildungsschichten.<ref>Huntford, ''Shackleton'', S. 13–18.</ref> Gleich die erste Reise führte ihn mitten im Winter bei schweren Stürmen um [[Kap Hoorn]] nach [[Valparaíso]] und [[Iquique]], wo das Schiff sechs Wochen lang gelöscht und neue Fracht an Bord genommen wurde. Dabei lernte Shackleton, wie man Fracht mit Hilfe von Booten unbeschädigt zwischen einem Schiff und der Küste hin und her transportiert – Techniken, die sich bei seinen späteren Expeditionsreisen als hilfreich erweisen sollten.<ref>Riffenburgh, ''Nimrod'', S. 49.</ref> Insgesamt nahm Shackleton an drei Seereisen auf der ''Hoghton Tower'' teil, bevor er im Juli 1894 an die Seefahrtschule in London ging und dort am 4. Oktober die Prüfung als Zweiter Offizier bestand.<ref>Mill, ''The Life of Sir Ernest Shackleton'', [http://www.archive.org/stream/lifeofsirernests00milluoft#page/42/mode/2up S. 43.]</ref> Durch Vermittlung eines Schulfreundes vom Dulwich College erhielt Shackleton im November 1894 den Posten des Dritten Offiziers auf dem [[Trampschifffahrt|Trampschiff]] ''Monmouthshire'' mit Kurs [[Ferner Osten]]. Eine zweite Reise auf dem selben Schiff führte ihn nach [[China]].<ref>Mill, ''The Life of Sir Ernest Shackleton'', [http://www.archive.org/stream/lifeofsirernests00milluoft#page/44/mode/2up S. 45–48.]</ref> Am 24. Januar 1895, als Shackleton im [[Indischer Ozean|Indischen Ozean]] weilte, landete [[Carsten Egeberg Borchgrevink]] im Rahmen der ''Antarctic-Expedition'' am [[Kap Adare|Cape Adare]] an und nahm für sich in Anspruch, als erster Mensch antarktisches Festland betreten zu haben.<ref>[http://www.south-pole.com/p0000087.htm Carsten Egeberg Borchgrevink], Informationen auf southpole.com (abgerufen am 13. Januar 2010). Diesen Anspruch konnte Borchgrevink nicht endgültig geltend machen. Vermutlich wurde das antarktische Festland bereits durch [[John Davis (Robbenjäger)|John Davis]] oder [[Edward Bransfield]] erstmals betreten.</ref> Der Zufall wollte es, dass Shackleton sich späteren Aussagen zufolge genau zu dieser Zeit entschloss, Polarforscher zu werden.<ref>Riffenburgh, ''Nimrod'', S. 57.</ref> Als er 1896 von seiner zweiten Reise auf der ''Monmouthshire'' zurückkehrte, legte er die Prüfung als Erster Offizier ab. Nach seiner Zeit als Zweiter Offizier auf der ''Flintshire'', einem Dampfschiff der ''Welsh Shire Line'', erhielt er 1898 schließlich in [[Singapur]] das [[Befähigungszeugnis|Kapitänspatent]].<ref>Mill, ''The Life of Sir Ernest Shackleton'', [http://www.archive.org/stream/lifeofsirernests00milluoft#page/48/mode/2up S. 49–50.]</ref> Als Angestellter der ''[[Union-Castle Line]]'' war Shackleton nachfolgend auf dem Linienschiff ''Tantallon Castle'' im Post- und Passagierverkehr zwischen [[Southampton]] und [[Kapstadt]] tätig. Ein Schiffskamerad beschrieb ihn als <!--sic-->''„fernab vom Charakter gewöhnlicher junger Offiziere“'', eigenbrötlerisch jedoch nicht abweisend, <!--sic-->''„[[John Keats|Keats]] und [[Robert Browning|Browning]] rezitierend“'', eine Mischung aus Empfindsamkeit und Aggressivität und dennoch sympathisch.<ref>Huntford, ''Shackleton'', S. 20–23.</ref> Bei Ausbruch des [[Zweiter Burenkrieg|Buren-Krieges]] 1899 wurde Shackleton Dritter Offizier auf der ''Tintagel Castle'' für den Transport von Soldaten in die Kapkolonie. In Kapstadt kam es dabei zur Begegnung mit [[Rudyard Kipling]], den er als namhaften Co-Autor für sein erstes eigenes Buch gewinnen wollte.<ref>Mill, ''The Life of Sir Ernest Shackleton'', [http://www.archive.org/stream/lifeofsirernests00milluoft#page/54/mode/2up S. 54.] Ergänzung: Bei besagtem Buch handelte es sich um das Werk ''O.H.M.S. An illustrated record of the voyage of S.S. >Tintagel Castle<''.</ref> Ähnlich wie sein späterer Rivale Robert Falcon Scott, der sich in der Routine der Royal Navy eingeengt fühlte, hatte auch Shackleton nicht das Gefühl, in der Handelsmarine seinen Ehrgeiz befriedigen zu können. Ein Kollege bei der Union-Castle Line erklärte später: <!--sic-->''„Ihn reizte die Gelegenheit, aus der Monotonie von Methode und Routine auszubrechen – aus einem Dasein, das seine Individualität irgendwann erstickt hätte.“''<ref>Riffenburgh, ''Nimrod'', S. 76. Zitiertes Originaldokument: J.A. Hussey in einem Brief an Hugh Robert Mill vom 27. Juli 1922, SPRI MS 100/49/1–5.</ref> Kurz nachdem er zum [[Fellow]] der [[Royal Geographical Society]] berufen wurde, begann Shackletons Karriere als Entdecker, nicht zu einem geringen Teil deshalb, weil er darin die Möglichkeit sah, reich und berühmt zu werden. Im März 1900 lernte er den Armeeleutnant Cedric Longstaff (1876–1950) kennen, dessen Vater Llewellyn Longstaff (1841–1918) einer der Sponsoren der [[Discovery-Expedition]] war.<ref>Huntford, ''Shackleton'', S. 25–30.</ref> Shackleton nutzte seine Freundschaft zu Cedric, um sich bei dessen Vater um die Teilnahme an der Discovery-Expedition zu bewerben. Longstaff war so von Shackletons Eifer und Überzeugungskraft beeindruckt, dass er [[Clements Markham|Sir Clements Markham]], den Schirmherr der Expedition, anwies, ihn als Expeditionsteilnehmer zu akzeptieren. Am 17. Februar 1901 erhielt Shackleton den Posten des Dritten Offiziers auf dem Expeditionsschiff ''[[RRS Discovery (1901)|Discovery]]''. Kurz darauf wurde er zum [[Unterleutnant]] der Royal Naval Reserve (RNR) ernannt.<ref>Huntford, ''Shackleton'', S. 42.</ref> Damit endete Shackletons Dienst bei der Handelsmarine. == Teilnahme an der Discovery-Expedition (1901–1903) == ''Siehe Hauptartikel:'' [[Discovery-Expedition]] und deren [[Discovery-Expedition/Mannschaftsliste|Mannschaftsliste]] [[Datei:ATLNZ 11715.jpeg|thumb|Shackleton (zweiter von links) an Bord der ''Discovery'']] Die ''National Antartic Expedition'', so wie die Discovery-Expedition offiziell bezeichnet wurde, ging auf die Initiative von [[Clements Markham|Sir Clements Markham]] zurück, dem damaligen Präsidenten der Royal Geographical Society. Die Forschungsreise sollte mit dem Ziel durchgeführt werden, allgemeinwissenschaftliche und geographische Erkundungen in der Antarktis vorzunehmen.<ref>Fisher, ''Shackleton'', S. 19–20.</ref> Geleitet wurde sie durch den Offizier der Royal Navy [[Robert Falcon Scott]], der erst vor kurzem zum [[Fregattenkapitän]] ernannt worden war.<ref>Savours, ''The Voyages of the Discovery'', S. 9.</ref> Obwohl das Forschungsschiff ''[[RRS Discovery (1901)|Discovery]]'' nicht zur Royal Navy gehörte, verlangte Scott von der Schiffsmannschaft, den Offizieren und den wissenschaftlichen Expeditionsteilnehmern, sich der in der britischen Kriegsmarine üblichen Disziplin unterzuordnen.<ref>Fiennes, ''Captain Scott'', S. 35.</ref> Shackleton akzeptierte dies, obwohl er seit Schulzeiten militärischen Drill verabscheute und stattdessen einen zwangloseren Führungsstil bevorzugte.<ref>Crane, ''Scott of the Antarctic'', S. 171–172.</ref> Seine Aufgaben waren wie folgt umrissen: <!--sic-->''„Verantwortlich für die Untersuchung des Meerwassers, die Versorgung der Offiziersmesse, für den Frachtraum, die Lagerbestände und Versorgungsgüter (…) ferner für das Unterhaltungsprogramm.“''<ref>Fisher, ''Shackleton'', S. 23.</ref> Nachdem die ''Discovery'' am 6. August 1901 von [[Cowes]] in See stach, erreichte sie nach Zwischenaufenthalten in Kapstadt und dem neuseeländischen [[Lyttelton]] im Januar 1902 den Rand des antarktischen [[Ross-Schelfeis|Ross-Shelfeises]]. Nach Ankerung in einer kleinen Bucht nahm Shackleton am 4. Februar an einem Ballonaufstieg auf der Schelfeistafel teil und machte dabei die ersten Luftaufnahmen in der Antarktis.<ref>Wilson, ''Diary of the Discovery Expedition'', S. 111.</ref> Nach Erreichen des Winterquartiers am [[McMurdo-Sund|McMurdo Sound]] unternahm er zusammen mit den Wissenschaftsoffizieren [[Edward Adrian Wilson|Edward Wilson]] und Hartley Ferrar (1879–1932) die erste Schlittenexkursion zur Erkundung einer sicheren Route über das Schelfeis für den geplanten Marsch in Richtung [[Südpol#Geographischer Südpol|Südpol]].<ref>Wilson, ''Diary of the Discovery Expedition'', S. 115–118.</ref> Außerdem fungierte er im Winter 1902, als die ''Discovery'' vom [[Packeis]] eingeschlossen wurde, als Herausgeber des Expeditionsmagazins ''The South Polar Times''.<ref>Fiennes, ''Captain Scott'', S. 78.</ref> Nach Meinung des Schiffstewards Clarence Hare (1880–1967) war Shackleton durch seine unkonventionelle Art <!--sic-->''„bei der Mannschaft der beliebteste Offizier.“''<ref>Huntford, ''Shackleton'', S. 76.</ref> Für die Annahme, Shackleton sei bei der Führung der Männer in Konkurrenz zu Scott getreten, hat es jedoch nie stichhaltige Beweise gegeben.<ref>Fiennes, ''Captain Scott'', S. 83.</ref> Scott wählte Shackleton, um mit ihm und Edward Wilson den Marsch nach Süden über das Ross-Schelfeis zu unternehmen. Der Südpol war dabei nicht das eigentliche Ziel, wenngleich es für Scott von großer Bedeutung war, eine möglichst hohe südliche Breite zu erreichen. Dass Scotts Wahl auf Shackleton fiel, zeugt einerseits vom hohen Vertrauen, das der Expeditionsleiter seinem Dritten Offizier entgegenbrachte.<ref>Fisher, ''Shackleton'', S. 58.</ref> Andererseits hätte Scotts Entscheidung wegen der grundverschiedenen Charakterzüge beider Männer nicht schlechter ausfallen können.<ref>Riffenburgh, ''Nimrod'', S. 117:<!--sic-->''„Eine derart schlechte Wahl hat es nicht mehr gegeben, seit [[Richard Francis Burton]] zusammen mit [[John Hanning Speke]] zum [[Tanganjikasee]] aufbrach.“</ref> === Erster Marsch nach Süden === [[Datei:ATLNZ 11714.jpeg|thumb|Shackleton, Scott und Wilson (v.l.n.r.) beim Aufbruch zum Südpol am 2. November 1902. Auf dem mit Wimpeln geschmückten Transportschlitten hinter den drei Männern ist rechts von Shackleton dessen Familienwappen zu erkennen.]] Der Marsch, den Scott später als <!--sic-->''„eine Verbindung aus Erfolg und Scheitern“''<ref>Scott, ''The Voyage of the Discovery'', Vol. II, [http://www.archive.org/stream/voyageofdiscover02scotuoft#page/92/mode/2up/ S. 93.]</ref> bezeichnete, begann am 2. November 1902. Shackleton, Scott und Wilson erzielten einen neuen Südrekord, als sie am 30. Dezember 82°17'S erreichten und damit die Leistung [[Carsten Egeberg Borchgrevink]]s vom 16. Februar 1900 (78°50'S<ref>Mill, ''The Life of Sir Ernest Shackleton'', [http://www.archive.org/stream/lifeofsirernests00milluoft#page/152/mode/2up/ S. 153.]</ref>) überboten.<ref>Crane, ''Scott of the Antarctic'', S. 214–215. Ergänzung: Neuerliche Berechnungen auf Grundlage von Shackletons Fotographien und Wilsons Zeichnungen ergaben, dass sie möglicherweise nur 82°11' erreicht haben.</ref> Ihr Vorwärtskommen wurde durch ihre fehlende Erfahrung im Umgang mit den Schlittenhunden<ref>Riffenburgh, ''Nimrod'', S. 110.</ref> und durch den Umstand, dass zahlreiche Tiere an verdorbenem Futter erkrankten, erheblich behindert.<ref>Crane, ''Scott of the Antarctic'', S. 205.</ref> Alle 22 Hunde starben während des Marsches. Auf dem Rückweg kam es mutmaßlich zu Ereignissen, deren Auswirkungen auf das persönliche Verhältnis zwischen Shackleton und Scott noch heute kontrovers diskutiert werden. Unzweifelhaft ist, dass alle drei Männer zunächst an zeitweiliger [[Schneeblindheit]], [[Erfrierung|Erfrierungen]] und schließlich auch an [[Skorbut]] litten. Hiervon besonders betroffen war Shackleton, der zuletzt nicht mehr in der Lage war, beim Ziehen des Transportschlittens mitzuwirken. Nach Scotts späterer Schilderung musste Shackleton sogar über lange Strecken auf dem Schlitten transportiert werden.<ref>Preston, ''A First Rate Tragedy'', S. 65–66.</ref> Shackleton widersprach dieser Darstellung<ref>Huntford, ''Shackleton'', S. 143–144.</ref> und wurde hierbei durch die Tagebucheintragungen Edward Wilsons bestätigt.<ref>Riffenburgh, ''Nimrod'', S. 156. Zitiertes Originaldokument: SPRI MS 232/2.</ref> Am 4. Februar 1903 erreichten die drei Männer schließlich ihr Basislager auf der [[Hut-Point-Halbinsel]]. Nach einer Untersuchung Shackletons durch den Expeditionsarzt Dr.&nbsp;Reginald Koettlitz (1861–1916), die ergebnislos blieb, entschied Scott, Shackleton auf dem Schiff ''Morning'', das als Entsatz für die ''Discovery'' seit Januar 1903 im McMurdo Sound vor Anker lag, nach Hause zu schicken. Scott schrieb: <!--sic-->''„In seinem gegenwärtigen Gesundheitszustand sollte er [Shackleton] kein weiteres Risiko der Mühsal eingehen.“''<ref>Scott, ''The Voyage of the Discovery'', Vol. II, [http://www.archive.org/stream/voyageofdiscover02scotuoft#page/126/mode/2up S. 127–128.]</ref> Möglicherweise war Scotts eigentliches Motiv sein Ärger über Shackletons Beliebtheit bei anderen Expeditionsteilnehmern, so dass er in der vermeintlichen Erkrankung eine willkommene Gelegenheit fand, einen lästigen Rivalen los zu werden.<ref>Riffenburgh, ''Nimrod'', S. 105.</ref><ref>Huntford, ''Shackleton'', S. 114–118.</ref> Jahre später, als die <!--sic-->''„drei Polarritter“''<ref>Riffenburgh, ''Nimrod'', S. 118. Zitiertes Originaldokument: Louis Bernacchi (1876–1942), Tagebucheintrag vom 6. November 1902, SPRI MS 353/3.</ref> bereits nicht mehr lebten, behauptete Scotts stellvertretender Expeditionsleiter [[Albert Armitage]], Shackleton habe ihm anvertraut, dass es zwischen ihm und Scott auf dem Weg nach Süden zum handfesten Streit gekommen sei,<ref>Riffenburgh, ''Nimrod'', S. 123: Nach Aussage von Albert Armitage (Notiz an Hugh Robert Mill vom 24. Mai 1924) habe Shackleton ihm anvertraut, dass Scott diesen eines morgens als <!--sic-->''„Idiot“'' beschimpft habe. Daraufhin habe Shackleton geantwortet:<!--sic-->''„Na gut, Du bist der blödeste Idiot von allen, und jedes Mal, wenn Du es wagst, so mit mir zu sprechen, bekommst Du es zurück.“'' Zitiertes Originaldokument: SPRI MS 367/1.</ref> und dass Scott dem Expeditionsarzt gedroht habe: <!--sic-->''„Wenn er [Shackleton] nicht krank nach Hause fährt, wird er unehrenhaft entlassen.“''<ref>Preston, ''A First Rate Tragedy'', S. 68. Zitiertes Originaldokument: Albert Armitage in einer Notiz an Hugh Robert Mill vom 24. Mai 1924, SPRI MS 367/1.</ref> Für Armitages Behauptung finden sich jedoch keine weiteren Hinweise. Shackleton seinerseits verhielt sich loyal zu Scott, bis dieser ihn in dessen Buch ''The Voyage of the Discovery'' von 1905 mehrfach herablassend als <!--sic-->''„unser Invalide“'' bezeichnete.<ref>Scott, ''The Voyage of the Discovery'', Vol. II, [http://www.archive.org/stream/voyageofdiscover02scotuoft#page/84/mode/2up S. 85] und [http://www.archive.org/stream/voyageofdiscover02scotuoft#page/90/mode/2up S. 90.]</ref> Beide Polarforscher behandelten sich zwar in der Öffentlichkeit voller Respekt und Höflichkeit<ref>Crane, ''Scott of the Antarctic'', S. 310.</ref>, doch gemäß seinem Biographen Roland Huntford (* 1927) war Shackletons Haltung zu Scott seither geprägt von Verachtung und Abneigung. Sein verletzter Stolz verlangte danach, <!--sic-->''„in die Antarktis zurückzukehren und Scott zu übertreffen.“''<ref>Huntford, ''Shackleton'', S. 143−144.</ref> == Rückkehr ins Zivilleben (1903–1907) == [[Datei:1914 - Emily Shackleton und ihre drei Kinder neu.jpg|thumb|Shackletons Frau Emily mit den Kindern Cecily, Edward und Raymond (v.l.n.r.)]] Shackleton verließ die Antarktis an Bord der ''Morning'' am 2. März 1903. Zuvor hatte er noch vergeblich versucht, seinen Untergebenen Charles Reginald Ford (1880–1972) an seiner statt zur Heimkehr zu bewegen, um dessen Posten als Zahlmeister an Bord der ''Discovery'' übernehmen zu können.<ref>Riffenburgh, ''Nimrod'', S. 126. Zitiertes Originaldokument: Charles Reginald Ford in einem Brief an die Autorin Margery Fisher (1913–1992) vom 12. Januar 1956, SPRI MS 1456/78.</ref> Nach einem kurzen Erholungsurlaub in [[Neuseeland]] fuhr er nach Zwischenaufenthalten in [[San Francisco]] und [[New York City|New York]] zurück nach England, wo er im Juni 1903 eintraf.<ref>Fisher, ''Shackleton'', S. 78–80.</ref> Dort wurde seine Ankunft als erster Rückkehrer der Expedition bereits begierig erwartet. Die [[Admiralität#England - Großbritannien - Vereinigtes Königreich|Admiralität]] bedurfte Informationen aus erster Hand, um weitere Vorkehrungen für die Rettung der auf der [[Ross-Insel]] vom Eis eingeschlossenen Männer zu treffen.<ref>Huntford, ''Shackleton'', S. 119−120.</ref> Mit dem Einverständnis Markhams nahm Shackleton eine befristete Stelle für das Ausrüsten und Beladen des zweiten Rettungsschiffs, der ''[[Terra Nova (Schiff)|Terra Nova]]'', an, lehnte jedoch das Angebot, als Erster Offizier in die Antarktis zurückzukehren ab. Eine besondere Genugtuung war für ihn aber, dass ein Arzt der Admiralität ihn für diensttauglich erklärt hatte.<ref name="ri130">Riffenburgh, ''Nimrod'', S. 130.</ref> Stattdessen half er bei der Ausstattung der argentinischen [[Korvette]] ''Uruguay'' zur Rettung der in Not geratenen Männer der [[Schwedische Antarktisexpedition|Nordenskjöld-Expedition]].<ref>Riffenburgh, ''Nimrod'', S. 131.</ref> Shackletons Versuch, eine dauerhafte Anstellung bei der Royal Navy zu erhalten, scheiterte trotz der Fürsprache Markhams und [[William Huggins]], des Präsidenten der [[Royal Society]].<ref name="ri130">Riffenburgh, ''Nimrod'', S. 130.</ref> Ab Herbst 1903 arbeitete Shackleton als [[Journalist]] und Mitherausgeber des ''Royal Magazine'', beendete diese ihn nicht ausfüllende Tätigkeit jedoch schon nach wenigen Wochen.<ref>Mill, ''The Life of Sir Ernest Shackleton'', [http://www.archive.org/stream/lifeofsirernests00milluoft#page/84/mode/2up/ S. 84.]</ref> Nach einer Vortragsreise zur Discovery-Expedition nach [[Dundee]] und [[Aberdeen]] wurde ihm mit Unterstützung seines Freundes Hugh Robert Mill (1861−1950) die seit kurzem vakante Stelle des Sekretärs und Schatzmeisters der ''Royal Scottish Geographical Society'' (RSGS) angeboten, die er am 14. Januar 1904 antrat.<ref>Huntford, ''Shackleton'', S. 124−128.</ref> Durch die Heirat am 9. April desselben Jahres mit Emily Dorman (1868−1936), die er bereits seit 1897 kannte, stellte sich auch privates Glück ein. Im Februar 1905 kam Shackletons erster Sohn Raymond (1905−1960) zur Welt und im Dezember 1906 wurde seine einzige Tochter Cecily (1906−1957) geboren.<ref>Mill, ''The Life of Sir Ernest Shackleton'', [http://www.archive.org/stream/lifeofsirernests00milluoft#page/86/mode/2up/ S. 87], [http://www.archive.org/stream/lifeofsirernests00milluoft#page/90/mode/2up/ S. 91] und [http://www.archive.org/stream/lifeofsirernests00milluoft#page/92/mode/2up/ und S. 93.]</ref> Im Februar 1906 ließ sich der in geschäftlichen Dingen völlig unerfahrene Shackleton auf ein dubioses Spekulationsgeschäft für den Transport russischer Truppen von [[Wladiwostok]] zur [[Ostsee]] ein, das jedoch nicht zustande kam.<ref>Fisher, ''Shackleton'', S. 97–98.</ref> Darüber hinaus versuchte er erfolglos bei den [[House of Commons (Vereinigtes Königreich) |Unterhauswahlen]] 1906 als Kandidat der [[Liberale Unionisten|Liberalen Unionisten]] in Dundee in der Politik Fuß zu fassen.<ref>Riffenburgh, ''Nimrod'', S. 136−142.</ref> Schließlich machte ihn der Industrielle [[William Beardmore]] zum Sekretär einer Kommission, die sich mit der Konstruktion neuer Gasmotoren beschäftigte. Seine Aufgabe bestand darin, Beardmores Kunden zu umgarnen und seine Berufskollegen in London und [[Glasgow]] bei Laune zu halten.<ref>Fisher, ''Shackleton'', S. 99.</ref><ref>Riffenburgh, ''Nimrod'', S. 143.</ref> Trotz dieser finanziell gesicherten Anstellung machte Shackleton keinen Hehl aus seinem Ehrgeiz, als Leiter einer eigenen Expedition in die Antarktis zurückzukehren. Beardmore war bereit, ihn bei dieser Unternehmung mit einer Bürgschaft in Höhe von £&nbsp;7000 (2009: 615.000&nbsp;€<ref name="money">Umrechnung von [http://www.measuringworth.com/ppoweruk/ Measuring Worth] mit Hilfe von [http://www.xe.com/ucc/convert.cgi?Amount=1%2C340%2C241.61&From=GBP&To=EUR&image.x=28&image.y=16&image=Submit XE Währungsumrechner].</ref>) zu unterstützen.<ref>Riffenburgh, ''Nimrod'', S. 148−149.</ref> Weitere Investoren blieben allerdings vorerst aus. Dennoch wagte es Shackleton, im Februar 1907 seine Pläne der Royal Geographical Society zu präsentieren. Eine detaillierte Veröffentlichung folgte kurz danach im ''Geographical Journal''.<ref>Mill, ''The Life of Sir Ernest Shackleton'', [http://www.archive.org/stream/lifeofsirernests00milluoft#page/104/mode/2up/ S. 105.]</ref> == Nimrod-Expedition (1907–1909) == ''Siehe Hauptartikel:'' [[Nimrod-Expedition]] und deren [[Nimrod-Expedition/Mannschaftsliste|Mannschaftsliste]] [[Datei:Ernest Shackleton.jpg|thumb| „Der Boss“ Ernest Shackleton am [[Kap Royds|Cape Royds]] im Februar 1908]] Shackletons erste eigene Forschungsreise firmierte unter dem Namen ''British Antartic Expedition''. Aus wissenschaftlicher Sicht wurde sie zu seiner bedeutendsten Unternehmung. Nie zuvor wurde ein größeres Gebiet des bisher unbekannten antarktischen Festlands erschlossen. Fehlerhafte kartographische Vermessungen der Discovery-Expedition<ref>Crane, ''Scott of the Antarctic'', S. 86: Scott selbst bezeichnete die Arbeiten seines leitenden Geographen Charles Royds (1876−1931) als <!--sic-->''„grauenhaft und schlampig“''.</ref> wurden dabei korrigiert. Shackletons leitender Biologe James Murray (1865–1914) führte die erste umfassende Studie zu den antarktischen [[Protozoen|Süßwasserprotozoen]] und niederen [[Vielzeller|Mehrzeller]] durch.<ref>Die Ergebnisse der zoologischen Forschungsarbeiten wurden in folgendem Werk zusammengetragen: James Murray, ''Reports of the Scientific Investigations - Britisch Antartic Expedition 1907-9'', William Heinemann, London 1910, [http://www.archive.org/stream/britishantarctic12britrich#page/n5/mode/2up Vol. I] und [http://www.archive.org/stream/britishantarctic12britrich#page/n373/mode/2up Vol. II.]</ref> Von Beginn an hatte Shackleton mit großen Finanzierungsproblemen zu kämpfen, da zunächst weder die Royal Geographical Society, noch die britische Regierung Geld zur Verfügung stellten. Er bemühte sich nach Kräften, neben Beardmore weitere Sponsoren aus seinem wohlhabenden Freundes- und Bekanntenkreis zu finden. Zu ihnen gehörte unter anderen der erst 20-jährige Sir Philip Brocklehurst (1887–1975), der sich seine Teilnahme an der Expedition durch eine Spende von £&nbsp;2000 (2009: 175.000&nbsp;€<ref name="money"/>) erkaufte.<ref>Riffenburgh, ''Nimrod'', S. 175−176.</ref> Als hauptsächliche Ziele der Reise hatte Shackleton das Erreichen des geographischen und des [[Südpol#Der antarktische magnetische Pol|antarktischen magnetischen Südpols]] ausgegeben.<ref>Riffenburgh, ''Nimrod'', S. 144.</ref> Wenige Wochen bevor das Expeditionsschiff ''[[Nimrod (Schiff)|Nimrod]]'' im August 1907 von [[Cowes]] zur Fahrt nach Neuseeland aufbrach, trotzte Robert Falcon Scott seinem ehemaligen Untergebenen das Versprechen ab, sich vom McMurdo Sound fernzuhalten, da Scott diese Region für sich als hoheitliches Operationsgebiet für eine weitere eigene Antarktisexpedition beanspruchte. Shackleton erklärte sich widerwillig bereit, sein Winterquartier entweder am ''[[Bucht der Wale|Barrier Inlet]]'' oder auf der [[Edward-VII-Halbinsel]] zu suchen.<ref>Riffenburgh, ''Nimrod'', S. 161. Zitiertes Originaldokument: Brief von Ernest Shackleton an Robert Falcon Scott vom 17. Mai 1907, SPRI MS 1537/2/15/21.</ref> Am Neujahrstag 1908 verließ die ''Nimrod'' den Hafen von [[Lyttelton]]. Um [[Kohle]] zu sparen wurde das Schiff durch den Dampfer ''Koonya'' bis zum südlichen [[Polarkreis]] geschleppt. Shackleton hatte die Eignergesellschaft der ''Koonya'' und die neuseeländische Regierung dazu überreden können, die dafür anfallenden Kosten zu übernehmen.<ref>Riffenburgh, ''Nimrod'', S. 197.</ref> Am 23. Januar kam die [[Ross-Schelfeis|Schelfeisbarriere]] in Sicht. Gemäß der Vereinbarung mit Scott steuerte die ''Nimrod'' den östlichen Abschnitt der Barriere an. Shackleton musste feststellen, dass sich das ''Barrier Inlet'' seit den Zeiten der Discovery-Expedition zu einer großen Bucht geweitet hatte, welche wegen der dort gesichteten großen Anzahl an Walen [[Bucht der Wale|Bay of Whales]] getauft wurde.<ref>Shackleton, ''The Heart of the Antartic'', [http://www.archive.org/stream/heartantarcticb00shacgoog#page/n76/mode/2up/ S. 76.]</ref> Aufgrund der angetroffenen instabilen Eisverhältnisse in der Bucht schloss Shackleton die Errichtung des Winterquartiers auf der Schelfeistafel aus. Nachdem auch der Vorstoß zur Edward-VII-Halbinsel durch Treibeismassen verhindert wurde, entschied er sich, entgegen der Vereinbarung mit Scott nun doch zum McMurdo Sound zu fahren. Auch wenn nicht alle Expeditionsteilnehmer der gleichen Meinung waren, so entsprang diese Entscheidung der späteren Darstellung des Zweiten Offiziers Arthur Harbord (1883–1962) folgend <!--sic-->''„nur dem gesunden Menschenverstand.“''<ref>Riffenburgh, ''Nimrod'', S. 210. Zitiertes Orginaldokument: Arthur Harbord im Gespräch mit James Fisher am 9. Juni 1956, SPRI MS 1456/70.</ref> Der McMurdo Sound wurde am 29. Januar 1908 erreicht, doch entgegen der eigentlichen Planung konnte die ''Nimrod'' wegen dichten Packeises nicht bis zur alten Basis der Discovery-Expedition auf der [[Hut-Point-Halbinsel]] vordringen. Stattdessen wurde das Winterquartier weiter nördlich am [[Kap Royds|Cape Royds]] auf der Westseite der [[Ross-Insel]] errichtet.<ref>Shackleton, ''The Heart of the Antartic'', [http://www.archive.org/stream/heartantarcticb00shacgoog#page/n86/mode/2up S. 52–56.]</ref> Trotz widriger Bedingungen war die Stimmung unter den Expeditionsteilnehmern sehr gut. Dies lag nicht zuletzt an Shackletons Umgang mit den Männern. Philip Brocklehurst offenbarte viele Jahre später, dass Shackleton die Fähigkeit besaß, <!--sic-->''„jeden Expeditionsteilnehmer seine Wertschätzung spüren zu lassen. Er sorgte dafür, dass wir uns wichtiger fühlten, als wir eigentlich sein konnten.“''<ref>Riffenburgh, ''Nimrod'', S. 248. Zitiertes Originaldokument: Philip Brocklehurst im Gespräch mit James Fisher vom 16. Dezember 1955, SPRI MS 1456/95.</ref> === Zweiter Marsch nach Süden === [[Datei:Shackleton nimrod 86.jpg|thumb| Shackleton nach dem gescheiterten Marsch zum Südpol an Bord der ''Nimrod'' (März 1909)]] <!--sic-->''„Die große Reise nach Süden“''<ref>Mills, ''Frank Wild'', S. 72.</ref>, wie [[Frank Wild]] den „Angriff“ auf den Südpol bezeichnete, begann am 29. Oktober 1908. Am 9. Januar 1909 erreichten Shackleton, Wild, [[Jameson Adams]] und [[Eric Marshall]] nach einem mühsamen und gefahrvollen Marsch eine südliche Breite von 88°23'S und stellten damit einen neuen Rekord in der größten Annäherung an einen der beiden geographischen Erdpole auf. Der Südpol war nur noch 180&nbsp;km von ihnen entfernt, doch schlechte Wetterverhältnisse, schwindende Vorräte, mangelhafte Ausrüstung und zunehmende Erschöpfung machten ein weiteres Vorwärtskommen unmöglich. Shackleton notierte enttäuscht: <!--sic-->''„Wir haben unser Möglichstes getan. Haben den südlichen Rekord um 366 Meilen und den nördlichen um 77 übertroffen. (…) und doch ist das alles nicht der Pol.“''<ref>Riffenburgh, ''Nimrod'', S. 306–307. Zitiertes Originaldokument: Eintrag in Ernest Shackletons Expeditionstagebuch vom 9. Januar 1909, SPRI MS 1537/3/6.</ref> Auf dem Hinweg hatten die vier Männer als erste das Ross-Schelfeis in voller Länge durchquert, den [[Beardmore-Gletscher]] entdeckt und waren über diesen als erste auf das zentrale [[Polarplateau]] vorgedrungen.<ref>Mills, ''Frank Wild'', S. 82– 90.</ref> Der Rückweg zum McMurdo Sound, auf dem sie gezwungenermaßen größtenteils auf halbe Ration gesetzt waren,<ref>Markham, ''The Lands of Silence'', [http://www.archive.org/stream/landsofsilencehi00markuoft#page/478/mode/2up/search/ S. 479]: Nach Meinung Markhams war der von Shackleton kalkulierte Bedarf an Lebensmitteln von vorne herein <!--sic-->''„zweifellos in der Menge unzureichend.“''</ref> wurde zum Wettlauf gegen die Zeit und den Hunger. Am 30. Januar überließ Shackleton dem an [[Bakterienruhr|Ruhr]] erkrankten Wild einen eigentlich ihm zugedachten Keks, eine Geste zu der Wild bemerkte: <!--sic-->''„Ich nehme an, niemand sonst auf der Welt kann wirklich ermessen, welche Großzügigkeit und Sympathie darin zum Ausdruck kam; ich weiß es, und Gott ist mein Zeuge, dass ich es nie vergessen werde. Mit keinem Geld der Welt hätte man diesen einen Keks kaufen können.“''<ref>Riffenburgh, ''Nimrod'', S. 336. Zitiertes Originaldokument: Eintrag in Frank Wilds Expeditionstagebuch vom 31. Januar 1909, SPRI MS 944/1.</ref> Die vier Männer erreichten die Hut-Point-Halbinsel noch gerade rechtzeitig, um von der ''Nimrod'' aufgenommen zu werden. Neben dem Südrekord zählte die erstmalige Gipfelbesteigung des Vulkans [[Mount Erebus]] zwischen dem 5. und 11. März 1908 zu den Erfolgen der Expedition.<ref>Riffenburgh, Nimrod, S. 233–238.</ref> Darüber hinaus erreichten die Australier [[Tannatt William Edgeworth David|Edgeworth David]] und [[Douglas Mawson]] zusammen mit dem schottischen Arzt Alistair Mackay (1877–1914) am 16. Januar 1909 als erste den antarktischen magnetischen Pol bei 72°15′S, 155°16′O im nordöstlichen [[Viktorialand]].<ref>Riffenburgh, ''Nimrod'', S. 321. Zitiertes Originaldokument: Tannat William Edgeworth David, ''Narrative'', in Ernest Henry Shackletons ''The Heart of the Antartic'', [http://www.archive.org/stream/heartantarcticb00shacgoog#page/n420/mode/2up S. 309-311.]</ref> Nach Beendigung der Expedition wurde Shackleton in England als Held gefeiert. Die Erlebnisse während dieser Reise veröffentlichte er in dem Buch ''The Heart of the Antartic''. Seine Frau Emily berichtete später: <!--sic-->''„Die einzige Erklärung, die er [Shackleton] mir zum Nichterreichen des Südpols gab, war: „Ein lebendiger Esel ist besser als ein toter Löwe, nicht wahr?“'' ''und ich antwortete: „Natürlich, Liebling, soweit es mich betrifft.““''<ref>Huntford, ''Shackleton'', S. 300.</ref> == Zeit nach der Nimrod-Expedition (1909–1914) == === Verehrung durch die Öffentlichkeit === [[Datei:Shackleton-tour.jpg|thumb|Veranstaltungsplakat zu einem von Shackletons öffentlichen Vorträgen]] Nach seiner Rückkehr von der Nimrod-Expedition wurden Shackleton höchste Ehren zuteil. [[Eduard VII.|König Edward VII.]] ernannte ihn am 12. Juli 1909 zum [[Royal Victorian Order|Commander of the Royal Victorian Order]] und schlug ihn am 13. Dezember desselben Jahres zum Ritter.<ref>Fisher, ''Shackleton'', S. 272.</ref><ref>[[The London Gazette]] [http://www.london-gazette.co.uk/issues/28321/pages/9763 Nr. 28321, S. 9763.]</ref> Die Royal Geographical Society verlieh ihm die Polarmedaille in Gold,<ref>Mill, ''The Life of Sir Ernest Shackleton'', [http://www.archive.org/stream/lifeofsirernests00milluoft#page/168/mode/2up S. 168.]</ref> jedoch mit dem zuvor herabwürdigenden Hinweis an den Hersteller: <!--sic-->''„Wir stellen anheim, die Medaille nicht so groß zu machen wie jene, die Capt. Scott verliehen wurde.“''<ref>Fisher, ''Shackleton'', S. 251. Zitiert aus dem Brief von John Scott Keltie (1840–1927), leitender Geograph der RGS, an Cuthbert Bayes (Hersteller der Medaille) vom 19. April 1909.</ref> Clements Markham hatte seinen Einfluss bei der Gelehrtengesellschaft geltend gemacht, um Shackleton für dessen gebrochenes Versprechen gegenüber seinem [[Protegé]] Scott abzustrafen. Weitere Expeditionsteilnehmer wurden mit einer silbernen Ausführung der Medaille geehrt.<ref>Riffenburgh, ''Nimrod'', S. 379.</ref> Auf besondere Empfehlung des [[Georg V. (Vereinigtes Königreich)|Prince of Wales]] wurde Shackleton zum „Younger Brother“ der britischen Gesellschaft für Seefahrt und Meereskunde ''Trinity House'' ernannt.<ref>Mill, ''The Life of Sir Ernest Shackleton'', [http://www.archive.org/stream/lifeofsirernests00milluoft#page/160/mode/2up S. 161.]</ref> Auch im Kreis anderer Polarforscher wie [[Fridtjof Nansen]] und [[Roald Amundsen]] wurde seinen Errungenschaften Respekt und Anerkennung gezollt. Amundsen schrieb überschwänglich: <!--sic-->''„Die englische Nation hat durch Shackletons Tat in der Antarktisforschung einen Sieg errungen, der nie mehr übertroffen werden kann.“''<ref>Riffenburgh, ''Nimrod'', S. 395. Zitiertes Originaldokument: Brief von Roald Amundsen an John Scott Keltie vom 25. März 1909, SPRI MS 1456/16.</ref> Abseits der offiziellen Auszeichnungen wurden Shackletons Leistungen von der britischen Öffentlichkeit mit großer Begeisterung aufgenommen. Während des gesamten Sommers 1909 wurde er gefeiert und geehrt, um Vorträge gebeten, zum Essen, Abendgesellschaften und Empfängen eingeladen. Seine Popularität untermauerte er durch sein bescheidenes Auftreten, denn er war ständig bemüht, die Leistungen der anderen Teilnehmer seiner Expedition hervorzuheben.<ref>Riffenburgh, ''Nimrod'', S. 376.</ref> Verschiedenste Einzelpersonen und Gruppen versuchten, ihn missbräuchlich als Sprachrohr für ihre Interessen zu vereinnahmen. Dies galt in gewisser Hinsicht auch für die irische Presse. Der in [[Dublin]] erscheinende ''Evening Telegraph'' titelte: <!--sic-->''„South Pole Almost Reached By An Irishman“'', und auch der ''Dublin Express'' schrieb Shackletons Erfolge dessen irischem Erbe zu.<ref>Huntford, ''Shackleton'', S. 298–299.</ref> Sehr viel nüchterner fiel dagegen die kaufmännische Bilanz seiner Expedition aus. Die Kosten der Reise betrugen £&nbsp;45.000 (2009: 3,9 Mio.&nbsp;€<ref name="money"/>) und Shackleton war nicht in der Lage, ausstehende Darlehen und Bürgschaften zurückzuzahlen. Die englische Regierung bewahrte ihn durch einen öffentlichen Zuschuss in Höhe von £&nbsp;20.000 (2009: 1,7 Mio.&nbsp;€<ref name="money"/>) vor dem unmittelbaren finanziellen Ruin. Es ist jedoch wahrscheinlich, dass zudem ein Teil seiner Schulden zunächst [[Stundung|gestundet]] und schließlich nicht mehr eingefordert wurde.<ref>Huntford, ''Shackleton'', S. 314–315.</ref> === Unternehmerische Tätigkeiten und neue Herausforderungen === [[Datei:HRM EHS fp.jpg|thumb|Sir Ernest Shackleton mit seinem dreijährigen Sohn Edward im Jahr 1914]] Ab 1910 unternahm Shackleton ausgedehnte Vortragsreisen, absolvierte öffentliche Auftritte und stellte seinen guten Ruf in den Dienst sozialer Projekte. Darüber hinaus versuchte er sich erneut als Geschäftsmann, indem er sich zum Beispiel an einer Tabakfirma<ref>Huntford, ''Shackleton'', S. 351–352.</ref> und am Verkauf von Sammelbriefmarken mit dem Aufdruck „King Edward VII Land“ in Erinnerung an ein während der Nimrod-Expedition mit Hilfe der neuseeländischen Post im Winterquartier eingerichtetes Postamt beteiligte.<ref>Huntford, ''Shackleton'', S. 312.</ref> Außerdem hoffte er auf Gewinne aus einer Beteiligungskonzession an einer Goldmine in [[Ungarn]].<ref>Mill, ''The Life of Sir Ernest Shackleton'', [http://www.archive.org/stream/lifeofsirernests00milluoft#page/184/mode/2up S. 184.]</ref> Keine dieser Unternehmungen war ertragreich. Den Lebensunterhalt für seine Familie, die sich durch die Geburt seines zweiten Sohnes [[Edward Shackleton|Edward]] im Juli 1911 vergrößerte, bestritt er im Wesentlichen durch bezahlte Vorträge. Inzwischen wohnte er mit seiner Frau und den drei Kindern in [[Sheringham]]. Die Idee, eine weitere Expedition in die Antarktis zu leiten, hatte Shackleton in jener Zeit aus verschiedenen Gründen aufgegeben. Von unschätzbarem Wert für seinen alten Weggefährten [[Douglas Mawson]] war dagegen seine Unterstützung bei der Mittelbeschaffung für die [[Australasiatische Antarktisexpedition|Australisch-Ozeanische Antarktisexpedition 1911–1914]].<ref>Riffenburgh, ''Nimrod'', S. 393.</ref> Die Wiederaufnahme seiner Forschertätigkeit hing im Wesentlichen von den Ergebnissen der [[Terra-Nova-Expedition]] seines Kontrahenten [[Robert Falcon Scott]] ab. Dessen Expeditionsschiff war im Juli 1910 in [[Cardiff]] in See gestochen. Im Frühjahr 1912 erreichte die Welt die Nachricht, dass Roald Amundsen den Südpol erobert hatte. Scotts tragisches Schicksal war zu diesem Zeitpunkt noch nicht bekannt. Shackleton wandte sich einem Projekt zu, das ursprünglich der schottische Antarktisforscher [[William Speirs Bruce]] geplant hatte, mangels finanzieller Unterstützung jedoch wieder aufgab: Eine transkontinentale Antarktisdurchquerung von der Küste des [[Weddell-Meer|Weddell-Meeres]] über den Südpol hinweg bis zum McMurdo Sound. Bruce zeigte sich erfreut darüber, dass Shackleton seine Pläne übernahm, die sich in zentralen Punkten mit der von [[Wilhelm Filchner]] im Mai 1911 gestarteten Expedition überschnitten.<ref>Huntford, ''Shackleton'', S. 367.</ref> Im Dezember 1912 erhielt Shackleton die Nachricht, dass Filchner mit seiner Reise gescheitert war. Hierdurch war für ihn der Weg frei für die <!--sic-->''„letzte große Herausforderung der Antarktisreisen“''.<ref>Shackleton, ''South'', [http://www.archive.org/stream/cu31924032382529#page/n13/mode/2up/ S. vii.]</ref> == Endurance-Expedition (1914–1917) == ''Siehe Hauptartikel:'' [[Endurance-Expedition]], [[Ross Sea Party]] und deren [[Endurance-Expedition/Mannschaftsliste|Mannschaftslisten]] [[Datei:Shack-endurance.jpg|thumb|Shackleton an Bord der ''Endurance'' (fotografiert von [[Frank Hurley]])]] Shackleton betitelte seinen neuerlichen Anlauf zum Südpol selbstbewusst mit ''Imperial Trans-Antarctic Expedition''. Seine Absichten hatte er am 29. Dezember 1913 in einem Brief an die [[The Times|London Times]] offengelegt.<ref>Mill, ''The Life of Sir Ernest Shackleton'', [http://www.archive.org/stream/lifeofsirernests00milluoft#page/n243/mode/2up S. 195.]</ref> Vorgesehen waren zwei getrennt voneinander vorgehende Mannschaften. Die erste (die sogenannte ''„Weddell Sea Party“'') unter der Führung Shackletons sollte mit dem Expeditionsschiff ''[[Endurance]]'' durch das Weddell-Meer bis zur Vahsel-Bucht am Rand des [[Filchner-Ronne-Schelfeis|Filchner-Ronne-Schelfeises]] vordringen, von wo aus ein sechsköpfiges Team zur Durchquerung der Antarktis aufbrechen sollte. Die zweite unter der Leitung von [[Aeneas Mackintosh]] sollte mit einem weiteren Schiff, der ''[[Aurora (1876)|Aurora]]'', zum [[McMurdo-Sund|McMurdo]] Sound fahren. Der Auftrag dieser Mannschaft (der sogenannten ''„Ross Sea Party“'') lautete, über die Länge des [[Ross-Schelfeis|Ross-Schelfeises]] und möglichst bis über den [[Beardmore-Gletscher]] hinaus Depots mit Nahrungsmitteln und Brennstoff anzulegen, die es den von der Vahsel-Bucht kommenden Männern ermöglichen sollte, die Durchquerung des antarktischen Kontinents über eine Gesamtstrecke von etwa 2800&nbsp;km zu komplettieren.<ref>Shackleton, ''South'', [http://www.archive.org/stream/cu31924032382529#page/n13/mode/2up/ S. vii–xv.]</ref> Anders als bei der Nimrod-Expedition fiel Shackleton das Anwerben von Sponsoren nun verhältnismäßig leicht. Der schottische Unternehmer James Caird (1837–1916) und weitere vermögende Geschäftsleute steuerten Beträge in fünfstelliger Höhe bei.<ref>Huntford, ''Shackleton'', S. 375–377.</ref> Auch die englische Regierung beteiligte sich mit £&nbsp;10.000 (2009: 800.000&nbsp;€<ref name="money"/>).<ref>Mill, ''The Life of Sir Ernest Shackleton'', [http://www.archive.org/stream/lifeofsirernests00milluoft#page/198/mode/2up S. 198.]</ref> Das öffentliche Interesse war enorm. Shackleton erhielt mehr als 5000 Bewerbungen für die Teilnahme an der Expedition.<ref>Fisher, ''Shackleton'', S. 308.</ref> Seine Auswahlkriterien waren mitunter exzentrisch. Im Glauben, dass Charakter und Temperament wichtiger seien als technische Fähigkeiten,<ref>Huntford, ''Shackleton'', S. 386.</ref> stellte er seinen Bewerbern häufig überraschende Fragen. Vom Physiker Reginald James (1891–1964) wollte er beispielsweise wissen, ob dieser singen könne. Bei anderen entschied er sich kurz entschlossen nach dem ersten Eindruck.<ref>Fisher, ''Shackleton'', S. 312.</ref> Außerdem erwartete er von jedem Expeditionsteilnehmer unabhängig von dessen eigentlicher Aufgabe, auch niedere Arbeiten wie das Deckschruppen zu übernehmen.<ref>Alexander, ''Endurance'', S. 16.</ref> Am 3. August 1914 trat Großbritannien in den ersten Weltkrieg ein. Shackleton stellte daraufhin sein Expeditionsschiff ''Endurance'' der britischen Admiralität zur Verfügung. Deren damaliger Erster Lord [[Winston Churchill]] gab jedoch die Order aus, die Vorbereitungen zur Expeditionsreise fortzusetzen. So lief die ''Endurance'' am 8. August mit Kurs Süd aus dem Hafen von [[Plymouth]] aus. Shackleton verließ England am 27. September, um in [[Buenos Aires]] zur Mannschaft zu stoßen.<ref>Fisher, ''Shackleton'', S. 324–325.</ref> === Untergang der ''Endurance'' === [[Datei:Endurance Final Sinking.jpg|thumb|Das sinkende Expeditionsschiff ''Endurance'' im November 1915]] Die ''Endurance'' fuhr am 5. Dezember 1914 von [[Südgeorgien]] wie geplant Richtung Süden in das Weddell-Meer. Früher als erwartet stieß man auf Treibeis, welches das weitere Vorwärtskommen behinderte. Am 19. Januar 1915 schließlich war die ''Endurance'' südöstlich zur Küste von [[Prinzregent-Luitpold-Land]] und in Sichtweite zur Filchner-Ronne-Schelfeistafel komplett von [[Meereis]] umschlossen.<ref>Shackleton, ''South'', [http://www.archive.org/stream/cu31924032382529#page/n67/mode/2up S. 29–30.]</ref> Der Zeitplan für das Erreichen der Vahsel-Bucht war nicht mehr einzuhalten. Shackleton entschied deshalb am 24. Februar, das Schiff für eine Überwinterung vorzubereiten.<ref>Shackleton, ''South'', [http://www.archive.org/stream/cu31924032382529#page/n75/mode/2up S. 36.]</ref> Während der folgenden Monate driftete die ''Endurance'' im Meereis gefangen langsam in nordwestliche Richtung. Als im September das Eis begann aufzubrechen, war der Schiffsrumpf den sich durch die Drift auftürmenden Eismassen ausgesetzt.<ref>Shackleton, ''South'', [http://www.archive.org/stream/cu31924032382529#page/n113/mode/2up S. 63–66.]</ref> Bis zu diesem Zeitpunkt hatte Shackleton noch immer gehofft, das Schiff käme aus dem Eis frei, um wieder nach Osten in Richtung der Vahsel-Bucht fahren zu können. Am <!--sic-->''„Schicksalstag“'',<ref>Shackleton, ''South'', [http://www.archive.org/stream/cu31924032382529#page/n129/mode/2up S. 74.]</ref> wie Shackleton den 27. Oktober 1915 später bezeichnete, gab er das Schiff auf. Die Expeditionsteilnehmer verließen die ''Endurance'' mit Proviant und Ausrüstung und errichteten auf dem Eis ein Winterquartier (das sogenannte ''„Camp Ocean“'').<ref>Shackleton, ''South'', [http://www.archive.org/stream/cu31924032382529#page/n129/mode/2up S. 75–76.]</ref> Am 21. November sank das vom Eis zerdrückte Schiff.<ref>Shackleton, ''South'', [http://www.archive.org/stream/cu31924032382529#page/n161/mode/2up S. 99.]</ref> Etwa zwei Monate lang kampierte die Mannschaft auf einer großen Eisscholle in der Hoffnung, durch die Eisdrift zur rund 400&nbsp;km entfernten [[Pauletinsel]] zu gelangen, auf der es ein von [[Otto Nordenskjöld]] hinterlassenes Lager gab.<ref>Shackleton, ''South'', [http://www.archive.org/stream/cu31924032382529#page/n157/mode/2up S. 95.]</ref> Nachdem mehrere Versuche scheiterten, die Insel zu Fuß zu erreichen, ließ Shackleton im Vertrauen darauf, dass sie die Eisdrift zu sicherem Land bringen würde, auf einer anderen Eisscholle ein weiteres Quartier (das sogenannte ''„Camp Patience“'') errichten.<ref>Shackleton, ''South'', [http://www.archive.org/stream/cu31924032382529#page/n173/mode/2up S. 107.]</ref> Am 17. März 1916 waren sie bis auf 97&nbsp;km an die Pauletinsel herangekommen,<ref>Fisher, ''Shackleton'', S. 366.</ref> doch sie konnten sie aufgrund unüberwindbarer Eismassen nicht erreichen. Am 9. April brach ihre Eisscholle auseinander. Shackleton entschied daraufhin, in den drei mitgeführten Rettungsbooten das nächstgelegene Land anzusteuern.<ref>Shackleton, ''South'', [http://www.archive.org/stream/cu31924032382529#page/n193/mode/2up S. 122–123.]</ref> Einmal mehr beeindruckte er dabei durch seine Selbstlosigkeit. Er überließ [[Frank Hurley]] seine Handschuhe, nachdem dessen eigene bei der Bootsfahrt verloren gingen. Als Dank dafür litt Shackleton unter Erfrierungen an seinen Fingern.<ref>Perkins, ''Leading at the Edge'', S. 36.</ref> Nach fünf qualvollen Tagen erreichten die 28 völlig erschöpften Männer schließlich [[Elephant Island]]. Dies war das erste Mal nach 497 Tagen auf See und Meereis, dass sie wieder festen Boden unter den Füßen hatten.<ref>Heacox, ''Shackleton – The Antartic Challenge'', S. 136.</ref> === Im Beiboot nach Südgeorgien === [[Datei:AllSafeAllWell.jpg|thumb|Abfahrt von Elephant Island in der ''James Caird''<ref>Murphy et al., ''Mit der Endurance in die Antarktis'', S. 196–197: Shackleton betitelte in seinem Buch ''South'' dieses Foto mit <!--sic-->''„All safe! All well!“'' (siehe [http://www.archive.org/stream/cu31924032382529#page/n343/mode/2up S. 242]). Wie sich jedoch herausstellte, hatte [[Frank Hurley]] diese Nitrozelluloseaufnahme verändert, um die Rettung am 30. August 1916 darzustellen. In Wirklichkeit wurde das Foto am Ostersonntag (24. April 1916) bei der Abfahrt der ''James Caird'' gemacht.</ref>]] Elephant Island war wenig einladend und lag abseits der bekannten Schiffsrouten. Folglich entschied Shackleton, eine Seereise über 800 Seemeilen im offenen Boot zu den Walfangstationen in [[Südgeorgien]] zu wagen, um Hilfe zu holen.<ref>Shackleton, ''South'', [http://www.archive.org/stream/cu31924032382529#page/n237/mode/2up S. 158–160.]</ref> Nach Beratungen mit seinem Stellvertreter [[Frank Wild]] wählte er das Rettungsboot ''[[James Caird]]'', das vom Schiffszimmermann [[Harry McNish]] für die Fahrt vorbereitet wurde. Shackleton wurde von Kapitän [[Frank Worsley]], [[Tom Crean]], den Matrosen John Vincent (1879–1941) und Timothy McCarthy (1888–1917) sowie McNish begleitet. Letzterer hatte sich nach dem Untergang der ''Endurance'' zeitweilig den Befehlen Shackletons widersetzt. Obwohl Shackleton ihn hierfür später von der Auszeichnung mit der Polar-Medaille ausschloss, wollte er an dieser Stelle nicht auf die Fähigkeiten des eigenwilligen Schotten verzichten.<ref>Huntford, ''Shackleton'', S. 475–476 und S. 656.</ref> Die Crew der ''James Caird'' nahm Verpflegung für maximal vier Wochen mit,<ref>Shackleton, ''South'', [http://www.archive.org/stream/cu31924032382529#page/n243/mode/2up S. 164–165.]: Genaue Zusammenstellung der Verpflegung.</ref> da Shackleton davon ausging, in dieser Zeit entweder Südgeorgien zu erreichen oder zugrunde zu gehen.<ref>Alexander, ''Endurance'', S. 137.</ref> Am Ostersonntag, dem 24. April 1916, stachen die sechs Männer in See. In den folgenden 15 Tagen segelten sie in ihrem kleinen Boot, das ständig Gefahr lief zu kentern, ostwärts durch den aufgepeitschten Südatlantik. Dank Worsleys Navigationskünsten kam die Küste Südgeorgiens am 8. Mai in Sicht, doch eine Anlandung wurde durch Sturm und starken Seegang zunächst verhindert.<ref>Mill, ''The Life of Sir Ernest Shackleton'', [http://www.archive.org/stream/lifeofsirernests00milluoft#page/226/mode/2up S. 226.]</ref> Schließlich erreichten sie die [[King Haakon Bay]] auf der menschenleeren Südseite der Insel. Nach kurzer Erholung entschied Shackleton, keinen weiteren Versuch zu wagen, im Boot zu den Walfangstationen im Norden zu gelangen. Stattdessen plante er, eine Querung Südgeorgiens auf einer Route zu riskieren, die nie zuvor begangen worden war.<ref>Huntford, ''Shackleton'', S. 574.</ref> Ohne McNish, Vincent und McCarthy machte er sich mit Crean und Worsley vom Lagerplatz an der ''Cave Cove''<ref>Shackleton, ''South'', [http://www.archive.org/stream/cu31924032382529#page/n265/mode/2up S. 182.]</ref> auf den Weg, um am 20. Mai 1916 nach 36&nbsp;Stunden über das zentrale Gebirge die Walfangstation in [[Stromness (Südgeorgien)|Stromness]] zu erreichen.<ref>Worsley, ''Shackleton's Boat Journey'', S. 211–212.</ref> Der erste, der den Marsch von Shackleton, Worsley und Crean wiederholte, war im Oktober 1955 der britische Forscher Duncan Carse (1913–2004). In Erinnerung an die Leistung der Erstbegeher schrieb er: <!--sic-->''„Ich weiß nicht wie sie es geschafft haben, nur dass sie es schafften – drei Männer des Heldenzeitalters der Polarforschung mit einem 50 [[Fuß (Einheit)|Fuß]] langen Seil zwischen ihnen – und das Beil des Zimmermanns.“''<ref>Fisher, ''Shackleton'', S. 386.</ref> === Rettung der Männer auf Elephant Island === [[Datei:Elephant island party.jpg|thumb|Die auf Elephant Island gestrandeten Expeditionsteilnehmer (es fehlen Frank Hurley und Perce Blackborow)<ref>Murphy et al., ''Mit der Endurance in die Antarktis'', S. 209: Perce Blackborow (1896–1949) lag mit erfrorenen Zehen in der Schutzhütte. Frank Hurley, der dieses Foto am 10. Mai 1916 machte, nannte es <!--sic-->''„die bunteste und ungepflegteste Ansammlung, die je auf eine Platte projiziert wurde.“''</ref>]] Unmittelbar nach der eigenen Rettung sandte Shackleton ein Schiff aus, das McNish, Vincent und McCarthy in King-Haakon-Bay aufnahm. Währenddessen bemühte er sich um die Organisation zur Rettung der auf Elephant Island gestrandeten Männer. Die ersten drei Anläufe wurden durch schwierige Eisverhältnisse vereitelt. Schließlich wandte er sich an die chilenische Regierung, die ihm den [[Schlepper (Schiff)|Schlepper]] ''[[Yelcho#Yelcho (1906)|Yelcho]]'' unter dem Kommando von [[Luis Pardo]] zur Verfügung stellte. Die ''Yelcho'' erreichte Elephant Island am 30. August 1916 und konnte alle 22 verbliebenen Expeditionsteilnehmer der ''„Weddell Sea Party“'' wohlbehalten an Bord nehmen.<ref>Alexander, ''Endurance'', S. 166–169 und S. 182–195.</ref> Das Schicksal der ''„[[Ross Sea Party]]“'' war weniger glücklich. Die Gruppe um [[Aeneas Mackintosh]] war am [[Kap Evans|Cape Evans]] gestrandet, nachdem das Expeditionsschiff ''[[Aurora (1876)|Aurora]]'' im Sturm vom Anker losgerissen wurde und abtrieb. Die an Bord verbliebene Mannschaft fuhr nach Neuseeland zurück, da eine Rückkehr zur [[Ross-Insel]] wegen des einsetzenden Winters nicht möglich war. Im Dezember 1916 ging Shackleton in Neuseeland an Bord, um sich an der Rettung der in der Antarktis verbliebenen Männer zu beteiligen. Trotz großer Entbehrungen hatte die ''„Ross Sea Party“'' ihre Aufgaben beim Anlegen der nun nicht mehr gebrauchten Depots erfüllt. Als die ''Aurora'' am 10. Januar 1917 Cape Evans erreichte, musste Shackleton erfahren, dass Mackintosh, [[Arnold Spencer-Smith]] und Victor Hayward (1888–1916) dabei ums Leben gekommen waren.<ref>Huntford, ''Shackleton'', S. 634–641.</ref> == Teilnahme am Ersten Weltkrieg und Nachkriegszeit (1917–1920) == [[Datei:HRM_EHS_p256.jpg|thumb|Major Ernest Shackleton]] Shackleton kehrte nach Vorträgen über die Endurance-Expedition in Australien und den USA im Mai 1917 nach England zurück. Er litt zu diesem Zeitpunkt bereits an einer Herzschwäche, deren Ursache vermutlich eine körperliche Überanstrengung durch die Strapazen seiner Expeditionen war. Außerdem begann er, sich zunehmend mit Alkohol zu betrinken.<ref>Alexander, ''Endurance'', S. 192</ref><ref>Huntford, ''Shackleton'', S. 653.</ref> Mit inzwischen 43 Jahren war er eigentlich schon zu alt für den Militärdienst. Dennoch folgte er dem Beispiel seiner Kameraden auf der Endurance-Expedition und meldete sich als Kriegsfreiwilliger für den Fronteinsatz in Frankreich.<ref>Huntford, ''Shackleton'', S. 649.</ref> Stattdessen reiste er zunächst im Oktober 1917 im diplomatischen Auftrag des damaligen britischen Informationsministers [[Edward Carson]] nach Buenos Aires, um die chilenische und argentinische Regierung zum Kriegseintritt ihrer Länder aufseiten der Alliierten zu bewegen.<ref>Huntford, ''Shackleton'', S. 658–659.</ref> Von dieser erfolglosen Mission kehrte er im April 1918 zurück. Im Auftrag der ''Northern Exploration Company'' begab er sich danach auf eine Reise zur Erkundung der Bergbaubedingungen auf [[Spitsbergen]]. Hinter dieser Scheinfirma verbarg sich das Kriegsministerium, dass mit Shackletons Hilfe beabsichtigte, auf den zum neutralen Norwegen gehörenden Inseln eine Militärbasis zu errichten.<ref>Huntford, ''Shackleton'', S. 661–663.</ref> Auf dem Weg dorthin erkrankte der inzwischen zum [[Major]] beförderte Shackleton in [[Tromsø]], vermutlich an einem leichten Herzinfarkt. Jedenfalls zwang ihn die Erkrankung zur Rückkehr nach England, wo er Ende August 1918 zu einem Materialtransporteinsatz nach [[Murmansk]] geschickt wurde.<ref>Mill, ''The Life of Sir Ernest Shackleton'', [http://www.archive.org/stream/lifeofsirernests00milluoft#page/n311/mode/2up S. 257.]</ref> Mit dem [[Waffenstillstand von Compiègne]] endete der Erste Weltkrieg am 11. November 1918 de facto. Shackleton kehrte im März 1919 nach Hause zurück. Er plante eine Fortsetzung seiner Aktivitäten in Nordrussland, diesmal zur wirtschaftlichen Förderung der Region. Zu diesem Zweck begab er sich auf die Suche nach weiteren Investoren, doch alle Planungen kamen nach der Machtübernahme der [[Bolschewiki]] im Zuge des [[Russischer Bürgerkrieg|Russischen Bürgerkriegs]] zum erliegen.<ref>Huntford, ''Shackleton'', S. 671–672.</ref> Shackleton begab sich daraufhin erneut auf Vortragsreisen und im Dezember 1919 wurde sein Buch zur Endurance-Expedition mit dem Titel ''South'' veröffentlicht.<ref>Fisher, ''Shackleton'', S. 439–440.</ref> Für seine militärischen Verdienste in Nordrussland wurde Shackleton mit dem [[Offizierskreuz]] des [[Order of the British Empire]] ausgezeichnet.<ref name="mi292">Mill, ''The Life of Sir Ernest Shackleton'', [http://www.archive.org/stream/lifeofsirernests00milluoft#page/292/mode/2up S. 292.]</ref> == Quest-Expedition und Tod (1920–1922) == ''Siehe Hauptartikel:'' [[Quest-Expedition]] und deren [[Quest-Expedition/Mannschaftsliste|Mannschaftsliste]] [[Datei:Shackleton Grave SouthGeorgia.jpg|thumb|Shackletons Grab in Grytviken (Südgeorgien)]] Im Verlaufe des Jahres 1920 begann Shackleton, zunehmend ermüdet von seinen Vortragsreisen, die Möglichkeiten zu einer dritten eigenen Expedition auszuloten. Er dachte ernsthaft über eine Unternehmung in die damals noch weitgehend unerforschten [[Beaufortsee]] nach und weckte hierfür auch das Interesse der kanadischen Regierung.<ref name="fi441–446">Fisher,''Shackleton'', S. 441–446.</ref> Mit Geld, das ihm sein früherer Schulfreund John Quiller Rowett (1874–1924) zur Verfügung stellte, kaufte er den norwegischen Robbenfänger ''Foca I'', den er in ''Quest'' umbenannte.<ref name="fi441–446"/> Aus Gründen, die er nicht öffentlich machte, änderte Shackleton seine Absicht, in die Arktis zu reisen und plante stattdessen eine <!--sic-->''„ozeanographische und sub-antarktische Expedition“''.<ref name="fi441–446"/> Der genaue Zweck dieser Reise blieb verborgen. Shackleton nannte die Umrundung des antarktischen Kontinents und die Suche nach „verschollenen“ sub-antarktischen Inseln als Ziele.<ref name=hu684>Huntford, ''Shackleton'', S. 684.</ref> Rowett erklärte sich bereit, die gesamte Expedition zu finanzieren, die seither offiziell als ''Shackleton-Rowett Expedition'' bezeichnet wurde und England am 24. September 1921 verließ.<ref name=hu684/> Shackleton hatte einigen seiner früheren Begleiter der Nimrod- und Endurance-Expedition die versprochenen Prämien nicht ausbezahlt. Dennoch hielten viele von ihnen ihrem „Boss“, wie sie Shackleton nannten, die Treue und nahmen auch an dieser Reise teil.<ref name=hu684/> Als das Expeditionsschiff [[Rio de Janeiro]] erreichte, hatte Shackleton einen mutmaßlichen Herzinfarkt.<ref>Huntford, ''Shackleton'', S. 687.</ref> Er verweigerte eine eingehende medizinische Untersuchung und Behandlung, so dass die ''Quest'' ihre Reise fortsetzte und am 4. Januar 1922 in den Hafen von [[Grytviken]] ([[Südgeorgien]]) einlief. In der Nacht rief Shackleton den Schiffsarzt Alexander Macklin (1889–1967) zu sich, weil er sich unwohl fühlte und an Rückenschmerzen litt.<ref>Fisher, ''Shackleton'', S. 476–478.</ref> Nach Macklins eigener Darstellung habe er Shackleton gesagt, dieser sei überarbeitet und solle ein geregelteres Leben führen. Shackleton habe ihn gefragt: <!--sic-->''„Sie wollen immer, dass ich Dinge aufgebe. Was sollte ich denn aufgeben?“'', woraufhin Macklin antwortete: <!--sic-->''„Hauptsächlich den Alkohol, Boss.“'' Nur kurze Zeit später, etwa gegen 3:30&nbsp;Uhr<ref>Mill, ''The Life of Sir Ernest Shackleton'', [http://www.archive.org/stream/lifeofsirernests00milluoft#page/276/mode/2up S. 277.]</ref> (nach anderer Überlieferung um 2:50&nbsp;Uhr<ref>Wild, ''Shackleton's Last Voyage'', [http://www.archive.org/stream/shackletonslastv00wilduoft#page/n107/mode/2up S. 65.]</ref>) am Morgen des 5. Januar 1922, erlitt Shackleton eine tödliche Herzattacke. Macklin stellte bei der Autopsie des Leichnams als Todesursache eine [[Arteriosklerose]] in den [[Koronargefäß|Koronargefäßen]] fest, die sich durch Shackletons angegriffenen Allgemeinzustand verschlimmert habe.<ref name="al193">Alexander, ''Endurance'', S. 193.</ref> Leonard Hussey (1891–1964), wie Macklin ein Veteran der Endurance-Expedition, erklärte sich bereit, die Überführung des Leichnams nach England zu begleiten. In [[Montevideo]] erreichte ihn die Nachricht von Shackletons Frau Emily, man möge ihren Mann in Südgeorgien bestatten. Hussey kehrte mit dem Sarg auf dem Dampfer ''Woodville''<ref name="al193"/> nach Grytviken zurück, wo Shackleton am 5. März nach einer kurzen Andacht in der örtlichen [[Evangelisch-lutherische Kirchen|lutherischen]] Kirche auf dem benachbarten Friedhof beigesetzt wurde.<ref name="fi481–483">Fisher, ''Shackleton'', S. 481–483.</ref><ref>Wild, ''Shackleton's Last Voyage, [http://www.archive.org/stream/shackletonslastv00wilduoft#page/n255/mode/2up S. 176.]</ref> In Macklins Tagebuch findet sich am 4. Mai 1922 der Eintrag: <!--sic-->''„[Ich] denke, das ist es, was „der Boss“ für sich selbst gewollt hätte. Allein auf einer Insel und fernab der Zivilisation, umgeben von der stürmisch tobenden See in der Nähe einer seiner größten Heldentaten.“''<ref>[http://www.christies.com/LotFinder/lot_details.aspx?pos=10&intObjectID=1753391&sid= Lot Description 224, Christie’s London, 18. April 2000] (abgerufen am 6. Januar 2010).</ref> Da die ''Quest'' Grytviken bereits verlassen hatte, war Hussey neben einigen norwegischen Seeleuten der einzige von Shackletons Gefährten, der der Zeremonie beiwohnte.<ref>Mill, ''The Life of Sir Ernest Shackleton'', [http://www.archive.org/stream/lifeofsirernests00milluoft#page/278/mode/2up S. 278–279.]</ref> == Nachwirkungen == [[Datei:Shackleton.jpg|thumb|Shackletons Statue am Hauptgebäude der Royal Geographical Society in Kensington]] Noch vor der Überführung von Shackletons Leichnam nach Südgeorgien wurde er in der ''Kirche zur Heiligen Dreifaltigkeit'' von Montevideo aufgebahrt<ref>[http://www.freezeframe.ac.uk/collection/photos-shackleton-rowett-antarctic-expedition-1921-22/p2002-28-908 P2002/28/908], Foto von Shackletons aufgebahrtem Sarg. Scott Polar Research Institute (SPRI) (abgerufen am 19. Februar 2010).</ref> und mit vollen militärischen Ehren verabschiedet. Zudem fand am 2. März 1922 im Beisein von König [[Georg V. (Vereinigtes Königreich)|Georg V.]] und weiterer Angehöriger der Königsfamilie ein Gedenkgottesdienst in der [[Saint Paul’s Cathedral|Sankt Pauls Kathedrale]] statt.<ref>Mill, ''The Life of Sir Ernest Shackleton'', [http://www.archive.org/stream/lifeofsirernests00milluoft#page/280/mode/2up S. 280.]</ref> Innerhalb des nächsten Jahres veröffentlichte sein Freund Hugh Robert Mill (1861−1950) die erste Biographie mit dem Titel ''The Life of Sir Ernest Shackleton''. Erlöse aus dem Verkauf dieses Buches kamen Shackletons Familie zugute, denn er hinterließ Schulden in Höhe von etwa £&nbsp;40.000 (2009: 1,8 Mio.&nbsp;€<ref name="money"/>). Zudem wurde eine Gedenkstiftung ins Leben Gerufen, um die Ausbildung seiner Kinder finanzieren zu können.<ref>Fisher, ''Shackleton'', S. 485.</ref> In den folgenden Jahrzehnten wurde Shackletons Popularität durch diejenige seines Rivalen Captain Scott überstrahlt. Allein in England wurden für diesen mehr als 30 Denkmäler, Statuen und sogar Kirchenfenster angefertigt.<ref >Jones, ''The Last Great Quest'', S. 295–296.</ref> Erst 1932 enthüllte man auch für Shackleton ein von [[Edwin Lutyens]] entworfenes Denkmal an der Fassade des Gebäudes der Royal Geographical Society in [[Kensington (London)|Kensington]],<ref>Fisher, ''Shackleton'', S. 481 (Foto), 486–487. Ergänzung: Lutyens Entwurf wurde vom englischen Bildhauer Charles Jagger (1885–1934) als bronzene Statue umgesetzt. Ursprünglich sollte Shackletons Statue als Denkmal auf einem Sockel freistehend errichtet werden. Da sich jedoch in London kein geeigneter Standort fand, nahm man das Angebot der Royal Geographical Society an, die Statue in einer Fassadennische am Hauptgebäude der Gesellschaft aufzustellen.</ref> doch darüber hinaus gab es nur wenige andere öffentliche Gedenkveranstaltungen. Die Presse interessierte sich mehr für den auf tragische Weise während des Rückwegs vom Südpol zu Tode gekommenen Scott. Ein vierzigseitiges Heft im Rahmen der Serie ''Great Exploits'' (zu deutsch: ''Große Heldentaten'') aus dem Verlag [[Oxford University Press]] von 1943 blieb bis weit in die 1950er Jahre hinein das einzig vorhandene Druckerzeugnis über Shackleton neben Mills Biographie.<ref>Barczewski, ''Antarctic Destiny'', S. 209.</ref> Im Jahr 1957 veröffentlichen Margery (1913–1992) und James Fisher (1912–1970) eine vielbeachtete Biographie unter dem Titel ''Shackleton'' und im Jahr 1959 folgte Alfred Lansing (1921−1975) mit seinem Buch ''Endurance: Shackleton’s Incredible Voyage''.<ref>Das Buch erschien im deutschen Sprachraum unter dem Titel ''[http://www.randomhouse.de/book/edition.jsp?edi=47555 635 Tage im Eis: Die Shackleton-Expedition''], Goldmann Verlag 2000.</ref> Diese waren die ersten einer ganzen Reihe von Büchern, die Shackleton in einem überaus positiven Licht erschienen ließen. Gleichzeitig veränderte sich allmählich die Sichtweise auf Scott, die in Roland Huntfords 1979 erschienenem Buch ''Scott and Amundsen'' in einer vernichtenden Abrechnung gipfelte.<ref name="ba282">Barczewski, ''Antarctic Destiny'', S. 282.</ref> Diese negative Darstellung Scotts wurde allgemein akzeptiert<ref>Fiennes, ''Captain Scott'', S. 482.</ref>, da der Heldentypus, wie ihn Scott verkörperte, dem veränderten kulturellen Werteverständnis des ausgehenden 20.&nbsp;Jahrhunderts zum Opfer fiel.<ref name="ba282"/> Innerhalb weniger Jahre hatte Shackleton im öffentlichen Ansehen Scott überflügelt. So wurde Shackleton in der von der [[British Broadcasting Corporation|BBC]] produzierten Sendung ''[[100&nbsp;Greatest Britons]]'' (zu deutsch: ''Die 100 größten Briten'') im Jahr 2002 auf Platz&nbsp;11 gewählt. Scott landete dagegen nur auf Platz&nbsp;54.<ref>Barczewski, ''Antarctic Destiny'', S. 283.</ref> Zu Beginn des neuen Jahrtausends wurden Shackletons Fähigkeiten, in einer vermeintlich ausweglosen Situation seine Untergebenen zu Höchstleistungen zu motivieren, auch von [[Diskussion:Ernest_Shackleton#Shackleton als Führungspersönlichkeit|Managementratgebern]] entdeckt, die sich mit seinen Führungsqualitäten und der Übertragung auf den Berufsalltag auseinandersetzen (siehe [[Coaching]]). Bereits rund ein halbes Jahrhundert zuvor bezeichnete [[Jameson Adams]], der stellvertretende Leiter der [[Nimrod-Expedition]], Shackleton als den <!--sic-->''„ohne Einschränkung bedeutendste[n] Führer, der jemals über Gottes Erde wandelte.“''<ref>Fisher, ''Shackleton'', S. 123. Zitiertes Originaldokument: Jameson Adams im Gespräch mit James Fisher vom 5. Oktober 1955, SPRI MS 1456/63.</ref> An Universitäten in England und den USA wurden Shackletons Führungsmethoden zum Inhalt betriebswirtschaftlicher Seminare.<ref name="ba294–295">Barczewski, ''Antarctic Destiny'', S. 294–295.</ref> Ferner gibt es inzwischen zahlreiche reformpädagogische Schulen (sogenannte ''Shackleton Schools'') nach dem Vorbild des [[Outward Bound]], in denen die Shackleton zugemessenen Charaktereigenschaften wie Standhaftigkeit, Verantwortungsbewusstsein und Kreativität im Rahmen eines [[Erlebnispädagogik|erlebnispädagogischen]] Unterrichts vermittelt werden.<ref name="ba294–295"/> Shackletons Traum von einer transkontinentalen Durchquerung der Antarktis erfüllte sich rund 40&nbsp;Jahre später durch den [[Mount Everest|Everestbezwinger]] [[Edmund Hillary]] und den englischen Polarforscher [[Vivian Fuchs]] bei der ''[[Commonwealth Trans-Antarctic Expedition]]'' (1955−1958).<ref>[http://www.hillac.de/zei_b230.htm ''The Commonwealth Trans-Antarctic Expedition 1956-1958'',] Zeitblick Nr. 23, Mai/Juni 2007 (abgerufen am 14. Januar 2010).</ref> [[Ranulph Fiennes]] wiederholte dies im Rahmen der ''Transglobe Expedition'' (1980–1981).<ref>Ranulph Fiennes, [http://www.transglobe-expedition.org/page/the-antarctic ''Transglobe Expedition – The Antartic''] (abgerufen am 14. Januar 2010).</ref> Beide Expeditionen fanden unter enormem technischen Aufwand statt. Im Jahr 1989/1990 durchquerten [[Reinhold Messner]] und [[Arved Fuchs]] die Antarktis erstmals im klassischen Stil.<ref>Reinhold Messner, [http://www.reinhold-messner.de/popup_4_2_1.html ''Panorama Antarktis''] (abgerufen am 14. Januar 2010).</ref> Arved Fuchs wiederholte im Jahr 2000 außerdem Shackletons Bootsfahrt von [[Elephant Island]] nach Südgeorgien in einem Nachbau der ''James Caird'', allerdings unter Zurhilfenahme moderner Navigations- und Kommunikationstechnik. Ferner unternahm er bei derselben Expedition den Marsch von Shackleton, Worsley und Crean durch Südgeorgien.<ref>Arved Fuchs, [http://www.arved-fuchs.de/shackleton/sh2000.htm ''Shackleton 2000''] (abgerufen am 8. Januar 2010).</ref> Im kulturhistorischen Museum von [[Athy]], unweit seines Geburtsortes, wird seit 2001 im Rahmen einer alljährlich im Herbst stattfindenden Veranstaltung an Ernest Shackleton und seine polaren Heldentaten erinnert.<ref>[http://www.shackletonmuseum.com/autumn_school/ Shackleton Autumn School], Athy Heritage Centre-Museum (abgerufen am 5. Januar 2010).</ref> Bei Polarkreuzfahrten zur [[Antarktische Halbinsel|Antarktischen Halbinsel]] und nach Südgeorgien gehören Besuche von ''Point Wild'' auf Elephant Island und an Shackletons Grab inzwischen zum Pflichtprogramm. Der Erhalt der am [[Kap Royds|Cape Royds]] während der [[Nimrod-Expedition]] errichteten Hütte, die in Neuseeland als internationales Kulturerbe angesehen wird, liegt in den Händen des ''New Zealand Antartic Heritage Trust''.<ref>[http://www.norwaysforgottenexplorer.org/AHT/CapeRoyds/ Shackleton's Expedition Base], ''New Zealand Antartic Heritage Trust'', Christchurch (abgerufen am 7. Januar 2010).</ref> Shackletons Tod markiert den Endpunkt des sogenannten [[Goldenes Zeitalter der Antarktis-Forschung|''Goldenen Zeitalters der Antarktisforschung'']], einer Epoche von Entdeckungsreisen zur naturwissenschaftlichen und geographischen Erforschung des noch weitgehend unbekannten antarktischen Kontinents ohne moderne Hilfsmittel. Im Vorwort seines Buches ''The worst Journey in the World'' hob der Polarforscher [[Apsley Cherry-Garrard]] die Bedeutung ihrer Hauptfiguren wie folgt heraus: <!--sic-->''„Gebt mir Scott als wissenschaftlich-geografischen Expeditionsleiter, gebt mir Amundsen für eine rasche und effiziente Polarexpedition, aber gebt mir Shackleton, wenn sich das Schicksal gegen mich verschworen zu haben scheint und ich einen Ausweg suche.“''<ref>Cherry-Garrard, ''The worst Journey in the World'', [http://www.archive.org/stream/worstjourneyinwo01cher#page/n13/mode/2up/ S. viii.]</ref> == Wissenswertes == === Auszeichnungen === Für seine Verdienste um die Erforschung der Antarktis erhielt Shackleton zahlreiche Auszeichnungen und Ehrenmitgliedschaften im In- und Ausland. Am 13. Dezember 1909 wurde er im Anschluss an die [[Nimrod-Expedition]] von [[Eduard VII.|König Edward VII.]] durch [[Ritterschlag]] in den Adelsstand erhoben. Darüber hinaus war Shackleton Träger folgender ziviler Orden:<ref name="mi292"/> * [[Royal Victorian Order|Commander of the Royal Victorian Order]] (England, 1909) * [[Nordstern-Orden]] (Schweden, 1909) * [[Dannebrog-Orden]] (Dänemark, 1909) * [[Sankt-Olav-Orden]] (Norwegen, 1909) * [[Ehrenlegion|Orden der Ehrenlegion]] (Frankreich, 1909) * [[St.-Annen-Orden]] (Russland, 1910) * [[Orden der Eisernen Krone]] (Italien, 1910) * [[Kronenorden (Preußen)|Preußischer Kronenorden]] (Deutschland, 1911) * Order of Merit (Chile, 1916) 1901 wurde Shackleton in den Bund der [[Freimaurerei|Freimaurer]] aufgenommen. Seine Loge war die ''Navy Lodge No. 2616''. === Benennung geographischer Objekte === [[Datei:De gerlache shackleton sverdrup crater.jpg|thumb|upright|Der Shackleton-Krater am Südpol des Mondes (Aufnahme der Sonde [[Clementine (Sonde)|Clementine]] von 1994)]] * [[Robert Falcon Scott]] benannte ein vergletschertes Tal im [[Transantarktisches Gebirge|Transantarktischen Gebirge]], das den Umkehrpunkt des Marsches nach Süden während der [[Discovery-Expedition]] (1901–1904) darstellte, ''Shackleton Inlet''.<ref>[http://usarc.usgs.gov/drgs/dir2/c82195s1.jpg Shackleton-Inlet], Karte auf der Webseite des ''United States Geological Survey'' (abgerufen am 18. März 2010). Das Inlet (in der Karte oben rechts) markiert die Mündung des ''Nimrod-Gletschers'' in das [[Ross-Schelfeis]].</ref> * Durch [[Jean-Baptiste Charcot]] wurde während der [[Französische Antarktisexpedition#Vierte Expedition|Vierten Französischen Antarktisexpedition]] 1908–1910 ein Berg an der Westküste der antarktischen Halbinsel ''Mount Shackleton''<ref>[http://www.forum.jamescairdsociety.com/media/mt%20shackleton%20spare.jpg Mount Shackleton], Foto vom Berg auf der Webseite der James Caird Society (abgerufen am 18. März 2010).</ref> benannt. Den selben Namen tragen auch zwei Gipfel in [[British Columbia]]<ref>[http://www.rmbooks.com/peakfinder/peakfinder.ASP?PeakName=mount+shackleton Mount Shackleton] in British Columbia, Kanada (abgerufen am 19. März 2010).</ref> und [[Western Australia]]. * Bei seiner [[Australasiatische Antarktisexpedition|australischen Antarktis-Expedition]] (1911–1914) benannte [[Douglas Mawson]] eine Eistafel im östlichen Teil der Antarktis [[Shackleton-Schelfeis]].<ref>[http://nsidc.org/data/iceshelves_images/images/shack.jpg Shackleton-Schelfeis], Satellitenaufnahme der Eistafel auf der Webseite des ''National Snow and Ice Data Center'' (abgerufen am 18. März 2010).</ref> Eine besondere Ironie des Schicksals ist es, dass gemäß kartografischer Studien sowjetischer Wissenschaftler von 1956 der östlich gelegene ''Scott-Gletscher'' ein Teil des Shackleton-Schelfeises ist. * Ein vom [[United States Antarctic Program]] (1939–1941) im [[Königin-Maud-Gebirge]] entdeckter Gletscher trägt seither den Namen ''Shackleton-Gletscher''.<ref>[http://www.rosssea.info/pix/big/Shackleton-GlJ-Isbell.jpg Shackleton-Gletscher], Foto vom Gletscher auf rosssea.info (abgerufen am 18. März 2010).</ref> Dieser wird inzwischen anstelle des 50&nbsp;km weiter westlich gelegenen [[Beardmore-Gletscher]] als Aufstiegsroute zum [[Polarplateau]] genutzt. * Ein während der [[Commonwealth Trans-Antarctic Expedition]] 1956 entdecktes Gebirge südostlich des [[Filchner-Ronne-Schelfeis]]es trägt den Namen [[Shackleton Range]].<ref>[http://geography.exeter.ac.uk/geography/images/news%20item%20pics/1.jpg Shackleton Range], Foto vom Gebirgszug mit dem Slessor-Gletscher auf der Webseite der [[University of Exeter]] (abgerufen am 18. März 2010).</ref> * Auch ein [[Mondkrater|Krater]] am Südpol des [[Mond]]es ist nach Shackleton benannt. Eine vollständige Übersicht nach Shackleton benannter Orte und solcher, die mit ihm in Verbindung stehen, ist im ''Low-Lattitude Antartic Gazetteer - Series 2''<ref>[http://www.antarctic-circle.org/llag.shackleton.htm Low-Lattitude Antartic Gazetteer – Series 2] (abgerufen am 24. Januar 2010).</ref> zu finden. === Shackleton in der Lyrik === Der Gewaltmarsch über das Südgeorgische Gebirge hinweg nach der körperlich und seelisch zermürbenden Fahrt im Rettungsboot im Rahmen der Endurance-Expedition inspirierten den englischen Lyriker [[T. S. Eliot]] zu einer Strophe seines Gedichtes ''The Waste Land'' (zu deutsch: ''[[Das wüste Land]]''):<ref>T. S. Eliot, ''The Waste Land'', [http://www.bartleby.com/201/1.html Zeile 361–365] (abgerufen am 5. Januar 2010).</ref> {{Zitat|Who is the third who walks always beside you?<br /> When I count, there are only you and I together<br /> But when I look ahead up the white road<br /> There is always another one walking beside you<br /> Gliding wrapt in a brown mantle, hooded<br /> I do not know whether a man or a woman<br /> — But who is that on the other side of you?|}} Anlass zu diesem Gedicht war die Erzählung von Shackleton, dass sowohl er als auch seine zwei Gefährten während des brutalen Gewaltmarsches über den verschneiten Bergrücken von Südgeorgien immer wieder das Gefühl gehabt hätten, von einem vierten Wesen begleitet zu werden. T. S. Eliot, der aus erzähltechnischen Gründen in seinem Gedicht nur von zwei Personen berichtet, dürfte nicht bekannt gewesen sein, dass die gefühlte Anwesenheit einer vierten Person eine spätere Zufügung zu Shackletons Geschichte war, um dem Ganzen etwas mehr Spiritualität zu verleihen. === Trivia === * Wie andere Polarforscher auch, so erhielt Shackleton [[Spitzname|Spitznamen]] und verwendete [[Pseudonym|Pseudonyme]]. Als Expeditionsleiter nannten ihn seine Untergebenen voller Respekt ''“The Boss”''. [[Frank Wild]] und andere Freunde riefen ihn auch ''“Shackles”'' oder ''“Shackle”''. Weniger geläufig sind die Titel ''“Old Cautious”'', den ihm sein Freund Hugh Robert Mill von der Royal Geographical Society wegen seiner Umsichtigkeit bei der Durchführung seiner Expeditionen verlieh, und ''“Nemo”'', den Shackleton selbst als Pseudonym in Anlehnung an die Hauptfigur des Romans ''[[20.000 Meilen unter dem Meer]]'' von [[Jules Verne]] verwendete. Aus dem umfangreichen Briefverkehr mit seiner Frau Emily sind die [[Kosename|Kosenamen]] ''“Emicky”'', ''“Micky”'', ''“Mikeberry”'' und ''“Mikleham”'' bekannt, deren Ursprung in Shackletons irischer Abstammung liegen.<ref>[http://www.antarctic-circle.org/nicknames.htm ''Some Antartic Nicknames''], ''The Antartic Circle'', Webseite von Robert B. Stephenson (Jaffrey, New Hampshire, USA) (abgerufen am 6. Januar 2010).</ref> * In der Zeit nach seiner Heirat bis zu seinem Tod zog Shackleton mit seiner Familie nicht weniger als sechsmal um. Mit Beginn seiner Anstellung bei der ''Royal Scottish Geographical Society'' (RSGS) wohnten sie in [[Edinburgh]] und zuletzt in einem Haus in [[Kensington (London)|Kensington]]. Das Haus ''Mainsail Haul'' in [[Sheringham]], das sie im Jahr 1910 bezogen, war 1919 im Besitz des Komponisten [[Ralph Vaughan Williams]], der die Musik zu dem Film ''[[Scotts letzte Fahrt]]'' (1948) schuf.<ref>[http://www.antarctic-circle.org/llag.shackleton.htm#184 ''Sites associated with Sir Ernest Shackleton''], ''The Antartic Circle'', Webseite von Robert B. Stephenson (Jaffrey, New Hampshire, USA) (abgerufen am 10. Januar 2010).</ref> * Shackleton soll mehrere außereheliche Affären gehabt haben. Verbrieft ist eine zeitweilige Liebesbeziehung mit der US-amerikanischen Schauspielerin Rosalind Chetwynd.<ref>The Cherry Tree 2/2006 [http://homepage.mac.com/cherrytreelondon/page7/files/The%20Cherry%20Tree%202006-2.pdf S. 2–3] (abgerufen am 6. Januar 2010)</ref> * Shackleton hatte eine Neigung zum Aberglauben. So markierte die Zahl 9 wiederkehrend wichtige Etappen in seinem Leben. Am 9. April 1904 heiratete er seine Frau Emily und am 9. Januar 1909 erreichte Shackleton seine höchste südliche Breite während der Nimrod-Expedition. Der neunarmige Stern wurde zu seinem persönlichen Emblem, das auch auf seinem Grabstein verewigt ist. Ferner war eine silberne Ausführung der Zahl 9 an Shackletons Kabinentür auf dem Expeditionsschiff ''Quest'' angebracht und schließlich starb Emily Shackleton nach mehrmonatiger schwerer Krankheit am 9. Juni 1936.<ref>Fisher, ''Shackleton'', S. 485–486.</ref> * Dem Erstbesteiger des [[Mount Everest]], Sir [[Edmund Hillary]], wurde nachgesagt, er zählte Ernest Shackleton zu seinen Vorbildern. * Shackleton wurde mehrfach in Fernsehfilmen und –serien dargestellt, beispielsweise von [[David Schofield]] im Film ''Shackleton'' (1982) oder von James Aubrey (* 1947) in der Folge ''Poles Apart'' der englischen TV-Serie ''Last Place on Earth'' (1985). Am bekanntesten ist sicherlich [[Kenneth Branagh]] im Mehrteiler ''Shackleton'' (2002).<ref>Internet Movie Data Base (imdb.de), [http://www.imdb.de/character/ch0044188/ Ernest Shackleton (Rolle)] (abgerufen am 6. Januar 2010).</ref> * Unter dem Projektnamen ''Eureka'' veröffentlichte der Hamburger [[Multiinstrumentalist]] Frank Bossert 2009 das [[Konzeptalbum]] "Shackleton’s Voyage", das eine musikalische [[Reminiszenz]] an die Endurance-Expedition darstellt.<ref>Frank Bossert, [http://www.eureka-music.de/eureka.htm EUREKA] (abgerufen am 15. Januar 2010).</ref> == Zitierte Literatur == * Alexander, Caroline: ''Endurance''. Bloomsbury, London 1998, ISBN 0-7475-4123-X. * Barczewski, Stephanie: ''Antarctic Destiny''. Hambledon Continuum, London 2007, ISBN 978-1-84725-192-3. * [[Apsley Cherry-Garrard|Cherry-Gerard, Apsley]]: ''The worst Journey in the World'', [http://www.archive.org/stream/worstjourneyinwo01cher#page/n7/mode/2up Vol. I]. Constable & Co., London 1922 (abgerufen am 6. Januar 2010). * Crane, David: ''Scott of the Antarctic''. Harper Collins, London 2005, ISBN 0007150687. * [[Ranulph Fiennes|Fiennes, Ranulph]]: ''Captain Scott''. Hodder & Stoughton, London 2003, ISBN 0-340-82697-5. * Fisher, Margery and James: ''Shackleton''. James Barrie Books, London 1957. * Heacox, Kim: ''Shackleton – The Antartic Challenge''. National Geographic, Des Moines 1999, ISBN 0792275365. * Huntford, Roland: ''Shackleton''. Hodder and Stoughton, London 1985, ISBN 0340250070. * Jones, Max: ''The Last Great Quest''. Oxford University Press, Oxford 2003, ISBN 0-19-280483-9. * Kimmel, Elizabeth Cody: ''Ice Story - Shackleton’s Lost Expedition''. Clarion Books, New York 1999, ISBN 0395915244. * [[Clements Markham|Markham, Clements]]: [http://www.archive.org/stream/landsofsilencehi00markuoft#page/n9/mode/2up ''The Lands of Silence'']. University Press, Cambridge 1921 (abgerufen am 4. 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ISBN 0-7126-6574-9. * Manuskriptsammlung des Scott Polar Research Institute (Abkürzung: SPRI MS), Universität Cambridge. == Einzelnachweise == <references /> == Siehe auch == {{Portal|Antarktis}} == Weblinks == {{commonscat|Ernest Shackleton}} * {{DNB-Portal|118764950}} * [http://www.jamescairdsociety.com/ James Caird Society] Umfassende Webseite über Leben und Wirken von Ernest Shackleton (in Englisch) {{Exzellent}} {{Normdaten|PND=118764950|LCCN=n/50/2512|VIAF=12338195}} {{SORTIERUNG:Stackleton, Ernest Henry}} [[Kategorie:Polarforscher (Antarktis)]] [[Kategorie:Freimaurer (20. Jahrhundert)]] [[Kategorie:Britischer Freimaurer]] [[Kategorie:Träger des Nordstern-Ordens]] [[Kategorie:Träger des Dannebrogordens]] [[Kategorie:Träger des Sankt-Olav-Ordens]] [[Kategorie:Mitglied der Ehrenlegion]] [[Kategorie:Geboren 1874]] [[Kategorie:Gestorben 1922]] [[Kategorie:Mann]] {{Personendaten |NAME=Shackleton, Ernest Henry |ALTERNATIVNAMEN= |KURZBESCHREIBUNG=britischer Polarforscher |GEBURTSDATUM=15. Februar 1874 |GEBURTSORT=Kilkea, [[County Kildare]], Irland |STERBEDATUM=5. Januar 1922 |STERBEORT=[[Grytviken]], [[Südgeorgien und die Südlichen Sandwichinseln|Südgeorgien]] }} {{Link FA|ca}} {{Link FA|en}} {{Link GA|fr}} {{Link FA|sl}} [[ast:Ernest Shackleton]] [[bg:Ърнест Шакълтън]] [[ca:Ernest Shackleton]] [[cs:Ernest Henry Shackleton]] [[da:Ernest Shackleton]] [[en:Ernest Shackleton]] [[eo:Ernest Shackleton]] [[es:Ernest Shackleton]] [[eu:Ernest Shackleton]] [[fi:Ernest Shackleton]] [[fr:Ernest Shackleton]] [[ga:Ernest Shackleton]] [[gl:Ernest Shackleton]] [[he:ארנסט שקלטון]] [[id:Ernest Shackleton]] [[it:Ernest Henry Shackleton]] [[ja:アーネスト・シャクルトン]] [[ko:어니스트 섀클턴]] [[lv:Ernests Šekltons]] [[nl:Ernest Shackleton]] [[nn:Ernest Shackleton]] [[no:Ernest Henry Shackleton]] [[oc:Ernest Shackleton]] [[pl:Ernest Shackleton]] [[pt:Ernest Henry Shackleton]] [[ro:Ernest Shackleton]] [[ru:Шеклтон, Эрнест Генри]] [[simple:Ernest Shackleton]] [[sl:Ernest Henry Shackleton]] [[sr:Ернест Шеклтон]] [[sv:Ernest Shackleton]] [[tr:Ernest Shackleton]] [[uk:Ернест Генрі Шеклтон]] [[vi:Ernest Shackleton]] [[zh:欧内斯特·沙克尔顿]] oj60fh6crge8r8wizmz7ww457wdd5wu wikitext text/x-wiki Nördlicher Raubwürger 0 23495 26094 2010-04-07T09:35:19Z Luckas-bot 0 Bot: Ergänze: [[be:Шэры саракуш]] <!-- Für Informationen zum Umgang mit dieser Vorlage siehe bitte [[Wikipedia:Taxoboxen]]. --> {{Taxobox | Taxon_Name = Nördlicher Raubwürger | Taxon_WissName = Lanius excubitor | Taxon_Rang = Art | Taxon_Autor = [[Carl von Linné|Linnaeus]], 1758 | Taxon2_Name = Würger | Taxon2_LinkName = Würger (Gattung) | Taxon2_WissName = Lanius | Taxon2_Rang = Gattung | Taxon3_Name = Würger | Taxon3_WissName = Laniidae | Taxon3_Rang = Familie | Taxon4_Name = Singvögel | Taxon4_WissName = Passeres | Taxon4_Rang = Unterordnung | Taxon5_Name = Sperlingsvögel | Taxon5_WissName = Passeriformes | Taxon5_Rang = Ordnung | Taxon6_Name = Vögel | Taxon6_WissName = Aves | Taxon6_Rang = Klasse | Bild = Lanius excubitor 2 (Marek Szczepanek).jpg | Bildbeschreibung = Nördlicher Raubwürger ''(Lanius excubitor)'' mit aufgespießter Beute }} [[Bild:Greatgreyshrike.JPG|thumb|Nördliche Raubwürger mit Jungem]] [[Bild:Lanius excubitor 4 (Marek Szczepanek).jpg|thumb|''L.e.melanopterus'']] [[Bild:Lanius excubitor srokosz AM.jpg|thumb|''L.e.leucopterus'']] Der '''Nördliche Raubwürger''' (''Lanius excubitor''), häufig auch '''Grauwürger''' genannt, ist eine etwa [[amsel]]große [[Vögel|Vogelart]] aus der Familie der [[Würger]]. Die Art besiedelt die gemäßigten, [[Boreale Zone|boreal]]en und [[Waldtundra|subarktis]]chen Zonen der [[Holarktis]]; sie kommt außerdem in einigen Steppen- und Hochgebirgsgebieten [[Zentralasien]]s vor. Die heute [[Südlicher Raubwürger]] oder Mittelmeerraubwürger (''Lanius meridionalis'') genannte Art galt lange als Unterart von ''Lanius excubitor''. Vor allem der Umstand, dass die beiden sehr nahe verwandten Arten dort, wo sie [[Sympatrie|sympatrisch]] vorkommen, deutlich verschiedene Habitatansprüche haben und offenbar nicht hybridisieren, untermauert neben Unterschieden in der Gefiederfärbung ihre systematische Trennung. == Merkmale == === Allgemein === Der Nördliche Raubwürger ist ein gut amselgroßer, überwiegend grau wirkender, langschwänziger Vogel mit deutlichen schwarzen und – von Unterart zu Unterart unterschiedlich ausgeprägten – weißen [[Gefieder]]partien. Charakteristisch ist der graue Rumpf, wobei die Oberseite immer erheblich dunkler gefärbt ist als der Brust- und Bauchbereich, der bei einigen Unterarten fast weiß sein kann. Von der Basis des kräftigen, dunklen Hakenschnabels ausgehend, zieht sich ein reinschwarzes schmales Band über die Augen bis zu den Ohrdecken, wo es sich leicht verbreitert. Die Stirn wird von dieser Maske jedoch nicht erreicht. Bei den meisten Unterarten ist diese Gesichtsmaske von einem schmalen weißen Brauenstreif begrenzt. Die relativ breiten und runden Flügel sind schwarz. Beim sitzenden Vogel erscheint immer ein kleines, reinweißes Flügelfeld, bei einigen Unterarten zwei. Scharf kontrastieren die schwarzen Flügel mit einem hellen, manchmal reinweißen Gefiedersaum im Schulterbereich. Die Armschwingen sind immer deutlich reinweiß gesäumt. Der lange Schwanz ist abgerundet oder gestuft; er ist kontrastreich schwarz-weiß gefärbt, wobei die inneren Steuerfedern schwarz, die äußeren weiß sind; von unten wirkt der Schwanz fast reinweiß. Im Flug wirkt der Nördliche Raubwürger grau-schwarz-weiß. Charakteristisch in der Oberansicht sind das breite weiße Flügelfeld auf schwarzem Flügelgrund, die weiße Umsäumung der Armschwingen sowie der lange, meist abgerundete, weiß gesäumte, schwarze Schwanz. Die Geschlechter unterscheiden sich in der Größe nicht und in ihrer Färbung nur unwesentlich. Weibchen sind meist geringfügig weniger kontrastreich gezeichnet, häufig ist eine leichte [[Sperberung]] im Brust-, Flanken- und Nackenbereich erkennbar. Die weißen Gefiederanteile der Flügel und des Schwanzes sind beim Weibchen kleiner als beim Männchen und weniger scharf von den schwarzen abgesetzt. Die bei den Männchen tiefschwarzen Gefiederbereiche können bei den Weibchen ein sehr dunkles Braun aufweisen. Die Sperberung juveniler Individuen vor allem im Hals-, Brust-, Flanken- und Nackenbereich ist deutlich, aber nicht so markant wie bei einigen anderen Würgerarten; die Handschwingen der Jungvögel sind breiter weiß eingefasst, und der Schnabel ist nicht schwarz, sondern mittelbraun; am Unterschnabel weist er helle Ockertöne auf. === Flug === Der Flug von Ansitz zu Ansitz verläuft bogenförmig und erinnert etwas an einen [[Spechte|Specht]]flug. Kurz vor dem Erreichen der neuen Ansitzwarte steilt der Vogel markant auf. Der kräftige und sehr schnelle Distanzflug dagegen ist geradlinig. Der Nördliche Raubwürger segelt kurze Strecken und [[Rüttelflug|rüttelt]] häufig. Im Flug sind die weißen Flügelabzeichen, der schmale weiße Schulterbereich sowie die schwarz-weiße Schwanzfärbung gute Identifizierungsmerkmale. === Unterarten === Die Unterarten unterscheiden sich sowohl in ihrer Größe als auch in der Färbung des Gefieders, insbesondere in der Ausdehnung der Weißzeichnungen auf den Flügeln und am Schwanz sowie im Vorhandensein oder Fehlen einer Wellenzeichnung auf Brust und Bauch. *''L.e. excubitor'' (mit den nicht allgemein anerkannten Unterarten ''L. e. galliae'' und der dunklen Form ''L.e. melanopterus'', bei der es sich möglicherweise um eine Hybridform zwischen ''L. e. excubitor'' und ''L. e. sibiricus'' handelt): Das Vorkommen dieser Unterart erstreckt sich über West-, Mittel- und Nordeuropa bis in den nördlichen Teil West[[sibirien]]s. *''L. e. homeyeri'': Südosteuropa, Transkaukasien bis zum mittleren Westsibirien. Sie ist heller als die Nominatform mit ausgedehnteren Weißzeichnungen im Flügel. *''L. e. leucopterus'': Südwestsibirien. Sehr hell, mit reinweißer Kehle und großem weißen Flügelfeld. Die Vertreter dieser westlichen Unterartengruppe werden von Westen nach Osten hin heller, die Flügellänge nimmt etwas zu, und die weißen Flügelabzeichen werden größer. Brust- und Bauch weisen keine Wellenzeichnung auf und sind meist schmutzigweiß. Auf der Oberseite sind diese Unterarten in unterschiedlicher Intensität grau gefärbt. Eine Ausnahme bildet die sehr dunkle hochnordische Unterart ''L. e. melanopterus''. Sie erscheint im Winter ebenso wie ''L. e. homeyeri'' gelegentlich in Mitteleuropa. Die Vertreter der östlichen Unterartengruppe sind zum Teil deutlich größer, zudem dunkler gefärbt als die Mitglieder der Westgruppe. Auf der Oberseite weisen sie Brauntöne auf, Brust und Bauch sind oft deutlich gesperbert. Beim sitzenden Vogel ist nur ein weißes Flügelfeld zu erkennen. *''L. e. sibiricus'': Diese Unterart kommt in Ostsibirien und der Nord[[mongolei]] vor. Ihr Gefieder weist auf der Oberseite deutliche Brauntöne auf, die Unterseite ist auf grauweißem Grund dunkelbraun gebändert. Diese Bänderung wird bei den beiden folgenden Unterarten dunkler und nimmt an Deutlichkeit zu. *''L. e. mollis'': Vertreter dieser Subspecies brüten in den Vorbergen des russischen [[Altai]]s sowie in der Nordwestmongolei. *''L. e. funereus'' ist die größte Unterart und weist ein wenig kontrastreich gezeichnetes dunkles Gefieder auf. Ihre Unterseite wirkt blaugrau, die Bänderung ist schwarz. Die Unterart ist vor allem ein Hochgebirgsbewohner im [[Tianshan]]. *''L. e. bianchii'', eine Inselrasse, die auf einigen Inseln der südlichen [[Kurilen]] sowie auf [[Sachalin]] brütet, ist wieder deutlich kleiner als die zuvor genannten, deutlich heller und zeigt keine oder nur eine undeutliche Bänderung. *''L. e. invictus'': Westliches Nordamerika, von Nord[[Alberta]] bis Nordalaska, möglicherweise auch im äußersten Nordosten Sibiriens. Sehr ähnlich der Unterart ''L. e. borealis'', jedoch etwas größer und etwas heller. *''L. e. borealis'': Nordöstliches Nordamerika, vor allem Nord[[québec]] und Nord[[ontario]]. Diese Unterart ähnelt stark der Nominatform, die Unterseite ist jedoch hellgrau (nicht schmutzigweiß) und weist eine leicht wellenförmige Bänderung auf. === Ähnliche Arten === In seinem großen Verbreitungsgebiet kann der Nördliche Raubwürger leicht mit einigen nah verwandten Grauwürgern verwechselt werden. Für Verwechslungen kommen in Südwest- und Südeuropa vor allem die Nominatform des Mittelmeerraubwürgers (''Lanius meridionalis meridionalis'') sowie der [[Schwarzstirnwürger]] (''Lanius minor'') in Frage; in Mittelasien überlappen sich die Brutgebiete des Wüstenraubwürgers (''Lanius meridionalis pallidirostris'') mit den Überwinterungsgebieten einiger Unterarten des Nördlichen Raubwürgers, und in Ostasien grenzen die Brutgebiete der sehr großen Rasse ''L.&nbsp;e. mollis'' an die des [[Keilschwanzwürger]]s (''Lanius sphenocercus''). In der Nearktis besteht während der Wintermonate eine nicht unbeträchtliche Verwechslungsgefahr vor allem der Unterart ''L.&nbsp;e. borealis'' mit dem [[Louisianawürger]] (''Lanius ludovicianus''), der dem Schwarzstirnwürger sehr ähnlich ist. Vom Südlichen Raubwürger unterscheiden sich die Unterarten des Nördlichen Raubwürgers vor allem durch den etwas kürzeren und weniger robust wirkenden Schnabel, die längeren Flügel und die etwas kürzeren Beine. Die Nominatformen sind auf Grund ihrer unterschiedlichen Gefiederfärbung gut zu unterscheiden: Der Südliche Raubwürger ist auf der Oberseite bleigrau (nicht schiefergrau wie ''L.&nbsp;e. excubitor''), weist nur ein kleines weißes Flügelfeld auf (''L.&nbsp;e.&nbsp;excubitor'' zwei), und seine Unterseite ist im Gegensatz zum Nördlichen Raubwürger deutlich rosa überhaucht. Vom Schwarzstirnwürger und Louisianawürger unterscheidet sich der Nördliche Raubwürger vor allem deutlich in der Größe. Die beiden genannten Arten sind um 15–20 % kleiner. Beim Schwarzstirnwürger ist die Gesichtsmaske wesentlich breiter und bedeckt markant den unteren Stirnbereich. Beim Louisianawürger ähnelt die Breite der Gesichtsmaske jener der Unterart ''L.&nbsp;e.&nbsp;borealis'', doch ist auch bei diesem Würger ein schmaler Bereich über dem Schnabelansatz schwarz eingefasst. Zudem fehlt die weiße obere Begrenzung der Gesichtsmaske beim Louisianawürger völlig. Der Keilschwanzwürger, der in Ostasien für Verwechslungen in Frage kommt, kann in der Gefiederfärbung der Rasse ''L.&nbsp;e.&nbsp;sibiricus'' sehr ähneln, doch ist er wesentlich größer und auffallend langschwänziger. == Stimme == Der Gesang des Nördlichen Raubwürgers, bei dem beide Geschlechter singen, besteht aus kurzen, wohltönend-flötend klingenden Strophen, die sehr variabel sind und in die häufig Elemente anderer Vogelgesänge und Rufe eingebettet werden. Meist beginnt der Gesang mit ''trrr''- oder ''prrrr''-Lautreihen, die später in relativ leise, auf der zweiten Silbe betonte ''tü-lick…prü-ii'' Elemente übergehen, die als eigentliche Kontaktrufe gedeutet werden. Dieser Gesang wird von exponierten Warten aus vorgetragen und ist von auffälligen Körperposen begleitet. Auch die Rufe sind sehr vielfältig. Am häufigsten ist der ''Wächterpfiff'', ein scharfer Triller, der vor allem bei der Sichtung eines Flugfeindes zu hören ist. Daneben verfügt der Raubwürger über eine Vielfalt oft rau und heiser klingender Lautäußerungen. In Bedrohungs -oder aggressiv gestimmten Situationen sind aus der Nähe [[Instrumentallaut]]e, wie [[Schnabelknappen]], zu vernehmen. Stimmbeispiele: [http://www.vogelwarte.ch/db/sound/5120.mp3 Kontaktrufe], [http://www.ltn.lv/~icterina/sounds/lanexc_uztraukums_2005-10-19_pape.mp3 Alarmrufe]. == Lebensraum == Allen Brut[[habitat]]en des Nördlichen Raubwürgers gemeinsam sind eine sehr gute Rundumsicht, ein lockerer Baum- und Buschbestand, ein weitgehend niedriger Bodenbewuchs und oft dichterstehende Baumgruppen im Nestbereich. Die Artverteilung der Baum- und Buschbestände scheint keine besondere Rolle zu spielen. Solche Habitatstrukturen findet der Nördliche Raubwürger in halboffenen Landschaften mit locker stehenden Bäumen und Büschen, ebenso in [[Streuobstwiese]]n, Randgebieten von [[Moor]]en, Waldrändern, die an geeignete Habitate grenzen, zuweilen in ausgedehnten Windbruch- oder brandgeschädigten Nadelwaldgebieten sowie in großen Wiederaufforstungen. Sekundärlebensräume, wie Truppenübungsplätze oder aufgelassene Tagbaugebiete spielen vor allem in Zentraleuropa eine Rolle. Der Bodenbewuchs in den Bruthabitaten muss weitflächig schütter und niedrig sein, um energiesparende und erfolgreiche Jagden zu ermöglichen. Häufig liegen Reviere des Nördlichen Raubwürgers topographisch etwas exponiert auf Kuppen und Kämmen, wobei der Sichtkontakt zu Nachbarrevieren eine Rolle spielen könnte. Brut- und Winterhabitate des Nördlichen Raubwürgers sind nicht identisch. Nach der Brutzeit verlassen auch die [[Standvogel|Standvögel]] unter den Nördlichen Raubwürgern ihre Brutreviere und siedeln kleinräumig in offenere, stärker durch Strauch- als durch Baumstrukturen geprägte Landschaften um. Auch stärker landwirtschaftlich genutzte Gebiete können von der Art im Winter genutzt werden. Geschlossene Waldgebiete, enge Täler, intensiv genutzte Agrargebiete sowie Landschaften mit zu geringem Bestand an Bäumen, Hecken und Büschen sind als Bruthabitat nicht geeignet. Die Reviergrößen hängen stark mit dem Nahrungsangebot zusammen. In Mitteleuropa wurden durchschnittliche Brutreviergrößen von etwa 40&nbsp;Hektar ermittelt, in manchen Teilen [[Weißrussland]]s, wo der Raubwürger vor allem am Rande von Nadelwäldern brütet, wurden bis zu 10 Reviere innerhalb eines Quadratkilometers festgestellt. == Verbreitung == [[Bild:lanius excubitor distr.png|thumb|500px|Verbreitung des Nördlichen Raubwürgers (''Lanius excubitor'') {{Farblegende|#339966|Mehrheitlich Jahresvögel, mehr Männchen als Weibchen|Grün}} {{Farblegende|#FFCC00|Meist Langstreckenzieher im Norden, im Süden Kurzstreckenmigrant|Orange}} {{Farblegende|#00CCFF|Winterverbreitung|Blau}}]] Das sehr große Brutgebiet des Nördlichen Raubwürgers liegt in seinen Kernbereichen im holarktischen [[Borealer Nadelwald|Taigagürtel]] und in den Übergangsbereichen von Taiga zur [[Tundra]]. In Europa brütet die Art in West- und Mittel[[frankreich]], in geringer Zahl in den [[Beneluxstaaten]], [[Dänemark]], [[Litauen]] und [[Lettland]] sowie in wenigen Brutpaaren in [[Österreich]]. In Deutschland brüten etwa 2000 Paare, die sich bis auf [[Schleswig-Holstein]] auf alle Bundesländer verteilen. Die Bestandszahlen sind stark rückläufig; die individuenreichsten Vorkommen liegen in [[Niedersachsen]] sowie in [[Sachsen]]. Zahlreicher kommt der Nördliche Raubwürger in Nord[[skandinavien]], [[Estland]], [[Polen]] und [[Weißrussland]] sowie in der [[Tschechische Republik|Tschechischen Republik]] und in der [[Slowakei]] vor. Nach Süden und Südosten erreicht die Art [[Rumänien]], [[Bulgarien]], [[Moldawien]] und die [[Ukraine]]. Auch in der Ost[[türkei]] sowie in [[Transkaukasien]] kommt der Nördliche Raubwürger vor. Die Schwerpunktverbreitungsgebiete liegen im europäischen und asiatischen Teil Russlands, wo sie sich in einem relativ breiten Gürtel ostwärts bis in das [[Anadyr (Fluss)|Anadyr]]-Gebiet am Pazifischen Ozean hinziehen. Die Nordgrenze der geschlossenen Verbreitung liegt zwischen 65 und 70° nördlicher Breite. Die Südgrenze ist uneinheitlicher: Abgesehen von einigen Verbreitungsinseln in Europa liegen die südlichsten Vorkommen in [[Kasachstan]], in Nordwest[[china]] ([[Tianshan]]), in der nördlichen Mongolei, im äußersten Osten auf Sachalin sowie auf einigen Inseln der südlichen Kurilen. In Nordamerika brütet die Art von [[Labrador (Kanada)|Labrador]] westwärts über Mittel[[kanada]] bis nach [[Alaska]]. Die Nordgrenze stimmt mit jener der eurasischen Verbreitung überein, die südlichsten Brutgebiete liegen in der Provinz Québec bei etwa 60° nördlicher Breite. Die Winterverbreitung überlappt sich mit den Brutgebieten, reicht jedoch generell viel stärker nach Süden, in Europa auch nach Nordwesten. So erscheint der Nördliche Raubwürger während des Winters zum Beispiel in [[Vereinigtes Königreich|Großbritannien]]. Sofern geeignete Bruthabitate vorhanden sind, brütet der Nördliche Raubwürger sowohl im Tiefland als auch in Höhenlagen über 2.000&nbsp;m, so beispielsweise im Altai oder Tianshan. Auch im [[Kaukasus]]gebiet sind Brutplätze jenseits der Baumgrenze bekannt. == Nahrung und Nahrungserwerb == Die Nahrung des Nördlichen Raubwürgers besteht fast ausschließlich aus Tieren, nur im Herbst werden in sehr geringen Mengen Früchte aufgenommen. [[Wühlmäuse]], vor allem Arten der Gattung ''Microtus'', [[Echte Mäuse]] sowie [[Spitzmäuse]] (''Sorex sp.'') überwiegen. Ihr Anteil an der Gesamtnahrungsmasse kann bis zu 90 % betragen. Daneben bilden verschiedene Kleinvogelarten einen weiteren wichtigen Nahrungsanteil. Bei hoher Schneelage können Kleinvögel zur Hauptbeute werden. Während der Jungenaufzucht, vor allem während der ersten Tage, werden verstärkt verschiedene [[Insekten]]arten, besonders [[Laufkäfer]], [[Blatthornkäfer]] und [[Rüsselkäfer]], aufgenommen, auch [[Ohrwürmer]] spielen in dieser Zeit eine Rolle. Selten erbeutet der Nördliche Raubwürger [[Fledermäuse]], [[Amphibien]], [[Reptilien]] oder [[Fische]] und gelegentlich wurde die Art an [[Aas]] größerer [[Säugetiere]] beobachtet. Der Nördliche Raubwürger ist in der Lage, Vögel bis zur Größe einer [[Wacholderdrossel]] und Säugetiere bis zur Größe eines [[Lemmini|Lemmings]] zu überwältigen und Beutetiere bis zum eigenen Gewicht im Fluge wegzutragen. [[Bild:Lanius excubitor 1 (Marek Szczepanek).jpg|thumb|Nördlicher Raubwürger mit aufgespießter Beute]] Der Nördliche Raubwürger ist vor allem ein Wartenjäger, der von meist exponierten, mehrheitlich in Höhen zwischen drei und acht Metern liegenden Ansitzen aus insbesondere den Boden seiner Umgebung nach Nahrung absucht. Wird ein Beutetier entdeckt, gleitet er steil abwärts und versucht, es nach einem bodennahen Gleitflug zu schlagen. Die Warten werden häufig gewechselt. Neben dieser Hauptjagdmethode werden Beutetiere auch aus einem langsamen Suchflug aus entdeckt, der häufig von kurzen, relativ bodennahen Rüttelphasen unterbrochen wird. Die Beute wird hauptsächlich am Boden geschlagen, doch werden auch erfolgreiche Flugjagden auf Kleinvögel und Insekten beobachtet. Auch im Geäst sitzende Vögel werden in einem überraschenden, [[sperber (Art)|sperber]]artigen Angriffsflug erbeutet. Bei sehr schlechter Sicht sucht der Nördliche Raubwürger auch am Boden hüpfend oder schreitend nach Nahrung. Das Beutetier wird durch kräftige Schnabelhiebe oder durch einen Nackenbiss getötet und häufig auf Dornen aufgespießt oder in einer Astgabel eingeklemmt, was sowohl der Aufbewahrung und Vorratshaltung als auch der Fixierung der Beute dient, um bei ihrer stückweisen Zerlegung die ganze Kraft einsetzen zu können. Gefüllte ''Vorratskammern'' könnten auch bei der Partnerwahl eine Rolle spielen. Im Experiment konnte nachgewiesen werden, dass Raubwürger, deren Spießplätze geleert wurden, bei der Partnersuche erfolglos blieben. Inwieweit den Gesangsimitationen eine Funktion beim Beuteerwerb zukommt, ist nicht erschöpfend erforscht. Möglicherweise könnten dadurch verschiedene Kleinvogelarten angelockt werden und so leichter zu erbeuten sein. == Verhalten == === Allgemein === Der Nördliche Raubwürger ist tagaktiv, auch in den nördlichsten Brutgebieten hält er einen scheinbaren Tag-Nacht-Rhythmus ein. Gelegentlich werden die Aktivitätsphasen in die Dämmerungsstunden verlegt, besonders bei der Jagd auf Fledermäuse oder wenn bestimmte Insektenarten schwärmen. Den Tag verbringt er vor allem mit Ansitzjagd, wobei seine Körperhaltung meist etwas waagerechter ist als die anderer Würger. Während der Ruheperioden sucht er dichte Büsche oder junge Nadelbäume auf, oft deuten größere [[Gewölle]]ansammlungen auf regelmäßig benutzte Schlafplätze hin. Wenn vorhanden, werden [[Wacholder]]büsche (''Juniperus communis'') als Schlafgehölze bevorzugt. Nördliche Raubwürger baden oft, wobei sie den Körper ganz unter Wasser tauchen. Anschließend wird das Gefieder mit leicht ausgebreiteten Schwingen getrocknet. Nach den Mahlzeiten reinigt er den Schnabel durch seitliches Reiben an einem Ast. === Sozialverhalten === Der Nördliche Raubwürger ist während des gesamten Jahres territorial. Während der Brutzeit behauptet ein Brutpaar ein Territorium, außerhalb der Brutzeit besetzt jedes Individuum ein [[Revier (Tier)|Revier]] für sich. Die Winterterritorien sind meist etwas größer als die der Brutsaison. Häufig bilden einige Brutpaare sogenannte Revierklumpen, die relativ weiträumig von Nachbarrevieren getrennt sind. Auch in den Wintergebieten besteht ein loser sozialer Zusammenhang zwischen einzelnen Revieren. Die Bedeutung dieser sozialen Affinität zeigt sich darin, dass Einzelbrutplätze in optimalen Habitaten eher aufgegeben werden als Revierklumpen selbst in suboptimalen Lebensräumen. Die Reviergrenzen werden von den Revierinhabern regelmäßig inspiziert, häufig führen diese Markierungsflüge zu ''Gruppentreffen'' mit anderen Mitgliedern des Revierverbandes außerhalb der jeweiligen Reviergrenzen. Obwohl vorhanden, ist das Rivalitäts-und Aggressionsverhalten gegenüber Mitgliedern des Revierverbandes gemäßigter als das gegenüber fremden Artgenossen. === Feind- und Aggressionsverhalten === Sowohl gemeinsame Brutterritorien als auch Individualterritorien werden gegenüber Artgenossen energisch verteidigt, wobei es aber fast immer bei Drohgebärden bleibt. Dabei wird abhängig vom Aggressionsgrad der Schwanz gefächert, die Flügel zucken, und der Schnabel ist bei fast waagrechter Körperhaltung vorgestreckt. Bei höchster Erregung ist das Nacken- und Kopfgefieder gesträubt. Begleitet werden diese Körperposen von rauen, kreischenden Rufen. Auf Flugfeinde reagiert die Art sehr unterschiedlich. Naht ein [[Habicht]] oder Sperber oder eine bevorzugt Vögel jagende Vogelart (verschiedene [[Falken]]arten, [[Eulen]], [[Raubmöwen]]), warnt der Nördliche Raubwürger intensiv und flieht in dichtes Gestrüpp. [[Mäusebussard]]e, [[Milane]], [[Turmfalke]]n, [[Raben und Krähen|Raben]], [[Raben und Krähen|Krähen]], [[Elster]]n und [[Häher]] werden während der Brut energisch attackiert und über die Reviergrenzen hinaus verfolgt. Außerhalb der Brutzeit warnt der Würger zwar, greift die Eindringlinge aber nur an, wenn sie einem Spießplatz zu nahe kommen. Vor nahenden Menschen wird während der Brut- und Nestlingszeit schon in Entfernungen von über 200 Metern gewarnt, im Winter kann die Fluchtdistanz unter 50 Meter sinken. Selten wurden auch direkte Angriffe auf Menschen beobachtet, die dem Brut- oder einem Spießplatz zu nahe kamen. Gegenüber anderen Würgerarten besteht kein Rivalitätsverhältnis; [[Neuntöter]] brüten regelmäßig in Raubwürgerrevieren, ohne dass Aggressionsbegegnungen beobachtet worden wären. [[Wacholderdrossel]]n suchen nicht selten die Nähe zu Raubwürgerrevieren und geben gelegentlich ihre Brutplätze auf, wenn die Raubwürger abziehen. Sie profitieren wahrscheinlich von der ''Luftraumüberwachung'' durch diese Würgerart. Welchen Nutzen der Raubwürger aus dieser Nähe zieht, ist nicht bekannt, doch ist auffällig, dass die im Revier brütenden Wacholderdrosseln von der Würgerart nicht angegriffen werden, und umgekehrt die Walcholderdrosseln die Würger nicht bekoten. === Wanderungen === Der Nördliche Raubwürger ist sowohl [[Jahresvogel]], fakultativer [[Kurzstreckenzieher]] als auch [[Langstreckenzieher]], wobei sowohl die Anteile jener Vögel, die das Brutgebiet im Winter verlassen, als auch die Zugdistanzen von Süden nach Norden zunehmen. Die Winterquartiere der nordischen Vögel liegen meist in den Brutgebieten der etwas südlicher brütenden Populationen, während diese wiederum im weiteren Umkreis des Brutgebietes verharren oder in klimatisch und nahrungsmäßig günstigere Gebiete ausweichen. Die Zugrichtungen sowohl der Unterarten als auch einzelner Populationen sind uneinheitlich: sie liegen im Sektor West-Südwest-Süd-Südost. Die Hochgebirgsrassen wandern vor allem altitudinal. Zugbewegungen der in gemäßigten Breiten brütenden Vögel werden meist durch Nahrungsengpässe ausgelöst, wobei die Weibchen eher das Brutgebiet verlassen als die Männchen. Skandinavische Vögel scheinen vor allem in Großbritannien zu überwintern, während mitteleuropäische hauptsächlich nach Süd- und Westfrankreich verstreichen. Von den in Zentraleuropa brütenden Vögeln verlassen etwa 50 % das Brutrevier, die am äußersten Nordrand ihres Verbreitungsgebietes lebenden Populationen räumen zu 100 % ihre Brutgebiete. Auf Grund der unterschiedlichen Zugstrategien können die Bestände des Nördlichen Raubwürgers in Mittel- und Westeuropa im Winterhalbjahr größer sein als während der Brutsaison. == Brutbiologie == Nördliche Raubwürger werden gegen Ende des ersten Lebensjahres geschlechtsreif, viele der Vögel brüten aber erst im zweiten Lebensjahr. Sie führen eine [[Monogamie|monogam]]e Brutsaisonehe; bei in einem Revierverband brütenden Paaren wurden jedoch gelegentliche Kopulationen verpaarter Weibchen mit Männchen aus Nachbarrevieren beobachtet. Die Paarbildung der Standvögel beginnt schon Ende Februar, die der Zugvögel – abhängig von der geografischen Breite des Brutgebietes – wesentlich später. Sie dauert fast einen Monat und ist gekennzeichnet durch einen langsamen Abbau der innerartlichen Aggression. Während dieser Anpaarungszeit verliert das Weibchen mehr und mehr seine Selbstständigkeit, bis es zum Zeitpunkt der Eiablage vollständig vom Männchen mit Nahrung versorgt wird. Auch in der Auswahl der Wartenplätze wird diese Dominanzverschiebung deutlich: Bei verpaarten Raubwürgern sitzt das Männchen immer höher und weiter außen als das Weibchen, ein Verhalten, das ''Bauchzeigen'' genannt wird. Bei der Nahrungsübergabe zeigt das Weibchen Nestlings- und Beschwichtigungsverhalten: In geduckter Körperhaltung zittert es mit den Flügeln und stößt Bettelrufe aus. In der Zeit der Hoch[[balz]], in der auch die ersten Nestbauhandlungen beginnen, vollführt das Männchen auffällige Hochflüge, aus denen es, langsam abwärts gleitend, zum Neststandort zurückkehrt. Den häufigen Kopulationen gehen meist solche Hochflüge sowie Futterübergaben voraus. === Neststandort und Nest === Der Neststandort wird vom Männchen ausgewählt. Meist liegt er in Bäumen oder in höheren, bevorzugt mit Dornen bewehrten Büschen. Die Art des Nistgehölzes ist sehr unterschiedlich, ebenso die Höhen, in denen das Nest errichtet wird. Nester können relativ bodennah (unter zwei Meter), aber auch in relativ großen Höhen von 20 Metern und mehr errichtet werden. Baumnester liegen meist in einer besonders dichten Stelle in der Krone, nach Möglichkeit sind sie sowohl von oben als auch von unten gegen Sicht gedeckt. Oft werden sie in [[Hexenbesen (Biologie)|Hexenbesen]] oder in [[Misteln|Mistel]]büsche gebaut. Der Nistplatz wird häufig von höheren Bäumen überragt, von denen aus das Männchen das Nest bewachen kann. Sonnenexponierte Lagen auf Hügelkuppen oder kleinen Erhebungen zeichnen viele Neststandorte aus. Das Nest wird vom Paar gemeinsam gebaut, das Männchen schafft jedoch das meiste Material herbei. Das voluminöse Nest wirkt von außen unregelmäßig und etwas schlampig gebaut, ist jedoch eine stabile und festgefügte Konstruktion. Verbaut werden Stängel, Zweige, Grashalme und andere Materialien. In die Außenverkleidung werden häufig dornige Zweige eingearbeitet. Für die Nestmulde verwendet diese Würgerart vor allem Federn, Tierhaare oder weiche Pflanzenteile (zum Beispiel [[Wollgras]]). Gelegentlich werden Nester mehrmals ausgebessert und über mehrere Jahre hinweg benutzt. === Gelege, Brut und Nestlingszeit === Das Gelege besteht aus vier bis sieben, in Ausnahmefällen bis zu neun Eiern, die in ihrer Färbung recht variabel, meist aber grünlich- oder bläulichweiß sind und vermehrt am stumpfen Pol eine bräunliche oder purpurne Fleckung aufweisen. Ihre Größe beträgt im Mittel 26,5 × 19,5 Millimeter. Der Nördliche Raubwürger brütet nur ein Mal im Jahr, nur bei Gelegeverlust zeitigt er ein Zweitgelege, meist mit geringerer Eianzahl. Die Eiablage der westeuropäischen Standvögel beginnt frühestens Ende März. Zugvögel, insbesondere die der nordischen Populationen, beginnen wesentlich später zu brüten. Vollgelege können bis in den Juni hinein gefunden werden. Die Eier werden im Abstand von 24&nbsp;Stunden in den Vormittagsstunden gelegt, das Weibchen beginnt erst mit der Ablage des vorletzten Eies zu brüten. Die Brutdauer liegt abhängig von der Witterung zwischen 15 und 17 Tagen. Die Jungen schlüpfen im Abstand von zwei Tagen nackt und blind. In den ersten Tagen versorgt das Männchen Weibchen und Brut mit Nahrung, nach etwa einer Woche beteiligt sich das Weibchen an der Nahrungsbeschaffung, verbringt jedoch die meiste Zeit noch immer am Nest. Die Jungen sind nach durchschnittlich 19 Tagen flügge; sie werden noch mindestens weitere vier Wochen von den Eltern betreut, bevor sich der Familienverband nach und nach auflöst und die Jungen [[Dispersionszug|dismigrieren]]. Auch die Paarbindung erlischt bald darauf, und die Eltern wechseln in die getrennten Winterreviere oder verlassen gänzlich das Brutgebiet. Gelegentlich wurden sowohl unverpaarte Männchen als auch Weibchen als [[Bruthelfer]] beobachtet. Nicht selten wird der Nördliche Raubwürger vom [[Kuckuck]] (''Cuculus canorus'') parasitiert, auch intraspezifischer [[Brutparasitismus]] kommt vor. == Bestand und Bedrohung == Die Bestandsentwicklung dieser Art ist uneinheitlicher und komplexer als die anderer Würgerarten. Bestandsrückgängen in West-und Zentraleuropa stehen stabile Vorkommen oder Zunahmen in Nord- und Nordosteuropa gegenüber. Für die Bestandseinbußen werden sowohl stärker atlantisch beeinflusste Großwetterlagen, die Kältewinter am Anfang der 1960er und gegen Ende der 1970er Jahre, auf [[Pestizid]]eintrag zurückzuführender Mangel an Beutetieren sowie Habitatverluste verantwortlich gemacht. Die europäische Gesamteinschätzung mit ''D'' (= depleting) ist insofern irreführend, als in ihr auch die relativ stark abnehmenden spanischen Bestände von ''Lanius meridionalis'' enthalten sind. In der [[Schweiz]] ist der Nördliche Raubwürger seit 1987 ausgestorben, schon etwas früher erloschen sind die Vorkommen in [[Vorarlberg]] und im [[Bodensee]]gebiet. Die ehemals guten Bestände des Nördlichen Raubwürgers in [[Baden-Württemberg]] sind bis auf wenige Paare, die im südlichen [[Schwarzwald]] beziehungsweise auf der [[Schwäbische Alb|Schwäbischen Alb]] brüten, erloschen. Die amerikanischen Bestände scheinen im Westen weitgehend stabil zu sein, im Osten wird eine Abnahme der Brutvorkommen vermutet. Doch fehlt, ebenso wie für die asiatische Bestandssituation, verlässliches Zahlenmaterial. == Namensherleitung == Der Gattungsname ''Lanius'' ist lateinisch und bedeutet ''Fleischer''. Im Englischen werden die Würger auch ''Butcher-birds'' genannt. Die deutsche Übersetzung des ebenfalls lateinischen ''excubitor'' ist ''Wächter'' und reflektiert die Eigenschaft des Nördlichen Raubwürgers, seine Umgebung sehr sorgfältig zu beobachten und vor herannahenden, als Bedrohung empfundenen Eindringlingen zu warnen. == Literatur == *Tom J. Cade, Eric C. Atkinson: ''Northern Shrike (Lanius excubitor).'' In: ''The Birds of North America.'' Bd. 17. Hrsg. v. A. Poole u. F. Gill. The Birds of North America, Philadelphia PA 17.2002,671. {{ISSN|1061-5466}}. *Tony Harris, Kim Franklin: ''Shrikes & Bush-Shrikes. Including wood-shrikes, helmet-shrikes, flycather-shrikes, philentomas, batises and wattle-eyes.'' Christopher Helm, London 2000, S. 58–61, 150–155, ISBN 0-7136-3861-3. *Evgenij N. Panov: ''Die Würger der Paläarktis''. Westarp-Wissenschaften, Magdeburg 1996, S. 187–198, ISBN 3-89432-495-3. * Jürgen Haffer: ''Passeriformes. Sittidae, Laniidae.'' [[Handbuch der Vögel Mitteleuropas]]. Bd 13,2. Hrsg. von Kurt M. Bauer und Urs N. Glutz von Blotzheim. Aula, Wiesbaden 1993 (2.Aufl.), S. 1262–1328, ISBN 3-89104-535-2. *Jochen Hölzinger (Hrsg.): ''Die Vögel Baden-Württembergs.'' Band 3.2 Singvögel 2. Eugen Ulmer, Stuttgart 1997, S. 289–321, ISBN 3-8001-3483-7. *Viktor Wember: ''Die Namen der Vögel Europas. Bedeutung der deutschen und wissenschaftlichen Namen.'' AULA, Wiebelsheim 2005, S. 145, ISBN 3-89104-678-2. == Weblinks == {{Commons|Lanius excubitor|Raubwürger}} *[http://www.birdlife.org/datazone/species/index.html?action=SpcHTMDetails.asp&sid=31195&m=0 factsheet birdlife international 2005] *[http://www.birdlife.org/datazone/species/BirdsInEuropeII/BiE2004Sp31195.pdf factsheet birdlife europe 2004] (PDF-Datei; 234 kB) * {{IUCN |Year=2008 |ID=150720 |ScientificName=Lanius excubitor |YearAssessed=2008 |Assessor=BirdLife International |Download=31. Januar 2009 }} * {{IBC|ID=northern-shrike-lanius-excubitor|Titel=Lanius excubitor}} * [http://www.wietingsmoor.de/raubwuerger.html Raubwürger im ''Wietingsmoor''] {{Exzellent}} {{DEFAULTSORT:Nordlicher Raubwurger}} [[Kategorie:Würger]] [[be:Шэры саракуш]] [[be-x-old:Шэры саракуш]] [[bg:Сива сврачка]] [[br:Pig-spern c'hris]] [[ca:Botxí septentrional]] [[cs:Ťuhýk šedý]] [[en:Great Grey Shrike]] [[eo:Granda lanio]] [[et:Hallõgija]] [[fi:Isolepinkäinen]] [[fr:Pie-grièche grise]] [[gl:Picanzo real setentrional]] [[hu:Nagy őrgébics]] [[ja:オオモズ]] [[lt:Plėšrioji medšarkė]] [[mr:भुरा खाटीक]] [[nl:Klapekster]] [[no:Varsler (fugl)]] [[pl:Srokosz]] [[sah:Таллан кэрэ]] [[sk:Strakoš veľký]] [[sv:Varfågel]] [[tr:Büyük örümcek kuşu]] [[zh:灰伯劳]] mp3lktbsr8q9k2rm52u96h1ott1gxfv wikitext text/x-wiki Storchschnäbel 0 23496 26095 2010-04-25T05:53:49Z Rolf29 0 Unzutreffende Halbklammer entfernt <!-- Für Informationen zum Umgang mit dieser Tabelle siehe bitte [[Wikipedia:Taxoboxen]]. --> {{Taxobox | Taxon_Name = Storchschnäbel | Taxon_WissName = Geranium | Taxon_Rang = Gattung | Taxon_Autor = [[Carl von Linné|L.]] | Taxon2_Name = Storchschnabelgewächse | Taxon2_WissName = Geraniaceae | Taxon2_Rang = Familie | Taxon3_Name = Storchschnabelartige | Taxon3_WissName = Geraniales | Taxon3_Rang = Ordnung | Taxon4_Name = Eurosiden II | Taxon4_Rang = ohne | Taxon5_Name = Rosiden | Taxon5_Rang = ohne | Taxon6_Name = Kerneudikotyledonen | Taxon6_Rang = ohne | Bild = Wiesenstorchschnabel.jpg | Bildbeschreibung = [[Wiesen-Storchschnabel]] (''Geranium pratense'') }} Die '''Storchschnäbel''' (''Geranium'') oder '''Geranien''' sind mit rund 380 bis 430 Arten die artenreichste [[Gattung (Biologie)|Gattung]] der [[Storchschnabelgewächse]] ([[Geraniaceae]]). Arten und Sorten dieser Gattung werden mindestens seit dem 16. Jahrhundert im Garten kultiviert. Heute sind Arten und vor allem [[Sorte (Pflanze)|Sorten]] dieser Gattung in zahllosen Gärten und Parks anzutreffen. == Pelargonien und Geranien == Bis ins späte 18. Jahrhundert wurden auch die als Beet- und Balkonpflanzen beliebten [[Pelargonie]]n zur Gattung ''Geranium'' gezählt. Darauf weist der für diese Pflanzen noch heute in der Umgangssprache und im allgemeinen Handel gebräuchliche Begriff "'''Geranien'''" hin, der botanisch allerdings nicht korrekt ist. Denn Geranien und Pelargonien ("Geranien") sind innerhalb der Storchschnabelgewächse zwei verschiedene Gattungen, die allerdings eng verwandt sind. So gibt es einige wenige Geranienarten, die sich wie Pelargonien durch weiche, filzige Stängel und große Rundblätter auszeichnen und damit den Arten dieser Gattung sehr ähnlich sehen. Einer der Unterschiede zwischen den beiden Gattungen ist: ''Geranium'' hat [[radiärsymmetrisch]]e [[Blüte]]n und ''Pelargonium'' hat [[zygomorph]]e Blüten. == Verbreitung == === Storchschnäbel - weltweit zuhause === [[Bild:Geranium sessiliflorum0.jpg|thumb|left|250px|''[[Geranium sessiliflorum]]'' gehört zu den Storchschnabelarten, die auf [[Neuseeland]] und [[Tasmanien]] beheimatet sind]] Storchschnabel-Arten kommen auf allen Kontinenten und sogar in der [[Arktis]] und [[Antarktis]] vor. Sie sind außerdem in [[Südafrika]], [[Taiwan]], [[Indonesien]], [[Neuguinea]], [[Australien (Kontinent)|Australien]], [[Tasmanien]], [[Neuseeland]], den Hawaii-Inseln, den [[Azoren]] und [[Madeira]] vertreten, wobei die eher kühleres Wetter bevorzugenden Geranien in diesen Regionen in der Regel in Gebirgsregionen wachsen. Geranien benötigen ein kühl-gemäßigtes Klima. Da in solchen Gebieten der Erde selten Trockenheit herrscht, sind viele der Storchschnabel-Arten auf gut feuchte Böden eingestellt. Aufgrund dieses Feuchtigkeitsbedürfnisses herrschen in den wärmeren Regionen ihres Verbreitungsgebietes einjährige Geranium-Arten vor, die ihre Wachstumszeit in der Regel im Winter haben und im Sommer als Samen ruhen. === Standortanpassungen in Mitteleuropa heimischer Storchschnäbel === Die meisten Storchschnabelarten bevorzugen basen- und stickstoffsalzreiche Lehmböden. Sie besiedeln häufig Ödlandflächen, Hackfruchtäcker, lückige Gebüsche und Rodungsflächen. Innerhalb dieses Standortspektrums zeigen die einheimischen Storchschnäbel artspezifische Anpassungen. Der [[Blutroter Storchschnabel|Blutrote Storchschnabel]] wächst in [[Europa]] bis nach Kleinasien in den sonnigen und lichten Waldrandbereichen und kommt dabei auch mit trockenen Böden zurecht. Der [[Wiesen-Storchschnabel]], dessen Verbreitungsgebiet von Europa bis nach Mittelasien und [[Sibirien]] reicht, ist dagegen eher an kühl-feuchten Standorten zu finden und wächst bevorzugt in den feuchten Senken von Wiesen und an Gräben. Der [[Wald-Storchschnabel]], der von Europa bis nach [[Westasien]] zu finden ist, wächst dort in bodenfeuchten Mischwäldern, auf frischen bis feuchten Bergwiesen und Hochstaudenfluren. === Storchschnäbel als Neophyten, Archäophyten und Adventivpflanzen === Aufgrund ihrer Beliebtheit als Gartenpflanzen wurden Storchschnabelarten mittlerweile in viele Ländern eingeführt, in denen sie ursprünglich nicht beheimatet waren. Der [[Rundblättriger Storchschnabel|Rundblättrige Storchschnabel]], den man in Mitteleuropa gelegentlich in [[Weinbau]]-Gebieten findet, ist vermutlich ursprünglich im Mittelmeerraum beheimatet gewesen. Heute ist er nahezu weltweit verbreitet. In einigen Ländern haben die Storchschnabel-Arten so gute Ausgangsbedingungen gefunden, dass sie in sehr großem Maße verwildert sind und teilweise als Bioinvasoren angesehen werden. So wird das in Mitteleuropa beheimatete [[Ruprechtskraut]] an der Westküste der [[USA]] mittlerweile als unerwünschtes Unkraut eingeordnet. Auch der [[Pyrenäen-Storchschnabel]], den man in Mitteleuropa gelegentlich an Straßenrändern findet, ist als sogenannter [[Neophyt]] zu betrachten. Anders als das in den USA ungern gesehene Ruprechtskraut fristet er in Mitteleuropa eher ein Nischendasein. Zu den mitteleuropäischen [[Archäophyt]]en gehört dagegen der [[Schlitzblättriger Storchschnabel|Schlitzblättrige Storchschnabel]]. Diese Storchschnabelart, die auf basen- und stickstoffsalzhaltigen Lehmboden wächst, ist ursprünglich im Mittelmeerraum beheimatet gewesen und zählt zu den [[Hemerochorie|hemerochoren]] Pflanzen, die mit den ersten Ackerbauern vermutlich über Saatgutverunreinigungen nach Mitteleuropa verschleppt wurden (sogenannte [[Speirochorie]]). Der [[Spreizender Storchschnabel|Spreizende Storchschnabel]] wird nur gelegentlich aus seinem Ursprungsgebiet, den warmen Tälern der West- und Südalpen wie dem [[Kanton Wallis|Wallis]] und dem [[Veltlin]] nach Mitteleuropa in Form von Samen verschleppt (sogenannte [[Agochorie]]). Er ist dann in der Lage, sich vorübergehend an dem neuen Standort zu etablieren. Er zählt daher zu den sogenannten [[Adventivpflanzen]]. [[Bild:Illustration Geranium phaeum0.jpg|thumb|250px|Illustration: [[Brauner Storchschnabel]] (''Geranium phaeum'')]] == Beschreibung == Die deutsche Bezeichnung „Storchschnabel“ erscheint beim ersten Blick auf die blühende Pflanze unverständlich. Der Fruchtstand erklärt jedoch den Namen: Die länglichen, eigenwillig gestalteten Fruchtstände erinnern an den Schnabel des Storches. Die botanische Bezeichnung „Geranium“ lässt sich ebenfalls auf die Form der Fruchtstände zurückführen. Sie lässt sich auf das griechische Wort "géranos" (Kranich) zurückführen. === Die Pflanze === Es sind überwiegend mehrjährige, seltener ein- oder zweijährige [[krautige Pflanze]]n, wenige Arten sind [[Halbstrauch|Halbsträucher]] oder [[Sträucher]]. Sie enthalten [[ätherische Öle]]. Geranien wachsen buschig oder horstartig. In freier Natur sorgen die großen Blätter der Geranien und ihre häufig starke Breitenausdehnung dafür, dass sie im Vergleich zu konkurrierenden Pflanzen an ihrem Standort verhältnismäßig viel Nährstoffe und Wasser erhalten. Wie alle Familienmitglieder der Storchschnabelgewächse haben Storchschnäbel gelenkartig verbundene [[Stängel]], die häufig Drüsenhaare haben. Einige Arten wie beispielsweise der [[Balkan-Storchschnabel]] sind nahezu immergrün, andere wie der [[Basken-Storchschnabel]] bilden während ihrer Blütezeit große, rundliche Laubhügel aus, die während des Winterhalbjahrs verrotten. === Die Blätter === Die wechsel- oder gegenständigen, gestielten [[Blatt (Pflanze)|Laubblätter]] sind je nach Art unterschiedlich gestaltet. Bei einigen Arten gleicht das Blatt der bei den Pelargonien vorkommenden runden Form, bei den meisten Arten ist es jedoch fünfteilig und jeder Blattlappen stark eingekerbt. Stark geteilte Blätter hat beispielsweise ''Geranium purpureum''. Bei dieser Art ist jedes Blatt in fünf Lappen unterteilt, die Teilung reicht dabei bis zur Blattachse. Zusätzlich ist jedes Blatt an der Spitze gelappt. Diese Blattform, die für viele der ''Geranium''-Arten typisch ist, bezeichnet man botanisch als tief fiederspaltig. Bei den meisten Arten sind die Blätter einfarbig dunkelgrün, bei nur wenigen Arten treten unterschiedliche Grüntöne in der Blattfarbe auf. Die dunkelsten Blätter hat die auf [[Neuseeland]] und [[Tasmanien]] beheimatete Art ''Geranium sessiliflorum''. Bei einigen Sorten dieser Art wurde die ungewöhnliche Blattfärbung noch vertieft, sie ist fast dunkelviolett. [[Nebenblätter]] sind vorhanden. [[Bild:GeraniumPratense-closeup-hr.jpg|thumb|260px|Zuchtsorte des [[Wiesen-Storchschnabel]]s mit leuchtend blauen Blütenkronblättern.]] === Die Blüten === Die Blüten stehen selten einzeln, meist zu zweit. Die [[Blüte]] wächst in der Regel an einem langen Stiel. Dies ermöglicht den Geranien an ihren natürlichen Standorten eine Konkurrenz zu den meist anderen, gleich hoch wachsenden Pflanzen von denen sie umgeben sind und auf diese Weise ihre Bestäubung sicherstellen. Die zwittrige, [[radiärsymmetrisch]]e Blüte ist fünfzählig. Die fünf grünen, freien und häufig behaarten [[Kelchblatt|Kelchblätter]] weisen stets eine vorspringende Spitze auf. Sie schließen zuerst die Blütenknospe ein. Wenn sich nach der [[Bestäubung]] aus der Blüte die Frucht entwickelt, vergrößern sich die Kelchblätter und schützen den Ansatz der entstehenden großen Frucht. Die fünf freien [[Kronblätter]] sind bei manchen Arten genagelt. Die Farbe der Blütenkronblätter der Storchschnabel-Arten reicht von Weiß über Rosa und Purpurrot bis zu einem leuchtenden Blau. Bei vielen Arten und Sorten ist eine deutliche Maserung der Kronblätter erkennbar. Es sind zwei Kreise mit je fünf [[Staubblatt|Staubblättern]] vorhanden, sie sie sind alle [[fertil]]; bei den anderen Gattungen der Familie ist ein Teil der Staubblätter zu [[Staminodien]] reduziert. Die Ränder der [[Staubfäden]] sind behaart. Die meist fünf Nektarien des Diskus alternieren mit den Kronblättern, selten sind sie zu einem Ring vereinigt. Fünf [[Fruchtblatt|Fruchtblättern]] sind zu einem oberständigen [[Fruchtknoten]] verwachsen. Der Griffel endet in fünf Narben. Blütenformel: <math>\star K_{5} \; C_5 \; A_{5+5} \; G_{\underline{(5)}}</math> Jedes einzelne Blütenkronblatt ist im Gegensatz zum Kelchblatt bei der überwiegenden Zahl der Arten am Ende abgerundet. Die Blütenform dagegen kann je nach Art unterschiedlich sein. Bei den Blüten des [[Wald-Storchschnabel]]s handelt es sich um Scheibenblumen, die Blütenform des in Laub- und auf Schuttplätzen wachsenden [[Ruprechtskraut]]es bezeichnet man dagegen als Trichterblumen. Dementsprechend sind auch unterschiedliche Insekten an der Bestäubung beteiligt. Die Blüten des Wald-Storchschnabels mit dem leicht zugänglichen Nektar werden von [[Schwebfliegen]], [[Bienen]] und [[Tagfalter]]n besucht. An den Nektar des Ruprechtskrauts dagegen gelangen nur langrüsselige Bienen- und Schmetterlingsarten. [[Bild:Illustration Geranium silvaticum.jpg|thumb|260px|[[Wald-Storchschnabel]] - seine Blüten bieten leicht zugänglichen Nektar.]] === Die Frucht === Sowohl der wissenschaftliche Name ''Geranium'' als auch der deutsche Name Storchschnabel bezieht sich auf die Form der langgestielten Frucht, in der man den Kopf und den langgestreckten Hals eines [[Störche|Storchs]] oder eines [[Kraniche|Kranichs]] erkennen kann. Die Frucht wird aus sehr langen Fruchtblättern gebildet, die nur am Grunde zwei Samenanlagen tragen. Von diesen entwickelt sich nur eine, während der obere, sterile Teil als „Schnabel“ auswächst. Botanisch handelt es sich um eine [[Spaltfrucht]], da sich diese bei Reife in ihre fünf Fruchtfächer aufspaltet. Die Samen werden bei allen Arten durch das explosionsartige Aufplatzen des austrocknenden Schnabels verbreitet. Beim Wald-Storchschnabel beispielsweise rollen sich die fünf Fruchtfächer plötzlich von der Mittelsäule sowie voneinander ab und nach oben ein. Der Samen wird dabei katapultartig bis zu 3 Meter weit fortgeschleudert. Geranien zählen mit diesem [[Ausbreitungsmechanismen von Pflanzen|Ausbreitungsmechanismus]] zu den sogenannten [[Austrocknungsstreuer]]n (botanisch auch als [[Ballochorie|ballochore]] [[Autochorie]] bezeichnet). Beim Ruprechtskraut lässt sich außerdem auch die [[Herpochorie]] beobachten. Während die Herpochorie bei der [[Gewöhnliche Kuhschelle|Küchenschelle]] und der nah verwandten Gattung der [[Reiherschnabel|Reiherschnäbel]] eine Strategie zur [[Topochorie|Nahausbreitung]] ist, dient sie hier dazu, den [[Diasporen]] optimale Startbedingungen zu verschaffen: nachdem der Samen des Ruprechtskrautes über den oben beschriebenen Mechanismus explosionsartig bis zu sechs Meter weit fortgeschleudert wurde, bohren sich die Samen mittels [[Hygroskopie|hygroskopischer]] Bewegungen in die Erde. Das ist darauf zurückzuführen, dass sich die Samen bei feuchten Wetter ausdehnen und bei trockenem Wetter wieder zusammenziehen. == Storchschnäbel als Heilpflanze == Zwar wird ''Geranium'' bereits in den antiken Schriften erwähnt, es handelt sich dabei jedoch nicht um Storchschnabel-Arten. [[Hildegard von Bingen]] dagegen erwähnt, ebenso wie [[Paracelsus]], das Ruprechtskraut eindeutig als Heilpflanze. Vermengt mit [[Weinraute]] und [[Poleiminze]] sollte es das Herz stärken und fröhlich machen. In zahlreichen mittelalterlichen Heilpflanzenbüchern wie beispielsweise denen von [[Hieronymus Bock]] und [[Tabernaemontanus]] wird das Ruprechtskraut ebenfalls erwähnt - genauso wie gelegentlich der Blutrote Storchschnabel. Auch in der [[Volksmedizin]] wurden diese Pflanzen bei [[Gelbsucht]], [[Blutung]]en, bösartigen Geschwüren sowie äußerlich bei Flechten und [[Hautausschlag]] eingesetzt. Ein Tee des Ruprechtskrautes sollte gegen Kinderlosigkeit helfen. Auch heute wird das Ruprechtskraut noch den Heilpflanzen zugerechnet. Die in der Pflanze enthaltenen Gerbstoffe mit ihren adstringierenden und entzündungshemmenden Wirkungen erklären einige Indikationen wie beispielsweise die Empfehlung, Tee des Ruprechtskrautes zum Spülen und Gurgeln bei Entzündungen im Rachenraum zu verwenden. Ebenso erweist sich Geranium als gutes Mittel gegen Ohrenschmerzen, indem man sich ein frisches Blatt der Pflanze in das Ohr steckt und es dort solange wirken lässt bis der Schmerz verschwindet. Das in der [[Homöopathie]] verwendete Mittel ''Geranium odoratissumum'' wird dagegen nicht aus Storchschnabel-Arten hergestellt, sondern aus ''Pelargonium odoratissimum''. == Storchschnäbel als Gartenpflanze == === Die Entdeckung der Geranium-Arten für den Garten === [[Bild:Geranium phaeum flower.jpg|thumb|260px|Der [[Brauner Storchschnabel|Braune Storchschnabel]] wird in England auch als "Mourning Widow", als "Trauernde Witwe" bezeichnet und war einst als Friedhofspflanze sehr beliebt.]] [[Bild:Geranium pyrenaicum1.jpg|thumb|260px|Bis Mitte des 19. Jahrhunderts wurde der [[Pyrenäen-Storchschnabel]] häufig in Gärten gepflanzt - seitdem ist er von großblütigeren Arten als Gartenpflanze abgelöst worden.]] [[Bild:Geranium platypetalum0.jpg|thumb|260px|''[[Geranium platypetalum]]'' ist eine der Elternarten der heute als Gartenpflanze sehr beliebten Geranium-Hybride [[Pracht-Storchschnabel]].]] Die Etablierung von Storchschnabel-Arten als Gartenzierpflanze erfolgte nach einem Muster, das für viele Pflanzengattungen typisch ist. Zuerst wurden mit dem [[Ruprechtskraut]] und dem [[Blutroter Storchschnabel|Blutroten Storchschnabel]] zwei Arten im Garten kultiviert, die als Heilpflanzen angesehen wurden. Weitere überwiegend einheimische Arten ohne zugeschriebene Heilwirkung, die aber großblütiger waren, lassen sich als Zierpflanzen bereits für das 16. Jahrhundert belegen. Der einheimische [[Brauner Storchschnabel|Braune Storchschnabel]] ist bereits für das Jahr 1561 in Deutschland als Gartenpflanze nachgewiesen. Der [[Hortus Eystettensis]] aus dem Jahre 1613 nennt für ihn sowie für den Blutroten Storchschnabel sogar erste Zuchtformen. Mit dem 18. und 19. Jahrhundert kamen die Arten hinzu, die in weiter entfernten Regionen beheimatet sind. Bei den Storchschnäbeln sind dies vor allem die Arten, die in den südeuropäischen Gebirgen verbreitet waren. Im 19. Jahrhundert wurden auch besondere Formen von Gartenbeeten wie [[Steingarten|Steingärten]] populär. Der Blutrote Storchschnabel wurde in dieser Zeit zu einer sehr häufig gepflegten Zierpflanze. Im 20. Jahrhundert wurde die Palette der im Garten gepflegten Storchschnabelarten um einige Arten aus anderen Kontinenten sowie um zahlreiche Zuchtsorten erweitert, die dem zunehmenden Bedarf nach einfach zu pflegenden und gleichzeitig schmückenden Pflanzen gerecht wurden. Die Beliebtheit der einzelnen Arten unterliegt auch heute noch unterschiedlichen Moden. Der einstmals sehr populäre Braune Storchschnabel mit seiner düsteren Blütenfarbe ist mittlerweile in Mitteleuropa weitgehend aus der Mode gekommen. In England findet man diese Art jedoch noch verwildert auf alten Dorffriedhöfen, wo man diese als "''Mourning Widow''" (= Trauernde Witwe) früher gerne als Grabschmuck anpflanzte. Auch der [[Pyrenäen-Storchschnabel]] ist heute eine nur selten im Garten verwendete Art, obwohl bereits gegen Ende des 18. Jahrhunderts mehrere Zuchtformen im Handel waren. Er wurde zunehmend aus den Gärten verdrängt, nachdem großblütigere und damit attraktivere Storchschnabelarten entdeckt wurden. Er ist jedoch aus den Gärten heraus verwildert und als [[Neophyt|eingebürgerte]] Pflanze noch an Hecken und in den Grünflächen entlang von Straßen zu finden. Der mittlerweile häufiger in Gärten zu findende [[Basken-Storchschnabel]] ist dagegen erst im 20. Jahrhundert in Deutschland populär geworden, nachdem vor allem in England - wo er schon seit 1832 in den Gärten angepflanzt wurde - eine Reihe von robusten Formen und Hybriden gezüchtet wurden. Eine länger anhaltende Wertschätzung als die drei oben genannten Arten hat dagegen der [[Balkan-Storchschnabel]] gefunden. Aus ihm wurde früher [[Geraniumöl]] zur [[Parfüm]]herstellung gewonnen - für die Herstellung dieses ätherischen Öles werden heute jedoch Pelargonien-Arten verwendet. Der Balkan-Storchschnabel wird 1576 erstmalig als Gartenpflanze erwähnt und hat danach sehr schnell Verbreitung gefunden. Heute wird er vor allem als sogenanntes "''Stadtgrün''" gerne unter Straßenbäume gepflanzt, da er Schatten sehr gut verträgt und die intensiv duftende Pflanze von Kaninchen nicht verbissen wird und Hunde fern hält. [[Bild:geranium_x_magnificum.jpeg|thumb|260px|Garten-Geranium Hybride (''Geranium'' × ''magnificum'').]] Einer der heute am häufigsten im Garten zu findenden Geranium-Vertreter ist die [[Hybride]] ''Geranium'' × ''magnificum''. Wann und wo diese großblütige und starkwüchsige Sorte mit den purpurvioletten Blüten entstanden ist, ist nicht mehr nachvollziehbar. Aufgrund von [[Herbarium|Herbarien]]-Belegen weiß man jedoch, dass sie bereits 1871 im Botanischen Garten von Genf gepflegt wurde. 1961 identifizierte der schwedische Botaniker [[Nyls Hylander]] ''Geranium ibericum'' und ''G. platypetalum'' als Eltern dieser [[Unfruchtbarkeit|sterilen]] Hybride und gab der Sorte ihren wissenschaftlichen Namen. Man nimmt an, dass die Arten ursprünglich aus dem Kaukasus stammte. === Verwendung im Garten === Die Arten der Gattung Geranium sind vielseitig im Garten verwendbar. Fast alle gedeihen gut in leichtem Schatten und eignen sich daher für die Gehölzrandbepflanzung, viele der Arten vertragen jedoch auch die volle Sonne. Einige Arten blühen lange und ausdauernd, viele haben im Herbst eine hübsche Färbung. Allen gemeinsam ist, dass sie sehr robust und wenig krankheitsanfällig sind und selten von Schädlingen befallen werden. Sie gelten damit als ideale Pflanze für Gartenanfänger, die sowohl im [[Steingarten]], in [[Geröllgarten|Geröllbeeten]] sowie Rabatten oder naturbelassenen Gärten verwendet werden können. Besonders die Sorten, die vom Balkan-Storchschnabel abstammen, sind außerdem als Bodendecker gut geeignet, die auch unter Bäumen gut wachsen. Sie werden dort häufig mit [[Farne]]n kombiniert. Bei den meisten für Rabatten geeigneten Arten ist es sinnvoll, nach Ende der Blüte die Blütenstände abzuschneiden, da dadurch eine zweite Blüte gefördert wird. Dies gilt besonders für den heute in den Gärten weitverbreiteten [[Basken-Storchschnabel]], der nach der Blüte gerne auseinanderfällt. Der Rückschnitt verhindert auch, dass die Pflanzen von [[Mehltau]] befallen werden, einer der wenigen Pflanzenkrankheiten, für welche die Pflanzen dieser Gattung gelegentlich anfällig sind. Der Rückschnitt hat auch zur Folge, dass die Pflanzen noch einmal durchtreiben und somit neue Blattschöpfe ausbilden, die teilweise den Winter überdauern. Viele der Storchschnabelarten und -sorten bilden nach einer solchen Maßnahme ein zweites Mal Blüten. Mit welchen anderen Pflanzen die Storchschnabelarten kombiniert werden können, hängt von der jeweiligen Sorte ab. Die Blütenfarben sind als blaustichige oder "''kalte''" Farben einzuordnen, sie sollten mit solchen Pflanzen kombiniert werden, deren Blütenfarbe ebenfalls in diese Kategorie einzuordnen ist. Viele Edelrosen passen sehr gut mit Geranien-Arten zusammen. Sie harmonieren außerdem sehr gut mit [[Pfingstrosen]], [[Frauenmantel]] und [[Phlox]]. === Vermehrung im Garten === Alle Arten und Sorten vertragen es, wenn sie während der [[Vegetationsperiode]], die von Mai bis August reicht, geteilt werden. Auch bewurzelte Teilstücke wachsen gut an, wenn sie gleich nach dem Aufteilen gepflanzt und regelmäßig gegossen werden. Insbesondere die züchterisch wenig veredelten Pflanzen vermehren sich leicht durch Samen. Sie können damit sehr schnell im Garten dominant werden; Sämlinge müssen daher regelmäßig weggejätet werden. Das gilt insbesondere für in Mitteleuropa heimische Arten wie beispielsweise den [[Wiesen-Storchschnabel]]. === Gärtnerische Einteilung der Storchschnabelarten === [[Bild:Geranium sanguineum2.jpg|thumb|260px|Der [[Blutroter Storchschnabel|Blutrote Storchschnabel]] zählt zu den einheimischen Storchschnabelarten.]] [[Bild:Geranium robertianum bloemen.jpg|thumb|260px|Das [[Ruprechtskraut]] wurde vermutlich als eine der ersten Storchschnabelarten im Garten kultiviert]] Storchschnabel-Arten, die ein ähnliches Erscheinungsbild haben, werden gärtnerisch in fünf Gruppen zusammengefasst. ==== Die Sanguineum-Gruppe ==== Zu einer der schönsten Storchschnabelarten zählt der [[Blutroter Storchschnabel|Blutrote Storchschnabel]], der auch bei extremeren Standortbedingungen wie trockenem oder wenig nährstoffreichem Boden gut zurechtkommt. Aus der Wildform wurden etwa 40 Sorten gezüchtet, wobei eine der ersten die weiße Zuchtform ''G. sanguineum'' 'Album' war. Andere Zuchtformen haben die runde Blütenform beibehalten. Man hat ihnen beispielsweise wie bei der Sorte 'Nigricans' dunklere Blätter angezüchtet oder die dunkle Äderung der Blüten stärker herausgezüchtet. Zur Sanguineum-Gruppe wird auch das Ruprechtskraut sowie der ebenfalls sehr schöne [[Basken-Storchschnabel]] gezählt. ==== Waldgeranien ==== Zu dieser Gruppe zählt man sechs europäische und asiatische Arten, die sich durch große breite Blätter sowie aufrecht stehende Blüten auszeichnen, sowie all jene Sorten, die von ihnen abstammen. Zu den Stammarten zählen neben dem Wald-Storchschnabel ''G. sylvaticum'' auch ''G. rivulare'', ''G. pseudosibiricum'', ''G. albiflorum'', ''G. procurrens'' und der durch sein helles Rot sowie die dunkle Blütenmitte auffallende ''G. psilostemon''. ==== Wiesengeranien ==== Die Wiesengeranien werden besonders gerne in Naturgärten verwendet. Die wichtigsten Stammformen dieser Gruppe sind der [[Wiesen-Storchschnabel]], der [[Himalaja-Storchschnabel]] und ''G. clarkei''. Auch der in Mitteleuropa heimische [[Sumpf-Storchschnabel]] wird dieser Gruppe zugerechnet. ==== Geranien der Palmatum-Gruppe ==== Geranien, die dieser Gruppe zugerechnet werden, sind nur selten in mitteleuropäischen Gärten zu finden, da ihre Stammformen kälteempfindlich sind. Dazu zählen ''G. palmatum'' und ''G. maderense'', die beide auf der Insel [[Madeira]] beheimatet sind. Geranien dieser Gruppe zeichnen sich durch eine Blattrosette aus, über die sich die Blüten deutlich erheben. ==== Dunkle Geranien ==== Zu den Stammformen dieser Gruppe zählen der [[Brauner Storchschnabel|Braune Storchschnabel]] sowie ''G. reflexum'' und ''G. aristatum''. Besonderer Wertschätzung erfreuen sich diese dunklen Geranien in Nordamerika. Einige Zuchtsorten insbesondere des Braunen Storchschnabels sind nur dort erhältlich. == Storchschnäbel im Aberglauben == Zur Verwendung von Storchschnabelarten in abergläubischen Praktiken hat vor allem die auffällige Form der Frucht beigetragen. Frauen, die sich vergeblich Kinder wünschten, wurde empfohlen, die Storchschnabel-Wurzel als Amulett um den Hals zu tragen. == Systematik == Die große Gattung Geranium wird in zwei Untergattungen mit 18 Sektionen gegliedert: * Untergattung ''Erodioidea'' **Sektion ''Aculeolata'' **Sektion ''Brasiliensia'' **Sektion ''Erodioidea'' **Sektion ''Subacaulia'' * Untergattung ''Geranium'' **Sektion ''Anemonifolia'' **Sektion ''Azorelloida'' **Sektion ''Batrachioidea'' **Sektion ''Dissecta'' **Sektion ''Divaricata'' **Sektion ''Geranium'' **Sektion ''Lucida'' **Sektion ''Neurophyllodes'' **Sektion ''Paramensia'' **Sektion ''Robertium'' **Sektion ''Ruberta'' **Sektion ''Trilopha'' **Sektion ''Tuberosa'' **Sektion ''Unguiculata'' == Arten == In der Gattung ''Geranium'' gibt es etwa 380 bis 430 Arten. [[Bild:Geranium dissectum01.jpg|thumb|260px|[[Schlitzblättriger Storchschnabel]] (''Geranium dissectum'').]] [[Bild:GeraniumPalustre.jpg|thumb|260px|Der [[Sumpf-Storchschnabel]] (''Geranium palustre'').]] [[Bild:Geranium robertianum.jpg|260px|thumb|[[Stinkender Storchschnabel]] (Geranium robertianum).]] [[Bild:Geranium tuberosum1.jpg|thumb|260px|Blühender [[Knolliger Storchschnabel]] (''Geranium tuberosum'').]] === Mitteleuropäischen Arten === 16 Arten wachsen wild in [[Mitteleuropa]], viele andere Arten und ihre Sorten werden als [[Steingarten]]-Pflanzen oder [[Rabattenstaude]]n kultiviert. Wichtige in Mitteleuropa heimische Arten sind der auf kalkreichen, mageren Böden wachsende [[Blutroter Storchschnabel|Blutrote Storchschnabel]] sowie die oben ausführlicher beschriebenen Arten [[Wiesen-Storchschnabel]], das an schattigen Orten verbreitet vorkommende [[Ruprechtskraut]] (''Geranium robertianum'') sowie der [[Sumpf-Storchschnabel]] (''Geranium palustre''). === Storchschnabel-Arten (Auswahl) === Zu den Arten der Gattung Storchschnabel (''Geranium'') zählen unter anderem: * [[Böhmischer Storchschnabel]] (''Geranium bohemicum'') * [[Kanaren-Storchschnabel]] (''Geranium canariense'') * [[Grauer Storchschnabel]] (''Geranium cinereum'') * [[Tauben-Storchschnabel]] (''Geranium columbinum'' L.) * [[Schlitzblättriger Storchschnabel]] (''Geranium dissectum'' L.) * [[Spreizender Storchschnabel]] (''Geranium divaricatum'') * [[Basken-Storchschnabel]] (''Geranium endressii'') * [[Himalaja-Storchschnabel]] (''Geranium himalayense'') * [[Glänzender Storchschnabel]] (''Geranium lucidum'' L.) * [[Balkan-Storchschnabel]] (''Geranium macrorrhizum'') * [[Weicher Storchschnabel]] (''Geranium molle'' L.) * [[Sumpf-Storchschnabel]] (''Geranium palustre'') * [[Brauner Storchschnabel]] (''Geranium phaeum'' L.) * [[Wiesen-Storchschnabel]] (''Geranium pratense'' L.) * [[Schwarzäugiger Storchschnabel]] (''Geranium psilostemon'') * [[Purpur-Storchschnabel]] (''Geranium purpureum'') * [[Kleiner Storchschnabel]] (''Geranium pusillum'') * [[Pyrenäen-Storchschnabel]] (''Geranium pyrenaicum'' Burm.) * [[Grauer Storchschnabel]] (''Geranium renardii'') * [[Ruprechtskraut]] oder Stinkender Storchschnabel (''Geranium robertianum'' L.) * [[Rundblättriger Storchschnabel]] (''Geranium rotundifolium'' L.) * [[Blutroter Storchschnabel]] (''Geranium sanguineum'' L.) * [[Sibirischer Storchschnabel]] (''Geranium sibiricum'') * [[Wald-Storchschnabel]] (''Geranium sylvaticum'' L.) * [[Knolliger Storchschnabel]] (''Geranium tuberosum'') * [[Verschiedenfarbiger Storchschnabel]] (''Geranium versicolor'') == Quellen == *Langran Xu & Carlos Aedo: [http://www.efloras.org/florataxon.aspx?flora_id=2&taxon_id=113475 Eintrag in der Flora of China.] (engl.) *Carlos Aedo: [http://www.rjb.csic.es/Geranium/ Geranium Taxonomic Information System.] (engl.) *[http://florabase.calm.wa.gov.au/browse/profile/22439 Beschreibung in der Western Australian Flora.] (engl.) == Literatur == * [[Peter Frederick Yeo]]: ''Geranium - Freiland-Geranien für Garten und Park.'' Eugen Ulmer, Stuttgart 1988, ISBN 3-80-016362-4 * [[Heinz-Dieter Krausch]]: ''Kaiserkron und Päonien rot... Entdeckung und Einführung unserer Gartenblumen.'' Dölling und Galitz, Hamburg 2003, ISBN 3-93-554923-7 * John Feltwell: ''Geranien und Pelargonien.'' Augustus, München 2002, ISBN 3-80-437217-1 * Manfred Bocksch: ''Das praktische Buch der Heilpflanzen.'' BLV Verlagsgesellschaft mbH, München 1996, ISBN 3-40-514937-1 * Angelika Lüttig, Juliane Kasten: ''Hagebutte & Co - Blüten, Früchte und Ausbreitung europäischer Pflanzen.'' Fauna, Nottuln 2003, ISBN 3-93-598090-6 * Maria Lis-Balchin: ''Geranium and Pelargonium: The genus Geranium and Pelargonium'', CRC Press 2002, ISBN 0415284872 == Weblinks == {{Commons|Geranium|{{PAGENAME}}}} *[http://www.geranium.at Deutschsprachige Webseite über Storchschnabel (''Geranium'') mit Bildern und Informationen.] *[http://web.archive.org/web/20050216212004/http://www.users.bigpond.com/SCRIVENS/newgerlist.html Die Untergattungen mit ihren Arten.] {{DEFAULTSORT:Storchschnabel}} [[Kategorie:Storchschnabelgewächse]] {{Exzellent}} [[bg:Здравец]] [[ca:Geranium]] [[da:Storkenæb]] [[en:Geranium]] [[es:Geranium]] [[fa:شمعدانی]] [[fi:Kurjenpolvet]] [[fr:Géranium (genre)]] [[he:גרניון]] [[hsb:Pyskawa]] [[io:Geranio]] [[it:Geranium]] [[ja:フウロソウ属]] [[ka:ნემსიწვერა]] [[kk:Қазтамақ]] [[lt:Snaputis]] [[nl:Geranium (geslacht)]] [[nn:Blodstorkenebb]] [[no:Blodstorkenebb]] [[oc:Geranium (genre)]] [[pl:Bodziszek]] [[pt:Geranium]] [[ru:Герань]] [[sah:Сыһыы куохалаһа]] [[sv:Nävesläktet]] [[tr:Turnagagası]] [[uk:Герань]] [[vi:Chi Mỏ hạc]] [[zh:老鸛草屬]] 49hsuc2l6k6jnksgh4h1bvy55mdhwuy wikitext text/x-wiki Baumpieper 0 23497 28423 26096 2011-11-03T07:59:54Z 80.149.179.2 <!-- Für Informationen zum Umgang mit dieser Tabelle siehe bitte [[Wikipedia:Taxoboxen]]. --> {{Taxobox | Taxon_Name = Baumpieper | Taxon_WissName = Anthus trivialis | Taxon_Rang = Art | Taxon_Autor = [[Carl von Linné|Linnaeus]], [[1758]] | Taxon2_Name = Pieper | Taxon2_LinkName = Pieper (Gattung) | Taxon2_WissName = Anthus | Taxon2_Rang = Gattung | Taxon3_Name = Stelzen und Pieper | Taxon3_WissName = Motacillidae | Taxon3_Rang = Familie | Taxon4_Name = Singvögel | Taxon4_WissName = Passeri | Taxon4_Rang = Unterordnung | Taxon5_Name = Sperlingsvögel | Taxon5_WissName = Passeriformes | Taxon5_Rang = Ordnung | Taxon6_Name = Vögel | Taxon6_WissName = Aves | Taxon6_Rang = Klasse | Bild = Anthus triviallis (Marek Szczepanek).jpg | Bildbeschreibung = Baumpieper (''Anthus trivialis'') }} Der '''Baumpieper''' (''Anthus trivialis'') ist eine [[Vögel|Vogelart]] aus der Familie der [[Stelzen und Pieper]] (Motacillidae). Der im Sommer in Mitteleuropa häufige, aber optisch unauffällige Vogel ist vor allem an Waldrändern und -lichtungen zu beobachten, da er neben einem Bestand an hohen Bäumen und Sträuchern auch offene, mit niedriger Vegetation bestandene Flächen benötigt. Er fällt dort vor allem durch seinen Gesang auf. Der Baumpieper ist ein [[Weitstreckenzieher]], der in der Vegetationszone der Hochgras-Savannen West- und Ostafrikas überwintert.<ref name="blotzheim586">Blotzheim, S.586</ref> == Name == Trotz seines unscheinbaren Erscheinungsbildes fällt der Baumpieper auf, da er von exponierten Singwarten aus oder im Singflug seine für den Menschen hell und heiter wirkenden Rufe erklingen lässt. Entsprechend trägt diese Vogelart im Volksmund eine Reihe unterschiedlicher Trivialnamen. Einige wie Baum-, Holz-, Kraut-, Spitz- oder Spießlerche spielen auf das lerchenähnliche Verhalten des Baumpiepers hin. In Österreich wird der Vogel im Volksmund auch Ziepe oder Schmelchen genannt. Grienvögelchen oder Greinerlein sind weitere alte und mittlerweile ungebräuchliche Bezeichnungen. Die Bezeichnung Baumpieper, die heute im deutschen Sprachgebrauch fast durchgängig verwendet wird, ordnet die [[Art (Biologie)|Art]] der richtigen [[Gattung (Biologie)|Gattung]] zu und weist ähnlich wie bei [[Brachpieper]] und [[Wiesenpieper]] auf den bevorzugten Lebensraum dieses Vogels hin. Die wissenschaftliche Artbezeichnung „trivialis“ (= häufig, gemein) dagegen bringt zum Ausdruck, dass der Baumpieper im Vergleich zu den anderen Pieperarten häufig ist. [[Datei:Tree Pipit (Anthus trivialis) at Sindhrot near Vadodara, Gujrat Pix 239.jpg|thumb|Baumpieper im Überwinterungsgebiet in Indien]] == Erscheinungsbild == === Körpergröße und -gewicht === Der Baumpieper ist mit einer Körperlänge von durchschnittlich 15 Zentimetern etwa so groß wie ein [[Haussperling]]. Er ist jedoch graziler und schlanker als dieser und wirkt dadurch optisch größer. Die Flügellänge beträgt bei männlichen Vögeln im Durchschnitt knapp 90 Millimeter, bei Weibchen sind die Flügel etwa vier bis fünf Millimeter kürzer. Das Körpergewicht des Baumpiepers liegt während der Fortpflanzungsperiode bei etwa 22 bis 24 Gramm. Zu Beginn des Herbstzuges sind die Vögel regelmäßig schwerer; besonders gut genährte Vögel können dann über 30 Gramm wiegen. Bei Baumpiepern, die sich auf dem Rückflug von ihren Überwinterungsquartieren in Afrika befinden, hat man vereinzelt auch schon ein Gewicht von nur 16 Gramm festgestellt.<ref name="paetzold"> ausführliche Angaben zum Körpergewicht und -größe aus einer Reihe unterschiedlicher Untersuchungen finden sich bei Pätzold, S. 18; bei Glutz von Blotzheim, S. 578 f und bei Allström und Mild, S. 135</ref> === Weitere Merkmale === Das Gefieder weist keine geschlechtsspezifischen Unterschiede auf. Die Körperoberseite ist gelb- bis olivbraun mit diffusen schwärzlichen Längsstreifen, die auf dem Oberkopf deutlicher ausgeprägt sind. [[Bürzel]] und Oberschwanzdecken sind etwas grünlicher gefärbt als die übrige Körperoberseite und sind nur bei einzelnen Individuen schwach gestreift. Die Körperunterseite ist rahmfarben bis gelblich mit kräftig gestreifter Brust und Kropfseiten. Einen stärker ausgeprägten Gelbton weisen Kehle, Brust sowie die Halsseiten auf. An den Flanken sind die Streifen deutlich weniger breit als auf der Brust. Die äußeren [[Steuerfeder]]n sind partiell weiß. Die Flügeldecken sind hell gesäumt, wodurch sich zwei helle, rahmfarbene Flügelbinden bilden. Die von den Spitzensäumen der mittleren Armdecken gebildeten Säume sind dabei am deutlichsten zu erkennen. Der Schwanz überragt die Flügelspitzen um etwa 3,5 Zentimeter. [[Datei:Tree Pipit I IMG 8807.jpg|thumb|Baumpieper im Überwinterungsgebiet in Indien]] Über dem Auge befindet sich ein heller, nicht immer deutlich zu erkennender Augenstreif. Die [[Iris (Auge)|Iris]] ist dunkelbraun, der durch zwei Federreihen gebildete Augenring ist rahmfarben. Die Nasenlöcher liegen frei. Die Schnabeloberseite sowie die Spitze des Unterschnabels sind schwarzbraun. Der übrige Unterschnabel wird in Richtung Wurzel und Unterkinnlade heller und ist gelblich bis fleischfarben gefärbt. Die Beine sind rötlich-fleischfarben, während die Füße rosa bis gelblich-fleischfarben sind. Die Krallen sind hell hornfarben.<ref name="peacock"> Eine sehr ausführliche Beschreibung des Baumpieper-Gefieders findet sich bei Peacock, S. 135 bis 137, sowie bei Glutz von Blotzheim, S. 576–579</ref> Jungvögel ähneln den adulten Vögeln sehr. Ihr Gefieder ist an der Körperoberseite etwas gelblicher, die schwarzbraune Längsstreifung etwas ausgeprägter. Charakteristisch für das Federkleid der Jungvögel ist eine schwarzbraune Fleckung des Bürzels. Diese fehlt bei adulten Vögeln.<ref name="blotzheim578">Glutz von Blotzheim, S. 578</ref> Artspezifisch für den Baumpieper ist eine stark gekrümmte Hinterkralle, die zwischen 6,6 und 8,6 Millimeter lang sein kann.<ref name="peacock2"> Peacock, S. 135 </ref> Sie ist im Längenvergleich mit der Hinterzehe entweder kürzer als diese oder maximal gleich lang. Sowohl bei Lerchen als auch bei den anderen Vertretern der Pieper ist diese Hinterzehe dagegen länger und weniger stark gekrümmt. Lediglich der im Norden und Osten Asiens vorkommende [[Waldpieper]] weist eine in Form und Länge ähnliche Hinterzehe aus. Von den [[Handschwinge]]n ist die sechste um ein bis sechs Millimeter kürzer als die siebte bis neunte. Beim Wiesenpieper dagegen sind diese Handschwingen gleich lang.<ref name="paetzold13"> Pätzold, S. 13. Dort finden sich auch weitere Details und Maßangaben des Körperbaus (S. 13–23)</ref> === Flug- und Bewegungsweise === Wenn Baumpieper erregt sind oder auf einer Singwarte sitzen, ist bei ihnen ein regelmäßiges, flaches Schwanzwippen zu beobachten. Auf dem Boden laufen sie in geduckter Haltung. Aufgescheuchte Baumpieper suchen sofort Deckung in Sträuchern oder im Geäst von Bäumen.<ref name="peacock3"> Peacock, S. 100 und 137</ref> [[Datei:Tree Pipit Im IMG 8809.jpg|thumb|Baumpieper auf der Nahrungssuche]] Ähnlich wie [[Bachstelze]]n – allerdings ohne deren intensives Schwanzwippen – sucht der Baumpieper krautige oder grasige Flächen schreitend nach Nahrung ab. Die Flügel sind dabei angelegt und der Schwanz bildet mit dem Rücken eine Linie, die Beine sind im Kniegelenk so stark eingeknickt, dass die Körperunterseite sich nur knapp über dem Boden befindet. Der aufrecht getragene Kopf und der Hals nicken im Rhythmus mit den Trippelschritten. Seine Beutetiere pickt er entweder vom Boden auf oder von Pflanzen ab. Erblickt er eine weiter entfernte Beute, beschleunigt sich seine Schrittfolge, der Kopf wird dann leicht nach vorne geschoben, der Vogel wirkt dann „geduckter“.<ref name="peacock137"> Peacock, S. 137 </ref> Auf Ästen läuft der Baumpieper in Längsrichtung schrittweise trippelnd. Er bewegt sich dabei bevorzugt von innen nach außen. Beim Streckenflug wechseln sich eine Serie kräftiger und rascher Flügelschläge mit kurzen Gleitphasen ab. Während dieser Gleitphasen werden die Flügel an den Körper angelegt. Der Verlust an Flughöhe und -geschwindigkeit ist dabei jedoch so gering, dass der Flug insgesamt nicht so stark wellenförmig ausgeprägt ist wie etwa beim Wiesenpieper.<ref name="blotzheim599"> Glutz von Blotzheim, S. 599 </ref> === Verwechslungsmöglichkeiten mit anderen Vogelarten === Der [[Wiesenpieper]] ist dem Baumpieper so ähnlich, dass man Flug- und Lebensweise sowie den Gesang zur Identifizierung heranziehen muss – neben einigen geringfügigen Unterscheidungsmerkmalen im Körperbau und der Gefiederfärbung. Die charakteristischen Artkennzeichen des Baumpiepers, die weiter oben beschrieben sind, lassen sich im Freiland nur bei sehr guten Beobachtungsbedingungen zur Identifizierung heranziehen. Im Unterschied zum zierlicheren Wiesenpieper hat der Baumpieper einen kräftigeren Schnabel und eine gelblichere Brust. Während Baumpieper oft auf Baumästen sitzend zu sehen sind, halten sich Wiesenpieper meist auf dem Boden auf und haben einen „hüpfenden“, kurzen Flug. Der Baumpieper fliegt dagegen ruckweise in flachen Wellen.<ref name="allstroem">Allström und Mild, S. 132 </ref> Die [[Heidelerche]], die im Lebensraum des Baumpiepers ebenfalls zu beobachten ist und eine dem Baumpieper ähnliche Gefiederfärbung aufweist, kann anhand ihres wesentlich kürzeren Schwanzes sowie ihres markanteren und heller rahmfarbenen Augenstreifs vom Baumpieper unterschieden werden. == Stimme == Der Gesang des Baumpiepers ist nur bei gutem Wetter zu vernehmen. Dann lässt er ein leises Zwitschern bereits vor Sonnenaufgang hören, das er entweder von einer niedrigen [[Sitzwarte]] oder sogar direkt vom Boden aus vorträgt. Bei Regen, Sturm oder Kälteeinbrüchen hält er sich stumm in dichter Bodenvegetation auf. Der Singflug des Baumpiepers erfolgt vom frühen Morgen bis zum Mittag und dann wieder am späten Nachmittag. Er dient vornehmlich der Reviermarkierung, ist laut und melodisch und wird auf eine charakteristische Weise vorgetragen. Ausgangspunkt des Singfluges ist meist die Spitze eines Baumes, gelegentlich startet der Vogel aber auch vom Boden aus. Der Vogel sitzt für ein bis zwei Sekunden in geduckter Haltung, stößt sich mit beiden Füßen schräg aufwärts in die Luft, steigt schweigend 10 bis 30 Meter hoch, und lässt kurz vor dem höchsten Punkt des Fluges ein leise beginnendes und zunehmend lauteres „ziziziwiswiswis“ ertönen, dann folgt häufig ein kanarienähnlicher Roller, und in einem sechs bis zwölf Sekunden währenden Gleitflug kehrt der Vogel mit steif gespreizten Flügeln unter lauten, für den Menschen wohlklingenden „zia zia zia zia“ entweder auf den Ausgangspunkt oder eine andere Singwarte zurück.<ref name="blotzheim580"> Glutz von Blotzheim, S. 580–582 </ref> Wegen der hohen Geschwindigkeit, die der Baumpieper im abwärts gerichteten Gleitflug erreicht, steuert er seinen Landeplatz nicht direkt an. Er zielt auf eine Stelle, die sich unterhalb der Warte befindet, und schwingt sich mit einigen Flügelschlägen zu ihr nach oben. Wie häufig der Singflug wiederholt wird, ist abhängig von der Jahreszeit, von der vorherrschenden Witterung, vom Verpaarungs-Status des Vogels und von der Gesangsaktivität der Reviernachbarn. In Mitteleuropa sind Singflüge, bei denen der Gesang vollständig vorgetragen wird, für den Zeitraum von Ende April bis Ende Juli typisch.<ref name="blotzheim584"> Glutz von Blotzheim, S. 584 </ref> Verpaarte Revierinhaber erheben sich mitunter alle zwei bis sechs Minuten zum Fluggesang. Innerhalb des oben beschriebenen Grundmusters ist der Gesang dabei intra- und interindividuell sehr variabel. Ein einzelner Vogel hält zwar die Anfangs- und Schlussteile seines Gesangs genau ein. Die Länge der einzelnen Gesangsstrophen ist aber beispielsweise von der Länge der Flugstrecke bestimmt, wobei einzelne Phrasen und Gesangselemente in unterschiedlicher Reihenfolge kombiniert werden. Das Repertoire an Phrasen und Elementen ist dabei je nach Männchen unterschiedlich. Für den Baumpieper ist außerdem eine deutliche Dialektbildung nachgewiesen worden: Populationen einzelner Regionen können anhand der Elementtypen der Anfangs- und Schlussteile des Gesangs unterschieden werden.<ref name="blotzheim582"> Glutz von Blotzheim, S. 582 f. </ref> Der Reviergesang kann auch von einer Singwarte aus vorgetragen werden. In diesem Fall ist er aber meist kürzer und wird nur unvollständig vorgetragen.<ref name="peacock138"> Peacock, S. 138 </ref> Der Baumpieper verfügt darüber hinaus noch über eine Reihe unterschiedlicher Laute. Das metallisch klingende „siiit siiit“ ist ein Warn- oder Kontaktruf, der häufig mit Rufabständen von einer halben Sekunde zu hören ist. Auch das hastig gerufene und in der Tonhöhe ansteigende „sip-sip-sip“ ist ein Alarmruf, der zu hören ist, wenn ein Feind sich dem Revier nähert.<ref name="peacock139"> Peacock, S. 139 </ref> „Tsieb“ dient vor allem als Kontaktruf. Im Winterquartier sind nur diese Kontakt- und Warnlaute zu hören. == Verbreitung == === Brutareal === Der Baumpieper ist ein Brutvogel der gemäßigten und [[Boreale Zone|borealen Zonen]] Eurasiens. Die östliche Verbreitungsgrenze ist nicht hinreichend gesichert und strittig. Nach Ansicht einiger Autoren reicht das Verbreitungsgebiet des Baumpiepers bis ins südliche [[Werchojansker Gebirge]], das zum [[Ostsibirisches Bergland|ostsibirischen Bergland]] gehört.<ref name="allstroem139">Allström und Mild, S. 139 </ref> Sein nördlichstes Verbreitungsgebiet erreicht er in Europa etwa beim 70. und in Asien beim 65. nördlichen Breitengrad.<ref name="blotzheim585"> Blotzheim, S. 585 </ref> [[Datei:Anthus trivialis distr.png|thumb|280px|orange: Brutgebiete der Nominatform<br />hellorange: Brutgebiete von ''A. a. haringtoni''<br />dunkelblau: Überwinterungsgebiete beider Subspezies<br />hellblau: Durchzugsgebiete und gelegentliche Überwinterungsgebiete der Südwestzieher]] In westlicher Ausbreitungsrichtung fehlt der Baumpieper auf [[Island]] und [[Irland]], den [[Shetlandinseln]], [[Orkneys]] und den äußeren [[Hebriden]], während er in [[Großbritannien (Insel)|Großbritannien]] noch vorkommt. Südlich reicht sein Verbreitungsgebiet bis [[Spanien|Nordspanien]]. In [[Portugal]] sowie Zentral- und Südspanien fehlt der Baumpieper ebenso wie auf den meisten Mittelmeerinseln und im südlichen [[Griechenland]].<ref name="peacock139"> Peacock, S. 139 </ref> Die [[Türkei|Nordtürkei]] sowie die Gebirgsregionen des [[Kaukasus]], des [[Iran|Nordirans]] und der nordwestlichen [[Mongolei]] gehören zu den Brutgebieten des Baumpiepers. Die südliche Verbreitungsgrenze verläuft sehr uneinheitlich. In den Steppenregionen West- und Zentralasiens kommen Baumpieper bereits ab 50° nördlicher Breite nicht mehr vor. In den zentralasiatischen Gebirgsregionen erstreckt sich das Verbreitungsgebiet in Richtung Süden bis zum [[Pamir (Gebirge)|Pamir]] und von dort in südwestlicher Richtung bis in den Nordwesten des [[Himalaya]]-Gebiets. Daneben gibt es im Nordwesten Indiens vom übrigen Verbreitungsgebiet isolierte Brutvorkommen.<ref name="allstroem139-2">Allström und Mild, S. 139</ref> Insgesamt umfasst das Brutareal des Baumpiepers etwa 14 Millionen Quadratkilometer.<ref name="paetzold12"> Pätzold, S. 12 </ref> === Zug und Überwinterungsquartiere === Der Baumpieper ist ein [[Langstreckenzieher]], der in breiter Front in die Winterquartiere zieht. Die Abwanderung beginnt vereinzelt bereits im Juni und ist am stärksten im August und Anfang September. In der Regel verbleiben Brutvögel nach Abschluss des Brutgeschäftes noch einige Wochen in der Nähe ihres Revieres und bauen in dieser Zeit Fettreserven auf.<ref name="blotzheim588"> Blotzheim, S. 588 </ref> Die europäischen Populationen bis etwa zum 40. östlichen Längengrad ziehen bei ihrer Wanderung über die iberische Halbinsel oder Oberitalien. Hochgebirge werden auf diesem Zug überflogen, wobei Baumpieper bevorzugt schönes Wetter nutzen.<ref name="blotzheim587"> Blotzheim, S. 587f </ref> Auf dem Weg in die Überwinterungsquartiere überqueren die Brutvögel Europas und vermutlich auch des westlichen Sibiriens in der Regel die [[Sahara]]. Die Überwinterungsquartiere ziehen sich südlich der Sahara bandförmig über den gesamten afrikanischen Kontinent, wobei die südlichsten Überwinterungsquartiere im nördlichen [[Südafrika]] liegen. Sie sind dort vor allem im [[Transvaal]] zu finden. [[Mauretanien|Südmauretanien]], [[Senegal]], [[Gambia]], [[Guinea]], [[Sierra Leone]], [[Liberia]], das südwestliche Mali, die [[Elfenbeinküste]], [[Burkina Faso]], [[Ghana]], [[Togo]], [[Benin]], der Südwesten von [[Niger]] sowie Zentral- und [[Nigeria|Südnigeria]] zählen zu den Überwinterungsgebieten in Westafrika. In Ostafrika ziehen sich die Überwinterungsquartiere vom Süden [[Sudan]]s, [[Äthiopien]]s und [[Somalia]] bis nach [[Transvaal]] und in den Süden [[Mosambik|Mozambique]]s. Die Baumpieper, deren Brutareal in Asien liegt, überwintern dagegen im Süden Asiens und sind dann beispielsweise in Indien und [[Bangladesch]], [[Pakistan]], [[Afghanistan]] und der arabischen Halbinsel über den [[Iran|Südiran]] bis in die Türkei zu beobachten. Regelmäßig überwintern Baumpieper des asiatischen Brutareals auch auf den [[Seychellen]]. Vereinzelt kommt es zudem zu Überwinterungspopulationen auf den [[Malediven]] sowie im Osten von [[Japan]].<ref name="blotzheim586f"> Glutz von Blotzheim, S. 586f </ref> Die europäischen Brutvögel beginnen mit dem Rückzug aus ihren Winterquartieren etwa ab Februar. Der Rückzugsbeginn kann sich jedoch bis Anfang April verschieben. Bei ausgedehnten [[Hochdruckgebiet|Hochdruckzone]]n erfolgt die Rückkehr sehr rasch, während Kaltluftzonen die Rückkehr deutlich verlangsamen. Vereinzelt sind Baumpieper in Mitteleuropa bereits wieder ab der zweiten Märzhälfte zu beobachten. Die Hauptrückkehrzeit ist jedoch April, wobei Nachzügler gelegentlich erst in der zweiten Maihälfte in ihren Brutgebieten wieder eintreffen. Der überwiegende Teil der Population trifft in der Regel zwischen fünf und fünfzehn Tagen nach den ersten Vögeln ein, wobei die Männchen eher in den Brutarealen eintreffen als die Weibchen.<ref name="blotzheim588f"> Glutz von Blotzheim, S. 588f </ref> == Lebensraum == === Brutgebiete === Als Bodenbrüter benötigt der Baumpieper während seiner Fortpflanzungsperiode ein Habitat, das neben einem Bestand an hohen Bäumen oder Sträuchern genügend lichte Stellen mit einer ausreichend dichten Krautschicht aufweist. Entsprechend fehlen Baumpieper in ausgedehnten Ackerlandschaften oder Grünlandgebieten, wie sie für [[Friesland]] oder [[Holland|Nordholland]] charakteristisch sind.<ref name="blotzheim585a"> Glutz von Blotzheim, S. 585 </ref> Eine Bindung an eine bestimmte Baumart weist der Baumpieper nicht auf. Er kommt sowohl in Nadelwäldern als auch Laub- oder Laubmischwäldern vor. Die früher gelegentlich geäußerte Vermutung, Baumpieper wiesen ähnlich wie das [[Wintergoldhähnchen]] eine Bindung an Nadelbäume auf, gilt mittlerweile als widerlegt. Neben aufgelockerten, sonnigen Waldrändern, Kahlschlägen, Aufforstungsflächen und Waldlichtungen als wichtigste Bruthabitate nutzen Baumpieper auch [[Heide (Landschaft)|Heide]]n, [[Weinberg]]e und [[Moor]]e, sofern diese ausreichend Baumbestand und eine dichte Krautschicht aufweisen. Sonnenexponierte Stellen werden dabei bevorzugt. Auf Friedhöfen, [[Streuobstwiese]]n oder in Parkanlagen sind sie dagegen nur selten zu sehen, da hier die Krautschicht in der Regel nicht dicht genug ist. Auch die Höhenverbreitung des Baumpiepers ist von einem Vorhandensein von Kraut- beziehungsweise Zwergstrauchschichten beeinflusst. Er kommt dort regelmäßig bis zur Baumgrenze vor. In den Alpen brütet er bis in eine Höhe von {{Höhe|2300|DE-NN|link=true}} und in Österreich liegt der Verbreitungsschwerpunkt des Baumpiepers sogar in der Montanstufe der Alpen.<ref name="dvorak">Michael Dvorak ''et al.'': ''Atlas der Brutvögel Österreichs''. Umweltbundesamt 1993, ISBN 3-85457-121-6, S. 287</ref> Im [[Himalaya]] gibt es Brutnachweise für den Baumpieper noch auf einer Höhe von 4.200 Metern.<ref name="paetzold31"> Pätzold, S. 31 </ref> === Zug- und Überwinterungsquartiere === Baumpieper, die sich auf dem Weg in ihre Überwinterungsquartiere befinden, nutzen landwirtschaftliche Flächen stärker als während der Fortpflanzungsperiode. Während ihrer Nahrungssuche sind sie dann auch auf Wiesen und Weiden sowie auf Ackerflächen zu sehen, auf denen [[Hackfrucht|Hackfrüchte]] oder [[Klee]] und [[Luzerne]] angebaut werden. Hier bietet ihnen der Bewuchs ausreichend Deckung. Ackerflächen wie beispielsweise abgeerntete Getreidefelder werden nur in der Nähe von Gebüschen aufgesucht. Im Überwinterungsgebiet hält sich der Baumpieper ähnlich wie in seinen Brutarealen bevorzugt in halboffenem bis offenem Gelände in Gehölznähe auf. Entsprechend findet man ihn auch hier an Waldrändern oder auf Lichtungen von [[Akazien]]wäldern. Er ist zudem häufig am Rande von Kaffee-, Bananen- oder Ölpalmenplantagen und regelmäßig in Gärten zu beobachten.<ref name="blotzheim"> Glutz von Blotzheim </ref> == Nahrung und Nahrungserwerb == Die Nahrung besteht nahezu ausschließlich aus kleinen, weichhäutigen [[Insekten]]. Sämereien oder andere Pflanzenteile hat man vereinzelt in den Mägen von Baumpiepern gefunden, sie stellen jedoch nur einen sehr geringen Anteil der Nahrung dar. Den Hauptbestandteil der Nahrung machen die Raupen von [[Schmetterlinge]]n sowie Heuschrecken aus. Zur Beute zählen außerdem [[Wanzen]], [[Käfer]], [[Blattläuse]], [[Schlupfwespen]], [[Ameisen]] und [[Köcherfliegen]]. Die Nahrungszusammensetzung kann sich verschieben, wenn beispielsweise aufgrund einer Massenentwicklung die Raupen des [[Eichenwickler]]s überreichlich zur Verfügung stehen. Auch in den Überwinterungsquartieren stellen Käfer, Schmetterlingsraupen und Wanzen die bevorzugten Nahrungsbestandteile dar. Hier fressen Baumpieper jedoch außerdem [[Termiten]]. Zur Deckung ihres Flüssigkeitsbedarfes nutzen Baumpieper überwiegend die Wassertropfen, die an Pflanzen hängen. An offenen Wasserstellen sieht man den Baumpieper selten. Er findet seine Nahrung sowohl auf Flächen mit niedriger Vegetation als auch auf Bäumen. Umstritten ist noch, welchen Anteil an der Gesamtnahrung die auf Bäumen gefundene Beute hat und ob es dabei jahreszeitlich bedingte Schwankungen gibt. Generell wird davon ausgegangen, dass der Baumpieper den größten Anteil seiner Nahrung auf dem Boden findet. Für den Nahrungserwerb nutzt der Baumpieper nicht nur sein Brutrevier, sondern regelmäßig auch ein zusätzliches Nahrungsgebiet, das nicht notwendigerweise an das Brutrevier angrenzt. Es kann bis zu einem halben Kilometer entfernt liegen und wird häufig von mehr als einem Baumpieperpaar genutzt.<ref name="blotzheim601"> Glutz von Blotzheim, S. 601 </ref> Selbständig gewordene Jungvögel bilden häufig locker zusammenhaltende Trupps, die gemeinsam im Gebiet in der Nähe des Brutortes umherstreifen. Die Größe dieser Trupps nimmt bis zum Wegzug zu.<ref name="blotzheim602"> Glutz von Blotzheim, S. 602 </ref> == Brutbiologie == === Das Brutrevier === Baumpieper sind bei ihrer Rückkehr in die Brutgebiete noch nicht verpaart, und die ersten Rückkehrer sind meist mehrjährige Männchen. Ihnen folgen mehrjährige Weibchen und dann erst die einjährigen Männchen.<ref name="blotzheim593"> Glutz von Blotzheim, S. 593 </ref> Rückkehrende Männchen beginnen sofort, Reviere zu besetzen. Die Rückkehrer sind brutorttreu; auch Jungvögel kehren an ihren Geburtsort zurück. Wegen der Instabilität der von ihnen als Brutareale genutzten Lebensräume wie Kahlschläge und Lichtungen verlagern sich die Brutplätze jedoch regelmäßig. Baumpieper führen eine monogame Saisonehe, wobei es durch die Reviertreue dazu kommen kann, dass sich frühere Partner erneut verpaaren.<ref name="blotzheim592"> Glutz von Blotzheim, S. 592 </ref> Das Brutrevier umfasst das Gebiet, in dem sich das Nest befindet, und das Männchen wie Weibchen gegenüber Artgenossen verteidigen. In Abhängigkeit von der Qualität des Habitats und der Populationsdichte schwankt die Größe des Brutreviers zwischen 0,3 und 2,5 Hektar.<ref name="paetzold69"> Pätzold, S. 69 </ref> Die zuerst zurückkehrenden Männchen, die noch keinem so großen Konkurrenzdruck ausgesetzt sind, besetzen zunächst ein sehr viel größeres Areal. Unter dem Druck später rückkehrender Artgenossen reduziert sich dieses dann allmählich. Die Reviergrenzen werden durch den Gesang des Männchens markiert und – nachdem die Reviergrenzen festgelegt sind – von den Artgenossen respektiert. Benachbarte Paare vermeiden eine direkte Revierdurchquerung, indem sie die Reviere anderer Baumpieperpaare in großer Höhe überfliegen. Dringt ein Baumpiepermännchen in ein bereits besetztes Revier ein, wird der Gesang des Revierbesitzers lauter und erregter. Reagiert der Reviereindringling darauf nicht mit Rückzug, fliegt der Revierbesitzer ihm singend entgegen. Meist ist dies ausreichend, um einen Eindringling zum Rückzug zu bewegen. Echte Angriffe auf Artgenossen sind selten. Die Vögel attackieren sich dabei mit Flügel- und Schnabelhieben sowie den Krallen. Auch fremde Weibchen werden vom Männchen aus dem Revier vertrieben, wenn auch mit einer geringeren Intensität. Weibchen unterstützen die Männchen gelegentlich bei der Revierbehauptung und verteidigen das Revier in Abwesenheit des Männchens auch allein. Anders als das Männchen lassen sie dabei keine Gesänge hören. === Das Nest und die Aufzucht der Jungvögel === Das Nest befindet sich am Boden unter [[Gras]]büscheln, Zwergsträuchern, [[Farne]]n oder unter niedrigem Gebüsch versteckt. Grundsätzlich sind die Nester so angelegt, dass ein Sichtschutz nach oben besteht. Stellen mit einem Bewuchs mit [[Wald-Zwenke]] (''Brachypodium silvaticum''), [[Draht-Schmiele|Drahtschmiele]] (''Deschampsia flexuosa'') und [[Reitgras]] (''Calamgrostis epigeios'') werden zur Anlage des Nestes besonders häufig genutzt.<ref name="blotzheim593"> Glutz von Blotzheim, S. 593 </ref> Zum Nestbau verwendet der Baumpieper trockenes Gras, viel Moos sowie dürres Laub. Die halbkugelige Nestmulde ist mit Fasern, Wurzeln und dünnen Grashalmen gepolstert.<ref name="czerny"> Walter Czerny: ''Welcher Vogel ist das'', Deutscher Bücherbund, Stuttgart 1973, S. 317 </ref> Der Nestbau erfolgt nur durch das Weibchen. [[Datei:Pinus-sylvestris-01.jpg|thumb|Lichter Kiefernaltholzbestand mit einer dichten Krautschicht aus Drahtschmiele]] Das Gelege besteht meist aus fünf Eiern, die zwei bis drei Gramm wiegen und sehr variabel gefärbt sind. Die Eier eines Geleges gleichen einander in der Grundfarbe, vom Weibchen abhängig sind sie jedoch grau, violett, grün, rostbraun oder rosa. Sie sind in der Regel dunkelbraun gefleckt, wobei auch die Fleckung sehr variabel ist. Sie reicht von dünnen, kleinen Pünktchen bis zu großflächigen groben Flecken, die so ineinander laufen, dass die Eier fast vollständig dunkelbraun oder schwarzgrau wirken.<ref name="blotzheim595"> Glutz von Blotzheim, S. 595 </ref> Der Brutbeginn liegt in Mitteleuropa in der Regel im Mai. Nur das Weibchen brütet. Es verlässt pro Tag zwischen zwölf und fünfzehn Mal das Nest, um nach Nahrung zu suchen.<ref name="blotzheim607"> Glutz von Blotzheim, S. 607 </ref> Die Brutdauer beträgt zwölf bis vierzehn Tage. Die Jungvögel verbleiben zehn bis zwölf Tage im Nest. Sie sind zu diesem Zeitpunkt noch nicht flügge und halten sich in der [[Krautschicht]] des Bodens versteckt. Beide Elternvögel versorgen die Jungvögel auch noch, wenn diese sich vom Nest entfernt haben. Gefüttert werden die Jungvögel etwa bis zum 25. Lebenstag. Die Zahl der Fütterungen nimmt mit ansteigendem Alter der Jungvögel jedoch ab. Ihre Flugfähigkeit erreichen die Jungvögel zwischen ihrem fünfzehnten und zwanzigsten Lebenstag.<ref name="blotzheim608"> Glutz von Blotzheim, S. 608 </ref> Schlägt die erste Brut fehl, beginnen die meisten Baumpieperpaare mit einer Ersatzbrut. Ein hoher Anteil von Baumpiepern, die erfolgreich ihre erste Brut hochgezogen haben, beginnt mit einer Zweitbrut. In Ausnahmefällen folgt sogar ein dritter Brutversuch, wenn die Jungen der Zweitbrut erfolgreich ausgeflogen sind. In der Regel nimmt die Gelegegröße mit fortgeschrittener Brutzeit ab.<ref name="bezzel"> Einhard Bezzel: ''Vögel'', BLV Verlagsgesellschaft, München 1996, ISBN 3-405-14736-0, S. 369 </ref> Im Durchschnitt zieht ein Paar pro Jahr drei bis vier Jungvögel erfolgreich groß.<ref name="blotzheim597"> Glutz von Blotzheim, S. 597 </ref> == Lebenserwartung und Bestand == Das Durchschnittsalter von Baumpieperpopulationen wird auf unter zwei Jahre geschätzt. In einer Studie, bei der in [[Kalmthout]], [[Belgien]], eine Baumpieperpopulation über fünf Jahre beobachtet wurde, betrug die Anzahl der einjährigen Vögel durchschnittlich knapp fünfzig Prozent. Unter wiedergefangenen, beringten Vögeln waren vier Prozent älter als fünf Jahre. Der älteste bislang wiedergefangene Ringvogel war sieben Jahre und acht Monate alt.<ref name="blotzheim598"> Glutz von Blotzheim, S. 598 </ref> Welchen Einfluss [[Raubtiere]], [[Greifvögel]], [[Rabenvögel]], [[Würger]] sowie Parasiten auf die Mortalität von Nestlingen, Jungvögeln und adulten Baumpiepern haben, ist bislang nicht hinreichend untersucht. Bei den Vögeln, die auf der Vogelwarte Helgoland untersucht wurden, zählen Baumpieper zu den Vogelarten, die am häufigsten durch die [[Zecken]]art ''[[Gemeiner Holzbock|Ixodes ricinus]]'' befallen sind. Einen großen Einfluss auf die Überlebensrate von Baumpiepern haben jedoch Wetterbedingungen. Während des Zuges ist die Sterblichkeit vor allem bei nasskaltem Wetter hoch. Im Winterquartier wirkt sich vor allem Dürre auf die Überlebensrate aus.<ref name="blotzheim598"> Glutz von Blotzheim, S. 598</ref> Der Herbstbestand des Baumpiepers wird für das gesamte Artareal von etwa 14 Millionen Quadratkilometern<ref name="paetzold12"> Pätzold, S. 12 </ref> auf etwa 370 Millionen Individuen geschätzt. In Deutschland brüten zwischen 520.000 und 600.000 Paare. Für Schweden wird der Bestand dagegen auf 4 Millionen und für Finnland auf 1,6 Millionen Brutpaare geschätzt. Der Bestand fluktuiert in Abhängigkeit geeigneter Lebensräume: So steigt er an, wenn nach Sturmschäden und Schädlingsbefall offene Waldflächen entstehen. In Finnland profitierte der Baumpieperbestand von großflächigen Abholzungsmaßnahmen und konnte sein Verbreitungsgebiet auch in Regionen ausdehnen, die bis dahin dicht mit Wald bestanden waren. Die Populationen gehen zurück, wenn großflächig naturnahe Mischwälder in Nadelholzkulturen umgewandelt oder ertragsarme Heide- und Moorflächen aufgeforstet werden.<ref name="blotzheim586a"> Glutz von Blotzheim, S. 586 </ref> == Systematik == Trotz des sehr großen Verbreitungsgebietes werden bislang nur zwei Unterarten beschrieben.<ref name="allstroem134">Allström und Mild, S. 134 </ref> Die Populationen, die im Gebiet des [[Himalaya]]s brüten, werden in der Unterart ''Anthus trivialis haringtoni'' zusammengefasst. Diese unterscheiden sich von der [[Nominotypisches Taxon|Nominatform]] ''Anthus trivialis trivialis'' vor allem durch einen an der Basis etwas breiteren Schnabel. Innerhalb der Nominatform gibt es zwar durchaus Unterschiede in der Gefiederfärbung – so haben beispielsweise die in Schottland beheimateten Populationen eine rötlich-gelb angehauchte Kinnpartie – die Unterschiede sind jedoch geringfügig und weisen keine konstanten regionalen Unterschiede auf, so dass bislang keine weitere Differenzierung in Unterarten vorgenommen wurde. == Quellen und Literatur == === Fußnoten === <div style="-moz-column-count:2; column-count:3;"> <references /> </div> === Literatur === * Per Alström und Krister Mild: ''Pipits & Wagtails of Europe, Asia and Northamerica'', Christopher Helm Ltd., London 2003, ISBN 0-7136-5834-7 * Urs Glutz von Blotzheim: ''Handbuch der Vögel Mitteleuropas – Band 10/II – Passeriformes (1. Teil)''. Aula Verlag, Wiesbaden, 1985. * Faansie Peacock: ''Pipits of Southern Africa – The complete guide to Africa’s ultimate LBJ’s''. Pretoria 2006, ISBN 0-620-35967-6 * Rudolf Pätzold: ''Der Baumpieper''. Verlag Ziemsen, Wittenberg Lutherstadt, 1990, ISBN 3-7403-0235-6 === Weblinks === {{Commons|Anthus trivialis|Baumpieper}} * [http://www.reuber-norwegen.de/RundeInfoVoegelBaumpieper.html Baumpieper bei www.reuber-norwegen.de] * [http://www.naturfotografie-digital.de/voegel/baumpieper-fotos.php Baumpieper bei www.naturfotografie-digital.de] * {{IUCN |Year=2008 |ID=149171 |ScientificName=Anthus trivialis |YearAssessed=2008 |Assessor=BirdLife International |Download=18. Dezember 2008 }} * {{IBC|ID=tree-pipit-anthus-trivialis|Titel=Anthus trivialis}} [[Kategorie:Stelzen und Pieper]] {{Exzellent}} [[bg:Горска бъбрица]] [[br:Sidan-koad]] [[ca:Piula dels arbres]] [[cs:Linduška lesní]] [[cy:Corhedydd y Coed]] [[en:Tree Pipit]] [[eo:Arbopipio]] [[es:Anthus trivialis]] [[et:Metskiur]] [[fi:Metsäkirvinen]] [[fr:Pipit des arbres]] [[gl:Pica das árbores]] [[hu:Erdei pityer]] [[it:Anthus trivialis]] [[ja:ヨーロッパビンズイ]] [[lb:Bampiipsert]] [[lt:Miškinis kalviukas]] [[mn:Ойн шийхнүүхэй]] [[nl:Boompieper]] [[nn:Trepiplerke]] [[no:Trepiplerke]] [[pl:Świergotek drzewny]] [[pt:Petinha-das-árvores]] [[ro:Fâsă de pădure]] [[ru:Лесной конёк]] [[sv:Trädpiplärka]] [[tr:Ağaç incir kuşu]] [[zh:林鹨]] 0mp7iwqi9wgy9klu1l36sa424f34o0l wikitext text/x-wiki Erythropoetin 0 23498 26097 2010-04-26T18:31:47Z Jamiri 0 /* Radsport */ Manuel Vázquez Hueso; Quelle: www.spox.com vom 26. April 2010 {{Infobox Protein | Name = | Bild = EPO+R 1EER.png | Bild_legende = Oberflächenmodell von Erythropoetin (Mitte) im Komplex mit seinem Rezeptor, nach {{PDB|1EER}} | PDB = {{PDB2|1buy}}, {{PDB2|1cn4}}, {{PDB2|1eer}} | Groesse = 165 [[Aminosäuren]]; 34&nbsp;[[Dalton|kDa]] | Kofaktor = | Precursor = [[Erythropoetin#Strukturelle Eigenschaften|PräPro-EPO-Protein]] | Struktur = [[Glykoprotein]] | Isoformen = | HGNCid = 3415 | Symbol = EPO | AltSymbols = ; EP; MGC138142 | OMIM = 133170 | UniProt = P01588 | MGIid = 95407 | CAS = 113427-24-0 | CASergänzend = Darbepoetin: 11096-26-7 | ATC-Code = {{ATC|B03|XA01}}<br/>{{ATC|B03|XA02}} | DrugBank = DB00016 | Wirkstoffklasse = [[Hormon]] | Verschreibungspflicht = ja | EC-Nummer = | Kategorie = | Peptidase_fam = | Reaktionsart = | Substrat = | Produkte = | Homolog_db = HOVERGEN | Homolog_fam = Erythropoetin-2 | Taxon = [[Euteleostomi]] | Taxon_Ausnahme = | Orthologe = }}'''Erythropoetin''' ({{IPA|eˌʁʏtʁoˈpo.e.tɪn}}, von [[Altgriechische Sprache|altgriech.]] {{polytonisch|ἐρυθρός}} ''erythros'' „rot“ und {{polytonisch|ποιεῖν}} ''poiein'' „machen“, [[Synonymie|Synonyme]]: '''EPO, Erythropoietin, Epoetin''', historisch auch: '''Hämatopoetin''') ist ein [[Glykoprotein]]-[[Hormon]], das als Wachstumsfaktor für die Bildung roter Blutkörperchen ([[Erythrozyten]]) während der Blutbildung ([[Hämatopoese]]) von Bedeutung ist. Erythropoetin zählt damit zu den so genannten ''„[[Erythropoiesis-Stimulating Agent|Erythropoiesis Stimulating Agents]]“'' (Kurzform: ESA). Als Therapeutikum wird biotechnologisch hergestelltes Erythropoetin vorwiegend bei der Behandlung der [[Anämie|Blutarmut]] von [[Dialyse]]<nowiki/>patienten, bei denen die Blutbildung infolge eines [[Chronisches Nierenversagen|Nierenversagens]] gestört ist, und nach aggressiven Chemotherapiezyklen eingesetzt. Daneben erwarb sich EPO durch zahlreiche [[Doping]]skandale insbesondere im [[Radsport]] den zweifelhaften Ruf als „Radfahrerdroge“. == Biosynthese == Bei vermindertem Sauerstoffgehalt des Blutes wird durch [[Transkriptionsfaktor]]en die Biosynthese von EPO in Gang gebracht. Diese findet hauptsächlich in den [[Niere]]n statt. Das erzeugte Hormon gelangt über den Blutkreislauf an seine Wirkungsorte. Im Menschen wird EPO etwa zu 85–90 % in der [[Niere]] durch die [[Endothel]]zellen der um die [[Nephron|Nierenkanälchen]] gelegenen [[Kapillare (Anatomie)|Kapillaren]] und zu 10–15 % auch durch die [[Hepatozyt]]en der [[Leber]] gebildet. Zudem konnte eine Syntheseaktivität im [[Gehirn]], in der [[Gebärmutter]], im [[Hoden]], in der [[Milz]] und sogar in [[Haar#Haarfollikel .28Haarbalg.29|Haarfollikel-Zellen]]<ref>Bodó E. et al. 2007, ''Human hair follicles are an extrarenal source and a nonhematopoietic target of erythropoietin.'' FASEB J. 21: 3346-54. PMID 17540710.</ref> nachgewiesen werden. Das EPO-[[Gen]] im Menschen befindet sich auf dem [[Chromosom 7 (Mensch)|Chromosom 7]] (Position 7q21-7q22). Die [[Biosynthese|Synthese]] wird stimuliert durch eine verminderte Sauerstoffsättigung ([[Hypoxie (Medizin)|Hypoxie]]) des Blutes. Dies führt zur [[Translokation]] der α-Untereinheit des „[[Hypoxie-induzierter Faktor|Hypoxie-induzierten Faktors]]“ (kurz HIF) vom [[Zytoplasma]] in den [[Zellkern]] EPO-[[Genexpression|exprimierender]] Zellen. Dort bindet HIF-α an die zugehörige β-Untereinheit (HIF-β), wodurch das fertige [[Heterodimer]] HIF-1 entsteht. Dieses wiederum bindet nachfolgend an das „cAMP response element-binding protein“ (kurz [[CREB]]) und einen weiteren [[Transkriptionsfaktor]] (p300). Der daraus resultierende, aus nunmehr drei Elementen bestehende Proteinkomplex leitet dann durch Bindung an die [[Nukleinsäure-Nomenklatur#Orientierung|3'-Flanke]] des EPO-Gens die [[Transkription (Biologie)|Transkription]] in die zugehörige [[mRNA]] ein, deren Konstruktionscode anschließend [[Ribosom|ribosomal]] in das Proteingerüst des EPO-Moleküls [[Translation (Biologie)|translatiert]] wird. == Biologische Funktion == [[Datei:EPO_Hämatopoese.png|thumb|450px|'''Schnittstellen der Wirkung von EPO während der Hämatopoese''' (modifiziert nach ''G. Croston'')<br />rote Pfeile: [[Erythropoese]];<br /> TGF = [[Transforming Growth Factor]];<br /> MIP = Macrophage Inflammatory Protein;<br /> IL = [[Interleukin]];<br /> G-CSF = [[G-CSF|Granulocyte-Colony Stimulating Factor]];<br /> SCF = [[Stammzellfaktor|Stem Cell Factor]];<br /> IGF = Insulin-like Growth Factor;<br /> FLT-3/FLK-2 = [[Rezeptor-Tyrosinkinase]];<br /> BFU-E = Erythroid Burst Forming Unit;<br /> CFU-E = Erythroid Colony Forming Unit]] Erythropoetin wirkt überall dort im Körper, wo der so genannte EPO-[[Rezeptor]] auf der Oberfläche der Zellen gebildet wird. Das sind neben anderen [[Gewebe (Biologie)|Geweben]] insbesondere die [[Stammzelle]]n im [[Knochenmark]], aus denen kontinuierlich neue Blutzellen hervorgehen. EPO bewirkt, dass aus diesen Stammzellen [[Erythrozyt]]en (rote Blutkörperchen) entstehen. ''Über die Bildung und Entwicklung roter Blutkörperchen siehe auch den Hauptartikel [[Erythropoese]]''. Die [[Blutserum|Serumkonzentration]] des Hormons im gesunden Menschen liegt zwischen 6 und 32&nbsp;[[Katalysatoraktivität#Einheiten der Enzymaktivität|mU/mL]] und die Plasmahalbwertszeit zwischen 2 und 13 Stunden.<ref name="foley">Foley R.N. (2008), ''Erythropoietin: physiology and molecular mechanisms.'' Heart Fail Rev. 13: 405-414. PMID 18236154.</ref> Bei der [[Erythropoese]] bindet EPO im [[Knochenmark]] an den [[Zellmembran|transmembranen]] Erythropoetin-[[Rezeptor]] der [[Stammzelle|Vorläuferzellen]] des Typs BFU-E (''Erythroid Burst Forming Unit''), die zunächst zu den reiferen Vorläuferzellen des Typs CFU-E (''Erythroid Colony Forming Unit'') und schließlich zu [[Erythrozyt]]en ausdifferenzieren. [[Datei:JAK-STAT-Signaltransduktion nach EPO-Bindung.png|thumb|left|[[JAK-STAT-Signalweg]] nach Bindung von EPO an seinen Rezeptor (vereinfachte Darstellung)]] Der [[Rezeptor]] (EpoR) gehört zur Familie der [[Zytokin]]-Rezeptoren, deren strukturelle Gemeinsamkeiten in zwei oder mehr [[immunglobulin]]-ähnlichen [[Proteindomäne|Domänen]], vier gleich angeordneten [[Cystein]]-Resten und der [[Extrazellulär|extrazellulären]] [[Aminosäuresequenz|Sequenz]] WSXWS ([[Tryptophan|Trp]]-[[Serin|Ser]]-''variable Aminosäure''-[[Tryptophan|Trp]]-[[Serin|Ser]]) bestehen. Die Bindung von EPO führt zu einer [[Dimer|Homodimerisierung]] des Rezeptors, welche wiederum via [[Cis-trans-Isomerie|Trans]][[phosphorylierung]] das rezeptorgekoppelte [[Enzym]] [[Januskinase]]-2 aktiviert. Dabei werden spezifische, [[Intrazellularraum|intrazellulär]] rezeptorassoziierte [[Tyrosin]]-Reste phosporyliert und dienen hierdurch als Kopplungsstation für das [[Signaltransduktion]]sprotein [[JAK-STAT-Signalweg|STAT5]], wodurch verschiedene [[Signaltransduktionskaskade]]n in Gang gesetzt werden. Insgesamt sind daran 94&nbsp;Proteine beteiligt. Pro Tag werden circa 200&nbsp;Milliarden Erythrozyten gebildet. Zusätzlich zur eigentlichen Erythropoese wirkt EPO bei der Differenzierung der Vorläuferzellen als [[Apoptose]]hemmer und stimuliert in geringem Maße auch die Bildung von [[Megakaryozyt]]en. [[Krankheitsverlauf|Akute und chronische]] [[Insuffizienz]]en infolge [[degenerativ]]er Erkrankungen der Niere führen zu verminderten EPO-Bildung und damit zur [[renal]]en [[Anämie]]. Die Aufgabe von EPO im Organismus ist nicht allein auf die Bildung neuer Erythrozyten beschränkt. Immuncytochemische [[Hybridisierung (Molekularbiologie)|Hybridisierungsuntersuchungen]] haben gezeigt, dass EpoR in den unterschiedlichsten [[somatisch]]en Zellen zu finden ist. Dazu gehören [[Neuron]]e, [[Astrozyt]]en, [[Gliazelle|Mikroglia]]- und [[Herzmuskel]]zellen. EPO/EpoR-[[Interaktion]]en wurden in den verschiedensten nicht-blutbildenden Geweben in Zusammenhang mit [[Zellteilung]]svorgängen, [[Chemotaxis]], [[Angiogenese]], Aktivierung intrazellulären [[Calcium]]s und Apoptosehemmung nachgewiesen. Spezifische EPO-Bindungsstellen wurden in Nervenzellen nachgewiesen, insbesondere auch im [[Hippocampus]], einer Hirnregion, die besonders anfällig für eine durch [[Hypoxämie|Sauerstoffmangel]] verursachte Schädigung ist. Im Mausmodell wurde nachgewiesen, dass durch die gezielte Gabe von EPO die Nerventätigkeit im Hippocampus gesteigert wird und so verbesserte Lern- und Erinnerungsleistungen bei den Tieren zu beobachten sind, und dies unabhängig von den blutbildenden Eigenschaften des Hormons.<ref>Adamcio B. et al. (2008), ''Erythropoietin enhances hippocampal long-term potentiation and memory.'' BMC Biol. 2008 Sep 9;6(1):37. PMID 18782446.</ref> In mehreren Tiermodellen des [[Ischämischer Schlaganfall|Hirninfarkts]] und des [[Hypoxämie|Sauerstoffmangels]] konnte ein schützender Effekt von EPO nachgewiesen werden. Diese Erkenntnisse könnten neue Therapieansätze für chronische Krankheiten (Multiple Sklerose, Schizophrenie) sowie akuten neurologischen Erkrankungen (Schlaganfall) bieten (siehe hierzu [[Erythropoetin#Indikationen f.C3.BCr die Therapie mit EPO|Indikationen für die Therapie mit EPO]]).<br/> Im Mausmodell konnte nachgewiesen werden, dass die zytoprotektive Eigenschaft von EPO bei Herzmuskelzellen auf der Wirkung des Enzyms [[Hämoxygenase#Biologische Bedeutung|Hämoxygenase-1]] beruht, dessen durch EPO vermittelte Expression über die [[P38-mitogenaktivierte Proteinkinase|p38 MAPK-Signaltransduktionskaskade]] in Gang gesetzt wird.<ref>Burger D. et al. (2008), ''Role of Heme Oxygenase-1 in the Cardioprotective Effects of Erythropoietin during Myocardial Ischemia and Reperfusion.'' Am J Physiol Heart Circ Physiol. 2008 Nov 7. [Epub ahead of print]. PMID 18996987.</ref> == Strukturelle Eigenschaften == EPO gehört [[Phylogenese|phylogenetisch]] zu einer [[Zytokin]]familie, die neben EPO auch [[Somatropin]], [[Prolaktin]], die [[Interleukin|Interleukine 2–7]] sowie die so genannten „Colony Stimulating Factors“ ([[G-CSF]], [[M-CSF]] und [[GM-CSF]]) umfasst. [[Datei:EPO-AS-Sequenz.jpg|thumb|350px|'''Aminosäuresequenz von EPO''' (Einbuchstabencode)<br/>grün: N-terminales Signalpeptid<br/>rot: C-terminaler Argininrest]] [[Datei:EPO.png|thumb|left|'''Schematische Darstellung des EPO-Moleküls mit Zuckerseitenketten (Glykosylierungen)'''<br /><small>'''Asn24''': N-glycosyliert, tri-antennär, di-sialyliert.<br />'''Asn38''': N-glycosyliert, tetra-antennär, tetra-sialyliert.<br />'''Asn83''': N-glycosyliert, tetra-antennär, tri-sialyliert.<br />'''Ser126''': O-glycosyliert, mono-antennär, di-sialyliert.</small>]] [[Datei:Erythropoietin.png|thumb|left|[[Kalottenmodell]] des EPO-Moleküls]] Das EPO-Gen (5,4&nbsp;kb, 5&nbsp;[[Exon]]s und 4&nbsp;[[Intron]]s) codiert ein [[Präkursor-Protein|PräPro-EPO-Protein]] mit 193&nbsp;Aminosäureresten. Bei der [[Posttranslationale Modifikation|posttranslationalen Modifikation]] wird [[Amino-Terminus|N-terminal]] ein [[Signalsequenz|Signalpeptid]] mit 27&nbsp;Aminosäureresten sowie [[Carboxyl-Terminus|C-terminal]] ein [[Arginin]]rest durch eine intrazelluläre [[Carboxypeptidasen|Carboxypeptidase]] abgespalten. Chemisch ist humanes EPO ein saures, unverzweigtes [[Peptid#Einteilung#Polypeptid|Polypeptid]] aus 165&nbsp;[[Aminosäure]]n mit einer [[Molekülmasse]] von etwa 34&nbsp;[[Dalton|kDa]]. Die [[Sekundärstruktur]] besteht aus vier antiparallelen [[Α-Helix|α-Helices]] inklusiver benachbarter Schleifen. Der Kohlenhydratanteil, der etwa 40 % der Molekülmasse beträgt, besteht aus einer [[Glykoproteine#Bindung|O-glykosidisch]] ([[Serin|Ser]]&nbsp;126) und drei [[Glykoproteine#Bindung|N-glykosidisch]] ([[Asparagin|Asn]]&nbsp;24, Asn&nbsp;38 und Asn&nbsp;83) gebundenen Zuckerseitenketten. Die Seitenketten ihrerseits setzen sich aus den [[Monosaccharid]]en [[Mannose]], [[Galaktose]], [[Fucose]], [[Peptidoglycan|N-Acetylglucosamin]], [[N-Acetylgalactosamin]] und [[N-Acetylneuraminsäure]] zusammen. Die N-glykosidisch gebundenen Seitenketten besitzen mehrere Verzweigungen, die man auch als “[[Antenne (Biochemie)|Antennen]]” bezeichnet. Im Gegensatz zur konstanten Aminosäuresequenz des EPO-Moleküls sind die Zuckerstrukturen variabel. Man spricht in diesem Zusammenhang von der [[Heterogenität (Naturwissenschaft)|Mikroheterogenität]] des EPO-Moleküls, die sowohl im natürlichen (nativen) als auch im [[Erythropoetin#EPO-Präparate der ersten Generation|rekombinanten EPO]] auftritt. Diese ist einerseits gekennzeichnet durch variable Abfolgen der [[Monosaccharide]] in den Zuckerseitenketten, anderseits durch die variable Anzahl der endständigen N-Acetylneuraminsäuren. Diese, auch unter dem Trivialnamen [[Sialinsäuren]] bekannt, sind entscheidend für die biologische Aktivität des [[Glykoprotein]]s: Je höher der Sialylierungsgrad, desto höher sind die Aktivität und die Serum[[Biologische Halbwertszeit|halbwertszeit]] des Hormons. Bemerkenswert ist, dass hoch-sialylierte [[Isoform]]en in ''in vitro''-Experimenten eine geringere [[Affinität (Biochemie)|Affinität]] zum EPO-Rezeptor zeigen. Dies erklärt wiederum, weshalb die asialylierten Isoformen, bei denen die endständigen Sialinsäuren entfernt sind, auf Grund der hohen Rezeptoraffinität unmittelbar in der Leber durch die [[Parenchym|parenchymalen]] Zellen ([[Hepatozyten]]), die den EPO-Rezeptor tragen, abgereichert werden und somit wirkungslos sind. Funktionale Isoformen werden dagegen nach und nach auch durch andere [[Somatische Zelle|Körperzellen]], die den EPO-Rezeptor tragen, abgebaut. Beim Abbau werden die EPO-Moleküle durch eine rezeptorvermittelte [[Endocytose]] in [[Lysosom]]en internalisiert und dort zerlegt. In weiterführenden Untersuchungen mit EPO-ähnlichen Molekülen ohne [[Affinität (Biochemie)|Rezeptoraffinität]] konnte gezeigt werden, dass die über den EPO-Rezeptor vermittelte Endocytose nur zum Teil zur Abreicherung von EPO aus dem Blutkreislauf beiträgt. Vielmehr scheinen Abbauwege über das [[Interstitium (Anatomie)|Stroma-Gewebe]] und das [[Lymphatisches System|Lymphgefäßsystem]] ausschlaggebend zu sein. Offenbar sind auch [[Makrophage]]n und [[Neutrophiler Granulozyt|neutrophile Granulozyten]] daran beteiligt.<ref>Agoram B. et al. (2008), ''Investigation of the effects of altered receptor binding activity on the clearance of erythropoiesis-stimulating proteins: Nonerythropoietin receptor-mediated pathways may play a major role. J Pharm Sci. 2008 Oct 3. [Epub ahead of print] PMID 18837016.</ref> Die Zuckerseitenketten beeinflussen auch die Stabilität des EPO-Moleküls und üben dabei eine Schutzfunktion aus. Deglycosyliertes EPO, das keine Zuckerseitenketten besitzt, ist deutlich empfindlicher gegenüber pH- und temperaturinduzierten [[Denaturierung (Biochemie)|Denaturierungen]] als natürliches, glycosyliertes EPO.<ref> Narhi L.O. et al. (1991), ''The effect of carbohydrate on the structure and stability of erythropoietin.'' J. Biol. Chem. 266: 23022-23026 PMID 1744097.</ref> Eine optionale Besonderheit des EPO-Moleküls ist die [[Sulfatierung (Biologie)|Sulfatierung]] N-glykosidischer Zuckerseitenketten. Die genaue Funktion der Sulfatierung, die sowohl im nativen als auch im [[Erythropoetin#EPO-Präparate der ersten Generation|rekombinanten Molekül]] nachweisbar ist, ist bisher unbekannt. Die zytoprotektiven Eigenschaften von EPO (siehe Kapitel [[Erythropoetin#Biologische Funktion|Biologische Funktion]]) werden offenbar bestimmt durch Peptidsequenzen der α-Helix B im EPO-Molekül. Dies haben in vitro- und in vivo-Untersuchungen mit synthetischen sequenzhomologen Peptiden gezeigt. Dem gegenüber haben besagte Sequenzen keine erythropoetische Eigenschaften.<ref>.Brines M. et al. (2008), ''Nonerythropoietic, tissue-protective peptides derived from the tertiary structure of erythropoietin.'' Proc. Natl. Acad. Sci. USA 105: 10925-10930. PMID 18676614.</ref> == EPO als Therapeutikum == === Forschungsgeschichte === Die Forschungsgeschichte des Erythropoetins ist naturgemäß eng verknüpft mit dem Erkenntnisgewinn über Entstehung und Funktion des Blutes. Schon seit der Frühgeschichte ist die Bedeutung des Blutes für die [[Vis vitalis|Vitalität]] des Menschen bekannt. In vielen Kulturkreisen stand Blut im Zentrum ritueller Zeremonien. Häufig wurde das Blut eines starken Tieres oder eines getöteten Feindes verabreicht, um dessen Kraft und Mut auf den Empfänger zu übertragen. Selbst in der [[Bibel]] ist seine Bedeutung niedergeschrieben. Im [[3. Buch Mose]], Kapitel 17, Vers 11 heißt es: ''„Denn des Leibes Leben [Seele] ist im Blut (...)“''. Die erste erfolgreiche [[Bluttransfusion]] zur Behandlung einer Anämie nahmen [[Jean-Baptiste Denis]] (* 1643, † 1704), Leibarzt von [[Ludwig XIV. (Frankreich)|Ludwig XIV.]] und der Chirurg Paul Emmerez († 1690) am 15. Juni 1667 in [[Paris]] vor. Sie führten dem Patienten, dessen Zustand sich nach der Transfusion deutlich besserte, das Blut eines Lammes zu. Der englische [[Gynäkologe]] und Geburtshelfer James Blundell (* 1791, † 1878) führte 1825 die erste erfolgreiche homologe Transfusion am Menschen durch, bei der eine Patientin mit starken Blutungen das Blut ihres Ehemanns erhielt. Der genaue Hintergrund für die Wirkung ihrer Therapien blieb den behandelnden Ärzten jedoch verborgen. Erst zur Mitte des 19. Jahrhunderts lieferten [[Felix Hoppe-Seyler]] mit der Entdeckung des [[Hämoglobin]] und [[Ernst Neumann]] durch seine Arbeiten über das [[Knochenmark]] als Ort der Blutbildung erste Erkenntnisse über die Entstehung und die Funktion des Blutes. 1863 erkannte der französische Arzt [[Denis Jourdanet]] indirekt den Zusammenhang zwischen erniedrigtem Sauerstoffpartialdruck und Erhöhung der Erythrozytenzahl, als er [[hämatokrit]]ische Untersuchungen an Personen durchführte, die sich längere Zeit in alpinen Höhenlagen aufgehalten hatten. Jourdanet stellte fest, dass das Blut seiner Probanden dickflüssiger war als dasjenige seiner “normalen” Patienten. Den direkten Zusammenhang stellte [[Friedrich Miescher]] 1893 her. Miescher beschrieb die Bildung der Erythrozyten als Ergebnis einer verminderten Sauerstoffversorgung des Knochenmarks. Auf dieser Grundlage gab es Bestrebungen, Anämien mittels gezielt induzierten Hypoxien zu therapieren. Im Jahr 1906 stellten der Franzose Paul Carnot (* 1869, † 1957) und seine Mitarbeiterin Catherine Deflandre erstmals die Hypothese auf, dass ein humoraler Faktor die Blutbildung regele. Ihre Hypothese gründete auf Experimenten, bei denen das [[Blutserum]] von Kaninchen, die zuvor durch [[Aderlass]] anämisch gemacht wurden, nach Injektion in gesunde Kaninchen bei diesen die Anzahl roter Blutkörperchen deutlich erhöht. Zahlreiche Versuche anderer Forscher, die Ergebnisse von Carnot und Deflandre zu reproduzieren, schlugen fehl. Erst durch die Verwendung von Phenylhydrazin, einer [[Hämolyse|hämolytischen]] Chemikalie zur Induktion einer Anämie, konnten auch andere Forscher, wie zum Beispiel 1911 Camillo Gibelli von der [[Universität Genua]], in der Versuchsanordnung von Carnot und Deflandre deren Hypothese aufrechterhalten. Weitere Hinweise für die Richtigkeit der Hypothese eines humoralen Faktors lieferten Experimente, bei denen die Blutbildung in normalen Tieren durch Serum von Tieren verstärkt werden konnte, die unter hypoxischen Bedingungen gehalten wurden. Hier konnte insbesondere Georges Sandor (* 1906, † 1997) vom [[Institut Pasteur]] in den 1930er Jahren bedeutende Erfolge erzielen. Die beiden finnischen [[Nephrologie|Nephrologen]] Eva Bonsdorff (* 1918) und Eeva Jalavisto (* 1909, † 1966) gaben schließlich 1948 diesem Faktor den Namen ''Erythropoetin'', kurz EPO. Als eigentlicher „Entdecker“ gilt gemeinhin [[Allan Jacob Erslev]], der 1953 die ersten fundierten wissenschaftlichen Publikationen veröffentlichte, in denen die Existenz von Erythropoetin zweifelsfrei bewiesen wurde. Zur Schlüsselfigur der weiteren EPO-Forschung wurde jedoch [[Eugene Goldwasser]]. 1954 bestätigten er und seine Arbeitsgruppe von der University of Chicago die Arbeiten Erslevs durch eigene Ergebnisse. Goldwasser und sein Mitarbeiter [[Leon Orris Jacobson]] konnten zunächst 1957 indirekt nachweisen, dass EPO in der Niere gebildet wird, und 1977 dann erstmals humanes EPO im Milligramm-Maßstab aus dem [[Urin]] isolieren. 1983 gelang [[Fu-Kuen Lin]], einem Mitarbeiter bei [[Amgen]], die Identifizierung des humanen EPO-Gens.<ref>Fu-Kuen Lin (1985), ''DNA sequences encoding erythropoietin.'' US-Patent 4,703,008.</ref> 1984 berichtete Sylvia Lee-Huang vom ''New York University Medical Center'' erstmals von einer erfolgreichen [[Klonierung]] und [[Genexpression|Expression]] von [[Rekombinantes Protein|rekombinantem]] humanem EPO (rhEPO) in [[Escherichia coli]],<ref>Lee-Huang S. (1984), ''Cloning and expression of human erythropoietin cDNA in Escherichia coli.'' Proc Natl Acad Sci U S A 81: 2708-2712. PMID 6371819.</ref> die 1985 dann auch in Säugetierzellen gelang.<ref>Jacobs K. et al. (1985),''Isolation and characterization of genomic and cDNA clones of human erythropoietin.'' Nature 313: 806-810. PMID 3838366.</ref> Hierdurch wurde die großtechnische Produktion von rekombinantem EPO in geeigneten Mengen möglich. === Indikationen für die Therapie mit EPO === Von den gegenwärtig klinisch eingesetzten Wachstumsfaktoren besitzt EPO das größte [[Indikation]]sspektrum. Die klassische EPO-Therapie zielt darauf ab, die Bildung roter Blutkörperchen bei Patienten mit [[Renale Anämie|renaler Anämie]], [[Tumor]]anämie und Anämien als Folge von [[Chemotherapie]]n in Gang zu setzen oder zu unterstützen. Zudem gilt mittlerweile als gesichert, dass die Ansprechrate von [[Hypoxie (Medizin)|hypoxischen]] [[Tumor]]en auf eine [[Strahlentherapie|Radio-]] oder Chemotherapie durch die Zunahme der Tumoroxygenierung nach EPO-Applikation gesteigert werden kann. ==== Hämatologische Erkrankungen ==== Bei der renalen Anämie wird den Patienten EPO meist begleitend zur [[Dialyse#Hämodialyse|Hämodialyse]] verabreicht. Eine US-amerikanischen Kurzzeitstudie ergab Hinweise darauf, dass es populationstypisch unterschiedliche Erfordernisse bei der Anwendung von EPO gibt. [[Dialyse]]<nowiki/>patienten [[Schwarzafrikaner|schwarzafrikanischer]] Abstammung benötigten in dieser Studie im Durchschnitt 12 % höhere EPO-Dosen als [[Europide|Weiße]] zur Anhebung des Hämoglobinspiegels in einen physiologischen Bereich.<ref>Lacson E. et al. (2008), ''The Association of Race With Erythropoietin Dose in Patients on Long-term Hemodialysis.'' Am. J. Kidney Dis. 2008 Sep 27. [Epub ahead of print] PMID 18824287.</ref> In einer weiteren, retrospektiven Studie wurde festgestellt, dass die Überlebensrate bei Dialysepatienten mit Niereninsuffizienz im Endstadium nach Verabreichung von EPO steigt, wenn diese Patienten in alpinen Höhenlagen leben.<ref>Winkelmayer W.C. et al. (2009), ''Altitude and all-cause mortality in incident dialysis patients.'' JAMA 301: 508-512. PMID 19190315.</ref> Vielfach kann die EPO-Therapie durch die gleichzeitige Verabreichung von Eisenpräparaten zur Blutbildung unterstützt werden.<ref>Gallieni M. (1998), ''Iron in the treatment of anemia in dialysis patients: an important support to erythropoietin.'' Int J Artif Organs. 21(11): 681-686. PMID 9894741.</ref> Der molekulare [[Pathomechanismus]] einer Tumoranämie, der sich durch die Zugabe von EPO beheben lässt, beruht auf einer gestörten [[Eisenstoffwechsel|Eisenverwertung]]. Da diese Mechanismen auch bei chronischen Infektionen (etwa [[Morbus Crohn]], [[Colitis ulcerosa]]) oder [[Sepsis]] nachweisbar sind, wird der Einsatz von EPO als therapieunterstützende Maßnahme seit einigen Jahren in [[Klinische Studie|klinischen Studien]] untersucht. Ferner werden EPO-Therapieformen beim [[Fatigue-Syndrom]], beim [[Myelodysplastisches Syndrom|Myelodysplastischen Syndrom]], bei der [[Aplastische Anämie|Aplastischen Anämie]], [[Osteomyelofibrose]] und [[HIV]]-Infektionen diskutiert. Bei der so genannten ''infantilen Pyknozytose'', eine Sonderform der [[Poikilozytose#Heredit.C3.A4re Poikilozytose|hereditären Poikilozytose]], handelt es sich um eine seltene Erkrankung bei Neugeborenen, die gekennzeichnet ist durch deformierte Erythrozyten und begleitet wird von schwergradigen Anämien. Bisher waren zur Behandlung dieser Krankheit häufige Erythrozytentransfusionen erforderlich. Eine italienische Forschergruppe berichtete im September 2008 erstmals von erfolgreichen Therapiefällen mit EPO, bei denen nachfolgend auf Erythrozytentransfusionen gänzlich verzichtet werden konnte.<ref>Amendola G. et al. (2008), ''Erythropoietin treatment can prevent blood transfusion in infantile pyknocytosis.'' Br. J. Haematol. 2008 Sep 9. [Epub ahead of print]. PMID 18783402.</ref> ==== Experimentelle Behandlungsansätze bei neurologischen Erkrankungen ==== Seine zytoprotektiven Eigenschaften in Zellkultur- und Tiermodellen machen EPO zudem zu einem interessanten Kandidaten für die Behandlung von akuten neurologischen Erkrankungen wie beispielsweise dem [[Schlaganfall]]. Während sich in Tiermodellen des Schlaganfalls sowie einer ersten Pilotstudie am Menschen vielversprechend waren, blieben die Ergebnisse einer großen randomisierten klinischen Studie zur Behandlung von Schlaganfallpatienten jedoch ernüchternd.<ref>Ehrenreich et al.: ''Recombinant Human Erythropoietin in the Treatment of Acute Ischemic Stroke.'' Stroke. 2009 Oct 15. [Epub ahead of print] PMID 19834012.</ref> Basierend auf experimentellen Arbeiten und kleinen klinischen Studien ist auch eine Rolle für die Behandlung chronischer Erkrankungen des zentralen Nervensystems postuliert worden. So wurde basierend auf einer an acht Patienten durchgeführten Studie spekuliert, ob hochdosiertes EPO möglicherweise bei der Symptombehandlung von chronisch fortschreitender [[Multiple Sklerose|Multipler Sklerose]] sein könnte.<ref>Ehrenreich H. et al. (2007), ''Exploring recombinant human erythropoietin in chronic progressive multiple sclerosis.'' Brain 2007;130(Pt 10):2577-88. PMID 17728357.</ref> In einer an 12 Patienten mit [[Friedreich-Ataxie]] durchgeführten Studie wurde nach EPO-Gabe eine Reduktion der lymphozytären [[Frataxin]]konzentrationen beobachtet.<ref>Boesch S. et al. (2007), ''Friedreich's ataxia: clinical pilot trial with recombinant human erythropoietin.'' Ann Neurol Aug 13 2007; [Epub ahead of print]. PMID 17702040.</ref> Im Mausmodell zeigte EPO eine verzögernde Wirkung bei der Entstehung der [[Amyotrophe Lateralsklerose|Amyotrophen Lateralsklerose (ALS)]].<ref>Grunfeld J.F. et al. (2007), ''Erythropoietin delays disease onset in an amyotrophic lateral sclerosis model.'' Experimental Neurology 204: 260-263 PMID 17174305.</ref> Im Rattenmodell befördert EPO offenbar das [[Axon|axonale]] Wachstum durchtrennter Nervenfasern.<ref>Lykissas M.G. et al. (2007), ''Axonal regeneration stimulated by erythropoietin: An experimental study in rats.'' J Neurosci Methods 164: 107-115. PMID 17532473.</ref> ==== Experimentelle Behandlungsansätze bei psychiatrischen Erkrankungen ==== Laut einer 2006 veröffentlichten Pilotstudie könnte EPO als Zusatztherapeutikum bei der Behandlung von [[Schizophrenie|schizophrenen Patienten]] möglicherweise eine leichte Verbesserung der [[Kognition|kognitiven Fähigkeiten]] bewirken.<ref> Ehrenreich H. et al. (2006), ''Improvement of cognitive functions in chronic schizophrenic patients by recombinant human erythropoietin.'' Mol Psychiatry 12: 206-220 PMID 17033631.</ref> Die Autoren nehmen an, dass der beobachtete Effekt auf den protektiven Eigenschaften von EPO gegenüber neurodegenerativen Mechanismen beruhen könnte, die Ergebnisse sind jedoch bisher nicht durch weitere Forschungsgruppen bestätigt worden. In einer weiteren, [[Neuropsychologie|neuropsychologischen]] Einzelstudie wurden stimmungsaufhellende Effekte bei gleichzeitiger Verbesserung kognitiver Fähigkeiten durch Verabreichung von EPO bei Patienten mit Angstzuständen und [[Depression]] beobachtet.<ref>Mishowiak K. et al.(2007), ''Erythropoietin improves mood and modulates the cognitive and neural processing of emotion 3 days post administration.'' Neuropsychopharmacology, [Epub ahead of print] PMID 17473836.</ref> ==== Weitere experimentelle Behandlungsansätze ==== Die zytoprotektiven Eigenschaften von EPO sind nicht allein auf neuronales Gewebe beschränkt. Auch Herzmuskelzellen sind nach einer Behandlung mit EPO deutlich unempfindlicher gegenüber ansonsten [[letal]]en Stressfaktoren, wie sie z.&nbsp;B. bei einem [[Myokardinfarkt|Herzinfarkt]] durch eine mangelhafte Sauerstoffversorgung ([[Hypoxie (Medizin)|Hypoxie]]) auftreten. Somit könnte EPO bei entsprechenden Risikopatienten vorbeugend verabreicht werden.<ref>Joyeux-Faure M. (2007), ''Cellular protection by erythropoietin: new therapeutic implications?'' J. Pharmacol. Exp. Ther. 2007 Aug 23; [Epub ahead of print]. PMID 17717190.</ref> Doch auch noch nach Auftreten eines ischämischen Infarktes kann die Anwendung von EPO hilfreich sein, da die Herzmuskelzellen bei der [[Perfusion|Reperfusion]] des Organs vor der sonst üblichen weiteren Schädigung bewahrt werden.<ref>Bogoyevitch M.A. (2004), ''An update on the cardiac effects of erythropoietin cardioprotection by erythropoietin and the lessons learnt from studies in neuroprotection.'' Cardiovasc. Res. 63: 208-216. PMID 15249178.</ref> In einer Studie in der Schweiz konnte belegt werden, dass dieser protektive Effekt auf der durch EPO vermittelten Produktion von [[Stickstoffmonoxid]] in den [[Koronargefäß|koronaren]] [[Endothel]]zellen beruht.<ref>Mihov D. et al. (2009), ''Erythropoietin protects from reperfusion-induced myocardial injury by enhancing coronary endothelial nitric oxide production.'' Eur J Cardiothorac Surg. 35(5): 839-846. PMID 19237290.</ref> Die durch Stickstoffmonoxid verursachte [[Vasodilatation|Gefäßerweiterung]] führt offenbar zu einer höheren Durchblutung und damit zu einer verbesserten Sauerstoffversorgung des Gewebes. In einer ersten Studie mit 138 Patienten zur Behandlung des Herzinfarkts mit EPO konnte jedoch kein Vorteil durch Verabreichung des Zytokins beobachtet werden.<ref>[http://www.reuters.com/article/marketsNews/idUSN3026129220090330 „EPO fails to help heart attack victims in study“].</ref> Auch auf [[Wundheilung]]sprozesse hat EPO offenbar einen positiven Einfluss. Im Maus-Modell konnte nachgewiesen werden, dass eine hohe Einzeldosis des Zytokins unter anderem die [[Epithelisation]] beschleunigt und die Differenzierung des mikrovaskulären [[Blutkreislauf#Blutgefäße|Blutgefäßsystems]] befördert.<ref>Sorg H. et al. (2009), ''Effects of erythropoietin in skin wound healing are dose related.'' FASEB J. 2009 Apr 27. [Epub ahead of print]. PMID 19403513.</ref> 2010 gelang es Wissenschaftlern der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH), EPO für eine neue nebenwirkungsfreie Behandlungsstrategie in der Wundheilung zu nutzen. Sie konnten in einer sog. Phase-II-Studie zeigen, dass schwere chronische Wunden bei Patienten mit Diabetes Typ I und II bei Verabreichung geringster EPO-Dosen wesentlich schneller abheilen als unter konventioneller Behandlung.<ref>MHH, [http://www.innovations-report.de/html/berichte/medizin_gesundheit/epo_wundtherapie_mhh_testet_innovatives_151424.html ''EPO in der Wundtherapie: MHH testet innovatives Heilungskonzept ohne Nebenwirkungen'']. Pressemitteilung vom 24. März 2010.</ref> Eine Langzeitstudie an der [[Medizinische Hochschule Hannover|Medizinischen Hochschule Hannover]] hat ergeben, dass EPO [[Frühgeburt|Frühgeborene]] vor Behinderungen als Folge von [[Hirnblutung]]en schützen kann. Die mit dem Hormon behandelten Kinder hätten später häufiger eine normale Schule besucht und deutlich bessere Intelligenzleistungen gezeigt als die Kontrollgruppe.<ref>[http://www.welt.de/die-welt/wissen/article5996431/Dopingmittel-schuetzt-Fruehchen-offenbar-vor-Behinderungen.html ''„Dopingmittel schützt Frühchen offenbar vor Behinderungen“''], welt.de vom 27. Januar 2010.</ref> === Bezeichnung und Eigenschaften von EPO-Präparaten === [[Datei:cells.jpg|thumb|Mikroskopisches Bild von [[CHO-Zellen]] in Suspension]] Die Weltgesundheitsorganisation [[Weltgesundheitsorganisation|WHO]] hat 1989 für rekombinante EPO-Varianten eine [[International Nonproprietary Name|INN-Nomenklatur]] eingeführt. Danach werden alle Substanzen mit dem gleichen Wirkmechanismus wie Erythropoetin mit dem Wortstamm „-poetin“ versehen. Bei „Epoetin“ handelt es sich um einen Wirkstoff, der die gleiche Aminosäuresequenz inklusive Disulfidbrücken und Glykosylierungsstellen aufweist, wie natürliches humanes Erythropoetin. Alle rekombinanten EPO-Varianten unterscheiden sich jedoch vom nativen, [[endogen]]en Molekül in der Zusammensetzung der Zuckerstrukturen ([[Glykosylierung]]smuster). Zudem gibt es auch Unterschiede zwischen den rekombinanten Varianten. Zur Unterscheidung der Varianten wird daher der Bezeichnung „Epoetin“ ein griechischer Buchstabe angehängt. Folgende EPO-Varianten sind gegenwärtig gemäß INN-Nomenklatur bei der WHO gelistet: Epoetin alpha (Epoetin α), Epoetin beta (Epoetin β), Epoetin gamma (Epoetin γ), Epoetin delta (Epoetin δ), Epoetin epsilon (Epoetin ε), Epoetin zeta (Epoetin ζ), Epoetin theta (Epoetin θ), Epoetin kappa (Epoetin κ) und Epoetin omega (Epoetin ω).<ref>[http://www.who.int/medicines/services/inn/CompleteBioRevdoc%2008-11-07_2_.pdf International nonproprietary names (INN) for biologicals and biotechnological substances].</ref> Das rekombinante Expressionsvehikel für die Produktion der Varianten Epoetin α und β ist jeweils ein genetisch modifizierter Subclon einer [[Eierstock|Ovarialzelllinie]] des Chinesischen Streifenhamsters (''Cricetulus griseus''), eine so genannte CHO-[[Zellkultur|Zelllinie]] (''Chinese Hamster Ovary''). Bei der Produktion der Variante Epoetin ω wird eine genetisch modifizierte und subclonierte Zelllinie aus der Niere eines Jungtieres des Syrischen Goldhamsters (''Mesocricetus auratus auratus'') verwendet (BHK-Zellen, ''Baby Hamster Kidney''). Epoetin β weist gegenüber Epoetin α eine geringfügig höhere Molekülmasse, ein breiteres Spektrum [[Basen (Chemie)|basischer]] [[Isoform]]en und damit einen niedrigeren Sialylierungsgrad auf. Der Anteil tetra-sialylierter Seitenketten ist bei Epoetin β jedoch mehr als doppelt so hoch wie bei Epoetin α. Nach Desialylierung zeigte Epoetin β im Vergleich zu Epoetin α im Mausmodell eine um 20 Prozent höhere [[Pharmakokinetik|pharmakologische Aktivität]]. Epoetin ω, bedingt durch die unterschiedliche Expressionszelllinie, unterscheidet sich strukturell von der α- und β-Variante durch die Abfolge der Zuckermonomere sowie durch die Anzahl der Verzweigungen in den Zuckerseitenketten (Antennärität). Epoetin γ wird durch eine rekombinante [[Hausmaus|murine]] [[Fibroblast]]enzellinie exprimiert, Epoetin ε durch eine BHK-Linie (vergleiche Epoetin ω). Beide Varianten haben jedoch, wie auch die Variante Epoetin κ, offenbar keine klinische Relevanz. Bei Epoetin ζ (''Silapo'' bzw. ''Retacrit'') und Epoetin θ (''Biopoin'') handelt es sich um Nachahmerpräparate. Im Vergleich zu Epoetin α enthält Epoetin ζ weniger O-Glycane sowie weniger der unerwünschten Sialinsäure-Derivate [[N-Glycolylneuraminsäure]] und O-Acetylneuraminsäure.<ref>Jelkmann W. (2009), ''Efficiacy of recombinant erythropoietins: is there unity of international units?'' Nephrol Dial Transplant. 24: 1366-1368. PMID 19225013.</ref> Epoetin δ wird mit Hilfe einer humanen Zelllinie produziert und unter dem Namen [[Erythropoetin#„Natürliche“ EPO-Varianten|DynEpo]] vertrieben. Dieses Präparat der nächsten Generation unterscheidet sich sowohl vom natürlichen, humanen EPO als auch von den rekombinanten Varianten Epoetin α und β.<ref>Llop E. (2008), ''Structural analysis of the glycosylation of gene-activated erythropoietin (epoetin delta, Dynepo).'' Anal. Biochem. 2008 Sep 3 [Epub ahead of print]. PMID 18804089.</ref> Diese Unterschiede zeigen sich vor allem in der isoelektrischen Fokussierung, wodurch Epoetin δ im Rahmen des Standardverfahrens zur Untersuchung von EPO-Missbrauch nachweisbar ist (siehe dazu das Kapitel [[Erythropoetin#Nachweisverfahren|Nachweisverfahren]]). Die Heterogenität in den Zuckerseitenketten fällt bei Epoetin δ geringer aus als bei Epoetin α und β. Die N-glycosidisch gebundenen Seitenketten sind überwiegend tetra-antennär und vollständig sialyliert. Im Gegensatz zu Epoetin α und β findet man neben di- und mono-sialylierten O-glycosidischen Seitenketten auch asialylierte O-Glycane. Ein gemeinsames Merkmal von Epoetin δ und dem natürlichen, humanen EPO ist die Abwesenheit von [[N-Glycolylneuraminsäure]], die aufgrund des Expressionsvehikels (Hamsterzellen) in Epoetin α und β in geringem Umfang zu finden ist. Die EPO-Menge wird eher in [[Internationale Einheit|Internationalen Einheiten (IE)]] als in [[Gramm]] oder [[Mol]] angegeben, da natives oder rekombinantes EPO [[Gemisch|Mixturen]] von [[Isoform]]en unterschiedlicher [[Biologische Aktivität#Pharmakologie|biologischer Aktivität]] darstellen. Eine ''EPO-Einheit'' hat per Definition im Nagetier-Modell dieselbe erythropoetische Wirkung wie 5 Mikromol [[Cobaltchlorid]]. Als Referenzmaterial diente zunächst aus Urin isoliertes humanes EPO.<ref>Cotes P.M., Bangham D.R. (1966), ''The international reference perparation of erythropoietin.'' Bull World Health Organ. 35: 751-760. PMID 5297809.</ref><ref>Annable L. et al. (1972), ''The second international reference preparation of erythropoietin, human, urinary, for bioassay.'' Bull World Health Organ 47: 99-112. PMID 4538911.</ref> 1992 wurde durch die WHO für rekombinantes EPO ein eigener Referenzstandard entwickelt.<ref>Storring P.L. et al. (1992), ''The international standard for recombinant DNA-derived erythropoietin: collaborative study of four recombinant DNA-derived erythropoietins and two highly purified human urinary erythropoietins.'' J Endocrinol. 134: 459-484. PMID 1402553.</ref> Das [[Europäisches Direktorat für die Qualität von Arzneimitteln|Europäische Direktorat für die Qualität von Arzneimitteln]] hat für therapeutisches rekombinantes EPO wiederum einen separaten Referenzstandard etabliert (sogenannter BRP-Standard, BRP = (engl.) ''biological reference preparation''). Dabei handelt es sich um ein 1:1-Gemisch von Epoetin α und Epoetin β.<ref>Behr-Gross M.E. (2007), ''Collaborative study for the establishment of erythropoietin BRP batch 3.'' Pharmeuropa Bio. 2007(1): 49-66. PMID 18413137.</ref> === EPO-Präparate der ersten Generation === Im Gegensatz zum [[Insulin]], das vor der Anwendung rekombinanter Insulinpräparate aus [[Bauchspeicheldrüse]]n von Schweinen stammte (siehe [[Organon (Pharma)|Organon]]), gab es eine solch „archaische“ Herkunft für EPO nicht. Erst durch die Isolierung des EPO-Gens sowie durch seine Klonierung und Expression in Säugerzellen war es mit Hilfe biotechnologischer Herstellungsverfahren möglich, das Hormon in Mengen zu produzieren, die für die Therapie ausreichten.<br /> [[Datei:Produktionsanlage rhEPO.jpg|thumb|Biotechnologische [[Good Manufacturing Practice|GMP]]-Produktionsanlage für rekombinantes EPO (rhEPO)]] * Das US-amerikanische Biotechnologieunternehmen [[Amgen]] brachte 1989 das erste rekombinante EPO-Präparat (Epogen, Epoetin α) auf den Markt. In klinischen Studien der Phasen I und II konnte bereits ab 1986 an der University of Washington in Seattle nachgewiesen werden, dass die Therapie von Anämien mit rekombinantem EPO bei Krebs- und Nierenpatienten wesentlich nebenwirkungsärmer ist als Behandlungen mit [[Bluttransfusion]]en. Die patentrechtliche Lage erlaubt Amgen die Exklusivvermarktung von EPO-Präparaten in den [[USA]] bis ins Jahr 2015 (nach anderer Quelle läuft das Amgen-Patent 2011 aus.<ref>[http://money.cnn.com/2006/08/14/news/companies/biogenerics/index.htm CNNMoney.com: „Missing the $20 billion biogeneric boom“ vom 15. August 2006].</ref>) Amgens Lizenznehmer in Japan ist der Brauereikonzern [[Kirin Beer|Kirin]], dessen Pharmasparte die Epoetin α-Variante seit 2001 unter dem Handelsnahmen ESPO vertreibt. Im Oktober 2004 kündigte Kirin an, seine Kooperation mit dem japanischen Pharmakonzern ''Daiichi Sankyo'' im Vertrieb von ESPO auf dem asiatischen Markt im März 2005 zu beenden.<ref>[http://www.japancorp.net/Article.Asp?Art_ID=8507 „Kirin, Sankyo to terminate joint marketing of renal anemia drug ESPO (...) by next march“].</ref> * Der US-amerikanische Pharmakonzern [[Johnson & Johnson]] entwickelte unter der Amgen-Lizenz ein Epoetin α, das unter dem Handelsnamen Procrit innerhalb und Eprex außerhalb der USA erhältlich ist. In Europa wird das Präparat unter dem Handelsnamen Erypo durch ''Janssen Cilag'' (''Ortho Biotech''), einer Tochtergesellschaft von Johnson & Johnson, vertrieben. Weitere Handelsnamen für den Vertrieb in [[Italien]] sind Epoxitin und Globuren. In Spanien und Portugal ist Eprex auch unter dem Namen Epopen durch die Firma ''Esteve (Laboratorios Pensa)'' auf dem Markt. In Polen, Russland und der Ukraine wird das Präparat unter dem Namen Epoglobin durch ''Jelfa Pharmaceuticals'' vertrieben. Ebenfalls in Polen ist das Präparat Epox über den Arzneimitteldistributor ''Genexo'' auf dem Markt. In Bolivien ist ein durch die Firma ''Laboratories Bagó'' produziertes Präparat mit dem Namen Eritrogen erhältlich. * [[Boehringer Mannheim]] brachte 1990 ein Epoetin-β-Präparat unter dem Namen NeoRecormon auf den Markt. 1997, als Boehringer Mannheim durch [[Hoffmann-La Roche]] aufgekauft wurde, erhielt der Pharmakonzern durch die [[Europäische Arzneimittelagentur]] die Zulassung für die europaweite Einführung. In Japan stellt die Firma [[Chugai]], ein seit 2002 zu Hoffmann-La Roche gehöriges Pharmaunternehmen, ebenfalls seit 1990 ein Epoetin-β-Präparat unter dem Handelsnahmen Epogin her. * Elanex Pharmaceuticals beziehungsweise seit 2001 [[Baxter International]] entwickelte mit dem Präparat Epomax (Epoetin ω) eine weitere EPO-Variante, die insbesondere in Ost-Europa (zum Beispiel Polen über die in Herne ansässige Firma ''Fumedica'') für den Vertrieb zugelassen ist. In Indien vertreibt ''Hindustan Antibiotics'' Epomax als Baxters Lizenznehmer unter dem Handelsnahmen Hemax. Die ω-Variante wird in Argentinien bereits seit 1990 durch die Firma ''Bio Sidus'' ebenfalls unter dem Handelsnamen Hemax produziert. === EPO-Präparate der nächsten Generation === Der enorme Erfolg der ersten EPO-Präparate hat dazu geführt, dass (wie bei keinem anderen rekombinant hergestellten Wachstumsfaktor) zahlreiche Strategien entwickelt wurden, um die biologische Aktivität des EPO-Moleküls zu steigern, seine Anwendung zu erleichtern und seine Verträglichkeit zu verbessern. Ein Schwerpunkt lag dabei auf Strukturmodifikationen des Ausgangsmoleküls (Stichworte: [[Protein-Engineering]], Proteindesign). Zudem konnten durch neue Erkenntnisse aus der medizinischen Grundlagenforschung neue Therapiefelder abgesteckt werden. Zur jüngsten Entwicklung in diesem Bereich gehören [[Mimetikum|EPO-Analoga]] (im Englischen auch als „Mimetics“ bezeichnet), gentherapeutische Ansätze zur Steigerung der EPO-Verfügbarkeit im Organismus und [[Kombipräparat]]e, die zum Beispiel zur Behandlung neurodegenerativer Erkrankungen eingesetzt werden sollen. ==== Modifikationen des EPO-Moleküls ==== * 2001 generierte Amgen unter dem Handelsnamen Aranesp (Darbepoetin α) ein gentechnisch verändertes Erythropoetin. Dieses enthält durch den Austausch von fünf Aminosäuren weitere Zuckerseitenketten, wodurch sich der Anteil endständiger Sialinsäuren und hierdurch die Serumhalbwertszeit um etwa den Faktor drei erhöht. Unter den EPO-Präparaten der nächsten Generation ist es das erste therapeutisch zugelassene. Lizenznehmer für Amgens Darbepoetin α in Italien ist die Firma ''Dompe Biotec'', die das Produkt unter dem Namen Nespo vertreibt. Darbepoetin α wird in CHO-Zellen produziert. 2004 startete Amgen eine Phase-I-Studie zur Anwendung eines hyperglykoslylierten Aranesp-Analogon mit der Kennung „AMG114“ bei der Behandlung von chemotherapie-induzierter Anämie. Im Juni 2006 stellte ein internationales Forscherteam auf dem 43-sten Kongress der ''American Society of Clinical Oncology'' ([[Asco|ASCO]]) Ergebnisse einer Phase-III-Multicenterstudie vor, nach denen „AMG114“ bei einer Serumhalbwertszeit von 131 Stunden geeignet erscheint, um zeitgleich zur Chemotherapie unterschiedlicher Tumorformen ([[Brustkrebs]], [[Darmkrebs]], [[Non-Hodgkin-Lymphom]]) angewendet zu werden. Weiterführende Untersuchungen haben jedoch gezeigt, dass das Molekül eine zu geringe Affinität zum EPO-Rezeptor hat. Daher wurden alle klinischen Studien mit „AMG114“ beendet.<ref>Macdougall I.C (2008), ''Novel erythropoiesis-stimulating agents: a new era in anemia management.'' Clin J Am Soc Nephrol. 3(1): 200-207. PMID 18077782.</ref> * Unter dem Aspekt einer längeren Wirkungsdauer wurde von [[Hoffmann-La Roche]] das EPO-[[Derivat (Chemie)|Derivat]] ''CERA'' (''Continuous Erythropoiesis Receptor Activator'', interne Roche-Kennung: Ro 50-3821) entwickelt, bei dem das EPO-Molekül (das aus dem Präparat NeoRecormon bekannte Epoetin β) am N-terminalen [[Alanin]] (ALA 1) oder an einem der [[Lysin]]reste (LYS 45 oder LYS 52) mit einem Methoxypolyethylenglycolpolymer verknüpft ist (so genannte [[PEGylierung]]). Durch die Polymerverknüpfung hat CERA eine Molekülmasse von 66&nbsp;kDa und ist damit fast doppelt so groß wie natives EPO. Die Serumhalbwertszeit nach intravenöser Gabe liegt gemäß Untersuchungen aus der klinischen Phase II bei rund 133 Stunden und ist damit mehr als fünfmal länger als bei Darbepoetin α. Gemäß pharmakokinetischer Untersuchungen ist die Wirkung von CERA bestimmt durch eine schwächere Bindung des Moleküls an den Erythropoetinrezeptor.<ref>[http://www.journalmed.de/newsview.php?id=13723 „CERA: Andersartige Wechselwirkung mit dem Erythropoietin-Rezeptor als Epoetin“].</ref> Nach erfolgter Bindung löst sich CERA zudem schneller vom EPO-Rezeptor. Gegenwärtig befindet sich CERA auch in einer klinischen Studie (Phase III) bei der Therapie des [[Non-Hodgkin-Lymphom]]s. Im April 2006 wurde bei der Europäischen Arzneimittelagentur der Antrag eingereicht, das Präparat unter dem Handelsnamen Mircera in den Verkehr zu bringen. Im Juli 2007 erfolgte die Zulassung durch die Europäische Kommission<ref>[http://www.ema.europa.eu/humandocs/PDFs/EPAR/mircera/H-739-de1.pdf Europäischer öffentlicher Beurteilungsbericht für Mircera].</ref> in der Indikation Nephrologie („Zur Behandlung der Anämie bei chronischen Nierenerkrankungen (CKD). Die Sicherheit und Wirksamkeit der Mircera-Therapie wurde bei anderen Indikationen nicht belegt. [...] In zwei kontrollierten klinischen Studien, in denen Mircera-Patienten mit verschiedenen Krebserkrankungen einschließlich [[Kopf-Hals-Tumor|Kopf- und Hals-Tumoren]] und Mammakarzinom angewendet wurde, zeigte sich eine ungeklärte erhöhte Mortalität.“ - Quelle: deutsche Mircera-Fachinformation). Im November 2007 erteilte die FDA die Zulassung für Mircera in den USA bei der Behandlung der renalen Anämie mit einmal monatlicher Erhaltungsdosis. * An der Entwicklung pegylierter EPO-Präparate, die sich noch in vorklinischen Versuchsstadien befinden, sind auch andere Unternehmen wie ''Bolder Biotechnology'' (mit BBT-009), ''PolyTherics'' (mit Epo TheraPEG), ''Prolong Pharmaceuticals'' (mit EPEG), ''Neose'' (mit NE-180 = pegyliertes EPO aus Insektenzellen), ''Lipoxen'' (ErepoXen, Polysialinsäure statt Polyethylenglycol als Pegylierungspolymer) und das in Heidelberg ansässige Unternehmen ''Complex Biosystems'' (reversible PEGylierung zur kontrollierten Freisetzung des Wirkstoffs) beteiligt. Im Februar 2008 gab Neose bekannt, dass die Aktivitäten zu ihrem Präparat NE-180 auf Grund anhaltender Sicherheitsdiskussionen über den Einsatz erythropoesestimulierender Substanzen und hierdurch fehlender Marktperspektiven eingestellt werden. Lipoxen vermeldete im April 2008 den erfolgreichen Abschluss einer in Indien durchgeführten Phase-I-Studie mit ErepoXen und kündigte im Juni 2008 den Beginn einer zweiten Phase-I-Studie in Kanada an. Eine erste Phase-II-Studie mit dem Präparat soll in Indien im zweiten Quartal 2009 gestartet werden. Mit einer Markteinführung von ErepoXen in Russland rechnet das Unternehmen im Jahr 2011. * Bei dem durch die US-amerikanische Firma ''CoGenesys'' entwickelten Präparat Albupoetin ist das EPO-Molekül mit einem humanen Albumin-Molekül verknüpft. Wie bei der PEGylierung erhöht sich durch diese Modifikation die Wirkungsdauer, da das EPO langsamer über die Nieren aus dem Blutkreislauf abgereichert wird. Seine Wirksamkeit habe Albupoetin gemäß Firmeninformation in zahlreichen in vitro- und in vivo-Studien gezeigt. Die Technik der Albuminverknüpfung wird durch CoGenesys auch bei anderen Therapeutika (zum Beispiel [[Somatropin]], [[G-CSF]], [[Brain Natriuretic Peptide|BNP]] und [[Insulin]]) eingesetzt. Im Januar 2008 wurde CoGenesys durch den israelischen Generikahersteller [[Teva Pharmaceutical Industries|Teva]] übernommen. * Unter der Kennung „PT-401“ arbeitet das in Florida ansässige Unternehmen ''DNAPrint Genomics'' in gegenwärtig vorklinischen Studien an einem [[Dimer|EPO-Dimer-Präparat]], das eine deutlich höhere [[Affinität]] zum EPO-Rezeptor haben soll als das native EPO. Im Februar 2008 wurde ''DNAPrint Genomics'' durch das US-Pharmaunternehmen ''Nanobac Pharmaceuticals'' übernommen. * Die US-amerikanische Firma ''Syntonix'' arbeitet auf der Grundlage ihrer patentierten Transceptor-Technologie an der Entwicklung eines [[Inhalation]]spräparates. Bei diesem ist das EPO-Molekül (Funktionseinheit) mit dem kristallinen Fragment (Fc) eines [[Antikörper]]s (Transporteinheit) zu einem [[Fusionsprotein]] verknüpft (so genannte Epo-Fc). Da das [[Lunge]]nepithel eine hohe Dichte an [[Rezeptor]]en aufweist, die mit dem Fc-Fragment interagieren (so genannte FcRn), wird Epo-Fc, als Inhalationsspray zugeführt rasch in der Lunge aufgenommen und in den [[Blutkreislauf]] transportiert. Die Fc-Einheit des Fusionsproteins sorgt zudem dafür, dass die Serumhalbwertszeit gegenüber dem „nackten“ EPO-Molekül deutlich verlängert ist. Dies beruht zum einen auf der erhöhten Molekülgröße (siehe CERA von Hoffmann-La Roche), die das Ausschleusen über die Niere verhindert. Zum anderen wird Epo-Fc nach Endocytose durch die Erythroblasten über den endosomalen Rezyklisierungsweg wieder in den Blutkreislauf abgegeben und steht so erneut zur Verfügung. Epo-Fc befindet sich in der klinischen Erprobungsphase (Klinik Phase I). Am 1. Februar 2007 wurde ''Syntonix'' zu einem Tochterunternehmen des Biotechkonzerns [[Biogen Idec]].<br/>Syntonix Mitbewerber auf diesem Gebiet ist ''Bolder Biotechnology'', das ebenfalls ein Epo-Fc entwickelt hat (sogenanntes ImmunoFusion Protein, Kennung: BBT-021). * Das US-amerikanische Biotechnologieunternehmen ''Warren Pharmaceuticals'' hat zusammen mit der dänischen Pharmafirma [[Lundbeck|H. Lundbeck A/S]] ein EPO-Derivat entwickelt, das bei der Therapie [[Neuropathie|neurodegenerativer Erkrankungen]] helfen soll. Bei dem Präparat ''CEPO'' (Kurzform für ''carbamyliertes EPO'') wurde an sämtliche Lysinmonomere des EPO-Moleküls ein Carbamylrest gekoppelt, wodurch sich seine [[Affinität]] zu spezifischen neuronalen Rezeptoren erhöht. Im Gegensatz zum nativen EPO-Molekül hat CEPO keine [[Erythropoese|erythropoetischen]] Eigenschaften. Die Wirkung des Präparats beruht vielmehr auf antiapoptotischen Effekten, die das Absterben von [[Myokard|myokardialem]] und neuronalem Gewebe unterbindet. Im Maus- und Rattenmodell konnten erste Erfolge bei der Behandlung von [[Ischämischer Schlaganfall|Ischämischen Schlaganfällen]] und [[Enzephalitis]] erzielt werden<ref>[http://www.faz.net/s/RubAEA2EF5995314224B44A0426A77BD700/Doc~ECF7EB289B6CD4C3CAC2DC2387EB7AB4F~ATpl~Ecommon~Scontent.html „Cepo statt Epo“, FAZnet vom 8. Juli 2004].</ref>. Gleiches gilt für die Therapie des [[Myokardinfarkt|Herzinfarktes]] im Rattenmodell.<ref>Fiordaliso F. et al. (2005), ''A nonerythropoietic derivative of erythropoietin protects the myocardium from ischemia-reperfusion injury'', Proc Natl Acad Sci 102: 2046-2051. PMID 15671158.</ref> Im Oktober 2007 wurde CEPO erstmalig in der klinischen Phase I eingesetzt. * Das israelische Pharmaunternehmen ''Modigene'' (seit Juni 2009 in ''PROLOR Biotech'' umbenannt) hat ein EPO-Präparat (MOD-7023) entwickelt, bei dem das EPO-Molekül an ein carboxyterminales Peptid des [[Humanes Choriongonadotropin|humanen Choriongonadotropin]] gekoppelt ist. MOD-7023 zeigte gegenüber Standardpräparaten eine verlängerte Serumhalbwertszeit und eine höhere pharmakologische Aktivität.<ref>Fahres F. et al. (2007), ''Development of a long-acting erythropoietin by fusing the carboxyl-terminal peptide of human chorionic gonadotropin beta-subunit to the coding sequence of human erythropoietin.'' Endocrinology 148: 5081-5087 PMID 17641000.</ref> Das Unternehmen wendet diese Technik auch zur strukturellen Modifikation anderer therapeutischer Hormone ([[Somatotropin]], [[Interferon#Beta-Interferon|Interferon-β]]) an. ==== „Natürliche“ EPO-Varianten ==== * Ein [[Joint Venture|Gemeinschaftsunternehmen]] der Firmen [[Sanofi-Aventis]] und dem US-amerikanischen Unternehmen [[Transkaryotic Therapies]] (seit 2005 vom britischen Pharmaproduzenten [[Shire Pharmaceuticals]]<ref>[http://www.finanzen.net/news/news_detail.asp?NewsNr=297717 Akquisition Shire Pharmaceuticals vom 21. April 2005].</ref> akquiriert) vermarktete eine durch Genaktivierung über Transfektion eines viralen [[Promotor (Genetik)|Promotor]] ([[Zytomegalievirus|CMV)]] von transformierten, humanen Zellen (Linie HT-1080, isoliert aus einem [[Hüftgelenk#Becken (Pelvis)|acetabularem]] [[Fibrosarkom]]) erzeugte EPO-Variante unter dem Markennamen DynEpo (Epoetin δ). Shire veröffentlichte erstmals im September 2006 Ergebnisse erfolgreicher Phase-III-Studien.<ref>[http://www.shire.com/shire/uploads/press/shire/DYNEPO_EASD_press_release_140906.pdf „New treatment a success for anaemia associated with chronic kidney disease“].</ref> Am 15. März 2007 wurde DynEpo auf dem deutschen Markt eingeführt. Weitere europäische Länder folgten noch im Jahr 2007.<ref>[http://www.med-magazin.de/modules.php?name=News&file=print&sid=3572 „Neue, von menschlichen Zellen produzierte Behandlung für die renale Anämie...“ Pressemitteilung vom 15. März 2007].</ref> Am 31. Juli 2008 gab Shire bekannt, die Produktion von DynEpo zum Ende des Jahres 2008 einzustellen.<ref>[http://www.shire.com/shire/uploads/press/shire/Q208EarningsreleaseFINAL31Jul2008.pdf Quartalsbericht der Firma Shire und Mitteilung des Vorstandsvorsitzenden Angus Russel vom 31. Juli 2008].</ref> * Das französische Biotechunternehmen ''GenOdyssee'' hat durch Reihenuntersuchungen eine durch einen so genannten [[Single Nucleotide Polymorphism|SNP]] gekennzeichnete natürliche EPO-Variante entdeckt, die in ''[[in vitro]]''-Experimenten gegenüber nativem EPO eine um 30–50 % gesteigerte Aktivität aufweist. Die als „GO-EPO“ bezeichnete Variante zeigt allein durch den Austausch einer singulären Aminosäure in der [[Tertiärstruktur]] eine [[Konfiguration (Chemie)|Konfiguration]]sänderung nahe der EPO-Rezeptor-Bindungstelle, die die Affinität des Moleküls zum Rezeptor deutlich erhöht. * Der US-amerikanische Firma ''GlycoFi'' ist es gelungen, ein humanisiertes EPO in Hefen der Gattung ''[[Pichia]]'', insbesondere ''[[Pichia pastoris]]'', zu generieren. Durch Einführung genetischer Knock-out-Elemente sowie humanspezifischer Gensequenzen in die Hefezellen konnten bei der [[Posttranslationale Modifikation|posttranslationalen Modifikation]] hefespezifische Glykosylierungen unterbunden und im Gegenzug humanspezifische Glykosylierungsschritte eingeführt werden. Im Mai 2006 wurde GlycoFi durch den US-Pharmakonzern [[MSD Sharp & Dohme]] übernommen. Der Einsatz einer pegylierten Form des humanisierten EPO (Kennung: MK2578) wird gegenwärtig in klinischen Studien der Phase II untersucht. * Schon seit mehr als einem Jahrzehnt gibt es Bestrebungen, EPO mit Hilfe [[Transgener Organismus|transgener]] Tiere (Rinder, Schweine, Ziegen, Schafe) herzustellen. Japanischen Forschern von der Universität in [[Nagoya]] gelang erstmals die Produktion von humanem EPO mit Hilfe transgener Hühner. Dabei wird das Hormon aus den Eiern der Tiere isoliert. Die biologische Aktivität des so gewonnen EPOs in vitro sei mit derjenigen gewöhnlichen rekombinanten EPOs aus CHO-Zellen vergleichbar. Allerdings sei die Glycosylierung unvollständig - so fehlten vielfach die endständigen Sialinsäuren.<ref> Kodama D. et al. (2008), ''Production of human erythropoietin by chimeric chickens.'' Biochem. Biophys. Res. Commun. 2008 Jan 14 (Epub ahead of print) PMID 18201556.</ref> ==== EPO-Mimetics ==== [[Datei:Levulinyl-Polymer.png|thumb|Tetra-antennäres, negativ geladenes Levulinyl-Polymer als Seitenkette des Synthetischen Erythropoese-Protein (SEP)]] * Die in [[San Francisco]] ansässige biopharmazeutische Firma ''Gryphon Therapeutics'' (vormals ''Gryphon Sciences'') hat das erste '''S'''ynthetische '''E'''rythropoese-'''P'''rotein ('''SEP''') entwickelt. SEP ist ein vollsynthetisches Makromolekül, bestehend aus einem Polypeptidrückgrat mit 166 Aminosäuremonomeren, das eine hohe Sequenzhomologie zu dem nativen EPO-Molekül aufweist. Dieses Polypeptid enthält zwei nicht-natürliche Lysin-Monomere (Lys 24 (Nε-levulinyl) und Lys 126 (Nε-levulinyl)), über die es chemische verknüpft ist mit einem negativ geladenen Polymer definierter Länge. Die Aktivität von SEP [[in vitro]] ist mit der von EPO vergleichbar. Dagegen ist die Serumhalbwertszeit etwa 2½ Mal länger. Bereits 2002 erwarb [[Hoffmann-La Roche]] die Lizenz für die Anwendung des Proteins in den klassischen EPO-Therapiefeldern.<ref>[http://www.roche.com/media-news-2002-03-25-e.pdf „Roche licenses Synthetic Erythropoiesis Protein from Gryphon Sciences“].</ref> * Die US-amerikanische Firma ''Affymax'' entwickelt ein Präparat unter dem Namen Hematide™. Dabei handelt es sich um ein kurzkettiges, zyklisches Polypeptid mit einer [[Disulfidbrücke]], dessen Wirkungsweise der des nativen EPO entspricht (EPO-Analogon), dessen Aminosäuresequenz aber keine [[Homologie (Biologie)|Homologie]] zum nativen EPO-Molekül aufweist. Zur Vermeidung einer raschen Ausscheidung über die Nieren und zur Strukturstabilisierung ist das Peptid zudem PEGyliert (siehe [[Erythropoetin#Modifikationen des EPO-Moleküls|CERA]] von Hoffmann-La Roche). Seine Wirksamkeit im Tiermodell hat das Präparat bereits unter Beweis gestellt. Laut der Studienergebnisse geht ''Affymax'' von einem Behandlungsregime aus, das bei der Behandlung von Anämien lediglich alle drei bis vier Wochen eine Gabe des Präparats erforderlich macht. Hematide™ befindet sich in der klinischen Phase III bei der Therapie der renalen Anämie. Im Januar 2008 wurde in Kooperation mit dem Pharmaunternehmen ''Takeda Pharmaceuticals'' eine Phase III-Studie zur Behandlung von Anämien, die durch Krebserkrankungen hervorgerufen werden, gestartet. Mit einer Markteinführung des Präparats rechnet der Hersteller im Verlauf des Jahres 2010. * Die kanadische Firma ''ProMetic Biosciences'' hat mit „PBI-1402“ ein niedermolekulares EPO-Analogon entwickelt, das in klinischen Studien der Phase I stimulierende und [[Apoptose|antiapoptotische]] Effekte auf die Bildung von Erythrozyten und [[Granulozyt]]en gezeigt hat. Inzwischen wird die Substanz in klinischen Phase II-Studien an Patienten mit Anämien, die durch Chemotherapeutika hervorgerufen werden, untersucht. Erste Ergebnisse dieser Studien wurden auf dem 13. Kongress der Europäischen Gesellschaft für Hämatologie in Kopenhagen im Juni 2008 veröffentlicht.<ref>[http://www.prometic.com/pdf/Poster-no0786.pdf Poster der ProMetic Life Sciences Inc. zum Präparat PBI-1402].</ref> * Das deutsche Biopharma-Unternehmen ''AplaGen Biopharmaceuticals'' aus Baesweiler bei Aachen hat ein EPO-Mimetikum, HemoMer™, entwickelt, bei dem das Funktionspeptid an ein Polysacharid-basiertes Makromolekül gekoppelt ist. Ähnlich wie bei PEGylierten soll durch die Erhöhung der Molekülgröße die Ausscheidung über die Nieren verzögert werden. Das so genannte Supravalenz-Prinzip sorgt zudem dafür, dass im Gegensatz zur PEGylierung zum einen die Wirksamkeit verstärkt und zum anderen der Wirkstoffträger auch im Körper abgebaut wird. Das Präparat befindet sich gegenwärtig in den präklinischen Studien und kann bisher sowohl [[intravenös]] als auch [[parenteral]] angewandt werden. Das Unternehmen arbeitet auch an weiteren Cytokin-Mimetika sowie alternativen Darreichungsformen.<ref>[http://www.aplagen.com AlpaGen Biopharmaceuticals – About AplaGen].</ref> * Die Firma [[Abbott Laboratories]] hat einen therapeutischen humanisierten Antikörper (ABT007) entwickelt, der in präklinischen Untersuchungen im Mausmodell durch Bindung an den EPO-Rezeptor die Reifung von Vorläuferzellen zu Erythrozyten und damit eine Erhöhung des Hämatokrits bewirkt. Aufgrund der besonderen Bindungseigenschaften des Antikörpers sei eine im Vergleich zu EPO-Standardpräparaten weniger häufige Verabreichung erforderlich.<ref>Liu Z. et al. (2007), ''A potent erythropoietin mimic human antibody interacts through a novel binding site.'' Blood 2007 Jul 9; Epub ahead of print. PMID 17620453.</ref> * Die Bindung von EPO an seinen zugehörigen Rezeptor (EpoR) kann durch bestimmte Substanzen verhindert werden, die ihrerseits anstelle von EPO an den Rezeptor binden (siehe [[kompetitive Hemmung]]). Der US-Pharmakonzern [[Merck (USA)|Merck]] hat durch ein kompetitives [[Screening]]-Verfahren eine solche Substanz (N-3-[2-(4-biphenyl)-6-chloro-5-methyl]indolyl-acetyl-L-lysin-methyl-ester) identifiziert, die im Zellkulturmodell als Oktamer-Molekül (sternförmige Verknüpfung von acht Einzelmolekülen über ein zentrales „Kernmolekül“, Bezeichnung: „Compound 5“) eine zu EPO identische Rezeptor-Antwort (Homodimerisierung und nachfolgende Signaltransduktionskaskaden) bewirkt.<ref>Qureshi S.A. et al. (1999), ''Mimicry of erythropoietin by a nonpeptide molecule.'' Proc Natl Acad Sci U S A. 96: 12156-12161. PMID 10518592.</ref> „Compound 5“ ist vollsynthetisch und besitzt als bisher einziges [[Erythropoiesis-Stimulating Agent|ESA]], dessen Wirkung direkt über den EPO-Rezeptor vermittelt wird, kein Aminosäure-[[Backbone (Biochemie)|Rückgrat]]. Hierdurch wäre im Gegensatz z.&nbsp;B. zu den EPO-Standardpräparaten auch eine [[peroral]]e Verabreichung denkbar (siehe auch Kaptitel [[Erythropoetin#Darreichungsformen|''Darreichungsformen'']]). Weiterführende Studien im präklinischen oder klinischen Einsatz von „Compound 5“ wurden allerdings bisher nicht veröffentlicht. * Das US-amerikanische Biotechnologie-Unternehmen [[Centocor]] hat unter der Kennung „CTNO 528“ ein EPO-mimetisches Antikörper-Fusionsprotein ohne strukturelle Ähnlichkeit zu Erythropoetin entwickelt. Im Rattenmodell war „CTNO 528“ bei der Behandlung von [[Pure Red Cell Aplasia|Erythrozytenaplasie]] erfolgreich. In einer ersten Phase-I-Studie am Menschen konnte durch das Präparat dosisabhängig die Anzahl der [[Retikulozyt]]en sowie die [[Hämoglobin]]konzentration erhöht werden.<ref>Bouman-Thio E. et al. (2008), ''A phase I, single and fractionated, ascending-dose study evaluating the safety, pharmacokinetics, pharmacodynamics, and immunogenicity of an erythropoietin mimetic antibody fusion protein (CNTO 528) in healthy male subjects.'' J Clin Pharmacol. 48(10): 1197-207. PMID 18812609.</ref> * Das US-amerikanische Pharmaunternehmen ''Ligand Pharmaceuticals'' arbeitet an der Entwicklung eines nicht-peptidischen, oral applizierbaren EPO-Mimetikums. ==== Gentherapie ==== * Einen [[Gentherapie|gentherapeutischen]] Ansatz verfolgt das britische Unternehmen ''Oxford BioMedica'' mit seinem Präparat [[Repoxygen]] in der vorklinischen Phase. Das Mittel wird [[intramuskulär]] gegeben und enthält [[Adenoviridae|adenovirale]] [[Vektor (Gentechnik)|Genshuttle]], mit Hilfe derer das EPO-Gen in die Muskelzellen transferiert wird. Die Expression des EPO-Gens wird gesteuert über einen sauerstoffsensitiven Transkriptionsfaktor. Auf diese Weise wird nur dann EPO in den [[Transfektion|transfizierten]] Muskelzellen gebildet, wenn die Sauerstoffsättigung im Blut einen kritischen Wert unterschreitet. Im Rahmen des Verfahrens gegen den Leichtathletiktrainer [[Thomas Springstein]] wegen des Verdachts auf [[Gendoping]] im Januar 2006 teilte Firmengründer Alan Kingsman mit, dass ''Oxford BioMedica'' die Produktion des Wirkstoffs bis auf weiteres eingestellt habe. <ref>[http://www.faz.net/s/Rub906784803A9943C4A3399622FC846D0D/Doc~E337E443A908B47B289DCA024C2D7A909~ATpl~Ecommon~Scontent.html „Repoxygen haben wir im Kühlfach“ FAZ vom 31. Januar 2006].</ref> * Das US-amerikanische Pharmaunternehmen ''Medgenics'' arbeitet an der Entwicklung einer so genannten „Biopumpe“. Dabei wird dem Patienten unter [[Lokalanästhesie]] durch eine [[Minimal-invasive Chirurgie|minimal-invasive]] [[Biopsie]] [[Haut#Subcutis (Unterhaut)|subdermales Gewebe]], ein so genanntes „Mikroorgan“, entnommen. Das so gewonnene Mikroorgan wird anschließend mittels adenoviraler Vektoren mit dem EPO-Gen transfiziert. Die auf diese Weise genetisch veränderten Zellen produzieren dann das gewünschte Protein (Erythropoetin). Nach einigen Zwischenschritten zur Entfernung überschüssiger Adenoviren und zur funktionellen Überprüfung wird das Mikroorgan zurück in den Patienten transplantiert (so genannte [[Transplantation#Art der Transplantation|autologe Transplantation]]). Gemäß Angaben durch Medgenics bleibt die Funktion dieser Biopumpe über einen Zeitraum von 6 Monaten erhalten.<ref>[http://www.medgenics.com/Technology.htm Die „Biopumpe“ von Medgenics].</ref> Im März 2009 berichtete Medgenics von erfolgreichen Ergebnissen einer Phase I/II-Studie ihrer EPODURE-Therapie. Danach lebte ein Patient bereits seit 11 Monaten mit drei EPODURE-Transplantaten ohne jegliche externe EPO-Zufuhr. * Bei 5 bis 10 % derjenigen Dialysepatienten, bei denen die Erythropoese trotz Behandlung mit hochdosierten EPO-Präparaten nicht anspricht (so genannte EPO-Hyporesponsivität), liegt die Ursache hierfür in einer erhöhten Expression des Proteins SHP-1. Bei SHP-1 handelt es sich um eine [[Phosphatasen#Protein-Phosphatasen|Protein-Phosphatase]], die in hämatopoetischen Vorläuferzellen des Typs BFU-E durch Dephosphorylierung des Enzyms ''Janus Kinase 2'' den Ablauf der JAK-STAT-Signaltransuktionskaskade nach Bindung von EPO an seinen Rezeptor unterbindet und damit die Reifung der Vorläuferzellen zu Erythrozyten verhindert (siehe hierzu Kapitel ''[[Erythropoetin#Biologische Funktion|Biologische Funktion]]''). Eine japanische Forschergruppe konnte zeigen, dass durch das Einschleusen von [[Antisense-RNA]] in Vorläuferzellen des Typs BFU-E, die zuvor aus EPO-hyporesponsiven Dialysepatienten isoliert wurden, die [[Proteinbiosynthese]] des SHP-1 durch komplementäre Bindung an die zugehörige [[mRNA]] verhindert wird. Die so behandelten Vorläuferzellen setzten den durch EPO gesteuerten Reifungsprozess fort.<ref>Akagi S. et al. (2004), ''The critical role of SRC homology domain 2-containing tyrosine phosphatase-1 in recombinant human erythropoietin hyporesponsive anemia in chronic hemodialysis patients.'' J Am Soc Nephrol. 15: 3215-3224. PMID 15579525.</ref> Anstelle eines solchen gentherapeutischen Ansatzes schlagen die Autoren allerdings die Identifizierung von Substanzen vor, welche die Aktivität von SHP-1 hemmen. Zu diesen Substanzen könnte möglicherweise [[4-Hydroxynonenal]] gehören, dessen inhibierende Wirkung auf SHP-1 in physiologischer Konzentration bereits beschrieben wurde.<ref>Rinna A., Forman H.J. (2008), ''SHP-1 inhibition by 4-hydroxynonenal activates Jun N-terminal kinase and glutamate cysteine ligase.'', Am J Respir Cell Mol Biol. 39:97-104. PMID 18276794.</ref> ==== Induktoren der EPO-Synthese ==== * Das US-amerikanische Unternehmen ''FibroGen'' arbeitet an der Entwicklung eines Medikaments mit der Bezeichnung „FG-2216“. Die Substanz [[Inhibitor|inhibiert]] die Funktion des Enzyms [[Prolylhydroxylase]], das für den Abbau des so genannten „Hypoxie-induzierten Faktors“ (kurz: HIF, siehe Kapitel [[Erythropoetin#Biosynthese|''Biosynthese'']]) verantwortlich ist. Durch die so erreichte HIF-Stabilisierung wird das EPO-Gen überexprimiert. Eine entsprechende Wirkungsweise hat auch das ebenfalls von ''FibroGen'' entwickelte Präparat „FG-4592“, das bei der Behandlung des so genannten ACD-Syndroms (engl. ''Anemia of Chronic Disease'') angewendet werden soll. Zudem scheinen beide Substanzen die Expression weiterer für die Erythropoese wichtiger Gene zu fördern (EPO-Rezeptor, [[Transferrin]], Transferrin-Rezeptor, [[Ferroportin]]). Der japanische Pharmakonzern [[Astellas]] erwarb im April 2006 die Rechte für den Vertrieb beider Präparate außerhalb der USA.<ref>[http://www.astellas.com/global/about/news/2006/060428_eg.html „Astellas Acquires the Rights to FG-2216 and FG-4592(...)for Europe and Other Regions(...)“ Pressemitteilung vom 28. April 2006].</ref> * Auch das Präparat „AKB-6548“ des US-amerikanischen Unternehmens ''Akebia Therapeutics'' ist ein Inhibitor der Prolylhydroxylase. Im September 2009 kündigte Akebia eine Phase-I-Studie nach oraler Verabreichung bei Patienten mit chronischem Nierenleiden und Prä-Dialysepatienten an.<ref>[http://www.earthtimes.org/articles/show/akebia-announces-initiation-of-phase-1-clinical-study-of-akb-6548,960311.shtml ''„Akebia Announces Initiation of Phase 1 Clinical Study of AKB-6548“''] Pressemitteilung vom 15. September 2009.</ref> * Das südkoreanische Pharmaunternehmen ''CrystalGenomics'' arbeitet in Konkurrenz zu seinen amerikanischen Mitanbietern ebenfalls an der Entwicklung von Therapeutika, die die Wirkung des HIF-Proteins stabilisieren.<ref>[http://www.cgxinc.com/english/new/new_01.php?mode=view&id=276&page=1&num=9&nowpos=30&type=&sermun=&qu=&tb_name=eng_news&rt_page=/english/new/new_01.php „CrystalGenomics had entered into oral hypoxia therapeutics development“, Pressemitteilung vom 19. September 2006].</ref> ''Palkon Inc.'', ein [[Joint-Venture]] zwischen ''CrystalGenomics'' und der Risikokapitalgesellschaft ''ProQuest Investment'', kündigte im Juni 2009 den Beginn präklinischer Studien mit Präparaten zur HIF-Stabilisierung an. * Unter Beteiligung des Arzneimittelherstellers ''Kowa Pharmaceuticals'' wird in Japan an einem Präparat mit der Bezeichnung „K-11706“ gearbeitet. Die Wirkung des Präparats beruht auf der Inhibition des Transkriptionsfaktors GATA2, der durch Bindung an den EPO-Promotor die Expression von Erythropoetin verhindert. K-11706 soll therapeutisch zur Behandlung des ACD-Syndroms (siehe oben), bei dem inflammatorische Zytokine wie [[Interleukin#Interleukin-1.CE.B2 .28IL1.CE.B2.29|Interleukin 1-β]] und [[Tumornekrosefaktor|TNF-α]] die DNA-Bindung von GATA2 begünstigen, eingesetzt werden. Erste Erfolge wurden im Maus-Modell nach oraler Verabreichung erzielt.<ref>Nakano Y. et al. 2004, ''Oral administration of K-11706 inhibits GATA binding activity, enhances hypoxia-inducible factor 1 binding activity, and restores indicators in an in vivo mouse model of anemia of chronic disease.'' Blood 104: 4300-4307 PMID 15328158.</ref> ==== Chimäre EPO-Proteine und Kombinationstherapien ==== * 1999 patentierte der italienische Pharmakonzern [[Menarini]] die Produktion eines Fusionsproteins in CHO-Zellen, das sich aus EPO und dem „Granulozyten-Makrophagen koloniestimuliernder Faktor“ (kurz: GM-CSF) zusammensetzt (US-Patent 5,916,773). Das Fusionsprotein mit der Bezeichnung „MEN 11303“ erzielte in In-vitro-Untersuchungen eine im Vergleich zu [[äquimolar]]en Dosen der Einzelfaktoren signifikante Verbesserung bei der Expansion von erythroiden Progenitorzellen. Gegenwärtig wird die Möglichkeit des Präparats bei der Ex-vivo-Vermehrung menschlicher Stammzellen untersucht. * Das kanadische Unternehmen ''Stem Cell Therapeutics'' hat mit NTx-265 ein Behandlungsverfahren entwickelt, bei dem durch kombinatorische Gabe von hCG ([[Humanes Choriongonadotropin]]) und EPO im Tiermodell Erfolge bei der Behandlung von Schlaganfällen erzielt werden konnten. Von einer erfolgreichen Phase-II-Studie an Patienten wurde im Februar 2008 berichtet. * Wissenschaftler des [[Universitätsklinikum#In der Schweiz|Centre Hospitalier Universitaire Vaudois (CHUV)]] in Lausanne haben in einem Mausmodell herausgefunden, dass das Protein [[Gas6]] die Bildung roter Blutkörperchen positiv beeinflusst. Bei gesunden Mäusen, denen man EPO verabreichte, produzierten bestimmte Vorläuferzellen der Erythrozyten (so genannte [[Erythropoese#Erythroblasten|Erythroblasten]]) das besagte Protein. Gas6 wiederum führte zu einer verbesserten Ansprechrate der Mäuse auf EPO hinsichtlich der Bildung neuer roter Blutkörperchen. Bei akut und chronisch anämischen Mäusen, die auf EPO allein nicht ansprachen, führte die Zugabe von Gas6 zu einer Erhöhung des Hämatokrit. Auf Grundlage dieser Ergebnisse im Tierversuch gehen die Autoren davon aus, dass zukünftig Gas6 allein oder in Verbindung mit EPO bei Anämietherapien von Patienten eingesetzt werden kann, bei denen die alleinige Verabreichung von EPO bisher keinen Erfolg erzielt hat.<ref>Angillo-Scherrer A. et al. (2008), ''Role of Gas6 in erythropoiesis and anemia in mice.'' J. Clin. Invest. 2008 Jan 10 (Epub ahead of print) PMID 18188450.</ref> === Nachahmerpräparate (Biogenerika, Biosimilars, Follow-on-Biologicals) === Mit dem Ablauf der Patente für einige [[Biopharmazeutikum|Biopharmazeutika]] (darunter auch EPO) seit 2004 und mit Hilfe der von der [[Europäische Arzneimittelagentur|Europäischen Arzneimittelagentur]] erlassenen ''Leitlinien für ähnliche biologisch-medizinische Produkte''<ref>[http://www.emea.europa.eu/pdfs/human/biosimilar/4283205en.pdf Leitlinien für ähnliche biologisch-medizinische Produkte].</ref> im Allgemeinen und der ''Leitlinien für ähnliche biologisch-medizinische Produkte, die rekombinantes Erythropoetin enthalten''<ref>[http://www.emea.europa.eu/pdfs/human/biosimilar/14666404en.pdf Leitlinien für ähnliche biologisch-medizinische Produkte, die rekombinantes Erythropoetin enthalten].</ref> im Speziellen stiegen zahlreiche [[Generikum|Generikahersteller]] in das lukrative Geschäft mit EPO ein (siehe Kapitel [[Erythropoetin#Marktdaten für EPO-Präparate|''Marktdaten für EPO-Präparate'']]). In einigen Ländern außerhalb der Europäischen Union sowie in Asien, Afrika und Südamerika waren EPO-Generika ([[Biosimilar]]s) bereits frühzeitig verfügbar. Vielfach wäre es sinnvoller, von [[Plagiat|EPO-Plagiaten]] zu sprechen, da entsprechende EPO-Präparate bereits seit vielen Jahren im Umlauf sind und da bei deren Herstellung und Vertrieb auf Patente und Lizenzen nur wenig Rücksicht genommen wurde. In den USA hat [[Amgen]] auf Grund der patentrechtlichen Situation gegenwärtig ein exklusives Vertriebsrecht. Richtlinien zur Einführung von Nachahmerpräparaten, wie sie die Europäische Arzneimittelagentur erlassen hat, wurden zwar bereits 2003 von der [[Food and Drug Administration|FDA]] angekündigt, bisher jedoch nicht umgesetzt. Nach bisherigem Stand der Dinge können US-amerikanische Generikahersteller frühestens im Jahr 2009 auf entsprechende Regularien hoffen,<ref>[http://www.biotechnologie.de/bio/generator/Navigation/Deutsch/recht-und-patente,did=44258.html „Erste Kopien von Biotech-Medikamenten drängen auf den Markt“ Bundesministerium für Forschung und Bildung vom 26. Juni 2006].</ref> andere Quellen gehen von einer Verzögerung bis ins Jahr 2012 aus.<ref>[http://www.nature.com/nbt/journal/v26/n12/full/nbt1208-1322c.html Ratner M. (2008), ''Shire dumps Dynepo'', Nature Biotechnology 26: 1322 - 1323.].</ref> Nach dem Regierungswechsel in den USA und dem erklärten Ziel von Präsident [[Barack Obama]], die Arzneimittelkosten drastisch zu senken, wurde als erster Schritt für die Einführung von Nachahmerpräparaten im März 2009 dem [[Kongress der Vereinigten Staaten|US-Kongress]] der sogenannte ''Biosimilar Act'' als Gesetzentwurf vorgelegt. Innerhalb der EU sind die ersten EPO-Biosimilars im August 2007 zugelassen worden. Für Nachahmerpräparate hochkomplexer Proteine hat sich bisher kein einheitlicher Begriff durchgesetzt. In der wissenschaftlichen Literatur wird jedoch am häufigsten der Begriff ''[[Biosimilar]]'' verwendet. ==== Asien ==== * Seit 2000 drängen zahlreiche indische Pharmaunternehmen mit eigenen Präparaten auf den heimischen Markt. In der Mehrzahl handelt es sich um EPO-Biosimilars zu Johnson & Johnsons Präparat Eprex, das in Indien seit 1995 vertrieben wird. Hierzu zählen die Firmen ''Emcure'' mit den Präparaten Vintor und Epofer, ''Wockhardt'' mit Wepox, ''Zydus Biogen'' mit Zyrop, [[Ranbaxy Laboratories|Ranbaxy]] mit dem Präparat Ceriton, ''Shantha Biotechnics'' mit Shanpoietin sowie ''Intas Pharmaceuticals'' mit den Präparaten Epofit und Erykine und ''Claris Lifesciences'' mit Epotin. Das in Bangalore ansässige Biotechunternehmen [[Biocon]] plant die Fertigstellung der nach eigenen Angaben größten Produktionsanlage zur Herstellung rekombinanter Proteine (darunter auch EPO) bis Ende 2005. Die Anlage wurde im April 2006 in Betrieb genommen. Inzwischen vertreibt Biocon das EPO-Präparat ERYPRO. Im Juni 2009 ging Biocon eine strategische Partnerschaft mit dem US-amerikanischen Pharmaunternehmen [[Mylan Laboratories|Mylan]] für den Vertrieb in den USA ein. Der aus der Übernahme der britischen Firma GeneMedix durch das indische Unternehmen [[Reliance Industries]] hervorgegangene Arzneimittelhersteller ''Reliance Life Sciences'' vertreibt seit 2008 das EPO-Präparat ReliPoietin. * Das in Vancouver ansässige kanadische Pharmaunternehmen ''Dragon Biotech'' produziert seit 2004 ein generisches EPO in einer Anlage in Nanjing (China) und vertreibt dieses in China, Indien, Ägypten, Brasilien, Peru, Ecuador, Trinidad & Tobago sowie in der Dominikanischen Republik und im Kosovo. Zudem kündigt das Unternehmen die Entwicklung eines neuen EPO-Produktes für den europäischen Markt an. * Neben ''Dragon Biotech'' sind weitere Unternehmen mit EPO-Präparaten auf dem chinesischen Markt vertreten. Zu ihnen gehören die in Hongkong ansässigen Firmen ''Refinex Medical'' und ''Medichem'', ferner die Unternehmen ''SciProgen'' (Präparat: SEPO), ''Beijing Four Rings Biopharmaceuticals'', ''Shandong Kexing Bioproducts'' (Präparat: EPOSINO), ''Kelun Biopharmaceuticals'', ''Chengdu Diao'', ''Shanghai Ke-hua'', ''Shangdong Ahua'', ''Shenzhen Xinpeng'', ''Shanghai Sanwei'' und ''3SBio Shenyang Sunshine Pharmaceuticals'' (kurz: ''SSP''). Die Firma ''PlasmaSelect'' aus München beabsichtigt die Vermarktung des von ''SSP'' vertriebenen EPO-Präparats EPIAO in Europa,<ref>[http://www.plasmaselect.de/e26/e247/e38/e1215/index_ger.html Pressemitteilung von PlasmaSelect vom 18. November 2005].</ref> das in China einen Marktanteil von etwa 40 % besitzt. Das in Shijiazhuang ansässige Pharmaunternehmen ''North China Pharmaceutical Group Corporation'' (NCPC), Chinas größter Produzent von [[Antibiotikum|Antibiotika]], vertreibt ein durch sein Joint Venture ''GeneTech Biotechnology'' produziertes EPO-Präparat unter dem Handelsnamen GerEpo. * In Vietnam produziert das in [[Ho-Chi-Minh-Stadt]] ansässige Unternehmen ''Nanogenpharma'' ein EPO-α-Präparat unter dem Namen „Bioetin“. * In Süd-Korea ist das EPO-Präparat Epokine (EPO α) vom biopharmazeutischen Unternehmen ''CJ Corp'' auf dem Markt. Epokine ist auch in anderen asiatischen Ländern (zum Beispiel Pakistan und Philippinen) und Südamerika (zum Beispiel Chile) durch lokale Distributoren erhältlich. Das Präparat Eporon wird durch CJ Corps heimischen Konkurrenten ''Dong-A Pharmaceutical'' vertrieben. Im südamerikanischen und pazifischen Raum ist Eporon durch die kolumbianische Firma ''Chalver Laboratorios'' unter dem Namen Eritina auf dem Markt. Ein drittes Unternehmen ist ''LG Lifescience'' mit Espogen, das auch durch die Tochtergesellschaft ''LG Lifescience India'' in Indien vertrieben wird. Seit 2000 besteht eine Kooperationsvereinbarung zwischen ''LG Lifescience'' und dem schweizer Biogenerikaentwickler ''Biopartners'' für eine geplante Einführung von Espogen und anderen Biopharmazeutika in der Europäischen Union. * Am 5. Februar 2007 wurde die nach Angaben des Leiters des ''Pasteur Institute of Iran'', Abdolhossein Rouholamini Najafabadi, größte Produktionsanlage für rekombinante Proteine (darunter Erythropoetin) in Südwest-Asien in Anwesenheit des [[Iran|iranischen]] Präsidenten [[Mahmud Ahmadinedschad]] eingeweiht.<ref>[http://www.petroenergyinfo.net/NewsView.aspx?NewsId=33151&Type=1&Subject=8 „Biggest Pharmaceutical Plant to Open Soon“].</ref> In dieser Anlage produziert der iranische Pharmakonzern ''Pooyesh Darou Pharmaceuticals'' unter anderem das EPO-Präparat PDpoetin. * Das iranische Biotechnologie-Unternehmen ''Cinnagen'' produziert in Zusammenarbeit mit dem Arzneimittelhersteller ''Zahravi Pharmaceuticals'' das EPO-Präparat Erytrex (Epoetin β). * In Indonesien sind die Pharmaunternehmen ''Novell Pharmaceutical Laboratories'' und ''Kalbe Farma'' mit den Präparaten Epotrex beziehungsweise Hemapo vertreten. * Das größte Pharmaunternehmen der Philippinen, ''United Laboratories Inc.'', vertreibt über sein Tochterunternehmen ''Biomedis Inc.'' das Präparat Renogen. ==== USA, Mittel- und Südamerika ==== * In Brasilien hat das Pharmaunternehmen ''Cristália'' in Kooperation mit dem halbstaatlichen Forschungsinstitut ''Instituto Butantan'' ein rezeptfrei erhältliches generisches EPO<ref>[http://www.noprescriptiondrugs.com/pharm93.html#epe generisches rekombinantes EPO von Cristália / Blausigel].</ref> entwickelt. Ebenfalls in Brasilien vertreten ist das Pharmaunternehmen ''Blausiegel'' mit den Präparaten Eritromax und AlfaEpoetina. * In Argentinien werden (neben dem Präparat Hemax, siehe oben) die Präparate Epoyet und Hypercrit durch das Pharmaunternehmen ''Bio Sidus'' produziert. * Auf Kuba wurde unter Federführung des staatlichen ''Centro de Ingeniería Genética y Biotecnología'' eine generische α-Variante in CHO-Zellen entwickelt, die vom Pharmaunternehmen ''Heber Biotec'' mit Sitz in Havanna unter dem Handelsnamen Heberitro für den heimischen Markt vertrieben wird. Heber Biotecs lokaler Mitanbieter ist das Unternehmen ''CIMAB S.A.'' mit dem Produkt EPOCIM. * Das US-amerikanische biopharmazeutische Serviceunternehmen ''Protein Sciences'' hat ein Verfahren zur Produktion eines EPO-Biosimilars in Insektenzellen entwickelt und bietet dieses Verfahren als Lizenzgeber an. Das in Insektenzellen, die mit [[Baculovirus|Baculoviren]] [[Transfektion|transfiziert]] sind, generierte EPO hat laut Firmeninformation eine biologische Aktivität, die etwa dem Doppelten des EPO-Standardpräprats (Epogen) entspricht. * Die ''AXXO GmbH'', ein in Hamburg ansässiges Unternehmen, erwarb unlängst die mexikanische Firma ''Nedder Farmaceuticos'', die als Tochtergesellschaft unter dem Namen ''Axxo Mexico'' firmierte und unter anderem ein rekombinantes EPO für den lateinamerikanischen Markt produziert. Die heimischen Konkurrenten sind die Pharmaunternehmen ''Probiomed'' mit BIOYETIN™ , ''Pisa'' mit EXETIN-A und ''Laboratorios Cryopharma'' mit EPOMAX. ==== Afrika und Nahost ==== * In Südafrika wird seit 1997 durch die Firma ''Bioclones'' aus Johannesburg ein EPO-Präparat unter dem Handelsnamen Repotin (EPO α) hergestellt. * Mindestens vier Unternehmen in Ägypten stellen EPO-Präparate für den heimischen Markt her: ''EIPICO'' mit Epoform, ''Amoun Pharmaceuticals'' mit Erypoietin, ''Sedico'' mit Epoetin und ''T3A Pharma'' mit Pronivel. In Argentinien wird Pronivel durch das Pharmaunternehmen ''Laboratorio Elea'' vermarktet. * In Israel findet sich mit ''InSight Biopharmaceuticals'' der bisher einzige Hersteller von generischem EPO als [[Bulk-Ware]]. Die Firma ''Prospec TechnoGene'' produziert zwar ebenfalls α- und β-Varianten von EPO in CHO-Zellen, dies allerdings nur für Laborzwecke. ==== Europa ==== * Im Juni 2005 erhielt das kroatische Pharmaunternehmen ''Pliva'' durch die zuständige lokale Zulassungsbehörde die Erlaubnis, ein EPO-Generikum (Epoetal) in Kroatien zu vermarkten. Eine Ausweitung der Vertriebsrechte für den gesamteuropäischen Markt wurde in Zusammenarbeit mit dem australischen Unternehmen ''Mayne Pharma'' angestrebt, gemäß Pressemitteilung vom 22. Februar 2006<ref>[http://www.pliva.com/en/investors/irpress?news_id=1583#mod_news Pliva-Pressemitteilung vom 22. Februar 2006].</ref> allerdings eingestellt. Hintergrund für diese Entscheidung sind möglicherweise die bei einer Inspektion im Januar/Februar 2006 durch die [[Food and Drug Administration|FDA]] festgestellten massiven Verstöße gegen die Richtlinien der [[Good Manufacturing Practice]] in Plivas Produktionsstätte in [[Zagreb]].<ref>{{Internetquelle|autor=Nicholas Buhay|hrsg=Public Health Service, Food and Drug Administration|titel=WARNING LETTER 320-06-02|url=http://www.fda.gov/ICECI/EnforcementActions/WarningLetters/2006/ucm075888.htm |datum=28. April 2006|zugriff=10. Juli 2009|sprache=englisch}}.</ref> Nachdem auch eine Übernahme durch den [[Island|isländischen]] Generikahersteller ''Actavis'' gescheitert ist, bemüht sich seit Juni 2006 das US-amerikanische Pharmaunternehmen ''Barr Pharmaceuticals'' um Pliva. Durch ein am 18. Juli 2008 abgeschlossenes Übernahmeverfahren gehört Barr Pharmaceuticals und damit auch Pliva zum israelischen Pharmakonzern [[Teva Pharmaceutical Industries]]. * In der Ukraine produziert das Unternehmen ''Biopharma'' ein EPO-Präparat unter dem Produktnamen Epocrin (Епокрин) für den heimischen und den russischen Markt. Hersteller der Epocrin-Variante (Эпокрин) in Russland ist die Pharmafirma ''Sotex''. * In England kündigte der Generikahersteller ''GeneMedix'' bereits im Mai 2005 die Markteinführung eines EPO-Präparats mit dem Produktnamen Epostim an. Zwischenzeitlich wurde der angestrebte Termin auf das dritte Quartal 2007 verschoben. Am 31. März 2008 gab GeneMedix bekannt, die Herstellerlaubnis für Epostim in der Produktionsanlage in [[Tullamore]] (Irland) und die Genehmigung zur Durchführung klinischer Studien in der Europäischen Union erhalten zu haben. Inzwischen wurde GeneMedix durch das indische Unternehmen [[Reliance Industries]] übernommen. * Der Unternehmensvorstand von [[Stada Arzneimittel]] erklärte in einer Pressemitteilung vom 30. März 2006<ref>[http://web.archive.org/web/20060524122126/http://de.biz.yahoo.com/30032006/36/roundup-2-stada-zukaufen-2006-zweistelliges-gewinnwachstum.html Stada-Pressemitteilung vom 30. März 2006].</ref>, dass man die Einreichung der Zulassungsunterlagen bei der Europäischen Arzneimittelagentur für die Produktion und den Vertrieb eines EPO-Generikums im zweiten Quartal 2006 plane und mit der Markteinführung Ende 2006 beziehungsweise Anfang 2007 zu rechnen sein werde. Am 30. Juni 2006 ließ STADA verlauten, dass das Unternehmen die Zulassungsunterlagen bei der Europäischen Arzneimittelagentur für die Produktion eines ''Erythropoetin zeta'' am selben Tag eingereicht habe.<ref>[http://www.stada.de/unternehmen/MELDUNGEN_PRESSE/presse_adhoc/pressemeldungen/06-06-30/060630.asp „STADA: Zulassungsunterlagen für Erythropoetin-Biosimilar bei EMEA eingereicht“].</ref> Kooperationspartner für die Produktion des Biosimilars für die klinische Studie ist das in [[Bielefeld]] ansässige Biotechunternehmen ''Bibitec''.<ref>[http://www.presseportal.de/story.htx?nr=846603&ressort=1 „Bibitec schließt erste Wirkstoffentwicklung für ein Biosimilar ab.“ Pressemitteilung der NewLab BioQuality AG].</ref> Das US-amerikanische Unternehmen ''Hospira'' erwarb im November 2006 die Vertriebsrechte für ''Erythropoetin zeta'' für die Vermarktung in der Europäischen Gemeinschaft sowie in Kanada/USA.<ref>[http://www.stada.de/unternehmen/MELDUNGEN_PRESSE/presse_adhoc/pressemeldungen/06-11-20/061120.asp „STADA ordnet Biosimilar-Projekte neu – Epo-zeta-Vertriebsrechte an Hospira“ Pressemitteilung vom 20. November 2006].</ref> Am 18. Oktober 2007 erhielten STADA und Hospira einen Positivbescheid des [[Ausschuss für Humanarzneimittel|Ausschusses für Humanarzneimittel]] (CHMP) der Europäischen Arzneimittelagentur für die Markteinführung der Präparate ''Silapo'' bzw. ''Retacrit''.<ref>[http://www.emea.europa.eu/pdfs/human/opinion/silapo_48572907en%20.pdf „COMMITTEE FOR MEDICINAL PRODUCTS FOR HUMAN USE SUMMARY OF POSITIVE OPINION for SILAPO“].</ref>. Den endgültigen Zulassungsbescheid zur Markteinführung beider Präparate für das erste Quartal 2008 erhielt STADA am 19. Dezember 2007<ref>[http://www.stada.de/unternehmen/MELDUNGEN_PRESSE/presse_adhoc/pdf/337.pdf “STADA erhält für Erythropoetin-zeta Zulassung – Einführung im 1. Quartal 2008”].</ref> * Der britische Generikahersteller ''Therapeutic Proteins'' kündigte in einer Pressemitteilung vom 12. Mai 2006<ref>[http://www.presseportal.de/pdf.htx?nr=822536 Pressemitteilung durch Therapeutic Proteins vom 12. Mai 2006].</ref> an, Zulassungsunterlagen bei der Europäischen Arzneimittelagentur für die Produktion und den Vertrieb eines EPO-Generikums unter dem Handelsnamen TheraPoietin sowie für zwei weitere Biosimilars einzureichen. Die Produktion aller drei Biosimilars soll in Zusammenarbeit mit dem britischen Auftragsproduzenten ''Angel Biotechnology'' erfolgen. * Der aus der Übernahme der [[Hexal AG]] durch den Pharmakonzern [[Novartis]] hervorgegangene Generikahersteller [[Sandoz]] erhielt am 28. August 2007 die Zulassung durch die EU-Kommission für das generische EPO-Präparat ''Binocrit'' (Epoetin α)<ref>[http://www.emea.europa.eu/humandocs/Humans/EPAR/binocrit/binocrit.htm Europäischer öffentlicher Beurteilungsbericht für Binocrit].</ref>. Das Präparat wurde auch unter den Markennamen ''Epoetin alfa Hexal'' durch die Hexal AG<ref>[http://www.emea.europa.eu/humandocs/Humans/EPAR/epoetinalfahexal/epoetinalfahexal.htm Europäischer öffentlicher Beurteilungsbericht für Epoetin alfa Hexal].</ref> sowie ''Abseamed'' durch den Arzneimittelhersteller [[Medice]] zugelassen.<ref>[http://www.emea.europa.eu/humandocs/Humans/EPAR/abseamed/abseamed.htm Europäischer öffentlicher Beurteilungsbericht für Abseamed].</ref> Alle drei Präparate werden von der Firma Rentschler Biotechnologie in Laupheim in [[Lohnfertigung]] hergestellt. Mit dem Medizintechnikunternehmen ''[[Gambro]]'' einigte sich Sandoz im Januar 2008 auf die Entwicklung einer gemeinsamen Vertriebsstruktur für das Präparat Binocrit in Deutschland. * Der Generikahersteller [[Ratiopharm]] erhielt im Juli 2009 die Zulassungsempfehlung des humanmedizinischen Ausschusses (CHMP) der Europäischen Arzneimittelagentur für ein selbst entwickeltes EPO-Biosimilar. Die endgültigen Marktzulassung des Präparates ''Eporatio'' (Epoetin θ), das auch durch die Berliner CT Arzneimittel unter dem Handelsnamen ''Biopoin'' vertrieben wird, erfolgte im Dezember 2009.<ref>[http://www2.ratiopharm.com/rib/de/pub/presse.cfm?fuseaction=output.filedownload&dlfitoken=0635500754469 ''„Eporatio - das Epoetin von ratiopharm“''] Pressemitteilung vom November 2009.</ref> === Der Fall „Eprex“ === Ab 1998 kam es infolge einer Novelle der Europäischen Arzneimittelagentur zu schweren Nebenwirkungen <!---unverständlich---> bei der Anwendung des EPO-Mittels Eprex/Erypo. Auf Veranlassung der Agentur mussten sämtliche humane Proteinbestandteile im Zuge möglicher Kontaminationsrisiken durch [[HIV]] beziehungsweise Erreger der [[Creutzfeldt-Jakob-Krankheit]] aus der Formulierung von Arzneimitteln entfernt werden. Der Hersteller ''Ortho Biotech'' verwendete daraufhin anstelle von humanem Serumalbumin den Stabilisator Sorbitol 80 (auch als [[Polysorbat 80]] bezeichnet). Die Zugabe von Sorbitol führte fatalerweise zur Bildung von [[Mizelle]]n. Diese lösten bei mindestens 250 mit Erypo behandelten Patienten [[Immunantwort|Immunreaktionen]] und eine [[Aplasie|Erythroblastopenie]] (engl. ''Pure Red Cell Aplasia'' = [[PRCA]]) aus. Eine von [[Johnson & Johnson]] durchgeführte Studie ergab, dass Sorbitol 80 organische Bestandteile aus den unbeschichteten Gummistopfen der Applikationsspritzen herausgelöst hatte, welche wiederum zur [[Fällung|Präzipitation]] und Mizellbildung des Präparats geführt haben. Dieser Zwischenfall warf weltweit die Frage auf, inwieweit auch veränderte Aminosäuresequenzen, abgewandelte Glykostrukturen oder Verunreinigungen bei der Herstellung therapeutischer Proteine und derer Derivate (zum Beispiel Biosimilars) zu derartigen Nebenwirkungen führen können. Die brasilianische Zulassungsbehörde [[ANVISA|''Agência Nacional de Vigilância Sanitária'']] (kurz: ANVISA) verhängte noch im selben Jahr ein Importverbot zweier EPO-Präparate. Bei einer Studie der [[Universität Utrecht]] zu acht Präparaten, die außerhalb der EU und der USA vertrieben werden, wurden gravierende Mängel hinsichtlich Wirksamkeit, Reinheit und Formulierungskonsistenz festgestellt. Diese Ergebnisse wurden durch eine neuerliche Studie mit Präparaten aus Korea, China und Indien bestätigt.<ref>Park S.S. et al. (2008), ''Biochemical assessment of erythropoietin products from Asia versus US Epoetin alfa manufactured by Amgen.'' J Pharm Sci. 2008 Sep 9. [Epub ahead of print]. PMID 18781649.</ref> Deshalb ist davon auszugehen, dass auf Hersteller von Biosimilars zukünftig schärfere Kontrollen im Rahmen klinischer Studien und strengere Regularien zur Markteinführung zukommen.<br/> Mitte 2009 brach der schweizer Generikahersteller [[Sandoz]] eine Studie zur subkutanen Verabreichung seines EPO-Biosimilars ab. Bei zwei Patienten traten in dieser Studie aus bisher noch nicht geklärter Ursache Fehlfunktionen bei der Blutbildung (hier: Retikulozytopenie) auf. Das Biosimilar-Präparat, das unter den Handelsnahmen Epoetin alfa Hexal (Hexal), Binocrit (Sandoz) sowie Abseamed (Medice) vertrieben wird, ist seit 2007 zur Behandlung der renalen Anämie zugelassen. === Darreichungsformen === Die übliche galenische Form der durch zuständige Behörden gegenwärtig zugelassenen EPO-Präparate ist die einer [[Spritze (Medizin)|Injektionslösung]] mit unterschiedlicher Wirkstoffkonzentration (etwa 500 bis 30.000 [[Internationale Einheit|IE]]). Neben EPO enthält die Lösung auf der Basis von [[Wasser für Injektionszwecke]] zusätzlich Hilfsstoffe (etwa [[Harnstoff]], [[Polysorbat 20]], verschiedene Aminosäuren und Natriumsalze), die der Wirkstoffstabilität dienen. Die Injektionslösungen werden entweder [[subkutan]] oder [[intravenös]] appliziert. Je nach Applikation, Wirkstoffkonzentration, Indikation und Wirkungsdauer oder Serumhalbwertszeit des Präparats sind mehrere Injektionen pro Woche oder auch nur eine einmalige Injektion pro Monat erforderlich. Der [[Daily Defined Dose|DDD-Wert]] liegt bei den Präparaten der ersten Generation bei 1000 IE, im Fall der Präparate Aranesp und Mircera bei je 4,5 Mikrogramm. An alternativen Darreichungsformen wird insbesondere im Zusammenhang mit der Entwicklung neuer erythropoetischer Medikamente gearbeitet (z.&nbsp;B. [[intrapulmonal]]e Gabe des EPO-Fc-Präparats der Firma [[Erythropoetin#Modifikationen des EPO-Moleküls|''Syntonix'']] und [[intramuskulär]]e Gabe des Präparats Repoxygen von [[Erythropoetin#Gentherapie|''Oxford BioMedica'']], siehe dazu im Kapitel [[Erythropoetin#EPO-Präparate der nächsten Generation|''EPO-Präparate der nächsten Generation'']]). Bei den Standardpräparaten (z.&nbsp;B. Procrit von ''Johnson & Johnson'') wurden Formulierungen mit [[Retard|verzögerter Freisetzung]] untersucht, z.&nbsp;B. über die so genannte Enkapsulierung in biologisch abbaubaren [[Mikrosphäre]]n.<ref>Pistel K.F. et al. (1999) ''Biodegradable recombinant human erythropoietin loaded microspheres prepared from linear and star-branched block copolymers: (...)'', J Control Release 59: 309-325. PMID 10332063.</ref> Das Hauptziel dabei war, die Intervalle zwischen den Einzelgaben zu verlängern und die Verträglichkeit zu verbessern. Ein gravierendes Problem der Enkapsulierung ist die Bildung von EPO-Aggregaten, die eine Anwendung am Patienten ausschließt. Ende der 1990er Jahre konnte die US-amerikanische Firma ''Alkermes'' dieses Problem durch ihre patentierte ProLease-Technologie umgehen.<ref>Zale S.E. (1999), ''Composition for sustained release of non-aggregated erythropoietin'', US-Patent 5,674,534.</ref> Jedoch stellen die Mikrosphären mögliche [[antigen]]e [[Adjuvans (Pharmakologie)#Immunologie|Adjuvanzien]] dar, die beim Patienten unerwünschte Immunreaktionen auslösen können. Dies erklärt möglicherweise, weshalb es bisher nicht zu klinischen Untersuchungen dieser Formulierungen kam. Eine japanische Arbeitsgruppe konnte dagegen im Mausmodell zeigen, dass eine [[Immersion (Physik)|Immersion]] von EPO in [[Gelatine]]-[[Hydrogel]]-Mikrosphären erfolgreich bei der Behandlung von [[Durchblutungsstörung]]en in den [[Untere Extremität|unteren Extremitäten]] eingesetzt werden kann.<ref>Longhu L. et al. (2009), ''Sustained release of erythropoietin using biodegradable gelatin hydrogel microspheres persistently improves lower leg ischemia.'' J Am Coll Cardiol 53: 2378-2388.</ref><br/> Auch an [[Peroral|oralen]] [[Applikationsform]]en wurde geforscht, bei denen das Problem der [[Denaturierung (Biochemie)|Säuredenaturierung]] durch den [[Magensäure|Magensaft]] überwunden werden musste. In Kooperation mit ''Johnson & Johnson'' arbeitete die britische Firma ''Provalis'' (vormals ''Cortecs International'') an oralen Formulierungen. Ergebnisse hierzu wurden jedoch nie veröffentlicht. Mit der [[Insolvenz]] von ''Provalis'' im Jahr 2006 kamen diese Aktivitäten zum erliegen. An einem neuerlichen Ansatz der oralen Verabreichung von EPO arbeitet die US-amerikanische Firma ''Access Pharmaceuticals''. Dabei wird der natürliche Aufnahmeweg des [[Cobalamin|Vitamin B<sub>12</sub>]] genutzt. Durch das [[Beschichten]] von EPO mit dem Vitamin B<sub>12</sub>-Derivat [[Cyanocobalamin]] entstehen [[Nanoteilchen|Nanopartikel]], die in Zusammenspiel mit dem im Mundspeichel enthalten [[Speichel#Funktion|Haptocorrinen]] und dem im Magen befindlichen [[Intrinsic-Faktor]] einen Komplex bilden, der vor der Zerstörung durch den Säureangriff im Magen geschützt ist und im [[Ileum|Dünndarm]] rezeptorvermittelt in den Blutkreislauf eingeschleust wird. Die Entwicklung eines solchen Präparates befindet sich gegenwärtig noch in vorklinischen Versuchsstadien.<br/> An Techniken zur intrapulmonalen Verabreichung von EPO arbeitet das australische [[Nanotechnologie]]-Unternehmen ''Nanotechnology Victoria''. Hierzu wurde ein [[Inhalation]]sgerät entwickelt, das auf der Grundlage der [[Akustische Oberflächenwelle|akustischen Oberflächenwelle]] die Erzeugung [[Nanoteilchen|nanopartikulärer]] Tröpfchen hochmolekularer Therapeutika ermöglicht.<ref>[http://www.azonano.com/news.asp?newsID=11798 “NanoVentures Australia Reaches Important Milestone in Development of Pulmonary Drug Delivery Technology”] vom 31. Mai 2009.</ref><br/> Das US-amerikanische Pharma-Unternehmen ''Zosano'' hat nach eigenen Angaben eine Mikroinjektionstechnologie entwickelt, die eine [[Transdermal|transdermale]] Verabreichung therapeutischer Proteine ermöglicht. Die Anwendung dieser Technik mit EPO befindet sich gegenwärtig in präklinischen Versuchsstadien. === Nebenwirkungen und Kontraindikationen === Da EPO-Rezeptoren auf der Oberfläche verschiedenster Tumorzellen gebildet werden, besteht grundlegend die Möglichkeit, dass die Verabreichung von EPO-Präparaten das Wachstum von [[Malignom]]en jeglicher Art stimulieren kann. Zwei kontrollierte klinische Studien, in denen Patienten mit verschiedenen Krebsarten einschließlich Kopf-Hals-Tumoren sowie Brustkrebs mit rekombinantem EPO behandelt wurden, zeigten einen ungeklärten Anstieg der [[Mortalität]].<ref>Henke M. et al. (2003), ''Erythropoietin to treat head and neck cancer patients with anaemia undergoing radiotherapy: randomised, double-blind, placebo-controlled trial.'' Lancet 362: 1255-1260. PMID 14575968.</ref><ref>Leyland-Jones B. et al. (2005), ''Maintaining normal hemoglobin levels with epoetin alfa in mainly nonanemic patients with metastatic breast cancer receiving first-line chemotherapy: a survival study.'' Journal of Clinical Oncology 23: 5960-5972. PMID 16087945.</ref> Gute Erfahrungen bestehen bei der Anämiebehandlung von [[Multiples Myelom|Multiplem Myelom]],<ref>Baz R. et al. (2007), ''Recombinant human erythropoietin is associated with increased overall survival in patients with multiple myeloma.'' Acta Haematologica 117: 162-167. PMID 17148935.</ref> [[Non-Hodgkin-Lymphom]] und [[Chronische lymphatische Leukämie|chronisch lymphatischer Leukämie]].<ref> San Miguel J.F., García-Sanz R. (1998), ''Recombinant human erythropoietin in the anaemia of multiple myeloma and non-Hodgkin's lymphoma.'' Medical Oncology 15 Suppl 1: S29-S34. PMID 9785334.</ref> Aufgrund der Nebenwirkungsweise ist bei [[Arterielle Hypertonie|hypertonischen]] Patienten besondere Vorsicht geboten. Missbrauch von Gesunden (etwa für Dopingzwecke) kann zu einem übermässigen Anstieg des Hämatokritwertes führen. Dies ist mit dem Risiko lebensbedrohlicher Komplikationen des [[Blutkreislauf|Herz-Kreislauf-Systems]] ([[Thrombose]]risiko durch [[Hämokonzentration]] bei [[Polyglobulie]]) verbunden.<br />Im Frühjahr 2007 veröffentlichte die US-amerikanische Arzneimittelzulassungsbehörde [[Food and Drug Administration|FDA]] einen Warnhinweis zur Anwendung [[Erythropoiesis-Stimulating Agent|erythropoese-stimulierender Substanzen]] infolge der Ergebnisse aus vier klinischen Studien,<ref>Wright J.R. et al. (2007), ''Randomized, double-blind, placebo-controlled trial of erythropoietin in non-small-cell lung cancer with disease-related anemia.'' Journal of Clinical Oncology 25: 1027-1032. PMID 17312332.</ref><ref>[http://www.amgen.com/pdfs/misc/AmgenCommentsPhase3Study.pdf „Amgen Comments on Phase 3 Study in Cancer Patients with Anemia Not Due to Concurrent Chemotherapy“].</ref><ref>[http://www.dahanca.dk/get_media_file.php?mediaid=125 „Study of the importance of Novel Erythropoiesis Stimulating Protein (Aranesp®) for the effect of radiotherapy in patients with primary squamous cell carcinoma of the head and neck.“].</ref><ref>[http://www.biologicdrugreport.com/news/news-022707.htm „Roche Halts Enrollment in Study of Biologic Drug Cera Due to Safety Concerns“].</ref> bei denen es in bisher ungeprüften Behandlungsregimen zu lebensbedrohliche Nebenwirkungen kam. Hämoglobin-Level über 12 g/dL, die mittels EPO-Präparaten bei den betroffenen Patienten eingestellt wurden, führten zu einem signifikanten Anstieg der Mortalitätsrate. Aufgrund dessen verordnete die FDA die Abänderung der bisherigen Warnhinweise auf den Beipackzetteln der Präparate Aranesp, Epogen und Procrit.<ref>[http://www.fda.gov/cder/drug/InfoSheets/HCP/RHE2007HCP.pdf FDA-Alert on Erythropoiesis Stimulating Agents (ESA)].</ref><br /> In einer weiteren Multicenter-Studie zum Einsatz von Epoetin β bei einer Anämie von Brustkrebspatienten, die sich einer Chemotherapie unterzogen, konnte dagegen kein Anstieg der Mortalität festgestellt werden.<ref>Aapro M. et al. (2008), ''Effect of once-weekly epoetin beta on survival in patients with metastatic breast cancer receiving anthracycline- and/or taxane-based chemotherapy: results of the Breast Cancer-Anemia and the Value of Erythropoietin (BRAVE) study.'' Journal of Clinical Oncology 26: 592-598. PMID 18235117.</ref> In dieser Studie wurde sogar bereits dann EPO verabreicht, wenn der Hämoglobin-Spiegel unter 12.9 g/dL fiel. Offenbar ist die Sterblichkeit bei einer EPO-Therapie damit nicht unmittelbar abhängig vom eingestellten Hämoglobin-Level. Vielmehr nimmt sie bei Krebspatienten dann zu, wenn diese keine Chemotherapie erhalten.<br/>Eine Meta-Analyse von 53 klinischen Studien mit fast 14.000 Patienten kam im Mai 2009 zu dem Schluss, dass die Sterblichkeit von Krebspatienten nach Verabreichung von EPO-Präparaten um den Faktor 1,17 erhöht ist gegenüber solchen, die sich keiner EPO-Therapie unterzogen haben. Bei Patienten, die gleichzeitig eine Chemotherapie bekamen, lag der Faktor bei 1,10.<ref>[http://www.elsevier.de/cs/Satellite/1216286716649?p_articleid=1220016632698&p_ph=0 „Medikament zur blutbildung in der Kritik“, Elsevier vom 12. Mai 2009].</ref><ref>Bohlius J. et al. (2009), ''Recombinant human erythropoiesis-stimulating agents and mortality in patients with cancer: a meta-analysis of randomised trials.'' Lancet 373(9674): 1532-1542. PMID 19410717.</ref><br/> Das Risiko von Krebspatienten bei einer EPO-Therapie ist nicht allein auf eine Tumorprogression, die durch EPO hervorgerufen werden kann, beschränkt. So steigt auch das Risiko venöser Thromboembolien bei einer EPO-Therapie von Patienten mit soliden Tumoren signifikant an.<ref>Bennet C. L. et al. (2008), ''Venous Thromboembolism and Mortality Associated With Recombinant Erythropoietin and Darbepoetin Administration for the Treatment of Cancer-Associated Anemia.'' JAMA 299: 914-924.</ref> === Marktdaten für EPO-Präparate === [[Datei:EPO-sales.png|thumb|left|Weltweite Marktdaten der gängigsten EPO-Präparate (Stand: März 2010)]] [[Datei:Epo-sales Germany.png|thumb|left|Marktentwicklung von EPO-Präparaten in Deutschland seit 2007 (Stand: Juni 2008)]] Als Therapeutikum rangiert EPO unter den zehn weltweit erfolgreichsten Medikamenten überhaupt, unter den Biopharmazeutika gehört es zu den herausragenden [[Blockbuster (Pharmazie)|Blockbustern]]. Zwischenzeitlich entfielen mehr als 30 % der Umsätze mit therapeutischen rekombinanten Proteinen auf EPO-Präparate. Eprex/Procrit von Johnson & Johnson erzielte im Jahr 2004 3,6 Milliarden US-Dollar, Amgens Epogen 2,6 Milliarden Dollar und Roches NeoRecormon 1,7 Milliarden Dollar (Quelle: Chemical & Engineering News Nr. 83). Aranesp, das erste zugelassene EPO-Präparat der nächsten Generation, hat seit seiner Therapieeinführung eine durchschnittliche Zuwachsrate von rund 800 Millionen Dollar pro Jahr. Im Jahr 2006 lag Amgens Umsatz mit Aranesp bei 4,1 Milliarden US-Dollar<ref>Fox J.L. (2007), ''FDA likely to further restrict erythropoietin use for cancer patients.'' Nature Biotechnology 25: 607-608. PMID 17557084.</ref> und übertraf damit erstmals die Umsatzzahlen der bisherigen Standardpräparate. Bei den Nachfolgepräparaten Mircera und DynEpo wurde mit anfänglichen Umsatzraten von 300 Millionen Dollar (DynEpo) oder 900 Millionen Dollar (Mircera) gerechnet. Der weltweite Bedarf an EPO zu Therapiezwecken ist bei weitem nicht gedeckt. Nach Schätzungen von Marktanalysten werden Hersteller von EPO-Präparaten im Jahr 2010, auf Grund zunehmender Indikationen und trotz der Einführung von Nachahmerpräparaten, insgesamt bis zu 17 Milliarden Dollar erwirtschaften (Quelle: Piribo – Online Business Intelligence for the BioPharma Industry, Feb. 2005: ''Therapeutic Proteins'', Strategic Report, Visiongain). Weltweit erhielten im Jahr 1999 circa 350.000 Patienten rekombinantes EPO.<ref>[http://www.simmformation.de/html/erythropoietin.html „Erythropoietin: Muntermacher und Lebensretter“].</ref> Da sich die Umsatzzahlen der EPO-Präparate zwischen 1999 und 2005 mehr als verdreifacht haben, dürfte die Zahl der mit EPO behandelten Patienten entsprechend gestiegen sein.<br/>2007 kam es im Zuge der Markteinführung der ersten Nachahmerpräparate in der Europäischen Union, der Entwicklung neuer EPO-Präparate (DynEpo, Mircera) und durch die Sicherheitsdebatte bei der Anwendung von EPO zur Behandlung von Tumoranämien erstmals zu einem Rückgang der Umsatzzahlen der Standardpräparate. So wurden im Jahr 2007 11,8 Milliarden US-Dollar mit den Standardpräparaten umgesetzt, was einem Rückgang gegenüber 2006 von 100 Millionen US-Dollar entspricht.<ref>[http://www.ad-hoc-news.de/CorporateNews/en/18472318/A+Comprehensive+Report+of+Erythropoietins+the+Shift+from „A Comprehensive Report of Erythropoietins“].</ref><br/>In Deutschland wurden im Jahr 2007 rund 470 Millionen US-Dollar mit EPO-Präparaten umgesetzt. Dies entspricht (gemäß offiziell verfügbarer Daten) etwa 4,5 % des im selben Zeitraum weltweit erzielten Umsatzergebnisses. Die Einführung von Nachahmerpräparaten in Deutschland hat zu einem Preisrückgang von etwa 25 % geführt. Zur Senkung der Arzneimittelkosten in Deutschland plante zum Beispiel die Krankenkassenärztliche Vereinigungen Berlin für das Jahr 2008, den Verordnungsanteil von EPO-Biosimilars auf 50 % zu steigern. Anfang 2009 lag der Marktanteil der EPO-Biosimilars bei inzwischen 53 %, während der Anteil der Originalpräparate und deren Re-Importe auf nunmehr 38 % bzw. 9 % zurückging.<br/>In China sind offiziell 14 unterschiedliche EPO-Präparate im Markt vertreten, deren Gesamtumsatz im Jahr 2006 bei rund 50 Millionen US-Dollar lag. In Indien betrug im Jahr 2006 der Umsatz mit EPO-Präparaten 22 Millionen US-Dollar, wobei die jährlichen Wachstumsraten bis dahin bei ca. 20-30 % lagen. == EPO-Doping == Je mehr rote Blutkörperchen dem menschlichen [[Blutkreislauf]] zur Verfügung stehen, desto leistungsfähiger arbeitet der gesamte Organismus, weil den Zellen entsprechend viel Sauerstoff zur Verfügung steht. Aus diesem Grund wird EPO bereits etwa seit Ende der 1980er Jahre zum Zweck der Leistungssteigerung missbraucht. Vor allem Ausdauersportler profitieren von der Wirkung; durch den erhöhten Anteil an Erythrozyten im Blut steigt allerdings die Gefahr von [[Blutgerinnsel]]n. EPO (und in der Folge auch alle weiteren Derivate wie zum Beispiel Darbepoetin) steht seit 1990 auf der [[Dopingliste]] der ''[[WADA|internationalen Anti-Doping-Organisation (WADA)]]'', der Einsatz ist also im Wettkampfsport verboten. Ein praktikables [[Erythropoetin#Nachweisverfahren|Nachweisverfahren von nicht körpereigenem EPO]] kann seit 2000 auch bei [[Urin]]proben angewandt werden. Nach Berechnungen des italienischen Sportwissenschaftlers Prof. Alessandro Donati dopen sich weltweit 500.000 Menschen mit EPO. Gemäß den Untersuchungen Donatis übersteigt die jährlich produzierte Menge an EPO den tatsächlichen therapeutischen Bedarf um das Fünf- bis Sechsfache. <ref name="AD">Alessandro Donati: [http://www.wada-ama.org/rtecontent/document/Donati_Report_Trafficking_2007-03_06.pdf World Traffic in Doping Substances] WADA, Februar 2007, (Pdf, 542 KB).</ref> Der Mediziner, Ausdauersportler und Dopingexperte Jürgen Reul unternahm im Sommer 2007 einen weltweit einzigartigen und heftig umstrittenen Selbstversuch. Er fuhr die legendäre Tour-de-France-Etappe nach [[L’Alpe d’Huez]] am 21. Juni in ungedoptem Zustand und nochmals am 4. Juli nach einer zweiwöchigen „EPO-Kur“. Ohne die Einnahme von EPO benötigte er für die 21 Serpentinen 70 Minuten, nach erfolgtem EPO-Doping konnte er sich (trotz schlechterer Wetterbedingungen mit Kälte, Regen und Gegenwind) um etwa 5 % auf 66 Minuten verbessern. Reul beschreibt in einem Interview mit dem Sport-Informations-Dienst ([[Sport-Informations-Dienst|sid]]) auch die psychische Wirkung der EPO-Einnahme, die in einer (so wörtlich:) „höheren Kampfmoral und unterschwelligen Aggressionen“ bestand. === EPO-Dopingfälle im Profisport === Die hervorgehobene Stellung als Biopharmazeutikum nimmt EPO auch beim Missbrauch zur illegalen Leistungssteigerung ein. Durch Geständnisse ehemaliger Spitzensportler wurde offenkundig, dass mit EPO in nahezu allen Ausdauersportarten seit der Markteinführung entsprechender Präparate gedopt wird. Im Profi-Radsport gehen anerkannte Dopingexperten wie [[Werner Franke]] von einem flächendeckenden, systematischen Missbrauch aus. Stellvertretend für dieses Dopingsystem stehen die [[Festina-Affäre]] 1998, das Verfahren gegen den italienischen Arzt [[Michele Ferrari]] im Jahr 2004, der [[Dopingskandal Fuentes]] 2006 und die Geständnisse zahlreicher Radprofis des ehemaligen Team Telekom im Frühjahr 2007 (siehe dazu ''[[Doping-Affäre Team Telekom]]''). In der Außendarstellung wenig zweckdienlich war in diesem Zusammenhang das Engagement des EPO-Herstellers STADA als Hauptsponsor des [[Bund Deutscher Radfahrer|Bundes Deutscher Radfahrer]] zwischen 2003 und 2008. Ebenfalls anrüchig wirkt die finanzielle Unterstützung der Radsportveranstaltung [[Kalifornien-Rundfahrt|„Tour of California“]] durch den US-amerikanischen Biotechkonzern Amgen. Auch fast ein Jahrzehnt nach Einführung eines von der Welt-Antidopingagentur WADA zugelassenen und ständigen verbesserten Verfahrens zum Nachweis von EPO-Doping (siehe dazu das Kapitel [[Erythropoetin#Nachweisverfahren|''Nachweisverfahren'']]) wurden zahlreiche Spitzensportler überführt und in Einzelfällen als Wiederholungstäter lebenslang gesperrt. Im Februar 2009 berichtete Professor Horst Pagel vom Institut für Physiologie der [[Universität Lübeck]] erstmals von Hinweisen, dass Sportler zur illegalen Leistungssteigerung von den klassischen EPO-Präparaten auf das zu diesem Zeitpunkt noch in der klinischen Erprobung befindliche EPO-Mimetikum [[Erythropoetin#EPO-Mimetics|Hematide]] umgestiegen sind. ==== Radsport ==== [[Datei:Henninger Turm 2006 - Erik Zabel.jpg|thumb|'''Erik Zabel''' gestand im Mai 2007, Mitte der 1990er Jahre mit EPO gedopt zu haben.]] [[Datei:Michaelrasmussen.jpg|thumb|In einer Dopingprobe von '''Michael Rasmussen''' wurde im September 2007 das EPO-Mittel DynEPO nachgewiesen.]] [[Datei:Henninger Turm 2006 -T-Mobile Team-a.jpg|thumb|'''Patrick Sinkewitz''' machte nach seinem aufgedeckten Testosteron-Doping bei der Tour de France 2007 umfangreiche Aussagen zu den Dopingpraktiken des Teams T-Mobile. Dabei räumte er ein, auch mit EPO gedopt zu haben.]] [[Datei:Moises Duenas Nevado 20070823 075.jpg|thumb|'''Moisés Dueñas''' ist einer von sechs überführten EPO-Dopingsündern während der Tour de France 2008.]] [[Datei:Bernhard Kohl 20070824.jpg|thumb|'''Bernhard Kohl''' wurde im Oktober 2008 des Dopings mit dem EPO-Mittel CERA überführt.]] [[Datei:Amgen Tour of California.jpg|thumb|Das Biotechunternehmen '''Amgen''', Hersteller der EPO-Präparate Epogen und Aranesp, ist Hauptsponsor der Radsportveranstaltung [[Kalifornien-Rundfahrt|Tour of California]].]] [[Datei:Davide Rebellin 2006.jpg|thumb|Silbermedaillen-Gewinner '''Davide Rebellin''' wurde im April 2009 bei Nachkontrollen von Dopingproben, die bei den Olympischen Spielen 2008 in Peking genommen worden sind, positiv auf das EPO-Mittel CERA getestet.]] [[Datei:Stefan Schumacher 2006.jpg|thumb|Bei '''Stefan Schumacher''' wurde in insgesamt drei Dopingproben der Tour de France 2008 und der Olympischen Spiele von Peking 2008 das EPO-Mittel CERA nachgewiesen.]] [[Datei:ELKcpfannbergerDTOUR07.jpg|thumb|'''Christian Pfannberger''' wurde im März 2009 positiv auf EPO-Doping getestet. Nach seinem Testosteron-Missbrauch aus dem Jahr 2004 wurde er im November 2009 lebenslang gesperrt.]] [[Datei:050403nozal2.jpg|thumb|Bei '''Isidro Nozal''' gab es seit der [[Critérium du Dauphiné Libéré|Dauphiné Libéré]] 2005 Hinweise auf EPO-Doping. Nach seiner Verwicklung in die [[Dopingskandal Fuentes|Dopingaffaire Fuentes]] wurde er schließlich im August 2009 positiv auf die verbotene Einnahmen von EPO getestet.]] [[Datei:Alejandro Valverde-Octobre 2008 (1).jpg|thumb|In Blutkonserven von '''Alejandro Valverde''', die beim spanischen „Dopingarzt“ Eufemiano Fuentes gelagert waren, wurden laut CAS-Urteil vom März 2010 Spuren einer nicht-körpereigenen Form von EPO gefunden.]] * EPO wurde mit der gewichtigen Nebenrolle, die es bei der [[Tour de France]] 1998 unter anderem durch Funde bei der Festina-Mannschaft erlangte, Inbegriff der leistungssteigernden, aber nur schwer nachweisbaren Sportdroge. Die Funde und die Ermittlungen rund um die Festina-Mannschaft wurden auch unter dem Namen [[Festina-Affäre]] bekannt. In der Folge wurden die für Festina startenden Radprofis [[Richard Virenque]], [[Laurent Brochard]], [[Laurent Dufaux]], [[Armin Meier (Radrennfahrer)|Armin Meier]], [[Christophe Moreau]], [[Didier Rous]], [[Neil Stephens]], [[Cédric Hervé]] und [[Alex Zülle]] durch die [[Union Cycliste Internationale|UCI]] gesperrt (siehe Artikel [[Doping im Radsport#Überführte und gesperrte Radfahrer (unvollständig)|''Doping im Radsport'']]). * Im Jahr 2000 gestand der ehemalige Schweizer Radprofi [[Rolf Järmann]], seit Beginn der 1990er Jahre systematisch mit EPO gedopt zu haben. * Im Vorfeld der [[Deutschland-Tour]] 2000 wurde der Radprofi [[Holger Sievers]] des EPO-Dopings überführt, vom [[Bund Deutscher Radfahrer]] mit einer siebenmonatigen Sperre belegt und von seinem damaligen Team „Nürnberger“ fristlos entlassen. * Am 23. April 2000 gab der Franzose [[Jerome Chiotti]] in einem Interview mit dem Magazin Vélo Vert zu, beim Gewinn der Mountainbike-Weltmeisterschaften 1996 im australischen [[Cairns]] mit EPO gedopt zu haben. Der Titel wurde ihm daraufhin aberkannt und stattdessen der Schweizer [[Thomas Frischknecht]] zum Sieger erklärt. * Die A-Probe des dänischen Radrennfahrers [[Bo Hamburger]] wurde am 19. März 2001 positiv auf EPO getestet. Die B-Probe lag dagegen unterhalb der kritischen Kenngröße, jedoch über dem sonst üblichen Normalwert. Hamburger wurde zwar des Dopings freigesprochen, dennoch entließ ihn sein Rennstall [[Team CSC]] fristlos. * Der Schweizer [[Roland Meier]] wurde nach positiver A- und B-Probe bei einer Kontrolle beim Radklassiker [[La Flèche Wallonne|Fleche-Wallone]] am 18. April 2001 wegen EPO-Dopings für 8 Monate gesperrt. * Der Schwede [[Niklas Axelsson]] wurde während der [[UCI-Straßen-Weltmeisterschaften 2001|Straßen-Weltmeisterschaft]] im Oktober 2001 in Lissabon positiv auf EPO-Doping getestet und anschließend für zwei Jahre gesperrt. * Im Vorfeld der Tour de France 2001 wurde der für das [[Euskaltel-Euskadi]]-Team startende Baske [[Txema Del Olmo]] des EPO-Dopings überführt. Der spanische Radsportverband sah jedoch von einer Sperre mit der Begründung ab, die neue [[Erythropoetin#Nachweisverfahren|Nachweismethode]] sei fehlerhaft. Der halbstaatliche französische Anti-Dopingrat [[CPLD]] verhängte demgegenüber im Februar 2002 eine dreijährige Sperre gegen Del Olmo. * Der Russe [[Faat Zakirov]] wurde nach dem Prolog des [[Giro d’Italia 2002]] positiv auf das EPO-Derivat Aranesp getestet und umgehend von seinem Team [[CSF Group-Navigare|Panaria]] entlassen. * Der Niederländer [[Bas van Dooren]] wurde bei der [[Mountainbike-Weltmeisterschaft 2002|Mountainbike-Weltmeisterschaft 2002 in Kaprun]] positiv auf EPO getestet. Einer drohenden Sperre entzog er sich durch seinen Rücktritt. * Beim [[Giro d'Italia]] 2003 wurde der litauische Radprofi [[Raimondas Rumšas]] der illegalen Einnahme von EPO überführt, vom UCI gesperrt und darauf von seinem Team [[Lampre]] suspendiert. * Bei der Tour de France 2003 wurde der spanische Radprofi [[Javier Pascual Llorente]] ([[Kelme]]) nach der zwölften Etappe positiv auf EPO getestet und im November desselben Jahres vom [[Internationaler Sportgerichtshof|internationalen Sportgerichtshof]] für 18 Monate gesperrt. * Im Januar 2004 gestand der Franzose [[Philippe Gaumont]], mehrfach mit EPO-Präparaten gedopt zu haben. Danach zog er sich vom aktiven Leistungssport zurück. * Im März 2004 veröffentlichte die spanische Zeitung [[As (Tageszeitung)|As]] eine Serie von Berichten, in denen der spanische Radprofi [[Jesús Manzano]] eine detaillierte Beschreibung der Dopingpraktiken im Team [[Kelme]] gab. Laut Manzanos Aussage wurden ihm während der Tour de France EPO, Cortison, Wachstumshormone und Tierplasma verabreicht. Außerdem sei das Doping im ganzen Team professionell geplant und durchgeführt worden. * Im Juni 2004 gestand der für das Team [[Équipe Cofidis|Equipe Cofidis]] startende britische Radprofi [[David Millar]] nach polizeilichen Verhören ein, beim Titelgewinn der [[Zeitfahr-WM]] in Hamilton (Kanada) mit EPO gedopt gewesen zu sein. Der Australier [[Michael Rogers]] wurde daraufhin nachträglich zum Weltmeister erklärt und Millar von Cofidis fristlos entlassen. * Im Juli 2004 wurde der Belgier [[Dave Bruylandts]] vom Team [[Unibet.com]] positiv auf EPO-Doping getestet und anschließend für 18 Monate gesperrt. * Am 22. Juli 2004 wurde der Schweizer Profi-Radrennfahrer [[Oscar Camenzind]] bei einer Dopingkontrolle positiv auf EPO getestet. Er verzichtete darauf auf eine Teilnahme an den [[Olympische Sommerspiele 2004|Olympischen Sommerspielen 2004]] in Athen, wurde von seinem Radsportteam [[Phonak Cycling Team]] am 9. August 2004 freigestellt und verkündete am darauffolgenden Tag in Luzern sein Karriereende. * Der belgische Mountainbiker [[Filip Meirhaeghe]], Gewinner der Silbermedaille bei den [[Olympische Sommerspiele 2000/Radsport|Olympischen Sommerspielen 2000]] in Sydney, wurde am 29. Juli 2004 beim Weltcup in [[Mont Sainte-Anne]] (Québec, Kanada) des EPO-Dopings überführt und für 15 Monate von allen Wettkämpfen ausgeschlossen. * Im Dezember 2004 wurden laut einem Bericht der französischen Zeitung ''L'Équipe'' vom 23. August 2005 in tiefgefrorenen Urinkonserven des siebenmaligen Tour-de-France-Siegers [[Lance Armstrong]] sowie sechs weiterer Radprofis (darunter auch [[Manuel Beltrán]]) aus dem Jahr 1999 Spuren von nicht körpereigenem EPO nachgewiesen. Armstrong bestreitet die Vorwürfe und behauptete, dass die Proben durch nicht sachgemäßen Umgang wohl verunreinigt worden seien. Der US-Amerikaner [[Frankie Andreu]] und ein weiterer, nicht namentlich bekannter Teamkollege Armstrongs gestanden im September 2006, als Armstrongs Helfer beim Tour-Gewinn 1999 mit EPO gedopt zu haben. * Ebenfalls im Dezember 2004 wurde der belgische [[Cyclocross|Querfeldein-Fahrer]] [[Ben Berden]] bei einer Kontrolle im Rahmen einer Veranstaltung in Essen des EPO-Dopings überführt und nachfolgend für 15 Monate gesperrt. * Im Mai 2005 wurde der Niederländer [[Marc Lotz]] des EPO-Dopings überführt und von seinem Team [[Quick Step]] entlassen. * Der belgische Meister bei den Radprofis von 2001, [[Ludovic Capelle]], wurde im Rahmen einer Dopingkontrolle am 7. Juni 2005 positiv auf EPO-Missbrauch getestet und daraufhin zunächst für 18 Monate gesperrt. Capelle konnte jedoch im Dezember 2005 auf Grund eines Formfehlers bei der Dopingkontrolle einen nachträglichen Freispruch erwirken. Auf der Dopingprobe war vermerkt, dass Capelle bei der Teilnahme am Radrennen im belgischen Gullegem für die Dopingkontrolle gelost worden war. Dies stellte sich im Nachhinein als falsch heraus. * Die frühere zweifache Junioren-Weltmeisterin [[Geneviève Jeanson]] wurde im Juli 2005 positiv auf EPO-Doping getestet. Später gab sie zu, schon seit ihrem 16. Lebensjahr EPO-Präparate genommen zu haben. Anfang April 2009 wurde sie für ihre Vergehen vom Canadian Center for Ethics in Sport (CCES) mit einer 10-jährigen Sperre belegt. Zudem wurden ihr Trainer Andre Abut und ihr behandelnder Arzt Maurice Duquette wegen Verabreichung von Dopingmitteln an Minderjährige lebenslang gesperrt. * Im August 2005 gestand der italienische Radprofi [[Dario Frigo]] vom Team [[Fassa Bortolo]] ein, bei der vergangenen Tour de France mit EPO gedopt zu haben, nachdem er vor Beginn der elften Etappe der Tour von der französischen Polizei wegen Dopingverdachts festgenommen worden war. Frigo wurde im Oktober 2005 in Zusammenhang mit der Dopingaffäre beim [[Giro d'Italia]] 2001 zu sechs Monaten Haft auf Bewährung und einer Geldstrafe von 12.000 Euro verurteilt. * Im November 2005 wurde [[Vuelta a España|Vuelta]]-Rekordsieger [[Roberto Heras]] positiv auf EPO getestet. Der Gewinn seines letzten Titels bei der Spanienrundfahrt wurde ihm daraufhin aberkannt und stattdessen wurde der Russe [[Denis Nikolajewitsch Menschow|Denis Menschow]] zum Sieger erklärt. Heras bestreitet die wissentliche Einnahme von Dopingmitteln und kündigte im Februar 2006 die Einleitung eines Berufungsverfahrens gegen die gegen ihn erlassene zweijährige Sperre an. Sein Rennstall ''Liberty Seguros-Würth'' (seit Mai 2006 [[Team Astana]]) entließ ihn dennoch fristlos. Am 23. Mai 2006 wurde Teamchef [[Manolo Saiz]] zusammen mit dem Physiotherapeuten von Liberty Seguros-Würth, [[Eufemiano Fuentes]], von der [[Guardia Civil]] festgenommen. Weitere Konsequenz der Durchsuchung war die Suspendierung von [[Jan Ullrich]], [[Oscar Sevilla]] und [[Rudy Pevenage]] vom [[Team T-Mobile]] sowie der Ausschluss von 56 weiteren Radsportlern (darunter [[Ivan Basso]] vom [[Team CSC]]), die ebenfalls im Verdacht stehen, mit Fuentes zusammengearbeitet zu haben, von der [[Tour de France 2006]]. Dabei soll es sich auch um [[Blutdoping]] und den Missbrauch von EPO handeln. ''Siehe Hauptartikel:'' [[Dopingskandal Fuentes]] * Am 21. September 2006 gab der Österreichische Radsportverband bekannt, dass drei österreichische U23 Radfahrer, die bei der Heim-WM hätten starten sollen, positiv auf EPO getestet wurden (siehe auch [[UCI-Straßen-Weltmeisterschaften 2006#Doping|Doping bei der UCI-Straßen-Weltmeisterschaft 2006]]). * Das belgische Radsportidol [[Johan Museeuw]] gab im Januar 2007 zu, während seiner aktiven Zeit auf verbotene Substanzen zur Leistungssteigerung, darunter auch EPO, zurückgegriffen zu haben.<ref>[http://www.handballwoche.de/nncs/radsport/2007/01/24/5486900000.html „Museeuw gibt Doping zu“].</ref> Bereits 2004 sperrte ihn der belgische Radsportverband auf Grundlage von Telefon- und SMS-Abhörprotokollen, die einen Medikamentenmissbrauch nahelegten. Museeuw hat jedoch bisher stets bestritten, gedopt zu haben. * Am 5. Februar 2007 erschien das autobiographische Buch „Ik ben God niet“ (dt. „Ich bin nicht Gott“) des belgischen Radprofis [[Frank Vandenbroucke]], in dem dieser zugibt, mit EPO gedopt zu haben. * Der russische Radprofi [[Alexander Filippow]], Sieger der Friaul-Rundfahrt 2007, wurde am 25. März 2007 beim Rennen “Piccola Sanremo” positiv auf EPO getestet.<ref>[http://www.radsport-aktiv.de/sport/sportnews_44218.htm “Fillipow positiv auf EPO getestet”].</ref> * Radprofi [[Bert Dietz]] gestand am 21. Mai 2007 in der ARD-Sendung [[Beckmann (Fernsehsendung)|Beckmann]], seit 1995 zunächst beim damaligen [[Team Telekom]] und später beim Team Nürnberger unter Anleitung durch die inzwischen geständigen Team Telekom-Ärzte Lothar Heinrich und Andreas Schmid vom [[Universitätsklinikum Freiburg]] regelmäßig mit EPO, [[Somatropin|humanem Wachstumsfaktor]] und [[Cortison]] gedopt zu haben. In diesem Zusammenhang wurden auch in leitender Position tätige Betreuer des damaligen Teams Telekom genannt, die unter anderem mit der Abrechnung der durch den Fahrer verbrauchten Dopingmittel befasst gewesen sein sollen. Im Wesentlichen bestätigte Dietz damit die Beschuldigungen des damaligen Masseurs des Team Telekom, [[Jef D’hont]], die dieser in seinem Buch ''Memoires van een wieler-verzorger (Erinnerungen eines Radfahrer-Pflegers)'' im April 2007 veröffentlicht hatte. * Die Aussagen von Bert Dietz einer systematischen Verabreichung verbotener Substanzen an Fahrer des Team Telekom wurden am 22. Mai 2007, also nur einen Tag später, durch dessen damaligen Mannschaftskollegen [[Christian Henn]] bestätigt. Auch Henn gab zu, in seiner aktiven Laufbahn zwischen 1995 und 1999 EPO zur Leistungssteigerung von den Teamärzten verabreicht bekommen zu haben. * Am 23. Mai 2007 gestand auch [[Udo Bölts]], Edelhelfer in [[Jan Ullrich]]s [[Tour de France|Tour-de-France]]-Team 1997, bis nach der Tour de France 1997 mit EPO gedopt zu haben. * Am 24. Mai 2007 bestätigen die Radprofis [[Erik Zabel]] und [[Rolf Aldag]] in einer Pressekonferenz des [[Team T-Mobile]] in Bonn, dass sie wie [[Bert Dietz]] ebenfalls mit EPO gedopt haben. * Als sechster Ex-Telekom-Fahrer räumte der Däne [[Brian Holm]] den Missbrauch von EPO zu Dopingzwecken ein. * Als erster Toursieger und siebter ehemaliger Telekom-Fahrer gestand am 25. Mai 2007 der Däne [[Bjarne Riis]] EPO-Missbrauch. Der ehemalige Radprofi gab zu, sich auch bei der Frankreich-Rundfahrt 1996 als Kapitän des Teams Telekom mit EPO gedopt zu haben. Auch habe er dies zwischen 1993 und 1998 getan. Inzwischen wurde Riis aus der Siegerliste der Tour de France gestrichen und von der Tourleitung in der Funktion des Teamchefs des Rennstalls CSC nicht mehr akzeptiert. An der Tour 2008 nahm Riis teil. * Der italienische Radprofi [[Luca Ascani]] wurde nach seinem Gewinn der italienischen Meisterschaft im Zeitfahren am 26. Juni 2007 des EPO-Dopings überführt. * In einem Interview mit dem Nachrichtenmagazin ''[[Der Spiegel]]'' vom 30. Juni 2007 gestand der ehemalige Telekom-Profi [[Jörg Jaksche]], jahrelang gedopt zu haben. Er habe 1997 mit der Einnahme von EPO begonnen und sich ab 2005 verbotenen Eigenbluttherapien als Kunde des spanischen Doping-Arztes Fuentes unterzogen.<ref>[http://www.spiegel.de/sport/sonst/0,1518,491561,00.html “Jaksche gesteht jahrelanges Doping”].</ref> In diesem Zusammenhang belastet Jaksche seine ehemaligen sportlichen Leiter bei den Teams Polti und Telekom, [[Gianluigi Stanga]] und [[Walter Godefroot]], schwer. Jaksche sagte weiter, dass er bei der Aufklärung der „Puerto“-Affäre helfen und somit eine kürzere Sperre für sich bewirken wolle. * Bei der erneut von Dopingskandalen überschatteten [[Tour de France 2007]] wurde die A-Probe des baskischen Radprofis [[Iban Mayo]] bei einer Dopingkontrolle während des zweiten Ruhetages positiv auf EPO getestet. Trotz noch ausstehender B-Probe wurde Mayo von seinem Team [[Saunier Duval-Prodir]] umgehend suspendiert. Der internationale Sportgerichtshof CAS verhängte im August 2008 eine zweijährige Sperre gegen Mayo, die rückwirkend ab dem 31. Juli 2007 gilt.<ref>http://www.kicker.de/news/radsport/startseite/artikel/381795.</ref> * Im September 2007 wurde bekannt, dass gleich in mehreren Urinproben des während der Tour de France 2007 suspendierten dänischen Radprofis [[Michael Rasmussen]] das Präparat [[Erythropoetin#„Natürliche“ EPO-Varianten|DynEpo]] durch das Dopinglabor in [[Châtenay-Malabry]] nachgewiesen werden konnte. Die Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA) hat die Nachweismethode für Dynepo allerdings noch nicht autorisiert. Daher ist der positive Befund juristisch nicht verwertbar. * Im Rahmen umfangreicher Aussagen zu den Dopingpraktiken des Teams T-Mobile hat der des Testosteron-Dopings überführte Radprofi [[Patrick Sinkewitz]] im November 2007 eingestanden, seit 2003 auch mit EPO gedopt zu haben. * Der dänische Radprofi [[Peter Riis Andersen]] wurde am 25. Juni 2008 bei einer Trainingskontrolle von Anti Doping Danmark (ADD) positiv auf die verbotene Substanz EPO getestet. Andersen wurde daraufhin durch das dänische [[Nationales Olympisches Komitee|NOK]] aus dem Team für die Olympischen Spiele in Peking ausgeschlossen. * Bei der [[Tour de France 2008]] sind zunächst drei Dopingfälle mit EPO bekannt geworden. Die spanischen Fahrer [[Manuel Beltrán]] und [[Moisés Dueñas]] wurden positiv auf die Einnahme von EPO getestet. Bei dem Italiener [[Riccardo Riccò]] wurde erstmals [[Erythropoetin#Modifikationen des EPO-Moleküls|CERA]], eine EPO-Modifikation, nachgewiesen. Die spanische Tageszeitung [[El País]] berichtete am 19. Juli 2008, dass Riccòs Teamgefährte [[Leonardo Piepoli]] zugegeben hat, ebenfalls mit EPO gedopt zu haben. Während Piepoli diese Aussage zwischenzeitlich dementierte, hat Ricco sein Dopingvergehen eingestanden. Der positive Befund bei Manuel Beltrán bestätigte sich im September 2008 bei der Analyse der B-Probe.<br/>Sieben Wochen nach Abschluss der Tour de France berichtete der Präsident der französischen Anti-Doping-Agentur AFLD, Pierre Bodry, im September 2008 von weiteren Verdachtsfällen in Zusammenhang mit der illegalen Einnahme von CERA und kündigte weiterführende Untersuchungen an. * Am 31. Juli 2008 gab das Nationale Olympische Komitee Italiens (CONI) bekannt, dass der italienische U-23-Meister [[Giovanni Carini]] und der 32-jährige [[Paolo Bossoni]] mit EPO gedopt haben. Bossoni wurde im Oktober 2008 zu einer zweijährigen Sperre verurteilt. * Am 5. August 2008 vermeldete die Sportzeitung ''[[La Gazzetta dello Sport]]'', dass in einer am 23. Juli beim italienischen Radprofi [[Emanuele Sella]] entnommenen Urinprobe das EPO-Derivat CERA gefunden wurde. Nachdem Sella zunächst bestritt, mit CERA gedopt zu haben, gestand er sein Vergehen bei einer Anhörung vor dem Nationalen Olympische Komitee Italiens (CONI) und nannte zudem den Lieferanten des Dopingpräparats. Diese Aussagen führten Mitte Juli 2009 zu einer groß angelegten Polizeirazzia in Italien, bei der der ehemalige jugoslawische Radrennfahrer und jetzige Trainer [[Aleksandar Nikačević]] in [[Padua]] festgenommen wurde. Ihm und weiteren 30 Tatverdächtigen wird illegaler Handel mit Dopingmitteln, darunter das EPO-Präparat CERA, vorgeworfen. * Zum ersten Dopingfall der Olympischen Sommerspiele in Peking 2008 wurde die Spanierin [[Isabel Moreno]]. Bei der Medaillenkandidatin für das Einzelzeitfahren wurde am 31. Juli bei einer Trainingskontrolle im olympischen Dorf die illegale Einnahme von EPO nachgewiesen. * Am 6. Oktober 2008 gab Teamchef [[Hans-Michael Holczer]] vom [[Team Gerolsteiner]] bekannt, dass die während der Tour de France 2008 am 3. und 15. Juli entnommenen A-Proben von Radprofi [[Stefan Schumacher]] positiv auf das Dopingmittel CERA getestet wurden. Zudem bestätigte das Olympische Komitee Italiens CONI, dass neben [[Riccardo Riccò]] als zweiter Italiener bei der Tour nun auch [[Leonardo Piepoli]] des Dopings mit CERA überführt wurde. Piepolis Dopingvergehen konnte zunächst durch positive Befunde seiner Proben vom 4. und 15. Juli 2008 und dann durch die Analyse der B-Probe im November 2008 bestätigt werden. Am 18. Dezember wurde er für zwei Jahre gesperrt. Riccòs zweijährige Sperre wurde im März 2008 durch den Internationalen Sportgerichtshof CAS auf 20 Monate reduziert. Schumacher wurde nach langwierigen juristischen Auseinandersetzungen mit der französischen Anti-Doping-Agentur AFLD durch den Radsportverband UCI im März 2009 für zwei Jahre gesperrt und kündigte daraufhin seinen Einspruch vor dem Internationalen Sportgerichtshof CAS an. * Am 13. Oktober 2008 vermeldete der Geschäftsführer der [[Nationale Anti-Doping Agentur Austria|österreichischen nationalen Antidoping-Agentur]], Andreas Schwab, dass Stefan Schumachers Teamkollege [[Bernhard Kohl]] während der Tour de France 2008 offenbar ebenfalls mit dem Dopingpräparat CERA gedopt hat; bei Nachkontrollen wurde die A-Probe als positiv begutachtet. Am Folgetag gab Hans-Michael Holczer den sofortigen Rückzug seines Teams Gerolsteiner bekannt und kündigte seinen persönlichen Rückzug aus dem Radsport an. Bernhard Kohl hat den Dopingmißbrauch mittlerweile gestanden. * Der portugiesische Straßenmeister [[João Cabreira]] wurde Ende Februar 2009 wegen Verschleierung von EPO-Doping für zwei Jahre gesperrt. In Urinproben vom 19. Mai 2008 hatte das Dopinglabor der Sporthochschule Köln Spuren eines proteolytischen Enzyms gefunden. * Nach positiven EPO-Dopingbefunden des Österreichers [[Ferdinand Bruckner (Radsportler)|Ferdinand Bruckner]] in Proben vom 9. und 11. März 2009 verzichtete dieser auf die Öffnung der B-Proben und gab sein Dopingvergehen zu. * Im Zuge von Nachkontrollen von Dopingproben, die während der Olympischen Spiele 2008 in Peking genommen worden sind, wurden Ende April 2009 insgesamt 6 neue Fälle von Doping mit dem EPO-Mittel CERA bekannt. Davon betroffen waren drei Leichtathleten (darunter Olympiasieger [[Rashid Ramzi]]), zwei Radprofis und ein Gewichtheber. Das Nationale Olympische Komitee Italiens (CONI) hat bestätigt, dass es sich bei einem der beiden Radprofis um den Italiener [[Davide Rebellin]] handelt. Kurz darauf gab der [[Bund Deutscher Radfahrer]] bekannt, dass es sich bei dem zweiten Radprofi um [[Stefan Schumacher]] handelt. * Der Österreicher [[Christian Pfannberger]] wurde nach einer Kontrolle vom 19. März 2009 positiv auf EPO-Doping getestet. Dies wurde am 7. Mai durch den Weltradsportverband UCI bestätigt. Der Radprofi vom Team [[Katyusha Continental Team|Katyusha]] wurde infolge seines vorherigen Testosteron-Dopings aus dem Jahr 2004 im November 2009 lebenslang gesperrt. * Der Abschlussbericht zur Dopingaffäre an der Universitätsklinik Freiburg vom 12. Mai 2009 kommt zu dem Schluss, dass das unter Federführung der Freiburger Ärzte Lothar Heinrich und Andreas Schmid durchgeführte EPO-Doping seit 1993 im Team Telekom gängige Praxis war. Die Expertenkommission stützt sich dabei insbesondere auf die Aussagen des ehemaligen Betreuers [[Jef D'hont]]. Zu den ersten Fahrern, die mit EPO-Präparaten gedopt wurden, gehörten demnach [[Uwe Ampler]] und [[Olaf Ludwig]]. Neben diesen und den bereits geständigen Fahrern Dietz, Henn, Holm, Aldag und Bölts seien in der Saison 1993/94 auch [[Steffen Wesemann]] und [[Jens Heppner]] mit entsprechenden Mitteln versorgt worden. Bjarne Riis habe sich bei der Tour de France 1996 jeden zweiten Tag selbst EPO gespritzt, was zu gesundheitsgefährdenden Hämatokritwerten von mindestens 60 % geführt habe. Erik Zabel habe mit dem EPO-Doping 1996 nach der [[Tour de Suisse]] begonnen.<ref>[http://www.dopingkommission-freiburg.de/Abschlussbericht.pdf Abschlussbericht der Expertenkommission zur Aufklärung von Dopingvorwürfen gegenüber Ärzten der Abteilung Sportmedizin des Universitätsklinikums Freiburg vom 12. Mai 2009].</ref> * Anfang Juni 2009 wurde bekannt, dass der Spanier [[Antonio Colom]] bei einer am 2. April 2009 durchgeführten Dopingkontrolle positiv auf EPO-Doping getestet wurde. * Mitte Juni 2009 gab der ehemalige niederländische Spitzenfahrer [[Steven Rooks]] bekannt, seit Beginn der 1990er Jahre EPO zur illegalen Leistungssteigerung genommen zu haben. Bereits Ende 1999 hatte Rooks Dopingvergehen mit Testosteron und Amphetaminen eingestanden. * Anfang Juli 2009 wurde bekannt, dass bei Nachkontrollen von Urinproben des Niederländers [[Thomas Dekker (Radsportler)|Thomas Dekker]] vom Dezember 2007 EPO-Missbrauch festgestellt wurde. * Beim Spanier [[Iñigo Landaluze]] wurde in Dopingproben vom 7. Juni 2009 bei der Rundfahrt [[Critérium du Dauphiné Libéré|Dauphiné Libéré]] und bei einer Trainingskontrolle am 16. Juni 2009 das EPO-Mittel CERA nachgewiesen. * Der Spanier [[Ricardo Serrano]] wurde vor dem [[Giro d'Italia 2009|Giro d'Italia]] im Mai 2009 und während der [[Tour de Suisse 2009|Tour de Suisse]] am 13. Juni 2009 positiv auf das EPO-Mittel CERA getestet. * Der deutsche Radprofi [[Olaf Pollack]] wurde am 6. Juli 2009 bei einer Trainingskontrolle positiv auf EPO-Doping getestet und deshalb bis zum 13. September 2011 gesperrt. Zudem wurden ihm seine Titel im [[Punktefahren]] und [[Zweier-Mannschaftsfahren]] bei der Bahn-DM 2009 in Erfurt aberkannt. * Am 22. Juli 2009 gab die UCI bekannt, dass beim Italiener [[Danilo Di Luca]] in zwei während des [[Giro d'Italia 2009|Giro d'Italia]] entnommenen A-Proben Spuren des EPO-Mittels CERA gefunden wurden. Di Luca wurde bei Dopingvergehen in der Vergangenheit bereits mit einer zwei- bzw. einer sechsmonatigen Sperre bestraft. * Am 31. Juli 2009 gab die UCI die vorläufige Sperre des Spaniers [[Mikel Astarloza]] bekannt. Bei Astarloza wurde bei einer Kontrolle am 26. Juni 2009 der Missbrauch von EPO nachgewiesen. * Der Italiener [[Maurizio Biondo]] wurde nach einer positiven A-Probe vom 12. August 2009 am 14. September 2009 durch die UCI bis zur Analyse der B-Probe provisorisch gesperrt. * Die Spanier [[Isidro Nozal]] und [[Héctor Guerra]] sowie der Portugiese [[Nuno Ribeiro]] wurden wegen positiver Trainingskontrollen vom 3. August 2009 am 18. September 2009 durch die UCI gesperrt. * Der Italiener [[Gabriele Bosisio]] wurde bei einer Trainingskontrolle vom 2. September 2009 positiv auf die illegale Einnahme von EPO getestet. * Anfang Oktober 2009 wurde bekannt, dass der Italiener [[Francesco De Bonis]] bei einer Kontrolle während des Giro d'Italia 2009 positiv auf das EPO-Präparat CERA getestet wurde. Gegen De Bonis hatte die UCI bereits im Juni ein Verfahren aufgrund der Analyse des Blutpasses eingeleitet. * Der Spanier [[Alberto Fernández]] wurde bei einer Dopingkontrolle am 15. Oktober 2009 positiv auf EPO-Doping getestet. Die UCI sperrte ihn darauf hin vorläufig. * Der italienische Radprofi [[Matteo Priamo]] wurde auf Grundlage einer Aussage von Dopingsünder [[Emanuele Sella]] am 12.November 2009 vom internationalen Sportgerichtshof CAS wegen Dopinghandels mit dem EPO-Präparat CERA für vier Jahre gesperrt. * Nachdem beim Spanier [[Eladio Jiménez]] am 12. August 2009 in der A-Probe einer Dopingkontrolle während der [[Portugal-Rundfahrt]] die verbotene Einnahme von EPO nachgewiesen wurde, erhielt er im Dezember 2009 durch die UCI eine vorläufige Sperre. Nach dieser Entscheidung der UCI beendete Jiménez seine Karriere. * Bei einem Dopingtest am 21. Januar 2010 wurde der Italiener [[Eddy Ratti]] der illegalen Einnahme von EPO überführt. * Der ehemalige US-Radprofi [[Joseph M. Papp]] hat sich am 17. Februar 2010 der Anklage wegen illegaler Verbreitung von Dopingmitteln für schuldig bekannt. Papp gestand ein, zwischen 2006 und 2007 an insgesamt 187 Kunden EPO- und HGH-Präparate aus China im Wert von $ 80.000 verkauft zu haben. * Die beiden polnischen Cross-Fahrer [[Pawel Szczepaniak|Pawel]] und [[Kacper Szczepaniak]] wurden gemäß Mitteilung der UCI vom März 2010 während der [[Cyclocross-Weltmeisterschaft#Palmares U23|U23-WM in Tschechien]], bei der sie die beiden ersten Plätze belegten, positiv auf EPO-Doping getestet. * Ebenfalls im März 2010 wurde bekannt, dass der Italiener [[Massimo Giunti]] bei einer Kontrolle am 23. Februar 2010 positiv auf EPO-Doping getestet wurde. * Nach einem Urteil des internationalen Sportgerichtshofs CAS vom März 2010 gilt der Spanier [[Alejandro Valverde]] als EPO-Dopingsünder. Bei dem durch das nationale Olympische Komitee Italiens (CONI) bereits im Mai 2009 wegen der Verwicklung in die [[Dopingskandal Fuentes|Dopingaffäre Fuentes]] für zwei Jahre gesperrten Radsportler wurden in den ihm zugeordneten Blutkonserven Spuren einer nicht-körpereigenen Form des Zytokins gefunden. * Der Spanier [[Manuel Vázquez|Manuel Vázquez Hueso]] wurde laut Mitteilung der UCI bei einer Trainingskontrolle am 20. März 2010 positiv auf EPO-Doping getestet. * Der schweizer Radprofi [[Thomas Frei]] wurde im April 2010 positiv auf EPO-Doping getestet. ==== Leichtathletik ==== [[Datei:Susanne pumper.jpg|thumb| '''Susanne Pumper''' wurde bei einer Trainingskontrolle im Vorfeld der Olympischen Spiele 2008 in Peking des EPO-Dopings überführt und für zwei Jahre gesperrt.]] [[Datei:Osaka07 D6A Rashid Ramzi.jpg|thumb| Olympiasieger '''Rashid Ramzi''' wurde bei Nachkontrollen im April 2009 überführt, während der Olympischen Spiele 2008 in Peking mit dem EPO-Präparat CERA gedopt zu haben.]] * Zum ersten juristisch verwertbaren EPO-Dopingfall in der Geschichte der Leichtathletik wurde der Italiener [[Roberto Barbi]]. Der Marathonläufer wurde bei einer Kontrolle im Vorfeld der [[Leichtathletik-Weltmeisterschaft 2001|Leichtathletik-WM 2001 in Edmonton]] positiv getestet. Nachdem ihm bereits 1996 der Missbrauch von [[Ephedrin]] nachgewiesen worden war, wurde er nun für vier Jahre gesperrt. Die Sperre wurde später auf 25 Monate reduziert. Beim Halbmarathon-Meeting im französischen [[Mende]] wurde der italienische Meister von 1999 und 2000 im Juli 2008 neuerlich positiv auf beide Substanzen getestet. Das Nationale Olympische Komitee Italiens (CONI) beantragte im Januar 2009 eine lebenslange Sperre für Barbi. * Bei der russischen Läuferin [[Olga Jegorowa]] wurde in der A-Probe einer Dopingkontrolle während des [[Meeting Gaz de France|Golden League-Meetings in Paris]] im Juli 2001 EPO nachgewiesen. Eine zunächst verhängte zweijährige Sperre wurde vom [[IAAF]] ausgesetzt, weil aus formalen Gründen der Test nicht gewertet wurde. * Der für Belgien startende Langstreckenläufer [[Mohammed Mourhit]] wurde 2002 wegen Missbrauchs von EPO mit einer dreijährigen Sperre belegt, die später um ein Jahr reduziert wurde. * Der Marokkaner [[Brahim Boulami]] wurde im August 2002 nach seinem Weltrekord im [[Hindernislauf|3000&nbsp;m Hindernislauf]] beim [[Weltklasse Zürich|Golden League Meeting in Zürich]] der illegalen EPO-Einnahme überführt. Der Weltrekord wurde ihm aberkannt und er wurde für zwei Jahre von allen Leichtathletikwettbewerben ausgeschlossen. * Beim brasilianischen Läufer [[Ramiro Nogueira]] wurde im September 2002 nach einem 13-Meilen-Lauf in [[Vitória de Santo Antão]] EPO-Doping nachgewiesen. Er wurde mit einem zweijährigen Startverbot belegt. * Die griechische Läuferin [[Maria Tsirba]] wurde bei der [[Leichtathletik-Hallenweltmeisterschaft 2003|Hallen-WM in Birmingham]] nach ihrem 8. Platz im 3000-Meter-Lauf des EPO-Dopings überführt und für zwei Jahre gesperrt. * Der spanische Mittel- und Langstreckenläufer [[Alberto García]] sowie die Langstreckenläuferinnen [[Pamela Chepchumba]] aus Kenia und [[Asmae Leghzaoui]] aus Marokko wurden 2003 bei der Crossweltmeisterschaft des EPO-Dopings überführt. * Der französische Mittelstreckler [[Fouad Chouki]] wurde bei der [[Leichtathletik-Weltmeisterschaft 2003|Leichtathletik-WM 2003 in Paris]] positiv auf EPO-Doping getestet und für zwei Jahre gesperrt. * Der US-amerikanische 400-m-Weltmeister [[Jerome Young]] wurde im Rahmen des [[IAAF Golden League|Golden-League-Meeting]] am 23. Juli 2004 in Paris der illegalen Einnahme von EPO überführt. Bereits im Juni 1999 war Young positiv auf das anabole Steroid [[Nandrolon]] getestet worden. Als Wiederholungstäter wurde er daraufhin am 3. November 2004 lebenslang gesperrt. * Der US-Amerikaner [[Alvin Harrison]], Olympiasieger im [[4-mal-400-Meter-Staffel]]lauf [[Olympische Sommerspiele 1996|1996 in Atlanta]], wurde nach seinem Geständnis zur illegalen Einnahme von [[Somatotropin|Wachstumshormon]], EPO, [[Insulin]] und [[Modafinil]] im Oktober 2004 durch die US-Anti-Doping-Agentur ([[United States Anti-Doping Agency|USADA]]) für vier Jahre gesperrt. * Im November 2004 wurde die Gewinnerin des [[Ironman Hawaii]], [[Nina Kraft]], positiv auf EPO getestet. Nach ihrem Eingeständnis des Medikamentenmissbrauchs wurde die Athletin der [[Deutsche Triathlon Union|Deutschen Triathlon Union]] für zwei Jahre gesperrt und die Schweizerin [[Natascha Badmann]] nachträglich zur Siegerin erklärt. * Die US-Sprinterin [[Michelle Collins]] wurde im Dezember 2004 aufgrund von Abhörprotokollen, in denen sie zugab, EPO und [[Tetrahydrogestrinon]] genommen zu haben, für 8 Jahre gesperrt. * Im Juni 2005 ergab eine Routinekontrolle der Fachkommission für Dopingbekämpfung FDB von [[Swiss Olympic Association|Swiss Olympic]] ein EPO-Doping bei [[Brigitte McMahon]], Siegerin im Triathlon bei den Olympischen Spielen von Sydney 2000. Sie trat daraufhin vom aktiven Leistungssport zurück. * Im Juni 2006 wurde die A-Probe von US-Sprintstar [[Marion Jones]] bei den amerikanischen Leichtathletik-Meisterschaften einer Meldung der Washington Post zufolge positiv auf EPO getestet. Das Ergebnis der Analyse der B-Probe, die vom gleichen Labor an der University of California in Los Angeles untersucht wurde, entlastet dagegen die Athletin.<ref>[http://sport.orf.at/060907-2338/index.html “Überraschende Wende im Fall Marion Jones”].</ref> * Im Juli 2007 wurde die [[Slowenien|slowenische]] Mittelstreckenläuferin [[Jolanda Čeplak]], Hallen-Weltrekordhalterin über 800 Meter, nach einem positivem Dopingbefund vorläufig von der [[IAAF]] gesperrt. * Im März 2008 wurde die französische Mittelstreckenläuferin [[Bouchra Ghezielle]] bei einer Trainingskontrolle positiv auf EPO getestet. Nach den Mittelstrecklern Fouad Chouri im Jahr 2003, [[Hind Dehiba]] im Jahr 2006 und [[Khalid Zoubaa]] im Jahr 2007 ist dies bereits der vierte Fall von EPO-Doping im französischen Leichtathletikverband. * Im März 2008 wurde bei der österreichischen Langstreckenläuferin [[Susanne Pumper]] und der Slowenin [[Helena Javornik]] im Zuge einer Wettkampfkontrolle EPO nachgewiesen. Auch die B-Probe von Pumper wurde kurz darauf positiv getestet. Javornik wurde zunächst vom slowenischen Verband wegen Zweifel an der Richtigkeit des Dopingtests freigesprochen. Ende Juli 2008 legte der internationale Leichtathletikverband [[International Association of Athletics Federations|IAAF]] Einspruch gegen die Entscheidung des nationalen Verbandes beim [[Internationaler Sportgerichtshof|Internationalen Sportgerichtshof]] (CAS) ein. Die vorläufige Suspendierung trat dadurch wieder in Kraft, so dass Javornik nicht bei den [[Olympische Sommerspiele 2008/Leichtathletik|Olympischen Spielen in Peking]] starten durfte. Susanne Pumper wurde im Oktober 2008 für zwei Jahre gesperrt. Die Sperre für Helena Javornik wurde im März 2008 durch den internationalen Sportgerichtshof CAS bis zum 11. Juni 2010 festgelegt. * Im Mai 2008 gestand der US-amerikanische [[400-Meter-Lauf|400-Meter-Läufer]] und Staffel-Olympiasieger [[Antonio Pettigrew]] im Rahmen des Prozesses gegen seinen früheren Trainer [[Trevor Graham]], während seiner aktiven Zeit Doping mithilfe von Wachstumshormonen und EPO betrieben zu haben. * Ebenfalls im Mai 2008 wurde die A-Probe der österreichischen Triathletin und Olympia-Kandidatin [[Lisa Hütthaler]] positiv auf EPO getestet. Wie die Tageszeitung [[Kurier (Tageszeitung)|Kurier]] am 30. Juli 2008 meldet, habe Hütthaler versucht, eine Mitarbeiterin des zuständigen Dopinglabors bei der Öffnung der B-Probe mit 20.000 Euro zu bestechen, um das Ergebnis zu Gunsten der Sportlerin zu manipulieren. Hütthaler bestreitet die Anschuldigungen. Inzwischen wurde auch in der B-Probe EPO nachgewiesen und Hütthaler vom Dienst im [[Bundesheer|österreichischen Bundesheer]] suspendiert. Im Oktober 2008 folgte die Verurteilung zu einer zweijährigen Dopingsperre durch die nationale Anti-Doping-Agentur Österreichs. * Am 5. August 2008 wurden drei russische [[Gehen (Sport)|Geher]] ([[Wladimir Alexejewitsch Kanaikin|Wladimir Kanaikin]], [[Alexei Nikolajewitsch Wojewodin|Alexei Wojewodin]] und [[Wiktor Burajew]]) suspendiert. Die russische Agentur ''All Sport'' meldete, der Grund seien positive EPO-Tests.<ref>leichtathletik.de: ''[http://www.leichtathletik.de/index.php?NavID=1&SiteID=28&NewsID=18518 Russische Geher suspendiert].'' 5. August 2008.</ref><ref>leichtathletik.de: ''[http://www.leichtathletik.de/index.php?NavID=1&SiteID=28&NewsID=18537 Arne Ljungqvist glaubt an systematisches Doping].'' 6. August 2008.</ref> * Der italienische Marathonläufer [[Alberico Di Cecco]], Olympia-Neunter auf der klassischen Distanz bei den Olympischen Spielen 2004 in Athen, wurde im März 2009 rückwirkend für sein EPO-Dopingvergehen vom 12. Oktober 2008 bei den italienischen Meisterschaften für zwei Jahre gesperrt. * Im Zuge der Nachkontrollen von Dopingproben, die während der Olympischen Spiele 2008 in Peking genommen wurden, wurde der [[Bahrain|bahrainische]] Olympiasieger über 1500 Meter [[Rashid Ramzi]] Ende April 2009 des Dopings mit dem EPO-Präparat CERA überführt. Ebenfalls ertappt wurden die griechische Geherin [[Athanasia Tsoumeleka]], Olympiasiegerin im [[Olympische Sommerspiele 2004/Leichtathletik#20 km Gehen 2|20-km-Rennen]] von [[Olympische Sommerspiele 2004|Athen 2004]], und die kroatische 800-Meter-Läuferin [[Vanja Perišić]]. Bereits im Januar 2009 hatte der griechische Fernsehsender NET vermeldet, dass Tsoumeleka bei einer Kontrolle am 6. August 2008 positiv auf EPO-Doping getestet wurde. Tsoumeleka bestritt diesen Vorwurf, erklärte aber gleichzeitig ihren Rücktritt vom Leistungssport. * Ebenfalls im April 2009 wurden bei den nationalen russischen Hallenmeisterschaften der Titelträger über 1500 Meter, [[Wladimir Eschow]], sowie die Siebtplatzierte im 1500 Meter-Rennen der Damen, [[Jelena Kanales]], positiv auf EPO getestet. * Bei fünf brasilianischen [[Sprint|Kurzstreckenläufern]] ([[Bruno Lins Tenorio de Barros]], [[Jorge Celio da Rocha Sena]], [[Joriane da Silva Tito]], [[Luciana França]] und [[Lucimara Silvestre]]) wurde durch am 15. Juni 2009 durchgeführte Trainingskontrollen EPO-Doping nachgewiesen. Die zwei Männer und drei Frauen wurden vom brasilianischen Verband für die [[Leichtathletik-Weltmeisterschaft 2009|Leichtathletik-WM in Berlin]] aus dem Kader gestrichen. * Die neuseeländische Marathonläuferin [[Liza Hunter-Galvan]] wurde Ende August 2009 nach einer positiven Dopingkontrolle mit EPO vom März 2009 für zwei Jahre gesperrt. * Die italienische [[Berglauf|Berglauf-]]Welt und -Europameisterin [[Elisa Desco]] wurde nach einer positiven Kontrolle vom 6. September 2009 durch die Analyse der B-Probe Anfang November 2009 des Dopings mit dem EPO-Präparat CERA überführt. * Die äthiopische Langstreckenläuferin [[Shitaye Gemechu]] wurde im Anschluss ihres Sieges bei der [[Route du Vin]] am 27. September 2009 positiv auf EPO-Doping getestet. * Der siebenfache dänische Meister im Triathlon [[Bjarne Möller]] gestand im April 2010, während eines Trainingsaufenthalts in Südafrika zwischen dem 18. und 26. März 2010 unerlaubt EPO eingenommen zu haben. Er wurde daraufhin vom dänischen Triathlonverband mit sofortiger Wirkung suspendiert. ==== Wintersport ==== [[Datei:Ekaterina Iourieva Ostersund 2008.jpg|thumb|right|'''Jekaterina Jurjewa''']][[Datei:Albina Akhatova Ostersund 2008.jpg|thumb|right|'''Albina Achatowa ''']][[Datei:Dmitri Yaroshenko Ostersund 2008.jpg|thumb|right|'''Dimitri Jaroschenko''']] * Bei den [[Olympische Winterspiele 2002|Olympischen Winterspielen 2002]] in [[Salt Lake City]] wurde der für Spanien startende Skilangläufer [[Johann Mühlegg]] der Einnahme von Darbepoetin überführt und der Gewinn dreier Goldmedaillen daraufhin annulliert. Während derselben Spiele wurden die beiden [[Russland|russischen]] Langläuferinnen [[Olga Walerjewna Danilowa|Olga Danilowa]] und [[Larissa Jewgenjewna Lasutina|Larissa Lasutina]] des Dopings mit Darbepoetin überführt. Danilowa wurden ihre Goldmedaille im Verfolgungsrennen über 15&nbsp;km und die Silbermedaille im Rennen über 10&nbsp;km klassisch aberkannt. Lasutina musste ihre Goldmedaille beim Rennen über 30&nbsp;km sowie ihre beiden Silbermedaillen im Verfolgungsrennen über 15&nbsp;km und im Rennen über 10&nbsp;km zurückgeben. * Der Österreicher [[Alois Blaßnig]] wurde wegen EPO-Dopings beim [[Wasalauf]] 2002 für zwei Jahre gesperrt. * Bei der [[Nordische Skiweltmeisterschaft 2003|Nordischen Skiweltmeisterschaft 2003]] in [[Fleimstal|Val di Fiemme]] wurde die finnische Langläuferin [[Kaisa Varis]] des EPO-Dopings überführt. In der Folge wurde sie mit einer zweijährigen Wettkampfsperre belegt und der finnischen Staffel die Silbermedaille aberkannt. Zudem verlor der finnische Skiverband 300.000 Euro auf Grund zurückgezogener Sponsorengelder wegen des Dopingskandals. Die inzwischen zum Biathlon gewechselte Athletin wurde im Januar 2008 erneut positiv auf EPO-Missbrauch getestet und daraufhin im Februar 2008 als Wiederholungstäterin lebenslang gesperrt. Die Sperre wurde im März 2008 vom internationalen Sportgerichtshof CAS wegen eines Verfahrensfehlers aufgehoben. * Im Rahmen einer [[Razzia]], die italienische Justizbehörden veranlassten, wurden im Quartier der österreichischen Ski-Langläufer und Biathleten bei den [[Olympische Winterspiele 2006|Olympischen Winterspielen 2006]] von Turin laut der österreichischen Nachrichtenagentur neben anderen verbotenen Hormonen auch Spuren von EPO gefunden. Jedoch konnte bei keinem der verdächtigten Athleten EPO-Doping nachgewiesen werden. Auslöser für die Razzia war der bereits zuvor straffällig gewordene und unter konkretem Tatverdacht stehende damalige Leiter für Langlauf und Berater für Biathlon beim [[Österreichischer Skiverband|ÖSV]] [[Walter Mayer]] (siehe dazu [[Erythropoetin#Doping-Netzwerk in Österreich|''Doping-Netzwerk in Österreich'']]). * Der russische Langläufer [[Sergei Jurjewitsch Schirjajew|Sergej Schirjajew]] wurde im Februar 2007 während der [[Nordische Skiweltmeisterschaft 2007|Nordischen Skiweltmeisterschaften in Sapporo]] des EPO-Dopings überführt und anschließend für zwei Jahre gesperrt. * Der ehemalige finnische Nationaltrainer [[Kari-Pekka Kyrö]] gab im Januar 2009 bekannt, dass er im Vorfeld der [[Nordische Skiweltmeisterschaft 2001|Nordischen Skiweltmeisterschaft 2001]] an der Verschleierung des EPO-Dopings der Langläuferin [[Virpi Kuitunen]] durch Verabreichung von [[Kolloidale Infusionslösung|Plasma-Expandern]] beteiligt war. Die Athletin selbst schweigt bisher zu den Vorwürfen. * Die russischen Biathleten [[Jekaterina Walerjewna Jurjewa|Jekaterina Jurjewa]], [[Albina Chamitowna Achatowa|Albina Achatowa]] und [[Dmitri Wladimirowitsch Jaroschenko|Dimitri Jaroschenko]] wurden im Februar 2009 nach A- und B-Probe des EPO-Dopings überführt. Nachdem bereits im Januar 2009 [[Iwan Jurjewitsch Tscheresow|Iwan Tscheresow]] wegen eines erhöhten Hämoglobinwerts mit einer Schutzsperre belegt wurde, sprach der Präsident des Biathlon-Weltverbandes [[Internationale Biathlon-Union|IBU]], Anders Besseberg, von einem systematischen Doping im russischen Biathlonsport. Erst im August 2009 wurden alle drei Sportler für je zwei Jahre gesperrt. * Im März 2009 vermeldete die russische Nachrichtenagentur Allsport, dass die russische Langläuferin [[Natalja Konstantinowna Matwejewa|Natalja Matwejewa]] während des Weltcups im kanadischen [[Whistler (British Columbia)|Whistler]] positiv auf EPO-Doping getestet wurde. * Im April 2009 wurde bei den nationalen Meisterschaften in [[Tjumen|Uvat/Tjumen]] in den A-Proben der beiden russischen Biathleten [[Andrei Wiktorowitsch Prokunin|Andrei Prokunin]] und [[Weronika Alexejewna Timofejewa|Weronika Timofejewa]] rekombinantes EPO gefunden. Beide Sportler wurden im Oktober 2009 für je zwei Jahre gesperrt. * Im August 2009 wurde bekannt, dass drei weitere russische Langläufer im Verdacht stehen, mit EPO gedopt zu haben. Die Olympiasieger [[Julija Anatoljewna Tschepalowa|Julija Tschepalowa]] und [[Jewgeni Alexandrowitsch Dementjew|Jewgeni Dementjew]] wurden im Januar 2009 während eines Weltcups in Italien positiv getestet. Nur wenige Wochen später folgte Nachwuchsläuferin [[Nina Rysina]] in Frankreich. Der russische Skiverband bestätigte alle drei Dopingfälle im Oktober 2009. * Aus Presseveröffentlichungen im Februar 2010 geht hervor, dass der finnische Langläufer [[Mika Myllylä]] bei einer Polizeivernehmung im April 2009 EPO-Missbrauch eingestanden hat. Er ist damit der erste finnische Langläufer aus der Skandalmannschaft von 2001, der das Nutzen von Dopingmittel zugab. <ref>[http://www.handelsblatt.com/magazin/sonstiges/langlauf-doping-myllylae-gibt-epo-missbrauch-zu;2523825 www.handelsblatt.com]</ref> * Im März 2010 teilte das Polnische Olympische Komitee (PKOI) mit, dass die Langläuferin [[Kornelia Marek]] während der [[Olympische Winterspiele 2010|Olympischen Winterspiele in Vancouver]] positiv auf die illegale Einnahme von EPO getestet wurde. ==== Fußball ==== * Im November 2004 wurde der Teamarzt des italienischen Fußballmeisters [[Juventus Turin]], Ricardo Agricola, vom [[Internationaler Sportgerichtshof|Internationalen Sportgerichtshof]] (CAS) in Lausanne wegen Sportbetrugs und Verabreichung gesundheitsgefährdender Medikamente zu 22 Monaten Haft auf Bewährung verurteilt. Er hatte laut Gerichtsurteil zwischen 1994 und 1998 Spieler des Vereins unter anderem systematisch mit EPO behandelt. Agricola ist in Berufung gegangen. In besagtem Zeitraum wurde keiner der Spieler in Dopingkontrollen positiv getestet. Forderungen, Juventus die damals gewonnenen Titel abzuerkennen, hatte bereits der Präsident des Weltverbandes [[Fifa]], [[Joseph Blatter]], zurückgewiesen. ==== Boxen ==== * Der frühere Chef des US-amerikanischen Pharmaunternehmens [[BALCO-Affäre|BALCO]], [[Victor Conte]], hat eingestanden, den ehemaligen Box-Weltmeister [[Shane Mosley]] mit EPO und Steroid-Präparaten versorgt zu haben. Dies geht aus Verhörprotokollen hervor, die das Nachrichtenmagazin [[USA Today]] im Dezember 2008 veröffentlichte. Mosley hat sein Vergehen im Mai 2009 vor einer Anhörungskommission offiziell eingestanden. ==== Gewichtheben ==== * Bei Nachkontrollen von Dopingproben, die während der Olympischen Spiele 2008 in Peking genommen wurden, wurde Ende April 2009 [[Yudelquis Maridalin]] aus der [[Dominikanische Republik|Dominikanischen Republik]] des Dopings mit dem EPO-Präparat CERA überführt. Maridalin hatte bei Olympia 2008 in der [[Olympische Sommerspiele 2008/Gewichtheben#Klasse bis 53 kg|Gewichtsklasse bis 53 kg]] den fünften Platz belegt. ==== Pferdesport ==== * Im Mai 2009 wurde von einem Dopingfall in Kanada berichtet, bei dem der Eigner Ross C. Siddall aus [[Windsor (Ontario)]] unter Mithilfe eines Tierarztes seinem Pferd ''Jojos Image'' das EPO-Präparat Aranesp (Darbepoetin α) verabreicht hat. Siddall wurde von der “Ontario Race Commission” mit Sitz in [[Toronto]] für 10 Jahre suspendiert und zu einer Geldstrafe von 40.000 [[Kanadischer Dollar|CAD]] verurteilt. * Anfang August 2009 wurden Dopingfälle mit EPO-Präparaten (darunter auch Darbepoetin α) bei mindestens zwei Rennpferden im [[Victoria (Australien)|australischen Bundesstaat Victoria]] bekannt, infolge derer mindestens ein nicht namentlich genannter Trainer eine Sperre von sechs Jahren erhielt. ==== Doping-Netzwerk in Österreich ==== Im März 2009 wurden Medienberichte zu einem Doping-Netzwerk in Österreich veröffentlicht. In diesem Zusammenhang kam es zur Verhaftung des bereits während der Olympischen Winterspiele von Turin 2006 unter Verdacht gerateten ehemaligen Langlauftrainers [[Walter Mayer]]. In Zusammenarbeit mit dem Radprofi [[Christoph Kerschbaum]] und dem Mediziner Andreas Zoubek soll Mayer Dutzende von österreichischen Sportlern in großem Umfang mit EPO und Testosteron versorgt haben. Der Triathlet [[Norman Stadler]] berichtete bereits im November 2008, dass Andreas Zoubek ihm im Jahr 2006 Dopingmittel angeboten habe. Die inzwischen des EPO-Dopings überführte Triathletin [[Lisa Hütthaler]] bestätigte im März 2009, dass ihr EPO-Präparate von Andreas Zoubek verabreicht worden sind. Besorgt habe diese Präparate Stefan Matschiner, der frühere Berater der Dopingsünder [[Michael Rasmussen]] und [[Bernhard Kohl]]. Matschiner wurde am 30. März 2009 durch die österreichische Polizei festgenommen. Bernhard Kohl sagte am nächsten Tag aus, dass Matschiner ihm EPO, Wachstumshormone, Insulin und Testosteron besorgt und beim Eigenblutdoping geholfen habe. Die Behandlung mit Eigenblut habe in den Räumlichkeiten der Wiener Blutbank ''Humanplasma'' stattgefunden. Darüber hinaus belastete Kohl den Langlauf-Olympiasieger von 2002 [[Christian Hoffmann]], was dieser jedoch umgehend vehement bestritt. Ferner sagte Kohl gegenüber den Behörden aus, der Triathleten [[Hannes Hempel]] habe ihm das EPO-Präparat CERA besorgt. === Nachweisverfahren === EPO kann erst seit 2000 durch ein mehrstufiges Verfahren, das durch Françoise Lasne und Jacques de Ceaurriz vom ''[[Laboratoire national de détection du dopage]]'' (LNDD) entwickelt wurde, im Urin nachgewiesen werden. Dies gelingt auch in geringen Konzentrationen. Bei künstlich verabreichtem EPO (rekombinantes EPO, Epoetine) werden weniger als 10 % über den Urin ausgeschieden<ref name="foley"/>. [[Datei:Epo-Blotting.png|thumb|left|Immunoblotting- und Chemoluminiszenzverfahren zum direkten Nachweis von EPO]] [[Datei:IEF-Pattern.png|thumb|left|Bandenverteilung von Epoetin α und β (rEPO), nativem humanem Erythropoetin aus Urin (uEPO) und dem Präparat Aranesp (Darbepoetin α) nach isoelektrischer Fokussierung und anschließendem Immunoblotting]] Glykosylierungen von Proteinen erfolgen speziesspezifisch, das heißt, das Glykosylierungsmuster von humanem EPO unterscheidet sich vom rekombinanten EPO anderer Spezies. Rekombinantes EPO wird gegenwärtig mit Hilfe transformierter Zelllinien unterschiedlicher Gattungen des Hamsters erzeugt (vgl. Abschnitt ''EPO als Therapeutikum''). Beim rekombinanten EPO ist die [[Neuraminsäure]] zu etwa 95 % an [[Stickstoff]] acetyliert, etwa 2 % liegen als Glykolylacetyl-Derivat vor. Der Grad dieser unterschiedlichen [[Acetylierung]] sowie die An- und Abwesenheit so genannter Repeats (immer wiederkehrende Zuckereinheiten) sind verantwortlich für unterschiedliche isoelektrische Punkte (pI) von humanem und rekombinantem EPO. Diese Eigenschaft wird analytisch bei der [[Isoelektrische Fokussierung|Isoelektrischen Fokussierung]] (IEF) zum EPO-Nachweis ausgenutzt. ==== Schritt 1: Mikro- und Ultrafiltration ==== Im ersten Schritt werden zunächst die im Urin enthaltenen Proteine durch [[Mikrofiltration|Mikro-]] und [[Ultrafiltration]] von unlöslichen Partikeln befreit und konzentriert. ==== Schritt 2: Isoelektrische Fokussierung ==== Im zweiten Schritt erfolgt die Trennung zwischen humanem und rekombinantem EPO sowie der anderen enthaltenen Proteine mittels [[Isoelektrische Fokussierung|isoelektrischer Fokussierung]] (IEF) in einem [[Polyacrylamid]]-Gel mit geeignetem [[Stoffgradient|pH-Gradienten]]. ==== Schritt 3: Immunoblotting ==== Im dritten Schritt erfolgt der eigentliche Nachweis durch ein [[Western Blot#Immunodetektion|Immunoblotting]], bei dem die im Elektrophoresefeld aufgetrennten EPO-Isoformen auf eine [[Membran (Trennschicht)|Membran]] überführt und nachfolgend mit einem EPO-spezifischen [[Monoklonaler Antikörper|monoklonalen Antikörper]] (mAK) überschichtet werden (''Primäres Blotting''). Die bindenden mAK werden anschließend im sauren Milieu und durch Anlegen eines elektrischen Feldes dissoziiert und auf eine zweite Membran übertragen. So erhält man ein erneutes Abbild der einzelnen EPO-Banden. Allerdings befinden sich auf der zweiten Membran keine EPO-Moleküle, sondern die spezifischen monoklonalen Antikörper (''Sekundäres Blotting''). Die Antikörperbanden werden durch einen anti-EPO-mAK spezifischen zweiten Antikörper sichtbar gemacht. Dieser Sekundärantikörper ist an ein Enzym (zum Beispiel [[Meerrettichperoxidase]] (HRP) oder [[Alkalische Phosphatasen|alkalische Phosphatase]] (AP)) gekoppelt, welches die Umsetzung eines chromogenen Substrates (zum Beispiel [[Luminol]] oder [[ABTS]]) katalysiert, das sich mittels [[Chemolumineszenz]] quantifizieren lässt. Die Durchführung dieses Tests benötigt etwa drei Tage, die Kosten für eine Probe liegen etwa bei 400-600 Euro. Durch den Einsatz von Immunaffinitätsverfahren zur Isolierung von EPO aus Urin- oder Blutproben wurde die Sensitivität des Dopingtests inzwischen erheblich erhöht. ==== Diskussionen und Ergänzungen zum Nachweisverfahren ==== * Zu einem akademischen Streit über die [[Validität]] des Verfahrens kam es in Zusammenhang mit dem Fall [[Rutger Beke]]. Der belgische Triathlet wurde 2005 nach einem positiven Dopingbefund zunächst für 18 Monate gesperrt. Mit Hilfe eines Gutachtens durch das molekularbiologische Forschungsinstitut der Universität Leuven konnte Beke jedoch ein Jahr später einen Freispruch erwirken. Die Entwickler des Nachweisverfahrens wiederum bemängeln nachhaltig die im Gutachten aufgeführten Methoden und Rückschlüsse, die zur Entlastung Bekes geführt hatten. Nach einer Meldung des Online-Magazins ''triathlon'' vom 27. November 2007 wird der Fall Rutger Beke gemäß Ankündigung von Vertretern der WADA neu aufgerollt. * Der Nachweis des Missbrauchs mit der Variante Epoetin δ ([[Erythropoetin#„Natürliche“ EPO-Varianten|DynEpo]]) ist mit dem Standardverfahren möglich, obwohl es sich um eine „humanisierte“ Form eines rekombinanten EPO-Moleküls handelt, die sich theoretisch nicht vom körpereigenen EPO unterscheidet. Erstmals gelang dies 2007 (wenn auch nicht rechtlich verwertbar) gegenüber dem dänischen Radprofi [[Michael Rasmussen]]. * Das EPO-Derivat [[Erythropoetin#Modifikationen des EPO-Moleküls|CERA]] lässt sich unter anderem selektiv mittels eines [[ELISA]]-Tests nachweisen. * Die Problematik für den Nachweis von EPO-Missbrauch liegt in der deutlich kürzeren Halbwertszeit des Hormons im Blut im Vergleich zur Dauer der künstlichen Leistungssteigerung. Das verabreichte EPO ist bereits nach wenigen Tagen völlig abgebaut und nicht mehr nachweisbar, während hingegen der Dopingeffekt zur Leistungssteigerung noch etliche Tage oder sogar Wochen anhält. Neben dem direkten Nachweis geben Verlaufsprotokolle anderer Blutparameter Aufschluss über möglichen EPO-Missbrauch. Zu diesen Parametern zählen der [[Hämatokrit]]wert und die Konzentration einzelner Blutzelltypen ([[Erythropoese#Zelldifferenzierung|Retikulozyten]] und [[Makrophage]]n), die [[Hämoglobin]]- und [[Transferrin|Eisentransferrin]]-Rezeptorkonzentration sowie die Gesamtserumkonzentration von EPO. Auf Grundlage dieser Parameter wurde 2001 von Wissenschaftlern des [[Australian Institute of Sport|Australischen Instituts für Sport]] in [[Adelaide]] unter der Leitung des Sportmediziners [[Robin Parisotto]] ein statistisches Modell vorgestellt, das den Nachweis eines EPO-Missbrauchs auch noch dann ermöglicht, wenn die künstlich verabreichte Substanz im Urin nicht mehr nachweisbar ist.<ref>Parisotto R. et al. (2001), ''Detection of recombinant human erythropoietin abuse in athletes utilizing markers of altered erythropoiesis.'' Haematologica 86: 128-137. PMID 11224480.</ref> Dieses Modell wurde in den Jahren 2003 und 2006 verfeinert.<ref>Gore C.J. et al. (2003), ''Second-generation blood tests to detect erythropoietin abuse by athletes.'' Haematologica 88: 333-344. PMID 12651273.</ref><ref>Sharpe K. et al. (2006), ''A third generation approach to detect erythropoietin abuse in athletes.'' Haematologica 91: 356-363. PMID 16503554.</ref> Für die Datenerfassung ist die Analyse von Blutproben erforderlich. Der internationale Radsportverband UCI hat nach zahlreichen Dopingfällen im Radsport inzwischen einen „Blutpass“ eingeführt, in den die Blutwerte bei Dopingkontrollen untersuchter Radprofis eingetragen werden. Im Januar 2009 gab Parisotto nach Auswertung zahlreicher Blutprofile bekannt, dass bei mehr als 30 Profis auffällige Werte festgestellt wurden und bei einigen aufgrund dessen mit einer Sperre zu rechnen sei. * Das Forscherteam um den Dopingexperten Wilhelm Schänzer von der [[Deutsche Sporthochschule Köln|Deutschen Sporthochschule Köln]] berichtet in einer Studie über Methoden zur Vertuschung des EPO-Dopings. Durch Zugabe von [[Protease]]n in eine Urinprobe werde enthaltenes EPO (und auch die Proteasen selbst) in kürzester Zeit enzymatisch abgebaut. Hierdurch wären dann weder das ursprünglich enthaltene EPO noch die proteinspaltenden Enzyme nachweisbar. Hauptautor Mario Thevis schildert den Fall eines nicht namentlich genannten Ex-Radprofis, der sich nach eigenen Angaben vor Abgabe der Dopingprobe ein Reiskorn in die [[Harnröhre]] schob. Dieses Reiskorn habe dann die Proteasen in den Urin freigesetzt.<ref> Thevis M. et al. (2007), ''Proteases in doping control analysis.'' Int. J. Sports Med. 28: 545-549. PMID 17525883.</ref> * Die Forschungsgruppe um Francoise Lasne vom Laboratoire national de détection du dopage (LNDD) konnte bei Affen zeigen, dass bei Gendoping mit dem humanen EPO-Gen in Muskelzellen EPO-Varianten gebildet werden, die sich bezüglich der Glykosylierungen vom natürlichen EPO unterscheiden. Auf Grund dessen sei auch der Nachweis der missbräuchlichen Anwendung des Gendoping-Mittels [[Erythropoetin#Gentherapie|Repoxygen]] im Rahmen des Standardnachweisverfahrens möglich.<ref> Lasne F. et al. (2004), ''"Genetic Doping" with erythropoietin cDNA in primate muscle is detectable.'' Mol Ther. 10: 409-410. PMID 15336641.</ref> * Für erhebliches Aufsehen im Vorfeld der Tour de France 2008 sowie den Olympischen Sommerspielen in Peking sorgte im Juni 2008 eine Studie des Kopenhagener Zentrums für Muskelforschung. In dieser Studie wurden Urinproben freiwilliger Probanden, die zuvor mit EPO behandelt wurden, an zwei von der Welt-Antidoping-Agentur WADA autorisierte Labors versendet. Die Labors kamen bei der Analyse der Proben zu z.&nbsp;T. völlig verschiedenen Ergebnissen.<ref>Lundby C. et al. (2008), ''Testing for recombinant human erythropoietin in urine: problems associated with current anti doping testing.'' J. Appl. Physiol. 2008 Jun 26. [Epub ahead of print]. PMID 18583375.</ref> Dopingexperte [[Werner Franke]] kritisierte, dass bei der Studie nicht die nach dem neuesten Erkenntnisstand verbesserten Analysenmethoden angewendet wurden. Sein Kollege von der Deutschen Sporthochschule Köln, Mario Thevis, bewertete die dänische Studie sogar als (so wörtlich:) „inhaltlich und sachlich falsch“. * Im Zuge des Dopingfalls Ricardo Ricco bei der Tour de France 2008 erklärte der Vorsitzende der Welt-Antidoping-Agentur (WADA), [[John Fahey (Politiker)|John Fahey]], dass in Absprache mit dem Pharmakonzern Roche in deren EPO-Präparat Mircera ([[Erythropoetin#Modifikationen des EPO-Moleküls|CERA]]) ein Molekül eingefügt wurde, das den Nachweis der illegalen Einnahme im Rahmen von Dopingkontrollen ermöglicht. Diese Aussage wurde von Roche umgehend dementiert.<ref>[http://www.roche.com/med-cor-2008-07-24 Statement - Roche has not incorporated "a molecule" into Mircera].</ref> * Durch Verbesserungen in der Nachweismethode des EPO-Mittels CERA/Mircera gelang im Oktober 2008 bei nachträglich durchgeführten Analysen der während der Tour de France 2008 entnommenen Dopingproben die Überführung der Radprofis [[Stefan Schumacher]], [[Leonardo Piepoli]] und [[Bernhard Kohl]]. Der Präsident der französischen Anti-Doping-Agentur AFLD, Pierre Bodry, teilte zudem mit, dass auf Grund auffälliger Blutwerte die Proben von insgesamt 30 Fahrern der Tour mit der verbesserten Nachweismethode untersucht werden. Das [[Internationales Olympisches Komitee|Internationale Olympische Komitee]] hat daraufhin auf Anregung von IOC-Vizepräsident [[Thomas Bach]] veranlasst, alle insgesamt fast 5000 Dopingproben, die während der Olympischen Spiele in Peking genommen wurden, erneut zu analysieren. Der Kölner Dopingexperte Wilhelm Schänzer forderte im Zuge dessen eine Bereitstellung neuer, noch in der klinischen Testphase befindlicher Präparate (z.&nbsp;B. [[Erythropoetin#EPO-Mimetics|Hematide]]) durch die Herstellerfirmen, damit bereits frühzeitig die Entwicklung geeigneter Nachweismethoden für solche Präparate ermöglicht wird. * Als [[Präzedenzfall]] in der Geschichte des Dopings gilt die Eisschnellläuferin [[Claudia Pechstein]]. Die fünffache Olympiasiegerin wurde im Juli 2009 aufgrund auffällig hoher [[Retikulozyt]]enwerte während der [[Eisschnelllauf-Mehrkampfweltmeisterschaft 2009|Mehrkampf-Weltmeisterschaften]] in [[Hamar]] durch die [[Internationale Eislaufunion|Internationalen Eislaufunion]] (ISU) für zwei Jahre gesperrt. Die Sperre wurde im November 2009 durch den internationalen Sportgerichtshof CAS bestätigt. Damit ist Pechstein die erste Sportlerin, bei der nach Auffassung des CAS durch einen indirekten Nachweis EPO-Doping erwiesen wurde.<ref>[http://www.zeit.de/sport/2009-11/pechstein-sperre-doping-urteil-blutwerte „Dopingsperre für Pechstein“] zeit.de vom 26. November 2009.</ref> Durch einen Einspruch per Eilantrag vor dem [[Bundesgericht (Schweiz)|Schweizer Bundesgericht]] konnte Pechstein eine Aufhebung des CAS-Urteils erwirken.<ref>[http://www.focus.de/sport/wintersport/tid-16525/claudia-pechstein-per-eilantrag-zurueck-aufs-eis_aid_461245.html „Per Eilantrag zurück aufs Eis“], focus.de vom 8. Dezember 2009.</ref> == Siehe auch == * [[Hämatokrit]] (Abkürzung: Hct, Hkt oder Hk), bezeichnet in der Medizin den Anteil der zellulären Bestandteile, zumeist rote Blutplättchen/Erythrozyten, am Volumen des Blutes und ist ein Maß für die Zähflüssigkeit des Blutes (Viskosität). Normale Werte liegen bei Männern zwischen 40 und 53 Prozent. * Bei der [[Blutsenkungsreaktion]] – abgekürzt BSR, BKS, Blutsenkung; auch: Erythrozytensedimentationsrate (ESR), handelt es sich um ein unspezifisches, einfaches Suchverfahren auf entzündliche Erkrankungen. Es werden die zellulären Bestandteile des Blutes mit der Länge der zellfreien Säule von Blutplasma verglichen. == Handelsnamen == ;[[Monopräparat]]e<ref>Rote Liste online, Stand: September 2009.</ref> * Epoetin alfa: Abseamed (D), Binocrit (D), Erypo (D) * Epoetin beta: NeoRecormon (D) * Epoetin zeta: Silapo (D) == Literatur == '''Biosynthese und biologische Funktion''' * Watkins P.C. et al. (1986), ''Regional assignment of the erythropoietin gene to human chromosome region 7pter-q22.'' Cytogenet Cell Genet 42: 214-218 PMID 2875851 * Wang G.L., Semenza G.L. (1993), ''General involvement of hypoxia-inducible factor 1 in transcriptional response of hypoxia.'' Proc Natl Acad Sci USA 90: 4304-4308. 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Februar 2007|27709656}} [[Kategorie:Hormon]] [[Kategorie:ATC-B03]] [[Kategorie:Arzneistoff]] [[Kategorie:Therapeutisches Verfahren in der Nephrologie]] [[Kategorie:Doping]] [[Kategorie:Niere]] [[Kategorie:Wachstumsfaktor]] [[Kategorie:Zytokin]] [[ar:إريثروبويتين]] [[bs:Eritropoetin]] [[cs:Erythropoetin]] [[da:Epo]] [[dv:އިރިތްރޯ ޕޮއިއިޓިން]] [[en:Erythropoietin]] [[eo:Eritropoetino]] [[es:Eritropoyetina]] [[fi:Erytropoietiini]] [[fr:Érythropoïétine]] [[he:אריתרופויאטין]] [[it:Eritropoietina]] [[ja:エリスロポエチン]] [[lt:Eritropoetinas]] [[mk:Еритропоетин]] [[nl:Erytropoëtine]] [[no:Erytropoietin]] [[pl:Erytropoetyna]] [[pt:Eritropoietina]] [[ru:Эритропоэтин]] [[simple:Erythropoietin]] [[sl:Eritropoetin]] [[sv:Erytropoetin]] [[szl:Erytropoetyna]] [[tr:Eritropoetin]] [[zh:紅血球生成激素]] m832cq3owv97991kqe5akby550xepaz wikitext text/x-wiki Sumpfdotterblume 0 23499 26098 2010-04-21T15:49:53Z Gerhardvalentin 0 <!-- Für Informationen zum Umgang mit dieser Tabelle siehe bitte [[Wikipedia:Taxoboxen]]. --> {{Taxobox | Taxon_Name = Sumpfdotterblume | Taxon_WissName = Caltha palustris | Taxon_Rang = Art | Taxon_Autor = [[Carl von Linné|L.]] | Taxon2_Name = Dotterblumen | Taxon2_WissName = Caltha | Taxon2_Rang = Gattung | Taxon3_WissName = Caltheae | Taxon3_Rang = Tribus | Taxon4_WissName = Ranunculoideae | Taxon4_Rang = Unterfamilie | Taxon5_Name = Hahnenfußgewächse | Taxon5_WissName = Ranunculaceae | Taxon5_Rang = Familie | Taxon6_Name = Hahnenfußartige | Taxon6_WissName = Ranunculales | Taxon6_Rang = Ordnung | Bild = 2007-03-27Caltha palustris01.jpg | Bildbeschreibung = Sumpfdotterblume (''Caltha palustris'') }} Die '''Sumpfdotterblume''' (''Caltha palustris'') ist eine [[Art (Biologie)|Pflanzenart]] aus der Familie der [[Hahnenfußgewächse]] (Ranunculaceae). == Namen == Die [[Botanik|botanische]] Artbezeichnung für diesen Vertreter aus der [[Gattung (Biologie)|Gattung]] der [[Dotterblumen]] (''Caltha'') „''palustris''“ (von [[Latein|lateinisch]] „''palus''“ = Sumpf) weist daraufhin, dass die Sumpfdotterblume an feuchten Standorten zu finden ist. Die volkstümlichen, deutschen Bezeichnungen spielen eher auf die goldgelbe Blütenfarbe an. Sie wird je nach Region auch als Schmalz-, Butter-, Eierblume, Wiesengold oder Goldrose bezeichnet. Der häufigste volkstümliche Name ist jedoch Dotterblume. In der Schweiz ist die Pflanze unter den Namen Bachbombele bekannt. == Beschreibung == [[Bild:Caltha palustris (Carl von Linné 1753).jpg|thumb|220px|Aussehen der Pflanze]] [[Image:Sumpfdotterblume Porträt Ausschnitt.jpg|thumb|220px|Blüte der Sumpfdotterblume - deutlich zu erkennen sind die fünf [[Perigon]]blätter und die zahlreichen [[Staubblatt|Staubblätter]].]] [[Bild:XN Caltha palustris fruits 01.jpg|thumb|220px|Heranreifende Früchte]] [[Image:Sphegina montana Syrphidae.jpg|thumb|220px|Eine seltene Schwebfliege der Art ''Sphegina montana'' nimmt Pollen von den Staubblättern auf ]] [[Bild:Episyrphus balteatus male - front (aka).jpg|thumb|220px|[[Schwebfliegen]] wie diese [[Hainschwebfliege]] sind häufig an den nektar- und pollenreichen Blüten der Sumpfdotterblume zu beobachten]] [[Image:Calthus-palustris-Thurner-Hof.jpg|thumb|220px|Sumpfdotterblumen sind typische Pflanzen von Gewässerrändern]] [[Bild:Caltha-palustris-120506-800-3.jpg|thumb|220px|Blütenknospe unmittelbar vor ihrer Entfaltung]] [[Image:Calthus-palustris-Knospe.jpg|thumb|220px|Früher wurden die Knospen der Sumpfdotterblumen in [[Essig]] eingelegt und als sogenannte „Deutsche [[Kaper]]n“ gegessen]] [[Image:Illustration Caltha palustris0.jpg|thumb|220px|Abbildung der Sumpfdotterblume in [[Otto Wilhelm Thomé]]s „''Flora von Deutschland, Österreich und der Schweiz''“, das 1885 in [[Gera]] erschien.]] [[Bild:Misumena-vatia-120506.jpg|thumb|220px|[[Veränderliche Krabbenspinne]] auf einer Blüte]] === Allgemeines Erscheinungsbild === Die Sumpfdotterblume ist eine mehrjährige, [[krautige Pflanze]], die je nach Standort Wuchshöhen zwischen 15 und 60 Zentimetern erreicht. Sie hat ein kräftiges [[Rhizom (Botanik)|Rhizom]] „Wurzelstock“. Die [[Stängel]] sind bogig aufsteigend bis aufrecht. Im oberen Bereich sind die hohlen und kahlen Stängel verzweigt und mehrblütig. Die dunkelgrünen, oft glänzenden [[Blatt (Pflanze)|Laubblätter]] haben einen Durchmesser von bis zu 15 cm, sind herz- bis nierenförmig, ungeteilt und am Rand gekerbt. Die grundständigen Blätter sind lang gestielt; weiter oben am Stängel sitzende weisen dagegen fast keinen Blattstiel auf. === Die Blüten === Die einfachen Schalenblüten sind aufgrund von [[Carotinoide|Karotinoiden]] glänzend goldgelb. Sie bestehen in der Regel aus fünf breit ovalen [[Perigon]]blättern, die bis zu zwei Zentimeter lang sind. Ein Blütenkelch ist nicht vorhanden. Auf den Perigonblättern wurden nur für [[Ultraviolettstrahlung|UV]]-empfindliche Tiere sichtbare Bereiche nachgewiesen, die als [[Saftmal]]e gedeutet wurden<ref>{{BibISBN|382741010X|Seite=771}}</ref>. Zahlreiche gelbe [[Staubblatt|Staubblätter]] reihen sich um die fünf bis fünfzehn eng stehenden [[Fruchtblatt|Fruchtblätter]]. Die Nektardrüsen befinden sich jeweils am Grunde der Fruchtknoten. Die Blüten erscheinen schon ab März und blühen je nach Standort bis April oder Juni. Gelegentlich kommt es im Zeitraum von Juli bis Oktober zu einer schwächeren Zweitblüte. Die Blüten enthalten sehr reichlich Pollen und Nektar. Sie werden von Käfern, Fliegen und Bienen bestäubt, wobei insbesondere [[Schwebfliegen]] häufig an den Blüten zu beobachten sind. Bei Regen sind die Blüten geöffnet und füllen sich mit Wasser. Die Staubbeutel und Narben stehen auf gleicher Höhe wie der Wasserspiegel, so dass es zur Selbstbestäubung kommt (Regenbestäubung). === Die Früchte === Aus jedem befruchteten Fruchtblatt entwickelt sich ein schlanker [[Balgfrucht|Balg]], wobei die reifen Balgfrüchte sternförmig angeordnet sind. Die reifen dunkelbraunen Samen sind etwa 2,5 Millimeter lang und in den Balgfrüchten zweireihig angeordnet. == Ausbreitungsstrategien der Sumpfdotterblume == Die Sumpfdotterblume ist in idealer Weise an eine Ausbreitung mit Hilfe von Wasser angepasst. Wie bei vielen anderen [[Hahnenfußgewächse]]n trocknen mit zunehmender Reifung die dünnen Fruchtwände der Balgenfrüchte aus und öffnen sich allmählich entlang ihrer Bauchnaht. Geschlossen bleibt jedoch der untere Bereich dieser Balgfrucht. Dieser öffnet sich erst, wenn die Balgfrucht durch Regen oder Berührung mit Wasser aufquillt. Die Samen der Sumpfdotterblumen sind im unreifen Zustand mit kleinen, kurzen Stielen an der Fruchtwand befestigt. Sind die Samen reif, trocknet dieser Stiel ab. Die sternförmig angeordneten Balgenfrüchte sind ausgereift nach oben gerichtet. Treffen Regentropfen auf diese Früchte, werden die losen Samen durch die aufprallenden Regentropfen herausgeschwemmt und ausgebreitet. Aufgrund dieses Verbreitungsmechanismus zählt man die Sumpfdotterblume zu den [[Regenschwemmling]]en (so genannte [[Ombrochorie]]). Die Samen der Sumpfdotterblume sind außerdem schwimmfähig (so genannte [[Nautochorie]]). Sie sind mit einem Schwimmgewebe versehen, das aus lufthaltigen Hohlräumen besteht und das die Samen an der Wasseroberfläche hält. Mit Hilfe dieses Verbreitungsmechanismus sind Sumpfdotterblumen in der Lage, sich entlang der Ufer eines Gewässers auszubreiten. == Verbreitung == Die Sumpfdotterblume ist in [[Europa]], dem gemäßigten und nördlichen [[Asien]] sowie dem nördlichen und arktischen [[Nordamerika]] beheimatet. Sie zählt damit zu den '''zirkumpolar''' vertretenen Pflanzen. In Europa ist sie nördlich bis nach [[Island]] und im arktischen [[Russland]] verbreitet. == Standortanforderungen, Pflanzensoziologie == Die Sumpfdotterblume wächst in Sumpfwiesen, an Quellen, Bächen und Gräben. Sie ist außerdem in [[Bruchwald|Bruch-]] und [[Auwald|Auenwäldern]] zu finden. Wechselnden Wasserstand verträgt die Art gut. Die [[Zeigerwerte|Feuchtezahl]] (F-Zahl) in der neunstufigen Skala nach ELLENBERG beträgt 8. Häufige Begleitpflanzen der Sumpfdotterblume sind [[Mädesüß]], [[Kohldistel]], [[Schlangen-Knöterich]], [[Sumpfvergissmeinnicht]], [[Kuckuckslichtnelke]] sowie [[Schwarzerle]]n. Pflanzensoziologisch ist ''Caltha palustris'' die namensgebende Verbandscharakterart der [[Sumpfdotterblumenwiese]]n (Calthion palustris). Das sind nährstoffreiche Nasswiesen und [[Hochstaudenflur]]en feucht-nasser Standorte. Ferner ist sie Begleitart in [[Erlenbruchwälder]]n (Alnion), in Hartholz-Auwäldern (Alno-Ulmion) und in [[Röhricht]]en (Gesellschaften der Phragmitetalia) sowie der [[Quellflur]]en (Montio-Cardaminetalia). == Gefährdung == Zu Bestandsrückgängen der Sumpfdotterblume kommt es, wenn nasse Wiesen trocken gelegt, Bachläufe begradigt und Gräben eingedolt (verrohrt) werden. Die Stallhaltung von Milchvieh, bei der die Kühe mit [[Silage|siliertem]] Gras gefüttert werden, hat indirekt auch zu Bestandsrückgängen geführt. Zur Vereinfachung der maschinellen Mahd wurden die Wiesen planiert und damit Senken und Mulden beseitigt, die aufgrund des sich dort ansammelnden Wassers den Pflanzen gute Standortbedingungen boten. Die Sumpfdotterblume ist derzeit nur auf den Roten Listen [[Niedersachsen]]s, [[Brandenburg]]s, [[Berlin]]s und [[Hamburg]]s als gefährdete Art eingestuft, ist jedoch bundesweit im Rückgang begriffen. == Die Sumpfdotterblume als Gartenpflanze == [[Image: Caltha palustris alba 03.JPG|thumb|right| ''Caltha palustris'' var. ''alba'']] Seitdem es üblich geworden ist, auch in Privatgärten Teiche oder Wassergräben anzulegen, ist die Sumpfdotterblume auch im Gartenhandel erhältlich. Gärtnerische Bemühungen haben dabei auch einige [[Sorte (Biologie)|Sorten]] hervorgebracht, die sich von der ursprünglichen Art unterscheiden: * ''Caltha palustris'' 'Monstrosa' ist eine Art mit pomponartig gefüllten gelben Blüten * ebenfalls gefüllte gelbe Blüten weist die Sorte ''Caltha palustris'' 'Flore Pleno' auf * ungefüllte Blüten in der Farbe Weiß besitzt die Sorte ''Caltha palustris'' var. ''alba'' Das reiche Insektenleben an der Sumpfdotterblume sowie ihr interessanter Fortpflanzungsmechanismus über Balgfrüchte lassen sich nur an ungefüllten Sorten und am besten an der ursprünglichen Art beobachten. == Die Sumpfdotterblume aus pädagogischer Perspektive == Insbesondere bei Kindern ist die Sumpfdotterblume besonders beliebt. So schreibt bereits [[Hieronymus Bock]] in seinem 1539 erschienen Standardwerk "Das Kreütter Buch": ''"Die Kinder haben ihre kurzweil und freude mit disen schönen Goldblumen. Werden jezunder nit sonders inn der Arznei gebraucht."''<ref name="Hieronymus Bock">{{cite news|url=http://www.botanikus.de/Gift/sumpfdotterblume.html|title=Sumpf-Dotterblume|last=botanikus.de|accessdate=2010-04-21|language=German}}</ref> == Die Sumpfdotterblume als Giftpflanze == Sumpfdotterblumen sind als schwach giftig bis giftig einzuordnen. Vergiftungserscheinungen sind vor allem auf enthaltene [[Anemonin]]e, [[Saponin]]e, [[Aporchinalkaloid]]e (u. a. [[Magnoflorin]]) und [[Triterpenlacon]]e (u. a. [[Caltholid]]) zurückzuführen. Bei empfindlichen Menschen kann es zu Vergiftungserscheinungen bereits durch den äußerlichen Kontakt mit der Pflanze kommen, wodurch die [[Haut]] und die [[Schleimhaut|Schleimhäute]] gereizt werden. Dies kann nach vier bis fünf Stunden zu Ausschlag und gelegentlich zu Anschwellungen im Gesicht führen. Der Verzehr von Bestandteilen der Sumpfdotterblume kann zu Schwindel, Erbrechen und Krämpfen sowie Wassereinlagerungen führen. Je nach Schwere der Vergiftung durch Verzehr von Pflanzenbestandteilen gehört zu den Gegenmaßnahmen das Auslösen von Erbrechen, die Einnahme von [[Aktivkohle]] sowie [[Magenspülung]]en. == Nutzung == [[Weidevieh]] vermeidet das Fressen von Sumpfdotterblumen. === Verwendung als Nahrungs- und Genussmittel === Trotz der Giftigkeit der Pflanze wurde die Sumpfdotterblume in der Vergangenheit als [[Nahrungsmittel]], [[Färberpflanze|Färbepflanze]] für [[Milch]]produkte sowie als [[Genussmittel]] verwendet. Werden die Pflanzenbestandteile gekocht, reduziert sich die Giftigkeit. Häufig wurde deshalb mindestens ein zweimaliger Wechsel des Kochwassers empfohlen. Als essbar wurden früher auch die gekochten Wurzeln sowie die noch nicht aufgeblühten Knospen angesehen. Die Blütenknospen wurden dabei in [[Essig]] eingelegt und als [[Kaper]]nersatz gegessen. Sie wurden als „Deutsche Kapern“ bezeichnet. Aufgrund des Anemonin-Gehalts kann es nach reichlichem Genuss solcher „Kapern“ zu Erbrechen, Durchfall und Hautausschlag kommen. Aus heutiger Sicht sollte man auf den Verzehr von Bestandteilen der Sumpfdotterblume verzichten. === Verwendung in der Pflanzenheilkunde === In der [[Römisches Reich|römischen]] und [[Griechenland|griechischen]] [[Antike]] war die Sumpfdotterblume als [[Heilpflanze]] nicht bekannt. In der [[Signaturenlehre]] wurde die Pflanze jedoch als hilfreich bei [[Galle]]n- und [[Leber]]beschwerden angesehen, denn die gelbe Blütenfarbe stellte einen Bezug zur Leber her. Die Sumpfdotterblume wurde dazu in [[Wein]] gekocht und getrunken. In der eigentlichen [[Volksmedizin]] wurde die Sumpfdotterblume nur vereinzelt als Heilpflanze verwendet. Die krautigen Bestandteile wurden in Mitteleuropa früher bei Hauterkrankungen und [[Menstruationszyklus#Menstruationsstörungen|Menstruationsstörungen]] eingesetzt. In [[Russland]] wurde sie als harntreibendes und abführendes Mittel gebraucht. Die frischen Blätter wurden auch als Wundheilmittel angesehen und bei Insektenstichen aufgelegt, des weiteren soll sie durch die ihre Eigenschaft als feuchte Sumpfpflanze trockene Verletzungen wie Knochenbrüche, Raucherlunge oder schorfige Wunden kurieren können. In der [[Evidenzbasierte Medizin|evidenzbasierten Medizin]] wird die Sumpfdotterblume nicht mehr genutzt; die heutige Verwendung der Pflanze bei [[Hautausschlag|Hautausschlägen]], [[Bronchialerkrankung]]en und [[Menstruationsbeschwerden]] beschränkt sich nur noch auf die [[Homöopathie]]. == Die Sumpfdotterblume im Aberglauben == Wie viele andere Frühlingspflanzen galt auch die Dotterblume bei vielen Völkern als Dämonen abwehrend. An [[Walpurgisnacht|Walpurgis]] gesammelt und vor die Tür des Viehstalles gestreut, sollte sie die [[Hexe]]n abhalten. Man gab sie auch dem Vieh zu fressen, damit die Butter das ganze Jahr eine schöne, gelbe Farbe hat. In [[Dänemark]], [[Schweden]] und in [[Irland (Insel)|Irland]] galt die (an Walpurgis bzw. Georgi gesammelte) Pflanze ebenfalls als zauberkräftig. == Blume des Jahres 1999 == Die Sumpfdotterblume wurde in Deutschland zur „[[Blume des Jahres]] 1999“ gewählt. Mit dieser Wahl sollte stellvertretend auf den Artenverlust aufmerksam gemacht werden, der durch die Begradigung von Bächen und die Trockenlegung vormals feuchter Wiesen und Niedermoore entsteht. == Literatur == *''Wegweiser durch die Natur '''Wildpflanzen''' Mitteleuropas'', ADAC München 1989, ISBN 3-87003-352-5 * Angelika Lüttig, Juliane Kasten: ''Hagebutte & Co - Blüten, Früchte und Ausbreitung europäischer Pflanzen.'' Fauna Verlag, Nottuln 2003, ISBN 3-935980-90-6 *{{BibISBN|3440095509}} * Manfred Bocksch: ''Das praktische Buch der Heilpflanzen - Kennzeichen, Heilwirkung, Anwendung, Brauchtum.'' BLV Verlagsgesellschaft, München 2003. ISBN 3-405-14937-1 *{{BibISBN|382741010X}} ===Einzelnachweise=== <references/> ==Weblinks== {{Commons|Caltha palustris|Sumpfdotterblume (''Caltha palustris'')}} {{Wiktionary|Sumpfdotterblume}} *{{FloraWeb|1008}} *[http://www.giftpflanzen.com/caltha_palustris.html Die Giftpflanze Sumpfdotterblume.] *[http://www.stiftung-naturschutz-hh.de/blume/1999.htm Stiftung Naturschutz zur Sumpfdotterblume als Blume des Jahres 1999.] *[http://www.foto.nabu-uelzen.de/bilder/juergen-eggers/Sumpfdotterblume_Caltha_palustris.htm Sumpfdotterblume im Naturfoto-Archiv des NABU Uelzen] {{Gesundheitshinweis}} {{Exzellent}} [[Kategorie:Hahnenfußgewächse]] [[ca:Calta]] [[cs:Blatouch bahenní]] [[csb:Dzerzãga]] [[da:Eng-Kabbeleje]] [[en:Caltha palustris]] [[es:Caltha palustris]] [[et:Varsakabi]] [[fi:Rentukka]] [[fr:Populage des marais]] [[hsb:Bahnowy łuknadź]] [[hu:Mocsári gólyahír]] [[is:Hófsóley]] [[it:Caltha palustris]] [[ja:リュウキンカ]] [[lt:Pelkinė puriena]] [[lv:Purva purene]] [[nl:Gewone dotterbloem]] [[nn:Bekkeblom]] [[no:Bekkeblom]] [[pl:Knieć błotna]] [[ru:Калужница болотная]] [[se:Gollerássi]] [[sk:Záružlie močiarne]] [[sv:Kabbleka]] [[uk:Калюжниця болотна]] [[zh:驢蹄草]] 7nax9d5qcli98d7m0ecrc6em2nzvs16 wikitext text/x-wiki Baptisterium San Giovanni 0 23500 26099 2010-04-15T21:08:22Z 100 Pro 0 /* Weblinks */ [[Datei:Baptisteriumganz.jpg|miniatur|Baptisterium San Giovanni in Florenz]] [[Datei:Piazza san giovanni, firenze.JPG|miniatur|Baptisterium San Giovanni in Florenz von oben]] Das '''[[Baptisterium]] San Giovanni''' ist die Taufkirche des [[Santa Maria del Fiore|Doms]] von [[Florenz]], die mit ihrem auf die Antike rückgreifenden Stil eines der zentralen Werke der florentinischen [[Protorenaissance]] ist. Die Entstehungszeit ist umstritten, die Kirche wurde jedoch im [[11. Jahrhundert]] geweiht. Vorbild dürfte das Baptisterium von [[San Giovanni in Laterano]] gewesen sein. Das Baptisterium steht gegenüber dem [[Kathedrale|Dom]] [[Santa Maria del Fiore]]. Das oktagonale Bauwerk wurde lange für einen alten Marstempel gehalten. Die drei künstlerisch bedeutsamen Bronzeportale der Kirche von [[Lorenzo Ghiberti]] und [[Andrea Pisano]] entstanden zwischen 1330 und 1452. Sie trägt den päpstlichen Ehrentitel [[Basilica minor]]. == Lage == [[Datei:Battisterogrundriss.svg|miniatur|Vereinfachter Grundriss: Gegenüber dem Ostportal mit der Paradiespforte befindet sich der Dom]] Das Baptisterium befindet sich auf dem Domplatz im Zentrum von Florenz. Gegenüber dem Hauptportal des Baptisteriums befindet sich hier der [[Dom Santa Maria del Fiore]] mit dem [[Campanile|Glockenturm Giottos]]. Ursprünglich stand hier die Bischofskirche [[Santa Reparata (Florenz)|Santa Reparata]], erst später nach Beendigung der Mosaikdecke im Baptisterium entschloss man sich, den Dom an dieser Stelle zu errichten. Das Dommuseum (''Museo dell' Opera del Duomo''), in dem viele Gegenstände der Geschichte des Baptistriums ausgestellt sind, befindet sich an der anderen Seite des Platzes. Gegenüber der [[Apsis]] des Baptisteriums befindet sich der alte Erzbischöfliche Palast, gegenüber der Südseite die [[Loggia del Bigallo]]. Zwischen dem Baptisterium und der Bischofskirche befanden sich zwei Porphyrsäulen, die die Pisaner der Stadt 1117 aus Dankbarkeit für die Hilfe im Balearenkrieg geschenkt hatten. An der Nordseite stand eine Säule zu Ehren des Heiligen [[Zenobius von Florenz|Zenobius]] an der Stelle, an der der Legende nach eine trockene Ulme zu sprießen begann, als man seinen Leichnam in die "heilige Reparata" brachte. == Geschichte == === Entstehung, Baubeginn, Kontroverse === Obwohl darüber vielfach geforscht wurde, ist die Frage nach der Entstehungszeit des Baus weitgehend ungeklärt. Bis ins 18. und 19. Jahrhundert hinein glaubte man, das Baptisterium sei ein alter römischer Marstempel aus augustinischer Zeit. Ende des [[19. Jahrhundert]]s und Anfang des [[20. Jahrhundert]]s fand man bei Ausgrabungen unter dem Boden und um das Baptisterium herum Reste alter römischer Gebäude und Mosaikfußböden aus der Zeit zwischen dem 1. und dem 3. Jahrhundert Dies spricht dagegen, dass die Kirche ein altes römisches Gebäude ist und legt nahe, dass es auf den Fundamenten eines römischen Bauwerks entstanden ist. Bis heute ist jedoch ungeklärt, ob das Baptisterium aus den ersten Jahrhunderten des Christentums in Florenz stammt, also direkt unter dem Einfluss der römischen Baukunst entstand, oder der Bau erst um den Zeitpunkt der Weihe des Gebäudes, am 6. November 1059 durch Papst [[Nikolaus II. (Papst)|Nikolaus II.]] (vormals Bischof von Florenz) begonnen wurde. Die klassische Form des Gebäudes ließe sich bei dem späten Entstehungszeitpunkt mit der mittelalterlichen Neuorientierung der Baukunst an der römischen Antike erklären. Andererseits wird schon 897 eine ''ecclesia'' erwähnt, die [[Johannes der Täufer|Johannes dem Täufer]] geweiht war und gegenüber dem Bischofspalast stand. [[Datei:Laternebap.jpg|miniatur|Die [[Laterne (Architektur)|Laterne]]]] === Bauphasen === Im Jahre 1128 wurde das Taufbecken aus der Basilika [[Santa Reparata (Florenz)|Santa Reparata]], deren Reste noch heute unter dem Dom Santa Maria del Fiore zu besichtigen sind, in das Baptisterium gebracht. In der Mitte des 12. Jahrhundert wurde die [[Laterne (Architektur)|Laterne]] in Auftrag gegeben, die einer Überlieferung Villanis nach die bis dahin nach oben offene Kuppel abschloss. Finanziert wurde die Laterne von den Wolltuchhändlern, die im Gegenzug ihr Emblem, einen Adler mit einer Wollrolle in seinen Klauen, an mehreren Stellen am Äußeren der Taufkirche anbrachten. Die Wolltuchhändler waren bis zum Jahre 1770, als [[Leopold II. (HRR)]] die Florentiner [[Zünfte]] abschaffte, mit der Verwaltung des Baptisteriums betraut. Sieben Jahre später wurde die Verwaltung an das Dombauamt ''Santa Maria del Fiore'' übertragen. Im Jahr 1202 wurde die halbrunde durch eine rechteckige [[Apsis]] ersetzt, so wie man sie heute sehen kann. Zu der prunkvollen Marmorausstattung der Apsis gehörte auch ein Altar, der nach dem Abbau in der Barockzeit teilweise verloren ging. Im Jahr 1225 begann man die Kuppel mit Mosaiken zu verkleiden. Die Arbeit der vielen Maler und Mosaikkünstler war so überzeugend, dass man die Mosaikverkleidung auch auf die Galerie, einen begehbaren Gang in der Innenwand, ausdehnte. Im Jahre 1288 beauftragte man den Architekten [[Arnolfo di Cambio]] einen neuen Fußboden auf dem Platz um das Baptisterium zu verlegen. Dabei kam es zu einer Anhebung des umliegenden Straßenniveaus, wodurch die Proportionen des Baptisteriums verändert wurden, nun wirkt der Bau leicht „versunken“. [[Leonardo da Vinci]] wollte dem durch eine Anhebung des gesamten Baus begegnen, der Plan wurde jedoch wieder fallengelassen. Dem Biografen und Hofmaler der Medici [[Giorgio Vasari]] zufolge verkleidete Arnolfo di Cambio auch die Eck[[pilaster]] aus Sandstein mit der auch heute noch zu sehenden Streifenmusterung aus Marmor. Ob es sich dabei um eine erstmalige Streifeninkrustination handelte oder eine alte lediglich durch eine neue ersetzt wurde, war schon zu Zeiten Vasaris umstritten. Im Jahre 1370 baute man einen marmornen [[Taufbrunnen]], der mit Darstellungen des Sakraments der Taufe geschmückt war und an der südöstlichen Seite der Wand aufgestellt wurde, wo er noch heute steht. === Erste Skulpturen und die Portale === {| style="float:right" |[[Datei:Ghiberti.png|miniatur|Ghibertis Selbstporträt an der Paradiespforte]] |- |[[Datei:Ghiberticompetition.jpg|miniatur|Ghibertis Beitrag zum Portalwettbewerb.]] |} Von 1309 bis 1320 wurde von [[Tino di Camaino]] eine von den Wollhändlern finanzierte Skulpturengruppen geschaffen, die über die Portale platziert wurde. Im Jahre [[1322]] wurde [[Andrea Pisano]] beauftragt, ein vergoldetes Bronzeportal zu fertigen, das er 1336 vollendete. Dieses ursprünglich als Hauptportal für die Ostseite geschaffene Tor wurde 1424 durch das Portal von Ghiberti ersetzt und ist heute an der Südseite zu sehen. Als 1348 eine schreckliche [[Schwarzer Tod|Pest]] über die Stadt hineinbrach, wurden die Arbeiten am Baptisterium vorerst aufgegeben. Nach Jahren der ökonomischen Krise, Hungersnöten und Missernten begann Florenz wieder zu prosperieren und man plante eine Verschönerung des Baptisteriums. 1401 wurde durch die Wollhändler ein Wettbewerb ausgeschrieben, dessen Gewinner die anderen beiden Portale gestalten sollte. Hierbei scheint es sich um den ersten derartigen Wettbewerb in der Geschichte der neueren Kunst zu handeln.<ref> Honour, Hugh / John Fleming: Weltgeschichte der Kunst [1982]. München 5. Auflage 1999, S. 335</ref> [[Lorenzo Ghiberti]] setzte sich schließlich gegen sechs weitere Mitbewerber durch, darunter [[Francesco di Valdambrino]], [[Jacopo della Quercia]] und [[Filippo Brunelleschi]]. Die Wettbewerbsbeiträge sollten im Vierpassrahmen wie Pisanos Portal ausgeführt werden und die [[Opferung Isaaks]] zum Thema haben. Die meisten Beiträge sind verloren gegangen, nur die [[Bronzeguss|Bronzegüsse]] Brunelleschis und Ghibertis sind noch erhalten, sie sind heute im ''[[Museo nazionale del Bargello]]'' zu sehen. In diesen beiden Tafeln werden grundsätzlich verschiedene Konzeptionen von Kunst deutlich. Brunelleschi betonte in seiner Version die Dramatik der Handlung, Ghiberti wirkte im Vergleich dazu verhaltener, die Tat wird eher angedeutet, dafür verwendet er mehr Sorgfalt auf die dekorative Seite, auf die Darstellung der Landschaft, der Faltenwürfe der Gewänder und die Schönheit der Körper, vor allem des Isaaks auf dem Opfertisch. Bei Brunelleschi ist die mörderische Handlung in vollem Gang und dominiert alle anderen Themen, während bei Ghiberti eine Art gleichmäßige Massenverteilung der einzelnen Themen vorliegt, die gegenüber dem Hauptthema deutlich eigenes Gewicht haben. Aus dem Wettbewerb von 1401 ging mit knappem Vorsprung zwar Ghiberti als Sieger hervor mit seinem noch mehr gotischen und ganz auf Lichteffekte und weichen, dekorativen Rhythmus aufgebauten Werk. Aber die Zukunft gehörte Brunelleschi. Es mag übrigens auch eine Rolle gespielt haben, dass das Modell Ghibertis nur 18,5 kg wog im Vergleich zu den 25,5 kg bei Brunelleschi, was für die Konstruktion der gesamten Tür einen erheblich geringeren Verbrauch an Bronze bedeutete.<ref>Toman, Rolf (Hrsg.): Die Kunst der italienischen Renaissance. Architektur – Skulptur – Malerei – Zeichnung. Köln 1994, S. 177</ref> Der Sage nach soll Brunelleschi nach dieser Niederlage die Bildhauerei aufgegeben und sich ganz auf die Architektur konzentriert haben. Ursprünglich war er Goldschmied und Bildhauer. Diese Niederlage gegen Ghiberti hat Brunelleschi nie verwunden, und das wird später – ab 1418 - noch bei der Domkuppel eine Rolle spielen, für die beide verantwortlich sein werden. Ghiberti war außerdem, was die sozialen Umgangsformen anging, wesentlich raffinierter als der verschlossene Brunelleschi. Er holte sich ausgiebig Rat bei anderen Künstlern und Bildhauern, von denen viele zufällig zur Jury gehörten.<ref> King, Ross: Das Wunder von Florenz. Architektur und Intrige: Wie die schönste Kuppel der Welt entstand [2000]. München 3. Auflage 2001, S. 32</ref> Ghibertis Werkstatt wurde nach seinem Sieg mit der Schaffung eines Bronzeportals beauftragt, das sich an der Struktur von Pisanos Portal orientieren sollte. Zeitweise waren über zwanzig Helfer an den Arbeiten am Portal beteiligt, dennoch zogen sie sich über Jahrzehnte hin. Zum Osterfest 1424 wurde das Portal schließlich feierlich an der Ostseite angebracht. Ein Jahr später beauftragte man Ghiberti mit der Schaffung eines weiteren Portals. Ein Brief belegt, dass [[Leonardo Bruni]], der Kanzler der Republik, sich ursprünglich für ein Portal zum Alten Testament einsetzte, nach dem Vorbild der anderen beiden mit 24 Tafeln. Ghiberti, der mittlerweile ein hohes Ansehen genoss, konnte jedoch seine eigenen künstlerischen Vorstellungen durchsetzten und entschied sich für 10 großformatige Tafeln. Im Jahre 1452 beendete er schließlich das zweite Tor. Giorgio Vasari zufolge soll [[Michelangelo]] beim Anblick der Tafeln gesagt haben, "Sie sind so schön, dass sie sich gut an den Pforten des Paradieses ausnähmen". Die Bezeichnung ''Paradiespforte'' wurde allerdings auch schon für andere Portale davor verwendet, so dass nicht belegt ist, dass diese Bezeichnung für das Tor tatsächlich auf Michelangelos Ausspruch zurückgeht. Diese 'Paradies'-Tür kam auch nicht an die Stelle, für die sie vorgesehen war, an das Nordportal. Sondern die Stadt entschloss sich zu ''einem bis dahin beispiellosen Schritt''. Man entfernte vom geheiligten Ostportal, das dem Dom gegenüber stand, die alte Tür Ghibertis mit der Christuslegende, versetzte die nach Norden und Ghibertis neues Werk kam an die bedeutendste Stelle. Die Ungeheuerlichkeit dieses Vorgangs bestand darin, dass durch den Austausch Ghibertis ältere Tür mit der ''Christus''geschichte den einzigen ihr gemäßen Ort, die vornehmste Seite der Taufkirche, die Ostseite, verlassen musste, um einer Tür Platz zu machen, deren ''alttestamentarisches'' Thema die traditionelle Ordnung zu sprengen drohte. Das umfassende künstlerische Vermögen Ghibertis hatte es vermocht, alle traditionellen Vorstellungen des Auftraggebers über den Haufen zu werfen. ''Denn erstmals gewann die Ästhetik als Kriterium für den Aufstellungsort eines Kunstwerkes Vorrang vor dessen Inhalt.'' Diese Tür ist also nicht nur besonders schön, sie hat auch für die Bedeutung von Kunst generell herausragende Bedeutung.<ref>Toman, Rolf (Hrsg.): Die Kunst der italienischen Renaissance. Architektur – Skulptur – Malerei – Zeichnung. Köln 1994, S. 184</ref> Zur gleichen Zeit schuf [[Donato di Niccolò di Betto Bardi|Donatello]] mit [[Michelozzo]] ein monumentales Grabmal für [[Johannes XXIII. (Gegenpapst)|Johannes XXIII.]], dem dank der Fürsprache der [[Medici]] die Ehre eines Grabmonuments im Baptisterium zuteil wurde. Außerdem schuf Donatello für das Baptisterium die beeindruckende Holzstatue der büßenden ''[[Magdalena]]'', die seit der Überschwemmung des Arno im Jahre [[1966]] im nahe gelegenen Dommuseum zu besichtigen ist. === Neue Skulpturen, Zerstörungen und Restaurierungen === {| style="float:right" |[[Datei:Sansovinoskul.jpg|miniatur|Skulpturengruppe ''Taufe Christi'' von [[Andrea Sansovino]] und Vincenzo Danti. Um [[1505]] verließ Sansovino Florenz für andere Aufträge, sodass er nur den hl. Johannes vollendete. Danti arbeitete den Christus nach Skizzen Sansovinos aus, bis zu seinem Tod [[1576]] war der Engel nur als Stuck- und Terrakottamodell vorhanden. Erst [[1792]] vollendete [[Innocenzo Spinazzi]] den Engel in Marmor.]] |- |[[Datei:Taufbeckenbaptisterium.jpg|miniatur|Das alte Taufbecken (um 13. Jahrhundert) im ''Museo dell Opera dell Duomo'']] |} Durch Regenwasser, das trotz einer Restaurierung der Marmorbedachung Ende des 14. Jahrhundert in das Innere der Kuppel eindrang, waren die Mosaike bedroht. Man beauftragte [[Alessio Belsovinetti]], einer der letzten, der die aussterbende Kunst des Mosaiklegens beherrschte, mit der Überprüfung und Instandhaltung der wertvollen Mosaike. Andere künstlerische Werke des Mittelalters hielt man dagegen für veraltet und wenig erhaltenswürdig. Die Skulpturengruppen über den Portalen aus dem 14. Jahrhundert ersetzte man durch neue Gruppen, die aus je drei Figuren bestanden. Für die marmorne ''Taufe Christi'' von [[Andrea Sansovino]] und [[Vincenzo Danti]] wählte man den Haupteingang. Für die Nordseite entwarf [[Francesco Rustici]], Vasari zufolge unter der Mithilfe [[Leonardo da Vinci]]s, eine ''Predigt Johannes des Täufers'', die 1511 aufgestellt wurde. In der Themenwahl orientierte man sich an den alten Figuren Tino di Caimanos, nur die Südseite bekam eine neues Thema: ''Die Enthauptung Johannes des Täufers'' die von [[Vincenzo Danti]] ausgeführt wurde. Im Jahre 1577 wurde das alte Taufbecken wohl aus dem 13. Jahrhundert. durch den großherzoglichen Architekten [[Bernardo Buontalenti]] abgerissen, der jedoch eine Zeichnung davon hinterließ. Anlass war die Taufe Filippos, des erstgeborenen Sohns von [[Franz I. (Toskana)|Francesco de Medici]] und Johanna von Österreich. Man störte sich an der Zerstörung der antiken Weiträumigkeit des Baptisteriums durch das Taufbecken, das man damals noch für einen alten Marstempel hielt. Die Steinplatten des alten Taufbeckens wurden nahe der Stadtmauer weggeschmissen oder teilweise als Baumaterial wiederverwertet. Hier wurden wohl Teile des von den Bürgern geliebten Beckens mit nach Hause genommen und möglicherweise als Reliquie verehrt. Im Jahre 1782 schuf der Bildhauer [[Girolamo Ticciate]] einen neuen mehrfarbigen Barockaltar, der den alten romanischen ersetzte. Seinerzeit hob [[Anton Francesco Gori]] weitsichtig Marmorbruchstücke und grafische Dokumentationen des alten Marmoralters auf, so dass er Anfang des 19. Jahrhunderts, als man bei Restaurierungsarbeiten den romanischen Charakter der Kirche wiederherstellen wollte, durch [[Castellucci]] sehr ähnlich nachgebildet werden konnte. === Moderne Restaurierung und Erhaltung === Im Jahre 1894 beginnen intensive Restaurierungsarbeiten, bei denen man auch bei Grabungen Überreste römischer Gebäude und außerhalb des Gebäudes mittelalterliche Grabstätten fand. Um das Dauerproblem des in die Kuppel eindringenden Regenwassers zu lösen, beauftragt man den Architekten [[Luigi del Moro]] damit, das Dach abzudichten. Hierbei ersetzte man die vorspringenden Rippen am Dach durch einen flächigen Abschluss ohne Unterbrechungen. Das ''Opificio delle Pietre Dure'' wurde damit beauftragt, die Kuppel und die Apsis zu renovieren. Hierfür wurden die Mosaiksteine in einer neuen Technik herausgenommen und wieder eingesetzt. Hierbei stellte man die Mosaike auch dort wieder her, wo sie nach alten Zerstörungen nur durch eine Bemalung ersetzt wurden. Castellucci ersetzte hierbei, wie schon erwähnt, den Barockaltar. Den ursprünglichen Plan, auch das alte Taufbecken wiederherzustellen, ließ man jedoch fallen. [[Datei:Instandhaltungbap.jpg|miniatur|Wissenschaftler untersuchen eine Tafel der Paradiespforte im ''Museo dell Opera dell Duomo'']] In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts versuchte man vor allem das Äußere zu erhalten, das durch aggressive Umwelteinflüsse bedroht war. Hierbei wurden auch die Statuen über dem Ostportal ins Dommuseum verlagert. Mit der Restaurierung der Paradiespforte begann man nach der Übeschwemmung von [[Florenz]] 1966, bei der einige Reliefs aus dem Rahmen gerissen wurden. Durch unsachgemäße Säuberung und schädliche Umwelteinflüsse wurde ein Korrosionsprozess ausgelöst, der zu einer [[Korrosion]] zwischen der Bronze und der Goldschicht geführt hat. Im Jahr 1990 entfernte man schließlich das Paradiesportal und ersetzte es durch eine von der Firma [[Sun Motoyama]] finanzierte Kopie. Die [[Oxide]], die sich im Original gebildet haben, würden die Vergoldung langfristig zerstören, sodass man nach der Restaurierung die Tafeln in mit [[Stickstoff]] gefüllten Vitrinen im Dommuseum aufbewahrt. In einem weiteren Projekt werden momentan die Schadstoffeinflüsse gemessen, denen das Nordportal von Ghiberti und das Südportal von Pisano ausgesetzt sind. [[Datei:Apsisbaptisterium.jpg|miniatur|Apsis im Baptisterium. In der Mitte ist der Altar zu sehen und rechts der fast drei Meter hohe [[Osterleuchter]].]] == Religiöse und soziale Bedeutung == Die Kirche war von zentraler Bedeutung für das religiöse Leben der Stadt, sie war lange Zeit Bischofskirche und bis ins 19. Jahrhundert wurden alle gebürtigen Florentiner hier getauft. Das Gebäude ist dem Heiligen Johannes (''San Giovanni''), dem Patron der Stadt gewidmet, dem eine große Volksverehrung zukam. Die oktogonale Form des Gebäudes ist ein Symbol für den achten Tag, den Tag Christus als Symbol für die Hoffnung auf die Auferstehung. Durch die Laterne fiel das Licht direkt auf das Taufbecken und sollte somit die "Erleuchtung" durch die christliche Weihe greifbar machen. Der Ort ist nicht nur Ort der Taufe, sondern auch des Todes, umgab das Baptisterium doch zwischen dem 6. und dem 14. Jahrhundert ein Friedhof. Neben der Taufe und dem Tod war San Giovanni auch ein Ort des öffentlichen Rituals: Zu Ehren des Schutzpatrons wurde seit dem Jahre 1084 jährlich ein Fest gefeiert. Die Stadt wurde geschmückt, der Klerus versammelte sich zur feierlichen Prozession auf dem Platz zwischen Baptisterium und Dom und dem Stadtheiligen San Giovanni wurden Wachskerzen als Gabe gebracht. Diese Feste, die bis ins 15. Jahrhundert immer weltlicher wurden und von Maskenwagen mit allegorischen Darstellungen, wie sie beim Karneval üblich waren, begleitet wurden, schaffte der Bußprediger [[Girolamo Savonarola]] vorübergehend ab. Zu Zeiten des Großherzogtums war das Fest dann vor allem eine Prunkveranstaltung der weltlichen Herrscher. Es wird heute immer noch gefeiert und hat wieder einen eher religiösen Charakter. Das Baptisterium wird immer noch für Gottesdienste genutzt, ist aber auch gegen Eintritt für Touristen zugänglich. == Die Marstempelthese == === Ursprünge === [[Datei:Totila fa dstruggere la città di Firenze.jpg|miniatur|links|Totila reißt die Mauer von Florenz nieder; nur das Baptisterium bleibt erhalten (Darstellung in [[Giovanni Villani]] ''Cronica'')]] Die Marstempelthese besagt, dass das Baptisterium aus einem dem römischen Kriegsgott [[Mars (Mythologie)|Mars]] geweihten Tempel der römischen Kaiserzeit hervorgegangen sei. Diese Legende geht wohl auf den Chronisten und Magistralbeamten [[Giovanni Villani]] zurück, der sie im frühen 14. Jahrhundert formulierte. Seiner Ansicht nach hatten die Florentiner Siedler einige Jahre nach Gründung der Stadt unter Mithilfe römischer Bauleuten einen Marstempel errichtet. Dieses Bauwerk charakterisierte Villani als achteckiges Gebäude, mit geöffnetem Dach ähnlich dem [[Pantheon]], das um die Gestalt einer Reiterstatue des Mars gebaut wurde. Bis heute wird in Reiseführern, aber auch von Forschern (Jacob, Busigniani) der italienische Dichter [[Dante Alighieri]] als ursprünglicher Urheber oder erster Autor der Marstempelthese bezeichnet. Dabei verweist Dante lediglich, vermittelt über die Äußerungen eines Selbstmörders, den er in Begleitung von [[Vergil]] in der Hölle trifft (in der [[Göttliche Komödie|göttlichen Komödie]]) auf eine Reiterstatue an einer [[Arno (Fluss)|Arnobrücke]] in Florenz, die dem Kriegsgott Mars geweiht ist. Mars war tatsächlich einst der Schutzpatron der Stadt. Villani greift diese Legende der Marsstatue auf, und entwickelt in Anspielung auf Dante, in dessen Werk der Begriff Marstempel jedoch kein einziges Mal erwähnt wird, die Marstempelthese. Das eigentliche Ziel Villanis war es, mit dieser Legende Florenz zum legitimen Erbe [[Rom]]s zu erklären und seiner aufstrebenden Heimatstadt ein Denkmal zu setzen. Erst durch den Kommentar des Schriftstellers und Dichters [[Giovanni Boccaccio]] zu Dantes "göttlicher Komödie" wird die ursprüngliche Erwähnung der Marstempelthese vollends fälschlicherweise Dante zugeschrieben. Die Marstempelthese wird zur florentiner Staatsdoktrin und auch vom Kanzler von Florenz [[Leonardo Bruni]] und dem medicitreuen Intellektuellen [[Angelo Poliziano]] vertreten. Erst im 17. Jahrhundert wird sie zunehmend hinterfragt. === Rekonstruktionen des Marstempels === [[Datei:Saabaghiberti.jpg|miniatur|[[Salomo]]n trifft die [[Königin von Saba]]. Relief auf der Kopie der Paradiespforte am Baptisterium San Giovanni.]] Unter den [[Medici]], die ihre eigene noble römische Herkunft belegen wollten, wird die Marstempelthese zum quasioffiziellen [[Gründungsmythos]] der Stadt. Die Herrscher der Stadt, die damals in Konkurrenz zu den anderen italienischen Fürstentümern, vor allem zu Rom standen, versuchen sich durch den Verweis auf den antiken Ursprung politisches Gewicht zu verschaffen. [[Cosimo I. de’ Medici|Cosimo I.]] beauftragt [[Giorgio Vasari]] mit der bildlichen Darstellung der 'Marstempelthese' im [[Palazzo Vecchio]], [[Vincenzo Borghini]] sollte die These historisch belegen. In den [[1584]] publizierten ''Discorsi'' legt allerdings auch Borghini eine visuelle Rekonstruktion vor. Vasari malt im Rahmen des Bildes ''Fondazione di Florentia'' ([[1563]]), das die Decke der ''Sala dei 500'' im Palazzo Vecchio schmückt, seine Vorstellung des ursprünglichen Marstempels. Sein Marstempel ist eine einstöckige, hoch aufragende, offene Säulenarchitektur, die auf einem Sockel mit einem zweistufigen [[Stylobat]] steht. Zwar bleibt die oktogonale Grundform erhalten, das Gebäude ist aber nicht dreigeschossig, wie das spätere Baptisterium, sondern eingeschossig. Neben der achteckigen Form übernahm Vasari vom Baptisterium einzig und allein die Streifeninkrustation der Kantenpfeiler, welche jedoch, Vasaris ''Viten'' (1550) zufolge, ein Merkmal mittelalterlicher Architektur Arnolfo di Cambios sind und demzufolge nicht zur Intention des Bildes passen die Marstempelthese zu bestärken. Erst [[1568]], in einer neu verfassten Vita des Arnolfo di Cambio, geht Vasari davon aus, dass die Streifeninkrustination schon vorher vorhanden war, und nur der Sandstein durch besseren Marmor ersetzt wurde. Es bleibt bis heute unklar, ob Vasari bei seiner Marstempelrekonstruktion tatsächlich von der verbreiteten Marstempelthese ausging, die besagte, dass das Baptisterium ein mit Umbauten erhaltener Marstempel aus römischer Zeit war. Die Widersprüche, in die sich Vasari bei der Rekonstruktion verstrickt, sind dem Kunstgeschichtler Gerhard Strähle zufolge entstanden, weil Vasari zwar mit der Rekonstruktion beauftragt wurde, aber "bei den gründlichen Antikenkenntnissen, die er besaß, das Florentiner Baptisterium niemals für ein antikes Bauwerk gehalten hat." <ref>[http://kritische-kunstgeschichte.de/Die_aktuelle_Publikation___Die/Vasaris_Marstempel_im_Grundung/vasaris_marstempel_im_grundung.html Vasaris Marstempel im Gründungsbild des Palazzo Vecchio von Florenz (Gerhard Strähle)]</ref> == Aussehen == [[Datei:Grabmaljohannes13.jpg|miniatur|Das Grabmonument für [[Johannes XXIII. (Gegenpapst)|Johannes XXIII.]]]] Die Größe des Bauwerkes ist erstaunlich, misst man sie an der geringen Bevölkerungszahl im Florenz des 11. Jahrhunderts. Die Höhe des Pantheons wird nur um 1/5 unterschritten; in der Raumweite werden immerhin 2/3 des römischen Vorbildes erreicht. Praktische Erfordernisse können die Dimensionen nicht erklären. Es handelt sich vielmehr um „Architektur als Bedeutungsträger“: um einen Repräsentationsbau, mit dem im Zeitalter des [[Investiturstreit]]es (1077: [[Gang nach Canossa]]) die herausgehobene Stellung von Florenz als einem Vorposten der päpstlichen Richtung dokumentiert werden sollte. Der Bau ist ein einfacher [[Zentralbau]] mit rechteckiger Apsis und Zeltdach. Der Bau ist stark an antiken Vorbildern orientiert. Er hat einen gleichmäßigen [[Oktogon (Architektur)|achteckigen Grundriss]], das pyramidenförmige Dach ist von einer Laterne abgeschlossen. Das Gebäude ist außen dreigeschossig, wobei nur die ersten zwei Geschosse der Innenwand entsprechen. An das zweite Geschoss schließt innen die spitzbogig verlaufende [[Kuppel]] an. Im zweiten Stock befindet sich innen eine Galerie. Das Gebäude ist außen zweischalig verkleidet, d.h. die Außenwand hat eine vordere und hintere Ebene. === Fassade === Die Fassade des Gebäudes wurde mit weißem Marmor aus der [[Lunigiana]] und grünem Marmor aus [[Prato (Toskana)|Prato]] gestaltet. Dieser Stil wird als [[Inkrustation]]sstil bezeichnet und knüpft unmittelbar an die Antike an. Die geometrischen Motive sind nach altrömischem Vorbild gestaltet. Die unteren Pilaster tragen ein Gebälk, die oberen polygonalen Säulen sind durch Rundbögen abgeschlossen. Zwischen den drei Rundbögen befinden sich auf jeder Seite drei Fenster. === Innenraum === Der Innenraum des ''Battistero'' liegt etwas tiefer als die Straße, daher steigt man zuerst einige Stufen hinab und betritt einen mit geometrischen Mosaiken ausgekleideten Fußboden, in dessen Zentrum noch ein leerer Platz den Standort des [[1557]] entfernten, mächtigen Taufbeckens markiert. Wie die Fassade ist auch der Innenraum durch Marmorinkrustationen geschmückt. Vor diesen wurden in zwei Geschossen Säulen, Pilaster und (vor der Empore) Bögen platziert, sie gliedern den Innenraum und lösen die Flächen der Wände plastisch auf. Wie der Gesamtbau ist auch der Innenraum das Resultat einer jahrhundertelangen Bemühung, besonders auffällig ist dabei, dass sich an der Wand unmittelbar rechts des Altars befindende Grabmal des Gegenpapstes [[Johannes XXIII. (Gegenpapst)|Johannes XXIII.]], der ein großes Legat zur weiteren Ausschmückung des ''Battistero'' hinterließ und so diesen prominenten Bestattungsort erhielt. Das Grabmal ist prachtvoll von [[Donato di Niccolò di Betto Bardi|Donatello]] und [[Michelozzo]] in Marmor und vergoldeter Bronze gearbeitet worden und ist als Baldachingrabmal ausgeführt, das erste seiner Art in der Renaissance. Auf einem Sockel sind drei allegorische Skulpturen aufgestellt als Repräsentanten für Glaube, Liebe und Hoffnung, die den Sarkophag des Verstorbenen tragen. Über diesem findet sich eine außergewöhnlich detaillierte Darstellung des Verstorbenen auf dem Totenbett, überkrönt von einem in Stein gehauenen Baldachin. Im Innenraum stehen zwischen Apsis und Südportal auch zwei alte römische Sarkophage, die später zu Grabstätten für [[Guccio de Medici]] (1299) und Bischof [[Giovanni de Velletri]] (1230) wurden, wofür man sie jeweils, mit einem neuen Deckel ergänzte. Zwischen den beiden Sarkophagen steht eine Marmorstatue Johannes des Täufers von [[Giuseppe Piamontini]] (1664-1742) die [[Cosimo III. de Medici]] der Taufkirche schenkte. Rechts neben dem wiederaufgebautem Altar steht ein Osterleuchter der wohl [[1320]] von einem Givanni di Giacomo geschaffen wurde. Rechts an der Wand neben der Apsis steht ein Sarkophag des Bischofs Ranierei (gest.12. Juli 1113). === Kuppel === [[Datei:FlorenceBapCeiling.JPG|miniatur|center|600px|Zusammengesetztes Bild aller acht Seiten der Kuppel, gegen den Uhrzeigersinn.]] [[Datei:Florence baptistery ceiling mosaic total view.jpg|miniatur|links|vollständige Ansicht des Mosaiks]] [[Datei:Kuppelbap.jpg|miniatur|rechts|'''1''':das Jüngstes Gericht '''2''': Verzierter Bereich um die Laterne '''3''': Engelschöre und der Schöpfer '''4''': Geschichten aus der Genesis '''5''': Das Leben Josephs '''6''': das Leben Jesus '''7''': das Leben Johannes des Täufers]] Die Kuppel wurde ab [[1225]] mit 26 m Durchmessern in acht Ringen von so berühmten Künstlern wie Giotto oder Cimabue mit einem der weltweit größten Mosaikzyklen ausgestaltet; nach fast 100 Jahren erst wurde dieses von einer gewaltigen Christusfigur beherrschte Mosaik fertig gestellt. Das Rundbild wurde zwischen 1260 und 1275 erarbeitet und hat einen Durchmesser von acht Metern. Chistus wird als Richter dargestellt, der zu seiner Rechten die Erwählten hat, und mit seiner linken Hand die Verdammten unter den Toten, die unter ihm aus ihren Särgen steigen, ins Höllenreich weist. In der Hölle ist eine furchterregender Teufel zu sehen, dem Schlangen aus den Ohren kriechen und der Menschen frisst. Seine Gestaltung wird [[Coppo di Marcovaldo]] zugeschrieben. Rechts unten in der Hölle hängt Judas noch an seinem Galgen. Im inneren Bereich der Kuppel sind die himmlischen Heerscharen zu sehen, darum werden in vier Streifen gegen den Uhrzeigersinn biblische Geschichten erzählt: Innen, Szenen aus der [[1. Buch Mose|Genesis]]. Dann Szenen aus dem Leben Josephs, des Hebräers. Szenen aus dem Leben Jesus werden in der zweitäußersten Reihe erzählt, ganz außen, die Geschichte Johannes des Täufers. Kunsthistoriker vermuten, dass viele Mosaikmeister aus [[Venedig]], [[Pisa]] und [[Lucca]] kamen und die Gestaltung mit ihrem regionalen Stil beeinflussten, der auch byzantinische Elemente enthielt. === Skulpturen === Die drei Skulpturengruppen mit je drei Figuren befinden sich jeweils außen am Baptisterium über den Portalen zwischen den zwei mittleren Säulen und unter den Fenstern des zweiten Geschosses. [[Datei:South Doors Florence Baptistry schema.svg|miniatur|Das Südportal '''1:''' Verkündigung des Engels an Zacharias '''2''': Zacharias wird Stumm '''3''': Heimsuchung de Maria '''4''': Die Geburt Johannes des Täufers '''5''': Zacharias schreibt den Namen '''6''': Der Johannesknabe in der Wüste '''7''': Johannes Predigt den Pharisäern '''8''': Verkündung des Messias '''9''': Taufe der Jünger '''10''': Taufe Christi '''11''': Johannes ermahnt Herodes '''12''': Johannes im Gefängnis '''13''': Die Jünger besuchen Johannes im Gefängnis '''14''': Die jünger Johannes wohnen den Wundern Christi bei '''15''': Tanz der Salomé '''16''':Enthauptung Johannes des Täufers '''17''': Das Haupt Johannes wird Herodes gebracht '''18''': Solome bringt das Haupt ihrer Mutter Herodias '''19''': Der heilige Johannes wird zu Grabe getragen '''20''': Die Grablegung Johannes '''A''': Hoffnung '''B''': Glaube '''C''': Barmherzigkeit '''D''': Demut '''E''': Stärke '''F''': Mäßigung '''G''': Gerechtigkeit '''H''': Klugheit]] ==== Die Taufe Christi (Ostseite) ==== Die Skulpturengruppe knüpft mit der '''Taufe Christi''' thematisch an die Skulpturengruppe an, die Tino di Caimaino für das Südportal geschaffen hatte, die für die neuen Skulpturen entfernt wurde. Sansovino wollte die Szene ursprünglich auf den Heiland und den Täufer konzentrieren, Danti ergänzte jedoch die Figuren um den Engel, der zur klassischen Ikonografischen Tradition gehört. Christus wendet sich leicht Johannes zu, dessen Körper nach vorne gedreht bleibt, während er seinen Kopf zu Christus gedreht hat. Der Engel steht dabei leicht zu Christus gebeugt. ==== Die Predigt Johannes des Täufers (Nordseite) ==== Die drei bronzenen Figuren über dem Nordportal sind von Francesco Rustici gestaltet. Sie zeigen Johannes, der zu dem Leviten und dem Pharisäer neben ihm spricht. Auf dem Sockel der Figuren ist auf hebräisch der Dialog zu lesen, den sie führen: Der bärtige Pharisäer links fragt, "Was wirst du mir sagen?" der kahlköpfige Levit will wissen: "Wer bist du, Elias?". Johannes der Täufer spricht: "Eine Stimme in der Wüste ruft: bereitet den Weg." Allerdings sprechen die Figuren auch ohne den Text für sich. Selbstsicher und fordernd unterbreitet Johannes den Figuren rechts und links zu ihm seine Botschaft. ==== Die Enthauptung Johannes des Täufers (Südseite) ==== Die Skulpturengruppe über dem Südportal wurde von [[Vincenzo Danti]] in Bronze ausgeführt, der zur gleichen Zeit auch Andrea Sansovinos Werk fortführte. Die dramatische Darstellung zeigt den Johannes den Täufer kniend, der den Schwerthieb des Henkers rechts neben ihm erwartet. Salomé links neben ihm beugt sich ängstlich zurück und hebt abwehrend die Hand. === Bronzeportale === Berühmt sind außerdem die drei vergoldeten Bronzetüren. Sie entstanden innerhalb eines Zeitraumes von rund 120 Jahren. Die erste Türe (1330) wurde von Andrea Pisano gearbeitet und orientiert sich noch rein an der [[Gotik]], während sich zwischen der zweiten und der dritten Türe, die beide von [[Ghiberti]] stammen, der Wechsel zur Früh[[renaissance]] vollzieht: 1. Tür 1403-1424, 2. Tür („Paradiespforte“) 1425-1452. Diese Bronzetüren wurden von den Künstlern nicht selbst gegossen. Das machten Spezialisten, die sich mit diesem überaus schwierigen Geschäft auskannten. Bronze ist als Material schon in der Antike benutzt worden, hatte aber im Mittelalter keine Bedeutung. Da gab es nur Marmor und andere Steinsorten für die Plastik. Jetzt in der beginnenden Renaissance wurde die Bronze in Florenz wieder entdeckt und verbreitete sich von Florenz aus schnell in ganz Italien. Bald galt sie als das edle Material par excellence und wurde bei allen Werken verwendet, die den Ehrgeiz hatten, sich mit der Antike zu messen. Die Künstler selbst fertigten dabei nur die Wachsmodelle an, die die Basis der späteren Kunstwerke bildeten.<ref>Zimmermanns, Klaus: Florenz. Köln [1984] 6. Auflage 1990, S. 45</ref> ==== Das Südportal (Andrea Pisano) ==== In goldener Inschrift steht oben am Portal in [[Latein]] geschrieben, "ANDREAS:UGOLINI:NINNI:DE:PISIS:ME:FECTIT:A:D:M:CCC:XXX", das heißt:"Andrea di Ugolini di Nino aus Pisa schuf mich im Jahr 1330". Dies verkündete Pisano stolz im Jahre 1330, als das Wachsmodell des [[Bronzebildwerk|Bronzegusses]] fertig war. Bei der Ausführung des komplettierten Bronzegusses half [[Leonardo d'Avanzo]], ein Spezialist für Bronzegüsse aus [[Venedig]]. [[Datei:North Doors Florence Baptistry schema.svg|miniatur|Das Nordportal '''1:''' Verkündigung '''2''': Geburt Christi '''3''': Anbetung durch die hl. drei Könige '''4''': Christus im Tempel bei den Schriftgelehrten '''5''': Taufe Christi '''6''': Versuchung '''7''': Vertreibung der Händler aus dem Tempel '''8''': Jesus wandelt auf dem Wasser und rettet Petrus '''9''': Transfiguration '''10''': Auferweckung des Lazarus '''11''': Einzug in Jerusalem '''12''': Das letzte Abendmahl '''13''': Gethsemane '''14''': Gefangennahme Jesu '''15''': Geißelung '''16''': Christus vor Pilatus '''17''': der Kalvarienberg '''18''': Kreuzigung '''19''': Auferstehung '''20''': Pfingstwunder '''A''': Hl. Johannes Evangelist '''B''': Hl. Matthäus '''C''': Hl. Lukas '''D''': Hl. Markus '''E''': Hl. Ambrosius '''F''': Hl. Hieronymus '''G''': Hl. Gregorius '''H''': Hl. Augustinus]] Auf der Bronzetür befinden sich je 14 Quadrate auf den bronzenen Türflügeln. In die Quadrate ist ein [[Vierpass]] eingelassen, in denen Bronzefiguren zu sehen sind. Die Rahmenleisten sind mit Blumen verziert, die Ecken werden durch Löwenköpfe abgeschlossen. Die zwanzig oberen Bildnisse erzählen aus dem Leben Johannes des Täufers. In den unteren acht befinden sich allegorische Darstellungen der göttlichen [[Tugend]]en. Neben den vier Kardinaltugenden (Stärke, Mäßigung, Gerechtigkeit, Klugheit) und den drei theologischen Tugenden (Hoffnung, Glaube, Barmherzigkeit). Aus Gründen der Symmetrie musste ein achtes Feld gestaltet werden. So wurden noch die [[Demut]] hinzugefügt, die auch als Leitmotiv des Lebens Johannes des Täufers gesehen werden kann. Die Szenen aus dem Leben des Johannes sind inhaltlich aufgeteilt, der linke Flügel erzählt die Geschichte des Predigers, rechts sieht man Szenen aus seinem [[Märtyrer|Martyrium]] und seinem Tod. Die Erzählung erfolgt erst auf dem linken Türflügel von links oben nach rechts unten, und dann auf dem rechten. Neben dem Pisaner [[Giovanni Pisano]] zählt vor allem der italienische Maler [[Giotto di Bondone]] und die französische Bildhauerkunst zu Andrea Pisanos Einflüssen. ==== Das Nordportal (Lorenzo Ghiberti) ==== Vorgabe des Wettbewerbs zur Gestaltung des Portals, den Ghiberti gewann, war es, sich an die Struktur der Tür Andrea Pisanos zu halten. Die Türflügel und Rahmen wurden aus einem Stück in Bronze mit [[Patina]] gegossen, die Reliefs wurden mit Quecksilber vergoldet und später eingelassen. Das Portal enthält zwanzig Episoden aus dem neuen Testament, die unteren acht Vierpässe zeigen, Analog zur Struktur von Pisanos Tor, acht Kirchenväter und Evangelisten. Ursprünglich hatten man für das Tor Szenen aus dem Alten Testament geplant, man entschied sich denn jedoch, inhaltlich an das Leben Johannes des Täufers, der "Vorläufer des Herrn" anzuschließen, und das Leben Jesus zu erzählen. Die Szenen müssen in einer anderen Reihenfolge gelesen werden als auf Pisanos Portal, und zwar, ab der dritten Reihe von unten (also über den Kirchenvätern und Evangelisten) von links nach rechts über beide Türflügel, und von unten nach Oben. Anstelle der Löwenköpfe, hat Ghiberti Propheten, Prophetinnen und [[Sibylle (Prophetin)|Sibyllen]] gesetzt, die die Hoffnung auf die Ankunft des Herren darstellen. Ein Kopf sticht durch seine "moderne" Bekleidung etwas hervor: Am linken Türflügel ist mittig, der dritte Kopf von unten, ein Mann mit Kopftuch zu sehen. Hier handelt es sich wohl um ein Selbstportrait Ghibetis, wie es auch an der Paradiespforte eines gibt. Auch Ghibeti hat sein Werk signiert, und zwar mit der Inschrift "OPUS LAURENTII FLORENTINI". Das Portal ist durch ein elegantes Blätterwerk umrahmt. Zwar waren "Figuren, Bäume und ähnliche Maßarbeiten" Ghiberti persönlich vorbehalten, doch arbeiteten in der Werkstatt auch andere Künstler wie [[Donato di Niccolò di Betto Bardi|Donatello]], [[Michelozzo]], [[Masolini]] und [[Paolo Ucello]], für die die Arbeit am Portal eine wichtige Lernzeit darstellte. Kunsthistoriker sehen schon im ersten Portal einen Reifungsprozess in den Arbeiten Ghibertis, bei dem er von gotisch geprägten Tafeln, wie der ''Verkündigung'' und der ''Geburt Christi'' zu perspektivisch anspruchsvolleren Tafeln wie ''die Gefangennahme Christi'' und die ''Geißelung'', die schon der Frührenaissance zugerechnet werden können. ==== Das Ostportal (Die Paradiespforte) (Lorenzo Ghiberti) ==== [[Datei:The Gates of Paradise-General view.JPG|links|miniatur|Paradiespforte (Porta del Paradiso)]] [[Datei:Gate of Paradise schema.svg|miniatur|Das Ostportal (Paradiespforte) '''1''': [[Adam und Eva (Ghiberti)|Adam und Eva]] '''2''': Kain und Abel '''3''': Noah '''4''': Abraham und Isaak '''5''': Jakob und Esau '''6''': Joseph und Benjamin '''7''': Moses '''8''': Josua '''9''': David '''10''': Begegnung Salomons und der Königin von Saba]] Die Wollhändlerzunft, die mit der Arbeit Ghibertis sehr zufrieden war, beauftragte ihn [[1425]] mit der Schaffung eines weiteren Portals. Der ursprüngliche Plan, das Tor mit der gleichen Struktur wie die beiden anderen zu konstruieren, wurde erst verworfen, als die Arbeiten schon begonnen hatten, davon zeugt die Rückseite, die noch in 28 Quadrate unterteilt ist. Es war wohl Ghiberti, der, dem Geschmack der Renaissance entsprechend, die zehn großflächigen Quadrate den kleinen gotischen Vierpassrahmen vorzog. Inhaltlich wählte man biblische Episoden aus dem Alten Testament, wie man sie schon einmal für Ghibertis erstes Portal geplant hatte. Man gewährte Ghiberti, dem man die Aufgabe eines weiteren Portals ohne einen neuen Wettbewerb anvertraute, große künstlerische Freiheiten, ein Ausdruck des aufkommenden Humanismus, der dem Künstler eine zentrale Bedeutung zukommen ließ. In diesem Akt der Emanzipation des Handwerksmeisters gegenüber den Intentionen des Auftraggebers, der hier erstmals zur vollen Geltung gelangte, war eingetreten, was als »Wendepunkt in der Sozialgeschichte der europäischen Kunst« bezeichnet wird.<ref>Toman, Rolf (Hrsg.): Die Kunst der italienischen Renaissance. Architektur – Skulptur – Malerei – Zeichnung. Köln 1994, S. 179</ref> Die ersten drei Tafeln beschäftigen sich mit der Rolle Gottes als Erretter der Juden. Weiterhin hier führt Ghiberti auch die ''Opferung Isaaks'' aus, die er für den Wettbewerb schon einmal gestaltet hatte. [[Isaak (Genesis)|Isaak]] überträgt in der nächsten Tafel das Erstgeburtsrecht von [[Esau]] auf [[Jakob]]. Des Weiteren werden Szenen aus dem Leben [[Joseph]], [[Mose]]s, [[Buch Josua|Josua]] und [[David (Israel)|David]] erzählt. Die zehnte Tafel gilt auch als politische Aussage zu einem zeitgenössischen Ereignis: Das [[Konzil von Florenz]] strebt im Jahre 1439 unter [[Eugen IV.]] die Vereinigung der römischen und der Ostkirche an, symbolisch herbeigesehnt in der Begegnung der [[Königin von Saba]] mit [[Salomo]]n. Von den [[Siena|Sieneser]] Landschaftsmalern, beispielsweise [[Masaccio]] in der [[Santa Maria del Carmine|Brancacci-Kapelle]], übernimmt er die Technik, mehrere Szenen in einem Bild darzustellen. Die Flachrelieftechnik ist ein visueller Trick, den er von [[Donato di Niccolò di Betto Bardi|Donatello]] übernimmt, um dem Bild Tiefe zu verleihen. Hierbei werden Figuren umso flacher, je weiter weg sie vom Betrachter stehen. Die Friesverkleidung für das Paradiestor mit seinen Girlanden, die mittig durch den Adler, das Symbol der Wollhändler gekrönt wird, wurden von Ghiberti und seinem Sohn Vittorio vollendet. Der greise Ghiberti bekam nach Vollendung des Paradiestores auch den Auftrag, das Tor Andrea Pisanos mit einem Fries zu verkleiden, um ein einheitliches Erscheinungsbild zu schaffen. Tatsächlich wurde das Fries von seinem Sohn bis 1466 ausgeführt. == Architektonische Einordnung == Das [[Baptisterium]] wird heute oft der sog. [[Protorenaissance]] zugerechnet. Gemeint ist hierbei eine Stilrichtung, bei der künstlerische Anleihen aus der [[Antike]] schon zwischen dem 11. und 13. Jahrhundert gemacht wurden, die der [[Renaissance]] quasi vorauseilen. Das Bauwerk hat klar einen klassisch-antiken Aufbau, modifiziert jedoch diese Elemente beispielsweise durch die [[Inkrustation]] der Fassade. Allerdings ist das Gesamtwerk nicht einer Epoche zuzurechnen, allein schon die Portale spiegeln eine künstlerische Entwicklung wider, die verschiedene Stilepochen umfasst. Neben der romanisch geprägten Fassade und dem gotischen Tor [[Andrea Pisano|Pisanos]], sind auch byzantinische Einflüsse erkennbar, sowie die Renaissancekunst in [[Ghiberti]]s Paradiespforte. Selbst ein barocker Altar zierte das Bauwerk, der allerdings später wieder entfernt wurde. Insgesamt wirkt das Bauwerk stimmig, trotz der langen Entstehungszeit und obwohl sich alle Hauptströmungen der Florentiner Kunst und Generationen von Künstlern in ihm widerspiegeln. == Bilder == <gallery> Bild:Baptisteriumganz.jpg|Das Baptisterium, von [[Giotto di Bondone|Giottos]] [[Campanile]] aus gesehen Bild:Formella battistero 8 Giosuè.JPG|<center>Paradispforte: Joshua Bild:Lorenzo Ghiberti - Esaú e Jacó - Porta do Paraíso.jpg|<center>Paradispforte: Isaac Bild:Baptisterium San Giovanni - Innenkuppel A.jpg|<center>Kuppel mit dem jüngsten Gericht Bild:Baptisterium San Giovanni - Innenkuppel B.jpg|<center>gegenüberliegende Seite der Kuppel Bild:Florentinischer Meister um 1300 001.jpg|<center>Rundbild mit Christus in der Kuppel Bild:Baptisterium San Giovanni - Altar.jpg|<center>Altar Bild:Baptisterium San Giovanni - Taufbecken.jpg|<center>Taufbecken </gallery> == Einzelnachweise == <references/> == Literatur == * Rolf C. Wirtz: ''Florenz''. Könnemann, Köln 1999. ISBN 3-8290-2659-5 * Gerhard Straehle: ''Die Marstempelthese - Dante, Villani, Boccaccio, Vasari, Borghini. Die Geschichte vom Ursprung der Florentiner Taufkirche in der Literatur des 13. bis 20. Jahrhunderts.'' Gerhard Straehle, München 2001. ISBN 3-936275-00-9 * Giuseppe Marchini Langewiesche: ''Baptisterium, Dom und Dommuseum in Florenz.'' K.R. Langewiesche, Königstein im Taunus 1980. ISBN 3-7845-6130-6 * Annamaria Giusti: ''Das Baptisterium San Giovanni in Florenz.'' Mandragora, Florenz 2000. ISBN 88-85957-57-9 * Carlo Montrésor: ''Das Museum der Opera del Duomo von Florenz.'' Schnell & Steiner, Regensburg/Florenz 2000, 2003. ISBN 3-7954-1615-9 * Joachim Poeschke: ''Mosaiken in Italien 300 - 1300'', Hirmer, München, 2009 == Weblinks == {{Commons|Battistero di San Giovanni}} * [http://kritische-kunstgeschichte.de/Die_aktuelle_Publikation___Die/die_aktuelle_publikation___die.html Ausschnitte aus Gerhard Straehles Buch] * [http://www.operaduomo.firenze.it/luoghi/battistero.asp Dommuseum zum Baptisterium] * [http://www.florentinermuseen.com/musei/baptisterium_florenz.html www.florentinermuseen.com: Die Versteckte Toskana, ''Baptisterium San Giovanni'' von Bettina Röhrig] {{Exzellent}} {{Coordinate |NS=43/46/24/N |EW=11/15/17/E |type=landmark |region=IT}} [[Kategorie:Kirchengebäude in Florenz]] [[Kategorie:Zentralbau|Florenz]] [[Kategorie:Romanisches Bauwerk in der Toskana|Florenz]] [[Kategorie:Basilica minor|Florenz Baptisterium]] [[Kategorie:Johanneskirche|Florenz]] [[bg:Флорентински баптистерий]] [[ca:Baptisteri de Sant Joan (Florència)]] [[cs:Baptisterium San Giovanni]] [[en:Florence Baptistery]] [[eo:Baptejo Sankta Johano (Florenco)]] [[es:Baptisterio de San Juan (Florencia)]] [[fi:Battistero di San Giovanni]] [[fr:Baptistère Saint-Jean (Florence)]] [[he:הבפטיסטריום של פירנצה]] [[it:Battistero di San Giovanni (Firenze)]] [[lt:Švento Jono baptisterija]] [[nl:Baptisterium (Florence)]] [[pl:Baptysterium we Florencji]] [[pt:Batistério de São João]] [[sh:Firentinska krstionica]] [[th:หอศีลจุ่มซานจิโอวานนิ]] [[tr:Aziz Giovanni Baptisteri (Floransa)]] [[zh:佛罗伦萨圣若望洗礼堂]] 6acchjn6hgic3e8nn7sm4ntvw7241i5 wikitext text/x-wiki Lötschental 0 23501 26100 2010-03-24T22:50:38Z Mo4jolo 0 /* Geographie */genauer <!--schweizbezogen-->[[Bild:Lötschental Gesamtansicht mit Wolken.jpg|thumb|300px|Das obere Lötschental, westlich von Ferden her gesehen. Im Vordergrund im Tal Ferden, gefolgt von Kippel und Wiler. Im Hintergrund Ried, Blatten und, schemenhaft zu erkennen, der Langgletscher. Unterhalb von Ferden sind Teile des Lonzastausees zu sehen, dahinter, rechts oberhalb von Kippel, der sogenannte ''Obriwald''. Auf der linken Talflanke kann man einen Teil der [[Lauchernalp]], dahinter die Weritzalp und Weissenried oberhalb von Blatten erahnen.]] Das '''Lötschental''' im [[Kanton Wallis|Oberwallis]] ist das grösste nördliche Seitental der [[Rhône|Rhone]]. Es wird vom Fluss [[Lonza (Fluss)|Lonza]] durchflossen und liegt im [[Jungfrau-Aletsch-Bietschhorn]]-Gebiet der [[Berner Alpen]], das als [[UNESCO-Welterbe|UNESCO-Weltnaturerbe]] unter Schutz steht. Die Lonza wird vom [[Langgletscher]] gespeist, der das Lötschental ostwärts abschliesst. Das Tal ist von mehr als zwanzig [[Dreitausender]]n umgeben. In ihm leben rund 1500 Einwohner, ''Lötscher'' genannt. Die vier Gemeinden des Tals sind [[Blatten (Lötschen)|Blatten]], [[Ferden]], [[Kippel]] und [[Wiler (Lötschen)|Wiler]], die zum Bezirk [[Westlich Raron (Bezirk)|Westlich Raron]] gehören. Der nördlich gelegene [[Lötschberg|Lötschepass]], nachweislich schon in der Bronzezeit begangen, liess dem Lötschental bis in die frühe Neuzeit eine Bedeutung als Handelsweg zukommen. Heute ist das Tal vor allem bekannt für die Autoverladung zum Bahntransit durch den [[Lötschbergtunnel]] und als [[Wintersportgebiet]]. == Geographie == [[Bild:Karte Gemeinden der Schweiz 20072.PNG|thumb|Lage des Lötschentals anhand der Flächen der vier Talgemeinden.]] Das rund 27 Kilometer lange und 150 Quadratkilometer umfassende Lötschental liegt an der [[Abdachung|Südabdachung]] der Berner Alpen, einer Untergruppe der [[Westalpen]]. Das Tal lässt sich in zwei Abschnitte unterteilen. Der untere Abschnitt verläuft vom Taleingang bei Gampel ({{Höhe|634|CH}}) in Nord-Süd-Richtung bis unterhalb von Ferden ({{Höhe|1375|CH}}). Er weist ein starkes Gefälle auf, die abfliessende Lonza durchschneidet hier die [[Streichen|Streichfläche]] des Gebirgsverlaufs in einem schluchtähnlich verengten Kerbtal. Die östliche Talflanke dominiert der Hohgleifen ({{Höhe|3279|CH}}), die westliche Talflanke wird durch den [[Niwen]] ({{Höhe|2769|CH}}) geprägt. Das eigentliche Haupttal ist der in Ost-West-Richtung verlaufende obere Abschnitt. Er macht rund zwei Drittel der Länge des Lötschentals aus. Beginnend bei Ferden, endet er mit der vergletscherten [[Lötschenlücke]] auf 3178 Metern. Das obere Lötschental stellt ein Teilstück des Alpinen Längstals dar, das von [[Grimsel]] über den [[Aletschgletscher#Ursprung am Konkordiaplatz|Konkordiaplatz]] des [[Aletschgletscher|Aletschfirn]]s, die Lötschenlücke und den Färdanpass nach [[Leuk]] verläuft. Die im oberen Abschnitt flacher ansteigende Talsohle des Lötschentals ist auf einer Breite von rund 1000 Metern ausgebildet. Abgeschlossen wird das Tal vom Anengletscher, einem Seitenarm des bis zur Lötschenlücke ansteigenden Langgletschers. Die nördlich und südlich parallel des Haupttals verlaufenden Gebirgszüge gehören zum [[Aarmassiv]]. [[Bild:Lötschental Blick vom Langgletscher (komprimiert).jpg|thumb|left|Das Lötschental mit asymmetrisch verflachtem nördlichem Talhang vom Fusse des Langgletschers aus in Richtung Westen gesehen.]] Die nördlich begrenzende Gebirgskette bildet der vom Lötschepass bis zum Hockenhorn ({{Höhe|3293|CH}}) ansteigende Gasterngrat sowie der östlich daran anschliessende Petersgrat. Gleichzeitig stellt sie die Wasserscheide zwischen Rhone und [[Aare]] und somit einen Teil der [[Europäische Wasserscheide|Europäischen Wasserscheide]] dar. Die Südflanke bildet die Bietschhornkette mit dem namensgebenden [[Bietschhorn]] ({{Höhe|3934|CH}}). Sie trennt das Lötschental vom Rhonetal und ist im Schnitt einige hundert Meter höher als die Nordbegrenzung des Tals. Das Lötschental wurde im [[Pleistozän]] und in seinem oberen Teil auch während der [[Kleine Eiszeit|Kleinen Eiszeit]] glazial überprägt.<ref name="Mosimann">Thomas Mosimann: ''„Untersuchungen zur Funktion subarktischer und alpiner Geoökosysteme: Finnmark (Norwegen) und Schweizer Alpen.“'' Physiogeographica, Band 7, Basel 1985 (S. 488)</ref> Die glaziale Prägung im Pleistozän ist noch heute am Talrelief, einem [[Trogtal|Trog]] mit am Nordhang ausgeprägten Trogschultern, zu erkennen. Die südliche Talflanke steigt mit durchschnittlicher Steigung von 40 Grad auf und ist von zahlreichen [[Kar (Talform)|Karmulden]] zerschnitten. Die Bäche laufen in kleinen Erosionsrinnen ab und werden von mehreren Hanggletschern gespeist, unter ihnen Nest- und Birchgletscher am Bietschhorn. Die abgetragenen Sedimente lagern sich seit dem [[Holozän]], als der weichende Gletscher grosse Teile der Talsohle freigab, in ausgedehnten Schuttwällen ab. Zusätzlich von Geröllabgängen angefüllt, drängen diese natürlichen Barrieren die Lonza wider den gegenüberliegenden Hang und führen dort zu einer verstärkten Erosion, besonders oberhalb von Blatten. [[Bild:Langgletscher und Gletschertor mit Lötschenlücke (komprimiert).jpg|thumb|Vorfeld des Langgletschers mit Lonza samt Gletschertor, (teils von Geröll bedeckter) Gletscherfront und der Lötschenlücke im Hintergrund.]] Die sonnenabgewandte Südseite ist traditionell kaum besiedelt. Der hier vorherrschende [[Nadelwald]] wird von einigen kargen Schafweiden sowie schroffen Bacheinschnitten unterbrochen. Die oberhalb liegende Bergkette dominiert das Bietschhorn, an dessen Nordwesthang sich Nest- und Bietschgletscher befinden. Östlich erhebt sich das Breithorn ({{Höhe|3785|CH}}), bevor der Grat in Richtung Lötschenlücke ausläuft. Westlich des Bietschhorns liegen das Wilerhorn ({{Höhe|3307|CH}}) und der den Grat in westlicher Richtung abschliessende Hohgleifen. Die nördliche Talflanke hat eine durchschnittliche Steigung von 35 Grad. Zunächst rasch aus der Talsohle aufsteigend, flacht sie zwischen 1800 und 2200 Meter ab und bildet eine nunmehr sanfter ansteigende und über die gesamte Flanke in unterschiedlicher Ausprägung verlaufende Empore. Diese Verflachung stellt den Rand der [[Glaziale Rinne|glazialen Rinne]] des im Pleistozän vorgerückten Gletschers dar. Anschliessend steigt das Profil des Hangs erneut bis zum Gasterngrat sowie dem östlich befindlichen Petersgrat ({{Höhe|3205|CH}}) an. Dessen Südhang beherbergt vom Tal aus sichtbar den Üssertalgletscher sowie den Tellingletscher. Den Nordhang bedeckt der Kanderfirn und entwässert in die [[Kander (Schweiz)|Kander]] im Berner Oberland. Die Nordflanke ist bis etwa 2000 Meter mit dichtem Nadelwald bewachsen, der von tiefen Taleinschnitten der abfliessenden Bäche unterbrochen wird. Oberhalb der Baumgrenze steigen sanft alpine Wiesen an, in denen alle grösseren Alpen des Tals liegen. Markantester Punkt der Gebirgskette ist das [[Hockenhorn]] nördlich von Wiler. [[Bild:Bietschhornkulisse beschriftet (komprimiert).jpg|thumb|750px|center|Südflanke des Lötschentals, aufgenommen vom Lötschepass aus. Die zum Aarmassiv gehörende Gebirgskette wird vom fast 4000 Meter hohen Bietschhorn dominiert, an dessen Nordhang der Nest- und der Birchgletscher zu sehen sind. Sie speisen den Näst- und den Birchbach, zwei der grösseren südlichen Zuflüsse der Lonza.]] === Geologie === Der untere Abschnitt des Lötschentals gehört geologisch zum Rhonetal<ref name="Leibundgut">[[Hans Leibundgut]]: ''„Wald- und Wirtschaftsstudien im Lötschental.“'' Dissertation im Selbstverlag, Zürich 1938</ref> und weist an seinem Westhang die Strukturen der ''[[Helvetisches System|Helvetischen Decken]]'' auf. Das Haupttal besitzt einen asymmetrischen Querschnitt, bedingt durch tektonische Verschiebungen während der alpinen Gebirgsbildung. Die Schieferung im Lötschental verläuft parallel zu den beiden Gebirgsketten. Der Nordhang ist durch die tiefer liegenden [[hercynisch]]en Schiefergesteine erniedrigt und weist aufgrund der geringeren Auffaltung eine weniger feinteilige Untergliederung auf. Die Gipfelbereiche des Gasterngrats, Hockenhorns und des übergletscherten Petersgrats bestehen aus hercynischem Gastern-Granit, einem hellem, mittelkörnigem [[Biotit]]granit und [[Granodiorit]]. Die flache Ausprägung des Bergrückens ermöglicht das Entstehen der massiven Vergletscherung, vor allem am Petersgrat. Der steilere Südhang und die Talsohle bestehen aus Auffaltungen von [[Gneis]] und [[Kakirit]], die Gipfelbereiche der Bietschhornkette aus hercynischem Bietschhorn-Granit, einem hellen, mittel- bis grobkörnigen Biotitgranit.<ref>Andreas Wipf: ''„Die Gletscher der Berner, Waadtländer und nördlichen Walliser Alpen: eine regionale Studie über die Vergletscherung im Zeitraum ‚Vergangenheit‘ (Hochstand von 1850), ‚Gegenwart‘ (Ausdehnung im Jahr 1973) und ‚Zukunft‘ (Gletscherschwund-Szenarien, 21. Jahrhundert).“'' 1999</ref> [[Bild:Querschnitt Lötschental.svg|center|600px|]] === Gletscher und Endmoränenlandschaft === [[Bild:Gletschertor Anengletscher k.jpg|thumb|left|Gletschertor des Anengletschers und Austrittsstelle der Lonza.]] Unterhalb des Anengletschers weist der obere Teil des Lötschentals die Merkmale einer [[Endmoräne]]nlandschaft auf. Der rezente Gletscher schob während der kleinen Eiszeit einen etwa 100 Höhenmeter messenden Moränenwall nahe der Fafleralp auf. Das dahinterliegende Tal wird von den nun offenliegenden Seitenmoränen der glazialen Rinne gesäumt. Neben zahlreichen [[Findling]]en liegen hier einige Schmelzwasserseen, darunter der Guggi- und der Grundsee. Das gesamte Lötschental ist geprägt von seiner glazialen Formung während des Pleistozän, besonders stechen allerdings die Überbleibsel der Vergletscherungen während der Kleinen Eiszeit hervor. Im Umfeld aller das Tal säumenden rezenten Gletscher sind die vorgeschobenen Moränenwälle zu erkennen. Die Gletscher des Lötschentals bedecken 13,7 Prozent der Fläche (Petersgrat ca. 1500 Hektar Gletscherfläche, weitere fünf Gletscher im oberen Tal, Jäggigletscher, Langgletscher, Anengletscher, Lötschfirn und Distelgletscher mit einer Fläche von rund 1600&nbsp;Hektar. Die Gletscher des Schattenhangs weisen eine Fläche von 800&nbsp;Hektar auf) und sind der entscheidende Wasserspeicher des Tals. Sie entwässern in die Lonza oder ihre Zuflüsse, deren Fliessmenge somit massgeblich von den herrschenden Temperaturen abhängt. === Klima === [[Bild:Lötschental Klimatabelle (Ried).svg|thumb|Klimatabelle mittlerer Temperatur und Niederschlags in Ried]] Das Lötschental befindet sich am Schnittpunkt des feuchten, westlichen [[Seeklima|maritimen]] Klimas der Nordalpen und dem trockeneren [[Mittelmeerklima|mediterranen]] Klima der Südalpen.<ref>Weischet, Wolfgang/Endlicher, Wilfried: ''„Regionale Klimatologie. Teil 2: Die alte Welt.“'' Stuttgart 2000</ref> Das Mikroklima des Tals ist bestimmt durch den Gegensatz zwischen Sonnen- und Schattenhang. Die durchschnittliche Jahrestemperatur liegt in Ried bei 4,7&nbsp;°C, die mittlere [[Isotherme|Jahresisotherme]] der Nullgrad-Grenze befindet sich auf etwa 2200 Meter.<ref name="Mosimann"/> Die durchschnittliche Jahresniederschlagsmenge liegt bei 1113 Millimeter (Ried). Die Einschneizeit beträgt im langjährigen Durchschnitt 138 Tage, der mittlere Einschneitag ist der 25.&nbsp;November. Die geschlossene Schneedecke hält im Mittel bis zum 9.&nbsp;April (Wiler). In der knapp 2000 Meter hohen [[Lauchernalp]] dauert die Einschneizeit 166 Tage an. Aufgrund seiner abgeschlossenen, von zwei Gebirgszügen eingegrenzten Lage ist das Lötschental selten stärkeren Winden ausgesetzt. Mit Ausnahme einiger südwestlicher Windströmungen aus dem Rhonetal überwiegen infolge der Topographie die Hangwinde, die je nach Tageszeit variieren.<ref name="Leibundgut"/> Fast die gesamte Talsohle des Lötschentals ist erheblich durch [[Lawine]]nabgänge bedroht, immer wieder kommt es im Winter zu Beschädigungen und Zerstörungen an Häusern und Strassen. Vor allem die tiefen Erosionsrinnen des Schattenhangs bergen die Gefahr von Lawinenabgängen, unterstützt durch abstürzende Eismassen der Hanggletscher. == Flora und Fauna == [[Bild:Schwarzsee k.jpg|thumb|Der nordöstlich von Blatten, zwischen Telli- und Fafleralp gelegene Schwarzsee auf 1860 Metern, ein typischer [[Kar (Talform)|Karsee]]]] ''Siehe auch:'' [[Alpen#Fauna|Fauna]] und [[Alpen#Flora|Flora]] der Alpen === Flora === Die Flora des Lötschentals lässt sich in [[Höhenstufe (Ökologie)|Vegetationsstufen]] gemäss der penninischen Höhenstufenfolge unterteilen. Diese ist bestimmt vom kontinental trockenen Klima der [[Westalpen]]. Das Lötschental wird geprägt von staudenbewachsenen Felsschuttfluren, alpinem Rasen, subalpinem Nadelgehölz und Zwergstrauchgesellschaften. Einen grossen Raum nehmen die Hochgebirgswälder ein. Sie setzen sich grösstenteils aus [[Lärchen]] und Fichten zusammen. In der montanen Stufe bis etwa 1500 Meter, also der Talsohle bis etwa Wiler, überwiegen Grün- und Ackerflächen. Die Waldflächen machen rund 40 Prozent der Fläche aus, es dominiert der Nadelwald. An den auslaufenden Lawinenbahnen und Bachrinnen bestehen in deren Schwemmgebieten Hochstaudenfluren, ausserdem wachsen hier die [[Pionierpflanze]] [[Grün-Erle|Grünerle]] sowie andere Kleinsträucher.<ref name="Hörsch">Bianca Hörsch: ''Zusammenhang zwischen Vegetation und Relief in alpinen Einzugsgebieten des Wallis (Schweiz). Ein multiskaliger GIS- und Fernerkundungsansatz.'' Bonner Geographische Abhandlungen, Bonn 2003 (S. 256 ff)</ref> [[Bild:Tellialp k.jpg|thumb|left|Tellialp nahe Blatten, von Norden aus gesehen. Unterhalb des Bietschhorns sind die Hanggletscher zu erkennen, deren Schmelzwasser die tiefen Erosionsrinnen des Schatthangs schuf.]] In der unteren subalpinen Stufe bis 1800 Meter liegen ausgedehnte Nadelwälder, vorwiegend bewachsen mit [[Gemeine Fichte|Fichten]] und [[Kiefern|Föhren]], die rund die Hälfte der Fläche einnehmen. Während der südliche Schatthang durchgehend bewaldet ist, bestehen am nördlichen Sonnhang nur [[Bannwald#Lokale Besonderheiten des Bannwaldes#Schweiz|Bannwald]]gebiete oberhalb der Ortschaften. Die Flächen des Tals und des Sonnhangs werden weitgehend landwirtschaftlich genutzt. Im oberen Teil der subalpinen Stufe bis 2200 Meter geht der Wald zunehmend zurück, bis die natürliche [[Waldgrenze|Baumgrenze]] bei etwa 2200 Metern erreicht ist. Die reale Baumgrenze ist allerdings an der Nordflanke zu Gunsten der Alpweiden grösstenteils auf 2000 Meter gesenkt worden.<ref> Fritz Bachmann-Voegelin: ''Blatten im Lötschental. Die traditionelle Kulturlandschaft einer Berggemeinde.'' Bern 1984</ref> In diesem Gebiet wachsen Zwergsträucher und alpiner Rasen, [[Hochstaudenflur]] beherrscht das Bild. In ihr liegen die meisten Alpen des Tals und deren Weideflächen. An der Südflanke bilden Lärchen-Arvenwälder bei rund 2200 Meter die Grenze der Bewaldung.<ref name="Mosimann"/> In der alpinen Stufe bis 2500 Meter nehmen die unbewachsenen Flächen zu, Felsschuttfluren und Felsen dominieren das Bild. Es herrscht eine [[Schneetälchen]]vegetation vor. Hier wachsen kleinere Sträucher, [[Magerrasen|Matten]] und alpiner Rasen, vorwiegend [[Borstgras]]. In höheren Lagen existieren [[Moose]] und [[Flechte]]n. Zwischen 2500 und 3000 Metern ist die Vegetationsgrenze erreicht.<ref name="Hörsch"/> === Fauna === Die Fauna des Lötschentals deckt sich weitgehend mit derjenigen des übrigen Wallis. An Säugetieren sind insbesondere [[Alpensteinbock]], [[Gämse]]n, [[Hirsche]], [[Schneemaus]] und [[Alpenmurmeltier|Murmeltiere]] anzutreffen.<ref>Ausgerottet ist hingegen das [[Nasin]].</ref> Ausserdem leben dort [[Alpenschneehuhn]], [[Alpensteinhuhn]] und [[Birkhuhn]]. In den weitgehend naturbelassenen alpinen Flächen finden sie einen ungestörten Lebensraum. Der in Mitteleuropa seltene [[Steinadler]] ist im Lötschental heimisch. Ebenso ist der im 20.&nbsp;Jahrhundert im Wallis als ausgerottet geltende [[Eurasischer Luchs|Luchs]] in das Lötschental zurückgekehrt, auch der [[Wolf]] soll nach Plänen des [[Bundesamt für Umwelt|Bundesamtes für Umwelt]] dort wieder heimisch werden. Gegen die geplante Wiederansiedlung von Wolfsrudeln im Oberwallis im Rahmen des "Wolf-Projekt Schweiz" gibt es vor allem unter den Schafwirten des Tals grosse Vorbehalte. In der Nutztierhaltung des Lötschentals dominiert die Schaf- und Rinderhaltung. == Besiedlung und Infrastruktur == [[Bild:Übersichtsplan Lötschental.svg|thumb|Übersichtsplan des Lötschentals]] Im Lötschental befinden sich vier eigenständige Gemeinden. Ihre Zentren liegen allesamt im Bereich der Talsohle des oberen Lötschentals, im schroffen unteren Drittel des Tals befinden sich lediglich kleinere Siedlungsplätze. Das untere Taldrittel gehört teilweise zu den Gemeindegebieten von [[Gampel]] und [[Hohtenn]]. Ferden auf 1375 Metern ist die erste Gemeinde zu Beginn des sich öffnenden Tals. Ihm folgen der Hauptort Kippel und Wiler, die nur wenige hundert Meter trennen. Alle drei Gemeinden schliessen sich an das nördliche Ufer der Lonza an. Im oberen Teil des Tales befindet sich Blatten. Bis zum Bau des 6,2 Kilometer langen Mittal-Tunnels als Ersatz für die Zufahrtsstrasse durch das enge Lonzatal war das Lötschental vor allem im Winter immer wieder durch Geröll- und Lawinenabgänge für einige Tage von der Aussenwelt abgeschnitten.<ref>''„Der Ausbau der Lötschentalstrasse“'', [http://vov.ch/geschichte.php Geschichte der ''Vereinigung Oberwalliser Verkehr und Tourismus'' auf vov.ch/geschichte]</ref> === Ferden === [[Bild:Ferden und unteres Lötschental k.jpg|thumb|Ferden von Norden aus gesehen mit Lonzastausee und Blick in das untere Lötschental bis zum Rhonetal.]] ''Siehe auch:'' [[Ferden]] Ferden liegt am Fusse des Nordhangs des Hohgleifen, am nördlichen Ufer des Lonza-Stausees. Es wurde erstmals 1380 als ''Verdan'' urkundlich erwähnt. Die 342 Einwohner (Stand 2007) des Ortes verteilen sich auf den Hauptort, den Weiler [[Goppenstein]] sowie drei bewirtschaftete Alpen. Ferner gehört der heute unbewohnte Weiler Mittal zum Gemeindegebiet. Nach Blatten ist Ferden die flächenmässig zweitgrösste Gemeinde des Tals. Einst bestand Ferden aus einer Ansammlung von Höfen, die sich im Laufe der Jahrhunderte um den heutigen Ortskern sammelten. Daher erhielt der Ort seine noch bestehende [[Haufendorf]]struktur. Im Jahr 1956 löste sich Ferden vom Lötschentaler Hauptort Kippel und ist seither eine eigenständige Gemeinde.<ref>{{HLS|2760|Ferden}}</ref> Zu Ferden gehören drei Alpen nördlich und westlich des Ortes. Oberhalb von Goppenstein liegt auf 2037 Metern die Faldumalp, einige Kilometer nördlich die Restialp ({{Höhe|2098|CH}}). Im weiten Taleinschnitt des Färdanbaches, der in seinem Namen eine alte Schreibweise des Ortes Ferden trägt und westlich davon in den Lonzastausee mündet, befindet sich die Kummenalp ({{Höhe|2086|CH}}). Alle drei Alpen sind im Sommer bewirtschaftet. Heute werden die traditionellen Hütten vorwiegend von Einheimischen als Ferienhäuser genutzt, Vieh und Almwirtschaft nur noch vereinzelt gewerbsmässig betrieben. Obwohl die Alpen entlang des [[Lötschentaler Höhenweg|Lötschentaler Höhenweges]] liegen und für Wandertouristen gut erschlossen sind, bestehen hier nur vereinzelt Übernachtungsmöglichkeiten. Südwestlich des Ortes befindet sich der [[Stausee Ferden]]. Seine Staumauer staut die Lonza in einer Länge von rund zwei Kilometern auf. Sie stammt aus dem Jahr 1975 und ist als 67 Meter hohe [[Bogenstaumauer]] mit einer Breite der Krone von 126 Metern ausgeführt; 34'000&nbsp;Kubikmeter Beton wurden für die Staumauer verbaut. Der See hat ein Volumen von 1'890'000 Kubikmetern, wobei der Wasserstand je nach Schmelzwassermenge stark variieren kann.<ref>{{structurae|structures|s0007451}}</ref> ==== Goppenstein ==== [[Bild:Kummenalp mit Bietschhorn (komprimiert).jpg|thumb|left|Bewirtschaftete Alphütte auf der Kummenalp, im Hintergrund das südöstlich gelegene [[Bietschhorn]]]] Südlicher im engen Tal der Lonza liegt auf 1216 Meter Goppenstein. Es beherbergt den Bahnhof der [[Lötschberglinie]], die von der [[BLS AG]] betrieben wird. Neben dem Bahnhof bestehen umfassende Anlagen zur Verladung von Autos und Lastkraftwagen zum Bahntransfer durch den [[Lötschbergtunnel]], dessen Südportal sich unmittelbar im Ort befindet. Zu Beginn des 20.&nbsp;Jahrhunderts lebten während der Bauarbeiten für den Eisenbahntunnel weit über dreitausend Arbeiter in dem kleinen Ort, der für wenige Jahre zu einer der grössten Ansiedlungen des Wallis wurde. Heute leben nur wenige Menschen in dem stark verkehrsbelasteten Weiler. Das heute nicht mehr bewohnte Mittal ist ein kleiner Weiler an der alten Talstrasse südlich von Goppenstein. Im 19.&nbsp;Jahrhundert bestanden hier einige Minen, in denen Arbeiter aus dem Tal tätig waren. Seit der Mitte des Jahrhunderts bestand zum Abtransport der Minenerzeugnisse ein Karrenweg ins Rhonetal. === Kippel === [[Bild:Kippel.jpg|thumb|Kippel von Westen aus gesehen. Zu erkennen ist die 1742 dem hl. Martin geweihte Pfarrkirche.]] ''Siehe auch:'' [[Kippel]] Kippel ({{Höhe|1376|CH}}) ist der traditionelle Hauptort des Lötschentals. Die Geschichte der Pfarrei geht bis in das Jahr 1233 zurück. Bis ins späte 19.&nbsp;Jahrhundert war sie die einzige im Lötschental und somit das geistliche Zentrum der vier Dörfer. Heute leben in Kippel 383 Menschen (Stand 2007). Seit 1960 besteht in Kippel die einzige Schule des Tales, 1982 wurde im Ort das Lötschentaler Museum eingerichtet.<ref>{{HLS|2762|Kippel}}</ref> Im Jahr 1923 zerstörte eine Lawine grosse Teile von Kippel, die zum Teil beschädigte Pfarrkirche aus dem Jahr 1742 wurde erst 1977 wieder in ihren Originalzustand versetzt. Neben traditionellen Walliser Blockbauten prägen einige Hotels der Jahrhundertwende den Ort. Zu Kippel gehört die nördlich auf 2048 Metern liegende Hockenalp, die seit den 1950er Jahren mit einem Skilift zu erreichen war. Ende der 1970er Jahre wurde der Lift stillgelegt, nachdem die Luftseilbahn zur Lauchernalp im Nachbarort Wiler den Betrieb aufnahm. === Wiler === [[Bild:Wiler k.jpg|thumb|Wiler von der Faldumalp aus gesehen, am Ortseingang ist die Talstation der Luftseilbahn zur Lauchernalp zu erkennen.]] ''Siehe auch:'' [[Wiler (Lötschen)]] Wiler ({{Höhe|1419|CH}}) ist mit 538 Einwohnern die bevölkerungsreichste Gemeinde des Tals. Der zu grossen Teilen noch aus traditionell Walliser Bausubstanz bestehende Ort wurde am 17.&nbsp;Juni des Jahres 1900 von einer schweren Brandkatastrophe heimgesucht, bei der grosse Teile des Dorfes vernichtet wurden. Seither wird dieser Tag als ''Roter Segensonntag'' bezeichnet. Zu Wiler gehört die touristisch am besten erschlossene Alp des Tals, die [[Lauchernalp]]. Sie ist über die einzige Luftseilbahn des Lötschentals erreichbar und ist der Ausgangspunkt vieler Wanderrouten. === Blatten === ''Siehe auch:'' [[Blatten (Lötschen)]] [[Bild:Blatten (komprimiert).jpg|thumb|Das von der Lonza durchflossene Blatten von Norden aus fotografiert. Im Ortsmittelpunkt ist die 1985 errichtete neue Pfarrkirche zu sehen.]] Blatten ({{Höhe|1540|CH}}) ist die oberste und flächenmässig grösste Gemeinde des Lötschentals. 1898 löste sich Blatten als erster Talort von Kippel und ist seither eine eigenständige Gemeinde. In dem 1433 erstmals als ''uffen der Blattun'' erwähnten Ort leben heute 311 Menschen (Stand 2007).<ref>{{HLS|2757|Blatten (VS)}}</ref> Der unbewohnte Weiler Kühmatt, in dem sich seit 1654 eine barocke Wallfahrtskapelle befindet, liegt östlich des Hauptorts. Weissenried ({{Höhe|1706|CH}}) am nördlichen Berghang, Eisten und Ried, in dem 1868 das erste Hotel des Tales errichtet wurde, gehören ebenfalls zu Blatten. Östlich von Blatten liegen die Fafler-, die Gletscher- und die Guggialp. Die Talstrasse reicht seit 1972 bis zur Fafleralp, die einen wesentlichen touristischen Anziehungspunkt und Ausgangsort für Wanderungen zum Anengletscher bildet. Nördlich von Blatten liegen die Weritz- und die Tellialp, unweit derer sich auf 1860 Metern Höhe der Schwarzsee befindet. === Alpen === [[Bild:Faldumalp (komprimiert).jpg|thumb|Die zur Gemeinde Ferden gehörende Faldumalp liegt auf einer Höhe von 2037 Metern und wird im Sommer bewirtschaftet.]] Im Lötschental bestehen zahlreiche, den Gemeinden zugeordnete [[Alm (Bergweide)|Alpen]]. Zu Ferden gehören die Faldum-, die Resti- und die Kummenalp. Die Hockenalp hat in Kippel ihren Talort, die Lauchern ist Teil der Gemeinde Wiler. Die Weritz-, Telli-, Fafler-, Gletscher- und Guggialp liegen auf Blattener Gebiet. Alle grösseren Alpen verfügen über mindestens ein im Sommer bewirtschaftetes Gasthaus und eine eigene Bergkapelle, in denen in regelmässigen Abständen die Pfarrer der Talpfarreien Gottesdienste abhalten. Die meisten Alphütten werden heute als Ferienhäuser für Einheimische, aber auch Talfremde, genutzt. Die Almbewirtschaftung in den Sommermonaten war für die Talbevölkerung bis in die erste Hälfte des 20.&nbsp;Jahrhundert ein wesentlicher Bestandteil des Lebensunterhalts und bestimmte massgeblich deren Arbeits- und Lebensgewohnheiten. Ab der Mitte des Jahrhunderts gewannen sie zunehmend als Touristenherbergen und Sehenswürdigkeiten an Wert, Haupterwerbs-Alpwirtschaft wird kaum mehr betrieben. [[Bild:Hockenalp (komprimiert).jpg|thumb|left|Hockenalp oberhalb von Kippel, im Vordergrund die 1932 errichtete Kapelle.]] In den 1950er Jahren richtete der Schweizer Pfadfinderbund ein Sommerlager auf der Faldumalp ein, zur selben Zeit wurde ein erster Schlepplift für den Wintersport zur Hockenalp errichtet. In den 1970er Jahren begann der Ausbau der Lauchernalp zum Wintersportzentrum des Tals, hierzu wurde 1972 die Luftseilbahn Wiler-Lauchernalp in Betrieb genommen. Einen touristischen Anziehungspunkt bildet die Fafleralp, die einzige seit 1972 mit dem Auto und dem [[Postauto]] auf öffentlichen Strassen erreichbare Alp des Tales. Ihre Lage am oberen Ende das Lötschentals zu Füssen des Anengletschers lockt zahlreiche Tagesgäste an. Auf der Alp besteht neben einem Hotel und mehreren Gaststätten auch ein Campingplatz. Die Lauchernalp und die Kummenalp liegen auf dem historischen Aufstiegsweg zum Lötschepass und besitzen eine lange Tradition als Herbergen und Gastlager. Gleiches gilt für die Restialp unterhalb des Restipasses, der nach [[Leukerbad]] führt. === Lötschepass === [[Bild:Loetschepasshuette.JPG|thumb|Die Lötschepasshütte nach dem Umbau im Sommer 2008. Im Hintergrund die schroffe Ostwand des [[Balmhorn]]s]] ''Siehe auch:'' [[Lötschberg|Lötschepass]] Der Lötschepass ist ein Alpenübergang über den Kamm der Berner Alpen, der das Lötschen- mit dem Kandertal verbindet. Die Passhöhe liegt auf {{Höhe|2690|CH}}, rund fünf Kilometer nördlich von Ferden. Der traditionelle Aufstiegsweg verläuft, im Sommer, von Süden kommend, durch das untere Lötschental über Goppenstein nach Wiler, der Lonza folgend. In Wiler beginnt der wesentliche Aufstieg zunächst zur Lauchernalp, dann zur Lötschepasshütte und zur Passhöhe. Abgestiegen wird über Selden ins Kandertal, dann der Kander folgend über [[Kandersteg]] ins [[Berner Oberland]]. Im Winter ist der Lötschepass mit der Gondelbahn via Hockenhorngrad erreichbar. Ab Mitte Januar ist die Lötschepasshütte durchgehend bewartet. Schon zu prähistorischer Zeit begingen Menschen den Pass, wie Funde aus der [[Bronzezeit|Bronze-]] und [[Eisenzeit]] belegen. Seit der Römerzeit bis ins Mittelalter galt der Lötschepass neben dem [[Gemmipass]] als wichtigste Verbindung zwischen dem Berner Oberland und dem Wallis. Als Handelsweg hatte er vor allem als Verlängerung der aus Oberitalien kommenden [[Simplonpass|Simplonroute]] in die Nordschweiz eine grosse Bedeutung. Die Reisenden und Händler verschafften den an der Aufstiegsroute gelegenen Orten bescheidenen Wohlstand. Im Jahr 1519 wurde die erste Hütte an der Passhöhe des [[Saumpfad]]es errichtet. Im 17.&nbsp;Jahrhundert begannen Berner mit dem Bau einer Strasse über den Pass. Religiöse Konflikte zwischen Bernern und Wallisern führten allerdings zu einem Zerwürfnis und bedeuteten das Ende der Baumassnahmen. Überreste der teilweise fertiggestellten Strasse sind an der Nordseite des Passes zu erkennen. In der Folgezeit verlor der nur zu Fuss begehbare Alpenübergang zunehmend an Bedeutung. Im 19.&nbsp;Jahrhundert richtete die Schweizer Armee einen Wachposten an der Passhöhe ein, der nach dem Zweiten Weltkrieg zu einer neuen Passhütte umfunktioniert und schrittweise ausgebaut wurde.<ref>Nachzulesen unter [http://www.loetschenpass.ch/startup.htm www.loetschenpass.ch/geschichte]</ref> == Geschichte == ''Siehe auch:'' [[Geschichte des Wallis]] === Vorgeschichte und Römerzeit === [[Bild:Vallispoeninaklein.png|thumb|Das Gebiet des heutigen Wallis gehörte zur Römerzeit mit seiner Provinzhauptstadt ''Forum claudii vallensium'' ([[Martigny VS|Martigny]]) vornehmlich zur Provinz ''Alpes Graiae et poeninae''. Das Lötschental, mit dem Fussweg über den Lötschepass stellte damals einen Handelsweg in die nördlich gelegene römische Provinz ''[[Germania Superior]]'' dar.]] Funde aus der Bronze- und der Eisenzeit am [[Lötschepass]] und dessen Aufstiegsweg über Kippel zeugen von einer frühen Bedeutung als Handelsweg. Ausgrabungen [[Kelten|keltischer]] Brandgräber bei Kippel lassen auf eine vorrömische Besiedelung schliessen,<ref name="Anneler">Hedwig Anneler: ''Lötschen. Landes- u. Volkskunde des Lötschentales''</ref> im Oberwallis siedelten die keltischen [[Uberer]]. Im 1.&nbsp;Jahrhundert v. Chr. eroberten die [[Römisches Reich|Römer]] das Gebiet des heutigen Wallis mit dem Lötschental und machten es zur römischen Provinz ''Vallis Poeninae'' (spätestens ab der Verwaltungsreform des Diokletian um 300&nbsp;n.&nbsp;Chr. zusammengefasst mit ''Alpes Graiae'' als [[Alpes Graiae|Alpes Graiae et Poeninae]]). === Völkerwanderung und Mittelalter === Ab dem 3.&nbsp;Jahrhundert n. Chr. überfielen immer wieder [[Alamannen|alamannische]] und [[Burgunden|burgundische]] Stämme Gallien, [[Raetia]] sowie das angrenzende Wallis. Im Jahr 277 schlugen die Römer die Alamannen bei Acaunus (dem heutigen [[Saint-Maurice VS|Saint-Maurice]]). Im 4.&nbsp;Jahrhundert zogen die Römer mal gemeinsam mit den [[Burgunden]] gegen die verstärkt einfallenden Alamannen, mal gegen die Burgunden in den Kampf. Im Jahr 435 besiegte der römische Heerführer [[Flavius Aëtius]] in [[Gallia Belgica|Belgica I]] die Burgunden. Im darauffolgenden Jahr wurde deren Reich von den mit den Römern verbündeten [[Hunnen]] und [[Heruler]]n endgültig vernichtet. Die überlebenden Burgunden siedelten als [[Foederaten]] in [[Savoyen]] und dem Wallis. Nach dem Tod von Flavius Aëtius 454 endete die römische Herrschaft über das Wallis, das an die nun hier lebenden Burgunden fiel und bis 1032 in deren Besitz blieb. Burgund war seit der Eroberung durch die Franken 534 ein [[Burgund (Frankenreich)|fränkisches Teilreich]] das nach der [[Fränkische Reichsteilung]] als [[Königreich Burgund]] fortbestand. [[Bild:Wallis1300.png|thumb|left|Wallis und Lötschental während der Herrschaft der Herren von Turn]] Die von den [[Franken (Volk)|Franken]] bedrängten Alamannen in Süddeutschland besiedelten ab dem späten 6.&nbsp;Jahrhundert die Nordschweiz und drangen ab dem 8.&nbsp;Jahrhundert über den Gemmi- und den Lötschepass ins Wallis ein.<ref>Renata Windler: ''„Franken und Alamannen in einem romanischen Land. Besiedlung und Bevölkerung der Nordschweiz im 6. und 7.&nbsp;Jahrhundert“'' (S. 261–268) In: Karl-Heinz Fuchs, Martin Kempa, Rainer Redies, Barbara Theune-Grosskopf, Andre Wais: ''Die Alamannen''. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1997</ref> Nach dem Niedergang der burgundischen Herrschaft kam es im 11.&nbsp;Jahrhundert zu einer raschen Alemannisierung des Oberwallis. Ihre Siedlungen sind ab dem frühen 11.&nbsp;Jahrhundert im Lötschental nachgewiesen (''Giätrich'' bei Wiler nach Ausgrabungen von 1990). Überlieferungen nach verdrängten sie dabei ein im Lötschental heimisches Volk, die ''Schurten'', von den fruchtbareren Siedlungsplätzen im Tal. Die ''Schurten'' mussten fortan in den kargen Bergwäldern auf der Schattenseite des Tals leben (im ''Obri Wald'' nahe Wiler wurden bei ebenjenen Ausgrabungen Reste einer Siedlung entdeckt) und wurden von den Alemannen für ihre Raubzüge gefürchtet. Als 1033 das [[Königreich Burgund]] unterging, wurde das Wallis reichsunmittelbar und unterstand somit direkt dem Kaiser des [[Heiliges Römisches Reich|Heiligen Römischen Reichs Deutscher Nation]]. In der Folgezeit entwickelte sich im Wallis der Kleinadel. Das Lötschental gelangte in den Besitz der [[Herren von Turn]]. Im Jahr 1233 stiftete Gyrold von Turn die Pfarrei in Kippel, die erste und bis ins 19.&nbsp;Jahrhundert einzige Pfarrkirche des Tals. Die Herren von Turn waren in zahlreiche Fehden verstrickt und rangen an der Seite des [[Haus Savoyen|Hauses Savoyen]] gegen die [[Zähringer]], die im Namen des Kaisers das [[Rektorat von Burgund]] ausübten (1127 bis 1218), um die Vorherrschaft im Wallis. Von zahllosen Auseinandersetzungen und Kriegen geschwächt, schlossen sich im 14.&nbsp;Jahrhundert Walliser Gemeinden zum Schutzbündnis der [[Zehnden]] zusammen und beriefen sich auf ihre Reichsunmittelbarkeit. Spätestens 1355 entstand der Bund der ''sieben Zenden'', der aus den Orten Goms, Brig, Visp, Raron, Leuk (die fünf oberen Zehnden) sowie Siders und Sitten (untere Zehnden) bestand. Diese vertrieben die Herren von Turn und ihre savoyischen Verbündeten aus dem Oberwallis und eroberten in der Folgezeit auch das Unterwallis. Fortan verwalteten sie sich selbst und lösten sich im 16.&nbsp;Jahrhundert aus der Unterstellung unter den [[Bistum Sitten|Bischof von Sitten]]. Nach der Vertreibung der Herren von Turn wurde auch das Lötschental politisch von den fünf oberen Walliser Zehnden abhängig. Übliche Bezeichnungen für das Lötschental waren im Mittelalter ''Vallis Lyche'' (1233 urkundlich erwähnt), ''Lyech'', ''Vallis Illiaca'' und ''Illiacensis superior''.<ref name="HLSLÖ">{{HLS|12907}}</ref> === Das Lötschental in der Neuzeit === [[Bild:Walliszenden1470.png|thumb|Das Lötschental im Besitz der sieben Zehnden (Gesteln-Lötschen).]] Im 17.&nbsp;Jahrhundert begannen auf der Berner Seite des Lötschepasses die Arbeiten zum Ausbau als Fuhrweg. Im Auftrag des Hauptmanns Abraham von Graffenried sollte die nach ihm ''Grafenriedsche Strasse'' genannte Verbindung den Handel stärken. Allerdings scheiterte das Vorhaben an religiösen Unstimmigkeiten und früheren Auseinandersetzungen mit den sieben Zehnden, die ihre Zustimmung für den Weiterbau der Passstrasse auf ihrem Gebiet verweigerten. Die Berner Bevölkerung hatte im Januar 1528 per Volksentscheid den Übertritt zur Reformation beschlossen, das Wallis blieb katholisch. Dies führte ab 1536 zu kriegerischen Konflikten, nachdem Savoyen das Unterwallis an Bern verloren hatte und sich angesichts der Niederlage mit den sieben Zehnden verbündete. Als die Berner aus dem Wallis vertrieben waren, besetzten die sieben Zehnden das Unterwallis und stellten es unter ihre Verwaltung. Im späten 16. und zu Beginn des 17.&nbsp;Jahrhunderts wütete die [[Pest]] im Wallis. Insbesondere in den Jahren 1578 und 1627 war auch das Lötschental betroffen, dessen Taleingang bei Gampel von Pestwachen abgeriegelt wurde. Im Jahr 1790 kauften sich die Lötscher für 10'000 Kronen von den fünf oberen Zehnden frei, wurden reichsunmittelbar und gaben sich im Jahr 1795 eine eigene Verfassung. Nach der Niederlage der sieben Zehnden gegen [[Napoléon Bonaparte|Napoléon]] in der Phynschlacht 1799 wurde das Wallis von französischen Truppen besetzt. Nach einigen Jahren als Republik gliederten die Franzosen das Wallis 1810 als [[Département du Simplon]] in das napoleonische Reich ein. Nach dem Niedergang Napoléons erklärte das Wallis am 13.&nbsp;März&nbsp;1814 seine Unabhängigkeit und trat im August des Jahres 1815 nach Beratungen des [[Wiener Kongress]]es als 20.&nbsp;Kanton der [[Schweiz]] bei. [[Bild:Grundsee am Langgletscher (komprimiert).jpg|thumb|left|Grundsee unterhalb des Langgletscher östlich der Fafleralp, ein typischer Schmelzwassersee des [[Gletschervorfeld]]es.]] Mit dem Beginn der [[Industrialisierung]] im Rhonetal im späten 19.&nbsp;Jahrhundert kehrten zahlreiche junge Lötscher ihrem Heimattal den Rücken, die Abwanderung konnte erst langsam durch den aufkommenden Tourismus und eine verbesserte Verkehrsanbindung in der ersten Hälfte des 20.&nbsp;Jahrhunderts gebremst werden. Die Talstrasse wurde schrittweise bis 1955 erbaut und verbindet seitdem das Rhonetal mit allen Gemeinden des Lötschentals. Für die kurze Zeit der Bauarbeiten am Lötschbergtunnel zwischen 1907 bis 1913 blühte das Tal wirtschaftlich auf, tausende Wanderarbeiter bevölkerten Arbeitsbaracken rund um Goppenstein. Seit den 1950er Jahren ist der Tunnel durch die neu eingerichtete Autoverladung ein wichtiger Transitweg zwischen der Nordschweiz und dem Wallis und dementsprechend stark frequentiert. Mit dem Bau des [[Lötschbergbasistunnel]]s wird die Verbindung durch das Lötschental zukünftig umgangen. 1898 löste sich Blatten als erste Kirchgemeinde vom Priorat Kippel, das bis dahin als Hauptort des Tales auch dessen zentraler Verwaltungssitz war. 1956 wurden Ferden und Wiler eine selbstständige Kirchgemeinde. Seit den 1970er Jahren ist das Lötschental verstärkt auf den Tourismus ausgerichtet, insbesondere auf Wintergäste. In den Jahren 1993, 1996 und 1999 kam es im Lötschental zu grösseren Lawinenabgängen. Die Lawinen im Winter 1999 beschädigten oder zerstörten auf der Gletscheralp sowie im Weiler Ried bei Blatten einzelne Ökonomiegebäude, Alphütten und Wohnhäuser. Seither wurden weitere Massnahmen zum Schutz der Bevölkerung sowie der Kommunikations- und Verkehrsverbindungen getroffen, unter anderem die Lawinenschutzdämme zwischen Kippel und Wiler sowie der Bau bzw. die Verlängerung von Strassengalerien. Am 13.&nbsp;Dezember&nbsp;2001 wurde das [[Jungfrau-Aletsch-Bietschhorn]]-Gebiet, zu dem südliche und östliche Teile des Tals gehören, mit Beschluss des Welterbe-Komitees der [[UNESCO]] in die ''World Heritage List'' (UNESCO-[[UNESCO-Welterbe|Welterbe]]) aufgenommen. Seither stehen der Anengletscher und das Gletschervorfeld bis zur Fafleralp unter strengem Naturschutz. == Wirtschaft und Versorgung == [[Bild:Bietschhornkulisse2.jpg|thumb|Bietschhorn und auslaufender Grat zum Langgletscher. Im Vordergrund die für das Wallis typischen [[Eringer]]kühe.]] Die Bewohner des Lötschentals lebten bis ins frühe 20. Jahrhundert fast ausschliesslich von der Land- und Viehwirtschaft, die vor allem in den Sommermonaten durch die [[Almbewirtschaftung]] betrieben werden konnte. Während die Ackerbewirtschaftung bis auf einige Jahre der Lebensmittelknappheit während des [[Zweiter Weltkrieg|Zweiten Weltkriegs]] im Zuge des [[Plan Wahlen]] mehrheitlich verschwand, wird die Viehwirtschaft bis heute betrieben. Die meisten Weide- und Ackerflächen liegen im Tal und an den sonnenzugewandten Hängen der Nordflanke. Hier werden vorwiegend Schafe, aber auch Rinder zur Milchwirtschaft gehalten, häufig die im Wallis typischen [[Eringer]]kühe. Dagegen ist die steile Südflanke weitgehend bewaldet und bietet nur an wenigen Stellen Weideflächen, vorwiegend für weniger anspruchsvolle Ziegen und Schafe. Einen Nebenerwerb stellt die [[Holzwirtschaft]] dar, die gleichzeitig auch zur Versorgung der Bevölkerung mit Brennholz genutzt wurde. Noch heute lassen sich insbesondere am Nordhang baumfreie Gefällsabschnitte erkennen, die einst zum Abtransport des Holzes benutzt wurden. Bis Ende des 19. Jahrhunderts war das abgeschiedene Tal von der Aussenwelt isoliert, auch weil der einst vielbegangene Lötschepass seine Bedeutung als transalpiner Handelsweg weitgehend eingebüsst hatte. Das karge Dasein der Bergbauern wirkte sich auf alle Lebensbereiche der Menschen aus und prägt bis heute das Bild des Tales. Die Menschen fertigten ihre Bedarfsgüter weitgehend in Eigenarbeit und fanden ein knappes Auskommen durch die Bewirtschaftung der Bergweiden, jedoch waren Hunger und Elend keine Seltenheit. In dieser Atmosphäre entwickelte sich eine strenge, fromme und autarke Talgemeinschaft.<ref name="Tissot">Victor Tissot: ''La Suisse inconnue'' 1888</ref> Immer wieder kehrten vor allem junge Lötscher ihrem Tal den Rücken, um im Rhonetal ihr Auskommen zu suchen. Im 20. Jahrhundert, vor dem Ausbau der Talstrasse, begann eine zunehmende Überalterung der Bevölkerung des Tales. [[Bild:Lonzastausee k.jpg|thumb|left|Der 1975 errichtete Lonza-Stausee bei Ferden. Die Staumauer ist 67 Meter hoch und 126 Meter breit.]] Ab der zweiten Hälfte des 19.&nbsp;Jahrhundert fanden einige Lötscher Anstellung in Blei-, Silber- und Anthrazitminen, die im unteren Tal bei Goppenstein und Mittal von englischen Minengesellschaften errichtet wurden. Um die Rohstoffe abtransportieren zu können, bauten sie den bisherigen Fussweg von Gampel nach Goppenstein zu einem Fuhrweg aus, das obere Tal blieb jedoch weiterhin nur zu Fuss erreichbar. Nach der Erstbesteigung des Hockenhorns durch den Engländer [[Arthur Thomas Malkin]] im Jahr 1840 begannen zunächst vor allem britische Alpinisten sich für das Tal zu interessieren. Nach dem Bau des ersten Hotels in Ried 1868 stellten sich die Lötscher zögerlich auf den langsam aufkommenden Tourismus ein.<ref name="Tissot"/> Ende des 19.&nbsp;Jahrhunderts gründeten sich einige fortschrittliche Vereine, darunter eine Theater- und Musikgesellschaft in Ferden. Der Bau des [[Lötschbergtunnel]]s von 1906 bis 1913, dessen Südportal bei Goppenstein liegt, brachte das erste Mal eine grosse Zahl an Arbeitsplätzen und fremde Arbeiter in das Tal. Neben Goppenstein profitierten auch die anderen Orte des Tals von dem Projekt. Es wurden Hotels gegründet, die Menschen richteten sich auf die Bedürfnisse der Gastarbeiter ein und öffneten sich talfremden Einflüssen. Seit der Fertigstellung des Tunnels verfügt das Lötschental mit dem Bahnhof in Goppenstein über eine Bahnanbindung. Zunehmend fanden Lötscher auch Anstellungen in Fabriken im Rhonetal, wo die Industrialisierung im späten 19.&nbsp;Jahrhundert einsetzte. Im Jahr 1898 wurde in Gampel die [[Lonza Group|Lonza AG]] gegründet, die zunächst mit dem Wasser der Lonza Strom erzeugte und einigen Dutzend Talbewohnern Arbeit bot. Nach zwölf Jahren Bauzeit konnte 1939 eine Strassenverbindung von Gampel nach Ferden in Betrieb genommen werden. Bis 1953 wurde die Strasse nach Wiler, bis 1954 nach Blatten erweitert. Somit war das Tal mit Autos und Postauto vom Rhonetal aus erreichbar, den Einheimischen bot sich die Chance, als Pendler ausserhalb des Tales zu arbeiten. Mit der besseren Verkehrsanbindung setzte in der zweiten Hälfte des 20.&nbsp;Jahrhunderts eine verstärkte Ausrichtung auf den Tourismus ein, der bald zahlreiche Arbeitsplätze schuf. Den Talbewohnern bot sich so eine Perspektive in ihrer Heimat, so dass der Bevölkerungsrückgang gestoppt werden konnte. Die Talstrasse wurde ab den 1980er Jahren weiter ausgebaut und mit zahlreichen Galerien und Tunnel versehen, so dass sie ganzjährig befahrbar ist. Der 1985 errichtete Mittal-Tunnel umgeht den engen und steilen Abschnitt des unteren Lötschentals zwischen Gampel und Goppenstein und führt zwischen [[Hohtenn]] und Goppenstein 4,2 Kilometer durch den Berghang des Hohgleifen. Insbesondere der Ausbau der Zufahrt bis Goppenstein war durch das hohe Verkehrsaufkommen zum dortigen Autoverladebahnhof nötig geworden. Seit 1975 wird das Tal weitgehend mit dem Strom des Lonza-Stausees versorgt, der die Lonza auf einer Länge von rund zwei Kilometern aufstaut. === Tourismus === [[Bild:Lauchernalp k.jpg|thumb|Die vor allem für den Wintersport ausgebaute [[Lauchernalp]] im Sommer von Osten (Weritzalp) aus gesehen.]] Der [[Tourismus]] des Lötschentals hat seine Wurzeln im 19.&nbsp;Jahrhundert, als britische Alpinisten das Tal für sich entdeckten und erste Hotels gegründet wurden (das erste 1868 in Ried). In den folgenden Jahrzehnten entwickelte sich Kippel zu einem beliebten Standort für Touristenherbergen. Noch heute bestehen einige Hotels aus der Zeit der Jahrhundertwende. Allerdings blieb das insbesondere im Winter schlecht erreichbare Tal bis zum Ausbau der Talstrasse in der Mitte des 20.&nbsp;Jahrhunderts für den Breitentourismus kaum erschlossen. Mit der Talstrasse begann auch der Fremdenverkehr aufzuleben; kamen anfangs vorwiegend Sommergäste, so änderte sich dies mit dem Ausbau der Wintersportmöglichkeiten in den 1970er Jahren. Zu dieser Zeit wurde die [[Lauchernalp]] oberhalb von Wiler zu einem Wintersportzentrum ausgebaut. Erreichbar mit der 1972 eingeweihten Luftseilbahn, bot das Skigebiet zahlreiche Pisten und neu errichtete Liftanlagen. 2003 wurde das Wintersportgebiet Lauchernalp um die Gletscherbahn auf den Hockenhorngrat in 3111 Meter Höhe erweitert und ist damit das fünfthöchste Skisportgebiet der Schweiz. Die zahlreichen Hotels und Ferienwohnungen in den Orten des Tals verzeichnen jährlich 150'000 bis 200'000 Logiernächte, davon zwei Drittel in der Wintersaison. Daneben bestehen in Kippel und an der Fafleralp zwei Campingplätze. Das Lötschental verfügt über rund 200 Kilometer ausgebaute Wander- und Bergpfade. Der bekannteste ist der Lötschentaler Höhenweg, der alle an der Nordflanke gelegenen Alpen verbindet und seinen Ausgangspunkt an der Luftseilbahnstation der Lauchernalp hat. Von der Fafleralp aus sind Gletschertouren über den Anengletscher möglich. 1994/95 wurde zuhinderst im Lötschental auf {{Höhe|2355|CH}} die ''Anenhütte'' mit 50 Uebernachtungsplätzen erbaut. Sie wurde jeweils vom März bis Oktober für Berg- und Skitouren z.B. auf das [[Mittaghorn (Lauterbrunnen)|Mittaghorn]] und über die [[Lötschenlücke]] benutzt. Am 3. März 2007 wurde die Hütte durch eine heftige Staublawine restlos zerstört. Ab September 2007 wurde eine neue, lawinensichere Hütte gebaut, welche im Sommer 2008 eröffnet wurde.<ref>[http://anenhuette.ch.amadeus.sui-inter.net/sites/huette/allgemein.html Geschichte der Anenhütte] auf der Webseite www.anenhhuette.ch</ref> == Bevölkerung == Im Lötschental leben heute rund 1500 Bewohner, die vorwiegend von den alemannischen [[Walser]]n abstammen. Die Bevölkerungszahlen des Tals sind in den letzten Jahrhunderten nur unterdurchschnittlich angestiegen. Seit dem 18. Jahrhundert, als rund 800 Menschen im Tal lebten,<ref name="HLSLÖ"/> fand lediglich eine Verdopplung der Einwohnerzahl statt. Dies hat seine Ursache in der räumlichen Begrenztheit des Tales, Hungersnöten und einer starken Abwanderung gerade junger Lötscher. Während diese sich im Mittelalter und in der frühen Neuzeit meist als Wanderarbeiter und Söldner verdingten, zog es sie im 19. und frühen 20.&nbsp;Jahrhundert in die Arbeitsquartiere des Rhonetals. Das Leben der Talschaft wurde bis ins 19.&nbsp;Jahrhundert von der althergebrachten Talordnung bestimmt. In Zeiten der Selbstverwaltung berieten die Abgesandten der Dorfschaften bei Versammlungen in Kippel über die Politik im Tal. Unterstand das Tal auswärtigen Herren, so wurde es meist von Verwaltern regiert. Daneben hatte die Pfarrei in Kippel einen wesentlichen Einfluss auf die Entwicklungen im Tal. == Kultur und Brauchtum == In dem seit jeher abgeschiedenen Lötschental blieben zahlreiche archaisch anmutende Bräuche und Traditionen der hier siedelnden Walser erhalten, die ansonsten nur noch in wenigen isolierten Tälern der Alpen zu finden sind. Bei Trachten, Dialekt und Bräuchen sind zahlreiche Unterschiede selbst zu naheliegenden Gemeinden des Rhonetals zu erkennen. Bis in die Gegenwart wird von den Einwohnern [[Walliserdeutsch]], ein [[Höchstalemannisch|höchstalemannischer Dialekt]] gesprochen. Viele althergebrachte, auf heidnische alemannische Rituale zurückgehende Bräuche sind in das Leben der überwiegend katholischen Bevölkerung integriert worden und werden bis heute gepflegt. Die jährlichen kulturellen Höhepunkte sind neben den kirchlichen Festtagen der [[Almauftrieb|Alpauf-]] und [[Almabtrieb|Alpabzug]]. Bis ins beginnende 18.&nbsp;Jahrhundert beherrschten tiefe Religiosität und Aberglaube die Bevölkerung. Wie auch in anderen Gebieten der Schweiz und insbesondere des Wallis kam es im Lötschental zu [[Hexenverfolgung]]en.<ref name="Chappaz">Maurice Chappaz: ''Lötschental. Die wilde Würde einer verlorenen Talschaft.''</ref> Die Erinnerung an Geschehnisse und Mythen der Vergangenheit wurde im kollektiven Gedächtnis der Talschaft durch einen umfangreichen, meist mündlich überlieferten, Sagenschatz zum Teil bis in die heutige Zeit erhalten. Diese [[Sage]]n dienten früher vorwiegend zur Unterhaltung und zur Erziehung der Kinder in die soziale Gemeinschaft des Tals. === Tschäggätta === [[Bild:809590039 806069f41d b.jpg|thumb|Traditionelle Tschäggätta-[[Larve (Maske)|Larven]] als Hausschmuck in Wiler.]] [[Bild:Tschaggatta (22).JPG|thumb|Tschäggätta]] Die im Lötschental typischen Tschäggätta-Verkleidungen mit den zugehörigen [[Larve (Maske)|Larven]] werden zur [[Karneval, Fastnacht oder Fasching|Fastnachtszeit]] zwischen [[Darstellung des Herrn|Mariä Lichtmess]] am 2. Februar und [[Aschermittwoch]] traditionell nur von ledigen jungen Männern getragen. Die Tschäggätta-Verkleidung besteht aus Tierfellen (meist Schaf- oder Ziegenfelle), die den ganzen Körper verhüllen, der überlebensgrossen, vor dem Gesicht getragenen, handgeschnitzten und bemalten Larven (Maske), mit speziellen, handgemachten Woll-(Garn-)handschuhen (auch ''Triämhändschn'' genannt) und einem langen Stock, der mit Glocken oder lärmenden Gegenständen bestückt ist. In diesem Aufzug ''überfallen'' die Jugendlichen der vier Orte die jeweils angrenzenden Dörfer. Sie lärmen, erschrecken die Bewohner und schwärzen die Gesichter von Kindern mit Russ (in Bezugnahme auf das christliche Aschekreuz am Aschermittwoch). In früheren Jahrhunderten soll es dabei auch zu Handgreiflichkeiten und Übergriffen gekommen sein, so dass immer wieder von Seiten der Herrschaft gegen das oft mehrere Tage dauernde Treiben vorgegangen wurde.<ref name="Chappaz"/> Heute wird der Tradition gesitteter in Form von Umzügen Genüge getan, der grösste findet jeden Fastnachtssamstag in Wiler statt. Der heidnisch-alemannische Brauch der Tschäggätta (verwandt mit Riten der [[Alemannische Fastnacht|alemannischen Fastnacht]]) wurde im Mittelalter mit den katholischen Bräuchen der Fasnacht und des Aschermittwochs vermischt und hat seither seinen festen Platz im Lötschentaler Brauchtum. Ebenso besteht die Vermutung, dass die wilden Gestalten an die Überfälle der ''Schurten'' auf die ersten alemannischen Siedler erinnern sollen.<ref name="Anneler"/><ref>Migros-Genossenschafts-Bund (Herausgeber): ''Feste im Alpenraum''. Migros-Presse, Zürich, 1997. ISBN 3-9521210-0-2, Seite 78</ref> === Herrgottsgrenadiere === Die Herrgottsgrenadiere sind traditionelle Festverkleidungen, die von jungen Männern der eingesessenen Familien getragen werden. Bei kirchlichen und weltlichen Festen werden die Paradeuniformen der [[Grenadier]]e, die meist innerhalb der Familien weitervererbt werden, angezogen. Damit wird an die Lötscher erinnert, die aus dem Tal auszogen um als [[Söldner]] tätig zu werden. Kehrten sie nach ihrer Dienstzeit wieder in ihre Heimat zurück, trugen viele zu besonderen Anlässen die Paradeuniform ihrer einstigen Einheit. Daraus ergab sich eine bunte Vielfalt an Uniformen, da die Söldner in unterschiedlichen Armeen dienten. Nach ihrem Tod vermachten sie ihre Uniform ihren Söhnen, die sie an ihrer Statt weiter trugen und damit die Tradition begründeten. Heute tragen die Herrgottsgrenadiere ähnlich den Gardevereinen bei kirchlichen Prozessionen und weltlichen Festen einheitliche Uniformen. Ausser bei kirchlichen Anlässen marschieren sie mit Fantasiefahnen und zu Blasmusik. Die heute einheitliche Uniform ist nach Mustern des 17.&nbsp;Jahrhunderts gestaltet. == Erwähnenswertes == Im Lötschental wurde 1914 der Legende nach das letzte ''Nasobema ferox L.'' gewildert, ein Fabeltier, das durch die als [[wissenschaftlicher Witz]] verfasste Abhandlung ''[[Bau und Leben der Rhinogradentia]]'' des Zoologieprofessors [[Gerolf Steiner]] alias Harald Stümpke bekannt wurde und auf das Gedicht ''[[Nasobem|Das Nasobēm]]'' von [[Christian Morgenstern]] zurückgeht. == Einzelnachweise == <references/> == Literatur == * Hedwig Anneler: ''Lötschen. Landes- u. Volkskunde des Lötschentales''. Akademische Buchhandlung Max Drechsler, 1917 (Nachdruck 1980). * Fritz Bachmann-Voegelin: ''Blatten im Lötschental. Die traditionelle Kulturlandschaft einer Berggemeinde''. Bern 1984. * [[Maurice Chappaz]]: ''Lötschental. Die wilde Würde einer verlorenen Talschaft. In historischen Photographien von Albert Nyfeler''. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 1979, (Nachdruck 1990). * Susanne Schmidt: ''Die reliefabhängige Schneedeckenverteilung im Hochgebirge. Ein multiskaliger Methodenverbund am Beispiel des Lötschentals (Schweiz)''. Dissertation im Selbstverlag. Bonn 2006 (Kapitel 2 – Untersuchungsgebiet, S. 17 bis 29. Beschreibung von Topographie, Geologie und Klima des Lötschentals). == Weblinks == * {{HLS|12907}} * {{Commonscat|Tschäggättä}} * [http://www.loetschentalermuseum.ch Webpräsenz des Lötschentalmuseums in Kippel] (teils ergänzende Informationen und Bildmaterial) * [http://www.sf.tv/sf1/heimkino/index.php?docid=20080810 Dokumentarfilme von Carl Abächerli (1893–1986) über das Lötschental] (Schweizer Fernsehen, 10. August 2008) * [http://www.loetschental.ch Webseite von Lötschental Tourismus] {{DEFAULTSORT:Lotschental}} [[Kategorie:Tal im Kanton Wallis]] [[Kategorie:Wintersportgebiet in der Schweiz]] {{Coordinate |text = |article=DMS/CH1903 |NS =46.41069<!--{{subst:CH1903-WGS84|630|140.001 || koor=B|subst=subst:}}--> |EW =7.828798<!--{{subst:CH1903-WGS84|630|140.001 || koor=L|subst=subst:}}--> |type =landmark |pop = |elevation= |dim =25000 |region =CH-VS }} {{Exzellent}} [[en:Lötschental]] [[fr:Lötschental]] [[it:Lötschental]] [[nl:Lötschental]] 3k1j728xfwsat67na10iptdcj5e6g7s wikitext text/x-wiki Echtes Mädesüß 0 23502 28389 26101 2011-09-22T10:47:06Z Inkowik 524 {{Taxobox | Taxon_Name = Echtes Mädesüß | Taxon_WissName = Filipendula ulmaria | Taxon_Rang = Art | Taxon_Autor = [[Carl von Linné|L.]] | Taxon2_Name = Mädesüß | Taxon2_WissName = Filipendula | Taxon2_Rang = Gattung | Taxon3_WissName = Rosoideae | Taxon3_Rang = Unterfamilie | Taxon4_Name = Rosengewächse | Taxon4_WissName = Rosaceae | Taxon4_Rang = Familie | Taxon5_Name = Rosenartige | Taxon5_WissName = Rosales | Taxon5_Rang = Ordnung | Taxon6_Name = Eurosiden I | Taxon6_Rang = ohne | Bild = FilipendulaUlmaria.jpg | Bildbeschreibung = Echtes Mädesüß (''Filipendula ulmaria'') }} [[Datei:Illustration Filipendula ulmaria0.jpg|thumb|Illustration]] [[Datei:Filipendula ulmaria 04 ies.jpg|thumb|Blütenstand]] [[Datei:Filipendula ulmaria2 ies.jpg|thumb|Nahaufnahme einzelner Blüten]] [[Datei:Moerasspirea vrucht en zaden Filipendula ulmaria.jpg|thumb|Nüsschen des Echten Mädesüßes]] Das '''Echte Mädesüß''' (''Filipendula ulmaria'') ist eine in fast ganz [[Europa]] heimische [[Mehrjährige Pflanzen|mehrjährige]] [[Krautige Pflanzen|krautige Pflanze]], die zu der Familie der Rosengewächse (Rosaceae) gehört. Man findet sie auf [[Nährstoff (Pflanze)|nährstoffreichen]] [[Feuchtwiese|Feucht- und Nasswiesen]], an Gräben und Bachufern sowie in [[Waldgesellschaften Mitteleuropas|Erlen-Eschenwäldern]]. An selten gemähten und nährstoffreichen Gewässerrändern ist das Echte Mädesüß eine Leitstaude der Mädesüß-[[Hochstaudenflur]]en (Filipendulion). == Namensherkunft == Für die deutsche Bezeichnung „Mädesüß“ gibt es mehrere Erklärungsansätze. Die am häufigsten genannte Erklärung verweist darauf, dass Mädesüß früher zum Süßen und Aromatisieren von [[Wein]] und insbesondere [[Met]] verwendet wurde. Der Name bedeute daher „Metsüße“ - wobei dieser Honigwein allerdings seltener ein weiteres Süßungsmittel, dagegen aufgrund des eher flachen Weingeschmacks ein Aroma benötigte, zu dem das Mädesüß beigetragen haben mag. Mädesüß ist allerdings auch eine „Mahdsüße“, denn nach dem Absensen verströmen die verwelkenden Blätter und Stängel einen süßen Geruch. ''Mede'' ist zugleich ein altertümlicher Begriff für Grasland, auf dem das Mädesüß auch tatsächlich wächst, wenn der Boden ausreichend feucht ist. Für diese Herkunft spricht zum Beispiel der englische Name ''meadow sweet.'' Auf jeden Fall ist der Name nicht von einem „Süßen Mädel“ herzuleiten. Im [[Volksmund]] trägt das Echte Mädesüß eine Reihe weiterer Namen. In einigen Regionen wird es aufgrund ihrer ulmenähnlichen Blätter auch „Rüsterstaude“ genannt und „Bacholde“, weil seine Blüten an die des [[Schwarzer Holunder|Holunders]] erinnern. „Wiesenkönigin“ spielt auf die auffällige Größe der Staude an und „Federbusch“ oder „Spierstrauch“ auf die Form des Blütenstands. Im Nordschwarzwald wird die Staude als „Geißripp“ bezeichnet. Der Volksmund hat für die attraktive Pflanze allerdings auch weniger poetische Namen gefunden. In einigen Regionen wird sie wegen ihrer Verwendung bei [[Durchfall]]erkrankungen auch „Stopparsch“ genannt. Ein weiterer alter Name für das Echte Mädesüß lautet „Waldbart“. == Beschreibung == Das Echte Mädesüß ist eine [[Staude]] und erreicht Wuchshöhen zwischen 50 und 150, bisweilen 200 Zentimetern. Die [[Stängel]] der Pflanze sind rötlich überlaufen und verzweigen sich erst im oberen Teil. Die [[Blatt (Pflanze)|Blätter]] sind dunkelgrün gefiedert und stark geadert sowie an der Unterseite weiß beflaumt. Die Fiederblättchen der Laubblätter erinnern an die Blätter der [[Ulmen]], worauf auch die wissenschaftliche Bezeichnung "''ulmaria''" hindeutet. Beim Zerreiben setzen sie einen Geruch nach [[Salicylaldehyd]] (wie Rheumasalbe) frei. Auffällig sind die [[Blütenstand|Blütenstände]] der Pflanze, die spirrig doldentraubig wachsen und aus vielen creme- bis gelblichweißen Einzelblüten bestehen. Sie erscheinen im Juni bis August und verströmen insbesondere abends einen intensiven, honig- bis mandelartigen Geruch. Die einzelnen Blüten sind sehr klein; die [[Kelchblatt|Kelchblätter]] sind selten länger als einen Millimeter. Die gelblichweiß gefärbten [[Kronblatt|Kronblätter]] erreichen dagegen eine Länge bis zu fünf Millimetern. Die sechs bis zehn [[Fruchtblatt|Fruchtblätter]] werden von zahlreichen [[Staubblatt|Staubblättern]] gesäumt, welche einen weißen Faden sowie gelbe [[Staubbeutel]] aufweisen. Der eiförmige, grüne [[Fruchtknoten]] besitzt einen weißen [[Griffel (Botanik)|Griffel]] mit rundlichen, gelben [[Narbe (Botanik)|Narben]]. Aus den bestäubten Blüten entwickeln sich bis zu drei Millimeter lange, unscheinbar erscheinende [[Nussfrucht|Nüsschen]], die sichelförmig gekrümmt sind und häufig zu sechst bis acht zusammenstehen. Aufgrund dieser spezifischen Fruchtform lässt sich das Echte Mädesüß gut vom [[Kleines Mädesüß|Kleinen Mädesüß]] (''Filipendula vulgaris'') unterscheiden, bei dem die Nüsschen eine gerade Form haben. Mit zunehmender Reife verändert sich die Farbe der Nüsschen von grün zu braun. == Ökologie == Mit ihrem reichlichen Pollenangebot und dem süßen Blütenduft lockt das Echte Mädesüß vor allem [[Bienen]], pollenfressende [[Fliegen]] und [[Schwebfliegen]] an. Zu den [[Bestäubung|bestäubenden]] Insekten gehören aber auch Käfer. Im Oktober sind die Nüsschen ausgereift, haben eine flache Form und eine hellbraune, harte Fruchtwand. Mit dem Reifeprozess erhöht sich der Lufteinschluss in den Nüsschen. Der damit verbundene Gewichtsverlust trägt dazu bei, dass die Nüsschen vom Wind besser weggetragen werden können (sogenannte [[Anemochorie]]). In den Nüsschen befinden sich die lediglich einen Millimeter langen Samen. Man zählt das Echte Mädesüß zu den „[[Wintersteher]]n“, denn die reifen Nüsschen werden nur allmählich durch den Wind vom Fruchtboden abgelöst und ausgebreitet ([[Semachorie]]). Gelegentlich findet man noch im Frühjahr an den vertrockneten Blütenzweige verbliebene Nüsschen. Wie viele andere Pflanzen nutzt das Echte Mädesüß allerdings auch andere Ausbreitungsmechanismen, um seinen Samen möglichst weit zu streuen. Die Nüsschen des auch im Uferbereich von Gewässern wachsenden Mädesüß sind aufgrund des hohen Lufteinschlusses schwimmfähig und werden, wenn sie ins Wasser fallen, von diesem weggetragen ([[Nautochorie]]). Die Nüsschen zählen jedoch auch zu den Anhaftern ([[Epichorie]]), denn sie bleiben leicht an Tierfellen haften und werden so in die Umgebung der Pflanze getragen. == Verbreitung, Standort und Vergesellschaftung == Echtes Mädesüß ist in großen Teilen [[Europa]]s mit Ausnahme des südlichen [[Mittelmeergebiet]]es zu finden. Es ist außerdem in Nord- und Mittel[[asien]] beheimatet. In den Osten Nordamerikas wurde die Art eingeführt. In Mittelasien grenzt das Verbreitungsgebiet an jenes des [[Rosa Mädesüß]] an, das von [[Sibirien]] bis [[Kamtschatka]] zu finden ist und dort in nebel- und regenreichen Gebieten wächst. Auf der Kamtschatka-Halbinsel wächst außerdem das [[Kamtschatka-Mädesüß]], die mit einem Wachstum von bis zu drei Metern größte Mädesüß-Art, die auch im nördlichen [[Japan]] verbreitet ist. Mädesüß wächst auf sicker- oder grundnassen oder feuchten, nährstoffreichen, schwach bis mäßig sauren, sandigen oder reinen Lehm- und Tonböden bzw. Sumpfhumusböden, ferner auf Torfen. Es ist eine Licht- bis Halbschattenpflanze. Ursprünglich war das Echte Mädesüß vor allem in [[Bruchwälder|Erlen-Eschenwäldern]] zu finden, die früher die Bach- und Flussauen prägten. Da diese Waldgesellschaften heute in Mitteleuropa nur noch in Fragmenten vorhanden sind, wächst das Echte Mädesüß „ersatzweise“ entlang von Wassergräben und Bächen und ist außerdem häufig auf [[Feuchtwiese]]n zu finden, die selten (höchstens einschürig) gemäht werden. [[Datei:Maedesuess 1.jpg|thumb|Mädesüß-[[Hochstaudenflur]] an einem Gewässerufer]] [[Pflanzensoziologie|Pflanzensoziologisch]] ist das Echte Mädesüß die Verbands[[charakterart]] des Filipendulion (Mädesüß-Fluren), kommt aber auch in anderen Molinietalia-Gesellschaften (Nasswiesen, nasse Hochstaudenfluren) vor, außerdem in Convolvuletalia-Gesellschaften (nitrophytische Uferstaudengesellschaften nasser Standorte) sowie im Alno-Ulmion (Hartholzauwälder). Es gibt Überlegungen, dass Hochstaudengesellschaften wie die Mädesüß-Fluren pflanzensoziologisch von den Wirtschaftswiesen (Molinio-Arrhenatheretea) abgegrenzt und als eigene Klasse aufgefasst werden könnten.<ref>Erich Oberdorfer: ''Pflanzensoziologische Exkursionsflora.'' Ulmer, Stuttgart 1990 (6. Aufl.), ISBN 3-8001-3454-3</ref><ref>Richard Pott: ''Die Pflanzengesellschaften Deutschlands.'' UTB, Ulmer, Stuttgart 1992, ISBN 3-8252-8067-5 (UTB)</ref><br /> Die blütenreiche Vegetation wird typischerweise aus dem namensgebenden Mädesüß und Arten wie [[Gewöhnlicher Wasserdost|Wasserdost]] (''Eupatorium cannabinum''), [[Echter Baldrian]] (''Valeriana officinalis''), [[Sumpfziest]] (''Stachys palustris''), [[Gewöhnlicher Blutweiderich|Blutweiderich]] (''Lythrum salicaria''), [[Gewöhnlicher Gilbweiderich|Gilbweiderich]] (''Lysimachia vulgaris''), [[Große Brennnessel]] (''Urtica dioica''), [[Sumpf-Schachtelhalm]] (''Equisetum palustre'') und [[Rohrglanzgras]] (''Phalaris arundinacea'') gebildet. Ferner zählen [[Echter Beinwell]] (''Symphytum officinale''), [[Sumpf-Storchschnabel]] (''Geranium palustre''), [[Zottiges Weidenröschen]] (''Epilobium hirsutum'') und gelegentlich die [[Sumpf-Schwertlilie]] (''Iris pseudacorus'') zur Begleitflora. == Inhaltsstoffe und Verwendung == Mädesüß enthält unter anderem [[Salicylsäure|Salicylate]], [[Flavonoide]], [[Gerbsäure]]n, [[ätherisches Öl]] und [[Zitronensäure]], außerdem ein schwach giftiges [[Glykosid]], das bei entsprechend hoher Dosierung Kopfschmerzen auslösen kann. === Verwendung in der Küche === Aus den Blüten kann man einen aromatischen Tee herstellen; die Wurzel und die Triebe gelten als essbar.<br /> Alle Pflanzenteile, insbesondere die Blüten, eignen sich zum Aromatisieren von Süß- und Fruchtspeisen sowie Getränken, denen sie einen süßlich-herben Geschmack verleihen. In der [[Deutsche Küche|deutschen Küche]] verwendet man Mädesüß allerdings eher selten. Häufiger wird Echtes Mädesüß in der [[Französische Küche|französischen]] und [[Belgische Küche|belgischen Küche]] verwendet. Man macht sich zu Nutze, dass in Flüssigkeit getauchte Blüten ihre Geschmacksstoffe an die Flüssigkeit gut abgeben. Ungeschlagene Sahne nimmt den honig-mandelartigen Geschmack an, wenn über Nacht die Blüten in ihr ziehen konnten. Mädesüß-[[Sorbet]] wird gelegentlich als Zwischengang oder Abschluss eines Essens gereicht, da die Pflanze Sodbrennen entgegenwirken soll. Auch [[Wein]] wird manchmal mit den Blüten aromatisiert, wenn er entweder schon zu alt oder geschmacklich zu flach ist. === Verwendung als Duftpflanze === Aufgrund des süß-herben Duftes, der von vielen Menschen als angenehm empfunden wird, war Mädesüß einst ein beliebtes [[Streukraut]]. Man bestreute damit am Morgen den Holzfußboden mit verschiedenen Kräutern und kehrte die Blätter und Stängel wieder aus, wenn sie abends vertrocknet waren und ihren Duft nicht mehr verströmten. Allerdings war es auch gängig, Mädesüßstreu tage- bis wochenlang zu benutzen, da es seinen Duft noch sehr lange verströmt. In England wird Mädesüß Duftpotpourris beigemischt, um diesen eine etwas rundere Note zu verleihen. So war sie die bevorzugte Aromapflanze der englischen Königin [[Elisabeth I.]]. Allerdings wird der Duft nicht von allen gleichermaßen geschätzt. Von einigen Menschen wird der Geruch als zu aufdringlich empfunden, was der Pflanze auch den volkstümlichen Namen „''Wiesenschabe''“ eingetragen hat. === Verwendung in der Pflanzenheilkunde === [[Datei:Filipendula-ulmaria.JPG|thumb|Habitus von Echtem Mädesüß]] [[Datei:Mädesüß345.JPG|thumb|Ansicht der Laubblätter]] Mädesüß ist eine alte [[Heilpflanze]]. Sie wird bereits von [[Theophrastos von Eresos|Theophrast]] erwähnt :"''...die Blüten in Wein gekocht und getrunken, befreit die Pflanze von Anfällen des Viertagefiebers''", schrieb [[John Gerard]] über diese Pflanze im Jahre 1597. [[Adam Lonitzer|Lonicerus]] und [[Hieronymus Bock]] bezeichneten die Wurzeln des Mädesüß als gallereinigend und nützlich bei der Roten Ruhr. Das Kraut sollte, äußerlich angewandt, Geschwüre zerteilen und Pfeile und Dornen ausziehen. Auch heute wird noch in vielen [[Pflanzenheilkunde|pflanzenheilkundlichen]] Büchern Mädesüß (''Spiraeae flos'', ''Flores Spiraeae'', syn. ''Flores Reginae prati'', ''Flores Spiraeae ulmariae'', ''Flos Ulmariae'', ''Ulmariae flores'') als mildes, sanftes Schmerz- und Fiebermittel empfohlen, da Mädesüß [[Salicylsäure]] enthält. Die Blüten und die jungen Blätter des Mädesüß werden zu Tee verarbeitet, dem eine gute harntreibende, entzündungshemmende sowie antirheumatische Wirkung nachgesagt wird. Da die in der Pflanze enthaltenen Stoffe jedoch wie bei vielen anderen pflanzlichen Mitteln abhängig von Standortbedingungen in ihrer Dosis stark schwanken, wird in der Regel empfohlen, sich die Pflanzenbestandteile in der Apotheke zu besorgen. Mädesüß soll die übermäßige Produktion von Magensäure eindämmen und so Sodbrennen entgegenwirken.<ref>BLV Enzyklopädie der Heilpflanzen</ref> Medizingeschichtlich ist Mädesüß interessant, da lange Zeit aus ihren Blütenknospen Salicylsäure gewonnen wurde, ein entzündungshemmender Wirkstoff, der heute in abgewandelter Form als synthetisch hergestellte [[Acetylsalicylsäure]] verkauft wird. Das Echte Mädesüß, das man damals botanisch noch den [[Spiersträucher]]n (''Spiraea'') zuordnete, hat zur Entwicklung des Markennamens ''Aspirin'' beigetragen. Während das "A" für Acetyl steht, ist "''spirin''" aus dem Begriff "Spiraeasäure" abgeleitet. {{Gesundheitshinweis}} == Kulturgeschichtliche Besonderheiten == {{Quellen}} In Russland reiben Imker gelegentlich die [[Bienenstock|Bienenstöcke]] mit den Blüten ein, damit die Bienen nicht krank werden und mehr Honig einbringen. Ähnlich wie bei der [[Zitronenmelisse]] lässt sich bei Bienen tatsächlich eine Reaktion auf den Blütengeruch feststellen. [[Druide]]n war die Pflanze heilig. Gemeinsam mit der [[Misteln|Mistel]], der [[Wasserminze]] und dem [[Eisenkraut]] soll sie zu den wichtigsten Druidenkräutern gehört haben. In vielen Regionen zählte man das Echte Mädesüß auch zu den unheilabwehrenden Pflanzen. Man sammelte sie in der [[Sonnenwende|Sonnwendnacht]] und hängte sie gebündelt und mit den Blüten nach unten in das Gebälk der Häuser und Ställe. In der [[Steiermark]] nannte man sie daher „Sunnawendfäden“. == Quellen == === Einzelnachweise === <references /> === Literatur === <!--Hier sollten nur tatsächliche Quellen des Artikels stehen, keine beliebige Titelsammlung!--> * Detlev Arens: ''Sechzig einheimische Wildpflanzen in lebendigen Porträts.'' Du Mont, Köln 1991. ISBN 3-7701-2516-9 * Manfred Bocksch: ''Das praktische Buch der Heilpflanzen.'' BLV, München 1996. ISBN 3-405-14937-1 * Elisabeth Lestrieux, Jelena de Belder: ''Der Geschmack von Blumen und Blüten.'' Dumont, Köln 2000. ISBN 3-7701-8621-4 * Angelika Lüttig, Juliane Kasten: ''Hagebutte & Co - Blüten, Früchte und Ausbreitung europäischer Pflanzen.'' Fauna Verlag, Nottuln 2003. ISBN 3-935980-90-6 * Erich Oberdorfer: ''Pflanzensoziologische Exkursionsflora.'' Ulmer, Stuttgart 1990 (6. Aufl.), ISBN 3-8001-3454-3 == Weblinks == {{Commons|Filipendula ulmaria}} * {{FloraWeb|2458}} * [http://linnaeus.nrm.se/flora/di/rosa/filip/filiulmv.jpg Karte zur weltweiten Verbreitung von Mädesüß] * [http://www.heilpflanzenkatalog.net/heilpflanzen/heilpflanzen-europa/187-maedesuess.html Verwendung in der Volksheilkunde] {{DEFAULTSORT:Echtes Madesuss}} {{Exzellent}} [[Kategorie:Rosengewächse]] [[Kategorie:Heilpflanze]] [[ar:إكليلية المروج]] [[ca:Reina dels prats]] [[cy:Erwain]] [[da:Almindelig Mjødurt]] [[en:Filipendula ulmaria]] [[es:Filipendula ulmaria]] [[et:Harilik angervaks]] [[fa:اسپیره]] [[fi:Mesiangervo]] [[fr:Reine-des-prés]] [[hsb:Bahnowa smjetanka]] [[hu:Réti legyezőfű]] [[is:Mjaðjurt]] [[li:Moerasspirea]] [[lt:Pelkinė vingiorykštė]] [[lv:Parastā vīgrieze]] [[nl:Moerasspirea]] [[no:Mjødurt]] [[pl:Wiązówka błotna]] [[ru:Таволга вязолистная]] [[sv:Älggräs]] [[uk:Гадючник в'язолистий]] [[zh:旋果蚊草子]] memkn824q2wowg168v06sm7dkm1mpgg wikitext text/x-wiki Grindwal 0 23503 26102 2010-03-10T11:22:33Z Hive001 0 Sound File nun abspielbar und im Artikel eingebunden <!-- Für Informationen zum Umgang mit dieser Tabelle siehe bitte [[Wikipedia:Taxoboxen]]. --> {{Taxobox | Taxon_Name = Grindwal | Taxon_WissName = Globicephala melas | Taxon_Rang = Art | Taxon_Autor = ([[Redigerer Thomas Stewart Traill|Traill]], 1809) | Taxon2_Name = Grindwale | Taxon2_WissName = Globicephala | Taxon2_Rang = Gattung | Taxon3_Name = Delfine | Taxon3_WissName = Delphinidae | Taxon3_Rang = Familie | Taxon4_Name = Delfinartige | Taxon4_WissName = Delphinoidea | Taxon4_Rang = Überfamilie | Taxon5_Name = Zahnwale | Taxon5_WissName = Odontoceti | Taxon5_Rang = Unterordnung | Taxon6_Name = Wale | Taxon6_WissName = Cetacea | Taxon6_Rang = Ordnung | Bild = Grindwale.JPG | Bildbeschreibung = Gewöhnliche Grindwale (''Globicephala melas'') }} Der '''Grindwal''' (''{{lang|la|Globicephala melas}}''), von [[Färöische Sprache|färöisch]] ''{{lang|fo|[[Grindadráp|grind]]}}'', > ''{{lang|fo|grindahvalur}}'', auch bekannt als '''Pilotwal''', ist eine Art der [[Delfine]] ({{lang|la|Delphinidae}}). Zur Unterscheidung vom [[Kurzflossen-Grindwal]] wird er manchmal auch als '''Gewöhnlicher Grindwal''' oder '''Langflossen-Grindwal''' bezeichnet. == Merkmale == [[Datei:Illustrazione_globicefalo.JPG|thumb|250px|links|Grindwal]] Das männliche Tier erreicht eine Länge von drei bis sechs, maximal bis zu acht Metern und ein Gewicht von maximal drei Tonnen. Weibliche Tiere sind mit einer maximalen Länge von 6 Metern etwas kleiner. Der Körper ist nahezu zylindrisch, der kugelförmige Kopf ist kaum vom Rumpf abgesetzt und die [[Melone (Wal)|Melone]] überragt die sehr kurze Schnauze der Tiere. Die [[Finne (Flosse)|Finne]] ist bei ausgewachsenen Tieren lang gestreckt und schmal. Dies gilt auch für die [[Flipper (Flosse)|Flipper]], die fast ein Fünftel der Körperlänge einnehmen können. Die [[Fluke]] ist in der Mitte sehr stark eingekerbt. Die Farbe ist schwarz mit Ausnahme einer weißlichen Partie unterhalb des Kinns, die sich am Bauch entlang als schmale Linie bis zum [[Anus]] zieht. Diese Zeichnung erinnert an einen [[Anker]], dessen Spitze zum Kinn der Tiere zeigt. Bei einigen Individuen tritt auch ein heller Bereich hinter dem Auge und ein weiterer hinter der Rückenflosse auf. == Verbreitung == [[Datei:Cetacea range map Long-finned Pilot Whale.PNG|thumb|275px|rechts|Verbreitungsgebiet des Grindwals]] Die [[Säugetiere|Säuger]] bevorzugen gemäßigte und kalte Gewässer; auf der [[Südhalbkugel]] bewohnen sie alle Ozeane, auf der [[Nordhalbkugel]] nur den [[Atlantischer Ozean|Atlantik]]. Der dreißigste [[Breitengrad]] nördlicher wie südlicher Breite bildet jeweils die ungefähre Grenze der voneinander getrennten Verbreitungsgebiete. Im Nordpazifik gab es einst Grindwale, sie starben aber ohne menschliches Zutun aus unbekannten Gründen etwa im zehnten Jahrhundert aus. In europäischen Gewässern ist der Wal fast überall anzutreffen, insbesondere um [[Island]], in der [[Barentssee]], vor der Küste [[Norwegen]]s und nördlich von [[Großbritannien (Insel)|Großbritannien]]. Im [[Mittelmeer]] trifft man ihn häufig im Bereich der [[Straße von Gibraltar]] und [[Korsika]]. Weniger häufig sind die Tiere im [[Tyrrhenisches Meer|Tyrrhenischen Meer]] und der [[Adriatisches Meer|Adria]] sowie der [[Nordsee]]. Im südlichen Teil der Nordsee sowie in der [[Ostsee]] sind sie sehr seltene Irrgäste. Im gesamten Verbreitungsgebiet bevorzugen die Grindwale das offene Meer und sind nur relativ selten in Küstennähe zu sehen. Im Bereich der [[Orkney]] und [[Shetland-Inseln]] sowie der [[Färöer]] ziehen jedoch regelmäßig große Schulen an den Küsten entlang. == Lebensweise == [[Datei:Long-finned_pilot_whale_size.svg|thumb|280px|rechts|Größenvergleich mit Taucher]] [[Datei:Grindehval.jpg|thumb|280px|Ein Grindwal bei den [[Färöer]]n in einem Fjord.]] Täglich braucht ein Grindwal 50 Kilogramm Nahrung, die sich vor allem aus [[Kopffüßer]]n sowie in viel geringerem Umfang aus [[Fische]]n zusammensetzt. Bei der meist nächtlichen Nahrungssuche tauchen die Wale in Tiefen bis zu 600 Meter ab. Die Tauchgänge dauern dabei selten länger als fünf bis zehn Minuten. Zumindest bei [[Neufundland]] und um die Färöer ist ihre Verbreitung jeweils eng an das Vorkommen einer [[Tintenfische|Tintenfischart]] gekoppelt: Bei Neufundland handelt es sich dabei um ''Ilex illecebrosus'', bei den Färöern um ''Todarodes sagittatus''. Letztere Art stellt wahrscheinlich die wichtigste Nahrungsquelle für die Grindwale Europas dar. Nach derzeitigen Erkenntnissen gibt es mit dem [[Großer Schwertwal|Schwertwal]] (''Orcinus orca'') und einigen großen [[Haie]]n nur sehr wenige natürliche Feinde für die Grindwale. Allerdings stellen auch diese wohl nur eine geringe Bedrohung dar, da sehr wenige Grindwale mit Wundmalen gefunden werden konnten. Grindwale leben wie die meisten Delfine in Gruppen, die als Schulen bezeichnet werden. Diese bestehen durchschnittlich aus zwanzig Tieren, zu Zeiten des saisonalen Hauptauftretens der Beutetiere konnten jedoch auch schon Schulen von bis zu 600 Individuen beobachtet werden. Dabei kommt es nicht selten vor, dass sich Grindwalschulen mit anderen Kleinwalen vergesellschaften, vor allem mit [[Großer Tümmler|Großen Tümmlern]] oder [[Rundkopfdelfin]]en. Das Sozialgefüge der Schulen ist hoch entwickelt und die Angehörigen der Gruppe folgen immer einem Leittier (daher der Name Pilotwal), meistens einem dominanten Männchen. [[Datei:Long finned Pilot Whales orig.ogg|miniatur|links|100px|Walgesänge einer Grindwalherde. Das knisternde Nebengeräusch stammt von den Clicks zur Echolokation]] In der Regel ziehen die Pilotwale mit einer gemächlichen Geschwindigkeit von ungefähr 6&nbsp;km/h durchs Meer, bei Gefahr können sie allerdings bis zu siebenmal schneller sein. Außerhalb der Zeiten der Nahrungsaufnahme schwimmen und atmen die Grindwale weitgehend synchron, zur Nahrungssuche verteilen sie sich. Während der jahreszeitlichen Wanderungen finden sie sich zu großen Herden von mehreren hundert oder gar tausend Tieren zusammen. Die Wanderungen selbst sind offensichtlich durch das jahreszeitlich gebundene Vorkommen von Tintenfischen bedingt, denen die Wale folgen. Längere Wanderungen sind allerdings nicht bekannt. Das Sozialverhalten wird den Grindwalen manchmal zum Nachteil: Wird eines der Tiere verwundet, schwimmt es in Panik davon. Die gesamte Schule folgt dem verletzten Tier, wobei sie oft in flaches Wasser gerät. Einmal im seichten Wasser, können sich die Grindwale nicht mehr orientieren. Auch den immer wieder vorkommenden Massen[[strandung]]en liegt vielleicht dieselbe Ursache zugrunde. Eine andere Theorie besagt, dass beim Leittier einer Gruppe durch Umwelteinflüsse oder Krankheit das [[Echolot|Echo-Ortungssystem]] versagt, wodurch es die ganze Gruppe fehlleitet und auf die Küste zuführt. Auch Anomalien des [[Erdmagnetfeld]]es sind als Ursachen in der Diskussion. [[Datei:Grindwal-Stimmen.jpg|thumb|Zum Klangbeispiel gehörende Zeit-Frequenz-Analyse]] Die [[Kommunikation]] sowie die Echoorientierung erfolgt über ein umfangreiches Tonrepertoire mit Pfiffen im [[Frequenz]]bereich von drei bis 18 [[Hertz (Einheit)|Kilohertz]]. Diese Pfiffe werden etwa 14 bis über 40 mal pro Minute ausgestoßen. == Fortpflanzung und Entwicklung == [[Datei:Pilotwal1.JPG|thumb|right|Pilotwal im Atlantik]] Die Weibchen werden mit etwa sechs bis zehn Jahren geschlechtsreif, die Männchen erst im ungefähr doppelten Alter. In den europäischen Gewässern liegt die Hauptpaarungszeit in den Monaten April und Mai. Innerhalb einer Schule verpaaren sich nur die [[Dominanz (Psychologie)|dominanten]] Männchen mit den Weibchen. Die zahlreichen Funde von Kampfspuren an männlichen Tieren deuten auf [[Rivalenkampf|Rivalenkämpfe]] hin. Dabei sind die Tiere offensichtlich polygyn, ein Männchen verpaart sich also mit mehreren Weibchen. Langjährige Beziehungen existieren nicht. Allerdings gibt es mehrere dominante Männchen in einer Schule. Mit genetischen Untersuchungen konnte nachgewiesen werden, dass nicht alle Jungtiere einer Schule auch von den in dieser Gruppe lebenden Männchen stammen, es kommt also relativ häufig zu Fremdpaarungen, wenn sich mehrere Schulen treffen. Von der Zeugung bis zur Geburt verstreichen fünfzehn bis sechzehn Monate, die Geburtszeit liegt also in den Sommermonaten. Die Jungtiere sind bei der Geburt zwischen 1,60 und 1,90 Meter lang. Bereits nach etwa zwei Monaten bekommen sie ihre ersten Zähne, ein vollständiges Gebiss liegt nach etwa einem Jahr vor. Das Geschlechterverhältnis der neugeborenen Wale ist leicht zugunsten der männlichen Tiere verschoben. Wegen einer deutlich höheren [[Mortalität]] der Männchen liegt es für Tiere im fortpflanzungsfähigen Alter dann bei 60 Prozent Weibchen zu 40 Prozent Männchen. Das Weibchen kümmert sich durchschnittlich vier Jahre lang um ihren Nachwuchs und ist erst danach wieder paarungsbereit. Das Jungtier wird in den ersten beiden Jahren gesäugt, frisst aber bereits ab dem ersten Lebensjahr auch Tintenfische. Die Lebenserwartung der Grindwale wird auf durchschnittlich 30 bis 50 Jahre geschätzt, das älteste bekannte Tier war ein Weibchen von 57 Jahren. == Systematik == Der Grindwal bildet gemeinsam mit dem [[Kurzflossen-Grindwal]] (''Globicephala macrorhynchos'') die Gattung der [[Grindwale]] (''Globicephala'') innerhalb der Familie der [[Delfine]] (Delphinidae). Erstmals wissenschaftlich beschrieben wurde der Grindwal [[1809]] von [[Thomas Traill]] als ''Delphinus melas''. 1828 wurde dem Wal eine eigene [[Gattung (Biologie)|Gattung]] ''Globicephala'' zugestanden, diese wurde 1898 bestätigt. In der Folge wurde der Artname in die weibliche Form ''Globicephala melaena'' überführt, die heute synonym neben der nach der [[Prioritätsregel (Biologie)|Prioritätsregel]] des [[International Code of Zoological Nomenclature]] eigentlich gültigen Bezeichnung ''Globicephala melas'' genutzt wird. Innerhalb der Grindwale gibt es eine Reihe von [[Population (Biologie)|Populationen]], die sich anhand der Färbung und Größe leicht unterscheiden. Unsicherheit herrscht darüber, ob die Grindwale der südlichen Ozeane als eigene Unterart ''Globicephala melas edwardii'' von den nördlichen Tieren getrennt werden sollten. == Menschen und Grindwale == [[Datei:GrindadrapVestmanna17-06-1854.jpg|thumb|300px|[[Grindadráp]] auf den [[Färöer]]n. Lithografie von 1854]] Grindwale werden seit langer Zeit von Menschen gejagt. [[Vereinigtes Königreich|Großbritannien]], die [[USA]] und [[Norwegen]] haben früher viele Grindwale gefangen, wegen der abnehmenden Bestände wurde die Jagd aber zumeist eingestellt. Noch immer wird der Grindwal traditionell auf den [[Färöer]]n gefangen, wenn er sich in die engen [[Fjord]]e der nordatlantischen Inselgruppe verirrt. Diese traditionelle Jagd wird [[Grindadráp]] genannt. Neben den Färöern fand der intensivste Grindwalfang an den Küsten Neufundlands statt. Die Bestände der Wale dort brachen jedoch in den frühen 1970er Jahren zusammen, und der Walfang wurde eingestellt. Neben der traditionellen Jagd auf den Grindwal werden die Tiere nicht selten als [[Beifang]] gefangen, vor allem beim [[Schwertfisch]]fang in [[Italien]] und beim [[Makrele]]nfang vor den USA. Wie bei vielen anderen Walen stellt auch für den Bestand der Grindwale die Verschmutzung der Meere die Hauptbelastung dar. Da sie an der Spitze der Nahrungskette stehen, reichern sich in der [[Muskulatur]] und der [[Leber]] sowie in den [[Niere]]n [[Schwermetalle]] wie [[Quecksilber]], [[Blei]] oder [[Kadmium]] an. In der Speckschicht kommt es vor allem zu Einlagerungen von fettlöslichen [[Umweltgift]]en wie [[Polychlorierte Biphenyle|polychlorierten Biphenylen]] (PCB) oder (mittlerweile abnehmend) [[Dichlordiphenyltrichlorethan]] (DDT) und dessen Abbauprodukt [[Dichlordiphenyldichlorethen]] (DDE). Am 28. November 2008 berichtete das Wissenschaftsmagazin ''New Scientist'', dass die Gesundheitsbehörde der Färöer dazu aufgerufen hat, ab sofort kein Fleisch von Grindwalen mehr zu verzehren, da es aufgrund der hohen Konzentration an Giftstoffen nicht für den menschlichen Verzehr geeignet ist.<ref>[http://www.delphinschutz.org/wissen/meeressaeuger/faroer_sollen_kein_walfleisch_essen.html Gesundheitsbehörde der Färöer rät dringend vom Walfleischverzehr ab]</ref> Der aktuelle Bestand der Art im nördlichen Atlantik wird auf über 100.000 Tiere geschätzt. Entsprechend gilt sie als häufig und wenig gefährdet. Der Grindwal fällt wie alle Kleinwale nicht unter die Schutzbestimmungen der [[Internationale Walfangkommission|Internationalen Walfangkommission]] (IWC). Er ist allerdings im Anhang II des [[Washingtoner Artenschutz-Übereinkommen]]s aufgeführt. Der internationale Handel mit Grindwalprodukten ist somit untersagt. Die [[IUCN]] listet die Art mit "keine ausreichenden Daten" (''Data Deficient'').<ref>{{IUCN |Year=2008 |ID=9250 |ScientificName=Globicephala melas |YearAssessed=2008 |Assessor=Taylor, B.L. ''et. al.'' |Download=14. Januar 2009 }} </ref> == Quellen == <references /> == Literatur == * Mark Carwardine: ''Wale und Delfine. Verstehen, Erkennen, Beobachten''. Gondrom, Bindlach 2005, ISBN 3-8112-2593-6 (hochwertiger Führer) * E. H. Greig, A. H. Davenport: ''A Narrative of the Cruise of the Yacht Maria among the Feroe Islands in the Summer of 1854''. Longman, Brown & Green, London 1885 (Ausführlicher Augenzeugenbericht eines Grindwalfangs auf den Färöern 1854) (Die Reisebeschreibung erschien anonym) <div style="padding-left:4em;">{{Wikisource|Reise mit der Yacht Maria 1854 zu den Färöern/Kapitel V|Deutsche Übersetzung, Kapitel V}}</div> * Ralf Kiefner: ''Wale & Delfine weltweit. Pazifischer Ozean, Indischer Ozean, Rotes Meer, Atlantischer Ozean, Karibik, Arktis, Antarktis''. Jahr-Top-Special-Verlag Hamburg 2002, ISBN 3-86132-620-5 (Führer der Zeitschrift "Tauchen", sehr detailliert) * Randall R. Reeves u.a.: ''See Mammals of the World. A complete Guide to Whales, Dolphins, Seals, Sea Lions and Sea Cows''. Black, London 2002, ISBN 0-7136-6334-0 (Führer mit zahlreichen Bildern) * Daniel Robineau, Harald Benke (Hrsg.): ''Meeressäuger'' (Handbuch der Säugetiere Europas; Bd. 6). AULA-Verlag, Wiesbaden 1994 (2 Bde.) **1. - ''Wale und Delphine''; ISBN 3-89104-559-X (sehr detailliertes Fachbuch) * Rüdiger Wandrey: ''Die Wale und Robben der Welt''. Kosmos, Stuttgart 1997, ISBN 3-440-07047-6 (Bestimmungsbuch, das alle Säugetiere der Meere berücksichtigt) * Maurizio Würtz, Nadia Repetto (Hrsg.): ''Wale und Delphine. Biografie der Meeressäuger''. Jahr, Hamburg 1998, ISBN 3-86132-264-1 (Bestimmungsbuch der Zeitschrift "Tauchen") == Weblinks == {{Commons|Globicephala melas|{{PAGENAME}}}} {{Wiktionary|grind}} * [http://www.oceanlight.com/html/pilot_whale.html Pilot Whale Photos and Videos] - Seite mit Fotos und Videos von Grindwalen * [http://www.cetaceen.de/galerie/Grindwal.xhtml Fotos von Grindwalen] {{Exzellent}} [[Kategorie:Delfine]] [[br:Morhoc'h penn ront]] [[ca:Cap d'olla negre d'aleta llarga]] [[cs:Kulohlavec černý]] [[da:Langfinnet grindehval]] [[en:Long-finned pilot whale]] [[es:Globicephala melas]] [[fr:Globicephala melas]] [[gl:Caldeirón]] [[hu:Hosszúszárnyú gömbölyűfejűdelfin]] [[is:Grindhvalur]] [[it:Globicephala melas]] [[ka:გრინდა]] [[kl:Niisarnaq]] [[ko:참거두고래]] [[lt:Ilgapelekė grinda]] [[nl:Griend (dier)]] [[no:Grindhval]] [[pl:Grindwal]] [[pt:Baleia-piloto-de-aleta-longa]] [[sr:Globicephala melas]] [[sv:Långfenad grindval]] mlfz5ssgtkowpi173dqnhu65bv7cksa wikitext text/x-wiki Seeschlangen 0 23504 26103 2010-03-02T11:43:10Z Hardenacke 0 Änderungen von [[Special:Contributions/91.2.249.36|91.2.249.36]] ([[User talk:91.2.249.36|Diskussion]]) rückgängig gemacht und letzte Version von [[User:188.107.218.213|188.107.218.213]] wiederhergestellt {{Dieser Artikel|befasst sich mit den zu den Schlangen gehörenden Seeschlangen, für weitere Bedeutungen des Begriffes, siehe [[Seeschlange]].}} <!-- Für Informationen zum Umgang mit dieser Tabelle siehe bitte [[Wikipedia:Taxoboxen]]. --> {{Taxobox | Taxon_Name = Seeschlangen | Taxon_WissName = Hydrophiinae | Taxon_Rang = Unterfamilie | Taxon_Autor = [[Malcolm Arthur Smith|Smith]], 1926 | Taxon2_Name = Giftnattern | Taxon2_WissName = Elapidae | Taxon2_Rang = Familie | Taxon3_Name = Schlangen | Taxon3_WissName = Serpentes | Taxon3_Rang = Unterordnung | Taxon4_Name = Schuppenkriechtiere | Taxon4_WissName = Squamata | Taxon4_Rang = Ordnung | Taxon5_Name = Reptilien | Taxon5_WissName = Reptilia | Taxon5_Rang = Klasse | Taxon6_Name = Landwirbeltiere | Taxon6_WissName = Tetrapoda | Taxon6_Rang = Reihe | Bild = Seeschlange.jpg | Bildbeschreibung = Porträt einer Seeschlange | Subtaxa_Rang = Gattung | Subtaxa = *''Aipysurus'' *''Amydocephalus'' *''Acalyptophis'' *''Astrotia'' *''Enhydrina'' *''Ephalophis'' *''Hydrelaps'' *''Hydrophis'' *''Kerilia'' *''Kolpophis'' *''Lapemis'' *''Laticauda'' *''Parahydrophis'' *''Pelamis'' *''Thalassophina'' *''Thalassophis'' }} Neben den [[Meeresschildkröten]] sind die '''Seeschlangen''' (Hydrophiinae) die bekanntesten der heute im [[Meer]] lebenden [[Reptilien]]. Sie gehören zu den [[Schlangen]] (Serpentes) und werden innerhalb dieser in die Verwandtschaft der [[Giftnattern]] (Elapidae) eingeordnet. Ihre nächsten Verwandten sind dabei offensichtlich die australoasiatischen Giftnattern (Elapidae), zu denen etwa die [[Taipane]], [[Braunschlangen]] und [[Schwarzottern]] gehören. Von den marinen Seeschlangen sind etwa 56 [[Art (Biologie)|Arten]] bekannt. == Merkmale der Seeschlangen == [[Bild:Banded Sea Snake-jonhanson.jpg|thumb|left|Gestreifte Seeschlange]] Die meisten Seeschlangen erreichen Körperlängen zwischen 1,2 und 1,4 Metern, einige Arten können jedoch auch deutlich über 2 Meter lang werden. So erreichen etwa ''Hydrophis cyanocinctus'' 2,5 Meter oder ''Hydrophis spiralis'' bis zu 2,75 Meter. Meistens werden die Weibchen deutlich länger als die Männchen. Das Gewicht der Tiere ist abhängig von Art und Geschlecht sowie vom Ernährungszustand. Die gestreifte Seeschlange ''Laticauda colubrina'' wiegt dabei im Schnitt etwa 0,9 bis 1,3 Kilogramm bei einer Körperlänge von bis zu 1,80 Metern (Voris et al. 1998). Auch in der Körperform variieren die Seeschlangen. ''Astrotia stokesii'' etwa ist im Verhältnis zur Körperlänge eher kräftig gebaut und wirkt entsprechend plump. Viele ''Hydrophis''-Arten haben einen extrem langen und schmalen Kopf- und Nackenbereich, der früher zu der Annahme führte, sie würden sich nur von entsprechend dünnen Aalen ernähren. Heute weiß man, dass sie in der Lage sind, Beutetiere zu schlucken, deren Körperumfang dem doppelten des Umfangs der Schlange entspricht. Der schmale Kopf dient offensichtlich dem Aufspüren von Beutetieren in engen Verstecken. Seeschlangen unterscheiden sich aufgrund ihrer marinen Lebensweise in einigen Merkmalen deutlich von anderen Schlangen. Dabei ist das auffälligste sichtbare Merkmal der seitlich abgeflachte Schwanz, der allen Seeschlangen gemein ist. Hinzu kommt meist eine reduzierte Anzahl von Bauchschuppen (Ventralia, außer bei den ''Laticauda''-Arten, welche sich auch an Land bewegen können) und die unter der Zunge liegende [[Salzdrüse]], die der Ausscheidung von überschüssigem Salz dient. Des Weiteren ist der rechte Lungenflügel der Seeschlangen stark vergrößert und reicht bis in die Schwanzspitze der Tiere. Teile der Lunge dienen zudem als [[Hydrostatik|hydrostatisches Organ]]. Die Tiere können bis zu zwei Stunden lang und bis zu 180 Meter tief tauchen. Dabei helfen ihnen auch die ventilartigen Verschlüsse ihrer Atmungslöcher. Wahrscheinlich sind sie in der Lage, [[Sauerstoff]] auch über die Haut aufzunehmen und so eine bessere Versorgung zu gewährleisten. Einige der beschriebenen Merkmale kommen auch bei anderen, nicht näher verwandten Schlangen[[Taxon|taxa]] vor. So besitzen die im [[Brackwasser]] lebenden [[Warzenschlangen]] ebenfalls eine Salzdrüse, und eine Reduktion der Ventralia kann bei verschiedenen wühlenden Schlangen gefunden werden, etwa bei den [[Blindschlangen]]. == Vorkommen == [[Bild:Pelamis Platurus Costa Rica.JPG|thumb|left|Plättchen-Seeschlange (''Pelamis platurus'')]] [[Datei:Laticauda colubrina (Wakatobi).jpg|thumb|''Laticauda colubrina'' vor der Küste Indonesiens bei [[Wakatobi]].]] Die Seeschlangen bewohnen die tropischen Meeresregionen des [[Indischer Ozean|Indischen Ozeans]] und des [[Pazifischer Ozean|Pazifischen Ozeans]]. Man trifft sie entsprechend vom [[Persischer Golf|Persischen Golf]] bis in die [[Japan|japanischen]] Küstengewässer sowie an den Küsten der [[Südostasien|südostasiatischen]] Inseln bis nach [[Australien (Kontinent)|Australien]]. Bis auf die sehr weit verbreitete [[Plättchen-Seeschlange]] (''Pelamis platurus'') leben alle Seeschlangen in Küstennähe. Die Plättchen-Seeschlange hat sich außer in den genannten Gebieten bis an die Küsten [[Madagaskar]]s und Südost-Afrikas sowie an die Westküste des tropischen Amerikas ausgebreitet, wobei sie auch schon im [[Panama-Kanal]] angetroffen wurde. Einige Wissenschaftler befürchten, dass sich die Schlange über den Panama-Kanal auch in die [[Karibik]] ausbreiten könnte und hier als [[Neozoen|Neozoon]] ein schwerwiegendes [[Ökologie|ökologisches]] Problem auslösen könnte. Alle anderen Arten leben vornehmlich im Flachwasser an den Küsten, häufig im Bereich von Flussmündungen (etwa ''Enhydrina schistosa''). In diesen Flüssen können sie mitunter auch weit ins Landesinnere eindringen, allerdings ist mit ''Hydrophis semperi'' nur eine Art bekannt, die dauerhaft im [[Süßwasser]] lebt. Das Verbreitungsgebiet dieser Schlange ist auf den etwa 270&nbsp;Quadratkilometer großen [[Lake Taal]] auf der [[Philippinen]]insel [[Luzon]] beschränkt. Von ''Laticauda crockeri'' sind auf den [[Salomonen (Inseln)|Salomonen]] ebenfalls Süßwasserpopulationen bekannt. In den bekannten Verbreitungsgebieten liegt der Salzgehalt bei maximal 3,5&nbsp;Prozent. Im [[Rotes Meer|Roten Meer]] mit seiner Salzkonzentration von 4&nbsp;Prozent kommen daher wahrscheinlich keine Seeschlangen vor. == Lebensweise == === Ernährung === [[Bild:Laticauda colubrina Lembeh2.jpg|thumb|''Laticauda colubrina'']] Seeschlangen sind wie beinahe alle Schlangen [[Beutegreifer|Räuber]] und ernähren sich vor allem von Fischen. Dabei sind einige Arten regelrechte Nahrungsspezialisten. ''Laticauda colubrina'' ernährt sich etwa vornehmlich von bestimmten Meeresaalen und ''Hydrophis ornatus'' ist auf [[Echte Welse|Welse]] spezialisiert. Die Plättchen-Seeschlange lebt und jagt als Freiwasserspezialist beinahe ausschließlich entlang der [[Driftlinie]]n, also dem Bereich, wo zwei Wasserschichten aufeinanderliegen. Hier lebt vor allem [[Plankton]], welches Jungfische der verschiedensten Freiwasserarten anlockt. Bei Magenuntersuchungen bei dieser Art wurden entsprechend Vertreter von 21 Fischarten gefunden, fast ausschließlich Jungfische. Die in den Riffspalten jagenden Seeschlangen erbeuten demgegenüber meist recht große Beutefische. Manche Seeschlangen jagen auch nachts. Sie finden dann ihre Beutefische durch ihren ausgezeichneten Geruchssinn. Neben den Spezialisten gibt es auch Seeschlangenarten, die ein sehr großes Beutespektrum haben. So ernährt sich etwa ''Aipysurus laevis'' außer von Fischen auch von deren [[Laich]] sowie von [[Kopffüßer]]n. === Fortpflanzung === Die Seeschlangen sind bis auf die ''Laticauda''-Arten lebendgebärend und bekommen ihre Jungen im Meer, wo sie ihr gesamtes Leben verbringen. Die ''Laticauda''-Arten ([[Plattschwänze]]) verlassen demgegenüber das Meer und legen ihre Eier an Land ab, wo sie auch außerhalb der Paarungs- und Eiablagezeit recht häufig anzutreffen sind und Ruhepausen einlegen. Zur Fortpflanzungszeit besiedeln die Schlangen in sehr großen Zahlen verschiedene Inseln, vor allem auf den [[Philippinen]] finden sich dann ''Laticauda laticauda'' und ''Laticauda semifasciata'' in vielen tausend Exemplaren ein. Allgemein sind sonnen- und wärmesuchende Seeschlangen oft auch auf See in großen Gruppen an der Wasseroberfläche anzutreffen. === Natürliche Feinde === Neben dem Menschen haben die Seeschlangen vor allem aufgrund ihres sehr wirksamen Giftes kaum wirkliche Fressfeinde. Es ist anzunehmen, dass sie gelegentlich von [[Haie]]n oder [[Wale]]n gefressen werden, Belege dafür fehlen allerdings weitgehend. Der [[Tigerhai]] soll gegen das Gift der Seeschlangen immun sein. Weiterhin wurden größere [[Adler (Biologie)|Adler]], insbesondere [[Seeadler (Gattung)|Seeadler]], beobachtet, die Seeschlangen aus dem Meer fischten, als jene zum Luftholen und zum Teil auch zum Aufwärmen an der Sonne an die Oberfläche kamen, und sie verspeisten. == Seeschlangengift == Seeschlangengift gilt als eines der stärksten [[Schlangengift]]e überhaupt. Die Tiere besitzen feststehende [[Giftzahn|Giftzähne]] im Vorderteil des Maules, sie gehören entsprechend zu den so genannten „proteoglyphen“ Schlangen. Dabei sind die Zähne etwas kürzer als bei den landlebenden Giftnattern; ihre Länge reicht bei den meisten Arten jedoch aus, um menschliche Haut zu durchdringen. Ausnahmen bilden hier einige Arten, die sich vornehmlich auf die Ernährung durch Fischlaich spezialisiert haben. [[Datei:Hydrophis - Brehms.jpg|thumb|Streifenruderschlange (''Hydrophis cyanocinctus'')]] Zur Verteidigung setzen die Tiere ihren Biss, außer in der Paarungszeit, nur sehr selten ein, stattdessen fliehen sie lieber. Besonders in [[Südostasien]] werden die Tiere von den Küstenfischern gern gefangen, wobei diese sie ohne größere Schutzmaßnahmen mit den Händen hinter dem Kopf greifen. Trotz ihrer Bissfaulheit kommt es besonders durch diesen sehr sorglosen Umgang der Fischer mit den Tieren nicht selten zu tödlich verlaufenden Bissen, vor allem, da in den kleinen Fischerdörfern nur selten [[Antiserum]] zur Bissbehandlung zur Verfügung steht. So sind über 90&nbsp;Prozent aller dokumentierten Seeschlangenbisse als Unfälle beim Fang der Tiere anzusehen, die meisten Bissunfälle sind von ''Enhydrina schistosa'' und ''Hydrophis cyanocinctus'' bekannt. Der Biss ist beinahe schmerzfrei und die Hautverletzung wegen der Feinheit der Zähne oft kaum zu sehen, auch Blutungen treten kaum auf. Das Gift selbst, eine farblose bis gelbliche und zähe Flüssigkeit, besitzt einen sehr hohen Anteil an [[Neurotoxin]]en, die bei den Beutetieren und potentiellen Angreifern Lähmungen hervorrufen. Dazu gehören vor allem Lähmungen der Extremitäten- und Atemmuskulatur ([[Dyspnoe]]) sowie Ausfälle von [[Hirnnerv]]en. An der Bissstelle selbst kommt es zu starken [[Nekrose]]n mit Funktionseinschränkung bis zum Verlust der betroffenen Extremität. Als wichtigster Bestandteil im Gift gilt das [[Neurotomin]], welches auch für den Tod durch Atem- oder Herzlähmung verantwortlich ist. Die Giftdrüsen enthalten 10 bis 15 Milligramm Gift; bereits drei bis zehn Milligramm wirken aber tödlich. Allerdings verläuft nur etwa ein Viertel aller Bisse kritisch, da nicht immer Gift in die Bissstelle kommt. Etwa fünf bis 35 Prozent dieser Vergifteten sterben an dem Biss. Eine Erklärung für diese doch relativ geringe [[Mortalität]] bietet das Sparsamkeitsprinzip. Es ist anzunehmen, dass die Seeschlangen ihr Gift nur in äußerst geringen Dosen abgeben, da für die Vergiftung ihrer Opfer (meist Fische) bereits kleine Mengen ausreichen. Die ersten Anzeichen einer Nervenlähmung zeigen sich beim Menschen meist erst nach mehr als 30 Minuten, es kann allerdings auch einige Stunden dauern. Anfangs kommt es zu einem Trockenheitsgefühl im Hals und einer Zungenlähmung, meistens gemeinsam mit Übelkeit und Erbrechen. Den ersten Anzeichen folgen oft Angstattacken, Unruhe oder auch [[Euphorie]]. Nachfolgend werden die Extremitäten gefühllos, beginnend mit den Beinen. Die weitere Lähmung ist aufsteigend und setzt sich über die Bauch- und Brustmuskulatur fort, schließlich kann nur noch das [[Zwerchfell]] die Atmung leisten. Bis zu seinem Tod bleibt der Gebissene bei vollem Bewusstsein, obwohl er für einen Beobachter einen schlafenden Eindruck macht. Bei 25&nbsp;Prozent der Todesopfer tritt der Tod nach spätestens acht Stunden nach dem Biss ein, bei 50&nbsp;Prozent innerhalb von acht bis 24 Stunden und bei den verbleibenden 25&nbsp;Prozent nach bis zu drei Tagen. Bei allen Seeschlangenbissen wird als [[Erste Hilfe]] die so genannte „[[Pressure/Immobilization Technique]]“ empfohlen. Außerdem muss die Atmung gewährleistet sein, indem die Patienten [[Intubation|intubiert]] und beatmet werden. Weitere Maßnahmen sind von den auftretenden Symptomen abhängig, für beinahe alle Arten der Seeschlangengifte gibt es Gegengifte (Antiserum beziehungsweise [[Antivenin]]). Die giftigste Seeschlange der Welt ist die Dubois’ Seeschlange (''Aipysurus duboisii''), welche außerdem hinter dem [[Taipane|Inlandtaipan]] und der gewöhnlichen [[Braunschlange]] die drittgiftigste Schlange der Welt ist. == Wirtschaftliche Bedeutung == === Seeschlangen als Fleischlieferanten === Die wirtschaftliche Nutzung der Seeschlangen ist für zwei unterschiedliche Zwecke relevant, zur Ernährung und zur Lederverarbeitung. Dabei dienen Seeschlangen vor allem in den küstennahen Gebieten der Philippinen, auf den [[Gesellschaftsinseln]] sowie in [[Japan]] als beliebte Fleischlieferanten. In Japan werden Seeschlangen aus den Philippinen importiert, da der Bedarf die Fangzahlen übersteigt. Zubereitet werden die Tiere ähnlich wie Fische auf vielfältige Weise. Seeschlangenfleisch gilt als [[Aphrodisiakum]] und ist entsprechend beliebt. Besonders bei Japanern geschätzt ist die lebende Schlange, die direkt am Tisch getötet und roh mit [[Sojasauce]] verspeist wird. Auf den Philippinen sind gekochte, gebratene oder frittierte Seeschlangenteile allerdings beliebter. === Seeschlangen als Lederlieferanten === Als Lederlieferanten spielen die Seeschlangen beinahe ausschließlich auf den Philippinen eine Rolle. Als meeresbewohnende Lebewesen unterliegen diese Tiere nicht dem Schutz des „Department of Environment and Natural Resources“ (DENR), die den Handel mit Wildtieren und ihren Produkten auf den Inseln reguliert und für alle Reptilien verbietet. Die Zuständigkeit für die Seeschlangen liegt im „Bureau of Fisheries and Aquatic Resources“ (BFAR) und ein Verbot zur Nutzung der marinen Ressourcen ist in einem Inselstaat wie den Philippinen mit einem sehr hohen Anteil an Menschen, die vom Fischfang leben, weder vorgesehen noch durchsetzbar. Des Weiteren treten die meisten Seeschlangen in ihren Verbreitungsgebieten in so großen Individuendichten auf, dass eine Gefährdung aktuell nicht zu erkennen ist. Lohnend ist der Fang von Seeschlangen für die Lederindustrie auch nur dort, wo diese in großen Mengen auftreten, da der Lederpreis für diese Tiere im Verhältnis zu anderem Schlangenleder gering ist. Das lukrativste Fanggebiet ist dabei die [[Korallen]]insel [[Gato]] vor der Küste von [[Cebu]], da hier vor allem die Plattschwanz-Seeschlangen sehr häufig sind. 1949 berichteten etwa Herre und Rabor, dass in einem einzigen Jahr auf der Insel über 20.000 ''Laticauda fasciata'' gefangen wurden. 1960 wurde die Genehmigung zum Fang der Seeschlangen auf und um Gato an einen Geschäftsmann übertragen, und in der Folgezeit entstand in [[Tapulan]] auf Cebu der erste vollständig auf die Häutung der Tiere spezialisierte Betrieb, in dem die Verarbeitung bis heute weitgehend in Handarbeit geschieht. 1976 wurden noch 13.052 ''Laticauda'' gefangen, bis 1981 reduzierte sich der Fang auf gerade mal noch 1.454 Exemplare; der Seeschlangenfang wurde zu einem Nebenerwerb einzelner Fischer. In der Folgezeit wurden verstärkt auch andere Seeschlangenarten für die Lederproduktion genutzt, vor allem verschiedene ''Hydrophis''-Arten, ''Astrotia stokesi'' und ''Lapemis hardwicki'', die vor allem aus der Visayan Sea stammen. == Bestandsgefährdung der Seeschlangen == Der Fang von Seeschlangen als Nahrungsquelle spielt nur eine sehr untergeordnete Rolle und führt entsprechend zu keiner Bedrohung der Tiere. Anders sieht die Situation durch den Fang für die Lederproduktion aus. Zumindest lokal kam es hierdurch zu sehr starken Einbrüchen der Art ''Laticauda fasciata'' auf der Insel Gato, wo Anfang der 1980er Jahre in den einfach zu findenden Verstecken kaum noch Schlangen gefunden werden konnten. Der Populationseinbruch hängt vor allem mit der Ortstreue der Tiere zusammen, die immer wieder die gleichen Inseln zur Fortpflanzung aufsuchen, eine intensive Besammlung dieser Inseln führt zwangsläufig zu einem Rückgang der dort ansässigen Populationen. Eine Gefährdung der rein marinen Arten durch die Lederindustrie ist nicht anzunehmen, da es hierbei keine gezielte Ausbeutung gibt, die Fangraten als [[Beifang]] von Fischkuttern sind dabei sicher das größere Problem. Nach Ward (1996) wurden etwa allein von Garnelenschleppern aufgrund der engmaschigen Netze in den Gewässern Nordaustraliens im Jahr 1990 etwa 81.000 Seeschlangen gefangen und getötet. In den letzten 30 Jahren haben die Garnelenfischer hochgerechnet entsprechend mehrere Millionen Seeschlangen als Beifang getötet, hinzu kommen etliche Tausend Tiere aus den Netzen der Fischschlepper. Wie sich diese Fangzahlen auf die Artenbestände und -zusammensetzungen auswirken ist bislang nicht geklärt. == Systematik == Die Seeschlangen gehören nach aktuellen Erkenntnissen zu den [[Giftnattern]] (Elapidae) und werden entsprechend gemeinsam mit den landlebenden Australoasiatischen Giftnattern als Unterfamilie Hydrophiinae innerhalb dieser eingruppiert. Ein Fossilbeleg für die Abstammung der Seeschlangen ist allerdings bislang nicht bekannt, einen Anhaltspunkt für die Zeit ihrer Entstehung liefern daher einstweilen nur die aus dem unteren [[Miozän]] Europas bekannten ersten Giftnatter-Fossilien. Innerhalb der Seeschlangen werden traditionell die Echten Seeschlangen und die Plattschwanz-Seeschlangen (Gattung ''Laticauda'') unterschieden. Nach neueren Untersuchungen wurde diese Unterteilung aufgegeben und alternativ werden drei oder vier verschiedene Gattungsgruppen zusammengefasst. Die folgende Darstellung folgt der Systematik nach Rasmussen (1997), die im wesentlichen auf Merkmalen des Schädels basiert, etwa der Form des [[Parietale]] und des [[Maxillare]]: *''Aipysurus''-Gruppe **''Aipysurus'' *** [[Timor-Riffschlange]] (''Aipysurus fuscus'') **''Amydocephalus'' *''Hydrophis''-Gruppe **''Acalyptophis'' **''Astrotia'' **''Enhydrina'' **''Ephalophis'' **''Hydrelaps'' **''Hydrophis'' *** [[Streifenruderschlange]] (''Hydrophis cyanocinctus'') **''Kerilia'' **''Kolpophis'' **''Lapemis'' **''Parahydrophis'' **''Pelamis'' **''Thalassophina'' **''Thalassophis'' *''Laticauda''-Gruppe **''[[Laticauda]]'' *** [[Nattern-Plattschwanz]] (''Laticauda colubrina'') *** [[Niue-Plattschwanz-Seeschlange]] (''Laticauda schystorhyncha'') Molekulare Untersuchungen zur [[Phylogenetik|Phylogenese]] der Seeschlangen nach Keogh et. al (1998) auf der Basis von [[Cytochrom b]] und [[16S rRNA]]-Sequenzen legen eine noch weitere Zerlegung der ursprünglichen Systematik nahe, da nach dieser außer den klassischen Unterfamilien teilweise auch die neu gebildeten Gattungs-Gruppen und sogar etablierte Gattungen als nicht-natürliche Gruppen ([[Paraphylum|Paraphyla]]) dargestellt werden. ''Siehe auch:'' [[Systematik der Schlangen]] == Literatur == === Allgemein === * J. S. Keogh, R. Shine, S. Donnellan: ''Phylogenetic Relationships of Terrestrial Australo-Papuan Elapid Snakes (Subfamily Hydrophiinae) Based on Cytochrome b and 16S rRNA Sequences.'' in: ''Molecular phylogenetics and evolution.'' Elsevier, San Diego Cal 10.1998, 1, 67–81. {{ISSN|1055-7903}} * S. B. McDowell: ''Notes on the Australian sea-snake Ephalophis greyi M. Smith (Serpentes: Elapidae: Hydrophiinae) and the origin and classification of sea-snakes.'' in: ''The journal of the Linnean Society of London.'' London 48.1969, 333–349. {{ISSN|0368-2935}} * S. B. McDowell: ''The genera of sea-snakes of the Hydrophis group (Serpentes: Elapidae).'' in: ''Transactions of the Zoological Society of London.'' London 32.1972, 189–247. {{ISSN|0084-5620}} * A. R. Rasmussen: ''Systematics of sea snakes; a critical review.'' In: R.S. Thorpe, W. Wüster, A. Malhotra (Hrsg.): ''Venomous snakes – ecology, evolution and snakebite.'' in: ''Symposia of the Zoological Society of London.'' Clarendon Press, London 70.1997, 15–30. {{ISSN|0084-5612}} * M. A. Smith: ''Monograph of the sea snakes (Hydrophiidae).'' British Museum of Natural History. London 1926. Wheldon & Wesley, Weinheim 1964 (Repr.). * H. K. Voris: ''A phylogeny of the sea snakes (Hydrophiidae).'' in: ''Fieldiana.'' Zoology. Museum, Chicago Ill 70. 1977, 79–169. {{ISSN|0015-0754}} * ''Schwerpunkt Seeschlangen.'' in: ''Reptilia.'' Terraristik-Fachmagazin. Natur- u. Tier-Verl., Münster 14.1998,12. {{ISSN|1431-8997}}, dar.: ** M. Gaulke: ''Fotoreportage Seeschlangen.'' ** H. K. Voris, H. H. Voris: ''Pendler zwischen den tropischen Gezeiten. Das Leben der Seekobra „Laticauda colubrina“.'' ** M. Gaulke: ''Seeschlangen als Handelsware.'' <!--Seitenzahlen wären angebracht--> === Wirtschaft === * P. T. Bacolod: ''Notes on sea snake fishery on Gato Islet, Philippines and a proposal for a conservation and management program.'' in: ''The Philippine scientist.'' University of San Carlos, Cebu City 21.1984, 155–163. {{ISSN|0079-1466}} * P. T. Bacolod: ''The biology of some commercially important species of sea snakes (Hydrophiidae) in th Visaya Seas.'' in: ''The Philippine scientist.'' University of San Carlos, Cebu City 27.1990, 61–88. {{ISSN|0079-1466}} * Albert W. C. Herre, D. S. Rabor: ''Notes on philippin sea snakes of the genus „Laticauda“.'' in: ''Copeia.'' A journal of cold blooded vertebrates. Washington DC 1949, 182–284. {{ISSN|0045-8511}} * T. M. Ward: ''Sea snakes by-catsh of prawn trailers on the Northern Australian continental shelf.'' in: ''Australian journal of marine and freshwater research.'' CSIRO, Melbourne 47.1996, 631–635. {{ISSN|0067-1940}} * T. J. Wassenberg, J. P. Salini, H. Heatwole, J. D. Kerr: ''Incidental capture of sea snakes (Hydrophiidae) by prawn trawlers in the Gulf of Carpentaria.'' in: ''Australian journal of marine and freshwater research.'' CSIRO, Melbourne 45.1994, 429–443. {{ISSN|0045-8511}} == Weblinks == * [http://home.snafu.de/froebel/tauchen/schrecken/seeschlangen.html Weitere Infos] {{Exzellent}} [[Kategorie:Giftnattern]] {{Link GA|en}} [[bg:Морски змии]] [[da:Belchers havslange]] [[en:Sea snake]] [[fi:Merikäärmeet]] [[fr:Hydrophiidae]] [[gd:Nathair-mara (snàigean)]] [[gl:Hydrophiidae]] [[hr:Morske zmije]] [[id:Ular laut]] [[lt:Jūrinės gyvatės]] [[nl:Zeeslangen]] [[no:Havslanger]] [[pl:Węże morskie]] [[pt:Hydrophiidae]] [[sv:Havsormar]] [[zh:海蛇科]] 166vri1nkcy9k56gt8jfjo8lyl9rv4a wikitext text/x-wiki Sirius 0 23505 26104 2010-03-31T11:19:54Z Muck 0 Änderung 72495398 von [[Special:Contributions/87.79.178.164|87.79.178.164]] wurde rückgängig gemacht.Änderung ohne jeden Beleg {{Begriffsklärungshinweis}} {{Infobox Doppelstern | Name = Sirius (α&nbsp;CMa) | Bild = [[Datei:Position Alpha Cma.png|280px]] | Bildtext = Die Position von Sirius | Sternbild = CMa | Visuell-gesamt = −1,46<ref name="hoffleit"/> | Gr = -1.46 | Rek = 6/45/08.82 | Dek = -/16/42/56.9 | Size = 3.6 | Caption = Sirius&nbsp;(α&nbsp;Canis&nbsp;Majoris) | Objekt = Sirius <!-- gemeinsame Werte beider Komponenten --> | V-Radial = −8,60<small> ± 0,72</small> | Parallaxe = 379,2<small> ± 1,6</small> | LJ = 8,60<small> ± 0,04</small> | PC = 2,64<small> ± 0,01</small> | Absolut-vis = | Absolut-bol = | Periode = 50,052 a <ref name="Benest1995" /> | GroßeHalbachse = 7,501″ / ca. 20 AE <ref name="Distanz1" group="A"/> | Exzentrizität = 0,5923 <ref name="Benest1995" /> | Periastron = 8 AE <ref name="Distanz2" group="A"/> | Apastron = 31,5 AE <ref name="Distanz2" group="A"/> | Bahnneigung = | ArgumentdesKnotens = | PeriastronEpoche = | ArgumentderPeriapsis = | Alter = 238<small> ± 13 </small>Mio. [[Jahr]]e | V-RA = −546<small> ± 1 </small><ref name="hipp"/> | V-DE = −1223<small> ± 1 </small><ref name="hipp"/> | V-GES = | V-DIR = <!-- Komponente A --> | Name1 = A | Visuell1 = −1,46<ref name="hoffleit"/> | Spektralklasse1 = A1Vm<ref name="hoffleit"/> | U-B-Index1 = −0,05<ref name="hoffleit"/> | B-V-Index1 = 0,01<ref name="hoffleit"/> | Absolut-vis1 = 1,43<ref name="co" group="A">Berechnet sich aus scheinbarer Helligkeit und Parallaxe: M = m + 5 + 5·log(Parallaxe) = -1,46 + 5 + 5·log(0,379″) = +1,43 mag (siehe [[Absolute Helligkeit#Entfernungsmodul|Entfernungsmodul]]).</ref> | Absolut-bol1 = | Masse1 = 2,12<small> ± 0,06 </small><ref name="Kervella2003" /> | Radius1 = 1,711<small> ± 0,013 </small><ref name="Kervella2003" /> | Leuchtkraft1 = 25,4<small> ± 1,3 </small><ref name="apj_630">{{Literatur | Autor=J. Liebert; Young, P. A.; Arnett, D.; Holberg, J. B.; Williams, K. A. | Titel=The Age and Progenitor Mass of Sirius B | Sammelwerk=The Astrophysical Journal | Band=630 | Nummer=1 | Jahr=2005 | Seiten=L69-L72 | Online=http://adsabs.harvard.edu/abs/2005ApJ...630L..69L }}</ref> | Temperatur1 = 9.900<small> ± 200 </small><ref name="Kervella2003" /> | Rotation1 = < 5,5<ref name="kaler" /> | Metallizität1 = 0,5 <ref name="apj548" /> <!-- Komponente B --> | Name2 = B | Visuell2 = 8,53<small> ± 0,05 </small><ref name="Barstow2005" /> | Spektralklasse2 = DA2<ref name="McCook2006" /> | U-B-Index2 = −1,030<ref name="McCook2006" /> | B-V-Index2 = −0,120<ref name="McCook2006" /> | Absolut-vis2 = 11,43<small> ± 0,05 </small><ref name="Barstow2005" /> | Absolut-bol2 = | Masse2 = 0,978<small> ± 0,005 </small><ref name="Barstow2005" /> | Radius2 = 0,00864<small> ± 0,00012 </small><ref name="Barstow2005" /> | Leuchtkraft2 = 0,027 | Temperatur2 = 25.193<small> ± 37 </small><ref name="Barstow2005" /> | Rotation2 = | Metallizität2 = <!-- Bezeichnungen --> | Bayer = α&nbsp;Canis&nbsp;Majoris | Flamsteed = 9&nbsp;Canis&nbsp;Majoris | BD = -16°&nbsp;1591 | HD = 48915 | HIP = 32349 | HR = 2491 | SAO = 151881 | TYC = | WDS = | ADS = 5423 | Weitere = GJ&nbsp;244, FK5&nbsp;257, LHS&nbsp;219 | Weitere1 = | Weitere2 = <!-- Referenzen --> | V-RadRef = <ref name="Barstow2005" /> | LJPCRef = <ref name="hipp"/> | RekDekRef = <ref name="fricke"/> | AlterRef = <ref name="apj_630" /> | Anmerkung = Quellen:<!-- --><ref name="hipp">{{internetquelle |autor=Perryman, M.A.C. et al. |hrsg=European Space Agency |url=http://www.rssd.esa.int/index.php?project=HIPPARCOS&page=hipsearch |sprache=Englisch |titel=The Hipparcos Catalogue |kommentar=‚32349‘ in Feld ‚Hipparcos Identifier‘ eintippen und auf ‚Retrieve‘ klicken |zugriff=10. Juli 2008}}</ref><!-- --><ref name="Barstow2005">{{Literatur | Autor=Barstow M.A. et al | Titel=Hubble Space Telescope Spectroscopy of the Balmer lines in Sirius B | Sammelwerk=Monthly Notices of the Royal Astronomical Society | Band=362 | Nummer=4 | Jahr=2005 | Seiten=1134–1142 | arxiv=astro-ph/0506600}}</ref><!-- --><ref name="fricke">*{{Literatur | Autor=Fricke, W., H. Schwan and T. Lederle | Herausgeber=Astronomisches Recheninstitut | Titel=The Basic Fundamental Stars | Sammelwerk=Fifth Fundamental Catalogue (FK5) | Band=I | Nummer=32 | Ort=Heidelberg (Germany) | Jahr=1988}}<br />*{{Literatur | Autor=Fricke, W., H. Schwan, and T.E. Corbin | Herausgeber=Astronomisches Recheninstitut | Titel=The FK5 Extension | Sammelwerk=Fifth Fundamental Catalogue (FK5) | Band=II | Nummer=33 | Ort=Heidelberg (Germany) | Jahr=1991}}</ref><!-- --><ref name="hoffleit">{{Literatur | Autor=Hoffleit, D. and Warren, W.H. Jr. | Sammelwerk=The Bright Star Catalogue | Auflage=5th Revised Edition, Version 2 | Jahr=1994 | Online=http://www.alcyone.de/SIT/bsc/bsc_search.html}}</ref><!-- --><ref name="Kervella2003">{{Literatur | Autor=Kervella P., Thévenin F., Morel P., Bordé P., Di Folco E. | Titel=The interferometric diameter and internal structure of Sirius A | Sammelwerk=Astronomy & Astrophysics | Band=408 | Jahr=2003 | Seiten=681–688 | Online=[http://www.aanda.org/index.php?option=article&access=bibcode&bibcode=2003A%2526A...408..681KPDF PDF] | DOI=10.1051/0004-6361:20030994}}</ref><!-- --><ref name="McCook2006">{{internetquelle |autor=McCook G.P., Sion E.M. |url=http://vizier.u-strasbg.fr/viz-bin/VizieR-5?-out.add=.&-source=III/235A/catalog&recno=1578 |sprache=Englisch |titel=A Catalogue of Spectroscopically Identified White Dwarfs |kommentar=Astrophys. J. Suppl. Ser. 121, 1 (1999), Eintrag für WD 0642–166 |datum=August 2006 |zugriff=4. Juni 2008}}</ref><!-- --><ref name="apj548">{{Literatur | Autor=Qiu, H. M.; Zhao, G.; Chen, Y. Q.; Li, Z. W. | Herausgeber= | Titel=The Abundance Patterns of Sirius and Vega | Sammelwerk=The Astrophysical Journal | Band=548 | Jahr=2001 | Monat=Februar | Tag=20 | Seiten=953-965 | DOI=10.1086/319000 | Zugriff=20. Oktober 2007}}</ref> }} '''Sirius''' ({{ELSalt|''Seirios'' Σείριος}}, [[Lateinische Sprache|lateinisch]] Canis Majoris, Alpha Canis Majoris, α&nbsp;CMa; auch '''Hundsstern''', '''Aschere''' oder '''Canicula''') ist als [[Doppelstern]]system des Sternbildes „[[Großer Hund]]“ das südlichste sichtbare [[Astronomisches Objekt|Himmelsobjekt]] des [[Wintersechseck]]s. Seine hellere Komponente besitzt eine [[scheinbare Helligkeit]] von −1,46&nbsp;mag.<ref group="A">Das entspricht einer [[Absolute Helligkeit|absoluten Helligkeit]] von 1,43&nbsp;mag, siehe auch Infobox.</ref> Damit ist Sirius A der hellste Stern am Nachthimmel, beinahe doppelt so hell<ref group="A" name="Helligkeitsvergleich">Der Helligkeitsunterschied beträgt aufgrund der logarithmischen Helligkeitsskala nicht etwa <math>\frac{-1,46}{-0,72}</math>, sondern <math>2,512^{(-0,72)-(-1,44)}</math>&nbsp;≈&nbsp;1,977</ref> wie der zweithellste Stern [[Canopus]] mit einer scheinbaren Helligkeit von −0,72&nbsp;mag. Unter den Gestirnen sind nur [[Sonne]], [[Erdmond|Mond]] und die [[Planet]]en [[Venus (Planet)|Venus]], [[Jupiter (Planet)|Jupiter]], [[Mars (Planet)|Mars]] und [[Merkur (Planet)|Merkur]] heller.<ref group="A">Da die scheinbare Helligkeit Schwankungen unterworfen ist, erscheint Sirius zu manchen Zeiten heller als die genannten Planeten. Vgl. auch die Daten aus den NASA Factsheets: [http://nssdc.gsfc.nasa.gov/planetary/factsheet/moonfact.html Mond]: (bis −12,74&nbsp;mag), [http://nssdc.gsfc.nasa.gov/planetary/factsheet/venusfact.html Venus]: (bis −4,6&nbsp;mag), [http://nssdc.gsfc.nasa.gov/planetary/factsheet/jupiterfact.html Jupiter]: (bis −2,94&nbsp;mag), [http://nssdc.gsfc.nasa.gov/planetary/factsheet/marsfact.html Mars]: (bis −2,91&nbsp;mag) und [http://nssdc.gsfc.nasa.gov/planetary/factsheet/mercuryfact.html Merkur]: (bis −1,9&nbsp;mag).</ref> Die Helligkeit seines Begleiters, des [[Weißer Zwerg|Weißen Zwerges]] Sirius B, beträgt hingegen nur 8,5&nbsp;mag. Mit 8,6&nbsp;[[Lichtjahr]]en Entfernung ist Sirius eines der nächsten Gestirne. Aufgrund des geschätzten Alters von etwa 240&nbsp;Mio. Jahren gehört Sirius zu den jungen Sternsystemen.<ref name="Infobox">siehe Infobox</ref> == Physikalische Eigenschaften == === Sirius A === Sirius&nbsp;A ist ein [[Hauptreihenstern]] vom [[Spektralklasse|Spektraltyp]] A1 mit der [[Leuchtkraftklasse]] V<ref name="hoffleit"/> und dem Zusatz m für „metallreich“.<ref name="Kervella2003" /> Seine [[Masse (Physik)|Masse]] ist etwa 2,1-mal so groß wie die der [[Sonne]].<ref name="solstation">{{internetquelle|url=http://www.solstation.com/stars/sirius2.htm|titel=Sirius 2|zugriff=10. Juli 2008|hrsg=SolStation}}</ref> [[Interferometer|Interferometrische]] Messungen zeigen, dass sein Durchmesser das 1,7-fache des Sonnendurchmessers beträgt.<ref name="Infobox" /> Sirius’ [[Leuchtkraft]] ist 25-mal so hoch wie die der Sonne.<ref name="Infobox" /> Die Oberflächentemperatur beträgt knapp 10.000&nbsp;[[Kelvin|K]].<ref name="Infobox" /> Die durch die Rotation des Sterns verursachte [[Dopplerverbreiterung]] der [[Spektrallinie]]n erlaubt es, eine Untergrenze für die Rotationsgeschwindigkeit am Äquator zu bestimmen. Sie liegt bei 16&nbsp;km/s,<ref>{{Literatur | Autor=F. Royer, M. Gerbaldi, R. Faraggiana, A.E. Gómez | Herausgeber= | Titel=Rotational velocities of A-type stars, I. Measurement of v sini in the southern hemisphere | Sammelwerk=Astronomy & Astrophysics | Band=381 | Jahr=2002 | Seiten=105-121 | Online=[http://www.aanda.org/index.php?option=article&access=bibcode&bibcode=2002A%2526A...381..105RPDF PDF (651 KB)] | DOI=10.1051/0004-6361:20011422 | Zugriff= }}</ref> woraus eine Rotationsdauer von etwa 5,5 Tagen oder weniger folgt.<ref name="kaler">{{internetquelle | autor = Jim, Kalers | hrsg = Department of Astronomy University of Illinois at Urbana-Champaign | url = http://www.astro.uiuc.edu/~kaler/sow/sirius.html | sprache = Englisch | titel = SIRIUS (Alpha Canis Majoris) | werk = | datum = | zugriff = 1. Mai 2008 | zitat= }} </ref> Diese niedrige Geschwindigkeit lässt keine messbare Abplattung der Pole erwarten.<ref name="Kervella2003" /> Im Gegensatz dazu rotiert die ähnlich große [[Wega]] mit 274&nbsp;km/s sehr viel schneller, was eine erhebliche Ausbuchtung am Äquator zur Folge hat.<ref name=apj645>{{cite journal | last=Aufdenberg | first=J.P. | coauthors=Ridgway, S.T. ''et al'' | title=First results from the CHARA Array: VII. Long-Baseline Interferometric Measurements of Vega Consistent with a Pole-On, Rapidly Rotating Star? | journal=Astrophysical Journal | year=2006 | volume=645 | pages=664–675 | url=http://www.chara.gsu.edu/CHARA/Papers/Paper6.pdf | format=PDF | accessdate=9. November 2007}}</ref> [[Datei:Sirius A-Sun comparison.png|thumb|left|Größenvergleich zwischen Sirius&nbsp;A (links) und der Sonne]] Das Lichtspektrum von Sirius&nbsp;A zeigt ausgeprägte metallische Linien. Dies deutet auf eine Anreicherung von schwereren Elementen als [[Helium]], wie etwa das [[Spektroskopie|spektroskopisch]] besonders leicht beobachtbare [[Eisen]], hin.<ref name="Kervella2003" /><ref name="solstation" /> Das Verhältnis von Eisen zu Wasserstoff ist in der Atmosphäre etwa dreimal so groß wie in der Atmosphäre der Sonne (entsprechend einer [[Metallizität]] von [Fe/H]&nbsp;=&nbsp;0,5<ref name="Infobox" />). Es wird vermutet, dass der in der Sternatmosphäre beobachtete hohe Anteil von schwereren Elementen nicht repräsentativ für das gesamte Sterninnere ist, sondern durch Anreicherung der schwereren Elemente auf der dünnen äußeren [[Konvektion]]szone des Sterns zustande kommt.<ref name="Kervella2003" /> <!-- <br style="clear:both" /> --> Die [[Interstellare Wolke|Gas- und Staubwolke]], aus der Sirius&nbsp;A gemeinsam mit Sirius&nbsp;B [[Stern#Entstehung|entstand]], hatte laut gängigen Sternmodellen nach etwa 4,2 Millionen Jahren das Stadium erreicht, in dem die Energiegewinnung durch die langsam anlaufende [[Kernfusion]] die Energiefreisetzung infolge Kontraktion um die Hälfte übertraf. Nach 10 Millionen Jahren schließlich stammte die gesamte erzeugte Energie aus der Kernfusion. Sirius&nbsp;A ist seither ein gewöhnlicher, [[Wasserstoffbrennen|Wasserstoff verbrennender]] Hauptreihenstern. Er erzeugt bei einer Kerntemperatur von etwa 22 Millionen Kelvin seine Energie hauptsächlich über den [[Bethe-Weizsäcker-Zyklus]]. Wegen der starken Temperaturabhängigkeit dieses Fusionsmechanismus wird die erzeugte Energie im Kern größtenteils durch [[Konvektion]] transportiert. Außerhalb des Kerns geschieht der Energietransport durch Strahlung, lediglich knapp unterhalb der Sternoberfläche setzt wieder konvektiver Transport ein (siehe auch [[Sternaufbau]]).<ref name="Kervella2003" /> Sirius&nbsp;A wird seinen Vorrat an [[Wasserstoff]] innerhalb der nächsten knappen Jahrmilliarde verbrauchen, danach den Zustand eines [[Roter Riese|Roten Riesen]] erreichen und schließlich als [[Weißer Zwerg]] von etwa 0,6 Sonnenmassen enden.<ref>J.B. Holberg: ''Sirius – Brightest Diamond in the Night Sky''. Springer, Berlin 2007, ISBN 978-0-387-48941-4, S. 218.</ref> === Sirius B === Sirius B, der lichtschwache Begleiter von Sirius&nbsp;A, ist der dem Sonnensystem nächstgelegene [[Weißer Zwerg|Weiße Zwerg]]. Er ist wegen seiner Nähe einer der bestuntersuchten Weißen Zwerge; die Beobachtung ist aber schwierig, weil er durch die große Helligkeit von Sirius&nbsp;A überstrahlt wird. ==== Entdeckung ==== [[Friedrich Wilhelm Bessel|Friedrich Bessel]] bemerkte 1844 bei der Auswertung langjähriger Beobachtungsreihen eine Unregelmäßigkeit in der [[Eigenbewegung (Astronomie)|Eigenbewegung]] des Sirius, welche er als den Einfluss eines [[Doppelstern]]partners mit einer Umlaufdauer von etwa einem halben Jahrhundert deutete. Zwar war vier Jahrzehnte zuvor von [[Wilhelm Herschel|William Herschel]] die Existenz von physisch zusammengehörigen Doppelsternen gezeigt worden,<ref>J.B. Holberg: ''Sirius …'', S. 44.</ref> aber alle bisher bekannten Doppelsterne hatten zwei oder mehr ''sichtbare'' Komponenten. Dass der vermutete Begleiter von Sirius bisher von niemandem gesehen worden war, schreckte Bessel nicht ab: ''„Dass zahllose Sterne sichtbar sind, beweiset offenbar nichts gegen das Dasein zahlloser unsichtbarer“''.<ref>F.W. Bessel: ''Über Veränderlichkeit der eigenen Bewegungen der Fixsterne''. Astronomische Nachrichten No. 514, 145–160 ([http://articles.adsabs.harvard.edu/cgi-bin/nph-iarticle_query?1845AN.....22..145B&data_type=PDF_HIGH&whole_paper=YES&type=PRINTER&filetype=.pdf PDF]); No. 515, 169–184; No. 516, 185–190 ([http://articles.adsabs.harvard.edu/cgi-bin/nph-iarticle_query?1845AN.....22..169B&data_type=PDF_HIGH&whole_paper=YES&type=PRINTER&filetype=.pdf PDF]), Altona 1844.</ref> [[Christian August Friedrich Peters|Christian Peters]] konnte 1851 in seiner Habilitationsschrift die Umlaufperiode des Begleiters zu 50,093 Jahren und seine Masse zu mehr als sechs [[Jupiter (Planet)|Jupiter]]<b/>massen bestimmen, eine starke [[Exzentrizität (Mathematik)|Exzentrizität]] der Umlaufbahn feststellen und eine [[Ephemeride]] seiner erwarteten Positionen geben.<ref>C.A.F. Peters: ''Ueber die eigene Bewegung des Sirius''. Astronomische Nachrichten No. 745, 1–16; No. 746, 17–32; No. 747, 33–48; No. 748, 49–58, Altona 1851 ([http://articles.adsabs.harvard.edu/cgi-bin/nph-iarticle_query?1851AN.....32....1P&data_type=PDF_HIGH&whole_paper=YES&type=PRINTER&filetype=.pdf PDF]). Siehe auch: J.B. Holberg: ''Sirius …'', S. 57 f.</ref> Trotz dieser Hilfestellung gelang niemandem die Beobachtung, bis am 31. Januar 1862 [[Alvan Graham Clark]], ein Sohn des Bostoner Instrumentenbauers [[Alvan Clark]], eine gerade fertiggestellte Objektivlinse an Sirius prüfte und feststellte: ''„Vater, Sirius hat einen Begleiter.“''<ref>G.P. Bond: ''On the Companion of Sirius''. Astronomische Nachrichten No. 1353, 131–134, Altona 1862 ([http://articles.adsabs.harvard.edu/cgi-bin/nph-iarticle_query?1862AN.....57..131B&data_type=PDF_HIGH&whole_paper=YES&type=PRINTER&filetype=.pdf PDF]). Siehe auch: J.B. Holberg: ''Sirius …'', S. 67: „Father“, he said, „Sirius has a companion.“.</ref> Da Sirius B sich auf seiner Umlaufbahn damals zunehmend von Sirius A entfernte, konnte er nunmehr auch von zahlreichen anderen Beobachtern ausfindig gemacht und vermessen werden.<ref>J.B. Holberg: ''Sirius …'', S. 69 ff.</ref> ==== Weißer Zwerg ==== Nach mehrjährigen Positionsmessungen, aus denen sich auch die Abstände der beiden Sterne vom gemeinsamen [[Schwerpunkt]] und damit ihr Massenverhältnis ergaben, stellte [[Otto Wilhelm von Struve|Otto von Struve]] 1866 fest, dass der Begleiter etwa halb so schwer war wie Sirius selbst. Bei gleichem Aufbau wie Sirius hätte der Begleiter damit immerhin 80 % von dessen Durchmesser und deshalb eine nur wenig geringere Helligkeit haben müssen. Weil der Begleiter aber nur die achte Größenklasse erreichte, also 10.000-mal leuchtschwächer als Sirius war, schloss Struve, ''„dass die beiden Körper von sehr unterschiedlicher physischer Beschaffenheit sind“''.<ref>O. Struve: ''On the Satellite of Sirius''. Monthly Notices of the Royal Astronomical Society, Vol. 26 (1866), S.268: „…we must admit that both bodies are of a very different physical constitution.“ ([http://articles.adsabs.harvard.edu/full/1866MNRAS..26..268S online]). Siehe auch J.B. Holberg: ''Sirius …'', S. 81 ff.</ref> [[Datei:HRD Sonne Sirius.png|thumb|Vereinfachte Darstellung eines Hertzsprung-Russell-Diagramms]] Über Jahrzehnte hinweg blieb Sirius B eine bloße Kuriosität. Nachdem die Anwendung der [[Spektroskopie|Spektralanalyse]] auf das Sternenlicht die Einteilung der Sterne in [[Spektralklasse]]n erlaubt hatte, konnten [[Ejnar Hertzsprung]] und [[Henry Norris Russell|Henry Russell]] ab etwa 1910 systematische Zusammenhänge zwischen der Spektralklasse eines Sterns und seiner Leuchtkraft aufdecken. Im [[Hertzsprung-Russel-Diagramm]] bildeten die (damals untersuchten) Sterne zwei Gruppen: „Zwerge“ und „Riesen“. Nicht in das Schema passte jedoch schon damals der Stern 40 Eridani B, ein schwacher Begleiter von [[Keid|40 Eridani]]: er war gemessen an seiner Spektralklasse viel zu lichtschwach. 1915 konnte ein Spektrum von Sirius B aufgenommen werden, das ihn im HR-Diagramm in die Nähe von 40 Eridani B rückte und zeigte, dass die beiden offenbar Angehörige einer neuen Sternklasse waren. Ihre geringe Leuchtkraft trotz hoher Temperatur zeugte von einer geringen abstrahlenden Oberfläche, also einem kleinen Radius und damit einer immensen Dichte.<ref>J.B. Holberg: ''Sirius …'', S. 99 ff.</ref> [[Arthur Stanley Eddington|Arthur Eddington]] hatte ab den 1920er-Jahren detaillierte und erfolgreiche Sternmodelle erarbeitet, indem er Gaskugeln betrachtete, in denen der Gravitationsdruck der Gasmassen im Gleichgewicht mit dem Gasdruck und dem Strahlungsdruck stand. Die so genannten „Weißen Zwerge“ konnte er mit seinen Modellen jedoch nur teilweise beschreiben, bis [[Ralph Howard Fowler|Ralph Fowler]] 1926 das erst kurz zuvor entdeckte [[Pauli-Prinzip]] mit einbezog.<ref>R.H. Fowler: ''On Dense Matter''. Monthly Notices of the Royal Astronomical Society, Vol. 87, S.114–122 ([http://articles.adsabs.harvard.edu/cgi-bin/nph-iarticle_query?db_key=AST&bibcode=1926MNRAS..87..114F&letter=.&classic=YES&defaultprint=YES&whole_paper=NO&page=114&epage=114&send=Send+PDF&filetype=.pdf PDF]).</ref> Im Inneren eines Weißen Zwerges ist das Gas vollständig [[Ionisation|ionisiert]], besteht also aus [[Atomkern]]en und freien [[Elektron]]en. Da die Elektronen dem Pauli-Prinzip unterliegen, können keine zwei Elektronen in allen [[Quantenzahl]]en übereinstimmen. Dies bedeutet insbesondere, dass Elektronen in einem bereits stark komprimierten Elektronengas sich bei Erhöhung des äußeren Drucks nur dann weiter einander annähern können, wenn ein Teil der Elektronen auf höhere Energieniveaus ausweicht. Bei der Kompression muss also wegen dieses als [[Entartete Materie|Entartungsdruck]] bezeichneten Widerstands zusätzliche Energie aufgewendet werden. Während die Atomkerne den Hauptanteil der Sternmasse liefern, tragen die Elektronen mit dem quantenmechanisch bedingten Entartungsdruck zur Stabilisierung des Sterns bei. Eine Konsequenz daraus ist, dass der Radius eines Weißen Zwerges mit steigender Masse ''abnimmt'', während der Radius eines gewöhnlichen Sternes mit wachsender Masse zunimmt. [[Subrahmanyan Chandrasekhar]] zeigte 1931,<ref>S. Chandrasekhar: ''The Maximum Mass of Ideal White Dwarfs''. Astrophysical Journal, vol. 74, S. 81 ([http://articles.adsabs.harvard.edu/cgi-bin/nph-iarticle_query?1931ApJ....74...81C&data_type=PDF_HIGH&whole_paper=YES&type=PRINTER&filetype=.pdf PDF]).</ref><ref group="A">Chandrasekhar erhielt wegen der nur ungenau bekannten Zusammensetzung eines Weißen Zwerges zunächst einen Grenzwert von 0,91 Sonnenmassen.</ref> dass ein Weißer Zwerg oberhalb einer Grenzmasse von etwa 1,4 Sonnenmassen („[[Chandrasekhar-Grenze]]“) nicht mehr stabil sein kann.<ref>Hauptquelle des Abschnitts: J.B. Holberg: ''Sirius …'', S. 123 ff.</ref> ==== Gravitative Rotverschiebung ==== [[Albert Einstein]] hatte im Zuge seiner Vorarbeiten zur [[Allgemeine Relativitätstheorie|allgemeinen Relativitätstheorie]] bereits 1911 vorhergesagt, dass [[Photon]]en, die mit der Wellenlänge λ<sub>o</sub> von einem massereichen Körper ausgesandt werden, bei einem höher im Gravitationsfeld befindlichen Beobachter mit einer größeren, also [[Rotverschiebung#Gravitative Rotverschiebung|rotverschobenen]] Wellenlänge eintreffen.<ref>A. Einstein: ''Über den Einfluß der Schwerkraft auf die Ausbreitung des Lichtes''. Annalen der Physik, Bd. 340, Nr. 10, S. 898–908 ([http://www3.interscience.wiley.com/cgi-bin/fulltext/112484408/PDFSTART PDF]).</ref> Einige Versuche, diesen Effekt an [[Sonnenspektrum|Spektrallinien der Sonne]] zu beobachten, scheiterten zunächst wegen seiner Geringfügigkeit. Die Wellenlängenverschiebung, ausgedrückt als eine Geschwindigkeit in km/s (so als ob es sich um einen [[Dopplereffekt]] aufgrund einer Relativbewegung handeln würde), beträgt 0,6·''M''/''R'', wobei ''M'' und ''R'' die Masse und der Radius des Körpers sind, ausgedrückt als Vielfache der [[Sonnenmasse]] und des [[Sonnenradius]]. Da sich das Verhältnis ''M''/''R'' auch bei sehr massereichen Sternen wenig gegenüber der Sonne ändert, schien ein Nachweis des Effekts bis in die 1920er-Jahre hinein aussichtslos zu sein.<ref>J.B. Holberg: ''Sirius …'', S. 141–143.</ref> [[Datei:Gravitational red-shifting.png|thumb|Gravitative Rotverschiebung einer Lichtwelle]] Bei Weißen Zwergen jedoch nimmt der Radius mit wachsender Masse ab. Es handelt sich daher um massereiche Objekte mit kleinem Radius, die eine deutliche Rotverschiebung zeigen sollten. Eddington, der bereits 1919 die [[Shapiro-Verzögerung|relativistische Lichtablenkung]] im Gravitationsfeld der Sonne nachgewiesen hatte, sah darin eine Chance, die von ihm vermutete außerordentliche Dichte Weißer Zwerge zu bestätigen. Die Wahl fiel auf Sirius B, weil er Bestandteil eines Doppelsternsystems war. Daher war seine Masse bekannt, und durch Vergleich mit dem Spektrum von Sirius A war es außerdem möglich, den gravitativen Anteil der Rotverschiebung von der durch die [[Radialgeschwindigkeit]] des Systems erzeugten Dopplerverschiebung zu unterscheiden. Ausgehend von den damals angenommenen Werten für Temperatur und Radius erwartete Eddington eine Rotverschiebung von etwa +20&nbsp;km/s. [[Walter Sydney Adams|Walter Adams]] konnte im Jahre 1925 Spektren von Sirius B aufnehmen, die vermeintlich nur wenig durch Licht von Sirius A überlagert waren, und erhielt eine Verschiebung von +21&nbsp;km/s.<ref>W.S. Adams: ''The Relativity Displacement of the Spectral Lines in the Companion of Sirius''. Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America, Vol. 11, Issue 7 (1925), S. 382–387 ([http://www.pnas.org/cgi/reprint/11/7/382 PDF]).</ref> J.H. Moore bestätigte 1928 die Messung mit einem Wert von (21 ± 5)&nbsp;km/s.<ref>Hauptquelle des Absatzes: J.B. Holberg: ''Sirius …'', S. 144–148.</ref> In den folgenden Jahrzehnten konnten die theoretischen Modelle Weißer Zwerge erheblich verbessert werden. Es stellte sich heraus, dass Eddington die Temperatur von Sirius B stark unterschätzt und den Radius daher überschätzt hatte. Die Theorie verlangte nun das Vierfache der von Eddington berechneten Rotverschiebung. Erneute Messungen ergaben in der Tat im Jahre 1971 eine Rotverschiebung von (+89 ± 16)&nbsp;km/s.<ref>J.L. Greenstein, J.B. Oke, H.L. Shipman: ''Effective Temperature, Radius, and Gravitational Redshift of Sirius B''. Astrophysical Journal, vol. 169 (1971), S. 563 ([http://articles.adsabs.harvard.edu/cgi-bin/nph-iarticle_query?1971ApJ...169..563G&data_type=PDF_HIGH&whole_paper=YES&type=PRINTER&filetype=.pdf PDF]).</ref> Die Autoren erklärten Adams’ Ergebnis damit, dass damals wegen der starken Lichteinstreuung von Sirius A auch Spektrallinien vermessen worden waren, von denen mittlerweile bekannt war, dass sie zu Sirius A gehören. Der aktuelle Wert für die gravitative Rotverschiebung von Sirius B beträgt (80,42 ± 4,83)&nbsp;km/s<ref name="Barstow2005" />; das Auflösungsvermögen des [[Hubble-Weltraumteleskop]]s hatte es im Jahre 2004 ermöglicht, ein hochaufgelöstes Spektrum von Sirius B ohne nennenswerte Einstreuungen von Sirius A aufzunehmen.<ref>Hauptquelle des Absatzes: J.B. Holberg: ''Sirius …'', S. 148–153.</ref> ==== Entwicklung ==== [[Datei:Sirius A and B artwork.jpg|thumb|Künstlerische Darstellung des heutigen Sirius-Systems (Quelle: ''[[National Aeronautics and Space Administration|NASA]]'').]] Nach den aktuellen Szenarien zur [[Sternentwicklung#Sternentwicklung|Sternentwicklung]] entstanden Sirius A und&nbsp;B vor etwa 240 Millionen Jahren<ref name="Infobox" /> gemeinsam als Doppelsternsystem. Sirius&nbsp;B war ursprünglich mit fünf Sonnenmassen und der 630-fachen Leuchtkraft der Sonne viel schwerer und leuchtkräftiger als Sirius&nbsp;A mit nur zwei Sonnenmassen. Wegen seiner großen Masse und der damit einhergehenden hohen [[Kernfusion|Fusion]]<b/>srate hatte Sirius&nbsp;B nach etwa 100 Millionen Jahren den Großteil des [[Wasserstoff]]s in seinem Kern zu [[Helium]] verbrannt ([[Wasserstoffbrennen]]). Die Fusionszone verlagerte sich in eine Schale um den ausgebrannten Kern und Sirius&nbsp;B blähte sich zu einem [[Roter Riese|Roten Riesen]] auf. Schließlich versiegte auch diese Energiequelle, so dass Sirius&nbsp;B begann, das erzeugte Helium zu Kohlenstoff und Sauerstoff zu fusionieren ([[Drei-Alpha-Prozess|Heliumbrennen]]). Er verlor seine nur noch schwach gebundenen äußeren Schichten wegen des starken einsetzenden [[Sternwind]]es und büßte so etwa vier Fünftel seiner ursprünglichen Masse ein. Übrig blieb der hauptsächlich aus Kohlenstoff und Sauerstoff bestehende ausgebrannte Kern, in dem praktisch keine Energieerzeugung mehr stattfand. Da die Kernmaterie nun vollständig [[Ionisation|ionisiert]] war und der innere Druck zur Stabilisation fehlte, brauchten die Atomkerne und freien Elektronen wesentlich weniger Platz. Der Kern konnte daher auf enorme Dichte zusammenschrumpfen, bis der [[Entartete Materie|Entartungsdruck]] der Elektronen ein weiteres Komprimieren verhinderte. Sirius&nbsp;B befindet sich nun seit etwa 124 Millionen Jahren in diesem Stadium und kühlt langsam aus.<ref>Hauptquelle des Abschnitts: J. B. Holberg: ''Sirius …'', S. 214–216.</ref> ==== Eigenschaften ==== [[Datei:Sirius B-Earth comparison.png|thumb|Sirius B ist etwas kleiner als die Erde, aber über 300.000-mal schwerer]] Gegenüber der wesentlich helleren Komponente Sirius&nbsp;A hat der Begleitstern Sirius&nbsp;B nur eine scheinbare Helligkeit von 8,5&nbsp;mag.<ref name="Infobox" /> Er besitzt knapp eine Sonnenmasse<ref name="Infobox" /> und ist damit einer der massereichsten bekannten Weißen Zwerge (die meisten Weißen Zwerge konzentrieren sich in einem engen Bereich um 0,58 Sonnenmassen, nur geschätzte 2 % oder weniger überschreiten eine Sonnenmasse<ref name="apj_497">{{cite journal | author=J. B. Holberg, M. A. Barstow, F. C. Bruhweiler, A. M. Cruise, A. J. Penny | title=Sirius B: A New, More Accurate View | journal=The Astrophysical Journal | year=1998 | volume=497 | pages=935–942 | url=http://www.journals.uchicago.edu/doi/pdf/10.1086/305489}}</ref>). Mit einer Oberflächentemperatur von rund 25.000&nbsp;K ist Sirius&nbsp;B viel heißer als die Sonne oder Sirius&nbsp;A.<ref name="Infobox" /> Trotz dieser hohen Temperatur beträgt seine Helligkeit nur ein Zehntausendstel derjenigen von Sirius&nbsp;A. Die Kombination der beobachteten Temperatur und Helligkeit mit Modellrechnungen ergibt einen Durchmesser von 0,00864 Sonnendurchmessern (ca. 12.020&nbsp;km).<ref name="Infobox" /> Sirius&nbsp;B ist also sogar etwas kleiner als die Erde (mittlerer Durchmesser 12.742&nbsp;km). Die Schwerkraft auf der Oberfläche von Sirius&nbsp;B ist knapp 400.000 mal höher als auf der Erde (log ''g'' = 8,556<ref name="Barstow2005" /><ref group="A">An der Erdoberfläche beträgt die Schwerebeschleunigung g etwa 981 cm/s<sup>2</sup> (cgs-Einheiten!). Die Schwerebeschleunigung an der Oberfläche von Sirius B ist knapp 400000-mal höher und beträgt etwa g = 360 Millionen cm/s<sup>2</sup> d.h. log(g) = 8.556 (eine Zahlenwertgleichung, da g eine Einheit trägt. Per Konvention ist g in cm/s<sup>2 </sup>einzusetzen).</ref>), seine mittlere Dichte beträgt 2,38 Tonnen/cm<sup>3</sup>, die Dichte in seinem Zentrum 32,36 Tonnen/cm<sup>3</sup>. Sirius&nbsp;B besteht aus einer vollständig ionisierten Mischung aus [[Kohlenstoff]] und [[Sauerstoff]], umgeben von einer dünnen Atmosphäre ionisierten Wasserstoffs. Wegen der starken Oberflächenschwerkraft sind fast alle schwereren Verunreinigungen der Atmosphäre in den Kern abgesunken, so dass das Spektrum von Sirius&nbsp;B praktisch ausschließlich Wasserstofflinien aufweist. Da die heiße Wasserstoffatmosphäre für [[Röntgenstrahlung]] durchsichtig ist, können Röntgenemissionen beobachtet werden, die aus tieferen, heißeren Schichten stammen. Sirius&nbsp;B besitzt praktisch kein Magnetfeld.<ref>Hauptquelle des Absatzes: J. B. Holberg: ''Sirius …'', Kap. 12, Anhang B.</ref> === Sirius C? === In den 1920er-Jahren beobachteten mehrere Astronomen wiederholt einen schwachen Stern etwa zwölfter Größenklasse in unmittelbarer Nähe zu Sirius&nbsp;A, verloren diesen möglichen neuen Begleiter dann aber wieder. Französische Astronomen konnten 1999 auf einer Aufnahme mit abgeblendetem Sirius&nbsp;A dessen Umgebung näher auf schwache Sterne untersuchen. Sie fanden einen Hintergrundstern passender Helligkeit, an dem Sirius in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts vorbeigezogen war und der offenbar von den damaligen Beobachtern gesehen worden war. Beim Vergleich mit einer früheren Aufnahme konnten die Astronomen außerdem bis in eine Nähe von 30 [[Bogensekunde]]n keinen Begleitstern finden, der sich durch eine mit Sirius&nbsp;A gemeinsame Eigenbewegung verraten hätte.<ref>J. M. Bonnet-Bidaud, F. Colas, J. Lecacheux: ''Search for Companions around Sirius''. Astronomy and Astrophysics, 360, 991–996 (2000) ([http://aa.springer.de/papers/0360003/2300991.pdf PDF]).</ref> Eine Untersuchung von Unregelmäßigkeiten in der Umlaufbewegung von Sirius&nbsp;A und B deutet darauf hin, dass sich im Sirius-System eine dritte Komponente, deren Masse auf nur etwa 0,06 Sonnenmassen eingeschätzt wird, mit einer Umlaufdauer von etwa 6 Jahren befinden könnte. Da es um Sirius&nbsp;B keine stabile Umlaufbahn mit einer Umlaufzeit von mehr als 4 Jahren gibt, kann der potenzielle Sirius&nbsp;C nur um Sirius&nbsp;A kreisen.<ref name="Benest1995">D. Benest, J.L. Duvent: ''Is Sirius a Triple Star?'' Astronomy and Astrophysics, 299, 621–628 (1995) ([http://articles.adsabs.harvard.edu/cgi-bin/nph-iarticle_query?1995A%26A...299..621B&data_type=PDF_HIGH&whole_paper=YES&type=PRINTER&filetype=.pdf PDF]).</ref> <br style="clear:both;" /> == Sirius A und B als Doppelsternsystem == [[Datei:Sirius-B-Orbit-de.svg|thumb|Scheinbare Umlaufbahn von Sirius&nbsp;B (in Blickrichtung Süden).]] Das Sternensystem Sirius besteht aus den zwei oben beschriebenen Sternen, die sich mit einer Periode von 50,052<ref name="Benest1995" /> Jahren um ihren gemeinsamen [[Schwerpunkt|Massenschwerpunkt]] bewegen. Wie bei allen [[Doppelstern]]en bewegt sich jeder der beiden Sterne jeweils auf einer [[Ellipse]] um diesen Schwerpunkt; für jede der beiden Ellipsen fällt einer ihrer [[Brennpunkt (Ellipse)|Brennpunkte]] mit dem Schwerpunkt zusammen. Da Sirius&nbsp;A mehr als doppelt so schwer ist wie Sirius&nbsp;B, liegt der Schwerpunkt des Systems näher an Sirius&nbsp;A. Aus praktischen Gründen wird üblicherweise nur die relative Bahn von Sirius&nbsp;B bezüglich Sirius&nbsp;A dargestellt, der daher einen festen Punkt im Diagramm einnimmt. Diese relative Bahn ist ebenfalls eine Ellipse, nun aber mit Sirius&nbsp;A in einem ihrer Brennpunkte. Könnte ein irdischer Beobachter senkrecht auf die Bahnebene des Doppelsternsystems blicken, so sähe er diese Ellipse mit einer 7,501″ langen [[Große Halbachse|großen Halbachse]] und einer [[Exzentrizität (Mathematik)|Exzentrizität]] von 0,5923.<ref name="Benest1995" /> Unter Berücksichtigung der Entfernung von Sirius folgen daraus für die große Halbachse eine Länge von knapp 20 [[Astronomische Einheit|Astronomischen Einheiten]] (AE) oder knapp drei Milliarden Kilometern,<ref name="Distanz1" group="A">Die Parallaxe von Sirius beträgt 0,379″. Eine AE in dieser Entfernung erscheint also unter einem Winkel von 0,379″. Ein Winkel von 7,5″ entspricht daher einer Strecke von 7,5/0,379 = 19,8 AE.</ref> ein kleinster Abstand von 8 AE und ein größter Abstand von 31,5 AE.<ref name="Distanz2" group="A">Kleinster Abstand = große Halbachse · (1 – Exzentrizität), größter Abstand = große Halbachse · (1 + Exzentrizität).</ref> Der kleinste bzw. größte Abstand würde diesem Beobachter unter einem Winkel von 3,1″ bzw. 11,9″ erscheinen. Da die Bahn jedoch um 136,62° gegen die Sichtlinie geneigt ist,<ref name="Benest1995" /> sieht der Beobachter die Bahn in Schrägansicht, die sich wiederum als Ellipse, aber mit etwas größerer Exzentrizität darstellt. Die Abbildung zeigt diese [[Scheinbar (Astronomie)|scheinbare]] Bahn, wie sie von der Erde aus gesehen erscheint. Obwohl Sirius&nbsp;A in einem Brennpunkt der relativen Umlaufbahn von Sirius&nbsp;B liegt, befindet er sich wegen der Schrägansicht nicht in einem Brennpunkt der im Diagramm dargestellten perspektivisch verkürzten Ellipse. Aufgrund der Schrägansicht erscheinen dem Beobachter die größtmöglichen und kleinstmöglichen Winkelabstände, die Sirius&nbsp;B auf dieser scheinbaren Bahn durchläuft, etwas kleiner als die oben angegebenen unverzerrten Werte. Sirius&nbsp;B passierte auf seiner wahren Bahn den geringsten Abstand zu Sirius&nbsp;A (das [[Apsis (Astronomie)|Periastron]]) das letzte Mal im Jahre 1994,<ref name="Benest1995" /> erreichte auf der scheinbaren Bahn den verkürzungsbedingt geringsten Abstand jedoch bereits 1993.<ref>W. H. van den Bos: ''The Orbit of Sirius, ADS 5423''. Journal des Observateurs, Vol. 43, No. 10, 145–151 (1960) ([http://articles.adsabs.harvard.edu/cgi-bin/nph-iarticle_query?1960JO.....43..145V&data_type=PDF_HIGH&whole_paper=YES&type=PRINTER&filetype=.pdf PDF]).</ref> Während sich Sirius&nbsp;B im Zustand des roten Riesen befand, könnte sich durch Massenübertritt die [[Metallizität]] seines Begleiters Sirius&nbsp;A erhöht haben. Dies wäre eine Erklärung, warum Sirius&nbsp;A mehr Metalle (Elemente schwerer als Helium) in seiner Hülle enthält, als dies für einen Hauptreihenstern zu erwarten wäre. So liegt der Gehalt an Eisen z.&nbsp;B. 7,4&nbsp;mal über dem der Sonne.<ref name="solstation" /><ref name="eisen">{{cite journal | author= G. Cayrel de Strobel, B. Hauck, P. Francois, F. Thevenin, E. Friel, M. Mermilliod, S. Borde, S. | title= A Catalogue of Fe/H Determinations – 1991 edition | journal=Astronomy and Astrophysics | year=1992| volume=95| pages=273-336| url=http://adsbit.harvard.edu/cgi-bin/nph-iarticle_query?bibcode=1992A%26AS...95..273C }}</ref> Vom Infrarot-Satelliten [[Infrared Astronomical Satellite|IRAS]] gemessene Werte zeigen für das Sirius-System eine höhere infrarote Strahlung als erwartet. Das könnte auf Staub in diesem System hinweisen und wird als ungewöhnlich in einem [[Doppelstern]]system betrachtet.<ref name="solstation" /> === Umgebung === Der nächste Nachbarstern [[Prokyon]] ist von Sirius A+B 5,24&nbsp;Lichtjahre entfernt.<ref name="solstation">{{internetquelle |url=http://www.solstation.com/stars/sirius2.htm |titel=Sirius 2 |hrsg=SolStation |sprache=Englisch |zugriff=4. August 2006}}</ref> Die weiteren größeren Nachbarsternsysteme sind mit Entfernungen von 7,8&nbsp;Lj [[Epsilon Eridani]], 8,6&nbsp;Lj die [[Sonne]] und 9,5&nbsp;Lj [[Alpha Centauri]]. == Bewegung == [[Datei:Sirius A and B Hubble photo.jpg|thumb|Sirius A und Sirius B vom [[Hubble-Weltraumteleskop]].]] === Eigenbewegung === Sirius weist eine relativ große [[Eigenbewegung (Astronomie)|Eigenbewegung]] von 1,3[[Bogensekunde|″]] im Jahr auf. Davon entfallen etwa 1,2″ auf die südliche und 0,55″ auf die westliche Richtung.<ref name="hipp" /> Sirius und [[Arktur]] waren die ersten Sterne, an denen eine [[Eigenbewegung (Astronomie)|Eigenbewegung]] festgestellt wurde, nachdem sie über Jahrtausende hinweg als unbeweglich („Fixsterne“) galten. Im Jahre 1717 bemerkte [[Edmond Halley]] beim Vergleich der von ihm selbst gemessenen Sternpositionen mit den im [[Almagest]] überlieferten antiken Koordinaten, dass Sirius sich seit der Zeit des [[Claudius Ptolemäus|Ptolemäus]] um etwa ein halbes Grad (einen Vollmonddurchmesser) nach Süden verschoben hatte.<ref name="Holberg2007">J. B. Holberg: ''Sirius…'', S. 41.</ref> === Sirius-Supercluster === Im Jahre 1909 machte Hertzsprung darauf aufmerksam,<ref>E. Hertzsprung: ''On New Members of the System of the Stars β, γ, δ, ε, ζ, Ursae Majoris''. Astrophysical Journal, Bd. 30, 135–143 (1909) ([http://articles.adsabs.harvard.edu/cgi-bin/nph-iarticle_query?1909ApJ....30..135H&amp;data_type=PDF_HIGH&amp;whole_paper=YES&amp;type=PRINTER&amp;filetype=.pdf PDF]).</ref> dass auch Sirius aufgrund seiner Eigenbewegung wohl als ein Mitglied des [[Ursa-Major-Gruppe|Ursa-Major-Stroms]] anzusehen sei. Der Ursa-Major-Strom besteht aus etwa 100 bis 200 Sternen, die eine gemeinsame Bewegung durch den Raum zeigen und vermutlich zusammen als Mitglieder eines [[Offener Sternhaufen|offenen Sternhaufens]] entstanden, dann aber weit auseinanderdrifteten.<ref>{{internetquelle|url=http://seds.lpl.arizona.edu/Messier/xtra/ngc/uma-cl.html|titel=The Ursa Major Moving Cluster, Collinder 285|zugriff=22. November 2007|datum=26. April 26 2003|hrsg=SEDS|autor=Hartmut Frommert}}</ref> Untersuchungen aus den Jahren 2003 und 2005 ließen jedoch Zweifel aufkommen, ob Sirius ein Mitglied dieser Gruppe sein kann. Das Alter der Ursa-Major-Gruppe musste auf etwa 500&nbsp;(±&nbsp;100)&nbsp;Millionen Jahre heraufgesetzt werden, während Sirius nur halb so alt ist. Damit wäre er zu jung, um zu dieser Gruppe zu gehören.<ref name=apj_630 /><ref>{{cite journal | last=King | first=Jeremy R. | coauthors=Villarreal, Adam R.; Soderblom, David R.; Gulliver, Austin F.; Adelman, Saul J. | title=Stellar Kinematic Groups. II. A Reexamination of the Membership, Activity, and Age of the Ursa Major Group | journal=Astronomical Journal | year=2003 | volume=15 | issue=4 | pages=1980–2017 | url=http://www.iop.org/EJ/article/1538-3881/125/4/1980/202425.web.pdf?request-id=LNmvIwDV3BGlLoQA3Ai7 kg | accessdate=6. Februar 2008}}. Siehe [http://www.astronomy.com/asy/default.aspx?c=a&id=3391 The life and times of Sirius B], Ken Croswell, ''Astronomy'', online, 27. Juli 2005. Accessed 19. Oktober 2007.</ref> In der Umgebung der Sonne lassen sich neben dem Ursa-Major-Strom noch andere [[Bewegungshaufen]] unterscheiden, unter anderem der [[Hyaden (Astronomie)|Hyaden]]-Supercluster sowie der Sirius-Supercluster.<ref>O. J. Eggen: ''The Astrometric and Kinematic Parameters of the Sirius and Hyades Superclusters''. The Astronomical Journal, vol. 89 (1984), 1350–1357 ([http://articles.adsabs.harvard.edu/cgi-bin/nph-iarticle_query?1984AJ.....89.1350E&amp;data_type=PDF_HIGH&amp;whole_paper=YES&amp;type=PRINTER&amp;filetype=.pdf PDF], 971 KB).</ref><ref group="A">Der Name Supercluster sollte hier nicht mit der ebenfalls engl. Bezeichnung ''Supercluster'' für [[Superhaufen]] (Galaxienhaufen) verwechselt werden.</ref> Letzterer umfasst neben Sirius und der Ursa-Major-Gruppe<ref>M. Ammler: ''Characterisation of Young Nearby Stars – The Ursa Major Group''. Dissertation, Friedrich-Schiller-Universität Jena, 2006 ([http://www.db-thueringen.de/servlets/DerivateServlet/Derivate-10427/Ammler/Dissertation.pdf PDF], 3,8 MB).</ref> auch weit verstreut liegende Sterne wie [[Beta Aurigae]], [[Alpha Coronae Borealis]], Zeta Crateris, [[Beta Eridani]] und [[Beta Serpentis]].<ref>{{cite journal | last=Eggen | first=Olin J. | title=The Sirius supercluster in the FK5 | journal=Astronomical Journal | year=1992 | volume=104 | issue=4 | pages=1493–1504 | url=http://articles.adsabs.harvard.edu/cgi-bin/nph-iarticle_query?db_key=AST&bibcode=1992AJ....104.1493E&letter=.&classic=YES&defaultprint=YES&whole_paper=YES&page=1493&epage=1493&send=Send+PDF&filetype=.pdf | accessdate=22. November 2007}}</ref> Die Bezeichnung „Supercluster“ beruht auf der Vorstellung, dass auch diese großen Sterngruppen jeweils gemeinsam entstanden sind und –&nbsp;obwohl inzwischen weit auseinandergedriftet&nbsp;– eine erkennbare gemeinsame Bewegung beibehalten haben. Sirius wäre dann, wo nicht Mitglied der Ursa-Major-Gruppe, so doch des umfassenderen Sirius-Superclusters. Das Szenario eines gemeinsamen Ursprungs der Sterne in einem solchen Supercluster ist jedoch nicht unumstritten; insbesondere kann es nicht erklären, warum es in einem Supercluster Sterne sehr unterschiedlichen Alters gibt. Eine alternative Deutung geht davon aus, dass der Hyaden- und der Siriusstrom nicht aus Sternen jeweils gemeinsamer Herkunft bestehen, sondern aus Sternen ohne Verwandtschaft, denen Unregelmäßigkeiten im Gravitationsfeld der Milchstraße ein gemeinsames Bewegungsmuster aufgeprägt haben. Es wäre dann nicht von „Superclustern“, sondern von „dynamischen Strömen“ zu sprechen.<ref>B. Famaey, A. Jorissen, X. Luri, M. Mayor, S. Udry, H. Dejonghe, C. Turon: ''Dynamical Streams in the Solar Neighbourhood''. Proceedings of the Gaia Symposium „The Three-Dimensional Universe with Gaia“ (ESA SP-576), held at the Observatoire de Paris-Meudon, 4-7 October 2004 (2005), S. 129. ([http://www.rssd.esa.int/SA/GAIA/docs/Gaia_2004_Proceedings/Gaia_2004_Proceedings_129.pdf PDF], 76 KB).</ref> === Vorbeiflug am Sonnensystem === Sirius nähert sich unserem [[Sonnensystem]], allerdings mit stetig abnehmender Geschwindigkeit. So betrug sie vor 2000 Jahren noch ungefähr 32.000&nbsp;km/h, im Jahr 2000&nbsp;n.&nbsp;Chr. etwa 31.300&nbsp;km/h und im Jahr 3000 n.&nbsp;Chr. wird sich der Wert nur noch auf rund 31.000&nbsp;km/h belaufen. In den folgenden Jahrtausenden wird sie sich weiter verlangsamen. In etwa 64.000 Jahren wird Sirius zu unserem Sonnensystem mit ca. 7,86 Lichtjahren die größte Annäherung erreicht haben und die scheinbare Helligkeit wird bei −1,68&nbsp;mag liegen. In den Folgejahren wird sich die Entfernung zu unserem Sonnensystem wieder stetig erhöhen.<ref>Southern Stars Systems ''SkyChart III'', Saratoga, California 95070, United States of America.</ref> == Sichtbarkeit == [[Bild:Azimuth-Simple.svg|thumb|right|Einfache Darstellung des Azimut]] Die [[Scheinbar (Astronomie)|scheinbare Position]] von Sirius am [[Himmel (planetär)|Himmel]] ist abhängig vom Beobachtungsort auf der Erde und wird von der Erdpräzession sowie der Eigenbewegung des Sirius zusätzlich beeinflusst. So ist beispielsweise in der heutigen Zeit Sirius vom [[Nordpol]] bis zum 68.&nbsp;nördlichen [[Geographische Breite|Breitengrad]] nicht zu sehen, während Sirius vom [[Südpol]] bis zum südlichen 67.&nbsp;südlichen Breitengrad ständig am Himmel steht und nicht untergeht. Damit verbunden nimmt vom 67.&nbsp;nördlichen Breitengrad ausgehend die maximal sichtbare [[Vertikalwinkel|Höhe über dem Horizont]] bis in die Region des [[Äquator]]s je Breitengrad um einen Höhengrad auf etwa 83° zu, um sich bis zum Südpol wieder auf etwa 30° zu reduzieren. Zusätzlich ändert sich je Breitengrad der [[Azimut|Aufgangsort]] von Sirius. Am 67.&nbsp;nördlichen Breitengrad taucht Sirius am Horizont in südwestlicher Lage (172°) auf, am Äquator dagegen fast im Osten (106°). Die unterschiedlichen Sichtbarkeitsverhältnisse wirken sich auf die Beobachtungsdauer am Himmel aus, die zwischen einer knappen Stunde am 67.&nbsp;nördlichen Breitengrad und der ständigen Präsenz am Südpol je nach Ortslage veränderliche Werte aufweist.<ref name=SK /> [[Datei:Sirius Orion.jpg|thumb|Die drei Gürtelsterne des Orion (rechts mitte) zeigen (hier links abwärts) in Richtung Sirius (links mitte).]] Ähnliche Bedingungen gelten hinsichtlich des Breitengrads für den Sonnenaufgang, der gegenüber dem Vor- und Folgetag zeitlich variiert. Die Region, in der Sirius nicht gesehen werden kann, wird sich in den folgenden Jahren weiter in südlicher Richtung ausdehnen. Im Jahr 7524 n. Chr. verlagert sich die Grenze der Nicht-Sichtbarkeit bis zum 52. Breitengrad auf die Höhe [[Berlin]]s. In etwa 64.000 Jahren, wenn Sirius die größte Annäherung erreicht haben wird, kehrt sich dieser Trend um. In Deutschland wird er dann das ganze Jahr über sichtbar sein und nicht mehr untergehen. Zu dieser Zeit ist Sirius auf der Südhalbkugel ab dem 32. südlichen Breitengrad bis zum [[Südpol]] unsichtbar.<ref name=SK /> Sirius ist wegen seiner Helligkeit auch für den zufälligen Himmelsbetrachter ein auffälliger Stern. Sein grelles bläulich-weißes Licht neigt schon bei geringer Luftunruhe zu starkem und oft farbenfrohem [[Szintillation (Astronomie)|Flackern]]. In gemäßigten nördlichen Breiten ist er ein Stern des Winterhimmels, den er wegen seiner Helligkeit dominiert. Während er den Sommer über am Tageshimmel steht und mit bloßem Auge nicht zu sehen ist, wird er gegen Ende August erstmals in der Morgendämmerung sichtbar. Im Herbst ist er ein Stern der zweiten Nachthälfte, im Winter geht er schon am Abend auf. Um den Jahreswechsel [[Kulmination (Astronomie)|kulminiert]] Sirius gegen Mitternacht und ist daher die ganze Nacht über zu sehen. Sein Aufgang fällt im Frühling bereits vor den Sonnenuntergang und kann nicht mehr beobachtet werden. Ab Mai hat sich auch sein Untergang in die helle Tageszeit verlagert, so dass er bis in den Spätsommer gar nicht mehr sichtbar ist. Ein Beobachter kann in großer Höhe Sirius auch am Tage mit bloßem Auge sehen, wenn die Sonne schon nahe am Horizont steht und sich der Stern an einem Standort mit sehr klarem Himmel hoch über dem Horizont befindet.<ref>{{cite journal | author=C. Henshaw | title=On the Visibility of Sirius in Daylight | journal=Journal of the British Astronomical Association | year=1984 | volume=94 | issue=5 | pages=221-222 | url=http://adsabs.harvard.edu/abs/1984JBAA...94..221H }}</ref> == Helligkeitsvergleich mit anderen Sternen == [[Wega]] wird etwa 235.000 n.&nbsp;Chr.<ref name=SK>Southern Stars Systems ''SkyChart III'', Saratoga, California 95070, United States of America.</ref> Sirius mit einer errechneten Helligkeit von −0,7&nbsp;mag als hellsten Stern am Himmel ablösen, ehe dann 260.000 n.&nbsp;Chr.<ref name=SK>Southern Stars Systems ''SkyChart III'', Saratoga, California 95070, United States of America.</ref> [[Canopus]] mit −0,46&nbsp;mag wieder als zweithellster Stern Sirius auf Rang drei verdrängen wird. Die Entwicklung der Helligkeit von Sirius im Vergleich zu anderen hellen Sternen im Zeitraum zwischen 100.000 v.&nbsp;Chr. und 100.000 n.&nbsp;Chr. ist im folgenden Diagramm und der dazugehörigen Tabelle dargestellt:<ref name=SK>Southern Stars Systems ''SkyChart III'', Saratoga, California 95070, United States of America.</ref> [[Datei:Magnitude time closestar diagram.svg|thumb|left|490px|Die Entwicklung der scheinbaren Helligkeiten wichtiger heller Sterne im Laufe der Zeit.]] :{| class="prettytable" |- class="hintergrundfarbe8" ! width="16%" | Jahr ! width="12%" | Sirius ! width="12%" | [[Canopus]] ! width="12%" | [[Wega]] ! width="12%" | [[Arktur|Arcturus]] ! width="12%" | [[Prokyon]] ! width="12%" | [[Altair]] ! width="12%" | [[Alpha Centauri|α Cen]] |- | align="right" |−100.000 | align="center" |−0,66 | align="center" |'''−0,82''' | align="center" |+0,33 | align="center" |+0,88 | align="center" |+0,88 | align="center" |+1,69 | align="center" |+2,27 |- | align="right" |−75.000 | align="center" |'''−0,86''' | align="center" |−0,80 | align="center" |+0,24 | align="center" |+0,58 | align="center" |+0,73 | align="center" |+1,49 | align="center" |+1,84 |- | align="right" |−50.000 | align="center" |'''−1,06''' | align="center" |−0,77 | align="center" |+0,17 | align="center" |+0,30 | align="center" |+0,58 | align="center" |+1,27 | align="center" |+1,30 |- | align="right" |−25.000 | align="center" |'''−1,22''' | align="center" |−0,75 | align="center" |+0,08 | align="center" |+0,08 | align="center" |+0,46 | align="center" |+1,03 | align="center" |+0,63 |- | align="right" |0 | align="center" |'''−1,43''' | align="center" |−0,72 | align="center" |{{0}}0,00 | align="center" |−0,02 | align="center" |+0,37 | align="center" |+0,78 | align="center" |−0,21 |- | align="right" |25.000 | align="center" |'''−1,58''' | align="center" |−0,69 | align="center" |−0,08 | align="center" |+0,02 | align="center" |+0,33 | align="center" |+0,49 | align="center" |−0,90 |- | align="right" |50.000 | align="center" |'''−1,66''' | align="center" |−0,67 | align="center" |−0,16 | align="center" |+0,19 | align="center" |+0,32 | align="center" |+0,22 | align="center" |−0,56 |- | align="right" |75.000 | align="center" |'''−1,66''' | align="center" |−0,65 | align="center" |−0,25 | align="center" |+0,45 | align="center" |+0,37 | align="center" |−0,06 | align="center" |+0,30 |- | align="right" |100.000 | align="center" |'''−1,61''' | align="center" |−0,62 | align="center" |−0,32 | align="center" |+0,74 | align="center" |+0,46 | align="center" |−0,31 | align="center" |+1,05 |} <br style="clear:both;" /> == Sirius in der Geschichte == === Namensherkunft === Die früheste überlieferte Erwähnung von Sirius (Σείριος) findet sich im 7. Jahrhundert v. Chr. bei [[Hesiod]]<b/>s Lehrgedicht [[Werke und Tage]].<ref>J.B. Holberg: ''Sirius …'', S. 15.</ref> Die Herkunft des Namens unterliegt mehreren Deutungen: [[Leukosia]] ''(Die Weiße)'' ist in der griechischen [[Mythologie]] eine der [[Sirene (Mythologie)|Sirenen]] ''(Seirenes)''. Eine mögliche Verbindung zu Sirius mit der Benennung als ''Das gleißend weiße Licht'' ist ebenso Inhalt kontroverser Diskussionen wie auch die Anwendung der Begriffe ''gleißend heiß'' und ''sengend'' für ''Seirios''. Schließlich wird eine weitere Gleichsetzung mit der [[Indogermanische Wortwurzel|indogermanischen]] Wurzel ''*tueis-ro'' für „erregt sein“ oder „funkeln“ angenommen.<ref>Anton Scherer, Gestirnnamen bei den indogermanischen Völkern, Winter-Verlag, Heidelberg 1953, ISBN 3-533-00691-3, S. 111f. J. Pokorny: ''Indogermanisches Etymologisches Wörterbuch'', Franke Verlag, Bern – München 1956. Sp. 1099.</ref> Einige Wissenschaftler bestreiten allerdings diese Ableitung.<ref>Chantraine, Dictionnaire Etymologique de la langue grecque Bd. 5, s.v. Σείριος, S. 994, vgl. auch: [[Hjalmar Frisk]] ''Griechisches etymologisches Wörterbuch Bd. 2'', Winter-Verlag 1961, s.v. Σείριος, S. 688.</ref> === Sirius im Blickwinkel anderer Kulturen === Die scheinbare Helligkeit des Sirius war im [[Altertum]] unwesentlich geringer und lag bei −1,41&nbsp;mag. Die Entfernung betrug 8,8 Lichtjahre. Als besonders auffälliger Stern findet sich Sirius seit prähistorischen Zeiten in den Mythen, Religionen und Gebräuchen zahlreicher Kulturen, welche hier nur knapp angerissen werden können. ==== Ägypten ==== {{HieroglyphenImText|Die [[Altes Ägypten|Ägypter]] sahen Sirius zunächst in [[Altägyptische Sprache|ihrer Sprache]] nicht als Einzelstern, sondern im Zusammenhang mit dem Dreieckssternbild der Göttin [[Sopdet]] (<hiero>M44-X1:N14</hiero> spd.t; mit Vokalen: *sắpd.˘t), das aus Sirius und zwei nicht näher benannten Sternen bestand. Erst später, im 1. Jahrtausend v. Chr., wechselte die Aussprache zu *sŏte/sote und gelangte über diesen Weg zu der heute bekannten gräzisierten Form Sothis (griechisch: Σωσις, Σωτις), die auch als Namensgeber für den [[Sothis-Zyklus]] fungierte.}} Ob die Bedeutung „die Spitze“ mit dem „altägyptischen [[Sopdet (Sternbild)|Sternbild Sopdet]]“ in Verbindung gebracht wurde, bleibt dabei unklar. Während sich die Verehrung auf Sirius konzentrierte, verblassten die beiden anderen Sterne in ihrer Bedeutung immer mehr. Bezüglich der [[Nilschwemme|Nilflut]] nahm Sirius im Verlauf der ägyptischen Geschichte einen wichtigen Rang ein. [[Herodot]] gibt die Zeit um den [[Sonnenwende|22./23. Juni]] als Beginn der Nilflut an.<ref>Herodot: ''Historien'', 2.Buch, 19.</ref> Einträge in ägyptischen Verwaltungsdokumenten bestätigen Herodots Angaben. Historische und astronomische Rekonstruktionen belegen, dass die erste morgendliche Sichtbarkeit von Sirius im Nildelta um 2850 v. Chr. und im südlichsten Ort [[Assuan]] um 2000 v. Chr. mit dem 22./23. Juni zusammenfiel.<ref name=Krauss>Rolf Krauss: ''Sothis- und Monddaten'', Gerstenburg, Hildesheim 1985, {{Falsche ISBN|3-8067-8086-X}}, S. 47.</ref> Sirius galt deshalb im 3. Jahrtausend v. Chr. als ''Verkünder der Nilflut'' und genoss in der ägyptischen Religion eine noch größere Bedeutung. Im weiteren Verlauf der ägyptischen Geschichte erfolgten die [[heliakisch]]en Aufgänge von Sirius erst nach dem Eintreffen der Nilflut.<ref group="A">Die öfter publizierten Aussagen, dass der heliakische Aufgang von Sirius vor 2850 v. Chr. und nach 2000 v. Chr. mit dem Einsetzen der Nilflut erfolgte, können durch die astronomischen Ergebnisse und zeitgenössischen ägyptische Dokumente nicht bestätigt werden.</ref><ref>vgl. hierzu Rolf Krauss: ''Sothis- und Monddaten'', Gerstenburg, Hildesheim 1985, S. 14, 37 und 41.</ref> In der [[Griechisch-römische Zeit (Ägypten)|griechisch-römischen Zeit Ägyptens]] wurde den veränderten Bedingungen [[Mythologie|mythologisch]] Rechnung getragen. Nun war es ''Salet, die mit einem Pfeilschuss die Nilflut auslöste; ihre Tochter Anukket sorgte anschließend für die Abschwellung des Nils''.<ref>Hubert Cancik, Helmuth Schneider: ''Der neue Pauly: Enzyklopädie der Antike (DNP), Bd. 8'', Metzler, Stuttgart 2000, ISBN 3-476-01478-9, Sp.&nbsp;943.</ref> Der heliakische Aufgang des Sirius erfolgt in der heutigen Zeit in Assuan am 1. August und im Nildelta am 7. August.<ref name=Krauss /> ==== Sumer und Mesopotamien ==== Bei den [[Sumer]]ern nahm Sirius im 3. Jahrtausend v. Chr. in der [[Sumerische Religion|sumerischen Religion]] schon früh mehrere zentrale Rollen ein. Als Kalenderstern erfüllte er mit der Bezeichnung <sup>MUL</sup>KAK.SI.SÁ eine wichtige Funktion im landwirtschaftlichen Zyklus. Als <sup>MUL</sup>KAK.TAG.GA ''(Himmelspfeil)'' galt Sirius als eine Hauptgottheit ''der Sieben'' und unterstand dem ''herrschenden Gottesstern über die anderen Himmelsobjekte'', der [[Venus (Planet)|Venus]], die als Göttin [[Inanna]] verehrt wurde. In den [[Akitu]]-[[Prozession|Neujahrsprozessionen]] galt Sirius schließlich als ''Zieher über die Meere'' und erhielt entsprechende Opfergaben.<ref>[[Dietz-Otto Edzard]] u. a.: ''[[Reallexikon der Assyriologie und vorderasiatischen Archäologie]], Bd. 3'', de Gruyter, Berlin 1971, ISBN 3-11-003705-X, S. 74–75.</ref> Nahezu in unveränderter Form fungierte er auch später bei den [[Babylonien|Babyloniern]] und [[Assyrisches Reich|Assyrern]], die Sirius zusätzlich gemäß der [[Astrolab B#MUL.APIN Tafeln|MUL.APIN-Tontafeln]] als Signalgeber für den Zeitpunkt der [[Schaltjahr]]e bestimmten. ==== Griechenland, Rom und Deutschland ==== Bei den Griechen und Römern war Sirius mit Hitze, Feuer und Fieber verbunden. Die Römer nannten die heißeste Zeit des Jahres (üblicherweise vom frühen Juli bis Mitte August) die „[[Hundstage]]“ (lat. ''dies caniculares'', Tage des Hundssterns).<ref name=H2>J.B. Holberg: ''Sirius …'', Kap. 2.</ref> Im deutschen Volksglauben wurden die Hundstage ab dem 15. Jahrhundert als Unglückszeit angesehen. Sirius galt bei den [[Antikes Griechenland|Griechen]] als Wegbereiter der [[Tollwut]].<ref> Behring Werke ''Die Gelben Hefte'', Heft 1/1971, 11. Jahrgang, S.&nbsp;34 bis 44</ref> ==== Nordamerika und China ==== Auch bei vielen nordamerikanischen Volksstämmen wird Sirius mit Hunden oder Wölfen assoziiert. Bei den [[Cherokee]] beispielsweise sind Sirius und [[Antares]] die Hundssterne, welche die Enden des „Pfades der Seelen“ (der [[Milchstraße]]) bewachen: Sirius das östliche Ende am Winterhimmel, Antares das westliche Ende am Sommerhimmel. Eine aus der Welt scheidende Seele muss genug Futter mit sich tragen, um beide Hunde zu besänftigen, wenn sie nicht ewig auf dem Pfad der Seelen herumirren will.<ref name=H2 /> Bei den Chinesen bildeten Sterne der heutigen Konstellationen [[Achterdeck des Schiffs|Achterdeck]] und Großer Hund ein Pfeil und Bogen darstellendes Sternbild. Der Pfeil zielte direkt auf den „Himmelswolf“, nämlich Sirius.<ref name=H24>J.B. Holberg: ''Sirius …'', S. 24</ref> ==== Südsee-Inseln ==== In [[Polynesien]] und [[Mikronesien]] dienten die helleren Sterne des Südhimmels, insbesondere Sirius, seit prähistorischen Zeiten der Navigation bei den Überfahrten zwischen den verstreuten Inselgruppen. Nahe am Horizont konnten helle Sterne wie Sirius als Richtungsanzeiger verwendet werden (wobei sich mehrere Sterne im Laufe einer Nacht in dieser Rolle gegenseitig ablösten). Sterne konnten auch zur Feststellung der geographischen Breite benutzt werden. So zieht Sirius mit seiner Deklination von 17° Süd senkrecht über [[Fidschi]] mit der geographischen Breite 17° Süd hinweg und man musste nur so lange nach Süden oder Norden fahren, bis Sirius durch den [[Zenit (Richtungsangabe)|Zenit]] ging.<ref name=H24 /> === Sirius und die Dogon === Der französische [[Ethnologe]] [[Marcel Griaule]] studierte ab 1931 zwei Jahrzehnte lang die Volksgruppe der [[Dogon]] im westafrikanischen [[Mali]]. Die umfangreichen Schöpfungsmythen der Dogon, die Griaule hauptsächlich in Gesprächen mit vier hochrangigen Stammesangehörigen sammelte, enthalten unter anderem Angaben über einen merkwürdigen Begleiter von Sirius: [[Datei:Dogon Sirius Diagram de.png|thumb|Ein von den Dogon gezeichnetes Diagramm, das angeblich das Doppelsternsystem Sirius darstellt.]] * der Stern Sirius ''(sigu tolo)'' wird vom kleineren Begleiter ''po tolo'' umkreist. ''Po tolo'' hat seinen Namen von ''po'', dem kleinsten den Dogon bekannten Getreidekorn ([[Foniohirse|Digitaria exilis]]). * ''Po tolo'' bewegt sich auf einer ovalen Bahn um Sirius; Sirius steht nicht im Zentrum dieser Bahn, sondern exzentrisch. * ''Po tolo'' braucht 50 Jahre, um die Bahn einmal zu durchlaufen und dreht sich einmal im Jahr um sich selbst. * Wenn ''po tolo'' nahe bei Sirius steht, wird Sirius heller. Wenn der Abstand am größten ist, flackert Sirius und kann als mehrere Sterne erscheinen. * ''Po tolo'' ist der kleinste Stern und überhaupt das kleinste für die Dogon denkbare Ding. Er ist aber gleichzeitig so schwer, dass alle Menschen nicht ausreichen würden, ihn hochzuheben. * Ein drittes Mitglied des Siriussystems ist der Stern ''emme ya tolo'' (benannt nach einer [[Sorghumhirsen|Sorghumhirse]]), der etwas größer als ''po tolo'' aber nur ein Viertel so schwer ist. Er umkreist Sirius auf einer größeren Bahn und ebenfalls einmal in 50 Jahren. Die bemerkenswerte Ähnlichkeit dieser Beschreibungen mit Sirius B und einem eventuellen Sirius C ist um so erstaunlicher, als nichts davon mit bloßem Auge erkennbar ist. Zahlreiche unterschiedliche [[Vermutung|Spekulation]]en versuchen die Herkunft dieser Kenntnisse zu erklären. In der Populärliteratur finden sich zwei Hauptströmungen: eine hauptsächlich in [[Ethnozentrismus|afrozentrischer]] Literatur vertretene Ansicht sieht die Dogon als Überbleibsel einer einstigen hochentwickelten, wissenschaftlich geprägten [[Subsahara-Afrika|schwarzafrikanischen]] Zivilisation. R. Temple andererseits vertrat in seinem Buch ''The Sirius Mystery'' (dt.: ''Das Sirius-Rätsel'') die Vermutung, außerirdische Besucher aus dem Sirius-System hätten vor etwa 5000 Jahren den Anstoß für den Aufstieg der [[Geschichte des Alten Ägypten|ägyptischen]] und der [[Sumerische Kultur|sumerischen]] Zivilisation gegeben. Die Dogon seien Nachfahren eines nordafrikanischen, später nach Westafrika ausgewanderten Volksstammes, der die von den Außerirdischen vermittelten Kenntnisse über das Sirius-System bewahrt habe. Die in wissenschaftlichen Kreisen bevorzugte Erklärung geht von der Kontaminierung der Dogon-Mythologie mit modernen astronomischen Erkenntnissen aus. Die anthropologische Variante nimmt an, dass die Kontamination (wenn auch nicht absichtlich) durch Griaule selbst geschehen sei. Der niederländische Anthropologe Walter van Beek arbeitete selbst mit den Dogon und versuchte Teile des Materials von Griaule zu verifizieren. Er konnte jedoch große Teile der von Griaule wiedergegebenen Mythen nicht bestätigen, unter anderem Sirius als Doppelsternsystem. Van Beek vertritt die Ansicht, dass die von Griaule publizierten Mythen nicht einfach Wiedergaben von Erzählungen seiner Gewährsleute seien, sondern in einem komplexen Zusammenspiel zwischen Griaule, seinen Informanten und den Übersetzern zustande gekommen seien. Ein Teil von ihnen sei das Ergebnis von Missverständnissen sowie Überinterpretation durch Griaule. Laut Griaules Tochter, Dr. Geneviève Calame-Griaule, hätten allerdings die astronomischen Kenntnisse ihres Vaters nicht ausgereicht, um selbständig astronomische Sachverhalte in die Erzählungen der Dogon hineinzuinterpretieren. Eine spekulative Erklärung bezieht sich auf angenommene Kontakte der Dogon mit europäischen Besuchern. Sie weist darauf hin, dass die Dogon-Erzählungen den astronomischen Kenntnisstand ab etwa 1926 widerspiegeln (während Griaule erst ab 1931 bei den Dogon zu arbeiten begann): die Umlaufperiode, der elliptische Orbit und die große Masse von Sirius B waren bereits im 19. Jahrhundert bekannt, sein geringer Durchmesser ab etwa 1910, ein möglicher dritter Begleiter wurde in den 1920er-Jahren vermutet, die hohe Dichte von Sirius B wurde 1925 nachgewiesen. Die Beobachtung der gravitativen Rotverschiebung an Sirius B ging als aufsehenerregende Bestätigung der Allgemeinen Relativitätstheorie durch die populäre Presse. Als Quellen kommen beispielsweise [[Mission (Christentum)|Missionare]] in Betracht, worauf möglicherweise auch biblische und christliche Motive in der Dogon-Mythologie hinweisen. Missionarische Aktivitäten bei den Dogon fanden ab 1931 statt, allerdings sind bisher keine Missionare nachweisbar, die konkret als Quelle in Frage kämen.<ref>Hauptquelle des Abschnitts: J.B. Holberg: ''Sirius …'', Kap. 11</ref> === Sirius als roter Stern === Sirius erscheint dem Betrachter grell bläulichweiß. Im Sternkatalog des von [[Claudius Ptolemäus]] um 150 n.Chr. verfassten [[Almagest]] findet sich Sirius, der Hauptstern des Sternbilds Großer Hund, dennoch mit dem Eintrag:<ref>G.J. Toomer: ''Ptolemy’s Almagest''. Princeton University Press, Princeton 1998, S. 387: „The star in the mouth, the brightest, which is called ‚the Dog‘ and is reddish“</ref> {| class="prettytable" ! Beschreibung ! Länge ! Breite ! Größe |- | align="center"|Der Stern im Maule, der hellste, der Hund[sstern] genannt wird und rötlich ist | align="center"|Gem 17<small>2/3</small> | align="center"| −39<small>1/6</small> | align="center"|1 |} Während nach Beschreibung und Koordinaten eindeutig Sirius gemeint ist, stimmt die genannte rötliche Färbung nicht mit Sirius’ blau-weißer Farbe überein. Seit dem 18. Jahrhundert knüpfen sich daran Spekulationen, ob Sirius tatsächlich während der letzten 2000 Jahre seine Farbe geändert haben könnte. In diesem Fall würde Ptolemäus’ Bemerkung wertvolles Beobachtungsmaterial sowohl allgemein zur [[Stern#Sternentwicklung|Sternentwicklung]] als auch speziell zu den Vorgängen in der Sonnenumgebung liefern. Es lässt sich auch unter Beiziehung unabhängiger Quellen jedoch nicht eindeutig entscheiden, ob Sirius in der Antike als rot wahrgenommen wurde oder nicht. Ein assyrischer Text aus dem Jahre 1070 v.Chr. beschreibt Sirius als „rot wie geschmolzenes Kupfer.“ Sirius wird von [[Aratos von Soloi|Aratos]] in seinem Lehrgedicht ''Phainomena'' sowie von dessen späteren Bearbeitern als rötlich bezeichnet. Bei [[Plinius der Ältere|Plinius]] ist Sirius „feurig“ und bei [[Seneca]] sogar röter als [[Mars (Planet)|Mars]]. Auch der frühmittelalterliche Bischof [[Gregor von Tours]] bezeichnet Sirius in seinem Werk ''De cursu stellarum ratio'' (ca. 580 n.Chr.) noch als roten Stern. Andererseits bezeichnet [[Marcus Manilius|Manilius]] Sirius als „meerblau“, und vier antike chinesische Texte beschreiben die Farbe einiger Sterne als „so weiß wie [Sirius]“. Darüber hinaus wird Sirius oft als stark funkelnd beschrieben; ein eindrucksvolles Funkeln setzt aber die vollen [[Spektralfarbe]]n eines weißen Sterns voraus, während das mattere Funkeln eines roten Sterns kaum Aufmerksamkeit erregt hätte. Fünf andere von Ptolemäus als rot bezeichnete Sterne (u. a. [[Beteigeuze]], [[Aldebaran]]) sind auch für den heutigen Betrachter rötlich. Nach heutigem Verständnis der Sternentwicklung ist ein Zeitraum von 2000 Jahren bei weitem nicht ausreichend, um bei den betreffenden Sterntypen sichtbare Veränderungen bewirken zu können. Demnach ist weder ein Aufheizen von Sirius A von einigen tausend Kelvin auf die heutigen knapp 10000&nbsp;K, noch eine Sichtung von Sirius B in seiner Phase als Roter Riese denkbar. Alternative Erklärungsversuche konnten bislang allerdings auch nicht vollständig überzeugen: * Eine zwischen Sirius und der Erde durchziehende [[Interstellarer Staub|interstellare Staubwolke]] könnte eine erhebliche [[Extinktion (Astronomie)|Rötung]] des Lichts durchscheinender Sterne verursacht haben. Eine solche Wolke hätte aber Sirius’ Licht auch so stark schwächen müssen, dass er allenfalls als unauffälliger Stern dritter Größenklasse erschienen wäre und seine Helligkeit nicht ausgereicht hätte, um im menschlichen Auge einen [[Photopisches Sehen|Farbeindruck]] hervorzurufen. Spuren einer solchen Wolke wurden nicht gefunden. * Die irdische Atmosphäre [[Extinktion (Astronomie)|rötet]] das Licht tiefstehender Gestirne ebenfalls, schwächt es aber nicht so stark ab. Da der [[heliakisch]]e Aufgang des Sirius für viele antike Kulturen ein wichtiger kalendarischer Fixpunkt war, könnte die Aufmerksamkeit besonders dem tiefstehenden und dann rötlich erscheinenden Sirius gegolten haben. Diese Farbe könnte Sirius dann als kennzeichnendes Attribut beibehalten haben. Theoretische Rechnungen deuten an, dass die Atmosphäre in der Tat das Licht eines Sterns ausreichend röten kann, ohne die Helligkeit unter die Farbwahrnehmungsschwelle zu drücken. Praktische Beobachtungen konnten bisher aber keinen ausgeprägten Rötungseffekt feststellen. * „Rötlich“ könnte ein lediglich symbolisches Attribut sein, das Sirius mit der von seinem heliakischen Erscheinen angekündigten Sommerhitze in Verbindung bringt.<ref>Hauptquelle des Abschnitts: J.B. Holberg: ''Sirius …'', Kap. 10.</ref> == Siehe auch == * [[Sehungsbogen des Sirius (Altes Ägypten)|Sehungsbogen des Sirius im Alten Ägypten]] * [[Bezugsort der kalendarischen Sothis-Aufgänge|Bezugsorte der kalendarischen Sothis-Aufgänge im Alten Ägypten]] * [[Liste der Sterne]] * [[Liste der nächsten Sterne]] * [[Liste der hellsten Sterne]] == Literatur == * Mary Barnett: ''Götter und Mythen des alten Ägypten.'' Verlag Gondrom 1998, ISBN 3-8112-1646-5 * Erich Sams: ''Sirius – Der Wächter am Tor. Glanz und Elend des Fixsterns Sirius in den alten Religionen'', Pro Literatur Verlag, Mering 2007, ISBN 978-3-86611-312-1 * [[Karl Kerényi]]: „Die Mythologie der Griechen – Die Götter- und Menschheitsgeschichten“, dtv, ISBN 3-423-30030-2 * [[Michael Grant]] und John Hazel: „Lexikon der antiken Mythen und Gestalten“, dtv, ISBN 3-423-32508-9 * [[Robert von Ranke-Graves]]: ''Griechische Mythologie – Quellen und Deutung.'' rororo, ISBN 3-499-55404-6 * Jay B. Holberg: ''Sirius – Brightest Diamond in the Night Sky''. Springer, Berlin 2007, ISBN 978-0-387-48941-4 (englisch, kulturgeschichtlicher und astrophysikalischer Überblick) == Weblinks == {{Commons}} * [http://www.astronews.com/news/artikel/2000/11/0011-038.shtml Astronews] * [http://hubblesite.org/newscenter/newsdesk/archive/releases/2005/36/ Hubblesite] * [http://www.rense.com/general72/size.htm Größenvergleich mit anderen Himmelskörpern] * [http://www.collasius.org/WINKLE/04-HTML/tollwut.htm Sirius als Wegbereiter der Tollwut] * [http://www.sagen.at/doku/hda/hundstage.html Sirius als Unglücksbote in Deutschland] == Anmerkungen == <div class="references-small" style="-moz-column-count:2; column-count:2;"> <references group="A" /></div> == Einzelnachweise == <div class="references-small" style="-moz-column-count:2; column-count:2;"> <references/></div> {{Navigationsleiste Ägyptischer Kalender}} [[Kategorie:Sumerische Mythologie]] [[Kategorie:Astronomie im Alten Ägypten]] [[Kategorie:Ägyptischer Kalender (Altertum)]] [[Kategorie:Mesopotamische Religion]] [[Kategorie:Weißer Zwerg]] [[Kategorie:Großer Hund]] {{Exzellent|3. Mai 2008|45597080}} {{Link GA|ru}} {{Link FA|en}} {{Link FA|it}} {{Link FA|tr}} [[ar:الشعرى اليمانية]] [[ast:Sirius]] [[be:Сірыюс]] [[bg:Сириус]] [[bn:লুব্ধক]] [[ca:Sírius]] [[cs:Sírius]] [[da:Sirius (stjerne)]] [[el:Σείριος]] [[en:Sirius]] [[eo:Siriuso]] [[es:Sirio]] [[et:Siirius]] [[eu:Sirius]] [[fa:شباهنگ (ستاره)]] [[fi:Sirius]] [[fr:Alpha Canis Majoris]] [[ga:Sirius]] [[he:סיריוס]] [[hr:Sirius]] [[hu:Szíriusz]] [[id:Sirius]] [[it:Sirio]] [[ja:シリウス]] [[ka:სირიუსი]] [[ko:시리우스]] [[ku:Tîr (stêrk)]] [[la:Sirius]] [[lb:Sirius (Stär)]] [[lt:Sirijus]] [[lv:Sīriuss]] [[mk:Сириус]] [[ml:സിറിയസ്]] [[nds:Sirius]] [[nl:Sirius (ster)]] [[no:Sirius]] [[pl:Syriusz]] [[pt:Sirius]] [[qu:Chuqichinchay warani]] [[ro:Sirius]] [[ru:Сириус]] [[sh:Sirius]] [[simple:Sirius]] [[sk:Sírius]] [[sl:Sirij]] [[sr:Сиријус]] [[sv:Sirius]] [[th:ดาวซิริอุส]] [[tr:Sirius]] [[uk:Сіріус]] [[vi:Sao Sirius]] [[zh:天狼星]] r5yqkr8bi5xogspkwmuek6p843ossz3 wikitext text/x-wiki Eifelwasserleitung 0 23506 26105 2010-04-07T21:25:23Z Pfir 0 [[Kategorie:Nettersheim]] hinzugefügt (mit [[Wikipedia:Helferlein/HotCat|HotCat]]) [[Datei:Karte_eifelwasserleitung.png|thumb|300px|Verlauf der Eifelwasserleitung]] Die '''Eifelwasserleitung''' – auch '''Römerkanal''' oder die '''Römische Wasserleitung nach Köln''' genannt – war eines der längsten [[Aquädukt]]e des [[Römisches Reich|römischen Imperiums]] und gilt als größtes antikes Bauwerk nördlich der [[Alpen]]. == Geschichte der Leitung == Die Anlage hatte eine Vorgängerin, die heute ''Vorgebirgsleitung'' oder besser benannt nach ihren einzelnen Zweigen: ''Bachemer- (?), Gleueler- Burbacher- und Hürther Leitung'' genannt wird, die zwischen 1929 und 1953 ergraben wurden. Sie entstanden wahrscheinlich in verschiedenen Abschnitten bereits circa 30 n. Chr. vor Erhebung der [[Ubier]]stadt zur römischen [[Colonia (Rom)|Colonia]] <ref> Klaus Grewe (Rh. Amt für Bodendenkmalpflege, Bonn): ''Neun Teilstücke der römischen Eifelwasserleitung nach Köln geborgen'', in Hürther Heimat, Heft 65/66, Hürth 1990, S. 113 f </ref>. Sie nutzte einige [[Quelle]]n und saubere [[Bach (Gewässer)|Bäche]] des Höhenzuges [[Ville]] (süd-)westlich von [[Köln]], insbesondere des [[Duffesbach]]es oder ''Hürther Baches''. Bevor diese Bäche von den Römern kanalisiert wurden, versickerten sie im Rheinschotter. Als die Menge und Qualität des Wassers dieser Leitung nicht mehr ausreichten, die schnell wachsende [[antike]] Großstadt zu versorgen, obwohl die Quellen auch im Sommer durch die in der Ville wasserspeichernden [[Braunkohle]]schichten eine ausreichende [[Schüttung (Hydrologie)|Schüttung]] hatten, wurde eine neue Wasserleitung zu den Quellen in der [[Eifel]] angelegt. Das kalkreiche Quellwasser aus der Eifel galt als qualitativ besonders hochwertig. Die Eifelwasserleitung wurde um das Jahr 80 n. Chr. in der [[Nordeifel]] aus ''[[Opus caementitium]]'' und aus im [[Bogen (Architektur)|Halbbogen]] gemauerten Steinen erbaut. Obwohl literarische und epigraphische Quellen fehlen, kann doch als sicher angenommen werden, dass die Leitung vom römischen Heer errichtet wurde, denn nur dieses verfügte über die entsprechenden Mittel. Sie hatte eine Länge von 95,4 Kilometern und eine Transportkapazität von bis zu 20.000 Kubikmetern [[Trinkwasser]] je Tag. Zählt man die verschiedenen Zuleitungen von den [[Quelle]]n noch hinzu, dann hatte die Leitung sogar eine Länge von 130 km. Die Anlage versorgte die damalige römische Stadt [[Colonia Claudia Ara Agrippinensium]] mit Wasser für die öffentlichen [[Brunnen|Laufbrunnen]], [[Thermen]] und privaten Hausanschlüsse. [[Datei:Eifelroemerwasserleitunginnen.jpg|thumb|right|Das Innere der Leitung am ''Grünen Pütz'']] Die Leitung transportierte das Wasser einzig und allein durch ihr [[Steigung|Gefälle]] und gehört zu den Denkmälern damaliger, bis heute nachwirkender, Ingenieurskunst. Der Verlauf zeigt die Befähigung der Römer zur exakten Vermessung, den Zugang zu Prinzipien der Physik und deren praktischer Ausführung. Manche vermuten auch den [[Eiserner Mann (Swisttal)|Eisernen Mann]] als Fixpunkt. Die gesamte Anlage war bis etwa 260 in Betrieb, sie wurde nach der ersten Plünderung und Zerstörung Kölns durch die [[Germanen]] nicht wieder in Betrieb genommen. Nach diesen Zerstörungen wurde die rasch wieder aufblühende Stadt vom Duffesbach, der der Kanaltrasse folgte, mit Wasser versorgt. Damit war quasi der vorherige Status wieder gegeben. == Verlauf der Leitung == Die Eifelwasserleitung hatte ihren Ursprung in der Gegend von [[Nettersheim]] im Flusstal der [[Urft (Fluss)|Urft]] am ''Grünen Pütz'', wo sie das Wasser einer [[Quelle]] aufnahm. Als reine Gefälleleitung zog sie sich am Talhang der Urft entlang nach [[Kall]], um dort die [[Wasserscheide]] zwischen [[Maas]] und [[Rhein]] zu überwinden. Die damaligen römischen [[Ingenieur]]e haben im Gelände genau diese eine mögliche Stelle ausfindig gemacht, an der die Gefälleleitung ohne einen [[Tunnel]] oder eine [[Rohrleitung|Druckrohrleitung]] die Wasserscheide überwinden konnte. Anschließend verlief die Leitung parallel zum Nordhang der Eifel, überquerte die [[Erft]] bei [[Kreuzweingarten|Euskirchen-Kreuzweingarten]] und zwischen [[Rheinbach]] und [[Meckenheim (Rheinland)|Meckenheim]] die [[Swist]] mit einer gemauerten [[Gewölbebrücke]], um dann im [[Kottenforst]] bei [[Buschhoven]], nordwestlich von [[Bonn]], den Höhenrücken des [[Vorgebirge]]s zu passieren. Weiter führte die Leitung über [[Brühl (Rheinland)|Brühl]] und [[Hürth]] nach Köln. Sofern die angetroffenen Quellen den römischen Ansprüchen an [[Qualität]] und [[Quantität]] genügten, wurden sie ebenfalls mit [[Quellfassung]]en versehen und in die Leitung eingespeist. [[Datei:Roemerkanal_buschhoven.jpg|thumb|original erhaltenes Leitungsstück in Buschhoven bei Bonn]] == Die Ausführung der Leitung == Die Leitung verlief normalerweise zum Schutz vor [[Frost]] etwa 1 m unterhalb der Erdoberfläche. Der archäologische Ausgrabungsquerschnitt zeigt zu unterst eine lose Lage Steine, auf die eine U-förmige Rinne aus [[Beton]] oder Mauersteinen gesetzt wurde. Anschließend wurde auf die Rinne eine Schicht aus sauber zugehauenen und [[Mörtel|vermörtelten]] Natursteinen gemauert, die ihrerseits ein [[Gewölbe]] aus Steinen mit viel Mörtel trug. Bei der Ausführung in Beton und für das Gewölbe wurden [[Holzbrett|Bretter]] für die [[Schalung]] verwendet, deren [[Jahresring|Maserung]] als Abdruck im Beton erkennbar ist. Die Leitung selbst hatte innen eine Breite von siebzig Zentimetern und eine Höhe von einem Meter und konnte damit auch von innen begangen werden. Sie war zum Schutz vor eindringendem Schmutzwasser außen [[Putz (Baustoff)|verputzt]] und wurde bei Bedarf von einer [[Drainage (Bau)|Drainage]] begleitet, die das anstehende [[Grundwasser]] von der Leitung fernhielt. Kleinere Wasserläufe überquerte die Leitung mit entsprechenden [[Durchlass|Durchlässen]], von denen einer in der Nähe des ''Grünen Pützes'' sogar noch vollständig erhalten ist. Auch das Innere der Leitung war mit einem rötlichen Putz versehen ([[opus signinum]]), der neben Kalk auch zerstoßene [[Backstein|Ziegelsteine]] enthielt. Dieser Putz erhärtete auch unter Wasser und dichtete die Leitung gegen Wasserverluste nach außen ab. Feine Ritzen und Spalten im Putz dichteten die römischen Bauarbeiter mit [[Holzasche]] ab, die sie bei der Inbetriebnahme und Erstbefüllung der Leitung mit Wasser hineinstreuten. == Die römischen Quellfassungen == [[Datei:Brunnenstube_gruener_puetz.jpg|thumb|Die Brunnenstube des Grünen Pützes]] Neben dem bereits erwähnten ''Grünen Pütz'' bei Nettersheim existierten weitere Quellfassungen im Verlauf der Leitung. Bekannt ist in erster Linie der ''Klausbrunnen'' bei [[Mechernich]]-Kallmuth, dessen [[Brunnenstube]] nach einer [[Archäologie|archäologischen]] Ausgrabung rekonstruiert und mit einem Schutzbau versehen wurde. Weitere Quellen wurden beispielsweise in Mechernich-[[Urfey]] gefasst und der Leitung zugeführt. Die Brunnenstuben wurden von der Konstruktion her den örtlichen Gegebenheiten angepasst und würden auch den heutigen technischen Erfordernissen entsprechen. Die Quellgebiete im Einzelnen: * Der ''Grüne Pütz'' bei Nettersheim * Der ''Klausbrunnen'' bei Mechernich-Kallmuth * Das Quellgebiet bei Mechernich-Urfey * Das Quellgebiet ''Hausener Benden'' bei Mechernich-Eiserfey Gerade das letztgenannte Quellgebiet stellt eine Besonderheit dar: Auf der Suche nach einer ergiebigen Quelle zur Versorgung von Mechernich mit Trinkwasser stieß man 1938 auf eine Zuleitung der Eifelwasserleitung. Das ausströmende Wasser wurde darauf hin in das moderne Versorgungsnetz eingeleitet. Auf eine archäologische Suche nach der Quellfassung verzichtete man, um die Quelle nicht zu gefährden. == Die Ansprüche der Römer an die Qualität des Wassers == [[Datei:eifelwasserleitung05.jpg|thumb|Die von [[Sinter]] zugesetzte Wasserleitung bei [[Euskirchen]]-Kreuzweingarten]] Die Menschen im römischen Imperium bevorzugten [[Trinkwasser]] mit hoher [[Wasserhärte]]. Derartiges Trinkwasser ist vollmundiger als fade schmeckendes weiches Wasser, es neigt aber auch zu Kalkausfällungen innerhalb der Transportleitungen. Diese [[Kalksinter]]ablagerungen legten sich als dichte Schicht auf alle Bereiche der Leitung und verhinderten innerhalb der städtischen [[Rohrleitung]]en aus [[Blei]], dass dieses [[Gift|giftige]] [[Schwermetalle|Schwermetall]] in das Trinkwasser geraten konnte. Die Eifelwasserleitung war auch von diesen Niederschlägen betroffen, die teilweise die Stärke von 20 cm erreichen konnten. Trotz der Verengung des [[Querschnittsfläche|Querschnitts]] durch diese Kalkausfällungen konnte die Leitung problemlos die notwendige Kapazität für den Wassertransport bereitstellen. Die Kalkausfällungen selbst stellten in späteren Jahren eine begehrte Quelle für [[Aquäduktenmarmor|Baumaterialien]] dar. Ein Verfahren zur Prüfung einer Quelle für die Gewinnung von Trinkwasser nennt der römische [[Architekt]] und Autor [[Vitruv]]: :''„Die Erprobung und Prüfung der Quellen muss so besorgt werden: Wenn die Quellen von selbst hervorquellen und offen zu Tage liegen, dann betrachte und beobachte man, bevor man mit dem Leitungsbau beginnt, welchen Gliederbau die Menschen haben, die in der Umgebung dieser Quellen wohnen. Ist ihr Körperbau kräftig, ihre Gesichtsfarbe frisch, sind ihre Beine nicht krank und ihre Augen nicht entzündet, dann werden die Quellen ganz vortrefflich sein.“'' An anderer Stelle findet sich beim gleichen Autor: :''„Daher müssen mit großer Sorgfalt und Mühe die Quellen gesucht und gefunden werden im Hinblick auf die Gesundheit des menschlichen Lebens.“'' == Die Hochbauten der Eifelwasserleitung == [[Datei:Huerth-roemische-Sammelleitung-029.jpg|thumb|left|upright|Alte und Neue Leitung (Hochbau darüber z.T. Rekonstruktion) in Hermülheim]] [[Datei:Eifelwasserleitung_Rekonstruktion_Simulation.jpg|thumb|Gemauerte Rekonstruktion und virtuelle Simulation der ehemaligen Bogenbrücke in der Swistbachaue. Die Wasserrinne zeigt in die ursprüngliche Fließrichtung.]] Bei der Eifelwasserleitung trifft man kaum auffällige [[Hochbau]]ten an, wie man sie sonst als römische [[Aquädukt]]e bei anderen antiken Fernwasserleitungen antrifft. Ein prominentes Beispiel für solch einen Hochbau stellt der [[Pont du Gard]] im Süden [[Frankreich]]s dar. Dafür gab es mehrere Gründe: * Der Verlauf der Leitung verursachte keinen derartigen Bauaufwand. * Die Leitung konnte vor [[Frost]] geschützt im Untergrund bleiben. * Das Wasser behielt auf dem Weg nach Köln seine angenehm kühle [[Temperatur]]. * Die Leitung konnte im [[Krieg]]sfall nicht so schnell zerstört werden. Trotzdem gab es an der Eifelwasserleitung Hochbauten. Die auffälligste Brücke war die Überquerung des Swistbaches bei [[Rheinbach]] mit einer Bogenbrücke von 1400 Metern Länge und bis zu 10 Metern Höhe. Die Archäologen gehen davon aus, dass die Brücke einmal 295 Bögen mit einer lichten Weite von 3,56 m gehabt haben muss. Von dem Bauwerk ist, abgesehen von einem niedrigen Streifen aus [[Schutt]], nichts mehr erhalten. Eine kleinere Bogenbrücke, die [[Aquäduktbrücke Vussem]], überquerte ein Seitental bei Mechernich-Vussem in etwa 10 Metern Höhe und 80 Metern Länge. Der archäologische Befund stellte sich als eindeutig dar, so dass man eine [[Rekonstruktion|Teilrekonstruktion]] der Brücke vornehmen konnte, um dem Besucher eine Vorstellung von dem Bauwerk geben zu können. Auch hinter dem Villeabschnitt, wo die Leitung über die alte ''Hürther Leitung'' geführt wurde, waren Hochbauten errichtet, die allerdings heute im Boden stecken. == Der römische Baustellenbetrieb == [[Datei:Roemerkran.jpg|thumb|Rekonstruierter römischer Kran]] Der Bau der Leitung stellte hohe Ansprüche an die Fähigkeiten und Kenntnisse der ausführenden [[Ingenieur]]e. Andererseits scheinen [[Qualität]]smängel am Bau auch bei den Römern nicht unbekannt gewesen zu sein, denn [[Sextus Iulius Frontinus]] als leitender Beamter der städtischen Wasserversorgung von [[Rom]] schrieb: :''„Kein anderer Bau erfordert größere Sorgfalt in seiner Ausführung als einer, der dem Wasser standhalten soll. Daher ist für einen solchen Bau in allen Einzelheiten Gewissenhaftigkeit vonnöten - ganz im Sinne der Regeln, die zwar alle kennen, aber nur wenige befolgen.“'' === Der Aufwand zum Bau der Leitung === Ein Bauwerk dieser Länge war von der [[Vermessung]], dem [[Tiefbau]] und den Mauerarbeiten nicht in einem Zuge zu verwirklichen. Stattdessen haben die römischen Ingenieure, die zu den an der Rheingrenze stationierten Legionen gehört haben dürften, die gesamte [[Baustelle]] in einzelne [[Baulos]]e unterteilt. Die moderne [[Archäologie]] ist mit ihren Methoden in der Lage, die Grenzen solcher Baulose festzustellen. Bei der Eifelwasserleitung konnte sie mit 4440 Metern festgestellt werden, das sind ziemlich genau 15.000 römische [[Fuß (Einheit)|Fuß]]. Weiterhin ließ sich nachweisen, dass die Vermessung völlig unabhängig vom Bau der Leitung stattfand. In diesem Zusammenhang wird der Leitungsbau ähnlich abgelaufen sein, wie es heute noch auf [[Baustelle|Großbaustellen]] üblich ist. Der Bauaufwand wird mit einem Erdaushub von 3 bis 4 Kubikmetern je laufenden Meter Leitung geschätzt, hinzu kommen 1,5 Kubikmeter Mauerwerk und Beton sowie 2,2 Quadratmeter [[Putz (Baustoff)|Putz]] zur [[Dichtung (Technik)|Abdichtung]] der Leitung. Der gesamte Aufwand wird auf 475.000 [[Tagewerk]]e geschätzt, bei 180 effektiven [[Bautag]]en im Jahr waren dafür etwa 2500 Arbeiter 16 Monate lang beschäftigt. Die tatsächliche Bauzeit wird aber deutlich höher gelegen haben, da in dieser Rechnung weder die Vermessung noch die Beschaffung der [[Baustoff]]e enthalten sind. Nach dem Bau der Anlage wurde die Baugrube wieder aufgefüllt, die Oberfläche eingeebnet und ein Weg für die Leitungswärter, die den [[Trasse (Verkehrsweg)|Trassenverlauf]] regelmäßig inspizierten, angelegt. Dieser Weg markierte gleichzeitig einen [[Schutzstreifen]], innerhalb dessen Bereich eine [[Landwirtschaft|landwirtschaftliche]] Nutzung des Geländes verboten war. Ähnliche Einrichtungen sind auch von anderen Aquädukten bekannt. An der römischen Wasserleitung nach [[Lyon]] in Frankreich fanden die Archäologen eine Verbotstafel mit folgender Aufschrift: :''Auf Geheiß des Kaiser Caesar Trajanus Hadrianus Augustus ist niemandem das Pflügen, Säen oder Pflanzen gestattet innerhalb des Raumes, der zum Schutz der Wasserleitung bestimmt ist.'' === Römische Vermessungstechnik === [[Datei:Pano brunnenstube.jpg|thumb|right|upright=1.3|Panoramablick in die "Römische Brunnenstube", südlich von Kallmuth ([[Mechernich]])]] Neben der sinnvollen Lage der Leitung im Gelände musste vor allem das notwendige Gefälle der Leitung gewährleistet sein. Die römischen Ingenieure waren mit ihren [[Chorobates]], [[Wasserwaage|wasserwaagenähnlichen]] Messgeräten in der Lage, ein Gefälle von einem [[Promille]] einzuhalten, die Leitung überwand also auf eintausend Meter Entfernung die Höhe von gerade einem Meter. Hinzu kam die Notwendigkeit, an den Grenzen der einzelnen Baulose einen [[Zwangspunkt]] in der Höhe einhalten zu müssen, denn bei einer Bautätigkeit leitungsabwärts stieß man irgendwann an den Beginn des nächsten Loses, das vom Nachbarbautrupp bereits begonnen wurde. Die Leitung durfte somit keinesfalls zu tief an diesem Zwangpunkt ankommen. Entsprechend vorsichtig und sparsam sind die römischen Bauleute mit dem zur Verfügung stehenden Gefälle umgegangen. Kam die Leitung dagegen zu hoch an dieser Stelle an, genügte ein kleines [[Tosbecken]] in der Leitung zur Beruhigung des aus dieser Höhe herunterfallenden Wassers. === Römischer Beton als Baustoff === Die römischen Bauleute verwendeten eine Mischung aus [[Gebrannter Kalk|gebranntem Kalk]], Sand, Steinen und Wasser als eine Art Beton, der zwischen die Baugrube als Außenschalung und eine Innenschalung aus Brettern eingestampft wurde. Proben dieses Materials wurden modernen Prüfungen unterzogen; es zeigte sich dabei, dass der Beton ohne weiteres den heutigen [[Normung|Normen]] für diesen Baustoff entsprochen hätte. In der Literatur wird für diesen Baustoff auch der Name ''[[Opus caementitium]]'' verwendet.. == Der Betrieb der Leitung == [[Datei:eifelwasserleitung03.jpg|thumb|Ein Revisionsschacht für den Einstieg in die Wasserleitung]] Während ihrer wahrscheinlich 180-jährigen Betriebsdauer von 80 bis ungefähr 260 nach Christus musste die Leitung ständig gewartet, ausgebessert, gereinigt und von [[Sinter]] befreit werden. Dies geschah durch regelmäßig angelegte [[Kontrollschacht|Revisionsschächte]], von denen aus die Leitung begangen werden konnte. Mitunter wurden diese Revisionsschächte auch über [[Reparatur]]stellen und Grenzen der Baulose angelegt. An der Zusammenführung der einzelnen Quellstränge entstanden ähnlich gestaltete offene Becken, damit das Bedienungspersonal derartige Problemstellen stets im Auge behalten konnte. Zur Beseitigung von Verunreinigungen und [[Schwebstoffe]]n aus dem Frischwasser wurden unter geschickter Ausnutzung der Verringerung der Strömungsgeschwindigkeit [[Absetzbecken]] eingesetzt. Dies lässt sich zumindest in der ersten Betriebsphase des Vorgängerbaues, der Hürther Leitung, vor dem Anschluss der Eifelwasserleitung an diesen nachweisen. Durch diese Technik wurde die Wasserqualität zusätzlich erhöht. Bei Straßenbauarbeiten an der Berrenrather Straße wurde 1927 ein solches Becken, das noch heute dort besichtigt werden kann, ausgegraben. Münzfunde in dieser Anlage lassen einen Einsatz ab etwa dem Jahr 50 vermuten. Bei dem Anschluss der Eifelwasserleitung wurde dieses Becken mit dem Aquädukt überbaut.<ref>Gerta Wolff: ''Das Römisch–Germanische Köln'', 6.&nbsp;überarbeitet Auflage, Köln&nbsp;2005. ISBN 3-7616-1370-9. S.&nbsp;265–269.</ref> == Die Verteilung des Wassers in der antiken Stadt Köln == Auf den letzten Kilometern vor der antiken Stadt verließ die Leitung das Erdreich und führte das Wasser über eine Aquäduktbrücke, die vor der Stadt die Höhe von etwa 10 m erreichte. Der Grund für diesen zusätzlichen Bauaufwand ist in der Notwendigkeit zu suchen, auch höher gelegene Stadtteile mit [[Rohrleitung|Druckrohrleitungen]] versorgen zu können. Die damaligen [[Rohr (Technik)|Rohre]] bestanden aus [[Blei]]platten, die man zu einem Ring walzte und an den Stoßstellen des Ringes miteinander [[Lot (Metall)|verlötete]]. Daneben waren auch [[Flansch (Rohrleitung)|Flansche]] zur Verbindung der einzelnen Rohrstücke in Gebrauch. Als [[Armatur]]en verwendeten die Römer [[Absperrhahn|Absperrhähne]] aus [[Bronze]]. Das ankommende Wasser floss dann in erster Linie in die vielen öffentlichen Laufbrunnen der Stadt, die ständig in Betrieb waren. Das Netz der Laufbrunnen war so dicht, dass kein Einwohner der Stadt weiter als 50 m zu einem dieser Brunnen gehen musste. Weiterhin versorgte die Leitung [[Thermen]], private Hausanschlüsse sowie die öffentlichen [[Toilette]]nanlagen. Die Abwässer wurden durch ein im Kölner Untergrund befindliches Kanalnetz in den [[Rhein]] geschwemmt. Ein Stück dieser Abwasserleitungen kann unter der Kölner ''Budengasse'' auch heute noch besichtigt und begangen werden. == Die Nutzung der Leitung als Steinbruch == [[Datei:eifelwasserleitung01.jpg|thumb|upright|Eine Säule aus Sinter mit der typischen Maserung des Materials in der Stiftskirche [[Bad Münstereifel]]]] Im Jahre 260 wurde die Leitung bei einem kriegerischen Überfall durch die Germanen zerstört und nicht wieder in Betrieb genommen, obwohl die römische Stadt Köln weiter Bestand hatte. Zudem war in den Wirren der [[Völkerwanderung]] das Wissen um den Aquädukt verloren gegangen. Die Anlage blieb dann ein halbes Jahrtausend unberührt in der Erde liegen, bis dann zur Zeit der [[Karolinger]] eine neue Bautätigkeit im [[Rheinland]] einsetzte. Die Leitung wurde in dieser Zeit im steinarmen Rheinland gründlich ausgeschlachtet. So wurden gerade noch eben transportierbare Brocken aus der Leitung heraus gebrochen und beispielsweise in der [[Stadtmauer]] von [[Rheinbach]] erneut vermauert. Teilweise haftet an diesen Brocken aus Beton immer noch der Putz zur Abdichtung der Leitung. Auf diese Art und Weise wurden alle Hochbauten und weite Teile der unterirdischen Anlagen restlos beseitigt und einer neuen Nutzung zugeführt. Besonders begehrt war der so genannte [[Aquäduktenmarmor]], ein [[Sinter]]kalk, wie der schon erläuterte Niederschlag aus Kalk auch genannt wurde. Dieses Material hatte sich in der Betriebszeit der Leitung zu einer bis zu 30 cm dicken Gesteinsschicht angesammelt. Das Material besaß das Aussehen von bräunlich bis rötlich gefärbtem [[Marmor]] und ließ sich problemlos aus dem Querschnitt der Leitung entfernen. Der Sinterkalk konnte ohne weiteres poliert werden und erhielt in Längsrichtung durch die Ansammlung der Kalzitminerale eine Textur, die wie eine Maserung von Holz wirkte, während er [[Rechter Winkel|rechtwinkelig]], gegen sein natürliches Lager dazu wie ein [[Versteinerung|versteinertes]] Brett erscheint. Dieser seltene [[Naturstein]] war im gesamten Rheinland sehr begehrt, man fertigte [[Säule]]n, [[Fenster]]leibungen und sogar [[Altar]]platten daraus. Das Material lässt sich im Osten bis nach [[Paderborn]] und [[Hildesheim]] nachweisen, wo es in den dortigen [[Kathedrale|Domen]] verbaut wurde. Die nördliche Verbreitung reicht gar bis nach [[Dänemark]] im [[Dom zu Roskilde]], wo der auch ''Eifelmarmor'' genannte Sinter in Form von Grabplatten Verwendung fand, ferner befindet sich in der ältesten Steinkirche von Schweden in [[Dalby (Schonen)|Dalby]] eine Aquäduktenmarmor-Säule. Im Volksglauben des Mittelalters wurde aus der Eifelwasserleitung eine unterirdische Leitung von Trier nach Köln, wie es unter anderem in der Kölner Dombausage deutlich wird - der [[Teufel]] wettete mit dem Dombaumeister, dass er diese Leitung schneller vollenden könne als der Baumeister den [[Kölner Dom]]. Der Baumeister ging auf die Wette ein und trieb seine Leute zu höchster Eile an. Eines Tages stießen die Bauleute bei Ausschachtungsarbeiten zum Kölner Dom auf einen unterirdischen Wasserstrom. Das schadenfrohe Gekicher des Teufels trieb den Dombaumeister in den Tod: Er stürzte von den halb fertigen Domtürmen in die Tiefe. Sein Tod wurde als Ursache für den jahrhundertelangen Stillstand der Baustelle des Kölner Doms angesehen. Teilweise wurde der ursprüngliche Zweck der Wasserleitung so stark umgedeutet, dass sie nicht Wasser, sondern Wein transportiert habe - so zum Beispiel in den ''Gesta Treverorum'' des heiligen [[Maternus]] (4. Jahrhundert) und im [[Annolied]] (11. Jahrhundert). == Abschließende Wertung == [[Datei:AquaeduktMechernich.jpg|thumb|right|upright|Rekonstruierter Aquädukt bei Mechernich-Vussem]] Die archäologische Erforschung der Eifelwasserleitung begann erst wieder im 19. Jahrhundert. Dem rheinischen Kartografen ''C. A. Eick'' gebührt das Verdienst, schon 1867 die Brunnenstube des ''Grünen Pützes'' als die von Köln am weitesten entfernteste Quelle erkannt zu haben. Systematisch erforscht wurde die Leitung in den Jahren 1940 bis 1970 durch ''[[Waldemar Haberey]]''. Seine 1971 erschienene Schrift (siehe Literaturauswahl) ist immer noch ein brauchbarer Führer entlang der Trasse. Der beim rheinischen Landesamt für Bodendenkmalpflege angestellte Archäologe ''Klaus Grewe'' hat ab 1980 die Trasse komplett kartografiert und in die [[Deutsche Grundkarte]] eingetragen. Sein ''„Atlas der römischen Wasserleitungen nach Köln“'' gilt als Standardwerk über die Erforschung römischer Aquädukte. Die Eifelwasserleitung stellt sich als [[Technik|technisches]] [[Denkmal|Kulturdenkmal]] ersten Ranges dar, an dem sich das römische [[Vermessungswesen]], die römische [[Organisation]]sfähigkeit und das Können der römischen [[Ingenieur]]e eindrücklich studieren lässt. Es ist bezeichnend für den Verlust an technischem Wissen, dass nach der Zerstörung und dem Verfall der Anlage die nachfolgenden Generationen nichts Rechtes mehr mit der Leitung anfangen konnten und sie als Steinbruch verwendeten. Den römischen [[Stand der Technik]] auf dem Gebiet der Wasserversorgung erreichte man erst wieder im 19. und 20. Jahrhundert. Somit kommt der gesamten, als bewahrenswert angesehenen Anlage eine Vorbildfunktion zu. == Touristische Hinweise == [[Datei:Logo_roemerkanal_wanderweg.jpg|thumb|upright|Logo des Wanderwegs]] Entlang der Route der Wasserleitung führt der ''[[Römerkanal-Wanderweg]]'' von [[Nettersheim]] über [[Kall]], [[Euskirchen]], [[Rheinbach]], [[Brühl (Rheinland)|Brühl]], [[Hürth]] nach [[Köln]]. Die Route ist mit etwa 75 Schautafeln ausgestattet und gibt eine sehr gute Anschauung von Verlauf der [[Trasse (Verkehrsweg)|Leitungstrasse]]. Der Wanderweg ist 111,3 km lang und kann dank des dichten Netzes des [[Öffentlicher Personennahverkehr|öffentlichen Personennahverkehrs]] in mehreren Etappen gegangen oder auch mit dem [[Fahrrad]] gefahren werden. == Siehe auch == * [[Pont du Gard]] == Literatur == * Klaus Grewe: ''Der Römerkanalwanderweg''. Eifelverein, Düren 2005. ISBN 3-921805-16-3. * Ingrid Retterath: ''Deutschland: Römerkanal-Wanderweg''. Conrad Stein Verlag, Welver 2008. ISBN 978-3-86686-240-1. * Klaus Grewe: ''Atlas der römischen Wasserleitungen nach Köln (Rheinische Ausgrabungen Band 26)''. Rheinland-Verlag, Köln 1986. ISBN 3-7927-0868-X. * Klaus Grewe: ''Aquädukt-Marmor.Kalksinter der römischen Eifelwasserleitung als Baustoff des Mittelalters'', in: [[Bonner Jahrbücher]] Band 191, 1991, S. 277-246. * Klaus Grewe: ''Neue Befunde zu den römischen Wasserleitungen nach Köln. Nachträge und Ergänzungen zum "Atlas der römischen Wasserleitungen nach Köln", in: [[Bonner Jahrbücher]] Band 191, 1991, S. 385-422. * [[Heinz Günter Horn]] (Hrsg.): ''Die Römer in Nordrhein-Westfalen''. Theiss, Stuttgart 1987. ISBN 3-8062-0312-1 * [[Waldemar Haberey]]: ''Die römischen Wasserleitungen nach Köln. Die Technik der Wasserversorgung einer antiken Stadt''. Rheinland-Verlag, Bonn 1972. ISBN 3-7927-0146-4. * [[Rudolf Pörtner]]: ''Mit dem Fahrstuhl in die Römerzeit''. Moewig, Rastatt 2000 (auch andere Ausgaben). ISBN 3-8118-3102-X. == Einzelnachweise == <references/> == Weblinks == {{Commons|Eifelwasserleitung}} * [http://www.woenge.de/woeng/artikel/krk/naske-roemerkanal/roemerkanal.html Eine Seite über die römische Wasserleitung nach Köln] * [http://www.soetenich.de/Sotenich-INFOS/Der_Romerkanal/body_der_romerkanal.html Weitere Informationen zur römischen Wasserleitung] * [http://www.huerth.de/sportfreizeittourismus/tourismus/roemerkanal.php Römerkanal-Wanderweg im Bereich Hürth] * [http://www.members.aol.com/geosolutio/public-archive/2003/Brunnenstube_Kallmuth.pdf Der Klausbrunnen bei Kallmuth (PDF)] * [http://www.nrw-stiftung.de/projekte/projekt.php?id=119&archiv=Nettersheim&pl=projekte NRW-Stiftung: „Römische Wasserleitung von Nettersheim nach Köln“] * [http://www.hgstump.de/vussem.htm Bild eines rekonstruierten Teilstücks einer der Brücken der Wasserleitung] * [http://www.romanaqueducts.info/ Liste von 600 Römische Wasserleitungen von denen 25 in Detail dokumentiert] * [http://www.klaus-grewe.de/monographien.htm Literatur von Klaus Grewe, Archäologe] * [http://friedhelm-becker.de/html/karte_romerkanal.html Der Römerkanal-Wanderweg / Die Römische Eifelwasserleitung nach Köln] {{Navigationsleiste Römische Aquädukte}} {{exzellent}} [[Kategorie:Römisches Aquädukt]] [[Kategorie:Ruine]] [[Kategorie:Geschichte (Rheinland)]] [[Kategorie:Kreis Euskirchen]] [[Kategorie:Germania Inferior]] [[Kategorie:Archäologischer Fundplatz in Nordrhein-Westfalen]] [[Kategorie:Römerzeit in der Eifel]] [[Kategorie:Erbaut im 1. Jahrhundert]] [[Kategorie:Nettersheim]] {{Link GA|es}} [[en:Eifel Aqueduct]] [[es:Acueducto de Eifel]] [[fr:Aqueduc de l'Eifel]] [[it:Acquedotto Eifel]] [[la:Aquaeductus Arduennus]] [[nl:Eifelaquaduct]] [[no:Eifelakvedukten]] [[ro:Apeductul din Eifel]] [[ru:Акведук Айфель]] 0m96gik9j1yfbaecqmkhmwrj938gdsq wikitext text/x-wiki Süßgräser 0 23507 26106 2010-04-18T11:56:59Z Denis Barthel 0 /* Weblinks */ <!-- Für Informationen zum Umgang mit dieser Tabelle siehe bitte [[Wikipedia:Taxoboxen]]. --> {{Taxobox | Taxon_Name = Süßgräser | Taxon_WissName = Poaceae | Taxon_Rang = Familie | Taxon_Autor = ([[Robert Brown (britischer Botaniker)|R.Br.]]) [[John Hendley Barnhart|Barnhart]] | Taxon2_Name = Süßgrasartige | Taxon2_WissName = Poales | Taxon2_Rang = Ordnung | Taxon3_Name = Commeliniden | Taxon3_Rang = ohne | Taxon4_Name = Monokotyledonen | Taxon4_Rang = ohne | Taxon5_Name = Bedecktsamer | Taxon5_WissName = Magnoliopsida | Taxon5_Rang = Klasse | Taxon6_Name = Samenpflanzen | Taxon6_WissName = Spermatophytina | Taxon6_Rang = Unterabteilung | Bild = AnthoxanthumAristatum.jpg | Bildbeschreibung = [[Grannen-Ruchgras]] (''Anthoxanthum aristatum'') }} [[Datei:Ruwe smele plant Deschampsia cespitosa.jpg|thumb|Horst einer [[Rasen-Schmiele]] (''Deschampsia cespitosa'')]] [[Datei:Abbruchkante.jpg|thumb|Freigelegtes Wurzelsystem des [[Gewöhnlicher Strandhafer|Gewöhnlichen Strandhafers]] (''Ammophila arenaria'') in einer Weißdüne]] [[Datei:Bamboo forest.jpg|thumb|Bambus-„Wald“ mit ''[[Phyllostachys edulis]]'']] Die '''Süßgräser''' (Poaceae = Gramineae) sind eine weltweit in allen [[Klimazone]]n verbreitete [[Familie (Biologie)|Pflanzenfamilie]], die durch die typische grasartige Gestalt der zugehörigen Arten gut gekennzeichnet ist. Süßgräser gehören zu den ältesten [[Nutzpflanze]]n und sind seit alters her für den Menschen von lebenswichtiger Bedeutung. Alle [[Getreide]] wie Weizen, Roggen, Gerste, Hafer, Hirse, Mais und Reis zählen zu dieser Pflanzengruppe. Sie stellen in Form von [[Marktfrucht|Marktfrüchten]] oder als [[Futtermittel|Viehfutter]] in der [[Veredelung (Landwirtschaft)|Veredelung]] heute die Basis für die Ernährung der [[Weltbevölkerung]] dar. Als [[Grasland|Gras-]] oder [[Grünland]] wie [[Wiese (Grünland)|Wiesen]] und [[Weide (Grünland)|Weiden]], aber auch [[Steppe]]n und [[Savanne]]n prägen sie in weiten Teilen der Welt das Landschaftsbild. Mit etwa 10.000 Arten in mehr als 650 Gattungen sind sie eine der größten Familien innerhalb der [[Samenpflanzen|Blütenpflanzen]]. == Verbreitung und Standorte == Süßgräser sind weltweit verbreitet. Sie kommen von den Meeresküsten bis ins Hochgebirge, vom [[Äquator]] bis jenseits der [[Polarkreis]]e in nahezu allen terrestrischen [[Ökosystem]]en vor und besiedeln dabei Standorte von sehr großer ökologischer Bandbreite. Sie wachsen sowohl auf dauernassen bis extrem trockenen Böden als auch in sehr heißen bis [[arktis]]ch kalten Klimaten. Man findet Süßgräser [[Flutrasen|flutend]] in Gewässern, bestandsbildend als [[Röhricht]]e, als Unterwuchs in Wäldern, auf wechselfeuchten wie auch trockenen Böden, an Straßenrändern, an Böschungen, auf Felsen – selbst Schotterflächen und Mauerkronen werden besiedelt. Die Familie der Süßgräser deckt nahezu alle denkbaren Standorttypen ab, wobei die einzelnen Arten und [[Population (Biologie)|Populationen]] im Rahmen des Wettbewerbs um die Ressourcen ([[Interspezifische Konkurrenz|Konkurrenz]]) ihre jeweils eigenen [[Ökologische Potenz|Vorzugs-]] oder [[Existenzbereich]]e besiedeln. Etliche Pflanzenformationen außerhalb der Wälder werden im Wesentlichen durch Gräser aufgebaut. Die nordamerikanische [[Prärie]], die Steppen Osteuropas, die Savannen Afrikas und die [[Pampa]] Südamerikas, aber auch die Wirtschaftswiesen und -weiden Europas sind die landschaftsprägenden natürlichen sowie unter menschlichen Einfluss entstandenen Grasländer der Erde, in denen Bäume und Sträucher zurücktreten oder ganz fehlen. == Lebenszyklus und Morphologie == Süßgräser umfassen sowohl kurzlebige als auch sehr langlebige Arten. Sie weisen eine charakteristische [[Morphologie (Biologie)|Morphologie]] sowohl der vegetativen als auch der generativen Organe auf, mit einem gemeinsamen „grasförmigen“ Grundbauplan der verschiedenen Arten. Gräser sind meist schlankwüchsig und verfügen über lange, dünne, durch Knoten gegliederte Halme, parallelnervige, lange Blätter und oft unauffällige, einfache Blütenstände. Innerhalb der Unterfamilien, Tribus und Gattungen sind dagegen deutliche [[taxon]]spezifische Abwandlungen der Merkmale vorhanden. === Lebensformen und Ausdauer === Viele Arten sind [[Einjährige Pflanze|einjährig]] und schließen ihren gesamten Lebenszyklus in einer Vegetationsperiode ab. Sie leben meist nur wenige Monate und überdauern die ungünstige Jahreszeit als Samen im Boden. Dies sind sogenannte [[Therophyt]]en. [[Hemikryptophyt]]en dagegen verfügen über bodennahe Erneuerungsknospen und überdauern ungünstige Zeiten geschützt durch den Boden, Laubstreu oder Schnee. Dazu gehören [[Zweijährige Pflanze|zweijährige Arten]], die im Laufe des Sommers oder Herbstes keimen und erst im folgenden Jahr Früchte und Samen bilden, ebenso wie [[Mehrjährige Pflanze|ausdauernde und mehrjährige]] Arten, die wenige oder viele Jahre leben. Diese besitzen überwinterungsfähige Horste oder Rosetten. Die Individuen einer Generation ausdauernder Arten können bis zu 400 Jahre alt werden, so zum Beispiel der [[Rot-Schwingel]] (''Festuca rubra'')<ref name="Heywood">{{BibISBN|3764313056}}</ref>. Die [[Gemeine Quecke]] (''Elymus repens'') ist ein Beispiel dafür, dass sich Gräser aus Ausläuferfragmenten erneuern können ([[Rhizom (Botanik)|Rhizom]]-[[Kryptophyt|Geophyten]])<ref>Gerhard Grümmer: ''Das Verhalten von Rhizomen der Quecke (Agropyron repens) gegen trockene Luft'', Weed Research 3 (1), 44–51, 1963</ref>. Die meisten Arten sind [[Krautige Pflanze|krautig]]; deren [[Süßgräser#Halme und Bl.C3.A4tter#Halm (Botanik)|Halme]] nach etwa einem Jahr Lebensdauer oberirdisch absterben. Ausnahmen bilden holzige [[Bambus]]-Arten (Bambuseae), deren Triebe dickwandig und fest sind und mehrere Jahrzehnte ausdauern können. === Wuchsformen und Wurzeln === Etliche Süßgräser sind zart gebaut und werden nur wenige Zentimeter groß (z.&nbsp;B. [[Einjähriges Rispengras]]). Andere Arten haben verholzte Halme und erreichen Wuchshöhen bis zu 40 Metern und mehr, wie beispielsweise die Bambus-Art ''[[Dendrocalamus giganteus]]''. Ein- und zweijährige Arten haben gewöhnlich einzelne oder wenige Triebe in lockeren Büscheln mit weicheren Blättern. Bei diesen Süßgräsern tragen alle oder die meisten der [[Sprossachse|Triebe]] Blütenstände. Die ausdauernden Arten bilden in den meisten Fällen festere Triebe und Blattspreiten und bilden neben blühenden Trieben eine größere oder kleinere Anzahl an nicht blühenden Trieben. Sie wachsen in lockeren oder dichten [[Horst (Botanik)|Horsten]] oder rasenförmig. Letztere Wuchsform ergibt sich, indem sich die Pflanzen entweder über mehr oder weniger lange, oberirdisch kriechende, grünliche oder rötliche Sprossachsen, namentlich [[Stolo]]nen (z.&nbsp;B. das [[Weißes Straußgras|Weiße Straußgras]]) oder über unterirdische, weiße oder braune [[Rhizom (Botanik)|Rhizome]] ausbreiten (z.&nbsp;B. die Gemeine Quecke). Außer an der Farbe lassen sich die beiden Typen von sich an den Knoten bewurzelnden Ausläufern auch daran unterscheiden, dass Stolonen an jedem [[Knoten (Botanik)|Knoten]] (Nodus) über vollständige [[Blatt (Pflanze)|Blätter]] mit [[Blattscheide]] und [[Blatt (Pflanze)#Blattspreite, „Blattnervatur“|Blattspreite]] verfügen, Rhizome dagegen an diesen Punkten lediglich kleine, dünne schuppenförmige [[Blatt (Pflanze)#Niederblatt|Niederblätter]] entwickeln. Bei horstbildenden Arten bilden sich nur sehr kurze Ausläufer, oder die jungen Seitentriebe entwickeln sich innerhalb der Blattscheiden des Muttertriebes (intravaginal), so beim [[Schaf-Schwingel]] (''Festuca ovina''). Auf diese Weise entsteht durch die gedrängt stehenden Triebe die typische büschelige, dicht horstige Wuchsform vieler Gräser. Wachsen die Triebe die untere Blattscheide durchstoßend (extravaginal), ist der Aufwuchs meist locker-horstig oder rasenförmig (z.&nbsp;B. Rot-Schwingel). Die meisten Süßgräser sind Flachwurzler; sie bilden keine Haupt- und Pfahlwurzeln. Am Stängelgrund und an den Knoten der Ausläufer werden zahlreiche sprossbürtige [[Wurzel (Pflanze)|Wurzeln]] gebildet, welche ihrerseits Seitenwurzeln 1. und 2. Ordnung entwickeln können. Auf diese Weise können Wurzelsysteme von beachtlicher Länge entstehen. So kann sich eine einzige Pflanze des Rot-Schwingels etwa 250 Meter im Durchmesser ausbreiten<ref name="Heywood">{{BibISBN|3764313056}}</ref>. === Halme und Blätter === [[Datei:Alopecurus(Teile).jpg|thumb|[[Morphologie (Biologie)|Morphologische Merkmale]] von Halm und Blättern beim [[Knick-Fuchsschwanz]]gras]] Die Stängel der Süßgräser werden als Halme bezeichnet. Diese sind meist hohl und rund. Nur wenige Grasarten besitzen markige Stängel. Sie sind durch feste, mit Gewebe gefüllte Knoten (Nodien) gegliedert. Die Abschnitte zwischen den Knoten werden als [[Internodium|Internodien]] bezeichnet. Unmittelbar oberhalb der Knoten liegen die Wachstumszonen, die Halme wachsen also mit eingelagerten [[Meristem]]en. An diesen Stellen setzen die faserigen Verstärkungselemente, welche den Halmen zusätzliche Stabilität und Zugfestigkeit verleihen, aus. Die Halme bleiben auf diese Weise beweglich und biegsam. Sie sind so in der Lage sich nach Wind und Regeneinwirkung wieder aufzurichten. Sie können entweder senkrecht hochwachsen, von einem gebogenen Grund aufsteigen oder gänzlich am Boden niederliegend wachsen. Grashalme variieren in Größe, Festigkeit und Zahl der Knoten. Sie sind meist im Querschnitt zylindrisch, selten etwas zusammengedrückt wie beim [[Zusammengedrücktes Rispengras|Zusammengedrückten Rispengras]] (''Poa compressa''). Bei einigen Süßgrasarten sind die untersten Internodien mehr oder weniger angeschwollen und verdickt. Die Halme etlicher Gräser sind unverzweigt, bei einigen Arten bilden sich von den Knospen in den Blattachseln ausgehende Seitenzweige. Die Beblätterung der Halme ist bei Süßgräsern immer wechselständig und fast ausnahmslos zweizeilig (distich) – im Gegensatz zur dreizeiligen Beblätterung der [[Sauergrasgewächse|Sauergräser]] (Cyperaceae). Die Blätter der Süßgräser bestehen immer aus zwei verschiedenen Abschnitten: der Blattscheide und der Blattspreite. Die Blattscheide entspricht dem [[Blatt (Pflanze)#Blattgrund|Blattgrund]], setzt am Knoten an und umschließt das Internodium bis fast zum nächsten Halmknoten. Die Scheiden sind bei der Mehrzahl der Gräser an einer Seite offen. Bei wenigen Grasarten sind die Ränder verwachsen und damit die Blattscheiden röhrig geschlossen, wenngleich sie früh im oberen Bereich aufreißen. Während die basalen Blattscheiden die Wachstumspunkte der jungen Triebe schützen, erfüllen diejenigen an den Halmen diese Schutzfunktion für die dortigen Wachstumszonen oberhalb der Knoten und sorgen außerdem für zusätzliche Stabilität. Der obere Teil der Blattscheiden kann bauchig aufgeblasen sein. Die Vorderseite des Blattscheidenendes kann in mehr oder weniger spitze, meist stängelumfassende „Öhrchen“ ausgezogen sein oder Büschel von Haaren tragen. Die Blattscheide geht am oberen Ende in die vom Halm abstehende Blattspreite über. Diese ist flach, gerollt oder gefaltet; stets länglich und mehr oder weniger spitz zulaufend. Sie zeigt die kennzeichnende Parallelnervatur [[einkeimblättrige]]r Pflanzen. Jeder Blattnerv entspricht einem [[Leitbündel]], der dem Stofftransport und der Aussteifung der Blattfläche dient. Am plötzlichen Übergang von der Blattscheide zur Blattspreite sitzt bei den meisten Arten ein häutiges Anhängsel, das [[Blatthäutchen]] (Ligula). Es erscheint meistens als farbloser, durchscheinender Fortsatz der Oberhaut auf der Innenseite der Blattscheide und stellt eine Verlängerung der inneren [[Epidermis (Pflanze)|Epidermis]] der Blattscheide dar. Es schützt vor Verletzungen durch Reibung des sich beim Wind hin und her bewegenden Halmgliedes sowie vor dem Eindringen von Schmutz und [[Parasitismus|Parasiten]] in den Raum zwischen Halm und Scheide. Wegen seiner Gestaltungsvielfalt ist das Blatthäutchen für die Artbestimmung hilfreich. Es ist behaart oder unbehaart, kragenförmig, zugespitzt, langgezogen, sehr kurz oder sehr lang. Teilweise ist das Blatthäutchen durch eine Reihe von Haaren ersetzt, selten fehlt es ganz. === Blütenstände und Blüten === [[Datei:Elymus.repens.jpg|thumb|Ähre der [[Kriech-Quecke]] (''Elymus repens'')]] [[Datei:AvenaFatua2.jpg|thumb|Rispe des [[Flug-Hafer]]s (''Avena fatua'')]] [[Datei:Grasbluete.png|thumb|280px|Schematische Darstellung eines zweiblütigen Ährchen eines Süßgrases und Blütendiagramm]] [[Datei:Weizenkorn.png|thumb|280px|Schematischer Längsschnitt durch ein Weizenkorn]] Die [[Blütenstand|Blütenstände]] (Infloreszenzen) der Süßgräser bestehen aus einer Vielzahl von Teilblütenständen, seltener Einzelblüten, welche in [[Ähre]]n, [[Rispe]]n und [[Traube]]n an einer Blütenstandsachse (Rhachis spicae) angeordnet sind. Die Teilblütenstände werden als [[Ährchen]] bezeichnet. Sie bestehen ihrerseits aus ein- bis mehreren, überwiegend zweigeschlechtigen Blüten. Sitzen die Ährchen ungestielt direkt an der Blütenstandsachse, handelt es sich um eine Ähre. Bei Fingergräsern befinden sich mehrere Ähren am Halmende in fingerartiger Anordnung. Sogenannte [[Kolben (Botanik)|Kolben]] entstehen durch Abwandlungen von Ähren durch Vergrößerung des Achsengewebes. In Trauben befinden sich die Ährchen an unverzweigten Stielen. Die Ährchen können alle in die gleiche Richtung weisen (einseitswendig) oder sich in zwei Reihen an gegenüberliegenden Seiten der Achse befinden. Sind die Seitenäste einseits- oder allseitswendig verzweigt, handelt es sich um Rispen. In Ährenrispen oder [[Scheinähre]]n sind die Seitenäste so kurz, dass die Blütenstände äußerlich wie Ähren erscheinen. Erst beim Umbiegen einer solchen Ährenrispe werden die tatsächlichen Verzweigungsmuster erkennbar. Süßgräser zeichnen sich durch eine charakteristische Reduzierung der [[Blüte]]n aus. Die Ährchen werden am Grunde von einer inneren und einer äußeren [[Hüllspelze]] (Gluma), die miteinander verwachsen sein können, eingefasst. Oberhalb davon stehen ein oder mehrere Blüten, jede mit einer [[Deckspelze|Deck-]] sowie [[Vorspelze]]. Die Deckspelzen können als [[Tragblatt|Tragblätter]] der Einzelblüten aufgefasst werden. Die Spelzen variieren in ihrer Form und Größe sehr stark. Die beiden Hüllspelzen können gleich oder verschieden gestaltet sein. Die Deckspelzen sind vielförmiger gestaltet. Sie können an den Enden spitz, stumpf oder verschiedenartig gezähnt sein. Auf dem Rücken sind sie gerundet, zusammengedrückt oder gekielt. Die Mittelrippe kann in einen Stachel oder eine [[Granne]] verlängert sein. Die Blüten bestehen aus einer Vorspelze und zwei, selten drei, zuweilen an den Rändern verwachsenen [[Lodiculae|Schwellkörperchen]] (Lodiculae), durch deren Anschwellen die Spelzen geöffnet werden. Es sind ferner meist drei [[Staubblatt|Staubblätter]] (Stamina) vorhanden (selten sechs, zwei oder nur eines), von denen jedes einen Stiel (Filament) und einen den [[Pollen]] tragenden, zweiteiligen [[Staubblatt|Staubbeutel]] (Anthere) aufweist. In jeder Blüte gibt es schließlich einen runden, aus zwei oder drei Fruchtblättern verwachsenen, oberständigen [[Fruchtknoten]] (Ovarium). Dieser verfügt an seiner Spitze über einen [[Stempel (Botanik)|Stempel]] (Pistillum), welcher seinerseits auf kurzen Stielen ein, zwei oder selten drei fedrige [[Narbe (Botanik)|Narbenäste]] (Stigmae) trägt. Der Fruchtknoten enthält die Samenanlage, welche mit Fruchtknotenwänden zu einer Einheit, der Karyopse, verwächst. Bei manchen Arten enthalten einige Blüten nur männliche Organe oder sind steril. Ferner sind etliche Arten verschiedenährig, das heißt, die Blüten mit nur weiblichen und nur männlichen Organen befinden sich getrennt in verschiedenen Blütenständen desselben Individuums ([[einhäusig]]), so beim [[Mais]]. Bei anderen Arten wie dem [[Pampasgras]] befinden sich die Geschlechter getrennt in den Blütenständen verschiedener Individuen einer Grasart. Sie sind [[zweihäusig]]. === Früchte und Samen === Die Frucht ist bei den meisten Grasarten eine trockene [[Karyopse]], eine Sonderform der [[Nussfrucht]]. Seltener sind die Früchte [[Beere]]n oder Steinfrüchte mit saftigen oder fleischigen Fruchtwänden, so wie bei einigen Bambus-Arten. Während der Reifezeit verwächst die Fruchtwand ([[Perikarp]]) mit der [[Samenschale]] (Testa) zu einer einsamigen, trockenen [[Schließfrucht]]. Die „Samenkörner“ stellen also keine Samen, sondern vielmehr Früchte dar. Unterhalb der Fruchtwand und der Samenschale liegt die [[Proteine|eiweißreiche]] [[Aleuron]]schicht. Darunter folgt das den restlichen Samen ausfüllende [[stärke]]reiche Nährgewebe, das [[Endosperm]]. Gräser sind einkeimblättrig (monokotyl); bei ihnen ist das eine Keimblatt ([[Kotyledon]]) zu einem Scutellum (Schildchen) und zu einer Keimscheide ([[Koleoptile]]) umgestaltet. Das Scutellum liegt zwischen dem Endosperm und dem Embryo, und spielt eine wichtige Rolle für den Stofftransport und die [[Hormon]]synthese. Der Embryo verfügt bereits über deutlich erkennbare Wurzel- und Sprossanlagen. Die Koleoptile ist ein zylinderförmiges Schutzorgan, welches das Primärblatt des auskeimenden Embryos umgibt. Da die Koleoptile ein umgewandeltes Keimblatt darstellt, ist es als Organ ein Blatt. Wie alle Blätter besitzt es zwei Epidermen (außen und innen), [[Stomata]] und [[Leitbündel]]. Die Stärke und die Proteine dienen dem Embryo als Starthilfe für die [[Keimung]], bevor es sich durch [[Photosynthese]] selbst versorgen kann. Die ausgereiften Früchte der Gräser sind in ihrer Gestalt und ihrem Aufbau charakteristisch. Die ehemalige Bauchnaht des Fruchtknotens erscheint auf einer Flanke des Korns als tiefe Furche. An verschiedenen Stellen des Fruchtstandes bilden sich Zonen eines speziellen Gewebes, entlang dessen ein glatter Bruch entsteht, sobald der Samen reif ist. Bei den meisten Gräsern erfolgt dieser Bruch in der Ährchenachse unterhalb der Deckspelze. Die Karyopse ist in diesen Fällen meistens in Deckspelzen und Vorspelzen fest eingeschlossen und stellt als Gesamtheit die Ausbreitungseinheit ([[Diaspore]]) dar. Bei einigen Arten erfolgt der Bruch unterhalb der untersten Deckspelze des Ährchens (z.&nbsp;B. [[Perlgräser]]), unter dem einzelnen Ährchen oder in einem Büschel von Ährchen ([[Gerste]]), selten in der Hauptachse des Fruchtstandes ([[Dünnschwanz]]). Gräser mit nackten Samen sind in den tropischen Gattungen ''[[Sporobolus]]'' und ''[[Eragrostis]]'' häufig. Bei diesen steht das Korn frei und wird ausgestreut, nachdem sich ein Bruch am Grunde der sie haltenden Deckspelze entwickelt hat. == Chemische Merkmale == Die Samen sind reich an [[Stärke]]. Diese kann aus einzelnen Stärkekörnern (Roggen, Weizen, Gerste) bestehen oder aus zu mehreren zusammengesetzten Stärkekörnern (Hafer). Auch in den Rhizomen und anderen vegetativen Organen speichern die Gräser Stärke, [[Saccharose]] und/oder [[Fruktane]]. Bei den Fruktanen kommen neben dem unverzweigten Inulin-Typ der verzweigte Phlein-Typ vor. Das Fruktanmuster ist wie der Polymerisationsgrad oft kennzeichnend für die Art. Die äußere Endospermschicht ([[Aleuron]]schicht) der Karyopsen ist reich an Reserveproteinen. Sie enthält vor allem [[Albumine]], [[Globuline]], [[Gluteline]] (nur in verdünnten Säuren und Laugen löslich) und [[Prolamine]] (in 70–80%igem Ethanol löslich). Letztere sind beim Roggen- oder Weizenmehl Voraussetzung für die Backfähigkeit. Einige Triben der Panicoideae bilden [[ätherische Öle]] in schlauchförmigen, verkorkten Zellen. ''[[Cymbopogon nardus]]'' liefert das [[Aetheroleum]] Citronella, das hauptsächlich aus [[Citronellal]] und [[Geraniol]] besteht, und bei der Herstellung von Melissengeist oft das echte Melissenöl ersetzt. Weitere ''Cymbopogon''-Arten werden angebaut, da sie Parfümöle liefern, wie Palmarosaöl, Lemongrasöl. Diese Öle bestehen überwiegend aus Mono- und Sesqui[[Terpene]]n, während [[Phenylpropanoide]] selten sind. Alkaloide sind selten. Es gibt Protoalkaloide und vereinzelt Pyrrolizidin- und β-Carbolintyp-Alkaloide. [[Cyanogene Glykoside]] (blausäure-produzierende Verbindungen) sind weit verbreitet, kommen aber immer nur in geringen Mengen vor. [[Cumarin]]e kommen wahrscheinlich bei allen Vertretern vor, aber nur selten in größeren Mengen: Beim [[Gewöhnliches Ruchgras|Gewöhnlichen Ruchgras]] (''Anthoxanthum odoratum'') und beim [[Duftendes Mariengras|Duftenden Mariengras]] (''Hierochloe odorata''). [[Polyphenol]]e sind in geringeren Mengen enthalten. In den Blattepidermen wird wie bei den Sauergräsern (Cyperaceae) häufig [[Kieselsäure]] in Form von Kieselsäurekörpern eingelagert. Oxalatkristalle scheinen vollkommen zu fehlen. Etliche dieser Inhaltsstoffe zeigen als Bitterstoffe eine fraßhemmende Wirkung oder wirken toxisch auf Bakterien oder Pilze. == Biologie und Ökologie der Süßgräser == [[Datei:Grastrieb.png|thumb|280px|Schematische Darstellung eines vegetativen Grastriebes einer ausdauernden Graspflanze]] [[Datei:Dactylis glomerata (2005 07 28).jpg|thumb|[[Gewöhnliches Knäuelgras]] (''Dactylis glomerata'') mit geöffneten Blüten]] [[Datei:Poa alpina a2.jpg|thumb|[[Alpen-Rispengras]] mit viviparem Blütenstand]] === Vegetatives Wachstum, Ausbreitung und Regeneration === Bei ausdauernden Arten erfolgt die vegetative Ausbreitung überwiegend über Stolonen und Rhizome, die sich an den Knoten bewurzeln. Etliche Arten bedienen sich zusätzlich der unechten Viviparie, bei der keine Samen gebildet, sondern [[Brutknospen]] (Bulbillen), die erbgleiche Tochterpflanzen hervorbringen. Ein bekanntes Beispiel ist das [[Alpen-Rispengras]] (''Poa alpina''). Bei diesem Gras entwickeln sich im Blütenstand anstelle von Blüten grüne Pflänzchen, die an der Mutterpflanze verbleiben oder zu Boden fallen und als Diasporen dienen. Beim [[Zwiebel-Rispengras]] (''Poa bulbosa'') bilden sich basale, zwiebelartige Brutknospen, in denen [[Reservestoffe]] eingelagert sind. Jede Brutknospe bildet die Grundlage für eine neue Pflanze. Gräser sind zur raschen Regeneration nach Verbiss oder [[Mähen|Mahd]] befähigt. Dies liegt in der geschützten Lage ihrer Blattwachstumszonen ([[Meristem]]e) und Nebentriebknospen begründet. Die Wachstumszonen befinden sich an der Basis der Graspflanzen nahe der Erdoberfläche. Die Triebe bestehen aus unterschiedlich alten und gegenständig angeordneten Blättern. Junge Blätter wachsen an der Basis der Blattscheide (Interkalarmeristem). Ein erneutes Wachstum der Blätter nach Verlust durch Mahd oder Beweidung wird dadurch ermöglicht. Auch die einzelnen Blätter verfügen wie die Halme am oberen Ende der Blattscheiden im Übergang zu den Blattspreiten über teilungsfähiges Gewebe, welches Nebentriebe bilden kann. Ferner sind die Halme durch das unterschiedliche Wachstum der teilungsfähigen Zonen oberhalb der Knoten zu einem Wiederaufrichten des Stängels nach Regen oder Tritt befähigt. Die beschriebenen Wachstumsbereiche sind in verschiedene Zonen unterteilt: An der Basis findet die Zellteilung und damit eine Zellproduktion statt. Darauf folgt ein Bereich der Zellstreckung. In der folgenden Zone der [[Differenzierung (Biologie)|Zelldifferenzierung]] erfolgt die Ausbildung der Blattzellen. Die Zellproduktion und Zellstreckung verschieben das ausdifferenzierte Blatt nach oben. Sobald das Blatt aus der Blattscheide ans Licht tritt, ist es [[Photosynthese|photosynthetisch]] aktiv.<ref name="Schnyder">H. Schnyder: ''Physiologische und morphogenetische Grundlagen zum Regenerationsvermögen der Gräser'' In: Bayerische Akademie der Wissenschaften (Herausgeber): ''Gräser und Grasland: Biologie – Nutzung – Entwicklung'', Rundgespräch am 10. Oktober 2005, Verlag Dr. Friedrich Pfeil, München, {{ISSN|0938-5851}}, ISBN 3-89937-070-8</ref> === Generative Vermehrung und Ausbreitung === Alle Süßgräser sind [[Windbestäubung|windblütig]] (anemogam). Die Blüten öffnen sich nur wenige Stunden am Tag, um [[Staubblatt|Staubblätter]] und [[Narbe (Botanik)|Narben]] dem Wind auszusetzen. Eine [[Selbstbestäubung]] wird durch die meist frühere Reife der Staubblätter verhindert ([[Dichogamie|Proterandrie]]). Die starke Reduzierung der Blüten ist eine Anpassung an diese Form der [[Bestäubung]]. Gräser können auf auffällige Formen und Farben der Blüten und auf ein [[Nektar (Botanik)|Nektarangebot]] zur Anlockung von Tieren verzichten. Die passive Pollenübertragung über den Wind und Luftströmungen erfolgt dabei weit weniger gezielt als bei der Tierbestäubung. Diesen Mangel gleichen die Windblüher mit der Massenproduktion von Blütenstaub aus. Dies führt während der Blütezeit zu regelrechten Staubwolken, die garantieren, dass zumindest ein kleiner Teil des weniger als einen Tag lebensfähigen Pollens seinen Bestimmungsort, die weiblichen Narben, erreicht. Beispielsweise bildet der Roggen (''Secale cereale'') pro Ähre etwa vier Millionen Pollenkörner; eine einzelne Blüte bis zu 57.000<ref name="Behrendt & Ring">H. Behrendt & J. Ring: ''A research strategy for the investigation of the influence of environmental pollutants on the development of allergic sensitization and disease.'' In: ''New Trends in Allergy IV'', J. Ring, H. Behrendt, D. Vieluf (Hrsg.), Springer Verlag, Berlin, Heidelberg (1997) 51–60</ref>. Eine große Blütenhülle wäre bei der Pollenverbreitung nur hinderlich. Die Lodiculae schwellen durch Wasseraufnahme an und drängen die Spelzen auseinander – die Grasblüte öffnet sich. Die Filamente sind lang und dünn und lassen die Staubbeutel frei aus der Blüte heraushängen. Der Wind kann auf diese Weise ungehindert den trockenen, nicht verklebten und sehr leichten Pollen heraustragen. Die Fruchknoten haben gefiederte und dadurch mit großer Oberfläche versehene Narben, die den Pollen gewissermaßen wieder aus Luft herauskämmen können. Die Effizienz dieser Form der Pollenverbreitung wird durch das Herausheben der Blütenstände über die Ebene des Blattwerkes sowie durch eine hohe Individuendichte der Graspflanzen verstärkt. Eine Sonderform der geschlechtlichen Ausbreitung ist die echte [[Viviparie]], bei der die Samen schon auf der Mutterpflanze auskeimen. Die [[Samenausbreitung]] erfolgt auf vielfältige Weise; überwiegend durch den Wind ([[Anemochorie]]), über das Wasser ([[Hydrochorie]]) oder durch Tiere [[Zoochorie]]. === Mykorrhiza === Das Wurzelsystem der Wiesengräser bildet [[vesikulär]]e-[[arbusculär]]e (VA-)[[Mykorrhiza]], eine [[Symbiose]] mit einem [[Pilze|Pilz]]. Diese erleichtert der Graspflanze die Erschließung und Aufnahme von Nährstoffen aus dem Boden. Ein Pilz[[mycel]] verbindet mehrere Pflanzen der gleichen Art und andere Pflanzenarten, wodurch nicht nur das Gras selbst und der Pilz, sondern schließlich Wiese und Pilz eine Lebensgemeinschaft bilden<ref name="Ziegler">H. Ziegler: ''Die Familie der Süßgräser.'' In: Bayerische Akademie der Wissenschaften (Herausgeber): ''Gräser und Grasland: Biologie – Nutzung – Entwicklung'', Rundgespräch am 10. Oktober 2005, Verlag Dr. Friedrich Pfeil, München, {{ISSN|0938-5851}}, ISBN 3-89937-070-8</ref>. === Photosynthese === Unter den Gräsern gibt es sowohl [[C3-Pflanze|C3-]] (die meisten heimischen Gräser wie [[Deutsches Weidelgras]]) als auch [[C4-Pflanze]]n (z.&nbsp;B. [[Mais]], [[Hirse]] und [[Zuckerrohr]]), letztere mit effizienterer Photosynthese bei hohem Wärme- und Lichtangebot. C3-Pflanzen weisen dagegen bei kühleren Temperaturen und weniger Licht eine effizientere Photosynthese auf. Die Forschung hat gezeigt, dass der C4-Mechanismus zuerst bei den Gramineen, wahrscheinlich im [[Oligozän]] vor etwa 23 bis 34 Millionen Jahren entwickelt wurde, wobei es Hinweise auf über zehn unabhängige Entwicklungen gibt. Bei der geographischen Verbreitung ergibt sich eine auffällige klimatische Abhängigkeit der [[Photosynthesetypen]]. So ist der Anteil der C4-Pflanzen unter den Gräsern in kühlen und humiden Klimaten deutlich niedriger als in trockenen bis extrem [[Arides Klima|ariden]] Regionen der Erde.<ref name="Ziegler">H. Ziegler: ''Die Familie der Süßgräser.'' In: Bayerische Akademie der Wissenschaften (Herausgeber): ''Gräser und Grasland: Biologie – Nutzung – Entwicklung'', Rundgespräch am 10. Oktober 2005, Verlag Dr. Friedrich Pfeil, München, {{ISSN|0938-5851}}, ISBN 3-89937-070-8</ref> [[Datei:Oglala National Grassland.jpg|thumb|Gräserdominierte Prärie in [[Nebraska]]]] [[Datei:Prärie.jpg|thumb|Hochgras-Prärie in [[Kansas]]]] [[Datei:Pampas.jpg|thumb|Pampa in Argentinien]] [[Datei:Eat267.jpg|thumb|Afrikanische Savanne mit [[Schirmakazie]]n (''Acacia tortilis'')]] [[Datei:Ms 744 obs natiabouani 02.jpg|thumb|Afrikanische Savanne mit ''Andropogon gayanus'']] [[Datei:Triodia hummock grassland.jpg|thumb|Hummock-Grasland in Australien mit ''[[Triodia pungens]]'' und ''[[Triodia basedowii]]'']] [[Datei:Ilm-Saale-Platte bei Paulinzella.JPG|thumb|Mitteleuropäische Wirtschaftswiese]] [[Datei:Abbruchkante2.jpg|thumb|Mit dem [[Gewöhnlicher Strandhafer|Gewöhnlichen Strandhafer]] (''Ammophila arenaria'') bewachsene Weißdüne]] [[Datei:Salt-marsh Bosham 5.2.2003.jpg|thumb|[[Salz-Schlickgras]] (''Spartina anglica'') an der Küste Englands]] [[Datei:Schwielowsee-Schilfrohrguertel-01.jpg|thumb|Röhricht aus [[Schilfrohr|Schilf]] (''Phragmites australis'')]] == Ökologische Funktionen und Bedeutung == === Natürliche und anthropogene Grasländer === Etwa ein Fünftel der Pflanzendecke der Erde wird von Gräsern eingenommen<ref>H. L. Shantz: ''The Place of Grasslands in the Earth’s Cover'', Ecology, Vol. 35, No. 2, 1954, pp. 143–145</ref>. Savannen und Steppen bilden die großen, natürlichen Grasländer der Erde in Klimazonen, die für Wald nicht geeignet sind. Demgegenüber stehen die durch die menschliche Tätigkeit entstandenen Kulturgrasländer vor allem Mitteleuropas, die in einem langen nacheiszeitlichen Prozess vom Wald zur offenen, durch Wiesen und Weiden geprägten Landschaft entstanden. Die dauerhaften, mehr oder weniger geschlossenen Grasbestände erfüllen vielfältige ökologische und biologische Aufgaben. Sie verhindern vor allem durch ihr dichtes und eng vernetztes Wurzelsystem die Abtragung der Bodenschicht durch Wind und Wasser ([[Erosion (Geologie)|Erosion]]). Ferner erzeugen sie durch ihr Wurzelwerk einen hohen Gehalt an organischer Substanz im Boden. Etwa zwei Drittel der pflanzlichen [[Primärproduktion]] bleiben in Grasländern unterirdisch zurück und führen so zur [[Humus]]bildung. Dazu trägt das jährlich absterbende oberirdische Pflanzenmaterial zusätzlich bei, welches als [[Mulch]] zurückbleibt und nur langsam zersetzt wird. <!-- da scheint ein Fehler vorzuliegen - Schätzungen gehen von einer Produktion von [[Biomasse]] von 15 bis 20&nbsp;Tonnen Trockengewicht pro Quadratkilometer in Grasländern aus. Jene von Wäldern der gemäßigten Zone umfasst dagegen nur etwa eine Tonne Trockengewicht pro Quadratkilometer<ref name="Deigele">Claudia Deigele: ''Gräser und Grasland'' Rundgespräche der Kommission für Ökologie am 10. Oktober 2005 in der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. [http://www.badw.de/aktuell/akademie_aktuell/2006/heft1/13_Deigele.pdf PDF]</ref>.--> In vielen Grasländern spielen natürliche Feuer eine entscheidende Rolle. Blitze entzünden am Ende der Vegetationszeit die abgestorbene Pflanzenmasse. Die in der Asche enthaltenen anorganischen Nährstoffe fördern als Dünger den Neuaustrieb der Pflanzen. Darüber hinaus wird der Gehölzaufwuchs zerstört, die Brände tragen so zur Offenhaltung der Graslandschaft bei. Grasländer beherbergen und ernähren eine artenreiche und vielfältige Tierwelt: eine Vielzahl von [[Insekten]] ([[Termiten]] und [[Ameisen]]), [[Spinnentiere|Spinnen]], [[Vögel]], [[Kleinsäuger]] und zahlreiche im Boden lebende Tiere, nicht zuletzt Großsäuger wie jene der großen Tierherden in den afrikanischen Savannen. Letztere tragen wie die regelmäßigen Feuer dazu bei, die [[Verjüngung (Biologie)|Verjüngung]] der Gehölze zu hemmen. Ihre Exkremente düngen den Boden. Durch den Fraß wird die Regeneration der Gräser so angeregt, dass die Primärproduktion um mehr als zwei Drittel zunimmt. Ferner sind sie für die Verbreitung der Früchte und Samen durch [[Epizoochorie|Epi-]], [[Endozoochorie|Endo-]] oder [[Dysochorie]] von Bedeutung. Naturnahe Grasländer sind heute weltweit vom Rückgang betroffen. Die Ursachen liegen in der Umwandlung in Acker- und Siedlungsland, der Aufgabe traditioneller Wiesen- oder Weidenutzungen sowie in der Intensivierung (Düngung) und Degradierung (Überweidung).<ref name="Haber">W. Haber: ''Die Grasländer der Erde: Verbreitung und Lebensbedingungen.'' In: Bayerische Akademie der Wissenschaften (Herausgeber): ''Gräser und Grasland: Biologie – Nutzung – Entwicklung'', Rundgespräch am 10. Oktober 2005, Verlag Dr. Friedrich Pfeil, München, {{ISSN|0938-5851}}, ISBN 3-89937-070-8</ref> ==== Steppen und Prärien ==== Die baumfreien Steppen finden sich in den semiariden, [[Gemäßigte Zone|temperaten Zonen]] vorwiegend auf der Nordhalbkugel. Auf der Südhalbkugel ist die argentinische Pampa eine zu den eurasischen Steppen und den nordamerikanischen Prärien analoge Vegetationsform. Es wird noch kontrovers diskutiert, ob sie auf natürliche Weise entstanden ist. Steppen unterliegen durch strenge Kälte im Winter und anhaltende Trockenheit im Sommer im Jahresverlauf zwei Perioden der Vegetationsruhe. Die im Frühjahr, Frühsommer und Spätherbst anfallenden Niederschläge reichen für das Wachstum der Steppenvegetation aus. Kennzeichnend für Steppen ist ihre hohe bodenbiologische Aktivität bei einem hohen Humusanteil (bis zu 10 %). Es können sich fruchtbare [[Schwarzerde]]böden mit Humushorizonten bis zu einem Meter Mächtigkeit bilden. Die osteuropäischen Steppen lassen sich grob in etwa vier Vegetationstypen gliedern, welche der zunehmenden Kontinentalität in Richtung Südost folgen. In Russland und der Ukraine finden sich Wiesensteppen mit [[Aufrechte Trespe|Aufrechter Trespe]] (''Bromus erectus''), [[Flaum-Hafer]] (''Avena pubescens''), [[Schillergräser]]n (''Koeleria'') und vielen anderen Gräsern. Sie sind reich an krautigen Einjährigen, [[Geophyt]]en und nicht grasartigen [[Stauden]]. Darauf folgt die durch [[Pfriemengräser]] der Gattung ''Stipa'' dominierte Federgras-Steppe mit schmalblättrigen Horstgräsern und weniger Stauden und schließlich die Kurzgras-Steppe mit [[xerophyt]]ischen ''Festuca''-Arten. Westliche Vorposten der osteuropäischen Steppen finden sich beispielsweise in der [[Pannonische Tiefebene|Pannonischen Tiefebene]] Ungarns. Im gemäßigten Nordamerika entspricht den Steppen die flächenmäßig deutlich kleinere Prärie zwischen [[Mississippi River|Mississippi]] und den [[Rocky Mountains]]. Sie ist im Gegensatz zu den osteuropäischen Steppen etwas weniger kontinental geprägt. Sie erreicht in der West-Ost-Ausdehnung 1000 Kilometer und in der Nord-Süd-Ausdehnung 2750 Kilometer. Im Osten findet sich die Hochgras-Prärie mit [[Wiesen-Rispengras]] (''Poa pratensis''), dem [[Großes Schillergras|Großen Schillergras]] (''Koeleria pyramidata''), [[Prärie-Bartgras]] (''Andropogon scoparius''), [[Rutenhirse]] (''Panicum virgatum'') und vielen Stauden. Im Südteil folgt Richtung Westen die Mischgras-Prärie im Übergang zur am Fuße der Rocky-Mountains befindlichen Kurzgras-Prärie mit dem [[Moskitogras]] (''Bouteloua gracilis'') und ''[[Buchchloe dactyloides]]''. Die große Bedeutung geschlossener Grasdecken als Schutz vor Erosion zeigen die verheerenden [[Sandsturm|Sandstürme]] der 1930er-Jahre in der danach benannten „[[Dust Bowl]]“ Nordamerikas durch großflächige Bodenzerstörungen im Zuge der Umwandlung in Ackerland. Noch im 17. und 18. Jahrhundert zogen riesige [[Bisons|Büffelherden]] mit einer geschätzten Bestandgröße von 50 bis 70 Millionen Tieren über die Prärien. Heute sind es über 100 Millionen Hausrinder.<ref name="Haber">W. Haber: ''Die Grasländer der Erde: Verbreitung und Lebensbedingungen.'' In: Bayerische Akademie der Wissenschaften (Herausgeber): ''Gräser und Grasland: Biologie – Nutzung – Entwicklung'', Rundgespräch am 10. Oktober 2005, Verlag Dr. Friedrich Pfeil, München, ISSN 0938-5851, ISBN 3-89937-070-8</ref><ref name="Reichholf">J. H. Reichholf: ''Gräser, Fleisch und Humus. Tiere in Graslandökosystemen'' In: Bayerische Akademie der Wissenschaften (Herausgeber): ''Gräser und Grasland: Biologie – Nutzung – Entwicklung'', Rundgespräch am 10. Oktober 2005, Verlag Dr. Friedrich Pfeil, München, ISSN 0938-5851, ISBN 3-89937-070-8</ref> ==== Savannen ==== Die Savannen umfassen etwa 15 Millionen Quadratkilometer. In den wechselfeuchten Sommerregengebieten der [[Tropen]] der Südhalbkugel erreichen sie ihre größte Ausdehnung in Afrika. Analoge Formationen der Savannen sind die [[Llanos]] Venezuelas und Kolumbiens, die [[Cerrado (Brasilien)|Cerrados]] Brasiliens sowie die [[Eukalyptus]]-Steppen Nordaustraliens. Savannen sind im Gegensatz zu den Steppen und Prärien mit Bäumen und Sträuchern durchsetzt. Die Savannen Afrikas würden ohne Feuer und den Einfluss der großen Elefanten- und Huftierherden in kurzer Zeit mit Gehölzen zuwachsen. In den Savannen findet man häufig ein kleinräumiges Oberflächenrelief aus flachen Hügeln und Senken vor, mit Höhenunterschieden unter einem Meter. Dadurch unterscheiden sich die Standorte vor allem hinsichtlich der Wasserverfügbarkeit. Die unterschiedliche Wasserverfügbarkeit bestimmt schließlich die Nährstoffverfügbarkeit und die Vegetation. In Savannen spielen neben den Großtieren Termiten, Ameisen und Heuschrecken eine maßgebliche Rolle als Regulative im [[Ökosystem]]. Der Artenreichtum der Pflanzen der Savannen ist vergleichsweise gering. Die Hauptkomponenten sind C4-Gräser wie die [[Lampenputzergräser]] (''Pennisetum'') und ''[[Andropogon]]''-Arten in Afrika. In Australien sind die Savannen, das sogenannte Spinifex- oder Hummock-Grasland, durch Igelkopfgräser der Gattungen ''[[Stachelkopfgräser|Triodia]]'' und ''[[Plectrachne]]'' gekennzeichnet. Dagegen ist der Artenreichtum der Tiere ausgesprochen groß. So leben etwa 1,5 Millionen Großtiere in den Savannen der Erde, allein in der [[Serengeti]] Ostafrikas sind es 98 große Weidetiere pro Quadratkilometer. Die [[Zoomasse]] wird auf 150 bis 250 Kilogramm Trockenmasse pro Hektar geschätzt – jene der Wälder der gemäßigten Zone wird mit nur 10 Kilogramm Trockenmasse pro Hektar angegeben.<ref name="Haber">W. Haber: ''Die Grasländer der Erde: Verbreitung und Lebensbedingungen.'' In: Bayerische Akademie der Wissenschaften (Herausgeber): ''Gräser und Grasland: Biologie – Nutzung – Entwicklung'', Rundgespräch am 10. Oktober 2005, Verlag Dr. Friedrich Pfeil, München, ISSN 0938-5851, ISBN 3-89937-070-8</ref><ref name="Reichholf">J. H. Reichholf: ''Gräser, Fleisch und Humus. Tiere in Graslandökosystemen'' In: Bayerische Akademie der Wissenschaften (Herausgeber): ''Gräser und Grasland: Biologie – Nutzung – Entwicklung'', Rundgespräch am 10. Oktober 2005, Verlag Dr. Friedrich Pfeil, München, ISSN 0938-5851, ISBN 3-89937-070-8</ref> ==== Kulturgrasland ==== In der Naturlandschaft Europas ist natürliches Grasland auf wenige Bereiche beschränkt. Nur in hohen Berglagen oberhalb der [[Waldgrenze]], in [[Marsch (Schwemmland)|Seemarschen]], in oft überschwemmten [[Flussaue|Auenbereichen]] und im Randbereich von [[Hochmoor]]en konnten sich kleinräumig natürliche, weitgehend baumfreie Grasländer, sogenannte Urwiesen, entwickeln. Sie sind heute stark vom Menschen überprägt. Kulturgrasland dient dem Menschen wirtschaftlich als Grundlage der Viehzucht. Die durch Gräser dominierten Wiesen- und Weidelandschaften des gemäßigten Europa sind im Wesentlichen das Ergebnis jahrhundertelangen menschlichen Wirkens. Noch vor etwa 10.000 Jahren war Mitteleuropa nahezu reines Waldland<!-- vor 10 ka, am Übergang zwischen der Jüngeren Dryaszeit zum Präboreal hatte man in Mitteleuropa lediglich eine Parktundra mit Birke, die zum Präboreal hin langsam mit Kiefern-Birken-Wäldern zuwuchs -->. Die Entwicklung bäuerlicher Kulturen, die sich vom Nahen Osten ausgehend vor etwa 6700 bis 6400 Jahren ([[Neolithikum]]) nach Mitteleuropa ausbreiteten, ermöglichte das Sesshaftwerden der Menschen und führte zu immer stärkeren Eingriffen in die natürliche Pflanzendecke. Es gab Siedlungen, erste Äcker und Nutztiere, die ihre erste Nahrung im Wald suchten. Der Fraß der Tiere, Brand und Holzeinschlag führten im Laufe längerer Zeit zu Auflichtungen in den Wäldern. Mit Beginn der [[Eisenzeit]] wurde die Landnutzung verstärkt, und mit Erfindung der [[Sense (Werkzeug)|Sense]] wurde die Gewinnung von Heu und Streu möglich. Auf diese Weise entstanden erste größere Wiesenareale. Im Mittelalter vollendete sich die Landschaftsentwicklung in einer offenen und sehr differenzierten Kulturlandschaft aus Siedlungen, Waldresten, Feldgehölzen, Gebüschen, Äckern sowie artenreichen Wiesen und Weiden. Die typische Landschaft wird in der Literatur vielfach als „Parklandschaft“ oder „europäische Savanne“ beschrieben. Im Zuge der Agrarentwicklung in der Neuzeit wird die Landwirtschaft durch die Technisierung, [[Flurbereinigung]]en, [[Melioration]] sowie gezielte Ansaat ausgewählter Grasarten immer unabhängiger von natürlichen Gegebenheiten. Die artenreichen, extensiven Wiesen und Weiden wurden weitgehend von artenarmen, monotonen Wirtschaftswiesen und -weiden abgelöst. Zu den wichtigsten, angebauten Futtergräsern des Dauergrünlandes gehören heute das [[Deutsches Weidelgras|Deutsche Weidelgras]] (''Lolium perenne''), das [[Wiesen-Lieschgras]] (''Phleum pratense''), das [[Gewöhnliches Knäuelgras|Gewöhnliche Knäuelgras]] (''Dactylis glomerata'') sowie [[Wiesen-Schwingel|Wiesen-]] und [[Rohr-Schwingel]] (''Festuca pratensis, F. arundinacea''). <ref name="Haber">W. Haber: ''Die Grasländer der Erde: Verbreitung und Lebensbedingungen.'' In: Bayerische Akademie der Wissenschaften (Herausgeber): ''Gräser und Grasland: Biologie – Nutzung – Entwicklung'', Rundgespräch am 10. Oktober 2005, Verlag Dr. Friedrich Pfeil, München, ISSN 0938-5851, ISBN 3-89937-070-8</ref><ref name="Dierschke">H. Dierschke & G. Briemle: ''Kulturgrasland.'' Ulmer, Stuttgart 2002, ISBN 3-8001-3816-6</ref> === Küsten- und Hochwasserschutz === Etliche Gräser verhindern durch ihr dünnes Netzwerk aus Wurzeln und die Bedeckung des Bodens mit ihren oberirdischen Pflanzenteilen nicht nur dessen Abtragung durch Wind und Wasser, sondern sorgen zusätzlich für eine Aufhöhung desselben. Dafür sind besonders solche Arten geeignet, welche unter vergleichsweise ungünstigen Standortbedingungen weitreichende Rhizome und Stolonen bilden können. So ist beispielsweise der Gewöhnliche Strandhafer (''Ammophila arenaria'') maßgeblich an der Festlegung der Treibsande sowie am Aufbau der Weißdünen auf den Inseln und an den Festlandsküsten beteiligt und erfüllt so eine wichtige Funktion im Küstenschutz. Auf regelmäßig überfluteten Schlickflächen der Küsten ist es der [[Strand-Salzschwaden]] (''Puccinellia maritima''), welcher mit seinen sich bewurzelnden Stolonen allmählich die kurzen dichten Rasen der [[Salzwiese]]n bildet und mit seinen kurzen steifen Halmen und Blättern den Schlamm gewissermaßen einfängt und die Oberfläche der Marsch langsam aufhöht. Dort, wo andere Süßgräser nicht mehr gedeihen können, übernimmt das [[Salz-Schlickgras]] (''Spartina anglica'') an ähnlichen Standorten die Funktion der Festlegung und Aufhöhung von Schlick der seewärtigen Seiten im [[Wattenmeer]] und entlang der [[Priel]]e. Die Deiche der Küsten und Ströme werden schließlich mit einer Pflanzendecke ausgestattet, die von bodenhaltenden Süßgräsern dominiert wird. In den Ebenen entlang der Flussufer des Binnenlands schützen Gräser den Boden vor Erosion und erfüllen eine ebenso wichtige Aufgabe im Hochwasserschutz. Beispielsweise bilden das [[Rohr-Glanzgras]] (''Phalaris arundinacea'') und der [[Wasser-Schwaden]] (''Glyceria maxima'') auf Schlammflächen und an Ufern dichte und hohe Aufwüchse mit kräftigen Rhizomen. Flussauen stellen nicht nur Retentionsflächen für Hochwässer dar, sondern sind aufgrund der Großgräser eine Senke („Falle“) für Sedimente, Nähr- und Schadstoffe. == Nutzung und Bedeutung für den Menschen == Die Familie der Süßgräser bietet ein außerordentlich breites Spektrum an Nutzungsmöglichkeiten. Demgegenüber stehen jedoch nur relativ wenige Gattungen, die schließlich als Nutzpflanzen für den Menschen von Bedeutung sind. So werden lediglich 6 bis 7&nbsp;Prozent der 600 bis 700&nbsp;Gattungen als Nahrung oder als Werk- und Baustoffe verwendet. Nur etwa 15&nbsp;Gattungen, das sind knapp 2&nbsp;Prozent (ohne Berücksichtigung der Bambus-Gattungen), spielen dabei eine größere Rolle.<ref name="Bayer">E. Bayer: ''Bedeutende und interessante Nutzpflanzen aus der Familie der Gräser.'' In: Bayerische Akademie der Wissenschaften (Herausgeber): ''Gräser und Grasland: Biologie – Nutzung – Entwicklung'', Rundgespräch am 10. Oktober 2005, Verlag Dr. Friedrich Pfeil, München, ISSN 0938-5851, ISBN 3-89937-070-8</ref> === Getreide === [[Datei:Wheat field.jpg|thumb|[[Weizen]]feld]] [[Datei:Triticum aestivum-grajnoj.jpg|thumb|Weizenkörner]] [[Datei:Bambus Baugeruest.jpg|thumb|Baugerüst aus Bambus in Indien]] [[Datei:Amrum-Nebel-Oeoemranghues- P5252499jm.jpg|thumb|[[Uthlandfriesisches Haus]] mit [[Reetdach]] aus Schilf]] [[Datei:TakenokoBambooSprouts.jpg|thumb|Bambussprosse]] [[Datei:Serai.jpg|thumb|Zitronengras]] Von großer weltwirtschaftlicher Bedeutung sind die Getreide. Grasfrüchte, beziehungsweise Getreidekörner, dienen dem Menschen als Grundnahrungsmittel. Sie liefern über 50 % der Welternährungsenergie. Weizen (''Triticium''-Arten), Mais (''Zea mays'') und Reis (''Oryza sativa'') nehmen dabei eine führende Rolle ein. Gerste, Roggen, Hirsen und Hafer decken etwa ein Zehntel ab. Weizen, Gerste und Roggen haben ihren Ursprung im sogenannten [[Fruchtbarer Halbmond|Fruchtbaren Halbmond]], einem Gebiet, das sich von [[Ägypten]] über [[Palästina (Region)|Palästina]] bis zum [[Persischer Golf|Persischen Golf]] erstreckt. Hier wurden die Wildformen in Kultur genommen, die über verschiedene Auslese- und Kreuzungsprozesse zu den heutigen Kulturformen entwickelt wurden. Reis hat seinen Ursprung in China oder Indien; Mais stammt aus Mexiko. Unter Hirsen werden Gräser verschiedener Gattungen mit kleinfrüchtigen Körnern zusammengefasst, wie ''[[Digitaria]], [[Echinochloa]], [[Eragrostis]], [[Panicum]], [[Setaria]], [[Sorghum]]''.<ref name="Bayer">E. Bayer: ''Bedeutende und interessante Nutzpflanzen aus der Familie der Gräser.'' In: Bayerische Akademie der Wissenschaften (Herausgeber): ''Gräser und Grasland: Biologie – Nutzung – Entwicklung'', Rundgespräch am 10. Oktober 2005, Verlag Dr. Friedrich Pfeil, München, ISSN 0938-5851, ISBN 3-89937-070-8</ref> Im Jahr 2007 wurden weltweit folgende Anbauergebnisse erzielt: {| cellspacing="1" style="margin-left:0.5em; background-color:#bdbdff;" ! colspan="2"| ! colspan="2"| Fläche in ha ! colspan="2"| ha-Ertrag in dt/ha ! colspan="2"| Getreidemenge in t |- bgcolor="#ddddff" ! ! Getreideart ! Welt ! D ! Welt ! D ! Welt ! D |- bgcolor="white" align="center" | bgcolor="#ddddff"|1||Mais||style="text-align:right" |157.874.343||style="text-align:right" |383.100||49,7||90,9||style="text-align:right" |784.786.580||style="text-align:right" |3.480.600 |- bgcolor="white" align="center" | bgcolor="#ddddff"|3||Reis||style="text-align:right" |156.952.666|| ||41,5|| ||style="text-align:right" |651.742.616|| |- bgcolor="white" align="center" | bgcolor="#ddddff"|2||Weizen||style="text-align:right" |217.432.668||style="text-align:right" |3.005.300||29,0||71,1||style="text-align:right" |607.045.683||style="text-align:right" |21.366.800 |- bgcolor="white" align="center" | bgcolor="#ddddff"|4||Gerste||style="text-align:right" |56.608.527||style="text-align:right" |1.933.500||24,1||57,1||style="text-align:right" |136.209.179||style="text-align:right" |11.034.200 |- bgcolor="white" align="center" | bgcolor="#ddddff"|5||Hirse*||style="text-align:right" |79.630.605|| ||11,8|| ||style="text-align:right" |96.465.056|| |- bgcolor="white" align="center" | bgcolor="#ddddff"|6||Hafer||style="text-align:right" |11.951.617||style="text-align:right" |181.800||21,7||44,0||style="text-align:right" |25.991.961||style="text-align:right" |800.000 |- bgcolor="white" align="center" | bgcolor="#ddddff"|7||Roggen||style="text-align:right" |6.892.091||style="text-align:right" |674.000||22,8||49,2||style="text-align:right" |15.749.613||style="text-align:right" |3.319.000 |- bgcolor="white" align="center" style="font-weight:bold" | bgcolor="#ddddff"| ||SUMME||style="text-align:right" |687.342.517||6.177.700|| || ||style="text-align:right" |2.317.990.688||style="text-align:right" |40.000.600 |- bgcolor="white" align="left" ! colspan="8"|* = Sorghum+Millet |- bgcolor="white" align="left" ! colspan="8"|Quelle: FAO, Faostat, 2008<ref>[[Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation|FAO]], Faostat [http://faostat.fao.org/site/408/default.aspx], Statistik der FAO, abgerufen am 12. November 2008</ref> |} [http://commons.wikimedia.org/wiki/Image:Weltgetreideernte_2007_BMK.jpg Original] === Sonstige Nutzungen === Neben den Grasfrüchten werden die Stängel, die Blätter und Wurzeln genutzt. Süßgräser sind eine wichtige Rohstoffquelle zur Gewinnung von Stärke, [[Zellulose]], [[Zucker]] sowie [[Fett]]en und [[Ätherische Öle|ätherischen Ölen]]. Sie können als Werk-, Bau- und Füllstoffe verwendet werden. Vor allem werden die verholzten Halme verschiedener Bambus-Arten in tropischen und subtropischen Gebieten Asiens zur Herstellung von Möbeln, Ess- und Trinkgefäßen oder Zäunen verwendet und nicht zuletzt im Haus- und Gerüstbau eingesetzt. In Nordwesteuropa wird das hier im Überfluss wachsende Schilf zu Eindeckung von Häusern verwendet. Bambussprosse werden als Gemüse gegessen. [[Zitronengras|Zitronengräser]] (''Cympopogon'') sind Gewürz- und Heilpflanzen. Ferner dienen Gräser zur Herstellung von alkoholischen Getränken wie Bier, Rum oder Korn. Als nachwachsende Rohstoffe gewinnen Süßgräser, vor allem Bambus und Zuckerrohr, zunehmende Bedeutung zur Herstellung von [[Bioalkohol]] als [[Treibstoff]]. Schließlich sei noch die Verwendung zahlreicher Süßgrasarten mit auffälligen Blütenständen, wie beispielsweise das Pampasgras, als Ziergräser im Garten- und Landschaftsbau genannt. <ref name="Bayer">E. Bayer: ''Bedeutende und interessante Nutzpflanzen aus der Familie der Gräser.'' In: Bayerische Akademie der Wissenschaften (Herausgeber): ''Gräser und Grasland: Biologie – Nutzung – Entwicklung'', Rundgespräch am 10. Oktober 2005, Verlag Dr. Friedrich Pfeil, München, ISSN 0938-5851, ISBN 3-89937-070-8</ref> <!--Ergänzen könnte man z.B. noch Chinaschilf; Stichwort: nachwachsende Rohstoffe...--> Die landwirtschaftliche Nutzung umfasst neben dem Getreideanbau die Nutzung zahlreicher Grasarten als Futterpflanzen für Rinder, Schafe oder Pferde in Form von Kulturgrasland wie Wiesen (Mahd zur [[Heu]]gewinnung, [[Streuwiese|Streunutzung]], [[Silage]]) oder Weiden. Darüber hinaus werden geeignete Gräser für [[Rasen]] in privaten Gärten, in Parks, auf Golf- oder Sportplätzen eingesetzt, mit der Nutzungsart und -intensität angepassten Sortenmischungen. === Gesundheit === Bei empfindlichen Menschen können Pollen von Süßgräsern die Bildung von Antikörpern [[Immunglobulin E]] (IgE) auslösen, was als [[Heuschnupfen]] bekannt ist. Sogenannte wasserlösliche I-[[Glykoproteine]] haften an der Pollenoberfläche, werden leicht an die [[Schleimhaut|Schleimhäute]] abgegeben und können [[Allergie|allergische Reaktionen]] erzeugen. Ferner können in der Aleuronschicht der Getreidekörner enthaltene Prolamine durch eine immunologische Überempfindlichkeitsraktion die als [[Zöliakie]] bezeichnete Krankheit auslösen. == Stammesgeschichte == In der [[Erdneuzeit]] (Känozoikum) entstanden die modernen Familien der Blütenpflanzen, so auch die Gräser. Sie waren zunächst auf bewaldete und sumpfige Gebiete beschränkt. Mit der Entwicklung des kontinuierlichen Wachstumsprozesses und der Windbestäubung wurden ab dem [[Oligozän]] die offenen Länder erobert. Steppen und Grasländer breiteten sich vor allem im [[Miozän]] aus. Man nimmt an, dass die Evolution der Süßgräser mit jener der großen Weidetiere (Wiederkäuer, Pferde, Kamele etc.) parallel ging.<ref name="Reichholf">J. H. Reichholf: ''Gräser, Fleisch und Humus. Tiere in Graslandökosystemen'' In: Bayerische Akademie der Wissenschaften (Herausgeber): ''Gräser und Grasland: Biologie – Nutzung – Entwicklung'', Rundgespräch am 10. Oktober 2005, Verlag Dr. Friedrich Pfeil, München, ISSN 0938-5851, ISBN 3-89937-070-8</ref> Neueste Erkenntnisse indischer Wissenschaftler gehen, einem Bericht der Zeitschrift [[Science]] zufolge, davon aus, dass sich Gräser bereits in der [[Kreidezeit]], dem letzten Abschnitt des [[Erdmittelalter]]s (Mesozoikum), entwickelt haben. Diese Annahme geht auf Funde von Pflanzenbestandteilen zurück, welche im fossilen Dung ([[Koprolith]]) von [[Dinosaurier]]n gefunden wurden und auf reis- und bambusähnliche Gräser deuten<ref>Vandana Prasad, Caroline A. E. Strömberg, Habib Alimohammadian, and Ashok Sahni: ''Dinosaur Coprolites and the Early Evolution of Grasses and Grazers'', Science 310 (5751), 1177, 2005</ref>. Süßgräser gehören zu den im Verlauf der [[Evolution]] sekundär entstandenen windblütigen [[Angiosperme]]n. Spuren von Pollenkitt in Gräsern weisen darauf hin, dass die Vorgänger biotisch durch Vögel und Insekten bestäubt wurden. Pollenkitt verklebt die Pollenkörner zu größeren Übertragungseinheiten, was bei der Windbestäubung, die schwebfähige und leichte Pollen verlangt, störend wäre. <ref>Michael Hesse: ''Entwicklungsgeschichte und Ultrastruktur von Pollenkitt und Exine bei nahe verwandten entomophilen und anemophilen Angiospermensippen der Alismataceae, Liliaceae, Juncaceae, Cyperaceae, Poaceae und Araceae'', Plant Systematics and Evolution, Springer Wien 1980</ref> Im Zuge des Übergangs zur Windblütigkeit wurden die Blüten reduziert. Entwicklungsgenetische Befunde deuten darauf hin, dass die Vorspelzen ein Verwachsungsprodukt zweier [[Blütenhüllblatt|Blütenhüllblätter]] von ursprünglich drei und die Schwellkörperchen aus inneren [[Tepal]]en hervorgegangen sind. Die Gräserblüte lässt sich somit vom Grundtypus der dreizähligen Blüten [[Liliopsida|einkeimblättriger Pflanzen]] ableiten mit zwei Kreisen à drei Blütenhüllblättern, zwei Kreisen à drei Staubblättern sowie drei Fruchtblättern. Der dreifächrige Fruchtknoten der Süßgräser wurde einfächrig und enthält nur noch eine Samenanlage. Vom äußeren und inneren Staubblattkreis blieb nur der äußere Ring erhalten. Vom inneren Hüllblattkreis blieben nur die zwei als Schwellkörperchen dienenden Schuppen, die dritte Tepale fiel aus. Nur bei einigen tropischen Arten sind noch drei Lodiculae vorhanden. Der äußere Hüllblattkreis besteht nur noch aus der Vorspelze, die aus zwei getrennten Blütenhüllblättern entstanden ist. Bei wenigen tropischen Gräsern sind zwei getrennte Vorspelzen erhalten. Die dritte Tepale fiel wiederum aus. Etwa 80 % der Grasarten haben mehr als einen [[Chromosom]]ensatz im [[Zellkern]]. [[Hybride]], zum Teil auch fruchbare, sind bei Süßgräsern selbst zwischen Gattungen nicht selten<ref name="Ziegler">H. Ziegler: ''Die Familie der Süßgräser.'' In: Bayerische Akademie der Wissenschaften (Herausgeber): ''Gräser und Grasland: Biologie – Nutzung – Entwicklung'', Rundgespräch am 10. Oktober 2005, Verlag Dr. Friedrich Pfeil, München, ISSN 0938-5851, ISBN 3-89937-070-8</ref>. Viele der heutigen Gräser waren in der Naturlandschaft vermutlich nicht in der jetzigen Form vorhanden. Es wird angenommen, dass viele Graslandarten ihren Ursprung in [[diploid]]en Sippen haben, die während der [[Eiszeit]]en in südlichen Rückzugsgebieten überdauerten. In einem langen Prozess der Rückwanderung, der Anpassung an veränderte Standortbedingungen und verschärfter Konkurrenz sowie durch die vom Menschen seit dem Neolithikum neu geschaffenen Lebensräume konnten durch Kreuzungen diploider Elternarten tetra-, bis polyploide Sippen ([[Allopolyploidie]]) entstehen. So sind zum Beispiel ''Anthoxanthum odoratum, Agrostis stolonifera, Dactylis glomerata'' und ''Poa pratensis'' Hybride alter diploider Sippen.<ref name="Dierschke">H. Dierschke & G. Briemle: ''Kulturgrasland.'' Ulmer, Stuttgart 2002, ISBN 3-8001-3816-6</ref> == Systematik == Die [[Typus (Nomenklatur)|Typusgattung]] der Süßgräser sind die [[Rispengräser]] (''Poa''), daher die Familienbezeichnung Poaceae. ''Poa'' entstammt dem Griechischen ''póa'' und bedeutet Kraut, Gras, Pflanze. Die veraltete Bezeichnung für die Familie lautet Gramineae. Nach dem [[Internationaler Code der Botanischen Nomenklatur|Internationalen Code der Botanischen Nomenklatur]] Artikel 14 ist die weitere Verwendung des alten Begriffes als Ausnahme von den strengen Regeln erlaubt und damit legitim: Poaceae = Gramineae Jussieu nom. cons. (''nomina conservanda'') et nom. alt. (''nomen alternativum'')<ref>[http://www.bgbm.org/iapt/nomenclature/code/Tokyo%2Dd/DEUCODE2.pdf INTERNATIONALER CODE DER BOTANISCHEN NOMENKLATUR, PDF, abgerufen am 7. September 2007]</ref>. Süßgräser sind [[Bedecktsamer]] (Magnoliopsida). Im Gegensatz zu den [[Nacktsamer]]n (Gymnospermae) ist bei ihnen die Samenanlage im Fruchtknoten eingeschlossen. Die Familie der Süßgräser gehört innerhalb der [[Monokotyledonen|Einkeimblättrigen Pflanzen]] (Monokotyledonen) zur Ordnung der [[Süßgrasartige]]n (Poales). Die Familie umfasst etwa 10.000 Arten mit je nach verwendeter Systematik 600 bis 700 Gattungen. Die Poaceae sind in 13 {{Subfamilia}}n von sehr ungleicher Größe unterteilt, die noch weiter in insgesamt 46 [[Tribus (Biologie)|Tribus]] gegliedert sind. Die Unterfamilien können vom [[Phylogenese|phylogenetischen]] Standpunkt aus zu zwei Hauptgruppen, „BEP-clade“ und „PACC-clade“ zusammengefasst werden. <div style="display:block" class="BoxenVerschmelzen"> <div style="clear:both; display:block" class="NavFrame"> <div class="NavHead"><div align="left">Übersicht über die Systematik der Poaceae mit einer Auswahl an Gattungen und Arten<ref>Grass Phylogeny Working Group, Nigel P. Barker, Lynn G. Clark, Jerrold I. Davis, Melvin R. Duvall, Gerald F. Guala, Catherine Hsiao, Elizabeth A. Kellogg, H. Peter Linder: ''Phylogeny and Subfamilial Classification of the Grasses (Poaceae)''. Annals of the Missouri Botanical Garden, 2001, Vol. 88, No. 3 (Summer, 2001), pp. 373–457</ref> </div></div> <div class="NavContent"> {| |- valign="top" | align="left" | * Unterfamilie '''[[Anomochlooideae]]''' – mit zwei Tribus und je einer Gattung: ** Tribus Anomochloeae *** ''[[Anomochloa]]'' ** Tribus Streptochaeteae *** ''[[Streptochaeta]]'' * Unterfamilie '''[[Pharoideae]]''' – mit einer Tribus und einer Gattung und ein bis zwölf Arten: ** Tribus Phareae *** ''[[Pharus]]'' * Unterfamilie '''[[Puelioideae]]''' – mit zwei Tribus und je einer Gattung und mit 14 Arten: ** Tribus Puelieae: *** ''[[Puelia]]'' ** Tribus Guaduelleae: *** ''[[Guaduella]]'' &nbsp;'''BEB-clade''' * Unterfamilie '''[[Bambusgewächse|Bambus]] (Bambusoideae)''' – Sie sind im Blütenaufbau relativ ursprünglich und haben drei Loduculae und sechs Staubblätter, die Blüte ist also nicht so stark reduziert wie bei den meisten anderen Unterfamilien. Sie haben oft verholzende Halme. Mit zwei Tribus und 98 Gattungen und etwa 1200 Arten: ** Tribus Olyreae ** Tribus Bambuseae (Auswahl): *** ''[[Bambusa]]'' ≈ 120 Arten *** ''[[Chusquea]]'' ≈ 120 Arten *** ''[[Fargesia]]'' *** ''[[Guadua]]'' *** ''[[Phyllostachys]]'' * Unterfamilie '''[[Ehrhartoideae]]''' (= Oryzoideae) – Sie sind im Blütenaufbau relativ ursprünglich und haben drei Loduculae und sechs Staubblätter, die Blüte ist also nicht so stark reduziert wie bei den meisten anderen Unterfamilien. Mit vier Tribus und 19 Gattungen und etwa 120 Arten: ** Tribus Ehrharteae – mit vier Gattungen. ** Tribus Phyllorachideae – mit zwei Gattungen. ** Tribus Streptogyneae – mit einer Gattung. ** Tribus Oryzeae (Auswahl): *** [[Reis]] (''Oryza'') ≈ 20 Arten *** [[Wasserreis]] ''Zizania'' – 4 Arten *** ''[[Leersia]]'' ≈ 17 Arten *** ''[[Chikusichloa]]'' – 3 Arten *** ''[[Hygroryza]]'' – 1 Art *** ''[[Luziola]]'' ≈ 11 Arten *** ''[[Zizaniopsis]]'' ≈ 5 Arten *** ''[[Porteresia]]'' – 1 Art *** ''[[Rhynchoryza]]'' – 1 Art *** ''[[Maltebrunia]]'' – 5 Arten *** ''[[Prosphytochloa]]'' – 1 Art *** ''[[Potamophila]]'' – 1 Art * Unterfamilie '''[[Pooideae]]''' – mit 15 Tribus und 202 Gattungen und etwa 3300 Arten: ** Tribus Ampelodesmeae ** Tribus Aveneae *** [[Straußgräser]] (''Agrostis'') ≈ 220 Arten *** [[Strandhafer]] (''Ammophila'') – 3 Arten *** [[Fuchsschwanzgräser]] (''Alopecurus'') ≈ 25 Arten *** [[Glatthafer]] (''Arrhenatherum'') – 6 Arten *** [[Hafer]] (''Avena'') ≈ 25 Arten *** [[Reitgräser]] (''Calamagrostis'') ≈ 230 Arten *** [[Schmielen]] (''Deschampsia'') ≈ 50 Arten *** [[Staudenhafer]] (''Helictotrichon'') ≈ 50 Arten *** [[Honiggräser]] (''Holcus'') *** [[Glanzgräser]] (''Phalaris'') ≈ 15 Arten *** [[Lieschgräser]] (''Phleum'') ** Tribus Brachyelytreae ** Tribus Brachypodieae ** Tribus Bromeae *** [[Trespen]] (''Bromus'') ≈ 100 Arten ** Tribus Brylkinieae ** Tribus Diarrheneae ** Tribus Hainardieae ** Tribus Lygeeae ** Tribus Meliceae *** [[Schwaden]] (''Glyceria'') ≈ 15 Arten *** [[Perlgräser]] (''Melica'') ≈ 75 Arten ** Tribus Nardeae *** [[Borstgräser]] (''Nardus'') ** Tribus Phaenospermatideae ** Tribus Poeae *** [[Zittergräser]] (''Briza'') ≈ 20 Arten *** [[Knäuelgräser]] (''Dactylis'') – in Deutschland 2 Arten *** [[Schwingel]] (''Festuca'') ≈ 470 Arten *** [[Lolch]] (''Lolium'') – 8 Arten *** [[Rispengräser]] (''Poa'') ≈ 200 Arten *** [[Salzschwaden]] (''Puccinellia'') *** [[Blaugräser]] (''Sesleria'') – 30–35 Arten *** [[Tundragras]] (''Dupontia'') ≈ 4 Arten ** Tribus Stipeae *** [[Pfriemengräser]] (''Stipa'') ≈ 300 Arten ** Tribus [[Triticeae]] *** [[Quecken]] (''[[Elymus]]'') ≈ 150 Arten *** [[Gerste (Gattung)|Gerste]] (''Hordeum'') ≈ 30 Arten *** [[Strandroggen (Gattung)|Strandroggen]] (''Leymus'') – 40 Arten *** [[Weizen]] (''Triticum'') *** [[Roggen (Gattung)|Roggen]] (''Secale'') &nbsp;'''PACC-clade''' * Unterfamilie '''[[Aristidoideae]]''' – mit einer Tribus und drei Gattungen und ≈ 350 Arten: ** Tribus Aristideae: ** ''[[Aristida]]'' ≈ 330 Arten * Unterfamilie '''[[Danthonioideae]]''' – mit einer Tribus und 26 Gattungen und ≈ 250 Arten: ** Tribus Danthonieae *** [[Pampasgräser]] (''Cortaderia'') ≈ 20 Arten **** [[Pampasgras]] (''C. selloana'') *** ''[[Danthonia]]'' ≈ 100 Arten * Unterfamilie '''[[Arundinoideae]]''' – mit einer Tribus und 14 Gattungen und 36 bis 38 Arten: ** Tribus Arundineae *** ''[[Phragmites]]'' – mit zwei bis drei Arten: *** [[Pfeifengräser]] (''Molinia'') – 2 bis 5 Arten *** ''[[Arundo]]'' * Unterfamilie '''[[Chloridoideae]]''' – mit fünf Tribus und 145 Gattungen und ≈ 1400 Arten: ** Tribus Cynodonteae *** ''[[Astrebla]]'' *** ''[[Bouteloua]]'' *** ''[[Buchloe dactyloides|Buchloe]]'' *** [[Hundszahngräser]] (''Cynodon'') – 8 Arten *** [[Schlickgräser]] (''Spartina'') ≈ 14 Arten ** Tribus Eragrostideae *** ''[[Eleusine]]'' *** [[Liebesgräser]] (''Eragrostis'') ≈ 300 Arten *** ''[[Muhlenbergia]]'' ≈ 160 Arten *** ''[[Sporobolus]]'' ≈ 160 Arten ** Tribus Leptureae *** ''[[Parapholis]]'' ≈ 6 Arten ** Tribus Orcuttieae ** Tribus Pappophoreae * Unterfamilie '''[[Centothecoideae]]''' – mit zwei Tribus und 13 Gattungen und ≈ 45 Arten: ** Tribus Centotheceae ** ''[[Centotheca]]'' ** Tribus Thysanolaeneae * Unterfamilie '''[[Panicoideae]]''' – mit sieben Tribus und 216 Gattungen und etwa 3270 Arten: ** Tribus Andropogoneae *** ''[[Andropogon]]'' ≈ 100 Arten *** ''[[Chrysopogon]]'' **** [[Vetiver]] (''Chrysopogon zizanioides'') *** ''[[Coix]]'' – 5 Arten *** ''[[Cymbopogon]]'' ≈ 50 Arten **** [[Zitronengras]] (''C. citratus'') *** ''[[Hyparrhenia]]'' ≈ 50 Arten *** ''[[Saccharum]]'' ≈ 35 Arten **** [[Zuckerrohr]] (''S. officinarum'') *** [[Sorghum]]hirsen (''Sorghum'') *** ''[[Zea]]'' ** Tribus Arundinelleae ** Tribus Gynerieae ** Tribus Hubbardieae ** Tribus Isachneae ** Tribus Paniceae *** [[Fingerhirsen]] (''Digitaria'') *** [[Hühnerhirsen]] (''Echinochloa'') *** [[Rispenhirsen]] (''Panicum'') ≈ 500 Arten *** ''[[Paspalum]]'' ≈ 330 Arten *** [[Lampenputzergräser]] (''Pennisetum'') ≈ 80 Arten *** [[Borstenhirsen]] (''Setaria'') ≈ 150 Arten **** [[Grüne Borstenhirse]] (''Setaria viridis'') *** ''[[Zygochloa]]'', monotypisch ** Tribus Steyermarkochloeae * ohne Einordnung in eine Unterfamilie: ** Tribus Eriachneae – mit zwei Gattungen: *** ''[[Eriachne]]'' *** ''[[Pheidochloa]]'' ** Tribus Micraireae – mit einer Gattung: *** ''[[Micraira]]'' |} </div></div></div> == Quellen == Die allgemeinen Informationen dieses Artikels entstammen den unter Literatur und Weblinks aufgeführten Referenzen (Morphologie, Standorte, Verbreitung etc.). Darüber hinaus sind einzelne Aspekte, Spezialthemen, Zahlen usw. den aufgeführten Einzelpublikationen entnommen. === Literatur === * {{BibISBN|3800125374}} * {{BibISBN|382741010X}} * {{BibISBN|3800147750}} === Weblinks === {{Commonscat|Poaceae|Süßgräser (Poaceae)}} * [http://www.mobot.org/MOBOT/Research/APweb/orders/Poalesweb.htm#Poaceae Die Familie der Poaceae] bei der [http://www.mobot.org/MOBOT/Research/APweb/welcome.html APWebsite.] (engl.) * [http://delta-intkey.com/angio/www/graminea.htm Gramineae Juss.] bei [http://delta-intkey.com/angio L. Watson and M. J. Dallwitz: ''The Families of Flowering Plants'', Beschreibung im DELTA-Format.] * Shou-liang Chen, De-Zhu Li, Guanghua Zhu, Zhenlan Wu, Sheng-lian Lu, Liang Liu, Zheng-ping Wang, Bi-xing Sun, Zheng-de Zhu, Nianhe Xia, Liang-zhi Jia, Zhenhua Guo, Wenli Chen, Xiang Chen, Yang Guangyao, Sylvia M. Phillips, Chris Stapleton, Robert J. Soreng, Susan G. Aiken, Nikolai N. Tzvelev, Paul M. Peterson, Stephen A. Renvoize, Marina V. Olonova & Klaus Ammann: ''Poaceae'' in der ''Flora of China'', Volume 22: [http://www.efloras.org/florataxon.aspx?flora_id=2&taxon_id=10711 Online.] === Einzelquellen === <references/> {{Exzellent}} [[Kategorie:Süßgräser| ]] {{Link FA|es}} [[ar:نجيلية]] [[ast:Gramínea]] [[be:Метлюжковыя]] [[bg:Житни]] [[ca:Poàcia]] [[cs:Lipnicovité]] [[da:Græs-familien]] [[en:Poaceae]] [[eo:Poacoj]] [[es:Poaceae]] [[et:Kõrrelised]] [[eu:Poaceae]] [[fi:Heinäkasvit]] [[fr:Poaceae]] [[fy:Gerzen]] [[gl:Gramíneas]] [[he:דגניים]] [[hi:पोएसी]] [[hsb:Słódke trawy]] [[hu:Pázsitfűfélék]] [[id:Poaceae]] [[is:Grasaætt]] [[it:Poaceae]] [[ja:イネ科]] [[jv:Poaceae]] [[ka:მარცვლოვანნი]] [[ko:벼과]] [[lt:Migliniai]] [[mk:Треви]] [[nah:Zacatl]] [[nds-nl:Grezenfemilie]] [[nl:Grassenfamilie]] [[nn:Grasfamilien]] [[no:Grasfamilien]] [[pl:Wiechlinowate]] [[pt:Poaceae]] [[qu:Wiru yura rikch'aq ayllu]] [[ro:Poaceae]] [[ru:Злаки]] [[simple:Poaceae]] [[sk:Lipnicovité]] [[sl:Trave]] [[sv:Gräs]] [[te:పోయేసి]] [[th:หญ้า]] [[tl:Damo]] [[to:Mohuku]] [[tr:Buğdaygiller]] [[uk:Тонконогові]] [[vi:Họ Hòa thảo]] [[wa:Fenaesses]] [[yi:גראז]] [[zh:禾本科]] fky7f1i9kc908htzdvh06z5097gbson wikitext text/x-wiki Tour de France 0 23508 26107 2010-04-27T08:24:24Z Zollernalb 0 Änderungen von [[Special:Contributions/84.142.181.229|84.142.181.229]] ([[User talk:84.142.181.229|Diskussion]]) rückgängig gemacht und letzte Version von [[User:Playmobilonhishorse|Playmobilonhishorse]] wiederhergestellt {{Dieser Artikel|beschreibt die Tour de France im Allgemeinen, die Resultate der Rundfahrten sind unten in der [[Vorlage:Navigationsleiste Tour de France|Navigationsleiste]] abzurufen.||Falls Du den Asterix-Comic ''Tour de France'' meinst, siehe [[Tour de France (Comic)]]}} {{Dieser Artikel|beschreibt die Radsportveranstaltung «Tour de France». Für den [[Asterix]]-Comic «Tour de France» siehe [[Tour de France (Comic)]]}} [[Datei:Logo-Le Tour de France.svg|thumb|Das Logo der Tour de France]] Die '''Tour de France''' [{{IPA|ˌtuʀdəˈfʀɑ̃ːs}}], auch ''Grande Boucle'' [{{IPA|gʀɑ̃dˈbukl}}] („Große Schleife“) oder einfach ''Le Tour'' [{{IPA|ləˈtuːʀ}}] genannt, ist das berühmteste und für die Fahrer bedeutendste [[Radrennen]] der Welt. Seit 1903 wird die Tour alljährlich – mit Ausnahme der Zeit des [[Erster Weltkrieg|Ersten]] (ausgefallen 1915–1918) und [[Zweiter Weltkrieg|Zweiten Weltkriegs]] (ausgefallen 1940–1946) – während dreier Wochen im Juli ausgetragen und führt dabei in wechselnder Streckenführung quer durch [[Frankreich]] und das nahe Ausland. Das Rennen wird von der [[Amaury Sport Organisation]] (ASO) veranstaltet. Die Tour gilt nach der Fußball-Weltmeisterschaft und den Olympischen Spielen als drittgrößtes Sportereignis der Welt. Eine Tour de France der Frauen – ''La [[Grande Boucle Féminine]] Internationale'' – wird seit 1984 ausgetragen. Länge und Bedeutung sind im Vergleich zur Tour der Männer marginal. [[Datei:Yellow jersey TDF.jpg|thumb|Siegerpodest der Tour de France 2004]] == Streckenführung und -profil == Die Tour de France wird als die schwerste Radrundfahrt der Welt angesehen, obwohl das Streckenprofil oft nicht anspruchsvoller ist als das der beiden anderen großen Landesrundfahrten [[Giro d’Italia]] und [[Vuelta a España]]. Tatsächlich sind es aber die [[Radrennfahrer]], die das Rennen schwer machen: Bei der Tour wird ohne Zweifel schneller, härter und kompromissloser gefahren als bei jeder anderen Rundfahrt. Jede einzelne Etappe ist umkämpft wie sonst nur die [[Eintagesrennen|Eintagesklassiker]]. [[Datei:Tour.JPG|thumb|Auf den Champs-Elysées]] === Etappen === Die Tour de France beginnt seit 1967 gewöhnlich mit dem so genannten [[Prolog (Radrennen)|Prolog]], einem kurzen [[Einzelzeitfahren]] (circa fünf bis zehn Kilometer). Wenn das Eröffnungs-Zeitfahren eine Länge von über acht Kilometern aufweist (zuletzt 2009), wird es als erste Etappe bezeichnet. Die darauf folgenden meist 20 Etappen, die von ein bis zwei Ruhetagen unterbrochen werden, zeichnen dann das französische [[Hexagon]] nach. Die insgesamt zu absolvierende Streckenlänge wurde nach dem [[Festina-Affäre|Dopingskandal von 1998]] deutlich reduziert und beträgt seitdem rund 3500 Kilometer. Die Streckenführung und die Etappenorte wechseln dabei jedes Jahr. Eine Konstante stellt die [[Avenue des Champs-Élysées]] in [[Paris]] dar, auf der die Tour de France seit 1975 endet. Auch bestimmte Gebirgspässe werden auf fast jeder Tour angesteuert. Die ersten Tage der Tour de France sind fast immer von schnellen und sprinterfreundlichen Flachetappen im Norden Frankreichs geprägt, bevor sich dann im Hochgebirge der [[Pyrenäen]] und der [[Alpen]] die Gesamtwertung der Tour entscheidet. Weiterhin werden während der Tour de France zwei [[Einzelzeitfahren]] ausgetragen. Bei der Zielankunft gab es für die ersten drei Fahrer abgestufte Zeitgutschriften zusätzlich zur real gefahrenen Zeit (20, zwölf und acht Sekunden entspricht 20, zwölf und acht Punkten). Dies war wegen der Regel über die Zeitnahme bei einer Gruppenankunft ein wichtiger Vorteil für Sprints. Seit der [[Tour de France 2008|Austragung im Jahre 2008]] werden keinerlei Zeitgutschriften mehr vergeben. === Berge === Die Gesamtwertung der Tour entscheidet sich in jedem Jahr neben den Zeitfahren vor allem im Hochgebirge. Einige Berge und Pässe stehen sehr häufig im Programm der Tour und haben im Laufe der Jahre einen geradezu mythischen Ruf erworben. [[Liste der höchstgelegenen Bergwertungen der Tour de France|27 Anstiege]] erreichen dabei eine Höhe von über 2000 Meter Höhe. Mit 2802 Meter führt der [[Col de la Bonette]] am höchsten hinauf, gefolgt von [[Col de l’Iseran]] (2770 m) und [[Col Agnel]] (2744 m) (Stand: 2009). Die vier „heiligen Berge“ der Tour de France sind der [[Col du Tourmalet]] (2114 m, [[Pyrenäen]]), der im Jahre 1910 als erster Hochgebirgspass erklommen wurde, der [[Col du Galibier]] (2645 m, [[Alpen]]), der ein Jahr später ins Programm aufgenommen wurde, der [[Mont Ventoux]] (1909 m, [[Provence]]), dessen einsam aufragender, vulkanartiger Kegel erstmals 1951 befahren wurde und durch den Tod von [[Tom Simpson (Radsportler)|Tom Simpson]] 1967 zu trauriger Berühmtheit gelangte, und der Anstieg zur alpinen Skistation [[L’Alpe d’Huez]], dessen legendäre 21 Kehren hinauf auf 1850 m zum ersten Mal 1952 zur ersten Bergankunft in der Geschichte der Tour bewältigt wurden. Weitere legendäre Tour-Berge sind der [[Col d'Aubisque]] in den Pyrenäen und der [[Col de la Madeleine]] in den Alpen. Der Col d'Aubisque gilt, wenn er von Nordwesten, meist von [[Pau]] herkommend angefahren wird, als besonders schwere Bergprüfung, weil er den Fahrern eine abrupte Umstellung vom Flachland aufs Hochgebirge abverlangt. Der Col de la Madeleine wird von Fahrern, aktuellen wie ehemaligen, wie zum Beispiel dem ehemaligen Bergkönig (1993) [[Tony Rominger]], als eine der schwierigsten, wenn nicht die schwierigste Bergprüfung im gesamten Tour-Programm genannt. Die zehn am häufigsten angefahrenen Berge sind: * 74 mal [[Col du Tourmalet]] (Pyrenäen) * 68 mal [[Col d'Aubisque]] (Pyrenäen) * 66 mal [[Col d'Aspin]] (Pyrenäen) * 58 mal [[Col de Peyresourde]] (Pyrenäen) * 54 mal [[Col du Galibier]] (Alpen) * 51 mal [[Col de Portet-d'Aspet]] (Pyrenäen) * 38 mal [[Col des Aravis]] (Alpen) * 33 mal [[Col d’Allos]] (Alpen) * 33 mal [[Col de Vars]] (Alpen) * 32 mal [[Col d’Izoard]] (Alpen) Die Berge werden je nach Länge und Steilheit des Anstiegs in '''fünf Bergkategorien''' (Schwierigkeitsgrade) eingeteilt, nach diesen richten sich auch die maximal erzielbaren Punkte für das [[Bergtrikot]] der Tour de France: * '''HC''' (''hors catégorie''): 20 Punkte, sehr schwer, z.&nbsp;B. ''Col du Tourmalet'' (17,4 km / 7,3 %) * '''1. Kategorie''': 15 Punkte, schwer, z.&nbsp;B. ''Col du Télégraphe'' (12 km / 6,7 %) * '''2. Kategorie''': 10 Punkte, mittelschwer, z.&nbsp;B. ''Côte de Boyne'' (9,2 km / 5,3 %) * '''3. Kategorie''': 4 Punkte, leicht, z.&nbsp;B. ''Côte de Oneux'' (3,2 km / 5,1 %) * '''4. Kategorie''': 3 Punkte, sehr leicht, z.&nbsp;B. ''Côte de Bellevue'' (1 km / 4,2 %) Die Punktevergabe erfolgt gestaffelt für die ersten drei (4. Kategorie) bis zehn Fahrer (HC). So erhalten bei einem HC-Anstieg die ersten zehn Fahrer 20, 18, 16, 14, 12, 10, 8, 7, 6, 5 Punkte. Bei einem Anstieg der letzten Kategorie erhalten die ersten drei Fahrer 3, 2, 1 Punkte. Um die [[Bergwertung]] spannender zu gestalten, werden am Schlussanstieg einer Etappe die Punkte verdoppelt (sofern es sich nicht um leichte Anstiege der 3. und 4. Kategorie handelt). Traditionell führt die Tour de France über sechs Bergetappen (davon meist drei in den Alpen und drei in den Pyrenäen) mit insgesamt um die ca. 15 für die Fahrer nennenswerten Anstiegen, d.&nbsp;h. Bergen der 1. Kategorie oder HC. : → ''Hauptartikel [[Bergwertung]]'' === Ausland === Schon in der Frühzeit des Rennens wurden die französischen [[Landesgrenze]]n bei einzelnen Etappen überschritten. Erstmals war dies am 10. Juli 1905 der Fall, als die Tour auf dem Weg durch die [[Vogesen]] das [[Elsass]] passierte, welches Frankreich 1870/71 im [[Deutsch-Französischer Krieg|Deutsch-Französischen Krieg]] an das [[Deutsches Reich|Deutsche Reich]] verlor. Schon 1906 führte die Tour wieder durch das [[Deutsches Reich|Deutsche Reich]], darüber hinaus außerdem durch [[Italien]] und [[Spanien]]. Ebenfalls 1906 durchfuhren die Fahrer auf der Etappe durch [[Lothringen]] erstmals auch die für den [[Deutsch-französische Erbfeindschaft|Deutsch-französischen Konflikt]] symbolträchtige Stadt [[Metz]]. Schon 1907 war Metz schließlich auch erster ausländischer Etappenort. Die Zuschauer machten daraus jedoch ein [[Chauvinismus|chauvinistisches]] Ereignis und stimmten die [[Marseillaise]] an. Nachdem 1908, 1909 und 1910 drei weitere Zielankünfte in Metz statt fanden, untersagten die deutschen Behörden aus politischen Gründen noch 1910 weitere Gastspiele der Tour in der lothringischen Hauptstadt.<ref name="Kleines Lexikon">Wilfried F. Schoeller: ''Kleines Lexikon der Tour-Mythen – Triumphe, Kuriositäten und Rekorde'', Eichborn AG, Frankfurt am Main 2003, ISBN 3-8218-4836-7</ref> Der deutsche Teil der Vogesen war jedoch weiterhin Bestandteil der Streckenführung, so war der [[Ballon d'Alsace]] noch bis 1914 – zuletzt sechs Tage vor Ausbruch des [[Erster Weltkrieg|Ersten Weltkriegs]] – jährlich im Programm der Tour.<ref>[http://www.quaeldich.de/paesse/ballon-d-alsace/ Der Ballon d'Alsace auf www.quaeldich.de]</ref> Anschließend dauerte es jedoch bis 1964, ehe die Tour in Folge der [[Deutsch-französische Freundschaft|Deutsch-französischen Freundschaft]] wieder einen Abstecher nach [[Deutschland]] machte; seither geschieht dies regelmäßig. Im Laufe der Jahre wurden dann in unregelmäßigen Abständen auch alle anderen Nachbarstaaten in den Parcours einbezogen, so die [[Schweiz]] (erstmals 1913), [[Belgien]] (erstmals 1947), [[Luxemburg]] (erstmals 1947), [[Monaco]] (erstmals 1952) und [[Andorra]] (erstmals 1964). Später kamen auch Staaten dazu, die keine gemeinsame Grenze mit Frankreich haben. Dies waren die [[Niederlande]] (erstmals 1969), [[Vereinigtes Königreich|Großbritannien]] (erstmals 1974) und [[Irland]] (1998), ferner auch [[West-Berlin]] (1987), das damals noch vom Gebiet der [[DDR]] umschlossen war. Seit 1954 findet auch der Start der Tour („Le Grand Départ“) in unregelmäßigen Abständen im nahen Ausland statt, bisher *in den Niederlanden ([[Amsterdam]] 1954, [[Scheveningen]] 1973, [[Leiden (Stadt)|Leiden]] 1978 und [[’s-Hertogenbosch]] 1996) *in Deutschland ([[Köln]] 1965, [[Frankfurt am Main]] 1980 und West-Berlin 1987) *in Belgien ([[Brüssel]] 1958, [[Charleroi]] 1975 und [[Lüttich]] 2004) *in der Schweiz ([[Basel]] 1982) *in Luxemburg ([[Luxemburg (Stadt)|Luxemburg]] 1989 und 2002) *in Spanien ([[San Sebastián]] 1992) *in Irland ([[Dublin]] 1998) *in Großbritannien ([[London]] 2007) *in [[Monaco]] (2009) 2010 wird die Tour im niederländischen [[Rotterdam]] beginnen. Der langgehegte Plan, die Tour in den [[Vereinigte Staaten|USA]] ([[New York City|New York]]), in [[Kanada]] ([[Québec]]) oder auf einem französischen [[Übersee-Departement]] zu starten, wurde hingegen aufgrund der immensen [[Logistik|logistischen]] Probleme bisher nicht umgesetzt. Mit dem Befahren von Spanien, Frankreich, Belgien, den Niederlanden, Deutschland, Luxemburg und Italien war die Tour 1992 erstmals im selben Jahr in sieben Ländern zu Gast. In allen Ländern fanden zudem Etappenankünfte und/oder -starts statt. == Teilnehmer == Seit 1969 wird die Tour de France von professionellen Firmenteams bestritten, wie auch schon in der Anfangszeit des Rennens. Von 1930 bis 1961 und dann noch einmal 1967 und 1968 traten dagegen [[Nationalmannschaft]]en an. Derzeit werden jährlich 21 bis 22 Profimannschaften mit je neun Fahrern zur Tour de France eingeladen, darunter die 20 Teams der [[UCI ProTour]]. Die meisten Teams kommen üblicherweise aus Frankreich, Italien und Spanien, dazu einzelne Mannschaften aus Belgien, den Niederlanden, Deutschland, Dänemark, der Schweiz und den USA. Diese Nationen stellen auch den Großteil der Fahrer. Einzelne Radprofis stammen aus dem übrigen Mitteleuropa, Skandinavien, Osteuropa sowie Kasachstan, Kolumbien, Australien, Südafrika und Japan. Die meisten Teilnahmen an der Tour de France hat der Niederländer [[Joop Zoetemelk]] aufzuweisen, der die Tour 16mal fuhr und jedes mal auch beendete, davon siebenmal auf dem Podium (Sieg 1980). Je 15mal bestritten zwei Belgier die Tour de France: Der langjährige [[Wasserträger]] [[Guy Nulens]] (beste Platzierung: 22.) und der Bergspezialist [[Lucien van Impe]] (Sieg 1976). Nach seiner letzten Tour 2006 steht auch [[Wjatscheslaw Wladimirowitsch Jekimow]] bei 15 Tour-Teilnahmen. Auch er kam immer bis nach Paris. [[Erik Zabel]] (sechsmaliger Gewinner des Grünen Trikots) hält mit 14 Teilnahmen den deutschen Rekord. == Organisation == === Gründung und Bindung an L’Équipe (L’Auto) === Die Tour de France wurde im Jahr 1903 von der auf eine Auflagensteigerung bedachten Sportzeitung ''L’Auto'' gegründet. Der Chefredakteur des Blattes, [[Henri Desgrange]], übernahm bis zu seinem Tod 1940 den Posten des Tour-Direktors. In diesem Amt konzentrierte er alle wichtigen Entscheidungsprozesse zur Organisation des Rennens. Um das Rennen attraktiver zu machen, führte Desgrange 1919 das Gelbe Trikot und 1933 die Bergwertung ein. 1908 erfand er die Werbekolonne, eine Reihe von Werbefahrzeugen, die bis heute vor dem Fahrerfeld die Rennstrecke abfährt und Werbegeschenke an die Zuschauer verteilt. Zu seinem Nachfolger sowohl als Chefredakteur als auch als Tourdirektor baute Desgrange den Journalisten [[Jacques Goddet]] auf, der ihn als Renndirektor ab 1936 vertrat und als Tourdirektor von 1924 bis 1945 amtierte. Goddet war dem Einsatz technischer Neuerungen im Gegensatz zu seinem Vorgänger aufgeschlossen: Gleich in seinem ersten Jahr als Co-Direktor 1937 erlaubte er die Gangschaltung. Nach der Befreiung Frankreichs 1944 wurde ''L’Auto'' eingestellt; zwei Jahre später gründete Goddet jedoch die neue Sportzeitung [[L’Équipe]], die erneut die Organisation der Tour durchführte. 1998 übernahm die Amaury-Verlagsgruppe die Zeitung und ordnete dem bis dahin fast allmächtigen Direktor Goddet einen zweiten, vor allem für die wirtschaftliche Seite verantwortlichen Direktor bei. Nach einer kurzen Übergangsphase begleitete 1999 erstmals [[Jean-Marie Leblanc]], der wie seine Vorgänger ebenfalls aus dem Journalismus kam, die Tour als Direktor. Die Organisation des Rennens ging auf die [[Amaury Sport Organisation]] (ASO) über, deren Chef seitdem offiziell die oberste Kontrolle über die Tour ausübt. Die konkreten Entscheidungen wurden allerdings weiterhin von Leblanc getroffen, unter dessen Direktion die Vermarktung der Tour de France einen neuen Grad der Professionalität erreicht hat. 2006 übernahm [[Christian Prudhomme]] die Direktion der Tour. Die markante Stimme für den Tour-Kommentar liefert [[Daniel Mangeas]]. [[Datei:Christian Prudhomme 2006.jpg|thumb|upright|Christian Prudhomme]] === Direktoren der Tour de France === * 1903-1939: [[Henri Desgrange]] * 1947-1961: [[Jacques Goddet]] * 1962-1986: Jacques Goddet und [[Félix Lévitan]] * 1987: [[Jean-François Naquet-Radiguet]] und [[Xavier Louy]] * 1988: [[Jean-Pierre Courcol]] und Xavier Louy * 1989-1993: [[Jean-Pierre Carenso]] und [[Jean-Marie Leblanc]] * 1994-2000: [[Jean-Claude Killy]] und Jean-Marie Leblanc * 2001-2004: [[Patrice Clerc]] und Jean-Marie Leblanc * 2005-2006: Jean-Marie Leblanc und [[Christian Prudhomme]] * seit 2006: Christian Prudhomme == Geschichte == <div style="text-align:right; float:right; margin-left:5px"> {{Zeitleiste Tour de France Sieger}} </div> Die 1903 ins Leben gerufene Tour de France war das erste echte [[Etappenrennen]] in der Geschichte des [[Radsport]]s. Enorme Distanzen waren schon zuvor bei Fernfahrten wie [[Paris–Brest–Paris (Radrennen)|Paris–Brest–Paris]] (erstmals 1891, 1200&nbsp;km) und [[Bordeaux–Paris]] (erstmals 1891, 577&nbsp;km) zurückgelegt worden. Neu war aber die von dem französischen Journalisten [[Géo Lefèvre]] entwickelte Idee, mehrere Radrennen quer durch Frankreich direkt nacheinander durchzuführen und die Zeiten zu addieren. Der programmatische Titel „Tour de France“ bediente dabei durchaus bewusst die patriotische Stimmung der Zeit. Am 1. Juli 1903 begann die [[Tour de France 1903|erste Tour de France]] an der ehemaligen „Auberge Reveil-Matin“ in [[Montgeron]] bei [[Paris]]. Es beteiligten sich 60 Fahrer. Die Rundfahrt führte über sechs Etappen mit insgesamt 2428&nbsp;km von Paris über die Etappenstädte [[Lyon]], [[Marseille]], [[Toulouse]], [[Bordeaux]] und [[Nantes]] zurück nach Paris. Zwischen den Etappen wurden mehrere Ruhetage eingelegt. Der favorisierte Franzose [[Maurice Garin]] war der Sieger der ersten Tour der Geschichte, mit einem Stundenmittel von über 25&nbsp;km/h; das Preisgeld für den Sieg betrug 6075 [[Französischer Franc|Francs]]. Die folgenden Ausgaben der Tour waren zunächst von einer Reihe von Skandalen geprägt, gipfelnd im Ausschluss der ersten Vier des Gesamtklassements bei der [[Tour de France 1904]] u.&nbsp;a. aufgrund von unerlaubter Benutzung der Eisenbahn. Im Laufe der 1900er Jahre konnte sich die Tour de France allerdings etablieren. Die Zeit vor dem Ersten Weltkrieg wird rückblickend als ''heroische Epoche'' der Tour bezeichnet, weil damals regelmäßig Tagesdistanzen von über 400&nbsp;km zurückgelegt wurden – aus heutiger Sicht genauso unglaublich wie die bescheidene damalige technische Ausstattung der Rennräder und die miserable Qualität der Straßen, die man heute nur noch bei kurzen Kopfsteinpflasterpassagen des Radklassikers [[Paris–Roubaix]] findet. Später sorgte dann die Austragung von Etappen im Gebirge zusätzlich für den wachsenden Mythos des Rennens als „Tour der Leiden“; so wurde die erste Bergwertung 1905 am [[Ballon d'Alsace]] in den [[Vogesen]] ausgetragen. Später folgten auch Etappen im [[Hochgebirge]], so z.&nbsp;B. in den [[Pyrenäen]] (erstmals 1910) und in den [[Alpen]] (erstmals 1911), zumeist auf abenteuerlichen Viehwegen, die damals noch ohne [[Gangschaltung]] bezwungen werden mussten. Die Zahl der Etappen wurde sukzessive auf 11 (1905), 15 (1910), 18 (1925) und schließlich bis zu 24 Etappen (1931) erhöht. Die Gesamtlänge der Tour stieg auf bis zu 5500 Kilometer. Die Länge der einzelnen Etappen wurde im Gegenzug stetig verkürzt. Die Anzahl der Ruhetage, die ab 1906 regelmäßig nach jeder Etappe eingelegt worden waren, verringerte sich. Seit den 1950er Jahren wird die Tour de France weitgehend in ihrer heutigen Gestalt ausgetragen. Die Durchschnittsgeschwindigkeit des Rennens nahm im Laufe der Jahre kontinuierlich zu. Nachdem die erste Tour mit 25,67&nbsp;km/h absolviert worden war, überschritt sie 1934 erstmals die Grenze von 30&nbsp;km/h, 1956 die von 35&nbsp;km/h. 1999 schließlich erreichte die Durchschnittsgeschwindigkeit erstmals 40&nbsp;km/h und 2005 mit 41,65&nbsp;km/h den bisherigen Rekord. Die schnellste einzelne Etappe einer Tour gewann 1999 [[Mario Cipollini]] nach einer Distanz von 194,5&nbsp;km mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 50,35&nbsp;km/h. Ab 2005 gehörte die Tour zu der damals neu eingeführten [[UCI ProTour]], einer Serie der wichtigsten Radrennen des Jahres. Nach drei Saisons wurde die Tour (zusammen mit anderen großen Etappenrennen wie Giro d'Italia oder Vuelta) ab 2008 nach Unstimmigkeiten zwischen der ASO und dem Weltverband UCI aus der Rennserie genommen. === Sieger [[Datei:Jersey yellow.svg|20px|Gelbes Trikot]] === Der US-Amerikaner [[Lance Armstrong]] konnte von 1999 bis 2005 die Tour als erster Fahrer siebenmal gewinnen. Jeweils fünf Siege erreichten [[Jacques Anquetil]] (Frankreich, 1957 und 1961–1964), [[Eddy Merckx]] (Belgien, 1969–1972 und 1974), [[Bernard Hinault]] (Frankreich, 1978/1979, 1981/1982 und 1985) und [[Miguel Induráin]] (Spanien, 1991–1995). Die meisten Platzierungen auf dem Podium erreichte [[Raymond Poulidor]], der dreimal Zweiter und fünfmal Dritter wurde, die Tour aber weder gewinnen, noch ein einziges Mal das Gelbe Trikot erobern konnte. Seit dem Jahr 2009 weist auch Lance Armstrong acht Podiumsplatzierungen auf. Zu seinen sieben Siegen konnte er diesmal einen dritten Platz in der Gesamtwertung verbuchen. Der jüngste Toursieger war der 20-jährige [[Henri Cornet]] 1904, der allerdings erst nachträglich zum Sieger erklärt wurde. Als ältester Fahrer gewann 1922 [[Firmin Lambot]] im Alter von 36 Jahren. Den knappsten Sieg feierte [[Greg Lemond]] bei der [[Tour de France 1989]], als er mit nur acht Sekunden Vorsprung vor [[Laurent Fignon]] gewann. Den größten Abstand in der modernen Ära der Tour (seit 1947) legte [[Fausto Coppi]] 1952 mit über 28 Minuten zwischen sich und dem Zweiten [[Stan Ockers]]. Die größte Zeitspanne zwischen dem ersten und letzten Toursieg eines Fahrers liegt bei 10 Jahren (1938 und 1948) und wurde vom Italiener [[Gino Bartali]] aufgestellt. Kein weiterer Fahrer hat es bislang geschafft, 10 Jahre nach seinem ersten Toursieg nochmals zu gewinnen. Der erste Nicht-Franzose, der die Tour gewinnen konnte, war der Luxemburger [[François Faber]] (1909), und der erste Fahrer, der das gelbe Trikot von der ersten bis zur letzten Etappe trug, war ebenfalls ein Luxemburger, Nicolas Frantz (1928). 1924 eroberte Ottavio Bottecchia das Gelbe Trikot auf der ersten Etappe und gab es nicht mehr ab; 1935 gelang dies auch dem Belgier Romain Maes sowie 1961 dem Franzosen [[Jacques Anquetil]]. Mit 36 Erfolgen konnte bisher [[Frankreich]] die weitaus meisten Toursiege erreichen, gefolgt von [[Belgien]] mit 18. Mit deutlichem Abstand folgen [[Spanien]] (12), die [[Vereinigte Staaten|USA]] (10), [[Italien]] (9), [[Luxemburg]] (4), die [[Schweiz]] und die [[Niederlande]] (je 2). Die französisch-belgische Dominanz in der Statistik spiegelt allerdings nicht das aktuelle Kräfteverhältnis wider. Der letzte Sieger aus einer der beiden Nationen wurde 1985 gekürt, als der Franzose Bernard Hinault seine fünfte Tour gewann. Seit dieser Zeit hat sich eine Reihe von neuen Nationen in die Siegerliste eingetragen: 1986 gab es den ersten der zehn US-amerikanischen, 1987 den ersten [[Irland|irischen]] und 1996 den ersten [[Dänemark|dänischen]] Sieg. 1997 schließlich errang der damals 23-jährige [[Jan Ullrich]] den ersten und bisher einzigen [[Deutschland|deutschen]] Toursieg. Wie die Organisatoren der Tour de France kürzlich bekanntgaben, wird der Sieger von 1996, [[Bjarne Riis]], nach seinem Dopinggeständnis aus der Siegerliste der Frankreich-Rundfahrt gestrichen werden. Der frühere Kapitän des Team Telekom und heutige Chef der Team-Saxo-Bank-Mannschaft hatte Epo-Doping zwischen 1993 und 1998 zugegeben. Der Sieg kann ihm jedoch wegen der bereits verstrichenen Verjährungsfrist von 8 Jahren von der [[Union Cycliste Internationale|UCI]] nicht mehr aberkannt werden. ''Siehe auch: [[Liste der Sieger der Tour de France|Liste aller Sieger der Tour de France]] (mit den Gewinnern der Berg- und Sprintertrikots)'' === Geschwindigkeit === Die Durchschnittsgeschwindigkeit des Führenden lag bei der ersten Tour de France (1903) noch bei 25,7&nbsp;km/h und stieg mit Lance Armstrong 1999 erstmals über 40&nbsp;km/h. Jedoch ist zu bedenken, dass in den ersten Jahrzehnten die zu bewältigende Gesamtstrecke häufig über 5000&nbsp;km lag, wobei die einzelnen Etappen meist doppelt so lang waren wie heute und zudem noch auf teilweise schlecht ausgebauten Straßen ohne Gangschaltung zurückgelegt werden mussten. [[Datei:TdF Speed 1903-2008.gif]] Der steile Anstieg der gefahrenen Geschwindigkeit ab 1927 dürfte hauptsächlich mit der Verkürzung der Etappen- und Gesamtlänge zusammenhängen, da die Erlaubnis des Einsatzes einer Gangschaltung erst zehn Jahre später erteilt wurde. Auffällig ist auch der starke Leistungsanstieg seit Ende der Achtzigerjahre, der je nach Sichtweise auf verbesserte Trainingsmethodik und/oder auch auf den Einsatz hocheffizienter leistungssteigernder Produkte wie z.&nbsp;B. [[Erythropoetin|EPO]] zurückgeführt werden kann. Die langsamste Tour wurde nach dem Ersten Weltkrieg 1919 mit 24,1&nbsp;km/h gefahren, die mit 5560&nbsp;km auch die zweitlängste der Tourgeschichte war. Die bislang schnellste Tour absolvierte 2005 Lance Armstrong bei seinem siebten Toursieg mit 41,7&nbsp;km/h. === Preisgeld === Seit Gründung der Tour wurden für die [[Profi|Radprofis]] Preisgelder ausgelobt, im ersten Jahr 1903 insgesamt 20.000 Francs. Seitdem wurde das Preisgeld immer weiter aufgestockt. Bei der [[Tour de France 2004]] schütteten die Organisatoren insgesamt rund drei Millionen Euro aus, davon allein rund 400.000 Euro für den Gesamtsieger. Obwohl dies absolut gesehen große Summen sind, liegt die Dotierung der Tour jedoch weit unter der etwa von Tennis- oder Golfturnieren. Die Bedeutung der Preisgelder für die Tour nahm im Laufe der Jahre tatsächlich eher ab, da die besten Fahrer den Großteil ihres Gehalts nicht über Preisgeld, sondern durch die langfristigen Verträge mit ihren Radsportteams erzielen. Allerdings bemisst sich der Marktwert eines Radprofis sehr stark nach seiner Bilanz bei der Tour de France, so dass sich ein Erfolg bei der Tour indirekt finanziell enorm auswirkt. Dies ist einer der Gründe, warum es üblich ist, dass die Tour-Sieger ihre Preisgelder in die Mannschaftskasse abgeben, um damit eine Anerkennung der Mannschaftsleistung zum Ausdruck zu bringen: Sie selbst können mit weit höheren Einnahmen durch die nach dem Toursieg höher dotierten Anstellungs- und Werbeverträge rechnen. === Doping === 1924 veröffentlichte der Journalist [[Albert Londres]], was ihm [[Henri Pélissier]] und andere Fahrer über das Doping bei der Tour berichtet hatten.<ref>ALBERT LONDRES, Les Forçats de la route: l’abandon des frères Pélissier, Les frères Pélissier et leur camarade Ville abandonnent. Beeckman gagne la troisième étape, ''Coutances'', 27 juin 1924. http://www.encyclique.com/Pages/Textes/Londres_Pelissier.html</ref> Der erste [[Dopingtest]] fand am 28. Juni 1966 in Bordeaux statt. Zwei Ärzte kontrollierten mehrere Fahrer auf Einstiche von Injektionsnadeln und nahmen Urinproben. Am nächsten Tag kam es zu einer Protestaktion der Teilnehmer, indem die Fahrer auf den ersten Metern der Etappe ihre Räder schoben. 1967 forderte Doping das erste gesicherte Todesopfer an der Tour: [[Tom Simpson (Radsportler)|Tom Simpson]] starb während der Etappe auf den [[Mont Ventoux]] nach Einnahme von Amphetamin. Während der [[Tour de France 1998]] erlebte der Radsport eine schwere Glaubwürdigkeitskrise: Bei der sogenannten [[Festina-Affäre]] wurde im Spitzenteam Festina (mit den Stars [[Richard Virenque]] und [[Alex Zülle]]) eine systematische, flächendeckende [[Doping]]praxis aufgedeckt, nachdem bei [[Willy Voet]], einem Betreuer der Mannschaft, durch Zufall große Mengen unerlaubter Substanzen –&nbsp;vor allem [[Erythropoetin]] (EPO)&nbsp;– gefunden worden waren. Diese Entdeckung verdeutlichte auch die Unwirksamkeit der damaligen Dopingkontrollen: Keiner der Festina-Fahrer war positiv getestet worden. Es kam schließlich zum Ausschluss der Mannschaften Festina und [[TVM-Farm Frites|TVM]]; die spanischen Mannschaften zogen sich aus Protest gegen die Ermittlungsmethoden der französischen Behörden von der Tour zurück. Die Tour de France 1998 wurde schließlich von [[Marco Pantani]] gewonnen, der dann ein Jahr später selbst wegen eines auf Doping hinweisenden, leicht erhöhten [[Hämatokrit]]werts vom [[Giro d’Italia]] ausgeschlossen wurde. Die Festina-Affäre stellte allerdings nur den vorläufigen Höhepunkt der die Tour de France seit Jahrzehnten begleitenden Dopingproblematik dar. Schon der erste fünffache Toursieger, Jacques Anquetil, hatte als aktiver Fahrer jede Dopingprobe verweigert und darauf verwiesen, dass man sich bloß nicht vorstellen solle, Leistungen wie die bei der Tour erbrachten seien nur mit Mineralwasser zu erreichen. 1966 streikten die Fahrer wegen Dopingkontrollen, 1967 starb der gedopte [[Tom Simpson (Radsportler)|Tom Simpson]], und in den 70er und 80er Jahren wurden trotz äußerst mangelhafter Kontrollen wiederholt Fahrer positiv getestet, darunter die Toursieger [[Felice Gimondi]], [[Joop Zoetemelk]], [[Pedro Delgado]] und [[Laurent Fignon]]. Einen Tag vor der [[Tour de France 2006]] erschütterte ein neuer Dopingskandal die Radsportszene, als die spanischen Behörden eine Liste mit 58 Dopingverdächtigten publizierten. Dies führte zum Ausschluss der Tourfavoriten [[Jan Ullrich]], [[Ivan Basso]], [[Francisco Mancebo]], [[Joseba Beloki]], [[Oscar Sevilla]] und weiterer Fahrer noch vor Beginn der Rundfahrt. Die Fahrer wurden nicht ersetzt, so dass die betroffenen Teams reduziert bzw. gar nicht in die Tour de France starteten. (''siehe auch: [[Dopingskandal Fuentes]]'') Nach der Tour de France 2006 wurde Gesamtsieger [[Floyd Landis]] positiv auf [[Testosteron]] getestet. Auch die B-Probe ergab ein positives Ergebnis. Floyd Landis wurde daraufhin mit sofortiger Wirkung aus seinem Team Phonak Hearing Systems entlassen. Im September 2007 wurde Landis der Titel aberkannt. Damit ist [[Oscar Pereiro Sio]] neuer Gesamtsieger. Es ist das erste Mal in der Geschichte der Tour de France, dass einem Fahrer wegen eines Dopingfalles nachträglich der Gesamtsieg zuerkannt wird. Im Vorfeld und auch während der [[Tour de France 2007]] war Doping wieder das beherrschende Thema. Trotz Bemühungen der Teams und Organisation kam es zu zahlreichen Vorfällen: Nachdem der [[Team T-Mobile|T-Mobile]]-Fahrer [[Patrick Sinkewitz]] des Dopings überführt wurde, brachen [[ARD]] und [[ZDF]] ihre Liveübertragungen der Tour ab. In der letzten Tourwoche zogen die Teams [[Cofidis]] und [[Team Astana|Astana]] alle ihre Fahrer vom Rennen zurück, nachdem in ihren Teams je ein Fahrer in der A-Probe positiv getestet wurde. Wenige Tage vor Rennende wurde der dominierende Gesamtführende [[Michael Rasmussen]] von seinem Team [[Rabobank (Radsportteam)|Rabobank]] aus der Tour genommen, nachdem ihn der dänische Radsportverband wegen Missachtung der Meldepflicht suspendierte. Nachdem während der [[Tour de France 2008|Tour 2008]] bereits mehrere Fahrer des Dopings mit dem EPO-Präparat [[Erythropoetin#EPO-Präparate der nächsten Generation|CERA]] überführt worden waren, wurden im Oktober 2008 weitere, seit der Tour eingefrorene, Blutproben nachgetestet. Dabei wurden weitere positive Dopingfälle entdeckt, darunter die [[Team Gerolsteiner|Gerolsteiner-Fahrer]] [[Stefan Schumacher]] und [[Bernhard Kohl]]. Als Reaktion darauf beschlossen die Sendeanstalten ARD und ZDF, aus der Übertragung der Tour de France dauerhaft auszusteigen. Auch die [[Tour de France 2009|Tour 2009]] hatte bereits drei Tage vor ihrem offiziellen Start den ersten Dopingskandal. Der Niederländer Thomas Dekker ist laut Medienberichten des Dopings überführt worden.<ref>[http://www.zeit.de/dpa/2009/7/2/iptc-bdt-20090702-154-dpa_21696162.xml Armstrong-Show oder Apotheker-Rundfahrt?]</ref> == Klassements == Das Farbspektrum der Trikots ist von der Tourleitung streng festgelegt. Eine Reihe von farblich abgehobenen Trikots kennzeichnen die besten Fahrer verschiedener Wertungen. Die Trikots werden den Fahrern nach jeder Etappe in einer feierlichen Zeremonie angezogen. Auch der Etappensieger wird hier geehrt, erhält aber kein spezielles Trikot. Jedes der Trikots wird dabei von einem eigenen Sponsor präsentiert. Im Gegensatz zu [[Schleichwerbung]] wird hier also die Interessenslage wie bei vielen Sportveranstaltungen klar gekennzeichnet. Die Fahrer sind verpflichtet, die entsprechenden Wertungstrikots zu tragen. Wenn ein Fahrer im Besitz mehrerer Trikots ist, trägt er das wichtigere. Dabei gilt folgende Reihenfolge: Gelbes, Grünes, Bergtrikot, weißes Trikot. In diesem Fall wird das nächstniedrigere Trikot von dem Zweitplatzierten in der jeweiligen Wertung präsentiert. Als Träger gilt dennoch der Führende, auch wenn er es – außer bei der Siegerehrung – gar nicht tatsächlich trägt. Als einzigem Fahrer gelang es [[Eddy Merckx]] 1969, im gleichen Jahr die drei wichtigsten Wertungen zu gewinnen. → ''Siehe dazu: Artikel [[Deutsche Erfolge bei der Tour de France]]'' === Etappensieger der Vergangenheit === Jeder Etappensieg ist ein wichtiger sportlicher Erfolg. Manchen Fahrern gelingt dies im Laufe ihrer Karriere mehrfach. Die (inoffizielle) Rangliste der mehrfachen Etappensiege wird von zwei fünfmaligen ''Gesamtsiegern'' angeführt: [[Eddy Merckx]] gewann bei nur sieben Teilnahmen insgesamt ''34 Etappen'', [[Bernard Hinault]] konnte ''28 Mal'' triumphieren. Es folgen der zweimalige Toursieger [[André Leducq]] (''25 Mal'') sowie der Sprinter [[André Darrigade]] (22 Mal). [[Lance Armstrong]] konnte bei der Tour 2005 ebenfalls seinen 22. Etappensieg (exklusive drei Mannschaftszeitfahren) feiern. === Gelbes Trikot (Gesamtwertung) === [[Datei:Jersey yellow.svg|right|100px]] Der Fahrer mit der geringsten Gesamtzeit trägt das berühmte [[Gelbes Trikot|Gelbe Trikot]] ''(le maillot jaune)'' des Führenden der Gesamtwertung. Dafür werden die von den Fahrern benötigten Zeiten aller Etappen zusammengerechnet. Eventuelle Zeitgutschriften werden von der Gesamtzeit subtrahiert: So erhielt jeder Etappensieger bis zur Tour 2008 eine Zeitgutschrift von 20 Sekunden, die Etappenzweiten und -dritten 12 bzw. 8 Sekunden. Bei Zwischensprints werden 6, 4, und 2 Sekunden Gutschrift für die ersten drei Fahrer vergeben. Wer nach der letzten Etappe die kürzeste Gesamtzeit auf seinem Konto hat, gewinnt die Tour. Haben mehrere Fahrer einen Zeitunterschied von weniger als einer Sekunde, werden die mit Hundertstelsekunden gestoppten Zeitfahrergebnisse zu Rate gezogen. Die besten Fahrer trennen heutzutage meist nur wenige Minuten, während der Letzte des Klassements rund drei bis vier Stunden Rückstand aufweist. Das Gelbe Trikot wurde 1919 eingeführt, um die Identifizierung des Spitzenreiters für die Zuschauer zu vereinfachen. Der erste Träger des Trikots war der Franzose [[Eugène Christophe]]. Am längsten trug der belgische „Kannibale“ und fünffache Toursieger [[Eddy Merckx]] das gelbe Trikot – insgesamt 96 Etappen lang (incl. Ruhetage 111 Tage). Der einzige Fahrer, der von der ersten bis zur letzten Etappe im gelben Trikot fuhr, war der Luxemburger [[Nicolas Frantz]] 1928: Als Vorjahressieger trug er das gelbe Trikot bereits auf der ersten Etappe und legte es bis zur letzten Etappe nicht wieder ab. Der Gewinn des gelben Trikots ist nicht nur prestigeträchtig, sondern auch finanziell lukrativ: Das Preisgeld beträgt für den Sieger der Gesamtwertung am Ende der Rundfahrt 450.000 € (200.000 € bzw. 100.000 € für den Zweit- bzw. Drittplatzierten). === Grünes Trikot (Punktewertung) === [[Datei:Jersey green.svg|right|100px]] Der beste [[Sprint]]er wird seit 1953 mit dem [[Grünes Trikot|Grünen Trikot]] ''(le maillot vert)'' geehrt. Die Wertung erfolgt durch ein Punktesystem, welches vor allem Etappenankünfte, aber auch Zwischensprints bewertet. Flachetappen zählen hierbei deutlich mehr als Bergetappen. Der Berliner [[Erik Zabel]] hat das grüne Trikot sechsmal in Folge (von 1996 bis 2001) nach Paris tragen können und ist damit alleiniger Rekordhalter vor dem Iren [[Sean Kelly]] (vier Siege zwischen 1982 und 1989). Am 13. Juli 2007 wurde Erik Zabel das Grüne Trikot von 1996 aberkannt, da er zugegeben hatte, in jenem Jahr mit EPO gedopt zu haben. === Bergtrikot (Bergwertung) === → ''Siehe auch: [[Liste der höchstgelegenen Bergwertungen der Tour de France]]'' [[Datei:Jersey polkadot.svg|right|100px]] Ein Bergpreis wird bereits seit 1933 ausgelobt, aber erst seit 1975 wird auch hier ein [[Bergtrikot]] – weiß mit roten Punkten ''(le maillot à pois rouges)'' – verliehen. Das Trikot wurde 1933 von einer Schokoladenfabrik namens Menier gesponsert, deren Schokolade in weißem Papier mit roten Punkten verpackt war. Punkte für das Bergtrikot werden nach Anstiegen der Kategorien 4 (leicht) bis 1 (schwer) sowie der ''hors catégorie'' – kurz: ''HC'' – (außerordentlich schwer) vergeben. Als einzigem Fahrer gelang es [[Richard Virenque]] zwischen 1994 und 2004 die [[Bergwertung]] siebenmal zu gewinnen, gefolgt von [[Federico Bahamontes]] (zwischen 1954 und 1964) und [[Lucien van Impe]] (1971–83) mit je sechs Siegen. === Weißes Trikot (Gesamtwertung der unter 25-Jährigen) === [[Datei:Jersey white.svg|right|100px]] Seit 1975 wird bei der Tour ein [[weißes Trikot]] für den besten Jungprofi vergeben. Diese Wertung ermittelt die besten Fahrer, die im Jahr der jeweiligen Tour höchstens 25 Jahre alt sind. Zwischen 1989 und 1999 war dieses Klassement keine offizielle Wertung der Tour de France, wurde jedoch im Jahr 2000 wieder eingeführt. Bisher konnten Laurent Fignon (1983), Greg LeMond (1984), Jan Ullrich (1996, 1997, 1998) und Marco Pantani (1994, 1995) zuerst das Weiße Trikot und später auch das Gelbe Trikot gewinnen. Jan Ullrich war bei seinem Toursieg 1997 sogar erst 23 Jahre alt, so dass er gleichzeitig das Gelbe und das Weiße Trikot gewann. Auch Alberto Contador konnte beim seinem Toursieg 2007 (im Alter von 25) sowohl das Weiße als auch das Gelbe Trikot gewinnen. === Rote Rückennummer === [[Datei:Jersey red number.svg|right|100px]] Die „[[rote Rückennummer]]“ wird nach jeder Etappe an den kämpferischsten Fahrer des gesamten Fahrerfeldes vergeben. Diese Auszeichnung ist die einzige bei der Tour, die durch eine Fachjury ermittelt wird. Die Jury, bestehend aus acht Mitgliedern (darunter Sportler, Rennleiter und Journalisten), entscheidet nach jeder Etappe, welcher der Fahrer den besten Kampfgeist gezeigt hat. Der Preis wird dann jeden Morgen auf dem offiziellen Podium dem Fahrer überreicht, wobei 2.000 € pro getragenen Tag in die Mannschaftskasse fließen. Am Ende der Tour wird in Paris der kämpferischste Fahrer der gesamten Tour gewählt (das Preisgeld beträgt 20.000&nbsp;€). === Mannschaftswertung === [[Datei:Jersey yellow number.svg|right|100px]] Seit 1930 wird auch die beste Mannschaft ermittelt. Für die [[Mannschaftswertung (Tour de France)|Mannschaftswertung]] werden bei jeder Etappe die Zeiten der besten drei Fahrer einer Mannschaft addiert. Das beste Team der Gesamttour erhält ein Preisgeld von 50.000 Euro. Besteht eine Mannschaft aus weniger als drei Fahrern, so wird sie aus dieser Wertung gestrichen. Als weitere Auszeichnung tragen die Fahrer des besten Teams in der Teamwertung „gelbe Rückennummern“ (Grundfarbe des Nr-Etiketts). Früher wurden sie zur Erkennung mit gelben Mützen ausgestattet. Dies ist jedoch in Zeiten der Helmpflicht natürlich nicht mehr möglich. == Strategie und Taktiken der Teams == Die 15–22 Teams können im Rennverlauf unterschiedliche Ziele verfolgen: den Gewinn möglichst vieler Preise oder auch nur Preise in einer speziellen Disziplin (Klassement) oder auch nur medienwirksame Einzelauftritte. Dazu müssen sie jeweils einer Strategie folgen, die in einzelnen Etappen des Rennens allerdings scheinbar widersprüchliche taktische Entscheidungen erfordert. Dies liegt mit an der Addition ganz unterschiedlicher Etappenverläufe. Hier soll nur auf einige Grundzüge eingegangen werden: das Gelbe Trikot am Ende aller Etappen – Sieg in der Gesamtwertung, Ausreißfluchten, Grünes Trikot als Lohn für die vielen Sprintwertungen, Bergtrikot der Kletterer auf dem Rad. === Gelbes Trikot am Ende aller Etappen === Das Gelbe Trikot am Ende aller Etappen kann auch ein Fahrer erhalten, der nie eine Einzeletappe gewonnen hat, nie als erster auf einem Berg ankam oder auch nicht der Schnellste beim Zeitfahren war, solange nur die Summe all seiner Etappenzeiten geringer als jene seiner Konkurrenten ist. Da bis 2007 Zeitgutschriften für Zwischensprints und vordere Platzierungen in den Etappenanklassementen vergeben wurden (und so die Etappenzeit kürzer war als die effektiv gefahrene Zeit) hätte es theoretisch zu der paradoxen Situation kommen können, dass der Gesamtsieger ''nicht'' derjenige gewesen wäre, der die kürzeste Fahrzeit erreicht hat. Dieses Szenario trat jedoch nie ein. Gewinner des gelben Trikots sind häufig Allrounder, die gut die Berge hoch kommen und ein Team gut koordinieren können, in dem es Spezialisten für die verschiedenen Klassements gibt. Sie sparen sich oft über lange Phasen Energie im Windschatten des Teams oder anderer Fahrer, um in wenigen kritischen Phasen einen Angriff zu beginnen, der den Gegner zur Verausgabung seiner Kraftreserven bringen soll. === Etappensiege nach Ausreißversuch und Alleinfahrt === Die Dramaturgie vieler Etappen besteht in der Flucht kleiner Fahrergruppen oder auch Einzelner, die oft kurz vor dem Ziel eingeholt („vom Feld geschluckt“) werden. Danach tragen die Sprinter den Etappensieg unter sich aus, der allerdings nicht immer vom besten Sprinter gewonnen wird, sondern oft von dem Sprinter, der von seinem Team am besten in den Sprint hineingefahren wurde. Etappensiege nach [[Ausreißversuch]]en können gelingen, wenn a) das Feld selbst in unterschiedliche Interessengruppen aufgespalten ist und deshalb keine Verfolgung zustande kommt. Typisch ist dafür eine Ausreißergruppe, in der viele Teams maximal durch zwei Fahrer vertreten sind. Sie alle wollen dann nicht die Verfolgung organisieren, weil sie ihrem Teammitglied die Chance auf einen Etappensieg zugunsten der Sprinter rauben würden. b) Die Fluchtgruppe einen so weiten Vorsprung zwischen sich und dem Feld schafft, dass die Aufholjagd den entscheidenden Personen im Feld als zu kraftraubend erscheint. c) Zugschranken oder Ähnliches das Feld an der Verfolgung hindern. Das geschieht selten, kommt aber vor. Der Reiz dieser Fluchten, die oft 150–200&nbsp;km dauern, besteht für die Ausreißer vor allem darin, sich stundenlang an der Spitze des Rennens zeigen zu können. Außerdem besteht eine kleine Chance auf einen Etappensieg oder die Eroberung des Gelben Trikots. Im Feld wird erwartet, dass die Mannschaft, die das Gelbe Trikot innehat, das Renngeschehen kontrolliert, während diese einen möglichst ruhigen Tag verbringen will, um Kraft zu sparen. Kurz nach dem Start der Etappe erfolgen meist die ersten Ausreißversuche. Die Mannschaft des Leaders wird nun so lange den Ausreißern nachjagen, bis sich eine Gruppe bildet, die nur aus Fahrern besteht, die dem Leader den Gesamtsieg nicht streitig machen können. Danach wird das Tempo im Feld verlangsamt. Sobald die Spitzengruppe einen Vorsprung von etwa 2 Min. erreicht hat, ist es in der Regel nicht mehr möglich, vom Feld in die Spitze vorzudringen. Im Feld kann fortan ein regelmäßiges Tempo gefahren werden. Oft pendelt sich der Rückstand des Feldes bei 10–20 Min. ein. Etwa 100&nbsp;km vor dem Ziel übernehmen die Sprinter-Mannschaften im Feld das Zepter. Das Tempo wird deutlich erhöht und der Rückstand schmilzt. Das Ziel ist, die Ausreißer etwa auf den letzten 5&nbsp;km einzuholen. Zeichnet sich ab, dass die Spitzengruppe früher eingeholt wird, wird das Tempo im Feld leicht reduziert, denn sobald die Ausreißer eingeholt werden, erfolgen wieder Ausreißversuche. Dies wiederum erschwert die Arbeit der Sprinter-Mannschaften den Schluss-Sprint optimal vorzubereiten. Als Faustregel dafür, wie schnell ein Feld ''Ausreißer'' einholen kann, gilt das ''„Théorème de Chapatte“'', wonach das Feld auf einzelne Ausreißer etwa eine Minute Vorsprung pro 10 gefahrenen Kilometern wieder zufahren kann (formuliert gemäß dem Sportjournalisten Robert Chapatte). Umgekehrt würde nach diesem Erfahrungswert gelten, dass ein Fahrer mit 2 Min. Vorsprung, der nur noch 10 km bis ins Ziel hat, sehr gute Chancen auf den Etappensieg besitzt. Das sieht allerdings anders aus, wenn es sich um eine Ausreißergruppe handelt, die sich nicht gegenseitig bis auf die Zielgerade unterstützt, sondern durch Taktieren diesen Vorsprung schnell verlieren kann. Am Ende einer Etappe kann das Einholen auch deshalb schneller gehen, weil die Ausreißer erschöpft sind. === Grünes Trikot als Lohn für die Sprintwertungen === Der beste [[Sprint]]er wird mit dem Grünen Trikot geehrt. Das kann auch ein „ewiger Zweiter“ sein, denn das Zusammenzählen der Punkte berücksichtigt bei den Etappenankünften und den Zwischensprints auch die Zweiten und Dritten etc. mit Punkten. Wer fleißig sammelt, kann so vereinzelte Kraftanstrengungen anderer spielend ausgleichen. Bei Flachetappen gibt es mehr Punkte durch häufigere Zwischensprints als bei den Bergetappen. Kontinuität der Leistung lohnt sich hier mehr als gelegentliche Siege. Allerdings benötigen Sprinter einige andere Qualitäten als die Bergspezialisten oder ''Allrounder.'' Sie müssen den Windschatten als Gelegenheit zum Kräftesparen nicht nur im Verlauf der Etappe sondern besonders noch auf den letzten zwei Kilometern und selbst noch nach Beginn der Schlussphase auf den letzten 500&nbsp;m nutzen, um nicht etwa 100&nbsp;m vor dem Ziel zu früh aus der Deckung des Vordermanns herauszufahren und unnötig Kräfte zu verschwenden, die sie einzig für den [[Tigersprung]] am Hauptkonkurrenten vorbei über die Linie benötigen. Denn nur diese wenigen Meter können die meisten Sprinter mehr Tempo machen als die übrigen 150 anderen Fahrer. Und sie haben das taktische Auge für die Lücke, um zwischen den Konkurrenten hindurch einen freien Weg zur Ziellinie zu finden. Letztendlich ist es aber für den besten Sprinter auch wichtig, einigermaßen über die Bergetappen zu kommen, um nicht aus dem Zeitlimit zu fallen oder sogar aufgeben zu müssen. === Das Zeitfahren bringt für den Besten ein Zeitpolster === Das Einzelzeitfahren kann bei ebenem Verlauf am besten mit dem Bahnfahren der Radprofis verglichen werden. Die Aufgabe lautet, über die ganze Distanz möglichst eine gleichmäßig hohe Leistung zu bringen. Steuern und Taktieren sind dabei nicht gefragt. Schwierig werden diese Etappen für die ''Zeitfahrspezialisten'', wenn die Strecke wellig oder mit vielen Richtungsänderungen verläuft und deshalb immer wieder ein neuer Antritt nach dem Abbremsen (bezogen auf die Entfernung) relativ viel Energie verbraucht. Außer der individuellen Zeitgutschrift für die Einzelnen gibt es das ''Mannschaftszeitfahren'' bei dem wieder der Windschatten das Team begünstigt. Die Zeit wird bei der Zieldurchfahrt des Fünften eines Teams genommen. Dadurch lassen sich Stürze oder Materialschäden bei einzelnen Fahrern einigermaßen neutral für das Gesamtergebnis ausgleichen. Dabei konnte eine Mannschaft maximal 3 Minuten gegenüber der bestplazierten verlieren; im Jahr 2009 wurde dieses Zeitlimit jedoch wieder aufgehoben. Unter mehreren Aspiranten auf den Gesamtsieg kann das ''Einzelzeitfahren'' deshalb entscheidend sein, weil es auf den übrigen Etappen oft genügt, sich hinter dem Besten „dranzuhängen“, also defensiv hinterher zu fahren. Denn bei Massensprints und großen Ankünften bleibt für die gesamte Gruppe (außer den Punkten für die Allerersten) ja nur ein Zeitwert maßgebend, also ob als 8. oder 28. im Ziel angekommen, bringt keinen Unterschied für die Gesamtwertung. Beim Einzelzeitfahren können dagegen bereits Hundertstel Sekunden über Sieg und Niederlage zwischen zwei [[Favorit]]en entscheiden. Und auf allen weiteren Etappen wird dieser Vorsprung durch das beschriebene „Dranhängen“ bis nach [[Paris]] auf die [[Avenue des Champs-Élysées|Champs-Elysées]] vom Team verteidigt. === Mannschaftswertung und erfolgreiche Ausreißversuche ergänzen sich === Die Zeiten der drei jeweils besten Fahrer eines Teams eines Tages werden zusammengezählt. Das heißt auch, dass es bei jeder Etappe eine andere Kombination von drei Namen aus einem Team sein kann. Die Summen der verschiedenen Etappen werden für alle Teams addiert, aus dieser Gesamtsumme pro Team ergibt sich das Mannschaftsklassement. Dieser Berechnungsmodus ist auch ein Anreiz zum „Ausreißen“ einzelner Teammitglieder in den so genannten ''Fluchten''. Sollte nämlich diese Gruppe wider Erwarten und entgegen aller Wahrscheinlichkeit erfolgreich im Ziel ankommen, würde die Zeitgutschrift dieses ansonsten vielleicht „unbekannten“ Fahrers dem Team einen Vorteil in der Mannschaftswertung einbringen. == Reglement == === Zeitnahme und Zeitlimit === Im Ziel werden die Abstände zwischen den einzelnen Fahrern bzw. Fahrergruppen registriert. Alle Fahrer einer geschlossenen Gruppe werden mit der gleichen Zeit bewertet. Seit 2005 werden bei einem Sturz auf den letzten drei Kilometern die darin verwickelten Fahrer mit der gleichen Zeit gewertet wie die Gruppe, der sie zum Zeitpunkt des Sturzes angehörten. Diese Regelung gilt jedoch nicht bei Einzelzeitfahren und bei Etappen mit Bergankünften. Bei allen Etappen außer dem Prolog wird ein Zeitlimit festgelegt, innerhalb dessen jeder Fahrer ins Ziel kommen muss. Das Zeitlimit wird nach Schwierigkeitsgrad und Durchschnittsgeschwindigkeit der jeweiligen Etappen berechnet. Das Limit schwankt dementsprechend zwischen 104 und 118 % (125 % bei Zeitfahren) der Zeit des Etappensiegers. Allerdings hat die Rennleitung die Möglichkeit, das Zeitlimit flexibel zu verlängern, wenn mehr als 20 % der Fahrer sonst nach Kontrollschluss einträfen. === Verpflegung === Die Verpflegung der Fahrer ist außerordentlich wichtig, da sie bei einer schweren Bergetappe 6000 bis 10.000 Kilokalorien verbrauchen. Auf jeder Etappe gibt es daher ein bis zwei als solche gekennzeichnete [[Verpflegungskontrolle (Radsport)|Verpflegungszonen]], wo die Mitarbeiter der Teams den Fahrern von der Tourorganisation genehmigte Verpflegungsbeutel reichen dürfen. Das Entgegennehmen von Nahrung und Getränken, die Zuschauer den Profis anbieten, erfolgt auf eigene Gefahr. Bis 20&nbsp;km vor Ende der Etappe dürfen zudem die sportlichen Leiter ihren Fahrern Getränke und Esswaren aus dem Teamfahrzeug reichen. Jeder Mannschaft der Tour stehen dabei vier Fahrzeuge zur Verfügung, von denen nur zwei im Rennen genutzt werden dürfen. Die Fahrzeuge müssen immer rechts fahren, hinter den Autos der Tourleitung und des ärztlichen Dienstes. Die Mannschaftswagen dürfen nur nach der Aufforderung durch das interne „Radio Tour“ nach vorne fahren. === Sicherheit === Mit der Regelung der „UCI Pro Tour“ übereinstimmend wurde am 6. Januar 2004 die Pflicht einen Helm bei der Tour de France zu tragen eingeführt. === Technische und ärztliche Hilfe === Eine [[Pannenhilfe]] wird entweder durch das Team oder den neutralen Materialwagen durchgeführt. Pannenhilfe ist immer nur hinter einer Ausreißergruppe und hinter dem Hauptfeld am rechten Straßenrand erlaubt. Offiziell dürfen bei einer Reifenpanne die Räder nur innerhalb der Mannschaft ausgetauscht werden. Benötigt ein Fahrer einen Arzt, darf es nur ein Arzt des offiziellen ärztlichen Dienstes sein. Der Fahrer wird dann am Ende des [[Peloton (Radsport)|Pelotons]] behandelt. Bei Stürzen oder Pannen auf den letzten drei Kilometern werden die Fahrer mit der gleichen Zeit wie die Gruppe, der sie angehörten, gewertet. === Verstöße === Die Regeln werden von den Rennkommissaren überwacht, die auf Motorrädern das Rennen begleiten. Sehen sie Rennverstöße, können sie diese mit bestimmten Strafen ahnden. Verstöße gegen das Reglement werden mit Geldstrafen (in Schweizer Franken), Zeitstrafen oder der Disqualifikation geahndet. Regelwidrigkeiten bei Sprints (Verlassen der Fahrlinie, „Abziehen“ beim Gegner, Anschieben eines Mannschaftskameraden) werden mit Zurücksetzungen im Tagesklassement (ohne Zeitstrafe) bestraft. Das Reglement untersagt, sich anschieben zu lassen (auch von Zuschauern), sich von Autos oder Motorrädern ziehen zu lassen oder diese als [[Windschatten]] zu benutzen. Eine Ausnahme stellt dar, wenn der Fahrer während der Fahrt vom offiziellen Tourarzt medizinisch behandelt wird oder sein Rad von einem Mechaniker reparieren lässt. Wenn ein Fahrer eine Panne hatte, benutzt er oft die Autos der Sportlichen Leiter, um in deren Windschatten wieder Anschluss an das [[Peloton (Radsport)|Peloton]] zu bekommen. Solche Verstöße werden fast nie geahndet. === Aufgabe === Fahrer, die das Rennen aufgeben, müssen ihre am Rahmen sowie am Trikot befestigte Startnummer am [[Besenwagen]] abgeben. == Fans == Die Tour de France gilt als eine der publikumsträchtigsten Sportveranstaltungen der Welt. Jedes Jahr verfolgen Millionen Radsportfans (bzw. interessierte Anwohner) das Geschehen. Für die Bewohner der zu durchfahrenden Orte ist die Tour ein großes Ereignis. Dies wird dann verstärkt, wenn ein Tourteilnehmer aus dem zu durchfahrenden Ort stammt. Oft setzt er sich dann kurz vom Feld ab oder hält an und begrüßt Freunde und Familie. Solche „Begrüßungsaktionen“ werden vom [[Peloton (Radsport)|Peloton]] durch Passivität geduldet. Zum Ende einer jeden Etappe wird auf solche Boni jedoch keine Rücksicht mehr genommen. Oftmals sieht man in den Übertragungen an exponierter Stelle Grüße oder Wünsche oder auch tourbezogene „Kunstwerke“ der Fans wie etwa Strohballen, die von Bauern zu Situationen der Tour arrangiert wurden. Insbesondere bei den Bergetappen zieht eine Karawane von Wohnmobilen mit dem Tourtross mit, um jeden Tag von neuem die Radfahrer anzufeuern. Bekanntester deutscher Fan ist [[Didi Senft]], der als Teufel verkleidet seit Jahren bei Tour-Übertragungen im Fernsehen zu sehen ist. Von der Berichterstattung nicht erfasst sind die unzähligen aktiven Fans, die jedes Jahr auf eigene Faust oder durch Veranstalter organisiert Originaletappen nach- oder vorfahren. Organisiert werden hierzu zum Beispiel auch [[Jedermannrennen]], die über eine Originaletappe führen. Die französische Post überreicht nach Etappenende eingegangene Fanschreiben direkt an die Fahrer. Um einen Brief korrekt an Tourteilnehmer X zu adressieren, genügt folgende Anschrift: „Coureur X, Tour de France“. == Glossar == <!-- Hier bitte nur französische Begriffe anfügen, die sich direkt auf die Tour de France beziehen und auch nur dort verwendet werden. Der Begriff „Lutscher“ beispielsweise gehört nicht explizit zur Tour de France sondern wird allgemein für Radrennen verwendet. Der Begriff gehört folglich nicht in dieses Glossar. // --> [[Datei:Flamme-Rouge-TdF2004.jpg|thumb|Die „flamme rouge“ oder „Teufelslappen“, das Zeichen für den letzten Kilometer einer Etappe]] * ''arrière de la course'' – Ende des Fahrerfeldes * ''baroudeur'' – „alter Haudegen“, Bezeichnung für einen Fahrer, der ständig attackiert und dadurch versucht, auszureißen * ''caravane publicitaire'' – Werbekarawane, die vor den Fahrern herfährt * ''chapeau'' – „Hut ab“, Ehrenbezeugung für die Champions bzw. vor einer großen, besonderen Leistung eines Fahrers * ''contre-la-montre'' – „gegen die Uhr“, Zeitfahren * ''finisseur'' – Fahrer, der sich auf den letzten Kilometern vom Hauptfeld absetzen und den Sieg vor dem heranstürmenden Peloton retten kann * ''flamme rouge'' – „rote Flamme“, kennzeichnet den Beginn des letzten Kilometers (siehe nebenstehendes Bild), auch als „Teufelslappen“ bezeichnet. Sie wurde 1906 eingeführt. * ''grande boucle'' – „große Schleife“ (durch Frankreich), andere Bezeichnung für die ''Tour de France'' * ''grimpeur'' – „Kletterer“, Bergfahrer * ''hors catégorie'' – Bergwertung der schwersten („außerordentlichen“) Kategorie * ''maillot à pois'' – gepunktetes Trikot des besten Kletterers (Bergwertung) * ''maillot blanc'' – weißes Trikot für den besten Jungprofi (bis 25 Jahre) * ''maillot jaune'' – gelbes Trikot des Führenden in der Gesamtwertung * ''maillot vert'' – grünes Trikot des Punktbesten (Sprinterwertung) * ''pavés'' – Kopfsteinpflaster, das besonders in Nordfrankreich und in Belgien verbreitet ist und von den Fahrern gefürchtet wird * ''peloton'' – Hauptfeld * ''peloton groupé'' – Zusammenschluss des Hauptfeldes nach der Verfolgung von Ausreißern oder dem Aufholen verschiedener Gruppen nach Tempoverschärfungen * ''poursuivant'' – „Verfolger“, Einzelfahrer oder Gruppe hinter dem bzw. den Führenden * ''prologue'' – (kürzeres) Einzelzeitfahren zu Beginn der Rundfahrt; dient vornehmlich der Vorstellung der Fahrer * ''radio tour'' – der offizielle Tourfunk auf 150,575&nbsp;MHz * ''rouleur'' – Fahrer, der ein hohes Tempo im Flachen gleichmäßig durchhalten kann, besonders bei Ausreißversuchen. Meist auch ein guter Zeitfahrer. * ''tête de la course'' – „Kopf des Feldes“, Spitzengruppe * ''tour d'honneur'' – „Ehrentour“, letzte Etappe, die auf den Avenue des Champs-Élysées endet, bei der der Träger des Gelben Trikots traditionell nicht mehr angegriffen wird * ''voiture balai'' – auch „Besenwagen“, großräumiges Fahrzeug (meist Kleinbus), das in der Frühgeschichte des Radsports zurückgefallene Fahrer „aufsammelte“. Heute müssen Fahrer, die das Rennen aufgeben, ihre Startnummer beim verantwortlichen Kommissär eines der am Ende des Feldes fahrenden offiziellen Begleitwagen abgeben. == Todesfälle nach Unfall == Nicht nur Fahrer, auch Begleitpersonal oder Zuschauende können bei [[Unfall|Unfällen]] im Tourverlauf verletzt oder getötet werden. Dieses Risiko ist bei der Tour für Zuschauende gemäß dem geringeren Energiegehalt eines kollidierenden Radfahrers im Vergleich zum Autogewicht und dessen [[Beschleunigung]] bei Motorsportveranstaltungen deutlich niedriger. Die [[Verkehrssicherheit|Sicherheitsbestimmungen]] sind in der Folge aus der bitteren Lektion stetig verschärft worden. (Die folgende Liste ist evtl. noch nicht vollständig.) In diesem Zusammenhang sollten Unfälle auch bei anderen UCI-Veranstaltungen und deren Vorbereitung analysiert werden, da insgesamt sieben Radrennfahrer in den vergangenen 20 Jahren alleine bei offiziellen UCI-Rennen starben. Die Zahl der Trainings-Toten wird erheblich höher eingeschätzt. Tote infolge des lange stillschweigend akzeptierten Dopings werden hier nicht berücksichtigt (s.&nbsp;o. Doping, zumindest bis [[Tour de France 1987|1987]]). {| class="wikitable" |+ |----- ! Datum ! Art des Unfalls ! Ursache |----- | [[Tour de France 1910|1910]] || Badeunfall || Der französische Rennfahrer [[Adolphe Helière]] ertrinkt während eines Ruhetags an der [[Côte d’Azur]]. |----- | [[Tour de France 1935|1935]] || '''Rennunfall''' || Der spanische Rennfahrer [[Francisco Cepeda]] stirbt nach einem Sturz am [[Col du Galibier]]. |----- | [[Tour de France 1957|1957]], [[Nationalfeiertag (Frankreich)|14. Juli]] || Motorradunfall || Der Motorradfahrer Rene Wagter und der von ihm gefahrene Journalist des Radiosenders Radio-Luxembourg Alex Virot stürzen im Gebirge bei [[Ax-les-Thermes]]. |----- | [[Tour de France 1958|1958]], 19. Juli || Auffahrunfall || Der Offizielle Constant Wouters wird bei einem Zusammenprall mit dem Sprinter [[André Darrigade]] während der Schlussetappe (200&nbsp;m vor dem Ziel in Paris) schwer verletzt. 11 Tage später stirbt er an den Folgen der Verletzungen. |----- | [[Tour de France 1964|1964]], 11. Juli || Zuschauerunfall || Ein Versorgungs-LKW der französischen Gendarmerie in der Dordogne rast gegen eine Brücke. Dabei kommen 20 Personen ums Leben.<ref>{{cite web|url=http://news.bbc.co.uk/2/hi/europe/8157409.stm |title=Europe &#124; Tour de France spectator killed |publisher=BBC News |date= |accessdate=2009-07-18}}</ref> |----- | [[Tour de France 1967|1967]], 13. Juli, 13. Etappe || Dopingfall || Der englische Rennfahrer [[Tom Simpson (Radsportler)|Tom Simpson]] stirbt im Anstieg zum [[Mont Ventoux]] an einem Herzinfarkt. [[Amphetamin]]e und [[Alkohol]] werden in Simpsons Blut nachgewiesen. |----- | [[Tour de France 1995|1995]], 18. Juli, 15. Etappe || '''Rennunfall''' || Der italienische Rennfahrer [[Fabio Casartelli]] stürzt bei der Abfahrt vom [[Col de Portet-d'Aspet]]. Er stirbt drei Stunden später im Krankenhaus. |----- | [[Tour de France 2000|2000]], 14. Juli, 12. Etappe || Zuschauerunfall || Bei der Etappe von Avignon nach Draguignan kommt ein 12-jähriger Junge ums Leben, nachdem er von einem Fahrzeug der Werbekarawane erfasst wurde.<ref name="caravandeaths">{{cite book | last = Woodland | first =Les | title =The Yellow Jersey Companion to the Tour de France | publisher =Yellow Jersey Press | date =2003 | location =London | page =80}}</ref> |----- | [[Tour de France 2002|2002]], 17. Juli, 10. Etappe || Zuschauerunfall || Bei der Etappe von Bazas nach Pau kommt der 7-jährige Junge Melvin Pompele ums Leben. Er wollte über die Straße zu seiner Großmutter laufen und wurde von einem Mannschaftswagen erfasst.<ref name="caravandeaths" /><ref>[http://www.netzeitung.de/sport/199026.html?Erneut_Unfall_bei_der_Tour_de_France ''Erneut Unfall bei der Tour de France'']</ref> |----- | [[Tour de France 2009|2009]], 18. Juli, 14. Etappe || Zuschauerunfall || Bei der Etappe von Colmar nach Besançon wird eine 61-jährige Frau beim Überqueren der Straße von einem Polizei-Motorrad erfasst und tödlich verletzt. Die Frau wollte zwischen den Ausreißern und der Durchfahrt des Hauptfeldes über die Straße gehen und lief dabei direkt vor das Motorrad.<ref>[http://sport.ard.de/sp/tour2009/aktuell/kw29/unfall_begleitmotorrad_20090718.jsp ''Zuschauerin bei Unfall getötet'']</ref> |} == Einzelnachweise == <references /> == Siehe auch == * [[Grande Boucle Féminine]] * [[Race Across America]] == Rezeption == === Romane === * André Reuze: ''Giganten der Landstraße'', Neuauflage Sportverlag 1998, ISBN 3-328-00807-1 (z.&nbsp;Z. vergriffen) – erstmals 1928 erschienener Roman eines französischen Sportjournalisten, gibt einen Einblick in die „heroische Epoche“ der Tour * [[Hans Blickensdörfer]], Hennes Roth: ''Salz im Kaffee'', Neuauflage covadonga 2003, ISBN 3-936973-04-0 – Roman des Journalisten und Schriftstellers Blickensdörfer, dessen Hauptfigur stark an [[Didi Thurau]] angelehnt ist === Musik === * 1983 veröffentlichte die deutsche Elektronikband [[Kraftwerk (Band)|Kraftwerk]] die [[Single (Musik)|Single]] ''Tour de France'' als [[Reminiszenz]] an die „Große Schleife“. [[Ralf Hütter]] und [[Florian Schneider-Esleben]], die Köpfe der Gruppe, gelten als Radsportfanatiker. Diese Radsportliebe führte Ende der 1980er sogar zur Trennung der ursprünglichen Kraftwerk-Besetzung. Das Stück wurde jahrelang als Titelmusik der [[ARD]]-Übertragungen der Tour verwendet. Zur [[Tour de France 2003]] brachten Kraftwerk das [[Konzeptalbum]] ''Tour de France – Soundtracks'' heraus, welches auf Basis des alten ''Tour de France''-Titels das Thema Tour neu interpretiert. Die Veröffentlichung gelangte in Deutschland an die Spitze der Album[[charts]]. * Die britische Rockband [[Queen (Band)|Queen]] schrieb 1978 das Lied ''Bicycle Race''. Die Inspiration dazu kam ihnen, als der Tourtross nahe bei ihrem Aufnahmestudio in [[Montreux]] vorbeifuhr (auf der Etappe nach [[Lausanne]]). Mittlerweile wurde dieses Stück auch von der deutschen Dance-Interpretin [[Jasmin Wagner|Blümchen]] gecovert. === Film === * ''[[Höllentour]]'': Dokumentarfilm von [[Pepe Danquart]], der [[Erik Zabel]] und [[Rolf Aldag]] bei der [[Tour de France 2003]] begleitete. * ''[[OVERCOMING]]'': Dokumentarfilm von Tómas Gislason, der das Team CSC bei der Tour de France 2004 begleitete. * ''[[100 Jahre Tour de France]]'': Dokumentarfilm von Andreas Wilde. == Literatur == * ''100 Jahre Tour de France 1903–2003''. Delius Klasing, Bielefeld 2003. ISBN 3-89595-189-7 (Gekürzte deutsche Übersetzung einer dreibändigen Dokumentation aus dem Archiv der französischen Sportzeitung [[L’Équipe]], mit Zusammenfassungen, Statistiken, Fotos und Originalberichten der einzelnen Tour-Jahre bis 2002) * [[Roland Barthes]]: ''Die Tour de France als Epos''. in: Gunter Gebauer / Gerd Hortleder (Hrsg.): ''Sport – Eros – Tod''. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1986 (Edition Suhrkamp 1335). ISBN 3-518-11335-6 (Original in französischer Sprache: ''Le Tour de France comme épopée''. In: ''Mythologies''. Éditions du Seuil, Paris 1957, pp. 110–121) (Philosophische Analyse der Tour als archaisch-heroisches Ereignis) * Kristian Bauer: ''Roadbook Tour de France''. Bruckmann, München 2006. ISBN 3-7654-4477-4 (Die Bergstrecken der Tour zum Nachfahren für Rennradfahrer) * [[Hans Blickensdörfer]]: ''Tour de France. Mythos und Geschichte eines Radrennens''. Sigloch Edition, Künzelsau 1997. ISBN 3-89393-160-0 (Schilderung der Tour de France aus der Sicht des Doyens der deutschen (Rad-)Sportberichterstattung, bis 1997) * Markus Bühler: ''Tour de France – Auf den Spuren eines Mythos''. [[AS Verlag]], Zürich 1999. ISBN 3-905111-43-8 * Holger Ihle / Wilfried Scharf: [http://www.scoms.ch/current_issue/abstract.asp?id=342 ''Männer, Mythen, Medien – «Tour de France»-Berichterstattung in Deutschland''], in: [http://www.scoms.ch Studies in Communication Sciences]. Journal of the Swiss Association of Communication and Media Research Vol. 7, N. 1, 2007, S. 203-229. * Holger Ihle: ''Die Tour de France in den deutschen Medien. Strukturen, Themen und Beispiele der Berichterstattung in Fernsehen und Presse''. [[VDM Verlag Dr. Müller]], Saarbrücken 2008. ISBN 3-8364-7779-3 * Ralf Schröder, Hubert Dahlkamp: ''Nicht alle Helden tragen Gelb. Die Geschichte der Tour de France''. Die Werkstatt, Göttingen 2003. ISBN 3-89533-406-5 (anekdotisch mit Hintergründen erzählte Geschichte der Tour) * Christopher S. Thompson: ''The Tour de France. A cultural history''. [[University of California Press]], Berkeley 2006. ISBN 978-0-520-24760-4 * Les Woodland: ''Halbgötter in Gelb. Das Lesebuch zur Tour de France''. covadonga, Bielefeld 2003. ISBN 3-936973-00-8 (in Episoden erzähltes Lesebuch eines britischen Journalisten) == Weblinks == {{Commonscat|Tour de France|Tour de France}} {{Wikiquote|Tour de France}} <!--Bitte ergänzt Zitate in der Wikiquote, anstatt Link zu löschen!--> * [http://www.letour.fr Offizielle Webseite der Tour de France] (frz., engl., span. und dt.) * [http://tour.ard.de Umfangreiche Seite der ARD zur Tour de France] * [http://www.memoire-du-cyclisme.net Alle Daten der einzelnen Rundfahrten] (frz.) * [http://www.gazzetta.cycling4fans.de/index.php?id=3466 Einige historische Berichte mit Bildern] (dt.) * [http://www.fahrradmonteur.de/tour-de-france.php Geschichte und Statistiken der Tour] (dt.) {{Navigationsleiste Tour de France}} {{Exzellent}} [[Kategorie:Tour de France| ]] [[Kategorie:Etappenrennen]] {{Link FA|vi}} [[an:Tour de Francia]] [[ar:سباق طواف فرنسا]] [[arz:تور دو فرانس]] [[bar:Tour de France]] [[bg:Обиколка на Франция]] [[br:Tro Bro-C'hall war varc'h-houarn]] [[bs:Tour de France]] [[ca:Tour de França]] [[cs:Tour de France]] [[cy:Tour de France]] [[da:Tour de France]] [[el:Γύρος της Γαλλίας]] [[en:Tour de France]] [[eo:Tour de France]] [[es:Tour de Francia]] [[et:Tour de France]] [[eu:Frantziako Tourra]] [[fa:تور دو فرانس]] [[fi:Ranskan ympäriajo]] [[fr:Tour de France (cyclisme)]] [[fy:Omgong fan Frankryk]] [[ga:Tour de France]] [[gl:Tour de Francia]] [[he:טור דה פראנס]] [[hi:टुअर दि फ़्राँस]] [[hr:Tour de France]] [[hu:Tour de France]] [[id:Tour de France]] [[io:Tour de France]] [[it:Tour de France]] [[ja:ツール・ド・フランス]] [[ka:ტურ დე ფრანსი]] [[ko:투르 드 프랑스]] [[ksh:Tuur d Frongß]] [[la:Circuitus Franciae]] [[lb:Tour de France]] [[li:Runde van Frankriek]] [[lt:Tour de France]] [[lv:Tour de France]] [[mk:Тур де Франс]] [[nds:Tour de France]] [[nl:Ronde van Frankrijk]] [[nn:Frankrike rundt]] [[no:Tour de France]] [[pl:Tour de France]] [[pms:Gir dla Fransa]] [[pt:Tour de France]] [[ro:Turul Franţei]] [[ru:Тур де Франс]] [[scn:Tour de France]] [[simple:Tour de France]] [[sk:Tour de France]] [[sl:Tour de France]] [[sr:Тур де Франс]] [[sv:Tour de France]] [[th:ตูร์เดอฟรองซ์]] [[tr:Fransa Bisiklet Turu]] [[uk:Тур де Франс]] [[vi:Tour de France]] [[vls:Rounde van Vrankryk]] [[wa:Toû d' France (coûsse a velo)]] [[yi:טור דע פראנס]] [[zh:环法自行车赛]] ozeh4vwt6jx3llgg0qxy9q73c0ht5de wikitext text/x-wiki Technetium 0 23509 26108 2010-03-29T13:18:22Z Ixitixel 0 Englische Vorlagen eingedeutscht {{Infobox Chemisches Element <!--- Periodensystem ---> | Name = Technetium | Symbol = Tc | Ordnungszahl = 43 | Serie= Üm | Gruppe = 7 | Periode = 5 | Block = d <!--- Allgemein ---> | Aussehen = silbrig grau metallisch | CAS = 7440-26-8 | Massenanteil = 1,2 · 10<sup>−15</sup>&nbsp;ppm<ref name"Harry H. Binder">Harry H. Binder: ''Lexikon der chemischen Elemente'', S. Hirzel Verlag, Stuttgart 1999, ISBN 3-7776-0736-3.</ref> <!--- Atomar ---> | Hauptquelle = <ref>Die Werte für die Eigenschaften (Infobox) sind, wenn nicht anders angegeben, aus [http://www.webelements.com/technetium/ www.webelements.com (Technetium)] entnommen.</ref> | Atommasse = 98,9063 | Atomradius = 135 | AtomradiusBerechnet = 185 | KovalenterRadius = 147 | VanDerWaalsRadius = | Elektronenkonfiguration = &#91;[[Krypton|Kr]]&#93; 4[[D-Orbital|d]]<sup>5</sup> 5[[S-Orbital|s]]<sup>2</sup> | ElektronenProEnergieNiveau = 2, 8, 18, 13, 2 | Austrittsarbeit = | Ionisierungsenergie_1 = 702 | Ionisierungsenergie_2 = 1472 | Ionisierungsenergie_3 = 1850 <!--- Physikalisch ---> | Aggregatzustand = fest | Modifikationen = | Kristallstruktur = hexagonal | Dichte = 11,5 g/cm<sup>3</sup> | RefTempDichte_K = | Mohshärte = | Magnetismus = | Schmelzpunkt_K = 2430 | Schmelzpunkt_C = 2157 | Siedepunkt_K = 4538 | Siedepunkt_C = 4265 | MolaresVolumen = 8,63 · 10<sup>−6</sup> | Verdampfungswärme = 550 | Schmelzwärme = 23 | Dampfdruck = | RefTempDampfdruck_K = | Schallgeschwindigkeit = | RefTempSchallgeschwindigkeit_K = | SpezifischeWärmekapazität = <!--250--> | RefTempSpezifischeWärmekapazität_K = | ElektrischeLeitfähigkeit = 4,54 · 10<sup>6</sup> | RefTempElektrischeLeitfähigkeit_K = | Wärmeleitfähigkeit = 51 | RefTempWärmeleitfähigkeit_K = <!--- Chemisch ---> | Oxidationszustände = −3 bis 7 | Oxide = Tc<sub>2</sub>O<sub>7</sub> | Basizität = stark [[Säuren|sauer]] | Normalpotential = 0,272 [[Volt|V]]<br />(TcO<sub>2</sub> + 4 e<sup>−</sup> + 4 H<sup>+</sup> → Tc + 2 H<sub>2</sub>O) | Elektronegativität = 1,9 | Quelle GefStKz = NV | Gefahrensymbole = {{Gefahrensymbole|/}} | R = {{R-Sätze|/}} | S = {{S-Sätze|/}} | Radioaktiv = Ja <!--- Isotope ---> | Isotope = {{Infobox Chemisches Element/Isotop | AnzahlZerfallstypen = 1 | Symbol = Tc | Massenzahl = 95 | NH = 0 | Halbwertszeit = 20 [[Stunde|h]] | Zerfallstyp1ZM = [[Elektronen-Einfang|ε]] | Zerfallstyp1ZE = 1,691 | Zerfallstyp1ZP = [[Molybdän|<sup>95</sup>Mo]] }} {{Infobox Chemisches Element/Isotop | AnzahlZerfallstypen = 1 | Symbol = Tc | Massenzahl = 96 | NH = 0 | Halbwertszeit = 4,28 [[Tag|d]] | Zerfallstyp1ZM = [[Elektronen-Einfang|ε]] | Zerfallstyp1ZE = 2,973 | Zerfallstyp1ZP = [[Molybdän|<sup>96</sup>Mo]] }} {{Infobox Chemisches Element/Isotop | AnzahlZerfallstypen = 1 | Symbol = Tc | Massenzahl = 97 | NH = 0 | Halbwertszeit = 2,6 · 10<sup>6</sup> [[Jahr|a]] | Zerfallstyp1ZM = [[Elektronen-Einfang|ε]] | Zerfallstyp1ZE = 0,320 | Zerfallstyp1ZP = [[Molybdän|<sup>97</sup>Mo]] }} {{Infobox Chemisches Element/Isotop | AnzahlZerfallstypen = 1 | Symbol = Tc | Massenzahl = 98 | NH = 0 | Halbwertszeit = 4,2 · 10<sup>6</sup> [[Jahr|a]] | Zerfallstyp1ZM = [[Betastrahlung|β<sup>−</sup>]] | Zerfallstyp1ZE = 1,796 | Zerfallstyp1ZP = [[Ruthenium|<sup>98</sup>Ru]] }} {{Infobox Chemisches Element/Isotop | AnzahlZerfallstypen = 1 | Symbol = Tc | Massenzahl = 99 | NH = 0 | Halbwertszeit = 211.100 [[Jahr|a]] | Zerfallstyp1ZM = [[Betastrahlung|β<sup>−</sup>]] | Zerfallstyp1ZE = 0,294 | Zerfallstyp1ZP = [[Ruthenium|<sup>99</sup>Ru]] }} {{Infobox Chemisches Element/Isotop | AnzahlZerfallstypen = 2 | Symbol = Tc | Massenzahl = 99''m'' | NH = 0 | Halbwertszeit = 6,01 [[Stunde|h]] | Zerfallstyp1ZM = [[Isomerieübergang|IT]] | Zerfallstyp1ZE = 0,143 | Zerfallstyp1ZP = <sup>99</sup>Tc | Zerfallstyp2ZM = [[Betastrahlung|β<sup>−</sup>]] | Zerfallstyp2ZE = 0,437 | Zerfallstyp2ZP = [[Ruthenium|<sup>99</sup>Ru]] }} | NMREigenschaften = }} '''Technetium''' ist ein [[chemisches Element]] im [[Periodensystem|Periodensystem der Elemente]] mit dem Symbol Tc und der [[Ordnungszahl]] 43. Es steht in der [[Periode-5-Element|5. Periode]] und der [[Mangangruppe|7. Gruppe]] und gehört damit zu den [[Übergangsmetalle]]n. Technetium war das erste künstlich hergestellte Element und erhielt deswegen seinen aus dem [[Altgriechische Sprache|altgriechischen]] Wort τεχνητός (/''tɛçne'tos''/ „künstlich“) hergeleiteten Namen. Schon 1925 war die Entdeckung des Elements durch [[Walter Noddack]], [[Ida Noddack-Tacke|Ida Tacke]] und [[Otto Berg (Chemiker)|Otto Berg]] berichtet worden, die ihm den Namen ''Masurium'' gaben. In einigen älteren Büchern wird Technetium daher mit „Ma“ abgekürzt. Alle Technetium-[[Isotop]]e sind [[Radioaktivität|radioaktiv]], das heißt, sämtliche [[Atomkern]]e, die 43 [[Proton]]en enthalten, sind instabil und zerfallen. Technetium und das schwerere [[Promethium]]&nbsp;(61) sind die einzigen Elemente mit kleinerer Ordnungszahl als [[Blei]] (82), die diese Eigenschaft besitzen. == Geschichte == [[Datei:Dimitri Mendelejew.jpg|miniatur|links|Dmitri Iwanowitsch Mendelejew]] Viele Jahre gab es in dem von dem russischen Chemiker [[Dmitri Iwanowitsch Mendelejew|Dmitri Mendelejew]] vorgeschlagenen [[Periodensystem]] der Elemente eine Lücke zwischen den Elementen [[Molybdän]]&nbsp;(42) und [[Ruthenium]]&nbsp;(44), die auf ein bisher unidentifiziertes Element hinwies. Mendelejew selbst gab ihm den Namen ''Eka-Mangan'' und sagte mit guter Näherung unter anderem seine Masse voraus. In der Folgezeit versuchten zahlreiche Forscher, das fehlende Element zu entdecken; seine Position im Periodensystem stärkte die Annahme, dass es leichter zu finden sei als andere, noch unentdeckte Elemente mit höheren Ordnungszahlen. === Fehlgeschlagene Entdeckungen === Die Anzahl der vermeintlichen Nachweise des Elements, sowie der mit dem Element in Verbindung gebrachten Entdeckungen ist ungewöhnlich groß. Die erste vermeintliche Entdeckung, die mit dem Technetium in Verbindung gebracht wurde, ist die des ''Poliniums'' 1828 durch [[Gottfried Osann]]. Dieser meinte, neben der tatsächlichen Entdeckung des [[Ruthenium]]s, auch ein Element entdeckt zu haben, das er Polinium nannte. Es stellte sich allerdings bald heraus, dass es sich bei dem Fund um unreines [[Iridium]] handelte. Auf Grund der Lage im damals noch nicht bekannten Periodensystem wird die Entdeckung mit dem Technetium in Verbindung gebracht.<ref name="Kenna">B. T. Kenna: "The Search for Technetium in Nature", in: ''[[Journal of Chemical Education]]'', '''1962''', ''39&nbsp;(2)'', S.&nbsp;436–442.</ref><ref name="history-origin">Norman E. Holden: [http://www.nndc.bnl.gov/content/elements.html "History of the Origin of the Chemical Elements and Their Discoverers"], Brookhaven National Laboratory; abgerufen am 5.&nbsp;Mai&nbsp;2009.</ref> Das nächste vermeintliche Element, das für das spätere Technetium gehalten wurde, war das 1846 entdeckte ''Ilmenium''. Über dieses, angeblich dem [[Niob]] und [[Tantal]] ähnliche Element (wahrscheinlich war es unreines Niob) wurde von seinem Entdecker R. Hermann 30&nbsp;Jahre nach der Entdeckung und unter Einbeziehung des inzwischen erfundenen Periodensystems behauptet, es würde das fehlende Eka-Mangan sein. Auch das 1847 von [[Heinrich Rose]] vermeintlich gefundene ''Pelopium'' wurde für Technetium gehalten.<ref name="Kenna"/><ref>Frederik A. A. de Jonge, Ernest K. J. Pauwels: "Technetium, the missing element", in: ''[[European Journal of Nuclear Medicine]]'', '''1996''', ''23&nbsp;(3)'', S.&nbsp;336–344; {{DOI|10.1007/BF00837634}}.</ref> Die erste Fehlentdeckung, bei der tatsächlich nach dem fehlenden Element mit der Ordnungszahl 43 gesucht wurde, war das ''Davyum''. 1877 meldete der russische Chemiker [[Serge Kern]] die Entdeckung des fehlenden Elements in [[Platin]]erz und gab dem vermeintlichen Element nach dem englischen Chemiker Sir [[Humphry Davy]] den Namen ''Davyum''.<ref>Serge Kern: [http://cnum.cnam.fr/CGI/fpage.cgi?4KY28.9/405/100/432/0/0 "LE NOUVEAU MÉTAL «LE DAVYUM»"], in: ''[[La Nature]]'', Nr.&nbsp;234, 24.&nbsp;November&nbsp;1877, S.&nbsp;401–402.</ref> Der Fund stellte sich jedoch als Mischung aus [[Iridium]], [[Rhodium]] und [[Eisen]] heraus. Eine weitere vermeintliche Entdeckung fand im Jahr 1896 mit ''Lucium'' statt, dabei handelte es sich jedoch um [[Yttrium]]. Schließlich schloss der japanische Chemiker [[Masataka Ogawa]] aus der Analyse eines Minerals auf die Anwesenheit von ''Nipponium'' (benannt nach ''Nippon'', dem japanischen Wort für [[Japan]]), das er für das Element mit der Ordnungszahl 43 hielt.<ref>H. K. Yoshihara: "Discovery of a new element 'nipponium': re-evaluation of pioneering works of Masataka Ogawa and his son Eijiro Ogawa", in: ''[[Spectrochim. Acta]], Part B, Atomic spectroscopy'', '''2004''', ''59&nbsp;(8)'', S.&nbsp;1305–1310; {{DOI|10.1016/j.sab.2003.12.027}}.</ref> Spätere Analysen deuteten stattdessen auf [[Rhenium]] hin.<ref name="Kenna"/> === Umstrittener Nachweis durch Noddack, Tacke und Berg === Die deutschen Chemiker [[Walter Noddack]], [[Ida Noddack-Tacke|Ida Tacke]] und [[Otto Berg (Chemiker)|Otto Berg]] berichteten im Jahr 1925 von der Entdeckung des Elements 43 und gaben ihm den Namen ''Masurium'', abgeleitet von [[Masuren]], der Heimat von Walter Noddack.<ref>Hans Zettler: ''Masurium – ein Name, den keiner mehr nennt. Warum das Element 43 Technetium heißt. Rehabilitation von W. Noddack und I. Tacke''. [[FAZ]] vom 22.&nbsp;Februar&nbsp;1989.</ref><ref name="multidict"/> Die Gruppe beschoss an der [[Physikalisch-Technische Bundesanstalt|Physikalischen Reichsanstalt Berlin]] das Mineral [[Columbit]] mit einem Elektronenstrahl und schloss aus den Röntgenspektren auf die Anwesenheit von Element 43. Das beobachtete Signal war jedoch nahe an der Nachweisgrenze und konnte von anderen Arbeitsgruppen zu dieser Zeit nicht reproduziert werden. Eine präparative Reindarstellung gelang – im Einklang mit der [[Mattauchsche Isobarenregel|Mattauchschen Isobarenregel]] – nicht. Die Entdeckung wurde deshalb nicht anerkannt.<ref name="armstrong">John T. Armstrong: [http://pubs.acs.org/cen/80th/technetium.html Technetium], Chemical & Engineering News 2003.</ref><ref>Kevin A. Nies: [http://www.hypatiamaze.org/ida/tacke.html Ida Tacke and the warfare behind the discovery of fission], 2001; abgerufen am 5.&nbsp;Mai&nbsp;2009.</ref> Noch im Jahr 1933 verwenden etliche Artikel über die Entdeckung der Elemente den Namen Masurium für das Element 43.<ref>Mary Elvira Weeks: "The Discovery of the Elements, XX: Recently Discovered Elements", in: ''[[Journal of Chemical Education]]'', '''1933''', ''10'', S.&nbsp;161–170.</ref> Im Jahr 1998 wurde die Zurückweisung jedoch in Frage gestellt. [[John T. Armstrong]] vom US-amerikanischen [[National Institute of Standards and Technology]] simulierte die Experimente mit einem Computer und kam zu vergleichbaren Resultaten wie Noddack, Berg und Tacke. Unterstützung kam durch eine Arbeit von [[David Curtis]] vom [[Los Alamos National Laboratory]], der das sehr geringe natürliche Vorkommen von Technetium mit den Methoden von Noddack, Tacke und Berg nachwies. Die Debatte über die umstrittene Erstentdeckung ist daher wieder offen.<ref name="armstrong"/><ref>Roberto Zingales: "From Masurium to Trinacrium: The Troubled Story of Element 43", in: ''[[Journal of Chemical Education]]'', '''2005''', ''82'', S.&nbsp;221–227; [http://jchemed.chem.wisc.edu/HS/Journal/Issues/2005/Feb/abs221.html Abstract].</ref> === Nachweis durch Segrè und Perrier === [[Datei:Segre.jpg|miniatur|links|Emilio Segrè]] <!-- [[Datei:Emilio Segre ID badge.png|miniatur|links|Emilio Segrè]] --> 1937, 66 Jahre nachdem [[Dmitri Iwanowitsch Mendelejew|Dmitri Mendelejew]] viele der Eigenschaften Technetiums vorhergesagt hatte, wurde das Element schließlich auf unumstrittene Weise nachgewiesen. [[Emilio Segrè]] und [[Carlo Perrier]], beide an der [[Universität Palermo]] tätig, isolierten das neue Element aus einer mit [[Deuteron]]en bombardierten [[Molybdän]]<b/>folie, die Segrè zu Anfang des Jahres von [[Ernest O. Lawrence|Ernest Lawrence]] von der [[University of California, Berkeley]], USA, erhalten hatte: : <math>\mathrm{^{2}_{1}D\ +\ ^{96}_{42}Mo\ \longrightarrow\ ^{97}_{43}Tc +\ ^{1}_{0}n}</math> : <small>Deuteronen setzen Molybdän unter [[Neutron]]enemission zu Technetium um.</small> Segrè und Perrier benannten das erste künstlich hergestellte Element nach dem griechischen Wort ''τεχνητός'' (Transkription ''technetos'') für „künstlich“ als Technetium<ref name=blocks>John Emsley: ''Nature's Building Blocks: An A-Z Guide to the Elements'', Oxford University Press, New York 2001, ISBN 0-19-850340-7, S.&nbsp;422–425.</ref><ref>C. Perrier, E. Segrè: "Technetium: The Element of Atomic Number 43", in: ''[[Nature]]'', '''1947''', ''159'', S.&nbsp;24; {{DOI|10.1038/159024a0}}.</ref> und gingen damit nicht auf Wünsche von Verantwortlichen der Universität Palermo ein, die nach dem lateinischen Wort für Palermo, ''Panormus'', stattdessen den Namen ''Panormium'' vorgeschlagen hatten.<ref name="history-origin"/><ref name="multidict">{{Internetquelle| titel = Elementymology and Elements Multidict, "Technetium"| url = http://elements.vanderkrogt.net/element.php?sym=Tc| zugriff = 5. Mai 2009| autor = Peter van der Krogt|sprache=en}}</ref> === Nuklearmedizinische Anwendungen === Die erste Methode zur wirtschaftlichen Trennung von <sup>99</sup>Mo und <sup>99''m''</sup>Tc wurde in den 1960er Jahren von den US-amerikanischen Forschern Walter Tucker und Margaret Green am [[Brookhaven National Laboratory]] entwickelt. Powell Richards veröffentlichte im Juni 1960 die erste Studie zur Anwendung von <sup>99''m''</sup>Tc in der [[Nuklearmedizin]]. == Vorkommen == === Außerirdisches Vorkommen === 1952 wies der US-amerikanische Astronom [[Paul Willard Merrill]] auf [[Spektroskopie|spektroskopische]] Weise in [[Roter Riese|Roten Riesensternen]] der [[Spektralklasse|S-; M- und N-Klasse]] größere Mengen Technetium nach.<ref>S. Paul W. Merrill: "Spectroscopic Observations of Stars of Class S", in: ''[[The Astrophysical Journal]]'', '''1952''', ''116'', S.&nbsp;21–26; {{DOI|10.1086/145589}}.</ref> Weil diese Sterne am Ende ihrer Entwicklung stehen und dementsprechend alt sind, die längste Halbwertszeit eines Technetium-Isotops aber nur wenig mehr als 4 Millionen Jahre beträgt, war dies der erste eindeutige Beweis dafür, dass Technetium und andere schwere Elemente durch [[Kernfusion]] im Inneren von Sternen entstehen. Bei [[Hauptreihe]]nsternen wie der [[Sonne]] ist die Temperatur im Sterninneren allerdings nicht hoch genug für die Synthese von Elementen schwerer als [[Eisen]]. Bedingungen, wie sie im Inneren von Roten Riesen herrschen, sind für die Technetium-Synthese daher unerlässlich.<ref name=s8>Schwochau, S.&nbsp;7–9.</ref><ref name=CRC>C. R. Hammond: "The Elements", in: David R. Lide (Ed.), ''[[CRC Handbook of Chemistry and Physics]]'', 90<sup>th</sup> edition, CRC Press, Boca Raton · London · New York 2009, ISBN 978-1-4200-9084-0, Section 4, Seite 4-35.</ref><ref>Charlotte E. Moore: "Technetium in the Sun", in: ''[[Science]]'', '''1951''', ''114'', Nr.&nbsp;2951, S.&nbsp;59–61; {{DOI|10.1126/science.114.2951.59}}; PMID 17782983.</ref> === Irdisches Vorkommen === [[Datei:UraniumUSGOV.jpg|miniatur|rechts|Uranerz enthält Spuren an Technetium]] Seit man die Existenz eines Elements mit der Ordnungszahl 43 annahm, wurde auf der Erde nach natürlichen Vorkommen gesucht. Erst 1961 gelang es, aus 5,3&nbsp;kg [[Pechblende]] aus [[Katanga (Provinz)|Katanga]] in [[Afrika]] ungefähr 1&nbsp;ng Technetium zu isolieren und spektrografisch nachzuweisen.<ref>[http://www.mineralienatlas.de/lexikon/index.php/Technetium ''Mineralienatlas: Technetium''.]</ref><ref name=s8/> Aus der Spontanspaltung von <sup>238</sup>U-Kernen entsteht dabei das Element 43, wobei ein Kilogramm reines Uran etwa 10<sup>−9</sup> Gramm Technetium enthält.<ref name=blocks/><ref>Paul Dixon, David B. Curtis, John Musgrave, Fred Roensch, Jeff Roach, Don Rokop: "Analysis of Naturally Produced Technetium and Plutonium in Geologic Materials", in: ''[[Analytical Chemistry]]'', '''1997''', ''69&nbsp;(9)'', S.&nbsp;1692–1699; {{DOI|10.1021/ac961159q}}.</ref><ref>D. Curtis: "Nature's uncommon elements: plutonium and technetium", in: ''[[Geochimica et Cosmochimica Acta]]'', '''1999''', ''63&nbsp;(2)'', S.&nbsp;275–285; {{DOI|10.1016/S0016-7037(98)00282-8}}.</ref> Alles auf der Erde natürlich vorhandene Technetium ist ein temporäres Zwischenprodukt des nuklearen Zerfalls schwerer Atomkerne und zerfällt nach einiger Zeit selbst wieder. Das Vorkommen dieses Elements auf der Erde ist daher nicht mit dem eines stabilen Elements gleichzusetzen. Insgesamt liegt der Technetium-Gehalt der [[Erdkruste]] nur wenig höher als der des [[Francium]]s und [[Astat]]s, beides ebenfalls radioaktive Elemente, die nur im Mikrogramm-Maßstab auf der Erde vorhanden sind. In der [[Biosphäre]] kommt Technetium ausschließlich als Resultat menschlicher Aktivitäten vor.<ref name="yoshihara">K. Yoshihara: "Technetium in the Environment", in: K. Yoshihara, T. Omori (Ed.): ''Technetium and Rhenium – Their Chemistry and Its Applications'', ''[[Topics in Current Chemistry]]'', Vol.&nbsp;176, Springer-Verlag, Berlin · Heidelberg 1996, ISBN 3-540-59469-8.</ref> Bei oberirdischen [[Atombombentest|Kernwaffentests]] wurden bis 1994 etwa 250 Kilogramm Technetium in der Atmosphäre erzeugt, dazu kommen etwa 1.600 Kilogramm, die bis 1986 weltweit aus [[Wiederaufarbeitung]]sanlagen und [[Kernreaktor]]en freigesetzt wurden.<ref name="yoshihara"/> Allein aus der Anlage im britischen [[Sellafield]] wurden von 1995 bis 1999 etwa 900 Kilogramm des Metalls in die [[Irische See]] eingeleitet, seit dem Jahr 2000 ist die gesetzlich erlaubte Eintragsmenge allerdings auf 140 Kilogramm pro Jahr begrenzt.<ref>Keiko Tagami: [http://www.soc.nii.ac.jp/jnrs/paper/JN41/j041Tagami.pdf "Technetium-99 Behaviour in the Terrestrial Environment – Field Observations and Radiotracer Experiments"], in: ''[[Journal of Nuclear and Radiochemical Sciences]]'', '''2003''', ''4'', A1–A8.</ref> In Lebewesen lässt sich Technetium nur in Ausnahmefällen nachweisen, etwa bei [[Hummer]]n der stark belasteten Irischen See.<ref>John D. Harrison, Alan Phipps: [http://www.iop.org/EJ/abstract/0952-4746/21/1/004 "Gut transfer and doses from environmental technetium"], in: ''[[J. Radiol. Prot.]]'', '''2001''', ''21'', S.&nbsp;9–11; {{DOI|10.1088/0952-4746/21/1/004}}.</ref> Im menschlichen Körper findet es sich in der Regel nur bei Patienten, die sich einer technetiumbasierten nuklearmedizinischen Anwendung unterzogen haben. == Gewinnung und Entsorgung == Für medizinische Zwecke wird Technetium meist durch Neutronenbeschuss von <sup>98</sup>Mo gewonnen: : <math>\mathrm{^{98}_{42}Mo\ +\ ^{1}_{0}n\ \longrightarrow\ ^{99}_{42}Mo}</math> Die <sup>99</sup>Mo-Kerne zerfallen unter Aussendung von [[Betastrahlung]] mit einer Halbwertszeit von 2 Tagen und 19 Stunden in angeregte (metastabile) <sup>99''m''</sup>Tc-Kerne: : <math>\mathrm{^{99}_{42}Mo\ \longrightarrow\ ^{99m}_{\ \ 43}Tc\ +\ e^{-}\ +\ \overline\nu_{e}}</math> In der Praxis ist Molybdän nicht als Element, sondern in Form seines an [[Aluminiumoxid]]säulen [[Adsorption|adsorbierten]] Salzes Molybdat (MoO<sub>4</sub><sup>2−</sup>) der Ausgangsstoff der Technetium-Gewinnung, so dass nicht elementares Technetium, sondern das Pertechnetat-Ion TcO<sub>4</sub><sup>−</sup> entsteht und zwar in typischen Konzentrationen von zwischen 10<sup>−6</sup> und 10<sup>−8</sup> Mol pro Liter. Dieses wird an seinem Einsatzort zunächst von dem verbliebenen Molybdat getrennt, bevor es in Gegenwart geeigneter [[Ligand]]en, organischer Substanzen, die sich mit Technetium zu Komplexen verbinden, durch Wasserstoffgas H<sub>2</sub> zum reinen Element [[Reduktion (Chemie)|reduziert]] werden kann. Das solcherart komplexgebundene metastabile Isotop <sup>99''m''</sup>Tc geht mit einer Halbwertszeit von nur sechs Stunden durch Aussendung von Gammastrahlung in den Grundzustand <sup>99</sup>Tc über: : <math>\mathrm{^{99m}_{\ \ 43}Tc\ \longrightarrow\ ^{99}_{43}Tc\ +\ \gamma}</math> Es ist diese Strahlung, die in der medizinischen Diagnostik genutzt wird. [[Datei:Sellafield-1515b.jpg|miniatur|Luftbild der Wiederaufarbeitungsanlage Sellafield]] Daneben entstehen pro Jahr in [[Kernreaktor|Atomreaktoren]] mehrere Tonnen Technetium aus der Spaltung des [[Uran]]isotops <sup>235</sup>U; sie haben an allen [[Spaltprodukt]]en eines abgebrannten Brennelements einen Anteil von etwa 6 %. Die bis zu Beginn des 21.&nbsp;Jahrhunderts künstlich hergestellte Gesamtmenge des Metalls liegt bei mehr als 78 Tonnen<ref name="yoshihara"/> und damit nicht nur weit über den natürlichen Technetiumvorkommen, sondern auch oberhalb der geschätzten Gesamtmenge einiger stabiler Elemente, wie etwa der des schwereren Gruppennachbarn Rhenium. Der größte Teil des reaktorproduzierten Metalls bildet nur unerwünschten [[Radioaktiver Abfall|radioaktiven Abfall]]. Bei seiner Lagerung muss das mit einer Halbwertszeit von mehr als 200.000 Jahren recht langlebige Isotop <sup>99</sup>Tc berücksichtigt werden, das in der Zeit zwischen etwa 10.000 und etwa 1.000.000 Jahren nach seiner Erzeugung die dominante Strahlungsquelle darstellt.<ref name="yoshihara"/> Zur Entsorgung werden in erster Linie als stabil angesehene geologische Formationen wie [[Salzstock|Salzstöcke]] in Betracht gezogen; Kritiker äußern allerdings die Befürchtung, dass das Element dennoch durch Wasser in die Umgebung ausgewaschen werden könnte. Daneben wird auch die Möglichkeit der [[Transmutation (Kerntechnik)|Transmutation]], der Umwandlung des Metalls in andere Elemente durch Neutronenbeschuss, erwogen. Zur kommerziellen Verwendung wird Technetium im Kilogramm-Maßstab in [[Wiederaufarbeitung]]sanlagen aus abgebrannten Nuklearbrennstäben gewonnen. Dazu wird es zunächst zu Pertechnetat TcO<sub>4</sub><sup>−</sup> oxidiert und dann nach einer Abklingzeit von mehreren Jahren in gelöster Form durch [[Extraktion (Verfahrenstechnik)|Extraktion]] und [[Ionenaustauscher|Ionenaustauschverfahren]] von Uran-, [[Plutonium]]- und anderen Verbindungen getrennt. Die Produkte Ammoniumpertechnetat NH<sub>4</sub>TcO<sub>4</sub> oder auch Ammoniumtechnetiumhexachlorid (NH<sub>4</sub>)<sub>2</sub>TcCl<sub>6</sub> können dann bei hohen Temperaturen durch thermische Zersetzung in [[Wasserstoff]]gas H<sub>2</sub> zu elementarem Technetium reduziert werden. Alternativ kann das Metall durch Elektrolyse von Ammoniumpertechnetat in mit Wasserstoffperoxid (H<sub>2</sub>O<sub>2</sub>) angereicherter Schwefelsäure (H<sub>2</sub>SO<sub>4</sub>) gewonnen werden. == Eigenschaften == [[Datei:Tc,43.jpg|miniatur|rechts|Technetium]] === Physikalische Eigenschaften === Technetium ist ein radioaktives [[Metalle|Metall]], das in der häufigen Pulverform mattgrau erscheint. Als makroskopischer Festkörper hat es dagegen eine silbergraue Farbe und ähnelt dadurch dem Element [[Platin]].<ref name=CRC/> Charakteristische [[Spektrallinie]]n der Technetiumatome liegen bei 363, 403, 410, 426, 430 und 485&nbsp;[[Nanometer]]n.<ref>Joseph Reader, Charles H. Corliss: "Line Spectra of the Elements", in: David R. Lide (Ed.), ''[[CRC Handbook of Chemistry and Physics]]'', 90<sup>th</sup> edition, CRC Press, Boca Raton · London · New York 2009, ISBN 978-1-4200-9084-0, Section 10, Seite 10-75.</ref> Sowohl der [[Schmelzpunkt|Schmelz-]] als auch der [[Siedepunkt]] von jeweils 2157 und 4265&nbsp;°C liegen zwischen den entsprechenden Werten der Gruppennachbarn [[Mangan]] und [[Rhenium]]. Im metallischen Festkörper sind die Atome in Form einer [[Dichteste Kugelpackung|hexagonal dichtesten Kugelpackung]]&nbsp;(hdp) angeordnet, in der jedes Technetium-Atom im Abstand von 135&nbsp;[[Picometer]]n von jeweils 12 Nachbarn umgeben ist. Metallisches Technetium ist leicht [[Paramagnetismus|paramagnetisch]], das heißt seine [[magnetische Suszeptibilität]] Χ<sub>m</sub> ist positiv, die magnetischen [[Dipol]]e im Inneren des Materials richten sich parallel zu einem externen [[Magnetismus|Magnetfeld]] aus und die Substanz wird in selbiges hineingezogen.<ref name=enc/> Bei Temperaturen unterhalb von 7,7&nbsp;Kelvin ist das reine Element ein [[Supraleiter#Supraleiter 2. Art|Supraleiter 2. Art]], verliert also seinen [[Elektrischer Widerstand|elektrischen Widerstand]]; schon kleinste Verunreinigungen heben diese Temperatur allerdings auf 11,2&nbsp;Kelvin an. Die Eindringtiefe magnetischer Felder im supraleitenden Zustand ist für Technetium nach [[Niob]] die zweitgrößte aller Metalle.<ref>{{Literatur| Autor = S. H. Autler| Titel = Technetium as a Material for AC Superconductivity Applications| Sammelwerk = Proceedings of the 1968 Summer Study on Superconducting Devices and Accelerators| Zugriff = 5. Mai 2009| Online = [http://www.bnl.gov/magnets/Staff/Gupta/Summer1968/0049.pdf pdf]}}</ref> [[Kernspinresonanz]]-Untersuchungen mit Technetium sind aufgrund der hohen Empfindlichkeit des Isotops <sup>99</sup>Tc möglich.<ref>Schwochau, S.&nbsp;96.</ref> === Chemische Eigenschaften === Technetium liegt im Periodensystem in seiner Gruppe zwischen den beiden Elementen [[Mangan]] und [[Rhenium]], ähnelt in seinen chemischen Eigenschaften jedoch nur dem letzteren. Das Technetium-Atom besitzt sieben [[Valenzelektron]]en, eins davon im 5s-Orbital, die restlichen sechs im 4d-Orbital, die maximale Oxidationsstufe beträgt daher +VII. Die ersten drei [[Ionisierungsenergie]]n von 702, 1472 und 2850 [[Kilojoule pro Mol]] (kJ/mol) liegen allesamt unter den entsprechenden Werten des leichteren Gruppennachbarn [[Mangan]], was sich qualitativ auf den größeren Abstand der Valenzelektronen zum Kern und ihre dadurch verminderte elektrische Wechselwirkungsenergie zurückführen lässt. Insbesondere ist die Differenz zwischen zweiter und dritter Ionisationsenergie von 1378&nbsp;kJ/mol bedeutend geringer als die des Mangans von 1739&nbsp;kJ/mol. Anders als dieses Element, dessen Chemie daher im Wesentlichen die des ''zweifach'' positiv geladenen Mn<sup>2+</sup>-Ions ist, findet man Technetium häufig in anderen Oxidationsstufen. Die wichtigsten sind +IV, +V und +VII, daneben findet man Verbindungen, in denen Technetium die Oxidationszahlen −I, 0, +I, +III oder +VI einnimmt, während der für Mangan so charakteristische +II-Zustand nur selten auftritt.<ref name=enc>{{Literatur| Titel = The Encyclopedia of the Chemical Elements| Herausgeber = Cifford A. Hampel| Autor = S. J. Rimshaw| Ort = New York| Verlag = Reinhold Book Corporation| Jahr = 1968| Seiten = 689–693}}</ref> In feuchter Luft läuft das Metall durch [[Oxidation]] langsam an. Die Pulverform ist nicht nur brennbar, sondern allgemein reaktiver und verbindet sich heftig mit [[Halogene]]n. Technetium löst sich nur in [[Säuren|oxidierenden Säuren]] wie konzentrierter [[Schwefelsäure]] (H<sub>2</sub>SO<sub>4</sub>) oder [[Salpetersäure]] (HNO<sub>3</sub>), nicht jedoch in [[Salzsäure]] (HCl<sub>(aq)</sub>) oder [[Flusssäure]] (HF<sub>(aq)</sub>); in gasförmigem [[Chlorwasserstoff|Chlor-]] und [[Fluorwasserstoff]] ist das Metall beständig.<ref name= CRC/> Dagegen sind [[Bromwasser]] und [[Wasserstoffperoxid]] gute [[Lösungsmittel]] für Technetium. == Isotope == Von Technetium sind bisher 34 [[Isotop]]e bekannt, deren [[Massenzahl]]en zwischen 85 und 118 liegen. Das langlebigste davon ist mit einer [[Halbwertszeit]] von 4,2 Millionen Jahren <sup>98</sup>Tc, gefolgt von <sup>97</sup>Tc mit einer Halbwertszeit von 2,6 Millionen Jahren und <sup>99</sup>Tc mit einer Halbwertszeit von 211.100 Jahren. Letzteres ist zugleich das häufigste und ökonomisch wichtigste Isotop und setzt mit einer Aktivität von 620 Millionen [[Becquerel (Einheit)|Becquerel]] pro Gramm eine weiche [[Betastrahlung]] der Energie 293,6&nbsp;Kiloelektronenvolt (keV) frei. Der Zerfallsmechanismus bei den Isotopen mit Massenzahlen unterhalb von 98 ist der [[Elektroneneinfang]], so dass [[Molybdän]]-Isotope entstehen; bei schwereren Technetium-Isotopen kommt es dagegen zum [[Betazerfall]] und zur Bildung von [[Ruthenium]]-Isotopen. Eine Ausnahme stellt lediglich <sup>100</sup>Tc dar, das über beide Zerfallswege in ein anderes Element übergehen kann.<ref name="environmentalchemistry">{{Internetquelle| zugriff= 5. Mai 2009| titel = Technetium, Nuclides / Isotopes| url = http://environmentalchemistry.com/yogi/periodic/Tc-pg2.html}}</ref><ref>Norman E. Holden: "Table of the isotopes", in: David R. Lide (Ed.), ''[[CRC Handbook of Chemistry and Physics]]'', 90<sup>th</sup> edition, CRC Press, Boca Raton · London · New York 2009, ISBN 978-1-4200-9084-0, Section 11, Seite 11-106.</ref> Neben den durch ihre Neutronenzahl unterschiedenen Isotopen existiert eine Reihe angeregter, ''[[metastabil]]er'' Zustände wie <sup>95''m''</sup>Tc, <sup>97''m''</sup>Tc und <sup>99''m''</sup>Tc, die mit Halbwertszeiten von (in dieser Reihenfolge) 61 Tagen, 90 Tagen und 6,01 Stunden in den zugehörigen Grundzustand übergehen. Das wichtigste metastabile Isotop ist <sup>99''m''</sup>Tc, das eine große Rolle in der [[Nuklearmedizin]] spielt.<ref name=enc/><ref name="environmentalchemistry"/> === Instabilität === Die Instabilität des Technetiums lässt sich [[kernphysik]]alisch erklären. Sie wird im Massenbereich des Technetiums grundsätzlich dadurch hervorgerufen, dass [[Atomkern|Kerne]] mit einem [[Neutronenüberschuss]] einige dieser Teilchen durch [[Betazerfall]] in Protonen umwandeln, während Kerne mit Neutronenmangel Hüllenelektronen [[Elektroneneinfang|einfangen]] und so überschüssige Protonen in Neutronen transformieren. Wie für jedes Element vergleichbarer Masse könnten nicht-radioaktive Technetium-Kerne nur in einem kleinen Stabilitätsbereich existieren, in dem sich die Zahl der Protonen und Neutronen im Gleichgewicht befindet. Dieser liegt für die Protonenzahl des Technetiums von 43 bei Nukleonenzahlen zwischen 95 und 101. Auch alle diese Isotope sind jedoch radioaktiv. Eine Erklärung dafür liefert das [[Tröpfchenmodell]] des Atomkerns. Es ermöglicht die Berechnung der Kernbindungsenergie, die für Kerne konstanter [[Nukleon]]enzahl [[Parabel (Mathematik)|parabelförmig]] von der Zahl der Protonen abhängt, wobei der Scheitelpunkt der Parabel dem stabilsten Atomkern entspricht. Ist die Nukleonenzahl ungerade wie etwa für <sup>95</sup>Tc, <sup>97</sup>Tc, <sup>99</sup>Tc oder <sup>101</sup>Tc, so liegen alle Kerne der jeweiligen Nukleonenzahl auf genau einer Parabel, und es existiert nur ein stabiles Nuklid – das am nächsten am Scheitelpunkt der Parabel gelegene. Im konkreten Fall sind dies <sup>95</sup>Mo, <sup>97</sup>Mo, <sup>99</sup>Ru und <sup>101</sup>Ru, so dass die zuvor genannten Technetium-Isotope allesamt instabil sind. Für eine gerade Nukleonenzahl kann es mehrere stabile Elemente geben. In diesem Fall existieren allerdings zwei verschiedene Parabeln, eine für [[gg-Kern]]e, solche mit gerader Protonen- und Neutronenzahl, und eine für uu-Kerne, bei denen sowohl die Protonen- als auch die Neutronenzahl ungerade ist. Die gg-Parabel liegt unterhalb der uu-Parabel und zeigt dadurch an, dass gg-Kerne stabiler sind als uu-Kerne. Letztere sind nur in seltenen Ausnahmefällen stabil und dies auch nur dann, falls kein gg-Kern mit gleicher Nukleonenzahl existiert. Die Technetium-Kerne mit gerader Nukleonenzahl, etwa <sup>96</sup>Tc, <sup>98</sup>Tc oder <sup>100</sup>Tc gehören wegen der ungeraden Protonenzahl von 43 allesamt zu den uu-Kernen und könnten daher nur stabil sein, falls keine stabilen gg-Kerne gleicher Nukleonenzahl existierten. Dies ist jedoch nicht der Fall, da die entsprechenden Molybdän- und Ruthenium-Nuklide <sup>96</sup>Mo, <sup>98</sup>Mo, <sup>100</sup>Mo, <sup>96</sup>Ru, <sup>98</sup>Ru und <sup>100</sup>Ru allesamt stabil sind. == Verwendung == [[Datei:Basedow-vor-nach-RIT.jpg|miniatur|rechts|Technetium-Szintigrafie der Halsregion eines Patienten mit Morbus Basedow]] [[Datei:Tc99minjektion.jpg|miniatur|Injektion von <sup>99''m''</sup>Tc. Die Spritze mit dem Radionuklid ist von einer Abschirmung umgeben.]] Nur geringe Mengen Technetium werden wirtschaftlich genutzt; der größte Anteil kommt in der Medizin als Bestandteil von [[Radiopharmakon|Radiopharmaka]] zur Anwendung.<ref>K. Schwochau: "Technetium radiopharmaceuticals: Fundamentals, synthesis, structure and development", in: ''[[Angewandte Chemie International Edition]]'', '''1994''', ''33&nbsp;(22)'', S.&nbsp;2258–2267; {{DOI|10.1002/anie.199422581}}.</ref> Metastabiles <sup>99''m''</sup>Tc ist aufgrund seiner kurzen Halbwertszeit, der emittierten Gammastrahlung mit einer Energie von 140 [[Elektronvolt|keV]] und seiner Fähigkeit, sich an viele aktive [[Biomolekül]]e anzulagern, das bei weitem wichtigste Element für [[Szintigrafie|szintigrafische]], also bildererstellende [[Nuklearmedizin|nuklearmedizinische]] Untersuchungen.<ref name=blocks/> Dazu werden organische Liganden mit einer hohen Neigung, sich an Zellen des zu untersuchenden Organs zu binden, oder monoklonale [[Antikörper]], [[Protein]]e des [[Immunsystem]]s, die sich an ausgewählte [[Antigen]]e von Tumorzellen heften, an Technetium gekoppelt und [[Vene|intravenös]] in den Blutkreislauf des Patienten gespritzt. Das Metall konzentriert sich auf diese Weise in den gewünschten Organen und Geweben oder dem zu untersuchenden Tumor; die charakteristische Gammastrahlung kann dann durch mit [[Thallium]] dotierte [[Natriumiodid]]-[[Szintillator|Detektoren]] registriert und zur nicht-invasiven Diagnose, etwa des durch die Antikörper markierten Tumors, herangezogen werden. Auf diese Weise können das [[Gehirn]], die [[Schilddrüse]], die [[Lunge]]n, die [[Leber]], die [[Gallenblase]], die [[Milz]], die [[Niere]]n, [[Knochen]]gewebe, aber auch schwer zugängliche Teile des Darms untersucht werden.<ref>Schwochau, S.&nbsp;414.</ref> Die Kopplung von Technetium-Zinn-Verbindungen an [[Erythrozyt]]en, die roten Blutkörperchen, ermöglicht eine Diagnose von Erkrankungen des Blutgefäßsystems; Bindung von Technetium-[[Pyrophosphate]]n an [[Calcium]]ablagerungen des Herzmuskelgewebes wird bei der Diagnose von [[Myokardinfarkt|Herzinfarkt]]-Patienten eingesetzt.<ref name="heartscan">{{Internetquelle| url = http://www.chclibrary.org/micromed/00067370.html| zugriff= 5. Mai 2009| titel = Technetium heart scan| autor = Joseph F. Smith}}</ref> Die von <sup>99''m''</sup>Tc emittierte energiereiche Gammastrahlung ermöglicht eine niedrige Dosierung. Nach der Untersuchung wird der größte Teil des bei einer nuklearmedizinischen Diagnose aufgenommenen Technetiums wieder ausgeschieden. Das verbliebene <sup>99''m''</sup>Tc zerfällt schnell in <sup>99</sup>Tc. Dieses besitzt eine lange Halbwertszeit von 212.000 Jahren und trägt wegen der relativ weichen Betastrahlung, die bei seinem Zerfall frei wird, nur zu einer geringen zusätzlichen Strahlenbelastung über die restliche Lebenszeit bei.<ref name="heartscan"/> In den [[Vereinigte Staaten|USA]] werden für Diagnose-Zwecke pro Jahr etwa sieben Millionen Einzeldosen <sup>99''m''</sup>Tc verabreicht. Das nicht-angeregte Isotop <sup>99</sup>Tc selbst wird als wirtschaftlich gut nutzbare Quelle für [[Betastrahlung|Betastrahlen]] eingesetzt. Es bietet den Vorteil, dass bei seinem Zerfall keinerlei Gammastrahlung auftritt, so dass nur relativ geringe Sicherheitsvorkehrungen notwendig sind. Metastabiles <sup>95''m''</sup>Tc wird als radioaktiver [[Tracer (Nuklearmedizin)|Tracer]] genutzt.<ref>Schwochau, S.&nbsp;12–27.</ref> Daneben ist Technetium in Form seiner Salze eines der besten Rostschutzmittel: [[Ammonium]]- oder Kaliumpertechnetat könnte als [[Korrosionsschutz]] für [[Stahl]] Anwendung finden. Ein Zusatz von 55&nbsp;ppm (Millionstel Teilen) Kaliumpertechnetat, KTcO<sub>4</sub> in belüftetem [[Ion|entionisiertem]] [[Wasser]] schützt dieses Material bis zu einer Temperatur von 250&nbsp;°C vor Korrosion.<ref>{{Internetquelle|datum = Juli 2004 |titel = EPA: 402-b-04-001b-14-final|hrsg = Marlap|url = http://www.epa.gov/radiation/docs/marlap/402-b-04-001b-14-final.pdf|format=PDF|zugriff = 4. August 2008}}</ref> Wegen der Radioaktivität von Technetium ist eine potentielle Anwendung allerdings auf von der Umwelt abgeschlossene Systeme wie etwa [[Siedewasserreaktor]]en beschränkt.<ref>Schwochau, S.&nbsp;91.</ref> Technetium für nuklearmedizine Zwecke wird – aufgrund der kurzen 6-Stunden-Halbwertszeit – in der Regel aus [[Technetium-99m-Generator]]en gewonnen.<ref>Jonathan R. Dilworth, Suzanne J. Parrott: ''The biochemical chemistry of technetium and rhenium'', in: ''[[Chemical Society Reviews]]'', '''1998''', ''27'', S.&nbsp;43–55; {{DOI|10.1039/a827043z}}.</ref> == Verbindungen und Reaktionen == Technetium bildet im Gegensatz zu Mangan kaum [[Kationen]]. Es ähnelt darin, wie auch in seiner geringeren Reaktivität und in der Fähigkeit, kovalente Bindungen einzugehen, seinem anderen Gruppen-Nachbarn Rhenium. Im Gegensatz zu diesem sind die hohen Oxidationszustände allerdings etwas unbeständiger gegenüber Reduktion, dem Übergang in einen niedrigeren Oxidationszustand durch (formale) Aufnahme von Elektronen. === Hydridokomplex === [[Datei:Technetiumhydrid.svg|200px|miniatur|rechts|Technetium-Hydridokomplex]] Bei der Reaktion von Technetium mit [[Wasserstoff]] entsteht der [[Anion|anionische]], also negativ geladene Hydridokomplex [TcH<sub>9</sub>]<sup>2−</sup>, dessen zentrales Technetiumatom wie nebenstehend zu sehen in einem trigonalen Prisma aus Wasserstoffatomen liegt; lotrecht über dem Mittelpunkt der drei Seitenflächen befindet sich zudem je ein weiteres Wasserstoffatom. Der Ladungsausgleich kann zum Beispiel durch je zwei [[Natrium]]- (Na<sup>+</sup>) oder [[Kalium]]-Ionen (K<sup>+</sup>) erfolgen.<ref>Schwochau, S.&nbsp;104.</ref> === Oxide === Es existieren zwei verschiedene [[Technetiumoxide]] (TcO<sub>2</sub> und Tc<sub>2</sub>O<sub>7</sub>). Bei Temperaturen von etwa 400–450&nbsp;°C reagiert das Metall direkt mit Sauerstoff zu blassgelbem Ditechnetiumheptoxid: : <math>\mathrm{4\ Tc + 7\ O_2 \longrightarrow 2\ Tc_2O_7}</math> Das Molekül besteht aus zwei über ein Sauerstoffatom miteinander verbundenen Technetiumatomen, die ihrerseits durch je drei Doppelbindungen an die verbleibenden Sauerstoffatome gebunden sind und ist das [[Anhydrid]] der Pertechnetiumsäure HTcO<sub>4</sub>, die sich bei Lösung des Oxids in Wasser bildet.<ref>B. Krebs: "Technetium(VII)-oxid: Ein Übergangsmetalloxid mit Molekülstruktur im festen Zustand", in: ''[[Angewandte Chemie]]'', '''1969''', ''81&nbsp;(9)'', S.&nbsp;328–329: {{DOI|10.1002/ange.19690810905}}.</ref><ref>A. Y. Herrell, R. H. Busey, K. H. Gayer: "Technetium(VII) Oxide", in: ''Inorganic Syntheses'', '''1977''', Vol.&nbsp;XVII, ISBN 0-07-044327-0, S.&nbsp;155–158.</ref> <!--It adopts a centrosymmetric corner-shared bi-tetrahedral structure, in which the terminal and bridging Tc-O bonds are 167&nbsp;pm and 184&nbsp;pm respectively and the O-Tc-O angle is 180°.--> Das schwarze Technetiumdioxid (TcO<sub>2</sub>) lässt sich durch Reduktion von Ditechnetiumheptoxid mit elementarem Technetium oder Wasserstoff darstellen.<ref>Schwochau, S.&nbsp;108.</ref> === Pertechnetiumsäure === [[Pertechnetiumsäure]] (HTcO<sub>4</sub>) bildet sich, wenn Technetiumheptoxid in Wasser oder Technetium in oxidierenden Säuren wie [[Salpetersäure]], konzentrierter [[Schwefelsäure]] oder [[Königswasser]], einem Salpetersäure-Salzsäure-Gemisch, gelöst wird. Die dunkelrote, wasseranziehende (hygroskopische) Substanz zählt zu den starken Säuren und liegt in Wasser stark [[Dissoziation (Chemie)|dissoziiert]] vor, das Proton ist also fast immer auf ein Wassermolekül übertragen. Das verbliebene Pertechnetat-Anion TcO<sub>4</sub><sup>−</sup> besteht aus einem Technetium-Atom, das im Zentrum eines [[Tetraeder]]s liegt, an dessen vier Ecken die Sauerstoffatome sitzen. Es ist im Gegensatz zum [[Permanganat]]-Ion MnO<sub>4</sub><sup>−</sup> verhältnismäßig reduktionsstabil, so dass die farblosen [[Salze]] wie Kalium- (KTcO<sub>4</sub>) oder Ammoniumpertechnetat (NH<sub>4</sub>TcO<sub>4</sub>) nur relativ schwache [[Oxidationsmittel]] sind. Natrium-, Magnesium- und Calciumpertechnat sind gut, Barium- und Ammoniumpertechnat moderat, Kalium- sowie Thalliumpertechnat dagegen nur geringfügig wasserlöslich. Pertechnate dienen als wichtige Ausgangsstoffe der Technetiumchemie und spielen auch als [[Katalysator]]en in der anorganischen Chemie eine gewisse Rolle.<ref>Schwochau, S.&nbsp;127–136.</ref> Durch Reduktionsmittel kann Pertechnetat zum Technetat [TcO<sub>4</sub>]<sup>2−</sup> (purpurfarben) reduziert werden.<ref name="HOWI_1623">Arnold F. Holleman, Nils Wiberg: ''Lehrbuch der Anorganischen Chemie'', 102. Auflage, de Gruyter, Berlin 2007, ISBN 978-3-11-017770-1, S.&nbsp;1623.</ref> === Halogenide und Oxidhalogenide === Neben den [[Technetiumhalogenide]]n, in denen Technetium an [[Halogene|Halogenatome]] gebunden ist, sind zahlreiche [[Technetiumoxidhalogenide]] bekannt, in denen neben den Halogenatomen zusätzlich noch Sauerstoff gebunden ist. Durch direkte Reaktion der Ausgangsstoffe entstehen die beiden [[Fluor]]-Verbindungen, das gelbe Technetiumpentafluorid (TcF<sub>5</sub>) und das gleichfarbige Technetiumhexafluorid (TcF<sub>6</sub>). Ebenfalls direkt synthetisieren lassen sich die beiden [[Chlor]]-Verbindungen, das grüne Technetiumhexachlorid (TcCl<sub>6</sub>) und das rote Technetiumtetrachlorid (TcCl<sub>4</sub>). Letzteres ist paramagnetisch und liegt in [[Polymer|polymerisierter]] Form, also als Kette aneinandergereihter TcCl<sub>4</sub>-Untereinheiten vor und lässt sich auch durch Reaktion von Technetiumheptoxid (Tc<sub>2</sub>O<sub>7</sub>) mit [[Tetrachlormethan]] (CCl<sub>4</sub>) darstellen. Wichtige Technetiumhalogenid-Salze werden von den beiden [[Anion]]en [Tc<sub>2</sub>Cl<sub>8</sub>]<sup>2−</sup> und [TcCl<sub>8</sub>]<sup>3−</sup> gebildet. Die wichtigste Bromverbindung ist das rotbraune Technetiumtetrabromid TcBr<sub>4</sub>, daneben existiert das Anion [Tc<sub>2</sub>Br<sub>8</sub>]<sup>2−</sup>. Die Technetiumoxidhalogenide sind für Fluor die Verbindungen Technetiumfluoridtrioxid TcO<sub>3</sub>F, Technetiumtrifluoriddioxid TcO<sub>2</sub>F<sub>3</sub>, Technetiumpentafluoridoxid TcOF<sub>5</sub> und Technetiumtetrafluoridoxid TcOF<sub>4</sub>, in denen das Metall in den Oxidationsstufen +VII und +VI auftritt, für Chlor die Verbindungen Technetiumchloridtrioxid TcO<sub>3</sub>Cl, Technetiumtetrachloridoxid TcOCl<sub>4</sub> und Technetiumtrichloridoxid TcOCl<sub>3</sub> mit den Oxidationsstufen +VII, +VI und +V und für Brom und [[Iod]] die einander analogen Verbindungen Technetiumbromidtrioxid TcO<sub>3</sub>Br und Technetiumiodidtrioxid TcO<sub>3</sub>I. Bei letzteren Substanzen nimmt das zentrale Technetiumatom die maximale Oxidationszahl +VII an. Technetiumtrifluoriddioxid TcO<sub>2</sub>F<sub>3</sub> liegt ebenso wie Technetiumtrichloridoxid TcOCl<sub>3</sub> und Technetiumtribromidoxid TcOBr<sub>3</sub> in polymerisierter Form vor. Alle Halogen-Sauerstoff-Verbindungen des Technetiums zersetzen sich bei Kontakt mit Wasser leicht zu Pertechnetat und Technetiumdioxid. Insbesondere hoch fluorierte Verbindungen wie Technetiumpentafluoridoxid TcOF<sub>5</sub> lassen sich nur durch starke Fluorierungsmittel wie Xenonhexafluorid XeF<sub>6</sub> oder Kryptondifluorid KrF<sub>2</sub> darstellen, wie die folgenden Reaktionsschritte exemplarisch zeigen: * <math>\mathrm{Tc_2O_7 + 4\ HF \longrightarrow 2\ TcO_3F + (H_3O)^{+}+(HF_2)^{-}}</math> : <small>Ditechnetiumheptoxid reagiert mit Fluorwasserstoff zu Technetiumfluoridtrioxid, [[Oxonium]]ionen und Hydrogendifluorid(-1).</small> * <math>\mathrm{TcO_3F + XeF_6 \longrightarrow TcO_2F_3 + XeOF_4}</math> : <small>Technetiumfluoridtrioxid reagiert mit Xenonhexafluorid zu Technetiumtrifluoriddioxid und Xenontetrafluoridoxid.</small> * <math>\mathrm{2\ TcO_2F_3 + 2\ KrF_2 \longrightarrow 2\ TcOF_5 + 2\ Kr + O_2}</math> : <small>Technetiumtrifluoriddioxid reagiert mit Kryptondifluorid zu Technetiumpentafluoridoxid, elementarem Krypton und Sauerstoff.</small> === Sulfide, Selenide, Telluride === Mit [[Schwefel]] bildet Technetium zwei verschiedene [[Technetiumsulfide|Sulfide]]. Während Technetiumdisulfid TcS<sub>2</sub> durch direkte Reaktion der Ausgangsstoffe entsteht, kann das schwarze Ditechnetiumheptasulfid Tc<sub>2</sub>S<sub>7</sub> wie folgt dargestellt werden: : <math>\mathrm{2\ HTcO_4 + 7\ H_2S \longrightarrow Tc_2S_7 + 8\ H_2O}</math> : <small>Pertechnetiumsäure reagiert mit Schwefelwasserstoff zu Ditechnetiumheptasulfid und Wasser.</small> Technetium wird in diesem Fall ''nicht'' reduziert, anders als bei der analogen Reaktion des Mangans, bei dem sich aus MnO<sub>4</sub><sup>−</sup> das stabile Mn<sup>2+</sup>-Ion bildet. Thermische Zersetzung des Heptasulfids führt zu einer Aufspaltung in das Disulfid und elementaren Schwefel: : <math>\mathrm{Tc_2S_7 \longrightarrow 2\ TcS_2 + 3\ S}</math> Mit [[Selen]] und [[Tellur]] bildet Technetium die analogen Substanzen zu Technetiumdisulfid, also Technetiumdiselenid (TcSe<sub>2</sub>) und Technetiumditellurid (TcTe<sub>2</sub>).<ref>Schwochau, S.&nbsp;112–113.</ref> === Cluster === [[Datei:Technetiumcluster.png|miniatur|rechts|Technetiumcluster Tc<sub>6</sub> und Tc<sub>8</sub>]] Es existieren zwei wichtige Technetium-[[Cluster (Physik)|Cluster]], der Tc<sub>6</sub>- und der Tc<sub>8</sub>-Cluster. In beiden sind jeweils zwei Technetiumatome durch eine Dreifachbindung miteinander verbunden. Diese Paare sind parallel zueinander angeordnet und senkrecht zur Ausrichtung der Dreifachbindung aneinander gebunden, so dass sich durch die Lage der Einfachbindungen für den Tc<sub>6</sub>-Cluster zwei parallele gleichseitige Dreiecke und für den Tc<sub>8</sub>-Cluster zwei parallele Quadrate ergeben. Im letzteren Fall ist je eine zusätzliche Einfachbindung entlang einer Diagonale dieser Quadrate ausgerichtet. Technetiumatome beider Cluster gehen allesamt sechs Bindungen ein; fehlende Bindungen können etwa durch Halogenatome wie Chlor oder Brom abgesättigt werden.<ref>K. E. German, S. V. Kryutchkov: "Polynuclear Technetium Halide Clusters", in: ''[[Russian Journal of Inorganic Chemistry]]'', '''2002''', ''47&nbsp;(4)'', S.&nbsp;578–583.</ref> === Komplexverbindungen === [[Datei:Technetiumcarbonyl.svg|miniatur|rechts|Technetium-Carbonyl-Komplex<br />Tc<sub>2</sub>(CO)<sub>10</sub>]] [[Datei:Technetiumkomplex.svg|miniatur|rechts|Technetium-Komplex mit organischem Liganden]] Technetium ist Bestandteil zahlreicher [[Komplexverbindung]]en, die aufgrund der Bedeutung des Elements für die Nuklearmedizin verhältnismäßig gut erforscht sind. Ein Beispiel ist der Technetium-Carbonyl-Komplex Tc<sub>2</sub>(CO)<sub>10</sub>, der einen weißen Feststoff bildet.<ref>J. C. Hileman, D. K. Huggins, H. D. Kaesz: "Technetium carbonyl", in: ''[[Journal of the American Chemical Society]]'', '''1961''', ''83&nbsp;(13)'', S.&nbsp;2953–2954; {{DOI|10.1021/ja01474a038}}.</ref> In ihm liegen zwei schwach aneinander gebundene Technetium-Atome vor, die wie nebenstehend zu sehen in [[Oktaeder]]-Symmetrie von je fünf Carbonyl-Liganden umgeben sind. Die Bindungslänge von 303&nbsp;pm ist charakteristischerweise größer als der Abstand zweier benachbarter Atome im metallischen Technetium.<ref>Marcia F. Bailey, Lawrence F. Dahl: "The Crystal Structure of Ditechnetium Decacarbonyl", in: ''[[Inorganic Chemistry]]'', '''1965''', ''4&nbsp;(8)'', S.&nbsp;1140–1145; {{DOI|10.1021/ic50030a011}}.</ref><ref>D. Wallach: "Unit cell and space group of technetium carbonyl, Tc<sub>2</sub>(CO)<sub>10</sub>", in: ''[[Acta Crystallographica]]'', '''1962''', ''15'', S.&nbsp;1058–1058; {{DOI|10.1107/S0365110X62002789}}.</ref> Isostrukturelle Komplexe, also solche von gleicher Struktur, finden sich auch bei den beiden Nachbarelementen Mangan und Rhenium.<ref>Schwochau, S.&nbsp;286,&nbsp;328.</ref> Ein Technetium-Carbonyl-Komplex, in dem Technetium in der negativen Oxidationsstufe −I auftritt, ist [Tc(CO)<sub>5</sub>]<sup>−</sup>, während sich in Wasser der oktaedrische Aquakomplex [Tc(H<sub>2</sub>O)<sub>3</sub>(CO)<sub>3</sub>]<sup>+</sup> bildet. Ein Beispiel für einen Komplex mit einem organischen Liganden, der in bildgebenden Verfahren der Nuklearmedizin zum praktischen Einsatz kommt, ist nebenstehend angegeben und zeichnet sich durch ein im Zentrum einer [[Kohlenstoff]]-[[Stickstoff]]-Kette gelegenes und über vier Stickstoffatome angebundenes Technetiumatom aus, das durch eine Doppelbindung mit einem Sauerstoffatom gebunden ist. Diese Technetium-Sauerstoffeinheit kann in den so genannten Nitridokomplexen durch eine Technetium-Stickstoffeinheit ersetzt sein, in der eine Dreifachbindung zwischen einem Stickstoff- und einem Technetiumatom besteht.<ref>Silva Jurisson, E. O. Schlemper, D. E. Troutner, L. R. Canning, D. P. Nowotnik, R. D. Neirinckx: "Synthesis, characterization, and x-ray structural determinations of technetium(V)-oxo-tetradentate amine oxime complexes", in: ''[[Inorganic Chemistry]]'', '''1986''', ''25&nbsp;(4)'', S.&nbsp;543–549; {{DOI|10.1021/ic00224a031}}.</ref><!--3,3,9,9-tetramethyl-4,8-diazaundecane-2,lO-dion dioxime Hexamethyipropylenamine Oxime (HMPAO)--> == Sicherheitshinweise == Einstufungen nach der [[Gefahrstoffverordnung]] liegen nicht vor, weil diese nur die chemische Gefährlichkeit umfassen und eine untergeordnete Rolle gegenüber den auf der [[Radioaktivität]] beruhenden Gefahren spielen. Auch Letzteres gilt nur, wenn es sich um eine dafür relevante Stoffmenge handelt. == Vorsichtsmaßnahmen == Technetium hat nach bisher vorliegenden Erkenntnissen nur eine geringe chemische [[Toxizität]]. Alle Isotope des Elements sind jedoch wie angesprochen radioaktiv und müssen entsprechend ihrer [[Strahlungsintensität]] in [[Strahlenschutz]]behältern aufbewahrt und als radioaktives Material gekennzeichnet werden. Die Betastrahlung des häufigsten Isotops, <sup>99</sup>Tc, wird bereits durch Glas aufgehalten; die Strahlenbelastung durch die dabei als [[Bremsstrahlung]] freiwerdende weiche [[Röntgenstrahlung]] gilt als gering, wenn ein Sicherheitsabstand von 30 Zentimetern eingehalten wird. Eingeatmeter Technetium-Staub, der sich in den Lungen festsetzt, trägt hingegen zu einem höheren Risiko für Krebserkrankungen bei. Laborarbeiten müssen daher unter einer [[Abzug (Gas)|Abzugshaube]] stattfinden; daneben werden Augenschutz und das Tragen von Handschuhen empfohlen.<ref>Schwochau, S.&nbsp;40.</ref> == Einzelnachweise == <references/> == Literatur == * Klaus Schwochau: ''Technetium: Chemistry and Radiopharmaceuticals'', Wiley-VCH, Weinheim 2000, ISBN 3-527-29496-1. * John Emsley: ''The elements'', 3<sup>rd</sup> Ed., Clarendon Press, 1998, ISBN 0-19-855819-8. * F. A. Cotton, G. Wilkinson, C. A. Murillo, M. Bochmann: ''Advanced Inorganic Chemistry'', 6<sup>th</sup> Ed., Wiley, 1999, ISBN 0-471-19957-5, Kapitel 18D, S.&nbsp;974. * C. E. Housecroft, A. G. Sharpe: ''Inorganic Chemistry'', 2<sup>nd</sup> Ed., Pewson/Prentice Hall, 2005, ISBN 0-13-039913-2, Kapitel 22.8a, S.&nbsp;666. * Ekkehard Fluck, Klaus G. Heumann: ''Periodensystem der Elemente, Tafel'', Wiley-VCH, Weinheim 2002, ISBN 3-527-30716-8. * R. B. King (Ed.): ''Encyclopedia of Inorganic Chemistry'', Bd.&nbsp;8, Wiley, 1994, ISBN 0-471-93620-0, S.&nbsp;4094. == Weblinks == {{Wiktionary}} {{Commons}} {{Navigationsleiste Periodensystem}} {{Exzellent}} [[Kategorie:Strahlenbiologie]] {{Link FA|af}} {{Link FA|en}} {{Link FA|es}} [[af:Tegnesium]] [[ar:تكنيشيوم]] [[az:Texnesium]] [[be:Тэхнецый]] [[bg:Технеций]] [[bn:টেকনেটিয়াম]] [[bs:Tehnecijum]] [[ca:Tecneci]] [[co:Tecneziu]] [[cs:Technecium]] [[cy:Technetiwm]] [[da:Technetium]] [[el:Τεχνήτιο]] [[en:Technetium]] [[eo:Teknecio]] [[es:Tecnecio]] [[et:Tehneetsium]] [[eu:Teknezio]] [[fa:تکنسیوم]] [[fi:Teknetium]] [[fr:Technétium]] [[fur:Tecnezi]] [[ga:Teicnéitiam]] [[gl:Tecnecio]] [[gv:Çheghnaiçhum]] [[hak:Thap]] [[he:טכנציום]] [[hi:टेक्निशियम]] [[hr:Tehnecij]] [[ht:Tèknesyòm]] [[hu:Technécium]] [[hy:Տեխնեցիում]] [[id:Teknesium]] [[io:Teknecio]] [[is:Teknetín]] [[it:Tecnezio]] [[ja:テクネチウム]] [[jbo:runjinme]] [[kn:ಟೆಕ್ನೀಶಿಯಮ್]] [[ko:테크네튬]] [[ku:Teknesyûm]] [[la:Technetium]] [[lb:Technetium]] [[lij:Tecnesio]] [[lt:Technecis]] [[lv:Tehnēcijs]] [[ml:ടെക്നീഷ്യം]] [[mr:टेक्नेटियम]] [[nl:Technetium]] [[nn:Technetium]] [[no:Technetium]] [[oc:Tecnèci]] [[pl:Technet]] [[pnb:ٹیکنیٹیم]] [[pt:Tecnécio]] [[qu:Teknesyu]] [[ro:Tehneţiu]] [[ru:Технеций]] [[scn:Tecnezziu]] [[sh:Tehnicijum]] [[simple:Technetium]] [[sk:Technécium]] [[sl:Tehnecij]] [[sr:Техницијум]] [[stq:Technetium]] [[sv:Teknetium]] [[sw:Tekineti]] [[ta:டெக்னீசியம்]] [[te:టెక్నీషియమ్]] [[th:เทคนีเชียม]] [[tr:Teknesyum]] [[ug:تېخېتىسىي]] [[uk:Технецій]] [[uz:Texnetsiy]] [[vi:Tecneti]] [[war:Technetium]] [[yo:Technetium]] [[zh:锝]] [[zh-yue:鎝]] t0q895ntrpvc8ajs2ogvpk5qaaud8q2 wikitext text/x-wiki Tellur 0 23510 28245 26109 2011-04-11T11:10:35Z 87.164.46.246 Bildfix {{Infobox Chemisches Element <!--- Periodensystem ---> | Name = Tellur | Symbol = Te | Ordnungszahl = 52 | Serie = Hm | Gruppe = 16 | Periode = 5 | Block = p <!--- Allgemein ---> | Aussehen = silberweiß, metallisch glänzend | CAS = 13494-80-9 | Massenanteil = 0,01&nbsp;ppm<ref name="Harry H. Binder">Harry H. Binder: ''Lexikon der chemischen Elemente'', S. Hirzel Verlag, Stuttgart 1999, ISBN 3-7776-0736-3.</ref> <!--- Atomar ---> | Hauptquelle = <ref>Die Werte für die Eigenschaften (Infobox) sind, wenn nicht anders angegeben, aus [http://www.webelements.com/tellurium/ www.webelements.com (Tellur)] entnommen.</ref> | Atommasse = 127,60 | Atomradius = 140 | AtomradiusBerechnet = 123 | KovalenterRadius = 138 | VanDerWaalsRadius = 206 | Elektronenkonfiguration = &#91;[[Krypton|Kr]]&#93; 4[[D-Orbital|d]]<sup>10</sup> 5[[S-Orbital|s]]<sup>2</sup> 5[[P-Orbital|p]]<sup>4</sup> | ElektronenProEnergieNiveau = 2, 8, 18, 18, 6 | Austrittsarbeit = | Ionisierungsenergie_1 = 869,3 | Ionisierungsenergie_2 = 1790 | Ionisierungsenergie_3 = 2698 | Ionisierungsenergie_4 = 3610 | Ionisierungsenergie_5 = 5668 | Ionisierungsenergie_6 = 6820 <!--- Physikalisch ---> | Aggregatzustand = [[Festkörper|fest]] | Modifikationen = [[Kristall|kristallin]] und [[Amorphes Material|amorph]]<br />Hochdruckmodifikationen (kristallin) | Kristallstruktur = [[Trigonales Kristallsystem|trigonal]] | Dichte = 6,24 g/cm<sup>3</sup> | RefTempDichte_K = | Mohshärte = 2,25 | Magnetismus = unmagnetisch | Schmelzpunkt_K = 722,66 | Schmelzpunkt_C = 449,51 | Siedepunkt_K = 1261 | Siedepunkt_C = 988 | MolaresVolumen = 20,46 · 10<sup>−6</sup> | Verdampfungswärme = 48 | Schmelzwärme = 17,5 | Dampfdruck = | RefTempDampfdruck_K = | Schallgeschwindigkeit = 2610 | RefTempSchallgeschwindigkeit_K = 293,15 | SpezifischeWärmekapazität = <!--202--> | RefTempSpezifischeWärmekapazität_K = | ElektrischeLeitfähigkeit = 1 · 10<sup>4</sup> | RefTempElektrischeLeitfähigkeit_K = | Wärmeleitfähigkeit = 3 | RefTempWärmeleitfähigkeit_K = <!--- Chemisch ---> | Oxidationszustände = '''−2''', (±1), 2, '''4''', 6 | Oxide = [[Tellurdioxid|TeO<sub>2</sub>]], TeO<sub>3</sub> | Basizität = leicht [[Säure|sauer]] | Normalpotential = −10,74 [[Volt|V]] (Te + 2&nbsp;e<sup>−</sup> → Te<sup>2−</sup>) | Elektronegativität = 2,1 | Quelle GefStKz = <ref name="BGIA GESTIS">{{GESTIS|Name=Tellur |ZVG= |CAS=13494-80-9 |Datum=5. Dezember 2009}}.</ref> | Gefahrensymbole = {{Gefahrensymbole|Xn}} | R = {{R-Sätze|20|36/37}} | S = {{S-Sätze|26}} <!--- Isotope ---> | Isotope = {{Infobox Chemisches Element/Isotop | AnzahlZerfallstypen = 1 | Symbol = Te | Massenzahl = 120 | NH = 0,096 | Halbwertszeit = 2,2 · 10<sup>16</sup> [[Jahr|a]] | Zerfallstyp1ZM = [[Elektronen-Einfang|ε ε]] | Zerfallstyp1ZE = 1,701 | Zerfallstyp1ZP = [[Zinn|<sup>120</sup>Sn]] }} {{Vorlage:Infobox Chemisches Element/Isotop | AnzahlZerfallstypen = 1 | Symbol = Te | Massenzahl = 121 | NH = 0 | Halbwertszeit = 16,78 [[Tag|d]] | Zerfallstyp1ZM = [[Elektronen-Einfang|ε]] | Zerfallstyp1ZE = 1,040 | Zerfallstyp1ZP = [[Antimon|<sup>121</sup>Sb]] }} {{Vorlage:Infobox Chemisches Element/Isotop | AnzahlZerfallstypen = 2 | Symbol = Te | Massenzahl = 121[[Metastabiler Zustand|meta]] | NH = 0 | Halbwertszeit = 154 [[Tag|d]] | Zerfallstyp1ZM = [[Isomerie-Übergang|IT]] | Zerfallstyp1ZE = 0,294 | Zerfallstyp1ZP = <sup>121</sup>Te | Zerfallstyp2ZM = [[Elektronen-Einfang|ε]] | Zerfallstyp2ZE = 1,334 | Zerfallstyp2ZP = [[Antimon|<sup>121</sup>Sb]] }} {{Infobox Chemisches Element/Isotop | AnzahlZerfallstypen = 0 | Symbol = Te | Massenzahl = 122 | NH = 2,603 }} {{Infobox Chemisches Element/Isotop | AnzahlZerfallstypen = 1 | Symbol = Te | Massenzahl = 123 | NH = 0,908 | Halbwertszeit = >1 · 10<sup>13</sup> [[Jahr|a]] | Zerfallstyp1ZM = [[Elektronen-Einfang|ε]] | Zerfallstyp1ZE = 0,051 | Zerfallstyp1ZP = [[Antimon|<sup>123</sup>Sb]] }} {{Infobox Chemisches Element/Isotop | AnzahlZerfallstypen = 0 | Symbol = Te | Massenzahl = 124 | NH = 4,816 }} {{Infobox Chemisches Element/Isotop | AnzahlZerfallstypen = 0 | Symbol = Te | Massenzahl = 125 | NH = 7,139 }} {{Infobox Chemisches Element/Isotop | AnzahlZerfallstypen = 0 | Symbol = Te | Massenzahl = 126 | NH = 18,952 }} {{Infobox Chemisches Element/Isotop | AnzahlZerfallstypen = 1 | Symbol = Te | Massenzahl = 127 | NH = 0 | Halbwertszeit = 9,35 [[Stunde|h]] | Zerfallstyp1ZM = [[Betastrahlung|β<sup>−</sup>]] | Zerfallstyp1ZE = 0,698 | Zerfallstyp1ZP = [[Iod|<sup>127</sup>I]] }} {{Vorlage:Infobox Chemisches Element/Isotop | AnzahlZerfallstypen = 2 | Symbol = Te | Massenzahl = 127[[Metastabiler Zustand|meta]] | NH = 0 | Halbwertszeit = 109 [[Tag|d]] | Zerfallstyp1ZM = [[Isomerie-Übergang|IT]] | Zerfallstyp1ZE = 0,088 | Zerfallstyp1ZP = <sup>127</sup>Te | Zerfallstyp2ZM = [[Betastrahlung|β<sup>−</sup>]] | Zerfallstyp2ZE = 0,786 | Zerfallstyp2ZP = [[Iod|<sup>127</sup>I]] }} {{Infobox Chemisches Element/Isotop | AnzahlZerfallstypen = 1 | Symbol = Te | Massenzahl = 128 | NH = 31,687 | Halbwertszeit = 7,2 · 10<sup>24</sup> [[Jahr|a]] | Zerfallstyp1ZM = [[Betastrahlung|β<sup>−</sup>β<sup>−</sup>]] | Zerfallstyp1ZE = 0,867 | Zerfallstyp1ZP = [[Xenon|<sup>128</sup>Xe]] }} {{Infobox Chemisches Element/Isotop | AnzahlZerfallstypen = 1 | Symbol = Te | Massenzahl = 129 | NH = 0 | Halbwertszeit = 69,6 [[Minute|min]] | Zerfallstyp1ZM = [[Betastrahlung|β<sup>−</sup>]] | Zerfallstyp1ZE = 1,498 | Zerfallstyp1ZP = [[Iod|<sup>129</sup>I]] }} {{Vorlage:Infobox Chemisches Element/Isotop | AnzahlZerfallstypen = 2 | Symbol = Te | Massenzahl = 129[[Metastabiler Zustand|meta]] | NH = 0 | Halbwertszeit = 33,6 [[Tag|d]] | Zerfallstyp1ZM = [[Isomerie-Übergang|IT]] | Zerfallstyp1ZE = 0,106 | Zerfallstyp1ZP = <sup>129</sup>Te | Zerfallstyp2ZM = [[Betastrahlung|β<sup>−</sup>]] | Zerfallstyp2ZE = 1,604 | Zerfallstyp2ZP = [[Iod|<sup>129</sup>I]] }} {{Infobox Chemisches Element/Isotop | AnzahlZerfallstypen = 1 | Symbol = Te | Massenzahl = 130 | NH = '''33,799''' | Halbwertszeit = 7,9 · 10<sup>20</sup> [[Jahr|a]] | Zerfallstyp1ZM = [[Betastrahlung|β<sup>−</sup>β<sup>−</sup>]] | Zerfallstyp1ZE = 2,528 | Zerfallstyp1ZP = [[Xenon|<sup>130</sup>Xe]] }} | NMREigenschaften = {{Infobox_Chemisches_Element/NMR | Symbol = Te | Massenzahl_1 = 123 | Kernspin_1 = <sup>1</sup>/<sub>2</sub><ref name="Harris">[http://www.iupac.org/publications/pac/2001/pdf/7311x1795.pdf R. K. Harris, E. D. Becker, S. M. Cabral de Menezes, R. Goodfellow, P. Granger: ''NMR Nomenclature. Nuclear spin properties and conventions for chemical shifts (IUPAC Recommendations 2001).'' In: ''Pure Applied Chemistry.'' Bd. 73, Nr. 11, 2001, S.&nbsp;1795–1818.]</ref> | Gamma_1 = −7,059&nbsp;·&nbsp;10<sup>7</sup><ref name="Harris"/> | Empfindlichkeit_1 = | Larmorfrequenz_1 = | Massenzahl_2 = 125 | Kernspin_2 = <sup>1</sup>/<sub>2</sub><ref name="Harris"/> | Gamma_2 = −8,510&nbsp;·&nbsp;10<sup>7</sup><ref name="Harris"/> | Empfindlichkeit_2 = | Larmorfrequenz_2 = }} }} '''Tellur''' [{{IPA|tɛˈluːr}}] ([[Lateinische Sprache|lat.]] ''[[tellus]]'' „Erde“) ist ein seltenes [[chemisches Element]] mit dem Symbol Te und der [[Ordnungszahl]] 52 im [[Periodensystem|Periodensystem der Elemente]]. Seine Häufigkeit entspricht ungefähr der von [[Gold]], mit dem es auch verschiedene Verbindungen eingeht, die in der Natur als [[Mineral]]e auftreten. Es befindet sich in der [[Periode-5-Element|5. Periode]] des Periodensystems der Elemente und ist das vierte Element der 16. [[Gruppe des Periodensystems|Gruppe]] (beziehungsweise 6. [[Hauptgruppe]]) und ist somit ein [[Chalkogene|Chalkogen]] (Erzbildner). Kristallines Tellur ist ein silberweißes, metallisch glänzendes [[Halbmetalle|Halbmetall]], das im Aussehen [[Zinn]] und [[Antimon]] ähnelt. Es reagiert spröde auf mechanische Belastung und kann daher leicht pulverisiert werden. In [[Chemische Verbindung|chemischen Verbindungen]] mit [[Nichtmetalle]]n steht es in seinem Verhalten [[Schwefel]] und [[Selen]] nahe, in [[Legierung]]en und [[Intermetallische Verbindung|intermetallischen Verbindungen]] zeigt es jedoch sehr ausgeprägte (halb-)metallische Eigenschaften. == Geschichte == Tellur wurde 1782 von dem österreichischen Chemiker und Mineralogen [[Franz Joseph Müller von Reichenstein]] (1740–1825) bei Untersuchungen von [[Gold]]-[[Erz]]en aus der Grube Mariahilf bei [[Zlatna]] (dt. ''Klein Schlatten'', ung. ''Zalatna'') nahe [[Sibiu]] (dt. Hermannstadt, [[Siebenbürgen]], [[Rumänien]]) entdeckt, die eine geringere Goldausbeute als erwartet erbrachten. Er war durch die wissenschaftliche Abhandlung ''Nachricht vom gediegenen Spiesglaskönig in Siebenbürgen''<ref>I. von Born: ''Nachricht vom gediegenen Spiesglaskönig in Siebenbürgen''. In: ''Abhandlungen einer Privatgesellschaft in Böhmen''. Bd. 5, 1782, S. 382–386.</ref> von [[Ignaz von Born]] (1742–1791) auf die Erze aufmerksam geworden. (''Spiesglaskönig'' bezeichnet gediegenes [[Antimon]], ''Spiesglas'' ist eine alte Bezeichnung für das Mineral [[Antimonit]] (''Stibnit, Grauspießglanz'' Sb<sub>2</sub>S<sub>3</sub>)). Von Born hielt das [[gediegen]]e Metall in den Golderzen für Antimon und führte die geringe Ausbeute auf eine Verbindung des Goldes mit Antimon zurück. Müller von Reichenstein widersprach dieser Ansicht und hielt es zunächst für „''geschwefelten [[Bismut|Wismuth]]''“<ref>F. J. von Müller Reichenstein: ''Schreiben an Herrn Hofrath von Born. Über den vermeintlichen natürlichen Spiesglanzkönig''. In: ''Physikalische Arbeiten der einträchtigen Freunde in Wien''. 1. Quartal, 1783, S. 57–59.</ref>. Nach weiteren Untersuchungen, deren Ergebnisse er zwischen 1783 und 1785 in einer vierteiligen Abhandlung publizierte<ref>F. J. von Müller Reichenstein: ''Versuche mit dem in der Grube Mariahilf in dem Gebirge Fazeby bey Zalathna vorkommenden vermeinten gediegenen Spiesglanzkönig''. In: ''Physikalische Arbeiten der einträchtigen Freunde in Wien''. 1. Quartal, 1783, S. 63–69;<br />''Fortsetzung der Versuche mit dem in der Grube Mariahilf in dem Gebirge Fazeby bey Zalathna vorkommenden vermeinten gediegenen Spiesglanzkönig''. In: ''Physikalische Arbeiten der einträchtigen Freunde in Wien''. 2. Quartal, 1784, S. 49–53;<br />''Nachricht von den Golderzen aus Nagyag in Siebenbürgen''. In: ''Physikalische Arbeiten der einträchtigen Freunde in Wien''. 2. Quartal, 1784, S. 85–87;<br />''Fortsetzung der Versuche mit dem in der Grube Mariahilf in dem Gebirge Fazeby bey Zalathna vorkommenden vermeinten gediegenen Spiesglanzkönig''. In: ''Physikalische Arbeiten der einträchtigen Freunde in Wien''. 3. Quartal, 1785, S. 344–352.</ref>, schloss er jedoch auch Bismut aus, da das Metall, im Gegensatz zu Antimon und Bismut, praktisch nicht mit [[Schwefelsäure]] reagierte. Er verlieh der metallischen Phase den Namen ''metallum problematicum'' (auch ''aurum problematicum'' beziehungsweise ''aurum paradoxum''). Nach heutiger Erkenntnis besteht es neben gediegenem Tellur aus den [[Mineral]]en [[Nagyágit]] (''Blättererz'', AuPb(Pb,Sb,Bi)Te<sub>2–3</sub>S<sub>6</sub>) und [[Sylvanit]] (''Schrifttellur'', (Au,Ag)Te<sub>2</sub>). Müller von Reichenstein vermutete, dass ''metallum problematicum'' „...vielleicht ein neues bisher noch nicht gekanntes Halbmetall seye?“, wollte seine Befunde jedoch erst von dem schwedischen Mineralogen und Chemiker [[Torben Olof Bergman]] (1735–1784) bestätigen lassen. Im Jahr 1783 schickte er Proben des Erzes zur Begutachtung an Bergman, jedoch verstarb dieser 1784 und die Untersuchungen an ''metallum problematicum'' wurden 1785 vorerst eingestellt. [[Datei:Martin Heinrich Klaproth.jpg|thumb|left|125px|Martin Heinrich Klaproth]] Erst zwölf Jahre später, im Jahr 1797, erhielt [[Martin Heinrich Klaproth]] (1743–1817) in Berlin Proben der Erze von Müller von Reichenstein. Klaproth bekräftigte die Schlussfolgerungen aus Müller von Reichensteins Untersuchungen und sah genügend Hinweise für die Entdeckung eines neuen Elements. Im Januar 1798 würdigte Klaproth die Verdienste Müller von Reichensteins in einem Vortrag und schrieb ihm die Entdeckung des neuen Elements zu. Da Müller von Reichenstein dem Element keinen Namen gegeben hatte, entschied sich Klaproth für den Namen ''Tellur'' (lat. ''tellus'': „Erde“): „Zur Ausfüllung dieser bisherigen Lücke in der chemischen Mineralogie lege ich hier meine mit diesen kostbaren Erzen angestellten Versuche und Erfahrungen dar, deren Hauptresultat in der Auffindung und Bestätigung eines ''neuen eigenthümlichen Metalls'' besteht, welchem ich den von der alten Mutter ''Erde'' entlehnten Nahmen ''Tellurium'' beylege“<ref>M. H. Klaproth: ''Chemische Untersuchung der Siebenbürgischen Golderze''. In: ''Sammlung der deutschen Abhandlungen, welche in der Königlichen Akademie der Wissenschaften zu Berlin vorgelesen worden in den Jahren 1789–1800''. 1803, S. 15.</ref>. Die originalen Handstücke des Probenmaterials von Klaproth befinden sich heute im [[Museum für Naturkunde (Berlin)|Museum für Naturkunde]] in Berlin. Unabhängig von Müller von Reichenstein und Klaproth entdeckte 1789 der ungarische Chemiker und Botaniker [[Paul Kitaibel]] (1757–1817) das Tellur bei Untersuchungen von Golderzen aus dem Bergbauort [[Nagybörzsöny]] (Deutsch-Pilsen) in [[Ungarn]]. Klaproth erwähnte in seinem veröffentlichten Vortrag jedoch nur Müller von Reichenstein, obwohl er seit 1796 durch ein Manuskript Kitaibels auch Kenntnis von seinen Untersuchungen hatte. In einem Brief an Kitaibel erklärte Klaproth, der Inhalt des Manuskripts sei ihm entfallen und er habe bei den Untersuchungen der Erze Müller von Reichensteins keinen Zusammenhang mit seiner Arbeit gesehen. Klaproth überzeugte Kitaibel schließlich, dass die Entdeckung des Tellurs allein Müller von Reichenstein zugeschrieben werden sollte, da dieser bereits einige Jahre früher dieselben Beobachtungen an dem neuen Element machte. Das Elementsymbol ''Te'' wurde 1814 von [[Jöns Jakob Berzelius]] (1779–1848) vorgeschlagen und wird bis heute verwendet. Die erste [[Kristallstrukturanalyse|Strukturaufklärung]] von kristallinem Tellur mit Hilfe der [[Röntgenbeugung]] erfolgte 1924.<ref>A. J. Bradley: ''The crystal structure of tellurium''. In: ''Philosophical Magazine''. Serie 6, Nr. 48, 1924, S. 477–496.</ref> == Vorkommen == [[Datei:Tellurium.jpg|thumb|left|Gediegen Tellur auf Quarz ([[Moctezuma (Sonora)]], Mexiko)]] Tellur ist ein selten vorkommendes Element; sein Anteil an der [[Erdkruste]] beträgt ca. 0,01 [[Parts per million|ppm]] ([[Gramm|g]]/[[Tonne (Einheit)|t]]). Mit [[Gold]], untergeordnet auch mit [[Silber]], [[Kupfer]], [[Blei]] und [[Bismut]] sowie den Platinmetallen kommt es selten [[gediegen]], also in elementarer Form in der Natur, vor. Gediegenes Tellur gehört als [[Mineral]] zur Gruppe der Elemente, genauer der Halb- und Nichtmetalle und wird in der [[Systematik der Minerale]] nach [[Karl Hugo Strunz|Strunz]] unter der Nummer I/B.03-40 beziehungsweise 1.3.4.2 nach [[James Dwight Dana|Dana]] geführt. Spuren bis hin zu größeren Mengen an [[Selen]] können in gediegenem Tellur enthalten sein (''Selentellur''). Obwohl es sich bei Tellur um ein seltenes Element handelt, ist eine relativ große Anzahl von Mineralen bekannt, denn Tellur bildet eigene Minerale, weil es nur selten in [[Sulfide]]n oder [[Selenide]]n beziehungsweise [[Sulfate]]n oder [[Selenate]]n eingebaut wird; für diese Kristallgitter der leichteren [[Homologe]]n ist es zu groß. Umgekehrt dagegen vertreten die beiden leichteren Homologen häufiger das Tellur auf seinen Gitterplätzen in Kristallstrukturen tellurhaltiger Minerale. Tellur zeigt von allen Elementen die höchste [[Affinität (Chemie)|Affinität]] zu Gold und findet sich daher in der Natur häufig in Form von Gold-Telluriden, Mineralen mit [[Telluride|Tellurid]]- (Te<sup>2−</sup>) beziehungsweise Ditellurid-[[Anion]]en (Te<sub>2</sup><sup>2−</sup>). Neben Gold und anderen [[Edelmetalle]]n bilden vor allem Blei und Bismut weitere natürliche Telluride, oft begleitend ([[Paragenese]]n) zu den gediegenen Metallen und Gold-Erzen. Seltener sind Minerale mit Te<sup>4+</sup>-[[Kationen]] (Tellur-[[Oxide]] und [[Tellurate|Oxotellurate(IV)]]) in der Kristallstruktur. Im Jahr 2007 sind insgesamt 155 tellurhaltige Minerale bekannt, von denen 132 durch die [[International Mineralogical Association]] (IMA) als eigenständige Minerale anerkannt sind.<ref>[http://www.geo.vu.nl/users/ima-cnmmn/MINERALlist.pdf Mineralliste der International Mineralogical Association (IMA), 2007.]</ref> Eine Auswahl bekannter Minerale ist in der Tabelle angegeben. <br /> <br /> {| | valign="top" width="30%" | {| class="prettytable" |+ Telluride (Te<sup>2−</sup>) |- class="hintergrundfarbe5" ! style="width:40%;" | Mineralname ! style="width:60%;" | Chemische&nbsp;Formel |- || [[Hessit]] || Ag<sub>2</sub>Te |- || [[Petzit]] || Ag<sub>3</sub>AuTe<sub>2</sub> |- || [[Tellurbismutit]] || Bi<sub>2</sub>Te<sub>3</sub> |- || [[Weissit]] || Cu<sub>2</sub>Te |- || [[Altait]] || PbTe |- || [[Coloradoit]] || HgTe |- |} | valign="top" | {| class="prettytable" |+ Ditelluride (Te<sub>2</sup><sup>2−</sup>) |- class="hintergrundfarbe5" ! style="width:40%;" | Mineralname ! style="width:60%;" | Chemische&nbsp;Formel |- || [[Calaverit]] || AuTe<sub>2</sub>&nbsp;([[Monoklines Kristallsystem|monoklin]]) |- || [[Krennerit]] (''Weißtellur'') || AuTe<sub>2</sub>&nbsp;([[Orthorhombisches Kristallsystem|orthorhombisch]]) |- || [[Sylvanit]] (''Schrifttellur'') || (Au,Ag)Te<sub>2</sub> |- || [[Kostovit]] || CuAuTe<sub>4</sub> |- || [[Frohbergit]] || FeTe<sub>2</sub> |- || [[Melonit]] || NiTe<sub>2</sub> |- |} |} <br /> {| | valign="top" width="30%" | {| class="prettytable" |+ Gemischte [[Chalkogenide]] |- class="hintergrundfarbe5" ! style="width:40%;" | Mineralname ! style="width:60%;" | Chemische&nbsp;Formel |- || [[Nagyágit]]&nbsp;(''Blättererz'') || AuPb(Pb,Sb,Bi)Te<sub>2–3</sub>S<sub>6</sub> |- || [[Tetradymit]] || Bi<sub>2</sub>Te<sub>2</sub>S |- || [[Joseit]] || Bi<sub>4</sub>(Te,Se,S)<sub>3</sub> |- || [[Kawazulit]] || Bi<sub>2</sub>(Te,Se,S)<sub>3</sub> |- || [[Ingodit]] || Bi(S,Te) |- || [[Aleksit]] || PbBi<sub>2</sub>Te<sub>2</sub>S<sub>2</sub> |- |} | valign="top" | {| class="prettytable" |+ Minerale mit Te<sup>4+</sup>-[[Kation]]en |- class="hintergrundfarbe5" ! style="width:40%;" | Mineralname ! style="width:60%;" | Chemische&nbsp; Formel |- || [[Tellurdioxid|Tellurit]] || TeO<sub>2</sub>&nbsp;([[Orthorhombisches Kristallsystem|orthorhombisch]]) |- || [[Tellurdioxid|Paratellurit]] || TeO<sub>2</sub>&nbsp;([[Tetragonales Kristallsystem|tetragonal]]) |- || [[Zemannit]] || Mg<sub>0,5</sub>ZnFe<sup>3+</sup>[TeO<sub>3</sub>]<sub>3</sub>&nbsp;•&nbsp;4,5&nbsp;H<sub>2</sub>O |- || [[Emmonsit]] || Fe<sub>2</sub>[TeO<sub>3</sub>]<sub>3</sub>&nbsp;•&nbsp;2 H<sub>2</sub>O |- || [[Moctezumit]] || Pb(UO<sub>2</sub>)[TeO<sub>3</sub>]<sub>2</sub> |- || [[Denningit]] || (Mn,Ca,Zn)[Te<sub>2</sub>O<sub>5</sub>] |- |} |} Minerale mit Te<sup>6+</sup>-Kationen sind äußerst selten, es sind 21 Minerale bekannt, die größtenteils Kupfer und Blei enthalten. Neben den genannten Mineralen existieren in der Natur sogar [[Wertigkeit (Chemie)|gemischtvalente]] Tellurminerale, darunter das [[Calcium]]-[[Tellurate|Oxotellurat(IV,VI)]] [[Carlfriesit]] CaTe<sub>3</sub>O<sub>8</sub> mit einem Te<sup>4+</sup>:Te<sup>6+</sup>-Verhältnis von 2:1.<ref>S. A. Williams, R. V. Gaines: ''Carlfriesite, H<sub>4</sub>Ca(TeO<sub>3</sub>)<sub>3</sub>, a new mineral from Moctezuma, Sonora, Mexico''. In: ''Mineralogical Magazine''. Nr. 40, 1975, S. 127-130.</ref><sup>,</sup><ref>H. Effenberger, J. Zemann, H. Mayer: ''Carlfriesite: crystal structure, revision of chemical formula, and synthesis''. In: ''American Mineralogist''. Nr. 63, 1978, S. 847-852.</ref> <gallery> Datei:Zemannite-77637.jpg|[[Zemannit]] Mg<sub>0,5</sub>ZnFe[TeO<sub>3</sub>]<sub>3</sub>•4,5&nbsp;H<sub>2</sub>O Datei:Altaite in rock Lead Telluride Hilltop Mine Organ Mountains Dona Ana County New Mexico 2261.jpg|[[Altait]] PbTe Datei:Mineraly.sk - tetradymit.jpg|[[Tetradymit]] Bi<sub>2</sub>Te<sub>2</sub>S </gallery> Tellurhaltige Minerale sind für die technische Gewinnung von Tellur ohne Bedeutung, da sie zu selten vorkommen und praktisch keine abbauwürdigen [[Lagerstätte]]n existieren. Zu den bekannten Fundorten von gediegenem Tellur beziehungsweise tellurhaltiger Minerale zählen neben der [[Typlokalität]] [[Zlatna]] (Siebenbürgen, Rumänien) auch [[Moctezuma (Sonora)|Moctezuma]] (Mexiko), [[Cripple Creek]] (Colorado), [[Kalgoorlie-Boulder|Kalgoorlie]] (Australien) und [[Calaveras County|Calaveras]] (Kalifornien). == Gewinnung und Darstellung == Tellur wird zusammen mit [[Selen]] industriell ausschließlich aus Nebenprodukten der großtechnischen [[Elektrolyse|elektrolytischen]] [[Kupfer]]- und [[Nickel]]-Herstellung gewonnen. In den anfallenden [[Anodenschlamm|Anodenschlämmen]] sind wasserunlösliche [[Edelmetall]]-Telluride und -Selenide der allgemeinen Formel M<sub>2</sub>Ch&nbsp;(M&nbsp;=&nbsp;Cu,&nbsp;Ag,&nbsp;Au;&nbsp;Ch&nbsp;=&nbsp;Se,&nbsp;Te) enthalten, die bei Temperaturen oberhalb 500&nbsp;°C unter Luftsauerstoff (O<sub>2</sub>) mit Soda ([[Natriumcarbonat]] Na<sub>2</sub>CO<sub>3</sub>) zur Reaktion gebracht werden. Die Edelmetall-Kationen werden dabei zu elementaren Metallen [[Reduktion (Chemie)|reduziert]], die Tellurid-Anionen zu [[Tellurate|Oxotelluraten(IV)]] (TeO<sub>3</sub><sup>2−</sup>) [[Oxidation|oxidiert]]: :<math>\mathrm{Cu_2Te\ +\ O_2\ +\ Na_2CO_3\ \longrightarrow\ Na_2TeO_3 +\ 2\ Cu\ + CO_2 \uparrow}</math> Alternativ kann diese Umsetzung auch mit Salpeter ([[Natriumnitrat]] NaNO<sub>3</sub>) unter Luftausschluss und Bildung von [[Stickoxide]]n (NO und NO<sub>2</sub>) erfolgen: :<math>\mathrm{Cu_2Te\ +\ 2\ NaNO_3\ \longrightarrow\ Na_2TeO_3 +\ 2\ Cu\ +\ NO_2 \uparrow\ +\ NO \uparrow}</math> Das entstandene Natriumtellurat(IV) Na<sub>2</sub>TeO<sub>3</sub> wird anschließend in Wasser gelöst, wo es [[Basen (Chemie)|basisch]] reagiert und Hydrogentellurat(IV)-Ionen HTeO<sub>3</sub><sup>−</sup> bildet. Die Abtrennung der Tellurate(IV) von den ebenfalls entstandenen Selenaten(IV) in der basischen Lösung erfolgt durch [[Neutralisation (Chemie)|Neutralisation]] unter Zugabe von [[Schwefelsäure]] (H<sub>2</sub>SO<sub>4</sub>), wodurch in Wasser nahezu unlösliches [[Tellurdioxid]] TeO<sub>2</sub> ausfällt: :<math>\mathrm{HTeO_3^- +\ OH^-\ +\ H_2SO_4\ \longrightarrow\ TeO_2 \downarrow\ +\ SO_4^{2-}\ +\ 2\ H_2O}</math> Das Tellurdioxid kann entweder in [[Basen (Chemie)|Laugen]] durch [[Elektrolyse]] oder auf chemischem Weg durch Lösung in konzentrierten [[Mineralsäuren]] und Einleitung von [[Schwefeldioxid]] SO<sub>2</sub> zu elementarem Tellur reduziert werden, wobei der Schwefel aus den SO<sub>2</sub>-Molekülen (bzw. den daraus in der Lösung gebildeten [[Sulfit]]-Ionen SO<sub>3</sub><sup>2−</sup>) oxidiert wird und [[Sulfat]]-Ionen (SO<sub>4</sub><sup>2−</sup>) entstehen: :<math>\mathrm{TeO_2 +\ 2\ SO_2\ +\ 2\ H_2O\ \longrightarrow\ Te\ +\ 2\ SO_4^{2-}\ +\ 4\ H^{+}}</math> Zur Gewinnung von hochreinem Tellur (> 99,9 %) wird das [[Zonenschmelzverfahren]] angewendet. Die Weltjahresproduktion betrug im Jahr 2005 134&nbsp;[[Tonne (Einheit)|Tonnen]]. Zu den Produzenten zählen die [[Vereinigte Staaten|USA]] (50&nbsp;t), [[Peru]] (33&nbsp;t), [[Kanada]] (28&nbsp;t) und [[Japan]] (23&nbsp;t). Weitere [[Industrienation]]en, wie [[Deutschland]] und [[Russland]], produzieren wahrscheinlich ebenfalls Tellur, es liegen jedoch keine Zahlen vor.<ref>British Geological Survey: ''World mineral production 2001-05''. 2007, S. 78.</ref> == Modifikationen == === Kristallines Tellur === {| width="15%" class="prettytable float-left" |- class="hintergrundfarbe5" ! colspan="2" | Kristallographische Daten<ref>C. Ardenis, V. Langer, O. Lindqvist: ''Reinvestigation of the Structure of Tellurium.'' Acta Crystallographica, C 45, 1989, S. 941–942.</ref> |- | colspan="2" align="center" | [[Datei:Tellurium_crystal.jpg|200px|Kristallines Tellur]]<br /><small>Tellur-Kristall, Länge ca. 2 cm</small> |- | [[Kristallsystem]] || align="center" | [[Trigonales Kristallsystem|trigonal]] |- | [[Raumgruppe]] || align="center" | ''P''3<sub>1</sub>21<br />(''P''3<sub>2</sub>21) |- | [[Gitterparameter]]<br />([[Elementarzelle]]) || align="center" | ''a''&nbsp;=&nbsp;(''b'')&nbsp;=&nbsp;446&nbsp;[[Picometer|pm]]<br />''c''&nbsp;=&nbsp;592&nbsp;pm<br />''c''/''a''&nbsp;=&nbsp;1,33 |- | Zahl (Z) der [[Formeleinheit]]en || align="center" | Z&nbsp;=&nbsp;3 |- |} [[Datei:Te_chains.png|thumb|Spiralförmige Kette aus Telluratomen entlang der 3<sub>1</sub>-Schraubenachse. Jedes dritte Atom ist deckungsgleich (blau hervorgehoben).]] [[Datei:Te_struct_c.png|thumb|Blick auf die Ketten entlang der c-Achse.]] [[Datei:Te_struct.png|thumb|Kristallstruktur von Tellur mit verzerrt [[Oktaeder|oktaedrischer]] (2+4) Koordinationsumgebung (gelb) eines Telluratoms aus 2 Atomen innerhalb der Kette und 4 aus benachbarten Ketten.]] Bei [[Standardbedingungen]] ist von Tellur nur eine [[Kristall|kristalline]] [[Polymorphie (Materialwissenschaft)|Modifikation]] (Te-I oder α-Te) bekannt, die als ''kristallines'' oder ''metallisches'' Tellur bezeichnet wird. Es ist [[isotyp]] zu α-[[Selen]], das heißt es hat die gleiche [[Kristallstruktur]]. Tellur kristallisiert im [[Trigonales Kristallsystem|trigonalen Kristallsystem]] in der [[Raumgruppe]] ''P''3<sub>1</sub>21 mit den [[Gitterparameter]]n ''a''&nbsp;=&nbsp;446&nbsp;[[Picometer|pm]] und ''c''&nbsp;=&nbsp;592&nbsp;pm und drei [[Formeleinheit]]en in der [[Elementarzelle]] (kleinste Baueinheit der Kristallstruktur). Die nach der [[Hermann-Mauguin-Symbol]]ik beschriebene Raumgruppe ''P''3<sub>1</sub>21 erläutert die Zentrierung der Elementarzelle sowie die vorhandenen Symmetrieelemente. ''P'' bedeutet, dass das [[Bravais-Gitter]] ''primitiv'' ist, die Atome können sich nur auf den Ecken der Elementarzelle und nicht im Zentrum oder in den Flächen- oder Kantenmitten befinden. Auf die Angabe der Zentrierung folgen die vorhandenen Symmetrieelemente der Raumgruppe: 3<sub>1</sub> beschreibt eine dreizählige Schraubenachse (Vervielfältigung eines Teilchens durch Drehung um 120° und Verschiebung ([[Parallelverschiebung|Translation]]) um <sup>1</sup>/<sub>3</sub> in Richtung der Drehachse) parallel zur kristallographischen c-Achse ([001]), 2 beschreibt eine zweizählige Drehachse (Vervielfältigung durch Drehung um 180°) parallel zu den drei kristallographischen a-Achsen ([100]), 1 das Symmetrieelement der einzähligen Symmetrieachse oder [[Identische Abbildung|Identität]] (Vervielfältigung durch Drehung um 360°, das Teilchen bildet sich also auf sich selbst ab) in Richtung der Winkelhalbierenden der a-Achsen ([210]). Die Kristallstruktur enthält nur ein [[Kristallographie|kristallographisch]] unterscheidbares Telluratom mit den Lagekoordinaten x&nbsp;=&nbsp;0,2636, y&nbsp;=&nbsp;0 und z&nbsp;=&nbsp;<sup>1</sup>/<sub>3</sub>. Alle weiteren Atome der Kristallstruktur können durch die vorhandenen Symmetrieelemente der Raumgruppe auf dieses eine Atom zurückgeführt werden. Da das Telluratom in seiner Lage mit der zweizähligen Symmetrieachse der Raumgruppe (''P''3<sub>1</sub><u>2</u>1) zusammenfällt, wird es ausschließlich durch die dreizählige Schraubenachse (3<sub>1</sub>) vervielfältigt. Dadurch entstehen spiralförmige Ketten aus [[Atombindung|kovalent]] gebundenen Telluratomen parallel zur c-Achse. Die Telluratome sind innerhalb der Kette 284 pm voneinander entfernt, der Bindungswinkel beträgt 103,1°. Die Bindungen innerhalb der Kette sind in den Abbildungen rot hervorgehoben, jeweils eine Kette ist zur Verdeutlichung blau dargestellt, wobei sich das dunkelblaue Atom auf z = <sup>1</sup>/<sub>3</sub>, das mittelblaue auf z = <sup>2</sup>/<sub>3</sub> und das hellblaue auf z = 1 beziehungsweise z = 0 befindet. Jedes dritte Atom innerhalb der Kette ist also deckungsgleich. Jede Kette wird von sechs weiteren Ketten umgeben. Zwischen den Ketten existieren [[Van-der-Waals-Bindung]]en mit Te-Te-Abständen von 349 pm (grün gestrichelt), die durch die Unterschreitung des [[Van-der-Waals-Radius]] (2&nbsp;·&nbsp;206&nbsp;pm&nbsp;=&nbsp;412&nbsp;pm) der Telluratome zustande kommen. Für ein einzelnes Telluratom ergibt sich dabei eine [[Koordinationszahl]] von 6, genauer 2+4, da 2 Atome aus der gleichen Kette stammen und damit einen geringeren Abstand als die weiteren 4 aus Nachbarketten aufweisen. Als [[Koordinationspolyeder]] ergibt sich damit ein verzerrtes [[Oktaeder]] (gelb hervorgehoben). Tellur kann auch in der Raumgruppe ''P''3<sub>2</sub>21 statt ''P''3<sub>1</sub>21 kristallisieren. Die 3<sub>2</sub>-Schraubenachse vervielfältigt ein Atom ebenfalls durch Drehung um 120°, anschließend wird es jedoch um <sup>2</sup>/<sub>3</sub> statt <sup>1</sup>/<sub>3</sub> in Richtung der Drehachse verschoben. Dadurch entstehen ebenfalls spiralförmige Ketten, die sich jedoch im Uhrzeigersinn statt im Gegenuhrzeigersinn (bei der 3<sub>1</sub>-Schraubenachse) entlang der c-Achse winden. Die Kristallstruktur in der Raumgruppe ''P''3<sub>2</sub>21 („Linksform“) ist somit das Spiegelbild der Struktur in der Raumgruppe ''P''3<sub>1</sub>21 („Rechtsform“). Das Auftreten von spiegelbildlichen Kristallformen wird in der [[Kristallographie]] als [[Chiralität (Chemie)|Enantiomorphie]] bezeichnet. Das Kristallsystem von Tellur wird oft als [[Hexagonales Kristallsystem|hexagonal]] angegeben. Dem hexagonalen und trigonalen [[Kristallsystem]] liegt die gleiche Elementarzelle zugrunde, jedoch würde eine hexagonale Symmetrie das Vorhandensein einer sechszähligen Symmetrieachse (6, Vervielfältigung eines Teilchens durch Drehung um 60°) voraussetzen. Die Kristallstruktur von Tellur beinhaltet jedoch nur die dreizählige Schraubenachse (3<sub>1</sub>) und gehört damit zweifelsfrei in das niedriger symmetrische [[Trigonales Kristallsystem|trigonale Kristallsystem]]. In Hochdruckexperimenten mit kristallinem Tellur (Te-I oder α-Tellur) wurden weitere Modifikationen entdeckt. Die angegebenen Druckbereiche für die Stabilität der Modifikationen variieren zum Teil in der Literatur: * Te-II kristallisiert im [[Monoklines Kristallsystem|monoklinen Kristallsystem]] im Druckbereich von 4 bis 6,6 [[Pascal (Einheit)|GPa]]. Als mögliche [[Raumgruppe]]n werden in der Literatur <math>C2/m\ </math> und <math>P2_1\ </math> genannt. * Te-III kristallisiert im [[Orthorhombisches Kristallsystem|orthorhombischen Kristallsystem]] und ist im Druckbereich oberhalb 6,6 GPa stabil. Für eine orthorhombische Modifikation existiert ein theoretische Berechnung in der Raumgruppe <math>Imma\ </math>. * Te-IV kristallisiert im [[Trigonales Kristallsystem|trigonalen Kristallsystem]] in der Raumgruppe <math>R\bar3m</math> und entspricht der Struktur des β-[[Polonium]]s. Es ist im Druckbereich von 10,6 bis 27 GPa stabil. Die Abstände der Telluratome innerhalb der Ketten und zu benachbarten Ketten sind in dieser Modifikation gleich und betragen jeweils 300 pm, wodurch die höhere Symmetrie verglichen mit α-Te zustande kommt. * Te-V ist oberhalb von 27 GPa stabil. Für diese Modifikation wird ein [[Kubisches Gitter#Kubisch-Raumzentriertes Gitter (Wolfram-Typ)|kubisch-raumzentriertes]] Gitter (Raumgruppe <math>Im\bar3m</math>) angenommen. === Amorphes Tellur === Die unbeständige [[Amorphes Material|amorphe]] Modifikation ist ein braunes Pulver und kann aus telluriger Säure (H<sub>2</sub>TeO<sub>3</sub>) durch Reaktion mit [[Schweflige Säure|schwefliger Säure]] (H<sub>2</sub>SO<sub>3</sub>) beziehungsweise [[Sulfit]]-Ionen (SO<sub>3</sub><sup>2−</sup>) dargestellt werden. Die Sulfit-Ionen werden dabei zu [[Sulfat]]-Ionen (SO<sub>4</sub><sup>2−</sup>) [[Oxidation|oxidiert]] während die Te<sup>4+</sup>-Kationen zu elementarem Tellur [[Reduktion (Chemie)|reduziert]] werden: :<math>\mathrm{H_2TeO_3\ +\ 2\ SO_3^{2-} \longrightarrow\ Te \downarrow\ +\ 2\ SO_4^{2-}\ +\ H_2O}</math> Amorphes Tellur wandelt sich unter [[Standardbedingungen]] langsam in die kristalline Modifikation um. == Eigenschaften == === Physikalische Eigenschaften === Kristallines Tellur ist ein [[Intrinsische Leitfähigkeit|intrinsischer]] direkter [[Halbleiter]] mit einer [[Bandlücke]] von 0,334&nbsp;[[Elektronenvolt|eV]]. Die [[elektrische Leitfähigkeit]] lässt sich wie bei allen Halbleitern durch Temperaturerhöhung oder Belichtung steigern, dies führt bei Tellur jedoch nur zu einem geringen Anstieg. Die elektrische Leitfähigkeit und [[Wärmeleitfähigkeit]] verhält sich bei Tellur richtungsabhängig, das heißt [[anisotrop]]. Kristallines Tellur ist ein weiches ([[Härte|Mohshärte]] 2,25) und sprödes Material, das sich leicht zu Pulver verarbeiten lässt. Durch Druckerhöhung wandelt sich Tellur in weitere kristalline Modifikationen um. Oberhalb von 450&nbsp;°C geht Tellur in eine rote Schmelze über, bei Temperaturen über 990&nbsp;°C liegt Tellur als gelbes [[Diamagnetismus|diamagnetisches]] Gas aus Te<sub>2</sub>-[[Molekül]]en vor. Bei Temperaturen über 2000&nbsp;°C zerfallen die Te<sub>2</sub>-Moleküle in einzelne [[Atom]]e. === Chemische Eigenschaften === Kristallines Tellur ist unlöslich in Wasser und schlecht löslich in den [[Mineralsäuren]] [[Salzsäure]] und [[Schwefelsäure]] sowie in [[Alkalische Lösung|Laugen]]. Gut löslich ist es hingegen in [[Salpetersäure]], da diese ein sehr starkes [[Oxidationsmittel]] ist und elementares Tellur zu [[Tellurate]]n mit der stabilen [[Oxidation]]sstufe +IV oxidiert. Tellurschmelzen greifen Kupfer, Eisen und rostfreien Edelstahl an. In Verbindungen mit [[Nichtmetalle]]n verhält sich Tellur wie das leichtere Gruppenmitglied [[Selen]]. An Luft verbrennt es in einer grün gesäumten, blauen Flamme zu [[Tellurdioxid]] TeO<sub>2</sub>: :<math>\mathrm{Te\ +\ O_2 \longrightarrow\ TeO_2}</math> Tellur reagiert spontan mit [[Halogene]]n unter Bildung von [[Tellur#Halogenverbindungen|Tellurhalogeniden]]. Bemerkenswert ist hierbei, dass Tellur im Gegensatz zu den leichteren [[Homologe Reihe|Homologen]] Selen und Schwefel auch thermodynamisch stabile [[Iodide]] bildet, darunter Telluriodid TeI mit der Oxidationsstufe +I. Mit unedlen Metallen wie zum Beispiel [[Zink]] reagiert es heftig zu den entsprechenden Telluriden. == Isotope == Von Tellur sind [[Isotop]]e mit [[Massenzahl]]en zwischen 105 und 142 bekannt.<ref>[http://www.nndc.bnl.gov/amdc/nubase/Nubase2003.pdf G. Audia, O. Bersillonb, J. Blachotb, A.H. Wapstrac: "The NUBASE evaluation of nuclear and decay properties", in: ''[[Nuclear Physics]]'', Bd. A 729, 2003, S. 3–128].</ref> Natürliches Tellur ist ein [[Mischelement]], das aus acht Isotopen besteht, von denen vier (<sup>122</sup>Te, <sup>124</sup>Te, <sup>125</sup>Te, <sup>126</sup>Te) vollkommen stabil sind. Das instabile Isotop <sup>123</sup>Te zerfällt unter [[Elektroneneinfang]] und Aussendung von [[Röntgenstrahlung]] zu <sup>123</sup>[[Antimon|Sb]]. Das Isotop <sup>120</sup>Te geht über den [[Elektroneneinfang|doppelten Elektroneneinfang]] direkt in <sup>120</sup>[[Zinn|Sn]] über. Die Isotope <sup>128</sup>Te und <sup>130</sup>Te wandeln sich durch [[Emission (Physik)|Emission]] von [[Betastrahlung]] ([[Doppelter Betazerfall]]) in <sup>128</sup>[[Xenon|Xe]] beziehungsweise <sup>130</sup>Xe um. Bei allen vier natürlichen instabilen Isotopen ist die Aktivität jedoch so schwach, dass man sie für den Alltagsgebrauch völlig vernachlässigen kann. 1 Kilogramm Tellur (natürliches Isotopengemisch) hat eine [[Radioaktivität]] von nur 95 [[Becquerel (Einheit)|Becquerel]]. Und 99,995 % von der Gesamtstrahlung des natürlichen Isotopengemisch werden allein durch das Isotop <sup>123</sup>Te verursacht. Ohne das Isotop <sup>123</sup>Te läge die Aktivität von Tellur sogar bei nur 5 Becquerel pro Tonne. Den größten Anteil an natürlichem Tellur bildet zu ungefähr einem Drittel das Isotop <sup>130</sup>Te mit einer [[Halbwertszeit]] von 7,9&nbsp;·&nbsp;10<sup>20</sup> Jahren, gefolgt vom Isotop <sup>128</sup>Te. Die durchschnittliche [[Atommasse]] der natürlichen Tellur-Isotope beträgt daher 127,60 und ist damit größer als die des im Periodensystem folgenden [[Reinelement]]s [[Iod]] mit 126,90. <sup>128</sup>Te gilt als das Isotop mit dem langsamsten Zerfall aller nichtstabilen Isotope sämtlicher Elemente. Der äußerst langsame Zerfall mit einer Halbwertszeit von 7,2&nbsp;·&nbsp;10<sup>24</sup>&nbsp;Jahren<ref name="Karlsruher Nuklidkarte">''Karlsruher Nuklidkarte'', korrigierte 6. Aufl., 1998.</ref> konnte nur aufgrund der Detektion des Zerfallsproduktes (<sup>128</sup>Xe) in sehr alten Proben natürlichen Tellurs festgestellt werden.<ref>''http://presolar.wustl.edu/work/noblegas.html''.</ref> Von den übrigen Isotopen hat das [[Kernisomer]] <sup>121m</sup>Te mit 154 Tagen die längste [[Halbwertzeit]]. Auch bei den Isotopen <sup>127</sup>Te und <sup>129</sup>Te liegen die Halbwertszeiten der Isomere über denen des Grundzustands. Als [[Tracer (Nuklearmedizin)|Tracer]] wird am häufigsten das Isotop <sup>127</sup>Te verwendet, gefolgt von <sup>121</sup>Te. Die Isotope <sup>127</sup>Te und <sup>129</sup>Te treten auch als [[Spaltprodukt]]e bei der [[Kernspaltung]] in [[Atomreaktor]]en auf. ''→ Siehe auch: [[Liste der Isotope/5. Periode#52 Tellur|Liste der Tellur-Isotope]]'' == Verwendung == Tellur ist ein technisch weniger bedeutendes Element, da es teuer in der Herstellung ist und in der Verwendung häufig durch andere Elemente beziehungsweise Verbindungen ersetzt werden kann. Elementares Tellur wird in der Metallindustrie unter anderem als Zusatz (<&nbsp;1 %) für [[Stahl]], [[Gusseisen]], [[Kupfer]]- und [[Blei]]-[[Legierung]]en sowie in rostfreien Edelstählen verwendet. Es fördert die Korrosionsbeständigkeit und verbessert die mechanischen Eigenschaften sowie die Bearbeitbarkeit. Als [[Halbleiter]] wird reines Tellur nur wenig eingesetzt, meist wird Tellur in [[II-VI-Verbindungshalbleiter]]n verwendet. [[Cadmiumtellurid]] CdTe wird z.B. in [[Fotodiode]]n und Dünnschicht-[[Solarzelle]]n zur Stromerzeugung aus Licht verwendet.<br /> [[Bismuttellurid]] Bi<sub>2</sub>Te<sub>3</sub> wird in [[Thermoelement]]en zur Stromerzeugung in [[Thermoelektrischer Generator|thermoelektrischen Generatoren]] (z.B. in [[Radionuklidbatterie]]n) bzw. in [[Peltier-Element]]en zur Kühlung eingesetzt. Kombinationen aus [[Germanium]]- GeTe und [[Antimon]]-Telluriden Sb<sub>2</sub>Te<sub>3</sub> werden in [[Phase-Change-Technologie|Phasenwechselmaterialien]] als Bestandteil optischer Speicherplatten (z.&nbsp;B. [[CD-RW]]) oder in neuartigen Speichermaterialien wie [[Phase Change Random Access Memory]] verwendet. [[Glas|Gläser]] aus [[Tellurdioxid]] TeO<sub>2</sub> werden aufgrund der hohen [[Brechzahl]]en anstelle von [[Quarzglas|Kieselglas]] SiO<sub>2</sub> in [[Lichtwellenleiter]]n eingesetzt. In der [[Mikrobiologie]] wird mit farblosem Kaliumtellurat(IV) K<sub>2</sub>TeO<sub>3</sub> versetzter [[Agar]] als selektives [[Nährmedium]] zum Nachweis von [[Staphylokokken]] benutzt. Die Bakterienkolonien erscheinen dabei als kleine schwarze Kugeln, da sie die Te<sup>4+</sup>-[[Kation]]en zu elementarem Tellur [[Reduktion (Chemie)|reduzieren]] und in ihre Zellen einlagern Weiterhin werden geringe Mengen von Tellur zur [[Vulkanisation|Vulkanisierung]] von [[Gummi]], in [[Sprengkapsel]]n und zum Färben von Glas und [[Keramik]] verwendet. Die Salze des Tellurs werden teilweise zur Erzeugung einer grasgrünen Farbgebung bei [[Feuerwerk]]en verwendet.<ref>[http://www.feuerwerk-sachsen.de/wissenswertes/ Wissenswertes über Feuerwerke]</ref> == Biologische Bedeutung == Im Gegensatz zu [[Selen]] gilt Tellur als nicht-essentielles [[Spurenelement]], das heißt, eine allein auf Tellur basierende biologische Funktion wird vermutet, konnte jedoch bislang nicht nachgewiesen werden. == Sicherheitshinweise und Toxizität == [[Datei:Dimethyl-telluride-3D-balls.png|thumb|Dimethyltellurid Me<sub>2</sub>Te (H<sub>3</sub>C−Te−CH<sub>3</sub>)]] {| class="wikitable float-left" |- class="hintergrundfarbe5" ! colspan="2" | [[Toxizitätsbestimmung|Akute Toxizität]]<ref name="SD">{{Alfa|11076|Name=Tellur (Stücke)|Datum=3. Februar 2010}} und {{Alfa|43960|Name=Tellur (Pulver)|Datum=3. Februar 2010}}. Die R-Sätze 36/37/38 und S-Sätze 26 und 37 gelten nur für Tellurpulver.</ref> |- | [[Letale Dosis|LD]]<sub>50&nbsp;([[Peroral|oral]])</sub>&nbsp;Kaninchen || 67&nbsp;mg/kg |- | LD<sub>50&nbsp;(oral)</sub>&nbsp;Maus || 20&nbsp;mg/kg |- | LD<sub>50&nbsp;(oral)</sub>&nbsp;Meerschweinchen || 45&nbsp;mg/kg |- | LD<sub>50&nbsp;(oral)</sub>&nbsp;Ratte || 83&nbsp;mg/kg |- | [[Letale Konzentration|LC]]<sub>50&nbsp;([[Inhalieren|inhalativ]],&nbsp;4&nbsp;[[Stunde|h]])</sub> Ratte || >&nbsp;2,42&nbsp;mg/m<sup>3</sup> |- |} Tellur ist ein für den menschlichen Organismus giftiges Element und wird mit dem entsprechenden [[Gefahrensymbol]] „T“ gekennzeichnet, es ist jedoch nicht so giftig wie das [[Selen]]. Dies steht in Analogie zu den benachbarten Elementen der 5. Hauptgruppe, wo das [[Antimon]] ebenfalls weniger giftig als das [[Arsen]] ist. Gelangen elementares Tellur oder leichtlösliche Tellurverbindungen wie [[Alkalimetalle|Alkalimetall]]-[[Tellurate]] (zum Beispiel Na<sub>2</sub>TeO<sub>3</sub>) durch Verschlucken ([[peroral]]) in den Körper, bildet sich durch [[Reduktion (Chemie)|Reduktion]] giftiges [[Dimethyltellurid]] (Me<sub>2</sub>Te: H<sub>3</sub>C−Te−CH<sub>3</sub>), das zur Schädigung von [[Blut]], [[Leber]], [[Herz]] und [[Niere]]n führen kann. Leichtlösliche Tellurverbindungen werden dabei als gefährlicher eingestuft, da elementares Tellur sehr schlecht löslich ist. Tellurvergiftungen machen sich durch einen intensiven Knoblauchgeruch der Atemluft bemerkbar, der durch das Dimethyltellurid hervorgerufen wird. Es wird ebenfalls über die Haut langsam ausgeschieden. Die [[Maximale Arbeitsplatz-Konzentration]] (MAK) wird mit 0,1&nbsp;mg/m<sup>3</sup> angegeben. Tellurstäube können sich in Luft von selbst entzünden, fein verteilt in entsprechender Konzentration sogar explosiv reagieren. Durch die Verbrennung bildet sich gesundheitsschädliches [[Tellurdioxid]] TeO<sub>2</sub>. Die angegebenen R-Sätze 36/37/38 und S-Sätze 26 und 37 gelten nur für Tellurpulver. == Nachweis == [[Datei:TetraTe Dication.svg|thumb|120px|Tetratellur-Dikation.]] Elementares Tellur kann in heißer konzentrierter [[Schwefelsäure]] (H<sub>2</sub>SO<sub>4</sub>) durch [[Oxidation]] des Tellurs unter Bildung des roten Te<sub>4</sub><sup>2+</sup>-[[Kation]]s (''Tetratellur-Dikation'') nachgewiesen werden. Ein Teil der Schwefelsäure wird bei der Reaktion zu [[Schweflige Säure|Schwefliger Säure]] (H<sub>2</sub>SO<sub>3</sub>) [[Reduktion (Chemie)|reduziert]], die aufgrund der hohen Temperaturen in [[Wassermolekül|Wasser]] (H<sub>2</sub>O) und ihr [[Anhydride|Anhydrid]] [[Schwefeldioxid]] (SO<sub>2</sub>) zerfällt, welches als Gas entweicht: :<math>\mathrm{4\ Te\ +\ 3\ H_2SO_4 \longrightarrow\ Te_4^{2+}\ +\ 2\ H_2O +\ SO_2\uparrow\ +\ 2\ HSO_4^-}</math> Die Farbe des quadratisch-planar aufgebauten Te<sub>4</sub><sup>2+</sup>-Kations kommt durch sechs [[Delokalisierung|delokalisierte]] π-[[Elektron]]en zustande, die einen Teil des sichtbaren Lichts [[Absorption (Physik)|absorbieren]]. Die übrigen, nicht absorbierten Wellenlängen des Lichts ergeben die [[Komplementärfarbe]] Rot. Tellurat und Tellurit können mittels [[Polarographie]] [[Speziierung|speziert]], d.h. selektiv nebeneinander bestimmt werden.<ref>J. [[Heyrovský]], J. Kůta, ''Grundlagen der Polarographie'', Akademie-Verlag, Berlin, 1965, S.&nbsp;517.</ref> Während die Stufe des Tellurats bei −1,66 V liegt, erscheint diejenige des Tellurits bei −1,22 V (gegen [[Kalomelelektrode|SCE]], 0,1 [[Molarität|M]] Natronlauge). Beide Tellurspezies werden dabei in einem Schritt zum [[Telluride|Tellurid]] reduziert. Spuren von 0,03 % Tellurat bzw. 0,003 % Tellurit sind auf diese Weise erfassbar. Wesentlich nachweisstärker sind die Methoden der [[Atomspektroskopie]]. Während man mit der Flammen-AAS eine [[Nachweisgrenze]] von 20 µg/l erreicht, liegt dieser Wert bei der Graphitrohr-AAS (0,2 µg/l) sowie der Hydridtechnik (0,02 µg/l) noch wesentlich niedriger.<ref>K. Cammann (Hrsg.), ''Instrumentelle Analytische Chemie'', Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg-Berlin, 2001, S.&nbsp;4–47.</ref> == Tellurverbindungen == In Verbindungen tritt Tellur am häufigsten in den [[Oxidationszahl|Oxidationsstufen]] -II ([[Telluride]]) und +IV (Tetrahalogenide, [[Tellurdioxid]] und [[Tellurate|Tellurate(IV)]], veraltet ''Tellurite'') auf. Seltener sind die Oxidationsstufen +VI (Tellurate(VI)) und +II (Dihalogenide) sowie −I (Ditelluride) und +I (Monohalogenide, nur bekannt als TeI). === Wasserstoffverbindungen === [[Tellurwasserstoff]] H<sub>2</sub>Te ist ein farbloses giftiges Gas, das durch Reaktion von Telluriden (M<sub>x</sub>Te<sub>y</sub>) mit starken Säuren, zum Beispiel [[Salzsäure]] HCl, entsteht. In Wasser gelöst (''Tellurwasserstoffsäure'') reagiert es sauer, an Luft zersetzt sich die Lösung umgehend in Wasser und elementares Tellur. === Sauerstoffverbindungen === [[Tellurdioxid]] (''Tellur(IV)-oxid'') TeO<sub>2</sub> ist ein farbloser kristalliner Feststoff und das wichtigste [[Oxide|Oxid]] des Tellurs. Es entsteht bei der Verbrennung von elementarem Tellur mit Luft. Es ist das [[Anhydrid]] der schwach amphoteren und unbeständigen tellurigen Säure H<sub>2</sub>TeO<sub>3</sub>. Tellurdioxid existiert in einer [[Orthorhombisches Kristallsystem|orthorhombischen]] (''Tellurit'') und einer [[Tetragonales Kristallsystem|tetragonalen]] (''Paratellurit'') [[Polymorphie (Materialwissenschaft)|Modifikation]], die in der Natur auch als [[Mineral]]e auftreten. [[Tellurtrioxid]] (''Tellur(VI)-oxid'') TeO<sub>3</sub> ist ein gelber, [[Trigonales Kristallsystem|trigonal/rhomboedrisch]] kristallisierender Feststoff und das Anhydrid der [[Tellursäure|Orthotellursäure]] H<sub>6</sub>TeO<sub>6</sub>. Es entsteht bei der Entwässerung der Orthotellursäure durch starke Temperaturerhöhung. Die gelbe Farbe kommt durch Elektronenübertrag des Sauerstoffs auf das Tellur ([[Charge-Transfer-Komplexe|„Charge-Transfer“]]) zustande. Tellurmonoxid (''Tellur(II)-oxid'') TeO ist ein weiteres, bei [[Standardbedingungen]] jedoch instabiles Oxid des Tellurs. Es wird als schwarzer amorpher Feststoff beschrieben und reagiert in feuchter Luft mit Sauerstoff zum stabileren Tellurdioxid TeO<sub>2</sub>. Ditellurpentoxid (''Tellur(IV)-Tellur(VI)-oxid'') ist ein gemischtes Telluroxid mit Te<sup>4+</sup>- und Te<sup>6+</sup>-Kationen. Es ist neben Tellurtrioxid ein weiteres Produkt bei der thermischen Zersetzung der Orthotellursäure und kristallisiert im [[Monoklines Kristallsystem|monoklinen Kristallsystem]]. [[Tellurate]] sind die [[Salze]] der Orthotellursäure H<sub>6</sub>TeO<sub>6</sub> und Metatellursäure H<sub>2</sub>TeO<sub>4</sub> mit den [[Anion]]en TeO<sub>6</sub><sup>6−</sup> beziehungsweise TeO<sub>4</sub><sup>2−</sup>. Die Salze der tellurigen Säure H<sub>2</sub>TeO<sub>3</sub> mit dem Anion TeO<sub>3</sub><sup>2−</sup> werden als Tellurate(IV) (veraltet ''Tellurite'') bezeichnet. === Halogenverbindungen === ''Tetrahalogenide'' TeX<sub>4</sub> mit Tellur in der Oxidationsstufe +IV sind die häufigsten Tellur-[[Halogenide]]. Diese sind mit allen [[Halogene]]n ([[Fluor]], [[Chlor]], [[Brom]] und [[Iod]]) bekannt. Bei allen Verbindungen handelt es sich kristalline Feststoffe. ''Dihalogenide'' TeX<sub>2</sub> mit Tellur in der Oxidationsstufe +II sind nur mit Chlor, Brom und Iod bekannt, sie existieren nur in der Gasphase. ''Monohalogenide'' TeX existieren von Tellur nur mit Iod als Telluriodid TeI. Es ist das einzig bekannte thermodynamisch stabile Mono-[[Iodide|Iodid]] der [[Chalkogene]] und ein dunkler kristalliner Feststoff. Tellur hat in dieser Verbindung die ungewöhnliche Oxidationsstufe +I. ''Hexahalogenide'' TeX<sub>6</sub> mit Tellur in der Oxidationsstufe +VI sind nur als Tellurhexafluorid TeF<sub>6</sub> oder Tellurpentafluoridchlorid TeF<sub>5</sub>Cl bekannt. Beides sind farblose Gase. Tellurhexafluorid ist das reaktivste Chalkogenhexafluorid (neben [[Schwefelhexafluorid]] SF<sub>6</sub> und [[Selenhexafluorid]] SeF<sub>6</sub>) und wird als einziges in Wasser [[Hydrolyse|hydrolysiert]]. Weiterhin existieren von Tellur in der Oxidationsstufe +IV in wässriger Lösung auch [[Komplexchemie|Komplexverbindungen]] [TeX<sub>6</sub>]<sup>2−</sup> (X = F<sup>−</sup>, Cl<sup>−</sup>, Br<sup>−</sup>, I<sup>−</sup>) mit allen Halogenid-Ionen. Mit Ausnahme des Hexafluoro-Komplexes sind alle anderen perfekt [[Oktaeder|oktaedrisch]] aufgebaut und können auch als [[Salze]] aus der Lösung gefällt werden (zum Beispiel gelbes Ammonium-hexachloridotellurat(IV) (NH<sub>4</sub>)<sub>2</sub>[TeCl<sub>6</sub>], rotbraunes Ammonium-hexabromidotellurat(IV) (NH<sub>4</sub>)<sub>2</sub>[TeBr<sub>6</sub>] oder schwarzes Cäsium-hexaiodidotellurat(IV) Cs<sub>2</sub>[TeI<sub>6</sub>]). === Organotellur-Verbindungen === Tellur bildet eine Reihe von [[Metallorganik|metallorganischen]] Verbindungen. Diese sind aber sehr instabil und werden in der [[Organische Chemie|organischen Synthese]] wenig verwendet. Als reine Tellurorganyle sind Verbindungen der Form R<sub>2</sub>Te, R<sub>2</sub>Te<sub>2</sub>, R<sub>4</sub>Te und R<sub>6</sub>Te (R jeweils Alkyl-, Aryl-) bekannt. <ref>Ch. Elschenbroich:''Organometallchemie'', 5. Auflage, Teubner (2005)</ref> Daneben sind noch Diorganotellurdihalogenide R<sub>2</sub>TeX<sub>2</sub> (R = Alkyl-, Aryl-; X = F, Cl, Br, I) und Triorganotellurhalogenide R<sub>3</sub>TeX (R = Alkyl-, Aryl-; X = F, Cl, Br, I) bekannt. == Literatur und Quellen == === Allgemeines und Verbindungen === * A. F. Holleman, E. Wiberg: ''Lehrbuch der Anorganischen Chemie''. 102. Aufl., de Gruyter, Berlin 2007, ISBN 978-3-11-017770-1, S.&nbsp;617 ff. * G. Jander, E. Blasius: ''Lehrbuch der analytischen und präparativen anorganischen Chemie.'' 16. Aufl., Hirzel, Stuttgart 2006, ISBN 3-7776-1388-6, S.&nbsp;315–317. * ''Te. Tellur. Tellurium (System-Nr. 11).'' Gmelin Handbook of Inorganic and Organometallic Chemistry. 8. Aufl., Springer, Heidelberg, bislang 6 Bände. <small>(Stand: 01/2007)</small> === Entdeckung und Geschichte === * Montanhistorischer Verein für Österreich (Hrsg.): ''Sonderheft zum 250. Geburtstag von Franz Joseph Müller von Reichenstein und der Entdeckung des Elements Tellur''. In: ''res montanarum''. Bd. 5, 1992. * E. Diemann, A. Müller, H. Barbu: ''Die spannende Entdeckungsgeschichte des Tellurs (1782-1798). Bedeutung und Komplexität von Elemententdeckungen.'' In: ''Chemie in unserer Zeit''. Bd. 36, Nr. 5, 2002, S.&nbsp;334–337. == Einzelnachweise == <references/> == Weblinks == {{Wiktionary|Tellur}} {{Commons|Tellurium|Tellur}} * [http://www.mindat.org/min-3906.html Informationen zu Tellur und Fundorten auf mindat.org] (englisch) * [http://environmentalchemistry.com/yogi/periodic/Te.html Informationen zu Tellur auf EnvironmentalChemistry.com] (englisch) * [http://www.mrteverett.com/Chemistry/pdictable/q_elements.asp?Symbol=Te Komplette Daten bezüglich des Tellur (Englisch)] {{Navigationsleiste Periodensystem}} {{Exzellent}} [[Kategorie:Mineral]] [[Kategorie:Elemente (Mineralklasse)]] [[Kategorie:Trigonales Kristallsystem]] {{Link GA|en}} [[af:Telluur]] [[ar:تيلوريوم]] [[az:Tellur]] [[be:Тэлур]] [[bg:Телур]] [[bn:টেলুরিয়াম]] [[bs:Telur]] [[ca:Tel·luri]] [[co:Telluriu]] [[cs:Tellur]] [[da:Tellur]] [[el:Τελλούριο]] [[en:Tellurium]] [[eo:Teluro]] [[es:Telurio]] [[et:Telluur]] [[eu:Telurio]] [[fa:تلوریم]] [[fi:Telluuri]] [[fr:Tellure]] [[fur:Teluri]] [[ga:Teallúiream]] [[gl:Telurio]] [[gv:Çhellurium]] [[hak:Ti]] [[he:טלור]] [[hi:टेलुरियम]] [[hr:Telurij]] [[hu:Tellúr]] [[hy:Տելուր]] [[id:Telurium]] [[io:Telurio]] [[is:Tellúr]] [[it:Tellurio]] [[ja:テルル]] [[jbo:tedjicmu]] [[jv:Telurium]] [[kn:ಟೆಲ್ಲುರಿಯಮ್]] [[ko:텔루륨]] [[la:Tellurium]] [[lb:Tellur]] [[lij:Tellurio]] [[lt:Telūras]] [[lv:Telūrs]] [[ml:ടെലൂറിയം]] [[mr:टेलरियम]] [[nds:Tellur]] [[nl:Telluur]] [[nn:Tellur]] [[no:Tellur]] [[oc:Telluri]] [[pl:Tellur]] [[pnb:ٹیلوریم]] [[pt:Telúrio]] [[qu:Teluryu]] [[ro:Telur]] [[ru:Теллур]] [[scn:Telluriu]] [[sh:Telur]] [[simple:Tellurium]] [[sk:Telúr]] [[sl:Telur]] [[sr:Телур]] [[stq:Tellur]] [[sv:Tellur]] [[sw:Teluri]] [[ta:டெலூரியம்]] [[th:เทลลูเรียม]] [[tr:Tellür]] [[uk:Телур]] [[uz:Tellur]] [[vi:Telua]] [[war:Tellurium]] [[yo:Tellurium]] [[zh:碲]] nq8vatv0jtb97dnwnocsbpgclrhawoz wikitext text/x-wiki Thelonious Monk 0 23511 26110 2010-04-16T11:12:53Z 212.51.10.21 /* Minton’s Playhouse */ [[Datei:Thelonious Monk 1967.jpg|thumb|upright=1.4|Thelonious Monk bei der [[Expo 67|Expo 1967]] in Montréal]] '''Thelonious Sphere Monk''' (* [[10. Oktober]] [[1917]] in [[Rocky Mount (North Carolina)|Rocky Mount]], [[North Carolina]]; † [[17. Februar]] [[1982]] in [[Weehawken Township|Weehawken]], [[New Jersey]]) war ein US-[[Afroamerikaner|afroamerikanischer]] [[Jazz]]musiker ([[Pianist]] und [[Komponist]]). Er war neben [[Charlie Parker]], [[Dizzy Gillespie]], [[Charlie Christian]] und [[Kenny Clarke]] einer der Mitbegründer des [[Bebop]]. Mit seinem eigenwilligen [[Klavier]]stil und seinen unverwechselbaren [[Komposition (Musik)|Kompositionen]] gilt Monk als einer der großen Individualisten und bedeutenden Innovatoren des [[Modern Jazz]]. == Leben == === Kindheit und Jugend === Thelonious Monk zog als Kind Anfang der 1920er Jahre mit seiner Familie in den [[New York City|New Yorker]] Stadtteil San Juan Hill, der südwestlich von [[Harlem]] liegt und vor allem von Afro- Amerikanern bewohnt wird. Der Vater, Thelonious Monk Sr., verließ die Familie jedoch bereits wenige Jahre später. So lag die Verantwortung für Erziehung und Lebensunterhalt von Thelonious und seinen beiden Geschwistern allein bei seiner Mutter Barbara, die als Angestellte für die Stadtverwaltung arbeitete. Monk wurde von seiner Mutter in seinen musikalischen Neigungen unterstützt und erhielt bereits als Kind [[Klavier]]unterricht. Im Alter von 13 Jahren hatte er einen Klavierwettbewerb im [[Apollo Theater|Harlemer Apollotheater]] so oft gewonnen, dass er von der weiteren Teilnahme ausgeschlossen wurde. === Anfänge als Musiker === Die Stadt New York entwickelte sich in Monks Jugendzeit zu einer der großen [[Jazz]]metropolen. Besonders der Stadtteil Harlem wurde mit seinen vielen Clubs zu einem Brennpunkt dieser Entwicklung. So wuchs Monk in einer musikalisch sehr lebhaften Umgebung auf und hörte viele Jazzmusiker „live“. Als frühe Einflüsse gelten [[Duke Ellington]], [[Fats Waller]], [[Earl Hines]] und der [[Stride Piano|Stride-Pianist]] [[James P. Johnson]], der in der Nachbarschaft der Familie Monk lebte. Erste Erfahrungen sammelte Monk, wie viele Musiker jener Zeit, als Pianist auf „House-Rent-Parties“. Diese waren in von Schwarzen bewohnten Stadtteilen weit verbreitet. Mieter, die ihre Miete (''Rent'') nicht aufbringen konnten, luden die Menschen ihrer Nachbarschaft ein, sorgten für musikalische Unterhaltung und ließen dann „den Hut herumgehen“. Davon bezahlten sie die Musiker und die Miete. Daneben begleitete Monk auch den Gesang seiner Mutter in der Kirche auf der [[Orgel]]. Ein New Yorker Auftritt des blinden Klavier-Virtuosen [[Art Tatum]] im Jahr 1932 hinterließ bei dem fünfzehnjährigen Monk einen tiefen Eindruck. Mit 17 Jahren verließ Monk die High School, um mit einer Wanderpredigerin zwei Jahre lang als Pianist auf Tour zu gehen. Er trat dabei auch in [[Kansas City (Missouri)|Kansas City]] auf, das damals eine pulsierende Jazz-Stadt war. Sie ist u.a. die Heimat der [[Count Basie]] Band und der Pianistin [[Mary Lou Williams]]. Diese hörte Monk spielen, erkannte sein Talent und ermutigte ihn in seinen musikalischen Ambitionen. Ihr zufolge verfügte Monk schon damals über einen rhythmisch und harmonisch sehr eigenwilligen Stil. Den Eindruck, den Monks Musik auf sie und andere Musiker machte, beschreibt Mary Lou Williams später so: „Wir nannten es damals „Grusel-Musik“ und behielten es uns fast ausschließlich für die frühen Morgenstunden vor, wenn wir Musiker unter uns waren. Wieso „Grusel-Musik“? Weil die schauerlichen Akkorde uns an Musik erinnerten, die in „Frankenstein“ und ähnlichen Gruselfilmen vorkam.“ === Minton’s Playhouse === Wieder zurück in New York City, schlug sich Monk einige Jahre mit Gelegenheitsjobs als Pianist durch. Anfang der 1940er Jahre wurde er Hauspianist im Harlemer Club [[Minton’s Playhouse]], der Treffpunkt eines losen Verbandes junger Musiker war, die bei Jam-Sessions nach neuen musikalischen Wegen abseits des [[Swing (Musikrichtung)|Swing]]-Mainstreams suchten. Neben Charlie Parker, Dizzy Gillespie, Charlie Christian und Kenny Clarke zählte Monk damit zu dem Kreis der Musiker, die später als Keimzelle eines neuen Stils – des Bebop – und damit des [[Modern Jazz]] gelten sollten. Während Parker und Gillespie später zu den Protagonisten des Bebop avancierten, blieb Monk diese Anerkennung jedoch zunächst versagt. Dies lag zum einen an Monks individualistischer, für viele nur schwer nachvollziehbaren Spielweise, zum anderen aber auch an seiner notorischen Unzuverlässigkeit, die selbst bei großzügiger Auffassung von Pünktlichkeit kaum regelmäßige Proben mit ihm möglich machten. Zwar wurde er 1946 von Dizzy Gillespie als Pianist für dessen Big Band engagiert, da er jedoch wiederholt verspätet oder überhaupt nicht zu Proben oder Auftritten erschien, wurde er gefeuert. Der Tenorsaxophonist [[Coleman Hawkins]] war in dieser Zeit einer der wenigen Bandleader, die Monk als Pianisten engagierten. Hawkins, ein Veteran des traditionellen [[Swing (Rhythmus)|Swing]]-Stils, wurde dafür jedoch heftig kritisiert, da das rhythmisch und harmonisch unkonventionelle Spiel Monks beim Publikum auf schroffe Ablehnung stieß. Trotz dieser Widerstände hielt Hawkins den Pianisten in seinem Quartett und machte im Jahr 1944 mit Monk dessen erste Studioaufnahmen. Da Monk noch immer bei seiner Mutter lebte, die auch für seinen Lebensunterhalt sorgte, musste er nicht aufgrund wirtschaftlicher Zwänge künstlerische Zugeständnisse machen oder seinen eigensinnigen Lebensrhythmus an die Gewohnheiten seiner Mitmenschen anpassen. Stattdessen konnte er sich ungehindert ausschließlich seiner musikalischen Leidenschaft widmen und seine kompositorischen Ideen verwirklichen. Zu dieser Zeit hielt Monk auch eine Art „Hausseminare“ für befreundete Musiker ab. Der junge [[Miles Davis]], [[Sonny Rollins]], [[Bud Powell]] und andere gingen in der Wohnung der Familie Monk ein und aus und ließen sich von Thelonious dessen [[Komposition (Musik)|Kompositionen]] am Klavier erklären. Dabei achtete er penibel darauf, dass seine oft sehr komplizierten Stücke korrekt gespielt werden. Miles Davis, der ein Jahrzehnt später mit Monks Komposition ''[['Round Midnight]]'' seinen Durchbruch beim breiten Publikum erleben wird, sagte später, dass diese Lektionen für seine musikalische Entwicklung von großer Bedeutung gewesen seien. === Die Blue-Note-Jahre 1947–1952 === Erst 1947 – Monk ist nun schon 30 Jahre alt – nahm Monk durch die Vermittlung des Saxophonisten und Talentscouts [[Ike Quebec]] seine erste Schallplatte als Bandleader für das aufstrebende [[Plattenlabel]] [[Blue Note Records]] auf, später erschienen unter dem Titel [[Genius Of Modern Music]]. Seine Partner bei den Aufnahmen der folgenden Jahre waren u.&nbsp;a. der [[Vibraphon]]ist [[Milt Jackson]] und die [[Schlagzeug]]er [[Art Blakey]] und [[Max Roach]]. Im gleichen Jahr heiratete er Nellie Smith (1921–2002), ein Mädchen aus der Nachbarschaft. Aus der Ehe gingen zwei Kinder hervor, [[T. S. Monk|Thelonious]] und Barbara (1953–1984). Monk hatte zu dieser Zeit bereits viele seiner Stücke komponiert, die erst Jahre oder Jahrzehnte später Anerkennung erlangen würden. Dazu zählen seine bekanntesten Kompositionen ''Well, You Needn’t'', ''Round Midnight'' und ''Straight, No Chaser''. Auch sein individualistischer Klavierstil mit dem für ihn typischen perkussiven Anschlag war jetzt bereits voll ausgeprägt. Seine künstlerische Entwicklung war damit weitgehend abgeschlossen: Im Laufe seiner weiteren Karriere erfuhr seine Musik keine wesentlichen stilistischen Veränderungen und Brüche mehr. Viele der auf Blue Note veröffentlichten Aufnahmen stellen mustergültige Interpretationen seiner Kompositionen dar und gelten heute als Klassiker. Monks erste Aufnahmen unter eigenem Namen verkauften sich jedoch nur schleppend. Seine eigenwillige Musik traf beim Publikum auf Unverständnis. Auch unter Musikerkollegen und Musikkritikern blieb er umstritten. Häufig wurde ihm sogar mangelndes technisches Können unterstellt. Auch ein Vorfall Ende 1951 behinderte Monks Karriere in den folgenden Jahren empfindlich: Bei einer Polizeikontrolle wurden in einem von Monk geparkten Auto Drogen gefunden. Da er nicht gegen den wirklichen Drogenbesitzer – seinen Freund [[Bud Powell]] – aussagen wollte, wurde er zu 60 Tagen Gefängnis verurteilt. Weit schwerer wog jedoch ein mehrjähriger Entzug der „Cabaret Card“, die damals für Engagements in Night Clubs in New York erforderlich war. Dadurch konnte Monk jahrelang kein Club-Engagement in seiner Heimatstadt bekommen. === Die Prestige-Jahre 1952–1954 === Das Label Prestige machte Monk 1952 ein Angebot für Aufnahmen. Da sich seine bisherigen Platten nur schlecht verkauft hatten, ließ Blue Note Records ihn ziehen. Das auf einigen seiner Prestige-Aufnahmen zu hörende, deutlich verstimmte Klavier lässt entweder auf eine gewisse Nachlässigkeit bei der Produktion schließen oder Monk setzte es bewusst ein. Doch auch während dieser Periode macht Monk einige bemerkenswerte Aufnahmen. Hervorzuheben sind seine Alben mit Sonny Rollins und die Aufnahmen vom Heiligabend 1954 mit Miles Davis als Leader, [[Milt Jackson]], [[Percy Heath]] und Kenny Clarke: Diese gelten vielen Kennern als eine Sternstunde des Jazz. === Die Riverside-Jahre 1955–1961 === Der Jazzproduzent und Monk-Fan [[Orrin Keepnews]] gründet Anfang der 1953 das Label [[Riverside Records|Riverside]]. Für nur 108 [[US-Dollar|Dollar]] kaufte er Monk 1954 aus dessen Vertrag bei Prestige heraus. Doch er zögerte zunächst, Aufnahmen mit Monks Eigenkompositionen zu veröffentlichen. In der Absicht, das Publikum schrittweise an Monks exzentrische Musik heranzuführen, wurden stattdessen zwei LPs mit [[Standard]]s bzw. Interpretationen von Stücken Duke Ellingtons veröffentlicht, die bei Publikum und Kritik zumindest bescheidene Achtungserfolge erzielten. Einen Wendepunkt in Monks Karriere stellte das Jahr 1957 dar. Zum einen erlangte er auf Betreiben der einflussreichen Baroness [[Pannonica de Koenigswarter]] seine Auftrittsgenehmigung zurück. Diese ehemalige Diplomatengattin aus dem Hause Rothschild kümmerte sich in der Art einer Patronin um Jazz-Musiker. Dies ermöglichte Monk ein erfolgreiches mehrmonatiges Engagement im New Yorker [[Five Spot]] Café mit dem [[Saxophon|Tenorsaxophonisten]] [[John Coltrane]]. Zum anderen wurde das dritte auf Riverside veröffentlichte Album ''Brilliant Corners'' zu einem Meilenstein in Monks Diskografie: Begleitet von dem Tenorsaxophonisten [[Sonny Rollins]], dem [[Altsaxophon]]isten [[Ernie Henry]], dem [[Kontrabass|Bassisten]] [[Oscar Pettiford]] und dem Schlagzeuger [[Max Roach]] entstand ein sorgfältig konzipiertes und produziertes Album, auf dem sich Monks Musik voll entfaltete. Großen Anteil daran hatte Sonny Rollins, der als früherer Besucher von Monks „Seminaren“ mit dessen Musik bestens vertraut war und diese entsprechend zu spielen verstand. Höhepunkte waren die vertrackte Neukomposition ''Brilliant Corners'' und der ausgedehnte Blues mit dem [[Onomatopoesie|lautmalerischen]] Titel ''Ba-Lue Bolivar Ba-Lues-Are''. Dieser Titel bezog sich auf das Bolivar-Hotel in [[New York City|New York]], in dem die Baroness de Koenigswarter in einer Suite residierte. Als zusätzlichen Dank für ihre Unterstützung nannte Monk eine seiner schönsten Balladen, in der er mit der rechten Hand [[Celesta]] und mit der linken Klavier spielte, ''Pannonica''. Mit diesem Album gelang Monk endlich der Durchbruch beim Publikum. Im Herbst dieses Jahres trafen Monk, sein ehemaliger Mentor [[Coleman Hawkins]] und erneut Coltrane aufeinander, veröffentlicht auf der ''Riverside''-LP ''[[Monk's Music]]''. Im weiteren Verlauf der 1950er Jahre nahm Monk zahlreiche bedeutende Schallplatten auf. Darunter waren Einspielungen mit Musikern wie John Coltrane und [[Gerry Mulligan]] und Solo-Einspielungen. Erfolgreiche Tourneen durch die USA und Europa schlossen sich an. 1958 wurde Monk im [[Down Beat]] Critics Poll erstmals zum besten Pianisten gekürt. Im Februar 1959 kam es zu einem Konzert in der renommierten New Yorker Town Hall, bei dem Monk seine Musik in den orchestralen Bearbeitungen des Arrangeurs Hall Overton mit einem Tentett aufführte. Im Jahr 1960 wurde der Tenorsaxophonist [[Charlie Rouse]] Monks fester Partner in seinem Quartett. Rouse war zwar kein Saxophonist vom Format eines John Coltrane oder eines Sonny Rollins, aber seine Spielweise fügt sich ideal in Monks Klangwelt ein. Diese Verbindung sollte bis Ende der 60er Jahre bestehen bleiben. === Die Columbia-Jahre 1962–1968 === Mit einem Vertragsabschluss beim Schallplattenlabel [[Columbia Records|Columbia]], das zu [[Columbia Broadcasting System|CBS]] gehörte und für das bereits andere Jazz-Größen wie Miles Davis oder [[Dave Brubeck]] arbeiteten, wurde Monk 1962 endgültig zu einem international gefeierten Jazz-Star. Die ersten für Columbia aufgenommenen Schallplatten zeigten das Thelonious-Monk-Quartett mit [[Charlie Rouse]] am Tenorsaxophon, dem Bassisten [[John Ore]] und dem Schlagzeuger [[Frankie Dunlop]] in gereifter, perfekt aufeinander eingespielter Form und zählen mit zu seinen besten Aufnahmen. Ende 1963 kam es im New Yorker Lincoln Center zu einer zweiten erfolgreichen Aufführung seiner Musik in Big-Band-Besetzung. Seine Proben mit dem Arrangeur [[Hall Overton]] wurden von den Fotografen [[W. Eugene Smith]] in Bild- und Ton-Dokumenten festgehalten, die 2009 im ''[[Jazz Loft Project]]'' veröffentlicht wurden. Monk unternahm nun Tourneen nach [[Europa]] und sogar bis nach [[Japan]]. Das [[TIME|Time-Magazine]] zeigte ihn im Februar 1964 auf der Titelseite. Monks kompositorische Aktivität ging im Verlauf dieser Zeit jedoch mehr und mehr zurück. Aufnahmen neuer Kompositionen wurden immer seltener. Einige seiner für Columbia aufgenommenen Schallplatten enthielten kein einziges neues Stück. Abgesehen von einigen Improvisationen stammte seine letzte Komposition aus dem Jahr 1967. Er spielte in dieser Zeit - anders als in den Fünfzigerjahren - auch nur noch selten mit Musikern außerhalb seines festen Quartetts und erhielt dadurch weniger Impulse von außen. So erstarrte die einst so unkonventionelle und aufregende Musik Monks allmählich in einer vorhersehbaren Formelhaftigkeit. === Verstummen === Gegen Ende der 60er Jahre erhielten Monks Schallplatten nur noch mittelmäßige Kritiken in der Presse, und auch die Verkaufszahlen gingen zurück. Aus kommerziellen Erwägungen drängte Columbia ihn 1968, ein Album mit Orchester-Begleitung aufzunehmen. Die sehr glatt geratenen Arrangements von Oliver Nelson wurden der Musik Monks jedoch in keiner Weise gerecht. Den Vorschlag, eine Platte mit [[Beatles]]-Kompositionen einzuspielen, lehnte Monk ab. Daraufhin beendete Columbia die Zusammenarbeit mit ihm. Sein Quartett löste sich in den Folgejahren nach und nach auf. Danach machte Monk mit wechselnden Begleitern nur noch vereinzelt Aufnahmen für kleinere Labels. Doch auch während dieser Zeit blieb er sich stilistisch treu und spielte auf hohem Niveau. Nach 1970 verschwand Monk offenbar aus gesundheitlichen Gründen von der Bühne. Der ohnehin schon introvertierte Musiker zog sich mehr und mehr zurück. Er zeigte Anzeichen von [[Depression]] und hörte nach und nach mit dem Klavierspielen auf. In den letzten Jahren seines Lebens rührte er sein Instrument nicht mehr an und verfiel in [[Apathie]]. Seine letzte Aufnahme stammt aus dem Jahr 1971, seinen letzten öffentlichen Auftritt hatte er 1976. == Der Mensch Thelonious Monk == Monk wird von Zeitgenossen als introvertierter [[Exzentriker]] und gutmütiger Familienmensch beschrieben. Er fiel schon äußerlich durch seine hünenhafte Gestalt, seine Vorliebe für ungewöhnliche Kopfbedeckungen und Sonnenbrillen sowie seinen Ziegenbart auf. Damit prägte er neben Dizzy Gillespie das Bild des [[Hipster]]s der 40er und 50er Jahre. In der Öffentlichkeit war Monk äußerst wortkarg und folgte ausschließlich seinem eigenen Lebensrhythmus, was sich unter anderem so äußern konnte, dass er schlief, wann und wo es ihm beliebte. Gesellschaftliche Konventionen wie z.B. Pünktlichkeit hatten für ihn nur bedingt Gültigkeit. Seine Unzuverlässigkeit zu Beginn seiner Laufbahn ist geradezu legendär. Seinen Mitmenschen gegenüber zeigte er sich oft desinteressiert. Selbst gegenüber der Musik anderer Musiker war er gelegentlich ignorant oder äußerte sich sogar abfällig darüber. Trotz seiner Exzentrik war Monk aber offenbar ein durchaus verantwortungsbewusster Ehemann und Familienvater sowie verlässlicher Freund. Seine Angehörigen schilderten den in der Öffentlichkeit so schweigsamen und einzelgängerischen Monk als einen in seiner vertrauten Umgebung kommunikativen und geselligen Menschen. Er spielte gerne Karten und galt als ausgezeichneter [[Schach]]- und [[Tischtennis]]-Spieler. Thelonious Monk führte nicht nur über Jahrzehnte ein intaktes Familienleben. Mit Bud Powell, [[Coleman Hawkins]] und der Baroness de Koenigswarter verbindet ihn auch eine lebenslange enge Freundschaft. Er war außerdem ein durchaus guter Geschäftsmann, der sich nie unter Wert verkaufte. Es sind von ihm auch keinerlei Drogenprobleme bekannt, die sonst für seine Musikergeneration so häufig waren. Die meiste Zeit seines Lebens lebte Monk in der Wohnung seiner Kindheit und verließ New York nur ungern. So beharrlich und souverän er in seiner Musik war, so unsicher, gar hilflos war er oft außerhalb seiner vertrauten Umgebung. Nachdem er 1959 auf dem [[Boston]]er Flughafen von der Polizei aufgegriffen und wegen seines erratischen Verhaltens für drei Tage in psychiatrische Beobachtung gegeben wurde, ließ Monk sich auf Reisen meist von seiner Frau Nellie begleiten, die ihm auch oft bei seinen seltenen Interviews zur Seite stand. Sein Sohn Thelonious Jr. berichtet davon, dass Monk tagelange Phasen tiefer [[Depression]] oder [[Euphorie]], gefolgt von extremen Erschöpfungszuständen durchlief. Er wurde deswegen mehrmals von seiner Familie ins Krankenhaus eingeliefert, was aber nicht öffentlich gemacht wurde. Es gibt Anzeichen dafür, dass Monks Exzentrik auf einer leichten Form des [[Autismus]] beruht, dem [[Autismus#Asperger-Syndrom|Asperger-Syndrom]]. Die Musik Thelonious Monks war stark von seiner introvertierten, individualistischen Persönlichkeit geprägt. So eigenwillig Monk an dem ihm eigenen Lebensrhythmus und seinen oft exzentrischen Gewohnheiten festhielt, so eigenwillig war auch seine Musik. Seine Frau Nellie berichtet, dass Monk sich seiner Umgebung innerlich fast vollständig entziehen konnte und sich zeit seines Lebens ausschließlich mit seiner Musik beschäftigt hat. Auf Filmaufnahmen des Klavier spielenden Monk ist zu sehen, wie der Pianist mit den Beinen tanzende Bewegungen aufführt. Während der Soli seiner Band-Mitglieder liebte Monk es, mit der Klavierbegleitung auszusetzen und offenbar völlig in sich versunken, fast wie in [[Trance (Zustand)|Trance]] auf der Bühne zu tanzen. In diesem „monkischen“ Tanz vollzog er die eigentümliche Rhythmik und Harmonik seiner Musik nach. Vordergründig betrachtet erscheint dies oft behäbig und ungeschickt. Tatsächlich besaß Monk ein sehr individuelles Gefühl für Zeit, Bewegung und Rhythmus, das sein Verhalten auf Außenstehende oft befremdlich wirken ließ. Seine seltsam wirkenden Gewohnheiten entsprachen aber auf eine sehr spezielle Art seiner musikalischen Sprache, so dass vieles von seinem exzentrischen Verhalten bei näherem Hinsehen Parallelen zu seiner Musik erkennen lässt und nachvollziehbar wird. Bezeichnenderweise beziehen sich viele Kompositionen des introvertierten Pianisten im Titel direkt auf Verwandte, enge Freunde oder sogar auf den Komponisten selbst. ''Little Rootie Tootie'' bezieht sich auf den Spitznamen seines Sohnes Thelonious Jr., ''Boo Boo’s Birthday'' auf den seiner Tochter Barbara. ''Crepuscule With Nellie'' ist seiner Ehefrau gewidmet, ''Pannonica'' der Baroness de Koenigswarter. ''Thelonious'', ''Blue Monk'' oder ''Monk’s Mood'' sind nur drei der Stücke, die den Namen des Komponisten im Titel tragen. Monk wurde während seines gesamten Lebens von Frauen in seiner unmittelbaren Umgebung gefördert und umsorgt: anfangs von seiner Mutter, später von seiner Frau Nellie, die in für Monk wirtschaftlich schwierigen Zeiten auch den Lebensunterhalt der Familie sicherte, und zuletzt von der Baroness de Koenigswarter, in deren Villa in New Jersey er sich 1973 im Alter zurückzog. Dort verbrachte er mit seiner Frau Nellie fast völlig zurückgezogen seinen Lebensabend. Sein psychischer Zustand verschlechterte sich in dieser Zeit zunehmend. Er starb 1982 nach einem [[Gehirnschlag]]. Sein Sohn Thelonious Monk junior folgte dem Vater als Musiker, schlug eine Karriere als professioneller Schlagzeuger ein und rief das „Thelonious-Monk-Institute for Jazz“ ins Leben. Dessen Ziel ist es, musikalisch begabte Jugendliche zu fördern. Es verleiht jährlich den renommierten Thelonious-Monk-Award an herausragende Talente. == Die Musik Thelonious Monks == Monk gilt als Mitbegründer und führender Musiker des Bebop. Er nimmt innerhalb dieses Genres jedoch eine Außenseiterposition ein: zum einen wegen seiner eigenwilligen Kompositionen, zum anderen wegen seines nicht weniger individuellen [[Improvisation (Musik)|Improvisationsstils]]. Monk entwickelt eine sehr eigenständige musikalische [[Ästhetik]], die zwar etwa zeitgleich mit dem Bebop entsteht und auf diesen einwirkt, aber im Wesentlichen von diesem unabhängig ist. Auf die Frage, wer ihn musikalisch am meisten beeinflusst habe, antwortete Monk einmal: „Na, ich selbst natürlich.“ === Der Komponist === In für den Bebop atypischer Weise sind Monks Kompositionen nicht bloße Neuharmonisierungen bekannter [[Jazz-Standard|Standards]], sondern meist vollständig neue Themen. Diese sind teils hoch komplex und enthalten ungewöhnliche [[Harmonie]]folgen - wie etwa ''Round Midnight'' (siehe Beispiel), teils aber auch frappierend einfach, zum Beispiel ausgerechnet das Stück ''Thelonious'', das auf einem einzigen Ton aufbaut. [[Datei:Speaker Icon.svg|15px]] [[Media:RoundMidnight2.mid|Hörbeispiel]] Monk hatte eine Vorliebe für besonders kurze, prägnante Themen. Sie beruhen zwar oft auf dem 12-taktigen [[Blues]]-Schema oder der 32-taktigen Standardform populärer [[Lied|Songs]], doch er verfremdete gern symmetrische 8-, 16- oder 32-taktige Formteile, indem er scheinbar völlig unlogisch und überraschend ungerade [[Takt (Musik)|Takte]] anhängte, einschob oder die Melodie um einen halben Beat vorverlegte. Themen wie ''I mean you'' oder ''Straight no chaser'' basieren auf solchen [[Rhythmus (Musik)|rhythmischen]] Verschiebungen und Unregelmäßigkeiten. Diese Besonderheiten geben Monks Stücken einen sperrigen und irritierenden, aber gerade dadurch auch reizvollen Charakter. Sie sind an ihrer individuellen Formensprache leicht als seine Werke zu erkennen. === Der Improvisator === Als Pianist improvisierte Monk selten wie typische Bebop-Solisten in rasanten, sondern bevorzugt eher moderate [[Tempo (Musik)|Tempi]]. Ihm lag nicht daran, seine Virtuosität unter Beweis zu stellen, sondern die verborgenen Strukturen eines Themas aufzudecken und den Hörer dabei mitzunehmen. Er variierte ständig die Melodien und Harmonien der kompositorischen Vorlagen, indem er Motive, Phrasen und Akkorde daraus abstrahierte, dehnte oder verkürzte. Seine kantigen, bizarren Improvisationen wurden spontan erfunden, bildeten aber keine losgelöste und frei assoziierte Linie, sondern bezogen sich immer auf das zu Grunde liegende Thema. Monk benutzte damals sehr ungewöhnliche [[Akkord]]e, [[Intervall (Musik)|Intervalle]] und [[Skala (Musik)|Skalen]], etwa den übermäßigen [[Dreiklang]], die Ganztonleiter, die zum [[Tritonus]] erhöhte [[Quarte]] (das „Bebop“-Intervall) und kleine, als besonders dissonant empfundene [[Sekunde (Musik)|Sekunden]]. Als Beispiel sei das Klavierintro aus der Komposition ''Brilliant Corners'' genannt. [[Datei:BrilliantCorners.jpg|thumb|350px|Klavierintro zu Brilliant Corners]] [[Datei:Speaker Icon.svg|15px]] [[Media:BrilliantCorners.mid|Hörbeispiel]] Er kombinierte diese Elemente auf bizarre Weise miteinander und verteilte seine Akkorde über die ganze Klaviatur. Er setzte diese sowohl als harmonische Wendungen als auch als eigene „Farben“ ein. Auch rhythmisch setzte Monk in dem für ihn typischen perkussiven Stil unerwartete, aber umso effektvollere Akzente. Er setzte diese sparsam, aber immer an Stellen, wo sie ein Höchstmaß an Aussagekraft erreichen. Er spielte mit Pausen und Gegenrhythmen, die den weiterlaufenden [[Swing (Rhythmus)|Swing]] kontrastieren. Indem er die Form verfremdete und neue großräumige thematische Bezüge herstellte, erzeugte er außergewöhnliche Spannungsmomente und öffnet neue Horizonte. Der Hörer kann miterleben, wie Monk das Stück improvisierend kommentiert, durchdenkt und nochmals ganz neu erfindet. Monks Art der Komposition und Improvisation sind untrennbar miteinander verbunden. Der Kritiker [[Whitney Balliett]] fasst diese Wechselbeziehung so zusammen: ''“Seine Improvisationen sind verflüssigte Kompositionen, seine Kompositionen sind gefrorene Improvisationen.“'' Innerhalb des Modern Jazz geht Monk bis an die Grenze zur Auflösung jeder Tonalität, [[Phrase (Musik)|Phrasierung]] und Rhythmik. Deswegen war er lange Zeit dem Unverständnis von Publikum und Kritik ausgesetzt. In der Bebop-Ära wurde er deshalb oft heftig abgelehnt und angefeindet. Seine Kritiker führten seine Art, Spannung zu erzeugen, auf mangelndes technisches Können und fehlendes [[Swing (Rhythmus)|Swing]]-Gefühl zurück. Monks Musik gewann jedoch gerade durch seine konsequent skurrile Exzentrik eine innere Stimmigkeit und Geschlossenheit, wie sie auch im Jazz nur selten zu finden sind. Sein sehr persönlicher [[Klavierstil|Improvisationsstil]] findet daher nur wenige Nachahmer. Monk lotete die kompositorischen und improvisatorischen Möglichkeiten des modernen Bebop-Idioms aus: Er ironisierte vermeintlich Bekanntes, parodierte [[Klischee]]s, unterlief die Erwartungshaltung des Hörers und schaffte neue, unvermutete Bezüge. Dabei gab er aber die Tradition niemals auf, sondern blieb im Rahmen der funktionalen, vom Blues „getränkten“ Jazzharmonik und konventionellen Songformen. Diese vorgegebenen Strukturen sind als Basis seiner Spielweise immer erkennbar und werden gerade durch ihre Verfremdung hervorgehoben. Ein besonderer Reiz seiner Musik liegt daher in dem stets spürbaren Spannungsverhältnis zwischen den traditionellen musikalischen Formen und ihrer individualistischen Transformation. === Einfluss auf andere Musiker === Durch seine verspätete Anerkennung macht sich Monks Einfluss erst ab etwa 1955 bemerkbar. Er eröffnete dem Jazz in den 1950er Jahren neuartige Perspektiven: Sein experimenteller Stil nahm schon vieles von dem vorweg, was später in den 1960er Jahren im [[Free Jazz]] üblich und breit entfaltet wurde. Durchsetzt von seinem zynischen Humor klang bei Monk Vieles erstmals an, was ebenso geniale Jazz-[[Avantgarde|Avantgardisten]] später weiterentwickelten. So beeinflusste Monk zahlreiche Jazzmusiker der 1960er Jahre wie [[John Coltrane]], [[Ornette Coleman]], [[Sonny Rollins]] und [[Eric Dolphy]]. Er selbst war jedoch nicht bereit, die radikalen Umwälzungen mitzumachen, sondern stand dem Free Jazz der 1960er Jahre ablehnend gegenüber. Er warf den jungen Avantgardisten vor, unzusammenhängend und unlogisch einfach nur „einen Haufen Noten“ nacheinander zu spielen. Den Free-Jazz-Pionier Ornette Coleman beschuldigt er sogar, mit seinen neuartigen musikalischen Konzepten den Jazz zu zerstören. - Hier zeigt sich, dass der Komponist und Strukturalist Monk auf die traditionelle Form angewiesen blieb, um seine individuelle musikalische Sprache sprechen zu können. Monk komponierte im Laufe seines Lebens nur genau 71 Themen ([[Duke Ellington]] zum Beispiel komponierte etwa 2000). Dennoch gilt er als einer der wenigen großen Jazz-Komponisten. Viele seiner Stücke wurden wegen ihrer genialen eigenwilligen, oft bizarren Formensprache ihrerseits zu Jazzklassikern (sogenannten „[[Jazzstandard|Standards]]“). Sie haben in dem, was man als [[Modern Jazz]] bezeichnet, eine absolut überragende Stellung eingenommen und gelten als Paradebeispiele für diese Musikrichtung, an der kein bedeutender heutiger Jazzmusiker und Jazzpianist vorbeikommt. Seit Monks Tod erlebte seine Musik eine regelrechte Renaissance, die bis heute anhält. Viele namhafte Musiker beschäftigen sich bis heute intensiv mit seinem Werk und spielen seine Kompositionen ein. Dazu gehören unter anderen [[Anthony Braxton]], [[Misha Mengelberg]] und [[Chick Corea]]. Der Pianist [[Alexander von Schlippenbach]] führt mit einer Gruppe junger Musiker in einem Konzertprogramm das Gesamtwerk Monks auf und hat dieses im Jahr 2004 komplett aufgenommen. Der Sopransaxophonist [[Steve Lacy]] spielte einige Jahre seiner Karriere sogar ausschließlich Monk-Kompositionen. Monks Einfluss reicht jedoch weit über den Jazz hinaus. So erschien 1984 das von [[Hal Willner]] produzierte Doppelalbum ''That’s The Way I Feel Now'', auf dem sowohl Jazz- als auch Popmusiker Monk ihre Reverenz erweisen. Unter ihnen sind [[Gil Evans]], [[Dr. John]], [[Donald Fagen]] und [[John Zorn]]. Auch das [[Kronos Quartet]] hat eine kammermusikalische Hommage an Monk aufgenommen. 1989 produzierte [[Clint Eastwood]] den Dokumentarfilm ''Thelonious Monk: Straight, No Chaser'', ein sensibles und lebhaftes Portrait Thelonious Monks, unter der Regie von [[Charlotte Zwerin]]. Im April 2006 wurde Thelonious Monk für sein Werk posthum ein [[Pulitzer Preis]] verliehen. == Kompositionen (Auswahl) == {|width="100%" align="center"| |width="50%" valign="top"| * ''52nd Street Theme'' * ''Ask me now'' * ''Ba-Lue Bolivar Ba-Lues-Are'' * ''[[Bemsha Swing]]'' * ''Blue Monk'' * ''Bright Mississippi'' * ''Brilliant Corners'' * ''Bye-Ya * ''Crepuscule With Nellie'' * ''Epistrophy'' * ''Eronel'' * ''Evidence'' * ''Hackensack'' * ''I mean you'' * ''In walked Bud'' * ''Introspection'' * ''Let´s call this'' |width="50%" valign="top"| * ''Light Blue'' * ''Little Rootie Tootie'' * ''Misterioso'' * ''Monk´s Dream'' * ''Monk´s Mood'' * ''Off Minor'' * ''Pannonica'' * ''Played Twice'' * ''Reflections'' * ''[['Round Midnight]]'' * ''Ruby My Dear'' * ''Rhythm-A-Ning'' * ''Straight, No Chaser'' * ''We See'' * ''[[Well You Needn’t]]'' |- |} == Wichtige Aufnahmen == Bereits zu Lebzeiten wurden mehr als 50 Aufnahmen Thelonious Monks unter seinem eigenen Namen oder dem anderer Leader veröffentlicht. Seit seinem Tode wurden seiner Diskografie bis heute zahlreiche weitere, bislang unveröffentlichte Aufnahmen oder Zusammenstellungen hinzugefügt. Erst im Jahr 2005 wurde etwa eine bislang unbekannte Live-Aufnahme Monks mit John Coltrane veröffentlicht. Eine vollständige Auflistung an dieser Stelle ist weder sinnvoll noch möglich. Stattdessen wird hier exemplarisch auf einige besonders hervorzuhebende Aufnahmen hingewiesen. '''Alben''' * ''[[Genius Of Modern Music]] Vol. 1'' (1947-48, Blue Note) * ''Genius Of Modern Music Vol. 2'' (1952, Blue Note) * Miles Davis: ''[[Miles Davis and The Modern Jazz Giants]]'' (1954, Prestige) * ''[[Monk's Music]]'' (1957, Riverside) * ''Brilliant Corners'' (1957, Riverside) * ''[[Thelonious Monk Quartet with John Coltrane at Carnegie Hall]]'' (1957, Blue Note, erschienen 2005) * ''Thelonious Alone In San Francisco'' (1957, Riverside) * ''The Thelonious Monk Orchestra At Town Hall'' (1959, Riverside) * ''Criss Cross'' (1963, Columbia) * ''Live At the It Club'' (1964, Sony, erschienen 1998) * ''Monk Big Band & Quartet In Concert'' (1964, Columbia) * ''Solo Monk'' (1965, Columbia) * ''[[Underground (Thelonious Monk)|Underground]] (1967/68, Columbia) * ''The London Collection Vol. I+II'' (1971, Black Lion) '''Zusammenstellungen''' * ''The Best Of Thelonious Monk. The Blue Note Years'' (1947-1952, Blue Note, erschienen 1991) * ''Thelonious Monk 85th Birthday Celebration'' (1952-1961, ZYX Music, erschienen 2002) * ''The Columbia Years: '62-'68'' (1962-1968, Sony, erschienen 2001) '''Andere''' Es existieren zahlreiche Schallplatten, auf denen andere Musiker ausschließlich Kompositionen Thelonious Monks spielen, oder bei denen diese einen Schwerpunkt bilden. Diese Liste kann daher nur eine kleine Auswahl wiedergeben. * Steve Lacy: ''Reflections'' (1958, New Jazz/OJC) * [[Steve Kahn]]: ''Evidence'' (1980, Novus) * Sphere: ''Four In One'' (1982, Elektra) * [[Roswell Rudd]] / [[Misha Mengelberg]]: ''Regeneration'' (1982, Soul Note) * [[Arthur Blythe]]: Light Blue'' (1983, Columbia) * Verschiedene: ''That’s The Way I Feel Now'' (1984, A&M) * [[Kronos Quartet]] : ''Monk Suite'' (1985, Nonesuch) * Steve Lacy: ''Only Monk'' (1985, Soul Note) * [[Anthony Braxton]]: ''Six Monk’s Compositions'' (1987, Black Saint) * [[Paul Motian]]: ''Monk In Motian'' (1988, jmt) * [[Carmen McRae]]: ''Carmen Sings Monk'' (1988, Novus) * Steve Lacy: ''More Monk'' (1989, Soul Note) * Bebop & Beyond: ''Plays Thelonious Monk'' (1990, Blue Moon) * [[T.J.Kirk]]: ''If Four Was One'' (1996, Warner Bros.) * [[Esbjörn Svensson Trio]]: ''Plays Monk'' (1996, ACT) * Alexander von Schlippenbach: ''Plays Monk'' (1997, enja) * T.S.Monk: ''Monk On Monk'' (1997, N2K) * Verschiedene: ''Blue Monk: Blue Note Plays Monk's Music'' (1999, Blue Note) * [[Wynton Marsalis]]: ''Standard Time, Vol. 4: Marsalis Plays Monk'' ( 1999, Columbia) * Alexander von Schlippenbach: ''Monk's Casino'' (Das Gesamtwerk, 2005, Intakt) == Filme, DVDs, Hörbuch == * ''Thelonious Monk: Straight, No Chaser'' (Dokumentarfilm von Charlotte Zwerin, 1989) * Rufus Beck: ''The Thelonious Monk Story'' (Hörbuch, 2 CDs, 2005, ZYX Music) == Literatur == * Thomas Fitterling: ''Thelonious Monk. Sein Leben, seine Musik, seine Schallplatten''. Oreos, Waakirchen 1987, ISBN 3-923657-14-5 * Thomas Fitterling: ''Thelonious Monk: His Life and Music''. Berkeley Hills Books, Berkeley 1997, ISBN 0-9653774-1-5 * [[Leslie Gourse]]: ''Straight, No Chaser: The Life and Genius of Thelonious Monk'', Schirmer Books, 1998. ISBN 0-8256-7229-5 * Jacques Ponzio, Francois Postif: ''„blue monk“ - prophet der moderne im jazz''. Hannibal, St. Andrä-Wördern 1997, ISBN 3-85445-142-3 * Arthur Taylor: ''Notes and Tones. Musician-to-Musician Interviews''. Da Capo Press, New York 1993, ISBN 0-306-80526-X (ausgiebige Interviews mit 30 Jazzmusikern, darunter Monk) * Marcus A. Woelfle: ''Thelonious Monk 85th Birthday Celebration.'' Beiheft zur CD-Box. ZYX Music 2002. * ''Misterioso. Jazzlegende Thelonious Monk''. Themenheft aus ''du'' Schweizer Monatsschrift. TA-Media Verlag, Zürich 1994 (März). {{ISSN|0012-6837}} *Rob van der Bliek (Hrsg.) ''The Monk Reader'', Oxford University Press 2001 * [[Laurent de Wilde]]: ''Monk''. Übersetzt von Jonathan Dickinson. New York: Marlowe Press, 1997. ISBN 978-1-56924-740-2 (engl.; französ. Original 1996) == Weblinks == * {{DNB-Portal|118826158}} * http://www.monkzone.com/ * http://www.misterioso.de/index.html * http://www.monkinstitute.com * [http://www.jazzdisco.org/monk/dis/c/ Detaillierte Diskographie von Thelonious Monk] {{Exzellent}} {{Normdaten|PND=118826158|VIAF=44485892}} {{DEFAULTSORT:Monk, Thelonious}} [[Kategorie:Jazz-Pianist]] [[Kategorie:Komponist (Jazz)]] [[Kategorie:US-amerikanischer Komponist]] [[Kategorie:US-amerikanischer Musiker]] [[Kategorie:Grammy-Preisträger]] [[Kategorie:Geboren 1917]] [[Kategorie:Gestorben 1982]] [[Kategorie:Mann]] {{Personendaten |NAME=Monk, Thelonious |ALTERNATIVNAMEN= |KURZBESCHREIBUNG=US-amerikanischer Jazz-Pianist und –komponist |GEBURTSDATUM=10. Oktober 1917 |GEBURTSORT=[[Rocky Mount (North Carolina)|Rocky Mount]], North Carolina |STERBEDATUM=17. Februar 1982 |STERBEORT=[[Weehawken Township|Weehawken]], New Jersey }} {{Link GA|ru}} [[bg:Телониъс Монк]] [[ca:Thelonius Monk]] [[cs:Thelonious Monk]] [[da:Thelonious Monk]] [[en:Thelonious Monk]] [[eo:Thelonious Sphere Monk]] [[es:Thelonious Monk]] [[fa:تلانیوس مانک]] [[fi:Thelonious Monk]] [[fr:Thelonious Monk]] [[he:ת'לוניוס מונק]] [[hu:Thelonious Monk]] [[io:Thelonious Monk]] [[it:Thelonious Monk]] [[ja:セロニアス・モンク]] [[la:Thelonius Monk]] [[lb:Thelonious Monk]] [[nl:Thelonious Monk]] [[nn:Thelonious Monk]] [[no:Thelonious Monk]] [[oc:Thelonious Monk]] [[pl:Thelonious Monk]] [[pt:Thelonious Monk]] [[ru:Монк, Телониус]] [[sr:Телонијус Манк]] [[sv:Thelonious Monk]] [[sw:Thelonious Monk]] [[th:ทีโลเนียส มังค์]] [[uk:Телоніус Монк]] ekq5tqhx4qy0mfaxtthsp64b1mourtl wikitext text/x-wiki Thomas Jonathan Jackson 0 23512 26111 2010-04-27T11:21:29Z Claude J 0 /* Würdigung */ umformuliert, einleitungssatz für folgende genauere erläuterungen '''Thomas Jonathan Jackson''', genannt ''„Stonewall“'', (* [[21. Januar#Geboren|21. Januar]] [[1824]] in [[Clarksburg (West Virginia)|Clarksburg]], [[Virginia]] (heute [[West Virginia]]); † [[10. Mai#Gestorben|10. Mai]] [[1863]] in [[Guinea Station]], [[Spotsylvania County]], Virginia) war [[Major]] der [[United States Army]], Lehrer am [[Virginia Military Institute]] (VMI) in [[Lexington (Virginia)|Lexington]], Virginia und General im [[Confederate States Army|Heer]] der [[Konföderierte Staaten von Amerika|Konföderierten Staaten von Amerika]] im [[Sezessionskrieg|Amerikanischen Bürgerkrieg]]. Bekannt ist er vor allem durch den erfolgreichen [[Jacksons Shenandoah-Feldzug 1862|Shenandoah-Feldzug]] und den Flankenangriff bei [[Schlacht bei Chancellorsville|Chancellorsville]], die ihm den Ruf einbrachten, ''General [[Robert Edward Lee|Robert E. Lees]] fähigster Untergebener''<ref>thelatinlibrary.com: [http://www.thelatinlibrary.com/chron/civilwarnotes/jackson.html der fähigste General]</ref> zu sein. [[Bild:Jackson-Stonewall-LOC.jpg|thumb|Generalleutnant Jackson – um 1862]] == Elternhaus, Kindheit und Jugend == Jackson wurde als Kind eines Anwalts geboren. Sein Vater und seine ältere Schwester starben 1826 an [[Typhus]]. Nach dem Tod des Vaters blieben der Witwe hohe Schulden und die Familie verarmte. Nachdem seine Mutter 1830 wieder geheiratet hatte, wurde Jackson zu einem unverheirateten Onkel aufs Land geschickt. Dort musste er die landwirtschaftlichen Tätigkeiten auf dem Hof seines Onkels erledigen. In seiner freien Zeit nutzte Jackson jedoch jede Gelegenheit, zur Schule zu gehen. Er war ein überdurchschnittlich guter und sportlicher Schüler, erhielt aber keinen höheren Abschluss. == Karriere in der US-Armee == === West Point und der mexikanisch-amerikanische Krieg === [[Bild:Leutnant 1847.jpg|thumb|<center><small>Leutnant Jackson – 1847</small>]] Jackson wurde 1842 an die [[United States Military Academy|Militärakademie]] in [[West Point (New York)|West Point]], [[New York (Bundesstaat)|New York]] berufen, allerdings nicht als erste Wahl seines vorschlagenden Kongressabgeordneten. Wegen seiner mangelhaften Schulbildung hatte er besonders im ersten Jahr erhebliche Schwierigkeiten, mit seinen Klassenkameraden mitzuhalten, die ihn ''„country clodhopper“''<ref>Robert K. Krick: [http://www.fredericksburg.com/CivilWar/Battle/chanc_story?dy=12072002&fn=810867 Spitzname Jacksons in West Point]</ref> ''(„Bauerntölpel“)'' nannten. Zu diesen gehörten unter anderen die späteren Generale beider Seiten McClellan, Reno, Couch, A.P. Hill und Pickett. Seine Defizite auf allen Gebieten glich er durch häufiges, nächtelanges Lernen aus. Jackson schloss die Militärakademie 1846 als Siebzehnter seiner Klasse ab. Zum [[Leutnant]] befördert, wurde er zur [[Artillerie]] versetzt und nahm während des [[Mexikanisch-Amerikanischer Krieg|Mexikanisch-Amerikanischen Krieges]] an General [[Winfield Scott|Scotts]] Feldzug von Vera Cruz bis Mexiko-Stadt teil. Sein Batteriechef lobte ihn als hingebungsvollen, eifrigen, talentierten und tapferen Soldaten<ref>Confederate Military History, Volume 1: [http://www.civilwarhome.com/CMHjacksonbio.htm Lob des Batteriechefs]</ref>. Eigenständiges und mutiges Handeln zeichneten ihn bereits damals aus. In Folge wurde er mit zwei [[Brevet-Rang|Brevet-Beförderungen]] ausgezeichnet. Für seinen Mut bei der Erstürmung [[Schlacht_von_Chapultepec|Chapultepecs]] wurde er zum Brevet-Major befördert. Nach dem Krieg wurde er zunächst an Lees ehemaliger Wirkungsstätte, Ft. Hamilton im [[New York City|New Yorker]] Hafen, verwendet und anschließend nach Ft. Meade, [[Florida]] versetzt. === Am Virginia Military Institute === Jackson erhielt 1851 einen [[Lehrstuhl]] am Virginia Military Institute. Er trat aus der Armee aus, verblieb aber als Major in der Virginia-[[Miliz (Volksheer)|Miliz]]. Im November 1859 führte Jackson die Artillerie des Kadettenkorps, das die Hinrichtung [[John Brown (Abolitionist)|John Browns]] in Harpers Ferry, Virginia (heute West Virginia) sicherte. Jackson unterrichtete Artilleriewesen und Physik (Artillery Tactics and Natural Philosophy). Er war bei seinen Schülern unbeliebt, so nannten ihn einige ''„Tom Fool“ (Einfaltspinsel)'', und 1856 beantragten ehemalige Schüler, ihn aus dem Lehrkörper zu entfernen. Der [[Dekan (Hochschule)|Dekan]] lehnte den Antrag mit der Begründung ab, als Lehrer der allgemeinen Physik hätte Jackson zwar keinen Erfolg, zudem ließe er den notwendigen Takt gegenüber den Schülern vermissen, aber als Lehrer der Kriegswissenschaften sei er ein Genie. Diese pädagogische Unfähigkeit gepaart mit seinem humorlosen Auftreten ließen ihn zum Opfer vieler derber Späße der Kadetten werden; einer von ihnen, [[James Alexander Walker]], forderte ihn sogar zum Duell. Jackson trug ihm das jedoch nicht nach. Walker diente während des Bürgerkrieges in der ''Stonewall''-Brigade, deren Kommandeur er auf Vorschlag Jacksons 1863 wurde.<ref>Confederate Military History: [http://web.archive.org/web/20070421192609/http://members.aol.com/jweaver300/grayson/walker.htm Duell mit Walker]</ref> Am 4. August 1853 heiratete Jackson Eleanor Junkin, die bei der Totgeburt des ersten Kindes starb. Am 16. Juli 1857 heiratete er Mary Anna Morrison, mit der er zwei Kinder hatte, von denen nur eins das Erwachsenenalter erreichte. Jackson war auf seine Gesundheit bedacht und hielt strenge Diät. Eine von seinen späteren Biographen zum Zwecke der Mystifizierung der Persönlichkeit verbreitete Anekdote war, dass er während des Bürgerkrieges häufig beim genussvollen Verzehr von Zitronen beobachtet wurde. Hiermit sollte wohl der Eindruck erweckt werden, dass Jackson auch die Verpflegung mit den Soldaten teilte. Allerdings geschah das wohl eher in Ermangelung anderer Früchte – er bevorzugte Pfirsiche – und zur Vorbeugung gegen [[Skorbut]]. Diese Anekdote hat sich nicht zuletzt deshalb erhalten, weil sie durch den Roman „[[Gods and Generals]]“ von Jeff Shaara wieder neu belebt wurde. === Jacksons Haltung zur Sezession und Sklaverei === Jackson besuchte 1860 [[Neuengland]]. Dort hörte er erstmalig von Gerüchten, die eine [[Sezession]] voraussagten. Seine Befürchtungen um die Einheit der Nation stiegen. Er trat immer dafür ein, die Meinungsverschiedenheiten der Staaten innerhalb der [[Vereinigte Staaten|Union]] zu lösen, nicht zuletzt weil er die militärische Unterlegenheit des Südens kannte. Als jedoch die [[Abolitionismus|abolitionistischen Strömungen]] in Washington immer stärker wurden und sich die Absicht der US-Regierung, in die Rechte der Einzelstaaten einzugreifen, immer deutlicher abzeichnete, sah auch er keinen anderen Ausweg, als durch den Austritt aus der Union die Rechte der [[Südstaaten]] zu bewahren. Was Jacksons Haltung zur [[Sklaverei in den Vereinigten Staaten|Sklaverei]] angeht, sagte seine Frau in ihrer Biographie:<ref>G. F. R. Henderson: ''Stonewall Jackson and the American Civil War'', Bd. 1, Kap. IV, S. 89. [ftp://sunsite.informatik.rwth-aachen.de/pub/mirror/ibiblio/gutenberg/1/2/2/3/12233/12233-h/chap4.html Haltung zur Sklaverei]</ref> {{Zitat-en|'' … and I have heard him say that he would prefer to see the negroes free, but he believed that the Bible taught that slavery was sanctioned by the Creator Himself, … ''|Übersetzung= … und ich hörte ihn sagen, dass er es vorziehen würde, dass die Neger frei wären, aber er glaubte auch, dass die Bibel lehrte, Sklaverei sei vom Schöpfer selbst erlaubt … }} Jackson selbst unterrichtete gemeinsam mit seiner Frau erfolgreich jahrelang neben seinem Beruf und auf eigene Kosten Sklaven von Freunden in der Sonntagsschule.<ref>G. F. R. Henderson: ''Stonewall Jackson and the American Civil War'', Bd. 1, Kap. III, S. 61. [ftp://sunsite.informatik.rwth-aachen.de/pub/mirror/ibiblio/gutenberg/1/2/2/3/12233/12233-h/chap3.html Sonntagsschule]</ref> Als Angehöriger der virginischen Oberschicht hatte auch Jackson Sklaven. Er führte den Haushalt patriarchalisch und pedantisch und behandelte die Sklaven wie Diener. Jackson persönlich bildete die Diener in den von ihm als wesentlich erachteten Tugenden – Höflichkeit, Pünktlichkeit und Moral – aus.<ref>G. F. R. Henderson: ''Stonewall Jackson and the American Civil War'', Bd. 1, Kap. III, S. 67. [ftp://sunsite.informatik.rwth-aachen.de/pub/mirror/ibiblio/gutenberg/1/2/2/3/12233/12233-h/chap3.html Jacksons Verhältnis zu seinen Sklaven]</ref> == Der Amerikanische Bürgerkrieg == === Erste Kommandos in der Konföderierten Armee und die erste Schlacht am Bull Run === Am 21. April 1861, vier Tage nach der Sezession Virginias, wurden die Kadetten des VMI unter Jacksons Kommando als Ausbilder nach [[Richmond (Virginia)|Richmond]], Virginia beordert. Er selbst wurde zum [[Oberst]] befördert und am 27. April nach Harpers Ferry versetzt, um als Brigadekommandeur die sich dort versammelnden Miliz-Regimenter zu einer schlagkräftigen [[Brigade]] zu formen. Diese Brigade erhielt seinen Namen und später nach seinem Tod auch seinen Spitznamen „Stonewall“<ref>War of the Rebellion Official Records Series I, Vol. XXV, Part II S. 840: [http://ehistory.osu.edu/osu/sources/recordView.cfm?Content=040/0840 Besonderer Befehl Nr. 129: Verleihung des Ehrennamens]</ref>, den die Soldaten als Auszeichnung verstanden. Jackson unterstand [[Generalmajor]] [[Joseph Eggleston Johnston|Joseph E. Johnstons]] Shenandoah-Armee. Beim ersten Gefecht um Harpers Ferry zeichnete er sich durch Tapferkeit aus und wurde deshalb am 17. Juni zum [[Brigadegeneral]] befördert. Jacksons Brigade wurde danach vom 2. Juli bis zum 15. Juli in den [[Gefecht am Hoke Run|Gefechten]] gegen [[Generalmajor]] Patterson eingesetzt und anschließend mit der Eisenbahn in den Raum um Manassas, Virginia verlegt. Dort wurde Jackson am [[Henry Hill (Manassas)|Henry Hill]] eingesetzt. Als während der [[Erste Schlacht am Bull Run|Schlacht]] am 21. Juli 1861 die Brigade Brigadegeneral [[Barnard Elliott Bee]]s fluchtartig auswich, rief dieser seinen Soldaten zu: {{"-en|''Look at Jackson's brigade! It stands there like a stone wall''|Übersetzung=Seht euch Jacksons Brigade an! Sie steht da wie eine Mauer!}}<ref>General P.G.T. Beauregard: [http://www.civilwarhome.com/bullruncampaign.htm Stonewall]</ref> Bis heute ist nicht geklärt, wie diese Äußerung gemeint war, weil Bee kurz darauf tödlich verwundet wurde. Möglicherweise sagte er es aus Wut, dass Jackson keinen Entlastungsangriff unternahm oder aus Freude, weil Bee seine Soldaten sammeln konnte. Fest steht, dass Jackson zu diesem Zeitpunkt nicht im Kampf stand und dass die Flucht aufgehalten wurde. Hier erhielt Jackson seinen Spitznamen „Stonewall“, der als [[Ehrenname]] auch seiner Brigade gegeben wurde. === Vom Shenandoahtal nach Richmond === [[Bild:Generalmajor Nov 1862.jpg|thumb|<small><center>General Jackson – 1862</small>]] Jackson wurde mit seiner Brigade nach der Schlacht zurück ins Shenandoahtal beordert. Bis zum 6. Oktober unterstand er der konföderierten [[Army of the Potomac|Potomac-Armee]], am darauffolgenden Tag wurde er zum Generalmajor befördert und am 22. Oktober zum Kommandeur des Wehrbezirks Shenandoahtal ernannt. Ein winterlicher Vorstoß nach Romney, heute West Virginia, blieb nicht zuletzt wegen der Witterungsbedingungen erfolglos. Wegen der seiner Meinung nach ungerechtfertigten Kritik [[Jefferson Davis]]’<ref>War of the Rebellion Official Records Series I, Vol. V, S. 1071f: [http://ehistory.osu.edu/osu/sources/recordView.cfm?page=1071&dir=005 Kritik]</ref> an diesem Misserfolg wollte er zunächst sein Offizierspatent zurückgeben, sah jedoch später davon ab. Am 23. März 1862 begann Jackson mit zunächst 10.000 Mann den [[Jacksons Shenandoah-Feldzug 1862|Shenandoah-Feldzug]]. Auch wenn dieser mit einer Niederlage wegen mangelhafter Aufklärung bei Kernstown, Virginia begann, gelang es Jackson im Frühjahr 1862 durch fünf Siege ca. 100.000 Unionssoldaten im Shenandoahtal zu binden, die Generalmajor [[George Brinton McClellan|McClellan]] für die erfolgreiche Durchführung des [[Halbinsel-Feldzug]]es fehlten. Jacksons Feldzug war gekennzeichnet durch schnelle Bewegungen<ref>G. F. R. Henderson: ''Stonewall Jackson and the American Civil War'', Bd. 1, Kap. XII, S. 426. [ftp://sunsite.informatik.rwth-aachen.de/pub/mirror/ibiblio/gutenberg/1/2/2/3/12233/12233-h/chap12.html Organisation der Märsche]</ref> (Jacksons berüchtigte Gewaltmärsche, die seinen Truppen den Spitznamen „Fuß-Kavallerie“ einbrachten),<ref>G. F. R. Henderson: ''Stonewall Jackson and the American Civil War'', Bd. 1, Kap. XI, S. 403. [ftp://sunsite.informatik.rwth-aachen.de/pub/mirror/ibiblio/gutenberg/1/2/2/3/12233/12233-h/chap11.html Marschleistung]</ref> aggressives Zuschlagen bevor der Gegner seine Kräfte vereinigen konnte und systematischer Verschleierung seiner Absichten und Marschwege. Das ging so weit, dass er selbst unterstellten Offizieren die nächsten beabsichtigten Schritte verschwieg – aus Angst, die überall vorhandenen Spione des Gegners könnten Wind davon bekommen. Jackson kam dabei zugute, dass er als Einheimischer das Tal genauestens kannte und zusätzlich erkunden ließ. Er orientierte sich anhand einer 3&nbsp;m langen Karte. Der führende Kartograph war Hauptmann Jedediah Hotchkiss. Jacksons brillanter Feldzug schuf ihm nicht nur bei den unterstellten Offizieren und im konföderierten Heer<ref>Confederate Military History, Volume 1: [http://www.civilwarhome.com/CMHjacksonbio.htm brillante Leistungen]</ref> den Nimbus des Siegers, sondern wurde im 19. Jahrhundert in vielen Kriegsakademien – und wird bis heute im US-Heer – als Paradebeispiel für Taktik angesichts eines vielfach überlegenen Gegners gelehrt. Jackson selbst äußerte sich nur selten zu den von ihm bevorzugten Taktiken. Zu General Imboden sagte er 1861:<ref>Buel, Johnson Hrsg. ''Battles and Leaders of the Civil War'', 1884–1888, Bd.2, S.&nbsp;297. Jackson in Gesprächen zu General Imboden [http://ehistory.osu.edu/osu/books/battles/vol2/pageview.cfm?page=297&dir=282 Erfolgreiche Taktik]</ref> {{Zitat-en|''Always mystify, mislead, and surprise the enemy, if possible; and when you strike and overcome him, never let up in the pursuit so long as your men have strength to follow; for an army routed, if hotly pursued, becomes panic-stricken, and can then be destroyed by half their number. The other rule is, never fight against heavy odds, if by any possible maneuvering you can hurl your own force on only a part, and that the weakest part, of your enemy and crush it. Such tactics will win every time, and a small army may thus destroy a large one in detail, and repeated victory will make it invincible.''|Übersetzung=Wenn es möglich ist, führe den Feind stets in die Irre, stelle ihn vor Rätsel und überrasche ihn; und wenn du zuschlägst und ihn überwältigst, gib die Verfolgung nicht auf, solange deine Männer die Kraft dazu haben. Denn eine in die Flucht geschlagene Armee verfällt in Panik, wenn sie mit Nachdruck verfolgt wird und kann dann von einer Armee aus halb so vielen Männern vernichtet werden. Die andere Regel ist: kämpfe niemals gegen eine große Übermacht, wenn du irgendeine Möglichkeit siehst, gegen einen Teil deines Feindes, und zwar den schwächsten Teil, loszuschlagen. Solche Taktiken gewinnen immer, und eine kleine Armee kann so eine große stückweise vernichten und durch wiederholte Siege unbezwingbar werden.}} Diese Grundsätze wendete Jackson immer an, wenn es ihm möglich erschien. Nach dem Sieg bei Port Republic waren die Infanteriedivisionen erschöpft und zur Verfolgung des ausweichenden Gegners nicht fähig. Er wies deshalb die Kavallerie an, die ausweichenden Unionssoldaten ständig zu bedrängen:<ref>G. F. R. Henderson: ''Stonewall Jackson and the American Civil War'', Bd. 1, Kap. XI, S. 392. [ftp://sunsite.informatik.rwth-aachen.de/pub/mirror/ibiblio/gutenberg/1/2/2/3/12233/12233-h/chap11.html Jackson zu Colonel Munford am 13. Juni 1862]</ref> {{Zitat-en|''The only true rule for cavalry is to follow the enemy as long as he retreats.''|Übersetzung=Die einzige wahre Regel für die Kavallerie ist es den Feind zu verfolgen, solange er zurückweicht.}} Am 26. Juni 1862 verließ Jackson mit ca. 16.000 Mann das Shenandoahtal, um General Lee, der als Nachfolger des verwundeten Johnston gerade den Oberbefehl der [[Army of Northern Virginia|Nord-Virginia-Armee]] übernommen hatte, bei dessen gewagtem Plan für den Entsatz des belagerten Richmonds zu unterstützen. Daraus entwickelte sich die [[Sieben-Tage-Schlacht]], bei der Lee durch ständige und verlustreiche Angriffe McClellan bis auf den Malvern Hill zurückdrängte und somit zum Abbruch der Belagerung zwang. Während dieser Schlacht führte Jackson sein Korps in den Augen vieler späterer Historiker und einiger konföderierter Generale, die nach dem Shenandoah-Feldzug andere Erwartungen an sein Auftreten hatten, zögerlich und ohne Nachdruck. Es ging sogar das (unberechtigte) Gerücht um, er habe einen ganzen Tag aus Erschöpfung verschlafen.<ref>z.&nbsp;B. McPherson: Battle Cry of Freedom S. 466. Henderson bestreitet in seiner Biographie eine solche Erschöpfungsreaktion und zitiert dafür einen Brief von Jacksons Leibarzt McGuire.</ref> Eine fairere Beurteilung ist aber wohl, dass sich die Unionssoldaten in dem unwegsamen Gelände zäh verteidigten und ein umsichtiger General wie Jackson erst seine Kräfte zusammenfasste und nach Umgehungsmöglichkeiten suchte, bevor er eine starke gegnerische Stellung angriff. Während der ganzen Schlacht gab es immer wieder bei den konföderierten Generalen Orientierungsschwierigkeiten (es gab nur ganz einfache Karten und kaum ortskundige Führer) und Mängel in der Kommunikation (letztlich ein Fehler von Lees Stab). Der gesamte Verlauf der Kampfhandlungen zeigt deutlich, dass sich die Divisionen der Nord-Virginia-Armee erst aufeinander und auf den Führungsstil General Lees einspielen mussten. Lee machte deshalb auch Jackson in seinem offiziellen Bericht keinerlei Vorwürfe.<ref>War of the Rebellion Official Records Series I, Vol. XI, Part II, S. 489ff: [http://ehistory.osu.edu/osu/sources/recordView.cfm?Content=013/0489 Lees Bericht]</ref> Nichtsdestoweniger bleibt die Beurteilung der Sieben-Tage-Schlacht der umstrittenste Punkt in Jacksons Karriere. === Vom Rappahannock zum Antietam Creek === Nach dem strategischen Sieg Lees über McClellan in der Sieben-Tage-Schlacht gliederte Lee die Nord-Virginia-Armee um. Jackson wurde Kommandeur des linken Flügels. Ihm unterstanden drei Divisionen: Winders und Ewells, die Jackson schon im Shenandoah-Feldzug geführt hatte, und die ''„Light Division“'' Generalmajor [[Ambrose Powell Hill|A.P. Hills]], die sich während der Sieben-Tag-Schlacht mehrfach ausgezeichnet hatte. Mitte Juli beabsichtigte Lee zunächst Generalmajor John Pope und anschließend McClellan zu schlagen. Er schickte Jackson Pope entgegen, um diesen zunächst am weiteren Vorgehen nach Süden zu hindern. Nördlich Orange, Virginia kam es am 9. August zur [[Schlacht am Cedar Mountain]]. Die Schlacht wurde nachlässig geschlagen. Jackson führte keine ausreichende Aufklärung durch, die Befehle an die Divisionen, außer der vordersten – Brigadegeneral Winders – bei der sich Jackson aufhielt, waren verworren und erreichten sie verspätet. Erst das Eintreffen A.P. Hills ''‚Light Division‘'' am frühen Abend konnte die Schlacht zu Jacksons Gunsten beenden. Während der Schlacht zeigte Jackson zum einen überragenden Mut und Führungskraft, als er eine zurückflutende Brigade, ausgerechnet die ''Stonewall Brigade'', mit gezogenem Säbel aufhielt und zum Gegenangriff führte, zum anderen eine Detailversessenheit, als er mit General Winder Kanonen selbst bediente und sich am „feinsten Artillerieduell des Krieges“ als Artillerist erfreute. Am 25. August 1862 führte Jackson den linken Flügel der Nord-Virginia-Armee von Pope unerkannt nach Westen über die [[Blue Ridge Mountains]] um dessen eigene Armee herum und zerstörte nach einem Marsch von 51 Meilen zwei Tage später die Versorgungsbasis der [[Army of Virginia|Virginia-Armee]] bei Manassas Junction, Virginia. Danach verschanzte er sich hinter einer unfertigen Eisenbahntrasse bei [[Zweite Schlacht am Bull Run|Groveton]]. Durch ständiges Verlagern des Schwerpunktes und unter dem Einsatz der letzten Reserven widerstand Jackson den Angriffen Popes zwei Tage lang, bis Generalmajor [[James Longstreet]] die Virginia-Armee der Union in einem vernichtenden Angriff am 30. August schlug. Im anschließenden Maryland-Feldzug erhielt Jackson den Auftrag, mit sechs Divisionen die Bedrohung im Rücken der Nord-Virginia-Armee durch die [[Garnison]] von Harpers Ferry auszuschalten. Vom 12. bis 14. September platzierte er seine Divisionen auf den drei die Stadt umgebenden Höhen und zwang so die Garnison sich am 15. September nahezu kampflos zu ergeben. Am nächsten Tag marschierte er unter Zurücklassung der Division A.P. Hills nach Sharpsburg, [[Maryland]] und vereinigte sich mit dem Rest der Nord-Virginia-Armee. Während der [[Schlacht am Antietam]] wehrte er Angriffe von Hookers, Mansfields und Sumners Korps ab. Jacksons letzter Division, A.P. Hills ''Light Division'', die das Schlachtfeld am späten Nachmittag aus Harpers Ferry kommend erreichte, gelang es, den Sieg der Union zu verhindern. === Fredericksburg und Chancellorsville === Nach dem Rückzug aus Maryland wurde Jackson am 10. Oktober 1862 zum [[Generalleutnant]] befördert und gleichzeitig zum [[Kommandierender General|Kommandierenden General]] des II. [[Korps]], seines vorherigen Kommandos, ernannt. Bei der [[Schlacht von Fredericksburg]] am 13. Dezember führte er sein Korps umsichtig, obwohl ihm bei der Geländebeurteilung ein Fehler unterlief, der beinahe zum Durchbruch der Union geführt hätte. Nachdem er durch den Einsatz seiner Reserve die eigenen Stellungen zurückerobern konnte, wollte er die ''‚Left Grand Division‘'' der Union unverzüglich angreifen, um den kleinen Vorteil auszunutzen. Das wurde ihm jedoch von General Lee untersagt. Nach der Überwinterung der Nord-Virginia-Armee südlich des [[Rappahannock River|Rappahannock]] griff der neue [[Oberbefehlshaber]] der Potomac-Armee, Generalmajor [[Joseph Hooker]], erneut die Nord-Virginia-Armee an. In der [[Schlacht bei Chancellorsville]] bildete Jackson mit dem II. Korps den rechten Flügel der Armee. Er schlug Lee einen gewagten Plan vor, den dieser akzeptierte. Am 2. Mai 1863 löste sich Jackson von den angreifenden Korps der Union und umging die gesamte Front der Potomac-Armee. Am Nachmittag griff er überraschend das XI. Korps auf dem rechten Flügel der Potomac-Armee in dessen Rücken an. Am 5. Mai wich Hooker über den Rappahannock aus und die Schlacht war gewonnen. In der Nacht des 2. Mai erkundete Jackson mit seinem Stab das Gelände, um das weitere Vorgehen planen zu können. Bei der Rückkehr wurde er vom Feuer der eigenen Truppen, die nicht von dieser Erkundung unterrichtet waren, überrascht und angeschossen ([[Friendly fire]]). Sein linker Arm musste amputiert werden. Während der [[Rekonvaleszenz]] starb Jackson am 10. Mai 1863 an den Folgen einer Lungenentzündung. Er wurde am 15. Mai in Lexington beigesetzt. == Würdigung == Jackson wird als einer der großen Helden der Konföderation während des Bürgerkrieges verehrt. Einige Theoretiker gehen sogar so weit, zu behaupten, mit Jackson hätte Lee in [[Schlacht von Gettysburg|Gettysburg]] gewonnen.<ref>James McPherson: Battle Cry of Freedom, S. 654 ''Jackson undoubtedly would have found it practicable''</ref> Er gilt als einer der größten Taktiker des 19. Jahrhunderts. Jackson hatte zeitlebens den Ruf, keinem Laster zu frönen und streng moralisch zu leben. In Lexington war er Diakon der [[Presbyterianismus|Presbyterianischen Kirche]]. Er verabscheute es, sonntags zu kämpfen, ließ sich aber nicht davon abhalten, wenn es notwendig war – allerdings holte er den Gottesdienst dann an einem anderen Tag nach. Seine Frau berichtet,<ref>Mary Anna Jackson ''Memoirs of Stonewall Jackson'', S.75</ref> dass er sonntags nicht nur keine Briefe schrieb, sondern nach Möglichkeit auch keine las und sogar seine Post so einrichtete, dass sie nicht an einem Sonntag befördert wurde. An anderer Stelle schrieb er ihr: ''Hätte ich an einem Sonntag statt an einem Montag gekämpft, wäre der Ausgang, fürchte ich, in Gefahr gewesen'' <ref>Mary Anna Jackson: ''Memoirs of Stonewall Jackson'', S. 249</ref>. In einem Gespräch mit einem seiner Stabsoffiziere äußerte er sich sogar dahingehend, militärische Handlungsanweisungen direkt aus dem Alten Testament zu übernehmen - sein dabei zitiertes Vorbild war der Kampf [[Buch Josua|Josuas]] mit den [[Amalekiter]]n.<ref>Jackson zu seinem Stabsoffizier Lt. Smith, Henderson ''Stonewall Jackson'', Bd.2, Kapitel 22, S.380/1 „''Can you tell me where the Bible gives generals a model for their official reports of battles?''...''Nevertheless there are such, and excellent models, too. Look, for instance, at the narrative of Joshua's battles with the Amalekites; there you have one. It has clearness, brevity, modesty, and it traces the victory to its right source, the blessing of God.''“.</ref>, die dieser vernichtend schlug und dem daraufhin der Bibel nach von Gott befohlen wurde, diese vollständig zu vernichten. Seine tiefe Religiosität und sein sprödes Wesen führten immer wieder dazu, dass er andere vor den Kopf stieß. Trotz seiner Schrullen vertrauten ihm seine Soldaten und kämpften unter seiner Führung hervorragend. Im Kampf kannte Jackson jedoch keine Gnade mit dem Gegner, und auch nicht bei Fehlverhalten eigener Leute. Als ein Soldat auf einem Marsch seinem Befehl, keine fremden Häuser zu betreten, zuwiderhandelte, ließ er ihn nach einem der im Bürgerkrieg typischen „drum-head court-martial“-Kriegsgerichtsverfahren verurteilen und innerhalb 20 Minuten nach Verkündung des Urteils erschießen.<ref>G. F. R. Henderson: ''Stonewall Jackson and the American Civil War'', Bd. 2, Kap. XXI, S. 364 [ftp://sunsite.informatik.rwth-aachen.de/pub/mirror/ibiblio/gutenberg/1/2/2/3/12233/12233-h/chap21.html Todesurteil wegen Gehorsamsverweigerung]</ref> Jackson bestätigte stets die Todesurteile der Kriegsgerichte über Deserteure. Besonders erbittert war er über die Plünderungen in Fredericksburg durch Unionstruppen. ''Keine Gnade für die Verwüster unserer Heimstätten und Herde'', schrieb er an seine Frau.<ref> Mary Anna Jackson, loc.cit. S.310</ref> Nach einem Gefecht wurde Jackson durch einen Oberst auf die außerordentliche Tapferkeit der gefallenen Unionssoldaten hingewiesen. Der Oberst zeigte sein Bedauern über den Tod der Soldaten, und sagte, dass sie wegen ihrer Tapferkeit hätten überleben sollen. Jackson antwortete: {{"-en|''No; shoot them all: I do not wish them to be brave.''|Übersetzung=Nein; erschießt sie alle: Ich will nicht, dass sie tapfer sind.}}<ref>Robert Lewis Dabney, Life and Campaigns of Lieutenand-General Thomas J. Jackson, Chapter 20, Page 397: [http://www.perseus.tufts.edu/hopper/text.jsp?doc=Perseus%3Atext%3A2001.05.0013%3Apage%3D397 Sie dürfen keine Helden werden]</ref> Dabei ging es Jackson weniger um das Schicksal der Soldaten, sondern um die Erkenntnis, dass mittelalterliche Höflichkeit auf den Schlachtfeldern von 1862 keine Daseinsberechtigung mehr hatte. Jackson war ein Befürworter beweglich geführter Operationen, bei denen er die Initiative erringen und behalten konnte. Kampf in und um Feldbefestigungen lehnte Jackson ab. Dafür war er bereit, durch bewegliche Kriegsführung verursachte Schäden in Kauf zu nehmen, da nur so der Krieg zu einem frühen Ende geführt werden könne.<ref>G. F. R. Henderson: ''Stonewall Jackson and the American Civil War'', Bd. 2, Kap. XXV, S. 481 [ftp://sunsite.informatik.rwth-aachen.de/pub/mirror/ibiblio/gutenberg/1/2/2/3/12233/12233-h/chap25.html Krieg bedeutet Kampf]</ref> {{Zitat-en|''War means fighting. The business of the soldier is to fight. Armies are not called out to dig trenches, to throw up breastworks, to live in camps, but to find the enemy and strike him; to invade his country, and do him all possible damage in the shortest possible time. This will involve great destruction of life and property while it lasts; but such a war will of necessity be of brief continuance, and so would be an economy of life and property in the end. To move swiftly, strike vigorously, and secure all the fruits of victory, is the secret of successful war.''|Übersetzung=Krieg bedeutet Kampf. Die Aufgabe des Soldaten ist es, zu kämpfen. Armeen sind nicht dafür da, Gräben auszuheben, Brustwehren aufzuwerfen und in Feldlagern zu leben, sondern den Feind zu finden und ihn zu schlagen; sein Land zu besetzen und ihm jeden möglichen Schaden in der kürzest möglichen Zeit zuzufügen. Solange dies währt, bedeutet es große Verluste an Leben und Eigentum; aber ein solcher Krieg wird notwendigerweise von kurzer Dauer sein und somit am Ende Leben und Eigentum retten. Bewege dich schnell, schlage mit aller Macht zu und sichere dir alle Früchte deines Sieges - das ist das Geheimnis erfolgreicher Feldzüge.}} Diesen Gedanken eines Krieges „verbrannter Erde“ setze er jedoch nie um, da er nicht im Feindesland eingesetzt war und die Zerstörung gegnerischer Ressourcen nicht das Ziel der Nord-Virginia-Armee war. Generalmajor [[Philip Sheridan]] führte 1864 ausgerechnet in Jacksons heimatlichen Shenandoahtal diese Art der Kriegsführung durch. Jackson hatte ein Gespür für die in der jeweiligen Situation notwendigen und durchführbaren Entscheidungen. Um erfolgreich handeln zu können, bedurfte er der Führung am langen Zügel. Hatte er die Möglichkeit, die zum Erreichen des Ziels notwendigen Schritte weitgehend selbst bestimmen zu können, so hatte er fast immer großen Erfolg. General Lee ermöglichte ihm das. Kurz vor Jacksons Tod sagte dieser gleichzeitig mit dem Befehl schnellstmöglich zu genesen: {{"-en|''He lost his left arm, but I have lost my right arm.''|Übersetzung=Er hat seinen linken Arm verloren, ich aber meinen rechten!}}<ref>Robert Lewis Dabney, Life and Campaigns of Lieutenand-General Thomas J. Jackson, Chapter 20, Page 716: [http://www.perseus.tufts.edu/hopper/text.jsp?doc=Perseus%3Atext%3A2001.05.0013%3Apage%3D716 Lee zu Jacksons Verwundung]</ref> Jackson selbst handelte entgegengesetzt: er befahl seinen Untergebenen detailliert, wie sie vorgehen sollten, weil er befürchtete, seine Gedanken würden sonst nicht richtig umgesetzt. Das führte zu einer komplizierten und komplexen Befehlsgebung, die ohne mündliche Erläuterungen immer wieder zu fehlerhafter Ausführung führte, z.&nbsp;B. bei der Schlacht am Cedar Mountain. Er hatte deswegen ständig Reibereien mit A.P. Hill, der sich auch wegen seiner früher selbst errungenen Erfolge nicht in diesem Maße gängeln lassen wollte. Die anderen ihm geraume Zeit Unterstellten waren andererseits nicht gewohnt, selbstständig zu handeln, was bei seinem Nachfolger, General Ewell, während der Schlacht von Gettysburg dazu führte, dass entscheidende Aktionen nicht durchgeführt wurden. Er war ein Meister der schnellen Bewegungen und der überraschenden Taktiken, aber er hielt seine Absicht manchmal so geheim, dass die ihm unterstellten Offiziere seine Pläne bis kurz vor ihrem Einsatz nicht kannten. Eine der Maximen Jacksons war die Überlegung, unabhängig von einer eventuellen Unterlegenheit immer die Initiative zu behalten, sich Handlungsmöglichkeiten offenzuhalten und sie sich vor allem aktiv zu schaffen, niemals Zeit zu verschwenden und dem Gegner zu keiner Zeit Ruhe zu gönnen. Jacksons führte den Shenandoah-Feldzug nach diesen Grundsätzen, was ihm auch in Europa die Bewunderung führender Militärtheoretiker des 19. Jahrhunderts, wie die des Briten [[George Henderson|G.F.R. Henderson]] in Sandhurst oder des preußischen Generalfeldmarschall [[Helmuth Karl Bernhard von Moltke|von Moltke]]<ref>Confederate Military History, Volume 1, Thomas Jonathan Jackson: [http://www.civilwarhome.com/CMHjacksonbio.htm v. Moltke über Jackson]</ref> einbrachte, dessen Meinung von den Feldzügen des amerikanischen Bürgerkriegs ansonsten nicht sehr hoch war. Das VMI errichtete Jackson ein Denkmal, das vor einem nach ihm benannten Eingang des Unterkunftgebäudes steht und benannte ein repräsentatives Gebäude nach ihrem ehemaligen Lehrer, das eine Aula beherbergt. == Verschiedenes == Viele seiner Zeitgenossen sahen Jacksons Schicksal eng mit dem der Konföderation verknüpft. Schon zu Lebzeiten wurde ihm in den Südstaaten eine nachgerade religiöse Verehrung zuteil. So schrieb etwa im Juni 1862 der ''Daily Appeal'', eine Tageszeitung aus Memphis, er sei ''„dazu bestimmt, der Erlöser seines Landes zu werden“.''<ref>Thomas L. Connelly: ''The Marble Man. Robert E. Lee and His Image in American Society''. Alfred A. Knopf, New York 1977. S. 18</ref> Und während des Shenandoah-Feldzuges 1862 sagte Jackson selbst: {{"|''Wenn das Tal fällt, fällt auch Virginia.''}}, was tatsächlich ein halbes Jahr nach der Eroberung des Tals durch Sheridan eintrat. Während der Einsegnung eines Friedhofes für gefallene Angehörige der Nord-Virginia-Armee aus [[Louisiana]] in [[New Orleans]], Louisiana betete der ehemalige Militärgeistliche Father D. Hubert bei der Enthüllung eines Jackson-Denkmals 1881:<ref>Southern Historical Society Papers, Band 9, Jan-Dec 1881, S. 212–218; Zitat in Jeff Shaara, Gods and Generals, S. 483</ref> {{Zitat-en|''And Thou knowest O Lord, that when Thou didst decide that the Confederacy should not succeed, Thou hadst first to remove Thy servant, Stonewall Jackson.''|Übersetzung=Und als Du entschiedst, mein Gott, dass die Konföderation verlieren sollte, wusstest Du, dass Du zunächst Deinen Diener, Stonewall Jackson, aus dem Weg räumen musstest.}} [[Bild:Sm3.JPG|right|thumb|<center><small>Relief am Stone Mountain</small>]] Jacksons Todesumstände trugen dazu bei, dass er in der Geschichtsschreibung wie im kollektiven Bewusstsein bis heute als [[Tragischer Held|tragischer Held]] gilt. Sein Tod wurde zum Gegenstand zahlreicher Gedichte<ref>The Cambridge History of English and American Literature: [http://www.bartleby.com/226/1824.html The Death of Stonewall Jackson]</ref> selbst in den Nordstaaten; so überhöhte [[Herman Melville]] ihn in seinem Gedicht ''Stonewall Jackson (Ascribed to a Virginian)''<ref>Herman Melville: [http://www.civilwarpoetry.org/confederate/officers/jackson/ascribed.html Stonewall Jackson (Ascribed to a Virginian)]</ref> zu fast mythischer Größe. Bereits kurz nach Jacksons Tod erschienen zudem zahlreiche recht pathetische Biographien, die sein Bild bis heute prägen. Jacksons letzte Worte {{"-en|''Let us cross the river and rest under the shade of the trees.''|Übersetzung=Lasst uns den Fluss überqueren und uns im Schatten der Bäume ausruhen.}}<ref>Robert Lewis Dabney, Life and Campaigns of Lieutenand-General Thomas J. Jackson, Chapter 20, Page 723: [http://www.perseus.tufts.edu/hopper/text.jsp?doc=Perseus%3Atext%3A2001.05.0013%3Apage%3D723 Jacksons letzte Worte]</ref> wählte [[Ernest Hemingway]] als Titel seines Buches „[[Über den Fluss und in die Wälder|Across the River and into the Trees]]“ (1950), dessen Held ein alternder Oberst des US-Heeres vom selben Schlag wie Jackson ist. Jackson wurde in zahlreichen Städten des Südens mit Denkmälern geehrt. 1875 wurde eine erste Statue in Richmond errichtet, 1881 wohnten mehr als 12.000 Menschen der Einweihung des Jackson-Denkmals in New Orleans bei. Im 20. Jahrhundert wurde er gemeinsam mit Robert E. Lee und Jefferson Davis auf dem größten [[Basrelief|Flachrelief]] der Welt im [[Stone Mountain]] bei [[Atlanta]] verewigt. Die Geburtstage ''Stonewall'' Jacksons und General Lees werden seit 1904 in Virginia jedes Jahr am Montag nach dem dritten Wochenende im Januar mit dem Lee-Jackson-Tag gefeiert. Mit der Weiterentwicklung der Panzerwaffe nach dem [[Erster Weltkrieg|Ersten Weltkrieg]] wurde es bei der US-Armee üblich, [[Panzer]] nach Generalen zu benennen. Zwar wurde kein [[Kampfpanzer]] nach Jackson benannt, er erhielt immerhin die Ehre, Namensgeber für den [[Jagdpanzer]] [[M36 Jackson]] zu werden. Der Panzer wurde während des [[Zweiter Weltkrieg|Zweiten Weltkrieges]] ab 1944 eingesetzt. Die [[United States Navy]] benannte zwei Schiffe, die Marine der Konföderierten ein [[Panzerschiff]] nach Jackson. Dabei handelte es sich um die ''CSS Stonewall'', die nach dem Sezessionskrieg an Japan verkauft wurde, einen [[Liberty-Frachter]] mit dem Namen ''SS T.J. Jackson'', der 1942 bis 1960 im Dienst stand und das kernkraftgetriebene ballistische U-Boot mit der Kennung [[USS Stonewall Jackson (SSBN-634)|''SSBN-634'']], das von 1964 bis 1995 im Dienst stand. == Literatur == *Robert Lewis Dabney: ''Life and Commands of Lieutenand-General Thomas J. Jackson'', Philadelphia, Pa., National Publishing Co., 1866 *United States. War Dept.: ''The War of the Rebellion: a Compilation of the Official Records of the Union and Confederate Armies'', Govt. Print. Off., Washington 1880–1901 *Marcus Junkelmann: ''Der amerikanische Bürkerkrieg 1861–1865''. Weltbild Verlag, Augsburg 1992, ISBN 3-89350-355-2 *James I. Robertson: ''Stonewall Jackson- the man, the soldier, the legend.'' Macmillan, New York 1997. *Lenoir Chambers: ''Stonewall Jackson.'' 2 Bde. Nachdruck, Broadfoot Publishing Co., Wilmington, NC 1988. *George F. Henderson: ''Stonewall Jackson and the american civil war'', 2.Bde., New York 1898, reprint 1988 == Anmerkungen == <div class="references-small" style="-moz-column-count: 2; column-count: 2;"> <references /> </div> == Weblinks == {{Commons|Thomas Jonathan Jackson}} *[http://www.perseus.tufts.edu/hopper/text.jsp?doc=Perseus:text:2001.05.0013:chapter=1 Robert Lewis Dabney, ''Life and Commands of Lieutenand-General Thomas J. Jackson''] *[http://www.civilwarhome.com/jackbio.htm Kurze Jackson Biographie] (englisch) *[http://ehistory.osu.edu/wwii/PeopleView.cfm?PID=43 Biographie] (englisch) *[http://famousamericans.net/thomasjonathanjackson/ Berühmte Amerikaner] (englisch) *[http://www.thelatinlibrary.com/chron/civilwarnotes/jackson.html Biographie] (englisch) *[http://www.gutenberg.org/etext/12233 Hendersons Biographie als htm oder txt] *[http://www.findagrave.com/cgi-bin/fg.cgi?page=gr&GRid=536 Grab von Thomas Jackson] {{Exzellent}} {{DEFAULTSORT:Jackson, Thomas Jonathan}} [[Kategorie:Militärperson (Konföderierte Staaten)]] [[Kategorie:Geboren 1824]] [[Kategorie:Gestorben 1863]] [[Kategorie:Mann]] {{Personendaten |NAME=Jackson, Thomas Jonathan |ALTERNATIVNAMEN=Stonewall Jackson |KURZBESCHREIBUNG=Südstaaten-Kommandeur im Amerikanischen Bürgerkrieg |GEBURTSDATUM=21. Januar 1824 |GEBURTSORT=[[Clarksburg (West Virginia)|Clarksburg]], West Virginia |STERBEDATUM=10. Mai 1863 |STERBEORT=[[Guinea Station]], Virginia }} [[bg:Томас Стоунуол Джаксън]] [[ca:Thomas Stonewall Jackson]] [[co:Thomas Jonathan Jackson]] [[cs:Thomas "Stonewall" Jackson]] [[cy:Stonewall Jackson]] [[da:Stonewall Jackson]] [[en:Stonewall Jackson]] [[eo:Thomas Jonathan Jackson]] [[es:Thomas Jonathan Jackson]] [[fi:Stonewall Jackson]] [[fr:Thomas Jonathan Jackson]] [[he:תומאס ג'ונתן ג'קסון]] [[hr:Thomas Jonathan Jackson]] [[id:Thomas Jonathan Jackson]] [[it:Thomas Jonathan Jackson]] [[ja:ストーンウォール・ジャクソン]] [[ko:스톤월 잭슨]] [[nl:Thomas Jackson]] [[no:Stonewall Jackson]] [[pl:Thomas Jackson]] [[pt:Stonewall Jackson]] [[ro:Stonewall Jackson]] [[ru:Джексон, Томас Джонатан]] [[simple:Stonewall Jackson]] [[sv:Stonewall Jackson]] [[tr:Stonewall Jackson]] [[vi:Stonewall Jackson]] [[zh:石牆傑克森]] rcp2xddsqqiasm5029v06vigvx06atx wikitext text/x-wiki Tiberius 0 23513 27393 27363 2010-06-10T17:29:10Z Cervidae 392 Änderungen von [[Special:Contributions/84.58.237.48|84.58.237.48]] ([[User talk:84.58.237.48|Diskussion]]) rückgängig gemacht und letzte Version von [[User:Xqbot|Xqbot]] wiederhergestellt {{Dieser Artikel|behandelt den römischen Kaiser Tiberius. Für den Namen siehe [[Tiberius (Vorname)]].}} [[Datei:Tiberius NyCarlsberg01.jpg|miniatur|Portraitskulptur des Tiberius (Museum [[Ny Carlsberg Glyptotek]])]] '''Tiberius Iulius Caesar Augustus'''<ref>Tiberius verzichtete in seiner Titulatur in der Regel auf die Nennung des durch Adoption erworbenen Gentiles ''Iulius'', hat es aber nie offiziell abgelegt; vgl. z.B. {{CIL|2|1660}} oder {{CIL|6|930}}.</ref> (vor der Adoption durch [[Augustus]]: ''Tiberius Claudius Nero;'' * [[16. November]] [[42 v. Chr.]] in [[Rom]]; †&nbsp;[[16. März]] [[37|37 n. Chr.]] am Kap [[Misenum]]) war [[Römisches Reich|römischer]] Kaiser von 14 bis 37 n. Chr. Nach seinem Stiefvater Augustus war Tiberius der zweite [[Kaiser]] des Römischen Reiches und gehört wie dieser der [[Julisch-claudische Dynastie|julisch-claudischen Dynastie]] an. Seine Regierungszeit war eine der längsten Alleinherrschaften eines römischen Kaisers. Tiberius konnte besonders vor seinem Herrschaftsantritt bedeutende militärische Erfolge erzielen. Seine militärischen Aktivitäten in [[Pannonien]], [[Illyricum]], [[Raetien]] und [[Magna Germania|Germanien]] legten die nördliche Grenze des römischen Imperiums fest. In der Verwaltung der Provinzen sowie der Finanzen war der Kaiser erfolgreich. Palastintrigen, die Verschwörung des ehrgeizigen [[Lucius Aelius Seianus|Seianus]], Hinrichtungen [[Dissident|dissidenter]] römischer Aristokraten und Tiberius’ Rückzug aus der Hauptstadt verursachten das negative Werturteil der späteren antiken [[Historiographie|Historiographen]]. Gegen Ende seines Lebens wurde der Interessenkonflikt zwischen dem in seiner politischen Funktion reduzierten [[Römischer Senat|Senat]] und dem nun institutionalisierten Amt des Kaisers erstmals deutlich. == Leben bis zum Herrschaftsantritt == === Herkunft und Jugend === [[Datei:JulioClaudian-Tiberius.svg|miniatur|500px|Stammbaum des Tiberius]] Tiberius entstammte dem [[Patrizier|patrizischen]] Geschlecht der [[Claudier]]. Seine Eltern waren [[Tiberius Claudius Nero (Prätor 42 v. Chr.)|Tiberius Claudius Nero]], [[Praetur|Prätor]] 42 v. Chr., und [[Livia Drusilla]], deren claudischer Familienzweig durch Adoption in das plebejische Geschlecht der Livier übergegangen war. Im Jahre 41 v. Chr. flohen seine Eltern mit ihm nach Sizilien und Griechenland, um den [[Proskription]]en zu entgehen, da sein Vater als überzeugter Republikaner und Anhänger der Caesarmörder den [[Lucius Antonius]] unterstützte und sich somit gegen Octavian gestellt hatte. Octavian, der spätere Kaiser Augustus, erzwang nach ihrer Rückkehr im Jahr 38 v. Chr. Livias Scheidung vom älteren Tiberius Claudius Nero, um sie selbst heiraten zu können. Aufgrund der Heirat am 17. Januar 38 v. Chr. wurde der dreijährige Tiberius sein Stiefsohn und von nun an im Haus Octavians erzogen, wo er eine standesgemäße Bildung in römischer und griechischer Kultur erhielt. Drei Monate nach der Heirat brachte Livia Tiberius’ Bruder [[Drusus]] zur Welt, dessen leiblicher Vater allerdings Tiberius Claudius Nero war. Drusus wurde von Octavian gegenüber seinem älteren Bruder bevorzugt. Bereits in jungen Jahren wurde Tiberius in das politische Leben eingeführt. Im Jahre 33 v. Chr. hielt er als Neunjähriger die [[Nekrolog|Leichenrede]] bei der Bestattung seines Vaters, was ihn im öffentlichen Leben der römischen Aristokratie positionierte. Vom 13. bis 15. August 29 v. Chr. wurde er in den [[Triumph (Erfolg)|Triumphzug]] Octavians für den [[Schlacht bei Actium|Sieg bei Actium]] einbezogen. Bereits 23 v. Chr. wurde ihm als [[Quaestur|Quästor]] mit dem Zuständigkeitsbereich der Getreideversorgung das erste politische Amt und damit der Senatorenstatus übertragen, weit vor dem hierfür vorgeschriebenen Mindestalter von 25 Jahren. === Erste militärische Erfahrungen === Tiberius unternahm unter der Herrschaft des Augustus mehrere erfolgreiche Feldzüge. Bereits in den Jahren 26–24 v. Chr. nahm er als [[Militärtribun]] an Kämpfen des Augustus in [[Tarraconensis|Spanien]] teil. Im Jahre 20 v. Chr. führte er einen Feldzug gegen das [[Geschichte Armeniens|armenische Königreich]] an, durch den er [[Tigranes III.]] auf den armenischen Thron brachte. Er gewann im selben Jahr durch Diplomatie die römischen Feldzeichen zurück, die [[Marcus Licinius Crassus]], [[Lucius Decidius Saxa]] und [[Marcus Antonius]] in teils verheerenden Niederlagen an die [[Parther]] verloren hatten. Im Jahr 16 v. Chr. war er Prätor und bereitete gemeinsam mit Augustus in Gallien die Neuordnung der Provinz vor. Gemeinsam mit seinem jüngeren Bruder Drusus brachte Tiberius in den Jahren 15–13 v. Chr. [[Raetia|Raetien]] und das im Norden befindliche [[Vindeliker|Vindelicien]] unter römische Herrschaft. Von 12&nbsp;bis 9 v. Chr. leitete er die Eroberung Pannoniens. Er überführte 9 v. Chr. den Leichnam seines Bruders Drusus, der infolge eines Reitunfalls verstorben war, von Germanien nach Rom und erhielt als dessen Nachfolger für die folgenden beiden Jahre den Oberbefehl in Germanien. Um den germanischen Druck auf den Mittelrhein zu vermindern, wurden unter seiner Befehlsgewalt etwa 40.000 [[Sugambrer]] und [[Sueben]] in linksrheinisches Gebiet umgesiedelt. === Nachfolgeproblematik === Tiberius war von 16 bis 12 v. Chr. mit [[Vipsania Agrippina]] verheiratet<ref>Sueton: ''Tiberius'' [http://penelope.uchicago.edu/Thayer/E/Roman/Texts/Suetonius/12Caesars/Tiberius*.html#7 7,2–3].</ref>, der Tochter von Octavians engem Vertrauten und Feldherrn [[Marcus Vipsanius Agrippa]]. Aus dieser Ehe stammte sein um 15 v. Chr. geborener Sohn [[Drusus der Jüngere|Tiberius Drusus Iulius Caesar]] (auch „der jüngere Drusus“). Im Jahr 12 v. Chr. musste sich Tiberius auf Anordnung seines Stiefvaters von Vipsania Agrippina scheiden lassen und seine Stiefschwester [[Iulia (Tochter des Augustus)|Iulia]] heiraten, die Tochter des Augustus. Diese Verbindung sollte die Einheit des regierenden Hauses stärken. Iulia dürfte allerdings eher ihren Kindern die Nachfolge gewünscht haben. Auch fühlte sie sich nach drei ihr von Augustus aufgebürdeten Zwangsehen zu einem ausschweifenden Leben hingezogen, so dass die Ehe für den als menschenscheu geltenden Tiberius im Unterschied zu dessen erster Ehe nicht glücklich war. Nachdem Tiberius bereits im Jahr 13 v. Chr. [[Consulat|Konsul]] geworden war, erhielt er 6 v. Chr. die ''[[Tribunizische Gewalt|tribunicia potestas]]'' auf fünf Jahre; somit konnte er als Nachfolger des Princeps gelten, da er außerdem der Schwiegersohn des Augustus war. Die schnell zerrüttete Ehe und die auffällige Förderung der von Augustus adoptierten Söhne Iulias, [[Gaius Caesar|Gaius]] und [[Lucius Caesar]], brachten Tiberius jedoch dazu, seine Laufbahn zu unterbrechen und sich für sieben Jahre in ein zuerst freiwilliges Exil nach [[Rhodos]] zurückzuziehen. Tiberius selbst soll später erklärt haben, er habe sich zurückgezogen, um den Caesares nicht im Wege zu stehen.<ref>Sueton: ''Tiberius'' [http://penelope.uchicago.edu/Thayer/E/Roman/Texts/Suetonius/12Caesars/Tiberius*.html#11 11,5].</ref> Tiberius fühlte sich wohl wegen der Beliebtheit des Gaius Caesar und dessen Bevorzugung in seiner eigenen [[dignitas]] zurückgesetzt.<ref>Dietmar Kienast: ''Augustus. Prinzeps und Monarch''. Darmstadt 1999, S. 130.</ref> Da die Insel Rhodos auf der römischen Haupthandelslinie lag, dürfte Tiberius jedoch keineswegs vom politischen Leben ausgeschlossen gewesen sein.<ref>Waltraud Jakob-Sonnabend: ''Tiberius auf Rhodos: Rückzug oder Kalkül?'' In: [[Charlotte Schubert]], [[Kai Brodersen]] (Hrsg.): ''Rom und der griechische Osten. Festschrift für Hatto H. Schmitt zum 65. Geburtstag''. Stuttgart 1995, S. 113–116.</ref> Während seines Aufenthaltes auf Rhodos schickte Augustus 2 v. Chr. seine Tochter Iulia wegen ihres Lebenswandels und politischer Intrigen in die Verbannung. Tiberius setzte sich zwar in mehreren Briefen vergeblich für seine Gattin ein, ließ sich jedoch auf Betreiben von Augustus schließlich von ihr scheiden. Noch im selben Jahr bewilligte Augustus die Rückkehr des Tiberius nach Rom, gestand ihm aber zunächst keine politische Funktion zu. Erst der kurz aufeinander folgende Tod der designierten Nachfolger des Augustus, seiner Enkelkinder und Adoptivsöhne Gaius und Lucius Caesar (4 bzw. 2 n. Chr.), brachte Tiberius in die Position des einzigen möglichen Nachfolgers. Mit der [[Adoption (Römisches Reich)|Adoption]] durch Augustus am 26. Juni 4 n. Chr. wurde Tiberius (mit dem Namen ''Tiberius Iulius Caesar'') in das Geschlecht der [[Julier]] aufgenommen. Die nachfolgenden Kaiser bis hin zu [[Nero]] gehörten in unterschiedlichen Graden beiden Familien an und waren so Mitglieder einer Doppeldynastie. Neben Tiberius adoptierte Augustus [[Agrippa Postumus]], der allerdings später in die Verbannung geschickt wurde. Tiberius selbst musste [[Germanicus]] adoptieren, den Sohn seines Bruders Drusus. Außerdem erhielt er die beiden zur Nachfolge in der Herrschaft berechtigenden Amtsgewalten, das ''[[Imperium (Rom)|imperium proconsulare maius]]'' und die '' [[Tribunizische Gewalt|tribunicia potestas]].'' === Heerführer in Germanien und auf dem Balkan === Tiberius übernahm 4 n. Chr. erneut den Oberbefehl in Germanien und zog im folgenden Jahr von Gallien aus bis ins Mündungsgebiet des [[Rhein]]s. In seinem Gefolge befand sich der Historiker [[Velleius Paterculus]], der die Position eines ''[[Präfekt (Römisches Reich)|praefectus equitum]]'' innehatte. Tiberius drang bis zur [[Weser]] vor, wo er an den Quellen der [[Lippe (Fluss)|Lippe]] ein Winterlager errichtete; dies war das erste Mal, dass eine große römische Armee in Germanien überwinterte. Im Frühjahr des Jahres 5 n. Chr. besiegte er zusammen mit der römischen Flotte die [[Langobarden]] an der Unterelbe. Er zog daraufhin weiter elbaufwärts und gelangte an der mittleren [[Elbe]] zu den [[Semnonen]] und schließlich zu den [[Hermunduren]], wo er ein Lager aufschlug und germanische Gesandte empfing. Der Feldzugteilnehmer Velleius Paterculus beschrieb die Situation zu diesem Zeitpunkt folgendermaßen: „Nichts blieb mehr in Germanien, das hätte besiegt werden können, außer dem Stamm der [[Markomannen]]“.<ref>Velleius Paterculus [http://penelope.uchicago.edu/Thayer/E/Roman/Texts/Velleius_Paterculus/2D*.html#108 2,108,1].</ref> [[Datei:Tiberius bust.jpg|miniatur|Der junge Tiberius, [[Louvre]]]] Im Jahr 6 rüstete Tiberius gegen [[Marbod]], den König der Markomannen. Es wurden insgesamt zwölf Legionen mit Hilfstruppen aufgestellt, was die Hälfte des gesamten Militärpotentials der Römer zu der Zeit darstellte.<ref>Tacitus: ''Annalen'' [http://www.thelatinlibrary.com/tacitus/tac.ann2.shtml#46 2,46,2].</ref> Kurz nach Beginn des Feldzugs im Frühjahr des Jahres 6 brach Tiberius ihn wieder ab, als er die Nachricht vom [[Pannonischer Aufstand|Pannonischen Aufstand]] erhielt. Allerdings schloss Tiberius noch einen Freundschaftsvertrag mit Marbod, um sich vollkommen auf die schwere Aufgabe in Pannonien zu konzentrieren. Von 6 bis 9 n. Chr. warf er mit größten Anstrengungen, unter Aufbietung einer Armee von 15 Legionen, den Aufstand in [[Pannonien]] und [[Illyrien]] nieder. Kurz nach dem Sieg erhielt Augustus die Nachricht, dass [[Publius Quinctilius Varus|Varus]] in Germanien mit drei Legionen und ebenso vielen Reiterabteilungen sowie sechs Kohorten gefallen war.<ref>Velleius Paterculus [http://penelope.uchicago.edu/Thayer/E/Roman/Texts/Velleius_Paterculus/2D*.html#117 2,117,1]. Vgl. dazu auch den Artikel [[Varusschlacht]].</ref> Dieser Verlust war eine der größten Niederlagen, die das Römische Reich je erlitt; ernsthafte Expansionsbestrebungen nach Germanien wurden in den kommenden Jahrhunderten nicht mehr unternommen. In Rom herrschte drei Tage [[Staatstrauer]], und Tiberius, der eben erst siegreich heimgekehrt war, verzichtete auf einen [[Triumph (Erfolg)|Triumph]].<ref>Sueton: ''Tiberius'' [http://penelope.uchicago.edu/Thayer/E/Roman/Texts/Suetonius/12Caesars/Tiberius*.html#17 17,2].</ref> Nach der schmachvollen Niederlage des Varus wurde Tiberius aufgrund seiner großen militärischen Erfahrung in Germanien wieder mit dem ''imperium proconsulare'' ausgestattet. Im ersten Jahr seines militärischen Kommandos 10 n. Chr. sah er davon ab, den Rhein zu überqueren.<ref>Cassius Dio [http://penelope.uchicago.edu/Thayer/E/Roman/Texts/Cassius_Dio/56*.html#24 56,24,6].</ref> Laut Sueton handelte Tiberius mit äußerster Vorsicht und Zurückhaltung und nur in Absprache mit seinem Beraterkreis,<ref>Sueton: ''Tiberius'' [http://penelope.uchicago.edu/Thayer/E/Roman/Texts/Suetonius/12Caesars/Tiberius*.html#18 18,1].</ref> wodurch angedeutet sein mag, dass Tiberius bereits anfänglich nicht eine Rückeroberung des Raumes zwischen Elbe und Rhein plante, sondern sich auf Strafexpeditionen beschränken wollte.<ref>So Ralf Günter Jahn: ''Der Römisch-Germanische Krieg (9–16 n. Chr.)''. Dissertation, Bonn 2001, S. 195.</ref> Bezüglich anschließender militärischer Erfolge sind die Quellendarstellungen widersprüchlich. Velleius Paterculus, der allgemein die Leistungen des Tiberius verherrlicht, berichtet, dass Tiberius den Rhein überschritt und erfolgreich bis tief in das Landesinnere vordrang, um germanische Siedlungen zu brandschatzen und Felder zu verwüsten.<ref>Velleius Paterculus [http://penelope.uchicago.edu/Thayer/E/Roman/Texts/Velleius_Paterculus/2D*.html#120 2,120,2].</ref> Nach [[Cassius Dio]], der sein Geschichtswerk Anfang des 3. Jahrhunderts abfasste, kam es zu keinen nennenswerten militärischen Auseinandersetzungen.<ref>Cassius Dio [http://penelope.uchicago.edu/Thayer/E/Roman/Texts/Cassius_Dio/56*.html#25 56,25,2].</ref> Archäologische Untersuchungen haben bislang keine Spuren von Militärwegen oder Anzeichen von Holzkohleschichten nachweisen können, die man bei einem großflächigen Abbrennen von Siedlungen erwarten würde.<ref>Siehe Peter S. Wells: ''Die Schlacht im Teutoburger Wald''. Übersetzt von Lutz Walther, Düsseldorf u. a. 2005, S. 205f.; ähnlich auch [[Reinhard Wolters (Althistoriker)|Reinhard Wolters]]: ''Römische Eroberung und Herrschaftsorganisation. Zur Entstehung und Bedeutung der sogenannten Klientel-Randstaaten''. Bochum 1990, S. 228f.</ref> Anfang 13 n. Chr. kehrte Tiberius nach Rom zurück und hielt den verschobenen Triumph für die Niederschlagung des Pannonischen Aufstands ab. Seine Amtsgewalten, die ''tribunicia potestas'' und das ''imperium proconsulare maius'', wurden auf weitere zehn Jahre verlängert. Als Augustus am 19. August 14 starb, hatte Tiberius somit alle Rechte inne, auf denen der Prinzipat beruhte. == Der Prinzipat des Tiberius == === Regierungsantritt === [[Datei:Портрет Тиберия А54 (1).jpg|miniatur|Tiberius-Büste, [[Eremitage (Sankt Petersburg)|Eremitage]]]] Mit dem Tod des Augustus war der 55 Jahre alte Tiberius praktisch zum Nachfolger designiert. Auch seine militärischen Erfahrungen ließen ihn konkurrenzlos erscheinen. Am 18. September 14 n. Chr. ließ er den Senat einberufen, um die Leichenfeier und die [[Divinisierung]] für Augustus beschließen zu lassen. In dieser Senatssitzung wurde das private Testament des Augustus eröffnet. Tiberius und Livia waren als Haupterben eingesetzt, wobei Tiberius zwei Drittel und Livia ein Drittel der Erbschaft erhielten.<ref>Sueton: ''Tiberius'' [http://penelope.uchicago.edu/Thayer/E/Roman/Texts/Suetonius/12Caesars/Tiberius*.html#23 23].</ref> Durch das Testament wurde Livia adoptiert und zur ''Iulia [[Augusta (Titel)|Augusta]]'' erhoben.<ref>Tacitus: ''Annalen'' [http://www.thelatinlibrary.com/tacitus/tac.ann1.shtml#8 1,8,1].</ref> Livia, die bereits unter Augustus öffentlich als Teilhaberin am [[Prinzipat]] aufgetreten war und in der offiziellen [[Propaganda]] – etwa auf Münzen – als solche dargestellt wurde, konnte somit in ihrer neuen Stellung als Kaisermutter höchsten Einfluss ausüben. Bis zu ihrem Tod im Jahr 29 gelang es ihr in dieser Rolle, die zunehmenden Anfeindungen innerhalb der Kaiserfamilie, besonders angesichts der Nachfolgefrage, zu kontrollieren. Allerdings bestand ein Konkurrenzverhältnis zwischen der herrschsüchtigen Mutter und dem Sohn. Trotz des eindeutigen Testaments des Augustus wartete Tiberius demonstrativ das ausdrückliche Ersuchen des Senats ab, die Kaiserwürde anzunehmen. Diese zögernde Haltung ''(recusatio imperii)'' kann damit erklärt werden, dass Tiberius allgemein als zurückhaltender Mensch galt; wahrscheinlicher ist jedoch, dass er bewusst den Rückhalt und die verbindliche Festlegung des Senats auf seine Person suchte, um als ehemals umstrittener Nachfolgekandidat seine Position zu stärken. Eine solche eher taktisch motivierte Zurückhaltung spiegelt sich auch darin, dass Tiberius in späteren Jahren häufig Rücktrittsgedanken äußerte.<ref>Hierzu ausführlich Ulrich Huttner: ''Recusatio Imperii. Ein politisches Ritual zwischen Ethik und Taktik''. Hildesheim u. a. 2004.</ref> Außerdem akzeptierte Tiberius zwar den Ehrenbeinamen [[Augustus (Titel)|Augustus]], den an Augustus verliehenen Titel ''[[pater patriae]]'' lehnte er jedoch ab. Erst ab dem 10. März 15 bekleidete er das Amt des ''[[Pontifex Maximus|pontifex maximus]]''. Da es sich um die historisch erste Übertragung der an Augustus persönlich verliehenen Amtsgewalten handelte, war es noch nicht endgültig entschieden, dass die Institution des Prinzipats eine dauerhafte werden sollte. Der Senat akzeptierte jedoch widerspruchslos die Amtsstellung des Kaisers und fügte sich zunehmend in dessen Autorität. Unmittelbar zu Beginn der Kaiserherrschaft des Tiberius wurde [[Agrippa Postumus]] ermordet. Bereits in der Antike wurde spekuliert, ob Tiberius für die Ermordung verantwortlich war, ob Augustus angeordnet hatte, Agrippa Postumus nach seinem Tod beseitigen zu lassen, oder ob Livia die Herrschaft für ihren Sohn sichern wollte.<ref>Sueton: ''Tiberius'' [http://penelope.uchicago.edu/Thayer/E/Roman/Texts/Suetonius/12Caesars/Tiberius*.html#22 22].</ref> [[Publius Cornelius Tacitus|Tacitus]] legt eine Mitschuld des Tiberius nahe.<ref>Tacitus: ''Annalen'' [http://www.thelatinlibrary.com/tacitus/tac.ann1.shtml#6 1,6]: ''Primum facinus novi principatus fuit Postumi Agrippae caedes'' – „Die erste Tat der neuen Herrschaft war die Ermordung des Agrippa Postumus“.</ref> Tiberius bestritt jedoch die Verantwortung für den Mord. Noch 14 n. Chr. machte Tiberius dem [[Kappadokien|kappadokischen]] König [[Archelaos (Kappadokien)|Archelaos]], von dem er sich während der schwierigen Zeit in Rhodos nicht genug beachtet fühlte, den Prozess. === Meuterei der Legionen und Marserfeldzug === Unmittelbar nach Tiberius’ Herrschaftsantritt kam es zu einer Meuterei der in Pannonien und Germanien stationierten Legionen. Gründe für den Aufstand waren die Härte des Dienstes, die Länge der Dienstzeit und der geringe Sold.<ref>Tacitus: ''Annalen'' [http://www.thelatinlibrary.com/tacitus/tac.ann1.shtml#17 1,17]; [http://www.thelatinlibrary.com/tacitus/tac.ann1.shtml#26 1,26]; [http://www.thelatinlibrary.com/tacitus/tac.ann1.shtml#31 1,31,4].</ref> Diese Missstände gingen zurück auf die Politik des verstorbenen Augustus und dessen strenge Reaktionen auf den Pannonischen Aufstand und die Varusniederlage. Während Tiberius’ Sohn Drusus die Lage in Pannonien ohne größere Komplikationen beruhigen konnte, hatte Germanicus zunächst große Mühe, die ihm in Germanien unterstellten Legionen wieder unter Kontrolle zu bringen, die ihn statt Tiberius zum neuen Princeps ausrufen wollten.<ref>Tacitus: ''Annalen'' [http://www.thelatinlibrary.com/tacitus/tac.ann1.shtml#31 1,31,3].</ref> Die [[Legio XIIII Gemina|Legio XIV ''Gemina'']] verweigerte den Treueeid, und in einem Sommerlager schlossen sich die zusammengezogenen vier Legionen des niedergermanischen Heeres dem Beispiel an. Germanicus blieb Tiberius gegenüber loyal und weigerte sich, den auf einen Staatsstreich gerichteten Forderungen nachzukommen. Schließlich beendete er die Meuterei mit zahlreichen Zugeständnissen im Namen des Princeps, ohne sich jedoch zuvor bei Tiberius rückversichert zu haben. So sagte er beschleunigte Dienstentlassungen und Geldgeschenke an die Soldaten zu. Um ein mögliches Wiederaufleben der Meuterei zu verhindern und zugleich eine Strafexpedition für die Varusniederlage durchzuführen, initiierte er im Herbst des Jahres 14 einen Feldzug gegen die [[Marser (Germanien)|Marser]]. In diesem Feldzug erlitten seine Legionen nur geringe Verluste. Tiberius reagierte ambivalent.<ref>Ralf Günter Jahn: ''Der Römisch-Germanische Krieg (9–16 n. Chr.)''. Dissertation, Bonn 2001, S. 210.</ref> Denn einerseits betrachtete er den Sieg über die Marser als Erfolg, und es war Germanicus gelungen, das Heer zu disziplinieren. Andererseits lehnte er das eigenmächtige Vorgehen des Germanicus ab, zumal dessen neu gewonnener Ruhm die Position des Tiberius im Heer schwächte. === Abbruch der Expansion an Rhein und Donau === Unter [[Augustus]] und zu Beginn der Herrschaft des Tiberius wollte Rom die ''[[Varusschlacht|clades Variana]]'' korrigieren, zumindest aber die aufrührerischen Germanenstämme formell unterwerfen und die Deserteure bestrafen, allein schon zur Abschreckung künftiger Aufrührer. Diese Ziele wurden jedoch nicht erreicht. Die Römer hatten Glück, dass die anderen Fronten während dieser Zeit ruhig blieben, denn das römische Heer war nicht groß genug, um auf Dauer acht [[Römische Legion|Legionen]] an der Germanenfront bereit zu halten. Die Katastrophe des [[Publius Quinctilius Varus|Varus]], der im Jahr 13 v. Chr. zusammen mit Tiberius das Konsulat innegehabt hatte, und das von [[Germanicus]] im Jahre 14 vorgefundene Problem der Militärrevolten ließen Tiberius von der Grenzverschiebung in Richtung [[Weser]] und [[Elbe]] endgültig Abstand nehmen. Der illusionslose Germanienkenner Tiberius ging im Gegensatz zu Germanicus zu einer defensiven Grenzpolitik über, die die Germanen ihrem inneren Streit überließ und sich auf die Behauptung eines der Grenze vorgelagerten Gebietes beschränkte. Tiberius erkannte, dass Rom die germanische [[Arminius]]-Koalition allein schon aufgrund der logistischen und topographischen Gegebenheiten nicht ohne beträchtliche Mittelaufstockung besiegen konnte. Die römischen Truppen konnten sich bei einem Vormarsch nicht aus dem Lande ernähren, und der Landkriegsführung standen durch die weiten Wege und Transporte bei den kurzen Feldzugszeiten nahezu unüberwindbare Schwierigkeiten und Risiken entgegen. Tiberius gebot den zum Teil verlustreichen Unternehmungen des Germanicus in den Jahren 15 und 16 Einhalt und rief ihn nach Rom zurück. Er berief sich dabei angeblich auf den Rat des Augustus, das Reich in seinen gegenwärtigen Grenzen zu belassen ''(consilium coercendi intra terminos imperii)''.<ref>Tacitus: ''Annalen'' [http://www.thelatinlibrary.com/tacitus/tac.ann1.shtml#11 1,11].</ref> Die Historizität des ''consilium coercendi'' wird allerdings in der modernen Forschung angezweifelt,<ref>Dietmar Kienast: ''Augustus. Prinzeps und Monarch''. Darmstadt 1999, S. 373f.; zur Grenzproblematik vermutet Karl Christ: ''Zur augusteischen Germanienpolitik''. In: ''Chiron'' 7, 1977, S. 149–205, besonders S. 198ff., mit Grenze sei der Rhein gemeint. An den Orient denkt wiederum Dieter Timpe: ''Der Triumph des Germanicus. Untersuchungen zu den Feldzügen der Jahre 14–16 n. Chr. in Germanien''. Bonn 1968.</ref> unter anderem, weil die offizielle Darstellung des Augustus gegenüber dem Senat in den ''[[Res Gestae Divi Augusti]]'' einen derart weiten Entscheidungsspielraum des Kaisers auszuschließen scheint. Auch ist unsicher, ob mit ''intra terminos'' die West- oder die Ostgrenze des Reichs gemeint sei, und ob es sich im ersteren Fall um die Elbgrenze oder die Rheingrenze handele. Tiberius bewilligte dem Germanicus einen aufwändigen [[Römischer Triumph|Triumph]] über die Germanen, den dieser am 26. Mai 17 in Rom abhielt. Tiberius wollte damit einerseits Germanicus eine feierliche Anerkennung seiner Gesamtleistungen zuteil werden lassen, andererseits den faktischen Abbruch der Offensive als außenpolitischen Erfolg darstellen. Paradoxerweise erwies gerade die Katastrophe der [[Varusschlacht]] die Beständigkeit der römischen Grenze am [[Rhein]], um derentwillen die Eroberung Germaniens begonnen worden war. Durch die Abberufung des Germanicus (16 n. Chr.) setzte sich die neue außenpolitische Linie des Tiberius durch, die in der ''[[Tabula Siarensis]]'' (19 n. Chr.) ihren Niederschlag finden sollte: Befriedung Galliens, Vergeltung für die Varusniederlage, Rückgewinnung der Feldzeichen, jedoch nicht mehr die Eroberung des rechtsrheinischen Germanien. Diese Politik fand mit dem Tod des Tiberius (37 n. Chr.) ihr Ende, sein Nachfolger [[Caligula]] unternahm wieder (erfolglose) Expeditionen in das germanische Kerngebiet. === Orientreise und Tod des Germanicus === Nach seinem Triumph reiste Germanicus im Auftrag des Tiberius in den Osten des Reiches, um die politischen Verhältnisse aus römischer Sicht zu ordnen. [[Kappadokien]] wurde zur römischen Provinz. Germanicus erhielt ein spezielles ''imperium,'' das zwar über dem aller anderen Prokonsuln stand, aber unter dem des Tiberius. Über Griechenland und Kleinasien gelangte er nach Syrien, von dort nach Ägypten, zum großen Missfallen des Tiberius, da es keinem Senator erlaubt war, die für die Getreideversorgung Roms wichtige Provinz [[Aegyptus]] zu betreten, die als persönliches Eigentum des Kaisers betrachtet wurde. Nach der Rückkehr nach Syrien erkrankte Germanicus in [[Antiochia am Orontes|Antiochia]] und starb dort im Jahr 19. Schnell kamen zahlreiche Gerüchte auf, wie es zum Tod des Germanicus gekommen sei. [[Datei:Great_Cameo_of_France_CdM_Paris_Bab264_n1.jpg|miniatur|Der thronende Tiberius empfängt den siegreichen Germanicus, sogenannte ''Grand Camée de France'', [[Bibliothèque nationale de France|BnF]], Paris]] Aufgrund eines Konkurrenzverhältnisses zu Germanicus wurde insbesondere der Statthalter der Provinz [[Syria]], [[Gnaeus Calpurnius Piso]], beschuldigt, Germanicus vergiftet zu haben. Giftmordanklagen waren im kaiserzeitlichen Rom häufig und wegen der eingeschränkten Untersuchungsmethoden letztlich nicht nachweisbar. [[Gnaeus Sentius Saturninus (Suffektkonsul 4)|Sentius Saturninus]] beschuldigte Martina, eine Freundin der Gattin des Piso, des Giftmordes an Germanicus. Aufgrund der Entsendung des Germanicus und der Ernennung Pisos vermutete man in Rom ein Komplott, da vor allem Tiberius und Livia daran interessiert gewesen seien, den populären Germanicus zu beseitigen, um Tiberius’ Sohn Drusus die Nachfolge zu sichern. Tiberius verhielt sich zuerst zurückhaltend, worauf seine Kritiker Gerüchte verbreiteten, er habe die Nachricht über den Tod des Germanicus innerlich mit Freude und Genugtuung aufgenommen. Deshalb ließ Tiberius eine Erklärung veröffentlichen, in der er erläuterte, dass viele erlauchte Römer für den Staat gestorben seien; diese seien sterblich, ewig sei nur das Gemeinwesen ''(principes mortales – rem publicam aeternam)''. Jedoch ließen die Gerüchte und Forderungen nach Bestrafung des Schuldigen nicht nach, vor allem, weil die als „Giftmischerin“ beschuldigte Martina auf ihrem Weg von Syrien nach Rom in [[Brindisi|Brundisium]] selbst an Gift gestorben war und in ihrem Haar verstecktes Gift gefunden wurde. Angesichts dieser Indizien, auch mit Blick auf die Gerüchte um sein eigenes mutmaßliches Motiv (sein Sohn Drusus war mit Germanicus’ Tod unangefochtener Nachfolger geworden), sah sich Tiberius schließlich veranlasst, Anklage gegen Piso zu erheben. Tiberius forderte in diesem Prozess die Senatoren auf, unparteiisch zu sein. Piso fand jedoch weder vor dem Senat noch bei seinen engsten Freunden Rückhalt und wurde noch vor Prozessende tot aufgefunden. Die Umstände sind unklar. Die früher nur literarisch bekannten Einzelheiten des Prozesses sind seit einigen Jahren durch einen Inschriftenfund ergänzt worden.<ref>[[Werner Eck]], Antonio Caballos, Fernando Fernández: ''Das Senatus consultum de Cn. Pisone patre''. Beck, München 1996, ISBN 3-406-41400-1 ([[Vestigia]], Bd. 48).</ref> Die in Spanien gefundene Inschriftentafel enthält einen Senatsbeschluss im Anschluss an den Piso-Prozess. Der Giftmordvorwurf ist im Senatsbeschluss angedeutet; der offizielle Vorwurf gegen Piso war allerdings bewaffneter Aufruhr. Die Berufung des Tiberius auf sein Gerechtigkeitsempfinden ''([[aequitas]])'' ist deutlich hervorgehoben. Kopien des Senatsbeschlusses wurden in allen Legionslagern und Provinzhauptstädten des Reiches aufgestellt. === Rom und Italien === Tiberius bemühte sich zu Beginn seiner Regierung um Legitimation und ein gutes Verhältnis zu [[Römischer Senat|Senat]] und [[Eques|Ritterstand]], dessen Priviliegien (Tragen des Goldringes, bevorzugte Sitze bei Spielen) bewahrt blieben. Er übertrug dem Senat das Wahlrecht von Amtsträgern, das bis dahin nominell von der stadtrömischen Bürgerschaft ausgeübt worden, unter Augustus aber faktisch ein Privileg des Kaisers geworden war.<ref>Tacitus: ''Annalen'' [http://www.thelatinlibrary.com/tacitus/tac.ann1.shtml#15 1,15,1]; siehe hierzu auch Greg Rowe: ''Princes and Political Cultures. The New Tiberian Senatorial Decrees''. Ann Arbor 2004.</ref> Auch vermied es Tiberius, lediglich den Senatsausschuss zu befassen, mit dem Augustus vorher anstelle des gesamten Gremiums verhandelt hatte. Der Versuch, stattdessen dem Senatsplenum größere Entscheidungsmöglichkeiten einzuräumen, scheiterte jedoch am Ungleichgewicht der Macht und am Kampf der verschiedenen Gruppen um Einfluss, vor allem in der Frage der Nachfolge. Es bildeten sich Parteiungen gegenüber einzelnen Mitgliedern der Kaiserfamilie oder anderen einflussreichen Persönlichkeiten, wie [[Lucius Aelius Seianus|Seianus]], heraus, die zu gegenseitigen Unterstellungen und Anfeindungen führten. Bereits im Jahr 16 wurde [[Marcus Scribonius Libo Drusus|Libo Drusus]], ein Urenkel des [[Gnaeus Pompeius Magnus|Pompeius]], einer Verschwörung gegen die Kaiserfamilie verdächtigt und zum Selbstmord gezwungen. Tiberius setzte den konservativen Kurs des Augustus in der Religionspolitik fort. [[Magie]]r und [[Astrologe]]n ließ er im Jahr 16 aus Italien ausweisen, obwohl er selbst als deren Anhänger galt und bei Entscheidungen häufig den Rat des Astrologen [[Thrasyllos]] einholte, der ihm seine Rückkehr von Rhodos „vorausgesagt“ hatte. Des Weiteren ging Tiberius im Jahr 19 scharf gegen den [[Isis (Ägyptische Mythologie)|Isiskult]] und das [[Judentum]] vor, nachdem es zu angeblich religionsbedingten Unruhen und Störungen der öffentlichen Ordnung gekommen war. 4.000 jüdische Freigelassene wurden nach [[Sardinien]] gebracht, um dort gegen sardische Räuber militärisch eingesetzt zu werden. Die restlichen Juden wurden gezwungen, ihrem Glauben abzuschwören oder Italien zu verlassen.<ref>Tacitus: ''Annalen'' [http://www.thelatinlibrary.com/tacitus/tac.ann2.shtml#85 2,85].</ref> Jedoch gelang es Tiberius nicht, den jüdischen Glauben in Rom und Italien langfristig zu unterbinden. === Provinzen und Klientelstaaten === Tiberius war in der Verwaltung des Reiches erfolgreich.<ref>So [[Barbara Levick]]: ''Tiberius the Politician''. 2. Aufl., London 1999, S. 125–147; relativierend Wolfgang Orth: ''Die Provinzialpolitik des Tiberius''. Dissertation, München 1970.</ref> Er setzte den von Augustus am Ende seiner Herrschaft eingeschlagenen konservativen, auf die Bewahrung des Bestehenden ausgerichteten Kurs fort. Tiberius berief sich ebenso wie Augustus auf die Herrschertugenden ''[[virtus]]'', ''clementia'', ''iustitia'' und ''pietas'' („Exzellenz“, „Milde“, „Gerechtigkeit“ und „Ehrerbietung“). Jedoch war die Propaganda in [[Inschrift]]en und auf [[Münze#Römische Münzen|Münzen]] zusätzlich durch Schlagwörter wie ''[[salus]]'' und ''moderatio'' („Wohlergehen“ und „Zurückhaltung“) gekennzeichnet, die als Leitbilder seiner Regierung moderne Verwaltungsziele widerspiegeln, etwa eine ausgewogene, dezentrale Wirtschaftspolitik. Statthalter wurden weit über die übliche einjährige Amtszeit hinaus auf ihren jeweiligen Posten belassen, wodurch eine größere Kontinuität in der Provinzverwaltung erreicht wurde. So war beispielsweise [[Lucius Aelius Lamia (Konsul 3)|Lucius Aelius Lamia]] neun Jahre lang Statthalter von Syrien. Er verwaltete dabei die Provinz von Rom aus. Neben dem im Jahr 17 annektierten Kappadokien wurde [[Kommagene]] vorübergehend zur römischen Provinz, bis sie unter [[Vespasian]] endgültig in das Imperium eingegliedert wurde. Außerdem sorgte seit demselben Jahr der [[Numidien|Numider]] [[Tacfarinas]], der aus einer römischen Hilfstruppe desertiert war, für Aufruhr im afrikanischen Teil des römischen Reichs. Er wurde zwar von römischen Truppen im offenen Kampf geschlagen, jedoch erholten sich die Aufständischen wieder und führten fortan verheerende Kleinkriege gegen die römische Besatzungsmacht. Forderungen und Verhandlungen unter der Führung des Tacfarinas nach Land für sich und sein Heer lehnte Tiberius ab. Stattdessen schickte er eine weitere Legion, die [[Legio VIIII Hispana|Legio IX ''Hispana'']], mit dem Befehl nach Afrika, Tacfarinas zu vernichten. Erst sieben Jahre nach ihrem Beginn konnten die von Tacfarinas angeführten Revolten unter [[Publius Cornelius Dolabella (Konsul 10)|Publius Cornelius Dolabella]] endgültig niedergeschlagen werden. Tacfarinas fiel im Kampf, sein Sohn geriet in Gefangenschaft. Die Lebensmittelversorgung, die Steuerbelastungen sowie die Arroganz und Grausamkeit der römischen Statthalter sorgten in [[Gallien]] für Unruhen, die zum Aufstand des Häduers [[Iulius Sacrovir]] und des Treverers [[Iulius Florus]] im Jahre 21 führten. Dieser Aufstand wurde jedoch in kürzester Zeit niedergeschlagen. In den Jahren 22 bis 25 wurden rebellische [[Thrakien|thrakische]] Stämme mit Erfolg bekämpft. Bemerkenswert ist die militärstrategische Zurückhaltung des Tiberius, denn mit Ausnahme der Feldzüge gegen Aufständische gab es keinerlei große Militäraktionen während seiner Herrschaft. In [[Armenien]], wo sich römische und [[Parther|parthische]] Interessen kreuzten, wurde mit [[Liste der Herrscher von Armenien#Dynastie der Arsakiden|Artaxias III.]] um das Jahr 18 ein neuer König eingesetzt. Rom wollte die Parther in einer ständigen Bedrohungssituation belassen, um ihnen den Anreiz eines Einfalles in [[Kleinasien]], [[Syria|Syrien]] oder [[Palästina (Region)|Palästina]] zu nehmen, was bis zum Tod des Artaxias im Jahre 34 oder 35 gelang. Erst in der sich anschließenden Nachfolgefrage sollte der Partherkönig [[Artabanos II.]] seinen Sohn Arsaces auf den armenischen Thron setzen und Gebietsabtretungen der Römer in Kleinasien fordern. Durch das diplomatische Eingreifen des [[Lucius Vitellius (Vater)|Lucius Vitellius]], Statthalter von Syrien, konnte ein Gebietsverlust jedoch abgewendet werden. Lucius Vitellius griff in den Jahren 35/36 auch in die parthischen Thronwirren ein und konnte [[Tiridates III.]] vorübergehend als König der Parther einsetzen. === Haushalts- und Finanzpolitik === [[Datei:Tiberius&Livia Aureus.jpg|miniatur|[[Aureus]] des Tiberius]] Die Haushaltspolitik des Tiberius war durch ein rigoroses Sparprogramm geprägt, in dem keine größeren Bauprojekte vorgesehen waren. Einige wenige Ausnahmen waren Tempel, die zur Demonstration der ''pietas'' dienten, sowie der Bau von Straßen für militärische Zwecke in Nordafrika, Spanien, Gallien, [[Dalmatien]] und [[Moesien]]. Tiberius’ Sparsamkeit und seine Abkehr vom Luxus hatten sich bereits in dem gegen Kleidungsluxus gerichteten Senatsbeschluss des Jahres 16 gezeigt, der das Tragen von durchsichtigen Seidengewändern verbot, sowie in einem Gesetz aus dem Jahre 22, das sich gegen den Tafelluxus richtete. Tiberius sah davon ab, seine Popularität durch aufwändige Spiele zu erhöhen, und zeigte sich allgemein bei Spielen gegenüber der stadtrömischen Bürgerschaft desinteressiert. Allerdings war er bei großen Notlagen so spendabel wie kaum ein Politiker vor ihm. Bei den Großbränden in der Stadt Rom in den Jahren 27 und 36 und bei einer [[Tiber]]überschwemmung, die ebenfalls im Jahre 36 eintrat, sowie bei Getreideteuerungen spendete Tiberius Millionen von [[Sesterze]]n. Seine Großzügigkeit in Notsituationen bekamen auch die Provinzen zu spüren: Als ein Erdbeben 17 n. Chr. zwölf [[Asia (Provinz)|asiatische]] Städte vernichtete, darunter [[Sardes]], spendete er zehn Millionen Sesterzen und gewährte einen fünfjährigen Steuererlass.<ref>Tacitus: ''Annalen'' [http://www.thelatinlibrary.com/tacitus/tac.ann2.shtml#47 2,47].</ref> Diese Fürsorge des Tiberius wurde in der Münzprägung ''civitatibus Asiae restitutis'' („für den Wiederaufbau der Städte Asiens“) proklamiert. Von seinem Alterssitz auf [[Capri]] aus griff Tiberius im Jahr 33 in eine Finanzkrise in Rom ein, die vor dem Hintergrund seiner restriktiven Geldpolitik durch illegale Zinserhöhung der Geldverleiher ausgelöst worden war, die zugleich immer weniger Kredite gewährten. Da der Senat die Finanzkrise nicht mit eigenen Mitteln bewältigen konnte, stellte Tiberius [[Kreditvermittler]]n 100 Millionen Sesterzen zur Vergabe von zinslosen Krediten auf drei Jahre zur Verfügung, mit der Bedingung, dass ihre Schuldner dem römischen Staat Grundstücke von doppeltem Wert als [[Hypothek|Sicherheiten]] überschreiben mussten.<ref>Sueton: ''Tiberius'' [http://penelope.uchicago.edu/Thayer/E/Roman/Texts/Suetonius/12Caesars/Tiberius*.html#48 48].</ref> Die Finanzkrise konnte so behoben werden. Aufgrund des rigorosen Sparkurses von Tiberius fand sein Nachfolger [[Caligula]] 2,7 Milliarden Sesterzen in der Staatskasse vor, die dieser allerdings schnell verschwendete.<ref>Sueton: ''Caligula'' [http://penelope.uchicago.edu/Thayer/E/Roman/Texts/Suetonius/12Caesars/Caligula*.html#37 37,3].</ref> Tiberius konnte auch daraus finanziellen Gewinn ziehen, dass wegen Majestätsverbrechen verurteilte Senatoren ihr Erbe an den Kaiser abtreten mussten. === Majestätsprozesse === Die unter Augustus noch seltenen Anklagen wegen [[Majestätsbeleidigung]] nahmen merklich zu. Auf Grundlage der noch von Augustus eingeführten ''lex Iulia de maiestate'' konnten nicht nur Lebensbedrohungen, sondern auch Schmähungen der Person des Princeps bestraft werden. In den Jahren 14–20 hatte Tiberius sich zunächst noch entschieden gegen die Verfolgung solcher Schmähungen gewandt. Die ersten von Tiberius gebilligten Prozesse wurden vermutlich maßgeblich vom Senat initiiert, dem ein Teil des Gerichtswesens institutionell unterlag. Seit dem Jahr 24 wurden Majestätsprozesse häufiger eingeleitet, obwohl Tiberius das Majestätsgesetz nicht verschärfte. Insgesamt gab es unter seiner Herrschaft etwa 60 Majestätsprozesse.<ref>Ausführlich Cornelia Zäch: ''Die Majestätsprozesse unter Tiberius in der Darstellung des Tacitus''. Dissertation, Zürich 1971.</ref> Ihre Anzahl hatte deshalb so sprunghaft zugenommen, weil der unbestimmte Rechtsbegriff der ''laesa maiestas'' so weit ausgelegt wurde, dass schon das Mitsichführen einer Kaisermünze auf dem sanitären Abtritt oder im Bordell Gegenstand einer Anklage werden konnte. Wahrscheinlich handelte es sich dabei eher um einen von vielen Anklagepunkten in einer Reihe von jeweils zur Last gelegten Vergehen. Besonders [[dissident]]e literarische Anspielungen konnten strengstens bestraft werden. So war der Historiker [[Aulus Cremutius Cordus|Cremutius Cordus]] gezwungen, sich durch Nahrungsverweigerung das Leben zu nehmen, da man ihm vorwarf, in seinem Geschichtswerk vorteilhaft auf die Caesarmörder [[Marcus Iunius Brutus|Brutus]] und [[Gaius Cassius Longinus (Verschwörer)|Cassius]] eingegangen zu sein. Brutus hatte er gelobt, Cassius soll er den „letzten Römer“ genannt haben. Die meisten Exemplare des Werks wurde auf Senatsbeschluss verbrannt, später wurde es aber wieder herausgegeben. Nachdem sich [[Gaius Asinius Gallus]], der Ehemann von Tiberius’ erster Frau [[Vipsania Agrippina]], nach dem Sturz von [[Agrippina die Ältere|Agrippina der Älteren]] dem [[Lucius Aelius Seianus|Sejan]] zugewandt hatte, wurde er im Jahr 30 inhaftiert und nach drei Jahren ebenfalls durch Nahrungsentzug getötet. Tacitus beschreibt die Majestätsprozesse als willkürliches Handeln eines [[Tyrann]]en, und diese Deutung ist vor allem in der älteren Forschung weitgehend übernommen worden.<ref>Dazu die grundlegende Studie von [[Jochen Bleicken]]: ''Senatsgericht und Kaisergericht. Eine Studie zur Entwicklung des Prozeßrechtes im frühen Prinzipat.'' Göttingen 1962, der die institutionellen Verflechtungen herausarbeitet und dabei die Rolle des Tiberius noch relativ negativ beurteilt.</ref> Die neuere Forschung dagegen hat sie zunehmend relativiert, da die Darstellung des Tacitus einseitig die institutionelle Verantwortung des Princeps betone und mit Rücksicht auf sein senatorisches Publikum das interne Ränkespiel senatorischer Familien herunterspiele. Es bildete sich erstmals das Phänomen senatorischen [[Delator|Denunziantentums]] heraus, das die Beziehung von Kaiser und Senat bis zum Ende des 1. Jahrhunderts erheblich belasten sollte. Die kurz zuvor von Augustus geschaffene Stellung des Princeps war institutionell noch nicht so weit gefestigt, dass Tiberius eine repressive Politik gänzlich ohne Unterstützung zumindest eines Teils des Senates hätte durchsetzen können. Erst die spätere Unterwürfigkeit des Senats ermöglichte die autokratische Gewaltherrschaft eines [[Caligula]], [[Nero]] oder [[Domitian]].<ref>Vgl. dazu Steven H. Rutledge: ''Imperial Inquisitions. Prosecutors and Informants from Tiberius to Domitian''. London u. a. 2001; Karl Christ: ''Geschichte der römischen Kaiserzeit. Von Augustus bis zu Konstantin''. S. 188f.</ref> === Aufstieg und Fall des Seianus === Anlässlich des frühen Todes von Germanicus, des designierten Nachfolgers von Tiberius, im Jahr 19 stellte sich erneut die Nachfolgefrage. Das Verhältnis zwischen Tiberius und Germanicus’ Witwe [[Agrippina die Ältere|Agrippina der Älteren]] war gespannt, da sie als Enkelin des Augustus ihre Söhne als potenzielle Nachfolger des Tiberius sah. In dieser Zeit begann der Einfluss des [[Prätorianerpräfekt]]en [[Lucius Aelius Seianus]] zu wachsen. Er baute die von ihm kommandierte [[Prätorianer]]garde zu einem persönlichen Machtfaktor aus, indem er sie in einem einzigen Lager, den [[Castra praetoria]], auf dem [[Viminal]] vor der [[Servianische Mauer|Stadtmauer]] stationierte. Tacitus zufolge vertraute Tiberius Seianus blind, seitdem dieser sich beim Einsturz einer Höhle schützend über Tiberius geworfen hatte.<ref>Tacitus: ''Annalen'' [http://www.thelatinlibrary.com/tacitus/tac.ann4.shtml#23 4,23–25].</ref> Das Seianus-Bild bei Tacitus ist allerdings, wie bei Sueton, äußerst negativ und steht damit im Gegensatz zu der positiven Charakterisierung des Seianus durch seinen Zeitgenossen Velleius Paterculus, der 30 n. Chr. schrieb.<ref>Velleius Paterculus [http://penelope.uchicago.edu/Thayer/E/Roman/Texts/Velleius_Paterculus/2D*.html#127 2,127–128].</ref> Seianus plante vermutlich, durch systematische Ausschaltung der natürlichen Erben des Tiberius und Einheirat in dessen Familie selbst Nachfolger des Princeps Tiberius zu werden. Angeblich verleitete er [[Livilla]], die Frau von Tiberius’ Sohn [[Drusus der Jüngere|Drusus]], zum Ehebruch. Im Jahr 23 starb der Thronfolger Drusus an einer Krankheit, wie man allgemein annahm. Im Jahr 31 sagte Apicata, die verstoßene Ehefrau des Seianus, aus, dass dieser Drusus habe vergiften lassen, indem er sich den Lieblingseunuchen des Drusus, Eudamus, hörig machte und mit der Verabreichung des Giftes beauftragte, wie auch einige zeitgenössische Autoren berichteten.<ref>Tacitus: ''Annalen'' [http://www.thelatinlibrary.com/tacitus/tac.ann4.shtml#8 4,8; 4,10].</ref> Apicata wurde allerdings bei dieser Aussage stark unter Druck gesetzt, da sie nicht nur um ihr eigenes Leben, sondern auch um das ihrer Kinder fürchten musste. In der Forschung wird die Beteiligung des Seianus am Tod des Drusus sowie gelegentlich auch das Verhältnis zu Livilla bezweifelt.<ref>Robin Seager: ''Tiberius''. 2. Auflage, [[Malden (Massachusetts)|Malden]] u. a. 2005, S. 227 mit Anm. 15.</ref> Seianus versuchte im Jahr 25, Livilla zu heiraten, wodurch er Mitglied der kaiserlichen Familie geworden wäre. Tiberius lehnte die Heirat jedoch mit Rücksicht auf Vorbehalte in der Kaiserfamilie ab, die eine Verschwägerung mit dem aus dem Ritterstand stammenden Seianus als unstandesgemäß empfand. [[Datei:Tiberius Capri Louvre Ma1248.jpg|miniatur|Marmor-Statue des Tiberius, gefunden auf Capri, heute im [[Louvre]]]] Nachdem seine Heiratspläne vereitelt worden waren, stellte Seianus Tiberius in öffentlichen Reden die Vorteile des ländlichen Lebens außerhalb der Hauptstadt vor Augen. Dem Princeps war die Anwesenheit in Rom mit ihren Intrigen und Streitereien zwischen seinen Familienangehörigen zuwider, vor allem die problematischen Beziehungen zu seiner Mutter Livia und zu Agrippina, der Witwe des Germanicus. Hinzu kamen Angst um seine persönliche Sicherheit und menschenscheues Verhalten. Bereits seit dem Jahr 22 hatte er sich wiederholt in [[Kampanien]] aufgehalten und Drusus die ''tribunicia potestas'' verliehen. Seianus hatte ein entschiedenes Interesse am Rückzug des Kaisers, da er dadurch – praktisch in Stellvertreterfunktion – die Übernahme der Macht vorbereiten konnte. Im Jahr 26 zog sich Tiberius tatsächlich auf die abgelegene Insel [[Capri]] zurück. Seianus kontrollierte von nun an den Zugang zu Tiberius, da seine Prätorianer verantwortlich für die Übermittlung der kaiserlichen Korrespondenz waren. Seianus brachte schließlich seinen Anspruch auf die Thronfolge offen zum Ausdruck, indem er seinen Geburtstag zum römischen Feiertag erklären und sich öffentlich durch Aufstellen von Statuen mit seinem Konterfei ehren ließ. Dadurch stellte er den Kult um seine Person dem des Kaisers gleich. Durchaus in Übereinstimmung mit den Interessen des Tiberius war Seianus wahrscheinlich an Intrigen gegen Agrippina und ihre Parteigänger entscheidend beteiligt. Angeblich ließ er ihren ältesten Sohn und Nachfolgekandidaten [[Nero Caesar]] bespitzeln und durch Mittelsmänner zu unbedachten Äußerungen gegen Tiberius verleiten. Als Folge wurden Nero und Aggripina im Jahre 29 auf die Insel [[Pandataria]] verbannt, wo beide in den Tod gedrängt wurden. Ihr zweiter Sohn [[Drusus Caesar]] verhungerte ein Jahr später im [[Carcer Tullianus|Kerker]]. Einige Forscher sehen jedoch die Beteiligung des Seianus an den nicht genau bekannten Vorwürfen gegen die Familie des Germanicus als allenfalls gering an.<ref>Dieter Hennig: ''L. Aelius Seianus. Untersuchungen zur Regierung des Tiberius''. München 1975, S. 45–52; vgl. David C. A. Shotter: ''Agrippina the Elder – a Woman in a Man’s World''. In: ''[[Historia (Zeitschrift)|Historia]]'' 49, 2000, S. 341–357.</ref> [[Antonia Minor]], die Witwe von Tiberius’ Bruder Drusus, denunzierte schließlich Seianus bei Tiberius mit dem Vorwurf, dieser wolle Gaius, den späteren Kaiser [[Caligula]], beseitigen lassen, um sich als einzigen Nachfolger zu positionieren. Als Reaktion ließ Tiberius im Jahr 31 von Capri aus einen Brief an den Senat schicken, wobei er Seianus, der unlängst zum Consul ernannt worden war, in den Glauben setzte, dass dieser Brief die Übertragung der Amtsgewalten an dessen Person enthielt. Der in Anwesenheit des Seianus verlesene Brief begann mit dessen Verdiensten, endete aber mit Vorwürfen und der Verurteilung des Seianus. Seianus wurde verhaftet und zusammen mit seinen Kindern durch Strangulierung hingerichtet. Sein Leichnam wurde auf die [[Gemonische Treppe]] geworfen, dort vom Mob zerstückelt und anschließend an einem Haken zum [[Tiber]] geschleift, da nach altrömischer Jenseitsvorstellung den im Meer treibenden Toten der Zugang zur [[Unterwelt]] verwehrt war. Es ist unklar, ob Seianus tatsächlich die Ermordung Caligulas plante oder einer Hofintrige bzw. seinen eigenen Machtansprüchen, die ihm Neid und Missgunst einbrachten, zum Opfer fiel.<ref>So Dieter Hennig: ''L. Aelius Seianus. Untersuchungen zur Regierung des Tiberius''. München 1975, S. 145–155; Barbara Levick: ''Tiberius the Politician''. London 1999, S. 173–175.</ref> In den Jahren 31 bis 37 wurden zahlreiche Senatoren und Ritter unter dem Verdacht, die Pläne des Seianus unterstützt zu haben, hingerichtet oder zum Selbstmord gezwungen. Tacitus beschreibt im sechsten Buch der ''Annalen'' eine Atmosphäre voller Terror und Intrigen, bei der es unklar gewesen sei, „ob es bejammernswerter sei, der Freundschaft wegen angeklagt zu werden oder den Freund selbst anzuklagen“.<ref>Tacitus: ''Annalen'' [http://www.thelatinlibrary.com/tacitus/tac.ann6.shtml#5.6 6,5.6<!-- sic! -->,3].</ref> Nachfolger des Seianus als Prätorianerpräfekt wurde [[Naevius Sutorius Macro]]. == Die letzten Jahre == === Alterssitz auf Capri === [[Datei:Villa Jovis.jpg|miniatur|Ruine der [[Villa Jovis]] von Tiberius auf Capri]] Die antiken Historiographen ([[Cassius Dio]], [[Sueton]] und [[Tacitus]]) stellten den Kaiser in seinen letzten Lebensjahren als unansehnlichen, durch Hautgeschwüre entstellten Lustgreis dar, der sich auf Capri [[Pädophilie|pädophilen]] und [[Sadismus|sadistischen]] Neigungen hingebe und die Öffentlichkeit scheue. Insbesondere der Kaiserbiograph Sueton charakterisierte Tiberius in dieser Hinsicht sehr ausführlich, bediente allerdings damit die Erwartung eines senatorischen Publikums im frühen 2. Jahrhundert. So soll Tiberius männliche Minderjährige in den kaiserlichen Thermalbecken zu homosexueller Unterwasser-[[Fellatio]] missbraucht und in diesem Zusammenhang seine „Fischlein“ genannt haben. Angeblich wurde auch der spätere Kaiser [[Vitellius]] von Tiberius hierzu sexuell missbraucht.<ref>Sueton: ''Tiberius'' [http://penelope.uchicago.edu/Thayer/E/Roman/Texts/Suetonius/12Caesars/Tiberius*.html#43 43–44]; Sueton: ''Vitellius'' [http://penelope.uchicago.edu/Thayer/E/Roman/Texts/Suetonius/12Caesars/Vitellius*.html#3 3,2].</ref> Die moderne Forschung löst sich von diesen tendenziell stereotypen Überlieferungsformen, die sich dadurch begründen lassen, dass zum Ende der Regierungszeit des Tiberius erstmalig die politische Ohnmacht und der Autoritätsverlust des Senats vor Augen traten. Dies äußerte sich in den andauernden Majestätsprozessen und in der mangelnden Einflussmöglichkeit auf Entscheidungen im fernen Capri. Nach antikem Verständnis war es üblich, in biographischen Abhandlungen die allgemeine politische Richtung eines Kaisers mit dessen charakterlichen Anlagen und Privatinteressen in engen, teils fiktiven Zusammenhang zu bringen.<ref>Vgl. etwa Tacitus: ''Annalen'' [http://www.thelatinlibrary.com/tacitus/tac.ann6.shtml#6.4 6,6.4]; siehe Dirk Rohmann: ''Gewalt und politischer Wandel im 1. Jahrhundert n. Chr.'' München 2006.</ref> Die Residenz des Tiberius auf Capri, die [[Villa Jovis]], ist als Ruine erhalten. Sie war grundsätzlich darauf ausgelegt, Regierungsgeschäfte zu erledigen, wurde aber von keinem späteren Kaiser mehr bewohnt.<ref>Clemens Krause: ''Villa Jovis. Die Residenz des Tiberius auf Capri''. Mainz 2003.</ref> === Tod in Misenum, Beisetzung in Rom === [[Datei:Rome, Mausoleum of Augustus 01.jpg|miniatur|Der Eingang zum Augustusmausoleum. Hier wurde die Asche des Tiberius beigesetzt.]] Als Tiberius am 16. März 37 in [[Misenum]] am [[Golf von Neapel]] starb, hatte er sich nicht nur beim Senat unbeliebt gemacht, sondern auch bei der stadtrömischen Bürgerschaft, die seinen Leichnam wie den eines Verbrechers in den Tiber werfen (''Tiberium in Tiberim''<ref>Sueton: ''Tiberius'' [http://penelope.uchicago.edu/Thayer/E/Roman/Texts/Suetonius/12Caesars/Tiberius*.html#75 75]. Zu Formen politischer Partizipation der stadtrömischen Bürgerschaft siehe Julia Sünskes Thompson: ''Demonstrative Legitimation der Kaiserherrschaft im Epochenvergleich. Zur politischen Macht des stadtrömischen Volkes''. Stuttgart 1993.</ref>) oder im [[Theater der römischen Antike|Theater]] von [[Atella]] anrösten wollte. Die Anfeindungen in der Bevölkerung resultierten aus den zahlreichen Hinrichtungen der letzten Regierungsjahre, denen jährlich mehrere hundert Bürger der Hauptstadt zum Opfer fielen. Ihre Leichname wurden zur Abschreckung auf den Gemonischen Treppen ausgestellt. In der öffentlichen Darstellung wurde diese Politik mit notwendiger Verbrechensbekämpfung und erforderlicher Eindämmung unsittlichen Verhaltens begründet. Tiberius’ Leichnam wurde nach Rom eskortiert und öffentlich verbrannt.<ref>Sueton: ''Tiberius'' [http://penelope.uchicago.edu/Thayer/E/Roman/Texts/Suetonius/12Caesars/Tiberius*.html#75 75,3].</ref> Seine Asche wurde im [[Augustusmausoleum]] beigesetzt. Eine Divinisierung erfolgte zunächst nicht, allerdings wird Tiberius in der [[Lex de imperio Vespasiani]] des Jahres 69 zu den vergöttlichten Caesaren gezählt. Der vollständige Name des Tiberius zum Zeitpunkt seines Todes lautete gewöhnlich ''Tiberius Caesar Divi Augusti filius Augustus, Pontifex maximus, Tribunicia potestate XXXVIII, Imperator VIII, Consul V'' („Tiberius Caesar Augustus, Sohn des vergöttlichten Augustus, höchster Priester, im 38. Jahr Inhaber der tribunizischen Vollmacht, achtmal zum [[Imperator]] ausgerufen, fünfmaliger Consul“). === Gerüchte um den Nachfolger === Es ist überliefert, dass Tiberius in der Nachfolgeregelung unschlüssig gewesen sei. Einen Nachfolger außerhalb seiner Familie zu suchen, wagte Tiberius nicht, um das mit der Autorität des Augustus verbundene dynastische Prinzip nicht zu verletzen.<ref>Tacitus: ''Annalen'' [http://www.thelatinlibrary.com/tacitus/tac.ann6.shtml#6.43 6,6.43,3].</ref> Es blieben daher nur Germanicus’ Sohn Gaius, der spätere Kaiser [[Caligula]], oder [[Tiberius Gemellus]], Enkel des Tiberius, als Kandidaten übrig. Im Jahr 31 ließ Tiberius Gaius zu sich nach Capri kommen. Dort gelang es Gaius offenbar, das Vertrauen des Kaisers zu gewinnen. Sueton gibt an, dass dieses Vertrauensverhältnis auf dem gemeinsamen Interesse an Folterungen und sexuellen Ausschweifungen beruht habe. Tiberius soll angeblich zu Gaius gesagt haben: „Du wirst diesen [Gemellus] ermorden, dich ein anderer.“<ref>Tacitus: ''Annalen'' [http://www.thelatinlibrary.com/tacitus/tac.ann6.shtml#6.46 6,6.46,9].</ref> Tatsächlich ließ Caligula, kurz nachdem er Kaiser geworden war, Tiberius Gemellus Ende des Jahres 37 oder Anfang des Jahres 38 töten, weil dieser verdächtigt wurde, eine schwere Krankheit Caligulas ausgenutzt zu haben, um sich gegen ihn zu verschwören. Möglicherweise wurde Tiberius selbst auch von Gaius umgebracht, wobei die Quellenaussagen nicht eindeutig sind und ungeklärte Todesfälle von Herrschern oft unbestätigte Mordgerüchte nach sich zogen. Es wurde auch spekuliert, dass der Prätorianerpräfekt [[Naevius Sutorius Macro|Macro]] den Tod des Tiberius herbeigeführt habe.<ref>Sueton: ''Caligula'' [http://penelope.uchicago.edu/Thayer/E/Roman/Texts/Suetonius/12Caesars/Caligula*.html#12 12,2] berichtet, dass Gaius Tiberius mit einem Kissen erstickt habe, während Tacitus angibt, Tiberius sei bei Fieberanfällen die Nahrung entzogen worden (Tacitus: ''Annalen'' [http://www.thelatinlibrary.com/tacitus/tac.ann6.shtml#6.50 6,6.50,1]).</ref> == Wirkung == === Kreuzigungsgeschehen === Während Tiberius’ Regierungszeit wirkte [[Jesus Christus]]. In dessen [[Predigt]]en und [[Gleichnis]]sen gibt es mehrfach Bezüge zu ''Caesar'' (bzw. dem ''Kaiser'' in einigen Übersetzungen), ohne jedoch den Namen Tiberius zu erwähnen, wie wahrscheinlich im Falle der Steuermünze in den Evangelien des [[Matthäusevangelium|Matthäus]] {{Bibel|Mt|22,19}} und [[Markusevangelium|Markus]] {{Bibel|Mk|12,15}}. Im Neuen Testament wird Tiberius nur einmal namentlich erwähnt, im [[Lukasevangelium]] {{Bibel|Lk|3,1–2}} im Rahmen des sogenannten [[Lukanisches Datum|lukanischen Datums]], das auf das Jahr 28 hinweist und als einziges eine sichere Datierung der evangelischen Ereignisse erlaubt: : ''Es war im 15. Jahr der Regierung des Kaisers Tiberius; [[Pontius Pilatus]] war Statthalter von [[Judäa]], [[Herodes Antipas|Herodes]] Tetrarch von [[Galiläa]] […] Hohepriester waren [[Hannas]] und [[Kajaphas]]. Da erging in der Wüste das Wort Gottes an [[Johannes der Täufer|Johannes, den Sohn des Zacharias]].'' In der Ära des Tiberius löste die Kreuzigung Jesu (wahrscheinlich im Jahr 30) weder besondere Aufmerksamkeit in Rom noch irgendeinen Aufstand aus. Judäa galt damals als ruhige Region. Der christliche Historiker [[Eusebius von Caesarea]] berichtet, dass der Senat die Anerkennung des Christengottes seitens des römischen Staates formal abgelehnt, Tiberius selbst allerdings keine Verfolgungen gegen Christen in Erwägung gezogen habe, was die Verbreitung des Frühchristentums begünstigt habe.<ref>Eusebius: ''Historia Ecclesiae'' 2,2.</ref> Zu Ehren des Kaisers erhielt die Stadt [[Tiberias]] an der Westküste des [[See Genezareth]] ihren Namen vom [[Herodianische Tetrarchie|Tetrarchen]] [[Herodes Antipas]]. Auch Tacitus erwähnt in seiner Schilderung von Tiberius’ Herrschaft in den ersten sechs, zum großen Teil erhaltenen Büchern der ''Annalen'' Christus mit keinem Wort. Die Kreuzigung Jesu wird bei Tacitus nur nebenbei erwähnt, als er sich zur Hinrichtung von Christen in Rom unter Kaiser [[Nero]] äußert: :''Der Namensgeber der Sekte, Christus, war unter Tiberius vom Procurator Pontius Pilatus hingerichtet worden.''<ref>Tacitus: ''Annalen'' [http://www.thelatinlibrary.com/tacitus/tac.ann15.shtml#44 15,44,3–4].</ref> === Rezeption === Tiberius war – verglichen etwa mit den Herrschern Caesar oder Nero – nur relativ selten Gegenstand künstlerischer Bearbeitung. [[Gerhart Hauptmann]] schrieb 1884 in Rom das Drama ''Das Erbe des Tiberius'',<ref>Vgl. Paul Schlenther: ''Gerhart Hauptmann. Leben und Werke''. 3. Aufl., Berlin 1922.</ref> [[Julius Grosse]] verfasste 1876 ein Drama namens ''Tiberius''. Zahlreiche historische Romane befassen sich seit Franz Horn<ref>Franz Horn: ''Tiberius. Ein historisches Gemälde''. Hinrichs, Leipzig 1811.</ref> mit dem zweiten Kaiser, wenn auch in vielen Fällen nur als Nebenfigur<ref>Vgl. die Auflistung: [http://www.hist-rom.de/themen/tiberius.html Historische Romane über Tiberius].</ref> wie im Roman ''Ich, Claudius, Kaiser und Gott'' (1934) von [[Robert Graves|Robert von Ranke-Graves]], der auch als TV-Serie verfilmt wurde. Da das [[Kreuzigung]]sgeschehen in seine Regierungszeit fällt, wird Tiberius vor allem in belletristischen Werken und [[Monumentalfilm]]en mit neutestamentlichen Bezügen wie etwa ''[[Das Gewand]]'' oder ''[[Ben Hur (1959)|Ben Hur]]'' (Triumphszene, Begnadigung von Ben Hur) beiläufig dargestellt. In [[Tinto Brass]]' berüchtigtem ''[[Caligula (Film)|Caligula]]'' (1979) nach einem Drehbuch von [[Gore Vidal]] wurde Tiberius von [[Peter O’Toole]] als grausamer Lustgreis dargestellt. Ähnlich zeichnete [[Anthony Burgess]]' den Kaiser in seinem Roman ''The Kingdom of the Wicked'', der als Mini-TV-Serie unter dem Titel ''Anno Domini'' (1984) verfilmt wurde. Unter den literarischen Bearbeitungen nach dem Zweiten Weltkrieg sind die Romane von [[Josef Toman]] (1963) und [[Hubertus Prinz zu Löwenstein-Wertheim-Freudenberg]] aus dem Jahr 1977 zu nennen. Einen belletristischen Rehabilitierungsversuch unternahm [[Gerhard Prause]] (1966).<ref>Gerhard Prause: ''Niemand hat Kolumbus ausgelacht''. Econ, München 1966.</ref> Der Psychologe [[Gregorio Marañón]] beschäftigte sich 1952 mit der Erforschung der Persönlichkeit des Tiberius und analysierte eine mögliche Geisteskrankheit, das sogenannte Ressentiment-Syndrom, bei dem die Selbstwahrnehmung und der Eindruck, den die Personen tatsächlich in ihrer Umgebung hinterlassen, gestört seien. Eine solche gestörte Eigenwahrnehmung resultiere oft aus Misserfolgen.<ref>Gregorio Marañón: ''Tiberius. Geschichte eines Ressentiments''. München 1952.</ref> === Tiberius in der Forschung === Die antiken [[Historiograph]]en [[Sueton]], [[Cassius Dio]] und besonders [[Tacitus]] stellen Tiberius als lethargisch und tyrannisch dar. Radikale Rehabilitierungsversuche bis hin zu der Vorstellung, in Tiberius eine starke Führungsperson zu sehen, sind den politischen Projektionen des 19. Jahrhunderts zuzuschreiben.<ref>Siehe Barbara Levick: ''Tiberius the Politician''. London 1999, S. 223.</ref> Die 1960 postum veröffentlichte Tiberius-Biographie von [[Ernst Kornemann]] gehört ebenfalls den energischen Rehabilitierungsversuchen an und stellt den Tod des Kaisers in einen weltgeschichtlichen Zusammenhang zum Kreuzigungsgeschehen.<ref>Ernst Kornemann: ''Tiberius''. Stuttgart 1960.</ref> Die moderne Forschung bemüht sich um ein ausgewogeneres Urteil. Nach [[Zvi Yavetz]] sprechen gegen die Deutung des Tiberius als [[Tyrann]]en, dass er kein [[Usurpator]] war (denn die [[Legitimität]] seiner Herrschaft war durch die [[Adoption]] des Augustus unbestritten), keine göttliche Verehrung anstrebte und keine Eroberungskriege führte, um von innenpolitischen Schwierigkeiten abzulenken. Yavetz nannte seine Tiberiusbiographie ''Der traurige Kaiser'' und deutete damit Tiberius auch psychologisch, indem er den Tiberius verliehenen inoffiziellen Beinamen ''tristissimus hominum'' („der Traurigste unter den Menschen“) sowie seine düstere und menschenscheue Persönlichkeit auf die problematischen Ereignisse in der Jugend des Tiberius zurückführte.<ref>Zvi Yavetz: ''Tiberius. Der traurige Kaiser''. München 2002, S. 26f., 175f.</ref> Auch [[Michael Grant]] sah Tiberius für das Erbe des Prinzipats als charakterlich nicht hinreichend geeignet an.<ref>Michael Grant: ''Roms Cäsaren: von Julius Cäsar bis Domitian''. München 1978, S. 116.</ref> [[Barbara Levick]] begründet das ungünstige Urteil der antiken Historiographie aus der Institutionalisierung des Prinzipats nach dem Tod des Augustus, den materiellen Interessen der Senatsaristokratie und der damit kontrastierenden Amtsmüdigkeit des Kaisers, der darin versagte, den Hofintrigen anders als durch Gewalt Einhalt zu gebieten, jedoch in der Provinzverwaltung eine glückliche Hand besaß.<ref>Barbara Levick: ''Tiberius the Politician''. London 1999, S. 222–225.</ref> Robin Seager erklärt in ähnlicher Weise das Geschichtsbild aus einem gemeinsamen Versagen von Kaiser und Senat sowie aufgrund von Erzählmustern der antiken Historiographie, die eine in Phasen verlaufende Wandlung des Kaisers zum Scheusal beschreiben.<ref>Robin Seager: ''Tiberius''. 2. Aufl., Malden u. a. 2005, S. 209–242.</ref> David C. A. Shotter erkennt Schwächen in der Amtsführung des Tiberius, vor allem im Umgang mit dem Senat, weist ihm jedoch das Verdienst zu, nach Augustus das Reich dauerhaft in eine dynastische [[Monarchie]] umgeformt zu haben.<ref>David C. A. Shotter: ''Tiberius Caesar''. 2. Aufl., Routledge, London 2004, S. 76–80.</ref> Aufgrund der antiken Stilisierungen ist die historische Person eine der rätselhaftesten der Weltgeschichte. == Quellen == * [[Cassius Dio]]: ''Römische Geschichte.'' Übersetzt von [[Otto Veh]], Band 3 (= Bücher 44–50) und 4 (= Bücher 51–60), Artemis-Verlag, Zürich 1986, ISBN 3-7608-3672-0 und ISBN 3-7608-3673-9, ([http://penelope.uchicago.edu/Thayer/E/Roman/Texts/Cassius_Dio/home.html englische Übersetzung] bei [[LacusCurtius]]; für Tiberius sind insbesondere die Bücher 57–58 relevant). * [[Velleius Paterculus]]: ''Römische Geschichte. Historia Romana.'' Übersetzt und lateinisch/deutsch herausgegeben von Marion Giebel, Reclam, Stuttgart 2004, ISBN 3-15-008566-7 ([http://penelope.uchicago.edu/Thayer/E/Roman/Texts/Velleius_Paterculus/home.html lateinischer Text mit englischer Übersetzung]). * [[Sueton]]: ''Tiberius.'' Ausführlichste antike Biographie aus der Sammlung der Kaiserbiographien von [[Gaius Iulius Caesar|Caesar]] bis [[Domitian]]. Zahlreiche Ausgaben, beispielsweise mit deutscher Übersetzung in: Gaius Suetonius Tranquillus: ''Sämtliche erhaltene Werke''. Magnus, Essen 2004, ISBN 3-88400-071-3, ([http://penelope.uchicago.edu/Thayer/L/Roman/Texts/Suetonius/12Caesars/Tiberius*.html lateinischer Text], [http://penelope.uchicago.edu/Thayer/E/Roman/Texts/Suetonius/12Caesars/Tiberius*.html englische Übersetzung]). * [[Publius Cornelius Tacitus|Tacitus]]: ''Annalen.'' Lateinisch/deutsch herausgegeben von Erich Heller, 5. Aufl., Artemis & Winkler, München/Zürich 2005, ISBN 3-7608-1645-2, ([http://www.thelatinlibrary.com/tac.html lateinischer Text]; die Bücher 1–6 behandeln die Zeit des Tiberius). * [[Hans-Werner Goetz]], [[Karl-Wilhelm Welwei]]: ''Altes Germanien. Auszüge aus antiken Quellen über die Germanen und ihre Beziehungen zum Römischen Reich.'' 2 Teile, Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1995, ISBN 3-534-05958-1. * Joachim Herrmann (Hrsg.): ''Griechische und lateinische Quellen zur Frühgeschichte Mitteleuropas bis zur Mitte des 1. Jahrtausends u. Z.'' Teil 1: ''Von Homer bis Plutarch (8. Jahrhundert v. u. Z. bis 1. Jahrhundert u. Z.).'' Berlin 1988, ISBN 3-05-000348-0; Teil 3: ''Von Tacitus bis Ausonius (2. bis 4 Jh. u. Z.).'' Berlin 1991, ISBN 3-05-000571-8. == Literatur == * Manfred Baar: ''Das Bild des Kaisers Tiberius bei Tacitus, Sueton und Cassius Dio''. Teubner, Stuttgart 1990, ISBN 3-519-07456-7 (Beiträge zur Altertumskunde, Bd. 7). * Glanville Downey: ''Tiberiana''. In: ''[[Aufstieg und Niedergang der römischen Welt]]'' II 2. De Gruyter, Berlin/New York 1975, ISBN 3-11-004971-6, S. 95–130. * [[Michael Grant]]: ''Roms Caesaren. Von Julius Caesar bis Domitian''. C. H. Beck, München 1978, ISBN 3-406-04501-4. * [[Raban von Haehling]]: ''Tiberius''. In: [[Manfred Clauss]] (Hrsg.): ''Die römischen Kaiser. 55 historische Portraits von Caesar bis Iustinian''. C. H. Beck, München 1997, ISBN 3-406-42727-8, S. 50–63. * Claudia Kuntze: ''Zur Darstellung des Kaisers Tiberius und seiner Zeit bei Velleius Paterculus.'' Lang, Frankfurt/Main 1985, ISBN 3-8204-7489-7 (Europäische Hochschulschriften, Reihe 3, Bd. 247). * [[Barbara Levick]]: ''Tiberius the Politician''. Routledge, London 1999 (zuerst 1976), ISBN 0-415-21753-9. * [[Gregorio Marañón]]: ''Tiberius. Geschichte eines Ressentiments''. München 1952. * Mehran A. Nickbakht: [http://gfa.gbv.de/dr,gfa,001,1998,a,09.pdf ''Tiberius’ Adoption durch Augustus: rei publicae causa?'']. In: ''[[Göttinger Forum für Altertumswissenschaft]]'' 1, 1998, S. 112–116 ([[PDF]], 46 KB). * [[Ulrich Schmitzer]]: ''Velleius Paterculus und das Interesse an der Geschichte im Zeitalter des Tiberius''. Winter, Heidelberg 2000, ISBN 3-8253-1033-7 (Bibliothek der klassischen Altertumswissenschaften, Reihe 2, Neue Folge, Bd. 107). * Paul Schrömbges: ''Tiberius und die Res Publica Romana. Untersuchungen zur Institutionalisierung des frühen römischen Principats''. Habelt, Bonn 1986, ISBN 3-7749-2207-1. * Robin Seager: ''Tiberius''. 2. Auflage. Blackwell, Malden/Massachusetts 2005, ISBN 1-4051-1529-7. * David C. A. Shotter: ''Tiberius Caesar''. 2. Auflage. Routledge, London 2004, ISBN 0-415-31946-3 (Lancaster pamphlets in ancient history). * [[Ronald Syme]]: ''History or Biography. The Case of Tiberius Caesar''. In: ''[[Historia (Zeitschrift)|Historia]]'' 23, 1974, S. 481–496. * [[Zvi Yavetz]]: ''Tiberius. Der traurige Kaiser''. dtv, München 2002, ISBN 3-423-30833-8. == Weblinks == {{Commons|Tiberius}} * {{DNB-Portal|118622501}} * {{DIR|tiberius|Garrett G. Fagan}} * {{BBKL|t/tiberius|autor = Klaus-Gunther Wesseling}}. <!-- * {{BAM|Tiberius|Caesar|Augustus}}. --> == Einzelnachweise == <references /> {{Folgenleiste Römische Kaiser|VORGÄNGER=[[Augustus]]|NACHFOLGER=[[Caligula]]}} {{Exzellent}} {{Normdaten|PND=118622501|LCCN=n/50/49381|VIAF=89600176}} {{SORTIERUNG:Tiberius}} [[Kategorie:Kaiser (Rom)]] [[Kategorie:Militärperson (Römische Kaiserzeit)]] [[Kategorie:Augur]] [[Kategorie:Claudier|Nero, Tiberius Claudius]] [[Kategorie:Julier|Caesar Augustus, Tiberius]] [[Kategorie:Geboren 42 v. Chr.]] [[Kategorie:Gestorben 37]] [[Kategorie:Mann]] [[Kategorie:Augustus]] {{Personendaten |NAME=Tiberius |ALTERNATIVNAMEN=Claudius Nero, Tiberius; Nero, Tiberius Claudius; Caesar Augustus, Tiberius |KURZBESCHREIBUNG=römischer Kaiser (14−37) |GEBURTSDATUM=16. November 42 v. Chr. |GEBURTSORT=[[Rom]] |STERBEDATUM=16. März 37 |STERBEORT=[[Misenum]] }} {{Link FA|it}} {{Link FA|tr}} {{Link GA|en}} {{Link GA|es}} [[als:Tiberius]] [[an:Tiberio]] [[ar:تيبريوس]] [[az:Tiberi]] [[be:Тыберый]] [[be-x-old:Тыберый]] [[bg:Тиберий]] [[br:Tiberius Caesar Augustus]] [[bs:Tiberije]] [[ca:Tiberi]] [[cs:Tiberius]] [[cy:Tiberius]] [[da:Tiberius]] [[el:Τιβέριος Καίσαρας Αύγουστος]] [[en:Tiberius]] [[eo:Tiberio]] [[es:Tiberio]] [[et:Tiberius]] [[eu:Tiberio]] [[fi:Tiberius]] [[fr:Tibère]] [[gl:Tiberio]] [[he:טיבריוס]] [[hi:टैबीरियस]] [[hr:Tiberije]] [[hu:Tiberius római császár]] [[hy:Տիբերիոս]] [[ia:Tiberio]] [[is:Tíberíus]] [[it:Tiberio]] [[ja:ティベリウス]] [[ka:ტიბერიუსი]] [[ko:티베리우스]] [[la:Tiberius (imperator)]] [[lt:Tiberijus Cezaris Augustas]] [[lv:Tibērijs]] [[mk:Тибериј]] [[mr:तिबेरियस]] [[nds:Tiberius]] [[nl:Tiberius Claudius Nero (zoon)]] [[nn:Tiberius av Romarriket]] [[no:Tiberius]] [[oc:Tibèri]] [[pl:Tyberiusz]] [[pt:Tibério]] [[rm:Tiberius]] [[ro:Tiberius]] [[ru:Тиберий]] [[scn:Tibberiu]] [[sh:Tiberije]] [[simple:Tiberius]] [[sk:Tiberius]] [[sl:Tiberij]] [[sr:Тиберије]] [[sv:Tiberius]] [[th:จักรพรรดิไทบีเรียส]] [[tl:Tiberius]] [[tr:Tiberius]] [[uk:Тиберій Клавдій Нерон]] [[vi:Tiberius]] [[zh:提庇留]] grdnhgpkbn3093pmaz1eqgydhnkh110 wikitext text/x-wiki Urin 0 23514 26113 2010-04-27T21:21:24Z RobertLechner 0 /* Färbung */ linkfix [[Datei:Harntrakt_de.png|thumb|right|Harnwege des Mannes]] Der '''Urin''' (von {{laS|''urina''}}), auch der '''Harn''' genannt, ist ein flüssiges bis [[Paste (Stoff)|pastöses]] [[Ausscheidung]]sprodukt des Menschen und der [[Wirbeltiere]].<ref>{{Literatur |Autor=Eckart Klein |Titel=Bilinguales Wörterbuch Biologie |Verlag=Verband Deutscher Biologen |Ort=München |Jahr=2005 |ISBN=3-9806803-9-8 }}</ref> Er entsteht in den [[Niere]]n und wird über die [[Ableitende Harnwege|Harnwege]] nach außen geleitet. Die Ausscheidung des Urins dient der Regulation des [[Wasser-Elektrolyt-Haushalt|Flüssigkeits- und Elektrolythaushalts]] sowie der Beseitigung von [[Stoffwechsel]]abbauprodukten, insbesondere der beim Abbau von [[Protein]]en und [[Nukleotide]]n entstehenden [[Stickstoff]]-[[Chemische Verbindung|Verbindungen]]. Menschlicher Urin ist eine zumeist gelbe Flüssigkeit. Zahlreiche Krankheiten wirken sich auf die Zusammensetzung des Urins aus. Eine Untersuchung des Urins kann darüber Aufschluss geben. Die natürliche Harnentleerung wird als [[Miktion|Harnlassen]] (wissenschaftlich ''Miktion'') bezeichnet. == Wortherkunft == Urin stammt vom [[latein]]ischen ''{{lang|la|urina}}'', das ebenso wie das synonyme [[Altgriechische Sprache|altgriechische]] ''{{Polytonisch|οὖρον}}'', ''{{lang|grc-Latn|oúron}}'' ursprünglich „Wasser“ bedeutete (vgl. lat. ''{{lang|la|urinari}}'', „untertauchen“ und ''{{lang|la|urinator}}'', „Taucher“, sowie [[Sanskrit]] ''{{lang|sa-Latn|vāri}}'', „Wasser“). Nachdem die [[Schule von Salerno|Medizinschule von Salerno]] im Hochmittelalter die Harnuntersuchung als diagnostische Methode entwickelt hatte, ging das lateinische Wort aus der Sprache der Ärzte in viele europäische Sprachen über.<ref name="Grimm_Urin">Jacob und Wilhelm Grimm: ''[http://germazope.uni-trier.de/Projects/WBB/woerterbuecher/dwb/wbgui?lemid=GU11452 Deutsches Wörterbuch.]'' Hirtzel, Leipzig/Stuttgart 1884, 1983. Eintrag zu ''Urin'' (online)</ref> Im [[Altfranzösische Sprache|Altfranzösischen]] ist ''{{lang|fro|urine}}'' bereits im 12.&nbsp;Jahrhundert belegt, im Englischen erst um 1325, ''{{lang|en|urinal}}'' in der Bedeutung „Gefäß für Harnuntersuchungen“ jedoch bereits um 1275. Im Deutschen findet der Begriff erstmals im 15.&nbsp;Jahrhundert, also im [[Frühneuhochdeutsch]]en, Verwendung. Seither hat das Wort die älteren deutschen Bezeichnungen zunehmend verdrängt. Das ältere Wort Harn ist unverändert seit dem [[Althochdeutsch]]en bezeugt und in Gebrauch, allerdings nur im [[Hochdeutsche Sprachen|Hochdeutschen]]. Andere regionale Bezeichnungen gelten heute als anstößig. Dazu zählen die [[Hochdeutsche Sprachen|oberdeutschen]] Ausdrücke ''Brunz'' und ''Seich'' und das ursprünglich niederdeutsche Wort ''Pisse''. == Mensch und Säugetiere == === Entstehung === [[Datei:Kidney_nephron.png|thumb|300px|Schematische Darstellung des Feinbaus der Niere: Erkennbar sind die ''Glomeruli'' (Nierenkörperchen), in denen das Blut filtriert wird, und das System aus ''Tubuli'', in denen der Harn konzentriert und dann gesammelt wird.]] Urin entsteht in den [[Niere]]n zunächst als [[Permeat|Ultrafiltrat]] des [[Blutplasma]]s. [[Blut]] fließt dabei durch die [[Nierenkörperchen]] (''Corpuscula renalia''). Wasser und gelöste Stoffe mit einem Durchmesser von weniger als 4,4 Nanometern (unter anderem [[Ion]]en und kleine ungeladene [[Protein]]e) werden dabei wie in einem Sieb filtriert und gelangen in das sich anschließende Röhrchensystem (''Nierentubuli'') des [[Nephron]]s, der funktionellen Untereinheit der Nieren. Die größeren Teilchen verbleiben im [[Blutkreislauf]]. Die so entstandene Flüssigkeit wird als [[Primärharn]] bezeichnet und enthält neben den zur Ausscheidung bestimmten Stoffen auch solche, die für den Körper wichtig sind, wie [[Traubenzucker|Glucose]] (Traubenzucker), [[Aminosäuren]] und [[Elektrolyt]]e. Ein Erwachsener produziert täglich zwischen 180 und 200 Liter Primärharn.<!-- Das ist kein Fehler, das ist wirklich so viel, bitte weiterlesen! --> Im darauffolgenden System der ''Tubuli'', ''Henle-Schleife'' (nach [[Friedrich Gustav Jakob Henle]]) und [[Sammelrohr]]e werden aus dem Primärharn die wiederverwendbaren Inhaltsstoffe sowie etwa 99 Prozent des Wassers zurückgewonnen. Der übriggebliebene ''Endharn'', von dem ein gesunder Erwachsener täglich etwa 1 bis 1,5&nbsp;Liter produziert (also etwa 30&nbsp;ml/h je Niere), fließt schließlich über das [[Nierenbecken]] und durch die [[Harnleiter]] in die [[Harnblase]]. Dort wird der Endharn (=Urin) gesammelt und anschließend durch die [[Harnröhre]] ausgeschieden. Der Prozess der Harnproduktion und -ausscheidung durch die Nieren wird als [[Diurese]] bezeichnet. Mit verschiedenen medizinischen Maßnahmen kann darauf Einfluss genommen werden. [[Diuretikum|Diuretika]] werden eingesetzt, um bei Nieren- und Herzerkrankungen das Harnvolumen zu erhöhen und damit sekundär das Blutvolumen zu senken, da dies wiederum eine verminderte Herzbelastung (Kreislauf, Vorlast der Herzventrikel) zur Folge hat. Eine ''forcierte Diurese'' wird z. B. eingesetzt, um giftige wasserlösliche Stoffe aus dem Organismus durch eine vermehrte Ausscheidung zu entfernen. Einige Stoffe, wie [[Koffein]] oder [[Ethanol]] (Trinkalkohol), haben ebenfalls eine harntreibende Wirkung, da sie die Bildung des Hormons [[Antidiuretisches Hormon|ADH]] (''Antidiuretisches Hormon'') hemmen, das sonst in der Niere die [[Resorption|Rückresorption]] von Wasser aus dem Harn bewirkt. === Ausscheidung === Beim Menschen wird eine übermäßige Urinproduktion von mehr als 2,5 Liter täglich als ''[[Polyurie]]'' bezeichnet, eine geringe (weniger als 100&nbsp;[[Milliliter|ml]] pro Tag) oder fehlende Urinausscheidung als ''[[Anurie]]''. Bei einer Menge von weniger als 400–500&nbsp;ml am Tag spricht man von einer'' [[Oligurie]]''. Der Begriff ''[[Pollakisurie]]'' bezieht sich auf die überdurchschnittliche Häufigkeit der [[Blasenentleerung]]. Der Begriff ''Diabetes'' bezeichnet verschiedene Krankheiten unterschiedlicher Ursache, die einen erhöhten Harnfluss zur Folge haben. Bezüglich der [[Urinuntersuchung#Uringewinnung|Harngewinnung]] für eine medizinische Untersuchung werden verschiedene Begriffe voneinander abgegrenzt: Neben dem durch eine [[Blasenkatheter|Katheterisierung]] oder [[suprapubische Blasenpunktion]] gewonnenen Urin sind dies verschiedene Formen eines mittels einfacher Blasenentleerung gewonnenen Harns. Zeitlich festgelegt werden erster und zweiter Morgenurin, der ''postprandiale Urin'' (meist zwei Stunden nach einer Mahlzeit) sowie der [[Sammelurin]] (meist als 24-Stunden-Harn). Als ''Spontanharn'' wird eine tageszeitlich nicht festgelegte Blasenentleerung bezeichnet. === Eigenschaften === Urin dient zur Regelung des Flüssigkeitshaushalts sowie zur Entsorgung von [[Harnstoff]], [[Harnsäure]] und anderen [[Stoffwechsel]]-Endprodukten. Ein erwachsener [[Mensch]] scheidet täglich etwa 30&nbsp;Gramm Harnstoff aus. Urin enthält ferner geringe Mengen an [[Zucker]] ([[Traubenzucker|Glucose]]). Ein erhöhter Glucosegehalt im Urin deutet auf [[Diabetes mellitus]] hin. Die Konzentration von Proteinen beträgt im Normalfall weniger als 2 bis 8&nbsp;mg je 100&nbsp;ml, die maximale Ausscheidung täglich 100 bis 150&nbsp;mg, im Durchschnitt jedoch 40 bis 80&nbsp;mg. Eine erhöhte Proteinausscheidung wird [[Proteinurie]] genannt. Viele weitere Substanzen wie [[Hormon]]e oder [[Duftstoff]]e kommen in geringen Mengen im Urin vor. Der [[pH-Wert]] des Urins liegt bei normaler Ernährung zwischen 4,6 und 7,5, also eher im [[Säuren|sauren]] Bereich. Eine einzelne pH-Wert-Messung des Urins hat aber nur eine bedingte Aussagekraft, da der pH-Wert täglichen starken Schwankungen unterworfen ist. Eiweißreiche Ernährung verschiebt den pH-Wert in Richtung sauer, während Gemüse eine Verschiebung ins [[Basen (Chemie)|basische]] Milieu verursacht. Die [[Dichte]] beträgt zwischen 1015 und 1025&nbsp;g/l. Unter extremen Bedingungen (wie beispielsweise extrem hoher Flüssigkeitszufuhr oder andererseits [[Exsikkose|Dehydration]]) kann sie zwischen 1001 und 1040&nbsp;g/l schwanken. Gelöste Proteine oder Glucose können die Dichte des Urins erhöhen. Die [[Osmolarität]] von Urin liegt typischerweise zwischen 600 und 900&nbsp;mosmol/l. Urin ist dann hyperosmotisch bezogen auf Blutplasma (290–300 mosmol/l), das heißt, die Konzentration der gelösten Stoffe ist höher als im Blutplasma. Die Osmolarität kann aber in Abhängigkeit vor allem von Flüssigkeitszufuhr und Flüssigkeitsverlusten zwischen 50 und 1200&nbsp;mosmol/l variieren (d. h., Urin kann hypo-, iso- oder hyperosmotisch bezogen auf Blutplasma sein). Bei der Bildung in den Nieren und der Lagerung in der Blase ist Urin beim gesunden Menschen keimfrei. Da die untere Harnröhre jedoch nicht keimfrei ist, enthält Urin beim Austritt bis zu 10.000 Keime pro Milliliter. Frischer Urin riecht nach Brühe, während abgestandener Urin aufgrund [[Bakterien|bakterieller]] Umwandlungsprozesse den stechenden Geruch von [[Ammoniak]] annimmt. Dabei wird der Harnstoff enzymatisch ([[Urease]]) in Ammoniak und Kohlendioxid umgewandelt und der ursprünglich eher neutral bis saure Urin wird basisch (pH-Wert ca. 9–9,2). Beim schweren [[Diabetes mellitus]] kann der Urin nach [[Aceton]] riechen, dies wird durch [[Ketoazidose]] ([[Ketokörper]] im Blut) verursacht. Auch bei akuten Krankheiten (Infektionen, Fieber) und nach dem Genuss bestimmter Nahrungsmittel kann der Urin einen atypischen Geruch aufweisen. So tritt bei knapp der Hälfte der Menschen nach dem Verzehr von Spargel ein charakteristischer Geruch des Urins auf. Er ist auf die Abbauprodukte wie ''S-Methyl-thioacrylat'' sowie auf dessen Methanthiol-Additionsprodukt ''S-Methyl-3-(methylthio)thiopropionat'' zurückzuführen. Die Fähigkeit zum Abbau dieser Substanzen wird [[Dominanz (Genetik)|dominant vererbt]]. Der Urin von Schwangeren enthält [[humanes Choriongonadotropin]] (hCG), ein in der [[Plazenta]] gebildetes Hormon, das für die Erhaltung der Schwangerschaft verantwortlich ist. Diesen Umstand macht man sich beim [[Schwangerschaftstest]] zu Nutze, der bei vorhandenem hCG eine Farbänderung zeigt. === Färbung === Die gelbe Farbe des Urins entsteht durch sogenannte [[Urochrom]]e wie den [[Bilirubin]]-Abbauprodukten [[Sterkobilin]] und [[Urobilin]], die aus dem Abbau des [[Hämoglobin]] oder Blutfarbstoffs entstehen. Die Farbintensität hängt von der Konzentration der Urochrome im Urin ab. Hypertonischer (erhöhte Konzentration der gelösten Stoffe) Urin ist gelb oder –&nbsp;bei höherer Konzentration, beispielsweise als Folge von [[Dehydratation (Medizin)|Dehydratation]]&nbsp;–&nbsp;gelb-orange, während geringer konzentrierter (hypotonischer Urin) hellgelb bis farblos ist. Blutbeimengungen im Urin werden als [[Hämaturie]] bezeichnet und können den Urin rot färben. Ebenso tritt bei [[Porphyrie]] eine Rotfärbung auf. Außerdem kann es bei manchen Menschen zu einer kurzzeitigen Rotfärbung des Urins kommen, ohne dass durch eine Wunde oder Entzündung Blut in den Harn gelangt, wenn die Person vermehrt [[Carotine]] oder [[Betanin]] (in [[Rote Rübe|roter Bete]]) aufgenommen hat. Ob dies genetisch vererbt wird, ist unbekannt. Ist der Harn gesättigt, so kommt es bei Abkühlung zu einer Ausfällung von [[Harnsäure|Uraten]] und damit zu ziegelroter oder dunkel gelber Färbung. Bei Erwärmung verschwindet sie wieder. Dunkel orange oder braun gefärbter Urin kann ein Hinweis auf Gelbsucht ([[Ikterus]]) oder einen [[Morbus Meulengracht]] sein. Als [[Melanurie]] wird eine schwarze Färbung des Harns bezeichnet. Dieser enthält [[Melanogen]], das an der Luft zu [[Melanin]] oxidiert. Melanurie kann beim Vorhandensein von [[Malignes Melanom|Melanomen]] auftreten. Ebenfalls schwarzer oder dunkler Urin findet sich bei [[Alkaptonurie]]. Hier wird [[Homogentisat]] aufgrund eines Defekts oder Mangels des [[Enzym]]s [[Homogentisat-Dioxygenase]] mit dem Urin ausgeschieden. Dieser verdunkelt sich nach Kontakt mit der Luft. Auch einige Medikamente können eine Verfärbung des Urins bewirken. == Übrige Tiere == Einfache, den Nieren entsprechende Ausscheidungsorgane finden sich bereits bei den [[Wirbellose]]n. Die Ausscheidungsprodukte der Proto- und Meta[[Nephridium|nephridien]] sowie der [[Malpighische Gefäße|Malpighischen Gefäße]] werden zumeist ebenfalls als Harn bezeichnet. === Fische === Das Ausscheidungsorgan der [[Fische]] ist eine modifizierte [[Urniere]], ''[[Opisthonephros]]'' genannt. Die Urniere tritt bei Säugetieren nur vorübergehend beim [[Embryo]] auf. Das [[Nephron]] der Fische besitzt keine Henle-Schleife, die zur Konzentration des Urins benötigt wird. Deshalb können sie keinen hyperosmolaren Harn (größere Konzentration an gelösten Stoffen als im Blutplasma) produzieren. Bei einigen Fischarten (beispielsweise [[Seenadeln]], [[Seeteufel]], [[Austernfisch]]) sind nicht einmal Nierenkörperchen ausgebildet (aglomeruläre Niere), bei ihnen entsteht der Harn demnach nicht durch Ultrafiltration, sondern durch [[Sekretion]]s- und [[Diffusion]]svorgänge in den Nierenkanälchen. Die Funktion und Zusammensetzung des Urins ist abhängig vom Lebensraum. Bei Süßwasserfischen wird viel Urin gebildet und dient vor allem der Eliminierung von überschüssigem Wasser. Elektrolyte kommen bei Süßwasserfischen nie im Überschuss vor, im Gegenteil, hier erfolgt eine aktive Aufnahme von einwertigen [[Ion]]en über das [[Epithel]] der [[Kieme]]n. Bei Meeresfischen sind dagegen die Verhältnisse umgekehrt. Bei ihnen wird nur wenig und im Vergleich zum Blut isoosmotischer Urin gebildet. Durch das Leben im Salzwasser sind Elektrolyte bei ihnen stets im Überschuss vorhanden, ihre Eliminierung erfolgt aber nicht über den Urin, sondern über die [[Rektaldrüse]]n ([[Knorpelfische]]) oder das [[Epithel]] der [[Kieme]]n ([[Knochenfische]]). Der Harn dient bei Meeresfischen also nicht der [[Osmoregulation]], sondern nur der Ausscheidung zweiwertiger Ionen (wie [[Magnesium|Mg]]<sup>2+</sup>) und von überschüssigem Stickstoff. Interessant sind die Verhältnisse bei [[Wanderfische]]n (anadrome und katadrome Fische), die einen Teil des Lebens in Süß-, den anderen in Salzwasser verbringen. Hier kann über [[Hormon]]e die Richtung des Elektrolytaustauschs in den Kiemen umgeschaltet werden: Durch [[Kortisol]] wird zur Anpassung an Salzwasser die Abgabe einwertiger Ionen, über [[Prolaktin]] deren Aufnahme zur Anpassung an Süßwasser ausgelöst. Die Stickstoffverbindungen werden bei [[Knochenfische]]n zumeist als [[Ammoniak]] ([[Ammoniotelie]]) direkt über die Kiemen, bei einigen anderen Fischen, insbesondere bei den [[Knorpelfische]]n, auch als Harnstoff ([[Ureotelie]]) ausgeschieden. Zum Teil wird Stickstoff auch als [[Guanin]] in die [[Elasmoidschuppe|Schuppen]] eingelagert, welches ihnen den metallischen Glanz verleiht. Eine Harnblase und Harnröhre fehlt den Fischen, die Harnleiter münden in den Enddarm. === Amphibien === Auch [[Amphibien]] besitzen eine ''Opisthonephros'' ohne Henle-Schleifen und können demzufolge ebenfalls keinen hyperosmolaren Harn produzieren. Die Stickstoffausscheidung erfolgt bei [[Kaulquappe]]n über [[Ammoniak]]. Nach der [[Metamorphose (Zoologie)|Metamorphose]] erfolgt diese über [[Harnstoff]], bei wüstenbewohnenden Amphibien und [[Makifrösche]]n über [[Harnsäure]] ([[Uricotelie]]). Die Abgabe des Urins erfolgt in die [[Kloake (Biologie)|Kloake]], die über einen kurzen Verbindungsgang mit der Harnblase in Verbindung steht. Der dort gespeicherte Urin dient bei Amphibien vor allem als Wasserreservoir. Der ständige Wasserverlust über die Haut kann durch Rückresorption von Wasser aus dem Urin in gewissen Grenzen ausgeglichen werden. === Reptilien === Reptilien besitzen wie alle [[Amnioten]] eine [[Nachniere]] (''Metanephros''). Im Gegensatz zu Vögeln und Säugetieren besitzen die Nephrone keine Henle-Schleife und können daher in der Niere keinen konzentrierten Harn produzieren. Die produzierte Harnmenge ist bei Reptilien gering (0,2 bis 5,7&nbsp;ml pro kg Körpermasse und Stunde). Die Harnleiter münden wie bei Amphibien in die Kloake. Von der Kloake führt bei [[Echsen]] und [[Schildkröten]] ein kurzer Gang in die Harnblase (Harnbeutel), in der der Harn gespeichert werden kann. [[Schlangen]] besitzen keine Harnblase. Der Urin ist bei Schildkröten flüssig. Bei den übrigen Reptilien wird er im Enddarm durch Wasserrückresorption eingedickt und ist daher breiartig bis pastös. Überschüssiger Stickstoff wird in Form von [[Harnsäure]] oder [[Guanin]] ausgeschieden. Für die Ausscheidung überschüssiger Elektrolyte ist der Urin der Reptilien von untergeordneter Bedeutung, ein Salzüberschuss wird über verschiedene Kopfdrüsen ausgeglichen: [[Orbitaldrüse]] (Meeresschildkröten, am Auge), [[Sublingualdrüse|Sublingual-]] oder [[Prämaxillardrüse]] (Schlangen), [[Zungendrüse]]n ([[Krokodile]]), [[Nasendrüse]] (Echsen). === Vögel === Die Nachniere der [[Vögel]] steht zwischen der von Reptilien und Säugetieren, da neben Nephronen vom Reptilientyp (ohne Henle-Schleife) auch Nephrone vom Säugetiertyp auftreten, so dass Vögel zur Bildung eines hyperosmalaren Harns befähigt sind. Der Urin wird über den linken und rechten Harnleiter in den Mittelabschnitt (''Urodeum'') der [[Kloake (Biologie)|Kloake]] abgegeben, eine Harnblase fehlt allen Vögeln. Über den Urin wird überschüssiger Stickstoff wie bei Reptilien in Form von [[Harnsäure]] oder [[Guanin]] ausgeschieden. Über eine negative [[Peristaltik]] gelangt der Urin in den Enddarm, wo ihm Wasser entzogen wird. Der Urin ist daher bei Vögeln pastös und es kommt zur Ausfällung von Harnsäurekristallen, die zusammen mit dem Kot ausgeschieden werden. Der stickstoffreiche Kot von Vögeln ([[Guano]]) wird auch als [[Düngemittel]] genutzt. Bei Vögeln mit entwickelten Blinddärmen (beispielsweise [[Hühnervögel]]) kann der konzentrierte Urin auch bis in die Blinddärme zurücktransportiert werden und dient der dort angesiedelten [[Darmflora]] als Stickstoffquelle. Überschüssiges Kochsalz wird bei Vögeln nicht nur über den Urin, sondern (wie bei Echsen) auch über die Nasendrüse ausgeschieden, ein Mechanismus, der für die Aufrechterhaltung der [[Osmolarität]] vor allem bei Meeresvögeln von Bedeutung ist. == Urinuntersuchung == [[Datei:Urinbecher.jpg|thumb|Urinbecher mit Schraubverschluss]] [[Datei:Urine Quicktest.jpg|thumb|upright=0.6|Urin-Schnelltest]] Die [[Urinuntersuchung]], auch [[Uroskopie]] oder Harnschau, ist eine der ältesten medizinischen Untersuchungen. Sie erlaubt Rückschlüsse auf den Zustand und die Funktionsfähigkeit von [[Niere]] und [[Harnblase|Blase]], beispielsweise bei [[Chronisches Nierenversagen|Niereninsuffizienz]] und [[Zystitis|Blaseninfektion]]. Während früher die Untersuchung mittels Beschreibung der Beobachtungen (Farbe, Trübungen, Ablagerungen durch den [[Blasenablass]], usw.), des Geruches und des Geschmackes (daher stammt auch die Diagnose ''[[Diabetes mellitus]]'', da ''mellitus'' im [[Latein]]ischen „honigsüß“ bedeutet) erfolgte, so wird heutzutage die Erstuntersuchung in erster Linie mit Hilfe von Urin-Teststreifen durchgeführt. Damit kann man gleichzeitig und innerhalb von wenigen Minuten mehrere wichtige Befunde erheben. Durch einen Farbumschlag können näherungsweise der Gehalt an [[Protein]]en, [[Glucose]], [[Ketone]]n, [[Bilirubin]], [[Urobilinogen]], [[Urobilin]] sowie der [[pH-Wert]] bestimmt werden, auch wird der Urin auf Vorhandensein von [[Blut]] und [[Leukozyt|Entzündungszellen]] getestet. Die Zusammenstellung dieser Ergebnisse wird als Urinstatus bezeichnet. Mit Hilfe des Urinstatus können Frühsymptome dreier großer Krankheitsgruppen erkannt werden: * Erkrankungen der Nieren und ableitenden Harnwege ([[Nierenstein]]e, Nieren[[tumor]]en, Entzündungen, …) * Kohlenhydratstoffwechselstörungen ([[Diabetes mellitus]]) * Leber- und hämolytische Erkrankungen. Eine qualitative Harnuntersuchung weist nach, ob eine Substanz im Harn vorhanden ist oder nicht, während eine quantitative Untersuchung die genaue Menge des untersuchten Stoffes angibt. Eine semiquantitative Untersuchung gibt in etwa an, wie viel von einer Substanz im Harn vorhanden ist. Der Urin eines gesunden Menschen sollte weder [[Protein]]e, [[Nitrite|Nitrit]], [[Ketone]] noch [[Blut]]bestandteile wie [[Hämoglobin]] enthalten. Werden dort Substanzen, die normalerweise nicht im Urin vorkommen, nachgewiesen oder finden sich veränderte Konzentrationen, kann dies auf Stoffwechselerkrankungen wie Diabetes hinweisen. Wird frischer Morgenurin [[Zentrifuge|zentrifugiert]] und dann unter dem [[Mikroskop]] betrachtet (Untersuchung des [[Urinsediment]]s), sind verschiedene feste Bestandteile sichtbar. Dazu gehören beispielsweise Kristalle aus [[Harnsäure]],[[Gips|Calciumsulfat]] und [[Calciumoxalat]]. Kristallisiertes [[Tyrosin]] oder [[Bilirubin]] sind hingegen Zeichen für Erkrankungen. Unter dem Mikroskop können neben den kristallisierten Substanzen auch zelluläre Bestandteile gefunden werden. Diese können Hinweise auf Tumore von Nieren und ableitenden Harnwegen darstellen. Durch spezielle Nachweistests kann die Einnahme von Medikamenten, Giften, Drogen oder [[Doping]]substanzen im Urin nachgewiesen werden. Jedoch können diese Untersuchungen, die beispielsweise in der Suchttherapie eingesetzt werden, durch diverse Zusätze–&nbsp;wie [[Bleichmittel]], [[Seife|Seife]] oder [[Natriumchlorid|Kochsalz]]&nbsp;– verfälscht werden. Beim [[Schwangerschaftstest]] wird [[humanes Choriongonadotropin]] (hCG) nachgewiesen. Bei Verdacht auf verschiedene Erkrankungen können hierfür spezifische Substanzen im Urin bestimmt werden. Hierfür wird meistens der 24-Stunden-Sammelharn verwendet. Beim [[Phäochromozytom]] weist man [[Katecholamin]]e und deren Abbauprodukte nach. Der früher durchgeführte Test auf [[Vanillinmandelsäure]] ist aufgrund zu geringer [[Spezifität]] veraltet. Die Menge des ausgeschiedenen Urins ist ein entscheidender Wert bei der Flüssigkeitsbilanzierung bei der die Aufnahme von Flüssigkeiten mit der Ausscheidung (Urin, Schweiß, [[Perspiration insensibilis]]) verglichen werden. === Mittelstrahlurin === Für Untersuchungen wird bevorzugt der ''Mittelstrahlharn'' des Morgenurins benutzt, da dieser die enthaltenen Stoffe in größerer Konzentration enthält als tagsüber gewonnener. Nach einer anfänglichen Säuberung und eventuellen Desinfektion der [[Glans penis]] beim Mann oder des Genitalbereichs bei der Frau wird der erste Strahl des Harns verworfen. Erst die folgenden Anteile werden aufgefangen und für die Untersuchung verwendet. Damit werden Beimengungen aus Verunreinigungen der äußeren Abschnitte der Harnröhre vermindert, die das Ergebnis verfälschen können. Bei weiblichen Probanden wird das Gewinnen von unverfälschtem Mittelstrahlurin durch die Anatomie der Vulva und die Sekrete des Genitals deutlich erschwert. === Drei-Gläser-Probe === Eine ähnliche Methode ist die so genannte ''Drei-Gläser-Probe''. Dabei werden der erste Strahl sowie der Mittelstrahl in separaten Gefäßen aufgefangen. Das dritte Glas wird nach leichter [[Prostata]]-Massage mit Urin –&nbsp;vermengt mit Prostata-Sekret&nbsp;– gefüllt. So lässt sich eine grobe [[Lokalisation]] beispielsweise von Blutungsquellen vornehmen. Der Inhalt des ersten Glases repräsentiert die Harnröhre, das zweite Glas die Harnblase und das dritte die Prostata. === Weitere Sammelarten === Für spezielle Fragestellungen kann der Urin auch über einen [[Katheter]] oder durch direkte Punktion der Blase durch die Bauchdecke ([[Suprapubische Blasenpunktion]]) gewonnen werden. Dieser ist normalerweise frei von Keimen der Umgebung oder der Harnröhre. Für einige Untersuchungen ist das Sammeln des Urins über 24 Stunden notwendig. == Harnsteine == [[Datei:Blasenstein_OP_Situs.jpg|thumb|right|Harnsteine in der Blase eines Hundes, OP-Situs]] Wenn im Urin gelöste Mineralsalze (beispielsweise [[Calciumcarbonat]], [[Calciumphosphat]] oder [[Calciumoxalat]]) [[Ausfällung|ausgefällt]] werden, können sich zunächst kleine Kristalle bilden, die sich allmählich zu größeren Gebilden zusammenfügen. Diese als [[Harnstein|Harn-]] oder [[Nierenstein]]e bezeichneten Gebilde können sich entweder in den [[Niere]]n, im [[Harnleiter]] oder in der [[Harnblase]] ansammeln und starke Schmerzen ([[Kolik]]) verursachen. In den meisten Fällen (etwa 80 %) gehen sie nach Gabe von entkrampfenden oder schmerzstillenden Mitteln mit Hilfe von erhöhter Trinkmenge und körperlicher Bewegung von selbst ab. Seltener ist ein (manchmal auch nur [[Endoskop|endoskopischer]]) Eingriff notwendig und nur in extremen Fällen ist eine Behandlung durch Stoßwellen-Zertrümmerung ([[ESWL|Extrakorporale Stoßwellen-Lithotripsie]]) angezeigt. == Verwendung von Urin == Urin, insbesondere „gefaulter“, wurde über Jahrtausende als [[Waschmittel|Reinigungsmittel]] eingesetzt. So wurden in [[Rom]] an belebten Straßen [[Amphore|amphorenartige]] [[Urinal]]e aufgestellt, um den von den Wäschern benötigten Urin einzusammeln. Kaiser [[Vespasian]] erhob darauf eine spezielle Urinsteuer. Als sein Sohn [[Titus]] ihm daraufhin Vorwürfe machte, aus derartig stinkender Angelegenheit monetären Nutzen zu ziehen, soll er diesem eine Münze vor die Nase gehalten und „[[Pecunia non olet]]“ („Geld stinkt nicht“) geantwortet haben. Gefaulter Urin wurde noch bis ins 20.&nbsp;Jahrhundert zum Entfernen des Wollfetts (''Entschweißen'') frisch [[Wolle #Gewinnung|geschorener Schafwolle]] und zum [[Walken]] von Wolltuchen eingesetzt, des Weiteren im [[Gerben|Gerberhandwerk]], sowie für das [[Beizen]] von [[Dachdeckung|kupfergedeckten]] Dächern (''[[Patina#Kupferpatina|Patina]]''). [[Datei:Indigo plant extract sample.jpg|thumb|right|Extrakt aus Indigopflanzen]] Große Bedeutung hat und hatte Urin auch für das Färberhandwerk. Aus dem Urin indischer Kühe, die ausschließlich mit [[Mango]]blättern gefüttert wurden, wurde durch Verdampfen das so genannte ''[[Indischgelb]]'' (Magnesiumeuxanthat, ein Magnesiumsalz der [[Euxanthinsäure]], Summenformel C<sub>19</sub>H<sub>16</sub>O<sub>11</sub>Mg · 5&nbsp;H<sub>2</sub>O), gewonnen. Obwohl dieser Farbstoff erst im 18.&nbsp;Jahrhundert nach Europa gelangte, war seine Herstellung in Indien bereits seit dem 15.&nbsp;Jahrhundert bekannt.<ref name="Indischgelb">[http://s2.bgweiz.at/susanne.pfeiffer/physik.doc Farbmischung] ([[MS-Word|.doc]]-Datei)</ref> Seit Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts hat diese Herstellungsmethode jedoch aufgrund von Tierschutzbedenken an Bedeutung verloren.<ref name="Indischgelb2">[http://www.winsornewton.com/artnews/DE/artnewsletterA4_german02_2001.pdf Winsor&Newton Newsletter 2/2001]; siehe auch [[Indischgelb]]</ref> Außerdem diente menschlicher Urin zur Gewinnung von ''[[Indigo]]blau''. Dazu wurden die Blätter des [[Färberwaid]] in Kübeln mit Urin vergoren. Die Färbung von Textilien mit Urin und Indigo nennt man [[Küpenfärberei|Küpenfärbung]]. Dabei macht man sich die [[Reduktion (Chemie)|reduzierende]] Wirkung des Urins zu Nutze, um [[Indigo]] löslich zu machen und den [[Farbstoff]] so in die Faser zu bringen. Durch den Gehalt an [[Stickstoff]]verbindungen (beim Menschen und bei Säugetieren v.a. [[Harnstoff]], [[Harnsäure]] und [[Kreatinin]]), [[Phosphate]]n sowie [[Kalium]]- und [[Calcium]]salzen u.&nbsp;a.&nbsp;m. kann Urin als Lieferant von [[Pflanzennährstoff]]en dienen. Dieser Gehalt ist i.&nbsp;d.&nbsp;R. so hoch, dass Pflanzen durch Begießen mit unverdünntem Urin geschädigt oder sogar zum Absterben gebracht werden können, sie „verbrennen“. Verdünnt, z.&nbsp;B. mit der 8- bis 10-fachen Menge Wasser, stellt Urin hingegen einen stark wachstumsfördernden [[Dünger]] dar. In Gebieten mit sehr geringen [[Niederschläge]]n kann der - je nach Ernährung unterschiedlich hohe - [[Natriumchlorid|Kochsalzgehalt]] des Urins allerdings zu einer [[Versalzung]] des Bodens führen. In der Medizin wurden Urin und aus Urin gewonnene Substanzen vielfältig eingesetzt. So wurde in Kriegs- und Katastrophenfällen Urin als wirkungsvolles Wund[[desinfektion]]smittel verwendet. Heute können aus dem Urin von [[Menopause|postmenopausalen]] Frauen [[Gonadotropin]]e gewonnen werden, die zur Therapie von Fruchtbarkeitsstörungen eingesetzt werden können. Im alternativmedizinischen Bereich wird die so genannte [[Eigenharnbehandlung|„Eigenurintherapie“]] angewandt. Hierbei werden dem eigenen (Morgen-)Urin Fähigkeiten zur Heilung verschiedener Krankheiten zugeschrieben. Durch Trinken, äußerliche Anwendung oder Injektion sollen Krankheiten wie [[Asthma]], [[Neurodermitis]] oder [[Cellulite]] und andere geheilt oder zumindest gelindert werden. Nachweise für einen positiven Effekt der Eigenurintherapie stehen aus. Tiere verwenden Urin auch zur [[Kommunikation]] (Chemokommunikation). Am bekanntesten dürfte dabei der [[Haushund|Hund]] sein, der, wie viele andere Tiere, sein [[Revier (Tier)|Revier]] durch die Abgabe einer kleinen Menge Urins an markanten Stellen abgrenzt. Bei einigen [[Raubkatze]]n wie [[Leopard]] oder [[Gepard]] und den meisten [[Huftiere]]n erkennt das Männchen am Geruch des Urins, ob das Weibchen paarungsbereit ist. Beim Abbau des enthaltenen Harnstoffs in der Umwelt entsteht durch [[Hydrolyse]] das stechend riechende Gas [[Ammoniak]]. Da neuerdings pathogene [[Prion]]en –&nbsp;falsch gefaltete Eiweiße, welche Krankheiten wie [[BSE]] oder [[Scrapie]] auslösen können&nbsp;– im Urin gefunden wurden, unterliegt die Gewinnung von Arzneien aus menschlichem Urin strengen Vorschriften.<ref name="Tagesanzeiger 1">[http://tagesanzeiger.ch/dyn/news/vermischtes/550494.html Tagesanzeiger (Schweiz), 14. Oktober 2005, Seite Vermischtes]</ref> [[Menotropin]] aus humanem Urin muss wegen möglicher [[Creutzfeldt-Jakob-Krankheit|CJK]]-Ansteckungsgefahr mit einem Warnhinweis versehen werden; es sind aber noch keine Ansteckungen via menschlichem Urin bekannt.<ref name="Tagesanzeiger 2">[http://tagesanzeiger.ch/dyn/news/schweiz/578360.html Tagesanzeiger (Schweiz), 4. Januar 2006, Seite Schweiz]</ref> Nach neuesten Ergebnissen des Schweizer Prionenforschers Adriano Aguzzi sind im Urin enthaltene [[Prion]]en die derzeit aktuelle Erklärung dafür, weshalb Prionenkrankheiten bei [[Schafe]]n, [[Elch]]en und [[Hirsche]]n relativ hohe Ansteckungsraten besitzen&nbsp;– schließlich ernähren sich diese Wildtiere nicht von [[Tiermehl]]. Allerdings fand man die Prionen im Urin nur, wenn eine [[Nephritis|Nierenentzündung]] vorlag.<ref name="Tagesanzeiger 1" /> Laut der {{lang|en|[[Royal Society of Chemistry]]}} eignet sich Urin zur kostengünstigen Herstellung von Wasserstoff.<ref name="pressetext.at">[http://pressetext.at/news/090707023/urin-entpuppt-sich-als-neue-treibstoffquelle/ "Urin entpuppt sich als neue Treibstoffquelle", pressetext.at, 7. Juli 2009]</ref> Damit soll sich in Zukunft aus Urin Treibstoff zum Antrieb von Kraftfahrzeugen herstellen lassen. Zu psychischen und sozialen Aspekten des Urinierens siehe [[Harnlassen]]. == Siehe auch == * [[Olfaktorische Kommunikation bei Hausmäusen]] == Literatur == * Uwe Gille: ''Harn- und Geschlechtssystem, Apparatus urogenitalis.'' In: Franz-Viktor Salomon, Hans Geyer, Uwe Gille (Hrsg.): ''Anatomie für die Tiermedizin.'' Enke-Verlag, Stuttgart 2004, ISBN 3-8304-1007-7 * Robert F. Schmidt, Florian Lang, Gerhard Thews: ''Physiologie des Menschen.'' Springer, Berlin 2004, ISBN 3-540-21882-3 * [[Carmen Thomas]]: ''Ein ganz besonderer Saft, Urin.'' Piper, München 1999, ISBN 3-492-22847-X == Quellenangaben == <references /> == Weblinks == {{Commonscat|Urine|Urin}} {{Wiktionary|Urin}} * [http://www.unifr.ch/histologie/elearningfree/allemand/rein/planmodniere.html Einführung in die Anatomie und Physiologie der Niere] * [http://www.ajkd.org/article/PIIS027263860700697X/fulltext Eknoyan G.: ''Looking at the Urine: The Renaissance of an Unbroken Tradition'' American Journal of Kidney Diseases- 2007 06 (Vol. 49, Issue 6)] Historische Übersicht (leider nur auf Englisch). [[Kategorie:Körperflüssigkeit]] [[Kategorie:Niere]] {{Exzellent|26. Mai 2006|17125338}} [[af:Urine]] [[am:ሽንት]] [[ar:بول]] [[ay:Chhuxu]] [[bg:Урина]] [[br:Troazh]] [[ca:Orina]] [[cs:Moč]] [[da:Urin]] [[dv:ކުޑަކަމުދާ ތަކެތި]] [[el:Ούρο]] [[en:Urine]] [[eo:Urino]] [[es:Orina]] [[et:Uriin]] [[eu:Gernu]] [[fi:Virtsa]] [[fr:Urine]] [[ga:Fual]] [[gan:尿]] [[gd:Mùn]] [[he:שתן]] [[hi:मूत्र]] [[hr:Urin]] [[hu:Vizelet]] [[id:Urin]] [[io:Urino]] [[it:Urina]] [[ja:尿]] [[ko:오줌]] [[ku:Mîz]] [[la:Urina]] [[lt:Šlapimas]] [[ml:മൂത്രം]] [[mr:मूत्र]] [[ms:Air kencing]] [[nl:Urine]] [[nn:Urin]] [[no:Urin]] [[pl:Mocz]] [[pt:Urina]] [[qu:Ispay]] [[ro:Urină]] [[ru:Моча]] [[scn:Orina]] [[simple:Urine]] [[sk:Moč]] [[sr:Урин]] [[sv:Urin]] [[ta:சிறுநீர்]] [[te:మూత్రం]] [[th:ปัสสาวะ]] [[tr:İdrar]] [[uk:Сеча]] [[ur:بول]] [[yi:יורינע]] [[zh:尿]] [[zh-yue:尿]] b5pou63m8gll32kkxl45xhq070c5xps wikitext text/x-wiki Virginia Woolf 0 23515 27136 26114 2010-05-09T06:09:45Z TXiKiBoT 0 Bot: Ergänze: [[zh-min-nan:Virginia Woolf]] [[Datei:Virginia_Woolf_by_George_Charles_Beresford_(1902).jpg|thumb|''Porträt Virginia Woolf'', 1902. Fotografie von [[George Charles Beresford]]]] '''Virginia Woolf''' [{{IPA|vəˈdʒɪnjə wʊlf}}] (* [[25. Januar]] [[1882]] in [[London]]; †&nbsp;[[28. März|28.&nbsp;März]]&nbsp;[[1941]] bei [[Lewes]], [[Sussex]]; gebürtig ''Adeline Virginia Stephen'') war eine britische [[Schriftsteller]]in und [[Verleger]]in. Sie entstammte einer wohlhabenden Intellektuellen-Familie, die zahlreiche Kontakte zu Literaten hatte. Als Jugendliche erlebte sie noch die [[Viktorianisches Zeitalter|viktorianischen]] Beschränkungen für Mädchen und Frauen. Sie war früh als Literaturkritikerin und Essayistin tätig; ihre Karriere als Romanautorin begann im Jahr 1915 mit ''The Voyage Out'' (''Die Fahrt hinaus''). Ende der 1920er-Jahre war sie eine erfolgreiche und international bekannte Schriftstellerin. Ihre Wiederentdeckung erfolgte in den 1970er-Jahren, als ihr Essay ''A Room of One’s Own'' (''[[Ein eigenes Zimmer]]'') zu einem der meistzitierten Texte der neuen [[Frauenbewegung]] wurde. Mit ihrem [[Avantgarde|avantgardistischen]] Werk zählt sie wie auch [[Gertrude Stein]] zu einer der ersten Frauen der klassischen [[Moderne#Literaturwissenschaften|Moderne]]. == Leben == === Kindheit und Jugend === [[Datei:Leslie Stephen c1860.jpg|thumb|upright|left|Leslie Stephen, um 1860. Fotograf unbekannt]] [[Datei:Julia Stephen with Virginia on her lap 1884.jpg|thumb|upright|Julia Stephen mit Virginia, 1884. Fotografie von Henry H. H. Cameron]] Virginia Woolf war die Tochter des Schriftstellers, Historikers, Essayisten und Biographen Sir [[Leslie Stephen]] (1832–1904) und dessen zweiter Ehefrau Julia Prinsep Jackson (1846–1895). Virginia Woolf hatte drei Geschwister: [[Vanessa Bell|Vanessa Stephen]] (1879–1961), Thoby Stephen (1880–1906) und Adrian Stephen (1883–1948). Hinzu kamen die Halbschwester Laura Makepeace Stephen (1870–1945) aus der ersten Ehe ihres Vaters mit Harriet Marion Thackeray (1840–1875) sowie die Halbgeschwister George Duckworth (1868–1934), Stella Duckworth (1869–1897) und Gerald Duckworth (1870–1937) aus der ersten Ehe ihrer Mutter mit Herbert Duckworth. Der Familienwohnsitz lag im Londoner Stadtteil [[Kensington (London)|Kensington]], 22&nbsp;Hyde Park Gate. Die intellektuelle und künstlerische Elite der Zeit, wie beispielsweise [[Alfred Tennyson]], [[Thomas Hardy (Schriftsteller)|Thomas Hardy]], [[Henry James]] und [[Edward Burne-Jones]], besuchte Leslie Stephens Salon. Psychoanalytiker und Biographen beschreiben, dass die Halbgeschwister Gerald und George Duckworth Virginia missbraucht oder zumindest öfter unsittlich berührt haben und damit einen der Auslöser für ihre manisch-depressive Erkrankung, heute bekannt unter dem Begriff [[Bipolare Störung]], gesetzt haben könnten. <ref name="pepweb"> [http://www.pep-web.org/document.php?id=psc.045.0533a Clues to Early Sexual Abuse in Literature von Lenore C. Terr, M.D.] </ref> Virginia selbst hat entsprechende Erlebnisse in ihrem autobiographischen Text ''A Sketch of the Past'' (''Skizzierte Erinnerungen'') der rigiden viktorianischen Zeit gemäß nur angedeutet. Hermione Lee schreibt in ihrer Biographie über Virginia Woolf: ''„Das Beweismaterial ist stark genug, aber auch vieldeutig genug, um widersprüchlichen psychobiographischen Deutungen den Weg zu ebnen, die ganz unterschiedliche Darstellungen von Virginia Woolfs Innenleben zeichnen.“''<ref> Hermione Lee: ''Virginia Woolf. Ein Leben'', S.&nbsp;215</ref> Andere eher unter einem psychiatrischen Blickwinkel arbeitende Wissenschaftler weisen auf die [[Genetik|genetische]] [[Prädisposition]] ihrer Familie hin.<ref>Kay Redfield Jamison: Touched with Fire – Manic-Depressive Illness and the Artistic Temperament. Simon & Schuster 1993. S.&nbsp;224–228, S.&nbsp;235–236.</ref><ref>{{internetquelle|url=http://www.caramagnobooks.com/77724.html|autor=Thomas Caramagno|titel=The Flight of the Mind - Virginia Woolfs Art and Manic-Depressive Illness|hrsg=University of California Press, Berkeley|Datum=1992|zugriff=4. August 2008}}</ref> So war von Virginias Vater bekannt, dass er unter Anfällen von Selbstzweifeln und Überlastungssymptomen litt, die sich in hartnäckigen Kopfschmerzen, Schlaflosigkeit, Reizbarkeit und Angstzuständen äußerten; über ähnliche Beschwerden klagte später auch die Tochter. <ref>Hermione Lee: ''Virginia Woolf. Ein Leben'', S.&nbsp;106</ref> Virginia Woolf besuchte keine Schule, sondern erhielt von Hauslehrern und ihrem Vater Privatunterricht. Sie war beeindruckt von der schriftstellerischen Arbeit ihres Vaters und seiner Tätigkeit als Herausgeber des monumentalen Werks ''[[Dictionary of National Biography]]'' sowie von seiner umfangreichen Privatbibliothek; daher äußerte sie schon früh den Wunsch, Schriftstellerin zu werden. Als am 5.&nbsp;Mai 1895 ihre Mutter starb, erlitt die dreizehnjährige Virginia ihren ersten psychischen Zusammenbruch. Ihre Halbschwester Stella, die nach dem Tod von Julia Stephen den Haushalt geführt hatte, heiratete zwei Jahre später Jack Hills und verließ das Elternhaus. Stella starb wenig später auf ihrer Hochzeitsreise an einer Bauchfellentzündung. [[Datei:2009 cornwall.st ives92.jpg|miniatur|St Ives, Blick auf die Hafenbucht]] Von 1882 bis 1894 verbrachte die Familie die Sommerferien im ''Talland House'', dem Sommerhaus der Familie mit Blick auf Porthminster Beach und den Leuchtturm von Godrevy Point. Es lag in dem kleinen Küstenort [[St Ives (Cornwall)|St Ives]] in [[Cornwall]], der 1928 zur [[Künstlerkolonie]] wurde. Virginia beschreibt die Lage in ''Skizzierte Erinnerungen'': [[Datei:Talland House, c1882–1894.jpg|thumb|left|Zeitgenössische Fotografie von ''Talland House'']] „''Unser Haus lag […] auf dem Hügel. […] Es hatte eine ideale Aussicht […] über die ganze Bucht hin, bis zum Godrevyer Leuchtturm hinüber. Am Hang des Hügels gab es kleine Rasenflächen, die von dichten blühenden Büschen eingerahmt waren […]. Man betrat Talland House durch ein großes hölzernes Tor – […] und kam dann rechter Hand zum „Lugaus.“ […] Vom Lugausplatz hatte man damals einen ganz freien Ausblick über die Bucht.“''<ref name="skizze"> ''Eine Skizze der Vergangenheit (neu: Skizzierte Erinnerungen)''. In: ''Augenblicke'', Stuttgart 1981, S.&nbsp;150. </ref> Im Jahr 1895, nach dem Tod der Mutter, wurde das Haus verkauft. Virginia kehrte oft in ihrem Leben nach St Ives zurück. Später beschrieb sie den Ort und den nah gelegenen Leuchtturm von Godrevy Point in ''Jacob’s Room'' (''[[Jacobs Zimmer]])'' und in ''To the Lighthouse'' (''[[Die Fahrt zum Leuchtturm|Zum Leuchtturm]]''). London und St. Ives werden oft die Schauplätze ihrer Werke bilden. [[Datei:Virginia Woolf with her father, Sir Leslie Stephen.jpg|miniatur|Virginia Woolf mit ihrem Vater, 1902]] Am 26.&nbsp;Juni 1902 wurde Virginias Vater zum [[Order of the Bath|Knight Commander of the Bath]] ernannt. Während dieser Zeit schrieb Virginia an verschiedenen [[Essay]]s und bereitete sie zur Veröffentlichung vor. Im Januar 1904 wurde Virginias erster Artikel für eine Frauenbeilage im [[The Guardian|Guardian]] gedruckt. Am 22.&nbsp;Februar 1904 starb der Vater an Krebs. Damit ging für Virginia ein Zeitabschnitt zu Ende, der geprägt war vom kräftezehrenden Umgang mit der schwierigen Persönlichkeit Leslies. Begonnen hatten die Strapazen für Virginia und Vanessa bereits 1897 mit dem Tod von Virginias Halbschwester Stella, die für Leslie gewissermaßen die Rolle der umsorgenden Ehefrau angenommen hatte. Zehn Wochen nach dem Tod des Vaters erlitt Virginia ihre zweite psychische Krankheitsepisode, von der sie sich erst Ende des Jahres erholen konnte. 1899 hatte Virginias älterer Bruder Thoby ein Studium am [[Trinity College (Cambridge)|Trinity College]] in [[University of Cambridge|Cambridge]] begonnen. Bei einem Abendessen am 17.&nbsp;November 1904 lernte Virginia seinen Freund, ihren späteren Ehemann [[Leonard Sidney Woolf|Leonard Woolf]], kennen, der Jura studierte und gerade im Begriff war, in [[Sri Lanka|Ceylon]] eine Stellung im [[Kolonie|Kolonialdienst]] anzunehmen. === Bloomsbury Group === [[Datei:Roger_Fry_Vanessa_Bell.jpg|thumb|upright=0.50|left|Roger Fry: ''Vanessa Bell'', 1916]] [[Datei:Carrington - Strackey.jpg|thumb|upright|Dora Carrington: Lytton Strachey, 1916]] Die Stephen-Geschwister zogen im Jahr 1905 von Kensington in den Stadtteil [[London Borough of Camden|Bloomsbury]] in das Haus am ''Gordon Square&nbsp;46''. Hier begann Thoby, den Donnerstag als [[Jour fixe]] für eine Zusammenkunft mit seinen Freunden zu etablieren. Mit diesem Brauch war der Grundstein der [[Bloomsbury Group]] gelegt, der zum Teil aus Mitgliedern der [[Cambridge Apostles]] bestand. Zu diesem Zirkel gehörten neben Virginia Literaten wie [[Saxon Sydney-Turner]], [[D. H. Lawrence|David Herbert Lawrence]], [[Lytton Strachey]], Leonard Woolf, Maler wie [[Mark Gertler]], [[Duncan Grant]], [[Roger Fry]] und Virginias Schwester Vanessa, Kritiker wie [[Clive Bell]] und [[Desmond McCarthy]] sowie Wissenschaftler wie [[John Maynard Keynes]] und [[Bertrand Russell]]. Virginia war dankbar, in diesem intellektuellen Kreis – Vanessa und sie waren die einzigen Frauen – in Diskussionen mitwirken und sich aus den moralischen Fesseln ihrer Erziehung befreien zu können. Im selben Jahr begann Virginia, für verschiedene Zeitungen und Zeitschriften zu schreiben; ihre Mitarbeit am [[The Times Literary Supplement|Times Literary Supplement]] dauerte bis an ihr Lebensende. Ab Ende des Jahres bis 1907 unterrichtete sie englische Literatur und Geschichte am Morley College, einer Bildungsstätte für berufstätige Erwachsene. Am 20.&nbsp;November 1906 erkrankte Thoby Stephen, der ältere Bruder Virginias, während einer Reise durch [[Griechenland]] an [[Typhus]] und starb bald nach der Rückkehr im Alter von 26 Jahren – ein Verlust, den Virginia schwer ertragen konnte. Kurz darauf verlobte sich Vanessa mit Clive Bell; sie heirateten am 7.&nbsp;Februar 1907 und blieben im Haus am Gordon Square, während Virginia und Adrian Stephen in das Haus am Fitzroy Square&nbsp;29 umzogen, das ebenfalls im Stadtteil Bloomsbury gelegen war. [[Datei:Virginia Woolf.jpg|thumb|upright=0.75|Fitzroy Square&nbsp;29 in London-Bloomsbury. Das Wohnhaus von Virginia und Adrian Stephen (1907 bis 1911)]] Der Jour fixe der „Bloomsberries“ hatte dadurch zwei Stützpunkte; Vanessa Bells Salon war anfangs der progressivere. Der Umgangston wurde lockerer, die Teilnehmer sprachen sich mit Vornamen an, die Gespräche hatten nicht nur intellektuellen Charakter, sondern waren von menschlicher Wärme getragen. Das englische Spießertum war der Gegner, den sie gemeinsam bekämpfen wollten, in der Literatur, der Kunst und im sexuellen Bereich. [[Datei:Ottolinemorrell.JPG|thumb|upright=0.50|left|Lady Ottoline Morrell, 1902. Fotografie: Henry Walter Barnett]] Im darauf folgenden Jahr unternahm Virginia eine Reise nach [[Siena]] und [[Perugia]] und kehrte nach einem Aufenthalt in [[Paris]] wieder nach [[Vereinigtes Königreich|Großbritannien]] zurück. Im Februar 1909 machte Lytton Strachey ihr einen Heiratsantrag, den Virginia annahm. Strachey überlegte es sich jedoch anders und beide einigten sich darauf, den Antrag zu vergessen. Im Sommer 1909 machte Virginia die Bekanntschaft von Lady [[Ottoline Morrell]], einer Aristokratin und Kunstmäzenin. Diese schloss sich dem Bloomsbury-Kreis an und faszinierte durch ihre extravagante Erscheinung. Ihr exotischer Lebensstil beeinflusste die Gruppe, sodass die Mitglieder gerne der Einladung folgten, donnerstags um zehn Uhr in ihr Haus am ''Bedford Square'' zu kommen, wo sich Besucher wie [[D. H. Lawrence]] und [[Winston Churchill]] im Salon einfanden. Später wurde auch ihr Haus [[Garsington Manor]] bei [[Oxford]] zum Treffpunkt der „Bloomsberries“. Virginia setzte Ottoline Morrell in ihrem Roman ''Mrs Dalloway'', den sie als „Garsington novel“ bezeichnete, ein literarisches Denkmal. <ref> Ursula Voss: ''Bertrand Russell und Ottoline Morrell. Eine Liebe wider die Philosophie, S.&nbsp;166</ref> Ebenfalls im Jahr 1909 erbte Virginia Woolf 2500 Pfund von ihrer Tante Caroline Emelia Stephen (1834–1909); die Erbschaft erleichterte ihr die Fortsetzung ihrer Schriftstellerkarriere.<ref>{{internetquelle|autor=|hrsg=smith.edu|url=http://www.smith.edu/library/libs/rarebook/exhibitions/stephen/28a.htm|titel=Caroline Emelia Stephen|zugriff=17. Dezember 2009}}</ref> === ''Der Dreadnought-Streich'' === [[Datei:Virginia Woolf in Dreadnought Hoax.jpg|thumb|Das Foto aus dem „Daily Mirror“: Die „Delegation“ mit Virginia Woolf ganz links, ihr Bruder Adrian als Dolmetscher dritter von links]] Am 10.&nbsp;Februar 1910 veranstaltete Virginia zusammen mit Duncan Grant, ihrem Bruder Adrian Stephen und drei weiteren „Bloomsberries“ den ''Dreadnought-Streich'', der zu einer offiziellen Anfrage im Oberhaus führte. Virginia, Duncan und zwei ihrer Freunde trugen orientalische Phantasiekleidung, angeklebte Bärte und waren bis zur Unkenntlichkeit schwarz geschminkt. Die Truppe reiste nach der Anmeldung mit einem erfolgreich gefälschten Telegramm in diesem abenteuerlichen Aufzug nach [[Weymouth]]. Sie besichtigte auf Einladung des Oberbefehlshabers als Delegation von vier fürstlichen Diplomaten aus [[Äthiopien|Abessinien]], einem Mitglied des British Foreign Office und einem Dolmetscher das Kriegsschiff [[HMS Dreadnought (1906)|HMS Dreadnought]]. Der Spaß gelang: Eine Abordnung führte die Delegation durch das höchst geheime Schiff, die Flaggen wurden gehisst, und die Kapelle spielte zu ihren Ehren. Allerdings spielte sie die [[Nationalhymne]] von [[Sansibar]], da die abessinische nicht aufzutreiben war. Die fürstliche Gruppe unterhielt sich mit einigen Brocken [[Swahili (Sprache)|Swahili]], und der Dolmetscher sprach ein Kauderwelsch einiger Zeilen von [[Vergil]]. Glücklicherweise war das einzige Besatzungsmitglied, dessen Muttersprache Swahili war, an diesem Tag nicht an Bord. Ein Foto des Empfangs schickte Horace Cole, der zur Gruppe gehörte, dem „[[The Daily Mirror|Daily Mirror]]“ zu, und es wurde dort veröffentlicht.<ref name="uah"> [http://www.uah.edu/woolf/dread.html ''The Dreadnought Hoax''] </ref> Außerdem ging er persönlich zum Foreign Office, um den Streich zu melden. Die „Bloomsberries“ wollten mit ihrem Coup die Bürokratie und das „Empire“ verspotten, was ihnen in Hinblick auf den Namen des Schiffes, „Dreadnought“ (''Fürchtet nichts''), das außerdem Prototyp einer ganzen Reihe neuer Kampfschifftypen gleichen Namens war, auch im wortspielerischen Sinne gelang; insofern war es eine doppelte Blamage für die Militärführung. Die Royal Navy verlangte, dass der Anstifter Horace Cole in Haft genommen werden müsse, jedoch ohne Erfolg, da die Gruppe kein Gesetz gebrochen hatte. Cole bot an, sich sechs Stockschläge versetzen zu lassen unter der Bedingung, zurückschlagen zu dürfen. Duncan Grant wurde von drei Männern entführt, erhielt auf einem Feld zwei Hiebe und fuhr in Pantoffeln mit der U-Bahn wieder nach Hause.<ref> Hermione Lee: ''Virginia Woolf'', S.&nbsp;376&nbsp;ff.</ref> === Heirat und Romandebüt === Im Jahr 1911 mietete sich Virginia ein Haus in dem Dorf Firle bei [[Lewes]] in [[Sussex]] und taufte es in Erinnerung an glückliche Kindertage in Cornwall ''Little Talland House''. Es war jedoch nur eine Notlösung, wenig später pachteten Virginia und Vanessa das in der Nähe gelegene Haus ''Asheham'', das Virginia sehr liebte und in dem sie zwischen 1912 und 1919 viel Zeit verbrachte. Aus der Londoner Wohnung am Fitzroy Square, deren Mietvertrag auslief, zogen Virginia und Adrian Stephen in das Haus am Brunswick Square&nbsp;38. John Maynard Keynes, sein Freund Duncan Grant und Leonard Woolf belegten dort als Untermieter ebenfalls Räume, sehr zum Missfallen der Verwandtschaft: „Eine junge unverheiratete Frau, umgeben von einer Horde junger Männer!“<ref> Werner Waldmann: ''Virginia Woolf'', Reinbek 2006, S.&nbsp;63. </ref> Im Januar 1912 machte Leonard Woolf auf Anraten Lytton Stracheys Virginia einen Heiratsantrag. Er hatte sich vom Kolonialdienst beurlauben lassen und war im Juni 1911 nach England zurückgekehrt. Sie zögerte und erlitt erneut einen depressiven Krankheitsschub, der die Aufnahme in das Krankenhaus von Twickenham erforderlich machte. Leonard durfte sie nicht besuchen. Vier Monate später willigte sie ein, obgleich, wie sie an Leonard schrieb, er auf sie keine körperliche Anziehungskraft ausübe. Sie liebe ihn nach bestem Vermögen. Seine Liebe zu ihr gab den Ausschlag für ihre Einwilligung. Der Freundin Violet Dickinson schrieb Virginia am 5.&nbsp;Juni 1912: ''„Ich werde Leonard Woolf heiraten. Er ist Jude und hat keinen Pfennig. Ich bin glücklicher, als je jemand für möglich gehalten hat – […]“'', und am Tag darauf schickten sie und Leonard eine gemeinsame Postkarte an Lytton Strachey mit den etwas kindischen Worten: ''„Ha! Ha!“'', gefolgt von ihren Unterschriften.<ref> Werner Waldmann: ''Virginia Woolf'', Reinbek 2006, S.&nbsp;71. </ref> [[Datei:Roger Fry.jpg|thumb|left|upright|Roger Fry: ''Selbstporträt'', um 1928]] Die Trauung fand am 10.&nbsp;August 1912 im Standesamt St Pancras statt. Leonard schied aus dem Kolonialdienst aus und ging verschiedenen Gelegenheitsarbeiten nach; beispielsweise war er Sekretär seines Bloomsbury-Freundes, des Malers Roger Fry, und organisierte für ihn die zweite [[Post-Impressionismus|Post-Impressionisten]]-Ausstellung in den „Grafton Galleries“ mit Werken von [[Paul Cézanne|Cézanne]], [[Vincent van Gogh|van Gogh]], [[Paul Gauguin|Gauguin]], [[Henri Matisse|Matisse]] und anderen Künstlern. Anschließend fand er eine Tätigkeit bei der „Charity Organisation Society“ und arbeitete als Rezensent politischer Bücher beim „New Statesman“. 1913 veröffentlichte er seinen ersten Roman, ''The Village and the Jungle'', in dem er seine Erfahrungen im Kolonialdienst verarbeitete. [[Datei:Roger Fry - Virginia Woolf.jpg|thumb|upright|[[Roger Fry]]: ''Porträt Virginia Woolf'', um 1917]] Ein Arzt riet den jungen Eheleuten von Kindern ab – die Gesundheit Virginias sei zu schwach. Ihre [[Depression]]en wurden stärker, und am 9.&nbsp;September 1913 unternahm Virginia ihren ersten Selbstmordversuch mit Schlaftabletten. Dennoch bezeichnete sie ihre Ehe als glücklich – in Leonard hatte sie einen verständnisvollen und gebildeten Ehemann gefunden, der ihre zärtlichen Beziehungen zu anderen Frauen mit Gelassenheit sah und ihre [[Frigidität]] ihm gegenüber ertragen konnte. Der Ausbruch des [[Erster Weltkrieg|Ersten Weltkriegs]] im August 1914 brachte außer einer Verknappung der Lebensmittel keine Belastung für das junge Ehepaar, das Leben ging weiter, als sei nichts geschehen. Virginia fühlte sich in ihren Zweifeln an der Männerwelt bestätigt, da Leonard den Krieg zwar „sinn- und nutzlos“ fand, sich einer Einberufung jedoch nicht widersetzt hätte; aufgrund eines angeborenen Gliederzitterns wurde er nicht zum Militärdienst eingezogen. <ref>Helmut Winter: ''Virginia und Leonard Woolf. Berlin 1999 S.&nbsp;61&nbsp;f.</ref> 1915 zogen Virginia und Leonard ins ''Hogarth House'' in [[London Borough of Richmond upon Thames|Richmond]] bei London. Im selben Jahr debütierte Virginia mit ihrem Roman ''The Voyage Out'' (''Die Fahrt hinaus''), der bei Duckworth & Co. veröffentlicht wurde, dem Verlag ihres Halbbruders Gerald. ''The Voyage Out'' weist deutliche autobiographische Spuren auf. === Gründung der Hogarth Press === [[Datei:Hogarth Press House, Richmond, Surrey.jpg|thumb|''Hogarth House'', 34 Paradise Road, Richmond bei London. Wohnhaus und Verlagssitz von 1917 bis 1924]] 1917 gründeten die Eheleute den Verlag The [[Hogarth Press]]. Sie spezialisierten sich auf moderne Literatur aus Großbritannien, den [[Vereinigte Staaten|USA]] und [[Russland]]. Im Juli 1917 begann die Produktion mit der Auslieferung von ''Two Stories'', die je eine Geschichte der Ehepartner enthielt, ''The Mark on the Wall'' (''Das Mal an der Wand'') von Virginia, ''Three Jews'' von Leonard Woolf. Das Ehepaar setzte eigenhändig die 34-seitige Broschüre. Da die Woolfs nicht genügend Lettern besaßen, setzten sie zwei Seiten, druckten sie auf einer gebraucht erstandenen Minerva-[[Tiegeldruckpresse]], lösten den Satz wieder auf und setzten dann die nächsten beiden Seiten. Auf diese Weise brauchten sie gut zwei Monate, um die Auflage von 150&nbsp;Exemplaren zu drucken. Anschließend erfolgte die ebenfalls eigenhändige Bindung. [[Datei:Dora Carrington, 1910.jpg|thumb|100px|left|Dora Carrington: ''Selbstporträt'', um 1910]] Das mit vier Holzschnitten von [[Dora Carrington]], einer Freundin Lytton Stracheys, ausgestattete kleine Erstlingswerk des Verlags war schon von 100&nbsp;Freunden und Bekannten vorbestellt worden, die letzten Exemplare wurden innerhalb von zwei Jahren verkauft.<ref> Werner Waldmann: ''Virginia Woolf'', Reinbek 2006, S.&nbsp;82&nbsp;f.</ref> Zu den ersten handgesetzten Werken gehörte auch ''Prelude'' der Schriftstellerin [[Katherine Mansfield]]; ihre Freundschaft war jedoch zwiespältiger Natur. Mansfield betrieb ein doppeltes Spiel: Virginia gegenüber lobte sie ''The Mark on the Wall'', hinter ihrem Rücken nannte sie das Werk banal. <ref>Hermione Lee: ''Virginia Woolf,'' S. 512.</ref> Bis zum Jahr 1932 entstanden insgesamt 34&nbsp;Bücher in eigenhändiger Arbeit. Hogarth Press wurde zwar zunehmend professionalisiert, doch erst Virginias dritter Roman, ''[[Jacobs Zimmer]]'' (''Jacob’s Room''), konnte im eigenen Verlag veröffentlicht werden. In seinen 1967 bei Hogarth Press veröffentlichten Memoiren erinnert sich Leonard Woolf: ''„Wir druckten in der Speisekammer, banden die Bücher im Eßzimmer und interviewten Autoren, Buchbinder und Drucker in einem Wohnzimmer.“''<ref name="eliot"> Steve King: [http://www.todayinliterature.com/stories.asp?Event_Date=7/8/1923 ''Eliot and the Woolfs'']. (abgerufen 6.&nbsp;Januar 2008) </ref> Virginias Funktion in der Hogarth Press war es, neue Autoren zu gewinnen und ihre [[Manuskript]]e zu [[Verlagslektor|lektorieren]]. So notierte sie am 8.&nbsp;Dezember 1929 in ihrem Tagebuch: ''„Ich las & las & habe bestimmt einen Manuskriptstapel von 3&nbsp;Fuß beendet, sorgfältig gelesen dazu; vieles davon an der Grenze, was daher Nachdenken erforderte.“'' Leonard oblag die Geschäftsführung, doch auch er gewann viele Autoren, hauptsächlich aus dem politischen und wirtschaftlichen Themenbereich.<ref> Georde Spater, Ion Parsons: ''Porträt einer ungewöhnlichen Ehe'', Frankfurt am Main 2002, S.&nbsp;158&nbsp;f. </ref> Vanessa Bell entwarf [[Buchillustration|Illustrationen]] für Virginias Bücher und war für die [[Bucheinband|Einbandgestaltung]] ihrer Werke zuständig. Das 1927 neu herausgegebene ''Kew Gardens'' war die attraktivste Veröffentlichung in der Zusammenarbeit der Schwestern. Eine Fehlentscheidung trafen die Woolfs, als sie den Roman ''[[Ulysses]]'' von [[James Joyce]] ablehnten, der ihnen im April 1918 zur Veröffentlichung angeboten wurde. Es lagen zu dem Zeitpunkt nur die ersten Kapitel vor, doch auch diese waren schon zu umfangreich, um per Hand gesetzt und gedruckt zu werden. Wegen des [[Obszönität|obszönen]] Inhalts fanden sie auch keinen anderen Drucker, der die Verantwortung für den Text übernommen hätte. Überdies war Virginia vom Inhalt nicht überzeugt und schrieb am 23.&nbsp;April an Lytton Strachey: ''„Zuerst ist da ein Hund, der p--t, – dann ist da ein Mann, der furzt, und man kann sogar bei diesem Thema monoton sein – außerdem glaube ich nicht, daß seine Methode, die hoch entwickelt ist, sehr viel mehr bedeutet als das Auslassen der Erklärungen und das Einfügen von Gedanken in Gedankenstrichen: Deshalb glaube ich nicht, daß wir es machen werden.“'' <ref> Hermione Lee: ''Virginia Woolf'', S.&nbsp;513. </ref> === Erwerb von ''Monk’s House'' === [[Datei:Virginia Woolf (2).jpg|thumb|Cottage Monk’s House in Rodmell, Sussex]] Im Juli 1919 kaufte sich das Ehepaar Woolf ein einfaches [[Cottage (Wohngebäude)|Cottage]] in [[Rodmell]] ([[Sussex]]), [[Monk’s House]] genannt; sie hatten es für 700&nbsp;Pfund ersteigert, da ''Asheham'' ihnen gekündigt worden war. Im Garten standen zwei riesige [[Ulmen]], die von allen Besuchern und Freunden des Hauses ''Virginia & Leonard'' genannt wurden. Die Woolfs erweiterten Monk’s House durch Anbauten, und im Lauf der Jahre statteten sie es mit Teppichen, Tapeten, Stoffen, Spiegeln, Fliesen und Wandschirmen von Vanessa Bell und Duncan Grant phantasievoll aus. Ein Vorbild für die Dekoration war das von Vanessa und Duncan gemeinsam geplante Interieur von [[Charleston Farmhouse]] nahe Firle, sechs Meilen entfernt von Monk’s House, das sie 1916 gemietet hatten. In beiden Häusern fanden regelmäßig Treffen der „Bloomsberries“ statt. Im gleichen Jahr wurden Virginia Woolfs Erzählungen ''Kew Gardens'' (''Im Botanischen Garten'') im eigenen Verlag und ihr zweiter Roman ''Night and Day'' (''Tag und Nacht'') bei Duckworth veröffentlicht. 1922 erschien fast zeitgleich mit dem ''Ulysses'' von [[James Joyce]] ihr Roman ''Jacob’s Room'' (''[[Jacobs Zimmer]]''). In diesem Roman arbeitete sie, ähnlich wie Joyce, mit der Technik des [[Innerer Monolog|inneren Monologs]] und brach mit diesem Konzept die konventionelle Erzähltechnik. Der [[Protagonist]] Jacob ähnelt stark ihrem verstorbenen Bruder Thoby. Das Buch wurde ein Verkaufserfolg, brachte der Autorin Anerkennung in der literarischen Avantgardeszene und Einladungen von bedeutenden Persönlichkeiten. Leonard Woolf wurde Feuilletonredakteur bei der Wochenzeitschrift ''Nation'' und konnte auf diese Weise zum gemeinsamen Einkommen beitragen. === Vita Sackville-West === [[Datei:Vita_sackville-west.jpg|thumb|upright|left|[[William Strang]]: ''Lady in a Red Hat – Vita Sackville-West'', 1918]] Im Dezember 1922 lernte sie die Schriftstellerin [[Vita Sackville-West]] kennen, die Frau des Diplomaten [[Harold Nicolson]]. Ihre Beziehung war drei Jahre lang sehr eng und intensiv; aus der Liaison wurde Freundschaft und aus Freundschaft eine Liebesbeziehung, die bis zu Virginias Tod Bestand hatte. Es entstand gleichzeitig eine geschäftliche Beziehung: In der Hogarth Press verlegte sie Vitas Werke, beispielsweise im Jahr 1926 die Novelle ''Passenger to Teheran'', sowie Werke ihres Mannes Harold Nicolson, obgleich Virginia Vitas Arbeit nicht besonders schätzte und sie als mit einer „Blechfeder“<ref name="woolf"> Virginia Woolf an Jacques Raverat, 26. Dezember 1924 </ref> produziert beschrieb. Ihre Anziehungskraft lag vielmehr in ihrer männlichen Schönheit, ihren noblen Verbindungen und der Abenteuerliebe. Virginias Neffe und Biograph, [[Quentin Bell]], beschrieb die Beziehung so: ''„Virginia empfand, wie eine Liebende empfindet: Sie war verzagt, wenn sie sich vernachlässigt fühlte, verzweifelt, wenn Vita nicht da war, wartete ungeduldig auf Briefe, brauchte Vitas Gesellschaft und lebte in der seltsamen Mischung von Hochstimmung und Verzweiflung, die für Liebende – und man sollte meinen, nur für Liebende – bezeichnend ist.“''<ref name="bell"> Quentin Bell: ''Virginia Woolf. A Biography''. The Hogarth Press, London 1972, zweibändige englische Ausgabe, Bd.&nbsp;2, S.&nbsp;117. </ref> Vita Sackville-Wests Sohn, [[Nigel Nicolson]], veröffentlichte in seinem Buch ''Portrait einer Ehe'' aus dem Briefwechsel seiner Eltern den Brief seiner Mutter an ihren Mann: ''„Ich liebe Virginia – wer täte das nicht? Aber […] die Liebe zu Virginia ist etwas ganz anderes: etwas Seelisches, etwas Geistiges, wenn man so will, eine Sache des Intellekts […] Ich ''habe'' tödliche Angst, körperliche Gefühle in ihr hervorzurufen, wegen des Wahnsinns […] Ich habe mit ihr geschlafen (zweimal), aber das ist alles.“'' <ref name="spater"> George Spater, Ian Parsons: ''Porträt einer ungewöhnlichen Ehe'', Frankfurt am Main 2002, S.&nbsp;205&nbsp;f. </ref> === ''Mrs Dalloway'', ''Zum Leuchtturm'' === 1924 zog das Ehepaar Woolf wieder nach Bloomsbury zurück und mietete Verlagshaus und Wohnung am ''Tavistock Square 52''. Im selben Jahr veröffentlichte Virginia ihren vielbeachteten Essay ''Mr Bennett and Mrs Brown'', der zur kritischen Abrechnung mit der tradierten Erzählkunst geriet und konzeptionell ihren wohl bedeutendsten Roman ''[[Mrs. Dalloway|Mrs Dalloway]]'' einleitete, den sie 1925 vorlegte. Ursprünglich sollte der Roman ''The Hours'' heißen wie der spätere [[The Hours – Von Ewigkeit zu Ewigkeit|Film]] von [[Stephen Daldry]]. Innovativ war daran die Erzähltechnik des ''Stream-of-consciousness'' (''[[Bewusstseinsstrom]]''), mit der sie das Geschehen durch die Gedankenwelt, die Stimmungen und Eindrücke der verschiedenen Romanfiguren darstellte. Diese Methode hatte sie im Ansatz bereits in ''Jacob’s Room'' erprobt, hier jedoch perfektioniert. Ebenfalls 1925 erschien ihre Essaysammlung ''The Common Reader'', in der bereits publizierte Essays und Rezensionen gemeinsam mit neuen Arbeiten veröffentlicht wurden, wie beispielsweise der Essay über den zeitgenössischen amerikanischen Roman. [[Datei:GodrevyLightHouse.JPG|thumb|left|Der Leuchtturm von Godrevy Point bei St Ives]] Nach dem Erscheinen von ''Mrs Dalloway'' begann Virginia am 6.&nbsp;August 1925 mit der Niederschrift des Romans ''To the Lighthouse'' (''[[Die Fahrt zum Leuchtturm|Zum Leuchtturm)]]'', den sie, unterbrochen von depressiven Schüben, im Januar 1927 vollenden konnte. Sie wollte das Werk ursprünglich als „[[Elegie]]“ und nicht als „Roman“ bezeichnen. Leonard nannte ihn ein Meisterwerk, und auch sie war mit ihrer Arbeit zufrieden: „''Du liebe Zeit, wie schön manche Stellen von The Lighthouse sind! Weich & geschmeidig, & tief, meine ich, & kein einziges falsches Wort, seitenlang manchmal.''“<ref>Tagebuch, 21.&nbsp;März 1927, 3</ref> ''Zum Leuchtturm'' ist ein autobiographischer Roman, der sich mit der Geschichte der Stephen-Familie befasst. Die Niederschrift kam einer [[Psychoanalyse]] nahe, die [[Therapie]] bestand im Erzählen und bannte die Herrschaft der Eltern über sie. Es ist eine Art Geistergeschichte, die Geschichte eines verwunschenen Hauses, des ''Talland House'' in St Ives, obwohl der Roman auf der [[Skye|Isle of Skye]] angesiedelt ist. Die dunklen Gefühle der Protagonistin Mrs Ramsay über Einsamkeit und Tod waren auch Virginias Gefühle.<ref>Hermione Lee: ''Virginia Woolf'', S. 630“.</ref> === ''Orlando'' === [[Datei:Knole House.jpg|thumb|Knole House im Jahr 1880]] Im Frühjahr und Sommer 1928 unternahmen Virginia und Vita eine längere Reise durch Frankreich. Im Oktober desselben Jahres erschien ''[[Orlando (Roman)|Orlando]]''. Die Hauptfigur ''Orlando'' lebt vom 16. bis ins 20. Jahrhundert, wechselt im Erwachsenenalter ihr Geschlecht vom Mann zur Frau und ist am Ende der Zeitreise eine Dichterin. Dieser humorvolle Roman gilt als Virginias Liebeserklärung an Vita Sackville-West, deren Persönlichkeit sich in ''Orlando'' spiegelt. Historische Details entnahm Virginia aus Vitas 1922 veröffentlichtem Buch ''Knole and the Sackvilles'', in dem Vitas Geburtshaus, das [[Knole House]] in [[Kent]] und die Geschichte der Sackvilles geschildert wird. Virginia selbst beschreibt das Buch als heiter und schnell lesbar; es zu verfassen war Urlaub für sie als Schriftstellerin und bereitete ihr nicht die Mühen anderer Werke. In Nigel Nicolsons Biographie seiner Eltern umschreibt er ''Orlando'' als „den längsten und charmantesten Liebesbrief in der Literatur“.<ref name="nicolson">Nigel Nicolson: ''Portrait einer Ehe. Harold Nicolson und Vita Sackville-West''.</ref> Die Besucher von Knole House, seit 1946 zum großen Teil im Besitz des [[The National Trust|National Trust]], können gegenwärtig ein [[Faksimile]] des gebundenen Manuskripts von ''Orlando'' bewundern, das in der ''Great Hall'' ausgestellt ist. === Der Essay ''Ein eigenes Zimmer === [[Datei:John Singer Sargent Dame Ehel Smyth.jpg|thumb|upright|left|[[John Singer Sargent]]: ''Ethel Smyth'', 1901]] Der [[Essay]] '' A Room of One’s Own'' (''[[Ein eigenes Zimmer]]'') wurde im Oktober 1929 veröffentlicht. Die gescheite und witzige Abhandlung über die bedrückenden Bedingungen, unter denen Frauen in der Vergangenheit Literatur produzieren mussten, und in der Woolf [[William Shakespeare|Shakespeares]] fiktive dichtende Schwester Judith beschreibt, wurde zu einem der meist zitierten Texte der Frauenbewegung: :''„[…] Und wenn jede von uns fünfhundert [Pfund] im Jahr hat und ein Zimmer für sich allein; wenn wir an die Freiheit gewöhnt sind und an den Mut, genau das zu schreiben, was wir denken; […] dann wird diese Gelegenheit kommen und die tote Dichterin, die Shakespeares Schwester war, wird den Körper annehmen, den sie so oft abgelegt hat''.“<ref name="zimmer">''Ein Zimmer für sich allein'', S. 130</ref>. Das seien die materiellen Grundvoraussetzungen, unter denen Frauen genau so erfolgreich Literatur produzieren könnten wie Männer. Außerdem formulierte sie darin einige Ansichten über künstlerische Kreativität, die ihr eigenes Schreiben leiteten. Das Buch wurde ein Erfolg; innerhalb eines halben Jahres wurden in England und Amerika 22.000 Exemplare verkauft. Die Komponistin und [[Suffragette]] [[Ethel Smyth]] bat im Januar 1930 anlässlich der Veröffentlichung von ''A Room of One’s Own'' um Virginias Mitwirkung bei einer [[British Broadcasting Corporation|BBC]]-Sendung mit dem Titel ''Point of Views'' und erklärte ihre Bewunderung für den Essay als wichtigen Beitrag zur Emanzipationsbewegung. Es kam zu einer persönlichen Beziehung und ausgedehntem Briefwechsel mit der um 24&nbsp;Jahre älteren Ethel Smyth. Zu diesem Zeitpunkt zog Vita Sackville-West nach [[Sissinghurst Castle|Sissinghurst]] und widmete sich mit ihrem Mann Harold Nicolson der Ausgestaltung ihres später weltberühmten Gartens.<ref> Hermione Lee: ''Virginia Woolf'', S. 758 ff.</ref> === ''Die Wellen'' und ''Flush'' === 1931 erschien ''The Waves'' (''[[Die Wellen]]''), das den dritten und letzten ihrer so genannten experimentellen Romane bildet nach ''Mrs Dalloway'' und ''To the Lighthouse''. Virginia hatte ''Die Wellen'' gleichzeitig mit dem Roman ''Zum Leuchtturm'' konzipiert und parallel daran geschrieben, unterbrochen durch die Niederschrift von ''Orlando''. Die Arbeit daran geriet zu einer fast unerträglichen Anstrengung, die sie gesundheitlich sehr belastete. Das Buch spannt in einer Montagetechnik den Bogen über sechs Menschenleben, von der Kindheit bis zum Alter, eingefügt in den Ablauf eines schönen Sommertages. Das Lesepublikum akzeptierte im Gegensatz zu den Kritikern ''Die Wellen'' vorbehaltlos, und nach einem Monat konnte bereits die zweite Auflage gedruckt werden. Die Romanbiographie ''[[Flush (Roman)|Flush]]'' aus dem Jahr 1932, die von den Abenteuern des [[English Cocker Spaniel|Cockerspaniels]] der Schriftstellerin [[Elizabeth Barrett Browning]] in London und Florenz berichtet, ist eine Mischung aus einigen Fakten und viel Phantasie. ''Flush'' hatte die höchste Erstauflage aller ihrer Werke und erreichte nach wenigen Monaten eine Auflage von je 50.000 Exemplaren in England und den [[Vereinigte Staaten|Vereinigten Staaten]]. === ''Freshwater'', ''Die Jahre'' und ''Drei Guineen'' === [[Datei:Cameron julia jackson.jpg|thumb|upright|left|Julia Margaret Camerons Fotoporträt ihrer Nichte Julia Jackson, Mutter von Virginia Woolf]] Im Jahr 1935 wurde Virginias einziges Theaterstück ''Freshwater'' in Vanessa Bells Londoner Studio aufgeführt. Darin thematisierte sie die Lebensgeschichte ihrer Großtante, der viktorianischen Fotografin [[Julia Margaret Cameron]]. Die Aufführung fand vor Freunden statt: Vanessa Bell spielte die Mrs Cameron, Leonard Woolf Mr Cameron, und Duncan Grant übernahm die Rolle des [[George Frederic Watts]]. Vanessas Kinder Julian und [[Angelica Garnett|Angelica Bell]] waren [[Alfred Tennyson|Lord Tennyson]] beziehungsweise [[Ellen Terry]]. [[Datei:Freshwater_Bay_1.jpg|thumb|Freshwater Bay, Isle of Wight]] Der Ort Freshwater liegt auf der [[Isle of Wight]], in dem die Camerons einen Wohnsitz hatten.<ref>Spater/Parsons: ''Porträt einer ungewöhnlichen Ehe'', S. 218 ff.</ref> Bereits 1926 hatte Virginia mit Roger Fry im Verlag Harcourt, Brace, New York, eine Sammlung von Camerons Fotografien herausgegeben unter dem Titel: ''Julia Margaret Cameron. Victorian Photographs of Famous Men & Fair Women''. Den Rest des Jahres verbrachte das Ehepaar Woolf auf einer Europareise, die Virginia von ihrer erneuten psychischen Erkrankung heilen sollte. Virginias nächster Roman – ihr umfangreichstes Werk – ''The Years'' (''[[Die Jahre]]''), die Geschichte der Offiziersfamilie Pargiter und die Lebensläufe ihrer vier Töchter, erschien im Jahr 1937; die Arbeit daran hatte sie bereits im Oktober 1932 unter dem Arbeitstitel ''The Pargiters'' begonnen. Sie kehrte in der unkomplizierten Erzählweise in die Tradition englischer Romane zurück, der sie sich seit ''Nacht und Tag'' nicht mehr bedient hatte. Das Schreiben fiel ihr schwer, und die Veröffentlichung setzte sie unter Druck. ''Die Jahre'' wurden jedoch ein Verkaufserfolg; die englische Ausgabe erschien in einer [[Auflage einer Publikation|Auflage]] von 18.000 Exemplaren, in Amerika wurde er ein Bestseller mit 50.000 verkauften Exemplaren im ersten Jahr. Das von Virginia gesammelte analytische Material über Frauenfeindlichkeit der Gesellschaft floss nicht nur in ''The Years'' ein, sondern fand sich auch in dem feministischen Essay ''Three Guineas'' (''[[Drei Guineen]]'') wieder,<ref>Hermione Lee: ''Virginia Woolf'', S. 830.</ref> der im Juni 1938 erschien. In diesem Essay bringt sie kurz vor dem [[Zweiter Weltkrieg|Zweiten Weltkrieg]] die patriarchalische Gesellschaftsform mit [[Militarismus]], [[Faschismus]] und Krieg in Verbindung. Der Arbeitstitel für den bereits 1935 geplanten Essay lautete ''On Being Despised'' (''Wenn man verachtet wird''). Virginia wollte keine Integration der Frau, sondern eine [[Gleichstellung der Geschlechter]]: ''„Wir stehen ein für die Rechte aller – aller Männer und Frauen - auf Respektierung der großen Prinzipien Gerechtigkeit, Gleichheit und Freiheit in ihrer Person“''.<ref name="guineen">''Drei Guineen'', S. 158''.</ref> Ihre Freunde hielten den Essay für unnötig polemisch, da es ihm an Humor mangele, doch er sollte einen weiteren Meilenstein in der Bekämpfung des [[Sexismus]] setzen. Den [[Ehrendoktor]]titel der Universität [[Liverpool]] lehnte sie 1939 ab, da sie zeitlebens kritisch gegenüber der „academic machine“ eingestellt war. Der Schriftsteller [[John Lehmann]], Lektor der Hogarth Press von 1931 bis September 1932, kaufte sich im März 1938 in den Verlag ein und übernahm Virginias Anteile. Sie wirkte jedoch weiterhin an der Programmgestaltung des Verlags mit. Lehmann arbeitete mit Leonard Woolf gemeinsam als Geschäftsführer bis zum Jahr 1946 in der Hogarth Press. Anschließend gründete er seinen eigenen Verlag, „John Lehmann Limited“, zusammen mit seiner Schwester Rosamond. === Zweiter Weltkrieg und Tod === [[Datei:LondonBombedWWII full.jpg|thumb|left|Bei einem Luftangriff zerstörte Londoner Häuser]] Nach der Kriegserklärung Englands gegen Deutschland am 3. September 1939 beschlossen die Woolfs, künftig im Monk’s House zu leben und nur noch zweimal monatlich zum Verlag nach London zu fahren. Im September 1940 wurde das Haus am ''Mecklenburgh Square 37'', in dem sich seit 1939 ihre Londoner Wohnung befand und ebenfalls die Hogarth Press ihren Sitz hatte, während eines [[The Blitz|Luftangriffs]] der deutschen Luftwaffe durch Bomben schwer beschädigt. Die Hogarth Press musste nach [[Letchworth]] ausgelagert werden. Im Mai 1940, nach dem Überfall Deutschlands auf Holland und Belgien, fassten die Woolfs den Vorsatz, gemeinsam aus dem Leben zu gehen, falls es zu einer deutschen [[Invasion (Militär)|Invasion]] Englands kommen sollte, da Leonard Woolf Jude und Sozialist war. Sie besorgten sich vorsorglich Gift und horteten Benzin in der Garage. Am 25.&nbsp;Juli 1940 erschien Virginia Woolfs Biographie über den bereits 1934 verstorbenen Maler und Galeristen Roger Fry, dem Freund aus der Bloomsbury-Zeit. Nachdem sie 1941 ihren letzten Roman ''Between the acts'' (''[[Zwischen den Akten]]'') abgeschlossen hatte, fiel sie erneut in eine tiefe [[Depression]]. Sie fürchtete, die psychotischen Episoden der Vergangenheit, in denen sie Stimmen hörte und unfähig war zu arbeiten und zu lesen, würden sich wiederholen. Am 27.&nbsp;März 1941 brachte Leonard Woolf seine Frau zu einer befreundeten Ärztin nach [[Brighton]], um die Behandlungsmöglichkeiten zu besprechen. Einen Tag darauf, am 28.&nbsp;März, wählte Virginia im Fluss [[Ouse (Sussex)|Ouse]] bei Lewes in Sussex den [[Freitod]]. Da sie sehr gut schwimmen konnte, packte sie einen großen Stein in ihren Mantel, um eine eventuelle Selbstrettung zu verhindern. Ihre Leiche wurde erst nach drei Wochen, am 18. April, gefunden. Sie hinterließ zwei Abschiedsbriefe, einen an ihre Schwester Vanessa und einen an ihren Ehemann. Dieser endet mit den Sätzen: <!--sic--> :''„Alles, außer der Gewißheit Deiner Güte, hat mich verlassen. Ich kann Dein Leben nicht länger ruinieren. Ich glaube nicht, dass zwei Menschen glücklicher hätten sein können, als wir gewesen sind.“''<ref name="bell2">Quentin Bell: ''Virginia Woolf'', S. 504 f.</ref> Leonard Woolf begrub ihre Asche unter den großen Ulmen im Garten und ließ eine Tafel anfertigen mit einem Zitat aus ''Die Wellen'': :''„Dir will ich mich entgegenwerfen, unbesiegt und ungebeugt, O Tod!“''<ref name="lee3">Hermione Lee: ''Virginia Woolf. Ein Leben'', S. 993</ref> Leonard Woolf starb im Jahr 1969 im Alter von 88 Jahren. Er wurde wie seine Ehefrau unter den Ulmen bei Monk’s House begraben. Im Garten von Monk’s House, das seit 1980 vom [[The National Trust|National Trust]] verwaltet wird, erinnern Büsten von Virginia Woolf und Leonard Woolf sowie Gedenktafeln an das außergewöhnliche Schriftsteller- und Verlegerehepaar. <center> {|style="background:inherit;padding:1em" |[[Datei:Virginia_Woolf_(3)-2.jpg|thumb|upright=0.64|left|Leonard Woolfs Büste von Charlotte Hewer]] || [[Datei:Monks house 2.jpg|thumb|center|304px|Monk’s House: Gartensituation mit den Büsten und Gedenktafeln]] || [[Datei:Virginia Woolf (5) 2.jpg|thumb|upright=0.65|Virginia Woolfs Büste von Stephen Tomlin]] |} </center> == Zum Werk == Virginia Woolf zählt neben [[Joseph Conrad]], [[James Joyce]] und [[D. H. Lawrence]] zu den wichtigsten Autoren der [[Englische Literatur#Moderne|modernen englischen Erzählliteratur]]. Ihr [[Prosa]]werk sucht vor allem die Hintergründe und Realitäten im Bewusstsein ihrer Romangestalten mit neuen literarischen Gestaltungsmitteln einzufangen. Neben ihren zahlreichen [[Essay]]s stellt der experimentelle und psychologische [[Roman]] das Hauptwerk der Schriftstellerin dar. Woolf wendet dabei eine [[Montage (Literatur)|Montagetechnik]] an: Sie lässt im ständigen Wechsel von äußerer und innerer Zeit, Umwelt und Natur, vergangene und gegenwärtige Geschehnisse in einem Strom von Empfindungen in ihre Texte einfließen. === Der experimentelle Roman === Mit ''Jacobs Zimmer'', der von Woolf-Interpreten als der erste „eigentliche“ experimentelle Roman der Autorin gesehen wird, beginnt sie, die Komplexität des Lebens in einer rhythmischen Abfolge von flüchtigen Sinneseindrücken, Gedankenfetzen und Gesten zu schildern. Ebenso wie ihren Zeitgenossen Joyce und [[Dorothy Richardson]], die ähnliche Ansätze verfolgten, gelingt es ihr mit Hilfe des [[Innerer Monolog|inneren Monologs]], diese Impressionen so darzustellen, wie sie im [[Bewusstseinsstrom]] der Gestalten des Romans auftauchen. Eine Entwicklung findet indes nicht statt: Die Figuren bleiben auf der Suche nach Identität zwischen Realität und Traumwelt gefangen. So wird die Vereinsamung des Menschen in der modernen Massengesellschaft zu einer wesentlichen Thematik des woolfschen Romans. Angeregt von Joyce erzielt Woolf einen Spannungsbogen ''([[Suspense]])'', indem sie ihre eigene Sichtweise den Assoziationen ihrer Figuren als eine Art „Kontrapunkt“ gegenüberstellt. Das zeigt sich vor allem in der expressionistischen Bildhaftigkeit, die sie für Landschaftsbeschreibungen aufwendet und die im Gegensatz zu den pointierten Charakterstudien der kühlen, oft seelenlos gezeichneten Großstadtmenschen stehen. Woolf bedient sich dabei schriftstellerisch ähnlicher Stilmittel, die in der bildenden Kunst von den Nachimpressionisten verwendet wurden und sich vor allem in den Werken [[Vincent van Gogh]]s zeigen, dem ihre besondere Bewunderung galt.<ref name="dittmar">Wilfried Dittmar in ''Hauptwerke der englischen Literatur – Einzeldarstellungen und Interpretationen''. Kindler, München 1975, S.456</ref> In ''Mrs Dalloway'' verfeinerte sie die Erzähltechnik, die sie sich in ''Jacobs Zimmer'' erarbeitet hatte. Der Roman gilt als Meisterwerk moderner Erzählkunst und wird oft mit Joyce’ ''[[Ulysses]]'' und [[Marcel Proust]]s ''[[Auf der Suche nach der verlorenen Zeit]]'' verglichen. In ''Mrs Dalloway'' bedient sich Woolf vorrangig neuester Erkenntnisse der [[Psychoanalyse]] und verweist ironisch auf [[Sigmund Freud|Freuds]] Bewusstseinsebenen. Im Vorfeld des Romans hatte sie in ihrem 1924 verfassten Essay ''Mr Bennett and Mrs Brown'' verkündet, es sei nicht die Aufgabe eines Romanciers „Lehren zu predigen, Lieder zu singen oder das Britische Weltreich zu verherrlichen“, sondern „die Psyche des Menschen zu ergründen“. Der von Kritikern vielbeachtete Essay richtete sich provokant gegen die in ihren Augen überkommenen „[[Englische Literatur#Edwardianische Phase|edwardianischen]] Techniken“ von [[Arnold Bennett|Bennett]], [[John Galsworthy|Galsworthy]] und [[H. G. Wells|Wells]].<ref name="schoeller">Dr.&nbsp;Wilfried F. Schoeller in ''Hauptwerke der englischen Literatur – Einzeldarstellungen und Interpretationen'', S.&nbsp;458 f.</ref> Die in ''Jacobs Zimmer'' eingeführte Technik des Bewusstseinsstrom erweiterte sie in ''Mrs Dalloway'' um die Komponente der „Willkürlichkeit“: Die Hauptfigur ist somit nicht mehr wie im traditionellen Roman objektiv beschreibbar, sondern definiert sich nur noch über die Reflexion der (wechselnden) Nebenfiguren und deren Wahrnehmung. Die Handlung erfährt der Leser lediglich über das Bewusstsein der Akteure. Die Wahrnehmung beschränkt Woolf dabei ähnlich wie Joyce auf einen bestimmten Zeitraum, im Falle der ''Mrs Dalloway'' auf einen Tag, womit Woolf ein weiteres, für ihr Werk charakteristisches Stilmittel einführt: das kontinuierliche Motiv der verrinnenden Zeit, die in einem ''wellenförmigen'' Verlauf des Bewusstseinsstroms – zwischen Gegenwart und Vergangenheit wechselnd – erlebt wird. Stilistisch entsprechend verfährt Woolf mit den Erzählweisen und wechselt fließend zwischen [[Direkte Rede|direkter Rede]] mit beschreibender Handlung und der [[Erlebte Rede|erlebten Rede]] im inneren Monolog. In ''Mrs Dalloway'' setzt Woolf mit ''tempus fugit''-Motiven (abgebrannte Kerzen oder schlagende Uhren) eine signifikante [[Symbolik]] ein, die sich in ihrem Spätwerk verstärkt wiederholen soll. ''To the Lighthouse'' führt diese psychologische Erzähltechnik in sprachlicher Perfektion konsequent fort: Die Hauptfigur spiegelt sich im Bewusstseinsstrom der anderen Figuren wider, auf eine traditionelle Handlung wird verzichtet, das Zeitkontinuum dreigeteilt. Der Leuchtturm selbst wird zum mehrdeutigen Symbol, das als angleichendes „männliches“ [[Über-Ich]] mit wegweisender Beständigkeit oder als Platz fester Normen und Wertevorstellungen interpretiert werden kann und im Kontrast zum sich ständig wandelnden, „weiblichen“ Meer steht, das als ausgleichende Urkraft sowohl für den [[Das Unbewusste|unterbewussten]] Fluss der Dinge wie auch für Harmonie, Rückzug und Neuanfang stehen kann. Woolf stellt diese beiden Zeichen im Verlauf des Werks kontinuierlich gegenüber und führt sie in der Schlusssequenz des Romans, in dem Gemälde der Malerin Lily Briscoe, zusammen. Der Roman gilt als eine der „kompositorisch und sprachlich geglücktesten Leistungen Virginia Woolfs.“<ref name="kluge1">Dr.&nbsp;Walter Kluge in ''Hauptwerke der englischen Literatur – Einzeldarstellungen und Interpretationen'', S.461</ref> Den radikalsten Bruch mit jeglicher traditionellen Erzähltechnik vollzieht Woolf schließlich in ''The Waves'' (''[[Die Wellen]]''): Die Schriftstellerin verzichtet sowohl auf einen berichtenden Erzähler wie auf eine greifbare Handlung oder einen bestimmten Schauplatz und unterwirft den Verlauf einem genau festgelegten symbolbehafteten Zyklus aus Tages- und Jahreszeiten. Das Werk besteht ausschließlich aus den inneren Monologen der sechs Protagonisten, die wiederum von bestimmten Eigenschaften beherrschte Stellvertreter eines Lebensabschnittes sind oder diesen reflektieren. Von Kritikern wurde das Buch als „gekünsteltes und unbefriedigendes Form- und Stilexperiment“ bewertet und fand erst spät Anerkennung als konsequenter Abschluss des Woolfschen Erzählexperiments.<ref name="kluge2">Dr.&nbsp;Walter Kluge in ''Hauptwerke der englischen Literatur – Einzeldarstellungen und Interpretationen'', S. 467</ref> Der Roman ''Die Wellen'' ist in vielerlei Hinsicht philosophischer, als er vom Leserpublikum wahrgenommen worden ist, und Virginia Woolf äußerte sich oft verzweifelt darüber. In ihrem letzten Roman ''Between the acts'' ''([[Zwischen den Akten]])'', der vor dem Hintergrund des Zweiten Weltkriegs entstand, stellt Woolf eine komische wie kritische [[Analogie (Philosophie)|Analogie]] zum Tierreich her: Indem sie die Akteure einer Dorftheateraufführung mit [[Karneval, Fastnacht und Fasching|karnevalesk]]-animalischen Wesenszügen versieht,<ref>[http://findarticles.com/p/articles/mi_m0403/is_4_44/ai_54370327 Christopher Ames: ''Carnivalesque comedy in ‚Between the Acts.‘ – novel by woman author Virginia Woolf'']. (abgerufen 12. Februar 2008)</ref> wirft sie die Frage nach der Abstammung, den Gemeinsamkeiten und den Unterschieden zwischen Mensch und Tier auf und sucht die Antwort in der Kreativität und Sprachbegabung. Sie hält dem Leser mit der zentralen Frage nach [[Menschlichkeit]] einen Spiegel vor und lässt damit die Antwort offen. Damit wendet sie erneut den Kunstgriff der Reflexion an: Die eigentliche Handlung vollzieht sich „zwischen den Akten“, respektive „zwischen den Zeilen“. Wieder vollzieht sich die Handlung an einem Tag, und erneut bedient sie sich der Symbolik: diesmal bevorzugt des [[Vögel|Vogel]]<span />motivs. Der Vogel symbolisiert dabei sowohl Schönheit wie Zerstörung.<ref name="menninghaus">Sabine Menninghaus: ''Vorstellungsweisen künstlerischer Transformation: Naturwissenschaftliche Analogien bei [[Aldous Huxley]], James Joyce und Virginia Woolf''. Münster 2000, S. 31ff</ref> Das postum veröffentlichte Werk kombiniert Prosa mit Lyrik und Dialogen und zeigt Woolfs fortgesetztes Bestreben, den Anwendungsbereich des Romans zu erweitern. === Die Essays === In ihren ironischen, oft kritisch gehaltenen Essays setzte sich Virginia Woolf bevorzugt mit Schriftstellerinnen wie [[Jane Austen]], [[George Eliot]] und [[Dorothy Wordsworth]] auseinander.<ref name="uniessen">[http://www.uni-essen.de/einladung/Vorlesungen/poetik/virg_woolf.htm ''Virginia Woolf'']. [[Universität Duisburg-Essen]] (abgerufen 2. Januar 2008)</ref> Besonders Jane Austen, mit deren Werk ihr eigenes oft verglichen wurde, faszinierte Woolf, da Austens Biographie, unter zunächst unbeschwerteren Vorzeichen, Ähnlichkeiten zu ihrer eigenen aufweist. Beider Werk entstand am Ende einer literarischen Epoche und sollte eine neue markieren. Austen starb früh, auf dem Höhepunkt ihres Schaffens: Für die an sich selbst zweifelnde Woolf verkörperte somit das kurze abgeschlossene Lebenswerk Austens in seiner formalen Perfektion eine selbstbestimmte Unschuld, die ihr eigenes Werk (und Leben) nicht besaß. 1925 widmete sie Jane Austen in ihrer Essaysammlung ''The Common Reader'' ein Kapitel und würdigte sie mit sentimentalen Worten als ''„The most perfect artist among women, the writer whose books are immortal, died just as she was beginning to feel confidence in her own success.”'' (''„Die perfekte Künstlerin unter den Frauen, die Schriftstellerin, deren Bücher unsterblich sind, starb, als sie gerade begann, Vertrauen in ihren eigenen Erfolg zu fassen.“'')<ref name="adelaide">[http://ebooks.adelaide.edu.au/w/woolf/virginia/w91c/chapter12.html Virginia Woolf: ''The Common Reader. The first series – Chapter 12: Jane Austen'']. [[E-Book]], [[University of Adelaide]] (abgerufen 3. Januar 2008)</ref> Unter Woolf-Kritikern zählt der 1924 verfasste Essay ''Mr Bennett and Mrs Brown'' zu den aufschlussreichsten Aufsätzen der Schriftstellerin, da er nicht nur mit den Traditionalisten der englischen Literatur bricht – allen voran [[Arnold Bennett]] gerät in das Kreuzfeuer ihrer Kritik – sondern auch Einblicke in die Charaktergestaltung und in den Umgang der Autorin mit [[Identität]]en gewährt: Die fiktive Mrs Brown vertritt als Woolfs ''[[Alter Ego]]'' zwar den Standpunkt ihrer Schöpferin, bleibt als nur [[Reflexion (Philosophie)|reflexiv]] wahrnehmbare Person dennoch rätselhaft. Woolf verleiht ihrer Mrs Brown keinen bestimmten Wesenszug: sie bleibt „beliebig“ wie viele andere Figuren in ihrem Werk. Damit verneint Woolf die ''„real characters“'' der [[Englische Literatur#Edwardianische Phase|Edwardianer]]. [[Martin Walser]] nennt diese Figuren „Woolfsche Alltags-Lebens-Hüllen, derer man nicht habhaft werden kann, bestenfalls kann man sich ihnen annähern“ und verweist auf die multiple Gestaltung des ''Orlando''.<ref>Martin Walser: ''Identität und Schreiben: Eine Festschrift für Martin Walser – Ringvorlesung an der Universität Hildesheim im Wintersemester 1996/97''; Georg Olms Verlag, Hildesheim 1997, S. 74 ff. ISBN 3-487-10322-2</ref> ''Mr Bennett and Mrs Brown'' reflektiert auf die imposante erste Nachimpressionisten-Ausstellung von Roger Fry in den Londoner „Grafton Galleries“ im Dezember 1910, die zum kulturellen Ereignis wurde. Woolf datierte mit diesem Geschehnis einen kulturellen [[Paradigmenwechsel]]: ''„On or about december 1910 human character changed,“''<ref>„Mr Bennett and Mrs Brown“ in ''Collected Essays'', Bd. 1, London 1968, S.320</ref> schrieb sie in dem Essay und übertrug den Aufbruch der Malerei in die Moderne auf die Literatur: die epochale Ablösung der Edwardianer durch die Bloomsberries und die avantgardistischen [[Vortizismus|Vortizisten]] um [[Ezra Pound]].<ref>Hanno Ehrlicher: ''Die Kunst der Zerstörung: Gewaltphantasien und Manifestationspraktiken europäischer Avantgarden'', FU Berlin 2001, S.&nbsp;252, ISBN 3-05-003646-X</ref> === Tagebücher und Briefe === Virginia Woolf hatte seit ihren Kindertagen und ab 1915 systematisch [[Tagebuch]] geführt. 1953 wurden Teile daraus erstmals publiziert. 1977 bis 1984 erfolgte die Herausgabe der gesamten Aufzeichnungen in fünf Bänden. Auch ihre umfangreiche Korrespondenz wurde veröffentlicht, zwischen 1975 und 1980 erschienen sechs Bände. Tagebücher und Briefe liegen inzwischen in deutscher Übersetzung vor. Dieser Nachlass gilt vielen Leserinnen und Lesern als mindestens ebenso wichtig wie die zu Lebzeiten publizierten Werke. Aus ihnen geht hervor, dass Virginia beim Schreiben ihrer Texte unter Depressionen litt, beispielsweise während der Arbeit an ''Mrs Dalloway'': ''„[…] Und dann habe ich wieder, je weiter das Manuskript anwächst, die alte Angst davor. Ich werde es lesen & blaß finden. […] Doch wenn dieses Buch etwas beweist, dann dass ich nur auf diese Art schreiben kann & und immer dabei bleiben werde, jedoch immer weiter erkunde & mich Gottlob keinen Augenblick langweilen werde. Aber diese leichte Depression – woher kommt sie?“''<ref name="tagebuch">Tagebucheintrag vom 2. August 1924. In: ''Virginia Woolf. Das Lesebuch'', S. 428 f.</ref> Ein ähnlich schwaches Selbstvertrauen zeigte sie anlässlich des Erscheinens ihrer Bücher. Oft löste die Furcht vor negativer Kritik und Unsicherheit über ihr eigenes Werk Krankheitsschübe aus. Der meistzitierte Text der neuen [[Frauenbewegung]], Woolfs Buch ''[[Ein eigenes Zimmer|A Room of One’s Own]]'' wurde erst 1978 ins Deutsche übertragen. Woolf nahm in ihren Essays bereits die These der [[68er-Bewegung]] vom politischen Charakter des Privaten vorweg. == Rezeption == {{Zitat-en|''It is writing, that gives me my proportion.''|Virginia Woolf<ref name="langer">Tanja Langer: [http://www.welt.de/print-welt/article591208/Die_erzaehlende_Prosa_ist_eine_Dame.html ''Die erzählende Prosa ist eine Dame'']. In: ''[[Die Welt]]'', 20. November 1999 (abgerufen 18. November 2008)</ref>}} Virginia Woolfs Werk wurde zu ihren Lebzeiten über den Kreis von Schriftstellern des englischsprachigen Kulturraums hinaus kaum bekannt. Seit den 1970er-Jahren inspirierte es zunehmend verschiedene soziale und emanzipatorische Bewegungen in Europa und in den USA; infolgedessen fanden das literarische Werk und seine Autorin zunehmend das Interesse der Öffentlichkeit. === Wirkungen zu Lebzeiten === In ihrem Geburtsland rückte Virginia Woolf als Tochter eines bekannten Klerikers und Literaten durch den skandalösen ''Dreadnought-Streich'' früh in den Fokus der englischen Presse; spätestens ab ihrem Romandebüt, den eigenen essayhaften Rezensionen und durch Hogarth Press-Publikationen von Schriftstellerfreunden, wie beispielsweise [[T. S. Eliot]]s ''Poems'' (1919), wurde sie als Autorin und Verlegerin von einem größeren Leserkreis wahrgenommen.<ref name="eliot" /> Außerhalb des englischsprachigen Kulturkreises blieb Virginia Woolfs Werk hingegen weitgehend unbekannt oder zumindest schwer zugänglich. [[Klaus Mann]] besprach 1929 die unter dem Titel ''„Eine Frau von fünfzig Jahren“'' erschienene deutsche Ausgabe der ''Mrs Dalloway'' und rezensierte den Roman als „lebenswahres Werk“ und „radikalstes 20. Jahrhundert“.<ref name="langer" /> Der Schriftsteller [[Elio Vittorini]], ein literarischer Vertreter des [[Italienischer Neorealismus|italienischen Neorealismus]], rezipierte Woolfs ''Mrs Dalloway'' in seiner 1931 veröffentlichten Erzählsammlung ''Piccola borghesia'' und übertrug ihre Beschreibungen der englischen ''upper middle class'' auf das [[Neapel|neapolitanische]] [[Kleinbürger]]tum, der so genannten „kleinen [[Bourgeoisie]]“.<ref name="vittorini">[http://www.hull.ac.uk/italian/Masters_of_Prose_in_Italy.htm ''Master of Prose in Italy'']. Archiv der [[University of Hull]]: Rezension im ''[[The New York Times]] Book Review'' vom 10. April 1932</ref> === Wahrnehmung durch emanzipatorische Bewegungen === [[Datei:Virginia Woolf (4)-3.jpg|thumb|Virginia Woolf als „Straßenkunst“ in [[São Paulo]], [[Brasilien]] (2007)]] Auf der Suche nach einer literarischen Rechtfertigung für ihr naturverbundenes Streben nach (zumeist sexueller) Befreiung bemühten [[Subkultur|Nischenkulturen]] und [[Freidenker]] wie Anhänger des [[Neopaganismus]] oder [[Hippie]]s im angloamerikanischen Raum oft beliebige Versatzstücke aus Woolfs Schriften. Unter anderem verwiesen sie auf Woolfs Bekanntschaft zu [[Rupert Brooke]] oder reflektierten auf die allgemeine Ungezwungenheit der Bloomsbury Group, welche die offene Sexualität der in den 1960ern proklamierten „[[Polyamory]]“ vorweggenommen hatte.<ref name="pryor">William Pryor: [http://williampryor.wordpress.com/some-prose/the-living-memes-and-jeans-of-bloomsbury-and-neo-paganism/ ''The Living Memes and Jeans of Bloomsbury and Neo-Paganism'']. International Virginia Woolf Conference at [[Smith College]], [[Massachusetts]], USA, 2003 (abgerufen 4. Januar 2008)</ref> Von der [[Lesben- und Schwulenbewegung]] und den späteren [[LGBT]]-Aktivisten wurde Virginia Woolf aufgrund ihrer sorgfältig gestalteten [[Androgynie|androgynen]] Frauencharaktere mit ihrer facettenreichen Psychologie, des spielerischen Wandels der (Geschlechts-) Identitäten in ''Mrs Dalloway'', ''Orlando'' und ''The Waves'' sowie der distanzierten Sexualität der Autorin zu einer literarischen Leitfigur und zur Autorität „weiblichen Schreibens“ stilisiert, obgleich sich Woolf in keine generelle geschlechtsspezifische Position einordnen lässt. Als weibliche Hauptfigur von „Bloomsbury“ und deren Protest der „Viktorianer gegen den Viktorianismus“ prägte sie das Bild der [[Emanzipation]].<ref name="fyne">[http://www.fyne.co.uk/index.php?item=231 ''Virginia Woolf'']. In: ''Fyne Times Gay and Lesbian Magazine, UK''</ref><ref name="duhm">Jutta Duhm-Heitzmann: [http://www.zeit.de/1991/18/Ekstase-Wo-ist-das-Postamt ''Ekstase! Wo ist das Postamt?'']. In: ''Die Zeit'', Nr. 18/1991 (abgerufen 4. Januar 2008)</ref> Im Kanon des modernen angloamerikanischen Universitätsromans nach 1945 entwickelte sich ein verstärktes Interesse an der [[Avantgarde|avantgardistischen]] psychologischen Erzählhaltung des Woolfschen Werks sowie dessen gesellschaftskritischen und sprachwissenschaftlichen Gehalts. Dieses Interesse pflanzte sich ab den 1970er-Jahren über vereinzelte intellektuelle Abhandlungen, Seminare und wissenschaftliche Symposien fort und manifestierte sich in der Gegenwart mit Gründung der ''International Virginia Woolf Society'' in [[Toronto]], als koordinierendes englischsprachiges Netzwerk. Gestützt durch die [[Modern Language Association]] werden dabei aktuelle Forschungsergebnisse zum vielschichtigen Leben und Werk der Schriftstellerin und ihrem Einfluss auf die moderne Sprache zusammengetragen und untersucht.<ref>[http://www.utoronto.ca/IVWS/ The International Virginia Woolf Society]</ref> === Wirkungen im deutschsprachigen Raum === Im deutschsprachigen Raum der Nachkriegszeit war Virginia Woolfs Werk zunächst nur einer „literarischen Elite“ bekannt und wurde erst in den 1970er und 80er-Jahren von Teilen der Frauenbewegung wahrgenommen, worauf die ''„Identifikation mit Schwäche […] als Leitthema der Woolf-Rezeption“'' durch Teile der Frauenbewegung, ''„die Frauen aufs Opfer-Sein reduzieren“'', zum Motto erklärt werde, wie die Zeitschrift ''[[Emma (Zeitschrift)|Emma]]'' 1980 kritisierte. In demselben Essay stellte ''Emma'' einen bewusst überspitzten Vergleich mit der jüngeren amerikanischen Schriftstellerkollegin [[Sylvia Plath]] an, die ebenfalls Suizid verübte und an der Rolle des „weiblichen Genius“ habe scheitern müssen: ''„[…]unter der fluchbeladenen Bürde, genial zu sein, musste das zarte Weib zusammenbrechen, schon der lieben, armen Schwester Plath ward es so ergangen, wie konnte es auch anders sein – es ist nicht die Natur der Frau, aus der Reihe zu tanzen, Großes zu leisten – wie männlich!“<ref name="strobl">Ingrid Strobl: [http://www.emma.de/1101.html ''Virginia Woolf – Nicht nur das schöne Bild'']. In: ''Emma'', Januar 1980 (abgerufen 4. Januar 2008)</ref> === Kritik === Nigel Nicolson veröffentlichte von 1975 bis 1980 Briefe von Virginia Woolf bei Hogarth Press,<ref>Nigel Nicolson, Joanne Trautmann: ''The Letters of Virginia Woolf I–VI''. Hogarth Press 1975–1980</ref> die in ihrer subjektiven Auswahl einem biographisch authentischen Kontext gegenüberstehen, wobei Nicolson in seiner 2000 erschienenen Biographie ''Virginia Woolf'' neben ihrer Werkbeschreibung und wichtigen Rolle in der Frauenbewegung ihren latent auftretenden [[Judenfeindlichkeit|Antisemitismus]] und [[Xenophobie|Fremdenhass]] nicht aussparte. [[Datei:E. M. Forster von Dora Carrington, 1924-25.jpg|thumb|upright|[[Dora Carrington]]: ''Porträt E.&nbsp;M. Forster'', 1924/25]] In ihren Tagebüchern pflegte Virginia die ungeliebte Familie ihres Mannes gelegentlich als „the Jews“ zu titulieren, bei Tisch forderte sie zuweilen auf: ''„Give the Jew his food“'' und meinte damit ihren Mann Leonard.<ref>[https://www.commentarymagazine.com/viewarticle.cfm/Mr-Virginia-Woolf-10801?page=2 John Gross: ''„Mr. Virginia Woolf“''. (Rezension)]</ref> Die englische Professorin [[Hermione Lee]] berichtet in ihrer profunden, 1996 erschienenen Biographie, dass der Antisemitismus in der englischen Oberschicht bis in die 1930er-Jahre recht verbreitet war und zitiert Virginia Woolfs Bedauern über ihr Verhalten gegenüber Leonard und seiner Familie in einem Brief an ihre Freundin Ethel Smyth vom 2. August 1930: ''„Wie es mir zuwider war, einen Juden zu heiraten […] – ich war ein solcher [[Snob]]!“''<ref name="lee2">Hermione Lee: ''Virginia Woolf. Ein Leben'', S. 414.</ref> [[E. M. Forster]], zeitweilig selbst Bloomsbury-Mitglied, betrachtete den Einfluss der Frauenbewegung auf Virginia Woolfs Werk ambivalent. In einem Vortrag, der ''Rede Lecture'' von 1941 an der [[University of Cambridge]], lobte er zwar die von der Frauenbewegung inspirierte „hinreißende Brillanz“ von ''A Room of One’s Own'', kritisierte aber, ''„dass die Frauenbewegung auch schuld am miserabelsten ihrer Bücher ist – den streitsüchtigen ‚Three Guineas‘ – und Ursache für eine Reihe weniger guter Passagen in ‚Orlando‘.'' Darüber hinaus unterstellte Forster der Schriftstellerin eine [[stereotyp]]e Sichtweise: ''„Sie war überzeugt davon, dass die Gesellschaft für die Männer gemacht sei, dass die Hauptbeschäftigung der Männer darin bestehe, Blut zu vergießen, Geld zu verdienen, Befehle auszuteilen und Uniformen zu tragen und dass keine dieser Beschäftigungen bewunderungswürdig sei.“''<ref>Werner Waldmann: ''Virginia Woolf'', S. 139</ref> === Würdigungen === Die indische Autorin und Übersetzerin [[Ruth Vanita]] stellt Virginia Woolf in ihrer Studie ''Sappho and the Virgin Mary: Same – Sex Love and the English Literary Imagination (Between Men – Between Women – Lesbian and Gay Studies)'' als „[[Sappho|sapphische]] Autorin im Dialog mit ihren Zeitgenossinnen und Vorfahren“ dar.<ref name="vanita">Ruth Vanita: ''Sappho and the Virgin Mary: Same-Sex Love and the English Literary Imagination (Between Men-Between Women – Lesbian and Gay Studies)''. Columbia University Press, New York 1997, ISBN 0-231-10550-9</ref> Zu Virginia Woolfs 125. Geburtstag veröffentlichte der [[S. Fischer Verlag|Fischer Verlag]] eine umfassende Auswahl ihrer Briefe, die, wie die ''[[Die Zeit]]'' rezensierte, eine „Virginia Woolf ohne Fesseln“ widerspiegelt, in deren Briefen ''„[…] nichts zu spüren ist von ihren Qualen beim Schreiben der Romane, die oft Reisen an die Grenzen ihrer geistigen Gesundheit waren.“'' Überdies vermerkte ''Die Zeit'' ihre pointierten Briefe als „satirische Miniaturen“, die sowohl die unterhaltsame, humorvolle Seite der Virginia Woolf als Gegensatz zu ihren „intellektuellen Diskursen“ zeigen, als auch ihre Neigung, mit Klatsch und Tratsch gefallen, beziehungsweise amüsieren zu wollen.<ref name="menasse">Eva Menasse: [http://www.zeit.de/2006/40/L-Woolf ''An der Nabelschnur'']. In: ''Die Zeit'', Nr. 40/2006, 28. September 2006 (abgerufen 4. Januar 2008)</ref> === Theaterstück und Film ''Wer hat Angst vor Virginia Woolf?'' === [[Edward Albee]]s Theaterstück ''Who’s Afraid of Virginia Woolf?'' (''[[Wer hat Angst vor Virginia Woolf?]]'') wurde am 13.&nbsp;Oktober&nbsp;1962 am Billy Rose Theater in [[New York City|New York]] uraufgeführt. Die Idee hierzu kam Albee um 1953 oder 1954 nach eigener Aussage angesichts einer Reihe von [[Graffiti]] im Waschraum einer Bar: ''„Eines Nachts war ich dort auf ein Bier, und ich sah „Who’s Afraid of Virginia Woolf?“ auf einen Spiegel geschmiert, vermutlich mit Seife. Als ich das Stück zu schreiben begann, ging mir diese Zeile nicht aus dem Sinn. Und natürlich meint „Who’s afraid of Virginia Woolf“ das (Kinderlied) „Who’s afraid of the big bad Wolf“ … Wer fürchtet sich vor einem Leben ohne falsche Illusionen. Und ich hielt es für einen ziemlich universitätstypischen intellektuellen Witz.“''<ref name="paris">[http://www.theparisreview.com/media/4350_ALBEE.pdf Interview mit Edward Albee], von: William Flanegan, in: ''The Art of Theater, No. 4, Paris Review'', 1966 (englisch; [[PDF]]-Datei) </ref> Im Jahr 1966 folgte eine [[Wer hat Angst vor Virginia Woolf? (Film)|US-amerikanische Verfilmung]] unter der Regie von [[Mike Nichols]]. Die Hauptdarsteller waren [[Elizabeth Taylor]] und [[Richard Burton]]. == Erzählerisches Werk, Essays (Auswahl) == * 1915: ''The Voyage Out''. Duckworth, London – ''[[Die Fahrt hinaus]]''. Roman. Fischer, Frankfurt a. M. 1991, ISBN 3-596-10694-X * 1917: ''The Mark on the Wall''. Hogarth Press, Richmond – ''[[Das Mal an der Wand]]''. In: ''Erzählungen''. Fischer, Frankfurt a. M. 1965 * 1919: ''Kew Gardens''. Hogarth Press, Richmond – ''[[Im Botanischen Garten]]''. In: ''Erzählungen''. Fischer, Frankfurt a. M. 1965 * 1919: ''Night and Day''. Duckworth, London – ''[[Nacht und Tag]]''. Roman. Fischer, Frankfurt a. M. 1984, ISBN 3-10-092510-6 * 1921: ''Monday or Tuesday''. Hogarth Press, Richmond – ''[[Montag oder Dienstag]]''. In: ''Erzählungen''. Fischer, Frankfurt a. M. 1965 * 1922: ''Jacob’s Room''. Hogarth Press, Richmond – ''[[Jacobs Zimmer]]''. Roman. Fischer, Frankfurt a. M. 2000, ISBN 3-596-14578-3 * 1925: ''Mrs Dalloway''. Hogarth Press, London – ''[[Mrs. Dalloway|Mrs Dalloway]]''. Roman. Fischer, Frankfurt a. M. 2003, ISBN 3-596-14002-1 * 1925: ''The Common Reader'' (1). Hogarth Press, London – ''Der gewöhnliche Leser'' (1). Essays. Fischer, Frankfurt a. M. 1989, ISBN 3-10-092570-X * 1926: (Herausgeber zusammen mit Roger Fry) ''Julia Margaret Cameron. Victorian Photographs of Famous Men & Fair Women''. New York: Harcourt, Brace * 1927: ''To the Lighthouse''. Hogarth Press, London – ''[[Die Fahrt zum Leuchtturm|Zum Leuchtturm]]''. Roman. Fischer, Frankfurt a. M. 1993, ISBN 3-596-12019-5 * 1928: ''Orlando''. Hogarth Press, London – ''[[Orlando (Roman)|Orlando – eine Biographie]]''. Fischer, Frankfurt a. M. 1992, ISBN 3-596-11331-8 * 1929: ''A Room of One’s Own''. Hogarth Press, London – ''[[Ein eigenes Zimmer]]''. Essay. Fischer, Frankfurt a. M. 2001, ISBN 3-596-14939-8 * 1931: ''The Waves''. Hogarth Press, London – ''[[Die Wellen]]''. Roman. Fischer, Frankfurt a. M. 1994, ISBN 3-596-12184-1 * 1932 ''The Common Reader'' (2) – ''Der gewöhnliche Leser'' (2). Essays. Fischer, Frankfurt a. M. 1990, ISBN 3-596-13649-0 * 1933: ''Flush. A Biography''. Hogarth Press, London – [[Flush (Roman)|''Flush – Die Geschichte eines berühmten Hundes'']]. Fischer, Frankfurt a. M. 1994, ISBN 3-596-12416-6 * 1937: ''The Years''. Hogarth Press, London – ''[[Die Jahre]]''. Roman. Fischer, Frankfurt a. M. 2002, ISBN 3-596-15521-5 * 1938: ''Three Guineas''. Hogarth Press London – ''[[Drei Guineen]]''. In: ''Ein eigenes Zimmer / Drei Guineen''. Zwei Essays. Fischer, Frankfurt a. M. 2001, ISBN 3-10-092573-4 * 1940: ''Roger Fry. A Biography''. Hogarth Press, London; Harcourt Publishers Ltd College Publishers 1976, ISBN 0-15-678520-X * 1941: ''Between the Acts''. Hogarth Press, London (postum veröffentlicht im Juli 1941) – ''[[Zwischen den Akten]]''. Roman. Fischer, Frankfurt a. M. 1999, ISBN 3-596-14341-1 == Lesungen / Hörbücher == * ''Orlando.'' Eine vollständige Lesung des Romans. Sprecherin: [[Sissy Höfferer]]. 8 CDs, Gesamtlaufzeit 525&nbsp;Minuten. der hörverlag / Sender Freies Berlin 2002. * ''Die Wellen.'' Lesung mit [[Gert Westphal]], Gustl Haneke und anderen. 2 CDs, Gesamtlaufzeit 102&nbsp;Minuten. Der Audio Verlag, 2005. == Verfilmungen == * ''To the Lighthouse'': Film von 1983 mit [[Rosemary Harris]], [[Michael Gough (Schauspieler)|Michael Gough]], Suzanne Berti und [[Kenneth Branagh]]. * ''[[Orlando (Film)|Orlando]]'' nach dem gleichnamigen Roman von Virginia Woolf. Buch und Regie: [[Sally Potter]]. Mit [[Tilda Swinton]] (Orlando), [[Billy Zane]] (Shelmerdine), [[Lothaire Bluteau]] (Khan), [[Quentin Crisp]] (Königin Elizabeth I), [[Heathcote Williams]] (Nick Greene), Charlotte Valandrey (Sasha). Land: Großbritannien, Russland, Frankreich, Italien, Niederlande. Jahr: 1992. * ''[[The Hours – Von Ewigkeit zu Ewigkeit]]''. Nach dem gleichnamigen Roman von Michael Cunningham. Buch: [[David Hare]]. Mit [[Nicole Kidman]] (Virginia Woolf), [[Julianne Moore]] (Laura Brown), [[Meryl Streep]] (Clarissa Vaughan), [[Stephen Dillane]] (Leonard Woolf), [[Miranda Richardson]] (Vanessa Bell), George Loftus (Quentin Bell), Charley Ramm (Julian Bell), Sophie Wyburd (Angelica Bell), Lyndsey Marshal (Lottie Hope), Linda Bassett (Nelly Boxall), [[Christian Coulson]] (Ralph Partridge), Michael Culkin (Arzt), [[John C. Reilly]] (Dan Brown), Jack Rovello (Richie Brown), [[Toni Collette]] (Kitty Barlowe), Margo Martindale (Mrs. Latch), Colin Stinton (Hotelangestellter), [[Ed Harris]] (Richard Brown), [[Allison Janney]] (Sally Lester), [[Claire Danes]] (Julia Vaughan), [[Jeff Daniels]] (Louis Waters), Eileen Atkins (Barbara), Carmen De Lavallade (Clarissas Nachbarin), Daniel Brocklebank (Rodney). Land: USA. Jahr: 2002. * ''Mrs Dalloway''. Nach dem gleichnamigen Roman von Virginia Woolf. Regie: [[Marleen Gorris]]. Buch: Eileen Atkings. Kamera: Sue Gibson. Musik: Ilona Sekacz. Mit [[Vanessa Redgrave]] (Mrs. Dalloway), [[Natascha McElhone]] (junge Mrs. Dalloway), [[Rupert Graves]] (Septimus Warren Smith), [[Michael Kitchen]] (Peter Walsh), [[Alan Cox]] (junger Peter Walsh), [[Lena Headey]] (junge Sally), Sarah Bade (ältere Sally – Lady Rosseter). Land: GB/NL. Jahr: 1997. == Briefe, Tagebücher, Essays == * ''Moments of Being''. Unpublished Autobiographical Writings. Edited by Jeanne Schulkind, Brighton 1976; dt. ''Augenblicke. (Skizzen der Vergangenheit) Skizzierte Erinnerungen''. Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart 1981 und Fischer Verlag, Frankfurt, ISBN 3-596-25789-1 * ''A Passionate Apprentice: The Early Journals 1897–1909''. Hrsg. von Mitchell A. Leaska. Hogarth Press, London 1990. * ''The Diary of Virginia Woolf''. 5 Bände. Hrsg. von Anne Olivier Bell. Hogarth Press, London 1977–84. * ''The Letters of Virginia Woolf''. 6 Bände. Hrsg. von Nigel Nicolson und Joanna Trautmann. Hogarth Press, London 1975–80. * ''The Essays of Virginia Woolf''. 6 Bände. Hrsg. von Andrew McNeillie. Hogarth Press, London 1986- * ''Briefe 1. 1888–1927''. Hrsg. von [[Klaus Reichert (Anglist)|Klaus Reichert]] und Brigitte Walitzek. Fischer, Frankfurt a. M. 2006, ISBN 978-3-10-092556-5 * ''Briefe 2. 1928–1941''. Hrsg. von Klaus Reichert und Brigitte Walitzek. Fischer, Frankfurt a. M. 2006, ISBN 978-3-10-092564-0 * ''Tagebücher, Bd. 1. 1915–1919''. Hrsg. von Klaus Reichert. Fischer, Frankfurt a. M. 1990, ISBN 3-10-092552-1 * ''Tagebücher, Bd. 2. 1920–1924''. Hrsg. von Klaus Reichert. Fischer, Frankfurt a. M. 1994, ISBN 3-10-092555-6 * ''Tagebücher, Bd. 3. 1925–1930''. Hrsg. von Klaus Reichert. Fischer, Frankfurt a. M. 1999, ISBN 3-10-092559-9 * ''Tagebücher, Bd. 4. 1931–1935''. Hrsg. von Klaus Reichert. Fischer, Frankfurt a. M. 2003, ISBN 3-10-092562-9 * ''Tagebücher, Bd. 5. 1936–1941''. Hrsg. von Klaus Reichert, Fischer, Frankfurt a. M. 2008, ISBN 978-3-10-092566-4 Virginia Woolf schrieb etwa 500 weitere Essays, Rezensionen und Prosaskizzen. Bei der Auswahl der deutschen Lektüre ist zu beachten, dass die Werke Virginia Woolfs seit 1989 in neuen Übersetzungen angeboten werden. Sie wurden herausgegeben und (neu) kommentiert von Klaus Reichert.<ref>{{"|Die Edition der Gesammelten Werke der Virginia Woolf wurde 1989 begonnen. Sie umfasst alle Romane, die Kurzprosa und die Biographien sowie sämtliche Tagebücher und eine Auswahl der Briefe und Essays. Die Romane werden in neuen, dem syntaktischen und rhythmischen Sprachduktus des Originals enger angenäherten Übersetzungen vorgelegt. Der größte Teil der übrigen Werke wird in dieser Ausgabe zum ersten Mal in deutscher Sprache veröffentlicht.}} Faltblatt des [[S. Fischer Verlag|S. Fischer]] und des Fischer Taschenbuch Verlags, Juli 1997.</ref> == Sekundärliteratur == ''Deutsche Literatur und Übersetzungen aus dem Englischen:'' * Hermione Lee: ''Virginia Woolf. Ein Leben''. Deutsch von Holger Fliessbach. Fischer Verlag, Frankfurt a. M. 1999. Als Taschenbuch 2006: ISBN 3-596-17374-4. * Leonard Woolf: ''Mein Leben mit Virginia. Erinnerungen''. Fischer Verlag, Frankfurt a. M. 2003, ISBN 3-596-25686-0. * Quentin Bell: ''Virginia Woolf. Eine Biographie''. [[Suhrkamp Verlag]], Frankfurt a. M. 1982, ISBN 3-518-37253-X. * Nigel Nicolson: ''Portrait einer Ehe. Harold Nicolson und Vita Sackville-West.'' Ullstein Verlag, Berlin 2002, ISBN 3-548-30387-0 * Nigel Nicolson: ''Virginia Woolf''. Claassen Verlag, München 2001, ISBN 3-546-00293-8 * Werner Waldmann: ''Virginia Woolf: mit Selbstzeugnissen und Bilddokumenten.'' Rowohlt, Reinbek, 12. Auflage 2006, ISBN 3-499-50323-9 * Luise Berg-Ehlers: ''Die Gärten der Virginia Woolf''. Nicolai Verlag, Berlin 2004, ISBN 3-87584-378-9 * Louise DeSalvo: ''Virginia Woolf. Die Auswirkungen sexuellen Missbrauchs auf ihr Leben und Werk''. Fischer Verlag, Frankfurt a. M. 2002, ISBN 3-596-10566-8 * Susanne Amrain: ''So geheim und vertraut. Virginia Woolf und Vita Sackville-West''. Suhrkamp, Frankfurt a. M. 1998, ISBN 3-518-39311-1 * George Spater & Ian Parsons. ''Porträt einer ungewöhnlichen Ehe. Virginia & Leonard Woolf'' [= ''A marriage of true minds'']. Aus dem Englischen von Barbara Scriba-Sethe. Vorwort von Quentin Bell. Überarbeitete Neuausgabe. Fischer Verlag, Frankfurt a. M. 2002, ISBN 3-596-13445-5. Die englische Originalausgabe erschien 1977 bei Jonathan Cape Ltd./The Hogarth Press, London. George Spater katalogisierte das Woolf-Archiv. Ian Parsons war Freund und Geschäftspartner Leonard Woolfs nach der Fusion der Hogarth Press mit Chatto & Windus. * Helmut Winter: ''Virginia und Leonard Woolf''. Rowohlt&nbsp;•&nbsp;Berlin Verlag, Berlin, 1999, ISBN 3-87134-352-8 * [[Jürgen Klein]]: ''Virginia Woolf: Genie – Tragik – Emanzipation'', Heyne Verlag, München 1984, 2.&nbsp;Aufl. 1992, ISBN 3-453-55115-X * Ursula Voss: ''Bertrand Russell und Lady Ottoline Morrell. Eine Liebe wider die Philosophie''. Rowohlt&nbsp;•&nbsp;Berlin Verlag, Reinbek 1999, ISBN 3-87134-310-2 ''Englische Literatur:'' * Anthony Curtis: ''Virginia Woolf : Bloomsbury and beyond'', London : Haus Books, 2006, ISBN 1-904950-23-X * Jane Goldman: ''The Feminist Aesthetics of Virginia Woolf: Modernism, Post-Impressionism and the Politics of the Visual''. Cambridge University Press, Neuauflage 2001, ISBN 0-521-79458-7 * Jean Moorcroft Wilson: ''Virginia Woolf and Anti-Semitism'', Cecil Woolf, London 1995, ISBN 1-897967-40-3. * N. C. Thakur: ''The Symbolism of Virginia Woolf''. Oxford University Press, London 1965 ''Dieses Buch diente als Vorlage des Films [[The Hours – Von Ewigkeit zu Ewigkeit|The Hours]]:'' * Michael Cunningham: ''Die Stunden''. btb Verlag 2001, ISBN 3-442-72629-8. Drei scheinbar unabhängige Handlungsstränge zeigen Virginia Woolf in den 1920er Jahren, Laura Brown im Californien der 50er-Jahre und Clarissa Vaughan im New York der 90er-Jahre des 20.&nbsp;Jahrhunderts. Sie sind verknüpft über die von Virginia Woolf geschaffene Gestalt der Mrs Dalloway. == Weblinks == {{commons|Virginia Woolf}} {{Wikiquote|Virginia Woolf}} * {{DNB-Portal|118635174}} {{LeMO|WoolfVirginia|Virginia Woolf|Claudia Prinz}} * {{FemBio|http://www.fembio.org/biographie.php/frau/biographie/virginia-woolf/}} * {{IMDb Name|0941173}} * [http://www.modern-humanities.info/people/portraits/Virginia%20Woolf_02.jpg Porträt Virginia Woolfs von George Beresford, 1902] * [http://www.literaturport.de/index.php?id=28&tid=145&no_cache=1 Literaturport: kostenlose Hörprobe von Briefen Virginia Woolfs] (in dt. Übersetzung vorgelesen) * [http://www.virginiawoolfsociety.co.uk/index.html Homepage der Virginia-Woolf-Gesellschaft Großbritanniens] (englisch) * [http://www.utoronto.ca/IVWS/ Homepage der Internationalen Virginia-Woolf-Gesellschaft (Toronto)] (englisch) * [http://library.vicu.utoronto.ca/exhibitions/bloomsbury/covers/hand_printed/index.htm Verzeichnis der von Hand gedruckten Werke der Hogarth Press mit Abbildungen des Bucheinbands] (englisch) * Wieland Freund: [http://www.welt.de/data/2007/01/20/1181752.html ''Die elf Elchhunde der Virginia Woolf'']. In: ''[[Die Welt]]'', 20. Januar 2007. * Elsemarie Maletzke: [http://images.zeit.de/text/1998/17/woolf.txt.19980416.xml ''Durch Sussex und Kent – auf den Spuren von Virginia Woolf und ihrem Freundeskreis'']. In: ''[[Die Zeit]]'', Nr. 17, 1998. * [http://www.nationaltrust.org.uk/main/w-vh/w-visits/w-findaplace/w-monkshouse/ Monk’s House] – Website des [[The National Trust|National Trust]] (englisch) * [http://www.bbc.co.uk/bbcfour/audiointerviews/profilepages/woolfv1.shtml Virginia Woolf in einem Interview der BBC], 29. April 1937. == Einzelnachweise == <references /> {{Exzellent|5. April 2008|44536030}} {{Normdaten|PND=118635174|LCCN=n/79/41870|VIAF=39385478}} {{DEFAULTSORT:Woolf, Virginia}} [[Kategorie:Virginia Woolf| ]] [[Kategorie:Autor]] [[Kategorie:Frauenrechtler]] [[Kategorie:Person (London)]] [[Kategorie:Brite]] [[Kategorie:Geboren 1882]] [[Kategorie:Gestorben 1941]] [[Kategorie:Frau]] [[Kategorie:Literatur (20. Jahrhundert)]] [[Kategorie:Literatur (Englisch)]] [[Kategorie:Roman, Epik]] [[Kategorie:Erzählung]] [[Kategorie:Essay]] [[Kategorie:Tagebuch]] [[Kategorie:Literaturkritik]] [[Kategorie:Verleger]] [[Kategorie:Bloomsbury-Gruppe]] [[Kategorie:Person des Neopaganismus]] {{Personendaten |NAME=Woolf, Virginia |ALTERNATIVNAMEN=Stephen, Adeline Virginia (Geburtsname) |KURZBESCHREIBUNG=britische Schriftstellerin und Verlegerin |GEBURTSDATUM=25. Januar 1882 |GEBURTSORT=[[London]] |STERBEDATUM=28. März 1941 |STERBEORT=[[Lewes]], Sussex }} [[ar:فرجينيا وولف]] [[be-x-old:Вірджынія Вулф]] [[bg:Вирджиния Улф]] [[br:Virginia Woolf]] [[bs:Virginia Woolf]] [[ca:Virginia Woolf]] [[cs:Virginia Woolfová]] [[cy:Virginia Woolf]] [[da:Virginia Woolf]] [[el:Βιρτζίνια Γουλφ]] [[en:Virginia Woolf]] [[eo:Virginia Woolf]] [[es:Virginia Woolf]] [[et:Virginia Woolf]] [[eu:Virginia Woolf]] [[fa:ویرجینیا وولف]] [[fi:Virginia Woolf]] [[fr:Virginia Woolf]] [[ga:Virginia Woolf]] [[gan:維吉尼野·烏爾芙]] [[gl:Virginia Woolf]] [[he:וירג'יניה וולף]] [[hi:वर्जिनिया वुल्फ़]] [[hr:Virginia Woolf]] [[hu:Virginia Woolf]] [[id:Virginia Woolf]] [[io:Virginia Woolf]] [[is:Virginia Woolf]] [[it:Virginia Woolf]] [[ja:ヴァージニア・ウルフ]] [[ka:ვირჯინია ვულფი]] [[ko:버지니아 울프]] [[la:Virginia Woolf]] [[lt:Virginia Woolf]] [[lv:Virdžīnija Vulfa]] [[mk:Вирџинија Вулф]] [[ml:വിർജിനിയ വുൾഫ്]] [[mr:व्हर्जिनिया वूल्फ]] [[nl:Virginia Woolf]] [[no:Virginia Woolf]] [[oc:Virginia Woolf]] [[pl:Virginia Woolf]] [[pt:Virginia Woolf]] [[qu:Virginia Woolf]] [[ro:Virginia Woolf]] [[ru:Вулф, Вирджиния]] [[sh:Virginia Woolf]] [[si:වර්ජිනියා වුල්ෆ්]] [[simple:Virginia Woolf]] [[sk:Virginia Woolfová]] [[sq:Virginia Woolf]] [[sr:Вирџинија Вулф]] [[sv:Virginia Woolf]] [[tg:Вирҷиниа Вулф]] [[th:เวอร์จิเนีย วูล์ฟ]] [[tr:Virginia Woolf]] [[uk:Вірджинія Вулф]] [[ur:ورجینیا وولف]] [[vi:Virginia Woolf]] [[yo:Virginia Woolf]] [[zh:弗吉尼亚·吴尔夫]] [[zh-min-nan:Virginia Woolf]] gdvqyfy5xu878th6c82y7x30zxi3qq9 wikitext text/x-wiki Visum 0 23516 27403 27327 2010-06-13T15:52:52Z Bernhard Wallisch 228 Änderungen von [[Special:Contributions/YMS|YMS]] ([[User talk:YMS|Diskussion]]) rückgängig gemacht und letzte Version von [[User:Nassauer27|Nassauer27]] wiederhergestellt Ein '''Visum''' (im [[Deutsche Sprache|Deutschen]] früher auch ''Sichtvermerk'')<ref>So noch die Terminologie in §&nbsp;3 Abs.&nbsp;3 des Ausländergesetzes vom 8. Juli 1990, BGBl.&nbsp;I S.&nbsp;1354, 1356</ref> ist ein amtlicher Vermerk, der für das Überschreiten einer [[Grenze]] des ausstellenden Staates erforderlich ist. In den meisten Fällen wird das Visum als ''Einreisevisum'' ausgestellt, manche Staaten verlangen auch ein ''Ausreisevisum''<ref>Vgl. die [http://www.state.gov/g/drl/rls/hrrpt/2006/78887.htm Informationen des U.S. State Department: ''Cuba – Country Reports on Human Rights Practices – 2006''], herausgegeben vom ''Bureau of Democracy, Human Rights, and Labor'' am 6. März 2007</ref> oder ein Visum für Reisen innerhalb des Landes.<ref>Zum Beispiel ist für das Bereisen des Gebietes [[Berg-Badachschan|Gorno Badachschan (auch Bergbadachschan genannt)]], eines östlichen Teils [[Tadschikistan]]s, ein solches Visum erforderlich: [http://www.eurasischesmagazin.de/pdf/em01-05.pdf Eurasisches Magazin, Januar 2005, Seite 28 re.Sp.]</ref> Das Visum kann abhängig von der Rechtsordnung des Ausstellerstaates auch die eigentliche Erlaubnis zum Grenzübertritt oder zum [[Aufenthaltstitel|Aufenthalt]] im ausstellenden Staat bereits mitenthalten.<ref>So nach deutschem Recht; vgl. {{§|4|aufenthg_2004|juris}} Abs.&nbsp;1 Satz&nbsp;2 Nr.&nbsp;1 des [[Aufenthaltsgesetz]]es, wo das Visum als Aufenthaltstitel bezeichnet ist. Vgl. zu nationalen Visa auch {{§|6|aufenthg_2004|juris}} Abs.&nbsp;4 Satz&nbsp;3 des [[Aufenthaltsgesetz]]es, wonach die Dauer des rechtmäßigen Aufenthaltes mit einem nationalen Visum den Zeiten des Besitzes eines anderen Aufenthaltstitels gleichgestellt wird</ref> Ebenso bestimmt die Rechtsordnung des Ausstellerstaates, welche Behörde das Visum erteilt. Zuständige Stelle für die Erteilung von Einreisevisa ist zumeist ein [[Konsul]]at oder die konsularische Abteilung der [[Botschaft (Diplomatie)|Botschaft]] des jeweiligen Landes.<ref>Vgl. für die Schengen-Staaten etwa Artikel&nbsp;12 des [[Schengener Abkommen|Schengener Durchführungsübereinkommens]]</ref> Die Erteilung an einer Grenzübergangsstelle ist in einigen Staaten nur ausnahmsweise zulässig,<ref>So etwa in den Schengen-Staaten, vgl. näher die Verordnung (EG) Nr. 415/2003 des Rates vom 27. Februar 2003 über die Erteilung von Visa an der Grenze, einschließlich der Erteilung derartiger Visa an Seeleute auf der Durchreise (Abl. EU Nr. L 64, S. 1)</ref> während sie in anderen Staaten den Regelfall darstellt.<ref>Vgl. etwa [http://www.auswaertiges-amt.de/diplo/de/Laenderinformationen/Aegypten/Sicherheitshinweise.html Auswärtiges Amt (Deutschland): ''Ägypten – Reise- und Sicherheitshinweise''], Abschnitt „Einreisebestimmungen für deutsche Staatsangehörige“, abgerufen am 18. Dezember 2007</ref> [[Datei:Visa.jpg|miniatur|hochkant=1.5|Verschiedene Sichtvermerke (Visa) und andere Kontrollstempel in einem deutschen [[Reisepass]]]]Regelmäßig wird ein Visum in einem [[Pass (Dokument)|Pass]] oder [[Passersatz]] des Reisenden angebracht,<ref>Für den Schengen-Raum vgl. Verordnung (EG) Nr. 1683/95 des Rates vom 29. Mai 1995 über eine einheitliche Visagestaltung, ABl. EG Nr. L 164, S.&nbsp;1</ref> in bestimmten Fallgruppen<ref>Vgl. hierzu zu den Schengen-Staaten die Verordnung (EG) Nr. 333/2002 des Rates vom 18. Februar 2002 über die einheitliche Gestaltung des Formblatts für die Anbringung eines Visums, das die Mitgliedstaaten den Inhabern eines von dem betreffenden Mitgliedstaat nicht anerkannten Reisedokuments erteilen, ABl.&nbsp;L&nbsp;53, S.&nbsp;4</ref> und Staaten aber auch auf einem besonderen Blatt erteilt. Das Wort ''Visum'' ([[Plural]]form ''Visa'' oder ''Visen'') stammt aus dem [[Latein]]ischen („das Gesehene“). In der deutschen [[Umgangssprache]] findet als [[Singular]]form teilweise auch die – nach [[Deutsche Grammatik|deutscher Grammatik]] nicht korrekte – [[Englische Sprache|englische]] Singularform ''visa'' Verwendung. == Allgemeiner Zweck der Visumpflicht == Eine Visumpflicht wird vor allem eingeführt, um zu verhindern, dass Personen in den Ausstellerstaat einreisen, von denen die hierzu festgelegten Voraussetzungen nicht erfüllt werden. Dazu wird die Zulässigkeit des Grenzübertritts in einem vorgeschalteten Verwaltungsverfahren geprüft. Die Vorabprüfung kann mehrere Ursachen und Ziele haben, wovon besonders bedeutsam sind:<ref>Vgl. http://www.zuwanderung.de/cln_108/nn_1068548/DE/Zuwanderung__geschieht__jetzt/ZuwanderungAZ/Functions/AZ__catalog,lv2=1069852,lv3=1087584.html</ref> * Bei der Grenzkontrolle selbst besteht aus zeitlichen und zahlreichen praktischen Gründen nur eine eingeschränkte Möglichkeit, die Einreisevoraussetzungen zu prüfen. So kann z.&nbsp;B. bei der Prüfung eines Antrages auf ein Einreisevisum eine im Herkunfts- oder Wohnsitzstaat ortskundige Auslandsvertretung die Echtheit und den Aussagegehalt vorgelegter Urkunden aus diesem Staat besser beurteilen. Zudem besteht ausreichend Zeit zur Beteiligung anderer Stellen, etwa von [[Polizei]]behörden oder [[Nachrichtendienst]]en.<ref>Vgl. zur Beteiligung anderer Behörden im Visumverfahren in Deutschland allgemein §&nbsp;30 ff. der [[Aufenthaltsverordnung]] und speziell zu Nachrichtendiensten {{§|73|aufenthg_2004|juris}} [[Aufenthaltsgesetz]]</ref> * Wird Beförderungsunternehmern die Pflicht auferlegt, [[Ausländer]] nur mit einem gültigen Einreisevisum zu befördern,<ref>In Deutschland z.&nbsp;B. nach {{§|64|aufenthg_2004|juris}} [[Aufenthaltsgesetz|AufenthG]]</ref> wird die Wahrscheinlichkeit verringert, dass Personen auf dem Luftweg zunächst in das Gebiet des Zielstaates gelangen, wo ihnen sodann die Einreise verweigert wird, weil sie die Voraussetzungen nicht erfüllen, im Anschluss hieran aber eine Rückbeförderung z.&nbsp;B. wegen der fehlenden Rückkehrberechtigung in einen Staat oder wegen der Verschleierung der Herkunft des Einreisenden scheitert. == Übliche Ausstellungsvoraussetzungen == Um ein Visum zu erhalten, sind zumeist der Zweck der Reise, die Finanzierung des Aufenthalts einschließlich eines [[Krankenversicherung]]sschutzes und die Bereitschaft und Möglichkeit zur Rückkehr in das Herkunftsland zu belegen.<ref>Zum Schengen-Recht vgl. sehr ausführlich Abschnitt&nbsp;V der [http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/site/de/oj/2005/c_326/c_32620051222de00010149.pdf Gemeinsamen Konsularischen Instruktion] und das [http://wm2006.deutschland.de/DE/Content/SharedDocs/Publikationen/info-visaverfahren,property=publicationFile.pdf Visumkonzept des Auswärtigen Amtes für die Fußball-WM 2006]</ref> Als Nachweise hierfür können eine Einladung aus dem Zielland und Dokumente gefordert werden, die die finanzielle Lage des Antragstellers im Herkunftsland belegen, wie etwa Gehaltsnachweise.<ref>Für die Schengen-Staaten vgl. Abschnitt&nbsp;V Nr.&nbsp;1.4 der [http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/site/de/oj/2005/c_326/c_32620051222de00010149.pdf Gemeinsamen Konsularischen Instruktion]</ref> Eine [[Verpflichtungserklärung (Ausländerrecht)|Verpflichtungserklärung]] ermöglicht es nach dem Recht vieler Staaten, Rückgriff auf Mittel des Einladers zu nehmen, wenn staatlichen Stellen durch den Aufenthalt Kosten entstehen (etwa Sozialhilfekosten oder Kosten einer [[Abschiebung (Recht)|Abschiebung]] bei unerlaubtem Aufenthalt).<ref>Eine Einführung zu den einzelnen Voraussetzungen der Erteilung, bezogen auf den Schengen-Raum, findet sich auf S.&nbsp;53ff. des Berichts des [[Visa-Untersuchungsausschuss]]es; [http://dipbt.bundestag.de/dip21/btd/15/059/1505975.pdf BT-Drs. 15/5975]</ref> In sehr vielen Fällen sind Visa mit bestimmten Auflagen verbunden, z.&nbsp;B. darf der Inhaber als Tourist keiner Arbeit nachgehen oder sich der Aufnahme überhaupt verdächtig machen. Längerfristige Visa für [[Student]]en oder [[Arbeitnehmer]] werden von vielen Ländern ausgestellt. Bürger der [[Europäische Union|Europäischen Union]] können aufgrund der guten Beziehungen in nahezu alle Staaten der Welt entweder [[Visumfreiheit|visumfrei]] einreisen oder haben zumindest kaum Schwierigkeiten, ein Touristenvisum zu erhalten.<ref>Vgl. zu den Voraussetzungen für Angehörige der deutschsprachigen Länder die ausführlichen Informationen zur Visumpflicht beim [http://www.auswaertiges-amt.de/diplo/de/LaenderReiseinformationen.jsp Auswärtigen Amt (Deutschland): ''Länder- und Reiseinformationen''], beim [http://www.bmeia.gv.at/view.php3?f_id=1862&LNG=de&version= Bundesministerium für europäische und internationale Angelegenheiten (Österreich): ''Länderspezifische Reiseinformation''], beim [http://www.eda.admin.ch/eda/de/home/travad/travel.html Eidgenössischen Departement für auswärtige Angelegenheiten (Schweiz): ''Reisehinweise – Reiseziele''] und beim [http://www.diplomatie.be/de/travel/traveldocs.asp Föderalen Öffentlichen Dienst – Auswärtige Angelegenheiten, Außenhandel und Entwicklungszusammenarbeit (Belgien): ''Reisedokumente'']</ref> == Visumbeantragung in der Praxis == Die Vorlage der folgenden Unterlagen wird häufig von den konsularischen Abteilungen der Botschaften und Konsulaten im Zusammenhang mit der Visumbeantragung gefordert. Die Einzelheiten unterscheiden sich entsprechend dem Recht des betroffenen Ausstellerstaates: * Ein ausgefülltes und unterschriebenes Antragsformular, teils in mehreren Ausfertigungen, * ein oder gegebenenfalls mehrere aktuelle [[Passbild]]er, * ein [[Pass (Dokument)|Pass]], der oft noch für eine gewisse Zeit über die geplante Reise hinaus gültig sein muss, * eine Einladung oder andere Dokumente, die den Aufenthaltszweck und die Finanzierung des Aufenthaltes belegen (siehe oben unter [[#Übliche Ausstellungsvoraussetzungen|„Übliche Ausstellungsvoraussetzungen“]]), * eine Bestätigung über ein Arbeitsverhältnis und Einkommensnachweis im Heimatland, oder gegebenenfalls eine Studienbestätigung mit bestandenen Prüfungen, * eine Krankenversicherung, die für die Aufenthaltsdauer und den entsprechenden Zielstaat gültig und von diesem ggfs. anerkannt ist, * ein Nachweis der Zahlung der Konsulatsgebühren von 30 bis zu 300&nbsp;Euro pro Person. Die Höhe kann von der Art des Visums, von der Dauer und dem Zweck des Aufenthalts, der Zahl der Einreisen und von der gewünschten Bearbeitungsdauer abhängen. Über die genauen, vom Ausstellerstaat aufgestellten Erteilungsvoraussetzungen und Erfordernisse an den Antrag kann verbindlich nur seine zuständige Auslandsvertretung (Konsularabteilung der [[Botschaft (Diplomatie)|Botschaft]] oder [General-][[Konsul]]at) Auskunft erteilen. Viele Staaten achten auf die genaue Einhaltung dieser Voraussetzungen, die sich bei manchen Staaten häufig oder kurzfristig ändern können. Der Antragsteller muss bei seiner Zeitplanung neben der allgemeinen Bearbeitungsdauer auch berücksichtigen, dass die Erfüllung besonderer Antragsvoraussetzungen einen erhöhten Aufwand bedeuten kann: So fordern manche Staaten die persönliche Anwesenheit des Antragstellers, oder Lichtbilder müssen in einem bestimmten Format vorgelegt werden, das im Wohnsitzland des Antragstellers unüblich sein kann.<ref>Vgl. etwa die Bestimmungen der USA für die Ausstellung von Visa in Deutschland bei den [http://german.germany.usembassy.gov/germany-ger/visa/antrag.html Diplomatischen Vertretungen der USA in Deutschland: ''Visabeantragung – Wie stelle ich einen Visaantrag?''] (allgemeine Informationen) und [http://german.germany.usembassy.gov/germany-ger/visa/foto.html ''Visabeantragung – Foto-Bestimmungen für US-Visa''](in Deutschland unübliche Fotos)</ref> Einige Ausstellerstaaten bieten eine beschleunigte Ausstellung gegen eine erhöhte Gebühr an.<ref>Vgl. etwa zu [[Volksrepublik China|China]] den auf der [http://www.china-botschaft.de/det/qz/t391817.htm Informationsseite der Botschaft] erwähnten Zuschlag für eine bevorzugte Bearbeitung, abgerufen am 3. Dezember 2007</ref> Typisch ist eine Bearbeitungsdauer von einem bis 14&nbsp;Tagen. Manche Konsulate bieten an, das Visumverfahren auf postalischem Weg abzuwickeln;<ref>Ein Beispiel bildet [[Israel]] (für Deutsche keine Visumpflicht), vgl. die [http://berlin.mfa.gov.il/mfm/web/main/document.asp?SubjectID=46300&MissionID=88&LanguageID=190&StatusID=0&DocumentID=-1 Internetseite der Konsularabteilung der Botschaft], abgerufen am 3. Dezember 2007</ref> ob diese Möglichkeit eingeräumt wird, kann von der Staatsangehörigkeit des Antragstellers abhängen oder für verschiedene Auslandsvertretungen desselben Staates unterschiedlich geregelt sein. Die meisten Staaten schließen eine Haftung für die Verzögerung bei der Visumerteilung von vornherein aus oder können sie mit einem Hinweis auf Schwierigkeiten des Einzelfalls ablehnen. == Visum und Grenzübertritt == Der genaue ''rechtliche Inhalt'' der Entscheidung über ein Visum lässt sich am besten anhand des rechtlichen Zusammenhangs zwischen der ''Erteilung eines Visums'' und der ''Gestattung der Einreise bei der Grenzkontrolle'' erklären. Er ist in verschiedenen Rechtsordnungen unterschiedlich ausgestaltet, was im Zusammenhang mit dem Rechtsschutz gegen ein nicht gewährtes Visum oder eine Einreiseuntersagung wichtig wird: * In einigen Staaten, wie etwa den [[Vereinigte Staaten|USA]] und [[Japan]], wird das Visum rechtlich nicht als [[Aufenthaltstitel]] behandelt, sondern als [[Urkunde]] eigener Art, die eine notwendige ''Voraussetzung'' dafür darstellt, an der ''Grenzübergangsstelle'' erst den eigentlichen ''Antrag auf Zulassung der Einreise und des Aufenthalts'' zu stellen.<ref>Siehe zum US-Recht diese [http://www.unitedstatesvisas.gov/whatis/index.html Erläuterung auf einer behördlichen Webseite der USA] und zum japanischen Recht Artikel&nbsp;9 des [http://www.moj.go.jp/ENGLISH/information/icrr-04.html japanischen Aufenthalts- und Asylgesetzes] (englisch)</ref> Das Visum selbst berechtigt also nicht zum Aufenthalt. Das Aufenthaltsrecht wird vielmehr erst bei der Einreise gewährt. Diese rechtliche Konstruktion ermöglicht es den Einwanderungsbeamten, die Einreisevoraussetzungen trotz vorhandenen Visums beim Grenzübertritt zu überprüfen und erst nach dieser Prüfung die Einreise zu gestatten. * In Europa, vor allem im [[Schengener Abkommen|Schengen-Raum]], wird das Visum hingegen überwiegend als eine vorab erteilte ''Erlaubnis zur Einreise und zum Aufenthalt'' angesehen.<ref>Vgl. {{§|4|aufenthg_2004|juris}} Abs.&nbsp;1 Nr.&nbsp;1 [[Aufenthaltsgesetz]]</ref> Mit dem Visum sind die Einreise und auch der nachfolgende Aufenthalt zunächst erlaubt. Die tatsächliche Gestattung der Einreise mit einem Visum beinhaltet dann nicht mehr eine selbständige Entscheidung der Grenzkontrollbeamten über den Aufenthalt. Auch im Schengen-Raum sind aber die Einreisevoraussetzungen beim Grenzübertritt erneut zu prüfen.<ref>Artikel&nbsp;5 des [http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/site/de/oj/2006/l_105/l_10520060413de00010032.pdf Schengener Grenzkodex]</ref> Daher muss auch bei vorhandenem Visum eine Möglichkeit bestehen, die Einreise zu verhindern. Zu einem ähnlichen Ergebnis wie die US-Konstruktion führen daher Regelungen, wonach der Widerruf von Visa vor der Einreise unter erleichterten Voraussetzungen möglich ist.<ref>vgl. in Deutschland {{§|52|aufenthg_2004|juris}}Abs.&nbsp;1 Nr.&nbsp;3 und Abs.&nbsp;7 i.&nbsp;V.&nbsp;m. {{§|71|aufenthg_2004|juris}} Abs.&nbsp;3 des [[Aufenthaltsgesetz]]es</ref> Folgerichtig behandelt das deutsche Aufenthaltsrecht ein Visum als einen ''[[Aufenthaltstitel]]'', der vor der Einreise erteilt wird.<ref>{{§|4|aufenthg_2004|juris}} Abs.&nbsp;1 Nr.&nbsp;1 [[Aufenthaltsgesetz]]</ref> Für den Rechtsschutz ergibt sich aus diesem Unterschied, dass nach dem ersten Modell auf Gestattung der Einreise geklagt werden kann (weil damit eine neue Entscheidung verbunden ist), nach dem zweiten Modell eine Klage hingegen auf Erteilung des Visums und gegen einen etwaigen Widerruf zu richten ist. Im Allgemeinen führt ein Visum zur Erlaubnis des Aufenthalts in einem bestimmten Staat oder in einer Staatengruppe (z.&nbsp;B. Schengen-Raum)<ref>Artikel&nbsp;10 Abs.&nbsp;1 Satz&nbsp;1 des Schengener Durchführungsübereinkommens</ref> und für einen bestimmten Zeitraum (bei Besuchervisa typischerweise bis zu drei Monaten). == Visum und Grenzkontrollstempel == Die Abgrenzung zwischen einem Visum und einem ''Grenzkontrollstempel'' kann – ebenso wie der rechtliche Inhalt eines Visums – nur anhand der Rechtsordnung des jeweiligen betreffenden Staates bestimmt werden. Es sind vor allem folgende Gestaltungen verbreitet: [[Datei:Visa kh2001 th2001-2002.jpg|miniatur|Sichtvermerke zur Ein- und Ausreise ([[Kambodscha]] und [[Thailand]])]] * ''Nachweis der Tatsache des (kontrollierten) Grenzübertritts'': Der Grenzkontrollstempel dokumentiert lediglich die Einreise (oder Ausreise). Er enthält Angaben wie etwa zum Tag, zum Ort und zum verwendeten Transportmittel. Diese Funktion hat der Grenzkontrollstempel etwa in den Schengen-Staaten.<ref>Vgl. die sehr ausführlichen Regeln zum Abstempeln von Reisedokumenten und der rechtlichen Bedeutung in den Artikel&nbsp;10 und 11 des [http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/site/de/oj/2006/l_105/l_10520060413de00010032.pdf Schengener Grenzkodex]</ref> Er gibt Aufschluss darüber, wie häufig ein – nur für eine begrenzte Zahl von Einreisen − gültiges Visum verwendet wurde und ob die Höchstaufenthaltsdauer überschritten wurde. Ein Aufenthaltsrecht von Ausländern, die visumfrei einreisen dürfen, wird dann nicht durch den Stempel gewährt, sondern leitet sich unmittelbar aus Rechtsvorschriften ab, wie im Falle des Schengen-Raums aus Artikel&nbsp;20 des [[Schengener Abkommen|Schengener Durchführungsübereinkommens]]. * ''Information über das Aufenthaltsrecht im Kontrollstempel'': Es handelt sich um eine Variante des ersten Falles: Das Aufenthaltsrecht ergibt sich aus dem Gesetz, sein Umfang (etwa: Aufenthalt bis zu 90&nbsp;Tagen erlaubt) wird im Kontrollstempel mitgeteilt, ohne dass durch die Stempelung eine eigene rechtliche Entscheidung getroffen wird. * ''Nachweis der Aufenthaltsentscheidung'': Sieht das Recht des Einreisestaates vor, dass das Aufenthaltsrecht erst bei der Einreise durch eine Entscheidung des Grenzkontrollpersonals verliehen wird, kann durch den Einreisestempel diese Entscheidung dokumentiert werden.<ref>Ein gutes Beispiel bildet Artikel&nbsp;9 des [http://www.moj.go.jp/ENGLISH/information/icrr-04.html japanischen Aufenthalts- und Asylgesetzes] (englisch)</ref> Kombinationen mit der ersten Variante sind denkbar (etwa: Dokumentation nur des Grenzübertritts durch den Stempel im Pass, Dokumentation der Länge und Art des erlaubten Aufenthalts auf einer separaten ''Einreisekarte''). Einige Staaten (wie etwa [[Israel]], [[Malaysia]] und [[Singapur]]) beurkunden bei ''visumfreien'' Einreisen die Aufenthaltsentscheidung mit Angabe der zulässigen Aufenthaltsdauer (z.&nbsp;B. 90&nbsp;Tage) und des Aufenthaltszwecks (z.&nbsp;B. Besucher) im Kontrollstempel, während sie bei Einreisen ''mit Visum'' durch einen anderen Kontrollstempel nur die Tatsache der Einreise entsprechend der ersten Variante dokumentieren. * ''An der Grenze erteiltes Visum'': Einige Staaten erteilen Visa regelmäßig an der Grenze und versehen diese Visa dann ggfs. zusätzlich mit Einreisekontrollstempeln. Dies ist etwa in der [[Türkei]] im Hinblick auf einige dort visumpflichtige Staaten üblich.<ref>Vgl. die Übersicht auf den Seiten des [http://www.mfa.gov.tr/visa-information-for-foreigners.en.mfa türkischen Außenministeriums] (englisch), dort z.&nbsp;B. unter „United Kingdom“</ref> Im Schengen-Raum können ebenfalls Visa an der Grenze erteilt werden, allerdings nur als ''Ausnahmevisum'', wenn ein unvorhersehbarer und zwingender Einreisegrund geltend gemacht wird und ein besonderes Interesse (etwa politischer oder humanitärer Natur) glaubhaft gemacht wird.<ref>Im Einzelnen die [http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/site/de/oj/2003/l_064/l_06420030307de00010008.pdf Verordnung (EG) Nr.&nbsp;415/2003 des Rates vom 27. Februar 2003 über die Erteilung von Visa an der Grenze, einschließlich der Erteilung derartiger Visa an Seeleute auf der Durchreise]</ref> Der Form nach einem Visum ähnlich sind Einreisekontrollvermerke, die als ''Etikett'' in den Pass geklebt werden, [[Fälschung|fälschungssicherer]] gestaltet sind als gewöhnliche Stempel und die Grenzkontrolle erleichtern, etwa indem über [[Barcode]]s, die bei der Ausreise wieder eingelesen werden können, ein Ausreise- dem dazugehörigen Einreisevorgang zugeordnet werden kann. [[Japan]] verwendet zum Beispiel ein derartiges Verfahren.<ref>Eine japanische „Landing Permission“ ist zum Beispiel [http://www.designcowboys.net/passitus/passitus_8.jpg hier] sichtbar</ref> == Gegenseitigkeit == Ob Staatsangehörige anderer Staaten der Visumpflicht unterworfen werden oder nicht, bestimmt sich allein nach dem Recht des Einreisestaates. Es besteht kein allgemeiner Grundsatz des [[Völkerrecht]]s, wonach hinsichtlich der Visumpflicht Gegenseitigkeit zu gewähren wäre oder nicht. Ein anderes Ergebnis könnte sogar dazu führen, dass ein eventuell sicherheitspolitisch problematischer Staat seinen Bürgern universelle Visumfreiheit dadurch verschaffen könnte, dass er selbst alle Ausländer visumfrei stellt. === Sichtvermerksabkommen === In sogenannten „Sichtvermerksabkommen“<ref>Eine Übersicht zu den von Deutschland abgeschlossenen Sichtvermerksabkommen mit Links zu den Texten findet sich [http://www.westphal-stoppa.de/Gesetzestexte.htm hier]</ref> haben allerdings zahlreiche Staaten auf zweiseitiger Grundlage vereinbart, ihren Staatsangehörigen gegenseitig [[Visumfreiheit]] zu gewähren. Zumeist beziehen sich diese Abkommen dabei nur auf bestimmte Aufenthaltskategorien, wie etwa Touristen, oder Aufenthalte für einen bestimmten Höchstzeitraum. Teils sind diese Abkommen asymmetrisch ausgestaltet. In diesen Fällen gewähren sie für die Angehörigen des einen Staates günstigere Rechte als für die Angehörigen des anderen Vertragsstaats. Beispielsweise gewährt ein Sichtvermerksabkommen von 1953, das zwischen [[Deutschland]] und den [[Vereinigte Staaten|USA]] geschlossen wurde,<ref>[http://www.westphal-stoppa.de/O-Gesetze/USA.pdf Sichtvermerksabkommen Deutschland – USA]</ref> den Staatsangehörigen der USA eine visumfreie Einreise nach Deutschland für zahlreiche Zwecke, während es für Deutsche nur eine erleichterte Visumerteilung vorsieht. Umgekehrt gewährt das Sichtvermerksabkommen zwischen Deutschland und [[Mexiko]] deutschen Touristen einen visumfreien Aufenthalt für sechs Monate in Mexiko, während das Abkommen Mexikanern für Aufenthalte in Deutschland keine vergleichbaren Vergünstigungen einräumt.<ref>Deutsch-mexikanisches Sichtvermerksabkommen; veröffentlicht im GMBl. 1960 S.&nbsp;27</ref> Sichtvermerksabkommen, die vor dem 1.&nbsp;September 1993 von Schengen-Staaten geschlossen worden sind, bleiben mit ihren Vergünstigungen wirksam; das Recht der Europäischen Union sieht für die Mitgliedstaaten die Möglichkeit vor, diese älteren Sichtvermerksabkommen weiter anzuwenden.<ref>Artikel&nbsp;20 Abs.&nbsp;2 des [[Schengener Abkommen|Schengener Durchführungsübereinkommens]]; für Deutschland vgl. {{§|16|aufenthv|juris}} der [[Aufenthaltsverordnung]]</ref> Inzwischen können Schengen-Staaten Sichtvermerksabkommen nur noch eingeschränkt schließen, weil die entsprechende Regelungsmaterie weitgehend in die Gesetzgebungskompetenz der Europäischen Union übergegangen ist. Sichtvermerksabkommen der Mitgliedstaaten dürfen sich demnach nur noch auf Sachverhalte beziehen, in denen die Europäische Union den Mitgliedstaaten eine eigene Regelungszuständigkeit belassen hat. === Verhandlungsmechanismus der Europäischen Union === In den Schengen-Staaten besteht eine einheitliche Liste der visumpflichtigen und nicht visumpflichtigen Herkunftsstaaten.<ref>Artikel&nbsp;1 Abs.&nbsp;1 und 2 i.&nbsp;V.&nbsp;m. den Anhängen&nbsp;I und II der [http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/site/de/consleg/2001/R/02001R0539-20070119-de.pdf Verordnung (EG) 539/2001]</ref> Es ist politisches Ziel der Europäischen Union, allen [[Unionsbürger]]n Visumfreiheit zumindest in denjenigen Staaten zu verschaffen, deren Staatsangehörige ohne Visum in den Schengen-Raum einreisen dürfen. Die [[Europäische Kommission]] verhandelt deshalb mit denjenigen [[Drittstaat]]en, deren Staatsangehörige von der Visumpflicht befreit sind, über die Aufhebung derjenigen Visumvorschriften, die ausschließlich Staatsbürger einzelner EU-Mitgliedsländer benachteiligen. Dieses Verfahren bindet den benachteiligten EU-Mitgliedstaat in die Verhandlungen ein und unterliegt bestimmten Berichtspflichten.<ref>Dieses Verfahren ist in Artikel&nbsp;1 Abs.&nbsp;4 und 5 der [http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/site/de/consleg/2001/R/02001R0539-20070119-de.pdf Verordnung (EG) 539/2001] ausführlich geregelt</ref> Die Kommission kann dem [[Rat der Europäischen Union]] die vorübergehende oder dauerhafte Einführung einer Visumpflicht für Bürger des betreffenden Staates vorschlagen. Da das Gewicht einer Einführung der Visumpflicht für den gesamten Schengen-Raum oder auch nur der entsprechenden Drohung weitaus höher ist als die Einführung der Visumpflicht nur in einem einzelnen Schengen-Staat, ist dieser Mechanismus vor allem geeignet, kleinere und daher politisch weniger durchsetzungskräftige Mitgliedstaaten vor unannehmbaren Reisebeschränkungen zu schützen. Die Europäische Kommission hat die Frage der Gegenseitigkeit von Visumbefreiungen gegenüber betroffenen Drittstaaten nach Einführung des Verhandlungsmechanismus auf höchster politischer Ebene behandelt und im Verhältnis zu [[Mexiko]] und [[Neuseeland]] bereits vollständige Gegenseitigkeit erreicht. Im Hinblick auf [[Kanada]] erwägt die Kommission die Empfehlung, „geeignete Maßnahmen in Betracht zu ziehen“, während sie mit Bezug auf die [[Vereinigte Staaten|USA]] die Empfehlung äußert, die Wirkung einer dortigen Gesetzesänderung zunächst abzuwarten.<ref>>[http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/site/de/com/2007/com2007_0533de01.pdf Kommission der Europäischen Gemeinschaften: ''Dritter Bericht der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat über die Aufrechterhaltung der Visumpflicht unter Nichtbeachtung des Grundsatzes der Gegenseitigkeit seitens bestimmter Drittländer'', Dokument KOM(2007)&nbsp;533 endgültig], S.&nbsp;10; Befassung des kanadischen Premierministers; S.&nbsp;11: Befassung des Heimatschutzminsters und des Präsidenten der Vereinigten Staaten; S.&nbsp;13</ref> == Visa nach dem Recht der Europäischen Union (Schengen-Recht) == [[Datei:SchengenVisaNewType.JPG|miniatur|Unpersonalisiertes deutsches Schengen-Visum in der aktuellen Form, die die Integration eines Lichtbildes vorsieht]] An den Binnengrenzen im [[Schengener Abkommen|Schengen-Raum]] finden grundsätzlich keine Personenkontrollen statt.<ref>Artikel&nbsp;20 des [http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/site/de/oj/2006/l_105/l_10520060413de00010032.pdf Schengener Grenzkodex]</ref> Die Regelungen für die Ausgestaltung und Erteilung von Visa für den Schengen-Raum sind vor diesem Hintergrund vereinheitlicht worden, und erteilte Visa gelten grundsätzlich für den gesamten Schengen-Raum.<ref>Grundlegend Artikel&nbsp;10 Abs.&nbsp;1 Satz&nbsp;1 des [http://www.aufenthaltstitel.de/schengeneruebereinkommen.html Schengener Durchführungsübereinkommens]: „Es wird ein einheitlicher Sichtvermerk eingeführt, der für das Hoheitsgebiet aller Vertragsparteien gültig ist.“</ref> === Visakategorien === Die aufgrund des Schengener Durchführungsübereinkommesn erlassenen Gemeinsamen Konsularischen Instruktionen (GKI) führen die Visumkategorien der Typen&nbsp;A bis&nbsp;D, sowie D&nbsp;+&nbsp;C auf. Mit dem Inkrafttreten des Visakodex der Europäischen Union<ref>[http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=OJ:L:2009:243:0001:0058:DE:PDF Visakodex der Europäischen Union, Verordnung 810/2009/EU]</ref> am 5. April 2010 werden zahlreiche bisherige Rechtsgrundlagen aufgehoben werden. Der Visakodex wird die Wirkung einer Verordnung haben, also unmittelbar geltendes Recht schaffen. Ausdrücklich werden durch diese Verordnung sowohl die bis dahin relevanten Art.&nbsp;9 bis&nbsp;17 des früheren "Schengener Durchführungsübereinkommens" wie auch die gesamte "Gemeinsame Konsularische Instruktion" außer Kraft gesetzt werden. Mit dem neuen Visakodex ändern sich teilweise auch die Visumkategorien und deren Berechtigungsinhalt. Die bis dahin erteilten Visa können jedoch teilweise noch bis April 2015 gültig sein. Der Berechtigungsinhalt dieser Visa ergibt sich jedoch dann aus dem Visakodex, was insgesamt zu einer recht komplexen und dem Einzelreisenden schwer vermittelbaren Rechtslage führt. In der folgenden Übersicht wird sowohl der Rechtsstand bis, als auch ab dem 5. April 2010 dargestellt. * Das ''Flughafen-Transitvisum (Typ&nbsp;A)'' erlaubt lediglich den Aufenthalt im Transitbereich des Flughafengeländes, ohne dass eine Einreise (im Sinne des §&nbsp;13 Abs.&nbsp;2 AufenthG - die grundsätzlich als das Passieren einer Grenzkontrollstelle definiert ist) erfolgt.<ref>Rechtsgrundlage des Erfordernisses eines Flughafentransitvisums ist im Europäischen Recht die [http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/site/de/oj/2005/c_326/c_32620051222de00010149.pdf Gemeinsame Konsularische Instruktion], in Deutschland {{§|26|aufenthv|juris}} Abs.&nbsp;2 und&nbsp;3 der [[Aufenthaltsverordnung]] (AufenthV)</ref> Das Erfordernis eines Flughafentransitvisums stellt eine Ausnahme zu der Regel<ref>Diese Regel ist in {{§|26|aufenthv|juris}} Abs.&nbsp;1 der [[Aufenthaltsverordnung]] ausdrücklich normiert</ref> dar, dass keine Erlaubnis zum Aufenthalt benötigt, wer sich im Staatsgebiet aufhält, ohne die Grenzkontrollstellen zu passieren oder zu umgehen. Das Flughafentransitvisum ist nur als Betretenserlaubnis bezeichnet und ''kein'' Aufenthaltstitel im rechtlichen Sinne <ref>{{§|26|aufenthv|juris}} Abs.&nbsp;2 Satz&nbsp;3 der [[Aufenthaltsverordnung]]</ref> - dies findet seinen Grund darin, dass der Inhaber hiervon keine Aufenthaltsrechte abhängig machen kann und andere Staaten nicht eine durch das Internationale Zivilluftfahrtabkommen mögliche Zurückweisung mit der Begründung ablehnen können, der Transitstaat habe den Aufenthalt durch das Visum erlaubt. Das Visum für den Flughafentransit wird auch nach Art.&nbsp;3 des künftigen Visakodex als Visum Typ&nbsp;A erteilt. Der Berechtigungsinhalt ändert sich nicht. * Das ''Durchreisevisum (Typ&nbsp;B)'' (oder Transitvisum) erlaubt das Durchqueren des Schengen-Raums oder der eingetragenen Staaten, um ein Drittland auf dem Landweg zu erreichen. Die Nutzung des Aufenthalts für andere Zwecke als eine typische Durchreise (Essen, Schlafen, Reisen, ggfs. die Nutzung der Gelegenheit der Durchreise für Kultur und Shopping oder einen Kurzbesuch von Freunden), vor allem zu Erwerbszwecken, würde theoretisch nur mit einer besonderen Erlaubnis des betreffenden Mitgliedstaates zulässig sein. In der Praxis ist es völlig unrealistisch, dass ein Schengen-Staat einem Durchreisenden entsprechende Berechtigungen zur Arbeitsaufnahme erteilen würde. Eine Durchreise liegt dann vor, wenn Ausgangsort und Zielort der Reise außerhalb des Schengen-Raumes liegen. Das Durchreisevisum kann für die Dauer von bis zu fünf Tagen je Durchreise erteilt werden.<ref>Rechtsgrundlagen sind Artikel&nbsp;10 und 11 Abs.&nbsp;1 Buchstabe&nbsp;b [http://www.aufenthaltstitel.de/schengeneruebereinkommen.html SDÜ]</ref> '''Künftige Rechtslage''': Mit Inkrafttreten des Visakodex wird das Visum Typ&nbsp;B nicht mehr erteilt. Visa zum Zweck der Durchreise durch das Schengen-Gebiet werden nunmehr als Visa Typ&nbsp;C mit dem Zusatz ''"TRANSIT"'' im Feld Anmerkungen erteilt. Der Berechtigungsinhalt ändert sich gegenüber dem des Visums Typ&nbsp;B dadurch jedoch nicht. Visa des Typs&nbsp;B gelten bis zum individuellen Ablauf als Visa des Typs&nbsp;C ''TRANSIT'' weiter. * Das ''Kurzaufenthaltsvisum (Typ&nbsp;C)'' erlaubt den durch einen zeitgebunden Anlass verursachten und daher zeitlich kurzfristigen Aufenthalt im eingetragenen Geltungsbereich innerhalb des Gültigkeitszeitraumes. Das Visum kann eine ein-, zwei- oder mehrmalige Einreise über die Außengrenzen erlauben und von wenigen Tagen bis zu mehreren (max. fünf) Jahren gültig sein. Die erlaubten Kurzaufenthalte dürfen eine Dauer von bis zu 90&nbsp;Tagen innerhalb eines Bezugszeitraums von 6&nbsp;Monaten ab der jeweiligen „ersten Einreise“ nicht überschreiten.<ref>vgl. Art.&nbsp;11 Abs.&nbsp;1 Buchstabe&nbsp;a&nbsp;[http://www.aufenthaltstitel.de/schengeneruebereinkommen.html SDÜ] und das [http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=CELEX:62005J0241:DE:HTML Urteil des EuGH „Bot“] zum wortgleich verwandten Begriff der „ersten Einreise“ in Art.&nbsp;20 Abs.&nbsp;1 SDÜ</ref> Die erste Einreise ist dabei die erste Einreise mit diesem Visum und jeder derjenigen Einreisen, die jeweils später als sechs Monate nach einer vorangegangenen ersten Einreise (jedoch während der Gültigkeit desselben Visums) erfolgen. Diese Bezugszeiträume müssen sich also nicht unmittelbar aneinander anschließen. Abweichend von den Regelungen einiger Nicht-Schengen-Staaten muss das Schengen-Gebiet auch dann bereits am letzten Geltungstag des Visums verlassen werden, wenn die Anzahl der erlaubten Aufenthaltstage noch nicht ausgeschöpft wurde. '''Künftige Rechtslage:''' Rechtsgrundlage für die Erteilung des Visums Typ&nbsp;C (sowohl für den Kurzaufenthalt, als auch den Transit) werden die Art.&nbsp;4 bis&nbsp;32 des Visakodex. Die Regelungen über den Kurzaufenthalt bleiben unberührt. * Das ''Visum für den längerfristigen Aufenthalt (Typ&nbsp;D)'' (oft auch ''Nationales Visum'') erlaubt grundsätzlich nur den Aufenthalt in einem darin bezeichneten Staat (zumeist der Ausstellerstaat; es gibt aber auch Fälle, in denen sich Staaten gegenseitig bei der Ausstellung vertreten). Es wird vom jeweiligen Zielstaat nach dessen nationalen Aufenthaltsregeln ausgestellt. Ein nationales Visum eines Schengen-Staates erlaubt bei Einhaltung der sonstigen Einreisevoraussetzungen auch den erforderlichen Transit durch andere Schengen-Staaten ''in'' das Gastland, jedoch beschränkt auf die (aller-)erste Einreise. Dieses Durchreiserecht erlischt somit auch, wenn bei der ersten Einreise in den Zielstaat mit diesem Visum gar kein Transit durch andere Schengen-Staaten in Anspruch genommen werden musste.<ref>Rechtsgrundlage ist Art.&nbsp;18, 2.&nbsp;Variante[http://www.aufenthaltstitel.de/schengeneruebereinkommen.html SDÜ]</ref> '''Künftige Rechtslage:''': Mit dem Visakodex wird die erste&nbsp;Variante des Art.&nbsp;18 SDÜ und damit das im Folgeabsatz beschriebene Visum Typ&nbsp;D&nbsp;+&nbsp;C gestrichen. Im Gegenzug soll der Berechtigungsinhalt des Visums Typ&nbsp;D für den längerfristigen Aufenthalt erweitert werden. Im Wesentlichen soll es einem ''Nationalen Aufenthaltstitel'' gleichgestellt werden und somit schengenweite Reiserechte entsprechend dem früheren und künftigen Visum Typ&nbsp;C begründen. Das Gesetzgebungsverfahren soll bis zum Inkraftreten des Visakodex abgeschlossen werden. * Das ''Nationale Visum mit Schengen-Reiserecht (Typ D&nbsp;+&nbsp;C)'' kombiniert die Eigenschaften des D- und des C-Visums. Dieses nationale Visum berechtigt während 90&nbsp;Tagen, beginnend mit dem ersten Geltungstag, auch zum Aufenthalt in den ''anderen'' Schengen-Staaten. Dieser Visumtyp wurde geschaffen,<ref>Eingeführt wurde er durch die Änderung des Art.&nbsp;18 [http://www.aufenthaltstitel.de/schengeneruebereinkommen.html SDÜ], die durch die [http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/site/de/oj/2001/l_150/l_15020010606de00040005.pdf Verordnung&nbsp;(EG) Nr.&nbsp;1090/2001] erfolgte</ref> um Probleme, die in der Praxis durch die Beschränkung des Durchreiserechtes mit dem D-Visum auftraten, angemessen auszugleichen. Bei der Erteilung eines D+C-Visums sind neben den nationalen Erteilungsvoraussetzungen für ein Visum für einen längerfristigen Aufenthalt auch die Erteilungsvoraussetzungen für ein Visum Typ&nbsp;C nach dem Schengen-Recht<ref>Und zwar Art.&nbsp;11 bis 17 [http://www.aufenthaltstitel.de/schengeneruebereinkommen.html SDÜ]</ref> zu beachten. '''Künftige Rechtslage:''' Das Visum Typ D&nbsp;+&nbsp;C wird mit dem Visakodex abgeschafft. Bis zu seinem Inkrafttreten erteilte Visa D&nbsp;+&nbsp;C werden bis zum individuellen Ablauf als Visum für den langfristigen Aufenthalt Typ&nbsp;D weitergelten und somit schengenweites Reisen auch nach den ersten drei Monaten der Gültigkeit ermöglichen. Bis zum Inkrafttreten des Visakodex ausgestellte Visa der Kategorie D&nbsp;+&nbsp;C werden bis zum individuellen Ablauf als Visum für den langfristigen Aufenthalt des dann neuen Typs&nbsp;D weiter gelten und somit schengenweites Reisen auch nach den ersten drei Monaten der Gültigkeit kraft Gesetzes ermöglichen. * Nur zum ''Transit'' zwischen der [[Russland|Russischen Föderation]] und deren [[Exklave]] [[Kaliningrad]] (ehemals ''Königsberg'') durch die Schengen-Staaten [[Litauen]] und [[Polen]] berechtigen die Transitvisa ''FTD'' (für den Straßentransit bis zu 24&nbsp;Stunden) und ''FRTD'' (für den Eisenbahntransit bis zu sechs Stunden). Diese Transitvisa werden im offiziellen Sprchgebrauch der EU als ''einem Visum gleichgestellte Dokumente'' bezeichnet. Sie werden in erleichterter Weise und zu geringen Gebühren erteilt. Sie gelten regelmäßig für einen längeren Zeitraum (FTD: zwölf Monate; FRTD: drei Monate) und werden nicht in einen Pass eingeklebt, sondern auf einem gesonderten Formular (''Form for affixing the visa'') ausgestellt.<ref>Rechtsgrundlage ist die [http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=CELEX:32003R0693:DE:HTML Verordnung (EG) Nr.&nbsp;693/2003]</ref> Die visaähnlichen Dokumente FTD und FRTD bleiben durch den Visakodex unberührt. Häufig wird der Zweck oder Anlass des Aufenthalts im Visum angegeben. Hierfür und für weitere Auflagen und Beschränkungen ist beim Schengen-Visum das Feld „Anmerkungen“ oder ein Zusatzaufkleber zu verwenden.<ref>Dies ist näher geregelt in Abschnitt&nbsp;VI Nr.&nbsp;2 und Anlage&nbsp;9 der [http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/site/de/oj/2005/c_326/c_32620051222de00010149.pdf Gemeinsamen Konsularischen Instruktion]</ref> === Verbleibende nationale Regelungszuständigkeiten === Im Recht der Europäischen Union ist das Visumrecht für kurzfristige Aufenthalte weitgehend umfassend geregelt hinsichtlich der Ausstellungsvoraussetzungen, der Form der Visumetiketten, des Antragsverfahrens, der konsularischen Tätigkeit<ref>Ausführliche Regelungen hierzu sind in der [http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/site/de/oj/2005/c_326/c_32620051222de00010149.pdf Gemeinsamen Konsularischen Instruktion] enthalten</ref> und der Frage, welche Staatsangehörigen für Kurzaufenthalte überhaupt ein Visum benötigen.<ref>[http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/site/de/consleg/2001/R/02001R0539-20070119-de.pdf Verordnung (EG) Nr.&nbsp;539/2001]</ref> Bis auf die im europäischen Recht vorgesehenen Ausnahmen<ref>Vor allem Artikel&nbsp;4 der [http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/site/de/consleg/2001/R/02001R0539-20070119-de.pdf Verordnung (EG) Nr.&nbsp;539/2001]</ref> können diese Punkte national nicht mehr geregelt, sondern allenfalls im Detail anhand des europäischen Rechts ausgestaltet werden. Für längerfristige Aufenthalte (mehr als 90&nbsp;Tage innerhalb von sechs Monaten) verbleibt die Regelungszuständigkeit grundsätzlich – freilich im Rahmen der Harmonisierung des Aufenthaltsrechts der EU auch für längere Aufenthalte durch zahlreiche Richtlinien<ref>Ein großer Teil dieser Richtlinien ist mit Fundstellen im Vorblatt des in der [http://dipbt.bundestag.de/dip21/btd/16/050/1605065.pdf BT-Drs.&nbsp;16/5065] enthaltenen Gesetzentwurfs aufgeführt</ref> – bei den Mitgliedstaaten.<ref>Deutscher Bundestag: ''Einführung in das Recht der Visumerteilung'', in: Beschlussempfehlung und Bericht des 2.&nbsp;Untersuchungsausschusses nach Artikel&nbsp;44 des Grundgesetzes, [http://dipbt.bundestag.de/dip21/btd/15/059/1505975.pdf BT-Drs.&nbsp;15/5975], S.&nbsp;54, Nr.&nbsp;2 und 3a</ref> Allerdings verwenden die Schengen-Staaten für die Visa, die für solche längeren Aufenthalte erteilt werden (Kategorie&nbsp;D), ebenfalls die von der Europäischen Union vorgegebenen Etiketten. Einige Regelungszuständigkeiten verbleiben auch hinsichtlich kürzerer Aufenthalte bei den Mitgliedstaaten. So bleiben die Mitgliedstaaten für die Anerkennung von [[Pass (Dokument)|Pässen]] und [[Passersatz]]papieren zuständig.<ref>Ausdrücklich Artikel&nbsp;6 der [http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/site/de/consleg/2001/R/02001R0539-20070119-de.pdf Verordnung (EG) Nr.&nbsp;539/2001]</ref> Zudem dürfen die Mitgliedstaaten für bestimmte Personengruppen von den ansonsten Schengen-weit einheitlichen Regelungen zur Visumpflicht und zur Visumbefreiung abweichen. So können zum Beispiel anerkannte Flüchtlinge oder Staatenlose von der Visumpflicht befreit werden, wenn auch Staatsangehörige des Ausstellerstaates für Kurzaufenthalte von der Visumpflicht befreit sind. Weitere Möglichkeiten der Abweichung durch die Mitgliedstaaten sieht die Verordnung für Inhaber von Diplomatenpässen, Dienstpässen oder sonstigen amtlichen Pässen oder ziviles Flug- oder Schiffspersonal vor.<ref>Artikel&nbsp;4 der [http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/site/de/consleg/2001/R/02001R0539-20070119-de.pdf Verordnung (EG) Nr.&nbsp;539/2001]</ref> Von den nach der Verordnung zulässigen Ausnahmen hat Deutschland durch Bestimmungen der [[Aufenthaltsverordnung]] (§§&nbsp;18–30) Gebrauch gemacht. [[Griechenland]] kann wegen einer gemeinsamen Erklärung, die bei seinem Beitritt zu den damaligen Europäischen Gemeinschaften abgegeben wurde,<ref>[http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=CELEX:11979H/AFI/DCL/04:DE:HTML Dokumente betreffend den Beitritt der Republik Griechenland zu den Europäischen Gemeinschaften, Schlussakte, Gemeinsame Erklärung betreffend den Berg Athos (ABl.&nbsp;EG Nr.&nbsp;L&nbsp;291 vom 19. November 1979, S.&nbsp;186)], wiederholt in einer [http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=CELEX:11997D/AFI/DCL/59:DE:HTML Erklärung Griechenlands zum Vertrag von Amsterdam (ABl.&nbsp;EG Nr.&nbsp;C&nbsp;340 vom 10. November 1997, S.&nbsp;144]</ref> den bisherigen, von der griechischen Verfassung abgedeckten Status des Berges [[Athos]] beibehalten. Täglich werden an höchstens zehn männliche nicht-[[Orthodoxe Kirchen|orthodoxe]] Pilger Visa zum Betreten des Gebietes ausgestellt, die in [[Katharevousa|griechischer Hochsprache]] verfasst sind. Sie berechtigen zur Einreise auf dem Seeweg und zu einem viertägigen Aufenthalt.<ref>[http://abacus.bates.edu/~rallison/friends/friendsplanning.html Private Webseite mit Hinweisen zur Einreise]</ref> === Visa und Aufenthaltstitel === In den meisten Fällen muss bei einem ''längeren oder unbefristeten Aufenthalt'' im Gastland vor Ablauf des nationalen Visums ein nationaler [[Aufenthaltstitel]] beantragt werden (etwa in Fällen des Familiennachzugs). Mit diesem Aufenthaltstitel sind auch [[Visumfreiheit|visumfreie kurzfristige Aufenthalte]] in anderen Schengen-Staaten zulässig, sofern ein gültiger und vom Zielreisestaat anerkannter [[Pass (Dokument)|Pass]] vorliegt, ausreichende Reisemittel vorhanden sind und der Zielstaat nicht konkrete Sicherheitsbedenken vorbringen kann.<ref>Artikel&nbsp;21 [http://www.aufenthaltstitel.de/schengeneruebereinkommen.html SDÜ]</ref> Es gibt aber auch Fallgruppen, in denen der gesamte Aufenthalt allein mit dem Visum erfolgt (etwa bei Saisonarbeitern mit einem nationalen Visum, das für mehrere Monate gültig ist). Häufig werden die Aufenthaltstitel erst nach sehr langer Bearbeitungsdauer erteilt. Die Betroffenen sind damit nicht in der Lage, zu kurzen Besuchs- oder Geschäftsreisen visumfrei in einen anderen Schengenstaat zu reisen oder auf einer Zwischenheimreise die anderen Schengenstaten visumfrei zu passieren. Dem wollte die EU mit der Einführung des Visums Typ D&nbsp;+&nbsp;C entgegen wirken, da dieses Visum ein befristetes Schengenreiserecht beinhaltet. Aus unterschiedlichen Gründen hat sich dies jedoch nicht bewährt. Mit dem Visakodex wird deshalb das Visum D&nbsp;+&nbsp;C wieder abgeschafft. Im Gegenzug sol durch verschiedene flankierende Rechtsakte erreicht werden, dass schengenrechtlich das nationale Visum für den längerfristigen Aufenthalt dem nationalen Aufenthaltstitel gleichgestellt wird und ebenfalls visumfreie Kurzaufenthalte in den anderen Schengenstaaten ermöglicht. === Visa und Aufenthaltskarten nach Richtlinie 2004/38/EG === Von drittstaatsangehörigen Familienangehörigen von Unionsbürgen kann für die Einreise in einen Mitgliedsstaat dann ein Visum verlangt werden, wenn dieser eine visumpflichtige Statsangehörigkeit nach Anhang I der EU-Visumverordnung hat. Die erforderlichen Visa sind gebührenfrei auszustellen. Das Recht auf die visumfreie Einreise wurde jedoch durch die Richtlinie 2004/38/EG<ref>Artikel 5(2) der [http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=OJ:L:2004:158:0077:0123:DE:PDF RICHTLINIE 2004/38/EG DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES vom 29. April 2004]</ref> auch auf an sich visumpflichtige Familienangehörige ([[Drittstaatsangehöriger|Drittstaatsangehörige]]) von [[Europäischer Wirtschaftsraum|EWR]]-Bürgern, die ihr [[Unionsbürgerschaft#Freizügigkeit und Aufenthaltsrecht|Recht auf Freizügigkeit]] wahrnehmen, erweitert.<ref>[http://ec.europa.eu/youreurope/nav/de/citizens/travelling/entry-procedures/for-family-members-who-are-not-citizens/index_de.html Einreiseformalitäten für ihre Familienangehörigen, die nicht selbst Unionsbürger sind]</ref><ref>[http://ec.europa.eu/commission_barroso/frattini/archive/guide_2004_38_ec_en.pdf Right of Union citizens and their family members to move and reside freely within the Union, Guide on how to get the best out of Directive 2004/38/EC]</ref><ref>[http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=OJ:L:2008:124:0020:01:DE:HTML Beschluss des Gemeinsamen EWR-Ausschusses Nr. 158/2007 vom 7. Dezember 2007 zur Änderung des Anhangs V (Freizügigkeit der Arbeitnehmer) und des Anhangs VIII (Niederlassungsrecht) des EWR-Abkommens]</ref> Bei Vorliegen einer Aufenthaltskarte nach Artikel 10 der Richtlinie und unter der Bedingung, dass die Reise entweder gemeinsam mit dem EWR-Bürger erfolgt oder diesem nachgefolgt wird, können Familienangehörige ohne zusätzliches Visum in jeden anderen EWR-Mitgliedstaat einreisen. Für den anschließenden Aufenthalt benötigen die freizügigkeitsberechtigten Familienangehörigen ohnehin keinen Aufenthaltstitel oder Visum<ref>Artikel 6(2) und 7(2) der [http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=OJ:L:2004:158:0077:0123:DE:PDF RICHTLINIE 2004/38/EG DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES vom 29. April 2004]</ref>. Die Aufenthaltskarte begründet kein Aufenthaltsrecht, sondern dient nur zu dessen Nachweis, sie ist deshalb vom Charakter her nicht mit einem Aufenthaltstitel oder Visum, sondern eher mit einer Meldebescheinigung zu vergleichen. Allerdings setzen einige Mitgliedstaaten diese Bestimmung der Richtlinie nicht oder nicht richtig um (Stand März 2010),<ref>[http://www.opsi.gov.uk/si/si2006/20061003.htm#2 Statutory Instrument 2006 No. 1003 - The Immigration (European Economic Area) Regulations 2006]. Großbritannien akzeptiert nur selbst ausgestellte Aufenthaltstitel (siehe dazu Definition von „residence card“ in Abschnitt 2),</ref><ref>Siehe Antwort der EU Kommission auf [http://www.europarl.europa.eu/meetdocs/2009_2014/documents/peti/dv/peti_cm%282008%29414051_/peti_cm%282008%29414051_en.pdf Petition 1307.2007]</ref><ref>Punkt 3.2 in [http://ec.europa.eu/justice_home/news/intro/doc/com_2008_840_en.pdf Report from the Comission to the European Parliament and the Council on the application of Directive 2004/38/EC on the right of citizens of the Union and their family members to move and reside freely within the territory of Member States]</ref> sodass es nach wie vor zu Schwierigkeiten bei Reisen zwischen Schengener und Nicht-Schengener EU Staaten kommen kann (Verweigerung der Benutzung des Verkehrsmittels durch die Transportgesellschaft, Verweigerung der Einreise durch Grenzschutzbehörden). Aufenthaltskarten für Familienangehörige von EWR-Bürgern, die durch einen Schengenstaat ausgestellt wurden, sind schengenrechtlich einem nationalen Aufenthaltstitel gleichzusetzen und berechtigen deshalb zur Inanspruchnahme des visumfreien Kurzaufenthaltsrechtes nach Art. 21 SDÜ. Aufenthaltskarten, die von Nicht-Schengenerstaaten ausgestellt wurden, berechtigen nur dann zur visumfreien Einreise, wenn der Familienangehörige sein Recht auf Freizügigkeit tatsächlich ausübt (Begleiten oder Nachziehen). Zu beachten ist jedoch das MRAX-Urteil des EuGH, wonach das Recht auf Einreise in einen Mitgliedsstaat unmittelbar auf dem (abgeleiteten) Recht auf Freizügigkeit gründet. Sollte der eigentlich visumpflichtige Familienangehörige, der den Unionsbürger begleitet oder ihm nachzieht, sein Freizügigkeitsrecht nachweisen können, darf ihm die Einreise nicht aus rein formalen Gründen (fehlender Pass und/oder Visum) verweigert werden. Gegebenenfalls ist das erforderliche Visum an der Grenze zu erteilen. === Aufbau des Visumetiketts === Das Schengen-Visum (auch „EU-Visum“ genannt) ist mehrfarbig, wobei die dominierenden Farben grün und violett sind. Es enthält umfangreiche [[Sicherheitsmerkmal]]e, wie beispielsweise spezielle [[Drucktechnik]]en ([[Irisdruck]] und [[Tiefdruckverfahren|Stichtiefdruck]]), ein produktbezogenes geschütztes [[Kinegramm (Sicherheitstechnik)|Kinegramm]] und ist in folgender Weise aufgebaut:<ref>vgl. näher Abschnitt&nbsp;VI. (S.&nbsp;15ff.) sowie Anlage&nbsp;8 (S.&nbsp;69ff.) der [http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/site/de/oj/2005/c_326/c_32620051222de00010149.pdf Gemeinsamen Konsularischen Instruktion]</ref> {| class="prettytable" style="float:none;" |-class="hintergrundfarbe5" !Zeile !Inhalt !Beispiel |- |Kopf || Schriftzug „Visum“ in der Landessprache und Dokumentennummer.||rowspan="7" | [[Datei:Visum_Ausfeullbeispiel_farbig.jpg|miniatur|'''Beispiel für ein Schengen-Visum (alte Form ohne integriertes Lichtbild auf grünlichem Papier):''' Hier Typ&nbsp;C, gültig für alle Schengen-Staaten vom 1.&nbsp;Februar 2000 bis zum 31.&nbsp;Januar 2003, für mehrere Einreisen („<tt>MULT</tt>“); für Aufenthalte von maximal 90&nbsp;Tagen pro Halbjahr, ausgestellt in der Botschaft („<tt>Vertretung</tt>“) am 27.&nbsp;Januar 2000 für den Inhaber des Reisepasses Nr.&nbsp;687987. Aus der Codierzeile geht zusätzlich hervor, dass der Inhaber Ahmed Ahmetovic heißt, männlicher („<tt>M</tt>“) [[Bosnien|Bosnier]] ist („<tt>BOS</tt>“) und am 12.&nbsp;Dezember 1965 geboren ist.]] |- |<center>1</center>|| Staaten oder [[Staat]], für die das Visum ausgestellt ist. Beispiele:<br /> * „<tt>Schengener Staaten</tt>“ oder „<tt>Stati Schengen</tt>“ oder „<tt>Etats Schengen</tt>“ usw.: Alle Schengener Staaten. * „<tt>Deutschland</tt>“: Nur für [[Deutschland]]. * „<tt>D, F, E</tt>“: Nur für Deutschland, [[Frankreich]] und [[Spanien]]. * „<tt>Schengener Staaten (-F, P)</tt>“: Für alle Schengener Staaten außer Frankreich und [[Portugal]]. * „<tt>F + Etats Schengen</tt>“: Frankreich (und während der ersten 90&nbsp;Tage der Gültigkeit auch für ganz [[Schengener Abkommen|Schengen]]). |- |<center>2</center>|| Rahmengültigkeit „von … bis“, erfasst wird der erste Geltungstag und der Tag der spätesten Ausreise. |- |<center>3</center>|| * Visumtyp „<tt>A</tt>“, „<tt>B</tt>“, „<tt>C</tt>“, „<tt>D</tt>“, „<tt>D+C</tt>“ * Anzahl der Einreisen („<tt>01</tt>“, „<tt>02</tt>“ oder „<tt>MULT</tt>“ für mehrere); * maximale Gesamtaufenthaltsdauer pro Halbjahr im Gültigkeitszeitraum, möglich sind Eintragungen von „<tt>01</tt>“ bis „<tt>05</tt>“ bei Transitvisa, von „<tt>10</tt>“ (nur in extremen Ausnahmefällen weniger) bis „<tt>90</tt>“ (bei Kurzaufenthaltsvisa) und von „<tt>90</tt>“ bis „<tt>365</tt>“ oder auch „<tt>XX</tt>“ bei nationalen Visa (bei „<tt>XX</tt>“ steht bei deutschen Visa in der Zeile 6: von „<tt>Die Aufenthaltsdauer entspricht der Gültigkeitsdauer des Visums</tt>“) oder „<tt>--</tt>“ bei Flughafentransitvisa. |- |<center>4</center>|| Ausstellungsort. |- |<center>5</center>|| Ausstellungsdatum; Nummer des Reisedokuments, ggf. mit Vermerken über die Gültigkeitserstreckung auch auf die in den Pass eingetragenen Kinder und/oder Ehefrau, sofern diese keine eigenen visierfähigen Reisedokumente besitzen, z.&nbsp;B. „<tt>AB123456 +Y +2X</tt>“: Visum gilt auch für die in dem Pass mit Nummer AB123456 eingetragene Ehefrau und zwei der eingetragenen Kinder des Passinhabers. |- |<center>6</center>|| Anmerkungen, z.&nbsp;B. Aufenthaltszweck oder Beschränkungen der Erwerbstätigkeit, Nebenpflichten oder Aufenthaltsbeschränkungen.<ref>Eine Liste der zulässigen Anmerkungen enthält Anlage&nbsp;9 (S.&nbsp;75 ff.) der [http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/site/de/oj/2005/c_326/c_32620051222de00010149.pdf Gemeinsamen Konsularischen Instruktion]</ref> |} Es folgen zwei Codierzeilen, die jeweils obligatorisch 36&nbsp;Zeichen in der Schriftart „[[OCR-B]]“ enthalten und in folgender Weise aufgebaut sind:<ref>Anlage&nbsp;10 (S.&nbsp;86ff.) der [http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/site/de/oj/2005/c_326/c_32620051222de00010149.pdf Gemeinsamen Konsularischen Instruktion]</ref> {| class="prettytable" style="float:none;" |-class="hintergrundfarbe5" !width="100%" | ''1. Codierzeile'' |- | {| class="prettytable" |-class="hintergrundfarbe5" !width="100pt" | Stelle !width="300pt" | Inhalt !width="600pt" | Erläuterungen |- |<center>1</center> ||Dokumentenart Visum ||Immer „V“ |- |<center>2</center> ||Visumkategorie ||<tt>A</tt> (Flughafen), <tt>B</tt> (Transit), <tt>C</tt> (Kurzzeit) oder <tt>D</tt> (national) |- |<center>3–5</center> ||Ausstellerstaat ||ICAO-Code: <tt>[[Belgien|BEL]], [[Dänemark|DNK]], [[Deutschland|D<<]], [[Griechenland|GRC]], [[Spanien|ESP]], [[Frankreich|FRA]], [[Italien|ITA]], [[Luxemburg|LUX]], [[Niederlande|NLD]], [[Österreich|AUT]], [[Portugal|PRT]], [[Finnland|FIN]], [[Schweden|SWE]], [[Island|ISL]], [[Norwegen|NOR]]</tt> |- ||<center>6–36</center> ||Nachname und Vorname ||Nachname und Vorname sind durch zwei Füllzeichen (<tt><<</tt>) voneinander zu trennen; einzelne Namensteile sind durch ein Füllzeichen zu trennen (<tt><</tt>); verbleibende Stellen sind mit <tt>„<“</tt> aufzufüllen. |} |-class="hintergrundfarbe5" |align="center" width="100%" | '''''2. Codierzeile''''' |- | {| class="prettytable" |-class="hintergrundfarbe5" !width="100pt" | Stelle !width="300pt" | Inhalt !width="600pt" | Erläuterungen |- |<center>1–9</center> ||Visumnummer ||identisch mit der Nummer oben rechts auf dem Etikett |- |<center>10</center> ||Kontrollziffer ||Berechnet nach ICAO-Norm |- |<center>11–13</center> ||Staatsangehörigkeit des Inhabers ||ICAO-Code für den betreffenden Staat |- |<center>14–19</center> ||Geburtsdatum ||Gliederung <tt>JJMMTT</tt>, wenn Monat oder Tag unbekannt: „<tt><<</tt>“ |- |<center>20</center> ||Kontrollziffer ||Berechnet nach ICAO-Norm |- |<center>21</center> ||Geschlecht ||„<tt>F</tt>“ für Frauen, „<tt>M</tt>“ für Männer, „<tt><</tt>“ für „keine Angabe“ |- |<center>22–27</center> ||letzter Gültigkeitstag ||Gliederung <tt>JJMMTT</tt> |- |<center>28</center> ||Kontrollziffer ||Berechnet nach ICAO-Norm |- |<center>29</center> ||Räumliche Beschränkung ||„<tt>T</tt>“ bei räumlicher Beschränkung, sonst „<tt><</tt>“ |- ||<center>30</center> ||Anzahl der Einreisen ||„<tt>1</tt>“, „<tt>2</tt>“ oder „<tt>M</tt>“ |- |<center>31–32</center> ||Dauer des Aufenthalts ||Zahl in Tagen, bei Visum Typ D „<tt><<</tt>“ |- |<center>33–36</center> ||Beginn der Gültigkeit ||Format <tt>MMTT</tt> |} |} == Großbritannien == In [[Vereinigtes Königreich|Großbritannien]] finden die Schengen-Regeln keine Anwendung, weshalb eine eigene, nationale Liste der stets visumpflichtigen und der für Kurzaufenthalte visumbefreiten Staatsangehörigen besteht.<ref>Die Liste ist auf den [http://www.bia.homeoffice.gov.uk/policyandlaw/immigrationlaw/immigrationrules/appendix1/ Internetseiten des britischen Home Office] abrufbar</ref> Im britischen Recht wird zwischen der Einreiseerlaubnis (''leave to enter''),<ref>Im Einzelnen geregelt in den Nummern&nbsp;7 bis 23 der [http://www.bia.homeoffice.gov.uk/policyandlaw/immigrationlaw/immigrationrules/part1/ britischen ''Immigration Rules'']; vgl. auch die amtlichen Beispiele für entsprechende Vermerke in Chapter&nbsp;1 Annex&nbsp;5 der[http://www.britishembassy.gov.uk/servlet/Front?pagename=OpenMarket/Xcelerate/ShowPage&c=Page&cid=1037023012243 britischen ''Diplomatic Service Procedures'']</ref> der Aufenthaltserlaubnis (''leave to remain'') und dem Visum (''entry clearance'') unterschieden. Entsprechend der kontinentaleuropäischen Rechtskonstruktion gilt dabei das Visum auch als Einreise- und Aufenthaltserlaubnis.<ref>Art.&nbsp;2 der [http://www.opsi.gov.uk/si/si2000/20001161.htm Immigration (Leave to Enter and Remain) Order 2000]</ref> Das Visum ist für die stets visumpflichtigen Staatsangehörigen immer, für andere Staatsangehörige (außer für Unionsbürger, Bürger des [[Europäischer Wirtschaftsraum|Europäischen Wirtschaftsraums]] und [[Schweizer]]) dann Einreisevoraussetzung, wenn sie sich länger als sechs Monate in Großbritannien aufhalten möchten.<ref>Nummern&nbsp;24 bis 30C der [http://www.bia.homeoffice.gov.uk/policyandlaw/immigrationlaw/immigrationrules/part1/ britischen ''Immigration Rules'']</ref> Zahlreiche Staatsangehörige benötigen in Großbritannien ein Flughafentransitvisum für Zwischenlandungen und das Umsteigen, auch wenn sie den Transitbereich des Flughafens nicht verlassen.<ref>In dem [http://www.ukba.homeoffice.gov.uk/sitecontent/documents/visitingtheuk/datvleaflet.pdf hier] abrufbaren Informationsblatt wird dies näher ausgeführt</ref> Für Visa, die den Schengen-Kategorien A bis C entsprechen, wird die Schengen-Visumvignette verwendet; dennoch gilt das Visum nur für Großbritannien. Daueraufenthaltsvisa werden hingegen auf einem eigenständigen britischen Visummuster erteilt.<ref>Vgl. die Ausfüllmuster in Chapter&nbsp;1 Annex&nbsp;1 der [http://www.britishembassy.gov.uk/servlet/Front?pagename=OpenMarket/Xcelerate/ShowPage&c=Page&cid=1036517680543 britischen ''Diplomatic Service Procedures'']</ref> Bestimmte Personengruppen, die nach den britischen Gesetzen von der Visumpflicht befreit sind (z.&nbsp;B. Regierungsmitglieder, Staatsoberhäupter oder Seeleute aus bestimmten Staaten), erhalten zur Bestätigung der visafreien Einreiseerlaubnis einen Sichtvermerk („D:EXEMPT“), der dem Grenzpersonal die Berechtigung zur visafreien Einreise bescheinigt.<ref>Vgl. im Einzelnen Chapter&nbsp;1 Annex&nbsp;2 der [http://www.britishembassy.gov.uk/servlet/Front?pagename=OpenMarket/Xcelerate/ShowPage&c=Page&cid=1036517814901 britischen ''Diplomatic Service Procedures'']</ref> == Diplomatenvisa und Protokollausweise == Das ''Diplomatenvisum'', das auch in Kartenform als sogenannter ''Protokollausweis'' ausgegeben wird,<ref>Vgl. dazu näher Nr.&nbsp;4.1.1.17 der [http://www.tbb-berlin.de/de/archiv/BMI_Hinweise_AufenthG_221204.pdf Vorläufigen Anwendungshinweise des Bundesministeriums des Innern zum Aufenthaltsgesetz]</ref> bestätigt bei der Grenzkontrolle, dass sein Inhaber den Status eines akkreditierten [[Diplomat]]en besitzt und als solcher in dem Staat, in dem er akkreditiert ist, von den ausländerrechtlichen Regelungen ausgenommen ist. In Deutschland werden diese Dokumente, die auch als ''FREMIS''-Papiere (von „''Fre''mde ''Mis''sion“) bezeichnet werden, vom [[Auswärtiges Amt|Auswärtigen Amt]] ausgestellt.<ref>Eine Liste sämtlicher Protokollausweise, die in den Schengen-Staaten ausgegeben werden, wird von der Europäischen Union amtlich veröffentlicht, vgl. [http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/site/de/oj/2006/c_247/c_24720061013de00010016.pdf die Mitteilung der Kommission: „Liste von Aufenthaltstiteln gemäß Artikel&nbsp;2 Absatz 15 der Verordnung (EG) Nr. 562/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. März 2006 über einen Gemeinschaftskodex für das Überschreiten der Grenzen durch Personen (Schengener Grenzkodex)(2006/C 247/01) vom 13. Oktober 2006“]</ref> Inhaber eines [[Diplomatenpass]]es oder [[Dienstpass]]es aus bestimmten Staaten (z.&nbsp;B. Türkei für Einreisen nach Deutschland)<ref>{{§|16|aufenthv|juris}} i.&nbsp;V.&nbsp;m. Anlage&nbsp;B der [[Aufenthaltsverordnung]]</ref> benötigen zudem für Reisen im Gegensatz zu anderen Bürgern desselben Staates oftmals kein Visum, weil sie nicht im Verdacht stehen, aus wirtschaftlichen Gründen einwandern zu wollen. Umgekehrt verlangt zum Beispiel [[Frankreich]] von Diplomaten aus [[Israel]] ein Visum,<ref>Dies ist ein Beispiel für Sonderregelungen für Diplomaten im Schengen-Raum; die gesamten Regelungen sind in Anlage&nbsp;2 zur [http://register.consilium.europa.eu/pdf/de/05/st12/st12357-re01.de05.pdf Gemeinsamen Konsularischen Instruktion] (in dem verlinkten Dokument mit Stand 31. Juli 2006) aufgeführt</ref> während Inhaber eines gewöhnlichen israelischen [[Reisepass]]es in den Schengen-Raum visumfrei einreisen können.<ref>Artikel&nbsp;1 Abs.&nbsp;2 i.&nbsp;V.&nbsp;m. Anhang&nbsp;II der [http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/site/de/consleg/2001/R/02001R0539-20070119-de.pdf Verordnung (EG) Nr.&nbsp;539/2001]</ref> == Visa außerhalb der Europäischen Union == === Australien === In [[Australien]] sind sämtliche Ausländer visumpflichtig. Es besteht aber die Besonderheit, dass einige Staatsangehörige<ref>Die aktuelle Liste ist [http://www.eta.immi.gov.au/ETAAus1En.html hier] veröffentlicht</ref> für touristische und geschäftliche Kurzaufenthalte anstelle eines im Pass angebrachten Visums eine sogenannte „[[Electronic Travel Authority]]“ beantragen können. Dabei handelt es sich um eine personenbezogene Freigabeeintragung in der Datenbank der australischen Einwanderungsbehörde, die bei der Flugbuchung durch eine Fluggesellschaft oder ein Reisebüro, aber auch vom Antragsteller selbst über das Internet beantragt werden kann. Die Bearbeitungsdauer beträgt 30&nbsp;Sekunden.<ref>[http://www.eta.immi.gov.au/ETAAus2En.html Informationen der australischen Regierung]</ref> [[Datei:Visa pasport.jpg|miniatur|Der [[japan]]ische Einreisevermerk dokumentiert die Entscheidung über den Aufenthalt, ist aber kein Visum. Der [[Strichcode#2-D-Strichcode|Barcode]] erleichtert die Registrierung der Ausreise, die mit dem blauen Stempel bescheinigt wird]] === Japan === In [[Japan]] gilt ein Visum nicht als Aufenthaltstitel, sondern als Voraussetzung für die Einreiseerlaubnis (''landing permission''), die der Einwanderungsbeamte nach der Einreisekontrolle in Form eines Aufklebers im Pass erteilt und die für die Rechtmäßigkeit des Aufenthalts erforderlich ist.<ref>[http://www.mofa.go.jp/j_info/visit/visa/01.html#b1 Erläuterungen des japanischen Außenministeriums] (englisch). Rechtsgrundlage ist Sec.&nbsp;6 und 9 des [http://www.moj.go.jp/ENGLISH/information/icrr-04.html japanischen Einwanderungs- und Asylgesetzes]</ref> Im April 2006 waren Angehörige von 62 Staaten in Japan für Aufenthalte ohne Erwerbstätigkeit, die eine bestimmte vom Herkunftsstaat abhängige Dauer nicht übersteigen, von der Visumpflicht befreit.<ref>[http://www.mofa.go.jp/j_info/visit/visa/02.html#a Liste des japanischen Außenministeriums]</ref> Sie erhalten bei Erfüllung der Einreisevoraussetzungen also ohne Visum die ''landing permission''. In Japan bestehen sieben Visakategorien; dabei wird zwischen 28 verschiedenen Anlässen des Aufenthalts unterschieden.<ref>[http://www.mofa.go.jp/j_info/visit/visa/03.html#categories Liste der japanischen Visakategorien und Aufenthaltsanlässe]</ref> Zur Beschleunigung des Antragsverfahrens kann eine Vorabzustimmung (''certificate of eligibility'') einer japanischen Ausländerbehörde, die die Erfüllung von Aufenthaltsvoraussetzungen bestätigt, bei der Beantragung des Visums vorgelegt werden, wodurch sich die Befassung der Ausländerbehörde durch die bearbeitende Auslandsvertretung erübrigt.<ref>[http://www.mofa.go.jp/j_info/visit/visa/03.html#c Erläuterungen des japanischen Außenministeriums zum ''certificate of eligibility'']</ref> Japan unterhält für jüngere Menschen, auch aus Deutschland, auf der Grundlage gegenseitiger Abkommen ein Programm für Ferienarbeitsaufenthalte, wofür ein [[Working Holiday Visa (Japan)|''Working Holiday''-Visum]] ausgestellt wird.<ref>Siehe auch die [http://www.de.emb-japan.go.jp/konsular/ferienarbeit.html Erläuterungen der Japanischen Botschaft Berlin zu Ferienarbeitsvisa]</ref> === Russland === [[Datei:Visum Russland 2008rev.jpg|miniatur|Aktuelles russisches Visum]] Das Recht der [[Russland|Russischen Föderation]] unterscheidet zwischen Privat-, Geschäfts-, Touristen- und Transit-Visa. [[Datei:RussianVisa.jpg|miniatur|links|[[Russland|Russisches]] Visum älterer Art]] Die [[Europäische Union]] und Russland haben über die Formalitäten der Erteilung von Visa für einen Zeitraum bis zu 90&nbsp;Tagen ein Abkommen geschlossen. In diesem Abkommen wird geregelt, welche Dokumente von Mitgliedern offizieller Delegationen, Geschäftsleuten und Verbandsvertretern, Lkw-, Bus- und Zugpersonal, Journalisten, Wissenschaftlern und Künstlern, Schülern und Studenten, Sportlern und weiteren Personen bei der Antragstellung vorzulegen sind. Zudem ist nach dem Abkommen die Erteilung von Mehrfachvisa vorgesehen.<ref>[http://www.russisches-konsulat.de/Blank/Visaerleicherungsabkommen.pdf Abkommen zwischen der Europäischen Gemeinschaft und der Russischen Föderation über die Erleichterung der Ausstellung von Visa für Bürger der Europäischen Union und für Staatsangehörige der Russischen Föderation]</ref> Touristen, auch Individualtouristen, benötigen für ein Visum die in einer bestimmten Form erteilte Bestätigung eines russischen Reiseveranstalters.<ref>[http://www.russisches-konsulat.de/visa.htm#_3. Hinweise der Russischen Botschaft Berlin zu den von Touristen vorzulegenden Unterlagen]</ref> Personen, die privat, von einer Organisation oder von einem Unternehmen in Russland eingeladen werden, müssen bei der Beantragung des Visums eine von russischen Behörden ausgestellte oder bestätigte Einladung auf einem speziellen Formular im Original vorlegen.<ref>[http://www.russisches-konsulat.de/visa.htm#_4. Hinweise der Russischen Botschaft Berlin zu den von Besuchern vorzulegenden Unterlagen]</ref> Nach der Einreise und nach jedem Ortswechsel muss innerhalb von drei Werktagen in Begleitung des tatsächlichen Gastgebers mit der bei der Grenzkontrolle ausgestellten Migrationskarte eine Anmeldung oder Registrierung beim Ausländeramt oder bei einem Postamt vorgenommen werden, wodurch die Reisenden korrekt erfasst und mögliche illegale Einwanderungen verhindert werden sollen. Die Bestätigung dieser Registrierung muss ständig mitgeführt werden. Kurz vor der Abreise muss in ähnlicher Weise eine Abmeldung vorgenommen werden. Bei einem Hotelaufenthalt können An- und Abmeldung im Hotel erfolgen.<ref>Siehe die [http://www.russland-visum.de/in-russland/registrierung-russland-visum.php ausführliche Beschreibung] eines professionellen Visavermittlungsunternehmens</ref> === Schweiz === [[Datei:CH1931visa.jpg|miniatur|hochkant|[[Schweiz]]er Visum aus dem Jahr 1931]] Das seit dem 1. Januar 2008 geltende neue [[Schweiz]]er Recht ist derart ausgestaltet, dass sein Wortlaut ohne weiteres Gesetzgebungsverfahren seit der Inkraftsetzung der Schengen-Regeln in der Schweiz, also seit dem 12. Dezember 2008, an das Schengen-Recht angepasst wurde. Hinsichtlich des Visumverfahrens gelten seit jenem Zeitpunkt keine Besonderheiten mehr, <ref>Vgl. im Detail Artikel&nbsp;127 des [http://www.admin.ch/ch/d/sr/1/142.20.de.pdf Ausländergesetzes der Schweiz]</ref> so dass für die Schweiz hinsichtlich der Kurzaufenthalte dieselben Regeln gelten wie im übrigen Schengen-Raum. Beabsichtigt ein Ausländer einen Aufenthalt in der Schweiz, der über den Zeitraum eines Kurzaufenthalts hinausgeht – also im gesamten Schengen-Raum eine Dauer von mehr als 90 Tagen innerhalb eines Bezugszeitraums von sechs Monaten hat –, oder beabsichtigt er die Ausübung einer Erwerbstätigkeit in der Schweiz, muss eine Bewilligung des Aufenthaltes vor der Einreise eingeholt werden.<ref>Artikel&nbsp;10 Abs.&nbsp;2 und Artikel&nbsp;11 des [http://www.admin.ch/ch/d/sr/1/142.20.de.pdf Ausländergesetzes der Schweiz]</ref> Wird die Bewilligung erst nach der Einreise während eines bewilligungsfreien Aufenthalts beantragt, ist die Entscheidung über die Bewilligung ggfs. im Ausland abzuwarten, es sei denn, der Antrag ist offensichtlich begründet und die zuständige kantonale Behörde lässt daher eine Ausnahme zu.<ref>Artikel&nbsp;17 des [http://www.admin.ch/ch/d/sr/1/142.20.de.pdf Ausländergesetzes der Schweiz]</ref> Ausländer aus EU-Staaten, die in der Schweiz arbeiten, erhalten nach dem Niederlassungsabkommen EU-Schweiz einen [[Grenzgängerausweis]]. Ausländer mit einem Aufenthaltstitel eines Schengen-Staates können sich nach Art.&nbsp;21 des Schengener Durchführungsübereinkommens bis zu drei Monate lang ohne Visum in der Schweiz aufhalten, dürfen aber ohne Schweizer Bewilligung keine Erwerbstätigkeit ausüben. === USA === [[Datei:Visa UK1993 US1994.jpg|miniatur|hochkant|links|Einreisesichtvermerke, [[Vereinigtes Königreich|UK]] (1993) und [[Vereinigte Staaten|USA]] (1994)]] In den USA wird rechtlich zwischen der Ausstellung eines Visums und der Einreiseerlaubnis (''admission'') unterschieden. Ein Visum berechtigt nicht zur Einreise und zum Aufenthalt, sondern ist lediglich grundsätzliche Voraussetzung für die Beantragung der Einreiseerlaubnis bei einem Einwanderungsbeamten.<ref>So ausdrücklich sec.&nbsp;221 (h) des [http://www.uscis.gov/propub/template.htm?view=document&doc_action=sethitdoc&doc_hit=1&doc_searchcontext=jump&s_context=jump&s_action=newSearch&s_method=applyFilter&s_fieldSearch=nxthomecollectionid|SLB&s_fieldSearch=foliodestination|ACT221&s_type=all&hash=0-0-0-215 Immigration and Nationality Act]; ebenso [http://www.unitedstatesvisas.gov/whatis/index.html diese Information der US-Regierung]</ref> Jeder Ausländer, der in das Gebiet der USA einreist, gilt als Antragsteller für eine Einreiseerlaubnis,<ref>Sec.&nbsp;235 (a) (1) des [http://www.uscis.gov/propub/template.htm?view=document&doc_action=sethitdoc&doc_hit=1&doc_searchcontext=jump&s_context=jump&s_action=newSearch&s_method=applyFilter&s_fieldSearch=nxthomecollectionid|SLB&s_fieldSearch=foliodestination|ACT235&s_type=all&hash=0-0-0-231 Immigration and Nationality Act]</ref> es sei denn, er hat dort bereits einen Daueraufenthaltsstatus, der nicht erloschen ist.<ref>Sec.&nbsp;101 (13) (C) des [http://www.uscis.gov/propub/template.htm?view=document&doc_action=sethitdoc&doc_hit=1&doc_searchcontext=jump&s_context=jump&s_action=newSearch&s_method=applyFilter&s_fieldSearch=nxthomecollectionid|SLB&s_fieldSearch=foliodestination|ACT101&s_type=all&hash=0-0-0-157 Immigration and Nationality Act]</ref> Erlaubt eingereist ist ein Ausländer erst, wenn er als Ergebnis einer Einreisekontrolle von einem Einwanderungsbeamten die Einreiseerlaubnis erhalten hat.<ref>Sec.&nbsp;101 (13) (A) des [http://www.uscis.gov/propub/template.htm?view=document&doc_action=sethitdoc&doc_hit=1&doc_searchcontext=jump&s_context=jump&s_action=newSearch&s_method=applyFilter&s_fieldSearch=nxthomecollectionid|SLB&s_fieldSearch=foliodestination|ACT101&s_type=all&hash=0-0-0-157 Immigration and Nationality Act]</ref> Nicht das Visum, sondern ein Einreisekontrollstempel dokumentiert damit die Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Einreise und des Aufenthalts. Visa werden in einer Vielzahl verschiedener Kategorien vergeben, die sich nach [[Verwandtschaftsgrad]] mit US-Bürgern, nach Lebenssituation und Einreisegrund unterscheiden.<ref>[http://www.uscis.gov/portal/site/uscis/menuitem.5af9bb95919f35e66f614176543f6d1a/?vgnextoid=e6c08875d714d010VgnVCM10000048f3d6a1RCRD&vgnextchannel=ca408875d714d010VgnVCM10000048f3d6a1____ U.S. Citizenship and Immigration Services – Immigration Classifications and Visa Categories]</ref> Dabei wird zwischen Einwanderungsvisa (''immigrant visa'') und Nichteinwanderungsvisa (''nonimmigrant visa'') unterschieden.<ref>Vgl. die Übersicht der [http://www.cbp.gov/xp/cgov/travel/id_visa/study_exchange/difference_visa_adrecord.xml U.S. Customs and Border Protection]</ref> Zu den Besonderheiten der US-Visaregelungen gehören eigene Visakategorien für Mitarbeiter der Vereinten Nationen (Kategorien C–2, G–1 bis G–5), für Informanten der US-Regierung (Kategorien S–5 und S–6) sowie für Opfer von Verbrechen und [[Menschenrechtsverletzung]]en (z.&nbsp;B. Kategorien T, U und TPS). Für die Erteilung von Visa oder die Erlaubnis der Einreise ist es in zahlreichen Fällen erforderlich, dass andere Behörden beteiligt werden, die etwa für die Verwaltung des Arbeitsmarkts oder für Kulturangelegenheiten zuständig sind.<ref>Dies ist detailliert in sec.&nbsp;214 des [http://www.uscis.gov/propub/template.htm?view=document&doc_action=sethitdoc&doc_hit=1&doc_searchcontext=jump&s_context=jump&s_action=newSearch&s_method=applyFilter&s_fieldSearch=nxthomecollectionid|SLB&s_fieldSearch=foliodestination|ACT214&s_type=all&hash=0-0-0-201 Immigration and Nationality Act] geregelt</ref> Touristen und Geschäftsreisende benötigen grundsätzlich ein Visum der Kategorie B–1 oder B–2. Angehörige einiger westlich orientierter Staaten können das ''Visa Waiver Program''<ref>cpb.gov: [http://www.cbp.gov/xp/cgov/travel/id_visa/business_pleasure/vwp/ Visa Waiver Program] Abgerufen am 30. Juli 2008</ref> nutzen. Sie können bei einer Einreise an Bord eines hierfür zugelassenen Beförderungsunternehmens den Antrag auf Gestattung der Einreise ohne Visum stellen und erhalten vor der Einreise an Bord ein Formular für die Erfassung als visumfreie Nichteinwanderer mit der Bezeichnung ''Nonimmigrant visa waiver arrival/departure form'', das bei der Einreise an der Grenzkontrollstelle vorzulegen ist. Wer das Programm zur visumfreien Einreise nutzt, verzichtet zugleich auf Rechtsmittel im Falle einer Zurückweisung.<ref>Vgl. die Ausführungen der [http://www.cbp.gov/xp/cgov/travel/id_visa/business_pleasure/vwp/vwp.xml U.S. Customs and Border Protection]. Rechtsgrundlage ist die sehr ausführliche Regelung in sec.&nbsp;217 des [http://www.uscis.gov/propub/template.htm?view=document&doc_action=sethitdoc&doc_hit=1&doc_searchcontext=jump&s_context=jump&s_action=newSearch&s_method=applyFilter&s_fieldSearch=nxthomecollectionid|SLB&s_fieldSearch=foliodestination|ACT217&s_type=all&hash=0-0-0-209 Immigration and Nationality Act]</ref> Auch Reisende, die mit einem Visum die Gestattung der Einreise beantragen, können zurückgewiesen werden, wenn sie die Einreisevoraussetzungen nicht darlegen können. Das US-Recht enthält eine Vermutung, wonach jede Person, die in die USA einreist, einwandern möchte.<ref>Sec.&nbsp;214(2)(B)(b) des [http://www.uscis.gov/propub/template.htm?view=document&doc_action=sethitdoc&doc_hit=1&doc_searchcontext=jump&s_context=jump&s_action=newSearch&s_method=applyFilter&s_fieldSearch=nxthomecollectionid|SLB&s_fieldSearch=foliodestination|ACT214&s_type=all&hash=0-0-0-201 Immigration and Nationality Act]</ref> Es ist aus rechtlicher Sicht Angelegenheit des Einreisenden, die Grenzkontrollbeamten vom Gegenteil zu überzeugen oder aber das Vorliegen der Einwanderungsvoraussetzungen nachzuweisen. In der Praxis reicht hierfür zumeist die Vorlage eines Nichteinwanderungsvisums oder des ausgefüllten Formulars für das ''Visa Waiver Program'' und ggfs. die schlüssige Erläuterung des Reisezwecks, der Bindungen an den Herkunftsstaat (z.&nbsp;B. Arbeitsplatz) und der vorhandenen Reisemittel (Bargeld, Kreditkarte, Reiseschecks) aus. Aus diesem Grunde werden Einreisende häufig nach ihrem Arbeitsplatz befragt.<ref>Carissa J. Meyer: [http://www.aicels.org/aicels/Interduction_to_czech_law_-_AICELS%20-%20Abstract1.pdf "Seeking Entry into the United States: How America’s Visa Waiver Program Works"] In: A Brief Introduction to Czech Law. Rincon: The American Institute for Central European Legal Studies (AICELS),2008. p. 45 - 51, ISBN 978-0-692-00045-8</ref> Die ''Permanent resident card'', auch landläufig als [[Greencard (Vereinigte Staaten)|Green Card]] bezeichnet, fällt nicht in die Kategorie der Nichteinwanderungsvisa, sondern stellt eine grundsätzlich unbefristete Aufenthaltserlaubnis dar, die als Ausweis in den USA ständig mitzuführen ist und bei der Einreise zugleich die Funktion des Visums erfüllt. Bei einer Abwesenheit von mehr als zwölf Monaten ist eine zusätzliche Wiedereinreiseerlaubnis (''re-entry permit'') erforderlich.<ref>[http://www.uscis.gov/portal/site/uscis/menuitem.eb1d4c2a3e5b9ac89243c6a7543f6d1a/?vgnextoid=4f719c7755cb9010VgnVCM10000045f3d6a1RCRD&vgnextchannel=4f719c7755cb9010VgnVCM10000045f3d6a1RCRD Informationen des US-Behörden für ''permanent residents'']</ref> === Kollisionsfälle === [[Datei:VisaCollisionIsraelJordan.jpg|miniatur|hochkant|[[Jordanien|Jordanisches]] Visum aus dem Jahr 1993 mit einem Vermerk, wonach es ungültig wird, sobald der Pass ein [[israel]]isches Visum enthält. Inzwischen haben Israel und Jordanien Frieden geschlossen, sodass solche Vermerke entfallen.]] Visa und Kontrollstempel einiger Staaten in einem [[Pass (Dokument)|Pass]] können dazu führen, dass andere Staaten den Passinhaber nicht einreisen lassen oder vor der Einreise intensiv befragen. So müssen in [[Israel]] Reisende mit Sichtvermerken aus denjenigen [[Arabische Welt|arabischen Ländern]], mit denen Israel keine [[Diplomatie|diplomatischen Beziehungen]] unterhält, mit intensiveren Befragungen vor einer Einreiseentscheidung rechnen.<ref>Siehe Punkt&nbsp;2 der Hinweise zu den Einreisevoraussetzungen bei den [http://www.auswaertiges-amt.de/diplo/de/Laenderinformationen/Israel/Sicherheitshinweise.html Reisehinweisen des deutschen Auswärtigen Amtes zu Israel], abgerufen am 7. Dezember 2007</ref> Umgekehrt lassen einige arabische Staaten, etwa der [[Libanon]]<ref>[http://www.libanesische-botschaft.info/german/visa.htm Hinweis der Libanesischen Botschaft Berlin] zu den Visaerteilungsvoraussetzungen, abgerufen am 7. Dezember 2007)</ref> und [[Syrien]],<ref>[http://www.syrianembassy.de/SyrianSite/HVisa_Bstim.html Hinweis der Syrischen Botschaft Berlin] zu den Visaerteilungsvoraussetzungen (unter „P.S.“), abgerufen am 7. Dezember 2007</ref> Inhaber von Pässen, die Vermerke israelischer Behörden enthalten oder aus denen ein Aufenthalt in Israel hervorgeht, kategorisch nicht einreisen, während in anderen arabischen Ländern zumindest mit einer intensiven Prüfung des Einreisewunsches zu rechnen ist.<ref>Vgl. etwa zu den Vereinigten Arabischen Emiraten die [http://www.auswaertiges-amt.de/diplo/de/Laenderinformationen/VereinigteArabischeEmirate/Sicherheitshinweise.html Reisehinweise des deutschen Auswärtigen Amtes] unter „Einreisebestimmungen“, „Reisedokumente“</ref> Vor dem [[Europäische Union|EU]]-Beitritt [[Zypern]]s verwehrten die Behörden der [[Republik Zypern]] nach Besuchen [[Türkische Republik Nordzypern|Nordzyperns]], z.&nbsp;B. nach Tagesbesuchen, die Wiedereinreise, wenn der Reisepass Stempel nordzyprischer Behörden enthielt. Deshalb vergaben die Behörden des Nordteils an der Grenzkontrollstelle ein abzustempelndes Tagesvisum in Form eines Einlegeblatts, sodass im Reisepass nicht gestempelt werden musste. Ein fehlender aktueller Einreisestempel [[Serbien]]s kann bei Einreise aus dem [[Kosovo]] zu Problemen bei der Einreise bzw. Weiterreise nach Serbien führen. Da Serbien den Kosovo nach wie vor als Teil seines Staatsgebietes betrachtet, wird die Einreise aus Drittländern in den Kosovo von den serbischen Behörden als illegale Einreise nach Serbien angesehen. Da dies den kosovarischen Behörden bekannt ist, verzichten diese auf Wunsch auf eine Stempelung. In solchen Fällen bietet sich als Lösung der Besitz zweier Pässe an, was in Deutschland<ref>Es liegt dann ein „berechtigtes Interesse“ im Sinne des {{§|1|pa_g_1986|juris}} Passgesetzes vor</ref> oder Österreich<ref>Vgl. §&nbsp;10 Abs.&nbsp;1 des [http://www.help.gv.at/cgi-bin/system.pl?label=PassG österreichischen Passgesetzes]</ref> zulässig ist; an der Grenze wird jeweils derjenige Pass vorgelegt, in dem keine für die Einreise nachteiligen Einträge enthalten sind. == Geschichte der Sichtvermerke == === 17. Jahrhundert bis zur ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts === Die [[mittelalter]]lichen [[Geleitbrief]]e gelten als Vorläufer der heutigen Reisepässe. Sie stellten [[privileg]]ierte Reisende ([[Diplomat]]en, Kaufleute, Pilger) unter den Schutz des Staates, während mittellose Reisende in manchen Regionen Deutschlands (z.&nbsp;B. in der Pfalz) von den Landesfürsten aufgegriffen und in leerstehenden Dörfern angesiedelt wurden.<ref>Michael Jansen: Grundlagen des Paßrechts für Ausländer, ZAR 1998, 70, 71&nbsp;m.w.N.</ref> Die Regierungen der [[Absolutismus|absolutistischen]] Staaten Europas waren daran interessiert, unnütze Reisen ihrer Bürger zu verhindern. Deshalb musste für jede Reise ein Reisepass beantragt werden, der Zeitraum und Reiseroute genau festlegte. Bevölkerungszunahme, Verarmung und wachsende Mobilität als Folge der [[Bauernbefreiung]] führten zu einer erheblichen Verschärfung der Pass- und Sichtvermerksbestimmungen.<ref>Ausführlich Günter Renner: ''Ausländerrecht in Deutschland'', Verlag C.&nbsp;H. Beck, München 1998, ISBN 3-406-43699-4, Rn.&nbsp;15</ref> Mit der Einführung des allgemeinen Erfordernisses von Reisepässen im Zeitraum zwischen dem späten 18.&nbsp; und der ersten Hälfte des 19.&nbsp;Jahrhunderts wurde es üblich, die Dokumente durch Eintragungen an der Staatsgrenze oder zuvor kennzeichnen („visieren“) zu lassen. Seit 1813 benötigten alle Ausländer in [[Preußen]] eine Aufenthaltsbewilligung in Form eines Visums, falls sie sich länger als 24&nbsp;Stunden in einer Gemeinde aufhalten wollten.<ref>§&nbsp;16 des Allgemeinen Passedikts vom 21. Juni 1817, GS S.&nbsp;152</ref> Gastwirte durften Ausländer nur beherbergen, wenn ein solches Visum erteilt war, und galten als Hilfsorgane („Unteroffizianten“) der „Fremdenpolizei“.<ref>§§&nbsp;24 und 26 des Passreglements vom 20. März 1813, GS S.&nbsp;47</ref> === 1850 bis 1914 === Durch die ''Dresdner Konvention'' vom 21.&nbsp;Oktober 1850 und die damit verbundene Einführung der [[Passkarte]] wurde die Visumpflicht im innerdeutschen Reiseverkehr endgültig abgeschafft. Neun Jahre später, im Jahre 1859, trat [[Österreich-Ungarn]] dieser Konvention bei und ermöglichte den visumfreien Reiseverkehr innerhalb der [[K.u.k.-Monarchie]]. Ab 1865 ermöglichten [[Bayern]], [[Sachsen]] und [[Württemberg]] auch Ausländern die Einreise ohne Pass und Visum. Der [[Norddeutscher Bund|Norddeutsche Bund]] und Österreich-Ungarn folgten bis 1867.<ref>[http://www.documentarchiv.de/nzjh/ndbd/pass_ges.html Gesetzes über das Passwesen vom 12. Oktober 1867 des Norddeutschen Bundes (BGBl. S.&nbsp;33)]</ref> Durch das Gesetz über das Passwesen vom 12. Oktober 1867 wurden Pass- und Sichtvermerkszwang im gesamten Gebiet des Norddeutschen Bundes vollständig aufgehoben, sie durften jedoch bei Vorliegen außergewöhnlicher Ereignisse durch eine Verordnung vorübergehend wieder eingeführt werden.<ref>§&nbsp;9 des [http://www.documentarchiv.de/nzjh/ndbd/pass_ges.html Gesetzes über das Passwesen vom 12. Oktober 1867 des Norddeutschen Bundes (BGBl. S.&nbsp;33)]</ref> Dadurch wurde das Visumrecht rechtssystematisch im [[Pass (Dokument)|Passrecht]] verankert und nicht etwa im Ausländer- („Fremden“-)Recht, das weiterhin Gegenstand örtlicher oder landesherrlicher Rechtssetzung war. Diese Zuordnung blieb in Deutschland bis 1965 bestehen. === 1914 bis 1938 === Vor dem [[Erster Weltkrieg|Ersten Weltkrieg]] benötigten die Bürger für Reisen innerhalb Europas keinen [[Reisepass]] und kein Visum. In Deutschland galt das Gesetz über das Passwesen des Norddeutschen Bundes bis in die [[Weimarer Republik|Weimarer Zeit]] hinein weiter.<ref>Vgl. Michael Jansen, Grundlagen des Paßrechts für Ausländer, ZAR 1998, 70, 72 mit Hinweis auf Artikel&nbsp;4 Nr.&nbsp;1 der Reichsverfassung vom 16. April 1871 (RGBl. S.&nbsp;63) und Artikel&nbsp;7 Nr.&nbsp;4 der Weimarer Reichsverfassung vom 11. August 1919 (RGBl. S.&nbsp;1383)</ref> Während des Ersten Weltkrieges wurde in allen kriegführenden Ländern ein allgemeiner Pass- und Visumzwang eingeführt, um potentielle [[Spionage|Spione]] an der Einreise zu hindern und die Erfüllung der Wehrpflicht zu sichern. Im Deutschen Reich ordnete Kaiser [[Wilhelm II. (Deutsches Reich)|Wilhelm&nbsp;II.]] gleichzeitig mit der Verkündung des Kriegszustandes auch die Einführung einer Passpflicht an.<ref>Verordnung, betreffend die vorübergehende Einführung der Passpflicht, vom 31. Juli 1914 (RGBl. S.&nbsp;264); ersetzt durch die Verordnung, betreffend anderweitige Regelung der Passpflicht, vom 16. Dezember 1914 (RGBl. S.&nbsp;521)</ref> Mit Wirkung vom 1. August 1916 wurde in Deutschland für Ein- und Ausreisen von In- und Ausländern ein Sichtvermerkszwang eingeführt.<ref>§&nbsp;1 der Verordnung, betreffend anderweitige Regelung der Passpflicht, vom 21. Juni 1916 (RGBl. S.&nbsp;599)</ref> Zugleich wurde der Reichskanzler<ref>Ab 1919 der Reichsinnenminister; §&nbsp;6 der Verordnung über die Abänderung der Verordnung vom 21. Juni 1916, betreffend anderweitige Regelung der Passpflicht, vom 10. Juni 1919 (RGBl. S.&nbsp;516)</ref> zum Erlass weiterer Ausführungsvorschriften ermächtigt; die entsprechende Anordnung enthielt für Deutschland erstmals detaillierte Regelungen zu den Voraussetzungen der Visumerteilung und zur Zuständigkeit und Form der Visa.<ref>Bekanntmachung, betreffend Ausführungsvorschriften zu der Passverordnung, vom 24. Juni 1916 (RGBl. S.&nbsp;601)</ref> Jede Person benötigte einen eigenen Pass oder Kinderausweis,<ref>Nummer&nbsp;3 der Bekanntmachung, betreffend Ausführungsvorschriften zu der Passverordnung, vom 24. Juni 1916 (RGBl. S.&nbsp;601)</ref> das Visum war vor jedem Grenzübertritt erneut einzuholen.<ref>Nummer&nbsp;14 der Bekanntmachung, betreffend Ausführungsvorschriften zu der Passverordnung, vom 24. Juni 1916 (RGBl. S.&nbsp;601)</ref> Dieser Pass- und Visumzwang blieb in Deutschland nach Kriegsende beibehalten.<ref>§&nbsp;1 der Verordnung über die Abänderung der Verordnung vom 21. Juni 1916, betreffend anderweitige Regelung der Passpflicht, vom 10. Juni 1919 (RGBl. S.&nbsp;516)</ref> Auch andere europäische Staaten erhielten die zunächst als kriegsbedingtes Ausnahmerecht eingeführten Beschränkungen aufrecht.<ref>Vgl. etwa zur britischen Rechtsentwicklung den ''Aliens Restriction (Amendment) Act 1919'', der bis zum Inkrafttreten des ''Immigration Act 1971'' jährlich erneuert wurde und den als Notstandsrecht eingeführten ''Alien Restrictions Act 1914'' fortschrieb, dazu [http://www.publications.parliament.uk/pa/ld200506/ldjudgmt/jd050630/mark-1.htm House of Lords, Mark (Respondent) v Mark (Appellant), <nowiki>[2005]</nowiki> UKHL 42], Nr.&nbsp;17</ref> Seit Juli 1924 konnten deutsche Reichsangehörige unter 15&nbsp;Jahren ohne Visum nach Deutschland einreisen;<ref>§&nbsp;40 der Bekanntmachung zur Ausführung der Passverordnung vom 4. Juni 1924 (RGBl.&nbsp;I S.&nbsp;613)</ref> Ausländer mit Wohnsitz im Inland oder allgemein Reichsangehörige konnten das Ausreisevisum durch einen Unbedenklichkeitsvermerk des [[Finanzamt]]es ersetzen.<ref>§&nbsp;41 der Bekanntmachung zur Ausführung der Passverordnung vom 4. Juni 1924 (RGBl.&nbsp;I S.&nbsp;613)</ref> Bereits zum 1. Januar 1925 wurde aber die Visumpflicht für Reichsangehörige und Ausländer mit deutscher Aufenthaltsgenehmigung oder mit Wiedereinreisevisum gänzlich abgeschafft.<ref>Artikel&nbsp;II der Abänderung der Bekanntmachung zur Ausführung der Passverordnung vom 22. Dezember 1924 (RGBl.&nbsp;I S.&nbsp;964)</ref> Visa konnten auch allgemein mit Blick auf die „Persönlichkeit des Reisenden“ versagt werden,<ref>§&nbsp;52 I&nbsp;a der Bekanntmachung zur Ausführung der Passverordnung vom 4. Juni 1924 (RGBl.&nbsp;I S.&nbsp;613)</ref> die Ablehnung der Erteilung erfolgte „in der Regel ohne Angabe von Gründen“.<ref>§&nbsp;57 der Bekanntmachung zur Ausführung der Passverordnung vom 4. Juni 1924 (RGBl.&nbsp;I S.&nbsp;613)</ref> Erstmals wurde die Erteilung von Ausnahmevisa an der Grenze ermöglicht.<ref>§&nbsp;78 f. der Bekanntmachung zur Ausführung der Passverordnung vom 4. Juni 1924 (RGBl.&nbsp;I S.&nbsp;613)</ref> Ausländische Landarbeiter durften bei Vorliegen einer Aufnahmezusage der „Deutschen Arbeiterzentrale“ pass- und visumfrei einreisen.<ref>§&nbsp;122 der Bekanntmachung zur Ausführung der Passverordnung vom 4. Juni 1924 (RGBl.&nbsp;I S.&nbsp;613)</ref> Im Jahr 1932 wurden alle Ausreisevisa für sämtliche Personengruppen, die Deutschland verlassen wollten, vollständig abgeschafft.<ref>Passbekanntmachung vom 7. Juni 1932 (RGBl.&nbsp;I S.&nbsp;257)</ref> Erst 1925 konnten deutsche Staatsbürger wieder ohne Visum nach [[Österreich]] reisen.<ref>Abkommen zwischen der Österreichischen Bundesregierung und der Deutschen Reichsregierung über die Aufhebung des Sichtvermerkszwanges für die beiderseitigen Staatsangehörigen vom 11. August 1925</ref> Im Jahre 1926 wurde der Visumzwang für Reisen deutscher Staatsbürger in die Nachbarstaaten [[Dänemark]],<ref>Zeitung des Vereins Mitteleuropäischer Eisenbahnverwaltungen Nr.&nbsp;19 vom 13. Mai 1926, S.&nbsp;516</ref> [[Luxemburg]], die [[Niederlande]],<ref>Zeitung des Vereins Mitteleuropäischer Eisenbahnverwaltungen Nr.&nbsp;4 vom 28. Januar 1926, S.&nbsp;107</ref> [[Schweden]]<ref>Zeitung des Vereins Mitteleuropäischer Eisenbahnverwaltungen Nr.&nbsp;30 vom 29. Juli 1926, S.&nbsp;818</ref> und [[Schweiz]] abgeschafft. Auch [[Finnland]], [[Japan]] und [[Portugal]]<ref>Zeitung des Vereins Mitteleuropäischer Eisenbahnverwaltungen Nr.&nbsp;33 vom 19. August 1926, S.&nbsp;895</ref> vereinbarten mit dem Deutschen Reich die Abschaffung der Visumpflicht im gegenseitigen Reiseverkehr. Seit 1927 konnten auch Österreicher visumfrei in diese Staaten einreisen.<ref>Dänemark BGBl. 210/1927, Finnland BGBl. 252/1927, Großbritannien BGBl. 251/1927, Lettland BGBl. 271/1927 Niederlande BGBl. 105/1927, Portugal BGBl. 149/1927, Schweiz BGBl. 14/1926</ref> 1928 schafften auch [[Vereinigtes Königreich|Großbritannien]],<ref>Zeitung des Vereins Mitteleuropäischer Eisenbahnverwaltungen Nr.&nbsp;1 vom 5. Januar 1928, S.&nbsp;25</ref> [[Italien]],<ref>Zeitung des Vereins Mitteleuropäischer Eisenbahnverwaltungen Nr.&nbsp;37 vom 13. September 1928, S.&nbsp;1001</ref> [[Lettland]],<ref>Zeitung des Vereins Mitteleuropäischer Eisenbahnverwaltungen Nr.&nbsp;25 vom 21. Juni 1928, S.&nbsp;688</ref> [[Norwegen]],<ref>Zeitung des Vereins Mitteleuropäischer Eisenbahnverwaltungen Nr.&nbsp;6 vom 9. Februar 1928, S.&nbsp;159</ref> [[Spanien]] und die [[Tschechoslowakei]]<ref>Vgl. Prager Tagblatt vom 28. März 1928</ref> den Visumzwang für deutsche Touristen ab. Kurze Zeit später erlaubten auch [[Estland]], [[Jugoslawien]] und [[Ungarn]]<ref>Zeitung des Vereins Mitteleuropäischer Eisenbahnverwaltungen Nr.&nbsp;21 vom 22. Mai 1930, S.&nbsp;567</ref> die Einreise ohne Visum. Für Reisen nach [[Belgien]], [[Frankreich]], [[Litauen]] und [[Polen]] wurde der Sichtvermerkszwang hingegen beibehalten. === 1939 bis 1945 === Im Jahr 1937 wurde im nationalsozialistischen Deutschland ein Gesetz erlassen, das den Reichsinnenminister ermächtigte, das gesamte frühere Pass-, Visum- und Ausländerrecht aufzuheben und durch Verordnung neu zu regeln.<ref>Gesetz über das Pass-, das Ausländerpolizei- und das Meldewesen sowie über das Ausweiswesen vom 11. Mai 1937 (RGBl.&nbsp;I S.&nbsp;589)</ref> Nach der [[Anschluss (Österreich)|Besetzung Österreichs]] durch deutsche Truppen im März 1938 verließen mehrere Tausend [[Juden in Österreich|österreichische Juden]] und Gegner des NS-Regimes das Land und suchten Zuflucht in anderen europäischen Staaten. Um deren [[Einwanderung]] zu erschweren, führte Großbritannien im Mai 1938 wieder den Visumzwang für reichsdeutsche Staatsbürger ein. Dass es sich bei einem Passinhaber um einen Juden im Sinne des [[Reichsbürgergesetz]]es handelte, wurde ausländischen Visastellen dadurch erkennbar, dass deutsche Reisepässe von Juden im Oktober 1938 für ungültig erklärt und erst wieder gültig wurden, nachdem sie mit einem roten „J“ gekennzeichnet worden waren; zur Anbringung dieses Sichtvermerks wurde eine strafbewehrte Vorlagepflicht eingeführt.<ref>[http://www.documentarchiv.de/ns/jdnpass.html Verordnung über Reisepässe von Juden vom 5. Oktober 1938 (RGBl.&nbsp;I S.&nbsp;1342)]</ref> Mit dem Ausbruch des [[Zweiter Weltkrieg|Zweiten Weltkriegs]] wurde in allen betroffenen Ländern ein allgemeiner Visumzwang für Ausländer eingeführt. Im Deutschen Reich wurden zudem auch Deutsche, die sich nicht bereits zu Kriegsbeginn im Ausland aufhielten, für die Ein- und Ausreise visumpflichtig.<ref>Verordnung über den Pass- und Sichtvermerkszwang sowie über den Ausweiszwang vom 10. September 1939 (RGBl.&nbsp;I S.&nbsp;1739); verschärft durch Verordnung vom 20. Juli 1940 (RGBl.&nbsp;I S.&nbsp;1008)</ref> === 1945 bis 1989 (westliche Welt) === Der Visumzwang wurde auch nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs beibehalten und erst Ende der 1940er-Jahre langsam abgebaut. So wurde beispielsweise am 15.&nbsp;August 1950 der Visumzwang im Reiseverkehr zwischen [[Österreich]] und der [[Schweiz]] abgeschafft. In Deutschland übernahm die Alliierte Hohe Kommission sowohl die Passhoheit als auch die Zuständigkeit für das Visumrecht. Bis zum 31. August 1952 erledigte das ''Combined Travel Board'' die Verwaltung des Reiseverkehrs.<ref>Klaus M. Medert/Werner Süßmuth, ''Pass- und Personalausweisrecht'', 4.&nbsp;Aufl., 2.&nbsp;Lieferung, Kohlhammer, Stuttgart 2006, ISBN 978-3-17-019272-0, IB 1 Rn.&nbsp;13 unter Verweisung auf die Gemeinsame Presseverlautbarung Nr.&nbsp;1 der Bundesregierung und der Alliierten Hohen Kommission vom 29. August 1952 (Übergang der Reiseverkehrskontrolle auf die Bundesbehörden)</ref> Im März 1952 wurde in der Bundesrepublik Deutschland im Vorgriff auf die Rückübertragung der Reiseverkehrskontrollen auf die Bundesbehörden ein neues Gesetz über das Passwesen verabschiedet, das grundsätzlich keine Visumpflicht vorsah, allerdings das [[Bundesministerium des Innern]] zur Einführung der Visumpflicht für Ein- oder Ausreisen von Ausländern durch [[Rechtsverordnung]] ermächtigte.<ref>§&nbsp;3 Abs.&nbsp;2 des Gesetzes über das Paßwesen vom 4. März 1952 (BGBl.&nbsp;I S.&nbsp;290)</ref> Diese Visumpflicht wurde zunächst bis auf wenige Sonderfälle für die Einreise aller Ausländer über 15&nbsp;Jahren eingeführt,<ref>§&nbsp;3 der Verordnung über Reiseausweise als Paßersatz und die Befreiung vom Paß- und Sichtvermerkszwang vom 17. Mai 1952 (BGBl.&nbsp;I S.&nbsp;296)</ref> jedoch mit Wirkung zum 1.&nbsp;Juli 1953 für westeuropäische Touristen<ref>Artikel&nbsp;1 Nr.&nbsp;5 der Verordnung zur Änderung der Verordnung über Reiseausweise als Paßersatz und die Befreiung vom Paß- und Sichtvermerkszwang vom 30. Juni 1953 (BGBl.&nbsp;I S.&nbsp;463)</ref> und mit Wirkung zum 1.&nbsp;März 1955 schließlich für Touristen aus allen Staaten aufgehoben, mit denen die Bundesrepublik Deutschland diplomatische Beziehungen unterhielt und die für die Rückkehr kein Rückkehrvisum ihres Herkunftsstaates benötigten.<ref>Artikel&nbsp;1 Nr.&nbsp;5 Buchstabe&nbsp;c der Verordnung zur Änderung der Verordnung über Reiseausweise als Paßersatz und die Befreiung vom Paß- und Sichtvermerkszwang vom 14. Februar 1955 (BGBl.&nbsp;I S.&nbsp;75)</ref> Im Gegenzug erlaubten auch die westeuropäischen Nachbarländer die visafreie Einreise von Staatsbürgern der Bundesrepublik Deutschland, was durch zahlreiche bilaterale Sichtvermerksabkommen gewährleistet wurde.<ref>Vgl. etwa die Sichtvermerksabkommen mit Luxemburg (GMBl.&nbsp;1956, S.&nbsp;357), Belgien (GMBl.&nbsp;1956, S.&nbsp;408), Frankreich (GMBl.&nbsp;1956, S.&nbsp;592); weitere Sichtvermerksabkommen sind [http://www.westphal-stoppa.de/Gesetzestexte.htm hier (rechte Spalte)] abrufbar</ref> Im Jahr 1965 wurde in der Bundesrepublik Deutschland das Visumrecht vom Passrecht in das Ausländerrecht überführt und das Visum rechtlich als Aufenthaltserlaubnis ausgestaltet, die „in der Form eines Sichtvermerks“ eingeholt wird.<ref>§&nbsp;5 Abs.&nbsp;2 des Ausländergesetzes vom 28. April 1965 (BGBl.&nbsp;I S.&nbsp;353)</ref> Diesen mussten vor der Einreise alle Staatenlosen und Angehörige von Staaten einholen, die nicht in einer Liste mit 84 Staaten enthalten waren.<ref>§&nbsp;5 und die Anlage der Verordnung zur Durchführung des Ausländergesetzes vom 10. September 1965 (BGBl.&nbsp;I S.&nbsp;1341)</ref> In Österreich, wo seinerzeit überwiegend kein Einreisevisum mehr erforderlich war, wurde vor dem Hintergrund der Niederschlagung des [[Prager Frühling]]s die Visumpflicht für Einreisende aus der [[Tschechoslowakei|ČSSR]] am 25. August 1968 eingeführt.<ref>[http://mitglied.lycos.de/GeorgSchmit/Fallstudie%201968.htm Fallstudie] abgerufen am 27. Dezember 2008</ref> Mit dem Anwachsen der Flüchtlingszahlen wurde die Erteilung von Visa an tschechische Flüchtlinge durch den damaligen Außenminister [[Kurt Waldheim]] alsbald untersagt. Der damalige österreichische Botschafter in [[Prag]], [[Rudolf Kirchschläger]], führte diese Weisung nicht aus, sodass 50.000 Tschechen die Flucht nach Österreich ermöglicht wurde. Im [[Vereinigtes Königreich|Vereinigten Königreich]] führte die zunehmende Zahl von Zuwanderern aus den ehemaligen Kolonien in den 1960er-Jahren zu Beschränkungen des Rechts zur Einwanderung auch für Briten; da damals nicht, wie heute, zwischen Staatsangehörigen des Vereinigten Königreichs und Angehörigen anderer der Krone unterstehender Besitzungen und Staaten unterschieden wurde, genossen sie zuvor grundsätzlich einen Anspruch auf Zuwanderung ins britische Stammland. Nachdem der ''Commonwealth Immigrants Act 1962'' Einwanderungsbeschränkungen, aber keinen Visumzwang für britische Bürger einführte, die nicht von den britischen Inseln stammten, wurde mit dem ''Immigration Appeals Act 1969'' auch die Grundlage für einen Visumzwang (''entry clearance requirement'') geschaffen.<ref>Vgl. zur Rechtsentwicklung [http://www.publications.parliament.uk/pa/ld200506/ldjudgmt/jd050630/mark-1.htm House of Lords, Mark (Respondent) v Mark (Appellant), <nowiki>[2005]</nowiki> UKHL 42], Nr.&nbsp;18</ref> In der Bundesrepublik Deutschland wurde nach der [[Geiselnahme von München]] im Jahre 1972 der Visumzwang für Staatsbürger von [[Libyen]], [[Marokko]] und [[Tunesien]]<ref>Fünfte Verordnung zur Änderung der Verordnung zur Durchführung des Ausländergesetzes vom 13. September 1972 (BGBl.&nbsp;I S.&nbsp;1743)</ref> eingeführt. Die nachfolgenden Jahrzehnte sind von visumrechtlichen Verschärfungen geprägt: Ab dem Jahr 1980 wird durch die Ausweitung der Visumpflicht auf die verstärkte illegale Zuwanderung aus weiter entfernten Staaten reagiert.<ref>Einführung der Visumpflicht für Staatsangehörige von [[Afghanistan]], [[Äthiopien]] und [[Sri Lanka]] durch die Neunte Verordnung zur Änderung der Verordnung zur Durchführung des Ausländergesetzes vom 26. März 1980 (BGBl.&nbsp;I S.&nbsp;371), für Staatsangehörige des [[Iran]] durch die Zehnte Verordnung zur Änderung der Verordnung zur Durchführung des Ausländergesetzes vom 12. Mai 1980 (BGBl.&nbsp;I S.&nbsp;564), für Staatsangehörige von [[Bangladesch]] und [[Indien]] durch die Zwölfte Verordnung zur Änderung der Verordnung zur Durchführung des Ausländergesetzes vom 11. Juli 1980 (BGBl.&nbsp;I S.&nbsp;960)</ref> Wegen der hohen Anzahl türkischer Zuwanderer („Gastarbeiter“) in Deutschland war die Einführung der Visumpflicht für Staatsangehörige der [[Türkei]] zum 1.&nbsp;Oktober 1980 von besonderer Bedeutung.<ref>Elfte Verordnung zur Änderung der Verordnung zur Durchführung des Ausländergesetzes vom 1. Juli 1980 (BGBl.&nbsp;I S.&nbsp;782); vgl. hierzu die ungewöhnliche Evaluierungsklausel in Artikel&nbsp;4 dieser Verordnung</ref> Erstmals wurde im Jahr 1981 vor dem Hintergrund des sowjetischen Einmarsches in [[Afghanistan]] eine Flughafentransitvisumpflicht eingeführt.<ref>Dreizehnte Verordnung zur Änderung der Verordnung zur Durchführung des Ausländergesetzes vom 21. Oktober 1981 (BGBl.&nbsp;I S.&nbsp;1145)</ref> Im Jahr 1982 wurden alle Ausländer über 15&nbsp;Jahren (außer Angehörige von EWG-Staaten), die sich länger als drei Monate in Deutschland aufhalten wollen, der Visumpflicht unterworfen.<ref>Vierzehnte Verordnung zur Änderung der Verordnung zur Durchführung des Ausländergesetzes vom 13. Dezember 1982 (BGBl.&nbsp;I S.&nbsp;1681)</ref> Im Jahr 1986 wurde die Flughafentransitvisumpflicht auf neun Staaten ausgedehnt,<ref>Fünfzehnte Verordnung zur Änderung der Verordnung zur Durchführung des Ausländergesetzes vom 1. Dezember 1986 (BGBl.&nbsp;I S.&nbsp;2110)</ref> im Jahr 1989 auch auf die Türkei.<ref>Siebzehnte Verordnung zur Änderung der Verordnung zur Durchführung des Ausländergesetzes vom 3. Mai 1989 (BGBl.&nbsp;I S.&nbsp;881); ausgenommen waren Inhaber eines Visums oder einer Aufenthaltserlaubnis für die USA, für Kanada oder für EWG-Staaten</ref> Die [[Vereinigte Staaten|Vereinigten Staaten von Amerika]] begannen ab dem Jahr 1986, den zuvor – außer für Kanadier – bestehenden Visumzwang für die Einreise schrittweise zu lockern. Nach dem Erfolg eines testweise eingeführten ''Visa Waiver Pilot Program'' wurde das ''Visa Waiver Program'', in dem die Voraussetzungen der Aufnahme in das Programm festgelegt wurden, im Jahr 1990 permanent im US-Recht verankert.<ref>Vgl. [http://travel.state.gov/visa/temp/without/without_1990.html die entsprechenden Informationen des US-Außenministeriums] und die obigen Ausführungen zu den derzeitigen Visumregelungen der USA</ref> Vor dem Hintergrund einiger Terroranschläge führte [[Frankreich]] im Jahr 1986 eine Visumpflicht für alle Ausländer mit Ausnahme von Bürgern der damaligen EG und der Schweiz ein.<ref>[http://query.nytimes.com/gst/fullpage.html?sec=travel&res=9A0DE1DD1231F93BA1575AC0A960948260 Lawrence Van Gelder: ''TRAVEL ADVISORY; France’s Visa Procedure, New England River Voyages'', ''New York Times'' vom 28. September 1986], vgl. auch einen [http://query.nytimes.com/gst/fullpage.html?res=9B0DE5D8153DF937A25755C0A961948260 empörten Leserbrief in der ''New York Times'']</ref> === 1945 bis 1990 (Ostblock) === In den 1960er Jahren wurde der Visumzwang für Reisen zwischen einigen Staaten des [[Ostblock]]s aufgehoben. Seit dem 1.&nbsp;Januar 1964 konnte die Grenze zwischen der [[Tschechoslowakei]] und [[Ungarn]] ohne Reisepass und Visum passiert werden, ein Jahr später vereinbarten auch [[Polen]] und die [[Sowjetunion]] die Abschaffung des Visumzwangs im Reiseverkehr zwischen beiden Staaten. [[Datei:DDR-Besuchervisum.jpg|miniatur|Aufenthaltsberechtigung sowie Einreise- und Ausreisevisum der DDR von 1987]] In der [[Deutsche Demokratische Republik|DDR]] war das Visum Baustein des strikten Grenzregimes. Nach dem Passgesetz der DDR von 1954 war für jeden Grenzübertritt, also jede Ein- oder Ausreise, durch eigene Bürger oder Ausländer ein Visum erforderlich; ab dem Jahr 1956 wurden hierzu Ausnahmen zugelassen, die durch Verwaltungsvereinbarungen oder Durchführungsbestimmungen getroffen werden konnten, z.&nbsp;B. für Reisen in andere Ostblockstaaten.<ref>§&nbsp;2 Abs.&nbsp;2 des [http://www.verfassungen.de/de/ddr/passgesetz54.htm Paß-Gesetzes der Deutschen Demokratischen Republik vom 15. September 1954 (GBl.&nbsp;I S.&nbsp;54)], geändert durch Gesetz vom 30. August 1956 (GBl.&nbsp;I S.&nbsp;733)</ref> Im Gesetz waren weder Regelungen zu den Erteilungsvoraussetzungen noch zu Inhalt und Grenzen der von den Innen- und Außenministerien zu erlassenden Durchführungsbestimmungen enthalten. Zur Regelung des Verkehrs zwischen den beiden Teilen Berlins nach dem Mauerbau wurden ab dem Jahr 1963 verschiedene [[Passierscheinabkommen]] geschlossen; der Passierschein war trotz seiner abweichenden Bezeichnung im Ergebnis ein Visum auf einem gesonderten Blatt, das Einwohner von Berlin (West) zur Einreise in den Ostteil der Stadt benötigten.<ref>Vgl. Abbildungen des Deutschen Historischen Museums: [http://www.dhm.de/lemo/objekte/pict/KontinuitaetUndWandel_wurfsendungErklaerungPassierscheinfrage/index.html die Abbildung einer Bekanntmachung des Senats von Berlin zu ersten Abkommen], und [http://www.dhm.de/lemo/objekte/pict/KontinuitaetUndWandel_passierschein/index.html das Muster eines Passierscheins]</ref> Durch das Staatsangehörigkeitsgesetz von 1967 wurde anstelle der einheitlichen deutschen Staatsangehörigkeit eine Staatsangehörigkeit der DDR eingeführt, die grundsätzlich nur an Personen, die zum Zeitpunkt der Gründung der DDR in ihr lebten, oder deren Abkömmlinge verliehen war.<ref>§&nbsp;1 des [http://www.verfassungen.de/de/ddr/staatsbuergerschaft67.htm Staatsbürgerschaftsgesetzes der DDR vom 20. Februar 1967 (GBl.&nbsp;I S.&nbsp;3)]</ref> Deutsche aus der damaligen Bundesrepublik Deutschland wurden hierdurch aus Sicht der DDR zu Ausländern. Im Jahr 1968 wurde für den Transitreiseverkehr zwischen der Bundesrepublik Deutschland und [[West-Berlin]] eine Visumpflicht eingeführt.<ref>[http://www.verfassungen.de/de/ddr/visapflichtbeschluss68.htm Beschluss der Volkskammer der DDR vom 11. Juni 1968 (GBl.&nbsp;I S.&nbsp;227]</ref> Im Zuge der [[Ostpolitik]] konnten zugunsten der Einwohner der alten Bundesrepublik und von Berlin (West) und sowie der Angehörigen anderer westlicher Staaten Erleichterungen durchgesetzt werden: Im [[Viermächteabkommen über Berlin]] schufen die vier Siegermächte 1971 die Grundlage<ref>Anlage&nbsp;I Nr.&nbsp;2 Buchstaben&nbsp;c und&nbsp;d des [http://www.chronik-der-mauer.de/index.php/de/Start/Detail/id/593845/page/0 Viermächteabkommens]</ref> für das zwischen den deutschen Staaten im Jahr 1972 abgeschlossene [[Transitabkommen]], das für den [[Transitverkehr (DDR)|Transitverkehr]] zwischen der Bundesrepublik und West-Berlin vorsah, den Reisenden die Transitvisa an der Grenzübergangsstelle und dort am Fahrzeug selbst und bei durchgehenden Zügen oder Autobussen im Transportmittel zu erteilen.<ref>Artikel&nbsp;4 sowie Artikel&nbsp;9 Abs.&nbsp;3 des [http://www.verfassungen.de/de/ddr/transitabkommen72.htm Abkommens zwischen der Regierung der Deutschen Demokratischen Republik und der Regierung der Bundesrepublik Deutschland über den Transitverkehr von zivilen Personen und Gütern zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Berlin (West)]</ref> Für Besuche von Einwohnern von West-Berlin wurde 1971 die Möglichkeit zu Reisen nach [[Ost-Berlin]] und in die DDR auf Grund von auf Antrag erhältlichen Berechtigungsscheinen, touristischen Reisebuchungen oder amtlich bestätigten Telegrammen mit einer Gesamtdauer von 30 Tagen im Jahr zugelassen;<ref>[http://www.verfassungen.de/de/ddr/besucherverkehrberlin71.htm Vereinbarung zwischen der Regierung der Deutschen Demokratischen Republik und dem Senat über Erleichterungen und Verbesserungen des Reise- und Besuchsverkehrs]</ref> auf die Ausstellung von Visa an der Grenze auf Grund der Vorlage dieser Berechtigungsscheine und die Erhebung einer Ausstellungsgebühr wurde aber nicht verzichtet.<ref>Vgl. §&nbsp;2 der ausführlichen [http://www.verfassungen.de/de/ddr/einreiseverordnungberlin72.htm Verordnung über die zeitweilige Einreise von Personen mit ständigem Wohnsitz in Berlin (West) in die Deutsche Demokratische Republik vom 23. Februar 1972 (GBl.&nbsp;I S.&nbsp;125).]</ref> Für Ost-Berlin erhielten Bundesbürger, nicht West-Berliner, gegen eine Gebühr auch ohne Anmeldung ein Tagesvisum in Form eines Einlegeblattes, das bei der Ausreise wieder einbehalten wurde. [[Datei:DDR VisumBRD1988.jpg|miniatur|hochkant|10&nbsp;Tage gültiges Visum der [[Deutsche Demokratische Republik|DDR]] zur einmaligen Ausreise in die [[Bundesrepublik Deutschland]] von 1988]] Für Bundesbürger wurde im Jahr 1972 für die Einreise in die DDR angeordnet, dass ein Einreisevisum an der Grenze gegen einen Berechtigungsschein erhältlich war, der von einladenden Verwandten oder Betrieben oder dem staatlichen Tourismusunternehmen in der DDR beantragt und sodann an den künftigen Reisenden per Post gesandt werden konnte.<ref>[http://www.verfassungen.de/de/ddr/einreisenbrd72.htm Anordnungen über Einreisen von Bürgern der BRD in die DDR vom 17. Oktober 1972 (GBl.&nbsp;I S.&nbsp;654)]; Muster eines Berechtigungsscheins abgebildet bei der [http://www.chronik-der-mauer.de/index.php/de/Media/GalleryPopup/id/420754/item/0/oldAction/Detail/oldModule/Chronical/year/1988 Bundeszentrale für politische Bildung: ''Chronik der Mauer'']</ref> So wurden Kontrollstempel und Visa mit einem beträchtlichen bürokratischen Aufwand kombiniert:<ref>Seiten&nbsp;5 bis 9 der Broschüre „Reisen in die DDR“, hrsg. vom Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen, 14.&nbsp;Aufl., November 1982</ref> Bürger aus nichtsozialistischen Staaten&nbsp;– auch Bundesbürger, die die DDR als Ausländer betrachtete&nbsp;– erhielten einen [[Berechtigungsschein zum Empfang eines Visums der DDR|Berechtigungsschein]], mit dem sie an der Grenze ein Visum erlangen konnten. Dieses Visum wurde –&nbsp;ebenso wie eine Kontrollkarte&nbsp;– mit einem Einreisekontrollstempel versehen. Am Zielort musste zudem bei der vorgeschriebenen Anmeldung bei der Polizei eine [[Aufenthaltserlaubnis]] beantragt werden; bei der ebenfalls obligatorischen Abmeldung wurde ein ''Ausreisevisum'' erteilt, das dann bei der Ausreise mit einem Kontrollstempel versehen wurde. Mit einigen Ländern ([[Bulgarien]], [[ČSSR]], [[Polen]]) hatte die DDR Anfang der 1970er-Jahre Verträge über pass- und visafreien Reiseverkehr abgeschlossen.<ref>[http://www.thueringen.de/TLStU/schueler/bilder/70erframe.htm Landesbeauftragte des Freistaates Thüringen für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR: ''Kleine Chronik DDR – 70er Jahre''], Eintrag zum 15. Januar 1972; [http://www.chronik-der-mauer.de/index.php/de/Chronical/Detail/year/1972 Bundeszentrale für politische Bildung: ''Chronik der Mauer – Überblick 1972''], Eintrag zum 1.&nbsp;Januar</ref> Diese Abkommen führten aber nicht stets zur Genehmigungsfreiheit solcher Reisen, da die DDR für Reisen ihrer Bürger in einige Vertragsstaaten verlangte, dass eine sogenannte „[[Reiseanlage für den visafreien Reiseverkehr]]“ bei den DDR-Behörden beantragt wurde. Diese Anlage berechtigte zusammen mit dem DDR-Personalausweis zum Grenzübertritt in diese Länder. In diesem Papier waren Beschränkungen zur Dauer des Aufenthalts im Zielland sowie die auf der Reise passierten Länder aufgeführt. Zum Ostblock zählende Drittstaaten unterstützten bei ihrer Grenzkontrolle die DDR bei der Durchsetzung solcher Beschränkungen.<ref>Näher dazu [{{Der Spiegel|13508521|Titel=Der Mann von der Stasi ist immer dabei|Text=}} „Der Mann von der Stasi ist immer dabei“], ''[[Der Spiegel]]'' 15/1984 vom 9. April 1984, S.&nbsp;83−89</ref> Ohne vorherige Genehmigung waren lediglich Reisen in die Tschechoslowakei sowie bis 1980 nach Polen möglich. Mit dem im Jahr 1979 erlassenen neuen Passgesetz wurde für Bürger der DDR zwar das Erfordernis eines Einreisevisums abgeschafft, für Ausreisen vor allem in westliche Länder verlangte die DDR aber nach wie vor auch von den eigenen Bürgern ein Ausreisevisum, in dem zumeist auch eine in der Regel kurz bemessene Höchstaufenthaltsdauer festgelegt war.<ref>§&nbsp;1 Abs.&nbsp;2 des [http://www.verfassungen.de/de/ddr/passgesetz79.htm Passgesetzes der DDR vom 28. Juni 1979 (GBl.&nbsp;I S.&nbsp;148).]</ref> Ein Verweilen im Ausland über den genehmigten Zeitraum hinaus war nach dem Recht der DDR strafbar. [[Datei:Visum DDR.jpg|miniatur|Visum zur Ausreise aus der DDR nach dem [[Fall der Mauer]]]] Ein Ausreisevisum konnte nach (mehrfach geänderten) gesetzlichen Regelungen für bestimmte Reisezwecke erteilt werden, z.&nbsp;B. an Künstler für einen Auftritt, Wissenschaftler für eine Kongressteilnahme, Handelsvertreter und Ingenieure für einzelne Geschäfte oder an Rentner. Anderen Personen konnten Ausreisevisa für Verwandtenbesuche zu besonderen Anlässen wie etwa runden Geburtstagen oder Beerdigungen, später auch zu kirchlichen Hochzeiten und ab 1982 sogar zu Kindstaufen erteilt werden.<ref>Diese dringenden Familienangelegenheiten waren in §&nbsp;1 Abs.&nbsp;2 und 3 der [http://www.verfassungen.de/de/ddr/reiseverkehr72.htm Anordnungen über Regelungen im Reiseverkehr von Bürgern der DDR vom 17. Oktober 1972 (GBl.&nbsp;I S.&nbsp;653), geändert durch Anordnung vom 14. Juni 1973 (GBl.&nbsp;I S. 269)] sowie ab 1982 die [http://www.verfassungen.de/de/ddr/reiseverkehr82.htm Anordnung vom 15. Februar 1982 über Regelungen zum Reiseverkehr von Bürgern der DDR (GBl.&nbsp;I S.&nbsp;187)] definiert</ref> Es bestand jedoch kein Rechtsanspruch. Meist wurde die gleichzeitige Ausreise aller Mitglieder einer Familie nicht gestattet, um mögliche [[Republikflucht]] zu vermeiden.<ref>[http://www.chronik-der-mauer.de/index.php/de/Chronical/Detail/year/1972 Bundeszentrale für politische Bildung: ''Chronik der Mauer – Überblick 1972''], Eintragung zum 17.&nbsp;Oktober</ref> Die Erteilung von Ausreisevisa wurde zwar im Jahr 1988 in einer Verordnung sehr ausführlich und scheinbar vergleichsweise großzügig neu geregelt,<ref>[http://www.verfassungen.de/de/ddr/reiseverkehr88 Verordnung über Reisen von Bürgern der DDR nach dem Ausland vom 30. November 1988 (GBl.&nbsp;I S.&nbsp;271)]</ref> indem sogar ein Anspruch auf die schriftliche Begründung einer Ablehnung und die Möglichkeit einer gerichtlichen Überprüfung geschaffen wurde.<ref>§§&nbsp;18 und 19 der [http://www.verfassungen.de/de/ddr/reiseverkehr88 Verordnung über Reisen von Bürgern der DDR nach dem Ausland vom 30. November 1988 (GBl.&nbsp;I S.&nbsp;271)]</ref> In der Praxis wurden aber verschiedenste Gründe für eine Verweigerung gefunden und angeführt, sodass für sehr große Teile der Bevölkerung der Erhalt eines Ausreisevisums unwahrscheinlich blieb, was auch innerhalb der DDR zu Protesten führte.<ref>[http://www.jugendopposition.de/index.php?id=211 Bundeszentrale für politische Bildung: ''Verweigerung der Reiseerlaubnis'']; [http://www.chronik-der-mauer.de/index.php/de/Chronical/Detail/year/1988 Bundeszentrale für politische Bildung: ''Chronik der Mauer – Überblick 1988], Eintrag zum 30.&nbsp;November</ref> Ab dem 12.&nbsp;September 1989 wurden infolge der Öffnung der ungarischen Grenze nach Österreich für DDR-Bürger Anträge auf Ausreise nach [[Ungarn]] vom [[Ministerium für Staatssicherheit]] gegengeprüft.<ref>[http://www.chronik-der-mauer.de/index.php/de/Chronical/Detail/month/September/year/1989 Bundeszentrale für politische Bildung: ''Chronik der Mauer – September 1989''], Eintragung zum 12.&nbsp;September</ref> Am 4.&nbsp;Oktober 1989 wurde die Visumpflicht auch für Reisen in die ČSSR eingeführt,<ref>[http://www.chronik-der-mauer.de/index.php/de/Media/GalleryPopup/id/359296/item/0/month/Oktober/oldAction/Detail/oldModule/Chronical/year/1989 Bundeszentrale für politische Bildung: Zeitungsausschnitt ''Zeitweilige Aussetzung des visafreien Verkehrs zwischen DDR und CSSR''], Neues Deutschland, 4. Oktober 1989</ref> aber zum 1.&nbsp;November wieder aufgehoben.<ref>[http://www.chronik-der-mauer.de/index.php/de/Media/ImagePopup/field/original/id/14785/month/November/oldAction/Detail/oldModule/Chronical/year/1989 Bundeszentrale für politische Bildung: Zeitungsausschnitt ''Touristen wieder in die ČSSR'', Neues Deutschland, 2. November 1989]. Der Zeitungsartikel berichtet „zwischen den Zeilen“ von Massenfluchten</ref> Trotz des erheblichen Drucks der Bevölkerung sah der am 6.&nbsp;November 1989 veröffentlichte, sofort massiv kritisierte<ref>[http://www.chronik-der-mauer.de/index.php/de/Media/GalleryPopup/day/6/id/317745/item/0/month/November/oldAction/Detail/oldModule/Chronical/year/1989 Bundeszentrale für politische Bildung: ''Empörung über den Reisegesetzentwurf (1)'' mit abgebildeter Quelle: Hans-Hermann Hertle, Chronik des Mauerfalls. Die dramatischen Ereignisse um den 9. November 1989], Ch. Links Verlag, Berlin 1999</ref> Entwurf eines DDR-Reisegesetzes nach wie vor das Erfordernis von Ausreisevisa für Reisen in westliche Länder vor.<ref>[http://www.chronik-der-mauer.de/index.php/de/Media/ImagePopup/day/6/field/original/id/14788/month/November/oldAction/Detail/oldModule/Chronical/year/1989 Bundeszentrale für politische Bildung:''Entwurf des Gesetzes über Reisen ins Ausland'', [[Neues Deutschland]], 6. November 1989], dort §&nbsp;4 Abs.&nbsp;1</ref> Noch am Nachmittag des 9.&nbsp;November 1989 wurde in der DDR-Regierung eine Reiseregelung entworfen, die auch für „Spontanreisen“ das Erfordernis eines Ausreisevisums vorsah, das – nach Regierungsverständnis „unbürokratisch“ – nach Vorlage von zwei Anträgen und einer Zählkarte erteilt werden, jeweils ein halbes Jahr lang gelten und zu Aufenthalten außerhalb der DDR von bis zu insgesamt 30 Tagen berechtigen sollte.<ref>[http://www.chronik-der-mauer.de/index.php/de/Media/GalleryPopup/day/9/id/317445/item/0/month/November/oldAction/Detail/oldModule/Chronical/year/1989 Bundeszentrale für politische Bildung: ''Feinarbeiten an den Durchführungsbestimmungen (1)'' mit Quelle: Hans-Hermann Hertle, Chronik des Mauerfalls. Die dramatischen Ereignisse um den 9. November 1989], Ch. Links Verlag, Berlin 1999; [http://www.chronik-der-mauer.de/index.php/de/Media/GalleryPopup/day/10/id/359337/item/0/month/November/oldAction/Detail/oldModule/Chronical/year/1989 Bundeszentrale für politische Bildung: ''DDR-Regierungssprecher zu neuen Reiseregelungen''], Neues Deutschland, 10. November 1989</ref> Die kaum verständliche Erläuterung der Regelung in einer Pressekonferenz durch Politbüromitglied [[Günter Schabowski]]<ref>[http://www.chronik-der-mauer.de/index.php/de/Media/VideoPopup/day/9/field/audio_video/id/19225/month/November/oldAction/Detail/oldModule/Chronical/year/1989 Bundeszentrale für politische Bildung: Video mit dem ARD-[[Tagesschau (ARD)|Tagesschau]]-Bericht vom 9.&nbsp;November 1989] – nach der Pressekonferenz, vor dem Mauerfall; [http://www.spiegel.de/panorama/zeitgeschichte/0,1518,326124,00.html Spiegel Online: ''Zeitsprung – 9. November 1989 – Sofort bedeutet sofort''] mit einer Beschreibung des genauen Ablaufs der Pressekonferenz und der wirklichen Bedeutung der beabsichtigen Regelung</ref> führte noch am Abend desselben Tages zunächst zur Verwirrung und zu Versuchen der Klarstellung in den Medien, nach wie vor sei zur Ausreise ein Visum erforderlich.<ref>Vgl. [http://www.chronik-der-mauer.de/index.php/de/Media/VideoPopup/day/9/field/audio_video/id/19228/month/November/oldAction/Detail/oldModule/Chronical/year/1989 Bundeszentrale für politische Bildung: Video mit dem ARD-[[Tagesthemen]]-Bericht vom 9.&nbsp;November 1989, 22:30 Uhr]; zu den Unsicherheiten der damaligen DDR-Führung und den dortigen Vorstellungen von Reisefreiheit vgl. die Analyse von [http://www.sueddeutsche.de/deutschland/artikel/646/42604/print.html Hans Henning Kaysers: ''9.&nbsp;November 1989 – Mit viermal „äh“ die Mauer geöffnet''], [[Süddeutsche Zeitung]] vom 9. November 2004</ref> Entgegen den Erwartungen der DDR-Regierung <ref>Dazu der an der Ausarbeitung beteiligte frühere MfS-Generalmajor Gerhard Niebling in: [http://www.chronik-der-mauer.de/index.php/de/Media/VideoPopup/day/9/field/audio_video/id/14517/month/November/oldAction/Detail/oldModule/Chronical/year/1989 Bundeszentrale für politische Bildung mit einem Videointerview] sowie [http://www.chronik-der-mauer.de/index.php/de/Media/GalleryPopup/day/9/id/317445/item/0/month/November/oldAction/Detail/oldModule/Chronical/year/1989 Bundeszentrale für politische Bildung: ''Feinarbeiten an den Durchführungsbestimmungen (1)'' mit Quelle: Hans-Hermann Hertle, Chronik des Mauerfalls. Die dramatischen Ereignisse um den 9. November 1989, Ch. Links Verlag, Berlin 1999]</ref> kam es nicht zu einem Ansturm auf die Visastellen, sondern auf die innerdeutsche Grenze selbst und damit zu ihrer Öffnung.<ref>Vgl. [http://www.chronik-der-mauer.de/index.php/de/Media/VideoPopup/day/9/field/audio_video/id/14694/month/November/oldAction/Detail/oldModule/Chronical/year/1989 Bundeszentrale für politische Bildung: Audioreportage des RIAS über die Maueröffnung]: Ausreise „ohne Vorzeigen, ohne alles“</ref> Einige Tage später wurden schrittweise Grenzkontrollen wieder aufgenommen; die Ausreisevisa wurden DDR-Bürgern aber ohne Formalitäten in den Personalausweis eingestempelt. Zum 24.&nbsp;Dezember 1989 hob die DDR das Visumerfordernis für Einreisen von Bundesbürgern und Einwohnern von Berlin (West) auf.<ref>[http://www.verfassungen.de/de/ddr/einreisenbrd89.htm Verordnung über Reisen von Bürgern der Bundesrepublik Deutschland und Personen mit ständigem Wohnsitz in Berlin (West) in und durch die Deutsche Demokratische Republik vom 21. Dezember 1989 (GBl.&nbsp;I S.&nbsp;271)]</ref> Seit dem 1. Februar 1990 benötigten nach einem neuen Reisegesetz Inhaber eines DDR-Reisepasses kein Ausreisevisum mehr;<ref>§&nbsp;2 des [http://www.verfassungen.de/de/ddr/reisegesetz90.htm Gesetzes über Reisen von Bürgern der Deutschen Demokratischen Republik in das Ausland (GBl.&nbsp;I S.&nbsp;8)]</ref> hingegen berechtigten Personalausweise nach wie vor nur mit Ausreisevisum zur Ausreise.<ref>§&nbsp;16 des [http://www.verfassungen.de/de/ddr/reisegesetz90.htm Gesetzes über Reisen von Bürgern der Deutschen Demokratischen Republik in das Ausland (GBl.&nbsp;I S.&nbsp;8)]</ref> Mit der Aufhebung der innerdeutschen Grenzkontrollen zum 1.&nbsp;Juli 1990 wurde zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der DDR eine Regelung über die gegenseitige Anerkennung von Aufenthaltstiteln und Visa getroffen, die derjenigen des erst später in Kraft gesetzten Schengener Durchführungsübereinkommens entsprach; dabei wurde ausdrücklich ein Schengen-Beitritt der DDR ins Auge gefasst.<ref>[http://www.verfassungen.de/de/ddr/personenkontrolle-aufhebungsvertrag90.htm Abkommen zwischen der Regierung der Deutschen Demokratischen Republik und der Regierung der Bundesrepublik Deutschland über die Aufhebung der Personenkontrollen an den innerdeutschen Grenzen vom 1.&nbsp;Juli 1990]</ref> === 1990 bis heute === [[Datei:Visum DE.jpg|miniatur|hochkant|links|Visum für Deutschland, ausgestellt in [[Sankt Petersburg|St.&nbsp;Petersburg]], 1993. Deutsche Visa werden inzwischen nicht mehr nach diesem Muster, sondern in Form des Schengen-Visums ausgestellt.]] Nach dem Fall der Mauer und dem Sturz der kommunistischen Systeme wurde der Reiseverkehr zwischen beiden deutschen Staaten sowie nach Mittel- und teilweise auch nach Osteuropa unter Abschaffung des Visumzwangs freigegeben. Mit der Neuregelung des Ausländerrechts in Deutschland im Jahr 1990 wurde im Visumrecht das Regel-Ausnahme-Verhältnis umgekehrt: Zuvor bestand für Einreisen von Ausländern nur eine Visumpflicht, soweit dies in einer Rechtsverordnung vorgesehen war. Nach der Neuregelung war jeder Ausländer visumpflichtig, soweit nicht die Visumfreiheit durch Rechtsverordnung angeordnet wurde.<ref>§&nbsp;4 Abs.&nbsp;3 des Ausländergesetzes vom 9. Juli 1990 (BGBl.&nbsp;I S.&nbsp;1990, 1354, 1356)</ref> Die Durchführungsbestimmungen wurden dabei so ausgestaltet, dass die Visumpflicht der einzelnen Staatsangehörigen weitgehend unverändert blieb. Eine wirkliche Neuregelung im novellierten Ausländerrecht war die grundsätzliche Ausdehnung der Visumpflicht auf Personen unter 16&nbsp;Jahren. Hiervon blieben Kinder und Jugendliche aus der Türkei, aus Tunesien, Jugoslawien und Marokko für Besuchsreisen bis zu drei Monaten unter der Voraussetzung ausgenommen, dass ein Elternteil eine Aufenthaltsgenehmigung für Deutschland besaß.<ref>§&nbsp;2 der Verordnung zur Durchführung des Ausländergesetzes vom 18. Dezember 1990 (BGBl.&nbsp;I S.&nbsp;2983)</ref> Nach einigen weiteren Verschärfungen wurde zum 15.&nbsp;Januar 1997 kurzfristig<ref>Es wurde die Ermächtigung zum Erlass kurzfristiger Änderungen des Visumrechts nach §&nbsp;3 Abs.&nbsp;4 des Ausländergesetzes von 1990 genutzt</ref> die bislang bestehende Visum- und Aufenthaltsgenehmigungsfreiheit für diese Kinder und Jugendlichen gestrichen.<ref>Verordnung nach §&nbsp;3 Abs.&nbsp;4 des Ausländergesetzes zur Änderung der Verordnung zur Durchführung des Ausländergesetzes vom 11. Januar 1997 (BGBl.&nbsp;I S.&nbsp;4)</ref> Durch das [[Schengener Abkommen|Schengener Durchführungsübereinkommen]] und die hierzu erlassenen Durchführungsbestimmungen wurde das Recht der Visa innerhalb des Schengen-Raumes einheitlich geregelt. Zwischen den damaligen Vertragsstaaten fielen die Grenzkontrollen am 26.&nbsp;März 1995 weg. Durch den [[Amsterdamer Vertrag]] wurde das Schengen-Recht – das bis dahin als zwischen den Schengen-Staaten geltendes Vertragsvölkerrecht zu behandeln war&nbsp;– in das Gemeinschaftsrecht überführt. Mit der Verordnung (EG) Nr.&nbsp;539/2001,<ref>[http://www.aufenthaltstitel.de/euvisumvo.html Verordnung (EG) Nr.&nbsp;539/2001]</ref> informell auch als ''EU-Visa-Verordnung'' oder ähnlich bezeichnet, wurde mit Wirkung zum 10.&nbsp;April 2001 für den Schengen-Raum einheitlich geregelt, welche Staatsangehörigen für Kurzaufenthalte visumfrei einreisen können (sogenannte ''Positivstaater'') und welche Staatsangehörigen für das Überschreiten der Schengen-Außengrenzen stets ein Visum benötigen (sogenannte ''Negativstaater''). Die Verordnung enthält auch Öffnungsklauseln für Einzelregelungen der Mitgliedstaaten und Sonderregeln für bestimmte Gruppen, wie etwa [[Flüchtling]]e oder [[Diplomatie|Diplomaten]]. Am 21.&nbsp;Dezember 2007 wurde das gesamte Schengen-Recht in den Staaten, die am 1.&nbsp;Mai 2004 der Europäischen Union beigetreten sind – mit Ausnahme [[Zypern]]s – in Kraft gesetzt.<ref>[http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=OJ:L:2007:323:0034:0039:DE:PDF Beschluss des Rates vom 6. Dezember 2007 über die vollständige Anwendung der Bestimmungen des Schengen-Besitzstands in der Tschechischen Republik, der Republik Estland, der Republik Lettland, der Republik Litauen, der Republik Ungarn, der Republik Malta, der Republik Polen, der Republik Slowenien und der Slowakischen Republik (2007/801/EG; ABl.&nbsp;EU Nr.&nbsp;L&nbsp;323, S.&nbsp;34)]</ref> An den Luftgrenzen wurden die Personengrenzkontrollen erst am 30.&nbsp;März 2008 eingestellt.<ref>Artikel&nbsp;1 Satz&nbsp;2 des [http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=OJ:L:2007:323:0034:0039:DE:PDF Beschlusses des Rates vom 6. Dezember 2007 über die vollständige Anwendung der Bestimmungen des Schengen-Besitzstands in der Tschechischen Republik, der Republik Estland, der Republik Lettland, der Republik Litauen, der Republik Ungarn, der Republik Malta, der Republik Polen, der Republik Slowenien und Slowakischen Republik (2007/801/EG; ABl.&nbsp;EU Nr.&nbsp;L&nbsp;323, S.&nbsp;34)]</ref> Seither erstreckt sich die einheitliche Regelung des Visumrechts und grundsätzlich der Geltungsbereich der einheitlichen Visa auf alle Mitgliedstaaten der [[Europäische Union|EU]] mit Ausnahme von [[Bulgarien]], [[Vereinigtes Königreich|Großbritannien]], [[Irland]], [[Rumänien]] und [[Zypern]]. Die Regelung gilt zudem auch für die Nicht-EU-Mitglieder [[Norwegen]] und [[Island]] sowie seit dem 12. Dezember 2008 auch für die [[Schweiz]]. == Umgehen von Visabestimmungen, Tricks == [[Datei:Laos.Visa.JPG|miniatur|Ein- und Ausreise am selben Tag]] === Visa-Run === ''Visa-Run'' ist die Bezeichnung für das vorübergehende Verlassen eines Landes mit dem einzigen Ziel, umgehend wieder einzureisen, damit die zeitliche Geltungsdauer für ein Touristenvisum von neuem beginnt. Im Schengen-Raum führt diese Handhabe nicht zum Erfolg, weil Schengen-Visa&nbsp;– auch für ein Jahr oder mehrere Jahre ausgestellte Langzeitvisa für Besucher&nbsp;– stets nur für Aufenthalte von höchstens 90&nbsp;Tagen innerhalb eines Bezugszeitraums von 180&nbsp;Tagen ab der ersten Einreise gelten. Reist also etwa ein visumpflichtiger Ausländer nach 30&nbsp;Tagen seit der ersten Einreise aus und reist er einen Tag später wieder ein, zählt der erste Tag des neuen Aufenthaltszeitraums als der 31.&nbsp;Tag des Aufenthalts, nicht aber als der erste. Wer für einen längeren Zeitraum im Schengen-Raum bleiben möchte, benötigt stets einen [[Aufenthaltstitel]] des betreffenden Schengen-Staates oder ein sogenanntes ''Nationales Visum'' (Typ&nbsp;D, siehe oben zu den Visakategorien), das diesen Aufenthalt zulässt. In einigen Ländern werden eigens Reisepakete, z.&nbsp;B. Tagesreisen per Bus, angeboten, um einen „Visa Run“ durchführen zu können. In [[Thailand]] ist es beispielsweise üblich, nach [[Kambodscha]], [[Malaysia]] oder nach [[Laos]] zu fahren.<ref>Vgl. z.&nbsp;B. [http://www.thaivisa.com/292.0.html dieses Angebot]</ref> Diese Praxis wird in Thailand seit dem Jahr 2006 erschwert, indem – analog zur Schengen-Regelung – nach einer ersten Einreise als Tourist grundsätzlich nur noch ein Aufenthalt von 90&nbsp;Tagen innerhalb eines Bezugszeitraums von 180&nbsp;Tagen möglich ist, falls eine Einreise mit einem sogenannten ''Visa on Arrival'' erfolgt.<ref>Vgl. die [http://www.immigration.go.th/nov2004/2notice/newpro.html öffentliche Ankündigung der Änderung der thailändischen Einwanderungsbestimmungen]</ref> === Täuschungen und Fälschungen === Täuschungen und [[Fälschung]]en haben miteinander gemein, dass die mit der Kontrolle der Einreise befassten Behörden durch Vorspiegelung falscher Tatsachen dazu veranlasst werden, die Einreise zuzulassen, obwohl diese Entscheidung nach den jeweils geltenden rechtlichen Regelungen falsch wäre. Täuschungen sind, wie im Zusammenhang mit der deutschen sogenannten [[Visa-Affäre]] deutlich wurde, durch planmäßige Falschangaben zum Reisezweck und zur Reisefinanzierung möglich, etwa durch gefälschte Belege, die im Visumverfahren vorgelegt werden, oder durch echte Papiere, die aber durch Bestechung erlangt worden sind. Das Risiko eines Erfolges dieser Täuschungen kann daher durch die inhaltliche Kontrolle vorgelegter Dokumente durch Visumstellen und durch die Grenzbehörden bei der Einreise verringert werden. Das Entdeckungsrisiko einer Einreise mit gefälschten Visa hängt von der Qualität, Überprüfbarkeit und tatsächlichen Überprüfung von [[Sicherheitsmerkmal]]en der Visa ab. Es steigt, je häufiger das Kontrollpersonal an den Grenzen echte Dokumente desselben Musters bearbeitet, und damit mit der Wahrscheinlichkeit, dass ihm bereits sehr geringfügige Abweichungen von der Norm sofort auffallen. Noch weiter wächst das Entdeckungsrisiko, wenn im [[online]]-Zugriff auf Datenbestände überprüft werden kann, ob das Visum ausgestellt worden ist. Wenn Kontrollpersonal an den Grenzen hingegen keine umfassenden Echtheitskontrollen durchführt, sich etwa nur auf Sichtkontrollen beschränkt, oder zur eingehenden Kontrolle technisch nicht in der Lage ist, sinkt das Entdeckungsrisiko entsprechend. === Visa-Affäre === Der [[Volmer-Erlass]] vom März 2000&nbsp;löste 2005 die sogenannte „[[Visa-Affäre]]“ um den damaligen deutschen Außenminister [[Joschka Fischer]] aus. == Literatur == In der allgemeinen ausländerrechtlichen Literatur sind auch Ausführungen zum in Deutschland bzw. in den Schengen-Staaten geltenden Visumrecht enthalten. Hierzu wird auf die Literaturhinweise zum [[Ausländerrecht#Literatur|Ausländerrecht]] und zum [[Aufenthaltsgesetz#Literatur|Aufenthaltsgesetz]] verwiesen. Speziell zum Themenbereich der Visa sind im deutschsprachigen Raum vergleichsweise nur wenige gedruckte Veröffentlichungen erschienen: * Achim Hildebrandt, Klaus-Peter Nanz: ''Visumpraxis – Voraussetzungen, Zuständigkeiten und Verfahren der Visumerteilung in den Staaten des Schengener Abkommens.'' Starnberg 1999. ISBN 3-7962-0459-7 * Oliver Maor: ''Die Visumbestimmungen der Aufenthaltsverordnung'', ZAR 2005, S.&nbsp;185. {{ISSN|0721-5746}} * Deutscher Bundestag: ''Einführung in das Recht der Visumerteilung'', in: Beschlussempfehlung und Bericht des 2.&nbsp;Untersuchungsausschusses nach Artikel&nbsp;44 des Grundgesetzes, [http://dipbt.bundestag.de/dip21/btd/15/059/1505975.pdf BT-Drs. 15/5975] == Weblinks == {{Commonscat|Visas|{{PAGENAME}}}} {{Wiktionary}} * [http://experienceasia.blogspot.com/2007_04_01_archive.html Persönliche Seite mit zahlreichen aktuellen Bildern asiatischer Visa und Kontrollstempel] * [http://www.eurovisa.info/ Informationen zum Schengener Abkommen und zu den Schengen-Visa] * [http://www.aufenthaltstitel.de/ Informationen zum deutschen Aufenthaltsrecht] * [http://www.westphal-stoppa.de/ Rechtliche Informationen zum deutschen Aufenthaltsrecht] * [http://www.transvisa.at/transvisa_misc2.php Informationen zu Konsularischen Angelegenheiten] * [http://www.visagallery.com Bilder von Visa aus über 40 verschiedenen Länder mit zahlreichen Angaben] == Einzelnachweise == <references /> {{Rechtshinweis}} {{Exzellent}} [[Kategorie:Ausländerrecht]] [[Kategorie:Reiserecht]] [[Kategorie:Ausweis]] [[ar:إذن الدخول]] [[bg:Виза]] [[bn:ভিসা]] [[cs:Vízum]] [[da:Visum]] [[en:Visa (document)]] [[eo:Vizo]] [[es:Visa]] [[et:Viisa]] [[fa:روادید]] [[fi:Viisumi]] [[fr:Visa (document)]] [[gl:Visto]] [[he:אשרה (ויזה)]] [[hi:वीजा (दस्तावेज)]] [[hr:Vizni sustav]] [[hu:Vízum]] [[id:Visa]] [[is:Vegabréfsáritun]] [[it:Visto]] [[ja:査証]] [[ka:ვიზა (დოკუმენტი)]] [[ko:사증]] [[lb:Visa (Dokument)]] [[lt:Viza]] [[ml:വിസ]] [[ms:Visa]] [[nl:Visum]] [[nn:Visum]] [[no:Visum]] [[pl:Wiza]] [[pt:Visto]] [[ro:Viză]] [[ru:Виза]] [[simple:Visa]] [[sk:Vízum]] [[sq:Viza]] [[sr:Виза]] [[sv:Visum]] [[tr:Vize]] [[uk:Віза]] [[vi:Thị thực]] [[zh:签证]] 4wgjb6lqfvlnm7iuyrxjvu55dwbo3u8 wikitext text/x-wiki Wasserstoff 0 23517 27084 26116 2010-05-07T12:08:06Z Ra'ike 0 /* Irdische Vorkommen */ Wort zuviel, Gedankenstriche {{Infobox Chemisches Element <!-- Periodensystem --> | Name = Wasserstoff | Symbol = H | Ordnungszahl = 1 | Massenzahl = | Serie = Nm | Gruppe = 1 | Periode = 1 | Block = s | Hauptquelle = <ref>Die Werte für die Eigenschaften (Infobox) sind, wenn nicht anders angegeben, aus [http://www.webelements.com/hydrogen/ www.webelements.com (Wasserstoff)] entnommen.</ref> | Aussehen = farbloses Gas | Massenanteil = 0,88 %<ref name="Harry H. Binder">Harry H. Binder: ''Lexikon der chemischen Elemente'', S. Hirzel Verlag 1999, ISBN 3-7776-0736-3</ref> |CAS = 1333-74-0 | Atommasse = 1,00794 | Atomradius = 25 | AtomradiusBerechnet = 53 | KovalenterRadius = 31 | VanDerWaalsRadius = 120 | Elektronenkonfiguration = 1s<sup>1</sup> | ElektronenProEnergieNiveau = 1 | Austrittsarbeit = | Ionisierungsenergie_1 = 1312 | Aggregatzustand = gasförmig | Dichte = 0,0899 kg · m<sup>−3</sup><ref name="BGIA GESTIS">{{GESTIS|Name=Wasserstoff |ZVG= |CAS=1333-74-0 |Datum=12.07.2009 }}</ref> | RefTempDichte_K = 273 | Magnetismus =<!-- [[Magnetische Suszeptibilität|Magn. Suszeptibilität]] = 8 · 10<sup>−9</sup><br /> ([[Diamagnetismus|diamagnetisch]]) Quelle?--> | Schmelzpunkt = 14.01 | Siedepunkt = 20.28 | MolaresVolumen = 22,42 · 10<sup>−3</sup> | Verdampfungswärme = 0,458 | Schmelzwärme = 0,558 | Dampfdruck = <!--209 · 10<sup>3</sup> Quelle?--> | RefTempDampfdruck_K = 23 | Schallgeschwindigkeit = 1270 | RefTempSchallgeschwindigkeit_K = 298,15 | SpezifischeWärmekapazität = 14304 | ElektrischeLeitfähigkeit = | RefTempElektrischeLeitfähigkeit_K = | Wärmeleitfähigkeit = 0,1805 | RefTempWärmeleitfähigkeit_K = | Oxidationszustände = +1, 0, −1 | Oxide = H<sub>2</sub>O , H<sub>2</sub>O<sub>2</sub> | Basizität = amphoter | Normalpotential = 0 V | Elektronegativität = 2,2 | Quelle GefStKz = {{RL|1333-74-0}} | Gefahrensymbole = {{Gefahrensymbole|F+}} | R = {{R-Sätze|12}} | S = {{S-Sätze|(2)|9|16|33}} | Radioaktiv = <!-- Isotope --> | Isotope = {{Vorlage:Infobox Chemisches Element/Isotop| | AnzahlZerfallstypen = 0 | OZ= 1 | Massenzahl = 1 | Symbol = H | NH= 99,9885(70) }} {{Vorlage:Infobox Chemisches Element/Isotop| | AnzahlZerfallstypen = 0 | OZ= 1 | Massenzahl = 2 | Symbol = H ([[Deuterium|D]]) | NH= 0,0115(70) }} {{Vorlage:Infobox Chemisches Element/Isotop | AnzahlZerfallstypen = 1 | Massenzahl = 3 | Symbol = H ([[Tritium|T]]) | NH = 10<sup>−15</sup> | Halbwertszeit = 12,33 [[Jahr|a]] | Zerfallstyp1ZM = [[Betastrahlung|β<sup>-</sup>]] | Zerfallstyp1ZE = 0,019 | Zerfallstyp1ZP = [[Helium|<sup>3</sup>He]] }} | NMREigenschaften= {{Infobox_Chemisches_Element/NMR | Symbol = H | Massenzahl_1 = 1 | Massenzahl_2 = 2 | Kernspin_1 = 1/2 | Kernspin_2 = 1 | Gamma_1 = 26,752 · 10<sup>7</sup> | Gamma_2 = 4,107 · 10<sup>7</sup> | Empfindlichkeit_1 = 1,00 | Empfindlichkeit_2 = 1,45 · 10 <sup>−6</sup> | Larmorfrequenz_1 = 100,0 (2,348 T) | Larmorfrequenz_2 = 15,351 (2,348 T) }} }} <!-- Wer weiss, was dies soll, bitte einfügen ! colspan="2" bgcolor="#00CD00" | NMR-Eigenschaften |----- | colspan="2" | {| width="100%" cellspacing="0" cellpadding="2" border="1" style="background-color:#f9f9f9;border:1px #aaa solid;border-collapse:collapse;" ! ! <sup>1</sup>H ! <sup>2</sup>H ! <sup>3</sup>H --> '''Wasserstoff''' ist ein [[chemisches Element]] mit dem Symbol H (für [[latein]]isch ''{{lang|la|hydrogenium}}'' „Wassererzeuger“; von [[Griechische Sprache|altgriechisch]] {{Polytonisch|ὕδωρ}} ''{{lang|grc-Latn|hydōr}}'' „[[Wasser]]“ und {{Polytonisch|γίγνομαι}} ''{{lang|grc-Latn|gignomai}}'' „werden, entstehen“) und der [[Ordnungszahl]] 1. Im [[Periodensystem]] steht es in der [[Periode-1-Element|1. Periode]] und der [[Gruppe-1-Element|1. Gruppe]], nimmt also den ersten Platz ein. Wasserstoff ist das häufigste chemische Element im Universum, jedoch nicht in der Erdrinde. Er ist Bestandteil des [[Wasser]]s und beinah aller [[Organische Chemie|organischen Verbindungen]], somit kommt gebundener Wasserstoff auch in sämtlichen lebenden Organismen vor. Wasserstoff ist das leichteste der chemischen Elemente, das häufigste [[Isotop]] besteht aus nur einem [[Proton]] und einem [[Elektron]] und heißt Protium. Unter Bedingungen, die normalerweise auf der Erde herrschen (siehe auch [[Normalbedingungen]]), kommt dieser ''atomare Wasserstoff'' nicht vor, stattdessen liegt Wasserstoff in der [[Dimerisation|dimerisierten]] Form vor, dem ''molekularen Wasserstoff'' H<sub>2</sub>, einem farb- und geruchlosen [[Gas]]. Dennoch kommt es vor, dass bei bestimmten chemischen Reaktionen Wasserstoff sehr kurz atomar als H, bezeichnet als [[Naszierender Stoff|Status Nascendi]], auftritt und abreagiert. == Geschichte == Entdeckt wurde Wasserstoff vom englischen [[Chemiker]] und [[Physiker]] [[Henry Cavendish]] im Jahre [[1766]], als er mit [[Quecksilber]] und [[Säure]]n experimentierte. Als er die beiden Substanzen zusammenbrachte, entstanden im Gemisch kleine Gasbläschen. Diese konnte er bei einer näheren Untersuchung nicht als eines der bekannten Gase identifizieren. Obwohl er fälschlicherweise annahm, dass der Wasserstoff ein Bestandteil des Quecksilbers sei (anstatt Bestandteil der Säure), konnte er die Eigenschaften des Gases gut beschreiben. [[Datei:Lavoisier.jpg|thumb|left|Antoine Laurent de Lavoisier. Er gab dem Wasserstoff seinen Namen]] Eine genauere Analyse geschah durch [[Antoine Lavoisier]], der dem Wasserstoff auch seinen Namen gab. Der französische Chemiker entdeckte das Gas im Jahr [[1787]] unabhängig von Cavendish, als er in einem Experiment zeigen wollte, dass bei chemischen Reaktionen keine [[Masse (Physik)|Masse]] verloren geht oder erzeugt wird. Er leitete Wasserdampf in einer [[Abgeschlossenes System|abgeschlossenen Apparatur]] über glühende Eisenspäne und ließ ihn an anderer Stelle [[Kondensation|kondensieren]]. Dabei stellte er fest, dass die Masse des kondensierten Wassers etwas geringer war als die der ursprünglichen Menge. Dafür entstand ein Gas (H<math>_2</math>), dessen Masse zusammen mit dem Gewichtszuwachs des oxidierten Eisens genau der „verlorengegangenen“ Wassermenge entsprach. Sein eigentliches Experiment war also erfolgreich. Lavoisier untersuchte das entstandene Gas weiter und führte die heute als [[Knallgasprobe]] bekannte Untersuchung durch, wobei das Gas verbrannte. Er nannte es daher zunächst „brennbare Luft“. Als er in weiteren Experimenten zeigte, dass sich aus dem Gas umgekehrt auch Wasser erzeugen lässt, taufte er es als hydro-gène (griechisch: ''hydro'' = Wasser; ''genes'' = erzeugend). Das Wort bedeutet demnach: „Wasserbildner“. Die deutsche Bezeichnung lässt auf die gleiche Begriffsherkunft schließen. == Vorkommen == Wasserstoff ist das häufigste chemische Element in der [[Sonne]] und den großen Gasplaneten [[Jupiter (Planet)|Jupiter]], [[Saturn (Planet)|Saturn]], [[Uranus (Planet)|Uranus]] und [[Neptun (Planet)|Neptun]], die über 99,99 % der Masse des Sonnensystems in sich vereinen. Wasserstoff stellt 75 % der gesamten Masse beziehungsweise 93 % aller Atome des Sonnensystems. Im gesamten [[Weltall]] wird (unter Nichtbeachtung [[Dunkle Materie|dunkler Materie]]) ein noch höherer Anteil an Wasserstoff vermutet. === Vorkommen im Universum === [[Datei:Saturnringe.jpg|thumb|left|Der Saturn mit seinen Ringen aus Eis und Staub. Der Planet selbst besteht größtenteils aus Wasserstoff und Helium.]] Schon kurz nach der Entstehung des Universums waren Protonen und Neutronen in überwältigender Zahl vorhanden. Bei den vorherrschenden hohen Temperaturen vereinigten sich diese zu leichten Atomkernen, wie <sup>2</sup>H und <sup>4</sup>He. Die meisten Protonen blieben allerdings unverändert und stellten die zukünftigen <sup>1</sup>H-Kerne dar. Nach ungefähr 380.000 Jahren war die Strahlungsdichte des Universums so gering geworden, dass sich Wasserstoff-Atome einfach durch Zusammenschluss der Kerne mit den Elektronen bilden konnten ohne gleich wieder durch ein Photon auseinander gerissen zu werden. Mit der weitergehenden Abkühlung des Universums formten sich unter den Einfluss der [[Gravitation]] und ausgehend von räumlichen Dichteschwankungen allmählich Wolken aus Wasserstoffgas, die sich zunächst großräumig zu [[Galaxie]]n und darin zu [[Protostern]]en zusammenballten. Unter dem wachsenden Druck der [[Schwerkraft]] setzte schließlich die [[Kernfusion]] ein, bei der Wasserstoff zu Helium verschmilzt. So entstanden erste [[Stern]]e und auch die [[Sonne]]. Gegen [[Stern#Spätstadien|Ende des Lebenszyklus]] jeder Sonne entstehen je nach deren Größe in ein oder mehreren Fusionsstufen schwerere Elemente wie [[Kohlenstoff]], [[Neon]], [[Sauerstoff]], [[Silicium]] und [[Eisen]], welche die Grundbausteine aller bekannten Lebensformen sind. Noch schwerere Elemente können nur noch in den extrem stark erhitzten äußeren Gasschichten explodierender [[Supernova|Supernovae]] entstehen. Sterne bestehen weit überwiegend aus Wasserstoff-[[Plasma (Physik)|Plasma]]. Die [[Kernfusion]] von Wasserstoff <sup>1</sup>H erfolgt hauptsächlich über die Zwischenstufen [[Deuterium]] <sup>2</sup>H und [[Tritium]] <sup>3</sup>H zu [[Helium]] <sup>4</sup>He. Die dabei frei werdende Energie ist die Energiequelle der Sterne. Der in unserer [[Sonne]] enthaltene Wasserstoff macht den größten Teil der gesamten Masse unseres Sonnensystems aus. Aber auch die schweren Gasplaneten bestehen zu großen Teilen aus Wasserstoff, was den Massenanteil des Elements im Sonnensystem weiter erhöht. Unter den extremen Drücken, die in großen Tiefen in den großen Gasplaneten [[Jupiter (Planet)|Jupiter]] und [[Saturn (Planet)|Saturn]] herrschen, kann er in [[Metallischer Wasserstoff|metallischer Form]] existieren. Wahrscheinlich ist der Anteil an metallischem Wasserstoff in den Himmelskörpern noch größer als bisher angenommen. Dieser Zustand ist wegen der elektrischen Leitfähigkeit vermutlich für die Ausbildung der planetaren [[Magnetfeld]]er verantwortlich. Außerhalb unseres Sonnensystems kommt Wasserstoff auch in gigantischen Gaswolken vor. In den so genannten [[H-I-Gebiet]]en liegt das Element nichtionisiert und molekular vor. Diese Gebiete emittieren Strahlung von etwa 1420&nbsp;MHz, die [[HI-Linie|21-cm-Linie]], die von Übergängen des Gesamtdrehimpulses herrührt. Sie spielt eine wichtige Rolle in der Astronomie und dient dazu, Wasserstoffvorkommen im All zu lokalisieren und zu untersuchen. Ionisierte Gaswolken mit atomarem Wasserstoff nennt man dagegen [[H-II-Gebiet]]e. In diesen Gebieten strahlen große Sterne hohe Mengen ionisierende Strahlung ab. Mit ihrer Hilfe lassen sich Rückschlüsse auf die Zusammensetzung der interstellaren Materie ziehen. Wegen ständiger Ionisation und Rekombination der Atome senden sie mitunter sichtbare Strahlung aus, die oft so stark ist, dass man diese Gaswolken mit einem relativ kleinen Fernrohr sehen kann. === Irdische Vorkommen === Auf der [[Erde]] ist der Massenanteil wesentlich geringer. Bezogen auf die Erd-Gesamtmasse bestehen etwa 0,12 % und bezogen auf die Erdkruste etwa 2,9 % aus Wasserstoff. Außerdem liegt der irdische Wasserstoff im Gegensatz zu den Vorkommen im All überwiegend gebunden und nur selten in reiner Form als unvermischtes Gas vor. Von keinem anderen Element sind so viele Verbindungen bekannt. Die bekannteste und am häufigsten auftretende Verbindung ist das [[Wasser]]. ==== Erdkruste ==== Das Element kommt aber auch in allen Lebewesen, in [[Erdöl]], [[Erdgas]], natürlichen [[Gas]]e wie beispielsweise [[Methan]] (CH<sub>4</sub>) und in mehr als der Hälfte aller bekannten [[Mineral]]e – überwiegend als Bestandteil von [[Kristallwasser]] – vor.<ref>[http://webmineral.com/chem/Chem-H.shtml Webmineral - Mineral Species sorted by the element H (Hydrogen)] (englisch)</ref> ==== Salz- und Süßwasser ==== Der größte Anteil irdischen Wasserstoffs kommt in der Verbindung Wasser vor. In dieser Form bedeckt er über zwei Drittel der Erdoberfläche. Die gesamten Wasservorkommen der Erde belaufen sich auf circa 1,386&nbsp;Milliarden km³. Davon entfallen 1,338&nbsp;Milliarden km³ (96,5 %) auf Salzwasser in den [[Ozean]]en. Die verbliebenen 3,5 % liegen als Süßwasser vor. Davon befindet sich wiederum der größte Teil im festen Aggregatzustand: in Form von [[Eis]] in der [[Arktis]] und [[Antarktis]] sowie in den [[Permafrost]]böden vor allem in [[Sibirien]]. Der geringe restliche Anteil ist flüssiges Süßwasser und findet sich meist in [[See (Gewässer)|Seen]] und [[Fluss|Flüssen]], aber auch in unterirdischen Vorkommen, etwa als [[Grundwasser]]. ==== Atmosphäre ==== In der [[Erdatmosphäre]] liegt Wasserstoff hauptsächlich chemisch gebunden in Form von [[Wasserdampf]] vor. Dessen Anteil an der Luft schwankt stark und liegt bei bis zu über 4 Volumenprozent. Er wird als [[Luftfeuchtigkeit|relative Luftfeuchtigkeit]] gemessen. Diese gibt den Anteil an Wasserdampf im Verhältnis zum temperaturabhängigen [[Sättigungsdampfdruck]] an. Beispielsweise entsprechen bei 30&nbsp;°C Lufttemperatur 100 % Luftfeuchtigkeit 4,2 Volumenprozent Wasserdampf in der Luft. Die Häufigkeit von molekularem Wasserstoff in der Atmosphäre beträgt nur 0,55 [[Parts per million|ppm]]. Dieser niedrige Anteil kann mit der hohen thermischen Geschwindigkeit der Moleküle und dem hohen Anteil an Sauerstoff in der Atmosphäre erklärt werden. Bei der mittleren Temperatur der Atmosphäre bewegen sich die H<sub>2</sub>-Teilchen im Durchschnitt mit fast 7.000&nbsp;km/h. Das ist rund ein Sechstel der [[Kosmische Geschwindigkeiten|Fluchtgeschwindigkeit]] auf der Erde. Aufgrund der [[Maxwell-Boltzmann-Verteilung]] der Geschwindigkeiten der H<sub>2</sub>-Moleküle gibt es aber dennoch eine beträchtliche Zahl von Molekülen, welche die Fluchtgeschwindigkeit trotzdem erreichen. Die Moleküle haben jedoch nur eine extrem geringe freie Weglänge, sodass nur Moleküle in den [[Exosphäre|oberen Schichten]] der Atmosphäre tatsächlich entweichen. Weitere H<sub>2</sub>-Moleküle kommen aus darunter liegenden Schichten nach, und es entweicht wieder ein bestimmter Anteil, bis letztlich nur noch Spuren des Elements in der Atmosphäre vorhanden sind. Zudem wird der Wasserstoff in den unteren Schichten der Atmosphäre durch eine photoaktivierte Reaktion mit Sauerstoff zu Wasser verbrannt. Bei einem geringen Anteil stellt sich ein Gleichgewicht zwischen Verbrauch und Neuproduktion (durch Bakterien und photonische Spaltung des Wassers) ein. == Gewinnung == → ''Hauptartikel: [[Wasserstoffherstellung]]'' === Molekularer Wasserstoff === Einfache chemische Prozesse zur Produktion von H<sub>2</sub> sind die Reaktion verdünnter [[Säuren]] mit unedlen [[Metalle]]n (z.&nbsp;B. [[Zink]]) oder die Zersetzung des Wassers durch Alkalimetalle. Diese, im chemischen Laboratorium für kleine Mengen üblichen Methoden, sind aber für die industrielle Herstellung ungeeignet und unwirtschaftlich. Eine Methode zur industriellen Gewinnung von molekularem Wasserstoff ist die [[Dampfreformierung]]. Unter hoher Temperatur und hohem Druck werden [[Kohlenwasserstoffe]] mit Wasser umgesetzt. Dabei entsteht [[Synthesegas]], ein Gemisch aus [[Kohlenstoffmonoxid]] und Wasserstoff. Das Mengenverhältnis kann dann durch die sogenannte [[Wassergas-Shift-Reaktion]] eingestellt werden. Diese Methode wird hauptsächlich für industrielle Hochdrucksynthesen eingesetzt. Die zweite gängige Methode in der Industrie ist die [[partielle Oxidation]]. Hierbei reagiert meistens [[Erdgas]] mit Sauerstoff unter Bildung von H<sub>2</sub> und Kohlenmonoxid. Eine alte und effiziente Möglichkeit zur Wasserstoffgewinnung ist die [[Elektrolyse]] von Wasser. Dabei wird Wasser mit Hilfe von elektrischem Strom in Wasserstoff und Sauerstoff gespalten. : <math>\mathrm{2\ H_2O(l)\ _{\overrightarrow {\rm Elektrolyse}}\ 2\ H_2(g) + O_2(g)}</math> : <small>Wasser wird durch elektrischen Strom in Wasserstoff und Sauerstoff gespalten.</small> Meist wird dem Wasser ein wenig Säure zur [[Katalyse]] der Reaktion zugesetzt. An der [[Kathode]] entsteht Wasserstoffgas, an der [[Anode]] Sauerstoffgas, im Mol- und Volumenverhältnis 2:1. Diese Methode wird heute allerdings nur noch in sehr geringem Umfang eingesetzt, vor allem zur Gewinnung von „[[Schweres Wasser|schwerem Wasser]]“, das sich bei der Elektrolyse im nicht umgesetzten Rest anreichert. Eine sehr moderne Methode ist das [[Kværner-Verfahren]]. Dabei zerlegt ein Plasmabrenner Kohlenwasserstoffe zu [[Kohlenstoff]] und Wasserstoff und erreicht dabei enorm hohe Wirkungsgrade. Ein anderes modernes Verfahren bedient sich der [[Grünalge]]n. Hier kommen biologische Prozesse zum Einsatz. Die benötigte Energie entnehmen die Algen einfach dem Sonnenlicht. Das Verfahren ist also sehr ökologisch. Allerdings verursacht der Unterhalt der Algen hohe Kosten und ist somit wenig ökonomisch und wird deshalb kaum angewendet. === Atomarer Wasserstoff === Atomarer Wasserstoff kann durch Zufuhr der [[Dissoziation (Chemie)|Dissoziationsenergie]] aus dem molekularen Element erzeugt werden. Methodisch wird dieses bewerkstelligt durch Erhitzung auf mehrere tausend Grad, elektrische Entladung bei hoher Stromdichte und niedrigem Druck, Bestrahlung mit [[Ultraviolett]]licht, Beschuss mit Elektronen bei 10 bis 20 [[Elektronenvolt]] oder [[Mikrowellenstrahlung]]. Allerdings reagiert atomarer Wasserstoff sehr schnell wieder zu molekularem Wasserstoff. Es stellt sich somit ein Fließgleichgewicht ein, das in der Regel weit auf der Seite des molekularen Wasserstoffs liegt. : <math>\mathrm{H_2\ \overrightarrow{\leftarrow}\ 2\ H} \qquad \Delta H_{R}^0 = 435,0\ \mathrm\ {kJ/mol}</math><ref>RÖMPP, 9. erweiterte Auflage</ref> : <small>Durch Energiezufuhr dissoziiert molekularer Wasserstoff in die atomare Form.</small> Zur Darstellung von größeren Mengen atomaren Wasserstoffs sind das Woodsche Darstellungsverfahren ([[Robert Williams Wood]], [[1898]]) und dasjenige von [[Irving Langmuir]] besonders geeignet. == Physikalische Eigenschaften == Wasserstoff ist das Element mit der geringsten [[Dichte]]. Molekularer Wasserstoff (H<sub>2</sub>, ein [[Molekül]] besteht also jeweils aus 2 Wasserstoffatomen) ist etwa 14,4-mal leichter als [[Luft]]. Sein Siedepunkt liegt bei 20,27 [[Kelvin]], der Schmelzpunkt bei 14,02 Kelvin. Die [[Löslichkeit]] von Wasserstoff in Wasser beträgt 1,6&nbsp;mg/l. Einige [[Thermodynamik|thermodynamische]] Eigenschaften (Transportphänomene) sind aufgrund der geringen [[Molekülmasse]] und der daraus resultierenden hohen mittleren Geschwindigkeit der Wasserstoffmoleküle (1770 m/s bei 25&nbsp;°C) von besonderer Bedeutung, (wie z. B. beim Oberth-Effekt- [[Raketentreibstoff]]). Wasserstoff besitzt bei Raumtemperatur das höchste [[Diffusion]]svermögen, die höchste [[Wärmeleitfähigkeit]] und die höchste [[Effusion (Physik)|Effusionsgeschwindigkeit]] aller Gase. Eine geringere [[Viskosität]] weisen nur drei- oder mehratomige [[Reales Gas|reale Gase]] wie zum Beispiel [[Butan|n-Butan]] auf. Die [[Mobilität]] des Wasserstoffs in einer festen Matrix ist, bedingt durch den geringen Molekülquerschnitt, ebenfalls sehr hoch. So diffundiert Wasserstoff durch Materialien wie [[Polyethylen]] und glühendes [[Quarzglas]]. Ein sehr wichtiges Phänomen ist die außerordentlich hohe Diffusionsgeschwindigkeit in [[Eisen]], [[Platin]] und einigen anderen [[Übergangsmetalle]]n, da es dort dann zur [[Wasserstoffversprödung]] kommt. In Kombination mit einer hohen Löslichkeit treten bei einigen Werkstoffen extrem hohe [[Permeation]]sraten auf. Hieraus ergeben sich technische Nutzungen zur Wasserstoffanreicherung, aber auch technische Probleme beim Transportieren, Lagern und Verarbeiten von Wasserstoff und Wasserstoffgemischen, da nur Wasserstoff diese räumlichen Begrenzungen durchwandert (siehe [[Wasserstoff#Sicherheitshinweise|Sicherheitshinweise]]). [[Datei:visible spectrum of hydrogen.jpg|thumb|1000x60px|Sichtbarer Bereich des Wasserstoff-Spektrums. Es sind sechs Linien der Balmer-Serie sichtbar, da die CCD-Sensoren der Kamera auch ein wenig in den ultravioletten Teil des Spektrums hinein sensitiv sind]] Die ersten [[Spektrallinie]]n im sichtbaren Bereich, zusammengefasst in der so genannten [[Balmer-Serie]], liegen bei 656 [[Nanometer|nm]], 486&nbsp;nm, 434&nbsp;nm und 410&nbsp;nm. Daneben gibt es weitere Serien von Spektrallinien im Infrarot- ([[Paschen-Serie]], [[Brackett-Serie]] und [[Pfund-Serie]]) und eine im Ultraviolettbereich ([[Lyman-Serie]]) des [[Elektromagnetisches Spektrum|elektromagnetischen Spektrums]]. Eine besondere Bedeutung in der [[Radioastronomie]] hat die [[HI-Linie|21-Zentimeter-Linie]] in der [[Hyperfeinstruktur]]. In einem [[Magnetisches Feld|magnetischen Feld]] verhält sich H<sub>2</sub> sehr schwach [[Diamagnetismus|diamagnetisch]]. Das bedeutet, die Dichte der Feldlinien eines extern angelegten Magnetfeldes nimmt in der Probe ab. Die [[magnetische Suszeptibilität]] ist bei Normdruck <math>\chi_m</math> = 9,9·10<sup>−9</sup> und typischerweise einige Größenordnungen unter der von diamagnetischen Festkörpern. Gegenüber elektrischem Strom ist H<sub>2</sub> ein Isolator. In einem [[Elektrisches Feld|elektrischen Feld]] hat er eine [[Durchschlagsfestigkeit]] von mehreren Millionen Volt pro Meter. === Aggregatzustände {{Anker|LH2}} === [[Datei:Linde-Wasserstofftank.JPG|thumb|Tank für flüssigen Wasserstoff der Firma Linde, Museum Autovision in Altlußheim]] Bei Temperaturen unterhalb von 20,27&nbsp;Kelvin kondensiert Wasserstoff zu einer klaren, farblosen Flüssigkeit. Dieser Zustand wird auch als '''LH<sub>2</sub>''' abgekürzt (engl. ''liquid'', „flüssig“). Senkt man die Temperatur weiter, dann geht Wasserstoff bei 14,02&nbsp;Kelvin (−259,2&nbsp;[[Celsius|°C]]) in einen schlammartigen Zustand, genannt [[Slush]] über, bevor er gefriert und einen kristallinen Festkörper mit [[Dichteste Kugelpackung|hexagonal dichtester Kugelpackung]]&nbsp;(hcp) bildet, wobei jedes Molekül von zwölf weiteren umgeben ist. Anders als bei [[Helium]] tritt beim Verflüssigen von einfachem Wasserstoff (<sup>&nbsp;1</sup>H) keine [[Suprafluidität]] auf; prinzipiell kann aber das Isotop [[Deuterium]] (<sup>&nbsp;2</sup>H) suprafluid werden. Der [[Tripelpunkt]] des Wasserstoffs, bei dem seine drei Aggregatzustände gleichzeitig vorkommen, ist einer der Fixpunkte der [[Internationale Temperaturskala|Internationalen Temperaturskala]]. Er liegt bei einer Temperatur von exakt 13,8033 Kelvin <ref name="NIST">P.J. Linstrom and W.G. Mallard, Eds., NIST Chemistry WebBook, NIST Standard Reference Database Number 69, June 2005, National Institute of Standards and Technology, Gaithersburg MD, 20899</ref> und einem Druck von 7,042&nbsp;kPa<ref name="NIST"/>. Der [[Kritischer Punkt (Thermodynamik)|kritische Punkt]] liegt bei 33,18&nbsp;K<ref name="NIST"/> und 13,0&nbsp;bar<ref name="NIST"/>, die kritische Dichte beträgt 0,03136 g/cm<sup>3</sup> (die niedrigste kritische Dichte aller Elemente) <ref>Römpps Chemielexikon achte Auflage 1988</ref>. Unter extremen Drücken, wie sie innerhalb von [[Gasplanet]]en herrschen, wird wahrscheinlich [[metallischer Wasserstoff]], d. h. in metallischer Form, ausgebildet. Dabei wird er elektrisch leitend (vgl. [[Metalle#Metalle in der Chemie|Leiterbahn]]). === Atom- und kernphysikalische Eigenschaften === [[Datei:HAtomOrbitals.png|thumb|Orbitale des Wasserstoffatoms für verschiedene n- und l-Quantenzahlen]] → ''Hauptartikel: [[Wasserstoffatom]]'' Ein einzelnes Wasserstoffatom besteht aus einem positiv geladenen [[Atomkern|Kern]] und einem negativ geladenen Elektron, das über die [[Coulombkraft|Coulomb-Wechselwirkung]] an den Kern gebunden ist. Dieser besteht stets aus einem einzelnen Proton (<sup>1</sup>H-Isotop) und je nach [[Isotop]] aus einem oder zwei zusätzlichen [[Neutron]]en (<sup>2</sup>H bzw. <sup>3</sup>H-Isotop). Das [[Wasserstoffatom]] <sup>1</sup>H wird aufgrund seines einfachen Aufbaus als „Modellatom“ in der physikalischen Beschreibung der [[Atom]]e herangezogen. So entstand aus Untersuchungsergebnissen am Wasserstoff das [[Bohrsches Atommodell|Bohrsche Atommodell]], mit dessen Hilfe eine vergleichsweise einfache Beschreibung vieler Eigenschaften des Wasserstoffatoms möglich ist. Man stellt sich dazu vor, dass das Elektron den Kern auf einer bestimmten konzentrischen, kugelförmigen Kreisbahn umläuft. Nach Bohr kann das Elektron auch auf andere, im Abstand zum Kern genau definierte Bahnen springen, so auch auf weiter außen liegende, wenn ihm die dazu nötige Energie zugeführt wird (z.&nbsp;B. durch Erhitzen). Beim Rücksprung von einer äußeren auf eine innere Bahn wird jeweils eine [[Elektromagnetische Welle|elektromagnetische Strahlung oder Welle]] einer bestimmten, der frei werdenden Energie entsprechende [[Wellenlänge]] abgegeben. Mit diesem Modell lassen sich die Spektrallinien des H-Atoms erklären, die im sichtbaren Licht bei Wellenlängen von 656&nbsp;nm, 486&nbsp;nm, 434&nbsp;nm und 410&nbsp;nm liegen ([[Balmer-Serie]]); im [[ultraviolett]]en Bereich liegt die [[Lyman-Serie]] mit Wellenlängen von 122&nbsp;nm, 103&nbsp;nm, 97&nbsp;nm und 95&nbsp;nm. Wichtige Serien im [[Infrarot]]en sind die [[Paschen-Serie]] (1,9 [[Meter#Mikrometer|µm]]; 1,3&nbsp;µm; 1,1&nbsp;µm und 1&nbsp;µm) und die [[Brackett-Serie]] (4,1&nbsp;µm; 2,6&nbsp;µm; 2,2&nbsp;µm und 1,9&nbsp;µm) (in allen Serien sind hier nur die ersten vier Linien angegeben). Das Bohrsche Modell reicht aber bei der Betrachtung von Details und für andere Atome zur Erklärung der dabei beobachteten bzw. gemessenen Phänomene nicht aus. Physikalisch korrekter ist die [[Quantenmechanik|quantenmechanische]] Beschreibung. Das H-Atom ist das einzige, für das sich das [[Eigenwertproblem]] sowohl der nichtrelativistischen [[Schrödingergleichung]] als auch der relativistischen [[Diracgleichung]] analytisch, das heißt ohne den Einsatz [[Numerische Mathematik|numerischer Verfahren]], lösen lässt. Das ist sonst nur für Ionen möglich, denen lediglich ein Elektron verblieben ist (beispielsweise He<sup>+</sup>, Li<sup> 2+</sup>, usw.). Andere quantenmechanische Phänomene bewirken weitere Effekte. Die [[Feinstruktur (Physik)|Feinstruktur]] der Spektrallinien kommt u.&nbsp;a. daher, dass Bahndrehimpuls und [[Spin]] des Elektrons miteinander koppeln. Berücksichtigt man darüber hinaus auch den [[Kernspin]], kommt man zur [[Hyperfeinstruktur]]. Eine sehr kleine, aber physikalisch besonders interessante Korrektur durch [[Vakuumfluktuation]]en ist die [[Lambverschiebung]]. Durch all diese Korrekturen wird bereits das Spektrum des Wasserstoffs zu einem komplexen Phänomen, dessen Verständnis im Rahmen der Quantenmechanik viel theoretisches Wissen erfordert. === Kernspinzustände im H<sub>2</sub>-Molekül === Unter normalen Bedingungen ist Wasserstoffgas H<sub>2</sub> ein Gemisch zweier Molekülzustände, die sich durch die „Richtung“ ihrer [[Kernspin]]s unterscheiden. Diese beiden Formen werden ''ortho''- und ''para''-Wasserstoff benannt (kurz o- und p-Wasserstoff). Bei o-Wasserstoff haben die Kernspins die gleiche (parallele) Richtung, während sie beim p-Wasserstoff entgegengesetzte (antiparallele) Richtung aufweisen. o-Wasserstoff ist die energiereichere Form. Die beiden Molekülzustände hängen über folgende, temperaturabhängige [[Gleichgewicht (Physik)|Gleichgewichtsbeziehung]] miteinander zusammen: : <math>\text{ortho-H}_2\ \rightleftarrows\ \text{para-H}_2 \qquad \Delta H_{R}^0 = -0{,}08\ \mathrm{kJ/mol} </math> : <small>Die beiden Formen können unter Energieaufnahme bzw. -abgabe ineinander übergehen.</small> Am [[Absoluter Nullpunkt|absoluten Nullpunkt]] findet man ausschließlich p-Wasserstoff. Unter [[Standardbedingungen]] liegen 25 % des Wasserstoffs als p-Form und 75 % als o-Form vor. Theoretische Berechnungen ergeben, dass der Anteil der o-Form nicht über diesen Anteil hinaus gesteigert werden kann. Die physikalischen Eigenschaften von o- und p-Wasserstoff sind geringfügig verschieden. So liegen beispielsweise der Schmelz- und Siedepunkt der p-Form etwa 0,1&nbsp;[[Kelvin|K]] unter denen der o-Form. Bei der industriellen Herstellung von flüssigem Wasserstoff spielt obiges Gleichgewicht eine wichtige Rolle. Der Wechsel der Kerne in die antiparallele Orientierung (→ p-Wasserstoff) erfolgt beim Abkühlen nur sehr langsam, da die Wechselwirkungen zwischen den Kernen – genauer gesagt beeinflussen sich die Kerne über ihre [[Magnetisches Moment|magnetischen Momente]] – nur sehr schwach sind. Deswegen versucht man, die Einstellung des Gleichgewichts durch den Einsatz von [[Katalysator]]en zu beschleunigen. == Chemische Eigenschaften == === Besonderheiten === Im [[Periodensystem]] steht Wasserstoff in der I. Hauptgruppe weil er 1 [[Valenzelektron]] besitzt. Ähnlich wie die ebenfalls dort stehenden [[Alkalimetall]]e hat er in vielen Verbindungen die [[Oxidationszahl]] '''+1'''. Allerdings sitzt sein Valenzelektron auf der K-Schale, die nur maximal 2 Elektronen haben kann und somit die [[Edelgaskonfiguration]] bereits mit 2 Elektronen und nicht mit 8 wie die anderen Schalen erreicht. Durch Aufnahme eines Elektrons kann er also die Edelgaskonfiguration des Heliums erreichen. Er hat dann die Oxidationszahl '''-1''', und hat in Bindungen einen Halogencharakter. Diese Bindungen geht er mit sehr unedlen Metallen ein. Man spricht dann von einem [[Hydrid]]. Diese Stellung „in der Mitte“ zwischen Edelgaskonfigurationen, in der er die gleiche Anzahl Elektronen aufnehmen oder abgeben kann, ist eine Eigenschaft, die der IV. Hauptgruppe ähnelt, was auch seine [[Elektronegativität]] erklärt, die eher der des [[Kohlenstoff]]s ähnelt, als der des [[Lithium]]s. Aufgrund dieser „gemäßigten“ Elektronegativität sind die für die I. Hauptgruppe typischen Bindungen des Wasserstoffs in der Oxidationszahl '''+1''' keine Ionenbindungen wie bei den Alkalimetallen, sondern [[kovalent]]e Molekülbindungen. Zusammenfassend sind die Eigenschaften des Wasserstoffs für die I. Hauptgruppe atypisch, da aufgrund der Tatsache, dass die K-Schale nur 2 Elektronen aufnehmen kann, auch teilweise Eigenschaften anderer Gruppen hinzukommen. === Molekularer Wasserstoff === [[Datei:Wasserstoff.svg|thumb|150px|[[Lewisformel]] des Wasserstoffmoleküls]] Bei Zündung reagiert Wasserstoff mit [[Sauerstoff]] und [[Chlor]] heftig, ist sonst aber vergleichsweise beständig und wenig reaktiv. Bei hohen Temperaturen wird das Gas reaktionsfreudig und geht mit Metallen und Nichtmetallen gleichermaßen Verbindungen ein. Mit [[Chlor]] reagiert Wasserstoff [[exotherm]] unter Bildung von gasförmigem [[Chlorwasserstoff]], welches in Wasser gelöst [[Salzsäure]] ergibt. Beide Gase reagieren dabei mit gleichen [[Stoffmenge]]nanteilen: : <math>\mathrm{Cl_2 + H_2 \rightarrow 2\ HCl}</math> : <small>je ein Chlor- und Wasserstoffmolekül reagieren zu zwei Chlorwasserstoffmolekülen</small> Diese Reaktion ist unter dem Namen [[Chlorknallgas]]reaktion bekannt, welche sich schon durch die Bestrahlung mit Licht zünden lässt. Für die [[Knallgas]]reaktion (Wasserstoff und Sauerstoff) bedarf es einer Zündung : <math>\mathrm{O_2 + 2 H_2 \rightarrow 2\ H_2O}</math> : <small>je ein Sauerstoff- und zwei Wasserstoffmoleküle reagieren zu zwei Wassermolekülen</small> Die aggressivste Reaktion bei niedrigen Temperaturen geht jedoch Wasserstoff mit [[Fluor]] ein. Wird Wasserstoffgas bei -200&nbsp;°C auf gefrorenes Fluor geleitet, reagieren die beiden Stoffe sofort explosiv miteinander. : <math>\mathrm{F_2 + H_2 \rightarrow 2\ HF}</math> : <small>je ein Fluor- und Wasserstoffmolekül reagieren zu zwei Fluorwasserstoffmolekülen</small> === Angeregter Wasserstoff === Wasserstoff im ''[[Nascierender Stoff|statu nascendi]]'', d.&nbsp;h. im ''Zustand des Entstehens'' unmittelbar nach einer Wasserstoff erzeugenden Reaktion, existiert nur für Sekundenbruchteile. Innerhalb dieser Zeitspanne reagieren in der Regel zwei H-Atome miteinander. Aber auch nach diesem Zusammenschluss liegt der Wasserstoff für kurze Zeit in einem angeregten Zustand vor und kann so –&nbsp;abweichend vom „normalen“ chemischen Verhalten&nbsp;– für verschiedene Reaktionen genutzt werden, die mit molekularem Wasserstoff nicht möglich sind. So gelingt es zum Beispiel nicht, mit Hilfe von im [[Kippscher Apparat|Kippschen Apparat]] erzeugtem Wasserstoffgas, in einer angesäuerten, violetten [[Kaliumpermanganat]]lösung (KMnO<sub>4</sub>) oder gelben [[Kaliumdichromat]]lösung (K<sub>2</sub>Cr<sub>2</sub>O<sub>7</sub>) den die Reduktion anzeigenden Farbwechsel hervorzurufen. Mit direkt in diesen Lösungen, durch Zugabe von [[Zink]]pulver generiertem Wasserstoff ''in statu nascendi'' gelingt diese [[Reduktion (Chemie)|reduktive]] Farbänderung. : <math>\mathrm{MnO_4^- + 8\ H^+ + 5\ H \rightarrow Mn^{2+} + 4\ H_2O + 5\ H^+}</math> : <small>Nascierender Wasserstoff vermag unter sauren Bedingungen violette Permanganatlösung zu entfärben.</small> : <math>\mathrm{Cr_2O_7^{2-} + 14\ H^+ + 6\ H \rightarrow 2\ Cr^{3+} + 7\ H_2O + 6\ H^+}</math> : <small>Unter sauren Bedingungen wird gelbe Dichromatlösung grün durch die reduktive Wirkung des nascierenden Wasserstoffs.</small> === Atomarer Wasserstoff === Um molekularen Wasserstoff in die Atome zu zerlegen, muss Energie von etwa 4,5&nbsp;[[Elektronenvolt|eV]] pro Molekül oder genauer 436,22 [[Joule|kJ]]/[[mol]] aufgewendet werden (der Chemiker spricht von [[Enthalpie]]); beim Zusammenschluss zu Wasserstoffmolekülen (H<sub>2&nbsp;</sub>) wird diese Energie wieder freigesetzt: : <math>\mathrm{2\ H\ \overrightarrow{\leftarrow}\ H_2} \qquad \Delta H_{R}^0 = -436{,}22\ \mathrm{kJ/mol} </math> : <small>Zwei H-Atome reagieren zu einem H<sub>2</sub>-Molekül und setzen dabei Energie frei.</small> Das Gleichgewicht dieser Reaktion liegt unter Normalbedingungen vollkommen auf der rechten Seite der dargestellten Gleichung, denn atomarer Wasserstoff reagiert sehr rasch und stark [[exotherm]] zu molekularem Wasserstoff (oder mit anderen Reaktionspartnern, wenn solche in der Nähe sind). Eine Anwendung findet diese Reaktion beim [[Arcatom-Schweißen]]. Auch im [[Weltraum]] liegt bei niedrigen Temperaturen in der Regel molekularer Wasserstoff vor. In der Nähe heißer Sterne wird molekularer Wasserstoff jedoch von deren Strahlung aufgespalten, so dass dort die atomare Form überwiegt. Diese ist zwar sehr reaktiv und geht schnell neue Verbindungen ein, vor allem mit anderen Wasserstoffatomen, die jedoch von der Strahlung ebenfalls wieder gespalten werden. ''Siehe dazu auch [[H-II-Gebiet]].'' Anmerkung: Wasserstoff in den [[Stern]]en liegt nicht nur atomar vor, sondern auch als Plasma: Die Elektronen sind infolge der dort herrschenden hohen Temperaturen je nach Temperatur von den Protonen mehr oder weniger abgetrennt. Die Oberfläche der Sonne hat jedoch nur eine Temperatur von ungefähr 6000&nbsp;°C. Bei dieser Temperatur ist immer noch der größte Teil des Wasserstoffes nicht ionisiert und sogar molekular, d.&nbsp;h. das Gleichgewicht liegt weit auf der Seite des molekularen Wasserstoffes. Die thermische Energie ist bei 6000&nbsp;°C weit unter der Energie von 4,5 eV, die zur Auflösung der molekularen Bindung erforderlich ist. Die Sonne ist jedoch in der [[Korona (Sonne)|Korona]] mit mindestens einer Million Kelvin wesentlich heißer. Daher sind im Sonnenlicht die Übergänge der Elektronen im atomaren Wasserstoff erkennbar. Chemische Verbindungen können sich bei so hohen Temperaturen kaum bilden und zerfallen sofort. === Wasserstoffbrückenbindung === Eine wichtige Eigenschaft des Wasserstoffs ist die so genannte [[Wasserstoffbrückenbindung]], eine anziehende elektrostatische [[Coulombsches Gesetz|Kraft]] zwischen zwei Molekülen. Ist H an ein stark [[Elektronegativität|elektronegatives]] Atom, wie zum Beispiel [[Fluor]] oder Sauerstoff, gebunden, so befindet sich sein Elektron eher in der Nähe des Bindungspartners. Es tritt also eine Ladungsverschiebung auf und das H-Atom wirkt nun positiv polarisiert. Der Bindungspartner wirkt entsprechend negativ. Kommen sich zwei solche Moleküle nahe genug, tritt eine anziehende elektrische Kraft zwischen dem positiven H-Atom des einen Moleküls und des negativen Teils des jeweiligen Partners auf. Das ist eine Wasserstoffbrückenbindung. Da die Wasserstoffbrückenbindung mit nur 17&nbsp;kJ/mol bis 167&nbsp;kJ/mol<ref>{{Literatur|Autor=George A. Jeffrey|Titel=An Introduction to Hydrogen Bonding|Verlag=Oxford University Press|ISBN=978-0195095494|Jahr=1997}}</ref> schwächer ist als die Bindungskraft innerhalb eines Moleküls, verbinden sich die Moleküle nicht dauerhaft. Vielmehr bleibt die Wasserstoffbrücke wegen [[Thermische Energie|ständigen Bewegung]] nur Bruchteile einer Sekunde bestehen. Dann lösen sich die Moleküle voneinander, um erneut eine Wasserstoffbrückenbindung mit einem anderen Molekül einzugehen. Dieser Vorgang wiederholt sich ständig. Die Wasserstoffbrückenbindung ist für viele Eigenschaften verschiedener Verbindungen verantwortlich, wie etwa [[Desoxyribonukleinsäure|DNA]] oder [[Wasser]]. Bei Letzterem führen diese Bindungen zu den [[Wasser#Die „Anomalie des Wassers“|Anomalien des Wassers]], insbesondere der [[Dichteanomalie]]. Anmerkung: Die Wasserstoffbrückenbindung sollte nicht mit der ''[[Van-der-Waals-Bindung]]'' verwechselt werden, die auf ungleichmäßigen Ladungsverteilungen bei ''nicht''polaren Molekülen beruht und unter anderem für den Schmelz- oder Siedepunkt einen Stoffes verantwortlich ist. == Isotope == [[Datei:Hydrogen Deuterium Tritium Nuclei Schmatic-de.svg|thumb|Wasserstoff, [[Deuterium]], [[Tritium]]]] Es existieren drei natürlich vorkommende [[Isotop]]e des Wasserstoffs. Von allen Elementen unterscheiden sich beim Wasserstoff – wenn auch nur geringfügig – die Isotope in ihren chemischen Reaktionsfähigkeiten am meisten. Das liegt an dem vergleichsweise großen Gewichtsunterschied (Deuterium doppelt, Tritium dreimal so schwer wie Wasserstoff). Dieser Unterschied beträgt schon bei den Isotopen des nächstschwereren Elements Helium nur noch 25 %. In jüngerer Zeit gelang es, die kurzzeitige Existenz von vier weiteren Kernen nachzuweisen (<sup>4</sup>H, <sup>5</sup>H, <sup>6</sup>H und <sup>7</sup>H)<ref>[http://physicsweb.org/articles/news/7/3/3 physicsweb.org: Hydrogen-7 makes its debut]</ref>. Diese Kerne haben aber alle eine sehr kurze Lebensdauer (<&nbsp;10<sup>−21</sup>&nbsp;s). [[1955]] taucht in dem satirischen Roman „[[Die Maus, die brüllte]]“ („The Mouse That Roared“) die Bezeichnung ''Quadium'' für <sup>4</sup>H in der fiktiven Waffe „Q-Bombe“ auf. {| class="prettytable" width="100%" |- bgcolor="#dfdfdf" ! Isotop || Name ||Symbol||Eigenschaften |---- |&nbsp;&nbsp; <sup>1</sup>H || Protium ||&nbsp;&nbsp;H ||Das einfachste Wasserstoff-Isotop <sup>1</sup>H besitzt keine Neutronen im Kern und wird gelegentlich Protium genannt. Es hat mit einer relativen Häufigkeit von 99,99 % den weitaus größten Anteil am irdisch vorkommenden Wasserstoff. Es ist nicht [[radioaktiv]], also stabil. |---- |&nbsp;&nbsp; <sup>2</sup>H || [[Deuterium]] ||&nbsp;&nbsp;D ||Das Isotop <sup>2</sup>H hat neben dem Proton ein Neutron im Kern. Man bezeichnet es als Deuterium. Für Deuterium gibt es das D als ein eigenes [[Elementsymbol]]. Verwendung findet es z.&nbsp;B. als Bestandteil von Lösungsmitteln für die <sup>1</sup>H-NMR Spektroskopie, da es dabei kein störendes Nebensignal liefert. Es macht 0,0115 % aller Wasserstoffatome aus (nach [[IUPAC]]). Deuterium ist ebenfalls stabil. |---- |&nbsp;&nbsp; <sup>3</sup>H || [[Tritium]] ||&nbsp;&nbsp;T ||Tritium ist das dritte natürlich vorkommende Isotop des Wasserstoffs. Es hat aber nur einen verschwindenden Anteil am gesamten in der Natur vorkommenden Wasserstoff. Tritium besitzt zwei Neutronen und wird mit <sup>3</sup>H oder T gekennzeichnet. Tritium ist [[radioaktiv]] und zerfällt durch [[Betazerfall]] (β<sup>−</sup>) mit einer [[Halbwertszeit]] von 12,32&nbsp;Jahren in [[Helium|<sup>3</sup>He]]. Nach <ref name="Lal_Peters">D. Lal und B. Peters: ''Cosmic ray produced radioactivity on the earth.'' Handbuch der Physik, Band 46/2, Seiten 551–612, Springer, Berlin, '''1967'''.</ref> wird Tritium durch [[Kernreaktion]]en in der oberen [[Atmosphäre]] ständig als kosmogenes [[Radionuklid]] gebildet. Bei einem Gleichgewicht von natürlicher Produktion und Zerfall ergibt sich, entsprechend der Quelle, ein Inventar von 3,5&nbsp;kg auf der Erde. Tritium kann in [[Oberflächenwasser]]n und in Lebewesen nachgewiesen werden. Durch Kernwaffentests ist die Konzentration des Tritiums in der Atmosphäre nach 1950 deutlich angestiegen. |} == Verwendung == Jedes Jahr werden weltweit mehr als 600 Milliarden Kubikmeter Wasserstoff (rd.&nbsp;30&nbsp;Mio.&nbsp;t) für zahllose Anwendungen in Industrie und Technik produziert. Wichtige Einsatzgebiete sind: * ''[[Energieträger]]'': Beim [[Schweißen]], als [[Raketentreibstoff]]. Auch als Kraftstoff für [[Strahltriebwerk]]e oder [[Verbrennungsmotor]]en kann Wasserstoff verwendet werden – dieser Weg ist kurzfristig technologisch einfacher umzusetzen und besonders für Nutzfahrzeuge mit hohen Kilometerleistungen aufgrund der mangelnden Standfestigkeit der Brennstoffzellen die einzige Möglichkeit, siehe [[Wasserstoffantrieb]]. * ''[[Reduktion (Chemie)|Reduktionsmittel]]'': H<sub>2</sub> kann mit Metalloxiden reagieren und ihnen dabei den Sauerstoff entziehen. Es entsteht Wasser und das reduzierte Metall. Das Verfahren wird bei der [[Verhüttung]] von metallischen [[Erz]]en angewandt, insbesondere um Metalle möglichst rein zu gewinnen. * Mit dem ([[Haber-Bosch-Verfahren]]) wird aus [[Stickstoff]] und Wasserstoff [[Ammoniak]] hergestellt und daraus wichtige Düngemittel und Sprengstoffe. * ''[[Kohlehydrierung]]'': Durch verschiedene chemische Reaktionen wird Kohle mit H<sub>2</sub> in flüssige [[Kohlenwasserstoff]]e überführt. So lassen sich [[Motorenbenzin|Benzin]], [[Dieselkraftstoff|Diesel]] und [[Heizöl]] künstlich herstellen. Momentan hat das Verfahren wegen höherer Kosten kaum wirtschaftliche Bedeutung. Das könnte sich aber drastisch ändern, sobald die Ölvorräte der Erde zur Neige gehen. * ''[[Fetthärtung]]'': Gehärtete [[Fette]] werden oft aus Pflanzenöl mittels [[Hydrierung]] gewonnen. Dabei werden die Doppelbindungen in den Fettsäure-Ketten der Fettmoleküle mit Wasserstoff abgesättigt. Die entstandenen Fette haben einen höheren Schmelzpunkt, wodurch das Produkt fest wird. Auf diese Weise stellt man [[Margarine]] her. Dabei können sich auch so genannte [[Trans-Fettsäuren|''trans''-Fettsäuren]] bilden. * ''[[Lebensmittelzusatzstoff]]'': Wasserstoff ist als E 949 zugelassen und wird als Treibgas, Packgas, Gas zum Aufschlagen von Sahne u.ä. verwendet.<ref>[[ZZulV]]: [http://bundesrecht.juris.de/zzulv_1998/BJNR023100998.html Verordnung über die Zulassung von Zusatzstoffen zu Lebensmitteln zu technologischen Zwecken]</ref> * ''Kühlmittel'': Aufgrund seiner hohen [[Wärmekapazität]] benutzt man Wasserstoff in Kraftwerken und den dort eingesetzten [[Turbogenerator]]en als Kühlmittel. Insbesondere setzt man H<sub>2</sub> dort ein, wo eine Flüssigkeitskühlung problematisch werden kann. Die Wärmekapazität kommt dort zum Tragen, wo das Gas nicht oder nur langsam zirkulieren kann. Weil die [[Wärmeleitfähigkeit]] ebenfalls hoch ist, verwendet man strömendes H<sub>2</sub> auch zum Abtransport von thermischer Energie in große Reservoire (z.&nbsp;B. Flüsse). In diesen Anwendungen schützt Wasserstoff die Anlagen vor Überhitzung und erhöht die Effizienz. * ''[[Kryogen (Technik)|Kryogen]]'': Wegen der hohen Wärmekapazität eignet sich flüssiger Wasserstoff als Cryogen, also als Kühlmittel für extrem tiefe Temperaturen. Auch größere Wärmemengen können von flüssigem Wasserstoff gut absorbiert werden, bevor eine merkliche Erhöhung in seiner Temperatur auftritt. So wird die tiefe Temperatur auch bei äußeren Schwankungen aufrechterhalten. * ''[[Traggas]]'': In [[Ballon]]s und [[Luftschiff]]en fand Wasserstoff eine seiner ersten Verwendungen. Wegen der leichten Entzündlichkeit von H<sub>2</sub>-Luft-Gemischen führte dies jedoch wiederholt zu Unfällen. Die größte Katastrophe in diesem Zusammenhang ist wohl das Unglück der [[LZ 114|„Dixmude“]] 1923, am bekanntesten wurde sicherlich die [[LZ 129|„Hindenburg-Katastrophe“]] im Jahr [[1937]]. Wasserstoff als Traggas wurde mittlerweile durch Helium ersetzt und erfüllt diesen Zweck nur noch in sehr speziellen Anwendungen. Die beiden natürlichen Isotope haben spezielle Einsatzgebiete. '''Deuterium''' findet (in Form von [[Schweres Wasser|schwerem Wasser]]) in [[Schwerwasserreaktor]]en als [[Moderator (Neutronenphysik)|Moderator]] Verwendung, d.&nbsp;h. zum Abbremsen der bei der [[Kernspaltung]] entstehenden schnellen [[Neutron]]en auf thermische Geschwindigkeit. Deuterierte Lösungsmittel werden in der [[NMR-Spektroskopie|magnetischen Kernresonanzspektroskopie]] benutzt, da Deuterium einen Kernspin von Eins besitzt und im NMR-Spektrum des normalen Wasserstoff-Isotops nicht sichtbar ist. In der [[Chemie]] und [[Biologie]] helfen Deuteriumverbindungen bei der Untersuchung von Reaktionsabläufen und Stoffwechselwegen ([[Isotopenmarkierung]]), da sich Verbindungen mit Deuterium chemisch und biochemisch meist nahezu identisch verhalten wie die entsprechenden Verbindungen mit Wasserstoff. Die Reaktionen werden von der Markierung nicht gestört, der Verbleib des Deuteriums ist in den Endprodukten dennoch feststellbar. Ferner sorgt der erhebliche Massenunterschied zwischen Wasserstoff und Deuterium für einen deutlichen [[Isotopeneffekt]] bei den massenabhängigen Eigenschaften. So hat das [[Schweres Wasser|schwere Wasser]] einen messbar höheren Siedepunkt als Wasser. Das radioaktive Isotop '''Tritium''' wird in [[Kernreaktor]]en in industriell verwertbaren Mengen hergestellt. Außerdem ist es neben Deuterium ein Ausgangsstoff bei der Kernfusion zu Helium. In der zivilen Nutzung dient es in [[Biologie]] und [[Medizin]] als radioaktiver [[Marker]]. So lassen sich beispielsweise Tumorzellen aufspüren. In der [[Physik]] ist es einerseits selbst Forschungsgegenstand, andererseits untersucht man mit hochbeschleunigten Tritiumkernen schwere Kerne oder stellt künstliche Isotope her. Mit Hilfe der [[Tritiummethode]] lassen sich Wasserproben sehr genau datieren. Mit einer Halbwertszeit von etwa zwölf Jahren eignet es sich besonders für die Messung relativ kurzer Zeiträume (bis zu einigen hundert Jahren). Unter anderem lässt sich so das Alter eines [[Wein]]es feststellen. Es findet auch Verwendung als langlebige, zuverlässige Energiequelle für [[Leuchtfarbe]]n (im Gemisch mit einem [[Fluoreszenzfarbstoff]]), vor allem in militärischen Anwendungen, aber auch in Armbanduhren. Weitere militärische Verwendung findet das Isotop in der [[Wasserstoffbombe]] und gewissen Ausführungen von [[Kernwaffe]]n, deren Wirkung auf Spaltung beruht. === Wasserstoff als Energiespeicher === → ''Hauptartikel: [[Wasserstoffspeicherung]]'' Wasserstoff wird oft als „[[Energieträger]] der Zukunft“ ([[Wasserstoffwirtschaft]]), der keinerlei schädliche Emissionen, insbesondere kein [[Kohlendioxid]], verursacht, tituliert – oft in einem Atemzug etwa mit Wind und Sonne. Derartige Aussagen sind aber mit Vorsicht zu genießen und beruhen zum Teil auf Verwechselung von Primärenergie und Energie(über)träger. Unzweifelhaft enthält Wasserstoffgas mehr Energie pro Gewichtseinheit als jeder andere chemische Brennstoff, jedoch muss Wasserstoff zunächst erst einmal energieintensiv hergestellt werden. Insofern ist Wasserstoff keine Energiequelle, sondern seine Erzeugung bietet ggf. Möglichkeiten, anderweitig gewonnene Energie (etwa aus Wind und Sonne) zu speichern. Allerdings sind auch die Probleme bei Speicherung und Transport groß. Wasserstoffatome sind aber auch in den Molekülen vieler etablierter Energieträger wie [[Erdöl]], [[Erdgas]] oder [[Biomasse]] enthalten; Wasserstoff hat also auch einen nicht unerheblichen Anteil am [[Brennwert]] bzw. [[Heizwert]] dieser Stoffe. Die Speicherung von Wasserstoff als [[Kraftstoff]] für [[Kraftfahrzeug]]e stellt besondere Anforderungen an die Konstruktion von Wasserstoff-Tanks, einerseits im Hinblick auf Sicherheitsbedenken insbesondere in Unfallsituationen, andererseits aus ökonomischen Gesichtspunkten. Beispielsweise sind beim [[Wasserstoffantrieb]] mit [[Brennstoffzelle]]n oder in einem [[Verbrennungsmotor]] die Größe und das Gewicht des Tanks im Verhältnis zur Reichweite des Fahrzeugs sehr groß, der Energieaufwand für die Kühlung und Wasserstoffverluste durch Diffusion sind zu berücksichtigen. In Anbetracht der vorstehenden Überlegungen konkurrieren drei Speichermethoden miteinander: * die Speicherung von gasförmigem Wasserstoff in [[Druckbehälter]]n, * die Speicherung von flüssigem Wasserstoff in [[Dewargefäß|vakuumisolierten Behältern]], * die Einlagerung von Wasserstoff in [[Metallhydrid]]en oder in Kohlenstoff-[[Nanoröhre]]n Die ersten beiden Methoden erlauben eine einfache Wiedergewinnung des Wasserstoffs. Sie genügen auch im vollem Maße den Sicherheitsanforderungen. Drucktanks mit bis zu 700bar sind Behälter, die als nahezu unzerstörbar gelten. Da sich das Sicherheitsventil für Überdruck innerhalb des Tanks befindet, wird Wasserstoff im Notfall schrittweise abgegeben und verflüchtigt sich schnell. Wenn eine Zündquelle in der Nähe ist kann sich der Wasserstoff entzünden, verbrennt aber schnell und mit geringer Wärmeabstrahlung. Eine Explosion ist nahezu unmöglich, da die Konzentration des Wasserstoff in der Luft nicht ausreicht. Reiner Wasserstoff ist nicht explosiv. Dagegen sind die herkömmlichen Plastikbenzintanks deutlich unsicherer. Sollte ein Benzinauto brennen wird es im Auto viel schneller warm, durch die höhere Wärmeabstrahlung. Der Flüssigtank ist leichter zu beschädigen, aber im Vergleich mit heuten Tanks auch sicher. Die Speicherung in [[Hydride]]n und Nanoröhren stellt die sicherste Methode da. Die [[Tank (Behälter)|Tanks]] sind allerdings sehr schwer, in einem 200-kg-Tank können nur etwa 2&nbsp;kg Wasserstoff gespeichert werden, was energetisch etwa 8 Litern [[Motorenbenzin|Benzin]] entspricht. Auch ist die Rückgewinnung gasförmigen Wasserstoffs komplizierter, v.&nbsp;a. in größeren Mengen zur gleichen Zeit. Die dazu verwendete Technik erfordert hohes technisches und physikalisches Verständnis und hochwertige Bauteile. Diese Form der Speicherung kann daher sehr teuer werden. ==== Energiedichten im Vergleich ==== Auf die Masse bezogen<ref>[http://www.hydox.de/wasserstoff.htm Energieinhalte im Vergleich]</ref>: * Wasserstoff: 33,3&nbsp;kWh/kg * Erdgas: 13,9 kWh/kg * Benzin: 12,7 kWh/kg Auf das Volumen bezogen: * Wasserstoff (flüssig): 2360 kWh/m³ * Benzin: 8760 kWh/m³ * Erdgas (20 MPa): 2580 kWh/m³ * Wasserstoffgas (20 MPa): 530 kWh/m³ * Wasserstoffgas (Normaldruck): 3 kWh/m³ === Kernfusion === [[Datei:Ivy Mike (Eniwetok-Atoll - 31. Oktober 1952).jpg|thumb|Am 31. Oktober 1952 gelingt erstmalig die Freisetzung von Energie durch Kernfusion in der Wasserstoffbombe „Ivy Mike“]] → ''Hauptartikel: [[Kernfusion]]'' Schon bald nach den Anfängen der Kernphysik im ersten Viertel des [[20. Jahrhundert]]s wurde die Aufmerksamkeit der Physiker auf die Energiegewinnung gelenkt. Neben der Kernspaltung wurde auch der Weg einer Verschmelzung der Kerne, die Kernfusion, erforscht. Die ersten gefundenen Reaktionen sind die [[Proton-Proton-Reaktion]]en, bei denen Wasserstoffkerne direkt zu Helium verschmelzen. Das konnte die Energiegewinnung in leichten Sternen, wie unserer Sonne, größtenteils erklären. Zwischen [[1937]] und [[1939]] entwickelten [[Hans Bethe]] und [[Carl Friedrich von Weizsäcker]] eine Theorie zur Kernfusion in sehr schweren Sternen, den nach ihnen benannten [[Bethe-Weizsäcker-Zyklus]]. Darin spielt Wasserstoff die überwiegende Rolle in der Energiegewinnung. Er wird aber nicht direkt zu Helium verschmolzen, sondern fusioniert in verschiedenen Reaktionen mit Kohlenstoff, Stickstoff und Sauerstoff. Am Ende des Zyklus entsteht Helium; die anderen Elemente wirken als Katalysatoren. Während des Kalten Krieges bauten die Großmächte ihre nuklearen Waffenarsenale aus. Der Schritt zu den Fusionswaffen gelang zuerst den USA: basierend auf der [[Atombombe]], die ihre Energie aus der [[Kernspaltung]] bezieht, konstruierten amerikanische Forscher unter [[Edward Teller]] die [[Wasserstoffbombe]]. In ihr wird durch die Kernfusion ein Vielfaches der Energie einer Uranbombe freigesetzt. [[1952]] testen die Vereinigten Staaten die erste Wasserstoffbombe auf einer kleinen Pazifikinsel. Brennstoff war allerdings nicht Wasserstoff, sondern das Isotop Deuterium. Es war die erste vom Menschen erzeugte Kernfusion. In der Bombe liefen vor allem folgende Kernreaktion ab: :<math>\mathrm{D + D \rightarrow \, ^3He + n + 3{,}2689 \, MeV}</math> :<math>\mathrm{D + D \rightarrow T + p + 4{,}0327 \, MeV}</math> Das entstandene Tritium und [[Helium]]-3 können noch weiter reagieren: :<math>\mathrm{T + D \rightarrow \,^4He + n + 17{,}588\,MeV}</math> :<math>\mathrm{\,^3He + D \rightarrow \, ^4He + p + 18{,}353 \, MeV}</math> In Summe entstehen aus drei Deuteronen ein Heliumkern sowie ein Neutron und ein Proton. Da Deuterium wie Wasserstoff schwer zu speichern ist, wird bei den meisten Fusionswaffen inzwischen auf [[Lithium]]-Deuterid LiD als Brennstoff zurückgegriffen. Durch die bei der Primärreaktion von Deuterium entstehenden Neutronen wird aus dem Lithium Tritium erbrütet: : <math>\mathrm{n + \,^6Li \rightarrow \,^4He + T}</math> : <math>\mathrm{n + \,^7Li \rightarrow \,^4He + T + n}</math> : <small>Der Neutronenbeschuss von Lithium erzeugt Helium und den Fusionsbrennstoff Tritium.</small> Bei der Reaktion mit Lithium-6 wird zudem noch Energie frei, während die Reaktion mit Lithium-7 Energie verbraucht, dafür aber wieder ein Neutron erzeugt, das für die weitere Tritium-Produktion zur Verfügung steht. Physiker forschen aber auch an einer friedlichen Nutzung der Kernverschmelzung. Früh entwickelten sie verschiedene Vorschläge zur Energiegewinnung durch Fusion. Die gewaltigen Temperaturen, die zu einer Kernfusion nötig sind, bereiten bei einer kontrollierten Reaktion aber nach wie vor Schwierigkeiten. Vor einigen Jahrzehnten wurden die ersten Forschungsreaktoren errichtet, die Wasserstoff zu Helium verschmelzen sollen. Mittlerweile existieren einige dieser Vorrichtungen; beispielsweise [[Joint European Torus|JET]] und [[ITER]] (international, in Planung) in Europa, ein deutscher [[Tokamak]]-Reaktor in Garching sowie der [[Stellarator]] [[Wendelstein 7-X]], welcher derzeit am [[Max-Planck-Institut für Plasmaphysik]] (IPP) in Greifswald aufgebaut wird. Falls diese Experimente an den Forschungsanlagen erfolgreich verlaufen, sollen die gewonnenen Erkenntnisse für den Bau eines Demonstrationskraftwerks ([[DEMO]]) dienen. Die gegenwärtigen Planungen gehen von der Inbetriebnahme von DEMO etwa 2030 und der möglichen kommerziellen Nutzung ab etwa 2050 aus. Diese kommerziellen Reaktoren werden aber anders als Wasserstoffbomben voraussichtlich nur die Deuterium-Tritium-Reaktion zur Energiegewinnung nutzen können, und sind somit unbedingt auf Lithium zur Erbrütung des eigentlichen Brennstoffs Tritium angewiesen. Während Deuterium über die Weltmeere in fast beliebiger Menge zur Verfügung steht, sind die bekannten Lithium-Vorräte beschränkt. == Kernfusion in Sonne und Sternen == Mit [[Wasserstoffbrennen]] wird die [[Kernfusion]] von Wasserstoff in [[Helium]] im Inneren von [[Stern]]en (oder im Fall einer [[Nova (Stern)|Nova]], auf der Oberfläche eines [[Weißer Zwerg|Weißen Zwergs]]) bezeichnet. Diese Reaktion stellt in normalen Sternen während des Großteils ihres Lebenszyklus die wesentliche [[Energie]]quelle dar. Sie hat trotz ihres historisch bedingten Namens nichts mit einer chemischen [[Verbrennung (Chemie)|Verbrennung]] zu tun. Der Prozess der Kernfusion kann beim Wasserstoffbrennen auf zwei Arten ablaufen, bei denen auf verschiedenen Wegen jeweils vier [[Proton]]en, die [[Atomkern]]e des Wasserstoffs, in einen Heliumkern <small><sup>4</sup></small>He umgewandelt werden: * die relativ direkte [[Proton-Proton-Reaktion]] * der schwere Elemente ([[Kohlenstoff]], [[Stickstoff]], [[Sauerstoff]]) nutzende [[Bethe-Weizsäcker-Zyklus]] (''CNO-Zyklus'') Für die exakte Berechnung der freigesetzten Energie ist zu berücksichtigen, dass in Teilreaktion der [[Proton-Proton-Reaktion]] und auch des [[Bethe-Weizsäcker-Zyklus]] zwei [[Positron]]en freigesetzt werden, die bei der [[Annihilation]] mit einem [[Elektron]] 1,022 [[MeV]] entsprechend der Ruhemassen von Elektron und Positron freisetzen. Zur Massendifferenz der vier Protonen und des Heliumkerns ist folglich die zweifache Elektronenmasse zu addieren. Diese Massendifferenz ist identisch der Differenz der vierfachen Atommasse von Protium, Wasserstoff bestehend aus Protonen und Elektronen und der Atommasse von <sup>4</sup>He. Diese Atommassen sind näherungsweise aber nicht exakt identisch mit den Atommassen von Wasserstoff und Helium, da es verschiedene [[Isotop]]e dieser Elemente gibt. Ferner verlässt ein kleiner Teil der Energie die Sonne in Form von [[Neutrino]]s. Insgesamt wird beim Wasserstoffbrennen etwa 0,73 % der Masse in Energie umgewandelt, was man als [[Massendefekt]] bezeichnet. Die aus der Massendifferenz erzeugte Energie ergibt sich aus der [[Äquivalenz von Masse und Energie|einsteinschen Beziehung]] ''E''&nbsp;=&nbsp;''mc''². Sie resultiert aus der [[Bindungsenergie|Kernbindungsenergie]] der [[Nukleon]]en, der Kernbausteine. Die Fusion von Wasserstoff zu Helium ist am ergiebigsten; die nächste Stufe stellarer Fusionsreaktionen, das [[Heliumbrennen]], setzt pro erzeugtem Kohlenstoffkern nur noch etwa ein Zehntel dieser Energie frei. == Biologische Bedeutung == Wasserstoff ist in Form verschiedenster [[Chemische Verbindung|Verbindungen]] essentiell für alle bekannten Lebewesen. An vorderster Stelle zu nennen ist hier Wasser, welches als Medium für alle [[Zelle (Biologie)|zellulären]] Prozesse und für alle Stofftransporte dient. Zusammen mit [[Kohlenstoff]], [[Sauerstoff]], [[Stickstoff]] (und seltener auch anderen Elementen) ist er Bestandteil derjenigen Moleküle aus der [[Organische Chemie|organischen Chemie]], ohne die jegliche uns bekannte Form von Leben schlicht unmöglich ist. Wasserstoff spielt im Organismus auch aktive Rollen, so bei einigen [[Koenzym]]en wie z. B. [[Nicotinamid-Adenin-Dinucleotid]] (NAD/NADH), die als Reduktionsäquivalente (oder „Protonentransporter“) im Körper dienen und bei [[Redoxreaktion]]en mitwirken. In den [[Mitochondrium|Mitochondrien]], den Kraftwerken der Zelle, dient die Übertragung von Wasserstoffkationen (Protonen) zwischen verschiedenen Molekülen der so genannten [[Atmungskette]] dazu, ein [[Potenzial]], einen [[Protonengradient]]en, zur Generierung von energiereichen Verbindungen wie [[Adenosintriphosphat]] (ATP) bereitzustellen. Bei der [[Photosynthese]] in [[Pflanzen]] und [[Bakterien]] wird der Wasserstoff aus dem Wasser dazu benötigt, das fixierte [[Kohlendioxid]] in [[Kohlenhydrate]] umzuwandeln. Bezogen auf die Masse ist Wasserstoff im [[Daten des menschlichen Körpers#Chemische Daten|menschlichen Körper]] das drittwichtigste Element: Bei einer Person mit einem Körpergewicht von 70&nbsp;kg, sind rund 7&nbsp;kg (= 10 Gew.-%) auf den enthaltenen Wasserstoff zurückzuführen. Nur [[Kohlenstoff]] (ca. 20 Gew.-%) und [[Sauerstoff]] (ca. 63 Gew.-%) machen einen noch größeren Gewichtsanteil aus. Bezogen auf die Anzahl der Atome ist der sehr leichte Wasserstoff sogar das mit Abstand häufigste Atom im Körper eines jeden Lebewesens. (Die 7&nbsp;kg beim Menschen entsprechen 3,5·10<sup>3</sup>&nbsp;Mol Wasserstoff mit je 2·6·10<sup>23</sup> Atomen, das sind rund 4,2·10<sup>27</sup> Wasserstoffatome). == Medizinische Bedeutung == In biologischen Systemen reagiert molekularer Wasserstoff mit [[Reaktive Sauerstoffspezies|reaktiven Sauerstoffspezies]] und wirkt so als [[Antioxidantien|Antioxidans]]. Im Tierversuch führt die Anreicherung von Trinkwasser mit molekularem Wasserstoff nach [[Nierentransplantation]] zu einem besseren Überleben des Transplantates, zu einem verminderten Auftreten einer chronischen Schädigung des Transplantates, zu einer Verminderung der Konzentration an reaktiven Sauerstoffspezies und zu einer Hemmung von [[Signaltransduktion|Signalwegen]], welche die [[Entzündung|entzündliche Aktivität]] verstärken (proinflammatorische Signalwege).<ref>{{Cite journal | doi = 10.1038/ki.2009.421 | issn = 1523-1755 | volume = 77 | issue = 2 | pages = 101-109 | last = Cardinal | first = Jon S | coauthors = Jianghua Zhan, Yinna Wang, Ryujiro Sugimoto, Allan Tsung, Kenneth R McCurry, Timothy R Billiar, Atsunori Nakao | title = Oral hydrogen water prevents chronic allograft nephropathy in rats | journal = Kidney International | accessdate = 2010-04-21 | date = 2010-01 | url = http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/19907413 }}</ref> == Sicherheitshinweise == Wasserstoff ist ein hochentzündliches Gas. Von der EU und somit auch der deutschen [[Gefahrstoffverordnung]] ist er als [[Gefahrstoff]] eingestuft mit ''[[Gefahrensymbole#Übersicht Gefahrensymbole|F+]]; [[R- und S-Sätze|R12]]''<br /> für „hochentzündlich“; seine Behälter müssen dementsprechend gekennzeichnet werden. Nach DIN&nbsp;EN&nbsp;1089-3 werden H<sub>2</sub>-Druck[[gasflasche]]n mit roter [[Flaschenschulter]] und rotem [[Flaschenkörper]] versehen. In geringen Mengen ist Wasserstoff für Menschen ungiftig. In hohen Konzentrationen können allerdings Bewegungsstörungen auftreten. Weitere Exposition kann zur [[Bewusstlosigkeit]] und schließlich zum Erstickungstod führen. In einem solchen Falle ist die betroffene Person (unter Selbstschutz) an die frische Luft zu bringen und ein Arzt hinzuzuziehen. Bei einem Atemstillstand muss die Person künstlich beatmet werden. Beim Mischen mit Luft zu 4 bis 76 [[Volumenprozent]] (Vol.-%) Wasserstoff entsteht [[Knallgas]], das bereits durch einen wenig energiereichen Funken zur [[Explosion]] gebracht werden kann. In einem ausgewogenen Mischungsverhältnis von O<sub>2</sub> und H<sub>2</sub> kann eine Knallgasexplosion verheerende Wirkung haben. In jedem Fall ist darauf zu achten, keine leicht entzündlichen Materialien oder offene Flammen in der Nähe zu lagern. H<sub>2</sub> reagiert auch heftig mit [[Chlor]] ([[Chlorknallgas]]) und [[Fluor]]. Sauerstoff/Wasserstoffgemische mit einem Anteil von unter 10,5 Volumenprozent Wasserstoff sind schwerer als Luft und sinken zu Boden<ref>[http://abenteuerwissen.zdf.de/ZDFde/inhalt/20/0,1872,5562740,00.html?dr=1 ZDF abenteuer wissen]</ref>. Die Entmischung erfolgt nicht unmittelbar, so das bis zur Unterschreitung der 4 Volumenprozent Grenze die Zündfähigkeit erhalten bleibt. Beim Umgang mit Wasserstoff müssen Sicherheitsvorschriften und Entlüftungsanlagen dieses Verhalten berücksichtigen. Wird molekularer Wasserstoff in einfachen Metalltanks gelagert, so kommt es wegen der geringen Molekülgröße zu Diffusion, das heißt Gas tritt langsam durch die Gefäßwände aus. Dies ist bei der Speicherung problematisch, insbesondere für Wasserstoff-betriebene Fahrzeuge, wenn diese lange an einem abgeschlossenen Platz (Garage, Tiefgarage) stehen. (''Siehe dazu'': [[Wasserstoffspeicherung]].) Zudem rechnet man beim Betanken mit relativ hohen Verlusten von einigen Prozent der Gesamtmenge. Flüssiger Wasserstoff in Metalltanks neigt bei Beschädigungen oder Lecks zur Selbstentzündung. Der Austausch von Wasserstoff-Isotopen in chemischen Verbindungen kann die [[Toxizität]] der entsprechenden Verbindung beeinflussen. So ist [[Schweres Wasser]] (D<sub>2</sub>O) – das Isotop <sup>1</sup>H wurde gegen <sup>2</sup>H (Deuterium) ausgetauscht – im Vergleich zu Wasser [[gift]]ig für viele [[Lebewesen]]. Die für Menschen gefährliche Menge ist aber recht groß und im Regelfall kaum zu erreichen. == Nachweis == Molekularen Wasserstoff kann man durch die [[Knallgasprobe]] nachweisen. Bei dieser [[Nachweisreaktion]] wird eine kleine, beispielsweise während einer Reaktion aufgefangene Menge eines Gases, in einem [[Reagenzglas]] entzündet. Wenn danach ein dumpfer Knall, ein Pfeifen oder ein Bellen zu hören ist, so ist der Nachweis positiv (das heißt, es war Wasserstoff in dem Reagenzglas). Der Knall kommt durch die Reaktion von Wasserstoffgas mit dem Luftsauerstoff zustande: : <math>\mathrm{2\ H_2 + O_2 \rightarrow 2\ H_2O}</math> (exotherme Reaktion) : <small>Wasserstoff reagiert mit Sauerstoff zu Wasser</small> Mit der gleichen Reaktion verbrennt Wasserstoff mit einer schwach bläulichen Flamme, wenn man ihn gleich an der Austrittsstelle entzündet (Pfeifgas). Die Knallgasprobe ist die „klassische“ Methode zum Nachweis und ist besonders in Schulversuchen beliebt. Sehr viel genauer lässt sich das Element mit Hilfe der [[Kernspinresonanz]]spektroskopie (kurz NMR; ''nuclear magnetic resonance'') nachweisen, die daher bevorzugt im Laborbetrieb angewandt wird. Dabei macht man sich [[Quantenmechanik|quantenmechanische]] Gegebenheiten zu Nutze: Der Kern[[spin]] eines Wasserstoffatoms kann sich in einem angelegten äußeren Magnetfeld unterschiedlich ausrichten. Dadurch liegt der Atomkern in einem von zwei möglichen Energiezuständen vor, deren Differenz umso größer ist, je stärker das äußere Magnetfeld ist. Diese Differenz ist charakteristisch für jedes Element und kann durch Strahlungsanregung gemessen werden. == Verbindungen == Wasserstoff geht mit den meisten chemischen Elementen Verbindungen mit der allgemeinen [[Summenformel]] EH<sub>n</sub> (n = 1, 2, 3, 4) ein. Einige wenige dieser [[Elementwasserstoffe]] sind nur in Form so genannter [[Addukt]]e bekannt, wie L<sub>m</sub> • EH<sub>n</sub> (L steht für einen [[Ligand]]en). Wasserstoff kann in Verbindungen sowohl positive als auch negative [[Elektrische Ladung|Ladungsanteile]] tragen. Das ist abhängig davon, ob der Bindungspartner eine höhere oder eine niedrigere [[Elektronegativität]] als Wasserstoff (2,2) besitzt. Zwischen den beiden Verbindungstypen lässt sich im Periodensystem keine scharfe Grenze ziehen, da zum Beispiel das [[Säure-Base-Reaktion|Säure-Base-Verhalten]] mit berücksichtigt werden muss. Eine mehr oder weniger willkürliche Betrachtung besagt, dass in den Wasserstoffverbindungen der Elemente [[Bor]], [[Silicium]], [[Germanium]], [[Zinn]] und [[Blei]] sowie allen links davon der Wasserstoff negativ polarisiert ist, in Verbindungen mit [[Kohlenstoff]], [[Phosphor]], [[Arsen]], [[Antimon]], [[Bismut]] und allen Elementen rechts davon positiv. Entsprechend lässt sich bei [[Monosilan]] (SiH<sub>4</sub>) die [[Oxidationszahl]] für [[Silicium]] auf +4 (Wasserstoff dementsprechend −1), in [[Methan]] (CH<sub>4</sub>) für Kohlenstoff auf −4 (Wasserstoff +1) festlegen. Zur Darstellung von Wasserstoffverbindungen EH<sub>n</sub> werden hauptsächlich drei verschiedene Verfahren genutzt: * Die Umsetzung des entsprechenden Elements E mit Wasserstoff (H<sub>2</sub>; [[Hydrogenolyse]]) : <math>\mathrm{\frac{1}{x}\ E_x + \frac{n}{2}\ H_2\ \overrightarrow{\leftarrow}\ EH_n}</math> : <small>Ein Element reagiert mit Wasserstoff bei Energiezufuhr zum entsprechenden Elementwasserstoff.</small> * Die Reaktion von Metallverbindungen des Typs M<sub>n</sub>E mit Wasserstoffsäuren (H<sup>+</sup>; [[Protolyse]]) : <math>\mathrm{M_nE + n\ HA\ \overrightarrow{\leftarrow}\ n\ MA + EH_n}</math> : <small>Eine Metallverbindung des Elements E reagiert mit einer Säure HA zum Elementwasserstoff und einem Metallsalz.</small> * Die Umsetzung von Halogenverbindungen (EHal<sub>n</sub>) mit Hydriden (H<sup>−</sup>; [[Hydridolyse]]) : <math>\mathrm{EHal_n + n\ H^-\ \overrightarrow{\leftarrow}\ n\ Hal^- + EH_n}</math> : <small>Hydridionen setzen aus einer Halogenverbindung des Elements E den entsprechenden Elementwasserstoff frei.</small> === Salzartige Verbindungen === In Verbindung mit Metallen kann Wasserstoff jeweils ein Elektron aufnehmen, so dass negativ geladene Wasserstoffionen (Hydridionen, H<sup>-</sup>) entstehen, die mit Metallkationen [[Salze]] bilden. Diese Verbindungen werden [[Hydride]] genannt. Salzartige Elementwasserstoffe sind von den [[Alkalimetalle|Alkali-]] und, mit Ausnahme von [[Beryllium]], den [[Erdalkalimetalle]]n bekannt. Außerdem zählt man die Dihydride des [[Europium]]s und [[Ytterbium]]s (EuH<sub>2</sub> und YbH<sub>2</sub>) dazu. Metallhydride reagieren sehr heftig mit Wasser unter Freisetzung von molekularem Wasserstoff (H<sub>2</sub>) und können sich an der Luft selbst entzünden, wobei sich Wasser und das Metalloxid bilden. In der Mehrzahl sind sie aber nicht explosiv. [[Mineral]]e, die (an Sauerstoff gebundenen) Wasserstoff enthalten, sind [[Kristallwasser|Hydrate]] oder [[Hydroxide]]. === Metallartige Verbindungen === In metallartigen Wasserstoffverbindungen – mit wenigen Ausnahmen sind das die Übergangsmetallhydride – ist atomarer Wasserstoff in der entsprechenden Metallstruktur eingelagert. Man spricht in diesem Fall auch von Wasserstoff-Einlagerungsverbindungen, obwohl sich bei der Aufnahme des Wasserstoffs die Struktur des Metalls ändert (was eigentlich nicht der Definition für [[Einlagerungsmischkristall|Einlagerungsverbindungen]] entspricht). Das Element besetzt die oktaedrischen und tetraedrischen Lücken in den kubisch- bzw. hexagonal-dichtesten [[Dichteste Kugelpackung|Metallatompackungen]]. Die [[Löslichkeit]] von Wasserstoff steigt mit zunehmender Temperatur. Man findet jedoch selbst bei Temperaturen über 500 Grad Celsius selten mehr als 10 Atomprozente Wasserstoff im betreffenden Metall. Am meisten Wasserstoff können die Elemente [[Vanadium]], [[Niob]] und [[Tantal]] aufnehmen. Bei Raumtemperatur sind folgende [[Stöchiometrie]]n zu beobachten: VH<sub>0,05</sub>, NbH<sub>0,11</sub> und TaH<sub>0,22</sub>. Ab 200 Grad Celsius findet man bei diesen Metallen eine 1:1-Stöchiometrie (MH) vor. Das kubisch-raumzentrierte [[Kristallgitter]] bleibt dabei unangetastet. === Kovalente Verbindungen === Verbindungen, bei denen Wasserstoff der elektropositivere Partner ist, haben einen hohen [[kovalent]]en Anteil. Als Beispiele seien [[Fluorwasserstoff]] (HF) oder [[Chlorwasserstoff]] (HCl) genannt. In Wasser reagieren diese Stoffe als [[Säuren]], da der Wasserstoff sofort als [[Proton (Chemie)|Proton]] (H<sup>+</sup>-Ion) von umgebenden Wassermolekülen abgespalten werden kann. Isolierte H<sup>+</sup>-Ionen verbinden sich in wässriger Lösung sofort mit Wassermolekülen zu [[Oxonium|H<sub>3</sub>O<sup>+</sup>-Ionen]]; dieses Ion ist verantwortlich für die saure Eigenschaft von wässrigen Chlorwasserstofflösungen. ==== Säure-Base-Verhalten ==== [[Datei:H-Oxide.PNG|thumb|Schematische Darstellung verschiedener Wasserstoffoxide]] Die kovalenten Wasserstoffverbindungen der Elemente der IV. bis VII. Hauptgruppe des Periodensystems sowie Borwasserstoffe sind [[Säuren]] nach der Definition von [[Johannes Nicolaus Brønsted|Brønsted]], geben also Protonen an andere Verbindungen ab. : <math>\mathrm{EH_n\, \overrightarrow{\leftarrow}\, EH^-_{n-1} + H^+}</math> Die [[Säurestärke]] der Verbindungen nimmt dabei in den Hauptgruppen von oben nach unten und in den Perioden von links nach rechts zu. Ebenso steigt sie mit der Zahl der Element-Element-[[Chemische Bindung|Bindungen]] bei Wasserstoffverbindungen eines bestimmten Elements. So ist zum Beispiel Wasser (H<sub>2</sub>O) eine schwächere Säure als Wasserstoffperoxid (H<sub>2</sub>O<sub>2</sub>), [[Ethan]] (C<sub>2</sub>H<sub>6</sub>) in der Säurestärke schwächer als [[Ethen]] (C<sub>2</sub>H<sub>4</sub>) und [[Ethin]] (C<sub>2</sub>H<sub>2</sub>). Umgekehrt können kovalente Elementwasserstoffe als [[Basen (Chemie)|Basen]] fungieren. Wasserstoffverbindungen der Elemente aus Hauptgruppe V bis VII können Protonen aufnehmen, da sie über freie [[Elektronenpaar]]e verfügen. : <math>\mathrm{EH_n + H^+\, \overrightarrow{\leftarrow}\, EH^+_{n+1}}</math> ===== pH-Wert ===== Ursache für die [[Acidität]] oder [[Basizität]] einer wässrigen Lösung ist die [[Stoffkonzentration]] an Protonen (H<sup>+</sup>-Ionen). Den negativen dekadischen [[Logarithmus]] dieser Konzentration nennt man [[pH-Wert]]. Z. B. bedeutet eine Konzentration von 0,001&nbsp;mol&nbsp;H<sup>+</sup>-Ionen pro Liter Wasser „pH&nbsp;3,0“. Dieses Beispiel trifft auf eine Säure zu. Wasser ohne jeden Zusatz hat bei [[Normalbedingungen]] den pH&nbsp;7, Basen haben pH-Werte bis&nbsp;14 ==== Oxide ==== [[Wasserstoffoxide]] (auch Hydrogeniumoxide) sind Verbindungen, die nur aus Wasserstoff und Sauerstoff bestehen, von größter Wichtigkeit ist das Wasser (Wasserstoffoxid); von technischer Bedeutung ist daneben [[Wasserstoffperoxid]], früher Wasserstoffsuperoxid genannt. Ein weiteres, aber selteneres [[Oxide|Oxid]] ist das [[Dihydrogentrioxid]]. Von außerordentlicher Bedeutung für alles Leben auf der Erde sind auch Alkohole und Saccharide sowie Carbonsäuren, die (nur) Wasserstoff, Sauerstoff und Kohlenstoff enthalten. ==== Kohlenwasserstoffe ==== Wasserstoff bildet mit [[Kohlenstoff]] die kovalenten [[Kohlenwasserstoffe]], deren Studium sich die Kohlenwasserstoffchemie verschrieben hat. == Einzelnachweise == <references/> == Literatur == '''Chemie''' * HANDBUCH DER EXPERIMENTELLEN CHEMIE SEKUNDARBEREICH II, Band 1, Wasserstoff, Stickstoff und Sauerstoffgruppen, Aulis Verlag Deubner & Co. KG * Köln * Erwin Riedel: ''Anorganische Chemie''. de Gruyter, Berlin 2002, ISBN 3-11-017439-1 * A. F. Holleman, Egon Wiberg: ''Lehrbuch der Anorganischen Chemie''. de Gruyter, Berlin 1995, ISBN 3-11-012641-9 * ''dtv-Atlas zur Chemie.'' Bd 1. Allgemeine und anorganische Chemie, ISBN 3-423-03217-0 * Harry H. Binder: ''Lexikon der chemischen Elemente - das Periodensystem in Fakten, Zahlen und Daten.'' Hirzel, Stuttgart 1999, ISBN 3-7776-0736-3 '''Technik''' * Sven Geitmann: ''Wasserstoff & Brennstoffzellen – Die Technik von morgen.'' Hydrogeit Verlag, Kremmen 2004 (2. Aufl.), ISBN 3-937863-04-4 * Alf-Sibrand Rühle: ''Wasserstoff & Wirtschaft – Investieren in eine saubere Zukunft'' Hydrogeit Verlag, Kremmen 2005, ISBN 3-937863-02-8 * Rex A. Ewing: ''Hydrogen – A Journey Into a World of Hydrogen Energy and Fuel Cells.'' Pixyjack Press, Masonville CO 2004, ISBN 0-9658098-6-2 '''Bedeutung''' * [[Hoimar von Ditfurth]]: ''Im Anfang war der Wasserstoff.'' dtv, München 2002, ISBN 3-423-33015-5 == Weblinks == {{Wiktionary|Wasserstoff}} {{Commons|Hydrogen|Wasserstoff}} {{dmoz|World/Deutsch/Wissenschaft/Ingenieurwissenschaften/Energie/Wasserstoff/|Wasserstoff}} * [http://www.HydrogenLab.de/ 3D Visualisierungen des Wasserstoffatoms bei HydrogenLab] * [http://www.hydox.de/wasserstoff.htm Informationen über Wasserstoff bei hydrox.de] * [http://www.innovations-report.de/html/berichte/verfahrenstechnologie/bericht-29914.html Suprafluider Wasserstoff bei Innovationsreport 4. Juni 2002] * [http://www.hydrogeit.de/ Informationen und Bücher über Wasserstoff im Verlag Hydrogeit] * [http://www.dwv-info.de/publikationen/2004/pm_04st.pdf ''Wasserstoff – Der neue Energieträger'' Über die Rolle des Wasserstoffs in existierenden und zukünftigen Energiesystemen in Deutscher Wasserstoff- und Brennstoffzellenverband e.V. (Hrsg.) 2004] (PDF-Datei; 150 kB) * [http://www.bio-wasserstoff.de/ ''Solare Wasserstoffwirtschaft'' bei biowasserstoff.de] * [http://www.iceland.de/index.php?id=658 ''Wasserstofftestfeld Island'' in Iceland Guide 2006] * [http://www.pse-mendelejew.de/bilder/h.jpg Eine Wasserstoff-] und [http://www.pse-mendelejew.de/bilder/d.jpg Deuterium-Spektralröhre] Betrieb mit 1,8 kV, 18 mA und einer Frequenz von 35&nbsp;kHz. {{Navigationsleiste Periodensystem}} {{Exzellent}} [[Kategorie:Kraftstoff]] [[Kategorie:Brenngas]] [[Kategorie:Wasserstofftechnik| Wasserstoff]] [[Kategorie:Kühlmittel]] [[Kategorie:Lebensmittelzusatzstoff]] {{Link GA|no}} {{Link FA|af}} {{Link FA|en}} {{Link FA|es}} {{Link FA|eu}} {{Link FA|pt}} {{Link FA|ro}} [[af:Waterstof]] [[als:Wasserstoff]] [[an:Hidrochén]] [[ar:هيدروجين]] [[arz:هايدروجين]] [[ast:Hidróxenu]] [[az:Hidrogen]] [[bar:Wassastoff]] [[bat-smg:Ondėnilis]] [[be:Вадарод]] [[be-x-old:Вадарод]] [[bg:Водород]] [[bn:হাইড্রোজেন]] [[br:Hidrogen]] [[bs:Vodonik]] [[ca:Hidrogen]] [[co:Idrogenu]] [[cs:Vodík]] [[cv:Водород]] [[cy:Hydrogen]] [[da:Brint]] [[diq:Hidrocen]] [[el:Υδρογόνο]] [[en:Hydrogen]] [[eo:Hidrogeno]] [[es:Hidrógeno]] [[et:Vesinik]] [[eu:Hidrogeno]] [[fa:هیدروژن]] [[fi:Vety]] [[fo:Hydrogen]] [[fr:Hydrogène]] [[fur:Idrogjen]] [[fy:Wetterstof]] [[ga:Hidrigin]] [[gd:Haidreagain]] [[gl:Hidróxeno]] [[gu:હાઈડ્રોજન]] [[gv:Hiddragien]] [[hak:Khîn]] [[haw:Haikokene]] [[he:מימן]] [[hi:हाइड्रोजन]] [[hr:Vodik]] [[hsb:Wodźik]] [[ht:Idwojèn]] [[hu:Hidrogén]] [[hy:Ջրածին]] [[ia:Hydrogeno]] [[id:Hidrogen]] [[io:Hidrogeno]] [[is:Vetni]] [[it:Idrogeno]] [[ja:水素]] [[jbo:cidro]] [[jv:Hidrogen]] [[ka:წყალბადი]] [[kk:Сутегі]] [[km:អ៊ីដ្រូសែន]] [[kn:ಜಲಜನಕ]] [[ko:수소]] [[ksh:Wasserstoff]] [[ku:Hîdrojen]] [[la:Hydrogenium]] [[lb:Waasserstoff]] [[li:Waterstof]] [[lij:Idrogeno]] [[lmo:Idrògen]] [[ln:Idrojɛ́ní]] [[lt:Vandenilis]] [[lv:Ūdeņradis]] [[mhr:Вӱдеж]] [[mi:Hauwai]] [[mk:Водород]] [[ml:ഹൈഡ്രജന്‍]] [[mn:Устөрөгч]] [[mr:हायड्रोजन]] [[ms:Hidrogen]] [[mt:Idroġenu]] [[myv:Ведь чачтый]] [[nah:Āyōcoxqui]] [[nds:Waterstoff]] [[nds-nl:Waeterstof]] [[ne:हाइड्रोजन]] [[new:हाइड्रोजन]] [[nl:Waterstof (element)]] [[nn:Hydrogen]] [[no:Hydrogen]] [[nov:Hidrogene]] [[nv:Tó Báʼátʼéhígíí]] [[oc:Idrogèn]] [[os:Донгуыр]] [[pa:ਹਾਈਡ੍ਰੋਜਨ]] [[pap:Hidrogeno]] [[pih:Hiidrojen]] [[pl:Wodór]] [[pnt:Υδρογόνον]] [[pt:Hidrogénio]] [[qu:Yakuchaq]] [[ro:Hidrogen]] [[ru:Водород]] [[sa:हाइड्रोजन]] [[sc:Idrogeno]] [[scn:Idrògginu]] [[sco:Hydrogen]] [[sh:Vodik]] [[simple:Hydrogen]] [[sk:Vodík]] [[sl:Vodik]] [[sq:Hidrogjeni]] [[sr:Водоник]] [[stq:Woaterstof]] [[su:Hidrogén]] [[sv:Väte]] [[sw:Hidrojeni]] [[ta:ஐதரசன்]] [[te:హైడ్రోజన్]] [[tg:Ҳидроген]] [[th:ไฮโดรเจน]] [[tl:Hidroheno]] [[tr:Hidrojen]] [[tt:Водород]] [[ug:ھىدروگېن]] [[uk:Водень]] [[ur:آبساز]] [[uz:Vodorod]] [[vi:Hiđrô]] [[vls:Woaterstof]] [[wa:Idrodjinne]] [[war:Hidroheno]] [[wuu:氢]] [[xal:Үстөр]] [[yi:הידראגען]] [[yo:Hydrogen]] [[zh:氢]] [[zh-classical:氫]] [[zh-min-nan:H (goân-sò͘)]] [[zh-yue:氫]] 8ilouo1ozk8k4tssirqes7qcthh7rzw wikitext text/x-wiki Wiesbaden 0 23518 27115 26117 2010-05-10T20:21:35Z Katimpe 0 korr {{Infobox Gemeinde in Deutschland |Art = Stadt |Name = Wiesbaden |Wappen = Wappen Wiesbaden.svg |Breitengrad = 50/05/00/N |Längengrad = 08/15/00/E |Karte = |Lageplan = Hesse WI.svg |Lageplanbeschreibung= Lage der Landeshauptstadt Wiesbaden in Hessen |Bundesland = Hessen |Regierungsbezirk = Darmstadt |Kreis = Kreisfreie Stadt |Höhe = 83-608 |Fläche = 203.9 |PLZ = 65183–65207<br />55246 <small>(Mainz-Kostheim)</small><br />55252 <small>(Mainz-Kastel)</small> |Vorwahl = 0611, 06122, 06127, 06134 |Kfz = WI |Gemeindeschlüssel = 06414000 |NUTS = |LOCODE = DE WIB |Gliederung = 26 [[Stadtbezirk]]e |Straße = |Adresse = Schlossplatz&nbsp;6<br />65183 Wiesbaden |Adresse-Verband = |Website = [http://www.wiesbaden.de/ www.wiesbaden.de] |Bürgermeister = [[Helmut Müller (Hessen)|Helmut Müller]] |Bürgermeistertitel= Oberbürgermeister |Partei = CDU }} '''Wiesbaden''' ist die [[Land (Deutschland)|Landeshauptstadt]] des [[Deutschland|deutschen]] Bundeslandes [[Hessen]] und mit seinen 15 [[Thermalquelle|Thermal-]] und [[Mineralquelle]]n<ref name="quelle">[http://www.wiesbadener-tagblatt.de/region/wiesbaden/meldungen/4866703.htm Wiesbadener Tagblatt vom 18. September 2008: ''Quellen sind eine Image-Frage'']. Darin wird aus dem Bericht einer Projektgruppe für die Stadtverordneten zitiert: „Bei den Thermal- und Mineralquellen wird ein Bestand von 27 Quellen angegeben. Tatsächlich vorhanden sind jedoch nur 15 Quellen. Sieben Quellen sind außer Betrieb und fünf weitere wurden beseitigt.“</ref> eines der ältesten [[Kurort|Kurbäder]] [[Europa]]s. In der [[Liste der größten Städte in Hessen|zweitgrößten Stadt]] Hessens wohnen zusammen mit den in Wiesbaden stationierten US-amerikanischen Soldaten und ihren Familienangehörigen, die bei den [[Volkszählung]]en nicht berücksichtigt werden, knapp 287.000 Menschen. Der [[Agglomeration|Großraum]] Wiesbaden, neben der eigentlichen Stadt hauptsächlich aus dem angrenzenden [[Rheingau-Taunus-Kreis]], den Städten [[Eppstein]], [[Hochheim am Main]], [[Hofheim am Taunus]] und den Gemeinden [[Bischofsheim (Mainspitze)|Bischofsheim]] und [[Ginsheim-Gustavsburg]] bestehend, zählt etwa 570.000 Einwohner. Wiesbaden bildet eines der zehn [[Oberzentrum|Oberzentren]] des Landes Hessen und zählt ebenso wie [[Frankfurt am Main]], [[Mainz]] und [[Darmstadt]] zu den Kernstädten des [[Rhein-Main-Gebiet]]s. == Name und Wappen der Stadt == [[Datei:Wiesbadener-Wappen.jpg|miniatur|rechts|Wiesbadener Wappen am [[Altes Rathaus (Wiesbaden)|Alten Rathaus]] von 1610]] [[Datei:Wappen Wiesbaden.svg|75px|links|Das Wiesbadener Wappen mit den drei goldenen Lilien]] In römischer Zeit gab es in der heutigen Innenstadt eine Siedlung, die 121 unter dem Namen ''Aquae Mattiacorum'' erstmals Erwähnung findet ([[latein]]isch: „''Die Wasser der Mattiaker''“, daher die Aufschrift auf dem Wiesbadener Kurhaus „''Aquis Mattiacis''“, das heißt „''den Wassern der Mattiaker geweiht''“). Der Name bezieht sich auf den hier ansässigen [[Chatten|chattischen]] Stamm der [[Mattiaker]]. Aquae Mattiacorum war Hauptort der [[Civitas Mattiacorum]]. [[Einhard]], der Biograf [[Karl der Große|Karls des Großen]], erwähnt um 828/830 ''Wisibada'', die früheste Überlieferung des Namens Wiesbaden. Das [[Wappen]] der Stadt Wiesbaden zeigt, ebenso wie die Stadtflagge, in Blau drei (oben zwei, unten eine) goldene [[Lilien]], in der Heraldik ''[[Fleur-de-Lis]]'' genannt, welche im 16. Jahrhundert erstmals in den Stadtsiegeln auftauchten und französischer Herkunft sein sollen. Die heutige Form des Wappens wurde 1906 amtlich festgelegt. <br style="clear:both;" clear="all" /> == Geographie == {{Großes Bild|Wiesbaden - Panorama.jpg|1500|Panoramaaufnahme von Wiesbaden vom Kriegerdenkmal am Neroberg aus gesehen}} === Geographische Lage === [[Datei:Meyers b16 s0618a.jpg|miniatur|Wiesbadener Stadtplan um 1888]] Wiesbaden liegt mit seinen südlichen Stadtteilen am rechten Ufer des [[Rhein]]s gegenüber der [[Rheinland-Pfalz|rheinland-pfälzischen]] Landeshauptstadt Mainz an einer Stelle, wo der Rhein seine Hauptrichtung von Süden kommend nach Westen ändert. Im Norden der Stadt erstreckt sich das Mittelgebirge [[Taunus]] mit seinem in nordöstlicher Richtung verlaufenden Hauptkamm. Die Innenstadt liegt, 5&nbsp;Kilometer vom Rhein entfernt, in einer weiten Talmulde zwischen den Taunushöhen im Norden, der Bierstadter Höhe und dem Hainerberg im Osten, dem Mosbacher Berg im Süden und dem Schiersteiner Berg im Westen, einem Taunusausläufer aus Richtung Kohlheck. Nur eine schmale Senke an der Ostflanke des Mosbacher Bergs öffnet sich zum Rhein hin, in denen die Gleisanlagen des Hauptbahnhofs und die Mainzer Straße liegen. Durch diese Senke entwässert die [[Salzbach (Wiesbaden)|Salzbach]] zusammen mit dem ''Wellritzbach'', dem ''Kesselbach'', dem ''Schwarzbach'' und dem ''Dambach'' den Talkessel der Innenstadt und damit auch, wie der Name schon besagt, den Abfluss der vielen Thermal- und Mineralquellen des Quellenviertels. Oberhalb der Innenstadt ist die Salzbach unter dem Nebennamen ''Rambach'' eher bekannt. Von der Mainzer Straße im Salzbachtal abgesehen führen alle Wege aus der Innenstadt nach Osten, Süden und Westen zunächst deutlich bergauf. Nach Norden führen alle Wege ohnehin in kilometerlangen Steigungen über den [[Taunushauptkamm]]. Der höchste Punkt des Stadtgebietes mit {{Höhe|608|DE-NN|link=true}} liegt in der Nähe des Gipfels der [[Hohe Wurzel (Taunus)|Hohen Wurzel]] auf dem [[Rheinhöhenweg]], tiefster Punkt ist die Hafeneinfahrt von [[Wiesbaden-Schierstein|Schierstein]] mit {{Höhe|83|DE-NN}}. Die Innenstadt ([[Schlossplatz (Wiesbaden)|Schlossplatz]]) liegt auf {{Höhe|115|DE-NN}}. Das Stadtgebiet hat eine Größe von 204 Quadratkilometern, misst von Nord nach Süd 17,6 Kilometer und von West nach Ost 19,7 Kilometer. Im Norden wird es von ausgedehnten Waldgebieten (27,4 % des Stadtgebietes), im Westen und am Main von Weinbergen und im Osten von landwirtschaftlich genutzten Flächen (31,1 %) umgeben. Von der 79 Kilometer langen Stadtgrenze bildet der Rhein 10,3 Kilometer. === Geologie === [[Datei:WiesbadenFriedrichEbertAlleeHMdFGeothermieBohrungWasserablauf.JPG|thumb|Das austretende Wasser fließt in einen Straßenablauf]] Eine geologische Besonderheit Wiesbadens ist der Aufschluss von Thermal- und Mineralwasser, das aus großen Tiefen im Quellenviertel an mehreren Stellen zu Tage tritt. Auch sonst ist in der Innenstadt mit einem hohen Grundwasserstand zu rechnen, der Baumaßnahmen wiederholt erschwert hat. Namentlich der Bau von Tiefgaragen wie unter dem Dern'schen Gelände und unter dem Bowling Green musste gegen Grundwasser gesichert werden. Eine [[Geothermie]]-Probebohrung auf dem neben dem [[Hessisches Ministerium der Finanzen|Hessischen Finanzministerium]] gelegenen Parkplatz in der Friedrich-Ebert-Allee hatte im November 2009 in 130 Meter Tiefe ein unter hohem Druck stehendes Grundwasser-Stockwerk ([[Arteser]]) angebohrt. Es traten dabei bis zu 8.000 Liter Wasser pro Minute zu Tage und setzten die Umgebung unter Wasser. Versuche, das Bohrloch mit Beton zu verschließen scheiterten zunächst.<ref>[http://www.wiesbadener-kurier.de/region/rhein-main/7814767.htm Wiesbadener Kurier vom 6. November 2009: Parkplatz als Seenplatte - Quelle am Wiesbadener Finanzministerium aufgebohrt]</ref> Das eigentliche Bohrloch konnte schließlich verschlossen werden, allerdings fand das Wasser mehrfach andere Wege an die Oberfläche, bevor der Verschluss in größerer Tiefe schließlich gelang<ref>[http://www.hr-online.de Gesichtet am 7. November 2009 um 12:32 Uhr]</ref>. Weitere Schäden sind bisher ausgeblieben.<ref>[http://www.wiesbadener-tagblatt.de/region/wiesbaden/meldungen/7977416.htm Wiesbadener Tagblatt vom 3. Dezember 2009: Nun machen Hohlräume Sorgen. BOHR-PANNE Umweltamt legt Bericht vor.] Land übernimmt Kosten / Bis zu 80 Millionen Liter Wasser ausgetreten</ref>. === Klima === Ihre Lage in der Gebirgsmulde am Südfuß des Taunus, im Norden und Westen durch den Höhenzug geschützt, verleiht Wiesbaden ein mildes Klima: Die mittlere Jahrestemperatur beträgt 9,8 [[Grad Celsius]], die jährliche [[Niederschlag]]smenge 638 Liter pro [[Quadratmeter]], und die durchschnittliche [[Sonnenschein]]dauer im Jahr liegt bei 1.565&nbsp;Stunden. Wiesbaden zählt damit zu den wärmsten deutschen Städten. Durch die Lage in einer Talmulde ist der Luftaustausch in der Innenstadt jedoch eingeschränkt. {{Klimatabelle | TABELLE = | DIAGRAMM TEMPERATUR = aktiviert | DIAGRAMM NIEDERSCHLAG = aktiviert | Überschrift = Klimadaten Wiesbadens<ref>Datenquelle für Niederschlag und Durchschnittstemperatur: [http://www.klimadiagramme.de/ klimadiagramme.de], Temperaturwerte: [http://weather.msn.com/ weather.msn.com]</ref> | Ort = Wiesbaden | hmjan = 4 | hmfeb = 6 | hmmär = 11 | hmapr = 15 | hmmai = 20 | hmjun = 23 | hmjul = 25 | hmaug = 25 | hmsep = 20 | hmokt = 14 | hmnov = 8 | hmdez = 5 | lmjan = -1 | lmfeb = -1 | lmmär = 2 | lmapr = 5 | lmmai = 9 | lmjun = 12 | lmjul = 14 | lmaug = 14 | lmsep = 11 | lmokt = 7 | lmnov = 3 | lmdez = 1 | avjan = 1.0 | avfeb = 2.2 | avmär = 5.5 | avapr = 9.4 | avmai = 13.8 | avjun = 17.0 | avjul = 18.6 | avaug = 18.0 | avsep = 14.6 | avokt = 10.0 | avnov = 4.9 | avdez = 2.1 | nbjan = 48 | nbfeb = 41 | nbmär = 46 | nbapr = 41 | nbmai = 55 | nbjun = 68 | nbjul = 66 | nbaug = 63 | nbsep = 49 | nbokt = 49 | nbnov = 57 | nbdez = 55 }} <gallery> Bild:Klimadiagramm-deutsch-Wiesbaden Sued (HE)-Deutschland.png|Klimadiagramm von Wiesbaden Süd Bild:Klimadiagramm-deutsch-Wiesbaden-Dotzheim (HE)-Deutschland.png|Klimadiagramm von Wiesbaden-Dotzheim </gallery> === Nachbargemeinden === [[Datei:Wiesbaden districts.png|miniatur|Stadtbezirke von Wiesbaden]] Folgende [[Stadt|Städte]] und [[Gemeinde (Deutschland)|Gemeinden]] grenzen an die Landeshauptstadt Wiesbaden oder werden nur durch den Rhein oder den Main von ihr getrennt; sie werden im [[Uhrzeigersinn]] beginnend im Norden genannt: {| cellpadding="8" | | * [[Taunusstein]] ([[Rheingau-Taunus-Kreis]]) * [[Niedernhausen]] (Rheingau-Taunus-Kreis) * [[Eppstein]] ([[Main-Taunus-Kreis]]) * [[Hofheim am Taunus]] (Main-Taunus-Kreis) * [[Hochheim am Main]] (Main-Taunus-Kreis) * [[Ginsheim-Gustavsburg]] ([[Kreis Groß-Gerau]]) | valign="top" | * [[Mainz]] (kreisfreie Stadt) * [[Budenheim]] ([[Landkreis Mainz-Bingen]]) * [[Walluf]] (Rheingau-Taunus-Kreis) * [[Eltville am Rhein]] (Rheingau-Taunus-Kreis) * [[Schlangenbad]] (Rheingau-Taunus-Kreis) |} === Stadtgliederung === → ''Hauptartikel: [[Liste der Stadtbezirke von Wiesbaden]]'' Das Stadtgebiet von Wiesbaden ist in 26 Ortsbezirke aufgeteilt. Jeder [[Ortsbezirk]] hat einen [[Ortsbeirat]] unter dem Vorsitz eines [[Ortsvorsteher]]s. Von den 26 Bezirken zählen sechs zur [[Kernstadt]] ''Wiesbaden-Alt'', die übrigen 20 wurden für die seit 1926 eingegliederten Gemeinden gebildet. Zu den einzelnen Ortsbezirken gehören teilweise noch [[Siedlung (Städtebau)|Siedlungen]] und [[Wohnplatz|Wohnplätze]] mit eigenem Namen. Den ehemals [[Rechtsrheinische Stadtteile von Mainz|rechtsrheinischen Mainzer Vororten]] [[Mainz-Amöneburg|Amöneburg]], [[Mainz-Kastel|Kastel]] und [[Mainz-Kostheim|Kostheim]] (kurz: [[AKK-Konflikt|AKK]]) wurde nach Eingliederung in das Wiesbadener Stadtgebiet 1945 wegen der ungewissen Zukunft dieser Regelung ein Sonderstatus zuerkannt, der sich seitdem namentlich auf den [[Gemeindehaushalt]] auswirkt. == Stadtbild == === Innenstadt === [[Datei:Kurhaus Wiesbaden B.jpg|miniatur|Neues [[Kurhaus Wiesbaden|Kurhaus]] aus dem Jahr 1907 am [[Bowling Green (Wiesbaden)|Bowling Green]]]] [[Datei:SchlosskomplexWiesbaden.jpg|miniatur|[[Schlossplatz (Wiesbaden)|Schlossplatz]] mit nassauischem [[Stadtschloss Wiesbaden|Stadtschloss]], heute Sitz des [[Hessischer Landtag|Hessischen Landtags]]]] Das Bild der Innenstadt von Wiesbaden wird maßgeblich durch drei Faktoren geprägt: * die Mehrzahl der Gebäude der Innenstadt ist in einer Zeitspanne von nur etwa 60 Jahren entstanden (ungefähr zwischen 1850 und dem Beginn des [[Erster Weltkrieg|Ersten Weltkrieges]] 1914). * Wiesbaden zog in dieser Zeit neben dem kaiserlichen Hofstaat zahlreiche einkommensstarke Gäste an, die ihrem Wunsch nach Repräsentation in der Stadt Rechnung trugen. * die Wiesbadener [[Wiesbaden-Mitte|Innenstadt]] ist während des [[Zweiter Weltkrieg|Zweiten Weltkrieges]] weit weniger zerstört worden als die anderer Städte. Der Zerstörungsgrad lag bei rund 30&nbsp;Prozent, die wichtigsten, das Stadtbild prägenden Gebäude und Straßenzüge blieben erhalten. Diese drei Faktoren führten dazu, dass die Wiesbadener Innenstadt heute ein sehr einheitliches Erscheinungsbild bietet, dessen Gebäude fast alle dem [[Klassizismus]], [[Historismus]] und [[Jugendstil]] zuzurechnen sind (siehe auch [[Kurarchitektur]]). Ende des 19. Jahrhunderts wurden großzügige Wohngebiete mit aufwendigen Fassaden und Alleen angelegt (wie zum Beispiel das [[Rheingauviertel (Wiesbaden)|Rheingauviertel]] und das [[Feldherrnviertel]], das [[Dichterviertel]] und das Gebiet um die Wiesbadener [[Ringstraße (Wiesbaden)|Ringstraße]]). Durch ihren Ruf als Weltkurstadt entstanden in der Innenstadt zudem viele repräsentative öffentliche Gebäude wie das [[Kurhaus Wiesbaden|Kurhaus]] (1907), das [[Hessisches Staatstheater Wiesbaden|Hessische Staatstheater]] (1894), die [[Marktkirche (Wiesbaden)|Marktkirche]] (1853 bis 1862) und die [[Ringkirche (Wiesbaden)|Ringkirche]] (1894), sowie ausgedehnte Parkanlagen wie der [[Kurpark Wiesbaden|Kurpark]], der [[Warmer Damm|Warme Damm]], die Reisinger-Anlagen und das [[Bowling Green (Wiesbaden)|Bowling Green]]. Heute gilt Wiesbaden deshalb als Musterbeispiel des [[Historismus]]. Auf Initiative des Vorsitzenden der [[Deutsche Stiftung Denkmalschutz|Deutschen Stiftung Denkmalschutz]], [[Gottfried Kiesow]], hat die Stadt sich deshalb im Jahre 2005 auch für den Status eines [[UNESCO-Weltkulturerbe]]s beworben.<ref>[http://www.hr-online.de/website/rubriken/kultur/index.jsp?rubrik=5676&key=standard_document_7782534 Bericht über die Weltkulturerbe-Bewerbung von hr-online] vom 13.&nbsp;Juli 2005</ref> [[Datei:Wiesbaden Luftbild Rathaus Landtag Marktkirche Wilhelmstraße Kurhaus Neroberg Opelbad Griechische Kapelle.jpg|miniatur|325px|Luftbild von der Innenstadt Wiesbadens (2008)]] [[Datei:Kaiser-Friedrich-Ring-Wiesbaden-1907.png|miniatur|Die [[Ringstraße (Wiesbaden)|Ringstraße]] (hier: Kaiser-Friedrich-Ring) wurde um 1900 angelegt (zeitgenössisches Foto)]] Das Stadtbild lässt sich in mehrere Bereiche gliedern: Die geschlossene Bebauung breitet sich weitgehend auf dem Grund der Talmulde am südlichen Fuß der Taunushänge aus. Sie lässt sich wiederum folgendermaßen einteilen: * Im Bereich des [[Historisches Fünfeck|Historischen Fünfecks]] ist das alte Zentrum der Stadt zu finden. Hier lässt sich noch der unregelmäßige Grundriss der Straßen erkennen. Mittelpunkte sind hier der [[Schloßplatz (Wiesbaden)|Schlossplatz]] (siehe ''Sehenswürdigkeiten'') sowie der ''Mauritiusplatz''. Das enge ''Bergkirchenviertel'' im Nordwesten des ''Historischen Fünfecks'' liegt auf einer Anhöhe. Von 1969 bis 1974 wurde die Wiesbadener Fußgängerzone auf den bisherigen Hauptverkehrsachsen der Altstadt geschaffen: Langgasse und Kirchgasse in Nord-Süd-Richtung und Michelsberg-Marktstraße-Schlossplatz mit Ellenbogengasse in West-Ost-Richtung. Das erste Teilstück wurde an der Faulbrunnenstraße angelegt, mit der Fertigstellung wurde am 14. September 1974 zum ersten Mal das Schlossplatzfest gefeiert. Spätere Erweiterungen bezogen die Goldgasse, das hinter dem Landtag gelegene ''Schiffchen'', das aus Wagemannstraße und Grabenstraße gebildet wird, sowie Neugasse, Schulgasse und Mauergasse mit ein. * Der Bereich um das ''Historische Fünfeck'' wurde von Stadtbaumeister [[Christian Zais]] geplant. Dies betrifft neben dem Westend und der südlichen Innenstadt auch den ''Kurbezirk'' im Nordosten. Herausragende städtebauliche Elemente sind hier neben dem Ensemble um das [[Bowling Green (Wiesbaden)|Bowling Green]] die [[Wilhelmstraße (Wiesbaden)|Wilhelmstraße]], die [[Rheinstraße (Wiesbaden)|Rheinstraße]], die ''Adolfsallee'' und der [[Luisenplatz (Wiesbaden)|Luisenplatz]]. * Die [[Ringstraße (Wiesbaden)|Ringstraße]] und Bereiche außerhalb dieser sind als geschwungene Straßenzüge vorwiegend als Alleen angelegt und lassen die Handschrift des Stadtbaumeisters [[Felix August Helfgott Genzmer|Felix Genzmer]] erkennen. Hier finden sich Beispiele prachtvoller Bürgerhäuser des [[Historismus]] (siehe auch [[Rheingauviertel (Wiesbaden)|Rheingauviertel]], [[Feldherrnviertel]], [[Dichterviertel]], sowie [[Ringstraße (Wiesbaden)|Ringstraße]]). Hervorzuheben sind hier der ''Sedanplatz'', der ''Blücherplatz'' mit der ''Blücherschule'', der ''Gutenbergplatz'' mit der ''Gutenbergschule'' sowie die [[Ringkirche (Wiesbaden)|Ringkirche]], die [[Lutherkirche (Wiesbaden)|Lutherkirche]] und die ''[[Dreifaltigkeitskirche (Wiesbaden)|Dreifaltigkeitskirche]]''. * Außerhalb dieser geschlossenen Bebauung schließen sich an den Hängen der Talmulde ausgedehnte Villengebiete an, die ebenfalls im ausgehenden 19. Jahrhundert entstanden. Dies betrifft das ''Nerotal'' und seine Umgebung, den ''Philippsberg'' nördlich der ''Emser Straße'', den Stadtteil [[Wiesbaden-Sonnenberg|Sonnenberg]] und das so genannte ''Villengebiet Ost'', östlich von [[Wilhelmstraße (Wiesbaden)|Wilhelmstraße]] und ''Friedrich-Ebert-Allee''. === Außenbezirke === Weiter weg von der Innenstadt wird das Bild der Altbauten mehr und mehr durch Häuser der Nachkriegszeit verdrängt, die im Rahmen der Stadterweiterung entstanden sind. Im Südosten der Innenstadt (um ''Gustav-Stresemann-Ring'' und ''Berliner Straße'') entstanden seit den 1950er Jahren moderne Verwaltungsgebäude. Bemerkenswert ist, dass sich in der [[Kernstadt]] Wiesbaden so gut wie keine Industrie- oder ausgedehnte [[Gewerbegebiet]]e befinden. Eine Ausnahme bildet lediglich der Bereich um die ''Mainzer Straße'', welcher mit dem Hochhaus „Mainzer 75“, diversen Autohäusern, ehemaligen Fabriken und Restaurants von [[Fast-Food-Kette]]n sowie Elektronikmärkten eines der wenigen Gewerbegebiete in der Nähe der Wiesbadener Innenstadt darstellt. Die Bebauung dieses Gebietes war in den letzten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts einem tiefgreifenden Wandel unterworfen durch Aufgabe von Betriebsstätten, deren Abbruch und eine anschließende Neubebauung durch andere Nutzer. Abgerissen wurden etwa die Gebäude der Entsorgungsbetriebe, die am Dyckerhoff-Steinbruch einen Neubau-Komplex bezogen haben, und die Gebäude der ehemaligen Gartenbauzentrale (hier ist im Jahr 2009 die Fertigstellung eines Behördenzentrums für Stadtverwaltung und Gerichtsbehörden zu erwarten). Auch das Schlachthof-Gelände wurde nahezu vollständig dem Erdboden gleichgemacht, nachdem der Schlachthof Ende 1990 geschlossen und die letzten Betriebe des Fleischgroßmarktes 1994 umgesiedelt worden waren. Es befinden sich dort neben dem Kongress-Parkplatz für die [[Rhein-Main-Hallen]] nur noch zwei Gebäude, die als [[Kulturzentrum Schlachthof (Wiesbaden)|Kulturzentrum]] genutzt werden.<ref>Wiesbadener Tagblatt vom 11. November 2008: Vom Schlachthof-Gelände zum Kulturpark [[Salzbach (Wiesbaden)|Salzbach-Aue]].</ref> Außerhalb der Innenstadt finden sich ehemals selbständige Städte und Gemeinden, die zum Teil mittlerweile mit der Kernstadt verwachsen sind ([[Wiesbaden-Dotzheim|Dotzheim]], [[Wiesbaden-Schierstein|Schierstein]], [[Wiesbaden-Biebrich|Biebrich]], [[Wiesbaden-Bierstadt|Bierstadt]], [[Wiesbaden-Sonnenberg|Sonnenberg]] und [[Wiesbaden-Rambach|Rambach]]). Die Stadtteile [[Mainz-Kastel|Kastel]] und [[Mainz-Kostheim|Kostheim]] haben dabei kleinstadtähnlichen Charakter. Die Vororte im Osten ([[Wiesbaden-Naurod|Naurod]], [[Wiesbaden-Auringen|Auringen]], [[Wiesbaden-Breckenheim|Breckenheim]], [[Wiesbaden-Medenbach|Medenbach]], [[Wiesbaden-Kloppenheim|Kloppenheim]], [[Wiesbaden-Heßloch|Heßloch]], [[Wiesbaden-Igstadt|Igstadt]], [[Wiesbaden-Nordenstadt|Nordenstadt]], [[Wiesbaden-Erbenheim|Erbenheim]] und [[Wiesbaden-Delkenheim|Delkenheim]]) besitzen einen dörflichen Charakter. [[Wiesbaden-Frauenstein|Frauenstein]] ist neben ''Dotzheim'' der einzige Vorort im Westen. [[Datei:2010-03-07 Wiesbaden-Erbsenacker 01.jpg|miniatur|Der ''Erbsenacker'' in [[Wiesbaden-Naurod]], fotografiert von [[Kellerskopf (Taunus)|Kellerskopf]]]] Infolge der Bautätigkeit nach dem Zweiten Weltkrieg ist nicht nur die Bebauung der Kernstadt und der Stadtteile erweitert worden, sondern es sind auch einige Baugebiete in räumlicher Trennung von den vorhandenen Ortskernen entstanden. Darunter fallen beispielsweise die Siedlungen der in Wiesbaden stationierten US-Armee (Siedlung ''Hainerberg'' im Südosten der Kernstadt sowie ''Crestview'' im Westen und ''Aukamm'' im Nordwesten von Bierstadt), aber auch die ab 1964 entstandene [[Trabantensiedlung]] [[Wiesbaden-Klarenthal|Klarenthal]], für die ein eigener Ortsbezirk eingerichtet wurde und die damit den Rang eines Stadtteils einnimmt. Weitere solche einzeln gelegene und im amtlichen Stadtplan als [[Siedlung (Städtebau)|Siedlung]] bezeichnete Wohnviertel sind: ''Eigenheim'' im Westen und ''Heidestock'' im Osten von Sonnenberg, ''An den Fichten'' und ''Wolfsfeld'' nördlich von Bierstadt, der ''Erbsenacker'' südlich von Naurod, ''Am Roten Berg'' bei Auringen, ''Hochfeld'' bei Erbenheim, ''Gräselberg'' im Nordwesten und ''Parkfeld'', ''Selbsthilfe'' und ''Rosenfeld'' im Westen von Biebrich, ''Freudenberg'' im Norden von Schierstein, ''Talheim'' und ''Sauerland'' im Südosten, ''Märchenland'' und ''Schelmengraben'' im Westen und ''Kohlheck'' im Norden von Dotzheim. Nicht zuletzt ist auch die Bebauung am [[Flugplatz Erbenheim]] neben der [[Domäne Mechtildshausen]] auf freiem Feld zwischen Erbenheim und Delkenheim entstanden. Die Haupt-Industriegebiete befinden sich in den südlichen Stadtteilen am Rhein, wie in den ehemaligen Rheinufer- und Hafenorten Schierstein und Biebrich sowie den [[Rechtsrheinische Stadtteile von Mainz|AKK-Vororten]]. Neu entstanden sind Gewerbegebiete an der Äppelallee zwischen Schierstein und Biebrich, am Unteren Zwerchweg in der Nähe des Deponiegeländes sowie am Petersweg in Mainz-Kastel. Auch in den östlichen Stadtteilen Erbenheim, Nordenstadt und Delkenheim haben sich wegen der Nähe zur [[Bundesautobahn 66]] einige Gewerbegebiete entwickelt. == Geschichte == → ''Hauptartikel: [[Geschichte der Stadt Wiesbaden]]'' [[Datei:Wiesbaden De Merian Hassiae.jpg|miniatur|hochkant=1.6|Wiesbaden&nbsp;– Auszug aus der [[Topographia Germaniae|Topographia Hassiae]] von [[Matthäus Merian der Jüngere|Matthäus Merian dem Jüngeren]] 1655]] [[Datei:Wiesbaden Merian.jpg|miniatur|hochkant=1.6|Infografik zu Merians Stadtansicht von Wiesbaden]] Die Geschichte von Wiesbaden beginnt in der [[Antike]].<ref>Sibilla Friedrich-Pauly: ''Wiesbaden. Eine kleine Stadtgeschichte''. Sutton Verlag, Dezember 2003, ISBN 3-89702-579-5.</ref><ref>Erich Keyser (Hrsg.): ''Hessisches Städtebuch; Band IV 1. Teilband''. aus: „Deutsches Städtebuch. Handbuch städtischer Geschichte.“ Im Auftrage der Arbeitsgemeinschaft der historischen Kommissionen und mit Unterstützung des Deutschen Städtetages, des Deutschen Städtebundes und des Deutschen Gemeindetages. Stuttgart 1957.</ref> Schon den Römern waren die heißen Quellen der Stadt bekannt, in deren Nähe sie um 6 bis 15 nach Christus eine [[Römische Militärlager|Befestigung]] errichteten. Die Quellen wurden erstmals 77 nach Christus im Werk [[Naturalis historia]] von [[Plinius der Ältere|Plinius dem Älteren]] beschrieben. Es entstand eine römische Siedlung mit dem Namen ''Aquae Mattiacorum''.<ref>Zu Wiesbaden in der Antike vgl. {{RE|II,1|302||Aqua, Aquae 55)|[[Max Ihm]]|RE:Aqua, Aquae 55}}.</ref> Die Siedlung war der Hauptort des römischen Verwaltungsbezirks [[Civitas Mattiacorum]] in der Provinz [[Germania Superior]]. Im Jahre 828/830 erwähnte [[Einhard]], der Biograf [[Karl der Große|Karls des Großen]], erstmals den Namen ''Wisibada'' (''das Bad in den Wiesen''). Zu dieser Zeit war hier ein Hauptort des [[Königssondergau]]es. Um 1170 erwarben [[Haus Nassau|Nassauer Grafen]] Reichsbesitz in und um das heutige Wiesbadener Stadtgebiet. Im Jahr 1296 stiftete König [[Adolf von Nassau]] das [[Kloster Klarenthal]]. Mit der Ernennung von Wolf Denthener zum evangelisch-lutherischen Pfarrer wurde 1543 die [[Reformation]] in Wiesbaden eingeführt. [[Datei:WappenStadtschlossWI.jpg|miniatur|Wappen der [[Herzogtum Nassau|nassauischen]] Herzöge am Stadtschloss]] [[Datei:Wiesbaden 1900.jpg|miniatur|Panorama von Wiesbaden um 1900]] Von 1609 bis 1610 wurde das [[Altes Rathaus (Wiesbaden)|Alte Rathaus]] erbaut, das älteste noch heute existierende Gebäude in Wiesbaden. 1744 wurde das [[Schloss Biebrich]] [[Residenz|Hauptresidenz]] des Hauses Nassau, 1806 wurde Wiesbaden Regierungssitz und [[Hauptstadt]] des [[Herzogtum Nassau|Herzogtums Nassau]]. Als herzogliche Residenz erlebte Wiesbaden in den folgenden Jahrzehnten eine ungeahnte städtebauliche Entwicklung ([[Historisches Fünfeck]], [[Kurhaus Wiesbaden|altes Kurhaus]], [[Stadtschloss Wiesbaden|Stadtschloss]]). Nach dem [[Deutscher Krieg|Deutschen Krieg]] zwischen Preußen und Österreich wurde Nassau 1866 von [[Preußen]] annektiert. Aus dem Herzogtum wurde 1867 der [[Regierungsbezirk Wiesbaden]] gebildet und Wiesbaden war Sitz des [[Mainkreis (Hessen)|Mainkreises]], später nach dessen Teilung Sitz des [[Landkreis Wiesbaden|Landkreises Wiesbaden]], blieb es selbst eine kreisfreie Stadt. Wenngleich Wiesbaden den Status als Residenzstadt verloren hatte, wurde die Stadt als Kurbad, Kongressstadt und Verwaltungssitz weiter ausgebaut und erlebte einen großen Aufschwung. Das ''Nizza des Nordens'' wurde regelmäßig von [[Wilhelm II. (Deutsches Reich)|Kaiser Wilhelm II.]] zur Sommerfrische besucht und bald als ''Kaiserstadt'' bezeichnet. Im Gefolge des kaiserlichen Hofstaats kamen zahlreiche Adlige, Künstler und wohlhabende Unternehmer in die Stadt und ließen sich dort nieder. Zahlreiche repräsentative Bauten entstanden, darunter das [[Kurhaus Wiesbaden]] mit seiner [[Spielbank Wiesbaden|Spielbank]] und das [[Hessisches Staatstheater Wiesbaden|Hessische Staatstheater]] an der [[Wilhelmstraße (Wiesbaden)|Wilhelmstraße]]. Aufgrund des starken [[Wiesbaden#Einwohnerentwicklung|Bevölkerungswachstums]] bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts auf über 100.000 Einwohner wurden umfangreiche Stadterweiterungen notwendig. Es entstanden zahlreiche neue Stadtgebiete mit repräsentativen Gebäuden im Stil des [[Klassizismus]], [[Historismus]] und [[Jugendstil]]s. Wiesbaden wurde in dieser Zeit durch Millionärsfamilien und Großfirmen, die sich ansiedelten, zur Stadt mit den meisten [[Millionär]]en Deutschlands. Mit Ende des Ersten Weltkriegs endete Wiesbadens Zeit als populäre Kurstadt. 1918 wurde sie von der französischen Armee besetzt, und 1921 wurde das ''[[Wiesbadener Abkommen (1921)|Wiesbadener Abkommen]]'' über die [[Deutsche Reparationen nach dem Ersten Weltkrieg|deutschen Reparationszahlungen]] an [[Frankreich]] geschlossen. 1925 wurde Wiesbaden Hauptquartier der [[Britische Rheinarmee|britischen Rheinarmee]] und blieb es bis zum Abzug der Besatzungsmächte aus dem Rheinland 1930. [[Datei:NiemöllersHausWiesbadenBrentanostr.jpg|miniatur|hochkant|[[Martin Niemöller]]s Haus in Wiesbaden Brentanostraße&nbsp;3]] Seit 1933 wurden in der Stadt mehrere Dienststellen des NS-Regimes angesiedelt, darunter im Oktober 1936 das Generalkommando des XII. Armeekorps. In der [[Reichspogromnacht]], am Morgen des 10.&nbsp;November 1938, wurde die 1869 von [[Philipp Hoffmann (Architekt)|Philipp Hoffmann]] im maurischen Stil erbaute große Synagoge am ''Michelsberg'' zerstört. Während des „[[Zeit des Nationalsozialismus|Dritten Reiches]]“ wurden insgesamt etwa 1200 Wiesbadener Juden deportiert und ermordet. Dabei wurden einige Wohnhäuser in der Innenstadt als sogenannte „''Judenhäuser''“ genutzt, in denen Juden zwangseinquartiert wurden, bevor sie zum Gelände des damaligen Schlachthofs transportiert wurden. Dieser, in unmittelbarer Nähe zum [[Wiesbaden Hauptbahnhof|Wiesbadener Hauptbahnhof]] gelegen, war die letzte Station vor der Deportation. Der Wiesbadener [[Ludwig August Theodor Beck]] war am [[Attentat vom 20. Juli 1944|20. Juli 1944]] am Attentat auf [[Adolf Hitler|Hitler]] beteiligt und bezahlte dies mit seinem Leben. Ihm zu Ehren verleiht die Stadt jährlich den [[Ludwig August Theodor Beck|Ludwig-Beck-Preis für Zivilcourage]]. [[Martin Niemöller]], [[Widerstand gegen den Nationalsozialismus|Widerstandskämpfer]], Mitgründer des [[Pfarrernotbund]]es und Ehrenbürger von Wiesbaden, hielt in der [[Marktkirche (Wiesbaden)|Marktkirche]] die letzte Predigt vor seiner Verhaftung. Im Zweiten Weltkrieg blieb Wiesbaden von den alliierten Bombenangriffen weitgehend verschont. Der schwere Bombenangriff in der Nacht vom 2. auf 3.&nbsp;Februar 1945 verfehlte aufgrund der schlechten Wetterlage die geplante Wirkung. Am 28. März 1945 wurde Wiesbaden von US-amerikanischen Truppen besetzt.<ref>Thomas Weichel: ''Wiesbaden im Bombenkrieg 1941–1945''. Wartberg Verlag, Oktober 2004, ISBN 3-8313-1408-X.</ref> Die rechtsrheinischen Mainzer Vororte ''[[Mainz-Amöneburg|Amöneburg]]'', ''[[Mainz-Kastel|Kastel]]'' und ''[[Mainz-Kostheim|Kostheim]]'' wurden durch Anordnung der Militärregierung dem Stadtkreis Wiesbaden zugeordnet, welches eine Ursache der heutigen [[AKK-Konflikt|Rivalität zwischen Mainz und Wiesbaden]] wurde. General [[Dwight D. Eisenhower]] gründete das Land [[Groß-Hessen]] und Wiesbaden wurde am 12. Oktober 1945 durch die Organisationsverfügung Nr. 1 der Militärregierung von Groß-Hessen dessen Hauptstadt. Dabei blieb es auch nach der Gründung des Landes [[Hessen]] am 1. Dezember 1946, dem Tag der Volksabstimmung über die [[Verfassung des Landes Hessen]], denn in der Verfassung wird keine Hauptstadt bestimmt. Ab dem Jahre 1948 gehörte die [[Militärflugplatz#Militärflugplätze der USA (Air Force Base)|US-Air-Base]] bei [[Flugplatz Erbenheim|Wiesbaden-Erbenheim]] zu den acht Versorgungsflughäfen, die über eine [[Berliner Luftbrücke|Luftbrücke]] nach [[West-Berlin]] in der Zeit der sowjetischen Blockade vom 24.&nbsp;Juni 1948 bis 12.&nbsp;Mai 1949 mit Lebensmitteln versorgten. Im Jahr 1957 wurden die ''Rhein-Main-Hallen'' als Messezentrum eröffnet und in den 1960er-Jahren erstanden erste Hochhaussiedlungen am ''Gräselberg'', in ''Klarenthal'' und am ''Schelmengraben''. Nach dem sich das [[Zweites Deutsches Fernsehen|ZDF]] 1961 für Mainz als Hauptsitz entschieden hatte, dort aber noch Räumlichkeiten fehlten, wurde Wiesbaden provisorischer Verwaltungssitz des neuen Fernsehsenders. === Einwohnerentwicklung === [[Datei:Population Statistics Wiesbaden.png|miniatur|Bevölkerungsentwicklung]] Der Verlauf der [[Einwohnerentwicklung von Wiesbaden]] zeigt, dass sich die Einwohnerzahl im 19. Jahrhundert, eingeleitet durch die Erhebung zur herzoglich-nassauischen Residenzstadt, etwa alle 20&nbsp;Jahre verdoppelte. Von 1800 bis 1905 wuchs die Bevölkerung von 2.239 Einwohnern auf 100.953 Einwohner. Damit erreichte Wiesbaden den Status einer Großstadt. Die danach zu verzeichnende Stagnation des Wachstums wurde durch eine erste Welle von Eingemeindungen 1926 und 1928 beendet. Bis zum Beginn des Zweiten Weltkriegs 1939 wuchs die Stadt auf 170.354 Einwohner. Dies war durch die wirtschaftlich günstige Lage am Rhein und der Nähe zum Ruhrgebiet begünstigt. Nach dem Zweiten Weltkrieg strömten viele Menschen in die relativ wenig zerstörte Stadt. 1956 wurden schon 244.994 Einwohner gezählt. In den nächsten 20 Jahren wuchs die Einwohnerzahl nur noch geringfügig auf 250.592. Sie erhielt nur noch einen Schub durch die Eingemeindungen von 1977 und erreichte die Zahl von 274.464 im Jahr 1980. Entgegen dem seitdem in deutschen Großstädten zu beobachtenden Trend zum Schrumpfen der Einwohnerzahl konnte Wiesbaden seine Einwohnerzahl halten mit 274.865 Einwohnern im Jahr 2005. Dazu beigetragen hat obendrein der Bau immer neuer Wohnviertel in den Stadtteilen. Im Jahre 2002 betrug der Anteil der Einwohner ohne deutschen Pass 17,5 % und lag damit deutlich niedriger als die jeweiligen Anteile in Frankfurt (26,4 %) und in Offenbach (31,2 %). Allerdings ist der Anteil der ausländischen Bevölkerung in Wiesbaden seit 1980 (11,3 %) um etwa 55 % gestiegen. === Eingemeindungen === Die ersten Eingemeindungen waren die von Biebrich, Schierstein und Sonnenberg am 1.&nbsp;Oktober 1926. Dadurch wurde Wiesbaden zu einer Stadt am Rhein. Schon am 1.&nbsp;April 1928 wurden 9 weitere Gemeinden aus dem [[Landkreis Wiesbaden]] eingemeindet, der gleichzeitig aufgelöst wurde. Die restlichen Städte und Gemeinden des Landkreises wurden Bestandteil des neu gegründeten Main-Taunus-Kreises. Als Kriegsfolge wurden am 10.&nbsp;August 1945 Mainz-Kastel, Mainz-Amöneburg und Mainz-Kostheim zu Stadtteilen von Wiesbaden. Von diesen drei Orten war Wiesbaden seit dem Wiener Kongress durch eine Landesgrenze getrennt, die Landesgrenze zwischen Nassau (Preußen) einerseits und Hessen andererseits. Es handelt sich auch sonst um keine der üblichen Eingemeindungen, da die Stadt Wiesbaden in diesen Stadtteilen nicht einfach die Rechtsnachfolge der Stadt Mainz angetreten hat. Die Wasserrechte zur Trinkwassergewinnung etwa sind bei Mainz geblieben und auch an den Eigentumsverhältnissen von städtischen Grundstücken hat sich nichts geändert. Die letzten Eingemeindungen betrafen 6 Gemeinden des Main-Taunus-Kreises am 1.&nbsp;Januar 1977. {| |- valign="top" | {| class="wikitable" |----- ! Jahr !! Orte !! Zuwachs in ha |----- | 1.&nbsp;Oktober 1926 || [[Wiesbaden-Biebrich|Biebrich]] (Stadt) || align="right" | 1299 |----- | 1.&nbsp;Oktober 1926 || [[Wiesbaden-Schierstein|Schierstein]] || align="right" | 943 |----- | 1.&nbsp;Oktober 1926 || [[Wiesbaden-Sonnenberg|Sonnenberg]] || align="right" | 834 |----- | 1.&nbsp;April 1928 || [[Wiesbaden-Bierstadt|Bierstadt]] || align="right" | 922 |----- | 1.&nbsp;April 1928 || [[Wiesbaden-Dotzheim|Dotzheim]] || align="right" | 1827 |----- | 1.&nbsp;April 1928 || [[Wiesbaden-Erbenheim|Erbenheim]] || align="right" | 1127 |----- | 1.&nbsp;April 1928 || [[Wiesbaden-Frauenstein|Frauenstein]] || align="right" | 1065 |----- | 1.&nbsp;April 1928 || [[Wiesbaden-Heßloch|Heßloch]] || align="right" | 154 |----- | 1.&nbsp;April 1928 || [[Wiesbaden-Igstadt|Igstadt]] || align="right" | 726 |----- | 1.&nbsp;April 1928 || [[Wiesbaden-Kloppenheim|Kloppenheim]] || align="right" | 539 |----- | 1.&nbsp;April 1928 || [[Wiesbaden-Rambach|Rambach]] || align="right" | 992 |----- |} | {| class="wikitable" |----- ! Jahr !! Orte !! Zuwachs in ha |----- | 1.&nbsp;April 1928 | [[Georgenborn]] (1939<br />wieder ausgemeindet) | align="right" | (?) |----- | 10.&nbsp;August 1945 || [[Mainz-Kastel]] und<br />[[Mainz-Amöneburg]] ¹ || align="right" | 1.332 |----- | 10.&nbsp;August 1945 || [[Mainz-Kostheim]] ¹ || align="right" | 953 |----- | 1.&nbsp;Januar 1977 || [[Wiesbaden-Auringen|Auringen]] || align="right" | 312 |----- | 1.&nbsp;Januar 1977 || [[Wiesbaden-Breckenheim|Breckenheim]] || align="right" | 640 |----- | 1.&nbsp;Januar 1977 || [[Wiesbaden-Delkenheim|Delkenheim]] || align="right" | 743 |----- | 1.&nbsp;Januar 1977 || [[Wiesbaden-Medenbach|Medenbach]] || align="right" | 447 |----- | 1.&nbsp;Januar 1977 || [[Wiesbaden-Naurod|Naurod]] || align="right" | 1099 |----- | 1.&nbsp;Januar 1977 || [[Wiesbaden-Nordenstadt|Nordenstadt]] || align="right" | 773 |} |} ¹ <small>diese Stadtbezirke gehörten bis 1945 zu Mainz. Die Militärverwaltungen der Besatzungsmächte [[Frankreich]] und [[Vereinigte Staaten|USA]] legten jedoch den mitten durchs bisherige Mainzer Stadtgebiet verlaufenden Rhein als Grenze zwischen ihren Besatzungszonen und folglich auch der neu gegründeten Länder Hessen und [[Rheinland-Pfalz]] fest. Drei der sechs [[Rechtsrheinische Stadtteile von Mainz|rechtsrheinischen Stadtteile von Mainz]] wurden deshalb der Stadt Wiesbaden zugeordnet. Sie behielten jedoch ihre bisherige Bezeichnungen „Mainz-“.</small> == Religion == === Galerie religiöser Bauwerke === <gallery> Bild:MarktkircheWiesbaden.jpg|Die als ''Nassauer Landesdom'' von [[Carl Boos]] erbaute [[Marktkirche (Wiesbaden)|Marktkirche]] ist evangelische Hauptkirche der Stadt Bild:Wiesbaden Bonifatius Church.jpg|Die katholische Hauptkirche Wiesbadens: [[Bonifatiuskirche (Wiesbaden)|St. Bonifatius]], erbaut von [[Philipp Hoffmann (Architekt)|Philipp Hoffmann]] Bild:Wiesbaden Luftbild Luisenplatz St. Bonifatius-Kirche Foto 2008 Wolfgang Pehlemann Wiesbaden IMG 0172.jpg|St. Bonifatius-Kirche am [[Luisenplatz (Wiesbaden)|Luisenplatz]] Bild:Lutherkirche wiesbaden 1.jpg|Die [[Lutherkirche (Wiesbaden)|Lutherkirche]]: nach Markt-, Berg- und Ringkirche die vierte evangelische Kirche der Stadt Bild:Luftbild Wiesbaden Dreifaltigkeitskirche Lutherkirche Foto 2008 Wolfgang Pehlemann Wiesbaden IMG 0193.jpg|Dreifaltigkeitskirche und Lutherkirche Bild:Luftbild Wiesbaden Oranier-Gedächtniskirche in Biebrich am Rheinufer Foto 2008 Wolfgang Pehlemann Wiesbaden IMG 0137.jpg|Oranier-Gedächtniskirche in Biebrich Datei:2010-03-09 St.-Mauritius-Kirche Wiesbaden 01.jpg | der Neubau der [[St.-Mauritius-Kirche (Wiesbaden)|St.-Mauritius-Kirche]] (Schutzpatron der Stadt Wiesbaden) Bild:Wiesbaden - Altkatholische Friedenskirche.jpg|Alt-katholische [[Friedenskirche (Wiesbaden)|Friedenskirche]] Bild:EnglischeKircheWiesbaden.jpg|[[Englische Kirche (Wiesbaden)|Anglikanische Kirche]] Bild:Russian-orthodox-church-wiesbaden.jpg|Luftbild der [[Russisch-Orthodoxe Kirche (Wiesbaden)|russisch-orthodoxen Kirche]], erbaut von Philipp Hoffmann Bild:Wiesbaden_Alte_Synagoge.jpg|Alte Synagoge Wiesbaden (zerstört) Bild:WiesbadenDernscheHoefeNeueSynagoge.JPG|Obergeschoss der in einem Hinterhof der Friedrichstraße erbauten neuen Synagoge </gallery> === Geschichte der Christen in Wiesbaden === Das Gebiet der heutigen Stadt Wiesbaden gehörte ursprünglich zum [[Bistum Mainz]].<ref>Stefan G. Wolf: ''Kirchen in Wiesbaden. Gotteshäuser und religiöses Leben in Geschichte und Gegenwart''. EDITION 6065. Wiesbaden 1997, ISBN 3-9804715-3-5.</ref> 1543 wurde durch das damalige nassauische Herrscherhaus die [[Reformation]] eingeführt. Vorherrschend war das [[Lutheraner|lutherische]] Bekenntnis, doch gab es seit dem 18. Jahrhundert auch [[Reformierte Kirche|reformierte]] Gemeindeglieder. 1817 wurde im Herzogtum Nassau die [[Unierte Kirchen (evangelisch)|Union]] zwischen lutherischen und reformierten Gemeinden durchgeführt, wodurch die [[Evangelische Landeskirche in Nassau|Evangelischen Landeskirche in Nassau]] entstand, die 1934 beziehungsweise 1945/1946 mit der [[Evangelische Landeskirche in Hessen|Evangelischen Landeskirche in Hessen]] (Darmstadt) zusammengeschlossen wurde. Innerhalb dieser Landeskirche gehören die Gemeindeglieder zum ''Dekanat Wiesbaden'' der [[Propstei Süd-Nassau]]. Als Reaktion auf die Union 1817 entstanden in Wiesbaden, wie auch an anderen Orten, Evangelisch-Lutherische (altlutherische) Kirchengemeinden, die ihren lutherischen Glauben im Gottesdienst und Lehre leben wollten. Die Evangelisch-Lutherische Christuskirchengemeinde Wiesbaden gehört heute zum [[Kirchenbezirk Hessen-Süd]] der [[Selbständige Evangelisch-Lutherische Kirche|Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche]]. Seit dem 18. Jahrhundert gab es auch vereinzelt wieder [[Römisch-Katholische Kirche|römisch-katholische]] Gemeindeglieder in Wiesbaden, die anfangs der Kirche in Frauenstein eingepfarrt waren. Seit 1791 konnten sie auch in Wiesbaden wieder öffentlich Gottesdienst feiern und 1801 erhielten sie ihr eigenes Bethaus. Später bauten sie sich wieder eigene Kirchen. Sie gehören zur [[Bistum Limburg|Diözese Limburg]], die 1827 für das damalige Herzogtum Nassau neu gegründet wurde. Innerhalb des Bistums Limburg gehören die Pfarrgemeinden der Stadt Wiesbaden (mit Ausnahme der ehemals zur Stadt Mainz gehörigen Gemeinden, welche zum Bistum Mainz gehören) zur gleichnamigen Region Wiesbaden. === Geschichte der Juden in Wiesbaden === Die jüdische Gemeinde in Wiesbaden konnte im Jahr 1869 ihre prächtige [[Alte Synagoge (Wiesbaden)|Wiesbadener Synagoge]], die im [[maurisch]]en Stil erbaut worden war, auf dem ''Michelsberg'' einweihen. In der Nacht der [[Novemberpogrome 1938]] wurde auch diese Synagoge zerstört. Heute erinnern an sie nur noch Gedenktafeln und ein nachgezeichneter Grundriss auf der Straße. Schon im Dezember 1946 wurde eine neue Gemeinde gegründet. Das neue Gotteshaus der jüdischen Gemeinde befindet sich in einem stark gesicherten Hinterhof an der Friedrichstraße. Durch den Zuwachs aus Osteuropa hat die Gemeinde heute über 700 Mitglieder. Am Stadtrand existiert ein [[jüdischer Friedhof]]. Bis ins 18. Jahrhundert hinein wurden Wiesbadener [[Juden]] in [[Taunusstein|Wehen]] auf dem dortigen jüdischen Friedhof beigesetzt. === Religionen heute === Etwa 24 % der Wiesbadener gehören der [[Römisch-Katholische Kirche|römisch-katholischen Kirche]] an, 29 % der [[Evangelische Kirche in Hessen und Nassau|evangelischen Kirche]], 10 % bekennen sich zum [[Islam]] und 37 % gehören anderen Religionen oder keiner Religion an<ref>Jahrbuch 2008 des Amts für Statistik und Stadtforschung der Landeshauptstadt Wiesbaden, zugänglich unter [http://www.wiesbaden.de/medien/dokumente/leben/stadtportrait/Zusammensetzung_Bevoelkerung_1_.pdf wiesbaden.de]</ref>. Heute gibt es folgende Religionsgemeinschaften in Wiesbaden: * [[Altkatholische Kirche|Alt-Katholiken]] * [[Anglikanische Gemeinschaft|Anglikaner]] * [[Assyrer (Gegenwart)|Assyrische Christen]] ** [[Assyrische Kirche des Ostens]]: Gemeinde ''Mar Shimon Bar Sabaè'' (zu Gast in der katholischen Johanneskirche in Wiesbaden-Rambach) ** [[Alte Kirche des Ostens]] (Altkalendarier): zu Gast in der alt-katholischen [[Friedenskirche (Wiesbaden)|Friedenskirche]] in Wiesbaden und in der katholischen Marienkirche in Mainz * [[Apostolische Gemeinde Wiesbaden]] * ''Arabische Gemeinde Gnade und Weisheit'' ([[evangelisch]]e [[Freikirche]]) * [[Bahai]] * [[Baptisten]] (eine deutsche und zwei amerikanische Gemeinden) * [[Brüdergemeinde]] * [[Christian Science]] * [[Die Christengemeinschaft]] * [[Evangeliumschristen-Baptisten]] (mehrere russische Gemeinden) * [[Evangelisch-methodistische Kirche]] * [[Evangelische Kirche in Hessen und Nassau]] ([[Unierte Kirchen (evangelisch)|unierte Kirche]]; Gliedkirche der [[Evangelische Kirche in Deutschland|EKD]]) * [[Freie Christengemeinde]] * [[Freie evangelische Gemeinde]] * [[Evangeliumschristen|Freie Evangeliumschristen Alpha und Omega]] * Freireligiöse Gemeinde * [[Ökumenisches Patriarchat von Konstantinopel|Griechisch-Orthodoxe Kirche]] * [[Islam]] * [[Jüdische Gemeinde]] * [[Kirche des Nazareners]] * [[Mormonen]] (mit ''Genealogischer Forschungsstelle'') * [[Neuapostolische Kirche]] (vier Gemeinden) * ''Rhein-Main Christian Fellowship'' * [[Römisch-Katholische Kirche]] (mehrere Gemeinden) * [[Russische Orthodoxe Kirche im Ausland|Russisch-Orthodoxe Kirche im Ausland]] * [[Selbständige Evangelisch-Lutherische Kirche]] frühere Kirchenbezeichnung: Evangelisch-Lutherische (altlutherische) Kirche * [[Siebenten-Tags-Adventisten]] * [[Syrisch-Orthodoxe Kirche von Antiochien]] * [[Zeugen Jehovas]] (mehrere mehrsprachige Gemeinden) == Politik == === Verwaltung der Stadt Wiesbaden === [[Datei:Wiesbaden das Rathaus am Schlossplatz - Foto Wolfgang Pehlemann Wiesbaden DSCN5802.jpg|miniatur|Neues Rathaus am Wiesbadener Schlossplatz]] Der Verwaltungsaufbau der Landeshauptstadt Wiesbaden richtet sich nach der [[Hessische Gemeindeordnung|Hessischen Gemeindeordnung]] und der [[Hauptsatzung]] vom 24. März 1969, zuletzt geändert am 12. Juli 2006.<ref>[http://www.wiesbaden.de/medien/dokumente/rathaus/stadtrecht/1_-_1.1_Hauptsatzung_1_.pdf Hauptsatzung der Landeshauptstadt Wiesbaden]</ref> Danach besteht die Stadtverordnetenversammlung als oberstes Organ der kommunalen Selbstverwaltung aus 81 von den Bürgern der Stadt gewählten Stadtverordneten. Der Magistrat als ausführendes Organ besorgt die laufende Verwaltung der Stadt und besteht aus dreizehn ehrenamtlichen und bis zu sechs hauptamtlichen Stadträten sowie dem Oberbürgermeister als dem Vorsitzenden und dem Bürgermeister als seinem Vertreter (die Stelle ist seit der Wahl von Bürgermeister Helmut Müller zum Oberbürgermeister vakant). Die Hauptsatzung regelt die Einteilung der Stadt in 26 Ortsbezirke und auch die Grenzen der fünf in Wiesbaden-Alt gebildeten Ortsbezirke sowie die Größe der von den Bürgern zu wählenden Ortsbeiräte. Zudem wird ein Ausländerbeirat mit 31 Mitgliedern eingerichtet. Neben der Stadt [[Frankfurt am Main]] unterliegt auch Wiesbaden bei der Kommunalaufsicht nach der Hessischen Gemeindeordnung unmittelbar dem Hessischen Innenministerium, die sonst vom Regierungspräsidium wahrgenommen wird. An der Spitze der Stadt Wiesbaden standen über viele Jahrhunderte der [[Schultheiß]] und die [[Schöffe]]n des Stadtgerichts. Ihnen standen zwei [[Bürgermeister]] zur Seite, welche das eigentliche Organ der Selbstverwaltung darstellten. Seit dem 15. Jahrhundert traten die Bürgermeister oftmals als eigentliche Stadtvorstände in Erscheinung, wurden dann aber wieder vom Schultheiß abgelöst. 1775 erhielt das Stadtgericht durch Fürst [[Karl Wilhelm (Nassau-Usingen)|Karl Wilhelm von Nassau]] den Ehrentitel Stadtrat. Dieser stellte später jedoch die staatliche Polizeidirektion dar. Neben dem Gericht gab es seit dem 15. Jahrhundert auch einen Rat. Die Bürgermeister erhielten in preußischer Zeit den Titel Oberbürgermeister. Heute wird der Oberbürgermeister direkt vom Volk gewählt. Die ebenfalls vom Volk zu wählende [[Stadtverordnetenversammlung]] umfasst seit der letzten [[Kommunalwahl]] 81 Sitze, die sich wie folgt verteilen: === Stadtverordnetenversammlung (Kommunalwahl 2006) === Die Sitzverteilung der Wiesbadener Stadtverordnetenversammlung, welche im [[Neues Rathaus (Wiesbaden)|Neuen Rathaus]] am Schlossplatz tagt, sieht wie folgt aus<ref>Angaben zur Sitzverteilung in der Stadtverordnetenversammlung aus [http://www.wiesbaden.de/wahldaten/wahlweb/st_start.html www.wiesbaden.de]</ref>: {| border="0" cellpadding="2" cellspacing="0" width="50%" |- bgcolor="#ffffaa" align="center" | || [[Christlich Demokratische Union Deutschlands|CDU]] || [[Sozialdemokratische Partei Deutschlands|SPD]] || [[Bündnis 90/Die Grünen|GRÜNE]] || [[Freie Demokratische Partei|FDP]] || [[Die Republikaner|REP]] || LiLi || BLW || '''Gesamt''' |- align="center" | '''2006''' || 29 || 25 || 10 || 7 || 4 || 3 || 3 || 81 |- align="center" | '''2001''' || ''30'' || ''28'' || ''8'' || ''10'' || ''4'' || ''1'' || – || ''81'' |} Bundesweite Beachtung erfuhr die Wiesbadener Wahl des Oberbürgermeisters im Jahr 2007 durch den Umstand, dass die SPD ihren Kandidaten wegen eines Fristversäumnisses nicht aufstellen konnte. Dies wurde in der folgenden [[Fastnacht im Rhein-Main-Gebiet|Karnevalskampagne]] naturgemäß in vielen Vorträgen und Motivwagen aufgegriffen. → [[Ergebnisse der Kommunalwahlen in Wiesbaden]] === Oberbürgermeister der Stadt Wiesbaden === Oberbürgermeister der Stadt Wiesbaden ist seit 2. Juli 2007 [[Helmut Müller (Hessen)|Helmut Müller]] (CDU). Seine Amtsvorgänger sind in nachfolgender Liste aufgeführt.<ref>Angaben zu den ehemaligen Oberbürgermeistern aus [http://www.wiesbaden.de/rathaus/stadtpolitik/oberbuergermeister/amtsvorgaenger.php www.wiesbaden.de]</ref> Derzeitige [[Stadtverordnetenvorsteher]]in ist ''Angelika Thiels'' (CDU). {| | valign="top" | * 1849–1868: [[Heinrich Fischer (Bürgermeister)|Heinrich Fischer]], Bürgermeister * 1868–1882: [[Wilhelm Lanz]], Bürgermeister * 1882–1883: [[Christian Schlichter]], Bürgermeister * 1883–1913: [[Carl Bernhard von Ibell]] * 1913–1919: [[Karl Glässing]] * 1919–1929: [[Fritz Travers]] ([[Deutsche Volkspartei|DVP]], <small>von 1919 bis 1923 amtierender Oberbürgermeister</small>) * 1930–1933: [[Georg Krücke]] ([[Deutsche Volkspartei|DVP]]) * 1933–1937: [[Alfred Schulte]] ([[Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei|NSDAP]]) * 1937–1945: [[Erich Mix]] ([[Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei|NSDAP]]) | valign="top" | * 1945–1946: [[Georg Krücke]] ([[Freie Demokratische Partei|FDP]]) * 1946–1953: [[Hans Heinrich Redlhammer]] ([[Christlich Demokratische Union Deutschlands|CDU]]) * 1954–1960: [[Erich Mix]] ([[Freie Demokratische Partei|FDP]]) * 1960–1968: [[Georg Buch]] ([[Sozialdemokratische Partei Deutschlands|SPD]]) * 1968–1980: [[Rudi Schmitt]] ([[Sozialdemokratische Partei Deutschlands|SPD]]) * 1980–1982: [[Georg-Berndt Oschatz]] ([[Christlich Demokratische Union Deutschlands|CDU]]) * 1982–1985: [[Hans-Joachim Jentsch]] ([[Christlich Demokratische Union Deutschlands|CDU]]) * 1985–1997: [[Achim Exner]] ([[Sozialdemokratische Partei Deutschlands|SPD]]) * 1997-2007: [[Hildebrand Diehl]] ([[Christlich Demokratische Union Deutschlands|CDU]]) * Seit 2007: [[Helmut Müller (Hessen)|Helmut Müller]] ([[Christlich Demokratische Union Deutschlands|CDU]]) |} === Magistrat der Stadt Wiesbaden === ==== Zusammensetzung ==== {| class="prettytable" | colspan="4" style="background-color:white;" | ===== Hauptamtliche Dezernenten ===== |- ! Dezernat ! Titel ! Name ! Partei |- | Hauptamt | [[Oberbürgermeister]] und Stadt[[kämmerer]] | [[Helmut Müller (Hessen)|Helmut Müller]] | style="background-color:#CDCDCD" | CDU |- | NN | [[Bürgermeister]] | nicht besetzt | |- | Wirtschaft, Personal und Kliniken | Stadtrat | Detlev Bendel | style="background-color:#CDCDCD" | CDU |- | Stadtentwicklung und Verkehr | Stadtrat | Joachim Pös | style="background-color:#FFFFDD" | FDP |- | Kultur, Umwelt, Grünflächen und Hochbau | Stadträtin | Rita Thies | style="background-color:#DDFFDD" | Grüne |- | Jugend, Soziales, Wohnen und Stadterneuerung | Stadtrat | Arno Goßmann | style="background-color:#FFDDDD;" | SPD |- | Bürgerangelegenheiten und Integration | Stadträtin | Birgit Zeimetz-Lorz | style="background-color:#CDCDCD" | CDU |- | Schule und Gesundheit | Stadträtin | Roselore Scholz | style="background-color:#CDCDCD" | CDU |- | colspan="4" style="background-color:white;" | ===== Ehrenamtliche Magistratsmitglieder ===== |- | | Stadtrat | Wolfgang Herber | style="background-color:#FFDDDD;" | SPD |- | | Stadtrat | Rudolf Janke | style="background-color:#DDFFDD" | Grüne |- | | Stadträtin | Doris Jentsch | style="background-color:#CDCDCD" | CDU |- | | Stadtrat | Manfred Laubmeyer | style="background-color:#CDCDCD" | CDU |- | | Stadtrat | Karl Roßel | style="background-color:#FFDDDD;" | SPD |- | | Stadtrat | Dieter Schlempp | style="background-color:#CDCDCD" | CDU |- | | Stadtrat | Ralph Schüler | style="background-color:#CDCDCD" | CDU |- | | Stadtrat | Rainer Schuster | style="background-color:#FFDDDD;" | SPD |- | | Stadtrat | Johann-Ludwig Seibert | style="background-color:#CDCDCD" | CDU |- | | Stadträtin | Helga Skolik | style="background-color:#CDCDCD" | CDU |- | | Stadtrat | Helmut von Scheidt | style="background-color:#FFFFDD" | FDP |- | | Stadträtin | Rosa M. Winheim | style="background-color:#DDFFDD" | Grüne |- | | Stadträtin | Gabriele Wolf | style="background-color:#FFDDDD;" | SPD |} === Partnerschaften === Wiesbaden unterhält mit folgenden Städten [[Städtepartnerschaft]]en<ref>Angaben über die Städtepartnerschaften aus [http://www.wiesbaden.de/leben-in-wiesbaden/stadtportrait/partnerstaedte/index.php www.wiesbaden.de]</ref>: {| | style="vertical-align:top; width:50%" | * {{flagicon|Austria}} [[Klagenfurt am Wörthersee]]/[[Österreich]] (seit 1930, eine der ältesten Städtepartnerschaften der Welt, mit jährlichem Schüleraustausch sowie Seniorenreisen und Kulturaustausch) * {{flagicon|Switzerland}} [[Montreux]]/[[Schweiz]] (seit 1953) * {{flagicon|Berlin}} [[Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg]]/[[Berlin]] (seit 2001; seit 1964 mit [[Berlin-Kreuzberg]]) * {{flagicon|Belgium}} [[Gent]]/[[Belgien]] (seit 1969) * {{flagicon|France}} [[Fondettes]]/[[Frankreich]] (seit 1975) * {{flagicon|Slovenia}} [[Ljubljana]] (Laibach)/[[Slowenien]] (seit 1977) | style="vertical-align:top; width:50%" | * {{flagicon|Israel}} [[Kfar Saba]]/[[Israel]] (seit 1981) * {{flagicon|Spain}} [[Donostia-San Sebastián]]/[[Spanien]] (seit 1981) * {{flagicon|Poland}} [[Breslau]] (Wroclaw)/[[Polen]] (seit 1987) * {{flagicon|the United Kingdom}} [[Tunbridge Wells]]/[[Vereinigtes Königreich|Großbritannien]] (seit 1989) * {{flagicon|Saxony}} [[Görlitz]]/[[Sachsen]] (seit 1990) * {{flagicon|Nicaragua}} [[Ocotal]]/[[Nicaragua]] (seit 1990) |} Weiterhin ist Wiesbaden seit 1953 Patenstadt der [[heimatvertriebene]]n [[Karlsbad]]er. == Wirtschaft und Infrastruktur == Insgesamt haben etwa 12.000 Unternehmen vom Handwerksbetrieb bis zu größeren Konzernen ihren Sitz in Wiesbaden. Die [[IHK Wiesbaden]] ist auch für die Unternehmen im benachbarten Rheingau-Taunus-Kreis und in der Stadt Hochheim am Main zuständig. === Thermalquellen, Kurbetrieb und Gesundheitswesen === [[Datei:Quellen fg02.jpg|miniatur|links|System der Quellen]] Wiesbaden ist unter anderem berühmt für seine vielen kochsalzhaltigen [[Thermalquelle]]n, die für vielfältige Kuren genutzt werden. In erster Linie werden sie bei rheumatischen Erkrankungen und Katarrhen der Atmungsorgane eingesetzt. Die Anwendung erfolgt in erster Linie durch Badekuren und Bewegungstherapie sowie durch Trinkkuren und Schwimmen im Thermalwasser. [[Datei:Kurhaus-Wiesbaden-bei-Nacht.jpg|miniatur|Kurhaus Wiesbaden bei Nacht]] [[Datei:Kochbrunnen fg01.jpg|miniatur|rechts|Der Kochbrunnen-Springer]] In der Innenstadt gibt es 14 heiße Quellen mit Temperaturen zwischen 46 und 66&nbsp;°C.<ref name="quelle" /> Mit einer Ergiebigkeit von etwa 2 Millionen Litern täglich ist Wiesbaden das zweitergiebigste deutsche Heilbad (zum Vergleich: an erster Stelle steht [[Aachener Thermalquellen|Aachen]] mit 3,5 Millionen&nbsp;Litern täglich <ref>Thermalwasserroute Aachen: ''[http://www.aachen.de/DE/Stadt_buerger/aachen_profil/thermalquellen_buergerstiftung/thermalquellen_flyer.pdf Flyer der Thermalquellen]''. aufgerufen 15. August 2008</ref>). Schon seit der Zeit der [[Römisches Reich|Römer]] sind in der Stadt Bäder in Betrieb, und bis heute sind einige Quellen öffentlich zugänglich, wie zum Beispiel der ''Kochbrunnen'' (66&nbsp;°C), der mit alleine fast 500.000 Litern täglich die ergiebigste Quelle ist. Das römisch-irische [[Kaiser-Friedrich-Therme|Kaiser-Friedrich-Bad]] mit Saunalandschaft wird durch die ''Adlerquelle'' (64,4&nbsp;°C, 167&nbsp;l pro Minute) versorgt, ebenfalls das Thermalbad Aukammtal. Daneben gibt es private Badehäuser, heute in der Regel Hotels, die Thermalbäder betreiben (''Badehaus Rose'', ''[[Schwarzer Bock (Wiesbaden)|Schwarzer Bock]]'', ''Goldenes Ross'', ''Bären'' und ''[[Hotel Nassauer Hof Wiesbaden|Nassauer Hof]]''). Neben dem ''Kochbrunnen'' gibt es noch einige weitere öffentliche Trinkhallen wie den ''Bäckerbrunnen'' (49&nbsp;°C, 65&nbsp;l pro Minute) und Wiesbadens 15. Quelle, den ''Faulbrunnen'' (14–17&nbsp;°C, 27&nbsp;l pro Minute), der seinen Namen Schwefelverbindungen mit ihrem typischen Geruch verdankt, aber wegen seiner geringen Temperatur nicht als [[Thermalbad|Therme]] bezeichnet wird. Besucher wie [[Johann Wolfgang von Goethe]], [[Fjodor Dostojewski]], [[Richard Wagner]], [[Johannes Brahms]] oder [[Alexej von Jawlensky]] haben wegen der Quellen und der [[Spielbank Wiesbaden|Spielbank]] in Wiesbaden Station gemacht. Nach dem Ersten Weltkrieg, als Wiesbaden seinen Ruf als Weltkurstadt verlor, wurde der bis dahin vorherrschende Kurbetrieb als ''Amüsementbetrieb'' auf die ''klinifizierte Kur'' umgestellt. Heute gibt es zahlreiche Kur- und Spezialkliniken. Von allgemeinmedizinischen Krankenhäusern bis zu kosmetischen Privatkliniken sind es insgesamt 18 an der Zahl. Die bekannteste ist sicher die [[Deutsche Klinik für Diagnostik]]. Am 2.&nbsp;April 1970 eröffnete sie in der Nähe des neuen Kurviertels. Dieses neue Kurviertel gruppiert sich um das städtische Thermalbad im ''Aukammtal'', das über eine Fernleitung aus dem Quellenviertel mit Thermalwasser versorgt wird. Dort liegen große Kurkliniken und zahlreiche Spezial- und Privatkliniken. Die großen allgemeinmedizinischen Krankenhäuser sind die ''[[Dr.-Horst-Schmidt-Kliniken]]'' (HSK) in der Nähe des Dotzheimer Neubauviertels Schelmengraben, das ''[[St. Josefs-Hospital Wiesbaden|St. Josefs-Hospital]]'' im Osten und die ''Asklepios Paulinen Klinik'' im Südwesten der Innenstadt. === Trinkwasserversorgung === [[Datei:WiesbadenMarktbrunnenAltesRathaus2.jpg|miniatur|rechts|Der Marktbrunnen von 1753 vor dem Alten Rathaus]] Der Reichtum Wiesbadens an Thermal- und Mineralquellen bedingte zugleich einen Mangel an gutem Trinkwasser innerhalb der Mauern des mittelalterlichen Wiesbaden. Die Brunnen in der Stadt gaben nur warmes und salziges Wasser. Trinkwasser musste von Brunnen aus der Feldgemarkung in die Stadt geholt werden. Der ''Marktbrunnen'' auf dem Schlossplatz wurde 1564/66 errichtet, als man eine Wasserleitung aus ausgehöhlten Baumstämmen von einem der Feldbrunnen in die Stadt gelegt hatte. Der Erhaltungsaufwand für die fäulnisanfällige Leitung überstieg jedoch die finanziellen Möglichkeiten der Bürger, so dass die Wasserqualität dieses ersten [[Laufbrunnen]]s innerhalb der Stadtmauern meistens zu wünschen übrig ließ, wenn er nicht ohnehin versiegte. Nach den Verheerungen des dreißigjährigen Krieges, dauerte es noch Jahrzehnte, bis der ''Marktbrunnen'' wieder floss. Im Jahr 1753 wurde der ''Marktbrunnen'' in der heute bekannten Form von den Bürgern neu errichtet, allerdings noch immer mit einer hölzernen und damit reparaturanfälligen Zuleitung von 3.060 Schuh Länge (872,1 Meter). Im Jahr 1810 endlich wurden gusseiserne Röhren der [[Michelbacher Hütte]] verlegt. An den Kosten hierfür hatte die Stadtkasse 15&nbsp;Jahre lang abzuzahlen. 1821 wurde dem steigenden Wasserbedarf der wachsenden Stadt mit einer Leitung vom ''Kisselborn'' Rechnung getragen, um weitere neun Laufbrunnen zu speisen. Die Leitung führte rund sechs Kilometer weit von dem ''Walddistrikt Kisselborn'', der in 420 Meter Höhe direkt unterhalb des wenige Jahre später errichteten [[Jagdschloss Platte]] liegt, in die Innenstadt.<ref>[http://www.wiesbadener-tagblatt.de/region/wiesbaden/meldungen/7286385.htm Wiesbadener Tagblatt, 22. August 2009: Erfolg nach sechs Jahren Spurensuche.] Heimatforscher Martin Lauth hat das Eingangsportal zur Kisselbornquelle entdeckt.</ref><ref name="stpl">Amtlicher Stadtplan der Landeshauptstadt Wiesbaden</ref> Weitere Brunnen wurden gefasst und in die Stadt geleitet, jedoch konnte dies den Wasserbedarf der aufstrebenden Stadt nicht zufriedenstellend decken, zumal in Trockenjahren. Schließlich wurden in den Jahren 1875 bis 1910 mit vier bergmännischen Tiefstollen von 11,5 Kilometern Gesamtlänge die wasserführenden [[Quarzit]]adern des Taunuskamms erbohrt (''Münzbergstollen, Schläferskopfstollen, Kreuzstollen'' und ''Kellerskopfstollen''). Diese [[Stollen (Bergbau)|Stollen]] endlich boten eine krisensichere Wasserversorgung bei bester [[Trinkwasserqualität]]. Sie können zusammen maximal 22.000&nbsp;m³ täglich liefern. Parallel dazu wurden schon weitere Bezugsquellen gesucht und in den Rheinauen bei Schierstein auch gefunden. In mehreren Ausbaustufen entstand hier seit 1901 das [[Wasserwerk]] Schierstein. Seit 1961 liefert es als Rheinwasser-Aufbereitungswerk Trinkwasser aus Rheinwasser. Dieses wird über zwei [[Düker]] aus der am wenigsten belasteten Strommitte entnommen und einer mehrstufigen Vorbehandlung unterzogen, bevor es über eine Reihe von 30 [[Schluckbrunnen]] in das [[Grundwasser]] eingespeist und nach einer sechswöchigen Bodenpassage und 180 Meter weiter südlich in einer Reihe von Entnahmebrunnen in Trinkwasserqualität wieder zu Tage gefördert wird. Das Wasserwerk Schierstein kann mit einer Tageskapazität von 40.000&nbsp;m³ fast die Hälfte des Wiesbadener Trinkwassers liefern. Als drittes Standbein der Wasserversorgung besteht seit 1969 ein Anschluss an das [[Hessisches Ried|Hessische Ried]] über eine Fernleitung von 55 Kilometer Länge zum ''Wasserwerk Jägersburger Wald'' bei [[Einhausen (Hessen)|Einhausen]]. Von hier werden bis 20.000&nbsp;m³ täglich geliefert. Die Wasserversorgung Wiesbadens obliegt heute der [[hessenwasser]]. === Landwirtschaft, Wein und Sekt === [[Datei:Luftbild Neroberg Opelbad russisch-orthodoxe Kirche 2008.jpg|miniatur|Neroberg mit Weinberg, Monopteros, Opelbad und russisch-orthodoxer Kirche]] [[Datei:WiesbadenBiebrichHenkellSchlösschenNW.JPG|miniatur|''Henkell-Schlösschen'' in Biebrich]] Der größte landwirtschaftliche Betrieb ist die [[Domäne Mechtildshausen]] bei Erbenheim.<ref>[http://wjw.aisys.ag/seiten/deutsch/domaene.php Internetauftritt der WJW]</ref> Weinrechtlich ist das Stadtgebiet Teil des [[Rheingau (Weinbaugebiet)|Rheingaus]], des größten hessischen [[Weinanbaugebiet#Weinbau in Deutschland|Weinanbaugebietes]], dessen Kerngebiet als Landschaft [[Rheingau]] westlich der Stadt liegt, aber auch östlich von Wiesbaden wächst noch Rheingauer Wein. Wein wird auf etwa 222 Hektar Rebfläche angebaut in den Stadtteilen Frauenstein (75 Hektar), Dotzheim (10 Hektar), Schierstein (60 Hektar) und Kostheim (73 Hektar) sowie auf der zur Innenstadt gehörenden Einzellage [[Neroberg#Weinbau|Neroberg]] (4 Hektar). Frauenstein grenzt mit den [[Liste der Weinlagen im Rheingau#Großlage Steinmächer|Weinlagen]] ''Herrnberg'', ''Homberg'' und ''Marschall'' direkt an den Rheingau. Der Dotzheimer Wein wächst in der Lage ''Judenkirch'' (mitunter findet sich auf den Flaschenetiketten die Schreibweise ''Judenkirsch''). In Schierstein gelegen sind der ''Dachsberg'' und die ''Hölle''. In Kostheim heißen die Lagen ''St. Kiliansberg'', ''Steig'' und ''Weiß Erd''. Die Rebflächen werden von vielen mittelständischen Winzern bewirtschaftet. Der Neroberg, der vom Weingut der Landeshauptstadt Wiesbaden bewirtschaftet wurde, ist seit dem Jahr 2005 an die [[Hessische Staatsweingüter Kloster Eberbach]] verpachtet. Während der [[Rheingauer Weinwoche]] wird der Schlossplatz am alten Rathaus und das Dern’sche Gelände für ein paar Tage nach Selbstdarstellung des Veranstalters zur „größten Weintheke der Welt“, wenn Weingüter aus allen Weinbaugemeinden des Rheingaus ihre Weine und Sekte dem Publikum ausschenken. Mit der [[Henkell & Söhnlein]] [[Sekt]]kellereien KG hat ein namhafter Erzeuger von Deutschem Sekt seinen Hauptsitz und Produktionsstandort in Wiesbaden. Das kulturelle und vor allem das gastronomische Leben in Wiesbaden wird von Wein und Sekt stärker geprägt als in anderen deutschen Großstädten. === Verkehr === [[Datei:Karte Mainzer Ring.svg|miniatur|Der [[Mainzer Ring]] schließt auch einige Wiesbadener Stadtteile ein]] Durch das südliche Stadtgebiet von Wiesbaden führt in West-Ost-Richtung die [[Bundesautobahn 66]] aus dem Rheingau in Richtung Frankfurt am Main. Von ihr zweigen am ''Schiersteiner Kreuz'' die [[Bundesautobahn 643|A&nbsp;643]] nach Mainz und an der ''Anschlussstelle Mainzer Straße'' die [[Bundesautobahn 671|A&nbsp;671]] nach [[Hochheim am Main]] ab. Im Osten berührt die [[Bundesautobahn 3]] das Stadtgebiet. Auf dieser Autobahn sind über das [[Wiesbadener Kreuz]] [[Köln]] und der [[Flughafen Frankfurt]] erreichbar. Folgende [[Bundesstraße]]n führen durch das Stadtgebiet: [[Bundesstraße 54|B&nbsp;54]], [[Bundesstraße 262|B&nbsp;262]], [[Bundesstraße 263|B&nbsp;263]], [[Bundesstraße 417|B&nbsp;417]] und [[Bundesstraße 455|B&nbsp;455]]. Seit Fertigstellung der [[Schnellfahrstrecke Köln–Rhein/Main]] 2002 ist Wiesbaden an das [[Intercity-Express|ICE]]-Netz angeschlossen. → ''Hauptartikel: [[Nahverkehr in Wiesbaden]]'' [[Datei:Citaro G II ESWE.jpg|miniatur|Stadtbus der [[ESWE Verkehrsgesellschaft|ESWE]]]] [[Datei:Hauptbahnhof wiesbaden 02.jpg|miniatur|Das neobarocke Gebäude des [[Wiesbaden Hauptbahnhof|Wiesbadener Hauptbahnhofs]]]] Den öffentlichen Personennahverkehr bedienen Busse der [[ESWE Verkehrsgesellschaft]] mbH sowie andere in ihrem Auftrag tätige Unternehmen. Die [[Busspur]] ist eine Wiesbadener Erfindung. Von hier aus verbreitete sie sich über die ganze Welt. Wiesbaden war die erste deutsche Stadt und erste Großstadt der Welt, welche im Jahr 1929 den innerstädtischen Verkehrsbetrieb von Straßenbahnen auf Busse umstellte. Im Jahre 1955 wurde der Straßenbahnbetrieb endgültig eingestellt (siehe [[Straßenbahn Wiesbaden]]). Wiesbaden ist damit heute die größte deutsche Stadt, die weder eine Straßenbahn noch eine U-Bahn hat. Vor einigen Jahren wurde eine [[Stadtbahn Wiesbaden|Wiesbadener Stadtbahn]] als Ergänzung zum Busliniennetz als Idee eingebracht. Dieses Projekt fand sowohl Befürworter als auch Gegner. Derzeit wird das Projekt von der Mehrheit im Stadtparlament abgelehnt, sodass alle diesbezüglichen Planungen eingefroren sind. Wiesbaden ist an das [[S-Bahn Rhein-Main|S-Bahn-Netz Rhein-Main]] angeschlossen. Der [[Wiesbaden Hauptbahnhof|Hauptbahnhof]] ist Endhaltestelle der S-Bahn-Linien S&nbsp;1, S&nbsp;8 und S&nbsp;9 aus Richtung [[Frankfurt am Main]]. Außerdem führt von Wiesbaden aus die [[rechte Rheinstrecke]] über [[Rüdesheim am Rhein]] bis nach [[Koblenz]] sowie die [[Ländchesbahn]] über die Vororte [[Wiesbaden-Erbenheim|Erbenheim]], [[Wiesbaden-Igstadt|Igstadt]] und [[Wiesbaden-Auringen|Auringen]]/[[Wiesbaden-Medenbach|Medenbach]] nach [[Niedernhausen]] mit Anschluss nach [[Limburg an der Lahn]]. Alle Linien im Wiesbadener und Mainzer Stadtgebiet sind zu einheitlichen Preisen innerhalb des [[Rhein-Main-Verkehrsverbund]]s (RMV) zu benutzen. Für Verbindungen aus dem und in das Gebiet des [[Rhein-Nahe-Nahverkehrsverbund]]s (RNN) kann auch dieser Tarif bis Wiesbaden angewendet werden. In Wiesbaden befindet sich die [[Nerobergbahn]], eine mit Wasser betriebene [[Standseilbahn]]. In der Nähe der Stadt gelegen ist das [[Funkfeuer]] ''WBD'' einer internationalen [[Liste der Funkfeuer|Luftstraße]]. [[Datei:Wiesbaden Luftbild Rheinufer mit Schloss Biebrich - Foto Wolfgang Pehlemann Wiesbaden IMG 0182.jpg|miniatur|325px|Luftbild vom Rheinufer in Wiesbaden-Biebrich mit dem Biebricher Schloss]] Wiesbaden liegt an den [[Bundeswasserstraße]]n Rhein und Main. Es verfügt in Schierstein über einen Hafen, während in Biebrich nur an der Kaimauer angelegt werden kann. Im Sommerhalbjahr verkehren Schiffe verschiedener Personenschifffahrtsgesellschaften. Gegenüber von Gustavsburg liegt im Main die Kostheimer Schleuse, die Schleuse mit dem höchsten Fahrzeugaufkommen in Europa. Der ehemalige Floßhafen in einem Nebenarm der Mainmündung, der die [[Maaraue]] vom Festland trennt, wurde noch bis in die 1960er für die Flößerei genutzt und leidet stark unter Verschlammung. Heute liegen hier eine schwimmende Halle für die Patrouillenboote der [[Wasserschutzpolizei]]station auf der Maaraue sowie diverse kleinere private Boote. === Tourismus === Der Tourismus, verbunden mit der Funktion als Kur-, Kongress- und Landeshauptstadt, bietet einen nicht unerheblichen Wirtschaftsfaktor, auch wenn er kein bestimmendes Element darstellt. Die Übernachtungszahlen liegen bei 962.000 Übernachtungen jährlich. Zum Vergleich: [[Berlin]]: 11,33 Millionen. [[Frankfurt am Main]]: 3,93 Millionen. [[Bremen]]: 1,04 Millionen. [[Heidelberg]]: 0,83 Millionen. Es stehen in 67 Hotels und Pensionen etwa 6.200 Betten zur Verfügung. Die [[Jugendherberge]] am ''Elsässer Platz'' ist eine der größten in Deutschland und hat 220 Betten. Hinzu kommen noch drei [[Camping]]plätze mit 6.400 Gästen beziehungsweise 11.800 Übernachtungen jährlich. === Touristik-Routen === Die ''Rheingauer Riesling-Route'' führt von [[Flörsheim-Wicker]] über Hochheim kommend durch das südliche Stadtgebiet in den [[Rheingau]] bis [[Lorchhausen]]. Der ''[[Rheinsteig]]'', der neue Wanderweg von Wiesbaden-Biebrich nach Bonn, berührt alle Burgen auf der rechten Seite des Mittelrheins. In Wiesbaden beginnt die [[Bäderstraße Taunus|Bäderstraße]]. Sie führt über [[Bad Schwalbach]] und [[Schlangenbad]] nach [[Bad Ems]] an der [[Lahn]]. [[Radfernweg]]e: Die Uferwege von Rhein und Main sind durch den [[Hessischer Radfernweg R3|Hessischen Radfernweg R3]] ([[Rüdesheim am Rhein]]–[[Tann (Rhön)]]), den [[Main-Radweg]] und den rechtsrheinischen [[Rheinradweg]] erschlossen. Der Rheinradweg macht noch einen Abstecher von [[Wiesbaden-Biebrich]] zur Innenstadt, ist aber unvollständig ausgeschildert. Der [[Hessischer Radfernweg R6|Hessische Radfernweg R6]] (Bad Arolsen ([[Diemelstadt]])–[[Rosengarten (Lampertheim)]] tangiert die östlichen Stadtteile und überquert in Mainz-Kostheim den Main. Über das Sommerhalbjahr, immer an Sonn- und Feiertagen, erschließt die ''Nassauische Touristikbahn'' auf der 1983 stillgelegten [[Aartalbahn]] nach Bad Schwalbach und Hohenstein mit musealen Fahrzeugen den Taunus für Ausflügler und Wanderer. Erreichbar sind vom Bahnhof Wiesbaden-Dotzheim aus derzeit die Stationen '' [[Chausseehaus]], [[Bahnhof Eiserne Hand|Eiserne Hand]], Hahn-Wehen, [[Taunusstein-Bleidenstadt|Bleidenstadt]], [[Bad Schwalbach]], Breithardt'' und ''Hohenstein''.<ref name="NTB">[http://www.aartalbahn.de/ Internetauftritt der Nassauischen Touristikbahn]</ref> Die [[Route der Industriekultur Rhein-Main]] umfasst die ''Talsohle'' (Industriegeschichte zwischen Neroberg und Salzbachtal) und die ''Flussroute'' (Industriegeschichte zwischen Schierstein und Mainz-Kostheim). Die [[Deutsche Fachwerkstraße]] verläuft durch das westliche Stadtgebiet: von Hochheim über Eltville nach Idstein und [[Limburg an der Lahn]]. === Film und Medien === [[Datei:WiesbadenDeutschesFilmhausMurnauStiftung.JPG|thumb|Deutsches Filmhaus der Friedrich-Wilhelm-Murnau-Stiftung in der Murnaustraße 6]] In Wiesbaden haben zahlreiche Medienunternehmen ihren Sitz. Beispielhaft sei hier der Standort ''Unter den Eichen'' genannt, von wo aus das [[ZDF]] von 1964 bis 1984 gesendet hat.<ref>Angaben zur Geschichte des ZDF von [http://www.zdf.de/ZDFde/inhalt/0/0,1872,2001856,00.html www.zdf.de]</ref> Heute ist hier noch die ''Taunusfilm GmbH'' angesiedelt, in der zahlreiche Fernsehproduktionen durchgeführt werden, sowie der Fachbereich&nbsp;DCSM der Hochschule, an der man die Studiengänge ''Medienwirtschaft'' und ''Medieninformatik'' absolvieren kann. Seit 2002 befindet sich dort auch der nichtkommerzielle Lokalsender Radio Rheinwelle. Wiesbaden ist aber auch als Sitz von Filmverbänden und -institutionen von überregionaler Bedeutung. So befindet sich die [[Spitzenorganisation der Filmwirtschaft]] (SPIO) ebenso in der hessischen Landeshauptstadt wie die [[Freiwillige Selbstkontrolle der Filmwirtschaft]] (FSK) oder die [[Filmbewertungsstelle]] (FBW). Ebenso die [[Friedrich-Wilhelm-Murnau-Stiftung]], die einen Großteil des deutschen Filmerbes verwaltet, pflegt und erhält sowie das Archiv des [[Deutsches Filminstitut|Deutschen Filminstitutes]]. Direkt im Wiesbadener Landtag unterhält der [[Hessischer Rundfunk|Hessische Rundfunk]] ein Fernseh- und Hörfunkstudio. Außerdem ist in der Nähe die Redaktion des TV-Politmagazins „de facto“ untergebracht. Nicht weit vom Landtag entfernt betreibt der private Radiosender [[Hit Radio FFH]] sein Regionalstudio. Seit dem 20.&nbsp;Februar 2007 sendet der Stadtsender TV-Wiesbaden<ref>[http://www.tv-wiesbaden.de TV Wiesbaden]</ref>, ein Regionalprogramm in Wiesbaden. Daneben sind zahlreiche [[Verlag]]e in der Stadt ansässig (unter anderem ''Deutscher Genossenschafts-Verlag'', ''Verlag Dr.&nbsp;Th.&nbsp;Gabler'', ''Westdeutscher Verlag'' und ''Vieweg'') In Wiesbaden erscheinen die Tageszeitungen [[Wiesbadener Kurier]] und [[Wiesbadener Tagblatt]]. === Bildung === [[Datei:Hochschule RheinMain Wiesbaden Bleichstrasse.jpg|thumb|Hochschule RheinMain, Gebäude Bleichstraße]] [[Datei:WiesbadenAlexandrastrHessenkollegN.JPG|thumb|Hessenkolleg in der Alexandrastraße]] [[Datei:WiesbadenEuropaviertelVolkshochschule.JPG|thumb|Volkshochschule im Europaviertel an der Schiersteiner Straße]] In Wiesbaden ist eine [[Fachhochschule]], die [[Hochschule RheinMain]], beheimatet. Diese wurde 1971 durch Zusammenschluss von [[Ingenieurschule]]n in [[Geisenheim]], [[Idstein]] und [[Rüsselsheim]] sowie der Werkkunstschule Wiesbaden gegründet und ist eine Fachhochschule des Landes Hessen. Von den insgesamt circa 8.500 Studenten der Hochschule fallen etwa 5.500 dem Standort Wiesbaden zu.<ref>Angaben zu den Studienzahlen der Hochschule von [http://fh-web1.informatik.fh-wiesbaden.de/go.cfm/fb/0/lpid/100/sprachid/1/sid/0.html www.fh-wiesbaden.de]</ref> An der direkt am Hauptcampus der Hochschule angesiedelten Verwaltungsfachhochschule gibt es weitere 770 Studenten. Die ''[[European Business School]]'' hat im Frühjahr 2008 ihren Sitz von [[Oestrich-Winkel]] nach Wiesbaden verlegt. Die Geschäftsräume der privaten Hochschule im Universitätsrang befinden sich nun in der Söhnleinstraße im Stadtteil [[Schierstein]]. Außerdem beabsichtigt die EBS, eine juristische Fakultät zu gründen, um den Status der [[Volluniversität]] zu erlangen. Damit würde Wiesbaden erstmals Universitätsstandort. Bislang ist Wiesbaden die nach Einwohnern größte Stadt und neben [[Schwerin]] die einzige Landeshauptstadt in der Bundesrepublik Deutschland ohne eine solche Bildungseinrichtung. Die [[Hochschule Fresenius]] zog 1995 von Wiesbaden nach [[Idstein]] um. Die Dr.-Horst-Schmidt-Klinik ist als städtisches Krankenhaus ein [[Akademisches Lehrkrankenhaus]] der [[Johannes Gutenberg-Universität Mainz]]. Die Größe des Bildungsangebotes zeigt sich in den über hundert staatlichen und privaten Schulen. Neben 40 [[Grundschule]]n gibt es 23 [[berufsbildende Schule]]n, 12 [[Gymnasium|Gymnasien]], 7 [[Realschule]]n, 7 [[Hauptschule]]n, 9 [[Sonderschule]]n und 7 [[Gesamtschule]]n. Eine Besonderheit ist das [[Hessenkolleg Wiesbaden]], das in der [[Erwachsenenbildung]] die [[allgemeine Hochschulreife]] eröffnet. Der Erwachsenenbildung dient ferner das Kursangebot der Volkshochschule Wiesbaden.<ref>[http://www.vhs-wiesbaden.de/ Volkshochschule Wiesbaden im Internet]</ref> === Karitative und gemeinnützige Strukturen === [[Datei:WiesbadenSchwarzenbergstrMännerwohnheimHeilsarmeeTotalView.JPG|thumb|Männerwohnheim der Heilsarmee in der Schwarzenbergstraße]] In Wiesbaden betreiben der Evangelische Verein für Innere Mission Frankfurt (EVIM)<ref>[http://www.innere-mission-ffm.de/ Verein für Innere Mission Frankfurt]</ref> ebenso wie die [[Caritas]] mehrere Einrichtungen zur stationären Betreuung und Pflege älterer Menschen. Das Johannesstift betreibt ein [[Jugendhilfe]]zentrum.<ref>[http://www.johannesstift.de/ Jugendhilfezentrum Johannesstift GmbH im Internet]</ref> Neben dem [[Deutsches Rotes Kreuz|Deutschen Roten Kreuz]], das ein Krankenhaus betreibt, ist namentlich der [[Arbeiter-Samariter-Bund]] mit einer Rettungswache aktiv. Die [[Deutsche Lebensrettungsgesellschaft]] betreibt Stationen am Rheinufer. Es wurde eine ''Wiesbadener [[Tafel (Organisation)|Tafel]]'' eingerichtet. Die [[Heilsarmee]] betreibt ein [[Obdachlosenasyl|Männerwohnheim]] für [[Obdachlose]] in der Stadt. === Dienstleistungsunternehmen === Wiesbaden als Teil des [[Rhein-Main-Gebiet]]es ist in erster Linie eine [[Dienstleistung]]sstadt, auch aufgrund des hohen Verwaltungsanteils als Landeshauptstadt. Mit der [[Nassauische Sparkasse|Nassauischen Sparkasse]] hat seit dem Jahr 1840 eine der größten und traditionsreichsten deutschen Sparkassen mit über 2.000 Mitarbeitern ihren Stammsitz in Wiesbaden. Die aus der Nassauischen Brandversicherungsanstalt von 1767 und den Hessen-Nassauischen Versicherungsanstalten hervorgegangene Zweigniederlassung Wiesbaden der [[SV SparkassenVersicherung]] ist mit 800 Mitarbeitern der zweitgrößte Standort des neuen Unternehmens neben der Zentrale in Stuttgart.<ref>Wiesbadener Kurier vom 24. Oktober 2008: Richtfest für Gebäude der Sparkassenversicherung in der Bahnhofstraße</ref> Größter privater Arbeitgeber der Stadt ist mit rund 3.900 Mitarbeitern die [[R+V Versicherung]], die neben anderen Adressen für ihre Konzernzentrale in Wiesbaden am Kureck ein Hochhaus gebaut hatte. Im Jahr 2008 legte das Unternehmen den Grundstein für ein Bürogebäude mit 1.300 Arbeitsplätzen in der John-F.-Kennedy-Straße. Nach Fertigstellung im Jahr 2011 sollen auch die Mitarbeiter vom Kureck hierher umziehen.<ref>Wiesbadener Tagblatt vom 30. Oktober 2008: Grundstein für R+V-Gebäude ist gelegt.</ref> Daneben finden sich hier bekannte Firmen wie [[DBV-Winterthur Versicherungen]], [[Computer Sciences Corporation|CSC Deutschland]] oder [[Ferrari]] Deutschland (Schierstein). === Verarbeitendes Gewerbe === Der Anteil der verarbeitenden Industrie ist in den letzten Jahrzehnten kontinuierlich zurückgegangen, er macht mittlerweile etwas weniger als ein Drittel der Wiesbadener Wirtschaftsleistung aus. Zu erwähnen sind [[Abbott Laboratories#Standorte|Abbott]] (Delkenheim), [[Kion Group]] (Kostheim) oder [[Federal Mogul]] (Schierstein). Der schwedische [[Svenska Cellulosa Aktiebolaget|SCA-Konzern]] produziert an dem 1885 von [[Hubert Anton Disch]] als ''Holz-Cellulose-Fabrik'' gegründeten und später von der ''Zellstoff Waldhof'' (Markenname ''Zewa'') übernommenen Standort in Mainz-Kostheim weiterhin Hygiene-Papiere.<ref>[http://www.wiesbadener-kurier.de/region/geschichte/8877547.htm Wiesbadener Kurier vom 10. Mai 2010: Ein Kosheimer Wald am Ladogasee] Die Cellulose. Vor 125 Jahren gründete Kommerzienrat Hubert Anton Disch die Zellstofffabrik</ref> Erbenheim und Delkenheim sind Standorte der ''Smiths Heimann GmbH'', einem international führenden Unternehmen für Röntgenprüfsysteme, die auf Flughäfen eingesetzt werden.<ref>[http://www.smithsdetection.com/deu/1666.php Smiths Heimann GmbH]</ref> Ein Tochterunternehmen des [[Bilfinger Berger]]-Konzerns, die ''Bilfinger Berger Ingenieurbau GmbH'', hat ihre Hauptverwaltung in Wiesbaden.<ref>[http://www.ingenieurbau.bilfinger.de/ Website der Bilfinger Berger Ingenieurbau GmbH]</ref> Wiesbaden war auch Standort eines der Vorläuferunternehmen des Konzerns, der ''Julius Berger Tiefbau AG''. Am Rhein liegen traditionsreiche Industriestandorte wie das [[Dyckerhoff AG|Dyckerhoff]]-Betriebsgelände mit benachbart gelegenen Steinbruch, der nach und nach als Mülldeponie verfüllt wird (Amöneburg). Des Weiteren der etwa einen Quadratkilometer große von der [[InfraServ Wiesbaden]] betriebene [[Industriepark Kalle-Albert]] (Biebrich und Amöneburg), in dem sich neben dem Stammwerk der [[Chemische Fabrik Kalle|Kalle-Gruppe]]<ref>[http://www.kalle.de/ Website der Kalle GmbH]</ref> die [[SE Tylose]] Deutschland und etwa 80 weitere Unternehmen niedergelassen haben. Unweit dieses Industrieparkes ist die Hauptverwaltung der [[SGL Carbon]] angesiedelt, einem der führenden Graphit-Hersteller. === Organisationen === Des Weiteren ist Wiesbaden Sitz zahlreicher anderer Organisationen, wie des Karl-Bräuer-Instituts des [[Bund der Steuerzahler (Deutschland)|Bundes der Steuerzahler]], der [[Gesellschaft für deutsche Sprache]] oder der [[SCHUFA]]. Von den im Landtag vertretenen Parteien haben die [[CDU Hessen|CDU]], die SPD, die FDP und Bündnis90/DIE GRÜNEN ihre Landesgeschäftstellen in Wiesbaden eingerichtet. === Öffentliche Einrichtungen === [[Datei:EckeStadtschlossWI-A.jpg|miniatur|Der [[Hessischer Landtag|Hessische Landtag]] hat seinen Sitz im ehemaligen nassauischen [[Stadtschloss Wiesbaden|Stadtschloss]] am [[Schloßplatz (Wiesbaden)|Schlossplatz]]]] [[Datei:bka-wiesbaden-w1.jpg|miniatur|Hauptgebäude des Bundeskriminalamtes]] Seit 1945 ist Wiesbaden [[Land (Deutschland)|Landeshauptstadt]] von [[Hessen]]; hier sind alle ''[[Verfassungsorgan]]e des [[Bundesland (Deutschland)|Bundeslandes]] Hessen'' mit Ausnahme des Hessischen Rechnungshofes angesiedelt. Dazu gehören der [[Hessischer Landtag|Hessische Landtag]] und die [[Hessische Landesregierung#Hessische Landesregierungen seit 1945|Hessische Landesregierung]] mit der [[Hessische Staatskanzlei|Hessischen Staatskanzlei]] als Sitz des [[Liste hessischer Ministerpräsidenten|Hessischen Ministerpräsidenten]] und die acht [[Kabinett Koch IIa|Landesministerien]]. Nicht zuletzt haben hier der [[Hessischer Staatsgerichtshof|Hessische Staatsgerichtshof]] als Verfassungsgericht und der [[Hessischer Datenschutzbeauftragter|Hessische Datenschutzbeauftragte]] ihren Sitz. Wiesbaden ist der Standort mehrerer Bundesbehörden: 1951 zog das [[Bundeskriminalamt (Deutschland)|Bundeskriminalamt]] als erste Bundesbehörde nach Wiesbaden<ref>[http://www.bka.de/profil/broschueren/profil2008.pdf BKA-Broschüre:] ''Das Profil'' Seite 5</ref>. 1956 wurde das Hochhausgebäude für das [[Statistisches Bundesamt|Statistische Bundesamt]] in der Nähe des [[Wiesbaden Hauptbahnhof|Wiesbadener Hauptbahnhofes]] fertig gestellt.<ref>Christian Schnee: ''Was war los in Wiesbaden 1950–2000.'' Sutton Verlag, September 2001, ISBN 3-89702-355-5.</ref> Im Jahre 2003 entbrannte ein Streit zwischen Politikern und [[Bürgerinitiative]]n um den damals geplanten Umzug des Bundeskriminalamtes nach [[Berlin]], welcher jedoch nicht verwirklicht wurde. Nach dem Aufbau der [[Bundeswehr]] wurde Wiesbaden Standort einer [[Wehrbereichsverwaltung]]. Ferner haben auch das Landespolizeipräsidium<ref>[http://www.polizei.hessen.de/internetzentral/nav/ecf/ecf70ee1-825a-f6f8-6373-a91bbcb63046.htm Organisation der Hessischen Polizei]</ref>, das [[Hessisches Landeskriminalamt|Hessische Landeskriminalamt]], das Polizeipräsidium Westhessen, die Hessische Polizeiakademie (bis Dezember 2009: Hessische Polizeischule), das Präsidium für Technik, Logistik und Verwaltung, das Hessische Bereitschaftspolizeipräsidium, das Landesamt für Verfassungsschutz Hessen, das Hessische Amt für Versorgung und Soziales, das [[Hessisches Statistisches Landesamt|Hessische Statistische Landesamt]], das Hessische Landesamt für Bodenmanagement und Geoinformation, das [[Hessisches Landesamt für Straßen- und Verkehrswesen|Hessische Landesamt für Straßen- und Verkehrswesen]], das [[Hessisches Hauptstaatsarchiv|Hessische Hauptstaatsarchiv]], das [[Landesamt für Denkmalpflege Hessen]], das [[Hessisches Landesamt für Umwelt und Geologie|Hessische Landesamt für Umwelt und Geologie]] und einige Außenstellen des [[Regierungsbezirk Darmstadt|Regierungspräsidiums Darmstadt]] ihren Sitz in der Stadt. In Wiesbaden gibt es ein Amtsgericht und Landgericht in dem historischen Gebäude in der Gerichtsstraße 2, eine Staatsanwaltschaft, ein Verwaltungsgericht, Arbeitsgericht und Sozialgericht. In der Holzstraße befindet sich eine [[Justizvollzugsanstalt]] für den Jugendstrafvollzug. Zwei [[Kommunale Spitzenverbände]] haben ihren Sitz in Wiesbaden: der [[Hessischer Städtetag|Hessische Städtetag]]<ref>[http://www.hess-staedtetag.de/ Hessischer Städtetag im Internet]</ref> und der [[Hessischer Landkreistag|Hessische Landkreistag]].<ref>[http://www.hlt.de/ Hessischer Landkreistag im Internet]</ref> An [[Berufsständische Körperschaft|Selbstverwaltungskörperschaften der Berufsstände]] finden sich hier die [[Ingenieurkammer]] Hessen<ref>[http://www.ingkh.de/ www.ingkh.de]</ref>, die [[Architektenkammer|Architekten- und Stadtplanerkammer]] Hessen<ref>[http://www.akh.de/npf/site/Page?idPage=1891 www.akh.de]</ref>, die [[Handwerkskammer Wiesbaden]], deren Bezirk vom Main-Kinzig-Kreis im Osten bis zum Rheingau-Taunus-Kreis im Westen reicht<ref>[http://www.hwk-wiesbaden.de/upload/files/Satzung_HWK_Wiesbaden.pdf Satzung der Handwerkskammer Wiesbaden] (PDF 86&nbsp;KB)</ref> und die [[Industrie- und Handelskammer]] Wiesbaden für den Bereich Wiesbaden, Hochheim und Rheingau-Taunus-Kreis.<ref>[http://www.ihk-wiesbaden.de/index.php?id=10 www.ihk-wiesbaden.de]</ref> Als eine der gesetzlichen Unfallversicherungen hat die [[Berufsgenossenschaft Druck und Papierverarbeitung]] ihre Hauptverwaltung in Wiesbaden. Die Feuerwehr der Stadt Wiesbaden ist eine [[Berufsfeuerwehr]] und als solche für die nichtpolizeiliche Gefahrenabwehr in der Stadt zuständig. Sie beschäftigt 302 Beamte, die sich in 49 Mann starke Schichten auf drei Feuerwachen im Stadtgebiet verteilen, hinzu kommen 600 ehrenamtliche Kräfte in den 20 Freiwilligen Feuerwehren und über 360 Nachwuchskräfte in den Jugendfeuerwehren. Daneben existieren in Wiesbaden sechs Werkfeuerwehren mit insgesamt 107 Beschäftigten, die jedoch nicht zur Feuerwehr Wiesbaden gehören. === US-Militäreinrichtungen === [[Datei:Erbenheim-airbase2.jpg|miniatur|Luftbild des [[Flugplatz Erbenheim|Militärflugplatzes Erbenheim]] der US-Air-Force bei [[Wiesbaden-Erbenheim]]]] [[Datei:Wiesbaden Army Airfield.jpg|miniatur|Eingang des Militärflugplatzes Erbenheim]] [[Datei:WiesbadenAmeliaEarhartComplex.JPG|miniatur|Amelia Earhart Complex am Konrad-Adenauer-Ring]] Mehrere Gebiete der innenstadtnahen Außenbezirke werden oder wurden als US-Militärstützpunkt genutzt. Auf dem Gelände des [[Flugplatz Erbenheim|Militärflugplatzes Erbenheim]] befindet sich das [[Hauptquartier]] der [[1. US-Panzerdivision]], das 58. Heeresfliegerregiment und die 205. Brigade des militärischen Geheimdienstes. Außer auf dem Airfield gibt es derzeit in Wiesbaden noch Militärdienststellen im [[Amelia Earhart]] Complex. Dort residiert das ''U.S. Army Corps of Engineers – Europe''. Ferner gibt es im Stadtgebiet noch die Mainz-Kastel Storage Station und den American Arms Office Tower. Nachdem die Zentrale des [[American Forces Network]] im Mai 2004 aus Frankfurt/Main nach Mannheim in die [[Coleman Barracks]] umgezogen ist, hat man auf dem Airfield ein regionales Studio eingerichtet (AFN-Hessen), um die in Wiesbaden und Umgebung stationierten Soldaten mit Rundfunk und Nachrichten zu versorgen. Als Wohngebiete für die amerikanischen Streitkräfte des ''Militärflugplatzes Erbenheim'' dienen auch heute noch die nordöstliche gelegenen US-amerikanischen ''Housings Aukamm'', ''Crestview'' und ''Hainerberg Village''. Im Wiesbadender [[Europaviertel (Wiesbaden)#Lindsey Air Base / Lindsey Air Station (1945–1993)|''Camp Lindsey'']] war bis 1973 das [[United States Air Forces in Europe|Europa-Hauptquartier]] der [[United States Air Force|US Air Force]] beheimatet. Aus dem ''Camp Lindsey'', dem ''Camp Pieri'' in Dotzheim, und dem ''US-Militärhospital'' in der südwestlichen Innenstadt sind die US-Amerikaner 1993 abgezogen. Die Stadtplanung unterzog diese ehemaligen [[Kaserne]]n einer [[Konversion (Stadtplanung)|Konversion]] mit dem Ziel einer künftigen zivilen Nutzung. Nach dem Abzug der Amerikaner aus ''Camp Lindsey'', dem heutigen [[Europaviertel (Wiesbaden)|Europaviertel]], finden sich dort heute einer der drei Wiesbadener Standorte des [[Bundeskriminalamt (Deutschland)|Bundeskriminalamts]], die [[Volkshochschule]] sowie mehrere städtische Behörden, sowie Gewerbeflächen und eine Vielzahl neu gebauter moderner [[Eigentumswohnung]]en. In den Gebäuden des ''Camp Pieri'' befindet sich heute eines der Studierendenwohnheime der Fachhochschule. Das ''US-Hospital'' wurde zu einem [[Behördenzentrum]] für Behörden mit bestimmten Anforderungen an die äußere Sicherheit wie Polizei, Staatsanwaltschaft und Verfassungsschutz. Die US-Regierung gab 2004/2005 bekannt, dass die [[Streitkräfte der Vereinigten Staaten|US-Streitkräfte]] im Zuge des Tranformationsprozesses in Europa neu aufgestellt werden sollen. Im Laufe der Jahre und der Planungen wurde bekanntgegeben, dass das Hauptquartier der US-Army Europe von Heidelberg nach Wiesbaden verlegt werden soll. Es wurde beschlossen, die Fläche am Airfield um 41 ha zu erweitern. Die Stadt Wiesbaden hat sich bereit erklärt, diese Flächen den US-Streitkräften zur Verfügung zu stellen. Aufgrund dieser Entscheidung wurde ab 2009 damit begonnen, die Infrastruktur der militärischen Einrichtungen zu modernisieren. Ende 2009 wurde mit dem Bau einer neuen Housing-Area im südlichen Bereich des Airfields begonnen. Im Frühjahr 2010 wurde dann mit dem Baubeginn des neuen Kommando- und Führungszentrums auf dem Paradeplatz des Airfields begonnen. Durch diese Umstrukturierung wird die Zahl der in Wiesbaden stationierten Soldaten zunehmen. Die Umstrukturierung des Wiesbadener Standortes soll bis zum Jahr 2012/2013 andauern.<ref>Quelle: [http://www.faz.net/s/Rub8D05117E1AC946F5BB438374CCC294CC/Doc~E20BFC1CF404040DEB29A65B68C759598~ATpl~Ecommon~Scontent.html Information] auf faz.net</ref> == Sehenswürdigkeiten == Siehe auch ''[[Liste der Sehenswürdigkeiten von Wiesbaden]]''.<ref>''Baedeker Stadtführer, Wiesbaden, Rheingau''. [[Karl Baedeker]] Verlag, Ostfildern-Kemnat. Dezember 2001, ISBN 3-87954-076-4.</ref><ref>[[Gottfried Kiesow]]: ''Das verkannte Jahrhundert. Der Historismus am Beispiel Wiesbaden''. Monumente-Publikationen der Deutschen Stiftung Denkmalschutz, Bonn 2005, ISBN 3-936942-53-6 (Buch und CD-ROM).</ref><ref>Berthold Bubner: Wiesbaden. Baudenkmale und Historische Stätten. Wiesbaden 1993, ISBN 3-922604-20-X.</ref> === Schloßplatz === → ''Hauptartikel: [[Schloßplatz (Wiesbaden)]]'' [[Datei:Luftbild Landeshauptstadt Wiesbaden Innenstadt Stadtschloß Schlossplatz Rathaus Marktkirche - Foto Wolfgang Pehlemann Wiesbaden IMG 0174.jpg|miniatur|links|Luftbild der Innenstadt mit Stadtschloss, Schloßplatz, Rathaus und Marktkirche (v.l.)]] [[Datei:SchlossplatzWI.jpg|miniatur|Der Wiesbadener Schloßplatz: links das [[Altes Rathaus (Wiesbaden)|Alte Rathaus]], rechts das ehemalige [[Stadtschloss Wiesbaden|Stadtschloss]] der nassauischen Herzöge, heute Sitz des [[Hessischer Landtag|Hessischen Landtags]]]] Als Mittelpunkt der historischen Altstadt innerhalb des ''[[Historisches Fünfeck|Historischen Fünfecks]]'' bildet der ''[[Schloßplatz (Wiesbaden)|Schloßplatz]]'' die Keimzelle des mittelalterlichen Wiesbadens und ein Ensemble von historischen Gebäuden. Hier stehen das älteste erhaltene Gebäude der Innenstadt, das ''[[Altes Rathaus (Wiesbaden)|Alte Rathaus]]'', erbaut 1608 bis 1610, das heute als Standesamt dient, sowie das von [[Georg von Hauberrisser]] 1884 bis 1887 errichtete ''[[Neues Rathaus (Wiesbaden)|Neue Rathaus]]''. Die Nordseite des Platzes dominiert das ehemalige ''[[Stadtschloss (Wiesbaden)|Stadtschloss]]'' der Nassauischen Herzöge aus den Jahren 1837 bis 1842, dessen erhaltene historischen Innenräume im Kontrast zu seinem schlichten Äußeren stehen. Während Wiesbadens Zeit als Weltkurstadt nutzte [[Wilhelm II. (Deutsches Reich)|Kaiser Wilhelm II.]] das ''Stadtschloss'' bei seinen zahlreichen Aufenthalten als Wohnsitz. Heute ist hier der ''[[Hessischer Landtag|Hessische Landtag]]'' untergebracht. Der zugehörige Plenarsaal befindet sich im Innenhof. Die 1853 bis 1862 von [[Carl Boos]] erbaute evangelische ''[[Marktkirche (Wiesbaden)|Marktkirche]]'' mit ihren fünf Türmen, von denen der 98&nbsp;m hohe Hauptturm bis heute das höchste Gebäude der Stadt ist, wurde als „''Nassauer Landesdom''“ nach dem Vorbild von [[Karl Friedrich Schinkel|Schinkels]] ''[[Friedrichswerdersche Kirche|Fiedrichswerderscher Kirche]]'' in [[Berlin]] als größter [[Backstein]]bau Nassaus erbaut. Den östlichen rechtwinkligen Abschluss des Schloßplatzes bildete die 1898 bis 1901 von [[Felix August Helfgott Genzmer|Felix Genzmer]] erbaute ''Höhere Töchterschule''. Sie wurde im Zweiten Weltkrieg zerstört, ebenso wie der Hauptgiebel des ''Neuen Rathauses''. Südlich von ''Neuem Rathaus'' und ''Marktkirche'' befindet sich der historische ''Marktkeller'', der von der ''Marktsäule'' gekrönt wird. Davor liegt das neu gestaltete ''[[Dernsches Gelände|Dern'sche Gelände]]'', auf dem mittwochs und samstags der Wiesbadener [[Wochenmarkt]] stattfindet. Außerdem wird das Dern'sche Gelände häufig für Freiluft- und Zirkusveranstaltungen genutzt. === Wilhelmstraße und Kureck === [[Datei:WilhelmstrasseWiesbaden.jpg|miniatur|Der elegante Prachtboulevard der Kurstadt: die [[Wilhelmstraße (Wiesbaden)|Wilhelmstraße]]]] [[Datei:Wiesbaden Kurpark.jpg|miniatur|Der [[Kurpark (Wiesbaden)|Kurpark]] um das Jahr 1900]] [[Datei:Luftbild Wiesbaden Kranzplatz Georg-August-Zinn-Straße Kochbrunnen-Platz Taunusstraße Kureck Foto 2008 Wolfgang Pehlemann Wiesbaden IMG 0193.jpg|miniatur|Das Kureck, Taunusstraße, Kranzplatz und Kochbrunnenplatz]] Am östlichen Rand des ''Historischen Fünfecks'' verläuft die elegante ''[[Wilhelmstraße (Wiesbaden)|Wilhelmstraße]]''. Neben noblen Geschäften und Cafés stehen hier das ''[[Museum Wiesbaden|Landesmuseum]]'', der [[Nassauischer Kunstverein|Nassauische Kunstverein]], der sich auf junge zeitgenössische Kunst spezialisiert, das 1813 bis 1817 erbaute ''[[Erbprinzenpalais]]'' (heute [[Industrie- und Handelskammer]]) und die ''[[Villa Clementine]]'', die 1888 Schauplatz des ''[[Wiesbadener Prinzenraub]]s'' wurde und später Kulisse für die Verfilmung von [[Thomas Mann]]s „''[[Buddenbrooks]]''“ war. Das jährlich Anfang Juni ausgerichtete ''[[Wilhelmstraßenfest]]'' (offiziell: „''Theatrium''“) gilt als größtes Straßenfest Deutschlands. An der Ostseite der ''Wilhelmstraße'' wurde 1860 der Landschaftspark ''[[Warmer Damm]]'' angelegt. An der östlich von ihm verlaufenden ''Paulinenstraße'' steht die ''[[Söhnlein-Villa]]'', die wegen ihres [[Washington (District of Columbia)|Washingtoner]] Vorbilds auch „''Weißes Haus''“ genannt wird. Am nördlichen Ende der Wilhelmstraße befindet sich das so genannte ''Kureck''. Mittelpunkt ist das ''[[Bowling Green (Wiesbaden)|Bowling Green]]'', eine rechteckige Grünfläche mit zwei imposanten Kaskadenbrunnen, die von einem hufeisenförmigen Gebäudeensemble umschlossen wird: Den Blickfang im Osten bildet das 1905 bis 1907 von [[Friedrich von Thiersch]] erbaute ''[[Kurhaus Wiesbaden|Kurhaus]]'', in dem unter anderem die [[Spielbank Wiesbaden|Spielbank]] untergebracht ist. Hinter dem ''Kurhaus'' erstreckt sich der etwa 6,5 Hektar große, nach Vorbild [[Englischer Landschaftspark|englischer Gärten]] angelegte ''[[Kurpark Wiesbaden|Kurpark]]''. Im Norden des ''Bowling Greens'' stehen die ''[[Kurhauskolonnaden]]'', mit 129&nbsp;m Länge die längste Säulenhalle Europas. Ihr gegenüber die ''Theaterkolonnaden'' mit dem 1894 eröffneten ''[[Hessisches Staatstheater Wiesbaden|Hessischen Staatstheater]]''. Auf der anderen Seite der ''Wilhelmstraße'', gegenüber dem ''Bowling Green'', befindet sich ein Denkmal für [[Friedrich III. (Deutsches Reich)|Kaiser Friedrich III.]] sowie das Nobelhotel ''Nassauer Hof''. Ganz in der Nähe des ''Bowling Greens'' liegt der ''Kranzplatz'' direkt neben dem ''Kochbrunnenplatz'' mit dem ''Kochbrunnentempel''. Der [[Kochbrunnen]] ist mit einer Förderleistung von etwa 500.000 Liter/Tag und einer Temperatur von 67&nbsp;°C die ergiebigste Wiesbadener Thermalquelle. In der ehemaligen ''Trinkhalle'' am Westrand des Platzes befindet sich heute ein Restaurant. Um den Platz gruppierten sich einige der Wiesbadener Grandhotels: so des älteste Hotel Deutschlands, der bereits 1486 gegründete „''[[Schwarzer Bock (Wiesbaden)|Schwarze Bock]]''“, das ehemalige „''Palasthotel''“&nbsp;– es war das erste überhaupt mit Zimmertelefon&nbsp;– sowie das „''Hotel Rose''“, in dem seit September 2004 die ''[[Hessische Staatskanzlei]]'' residiert. === Sonstige Innenstadt === [[Datei:RingkircheWiesbadenWesten.jpg|miniatur|Die [[Ringkirche (Wiesbaden)|Ringkirche]]: Prototyp des [[Wiesbadener Programm]]s]] Unweit des ''Kranzplatzes'' steht das historische ''[[Kaiser-Friedrich-Therme|Kaiser-Friedrich-Bad]]'' von 1913, ein römisch-irisches Bad, das von den Thermalquellen mit Wasser beliefert wird, sowie das ''[[Römertor (Wiesbaden)|Römertor]]'', an dem Reste der römischen ''Heidenmauer'' erhalten sind. Die ''Adolfsallee'' sowie deren Verlängerung, die ''Adolfsstraße'', führt von Süden auf den [[Klassizismus|klassizistischen]] ''[[Luisenplatz (Wiesbaden)|Luisenplatz]]'' mit dem ''Waterloo-Obelisk'' als Denkmal für die nassauischen Gefallenen der [[Schlacht bei Waterloo]] im Jahre 1815. In der Sichtachse des Platzes steht an seinem Kopfende die katholische ''[[Bonifatiuskirche (Wiesbaden)|St.-Bonifatius-Kirche]]'' in [[Neogotik|neogotischem]] Stil mit ihren beiden 68&nbsp;m hohen Türmen. Sie wurde von 1844 bis 1849 erbaut. Am ''Luisenplatz'', unter dem 1984 eine Tiefgarage gebaut und der dann nach historischem Vorbild wieder angelegt wurde, ist auch der Sitz des Hessischen Kultusministeriums. Am Südrand des ''Luisenplatzes'' verläuft die ''Rheinstraße'' nach Westen auf die 1892 bis 1894 von [[Johannes Otzen]] erbaute ''[[Ringkirche (Wiesbaden)|Ringkirche]]'' mit ihrem 65&nbsp;m hohem Zwillingsturm zu. In diesem Bau wurde erstmals das revolutionäre „''[[Wiesbadener Programm]]''“ umgesetzt, welches für den evangelischen Kirchenbau in Deutschland bis zum Ersten Weltkrieg richtungsweisend war. An der ''Rheinstraße'' steht auch die ''[[Hessische Landesbibliothek]]'' mit 600.000 Bänden und historischem Lesesaal, das Hessische Ministerium für Wissenschaft und Kunst sowie die Hauptverwaltung der ''[[Nassauische Sparkasse|Nassauischen Sparkasse]]''. Die ''Bahnhofstraße'' verbindet das ''Neue Rathaus'' und die ''[[Marktkirche (Wiesbaden)|Marktkirche]]'' am ''Schlossplatz'' mit dem ''[[Wiesbaden Hauptbahnhof|Hauptbahnhof]]''. Der [[Kopfbahnhof]] mit zehn Gleisen und seinem 40&nbsp;m hohen Uhrturm in rotem Sandstein entstand 1904 bis 1906 im Stil des [[Neobarock]]. Am Bahnhof beginnt auch die um 1900 angelegte, baumbestandene und mit prächtigen Fassaden versehene ''[[Ringstraße (Wiesbaden)|Ringstraße]]''. An deren Ecke zur ''Moritzstraße'' steht das [[Landeshaus (Wiesbaden)|Landeshaus]], welches heute das Hessische Ministerium für Wirtschaft, Verkehr und Landesentwicklung beherbergt. Am ''Gutenbergplatz'', im Rücken des Landeshauses befindet sich die ''[[Lutherkirche (Wiesbaden)|Lutherkirche]]'', die in den Formen des [[Jugendstil]]s und ebenfalls nach den Grundsätzen des ''[[Wiesbadener Programm]]s'' errichtet wurde. === Außerhalb der Innenstadt === ''(Reihenfolge im Uhrzeigersinn)'' [[Datei:Wiesbaden-nerobergbahn.JPG|miniatur|Die 1888 eröffnete [[Nerobergbahn]]]] [[Datei:Wiesbaden-biebrich-schloss.jpg|miniatur|Das barocke [[Schloss Biebrich]] mit seinem Park: ehemalige Residenz der Herzöge von Nassau]] [[Datei:Russische Kirche Wiesbaden2.jpg|miniatur|hochkant|Die [[Russisch-Orthodoxe Kirche (Wiesbaden)|Russische Kirche]] auf dem [[Neroberg]] mit ihren vergoldeten Kuppeln]] Vom nördlich der Innenstadt gelegenen ''Nerotal'' aus erreicht man mit der 1888 erbauten ''[[Nerobergbahn]]''&nbsp;– einer durch Wasserballast betriebenen [[Standseilbahn]]&nbsp;– den 245&nbsp;m hohen Hausberg der Stadt Wiesbaden, den ''[[Neroberg]]''. Hier erhebt sich neben dem ''Städtischen Weingut'' die ''[[Russisch-Orthodoxe Kirche in Wiesbaden|Russische Kirche]]'' (im Volksmund auch „''Griechische Kapelle''“ genannt) mit ihren vergoldeten Kuppeln. Vom ''Neroberg'' mit seinem [[Monopteros (Tempel)|Monopteros]] und dem ''[[Opelbad]]'' bietet sich eine schöne Aussicht auf die Innenstadt bis hin zum Rhein. Auf der [[Taunus]]-Anhöhe ''Platte'' liegt das ehemalige [[klassizistisch]]e [[Jagdschloss Platte]], das Herzog [[Wilhelm I. (Nassau)|Wilhelm I.]] Anfang des 19. Jahrhunderts errichten ließ. 1945 wurde es bei einem Luftangriff zerstört. Als gesicherte Ruine und mit einem gläsernen Wetterschutzdach versehen, wird es heute als Veranstaltungsort für Feste genutzt. Die [[Burg Sonnenberg]] im Stadtteil [[Wiesbaden-Sonnenberg|Sonnenberg]] stammt aus dem 13. Jahrhundert und erhebt sich auf einem Felsen inmitten eines engen Tals. Von ihrem Turm aus kann man gut die größtenteils noch erhaltene Stadtmauer von Sonnenberg erkennen. Aus dem frühen 18. Jahrhundert stammt die als achteckiger Zentralbau ausgeführte [[barock]]e Dorfkirche von [[Wiesbaden-Naurod|Naurod]] am nordöstlichen Rand des Wiesbadener Stadtgebietes. Die ''Nikolauskirche'' im Stadtteil [[Wiesbaden-Bierstadt|Bierstadt]], eine [[Romanik|romanische]] Saalkirche mit Turm aus dem 12. Jahrhundert, ist die älteste Kirche Wiesbadens. Im Stadtteil [[Mainz-Kastel]] ist im ''Museum Römischer [[Ehrenbogen]]'' das Fundament des „Germanicus-Bogens“ zu sehen. Dieser Ehrenbogen war im Jahr 19&nbsp;n.&nbsp;Chr. zum Gedenken an den Feldherrn [[Germanicus|Germanicus Julius Caesar]], Sohn des [[Drusus]], erbaut worden und war über 20&nbsp;m hoch und mehr als 12&nbsp;m breit. Am Kasteler Rheinufer steht die 1832 bis 1833 als Festung des Deutschen Bundes erbaute ''[[Reduit]]''. Sie beherbergt das ''Museum Castellum'' mit Exponaten aus mehreren Epochen der Lokalgeschichte, unter anderem aus der Römerzeit. Im Norden Kastels liegt der 1497 als Teil der Kasteler [[Landwehr (Befestigung)|Landwehr]] errichtete Rundturm der ''Erbenheimer Warte''. Die [[Mosbacher Sande]], nach dem ehemaligen Dorf Mosbach zwischen Wiesbaden und Biebrich benannt, sind Fundstätte etwa 600.000&nbsp;Jahre alter Eiszeittiere. Ein Teil der Fundstätte liegt im gesperrten Gelände des Dyckerhoff-Steinbruchs im Wiesbadener Stadtteil [[Mainz-Amöneburg]]. Der [[Mosbacher Löwe|Mosbacher Löwe (Panthera leo fossilis)]] gilt als größter Löwe Europas. Das [[barock]]e ''[[Schloss Biebrich|Biebricher Schloss]]'' entstand 1700 bis 1750 direkt am Rheinufer in [[Wiesbaden-Biebrich]]. Das Residenzschloss der Nassauischen Herzöge liegt am Südende des 50&nbsp;[[Hektar|ha]] großen [[Schlosspark Biebrich|Schlossparks]], der im Stil englischer Landschaftsgärten mit einem Teich und der ''Mosburg'' als [[Künstliche Ruine|künstlicher Ruine]] angelegt wurde. Hier findet jedes Jahr zu Pfingsten das traditionelle ''Pfingst-Reitturnier'' (Dressur- und Springreiten) statt. Der [[Schiersteiner Hafen]] in [[Wiesbaden-Schierstein]] mit seiner [[Regattastrecke]] bietet eine schöne Hafenpromenade mit mediterranem Flair. Beim alljährlich im Juli stattfindenden ''Hafenfest'' mit abschließendem Feuerwerk wird auch ein [[Drachenboot]]-Rennen ausgerichtet. Unweit des Hafens steht in den engen Gassen des alten Ortskerns die [[barock]]e [[Christophoruskirche (Wiesbaden)|Christophoruskirche]]. Die ''Nassauische Touristikbahn'' unterhält auf einem Teilabschnitt der zwischen dem [[Bahnhof Wiesbaden Ost]] und [[Diez]] stillgelegten Strecke der [[Aartalbahn]] vom Heimatbahnhof [[Wiesbaden-Dotzheim]] aus einen [[Museumsbahn]]betrieb. Die Strecke ist in Hessen als [[Kulturdenkmal]] eingestuft und steht unter [[Denkmalschutz]].<ref name="NTB" /> Sie gilt vom Bahnhof Wiesbaden Ost bis zur Landesgrenze bei Aarbergen-Rückershausen mit 40 Bahn-Kilometern als längstes (technisches) [[Baudenkmal]] Hessens. Seit 800 Jahren steht auf einem Felsen in der Ortsmitte von [[Wiesbaden-Frauenstein|Frauenstein]] die gleichnamige [[Burg Frauenstein (Wiesbaden)|Burgruine]] mit einem erhaltenen [[Bergfried]]. Am nordwestlichen Stadtrand von Wiesbaden, schon im Waldgebiet des Taunus, ist der [[Tier- und Pflanzenpark Fasanerie]] ein beliebtes Ausflugsziel. Von hier aus sind auch Wanderungen auf den [[Schläferskopf]] mit seinem Aussichtsturm möglich. === Denkmale in Wiesbaden === <gallery> Datei:Wiesbaden Kaiser Wilhelm I. Denkmal die dankbare Stadt 1894 Park am warmen Damm Dresdner Bildhauer Johannes Schilling Foto 2009 Wolfgang Pehlemann Wiesbaden IMG 4681.jpg|Denkmal Kaiser Wilhelm I. (Park am warmen Damm) Datei:Wiesbaden Kaiser-Wilhelm-Denkmal Entwurf Bildhauer Johannes Schilling Wilhelmstraße Am warmen Damm Foto 2009 Wolfgang Pehlemann Wiesbaden Germany DSCN6883.jpg|Seitenansicht des Kaiser-Wilhelm-Denkmals Datei:Wiesbaden Friedrich III. Denkmal Kaiser-Friedrich-Platz am Nassauer Hof Foto 2009 Wolfgang Pehlemann Wiesbaden Germany DSCN6865.jpg|Kaiser-Friedrich-III.-Denkmal (Nassauer Hof) File:WI Denkmal mit dem springenden Pferd.jpg|Denkmale auf dem Luisenplatz Datei:LandesdenkmalWiesbadenAdolphNassauSO.JPG|[[Landesdenkmal (Wiesbaden)|Landesdenkmal]] an der Biebricher Allee Datei:Porajmos Denkmal Wiesbaden3.jpg|[[Mahnmal für die deportierten und ermordeten Wiesbadener Sinti und Roma]] Datei:Schillerdenkmal_in_Wiesbaden_20080406.jpg|[[Schillerdenkmal (Wiesbaden)|Friedrich-Schiller-Denkmal]] </gallery> == Kultur und Sport == → ''Hauptartikel: [[Kultur in Wiesbaden]]'' === Theater und sonstige Veranstaltungsorte === [[Datei:Staatstheater.jpg|miniatur|links|Staatstheater mit [[Friedrich Schiller]]-Denkmal]] Das am 16. Oktober 1894 von [[Wilhelm II. (Deutsches Reich)|Kaiser Wilhelm II.]] feierlich eröffnete heutige [[Hessisches Staatstheater Wiesbaden|Hessische Staatstheater]] ist das bedeutendste Theater der Stadt. Mit 600 Mitarbeitern bietet es auf insgesamt fünf Bühnen 20 Neuinszenierungen im Jahr.<ref>Daten zum Hessischen Staatstheater aus [http://www.staatstheater-wiesbaden.de/?page=theater www.staatstheater-wiesbaden.de]</ref> Alljährlich finden hier bereits seit 1896 die [[Internationale Maifestspiele|Internationalen Maifestspiele]] statt. Im Jahr 2004 fanden sich zu 886 Aufführungen über 300.000 Besucher ein. Dies bedeutete im Großen Haus eine Auslastung von rund 75&nbsp;Prozent.<ref>Zahlen aus dem [http://www.wiesbaden.de/medien/dokumente/leben/stadtportrait/Theater_Kino_KUZ_1_.pdf Jahrbuch 2008 des Amts für Statistik und Stadtforschung der Landeshauptstadt Wiesbaden, zugänglich unter wiesbaden.de]</ref> [[Datei:Wiesbaden Luftbild Kurhaus Spielbank links die Kolonnaden Bowling Green vorne Hessische Staatstheater Foto Wolfgang Pehlemann Wiesbaden IMG 0218.jpg|miniatur|Wiesbadener Kurhaus mit Festsälen und Spielbank]] Die [[Rhein-Main-Hallen]] an der Ecke Wilhelmstraße/Rheinstraße wurden 1957 eröffnet und in den letzten Jahren umfangreichen Modernisierungen unterzogen. Sie bilden häufig den Rahmen für Messen (zum Beispiel die jährlich stattfindende Verbrauchermesse „''HAFA''“), Konzerte, Kongresse und sonstige Veranstaltungen. Hier fand auch schon der bekannte von der [[Deutsche Sporthilfe|Deutschen Sporthilfe]] ausgerichtete ''Ball des Sports'' statt. Insgesamt sind es ca. 110 Veranstaltungen mit 400.000 Besuchern im Jahr.<ref>Informationen von [http://www.rhein-main-hallen.de www.rhein-main-hallen.de]</ref> Das [[Kurhaus Wiesbaden|Kurhaus]], in dem auch die [[Spielbank Wiesbaden|Spielbank]] untergebracht ist, beherbergt zwei Festsäle, in denen vor allem im größeren ''Friedrich-von-Thiersch-Saal'' ein breit gefächertes Kulturangebot dargeboten wird. Weitere bekannte Veranstaltungsorte sind das ''Pariser Hoftheater'', der ''Tattersall'', das [[Thalhaus]] und das [[Kulturzentrum Schlachthof (Wiesbaden)|Kulturzentrum Schlachthof]]. Außerdem befindet sich in Wiesbaden eine der ältesten Tanzschulen in Deutschland, die Tanzschule Bier, welche 1897 gegründet wurde und somit die älteste Tanzschule im Rhein-Main-Gebiet ist.<ref>[http://www.wiesbadener-tagblatt.de/region/wiesbaden/meldungen/7782767.htm Wiesbadener Tagblatt vom 31. Oktober 2009: Cha Cha Cha machte ihn in ganz Europa berühmt] Tanzlehrer-Legende Udo Bier starb im Alter von 80 Jahren</ref> === Museen === [[Datei:Landesmuseum Wiesbaden.JPG|miniatur|Das [[Museum Wiesbaden]] – Hessisches Landesmuseum]] Größtes Museum der Stadt, gleichzeitig Hessisches Landesmuseum, ist das [[Museum Wiesbaden]]. Es besitzt eine Kunstsammlung, eine [[Museum Wiesbaden#Naturhistorische Sammlung MWNH|Naturhistorische Sammlung]] und eine Sammlung Nassauischer Altertümer. Letztere soll den Grundstock für ein in den nächsten Jahren geplantes ''Stadtmuseum Wiesbaden'' bilden. Zu den bedeutendsten Exponaten des Museums zählt ein umfassendes Werk des russischen Künstlers [[Alexej von Jawlensky]] und eine der ältesten Insektensammlungen mit Schmetterlingen von [[Maria Sibylla Merian]]. Sehenswert sind darüber hinaus das ''Erfahrungsfeld der Sinne'' im [[Schloss Freudenberg]], das Frauenmuseum, einige Heimatmuseen in den Ortsteilen, das Deutsch-Jüdische Museum ([[Aktives Museum Spiegelgasse]]), das Museum der [[Burg Sonnenberg]] sowie die Freilichtmuseen mit römischen Ausgrabungsstücken am ''Römertor''. === Literaturangebote === [[Datei:VillaClementineWiesbaden2.jpg|miniatur|Literaturhaus [[Villa Clementine]] an der [[Wilhelmstraße (Wiesbaden)|Wilhelmstraße]]]] Die Stadt beherbergt mehrere große Bibliotheken. Dazu zählen die Bibliothek des [[Statistisches Bundesamt|Statistischen Bundesamtes]], die größte Spezialbibliothek für [[Statistik]] in Deutschland, die [[Hessische Landesbibliothek]] mit ca. 600.000 Bänden, das [[Hessisches Hauptstaatsarchiv|Hessische Hauptstaatsarchiv]], welches unter anderem historisch bedeutende Akten der hessischen Landesministerien aufbewahrt, das Stadtarchiv und eine Musikbibliothek. Außerdem verfügt Wiesbaden über eine zentrale Stadtbibliothek, 8 Stadtteilbibliotheken und zwei Fahrbibliotheken („Bücherbus“) mit insgesamt rund 160.000 Büchern und elektronischen Medien. Die [[Villa Clementine]] an der Wilhelmstraße wird als [[Literaturhaus]] genutzt. Hier hat der [[Presseclub (Verein)|Presseclub]] Wiesbaden seinen Sitz und es werden Lesungen und andere Literarische Veranstaltungen angeboten. ''siehe auch'': [[Wiesbadener Literaturtage]] === Sport === [[Datei:BritaArenaSVWehenWiesbadenTorGustavStresemannRing.JPG|miniatur|BritaArena des SV Wehen-Wiesbaden, Tor 2 am Gustav-Stresemann-Ring]] [[Datei:Stadion-wiesbaden-tribuene.jpg|miniatur|Das [[Stadion an der Berliner Straße]], bis Oktober 2007 größtes Stadion der Stadt]] Der Fußballverein [[SV Wiesbaden]] spielte lange im hochklassigen Amateurfußball. Seine Heimspiele trägt der SVW im [[Stadion an der Berliner Straße]] aus. Weitere wichtige Fußballvereine Wiesbadens sind die ''SG Germania Wiesbaden'', der ''Türkische SV Wiesbaden'', der [[FV Biebrich 02]], der ''FSV Schierstein 08'' sowie der etliche Sparten umfassende Großverein ''TuS Dotzheim''. Die ''SpVgg. Nassau Wiesbaden'' ist eine Hochburg des Wiesbadener Jugendfußballs. Die [[FVgg. Kastel 06]] spielte in den Jahren 1963/1964, 1974/1975 und von 1979 bis 1983 in der drittklassigen Amateurliga bzw. Amateur-Oberliga Hessen. Seit der Saison 2007/2008 trägt der aus dem rund zehn Kilometer von Wiesbaden entfernt liegenden [[Taunusstein]] nach Wiesbaden umgezogene [[SV Wehen Wiesbaden]] seine Spiele (zunächst in der [[2. Fußball-Bundesliga]], seit 2009 in der [[3. Fußball-Liga]]) in der neugebauten [[Brita-Arena]] aus. Die Damenmannschaft des [[1. VC Wiesbaden]] spielt derzeit in der [[Deutsche Volleyball-Bundesliga (Damen)|Bundesliga]], die Herren des TuS Eintracht Wiesbaden spielen in der Regionalliga [[Volleyball]]. Mit der ersten Herren-Mannschaft der Judoka vom Judo Club Wiesbaden 1922 e.&nbsp;V.<ref>[http://www.jcw.de Judo Club Wiesbaden 1922 e.&nbsp;V.]</ref> ist Wiesbaden seit mehreren Jahrzehnten in der ersten Bundesliga vertreten. Mit den [[Wiesbaden Phantoms]] verfügt Wiesbaden über ein [[American Football|Footballteam]], welches in der zweiten Bundesliga Süd spielt. Das wahrscheinlich wichtigste sportliche Ereignis ist das alljährlich stattfindende Pfingst-Reitturnier im [[Schlosspark Biebrich|Biebricher Schlosspark]]. Seit 2007 wird in Wiesbaden jährlich der ''[[Ironman 70.3]] Germany'' ausgetragen, beginnend mit einem Schwimmen im [[Schiersteiner Hafen]]. Aus dem [[Schützenverein]] Biebrich 1864 stammen einige Olympiateilnehmer und -sieger. Der Judo-Club Wiesbaden 1922 e.&nbsp;V. (der zu den drei ersten Judovereinen in Deutschland gehörte) stellt neben diversen Erfolgen im Jugendbereich auch eine Männermannschaft in der 1. Judo-Bundesliga und auch Abteilungen wie Ju-Jutsu sind international und national sehr erfolgreich. Seit der Saison 2007/2008 trägt auch der nahegelegene, ehemalige Deutsche Meister im Hallenhandball, die [[SG Wallau-Massenheim]] Aufsteiger in die 2. Bundesliga Süd, ihre Heimspiele in der Halle ''Elsässer Platz'' aus. Zudem gibt es auf dem Neroberg einen Hochseilgarten, den ''Kletterwald Neroberg''. Er bietet drei Parcours sowohl für Anfänger als auch für Fortgeschrittene. === Regelmäßige Veranstaltungen === Nachfolgend eine Auswahl der regelmäßigen Wiesbadener Veranstaltungen<ref>Informationen zu den regelmäßigen Veranstaltungen aus [http://www.wiesbaden.de/leben-in-wiesbaden/freizeit/feste-maerkte/index.php www.wiesbaden.de]</ref>: ==== Fastnacht (Fünfte Jahreszeit) ==== Am Fastnachtssamstag findet in den Vororten Kastel und Kostheim ein Fastnachtsumzug statt, am Fastnachtssonntag folgt dann der große Umzug durch die Wiesbadener Innenstadt, der regelmäßig eine sechsstellige Besucherzahl anzieht. Am Rosenmontag gibt es dann im Vorort Frauenstein noch einen Umzug. Neben den Umzügen gibt es noch eine ganze Reihe weiterer karnevalistischer Veranstaltungen. ==== Frühjahr ==== Die Wiesbadener Veranstaltungssaison beginnt Ende März/Anfang April mit [[goEast]], einem Festival des mittel- und osteuropäischen Films. Dieses wurde im Jahr 2001 vom [[Deutsches Filminstitut|Deutschen Filminstitut]] gegründet, um Filme unserer östlichen Nachbarn dem deutschen Zuschauer näher zubringen. Hauptorte der Vorführungen sind das Festivalkino [[Kultur in Wiesbaden#Lichtspieltheater/Kino|Caligari]] und die [[Villa Clementine]]. Im Mai trägt das Hessische Staatstheater die [[Internationale Maifestspiele|Internationalen Maifestspiele]] aus, die bereits im Jahr 1896 das erste Mal stattfanden. Vorbild waren damals die [[Richard-Wagner-Festspiele]] von [[Bayreuth]]. Ebenfalls im Mai beginnt mit dem ''Äppelblütefest'' im Stadtteil [[Wiesbaden-Naurod|Naurod]] die Freiluftsaison. Hierbei handelt es sich um ein traditionelles Apfelblütenfest, bei dem in Höfen entlang der Hauptstraße hauptsächlich [[Apfelwein]] ausgeschenkt wird. Begleitet wird dies von mehreren Festzelten und Fahrgeschäften. Der sportlich-gesellschaftliche Höhepunkt findet dann an Pfingsten im [[Schlosspark Biebrich|Schlosspark zu Biebrich]] statt: das ''Internationale Reit- und Springturnier'', bei dem regelmäßig alle Größen des internationalen Reitsports vertreten sind. Parallel wird auf dem ''Kranzplatz'' in der Innenstadt in direkter Nachbarschaft zur [[Hessische Staatskanzlei|Hessischen Staatskanzlei]] das ''Kranzplatzfest'' ausgerichtet. ==== Sommer ==== Der Sommer beginnt mit einer Großveranstaltung: am zweiten Juniwochenende wird die [[Wilhelmstraße (Wiesbaden)|Wilhelmstraße]] Schauplatz des ''Theatriums'', welches im Volksmund nur [[Wilhelmstraßenfest]] genannt wird. Der offizielle Name leitet sich ab aus „Theater“ und lat. „''atrium''“&nbsp;=&nbsp;„''im Freien''“. Es handelt sich hierbei um das größte Straßenfest Deutschlands, bei dem an Samstag und Sonntag rund 400.000 Besucher kommen. Neben kulinarischen Spezialitäten gibt es Musik auf sechs Bühnen. Das Wilhelmstraßenfest gibt es seit 1977. Im Juli wird die Uferpromenade in [[Wiesbaden-Schierstein|Schierstein]] zur Aussichtsplattform für das [[Drachenboot]]rennen im Rahmen des [[Schiersteiner Hafen]]fests. Im Juli/August werden zusammen mit der Stadt Mainz zum Teil mit gemeinsamen Touren die ''[[Skatenight|Skate Nights]]'' ausgetragen. Ein weiterer Höhepunkt ist dann im August die [[Rheingauer Weinwoche]] (umgangssprachlich nur als ''[[Weinfest]]'' bezeichnet) auf dem [[Schloßplatz (Wiesbaden)|Schlossplatz]] und [[Dernsches Gelände|Dern’schen Gelände]]. Auf der „''Längsten Weintheke der Welt''“ wird an über 100 Ständen ausschließlich [[Rheingau (Weinbaugebiet)|Rheingauer Wein]] ausgeschenkt. Ende August veranstaltet der [[Kulturzentrum Schlachthof (Wiesbaden)|Schlachthof]] das alternative Festival Folklore 008 in unmittelbarer Nachbarschaft des Hauptbahnhofes. Es löst das sehr beliebte Festival im Park von [[Schloss Freudenberg]] „''Folklore im Garten''“ ab, welches mit Musik und einem Markt für Kunsthandwerk aufwarten konnte. ==== Herbst ==== Am letzten Wochenende im August wird im [[Hessisches Staatstheater Wiesbaden|Hessischen Staatstheater]] mit einem Theaterfest die neue Spielzeit eröffnet. Bei freiem Eintritt darf hinter den Kulissen aufregende Theaterluft geschnuppert werden. Im September initiiert der [[Nassauischer Kunstverein|Nassauische Kunstverein]] unter dem Namen „''ZusammenKunst''“ den gemeinsamen Saisonstart aller Wiesbadener Museen und Galerien. Im November findet das exground filmfest <ref>[http://exground-filmfest.de/ Internetpräsenz des exground filmfest]</ref> in den Kinos der Stadt statt. Ebenfalls im November zeigt die Verbrauchermesse „''Hafa''“ (=&nbsp;„Hessens aktuelle Familien-Ausstellung“) in den ''Rhein-Main-Hallen'' Neues für den Verbraucher. Ende November findet das Internationale Jazzfestival ''Just Music'' statt. ==== Winter ==== Ab dem vierten Donnerstag im Oktober bildet der ''Elsässer'' Platz im Westend die Bühne für den „''Andreasmarkt''“. Dieses älteste Wiesbadener Volksfest lässt sich bis in das Jahr 1350 zurückverfolgen. Der Wiesbadener Weihnachtsmarkt, „''Sternschnuppenmarkt''“ genannt, ist seit einigen Jahren wieder auf dem Schlossplatz und Dern’schen Gelände angesiedelt. An [[Silvester]] gibt es schließlich eine große Feier mit Feuerwerk und Musikuntermalung auf dem [[Bowling Green (Wiesbaden)|Bowling Green]] vor dem [[Kurhaus Wiesbaden|Kurhaus]]. == Persönlichkeiten == === Ehrenbürger === → ''Hauptartikel: [[Liste der Ehrenbürger von Wiesbaden]]'' Die Stadt Wiesbaden hat seit 1892 24 Personen das Ehrenbürgerrecht verliehen. Zu den bekanntesten zählen [[Wilhelm von Opel]], Sohn von [[Adam Opel]], dem Gründer des gleichnamigen [[Opel|Automobilherstellers]] (Verleihung 1933), [[Georg August Zinn]], hessischer Ministerpräsident von 1951 bis 1969 (Verleihung 1966), [[Martin Niemöller]], Theologe und Widerstandskämpfer gegen den Nationalsozialismus (Verleihung 1975) und der Chemiker [[Wilhelm Fresenius]] (Verleihung 1985). Daneben wurden auch einige ehemalige Oberbürgermeister mit dem Titel geehrt, darunter [[Georg Krücke]] (1955), [[Georg Buch]] (1968) und [[Rudi Schmitt]] (1995). === In Wiesbaden geborene Persönlichkeiten und weitere bedeutende Persönlichkeiten der Stadt === → ''Hauptartikel: [[Liste der Söhne und Töchter der Stadt Wiesbaden]]'' === Wiesbadener Maler und Bildhauer === → ''Hauptartikel: [[Wiesbadener Maler und Bildhauer]]'' == Literatur == * Dirk M. Becker: ''Wiesbaden - Der literarische Stadtführer.'' Universum Verlag, Wiesbaden 2009, 2., aktualisierte Auflage, ISBN 978-3-89869-250-2. * Dirk M. Becker: ''vivat Wiesbaden. Spaziergänge zwischen Tradition und Moderne.'' Universum Verlag, Wiesbaden 2005, ISBN 3-89869-141-1. * Thomas Weichel: ''Die Bürger von Wiesbaden''. Oldenbourg, April 2001, ISBN 3-486-56126-X. * [[Fritz Mielert]]: ''Wiesbaden.'' Berühmte Städte, Bäder, Landschaften, Band 1. Verlag Wilhelm Ruhfus, Dortmund 1926. * Tanja Köhler/Norbert Wank: ''Wiesbaden''. Dumont-Reiseverlag. Ostfildern 2008, ISBN 3-7701-6533-0 (aus der Reihe „DUMONT direkt“). * ''Wiesbaden und Rheingau zu Fuß. 22 Rundgänge durch Geschichte und Gegenwart''. Hrsg. v. d. Geschichtswerkstatt Wiesbaden e.&nbsp;V. EDITION 6065, Wiesbaden 2002, ISBN 3-9804715-8-6. * Klaus Kopp: ''Wasser von Taunus, Rhein und Ried: aus 2 Jahrtausenden Wiesbadener Wasserversorgung''. verl. v. Stadtwerke Wiesbaden AG. Wiesbaden 1986, ISBN 3-9801288-0-6. * ''Bildung für alle! Kulturleben und Bildungsstreben in Wiesbaden seit 1800''. EDITION 6065. Wiesbaden 2000, ISBN 3-9804715-7-8. * Oswald Burger/Hansjörg Straub: ''Die Levingers. Eine Familie in Überlingen.'' Eggingen 2002, ISBN 3-86142-117-8 (Geschildert wird neben der Überlinger Zeit auch die Zeit in Wiesbaden während der NS-Zeit und als Mitglied der Wiesbadener Casino-Gesellschaft). * Manfred Gerber: ''Das Kurhaus Wiesbaden. Kaleidoskop eines Jahrhunderts''. Monumente-Publikationen der Deutschen Stiftung Denkmalschutz. Bonn 2007, ISBN 978-3-936942-84-2. == Filme == * [[Bilderbuch Deutschland]]: ''Wiesbaden: [[Nizza]] des Nordens.'' Produktion: [[Hessischer Rundfunk|hr]], Erstsendung: 19.&nbsp;November 2006 ([http://www.hr-online.de/website/rubriken/freizeit/index.jsp?rubrik=4352&key=standard_document_799174 Inhaltsangabe]) == Einzelnachweise == <references /> == Siehe auch == {{Portal|Frankfurt Rhein-Main}} == Weblinks == {{Commons|Wiesbaden}} {{Commonscat}} {{Wikisource|Wiesbaden}} {{Wiktionary|Wiesbaden}} {{Wikinews|Portal:Wiesbaden|Wiesbaden}} {{dmoz|World/Deutsch/Regional/Europa/Deutschland/Hessen/St%c3%a4dte_und_Gemeinden/W/Wiesbaden/|Wiesbaden}} * [http://www.wiesbaden-fotos.de/ Wiesbaden im Bild] {{NaviBlock |Navigationsleiste Deutsche Landeshauptstädte |Navigationsleiste Landkreise und kreisfreie Städte in Hessen |Navigationsleiste Ortsbezirke in Wiesbaden }} {{Exzellent}} [[Kategorie:Ort in Hessen]] [[Kategorie:Wiesbaden| ]] [[Kategorie:Kreisfreie Stadt in Hessen]] [[Kategorie:Gemeinde in Hessen]] [[Kategorie:Deutsche Landeshauptstadt]] [[Kategorie:Thermalbad in Deutschland]] [[Kategorie:Kurort in Hessen]] [[Kategorie:Weinort]] [[Kategorie:Ehemaliger Residenzort in Hessen]] [[Kategorie:Ehemalige Herzogsresidenz]] [[Kategorie:Nassau]] {{link FA|hu}} [[af:Wiesbaden]] [[an:Wiesbaden]] [[ar:فيسبادن]] [[ast:Wiesbaden]] [[az:Visbaden]] [[bar:Wiasbån]] [[bg:Висбаден]] [[br:Wiesbaden]] [[bs:Wiesbaden]] [[ca:Wiesbaden]] [[cs:Wiesbaden]] [[cy:Wiesbaden]] [[da:Wiesbaden]] [[dsb:Wiesbaden]] [[el:Βιζμπάντεν]] [[en:Wiesbaden]] [[eo:Wiesbaden]] [[es:Wiesbaden]] [[et:Wiesbaden]] [[eu:Wiesbaden]] [[fa:ویسبادن]] [[fi:Wiesbaden]] [[fj:Wiesbaden]] [[fr:Wiesbaden]] [[fur:Wiesbaden]] [[fy:Wiesbaden]] [[ga:Wiesbaden]] [[gl:Wiesbaden]] [[he:ויסבאדן]] [[hr:Wiesbaden]] [[hu:Wiesbaden]] [[id:Wiesbaden]] [[io:Wiesbaden]] [[is:Wiesbaden]] [[it:Wiesbaden]] [[ja:ヴィースバーデン]] [[jv:Wiesbaden]] [[kk:Висбаден]] [[ko:비스바덴]] [[ksh:Wiesbaden]] [[ku:Wiesbaden]] [[la:Aquae Mattiacae]] [[lb:Wiesbaden]] [[li:Wiesbaden]] [[lij:Wiesbaden]] [[lmo:Wiesbaden]] [[lt:Vysbadenas]] [[lv:Vīsbādene]] [[mk:Визбаден]] [[mr:वीसबाडेन]] [[ms:Wiesbaden]] [[nah:Wiesbaden]] [[nap:Wiesbaden]] [[nds:Wiesbaden]] [[nl:Wiesbaden]] [[nn:Wiesbaden]] [[no:Wiesbaden]] [[oc:Wiesbaden]] [[pam:Wiesbaden]] [[pdc:Wiesbaden]] [[pl:Wiesbaden]] [[pms:Wiesbaden]] [[pnb:ولزبادن]] [[pt:Wiesbaden]] [[qu:Wiesbaden]] [[ro:Wiesbaden]] [[roa-rup:Wiesbaden]] [[ru:Висбаден]] [[sc:Wiesbaden]] [[scn:Wiesbaden]] [[sco:Wiesbaden]] [[sh:Wiesbaden]] [[simple:Wiesbaden]] [[sk:Wiesbaden]] [[sl:Wiesbaden]] [[sq:Wiesbaden]] [[sr:Висбаден]] [[sv:Wiesbaden]] [[sw:Wiesbaden]] [[tg:Висбаден]] [[th:วีสบาเดิน]] [[tr:Wiesbaden]] [[uk:Вісбаден]] [[uz:Wiesbaden]] [[vec:Wiesbaden]] [[vi:Wiesbaden]] [[vo:Wiesbaden]] [[war:Wiesbaden]] [[yo:Wiesbaden]] [[zh:威斯巴登]] [[zh-min-nan:Wiesbaden]] rvyjsidbx86vcwy1vxz1ty2lxain3lf wikitext text/x-wiki Zirconium 0 23519 27319 27299 2010-06-06T21:46:01Z 91.89.4.244 Der Seiteninhalt wurde durch einen anderen Text ersetzt: „Version 2“ Version 2 a98lslb5pgwh35rdhxz89hi42j25zi6 wikitext text/x-wiki Hannah Arendt 0 23520 26119 2010-04-22T20:01:02Z Jan eissfeldt 0 /* Arabischer Antisemitismus */ k [[Datei:Stamps of Germany (Berlin) 1988, MiNr 826.jpg|miniatur|Hannah Arendt auf einer Briefmarke der Dauermarkenserie ''[[Frauen der deutschen Geschichte]]'', Deutsche Bundespost Berlin 1988]] '''Hannah Arendt''' (* [[14. Oktober]] [[1906]] in [[Linden-Limmer#Linden|Linden]], heute Teil von [[Hannover]]; † [[4. Dezember]] [[1975]] in [[New York City|New York]]; eigentlich ''Johanna Arendt'') war eine [[Judentum|jüdische]], [[Deutschland|deutsch]]-[[Vereinigte Staaten|amerikanische]] Publizistin und Gelehrte. Die Entrechtung und Verfolgung von Menschen jüdischer Abstammung seit 1933 sowie ihre eigene kurzfristige Inhaftierung im selben Jahr veranlassten sie zur [[Auswanderung|Emigration]] aus Deutschland. Vom [[Deutsches Reich 1933 bis 1945|nationalsozialistischen Regime]] 1937 ausgebürgert, war sie [[Staatenlose|staatenlos]], bis sie 1951 die Staatsbürgerschaft der USA erhielt. Sie war unter anderem als Journalistin und Hochschullehrerin tätig und veröffentlichte wichtige Beiträge zur politischen Philosophie. Gleichwohl lehnte sie es in ihren späten Jahren ab, als „Philosophin“ bezeichnet zu werden. Auch dem Begriff „[[Politische Philosophie]]“ stand sie eher distanziert gegenüber; sie bevorzugte für ihre entsprechenden Publikationen die Bezeichnung „[[Politische Theorie und Ideengeschichte|Politische Theorie]].“ Arendt vertrat ein Konzept von „[[Pluralismus (Politik)|Pluralität]]“ im politischen Raum. Demnach besteht zwischen den Menschen eine potentielle Freiheit und Gleichheit in der Politik. Wichtig ist es, die [[Perspektive]] des anderen einzunehmen. An politischen Vereinbarungen, Verträgen und Verfassungen sollten auf möglichst konkreten Ebenen gewillte und geeignete Personen beteiligt sein. Auf Grund dieser Auffassung stand sie rein [[Repräsentative Demokratie|repräsentativen Demokratien]] kritisch gegenüber und bevorzugte [[Räterepublik|Rätesysteme]] bzw. Formen [[Direkte Demokratie|direkter Demokratie]]. Nicht zuletzt auf Grund ihrer zahlreichen theoretischen Auseinandersetzungen mit Philosophen wie [[Sokrates]], [[Platon]], [[Aristoteles]], [[Immanuel Kant]], [[Martin Heidegger]] und [[Karl Jaspers]] sowie mit den maßgeblichen Vertretern der neuzeitlichen politischen Philosophie wie [[Niccolò Machiavelli|Machiavelli]], [[Charles de Secondat, Baron de Montesquieu|Montesquieu]] und [[Alexis de Tocqueville|Tocqueville]], wird sie dennoch häufig als [[Philosoph]]in bezeichnet. Gerade wegen ihres eigenständigen Denkens, der [[Totalitarismus#Das Modell totaler Herrschaft nach Hannah Arendt|Theorie der totalen Herrschaft]], ihrer [[Existenzphilosophie|existenzphilosophischen]] Arbeiten und ihrer Forderung nach freien politischen Diskussionen nimmt sie in den Debatten der Gegenwart eine bedeutende Rolle ein. Als Quellen für ihre Überlegungen nutzte Arendt neben philosophischen, politischen und historischen Dokumenten unter anderem Biografien und literarische Werke. Diese Texte wertete sie wortgetreu aus und konfrontierte sie mit ihren Denkansätzen. Ihre – teilweise von Heidegger beeinflusste – Herangehensweise macht sie zu einer häufig mit eigensinnigen Ideen aufwartenden Denkerin zwischen den universitären Fachgebieten. == Leben und Werk == === Kindheit und Jugend === [[Datei:Hannah Arendt Tafel.jpg|miniatur|Gedenktafel am Geburtshaus in [[Hannover]], [[Lindener Marktplatz]] 2]] Johanna Arendt wurde 1906 als Tochter [[Säkularisierung|säkularer]] jüdischer Eltern bei Hannover geboren. Ihre Vorfahren stammten aus [[Königsberg (Preußen)|Königsberg]], wohin ihr schwer erkrankter Vater und die Mutter (geb. Cohn) zurückkehrten, als sie kaum drei Jahre alt war. Nach dem frühen Tod des Vaters (1913) wurde sie von ihrer sozialdemokratisch eingestellten Mutter freiheitlich erzogen. In den gebildeten Kreisen Königsbergs, in denen sie aufwuchs, war die Mädchenbildung selbstverständlich. Durch die Großeltern hatte sie das liberale [[Reformjudentum]] kennen gelernt. Sie gehörte keiner religiösen Gemeinschaft an, verstand sich jedoch immer als Jüdin. Bereits im Alter von 14 Jahren las sie Kants ''[[Kritik der reinen Vernunft]]'' und [[Karl Jaspers|Jaspers]]' ''Psychologie der Weltanschauungen''. Sie musste die Schule wegen Differenzen mit einem Lehrer verlassen, ging anschließend nach Berlin, wo sie ohne formalen Schulabschluss unter anderem Vorlesungen zur christlichen Theologie besuchte und sich zum ersten Mal mit [[Søren Kierkegaard]] beschäftigte. Zurück in Königsberg, bestand sie 1924 als externer Prüfling das Abitur. === Studienzeit === [[Datei:Hannah Arendt Plaque in Marburg-trimmed.jpg|miniatur|links|Gedenktafel an Arendts Wohnhaus, Marburg, Lutherstr. 4.]] 1924 nahm sie ihr Studium an der [[Philipps-Universität Marburg|Universität Marburg]] auf und hörte ein Jahr lang Philosophie bei Martin Heidegger und [[Nicolai Hartmann]], Evangelische Theologie bei [[Rudolf Bultmann]], außerdem Griechisch. Der 35-jährige Familienvater Heidegger und die 17 Jahre jüngere Studentin verliebten sich ineinander. Anfang 1926 fasste sie den Entschluss, den Studienort zu wechseln und ging für ein Semester zu [[Edmund Husserl]] nach [[Albert-Ludwigs-Universität Freiburg|Frei­burg]]. In [[Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg|Heidelberg]] studierte sie anschließend Philosophie und promovierte 1928 bei Karl Jaspers mit der Arbeit ''[[Der Liebesbegriff bei Augustin]]''. Mit Jaspers blieb sie bis zu dessen Tod freundschaftlich verbunden. Während Arendt in Marburg wegen ihrer Beziehung zu Heidegger, die dieser geheimhalten wollte, sehr zurückgezogen lebte und lediglich zu ihrem Kommilitonen [[Hans Jonas]] sowie ihren Königsberger Freunden Kontakte pflegte, weitete sie ihren Freundeskreis in Heidelberg aus. Dazu gehörten Karl Frankenstein, der 1928 eine geschichtsphilosophische Dissertation vorlegte, der [[Carl Gustav Jung|Jungianer]] [[Erich Neumann (Psychologe)|Erich Neumann]] und [[Erwin Loewenson]], ein expressionistischer Essayist. Auch Jonas kam nach Heidelberg und arbeitete dort ebenfalls über Augustinus. Ein anderer Kreis erschloss sich ihr durch die Freundschaft mit [[Benno von Wiese]] und die von Jaspers empfohlenen Vorlesungen von [[Friedrich Gundolf]]. Große Bedeutung hatte für sie zudem [[Kurt Blumenfeld]], der Geschäftsführer und Hauptsprecher der deutschen [[Zionismus|Zionistenorganisation]], dessen Thema die Erforschung der so genannten [[Judenfrage]] und der [[Assimilation (Soziologie)|Assimilation]] war. Ihm verdanke sie, heißt es in einem Brief aus dem Jahr 1951, ihr Verständnis für die Situation der [[Judentum|Juden]].<ref>''Die Korrespondenz: Hannah Arendt, Kurt Blumenfeld.'' Hamburg 1995, S. 52.</ref> === Heirat, Beginn der NS-Herrschaft, erste politische Aktivitäten === [[Datei:Gedenktafel Opitzstr 6 (Stegl) Hannah Arendt.JPG|miniatur|[[Berliner Gedenktafel]] am Haus Opitzstraße 6, in [[Berlin-Steglitz]]]] Ihr erstes Buch trägt den Titel ''[[Der Liebesbegriff bei Augustin|Der Liebesbegriff bei Augustin. Versuch einer philosophischen Interpretation]].'' Es handelt sich um ihre bereits im Alter von 22 Jahren verfasste und 1929 in Berlin gedruckte Dissertation. Darin verbindet sie philosophische Ansätze Martin Heideggers mit denen von Karl Jaspers und betont bereits damals die wichtige Rolle der Geburt für das Individuum wie auch für seine Mitmenschen. Damit grenzt sie sich von ihrem Lehrer Heidegger ab, der das Leben als ein „Vorlaufen“ zum Tod auffasste.<ref>Elisabeth Young-Bruehl: ''Hannah Arendt. Leben und Zeit.'' Frankfurt a.M. 1986, S. 123–127.</ref> Das Werk wurde in wichtigen philosophischen und literarischen Publikationen besprochen. Auf Kritik stieß, dass sie Augustinus als Philosophen betrachtet und nicht als [[Kirchenvater]]. Außerdem wurde bemängelt, dass sie neuere theologische Literatur nicht zitiert habe. In Berlin traf sie ebenfalls 1929 [[Günther Anders|Günther Stern]] wieder, den sie schon aus Marburg kannte.<ref>Ursula Ludz (Hrsg.), ''Hannah Arendt / Martin Heidegger, Briefe 1925-1975''. Frankfurt a.M., Vittorio Klostermann, 1999², S. 50 f. (Brief H. an A. vom 18. Oktober 1925)</ref> Kurz darauf zog sie mit ihm zusammen, für die damalige Zeit ein von der öffentlichen Meinung verpöntes Verhalten; die beiden heirateten noch im selben Jahr. Nach einem kurzen Aufenthalt in Heidelberg wohnte das Ehepaar ein Jahr in Frankfurt. Arendt schrieb für die ''[[Frankfurter Zeitung]]'' und besuchte Seminare bei [[Paul Tillich]] und [[Karl Mannheim]], dessen Buch ''Ideologie und Utopie'' sie rezensierte.<ref> [http://www.bard.edu/library/archive/arendt/pdfs/arendt-gerDerStreit.pdf]''Philosophie und Soziologie. Rezension.'' In: Die Gesellschaft, 1930, 163 ff.</ref> Zugleich befasste sie sich mit [[Rahel Varnhagen von Ense|Rahel Varnhagen]], einer assimilierten intellektuellen Jüdin der [[Romantik]]. Als sich abzeichnete, dass Sterns Habilitationsschrift von [[Theodor W. Adorno]] nicht akzeptiert werden würde, gingen beide wieder nach Berlin. Dort begann Arendt, angelegt als Habilitation, mit der Arbeit an ihrem Werk über Rahel Varnhagen. Nach einem positiven Gutachten von Jaspers, der weitere Gutachten von Heidegger und [[Martin Dibelius|Dibelius]] besorgte, wurde die Studie durch ein Stipendium der [[Notgemeinschaft der deutschen Wissenschaft|Notgemeinschaft der Deutschen Wissenschaft]] gefördert. Gleichzeitig begann sich Arendt mehr für politische Fragen zu interessieren. Sie las [[Karl Marx|Marx]] und [[Leo Trotzki|Trotzki]] und knüpfte neue Kontakte an der ''Hochschule für Politik''. Die Ausgrenzung der Juden trotz Assimilation analysierte sie anhand des erstmals von [[Max Weber]] in Bezug auf die Juden verwendeten Begriffs „[[Paria]]“ ([[Außenseiter]]). Sie stellte diesem, angeregt durch die Schriften [[Bernard Lazare]]s, den entgegengesetzten [[Terminus technicus|Terminus]] des „[[Parvenü|Parvenu]]“ (Aufsteiger) gegenüber. 1932 veröffentlichte sie in der Zeitschrift ''Geschichte der Juden in Deutschland'' den Artikel ''[[Aufklärung und Judenfrage]],'' in dem sie in der Auseinandersetzung mit [[Gotthold Ephraim Lessing|Lessing]] und [[Moses Mendelssohn|Mendelssohn]] als Aufklärer und [[Johann Gottfried Herder|Herder]] als Vorläufer der Romantik ihre Ideen über die Eigenständigkeit des Judentums entwickelte.<ref>''Aufklärung und Judenfrage.'' In: ''Geschichte der Juden in Deutschland.'' 4. Jahrgang, Heft 2/3, Berlin 1932. Wieder in: H.A., Die verborgene Tradition. Acht Essays. Suhrkamp 1976, S. 108–126. Engl. Fassung in: H.A., Jewish Writings. Hg. Jerome Kohn & Ron Feldman. Schocken, New York 2007</ref> Ebenfalls 1932 verfasste sie eine Rezension über das Buch ''Das Frauenproblem in der Gegenwart'' von [[Alice Rühle-Gerstel]],<ref> ''Rezension über Alice Rühle-Gerstel: Das Frauenproblem in der Gegenwart. Eine psychologische Bilanz.'' In: ''Gesellschaft'', Jg. 10, Nr. 2, 1932, S. 177–179. </ref> in der sie die [[Frauenbewegung|Frauenemanzipation]] im öffentlichen Leben würdigte, ihr jedoch die Beschränkungen – insbesondere in der Ehe und im Arbeitsleben – gegenüber stellte. Sie konstatierte die ''„faktische Geringschätzung“'' der Frau in der Gesellschaft und kritisierte die Pflichten, die mit ihrer Unabhängigkeit nicht zu vereinbaren seien. Der [[Frauenbewegung]] stand Hannah Arendt indes distanziert gegenüber. Die politischen Fronten seien ''„Männerfronten,“'' betonte sie einerseits. Andererseits sah sie jedoch die ''„Fragwürdigkeit“'' der Frauenbewegung ebenso wie die der [[Jugendbewegung]], weil beide – klassenübergreifend angelegt – dabei scheitern müssten, einflussreiche politische Parteien zu bilden. Kurz vor [[Adolf Hitler]]s Machtantritt versuchte Karl Jaspers, sie in mehreren Briefen davon zu überzeugen, dass sie sich als Deutsche betrachten solle. Dies lehnte sie stets mit dem Hinweis auf ihre jüdische Existenz ab. Sie schrieb ''„Für mich ist Deutschland die Muttersprache, die Philosophie und die Dichtung.“'' Ansonsten fühlte sie sich zur Distanz verpflichtet. Besonders kritisierte sie den von Jaspers gebrauchten Ausdruck „''Deutsches Wesen.''“ Jaspers antwortete: ''„Es ist mir wunderlich, daß Sie als Jüdin sich vom Deutschen unterscheiden wollen.“''<ref>Hannah Arendt und Karl Jaspers: ''Briefwechsel 1926–1969''. München 2001, S. 52 ff.</ref> Diese kontroversen Positionen nahmen beide auch nach dem Krieg ein. Schon 1932 dachte sie an Emigration, blieb jedoch zunächst in Deutschland, als ihr Mann im März 1933 nach Paris emigrierte, und wurde erstmals politisch aktiv. Vermittelt durch Kurt Blumenfeld, war sie für eine [[Zionismus|zionistische]] Organisation tätig, um die beginnende [[Judenfeindlichkeit|Judenverfolgung]] zu recherchieren. Ihre Wohnung diente Flüchtlingen als Zwischenstation. Im Juli 1933 wurde sie verhaftet und kam für acht Tage in [[Geheime Staatspolizei|Gestapo-Haft]]. Gegenüber [[Günter Gaus]] äußert sie sich über ihr Motiv: ''„Wenn man als Jude angegriffen wird, muss man sich als Jude verteidigen.“''<ref>[http://www.rbb-online.de/zurperson/interview_archiv/arendt_hannah.html Transkript des Interviews Arendt–Gaus], 1964. Zum Verständnis ihres Judentums siehe Iris Pilling: ''Denken und Handeln als Jüdin. Hannah Arendts politische Theorie vor 1950.'' Frankfurt a.M. u.a. 1996; und Michael Daxner (2006): [http://www.uni-oldenburg.de/arendt-zentrum/download/Hannah_Arendt_Ringvorlesung.pdf ''Die jüdische Gestalt von Hannah Arendt''].</ref> Bereits 1933 vertrat sie die Auffassung, dass das nationalsozialistische Regime aktiv zu bekämpfen sei. Sie stand damit im Gegensatz zu vielen gebildeten Deutschen, teilweise sogar mit jüdischem Hintergrund, die sich mit dem [[Nationalsozialismus]] arrangieren wollten, die neuen Herrscher manchmal sogar lobten oder die Diktatur zunächst unterschätzten. Im Gaus-Interview<ref>[http://www.rbb-online.de/zurperson/interview_archiv/arendt_hannah.html Transkript des Interviews Arendt–Gaus], 1964.</ref> drückte sie ihre Verachtung für die umgehende – damals noch freiwillige – ''„Gleichschaltung“'' der meisten Intellektuellen aus. Arendt war davon abgestoßen und wollte mit dieser Art von [[Affirmation|affirmativen]], [[Opportunismus|opportunistischen]] oder sogar begeisterten Gelehrten nichts gemein haben. Hieraus resultierte auch der Streit mit [[Leo Strauss]], dessen konservative Auffassungen sie ablehnte. Ebenso war sie von Heidegger enttäuscht, der bereits Anfang 1933 der [[Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei|NSDAP]] beigetreten war. Daraufhin brach sie den Kontakt ab und traf ihn erstmals 1950 wieder. Auch die Freundschaft mit Benno von Wiese beendete sie, als er sich frühzeitig dem Nationalsozialismus zuwandte und ebenfalls 1933 Parteimitglied wurde.<ref>In der Nachkriegszeit nahm Benno von Wiese den Kontakt wieder auf, den A. jedoch nach einigen Jahren ein zweites Mal abbrach wegen seiner öffentlichen Bagatellisierung seiner Beteiligung an der NS-Gleichschaltung. 1933 hatte er sich für die „Entfernung des jüdischen Blutes“ von deutschen Universitäten ausgesprochen.[http://hannaharendt.net/documents/bennovwieseIV.html Rezension von Marie-Luise Knott, 3/2008] Dieser bisher unveröffentlichte Briefwechsel ist in Auszügen enthalten in: Klaus-Dieter Rossade: ''„Dem Zeitgeist erlegen.“ Benno von Wiese und der Nationalsozialismus''. Synchron, Heidelberg 2007. ISBN 978-3-935025-81-2 (Studien zur Wissenschafts- und Universitätsgeschichte ; Bd. 9) </ref> Diese Erfahrung der tiefen Entfremdung von Freunden beschrieb sie in ihren Werken und in ihrer Korrespondenz mehrmals. Sie ging davon aus, dass es sich jeweils um Willensentscheidungen handelte, für die der Einzelne verantwortlich war. Noch kurz vor ihrem Tod stellte sie fest: gerade viele professionelle Denker hätten hinsichtlich des [[Zeit des Nationalsozialismus|Nationalsozialismus]] versagt, als sie sich für das Regime engagierten. Arendt verlangte nicht von jedem aktiven Widerstand. Schon das Schweigen erkannte sie als Ablehnung der totalen Herrschaft an.<ref>Arendt an Jaspers S. 126 (Mitte 1947)</ref> === Exil, zweite Ehe und Engagement für jüdische Flüchtlinge === Über das tschechische [[Karlsbad]], [[Genua]] und [[Genf]] emigrierte sie 1933 zunächst nach Frankreich. In Paris war sie, ohne Papiere, wiederum für zionistische Organisationen tätig, die beispielsweise [[Kinder- und Jugend-Alijah|jüdischen Jugendlichen]] zur Flucht nach [[Völkerbundsmandat für Palästina|Palästina]] verhalfen. Sie arbeitete wissenschaftlich über den Antisemitismus und hielt Vorträge vor verschiedenen Vereinigungen sowie in der [[Freie Deutsche Hochschule Paris|Freien Deutschen Hochschule Paris]]. Hannah Arendt und ihr Ehemann hatten schon in Berlin unterschiedliche Interessen und Freundeskreise: er mehr im kommunistischen Umfeld, befreundet mit [[Bertolt Brecht]], sie zunehmend im Kontakt zu [[Zionismus|zionistischen]] und anderen jüdischen Persönlichkeiten. Zunächst wohnten beide in Paris zusammen, besuchten gemeinsam die Seminare [[Alexandre Kojève]]s und Versammlungen mit anderen Intellektuellen im [[Exil]]. Doch die Ehe scheiterte und wurde 1937 geschieden. Bereits 1936 hatte sie [[Heinrich Blücher]] kennen gelernt, einen ehemaligen Kommunisten, der sich schon früh gegen die Politik [[Josef Stalin]]s gewandt hatte. In Paris gehörten beide mit [[Walter Benjamin]], dem Rechtsanwalt Erich Cohn-Bendit, dem Psychoanalytiker Fritz Fränkel und dem Maler Kurt Heidenreich zu einem Kreis deutscher Flüchtlinge.<ref>Wolfgang Heuer:''Hannah Arendt''. Reinbek bei Hamburg 1987, S. 31. </ref> 1937 wurde Arendt die [[Deutsche Staatsangehörigkeit|deutsche Staatsbürgerschaft]] aberkannt. 1939 glückte es ihr gerade noch, ihre Mutter aus [[Königsberg (Preußen)|Königsberg]] in Sicherheit zu bringen. Im Januar 1940 heiratete sie Heinrich Blücher. Für Blücher war es die dritte Ehe. Anfang Mai 1940 wiesen die französischen Behörden über die Presse große Teile der deutschstämmigen Ausländer an, sich zum Abtransport zu melden. Arendt wurde mit vielen anderen Frauen für eine Woche auf dem Gelände einer Pariser Radrennbahn untergebracht. Bald darauf wurde sie im südfranzösischen Lager [[Camp de Gurs|Gurs]] interniert, weil sie als „feindliche Ausländerin“ galt. Im Gaus-Interview äußert sie sich dazu sarkastisch: Menschen seien von ihren Feinden in [[Konzentrationslager]] und von ihren Freunden in [[Internierungslager]] gesteckt worden. Nach etwa einem Monat gelang ihr mit wenigen anderen die Flucht aus Gurs. Denn die Wachsamkeit der französischen Lagerverwaltung hatte in der chaotischen Lage nachdem die [[Wehrmacht]] Paris besetzt hatte und nach Süden vorgerückt war, vorübergehend nachgelassen. <ref>Elisabeth Young-Bruehl S. 223 ff und leicht davon abweichend Katrin T. Tenenbaum (Universität Rom) in ihrem Erläuterungen zum von ihr herausgegebenen Briefwechsel zwischen Arendt und Adler-Rudel.[http://hannaharendt.net/documents/briefe_1.html] (veröffentlicht 2005)</ref> In einem Brief an [[Salomon Adler-Rudel]] schilderte Arendt wenig später die Umstände der Internierungen von Flüchtlingen aus NS-Deutschland.<ref>[http://hannaharendt.net/documents/briefe_2.html 1.3 Hannah Arendt -Salomon Adler-Rudel, Briefwechsel] Brief vom 2. April 1941</ref> Die folgende Zeit verbrachten sie und ihr Mann in [[Montauban]], und Arendt konnte Ausreisepapiere nach Lissabon besorgen. Im französischen Exil verband sie eine enge Freundschaft mit dem damals noch weitgehend unbekannten [[Walter Benjamin]], den sie auch materiell unterstützte. Nach seinem Tod setzte sie sich 1945 vergeblich beim [[Salman Schocken|Schocken-Verlag]] für die Veröffentlichung seiner Werke ein. Erst Anfang 1969 konnte sie seine Essays – mit Anmerkungen und einem Vorwort versehen – in den USA herausgeben.<ref>''Illuminations. Walter Benjamin. Essays and Reflections.'' (Hrsg. Hannah Arendt) Schocken, New York 1969.</ref> === Immigration in die USA, Erwerbstätigkeit und Kampf für eine jüdische Armee === Im Mai 1941 erreichten Arendt, ihr Ehemann und ihre Mutter über Lissabon New York. Die Familie wohnte zunächst in Hotelzimmern und lebte von einem geringen Stipendium der zionistischen Flüchtlingsorganisation. Arendt vervollkommnete sehr schnell ihre englischen Sprachkenntnisse. Ab Oktober 1941 war sie für das deutsch-jüdische Magazin ''[[Aufbau]]'' in New York tätig. Sie schrieb regelmäßig eine kurze Kolumne „This means You“ (Das geht dich an). Der Startartikel unter dem Titel ''Mose and Washington'' ([[Mose]]s und [[George Washington|Washington]]) <ref> Original 27. März 1942, Wiederabdruck im ''Aufbau'' Doppelhfeft 12/2008 u. 1/2009, S. 33 </ref> knüpft in der Gestalt des Moses an die jüdische Exilgeschichte an. Arendt argumentiert, dass das moderne [[Reformjudentum|(Reform-) Judentum]] den Bezug zu seiner eigentlichen Tradition verloren habe, ein Motiv, das auch die These ihres Rahel Varnhagen-Buches bildet. Es ''„wächst bei uns höchst paradoxerweise die Zahl jener, die Moses und [[David (Israel)|David]] durch Washington oder [[Napoléon]] ersetzen...“'', Juden, die sich auf fremde Kosten (nämlich der Nichtjuden) „verjüngen“ wollten. Kritisch merkt sie an, dass die (jüdische) Geschichte kein Vehikel sei, aus dem man beliebig aussteigen könne; sie fordert, aus dem Judentum einen „Segen“ zu machen, nämlich eine Waffe im Kampf um die Freiheit. Damit wollte sie das politische Bewusstsein der jüdischen Öffentlichkeit in aller Welt wecken. In zahlreichen Artikeln forderte sie den Aufbau einer selbständigen jüdischen Armee auf Seiten der [[Alliierte]]n. Mit diesem Verlangen, das sie bereits vor Beginn der Massenmorde in den [[Vernichtungslager|Konzentrationslagern]] formulierte, konnten sie und ihre wenigen Mitstreiter sich nicht durchsetzen. Zwar bezeichnete sich Arendt in dieser Zeit noch als (säkulare) Zionistin, nahm aber eine zunehmend kritische Haltung gegenüber der Weltanschauung des Zionismus ein, die sie mit anderen [[Ideologie]]n wie [[Sozialismus]] oder [[Liberalismus]] verglich, welche Voraussagen über die Zukunft machten. Sie hielt Freiheit und [[Gerechtigkeit]] für Grundprinzipien der Politik, die mit der Vorstellung eines auserwählten Volkes nicht zu vereinbaren seien. Diese Positionen stießen in der jüdischen Öffentlichkeit zumeist auf Ablehnung.<ref>Elisabeth Young-Bruehl S.250ff.</ref> Zwei Jahre später veröffentlichte sie den Essay ''We Refugees'' (dt. ''[[Wir Flüchtlinge]]''), in dem sie sich mit der verheerenden Situation von Flüchtlingen und Staatenlosen auseinandersetzt, die ohne Rechte „[[Vogelfreiheit|vogelfrei]]“ sind. 1944 bis 1946 war sie als Forschungsleiterin der ''Conference on Jewish Relations'' tätig, anschließend bis 1949 als Lektorin im jüdischen [[Salman Schocken|Schocken Verlag]]. Von 1949 bis 1952 arbeitete sie als ''Executive Secretary'' (Geschäftsführerin) für die Organisation zur Rettung und Pflege jüdischen Kulturguts [[Jewish Cultural Reconstruction Corporation]] (JCR). Bis Heinrich Blücher 1951 Philosophie-Kurse an einem College erteilen konnte, sorgte Hannah Arendt nahezu allein für den Lebensunterhalt der Familie. === Erste Reisen nach Deutschland und Bericht über die Nachwirkungen des NS-Regimes === Am 26. Juli 1948 starb ihre Mutter Martha Arendt auf der Reise nach England auf der [[RMS Queen Mary|Queen Mary]]. 1949/50 bereiste Arendt im Auftrag der JCR die [[Deutschland|Bundesrepublik Deutschland]]. Arendt traf während dieses Aufenthalts zum ersten Mal seit 1933 Karl Jaspers und Martin Heidegger. Eine zweite Reise folgte 1952. Seitdem fuhr sie jedes Jahr für einige Monate nach Europa, teilweise auch nach Israel, besuchte viele Freunde und Verwandte, jedes Mal aber Karl und Gertrud Jaspers. In dem Essay ''Besuch in Deutschland. Die Nachwirkungen des Naziregimes''<ref>In: ''Zur Zeit. Politische Essays.'' Hamburg 1999, S.43–70. Der Artikel erschien zunächst ausschließlich in den USA.</ref> (1950) schreibt Arendt sehr differenziert über die Nachkriegssituation. Deutschland habe in kurzer Zeit durch Verbrechen, die niemand für möglich gehalten hätte, das moralische Gefüge der westlichen Welt zerstört. Millionen von Menschen aus Osteuropa strömten in das zerstörte Land. „''Man kann bezweifeln, ob die Politik der Alliierten, alle deutschen Minderheiten aus nichtdeutschen Ländern zu vertreiben – als ob es nicht schon genug Heimatlosigkeit auf der Welt gäbe&nbsp;– klug gewesen ist; doch außer Zweifel steht, daß bei denjenigen europäischen Völkern, die während des Krieges die mörderische Bevölkerungspolitik Deutschlands zu spüren bekommen hatten, die bloße Vorstellung, mit Deutschen auf demselben Territorium zusammenleben zu müssen, Entsetzen und nicht bloß Wut auslöste.''“ Sie stellt eine seltsame Teilnahmslosigkeit der Bevölkerung fest. Über Europa liege wegen der deutschen Konzentrations- und [[Vernichtungslager]] ein Schatten tiefer Trauer. Doch dieser Alptraum von Zerstörung und Schrecken werde nirgends weniger besprochen als in Deutschland. „''Die Gleichgültigkeit, mit der sich die Deutschen durch die Trümmer bewegen, findet ihre genaue Entsprechung darin, dass niemand um die Toten trauert.''“ Hingegen kursierten zahlreiche Geschichten über die Leiden der Deutschen, die gegen die Leiden der anderen aufgerechnet würden, wobei die ''„Leidensbilanz“'' in Deutschland stillschweigend als ausgeglichen gelte. Die Flucht vor der Verantwortung und die Zuschreibung von Schuld auf die [[Besatzungsmacht|Besatzungsmächte]] seien weit verbreitet. „''Der Durchschnittsdeutsche sucht die Ursachen des letzten Krieges nicht in den Taten des Naziregimes, sondern in den Ereignissen, die zur Vertreibung von Adam und Eva aus dem Paradies geführt haben.“'' === Arbeiten zur Existenzphilosophie === Nach Kriegsende veröffentlichte Arendt zwei Artikel zur [[Existenzphilosophie]]. In der Zeitschrift ''Nation'' erschien Anfang 1946 der Text ''French Existentialism,'' in dem sie vor allem das Denken [[Albert Camus]]' beleuchtete. Sie äußert gegenüber Jaspers ihre großen Hoffnungen auf einen neuen Typus von Menschen, der ohne allen «europäischen Nationalismus» Europäer sei und sich für einen europäischen [[Föderalismus]] einsetze. Dazu zählte sie Camus aus der französischen [[Résistance]], dem sie Ehrlichkeit und politische Einsicht bescheinigte.<ref>Arendt an Jaspers 11. November 1946, S. 103.</ref> Den Artikel ''[[Was ist Existenzphilosophie?]]''<ref>''Was ist Existenzphilosophie?'' Frankfurt a.M. 1990.</ref> veröffentlichte sie fast gleichzeitig zunächst in den USA und in der von Jaspers und anderen gegründeten Zeitschrift ''[[Die Wandlung (Monatszeitschrift)|Die Wandlung]].'' 1948 kam er zusammen mit fünf weiteren Beiträgen als Essayband heraus. Es handelte sich um die erste Buchveröffentlichung nach ihrer 1929 erschienenen Dissertation. In dieser Schrift entwickelte Arendt eine eigene Position innerhalb der Existenzphilosophie, die sie in späteren Werken nicht weiter verfolgte.<ref>Als Uwe Johnson 1974 anfragte, ob der Text erneut herausgegeben werden dürfe, fand sie diesen zwar akzeptabel, wollte aber den Abschnitt über Heidegger herausnehmen, woran die Veröffentlichung scheiterte. ''Hannah Arendt – Uwe Johnson. Der Briefwechsel''. Frankfurt a.M. 2004, S. 114.</ref> Die englischsprachige Fassung ließ sie nicht wieder auflegen. Sie setzt sich in dieser kleinen Arbeit kritisch mit der Philosophie [[Martin Heidegger|Heideggers]] auseinander, dem sie eine Nähe zum modernen [[Nihilismus]] zuschreibt. Seine [[Ontologie|Lehre des Seins]] habe er niemals wirklich vollendet. Mit der Analyse des [[Dasein]]s vom Tode her begründe Heidegger die Nichtigkeit des [[Sein (Philosophie)|Seins]]. Der Mensch werde gottähnlich beschrieben, zwar nicht als ''„Welt-erschaffendes“'', aber als ''„Welt-zerstörendes“'' Wesen. Arendt wendet dagegen ein, dass ''„der Mensch Gott nicht ist und mit seinesgleichen zusammen in einer Welt lebt,“'' ein Gedanke, den sie später noch oft wiederholen wird. Heidegger umgehe die vorläufigen [[Immanuel Kant|Kantschen]] Begriffe von Freiheit, Menschenwürde und Vernunft, reduziere den Menschen auf seine Funktionen in der Welt und spreche ihm Existenz allein durch das Philosophieren zu. Darüber hinaus kritisiert sie Heideggers ''„mythologisierende Unbegriffe“'' wie ''„Volk“'' und ''„Erde“'', die er in Vorlesungen der 30er Jahre dem ''„Selbst“'' untergeschoben habe. ''„Derartige Konzeptionen (können) nur aus der Philosophie heraus – und in irgendeinen [[Naturalismus (Philosophie)|naturalistischen]] Aberglauben hineinführen.“'' Die Existenzphilosophie [[Karl Jaspers]]' hingegen beschreibt sie ausschließlich positiv. Er vollziehe einen Bruch mit allen philosophischen Systemen, mit Weltanschauungen und ''„Lehren vom Ganzen.“'' setze sich mit ''„[[Grenzsituation]]en“'' auseinander und betrachte die Existenz als eine Form der Freiheit. Der Mensch könne sich ''„in spielender [[Metaphysik]]“'' an die Grenzen des Denkbaren herantasten und sie überschreiten. Im Gegensatz zu Heidegger sei für Jaspers das Philosophieren lediglich die Vorbereitung auf das «Tun» durch die [[Kommunikation]] auf der Basis der allen gemeinsamen Vernunft. Jaspers wisse, dass das Denken der [[Transzendenz]] zum Scheitern verurteilt ist. Die Jaspersche Philosophie, unterstreicht die Autorin, liegt im Wesentlichen in den Wegen seines Philosophierens. Diese können aus den ''„Sackgassen eines [[Positivismus|positivistischen]] oder nihilistischen Fanatismus“'' herausführen. === Stellungnahmen zu Palästina und Israel === Hannah Arendt schrieb Ende 1948 den Artikel ''Frieden oder Waffenstillstand im Nahen Osten?'' (veröffentlicht in den USA im Januar 1950). Darin setzt sie sich mit der Geschichte [[Palästina (Region)|Palästinas]] und der Gründung des Staates [[Israel]] auseinander. Frieden kann demnach nur durch eine Verständigung und faire Vereinbarungen zwischen Arabern und Juden erreicht werden. Sie beschreibt die Einwanderungsgeschichte seit 1907 und betont, dass sich bisher beide Gruppen feindselig gegenüberstanden und sich – auch wegen der Besetzung durch die [[Türken]] und später [[Vereinigtes Königreich|Briten]] – niemals als gleichberechtigte Partner oder auch nur als Menschen angesehen haben. Während sie die ''„[[Heimatlosigkeit]]“'' und ''„Weltlosigkeit“'' als größte Probleme der Juden beschreibt, kritisiert sie die meisten [[Zionismus|zionistischen]] Führer, die die Probleme der arabischen Bevölkerung übersehen hätten. Ihre Vision ist ein binationales [[Palästina (Region)|Palästina]] auf der Grundlage nicht-[[Nationalismus|nationalistischer]] Politik, eine [[Föderalismus|Föderation]], die möglicherweise sogar andere Staaten des [[Naher Osten|Nahen Ostens]] umfassen könnte. Die Einwanderung und die Vertreibung eines Teils der arabischstämmigen Bevölkerung stellt eine moralische Hypothek dar, während die auf Gleichheit und Gerechtigkeit beruhenden Kollektivsiedlungen ([[Kibbuz]]im) und die [[Hebräische Universität Jerusalem|Hebräische Universität]] sowie die Industrialisierung auf der Habenseite stehen. Israel konnte sich Arendt zufolge von den Gesetzen des Kapitalismus befreien, da es durch Spendengelder aus den USA finanziert werde und daher nicht dem Gesetz der Profitmaximierung unterliege. Ihre Sorge nach dem gewonnenen Krieg, der Unglück über Juden und Araber gebracht habe und alle jüdisch-arabischen Wirtschaftssektoren zerstört habe, besteht darin, dass Israel eine aggressive expansionistische Politik betreiben könne. Doch hofft sie auf den [[Universalismus (Philosophie)|universalistischen]] Geist im Judentum und auf verständigungsbereite Kräfte in den arabischen Staaten.<ref>''Frieden oder Waffenstillstand im Nahen Osten''. In: ''Israel, Palästina und der Antisemitismus. Aufsätze''. Berlin 1991, S.39–75.</ref> Es gab in dieser Zeit nur sehr wenige Persönlichkeiten auf arabischer und jüdischer Seite, die für ein binationales Palästina eintraten. Arendt bezieht sich auf den ersten Präsidenten der Hebräischen Universität [[Judah Leon Magnes]]<ref>in der o.g. Ausgabe: Juda Leib Magnes</ref> und den [[Libanon|libanesischen]] Politiker und Philosophieprofessor [[Charles Malik]] und streicht ihre Einmaligkeit heraus. Beide setzten sich für eine jüdisch-arabische Übereinkunft zur Lösung des Palästinaproblems ein, Magnes 1946 und Malik vor dem [[Sicherheitsrat der Vereinten Nationen]] im Mai 1948. Als im Dezember 1948 der ehemalige Führer der anti-britischen [[Terrorismus|Terror-Organisation]] ''[[Irgun Tzwai Le’umi|Irgun]]'' [[Menachem Begin]] New York besuchte, um Spenden für seine neugegründete ''[[Cherut]]''-Partei zu sammeln, verfassten 26 Intellektuelle, darunter viele mit jüdischem Hintergrund, einen scharf formulierten Leserbrief, der am 4. Dezember 1948 in der ''[[The New York Times|New York Times]]'' veröffentlicht wurde.<ref>Hannah Arendt u.&nbsp;a.: „Der Besuch Menahem Begins und die Ziele seiner politischen Bewegung. Offener Brief an die «New York Times»“, in: ''Israel, Palästina …'', S. 117ff.</ref> Zu den Unterzeichnern gehörten neben Hannah Arendt u.&nbsp;a. Isidore Abramowitz, [[Albert Einstein]], Sidney Hook und [[Stefan Wolpe]]. Sie warnten eindringlich vor dieser Partei und bezeichneten sie als ''„rechtsradikal“'' und ''„rassistisch.“'' An ihre Freundin, die US-amerikanische Schriftstellerin [[Mary McCarthy]], schrieb Arendt mehr als zwanzig Jahre später, Israel sei ein eindrucksvolles Beispiel für die Gleichheit der Menschen. Für noch wichtiger hielt sie die ''„Überlebensleidenschaft“'' des jüdischen Volkes seit der Antike. Sie äußerte die Angst, dass sich der [[Holocaust]] wiederholen könne. Als Rückzugsort und wegen des unausrottbaren [[Antisemitismus (nach 1945)|Antisemitismus]] sei Israel notwendig. Arendt betont, dass jede wirkliche Katastrophe in Israel sie mehr berühre als fast alles andere.<ref>Hannah Arendt, Mary McCarthy: ''Im Vertrauen. Briefwechsel 1949–1975''. München 1997, S.365f. (Okt. 1969)</ref> === Formen totaler Herrschaft === Direkt nach dem [[Zweiter Weltkrieg|Zweiten Weltkrieg]] begann Arendt mit der Arbeit an einer umfassenden Studie über den Nationalsozialismus, 1948 und 1949 ausgeweitet auf den [[Stalinismus]]. Das Buch enthält die drei Teile ''Antisemitismus'', ''[[Imperialismus]]'' und ''Totale Herrschaft''. Während Arendt für die beiden ersten Teile in hohem Maße auf vorhandenes historisches und literarisches Quellenmaterial zurückgreifen konnte, musste sie sich den Hintergrund für den dritten Teil neu erarbeiten.<ref>Arendt an Jaspers S. 134.</ref> 1951 erschien die amerikanische Ausgabe unter dem Titel: ''The Origins of Totalitarianism''. Die von ihr selbst bearbeitete, teilweise vom Original abweichende, deutsche Fassung (1955) nannte sie ''[[Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft]]''. Bis zur Edition der dritten Auflage 1966 bearbeitete und erweiterte sie ihr Werk. Die Arbeit stellt keine reine [[Geschichtsschreibung]] dar. Vielmehr kritisiert sie das [[Kausalität]]sdenken der meisten Historiker und bemerkt: alle Versuche von Geschichtswissenschaftlern, den Antisemitismus zu erklären, seien bisher unzulänglich gewesen. Sie stellt die neuartige und viel diskutierte These auf, dass sich totalitäre Bewegungen jeder [[Weltanschauung]] und Ideologie bemächtigen und sie durch [[Terror]] in eine neue Staatsform überführen können. Geschichtlich vollständig realisieren konnten dies ihrer Ansicht nach bis 1966 lediglich der Nationalsozialismus und der Stalinismus. Im Gegensatz zu anderen Autoren sieht Arendt ausschließlich diese beiden Systeme als totalitär an, nicht aber Einparteiendiktaturen wie den [[Geschichte Italiens|italienischen Faschismus]], den [[Franquismus]] oder das Nachkriegsregime in der [[DDR]]. Sie stellt die neue Qualität der totalen Herrschaft gegenüber gewöhnlichen [[Diktatur]]en heraus. Erstere beziehe sich auf alle Bereiche des menschlichen Lebens, nicht nur auf die politischen. Im Zentrum stehe eine Massenbewegung. Im Nationalsozialismus habe eine völlige Verkehrung der Rechtsordnung geherrscht. Verbrechen, Massenmorde<ref>Arendt benutzt auch den Begriff „[[Verbrechen gegen die Menschlichkeit|Verbrechen gegen die Menschheit]]“, wie Karl Jaspers und sie den Ausdruck der Alliierten: „crime against humanity“ – in Abgrenzung zu der gebräuchlicheren Fassung „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ – übersetzten.</ref> seien die Regel gewesen. Neben dem Terror hält sie das Streben nach Weltherrschaft für ein wichtiges Kennzeichen der totalen Herrschaft. Sie arbeitet heraus, wie vor dem Hintergrund der [[Masse (Soziologie)|Massengesellschaft]] und des Zerfalls der [[Nationalstaat]]en durch den Imperialismus traditionelle Politikformen, insbesondere die Parteien, den totalitären Bewegungen mit ihren neuen Techniken der [[Propaganda|Massenpropaganda]] unterlegen waren. Neben historischen benutzt Arendt auch literarische Quellen wie beispielsweise [[Marcel Proust]] und setzt sich mit zahlreichen Denkern seit der Antike auseinander, so mit Kant und Montesquieu. Sie verwendet ihre Methode ''„des buchstäblichen Ernstnehmens ideologischer Meinungen“''. Die Äußerungen totalitärer Ideologen seien von vielen Beobachtern unterschätzt worden.<ref>ebenda S.968.</ref> Die Beschreibungen der totalen Herrschaft dienten vor allem Politikwissenschaftlern dazu, Theorien des [[Totalitarismus]] zu entwickeln, die z.&nbsp;T. weit über die strenge Definition Arendts hinaus gehen. === US-Staatsbürgerschaft, berufliche Position und politische Stellungnahmen === 1951 wurde Hannah Arendt Staatsbürgerin der USA. Unter dem Status der [[Staatsbürgerschaft#Staatenlosigkeit|Staatenlosigkeit]] hatte sie sehr gelitten, weil sie ihn als einen Ausschluss aus der menschlichen Gesellschaft ansah. Die Staatsbürgerschaft bedeutete für sie ''„das Recht, Rechte zu haben.“''<ref>ebenda S.614.</ref> Daher forderte sie eine Ergänzung zur amerikanischen Verfassung, dass niemand seine Staatsangehörigkeit verlieren dürfe, wenn er dadurch staatenlos wird. In Deutschland befand sich Hannah Arendt Anfang 1933 auf dem Weg zu einer normalen akademischen Karriere mit einer ordentlichen Professur. Der Nationalsozialismus machte diese Pläne zunichte. Arendt betont in ihren Briefen, bis wenige Jahre vor ihrem Tod, sie verfüge weder über Besitz noch über eine Stellung, was nach ihrer Auffassung zur Unabhängigkeit ihres Denkens beitrug. Immer wieder zeigte sie persönlichen Mut, z.&nbsp;B. durch ihre praktischen Tätigkeiten für jüdische Organisationen während der Zeit des Nationalsozialismus. Ihre öffentlichen und persönlichen Stellungnahmen zu politischen Ereignissen waren häufig unter Gegnern, aber auch Freunden umstritten; ihre Zivilcourage wurde oft als Unnachgiebigkeit wahrgenommen und bekämpft. In einer 1948 zu datierenden kurzen Aufzeichnung ''Memo on research'' benennt Arendt die wichtigsten zeitgenössischen politischen Themen. Sie unterscheidet zentrale politische Probleme der Zeit: :''„Totalitarismus, die Rassenfrage, der Verfall des europäischen nationalstaatlichen Systems, die Emanzipation der [[Kolonialismus|Kolonialvölker]], die Liquidierung des Britischen Imperialismus″'' und rein jüdische Probleme: :''„Antisemitismus, die Palästina-Angelegenheit, Fluchtbewegungen, Heimatlosigkeit, etc.“''<ref>In der engl. Originalfassung: „''Totalitarism, the race question, the decay of the European nation state system, the emancipation of colonial peoples, the liquidation of British imperialism''“ und „''Antisemitism, the Palestine issue, migrations, homelessness, etc.''“ Zit. nach: I. Pilling S. 13f. Es handelt sich um eine Dissertation, die größtenteils auf veröffentlichten und unveröffentlichten Originalquellen beruht.</ref> Etwas früher schrieb sie an Jaspers: :''„Unter freien Umständen sollte eigentlich jeder einzelne entscheiden dürfen, was er nun gerne sein möchte, Deutscher oder Jude oder was immer […]. Woran mir liegen würde, und was man heute'' [1947] ''nicht erreichen kann, wäre eigentlich nur eine solche Änderung der Zustände, daß jeder frei wählen kann, wo er seine politischen Verantwortlichkeiten auszuüben gedenkt und in welcher kulturellen Tradition er sich am wohlsten fühlt.“''<ref>Arendt an Jaspers S.127.</ref> Im Alter von 47 Jahren bekam sie 1953 endlich eine befristete Professur am [[Brooklyn College]] (New York), auch auf Grund des Erfolgs, den sie mit ihrem Totalitarismus-Buch in den USA erzielt hatte. In New York wirkte sie 1955 neben [[Martin Buber]] u.&nbsp;a. bei der Gründung des ''[[Leo Baeck Institut]]e'' mit, einer Dokumentations- und Forschungsstätte für die Geschichte der deutschsprachigen Juden. Die Bestände sind in elektronischer Form im ''[[Jüdisches Museum Berlin|Jüdischen Museum Berlin]]'' einsehbar. In den 50er Jahren plante Arendt im Anschluss an die Analyse des Totalitarismus eine Arbeit über den [[Marxismus]]. Aus den Vorarbeiten entstanden einige Artikel, Essays und Vorlesungen. 1953 veröffentlichte sie im ''Aufbau'' den Text: ''Gestern waren wir noch Kommunisten…''<ref>Amerikanische Originalfassung, Neuauflage; ''In der Gegenwart. Übungen zum politischen Denken II.'' München 2000, S. 228ff.</ref> Sie unterscheidet darin zwischen ''„ehemaligen Kommunisten“'' und ''„Exkommunisten“''. Erstere seien entweder als Künstler Aushängeschilder gewesen oder hätten schon früh die [[Moskauer Prozesse]], den [[Deutsch-sowjetischer Nichtangriffspakt|Hitler-Stalin-Pakt]] oder den Mangel an innerparteilicher Demokratie durchschaut und sich danach vielfach ins Privatleben zurückgezogen. Letztere indes hätten ihre Bekenntnisse gegen den Kommunismus zum Sprungbrett einer neuen Karriere als Experten des [[Antikommunismus]] und des [[Kalter Krieg|Kalten Krieges]] gemacht. Große Sorge bereitete ihr in dieser Zeit die [[McCarthy-Ära|Verfolgung]] ehemaliger Kommunisten, Intellektueller und Künstler durch [[Joseph McCarthy]] und seine Anhänger in den USA, während sie den [[Ungarischer Volksaufstand|Volksaufstand in Ungarn]] 1956 als Beispiel für den Versuch einer friedlichen Revolution mit Ansätzen zu einem Rätesystem bewertete. 1960 erschien ''Die ungarische Revolution und der totalitäre Imperialismus'' (engl.: als Teil der 2. Auflage von ''The Origins of Totalitarism'') und 1961 ''Between Past and Future'' (Sechs Essays über das politische Denken). Schon Mitte der 50er Jahre hatte Arendt einen Antrag auf [[Deutsche Wiedergutmachungspolitik|Wiedergutmachung]] des ihr durch die Nationalsozialisten zugefügten Unrechts gestellt, der mehrmals abgelehnt wurde. Karl Jaspers schrieb ein Gutachten dazu, dass es sich bei ihrer Schrift über Rahel Varnhagen in der Fassung von 1933 um eine abgeschlossene erfolgreiche Habilitationsarbeit gehandelt habe, die nur wegen der [[Machtergreifung|Machtübernahme]] nicht vorgelegt werden konnte. Erst 1972 erhielt Arendt einen größeren Betrag von der Bundesregierung. Ihr Fall wurde zum [[Präzedenzfall]], so dass auch andere in der Folgezeit von ihrer jahrelangen Prozessführung profitierten. Zur [[Konrad Adenauer|Adenauer-Ära]] in Deutschland äußerte sie sich mehrmals kritisch. Nachdem zunächst NS-Täter kaum bestraft worden seien, wurden nach dem Eichmann-Prozess langsam die schlimmsten vor Gericht gestellt. :''„Ein böses Zeichen sind die unglaublich milden Urteile der Gerichte. Ich glaube für 6500 vergaste Juden bekommt man 3 Jahre 6 Monate, oder so ähnlich […]. Diese sogenannte Republik ist wirklich 'wie gehabt'. Und über diese politischen Dinge wird auch die wirtschaftliche Entwicklung auf die Dauer nicht hinweghelfen.“''<ref>Arendt an Jaspers S.52ff.(Juli/August 1962).</ref> Im Laufe der Jahre setzte sie sich wiederholt mit der Diskriminierung der Schwarzen, der ''„Negerfrage“'' in den USA auseinander, deren Lösung sie für unabdingbar für die Existenz der Republik hielt. Auch zu diesen Äußerungen gab es heftige Kontroversen, da sie zwar die grundsätzliche rechtliche und politische Gleichstellung forderte, aber Quoten oder andere Bevorzugungen vehement ablehnte. Vielfach verurteilte sie den [[Vietnamkrieg]], z.&nbsp;B. anhand einer Analyse der ''[[Pentagon-Papiere]]'', die sie unter dem Titel ''Lying in Politics'' (dt. ''Die Lüge in der Politik'') 1971 publizierte. Im Juni 1968 heißt es in einem Brief an Karl Jaspers: ''„Mir scheint, die Kinder des nächsten Jahrhunderts werden das Jahr [[68er|1968]] mal so lernen wie wir das Jahr [[Deutsche Revolution 1848/49|1848]].“''<ref>Arendt an Jaspers S.715f.</ref> Der weltweiten [[Studentenbewegung]] stand sie zwar positiv gegenüber, kritisierte aber von ihr wahrgenommene Auswüchse heftig. In ihrem 1970, gleichzeitig auf Englisch und Deutsch, veröffentlichten Werk ''[[Macht und Gewalt]]'' legte sie eine ausführliche differenzierte Analyse der Studentenrebellion vor und grenzte gleichzeitig die Begriffe [[Macht]] und [[Gewalt]] voneinander ab. Unter Macht versteht sie eine bedeutsame Einflussnahme der Bürger auf politische Angelegenheiten im Rahmen von Verfassung und Gesetzen. Keine Herrschaftsform kommt ohne Machtbasis aus. Selbst die sehr weitgehend auf Gewalt beruhende totale Herrschaft bedarf der Unterstützung von vielen. Adelbert Reif gegenüber betonte sie 1970 in einem Interview, sie schätze an den Studenten die ''„Lust am Handeln“'' und ''„die Zuversicht, die Dinge aus eigener Kraft ändern zu können.“'' In den USA sei zum ersten Mal seit langer Zeit eine spontane politische Bewegung entstanden, die nicht nur Propaganda betreibe, sondern nahezu ausschließlich aus moralischen Motiven handele. Andererseits lehnte sie die weitere Entwicklung dieser Bewegung zu ''„Fanatismus,“'' ''„Ideologien“'' und ''„Zerstörungswut“'' ab. ''„Die guten Sachen in der Geschichte sind gewöhnlich von sehr kurzer Dauer.“'' So würden wir heute noch (1970) von dem kurzen [[Attische Demokratie|klassischen Zeitalter in Griechenland]] zehren.<ref>Adelbert Reif: ''Interview mit H.A.''(1970). In: ''Macht und Gewalt.'' München 1970, S. 107, 109.</ref> === Eichmann-Prozess === ==== Prozessberichterstattung und nachfolgende Kontroversen ==== 1961 nahm Arendt von April bis Juni als Reporterin der Zeitschrift ''[[The New Yorker]]'' am [[Eichmann-Prozess|Prozess]] gegen [[Adolf Eichmann]] in Jerusalem teil. Daraus gingen zunächst Reportagen hervor und schließlich eines ihrer bekanntesten und damals bis heute<ref>zur aktuellen Auseinandersetzung siehe insbesondere die kritischen Analysen der Holocaustforscher [[Raul Hilberg]] und [[David Cesarani]]</ref> sehr umstrittenen Bücher ''[[Eichmann in Jerusalem]]'' mit dem Untertitel ''Ein Bericht von der Banalität des Bösen''. Es wurde 1963 zunächst in den USA und kurz darauf in der Bundesrepublik veröffentlicht. Der [[Mossad|israelische Geheimdienst]] hatte Adolf Eichmann 1960 in Argentinien gefasst und nach Jerusalem entführt. Ihre vieldiskutierte Wendung im Hinblick auf Eichmann – ''„Banalität des Bösen“'' – wurde zu einem [[Geflügeltes Wort|geflügelten Wort]]. :„''In diesen letzten Minuten war es, als zöge Eichmann selbst das Fazit der langen Lektion in Sachen menschlicher Verruchtheit, der wir beigewohnt hatten – das Fazit von der furchtbaren »Banalität des Bösen«, vor der das Wort versagt und an der das Denken scheitert.“''<ref>''Eichmann in Jerusalem. Ein Bericht von der Banalität des Bösen. (EiJ)'' München 1986, S.371.</ref> Um das Werk gab es heftige Kontroversen. Insbesondere der Ausdruck ''[[Banalität]]'' in Bezug auf einen Massenmörder wurde von verschiedenen Seiten, darunter auch von [[Hans Jonas]], angegriffen. In der Einleitung zur deutschen Ausgabe 1964 erläutert Arendt ihre Wortwahl: ''„[…] in dem Bericht kommt die mögliche Banalität des Bösen nur auf der Ebene des Tatsächlichen zur Sprache, als ein Phänomen, das zu übersehen unmöglich war. Eichmann war nicht […] [[Macbeth (Shakespeare)|Macbeth]] […]. Außer einer ganz ungewöhnlichen Beflissenheit, alles zu tun, was seinem Fortkommen dienlich sein konnte, hatte er überhaupt keine Motive.“''<ref>EiJ S.56.</ref> Niemals hätte er seinen Vorgesetzten umgebracht. Er sei nicht dumm gewesen, sondern ''„schier gedankenlos.“'' Dies habe ihn prädestiniert, zu einem der größten Verbrecher seiner Zeit zu werden. Dies sei ''„banal,“'' vielleicht sogar ''„komisch.“'' Man könne ihm beim besten Willen keine teuflisch-dämonische Tiefe abgewinnen. Trotzdem sei er nicht alltäglich. ''„Dass eine solche Realitätsferne und Gedankenlosigkeit in einem mehr Unheil anrichten können als alle die dem Menschen innewohnenden bösen Triebe zusammengenommen, das war in der Tat die Lektion, die man in Jerusalem lernen konnte. Aber es war eine Lektion und weder eine Erklärung des Phänomens noch eine Theorie darüber.“'' 1969 formuliert sie in einem Brief an Mary McCarthy: ''„[…] die Wendung »Banalität des Bösen« als solche steht im Gegensatz zu der vom »radikal Bösen« [Kant], die ich [A.] im Totalitarismus-Buch benutze.“''<ref>Arendt an McCarthy, S. 234 (September 1969).</ref> Die Art des Verbrechens war Arendt zufolge nicht einfach kategorisierbar. Was in [[KZ Auschwitz|Auschwitz]] geschah, sei beispiellos gewesen. Den vom ''„englischen Imperialismus“'' herkommenden Ausdruck ''„Verwaltungsmassenmord“'' hielt sie der Sache angemessener als den Ausdruck ''„[[Völkermord]].“'' ==== Debatte über die Rolle der Judenräte ==== Darüber hinaus wurde Arendt vorgeworfen, die Rolle der [[Judenrat|Judenräte]] zu kritisch betrachtet zu haben. Eichmann habe ''„Kooperation“'' von den Juden verlangt und sie in ''„wahrhaft erstaunlichem Maße“'' erhalten. Auf dem Weg in den Tod hätten die Juden nur wenige Deutsche gesehen. Die Mitglieder der Judenräte hätten von den Nationalsozialisten eine ''„enorme Macht über Leben und Tod“'' bekommen, ''„so lange, bis sie selbst auch deportiert wurden.“'' So seien beispielsweise die Transportlisten nach [[KZ Theresienstadt|Theresienstadt]] vom Judenrat zusammengestellt worden. :''„Diese Rolle der jüdischen Führer bei der Zerstörung ihres eigenen Volkes ist für Juden zweifellos das dunkelste Kapitel in der ganzen dunklen Geschichte.“''<ref>EiJ S.209.</ref> Der ehemalige Oberrabiner von Berlin [[Leo Baeck]], einer der wichtigsten Vertreter der Juden in Deutschland, hatte geäußert, es sei besser für die Juden, über ihr Schicksal nicht Bescheid zu wissen, da diese Erwartung des Todes nur noch härter gewesen wäre.<ref>EiJ S. 210.</ref> Diese kurze Passage stieß bei vielen jüdischen Organisationen auf besonders vehemente Ablehnung. Arendt schrieb Mary McCarthy am 16.&nbsp;September 1963, sie habe gehört, dass die ''[[Anti-Defamation League]]'' einen Rundbrief an alle New Yorker Rabbiner geschickt habe, am Neujahrstag (Rosh ha Shana, 4. Oktober) gegen sie zu predigen. Bei der erfolgreichen politischen Kampagne gehe es darum, ein ''„[[Image]]“'' zu schaffen, um das wirkliche Buch zuzudecken. Sie fühle sich machtlos gegenüber der großen Zahl der Kritiker mit Geld, Personal und Verbindungen.<ref>Arendt an McCarthy S.231ff.</ref> Hingegen sah es Arendt als eine ''„Wohltat“'' an, vor Gericht den ''„ehemaligen jüdischen [[Widerstand gegen den Nationalsozialismus|Widerstandskämpfern]]“'' zu begegnen. ''„Ihr Auftreten verjagte das Gespenst einer allseitigen Gefügigkeit […].“''<ref>EiJ S.215.</ref> In den ''„Todeslagern“'' seien ''„die direkten Handreichungen zur Vernichtung der Opfer im allgemeinen von jüdischen Kommandos verrichtet“'' worden. :''„Das alles war zwar grauenhaft, aber ein moralisches Problem war es nicht. Die Selektion<ref>Aussonderung nicht arbeitsfähiger Häftlinge</ref> […] der Arbeiter in den Lagern wurde von der [[Schutzstaffel|SS]] getroffen, die eine ausgeprägte Vorliebe für kriminelle Elemente hatte.“'' Das moralische Problem sei das Gran [kleines Gewicht] Zusammenarbeit bei der [[Endlösung der Judenfrage|Endlösung]] gewesen.<ref>EiJ S.216.</ref> [[Gershom Scholem]] äußerte sich einige Monate nach Erscheinen des Buches, er vermisse ein abgewogenes Urteil. ''„In den Lagern wurden Menschen entwürdigt und, wie Sie selber sagen, dazu gebracht, an ihrem eigenen Untergang mitzuarbeiten, bei der Hinrichtung ihrer Mitgefangenen zu assistieren und dergleichen. Und deswegen soll die Grenze zwischen Opfern und Verfolgern verwischt sein? Welche Perversität! Und wir sollen da kommen und sagen, die Juden selber hätten ihren ,Anteil’ an dem Judenmord.“''<ref>Gershom Scholem: ''Wir waren beide nicht dabei.'' In: ''Der Zeitgeist''. Halbmonatsbeilage des ''[[Aufbau]]'', No. 208, New York, December 20, 1963, S.17f. </ref> ==== Persönliche Verantwortung gegen Kollektivschuld ==== 1964 und 1965 hielt Arendt in der Bundesrepublik Deutschland mehrmals einen Vortrag unter dem Titel: ''Persönliche Verantwortung in der Diktatur''. Sie betonte erneut, dass ihre Veröffentlichung über den Eichmann-Prozess lediglich ein ''„Tatsachenbericht“'' gewesen sei. Ihre Kritiker und Apologeten hätten dagegen Probleme der „[[Ethik|Moralphilosophie]]“ diskutiert. Mit Entsetzen habe sie u.&nbsp;a. vernommen: ''„Jetzt wissen wir, dass in jedem von uns ein Eichmann steckt.“'' Der Mensch ist jedoch nach Arendt ein frei handelndes, für seine Taten verantwortliches Wesen. Schuld haben demnach bestimmte Personen auf sich geladen. Die Idee einer [[Kollektivschuld]] lehnte sie entschieden ab. :''„Wo alle schuldig sind, da ist es niemand […]. Ich habe es immer für den Inbegriff moralischer Verwirrung gehalten, daß sich im Deutschland der Nachkriegszeit diejenigen, die völlig frei von Schuld waren, gegenseitig und aller Welt versicherten, wie schuldig sie sich fühlten, wohingegen nur wenige der Verbrecher bereit waren, auch nur die geringste Spur von Reue zu zeigen.“'' Sie stellte heraus, der Prozess gegen Eichmann sei korrekt abgelaufen. Seine Einlassung, er sei nur ein Rädchen im großen bürokratischen Apparat gewesen, bezeichnete sie als irrelevant für das juristische Urteilen. Er wurde, so Arendt, mit Recht hingerichtet. Im Nationalsozialismus waren alle Schichten der offiziellen Gesellschaft an den Verbrechen beteiligt. Als Beispiel nennt sie eine Reihe antijüdischer Maßnahmen, die dem Massenmord vorangegangen waren und die in jedem Einzelfall gebilligt worden waren, ''„bis eine Stufe erreicht war, daß Schlimmeres überhaupt nicht mehr passieren konnte.“'' Die Taten wurden nicht von ''„Gangstern, Monstern oder rasenden Sadisten begangen, sondern von den angesehensten Mitgliedern der ehrenwerten Gesellschaft“''. Folglich sollten diejenigen, die mitmachten und Befehlen gehorchten, nie gefragt werden: ''„Warum hast du gehorcht?“'' sondern: ''„Warum hast du Unterstützung geleistet?“'' Hannah Arendt wies selbst darauf hin, dass sie diese hohen Anforderungen eventuell nicht erfüllt hätte: ''„Wer hat je behauptet, dass ich, indem ich ein Unrecht beurteile, unterstelle, selbst unfähig zu sein, es zu begehen?“''.<ref>''Persönliche Verantwortung in der Diktatur.'' In: Israel, Palästina …, S. 7–38.</ref> ==== Arabischer Antisemitismus ==== Den kommenden arabischen Antisemitismus sah Arendt im Eichmann-Bericht als Fortsetzung nationalsozialistischer Ideen und Taten. :''„Die Zeitungen in Damaskus und Beirut, in Kairo und Jordanien verhehlten weder ihre Sympathie für Eichmann noch ihr Bedauern, daß er »sein Geschäft nicht zu Ende geführt« habe; eine Rundfunksendung aus Kairo am Tag des Prozessbeginns enthielt sogar einen kleinen Seitenhieb auf die Deutschen, denen jetzt noch vorgeworfen wurde, dass »im letzten Krieg nicht ein deutsches Flugzeug je eine jüdische Siedlung überflogen und bombardiert« hätte.“''<ref>EiJ S.81.</ref> ==== Späte hebräische Ausgabe ==== Als im Sommer 2000 in Tel Aviv eine hebräische Ausgabe von ''Eichmann in Jerusalem'' als erstes Werk Arendts veröffentlicht wurde, flammte die Diskussion noch einmal auf. Es ging zum einen um ihre Kritik an der Prozessführung. Ihr wurde in diesem Zusammenhang grundsätzlicher [[Antizionismus]] vorgeworfen.<ref> [http://www.steinheim-institut.de/edocs/kalonymos/kalonymos_2000_4.pdf#P.11]Zeitschrift Kalonymos, Heft 4 (2000), S. 11ff. </ref> Außerdem stieß, wie schon bei Erscheinen des Buches, ihre Auffassung über die Rolle der Judenräte und der Begriff der ''„Banalität des Bösen“'' auf Ablehnung. ==== Wahrheit und Politik ==== Auf Grund der zahlreichen negativen Reaktionen auf die Veröffentlichung ihrer Prozessberichte und das daraus entstandene Buch reflektierte Hannah Arendt 1964 in ihrem Essay ''[[Wahrheit und Politik]]'',<ref>Neu abgedruckt in: ''Hannah Arendtüber Wahrheit und Politik.'' Berlin 2006</ref> ob es stets richtig sei, die Wahrheit zu sagen und urteilte über die vielen ''„Lügen“'' hinsichtlich der Tatsachen, die sie berichtet habe. Dieser Text zeigt, wie sie in der amerikanischen Fassung von 1967 ausdrücklich anmerkt, dass sie inhaltlich an ihren Ausführungen festhielt und die Methoden ihrer Kontrahenten auch aus der [[Retrospektive]] ablehnte. Hauptsächlich handelt der Aufsatz jedoch vom Verhältnis zwischen [[Philosophie]] und [[Politik]], von der Beziehung zwischen ''„Vernunftwahrheit“'' und ''„Tatsachenwahrheit.“'' === Lehre an Universitäten und Auszeichnungen === Im Frühjahr 1959 erhielt sie für ein Semester eine Gastprofessur an der renommierten ''[[Princeton University]]''. Sie war die erste Frau, die dort lehrte. Von 1963 bis 1967 war Hannah Arendt Professorin an der ''[[University of Chicago]]'' und von 1967 bis 1975 an der ''Graduate Faculty'' der ''[[The New School for Social Research|New School for Social Research]]'' in New York. Dort befindet sich ein großer Teil ihres Nachlasses.<ref>[http://www.newschool.edu/gf/centers/research-centers.htm Hannah Arendt Center].</ref> In den USA wurde sie mit zahlreichen Ehrendoktoraten ausgezeichnet. 1964 wurde sie in die [[American Academy of Arts and Letters]] aufgenommen.<ref> [http://www.artsandletters.org/academicians2_deceased.php#a|Verstorbene Mitglieder der Akademie]</ref> Auch im [[Deutschland|westlichen Nachkriegs-Deutschland]] erhielt sie bedeutende Auszeichnungen: so 1959 den [[Lessing-Preis der Freien und Hansestadt Hamburg]] und 1967 den [[Sigmund-Freud-Preis für wissenschaftliche Prosa]] der [[Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung|Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung]] in Darmstadt. 1969 ehrte die ''Emerson-Thoreau-Medaille'' der American Academy ihr Schaffen, ihre Dankesrede ist überliefert.<ref>[http://memory.loc.gov/cgi-bin/ampage?collId=mharendt&fileName=05/051300/051300page.db&recNum=0] ; als Print in: H.A., Reflections, ISBN 978-0-8047-4499-7, 2007, S.282 ff.</ref> Das Bryn Mawr College in Pennsylvania zeichnete sie 1971 mit dem ''M.Carey Thomas Prize'' aus. 1975 wurde ihr der [[Sonning-Preis]] der dänischen Regierung für Beiträge zur europäischen Kultur verliehen. === Entfaltung ihres Denkens in Reden und Essays === Anlässlich der Verleihung des Lessing-Preises äußerte sich Arendt 1959 in ihrer Rede über [[Gotthold Ephraim Lessing|Lessing]] ''Von der Menschlichkeit in finsteren Zeiten'' zu ihrer ''„Gesinnung“''. Im Sinne Lessings sei Kritik stets das Begreifen und Beurteilen im Interesse der Welt, woraus niemals eine [[Weltanschauung]] werden könne, ''„die sich auf eine mögliche Perspektive festgelegt hat.“'' Nicht das ''„Misstrauen“'' gegen [[Zeitalter der Aufklärung|Aufklärung]] oder Humanitätsglauben des 18. Jahrhunderts erschwere das Lernen von Lessing, sondern das 19. Jahrhundert stehe mit seiner ''„Geschichtsbesessenheit“'' und ''„[[Ideologie]]verschworenheit“'' zwischen uns und Lessing. Ziel sei das freie Denken „''ohne das Gebäude der Tradition''“ mit Intelligenz, Tiefsinn und Mut. Eine absolute Wahrheit existiere nicht, da sie sich im Austausch mit anderen sofort in eine ''„Meinung unter Meinungen“'' verwandle und Teil des unendlichen Gesprächs der Menschen sei, in einem Raum, wo es viele Stimmen gibt. Jede einseitige Wahrheit, die auf nur einer Meinung beruht, sei ''„unmenschlich.“''<ref>Rede über Lessing. ''Von der Menschlichkeit in finsteren Zeiten.'' München 1960.</ref> Kurz vor ihrem Tod betonte sie in ihrer Rede zur Verleihung des Sonning-Preises, wie sehr sie die USA als [[Rechtsstaat]] schätze. Es handele sich dabei um die Herrschaft der Gesetze ([[Verfassung der Vereinigten Staaten]]) und nicht um diejenige der Menschen. Als amerikanische Staatsbürgerin halte sie dennoch an der deutschen Sprache fest. Sie unterstrich, wie wichtig die Rolle [[Geschichte Dänemarks|Dänemarks]] im Zweiten Weltkrieg gewesen sei, als es gelang, durch politischen Druck (auch durch [[Christian X. (Dänemark)|den König]]) und Druck der öffentlichen Meinung die Juden, die sich in Dänemark aufhielten, vor der [[Deportation]] durch die Nationalsozialisten zu bewahren. ''„Nirgendwo sonst war das passiert.“''<ref>''Die Sonning-Preis-Rede.'' Kopenhagen 1975. In: Text und Kritik. Zeitschrift für Literatur. Heft 9, 2005, S. 3–11.</ref> Politisch sprach sich Arendt auf dem Hintergrund des [[Ungarischer Volksaufstand|Ungarn-Aufstands]] wiederholt für einen [[Räterepublik|Rätegedanken]] auf der Grundlage der [[Freiheit]] des Einzelnen aus, ein staatliches Ideal, wie es auch ihr Ehemann Heinrich Blücher, der 1919 selbst als [[Spartakusbund|Spartakist]] an den Kämpfen während der [[Novemberrevolution]] und an der Bildung so genannter [[Arbeiter- und Soldatenrat|Arbeiter- und Soldatenräte]] beteiligt war, vertreten hat. Sie ging davon aus, dass jeder Mensch zum ''„Denken“'' und damit zur Politik befähigt ist und der politische Raum nicht für Spezialisten reserviert werden darf. Arendt verfasste, vielfach als Auftragsarbeiten von Zeitschriften, [[Essay]]s über Zeitgenossen, die durch ihr Leben und ihr politisches oder literarisches Werk Außergewöhnliches geleistet hatten. Sie legte Portraits unterschiedlicher Persönlichkeiten vor, wie das über Papst [[Johannes XXIII.]], den sie unter dem Titel ''Angelo Giuseppe Roncalli. Der christliche Papst'' beschrieb.<ref>Originalfassung: ''The Christian Pope.'' 1965.</ref> Weitere Darstellungen galten unter anderen der dänischen Schriftstellerin Isak Dinesen (in Deutschland bekannt als [[Karen Blixen]]), ihren Freunden [[Hermann Broch]], Walter Benjamin und [[W. H. Auden]] sowie [[Bertolt Brecht]], dem Freund ihres Mannes [[Robert Gilbert]] und der französischen Vertreterin des „''[[Nouveau Roman]]''“ [[Nathalie Sarraute]]. Diese Essays erschienen in Anspielung auf das Brechtgedicht ''[[An die Nachgeborenen]]'' 1968 unter dem Titel ''Men in dark times'' (durch weitere Texte ergänzte deutsche Fassung: ''Menschen in finsteren Zeiten'', 1989). Darin findet sich auch ihr 1966 zuerst veröffentlichtes Portrait ''A heroine of Revolution'', (Deutsch 1968: ''[[Rosa Luxemburg]]''). Arendt würdigt die Revolutionärin als unorthodoxe, selbständig denkende deutsch-jüdische Marxistin polnischer Herkunft. Niemals habe sie zu den »[[Politische Religion|Gläubigen]]« gehört, die ''„Politik als Religionsersatz“'' auffassten.<ref>Hannah Arendt: ''Rosa Luxemburg'' (RL). In: Menschen in finsteren Zeiten, Piper TB, München-Zürich 2001, S. 48</ref> Vielmehr wagte sie es, öffentlich [[Lenin]] zu kritisieren, insbesondere seine Instrumentalisierung des Krieges für die Revolution und sprach von den Gefahren »deformierter Revolutionen«: ''"Was die Frage der Organisation anging, so glaubte sie nicht an einen Sieg, an dem die breite Masse keinen Anteil und kein Mitspracherecht hatte, ja, sie hielt sowenig davon, um jeden Preis die Macht in der Händen zu halten, daß »sie eine deformierte Revolution weit mehr als eine erfolglose fürchtete« - im Grunde der Hauptunterschied zwischen ihr und den Bolschewiken."'' <ref>Hannah Arendt: ''Rosa Luxemburg'', in : Menschen in finsteren Zeiten ,Verlag: Piper, München und Zürich 1968, S. 72</ref> Arendt schließt sich in der Bewertung Luxemburg an, indem sie fragt: :''„Hatte sie nicht recht mit ihrem Urteil, dass Lenin völlig im Irrtum war über die von ihm angewandten Mittel und daß die einzige Rettung in der »Schule des öffentlichen Lebens selber lag, in der unumschränktesten, breitesten Demokratie und öffentlichen Meinungsäußerung« , daß der Terror jedermann »demoralisiere« und alles zerstöre?“'' <ref>Hannah Arendt: ''Rosa Luxemburg'', in : Menschen in finsteren Zeiten ,Verlag: Piper, München und Zürich 1968, S. 72. Arendt bezieht sich auf Peter Nettl:''Rosa Luxemburg''. Oxford 1966, Köln-Berlin 1967. Die Luxemburg-Zitate entnahm sie diesem Werk.</ref> Wegen ihrer Eigenwilligkeit sowie der Verachtung für Karrieristen und Statusgläubige stand Luxemburg, hebt die Publizistin hervor, oft am Rande der kommunistischen Bewegung. Als radikale Kriegsgegnerin, Kämpferin für politische Freiheit und eine uneingeschränkte Demokratie zog sie häufig Kritik auf sich. Ihre moralische Haltung beruhte auf dem Ehrenkodex einer kleinen jüdischen und mehrsprachigen intellektuellen Elite der [[Juden in Osteuropa|Ostjuden]] die sich selbst als [[Kosmopolitismus|Kosmopoliten]] betrachteten, tatsächlich aber nach Meinung Arendts ''"vielmehr europäisch"'' waren, so daß ''"ihr Vaterland in Wahrheit Europa war."''<ref>Hannah Arendt: ''Rosa Luxemburg'', in : Menschen in finsteren Zeiten ,Verlag: Piper, München und Zürich 1968, S. 59. </ref> Mit Bitterkeit vergleicht die Autorin die Rechtsauffassung der [[Weimarer Republik]] und der Bonner Republik von 1962. Zur Zeit der Ermordung [[Karl Liebknecht|Liebknechts]] und Luxemburgs habe die Regierungsgewalt ''"praktisch in den Händen der [[Freikorps]]"'' gelegen. Dennoch wurden der Häscher und der Mörder Rosa Luxemburgs immerhin zu einer&nbsp;– wenn auch geringen&nbsp;– Gefängnisstrafe verurteilt. Hingegen habe die Bonner Regierung zu verstehen gegeben, dass es sich bei der Ermordung der beiden um eine ''"Hinrichtung in Übereinstimmung mit den Kriegsgesetzen und somit um einen legalen Vorgang gehandelt habe"''.<ref>Hannah Arendt: ''Rosa Luxemburg'', in : Menschen in finsteren Zeiten ,Verlag: Piper, München und Zürich 1968, S. 51. </ref> === Vergleich von amerikanischer und französischer Revolution und Verfassung === In ihrem wie ''Vita activa'' auf Vorlesungen beruhenden 1963 erschienenen Buch: ''On [[Revolution]]'' (dt. ''[[Über die Revolution]]'') vergleicht Arendt [[Französische Revolution|die französische]] mit der [[Amerikanische Unabhängigkeitsbewegung|amerikanischen Revolution]] und stellt auch hier das Politische in den Mittelpunkt ihres Denkens. Demnach scheiterte die Französische Revolution am [[Terrorherrschaft|Terror]] [[Maximilien de Robespierre|Robespierres]], der den Versuch gemacht habe, das soziale Elend zu überwinden und eine egalitäre Gesellschaft auf moralischer Grundlage zu schaffen. Die amerikanische Revolution konnte dagegen fast ausschließlich politische Ziele verfolgen, weil die [[soziale Frage]] nicht so brennend gewesen sei. So war es möglich, eine freie [[Republik]] zu bilden, in der der Bürger in öffentlich-politischen Angelegenheiten bei aller Pluralität mit anderen Bürgern gleichberechtigt war. Philosophischer Fortschrittsglaube dürfe nicht, wie bei der Französischen Revolution, zum Kriterium im politischen Raum werden. Gerade die Umsetzung der philosophischen Ideen habe zur Schreckensherrschaft geführt. In der amerikanischen Revolution seien indes die Grundsätze der [[Antike]] und daran anschließend diejenigen Montesquieus verwirklicht worden: das Prinzip der [[Gewaltenteilung]] oder ''„Machtteilung“''<ref>''Über die Revolution''(ÜdR). München 1974, S.198.</ref> und das die Macht weiter begrenzende Prinzip des [[Föderalismus]] kleiner Republiken mit einer zentralen Gewalt. Die politische Gemeinschaft der [[Pilgerväter|Auswanderer]] habe einen ''„[[Mayflower-Vertrag|Bund]]“'' geschlossen, der aus einem ''„Akt des Sichaneinanderbindens“'' bestehe. :''„Die politische Gemeinschaft, die auf Grund dieses «Bundes» entsteht, enthält die Quelle für die Macht, die allen denen zufließt, die ihm angehören und die außerhalb der politischen Gemeinschaft zur Ohnmacht verurteilt wären. Im Gegensatz hierzu erwirbt der Staat, der aus der Zustimmung der Untertanen entsteht, ein Machtmonopol, das außerhalb des Zugriffs der Beherrschten steht, die aus dieser politischen Ohnmacht nur heraustreten können, wenn sie beschließen, den Staatsapparat zu brechen […].“''<ref>ÜdR S. 221.</ref> Die [[Unabhängigkeitserklärung der Vereinigten Staaten]] von 1776 hat laut Arendt diesem Grundsatz der Freiheit im Rahmen einer [[Verfassung der Vereinigten Staaten]] entsprochen, während die [[Französische Verfassung (1791)|französische Verfassung von 1791]] auf der Grundlage eines zentralistisch organisierten [[Nationalstaat]]es entstand, der die Bürger nicht mit mehr, sondern mit weniger Macht ausstattete. Somit ist die Französische Revolution aus der absolutistischen Monarchie, die Amerikanische jedoch aus einer «begrenzten Monarchie» hervorgegangen. Daher sei in Frankreich nunmehr der ''„Wille der Nation die Quelle der Gesetze,“'' während in den Vereinigten Staaten im Anschluss an Montesquieu die Regierungsgewalt durch Gesetze beschränkt worden sei.<ref>ÜdR S. 203.</ref> === Zu Fragen der Ethik === Arendt [[Postulat|postuliert]], dass die Menschen von Natur aus weder gut noch böse sind. Allein das Individuum trägt ihrer Auffassung nach die Verantwortung für seine Taten. Daher müssen Verbrechen, aber auch politische ''„Lügen“'' geahndet werden. In Staaten mit einer Verfassung, die das politische Leben regelt, sei es für den Einzelnen leichter, sich nach ''„moralischen Maßstäben“'' zu verhalten, als in ''„finsteren Zeiten.“'' Umso schwerwiegender sei das Denken, Urteilen und Handeln gerade in nicht demokratischen Herrschaftsformen. Menschen, die sich politisch interaktiv auf der Grundlage persönlicher Wahrhaftigkeit bewähren, handeln nicht unbedingt moralisch in Bezug auf den privaten Bereich. Sie lehnt den Rückgriff auf [[Transzendenz]] oder [[Gewissen]] zur Begründung von [[Moral]] ab, da sie davon überzeugt ist, dass auf diesen Wegen erzeugte [[Axiologie (Philosophie)|Werte]] manipulierbar sind. Für sie ist die totale Herrschaft ein System, in dem der bisherige Moralkodex umgedeutet wird. :''Denn so wie Hitlers «[[Endlösung der Judenfrage|Endlösung]]» in Wirklichkeit bedeutete, dass die [[Elite]] der Nazipartei auf das Gebot «Du sollst töten» verpflichtet wurde, so erklärte Stalins Verlautbarung das «Du sollst falsches Zeugnis reden» zur Verhaltensregel für alle Mitglieder der [[Bolschewiki|bolschewistischen]] Partei.''<ref>EuU S.645.</ref><br /> Diejenigen, die im Nationalsozialismus nicht kollaborierten, stellten sich die Frage, inwiefern sie mit sich selbst in Frieden leben könnten, wenn sie bestimmte Taten begangen hätten. Dabei verlief die Trennungslinie quer zu allen sozialen, kulturellen und bildungsmäßigen Unterschieden. Festzustellen war der totale Zusammenbruch der ''„ehrenwerten Gesellschaft.“''<ref>''Persönliche Verantwortung in der Diktatur,'' a.a.O., S.33ff.</ref> Sie zitiert Kants [[Kategorischer Imperativ|Kategorischen Imperativ]] und stellt den Egoismus den Anforderungen des Gemeinwesens gegenüber. Dabei entwickelt sie die Vorstellung einer gemeinschaftlichen [[Ethik]], die immer wieder neu ausgehandelt werden muss. Den Philosophen lastet Arendt an, sie hätten sich zu wenig mit der Pluralität der Menschen auseinandergesetzt. Darüber hinaus gebe es eine Art von Feindseligkeit der meisten Philosophen gegen alle Politik. Im Gegensatz zu anderen Denkern, sieht Arendt auch nach der Zeit des Totalitarismus eine Hoffnung für die Welt durch jeden Menschen, der geboren wird und einen Neuanfang machen kann. Die Schlechtigkeit, d.&nbsp;h. das Böse betrachtet sie als ein Phänomen mangelnder Urteilskraft. Der Mensch ist – auch im Verbrechen&nbsp;– immer auf andere bezogen, entwickelt einen Willen, der mit dem Willen anderer konfrontiert wird und muss seine Taten reflektieren, sonst wird er zum Getriebenen. In ihrer [[postum]] veröffentlichten 1965 gehaltenen Vorlesung: ''[[Über das Böse]]'' beschäftigt sich Arendt mit einer facettenreichen Definition des Bösen, die das Besondere des Nationalsozialismus mit seinen Vernichtungslagern wie auch das ''„universal Böse“'' (Kant) umfasst. === Veröffentlichungen, Auftritte in der Öffentlichkeit, Eintreten für Freiheit und Rechtsstaatlichkeit === Arendts Bücher und Aufsätze sind teilweise in unterschiedlichen Fassungen in englischer und in deutscher Sprache erschienen. Dies trifft z. B. auf [[Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft]] (1951, 1955) und auf [[Macht und Gewalt]] (1970) zu. Einige ihrer Texte übersetzte sie selbst und verbesserte sie dabei, andere wurden von professionellen Übersetzern übertragen und danach von Arendt korrigiert. Ihre Freundin [[Mary McCarthy]] hat ein paar ihrer in englischer Sprache verfassten Werke gegengelesen. Teilweise gab es vor dem Erscheinen vorbereitende Artikel in Zeitschriften, vor allem in den USA, der Bundesrepublik Deutschland und in Frankreich. Auch in ihren Vorlesungen griff sie Themen ihrer späteren Veröffentlichungen auf, besprach Passagen vor dem Erscheinen mit ihren Studenten, ebenso in der Korrespondenz. Die Einträge in ihr sogenanntes Denktagebuch korrespondieren mit ihren Veröffentlichungen. Vorträge, Interviews, die Teilnahme an Tagungen und Diskussionsveranstaltungen, insbesondere in den USA und der Bundesrepublik Deutschland, dienten der Verbreitung ihrer Gedanken. Die Ausdrucksweise Hannah Arendts ist rational und nüchtern. Häufig benutzt sie Begriffe mit anderer als der in der Umgangs- oder Wissenschaftssprache üblichen Bedeutung. Zuweilen kehrt sie gängige Verständnisse in ihr Gegenteil. Ihre Thesen erläutert sie klar und direkt. Zeit ihres Lebens scheute Hannah Arendt persönliche Auftritte in der Öffentlichkeit. Dies äußerte sie zuletzt in ihrer Rede zur Verleihung des Sonning-Preises in Dänemark kurz vor ihrem Tod. Heinrich Blücher schrieb sie dazu bereits 1955: ''„Kein Erfolg hilft mir über das Unglück »im öffentlichen Leben« zu stehen, hinweg […]. Was ich nicht schaffen kann, ist das auf dem Präsentierteller stehen und auf ihm dauernd verbleiben.“''<ref>''Hannah Arendt. Heinrich Blücher. Briefe.'' München 1999, S.353.</ref> Sie machte einen ''„radikalen“'' Unterschied zwischen ''„privat und öffentlich“''<ref>Arendt an Blücher S. 469.(Mai 1958).</ref> Ihre Briefwechsel, in denen sie bisweilen harte Urteile über Zeitgenossen fällte, zählte sie wohl zum Privatleben. Während die Korrespondenz mit Jaspers, Blücher, McCarthy, Blumenfeld und [[Uwe Johnson|Johnson]] fast vollständig veröffentlicht werden konnte, fehlen fast alle Arendt-Briefe an Heidegger und [[Hermann Broch|Broch]]. Viele ihrer Briefe an andere Freunde sind bisher noch unveröffentlicht. [[Bild:Karl Jaspers-BA.jpg‎|miniatur|Karl Jaspers]] Vor der [[Laudatio]] auf [[Karl Jaspers]], als dieser 1958 den ''[[Friedenspreis des Deutschen Buchhandels]]'' erhielt, hatte Arendt zunächst wegen ihrer engen Freundschaft – vielleicht auch wegen ihrer Freundschaft mit Heidegger – Skrupel, die Festrede zu halten. Jaspers bat jedoch darum. Bei dieser Gelegenheit setzte sie sich mit den Vorstellungen von ''„Öffentlichkeit,“'' ''„Person“'' und ''„Werk“'' auseinander: Nach [[Marcus Tullius Cicero|Cicero]] wird mit einer Laudatio die ''„Würde eines Menschen“'' in der ''„Öffentlichkeit“'' und nicht nur von Fachkollegen gefeiert. In der modernen Zeit sei indessen das ''„Vorurteil“'' verbreitet, dass nur ''„das Werk“'' in die Öffentlichkeit gehöre. Aus Arendts Sicht geht zwar der ''„Arbeitsprozess“'' die Öffentlichkeit nichts an, aber in Werken, welche nicht rein akademisch sind, sondern Resultate ''„lebendigen Handelns und Sprechens,“'' erscheine eine ''„Personhaftigkeit,“'' die römische ''„[[humanitas]],“'' die Kant und Jaspers ''„Humanität“'' nennen. Diese Humanität könne nur erreichen, wer seine Person und das damit verbundene Werk ''„dem Wagnis der Öffentlichkeit“'' aussetze. Jaspers habe sich über den akademischen Raum hinaus in der Öffentlichkeit nicht nur philosophisch, sondern auch politisch geäußert. Als Einzelperson habe er den freien Austausch mit anderen gesucht. Nur so sei es möglich ''„[[Vernunft|vernünftig]]“'' zu sein. Der Preisträger habe damit zur ''„Existenzerhellung“'' auch in Zeiten der Gewaltherrschaft beigetragen, nicht als Vertreter Deutschlands, sondern der Vernunft. Arendt vertritt die Vorstellung einer geistig&nbsp;– [[Freiheit|freiheitlichen]] Person, wenn sie abschließend sagt: ''„Es ist das Reich der «humanitas», zu dem ein jeder kommen kann aus dem ihm eigenen Ursprung. Diejenigen, die in es eintreten, erkennen sich […].“''<ref>H.A.: ''Karl Jaspers. Rede zur Verleihung des Friedenspreises des deutschen Buchhandels.'' München 1958.</ref> Während der Gedenkfeier der Universität Basel zum Tode von Karl Jaspers im März 1969 kam sie auf dieses Thema zurück: Jaspers habe in seinem Leben exemplarisch die ''„Dreieinigkeit“'' von Vernunft, Freiheit und Kommunikation dargestellt.<ref>veröffentlicht in: Hannah Arendt und Karl Jaspers: ''Briefwechsel 1926–1969'', S. 719f.</ref> Hannah Arendt verstand sich nie als Marxistin. Sie betonte vielmehr ihr Herkommen aus der [[Philosophie]]. Dennoch bescheinigte sie [[Karl Marx|Marx]], anders als den anderen ''„Ideologen“'' des 19. Jahrhunderts, ''„Mut“'' und ''„Gerechtigkeitssinn“'' und schätzte seine Analysen und ihn selbst als ''„Rebellen und Revolutionär.“'' Die ''„[[Fiktion]]“'' des [[Kommunismus]] lehnte sie aber ab. Ihr fehlte jeder Bezug zu [[Utopie|utopischem]] Denken. Die Begriffe ''links'' und ''rechts'' als politische Kategorien kommen in ihrem Werk nicht vor. Sie legte den Schwerpunkt ihrer Analysen auf politische Weltanschauungen bzw. Ideologien als Grundlagen für Staaten, die sie danach beurteilte, wie viel politische Freiheit und Rechtsstaatlichkeit dem Einzelnen in der Öffentlichkeit und insbesondere in der Politik zugestanden werden, bzw. er sich mit anderen erkämpfen kann. In einem Brief an Johnson heißt es dementsprechend 1972: von der Freiheit halte sie mehr als von [[Sozialismus]] oder [[Kapitalismus]].<ref>Arendt an Johnson S.79.</ref> Sie differenzierte lediglich zwischen drei Herrschaftsformen: der Demokratie, Republik oder [[Räterepublik]] u.&nbsp;ä. als unterschiedlich freiheitliche Systeme, der Diktatur bzw. ''„[[Tyrannis]]“'' als ''„normale“'' Unterdrückungsregimes und der ''„totalen Herrschaft.“'' === Beziehungen und Freundschaften === Freundschaften spielten eine sehr große Rolle in Hannah Arendts Leben. Neben ihrer engen Partnerschaft mit ihrem [[Heinrich Blücher|Ehemann]], der 1970 verstarb, pflegte sie geistig intensive Freundschaften u.&nbsp;a. mit [[Mary McCarthy]], [[Kurt Blumenfeld]], [[Uwe Johnson]],<ref>In einem Brief vom 6. Juli 1970 untersagte Arendt Johnson in seinem Romanzyklus ''Jahrestage'', eine Romanfigur nach ihr zu benennen. Johnson wählte daraufhin ein Pseudonym. Auch das billigte H.A. nicht. Sie schrieb: ''„Mir ist schon niemals ganz wohl, wenn jemand zitiert, was ich geschrieben habe; es ist eine Art Freiheitsberaubung, als wolle man mich festlegen – wiewohl natürlich ich selbst mich festgelegt habe.“'' Sie protestierte auch dagegen, dass er sie daraufhin als „Gräfin Seydlitz“ auftreten ließ, weil er offensichtlich ihre jüdische Herkunft vergessen habe. (Arendt an Johnson S.39f.)</ref> sowie vor allem mit [[Karl Jaspers]] und auch bis zuletzt mit [[Martin Heidegger]]. Jedoch hatte letztere einen besonderen Charakter. Während sie sich mehrmals abfällig über Heidegger als Menschen äußerte, beispielsweise im Brief an Jaspers vom 29.&nbsp;September 1949 und in den Briefen an Blücher vom 3.&nbsp;Januar 1950 und vom 26.&nbsp;Oktober 1959, betrachtete sie ihn und Karl Jaspers als die größten zeitgenössischen Philosophen. 1950 hatte Arendt die Beziehung zu Heidegger wieder aufleben lassen, allerdings blieb diese zeitlebens ambivalent. Gegenüber Blumenfeld zeigte sie sich Ende 1957 beeindruckt von Heideggers Arbeit über ''Identität und Differenz'', gleichzeitig machte sie sich über seinen Stil lustig: ''er zitiert sich selbst und interpretiert sich, als ob es ein Text aus der Bibel sei.''<ref>Arendt an Blumenfeld S. 197.</ref> Von ihrem philosophischen Hauptwerk ''[[Vita activa]]'' schickte sie dem Freund ein Exemplar mit der Bemerkung, wenn es zwischen ihnen je mit rechten Dingen zugegangen wäre, hätte sie ihm das Buch gewidmet. Heidegger antwortete darauf nicht und brach sogar den Kontakt für einige Zeit ab. Enttäuscht schrieb sie im November 1961 an Jaspers: :''„Ich weiß, daß es ihm [H.] unerträglich ist, daß mein Name in der Öffentlichkeit erscheint, daß ich Bücher schreibe, etc. Ich habe ihm gegenüber mein Leben lang gleichsam geschwindelt, immer so getan, als ob all dies nicht existiert und als ob ich sozusagen nicht bis drei zählen kann, es sei denn in der Interpretation seiner eigenen Sachen“'', da sei es ihm willkommen, daß sie sogar bis vier zählen könne. ''„Nun war mir das Schwindeln plötzlich zu langweilig geworden, und ich habe eins auf die Nase gekriegt.“''<ref>Arendt an Jaspers S. 494.</ref> In keiner seiner bekannten Schriften hat Heidegger auf die Arbeiten Hannah Arendts Bezug genommen. Anlässlich Heideggers 80. Geburtstages hielt sie im Herbst 1969, bereits nach Jaspers' Tod, einen Vortrag im Bayerischen Rundfunk, in dem sie ausführte: :''„Wir, die wir die Denker ehren wollen, wenn auch unser Wohnsitz mitten in der Welt liegt, können schwerlich umhin, es auffallend und vielleicht ärgerlich zu finden, daß [[Platon|Plato]] wie Heidegger, als sie sich auf die menschlichen Angelegenheiten einließen, ihre Zuflucht Tyrannen und Führern nahmen.“'' Diese Vorliebe nennt sie eine ''„déformation professionnelle.“'' ''„Denn die Neigung zum Tyrannischen läßt sich theoretisch bei fast allen großen Denkern nachweisen ([[Immanuel Kant|Kant]] ist die große Ausnahme).“'' Heidegger zitierend, fährt sie fort: nur sehr wenige verfügten über das Vermögen, ''„vor dem Einfachen zu erstaunen und […] dieses Erstaunen als Wohnsitz anzunehmen. […] Bei diesen wenigen ist es letztlich gleichgültig, wohin die Stürme ihres Jahrhunderts sie verschlagen mögen. Denn der Sturm, der durch das Denken Heideggers zieht&nbsp;– wie der, welcher uns nach Jahrtausenden noch aus dem Werk Platos entgegenweht&nbsp;– stammt nicht aus dem Jahrhundert. Er kommt aus dem Uralten, und was er hinterlässt, ist ein Vollendetes, das, wie alles Vollendete, heimfällt zum Uralten.“''<ref>''Martin Heidegger ist achtzig Jahre alt.'' Neuauflage in: ''Menschen in finsteren Zeiten,'' a.a.O. S.183f.</ref> Diese Passage hätte sie wohl nicht zu Lebzeiten Karl Jaspers', der sich immer als Demokrat verstanden hatte, verfasst. Sowohl die Veröffentlichung einiger Werke Jaspers' als auch Heideggers in den USA unterstützte Hannah Arendt tatkräftig. Sie suchte Verlage, teilweise beaufsichtigte sie die Übersetzungen und gab die amerikanische Ausgabe von ''Die großen Philosophen'' heraus. In der jeweiligen Korrespondenz wird die Hilfe wiederholt thematisiert. Beide waren sehr an der Verbreitung ihrer Arbeiten in den Vereinigten Staaten interessiert und bedankten sich bei ihr. === „Denktagebuch“ === Hauptsächlich 1950 bis 1960 und weniger intensiv und stringent 1963 bis 1970 führte Hannah Arendt handschriftlich auf Deutsch – abgesehen von Originalzitaten auf Lateinisch, Englisch und Französisch und dem letzten Teil, in dem sie vor allem in englischer Sprache schreibt – ein von ihr gegenüber ihrer Freundin und ersten Nachlassverwalterin Lotte Köhler<ref>''Nachwort''. In: Hannah Arendt: ''Denktagebuch. Zweiter Band.'' München 2002, S. 827.</ref> so bezeichnetes „''Denktagebuch.''“ Sie setzt sich in 28 Heften, nach Jahren und Monaten geordnet, mit zahlreichen Philosophen und politischen Denkern auseinander. Der Schwerpunkt liegt dabei auf der griechischen Antike. Sie behandelt aber auch Denker der [[Römisches Reich|Römerzeit]], des [[Philosophie des Mittelalters|Mittelalters]] und besonders zahlreich solche der [[Philosophie der Neuzeit|Neuzeit]]. Durchgehend debattiert sie die Philosophie und das politische Denken [[Platon]]s (anhand seiner Begriffe im Original), den sie in der Tradition [[Aristoteles]]' und Heideggers kritisch betrachtet. Häufig befasst sie sich mit Kant, Heidegger und Marx (vor allem mit seinem Arbeitsbegriff), aber auch mit [[Friedrich Nietzsche|Nietzsche]], [[Georg Wilhelm Friedrich Hegel|Hegel]] und mit vielen anderen [[Politische Philosophie|politischen Denkern]]. Hinzu kommen in geringerem Maße Dichter wie [[Friedrich Hölderlin|Hölderlin]], [[Emily Dickinson|Dickinson]], [[Johann Wolfgang von Goethe|Goethe]], [[Rainer Maria Rilke|Rilke]], [[Fjodor Michailowitsch Dostojewski|Dostojewski]], [[Franz Kafka|Kafka]] u.&nbsp;a.; außerdem notiert sie einige eigene (zu Lebzeiten unveröffentlichte) Gedichte und äußert sich nur hier zu Freundschaft, Liebe und Leidenschaft. Überdies stellt sie Reflexionen über die Sprache an. Auf diesem Hintergrund entwickelt Arendt im inneren Dialog mit sich selbst ihre eigenen Begriffe, wie beispielsweise die ''„Gebürtlichkeit,“'' die ''„Pluralität“'' und das ''„Zwischen.“'' Allgemein gebräuchliche Begriffe benutzt sie mit spezieller Bedeutung: so z.&nbsp;B. das Politische, die Freiheit, das Arbeiten, das Herstellen, das Denken, das Handeln, das Urteilen, das Böse, die Macht, die Gewalt, die Wahrheit, die Lüge und die Ideologie. Weiterhin denkt sie über Geschichte, Politik und deutlich weniger über Gesellschaft sowie über [[Geschichtswissenschaft|Geschichts-]], [[Politikwissenschaft|Politik-]] und [[Sozialwissenschaft|Gesellschaftswissenschaften]] nach und stellt religionsbezogene Überlegungen an. Ihre kurzen klar strukturierten Eintragungen, jeweils zu einem Thema, bilden eine der Grundlagen für ihre schriftlichen und mündlichen öffentlichen und privaten überlieferten Äußerungen. Unter dem Titel ''Denktagebuch'' wurden ihre Aufzeichnungen 2002 zusammen mit einem undatierten (ca. 1964 entstandenen) kleinen Heft über Kant in den USA und in Deutschland herausgebracht.<ref>Ausführlich mit dem Denktagebuch befasst haben sich Barbara Hahn in ''Hannah Arendt - Leidenschaften, Menschen und Bücher.'' Berlin 2005 und Sigrid Weigel: ''Dichtung als Voraussetzung der Philosophie. Hannah Arendts Denktagebuch.'' In: Text und Kritik 166/167 (Hannah Arendt), Zeitschrift für Literatur, Hg. Heinz Ludwig Arnold, IX 2005, S. 125-137.</ref> === Alter und Tod === [[Datei:GraveHannahArendt..jpg|miniatur|Grabstein am Bard College in Annandale-on-Hudson, [[New York (Bundesstaat)|New York]]]] Im Gegensatz zu anderen Gelehrten hinterließ Hannah Arendt kein ‚Alterswerk‘. Sie entfaltete vielmehr stetig ihr politisches Denken und zeigte häufig [[Zivilcourage]]. Tiefe Brüche gab es dabei nicht. Trotz der äußeren Umwälzungen, vor allem durch das Auftreten des Totalitarismus, ist ihr Gesamtwerk in sich geschlossen und birgt nur wenige grundsätzliche Korrekturen. So hat sie – auf der Grundlage des Kantschen Begriffs vom ''„radikal Bösen“'', den sie zunächst übernommen hatte - 1961 die These von der ''„Banalität des Bösen“'' aufgestellt und später trotz jahrelanger Anfeindungen verteidigt. In ihren Briefen spricht sie den Wunsch aus, bis zu ihrem Tod leistungsfähig zu bleiben. Nach einem ersten Herzinfarkt 1974 nahm sie ihr Schreiben und ihre Lehrtätigkeit wieder auf und erlitt in Anwesenheit von Freunden 1975 einen zweiten tödlichen Herzinfarkt in ihrem Arbeitszimmer. Grabreden hielten u.a. ihr alter Freund [[Hans Jonas]] und Vertreter ihrer Studenten.<ref>Hans Jonas: ''Handeln, Erkennen, Denken. Zu Hannah Arendts philosophischem Werk.''In: ''Hannah Arendt. Materialien zu ihrem Werk.'' Hrsg. Adelbert Reif. Wien 1979, S. 353–370. Erstveröffentlichung: Social Research, New York, Jg. 44, Nr. 1, Frühling 1977.</ref> == Hauptwerke == === ''Rahel Varnhagen. Lebensgeschichte einer deutschen Jüdin aus der Romantik.'' === → ''Hauptartikel: [[Rahel Varnhagen (Arendt)|Rahel Varnhagen. Lebensgeschichte einer deutschen Jüdin aus der Romantik]]'' Das Manuskript für ihr großes Jugendwerk über [[Rahel Varnhagen von Ense|Rahel Varnhagen]]<ref>''Rahel Varnhagen. Lebensgeschichte einer deutschen Jüdin aus der Romantik. (RV)'' München, Zürich 1981.</ref> hatte Arendt bereits 1931 bis Anfang 1933 in Berlin verfasst. Die zwei letzten Kapitel zu ihrer Theorie über [[Paria]] und [[Parvenü]] entstanden im Exil in Paris 1938. Das Werk erschien erst 1958 mit einem aktuellen Vorwort in englischer Sprache, aus dem Deutschen übersetzt, herausgegeben vom Leo Baeck Institut. Die deutsche Fassung kam 1959 auf den Markt. Es stützt sich auf veröffentlichte und unveröffentlichte Briefe sowie Tagebuchaufzeichnungen, die Arendt z.&nbsp;T. erstmals auswertete. Die Autorin bezeichnet ihr Werk Jaspers gegenüber als ''„Frauenbuch“''<ref>Arendt an Jaspers (1956) S. 332.</ref> und im Vorwort als einen Beitrag zur [[Geschichte der Juden in Deutschland|Geschichte der deutschen Juden]]. Am Beispiel ihrer 1771 geborenen [[Protagonist]]in, zeigt sie den am zunehmenden gesellschaftlichen Antisemitismus gescheiterten [[Assimilation (Soziologie)|Assimilationsversuch]] von wohlhabenden und gebildeten Juden im 19. Jahrhundert. Aufgeklärt und auf Vernunft gestützt, war es Rahel Levin gelungen, in Berlin einen eigenen [[Salon der Rahel Varnhagen|literarischen Salon]] zu führen und damit gleichberechtigten Umgang mit Literaten, Wissenschaftlern und Philosophen zu pflegen, nicht aber Eingang in die deutsche [[Ständeordnung|Standesgesellschaft]] zu finden. Um in den Adel aufzusteigen oder wenigstens in die höhere Gesellschaft, versuchte Rahel mehrmals vergeblich, ihr Judentum durch eine Ehe zu überwinden. Dies scheiterte zweimal an ihrer jüdischen Herkunft und einmal an den Vorstellungen über die Unterordnung der Frau unter den Mann. Nach diesen Erfahrungen beschloss sie, den Nachnamen ''Robert'' anzunehmen, um die Trennung von der jüdischen Identität auch äußerlich sichtbar zu machen. Anfang des 19. Jahrhunderts erschien die erste moderne „Hetzbroschüre“ ''Wider die Juden'', der eine Welle von Antisemitismus folgte. 1806 wurde der Salon infolge des Einmarsches [[Napoléon Bonaparte|Napoleons]] geschlossen. Die neuen Berliner [[Literarischer Salon|Salons]] ab 1809 beschreibt Arendt als eher politisch-literarische Zirkel, vom Adel dominiert und patriotisch geprägt mit Statuten, die Frauen, Franzosen, [[Philister]]n und Juden den Zutritt verboten. Rahel versuchte nunmehr sogar, eine philosophische Form des [[Nationalismus]] von [[Johann Gottlieb Fichte|Fichte]] zu übernehmen, um ''„dazuzugehören.“'' Dies konnte ihr, so Arendt, nicht gelingen, ''„denn der patriotische Antisemitismus, dem auch Fichte nicht fernstand, vergiftete alle Beziehungen zwischen Juden und Nichtjuden.“''<ref>RV 1981 S. 143.</ref> Endlich lernte sie 1808 [[Karl August Varnhagen von Ense|August Varnhagen]] kennen, ließ sich 1814 seinetwegen taufen und kam durch die späte Heirat der ersehnten Assimilation näher. Schon 1815 etablierte sich der Antisemitismus erneut offen und stark. 1819 fanden [[Pogrom]]e in Preußen statt. Durch beruflichen Aufstieg, einen Adelstitel und steigenden Wohlstand verkehrte August von Varnhagen nunmehr mit den Honoratioren der Gesellschaft. Rahel hatte ihr Ziel erreicht. Sie war ''„dumm“'' und ''„überschwenglich glücklich,“'' urteilt Arendt, ''„daß man ihr gnädigst erlaubt mitzutun.“''<ref>RV 1981 S. 206.</ref> Trotzdem blieb Rahels Haltung zwiespältig. Sie fühlte sich weiterhin ''„fremd“'' in einer judenfeindlichen Gesellschaft und beklagte sich, dass Frauen ganz von des Mannes und des Sohnes Stand geprägt seien und vielfach nicht als Menschen mit Geist betrachtet werden. Arendt versteht unter einem Parvenu einen Menschen, der sich in eine Gesellschaft hinein ''„schwindelt,“'' in die er nicht gehört. Es ist dieses Lügen, das Rahel wie ihr Mann Arendt zufolge perfekt beherrschen. Sie bezeichnet ihn als Parvenu, während sie Rahel als Person zwischen Paria und Parvenu kennzeichnet, da ihr das Schwindeln und Heucheln für den Aufstieg mehr und mehr als Lüge und Last erschienen. Von 1821 bis 1832 führte Rahel von Varnhagen ihren zweiten Salon wiederum mit illustren Gästen. Doch dieser literarische Kreis blieb&nbsp;– mehr noch als der erste&nbsp;– nur eine Illusion der Gemeinsamkeit und der Integration. Außerhalb des Salons blieben die Varnhagens isoliert und erhielten keine Einladungen zu den angestrebten Kreisen. Daraus schließt Arendt: In einer im großen und Ganzen judenfeindlichen Gesellschaft, können sich Juden nur assimilieren, wenn sie sich an den Antisemitismus assimilieren. Auch assimilierte Juden in Europa waren demnach [[Außenseiter]] bzw. Parias geblieben, weil sie meistens von großen Teilen des Adels und vor allem vom Bürgertum nicht anerkannt wurden. Zwar konnten wohlhabende in die Rolle des Parvenu wechseln. Dies war jedoch mit Lüge, Untertanengeist und Heuchelei erkauft. Den Status des unbeliebten Außenseiters konnten sie dadurch nicht überwinden. Einige der Parias wurden zu Rebellen und behielten auf diese Weise ihre Identität bei. Rahel strebte, so Arendt, bis kurz vor ihrem Tod die vollständige Eingliederung in die Gesellschaft als Person an. Erst am Lebensende nahm sie eine klare Haltung ein, war wieder Jüdin und Paria geworden. Nunmehr sah sie die Realität des Antisemitismus klar. Als Anhängerin [[Henri de Saint-Simon|Saint-Simons]] forderte sie Gleichheit und Rechte ohne Berücksichtigung der Herkunft. === ''Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft'' === → ''Hauptartikel: [[Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft]]'' Im ersten Teil ihres fast 1000 Seiten umfassenden Hauptwerkes rekonstruiert Arendt die Entwicklung des Antisemitismus im 18. und 19. Jahrhundert, im zweiten Teil den Verlauf und die Funktionsweise des Rassismus und des Imperialismus im 19. und frühen 20. Jahrhundert bis zum Nationalsozialismus. Schließlich beschreibt sie im dritten Teil die beiden Formen totaler Herrschaft – [[Nationalsozialismus]] und [[Stalinismus]] – auf dem Hintergrund ihrer These der wachsenden Zerstörung des politischen Raums durch die [[Entfremdung]] des Individuums in der [[Masse (Soziologie)|Massengesellschaft]]. ==== Antisemitismus, Imperialismus und totale Herrschaft ==== Arendt verwirft alle [[Ideologie]]n des 19. Jahrhunderts, wie die bürgerliche Wissenschaftsgläubigkeit, z.&nbsp;B. des [[Darwinismus]]. Aber auch den [[Idealismus (Philosophie)|Idealismus]] lehnt sie als Ursprung des nationalsozialistischen ''„Gesetzes der Natur“'' ab. Ebenso steht sie dem geschichtsphilosophischen [[Fortschritt]]soptimismus, der sich beispielsweise im [[Marxismus]] zeigt und pessimistischen Geschichtsauffassungen kritisch gegenüber, da sie sich von allen Vorstellungen linearer Entwicklung abgrenzt und stattdessen von der Möglichkeit eines Neuanfangs oder des Scheiterns einer jeden neuen Generation überzeugt ist. Der [[Judenfeindlichkeit|Antisemitismus]] wurde im 18. und 19. Jahrhundert zu einer an den [[Nationalismus]] gebundenen irrationalen Ideologie. Eine besondere Bedeutung für die Entwicklung dieser national-völkischen Ideologie sieht Arendt im [[Imperialismus]], den sie mit Bezug auf die [[Imperialismustheorien|Imperialismustheorie]] Rosa Luxemburgs<ref>EuU 2005, S. 334. Vgl. auch EuU 1995, S. 254.</ref> als Grundlage für die weitere Entwicklung des Antisemitismus und des Rassismus untersucht. Während der ''„nationale“'' Antisemitismus den Ausschluss der Juden aus der Nation fordere, gehe es dem ''„imperialistischen“'' Antisemitismus nationenübergreifend um die Vernichtung der Juden. Der Imperialismus zersetze die politischen Räume der Gesellschaft, indem er in der Innen- und Außenpolitik Hindernisse beseitige, die die Expansion des Kapitals stören. Arendt erweitert den marxistischen Imperialismusbegriff um die Dimension des [[Rassismus]] und kritisiert die Reduzierung der Auseinandersetzungen mit dem [[Kapitalismus]] auf die rein ökonomischen Fragen. Die politische Triebfeder des Imperialismus sei der Versuch, die Menschheit in ''„Herren- und Sklavenrassen,“'' in ''„Schwarze und Weiße“'' einzuteilen.<ref>EuU 1955, S. 209.</ref> Im Zuge ihrer Welteroberungspolitik haben totalitäre Regierungen die Gruppen von Flüchtlingen und Staatenlosen stark vermehrt und sich bemüht, ihre rechtlichen und moralischen Positionen zu zerstören, um die Nationalstaaten von innen her zu zersetzen. : ''„Wen immer die Verfolger als Auswurf der Menschheit aus dem Lande jagten – Juden, [[Trotzkismus|Trotzkisten]] und so weiter –, wurde überall auch als Auswurf der Menschheit empfangen, und wen sie für unerwünscht und lästig erklärt hatten, wurde zum lästigen Ausländer, wo immer er hinkam.“''<ref>beide Zitate: EuU 1995, S. 425. </ref> Die Frage, warum die Juden als Opfer ausgewählt wurden, beschäftigt die politische Denkerin durchgehend. Bereits in der Einleitung kritisiert sie Historiker, die das Bild vom ''[[Ewiger Jude|ewigen Juden]],'' den ewigen natürlichen Antisemitismus nicht hinterfragen oder die [[Sündenbock]]theorie sowie die ''„Ventiltheorie“'' als Erklärung für die nationalsozialistische Judenvernichtung verbreiten. : ''“Wenn es wahr ist, daß die Menschheit immer darauf bestanden hat, Juden zu ermorden, dann ist Judenmord eine normale, menschliche Betätigung und [[Judenfeindlichkeit|Judenhaß]] eine Reaktion, die man noch nicht einmal zu rechtfertigen braucht.“'' Tatsächlich sei jedoch nichts so ''„grauenhaft einprägsam“'' wie die vollkommene Unschuld aller, die in der ''„Terrormaschine“'' gefangen wurden.<ref> EuU 1995, S. 30f.</ref> ==== Abgrenzung und Charakterisierung der totalen Herrschaft ==== Den Begriff der totalen Herrschaft grenzt Arendt ein auf den Nationalsozialismus, endend mit Hitlers Tod und das System des Stalinismus, das sie von 1929 an bis zu [[Josef Stalin|Stalins]] Tod 1953 in der [[Geschichte der Sowjetunion|Sowjetunion]] verwirklicht sieht. Es handelt sich ihrer Auffassung nach um ''„Variationen des gleichen Modells“''.<ref>EuU 1986 -TB-, S. 640.</ref> Nicht der Staat und die Nation sind für die totalitäre Politik letztendlich wichtig, sondern die [[Massenbewegung (Soziologie)|Massenbewegung]], die sich auf Ideologien, wie den Rassismus oder den Marxismus stützt.<ref> EuU 1995, S. 507.</ref> Als Kennzeichen dieser Herrschaftsform sieht sie: die Umwandlung der [[Klasse (Soziologie)|Klassen]] - auf der Grundlage von Interessen - in fanatisierte Massenbewegungen, die Beseitigung von Gruppensolidarität, das [[Führerprinzip]], millionenfache Morde, die Passivität der Opfer, Denunziationen sowie die „''Bewunderung für das Verbrechen.''“ Demnach sind Anhänger totalitärer Massenbewegungen Argumenten nicht zugänglich und ignorieren ihren Selbsterhaltungstrieb. Totalitäre Führer rühmen sich begangener Verbrechen und kündigen künftige an. Sie exekutieren ''„Gesetze von Natur oder Geschichte.“'' Während jedoch der [[Dialektischer Materialismus|dialektische Materialismus]] auf den besten Traditionen basiere, sei der Rassismus kläglich-vulgär. Beide Ideologien liefen auf die Ausscheidung von «Schädlichem» oder Überflüssigem zu Gunsten des reibungslosen Ablaufs einer Bewegung hinaus.<ref> EuU 1986 –TB –, S. 948ff.</ref> Für Arendt ist die totale Herrschaft die einzige Staatsform, mit der es keine Koexistenz und keinen Kompromiss geben kann. '''Zeitweiliges Bündnis zwischen Mob und Elite''' Totalitäre Bewegungen sind laut Arendt durch die echte Ergebenheit ihrer Anhänger geprägt. Gerade ein großer Teil der geistigen und künstlerischen [[Elite]] hat sich&nbsp;– wenigstens zeitweise&nbsp;– mit den totalitären Regierungen identifiziert. Die Elite habe sich (aus guten Gründen), bevor der ''„Zusammenbruch des Klassensystems“'' die ''„Massenindividuen“'' erzeugte von der Gesellschaft losgesagt und könne nun die Massen ''„verstehen.“'' Ebenso stehe der [[Mob (Personen)|Mob]], der von Verfassungen, Parteien und Moralsystemen nicht berührt werde, die Unterwelt und das Gesindel umfasse, am Rande der Gesellschaft. Er sei erstmals bereit und in der Lage gewesen, die Massen zu organisieren und, da er keine berufliche Karriere anstreben konnte, politische Ämter zu übernehmen. Die Führer der Parteien meinten, dies diskreditiere den Mob, doch es war umgekehrt, da die Lage der Massen so verzweifelt war, dass sie nicht mehr auf die bürgerliche Gesellschaft hofften. Hitlers ''„hysterischer Fanatismus“'' und Stalins ''„rachsüchtige Grausamkeit“'' trugen Arendt zufolge Züge des Pöbels. : ''„Jedenfalls beruhte das zeitweilige Bündnis zwischen Elite und Mob weitgehend auf dem echten Vergnügen, das der Mob der Elite bereitete, als er daranging, die Respektabilität der guten Gesellschaft zu entlarven, ob nun die deutschen Stahlbarone den «Anstreicher [[Adolf Hitler|Hitler]]» empfingen oder ob das Geistes- und Kulturleben mit plumpen und vulgären Fälschungen aus seiner akademischen Bahn geworfen wurde.“''<ref>EuU 1986 -TB-, S. 703 und 713.</ref> Die Elite war demnach vom Radikalismus besonders fasziniert, von der Aufhebung der Trennung zwischen Privatem und Öffentlichem und von der Erfassung des ganzen Menschen durch die jeweilige Weltanschauung. Die Überzeugungen des Mobs betrachtet sie als reine, nicht durch Heuchelei abgeschwächte Verhaltensweisen der Bourgeoisie. Doch die Hoffnungen beider Gruppen wurden nicht erfüllt, da die Führer der totalitären Bewegungen, die zum großen Teil dem Mob entstammten, weder dessen Interessen noch die der intellektuellen Anhänger vertraten, sondern ''„[[Millenarismus|tausendjährige Reiche]]“'' anstrebten. Initiativen von Mob und Elite wären ''„beim Aufbau funktionsfähiger Beherrschungs- und Vernichtungsapparate“'' eher hinderlich gewesen. Die Machthaber griffen daher lieber auf die ''„Massen gleichgeschalteter [[Spießbürger|Spießer]]“'' zurück.<ref>EuU 1986 -TB-, S. 719ff.</ref> '''Totalitäre Propaganda und Indoktrination''' Während Mob und Elite selbständig alles Bestehende durch Terror umwälzen wollten, konnten die Massen erst durch [[Propaganda]] in totalitäre Organisationen eingebunden werden. Totalitäre Bewegungen verändern die Realitätswahrnehmung der Gesellschaft und fixieren sie auf universelle Bedeutungen. Die Bewegung nahm Ideologien von einer ''„Rassegesellschaft oder eine(r) klassen- und nationslosen Gesellschaft“''<ref>EuU 1986 -TB-, S. 706.</ref> auf und verbreitete Theorien von [[Verschwörungstheorie|Verschwörungen]] gegen die Gesellschaft durch Juden oder Parteifeinde. Für den Nationalsozialismus stellt Arendt die Bedeutung dieses Phänomens anhand der ''[[Protokolle der Weisen von Zion]]'' heraus. Es müsse gefragt werden, wie diese offensichtliche Fälschung zu der ''„Bibel einer Massenbewegung“'' werden konnte.<ref>EuU 1986 -TB-, S. 30.</ref> Mit dem Glauben an die ''Jüdische Weltverschwörung'' und ihren modernen Elementen ließen sich Antworten auf Probleme der [[Moderne]] vermitteln. ''„Es sind die eigentümlich modernen Elemente, denen die Protokolle ihre außerordentliche Aktualität verdanken und die stärker wirken als die viel banalere Beimischung uralten Aberglaubens“''<ref>EuU 1986 -TB-&nbsp; S. 758, siehe auch: S. 757 ff.</ref> Auch im Stalinismus findet sie antisemitische Züge nach nazistischem Vorbild. Der Bezug auf eine jüdische Weltverschwörung im Sinne der ''Weisen von Zion'', die Umdeutung des Begriffs „Zionismus“, die alle nichtzionistischen Organisationen und damit alle Juden einschloss, eignete sich auf Grund der vorhandenen antisemitischen Ressentiments in der Bevölkerung eher zur Verwirklichung der Ansprüche auf eine Weltherrschaft als der Kapitalismus oder der Imperialismus.<ref>EuU 1986 -TB-, S. 641f.</ref> Nach der Machtübernahme durch die ''„Bewegungen“'' wurde, so die Autorin, die Propaganda durch [[Indoktrination]] ersetzt. Der Terror richtete sich jetzt nicht allein gegen die angeblichen Feinde, sondern auch gegen die unbequem gewordenen Freunde. Die Ergebenheit der treuen Mitglieder ging dann so weit, dass sie jederzeit bereit waren, den Opfertod für den Führer oder die Partei zu sterben. Arendt belegt dies z.&nbsp;B. mit der Haltung der Angeklagten in den [[Moskauer Prozesse]]n. Die Lügen über die „Verschwörer“, argumentiert die Verfasserin, wurden durch ihre Offensichtlichkeit nicht entkräftet: :''„So hat weder die offenbare Hilflosigkeit der Juden gegen ihre Ausrottung die Fabel von der Allmacht der Juden, noch haben die Liquidierung der Trotzkisten in Russland und die Ermordung Trotzkis die Fabel von der Verschwörung der Trotzkisten gegen die Sowjetunion zu zerstören vermocht.“''<ref>EuU 1986 -TB-, S. 739ff. und 763.</ref> '''Terror als Wesen totaler Herrschaft''' In der [[Zeit des Nationalsozialismus]] wurde, fährt Arendt fort, der Machtapparat vollständig etabliert, [[Gleichschaltung|gleichgeschaltet]] und nach und nach immer radikaler und undurchschaubarer gestaltet. Das ''„Recht zum Morden“'' zusammen mit Methoden, das Wissen aus der Welt zu schaffen, wurde zur sichtbaren Weltanschauung. :''„Daß die Nazis die Welt erobern, «artfremde» Völker aussiedeln und «erbbiologisch Minderwertige ausmerzen» wollten, war so wenig ein Geheimnis wie die [[Weltrevolution]] und -eroberungspläne des russischen Bolschewismus.“''<ref>EuU 1986 -TB-, S. 794.</ref> Während die Nationalsozialisten immer die Fiktion der jüdischen Weltverschwörung aufrecht erhielten, änderten die Bolschewisten ihre Fiktion mehrmals: von der trotzkistischen Weltverschwörung, über den Imperialismus, zur Verschwörung der «[[Wurzelloser Kosmopolit|wurzellosen Kosmopoliten]]» usw. Stalins Machtmittel war die Verwandlung der [[Kommunistische Partei|Kommunistischen Parteien]] in Filialen der von Moskau beherrschten [[Kommunistische Internationale|Komintern]]. Innerhalb der ''„totalen Welt“'' herrschte der Polizeiapparat als Geheimpolizei, [[Glawnoje Polititscheskoje Uprawlenije|GPU]] oder [[Geheime Staatspolizei|Gestapo]]. Die Zahl der in den NS-Vernichtungslagern ermordeten Juden sowie anderer Gruppen und der im ''„Raubkrieg“'' getöteten Menschen sei nachweisbar. Aus Arendts Quellenlage war keine genaue Quantifizierung der Opfer des Stalinismus möglich. Die Morde reichten von der Liquidierung der [[Kulak]]en über die Verluste während der [[Geschichte der Sowjetunion|Kollektivierung der Landwirtschaft]], die Moskauer Prozesse bis zur Generalreinigung der gesamten [[Bürokratie]]. Sie stützte sich u.a. auf Angaben zeitgenössischer junger russischer Intellektueller über «[[Politische Säuberung|Massensäuberungen]], Verschleppung und Ausrottung ganzer Völker».<ref>EuU 1986 -TB-, S. 639f., S. 827.</ref> Hannah Arendt beschreibt die Konzentrations- und Vernichtungslager als Versuchsanstalten, die zur Ausrottung von Menschen, zur Erniedrigung von Individuen dienten und zum Nachweis, dass Menschen total beherrschbar sind. Identität, Pluralität, und Spontanität aller Menschen sollten vernichtet werden. Die Lager seien für die Erhaltung des Machtapparats zentral gewesen, die Verbrechen und Greueltaten so ungeheuerlich, das Grauen so groß, dass sie auf Unbeteiligte leicht unglaubwürdig wirkten. Denn die Wahrheit der Opfer beleidige den gesunden Menschenverstand. Hitlers ''„hundertfach wiederholten Ankündigungen, daß Juden Parasiten seien, die man ausrotten müsse,“'' wurde nicht geglaubt. Das Grauen vor dem ''„[[Das radikal Böse|radikal Bösen]]“'' bringt die Erkenntnis, dass es hierfür keine politischen, geschichtlichen oder moralischen menschlichen Maßstäbe gibt. Konzentrationslager stehen immer außerhalb des normalen Strafsystems. Sie beruhen auf der ''„Tötung der [[Juristische Person|juristischen Person]].“'' Der Mensch wird reduziert auf: ''„Jude,“'' ''„Bazillenträger,“'' ''„Exponent(en) absterbender Klassen.“'' Bei den Verbrechern und Politischen kann die Vernichtung der juristischen Person laut Arendt nicht vollständig gelingen, ''„weil sie wissen, warum sie dort sind.“'' Die meisten Insassen seien aber völlig unschuldig gewesen. Gerade diese wurden in den Gaskammern liquidiert, während wirkliche Regimefeinde häufig schon im Vorfeld getötet wurden.<ref>EuU 1986 -TB-, S. 907ff und 916ff.</ref> Die ''„Entrechtung“'' des Menschen sei ''„Vorbedingung für sein totales Beherrschtsein“'' und gelte für jeden Einwohner eines totalitären Systems. Hinzu komme die ''„Ermordung der moralischen Person.“'' Es handele sich dabei um ein System des Vergessens, das bis in die Familien- und Freundeskreise der Betroffenen reiche. Der Tod werde anonymisiert. Moralisches Handeln, Gewissensentscheidungen wurden unmöglich. Arendt zitiert den Bericht von [[Albert Camus]] über eine Frau, der die Nationalsozialisten die Wahl zuschoben zu entscheiden, welches ihrer drei Kinder getötet werden sollte. Das einzige, was dann noch bleibt, um die Verwandlung von Personen in ''„lebendige Leichname“'' zu verhindern, ist die Beibehaltung der ''„Differenziertheit, der Identität“''. Hannah Arendt führt deutlich vor Augen: die Zustände bei den Transporten in die Lager, das Kahlscheren der Schädel, die Entkleidung, die Tortur und die Ermordung. Während die SA noch mit ''„Haß“'' und ''„blinder Vertiertheit“'' tötete, sei der Mord im Lager ein ''„mechanisierter Vernichtungsakt“'' gewesen, teilweise ohne ''„individuelle Bestialität“'' begangen von normalen Menschen, die zu Mitgliedern der [[Schutzstaffel|SS]] erzogen worden seien.<ref>EuU 1986 -TB-, S. 929ff.</ref> Der [[Terror]] als ''Wesen'' einer totalitären Regierung übt zunächst eine eigentümliche Anziehungskraft auf moderne entwurzelte Menschen aus, presst später die Massen zusammen und zerstört alle Beziehungen zwischen Menschen. Das ''Prinzip'' ist die Ideologie, ''„der innere Zwang,“'' umgedeutet und so weit angenommen, bis die Menschen voller Furcht, Verzweiflung und Verlassenheit vorwärts in den eigenen Todes getrieben werden, wenn ''„man“'' schließlich selbst zu den «Überflüssigen» und «Schädlingen» gehört.<ref>EuU 1986 -TB-, S. 960ff. Die Unterscheidung zwischen ''Wesen'' und ''Prinzip'' einer Regierung übernimmt Arendt von Montesquieu.</ref> Am Ende betont sie, dass die totale Herrschaft nicht in einem langwierigen Prozess, sondern plötzlich zusammenbricht und anschließend die meisten ihrer Anhänger die Teilnahme an Verbrechen, ja selbst die Zugehörigkeit zur Bewegung verleugnen. === ''Vita activa oder Vom tätigen Leben'' === → ''Hauptartikel: [[Vita activa oder vom tätigen Leben]]'' Im Gegensatz zu Heidegger begründete Arendt ihr Denken von der Geburt des einzelnen Menschen her und nicht vom Tod. In ihrem 1958 veröffentlichten, sich hauptsächlich auf Philosophie beziehenden zweiten Hauptwerk ''The Human Condition'', in deutscher Sprache – von ihr selbst übersetzt – unter dem Titel: ''Vita activa oder Vom tätigen Leben''<ref>''Vita activa oder Vom tätigen Leben.'' (VA) München, Zürich -TB- 2006.</ref> 1960 erschienen, führt Arendt diesen Gedanken aus. Mit der Geburt beginnt die Fähigkeit, einen Anfang machen zu können. Das Individuum hat die Aufgabe, in Verbindung mit anderen Personen die Welt zu gestalten. Dabei geht es ihr um die Grundbedingungen menschlichen aktiven Lebens, die sie auf ''„Arbeiten, Herstellen und Handeln“'' beschränkt. Davon unterscheidet sie das ''„[[Wesen (Philosophie)|Wesen]]“'' bzw. die ''„Natur“'' des Menschen, die begrifflich nicht zu definieren und menschlicher Erkenntnis nicht zugänglich seien. Versuche, sie zu bestimmen endeten ''„zumeist mit irgendwelchen Konstruktionen eines Göttlichen.“''<ref>VA -TB- 2006, S. 21.</ref> Das Handeln ist ihrer Ansicht nach enger an die Gebürtlichkeit gebunden als das Arbeiten und Herstellen. ==== Arbeiten und Herstellen ==== Die [[Arbeit (Philosophie)|Arbeit]] dient dem Fortbestand des Einzelnen und der Gattung. Daher gehört Arbeit notwendig zum menschlichen Leben, aber auch zu dem jedes anderen Lebewesens. Arbeit ist, so sieht es Arendt, nicht mit Freiheit verbunden, sondern stellt einen Zwang zur Erhaltung des Lebens dar, dem der Mensch von der Geburt bis zum Tod ständig unterliegt. Auf der Grundlage der Arbeit beginnt das Individuum über die Endlichkeit seines Daseins nachzudenken. Um dieser Gewissheit zu entfliehen, baut der Mensch neben der natürlichen eine eigene künstliche Welt auf, für die er Dinge aus unterschiedlichen Materialien herstellt. Arendt geht davon aus, dass diese Welt beständig ist, und das Individuum eine Beziehung zu den hergestellten Dingen und [[Phänomen]]en aufbauen kann. Ein Beispiel dafür ist das Gefühl des ''„nach Hause Kommens.“'' In einer sich ständig ändernden Welt kann der Mensch sich nicht zu Hause fühlen. Die von Arendt eingeführte Unterscheidung zwischen ''„Arbeiten“'' und ''„Herstellen“'' bezieht sie auch auf die [[Produktion]]. Als Produkte der Arbeit bezeichnet sie Konsumgüter, die ''„verbraucht“'' werden, während Produkte des Herstellens oder des Werkens ''„gebraucht“'' werden. ==== Handeln ==== Das [[Soziales Handeln|Handeln]] schließlich, soweit es der Gründung und Erhaltung politischer Gemeinwesen dient, schafft die Bedingungen für eine Kontinuität der Generationen, für Erinnerung und damit für Geschichte. Es spielt sich ''zwischen'' den Individuen ab und zeigt gleichzeitig die Einzigartigkeit, die Verschiedenheit und [[Pluralismus (Politik)|Pluralität]] der Menschen. Der einzelne Mensch kann, argumentiert Arendt, in einer Gesellschaft überleben, ohne jemals selbst zu arbeiten oder selbst etwas herzustellen. Handeln besteht in politischer [[Interaktion]], welche für Arendt fundamental ist. Kommunikation, d.&nbsp;h. ''„Finden des rechten Wortes im rechten Augenblick“'' ist bereits Handeln. ''„Stumm ist nur die Gewalt, und schon aus diesem Grunde kann die schiere Gewalt niemals Anspruch auf Größe machen.“''<ref>VA -TB- 2006, S. 36.</ref> Arendt betont: auch wenn der Einzelne noch weiß, dass er ein Mensch ist, so wird er anderen ohne Handlungen nicht als solcher erscheinen. Der für die deutsche Ausgabe gewählte Titel: ''[[Vita activa]]'' weist auf diesen Gedankengang hin. Handeln findet im öffentlichen Raum statt. Am klarsten realisiert war dies für Arendt in der griechischen [[Polis]], wo das Arbeiten im privaten Raum des Haushalts – mit allen Folgen einer Zwangsherrschaft – stattfand, während sich das Handeln im öffentlichen Raum auf der [[Agora]] abspielte. Dieser öffentliche Platz war der Ort der ''Vita activa'', der politischen Kommunikation, Gestaltung und Freiheit unter Gleichen. ==== Vom Verständigungsprozess im politischen Raum zur Massengesellschaft ==== Demgegenüber kam es, so Arendt, im Mittelalter auf der Grundlage christlicher Dogmatik zu einer Verschiebung. Die höchste Freiheit für den Menschen lag nun in der auf Gott ausgerichteten „''[[Vita contemplativa]]''“. Dabei wurde das Element des handwerklich-künstlerischen Herstellens höher bewertet als das (philosophische) Denken und (politische) Handeln. Der Mensch wurde zum [[Homo faber (Anthropologie)|Homo faber]], d.&nbsp;h. Erschaffer einer künstlichen Welt. :Das „''sprachlose [[Staunen]]''“, welches seit der [[Philosophie der Antike|Antike]] als „''Beginn und Ende aller [[Philosophie]]''“ galt und nur Wenigen zugänglich war, verlor an Bedeutung zugunsten des „''betrachtend anschauenden Blicks der handwerklich-Schaffenden''“.<ref>VA -TB- 2006, S. 387f.</ref> Arendt kritisiert die christlich-abendländische Philosophie. Zwar hätten die meisten Philosophen sich zu politischen Fragen geäußert, aber kaum einer habe unmittelbar am politischen [[Diskurs]] teilgenommen. Als Ausnahme sah sie lediglich [[Niccolò Machiavelli|Machiavelli]]. Auch wenn bei [[Georg Wilhelm Friedrich Hegel|Hegel]] das Politische eine Aufwertung gefunden habe, wendet sich Arendt vor allem gegen die Vorstellung Hegels von der Notwendigkeit der geschichtlichen Entwicklung. Die Idee des Absoluten als Ziel der Geschichte führe zur Ideologie und damit zur Rechtfertigung von undemokratischen Praktiken und schließlich am Ende zu den Formen der totalen Herrschaft. Das moderne Individuum entfernt sich ebenfalls vom Politischen auf Grund der ''„radikalen Subjektivität seines Gefühlslebens“'' durch ''„endlose innere Konflikte.“'' Die Einzelnen werden gesellschaftlich normiert, Abweichungen von dieser Norm als asozial oder anormal verbucht. Es kommt zum Phänomen der Massengesellschaft mit der Herrschaft der [[Bürokratie]]. Dabei werden die [[Klasse (Soziologie)|sozialen Klassen]] und Gruppierungen einander angeglichen und mit gleicher Macht kontrolliert. Das Gleichmachen, der [[Konformität|Konformismus]] in der Öffentlichkeit führt dazu, dass Auszeichnungen und ''„Besonderheit“'' zu Privatangelegenheiten von Individuen werden. Große Anhäufungen von Menschen entwickeln die Tendenz zur Despotie, entweder eines Einzelnen oder zum ''„[[Despotie|Despotismus]] der Mehrheit.“''<ref>VA -TB- 2006, S. 51ff.</ref> Auch in der Vorstellung der Geschichtlichkeit als Grundbedingung der menschlichen Existenz bei Heidegger bleibt für die Autorin das Denken in der Kontemplation verhaftet. Eine ''„Vita activa“'' erfordert aber die Fragen nach den Prinzipien des Politischen und den Bedingungen der Freiheit. Als Ansatz hierzu sah Arendt wie Jaspers die Moralphilosophie Kants, in der die Frage nach den Bedingungen der menschlichen Pluralität im Vordergrund gestanden habe. Kant habe nicht nur Staatsmänner und Philosophen betrachtet, sondern alle Menschen als Gesetzgeber und Richter angesehen und sei so zu der Forderung nach einer Republik gekommen, der sich die Forscherin anschließt. In diesem Werk geht Arendt der historischen Wandlung von Begriffen wie Freiheit, Gleichheit, Glück, Öffentlichkeit, Privatheit, Gesellschaft und Politik nach und beschreibt genau den Bedeutungswandel im jeweiligen historischen Kontext. Dabei ist ihr Bezugspunkt das antike Griechenland, insbesondere zur Zeit des [[Sokratische Methode|Sokratischen Dialogs]]. Ihrer Auffassung nach gilt es, die verlorenen Bereiche des Politischen wiederum in der Gegenwart modifiziert zu verankern und damit die Fähigkeiten politisch denkender und handelnder freier Individuen, die versuchen, sich voreinander auszuzeichnen, fruchtbar zu machen. Im Gegensatz dazu sieht sie den verbreiteten [[Behaviorismus]], der darauf abziele, den Menschen in allen seinen Tätigkeiten ''„auf das Niveau eines allseitig bedingten und sich verhaltenden Lebewesens zu reduzieren.“''<ref>VA -TB- 2006, S. 55f.</ref> === Über die Revolution === → ''Hauptartikel: [[Über die Revolution]]'' In dem Buch ''On Revolution'' (1963, deutsche Ausgabe 1965) analysiert und interpretiert Arendt die [[Französische Revolution|Französische]] und [[Amerikanische Unabhängigkeitsbewegung|Amerikanische Revolution]], wobei auch andere Revolutionen angesprochen werden. Sie kritisiert die Gesellschaften, die aus den Revolutionen hervorgegangen sind. Dabei verwendet sie einen anderen Revolutionsbegriff als gemeinhin üblich. Ihr Hauptanliegen ist es, die wesentlichen Merkmale des ''„revolutionären Geistes“'' zu bestimmen. Diese erkennt sie in der Möglichkeit, etwas neu zu beginnen und im [[Soziales Handeln|gemeinsamen Handeln]] von Menschen. :„In der Sprache des 18. Jahrhunderts heißen [die Prinzipien des revolutionären Geistes] öffentliche Freiheit, öffentliches Glück, öffentlicher Geist.“<ref>ÜdR -TB- 1974, S. 284, 286.</ref> Arendt stellt die Frage, warum der ''„Geist der Revolution“'' keine [[Institution]]en fand und daher verloren ging. Dabei geht sie von [[Thomas Jefferson]] aus, der nach seiner Amtszeit als dritter Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika das Geschehene in Briefen reflektierte. Als Lösungsansatz betrachtet sie Jeffersons ''ward-system'', das sie auch ''„Elementarrepubliken“'' nennt. Laut Jefferson gab es nach der Amerikanischen Revolution und der Einführung der [[Verfassung der Vereinigten Staaten|Verfassung]] keine Institution, in der das Volk einen Beitrag zu öffentlichen Angelegenheiten leisten konnte. Das uralte Verhältnis von Regierten und Regierenden bestand weiter fort. Während und vor der Amerikanischen Revolution konnte das Volk in den ''townhalls'' aktiv am politischen Geschehen teilnehmen. Von dieser Möglichkeit machten die Einwanderer regen Gebrauch. Nach der Revolution jedoch bezogen sich die Menschen mehr und mehr auf ihr Privatleben, verfolgten ihre Privatinteressen und interessierten sich weniger für die öffentlichen Angelegenheiten. Als Alternative zur repräsentativen [[Parteiendemokratie]] befürwortet Arendt eine [[Räterepublik]]. Erstere sei unfähig, das Volk am politischen Leben teilnehmen zu lassen. Auf Grund der Erfahrung nach dem Ersten Weltkrieg bezeichnet sie das [[Mehrparteiensystem]] als noch unattraktiver als das englische oder amerikanische [[Zweiparteiensystem]], da es im Wesen die [[Einparteiensystem|Ein-Partei-Diktatur]] in sich trage. Elemente des Rätesystems tauchen nach Arendt in fast allen Revolutionen auf, bis auf die [[Februarrevolution 1848|Februarrevolution]] und die [[Deutsche Revolution 1848/49|Märzrevolution 1848]]. Die Räte beschreibt sie als friedlich, parteilos und daran interessiert, einen neuen Staat aufzubauen. Die [[Politische Partei|Parteien]], ob links, rechts oder revolutionär, sahen in den Räten oder [[Sowjet]]s eine starke Konkurrenz, agitierten gegen sie und konnten sie mit staatlicher Hilfe letztendlich immer vernichten. Hannah Arendt favorisiert dieses politische System [[Direkte Demokratie|direkter Demokratie]], weil die Menschen sich in den Parteiendemokratien als Regierte fühlen – und das war gerade nicht der Sinn der Revolutionen. Dagegen kommt die Möglichkeit der politischen Teilnahme auf unterschiedlichen Ebenen Arendts Vorstellungen des Politischen wesentlich näher. :Sie hebt hervor, ''„daß keiner glücklich genannt werden kann, der nicht an öffentlichen Angelegenheiten teilnimmt, daß niemand frei ist, der nicht aus Erfahrung weiß, was öffentliche Freiheit ist, und daß niemand frei oder glücklich ist, der keine Macht hat, nämlich keinen Anteil an öffentlicher Macht.“''<ref>ÜdR -TB- 1974, S. 326f.</ref> === Denken, Wollen, Urteilen === Die 1989 posthum veröffentlichten Werke ''Das Denken'' und ''Das Wollen'' erschienen 1998 in dem Sammelband ''Vom Leben des Geistes''. Diese Arbeit beruht wiederum auf Vorlesungen, die sie 1973 und 1974 gehalten hat. Der dritte Teil ''Das Urteilen'' wurde nach Vorarbeiten seitens ihrer Nachlassverwalterin Mary McCarthy von dem Politikwissenschaftler Ronald Beiner auf der Grundlage der Manuskripte ihrer Vorlesungen zu Kant, insbesondere aus dem Jahr 1970, zusammengestellt. Arendt will, wie sie in der Einleitung schreibt, mit diesem anspruchsvollen Titel nicht als ''„Philosoph“'' als „Denker von Gewerbe“ (Kant) wirken, aber das Denken auch nicht diesen überlassen. Anlass für ihre Studien war u.a. ihr Eichmann-Buch, in dem sie sich mit den ''„ungeheuerlichen Taten“'' eines ''„gewöhnlichen,“'' ''„gedankenlosen“'' Täters beschäftigt hatte. Dies führte zu der Frage, ob das Denken, d.&nbsp;h. die Gewohnheit, alles zu untersuchen, ohne Rücksicht auf die Ergebnisse, zu den Bedingungen gehört, die die Menschen davor schützen, Böses zu tun.<ref>''Vom Leben des Geistes.'' (LdG) München, Zürich 1998 -TB-, S. 14f.</ref> ==== Das Denken ==== In ihrem bereits zur Veröffentlichung fertiggestellten Werk über ''Das Denken'' erweiterte Arendt die Ideen aus ''Vita activa'', indem sie nunmehr die ''„Vita contemplativa,“'' d&nbsp;.h. geistige Tätigkeiten, als ebenbürtig oder sogar überlegen beschreibt. Sie versucht, ihre Aussage im Eichmann-Buch über die ''„Banalität des Bösen“'' mit der These zu untermauern, diese Art bösen Handelns sei mit dem ''„Fehlen des Denkens“'' mit der ''„Gedankenlosigkeit“'' verknüpft. Sie stellt folgende Frage: : ''„Könnte vielleicht das Denken als solches – die Gewohnheit, alles zu untersuchen, was sich begibt oder die Aufmerksamkeit erregt, ohne Rücksicht auf die Ergebnisse und den speziellen Inhalt – zu den Bedingungen gehören, die die Menschen davon abhalten oder geradezu dagegen prädisponieren, Böses zu tun?“''<ref>LdG 1998 -TB-, S. 15.</ref> Als Motto stellte sie der Einleitung einen kurzen Text aus Heideggers ''Was heißt Denken?'' voran, in dem dieser die Bedeutung des Denkens an sich hervorhebt. Wiederum verfolgt sie Begriffe zu ihrem Ursprung zurück. [[Ethik]] und [[Moral]], so Arendt, sind die griechischen bzw. lateinischen Ausdrücke für Sitte und Gewohnheit. [[Gewissen]] dagegen bedeute ''„bei sich wissen“'' und gehöre zu jedem Denkvorgang. Nur ''„gute Menschen“'' hält sie für fähig, ein schlechtes Gewissen zu entwickeln, während Kriminelle in der Regel über ein gutes Gewissen verfügten. Ethik und Moral (wörtlich: Sitten und Gewohnheiten) seien hauptsächlich von der entgegengesetzten [[Prämisse]] ausgegangen. Angelehnt an [[Sokrates]]'<ref>Zit. nach Platons Frühwerk [[Gorgias (Platon)|Gorgias]], wobei sie zwischen der dialogischen Philosophie des Sokrates und dem geschlossenen Weltbild Platons unterscheidet.</ref> bereits bei [[Demokrit]] zu findende Aussage: „Es ist besser Unrecht zu leiden als Unrecht zu tun“, entwickelt sie den Gedanken des inneren Gesprächs, wobei das Individuum sich davor hüten müsse, mit sich selbst in Zwiespalt zu geraten, um seine Selbstachtung zu bewahren, auch wenn viele Menschen sich anders entscheiden. : ''„Als Bürger müssen wir schlechte Taten verhindern, weil es um die Welt geht, in der wir alle leben, der Übeltäter, das Opfer und die Zuschauer;“''<ref>Zitat: LdG 1998 -TB-, S. 181, Text: LdG 1998 -TB-, S.180ff.</ref> Zum Handeln gehöre seit der [[Antike]] das Denken. Arendt grenzt ihr Verständnis vom Denken sowohl von Platon und [[Aristoteles]], die das Denken als passive Betrachtung verstanden hätten, wie auch vom Christentum ab, das die Philosophie zur ''„Magd der Theologie“'' und das Denken zur Meditation und Kontemplation gemacht habe. Auch dem Ansatz der [[Neuzeit]], in der das Denken hauptsächlich der [[Empirie|Erfahrungswissenschaft]] diene, steht sie kritisch gegenüber. Die Mathematik hält sie als reines Denken für die ''„Königin der Wissenschaften.“''<ref>LdG 1998 -TB-, S.18.</ref> Sie kritisiert die Hegemonie der [[Naturwissenschaft]]en als Erklärungsmodell aller ''„Erscheinungen,“'' auch der gesellschaftlichen und politischen und betont die Wichtigkeit des Nachdenkens über die Bedingtheit des menschlichen Lebens. Die Bedeutung des Denkens im öffentlichen Leben trete in der modernen Gesellschaft, die immer mehr zur Arbeitswelt werde, weitgehend zurück. Die ''„vita activa“'', das Herstellen und Handeln, siege über die ''„vita contemplativa“'', die Suche nach dem Sinn, die einstmals&nbsp;– insbesondere im [[Mittelalter]]&nbsp;– vorrangig gewesen sei. Der Mensch gerate in eine Zwickmühle, da einerseits die Individualität gerade in der demokratischen [[Masse (Soziologie)|Massengesellschaft]] betont werde, andererseits die Massengesellschaft den Diskussionen im öffentlichen Raum Grenzen setze. In dieser auf Vorlesungen beruhenden Abhandlung setzte sie sich mit zahlreichen bedeutenden Philosophen auseinander, die über das Denken – als Betrachten des Seins – Auskunft gegeben haben. Dabei behandelte sie die großen Denker lebenslang, genauso wie Jaspers, als wären sie Zeitgenossen. Während das Denken als Unsichtbares in aller Erfahrung gegenwärtig sei und dazu neige, zu verallgemeinern, stünden die anderen beiden geistigen Tätigkeiten der „Erscheinungswelt“ viel näher, weil es immer um ''„einzelnes“'' gehe: um das Urteilen über die Vergangenheit, dessen Ergebnis die Vorbereitung für das Wollen darstelle. ==== Das Wollen ==== Laut Arendt beruht der Wille auf dem kreatürlichen Begehren wie auch auf dem vernünftigen Denken. Sie betont die Bedeutung des Willens als dem Menschen eigenes Talent, das Alte zu überwinden, um mit dem Neuen beginnen zu können. Dieser Wille, verbunden mit der Gebürtlichkeit nicht gleicher, sondern voneinander abweichend denkender Menschen (''„Differenz“''), ermögliche einerseits Freiheit, berge aber andererseits die Gefahr des rein spontanen, intuitiven Handelns. Sie stellt fest: ''„Die freien Handlungen des Menschen sind selten.“''<ref>LdG 1998 -TB-, S. 209.</ref> Anhand seiner Geschichte, geht sie dem Begriff des Willens nach. Er sei in der griechischen Antike unbekannt gewesen und habe erst in der Neuzeit im Zusammenhang mit dem der Innerlichkeit (''„die innere Erfahrung“'') große Bedeutung gewonnen. Parallel dazu untersucht sie das Wollen als inneres Vermögen der Menschen zu entscheiden, in welcher Gestalt sie sich in der ''„Erscheinungswelt“'' zeigen möchten. Der Wille schafft demnach mit seinen Projekten sozusagen die ''„Person,“'' die für ihren Charakter (ihr ganzes ''„Sein“'') verantwortlich gemacht werden kann. Sie grenzt sich hier von den einflussreichen [[Marxistische Philosophie|marxistischen]] und [[Existentialismus|existentialistischen]] Thesen ab, die den Menschen als Schöpfer seiner selbst darstellen. Dieser Trugschluss entspreche der modernen Betonung des Wollens als Ersatz für das Denken. ==== Das Urteilen ==== Wie bereits dreißig Jahre zuvor in ihrer Arbeit zur Existenzphilosophie Heideggers und Jaspers', bezieht Arendt Stellung im mittelalterlichen [[Universalienproblem|Universalienstreit]] und zwar wiederum zugunsten des Nominalismus. In ihrem, nicht autorisierten posthum veröffentlichten, Fragment ''Das Urteilen. Texte zu Kants politischer Philosophie'' reflektiert sie das Zustandekommen von ''Urteilen'' als subjektiv. Sie setzt sich mit Kants Theorie des ''„ästhetischen Urteils“'' in der ''[[Kritik der Urteilskraft]]'' auseinander, wobei sie das ästhetische Urteil als Vorbild für das politische Urteilen ansieht. Dieses Urteil beruhe auf dem Denken ohne die Vermittlung durch einen Begriff oder ein System. Als Beispiel führt Arendt an, wenn man eine Rose als schön bezeichne, so komme man zu dem Urteil, ohne die Verallgemeinerung, dass alle Rosen schön sind und daher diese eine auch.<ref>''Das Urteilen.'' (DU) München, 1998 -TB-, S. 25; vgl. auch S. 89.</ref> Es gibt also keine Kategorie ''„Rosen“'' bzw. eine ''„Natur der Rose,“'' vielmehr immer nur die einzelne Rose, die von jeder Person aus ihrer eigenen Perspektive beurteilt wird. Die Erkenntnis der unterschiedlichen Standpunkte bezeichnet sie als ''„repräsentatives Denken.“'' Dieses Denken setze voraus, einen Standort in der Welt einzunehmen, der nicht der eigene ist, ohne die eigene Identität aufzugeben. Urteile beruhten danach nicht auf einer bestimmten verinnerlichten Moralvorstellung. Das Urteilsvermögen, zu dem der Mensch im Stande ist, hat nach Arendts Verständnis etwas mit der Fähigkeit zu tun, den Standpunkt des anderen einzunehmen und dabei vom eigenen Willen abzusehen.<ref>siehe auch; Linda M. G. Zerilli: ''Einsicht in die Perspektive. Nach dem Ende aller Maßstäbe: Hannah Arendts Überlegungen zur demokratischen Urteilskraft sind von ungebrochener Aktualität,'' in: [[Frankfurter Rundschau]], 7.&nbsp;Januar 2006, und dieselbe [http://www.republicart.net/disc/publicum/zerilli01_de.pdf ''„Wir fühlen unsere Freiheit.“ Einbildungskraft und Urteil im Denken Hannah Arendts,''] 2004, sowie Annette Vowinckel: ''Hannah Arendt.'' Leipzig 2006, S. 98ff</ref> == Wirkung == [[Datei:DPAG-20061007-HannahArendt.jpg|miniatur|left|[[Briefmarken-Jahrgang 2006 der Bundesrepublik Deutschland|Sonderbriefmarke von 2006]] zu Arendts 100. Geburtstag]] Berühmt wurde Hannah Arendt mit ihrem [[Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft|Totalitarismusbuch]]. Dieses Werk, das heute zum Standard politischer Bildung gehört, brachte ihr viel Zustimmung und zahlreiche Vortragseinladungen ein. ''„Sie war die erste Theoretikerin, die das Phänomen des Totalitarismus als eine in der Menschheitsgeschichte völlig neue Form politischer Macht verstand.“''<ref>[[Seyla Benhabib]]: ''Hannah Arendt. Die melancholische Denkerin der Moderne.'' Hamburg 1998, S. 9.</ref> Es diente teilweise als Grundlage für einen erweiterten Totalitarismusbegriff und als Argument gegen die nachstalinistische Sowjetunion im [[Kalter Krieg|Kalten Krieg]]. Sie geriet damit immer wieder in die Kritik von eher orthodoxen Sozialisten. Gleichzeitig wurden in Fachkreisen aber auch in Teilen der Linken nicht nur ihre Forschungsergebnisse über den Nationialsozialismus geschätzt, sondern auch ihre frühen Analysen des Stalinismus als totalitäres System. Insbesondere in den USA und in Frankreich haben diese Debatten die Entwicklung einer undogmatischen [[Neue Linke|Neuen Linken]] befördert. Der amerikanische Literaturwissenschaftler und palästinensische Aktivist [[Edward Said]], der über den [[Postkolonialismus]] arbeitete, zählte Hannah Arendt auf Grund ihrer Rezeption des Schriftstellers [[Joseph Conrad]] in ''The Origins of Totalitarism''<ref>Unterabschnitt: [[Joseph Conrad|Conrad]] als literarische Quelle für Arendt'' (EuU 1986 -TB-, S. 407–413).</ref> zu den Theoretikern des Imperialismus, die sich sowohl ''„imperialistisch als auch antiimperialistisch“'' orientieren. Ihr Lehrer Karl Jaspers bezeichnete das Buch im Vorwort zur dritten Auflage als ''„[[Geschichtsschreibung]] im großen Stil.“'' Es sei mit den Mitteln historischer Forschung und soziologischer Analyse erarbeitet. Das Werk gebe ''„die Einsicht, durch welche eine philosophische Denkungsart in der politischen Wirklichkeit erst urteilsfähig wird.“'' Arendt erteile keine Ratschläge, sondern vermittele Erkenntnisse, die der [[Menschenwürde]] und [[Vernunft]] dienen. Vor allem in den 60er Jahren verursachte ihre [[Eichmann in Jerusalem|Reportage über den Eichmann-Prozess]] in Jerusalem heftige Kontroversen. Die Memoiren Eichmanns,<ref>Irmtrud Wojak: ''Eichmanns Memoiren. Ein kritischer Essay.'' Frankfurt a. M. 2004</ref> die seinen starken eigenständigen Antisemitismus zeigen, standen Hannah Arendt bei der Verfassung der Zeitungsberichte und des Buches noch nicht zur Verfügung. Heute wird in einem großen Teil der Rezeption darauf hingewiesen, dass Arendt Eichmanns Antisemitismus als Motiv unterschätzt habe. Auch gegenwärtig wird diese Arbeit oft abgelehnt oder ignoriert, findet jedoch andererseits&nbsp;– wie alle Werke Arendts&nbsp;– mehr und mehr Anerkennung und Aufmerksamkeit. So hob z.&nbsp;B. [[Jan Philipp Reemtsma]] 1998 hervor, dass sich spätestens seit Arendts Eichmann-Buch die ''„Pathologisierung der Täter“'' als untauglicher Erklärungsversuch erwiesen habe.<ref>In: ''Laudatio für Saul Friedländer anlässlich der Verleihung des [[Geschwister-Scholl-Preis]]es 1998'' [http://www.buchhandel-bayern.de/geschwister-scholl-preis/1998_laudatio.shtml].</ref> Der Soziologe [[Hauke Brunkhorst]] befasste sich 1999 mit dem Verhältnis zwischen [[Jürgen Habermas|Habermas]] und Arendt. In den 70er Jahren hat ''„Jürgen Habermas Übereinstimmungen seiner [[Theorie des kommunikativen Handelns|Theorie kommunikativen Handelns]] mit Arendts Theorie der [[Macht und Gewalt]] entdeckt und den Begriff »kommunikative Macht« geprägt.“'' Habermas halte aber Distanz zu ''„Arendts [[Aristoteles|Aristotelismus]] und […] zu ihrer Kritik an der Französischen Revolution.“'' Die Habermas-Schüler [[Helmut Dubiel|Dubiel]], Rödel und Frankenberg haben in ''Die demokratische Frage'' (1990) versucht, ''„mit Hilfe von Arendt das Demokratiedefizit der älteren [[Kritische Theorie|kritischen Theorie]] zu reparieren.“''<ref>Hauke Brunkhorst: ''Hannah Arendt''. München 1999, S. 150.</ref> Damit begann nach Brunkhorst die große Wirkung von Hannah Arendt in den achtziger Jahren, als die ''civil society'' ([[Zivilgesellschaft]]) auf der Tagesordnung stand. Anlass war demnach einerseits die [[Neoliberalismus|neoliberale]] Politik [[Ronald Reagan]]s und [[Margaret Thatcher]]s und andererseits die Politik der [[Sowjetunion]]. [[Seyla Benhabib]] fragt sich, wie die Arendt-Renaissance zu erklären ist. ''„Nach dem Fall des autoritären Kommunismus und seitdem die marxistische Theorie weltweit den Rückzug angetreten hat, erwies sich Hannah Arendts Denken als die kritische politische Theorie des posttotalitären Augenblicks.“'' Auch für die moderne [[Frauenbewegung]] sei Arendt ''„ein beeindruckendes und geheimnisvolles Vorbild, eine unserer »früheren Mütter«.“''<ref>Benhabib S. 18 u. 21.</ref> Die [[Feminismus|feministische Bewegung]] in der 70er und 80er Jahren hatte sich hingegen kaum auf Arendt bezogen. In jüngster Zeit zählte [[Ralf Dahrendorf]] Hannah Arendt mit Einschränkungen zu den wenigen eigenständigen [[Humanismus|humanistischen]] und freiheitlichen Denkern des vorigen Jahrhunderts. [[Datei:HannahArendtHeidelberg 1.jpg|miniatur|Gedenktafel an Arendts Wohnhaus in Heidelberg, Schlossberg 16, unterhalb des [[Heidelberger Schloss]]es, angebracht im Jahre 2006]] Arendt wurde häufig vorgehalten, sie unterschätze die [[Soziale Frage|sozialen Fragen]]. 1972 entgegnete sie in einem Gespräch mit Freunden darauf, beispielsweise der Wohnungsbau sei eine Frage der Verwaltung, enthalte aber auch politische Aspekte wie das Integrationsproblem.<ref>''Ich will verstehen. Selbstauskünfte zu Leben und Werk.'' München, Zürich -TB- 1996, S. 77ff.</ref> Sie selbst hat ihr – radikal Traditionen und Weltanschauungen in Frage stellendes – Denken immer wieder ausdrücklich auf das Politische beschränkt. Elisabeth Young-Bruehl weist darauf hin, dass Arendts politisches Konzept des Vergebens und des Neu Beginnens fünfzehn Jahre nach ihrem Tode in der [[Wahrheits- und Versöhnungskommission]] von Südafrika umgesetzt wurde: „''her ideas about forgiveness and her book on Eichmann influenced and were reflected in the action, the new beginning, that brought the South African Truth and Reconciliation Commission (TRC), which, for the first time in history, made forgiviness a guiding principle for a state.''“<ref>Elisabeth Young-Bruehl: ''Why Arendt Matters'', London 2006, S. 112 (dt.: ihre Vorstellungen zu Vergebung und ihr Buch über Eichmann beeinflussten und spiegelten sich wider bei der Einführung, dem Neubeginn, der die South African Truth and Reconciliation Commission (TRC) hervorbrachte, welche, zum ersten Mal in der Geschichte, Vergebung zu einem leitenden Prinzip für einen Staat machte.)</ref> Es existiert keine philosophische oder politologische Schule, die sich auf Hannah Arendt beruft. Ihr weit verzweigtes Werk bietet die Möglichkeit, passende Versatzstücke für die Begründung der eigenen Position herauszugreifen. Nach eigener Auskunft war sie – anders als viele bedeutende intellektuelle Zeitgenossen – niemals Sozialistin oder Kommunistin, andererseits aber auch nicht durchgängig Zionistin und passte auch in kein anderes Schema hinein. Daher gab es lange Zeit nur wenige Wissenschaftler, wie z.&nbsp;B. [[Ernst Vollrath]],<ref>[http://www.hannah-arendt.de/preistraeger/preis_2001_7.html] Antonia Grunenberg: ''Ernst Vollrath – Denkwege und Aufbrüche''. Rede zur Verleihung des Hannah-Arendt-Preises 2001</ref> die ihr Gesamtwerk ernst nahmen. Dies hat sich in den letzten Jahren grundlegend geändert. In den Zeiten der [[Postmoderne]] wird ihr individuelles ''„Denken ohne Geländer“'' eher geschätzt, auch weil häufig angemerkt wird, dass ihr Denk- und Lebensweg ein hohes Maß an Übereinstimmung aufweisen. == Erbe == Ihre Bibliothek, die beinahe 4000 Bücher u.a. Papiere umfasste, befindet sich seit 1976 im Bard College in New York, das eine Ubersicht digitalisiert öffentlich zugänglich macht.<ref> [http://www.bard.edu/arendtcollection/ The Hannah Arendt Collection]</ref> Das [[Hannah-Arendt-Institut für Totalitarismusforschung]] e.V. (HAIT) in Dresden arbeitet seit 1993. Es hat sich zum Ziel gesetzt, „Diktaturen mit totalitärem Verfügungsanspruch“ zu untersuchen. Historiker und Sozialwissenschaftler sollen auf [[Empirische Sozialforschung|empirischer Grundlage]] die politischen und gesellschaftlichen Strukturen des Nationalsozialismus und des SED-Regimes analysieren. Das Institut führt überdies Tagungen zu Hannah Arendt durch und unterstützt posthume Veröffentlichungen.<ref>[[Gerhard Besier]], bis 2008 Leiter des Instituts, dessen Vertrag vor allem wegen seiner Nähe zu [[Scientology]] nicht verlängert wurde, schrieb in ''[[Die Welt]]'' über Arendt: „''Logisches Denken, ein konzises Konzept, ein klar durchkomponierter Aufbau – das waren ihre Stärken nicht. Aber sie war eine faszinierende Schreiberin und konnte blendend formulieren.''“ ''[http://www.welt.de/print-welt/article91353/Die_Totalitarismustheorie_ist_gescheitert.html Die Totalitarismustheorie ist gescheitert]''.</ref> Seit 1995 wird der [[Hannah-Arendt-Preis]] für politisches Denken, finanziert von der Stadt Bremen und der [[Heinrich-Böll-Stiftung]], vergeben.<ref>[http://www.hannah-arendt.de/index1.html] Hannah-Arendt-Preis.</ref> Die 1997 gegründete ungarische Hannah-Arendt-Gesellschaft richtet sich vor allem an pädagogisches Personal und beschäftigt sich u.a. mit einer Neudefinition der Menschenrechte entlang der Arendt-These, dass die industrielle Massenvernichtung nur möglich war, weil die [[Allgemeine Erklärung der Menschenrechte|Menschenrechte]] weder philosophisch begründet noch politisch durchgesetzt, sondern lediglich proklamiert worden seien.<ref>[http://www.hae.hu/inform.htm]Ungarische H.-A.-Gesellschaft (engl. sprachige Webseite)</ref> In Zürich, wo Arendt 1958 den Vortrag ''Freiheit und Politik''.<ref>''Freiheit und Politik'' (Nachdruck aus: Die neue Rundschau 69, 1958, Heft 4) In: ''Zwischen Vergangenheit und Zukunft. Übungen im politischen Denken I.'' München 1994, S. 201ff.</ref> gehalten hatte, fanden 1996 bis 2000 jährliche ''Hannah-Arendt-Tage'' statt, die sich&nbsp;– jeweils unter einem anderen Blickwinkel&nbsp;– mit ihrem politischen Denken befassten. Seit 1998 werden auch in Hannover jeden Sommer ähnliche Veranstaltungen durchgeführt, deren Ergebnisse publiziert werden.<ref>[http://www.hannah-arendt-hannover.de/index.html] Arendt-Tage, Hannover.</ref> An der [[Carl von Ossietzky Universität Oldenburg]] gründete [[Antonia Grunenberg]] 1999 das ''Hannah-Arendt-Zentrum''.<ref>[http://www.uni-oldenburg.de/arendt-zentrum/] H.A.-Zentrum a.d. Univ. Oldenburg.</ref> Es verfügt über Originale bzw. Kopien des größten Teils der Dokumente aus Arendts Nachlass. Außerdem werden die ''Hannah Arendt Studien'' als Buchreihe herausgegeben. Hinzu kommen Tagungen und andere Veranstaltungen zu den Werken Hannah Arendts und allgemein zur Geistesgeschichte des vorigen Jahrhunderts. Das ''Hannah Arendt Center'' an der ''New School für Social Research'' in New York - Arendt war dort in ihren letzten Lebensjahren als Professorin tätig - existiert seit dem Jahr 2000.<ref>New School für Social Research, [http://www.newschool.edu/nssr/subpage.aspx?id=18664|Hannah Arendt Center]</ref> Sein Leiter ist [[Jerome Kohn]], der bei Arendt wissenschaftlicher Mitarbeiter war, über sie publiziert hat und gegenwärtig ihren Nachlass verwaltet. [[Wolfgang Heuer (Politologe)|Wolfgang Heuer]] gibt seit 2005 in Berlin den Internationalen ''Hannah-Arendt-Newsletter''<ref>[http://www.hannaharendt.net|Forum der Arendt-Forschung u. Newsletter].</ref> heraus mit deutschen, englischen und seltener französischen Beiträgen, darunter auch bisher noch unveröffentlichte Arbeiten Arendts. Etwa seit der Jahrtausendwende kann man von einem regelrechten Arendt-Boom in Deutschland sprechen. Hannover, Marburg und Heidelberg haben Gedenktafeln an den entsprechenden Wohnstätten angebracht, einige Schulen<ref>zum Beispiel: [http://hagh.bildung-rp.de/index2.html Hannah-Arendt-Gymnasium Haßloch], [http://www.han-nah.de Hannah-Arendt-Gymnasium in Barsinghausen], [http://www.hannah-arendt-schule.de/ hannah-arendt-schule in Hannover], [http://www.has-fl.de/index.html Hannah-Arendt-Schule in Flensburg] oder das [[Hannah-Arendt-Gymnasium]] in Berlin-Neukölln</ref> sowie Straßen und Plätze werden nach ihr benannt, öffentliche Veranstaltungen wie Vorträge, Symposien und Ausstellungen durchgeführt. Aus Anlass ihres 30. Todestages 2005 und kurz darauf zu ihrem 100. Geburtstag erschienen zahlreiche Artikel und Bücher. In den Universitäten und anderen Forschungsstätten interessieren sich zunehmend neben Philosophen, Politologen und anderen Sozialwissenschaftlern auch Historiker und Literaturwissenschaftler für Hannah Arendt. Der Asteroid „[[(100027) Hannaharendt|100027 Hannaharendt]]“ wurde nach ihr benannt. == Zitat == :''„Das den [[Nürnberger Prozesse]]n zugrunde liegende Londoner Statut hat […] die »[[Verbrechen gegen die Menschlichkeit|Verbrechen gegen die Menschheit]]« als »unmenschliche Handlungen« definiert, woraus dann in der deutschen Übersetzung die bekannten »Verbrechen gegen die ''Menschlichkeit''« geworden sind – als hätten es die Nazis lediglich an »Menschlichkeit« fehlen lassen, als sie Millionen in die Gaskammern schickten, wahrhaftig das [[Untertreibung|Understatement]] des Jahrhunderts.“''<ref>EiJ 2004, S. 399.</ref> == Siehe auch == * [[Politische Theorie und Ideengeschichte|Normativ-ontologischer Ansatz der Politischen Theorie]], Einordnung Arendts innerhalb der Politischen Theorie und Ideengeschichte * [[Behemoth (Franz Neumann)]], Arendt über Neumanns Werk in [[Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft|EuU]] * [[Carl Schmitt#Rezeption|Carl Schmitt]], Arendt bezieht sich vor allem in EuU auf Carl Schmitt * [[Milgram-Experiment]], Stanley Milgram bezieht sich auf den Begriff der „Banalität des Bösen“ bei Arendt. * [[Der Stellvertreter]], Arendt setzte sich mehrfach für das umstrittene Werk über [[Pius XII.]] ein. * [[Peter Brokmeier]] zum Begriff des Politischen und des ''„Totalitarismus“'' bei H.A. * „[[Holocaustkenntnis von Zeitzeugen|Davon haben wir nichts gewusst]]!“ Zitat aus Arendts Artikel ''Organisierte Schuld'' (amerikanische Erstveröffentlichung Januar 1945) * [[Epiktet]], Rezeption in ''Das Wollen'' und [[Über das Böse]] == Literatur == === Primärliteratur u.a. Primärquellen === Für die Ausgaben bis 1996 gibt es die fast vollständige chronologische, deutsch-englische Bibliografie in ''Ich will verstehen'' (2005) und bei Young-Bruehl (diese nur bis 1978). Hilfreich sind die Angaben des Internet-Portals [http://www.hannaharendt.net], insbes. auch fremdsprachige Lit., nach Jahren geordnet (Sek.-Lit. seit 2000, primäre seit 1929). Nützlich ist ebenfalls die leicht zugängliche Einführung von Wolfgang Heuer, die in der letzten Auflage einen Großteil von Arendt-Texten auflistet, welche bis 2003 erschienen sind. Im „Text & Kritik“-Heft von 2005 hat Sarah Hemmen die Sekundärlit. gelistet. Eine neueste Auflistung (Primär-, Sek.-Lit.) bei Thomas Wild (2006), S. 143 ff., der im Text auch die Sekundärliteratur kurz darstellt bzw. kommentiert. Eine weitere, übersichtliche Bibliographie (primär und sekundär) gibt es online im pdf-Format: [http://hannah-arendt-hannover.de/harendt.pdf] ==== Zur Einführung ==== * ''Denken ohne Geländer. Texte und Briefe.'' Piper München, Zürich 2006 ISBN 3-492-24823-3 (Zusammenstellung kurzer Textauszüge zur Philosophie, zum politischen Denken, zum politischen Handeln, zur Situation des Menschen, Lebensgeschichten) * ''Ich will verstehen. Selbstauskünfte zu Leben und Werk'' Hg. Ursula Ludz. Piper, München 1996, Neuauflage 2005 ISBN 978-3-492-24591-3 (darin u.a. Brief an Scholem 1963, Fernsehgespräche mit Thilo Koch 1964, Günter Gaus 1964, Roger Errera 1973, Diskussion mit Freunden in Toronto 1973) * ''Hannah Arendt im Gespräch mit [[Joachim Fest]]. Eine Rundfunksendung aus dem Jahr 1964.'' Hg.Ursula Ludz und Thomas Wild (Vorbemerkung u. Anmerkungen), Okt. 2007 [http://www.hannaharendt.de/download/fest_interview.pdf] * Hannah Arendt und Karl Jaspers: ''Briefwechsel 1926–1969''. Piper, München, 2001, ISBN 3-492-21757-5 ==== Bücher, Vorlesungen und größere Schriften ==== * ''[[Der Liebesbegriff bei Augustin]]. Versuch einer philosophischen Interpretation'' Berlin 1929, Neuausgabe Philo Verlagsges., Berlin und Wien 2003 ISBN 3-86572-343-8 * ''The Origins of Totalitarianism'' New York 1951, dt. [[Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft]], Frankfurt a. M., 1955); 10. Aufl. Piper, München 2003 ISBN 3-492-21032-5 * ''Über den Totalitarismus. Texte Hannah Arendts aus den Jahren 1951 und 1953'' (Vorwort u. abschließende Bemerkungen zur 1. Aufl. von ''The Origins of Totalitarism'' u. Kontroverse mit [[Eric Voegelin]]), Übers. Ursula Ludz, Kommentar Ingeborg Nordmann. Hannah-Arendt-Institut, Dresden 1998, ISBN 3-931648-17-6 * ''Rahel Varnhagen: The Life of a Jewess''. London 1958, dt. [[Rahel Varnhagen (Arendt)|Rahel Varnhagen. Lebensgeschichte einer deutschen Jüdin aus der Romantik]]. Piper, München 1959; Neuauflagen: 1981–1998 ISBN 3-492-20230-6) * ''The Human Condition'', University Press, Chicago 1958, dt. [[Vita activa oder vom tätigen Leben]], Kohlhammer, Stuttgart 1960; Piper, München 1967, 3. Aufl. 2002 ISBN 3-492-23623-5 * ''Eichmann in Jerusalem: A Report on the Banality of Evil'' New York 1963, dt. [[Eichmann in Jerusalem|Eichmann in Jerusalem. Ein Bericht von der Banalität des Bösen]] Piper, München 1964; 14. Auflage 1986 ISBN 3-492-20308-6 u.ö. * ''On Revolution''. New York 1963, dt. ''[[Über die Revolution]]'' Piper, München 1963, 4. Aufl. 2000 ISBN 3-492-21746-X * Some Questions of Moral Philosophy 1965, dt. ''Einige Fragen der Ethik. Vorlesung in vier Teilen. In: [[Über das Böse]]. Eine Vorlesung zu Fragen der Ethik'', Piper, München, 2006 ISBN 3-492-04694-0, (engl. ''Responsibility and Judgment'') [http://www.welt.de/data/2006/03/18/860797.html Einleitung], posthum erstmals veröffentlicht * ''On Violence'', New York, London 1970, dt. [[Macht und Gewalt]], Piper, München 1970; 15. Aufl. 2003 ISBN 3-492-20001-X * ''Lectures on Kant's Political Philosophy'', Chicago 1982, dt. ''Das Urteilen. Texte zu Kants politischer Philosophie.'' Piper, München 1985 ISBN 3-492-22560-8, Vorlesung 1970, posthum erstmals veröffentlicht * ''The Life of the Mind'', New York 1978, dt. ''Vom Leben des Geistes''. Bd. 1 ''Das Denken''; Bd. 2 ''Das Wollen'' Piper, München 1979 ISBN 3-492-22555-1, Vorlesungen 1973 und 1974, posthum erstmals veröffentlicht * ''Denktagebuch 1950 – 1973 '' Hg. Ursula Ludz & Ingeborg Nordmann in Zusammenarbeit m. d. Hannah-Arendt-Institut, Dresden. 2 Bände, Piper, München & Zürich 2002 ISBN 3-492-04429-8, posthum erstmals veröffentlicht. * ''The Jewish Writings'' Hg. Jerome Kohn & Ron H. Feldman, Schocken, New York 2007 ISBN 0-8052-4238-4 [http://www.lrb.co.uk/v29/n09/butl02_.html Rezension] engl. und [[NZZ]] 1. Dezember 2007, S. 27 deutsch (von Natan Sznaider) * ''Mir ist, als müsste ich mich selbst suchen gehen. Das private Adressbuch 1951-1975'' Hg. Christine Fischer-Defoy, Koehler&Amelang, Leipzig 2007 ISBN 978-3-7338-0357-5 ==== Essays, Artikel und kleine Schriften ==== * ''Die verborgene Tradition. Acht Essays'' (1932–1948) Suhrkamp, Frankfurt a.M. 1976 ISBN 3-518-36803-6<ref>vergriffen, 16.4.2010</ref>; Jüdischer Verlag, 2000 ISBN 3-633-54163-2, darin u.a.: ''[[Aufklärung und Judenfrage]]'' 1932 * ''Vor Antisemitismus ist man nur noch auf dem Monde sicher'': Beiträge für die deutsch-jüdische Emigrantenzeitung „Aufbau“ 1941–1945 Hg. Marie Luise Knott, Piper, München 2004 ISBN 3-492-24178-6 * ''From the [[Dreyfus-Affäre|Dreyfus Affair]] to France Today'' in: ''Essays on Antisemitism'' Koppel S. Pinson, Hg.; Salo W. Baron (Vorw.); Verlag: Conference on Jewish Relations, New York 1946 (nur in dieser 2. Aufl. enth.) Reihe: Jewish Social Studies. Publications, Bd. 2, S. 173–217. Das Buch ist in der [[Deutsche Nationalbibliothek]], Standort Leipzig, vorhanden. (Einzelheiten zu der Vorläufer-Fassung von 1942 und einer weiteren Überarb. in ''Origins…'' bei Ludz, Arendt-Bibliographie in ''Ich will verstehen'' Titel Nr. 019, S. 260). * ''Reflections on Literature and Culture'' Hg. & Vorwort Susannah Young-Ah Gottlieb. Stanford Univ. Press SUP, Stanford, Calif. 2007 ISBN 978-0-8047-4499-7 (engl. – Das Buch enthält etliche schwer greifbare Aufsätze Arendts, u.a. aus den 1930er Jahren. Buch auf dem deutschen Markt greifbar. U.a. über: [[Duineser Elegien]], [[Friedrich von Gentz|Gentz]], [[Adam Müller von Nitterdorf|Adam Müller]], [[Käte Hamburger]], Dostojewski: [[Die Dämonen]], [[Ralph Waldo Emerson|Emerson]]-[[Henry David Thoreau|Thoreau]]-Preisrede, Franz. [[Existentialismus]], [[Bernard Lazare]], [[Marcel Proust|Proust]], [[Rudyard Kipling|Kipling]] (dieser Text identisch mit dem entspr. Kapitel aus „Elemente und Ursprünge“), den Maler Carl Heidenreich, von dem das Frontispiz stammt, und [[Herman Melville]]. Im Anhang werden Arendts unterschiedliche dt.-engl. Versionen verglichen mit Stefan Zweig, Kafka, „Kultur und Politik“, Brecht.) * ''Israel, Palästina und der Antisemitismus. Aufsätze'', (1943–1964), Hg. Eike Eisel, Klaus Bittermann Verlag Klaus Wagenbach, Berlin 1991 ISBN 3-8031-2196-5 (Übers. d. amerikan. Originalfassung) * ''Zur Zeit. Politische Essays''. (1943–1975), Rotbuch, Hamburg 1999, ISBN 3-434-53037-1, darin: [[Wir Flüchtlinge]] 1943 * ''Nach Auschwitz. Essays und Kommentare'' (1944–1965), Hg. Eike Eisel, Klaus Bittermann, Edition Tiamat, Berlin 1989 ISBN 3-923118-81-3 * ''Fragwürdige Traditionsbestände im politischen Denken der Gegenwart'' 4 Essays, Frankfurt/M. 1957 Europäische Verlagsanstalt * ''In der Gegenwart. Übungen zum politischen Denken II.'' Hg. Ursula Ludz. Piper, München 2000 ISBN 3-492-22920-4; Texte 1944–1975, darin u.a.: ''Gestern waren sie noch Kommunisten…'' 1953 und ''Die Lüge in der Politik. Überlegungen zu den Pentagon Papieren'' 1971 * ''What is Existenz Philosophy?'' New York 1946. [[Was ist Existenzphilosophie?]]'' (1948) Verlag Anton Hain, Frankfurt a. M. 1990 ISBN 3-445-06011-8 * ''Was ist Politik?'' (Fragmente aus dem Nachlass 1950–1959), Vorwort: Kurt Sontheimer, Hg: Ursula Ludz, Piper, München 1993 ISBN 3-492-23770-3 (TB 2. Aufl. 2005) * ''Un viatique pour lire [[Niccolò Machiavelli|Machiavel]]'' (Kleine Anleitung, M. zu lesen) Bisher nicht veröff. Texte von 1955, Vorlesungen an der Univ. Berkeley (frz. Übers. von Marie Gaille-Nikodimov) in: Magazine littéraire, Paris, No. 397, Avril 2001, dito brasilianisch-port. Übers. (aus dem Frz. von Gabriel Cohn): [http://www.scielo.br/scielo.php?script=sci_arttext&pid=S0102-64452002000100015#nt02] Original, als Scan des Ms. (engl.) siehe Weblinks: The Hannah Arendt Papers, in der Library of Congress, 33 S. (ebenfalls über andere polit. Denker der Zeit, u.a. [[John Locke|Locke]], [[Jean-Jacques Rousseau|Rousseau]], [[Thomas Hobbes|Hobbes]], Montesquieu, [[Alexis de Tocqueville|Tocqueville]]) * ''Zwischen Vergangenheit und Zukunft. Übungen im politischen Denken I'' Texte 1954–1964 Hg. Ursula Ludz, Piper, München 1994, 2. durchgesehene Aufl. 2000 ISBN 3-492-21421-5; darin u.a.: [[Die Krise in der Erziehung]] 1958, [[Wahrheit und Politik]]'' 1967 (Originalfassung: Between Past and Future 1961, erweitert 1968 * ''Menschen in finsteren Zeiten''. Essays u.a. Texte 1955–1975 Hg. Ursula Ludz, Piper, München 2001 ISBN 3-492-23355-4. (Originalfassung: ''Men in Dark Times'', New York 1968) ==== Reden und Vorträge ==== * ''Karl Jaspers.'' In:''Reden zur Verleihung des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels'' 1958. Piper-Verlag, München 1958 * ''Von der Menschlichkeit in finsteren Zeiten'', Rede am 28. September 1959 bei der Entgegennahme des Lessing-Preises der Freien und Hansestadt Hamburg, EVA, Hamburg 1999, ISBN 3-434-50127-4 * [http://www.hannah-arendt.de/verein/publikationen_arendt1.html Kollektive Verantwortung] Vortrag aus dem Jahr 1968 * ''Die Sonning-Preis-Rede,'' Kopenhagen 1975. In: Text und Kritik. Zeitschrift für Literatur, Hrsg. Heinz Ludwig Arnold, 166/167, Hannah Arendt, IX/05, ISBN 3-88377-787-0 ==== Interviews und Hörtexte ==== * ''Hannah Arendt im Gespräch mit [[Günter Gaus]].'' Zur Person – Porträts in Fragen und Antworten. 30 Min. Erstsendung: [[ARD]], 28. Okt. 1964.[http://www.rbb-online.de/zurperson/interview_archiv/arendt_hannah.html Günter Gaus im Gespräch mit Hannah Arendt]. „Dem Denken beim Reden und Rauchen zuschauen – Frühe Interviews von Günter Gaus auf zwei DVDs“, [[Freitag (Zeitung)|Freitag]], 19. August 2005 * ''Ich will verstehen. Selbstauskünfte zu Leben und Werk''Hg. Urlsula Ludz. Piper, München 1996, Neuaufl. 2005, ISBN 978-3-492-24591-3 (darin u.a.das [[Günter Gaus|Gaus]]-Interview) * ''Gespräche mit Hannah Arendt''. Hg. Adelbert Reif. München 1979, ISBN 3-492-00438-5 * ''Hannah Arendt im Gespräch mit Joachim Fest. Eine Rundfunksendung aus dem Jahr 1964.'' Hg.Ursula Ludz und Thomas Wild (Transkription, Vorbemerkung u. Anmerkungen), Okt. 2007 [http://www.hannaharendt.de/download/fest_interview.pdf] * ''Hannah Arendt in New York'' (Arte) Dokumentation, 2006 dt. Erstausstrahlung. Regie: Jean-Claude Lubtchansky. Ein Gespräch, das der frz. Journalist Roger Errera mit Arendt im Okt. 1973 führte. 50'. Zuerst: frz. Fernsehfilm. Sender O.R.T.F., Paris. Sendedatum: 6. Juli 1974. Reihe ''Un certain regard'' Transcript in: Hannah Arendt Newsletter, Oldenburg, Dezember 1999, S. 53–61 * H. A.: ''Das Böse ist immer nur extrem, aber niemals radikal'' 25 ausgew. Texte, gelesen von Axel Grube. Alle Texte bzw. Kommentare stehen auf der Website des Verlages. Onomato, Düsseldorf 2007, ISBN 978-3-939511-11-3 [http://www.onomato.de/index.php?id=291] Verlag → Materialien (weitere kpl. Aufl.: Jokers Edition 2 CDs. ISBN 978-3-939511-43-4; Hörprobe auf Jokers-Website) ==== Korrespondenz ==== * H.A. & Martin Heidegger: ''Briefe 1925–1975'', Klostermann, Frankfurt 1998; 3. erweiterte Auflage 2002, ISBN 3-465-03205-5, darin: H.A. für M.H.: ''Schatten'', April 1925 * H.A. & Karl Jaspers: ''Correspondence 1926–1969'', Hg. Lotte Köhler u. Hans Saner, New York 1992 (dt.: ''Briefwechsel 1926–1969'' Piper, München 2001 ISBN 3-492-21757-5) * H.A. & Kurt Blumenfeld: ''… in keinem Besitz verwurzelt''. Die Korrespondenz (1933–1963). Hg. Ingeborg Nordmann u. Iris Pilling, Hamburg 1995 ISBN 3-88022-806-X * H. A. & Heinrich Blücher: ''Briefe 1936–1968''. Piper, München 1999; 2. Aufl. 2002 ISBN 3-492-03885-9 * H. A. & Hermann Broch: ''Briefwechsel 1946–1951''. Jüdischer, Frankfurt 1996; 2. Aufl. 2000 ISBN 3-633-54113-6 * H. A. & Mary McCarthy: ''Between Friends: The Correspondence of Hannah Arendt and Mary McCarthy, 1949–1975''. Hg. Carol Brightman, New York 1995, (dt.: ''Im Vertrauen. Briefwechsel 1949–1975'' München 1995 ISBN 3-492-22475-X) * H.A. und Gershom Scholem: ''Eichmann in Jerusalem: Exchange of Letters between Gershom Scholem and Hannah Arendt''. In: Encounter 22/1 (1964), S. 51–56, deutsch in: Neue Zürcher Zeitung, 19.&nbsp;Okt. 1963 * H. A. & Uwe Johnson: ''Der Briefwechsel 1967–1975'' Hg. Eberhard Fahlke & Thomas Wild, Suhrkamp, Frankfurt a. M. 2004, ISBN 3-518-41595-6. * ''H. A. & Paul Tillich. ''Briefwechsel''. Edition/ Source Document. Hg. Alf Christophersen & Claudia Schulze. In: ZNThG Zs. für neuere Theologiegeschichte, Bd. 9, 2002, S. 131–156. de Gruyter, Berlin * H. A. & Alfred Kazin[http://en.wikipedia.org/wiki/Kazin] in: Zs. Samtiden, Oslo, Norge, No. 1-2005, Spesialseksjon ''Hannah Arendt'' S. 107 -154 (Briefe: S. 120–141, übrige S.: Introduction & Anm. von Helgard Mahrdt, engl.) Universitetsforlaget Oslo ISBN 82-03-28347-0 {{ISSN|0036-3928}} === Sekundärliteratur === {{Philosophie-Bibliographie|Hannah Arendt}} ==== Zur Einführung ==== * Aufsätze zur Aktualität von Arendt [http://www.bpb.de/publikationen/G5S3FW,0,Hannah_Arendt.html]. In: [[Aus Politik und Zeitgeschichte]]. Hg. [[Bundeszentrale für politische Bildung]] 25. Sept. 2006. * Delbert Barley: ''Hannah Arendt. Einführung in ihr Werk''. Alber Kolleg Philosophie, Verlag Karl Alber: Freiburg, München 1990, ISBN 3-495-47662-8. * [[Antonia Grunenberg]]: ''Arendt'', Herder: Freiburg et al. 2003, ISBN 3-451-04954-6. * Wolfgang Heuer: ''Hannah Arendt'', Rowohlt: Reinbek 1987, 7. Aufl. 2004, ISBN 3-499-50379-4. * Derwent May: ''H. A. Eine bedeutende Repräsentantin deutsch-jüdischer Kultur'', Heyne: München 1990, ISBN 3-453-03795-2. * Annette Vowinckel: ''Arendt''. Grundwissen Philosophie, Reclam: Leipzig 2006, ISBN 978-3-379-20303-6 * Thomas Wild: ''H.A. Leben, Werk, Wirkung'', Suhrkamp: Frankfurt 2006, ISBN 3-518-18217-X. ==== Umfassende Biografie ==== * [[Elisabeth Young-Bruehl]]: ''Hannah Arendt. Leben, Werk und Zeit.'' Fischer: Frankfurt a. M. 2004, ISBN 3-596-16010-3. (Amerikan. Originalausgabe: ''Hannah Arendt. For Love of the World'', Yale University Press 1982). <!--=========================================== Weiterführende Literatur bitte nicht hier, sondern in der Philosophiebibliographie (s. Link oben) eintragen! ===========================================--> == Mediale und künstlerische Rezeption == === Filme === * ''Deutsche Lebensläufe: Hannah Arendt – Eine Jüdin aus Deutschland'' Dokumentation, 60 Min. Ein Film v. Simone Reuter u. Monika Boll, Erstsendung: [[Südwestrundfunk|SWR]], 20. Jan. 2005 mit Interviews von [[Elisabeth Young-Bruehl]], [[Joachim Fest]], [[Daniel Cohn-Bendit]] u.&nbsp;a. * ''Denken und Leidenschaft. Hannah Arendt'', engl.: ''A Passionate Thinker'', Film v. [[Jochen Kölsch]], Deutschland 2006, 67 Min. [http://www.jer-cin.org.il/movie_details.php?id=2898 Kurzbeschreibung in Engl.] (Der Dokumentarfilm zeichnet Arendts Leben nach, von der Jugend bis zum Eichmann-Prozess. Eingearbeitet sind Passagen aus dem Gaus-Interview). * ''Hannah Arendt, la jeune fille étrangère'' Der Film basiert auf ihren Korrespondenzen mit Heidegger und Jaspers. Regie: Eglal Errera und Alain Ferrari 1997, 51’ === Theaterstücke === * ''Totenauberg.'' Stück (Theater u. Tanz) v. [[Elfriede Jelinek]]. Rowohlt, Reinbek bei Hamburg 1991, ISBN 3-498-03326-3, Hauptpersonen: Heidegger u. Arendt. * ''Leidenschaftlich: H.A.'' Theater-Inszenierung. Forum Freies Theater. Eine Produktion von ''klimaelemente'' [http://www.klimaelemente.de/hannah/hannah.html] 2005. * ''Die Banalität der Liebe'' Theaterstück von [[Savyon Liebrecht]] über Arendts Beziehung zu Heidegger. === Ausstellungen === * ''Hannah Arendt: „Von den Dichtern erwarten wir Wahrheit“. Eine Ausstellung über H.A. und die Literatur'' Konzept: Barbara Hahn & Marie Luise Knott [http://www.literaturhaus-berlin.de/ Literaturhaus Berlin](→ Archiv, 2007) Katalog: gl. Titel, Matthes & Seitz, Berlin 2006, ISBN 3-88221-921-1 * ''Hannah Arendt Denkraum'', Berlin 2006, in der ehemaligen jüdischen Mädchenschule, Halberstadt 2008. Kurator Peter Funken,Idee Wolfgang Heuer / Sebastian Hefti. www.hannaharendt-denkraum.com === Belletristik === * [[Randell Jarrell]]: ''Pictures from an Institution. A Comedy.'' Chicago 1954 (Neuauflage 1986). Jarrell widmete das Buch seiner Frau und H.A., mit der ihn eine Freundschaft verband. Die Figur „Irene“ trägt Arendts Züge. * [[Uwe Johnson]]: ''[[Jahrestage]] – Aus dem Leben von Gesine Cresspahl''. Bd.1, Frankfurt: Suhrkamp 1970. Die entsprechende Romanfigur trägt den Titel „Gräfin Seydlitz“. * Arthur Allen Cohen: ''An Admirable Woman.'' David R. Godine Publ., Boston/USA 1984 (Neuauflage 1994). Für die Hauptfigur „Erika Herz“ diente H.A. als Vorbild. * Catherine Clément: ''Martin und Hannah''. Roman. Rowohlt, Berlin 2000, ISBN 3-87134-400-1 (aus d. Franz.) * [[Leslie Kaplan]]: ''[[Fever (Roman)|Fever]]''. POL, Paris 2005, Berlin Verlag 2006 (Ein philosophischer Roman nach Hannah Arendts Eichmann-Buch. Kaplan greift Arendts Thesen zu Kommunikation, Freiheit und Schuld auf.) == Weblinks == {{Commons|Hannah Arendt}} {{Wikiquote|Hannah Arendt}} * {{DNB-Portal|11850391X}} {{LeMO|ArendtHannah|Hannah Arend|Levke Harders}} * [http://www.digitalisiertedrucke.de/search?p=Hannah+Arendt Hannah Arendt im Zentralen Verzeichnis digitalisierter Drucke (zvdd)] nur Nachweis (53 Stk.); überwiegend in Dt. Nationalbibliogr., oft aus dem [[Aufbau]] * {{SEP|http://plato.stanford.edu/entries/arendt/|Hannah Arendt|Maurizio Passerin d'Entreves}} * {{IEP|http://www.iep.utm.edu/arendt/||Majid Yar}} * [http://www.bildungsserver.de/zeigen.html?seite=4630 Deutscher Bildungsserver: Eintrag zu Hannah Arendt] mit weiteren Weblinks * [http://www.philo.de/Philosophie-Seiten/personen/arendt.shtml Linkliste zu Hannah Arendt] auf ''philo.de'' * [http://memory.loc.gov/ammem/arendthtml/arendthome.html The Hannah Arendt Papers], Manuscript Division, [[Library of Congress]] dasselbe als [http://lcweb2.loc.gov/service/mss/eadxmlmss/eadpdfmss/2001/ms001004.pdf pdf-Datei] (einfache Suche möglich) {{Navigationsleiste|TITEL=Hauptwerke von Hannah Arendt|INHALT= [[Der Liebesbegriff bei Augustin]] (1929) &nbsp;&#124; [[Aufklärung und Judenfrage]] (1932) &nbsp;&#124; [[Rahel Varnhagen (Arendt)|Rahel Varnhagen. Lebensgeschichte einer deutschen Jüdin aus der Romantik.]] (1938)&nbsp;&#124; [[Was ist Existenzphilosophie?]] (1945)&nbsp;&#124; [[Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft]] (1955)&nbsp;&#124; [[Vita activa oder vom tätigen Leben]] (1960)&nbsp;&#124; [[Über die Revolution]] (1963)&nbsp;&#124; [[Eichmann in Jerusalem]] (1963)&nbsp;&#124; [[Macht und Gewalt]] (1970) }} == Einzelnachweise == <references /> {{Exzellent}} {{Normdaten|PND=11850391X|LCCN=n/50/23617|VIAF=39372963}} {{SORTIERUNG:Arendt, Hannah}} [[Kategorie:Hannah Arendt| ]] [[Kategorie:Politischer Philosoph]] [[Kategorie:Philosoph (20. Jahrhundert)]] [[Kategorie:Politologe]] [[Kategorie:Faschismusforscher]] [[Kategorie:Person des Judentums]] [[Kategorie:Widerstand gegen den Nationalsozialismus]] [[Kategorie:NS-Opfer]] [[Kategorie:Hochschullehrer (Princeton)]] [[Kategorie:Hochschullehrer (Chicago)]] [[Kategorie:Hochschullehrer (New York City)]]<!--The New School for Social Research--> [[Kategorie:Hochschullehrer (Brooklyn College)]] [[Kategorie:Deutschsprachiger Emigrant zur Zeit des Nationalsozialismus]] [[Kategorie:Mitglied der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung]] [[Kategorie:Deutscher]] [[Kategorie:Linden-Limmer]] [[Kategorie:US-Amerikaner]] [[Kategorie:Geboren 1906]] [[Kategorie:Gestorben 1975]] [[Kategorie:Frau]] [[Kategorie:Autor]] {{Personendaten |NAME=Arendt, Hannah |ALTERNATIVNAMEN=Arendt, Johanna (Geburtsname); Arendt-Blücher, Hannah; Arendt-Bluecher, Hannah |KURZBESCHREIBUNG=US-amerikanische Politologin und Philosophin deutscher Herkunft |GEBURTSDATUM=14. Oktober 1906 |GEBURTSORT=[[Linden-Limmer|Linden]] |STERBEDATUM=4. Dezember 1975 |STERBEORT=[[New York City]] }} {{Link FA|es}} [[af:Hannah Arendt]] [[ar:حنة آرندت]] [[bg:Хана Аренд]] [[br:Hannah Arendt]] [[bs:Hannah Arendt]] [[ca:Hannah Arendt]] [[ceb:Hannah Arendt]] [[cs:Hannah Arendtová]] [[cy:Hannah Arendt]] [[da:Hannah Arendt]] [[el:Χάνα Άρεντ]] [[en:Hannah Arendt]] [[eo:Hannah Arendt]] [[es:Hannah Arendt]] [[et:Hannah Arendt]] [[eu:Hannah Arendt]] [[fa:هانا آرنت]] [[fi:Hannah Arendt]] [[fr:Hannah Arendt]] [[gl:Hannah Arendt]] [[he:חנה ארנדט]] [[hr:Hannah Arendt]] [[hsb:Hannah Arendt]] [[hu:Hannah Arendt]] [[id:Hannah Arendt]] [[it:Hannah Arendt]] [[ja:ハンナ・アーレント]] [[ko:한나 아렌트]] [[la:Anna Arendt]] [[lv:Hanna Ārente]] [[mr:हॅना अरेंट]] [[nds:Hannah Arendt]] [[nl:Hannah Arendt]] [[no:Hannah Arendt]] [[pl:Hannah Arendt]] [[pt:Hannah Arendt]] [[ro:Hannah Arendt]] [[ru:Арендт, Ханна]] [[sk:Hannah Arendtová]] [[sl:Hannah Arendt]] [[sq:Hannah Arendt]] [[sr:Хана Арент]] [[sv:Hannah Arendt]] [[tr:Hannah Arendt]] [[uk:Ганна Арендт]] [[zh:汉娜·阿伦特]] 46h5puc04pm7bd45je0ta06xxd5lbkm wikitext text/x-wiki Ghana 0 23521 26120 2010-04-27T11:24:01Z TobeBot 0 Bot: Ergänze: [[sg:Ganäa]] {{Infobox Staat |NAME = <span style="font-size:1.4em">'''Republic of Ghana'''</span><br />'''Republik Ghana''' |BILD-FLAGGE = Flag of Ghana.svg |ARTIKEL-FLAGGE = Flagge Ghanas |BILD-WAPPEN = Staatswappen Ghana 001.gif |ARTIKEL-WAPPEN = Wappen Ghanas |WAHLSPRUCH = ''{{lang|en|Freedom and Justice}}''<br />(engl., „Freiheit und Gerechtigkeit“) |AMTSSPRACHE = [[Englische Sprache|Englisch]] |HAUPTSTADT = [[Accra]] |STAATSFORM = [[Präsidialrepublik]] |REGIERUNGSFORM = [[Parlamentarische Demokratie]] |STAATSOBERHAUPT = Präsident [[John Evans Atta Mills]] |REGIERUNGSCHEF = |FLÄCHE = 238.537 |EINWOHNER = 24.018.055 <br /><small>(Hochrechnung 2009)<ref name="WFB">{{CIA-Factbook|Pfad=|Code=GH|Text=Ghana|Datum=}}</ref></small> |BEV-DICHTE = 100 |BIP = [[2006]] <br /> <small>([http://www.ghanaweb.com/GhanaHomePage/NewsArchive/artikel.php?ID=178706.])</small> $35&nbsp;Mrd.<br /> <small>([[Liste der Länder nach Bruttoinlandsprodukt|74.]])</small> $54&nbsp;Mrd. <small>(2005)</small><br /> <small>([[Liste der Länder nach Bruttoinlandsprodukt pro Kopf|148.]])</small> $800<br /> <small>([[Liste der Länder nach Bruttoinlandsprodukt pro Kopf|128.]])</small> $1500 |BIP-ERWEITERT = <br /> Total&nbsp;(Nominal)<br /> Total&nbsp;([[Kaufkraftparität|PPP]])<br /> BIP/Einw.&nbsp;(Nominal)<br /> BIP/Einw.&nbsp;(PPP) |HDI = 0,526 (152.) |WÄHRUNG = 1 New [[Cedi]] = 100 Pesewa |UNABHÄNGIGKEIT = 6. März [[1957]] |ZEITZONE = [[Koordinierte Weltzeit|UTC]] |NATIONALHYMNE = ''[[God Bless Our Homeland Ghana]]'' |KFZ-KENNZEICHEN = GH |INTERNET-TLD =.gh |TELEFON-VORWAHL = +233 |BILD-LAGE = LocationGhana.svg |BILD1 = Ghana-karte-politisch.png }} '''Ghana''' ([{{IPA|ˈgaːna}}], früher ''Goldküste'') ist ein Staat in [[Westafrika]], der an die [[Elfenbeinküste]], [[Burkina Faso]], [[Togo]] sowie im Süden an den [[Golf von Guinea]] ([[Atlantischer Ozean]]) grenzt. Ghana ist fast so groß wie das [[Vereinigtes Königreich|Vereinigte Königreich]], mit dessen Geschichte es durch die Kolonialzeit eng verbunden ist. Der [[Volta-Stausee|Volta-See]] ist der größte Binnensee des Landes und zugleich der größte vollständig künstlich angelegte [[Stausee]] der Welt. Aufgrund seiner Gebiete mit [[Tropischer Regenwald|tropischem Regenwald]] ist eine reiche Flora und Fauna vorhanden, die auch im wirtschaftlichen Bereich zum einen durch den Tourismus, zum anderen durch [[Edelholz]]<nowiki>exporte</nowiki> von großer Bedeutung ist. Wirtschaftlich bedeutend ist Ghana aufgrund seines Rohstoffreichtums. Einer der wichtigsten Rohstoffe ist [[Gold]], das der ehemaligen Kolonie auch den Namen „[[Goldküste (Kolonie)|Goldküste]]“ gab. Eine facettenreiche Kultur baut auf den bis zu hundert im Land lebenden [[Ethnie]]n mit der daraus resultierenden Sprachenvielfalt und religiösen Vielfalt auf. == Geographie == [[Datei:Beach with palms Ghana.jpg|miniatur|links|Weite Sandstrände ohne natürliche Häfen sind für Ghanas Küste charakteristisch.]] [[Datei:Volta River.jpg|miniatur|Der Volta]] [[Datei:Ghana Map.jpg|miniatur]] → ''Hauptartikel: [[Geographie Ghanas]]'' Ghana hat insgesamt ein flaches Relief, das nur an wenigen Stellen Höhen von 900 Metern erreicht. Etwa die Hälfte des Landes liegt unterhalb einer Höhe von 150 Metern. Die Küste hat eine Länge von 543&nbsp;Kilometern. Das Land wird geographisch in Küstenebene, Regenwald und Savanne unterteilt. Neben der geografischen Gliederung lässt sich Ghana auch nach der Oberflächenstruktur in die fünf Naturräume [[Low Plains]], [[Hochland von Ashanti]], [[Akwapim-Togo-Kette]], [[Volta-Becken]] und [[High Plains (Ghana)|High Plains]] einteilen. Von der Küstenniederung, den sog. Low Plains, die in die Küstenebene mit weiten Sandstränden und [[Mangrove (Ökosystem)|Mangrovengebieten]] und einem Flachland zwischen dem fünften und sechsten Breitengrad unterteilt ist, steigt das westliche Land zum Hochland von [[Ashanti Region|Ashanti]] an, das im Mittel die Höhe von 450 Meter über dem Meeresspiegel erreicht. Östlich des Hochlandes schließt sich das Volta-Becken an, welches mit insgesamt 87.000&nbsp;km² auch den größten Naturraum darstellt. Im Norden schließen die High Plains das Land ab. Die Gebiete zählen bereits zur Großlandschaft [[Sudan (Großlandschaft)|Sudan]]. Die Akwapim-Togo-Kette ist eine Bergkette und ein Naturraum, der in der Nähe von [[Accra]] beginnt und bis nach [[Togo]] hinein führt. Hier liegen die höchsten Berge des Landes. Etwa zweidrittel (66 %) der Fläche Ghanas, rund 158.000&nbsp;km², werden über den [[Volta (Fluss)|Volta]] entwässert, der in seinem Unterlauf durch den [[Akosombo-Staudamm]] zum größten vollständig künstlich angelegten Stausee der Erde aufgestaut wird. Aus dem Hochland von Ashanti entspringt zudem eine Vielzahl von Flusssystemen, die in den Atlantik münden. Die artenreiche Tier- und Pflanzenwelt ist in der Vergangenheit vermehrt unter Schutz gestellt worden. Immer mehr dieser Refugien werden für den [[Tourismus]] erschlossen. Die Einnahmen aus diesem Wirtschaftszweig sollen als [[Ökotourismus]] auch einen wichtigen Beitrag zum Erhalt der Artenvielfalt liefern. Der in Resten noch vorhandene Regenwald ist sehr artenreich und die ganzjährig konstante Temperatur und die hohe Luftfeuchtigkeit fördern das Pflanzenwachstum. === Klima === [[Datei:Climate Kumasi.png|miniatur| Klimadiagramm Kumasi]] Ghana ist ein tropisches Land, kennt also keine Jahreszeiten, sondern einen Wechsel zwischen Regen- und Trockenzeit. Nahezu gleichlange Tage und Nächte („Tag-und-Nacht-Gleiche“) bestimmen das Leben. Grob lässt sich das Klima in den feuchten Süden mit seinen immergrünen und regengrünen Regenwaldgebieten vom trockeneren Norden mit seiner Baumsavanne, Strauchsavanne und der Grassavanne im nördlichsten Teil unterscheiden. Der [[Harmattan]], ein aus dem Nordosten wehender Passatwind, bestimmt zwischen November und Februar die trockene Jahreszeit. Die Regenfälle in der Regenzeit liegen in der Zone mit dem meisten Niederschlag im äußersten Südwesten des Landes an der Küste (über 2.000&nbsp;mm pro Jahr). Die jährliche Niederschlagsmenge beträgt im Norden um 1.000&nbsp;mm, im westlichen Küstenabschnitt bei der Stadt [[Axim]] bis zu 2.200&nbsp;mm. Bei Accra erreicht sie kaum 800&nbsp;mm. Nur im feuchtheißen Südwesten wächst immergrüner Regenwald, der in regengrünen [[Tropischer Wald|Tropenwald]] übergeht. Die Waldbestände sind durch die fortschreitende Rodung bedroht. Landeinwärts folgen [[Feuchtsavanne]] und [[Trockensavanne]]. === Gebirge === [[Datei:MountAfadjato.jpg|miniatur|Mount Afadjato vom Dorf Liati Wote aus gesehen]] Die Akwapim-Togo-Kette ist ein hügeliger und leicht bergiger Ausläufer der [[Atakora-Gebirgskette]] in den Ländern Togo und [[Benin]]. Diese Bergkette beginnt in der Nähe von Accra und zieht sich dann eine Weile an der Grenze zum Nachbarland Togo entlang, bis sie endgültig die Grenze überschreitet. Hier sind auch [[Wasserfall|Wasserfälle]] in den zahlreichen Schluchten anzutreffen. Die Berghänge und Bergkuppen sind teilweise vulkanischen Ursprungs und durchweg mit Regenwald bewachsen. Die größte Erhebung im Land ist mit 885&nbsp;m.&nbsp;ü.&nbsp;NN der Berg [[Mount Afadjato]] in der Nähe des Dorfes Liati Wote direkt an der Grenze zu Togo. Der zweithöchste Berg Ghanas ist der [[Mount Dzebobo]] mit 876&nbsp;m.&nbsp;ü.&nbsp;NN weiter nördlich als der Mount Afadjato, ebenfalls direkt an der Grenze zu Togo gelegen. Beide Berge sind Teil der Akwapim-Togo-Kette. === Gewässer === [[Datei:Bosumtwi Worldwind SW.jpg|miniatur|Bosumtwi]] Der riesige [[Volta-Stausee]] liegt im Zentrum des Landes und ist mit einer Größe von 8.502 km² etwa 15-mal größer als der Bodensee (536 km²) und würde mehr als die Hälfte Schleswig-Holsteins (15.799,38 km²) bedecken. Er speist sich im Wesentlichen aus dem [[Volta (Fluss)|Schwarzen Volta]] (Mouhoun) und dem [[Weißer Volta|Weißen Volta]], [[Afram (Fluss)|Afram]], [[Daka (Fluss)|Daka]] und [[Oti (Fluss)|Oti]]. Nachdem der Akosombo-Staudamm passiert ist, mündet der dann als Volta bezeichnete Fluss in einem weiten [[Flussdelta]] in den [[Atlantischer Ozean|Atlantischen Ozean]]. Zusammen mit den Nebenflüssen [[Nazinon|Roter Volta]] (Nazinon), [[Nasia (Fluss)|Nasia]] und [[Kulpawn (Fluss)|Kulpawn]] ist der Volta-Fluss das größte zusammenhängende Gewässersystem. Der etwa eine Million Jahre alte [[Bosumtwi]]see, dessen Ursprung vermutlich auf den Einschlag eines [[Meteorit]]en zurückgeht, hat keine Zu- und Abflüsse. Für die traditionelle Bevölkerung ist er von großer religiöser Bedeutung. Weniger bekannte Flüsse sind [[Pra (Fluss)|Pra]], [[Bia (Fluss)|Bia]], [[Ankobra]] und [[Tano (Fluss)|Tano]], die direkt in den Atlantik münden. Die Nebenflüsse des Pra sind der [[Anum (Fluss)|Anum]], [[Offin (Fluss)|Offin]] und [[Birim (Fluss)|Birim]] und bilden zusammen mit dem Pra das zweitwichtigste Entwässerungssystem Ghanas. Der Pra ist nur in seinem Mündungsbereich mit Schiffen befahrbar, weil der Oberlauf durch Stromschnellen gekennzeichnet ist. Weitere kleinere Flüsse sind [[Laboni (Fluss)|Laboni]], [[Obosum (Fluss)|Obosum]], [[Sisili (Fluss)|Sisili]], [[Senne (Ghana)|Senne]], [[Tain (Fluss)|Tain]] und [[Todzie (Fluss)|Todzie]]. === Naturraum === In Ghana überwiegen drei verschiedene [[Biom]]e. Der [[Tropischer Regenwald|tropische Regenwald]] und der Feuchtwald befinden sich im Südwesten des Landes, der Norden und der mittlere Teil des Landes sind von der Feuchtsavanne gekennzeichnet, die in Baum- und Grassavanne unterteilt wird. Außerdem besteht ein schmaler Streifen der Küste auch noch als Küstensavanne. Im immergrünen tropischen Regenwald befindet sich die üppigste Vegetation des Landes. Der Regenwald bestand ursprünglich aus 85.000&nbsp;km² Fläche und ist Heimat für eine artenreiche Pflanzen- und Tierwelt. Durch die unterschiedlichen [[Ökosystem]]e gibt es im Land auch keine landestypische Pflanzen- oder Tierwelt. Die einzelnen Lebensräume unterscheiden sich sehr stark. In der [[Savanne]] mit ihren typischen Bewohnern, dem Regenwald mit seinem Artenreichtum und dem Volta-Delta als Zufluchtsstätte für eine Vielzahl von [[Zugvogel|Zugvögeln]] und heimischen Arten ist die Natur üppig. Aufgrund der unterschiedlichen Vegetationsformen und der größeren menschlichen Besiedlungsdichte ist die Tierwelt Westafrikas nicht mit Ostafrika vergleichbar. Es gibt keine großen Tierherden, wie in den ostafrikanischen Nationalparks. ==== Flora ==== [[Datei:Courge encore verte.jpg|miniatur|links|Der [[Flaschenkürbis]] ist eine der ältesten Kulturpflanzen und stammt wahrscheinlich aus Afrika]] [[Datei:Vanilla fragrans 2.jpg|miniatur|Vanillepflanze]] [[Datei:Baobob tree.jpg|miniatur|Afrikanischer Affenbrotbaum oder Baobab]] In Ghana kommen viele Pflanzen- und Tierarten vor. Besonders der tropische Regenwald Ghanas trägt stark zur Biodiversität des Landes bei. Die Fläche an tropischem Regenwald betrug im letzten Jahrhundert noch 85.000&nbsp;km². Innerhalb der letzten 50 Jahre schrumpfte die Fläche um mehr als die Hälfte auf 40.000&nbsp;km². Jährlich verzeichnet das Land eine Waldabnahme von 1,7&nbsp;Prozent. Rodungen und der Export von Edelhölzern sind die Hauptgründe für diese sehr schnelle Abnahme der Waldfläche. Eine genaue Aufzählung der im Regenwald lebenden Pflanzen ist schwer vorzunehmen, da Wissenschaftler dort noch unbekannte Arten vermuten. Der immergrüne Regenwald wird überdacht von hohen Baumriesen, die bis zu 50 Meter hoch, drei Meter dick, und 300 Jahre alt werden können. Dies sind auch Arten, die im Rahmen der ghanaischen Export-Holzwirtschaft eine große Rolle spielen: Wertvolle Harthölzer liefern [[Mahagonigewächse|Mahagoniarten]] wie [[Bongossi|Azobé]], [[Sapeli]] und [[Khaya]] (auch afrikanischer Mahagoni genannt), sowie mehrere Arten des afrikanischen Walnussbaumes. Weitere Baumarten sind Odum, Wawa (wird teilweise auch Samba genannt, der Handelsname des Holzes ist [[Abachi]]), Bombax sowie [[Afrormosia]]. Verschiedene [[Feigen]]bäume (''Ficus'' spp.) erreichen in den Regenwäldern Ghanas durchaus die Größe einer mittelgroßen deutschen Buche. Verschiedene [[Epiphyt|Aufsitzerpflanzen]] wie [[Orchideen]]arten aber auch [[Liane (Pflanze)|Lianen]] zeigen eine große Artenvielfalt. Häufige Nutzpflanzen sind der afrikanische [[Kolabäume|Kolabaum]], der amerikanische [[Flaschenkürbis|Kalebassenbaum]] (''Crescentia cujete'') oder der brasilianische [[Kautschukbaum]]. Allein ungefähr 1.200 verschiedene [[Palmengewächse|Palmenarten]] kommen über das ganze Land verteilt vor. Die kubanische [[Königspalme]] (''Roystonea regia'') wird in den Städten als [[Allee]]baum verwendet, da diese Schattenspender eine Höhe von bis zu 25 Metern erreichen. Häufig mit einer Palme verwechselt wird der madegassische [[Baum der Reisenden]], eine in Ghana beliebte Dekorationspflanze vor öffentlichen Gebäuden oder in Gärten. Die ursprünglich pazifischen [[Kokospalme]]n haben für den Menschen einen beträchtlichen Nutzwert und wurden daher in Ghana eingeführt. Viele Produkte der Kokosnuß wie [[Kokosmilch]], [[Kokosfett]], aber auch [[Bast (Baum)|Bast]] sowie Blätter für Dachkonstruktionen und Matten werden von der Kokospalme geerntet. Die heimische [[Ölpalme]] (''Elaeis guineensis'') ist als [[Plantage]]nbaum sehr weit verbreitet. Aus den roten Früchten der Ölpalme wird Palmöl gepresst, dieses hat in Westafrika einen hohen Stellenwert in der landestypischen Küche. Die vielfältigsten Nutzpflanzen werden im Rahmen von Plantagenwirtschaft produziert. Zumeist finden sich diese Plantagen auf dem nunmehr gerodeten Gebiet des ehemaligen Regenwaldes. Hier werden [[Ananas]], [[Dessertbanane|Bananen]], [[Kochbananen]] (''Plantain''), [[Avocado]]s, [[Papaya]]s, [[Guave]]n, [[Apfelsine]]n und [[Zitrusfrucht|Zitrusfrüchte]] angebaut. Auch viele Gewürzpflanzen, wie beispielsweise [[Gewürzvanille]], werden in Ghana kultiviert. Neben den Baumarten und den Nutzpflanzen sind viele dekorative Pflanzen aus aller Welt in Ghana zu finden. [[Hibiskus]], [[Flammenbaum|Feuerakazie]] (''Flammenbaum'') und [[Fuchsie]] sind nur einige. [[Gras|Gräser]] sind typische Savannenpflanzen, doch die Charakterpflanze der Savannen Ghanas ist ein Baum: Der einzeln stehende [[Afrikanischer Affenbrotbaum|Afrikanische Affenbrotbaum]] (''Adansonia digitata'') fällt durch seinen dicken Stamm auf und ist weithin erkennbar. Ebenfalls in der Savanne wächst der heimische [[Karitébaum]], auch Shea-Butterbaum (''Vitellaria paradoxa, syn.: Butyrospermum parkii''). Die aus den Samen gewonnene Shea-Butter ist ein wichtiges Exportprodukt Ghanas und wird zur Herstellung von Kosmetika und Lebensmitteln verwendet. Die Küste ist neben [[Mangrove (Ökosystem)|Mangrovenwäldern]] auch von verschiedenen Palmenarten gekennzeichnet. ==== Fauna ==== [[Datei:Lightmatter hornbill2.jpg|miniatur|[[Runzelhornvogel]] (''Aceros corrugatus'')]] Die Tierwelt Ghanas ist sehr artenreich. Neben tropischen Vogelarten wie [[Papageien]], [[Nashornvögel]], [[Adler (Biologie)|Adlern]], [[Spechte]]n, [[Perlhühner]] und [[Tauben]], die im Regenwald beheimatet sind, wird die heimische Vogelwelt durch eine Vielzahl von [[Zugvogel|Zugvögeln]] erweitert. Im Volta-Delta, aber auch in den Wasserlandschaften der Lagunen und entlang der vielen Flussläufe, kommen verschiedene Wasservögelarten vor. Zahlreiche [[Säugetiere|Säugetierarten]] sind in Ghana beheimatet. Ungefähr 50 [[Antilope]]narten (von den Ghanaern manchmal „Bush-Cow“ genannt), [[Löwe]]n, [[Leopard]]en, [[Zibetkatzen]], [[Elefanten]], [[Büffel]], [[Flusspferd]]e, [[Warzenschwein]]e leben hauptsächlich in der Savanne. Es gibt viele verschiedene Affenarten. Neben den häufig vorkommenden [[Schimpanse]]n und [[Paviane]]n kommen auch sehr seltene Primaten vor, für die einige Wildtierreservate eingerichtet wurden. Von gewisser Bedeutung unter den Anhängern der der traditionellen Religion sind die [[Schwarz-weiße Stummelaffen|Weißbart-Stummelaffen]] (''Colobus polycomos'') und die seltene [[Monameerkatze]] (''Cercopithecus mona''). [[Reptilien]] kommen in allen Lebensbereichen vor. Kleine [[Geckos]] und [[Eidechsen]] leben teilweise in den Häusern der Menschen, [[Leguane]], [[Warane]], Schlangen und [[Krokodile]] in den Gewässern des Landes. Ghana verfügt über einen ausgesprochen großen Artenreichtum an [[Insekten]]. [[Termitenhügel]] prägen die Landschaft. Einige der vorkommenden [[Mücken]] und [[Bremsen]] übertragen Krankheiten, wie die Stechmücke [[Malariamücken|''Anopheles'']] [[Malaria]]. Mehr in den Savannengebieten ist die [[Tsetsefliegen|Tsetse-Fliege]] (''Glossinia morsitans'') beheimatet, welche die auch für den Menschen gefährliche [[Afrikanische Trypanosomiasis]] (Schlafkrankheit) überträgt. Im Atlantik, vor der Küste Ghanas, befinden sich einige der fischreichsten Gebiete der Erde. Wichtige Fischarten sind [[Barracudas]], [[Heringsartige|Heringe]], [[Makrele]]n, [[Haie]], [[Thunfische]], [[Tintenfisch]]e, [[Barschartige|Barsche]], aber auch Meerestiere wie [[Hummer]], [[Langusten]] und [[Krabben]] sowie [[Muscheln]] und [[Schnecken]] sind beheimatet. Einige Tierarten, die in den tropischen Regenwäldern leben, sind als gefährdet oder vom Aussterben bedroht einzustufen. Eine unbekannte Zahl von Tierarten gilt bereits als verschwunden, wie der [[Miss Waldrons Roter Stummelaffe]] (''Procolobus badius waldroni''), ehemals beheimatet in den tropischen Regenwäldern der Elfenbeinküste, Ghanas und von Sierra Leone, der in den 70er Jahren des 20. Jahrhunderts letztmalig gesichtet wurde.<ref>[http://www.expeditionzone.com/start_lo.cfm?story=2287&business=&club=&member= Ausgestorbene Tierart]</ref> Seit dem Jahr 2000 gilt diese offiziell als ausgestorben. Die West African Primate Conservation Action (WAPCA)<ref name="WAPCA">[http://www.wapca.org/de/index.htm WAPCA Online]</ref> wurde als internationaler Zusammenschluss von insgesamt elf europäischen zoologischen Gärten gegründet, um das Aussterben weiterer Arten zu verhindern. Auch der Conservation des especes et des populationes animales (CEPA), sowie die Zoologische Gesellschaft für Artenschutz (ZGAP) sind an dieser Aktion maßgeblich beteiligt. Die Zoos und die Vereinigungen bemühen sich um den Schutz der hoch bedrohten [[Dianameerkatze|Roloway-Diana-Meerkatzen]] (''Cercopithecus diana roloway'') und der [[Weißlid-Mangaben|Weißscheitelmangaben]] (''Cercocebus atys lunulatus''). Beide Arten gehören zu den am meisten gefährdetsten 25 Primatenarten weltweit. Der Zoo in Accra besitzt einige dieser Tiere zur Nachzucht. Am 29. Juni 2006 hatte dort ein Paar Weißscheitelmangaben ihren ersten Nachwuchs.<ref name="Weißscheitelmangaben in Accra">[http://www.accra.diplo.de/Vertretung/accra/de/06/Umweltschutz/seite__affenprojekt.html Deutsche Vertretung in Accra]</ref> :siehe auch:''[[Liste der Vögel Ghanas]]'' == Umwelt == [[Datei:Aburi Palms Ghana.jpg|miniatur|200px|Königspalmen am Eingang von Aburi Botanic Gardens in Ghana]] Das Bewusstsein für einen nachhaltigen Umgang mit den natürlichen Ressourcen des Landes nimmt erst in jüngster Zeit immer mehr zu. Die ghanaische Wirtschaft, insbesondere der [[Bergbau in Ghana]], hat im Land teilweise erhebliche Umweltschäden verursacht. Die Politik der Regierung von Präsident [[John Agyekum Kufuor]] ging vermehrt auf umweltpolitische Themen ein, doch in der Bevölkerung ist ein Umweltbewusstsein eher gering ausgeprägt<ref>[http://www.accra.diplo.de/Vertretung/accra/de/05/Bilaterale__Beziehungen/datei__umwelt2005,property=Daten.pdf Umweltbericht der deutschen Botschaft in Ghana]</ref>. Gerade auch die Forstwirtschaft spielt neben dem Bergbau eine entscheidende Rolle bei der eher negativ zu bewertenden Umweltbilanz des Landes. Die jährliche Abnahme des Waldes wird auf 1,7 Prozent beziffert<ref>Fischer Weltalmanach 2006; WHO World Health Report 2006</ref>, wobei auch Primärwald betroffen ist. Die fehlende staatliche Organisation der Müllbeseitigung ist ein weiteres großes Problem besonders in den Metropolen. Nur ungefähr fünf Prozent des Mülls in Ghana werden wiederverwendet oder dem Recycling zugeführt<ref>[http://www.accra.diplo.de/Vertretung/accra/de/05/Bilaterale__Beziehungen/datei__umwelt2005,property=Daten.pdf Umweltverschmutzung durch Müll, Umweltbereicht der deutschen Botschaft Accra]</ref>. Der Umweltschutz liegt in der ghanaischen Regierung nicht im Aufgabenbereich eines Ministeriums, sondern ist aufgeteilt zwischen dem Ministerium für Land und Forstwirtschaft (''Ministry for Land and Forestry'') mit der Zuständigkeit für Böden und Wälder und dem Ministerium für Umwelt und Wissenschaft (''Ministry for Environment and Science'') mit der Zuständigkeit für die Vorbereitung, Überwachung und Durchsetzung der internationalen Abkommen und die Entwicklung der Umweltpolitik. === Naturkatastrophen === Naturkatastrophen größeren Ausmaßes sind eher selten. Doch gibt es regelmäßig Probleme mit den teilweise schweren Regenfällen. Nach der mehrere Monate andauernden [[Trockenzeit]] kann der Boden nur langsam wieder Wasser aufnehmen. Die starken tropischen Regenfälle sind von großer Heftigkeit. In den teilweise ausgetrockneten Flussbetten entstehen in kürzester Zeit reißende Fluten. Auch normale Straßen verwandeln sich in Kürze in zwar seichte, aber schnell fließende Flüsse. Häufig werden Menschen gerade in den ersten Wochen der [[Regenzeit]] von diesen Wassermassen überrascht, denen kleinere Brücken nicht standhalten. In fast jedem Jahr kommen in den Fluten Menschen ums Leben. Vor allem der südliche Teil des Landes war in den vergangenen Jahrhunderten immer wieder von größeren [[Erdbeben]] betroffen. In den Jahren 1615, 1636, 1862, 1906, 1939, 1964, 1969 und zuletzt 1997 wurden in Küstennähe starke Beben verzeichnet, die auch mehrere Todesopfer forderten. So zerstörte 1615 in der Nähe des heutigen Takoradi ein Erdbeben die gesamte damalige Siedlung Takoradi. Am 18. Dezember 1636 ereignete sich ganz im Westen des Landes, in der Gegend um [[Axim]], ein Erdbeben, das zu sehr starken Erschütterungen im Distrikt East Nzema führte. In einem großen Radius wurden die Gebäude der Gegend fast vollständig zerstört. In einer Goldmine in [[Aboasi]] starben viele Minenarbeiter. Das Erdbeben von 1862 hatte sein [[Epizentrum]] in der Nähe der heutigen Hauptstadt Accra. Viele Steingebäude, auch die kolonialen Forts, unter ihnen der heutige Regierungssitz in [[Osu Castle]], wurden stark beschädigt. Das bisher stärkste Erdbeben ereignete sich in der Nähe der von Accra am 22. Juni 1939. Dieses Beben verursachte sehr starke Schäden an den Gebäuden, siebzehn Menschen starben, 133 Menschen wurden zum Teil schwer verletzt. Es entstand Sachschaden in Höhe von etwa einer Million Pfund. Auf der Richter-Skala erreichte das Beben den Wert 6,5.<ref>[http://atlas-conferences.com/cgi-bin/abstract/caiq-46 Erdbeben von 1939]</ref> Jüngste Erdbeben waren zwar weniger stark, doch lösten sie in der Bevölkerung große Panik aus. === Naturreservate === [[Datei:Rainforest Kakum National Park Ghana.jpg|miniatur|200px|Regenwald im Kakum-Nationalpark gesehen von dem Rundgang in den Baumkronen (Canopy Walkway)]] In fast allen Landesteilen wurden Naturreservate errichtet, die sich erheblich in ihrer Größe und Zielrichtung voneinander unterscheiden. Es gibt vier verschiedene Arten von Naturreservaten: Zum einen sind [[Nationalpark]]s ausgewiesen worden, um einem möglichst großen Publikum die erhaltenswerte Natur vorzuführen und die Menschen für deren Schutz zu interessieren. Die wohl bekanntesten Nationalparks sind der [[Mole-Nationalpark]] im Norden Ghanas sowie der [[Kakum-Nationalpark]] aufgrund seiner Nähe zu den geschichtlich und daher touristisch interessanten Städten [[Cape Coast]] und [[Elmina]]. Wildtierreservate haben zunächst den Zweck, die Population der heimischen Wildtierarten zu erhöhen. Einige Arten sind bereits der Jagd durch die Menschen zum Opfer gefallen. Im ganzen Land ist Bush-Meat, also Wildtierfleisch, sehr beliebt. Hier gibt es durchaus Unterschiede zwischen den einzelnen Volksgruppen. Andere Schutzgebiete (''Strict Nature Reserves'') sind ausgewiesen worden, um Tierarten zu retten, die vom Aussterben bedroht sind. Diese Schutzgebiete sind nur mit einer speziellen Genehmigung zu besuchen. Diese Genehmigung wird in der Regel nur zu Forschungszwecken ausgestellt. Ausdrücklich zur Rettung des Regenwaldes wurden Forstreservate eingerichtet, in denen grundsätzlich keine Rodungen stattfinden dürfen. In diesen Forstreservaten sollen Möglichkeiten untersucht und aufgezeigt werden, wie eine nachhaltige Forstwirtschaft betrieben werden kann. In den Forstreservaten soll eine ausgeglichene Vegetation der [[Forstwirtschaft]] eine breitere Grundlage verschaffen. Illegaler Holzeinschlag und [[Schmuggel]] stellt noch immer ein Problem dar. Durch unkontrolliertes Abholzen ist der Bestand des Regenwaldes weiterhin gefährdet. Neben den Nationalparks gibt es in [[Aburi]], das nördlich von Accra in den Akuakim-Bergen gelegen ist, einen botanischen Garten, der bereits 1890 durch die britischen Kolonialherren als landwirtschaftliche Forschungsstation angelegt wurde. Hier wachsen auch tropische Pflanzen, die in Ghana ursprünglich nicht vorkamen. ''siehe auch: [[Nationalparks in Ghana]]'' == Bevölkerung == {{Hauptartikel|Bevölkerung Ghanas}} {| align="right" border="2" cellspacing="0" cellpadding="3" style="border-collapse:collapse;" class="prettytable float-left" ! colspan="2" class="hintergrundfarbe6" | Bevölkerungsdaten (2005)<ref name="FWA08">Fischer Weltalmanach 2008; WHO World Health Report 2006</ref> |- | Lebenserwartung | 57 Jahre |- | [[Sterberate]] | 10,5 je 1000 Einwohner |- | [[Geburtenrate]] | 30,6 je 1000 Einwohner |- | [[Fruchtbarkeitsrate]] pro Frau | 4,1 |- | [[Kindersterblichkeit]] | 112 je 1000 Einwohner |- | [[Säuglingssterblichkeit]] | 68 auf 1000 Lebendgeburten |- | [[Bevölkerungswachstum]] | 2 % |- | [[Bevölkerungsdichte]] | 93 Einwohner pro km² |- | Städtische Bevölkerung | 47,8 % |- | [[Bevölkerung]] unter 15 Jahren | 39 % |- | [[Bevölkerung]] über 65 Jahren | 3,7 % |} [[Datei:Children At Anamabu beach Ghana.jpg|miniatur|Kinder in Anamabu Beach in Ghana. Etwa die Hälfte der Bevölkerung ist unter 16 Jahre alt.]] Die Einwohner Ghanas werden als Ghanaer bezeichnet, seltener und vor allem im österreichischen Sprachraum als Ghanesen. Die Lebenserwartung lag nach Angaben der [[Weltgesundheitsorganisation]] 2006 durchschnittlich bei 57 Jahren – die fünfthöchste in Westafrika – (Männer 56, Frauen 58), wobei die hohe Kindersterblichkeit von 11,2&nbsp;Prozent und Säuglingssterblichkeit von 6,8&nbsp;Prozent eine der Hauptursachen für den zu der Westlichen Welt vergleichsweise niedrigen Wert ist. Aufgrund verbesserter medizinischer Versorgung und einer Aufklärungsarbeit im Bereich der Hygiene sinkt die Rate der Kindersterblichkeit kontinuierlich. Die Bevölkerungsstruktur stellt die klassische Bevölkerungspyramide dar. Etwa die Hälfte der Bevölkerung ist unter 16 Jahre alt. Jährlich ist ein Bevölkerungswachstum von 2&nbsp;Prozent zu verzeichnen, das geringste Bevölkerungswachstum aller Staaten im südlichen Westafrika. Obwohl Ghana selbst noch als Dritte-Welt-Land bezeichnet wird, hat es inzwischen im Vergleich zu den Nachbarländern (vor allem im Norden) einen höheren Grad an Wohlstand erreicht. Das ist der Grund, warum einige zehntausend Flüchtlinge aus [[Togo]], [[Burkina Faso]], [[Liberia]], [[Niger]] und [[Nigeria]] dort leben. Es gibt eine ausgeprägte Wanderungsbewegung vom Land in die Städte. Dort besteht allerdings eine immer höher werdende Arbeitslosigkeit gerade unter jungen Menschen. Vor allem junge Männer wandern daher ins Ausland ab, mit dem Ziel, in [[Europa]] oder [[Nordamerika]] Arbeit zu finden. Einige Familien sammeln Geld, um einen jungen Familienangehörigen ins Ausland schicken zu können, damit dieser von dort die Großfamilie unterstützen kann. === Entwicklung === [[Datei:Ghana demography.png|miniatur|Bevölkerungsentwicklung zwischen 1961 und 2003]] Die Bevölkerung Ghanas wuchs rasant an und hat sich innerhalb der letzten 20 Jahren fast verdoppelt. Die Werte zwischen den Volkszählungen jeweils statistisch gemittelt. Nachfolgend sind die Ergebnisse der letzten Volkszählungen von 1984 und 2000 aufgelistet und die Berechnungen für die Jahre 2006 und 2009.<ref>[http://bevoelkerungsstatistik.de/wg.php?x=&men=gpro&lng=de&dat=32&geo=-188&srt=npan&col=aohdq&geo=-85 http://bevoelkerungsstatistik.de zur Bevölkerung Ghanas]</ref> {| class="prettytable" |- class="hintergrundfarbe6" ! Anteil| Jahr ! Anteil| Einwohner |- | 1984 ([[Volkszählung|Zensus]]) | align="right" | 12.296.081 |- | 2000 (Zensus) | align="right" | 18.845.265 |- | 2006 (Berechnung) | align="right" | 21.355.656 |- | 2009 (Berechnung) | align="right" | 24.018.055 |} === Volksgruppen === {| class="prettytable float-right" |- class="hintergrundfarbe6" ! Anteil<ref name="WFB"/> | Ethnie |- | align="right" | 44,0 % | [[Akan]] |- | align="right" | 16,0 % | [[Dagomba (Volk)|Dagbane-Dagomba]] |- | align="right" | 13,0 % | [[Ewe (Volk)|Ewe]] |- | align="right" | 8,0 % | [[Ga (Volk)|Ga]] |- | align="right" | 3,0 % | [[Gourmantché|Gurma]] |- | align="right" | 14,5 % | ghanaische Minderheiten |- | align="right" | 1,5 % | andere Ethnien |} Ghana ist ein Vielvölkerstaat, der aus beinahe ebenso vielen Ethnien wie Sprachgruppen heterogen zusammengesetzt ist. Die Bevölkerungszahl der unterschiedlichen Ethnien reicht von einigen hundert bis zu einigen Millionen Menschen. Mittlerweile werden immer häufiger Ehen zwischen Angehörigen unterschiedlicher Ethnien geschlossen, so dass die kleineren Volksgruppen langsam in den größeren aufgehen und die Grenzen zwischen den einzelnen Volksgruppen immer stärker verschwimmen. Diese Tatsache macht eine genaue Zuordnung zu den einzelnen Ethnien schwierig und führt zu stark abweichenden Angaben in verschiedenen Quellen. Die wichtigsten ethnischen Gruppen sind [[Akan]] (rund 44 %), [[Dagomba (Volk)|Dagbone-Dagomba]] (16 %), [[Ewe (Volk)|Ewe]] (13 %), [[Ga (Volk)|Ga-Adangme]] (8 %), [[Gourmantché|Gurma]] (6 %). Etwa 1,5 % der Bevölkerung stammt aus Europa oder ist anderer ethnischer Herkunft (beispielsweise Chinesen oder Libanesen). :''Siehe auch: [[Liste der Ethnien Ghanas]]'' === Sprachen === {{Hauptartikel|Sprachen Ghanas}} Mit 79 verschiedenen Sprachen und Idiomen ist die Sprachvielfalt recht groß. Amtssprache ist [[Englische Sprache|Englisch]]. Die häufigsten Sprachen sind: {| class="prettytable float-right" |- ! class="hintergrundfarbe6" width="120px" | Sprache ! class="hintergrundfarbe6" width="120px" | Sprecher |- | [[Akan (Sprachen)|Akan]] | align="right" | 8.300.000 |- | [[Ewe (Sprache)|Ewe]] | align="right" | 2.250.000 |- | [[Abron (Sprache)|Abron]] | align="right" | 1.050.000 |- | [[Farefare (Sprache)|Farefare]] | align="right" | 820.000 |- | [[Dagbani (Sprache)|Dagbani]] | align="right" | 800.000 |- | [[Dangme (Sprache)|Dangme]] | align="right" | 800.000 |- | [[Ga (Sprache)|Ga]] | align="right" | 600.000 |- | [[Konkomba (Sprache)|Konkomba]] | align="right" | 500.000 |- | [[Hausa (Sprache)|Hausa]] | align="right" | 202.000 |} Die meisten Ghanaer wachsen bereits vor ihrem Schulbesuch mehrsprachig auf und lernen dann in der Schule noch die lokal dominierende Sprache Akan (80 Prozent) und/oder Englisch (70 Prozent). Nicht selten sprechen Ghanaer drei bis fünf Sprachen fließend. Viele Sprachen Ghanas werden zu den „sterbenden Sprachen“ Afrikas gezählt, da die Zahl der Sprecher kontinuierlich abnimmt. Hauptursachen sind das größere Sozialprestige einzelner Sprachen (z.&nbsp;B. Fanti als Sprache des Handels), interethnische Eheschließungen und die Abwanderung von Sprechern in große Städte, in denen die Kinder die Mehrheitssprache übernehmen. :''Siehe auch: [[Liste der Sprachen Ghanas]]'' === Religionen === {{Hauptartikel|Religion in Ghana}} In Ghana gehören circa 20 % der Bevölkerung evangelischen Kirchen (Presbyterianer, Pfingstler, Methodisten, Baptisten, Siebten Tag Adventisten ,Charismatische Bewegungen) an, weitere 10 % [[Römisch-katholische Kirche in Ghana|der katholischen Kirche]]. Ungefähr 30 % werden dem Islam zugerechnet und etwa 40 % gehören [[Naturreligion]]en an <ref>[http://www.auswaertiges-amt.de/diplo/de/Laenderinformationen/01-Laender/Ghana.html Länderinformationen des Auswärtigen Amtes zu Ghana]</ref>. Dabei ist der nördliche Teils des Landes eher muslimisch, der Süden eher christlich orientiert. Die Grenzen zwischen den verschiedenen Religionen sind nicht genau bestimmbar, da sich insbesondere der traditionelle Glaube mit christlichen Hauptströmungen und Sekten vermischt hat. Viele christliche oder muslimische Ghanaer sehen im Besuch eines „Fetischpriesters“ keinen Widerspruch zu ihrer Religion. Alle hohen christlichen Feiertage sind nationale Feiertage geworden. Auch der Ramadan, der islamische Fastenmonat, wird im ganzen Land praktiziert. Von einzelnen ethnischen Gruppen werden zudem die ihrer traditionellen Religion entsprechenden Feste gefeiert. === Struktur und Migration === Die meisten Ghanaer leben in [[Großfamilie]]n, die einerseits Unterstützung für Verwandte bereithalten und bei Problemen helfen, andererseits müssen viele Angehörige bis zur Hälfte ihres Lohnes an die Familie abgeben. Diese Strukturen weichen allerdings in den Städten immer mehr auf, so dass dort manche Kinder nicht mehr von ihren Eltern versorgt werden. Im ganzen Land vollzieht sich eine starke Wanderung Richtung Süden. Jugendliche aus der Zentralregion ziehen nach Accra und Tema, um dort Arbeit zu finden, während Jugendliche aus den nördlichen Gebieten Zuflucht in Städten wie Kumasi und [[Sunyani]] suchen. Da ihr Ausbildungsstand meistens gering und das Arbeitsangebot begrenzt ist, landen sehr viele dieser Jugendlichen auf der Straße. Allein in Accra sind nach Angaben der Welthungerhilfe etwa 30.000 Kinder und Jugendliche obdachlos<ref>[http://www.welthungerhilfe.de/ghana_projektinformationen.html Welthungerhilfe Projektinformation Ghana]</ref>. Andere Quellen wie die UNICEF gehen von 12.000 bis 15.000 Kindern allein auf den Straßen der Hauptstadt [[Accra]] aus<ref>[http://www.unicef.at/74.html UNICEF Österreich]</ref>. == Soziale Lage == === Gesundheitswesen === → ''Hauptartikel: [[Gesundheitswesen in Ghana]]'' Das Gesundheitswesen stützt sich auf zwei Säulen. Einerseits versuchen der Staat und internationale Gesundheitsorganisationen immer bessere Bedingungen für die Volksgesundheit zu organisieren, zum anderen spielt die traditionelle Medizin noch immer eine starke Rolle. Die Kindersterblichkeit sinkt, die Versorgung der Mütter verbessert sich und die Zahl der Impfungen hat inzwischen eine Abdeckung von 80 Prozent der Bevölkerung erreicht. Im Gesundheitswesen investierte die ghanaische Regierung zwischen 1992 und 2002 etwa 7 Prozent der gesamten Staatsausgaben. Bis in die achtziger Jahre war das Gesundheitssystem hinter den politischen und wirtschaftlichen Themen in der Politik wenig in Erscheinung getreten. Durch ein Umdenken in der Politik, sowie durch einen starken Einsatz internationaler Hilfskräfte verbessert sich die Lage im Gesundheitswesen zunehmend. ==== Krankheiten ==== Ghana hat neben den üblichen medizinischen Anforderungen zusätzlich das Problem der tropischen Krankheiten zu bewältigen. [[Malaria]], [[Cholera]], [[Typhus]], [[Tuberkulose]], [[Gelbfieber]] und [[Hepatitis A]] und [[Hepatitis B]] sind einige der am häufigsten auftretenden Krankheiten. Auch der sogenannte [[Medinawurm|Guineawurm]] (''dracunculiasi''), [[Bilharziose]] und [[Poliomyelitis]] sind ein großes Problem. Im Jahr 1974 sollen 75 Prozent aller Krankheiten in einem direkten Zusammenhang mit unsauberem Wasser gestanden haben. Malaria zählt zur häufigsten Todesursache im Land. Etwa 40 Prozent der Krankenhausaufenthalte haben ihre Ursache in einer Malariaerkrankung. Bei der Kindersterblichkeit ist Malaria für ein Viertel aller Todesfälle verantwortlich<ref>[http://www.netmarkafrica.org/Countries/ghana/briefbook/ghana_briefing_book.pdf www.netmarkafrica.org zu Krankheiten in Ghana]</ref>. Während der Trockenzeit, zwischen Dezember und April, werden im Nordosten des Landes immer wieder Fälle durch [[Meningokokken]] ausgelöster [[Meningitis]] gemeldet. Etwa 1,9 Prozent aller erwachsenen Personen waren 2007 mit [[Humanes Immundefizienz-Virus|HIV]] infiziert. ==== Daten ==== Ghana ist grundsätzlich kein Land, das aufgrund von Dürrekatastrophen oder sonstigen Problemen an einem Mangel an Nahrungsmitteln leidet. Die ungleiche Verteilung der Nahrungsmittel stellt jedoch ein Problem dar. So litten noch im Jahr 2000 etwa 20 Prozent der Kinder unter fünf Jahren an Unterernährung<ref name="Weltbank-GW"/>. Diese Zahl hat sich aber in den letzten Jahren deutlich verringert. Im Jahr 1985 galten noch etwas 35 Prozent der Kinder der gleichen Altersstufe als unterernährt. {| class="prettytable float-left" ! colspan="4" class="hintergrundfarbe6" | Kindersterblichkeit in Ghana je 1000 Einwohner<ref name="Weltbank-GW">[http://siteresources.worldbank.org/INTHNPMDGS/Resources/563114-1112109151438/892594-1113404879158/Ghana.pdf Weltbank zum Gesundheitswesen in Ghana]</ref> |- | Erhebungsjahr | Jungen | Mädchen | Gesamt |- | 1988 | 79,2 | 79,4 | 158,6 |- | 1993 | 63,4 | 62,2 | 125,6 |- | 1998 | 53,3 | 51,4 | 104,7 |- | 2003 | 44,2 | 52,3 | 96,5 |} Die Sterblichkeitsquote von Kindern bis vier Jahren sank in den letzten 20 Jahren erheblich. So starben von 1.000 Geburten noch 79,2 Jungen und 79,4 Mädchen im Jahr 1988. Bereits 1993 war die Zahl auf 63,4 bei Jungen und 62,2 bei Mädchen gesunken. Im Jahr 2003 starben von 1.000 Kindern noch 44,2 Jungen und 52,3 Mädchen. Auch die Zahl der Impfungen stieg in den vergangenen Jahren erheblich an. Im Jahr 2004 wurden ungefähr 80 Prozent der Kinder gegen [[Diphtherie]] und [[Polio]] geimpft. Die [[Müttersterblichkeit]] sank seit 1990 von ungefähr 740 von 100.000 Geburten (ca. 0,74 %) auf ungefähr 540 von 100.000 Geburten (ca. 0,54 %), wobei die Zahl der Geburten, die durch medizinisches Personal überwacht wurden, nur leicht anstieg von etwa 40 Prozent im Jahr 1986 auf etwa 47 Prozent im Jahr 2004<ref name="Weltbank-GW"/>. Im ganzen Land regulierten im Jahr 2005 etwa 25,2 Prozent der Frauen ihre Schwangerschaften durch irgendeine Methode der Geburtenkontrolle, dabei lag der Anteil des Kondoms als Verhütungsmethode 2003 bei ungefähr 12,7 Prozent<ref name="Weltbank-GW"/>. Im Jahr 2001 lebten etwa 200.000 Kinder, von denen beide Eltern oder mindestens ein Elternteil an [[AIDS]] gestorben ist, in Waisenhäusern<ref name="Weltbank-GW"/>. === Bildung === → ''Hauptartikel: [[Bildungssystem in Ghana]]'' {| class="prettytable float-right" ! colspan="2" class="hintergrundfarbe6" | Bildungsdaten (Stand 2005)<ref name="FWA08"/> |- | [[Alphabetisierungsrate]] (2006) | 66,4 % Männer, 49,8 % Frauen |- | [[Einschulungsrate]] [[Grundschule]] | 65 % Jungen, 65 % Mädchen |- | weiterführende [[Schule]] | 39 % Jungen, 35 % Mädchen |- | Durchschnittliche Bildungsdauer (2007) | 9 Jahre |} Seit der Unabhängigkeit Ghanas erweitert sich das Bildungsangebot des Landes kontinuierlich. Im Bildungswesen investierte die ghanaische Regierung zwischen 1992 und 2002 etwa 7 Prozent der gesamten Staatsausgaben. Bereits seit 1957 besteht eine allgemeine neunjährige [[Schulpflicht]], die mit dem sechsten Lebensjahr beginnt. Im Jahr der Unabhängigkeit waren nur etwa 450.000 Grundschüler in den Schulen aufgenommen worden. Die Schulbildung erreicht nunmehr fast jedes Dorf, die Lehrer stellen teilweise Studenten oder Abiturienten, die ihren [[National Service (Ghana)|National Service]], eine Art soziales Jahr, in einer Dorfschule absolvieren. Das Bildungssystem war von Anfang an den Strukturen der ehemaligen [[Kolonialmacht]] [[Vereinigtes Königreich|Großbritannien]] angelehnt. Erst im Jahr 1986, während der Präsidentschaft von [[Jerry Rawlings]], wurde das System verändert. Die allgemeine Schulpflicht besteht aus einer sechsjährigen Grundschule mit einem anschließenden dreijährigen Besuch der Junior Secondary School. Erst mit dem erfolgreichen Abschluss der [[High School|Junior Secondary School]] kann ein Schüler die höhere Schulbildung in der [[High School|Senior Secondary School]] beginnen, die weitere drei Jahre dauert, mit dem ''West African Senior Secondary Certificate Examination (WASSCE)'' (auch: ''Advanced Level Certificate'') abschließt und zum Studium berechtigt. Alternativ kann ein Schüler eine technisch ausgerichtete Schule besuchen, deren Abschluss am ehesten mit dem deutschen Fachabitur vergleichbar ist. Damit kann ein Schüler die Hochschulzugangsberechtigung nach frühestens zwölf Jahren erlangen. Auf die Ausbildung der Lehrer, bereits beginnend mit den Mitarbeitern in [[Kindergarten|Kindergärten]] und den [[Grundschule]]n, wird immer mehr Wert gelegt. So dauert beispielsweise die Ausbildung eines regulären Grundschullehrers drei Jahre. Vor allem im Norden und in den größeren Städten haben sich auch [[Koranschule]]n unter dem islamischen Teil der Bevölkerung durchgesetzt. Es wird zudem ein Fernstudium für Abiturienten angeboten, die aufgrund von persönlichen oder praktischen Gegebenheiten nicht regelmäßig an den Vorlesungen in den Universitäten teilnehmen können. == Geschichte == → ''Hauptartikel: [[Geschichte Ghanas]]'' === Mythologie === Die alte Stadt Gana lag im Norden der heutigen Republik Ghana. Ghana war die arabische Schreibweise des afrikanischen Namens Gana, dessen Bedeutung unbekannt ist. Vergeblich haben Archäologen die weiten Flächen Westafrikas nach ihrem genauen Standort abgesucht. Viele Geschichten erzählen von ihrem Reichtum, der Macht ihrer Könige und der Schönheit ihrer Gebäude. Andere Geschichten handeln von der Ursache ihres Falls. Es folgt eine davon. Die Stadt New Wagadoo, die heute Wa-Gana heißt, war die Hauptstadt von 80 Häuptlingen. Aber als der König starb und nur eine Tochter hinterließ, machten sich diese 80 Häuptlinge unabhängig. Die Prinzessin Tu-Bari war eine Frau von unübertrefflicher Schönheit und versprach jenem Mann die Ehe, der die 80 rebellischen Häuptlinge unterwerfen würde. Viele Prinzen, die von ihrer Schönheit gehört hatten, versuchten ihr Glück, aber keiner war erfolgreich. Schließlich erschien der König aus Gana namens Samba (stark). Er besiegte nacheinander die 80 rebellischen Häuptlinge und schickte einen jeden von ihnen zur Königin Annalia, damit er sich ihr unterwarf. Als sich der letzte Häuptling ergeben hatte, stimmte Annalia einer Ehe mit Samba zu, der König von Gana und Wa-Gana wurde. Einige Jahre später brach im Land eine verheerende Dürre aus und eine Hungersnot stand drohend bevor. Die Dürre wurde von einem Drachen namens Isa Bere verursacht, der in den Bergen von Futa Jallon lebte und den Fluss Niger leer trank. König Samba musste sich aufmachen und den Drachen bekämpfen. Sein berühmter Barde Tarafe, der als erster Annalias Ruhm besungen hatte, begleitete ihn. Acht Jahre lang kämpfte König Samba gegen den Drachen und zerbrach 800 Speere an dessen Schuppenhaut. Schließlich traf er mit seinem langen Schwert das Herz des Drachens, worauf das Ungeheuer starb und der Niger, der heilige Fluss Jolliba, wieder floss. Tarafe sang ein Loblied auf das Schwert. König Samba liebte das Gebirge und die bewaldeten Hänge und entschied sich dort zu bleiben. Das alte Gana verfiel während seiner Abwesenheit. === Vorgeschichte und Archäologie === Es wird davon ausgegangen, dass das Gebiet des heutigen Ghana irgendwann im Zeitraum von vor 150.000 bis vor 20.000 Jahren erstmalig von Menschen besiedelt war. Diese ersten Bewohner waren Angehörige der Sango- oder Sangoan-Kultur <ref>Benannt nach ersten Fundplätzen in der Sango-Bucht auf der ugandischen Seite des Viktoria-Sees.</ref>, einer Kultur, die durch den Übergang von der älteren zur jüngeren [[Altsteinzeit]] charakterisiert werden kann. Das Einsetzen einer Phase extremer Trockenheit, die vor etwa 25.000 Jahren begann und bis etwa vor 13.000 Jahren andauerte, veranlasste die Menschen der Sangoan-Kultur jedoch zum Verlassen der immer unwirtlicher werdenden Ebenen. Die ältesten [[Keramik]]funde auf dem Gebiet des heutigen Ghana wurden auf ein Alter von etwa 5.800 Jahren datiert. Im Allgemeinen wird der Zeitpunkt des Auftretens von Keramik mit dem Beginn der Nahrungsmittelerzeugung durch Feldbau gleichgesetzt, auch wenn Beweise dafür aus der Frühzeit der Keramikpräsenz bislang fehlen. Vor etwa 3800 bis ca. vor 2000 Jahren erfuhr das Klima in Westafrika und dem westlichen Zentralafrika eine kurze, aber intensive Trockenphase mit starken Winden. In dieser Zeit existierte auf dem Gebiet des heutigen Ghana am Nordrand des Regenwaldgürtels etwa im Zeitraum von vor 4000 Jahren bis vor etwa 2700 Jahren mit der [[Kintampo-Kultur]] eine weitere vorgeschichtliche Kulturstufe. Die Kintampo-Kultur besaß eine sehr komplexe Wirtschaftsform, welche von einer Vermischung von feldbaulicher Waldlandbewirtschaftung und nahrungsproduzierender Viehhaltung in der Savanne gekennzeichnet war. Mit Sicherheit kann das Halten von [[Schafe]]n und [[Hausziege|Ziegen]] für die Zeit vor 3750 bis 3550 Jahren nachgewiesen werden, wahrscheinlich wurden in der Spätzeit auch [[Rinder]] gehalten. Der durch die Trockenheit immer lichter werdende Regenwald und das plötzliche verstärkte Auftreten der Ölpalme, die Nahrung, Faser- und Baumaterial lieferte, förderte wahrscheinlich den Entwicklungsprozess einer feldbaulichen Waldlandbewirtschaftung. Dennoch scheinen auf dem Höhepunkt der Trockenphase die Menschen erneut die immer unfreundlicher werdenden Gegenden wieder verlassen zu haben. Die heute als [[Indigene Völker|autochthon]] geltende Bevölkerungsschicht in Ghana und Togo sind im wesentlichen Gruppen, die, beginnend im 9. und 10. Jahrhundert, in großen Gruppen aus Norden oder Nordosten kommend in die Gebiete südlich des [[Savanne]]ngürtels des Togo und Ghana einwanderten. Auslöser dieser Migrationsbewegung war eine [[Klimaänderung]] <ref>Bohrkerne aus dem grönländischen Eispanzer belegen anhand des [[Sauerstoff]]-Isotopenverhältnisses der im Eis eingeschlossenen Luft, dass es um das Jahr 900 A.D. herum in [[Grönland]] eine etwa 200 Jahre lang andauernde, kalte Trockenperiode gegeben hat. Zur Rekonstruktion des damaligen weltweiten Klimageschehens wurden die arktischen Daten mit Befunden aus anderen Regionen der Welt verglichen, wie z.B. die Ausdehnung und Zusammensetzung von Gebirgsgletschern, die Dicke der Jahresringe von Bäumen, das Artenspektrum konservierter Pollen, Muscheln im Bodenschlamm von Seen und Meeren usw. Das resultierende Gesamtbild zeigt, dass es während extrem frostiger Phasen auf Grönland auch relativ kalte, trockene und vor allem sehr windige Bedingungen in Europa und Nordamerika gegeben hat, während es dagegen im Südatlantik und der Antarktis ungewöhnlich warm war. Mit diesen Temperaturschwankungen gingen auch Veränderungen in der Niederschlagsmenge einher, die um so drastischer waren, je extremer die Temperaturänderung pro Zeiteinheit war. Dabei zeigt sich, dass eine Kälteperiode in der Arktis immer mit dem Auftreten von großen [[Dürre]]periode in Nordafrika und der Sahara sowie in Nordindien verbunden war. Baumringvermessungen aus Schweden verweisen darauf, dass es in diesen Jahren in Europa extreme Kälteeinbrüche gegeben hat. Im Winter des Jahres 829 tritt selbst bei Kairo auf dem [[Nil]] Eisgang auf und im Winter 859/860 war sogar die [[Adriatisches Meer|Nordadria]] zugefroren.</ref>, die mit Änderungen in der Vegetation der Savannengebiete verknüpft war. Aber auch das Erstarken von Alt-Gana und der Vorläuferstaaten des Mali-Reiches trugen zum Auslösen der Migrationsbewegung bei, sowie auch ein gewisser Zwang zu mehr Segmentierung innerhalb der Sozialordnung, der letztlich den Druck auf eine freiwillige Abspaltung vom bisherigen Volksverband erhöhte. Zwischen dem 11. und 15. Jahrhundert haben große Bewegungen im Volta-Becken stattgefunden. Aber diese Einwanderergruppen sind nicht über große Räume hinweg gewandert, sondern sie sind mehr oder weniger allmählich in Nachbargebiete eingedrungen, aus denen sie wieder durch das Sich-Einschieben weiterer Völker aus dem Norden in weiter südlich gelegenere Gebiete gedrängt wurden. === Mittelalter und frühe Neuzeit === Der moderne Staat Ghana hat seinen Namen vom alten ''[[Reich von Ghana|Reich Ghana]]'', das geografisch einige Tausend Kilometer nordwestlich gelegen war und in keinem ethnischen oder historischen Zusammenhang zum heutigen Staat Ghana steht. Auf dem Gebiet des heutigen Staates gab es in vorkolonialer Zeit mehrere große Reiche beziehungsweise Föderationen. Die ersten dieser Staatswesen, die Reiche der [[Dagomba (Königreich)|Dagomba]], [[Mamprussi]] oder der [[Gonja]] entstanden in der Savannenregion von Nordghana und waren kulturell vom weiter nördlich gelegenen Reich der [[Mossi]] und dem [[Islam]] geprägt. Die Macht ihrer Reiterheere endete am Regenwaldgürtel. In der Regenwaldzone siedelten sich aus dem Norden kommend ab etwa 1300 n.C. [[Akan]]völker an und gründeten verschiedene kleinere Reiche. Um 1600 begann dort in Zentralghana der Aufstieg des [[Ashanti (Königreich)|Ashantireichs]] zur beherrschenden Macht im gesamten heutigen Ghana. Die Ashantiföderation war eines der wenigen afrikanischen Reiche, das es bis Ende des 19. Jahrhunderts mit den britischen Kolonialtruppen aufnehmen konnte und diese in mehreren Kriegen schlug. Erst Anfang des 20. Jahrhunderts wurde es endgültig von den britischen Kolonialherren bezwungen. Mit dem Ashantireich konkurrierten im Süden des Landes die mit den Briten verbundenen Fantistaaten, die sich Ende des 19. Jahrhunderts zur [[Fanti-Konföderation|Konföderation der Fanti]] zusammenschlossen. [[Datei:Cape Coast British Slave trade HQ atamari.jpg|miniatur|Cape Coast Castle]] An der Goldküste reihten sich seit dem 17. Jahrhundert die befestigten Niederlassungen europäischer Mächte (Portugiesen, Engländer, Niederländer, Brandenburger, Schweden, Dänen) in einer Dichte aneinander, wie in keinem anderen Gebiet Afrikas. [[Groß Friedrichsburg (Kolonie)|Groß Friedrichsburg]] in Princess Town war beispielsweise im 17. Jahrhundert eine [[Mark Brandenburg|brandenburgisch]]-[[Preußen|preußische]] Festung. ''siehe auch: [[Historische Forts von Ghana]] und [[Liste der Gouverneure von Ghana]]'' === Kronkolonie Goldküste === → ''Hauptartikel: [[Goldküste (Kolonie)]]'' Um 1820 übernahm das ''Colonial Office'' die [[Vereinigtes Königreich|britischen]] Handelsposten an der Goldküste. Zwischen den Briten und dem Volk der Fanti wurde ein Abkommen geschlossen, um sich gegen die [[Ashanti (Volk)|Ashanti]] aus dem Binnenland zu verteidigen. Im Jahr 1874 erklärten die Briten den Küstenstreifen zur [[Kronkolonie]]. Das Ashantigebiet im Innern des Landes und auch die so genannten „Nördlichen Territorien“ wurden 1901 endgültig annektiert und vom Gouverneur in Accra, direkt verwaltet. Einigen Küstenstädten wurde bereits Mitte des 19. Jahrhunderts [[indigen]]e Gemeinderäte zugestanden. 1925 kam es unter Gouverneur [[Gordon Guggisberg]] zu einer Verfassungsreform. Im Ashantiland und in den Nordterritorien wurde die ''[[indirect rule]]'' eingeführt. Die dortigen traditionellen Oberhäupter waren dem Gouverneur in Accra direkt unterstellt. In der eigentlichen ''Colony'' an der Küste wurde ein Legislativrat mit 29 Mitgliedern eingeführt, in welchem erstmals neun Afrikaner vertreten waren. Am [[Zweiter Weltkrieg|Zweiten Weltkrieg]] nahmen über 40.000 Soldaten aus der Goldküste auf der Seite des [[Britisches Weltreich|Britischen Empires]] teil. Der Großteil davon wurde in [[Südostasien]] eingesetzt. === Weg zur Unabhängigkeit === Durch die so genannte ''Burns-Constitution'' wurden 1946 den Nordterritorien und dem Ashantiland Sitze im Legislativrat zugesprochen. Die Stellung der traditionellen Oberhäupter wurde dadurch weiter gestärkt. 1947 bildete sich die ''[[United Gold Coast Convention]]'' (UGCC), zu deren Sekretär [[Kwame Nkrumah]] ernannt wurde. Dieser und weitere Führer der UGCC wurden ein Jahr später nach [[Accra-Riots|Unruhen in Accra]] vorübergehend inhaftiert. Dieses Jahr kann als Wendepunkt in der ghanaischen Geschichte angesehen werden. In den folgenden zwei Jahren machte vor allem die Nationalbewegung um Kwame Nkrumah – der sich inzwischen von der UGCC getrennt und die ''[[Convention People's Party]]'' (CPP) gegründet hatte – von sich reden. Sie organisierte Boykotte, Streiks und forderte von Großbritannien das Selbstbestimmungsrecht (''„Self-Government Now!“''). 1950 wurde Nkrumah von den Briten inhaftiert. Dennoch konnte die CPP bei den anstehenden Wahlen einen großen Sieg erringen. Die Wahlen im Jahr darauf gewann sie mit überwältigender Mehrheit. Nkrumah wurde von Gouverneur [[Arden-Clarke]] (1949–57) freigelassen und umgehend in die Regierung aufgenommen. Seit 1952 war er Premierminister. Der Weg in die Unabhängigkeit 5 Jahre später war geebnet. 1954 wurden die Nord-Territorien der Kolonie Goldküste einverleibt. === Unabhängigkeit === Am 6. März 1957 wurden die Goldküste und das Ashantiland als Ghana unter Premierminister Nkrumah unabhängig. Nach einer Volksabstimmung trat das britische Mandatsgebiet [[Britisch-Togoland]], also der seit dem Ende des Ersten Weltkriegs unter britischer Verwaltung stehende Teil der ehemaligen deutschen Kolonie Togo, dem neuen Staat bei. Die Verbindungen nach Großbritannien wurden jedoch nicht gekappt. Als erstes schwarzafrikanisches Land wurde es volles Mitglied im [[Commonwealth of Nations]]. Der Staatsmonopolismus und schlechte Außenhandelspolitik, sowie ein missglückter Versuch zur Errichtung einer sozialistischen Staatsform führten unter Nkrumah zu einer massiven finanziellen Krise und anhaltend hohen Staatsverschuldung. === Zeit der Militärputsche === [[Datei:Ghanaian Navy 035.jpg|miniatur|Die Patrouillenboote GNS Anzone (P&nbsp;30) und GNS Achimota (P&nbsp;28) der ghanaischen Marine im Oktober 2005]] In den Jahren 1966, 1972, 1978 und 1979 [[putsch]]te das Militär. Auch die Militärregierungen wurden der Schwierigkeiten nicht Herr. Unter der Herrschaft der [[Kleptokratie|kleptokratischen]] Militärjunta von [[Ignatius Kutu Acheampong]] geriet das Land noch weiter in die Schuldenfalle. Korruption und Willkür bestimmten in den 1970er Jahren die Politik des Landes. 1981 putschte der Fliegerleutnant [[Jerry Rawlings]], nachdem er zwischenzeitlich die Macht an eine demokratisch gewählte Regierung zurückgegeben hatte, ein zweites Mal und herrschte zunächst diktatorisch. Während seiner Herrschaft verhalf er Ghana unter anderem mit Hilfe von [[Weltbank]] und [[IWF]] wieder zu wirtschaftlicher Stabilität. === Demokratische Entwicklung === 1992 gab Jerry Rawlings Ghana eine demokratische Verfassung, in der [[freie Wahlen]], Meinungs- und Pressefreiheit, das Recht auf körperliche Unversehrtheit und die Gleichheit vor dem Gesetz garantiert wurden. Das Einparteiensystem wurde abgeschafft. Die von der UNO festgeschriebenen Menschenrechte wurden ebenso anerkannt. Nach den Wahlen 1993 und 1996 herrschte Rawlings als gewählter Präsident weiter. Nachdem Rawlings laut Verfassung bei den Wahlen 2000 nicht ein drittes Mal antreten durfte, gewann [[John Agyekum Kufuor]] (NPP) die Wahl gegen den früheren Vizepräsidenten [[John Atta-Mills]] (NDC). Kufuor wurde bei den letzten Wahlen im Dezember 2004 im Amt bestätigt. Im Jahr 2008 fanden erneut freie demokratische Wahlen statt. Aus Verfassungsgründen konnte sich Präsident Kufuor nicht mehr zur Wahl stellen. Den ersten Wahlgang am 7. Dezember hatte Akufo-Addo gewonnen, aber die absolute Mehrheit verfehlt.<ref>vgl. [http://www.dw-world.de/dw/function/0,,12356_cid_3918144,00.html ''Oppositionspolitiker Atta-Mills gwinnt Wahl in Ghana''] bei dw-world.de, 3. Januar 2009, 12:00 UTC</ref> In der folgenden Stichwahl setzte sich NDC-Politiker Atta-Mills mit 50,23 Prozent der Stimmen durch, während Akufo-Addo nur auf 49,77 Prozent kam, so die Wahlkommission Anfang Januar 2009.<ref>vgl. [[Agence France-Presse|AFP]]: [http://www.google.com/hostednews/afp/article/ALeqM5h5z4TxtbV5N0RNKhEdUpgiNtjq-w ''Oppositionspolitiker Atta-Mills wird neuer Präsident Ghanas''] bei google.com, 3. Dezember 2008</ref> ''siehe auch: [[Flagge Ghanas]]'' == Politik == [[Datei:Independence Arch.jpg|miniatur|Der Black Star Arch in Accra ist nationales Symbol für Ghanas Unabhängigkeit]] [[Datei:John Atta-Mills election poster.jpg|miniatur|Präsidentschaftswahl-Poster von John Atta-Mills, seit Jan. 2009 Präsident Ghanas]] → ''Hauptartikel: [[Politisches System Ghanas]]'' Ghana erhielt am 6. März 1957 als erstes Land Afrikas die Unabhängigkeit von [[Vereinigtes Königreich|Großbritannien]]. Seither hat es verschiedene Phasen der Demokratie und militärischer Putsche erlebt. Seit dem 7. Januar 1993 besteht die bisher als stabil bewertete vierte Republik in der Form einer Präsidialrepublik im [[Commonwealth of Nations|Commonwealth]] mit einem Einkammerparlament von 230 Sitzen. Die [[Judikative]] ist streng von den anderen beiden Staatsgewalten getrennt. Das [[Mehrheitswahlrecht]] bevorzugt die beiden großen Parteien im Lande, die beinahe alle Sitze im Parlament und den regionalen Vertretungen innehaben. Momentane Regierungspartei ist die [[National Democratic Congress]] (NDC) mit 115 Parlamentssitzen, Oppositionspartei ist die [[New Patriotic Party]] (NPP). Parlament und Präsident werden für eine Amtszeit von jeweils vier Jahren direkt vom Volk gewählt. Die Wahlen im Dezember 2004 verliefen relativ reibungslos und führten zur Wiederwahl des Amtsinhabers [[John Agyekum Kufuor]], der damit nach der Verfassung des Landes seine letzte Amtszeit durchlief. Die letzten Wahlen im Dezember 2008 gewann [[John Atta Mills]] (NDC) gegen den Politiker [[Nana Akufo-Addo]] von der NPP knapp in einer Stichwahl. Sitz des Präsidenten ist eine ehemalige Sklavenburg ([[Osu Castle]]) an der Küste der Hauptstadt Accra. Die Verfassung garantiert der Bevölkerung neben den umfassenden Menschenrechten insbesondere die Freiheit, sich zu versammeln und Parteien und Gewerkschaften zu gründen. Eine Vielzahl von Parteien, die nach der Verfassung allerdings nationale und keine lokalen Interessen oder Interessen von einzelnen Ethnien zu vertreten haben, wurde in der Vergangenheit gegründet. Zurzeit sind zehn Parteien registriert. Unter dem [[Trades Union Congress of Ghana|Trade Union Congress]] (TUC) sind 16 Einzelgewerkschaften zusammengefasst. Ghana ist in zehn Regionen unterteilt, die eine eigene Gerichtsbarkeit, eine regionale Regierung und eine eigene Verwaltung stellen. Diese Regionen sind in 138 kleinere Distrikte unterteilt, die in ihrem Bereich durch lokal ansässige Verwaltungseinheiten zur Machtverteilung im Land beitragen und auch der großen ethnischen Breite der Bevölkerung in kleinen Einheiten besser Rechnung tragen können. In der Politik spielen die traditionellen Stammeshäuptlinge (Chiefs) noch immer eine größere Rolle. Diese Chiefs sind gerade auf lokaler Ebene die eigentlichen Machtträger und haben die Rolle von Schlichtern inne. Diese traditionelle Rolle hat sogar Verfassungsrang, die Chiefs sind zudem in einigen Kontrollorganen des Staates vertreten. Obwohl Ghana bisher von größeren ethnischen Unruhen verschont geblieben ist, kam es in den vergangenen Jahren mehrfach zu Landverteilungskonflikten zwischen den verschiedenen Volksgruppen. ''siehe auch: [[Liste der Regierungen Ghanas]]'' === Staatsorganisation === → ''Hauptartikel: [[Verfassung Ghanas]]'' Obwohl Ghana Mitglied des [[Commonwealth of Nations]] ist, wird das Land als [[Präsidialrepublik]] organisiert. Im Jahr 2003 gab es offiziell zehn registrierte Parteien, von denen bei der letzten Parlamentswahl 2004 vier in das Einkammerparlament mit 230 Sitzen gewählt wurden. Die stärkste Partei ist die New Patriotic Party ([[New Patriotic Party|NPP]]) von Präsident [[John Agyekum Kufuor]], dem neunten Präsidenten seit der Unabhängigkeitserklärung, mit 128 Sitzen. Stärkste Oppositionspartei ist die Partei National Democratic Congress ([[National Democratic Congress|NDC]]) mit 94 Sitzen. Die weitere Sitzverteilung verteilt sich auf die People's National Convention ([[People's National Convention|PNC]]) mit vier Sitzen sowie die Convention People's Party ([[Convention People's Party|CPP]]) mit drei Sitzen. Die Verfassung bezeichnet die Parteien ausdrücklich als meinungs- und willensbildend im Rahmen des politischen Prozesses. ''siehe auch: '' [[Liste der politischen Parteien in Ghana]], [[Liste der Chief Justice's von Ghana]], [[Liste der Außenminister Ghanas]], [[Liste ghanaischer Politiker]] ] === Außenpolitik === → ''Hauptartikel: [[Mitgliedschaft Ghanas in internationalen Organisationen]]'' Die aktuelle Außenpolitik orientiert sich an den westlichen Staaten, vor allem an den [[Vereinigte Staaten|USA]]. Ghana hat ein großes Gewicht in Westafrika und gilt als stabilisierender Faktor. Die Regierungen Ghanas haben in der Vergangenheit mehrfach internationale humanitäre und militärische Einsätze unterstützt. Es besteht eine teilweise langjährige Mitgliedschaft in vielen internationalen Organisationen. Seit 1957 ist das Land Mitglied der [[Vereinte Nationen|Vereinten Nationen]], deren ehemaliger Generalsekretär [[Kofi Annan]] gebürtiger Ghanaer ist, und im Commonwealth of Nations. Ghana war 1963 eines der Gründungsmitglieder des OAE, der Vorgängerorganisation der [[Afrikanische Union|Afrikanischen Union]]. Weitere Mitgliedschaften bestehen bei dem EG-AKP Abkommen zwischen der EU und einigen afrikanischen, karibischen und pazifischen Staaten, der Welthandelsorganisation ([[Welthandelsorganisation|WTO]]), der Westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft ([[Westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft|ECOWAS]]), der [[United Nations Educational, Scientific and Cultural Organization|UNESCO]], der Weltgesundheitsorganisation ([[Weltgesundheitsorganisation|WHO]]), der Internationale Arbeitsorganisation ([[International Labour Organization|ILO]]), der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation ([[Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation|FAO]]) und dem Internationaler Währungsfonds ([[IWF]]). Das Land hat an vielen Friedensmissionen der Vereinten Nationen teilgenommen, unter anderem in Afrika ([[Burundi]], der [[Elfenbeinküste]], der [[Demokratische Republik Kongo]]), Europa ([[Kosovo]]) und Vorderasien ([[Libanon]]). === Militär === → ''Hauptartikel: [[Streitkräfte Ghanas]]'' {| border="1" width="30%" cols="2" cellpadding=2 cellspacing=0 style="margin: 0 0 1em 1em;" class="prettytable float-right" | colspan="2" align=center class="hintergrundfarbe6" | '''Militär von Ghana'''<ref name="WFB"/> |- | colspan="2" align=center | '''Truppenstärke''' |- | Mindestdienstalter | 18 Jahre (2002) |- | Verfügbarkeit | Männer zwischen 15 und 49: 5.045.355 (2002) |- | Jährlicher Eintritt ins Dienstalter | Männer: 213.237 (2002) |- | colspan="2" align=center | '''Ausgaben Militär''' |- | Gesamtausgaben | 35,2 Millionen $ |- | Prozent der Staatsausgaben | Fünf Prozent |} In den vergangenen Jahrzehnten hatte das Militär Ghanas mehrmals durch Putsche die Macht im Land übernommen. Bis zum Ende der Präsidentschaft von [[Jerry Rawlings]] im Jahr 2001 kam ihm dabei eine vergleichsweise wichtigere Rolle zu als anderen Ordnungskräften, wie etwa der Polizei. Unter Präsident Kufour verlor das Militär an Bedeutung, wogegen die Polizeikräfte deutlich erstarkt sind. Das Militär besteht aus Armee, Marine, Luftstreitkräften, Nationaler Polizeitruppe, Palastwache und Zivilverteidigung. Insgesamt ist die Zahl der aktiven Truppenteile eine der niedrigsten in der ganzen Welt. Das Waffenarsenal der ghanaischen Streitkräfte besteht mehrheitlich aus älteren Modellen britischer Herkunft. Die Militärausgaben sind gemessen am Haushalt relativ niedrig, was sich auch in der Ausrüstung bemerkbar macht. Die Armee hat einen festen Truppenbestand von 7.000 Mann. Accra ist Sitz des Verteidigungsministeriums, wo ebenfalls die Luftstreitkräfte ihr Hauptquartier sowie ihre Hauptversorgungsbasis haben. Dieser Truppenteil verfügt über eine Stärke von ungefähr 1.000 Mann. In Tamale und in Takoradi befinden sich Trainingslager sowie ein Militärflughafen. In Kumasi wurde eine Versorgungseinheit eingerichtet. Die Marineeinheiten schützen die Gewässer im Inland (Volta-See) sowie die Fischereiinteressen und militärischen Zonen im Atlantik. Derzeit hat die Marine eine Truppenstärke von etwa 1.000 Mann (2003). An einigen internationalen Friedensmissionen haben ghanaische Truppen teilgenommen. Das [[Kofi Annan International Peacekeeping Training Centre]] (KAIPTC) wurde in der Nähe von Accra eingerichtet und dient der Ausbildung und Schulung von Personal für den Friedenseinsatz. Jährlich werden hier etwa 1.000 Personen aus dem Militär, der Polizei oder Justiz aus Ghana und anderen westafrikanischen Ländern für die Durchführung von Friedensmissionen weitergebildet, wobei auch Ausbilder aus Deutschland eingesetzt werden. === Menschenrechte === Im Jahresbericht 2009 der Menschenrechtsorganisation Amnesty International wird unter anderem bemängelt, dass die Strafjustiz zu langsam arbeite und die Gefängnisse überfüllt sind. Auch der Umstand, dass keine Schritte zur Abschaffung der Todesstrafe unternommen wurden, findet in dem Bericht Erwähnung. Gewalt gegen Frauen ist nach wie vor an der Tagesordnung, obwohl neue Gesetzte eigentlich zu einer Besserung der Situation beitragen sollten. Schätzungen zufolge war jede dritte Frau von familiärer Gewalt betroffen. Das seit 2007 geltende Gesetz gegen familiäre Gewalt zeigte offensichtlich noch keine Wirkung.<ref>[http://www.amnesty.de/jahresbericht/2009/ghana?destination=suche%3Fwords-advanced%3Dghana%26country%3D%26topic%3D%26node_type%3D%26from_month%3D0%26from_year%3D%26to_month%3D0%26to_year%3D%26sort_type%3Ddesc%26page_limit%3D10%26go_x%3D14%26go_y%3D3%26go%3DSortieren%26form_id%3Dai_search_form Amnesty Report 2009] Ghana (Zuletzt besucht am 20. Januar 2010)</ref><br /> Homosexualität unter Männern ist illegal und wird strafrechtlich verfolgt.<ref>[http://ilga.org/ilga/en/countries/GHANA/Law Informationen der ILGA - INTERNATIONAL LESBIAN, GAY, BISEXUAL, TRANS AND INTERSEX ASSOCIATION] auf englisch (Besucht am 20. Januar 2010)</ref> == Verwaltungsgliederung == Ghana gliedert sich in zehn [[Region]]en mit jeweils einem „Regional Minister“ an der Spitze. Sämtliche Regional Minister werden zurzeit von der Regierungspartei [[New Patriotic Party]] (NPP) gestellt. [[Datei:Ghana regions named.png|miniatur|Die Regionen Ghanas]] {| class="prettytable" ! class="hintergrundfarbe6" | Region ! class="hintergrundfarbe6" | Bevölkerung (2000) ! class="hintergrundfarbe6" | Fläche (km²) ! class="hintergrundfarbe6" | Hauptstadt |- | [[Ashanti Region]] | align='right' | 3.612.950 | align='right' | 24.389 | [[Kumasi]] |- | [[Brong-Ahafo Region]] | align='right' | 1.815.408 | align='right' | 39.557 | [[Sunyani]] |- | [[Central Region (Ghana)|Central Region]] | align='right' | 1.593.823 | align='right' | 9.826 | [[Cape Coast]] |- | [[Eastern Region (Ghana)|Eastern Region]] | align='right' | 2.206.696 | align='right' | 19.323 | [[Koforidua]] |- | [[Greater Accra Region]] | align='right' | 2.905.726 | align='right' | 3.245 | [[Accra]] |- | [[Northern Region (Ghana)|Northern Region]] | align='right' | 1.820.806 | align='right' | 70.384 | [[Tamale (Ghana)|Tamale]] |- | [[Upper East Region]] | align='right' | 920.000 | align='right' | 8.842 | [[Bolgatanga]] |- | [[Upper West Region]] | align='right' | 576.583 | align='right' | 18.476 | [[Wa (Ghana)|Wa]] |- | [[Volta Region]] | align='right' | 1.635.421 | align='right' | 20.570 | [[Ho]] |- | [[Western Region (Ghana)|Western Region]] | align='right' | 1.924.577 | align='right' | 23.921 | [[Sekondi-Takoradi]] |} Die einzelnen Regionen untergliedern sich wiederum in kleinere Bezirke, die so genannten ''districts''. Zunächst gab es 110 Distrikte, doch wurde diese Zahl in einer Verwaltungsreform auf nunmehr 138 angehoben. ''siehe auch: [[Bezirke in Ghana]]'' === Größte Städte === [[Datei:Cape Coast downtown.JPG|miniatur|Cape Coast, achtgrößte Stadt des Landes]] [[Datei:Markt kumasi.jpg|miniatur|Markt in Kumasi, Ashanti-Region]] Die größten Städte sind (Stand 2006)<ref>[http://bevoelkerungsstatistik.de/wg.php?x=&men=gcis&lng=de&dat=32&geo=-85&srt=npan&col=aohdq&pt=c&va=&srt=pnan bevölkerungsstatistik.de]</ref>: {| class="prettytable" ! class="hintergrundfarbe6" | Stadt ! class="hintergrundfarbe6" | Volkszählung 1984 ! class="hintergrundfarbe6" | Volkszählung 2000 ! class="hintergrundfarbe6" | Berechnung 2006 ! class="hintergrundfarbe6" | Region |- | [[Accra]] | 867.459 | 1.659.136 | 2.029.143 | [[Greater Accra Region]] |- | [[Kumasi]] | 489.586 | 1.171.311 | 1.535.478 | [[Ashanti Region]] |- | [[Tamale (Ghana)|Tamale]] | 135.952 | 293.879 | 375.402 | [[Northern Region (Ghana)|Northern Region]] |- | [[Takoradi]] | 61.484 | 175.438 | 246.419 | [[Western Region (Ghana)|Western Region]] |- | [[Ashaiman]] | 50.918 | 150.312 | 215.367 | [[Greater Accra Region]] |- | [[Tema]] | 100.052 | 141.479 | 158.478 | [[Greater Accra Region]] |- | [[Teshie]] | 59.552 | keine Angaben | 149.174 | [[Greater Accra Region]] |- | [[Cape Coast]] | 57.224 | 118.105 | 148.521 | [[Central Region (Ghana)|Central Region]] |- | [[Sekondi]] | 55.712 | 114.157 | 144.319 | [[Western Region (Ghana)|Western Region]] |- | [[Obuasi]] | 60.617 | 115.564 | 142.675 | [[Ashanti Region]] |- | colspan="5" bgcolor="#DDDDDD" align="center" | Aufgrund der fehlenden Meldepflicht und nicht regelmäßig stattfindenden Volkszählungen sind die aktuellen Einwohnerzahlen lediglich Hochrechnungen. Die letzte Volkszählung hat im Jahr 2000 stattgefunden. |} [[Accra]] ist die größte Stadt des Landes und zugleich Hauptstadt mit Regierungssitz. Die Küstenstadt Accra ist ein Schmelztiegel beinahe aller in Ghana vertretenen [[Ethnie]]n sowie zahlreicher Ausländer. [[Kumasi]] liegt etwa 220&nbsp;km von der Küste entfernt im Landesinneren und ist nicht nur die zweitgrößte Stadt des Landes, sondern auch Hauptstadt der größten Volksgruppe, der [[Ashanti (Volk)|Ashanti]]. Das über 300 Jahre alte Kumasi ist eine der traditionsreichsten Städte des Landes und wird aufgrund seiner Grünanlagen und Straßenbegrünungen von den Ghanaern auch ''Gardentown'' genannt. Als Verwaltungshauptstadt der Ashanti-Region ist Kumasi ein wichtiges Kultur-, Handels- und Verwaltungszentrum für das gesamte Land. In Kumasi lebt der [[Asantehene]], das traditionelle – und immer noch einflussreiche – Oberhaupt der Ashanti. [[Tamale (Ghana)|Tamale]], die Hauptstadt der [[Northern Region (Ghana)|Northern Region]], ist die mit Abstand größte Stadt des gesamten Nordens. Diese Region deckt allein ein Drittel der Fläche des Landes ab, beherbergt jedoch etwa nur so viele Menschen wie die Hauptstadt Accra. Anders als Accra und Kumasi, deren Bevölkerung überwiegend aus Anhängern christlicher Glaubensrichtungen besteht, leben in Tamale überwiegend Muslime. Die Städte [[Sekondi]] und [[Takoradi]] werden häufig als eine Stadt genannt, da sie inzwischen nahezu zusammengewachsen sind. Die Stadtkerne liegen kaum zehn Kilometer auseinander. Man spricht auch von der „Zwillingsstadt“ [[Sekondi-Takoradi]]. In Takoradi sowie in [[Tema]] (bei Accra) liegen die beiden einzigen Überseehäfen des Landes. Ihr Wachstum beruht auf der sich hier ansiedelnden Industrie und den stetig zuwandernden Menschen auf der Suche nach Arbeit. Die Stadt [[Ashaiman]] war noch vor 60 Jahren lediglich ein kleines Fischerdorf. Ihre Entwicklung hat im Besonderen mit dem Bau der vollständig aus wirtschaftlichen Gesichtspunkten geplanten Stadt Tema als Überseehafen zu tun <ref>[http://users.fmg.uva.nl/vmamadouh/awg/awg23abs_res.html Entwicklung von Ashaiman]</ref>. Viele Menschen nutzten Ashaiman mit den günstigeren Mieten als Wohnort aufgrund seiner Nähe sowohl zu Tema als auch zur Hauptstadt Accra. Dieser Ort zieht Landflüchtlinge auf der Suche nach Arbeit und günstigem Wohnraum an. ''Siehe auch: [[Liste der Städte in Ghana]]'' == Wirtschaft == <!-- → ''Hauptartikel: [[Wirtschaft Ghanas]]'' --> === Basisdaten === {| class="prettytable float-right" ! colspan="2" class="hintergrundfarbe6" | Wirtschaftsdaten (2005)<ref name="FWA08"/> |- | [[BIP]] | 10,720 Mrd. $ |- | realer Zuwachs [[BIP]] | 5,9 % |- | Anteil [[Landwirtschaft]] | 37,5 % |- | Anteil [[Industrie]] | 23,2 % |- | Anteil [[Dienstleistung]]en | 39,4 % |- | [[Erwerbstätigkeit]] [[Landwirtschaft]] (2000) | 55 % |- | [[Arbeitslosigkeit]] durchschnittl. | 30 % |- | [[Inflation]] durchschnittl. | 15,1 % |- | [[Außenhandel]] [[Import]]volumen | 5,35 Mrd. $ |- | [[Außenhandel]] [[Export]]volumen | 2,80 Mrd. $ |- | [[Energieverbrauch]] pro Kopf in kg ÖE (2004) | 386 |- | Emission pro Kopf in t an CO<sub>2</sub> (2003) | 0,4 |- | Waldzu-/abnahme | -1,7 % |} [[Datei:Fishing boat Ghana.jpg|miniatur|200px|Die Fischerei ist in Ghana noch immer ein wichtiger Wirtschaftsfaktor. Traditionelle Fischerboote werden durch industrielle Boote ergänzt.]] Das [[Bruttonationaleinkommen|Bruttosozialprodukt]] hatte im Jahr 2002 eine Höhe von 4,7&nbsp;Mrd.&nbsp;Euro. 2003 steigerte es sich um real 5,2 Prozent. Im Jahr 2004 lag die [[Inflationsrate]] bei 11,3 Prozent. Ghana ist trotz der Ansätze zur Industrialisierung insgesamt immer noch ein Agrarland. Die Landwirtschaft trägt 37,5 % zum [[Bruttosozialprodukt]] bei (Stand 2005). Etwa 55 % der Bevölkerung sind in der Landwirtschaft (mit Fischerei) tätig, meistens im Rahmen von [[Subsistenzwirtschaft]], also als Selbstversorger. Die wirtschaftliche Gesamtsituation hat sich seit dem Jahr 2001 etwas stabilisiert. Die Regierung schloss sich im Jahr 2004 dem Entschuldungsprogramm der [[Weltbank]] und des [[Internationaler Währungsfonds|Internationalen Währungsfonds]] (IWF) für die am höchsten verschuldeten Länder an. Es erreichte den so genannten ''Completion Point'' unter der erweiterten [[HIPC]]-Initiative zur Entschuldung der am höchsten verschuldeten Entwicklungsländer. Weitgehend wurde Ghana durch die verschiedensten multi- und bilateralen Gläubiger von seinen Schulden freigestellt. Deutschland erließ die Schulden vollständig (Nominalwert in US-Dollar: 1,49 Mio. Handelsforderungen und 169 Mio.) aus der finanziellen Zusammenarbeit <ref>Auswärtiges Amt Ghana: Wirtschaftspolitik</ref>. Die Wirtschaftspolitik gilt als schlüssig. Dennoch zählt der Staat nach wie vor zu den ärmsten Ländern der Welt: Noch 2003 belief sich der Anteil der Bevölkerung mit einem Einkommen von weniger als einem [[US-Dollar]] pro Tag auf 45&nbsp;Prozent. ''siehe auch: [[Ghana Stock Exchange]], [[Cedi]], [[Bank of Ghana]], [[Liste der Banken Ghanas]]'' === Wirtschaftsbeziehungen === Seit dem 23. November 1998 ist das ghanaisch-deutsche [[Investitionsschutzabkommen]] in Kraft. Zudem wurde ein [[Doppelbesteuerungsabkommen]] am 2. August 2004 unterzeichnet, welches zum 14. Dezember 2007 in Kraft getreten ist. Deutschland und Ghana hatten 2003 ein Handelsvolumen von etwa 269,5&nbsp;Mio.&nbsp;EUR. Im Vergleich zwischen den Exporten Deutschlands nach Ghana (147,5&nbsp;Mio.&nbsp;EUR) und den entsprechenden Importen (122,0&nbsp;Mio.&nbsp;EUR) besteht zu Gunsten Deutschlands ein Handelsüberschuss von etwa 25,5&nbsp;Mio.&nbsp;EUR. Es existiert noch keine deutsche [[Auslandshandelskammer]] in Ghana; diese Aufgabe wird von der Ghanaian-German Economic Association (GGEA) in Accra wahrgenommen. === Rohstoffe und Energie === → ''Hauptartikel: [[Bergbau in Ghana]]'' {| class="prettytable float-left" ! colspan="4" class="hintergrundfarbe6" |Die Goldproduktion Ghanas 1985 - 1994 <ref>Chamber of Mines of South Africa, Statistical Tables 1994, Johannesburg 2001</ref> |- ! Jahr ! Ghana ! Afrika, ges. ! Welt, ges. |- | | align="center" |[metr.t] | colspan="2" align="center" | [Ghanas Anteil in %] |- | 1985 | align="center" | 12,0 | align="center" | 1,74 | align="center" | 0,77 |- | 1986 | align="center" | 11,5 | align="center" | 1,66 | align="center" | 0,70 |- | 1987 | align="center" | 11,7 | align="center" | 1,74 | align="center" | 0,68 |- | 1988 | align="center" | 12,1 | align="center" | 1,76 | align="center" | 0,63 |- | 1989 | align="center" | 15,3 | align="center" | 2,27 | align="center" | 0,74 |- | 1990 | align="center" | 17,3 | align="center" | 2,56 | align="center" | 0,81 |- | 1991 | align="center" | 27,3 | align="center" | 3,96 | align="center" | 1,26 |- | 1992 | align="center" | 33,3 | align="center" | 4,66 | align="center" | 1,48 |- | 1993 | align="center" | 41,4 | align="center" | 5,67 | align="center" | 1,79 |- | 1994 | align="center" | 44,5 | align="center" | 6,37 | align="center" | 1,94 |} [[Datei:Cocoaghana.jpg|miniatur|200px||Kakaoherstellung in Ghana: Trocknen der Bohnen auf einem Trockengestell in der Sonne. Darunter Fermentation der frischen Bohnen eingewickelt in Bananenblätter]] Bis zur Erschließung der kalifornischen Goldfelder 1850 war die Goldküste einer der großen Goldproduzenten der Welt. Trotz des eher bescheidenen Anteils an der Weltgoldproduktion ist [[Gold]] für das heutige Ghana nach wie vor ein lebenswichtiger Rohstoff, denn der Goldexport hat einen Anteil am Gesamtexport Ghanas von etwa 32 %. Weitere mineralische Rohstoffe des heutigen Ghana sind [[Erdöl]], [[Diamant]]en (größtenteils ''Industriediamanten''), [[Bauxit]], [[Mangan]] und [[Kalkstein]]. Für den Export bestimmte landwirtschaftliche Güter sind insbesondere [[Kakao]], [[Zuckerrohr]], [[Kaffee]], [[Tee]] und [[Naturkautschuk|Kautschuk]]. Diese landwirtschaftlichen Produkte werden in großen Plantagen in Monokulturen angebaut. Die Grundzüge für diesen Wirtschaftszweig legten schon die Kolonialherren. Diese Grundstoffe werden, nunmehr zu höherwertigen Waren umgewandelt, wieder importiert wie z.&nbsp;B. Instant-Kaffee, Beutel-Tee, Schokolade, Würfelzucker, Autoreifen. Nach der Elfenbeinküste ist Ghana der zweitgrößte Produzent von [[Kakao]] (20 %). Von den traditionellen Produkten wurde in der Vergangenheit immer weiter abgerückt zu Gunsten anderer landwirtschaftlicher Produkte. So wird in der Landwirtschaft nunmehr auch [[Ananas]], [[Tabak]], [[Dessertbanane|Bananen]], [[Palmkernöl]], getrocknete Kokosfaser, [[Kolanuss|Kolanüsse]], [[Karitébaum|Sheabutter]] und [[Baumwolle]] produziert. Das Land ist der drittgrößte Lieferant von [[Hartholz]] und anderen Holzprodukten in Afrika und Deutschlands größter Lieferant für Holzprodukte. Es werden 23 [[Edelholz]]-Arten geschlagen, darunter [[Mahagoni]], [[Afrormosia|Kokrodua]] (Pericopsis elata), [[Mahagonigewächse|Utile]] (Entandrophragma utile) auch Sipo-Mahagoni genannt und [[Sapeli]]. Es ist verboten, unverarbeitetes Holz zu exportieren. Mit diesem Verbot soll die heimische Holzwirtschaft gestützt werden. 1999 wurden etwa 475.000 Tonnen Holz und Holzprodukte exportiert, insgesamt machte dieser Wirtschaftszweig 10 % der gesamten Exportumsätze aus. Die Fischerei als Wirtschaftszweig wird immer bedeutender. In den küstennahen Gewässern und im Bereich der [[Hochsee]] finden sich reiche Fischbestände. In den Fischereihäfen [[Sekondi-Takoradi]] und Tema gibt es eine moderne Hochseeflotte. Fisch wird in die Nachbarländer exportiert. Hauptsächlich werden [[Heringe]], [[Barrakudas]], Thunfische, [[Makrele]]n und [[Haie]] gefangen. Über [[Meerwasserentsalzung]]sanlagen wird [[Meersalz|Salz]] gewonnen. Dieser Rohstoff nimmt eine immer wichtiger werdende Stellung in der Exportwirtschaft ein. Jährlich werden ungefähr 600.000 Tonnen exportiert. Im Jahr 2005 wurden 6,65 Milliarden kWh [[elektrische Energie]] erzeugt. Der Großteil des Stromes stammt aus Wasserkraftwerken (5,57 Milliarden kWh, etwa dem [[Akosombo-Staudamm]]), der Rest aus meist ölbefeuerten [[Wärmekraftwerk]]en.<ref>[http://www.eia.doe.gov/emeu/international/electricitygeneration.html Energy Information Administration] abgerufen am 25. Oktober 2008</ref> Die staatliche [[Volta River Authority]] erzeugt und überträgt den größten Teil des Stromes, daneben existieren die [[Takoradi International Company]] und kleinere Erzeuger. Verteilung und Abrechnung liegen bei den beiden staatlichen Firmen [[Electricity Company of Ghana]] und [[Northern Electricity Department]]. Nach der durch starke Trockenheit ausgelösten Stromkrise 2006/2007 unternimmt die Regierung Anstrengungen, ihre Kapazität bei Wasser-, Öl- und Gaskraftwerken auszubauen, und bis zum Jahr 2018 ein [[Kernkraftwerk]] mit 400 MW Leistung zu errichten.<ref>{{internetquelle |autor=E.H.K. Akaho, Isaac Ennison |hrsg=[[Internationale Atomenergieorganisation|IAEO]] |url=http://www.iaea.org/NuclearPower/Downloads/2008_Nov_17-20_TechAss_WS/P1.Ghana.pdf |format=PDF |sprache=Englisch |titel=Steps for Conducting Nuclear Power Plant Technology Assessment |werk= |seiten=9,10,13 |datum= |zugriff=17. Juli 2009}}</ref> Zur Versorgung der Gaskraftwerke käme nigerianisches Gas, das über die westafrikanische Gaspipeline geliefert werden soll, zum Einsatz. Überschüssige Energie wird von Ghana in die Nachbarländer [[Elfenbeinküste]], [[Burkina Faso]] und [[Mali]] exportiert.<ref>{{internetquelle |autor=Edgard Gnansounou |hrsg=IAEE |url=http://infoscience.epfl.ch/record/121579/files/ |format=PDF |sprache=Englisch |titel=Boosting the Electricity Sector in West Africa: An Integrative Vision |werk=IAEE Energy Forum, Band 17, 3. Quartal |seiten=23–29 |datum=2008 |zugriff=17. Juli 2009}}</ref> Importiert werden vor allem Maschinen, Transportausrüstungen, Brennstoffe und Nahrungsmittel, insbesondere Fleisch und Reis. === Industrie === Nur etwa ein Viertel des Wirtschaftsvolumens sind bisher der Industrie zuzuschreiben. Um die Abhängigkeit von Importen für höher verarbeitete Waren zu reduzieren, wurde und wird versucht, den industriellen Zweig weiter auszubauen. Von Bierbrauereien über Textilbetriebe bis hin zu Lebensmittel verarbeitenden Betrieben erstreckt sich die Bandbreite der Leichtindustrie. Besonders im Großraum Accra finden sich die Standorte der Schwerindustrie. Hier werden [[Stahl]], [[Aluminium]] (aus dem Rohstoff [[Bauxit]]), [[Zement]] und Öle hergestellt. Mittlerweile arbeiten etwa 15 Prozent der Erwerbstätigen in der Industrie. {| align="right" border="2" cellspacing="0" cellpadding="3" style="border-collapse:collapse;" class="prettytable float-right" ! colspan="3" class="hintergrundfarbe6" | Der Tourismussektor in Ghana <ref>Africa South of the Sahara (London), 24 (1995) 452; 29 (2000) 541; 35 (2006) 544 </ref> |- !align="center"|Jahr !align="center"|auswärtige<br />Besucher !align="center"|Staatseinnahmen<br />aus dem Tourismus |- align="right" | align="center"| 1990 | 145.000 | 181 Mio. USD |- align="right" | align="center"| 1992/93 | ca. 210.000 | 288 Mio. USD |- align="right" | align="center"| 1997 | 325.434 | 266 Mio. USD |- align="right" | align="center"| 2002 | 482.434 | |- align="right" | align="center"| 2003 | | 216 Mio. USD |} === Tourismus === [[Datei:Labadi beach.jpg|miniatur|links|160px|Labadi Beach]] Ein Sektor, der für die wirtschaftliche Zukunft Ghanas zunehmend an Bedeutung gewinnt, ist der [[Tourismus]]. Hinsichtlich seiner Entwicklung hat im Jahre 1996 die ghanaische Regierung einen auf 15 Jahre angesetzten ''Integrated National Tourism Development Plan'' initiiert, mit dem versucht werden soll, die Zahl der alljährlich Ghana besuchenden Touristen auf 1 Million im Jahre 2020 zu steigern. Ghanas touristische Attraktionen sind hauptsächlich traumhafte Badestrände, Naturparks und Wildtierreservate, traditionelle Festivals und die alten Europäerforts an der Küste. Gerade unter Afroamerikanern hat Ghana aufgrund der Geschichte des Sklavenhandels eine große touristische Bedeutung. Besonders im Küstenbereich ist bereits eine nennenswerte Tourismusindustrie mit kleineren und mittelgroßen Hotelanlagen entstanden. Die Bettenkapazität liegt bei ca. 10.000 Betten und steigt stetig an. Haupttourismuszentren sind die Region um Accra für den Badetourismus, [[Elmina]] und [[Cape Coast]] aufgrund der historischen Vergangenheit sowie [[Kumasi]]. Daneben wird aber auch z.B. das Volta-Delta bevorzugt von Wassersportlern und Vogelkundlern besucht. Ökotourismus gewinnt in Ghana zunehmend an Bedeutung. === Staatshaushalt === Der [[Haushaltsplan|Staatshaushalt]] umfasste 2009 Ausgaben von umgerechnet 6,124 Mrd. [[US-Dollar]], dem standen Einnahmen von umgerechnet 4,547 Mrd. US-Dollar gegenüber. Daraus ergibt sich ein Haushaltsdefizit in Höhe von 10,7 % des [[Bruttoinlandsprodukt|BIP]].<ref name="CIA">[https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/gh.html The World Factbook]</ref><br/> Die [[Staatsverschuldung]] betrug 2009 10 Mrd. US-Dollar oder 67,5 % des BIP.<ref name="CIA"/> 2006 betrug der Anteil der Staatsausgaben (in % des BIP) folgender Bereiche: * [[Gesundheitssystem|Gesundheit]]:<ref name="Fischer">Der Fischer Weltalmanach 2010: Zahlen Daten Fakten, Fischer, Frankfurt, 8. September 2009, ISBN 978-3-596-72910-4</ref> 5,1 % * [[Bildungssystem|Bildung]]:<ref name="CIA"/> 5,4 % (2005) * [[Militär]]:<ref name="CIA"/> 0,8 % == Infrastruktur == Das Land besitzt ein für ein westafrikanisches Land gut ausgebautes Verkehrsnetz, mit allen bekannten Verkehrsmitteln. === Straßenverkehr === [[Datei:Volta bridge Atimpoku Ghana.jpg|miniatur|Volta-Brücke in der Nähe von Atimpoku für den Straßenverkehr und Fußgänger]] Das Straßennetz wurde bisher auf über 35.000&nbsp;km ausgebaut. Davon sind etwa 11.000&nbsp;km asphaltiert, jedoch von unterschiedlicher Qualität und in teilweise erneuerungsbedürftigem Zustand. Die wichtigsten Straßen sind die Küstenstraße, die Accra zum einen mit Togo und zum anderen mit [[Elfenbeinküste]] verbindet. Alle Städte an der Küste werden hierüber verbunden. Ferner ist als Nord-Süd-Achse eine Hauptstrecke über Kumasi und eine weitere Nord-Süd-Achse über den Volta-Fluss geleitet worden, um die Gebiete östlich des Volta-Sees in die [[Infrastruktur]] einzubinden. Eine sehr gut ausgebaute, allerdings gebührenpflichtige, Autobahn verbindet Accra und den wichtigsten Hafen Tema. Das Straßennetz wird hauptsächlich von privaten Pkw, und [[Trotro]]s (dem Massenverkehrsmittel Kleinbus) aber auch Bussen und Lkw befahren, seltener von Zweirädern. Auch in den Städten sind Fahrräder trotz der hohen Kosten für Kraftstoffe selten zu finden. Fahrräder haben jedoch in den nördlichen Gebieten eine weite Verbreitung gefunden. In den letzten Jahren waren die Straßen in den Städten und der Hauptverkehrsstraßen häufig zu den Stoßzeiten völlig überlastet. Der weit überwiegende Teil der PKW besteht aus alten, in Europa und Amerika bereits ausrangierten, Gebrauchtwagen. Mehrere Gesellschaften (z.B. STC) bieten Transitfahrten in die größten Städte des Landes in relativ modernen Überlandbussen an. Allerdings ist auch hier mit Ausfällen zu rechnen, da die Zahl der Busse den derzeitigen Anforderungen nicht genügt. Immer noch ist für die Masse der Bevölkerung der Kleinbus (Trotro) das Hauptverkehrsmittel. Diese Trotros fassen zwölf bis 35 Personen und kommen in allen Formen und Farben vor. Oft wird das Fahrzeug von einem Wahlspruch vorne auf der Windschutzscheibe oder am Heck geschmückt, der häufig religiösen Charakter hat oder einfach nur der Name des Fahrzeugs ist. Trotros sind innerstädtisches Verkehrsmittel, befahren aber auch Überlandrouten. Beinahe jedes Dorf ist mit Trotros wenigstens einmal am Tag zu erreichen. Auch Routen in die Nachbarländer werden befahren. Trotros haben Sammelpunkte innerhalb der Städte und es gibt über das ganze Land verteilt Umsteigepunkte. Ein Trotro startet nur, wenn alle Plätze besetzt sind. Über die Fahrtroute verteilt haben Trotros in der Regel keine weiteren festen Haltestellen. Jeder der Einsteigen will, gibt dem Fahrer ein Zeichen und wird bei freien Plätzen mitgenommen. Individuelle Massenverkehrsmittel sind auch die zahlreichen Taxis, zu erkennen an den orange beklebten oder lackierten Kotflügeln, die fast ausschließlich in den Städten vorkommen, aber auch Überlandfahrten machen, wenn dieses individuell vereinbart wird. Verschiedene Mietwagenanbieter sind überwiegend in Hotels vertreten, jedes Taxi kann auch mitsamt Fahrer als Mietwagen genutzt werden, soweit mit dem Fahrer ein akzeptabler Preis ausgehandelt ist. === Luftverkehr === Ghana hat mit dem [[Kotoka International Airport]] in Accra einen internationalen Flughafen, den unter anderem mit der [[Lufthansa]], [[KLM Royal Dutch Airlines|KLM]], [[British Airways]], [[Emirates]], [[Alitalia]] und [[Afriqiyah Airways]] auch große Fluggesellschaften ansteuern. Neben dem internationalen Personenverkehr wird hier ein wesentlicher Teil des Frachtverkehrs abgewickelt. Der Flughafen soll in den nächsten Jahren zu einem bedeutenden regionalen Hub entwickelt werden. Der Kotoka International Airport in Accra wurde bis vor wenigen Jahren grundlegend erneuert und modernisiert. Zwei Gesellschaften haben den Luftverkehr mit Inlandsflügen seit 2003 wieder aufgenommen. Insgesamt verfügt das Land über neun öffentliche Flughäfen, die sich über das ganze Land verteilen und hauptsächlich dem Inlandsverkehr und dem Warentransport dienen. Folgende Städte haben einen Flughafen: [[Datei:Gia tail lgw small.jpg|miniatur|Heck einer Boeing 757 der Ghana International Airlines]] * [[Accra]] * [[Kumasi]] * [[Sekondi]]-[[Takoradi]] * [[Obuasi]] * [[Sunyani]] * [[Wa (Ghana)|Wa]] * [[Bolgatanga]] * [[Tamale (Ghana)|Tamale]] * [[Kade (Ghana)|Kade]] === Schiffsverkehr === Der Hauptwarenstrom ins Ausland und nach Ghana verläuft über die Häfen in [[Tema]] und [[Sekondi-Takoradi]]. Im August 2002 wurde in Tema, der wirtschaftlich wichtigere der beiden Häfen, ein modernes Containerterminal, mit einer Umschlagskapazität von 40.000 [[Container]]n im Jahr, errichtet. Der Bau dieses [[Containerterminal]]s verursachte Kosten in Höhe von zehn Millionen US-Dollar. Neben den großen atlantischen Häfen hat der Volta-See mit seinen Binnenhäfen eine nicht unbeträchtliche Bedeutung. Auf dem Wasser des Volta-Sees werden in alle Richtungen Waren und Personen befördert. Auch für den [[Tourismus]] hat der [[Schiffsverkehr]] auf dem Volta-See eine Bedeutung. Häfen am Volta-See sind [[Kpandu]], [[Kete Krachi]], [[Yeji]] und [[Yapei]] (Tamale Port). Auf dem Volta-See werden Fährverbindungen betrieben, die häufig mehrmals täglich Personen und leichte Waren befördern. === Schienenverkehr === Ein Erbe aus der Kolonialzeit mit noch ungewissem Schicksal ist das Schienennetz, welches von der [[Ghana Railway Corporation]] betrieben wird. Die Schienen wurden in der Kolonialzeit verlegt, um die Rohstoffe und Waren aus dem gesamten südlichen Land nach Accra zu transportieren, das zum damaligen Zeitpunkt, da Tema nicht errichtet war, Hauptumschlagsplatz für Waren aller Art war. Im Wesentlichen ist ein dreieckiges Schienennetz entstanden, das sich zwischen [[Sekondi]], Kumasi und Accra spannt. Die ersten Gleise wurden 1907 zwischen [[Sekondi]] und Tarkwa gelegt und in den folgenden Jahren über Dunkwa, [[Obuasi]] und Bekwai immer erweitert, bis sie nach Kumasi führten. Von Kumasi wurde die Eisenbahnstrecke ab 1922 in vielen Jahren Arbeit über Konongo, Nkawkaw, [[Koforidua]] bis nach Accra verlängert. Letztlich wurde von Accra die Bahnlinie parallel zur Küste im Inland vorbei an den Ortschaften Akoroso, Achiasi, Foso, [[Twifo-Praso]] etwas nördlich von Tarkwa mit der ersten Linie zwischen [[Sekondi]] und Kumasi verbunden. In den letzten Jahren wurde der Unterhalt des Schienennetzes stark vernachlässigt, so dass 2006 nur noch die Strecke zwischen [[Kumasi]] und [[Sekondi-Takoradi]] regelmäßig befahren wird. Der Zug verkehrt im Zwei-Tagesrhythmus zwischen diesen beiden Städten, das heißt an einem Tag fährt er von Kumasi nach Sekondi-Takoradi und am anderen Tag wieder zurück. === Telekommunikation === {| class="prettytable float-right" ! colspan="2" class="hintergrundfarbe6" | '''Übersicht zur Telekommunikation'''<ref name="WFB"/> |- | Telefonanschlüsse gesamt (2004) | align="right" | 313.300 |- | Mobiltelefone gesamt (2008) | align="right" | 10.242.916 |- | Fernsehgeräte gesamt | align="right" | 2.670.000 |- | Rundfunkgeräte gesamt | align="right" | 12.500.000 |- | Computer gesamt | align="right" | 94.000 |- | Internetnutzer gesamt (2005) | align="right" | 368.000 |} Die Verbreitung von Telekommunikation und Computern ist noch von einem starken Stadt-Land-Gefälle geprägt. In den Städten wie auf dem Land existieren öffentliche Internetcafés. Der private Internetanschluss ist auch in der Stadt selten. Die meisten Firmen haben wenigstens einen Internetzugang und sind in den Städten mit Computern ausgerüstet. Häufig sieht man in den Straßen immer noch kleine Holzhäuser, in denen ein öffentlicher Telefonanschluss verlegt ist und ein Betreiber beinahe Tag und Nacht gegen Entgelt anbietet, Verbindungen herzustellen oder Anrufe entgegenzunehmen. Dabei handelt es sich meist nicht um einen Münzfernsprecher, sondern um ein normales Telefon, für dessen Benutzung das Entgelt nach Dauer fällig wird. In der Regel sind von diesen Telefonbuden nur nationale Gespräche ins Mobil- oder Festnetz möglich, doch es gibt auch flächendeckend diese Telefonhäuschen mit internationalem Anschluss. Auch zahlreiche Münzfernsprecher sind in den Städten zu finden. Ein Mobilfunknetz besteht in Ghana seit 1992, als die ''Mobitel'' mit dem Betrieb eines entsprechenden Netzes begann. Bis 1997 wurden die Basis-Dienste für die Telekommunikation von der Staatsmonopolgesellschaft ''Ghana Posts and Telecom Corporation (GPTC)'' zur Verfügung gestellt. Im Jahre 1995 wurde in Ghana ein Kommunikationsgesetz verabschiedet, was den Weg ebnete, Anfang 1997 ein neues duopoliges Festnetz einzurichten. Gleichzeitig wurde 1995 ein zweiter Operator zugelassen, die ''ACG'' (inzwischen ''Westel Telecom''). Einige Jahre später erfolgte der Zusammenschluss zwischen ''Celtel Ghana'' und ''Scancom'' als Antwort auf diese beiden Konkurrenzunternehmen. ''Ghana Telecom'' und ''Westel'' waren damals vom Staat ermächtigt worden, Mobilfunkservices einzurichten, die erstmalig zwischen Ende 1999 und Anfang 2000 als Dienstleistung angeboten wurden. Inzwischen wurde die ''GPTC'' (mittlerweile in ''Ghana Telecom'' umbenannt) privatisiert, den Hauptanteil mit 30% der Anteile hielt im Jahre 2000 die ''Telecom Malaysia'' (''G-Com of Malaysia''). Beide Operatoren besaßen im Jahre 2000 20-Jahres-Lizenzen für die wichtigsten Telefon-Dienstleistungen. Die ''Onetouch'' ist eine Mobilfunksparte von ''Ghana Telecom'', die von ''Areeba Ghana'' (ehemals ''Spacefon'') angeboten wird. Die nationalen und internationalen Verbindungen werden von der ''GS Telecom Ghana'' realisiert, die ein Ableger der kanadischen ''GS Telecom'' ist. <ref>BMI-TechKnowledge Communication Technologies, Handbook 2000, Johannesburg, South Africa, 2000</ref> Festnetz-Telefonie ist in den urbanen Bereichen des südlichen Ghanas so gut wie flächendeckend möglich, hier bestehen seit Februar 1997 Telekommunikationsangebote von der ''Capital Telecom'', einer 1994 gegründeten Gesellschaft, die sich vollständig im Staatsbesitz befindet. Der Telekommunikationssektor Ghanas wird von der 1996 gegründeten ''National Communications Authority'' reguliert. Internet-Provider waren im Jahre 2000 in Ghana ''Network Computersystems (NCS)'', ''Africa Online'' und ''Internet Ghana Limited''. Die Internetbenutzung wird vor allem an den Universitäten und von der jüngeren Generation betrieben. == Kultur und Gesellschaft == [[Datei:MancalaWari.JPG|miniatur|Oware, Nationalspiel in Ghana]] → ''Hauptartikel: [[Kultur in Ghana]]'' Neben der Vielzahl verschiedener Sprachen (siehe [[Sprachen Ghanas]]) existiert eine Vielfalt an Kulturen. Das Staatsgefüge stützt sich auf ein multi-ethnisches Zusammenspiel der verschiedensten Kulturen, die zu einem Volk zusammengewachsen sind. Neben den ghanaischen Volksgruppen lebt eine Vielzahl von Minderheiten aus anderen, vor allem afrikanischen Volksgruppen der angrenzenden Staaten. Auch ungefähr 6.000 Europäer und einige Asiaten (vor allem Chinesen) leben überwiegend in Accra und den anderen größeren Städten entlang der Küste. Die Mehrheit der Ghanaer wird aber zu der großen, heterogenen Gruppe der [[Akan]] gezählt. Die Akan sind traditionell [[matriarchalisch]] organisiert, was sich ursprünglich auch erbrechtlich niedergeschlagen hat. So erbte bei dem Tod eines Familienvaters nicht seine [[Witwe]] und oder seine Kinder dessen Vermögen, sondern seine Neffen, also die Kinder der Schwester des Verstorbenen. Dieses traditionelle Muster wird immer weniger anerkannt. Berühmte Elemente der Akankultur sind beispielsweise die [[Kente]]-Stoffe, die [[Adinkra]]-Kleidung oder die [[Goldgewichte der Ashanti]]. Frauen nehmen in der ghanaischen Kultur eine selbstbewusste prägende Stellung ein. Über 80 % der ghanaischen Frauen sind neben ihrer eher traditionellen Rolle in den Familien erfolgreich beruflich tätig. Nicht selten haben sich Frauen als Händlerinnen, Näherinnen oder Köchinnen einer der vielen Straßenküchen ihre wirtschaftliche Selbstständigkeit erarbeitet. [[Oware]] ist ein weltweit bekanntes Brettspiel, das auch zu den ältesten bekannten Spielen gehört und bereits von frühester Kindheit von den Ghanaern gespielt wird. Da das Spiel notfalls auch in Erdmulden oder auf gezeichneten Papierkreisen gespielt werden kann, erfreut es sich einer großen Beliebtheit und ist zu einem Nationalspiel geworden. In Ghana gibt es neben der einfachen Oware-Brettform auch ein Spielbrett, das an einen Ashanti-Thron erinnert. Bedeutende Artefakte ghanaischer Kultur sind im [[National Museum (Ghana)|National Museum]] in Accra zu sehen. Hier werden neben einer wertvollen Sammlung der Goldgewichte der Ashanti auch kostbare Kente-Stoffe ausgestellt. Ebenfalls wichtiger Ausstellungsort der Kulturgeschichte der [[Ashanti (Volk)|Ashanti]] ist in Kumasi das Prempeh II Jubilee Museum und der Manhiya Palace, der ehemalige Königspalast der [[Asantehene]]. In [[Cape Coast]] wird im Museum des [[Cape Coast Castle]] eine der weltweit umfassendsten Ausstellungen zum Thema Sklaverei ausgestellt. Diese ehemalige Militärburg war eine Sammelstelle für Sklaven vor der Verschiffung nach Amerika, die hier die berüchtigte „Door of no Return“ durchschritten. === Medien === Die Bedeutung der Medien in Ghana war lange Zeit eingeschränkt, vor allem da die Printmedien aufgrund der hohen Analphabetenrate kaum genutzt werden konnten. Die Auflagenzahl der Printmedien steigt regelmäßig, die wichtigsten davon sind: * Daily Graphic, Accra, englisch * Ghanaian Chronicle, englisch * Ghanaian Newsrunner, erscheint in Amsterdam, Niederlande * Ghanaian Times, Accra, englisch * The Enquirer www.theenquireronline.com * The Independent, englisch * Mirror, Accra, englisch * The Statesman * Crusading Guide * Accra Mail ''Ghanaian Times'' und ''Daily Graphic'' sind regierungseigene überregionale Zeitungen. Ein größeres Spektrum besteht bei der unabhängigen Tages-, Mehrtages- und Wochenpresse in unterschiedlicher Qualität. Von besonderer Bedeutung waren in der Vergangenheit die nationalen Rundfunksender. Bereits zu Zeiten [[Kwame Nkrumah]]s und im Zuge der Militärputsche im Land wurden Themen nationaler Bedeutung über den Rundfunk verbreitet. So rief beispielsweise Col. [[Emmanuel Kotoka]] den erfolgreichen Putsch gegen Nkrumah im Radiosender GBC in Accra am 24. Februar 1966 aus. Bei den Radiosendern ist bemerkenswert, dass hier in den letzten Jahres besonders regionale oder lokale Radiosender entstanden, die den nicht englischsprachigen Bereich bedienen. Während früher eher nur in englischer Sprache oder einem [[Akan (Sprachen)|Akan]]-Dialekt gesendet wurde, gibt es nunmehr Radiosender in allen häufig gesprochenen Sprachen Ghanas. Allein in [[Accra]] sind derzeit etwa 29 Radiosender aktiv. Neben den ghanaischen Radiosendern haben auch BBC, RFI und die [[Deutsche Welle]]<ref name="accro.diplo.de">[http://www.accra.diplo.de/Vertretung/accra/de/06/Bilaterale__Kulturbeziehungen/seite__dw.html Deutsche Welle in Accra, Auswärtiges Amt Information]</ref> einen eigenen Sendeplatz. Bedingt durch das mittlerweile große Angebot an Radiosendern, suchen Programmdirektoren ständig nach neuen Nischen im Programm. Fernsehen ist in Ghana eine beliebte Freizeitgestaltung. Neben der staatlichen Rundfunkanstalt ''Ghana Broadcasting Corporation'' (GBC) gibt es in Ghana einen wachsenden Markt für die verschiedenen Privatsender wie beispielsweise Metro TV, TV 3, TV Africa, TV3, Private TV channel, Crystal TV (Kumasi), Multichoice Satellite TV sowie für fünf Kabelfernsehanbieter (MNET Cable, TV channel, V-NET Cable TV channel, Fantazia Cable TV channel, DSTV und Cable Gold). Erst in der ersten Hälfte der 90er Jahre wurden in Ghana im Zuge der verfassungsmäßig garantierten Pressefreiheit weitere Fernsehsender neben dem bis dahin einzig auf Sendung stehenden GBC gegründet<ref name="accro.diplo.de"/>. ''siehe auch: [[Liste der Hörfunksender in Ghana]]'' === Küche === [[Datei:YamsatBrixtonMarket.jpg|miniatur|Yams in Brixton London aufgenommen]] [[Datei:Manihot esculenta dsc07325.jpg|miniatur|Maniok (''M. esculenta''), Rhizome nach der Ernte]] [[Datei:Bucket of raw okra pods.jpg|miniatur|Früchte der Okra (''Abelmoschus esculentus'')]] [[Datei:Carica papaya dsc07806.jpg|miniatur|Papayafrucht (''Carica papaya'')]] → ''Hauptartikel: [[Küche in Ghana]]'' Die Landesküche ist vielfältig und greift beinahe auf alles Essbare zurück, was das Land zu bieten hat. Als Fleischlieferant ist neben [[Hausrind|Rindern]], [[Hausschaf|Schafen]], [[Geflügel]] und Ziegen das in Ghana lebende Bush-Meat (Wildfleisch) gerade in den ländlichen Regionen ein weiterer Bestandteil der Ernährung. Schweinefleisch hatte in der Vergangenheit so gut wie keine Bedeutung. Seit einigen Jahrzehnten dehnt sich jedoch die [[Schweinezucht]] in Südghana aus, da die Produktion von Schweinefleisch billiger ist als die Produktion von [[Hausrind|Rindfleisch]]. Jedoch findet dieses Nahrungsmittel aus religiösen Gründen bei der großen Zahl der muslimischen Bevölkerung, vor allem in Nordghana keine Verwendung. Der Fischreichtum des Volta-Sees und seiner Zubringer sowie die Küstenlage des Landes zu einer der fischreichsten Regionen der Erde, dem Golf von Guinea, führt zu einer Bevorzugung der Ghanaer zum Fischessen. Allerdings wird auch gerne eine Wildtierart verzehrt, die auf Englisch ''grasscutter'' oder ''cane rat'' und auf Deutsch als [[Rohrratten]] bezeichnet werden. Es gibt inzwischen auch Versuche, die Tiere in Käfighaltung zu vermehren. Fisch und Fleisch sind sehr wichtige Bestandteile der kulinarischen Kultur, doch sind sie auf den Märkten nur relativ teuer zu haben. Daher bilden die Basis jeden Essens die sättigenden Kohlenhydratlieferanten wie [[Reis]], [[Mais]], [[Hirse]], [[Grieß]], [[Maniok]], [[Yams]], [[Taro]], [[Süßkartoffel]]n und [[Kochbanane]]n. Nudeln sind eher unbeliebt und werden, anders als die vorgenannten Nahrungsmittel, lediglich durch Importe ins Land gebracht. Ghana produziert zurzeit erheblich weniger Reis als es selbst verbraucht. Als Importgut ist er für viele Familien etwas Besonderes. Maniok, Yams oder Süßkartoffeln werden häufig von der ländlichen Bevölkerung direkt angebaut und dienen der Selbstversorgung. [[Brot]] ist als Grundnahrungsmittel erst im Rahmen der Kolonialisierung Ghanas zur Zeit der Kronkolonie Goldküste durch die Briten eingeführt worden. Daher sind lediglich zwei Brotsorten bekannt; Sugar-Bread (eine Art Milchbrötchen in größerem Format) und Tea-Bread (eine Art Baguette), beides sind Brote lediglich aus Weizenmehl. Milchprodukte sind aufgrund ihrer kurzen Haltbarkeit sehr teuer, Käse ist weitgehend unbekannt. Frische Milch ist in ländlichen Gebieten aufgrund der Tierhaltung häufig anzutreffen. Die Milch wird sofort verwendet. Anstelle von Butter wird oft importierte Margarine verwendet. Kondensmilch hat weite Verbreitung gefunden. Auch Milchpulver ist beliebt. Mit dem Milo-Pulver wird auf der Basis von heißem Wasser eine Art Schokolade getrunken. Zu vielen Mahlzeiten bevorzugen die Menschen Gemüsesorten wie [[Zwiebel]]n, [[Tomate]]n, [[Aubergine]]n, Garteiei (Gardenegg oder auch afrikanische Aubergine genannt), [[Bohne]]n, [[Avocado]]s, [[Karotte]]n, [[Okra]] und [[Spinat]]. Ghanaer ziehen warme Mahlzeiten vor und kennen traditionell kein Frühstück direkt nach dem Aufstehen. Die erste Mahlzeit wird im Laufe des Vormittags eingenommen, bei der dann häufig die Reste vom Abendbrot des Vortages oder frisch zubereitete warme [[Bohne]]n, [[Porridge]] oder [[Omelett]]s gegessen werden. Als Zwischenmahlzeit, selten auch als Dessert, werden in Ghana die vielfältigen Früchte verwendet. [[Kulturapfel|Äpfel]] sind eine beliebte Importware, Südfrüchte wachsen jedoch an den Straßen, in vielen Gärten, [[Plantage]]n und Wäldern. [[Dessertbanane|Bananen]], [[Papaya]], [[Ananas]], [[Mango]]s, [[Apfelsine]]n, [[Mandarine]]n, [[Melone]]n, [[Brotfrucht|Brotfrüchte]], [[Guave]]n, [[Zitrone]]n, [[Orange (Frucht)|Orangen]] und [[Grapefruit]]s gibt es vielerorts direkt von Händlern am Straßenrand zu kaufen oder werden von den Händlern auf der Straße auf dem Kopf in einem Korb oder in einer Schüssel transportiert und zum Verkauf angeboten. Die Früchte werden vom Händler direkt geputzt und in mundgerechte Stücke geschnitten, wenn dieses gewünscht wird. Zu jedem Essen sind in Ghana Saucen oder Suppen beliebt, die in großer Menge gegessen werden. Diese Saucen oder Suppen bestehen aus den vielfältigsten Kräutern, Gewürzen und Gemüse. In der Regel wird das Essen sehr scharf gewürzt. Hierzu dienen mindestens zehn verschiedene [[Paprika|Chilisorten]], die hauptsächlich frisch im Essen verarbeitet werden. In getrockneter Form kommen sie seltener vor. Typische Gerichte sind [[Benachin|Jollofreis]], [[Kelawele]], [[Banku]], [[Kinkey]], [[Gari (afrikanische Küche)|Gari]] und das Nationalgericht [[Fufu]]. [[Shito]] ist eine dem [[Pesto]] ähnliche Sauce, die vielfältig und häufig bei schnellen Gerichten Verwendung findet. === Musik === Musik spielt im Leben der gesamten Bevölkerung eine wichtige Rolle. Eine charakteristische Musikgattung ist der seit den 40er Jahren des 20. Jahrhunderts populäre [[Highlife]], der seit einigen Jahren wieder beliebter wird. Die vielen lokalen Radiosender sind tagtäglich in den beiden Hauptverkehrsmitteln, den Taxis und den Trotros (Kleinbusse), zu hören. Auf Hochzeiten, Taufen und Todesfeiern spielen Musik und Tanz im Rahmen eines geselligen und gastfreundlichen Beisammenseins eine große Rolle. ==== Traditionelle Musik ==== [[Datei:TalkingDrum.jpg|miniatur|afrikanische Nachrichtentrommel]] Die traditionelle Musik hat immer noch ihren Platz in der Gesellschaft. Vor allem in den Dörfern und zu traditionellen Festen in den Städten wird die Trommelkunst hoch geschätzt. Häufig wird zu traditioneller Musik auch getanzt, wie etwa die Tänze [[Bosoe]], [[Adowa]], [[Agbadza]], [[Taka]], [[Kpanlogo]]. Im Norden hat sich unter den Hirten eine Flötenmusik entwickelt. Die traditionelle ghanaische Musik greift auf ihre eigenen Musikinstrumente zurück. So werden im Norden eher [[Balaphon]] oder [[Xylophon]] gespielt, im Süden sind die Rhythmusinstrumente wie [[Zimbel]]n, Klappern, Kastagnetten, [[Gong]]s und [[Schlaginstrument|Trommeln]] zu finden. Die Trommelmusik und der Trommelbau sind wesentlicher Bestandteil der traditionellen Musik. Trommeln waren in der Geschichte in viele wichtige Lebensbereiche integriert. So wurden Trommeln in Kriegen eingesetzt um die eigenen Leute anzufeuern und auf die Ereignisse einzustimmen. Ebenso dienten sie lange vor dem Telefon als Nachrichten- und Verständigungsmedium über lange Entfernungen hinweg. Bei gesellschaftlichen Anlässen wie Festen und Feiertagen, Inthronisationen, [[Initiationsritus|Initiationsriten]] und religiösen Ereignissen, aber auch bei familiären Festen und Feiern wie Hochzeiten oder Beerdigungen spielten und spielen Trommler eine Rolle. Durch diese breite Einsetzbarkeit der Trommel erreichte ein Trommler einen gewissen Status in der traditionellen ghanaischen Gesellschaft. Die Position eines Trommlers, wenn auch nur im Familienkreis auf einem Fest, ist angesehen und respektiert. Der Trommelbau hat eine lange ehrenvolle Tradition. Es ist eine große Zahl verschiedener Trommeln zu finden, die teilweise nur bestimmte Funktionen wahrnehmen oder auch nur zu bestimmten Anlässen gespielt werden. Die '[[donno]]'-Trommel ist eine Trommel, die von beiden Seiten gespielt werden kann. Der Spieler klemmt sich das Instrument unter den Arm und kann mit dem Druck seines Armes die Spannung der Felle der Trommel variieren. Die bekannte [[Sprechtrommel]] mit der Bezeichnung '[[atumpan]]' ist mit Elefantenhaut bespannt und darf nur von Spezialisten hergestellt werden. Die Trommel '[[etwiay]]' wurde traditionell in Schlachten verwendet oder um den König anzukündigen, sie soll das Fauchen einen Leoparden nachahmen. Im National Museum in Accra ist eine Ausstellung dieser Trommeln und weiterer Exemplare zu sehen. ==== Moderne Musik ==== Die moderne Musik hat nach wie vor traditionelle Einflüsse. Nach der Unabhängigkeit entwickelte sich die Musikrichtung [[Highlife]]. Highlife ist eine Tanz- und Musikform, die in den täglichen Radiosendungen, den Clubs und Bars gespielt wird. High Life vereinigt traditionelle Einflüsse mit Instrumenten, die durch die Kolonialmacht England nach Ghana gebracht worden waren. In den frühen Formen hat High Life relevante Elemente aus dem Jazz entliehen und weiterentwickelt. Instrumente wie [[Saxophon]]e, [[Schlagzeug]], [[Trompete]] und [[Kontrabass|Bass]] wurden verwendet. Später kamen verstärkt [[Perkussion (Musik)|Percussioninstrumente]] dazu. Seit den 90ern entsteht aus der westlichen Popmusik die typisch ghanaische Variante [[Hiplife]] (auch: Hip Life). Hierbei wird mit der Unterstützung von Mischpulten und Computern gearbeitet. Auch die Musikrichtung [[Gospel]] hat in Ghana erhebliche Bedeutung. Im Genre Highlife hat [[Ofori Amponsah]] im Jahr 2006 besonderes Aufsehen erregt. Er gewann den Titel des besten Künstlers des Jahres 2006 sowie den Titel des besten Songs und des besten Albums (''Otoolege''). [[Castro (Musiker)|Castro]] wurde bester Künstler im Bereich Hiplife. Der Gospelsong des Jahres 2006 ''Metease'' stammt von [[Nobel Nketia]]. ''siehe auch: [[Liste der Musiker Ghanas]]'' === Traditionelle Kleidung === [[Datei:Kenteweaving.jpg|miniatur|Mann an traditionellem Kente-Webstuhl, im Hintergrund Kentestoffe]] Neben der Musik ist die Kleidung der Ghanaer mit ihrer Farbenpracht eine leuchtende Freude. Die Frauen tragen, unabhängig von ihrer Religion, aus modischen Gründen häufig kunstvoll gewickelte Kopfbedeckungen aus demselben Stoff wie ihre Kleider. Unifarbene Drucke sind eine absolute Seltenheit. Bei gesellschaftlichen Ereignissen, wie etwa einer Hochzeit oder einem Todesfall, ist es üblich, dass sich die Ausrichter (beispielsweise die Braut) einen Stoff aussucht und die geladenen Gäste sich ein Kleid aus diesem Stoff nach traditionellen und modischen Aspekten von den vielen lokalen Schneiderinnen fertigen lassen. Männer tragen traditionell ein aus einem Stoffstück hergestelltes gewickeltes Gewand, das einer römischen [[Toga]] ähnelt. [[Kente]] ist eine typisch ghanaische Webkunst in leuchtenden Farben. Aus diesen gewebten Stoffen werden viele der traditionellen Kleider vor allem der [[Ashanti (Volk)|Ashanti]] hergestellt. Insbesondere traditionelle Stammeshäuptlinge tragen nicht selten Kente-Stoff als Ausdruck ihres nationalen Stolzes. === Literatur in Ghana === Besondere Bekanntheit genießen ghanaische Autoren im englischen Sprachraum, da einige als Professoren in den USA tätig sind, zum Beispiel [[Abena Busia]], spezialisiert auf afroamerikanische Literatur an der amerikanischen [[Rutgers University|Rutgers-Universität]], oder [[Michael Dei-Anang]], der nicht nur einer Lehrtätigkeit in den USA nachging, sondern auch wegen seiner Verbindungen zum Regime von [[Kwame Nkrumah]] nach dessen Sturz in Haft war. Unter den Schriftstellern befinden sich Namen, wie [[Ama Ata Aidoo]], die durch die Übersetzung ihres Werkes ''Die Zweitfrau'' auch in Deutschland Bekanntheit erlangt hat. [[Jojo Cobbinah]] wurde bekannt für seine Reiseführer und Zeitungsartikel über Ghana. [[Efua Dorkenoo]] ist eine Autorin, deren Werk ''Cutting The Rose: Female Genital Mutilation the Practice and its Prevention'' aus dem Jahr 1994 in die Liste der 100 besten Bücher Afrikas aus dem 20. Jahrhundert aufgenommen worden ist. Der ins Deutsche häufig übersetzte Kinderbuchautor [[Meshack Asare]] ist international bekannt geworden und hat wichtige Preise gewonnen, wie für das mit dem von der [[UNESCO]] vergebenen Titel ''Bestes Bilderbuch aus Afrika'' ausgezeichnete Werk ''Tawai Goes to Sea''. ''siehe auch: [[Liste ghanaischer Schriftsteller]]'' === Sport === Der Sport in Ghana wird organisiert vom ''Ghana Olympic Committee'', das 1952 gegründet und im selben Jahr vom [[IOC]] anerkannt wurde.<ref>[http://www.olympic.org/uk/organisation/noc/noc_uk.asp?noc_initials=GHA IOC]</ref> Nationalsport ist [[Fußball]], Verband ist die 1957 gegründete ''[[Ghana Football Association]]'' (GFA). Die [[Ghanaische Fußballnationalmannschaft|ghanaische Nationalmannschaft]] konnte bisher viermal [[Fußball-Afrikameisterschaft|Afrikameister]] werden und nahm 2006 zum ersten Mal an einer [[Fußball-Weltmeisterschaft 2006|Fußball-Weltmeisterschaft]] teil. Dabei gelang den ''Black Stars'' auf Anhieb der Einzug ins Achtelfinale. Sie unterlagen dort gegen den fünfmaligen Weltmeister Brasilien. 2009 gewann Ghana die U20 Fussballweltmeisterschaft in Ägypten. Sie besiegten im Finale die Brasilianer im Elfmeterschießen (4:3), nachdem sie mehr als eine Stunde lang das 0:0 hielten. In der deutschen Bundesliga spielten und spielen viele ghanaische Fußballer, von denen einige mittlerweile auch die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen; [[Gerald Asamoah]] spielte in den vergangenen Jahren bereits mehrfach im Trikot der deutschen Nationalmannschaft. In Ghana am bekanntesten ist [[Abédi Pelé]], der in Deutschland in der Bundesliga spielte und seit dem Ende seiner aktiven Karriere hauptsächlich in der Nachwuchsförderung im ghanaischen Fußball tätig ist. Ghana war vom 20. Januar 2008 bis zum 10. Februar 2008 Austragungsort des [[Fußball-Afrikameisterschaft 2008|Afrika Cup of Nations]]. Ghana nahm mit 31 Sportlern an den [[Olympische Sommerspiele 2004|Olympischen Spielen 2004]] in Athen teil, konnte aber keine Medaille gewinnen. Auch 2008 in Peking konnte keiner der 9 Teilnehmer eine Medaille erobern. In seiner olympischen Geschichte hat das Land bisher eine Silber- und drei Bronzemedaillen gewonnen. ''siehe auch: [[Ghanaische Fußballnationalmannschaft der Frauen]]'' [[Datei:Elmina slave castle.jpg|miniatur|Fort Elmina, Weltkulturerbe]] === Weltkulturerbe === Die Festungen und Schlösser der Kolonialzeit sowohl an der Volta-Mündung als auch in Accra und entlang der gesamten Küste der Zentral- und der Westregion wurden 1979 in die Liste des Weltkulturerbes aufgenommen; die traditionellen Gebäude der größten ghanaischen Volksgruppe, der Ashanti, folgten im Jahr 1980.<ref>[http://www.unesco.de/c_arbeitsgebiete/welterbeliste.htm www.unesco.de zum Weltkulturerbe]</ref> Von der UNESCO zum Biosphärenreservat ernannt wurde 1983 der [[Bia-Tawaya-Nationalpark]]. ''siehe auch: [[Liste des UNESCO-Welterbes (Ghana)]] und [[Historische Forts von Ghana]]'' === Feiertage === Es werden neben den Nationalen Feiertagen auch die religiösen Feste des Islam und des Christentums gefeiert. Neben diesen Feiertagen werden religiöse, traditionelle und kulturelle Feste zu bestimmten Zeiten im Jahr gefeiert. Selten gibt es hierfür festgelegte Feiertage. Falls Feiertage auf einen Sonntag fallen, werden diese dann am nachfolgenden Werktag "nachgefeiert". {| class="prettytable" width="80%" ! class="hintergrundfarbe6" | Datum<ref>[http://www.touristiklinks.de/laender/afrika.php/ghana/gesetzliche_feiertage/ www.touristiklinks.de zu den Feiertagen]</ref> ! class="hintergrundfarbe6" | Name ! class="hintergrundfarbe6" | Deutscher Name ! class="hintergrundfarbe6" | Anmerkungen |- | colspan="4" bgcolor="#DDDDDD" align="center" | feste Feiertage |- | 1. Januar |''New Year’s day'' | [[Neujahr]]stag | |- | 6. März |''Independence Day'' | [[Unabhängigkeitstag]] | [[Nationalfeiertag]] |- | 1. Mai |''Labour day'' | [[Erster Mai|Tag der Arbeit]] | [[Nationalfeiertag]] |- | 25. Mai |''Union Day'' | [[Afrikatag (Afrika)|Afrika-Tag]] | [[Nationalfeiertag]] |- | 1. Juli |''Day of Republic'' | Tag der Republik | [[Nationalfeiertag]] |- | 1. Freitag im Dezember (2009: 4. Dez.) |''Farmer’s Day'' | Nationaler Bauerntag | [[Nationalfeiertag]] |- | 25. Dezember |''Christmas Day'' | [[Weihnachten|Weihnachtsfeiertag]] | christlicher Feiertag |- | 26. Dezember |''Boxing Day'' | [[Weihnachten|Weihnachtsfeiertag]] | christlicher Feiertag |- | 31. Dezember |''Revolution Day'' | Revolutionstag | |- | colspan="4" bgcolor="#DDDDDD" align="center" | bewegliche Feiertage |- | 22. Oktober 2006 |''Koriteh'' | [['Īd al-fitr|Ende des Ramadan ('Īd al-fitr)]] | muslimischer Feiertag |- | 1. Januar 2007 |''Eid al-Adha'' | Opferfest | muslimischer Feiertag |- | 31. März 2007 |''Prophet’s Birthday'' | [[Mawlid an-Nabi|Geburtstag des Propheten Muhammad (Mawlid an-Nabi)]] | muslimischer Feiertag |- | 6. April 2007 |''Good Friday'' | [[Karfreitag]] | christlicher Feiertag |- | 9. April 2007 |''Easter Monday'' | [[Ostermontag]] | christlicher Feiertag |- | 13. Oktober 2007 |''Koriteh'' | [['Īd al-fitr|Ende des Ramadan ('Īd al-fitr)]] | muslimischer Feiertag |- | 20. Dezember 2007 |''Eid al-Adha/Eid-e Ghorban'' | Islamisches Opferfest/Berg Arafat Tag | muslimischer Feiertag |- |} In Ghana finden alle zwei Jahre das PANAFEST ''[[Pan African Festival]]'' (2007, 2009) und das NAFAC ''([[National Festival of Arts and Culture]])'' (2006, 2008) statt. Das PANAFEST ist ein Fest zur Solidarität zwischen den afrikanischen Völkern und wird in Accra und [[Cape Coast]] gefeiert. Dieses Festival ist ein kultureller Höhepunkt. Das NAFAC findet in den Jahren zwischen dem PANAFEST seit 1992 in jeweils einer anderen regionalen Hauptstadt Ghanas statt. == Siehe auch == {{Portal|Ghana}} == Einzelnachweise und Anmerkungen == <div class="references-small" style="-moz-column-count:2; column-count:2;"> <references /></div> == Literatur == * Christian Kohrs: ''Nkrumah-Rawlings. Eine Annäherung an das politische Denken zweier ghanaischer Staatsmänner.'' Books on African Studies, 2001 * Dennis Austin: ''Politics in Ghana 1946-1960'', Oxford 1964. * Angela Christian: ''Facetten der Kultur Ghanas'', Heidelberg 1992, ISBN 3-927198-07-2 * Jojo Cobbinah: ''Ghana. Praktisches Reisehandbuch für die »Goldküste« Westafrikas'', 10. Auflage, Frankfurt am Main 2009, ISBN 978-3-89859-153-9 * Oliver Davies: ''The Sangoan culture in Africa,'' In: ''[[South African Journal of Science]]'' 50 (10), 1954, S. 273-277. * Roger S. Gocking: ''The history of Ghana'', Westport 2005, ISBN 0-313-31894-8 * Eboe Hutchful: ''The IMF and Ghana. The confidential record'', London 1987, ISBN 0-86232-614-1 * Trevor Jones: Ghana's First Republic 1960- 1966. The Persuit of the Political Kingdom'', Methuen & Co, London 1976 ISBN 0-416-84440-5 * Nicholas Mansergh: ''The Commonwealth Experience'', London 1969, ISBN 0-297-17071-6 * William David McIntyre: ''The Commonwealth of nations. Origins and impact 1869–1971'', Minneapolis 1977, ISBN 0-19-690424-2 * Sven E. Nygaard & Michel R. Talbot: „Stone Age Archaeology and Environment on the Southern Accra Plains, Ghana“, in: ''[[Norwegian Archaeological Review]]'' 17 (1), 1984, S. 19-38. * Thomas Siebold: ''Ghana 1957–1987. Entwicklung, Rückentwicklung, Verschuldung und IWF-Intervention'' (= ''Hamburger Beiträge zur Afrika-Kunde'' 31), Hamburg 1988, ISBN 3-923519-76-1 * M.A. Sowunmi: ''Environmental and human responses to climatic events in West and West Central Africa during the late holocene.'' In: Fekri A. Hassan (Hrsg.): ''Droughts, Food and Culture. Ecological Change and Food Security in Africa's Later Prehistory'', New York (u.a.) 2002, ISBN 0-306-46755-0 * John Iliffe: ''Geschichte Afrikas'', München 2000, ISBN 3-406-46309-6 * Schmidt-Kallert, Einhard: ''Ghana.'' Perthes Länderprofile, Gotha 1994 * Boahen, Adu: ''Ghana. Evolution and Change in the Nineteenth and Twentieth Century.'' London 1975, reprinted 2000, Accra, ISBN 9988-7884-0-1 * Reindorf, Carl: ''History of the Gold Coast and Asante.'' Basel 1895 == Weblinks == {{Commonscat|Ghana|Ghana}} {{Wiktionary|Ghana}} {{wikiatlas|Ghana}} === Allgemeines === * [http://www.ghanaweb.com/GhanaHomePage/republic/index.php Ghanaweb.com] (englisch) * [http://www.17-afrika.s-cool.org/?action=ctr Datenmaterial] * [http://www.inwent.org/v-ez/lis/ghana/index.htm Landeskunde] * [http://www.auswaertiges-amt.de/diplo/de/Laenderinformationen/01-Laender/Ghana.html Länderinformationen des Auswärtigen Amtes zu Ghana] * [http://www.bmz.de/de/laender/partnerlaender/ghana/zusammenarbeit.html Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung] === Politik === * [http://www.ghana.gov.gh/ Offizielle Seite der Regierung] www.ghana.gov.gh * [http://www.parliament.gh/ Offizielle Seite des Parlaments] www.parliament.gh * [http://www.judicial.gov.gh/ Offizielle Seite der Judikative] www.judicial.gov.gh * [http://www.ghanacastle.gov.gh/ Offizielle Seite des Präsidialamtes] www.ghanacastle.gov.gh {{Coordinate |NS=7/41//N |EW=0/59//W |type=country |region=GH}} {{NaviBlock |Navigationsleiste Staaten in Afrika |Navigationsleiste AU-Staaten |Navigationsleiste Mitgliedstaaten des Commonwealth of Nations }} {{Exzellent}} [[Kategorie:Staat in Afrika]] [[Kategorie:Ghana| ]] [[ace:Ghana]] [[af:Ghana]] [[ak:Ghana]] [[als:Ghana]] [[am:ጋና]] [[an:Ghana]] [[ar:غانا]] [[arz:جانا]] [[ast:Ghana]] [[az:Qana]] [[bat-smg:Gana]] [[bcl:Gana]] [[be:Гана]] [[be-x-old:Ґана]] [[bg:Гана]] [[bm:Gana]] [[bn:ঘানা]] [[bo:ཀ་ན།]] [[bpy:ঘানা]] [[br:Ghana]] [[bs:Gana]] [[ca:Ghana]] [[ceb:Ghana]] [[crh:Ğana]] [[cs:Ghana]] [[cv:Гана]] [[cy:Ghana]] [[da:Ghana]] [[diq:Gana]] [[dsb:Ghana]] [[dv:ގާނާ]] [[ee:Ghana]] [[el:Γκάνα]] [[en:Ghana]] [[eo:Ganao]] [[es:Ghana]] [[et:Ghana]] [[eu:Ghana]] [[fa:غنا]] [[ff:Gana]] [[fi:Ghana]] [[fiu-vro:Ghana]] [[fr:Ghana]] [[frp:Gana]] [[fy:Gana]] [[ga:Gána]] [[gd:Gàna]] [[gl:Gana - Ghana]] [[gu:ઘાના]] [[gv:Yn Ghaney]] [[he:גאנה]] [[hi:घाना]] [[hif:Ghana]] [[hr:Gana]] [[hsb:Ghana]] [[ht:Gana]] [[hu:Ghána]] [[hy:Գանա]] [[ia:Ghana]] [[id:Ghana]] [[ie:Ghana]] [[ig:Ghana]] [[ilo:Ghana]] [[io:Ghana]] [[is:Gana]] [[it:Ghana]] [[ja:ガーナ]] [[jv:Ghana]] [[ka:განა]] [[kk:Гана]] [[kn:ಘಾನಾ]] [[ko:가나]] [[ku:Gana]] [[kw:Ghana]] [[la:Gana]] [[lb:Ghana]] [[li:Ghana]] [[lij:Ghana]] [[lmo:Ghana]] [[ln:Ghana]] [[lt:Gana]] [[lv:Gana]] [[mk:Гана]] [[ml:ഘാന]] [[mn:Гана]] [[mr:घाना]] [[ms:Ghana]] [[mt:Gana]] [[na:Ghana]] [[nah:Ghana]] [[nds:Ghana]] [[nl:Ghana]] [[nn:Ghana]] [[no:Ghana]] [[nov:Gana]] [[nv:Gáana]] [[oc:Ghana]] [[os:Ганæ]] [[pam:Ghana]] [[pap:Ghana]] [[pdc:Ghana]] [[pih:Gaana]] [[pl:Ghana]] [[pms:Ghana]] [[ps:ګانا]] [[pt:Gana]] [[qu:Gana]] [[rm:Ghana]] [[ro:Ghana]] [[ru:Гана]] [[sa:घाना]] [[sah:Гана]] [[sc:Ghana]] [[scn:Gana]] [[se:Ghana]] [[sg:Ganäa]] [[sh:Gana]] [[simple:Ghana]] [[sk:Ghana]] [[sl:Gana]] [[so:Gaana]] [[sq:Gana]] [[sr:Гана]] [[stq:Ghana]] [[sv:Ghana]] [[sw:Ghana]] [[szl:Ghana]] [[ta:கானா]] [[te:ఘనా]] [[tet:Gana]] [[tg:Гана]] [[th:ประเทศกานา]] [[tk:Gana]] [[tl:Ghana]] [[tr:Gana]] [[ts:Ghana]] [[tum:Ghana]] [[tw:Ghana]] [[ug:گانا جۇمھۇرىيىتى]] [[uk:Гана]] [[ur:گھانا]] [[uz:Gʻana]] [[vec:Ghana]] [[vi:Ghana]] [[vo:Ganän]] [[wa:Gana]] [[war:Ghana]] [[wo:Gana]] [[yo:Ghánà]] [[zh:加纳]] [[zh-classical:迦納]] [[zh-min-nan:Ghana]] [[zh-yue:加納]] kld72onb9fn97e1zgpgjk8ejxvmjiq4 wikitext text/x-wiki MediaWiki:Common.js 8 23522 26089 2010-05-11T12:26:40Z Voice of All 167 Neue Seite (vgl. [[WB:AZ]]) /* Jedes JavaScript hier wird für alle Benutzer für jede Seite geladen. */ //============================================================= //*** Configuration for "star" logo in front of interwiki links to Featured Articles //*** and green symbol in front of interwiki links to Good Articles /** set to false in Special:Mypage/monobook.js to switch off this "feature" */ var linkFA_enabled = true; /** description that is displayed when cursor hovers above FA interwiki links */ var linkFA_description = "Dieser Artikel wurde als exzellent bewertet."; var linkGA_description = "Dieser Artikel wurde als lesenswert bewertet."; // linkFA_bullet/linkGA_bullet and linkFA_style/linkGA_Style werden nur für cologneblue, nostalgia and standard verwendet, // für monobook und simple siehe [[MediaWiki:Common.css]] /** image to use instead of the standard bullet (for cologneblue, nostalgia and standard */ var linkFA_bullet = "http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/d/d0/Monobook-bullet-star-transparent.png"; var linkGA_bullet = "http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/a/a1/Monobook-bullet-star-gray.png"; /** style to use for the linkFA_bullet/LinkGA_bullet img */ var linkFA_style = "margin-right: 0.2em;"; var linkGA_style = "margin-right: 0.2em;"; /** * star logo for featured articles in other languages, * see Template:Link_FA / Template:Link_GA and MediaWiki:Common.css */ addOnloadHook(function() { // early exit when disabled if (!linkFA_enabled) return; // skins need to be treated differently if (skin == "monobook" || skin == "simple" || skin == "modern" || skin== "vector" ) { newer(); } else if (skin == "cologneblue" || skin == "nostalgia" || skin == "standard") { older(); } /** skin == "monobook" || skin == "simple" || skin="modern" */ function newer() { // links are to replaced in p-lang only var pLang = document.getElementById("p-lang"); if (!pLang) return; var lis = pLang.getElementsByTagName("li"); for (var i = 0; i < lis.length; i++) { var li = lis[i]; // only links with a corresponding Link_FA template are interesting if (document.getElementById(li.className + "-fa")) { li.className += " FA"; // additional class so the template can be hidden with CSS li.title = linkFA_description; // change title continue; } if (document.getElementById(li.className + "-ga")) { li.className += " GA"; // additional class so the template can be hidden with CSS li.title = linkGA_description; // change title continue; } } } /** skin == "cologneblue" || skin == "nostalgia" || skin == "standard" */ function older() { // these root elements can contain FA-/GA-links var rootIds = new Array("topbar", "footer"); for (var i=0; i<rootIds.length; i++) { var root = document.getElementById(rootIds[i]); if (!root) continue; // if the root exists, try to decorate all the links within var links = root.getElementsByTagName("a"); for (var j=0; j<links.length; j++) { decorate(links[j], "-fa", linkFA_bullet, linkFA_description, linkFA_style); decorate(links[j], "-ga", linkGA_bullet, linkGA_description, linkGA_style); } } } /** id necessary, modify a link to show the FA- or GA-star (older) */ function decorate(link, idSuffix, bullet, description) { var lang = link.title.split(":")[0]; // not precise enough var fa = document.getElementById("interwiki-" + lang + idSuffix); if (!fa) return; // build an image-node for the FA-star var img = document.createElement("img"); img.setAttribute("src", bullet); img.setAttribute("alt", description); img.setAttribute("style", style); // decorate the link with the image link.appendChild(img); link.appendChild(link.removeChild(link.firstChild)); link.setAttribute("title", description); } }); /* ## ProjektLinks ## by Skript von [[user:Merlissimo]] (Idee basierend auf http://de.wiktionary.org/wiki/MediaWiki:Common.js von [[User:Pathoschild]] und [[wikt:de:User:Melancholie]]) erzeugt Sitebar-Interwiki zu Schwesterprojekten aufgrund von Vorlage {{InterProjekt}} siehe auch Feature-Request [[bugzilla:708]] */ addOnloadHook(function() { var iProject = document.getElementById("interProject"); if(!iProject) return; var sistersibling = document.getElementById("p-navigation"); if(!sistersibling) return; //Link auf Parennode des Portletmenues var sisterparent = sistersibling.parentNode; //Erzeuge neues Portletmenue var sisterprojectnav = document.createElement("div"); sisterprojectnav.id = "p-sisterprojects"; sisterprojectnav.className = sistersibling.className sisterprojectnav.innerHTML = '<h5>'+document.getElementById("sisterProjects").firstChild.innerHTML+'</h5><div><ul></ul></div>'; var sistersiblingsub = sistersibling.getElementsByTagName("div")[0]; if(sistersiblingsub){ sisterprojectnav.childNodes[1].className = sistersiblingsub.className; } else { sisterprojectnav.childNodes[1].className = "pBody"; } //Wenn möglich vor den Interwikis einfügen var sisternext = document.getElementById("p-lang"); if ( sisternext && sisternext.parentNode == sisterparent ){ sisterparent.insertBefore( sisterprojectnav, sisternext ); }else{ sisterparent.appendChild(sisterprojectnav); } //Schwesterlinks ermitteln und einfügen var sisterlinks = iProject.getElementsByTagName("a"); for (var i = 0; i < sisterlinks.length; i++) { var sistername = sisterlinks[i].firstChild.nodeValue addPortletLink('p-sisterprojects', sisterlinks[i].getAttribute("href") + '?uselang=' + wgUserLanguage, sistername, "sister-"+ sistername, sistername); } }); //============================================================================== //*** Fügt einen Link "Alle Sprachen" auf der Hauptseite unter die Sprachverweise hinzu addOnloadHook(function() { // only on the main page if ( wgTitle != 'Hauptseite' || wgNamespaceNumber != 4 ) return; try { var completelist = addPortletLink("p-lang", "http://de.wikipedia.org/wiki/Wikipedia:Sprachen", "Alle Sprachen", "interwiki-completelist", "Alle Sprachen"); completelist.className='interwiki-completelist'; } catch(e) { // lets just ignore what's happened } }); //================================================================================ //*** force the loading of another JavaScript file (Kopie von [[Commons:Common.js]]) // Local Maintainer: [[Commons:User:Dschwen]] function includePage(name) { document.write('<script type="text/javascript" src="' + wgScript + '?title=' + name + '&action=raw&ctype=text/javascript&dontcountme=s"><\/script>'); // smaxage=3600 } //============================================================================== //*** Fügt der Suche weitere Suchengines hinzu (kopiert aus eswp) // 2009-07-02: Auskommentiert, da das neue Suchformular anders funktioniert. Raymond. // 2009-08-03: code jetzt reparierter . Pmartin // 2009-08-03: Nochmals auskommentiert, siehe Diskussionsseite //if (wgCanonicalSpecialPageName == "Search") { // includePage("MediaWiki:SpezialSuche.js"); //} //================================================================================ //*** import Onlyifuploading-functions // SEE ALSO [[MediaWiki:Onlyifuploading.js]] if (wgCanonicalSpecialPageName == "Upload") { includePage("MediaWiki:Onlyifuploading.js"); includePage("MediaWiki:Onlyifediting.js"); } //================================================================================ //*** import watchlistmessage-functions // Nachrichten auf der Beobachtungliste ausblenden // SEE ALSO [[MediaWiki:Common.js/watchlist.js]] if (wgCanonicalSpecialPageName == "Watchlist") { includePage("MediaWiki:Common.js/watchlist.js"); } //================================================================================ //*** Dynamic Navigation Bars // set up the words in your language var NavigationBarHide = 'Einklappen'; var NavigationBarShow = 'Ausklappen'; // set up max count of Navigation Bars on page, // if there are more, all will be hidden // NavigationBarShowDefault = 0; // all bars will be hidden // NavigationBarShowDefault = 1; // on pages with more than 1 bar all bars will be hidden if (typeof NavigationBarShowDefault == 'undefined' ) { var NavigationBarShowDefault = 1; } // adds show/hide-button to navigation bars addOnloadHook(function() { // shows and hides content and picture (if available) of navigation bars // Parameters: // indexNavigationBar: the index of navigation bar to be toggled function toggleNavigationBar(indexNavigationBar) { var NavToggle = document.getElementById("NavToggle" + indexNavigationBar); var NavFrame = document.getElementById("NavFrame" + indexNavigationBar); if (!NavFrame || !NavToggle) { return false; } // if shown now if (NavToggle.firstChild.data == NavigationBarHide) { for ( var NavChild = NavFrame.firstChild; NavChild != null; NavChild = NavChild.nextSibling ) { if (NavChild.className == 'NavPic') { NavChild.style.display = 'none'; } if (NavChild.className == 'NavContent') { NavChild.style.display = 'none'; } if (NavChild.className == 'NavToggle') { NavChild.firstChild.data = NavigationBarShow; } } // if hidden now } else if (NavToggle.firstChild.data == NavigationBarShow) { for ( var NavChild = NavFrame.firstChild; NavChild != null; NavChild = NavChild.nextSibling ) { if (NavChild.className == 'NavPic') { NavChild.style.display = 'block'; } if (NavChild.className == 'NavContent') { NavChild.style.display = 'block'; } if (NavChild.className == 'NavToggle') { NavChild.firstChild.data = NavigationBarHide; } } } } function toggleNavigationBarFunction(indexNavigationBar) { return function() { toggleNavigationBar(indexNavigationBar); return false; }; } // iterate over all NavFrames var NavFrames = getElementsByClassName((document.getElementById("content") || document.getElementById("mw_content")), "div", "NavFrame"); for (var i=0; i<NavFrames.length; i++) { var NavFrame = NavFrames[i]; var NavToggle = document.createElement("a"); NavToggle.className = 'NavToggle'; NavToggle.setAttribute('id', 'NavToggle' + i); NavToggle.setAttribute('href', '#'); NavToggle.onclick = toggleNavigationBarFunction(i); var NavToggleText = document.createTextNode(NavigationBarHide); NavToggle.appendChild(NavToggleText); // add NavToggle-Button as first div-element // in < div class="NavFrame" > NavFrame.insertBefore(NavToggle, NavFrame.firstChild); NavFrame.setAttribute('id', 'NavFrame' + i); } // if more Navigation Bars found and not template namespace than Default: hide all if (NavigationBarShowDefault < NavFrames.length && wgNamespaceNumber != 10) { for(var i=0; i<NavFrames.length; i++) { toggleNavigationBar(i); } } }); //================================================================================ //*** import Onlyifediting-functions // SEE ALSO [[MediaWiki:Onlyifediting.js]] if (document.URL.indexOf("action=edit") > 0 || document.URL.indexOf("action=submit") > 0) { includePage("MediaWiki:Onlyifediting.js"); } //================================================================================ /** Skript für Vorlage:Galerie */ addOnloadHook(function() { if (document.URL.match(/printable/g)) return; function toggleImageFunction(group, remindex, shwindex) { return function() { document.getElementById("ImageGroupsGr" + group + "Im" + remindex).style["display"] = "none"; document.getElementById("ImageGroupsGr" + group + "Im" + shwindex).style["display"] = "block"; return false; }; } var divs = document.getElementsByTagName("div"); var i = 0, j = 0; var units, search; var currentimage; var UnitNode; for (i = 0; i < divs.length; i++) { if (divs[i].className !== "ImageGroup") { continue; } UnitNode = undefined; search = divs[i].getElementsByTagName("div"); for (j = 0; j < search.length; j++) { if (search[j].className !== "ImageGroupUnits") { continue; } UnitNode=search[j]; break; } if (UnitNode === undefined) { continue; } units = []; for (j = 0 ; j < UnitNode.childNodes.length ; j++ ) { var temp = UnitNode.childNodes[j]; if (temp.className === "center") { units.push(temp); } } var rightlink = undefined; var commentText = undefined; for (j = 0; j < units.length; j++) { currentimage = units[j]; currentimage.id = "ImageGroupsGr" + i + "Im" + j; var leftlink = document.createElement("a"); if (commentText !== undefined) { leftlink.setAttribute("title", commentText); } var comment; if (typeof(currentimage.getAttribute("title")) !== "string") { commentText = (j+1) + "/" + units.length; comment = document.createElement("tt").appendChild(document.createTextNode("("+ commentText + ")")); } else { commentText = currentimage.getAttribute("title"); comment = document.createElement("span").appendChild(document.createTextNode(commentText)); currentimage.removeAttribute("title"); } if(rightlink !== undefined) { rightlink.setAttribute("title", commentText); } var imghead = document.createElement("div"); rightlink = document.createElement("a"); if (j != 0) { leftlink.href = "#"; leftlink.onclick = toggleImageFunction(i, j, j-1); leftlink.appendChild(document.createTextNode("◀")); } if (j != units.length - 1) { rightlink.href = "#"; rightlink.onclick = toggleImageFunction(i, j, j+1); rightlink.appendChild(document.createTextNode("▶")); } imghead.style["fontSize"] = "110%"; imghead.style["fontweight"] = "bold"; imghead.appendChild(leftlink); imghead.appendChild(document.createTextNode("\xA0")); imghead.appendChild(comment); imghead.appendChild(document.createTextNode("\xA0")); imghead.appendChild(rightlink); if (units.length > 1) { currentimage.insertBefore(imghead,currentimage.childNodes[0]); } if (j != 0) { currentimage.style["display"] = "none"; } } } }); /* admin ui changes */ if( window.wgUserGroups ) { for(var i = 0; i < wgUserGroups.length; ++i) { if(wgUserGroups[i] === "sysop") { /* importScript("MediaWiki:Group-sysop.js"); kann bei Bedarf ent-auskommentiert werden */ importStylesheet("MediaWiki:Group-sysop.css"); break; } } } //============================================================================== //*** Fügt eine Betreffzeile auf leeren Diskussionsseiten ein addOnloadHook(function() { if(wgNamespaceNumber != 0 && wgNamespaceNumber != 1) return; var tab = document.getElementById( 'ca-talk' ); if( !tab || tab.className != 'new' ) return; var link = tab.getElementsByTagName( 'a' )[0]; if( !link ) return; link.href += '&section=new'; }); // Lokaler Bilddiskussionsseitenlink eines Commonsbildes verweist nach Commons if (wgNamespaceNumber === 6) addOnloadHook( function() { if (window.keepLocalFileTabs ) return; if (document.getElementById( 'ca-history')) return; //Lokale Dateibeschreibung vorhanden? if (!getElementsByClassName(document, 'div', 'sharedUploadNotice')[0]) return; //Nur bei Commons-Bildern var path = wgServer.match(/^https/) ? 'https://secure.wikimedia.org/wikipedia/commons/wiki/' : 'http://commons.wikimedia.org/wiki/'; // Ändere Link auf Diskussionsseite // vector uses ca-image_talk var talk = document.getElementById('ca-talk') || document.getElementById('ca-image_talk'); if (talk && talk.className.match(/(^| )new( |$)/)) { var link = talk.getElementsByTagName('a')[0]; link.href = path + 'File_talk:' + encodeURIComponent(wgTitle) + '?uselang=' + wgUserLanguage; link.className += ' commonstab'; } // Ändere Bearbeiten-Link var edit = document.getElementById('ca-edit') || document.getElementById('ca-viewsource'); if (edit) { var link = edit.getElementsByTagName('a')[0]; link.href = path + 'File:' + encodeURIComponent(wgTitle) + '?uselang=' + wgUserLanguage + '&action=edit'; link.className += ' commonstab'; link.firstChild.nodeValue = 'Bearbeiten'; } }); /** Fügt bei SVG-Grafiken Links zu gerenderten PNGs in verschiedenen Breiten hinzu */ function SVGThumbs() { var file = document.getElementById("file"); // might fail if MediaWiki can't render the SVG if (file && wgIsArticle && wgTitle.match(/\.svg$/i)) { var thumbu = file.getElementsByTagName('IMG')[0].src; if(!thumbu) return; function svgAltSize( w, title) { var path = thumbu.replace(/\/\d+(px-[^\/]+$)/, "/" + w + "$1"); var a = document.createElement("A"); a.setAttribute("href", path); a.appendChild(document.createTextNode(title)); return a; } var p = document.createElement("p"); p.className = "SVGThumbs"; p.appendChild(document.createTextNode("Aus SVG automatisch erzeugte PNG-Grafiken in verschiedenen Auflösungen"+": ")); var l = [200, 500, 1000, 2000]; for( var i = 0; i < l.length; i++ ) { p.appendChild(svgAltSize( l[i], l[i] + "px")); if( i < l.length-1 ) p.appendChild(document.createTextNode(", ")); } p.appendChild(document.createTextNode(".")); var info = getElementsByClassName( file.parentNode, 'div', 'fullMedia' )[0]; if( info ) info.appendChild(p); } }; addOnloadHook( SVGThumbs ); /** Mobile Redirect Helper ************************************************ * * Redirects to the mobile-optimized gateway at en.m.wikimedia.org * for viewers on iPhone, iPod Touch, Palm Pre, and Android devices. * * You can turn off the redirect by setting the cookie "stopMobileRedirect=true" * * This code cannot be imported, because the JS only loads after all other files * and this was causing major issues for users with mobile devices. Must be loaded * *before* the images and etc of the page on all mobile devices. * * Maintainer: [[User:Brion VIBBER]], [[User:hcatlin]] */ if (wgServer != "https://secure.wikimedia.org" && /(Android|iPhone|iPod|webOS)/.test(navigator.userAgent)) { var wgMainPageName = "Wikipedia:Hauptseite"; var stopMobileRedirectCookieExists = function() { return (document.cookie.indexOf("stopMobileRedirect=true") >= 0); } var mobileSiteLink = function() { if (wgCanonicalNamespace == 'Special' && wgCanonicalSpecialPageName == 'Search') { var pageLink = '?search=' + encodeURIComponent(document.getElementById('searchText').value); } else if (wgPageName == wgMainPageName) { var pageLink = '::Home'; // Special case } else { var pageLink = encodeURIComponent(wgPageName).replace('%2F','/').replace('%3A',':'); } return 'http://' + wgContentLanguage + '.m.wikipedia.org/wiki/' + pageLink + "?wasRedirected=true"; } if (!stopMobileRedirectCookieExists()) { document.location = mobileSiteLink(); } } // <noscript>-Emulation via <div class="noscript"></div> appendCSS('.noscript {display:none;}'); /* * Description: Stay on the secure server as much as possible */ if(wgServer == 'https://secure.wikimedia.org') { importScript( 'MediaWiki:Common.js/secure.js'); } guxke50vnf4j6lqzrk9h6bqtum71gxj javascript text/javascript Carl von Ossietzky 0 23523 26121 2010-04-28T08:10:15Z 192.109.50.10 /* Herausgeber der Weltbühne */ Korrektur der vorherigen Änderung. Sorry! {{Dieser Artikel|befasst sich mit dem Friedensnobelpreisträger Carl von Ossietzky. Weitere Bedeutungen, siehe [[Ossietzky (Begriffsklärung)]].}} [[Datei:Bundesarchiv Bild 183-93516-0010, Carl von Ossietzky.jpg|miniatur|Carl von Ossietzky in KZ-Haft (1933)]] '''Carl von Ossietzky''' (* [[3. Oktober]] [[1889]] in [[Hamburg]]; † [[4. Mai]] [[1938]] in [[Berlin]]) war ein deutscher [[Journalist]], [[Schriftsteller]] und [[Pazifist]]. Als [[Herausgeber]] der Zeitschrift ''[[Die Weltbühne]]'' wurde er im international aufsehenerregenden [[Weltbühne-Prozess|''Weltbühne''-Prozess]] 1931 wegen [[Spionage]] verurteilt, weil seine Zeitschrift auf die [[Friedensvertrag von Versailles#Militärische Bestimmungen|verbotene Aufrüstung]] der [[Reichswehr]] aufmerksam gemacht hatte. Ossietzky erhielt 1936 rückwirkend den [[Friedensnobelpreis]] für das Jahr 1935, dessen persönliche Entgegennahme ihm jedoch von der [[Nationalsozialismus|nationalsozialistischen]] Regierung untersagt wurde. == Leben == === Frühe Jahre und Ausbildung === Carl von Ossietzky wurde 1889 als einziges Kind der Eheleute Carl Ignatius von Ossietzky und Rosalie, geb. Pratzka, in Hamburg geboren. Der Vater Carl Ignatius (1848–1891) war der Sohn eines Kreisbeamten aus Oberschlesien und arbeitete nach seiner Übersiedlung nach Hamburg als Stenograf in der Anwaltskanzlei des Senators und späteren Hamburger Bürgermeisters [[Max Predöhl]]. Nebenbei betrieb er eine Speisewirtschaft. Carl wurde am 10. November 1889 im katholischen [[Hauptkirche Sankt Michaelis (Hamburg)#Der kleine Michel|Kleinen Michel]] getauft und am 23. März 1904 evangelisch-lutherisch in der [[Hauptkirche Sankt Michaelis (Hamburg)|Hauptkirche St. Michaelis]] konfirmiert. Als der Vater in Carls drittem Lebensjahr starb, übernahm dessen Schwester die Erziehung des Kindes, während sich die Mutter weiter um die Gaststätte kümmerte. Senator Predöhl unterstützte ihn weiterhin und sorgte dafür, dass er vom siebten Lebensjahr an die renommierte [[Rumbaumsche Schule]] besuchen konnte. Zehn Jahre nach dem Tod ihres Mannes heiratete Rosalie von Ossietzky den Bildhauer und [[Sozialdemokratie|Sozialdemokraten]] Gustav Walther, und beide nahmen den Jungen zu sich. Walther weckte Ossietzkys Interesse an der Politik. So besuchten sie gemeinsam Parteiveranstaltungen, auf denen der SPD-Vorsitzende [[August Bebel]] sprach, was einen nachhaltigen Eindruck bei Ossietzky hinterließ. Ossietzky versuchte nach dem achtjährigen Besuch der privaten Realschule und dem Besuch einer privaten Abendschule (Institut Dr. Goldmann) zweimal erfolglos, die staatliche Prüfung zur Mittleren Reife zu bestehen, und wurde zu einem dritten Versuch nicht mehr zugelassen. Hierbei mag die Abneigung der Schulbehörde gegen solche „Seiteneinsteiger“ eine Rolle gespielt haben, weil mit dem Bestehen dieser Prüfung das Privileg des nur einjährigen Militärdienstes verbunden war. Ossietzkys Leistungen in Mathematik bzw. im kaufmännischen Rechnen waren aber auch im Gegensatz zu anderen Fächern nur schwach. Seine Interessen waren eher auf Literatur und Geschichte gerichtet. So blieb er schon in jungen Jahren hin und wieder der Schule fern, um ungestört literarische Klassiker wie [[Friedrich Schiller|Schiller]], [[Johann Wolfgang von Goethe|Goethe]] und [[Friedrich Hölderlin|Hölderlin]] zu lesen. Da ihm eine akademische Laufbahn verwehrt war, bewarb er sich im Alter von 17 Jahren um eine Stelle bei der Hamburger Justizverwaltung. Nur der Intervention seines Fürsprechers Predöhl war es zu verdanken, dass er überhaupt zur Einstellungsprüfung zugelassen wurde. Schließlich war Ossietzky in der Warteliste für „anzustellende Hülfsschreiber“ auf Platz eins vorgerückt und trat am 1. Oktober 1907 in den Justizdienst ein. 1910 wurde er aufgrund akzeptabler Leistungen in das Grundbuchamt versetzt. Ossietzkys Biographen bemerken, dass er während seiner Zeit im Justizdienst eine Art Doppelleben geführt habe. Tagsüber verbrachte er die Stunden auf dem Amt, abends besuchte er so viele kulturelle und politische Veranstaltungen wie möglich. Nebenher schrieb er viele Gedichte. Zu den ersten literarischen Versuchen jener Zeit gehörte auch ein romantisches Theaterstück, das er für eine Hamburger Schauspielerin schrieb, in die er verliebt war. 1908 trat er der [[Demokratische Vereinigung|Demokratischen Vereinigung]] um [[Hellmut von Gerlach]] und [[Rudolf Breitscheid]] bei. [[Weltanschauung|Weltanschaulich]] stand Ossietzky dem [[Monismus]] des populären [[Zoologie|Zoologen]] und [[Darwinismus|Darwinisten]] [[Ernst Haeckel]] nahe. Mit seinem starken Diesseits- und Fortschrittsglauben war der Monismus für einen Menschen wie Ossietzky attraktiv, der sich von Wissenschaft und Technik eine Verbesserung der allgemeinen Lebensbedingungen erhoffte und als [[Atheismus|Atheist]] den Einfluss der Kirche auf Erziehung und Bildung zurückdrängen wollte. === Pazifistischer Soldat === 1911 sandte Ossietzky seinen ersten Beitrag bei der Wochenzeitung ''[[Das freie Volk]]'' ein, dem Publikationsorgan der Demokratischen Vereinigung. Aus dieser Initiative entwickelte sich in den Folgejahren eine regelmäßige Mitarbeiterschaft. Ossietzky wurde erstmals Leitartikler einer Zeitschrift. Auch für die Blätter des [[Deutscher Monistenbund|Deutschen Monistenbundes]] schrieb er regelmäßig. 1914 machte er auf eine für ihn ungewohnte Weise Bekanntschaft mit der Justiz: Aufgrund des Artikels „Das Erfurter Urteil“ wurde er wegen „öffentlicher Beleidigung“ angeklagt, weil er die damalige Militärjustiz zu stark kritisiert hatte. Die 200 Mark Geldbuße, zu der er verurteilt wurde, beglich seine Ehefrau [[Maud von Ossietzky|Maud]], die er am 19. August 1913 geheiratet hatte. Ossietzky hatte die Tochter eines britischen Kolonialoffiziers und Urenkelin einer indischen Prinzessin im Januar 1912 in Hamburg kennen gelernt. Maud Lichfield-Woods war damals in der englischen [[Frauenrechtsbewegung]] aktiv und unterstützte nach der Heirat die Pläne ihres Mannes, den Justizdienst zugunsten einer journalistischen Karriere aufzugeben. Im Januar 1914 reichte Ossietzky daher seine Kündigung ein. Zu Beginn des [[Erster Weltkrieg|Ersten Weltkrieges]] wurde Carl von Ossietzky zunächst als untauglich gemustert. Die kriegsbedingten Veränderungen innerhalb der Medien machten es ihm jedoch unmöglich, seinen Lebensunterhalt weiterhin als ein bis dato [[Pazifismus|pazifistischer]] und militärkritischer Journalist zu verdienen. Daher kehrte er im Januar 1915 wieder in den Justizdienst zurück. Im Sommer 1916 wurde er schließlich doch noch eingezogen und als [[Armierungs-Bataillon|Armierungssoldat]] an die deutsche [[Westfront (Erster Weltkrieg)|Westfront]] geschickt. Zu diesem Zeitpunkt hatte er sich schon wieder von seiner anfänglichen Kriegsbegeisterung gelöst und hielt pazifistische Vorträge in Hamburg, wo er in den Vorstand der dortigen Ortsgruppe der [[Deutsche Friedensgesellschaft|Deutschen Friedensgesellschaft]] (DFG) gewählt worden war. Ebenfalls attackierte er im Laufe des Krieges verschiedene Führer des Monistenbundes wie [[Ernst Haeckel]] und [[Wilhelm Ostwald]], die in dem Krieg ein Instrument zur weltweiten Durchsetzung der „höheren“ deutschen Kultur sahen. In seinem 1917 verfassten Manuskript ''Monismus und Pazifismus'' wandte sich Ossietzky entschieden gegen eine derartige Auslegung des [[Darwinismus|darwinistischen]] Entwicklungsgedankens und warf Haeckel und Ostwald „[[Pangermanismus|pangermanische]] Phantastereien auf Kosten der [[Humanismus|humanistischen]] Vernunft vor“ (Suhr, S. 80f.). Nach Ende des Krieges kehrte Ossietzky nach Hamburg zurück, wo er ein weiteres Mal seinen Dienst bei der Justiz quittierte. === Journalist in Berlin === Der Aufbau einer journalistischen Existenz erwies sich jedoch als schwierig. Ossietzky nahm eine gering bezahlte Stellung als Lektor im Pfadweiser-Verlag an. Ebenfalls gab er die Nullnummer des Monistenblattes ''Die Laterne'' heraus. Da er zum ersten Vorsitzenden der Hamburger DFG-Sektion gewählt wurde, war er häufig zu Vorträgen unterwegs. Auch ist er 1919 der [[Freimaurerloge]] ''Menschentum'' in Hamburg beigetreten, die zum liberal-humanistisch orientierten Freimaurerbund ''Zur aufgehenden Sonne'' gehörte. Als sich ihm Mitte 1919 schließlich die Möglichkeit bot, Sekretär der DFG in Berlin zu werden, zog das Ehepaar Ossietzky in die Reichshauptstadt. Dort zählte er im Oktober 1919 auch zu den Gründungsmitgliedern des [[Friedensbund der Kriegsteilnehmer|Friedensbundes der Kriegsteilnehmer]] (FdK), den er gemeinsam mit [[Kurt Tucholsky]] und anderen Pazifisten ins Leben rief. Da Ossietzky zu diesem Zeitpunkt bereits einen radikaleren Pazifismus als der DFG-Vorsitzende [[Ludwig Quidde]] vertrat und wenig Freude an den reinen Organisationsaufgaben fand, kündigte er im Juni 1920 seine Stelle als DFG-Sekretär und widmete sich wieder hauptberuflich dem Journalismus. Von Januar 1920 bis März 1922 schrieb er unter dem Pseudonym Thomas Murner in den ''Monistischen Monatsheften'' die ihm eingerichtete Kolumne ''Von der deutschen Republik''. Von 1920 bis 1924 arbeitete er bei der ''[[Berliner Volks-Zeitung]]'', zunächst als außenpolitischer Mitarbeiter, später als Redakteur. Daneben engagierte er sich stark in der [[Nie-wieder-Krieg|„Nie-wieder-Krieg“-Bewegung]], die unter der Führung des FdK gegründet worden war. Zu jedem Jahrestag des Kriegsausbruches, dem 1. August, organisierte ein „Aktionsausschuss Nie-wieder-Krieg“ große Veranstaltungen in verschiedenen deutschen Städten, vor allem in Berlin. Für die Bewegung gab Ossietzky außerdem ein eigenes Mitteilungsorgan heraus. Die pazifistische und journalistische Arbeit, welche Publikationen in zahlreichen Medien umfasste, reichte Ossietzky offensichtlich nicht aus, um die Ideen von Demokratie und Republik fester in der deutschen Bevölkerung zu verankern. Im März 1924 gründete er daher gemeinsam mit dem ''Volkszeitungs''-Redakteur [[Karl Vetter (RPD)|Karl Vetter]] die [[Republikanische Partei Deutschlands|Republikanische Partei]] (RPD). Ossietzky formulierte das Parteiprogramm, das von den Idealen der [[Märzrevolution]] von 1848 und der [[Novemberrevolution]] von 1918 getragen war. Es sah eine Stärkung des Staates gegenüber der Privatwirtschaft zum Zwecke des Gemeinwohls vor und enthielt vorsichtige Forderungen nach einer Sozialisierung der Industrie. Ebenfalls trat die RPD dafür ein, volksnahe Einrichtungen der Selbstverwaltung zu bilden. Auch nationalistische Töne wie die Forderung nach einer deutschen „Einheitsrepublik“ zur Einigung aller Menschen „deutscher Zunge“ und Kultur klangen an. Mit dem vagen Konzept eines demokratischen Staatssozialismus unterschied sich die Partei sowohl von der SPD wie der KPD. Diese Position sollte Ossietzky bis zum Ende der Weimarer Republik nicht mehr aufgeben, womit er auf Distanz zu den beiden großen Parteien der Arbeiterbewegung blieb. Kritiker und selbst Freunde wie Hellmut von Gerlach warfen der Partei vor allem vor, lediglich zur Zersplitterung der demokratischen und republikanischen Kräfte beizutragen. Da die Partei in der [[Reichstagswahl Mai 1924|Reichstagswahl vom Mai 1924]] nur 0,17 Prozent der Stimmen und kein Mandat erhielt, wurde sie umgehend wieder aufgelöst. Nach seinem erfolglosen Ausflug in die Parteipolitik kehrte Ossietzky nicht mehr zur ''Volkszeitung'' zurück, sondern wurde Mitarbeiter und bald darauf Redakteur von [[Stefan Großmann]]s und [[Leopold Schwarzschild]]s Zeitschrift ''[[Das Tage-Buch]]''. Doch die Zusammenarbeit mit den renommierten Journalisten währte nicht lange, da beide nach Auffassung Ossietzkys nicht scharf genug das Militär angriffen und über wichtige Themen am liebsten selber schrieben. Daher war er schon im Februar 1925 fest entschlossen, vom ''Tage-Buch'' zur ''Weltbühne'' zu wechseln. Ein gegen ihn gestellter Strafantrag bewog ihn dazu, die Kündigung aufzuschieben. Im Winter 1925/1926 kam er vorübergehend beim Berliner ''Montag-Morgen'' unter, ehe er den entscheidenden Schritt seiner Karriere wagte. === Herausgeber der ''Weltbühne'' === [[Datei:Stamps of Germany (Berlin) 1989, MiNr 851.jpg|miniatur|Carl von Ossietzky und die ''Weltbühne'' ''([[Briefmarken-Jahrgang 1989 der Deutschen Bundespost|bundesdeutsche Briefmarke, 1975]])'']] Auf Anregung Tucholskys hatte sich [[Siegfried Jacobsohn]], Herausgeber der Berliner Wochenzeitschrift ''[[Die Weltbühne]]'', von Sommer 1924 an um die Mitarbeit Ossietzkys bemüht. Es sollte noch bis zum April 1926 dauern, bis zum ersten Mal ein politischer Leitartikel von ihm in dem Blatt erschien. Nach Jacobsohns Tod wurde er von 1927 an unter Mitarbeit von [[Kurt Tucholsky]] der Herausgeber der ''Weltbühne''. Unter Leitung Ossietzkys behielt die ''Weltbühne'' ihre Bedeutung als undogmatisches Forum der radikaldemokratischen, bürgerlichen Linken bei. Dass sich Ossietzky in dieser Funktion großes Renommee erwarb, zeigt auch die Tatsache, dass er nach dem Berliner [[Blutmai]] im Mai 1929 den Vorsitz des Ausschusses übernahm, der die Hintergründe für den gewalttätigen Polizeieinsatz klären sollte. [[Datei:WBUmschlag12 03 1929.jpg|miniatur|Umschlag der inkriminierten ''Weltbühne'' vom 12. März 1929]] In den Blickpunkt der internationalen Öffentlichkeit geriet Ossietzky schließlich durch seine Anklage im so genannten [[Weltbühne-Prozess]]. Der Artikel, der zu der Anklage geführt hatte, war bereits im März 1929 erschienen und hatte die verbotene Aufrüstung der [[Reichswehr]] aufgedeckt. Ende 1931 wurden Ossietzky und der Flugzeugexperte [[Walter Kreiser]] schließlich wegen Verrats militärischer Geheimnisse zu 18 Monaten Gefängnis verurteilt. Anders als Kreiser lehnte es Ossietzky jedoch strikt ab, sich dem Gefängnisaufenthalt durch Flucht ins Ausland zu entziehen. Stattdessen erklärte er, nachdem sein Gnadengesuch abgelehnt worden war und der Haftantritt kurz bevor stand: {{Zitat|Über eines möchte ich keinen Irrtum aufkommen lassen, und das betone ich für alle Freunde und Gegner und besonders für jene, die in den nächsten achtzehn Monaten mein juristisches und physisches Wohlbefinden zu betreuen haben: – ich gehe nicht aus Gründen der Loyalität ins Gefängnis, sondern weil ich als Eingesperrter am unbequemsten bin. Ich beuge mich nicht der in roten Sammet gehüllten Majestät des Reichsgerichts sondern bleibe als Insasse einer preußischen Strafanstalt eine lebendige Demonstration gegen ein höchstinstanzliches Urteil, das in der Sache politisch tendenziös erscheint und als juristische Arbeit reichlich windschief.|„Rechenschaft“|Quelle=''Die Weltbühne'', 10. Mai 1932, S. 690}} Von dem ''Weltbühne''-Mitarbeiter [[Walter Mehring]] ist die Episode überliefert, dass der spätere Reichskanzler [[Kurt von Schleicher]] persönlich in die Redaktion der Zeitschrift gekommen sei, um Ossietzky zur Ausreise in die [[Schweiz]] zu überreden. Ossietzky kommentierte diesen Versuch mit den Worten: ''„Jetzt sollen die Herren, die mir die Gefängnissuppe eingebrockt haben, sie auch selber auslöffeln.“'' Einen Aufschrei der Empörung in der demokratischen und sozialdemokratischen Presse rief Ossietzky hervor, als er vor der [[Reichspräsidentenwahl 1932]] empfahl, für den kommunistischen Kandidaten [[Ernst Thälmann]] zu stimmen. Seine Empfehlung wirkt umso verwunderlicher, wenn man berücksichtigt, dass Ossietzky noch im Januar 1932 der KPD vorgeworfen hatte, mit der Aufstellung Thälmanns „''in der allerunmöglichsten Weise reagiert''“ und einen gemeinsamen linken Kandidaten verhindert zu haben. Aus Kreisen um die ''Weltbühne'' war zuvor der Vorschlag gekommen, [[Heinrich Mann]] als Kandidaten gegen Hitler und Hindenburg aufzustellen, doch die KPD hatte an ihrem Vorsitzenden festgehalten. Bei seiner Empfehlung vor dem ersten Wahlgang räumte Ossietzky außerdem ein, dass die Stimme für Thälmann „''kein Vertrauensvotum für die Kommunistische Partei''“ bedeute. In seinen Augen siegte mit Amtsinhaber [[Paul von Hindenburg]] kein Programm, sondern ein {{Zitat|historischer Name, der, realpolitisch betrachtet, jedoch nur ein Zéro darstellt, vor das erst eine konkrete Größe zu setzen ist. Wer diese Zahl setzen darf, der wird am Ende der wirkliche Sieger sein.|„Gang zwei“|Quelle=''Die Weltbühne'', 22. März 1932, S. 427}} [[Datei:Bundesarchiv Bild 183-B0527-0001-861, Carl von Ossietzky vor der Strafanstalt Berlin-Tegel.jpg|miniatur|hochkant=1.5|Vor der Strafanstalt in Berlin-Tegel. V.l.n.r.: [[Kurt Grossmann]], [[Rudolf Olden]], beide Deutsche Liga für Menschenrechte; Carl von Ossietzky, [[Alfred Apfel]], Rechtsanwalt; [[Kurt Rosenfeld]]]] Bei seiner Ablehnung der „''politischen Null''“ Hindenburg nahm Ossietzky keine Rücksicht darauf, dass dieser zum gleichen Zeitpunkt über sein Gnadengesuch im ''Weltbühne''-Prozess zu entscheiden hatte. Da das Gesuch Ende März 1932 abgelehnt wurde, trat Ossietzky am 10. Mai 1932 seine Haftstrafe im Gefängnis Berlin-Tegel an. Zahlreiche Freunde und politische Weggefährten ließen es sich nicht nehmen, Ossietzky bis an das Tor der Haftanstalt zu begleiten. Wegen des berühmt gewordenen Tucholsky-Satzes „[[Soldaten sind Mörder]]“ klagte man von Ossietzky ebenfalls an. Ein Gericht wertete im Juli 1932 diesen Satz jedoch nicht als [[Verunglimpfung]] der Reichswehr und sprach den bereits Inhaftierten von der neuen Anklage frei. Aufgrund einer Weihnachtsamnestie für politische Häftlinge wurde Ossietzky am 22. Dezember 1932 nach 227 Tagen Haft vorzeitig entlassen. === Folter und KZ-Haft === [[Datei:Gedenktafel Seidelstr 39 (Tegel) Carl von Ossietzky.JPG|miniatur|links|Gedenktafel an der [[Justizvollzugsanstalt Tegel]], Seidelstraße 39, in [[Berlin-Tegel]]]] Als engagierter Pazifist und Demokrat wurde er am 28. Februar 1933 durch die [[Nationalsozialismus|Nationalsozialisten]] erneut verhaftet und im [[Kriegsverbrechergefängnis Spandau|Gefängnis Berlin-Spandau]] interniert. Bis zuletzt hatte Ossietzky gehofft, dass sich eine [[Einheitsfront]] aus [[Sozialdemokratische Partei Deutschlands|Sozialdemokraten]] und [[Kommunistische Partei Deutschlands|Kommunisten]] der drohenden Diktatur der Nationalsozialisten entgegenstellen könnte. Er glaubte, dass die [[Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei|NSDAP]] nach einer Regierungsübernahme an ihren inneren Widersprüchen zerbrechen würde. Auch hinderten private Gründe ihn daran, sich der zu erwartenden Verhaftung durch eine Flucht ins Ausland zu entziehen (siehe [[#Unfreiwilliger Märtyrer?|unten]]). Bei den Bücherverbrennungen durch Studenten in Berlin und anderen Städten am 10. Mai wurde gegen Ossietzky und Tucholsky gehetzt: „Gegen Frechheit und Anmaßung, für Achtung und Ehrfurcht vor dem unsterblichen deutschen Volksgeist! Verschlinge, Flamme, auch die Schriften von Tucholsky und Ossietzky!“ (s. auch [[Bücherverbrennung 1933 in Deutschland]]) [[Datei:Stamps of Germany (DDR) 1964, MiNr 1051.jpg|miniatur|Die DDR-Marke zeigt Carl von Ossietzky im KZ Sonnenburg]] Von Spandau aus wurde Ossietzky am 6. April 1933 in das neu errichtete Konzentrationslager [[KZ Sonnenburg|Sonnenburg]] bei [[Küstrin]] verschleppt. Dort wurde er ebenso wie die anderen Häftlinge schwer misshandelt. Die Zustände in dem anfänglich von der [[SA]] geführten Lager führten schließlich dazu, dass die [[SS]] unter [[Heinrich Himmler]] im Frühjahr 1934 das Lagersystem professionalisierte. Ossietzky wurde mit weiteren bekannten Häftlingen von Sonnenburg in das [[KZ Esterwegen]] im nördlichen [[Emsland]] verlegt. Dort mussten die Gefangenen unter unerträglichen Bedingungen die dortigen Moore umgraben. Ende 1934 wurde der völlig abgemagerte Ossietzky in das Krankenrevier verlegt. Dem Bericht eines Mithäftlings zufolge sollte Ossietzky im Krankenlager durch Spritzen getötet werden. Ob Ossietzky aber, wie der Häftling behauptet, tatsächlich Tuberkulose-Bazillen injiziert wurden, ist nicht zweifelsfrei erwiesen.<ref>Hermann Vinke: Carl von Ossietzky. Hamburg 1978, S. 138f.</ref> Im Herbst 1935 besuchte der Schweizer Diplomat [[Carl Jacob Burckhardt]] das KZ Esterwegen. Dabei gelang es ihm, auch Ossietzky zu treffen, den er anschließend als ein ''„zitterndes, totenblasses Etwas, ein Wesen, das gefühllos zu sein schien, ein Auge verschwollen, die Zähne anscheinend eingeschlagen“'' beschrieb. Ossietzky sagte zu Burckhardt: {{Zitat|Danke, sagen Sie den Freunden, ich sei am Ende, es ist bald vorüber, bald aus, das ist gut. […] Danke, ich habe einmal Nachricht erhalten, meine Frau war einmal hier; ich wollte den Frieden.|Carl von Ossietzky<ref>Carl Jacob Burckhardt: ''Meine Danziger Mission: 1927 bis 1939''. München 1960, S. 60f.</ref>}} Aufgrund der im folgenden Absatz geschilderten öffentlichen Aufrufe wurde Ossietzky schließlich im Mai 1936 in das Berliner Staatskrankenhaus der Polizei überführt, wo eine schwere offene [[Tuberkulose|Lungentuberkulose]] im fortgeschrittenen Zustand diagnostiziert wurde. === Nobelpreiskampagne === Bereits 1934 stellten Ossietzkys Freunde [[Berthold Jacob]] in Straßburg und [[Kurt Grossmann]] in Prag im Namen der [[Deutsche Liga für Menschenrechte|Deutschen Liga für Menschenrechte]] (deren Vorstand er von 1926 bis 1927 angehört hatte) den ersten offiziellen Antrag zur Ehrung Ossietzkys mit dem [[Friedensnobelpreis]]. Doch dieser Versuch war zum Scheitern verurteilt, weil die Antragsfrist für das Jahr 1934 bereits abgelaufen und die Menschenrechts-Liga nicht vorschlagsberechtigt war. Da Jacob aber die Presse über den Vorschlag informiert hatte, war von diesem Zeitpunkt an die Aufmerksamkeit auf den KZ-Häftling Ossietzky gerichtet. [[Datei:WeltbuehneKantstr.jpg|miniatur|links|Gedenktafel für Ossietzky in der Kantstr. 152, Berlin]] Andere Freunde Ossietzkys, wie Hellmut von Gerlach und die früheren Mitarbeiterinnen [[Hilde Walter]], [[Milly Zirker]] und [[Hedwig Hünecke]] versuchten den Inhaftierten auf eher verborgene Art und Weise zu unterstützen. Sie förderten 1935 die erneuerte Kampagne, indem sie bei zahlreichen ausländischen Prominenten um die Unterstützung des Vorschlags warben. Sie fürchteten, dass eine zu offensiv vorgetragene Kampagne der deutschen Exilanten dem Inhaftierten eher schaden könnte. Daher hielt sich auch [[Kurt Tucholsky]] mit öffentlichen Äußerungen in dieser Frage zurück, wiewohl er seinen Einfluss durch persönliche Briefe geltend zu machen versuchte. Trotz der Mobilisierung der internationalen Öffentlichkeit scheute sich das Nobelpreiskomitee im Jahre 1935, den Preis an Ossietzky zu vergeben. Denn die nationalsozialistische Regierung hatte starken außenpolitischen Druck auf die norwegische Regierung ausgeübt. Daraufhin wurde der Preis für 1935 keinem anderen Kandidaten verliehen. Die Kampagne ging im Jahre 1936 unvermindert weiter, was schließlich dazu führte, dass Ossietzky kurz vor den Olympischen Spielen 1936 schwerkrank aus dem KZ entlassen und in das Staatskrankenhaus in Berlin verlegt wurde. Am 7. November 1936 wurde er offiziell aus der Haft entlassen und bezog zunächst ein Zimmer im Krankenhaus Westend, unter ständiger Bewachung der [[Geheime Staatspolizei|Gestapo]]. Trotz dieser Zugeständnisse hatte die internationale Kampagne, die in Norwegen von dem deutschen Emigranten [[Willy Brandt]] organisiert wurde, ihr Ziel inzwischen erreicht. Am 23. November 1936 wurde Carl von Ossietzky rückwirkend der Friedensnobelpreis des Jahres 1935 zugesprochen. Der damalige preußische Ministerpräsident [[Hermann Göring]] drängte Ossietzky persönlich dazu, den Preis nicht anzunehmen. Doch vergeblich, Ossietzkys Antwort lautete: {{Zitat|Nach längerer Überlegung bin ich zu dem Entschluß gekommen, den mir zugefallenen Friedensnobelpreis anzunehmen. Die mir von dem Vertreter der Geheimen Staatspolizei vorgetragene Anschauung, daß ich mich damit aus der deutschen Volksgemeinschaft ausschließe, vermag ich nicht zu teilen. Der Nobelpreis für den Frieden ist kein Zeichen des innern politischen Kampfes, sondern der Verständigung zwischen den Völkern.|Carl von Ossietzky}} Die Gestapo lehnte es ab, Ossietzky zur Entgegennahme des Preises nach Oslo reisen zu lassen. Der Diktator [[Adolf Hitler]] verfügte anschließend, dass in Zukunft kein Reichsdeutscher mehr einen Nobelpreis annehmen dürfe. Statt dessen wurde von 1937 an der [[Deutscher Nationalpreis für Kunst und Wissenschaft|Deutsche Nationalpreis für Kunst und Wissenschaft]] vergeben. [[Datei:Ossietzky_Grab.jpg|miniatur|Grab Carl von Ossietzkys]] Wenige Tage nach der Verleihung des Nobelpreises wurde Ossietzky in das Krankenhaus Nordend (Berlin-Niederschönhausen) verlegt, da dort eine spezielle TBC-Abteilung existierte. Eine tragische Rolle spielte Maud von Ossietzky bei dem Versuch, das mit der Verleihung des [[Friedensnobelpreis]]es verbundene Preisgeld sinnvoll anzulegen. Sie fiel dabei auf den Rechtsanwalt [[Kurt Wannow]] herein, der ihr versicherte, die Preissumme in Höhe von knapp 100.000 Reichsmark zu verwalten. Doch Wannow veruntreute das Geld, so dass es schließlich zum Prozess kam. Am 4. Mai 1938 starb Ossietzky im Krankenhaus Nordend an den Folgen der Tuberkulose. Er hinterließ seine Frau Maud und seine Tochter [[Rosalinde von Ossietzky-Palm|Rosalinde]], die über England nach Schweden hatte emigrieren können. Ossietzkys Grab – ein Ehrengrab der Stadt Berlin – wie auch das seiner Frau Maud befinden sich auf dem Friedhof 4 am Herthaplatz in Berlin-Niederschönhausen. == Einzelaspekte und Rezeption == === Herausragender Stilist === Ossietzky wurde von seinen Zeitgenossen als großartiger Stilist gewürdigt und verschiedentlich mit [[Voltaire]], [[Maximilian Harden]] oder sogar [[Heinrich Heine]] verglichen. {{Zitat|Sein bestes Porträt ist sein Stil. Sein klares und geschmeidiges Deutsch, das sicher sitzende Wort, der knappe und locker schwingende Rhythmus seiner Sätze, die geheime Ironie seiner Anspielungen, oft humorig überglänzt und der unerbittlich sitzende Florettstoß seines Angriffs [...]|[[Arnold Zweig]]<ref>Ursula Madrasch-Groschopp: ''Die Weltbühne. Porträt einer Zeitschrift.'' Berlin 1983, S. 212</ref>}} Hervorzuheben ist auch, dass Ossietzky der einzige Mitarbeiter der ''Weltbühne'' war, dem Siegfried Jacobsohn erlaubte, seine Texte unbesehen an die Druckerei zu schicken. Diese Ehre wurde nicht einmal Tucholsky zuteil. [[Datei:DBP - Nobelpreisträger, Carl von Ossietzky - 50 Pfennig - 1975.jpg|miniatur|Carl von Ossietzky ''([[Briefmarken-Jahrgang 1975 der Deutschen Bundespost|bundesdeutsche Briefmarke, 1975]])'']] Hinter dem offensiven und angriffsfreudigen Stil verbarg sich jedoch ein sehr zurückhaltender und schüchterner Mensch, wie von seinen Freunden und Mitarbeitern übereinstimmend berichtet wurde. Jacobsohn bezeichnete Ossietzky nach dem ersten Kennenlernen als einen der „größten Umstandskommissare, die mir je begegnet sind“, aber seine Sprache sei „nicht von Pappe“. Tucholsky charakterisierte ihn nach dessen Verhaftung durch die Nationalsozialisten: {{Zitat|Dieser ausgezeichnete Stilist, dieser in der Zivilcourage unübertroffene Mann, hat eine merkwürdig lethargische Art, die ich nicht verstanden habe, und die ihn wohl auch vielen Leuten, die ihn bewundern, entfremdet. Es ist sehr schade um ihn. Denn dieses Opfer ist völlig sinnlos.|[[Kurt Tucholsky]]|Quelle=Brief an Walter Hasenclever vom 4. März 1933}} Von seinem Mitarbeiter [[Rudolf Arnheim]] wurde Ossietzky in seiner stillen und bescheidenen Art dagegen als der einzige wirkliche Held bezeichnet, den er je gekannt habe. Er schilderte Ossietzkys Auftreten wie folgt: {{Zitat|Zurückhaltend und schweigsam, die Zigarette in der leise zitternden Hand, die Augen niedergeschlagen, wirkte er wie ein feinsinniger Aristokrat, den Besuchern nicht leicht zugänglich, den Freunden und Mitarbeitern aber ein warmherziger Kamerad, ein selbstloser Helfer [...]|[[Rudolf Arnheim]]<ref>Ursula Madrasch-Groschopp: ''Die Weltbühne. Porträt einer Zeitschrift.'' Berlin 1983, S. 213</ref>}} === Umstrittener Redakteur === Über Ossietzkys Leistungen als Redakteur schieden sich zu seinen Lebzeiten die Geister. Vor allem die Zusammenarbeit zwischen Tucholsky und Ossietzky verlief nicht ohne Spannungen, da Ossietzky vom Typus her ein völlig anderer Redakteur als Tucholskys Mentor Jacobsohn war. Aus den Briefen Tucholskys an seine Frau [[Mary Gerold]] geht hervor, dass dieser in den Jahren 1927 und 1928 alles andere als zufrieden über die Arbeitsweise seines Nachfolgers „Oss“ war. Typische Briefpassagen lauteten: „Oss antwortet überhaupt nicht - geht auf nichts ein - und zwar sicherlich nicht aus Gemeinheit, sondern aus Faulheit“ (14. August 1927); „Oss ganz weit weg. Ich habe den lebhaften Eindruck, zu stören. Er mag mich nicht u. ich ihn nicht mehr. Behandelt mich um die entscheidende Nuance zu wenig respektvoll. Kriegt auf den Kopf“ (20. Januar 1928); „Oss ist ein aussichtsloser Fall - er weiß nicht einmal, wie langweilig er alles macht. Er ist faul und unfähig.“ (25. September 1929) Erst in den kommenden Jahren sollten sich die beiden Journalisten inhaltlich und persönlich näherkommen, so dass Tucholsky im Mai 1932 schließlich einräumte, Ossietzky habe dem Blatt einen „gewaltigen Auftrieb“ gegeben. Nach Ansicht des ''Weltbühne''-Mitarbeiters [[Kurt Hiller]] fehlte Ossietzky die „redaktorische Leidenschaft“ völlig, so dass sich das Blatt unter dessen Leitung gleichsam selbst redigiert habe. Hiller wird jedoch nachgesagt, dass er selbst Ambitionen auf die Herausgeberschaft der ''Weltbühne'' besessen und Ossietzky daher stets als lästigen Widersacher betrachtet habe, den er nicht auf seine eigene politische Linie bringen konnte. Ossietzkys engere Mitarbeiter, meist junge Nachwuchsjournalisten wie Arnheim und [[Walther Karsch]], bewunderten jedoch dessen kameradschaftliche Art. Nach Ansicht von Arnheim redigierte Ossietzky nicht aus Bequemlichkeit, sondern aus Respekt vor der Meinungsfreiheit wenig an den Beiträgen seiner bewährten Mitarbeiter. Dass Ossietzky alles andere als faul gewesen sein muss, bekam auch seine Familie zu spüren. Tochter Rosalinde, die man zwischenzeitlich in ein Kinderheim in [[Lehnitz]] bei Berlin gegeben hatte, beklagte sich rückblickend: „Das Blatt nahm mir meinen Vater und machte meine Mutter krank“, womit die Alkoholsucht von Maud von Ossietzky gemeint war. === Unfreiwilliger Märtyrer? === Die Forschung konnte bislang nicht zweifelsfrei klären, ob Ossietzky nach der [[Machtergreifung|Machtübernahme]] der Nationalsozialisten bewusst in Deutschland geblieben ist oder ob sie mit der Verhaftung lediglich einer geplanten oder zumindest beabsichtigten Flucht zuvorkamen. Von Ossietzky selbst sind keine eindeutigen Stellungnahmen zu dieser Frage überliefert. Seine engeren Freunde widersprechen sich zum Teil in ihren Angaben. In Gesprächen mit Journalisten wie [[Béla Balázs]] und [[Frank Leschnitzer]] soll sich Ossietzky unbeugsam gegeben und mit Blick auf seine Glaubwürdigkeit eine Flucht abgelehnt haben. Sein Mitarbeiter Rudolf Arnheim erklärte dagegen, dass Ossietzky grundsätzlich zu Flucht bereit gewesen sei und nur noch das Ergebnis der Reichstagswahlen vom 5. März habe abwarten wollen. Ebenfalls soll er die Sekretärin der ''Weltbühne'' nicht daran gehindert haben, eine Auslandsfahrkarte zu bestellen. Durch Warnungen befreundeter Beamter, wie [[Robert Kempner]], war Ossietzky außerdem bekannt, dass die Nationalsozialisten Verhaftungslisten vorbereitet hatten, die seinen Namen enthielten. Ein entscheidender Grund für Ossietzkys zögerliche Haltung war vermutlich die Alkoholkrankheit seiner Frau Maud. Da die Familie keine finanziellen Rücklagen besaß und sich Anfang 1933 sogar verschuldet hatte, um erstmals eine eigene Wohnung einrichten zu können, war sie auf die Einnahmen Ossietzkys dringend angewiesen. Vom Ausland her wäre es ihm vermutlich unmöglich gewesen, für die Versorgung seiner Familie aufzukommen. Ausschlaggebend für die Verhaftung war ebenfalls sein Verhalten am 27. Februar 1933, dem Abend des [[Reichstagsbrand]]es. An diesem Abend hielt sich Ossietzky mit einigen Freunden wie Hellmut von Gerlach, Hilde Walter und Milly Zirker in der Wohnung der Journalistin und Architektin [[Gusti Hecht]] auf. Hecht wird in verschiedenen Briefen Walters als ''die'' Freundin Ossietzkys bezeichnet, und die beiden hatten demnach, wenn man weitere Angaben hinzuzieht, ein Verhältnis miteinander. Da die Runde vom Reichstagsbrand erfahren hatte, wurde Ossietzky dringend davon abgeraten, in dieser Nacht in seine Wohnung zurückzukehren. Dieser ignorierte jedoch den Rat und blieb nicht, wie schon häufiger zuvor, in der Wohnung seiner Freundin. Statt dessen verließ er sich darauf, dass an seiner Wohnungstür keine Namen stünden und die Polizei ihn deswegen nicht finden werde. Bei dieser Entscheidung mag ebenfalls die Sorge um seine Frau Maud eine Rolle gespielt haben. Am frühen Morgen des 28. Februar wurde er verhaftet. Anderen Mitarbeitern der ''Weltbühne'', wie Hellmut von Gerlach, gelang dagegen die Flucht ins Ausland. Trotz dieser unklaren Umstände wurde Ossietzky von den Exilanten schon bald zum Märtyrer stilisiert, der sich freiwillig in die Hände der Nationalsozialisten begeben habe: {{Zitat|Georg Bernhard und Thomas Mann nannten Ossietzky den ‚Märtyrer der Friedensidee‘, Heinrich Mann sprach wiederholt vom ‚Dulder‘, Arnold Zweig griff das Märtyrer-Motiv in einem Beitrag für eine Werbeschrift zugunsten von Ossietzkys Nobelpreis-Kandidatur auf, und Kurt Tucholsky sprach kritisch vom ‚Märtyrer ohne Wirkung‘.|Christoph Schottes<ref>Christoph Schottes: ''Die Friedensnobelpreiskampagne für Carl von Ossietzky in Schweden''. Oldenburg 1997, S. 54</ref>}} In diesem Zusammenhang wurde häufig die Erklärung herangezogen, die er 1932 vor seinem Haftantritt gegeben hatte: {{Zitat|Der ausschließlich politische Publizist namentlich kann auf die Dauer nicht den Zusammenhang mit dem Ganzen entbehren, gegen das er kämpft, für das er kämpft, ohne in Exaltationen und Schiefheiten zu verfallen. Wenn man den verseuchten Geist eines Landes bekämpfen will, muß man dessen allgemeines Schicksal teilen.|„Rechenschaft“|Quelle=''Die Weltbühne'', 10. Mai 1932, S. 691}} Ob diese Überzeugung vom Mai 1932 auch nach dem Machtwechsel vom Januar 1933 noch Geltung hatte, wird abschließend wohl nie geklärt werden können. === Haltung zur Republik === Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges wurde Vertretern der radikalen Linken häufig der Vorwurf gemacht, mit ihren unversöhnlichen Angriffen auf Repräsentanten der Weimarer Republik zu deren Untergang beigetragen zu haben. Diese Vorwürfe galten auch Tucholsky und Ossietzky als Herausgeber der ''Weltbühne''. So kritisierte ''[[Der Spiegel]]''-Herausgeber [[Rudolf Augstein]] die überzogenen Ansprüche des Blattes an die Politiker: {{Zitat|In ihrem gedanklichen und formalästhetischen Bereich waren die Protagonisten der ''Weltbühne'' Persönlichkeiten, dies zweifellos. Aber das verführte sie zu einer überzogenen Persönlichkeitssuche im politischen Raum, wo die Tatsachen bekanntlich nicht aus ätherischem Stoff sind. Ein regierender Sozialdemokrat hatte allemal den Vorzug, als Persönlichkeit glatt durchzufallen. Er hieß dann etwa ‚Füllfederhalterbesitzer [[Hermann Müller (Reichskanzler)|Hermann Müller]]‘.|[[Rudolf Augstein]]<ref>„Eine Republik und ihre Zeitschrift“, in: ''Der Spiegel'', 1978, 42, S. 239–249, hier S. 249</ref>}} Dieser Angriff zielte auf Ossietzky, der beispielsweise an dem sozialdemokratischen Finanzpolitiker [[Rudolf Hilferding]] bemängelt hatte, ihm fehle „der wehende Helmbusch“ und das, „was enthusiasmiert“. Augstein zählte daher die ''Weltbühne'' zu den Totengräbern der Weimarer Republik, allerdings mit der Einschränkung, wonach es in den seltensten Fällen die Totengräber seien, „die einen Leichnam zu Tode bringen. Vielmehr, sie tun den Leichnam, den bereits toten, unter die Erde.“ Zu einem ebenfalls heftigen Schlag gegen Ossietzky holte Anfang der 1980er Jahre der Historiker [[Hans-Ulrich Wehler]] aus. In einem Essay verglich er die Leistungen von Leopold Schwarzschilds ''[[Das Tage-Buch|Tage-Buch]]'' mit Ossietzkys ''Weltbühne'' und kam zu dem Schluss: {{Zitat|Auch radikale publizistische Kritik muß jede Demokratie vertragen können. Aber die Verantwortungsethik demokratischer Journalisten darf sie die Grenze zur prinzipiellen Staatsfeindlichkeit nicht überschreiten lassen. Auf seine Art hat Carl v. Ossietzky mit der ''Weltbühne'' jedoch dazu beigetragen, die tief angeschlagene Republik noch weiter zu schwächen, ja durch seine von links aus geübte Kritik, ohne Pardon zu geben, aktiv zu diskreditieren. Von der linken ''Weltbühne'' ging, mochte v. Ossietzky auch glauben, stets für die Republik zu kämpfen, schließlich eine tendenziell destruierende Wirkung aus [...]|[[Hans-Ulrich Wehler]]<ref>Hans-Ulrich Wehler: „Leopold Schwarzschild contra Carl v. Ossietzky. Politische Vernunft für die Verteidigung der Republik gegen ultralinke ‚Systemkritik‘ und Volksfront-Illusionen“, in: Ders.: ''Preußen ist wieder chic ... Politik und Polemik in zwanzig Essays.'' Frankfurt a.M. 1983, S. 77-83</ref>}} Dass Ossietzky gegen Ende der Weimarer Republik darauf gehofft hatte, eine Art [[Einheitsfront]] aus Sozialdemokraten und Kommunisten könne den Weg ins Dritte Reich blockieren, bezeichnete Wehler als „Gefühlsduseligkeit der Volksfrontromantik“ und erklärte diese mit einem „im strengen Freudschen Sinne gravierenden Realitätsverlust“. Ebenfalls wird häufig angemerkt, dass Ossietzky die Gefährlichkeit des Nationalsozialismus unterschätzt habe. Kurz vor dem [[Reichstagswahl 1930|Wahlerfolg]] der Nazis vom 14. September 1930 analysierte er zum Beispiel in einer kommunistischen Zeitschrift: {{Zitat|Die nationalsozialistische Bewegung hat eine geräuschvolle Gegenwart, aber gar keine Zukunft. Sie lebt von der Erregung plötzlich proletarisierter Schichten, welchen politischen und ökonomischen Kräften sie den Sturz aus bürgerlicher Geborgenheit in ein soziales [[Paria]]tum verdanken. Der Nationalsozialismus hat bisher nicht bewiesen, dass er die altorganisierte Arbeiterschaft und ihren jungen Nachwuchs zu erfassen vermag. […] Diese Bewegung hat keine Idee und kein Prinzip und deshalb wird sie nicht leben können.|Carl von Ossietzky<ref>Carl von Ossietzky: „Nationalsozialismus oder Kommunismus“, in: ''Der Rote Aufbau'', hg. v. [[Willi Münzenberg]], September 1930</ref>}} Gleichfalls scheint Ossietzky die Person Adolf Hitlers als durchsetzungsfähigen Politiker unterschätzt zu haben. In diesem Zusammenhang wird gerne ein Text vom Februar 1931 als Beleg herangezogen, in dem es heißt: {{Zitat|Aber dieser deutsche [[Duce]] ist eine feige, verweichlichte Pyjamaexistenz, ein schnell feist gewordener Kleinbürgerrebell, der sichs wohlsein läßt und nur sehr langsam begreift, wenn ihn das Schicksal samt seinen Lorbeeren in beizenden Essig legt. Dieser Trommler haut nur in der Etappe aufs Kalbfell.|„Brutus schläft“|''Die Weltbühne'', 3. Februar 1931, S. 157}} Hinter dieser Einschätzung stand wohl die Überzeugung, dass es Hitler nicht gelingen könne, auf legalem Wege mit seiner Partei die Macht zu übernehmen. Statt dessen hätte er nach dem [[Reichstagswahl 1930|Wahlerfolg]] vom 14. September 1930 die Gunst der Stunde nutzen und mit seinen berauschten Anhängern die Macht ergreifen müssen. Ossietzky bezweifelte, dass die nationalsozialistische Bewegung, vor allem die SA, noch weitere Jahre in der Opposition verharren könne. Dennoch warnte er eindringlich vor dem „Elefantentritt des Fascismus“, unter dem das Land seiner Auffassung nach schon 1932 zitterte. Zur Entlassung von [[Franz Höllering]], der als Chefredakteur der ''[[B.Z. am Mittag]]'' kritisch über Hitlers Luftflotte berichtet hatte, schrieb Ossietzky: {{Zitat|[…] niemand, der nicht der Presse beruflich verbunden ist, kann die Tragweite des Falles Höllering beurteilen. […] Jeder Redakteur eines noch republikanischen bürgerlichen Blattes wird sich danach fragen, ob er es noch in Zukunft wird wagen dürfen, eine Nachricht zu bringen, die Hitler unangenehm ist und vielleicht sogar ein Stirnrunzeln hoher militärischer Stellen hervorruft. […] Das sind die unerhört weitreichenden Folgen des Falles Höllering, und deshalb ist das Verhalten des Hauses Ullstein mehr als ein Irrtum deroutierter Geschäftsleute. Es ist die skandalöseste Kapitulation vor dem Nationalsozialismus, die bisher zu verzeichnen war. Es ist ein Verbrechen an der deutschen Pressefreiheit, mitten in ihrer schwersten Krise.|„Der Fall Franz Höllering“|Quelle=''Die Weltbühne'', 5. Januar 1932, S. 1ff}} Als Kurt von Schleicher am 28. Januar 1933 seinen Rücktritt als Reichskanzler erklärte, reagierte Ossietzky mit erstaunlicher Gelassenheit, forderte aber energisch die Rückkehr zu einer parlamentarisch legitimierten Regierung: {{Zitat|Schöner Konsum an Rettern. Wieder einer futsch. Wenn das autoritäre Regime so weiter wirtschaftet, dann wird es bald heißen: Jeder Deutsche einmal Reichskanzler! Eltern kinderreicher Familien, hier winkt noch eine Chance! […] Wird nicht sofort und bedingungslos der Weg zur Verfassung wieder angetreten – und dazu gehört auch der Rücktritt des Reichspräsidenten –, so wird die außerparlamentarische Regierungsweise mit außerparlamentarischen Abwehrmethoden von unten beantwortet werden. Denn es gibt auch ein Notrecht des Volkes gegen abenteuerliche experimentierende Obrigkeiten.|„Kamarilla“|Quelle=''Die Weltbühne'', 31. Januar 1933, S. 153ff.}} Dieser Sarkasmus hatte seine Ursache darin, dass Ossietzky – ganz ähnlich wie auch sein ''Weltbühnen''-Kollege Kurt Tucholsky – wenig Unterschied zwischen dem Präsidialregime und der zu erwartenden Regierungsbeteiligung der Nationalsozialisten sah. Er hatte wie viele Zeitgenossen offenbar nicht vorausgesehen, wie rasch deren schrankenlose Brutalität einsetzen würde. Noch am 14. Februar 1933 konstatierte er in der ''Weltbühne'', es sei vor allem Vizekanzler [[Franz von Papen]], ''in dem man bis auf weiteres überhaupt das Haupt der Regierung erblicken muss''. Allerdings hatte Ossietzky nach seiner Verurteilung im ''Weltbühne''-Prozess bereits festgehalten: {{Zitat|Wenn im Dritten Reich erst einmal nach der [[Boxheimer Dokumente|Plattform von Boxheim]] regiert werden wird, dann werden Verräter wie Kreiser und ich ohne Aufhebens füsiliert. Wir sind noch nicht ins SA.-Paradies eingegangen, wir wahren noch das Dekorum des Rechtsverfahrens. […]<br /> Wir stehen an einem schicksalshaften Wendepunkt. In absehbarer Zeit kann der offene Fascismus ans Ruder kommen. Dabei ist es ganz gleichgültig, ob er sich seinen Weg mit sozusagen legalen Mitteln freimacht oder mit solchen, wie sie der Henkersphantasie eines hessischen Gerichtsassessors entstiegen sind. Das Wahrscheinlichste dürfte ein Zusammenfassung von beiden Methoden sein: eine Regierung, die beide Augen zudrückt, während die Straße der Hooligan- und Halsabschneiderarmee der SA.-Kommandeure ausgeliefert bleibt, die jede Opposition als ‚Kommune‘ blutig unterdrücken. Noch ist die Möglichkeit der Zusammenfassung aller <!--sic--> anti-fascistischen Kräfte vorhanden. Noch! Republikaner, Sozialisten und Kommunisten, in den großen Parteien Organisierte und Versprengte – lange werdet ihr nicht mehr die Chance haben, eure Entschlüsse in Freiheit zu fassen und nicht vor der Spitze der Bajonette!|„Der Weltbühnen-Prozeß“|Quelle=''Die Weltbühne'', 1. Dezember 1931, S.803–811}} === Wiederaufnahmeverfahren === In den 1980er Jahren wurde von deutschen Juristen versucht, eine Wiederaufnahme des ''Weltbühne''-Prozesses zu erreichen. Damit sollte das Urteil von 1931 revidiert werden. Rosalinde von Ossietzky-Palm, einziges Kind Carl von Ossietzkys, leitete als Antragsberechtigte am 1. März 1990 beim Berliner [[Kammergericht]] das Verfahren in die Wege. Als neue Beweismittel wurden die Gutachten zweier Sachverständiger vorgelegt, die zeigen sollten, dass die französische Armee bereits vor der Veröffentlichung des Textes über die Aktivitäten der Reichswehr informiert war. Außerdem hätten einige der beanstandeten „Geheimnisse“ nicht den Tatsachen entsprochen. Das Kammergericht erklärte eine Wiederaufnahme des Verfahrens als unzulässig. Die neuen Gutachten seien nicht als Tatsachen oder Beweismittel ausreichend, um von Ossietzky nach damaligen Recht freizusprechen. Der [[Bundesgerichtshof]] lehnte anschließend eine Beschwerde gegen die Entscheidung des Kammergerichtes ab: {{Zitat|Nach der Rechtsprechung des Reichsgerichtes schloß die Rechtswidrigkeit der geheim gehaltenen Vorgänge die Geheimniseigenschaft nicht aus. Jeder Staatsbürger schuldet nach Auffassung des Reichsgerichtes seinem Vaterland eine Treuepflicht des Inhalts, daß das Bestreben nach der Einhaltung der bestehenden Gesetze nur durch eine Inanspruchnahme der hierzu berufenen innerstaatlichen Organe und niemals durch eine Anzeige bei ausländischen Regierungen verwirklicht werden durfte.|Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 3. Dezember 1992}} === Preise und Ehrungen === [[Datei:Ossietzky.jpg|miniatur|Carl-von-Ossietzky-Denkmal in der Ossietzkystraße Berlin]] * Seit 1962 verleiht die deutsche [[Internationale Liga für Menschenrechte]] (Berlin) die [[Carl-von-Ossietzky-Medaille]] * Eine weitere [[Carl-von-Ossietzky-Medaille (Friedensrat der DDR)|Carl-von-Ossietzky-Medaille]] wurde seit 1963 vom [[Friedensrat der DDR]] verliehen * 1983 wurde die Hamburger Staatsbibliothek in [[Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg Carl von Ossietzky]] umbenannt. * Die Stadt Oldenburg verleiht seit 1984 alle zwei Jahre den [[Carl-von-Ossietzky-Preis für Zeitgeschichte und Politik]]. * 1991 gab sich die Universität Oldenburg – nach langjährigen Widerständen durch die niedersächsische Landesregierung in Hannover<ref>Carl von Ossietzky-Universität Oldenburg: [http://www.uni-oldenburg.de/uni/31832.html Namensgebung der Universität Oldenburg nach Carl von Ossietzky (1889 – 1938)]</ref> – den Namen [[Carl von Ossietzky Universität Oldenburg]]. Ossietzkys Tochter [[Rosalinde von Ossietzky-Palm]] war bis zu ihrem Tod im Jahr 2000 Ehrenbürgerin der Universität. Die Universität verwaltet auch den Nachlass von Carl und Maud von Ossietzky. * Ehrengrab der Stadt Berlin auf dem Friedhof 4 - Herthaplatz, 13156 [[Berlin-Niederschönhausen]] * In Deutschland ist eine Vielzahl von [[Carl-von-Ossietzky-Gymnasium|Schulen nach Carl von Ossietzky benannt]]. == Einzelnachweise == <references /> == Literatur == === Werkausgaben === * Carl von Ossietzky: ''Sämtliche Schriften.'' Hrsg. von Werner Boldt u.a. Unter Mitwirkung von Rosalinda von Ossietzky-Palm. 8 Bände. Rowohlt Verlag, Reinbek 1994, ISBN 3-498-05019-2 * Carl von Ossietzky: ''Schriften'', 2 Bände. Aufbau Verlag, Berlin 1966 * Carl von Ossietzky: ''Rechenschaft: Publizistik aus den Jahren 1913–1933.'' Hrsg. von Bruno Frei. Aufbau Verlag, Berlin 1970 * Carl von Ossietzky: ''Lesebuch: der Zeit den Spiegel vorhalten.'' Hrsg. von der Carl-von-Ossietzky-Forschungsstelle an der Universität Oldenburg. Rowohlt Verlag, Reinbek 1989, ISBN 3-498-05015-X === Briefe === * Dietger Pforte (Hrsg.): ''Farbige weithin sichtbare Signalzeichen. Der Briefwechsel zwischen Carl von Ossietzky und Kurt Tucholsky aus dem Jahr 1932.'' Akademie der Künste, Berlin 1985, ISBN 3-88331-942-2 === Biographien === * Bruno Frei: ''Carl von Ossietzky: eine politische Biographie.'' Berlin 1978, ISBN 3-921810-15-9. * Richard von Soldenhoff (Hg.): ''Carl von Ossietzky 1889-1938. Ein Lebensbild'' (Bildbiografie). Weinheim 1988, ISBN 3-88679-173-4. * Wilhelm von Sternburg: ''„Es ist eine unheimliche Stimmung in Deutschland“: Carl von Ossietzky und seine Zeit''. Berlin 1996, ISBN 3-351-02451-7. * Elke Suhr: ''Carl von Ossietzky. Eine Biographie.'' Köln 1988, ISBN 3-462-01885-X. * Hermann Vinke: ''Carl von Ossietzky.'' Hamburg 1978, ISBN 3-7915-5007-1. * Berndt W. Wessling: ''Carl von Ossietzky, Märtyrer für den Frieden.'' München 1989, ISBN 3-926901-17-9. === Sonstige === * K. Fiedor: ''Carl von Ossietzky und die Friedensbewegung.'' Breslau 1985 * Friedhelm Greis, Stefanie Oswalt (Hg.): ''Aus Teutschland Deutschland machen. Ein politisches Lesebuch zur "Weltbühne"''. Lukas Verlag, Berlin 2008, ISBN 978-3-86732-026-9 * Gerhard Kraiker, Dirk Grathoff (Hg.): ''Carl von Ossietzky und die politische Kultur der Weimarer Republik. Symposium zum 100. Geburtstag.'' Schriftenreihe des Fritz Küster-Archivs. Oldenburg 1991 [http://oops.uni-oldenburg.de/frontdoor.php?source_opus=684 Buch als PDF] * Ursula Madrasch-Groschopp: ''Die Weltbühne. Porträt einer Zeitschrift.'' Buchverlag Der Morgen, Berlin 1983, Bechtermünz Verlag im Weltbild Verlag, Augsburg 1999 (Nachdr.), ISBN 3-7610-8269-X * Maud von Ossietzky: ''Maud von Ossietzky erzählt : Ein Lebensbild'', Berlin 1966 * Christoph Schottes: ''Die Friedensnobelpreiskampagne für Carl von Ossietzky in Schweden''. Oldenburg 1997, ISBN 3-8142-0587-1 [http://docserver.bis.uni-oldenburg.de/publikationen/bisverlag/schfri97/schfri97.html Buch als PDF] * Helmut Reinhardt (Hg.): ''Nachdenken über Ossietzky. Aufsätze und Graphik''. Berlin 1989, ISBN 3-86020-011-9 * Elke Suhr: ''Zwei Wege, ein Ziel - Tucholsky, Ossietzky und Die Weltbühne.'' Weisman, München 1986, ISBN 3-88897-026-1 * Frithjof Trapp, Knut Bergmann, Bettina Herre: ''Carl von Ossietzky und das politische Exil. Die Arbeit des 'Freundeskreises Carl von Ossietzky' in den Jahren 1933–1936''. Hamburg 1988. * Hans-Ulrich Wehler: „Leopold Schwarzschild contra Carl v. Ossietzky. Politische Vernunft für die Verteidigung der Republik gegen ultralinke ‚Systemkritik‘ und Volksfront-Illusionen“, in: Ders.: ''Preußen ist wieder chic ... Politik und Polemik in zwanzig Essays.'' Frankfurt a.M. 1983, S. 77-83 == Weblinks == {{Commons|Carl von Ossietzky}} {{Wikisource}} {{Wikiquote|Carl von Ossietzky}} * {{DNB-Portal|118590391}} * {{LeMO|OssietzkyCarl|Carl von Ossietzky|Manfred Wichmann}} * {{nobel-fr|1935|Carl von Ossietzky}} * [http://www.uni-konstanz.de/FuF/Philo/LitWiss/MedienWiss/Forsch/Telaviv/Israel.html Frithjof Trapp: Die Kampagne zur Verleihung des Friedensnobelpreises] * Joachim Käppner: [http://www.sueddeutsche.de/kultur/artikel/738/11727/ ''„Wider die halbe Wahrheit“''], Ossietzky als journalistisches Vorbild, [http://www.sueddeutsche.de ''Süddeutsche Zeitung''], 21. Mai 2003 * [http://www.zukunft-braucht-erinnerung.de/biographien/78.html Biographie bei Shoa.de] * [http://www.uni-oldenburg.de/ossietzky.student.ag/Biographie.htm Carl von Ossietzky Universität Oldenburg: Kurzbiografie] * [http://deposit.ddb.de/cgi-bin/exil.pl?bild=1&navigation=1&wahl=0&zeitung=paritagz&jahrgang=01&ausgabe=0167&seite=07730001&ansicht=4&filename=.gif Titelblatt der ''Pariser Tageszeitung'' zur Verleihung des Nobelpreises] * [http://home.snafu.de/mkgandhi/exhibitions/ger/ossietzky/index.htm Carl von Ossietzky - "Friedensnobelpreisträger, Journalist, politischer Pazifist"] - Ausstellung zu seinem 120. Geburtstag (3. Oktober 2009) * {{PGDA|ossietzk}} {{Exzellent}} {{Normdaten|PND=118590391|LCCN=n/50/49658|VIAF=73870010}} {{DEFAULTSORT:Ossietzky, Carl von}} [[Kategorie:Friedensnobelpreisträger]] [[Kategorie:DFG-Mitglied]] [[Kategorie:FdK-Mitglied]] [[Kategorie:Freimaurer (20. Jahrhundert)]] <!-- siehe: [[Geschichte der Freimaurerei]] --> [[Kategorie:Deutscher Freimaurer]] [[Kategorie:Person (Hamburg)]] [[Kategorie:Person (Berlin)]] [[Kategorie:Deutscher Journalist]] [[Kategorie:Autor]] [[Kategorie:Literatur (20. Jahrhundert)]] [[Kategorie:Literatur (Deutsch)]] [[Kategorie:Publizist]] [[Kategorie:Herausgeber]] [[Kategorie:KZ-Häftling]] [[Kategorie:Monismus]] [[Kategorie:Geboren 1889]] [[Kategorie:Gestorben 1938]] [[Kategorie:Mann]] {{Personendaten |NAME=Ossietzky, Carl von |ALTERNATIVNAMEN=Murner, Thomas (Pseudonym); Carasco, Simon (Pseudonym); Celsus (Pseudonym); Schierling, Lucius (Pseudonym) |KURZBESCHREIBUNG=deutscher Schriftsteller und Herausgeber der Zeitschrift Die Weltbühne |GEBURTSDATUM=3. Oktober 1889 |GEBURTSORT=[[Hamburg]] |STERBEDATUM=4. Mai 1938 |STERBEORT=[[Berlin]] }} [[ar:كارل فون أوسيتزكي]] [[bg:Карл фон Осиецки]] [[ca:Carl von Ossietzky]] [[da:Carl von Ossietsky]] [[el:Καρλ φον Οσιέτσκι]] [[en:Carl von Ossietzky]] [[eo:Carl von Ossietzky]] [[es:Carl von Ossietzky]] [[et:Carl von Ossietzky]] [[fi:Carl von Ossietzky]] [[fr:Carl von Ossietzky]] [[he:קרל פון אוסייצקי]] [[hu:Carl von Ossietzky]] [[id:Carl von Ossietzky]] [[io:Carl von Ossietzky]] [[it:Carl von Ossietzky]] [[ja:カール・フォン・オシエツキー]] [[ku:Carl von Ossietzky]] [[lb:Carl von Ossietzky]] [[nl:Carl von Ossietzky]] [[nn:Carl von Ossietzky]] [[no:Carl von Ossietzky]] [[pl:Carl von Ossietzky]] [[pms:Carl von Ossietzky]] [[pnb:کارل فان اوسیتزکی]] [[pt:Carl von Ossietzky]] [[ru:Осецкий, Карл фон]] [[sk:Carl von Ossietzky]] [[sv:Carl von Ossietzky]] [[tr:Carl von Ossietzky]] g362it953meqigt40vnp4eiesrnzow4 wikitext text/x-wiki Augsburg 0 23524 26122 2010-04-24T23:21:04Z Andreas 06 0 Änderungen von [[Special:Contributions/93.133.3.176|93.133.3.176]] ([[User talk:93.133.3.176|Diskussion]]) rückgängig gemacht und letzte Version von [[User:Rbrausse|Rbrausse]] wiederhergestellt {{Dieser Artikel|befasst sich mit der Stadt Augsburg; zu anderen Bedeutungen siehe [[Augsburg (Begriffsklärung)]].}} {{Infobox Gemeinde in Deutschland |Art = Stadt |Wappen = Augsburg wappen.svg |Breitengrad = 48/22/18/N |Längengrad = 10/53/54/E |Lageplan = Bavaria A (town).svg |Bundesland = Bayern |Regierungsbezirk = [[Schwaben (Bayern)|Schwaben]] |Landkreis = <!-- bitte leer lassen --> |Höhe = 494 |Fläche = 146.93 |PLZ = 86150–86199 |PLZ-alt = 8900 |Vorwahl = 0821 |Kfz = A |Gemeindeschlüssel = 09761000 |NUTS = DE271 |LOCODE = DE AGB |Gliederung = 42 Stadtbezirke<br />17 Planungsräume |Adresse = Maximilianstraße&nbsp;4<br />86150 Augsburg |Website = [http://www.augsburg.de/ www.augsburg.de] |Bürgermeister = [[Kurt Gribl]] |Bürgermeistertitel= Oberbürgermeister |Partei = [[Christlich-Soziale Union in Bayern|CSU]] }} [[Datei:Rathaus Augsburg.jpg|miniatur|[[Augsburger Rathaus]] – Wahrzeichen der Stadt]] [[Datei:Augsburg-Perlachkirche.jpg|miniatur|[[Perlachturm]] mit [[St. Peter am Perlach (Augsburg)|St.&nbsp;Peter]] am [[Rathausplatz (Augsburg)|Rathausplatz]]]] [[Datei:A rathausplatz.jpg|miniatur|[[Perlachturm]] und [[Augsburger Rathaus|Rathaus]]]] '''Augsburg''' ist eine [[Kreisfreie Stadt|kreisfreie]] [[Großstadt]] im Südwesten [[Bayern]]s. Die [[Universitätsstadt]] ist Sitz der [[Schwaben (Bayern)|Regierung von Schwaben]] sowie Sitz des [[Schwaben (Bayern)|Bezirks Schwaben]] und des [[Landkreis Augsburg|Landratsamtes Augsburg]]. 1909 wurde Augsburg zur Großstadt und ist heute mit über 263.000 Einwohnern nach [[München]] und [[Nürnberg]] die drittgrößte Stadt in Bayern. Der [[Ballungsraum Augsburg]] steht bezüglich Bevölkerung und Wirtschaftskraft in Bayern ebenfalls an dritter Stelle und ist Teil der übergeordneten [[Planungsregion Augsburg]], in der etwa 830.000 Menschen leben. Der Name der Stadt geht auf die römische Provinzhauptstadt [[Augusta Vindelicorum]] zurück, die 15&nbsp;v.&nbsp;Chr. unter dem römischen Kaiser [[Augustus]] als [[Römische Militärlager|Castra]] gegründet wurde. Damit gehört die „[[Fugger]]stadt“ zu den [[Älteste Stadt Deutschlands|ältesten Städten Deutschlands]]. == Geografie == Augsburg liegt an den Flüssen [[Lech]] und [[Wertach (Fluss)|Wertach]]. Der älteste Teil der Stadt sowie die südlichen Viertel liegen auf dem nördlichen Ausläufer einer Hochterrasse, die zwischen dem steilen Hügelrand von [[Friedberg (Bayern)|Friedberg]] im Osten und den hohen [[Riedel]]n des westlichen Hügelrandes entstanden ist. Im [[Süden]] erstreckt sich das [[Lechfeld]], eine nach[[Eiszeitalter|eiszeitliche]] [[Sander|Schotterebene]] zwischen den beiden großen Flüssen Lech und Wertach, in der sich seltene Urlandschaften erhalten konnten. Der [[Augsburger Stadtwald]] und die [[Lechtalheiden]] zählen heute zu den artenreichsten mitteleuropäischen Lebensräumen. An Augsburg grenzt der [[Naturpark]] ''[[Naturpark Augsburg-Westliche Wälder|Augsburg&nbsp;– Westliche Wälder]]'', ein großes Waldgebiet. Daneben ist aber auch das Stadtgebiet selbst stark begrünt, weshalb die Fuggerstadt 1997 den europaweiten Preis als „Grünste und lebenswerteste Stadt“ erhielt. Die Stadt ist der größte kommunale Waldbesitzer in Bayern und der drittgrößte in ganz Deutschland. === Nachbargemeinden === Augsburg wird im Osten vom Landkreis [[Landkreis Aichach-Friedberg|Aichach-Friedberg]], im Westen vom [[Landkreis Augsburg]] umgeben. Bedingt durch das in Nord-Süd-Richtung sehr langgestreckte Stadtgebiet grenzen sehr viele [[Stadt|Städte]] und [[Gemeinde (Deutschland)|Gemeinden]] an Augsburger Flur. Die [[Agglomeration]] bilden dabei im Osten beginnend und dem [[Drehrichtung#Uhrzeigersinn|Uhrzeigersinn]] folgend [[Friedberg (Bayern)|Friedberg]] (Landkreis Aichach-Friedberg), [[Königsbrunn]], [[Stadtbergen]], [[Neusäß]] und [[Gersthofen]] (alle Landkreis Augsburg), die allesamt mit ihrem Siedlungskern direkt an die bebaute Fläche Augsburgs angrenzen. Daneben grenzen noch die Gemeinden [[Rehling]], [[Affing]], [[Kissing]], [[Mering]] und [[Merching]] (alle Landkreis Aichach-Friedberg) sowie [[Bobingen]], [[Gessertshausen]] und [[Diedorf (Bayern)|Diedorf]] (alle Landkreis Augsburg) an die Stadt, wenn man die Aufzählung im Norden beginnt und wiederum dem Uhrzeigersinn folgt. === Stadtgliederung === [[Datei:Augsburger Stadtbezirke.jpg|miniatur|[[Liste der Planungsräume und Stadtbezirke von Augsburg|Planungsräume und Stadtbezirke]]]] → ''Hauptartikel: [[Liste der Planungsräume und Stadtbezirke von Augsburg]]'' Das Stadtgebiet von Augsburg besteht offiziell aus 42&nbsp;[[Stadtbezirk]]en, die zusammengefasst 17&nbsp;[[Ortsteil|Planungsräume]] bilden. Diese Art der Stadtgliederung besteht seit&nbsp;1938. Die Gesamtfläche der Stadt beträgt 147&nbsp;Quadratkilometer, somit steht sie flächenmäßig auf Platz&nbsp;39 der deutschen Großstädte (siehe hierzu: ''[[Liste der Großstädte in Deutschland]]''). Bei den Stadtteilen handelt es sich teilweise um ehemals selbstständige [[Gemeinde (Deutschland)|Gemeinden]], die im Laufe diverser Gebietsreformen nach Augsburg eingegliedert wurden, teilweise aber auch um neue Stadtteile, die als Wohngebiete gegründet wurden. Einige Stadtteile haben darüber hinaus räumlich getrennte Siedlungen ([[Wohnplatz|Wohnplätze]]) mit eigenem Namen. Einige Viertel sind als geographischer Name ein Begriff, tauchen aber in der Bezeichnung der Stadtbezirke nicht auf. So ist die [[Augsburger Altstadt]] Teil der heutigen Innenstadt, während das [[Augsburger Textilviertel]] teilweise in Spickel-Herrenbach, teilweise in der Innenstadt liegt und so ebenfalls nicht bei den Stadtbezirken Erwähnung findet. Die ehemaligen Kasernen- und Wohngebiete der US-amerikanischen Armee (siehe hierzu ''[[US-Garnison Augsburg]]''), darunter die [[Reese-Kaserne]], haben nach dem Abzug der letzten amerikanischen Truppen 1998 ihre von diesen vergebenen Namen behalten. Im Einzelnen sind dies [[Augsburg-Centerville|Centerville]], [[Cramerton]], [[Reese-Kaserne|Reese]], [[Sheridan-Park|Sheridan]], [[Augsburg-Sullivan Heights|Sullivan Heights]] und [[Quartermaster Supply Center|Supply-Center]]. {{Navigationsleiste Planungsräume in Augsburg}} === Gewässer === Augsburg ist eine Dreiflüssestadt: Der Lech ist das größte fließende Gewässer und wird durch den Zufluss der [[Wertach (Fluss)|Wertach]], die nördlich des [[Landschaftsschutzgebiet]]es [[Wolfzahnau]] einmündet, verbreitert. Der dritte Augsburger Fluss, die [[Singold]], entspringt im [[Landkreis Ostallgäu|Ostallgäu]] und mündet in der Stadt in das weit verzweigte künstliche Bach- und Kanalsystem. Die unzähligen Kanäle – die meisten von ihnen fließen durch das [[Augsburg-Lechviertel|Lechviertel]] in der [[Augsburger Altstadt|Altstadt]] – machen Augsburg zu einer Stadt der Brücken: Mit insgesamt 500 Brückenbauwerken übertrifft sie sogar [[Venedig]]. [[Datei:Lech Augsburg.jpg|miniatur|Der [[Lech]] am [[Hochablass]]wehr]] {| class="wikitable float-left" |- class="hintergrundfarbe5" ! Fluss ! Flusslänge<br />im Stadtgebiet |- | [[Lech]] || align="right" | 19,9&nbsp;km |- | [[Wertach (Fluss)|Wertach]] || align="right" | 13,1&nbsp;km |- | [[Singold]] || align="right" | 6,2&nbsp;km |- | 29 Lechkanäle || align="right" | 77,7&nbsp;km |- | 4 Wertachkanäle || align="right" | 11,6&nbsp;km |- | 19 Bäche || align="right" | 45,6&nbsp;km |- class="hintergrundfarbe5" | '''Länge insgesamt''' || align="right" | '''174,1&nbsp;km''' |} Der [[Fabrikkanal]], in den die Singold mündet, wird in Göggingen von der Wertach abgeleitet und fließt als [[Wertachkanal]], Holz- bzw. [[Senkelbach]] nach Norden und gelangt nach der [[Ballonfabrik Augsburg]] zurück in die Wertach. Am [[Hochablass]] werden der [[Hauptstadtbach]] und der [[Neubach (Kanal)|Neubach]] vom Lech abgeleitet, die sich nach wenigen hundert Metern wieder vereinigen, um kurz flussabwärts in den nach Norden fließenden [[Herrenbach]] (flussabwärts [[Proviantbach]] mit seinen Ab- und Zuleitungen [[Hanreibach]] und [[Fichtelbach]]) und den nach Westen geleiteten [[Lech- und Wertachkanäle#Lechkanäle|Kaufbach]] zu gabeln. Der Kaufbach wiederum speist den [[Schäfflerbach]] und die Stadtgräben und Innenstadtkanäle, die sich nach Norden fließend auf dem Gelände der UPM Kymmene wieder vereinen und als [[Lech- und Wertachkanäle|Stadtbach]] im westlichen Bereich der Wolfzahnau wieder mit dem Proviantbach zusammenfließen, um wenige Meter vor der Wertachmündung in den Lech zu gelangen. Der Mühlbach fließt durch den Stadtteil Pfersee. Der Brunnenbach, der Reichskanal und der Lochbach (ein Lechkanal) durchströmen den Stadtwald. Dabei verzweigen sie sich in weitere kleine Bäche, um sich kurz vor der Innenstadt wieder zu vereinen. → ''Hauptartikel: [[Lech- und Wertachkanäle]]'' In dem Waldgebiet, das der Lech durchfließt, befinden sich der [[Kuhsee (Augsburg)|Kuhsee]] als regionaler Freizeitmagnet und der kleinere [[Stempflesee]]. Im Norden Augsburgs befinden sich der [[Autobahnsee (Augsburg)|Autobahnsee]], der [[Kaisersee]] und der Europaweiher am [[Augsburger Müllberg]]. Im Süden von Augsburg befinden sich der [[Wertach (Fluss)|Wertach]]-Stausee, der Lautersee und der [[Ilsesee (Bayern)|Ilsesee]] (Naherholungsgebiet). Die Naturschutzgebiete im Süden Augsburgs sind die Quelle der Augsburger [[Trinkwasser]]versorgung. Der Augsburger Stadtwald und der Lechauwald bei Unterbergen sind daher auch als [[Schutzgebiete in Wasserwirtschaft und Gewässerschutz|Trinkwasserschutzgebiet]] ausgewiesen. Das von dort bezogene Wasser mit [[Wasserhärte|Härtegrad]] 13,5 °dH (mittelhart) versorgt die Städte Augsburg, Neusäß, Friedberg und Stadtbergen.<ref>Stadtwerke Augsburg: [http://www.stawa.de/download/pdf/stadtwerke_trinkwasser.pdf Trinkwasserbroschüre (PDF)]</ref> === Natur und Umwelt === [[Datei:Fliegerag.jpg|miniatur|hochkant|[[Fliegen-Ragwurz]] in der [[Schießplatzheide]]]] Augsburg gehört nach den großflächigen Eingemeindungen der 1970er Jahre mit ungefähr einem Drittel an Grün- und [[Wald]]fläche zu den grünsten Großstädten in Deutschland. Der [[Augsburger Stadtwald]]&nbsp;– mit einer Fläche von etwa 21,5&nbsp;Quadratkilometern der größte bayerische Auwald&nbsp;– bildet eine geschlossene Waldfläche im Augsburger Südosten. Das Gebiet besitzt einen hohen regionalen Stellenwert für den [[Naturschutz]] sowie als Naherholungs- und Freizeitgebiet. Der Südwesten der Stadt wird von Teilen des [[Naturpark Augsburg-Westliche Wälder|Naturparks Augsburg-Westliche Wälder]] bedeckt. Dieser insgesamt 1.175&nbsp;Quadratkilometer große Naturpark ist der einzige seiner Art in ganz Bayerisch-Schwaben. Begrenzt wird er im Norden von der [[Donau]], im Osten von den Abhängen zur [[Wertach (Fluss)|Wertach]] und [[Schmutter]] und im Westen von der [[Mindel]]. Im Süden dringt er bis an den Rand des [[Landkreis Unterallgäu|Unterallgäus]] vor. Augsburg gilt bundesweit als Modellstadt für umweltfreundliche Beleuchtung.<ref>Bayerisches Landesamt für Umwelt: [http://www.lfu.bayern.de/natur/fachinformationen/lichtverschmutzung/praxisbeispiele/index.htm Modellstadt Augsburg]</ref> Durch Maßnahmen gegen die [[Lichtverschmutzung]] im Bereich der öffentlichen Beleuchtung konnte nebenbei der Stromverbrauch und somit der [[Kohlenstoffdioxid|CO<sub>2</sub>]]-Ausstoß um 20 Prozent gesenkt werden, was zu einer jährlichen Ersparnis von 250.000,- Euro führt.<ref>Westdeutscher Rundfunk: [http://www.wdr.de/tv/q21/1055.0.phtml Trübe Aussichten für Sternengucker]</ref> === Klima === Die Stadt Augsburg liegt im Übergangsbereich zwischen dem feuchten atlantischen und dem trockenen [[Kontinentalklima]] auf der Ebene des [[Lechfeld]]es in leichter Tallage. Weitere wesentliche wetterbestimmende Faktoren sind die [[Alpen]] als mitteleuropäische und die [[Donau]] als regionale [[Wetterscheide]]. Aufgrund dieser Konstellation ist das Wetter relativ wechselhaft. Die Witterungsperioden variieren zwischen gemäßigten, nicht zu kalten Wintern und warmen, aber nicht übermäßig heißen Sommern. Große Schneemengen, welche die [[Vegetation]] über die Frostperioden hinweg schützen, fallen meist erst ab Januar und halten sich bis Mitte März. Größere Niederschlagsmengen sind im Frühsommer zu verzeichnen, wobei diese größtenteils durch Westwinde herangetragen werden. Längere Trockenperioden treten im Hochsommer und Frühherbst auf. Der [[Föhn]] bringt das ganze Jahr hindurch aus südlicher Richtung sehr warme und trockene Luftströmungen ins untere Alpenvorland nach Augsburg. Damit verbunden ist eine sehr gute Fernsicht, so dass auch die [[Bayerische Alpen|Bayerischen]] und [[Allgäuer Alpen]] oftmals sehr deutlich zu sehen sind. Die Temperatur beträgt im Jahresmittel etwa 8,4&nbsp;[[Grad Celsius]], die jährliche Niederschlagsmenge etwa 850&nbsp;Millimeter. Im Zuge des (In Augsburg Jahrtausend-)sommers 2003 wurde am 13. August eine Temperatur von 36,0 Grad gemessen, der bisherige absolute Höchstwert seit Beginn der Temperaturbeobachtungen beträgt 37,1 Grad vom 27. Juli 1983. Die niedrigste registrierte Temperatur betrug −28,2 Grad, gemessen am 12. Februar 1929. Augsburg ist durch seine Lage im gewitterintensivsten [[Land (Deutschland)|Bundesland]] Bayern des Öfteren von heftigen Unwettern betroffen, welche zu enormen Lech- und Wertachhochwassern führen. Die schlimmsten Auswirkungen hatte dies 1999, als ein Stauwehr an der Wertach brach und ganze Stadtteile unter Wasser standen. An Herbsttagen ist es in Augsburg sehr häufig neblig, was sich durch die Lage in der Talebene des Lechs erklären lässt. Daneben nimmt die Stadt nach München Platz zwei der schneereichsten Großstädte Deutschlands ein. {{Klimatabelle | TABELLE = | DIAGRAMM TEMPERATUR = | DIAGRAMM NIEDERSCHLAG = | DIAGRAMM NIEDERSCHLAG HÖHE = | QUELLE = [http://augsburg.de/fileadmin/www/dat/01au/statistik/Jahrbuch/2009_Kapitel/Kapitel_1_-_Geographische_und_meteorologische_Angaben.pdf Statistisches Jahrbuch der Stadt Augsburg 2009] | Überschrift = | Ort =Augsburg <!-- durchschnittliche Höchsttemperatur für den jeweiligen Monat in °C --> | hmjan = 9.5 | hmfeb = 11.5 | hmmär = 17.7 | hmapr = 22.1 | hmmai = 26.1 | hmjun = 29.2 | hmjul = 31.1 | hmaug = 30.9 | hmsep = 27.3 | hmokt = 21.9 | hmnov = 15.5 | hmdez = 10.9 <!-- durchschnittliche Niedrigsttemperatur für den jeweiligen Monat in °C --> | lmjan = -13.6 | lmfeb = -10.9 | lmmär = -7.6 | lmapr = -2.3 | lmmai = 1 | lmjun = 4.8 | lmjul = 7.2 | lmaug = 6.3 | lmsep = 2.8 | lmokt = -1.7 | lmnov = -7.1 | lmdez = -12.4 <!-- durchschnittliche Temperatur für den jeweiligen Monat in °C --> | avjan = -1.3 | avfeb = 0.1 | avmär = 3.8 | avapr = 7.7 | avmai = 12.5 | avjun = 15.7 | avjul = 17.6 | avaug = 16.9 | avsep = 13.6 | avokt = 8.6 | avnov = 3.3 | avdez = -0.1 <!-- durchschnittliche Niederschlagsmenge für den jeweiligen Monat in mm --> | nbjan = 46.7 | nbfeb = 47.2 | nbmär = 44.8 | nbapr = 64.0 | nbmai = 88.9 | nbjun = 108.1 | nbjul = 89.5 | nbaug = 94.0 | nbsep = 67.7 | nbokt = 50.8 | nbnov = 58.7 | nbdez = 50.1 <!-- durchschnittliche Anzahl täglicher Sonnenstunden für den jeweiligen Monat in h/d --> | shjan = 3.1 | shfeb = 4.1 | shmär = 4.9 | shapr = 6.2 | shmai = 7.1 | shjun = 7.6 | shjul = 8.2 | shaug = 7.4 | shsep = 6.1 | shokt = 4.8 | shnov = 3.4 | shdez = 2.8 <!-- durchschnittliche Wassertemperatur (Meere, Seen u.ä.) für den jeweiligen Monat in °C --> | wtjan = | wtfeb = | wtmär = | wtapr = | wtmai = | wtjun = | wtjul = | wtaug = | wtsep = | wtokt = | wtnov = | wtdez = <!-- durchschnittliche Regentage für den jeweiligen Monat in d --> | rdjan = | rdfeb = | rdmär = | rdapr = | rdmai = | rdjun = | rdjul = | rdaug = | rdsep = | rdokt = | rdnov = | rddez = }} == Bevölkerung == === Einwohnerentwicklung === → ''Hauptartikel: [[Einwohnerentwicklung von Augsburg]]'' [[Datei:Population Statistics Augsburg.png|miniatur|[[Einwohnerentwicklung von Augsburg|Bevölkerungsentwicklung]]]] Nachdem in Augsburg schon zur Zeit des [[Römisches Reich|Römischen Reiches]] über 12.000&nbsp;Menschen gelebt hatten<ref>Bayerisches Staatsministerium für Wirtschaft, Infrastruktur, Verkehr und Technologie: [http://www.stmwivt.bayern.de/urlaub-in-bayern/ferienstrassen/index.html#claudia Ferienstraßen – Via Claudia Augusta]</ref>, wuchs die Einwohnerzahl in den folgenden Jahrhunderten nur unmerklich an. Um 1500 war sie mit einer Bevölkerung von etwa 30.000&nbsp;Menschen nach [[Köln]] und mit [[Prag]] eine der größten Städte des [[Heiliges Römisches Reich|Heiligen Römischen Reiches]] (siehe ''[[Liste der größten deutschen Städte]]''). Mit Beginn der [[Industrialisierung]] im 19.&nbsp;Jahrhundert setzte in Augsburg ein starkes Bevölkerungswachstum ein. Lebten 1806 etwa 26.000 Menschen in der Stadt, so waren es 1895 schon über 80.000. 1939 hatte sich diese Zahl bereits mehr als verdoppelt: Zu dieser Zeit lebten 185.000&nbsp;Menschen in Augsburg. Im [[Zweiter Weltkrieg|Zweiten Weltkrieg]] verlor die Stadt etwa 20 Prozent ihrer Bevölkerung (38.958&nbsp;Personen), so dass 1945 146.000&nbsp;Menschen in Augsburg lebten. Ihren Vorkriegsstand erreichte die Einwohnerzahl fünf Jahre später, wobei diese rasche Erholung auch auf eine große Zahl an Flüchtlingen aus ehemaligen deutschen Gebieten zurückzuführen ist. Im Jahre 1992 markierte die Bevölkerungszahl von 264.852 den bisherigen historischen Höchststand. Am 31.&nbsp;Dezember 2008 betrug die „Amtliche Einwohnerzahl“ nach Fortschreibung des Bayerischen Landesamtes für Statistik und Datenverarbeitung 263.313 (nur [[Hauptwohnsitz]]e und nach Abgleich mit den anderen Landesämtern), wodurch Augsburg auf [[Liste der Großstädte in Deutschland|Platz&nbsp;24 der größten Städte Deutschlands]] liegt. === Demographie === Augsburg hatte am 1.&nbsp;Januar 2008 267.836&nbsp;Einwohner mit Haupt- und Nebenwohnsitz und 264.265 ohne die Zweitwohnsitze. Im November 2008 waren 9.181 von 138.300 erwerbsfähigen Bürgern der Stadt ohne Arbeitsplatz, das entspricht einer Arbeitslosenquote von 6,5&nbsp;Prozent.<ref>Stadt Augsburg&nbsp;– Statistik: [http://www2.augsburg.de/index.php?id=2695 Arbeitsmarkt und Wirtschaft]</ref> Im Ballungsraum Augsburg, der die direkt angrenzenden Vorstädte mit einschließt, wohnen knapp 500.000&nbsp;Menschen. Der Ausländeranteil ist mit 16,7 Prozent (44.895 Bewohner) im deutschlandweiten Vergleich der Großstädte eher hoch. Die meisten Bürger nichtdeutscher Herkunft wohnen in den Planungsräumen Oberhausen, Spickel-Herrenbach, Hochfeld und Lechhausen und kommen vor allem aus der [[Türkei]], aus [[Italien]], aus dem ehemaligen [[Jugoslawien]] und aus [[Kroatien]]. Einen beachtlichen Anteil machen auch die [[Aramäer (Christentum)|Aramäer]] aus. Sie stammen aus der [[Türkei]], [[Syrien]], [[Iran]], dem [[Irak]] und dem [[Libanon]]. Die meisten von ihnen gehören der [[Syrisch-Orthodoxe Kirche von Antiochien|Syrisch-Orthodoxen Kirche]] an. In Augsburg leben außerdem etwa 50.000&nbsp;Spätaussiedler. Sie sind deutsche Staatsbürger, die mehrheitlich in der ehemaligen [[Sowjetunion]] geboren wurden. Zusammengezählt wohnen in Augsburg etwa 90.000&nbsp;Menschen mit Migrationshintergrund. Einen guten Überblick bietet der interkulturelle Stadtplan ''„In Augsburg ist die Welt zu Hause“''.<ref>Demographie: [http://interkultureller-stadtplan.de/ Interkultureller Stadtplan]</ref> Die Altersstruktur in Augsburg liegt im bundesdeutschen Durchschnitt, wobei 16,0 Prozent (43.213 Personen) der Einwohner mit Haupt- und Nebenwohnsitz unter 18&nbsp;Jahre alt sind. 52,2 Prozent (140.592 Personen) aller Einwohner sind weiblichen, 47,8 Prozent (128.857&nbsp;Personen) männlichen Geschlechts.<ref>Stadt Augsburg&nbsp;– Statistik: [https://www3.augsburg.de/jserv/augsburg-statistik/content/main.jsp Bevölkerung interaktiv]</ref> === Religionen === Seit 2001 treffen sich regelmäßig Juden, Christen, Muslime und Buddhisten in Augsburg zum „Runden Tisch der Religionen“. Menschen verschiedener [[Glaubensbekenntnis]]se kommen miteinander über ihre Religion, über Spiritualität, Rituale und die Glaubenspraxis ins Gespräch. Neben den christlichen, jüdischen und islamischen Gemeinden, die zusammen den Großteil des religiösen Lebens in Augsburg ausmachen, gibt es noch viele kleine [[Glaubensgemeinschaft]]en verschiedenster Art. Daneben besteht mit dem [[Bund für Geistesfreiheit]] Augsburg seit&nbsp;1911 auch eine nichtreligiöse [[Weltanschauung]]sgemeinschaft. ==== Christentum ==== [[Datei:Rathaus-maximilianstrasse-Augsburg-Blick-vom-Perlachturm.jpg|miniatur|Blick vom [[Perlachturm]] nach Süden auf die Kurze [[Maximilianstraße (Augsburg)|Maximilianstraße]]. Links ist das [[Augsburger Rathaus|Rathaus]], rechts die [[St.-Moritz-Kirche (Augsburg)|Kirche St.&nbsp;Moritz]] und im Hintergrund die [[Basilika St. Ulrich und Afra]] zu sehen.]] Augsburg ist [[Bistum Augsburg|Bischofssitz]] der [[Römisch-katholische Kirche|römisch-katholischen]] [[Diözese]] und Sitz des evangelischen [[Kirchenkreis Augsburg|Kirchenkreises Augsburg]]. Die meisten Einwohner sind katholisch, wodurch der 15.&nbsp;August einen Feiertag darstellt. Zusätzlich besteht – einzigartig in [[Deutschland]] – ein eigener gesetzlicher Feiertag, das [[Augsburger Hohes Friedensfest|Augsburger Hohe Friedensfest]] am 8.&nbsp;August. Damit hat Augsburg mehr gesetzliche Feiertage als jede andere Region oder Stadt in Deutschland. Augsburg war wohl schon seit dem 4./5.&nbsp;Jahrhundert Sitz eines [[Bischof]]s. Um&nbsp;738 wurde das [[Bistum Augsburg]] erneuert. Ab&nbsp;1518 fand die Lehre [[Martin Luther]]s Anhänger in Augsburg. Die Lehre verbreitete sich immer mehr und führte schließlich zur offiziellen Einführung der [[Reformation]] durch den Rat der Stadt im Jahre 1534/1537. Es folgte anschließend die Teilnahme der Stadt am [[Schmalkaldischer Krieg|Schmalkaldischen Krieg]], und&nbsp;1548 wurde in Augsburg ein Reichstag abgehalten, der die Ausübung der Religion für eine Übergangszeit regelte ([[Augsburger Interim]]). Sieben Jahre später (1555) konnte im [[Augsburger Reichs- und Religionsfrieden|Augsburger Religionsfrieden]] die Gleichstellung beider Konfessionen endgültig erreicht werden. Im Andenken daran und an die Besuche Luthers in Augsburg ist die Stadt heute eine der deutschen [[Lutherstadt|Lutherstädte]].<ref>Augsburg im Kreis der Lutherstädte: [http://www2.augsburg.de/index.php?id=10291&MP=7987-1855 Verleihung des Preises „Das unerschrockene Wort“ in Speyer]</ref> Auch die reformatorischen [[Täufer]] konnten 1524 eine relativ starke Gemeinde in der Stadt etablierten. 1527 fand in Augsburg die überregionale sogenannte [[Augsburger Märtyrersynode]] statt. Die '''katholische''' Bevölkerung gehörte danach weiterhin zum Bistum Augsburg, das seinerzeit dem [[Bistum Mainz|Erzbistum Mainz]] zugeordnet war. Nach dem Übergang der Stadt an Bayern verblieb es zunächst bei der bisherigen Zuordnung. 1821 wurde das Bistum Augsburg und mit ihm seine Pfarrgemeinden dem neu errichteten [[Erzbistum München und Freising]] zugeteilt (siehe hierzu auch ''[[Liste der Bischöfe von Augsburg]]''). [[Datei:Augsburg Kirche St Jakob mit Brunnen.jpg|miniatur|hochkant|links|Ev. Kirche St.&nbsp;Jakob]] Die '''protestantischen''' Gemeindemitglieder erhielten spätestens nach dem [[Westfälischer Friede|Westfälischen Frieden]] die Kirchen [[St.-Anna-Kirche (Augsburg)|St.&nbsp;Anna]], ''St.&nbsp;Ulrich'', [[Barfüßerkirche (Augsburg)|Zu den Barfüßern]] und ''St.&nbsp;Jakob''. Sie unterstanden dem Rat der Stadt. Nach dem Übergang Augsburgs an Bayern wurden die Gemeinden Teil der [[Evangelisch-Lutherische Kirche in Bayern|Protestantischen Kirche des Königreichs Bayern]], die zunächst [[Evangelisch-Lutherische Kirchen|lutherische]] und [[Reformierte Kirche|reformierte]] Glaubensgemeinschaften umfasste. Die Stadt wurde danach Sitz eines eigenen [[Dekanat]]s, das&nbsp;1827 zunächst dem [[Konsistorium|Konsistorialbezirk]] [[Bayreuth]], ab&nbsp;1876 dann dem Konsistorialbezirk [[Ansbach]] und danach ab&nbsp;1923 dem [[Kirchenkreis München]] angehörte. Seit&nbsp;1971 ist es Teil des [[Kirchenkreis Augsburg|Kirchenkreises Augsburg]]. Das Dekanat Augsburg umfasst neben den Kirchengemeinden der Stadt auch Gemeinden außerhalb des Stadtgebiets, vor allem in den Landkreisen [[Landkreis Augsburg|Augsburg]] und [[Landkreis Aichach-Friedberg|Aichach-Friedberg]]. Der [[Westfälischer Friede|Westfälische Friede]] von 1648 bestätigte in Augsburg das durch die Stadtverfassung von&nbsp;1548 eingeführte paritätische Regierungs- und Verwaltungssystem (endgültige Gleichberechtigung und exakte Ämterverteilung zwischen Katholiken und Protestanten). Diese Vereinbarung sollte bis zur [[Mediatisierung]] im Jahre&nbsp;1805 Bestand haben. <br style="clear: left;" /> [[Datei:Augsburg - st ulrich u afra.jpg|miniatur|[[Basilika St. Ulrich und Afra|Basilika St.&nbsp;Ulrich und Afra]]]] '''Freikirchliche Gemeinden''' haben sich nach dem Ende der [[Täufer]]bewegung wieder im 19.&nbsp;beziehungsweise 20.&nbsp;Jahrhundert in Augsburg konstituiert. Den Anfang machten die [[Mennoniten]], die ab&nbsp;1870 gottesdienstliche Versammlungen in Augsburg abhielten. 1863&nbsp;erhielt die [[Evangelisch-methodistische Kirche]] die Rechte einer „Privatkirchengesellschaft“. Um&nbsp;1925 nahmen&nbsp;– ausgehend von der Muttergemeinde in [[München]]&nbsp;– die [[Baptisten]] (im [[Bund Evangelisch-Freikirchlicher Gemeinden]]) ihre Arbeit auf. Seit&nbsp;1968 gibt es in Augsburg zudem eine [[Bund Freier evangelischer Gemeinden in Deutschland|Freie evangelische Gemeinde]]. Die Verteilung der [[Konfession]]en zu Anfang des 19.&nbsp;Jahrhunderts betrug etwa 60 Prozent Katholiken und 40 Prozent Protestanten. Dieses Verhältnis veränderte sich insbesondere durch Eingliederung von katholischen Vororten zugunsten der Katholiken, so dass der Anteil der protestantischen Bevölkerung um&nbsp;1950 nur noch bei etwa 23 Prozent lag. Bei der Volkszählung 1987 waren noch 66,5 Prozent katholisch und 18,7 Prozent evangelisch. Ende 2007 waren hingegen nur noch rund 48 Prozent katholisch und 17 Prozent evangelisch (vergleiche AZ, 4. Februar 2009), während der Anteil der Konfessionsfreien auf rund 25 Prozent stieg. Auch die '''[[Orthodoxe Kirchen|orthodoxen Kirchen]]''' Süd- und Osteuropas haben Gemeinden in Augsburg. Die [[Syrisch-Orthodoxe Kirche von Antiochien|syrisch-orthodoxe Kirche]] hat vor Jahren ein eigenes Gotteshaus in Augsburg eingeweiht. Die etwa 3.000 syrisch-orthodoxen Christen in Augsburg stammen vorwiegend aus dem Südosten der [[Türkei]] ([[Tur Abdin]]) und [[Syrien]], sprechen die Sprache Jesu ([[Aramäische Sprache|Aramäisch]], [[Assyrische Sprache|Assyrisch]], [[Syrische Sprache|Syrisch]]) und sehen ihre Wurzeln in [[Mesopotamien]]. Zunächst kamen diese Christen als [[Gastarbeiter]] nach Europa, dann ab&nbsp;1980 meist als [[Asylbewerber]], da sie in der Türkei diskriminiert und verfolgt wurden. Die [[Griechisch-orthodoxe Kirche|griechisch-orthodoxe]] Kirchengemeinde mit über 6.000&nbsp;Gemeindemitgliedern konnte nach dem Abzug der amerikanischen Truppen die ''Gospel Church'' in der ehemaligen [[Flugabwehrkanone|Flak]]-Kaserne käuflich erwerben und benannte diese nach dem Schutzpatron ''Agios Panteleimon''. Außerdem gibt es in Augsburg eine Russische Orthodoxe Gemeinde zu Ehren der Gottesmutterikone „Freude aller Trauernden“, die der [[Russische Orthodoxe Diözese des orthodoxen Bischofs von Berlin und Deutschland|Russischen Orthodoxen Diözese des orthodoxen Bischofs von Berlin und Deutschland]] angehört. Die Gemeinde in Augsburg existiert seit den 1930er Jahren und zählt heutzutage um die 100 Mitglieder. Daneben gibt es eine große Zahl weiterer christlicher Religionsgemeinschaften, zum Beispiel Gemeinden der [[Altkatholische Kirche|Altkatholischen Kirche]], der [[Neuapostolische Kirche|Neuapostolischen Kirche]] oder der [[Zeugen Jehovas]]. ==== Islam ==== Die Muslime bilden in Augsburg die zweitgrößte religiöse Gemeinschaft. In der Stadt befindet sich eine Vielzahl von Gebets- und Vereinsräumen, die von unterschiedlichen Gemeinschaften mit jeweils eigenen Zielsetzungen und Schwerpunkten geführt werden. Den Hauptanteil der islamischen Bürger machen [[Einwanderung|Einwanderer]] aus der Türkei in erster bis dritter Generation aus (siehe ''[[Augsburg#Demographie|Demographie]]''). Daneben bestehen aber auch Vereine und dazugehörige Gebetsstätten der [[Arabische Halbinsel|arabischen]], [[Bosnien|bosnischen]] und [[Irak|irakischen]] Muslime sowie ein [[Aleviten|alevitisches]] Kulturzentrum. ==== Judentum ==== [[Datei:Augsburg Synagoge.jpg|miniatur|hochkant|[[Augsburger Synagoge]]]] Es ist anzunehmen, dass nach den [[Jüdischer Krieg|Jüdischen Aufständen]] im ersten Jahrhundert und der Zerstörung des Jerusalemer Tempels durch die Römer die ersten [[Juden]] nach Augsburg kamen. Aus dem 9.&nbsp;Jahrhundert gibt es urkundliche Erwähnungen. Auf Beschluss des Stadtrats vom 7.&nbsp;Juli 1438, dass man die Juden „nit länger hie in der Statt laußen sölle dann von hüt dem tag über zway Jare“, wurden sie aus der Stadt vertrieben und siedelten sich vor den Toren der Stadt im heutigen Stadtteil Kriegshaber an.<ref>Stadt Augsburg: [http://www.augsburg.de/Seiten/augsburg_d/bildung/stadtarchiv/archiv_schule/juedische_strassennamen.shtml Stadtarchiv]</ref> Die Geschichte der jüdischen Gemeinde in Augsburg begann wieder 1803, als die Stadt erstmals drei Juden (die Bankiers [[Aron Elias Seligmann]], später Freiherr von Eichthal, Jakob Obermayer und Henle Ephraim Ullmann) gegen eine jährliche Gebühr und eine erhebliche Darlehenssumme das Bürgerrecht verlieh, obwohl die städtischen Kaufleute dagegen erheblichen Widerstand geleistet hatten. Die Zahl der jüdischen Familien stieg anschließend nur schwach (im Jahr&nbsp;1840 79&nbsp;Personen und 1852 128&nbsp;Personen), da ihre Niederlassung weiterhin [[Bayerisches Judenedikt von 1813|streng gehandhabt]] wurde. Eine entscheidende Wendung brachte die Niederlage der konservativen Katholiken bei den Gemeinderatswahlen von 1857, in deren Folge 1861 die erste Israelitische Kultusgemeinde in Augsburg gegründet werden konnte. Bis dahin wurde der Religionsunterricht vom Lehrer des damals noch eigenständigen Vorortes [[Augsburg-Pfersee|Pfersee]] erteilt, während das zuständige Rabbinat [[Augsburg-Kriegshaber|Kriegshaber]] war. Schon drei Jahre vor Genehmigung der Gemeinde durch die Regierung wurde 1858 das Haus ''Wintergasse A&nbsp;13'' für 13.000 Gulden gekauft und zunächst zu einer reinen [[Synagoge]] ausgebaut und später durch Rabbiner- und Lehrerwohnungen erweitert; deren Einweihung erfolgte im April&nbsp;1865. Durch diese Entwicklung nahm die jüdische Bevölkerung in der Stadt in der zweiten Hälfte des 19.&nbsp;Jahrhunderts rapide zu, so dass 1895 1.156&nbsp;Juden in Augsburg lebten. Inzwischen waren schon ein jüdischer Friedhof (1867) sowie ein reges Vereinsleben (ein Männer-, ein Frauen- und ein Speiseverein jeweils mit wohltätigen Zwecken) entstanden. Die jüdischen Industriellen, Bankiers, Handels- und Kaufleute nahmen im wirtschaftlichen Leben der Stadt eine bedeutende Rolle ein und gehörten nahezu vollständig der gehobenen Mittel- beziehungsweise Oberschicht an. Schon zu dieser Zeit forderten immer mehr Gemeindemitglieder den Bau einer [[Augsburger Synagoge|neuen Synagoge]], der zudem durch das Drängen der Stadt nötig wurde: Das alte Gebäude befand sich in einem maroden Zustand. So wurde 1903 ein Gartengut an der ''Halderstraße'' erworben, für das 1912 ein Architektenwettbewerb ausgeschrieben wurde. In den Jahren 1914 bis 1917 wurden schließlich die Pläne von Fritz Landauer und Dr.&nbsp;Heinrich Lömpel verwirklicht. Mit der [[Machtergreifung]] der [[Nationalsozialismus|Nationalsozialisten]] 1933 litten auch die Augsburger Juden mehr und mehr unter Repressalien: Innerhalb von fünf Jahren wurden nahezu alle jüdischen Firmen geschlossen oder „[[Arisierung|arisiert]]“. Ihren vorläufigen Höhepunkt erreichte die Unterdrückung der Juden in der später so genannten [[Novemberpogrome 1938|Reichspogromnacht]], am frühen Morgen des 10.&nbsp;November 1938: Etwa 30&nbsp;[[Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei|NSDAP]]-Mitglieder zerstörten die Inneneinrichtung der Synagoge und legten Feuer, das allerdings wegen der umliegenden Wohn- und Kommunalbauten sowie einer Tankstelle wieder gelöscht wurde, so dass das Gebäude an sich erhalten blieb und während des Zweiten Weltkrieges als Kulissenlager des Stadttheaters zweckentfremdet wurde. Auf der Kuppel der Synagoge wurde ein Beobachtungsstand der Flugabwehrartillerie eingerichtet. Obwohl seit 1933 viele Juden ausgewandert waren, war deren Zahl in der Stadt durch Zuzug jüdischer Bürger aus ländlichen Gemeinden nicht stark gesunken, so dass in sieben Transporten nach [[KZ Auschwitz I (Stammlager)|Auschwitz]], [[Piaski]], [[Ghetto Riga|Riga]] und [[Theresienstadt 1945–1948|Theresienstadt]] 356 bis 450 Gemeindemitglieder deportiert wurden. Nur wenige überlebten die Schrecken der [[Konzentrationslager des Deutschen Reichs]]. Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges kehrten nur wenige ehemalige Augsburger Juden zurück in die Stadt, unter ihnen [[Ludwig Dreifuß]], der von der amerikanischen Militärregierung zum ersten Nachkriegsbürgermeister ernannt wurde. 1946 wurde die [[Israelitische Kultusgemeinde]] Augsburg-Schwaben gegründet, die über eine sehr lange Zeit nicht viel Zuwachs erfuhr: 1987 hatte sie 247&nbsp;Mitglieder. Nach dem [[Zusammenbruch der Sowjetunion]] 1990 änderte sich dies durch den Zuzug zahlreicher [[Kontingentflüchtling]]e aus der ehemaligen [[Sowjetunion]] rapide, so dass die Gemeinde&nbsp;– die allerdings für ganz Schwaben zuständig ist&nbsp;– heute etwa 1.800&nbsp;Personen umfasst.<ref>Alemannia Judaica&nbsp;– Arbeitsgemeinschaft zur Erforschung der jüdischen Geschichte: [http://www.alemannia-judaica.de/augsburg_synagoge.htm Die Synagoge in Augsburg]</ref> ==== Buddhismus ==== Mit der Gründung des Vereins ''Wat Buddha Augsburg'' (etwa 130&nbsp;Mitglieder) wurde 2002 im Stadtteil Göggingen ein Tempel eingerichtet, der hauptsächlich von Migranten aus [[Thailand]] benutzt wird. Jeden ersten Sonntag im Monat wird die [[Zeremonie]] aus dem Tempel ''Maha Dhamma Kaya Cetiya'' in der Nähe von [[Bangkok]] per Internet übertragen. Zu diesem Termin reisen auch Gläubige von außerhalb an. Inzwischen ist der Verein nach Königsbrunn umgezogen. Seit Januar 2000 trifft sich die buddhistische Gruppe ''Zen in Augsburg'' jeden Mittwoch und Sonntag zur regelmäßigen [[Meditation]] in Augsburg. Lehre und Praxis folgen dabei der traditionellen japanischen [[Rinzai-shū|Rinzai-Zen]]-Tradition.<ref>Buddhismus (Zen): [http://www.zen-augsburg.de Zen in Augsburg]</ref> == Geschichte == === Antike === [[Datei:040904 augsburg-roemisches-museum-dominikanerinnenkloster-roemerhelm 1-480x640.jpg|miniatur|hochkant|Spätrömischer Prunkhelm ([[Römisches Museum Augsburg]])]] Als Gründungsjahr Augsburgs gilt 15&nbsp;v.&nbsp;Chr., da in diesem Jahr auf dem Gebiet des heutigen Stadtteils Oberhausen ein [[Römische Militärlager#Legionslager|Legionslager]], das später auch als Nachschubdepot diente, errichtet wurde. Kaiser [[Augustus]] hatte seinen beiden Stiefsöhnen [[Drusus]] und [[Tiberius]] den Auftrag dazu erteilt. Diesem Gründungsdatum zufolge würde das bedeuten, dass Augsburg nach [[Trier]] die [[Älteste Stadt Deutschlands|zweitälteste Stadt Deutschlands]] ist. Gesichert ist dagegen, dass sie nach [[Augusta Treverorum]] eine der größten römischen Siedlungen nördlich der Alpen war. Um das vor der [[Christliche Zeitrechnung|Zeitenwende]] entstandene Lager bildete sich im ersten Jahrhundert die [[Siedlung]] [[Augusta Vindelicorum]] (siehe ''[[Augsburg#Namensherkunft|Namensherkunft]]''), der Kaiser [[Hadrian (Kaiser)|Hadrian]] im Jahr&nbsp;121&nbsp;n.&nbsp;Chr. das römische Stadtrecht verlieh. Augsburg war ab etwa 95&nbsp;n.&nbsp;Chr. Hauptstadt der römischen Provinz [[Raetia|Raetien]], die sich bis nach Oberitalien erstreckte. Es ist unbekannt, wann genau Augsburg Provinzhauptstadt wurde; ein archäologischer Befund deutet aber darauf hin, dass [[Kempten (Allgäu)|Kempten im Allgäu]] (Cambodunum) noch bis ins späte 1.&nbsp;Jahrhundert n.&nbsp;Chr. diese Funktion hatte. Neuen Forschungen zufolge wurde der [[Neckar-Odenwald-Limes]] erst im Jahre 98&nbsp;n.&nbsp;Chr. unter Kaiser [[Trajan]] angelegt, zeitgleich mit dem für dieses Jahr gesicherten Bau der [[Römerstraße|römischen Fernstraße]] von [[Mainz]] über [[Stuttgart-Bad Cannstatt|Bad Cannstatt]] nach Augsburg. Ein Zusammenhang dieser beiden strategischen Bauprojekte mit der Verlegung der Hauptstadt der Provinz Rätien von Kempten nach Augsburg liegt nahe, ist aber bisher nicht positiv belegt (vergleiche hierzu: ''[[Kinzig (Schwarzwald)|Kinzigtalstraße]]''). Im Jahre 260 n. Chr. fielen die germanischen [[Juthungen]] in Italien und Raetien ein und verschleppten tausende Italiker. Auf ihrem Rückmarsch wurden sie jedoch in einer zweitägigen Schlacht vom römischen Statthalter vernichtend geschlagen, wie der 1992 gefundene [[Augsburger Siegesaltar]] belegt. 271 n. Chr. kommt es zu wiederholten Vorstößen der Juthungen und anderer Stämme zur Belagerung der Stadt. Nach der Teilung der [[Römische Provinz|römischen Provinz]] [[Raetia]] im Jahr&nbsp;294&nbsp;n.&nbsp;Chr. wurde Augsburg Hauptstadt der Provinz Raetia Secunda, in die nach dem Ende der römischen Herrschaft um 450&nbsp;n.&nbsp;Chr. ab dem 5.&nbsp;Jahrhundert die [[Alamannen]] einfielen. Dass die Siedlung dabei aber nicht zerstört wurde, sondern weiterhin Bestand hatte, ergibt sich aus der Erwähnung von [[Wallfahrt]]en zum Grab der [[Afra von Augsburg|Heiligen Afra]] in der von Venantius Fortunatus (nach&nbsp;600 in [[Poitiers]] gestorben) im Jahr&nbsp;565 veröffentlichten metrischen ''Vita sancti Martini'' (MGH auct. ant.&nbsp;IV&nbsp;1/2), Vers&nbsp;642. Schon in der [[Spätantike]] wurde Augsburg Sitz eines [[Bischof]]s. So sind aus der Zeit um 300 Überlieferungen über einen Bischof [[Narcissus von Girona]] erhalten geblieben. Auch das [[Märtyrer|Martyrium]] einer der Stadtheiligen, [[Afra von Augsburg]], fällt in etwa in diese Zeit. === Mittelalter === Augsburg errang im Mittelalter nach mehreren Jahrhunderten ohne nennenswerte Ereignisse wieder wachsende Bedeutung, als Kaiser [[Otto I. (HRR)|Otto&nbsp;I.]] mit Hilfe des Bischofs [[Ulrich von Augsburg]] die westwärts strebenden [[Ungarn]] in der im Jahre 955 geführten [[Schlacht auf dem Lechfeld]] südlich der Stadt besiegte. Am 21. Juni 1156 erhielt Augsburg durch Kaiser [[Friedrich I. (HRR)|Friedrich Barbarossa]] wieder das Stadtrecht verliehen, das knapp hundert Jahre später 1251 durch das Recht auf Führung eines Siegels und auf Besteuerung ihrer Bürger erweitert wurde.<ref>[[Heinrich Gottfried Philipp Gengler]]: ''Regesten und Urkunden zur Verfassungs- und Rechtsgeschichte der deutschen Städte im Mittelalter'', Erlangen 1863, [http://books.google.de/books?id=NdkcAAAAMAAJ&pg=PA69 S. 69-92] und [http://books.google.de/books?id=NdkcAAAAMAAJ&pg=PA968 S. 968].</ref> Barbarossas [[Augsburger Schied]] 1158 (zwei Jahre nach der Stadterhebung Augsburgs) markiert den offiziellen Stadtgründungstag [[München]]s. Den Höhepunkt dieser Entwicklungen bildete die [[Reichsunmittelbarkeit]] (mit dem Titel einer [[Freie Reichsstadt|Freien Reichsstadt]]), die am 9. März 1276 von König [[Rudolf I. (HRR)|Rudolf von Habsburg]] durch das Privileg des eigenen Satzungsrechts verliehen wurde. Das [[Stadtrecht]] wurde im Stadtbuch von 1276 zusammengefasst.<ref>Augsburger Stadtlexikon, 2. Auflage, ISBN 3-922769-28-4</ref> Die nun ausgeweitete Selbstständigkeit Augsburgs führte zu heftigen Auseinandersetzungen mit dem [[Hochstift Augsburg|Hochstift]] als weltlichem Herrschaftsbereich des [[Fürstbischof]]s, die ihren Höhepunkt in der Verlagerung der bischöflichen Hauptresidenz nach [[Dillingen an der Donau]] fanden. In der Folge übernahmen mehr und mehr [[Patrizier]]familien die Herrschaft über die Stadt, was jedoch nicht immer problemlos ablief: So gab es 1368 einen Aufstand der städtischen Handwerker, welcher zur Einführung einer Zunftverfassung führte. Elf Jahre später trat Augsburg dem [[Schwäbischer Städtebund|Schwäbischen Städtebund]] bei, der 1388 wieder zerfiel. In Folge der Zunftverfassung und der damit verbundenen Regulierung aller handwerklichen Tätigkeiten wuchs die Macht der [[Zunft|Zünfte]] stetig an, so dass sie bis&nbsp;1547 an der Stadtregierung beteiligt waren. Schon sieben Jahre zuvor&nbsp;– 1540&nbsp;– war die [[Augsburger Börse]] gegründet worden. === Neuzeit === → ''Hauptartikel: [[Reichstage zu Augsburg]]'' [[Datei:Augsburg Fuggerhaeuser Stadtpalast.jpg|miniatur|<small>[[Fuggerhäuser|Fuggerscher Stadtpalast]]</small>]] [[Datei:Augsburg-1493.jpg|miniatur|Augsburg<br /> (Holzschnitt 1493)]] [[Datei:Nuremberg chronicles - Augusta vendilicorum.png|miniatur|Augsburg in der Schedelschen Weltchronik 1493]] Den Höhepunkt dieser Periode stellt die [[Diktatur]] des [[Ulrich Schwarz]] dar, der das Bürgermeisteramt 1469 mit großen politischen Visionen übernommen hatte. Anfangs gelang es ihm unter anderem, den bis dato unterrepräsentierten niederen Zünften Mitsprache im Stadtregiment einzuräumen und Augsburg aus der Schuldenfalle zu befreien. Als sich ihm das [[Patrizier|Patriziat]] jedoch entgegenstellte, griff er zu brutalen Mitteln und ließ an den Patrizierbrüdern Vittel die [[Todesstrafe]] vollstrecken, was zu seinem eigenen Sturz und seiner Hinrichtung 1478 führte. Mit dem Zuzug [[Günther Zainer]]s begann das Aufblühen des Augsburger [[Buchdruck]]s. Im Jahr 1468 druckte er ''S. Bonaventurae meditationes vite domini''. Neben geistlicher Literatur verkaufte der [[Typografie|Typograf]] [[Volksbuch|Volksbücher]] in deutscher Sprache, Erbauungsschriften, Arzneibücher und Kalender. Im Jahr 1471 schnitt Zainer mit der ''Type 3'' eine der ersten deutschen [[Antiqua]]schriften. [[Erhard Ratdolt]] vervollkommnete aus Venedig bezogenes Antiqua-Design. Weitere entstandene [[Offizin]]nen sorgten dafür, dass die Stadt an der Wende vom 15. zum 16. Jahrhundert zu den namhaftesten Verlagsorten in Europa zählte. Nicht zuletzt [[Johann Schönsperger]] trug dazu bei. Da die Reichsstadt über keine Universität verfügte und Absatzmöglichkeiten außerhalb des wissenschaftlichen oder kirchlichen Sektors das weltliche Publikum eröffnete, wurden zwischen 1480 und 1500 etwa 75 Prozent der hergestellten Bücher in Augsburg in Umgangssprache gedruckt. So brachte es der deutsche ''[[Aesop]]'' auf damals 22 Auflagen. Schönspergers ''[[Theuerdank]]'' wird den großartigsten Erzeugnissen im Buchdruck der [[Renaissance]] zugerechnet.<ref>„Augsburger Allgemeine“ vom 17. Mai 2005</ref> Nach dem endgültigen Niedergang der Zunftherrschaft im Jahre 1547 entwickelte sich Augsburg vom Beginn der [[Neuzeit]] bis zum Ende der Renaissance zu einem der bedeutendsten Handels- und Wirtschaftszentren der Welt, was vor allem auf den Einfluss der Kaufmannsfamilien [[Fugger]] und [[Welser]] zurückging. [[Datei:Augsburg1550.jpg|miniatur|rechts|Perlachplatz (1550)]] [[Datei:Briefmarke_der deutschen Post - 450 Jahre Augsburger Religionsfriede.jpg|miniatur|hochkant|[[Sondermarke]] zum Gedenken an ''450 Jahre Augsburger Religionsfriede''</small>]] [[Datei:Hyllningsgravyr med anledning av Gustaf II Adolfs befriarens intåg i Augsburg 1632, Nordisk familjebok.png|miniatur|<small>[[Gustav II. Adolf (Schweden)|Gustav&nbsp;II. Adolf]] vor den Mauern Augsburgs im Jahre 1632</small>]] [[Datei:Merian Augsburg.jpg|miniatur|rechts|Augsburg im Jahre 1643]] ==== Reformationszeit ==== Die Stadt gehörte 1529 zu den Vertretern der [[evangelisch]]en Minderheit beim [[Reichstage zu Speyer|Reichstag zu Speyer]], beteiligte sich aber nicht an der [[Protestation zu Speyer|Protestation]]. Ihre Bürgerschaft forderte die ungehinderte Ausbreitung des evangelischen Glaubens, die auf dem Reichstag zu Augsburg 1530 mit dem [[Confessio Augustana|Augsburger Bekenntnis]] von [[Philipp Melanchthon]] formuliert wurde. Die ''Confessio Augustana'' stellt die Bekenntnis- und Gründungsurkunde der [[Evangelisch-Lutherische Kirchen|Lutherischen Kirche]] dar. In der Stadt Augsburg existierte zwischen 1524 und 1573 eine bedeutende [[Täufer]]gemeinde, die vor allem durch die [[Augsburger Märtyrersynode]] im August 1527, einer internationalen Zusammenkunft von Abgesandten unterschiedlicher Täuferkreise, Bekanntheit erlangte. Bedeutende Gestalten der Augsburger Täufer waren [[Jakob Dachser]] und [[Hans Leupold]]. Die meisten der Synodalen starben später als [[Märtyrer]] für ihre Überzeugungen.<ref>Hans Guderian: ''Die Täufer in Augsburg. Ihre Geschichte und ihr Erbe. Ein Beitrag zur 2000-Jahr-Feier der Stadt Augsburg'', Augsburg 1984, ISBN 3-7787-2063-5, S. 93ff</ref> Am 22.&nbsp;Juli 1534 beschloss der Große Rat der Stadt, dass nur von ihm „installierte“ [[Prediger|Prädikanten]] in der Stadt predigen durften. Der katholische Gottesdienst wurde auf die acht Kirchen der Stifte eingeschränkt. Kleinere Kirchen und Klosterkirchen wurden geschlossen. Mit diesem Religionsmandat nahm der Rat formal die [[Kirchenhoheit]] der Stadt in Anspruch. Im Jahr&nbsp;1548 veranlasste Kaiser [[Karl V. (HRR)|Karl&nbsp;V.]] eine neue patrizische Stadtverfassung und erließ das [[Augsburger Interim]]. Mit der neuen Stadtverfassung führte die Stadt ein paritätisches Regierungs- und Verwaltungssystem ein (Gleichberechtigung und exakte Ämterverteilung zwischen Katholiken und Protestanten,&nbsp;– siehe [[Paritätische Reichsstadt]]). Der [[Augsburger Reichs- und Religionsfrieden]] 1555 beruhigte auch in der Stadt das Zusammenleben der Bürger. 28 Jahre später – am 24. Februar 1583 – wurde in Augsburg der [[Gregorianischer Kalender|Gregorianische Kalender]] eingeführt. Während des [[Dreißigjähriger Krieg|Dreißigjährigen Krieges]] wurde die Fuggerstadt am 20.&nbsp;April 1632 von der schwedischen Armee eingenommen. An diese Zeit erinnert der Schwedenturm mit dem Standbild des [[Augsburg#Der Stoinerne Ma|„Stoinerner Ma“]] sowie die Schwedenstiege, die beide Teile der Augsburger Befestigungsanlage waren. ==== 18. Jahrhundert ==== Im 18.&nbsp;Jahrhundert erlebte die Instrumentenmacherkunst in Augsburg eine neue Blüte. Sie ist eng mit dem Namen [[Georg Friedrich Brander]]s (1713–1783) verbunden, dessen Erzeugnisse in ganz Europa Anklang fanden. Am 13.&nbsp;Dezember 1703 wurde Augsburg im [[Spanischer Erbfolgekrieg|Spanischen Erbfolgekrieg]] durch [[Bayerische Armee|bayerische Truppen]] unter Kurfürst [[Maximilian II. Emanuel (Bayern)|Maximilian&nbsp;II. Emanuel]] besetzt, die es 1704 allerdings wieder räumen mussten. 1784/1785 kam es zu Weberunruhen, die schließlich am 29.&nbsp;Januar 1794 im [[Weberaufstand]] gipfelten. Den Hintergrund des Streites bildete die aufkommende [[Textilindustrie]] mit ihren Kattunmanufakturen, welche das Weberhandwerk bedrohten. So hatte [[Johann Heinrich Schüle]] 1771 mit der ''Schüleschen Kattunfabrik'' in Augsburg die erste Fabrik auf dem europäischen Kontinent errichtet. === Moderne === Durch den [[Friede von Pressburg|Friedensvertrag von Pressburg]] (26.&nbsp;Dezember 1805) verlor Augsburg, das bereits am 21.&nbsp;Dezember von [[Bayerische Armee|bayerischen Truppen]] besetzt worden war, die Reichsfreiheit und fiel an Bayern. Bis dahin war es von sieben Patrizierfamilien beherrscht worden. Ab 1809 erhielt die Stadt einen eigenen Polizeidirektor und unterstand direkt der Kreisverwaltung. Deshalb bezeichnete man sie als „kreisunmittelbar“. Nach Umbenennung der Kreise in Regierungsbezirke und der Bezirksämter in Landkreise (1938) wurde daraus „kreisfrei“, weil diese Städte außerhalb der Landkreisverbände unmittelbar der Regierung unterstanden. 1862 entstand das Bezirksamt Augsburg, aus dem später der [[Landkreis Augsburg]] hervorging. Dieser wurde bei der [[Gebietsreform in Bayern|Gebietsreform]]&nbsp;1972 mit dem ehemaligen [[Landkreis Schwabmünchen]], einem Teil des ehemaligen Landkreises Wertingen und einigen Orten der Landkreise [[Landkreis Donauwörth|Donauwörth]] und [[Landkreis Neuburg an der Donau|Neuburg an der Donau]] vereinigt. Seine heutige Ausdehnung erhielt der Landkreis Augsburg mit der Ausgliederung der Gemeinde [[Baar (Schwaben)|Baar]] zum [[Landkreis Aichach-Friedberg]] im Jahr&nbsp;1994. Augsburg blieb Sitz des Landkreises, die Stadt selbst war stets kreisfrei. [[Datei:Stamp 100 Jahre Dieselmotor.jpg|miniatur|hochkant|[[Briefmarken-Jahrgang 1997 der Bundesrepublik Deutschland|Briefmarke (1997)]]: 100&nbsp;Jahre [[Dieselmotor]]]] Im 19.&nbsp;Jahrhundert erlangte Augsburg noch einmal Bedeutung als Zentrum der Textilindustrie und des Maschinenbaus. Neben der heute nur noch unter dem Kürzel [[MAN]] bekannten ''Maschinenfabrik Augsburg Nürnberg'', wo [[Rudolf Diesel]] 1892 den [[Dieselmotor]] erfand, hatte zum Beispiel die [[Messerschmitt AG]] seit 1927 hier ihren Hauptsitz. Mit der [[Allgemeine Zeitung|Allgemeinen Zeitung]] von [[Johann Friedrich Cotta]] erschien in Augsburg außerdem die bedeutendste deutsche [[Zeitung|Tageszeitung]] dieser Zeit. Zum Ende des 19. und Beginn des 20.&nbsp;Jahrhunderts machte sich der technische Fortschritt auch in der Fuggerstadt bemerkbar: Nachdem 1881 bereits Pferdebahnen auf Schienen eingeführt worden waren, ging 1898 die elektrische [[Straßenbahn]] in Betrieb. Nach dem Ende des Ersten Weltkrieges erhielt die Stadt 1917 auch elektrisches Licht. Bis dahin war die gesamte Beleuchtung durch Gaslaternen besorgt worden. ==== Nationalsozialismus und Zweiter Weltkrieg ==== Bei der [[Reichstagswahl 1933]] erhielt die NSDAP in Augsburg 32,3 Prozent der Stimmen. Mit Beginn der „Nationalen Revolution in Bayern“ am 9.&nbsp;März begann der Terror gegen politische Gegner auch in Augsburg. Ende März&nbsp;1933 wurde der 1929 gewählte Stadtrat aufgelöst und anhand der Ergebnisse der [[Reichstagswahl]] vom 5.&nbsp;März neu besetzt, jedoch ohne die Stadträte der [[Kommunistische Partei Deutschlands|KPD]]. Im Mai verließ die [[Sozialdemokratische Partei Deutschlands|SPD]], die schon vorher von fast allen städtischen Ausschüssen ausgeschlossen war, auf Druck der Nationalsozialisten den Stadtrat, am 5.&nbsp;Juli folgte die [[Bayerische Volkspartei|BVP]]. Die Abgeordneten der [[Deutschnationale Volkspartei|DNVP]] schlossen sich der Fraktion der NSDAP an. In der Stadtratssitzung vom 28.&nbsp;April wurde der 2.&nbsp;Bürgermeister der SPD, [[Friedrich Ackermann (SPD)|Ackermann]], formell pensioniert und Joseph Mayr (NSDAP), der das Amt schon vorher kommissarisch geführt hatte, zum neuen 2.&nbsp;Bürgermeister gewählt. Am 31.&nbsp;Juli schließlich wurde der Oberbürgermeister Dr.&nbsp;[[Otto Bohl]] (BVP) entlassen und auf der Stadtratssitzung am 3.&nbsp;August durch Dr.&nbsp;Edmund Stoeckle (NSDAP) ersetzt. Die Machtübernahme in der Stadt war damit abgeschlossen. Schon am 9.&nbsp;März wurden kommunistische Funktionäre in „[[Schutzhaft (Nationalsozialismus)|Schutzhaft]]“ genommen. Richteten sich die Verhaftungen zunächst gegen Kommunisten und Sozialdemokraten, gerieten schnell auch Juden und andere missliebige Personen, wie auch Abgeordnete der BVP, in Haft. Auch der Brand der Sängerhalle (im heutigen [[Wittelsbacher Park]]) am 30.&nbsp;April 1934 war Anlass einer Verhaftungswelle. Mit der Neugliederung des Reiches 1933 wurde Bayern in sechs [[Reichsgau|Gaue]] eingeteilt. Augsburg wurde Hauptstadt des ''Gaues Schwaben''. Im Rahmen der [[Novemberpogrome 1938]] brannte am Morgen des 10.&nbsp;November 1938 die 1917 erbaute [[Augsburger Synagoge|Synagoge]] an der Halderstraße, in der Folge wurden [[Judentum|jüdische]] Geschäfte und Privatwohnungen verwüstet. Im Jahre 1985 wurde die Synagoge nach langer Restaurierung wiedereröffnet und teilweise als Jüdisches Museum genutzt. Auf dem [[Jüdischer Friedhof|Jüdischen Friedhof]] an der ''Haunstetter Straße'' erinnert ein Gedenkstein an die Augsburger jüdischen Opfer der [[Shoa]]. Neben vielen anderen Widerstandskämpfern wie [[Bebo Wager]] wurde auch der SPD-Landtagsabgeordnete [[Clemens Högg]] während der NS-Zeit ermordet. Während des [[Zweiter Weltkrieg|Zweiten Weltkrieges]] wurden aufgrund der Dezentralisierung der Rüstungsproduktion der ''Flugzeugfabrik [[Messerschmitt AG]]'' in Augsburg und im näheren Umland mehrere [[Liste der Außenlager des KZ Dachau|Außenlager des KZ Dachau]] errichtet. Im Stadtteil ''Kriegshaber'' existierte im Bereich des heutigen Gewerbehofes ''Ulmerstraße'' ein Frauenlager für 500 [[Ungarn|ungarische]] Jüdinnen. Im Ortsteil ''Haunstetten'' wurde in der ''Inninger Straße'' im Bereich einer ehemaligen Kiesgrube ein Männerlager für 2.700 [[Konzentrationslager|KZ-Häftlinge]] gebaut. Nachdem es bei Bombenangriffen zerstört wurde, ist ein neues Männerlager in einer Luftnachrichtenkaserne von ''Pfersee'' eingerichtet worden. Auch in ''Gablingen'' gab es ein Lager für 1.000 Häftlinge sowie in ''Horgau''. 235 der Häftlinge wurden von [[Schutzstaffel|SS-Männern]] ermordet oder starben an den katastrophalen Lebensbedingungen und wurden auf dem ''Westfriedhof'' begraben, woran drei Gedenktafeln erinnern. 2.000 Gefangene wurden im Frühjahr 1945 bei einem [[Todesmarsch]] aus der Kaserne ''Pfersee'' nach [[Klimmach]] getrieben, wobei viele von ihnen starben.<ref>Gedenkstätten für die Opfer des Nationalsozialismus. Eine Dokumentation, Band 1. Bundeszentrale für politische Bildung, Bonn 1995, ISBN 3-89331-208-0, S. 116</ref> Augsburg erlitt im Zweiten Weltkrieg durch Luftangriffe schwere Schäden, da die Stadt mit Produktionsstätten wichtiger Rüstungsunternehmen (unter anderem Messerschmitt&nbsp;AG und MAN) ein militärisches Ziel alliierter Bomberverbände war. Augsburg wurde über zehnmal bombardiert, davon zweimal in Angriffen von größerer Wirkung: am 17.&nbsp;April 1942 war das Ziel die U-Boot-Motoren-Produktion der [[MAN]], am 25. und 26.&nbsp;Februar 1944 galt der Angriff den Messerschmitt-Werken und dem [[Augsburg Hauptbahnhof|Hauptbahnhof]] als einem süddeutschen Eisenbahnknotenpunkt. → ''Hauptartikel: [[Luftangriffe auf Augsburg]]'' Am 28.&nbsp;April 1945 rückten Einheiten der [[7. US-Armee|7.&nbsp;US-Armee]] ohne Widerstand in Augsburg ein und errichteten hier einen Stützpunkt mit mehreren Kasernen, der erst 1998 durch den Abzug der letzten Truppen vollständig aufgegeben wurde. → ''Hauptartikel: [[US-Garnison Augsburg]]'' ==== Bundesrepublik Deutschland ==== Die Altstadt mit ihren bedeutenden Bauten wurde nach Kriegsende größtenteils wieder aufgebaut, wobei einige Arbeiten bis in die heutige Zeit andauern. So konnte die Renovierung des 1985 anlässlich der 2000-Jahr-Feier der Stadt eröffneten [[Goldener Saal|Goldenen Saals]] erst 1996 abgeschlossen werden. Als Hauptstadt des Regierungsbezirks Schwaben fügte sich Augsburg in das politische System der Bundesrepublik Deutschland und des Freistaats Bayern ein. Durch den Bau des [[Rosenaustadion]]s errang die Stadt in der Nachkriegszeit große Bedeutung für unzählige sportliche Veranstaltungen, unter anderem [[Leichtathletik]]-Ländervergleiche. Den Höhepunkt dieser Ereignisse bildeten die [[Kanusport|Kanu- und Kajak]]-Wettbewerbe auf dem [[Augsburger Eiskanal|Eiskanal]] sowie einige [[Basketball]]-, [[Fußball]]- und [[Handball]]-Vorrundenspiele der [[Olympische Sommerspiele 1972|Olympischen Spiele]] 1972, die in Augsburg ausgetragen wurden. Schon zwei Jahre zuvor wurde die [[Universität Augsburg|Universität]] als Nachfolger mehrerer anderer [[Hochschule]]n gegründet und nahm mit dem wirtschafts- und sozialwissenschaftlichen Fachbereich ihre Arbeit auf. Durch die Einrichtung weiterer Fakultäten und den Bau eines [[Campus]] ab 1974 wuchs ihre Bedeutung stetig an, so dass dort heute etwa 14.500 Studenten eingeschrieben sind. Nachdem das städtische [[Gesundheitssystem]] über viele Jahrhunderte sehr dezentral und uneinheitlich organisiert gewesen war, markierte die Einweihung des [[Klinikum Augsburg|Zentralklinikums]], das mittlerweile „Klinikum Augsburg“ heißt, im Jahr 1982 eine bedeutende Wende: Seitdem werden alle Notfälle und Operationen zentral in einem Krankenhaus behandelt; die kleineren Kliniken haben sich derweil spezialisiert (siehe ''[[Augsburg#Gesundheitswesen|Gesundheitswesen in Augsburg]]''). Eine schwere Naturkatastrophe erlebte die Stadt mit dem [[Pfingsthochwasser 1999]], als Lech und Wertach nach tagelangen Niederschlägen und der zugleich eintretenden [[Schneeschmelze]] in den Alpen über die Ufer traten. Als schließlich ein [[Wehr (Wasserbau)|Stauwehr]] einbrach, wurden ganze Stadtteile überschwemmt, wodurch ein Millionenschaden entstand. In der jüngsten Zeit wurde Augsburg mehrmals durch Insolvenzen bedeutender Firmen von schweren Krisen geschüttelt und besitzt heute eine über dem bayerischen Durchschnitt liegende [[Arbeitslosigkeit]]. Daneben sorgten verschiedene Rückschläge wie die fehlgeschlagene Erweiterung des Flugplatzes zu einem großen Regionalflughafen oder die gescheiterte Ansiedlung eines [[BMW]]-Werkes für Makel in der Ende des 20. Jahrhunderts eingetretenen positiven Entwicklung der Stadt. Durch verschiedene kulturelle Großveranstaltungen wie das ''Mozart-'' oder das ''Brecht-Jahr'' hat sich Augsburg in den letzten Jahren weltweite Beachtung verschafft. Im Jahr 2011 wird Augsburg einer der Austragungsorte der [[Fußball-Weltmeisterschaft der Frauen 2011|Frauen-Fußball-Weltmeisterschaft]] sein. === Städtische Legenden === ==== Stadtgöttin Cisa ==== Angeblich war Cisa (''dea Ciza'') die Stadtgöttin von Augsburg. In Randnotizen des aus dem [[Kloster Ursberg|Stift Ursberg]] stammenden ''Excerptum ex Gallica Historia'' (um 1135) wird ausführlich von der erfolglosen römischen Belagerung der von [[Schwaben|schwäbischen Stämmen]] zwischen Lech und Wertach errichteten Stadt Cisaris, dem späteren Augsburg, berichtet. Die Stadt war demnach nach einem Heiligtum der Göttin Cisa benannt. In diesem Text werden auch die Lokalnamen [[Augsburg-Kriegshaber|Kriegshaber]] von einem Griechen Avar, Hafnerberg von einem [[Präfekt (Römisches Reich)|Militärpräfekt]] Habeno (''auch:'' Hebeino) und [[Augsburg-Pfersee|Pfersee]] von einem Militärtribunen Verres (''auch:'' [[Publius Quinctilius Varus|Verus]]) abgeleitet (''siehe auch'': [[Augsburg-Pfersee#Der Name|Ableitung des Namens Pfersee]]). Der Text aus dem 12. Jahrhundert erweist sich als diffuse Kompilation mit deutlichem Schwerpunkt auf der, für die [[Sage]]nforschung nicht ungewöhnlichen, phantasievollen Ausdeutung nicht mehr verstandener, wohl voralemannischer Lokalnamen. In der Diskussion blieb allein die Göttin Cisa, sicherlich deswegen, weil [[Jacob Grimm]] in seiner ''Deutschen Mythologie'' den „Werth der merkwürdigen Überlieferung“ ausdrücklich betonte. Ob man an der Stelle des heutigen Kitzenberges bei der Basilika [[Basilika St. Ulrich und Afra|St. Ulrich und Afra]] eine alemannische [[Tyr|Ziuverehrung]] annehmen kann, ist ebenfalls wissenschaftlich nicht zu belegen. In Augsburg war zumindest seit dem [[Spätmittelalter|späten Mittelalter]] ein provinzialrömisches [[Medusa (Mythologie)|Medusenhaupt]] bekannt, das in der heutigen Ulrichskirche eingemauert war und sich heute im Römischen Museum befindet. Eine Darstellung der Cisa ist auf der Wetterfahne des [[Perlachturm]]s zu sehen; ferner sollen der Legende nach einige Darstellungen auf den Bronzetüren des [[Dom Unsere Liebe Frau (Augsburg)|Domes]] auf die Göttin hindeuten. ==== Der Stoinerne Ma ==== Der „Stoinerne Ma“ („Steinerner Mann“) ist eine überlebensgroße Steinfigur an der östlichen Stadtmauer im Bereich der so genannten „Schwedenstiege”, die in unmittelbarer Nähe der Galluskirche liegt. Sie stellt wohl einen einarmigen Bäcker mit einem Laib Brot und einem Schild dar. Im Bereich der Füße befindet sich ein schneckenförmig gedrehtes [[Postament]]. [[Datei:stoinernerma.jpg|miniatur|hochkant|links|Der „Stoinerne Ma“ an der östlichen Stadtmauer]] Der Sage nach handelt es sich um den Bäcker „Konrad Hackher“, der während einer langen Belagerung der Stadt aus Sägemehl Brote gebacken und für die Belagerer deutlich sichtbar über die Stadtmauer in den Graben geworfen haben soll. Der Eindruck, in Augsburg gäbe es noch so viel Brot, dass man es über die Mauer werfen könne, soll die Belagerer so demoralisiert haben, dass sie aus Wut nach ihm mit einer Armbrust schossen. Ein Treffer schlug ihm den Arm ab, bald darauf brachen sie die Belagerung ab. Historisch gehört das Ereignis in den [[Dreißigjähriger Krieg|Dreißigjährigen Krieg]], genauer zur Belagerung Augsburgs während der Jahre&nbsp;1634/35, als katholische Truppen unter Generalfeldmarschall von Wahl die von den protestantischen Schweden besetzt gehaltene Stadt zurückerobern wollten. Verlässlich belegt ist die Tat des Bäckers freilich nicht. Fakten jenseits dieser Legende gibt es allerdings: In seinem akribisch recherchierten Beitrag zur 1941 erschienenen Nr.&nbsp;54 der „Zeitschrift des historischen Vereins für Schwaben“ definiert Eduard Lampart die damals noch an der Hausecke Pulvergässchen/Unterer Graben stehende Figur als Bastelei aus einigen ursprünglich nicht zusammengehörigen Teilen. Es dürfte sich um Funde bei Erdarbeiten in der Stadt handeln, die über Generationen hinweg zum erwähnten Eckhaus gekarrt wurden, weil es bis 1810 der Sitz des amtierenden „Städtischen Bauwarts“ war. Einem der Bauwarte ist die wohl zwischen Anfang und Mitte des 18.&nbsp;Jahrhunderts erfolgte Aufstellung der Figur zu verdanken. Dass sie den historisch nicht belegbaren Bäcker-Helden Hacker darstellt, wurde ihr erst später angedichtet. Die Statue wird gerne von Spaziergängern angesteuert, die an der Stadtmauer entlang flanieren. Da es Glück bringen soll, die Nase der Steinfigur zu berühren, ist dieser Brauch vor allem bei Liebespaaren beliebt. ==== Die sieben Kindeln ==== [[Datei:Augsburg Sieben Kindeln.jpg|miniatur|Bei den sieben Kindeln]] In der Hauswand des Anwesens ''Bei den Sieben Kindeln 3'' ({{Coordinate|NS=48.372023|EW=10.90101|type=landmark|region=DE-BY|name=Bei den Sieben Kindeln 3|text=ICON0|dim=500}}) befindet sich ein eingelassenes Steinrelief aus der Römerzeit, das sechs spielende, nackte Kinder darstellt, die um einen Sarg versammelt stehen. Der Legende nach soll die Gedenkplatte von einem römischen Offizier zur Erinnerung an das [[Ertrinken]] eines seiner Kinder in Auftrag gegeben worden sein (deshalb heißt es „sieben“ Kinder, obwohl die Platte nur sechs darstellt: Das siebte Kind sei ertrunken und liegt in dem Sarg). Nach heutigem Wissensstand stellt die Platte [[Erot]]en dar und bildete einmal die Längsseite eines so genannten [[Sarkophag|Erotensarkophags]]. === Eingemeindungen === Das Stadtgebiet war schon vorher immer wieder durch Eingliederungen umliegender Gemeinden erweitert worden, größere Ausmaße nahm es jedoch erst im 20.&nbsp;Jahrhundert an. Die Eingemeindungen sind zwei Wellen zuzuordnen: Einer ersten vor und während des [[Erster Weltkrieg|Ersten Weltkrieges]], einer zweiten 1972 im Zuge der [[Gebietsreform in Bayern|Bayerischen Gemeindereform]]. Augsburgs damaliger Oberbürgermeister [[Hans Breuer (Politiker)|Hans Breuer]] hätte gerne noch mehr umliegende Städte eingegliedert, scheiterte aber am Widerstand der dortigen Bevölkerung. Zur Ansiedlung eines [[Logistikzentrum|Postlogistikzentrums]] wurde am 1.&nbsp;Juli 1999 Flur mit der benachbarten Stadt Gersthofen getauscht. [[Datei:AugsburgStadtplan1905.jpg|miniatur|Stadtplan von Augsburg (1905)]] {| class="wikitable" |- style="background: #efefef;" ! Datum ! Eingemeindete Orte ! Zuwachs |- | 1.&nbsp;Juli&nbsp;1910 || Gemeinde Meringerau (heute [[Augsburg-Haunstetten-Siebenbrunn|Siebenbrunn]]) || align="right" | 953,7&nbsp;ha |- | 1.&nbsp;Jan.&nbsp;1911 || Gemeinde [[Augsburg-Pfersee|Pfersee]] || align="right" | 345,8&nbsp;ha |- | 1.&nbsp;Jan.&nbsp;1911 || Gemeinde [[Augsburg-Oberhausen|Oberhausen]] || align="right" | 862,2&nbsp;ha |- | 1.&nbsp;Jan.&nbsp;1913 || Stadt [[Augsburg-Lechhausen|Lechhausen]] || align="right" | 2.794,4&nbsp;ha |- | 1.&nbsp;Jan.&nbsp;1913 || Gemeinde [[Augsburg-Hochzoll|Hochzoll]] (bis 1905 Friedbergerau) || align="right" | 435,0&nbsp;ha |- | 1.&nbsp;April 1916 || Gemeinde [[Augsburg-Kriegshaber|Kriegshaber]] || align="right" | 5,9&nbsp;ha |- | 1.&nbsp;Juli&nbsp;1972 || Stadt [[Augsburg-Göggingen|Göggingen]] || align="right" | 1.079,2&nbsp;ha |- | 1.&nbsp;Juli&nbsp;1972 || Stadt [[Augsburg-Haunstetten-Siebenbrunn|Haunstetten]] || align="right" | 1.393,2&nbsp;ha |- valign="top" | 1.&nbsp;Juli&nbsp;1972 || Gemeinde [[Augsburg-Inningen|Inningen]] (mit [[Augsburg-Bergheim|Bergheim]]) || align="right" | 3.383,9&nbsp;ha |- | 1.&nbsp;Mai 1978 || St. Anton-Siedlung || align="right" | 32,0&nbsp;ha |- | 1.&nbsp;Juli 1979 || Gebietsteil von [[Gersthofen]] || align="right" | 38,1&nbsp;ha |- | 1.&nbsp;Juli 1999 || Gebietsteil von Gersthofen (Gebietstausch) || align="right" | 1,6&nbsp;ha |} === Namensherkunft === Der Name Augsburgs leitet sich vom römischen Namen der Stadt, [[Augusta Vindelicorum]], ab. Den ersten Teil des Namens, ''Augusta'', trug die Stadt, weil sie auf Befehl von Kaiser [[Augustus]] von dessen beiden Stiefsöhnen [[Drusus]] und [[Tiberius]] 15 v. Chr. (zunächst als Militärlager) gegründet wurde. Der zweite Teil, ''Vindelicorum'', ist der [[Genitiv]] [[Plural]] der lateinischen Bezeichnung für den Volksstamm der [[Vindeliker]], die damals in diesem Gebiet zwischen [[Wertach]] (lateinisch ''Vinda'') und [[Lech]] (lateinisch ''Licus'') siedelten. == Politik == === Stadtverwaltung === An der Spitze der Stadt Augsburg stand als Vorsitzender des Rates nachweislich seit 1266 der ''Stadtpfleger'', der gelegentlich auch als ''Bürgermeister'' bezeichnet wurde, was dazu führte, dass teilweise beide Titel gleichzeitig in Gebrauch waren. Erst 1548 wurde der Titel endgültig auf Stadtpfleger festgesetzt. Diese amtierten über mehrere Jahre und wurden ab dann auf Lebenszeit gewählt, weshalb es auch mehrere Stadtpfleger gleichzeitig gab. Nach dem Übergang an Bayern wurde in Augsburg ein Magistrat mit zwei Bürgermeistern eingesetzt, das ab 1818 durch ein zusätzliches Kollegium der Gemeindebevollmächtigten unterstützt wurde. 1919 wurde dieses Zweikammersystem zugunsten der Einrichtung eines „Stadtrates“ aufgegeben, dem seither der „Erste Bürgermeister“ vorsteht, der meist den Titel [[Oberbürgermeister]] führt (siehe ''[[Liste der Oberbürgermeister Augsburgs]]''). Am 16. März 2008 setzte sich [[Kurt Gribl]] (CSU, zum Zeitpunkt der Wahl parteilos) in einer Stichwahl gegen Amtsinhaber [[Paul Wengert]] ([[SPD Bayern|SPD]]) durch und übernahm am 2. Mai 2008 das Amt des Oberbürgermeisters. === Stadtrat === [[Datei:Sitzverteilung Stadtrat Augsburg 2008.png|rechts|400px]] → ''Hauptartikel: [[Ergebnisse der Kommunalwahlen in Augsburg]]'' {| class="wikitable" ! class="hintergrundfarbe5" colspan="10" | Wahlergebnisse des Stadtrats seit 1972 in Prozent |- ! Jahr !! width="65" | [[Christlich-Soziale Union in Bayern|CSU]] !! width="65" | [[SPD Bayern|SPD]] !! width="65" | [[FDP Bayern|FDP]] !! width="65" | [[Bündnis 90/Die Grünen|Grüne]] !! width="65" | [[Ökologisch-Demokratische Partei|ödp]] !! width="65" | [[Die Linke|Linke]]<sup>2</sup> !! width="65" | [[Die Republikaner|REP]] !! width="65" | [[Nationaldemokratische Partei Deutschlands|NPD]] !! width="65" | sonstige |- align="center" | ! 1972 | 44,9 || 46,5 || 2,3 || – || – || 0,7 || – || 0,9 || 4,7 |- align="center" | ! 1978 | 46,8 || 44,5 || 2,7 || – || – || 0,4 || – || 0,6 || 4,9 |- align="center" | ! 1984 | 32,9 || 44,9 || 1,3 || 4,2 || – || 0,2 || – || 0,7 || 15,8 |- align="center" | ! 1990 | 43,1 || 28,4 || 2,5 || 10,8 || – || – || 10,0 || – || 5,2 |- align="center" | ! 1996 | 44,1 || 29,4 || 1,7 || 10,5 || – || – || 2,8 || – || 11,5 |- align="center" | ! 2002 | 43,5 || 36,4 || 3,5 || 8,7 || 1,8 || 1,2 || – || – || 4,9 |- align="center" | ! 2008 | 40,1 || 30,1 || 2,7 || 10,3 || 1,5 || 3,5 || – || – || 11,8 |- bgcolor="#ffddad" align="center" !Sitze<br />[[Kommunalwahlen in Bayern 2008|2008]]<sup>1</sup> | |25 || 19 || 1 || 6 || – || 2 || – || – ||7<sup>3</sup> |} <sup>1</sup> Kommunalwahlen am 2. März 2008 &nbsp; &nbsp; <sup>2</sup>: vor 2007 PDS bzw. DKP &nbsp; &nbsp; <sup>3</sup> Pro Augsburg: 6, [[Wählergruppe|Freie Wähler]]: 1 === Bundestagsabgeordnete === Augsburg befindet sich im ''[[Bundestagswahlkreis Augsburg-Stadt|Wahlkreis 252 Augsburg-Stadt]]'', dem auch [[Königsbrunn]] im gleichnamigen Landkreis Augsburg angehört. Bei der [[Bundestagswahl 2009|Wahl zum 16. Deutschen Bundestag]] wurde [[Christian Ruck|Dr. Christian Ruck]] von der [[Christlich-Soziale Union in Bayern|CSU]] mit 42,2 Prozent der Stimmen direkt gewählt. Über die Landesliste zogen außerdem [[Miriam Gruß]] für die [[FDP Bayern|FDP]], [[Heinz Paula]] für die [[Sozialdemokratische Partei Deutschlands|SPD]], [[Alexander Süßmair]] für die [[Die Linke|Linkspartei]] und [[Claudia Roth]] für [[Bündnis 90/Die Grünen]] in den Bundestag ein. === Wappen === <gallery> Bild:Wappen Augsburg 1811.jpg|Stadtwappen mit gelbem Kapitell von 1811 bis 1985 Bild:Augsburg_wappen.svg|Modernisiertes Stadtwappen seit 1985 </gallery> Die offizielle [[Heraldik|heraldische]] Beschreibung des Augsburger Wappens nennt einen von Rot und Silber gespaltenen Schild, auf dem sich eine grüne [[Zirbelnuss]] auf einem seit 1985 ebenfalls grünem [[Kapitell]] befindet. Dementsprechend sind die Stadtfarben rot-grün-weiß. Das älteste nachweisbare Stadtsiegel Augsburgs aus dem Jahr 1237 zeigt ein zweitürmiges Stadttor mit Zinnenmauer und darüber einen Stern. Im Torbogen steht ein [[Lebensbaum (Ornament)|Lebensbaum]], ab 1260 eine [[Weintraube|Traube]] auf Fuß, die wohl auf den Namen der Stadt „Augster“ anspielt, was eine Traubensorte darstellt. Im 15. Jahrhundert wird eine grüne Traube in rot-weißem Schild dargestellt, was sich durch den Fund eines Pinienzapfens (wohl die Spitze eines römischen Grabsteins) 1467 ändert: Seitdem wird statt der Traube eine [[Zirbelnuss]] abgebildet. Das Köpfchen auf dem Kapitell ist seit 1521 nachweisbar, die Mauerkrone erst seit 1811. Die Bedeutung dieser Symbole ist nicht geklärt. Die Stadtfarben sind seit 1372 bekannt. Anlässlich der 2000-Jahrfeier 1985 wurde das Wappen dem Zeitgeschmack gemäß neu gestaltet. Die Zirbelnuss war als stilisierter Pinienzapfen das [[Feldzeichen]] der [[Römische Legion|römischen Legion]] des Römerlagers und wurde zum Symbol der späteren römischen Hauptstadt der Provinz [[Raetia]]. Noch heute findet sich die Zirbelnuss auf zahlreichen Gebäuden und Mauern im gesamten Stadtgebiet als Zeichen Augsburger Würde. === Städtepartnerschaften === Die Geschichte der Augsburger [[Städtepartnerschaft]]en beginnt nach dem Zweiten Weltkrieg, als das Britische [[Generalkonsulat]] in München 1956 mit dem Wunsch zum Aufbau einer freundschaftlichen Beziehung zu einer schottischen Stadt an die Augsburger herantrat und die drittgrößte Stadt [[Inverness]] vorschlug. {| class="wikitable float-right" colspan="2" |- ! class="hintergrundfarbe5" colspan="5" | Die Augsburger Städtepartnerschaften |- | [[Datei:Stadtwappen Inverness.jpg|border|20px|Stadtwappen von Inverness]] || [[Inverness]] || [[Schottland]], [[Vereinigtes Königreich|GB]] || 1956 || [[Datei:Flag of the United Kingdom.svg|rand|20px|Vereinigtes Königreich Großbritannien und Nordirland]] |- |[[Datei:Stadtwappen Nagahama.jpg|border|20px|Stadtwappen von Nagahama]] || [[Nagahama]] || [[Japan]] || 1959 || [[Datei:Flag of Japan.svg|rand|20px|Japan]] |- |[[Datei:Stadtwappen Amagasaki.svg|border|20px|Stadtwappen von Amagasaki]] || [[Amagasaki]] || [[Japan]] || 1959 || [[Datei:Flag of Japan.svg|rand|20px|Japan]] |- |[[Datei:Stadtwappen Dayton.jpg|border|20px|Stadtwappen von Dayton]] || [[Dayton (Ohio)|Dayton]] || [[Ohio]], [[Vereinigte Staaten|USA]] || 1964 || [[Datei:Flag of the United States.svg|rand|20px|USA – Vereinigte Staaten von Amerika]] |- |[[Datei:Blason de Bourges.svg|border|20px|Stadtwappen von Bourges]] || [[Bourges]] || [[Frankreich]] || 1967 || [[Datei:Flag of France.svg|rand|20px|Frankreich]] |- |[[Datei:Znak Liberec.svg|border|20px|Stadtwappen von Liberec]] || [[Liberec]] || [[Tschechien]] || 2001 || [[Datei:Flag of the Czech Republic.svg|rand|20px|Tschechien]] |- |[[Datei:Stadtwappen Jinan.jpg|border|20px|Stadtwappen von Jinan]] || [[Jinan]] || [[Shandong]], [[Volksrepublik China|China]] || 2004 || [[Datei:Flag of the People's Republic of China.svg|rand|20px|China]] |} Nach ersten gegenseitigen Besuchen von offiziellen Vertretern im selben Jahr kam es auf Dauer zu einem Kulturaustausch, der in einer Städtepartnerschaft mündete, die interessanterweise nie vertraglich festgehalten wurde. Der erste deutsch-japanische Schwesternstadtbund geht auf die Initiative einer einzigen Person zurück: Magokichi Yamaoka hatte vor dem Zweiten Weltkrieg in München studiert und sich im Zuge seiner Forschungen auch für [[Rudolf Diesel]] interessiert, weshalb er öfter in Augsburg zugegen war. Nach Ende des Krieges, Yamaoka war inzwischen Firmenchef der Yanmar-Diesel-Werke, stiftete er deshalb den Japanischen Gedächtnishain im [[Wittelsbacher Park]]. Anschließend verwendete er seinen gesamten politischen und privaten Einfluss darauf, die Städte [[Amagasaki]] und [[Nagahama]], in denen seine Firma Fabriken besaß, mit Augsburg zu verbinden, was schließlich zur doppelten Partnerschaft im Jahre&nbsp;1959 führte. Nur fünf Jahre später entstand die Verbindung zur amerikanischen Stadt [[Dayton (Ohio)|Dayton]], die ihren Ursprung im schon 1956 von US-Präsident [[Dwight D. Eisenhower|Eisenhower]] verkündeten Projekt „People to People“ hatte. Begünstigt wurden die Entwicklungen außerdem durch die Tatsache, dass der US-Konzern [[NCR Corporation|NCR]] aus Dayton seinen deutschen Hauptsitz in Augsburg gegründet hatte. Die endgültige Partnerschaft wurde mit der Gründung eines „Sister City Committees“ vollzogen. Im Zuge des [[Élysée-Vertrag|deutsch-französischen Freundschaftsvertrages]] von&nbsp;1963 kam ein Jahr später aus den Reihen des Augsburger Stadtrates der Wunsch, mit einer Stadt in Frankreich eine Partnerschaft einzugehen. In Absprache mit der Internationalen Bürgermeister-Union fiel die Wahl auf das zentral gelegene [[Bourges]]. Der Partnerschaftsvertrag selbst wurde schließlich im April&nbsp;1967 unterzeichnet, nachdem es vorher schon wechselseitige Besuche und Kontakte gegeben hatte. Erst 31 Jahre später kam es zu einer weiteren Städtepartnerschaft, deren Ursprung allerdings schon in der Zeit kurz nach Ende des Zweiten Weltkrieges liegt: 1955 hatte die Stadt Augsburg die Patenschaft für alle aus der tschechischen Stadt [[Liberec|Reichenberg]] (tschechisch Liberec) Vertriebenen übernommen, von denen ein Großteil in der Fuggerstadt eine neue Bleibe gefunden hatte. Nach dem Ende des [[Kalter Krieg|Kalten Krieges]] hatten zunächst die ehemaligen Vertriebenen damit begonnen, vor allem auf kultureller Ebene wieder Kontakt zu ihrer alten Heimat aufzunehmen, was sich in regelmäßigen Austauschprogrammen äußerte. Dieser Entwicklung wurde schließlich am 1.&nbsp;Mai 2001 mit der Unterzeichnung eines offiziellen Städtepartnervertrages Rechnung getragen. Die momentan letzte Augsburger Städtepartnerschaft findet ihre Wurzeln in einer offiziellen Provinzpartnerschaft, die der Freistaat Bayern und die chinesische [[Administrative Gliederung der Volksrepublik China|Provinz]] [[Shandong]] am 9.&nbsp;Juli 1987 unterschrieben hatten. In deren Folge interessierte sich die Provinzhauptstadt [[Jinan]] für die Aufnahme einer Partnerschaft mit einer bayerischen Stadt. Nach ersten gegenseitigen Besuchen und Kontakten konnten die jeweiligen Bürgermeister am 3.&nbsp;September 2004 schließlich die offizielle Urkunde zur Begründung einer Städtepartnerschaft unterzeichnen. Dadurch besitzt Augsburg mittlerweile sieben Partnerstädte in drei [[Kontinent]]en, mit denen intensive Kontakte vor allem zur besseren Völkerverständigung bestehen. Diese äußern sich in den unterschiedlichsten Bereichen, unter anderem in Schüler- und Studentenaustauschen, sportlichen, musikalischen, künstlerischen Vergleichen oder verschiedenen Heimatgruppen, die sich gegenseitige Besuche abstatten.<ref>Stadt Augsburg: [http://www2.augsburg.de/index.php?id=21 Partnerstädte]</ref> === Patenschaften === 1954 wurde auf Anregung des [[Deutscher Städtetag|Deutschen Städtetages]] von der Stadt Göggingen eine [[Patenschaft]] für die deutschstämmigen Vertriebenen aus der Stadt und dem Landkreis [[Nejdek|Neudek]] im Sudetenland übernommen, die von der Stadt Augsburg seit der Eingemeindung Göggingens weiter getragen wird. Im selben Jahr wurde Augsburg selbst Pate über das schwäbische [[Illertissen]], das in diesem Jahr zur Stadt erhoben wurde. Nur ein Jahr später wurde die Patenschaft über alle aus der heute zur Tschechischen Republik gehörenden Region Reichenberg (tschech. ''Liberec'') vertriebenen Deutschen übernommen, was schließlich nach dem Fall des [[Eiserner Vorhang (Politik)|Eisernen Vorhanges]] zu einer offiziellen Städtepartnerschaft im Jahr&nbsp;2001 führte (siehe hierzu: [[Augsburg#Städtepartnerschaften|Städtepartnerschaften]]). Die Fuggerstadt ist außerdem Pate für etliche Verkehrsmittel. So trug bereits in der Kaiserzeit ab 1909 ein [[Kleiner Kreuzer]] den Namen [[SMS Augsburg (1909)|SMS&nbsp;Augsburg]] und auch in der Bundesmarine wurden seit 1958 bereits zwei [[Fregatte]]n ''Augsburg'' getauft, die [[Augsburg (F 222)|F 222]] und die [[Augsburg (F 213)|F 213]]. Seit 2008 führt das [[Passagierschiff|Fahrgastschiff]] ''[[Motorschiff|MS]]&nbsp;Augsburg'' der [[Ammersee]]-Flotte ebenso den Namen der Stadt wie seit 2002 ein [[ICE 3|ICE&nbsp;3]]&nbsp;<ref>Eisenbahn-Kurier: [http://eisenbahn-kurier.de/service/ice-taufen/ice-taufen_liste.html ICE-Taufen]</ref> der [[Deutsche Bahn|Deutschen Bahn]]. == Kultur und Sehenswürdigkeiten == → ''Hauptartikel: [[Kultur und Sehenswürdigkeiten in Augsburg]]'' === Sehenswürdigkeiten === Augsburg war in seiner Geschichte immer wieder ein kulturelles Zentrum und besitzt noch heute in verschiedenen Bereichen eine überregionale Bedeutung für Kunst und Kultur. [[Datei:Fuggerei01.jpg|miniatur|[[Fuggerei]]<br />(älteste Sozialsiedlung der Welt)]] Aus der Zeit der römischen Besiedlung als [[Augusta Vindelicorum]] sind heute nur noch wenige Fundstücke erhalten, die größtenteils in Museen ausgestellt werden. Am besten lässt sich das einstmalige Leben noch am Straßenverlauf der [[Via Claudia Augusta]] erahnen, der noch heute größtenteils vorhanden ist. Im Mittelalter entstanden vor allem Sakralbauten, deren bedeutendste der [[Dom Unsere Liebe Frau (Augsburg)|Dom Unsere Liebe Frau]] und die [[Basilika St. Ulrich und Afra]] sind, die das Stadtbild auch heute noch entscheidend prägen. Die um&nbsp;1140 entstandenen Prophetenfenster im südlichen [[Obergaden]] des Doms sind die weltweit einzigen erhaltenen Beispiele [[Romanismus|romanischer]] Glasmalerei. Weitere bedeutende kirchliche Kunstwerke aus dieser Zeit sind die [[Bronzetür des Augsburger Domes|Bronzetüren des Augsburger Domes]] aus den Jahren&nbsp;1065, die im Jahr&nbsp;2000 renoviert wurden. [[Datei:Perlachturm.jpg|miniatur|hochkant|[[Perlachturm]]]] Daneben umgab sich das mittelalterliche Augsburg mit großen Wehranlagen und der durchgehenden [[Stadtbefestigung Augsburg|Stadtmauer]], von der noch heute viele Teile erhalten sind, unter anderem der [[Fünfgratturm]] oder das [[Wertachbrucker Tor]]. Innerhalb dieser Mauern siedelten sich zur selben Zeit [[Goldschmied|Gold- und Silberschmiede]] an, die sich über die Jahrhunderte einen hervorragenden Ruf erarbeiteten. Ihre Werke können heute in verschiedenen Museen und Ausstellungen betrachtet werden. Die Stadt selbst ist noch heute von einer auffällig hohen Zahl von Handwerkern dieser Richtung geprägt. Ihren absoluten Höhepunkt erlebte Augsburg zur Zeit der [[Renaissance]], als hier Künstler wie [[Hans Holbein der Ältere]] oder [[Hans Burgkmair der Ältere]] wirkten und die Stadt zu einem der bedeutendsten kulturellen Zentren in Mitteleuropa werden ließen. In dieser Zeit entstanden einige der wichtigsten und bekanntesten Sehenswürdigkeiten, die nicht zuletzt durch die reichen Kaufmannsfamilien der [[Fugger]] und [[Welser]] finanziert wurden: [[Elias Holl]] erbaute das [[Augsburger Rathaus|Rathaus]], das als bedeutendster profaner Renaissancebau nördlich der Alpen gilt und über den [[Augsburger Prachtbrunnen|Prachtbrunnen]] ([[Augustusbrunnen]], [[Herkulesbrunnen]] und [[Merkurbrunnen (Augsburg)|Merkurbrunnen]]) thront. Mit der [[Fuggerei]] entstand außerdem die älteste noch heute genutzte Sozialsiedlung der Welt. Doch auch spätere Epochen haben in Augsburg ihre Spuren hinterlassen. Vor allem der [[Rokoko]]stil, der auch ''Augsburger Geschmack'' genannt wurde, hat der Stadt seinen Stempel aufgedrückt: Aus dieser Zeit stammen unter anderem die [[Fürstbischöfliche Residenz (Augsburg)|Bischöfliche Residenz]] und das [[Schaezlerpalais]]. [[Datei:Bears in Augsburg Zoo.jpg|miniatur|Bärengehege im [[Zoo Augsburg|Augsburger Zoo]]]] Während der [[Industrielle Revolution|Industriellen Revolution]] entstanden Fabrikanlagen wie zum Beispiel die [[Johann Heinrich Schüle|Schülesche Kattunfabrik]], der [[Glaspalast Augsburg|Glaspalast]] oder das [[Fabrikschloss]], die heute größtenteils anderen Zwecken (zumeist als Museen oder Kunstgalerien) dienen, und Industriellenvillen wie das [[Gignoux-Haus]], die ''Villa Haag'' oder die ''Villa Silbermann''. Der [[Jugendstil]] hinterließ in Augsburg mit der [[Augsburger Synagoge|Synagoge]], dem [[Kurhaus Göggingen|Kurhaus in Göggingen]], der [[Herz-Jesu-Kirche (Augsburg)|Herz-Jesu-Kirche]] im Stadtteil Pfersee und dem [[Altes Stadtbad (Augsburg)|Alten Stadtbad]] ebenfalls außerordentliche Bauwerke. Noch vor Ausbruch des Zweiten Weltkrieges wurde 1937 der [[Zoo Augsburg|Augsburger Zoo]] eröffnet, der nach Kriegsende mit exotischen Tieren bestückt wurde und mit jährlich mehr als 500.000 Besuchern heutzutage die meistbesuchte kulturelle Einrichtung Bayerisch-Schwabens darstellt. Nach dem Zweiten Weltkrieg prägten zunächst vor allem Bauten für Großveranstaltungen das Stadtbild, zu erwähnen ist vor allem das [[Rosenaustadion]] als modernstes Stadion seiner Zeit und viele in [[Sichtbeton]]-Bauweise errichtete Gebäude, so unter anderem die [[Sporthalle Augsburg|Sporthalle]], das [[Kongresshalle Augsburg|Kongresszentrum]] mit dem [[Augsburger Hotelturm|Hotelturm]] oder das [[Curt-Frenzel-Stadion]]. In die vom [[Bayerisches Landesamt für Denkmalpflege|Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege]] herausgegebene und betreute Denkmalliste sind derzeit 1226 Augsburger Einzelbaudenkmäler eingetragen - diese machen damit etwa 1,6 Prozent des gesamten Gebäudebestandes der Stadt aus. Darüber hinaus hat Augsburg 20 eingetragene Ensembles sowie das großflächige Altstadtensemble, welches wiederum 65 geschützte Platz- und Straßenbilder aufweist. === Museen und Galerien === Die Stadt verfügt über eine Vielzahl von Museen, deren Gesamtheit in der [[Liste der Museen in Augsburg]] zu finden ist. Hier soll nur auf die bedeutendsten eingegangen werden. [[Datei:Brunnenmeisterhaus-Augsburg 01.jpg|miniatur|[[Schwäbisches Handwerkermuseum|Schwäb. Handwerkermuseum]]]] Das [[Maximilianmuseum]] wurde 1855 errichtet und zum Jahrtausendwechsel erstmals von Grund auf renoviert, wodurch es ein historisch-modernes Flair erhalten hat. Der Ausstellungsbereich erstreckt sich über mehrere Etagen und teilt sich auf in Dauerausstellungen, die unter anderem Skulpturen, Goldschmiedekunst, Bauentwürfe und stadtgeschichtliche Sammlungen darstellen, sowie in einen Teil für Wechselausstellungen. Das [[Schwäbisches Handwerkermuseum|Schwäbische Handwerkermuseum]] wird von der Schwäbischen [[Handwerkskammer]] betrieben und zeigt historische Werkstätten alter und zumeist ausgestorbener Handwerke wie zum Beispiel [[Bader]], [[Sattler]], [[Schuhmacher]], [[Uhrmacher]], [[Bäcker]], [[Buchbinder]] oder [[Posamentierer]]. Zu sehen sind originale Einrichtungen, Werkzeuge und Arbeitsmaterialien. Daneben widmet sich eine eigene Ausstellung den [[Zunft|Zünften]]. Im [[Römisches Museum Augsburg|Römischen Museum]], das sich in den Räumen des ehemaligen Dominikanerklosters St. Magdalena befindet, sind archäologische Funde aus Augsburg und Umgebung von der Steinzeit über die Bronzezeit bis zur Spätantike und dem frühen Mittelalter zu betrachten. Das Schwergewicht liegt jedoch auf Objekten aus der Zeit als römische Provinzhauptstadt. Das nach umfangreichen Sanierungsmaßnahmen 2006 wiedereröffnete [[Schaezlerpalais]] ist einerseits als ein Glanzpunkt des [[Rokoko]]baustils sehenswert, beherbergt andererseits aber auch vier bedeutende Kunstsammlungen: Die [[Deutsche Barockgalerie]], die [[Graphische Sammlung der Stadt Augsburg|Graphische Sammlung]], die [[Karl und Magdalene Haberstock-Stiftung]] und die [[Staatsgalerie Altdeutsche Meister|Staatsgalerie in der Katharinenkirche&nbsp;– Altdeutsche Meister]]. Hier sind unter anderem Werke von [[Albrecht Dürer]] zu betrachten. [[Datei:Augsburg glaspalast 20020525.jpg|miniatur|hochkant|[[Glaspalast Augsburg]] (beherbergt mehrere Kunstmuseen)]] Für Anhänger der modernen Kunst ist der [[Glaspalast Augsburg|Glaspalast]] mit dem [[Kunstmuseum Walter]] und der benachbarten [[Galerie Noah]] der richtige Ort, denn hier wird auf 5.500&nbsp;Quadratmeter Ausstellungsfläche die Privatsammlung des Unternehmers Prof. Ignatz Walter gezeigt. Schwerpunkt der Sammlung ist die zeitgenössische Kunst. Als Höhepunkt gilt die Glaskunst von Egidio Costantini, dessen zahlreiche Werke in Zusammenarbeit mit Künstlern wie Picasso, Miró und Braque entstanden. Außerdem sind hier auch die [[Staatsgalerie Moderne Kunst]], eine Zweigstelle der [[Pinakothek der Moderne]] in München, und das [[H2 – Zentrum für Gegenwartskunst|H2&nbsp;– Zentrum für Gegenwartskunst]] untergebracht. Das [[Eishockeymuseum]] befindet sich neben dem Plärrer und stellt verschiedene Exponate berühmter Eishockeyspieler im In- und Ausland aus, so zum Beispiel den Nachlass von Gustav Jaenecke. Daneben führt es die [[Ruhmeshalle|Hall of Fame]] Deutschland, in die Spieler, Schiedsrichter, Trainer, Offizielle und Journalisten aufgenommen werden. Die Geburtshäuser von [[Bertolt Brecht]] und [[Leopold Mozart]] wurden nach selbigen benannt und beherbergen heute als [[Brechthaus|Brecht-]] beziehungsweise [[Mozarthaus Augsburg|Mozarthaus]] Ausstellungen über Leben und Wirken der beiden berühmtesten Söhne der Stadt. Das Puppentheatermuseum [[Augsburger Puppenkiste#Museum „die Kiste“|Die Kiste]] der [[Augsburger Puppenkiste]] befindet sich im ehemaligen ''Heilig-Geist-Spital'' und zeigt die bekannten „Stars an Fäden“ wie das Urmel, Jim Knopf oder Kalle Wirsch. Daneben bietet die Fuggerstadt eine große Zahl weiterer Museen und Galerien mit verschiedenen Themen und erwartet mit dem [[Bahnpark Augsburg]], dem [[Bayerisches Textil- und Industriemuseum|Bayerischen Textil- und Industriemuseum]] und dem [[Gaswerk Augsburg|Gaswerk-Museum]], die derzeit eingerichtet werden, in naher Zukunft drei weitere bedeutende Museen. === Theater und Bühnen === Entsprechend der generellen kulturellen Bedeutung befindet sich in Augsburg auch eine Vielzahl von Theatern, die in ihrer Gesamtheit in der [[Liste der Theater in Augsburg]] zu finden sind. [[Datei:Augsburg-Stadttheater.jpg|miniatur|[[Stadttheater Augsburg]]]] Das [[Theater Augsburg]] ist das bedeutendste Theater der Stadt und besitzt ein Musiktheater-, Schauspiel- und Ballettensemble, das an mehreren Spielorten (im [[Stadttheater Augsburg|Großen Haus]], in der [[Gignoux-Haus|Komödie]], im [[Hoffmann-Keller]], auf der [[Freilichtbühne (Augsburg)|Freilichtbühne am Roten Tor]] und in der Kongresshalle) auftritt. Deutschlandweit bekannt ist die [[Augsburger Puppenkiste]], ein [[Marionette]]ntheater sowohl für Erwachsene als auch Kinder. Die Puppenkiste hat legendäre Produktionen wie [[Urmel aus dem Eis]] oder [[Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer]] hervorgebracht und produziert ungeachtet moderner Trends erfolgreich neue Theaterstücke. Mit dem [[S'ensemble Theater]] besitzt Augsburg auch ein überregional beachtetes [[experimentelles Theater]], das zunächst auf einer Freilichtbühne spielte und inzwischen eine eigene Spielstätte in der ''Kulturfabrik Augsburg'' unterhält. Die Stücke des S'ensemble Theaters reichen von [[Schauspiel|Sprech-]], [[Musiktheater|Musik-]], [[Improvisationstheater|Improvisations-]] und Ausdruckstheater bis hin zu [[Performance (Kunst)|Performance]] und [[Installation (Kunst)|Installation]]. In der Stadt sind eine große Zahl weiterer Bühnen oder Kulturhäuser zu finden, die sich den verschiedensten Sparten des Theaters gewidmet haben. Außerdem betreiben viele Schulen eigene Theatergruppen, so auch die Universität mit ihrem [[Romanistentheater (Augsburg)|Romanistentheater]]. === Kinos === [[Datei:Augsburg Moritzkirche und Moritzpunkt.jpg|miniatur|hochkant|Ehemaliger ''Filmpalast'' und [[St.-Moritz-Kirche (Augsburg)|St.-Moritz-Kirche]]]] Augsburgs Filmtheater haben eine lange Tradition. Die erste belegte Filmvorführung fand am 19. Oktober 1896 im [[Café|Kaffeehaus]] ''Mercur'' am Judenberg statt, wo verschiedene [[Kurzfilm]]e&nbsp;– zum Beispiel die Ankunft eines Zuges an einem Bahnhof&nbsp;– von einem [[Kinematograph]]en vorgeführt wurden. In den Jahren danach kamen regelmäßig Schausteller mit ihren Wanderkinematographen auf verschiedene Volksfeste. Das erste Kinogebäude zur Veranstaltung von [[Varieté]] meldete der Augsburger Lebensmittelhändler Fridolin Widmann im November 1906 behördlich an: Das ''Thalia-Theater'' darf sich damit als das älteste Kino der Stadt bezeichnen, auch wenn dieser Name erst 1909 sicher nachgewiesen ist.<ref>Universität Oldenburg: [http://www.uni-oldenburg.de/kunst/mediengeschichte/kino/schwaben/augenblick/augsburg.htm Zur Augsburger Filmtheatergeschichte]</ref> Viele der damals entstandenen Kinos existieren heute nicht mehr oder unter anderem Namen. Einen entscheidenden Einschnitt markierte um die Jahrtausendwende der Bau von zwei [[Multiplex-Kino|Multiplexkinos]], einem Abzweiger der [[Cinestar]]- und einem der [[Cinemaxx]]-Kette, die das Ende von traditionellen Filmtheatern wie dem ''Capitol'' oder dem ''Filmpalast'' bedeuteten. So konzentrieren sich heute diese beiden Kinokomplexe auf die aktuellen [[Hollywood]]-[[Blockbuster]]. Daneben haben sich einige kleinere Kinos gehalten, die größtenteils in die Sparte des [[Programmkino]]s fallen und neben den eigentlichen Filmen auch andere kulturelle Veranstaltungen anbieten: Das ''Liliom'', das ''Mephisto'', das ''Savoy'', die ''Schauburg'' und das ''Thalia''. Jedes Jahr im Sommer findet das ''Augsburger Lechflimmern'' statt. Dabei werden an verschiedenen Örtlichkeiten&nbsp;– unter anderem in [[Freibad|Freibädern]] und auf einer [[Freilichtbühne|Seebühne]]&nbsp;– täglich Filme jeglichen Genres auf eine große Leinwand projiziert. Die Besucher können sich auf bereitgestellte Plastikstühle setzen oder sich mit Decken auf das Gras legen. Filmbeginn ist immer mit Untergang der Sonne. Der im Sommer 2006 erschienene bayerische Film [[Wer früher stirbt ist länger tot]], der deutschlandweit Beachtung fand und den ''Förderpreis Deutscher Film'' erhielt, feierte seine Premiere im ''Mephisto''-Kino. === Musik === ==== Bands und Interpreten ==== Augsburg ist der Heimatort einiger deutschlandweit bekannter Musikinterpreten und -bands. Die bekannteste dürfte [[The Seer]] sein, die 1990 gegründet wurde und eine Mischung aus hymnenhaftem [[Rockmusik|Rock]] und [[Folk]]-Elementen spielt. Schon zehn Jahre früher erblickte die Band ''Impotenz'' das Licht der Welt, die anfangs vor allem durch provokative Liedtexte auffiel. So wurde das Lied ''Nutten an die Macht'' vom [[Bayerischer Rundfunk|Bayerischen Rundfunk]] sogar auf die Verbotsliste gesetzt. 1984 hätten sie eigentlich eine Single mit Roy Black aufnehmen wollen, was dieser aber gesundheitsbedingt absagen musste. Augsburg bot schon in den 1960er Jahren ein gutes Pflaster für Bands, die sich vor allem auf lokaler Ebene einen Namen gemacht haben – so zum Beispiel „The Roughroads“ oder „The Shotguns“. Dagegen sind vor allem in jüngerer Zeit die Popbands [[Nova International]] und [[Anajo]] bekannt geworden. Letztere vertrat das Bundesland Bayern 2007 beim [[Bundesvision Song Contest]] und erreichte den neunten Platz. Überregionale Berühmtheit hat inzwischen auch die Gruppe [[Dear John Letter]] erreicht, deren [[Postrock]] vor allem über das Internet bekannt wurde und fast ausschließlich positiv aufgenommen wird. [[Roy Black]], der als Beatsänger mit „The Cannons“ begann, dann aber durch seine [[Schlager]] (zum Beispiel „Du bist nicht allein“) berühmt wurde, ist kein gebürtiger Augsburger, sondern stammt aus dem Dorf [[Bobingen|Straßberg]] wenige Kilometer südlich. Seine gesamte Jugend verbrachte er dennoch in der Fuggerstadt, da er am dortigen [[Holbein-Gymnasium Augsburg|Holbein-Gymnasium]] das Abitur absolvierte. Viele bekannte Augsburger Bands sind auf dem Album „2000 Töne“ zu hören, das anlässlich des 2000. Geburtstages der Stadt aufgenommen wurde. ==== Chöre ==== Als bedeutendster [[Chor (Musik)|Chor]] Augsburgs gelten die [[Augsburger Domsingknaben|Domsingknaben]], ein reines Jungenensemble, das unter dem [[Patrozinium]] des [[Dom Unsere Liebe Frau (Augsburg)|Doms St. Marien]] steht, weswegen die Sänger früher auch „Marianer“ genannt wurden. Der Chor besitzt eine lange Tradition: Eine erste urkundliche Erwähnung findet sich 1439. Neben der regelmäßigen Gestaltung der gottesdienstlichen [[Liturgie]] im Dom bestreiten seine Mitglieder ständig Konzerte und Auslandsreisen und wurden auch durch etliche Platten- beziehungsweise CD-Aufnahmen bekannt. Das [[Theater Augsburg]] besitzt in seinem Ensemble einen hauseigenen gemischten Chor, der in der Regel vor allem bei großen [[Oper]]n- oder [[Musical]]-Produktionen eingesetzt wird, daneben aber auch eigene Konzerte und Auftritte gibt. Vor allem im Rahmen des „Mozartjahres“ 2006 fand der ''Mozartchor Augsburg'' deutschlandweite Beachtung. Er wurde 1976 gegründet und besteht aus erfahrenen Laiensängern und -sängerinnen. Sein Repertoire umfasst dabei hauptsächlich [[Oratorium|Oratorien]], die zusammen mit namhaften Solisten oder Orchestern aufgeführt werden. Daneben besteht eine Vielzahl weiterer Chöre, die größtenteils zu christlichen Gemeinden oder Organisationen, Musik- und allgemeinbildenden Schulen gehören. Hierbei zeichnen sich vor allem die gemischten Chöre der ''Albert Greiner Sing- und Musikschule'' und des [[Gymnasium bei Sankt Stephan (Augsburg)|Gymnasiums bei St. Stephan]] aus, die weit über die Stadtgrenzen hinaus bekannt sind. ==== Orchester ==== Die [[Bayerische Kammerphilharmonie]] stellt das bekannteste [[Orchester]] Augsburgs, obwohl sie erst 1990 gegründet wurde. Das Kammerorchester widmet sich vor allem der Interpretation klassischer und zeitgenössischer Musik und hat sich mittlerweile in der Musikwelt etabliert, was nicht zuletzt an zwei bedeutenden Auszeichnungen liegt, die ihm 1996 verliehen wurden: Der ''Förderpreis der europäischen Wirtschaft'' und der ''Kulturpreis der europäischen Regionen''. Das ''Philharmonische Orchester der Stadt Augsburg'' gehört zum Ensemble des städtischen Theaters und untermalt hauptsächlich dessen Produktionen. Die insgesamt 70 engagierten Konzertmeister und Musiker treten daneben aber auch eigenständig oder in Zusammenarbeit mit anderen Chören auf.<ref>Theater Augsburg: [http://theater1.augsburg.de/page.php?pageid=70 Philharmonisches Orchester Augsburg]</ref> Das [[Bukowina-Institut]] für [[Osteuropa]]-Studien, im Augsburger Süden gelegen, besitzt seit 1991 ein eigenes Salon- und Liebhaberorchester, das aus etwa 30 Hobbymusikern und Studenten der [[Hochschule für Musik Nürnberg|Hochschule für Musik]] besteht. Mittlerweile hat das junge Orchester bereits einige Auslandsreisen&nbsp;– vornehmlich nach Osteuropa&nbsp;– mit großem Erfolg absolviert.<ref>Salonorchester Augsburg: [http://www.salonorchester-augsburg.de/ueberuns.php Über uns]</ref> Weitere Orchester werden von vielen Schulen, Organisationen und Musikliebhabern gestellt, die in der Stadt für einen großen musikalischen Veranstaltungskalender sorgen. === Kulturelle Veranstaltungen === [[Datei:Augsburg Brechthaus 2004.jpeg|miniatur|[[Brechthaus]]]] Augsburg kann über die Jahrhunderte auf etliche bedeutende Bürger zurückblicken, deren Jubiläen der Stadt Anlass zu großen Veranstaltungen gaben. So finden in regelmäßigen Abständen große Ereignisse mit der Thematik [[Bertolt Brecht]] statt, unter anderem Literaturprojekte oder Theateraufführungen. Mit Beginn des Jahres 2006, dem sogenannten ''Mozart-Jahr'', präsentierte sich Augsburg als deutsche Mozartstadt, da Mozarts Vater und Familie aus der Region stammten und selbst seine Jugendliebe eine Bürgerin der Stadt war. In diesem Rahmen fanden unzählige Konzerte und Vorträge statt. Seit 1985 finden jedes Jahr im März die ''Internationalen Filmtage Augsburg'' statt, die sich in vier Unterveranstaltungen aufgliedern lassen: Das ''Augsburger Kinderfilmfest'', die ''Tage des unabhängigen Films'', das ''Augsburger Kurzfilmwochenende'' und das internationale Symposium ''Cinema of Tomorrow'' für junge Filmemacher und -studenten. 2006 fiel das Festival wegen Finanzierungsproblemen aus, die jedoch im Herbst desselben Jahres beseitigt werden konnten, so dass die Filmtage auch in Zukunft stattfinden werden.<ref>Filmtage Augsburg: [http://www.filmtage-augsburg.de Pressemitteilungen]</ref> Daneben finden etliche weitere Veranstaltungen jeder Art und Kunstrichtung statt, angefangen von Konzerten über Kunst- und Kabaretttage. So ist die Stadt unter anderem auch Schauplatz des [[Honky Tonk (Festival)|Honky Tonk]]-Festivals. === Sonstige Veranstaltungen === [[Datei:Augsburg-Osterplaerrer2006 01-01-05-2006.jpg|miniatur|Oster-[[Plärrer (Augsburg)|Plärrer]] im Jahr&nbsp;2006]] Der [[Plärrer (Augsburg)|Augsburger Plärrer]] ist mit etwa 1,2&nbsp;Millionen Besuchern pro Jahr<ref>Augsburger Plärrer: [http://www.plaerrer-volksfest.de/index.php?id=100 Zahlen und Fakten]</ref> das größte Volksfest in Bayerisch-Schwaben und das drittgrößte in Bayern. Der Plärrer findet zweimal jährlich auf dem so genannten ''Kleinen Exerzierplatz'' bei den städtischen Freibädern statt: Ein Mal im Frühjahr (beginnend am Ostersonntag) und ein Mal im Spätsommer (Ende August/Anfang September) − er dauert dabei jeweils etwa zwei Wochen. Die Schausteller kommen dazu hauptsächlich aus Süddeutschland. Dieses Volksfest kann auf eine mehr als tausendjährige Tradition zurückblicken und lockt jedes Mal Tausende Besucher pro Tag an.<ref>Augsburger Plärrer: [http://www.plaerrer-online.de Offizielle Internetpräsenz]</ref> Bertolt Brecht hat es im Jahr&nbsp;1917 in seinem Gedicht ''Das Plärrerlied'' gewürdigt. Ein zweites großes Volksfest bildet die [[Dult|Augsburger Dult]], ein ehemaliges Kirchenfest. Hierbei entsteht eine fast einen Kilometer lange Budenstraße zwischen [[Jakobertor]] und [[Vogeltor]] (entlang der alten Stadtmauer), welche die typischen Waren eines Jahrmarktes anbietet. Die Dulten werden zweimal pro Jahr von Tausenden besucht: Einmal um Ostern (die sogenannte Frühjahrs- oder Osterdult) und um den 29.&nbsp;September, den St.&nbsp;Michaels-Tag (die sogenannte Herbst- oder Michaelidult). [[Datei:Turamichele-2007-1.jpg|miniatur|hochkant|[[Turamichele]] am [[Perlachturm]]]] An diesem Tag besteht auch die einzige Möglichkeit im Jahr, das [[Turamichele]], eine mechanisch bewegte Figur des [[Michael (Erzengel)|Erzengels Michael]], zu betrachten: Sie erscheint zu jeder vollen Stunde im untersten Westfenster des Perlachturms und verpasst dem Teufel jeweils so viele Stiche wie Glockenschläge. Auf dem Rathausplatz findet an diesem Tag zusätzlich ein großes Kinderfest statt. Jährlich zur Adventszeit wird auf dem Rathausplatz der [[Augsburger Christkindlesmarkt]] aufgebaut, der schon 1498 in einem Protokoll erwähnt wird und somit zu den ältesten Weihnachtsmärkten Deutschlands gehört. Seit&nbsp;1977 findet an den Adventswochenenden sowie zur Eröffnung und zum Abschluss des Marktes das „Engelesspiel“ statt, bei dem 24&nbsp;Personen in Engelskostümen auf dem Balkon des Rathauses erscheinen. Als Schauplatz des ''Augsburger Reichs- und Religionsfriedens'' von&nbsp;1555, des ersten Vertrages für ein friedliches Zusammenleben von Katholiken und Protestanten, präsentiert sich Augsburg außerdem als „Friedensstadt“ und vergibt alle drei Jahre den [[Augsburger Friedenspreis]], den unter anderem schon [[Michail Sergejewitsch Gorbatschow|Michail Gorbatschow]] und [[Richard von Weizsäcker]] erhielten. === Nachtleben === Als Mittelpunkt des Augsburger [[Nachtleben]]s gilt die Gegend um die [[Maximilianstraße (Augsburg)|Maximilianstraße]], in der sich vor allem in den letzten Jahren eine Vielzahl von Bars, Clubs und Cafés angesiedelt haben und ein breit gefächertes Angebot bieten. Jedes Jahr im Sommer findet hier außerdem das „Max“, ein großes [[Freiluftkonzert|Open Air]]-Straßenfestival, statt und lockt an einem Wochenende über 100.000 Besucher in die Stadt. Größere [[Diskothek]]en, die sich verschiedensten Musikrichtungen gewidmet haben, sind vor allem in den Außenbezirken der Stadt zu finden. Dort sorgen außerdem eine Vielzahl kleinerer Bars und Kneipen (in den Arbeitervierteln im Norden der Stadt vor allem so genannte „Boaizen“, im Süden der Stadt dagegen hauptsächlich studentisch geprägte Lokale) für eine breite Palette an Ausgehmöglichkeiten. === Kulinarische Spezialitäten === [[Datei:Pflaumenkuchen.jpg|miniatur|Der [[Zwetschgenkuchen|Zwetschgendatschi]], eine Augsburger Spezialität]] Die bekannteste Augsburger Spezialität verleiht den Einwohnern gleichzeitig einen Spitznamen: Der als [[Zwetschgenkuchen|Zwetschgendatschi]] bekannte [[Blechkuchen]], aus [[Hefeteig|Hefe-]] oder [[Mürbeteig]] gebacken und mit halbierten [[Zwetschge]]n belegt, wurde in der Stadt erfunden, weshalb deren Bürger auch „Datschiburger“ genannt werden. Eine weitere verbreitete Speise ist die [[Weißwurst]], die hier nach [[München]] eine zweite Heimat besitzt, was der ''Bayerische Fleischerverband'' sogar zu würdigen weiß: Er hat beim [[Patentamt|Marken- und Patentamt]] einen Antrag gestellt, wonach auch Augsburger [[Fleischer|Metzger]] das Recht bekommen sollen, ihren Würsten den Titel „Original Münchner Weißwurst“ zu geben. Die typische [[Beilage (Speise)|Beilage]] zu Augsburger Gerichten bilden [[Spätzle]], aus [[Mehl]], [[Ei]]ern und [[Speisesalz|Salz]] zubereitete [[Nudel|Teigwaren]]. Diese werden in abgewandelter Form auch als eigenes Gericht serviert: Hierbei nehmen die Kässpatzen die Spitzenposition ein, die ihren Weg in die Fuggerstadt wohl ursprünglich aus dem [[Allgäu]] gefunden haben, hier aber heutzutage mindestens genauso gerne und oft verzehrt werden. Sie werden zumeist mit [[Röstzwiebeln]] und [[Salat (Gericht)|Salat]] gereicht. Weitere beliebte Kulinaritäten sind (Kraut-) [[Schupfnudel]]n und der [[Schweinsbraten]], der allerdings nahezu überall in Bayern geschätzt wird. === Der Augsburger Dialekt === Ein Besucher wird nahezu keinen gebürtigen Augsburger den Namen seiner Stadt so sprechen hören, wie er eigentlich geschrieben wird. Vielmehr wird „Augsburg“ im fast schon eigenen städtischen [[Dialekt]] ''Augschburg'' ausgesprochen. Eine genaue Zuordnung des ''Augsburgerischen'' zu einer Sprachgruppe gestaltet sich schwierig, da die Stadt die Grenze verschiedener Verbreitungsgebiete von Mundarten bildet und somit die dortige Sprache von vielfältigen Einflüssen geprägt ist. Prinzipiell ist der Dialekt den [[Schwäbische Dialekte|ostschwäbisch]]-[[Alemannische Dialekte|alemannischen]] Mundarten zuzuordnen, ist aber auch durch mittel- beziehungsweise südbairische Dialektformen mit [[mittelhochdeutsch]]en Relikten durchsetzt. Vor allem die jüngeren Generationen sprechen heutzutage einen stärker vom [[Hochdeutsche Dialekte|Hochdeutschen]] und [[Bairische Dialekte|Bairischen]] geprägten schwäbischen Dialekt. Deutlich ausgeprägt sind im Augsburgerischen das ''sch'' (Beispiele: ''ist''&nbsp;→ ''isch''; ''weißt''&nbsp;→ ''woisch''; ''könntest du mir nicht einmal zeigen, wie ich das am besten zu tun habe''&nbsp;→ ''kénndsch mr ned amol zoigar, wiar i dés âm beschdar zom dua hâb/hâo'') und das gerollte ''r'' (Beispiele: ''sprechen''&nbsp;→ ''schprechr''; ''oder''&nbsp;→ ''odr''). „''Der steinerne Mann''“ wird ''dr schtoinarne Mâ'' (oder ''dr schtoinerne Mo'') ausgesprochen, während die ''Straßenbahn'' als ''Schtrossabô'' bekannt ist. == Sport und Freizeit == === Sportvereine === Seit 2006 besitzt die Fuggerstadt mit dem [[FC Augsburg]] wieder einen Verein im Profifußball: Nach 23 Jahren gelang dem 1907 gegründeten Club der Meistertitel in der [[Fußball-Regionalliga|Regionalliga Süd]] und damit die Rückkehr in die [[2. Fußball-Bundesliga|Zweite Fußball-Bundesliga]]. Der FCA, dessen Talentschmiede unter anderem [[Helmut Haller]], [[Christian Hochstätter]], [[Bernd Schuster]] und [[Armin Veh]] durchliefen, ist Rekordmeister der [[Bayernliga (Fußball)|Bayernliga]] und hatte vor allem Mitte der 1970er Jahre seinen Höhepunkt, als zu den Heimspielen durchschnittlich 23.000 Fußballbegeisterte kamen. Daneben besteht mit dem [[TSV Schwaben Augsburg]] ein zweiter Fußball-Traditionsverein, der zeitweise bis in die Bayernliga aufsteigen konnte. Bekannt geworden sind die Schwaben aber vor allem durch ihre anderen Sportabteilungen, allen voran das Kanu- und Kajakteam, dessen Sportler unter anderem drei Olympische Goldmedaillen ([[Olympische Sommerspiele 1992|1992]], [[Olympische Sommerspiele 1996|1996]] und [[Olympische Sommerspiele 2008|2008]]) erringen konnten. Die Frauenfußballmannschaft des TSV Schwaben spielt derzeit ebenso wie die des [[TSV Pfersee Augsburg]] in der Bayernliga. Als beständigste Profimannschaft der Stadt spielen die Eishockey-Erstligisten [[Augsburger Panther]] in der [[Deutsche Eishockey Liga|DEL]]. Hervorgegangen ist das Team aus dem 1878 als erster Eislaufverein Deutschlands gegründeten Augsburger EV, der nach wie vor für den Nachwuchsbetrieb zuständig ist. Mit den ''EG Woodstocks'' gibt es noch eine dritte Eishockey-Mannschaft in Augsburg. Der [[Turnverein Augsburg|Turnverein Augsburg 1847]] ist der zweitgrößte Sportverein der Stadt und ist in den verschiedensten Sportarten mit sehr großem Erfolg tätig: So wurden zuletzt die Deutschen Meisterschaften im [[Faustball]], der [[Rhythmische Sportgymnastik|Rhythmischen Sportgymnastik]] und der Turnerjugend-Gruppenmeisterschaft errungen. Vor allem in den Sportarten [[Handball|Hand-]] und [[Volleyball]] hat sich die [[DJK Augsburg-Hochzoll]], ein 1999 erfolgter Zusammenschluss mehrerer bis dahin eigenständiger Vereine, ein hohes Ansehen verschafft. Ihre Mannschaften stiegen teilweise bis in die Erste Bundesliga auf. Bis zu seiner Auflösung 1995 war der in den 1970er Jahren von Kroaten gegründete Fußballverein [[FC Enikon Augsburg]] einer der erfolgreichsten Migrantenvereine Deutschlands und spielte in seiner letzten Spielzeit in der Bayernliga, der zu der Zeit vierthöchsten Liga im deutschen Fußballsystem. Der [[Post SV Telekom Augsburg|Post SV Augsburg]] war Gründungsmitglied der [[Tischtennis-Bundesliga]] 1966 und konnte diese Klasse sechs Jahre lang halten. Erst dann musste das Team absteigen und konnte seitdem nie mehr an die alten Erfolge anknüpfen. Bekannte Spieler in der Mannschaft waren Peter Stähle, [[Anton Breumair|Toni Breumair]] und [[Martin Ness]]. === Sportveranstaltungen === [[Datei:Kanuslalom.jpg|miniatur|[[Augsburger Eiskanal]]]] Das größte sportliche Ereignis in Augsburg ist der alljährlich im Sommer ausgetragene ''Augsburger Stadtlauf'', der 2008 annähernd 5.000 Profi- wie Freizeitsportler anlocken konnte. In vier Disziplinen können sich sämtliche Teilnehmer miteinander messen, wobei die vorderen Plätze mit Geldpreisen dotiert sind. Der Stadtlauf ist die größte Breitensportveranstaltung in Bayerisch-Schwaben.<ref>SportScheck&nbsp;– Events: [http://event.sportscheck.com/docs/events_infos_stadtlauf_augsburg.html Augsburger Stadtlauf]</ref> Eine zweite Großveranstaltung ist die ''RT.1 [[Skatenight|Skate Night]] Augsburg'', die ebenfalls jährlich zu mehreren Terminen im Sommer stattfindet. Benannt ist sie nach dem Hauptsponsor, einem lokalen Radiosender. Dabei fahren durchschnittlich 4.000 [[Inlineskaten]]-Begeisterte verschiedene Strecken über zu diesem Anlass abgesperrte Straßen und Plätze der Großstadt, die für einige Stunden nur ihnen gehören.<ref>RT.1 Skate Night Augsburg: [http://www.skate-night-augsburg.de Website]</ref> Der Weltcup im [[Kanusport]] macht jährlich Halt in Augsburg, wo mit dem [[Augsburger Eiskanal|Eiskanal]] eine der besten künstlichen Wildwasser-Anlagen der Welt existiert und ferner das ''Bundesleistungszentrum für Kanusport'' seinen Sitz hat. Der mehrere Tage dauernde Weltcup zieht täglich Tausende Sportbegeisterte an. 2003 gastierte hier außerdem die [[Kanu-Weltmeisterschaft|Weltmeisterschaft]] im Kanusport. Daneben finden an verschiedenen Orten in der Stadt unzählige andere Sportveranstaltungen statt, die sich vor allem an junge Menschen wenden: So wird der Willy-Brandt-Platz vor dem Einkaufszentrum ''City Galerie'' jährlich kurz vor Weihnachten zum Schauplatz eines großen [[Snowboard]]-Railbattles, das von mehr als 15.000 Zuschauern besucht wird und mittlerweile so bekannt ist, dass manche Profis sogar aus den USA anreisen, um teilnehmen zu können. Eine Kuriosität ist der jährliche ''Augsburger Rückwärtslauf'', der seit 2000 immer am Faschingsdienstag ausgetragen wird. Im Jahr 2007 fiel er aus. Augsburg wird mit der bis 2009 fertiggestellten ''Impuls Arena'' ein Austragungsort für Spiele der [[Fußball-Weltmeisterschaft der Frauen 2011|Frauen-Fußballweltmeisterschaft 2011]] sein, nachdem der [[Deutscher Fußball-Bund|Deutsche Fußball-Bund]] am 30.&nbsp;Oktober 2007 den Zuschlag für die Ausrichtung der Weltmeisterschaft erhalten hat. === Freizeit- und Sportanlagen === [[Datei:Rosenaustadion Gegentribüne.jpg|miniatur|[[Rosenaustadion]]]] Als die derzeit größte und bekannteste Sportstätte in Augsburg darf das von 1949 bis 1951 erbaute [[Rosenaustadion]] bezeichnet werden, das nach seiner Eröffnung als eines der modernsten Stadien in Europa galt. Vor allem bis zur Einweihung des Münchener Olympiastadions hatte es eine immense Bedeutung für Sportveranstaltungen in Deutschland und war unter anderem Schauplatz mehrerer Vorrundenfußballspiele der [[Olympische Sommerspiele 1972|Olympischen Sommerspiele 1972]] sowie einiger Leichtathletik-Ländervergleiche. Heutzutage dient es vor allem dem FC Augsburg für seine Heimspiele. Das am 2.&nbsp;November 1963 eröffnete [[Curt-Frenzel-Stadion]] ist heute das einzige nicht vollständig geschlossene Eishockeystadion in der DEL und der [[2. Bundesliga (Eishockey)|2. Eishockey-Bundesliga]] und wird von den Augsburger Panthern für ihre Heimspiele benutzt. Das Bauwerk galt bei seiner Eröffnung als ein Meisterwerk der [[Sichtbeton]]-Bauweise. Es wird bis 2010/2011 modernisiert und vollständig zur Halle geschlossen. [[Datei:Curt-Frenzel Innen.JPG|miniatur|[[Curt-Frenzel-Stadion]]]] Die [[Sporthalle Augsburg]] wurde 1965 als erstes großes Hallenbauwerk in Augsburg nach dem Zweiten Weltkrieg eröffnet und gilt wegen ihrer Hängedachkonstruktion aus [[Spannbeton]] als architektonische Meisterleistung, was 2003 durch eine Eintragung in die Denkmalliste gewürdigt wurde. Während sie bei den Olympischen Sommerspielen 1972 Schauplatz einiger [[Handball]]- und [[Basketball]]-Spiele war, wird sie heutzutage vor allem für Konzerte und Auftritte von Künstlern genutzt. Als dritter Austragungsort von Wettbewerben der Olympischen Spiele von 1972 diente der eigens für diesen Zweck errichtete [[Augsburger Eiskanal]], in dem sämtliche Kanusportdisziplinen stattfanden. Die erste künstliche Wildwasserstrecke der Welt besitzt eine Tribüne für 24.000 Zuschauer und ist nach wie vor für Weltcups im Kanuslalom in Betrieb. {{Anker|Sportanlage Süd}} Nach dem Rosenaustadion ist das [[Ernst-Lehner-Stadion]] das zweite große Fußballstadion der Fuggerstadt, in dem der TSV Schwaben Augsburg seine Heimspiele austrägt. Es befindet sich auf dem Gelände der Sportanlage Süd, einem großen Sportfeld am westlichen Rand des [[Siebentischwald]]es mit vielen Sportplätzen und Laufwegen (unter anderem dem Max-Gutmann-Laufpfad). [[Datei:Impuls arena 06-2009.JPG|miniatur|[[Impuls Arena]] während des Baus im Juni 2009]] Daneben bestehen weitere Sportanlagen wie die Bezirkssportanlage [[Augsburg-Haunstetten-Siebenbrunn|Haunstetten]] (ein Stadion mit 400-Meter-[[Leichtathletikanlage|Kampfbahn]] für Leichtathletik und 500-Meter-Sandbahn für [[Speedway (Bahnsport)|Sandbahnrennen]], in dem seit den 1970er Jahren internationale Rennen stattfinden), die Bezirkssportanlage Paul Renz (Trainingsgelände des FC Augsburg), die Karl-Mögele-Sportanlage in [[Augsburg-Göggingen|Göggingen]] und die Anton-Bezler-Sporthalle im selben Stadtteil. Im Stadtteil [[Augsburg-Lechhausen|Lechhausen]] existiert seit 1988 die 200-Meter-Hallen-[[Radrennbahn]] der Radsportgemeinschaft Augsburg e.&nbsp;V. Die Vormachtstellung des Rosenaustadions als größte Augsburger Sportstätte ist mit dem Bau der [[Impuls Arena]] (in der Planungsphase „Augsburg Arena“ genannt) nach über fünfzig Jahren zu Ende gegangen. Der Neubau dient als reines Fußballstadion für den [[FC Augsburg]]. Daneben werden hier Großveranstaltungen wie Konzerte stattfinden. Nach dem Abschluss einer möglichen zweiten Ausbaustufe könnten in dem Stadion bis zu 48.860 Zuschauer Platz finden.<ref>Augsburg Arena: [http://augsburg-arena.de/cms/website.php Ein gutes Geschäft]</ref> Augsburg bietet vier [[Hallenbad|Hallen-Schwimmbäder]], das [[Altes Stadtbad (Augsburg)|Alte Stadtbad]], das Spickelbad sowie die Hallenbäder [[Augsburg-Haunstetten-Siebenbrunn|Haunstetten]] und [[Augsburg-Göggingen|Göggingen]]. Sie werden ergänzt von fünf [[Freibad|Freibädern]], dem Familienbad, dem [[Augsburg-Bärenkeller|Bärenkeller]]- und dem [[Augsburg-Lechhausen|Lechhauser]]-Bad sowie dem Fribbe und dem Naturfreibad [[Augsburg-Haunstetten-Siebenbrunn|Haunstetten]]. === Grünanlagen und Parks === [[Datei:JapaneseGardenAugsburg.jpg|miniatur|Der ''Japanische Garten'' im [[Botanischer Garten Augsburg|Botanischen Garten Augsburg]]]] Schon vor der 1997 erlangten Auszeichnung als [[Entente Florale|Grünste und lebenswerteste Stadt Europas]] stand Augsburg in dem Ruf, eine außerordentlich hohe Zahl an Grünflächen, Parks und Gärten zu besitzen. Diese lockern die eng bebauten urbanen Räume vielerorts auf und bieten den Bewohnern eine Möglichkeit zur Ruhe und Entspannung. Als bekanntester Park gilt die Anlage am [[Königsplatz (Augsburg)|Königsplatz]] im Herzen der Stadt. Die baumbestandene Grünfläche mit einem Brunnen in ihrer Mitte liegt direkt neben dem gleichnamigen Haltestellendreieck, das dem Öffentlichen Nahverkehr als Hauptknotenpunkt von Straßenbahnen und Bussen dient. Der Park wurde ab 1911 im Zuge der Neugestaltung des [[Augsburg-Bahnhofsviertel|Bahnhofsviertels]] angelegt und besitzt heute den zweifelhaften Ruf, nachts vor allem Alkoholikern und Drogensüchtigen als Treffpunkt und Umschlagsplatz zu dienen. Gegen einen geringen Eintrittspreis bietet der [[Botanischer Garten Augsburg|Botanische Garten]] am nördlichen Ende des Siebentischwaldes dem Besucher auf einer Fläche von etwa zehn Hektar vielfältige Gartenanlagen wie den ''Japanischen'' oder den ''Bauern- und Apothekergarten''. Insgesamt sind auf dem Gelände mehr als eine Million Zwiebelpflanzen, über 1.200 Sorten [[Farne]], [[Gras|Gräser]], [[Stauden]] und [[Wildkraut|Wildkräuter]], 280 [[Rosen]]- und 450 Gehölzarten sowie in Glashäusern weitere 1.200 Pflanzenarten zu betrachten. Der [[Wittelsbacher Park]] ist mit einer Fläche von 20,8&nbsp;[[Hektar]] die größte Grünanlage im bebauten Stadtgebiet und seit 1980 ein [[Landschaftsschutzgebiet]], das neben dem eigentlichen Park auch den nordöstlich gelegenen ''Stadtgarten'' und den Abhang zum [[Wertach (Fluss)|Wertachtal]] umfasst. Den Namen des [[Adel]]sgeschlechtes [[Wittelsbach]]er erhielt die Anlage erst 1906, die Vorläufer existierten aber schon erheblich früher. Bis zum Bau des Messegeländes fand auf diesen Freiflächen die jährliche ''Augsburger Frühjahrsausstellung'' statt. Unter dem Wittelsbacher Park wurde 1944 ein kilometerlanges Luftschutzstollen-System gegraben, das noch in Teilen erhalten ist. Obwohl der [[Hofgarten (Augsburg)|Hofgarten]] schon von 1739 bis 1744 angelegt wurde, ist er erst seit 1965 für die Öffentlichkeit zugänglich, da er sich auf dem Grundstück der [[Fürstbischöfliche Residenz (Augsburg)|Bischofsresidenz]] befindet. Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges diente der Park lange Zeit als Obstgarten. Erst während seiner Renovierung in den 1960er Jahren wurden hier verschiedene Bäume, Sträucher, Blumenbeete, Buchshecken und -pyramiden gepflanzt, die dort heute ebenso zu bewundern sind wie ein [[Seerosen]]teich und ein großer [[Springbrunnen]]. == Wirtschaft und Infrastruktur == Die [[Schwaben|schwäbische]] [[Universität Augsburg|Universitätsstadt]] bildet eines der 23&nbsp;[[Oberzentrum|Oberzentren]] des [[Freistaat]]es Bayern und einen der wichtigsten Industriestandorte [[Süddeutschland]]s. === Verkehr === ==== Straßenverkehr ==== Die wichtigste Fernverkehrsstraße im Stadtgebiet stellt die [[Bundesautobahn 8]] in Richtung [[München]] und [[Stuttgart]] dar, an die Augsburg in Form zweier direkter Anschlussstellen in [[Autobahnkreuz|Kleeblattform]] angebunden ist (Augsburg-Ost und [[Anschlussstelle Augsburg-West|Augsburg-West]]). Drei weitere Anschlussstellen befinden sich in den Vorstädten [[Dasing]], [[Friedberg (Bayern)|Friedberg]] und [[Neusäß]]. [[Datei:B300 Augsburg.jpg|miniatur|Die [[Bundesstraße 300|B&nbsp;300]] im Stadtgebiet (Schleifenstraße)]] Daneben ist Augsburg Knotenpunkt von vier Bundesstraßen: Die [[Bundesstraße 2|B&nbsp;2]], [[Bundesstraße 10|B&nbsp;10]], [[Bundesstraße 17|B&nbsp;17]] und [[Bundesstraße 300|B&nbsp;300]] führen in Nord-Süd- beziehungsweise Ost-West-Richtung durch die Stadt. Die „[[Autobahnähnliche Straße|Gelbe Autobahn]]“ B&nbsp;2 erreicht Augsburg vom Norden und geht im Bereich der nördlichen Stadtgrenze in die ebenfalls autobahnähnliche B&nbsp;17 (Westtangente) über, die im Stadtgebiet mehrspurig ausgebaut, teilweise tiefer gelegt und bis auf eine Kreuzung im Bereich [[Stadtbergen]]/[[Augsburg-Pfersee|Pfersee]] ausschließlich mit Ausfahrten versehen ist. Diese Engstelle wird bis 2009 beseitigt sein. Die B&nbsp;17 verlässt Augsburg dann in Richtung Süden und ist bis zur [[Bundesautobahn 96|A&nbsp;96]] autobahnähnlich ausgebaut. Der Ausbau des Teilstückes zwischen [[Klosterlechfeld]] und der A&nbsp;96 wurde im Jahre 2009 fertiggestellt. Die B&nbsp;17 bekam im Abschnitt von Stadtbergen bis [[Augsburg-Oberhausen|Oberhausen]] den Namen der [[Augsburg#Städtepartnerschaften|Augsburger Partnerstadt]] [[Dayton (Ohio)|Dayton]] zugeteilt und heißt dementsprechend ''Dayton-Ring''. Die Bundesstraße 300 ist nur im direkten Stadtgebiet und den Vororten mehrspurig ausgebaut, anschließend verengt sie sich auf eine Spur pro Fahrtrichtung. {{Anker|Schleifenstraße}} Mit der ''Schleifenstraße'' wurde in über zehn Jahren Bauzeit von 1993 bis 2004 (Planungen gehen bis in die 1930er Jahre zurück) eine Süd-Ost-Verbindung von der Blücherstraße in [[Augsburg-Lechhausen|Lechhausen]] bis zur B&nbsp;300 (Haunstetter Straße im [[Augsburg-Hochfeld|Hochfeld]]) geschaffen. Die Trasse ist durchgehend vierspurig ausgebaut und führt von Lechhausen über eine vierte, neu gebaute Lechbrücke weiter durch das [[Augsburger Textilviertel|Textilviertel]], taucht in Höhe der Provinostraße in einem 480 Meter langen Tunnel unter die Erde, erscheint nach Unterfahrung der B&nbsp;300 (Friedberger Straße) wieder an der Oberfläche, umfährt das [[Rotes Tor|Rote Tor]] weitläufig und mündet im Hochfeld in die B&nbsp;300. Der Name ''Schleifenstraße'' kommt daher, dass durch die Straße eine schleifenförmige Umfahrung der Innenstadt mit ost- und westseitigem Anschluss an die Autobahn entstanden ist, wobei die südöstliche Innenstadt rund um das Rote Tor vom Durchgangsverkehr entlastet wurde. Wie auf der B&nbsp;17 wurden die einzelnen Straßen nach den Augsburger Partnerstädten benannt und tragen Namen wie ''Inverness-'', ''Nagahama-'' oder ''Amagasaki-Allee''. {| class="wikitable" |class="hintergrundfarbe5"|'''[[Bundesautobahn 8|A&nbsp;8]]''' || [[Karlsruhe]]&nbsp;– [[Pforzheim]]&nbsp;– [[Stuttgart]]&nbsp;– [[Ulm]]&nbsp;– '''Augsburg'''&nbsp;– [[München]]&nbsp;– [[Rosenheim]]&nbsp;– [[Salzburg]] |- |class="hintergrundfarbe5"|'''[[Bundesstraße 2|B&nbsp;2]]''' || [[Polen|Grenze/Polen]]&nbsp;– [[Berlin]]&nbsp;– [[Leipzig]]&nbsp;– [[Nürnberg]]&nbsp;– '''Augsburg'''&nbsp;– [[München]]&nbsp;– [[Garmisch-Partenkirchen]]&nbsp;– [[Österreich|Grenze/Österreich]] |- |class="hintergrundfarbe5"|'''[[Bundesstraße 10|B&nbsp;10]]''' || [[Lebach]]&nbsp;– [[Karlsruhe]]&nbsp;– [[Pforzheim]]&nbsp;– [[Stuttgart]]&nbsp;– [[Ulm]]&nbsp;– '''Augsburg''' |- |class="hintergrundfarbe5"|'''[[Bundesstraße 17|B&nbsp;17]]''' || '''Augsburg'''&nbsp;– [[Landsberg am Lech]]&nbsp;– [[Schongau]]&nbsp;– [[Füssen]]&nbsp;– [[Österreich|Grenze/Österreich]] |- |class="hintergrundfarbe5"|'''[[Bundesstraße 300|B&nbsp;300]]''' || [[Geisenfeld]]&nbsp;– [[Schrobenhausen]]&nbsp;– [[Aichach]]&nbsp;– '''Augsburg'''&nbsp;– [[Krumbach (Schwaben)|Krumbach]]&nbsp;– [[Memmingen]] |} Die [[Verordnung zum Erlass und zur Änderung von Vorschriften über die Kennzeichnung emissionsarmer Kraftfahrzeuge#Umweltzone|Umweltzone]], die das innere Stadtzentrum umfasst, wurde am 1. Juli 2009 aktiviert. Ab 1. Oktober 2010 ist die Einfahrt in die Umweltzone dann nur noch für Fahrzeuge mit gelber und grüner, ab 1. Oktober 2012 nur noch für Fahrzeuge mit grüner Plakette erlaubt.<ref>Augsburger Allgemeine: [http://www.augsburger-allgemeine.de/Home/Lokales/Augsburg-Stadt/Lokalnews/Artikel,-Umweltzone-Augsburg-Juni-_arid,1595002_regid,2_puid,2_pageid,4490.html Umweltzone: Ab 1. Juli nur noch mit Plakette nach Augsburg]</ref> ==== Öffentlicher Personennahverkehr ==== → ''Hauptartikel: [[Nahverkehr in Augsburg]]'' Das gesamte Stadtgebiet ist Teil des [[Augsburger Verkehrsverbund]]es (AVV), der sich über ganz Mittelschwaben erstreckt, und wird von der [[Augsburger Verkehrsgesellschaft|Augsburger]] und der [[Gersthofer Verkehrsgesellschaft|Gersthofer]] Verkehrsgesellschaft durch vier Straßenbahn-, 27 Stadtbus- und sechs Nachtbuslinien sowie verschiedene Taxisammeldienste erschlossen.<ref>Stadtwerke Augsburg: [http://www.stadtwerke-augsburg.de/augsburg/index2.php?rubrik=verkehr&seite=/augsburg/verkehr/verkehr.shtml Verkehrsbetriebe]</ref> [[Datei:Tram Augsburg.jpg|miniatur|Straßenbahn der Augsburger Verkehrsgesellschaft]] In den vergangenen Jahren wurde das mittlerweile 35,5&nbsp;Kilometer lange Straßenbahnnetz durch Neubaustrecken zur Universität (1996), zur nördlichen Stadtgrenze (2001) und zum Klinikum (2002) erweitert. Ferner befinden sich zwei weitere Straßenbahnlinien in Planung, die bis 2011 eingerichtet sein sollen. Daneben werden alle sieben Bahnhöfe der Stadt von sechs AVV-Regionalbahnen der [[Deutsche Bahn|Deutschen Bahn]] zu regelmäßigen Taktzeiten bedient, die in Zukunft auf ein [[S-Bahn]]-ähnliches System erweitert werden sollen. Dabei sollte mit der Wiederinbetriebnahme des Bahnhofes [[Bahnhof Augsburg Hirblinger Straße|Hirblinger Straße]] ein achter Haltepunkt eingerichtet werden, diese Planungen wurden allerdings wieder aufgegeben. Den Regionalverkehr übernehmen die [[Regionalbus Augsburg|Regionalbus Augsburg GmbH]] und eine große Zahl weiterer Omnibusunternehmen, wobei viele Buslinien bis zum Augsburger Hauptbahnhof verkehren und so teilweise für den innerstädtischen Nahverkehr genutzt werden können. Als Hauptknotenpunkt für die städtischen Straßenbahn- und Buslinien dient der [[Königsplatz (Augsburg)|Königsplatz]] („Kö“), der von 1933 bis 1945 den Namen ''Adolf-Hitler-Platz'' trug. Nachdem ein 1914 östlich der Konrad-Adenauer-Allee errichteter [[Zentralbau|Pavillon]], von der Bevölkerung ''Pilz'' genannt, seine Kapazitätsgrenzen erreicht hatte, wurde 1977 nach zweijähriger Bauzeit ein größeres Haltestellendreieck auf der anderen Straßenseite eröffnet. Dieses ist inzwischen jedoch ebenfalls überlastet und soll bis&nbsp;2009 durch zusätzliche Bahnsteige und Straßenbahngleise erweitert werden. Am 25. November 2007 gab es dazu einen Bürgerentscheid gegen den geplanten Kö-Umbau, dem mit 53,2 Prozent der Stimmen (Wahlbeteiligung 24,2 Prozent) entsprochen wurde. Somit wird trotz aktueller Fördermittel zunächst ein Planungskonzept erstellt – der Umbau des Königplatzes wird also vorerst nicht durchgeführt werden. ==== Schienenverkehr ==== Augsburg besitzt derzeit insgesamt sieben Bahnhöfe, von denen der [[Augsburg Hauptbahnhof|Hauptbahnhof]] mit Abstand der bedeutendste ist. Er bildet das eine Ende der [[Bayerische Maximiliansbahn#Ausbaustrecke München–Augsburg|Schnellfahrstrecke Augsburg–München]], der meistbefahrenen Eisenbahnstrecke Deutschlands, und ist [[Intercity-Express|ICE]]- und [[InterCity|IC]]-Station an den Strecken von München nach [[Berlin]], [[Dortmund]], [[Frankfurt am Main]], [[Hamburg]] und [[Stuttgart]]. Außerdem sind über die genannten wie auch über [[EuroCity|EC]]- und Nachtzüge europäische Metropolen wie [[Amsterdam]], [[Paris]] oder [[Wien]] umsteigefrei erreichbar. [[Datei:Bahnhofsgebäude Augsburg.JPG|miniatur|[[Augsburg Hauptbahnhof|Augsburger Hauptbahnhof]]]] Daneben verkehren sternförmig vom Hauptbahnhof aus sieben [[R-Bahn Augsburg|AVV-Regionalbahnlinien]] nach [[Mammendorf]], nach [[Aichach]]/[[Kühbach|Radersdorf]], nach [[Donauwörth]], nach [[Dinkelscherben]], nach [[Schwabmünchen]], nach [[Klosterlechfeld]] und nach [[Schmiechen]]. Der Regionalbahnverkehr soll ab&nbsp;2008 zu S-Bahn-ähnlichen Taktzeiten betrieben und auf Dauer zur [[S-Bahn Augsburg]] ausgebaut werden. Betrieben werden die Regionalzuglinien von der [[DB Regio|DB Regio AG]] und seit Ende&nbsp;2008 auch von der [[Bayerische Regiobahn|Bayerischen Regiobahn]]. Der Hauptbahnhof wurde von&nbsp;1843 bis&nbsp;1846 erbaut und ist Deutschlands ältester Bahnhof einer Großstadt, der noch im architektonischen Originalzustand in Betrieb ist. Unter dem Projektnamen „[[Mobilitätsdrehscheibe Augsburg Hauptbahnhof|Mobilitätsdrehscheibe Hauptbahnhof]]“ wird momentan eine komplette Modernisierung des Gebäudes geplant, die unter anderem die Errichtung einer unterirdischen Straßenbahnhaltestelle beinhaltet.<ref>Stadtwerke Augsburg: [http://www.stadtwerke-augsburg.de/augsburg/index2.php?seite=/augsburg/verkehr/mobil_scheibe.shtml Die Mobilitätsdrehscheibe Augsburg]</ref> Weitere wichtige Bahnhöfe der Stadt sind [[Bahnhof Augsburg-Hochzoll|Augsburg-Hochzoll]] und [[Bahnhof Augsburg-Oberhausen|Augsburg-Oberhausen]], die halbstündlichen Anschluss an umsteigefreie Eisenbahnlinien in andere süddeutsche Großstädte wie Nürnberg oder Ulm besitzen. Die anderen Bahnhöfe erfüllen vor allem Funktionen im Nahverkehr und werden nur von [[Regionalbahn]]en, selten von [[Regional-Express]]en, bedient. Im Eisenbahngüterverkehr ist Augsburg seit der Stilllegung des [[Rangierbahnhof]]es durch die [[Deutsche Bahn]] am 1.&nbsp;April 2005 kein [[Eisenbahnknoten|Knotenpunkt]] mehr. Allerdings entsteht ab&nbsp;2007 im Städtedreieck Augsburg/Gersthofen/Neusäß ein [[Güterverkehrszentrum]] zur Umsetzung des Straßengüterverkehrs auf die Schiene. Eine Besonderheit der Schwabenmetropole ist die&nbsp;1898 gegründete [[Augsburger Localbahn]], eine quer durch die Stadt verlaufende Eisenbahn, die den großen Industrieunternehmen einen Anschluss an das Schienennetz verschafft. 2004&nbsp;hatte sie ein Transportvolumen von 950.000 Tonnen und ist inzwischen auch auf Eisenbahnstrecken außerhalb der Stadt aktiv.<ref>Augsburger Localbahn: [http://www.augsburger-localbahn.de/tiki-index.php?page=Unternehmen Unternehmen]</ref> ; Das Projekt „Mobilitätsdrehscheibe“ Unter dem Begriff „Mobilitätsdrehscheibe“ versteht man ein Projekt der Stadt Augsburg, durch das der [[Öffentlicher Personennahverkehr|Nahverkehr]] in der Stadt moderner und attraktiver gestaltet werden soll. Dabei sind die Schaffung neuer Straßenbahnlinien, der Ausbau der wichtigsten Verkehrsknotenpunkte Königsplatz und Hauptbahnhof sowie die Einrichtung einer S-Bahn vorgesehen. Der Baubeginn für den ersten Teil des Großprojekts erfolgte am 28.&nbsp;Juni 2007 mit dem Spatenstich für die neue Tramlinie&nbsp;6 zwischen Hauptbahnhof und [[Friedberg (Bayern)|Friedberg-West]]. ==== Luftverkehr ==== Im Nordosten der Stadt befindet sich der [[Flughafen Augsburg]], der 1968 neu eröffnet wurde, da die anderen Flugplätze der Stadt anderweitig genutzt wurden. Von 1980 an diente er als [[Regionalflughafen]] mit etlichen innerdeutschen Zielen, bis 2005 der Linienverkehr eingestellt und der Flughafen zu einem Verkehrslandeplatz herabgestuft wurde. [[Datei:Flughafen Augsburg.jpg|miniatur|[[Flughafen Augsburg|Augsburger Flughafen]]]] Aufgrund der über die Jahre sehr stark gestiegenen Passagierzahlen war geplant, den Flughafen auszubauen, was jedoch am Protest der Bewohner in den umliegenden Orten scheiterte. Da somit nur Passagiermaschinen mit bis zu 100&nbsp;Personen landen können, stand die zivile Mitbenutzung des [[NATO]]-Fliegerhorstes Lagerlechfeld in der Diskussion. Dieses Vorhaben scheiterte jedoch an den hohen zusätzlichen Kosten, welche die Bundeswehr für die Verlagerung der Munitionsdepots in Rechnung stellen wollte. Durch die Einstellung des Linienflugverkehrs im Jahre 2005 war die Zukunft des defizitären Flughafens lange Zeit ungewiss, da die Stadt Augsburg als Mitgesellschafter die ''Flughafen Augsburg GmbH'' jährlich mit 1&nbsp;Mio.&nbsp;Euro bezuschussen musste, was in keiner Relation zum nunmehr erbrachten Nutzen stand. Im April&nbsp;2006 entschied man sich, den Verkehrslandeplatz in einen modernen City-Airport umzubauen, der hauptsächlich durch Geschäftsflieger angeflogen werden soll. Daneben entsteht ein 80.000 Quadratmeter großes Gewerbegebiet, das hauptsächlich für Betriebe, die Bezug zur Luftfahrt haben, erschlossen wird. === Wirtschaft === ==== Großunternehmen ==== [[Datei:Ncr augsburg.jpg|miniatur|[[NCR Corporation|NCR]] Augsburg (Hauptgebäude)]] Augsburg ist durch seine gute Lage historisch bedingt ein bedeutender Industriestandort und war früher außerdem die Welthauptstadt der Textilindustrie, wobei die Unternehmen dieser Sparte inzwischen fast vollständig aus dem Stadtbild verschwunden sind. Geprägt wird die Stadt vor allem durch die großen Werke der Industrieunternehmen. So befinden sich am Rande der Altstadt die [[MAN|Maschinenfabrik Augsburg-Nürnberg (MAN)]], der Druckmaschinenhersteller [[manroland]], der Getriebeproduzent [[Renk AG|Renk]], der Leuchtmittelhersteller [[Osram]] und die Papierfabrik [[UPM-Kymmene]] (ehemals Haindl). Die [[Walter Bau|Walter Bau AG]], einst Deutschlands drittgrößter Baumanagement- und Bautechnologiekonzern, hatte im Textilviertel ihren Hauptsitz, ehe sie 2005 Insolvenz anmelden musste. Den zweiten großen Industriestandort bildet Haunstetten im Süden Augsburgs, wo sich die [[Premium AEROTEC]], ein Tochterunternehmen der [[European Aeronautic Defence and Space Company|EADS]], und die [[MT Aerospace AG]] als Unternehmen der Luft- und Raumfahrt, [[Fujitsu Technology Solutions GmbH]] im Bereich Computerentwicklung und -fertigung und [[Siemens]] mit einem eigenen Technopark niedergelassen haben. In Lechhausen im Osten Augsburgs sind der Industrieroboter- und Schweißanlagen-Hersteller [[KUKA AG|KUKA]] und die [[Verlagsgruppe Weltbild]], der größte katholische Verlag und Versandhandel der Welt, zu finden. [[NCR Corporation|NCR]], das SB-Geräte für den Finanzbereich, Kassen- und Datenbanksysteme herstellt, hat in Kriegshaber im Augsburger Westen seinen deutschlandweiten Hauptsitz eingerichtet. Daneben bestehen als weitere Großunternehmen [[Böwe Systec]], das Kuvertiersysteme und Komplettlösungen für Mailrooms entwickelt, [[Beta Systems]] Software AG (ehemals Kleindienst Solutions), das im Bereich Software- und Hardwareentwicklung tätig ist, [[EMCON Technologies]] (nach Übernahme des Abgasanlagengeschäfts von [[ArvinMeritor]], welches zuvor von [[Zeuna Stärker]] übernommen wurde), das als Kfz-Zulieferer Abgassysteme für PKW, Motorräder und Nutzfahrzeuge herstellt, und [[WashTec AG|WashTec]] (ehemalig Kleindienst), das Autowaschanlagen produziert. ==== Traditionsunternehmen ==== [[Datei:Augsburg-0007.jpg|miniatur|[[City-Galerie (Augsburg)|City-Galerie]] (größtes Einkaufszentrum in [[Schwaben (Bayern)|Schwaben]])]] Entsprechend dem hohen Alter und der einstmals enormen Bedeutung der Stadt finden sich in Augsburg unzählige Betriebe mit teilweise jahrhundertelanger Tradition. So gibt es mit der ''Augusta Brauerei'' (seit 1488), der ''Brauerei zur Goldenen Gans'' (seit 1346), ''Hasenbräu'' (seit 1464), ''Thorbräu'' (seit 1582) und dem [[Brauhaus Riegele]] (seit 1884) allein fünf alteingesessene Brauereien, die zum Großteil noch heute für den lokalen Markt produzieren. Aus dem Hause Riegele stammt außerdem das bekannte Cola-Mischgetränk [[Spezi (Getränk)|Spezi]]. Die vor allem durch die Fugger und Welser entstandene Bedeutung im Finanzwesen spiegelt sich auch in den heute noch tätigen [[Kreditinstitut]]en der Stadt wider: Die [[Fürst Fugger Privatbank]] entstand aus dem Handelshaus Fugger, das 1468 erstmals als „Bank“ bezeichnet wurde. Die [[Stadtsparkasse Augsburg|Stadtsparkasse]] wurde 1822, die [[Kreissparkasse Augsburg|Kreissparkasse]] 1855 gegründet. 1914 gründete Anton Hafner das [[Bankhaus Hafner]] in der Maximilianstraße und mit der [[Augsburger Aktienbank]] entstand erst in der zweiten Hälfte des 20.&nbsp;Jahrhunderts eine weitere bedeutende Bank. Im Buch- und Verlagswesen bestehen mit der ''Schlosser’schen J.&nbsp;A.&nbsp;Buch- und Kunsthandlung'' (seit 1719), ''Rieger&nbsp;& Kranzfelder'' (seit 1731) und [[Anton Böhm & Sohn|Anton Böhm&nbsp;& Sohn]] (seit 1803) ebenfalls traditionsreiche Unternehmen. Weitere Traditionsfirmen sind unter anderem der Stadtfischer ''Schöppler'' (seit 1650), ''Dierig'' (seit 1805), die Parfümerie ''Naegele'' (seit 1835), ''J.&nbsp;N.&nbsp;Eberle&nbsp;& Cie.&nbsp;GmbH'' (seit 1836), die Eisenhandlung ''Siller und Laar'' (seit 1836), das Möbeltransportunternehmen ''H.&nbsp;Weissenhorn&nbsp;& Cie.'' (seit 1839), die Hutfabrik Lembert (seit 1861), der Getriebehersteller [[Renk AG|Renk&nbsp;AG]] (seit 1873), ''Pfister Waagen'' (seit 1894), das Möbelspeditions- und Reiseunternehmen ''Domberger'' (seit 1897), die Ballonfabrik August Riedinger (seit 1897 – jetzt Augsburger Ballonfabrik) und die [[HOSOKAWA ALPINE Aktiengesellschaft|Hosokawa Alpine&nbsp;AG]] (seit 1898). ==== Weitere wichtige Unternehmen ==== Außer den Groß- und Traditionsunternehmen sind folgende Firmen von hoher Bedeutung: * [[Amann Group|Amann Nähgarne]], eines der wenigen noch vorhandenen Textilunternehmen, das Industrie-Garne produziert und nach der Übernahme der früheren [[Ackermann-Göggingen|Ackermann-Göggingen AG]] am Standort verblieben ist * [[Augusta-Bank|Augusta-Bank eG]], eine der hundert bilanzstärksten Genossenschaftsbanken Deutschlands mit starker Präsenz im regionalen Markt * [[Betapharm]], ein bedeutsamer [[Generikum|Generika]]-Hersteller * die [[Unternehmensgruppe Freudenberg]], welche in ihrem Augsburger Betrieb [[Vileda]]-Haushaltsprodukte herstellt * die [[Patrizia Immobilien]] AG, ein Dienstleistungsunternehmen im Bereich der Wohnungsverwaltung und damit in Zusammenhang stehender Tätigkeiten * Dr.Grandel, ein bedeutender Kosmetikhersteller, dessen Gründungsstandort und Hauptsitz in Augsburg ist. * PCI (Poly-Chemie-Ingenieurtechnik), ein führender Hersteller von Baustoffen, der inzwischen zur BASF-Gruppe gehört. === Messen und Kongresse === [[Datei:Augsburg Dorint-Novotel-Hotelturm Maiskolben.jpg|miniatur|hochkant|[[Augsburger Hotelturm]]]] Obwohl Augsburg eine lange Tradition als Messestadt besitzt, wurde das heutige Gelände der [[Messe Augsburg]] erst&nbsp;1988 eröffnet. Bis dahin fanden derartige Veranstaltungen in Zelthallen auf Flächen des [[Wittelsbacher Park]]s statt. Die Messe ist heute die drittgrößte in Bayern und besitzt zwölf Hallen mit insgesamt 57.000&nbsp;m² Ausstellungsfläche, 18.000&nbsp;m² Freifläche und ein Kongress- und Tagungszentrum mit 3.500&nbsp;m². Die [[Messe Augsburg#Schwabenhalle (Halle 1)|Schwabenhalle]] als größtes Gebäude des Geländes bietet bis zu 10.000 Besuchern Platz und dient deshalb regelmäßig für große Konzerte und Auftritte.<ref>Regio Augsburg: [http://www.meetyouinaugsburg.de/pages/messe/asmv.htm Messe Augsburg]</ref> Die wichtigsten Augsburger Messen sind die [[Augsburger Frühjahrsausstellung]] (AFA), die [[Americana (Messe)|Americana]] (Internationale Ausstellung für Reitsport und Westernkultur), die ''World of Erotic'', die [[GrindTec]] (Internationale Fachmesse für Schleiftechnik), die ''Interlift'' (Internationale Fachmesse für Aufzugtechnik) und die Intersana (Internationale Gesundheitsmesse). Als wichtiger Kongress ist die ''Konferenz Mobile Commerce Technologien und Anwendungen'' (MCTA) zu nennen. Weil das Messegelände seit der Brandschutz- und Rettungsdienstfachmesse [[Interschutz]] im Jahr&nbsp;2000 überdimensioniert ist und wichtige Infrastruktur fehlt, soll es mit Unterstützung von privaten Investoren ab&nbsp;2007 umgebaut werden. Geplant ist unter anderem der Bau eines Vier-Sterne-Hotels. {| class= "wikitable float-right" |- ! class="hintergrundfarbe5" colspan="5" | Die höchsten Gebäude Augsburgs |- | [[Augsburger Hotelturm|Hotelturm (mit Antenne)]] || 107&nbsp;m (158&nbsp;m) |- | [[Basilika St. Ulrich und Afra]] || 93&nbsp;m |- | [[Gaswerk Augsburg|Gaskessel (Gaswerk Augsburg)]] || 86&nbsp;m |- | [[Herz-Jesu-Kirche (Augsburg)|Herz-Jesu-Kirche]] || 72&nbsp;m |- | [[Perlachturm]] || 70&nbsp;m |- | [[Schwabencenter|Schwabencenter (Wohnhochhaus)]] || 70&nbsp;m |} Die [[Kongresshalle Augsburg]] befindet sich im Stadtteil [[Augsburg-Antonsviertel|Antonsviertel]] unterhalb des [[Augsburger Hotelturm|Hotelturms]] und dient für Konzerte, Kultur- und Kongressveranstaltungen sowie für Verkaufsausstellungen jeglicher Art. Das 1972 eröffnete Gebäude in Sichtbeton-Bauweise bildet zusammen mit dem Hotelturm das ''Kongresszentrum Augsburg'' und bietet vier Säle und drei Foyers. Der Kongresssaal als größter Raum kann bis zu 1.400&nbsp;Besucher aufnehmen. Bei Veranstaltungen mit etwas größeren Besucherzahlen wird die [[Sporthalle Augsburg]], unweit des Kongresszentrums am Rand des Wittelsbacher Parks gelegen, genutzt. Sie kann bei vollständiger Bestuhlung bis zu 4.000&nbsp;Gäste aufnehmen, weshalb hier vor allem Konzerte und Auftritte von bekannten Künstlern stattfinden. === Medien === ==== Zeitungen ==== Die einzige [[Tageszeitung]] Augsburgs ist die [[Augsburger Allgemeine]], die bei der ''Presse Druck- und Verlags-GmbH'' erscheint. Zusammen mit ihren Heimatzeitungen (die denselben politischen, wirtschaftlichen, sportlichen und kulturellen Teil besitzen und nur einen eigenen Lokalteil haben) erreicht sie täglich eine Auflage von 356.000 Exemplaren und ist damit die auflagenstärkste Regionalzeitung Deutschlands.<ref>Augsburger Allgemeine: [http://www.augsburger-allgemeine.de/Home/UnsereZeitung/sptnid,194_puid,1_regid,2.html Unsere Zeitung]</ref> Hauptsächlich gelesen wird sie im Stadtgebiet Augsburg sowie im gesamten bayerischen Schwaben und in Teilen von [[Oberbayern]]. Entscheidend geprägt wurde die Zeitung von den Herausgebern [[Curt Frenzel]] und [[Günter Holland]]. Tagesaktuell bietet seit 2008 auch ''Die Augsburger Zeitung'' (DAZ) online Lokalnachrichten, in erster Linie aus den Bereichen Politik und Kultur.<ref>[http://www.daz-augsburg.de/ DAZ - Unabhängige Internetzeitung für Politik und Kultur]</ref> Außerdem erscheint jeden Sonntag die ''Augsburger Sonntagspresse'', die sich sowohl lokalen als auch deutschlandweiten Neuigkeiten widmet und an vielen Bus- und Straßenbahnhaltestellen, Bahnhöfen und Tankstellen der Stadt erhältlich ist. Wegen der vor allem auf Bilder und nur kurze Texte reduzierten Themen darf sie zu den [[Boulevard (Medien)|Boulevardmedien]] gezählt werden. Meistgelesene kostenlose Wochenzeitung mit redaktioneller lokaler Berichterstattung ist die 1979 gegründete ''StadtZeitung'', die den Ballungsraum Augsburg (das Stadtgebiet mit den umliegenden Landkreisen Augsburg und Aichach-Friedberg) in fünfzehn Lokalausgaben aufgeteilt hat (davon allein fünf im Stadtgebiet) und von der ''Mediengruppe Mayer & Söhne'' herausgegeben wird.<ref>Stadtzeitung Augsburg: [http://www.stadtzeitung-augsburg.de/verlag/index.html Der Verlag]</ref> Zum selben Verleger gehört auch das Stadtmagazin ''Augsburg Journal'', das sich hauptsächlich den typischen Themen des [[Boulevardzeitung|Boulevardjournalismus]] widmet und einmal im Monat erscheint. Im Gegensatz zur StadtZeitung ist es allerdings kostenpflichtig. Vor allem für junge Leute erscheint monatlich die [[Neue Szene Augsburg]], die ihren Schwerpunkt vor allem in [[Lebensstil|Lifestyle]], [[Musik]], [[Nachtleben]] und Veranstaltungshinweisen besitzt und mit jeder Ausgabe etwa 25.500 Leser im eigentlichen Stadtgebiet sowie den umliegenden Landkreisen erreicht. Damit ist sie eines der größten bayerischen [[Stadtmagazin]]e.<ref>Neue Szene Augsburg: [http://www.neue-szene.info/nsa/index.php/seite/show/id/3 Impressum]</ref> Alle zwei Monate erscheint das kostenlose Kulturmagazin ''a-guide.de'', das mit einer jährlichen Auflage von 120.000 Exemplaren (auf sechs Ausgaben verteilt) eines der größten Magazine in Augsburg darstellt. Seit 1977 gibt es das monatlich erscheinende farbige Monatsmagazin ''Augsburger Süd-Anzeiger'', das sich vor allem lokalen Themen der 1972 eingemeindeten Stadtteile Göggingen, Bergheim, Inningen und Haunstetten widmet. Weitere Publikationen erscheinen an den Hochschulen: An der Universität erscheinen das von der Universitätsleitung herausgegebene ''UniPress'', das von der Studentenschaft verantwortete ''Universum'' und das von der Katholischen Hochschulgruppe erstellte ''presstige''. ==== Hörfunk ==== Einer der beiden großen Augsburger Lokalsender ist [[hitradio.rt1]], welcher vor allem bei der Altersklasse der Über-40-jährigen eine seit etlichen Jahren wachsende Hörerzahl aufweist. hitradio.rt1 ist der Augsburger Allgemeinen angeschlossen. Vor allem durch sportliche und gesellschaftliche Veranstaltungen wie die ''SkateNight'' (siehe [[Augsburg#Sport|Sport]]) oder ein jährliches Musikfestival ist der Name vielen Augsburgern ein Begriff. Der zweite große lokale Radiosender ist [[Radio Fantasy]], der sich vor allem auf Musik und [[Comedy]] spezialisiert hat und schon mehrfach durch besondere Aktionen auffiel. Daneben veranstaltete der Sender unter anderem Tagesskifahrten oder sportliche Großevents. Radio Fantasy spricht vor allem die Zielgruppe der Unter-40-jährigen an. Daneben betreiben jeden Montag von 22 bis 1&nbsp;Uhr Studenten der Universität ehrenamtlich ein eigenes Programm für ihre Kommilitonen, den „Kanal C“. Beide Lokalsender sind über eigene terrestrische Frequenzen sowie weitere Kabelfrequenzen zu empfangen und machen zusammen einen großen Anteil an den Hörerzahlen im Stadtgebiet aus; die bayern- oder deutschlandweiten Radiosender haben dementsprechend eher weniger Hörer. Die auf [[Rockmusik]] spezialisierte [[Rock Antenne]] ist auf der Frequenz des ehemaligen [[Radio Kö]] zu hören, im restlichen Bayern dagegen nur per Digitalfunk. Deshalb erreicht der Sender hier besonders viele Zuhörer, so dass Augsburg in der Berichterstattung eine Sonderstellung einnimmt. Rock Antenne ist ein Tochterunternehmen von [[Antenne Bayern]]. Seit Ende 2008 richtet sich in Augsburg außerdem der Sender [[egoFM]], der nur in den größten bayerischen Städten zu empfangen ist, an Jugendliche zwischen 14 und 20 Jahren. Hauptsächlich Lieder aus der Musikrichtung des [[Jazz]] spielt der Sender [[Smart Radio]], dessen Programm von keinen [[Moderator (Beruf)|Radiomoderator]] begleitet wird, sondern sich rein auf die Musik beschränkt. Mit Frozen-Radio und [[Radio Augsburg]] bestehen daneben zwei weitere lokale Radiosender. Bis vor einigen Jahren sendete das [[American Forces Network]] in Augsburg unter anderem auf der Mittelwellenfrequenz 1485&nbsp;kHz. Mit dem Abzug der letzten amerikanischen Truppen aus der Stadt 1998 wurde auch der Radiosender aufgegeben. Die hierfür eingesetzte Anlage in unmittelbarer Nähe der Bundesstraße 17 ist allerdings noch erhalten und zurzeit ohne Funktion. Der Augsburger Unternehmer Ulrich R. J. Kubak erwarb die Mehrheitsanteile an [[Klassik Radio]] und brachte es 2004 an die Börse. Das Programm wird allerdings weiterhin aus [[Hamburg]] gesendet. ==== Fernsehen ==== Als einziger lokaler Fernsehkanal sendet [[augsburg.tv]] (Kürzel: a.tv) täglich im Kabelfernsehen auf einem eigenen Kanal (unterbrochen durch Sendungen von [[Bloomberg Television]] und [[RTL Shop]]), zeitweise (werktags Montag bis Freitag von 18:00&nbsp;Uhr bis 18:30&nbsp;Uhr) im Regionalfenster von [[RTL Television|RTL]] und im Internet auf dessen Homepage. Außerdem teilt sich augsburg.tv auf dem Satelliten [[Astra 1F]] gemeinsam mit [[TV Allgäu Nachrichten]] ([[Kempten (Allgäu)|Kempten]]) und [[intv]] ([[Ingolstadt]]) einen Sendeplatz unter der Kennung [[Lokal Sat]]. Das Programm widmet sich dabei ausschließlich lokalen und regionalen Themen. Vor dem 1.&nbsp;Januar 2007 nannte sich der Sender ''TV Augsburg''. Daneben diente Augsburg als Spielplatz und Drehort für die [[ZDF]]-Serie ''Samt und Seide'', die von einer in der Textilindustrie tätigen Familie handelte und typische Elemente der [[Seifenoper]] besaß. Am 10.&nbsp;Februar 2005 wurde die vorerst letzte Sendung ausgestrahlt. Auch der Film ''[[Harte Jungs]]'' mit [[Axel Stein]] spielt in Augsburg und wurde auch dort gedreht. <br style="clear: both;" /> === Öffentliche Einrichtungen === [[Datei:Augsburg IHK Gebaeude Teilansicht.jpg|miniatur|hochkant|[[Deutsche Industrie- und Handelskammer|IHK]] an der Stettenstraße]] Augsburg ist einerseits wegen seiner historischen Bedeutung, andererseits wegen seiner politischen Stellung in Bayerisch-Schwaben Sitz etlicher Behörden, Verbände und anderer [[Körperschaft des öffentlichen Rechts|Körperschaften des öffentlichen Rechts]]. Eine besondere Situation ergibt sich außerdem dadurch, dass mit der Stadt und dem Landkreis zwei Kreise ihre Ämter in Augsburg besitzen. Als einziges Amt auf Landesebene ist im Augsburger Süden das [[Bayerisches Landesamt für Umwelt|Bayerische Landesamt für Umwelt]] angesiedelt, das erst vor einigen Jahren aus München abgezogen wurde. Es teilt sich seine Aufgaben mit einem weiteren Sitz im nordbayerischen [[Hof (Saale)|Hof]]. Dem Landesamt angegliedert ist das [[Josef-Vogl-Technikum]] im Stadtteil Lechhausen. Die Regierung des Bezirkes Bayerisch-Schwaben hat hier ebenso wie die Finanzämter Augsburg-Stadt und -Land, das Verwaltungszentrum der Stadt Augsburg und das Landratsamt Augsburg ihren Sitz. Im Banken- und Versicherungswesen haben sich das [[Bundesvermögensamt]], die [[Deutsche Bundesbank]], die [[Deutsche Rentenversicherung Schwaben]] mit ihren Auskunfts- und Beratungsstellen und die [[Landwirtschaftliche Sozialversicherung]] (Berufsgenossenschaft, Alterskasse, Krankenkasse und Pflegekasse) Niederbayern/Oberpfalz und Schwaben niedergelassen. Die Stadt Augsburg verfügt mit dem [[Städtisches Leihamt Augsburg|Städtischen Leihamt]] über das älteste kommunale [[Leihamt]] in Deutschland. Seit 1603 hilft diese Einrichtung in Geldnöten steckenden Bürgern vorübergehend gegen [[Pfand (Recht)|Verpfändung]] wertvoller Habe mit Bargeld aus. Ebenfalls als Vertreter für den Bezirk Schwaben haben hier die [[Handwerkskammer]] (HWK) und die [[Deutsche Industrie- und Handelskammer]] (IHK) sowie das für die Stadt Augsburg, die [[Landkreis Augsburg|Landkreise Augsburg]], [[Landkreis Aichach-Friedberg|Aichach-Friedberg]], [[Landkreis Dillingen|Dillingen]] und [[Landkreis Donau-Ries|Donau-Ries]] zuständige Polizeipräsidium Schwaben Nord ihren Sitz. Ferner befinden sich in Augsburg das zuständige Hauptzollamt, eine [[Justizvollzugsanstalt Augsburg|Justizvollzugsanstalt]] und der Stadtjugendring. Verschiedene Verbände und Vereinigungen wie zum Beispiel das [[Bayerisches Rotes Kreuz|Bayerische Rote Kreuz]], der [[Bayerischer Fußball-Verband|Bayerische Fußballverband]] oder die Dienstleistungsgewerkschaft [[Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft|ver.di]] haben ihre Zentrale für ganz Schwaben, teilweise gar für Süddeutschland, in Augsburg. Bis Mitte 2005 wurden alle wehrdienstpflichtigen Bürger des Bezirkes Schwaben im Kreiswehrersatzamt im [[Augsburg-Bismarckviertel|Bismarckviertel]] erfasst, das dann aber aus Rationalisierungsgründen geschlossen wurde. Seitdem befindet sich das zuständige Amt in Ingolstadt. === Gesundheitswesen === [[Datei:Augsburg Zentralklinikum.JPG|miniatur|[[Klinikum Augsburg]]]] Augsburg besitzt nach umfangreichen Umstrukturierungen seit&nbsp;2006 zwei Krankenhäuser der IV.&nbsp;[[Versorgungsstufe]] (Maximalversorgung) sowie etliche kleinere, teilweise spezialisierte Kliniken. Daneben besteht eine Notfallpraxis der [[Kassenärztliche Vereinigung|Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns]] sowie ein [[Bezirkskrankenhaus]] für die psychiatrische Versorgung. Das größte Krankenhaus und die zentrale Notaufnahme für den Ballungsraum stellt nach wie vor das [[Klinikum Augsburg]] dar, das bis zu den jüngsten Reformen Zentralklinikum hieß und der Medizinischen Fakultät der [[Ludwig-Maximilians-Universität München]] als Lehrkrankenhaus dient. Es liegt im Stadtteil Kriegshaber im Westen der Stadt und ist über die Bundesstraßen&nbsp;17 und 300 schnell zu erreichen. Direkt nebenan befindet sich die ''Kinderklinik'', die im Krankenhauszweckverband Augsburg eng mit dem Klinikum verzahnt ist. Durch eine enge Zusammenarbeit ist es zum Beispiel möglich, dass nahezu alle pädiatrischen Notfälle nach der Erstbehandlung in das zur Betreuung besser geeignete Kinderkrankenhaus verlegt werden. Beim zweiten Krankenhaus der Maximalversorgung handelt es sich um das bisher „Krankenhaus Haunstetten“ genannte [[Klinikum Augsburg Süd]]. Durch umfangreiche Umstrukturierungen und die Verlegung ganzer Abteilungen aus dem bisherigen Zentralklinikum nach Haunstetten erfüllt es mittlerweile alle im [[Krankenhausplanung|Krankenhausbedarfsplan]] gestellten Anforderungen der IV.&nbsp;Versorgungsstufe. Klinische Spezialgebiete bilden neben den schon vorhandenen Schwerpunkten der [[Chirurgie]] und [[Innere Medizin|Inneren Medizin]] die [[Dermatologie|Dermatologische]] und die [[Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde|HNO]]-Klinik.<ref>Klinikum Augsburg Süd: [http://www.klinikum-augsburg.de/22/221711,,,0.php Aktuelles]</ref> Das [[Bezirkskrankenhaus Augsburg]] wird vom Bezirk Schwaben getragen und stellt als Klinik für [[Psychiatrie]], [[Psychotherapie]] und [[Psychosomatik]] die psychiatrische Versorgung aller im Stadtgebiet und im Landkreis Augsburg lebenden Bürger sicher. Es befindet sich im Stadtteil Kriegshaber unweit des Klinikums. Daneben bestehen mit dem [[Diakonissenkrankenhaus Augsburg|Diakonissenkrankenhaus]], der [[Hessing-Klinik (Augsburg)|Hessing-Klinik]], dem [[Josefinum (Augsburg)|Josefinum]] und dem [[Vincentinum (Augsburg)|Vincentinum]] vier weitere Krankenhäuser, die sich allesamt auf Teilgebiete der medizinischen Versorgung (zum Beispiel [[Anästhesie]] oder [[Gynäkologie]]) spezialisiert haben und teilweise mit [[Belegarzt|Belegärzten]] arbeiten. Eine weitere Notversorgung erfolgt durch die Notfallpraxis der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns, die sich direkt am Vincentinum befindet. === Friedhöfe === Augsburg besitzt insgesamt vierzehn Friedhöfe, von denen neun von der Stadt unterhalten werden: Der Nordfriedhof, der Alte und der Neue Ostfriedhof, der Alte und der Neue Haunstetter Friedhof, der Westfriedhof, der Gögginger Friedhof, der Inninger Friedhof und der Bergheimer Friedhof. Daneben gibt es drei christliche Friedhöfe: Den Katholischen Friedhof Kriegshaber, den [[Katholischer Hermanfriedhof|Katholischen Hermanfriedhof]] und den [[Protestantischer Friedhof Augsburg|Protestantischen Friedhof]]. Zwei Friedhöfe sind israelisch: Der Israelische Friedhof Hooverstraße sowie der Israelische Friedhof Haunstetter Straße. == Bildung und Forschung == === Hochschulen === Obwohl die Stadt sehr alt ist und schon vor Jahrhunderten eine große Bedeutung besaß, gibt es in Augsburg erst seit 1970 eine Universität. Daneben sorgen auch die Fachhochschule und die Hochschule für Musik dafür, dass in Augsburg insgesamt eine sehr breite Auswahl an Studiengängen besteht. Derzeit studieren etwa 15.000 Menschen an den drei Hochschulen. ==== Universität Augsburg ==== [[Datei:Campus uni augsburg.JPG|miniatur|[[Universität Augsburg]] (Campus)]] Die [[Universität Augsburg]] wurde 1970 gegründet. Über die 1971 aufgelöste und als Katholisch-Theologische Fakultät der Universität angegliederte Philosophisch-Theologische Hochschule Dillingen besteht eine gewisse Verbindung zu der 1549 bzw. 1551 gegründeten und 1802 aufgehobenen Universität Dillingen. Außerdem wurde die 1958 aus dem Institut für Lehrerbildung hervorgegangene Pädagogische Hochschule Augsburg 1972 als Erziehungswissenschaftlicher Fachbereich in die Universität integriert. 2008 nahm sie einige Bereiche der aufgelösten Musikhochschule Nürnberg-Augsburg als „Leopold-Mozart-Zentrum“ auf. Sie ist die einzige Universität im Regierungsbezirk Bayerisch-Schwaben. Zur Zeit gliedert sich die Universität in eine Philologisch-Historische, Philosophisch-Sozialwissenschaftliche, Wirtschaftswissenschaftliche, Juristische, Mathematisch-Naturwissenschaftliche und Katholisch-Theologische Fakultät sowie die jüngst errichtete Fakultät für Angewandte Informatik. Die Universität Augsburg mit ihren 14.500 Studenten ist keine traditionelle Volluniversität, sondern konzentriert sich hauptsächlich auf die Kultur-, Sozial- und Wirtschaftswissenschaften. Seit 1974 wurde im Süden der Stadt auf dem Gelände des alten Flugplatzes ein weitläufiger Campus errichtet, der bis heute zu einem eigenen Stadtteil (dem Universitätsviertel) gewachsen ist. Mittlerweile befinden sich nur noch kleinere Teile der Universität gemeinsam mit dem Betriebswirtschaftlichen Fachbereich der FH im Gebäude der ehemaligen Pädagogischen Hochschule in Lechhausen sowie am Standort „Alte Universität“. ==== Hochschule Augsburg ==== [[Datei:FH Augsburg 03.jpg|miniatur|[[Hochschule Augsburg]]]] Die [[Hochschule Augsburg]] (bis Februar 2008 ''Fachhochschule Augsburg'') wurde zwar erst 1971 gegründet, kann aber auf eine weitreichende Geschichte ihrer Vorgängereinrichtungen zurückblicken. So bestand bereits um 1660 eine private Kunstakademie, die sich zuerst zu einer protestantischen und dann 1710 zu einer öffentlichen [[Reichsstädtische Kunstakademie|Reichsstädtischen Kunstakademie]] entwickelte, aus der schließlich über mehrere Stufen die ''Werkkunstschule Augsburg'' entstand. Der technische Zweig entstammt dem im 19. Jahrhundert entstandenen ''Rudolf-Diesel-Polytechnikum''. Im Jahre 1971 schließlich wurde durch ihre Zusammenlegung die Fachhochschule Augsburg gegründet. Sie ist somit eine der ältesten Fachhochschulen in Deutschland, 2008 erfolgte die Umbenennung in Hochschule Augsburg. Angeboten werden zahlreiche Studiengänge der Bereiche Technik, Gestaltung und Wirtschaftswissenschaften. Derzeit studieren rund 4.100 Studenten an der HS Augsburg. ==== Hochschule für Musik Nürnberg-Augsburg ==== Die Hochschule für Musik Nürnberg-Augsburg entstand 1998 durch die Zusammenlegung des Nürnberger [[Meistersinger-Konservatorium]]s mit dem Augsburger Leopold-Mozart-Konservatorium. Trotz heftiger Proteste aus den Reihen der Studenten und Dozenten beschloss das [[Kultusministerium|Bayerische Staatsministerium für Unterricht und Kultus]] aus Kostengründen 2006 die Schließung des Augsburger Teils der Hochschule. Das Angebot umfasst musikpädagogische und künstlerische Studiengänge (Gesang, Orchesterinstrumente, Tasteninstrumente). Daneben können auch Katholische Kirchenmusik, Gitarre und Musiktherapie studiert werden. Einmalig in ganz Deutschland ist die Ausbildung der Blasorchesterleitung. === Allgemeinbildende Schulen === Die grundlegende [[Allgemeinbildung]] für alle Augsburger Schüler vermitteln im Stadtgebiet derzeit zehn [[Gymnasium|Gymnasien]], neun [[Realschule]]n, 42 [[Grundschule|Grund-]] und [[Hauptschule]]n, 13 [[Förderschule]]n und eine [[Waldorfschule|Freie Waldorfschule]].<ref>Stadt Augsburg: [http://www.bildungsportal.augsburg.de Bildungsportal]</ref> ==== Volks-, Förder- und Gesamtschulen ==== Die grundliegende Ausbildung der Schüler übernehmen insgesamt 42 [[Grundschule|Grund]]- und [[Hauptschule]]n im ganzen Stadtgebiet. Eine Besonderheit bilden die sogenannten [[Teilhauptschule]]n, die sich an Schüler der Klassen 5 und 6 beziehungsweise der Klassen 7 bis 9 richten. Ein solches Bildungsangebot bietet zum Beispiel die [[Birkenau-Volksschule (Augsburg)|Birkenau-Volksschule]] im Stadtteil Lechhausen. Daneben bestehen insgesamt 13 [[Förderschule]]n, die sich der Kinder annehmen, die einer sonderpädagogischen Ausbildung bedürfen und deshalb an den allgemeinen oder beruflichen Schulen nicht oder nur unzureichend gefördert werden können. Wenn es sich mit den jeweils gegebenen Förderschwerpunkten vereinen lässt, vermitteln diese Schulen die gleichen Abschlüsse wie die vergleichbaren allgemeinbildenden Schulen. Mit der Freien [[Waldorfschule]] und der [[Internationale Schule|Internationalen Schule]] Augsburg (mit Sitz in Gersthofen) bestehen daneben zwei [[Gesamtschule]]n, die alle Altersstufen in einem Gebäude unterrichten. ==== Realschulen ==== Neun im Stadtgebiet und sechs im Ballungsraum befindliche [[Realschule]]n sorgen für eine zwischen den Angeboten von Gymnasium und Hauptschule liegende Bildungsmöglichkeit sowohl der Allgemeinbildung als auch der konkreten Berufsvorbereitung. Alle drei unter Gymnasien genannten reinen [[Mädchengymnasium|Mädchenschulen]] besitzen jeweils eine angeschlossene Realschule; ebenso bietet die Freie Waldorfschule auch den Abschluss mit der [[Mittlere Reife|mittleren Reife]] (Fachoberschulreife/Realschulabschluss) an. Somit existieren fünf „reine“ Realschulen im Stadtgebiet. Weil Realschulen vor allem in ländlichen Gebieten eher selten zu finden sind, haben sie eine enorme Anzugskraft auch auf Schüler aus weiter entfernten Landkreisen in Bayerisch-Schwaben. ==== Gymnasien ==== [[Datei:Augsburg-Holbein.Gymnasium-Altbau.Eingang.jpg|miniatur|[[Holbein-Gymnasium Augsburg|Holbein-Gymnasium]] (Altbau)]] Augsburg besitzt insgesamt elf [[Gymnasium|Gymnasien]] mit teilweise jahrhundertelanger Tradition sowie zusätzlich das Bayernkolleg und eine [[Waldorfschule|Freie Waldorfschule]], die ebenfalls den Abschluss mit [[Abitur]] ermöglichen. Da sich in allen größeren Städten des Ballungsraumes (Friedberg, Gersthofen, Königsbrunn und Neusäß) eigene Gymnasien befinden, besuchen die Einwohner dieser Orte hauptsächlich das dortige Gymnasium, so dass an den Augsburger Gymnasien vor allem Bürger der Stadt zu finden sind. Wegen ihrer teilweise besonderen Bildungswege (zum Beispiel [[Musisch]]e oder [[Humanismus|Humanistische]] Zweige) besitzen sie dennoch darüber hinaus Einzugsgebiete bis nach ganz Bayerisch-Schwaben. Mit dem A.&nbsp;B.&nbsp;von Stettenschen Institut, dem Maria-Stern- und dem Maria-Ward-Gymnasium bestehen drei Gymnasien nur für Mädchen; das Gymnasium bei St.&nbsp;Stephan war bis zum Herbst 1995 nur Knaben vorbehalten, erfreut sich seither steigenden Interesses insbesondere seitens musisch orientierter Mädchen. Nahezu alle Schulen können auf Berühmtheiten zurückblicken, die in ihrer Einrichtung das Abitur erlangten. So waren hier unter anderem [[Bertolt Brecht]], [[Rudolf Diesel]], [[Roy Black|Gerhard Höllerich]] (alias Roy Black) oder der Nobelpreisträger [[Johann Deisenhofer]] Schüler. {| class="wikitable centered" |- ! class="hintergrundfarbe5" colspan="5" | Die Gymnasien in Augsburg |- |[[A. B. von Stettensches Institut Augsburg|A.&nbsp;B.&nbsp;von Stettensches Institut]] || [[Gymnasium bei St. Anna (Augsburg)|Gymnasium bei St.&nbsp;Anna]] || [[Bayernkolleg Augsburg]] |- |[[Gymnasium bei Sankt Stephan (Augsburg)|Gymnasium bei St.&nbsp;Stephan]] || [[Gymnasium Maria Stern der Franziskanerinnen Göggingen|Gymnasium Maria Stern Göggingen]] || [[Holbein-Gymnasium Augsburg|Holbein-Gymnasium]] |- |[[Jakob-Fugger-Gymnasium Augsburg|Jakob-Fugger-Gymnasium]] || [[Maria-Theresia-Gymnasium (Augsburg)|Maria-Theresia-Gymnasium]] || [[Maria-Ward-Gymnasium Augsburg|Maria-Ward-Gymnasium]] |- |[[Peutinger-Gymnasium (Augsburg)|Peutinger-Gymnasium]] || [[Rudolf-Diesel-Gymnasium Augsburg|Rudolf-Diesel-Gymnasium]] || [[Freie Waldorfschule Augsburg|Freie Waldorfschule]] |- |[[Leonardo-da-Vinci-Gymnasium]] || || |} ==== Berufliche Oberschulen ==== Die zwei [[Berufsoberschule (Bayern)|Berufsoberschulen]] (eine städtische und eine staatliche) und die staatliche [[Fachoberschule]] in Augsburg führen Schüler mit abgeschlossener mittlerer Reife oder abgeschlossener Berufsausbildung im Rahmen der [[Berufliche Oberschule Bayern|Beruflichen Oberschule Bayern]] entweder zur [[Fachhochschulreife]] oder zur [[Fachgebundene Hochschulreife|fachgebundenen]] beziehungsweise [[Abitur|allgemeinen Hochschulreife]]. Für den letztgenannten Abschluss ist der Nachweis von Kenntnissen in einer zweiten [[Fremdsprache]] (neben dem [[Englische Sprache|Englischen]]) unumgänglich. === Berufsbildende Schulen und Akademien === Wegen seiner zentralen Bedeutung für den Bezirk Bayerisch-Schwaben besitzt Augsburg nahezu alle Richtungen der [[Berufsbildende Schule|berufsbildenden Schulen]]: So finden sich sieben städtische und eine private staatlich anerkannte Berufsschule, 18 [[Berufsfachschule in Deutschland|Berufsfachschulen]], jeweils vier [[Fachakademie]]n und [[Fachschule]]n sowie drei [[Wirtschaftsschule (Bayern)|Wirtschaftsschulen]]. Während die meisten dieser Schulen einen Beruf entweder in Zusammenarbeit mit dem Ausbildungsbetrieb oder in Vollzeitform vermitteln, fordern die Fachschulen für eine Aufnahme eine bereits abgeschlossene Ausbildung, da sie weitergehende Berufsgrade ([[Meister]], [[Techniker]]) ausbilden. === Sonstige Schulen === Neben den genannten Schulen und Akademien bestehen in Augsburg etliche weitere Bildungsmöglichkeiten, die von der [[Volkshochschule]] und dem [[Kolpingwerk|Kolping-Bildungswerk]] über verschiedene [[Musikschule|Gesangs- und Musikschulen]] bis zu [[Sprachschule]]n reichen. Für viele ist kein besonderer vorheriger Abschluss nötig; sie haben sich vielmehr der Allgemeinbildung der Bürger verschrieben. === Forschung === Die [[Universität Augsburg|Universität]] und die [[Hochschule Augsburg|Hochschule]] besitzen eigene [[Institut]]e, die zumeist einer [[Fakultät (Hochschule)|Fakultät]] zugeteilt sind und auf deren Gebiet Forschung betreiben. Für größere oder interdisziplinäre Projekte schließen sich diese aber auch zusammen, um so eine weiter gestreute Thematik behandeln zu können. Augsburg verfügt vor allem im Bereich der Forschung zu [[Umwelt]] und [[Umweltschutz]] über bedeutende Einrichtungen: So sitzt hier das vom Freistaat Bayern im Rahmen seiner [[Hochtechnologie|High-Tech]]-Offensive geschaffene ''Kompetenzzentrum Umwelt Augsburg-Schwaben (KUMAS)'', ein Netzwerk aus nahezu allen in diesem Sektor tätigen Forschungseinrichtungen und Unternehmen, das deren Kommunikation und Zusammenarbeit koordiniert. Seit Oktober 2009 sind die Forschungsinstitute für Leichtbau der [[Fraunhofer-Gesellschaft]] und des [[Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt|Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt]] am Campus der Universität ansässig, um als Vorreiter des Großprojektes [[Science Park Augsburg]] gegenwärtig zu sein. Das [[Bayerisches Landesamt für Umwelt|Bayerische Landesamt für Umwelt]] wurde in der Nähe der Universität angesiedelt, um bei seinen Projekten eng mit den Studenten und Wissenschaftlern des dortigen geplanten Forschungszentrums ''Science Park Augsburg'' zusammenarbeiten zu können.<ref>Wissenschaftszentrum Umwelt der Universität Augsburg: [http://www.wzu.uni-augsburg.de/Ziel/Standort.html Standort Augsburg]</ref> Im Stadtteil Lechhausen befindet sich das dem Landesamt angegliederte [[Josef-Vogl-Technikum]], das vor allem ökologische Daten für Gutachten erhebt. Im Bereich der [[Osteuropa]]studien gilt das [[Bukowina-Institut]] als eine der führenden Einrichtungen. Es widmet sich der Dokumentation und Erforschung von Kultur, Geschichte und Landeskunde in Osteuropa in internationaler und interdisziplinärer Zusammenarbeit. Benannt ist es nach der Region [[Bukowina]] („Buchenland“), mit der sich das Institut besonders beschäftigt. === Bibliotheken === [[Datei:Augsburg Staatsbibliothek Frontseite.jpg|miniatur|[[Staats- und Stadtbibliothek Augsburg|Staats- und Stadtbibliothek]]]] [[Datei:Neue Stadtbücherei Augsburg.jpg|miniatur|Neue [[Stadtbücherei Augsburg|Stadtbücherei]]]] Augsburg verfügt schon aus reichsstädtischer Zeit über eine bedeutende Tradition im Bibliothekswesen, die sich auch heute noch in einer großen Zahl von Einrichtungen widerspiegelt. Die [[Staats- und Stadtbibliothek Augsburg|Staats- und Stadtbibliothek]] befindet sich in der Schaezlerstraße. Diese Einrichtung ist öffentlich zugänglich, wobei eine Ausleihe der Bücher normalerweise nicht möglich ist. Dafür besteht die [[Stadtbücherei Augsburg|Stadtbücherei]] mit ihren Stadtteilbüchereien in [[Augsburg-Göggingen|Göggingen]], [[Augsburg-Haunstetten-Siebenbrunn|Haunstetten]] und [[Augsburg-Lechhausen|Lechhausen]], die allen Bürgern Augsburgs einen Zugang zu Büchern, Zeitschriften und anderen Medien verschafft. Sehr modern im Umgang mit Printmedien und Multimedia zeigt sich die Neue Stadtbücherei Augsburg, für die in einem Bürgerbegehren gut 14.000 Unterschriften gesammelt wurde und die nach langer Planung dann im Juni 2009 eröffnet wurde. Der 15 Mio. Euro teure Neubau am Ernst-Reuter-Platz in der Stadtmitte umfasst eine Fläche von 5.000 m² und bietet neben der Ausleihe von Büchern, Hörbüchern, CDs und DVDs auch viel Raum für den kulturellen Austausch. Die Augsburger Staats- und Stadtbibliothek ist zugleich auch die Geschäftsstelle des im Jahr 1834 gegründeten Historischen Vereins für Schwaben, der in Wissenschaft, städtischem und regionalem Kulturleben vor allem mit den jährlich erscheinenden Zeitschriften des Historischen Vereins für Schwaben (ZHVS) Akzente setzen kann. Wie alle anderen Universitäten besitzt auch die Augsburger Hochschule eine große Bibliothek, die vor allem allen Studenten, Forschern und Wissenschaftlern der Universität selbst, aber auch der gesamten Öffentlichkeit die Möglichkeit bietet, sich mit umfassenden Materialien verschiedenster Art (Bücher, Dokumente, Kunstwerke, andere Medien) zu beschäftigen. Sie befindet sich auf dem [[Campus]] der Universität und ist in eine Zentrale und mehrere Teilbibliotheken gegliedert. Obwohl die [[Universitätsbibliothek]] erst 1970 gegründet wurde, verfügt sie über einen reichen Altbestand, der unter anderem aus der [[Oettingen-Wallersteinsche Bibliothek|Oettingen-Wallersteinischen Bibliothek]] stammt, die der Universität 1980 gespendet wurde. In der Nähe der Hochschule befindet sich das [[Bukowina-Institut]] für osteuropäische Forschungen, das für interessierte Fachkundige eine große Bibliothek mit dem Schwerpunkt auf ostdeutscher und osteuropäischer Literatur, Geschichte und Kultur bietet. Im Zeitalter der [[E-Text]]e hat sich die [[Bibliotheca Augustana]], ein Projekt eines Professors der Fachhochschule, als [[digitale Bibliothek]] für Texte der [[Weltliteratur]] deutschlandweit hohes Ansehen verschafft. Daneben bestehen viele weitere kleine und private Bibliotheken, die allerdings nur bedingt öffentlich zugänglich sind (zum Beispiel Kloster- oder Schulbibliotheken). === Archive === In Augsburg befinden sich einige Archive von öffentlichen und privaten Institutionen. Zu den bekanntesten öffentlichen Archiven gehören das [[Staatsarchiv Augsburg]] des Landes Bayern, das [[Stadtarchiv Augsburg]] der Stadt Augsburg und das [[Universitätsarchiv Augsburg]]. Vor allem theologische Werke besitzt das [[Archiv des Bistums Augsburg]], das im [[Augsburg-Domviertel|Domviertel]] angesiedelt ist und sowohl Bücher und Dokumente als auch umfangreiches Bildmaterial zur Geschichte und Entwicklung des [[Bistum Augsburg|Bistums]] umfasst. === Sonstige Dokumentationsstellen === Das [[Haus der Bayerischen Geschichte]] in der Zeuggasse wurde 1983 als Behörde des Freistaats Bayern ins Leben gerufen und hat seit September 1993 seinen Sitz in Augsburg. Es soll allen Bevölkerungsschichten, vor allem der jungen Generation, in allen Landesteilen die geschichtliche und kulturelle Vielfalt Bayerns zugänglich machen und besitzt ein derzeit 270.000 Materialien umfassendes Bildarchiv. == Persönlichkeiten == Hier werden nur Personen aufgeführt, die deutlich mit Augsburg in Verbindung gebracht werden. Für genauere Informationen über die hier aufgeführten Namen und auch über Personen, die im weiteren Sinne mit der Stadt verbunden werden können, existiert der Hauptartikel ''[[Liste der Persönlichkeiten der Stadt Augsburg]]''. * [[Afra von Augsburg|St. Afra]] († 304 in [[Friedberg (Bayern)|Friedberg]])<br />war eine frühchristliche [[Märtyrer]]in, die 1064 heilig gesprochen wurde. * St. [[Tozzo]] († 16. Januar 778 in Augsburg) war Bischof von Augsburg * St. [[Simpert]] (* um 750, † wahrscheinlich 13. Oktober 807 in Augsburg)<br />war Bischof von Augsburg und ist dritter Schutzpatron für Stadt und Bistum Augsburg (neben St.&nbsp;Ulrich und St.&nbsp;Afra). * [[Ulrich von Augsburg|St. Ulrich]] (* 890 in [[Wittislingen]] oder Augsburg; † 4. Juli 973 in Augsburg)<br />war von 923 bis zu seinem Tod Bischof in Augsburg und hatte entscheidenden Anteil am Sieg über die Ungarn in der [[Schlacht auf dem Lechfeld]]. Er wurde 993 als erste Person überhaupt vom [[Papst]] persönlich heilig gesprochen. * [[Wolfhard von Augsburg|St. Wolfhard]] bzw. St. Gualfardus (* um 1070 in Augsburg; † 30. April 1127 in Curte-Regia bei [[Verona]])<br />Die Gebeine des Heiligen Wolfhard sind in der [[Kloster Sankt Sebastian Augsburg|Kirche St.&nbsp;Sebastian]] aufbewahrt. * [[Hans Holbein der Ältere]] (* um 1465 in Augsburg; † um 1524 in Augsburg)<br />war ein deutscher Maler, dessen Werk den Übergang von der [[Gotik|Spätgotik]] zur [[Renaissance]] bildet. Er erschuf etliche Altar- und Andachtsbilder, Porträtdarstellungen und Glasgemälde. [[Datei:Albrecht Dürer 080.jpg|miniatur|hochkant|[[Jakob Fugger]] „der Reiche“]] * [[Jakob Fugger]] der Reiche (* 6. März 1459 in Augsburg; † 30. Dezember 1525 in Augsburg)<br />war seinerzeit Europas reichster und bedeutendster [[Kaufmann]] und [[Bankier]]. Er entstammte einer Handelsfamilie, die er innerhalb weniger Jahre zu einem der ersten [[Frühkapitalismus|frühkapitalistischen]] Unternehmen ausbaute und so die Grundlage für die Weltgeltung und den Reichtum der Familie [[Fugger]] legte. * [[Hans Burgkmair der Ältere]] (* 1473 in Augsburg; † 1531 in Augsburg)<br />war ein bedeutender Maler, Zeichner und Holzschneider zu Beginn des 16. Jahrhunderts. Burgkmair gilt neben Hans Holbein dem Älteren im [[Heiliges Römisches Reich|Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation]] als wichtigster Augsburger Künstler zwischen Spätgotik und Renaissance. * [[Bartholomäus V. Welser]] (* 25. Juni 1484 in [[Memmingen]]; † 28. März 1561 in [[Amberg (Unterallgäu)|Amberg im Unterallgäu]])<br />war von 1519 bis 1551 Chef der [[Welser]]-Gesellschaft, einem der größten Handels-, Bank-, Reederei- und Minenunternehmen des 16.&nbsp;Jahrhunderts. Als Bankier Kaiser [[Karl V. (HRR)|Karls&nbsp;V.]] sowie des französischen Königs [[Franz I. (Frankreich)|Franz&nbsp;I.]] hatte er entscheidenden Einfluss auf die Mächtigen seiner Zeit. * [[Ägidius Rehm]] (1486–1535), Bischof von Chiemsee * [[Hieronymus Meitting]] (1496–1557), Bischof von Chiemsee * [[Hans Holbein der Jüngere]] (* 1497 oder 1498 in Augsburg; † 29. November 1543 in [[London]])<br />war ein deutscher Maler. Auf einem Selbstbildnis, das er kurz vor seinem Tod malte, bezeichnet er sich selbst als Basler. Er zählt zu den bedeutendsten Künstlern der Renaissance. * [[Adriaen de Vries]] (* um 1545 oder um 1560 in [[Den Haag]]; † vor 15. Dezember 1626 in [[Prag]])<br />war ein [[Niederlande|niederländischer]] [[Bildhauerei|Bildhauer]], dessen Hauptwerk zwei der Augsburger Prachtbrunnen bilden: Der [[Merkurbrunnen (Augsburg)|Merkur]]- und der [[Herkulesbrunnen]], die sich beide durch Eleganz des Aufbaues und durch Feinheit der Einzelbildungen auszeichnen. * [[Elias Holl]] (* 28. Februar 1573 in Augsburg; † 6. Januar 1646 in Augsburg)<br />war der bedeutendste [[Baumeister]] des deutschen [[Barock|Frühbarock]]. Sein Hauptwerk ist das [[Augsburger Rathaus]] (erbaut von 1615 bis 1620) mit dem [[Goldener Saal|Goldenen Saal]] im barocken Stil. * [[Leopold Mozart]] (* 14. November 1719 in Augsburg; † 28. Mai 1787 in [[Salzburg]])<br />war Komponist und Vater des weitaus bekannteren [[Wolfgang Amadeus Mozart]]. Er erschuf vor allem [[Kirchenmusik|kirchenmusikalische Werke]] und Gelegenheitskompositionen, in denen er sich gern „realer Klangeffekte“ bediente (Glockengeläut, Hundebellen, Posthorn usw.). Daneben schrieb er eine beachtliche Zahl von Werken der [[Instrumentalmusik]]. [[Datei:Diesel 1883.jpg|miniatur|hochkant|[[Rudolf Diesel]]]] * [[Johann Heinrich Schüle|Johann Heinrich Edler von Schüle]] (* 13. Dezember 1720 in [[Künzelsau]]; † 17. April 1811 in Augsburg)<br />war ein deutscher Kaufmann, Erfinder, Techniker, Chemiker und Kattunfabrikant mit europäischer Bedeutung. Als erster Unternehmer in Deutschland bedruckte er in seiner [[Manufaktur]] [[Kattun]]stoff mit Kupferplatten und gilt als Begründer der industriellen Textilproduktion auf diesem Gebiet. * [[Freiherren von Süßkind|Johann Gottlieb Freiherr von Süßkind]] (* 11. März 1767 in [[Nürtingen]]; † 21. Dezember 1849 in Augsburg)<br />gründete ein eigenes [[Bank]]haus in Augsburg und steigerte sein Vermögen durch Wertpapierspekulationen derart, dass er bis heute als reichster Mann Schwabens nach dem Ende des [[Dreißigjähriger Krieg|Dreißigjährigen Krieges]] gilt. * [[Rudolf Diesel]] (* 18. März 1858 in [[Paris]]; † 29. September 1913 im [[Ärmelkanal]])<br />war ein deutscher Ingenieur und Erfinder. Er entwickelte ab 1893 in der Maschinenfabrik Augsburg, aus der 1906 die Firma [[MAN]] wurde, mit finanzieller Beteiligung der Firma [[Friedrich Krupp AG|Friedrich Krupp]] den [[Dieselmotor]] und stellte 1897 das erste funktionstüchtige Modell dieses Motors der Weltöffentlichkeit vor. * [[Bertolt Brecht]] (* 10. Februar 1898 in Augsburg; † 14. August 1956 in [[Berlin]])<br />wird als einflussreichster deutscher [[Dramatiker]] und [[Lyrik]]er des 20.&nbsp;Jahrhunderts bezeichnet. Er ist auch international für seine Werke angesehen und ausgezeichnet worden. Brecht gilt als Begründer des [[Episches Theater|Epischen]] beziehungsweise „Dialektischen Theaters“. ; Ehrenbürger → ''Hauptartikel: [[Liste der Ehrenbürger von Augsburg]]'' == Zitate und Sprichwörter == * „''Ich danke Augsburg einen der stärksten bildnerischen Eindrücke, die mir je eine deutsche Stadt gegeben.''“ ''[[Stefan Zweig]]'' * „''Hätt’ ich Venedigs Macht und Augsburger Pracht, Nürnberger Witz und Straßburger G’schütz und Ulmer Geld, so wär’ ich der Reichste in der Welt.''“&nbsp;– ''[[Sprichwort]]'' * „''Das Beste an Augsburg ist der Zug nach München.''“&nbsp;– ''dieses Zitat wird [[Bertolt Brecht]] zugeschrieben, jedoch gibt es keine verlässlichen Quellen.'' == Literatur == * [[Martin Kluger (Augsburg)|Martin Kluger]]: ''Augsburg. Der offizielle Stadtführer der Regio Augsburg.'' 4. Auflage. context, Augsburg 2006, ISBN 3-939645-02-8. * [[Bernd Roeck]]: ''Geschichte Augsburgs.'' Beck, München 2005, ISBN 3-406-53197-0. * [[Wolfgang Wüst]], Georg Kreuzer, Nicola Schümann (Hrsg.): ''Der Augsburger Religionsfriede 1555: Ein Epochenereignis und seine regionale Verankerung.'' Ergebnisse einer Tagung des Historischen Verein für Schwaben und der Schwaben-Akademie Irsee vom 3. bis 5. März 2005 (= Zeitschrift des HV für Schwaben, Band 98) Augsburg 2005, ISBN 3-89639-507-6. * [[Christian Jacob Wagenseil]]: ''Versuch einer Geschichte der Stadt Augsburg. Ein Lesebuch fuer alle Staende.'' 4&nbsp;Bände. Bäumer, Augsburg 1819–1822 ([http://www.bibliothek.uni-augsburg.de/dda/dr/sstba/we_01656-1660/ Digitalisat]). * Erich Keyser, Heinz Stoob (Hrsg.): ''Bayerisches Städtebuch. 2. Teilband Ober-, Niederbayern, Oberpfalz und Schwaben.'' (=Deutsches Städtebuch, Band&nbsp;5), Stuttgart, Berlin, Köln u.&nbsp;a. 1974, ISBN 3-17-210181-9. * Georg Köglmeier: ''Literaturliste zur Vorlesung von Prof. Peter Schmid: Das östliche Schwaben.'' Lehrstuhl für Bayerische Landesgeschichte. Universität Regensburg. Sommersemester&nbsp;1999,&nbsp;([http://www.uni-regensburg.de/Fakultaeten/phil_Fak_III/Geschichte/s99vsm8.html Literaturliste]). * Wolfgang Kucera, Reinhold Forster (Hrsg.) ''Augsburg zu Fuß. 16 Stadtteilrundgänge durch Geschichte und Gegenwart.'' Hamburg 1993, ISBN 3-87975-628-7. * [[Günther Grünsteudel]], Günter Hägele, Rudolf Frankenberger (Hrsg.): ''Augsburger Stadtlexikon.'' 2. Auflage. Perlach, Augsburg 1998, ISBN 3-922769-28-4. * Heinrich Letzing: ''Augsburger Handwerksgeschichte. Kleines Archivalien- und Bücherverzeichnis.'' (= Materialien zur Geschichte des bayerischen Schwaben; 17). Augsburg 1992, ISBN 3-925274-56-1. * Markus Pöhlmann: ''Es war gerade als würde alles bersten. Die Stadt Augsburg im Bombenkrieg 1939–1945.'' Augsburg 1994, ISBN 3-923914-27-X. * Markus Pöhlmann (Hrsg.): ''Kellerwohnung und Persilschein. Kriegsende und Neubeginn in Augsburg nach 1945.'' Augsburg 1995, ISBN 3-00-000039-9. * Peter Dempf: ''Sagenhaftes Augsburg.'' 3. Auflage. Wißner, Augsburg 2005, ISBN 3-89639-498-3. * Wolfgang Zorn: ''Augsburg – Geschichte einer europäischen Stadt. Von den Anfängen bis zur Gegenwart.'' Wißner, Augsburg 2001, ISBN 3-89639-319-7. * Roswitha Mitulla, Bernd Wißner, Norbert Liesz: ''Botanischer Garten Augsburg''. Wißner, Augsburg 2006, ISBN 3-89639-538-6. == Weblinks == {{Portal|Augsburg}} {{Wikinews|Portal:Augsburg|Augsburg}} {{Commons|Augsburg|Augsburg}} {{Wikisource|Augsburg}} {{Wiktionary|Augsburg}} {{Wikiquote|Augsburg|Augsburg}} {{Wikibooks|Augsburger Ausflüge}} * [http://www.stadtlexikon-augsburg.de Augsburger Stadtlexikon] * [http://www.deutschland-tourismus.de/DEU/reiseland_deutschland/master_tlstadt-id1003.htm Augsburg-Webseite der Deutschen Zentrale für Tourismus e.&nbsp;V.] * [http://www.sisby.de/sisby/base/de/Suche/BayStandorte/Gemeindedaten.jsp?lang=de&kigoto=09761000 Gemeindedaten von Augsburg im Standort-Informations-System Bayern] * [http://www.fallingrain.com/world/GM/2/Augsburg.html Geographische und klimatische Daten zu Augsburg] * {{HdBG GKZ|9761000}}. * [http://www.augsburgwiki.de/ Augsburg-Wiki] * [http://www.geodaten.bayern.de/BayernViewer/index.cgi?rw=4419590&hw=5359770&layer=TK&step=64 Karte von Augsburg] – (BayernViewer) * [http://www.regiofilm.tv/augsburg.htm Film zur Augsburger Geschichte] * [http://www.36zero.de/Virtuelle_Tour/virtuelle_tour_Augsburg.html Virtuelle Tour durch Augsburg mit über 30 Kugelpanoramen] * [http://www.koka-augsburg.com/index.html?redir=http://www.koka-augsburg.com/augsburg_geschichte.html Kurze Geschichte Augsburgs in Daten] * [http://www2.augsburg.de/fileadmin/www/dat/01au/statistik/Jahrbuch/2009_Gesamt/Jahrbuch2009_Gesamtausgabe.pdf Statistisches Jahrbuch der Stadt Augsburg 2009 (PDF)] * {{GKD|2028044-0}} == Einzelnachweise == <references /> {{Navigationsleiste Landkreise und kreisfreie Städte in Bayern}} {{Exzellent}} [[Kategorie:Augsburg| ]] [[Kategorie:Gemeinde in Bayern]] [[Kategorie:Kreisfreie Stadt in Bayern]] [[Kategorie:Reichsstadt]] [[Kategorie:Ehemaliger Residenzort in Bayern]] [[Kategorie:Deutsche Universitätsstadt]] [[af:Augsburg]] [[als:Augsburg]] [[ar:آوغسبورغ]] [[bar:Augschburg]] [[bg:Аугсбург]] [[bn:আউগ্‌সবুর্গ]] [[br:Augsburg]] [[ca:Augsburg]] [[cs:Augsburg]] [[cy:Augsburg]] [[da:Augsburg]] [[el:Άουγκσμπουργκ]] [[en:Augsburg]] [[eo:Augsburg]] [[es:Augsburgo]] [[et:Augsburg]] [[eu:Augsburg]] [[fa:اگزبورگ]] [[fi:Augsburg]] [[fr:Augsbourg]] [[gl:Augsburgo - Augsburg]] [[he:אאוגסבורג]] [[hi:औग्स्बुर्ग]] [[hr:Augsburg]] [[hu:Augsburg]] [[id:Augsburg]] [[io:Augsburg]] [[is:Ágsborg]] [[it:Augusta (Germania)]] [[ja:アウクスブルク]] [[kk:Аугсбург]] [[ko:아우크스부르크]] [[la:Augusta Vindelicorum]] [[lt:Augsburgas]] [[lv:Augsburga]] [[mk:Аугсбург]] [[nah:Augsburg]] [[nl:Augsburg (stad)]] [[nn:Augsburg]] [[no:Augsburg]] [[oc:Augsborg]] [[pl:Augsburg]] [[pt:Augsburgo]] [[ro:Augsburg]] [[roa-rup:Augsburg]] [[ru:Аугсбург]] [[simple:Augsburg]] [[sk:Augsburg]] [[sr:Аугзбург]] [[sv:Augsburg]] [[tr:Augsburg]] [[uk:Аугсбург]] [[uz:Augsburg]] [[vec:Augsburg]] [[vi:Augsburg]] [[vo:Augsburg]] [[war:Augsburg]] [[zh:奥格斯堡]] [[zh-min-nan:Augsburg]] on9fnq3d8fwjdgizerx4brmddzd4nod wikitext text/x-wiki Luftfeuchtigkeit 0 23525 28260 26464 2011-05-05T18:38:23Z Retemirabile 576 /* Weblinks */ Link zum WEBGEO Modul korrigiert <onlyinclude><!-- Artikelanfang ist im Portal Physik eingebunden -->Die '''Luftfeuchtigkeit''', oder kurz '''Luftfeuchte''', bezeichnet den Anteil des [[Wasserdampf]]s am [[Gasgemisch]] der [[Erdatmosphäre]] oder in Räumen. Flüssiges Wasser (zum Beispiel Regentropfen, Nebeltröpfchen) oder [[Eis]] (z. B. Schneekristalle) werden der Luftfeuchtigkeit folglich nicht zugerechnet. Die Luftfeuchtigkeit ist eine wichtige Kenngröße für zahlreiche technische und meteorologische Vorgänge sowie für Gesundheit und Behaglichkeit. </onlyinclude><!-- Den restlichen Artikel nicht in die Kurzfassung im Portal Physik übernehmen --> Das geläufigste Maß für die Luftfeuchtigkeit ist die relative Luftfeuchtigkeit, angegeben in %. Sie bezeichnet das Verhältnis des momentanen Wasserdampfgehalts in der [[Atmosphäre]] zum maximal möglichen Wasserdampfgehalt bei derselben Temperatur und konstantem Druck. In der atmosphärischen Luft befinden sich immer mehr oder weniger große Mengen an Wasserdampf. Der Gehalt schwankt zeitlich und örtlich und wird als Luftfeuchtigkeit bezeichnet. Bei jeder Temperatur kann in einem bestimmten Luftvolumen nur eine Höchstmenge Wasserdampf enthalten sein. == Luftfeuchtigkeit == Definition 1: : Unter der '''maximalen Luftfeuchtigkeit''' (Sättigungsmenge) versteht man die bei einer bestimmten Temperatur in einem Kubikmeter Luft maximal mögliche Wasserdampfmenge. Übliche Einheit: g/m<sup>3</sup> Definition 2: : Unter der '''absoluten Luftfeuchtigkeit''' versteht man die in einem Kubikmeter Luft tatsächlich enthaltene Wasserdampfmenge. Übliche Einheit: g/m<sup>3</sup> Definition 3: : Unter der '''relativen Feuchtigkeit''' versteht man das Verhältnis der tatsächlich enthaltenen zur maximalen möglichen Masse (Menge) des Wasserdampfes in der Luft - übliche Einheit: % : Kurz: <math>\text{relative Feuchtigkeit} = \tfrac \text{absolute Luftfeuchtigkeit} \text{maximale Luftfeuchtigkeit}</math> [[Datei:Kondensierender Wasserdampf01.jpg|miniatur|rechts|Kondensierender Wasserdampf als indirekter Nachweis für die Luftfeuchtigkeit]] == Allgemeines == Ein wasserdampffreies Luftgemisch bezeichnet man als trockene Luft. Tabellen zur Zusammensetzung der Luft beziehen sich in der Regel auf trockene Luft, da der Wasserdampfanteil feuchter Luft mit 0 bis 4 Volumenprozent vergleichsweise sehr stark schwankt. Beeinflusst wird die Luftfeuchtigkeit vor allem durch die Verfügbarkeit von Wasser, die Temperatur und den Grad der Durchmischung der Atmosphäre. Höhere Lufttemperaturen ermöglichen eine höhere Wasserdampfkonzentration in der Luft. Bei sehr geringen Konzentrationen von Wasserdampf in der Luft bezeichnet man die Luftfeuchtigkeit auch als SpurenFeuchtigkeit. == Physikalische Grundlagen == === Verdunstung und Kondensation === An einer freien Wasseroberfläche, die flüssiges Wasser vom darüber liegenden Luftvolumen trennt, treten stets einzelne [[Wassermolekül]]e vom Wasservolumen in das Luftvolumen über. Im flüssigen Wasser sind die Wassermoleküle durch molekulare Kräfte, vor allem durch die [[Wasserstoffbrückenbindung|Wasserstoffbrückenbindungen]], vergleichsweise stark aneinander gebunden, wodurch sich der zusammenhängende [[Flüssigkeit]]sverbund erst ausbilden kann. Infolge ihrer thermischen Bewegung tragen die Wassermoleküle jedoch jeweils gewisse Beträge an [[Kinetische Energie|kinetischer Energie]], die um einen temperaturabhängigen Mittelwert herum streuen. Ein kleiner Anteil von Wassermolekülen hat daher stets genügend thermische Energie, um die Bindungskräfte der umgebenden Moleküle zu überwinden, die Wasseroberfläche zu verlassen und in das Luftvolumen überzugehen, also zu [[Verdunstung|verdunsten]]. Die Verdunstungsrate hängt vom Anteil derjenigen Moleküle ab, deren kinetische Energie die Bindungsenergie des Flüssigkeitsverbundes überschreitet und wird daher unter anderem von der herrschenden Temperatur bestimmt. Umgekehrt treffen verdunstete Wassermoleküle aus der Luft auch wieder auf die Wasseroberfläche und können dort je nach ihrer kinetischen Energie mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit vom Molekülverbund eingefangen werden, also [[Kondensation|kondensieren]]. Die Kondensationsrate ist sowohl abhängig von der Dichte der Wassermoleküle in der Luft als auch vom Luftdruck selbst. Vier Größen beeinflussen die Menge dieses Stoffaustauschs: # die Größe der Oberfläche (Verwirbelungen erhöhen diesen Wert im Vergleich zum ruhenden Wasser), # die Temperatur des Wassers, # die Temperatur der Luft und # der Sättigungsgrad der Luft. === Sättigung === Betrachtet man einen Verdunstungsvorgang bei konstanter Temperatur und anfangs trockener Luft, so stellt sich die der Temperatur entsprechende Verdunstungsrate ein, während die Kondensationsrate mangels Wassermolekülen in der Luft zunächst gleich Null ist. Die Verdunstungsrate ist also größer als die Kondensationsrate, und die Anzahl von Wassermolekülen in der Luft steigt daher an. Damit wächst auch die Kondensationsrate, und die Nettoverdunstung (Verdunstungsrate minus Kondensationsrate) beginnt zu sinken. Die Dichte der Wassermoleküle in der Luft und damit die Kondensationsrate steigen so lange an, bis Kondensationsrate und Verdunstungsrate gleich sind, pro Zeiteinheit also ebenso viele Wassermoleküle vom Wasser in die Luft übertreten wie von der Luft ins Wasser. Dann ist der Gleichgewichtszustand erreicht, in dem die Nettoverdunstung null ist, obwohl ein ständiger Teilchenaustausch zwischen Luft und Wasser stattfindet. Die im Gleichgewichtszustand vorliegende Konzentration von Wassermolekülen in der Luft ist die [[Sättigung (Physik)|Sättigungskonzentration]]. Steigt die Temperatur, wird sich auch eine höhere Sättigungskonzentration einstellen, da die nun ebenfalls erhöhte Verdunstungsrate zur Erreichung eines neuen Gleichgewichts durch eine höhere Kondensationsrate wieder kompensiert werden muss, was eine höhere Teilchendichte in der Luft voraussetzt. Die Höhe der Sättigungskonzentration hängt also von der Temperatur ab. Die Sättigungskonzentration wird fast allein durch die Eigenschaften der Wassermoleküle und ihre Wechselwirkung mit der Wasseroberfläche bestimmt, es besteht keine wesentliche Wechselwirkung mit den anderen Atmosphärengasen. Wären jene Gase nicht vorhanden, so würde sich über dem Wasser praktisch dieselbe Sättigungskonzentration einstellen. Die umgangssprachlich gebräuchliche und wegen der Einfachheit auch in Fachkreisen weit verbreitete Ausdrucksweise, ''die Luft'' könne bei gegebener Temperatur maximal eine bestimmte Menge an Wasserdampf ''aufnehmen'', ist irreführend. Die Luft nimmt die Feuchtigkeit nicht analog zu einem Schwamm auf, und auch der Begriff der Sättigung darf hier nicht analog zur Sättigung einer [[Lösung (Chemie)|Lösung]] verstanden werden. Die Luft besteht aus selbstständig agierenden Gasteilchen, die im Wesentlichen nur über Stöße wechselwirken. Weder ist also Sauerstoff im Stickstoff, noch Wasserdampf in den anderen Luftbestandteilen gelöst. (Man stelle sich einen zur Hälfte mit Wasser gefüllten abgeschlossenen Behälter vor, in dem über der Wasseroberfläche ein Vakuum herrscht. Wird der Flüssigkeit kinetische Energie in Form von Wärme zugeführt, so können sich Teilchen mit genügend Energie von der Oberfläche lösen (Verdunsten).) Die Sättigungskonzentration ist somit von der kinetischen Energie der Wasserteilchen abhängig. Aus demselben Grund wird die Sättigungskonzentration nicht von der Temperatur der Luft bestimmt, sondern von der Temperatur der verdunstenden Oberfläche. Der Bezug auf die Temperatur der Luft ist in der Alltagspraxis oft gerechtfertigt, da verdunstende Flächen geringer thermischer Trägheit meist näherungsweise Lufttemperatur annehmen (zum Beispiel an der Luft trocknende Wäsche). Ist jedoch die verdunstende Oberfläche deutlich wärmer als die Luft, so verdunsten die Wassermoleküle mit einer der Oberflächentemperatur entsprechenden Verdunstungsrate in die kühlere Luft hinein (Herdplatte), auch wenn deren Sättigungskonzentration dabei überschritten wird. Ein Teil der Feuchtigkeit kondensiert dann in der Luft an den kühleren Aerosolen, welche Lufttemperatur angenommen haben, und wird als Dampf- oder Nebelschwaden sichtbar (zum Beispiel Dunstschwaden über einem herbstlichen See). Ist die Oberfläche kühler als die Luft, so kann unter Umständen auch der Feuchtigkeitgehalt teilgesättigter Luft zu Übersättigung und Kondensation an der Oberfläche führen (zum Beispiel beschlagene Fenster in Küche oder Bad). === Übersättigung === Erhöht man durch eine Zufuhr von Wassermolekülen deren Konzentration über die Sättigungskonzentration ([[Übersättigung]]), so steigt wegen der größeren Dichte an Wassermolekülen in der Luft die Kondensationsrate vorübergehend über die Verdunstungsrate hinaus an und die Konzentration an Wassermolekülen sinkt daher wieder auf den Gleichgewichtswert. Auch hier ist zu beachten, dass es sich nicht etwa um ein ''Unvermögen der Luft'' handelt, den überschüssigen Wasserdampf ''zu halten''. Vielmehr nützt der Wasserdampf unter diesen Bedingungen eine sich darbietende Kondensationsfläche, um seine Konzentration durch [[Kondensation#Thermodynamische Grundlagen|heterogene Kondensation]] auf die Sättigungskonzentration zu senken. Fehlen solche Kondensationsflächen oder [[Kondensationskern]]e, so kann die Luft dauerhaft erhebliche Mengen von Wasserdampf aufnehmen, bis es schließlich zu einer spontanen Entstehung von Wassertröpfchen ([[Kondensation#Thermodynamische Grundlagen|homogene Kondensation]]) kommt. Dies ist zum Beispiel in großen Volumina möglichst reiner Luft, also bei einer geringen [[Aerosol]]konzentration, und bei großer Entfernung von etwaigen Umschließungsflächen der Fall (siehe [[Nebelkammer]]). Spontane Kondensation von Wasserdampf zu Wassertröpfchen findet ohne Kondensationskeime erst bei extremer Übersättigung von mehreren hundert Prozent relativer Feuchtigkeit statt. In der Praxis ist jedoch fast immer eine ausreichend große Menge von Aerosolen in der Luft vorhanden, so dass es in der Atmosphäre kaum zu Übersättigungen von mehreren Prozentpunkten kommt. === Teilsättigung === Die Verdunstungsrate des Wassers kann bestimmte Maximalwerte nicht überschreiten. Es dauert daher längere Zeit, bis sich das Gleichgewicht nach einer Störung wieder eingestellt hat. Wurde zum Beispiel durch nächtliche Abkühlung ein Teil des Feuchtigkeitgehalts auskondensiert, so ist die Luft nach einer Erwärmung zunächst ungesättigt und kann den Sättigungszustand nur langsam wieder erreichen. Diese Teilsättigung ist für unsere Atmosphäre wegen der häufigen Temperaturschwankungen der Normalfall. Es ist für zahlreiche Vorgänge von großer Bedeutung, wie weit die Luft vom Sättigungszustand entfernt ist. Verschiedene Feuchtigkeitmaße dienen dazu, diesen Zustand quantitativ zu beschreiben. == Abhängigkeit der Sättigungskonzentration von Umgebungseinflüssen == === Temperatur === [[Datei:Feuchte Luft.png|miniatur|upright=2.5|Maximale Wasserdampfkonzentration in Abhängigkeit von der Temperatur]] Bei Erhöhung der Temperatur nimmt der Anteil an Wassermolekülen zu, welche genügend kinetische Energie besitzen, um die Wasseroberfläche zu verlassen. Es stellt sich also eine höhere Verdunstungsrate ein, welche zur Wiederherstellung des Gleichgewichts durch eine höhere Kondensationsrate kompensiert werden muss, was aber eine höhere Konzentration von Wassermolekülen in der Luft voraussetzt. Die Sättigungskonzentration des Wasserdampfs nimmt daher, wie in der Abbildung rechts dargestellt, mit steigender [[Temperatur]] exponentiell zu. Der Wasserdampf hat für jede Temperatur (und fast unabhängig vom Umgebungsdruck) eine eindeutig bestimmte Sättigungskonzentration. Bei atmosphärischem [[Normalbedingungen|Normaldruck]] von 1013,25 [[Pascal (Einheit)|hPa]] kann ein Kubikmeter Luft bei 10° [[Celsius]] maximal 9,41 [[Gramm]] Wasser aufnehmen. Die gleiche Luftmenge nimmt bei 30° Celsius schon 30,38 Gramm Wasser auf und bei 60° Celsius sind es schon über 100 Gramm Wasser. Man bezeichnet diese Sättigungskonzentration als [[#absolute Luftfeuchtigkeit|maximale Feuchtigkeit]], die im Artikel [[Sättigung (Physik)|Sättigung]] tabelliert ist. Hierbei sind auch [[Mollier-Diagramm]]e nach [[Richard Mollier]] (1923) zur Darstellung der Luftfeuchtigkeit weit verbreitet. Eine andere Möglichkeit zur Darstellung des Zusammenhangs von Luftfeuchtigkeit, Temperatur und Höhenlage ist das [[Emagramm]]. === Druck === Wie oben erwähnt, ist die Sättigungskonzentration des Wasserdampfs bei gegebener Temperatur praktisch unabhängig von der Anwesenheit der übrigen Atmosphärengase und damit auch fast unabhängig vom Umgebungsdruck. Eine ''geringfügige'' Abhängigkeit vom Umgebungsdruck ergibt sich jedoch aus drei Gründen<ref>Bell, S. A., Boyes, S. J.: ''An Assessment of Experimental Data that Underpin Formulae for Water Vapour Enhancement Factor''. National Physical Laboratory, UK, 2001 ([http://www.npl.co.uk/thermal/publications/stephanie_bell/data_water_vapour.pdf PDF] 168 KB)</ref>: * Der Wasserdampf und die anderen Gase sind keine perfekt idealen Gase. Es gibt schwache Wechselwirkungen ([[van-der-Waals-Kräfte]]) zwischen ihren Molekülen, welche mit steigendem Druck zunehmen. * Der gegenseitige Abstand der Moleküle im flüssigen Wasser und damit ihre Bindungskräfte werden geringfügig durch den auflastenden atmosphärischen Druck verändert („Poynting-Effekt“). Dies beeinflusst wiederum die Verdunstungsrate. * Auch im Wasser gelöste Atmosphärengase beeinflussen die Bindungskräfte und damit die Verdunstungsrate. Die Menge an gelösten Gasen ist abhängig von deren Partialdruck ([[Raoultsches Gesetz]]) und damit letztlich vom Gesamtdruck. Diese schwache Druckabhängigkeit kann bei Bedarf durch einen Korrekturfaktor berücksichtigt werden. Er ist von Temperatur und Druck abhängig und bewegt sich bei atmosphärischen Bedingungen im Bereich von 0,5 % (Näheres im Artikel [[Sättigungsdampfdruck]]). === Aggregatzustand des Wassers === Betrachtet man statt einer flüssigen Wasseroberfläche eine Eisoberfläche, so gelten dieselben Überlegungen auch für [[Sublimation (Physik)|Sublimation]] und [[Resublimation]] der Wassermoleküle. Im Eiskristallverband unterliegen die Wassermoleküle jedoch stärkeren Bindungskräften als in flüssigem Wasser, so dass die Sättigungskonzentration über einer Eisoberfläche geringer ist als über einer Oberfläche flüssigen ([[Unterkühlung (Thermodynamik)|unterkühlten]]) Wassers derselben Temperatur. Dieser Umstand spielt eine wichtige Rolle bei der Bildung von Regentropfen in Wolken ([[Bergeron-Findeisen-Prozess]]). === Reinheit des Wassers === {| class="wikitable float-right" |+ Relative Feuchtigkeit der Luft über gesättigten Salzlösungen |- class="hintergrundfarbe6" ! Substanz ! relative Feuchtigkeit ! Quelle |- |[[Ammoniumdihydrogenphosphat]] (NH<sub>4</sub>H<sub>2</sub>PO<sub>4</sub>) bei 23&nbsp;°C |93 % |<ref name="DIN52615">DIN 52615: Bestimmung der Wasserdampfdurchlässigkeit von Bau- und Dämmstoffen. Berlin 1987</ref> |- |[[Kaliumnitrat]] (KNO<sub>3</sub>) bei 38&nbsp;°C |88,5 % |<ref name="DIN52615"/> |- |[[Kaliumchlorid]] (KCl) bei 23&nbsp;°C |85 % |<ref name="DIN52615"/> |- |[[Natriumdichromat]] (Na<sub>2</sub>Cr<sub>2</sub>O<sub>7</sub>•2&nbsp;H<sub>2</sub>O) bei 23&nbsp;°C |52 % |<ref name="DIN52615"/> |- |[[Lithiumchlorid]] (LiCl) bei 20&nbsp;°C |11,3 % |<ref name="Greenspan">Greenspan, L.: ''Humidity Fixed Points of Binary Saturated Aqueous Solutions''. Journal of Research of the National Bureau of Standards – A. Physics and Chemistry Vol. 81&nbsp;A, No. 1 Januar-Februar 1977, S. 89–96 ([http://nvl.nist.gov/pub/nistpubs/jres/081/1/V81.N01.A06.pdf pdf], 320 KB)</ref> |- |[[Magnesiumchlorid]] (MgCl<sub>2</sub>) bei 20&nbsp;°C |33,1 % |<ref name="Greenspan"/> |- |[[Natriumchlorid]] (NaCl) bei 20&nbsp;°C |75,5 % |<ref name="Greenspan"/> |} Sind im Wasser andere Stoffe gelöst, so erschweren sie den Wassermolekülen das Verlassen der Wasseroberfläche, wodurch die Verdunstungsrate sinkt und sich eine geringere Sättigungskonzentration einstellt (sog. [[Lösungseffekt]]). In der Luft über gesättigten Salzlösungen stellen sich beispielsweise die in der Tabelle aufgeführten relativen Feuchtigkeiten ein. Obwohl die Luft über den Lösungen mit Feuchtigkeit gesättigt ist, betragen die betreffenden relativen Feuchtigkeiten nicht 100 %, da die relative Feuchtigkeit stets auf die Sättigungskonzentration über einer ebenen und ''reinen'' Wasseroberfläche bezogen wird (siehe unten). Unterschreitet die Luft über der Salzlösung die betreffende SättigungsFeuchtigkeit, so verdunstet Wasser aus der Lösung, um den Sättigungszustand wieder herzustellen. Überschreitet die Luft die SättigungsFeuchtigkeit, so kondensiert ein Teil der Luftfeuchtigkeit an der Salzlösung. Diese wird dadurch verdünnt; soll sie zur Einhaltung definierter Verhältnisse salzgesättigt bleiben, so muss sie einen ausreichenden Bodensatz an ungelöstem Salz enthalten. Der Lösungseffekt verdeutlicht nochmals, dass die Sättigungskonzentration in der Luft nicht von der Luft selbst, sondern von der verdunstenden Oberfläche bestimmt wird. === Oberflächenkrümmung des Wassers === Ist die Wasseroberfläche wie zum Beispiel bei einem [[Tropfen]] nach außen gekrümmt, so sind die Wassermoleküle an der Oberfläche weniger stark gebunden und können die Oberfläche leichter verlassen. Dieser [[Krümmungseffekt]] bedingt daher, dass die Verdunstungsrate steigt. Wenn gesättigte Luft mit kleinen Nebeltröpfchen im Gleichgewicht steht, beträgt ihre relative Feuchtigkeit daher etwas ''über'' 100 %. Ist die Wasseroberfläche nach innen gekrümmt (wie zum Beispiel beim [[Meniskus (Hydrostatik)|Meniskus]] in einer teilweise wassergefüllten Kapillare), so sind die Wassermoleküle an der Oberfläche stärker gebunden und können die Oberfläche weniger leicht verlassen – die Verdunstungsrate sinkt. Wenn gesättigte Luft in einem wasserhaltigen porösen Material mit den Menisken im Gleichgewicht steht, beträgt ihre relative Feuchtigkeit ''weniger'' als 100 %. == Feuchtigkeitmaße == Der Wassergehalt der Luft kann durch verschiedene so genannte '''Feuchtigkeitmaße''' angegeben werden. Synonym verwendbare Bezeichnungen werden durch einen Schrägstrich verdeutlicht, zusammengehörige Feuchtigkeitmaße stehen in der gleichen Zeile. * [[Dampfdruck]] (siehe auch [[Sättigungsdampfdruck]]) und [[Sättigungsdefizit]] / Dampfhunger ([[Pascal (Einheit)|Pa]], hPa, kPa, [[Bar (Einheit)|bar]]) * [[#Absolute Luftfeuchtigkeit|absolute Luftfeuchtigkeit]] / Wasserdampfdichte ([[Gramm|g]] / [[Kubikmeter|m³]], kg/m³) * [[#Relative Luftfeuchtigkeit|relative Luftfeuchtigkeit]] ([[Prozent|%]]) * [[#Spezifische Luftfeuchtigkeit|spezifische Luftfeuchtigkeit]] / Wasserdampfgehalt ([[Gramm|g]] / [[Kilogramm|kg]], kg/kg) * [[#Mischungsverhältnis|Mischungsverhältnis]] / Feuchtigkeitgrad (g/kg, kg/kg) * [[Taupunkt]] beziehungsweise [[Taupunkt#Frostpunkt|Frostpunkt]] / Eispunkt / Reifpunkt und [[Taupunkt#Taupunktdifferenz|Taupunktdifferenz]] ([[Grad Celsius|°C]], [[Kelvin|K]]) * [[Feuchttemperatur]] ([[Grad Celsius|°C]]) === Absolute Luftfeuchtigkeit === Die '''absolute Luftfeuchtigkeit''', auch '''Wasserdampfdichte''' oder kurz '''Dampfdichte''' ([[Formelzeichen]]: ''ρ<sub>w</sub>'', ''ρ<sub>d</sub>'', ''d'' oder ''a''; nicht verbindlich festgelegt), ist die [[Masse (Physik)|Masse]] des Wasserdampfs in einem bestimmten Luftvolumen, also dessen [[Dichte (Physik)|Dichte]] beziehungsweise [[Stoffkonzentration|Konzentration]]. Sie wird üblicherweise in Gramm Wasser pro Kubikmeter Luft angegeben. Nach oben begrenzt wird sie durch die '''maximale Feuchtigkeit''' ''ρ''<sub>w, max</sub>, die während einer [[Sättigung (Physik)|Sättigung]] herrscht (zugehörige Formeln und Werte siehe dort). Die absolute Luftfeuchtigkeit ist ein direktes Maß für die in einem gegebenen Luftvolumen enthaltene Wasserdampfmenge. Sie lässt unmittelbar erkennen, wie viel [[Kondensation|Kondensat]] maximal ausfallen kann oder wie viel Wasser verdunstet werden muss, um eine gewünschte Luftfeuchtigkeit zu erhalten. Die absolute Luftfeuchtigkeit ändert sich bei einer Volumenänderung des betrachteten Luftpakets, auch ohne dass der Luft Wasserdampf hinzugefügt oder entzogen wird. Bei einer Kompression des Luftpakets werden die darin enthaltenen Wassermoleküle auf einen geringeren Raum konzentriert, ihre Anzahl pro Kubikmeter nimmt zu, die absolute Feuchtigkeit steigt; das Umgekehrte gilt bei einer Expansion des Luftpakets. Die Volumenänderung des Luftpakets kann durch Änderung seiner [[Temperatur]] oder seines [[Druck (Physik)|Druckes]] verursacht werden. Beim Vergleich der Feuchtigkeitgehalte zweier Luftpakete sind daher gegebenenfalls ihre Temperatur- und Druckunterschiede zu berücksichtigen. Ein in der Atmosphäre aufgrund der [[Thermik]] aufsteigendes Luftpaket verringert beim Aufsteigen seine absolute Feuchtigkeit, auch wenn es dabei keinerlei Wasserdampf verliert, da es wegen der Abnahme des [[Luftdruck]]s mit der Höhe sein Volumen vergrößert. Die absolute Feuchtigkeit des Luftpakets ändert sich daher allein durch Auf- und Abwärtsbewegungen. Man bezeichnet dies auch als [[Verschiebungsvarianz]] oder [[Instationarität]]. Da die absolute Luftfeuchtigkeit zudem schwer zu messen ist, wird sie nur selten verwendet. Die absolute Luftfeuchtigkeit ''ρ<sub>w</sub>'' kann mittels folgender Formeln berechnet werden, wobei sich der erste Term durch die Umstellung der Zustandsgleichung idealer Gase ergibt: :<math>\rho_w = \frac{e}{R_w \cdot T } = \frac{m_{\text{Wasserdampf}}}{V_{\text{gesamt}}}</math> Die einzelnen [[Formelzeichen]] stehen für folgende [[Physikalische Größe|Größen]]: *''e'' – [[Dampfdruck]] *''R<sub>w</sub>'' – [[Universelle Gaskonstante#Spezifische Gaskonstante|individuelle Gaskonstante]] des Wassers = 461,52 [[Joule|J]]/([[Kilogramm|kg]] [[Kelvin|K]]) *''T'' – abs. [[Temperatur]] *''m''<sub>Wasserdampf</sub> – [[Masse (Physik)|Masse]] des Wasserdampfs innerhalb des Luftpakets *''V''<sub>gesamt</sub> – [[Volumen|Gesamtvolumen]] der feuchten Luft Tabellenwerte siehe unter ''[[Sättigung_(Physik)#Sättigung_von_Gasen_am_Beispiel_des_Wasserdampfs|Sättigung]]''. === Relative Luftfeuchtigkeit === Die '''relative Luftfeuchtigkeit''' (Formelzeichen: ''φ'', ''f'', ''U'', ''RH'' oder ''rF''; nicht verbindlich festgelegt) ist das prozentuale [[Verhältnis (Mathematik)|Verhältnis]] zwischen dem momentanen Wasserdampfdruck und dem Sättigungswasserdampfdruck über einer reinen und ebenen Wasseroberfläche. Bei einer nichtprozentualen Angabe, also im Wertebereich 0 bis 1, spricht man auch vom '''Sättigungsverhältnis'''. Die relative Feuchtigkeit lässt unmittelbar erkennen, in welchem Grade die Luft mit Wasserdampf gesättigt ist: * Bei einer relativen Luftfeuchtigkeit von 50 % enthält die Luft nur die Hälfte der Wasserdampfmenge, die bei der entsprechenden Temperatur maximal enthalten sein könnte. * Bei 100 % relativer Luftfeuchtigkeit ist die Luft vollständig mit Wasserdampf gesättigt. * Wird die Sättigung von 100 % überschritten, so schlägt sich die überschüssige Feuchtigkeit als [[Kondenswasser]] bzw. [[Nebel]] nieder. Anhand der relativen Feuchtigkeit lässt sich daher leicht abschätzen, wie rasch Verdunstungsvorgänge ablaufen werden oder wie groß die Wahrscheinlichkeit von Tauwasserbildung ist. Da die Verdunstung von Feuchtigkeit durch die Haut stark von der relativen Feuchtigkeit der Umgebungsluft bestimmt wird, stellt die relative Feuchtigkeit eine wichtige Kenngröße für das Behaglichkeitsempfinden dar (siehe unten). [[Datei:FspFkt 100dpi de.png|miniatur|rechts|Feuchtigkeitspeicherfunktionen für einige Baumaterialien]] Ein zweiter Grund für die Bedeutung der relativen Feuchtigkeit liegt darin, dass sie den Ausgleichswassergehalt [[Hygroskopie|hygroskopischer]] Materialien bestimmt. Hygroskopische Materialien, insbesondere poröse Materialien wie Holz, Ziegel, Gipsputz, Textilien usw., nehmen beim Kontakt mit Luft Feuchtigkeit auf und binden die Wassermoleküle durch [[Adsorption]] an ihren Porenwänden. Die Menge der gebundenen Moleküle wird bestimmt durch die absolute Luftfeuchtigkeit einerseits (eine größere Wasserdampfkonzentration führt wegen der größeren Auftreffrate auf die Porenwandungen zu einer größeren Adsorptionsrate) und die Temperatur andererseits (eine höhere Temperatur führt zu einer größeren [[Desorption]]srate). Die Kombination dieser beiden einander entgegengerichteten Einflussgrößen führt dazu, dass der sich einstellende Ausgleichswassergehalt im Wesentlichen von der relativen Feuchtigkeit der Luft bestimmt wird. Die Feuchtigkeitspeicherfunktion eines Materials gibt an, welchen Wassergehalt das Material bei einer gegebenen relativen Luftfeuchtigkeit annimmt; sie ist nur wenig von der Temperatur abhängig. Zur Messung des Feuchtigkeitgehalts der Luft werden meist Materialien verwendet, deren zur Messung benutzte physikalische Eigenschaft von ihrem Wassergehalt abhängt (Längenänderung wegen Quellen und Schwinden, [[Elektrische Kapazität|Kapazitätsänderung]] eines hygroskopischen [[Dielektrikum]]s usw.). Da dieser Wassergehalt wiederum von der relativen Feuchtigkeit der Umgebungsluft bestimmt wird, messen solche Instrumente daher letztlich diese relative Feuchtigkeit, welche deshalb ein besonders leicht zu messendes und häufig benutztes Feuchtigkeitmaß ist. Mit steigender Temperatur nimmt die Wasserdampfmenge, die zur Sättigung benötigt würde, zu. Das hat zur Folge, dass die relative Luftfeuchtigkeit eines gegebenen Luftpakets bei Erwärmung abnimmt. Die Angabe der Temperatur ist für die Vergleichbarkeit der Werte daher zwingend notwendig. So sind beispielsweise in einer als trocken erscheinenden Wüste mit einer Lufttemperatur von 34,4&nbsp;°C und einer relativen Luftfeuchtigkeit von 20 % insgesamt 7,6 Gramm Wasserdampf in einem Kubikmeter Luft enthalten, was bei einer Lufttemperatur von 6,8&nbsp;°C einer relativen Luftfeuchtigkeit von 100 % entspräche und somit zur Kondensation führen würde. Daher sind Phänomene wie Dunst oder Nebel ein Signal für eine hohe relative Luftfeuchtigkeit und gleichzeitig für tiefe Temperaturen. Die Wahrnehmung der Luft als trocken oder feucht liegt also eher an der Temperatur als an der tatsächlich in ihr enthaltenen Wassermenge. Man kann die relative Luftfeuchtigkeit mit folgenden Formeln berechnen: :<math>\varphi = \frac {e}{E} \cdot 100\,\% \approx \frac {\mu}{\mu_s} \cdot 100\, \% \approx \frac {\rho_w}{\rho_{w, \max}} \cdot 100\, \% \approx \frac {s}{S} \cdot 100\ \%</math> Die einzelnen Formelzeichen stehen für folgende Größen: *''e'' – [[Dampfdruck]] *''E'' – [[Sättigungsdampfdruck]] *''ρ<sub>w</sub>'' – [[Luftfeuchtigkeit#Absolute Luftfeuchtigkeit|absolute Luftfeuchtigkeit]] *''ρ''<sub>w,max</sub> – [[Luftfeuchtigkeit#Absolute Luftfeuchtigkeit|maximale absolute Luftfeuchtigkeit]] *''s'' – [[Luftfeuchtigkeit#Spezifische Luftfeuchtigkeit|spezifische Luftfeuchtigkeit]] *''S'' – [[Luftfeuchtigkeit#Spezifische Luftfeuchtigkeit|SättigungsFeuchtigkeit]] *''μ'' – [[Luftfeuchtigkeit#Mischungsverhältnis|Mischungsverhältnis]] *''μ''<sub>s</sub> – Mischungsverhältnis bei Sättigung === Spezifische Luftfeuchtigkeit === Die '''spezifische Luftfeuchtigkeit''', auch '''Wasserdampfgehalt''' (Formelzeichen: ''s'', ''q'' oder ''x'') gibt die [[Masse (Physik)|Masse]] des Wassers an, die sich in einer bestimmten Masse feuchter Luft befindet. Der Zahlenwertbereich geht theoretisch von <math>0 \le s \le 1</math>, wobei für trockene Luft <math>s = 0</math> ist und für luftfreien Dampf bzw. flüssiges Wasser <math>s = 1</math> ist. Diese Größe bleibt im Unterschied zu den vorherigen Feuchtigkeitmaßen bei Volumenänderungen des betrachteten Luftpakets unverändert, solange keine Feuchtigkeit zu- oder abgeführt wird. Nimmt z.&nbsp;B. das Volumen des Luftpakets zu, so verteilen sich sowohl die (unveränderte) Masse der feuchten Luft als auch die (unveränderte) Masse des Wasserdampfs auf ein größeres Volumen, das Verhältnis der beiden Massen im Luftpaket zueinander bleibt aber dasselbe. Die spezifische Luftfeuchtigkeit behält beispielsweise entlang eines kondensationsfreien Belüftungsrohres einen konstanten Wert, auch wenn die Feuchtigkeit Luft dabei durch Rohrabschnitte unterschiedlicher Temperatur läuft oder auf ihrem Weg zum Beispiel wegen eines Drosselventils Druckänderungen erfährt. Auch ein in der Atmosphäre aufsteigendes Luftpaket behält den Zahlenwert seiner spezifischen Feuchtigkeit bei, solange keine Feuchtigkeit (etwa durch Verdunstung von Regentropfen) zugeführt oder (durch Kondensation des Wasserdampfes) abgeführt wird. Diesem Vorteil steht allerdings die schwierige Messung der spezifischen Luftfeuchtigkeit entgegen, die im Regelfall einem Labor vorbehalten bleibt. Die maximale spezifische Luftfeuchtigkeit im Sättigungszustand, die sogenannte '''SättigungsFeuchtigkeit''', hat das Formelzeichen ''S'' (auch ''q''<sub>s</sub>). Die spezifische Luftfeuchtigkeit ''s'' kann mit folgenden Formeln berechnet werden, wobei die jeweilige Größe über den ersten Term definiert ist und alle nachfolgenden Terme Äquivalente oder Näherungen hierzu darstellen (fL – Feuchtigkeit Luft; tL – trockene Luft; W – Wasserdampf bzw. Wasser). Von praktischer Bedeutung sind nur die letztgenannten Terme, alle anderen dienen der Herleitung und Nachvollziehbarkeit. :<math>s := \frac{m_{\mathrm{W}}}{m_{\mathrm{fL}}} = \frac{m_{\mathrm{W}}}{m_{\mathrm{tL}} + m_{\mathrm{W}}} = \frac{\frac{m_{\mathrm{W}}}{V_{\mathrm{G}}}}{\frac{m_{\mathrm{tL}}}{V_{\mathrm{G}}} + \frac{m_{\mathrm{W}}}{V_{\mathrm{G}}}} = \frac{\rho_{\mathrm{W}}}{\rho_{\mathrm{tL}} + \rho_{\mathrm{W}}} = \frac{\rho_{\mathrm{W}}}{\rho_{\mathrm{fL}}}</math> :<math>s = \frac{\rho_{\mathrm{W}}}{\rho_{\mathrm{tL}} + \rho_{\mathrm{W}}} = \frac{\frac{e}{R_{\mathrm{W}} \cdot T}}{\frac{p - e}{R_{\mathrm{tL}} \cdot T} + \frac{e}{R_{\mathrm{W}} \cdot T}} = \frac{ M_{\mathrm{W}} \cdot e }{ M_{\mathrm{tL}} \cdot (p - e) + M_{\mathrm{W}} \cdot e } = \frac{\frac{M_{\mathrm{W}}}{M_{\mathrm{tL}}} \cdot e}{p - \left(1 - \frac{M_{\mathrm{W}}}{M_{\mathrm{tL}}}\right) \cdot e} </math> damit: :<math>s \approx \frac{0{,}622 \cdot e}{p - 0{,}378 \cdot e} \approx 0{,}622 \cdot \frac{e}{p}</math> wobei gilt: :<math>\rho_{\mathrm{W}} = \frac{e}{R_W \cdot T} \qquad \text{und} \qquad R_{\mathrm{W}} = \frac{R}{M_{\mathrm{W}}}</math> :<math>\rho_{\mathrm{tL}} = \frac{p - e}{R_{tL} \cdot T}\qquad \text{und} \qquad R_{\mathrm{tL}} = \frac{R}{M_{\mathrm{tL}}}</math> Die SättigungsFeuchtigkeit errechnet sich dementsprechend nach: :<math>S := \frac{m_{\mathrm{W\ bei\ S\ddot attigung}}}{m_{\mathrm{fL}}} = \frac{\rho_{\mathrm{W\ bei\ S\ddot attigung}}}{\rho_{\mathrm{fL}}} \approx \frac{0{,}622 \cdot E}{p - 0{,}378 \cdot E} </math> Die einzelnen Formelzeichen stehen für folgende Größen: *''m<sub>x</sub>'' – [[Masse (Physik)|Massen]] *''ρ<sub>x</sub>'' – [[Dichte (Physik)|Dichten]] *''ρ<sub>fL</sub>'' – [[Luftdichte#Exakte Dichtebestimmung der Luft|Dichte der feuchten Luft]] *''V<sub>G</sub>'' – [[Volumen|Gesamtvolumen]] der feuchten Luft *''R<sub>W</sub>'' – [[Universelle Gaskonstante|individuelle Gaskonstante]] des Wassers *''R<sub>tL</sub>'' – [[Universelle Gaskonstante|individuelle Gaskonstante]] von [[Trockene Luft|trockener Luft]] *''T'' – [[Temperatur]] *''M<sub>W</sub>'' – [[molare Masse]] von reinem [[Wasser]] = 18,01528 [[Gramm|g]]/[[mol]] *''M<sub>tL</sub>'' – [[molare Masse]] von trockener Luft = 28,9644 [[Gramm|g]]/[[mol]] (Wert der [[Standardatmosphäre]]) *''e'' – [[Dampfdruck]] *''p'' – [[Luftdruck]] *''E'' – [[Sättigungsdampfdruck]] === Mischungsverhältnis === Das '''Mischungsverhältnis''' (Formelzeichen: ''μ'', ''x'', ''m''), auch '''Feuchtigkeitgrad ''' genannt, gibt die [[Masse (Physik)|Masse]] des [[Wasser]]s an, die sich in einer bestimmten Masse [[Trockene Luft|trockener Luft]] befindet. In ihren Eigenschaften sind Mischungsverhältnis und spezifische Luftfeuchtigkeit identisch. Im Regelfall unterscheidet sich auch der Zahlenwert nicht sehr stark, weshalb man beide Größen genähert gleichsetzen kann. Das Mischungsverhältnis kann mit folgenden Formeln berechnet werden, wobei es über den ersten Term definiert ist und alle nachfolgenden Terme Äquivalente oder Näherungen hierzu darstellen (fL – Feuchtigkeit Luft; tL – trockene Luft; W – Wasserdampf bzw. Wasser): :<math>\mu := \frac{m_{\mathrm{W}}}{m_{\mathrm{tL}}} = \frac{\rho_{\mathrm{W}}}{\rho_{\mathrm{tL}}} = \frac{M_{\mathrm{W}}}{M_{\mathrm{tL}}} \cdot \frac{e}{p - e} \approx 0{,}622 \cdot \frac{e}{p - e}</math> Die einzelnen Formelzeichen stehen für folgende Größen: *''m<sub>x</sub>'' – [[Masse (Physik)|Massen]] *''ρ<sub>x</sub>'' – [[Dichte (Physik)|Dichten]] *''M<sub>W</sub>'' – [[molare Masse]] von reinem [[Wasser]] = 18,01528 [[Gramm|g]]/[[mol]] *''M<sub>tL</sub>'' – [[molare Masse]] von trockener Luft = 28,9644 [[Gramm|g]]/[[mol]] (Wert der [[Standardatmosphäre]]) *''e'' – [[Dampfdruck]] *''p'' – [[Luftdruck]] === Taupunkt === {{Hauptartikel|Taupunkt}} Als Taupunkt oder Taupunkttemperatur bezeichnet man die Temperatur, bei der sich auf einem Gegenstand (bei vorhandener [[Feuchtigkeit]]) ein Gleichgewichtszustand von kondensierendem und verdunstendem Wasser einstellt, in anderen Worten die Kondensatbildung gerade einsetzt. Sie wird mit einem [[Taupunktspiegelhygrometer]] gemessen. Der Taupunkt einer Probe ist lediglich vom Druck abhängig, wohingegen die relative Feuchtigkeit eine von Druck und Temperatur abhängige Größe ist. Die [[Phasengrenzlinie|'''Taupunktkurve''']] gibt bei gegebenem atmosphärischen Druck, für die jeweilige Temperatur, den Maximalwert von Feuchtigkeit an, die Luft aufnehmen kann (= 100% relative Feuchtigkeit). Abkühlung unter die Taupunkttemperatur führt zu Kondensation, Erwärmung zu neuer Wasserdampfaufnahmefähigkeit. === Feuchttemperatur === Die '''Feuchttemperatur''' ist jene Temperatur, die ein Luftpaket haben würde, wenn es adiabatisch bei konstantem Druck durch Verdunsten von Wasser in das Paket, bis zur Sättigung gekühlt, und dabei die benötigte latente Wärme dem Paket entzogen werden würde. (Quelle: Huschke, R.E. 1959, Glossary of Meteorology, American Meteorological Society, Boston) Gemessen wird sie mit Hilfe eines Psychrometers (zum Beispiel Aßmannsches [[Aspirationspsychrometer]]). Bei Kenntnis von Temperatur und Luftfeuchtigkeit kann man die '''Feuchttemperatur''' aus einer sogenannten Psychrometertabelle ablesen. Die Formel für die '''Feuchttemperatur''' lautet: :<math>T_\mathrm{f} = T\cdot \exp \left(L \cdot \frac{m-m_s{_{T_f}}}{c_p \cdot T}\right)</math> wobei * ''T''<sub>f</sub> – Feuchttemperatur * ''L'' – Phasenumwandlungswärme bei Kondensation/Verdunstung (~2450 kJ/kg) * ''m'' – Mischungsverhältnis * ''m''<sub>s</sub> – Sättigungsmischungsverhältnis bei Feuchttemperatur(!) * ''T'' – abs. Temperatur * ''c''<sub>p</sub> – spezifische Wärme von Luft = 1005 J/(kg•K) Diese Gleichung ist transzendent, und daher nur numerisch lösbar! Allerdings wurden zahlreiche empirische Formeln entwickelt die aber meist nur in einem bestimmten Temperatur- und Druckbereich gut funktionieren. In der angewandten Meteorologie wird sie oft zur Unterscheidung der Niederschlagsart (Schnee/Regen) an unbemannten Wetterstationen eingesetzt. Als Richtwert gilt, dass Niederschlag bei einer Feuchttemperatur größer oder gleich 1,2&nbsp;°C als Regen, bei Tf kleiner oder gleich 1,2&nbsp;°C als Schnee fällt. Allerdings lassen sich damit nur grobe Abschätzungen machen. Jüngste Untersuchungen für die Station Wien Hohe Warte (WMO: 11035) haben gezeigt, dass Niederschlag bei Tf unter 1,1 bzw. über 1,4&nbsp;°C in 2/3 der Fälle in fester, bzw. flüssiger Form auftritt. Im wesentlichen konnte der Richtwert von 1,2&nbsp;°C Feuchttemperatur also bestätigt werden. (Quelle: Rohregger, J. 2008: Methoden zur Bestimmung der Schneefallgrenze, Diplomarbeit am Institut für Meteorologie und Geophysik der Universität Wien) == Messung == [[Datei:Haar-Hygrometer.jpg|miniatur|Haar-Hygrometer]] [[Datei:humindic.jpg|miniatur|Feuchtigkeitsindikator zum Beilegen zu Feuchtigkeitempfindlichen Gütern]] Geräte zur Messung der Luftfeuchtigkeit werden als [[Hygrometer]] bezeichnet. Arten sind zum Beispiel [[Absorptionshygrometer]] ([[Haarhygrometer]]), [[Psychrometer]] und [[Taupunktspiegelhygrometer]]. [[Hygrometer#Weitere_Verfahren|Feuchtigkeitsensoren]] liefern ein elektrisches Signal, Adsorptionssensoren beruhen auf einer sich bei unterschiedlicher [[Wasseraufnahme]] ändernden elektrischen Eigenschaft bestimmter Materialien und Materialaufbauten. Beispiele für elektrische Sensoren sind unter Anderem Impedanz-Sensoren, hier ist es die [[Elektrische Leitfähigkeit|elektrischen Leitfähigkeit]] die sich ändert, bei Kapazitiven Sensoren wirkt die Feuchtigkeit auf das [[Dielektrikum]] und ändert so die Kapazität des Sensors oder bei Schwingquarz basierten Feuchtigkeitsensoren verändert sich durch die Feuchtigkeit die Resonanzfrequenz des Quarzes. [[Messumformer]] werden häufig auch als Sensoren bezeichnet. Ein Messumformer liefert, im Unterschied zu einem Sensor, jedoch ein genormtes Signal für einen voreingestellten Messbereich, z. B. ein ''0 bis 10 V'' Signal oder ein ''0/4 bis 20 mA'' Signal. Intern besteht ein solcher Messumformer aus zwei Komponenten, einem Sensor und einer elektronischen Einheit, welche das genormte Signal formt. In den weltweiten offiziellen Wetterstationen werden zur Messung der Luftfeuchtigkeit verschiedene Messgeräte benutzt. Eine Methode ist ein in der [[Klimahütte]] montiertes [[Aspirationspsychrometer]], welches aus einem trockenen und einem feuchten [[Thermometer]] besteht. Aus den Werten beider [[Thermometer]] kann man anhand einer Tabelle dann die aktuelle relative Luftfeuchtigkeit in Prozent und den [[Taupunkt]] ermitteln. Weiterhin gibt es separate Messfühler für den [[Taupunkt]], welche aus einem Sensor über einer [[Lithiumchlorid]]lösung bestehen. [[Indikator (Chemie)#feuchtigkeitsindikatoren|Feuchtigkeitsindikatoren]] bestehen zum Beispiel aus mit [[Kobaltchlorid]] versetztem [[Silicagel]] (Blaugel) und führen bei bestimmten Feuchtigkeitswerten einen Farbwechsel aus. Sie dienen dazu, Feuchtigkeitempfindlichen Gütern beigelegt zu werden, um insbesondere in [[Tropen|tropischen]] Gegenden und bei starken Temperaturunterschieden deren Transportbedingungen hinsichtlich der relativen Luftfeuchtigkeit kontrollieren zu können. Blaugel (oder das kobaltfreie [[Orangegel]]) wird auch in hermetisch verschlossenen Baugruppen hinter Sichtfenstern untergebracht, um die Luftfeuchtigkeit im Inneren kontrollieren zu können. == Variabilität == === Tagesgang === Die Luftfeuchtigkeit zeigt einen typischen Tagesgang, der zwar je nach Umgebungsbedingungen sehr unterschiedlich sein kann und auch nicht immer einem bestimmten Muster folgen muss, genau dies aber im Regelfall tut. So zeigt sich für das sommerliche Berlin in etwa der folgende Verlauf: um sieben Uhr Ortszeit liegt die absolute Luftfeuchtigkeit im Mittel bei etwa 10,6&nbsp;g/m³, dann um 14 Uhr bei 10,0&nbsp;g/m³ und schließlich um 21 Uhr wieder bei 10,6&nbsp;g/m³. Im Winter zeigen sich morgens 4,5&nbsp;g/m³, mittags 4,6&nbsp;g/m³ und abends wiederum 4,5&nbsp;g/m³. Die Luftfeuchtigkeit steigt also im Winter nach Sonnenaufgang und sinkt nach Sonnenuntergang, genau entgegengesetzt zum Tagesgang der [[Lufttemperatur]] und so wie man es aufgrund der erhöhten Verdunstung erwarten würde. Im Sommer kommt der Einfluss der [[Konvektion]] hinzu, da aufsteigende Luftpakete das Eindringen trockenerer Luftmassen aus der Höhe bedingen und daher zu einem mittäglichen bis nachmittäglichen Minimum führen. In den Abendstunden steigt die absolute Luftfeuchtigkeit mit nachlassender Konvektion jedoch wieder. Im Sommer zeigen sich daher zwei Dampfdruckmaxima, eines um etwa 8 Uhr und eines um etwa 23 Uhr. Der Verlauf der relativen Luftfeuchtigkeit erreicht nachts (insbesondere bei fehlender Bewölkung) in Bodennähe oft 100 %, da die bodennahen Luftschichten durch Kontakt mit dem sich durch [[Wärmestrahlung|Abstrahlung]] in den Weltraum abkühlenden Erdboden unter den Taupunkt gelangen. Die Folge sind [[Tau (Niederschlag)|Tau]] bzw. [[Reif (Niederschlag)|Reif]]. === Jahresgang === Im Jahresgang, basierend auf entweder Tages- oder Monatsmitteln als langjährigen Durchschnittswerten, zeigen sich Maxima der relativen Luftfeuchtigkeit im Spätherbst und Frühwinter, also im Zeitraum der größten Nebelbildung. Demgegenüber stehen Minimalwerte im Frühjahr und Frühsommer. Der Dampfdruck ist im Winter am geringsten und im Sommer am höchsten. Die bestimmenden Einflüsse sind dabei Verdunstung und [[Advektion]] von Wasserdampf, die einen sehr starken regionalen bzw. lokalen Bezug aufweisen. === Abhängigkeit von der Höhe === Der Wasserdampfdruck nimmt mit zunehmender Höhe und damit abnehmender [[Lufttemperatur]] zunächst sehr rasch und dann ab drei Kilometern nur noch langsam ab. In zehn Kilometern Höhe beträgt er dann nur noch etwa ein Prozent des Bodenwertes. Die relative Luftfeuchtigkeit zeigt keinen derart eindeutigen Trend, ist in der [[Tropopause]], in Mitteleuropa etwa ab 11 Kilometern Höhe, jedoch meist sehr gering. Sie beträgt hier im Normalfall etwa 20 % und sinkt mit zunehmender Höhe weiter ab, was auch der Grund dafür ist, dass die Wolkenbildung fast ausschließlich auf die [[Troposphäre]] begrenzt ist. == Bedeutung und Anwendungsbereiche == Die Luftfeuchtigkeit ist in einer Vielzahl von Anwendungen von Bedeutung, wobei hier die [[Meteorologie]] und [[Klimatologie]] zwar deren theoretisches, nicht aber deren anwendungsorientiertes Zentrum bilden. Die Rolle des [[Wasserdampf]]es, dessen Eigenschaften und insbesondere seine technischen Anwendungen außerhalb der atmosphärischen Bedingungen werden dort erläutert. Die allgemeinen [[Wasser (Eigenschaften)|Eigenschaften des Wassers]] und dessen natürliche [[Wasser#Vorkommen|Verbreitung]] können gesondert nachgelesen werden. === Alltag === Im Alltag lassen sich zahlreiche Phänomene auf die Luftfeuchtigkeit zurückführen, von denen einige hier exemplarisch vorgestellt werden sollen. Beobachtet man nasse Gegenstände oder offene Wasserflächen über einen längeren Zeitraum, ohne dass diesen von außen weiteres Wasser zugeführt wird, so nimmt deren Nässe ab bzw. die Wasserfläche trocknet aus. Wäsche wird mit der Zeit trocken, Pfützen verschwinden, Lebensmittel werden hart und ungenießbar. Es kommt zur [[Verdunstung]]. Diese ist jedoch nur so lange möglich, wie die Luft ungesättigt ist, die relative Luftfeuchtigkeit also unter 100 % liegt. [[Datei:Frost on window.jpg|miniatur|rechts|Eisblumen]] Betritt man aus der kühleren Umgebung kommend einen geheizten Raum, so stellt man oft fest, dass Brillengläser beschlagen. Gleiches gilt auch für Fensterscheiben. Sind die Scheiben kälter als der Innenraum, so beschlagen sie. Zum Beispiel auch bei Kraftfahrzeugen wird dadurch das Sichtfeld eingeschränkt. Der gleiche Effekt tritt in Bädern und [[Sauna|Saunen]] auf, hier beschlagen oft auch Spiegel und andere kältere Gegenstände. Grund für all diese Effekte sind die kalten Oberflächen, die die Luft in ihrer unmittelbaren Umgebung abkühlen: je höher die relative Luftfeuchtigkeit der Luft ist, desto schneller erreicht sie beim Abkühlen den Taupunkt und Wasser [[Kondensation|kondensiert]]. Je höher der Temperaturunterschied zwischen den Oberflächen und der Umgebungsluft ist, desto stärker ist die Neigung zur [[Tau (Niederschlag)|Betauung]] bzw. zum Beschlagen. Aus diesem Grunde zeigen sich die beschriebenen Fälle vor allem im Winter, in feuchten Räumen, an Außenwänden und im Freien nachts bei unbedecktem Himmel (Abkühlung der Erdoberfläche durch Abstrahlung in den Weltraum). Sinken die Temperaturen der Oberflächen unter 0&nbsp;°C, bilden sich [[Eisblume (Eis)|Eisblumen]] oder [[Reif (Niederschlag)|Reif]]. Gegenmaßnahmen gegen Betauung und Bereifung: * Beblasen der Scheiben mit warmer Luft * Heizkörper in Wohnräumen befinden sich an Außenwänden und unter Fenstern * Beheizen der Gegenstände (Heckscheibe von KFZ, Flugzeug-Komponenten) Der Effekt führt auch zum Vereisen von Gefrierfächern bzw. des [[Kältemaschine|Verdampfers]] in [[Kühlschrank|Kühlschränken]] und Gefriertruhen bei gleichzeitiger Austrocknung unverpackter Kühlware. Deren Wasser verdunstet bzw. sublimiert zunächst, um dann an kalten Oberflächen zu kondensieren bzw. zu Eis zu [[resublimieren]]. Technische Verwendung findet dieser Effekt bei der [[Gefriertrocknung]]. Die Vereisung von [[Vergaser]]n von [[Ottomotor]]en (zum Beispiel in Kraftfahrzeugen oder kleinen Flugzeugen) führt zum Motorausfall. Sie beruht im Wesentlichen auf der Abkühlung der Luft aufgrund der Verdunstungskälte des Benzins, teilweise auch aufgrund des Unterdruckes, der die Luft zusätzlich abkühlt. [[Datei:FA-18C vapor LEX and wingtip 1.jpg|miniatur|Nebelbildung in Randwirbeln]] Die Unterschreitung des [[Taupunkt]]es kann man auch bei Flugzeugen oder schnellen Rennautos beobachten. Die Randwirbel an den Enden der Tragflächen oder eines Spoilers führen zu einem lokalen Absinken des Luftdruckes und nach dem [[Thermische Zustandsgleichung idealer Gase#Gesetz von Amontons|2. Gesetz von Gay-Lussac]] zu lokaler Abkühlung der Luft. Der Taupunkt wird lokal unterschritten und dort entsteht Nebel. Ist die Luftfeuchtigkeit bei Temperaturen unter Null besonders hoch, kommt es bei Flugzeugen zur gefürchteten Tragflächenvereisung – dann reicht bereits der Unterdruck oberhalb und hinter den Tragflächen und Leitwerken, um eine Bereifung auszulösen. Die Ausatemluft ist beim Menschen und homoiothermen Tieren wesentlich feuchtigkeitsreicher und wärmer als die Einatemluft. Dies erkennt man am zu sichtbaren Nebelschwaden kondensierenden Wasserdampf der Ausatemluft im Winter bzw. bei niedrigen Temperaturen und hoher Luftfeuchtigkeit. Die warme und feuchtigkeitsreiche Ausatemluft kühlt sich unter den Taupunkt ab und es kommt zur Entstehung von Wassertröpfchen. Gleiches gilt auch für die [[Abgas]]e von Fahrzeugen, Flugzeugen und Kraftwerken, deren Wolkenbildung bzw. Kondensstreifen oft mit deren Schadstoffemission verwechselt werden. === Meteorologie, Klimatologie und Hydrologie === [[Datei:Hagel in Finnland.jpg|miniatur|rechts|[[Hagel]]schauer in [[Finnland]]]] Wird mit Wasserdampf gesättigte Luft unter den [[Taupunkt]] abgekühlt, so scheidet sich flüssiges Wasser durch [[Kondensation]] aus der Luft ab, falls die hierfür notwendigen [[Kondensationskern]]e ([[Aerosol]]e) vorhanden sind. Diese liegen jedoch unter natürlichen Bedingungen fast immer in ausreichender Konzentration vor, so dass es nur in Ausnahmefällen zu markanten [[Übersättigung]]en von mehreren Prozentpunkten kommt. Die Kondensation und ab Temperaturen unter 0&nbsp;°C auch Resublimation des Wasserdampfs führen unter anderem zur [[Wolke]]n-, [[Schnee]]-, [[Nebel]]-, [[Tau (Niederschlag)|Tau]]- und [[Reif (Niederschlag)|Reifbildung]]. Wasserdampf ist daher kein permanentes Gas der Atmosphäre und weist mit einer statistischen [[Verweildauer]] von etwa zehn Tagen eine hohe Mobilität auf. Obwohl der Wasserdampf nur mit relativ geringen Konzentrationen in der Atmosphäre vertreten ist, trägt er bedingt durch seine hohe Mobilität und den damit verbundenen Stoffumsatz einen großen Anteil am globalen [[Wasserkreislauf]] und spielt daher in der [[Wasserbilanz]] eine wichtige Rolle. Hierbei ist die Luftfeuchtigkeit auch eine wichtige Eingangsgröße zur [[Niederschlagsbildung]] bzw. deren Berechnung und auch zur Bestimmung der [[Verdunstung]] bzw. der [[Evaporation]], [[Transpiration]] und [[Interzeptionsverdunstung]]. Dies spielt im Rahmen der [[Klimatische Wasserbilanz|klimatischen Wasserbilanz]] wiederum eine wesentliche Rolle für verschiedene [[Klimaklassifikation]]en. Aus der Luftfeuchtigkeit lassen sich zudem wichtige meteorologische Größen ableiten, wie zum Beispiel das [[Kondensationsniveau]] und die [[virtuelle Temperatur]]. Auch ist die Luftfeuchtigkeit bzw. der Wasserdampf wesentlich am [[Strahlungshaushalt der Atmosphäre]] beteiligt – Wasserdampf ist das bedeutendste [[Treibhausgas]]. Wasserdampf, insbesondere jedoch Wolken verhindern stark die nächtliche Abkühlung der Erdoberfläche, da sie durch Absorption und Re-Emission einen Ausgleich der Strahlungsbilanz der [[Wärmestrahlung|Wärmeabstrahlung]] der Erdoberfläche herstellen. Die im flüssigen Aggregatzustand des Wassers gespeicherte [[latente Wärme]] bedingt den Unterschied zwischen feucht- und trockenadiabatischem [[Atmosphärischer Temperaturgradient|Temperaturgradienten]] – eine der Voraussetzungen für die Entstehung von [[Föhn]]. === Trocknung === Bei der [[Trocknung]] von Materialien durch Verdunstung ist entscheidend, dass zwischen dem Wassergehalt des Trockengutes und der Luftfeuchtigkeit ein Gradient besteht. Bei einer relativen Luftfeuchtigkeit von 100 % kann das Trockengut daher nicht weiter trocknen, es stellt sich ein Gleichgewicht ein. Bei [[Trocknungsverfahren]], zum Beispiel in [[Trockner]]n, auch [[Wäschetrockner]]n, versucht man daher, die relative Feuchtigkeit der Umgebung zu senken. Das kann durch Temperaturerhöhung, Luftaustausch ([[Fön]], Ablufttrockner), durch Adsorption des Wassers (Adsorptionstrockner) oder durch Auskondensation des Wassers (Kondenstrockner) erfolgen. In anderen Fällen wird hingegen in der Regel auf die Wirkung des Windes vertraut, der ständig neue ungesättigte Luft heranweht und so beispielsweise [[Heu]], frisch geschlagenem Holz, [[Mörtel]], aufgehängter Wäsche, Tabakblättern, Kaffee- oder Kakaobohnen das Wasser entzieht. [[Datei:Tomato leaf stomate 1.jpg|miniatur|[[Stoma (Botanik)|Spaltöffnung an einem Blatt]]]] === Biologie === In der [[Biologie]] und hier besonders der [[Ökologie]] ist die Luftfeuchtigkeit von großer Bedeutung. Sie bedingt nicht nur das Auftreten von [[Klimazonen]] oder bestimmten [[Ökosystem]]en, sondern spielt auch bei der [[Transpiration]] über die [[Stoma (Botanik)|Spaltöffnungen]] der [[Blatt (Pflanze)|Blätter]] und in deren [[Interzellularraum]] (Interzellulare) eine große Rolle (Wasserdampfpartialdruck). Die Luftfeuchtigkeit ist daher ein wichtiger Parameter für den Wasserhaushalt von Pflanzen und Tieren ([[Schwitzen]]). Eine besondere Rolle spielt die Luftfeuchtigkeit zudem für Tiere, die hauptsächlich über die Haut atmen. Hierzu zählen viele [[Schnecken]] und andere [[Weichtiere]], die in der Folge auch eine geringe [[Ökologische Potenz|Toleranz]] gegen Austrocknung besitzen. === Gesundheit === In Wohnräumen wird eine relative Luftfeuchtigkeit von 45–55 % empfohlen. '''Ursachen und gesundheitliche Risiken bei zu geringer Luftfeuchtigkeit:''' Vor allem in geschlossenen, stark belüfteten und gut beheizten Räumen wird dieser Wert jedoch oft unterschritten, was zu einer verminderten Atemleistung und einer Beeinträchtigung der [[Haut]] bzw. [[Schleimhaut]] führen kann. Dies ist besonders im Winter der Fall, da die kalte Außenluft dann nur eine geringe absolute Luftfeuchtigkeit besitzt und durch das Erwärmen auf Zimmertemperatur die relative Luftfeuchtigkeit sehr stark absinkt. Bei zu stark sinkender Luftfeuchtigkeit kann durch eine Reduzierung von Undichtigkeiten der ungewollte Luftaustausch verringert werden. Die Luftfeuchtigkeit sollte jedoch auch im Bereich der kältesten Stellen des Raumes (Außenwände hinter Möbeln) nicht über 80 % ansteigen, da bei höheren Werten [[Schimmelpilz|Schimmelwachstum]] nicht auszuschließen ist. Je nach Nutzung und Wärmedämmung der Räume ergeben sich zur Vermeidung von Schimmelwachstum oft Werte der Luftfeuchtigkeit, die deutlich unter den medizinisch empfohlenen liegen. In sehr kalten Gebieten oder auch kalten Jahreszeiten bzw. in der Nacht zeigt sich oft ein erhöhter Flüssigkeitsverbrauch des menschlichen Organismus, obwohl aufgrund des fehlenden Flüssigkeitsverlustes durch Schwitzen eher das Gegenteil angenommen werden müsste. Begründet liegt dies in der Befeuchtung der trockenen Einatemluft und dem damit verbundenen Wasserverlust. Wird die kalte Außenluft beim Einatmen erwärmt, so steigt deren Wasserdampfkapazität und senkt damit auch die relative Luftfeuchtigkeit. Im Gegensatz hierzu steigt das Sättigungsdefizit an und die Neigung des flüssigen Lungengewebs-Wassers, in den gasförmigen Aggregatzustand überzugehen, nimmt zu. Im Sommer bzw. bei warmer Umgebungsluft wird die Einatemluft kaum noch zusätzlich erwärmt und behält daher ihre meist hohe relative Luftfeuchtigkeit. Sind die zusätzlichen Wasserverluste durch Schwitzen hier nicht allzu groß, ist der Wasserbedarf des Körpers daher bei kalten Umgebungsbedingungen höher. Eine zu niedrige Luftfeuchtigkeit ist für die [[Atmung]] nicht förderlich, da der [[Sauerstoff]] über die [[Lunge|Alveolen]] dann schlechter in die [[Kardiovaskuläres System|Blutbahn]] gelangt. Die Haut benötigt eine hohe Luftfeuchtigkeit, um nicht auszutrocknen, da diese eng mit der [[Hautfeuchtigkeit]] gekoppelt ist. Besonders Schleimhäute sind für Austrocknen anfällig, da sie nur über einen geringen Verdunstungsschutz verfügen und auf ihre hohe Feuchtigkeit zur Erhaltung ihrer Funktionen angewiesen sind. So kann eine geringe Feuchtigkeit der [[Nasenschleimhaut]] ein erhöhtes Auftreten von [[Epistaxis|Nasenbluten]] zur Folge haben. Generell wird dabei auch die Immunabwehr der Haut geschwächt (erhöhtes Erkältungsrisiko) und deren Fähigkeit zum Stoffaustausch herabgesetzt, wovon besonders die [[Mundschleimhaut]] betroffen ist. Auch die Anfälligkeit für [[Hautreizung]]en bzw. -rötungen oder gar Hautentzündungen wird durch eine geringe Luftfeuchtigkeit erhöht. Bei der Durchführung von [[Inhalationsnarkose]]n ist die Anfeuchtung des inhalierten Gasgemisches sehr wichtig, da die zur Anwendung kommenden medizinischen Gase wasserfrei gelagert werden und andernfalls die auftretenden Verdunstungseffekte in der Lunge des Patienten Auskühlungserscheinungen ([[Verdunstungskälte]]) und eine gewisse Austrocknung bewirken würden. '''Gesundheitliche Risiken bei zu hoher Luftfeuchtigkeit:''' Eine hohe relative Luftfeuchtigkeit behindert hingegen die [[Thermoregulation|Regulation der Körpertemperatur]] durch das [[Schwitzen]] und wird daher schnell als [[schwül]] empfunden. Trotz relativ gesehen höherer Temperaturen können daher sehr heiße [[Wüste]]n oft wesentlich leichter durch den Organismus verkraftet werden (vorausgesetzt er leidet nicht unter Austrocknung) als [[Regenwald|Regenwälder]] mit einer hohen Luftfeuchtigkeit und vergleichsweise gemäßigten Temperaturen. Dieser Effekt, den Luftfeuchtigkeit auf die [[gefühlte Temperatur]] besitzt, wird durch den [[Hitzeindex|Humidex]] beschrieben, wobei der grundsätzliche Zusammenhang zwischen einer steigenden Luftfeuchtigkeit und einer steigenden gefühlten Temperatur auch für niedrige Werte der Luftfeuchtigkeit gilt und somit beispielsweise zur Reduzierung der Zimmertemperatur und damit des Heizaufwandes herangezogen werden kann. === Land- und Forstwirtschaft === [[Datei:Nebelwald.jpg|miniatur|[[Sauerland|Sauerländer]] Wald im Nebel]] In der [[Landwirtschaft]] besteht bei einer zu niedrigen Luftfeuchtigkeit die Gefahr einer [[Austrocknung]] der Felder und der angebauten Pflanzen und damit einer [[Missernte]]. Durch die Erhöhung des Dampfdruckgradienten zwischen Blattoberfläche und Atmosphäre wird den Pflanzen dabei Feuchtigkeit entzogen (siehe Abschnitt Biologie), insbesondere wenn ihre Spaltöffnungen am Tag geöffnet sind und sie nur über einen geringen [[Verdunstungsschutz]] verfügen, was bei vielen heimischen Pflanzen (C-3 Pflanzen), der Fall ist. Die Pflanzen erhöhen dadurch die Austrocknung des Bodens, andererseits schützen sie ihn vor direkter Sonneneinstrahlung und Erwärmung und fördern durch ihre Wurzeln Wasser aus tieferen Schichten an die Oberfläche. Viele Moor- und Sumpfpflanzen verfügen über einen Regelmechanismus, der die Verdunstungsrate bei beginnender Austrocknung senkt. Die Wasserbilanz wird beim Freilandanbau wesentlich auch durch nächtlichen [[Tau (Niederschlag)|Tau]] verbessert – Pflanzen betauen eher als unbedeckter Erdboden, da sie sich nachts durch [[Wärmestrahlung|Wärmeabstrahlung]] schneller abkühlen als unbedeckter Boden mit seiner höheren [[Wärmekapazität]]. Doch auch in der [[Forstwirtschaft]] und der holzverarbeitenden Industrie spielt die Luftfeuchtigkeit eine Rolle. Frisch geschlagenes Holz verfügt über eine hohe EigenFeuchtigkeit, sie ist bei im Winter geschlagenem Holz geringer. Diese [[HolzFeuchtigkeit]] sinkt in der Zeit der Ablagerung ab und gleicht sich an die Luftfeuchtigkeit an. Wird zu frisches Holz verarbeitet, schwindet und verzieht es sich. Die Änderung der HolzFeuchtigkeit aufgrund wechselnder Luftfeuchtigkeit führt auch bei abgelagertem Holz zu sich ändernden Maßen des Holzes quer zur Faser und ist von großer Wichtigkeit für alle holzverarbeitenden Gewerbe und Industrien. Bei der Lagerung frischen Holzes in [[Sägewerk]]en werden oft [[Sprinkleranlage]]n eingesetzt, um das [[Holz]] langsamer zu trocknen und so [[Schwindungsriss]]e zu vermeiden. Auch abgelagertes Holz ([[Holzbrett|Bretter]], [[Kantholz|Kanthölzer]] und [[Balken (Bauteil)|Balken]]) wird so gelagert, dass es von Luft umströmt wird und durch sein Eigengewicht parallel fixiert ist. Das soll garantieren, dass sich das Holz nicht verzieht oder gar [[Fäulnis|fault]]. Beim Verlegen von [[Dielenboden|Dielen-]] und [[Parkett]]fußböden muss beachtet werden, dass sich das Holz der UmgebungsFeuchtigkeit anpasst ([[Fasersättigungspunkt]]); es kann quellen oder schwinden. Aus diesem Grund werden auch Holzfässer bei Nichtbenutzung undicht. === Lagerhaltung und Produktion === [[Datei:Humidor Vorbereitung.jpg|miniatur|Ein vorbereiteter [[Humidor]] mit Hygrometer]] In der [[Lagerhaltung]] von Lebensmitteln ist die Luftfeuchtigkeit sehr wichtig zur Steuerung der [[Genussreife]], vor allem bei [[Lagerobst]]. Auch [[Korrosion]] kann durch eine hohe Luftfeuchtigkeit begünstigt werden, besonders über den indirekten Effekt der gesteigerten Taubildung, und muss daher bei Lagerung und Transport Feuchtigkeitempfindlicher Güter berücksichtigt werden. Beispiele, die bestimmte Luftfeuchtigkeit erfordern, sind [[Chemikalie]]n, [[Zigarre]]n (Humidor), [[Wein]] (Korken), [[Salami]], [[Holz]], [[Kunstwerk]]e, [[Buch|Bücher]] und optische oder elektronische Baugruppen und Bauteile, zum Beispiel [[Integrierter Schaltkreis|integrierte Schaltkreise]]. Die Luftfeuchtigkeit muss zur Einhaltung bestimmter [[Raumklima]]ta in [[Lagerraum|Lagerräumen]], [[Museum|Museen]], [[Archiv]]en, [[Bücherei]]en, [[Labor]]en, [[Rechenzentrum|Rechenzentren]] und industriellen Produktionsanlagen ([[Mikroelektronik]]-Fertigung) überwacht oder gesteuert werden. Beim Gütertransport in wetterisolierten [[ISO-Container|Containern]] oder auch verschweißten Kunststoffbeuteln kann sich Kondenswasser und Betauung bilden, wenn die Luft im Inneren beim Sinken der Temperatur unter den Taupunkt gelangt, zum Beispiel beim Transport aus [[Tropen|tropischen]] in kältere Gebiete. In Folienverpackungen Feuchtigkeitempfindlicher Güter werden daher Beutel mit [[Silicagel]] oder [[Zeolithe (Stoffgruppe)|Zeolithe]] gegeben, die die Feuchtigkeit puffern. [[Indikator (Chemie)#Feuchtigkeitsindikatoren|Feuchtigkeitsindikatoren]] dienen dazu, die Feuchtigkeitswerte in den Verpackungen während des Transports zu kontrollieren. Feuchtigkeitempfindliche Geräte wie z.B. in der Elektronik und Optik, müssen nach Lagerung bei geringen Temperaturen zunächst temperieren, bevor deren Verpackung geöffnet wird. Ansonsten bildet sich an und in den Geräten Kondenswasser, was insbesondere beim sofortigen Betreiben der betauten Geräte zum Ausfall führen kann. === Außenwände von Gebäuden === In der [[Bauphysik]] spielt der [[Taupunkt]] in Form der '''Taupunktebene''' eine wichtige Rolle. Unter dieser versteht man diejenige Fläche innerhalb des Mauerwerks oder der Wärmedämmung an der Außenwand eines Gebäudes, ab welcher es zur [[Kondensation]] kommen kann. Hintergrund ist, dass warme Luft mehr Feuchtigkeit aufnehmen kann als kalte Luft. Bewegt sich warme und mit Feuchtigkeit angereicherte Luft durch [[Diffusion]] oder [[Konvektion]] innerhalb der Außenwand oder Dämmschicht vom wärmeren zum kälteren Ort (meist von innen nach außen) entlang des [[Gradient (Mathematik)|Gradienten]] der relativen Feuchtigkeit, so kommt es zur Bildung flüssigen Wassers, sobald der Taupunkt unterschritten wird. Hieraus ergeben sich Gefahren gesundheitsgefährdender [[Schimmelpilz|Schimmelbildung]] oder die Dämmschichten versagen aufgrund der Wasseraufnahme. Gegenmaßnahmen bestehen folglich dahin, eine Taupunktunterschreitung durch geeignete Baumaterialien oder andere Maßnahmen zu vermeiden. Die [[Wärmedämmung]] sollte daher möglichst an der Außenseite der Wand angebracht werden und ihrerseits nach außen diffusionsoffen sein, sodass sie Wasser an die trockene Außenluft abgeben kann. Ist dies nicht möglich (zum Beispiel bei Innendämmung), muss die Wärmedämmschicht nach innen mit einer [[Dampfsperre]] (geschlossene Folie, keine Wasserdiffusion möglich) oder [[Dampfbremse]] (Wasserdiffusion ist eingeschränkt möglich) versehen sein, um das Eindringen feuchter Raumluft in die Wärmedämmschicht zu verhindern. Das ist insbesondere dann wichtig, wenn das Mauerwerk, zum Beispiel durch einen Außenanstrich, ein geringes Diffusionsvermögen aufweist. In der Winterperiode – in diesem Zusammenhang oft als Tauperiode bezeichnet – sind die Temperatur und der Wasserdampfdruck im Inneren höher als außen. Die Außenwand weist daher für beide Werte ein Gefälle nach außen auf. Dieses ist jedoch selbst bei einer homogenen Außenwand nicht gleich, da deren zeitabhängige Speicherwirkung für Wärme und Wasserdampf unterschiedlich ist und sich auch die Temperaturen und Dampfdrücke im Zeitablauf unterschiedlich ändern. Bei inhomogenen Wänden kommt hinzu, dass das Gefälle in den einzelnen Materialien unterschiedlich ist. So hat eine [[Dampfsperre|Dampfsperrfolie]] zum Beispiel ein großes Dampfdruckgefälle, jedoch hingegen kaum ein Temperaturgefälle. Bei Dämmstoffen ist es oft umgekehrt, hier ist das Gefälle des Wasserdampfdrucks klein, aber das Temperaturgefälle hoch. Kondensation tritt immer dann ein, wenn die relative Luftfeuchtigkeit örtlich vorübergehend oder (zum Beispiel im Winter) dauernd 100 % überschreitet. Die Kondenswasserbildung kann auch durch Baustoffe mit hoher Wasserdampfdurchlässigkeit und/oder einem hohen Wasseraufnahmevermögen (Pufferung) bei gleichzeitig geringer Wärmeleitfähigkeit verhindert werden. Beispiele sind Stroh/Lehm oder Holz. Hierbei kann oft auf Dampfsperren verzichtet werden. Das sachgemäße Belüften von Wohnräumen (insbesondere bei Sanierungen mit Außenanstrich, unsachgemäß angebrachten Dampfsperren und abgedichteten Fenstern) hat einen großen Einfluss auf die Vermeidung von Schimmelbildung. ''Siehe auch:'' [[Dampfbremse]], [[Dampfsperre]], [[Niedrigenergiehaus]], [[Baubiologie]] === Luft- und Raumfahrt === In der [[Luftfahrt]] besteht die Gefahr des Vereisens von [[Tragfläche]]n und [[Leitwerk]] durch die Resublimation des in der Luft enthaltenen Wasserdampfes. Dieser Effekt kann die Flugfähigkeit binnen kürzester Zeit sehr stark einschränken und ist für zahlreiche Unfälle verantwortlich. Entgegengewirkt wird diesem Vorgang durch Enteisungsanlagen, welche die kritischen Bereiche (zum Beispiel Tragflächenvorderkante) beheizen um Eisansatz zu verhindern. Eine preisgünstigere Methode besteht darin die Tragflächenvorderkante mit einer Haut aus Gummi zu überziehen und stoßweise Druckluft zwischen die Gummihaut und die Tragfläche zu pressen. Die Haut wölbt sich und durch die Verformung wird das starre Eis abgesprengt. In der [[Raumfahrt]] kommt es bei Raketenstarts zu ähnlichen durch niedrige Außentemperaturen bedingten Problemen. [[Startfenster]] werden daher auch nach meteorologischen Gesichtspunkten gewählt und Starts notfalls abgebrochen. Die Nichtbeachtung dieses Grundsatzes, meist in Verbindung mit technischen Mängeln, kann zu Katastrophen wie dem Absturz der [[Challenger (Raumfähre)|Challenger-Raumfähre]] führen. == Literatur == * H. Häckel: ''Meteorologie.'' UTB 1338. Ulmer Verlag, Stuttgart 1999 (4. Aufl.), ISBN 3-8252-1338-2 * E. Zmarsly, W. Kuttler, H. Pethe: ''Meteorologisch-klimatologisches Grundwissen. Eine Einführung mit Übungen, Aufgaben und Lösungen.'' Ulmer Verlag, Stuttgart 2002, ISBN 3-8252-2281-0 * P. Hupfer, W. Kuttler: ''Witterung und Klima.'' Teubner, Stuttgart/Leipzig 1998, ISBN 3-322-00255-1 * W. Weischet: ''Einführung in die Allgemeine Klimatologie.'' Borntraeger, Berlin 2002, ISBN 3-443-07123-6 == Weblinks == {{Wiktionary|Luftfeuchtigkeit}} * [http://www.top-wetter.de/calculator.htm Online-Rechner für die wichtigsten meteorologischen Größen] * [http://www.cwaller.de/deutsch.htm?klimaeinfuehrung.htm~information Einführung in die Luftfeuchtigkeit, Schutz von Kulturgütern] (Unterseite) * [http://www.holzfragen.de/seiten/taupunkt.html Informationen in Bezug auf die Rolle der Luftfeuchtigkeit für Holz und Wohnklima] * [http://www.webgeo.de/k_202/ WEBGEO-Modul: Kondensation und Feuchtigkeitmaße] - WEBGEO - E-Learning-Portal für Geographie und Nachbarwissenschaften * [http://www.ffrey.de/luftentfeuchtung/luftentfeuchter-adsorption/funktionsweise-der-adsorptionstrocknung.html Funktionsweise der Luftentfeuchtung durch Adsorption] == Quellen == <references /> {{Exzellent}} [[Kategorie:Meteorologische Größe]] [[Kategorie:Thermodynamik]] [[Kategorie:Wasser]] [[Kategorie:Flugmeteorologie]] [[Kategorie:Klimatologie]] {{Link GA|zh}} [[ar:رطوبة]] [[bn:আর্দ্রতা]] [[bs:Vlažnost]] [[ca:Humitat]] [[cs:Vlhkost vzduchu]] [[da:Luftfugtighed]] [[el:Υγρασία ατμόσφαιρας]] [[en:Humidity]] [[es:Humedad]] [[et:Õhuniiskus]] [[fa:رطوبت هوا]] [[fr:Hygrométrie]] [[gl:Humidade]] [[he:לחות]] [[hi:आर्द्रता]] [[hr:Vlažnost zraka]] [[id:Kelembapan]] [[it:Umidità]] [[ja:湿度]] [[ko:습도]] [[ml:ആർദ്രത]] [[nl:Luchtvochtigheid]] [[nn:Fukt]] [[no:Luftfuktighet]] [[pl:Wilgotność powietrza]] [[pt:Humidade]] [[ro:Umiditate]] [[ru:Влажность]] [[simple:Humidity]] [[sl:Vlažnost]] [[sq:Lagështia]] [[sr:Влажност ваздуха]] [[sv:Luftfuktighet]] [[tr:Nem (meteoroloji)]] [[uk:Вологість повітря]] [[zh:湿度]] [[zh-yue:濕度]] irftxw3u59iqir8h6tg5pw09g68hjc3 wikitext text/x-wiki Joseph Beuys 0 23526 26124 2010-04-29T15:48:59Z Thot 1 0 /* Erste Ausstellungen und Aufträge */ [[Datei:Beuys-Feldman-Gallery.jpg|thumb|250px|Joseph-Beuys-Poster für eine Vortragstournee durch die USA: „Energy Plan for the Western Man“, 1974, organisiert von dem Galeristen Ronald Feldman, New York[[Datei:Joseph Beuys Signatur.svg|center|150px|Autograph von Joseph Beuys]]]] <!--==SIC! Einige Werkstitel z.B. „Synphonie“ anstelle von „Symphonie“ sind von Joseph Beuys so beabsichtigt gewesen. Änderungen der Rechtschreibung bitte erst mit den Hauptautoren auf der Diskussionsseite abklären==--> '''Joseph Heinrich Beuys''' [{{IPA|ˈbɔe̯s}}] (* [[12. Mai]] [[1921]] in [[Krefeld]]; † [[23. Januar]] [[1986]] in [[Düsseldorf]]) war ein deutscher [[Aktionskunst|Aktionskünstler]], [[Bildhauerei|Bildhauer]], [[Zeichnung (Kunst)|Zeichner]], [[Theorie der Kunst|Kunsttheoretiker]] und [[Pädagoge]]. Beuys setzte sich in seinem umfangreichen Werk mit Fragen des [[Humanismus]], der [[Sozialphilosophie]] und [[Anthroposophie]] auseinander. Dies führte zu seiner spezifischen Definition eines „erweiterten Kunstbegriffs“ und zur Konzeption der ''„[[Soziale Plastik|Sozialen Plastik]]“'' als [[Gesamtkunstwerk]], in dem er Ende der 1970er Jahre ein kreatives Mitgestalten an der [[Gesellschaft (Soziologie)|Gesellschaft]] und in der [[Politik]] forderte. Er gilt bis heute weltweit als einer der bedeutendsten Künstler des 20. Jahrhunderts. == Leben == === Kindheit und Jugend im Dritten Reich (1921–1941) === Joseph Beuys wurde als Sohn des Kaufmanns Josef Jakob Beuys (* 1888 in [[Geldern]]; † 1958 in Kleve) und dessen Frau Johanna Maria Margarete Beuys (geb. Hülsermann, * 1889 in [[Spellen]]; † 1974 ebenda) geboren. Der Vater, der einer Müller- und Mehlhändlerfamilie aus Geldern entstammte, war 1910 von Geldern nach [[Krefeld]] gezogen. Im Herbst 1921 siedelte die Familie nach [[Kleve]] über, wo sie bis 1931 wohnte. Von 1927 bis 1932 besuchte Joseph Beuys die Katholische Volksschule, anschließend das „Staatliche Gymnasium Cleve“, heute [[Freiherr-vom-Stein-Gymnasium (Kleve)|Freiherr-vom-Stein-Gymnasium]]. Er lernte Klavier- und Cellospielen; in der Schule zeigte er im Zeichenunterricht Talent. Außerhalb der Schulzeit besuchte er mehrmals das Atelier des in Kleve ansässigen flämischen Malers und Bildhauers [[Achilles Moortgat]], der ihn mit dem Werk von [[Constantin Meunier]] und [[George Minne]] bekannt machte.<ref name="Kleemann90">Birte Kleemann (Vorw.): ''Make the secrets productive. Joseph Beuys. Sculpture and Objects''. Pace Wildenstein, 5. März–10. April 2010, S.&nbsp;90</ref> Die Interessen des Schülers, geweckt durch einen Lehrer, galten der nordischen Geschichte und Mythologie. Während der in Kleve von den Nationalsozialisten organisierten [[Bücherverbrennung]] am 19. Mai 1933 im Hof des Gymnasiums hatte er nach eigener Aussage das Buch ''[[Systema Naturae]]'' von [[Carl von Linné]] ''„aus diesem großen brennenden Haufen […] beiseite geschafft.“''<ref name="AKT1">Götz Adriani, Winfried Konnertz, Karin Thomas: ''Joseph Beuys''. DuMont, Köln 1994, S.&nbsp;13&nbsp;f.</ref> Spätestens 1936 ist die Mitgliedschaft des 15-jährigen Beuys in der [[Hitlerjugend|Hitler-Jugend]] belegt, als er im HJ-Bann 238/Altkreis Kleve am reichsweiten großen Sternmarsch zum [[Reichsparteitag]] nach [[Nürnberg]] teilnahm. In den letzten Schuljahren – 1938 hatte er erstmals einen Katalog mit Reproduktionen von Plastiken [[Wilhelm Lehmbruck]]s gesehen<ref>Lothar Schirmer (Hrsg.): ''Mein Dank an Lehmbruck. Eine Rede''. Schirmer/Mosel, München 2006, S.&nbsp;44</ref> – entschloss sich Beuys, Bildhauer zu werden. Von 1938 bis 1941 spielte er am Gymnasium Cello im so genannten Bannorchester der HJ. Um 1939 schloss Beuys sich einem Zirkus an, um für fast ein Jahr als Plakatausträger und Tierpfleger mitzuwirken.<ref name="Ermen11">Reinhard Ermen: ''Joseph Beuys''. Rowohlt, Reinbek bei Hamburg 2007, S.&nbsp;11</ref> Ostern 1941 verließ er das Gymnasium mit dem [[Reifezeugnis|Abitur]]. === Kriegszeit (1941–1945) === [[Datei:Universität Posen.jpg|thumb|Reichsuniversität Posen, um 1941]] Nach seinem Abschluss am Staatlichen Gymnasium 1941 meldete sich Beuys freiwillig zur [[Luftwaffe (Wehrmacht)|Luftwaffe]]. Ab dem 1. Mai 1941 wurde er in [[Posen]] vom späteren Tier- und Dokumentarfilmer [[Heinz Sielmann]] zum Bordfunker ausgebildet. Sielmann förderte das Interesse seines Rekruten an der [[Botanik]] und [[Zoologie]]. Beuys besuchte sieben Monate lang als Gasthörer Vorlesungen in diesen Fächern und der [[Geographie]] an der [[Reichsuniversität Posen]].<ref>Diese Episode wurde 2008 von [[Marcel Beyer]] in dessen [[Schlüsselroman]] „Kaltenburg“ (Suhrkamp Verlag) aufgegriffen und mit der bis heute ungeklärten Tätigkeit von [[Konrad Lorenz]] verwoben, der zur gleichen Zeit in Posen u.a. als psychiatrischer Gutachter tätig war.</ref> Nach seinem Ausbildungsabschluss als Bordfunker wurde er auf der [[Krim]] stationiert und nahm im Juni 1942 am Luftkampf um die Festungsstadt [[Sewastopol]] teil. Ab Mai 1943, Beuys war inzwischen Unteroffizier, wurde er in [[Hradec Králové|Königgrätz]] im damaligen [[Protektorat Böhmen und Mähren]] als Bordschütze in einem [[Sturzkampfflugzeug]] (Stuka) vom Typ [[Junkers Ju 87|Ju 87]] eingesetzt. Nach der Verlegung zum Luftwaffenstab Kroatien im Sommer 1943 war er bis ungefähr 1944 an der östlichen [[Adriatisches Meer|Adria]] stationiert. Von dort flog er zeitweise zu Waffentests die Luftwaffenbasis in [[Foggia]] an.<ref name="AKT2">Götz Adriani, Winfried Konnertz, Karin Thomas: ''Joseph Beuys'', S.&nbsp;15</ref> Zahlreiche Skizzen und Zeichnungen aus Kriegstagen sind hier entstanden. Am 4. März 1944 begann die [[Rote Armee]] an der [[Deutsch-Sowjetischer Krieg|Ostfront]] ihre Frühjahrsoffensive und erzwang den Rückzug der deutschen Verbände aus der [[Ukraine]]. Während eines Einsatzes, bei plötzlich einsetzendem Schneesturm, stürzte am 16. März 1944 Beuys’ Stuka 200 Meter östlich von Freifeld, heute ''Snamenka'', über der Krim ab. Der Pilot Hans Laurinck starb, Joseph Beuys wurde bei diesem Unglück schwer verletzt. Er erlitt einen [[Schädelbasisbruch]], eine [[Nasenbeinfraktur]], mehrere Knochenbrüche sowie ein Absturztrauma. Krimtataren entdeckten das abgestürzte Flugzeug und benachrichtigten ein deutsches Suchkommando, das die Überführung in ein deutsches Militärlazarett veranlasste. Die Granatsplitter in seinem Körper konnten nie vollständig entfernt werden. Im August 1944 wurde er trotz seiner Verletzungen an die [[Deutsche Westfront 1944/1945|Westfront]] einberufen, wo er als [[Fallschirmjäger]] eingesetzt wurde. Er erreichte dabei den Dienstgrad eines [[Feldwebel]]s. 1944 wurde er mit dem „Abzeichen für Fliegerschützen“, mit dem „[[Eisernes Kreuz|Eisernen Kreuz 2. Klasse]]“ und mit dem „Eisernen Kreuz 1. Klasse“ ausgezeichnet. Aufgrund von fünf Verwundungen erhielt er zudem das goldene [[Verwundetenabzeichen]]. Einen Tag nach der [[Bedingungslose Kapitulation|Kapitulation]] der Deutschen Wehrmacht am 8. Mai 1945 wurde Joseph Beuys in [[Cuxhaven]] gefangen genommen und in ein britisches [[Internierungslager]] überführt, das er am 5. August 1945 verlassen durfte. Körperlich schwer angeschlagen, kehrte er zu seinen Eltern zurück, die mittlerweile in Kleve-Neurindern wohnten. === Studium und Aufbruch (1945–1960) === 1945 schloss er sich der Künstlergruppe des in [[Kleve]] ansässigen Malers [[Hanns Lamers]] an. 1946, im Alter von 25 Jahren, wurde er Mitglied des von Lamers und Walter Brüx neu ins Leben gerufenen „Klever Künstlerbundes“ (vormals „Profil“).<ref name="Ermen30">Reinhard Ermen: ''Joseph Beuys'', S.&nbsp;30&nbsp;f.</ref> Von 1948 bis 1950 beteiligte sich Beuys dreimal mit Zeichnungen und Aquarellen an den Gruppenausstellungen des Verbandes, die im ehemaligen Atelierhaus von [[Barend Cornelis Koekkoek]], heute [[Haus Koekkoek]], stattfanden. Zum Sommersemester 1946 immatrikulierte sich Beuys an der [[Kunstakademie Düsseldorf|Staatlichen Kunstakademie in Düsseldorf]]. Er begann das Studium der [[Bildhauerei|Monumentalbildhauerei]] am 1. April 1946. Während des ersten Semesters bei [[Joseph Enseling]], bei dem er drei Semester studierte, lernte er [[Erwin Heerich]] kennen. Ab dem Wintersemester 1947/1948 wechselte Joseph Beuys, von Heerich veranlasst, in die Klasse von [[Ewald Mataré]].<ref name="Ermen33">Reinhard Ermen: ''Joseph Beuys'', S.&nbsp;33</ref> Von 1947 bis 1949 arbeitete er an [[Zoologie|zoologischen]] Filmen von [[Heinz Sielmann]] und [[Georg Schimanski]] über den Lebensrhythmus des Wildes im Birkenwald der [[Lüneburger Heide]], über nördliche Wildschwäne, Gänse und Enten im Schwemmland der [[Ems]] und über das Leben des weißen Storches im schleswig-holsteinischen [[Bergenhusen]] mit. ==== Der Meisterschüler ==== [[Datei:Alt St. Alban - Trauerndes Elternpaar (9127-29).jpg|thumb|Joseph Beuys und Erwin Heerich: ''Die trauernden Eltern'', 1954, in Alt St. Alban, Köln]] Ewald Mataré ernannte Joseph Beuys 1951 zu seinem [[Meisterschüler]]. Gemeinsam mit Erwin Heerich bezog Beuys bis 1954 sein Meisterschüleratelier unter dem Dach der Kunstakademie. Er arbeitete an Aufträgen seines Lehrers Mataré mit, so zum Beispiel an den Türen für das Südportal des [[Kölner Dom]]s, der sogenannten „Pfingsttür“, wo er das Mosaik setzte, und an dem Westfenster des [[Aachener Dom]]s. Gemeinsam mit Heerich arbeitete Beuys an einer Kopie der Skulptur „Die trauernden Eltern“ von [[Käthe Kollwitz]] in Muschelkalk. Mataré, der 1953 diesen Auftrag für eine Gedenkstätte in [[Alt St. Alban]] erhielt, gab ihn an seine beiden Meisterschüler weiter, wobei Heerich die Mutter und Beuys den Vater anfertigte.<ref name="Fischer">Hannelore Fischer (Hrsg.): ''Käthe Kollwitz. Die trauernden Eltern. Ein Mahnmal für den Frieden'', Käthe Kollwitz Museum Köln. Dumont, Köln 1999, S.&nbsp;127</ref> Ein zentrales Thema in der Klasse Matarés war die Diskussion über [[Rudolf Steiner]]. So sollen sich, so die Erinnerung eines Kommilitonen, sieben von anfangs neun Studenten für die Anthroposophie Steiners begeistert haben. Mataré selbst orientierte sich an den alten [[Bauhütte]]nidealen und hielt von Steiners Lehre nichts.<ref name="Ermen35">Reinhard Ermen: ''Joseph Beuys'', S.&nbsp;35</ref> Der Student Beuys hatte laut [[Günter Grass]], der parallel zu Beuys bei [[Otto Pankok]] studierte, eine dominierende Stellung in der Klasse Matarés, in der es unter Beuys’ Einfluss ''„christlich bis anthroposophisch zuging.“''<ref name="Grass348">Günther Grass: ''Beim Häuten der Zwiebel'', Göttingen 2006, S.&nbsp;348</ref> Die Stimmung unter den Studenten der Akademie beschrieb Grass sechzig Jahre später so: ''„Überall schienen Genies im Kommen zu sein […]“''; diese „Genies“ waren für Grass meist [[Epigone]]n.<ref name="Grass334">Günther Grass: ''Beim Häuten der Zwiebel'', S.&nbsp;334</ref> ==== Erste Ausstellungen und Aufträge ==== [[Datei:Ruth Friedhof Beuys 002.JPG|thumb|Joseph Beuys: ''Grabstein Dr.&nbsp;Fritz Niehaus'', 1951; [[Hans Jochem]]: ''Grabplatte'', 1995]] Noch während seiner Zeit als Meisterschüler fand 1953 die erste Einzelausstellung von Beuys im Haus der Brüder [[Hans van der Grinten|Hans]] und [[Franz Joseph van der Grinten]] in [[Kranenburg (Niederrhein)]] und eine Ausstellung im [[Von der Heydt-Museum]] in [[Wuppertal]] statt. Er beendete das Studium nach dem Wintersemester 1952/1953 am 31. März im Alter von 32 Jahren. 1954 bezog Beuys ein eigenes Atelier in [[Düsseldorf-Heerdt]], das er bis Ende 1958 nutzen konnte. Von 1951 bis 1958 lebte der Künstler von diversen, eher handwerklichen Aufträgen. 1951 fertigte er einen heute auf dem Friedhof in [[Meerbusch]]-Büderich stehenden Grabstein für Dr.&nbsp;Fritz Niehaus, dem Vater von [[Ruth Niehaus]] an. Des Weiteren entwarf er Möbel, von denen er einige verkaufte. Zwei Tische, betitelt ''„Chest“'', 1953 ([[Ebenholz]]) und ''„Tête“'', 1953–1954 ([[Birnen|Birnbaum]], Ebenholz), sowie ein Regal von 1953 mit dem Titel ''„Royal Pidge-Pine“'' befinden sich in einer Privatsammlung in [[Athen]]; ein weiterer Tisch, ''„Monk“'', 1953 (Birnbaum, Ebenholz) befindet sich mittlerweile im [[Block Beuys]], Darmstadt. Ab 1956 arbeitete der Künstler an dem Entwurf für ein „Auschwitz-Denkmal“, um sich im darauf folgenden Jahr an einem internationalen Wettbewerb für ein Denkmal im ehemaligen Konzentrationslager [[KZ Auschwitz-Birkenau|Auschwitz-Birkenau]] zu beteiligen. Der Entwurf wurde abgelehnt. Beuys zog sich zunehmend zurück; er litt unter Depressionen. 1957 hielt er sich für einige Monate auf dem Bauernhof der Familie van der Grinten in Kranenburg auf. Neben der Feldarbeit, die von April bis August dauerte, zeichnete er und entwarf Konzepte für Plastiken. Mit den Brüdern van der Grinten führte er intensive Gespräche über [[Konrad Lorenz]], den er 1954/1955 durch [[Heinz Sielmann|Sielmann]] in der westfälischen [[Schloss Buldern|Wasserburg]] der [[Romberg (Adelsgeschlecht)|Familie von Romberg]] in [[Buldern]] kennengelernt hatte; zu dieser Zeit war Lorenz als Leiter der Forschungsstelle des [[Max-Planck-Institut für Verhaltensphysiologie|Max-Planck-Institutes für Verhaltensphysiologie]] im Bereich [[Meeresbiologie]] auf der Wasserburg tätig gewesen. Ferner wurden Gespräche über seine gemeinsame Filmarbeit mit Heinz Sielmann, über Werke von [[Rudolf Pannwitz]] und [[Joséphin Péladan]] und Kunst geführt. [[Datei:Beuys Türe Büderich Alter Kirchturm 2006.jpg|miniatur|Alter Kirchturm, Joseph Beuys: ''Tor'', 1959]] Im Jahre 1958 bezog Beuys eigene Atelierräume im alten [[Museum Kurhaus (Kleve)|Klever Kurhaus]] am Tiergarten. Sein Vater lag in dieser Zeit im dortigen Krankenhaus und verstarb am 15. Mai 1958. In Kleve entstand das monumentale Eichenkreuz und das Tor für das „Ehrenmal der Gefallenen des Zweiten Weltkriegs“ im „Alten Kirchturm“ in Meerbusch-Büderich.<ref>{{internetquelle|autor=Friedhelm Mennekes SJ|hrsg=Stimmen der Zeit|url=http://www.stimmen-der-zeit.de/StdZ_04_05_Mennekes.pdf#search=%22Fritz%20Niehaus%22|format=PDF, 338 KB|titel=Über das Büdericher Mahnmal (1958) von Joseph Beuys|werk=Memoria im Trafo-Turm|zugriff=29. August 2008}}</ref> Es ist der größte öffentliche Auftrag, den Joseph Beuys damals, gegen die Einwände Ewald Matarés, ausführte. Am 16. Mai 1959 wurde das „Büdericher Ehrenmal“ übergeben. Im selben Jahr begann Beuys in vier, jeweils dreihundert Seiten starke, geheftete Geschäftsbücher zu zeichnen (bis 1965). 1958 setzte er erstmals die für die Kunst ungewöhnlichen Materialien Fett und [[Filz]] ein.<ref name="Willisch">Susanne Willisch, Bruno Heimberg (Hrsg.): ''Joseph Beuys. Das Ende des 20. Jahrhunderts. Die Umsetzung vom Haus der Kunst in der Pinakothek der Moderne München''. Schirmer/Mosel, München 2007 (Doerner Institut; Bayerische Staatsgemäldesammlungen), S.&nbsp;359</ref> Parallel zu seiner künstlerischen Arbeit betrieb Beuys weiterhin [[Naturwissenschaft|naturwissenschaftliche]], insbesondere [[Zoologie|zoologische]] Studien. Im September 1959 heiratete er Eva-Maria Wurmbach, die er ein Jahr zuvor kennen gelernt hatte. Die Tochter des Zoologen [[Hermann Wurmbach]] und dessen Frau Maria Wurmbach (geb. Küchenhoff) studierte an der Düsseldorfer Kunstakademie [[Kunsterziehung]].<ref name="Ermen47">Reinhard Ermen: ''Joseph Beuys'', S.&nbsp;47</ref> Aus der Ehe gingen die beiden Kinder Wenzel, geboren am 22. Dezember 1961, und Jessyka, geboren am 10. November 1964, hervor. === Hochschule und Öffentlichkeit (1960–1975) === Im März 1961 zog Joseph Beuys von Kleve nach [[Düsseldorf-Oberkassel]], wo er bis zu seinem Tod lebte und ein durch [[Gotthard Graubner]] vermitteltes Atelier im Haus von Georg Pehle, Sohn des Bildhauers Albert Pehle (1874–1948) und Neffen von [[Walter Ophey]]<ref>Stefan Kraus: ''Walter Ophey. 1882–1930. Leben und Werk. Mit einem Werkverzeichnis der Gemälde und Druckgraphik''. Hatje, Stuttgart 1993, S.&nbsp;42</ref>, am Oberkassler Drakeplatz unterhielt. Im selben Jahr wurde er mit einstimmigem Beschluss des Akademiekollegiums als Nachfolger von [[Josef Mages|Josef (Sepp) Mages]], der seit 1938 die Stelle an der Akademie inne hatte<ref name="BIB">{{internetquelle|autor=Josephine Gabler|hrsg=Bildhauerei in Berlin.de|url=http://www.bildhauerei-in-berlin.de/_html/_katalog/kuenstler-2330.html|titel=Sepp Mages (1895–1977)|datum=|zugriff=16. April 2009}}</ref>, auf den „Lehrstuhl für monumentale Bildhauerei der [[Kunstakademie Düsseldorf|Staatlichen Kunstakademie Düsseldorf]]“ berufen, den er am 1.&nbsp;November 1961 antrat. Beuys galt als zuverlässiger, eher strenger Lehrer, der bald mit Aufsehen erregenden Aktionen von sich reden machte, die mit der klassischen Bildhauerei nichts mehr zu tun hatten. So inszenierte er im Februar 1963 in der Aula der Akademie das auf zwei Fluxusabende angesetzte ''„[[Fluxus#Veranstaltungen|FESTUM FLUXORUM FLUXUS&nbsp;–&nbsp;Musik und Antimusik&nbsp;–&nbsp;Das instrumentale Theater]]“'', an denen er seine ersten Aktionen durchführte. ==== Der Lehrer ==== [[Datei:Kunstakademie Düsseldorf-2.jpg|thumb|Kunstakademie Düsseldorf]] [[Datei:Akademieschliessung.jpg|thumb|Joseph Beuys im Foyer der Kunstakademie während eines ''Ringgesprächs'' mit Studenten 1969. Hinten links stehend [[Hermann-Josef Kuhna|H.-J. Kuhna]].]] Joseph Beuys hatte sich innerlich bereits seit längerem von der gängigen künstlerischen Interpretation dieses Lehrbereiches verabschiedet. Das Ehrenmal von Büderich aus dem Jahr 1959 war der Abschluss seiner konventionellen bildhauerischen Phase. Hinter seinem in den Folgejahren sich immer stärker abzeichnenden erweiterten Kunsthandeln stand die Suche nach einem umfassenden Kunstbegriff für alle Menschen. Mit seiner Entwicklung eines sozialen „erweiterten Kunstbegriffs“ unternahm Beuys den Versuch, an der Struktur der gängigen Bildungs-, Rechts- und Wirtschaftsbegriffe verändernd anzusetzen. Beuys betreute in den Jahren bis 1975 nicht nur ungewöhnlich viele Studenten, er schaffte es zugleich, eine große Zahl von sehr unterschiedlichen Künstlerpersönlichkeiten erfolgreich auf die eigene Praxis vorzubereiten. Zu diesen zählen nicht nur die „Grenzgänger“ zwischen Performance und Installation, wie beispielsweise [[Felix Droese]] und [[Katharina Sieverding]], sondern mit [[Jörg Immendorff]] oder [[Blinky Palermo]] auch eine Reihe profilierter Maler.<ref>Reinhard Ermen: ''Joseph Beuys'', S.&nbsp;88&nbsp;f.</ref> Joseph Beuys war beinahe täglich präsent in der Akademie, selbst samstags und in den Semesterferien. Ab 1966 veranstaltete er regelmäßig sogenannte ''Ringgespräche'' mit seinen Studenten, initiiert von [[Anatol Herzfeld]], in denen in einem vierzehntägigen Rhythmus Theorien entworfen und diskutiert wurden; diese Gespräche waren öffentlich und fanden bis zu Beuys’ fristloser Kündigung (s.u.) durch seinen Arbeitgeber, das Wissenschaftsministerium, 1972 statt.<ref>Johannes Stüttgen: ''Der Mensch hat den Elephanten gemacht''. In: Förderverein Museum Schloß Moyland e.V. (Hrsg.): ''Joseph Beuys Symposium Kranenburg 1995'', Wiese Verlag, Basel 1996, S.&nbsp;299&nbsp;f.</ref> Die Hinwendung zur Theorie war anfangs unter den Studenten der ersten Generation durchaus umstritten. An den Ausstellungen der Studenten, den jährlichen ''Rundgängen'' zum Ende des Wintersemesters im Februar, nahm er teil. Beuys war zudem der Meinung, dass jeder, der den Wunsch hat, Kunst zu studieren, nicht durch Zulassungsverfahren, wie zum Beispiel ein Mappenverfahren (der Bewerber musste einen Nachweis seines Talents in Form von Arbeiten vorlegen) oder einen [[Numerus clausus]] daran gehindert werden sollte. Seinen Kollegen teilte er mit, dass er alle von anderen Lehrern abgelehnten Bewerber um einen Studienplatz in seine Klasse aufnehmen werde. Mitte Juli 1971 wurden 142 von 232 Bewerbern für ein Lehramtsstudium im normalen Zulassungsverfahren abgelehnt. Am 5. August 1971 verlas Beuys vor der Presse einen öffentlichen Brief, den er am 2. August an den Akademiedirektor geschickt hatte. Alle 142 abgewiesenen Studenten waren von Beuys in seine Klasse aufgenommen worden; er hatte im folgenden Semester etwa 400 Studenten. Am 6. August erläuterte das [[Forschungsminister|Wissenschaftsministerium]] der Presse, dass es diese Zulassung der Studiumsbewerber nicht genehmige und den Bewerbern ein Studium an einer anderen Akademie anbiete.<ref name="sakakibara">{{internetquelle|autor=Minako Sakakibara|hrsg=|url=http://taweb.aichi-u.ac.jp/doitsugo/files/2003/sakakibara.pdf|format=PDF, 221 KB|titel=Das Leben und die Plastischen Kunstwerke von Joseph Beuys (1921–1986)|zugriff=29. August 2008}}</ref> Am 15. Oktober 1971 besetzte Beuys mit siebzehn Studenten seiner Gruppe das Sekretariat der Akademie. In einem Gespräch mit dem Wissenschaftsminister [[Johannes Rau]] erreichte er, dass die Kunstakademie diese Bewerber mit der Empfehlung des Wissenschaftsministeriums aufnahm. Mit Datum vom 21. Oktober teilte das Wissenschaftsministerium Beuys schriftlich mit, dass solche Situationen nicht mehr geduldet würden, doch Beuys nahm diese Warnung nicht ernst.<ref name="sakakibara" /> ==== Die Entlassung ==== Ende Januar 1972 fand an der Kunstakademie eine Konferenz über ein neues Zulassungsverfahren statt, an der Beuys selbst teilnahm. Die Größe einer Klasse war begrenzt auf 30 Studenten. Im Sommer wurden 227 Studienbewerber aufgenommen, 125 abgewiesen. 1052 Studenten waren an der Düsseldorfer Kunstakademie immatrikuliert, davon 268 in der Klasse Beuys. Als Beuys mit abgewiesenen Studenten 1972 erneut das Sekretariat der Kunstakademie Düsseldorf besetzte, entließ ihn Minister Rau fristlos.<ref>{{internetquelle|autor=|hrsg=Kunstschloss Wrodow|url=http://www.kunstschloss-wrodow.de/html/kuenstler_beuys.htm|titel=Rede von Johannes Rau über Beuys im Kunstschloss Wrodow|zugriff=29. August 2008}}</ref> Von Polizisten begleitet musste Beuys zusammen mit seinen Studenten die Akademie verlassen. Johannes Rau gab am 11. Oktober 1972 eine Pressekonferenz zum Fall Beuys und nannte die Entlassung ''„das letzte Glied in einer Kette ständiger Konfrontationen.“'' In den nachfolgenden Tagen reagierten die Studenten der Akademie mit Hungerstreiks, einem dreitägigen Vorlesungsboykott, Unterschriftenaktionen, Transparenten („1000 Raus ersetzen noch keinen Beuys“) und Informationswänden über die Ereignisse. Zahlreiche Protestbriefe und Telegramme aus aller Welt erreichten das Wissenschaftsministerium. Die Resonanz in Rundfunk, Fernsehen und Presse war groß. In einem [[Offener Brief|offenen Brief]] forderten Künstlerkollegen, unter ihnen die Schriftsteller [[Heinrich Böll]], [[Peter Handke]], [[Uwe Johnson]], [[Martin Walser]], sowie die Künstler [[Jim Dine]], [[David Hockney]], [[Gerhard Richter]] und [[Günther Uecker]], die Wiedereinsetzung eines der bedeutendsten Künstlers der deutschen Nachkriegszeit. Am 20. Oktober 1973, etwa ein Jahr nach seiner Entlassung, überquerte Beuys in einem von seinem Meisterschüler Anatol gebauten [[Einbaum]] den Rhein vom Ufer des Stadtteils [[Düsseldorf-Oberkassel|Oberkassel]] zum gegenüberliegenden Ufer, wo sich die Kunstakademie befindet. Diese „Heimholung des Joseph Beuys“ als spektakulärer symbolischer Akt erregte großes öffentliches Interesse. 1974 erhielt Beuys eine Gastprofessur im Wintersemester an der [[Hochschule für bildende Künste Hamburg|Hochschule für bildende Künste]] in [[Hamburg]].<ref name="sakakibara" /> Beuys leitete mit einer Klage gegen das Land [[Nordrhein-Westfalen]] einen jahrelangen Rechtsstreit ein. Im Jahre 1980 kam es vor dem [[Bundesarbeitsgericht]] in Kassel zu einem [[Vergleich (Recht)|Vergleich]]: Beuys durfte bis zur Erreichung des 65. Lebensjahres sein Atelier im „Raum 3“ in der Akademie behalten und den Professorentitel weiter führen, dafür akzeptierte er die Auflösung des Arbeitsverhältnisses.<ref name="Ermen95">Reinhard Ermen: ''Joseph Beuys'', S.&nbsp;95</ref> Am 1. November 1980 eröffnete Beuys in seinem Atelier „Raum 3“ die Geschäftsstelle der [[Free International University]] (FIU). Sie wurde nach Beuys’ Tod aufgelöst.<ref name="FIU">{{internetquelle|autor=|hrsg=Rainer Rappmann|url=http://www.soziale-plastik.org/000/25.htm|titel=Über die FIU – Freie Internationale Universität|zugriff=29. August 2008}}</ref> === Documenta und kommerzieller Erfolg === Nachdem Beuys 1964 an der [[documenta III]] in [[Kassel]] teilgenommen hatte, auf der er von da an regelmäßig mit seinen Werken vertreten war, folgten Einzelpräsentationen und seine zunehmende Präsenz in der Öffentlichkeit. Mit der Aktion ''„[[wie man dem toten Hasen die Bilder erklärt]]“'' eröffnete Joseph Beuys im November 1965 in der [[Alfred Schmela|Galerie Alfred Schmela]], Düsseldorf, die Einzelausstellung ''Joseph Beuys … irgend ein Strang …'', seine erste in einer kommerziellen Galerie. Das [[Museum Abteiberg|Städtische Museum Abteiberg]] in [[Mönchengladbach]] zeigte von September bis Oktober 1967 die erste umfassende Ausstellung ''BEUYS''. Durch vertragliche Vereinbarung gingen die ausgestellten Arbeiten in den Besitz des Sammlers [[Karl Ströher]] über, unter der Voraussetzung, dass der wesentliche Werkteil ''„geschlossen erhalten bleibt und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird“''.<ref>(Verkaufsvereinbarung vom 23. Juni 1969) / Harald Szeemann (Vorw.): ''Joseph Beuys'', Kunsthaus Zürich, Zürich 1993, S.&nbsp;22</ref> Bei einem der ''Rundgänge'' im Februar 1969 in der Kunstakademie Düsseldorf stellte Beuys sein eigenes Werk ''„Revolutionsklavier“'' aus, ein mit etwa 200 roten Nelken und roten Rosen übersätes Instrument. Das [[Kupferstichkabinett]] des [[Kunstmuseum Basel#Fachbibliothek und Kupferstichkabinett|Kunstmuseums Basel]] zeigte von Juli bis August 1969 die Ausstellung ''Joseph Beuys Zeichnungen, kleine Objekte''. Anlässlich der Eröffnung einer Ausstellung von [[André Masson]] im [[Museum am Ostwall]] in [[Dortmund]] fand im April 1970 ein Gespräch zwischen Joseph Beuys und [[Willy Brandt]] statt. Beuys regte an, wenigstens einmal monatlich Künstlern das Fernsehen als Diskussionsforum zur Verfügung zu stellen, damit die breite Öffentlichkeit die Ideen der wahren [[Opposition (Politik)|Opposition]] kennen lernen könne. Sinn war, dass diese Opposition effektive Möglichkeiten bekäme, um ihre gesellschaftspolitischen Vorstellungen präzisieren zu können, denn sie habe, so der Künstler, ''„keine andere Informationsebene als die Straße“'', und deshalb bitte er, nicht für sich, ''„um eine entsprechende Befreiung der Medien.“'' Brandt leuchtete dies ein, er meinte jedoch, er könne nicht dafür eintreten, dass die Kunst ''„kraft eines politischen Amtes irgendwie zur […] Propaganda“'' werde.<ref name="AKT3">Götz Adriani, Winfried Konnertz, Karin Thomas: ''Joseph Beuys'', S.&nbsp;108</ref> Eine zweitägige Arbeitskonferenz zwischen Joseph Beuys, [[Erwin Heerich]] und [[Klaus Staeck]] fand im September 1971 in [[Heidelberg]] statt. Ziel war es, ein Konzept für die Organisation eines „internationalen freien Kunstmarkts“ zu erarbeiten. Als Ergebnis fand im Oktober 1971 ein „2. internationales Meeting freier Kunstmarkt“ in der [[Kunsthalle Düsseldorf]] statt. [[Datei:BeuysAchberg73.jpg|thumb|Joseph Beuys 1973]] Zur [[documenta 5]] im Jahre 1972 entstand Beuys’ Arbeit ''„Dürer, ich führe persönlich Baader&nbsp;+&nbsp;Meinhof durch die Documenta V“'', die unter dem Aspekt einer künstlerischen Betrachtung des beginnenden Terrors der [[Rote Armee Fraktion|Baader-Meinhof-Gruppe]] entstand. Im Juni 1972 fand die Eröffnung der Ausstellung ''Arena'' mit der Aktion ''Vitex Agnus Castus'' bei Lucio Amelio in der Modern Art Agency in [[Neapel]] statt, die einige Monate später unter dem Titel ''Arena – dove sarei arrivato se fossi stato intelligente!'' (dt: „Arena – wo wäre ich hingekommen, wenn ich intelligent gewesen wäre!“) mit der spontanen Aktion ''Anarcharsis Cloots'' in der Galleria l’Attico in [[Rom]] gezeigt wurde.<ref>Götz Adriani, Winfried Konnertz, Karin Thomas: ''Joseph Beuys'', S.&nbsp;127 und Lynne Cooke, Karen Kelly (Hrsg.): ''Joseph Beuys. Arena – wo wäre ich hingekommen, wenn ich intelligent gewesen wäre!'' Dia Center for the Arts, Cantz Verlag, Stuttgart 1994, S.&nbsp;13, 44</ref> === Internationale Präsenz und Preise (1975–1986) === Im Januar 1974 reiste Beuys zum ersten Mal in die [[Vereinigte Staaten|USA]]. Der Galerist Ronald Feldman, [[New York City|New York]], hatte für ihn eine zehntägige Vortragstournee durch die Vereinigten Staaten unter dem Titel „Energy Plan for the Western Man“ organisiert. Vor zahlreichen Zuhörern in den Kunsthochschulen von New York, [[Chicago]] und [[Minneapolis]] sprach er unter anderem über die ''„ganze Frage der Möglichkeit, dass jedermann nun seine eigene besondere Art von Kunst, seine eigene Arbeit, für die neue soziale Organisation“'' machen solle.<ref name="WAC">{{internetquelle|autor=Joan Rothfuss|hrsg=Walker Art Center|url=http://www.walkerart.org/archive/C/9C4315B360BFDC526167.htm|sprache=englisch|titel=Joseph Beuys. Energy Plan for the Western Man|zugriff=29. August 2008}}</ref> Auf der 37. [[Biennale di Venezia|Biennale in Venedig]] 1976 war Beuys mit der Installation ''„[[Straßenbahnhaltestelle (Rauminstallation)|Straßenbahnhaltestelle/ Tram Stop/ Fermata del Tram]]“'', 1961–1976, im deutschen Pavillon vertreten. Am 16. März 1977 installierte Beuys in der [[Nationalgalerie (Berlin)|Nationalgalerie Berlin]] die Arbeit ''„RICHTKRÄFTE“'' – 100 Tafeln, bei denen auf einer an den Enden einer Linie die Worte ''„east“'' und ''„west“'' geschrieben waren und in der Mitte über einer Trennlinie die Worte ''„Eurasia“'' und ''„Berlin wall“'' – die Mauer als Linie der Trennung zweier unterschiedlicher Denksphären, die Beuys als ''„westlichen Privatkapitalismus“'' und ''„östlichen [[Staatskapitalismus]]“'' bezeichnete.<ref name="harlan">Volker Harlan, Rainer Rappmann, Peter Schata: ''Soziale Plastik. Materialien zu Joseph Beuys''. Achberger Verlagsanstalt, Achberg 1976, S.&nbsp;10. Die Arbeit ''„RICHTKRÄFTE“'' befindet sich heute im [[Hamburger Bahnhof (Berlin)|Hamburger Bahnhof]], Berlin.</ref> Am selben Abend fand eine öffentliche Diskussion statt, bei der Beuys einen Rucksack auf dem Rücken trug, eine Anspielung auf den [[Hirte|wandernden Hirten]].<ref name="AKT4">Götz Adriani, Winfried Konnertz, Karin Thomas: ''Joseph Beuys'', S.&nbsp;157</ref> Auf der [[documenta 6]] 1977 war Beuys 100&nbsp;Tage mit der ''„[[Honigpumpe am Arbeitsplatz]]“'' vertreten. [[Datei:FridericianumBeuys kasselgalerie de.jpg|thumb|„Stadtverwaldung statt Stadtverwaltung“: Die erste von Beuys gepflanzte Eiche vor dem [[Fridericianum (Kassel)]]]] Im Mai 1979 traf er in der Galerie [[Denise René]]/Hans Mayer in Düsseldorf zum ersten Mal [[Andy Warhol]], der dort gerade eine Ausstellung seiner neuen Bilder zeigte. Bei diesem [[Joseph Beuys (Warhol)#Hintergrund|Treffen]] fertigte Warhol ein [[Polaroid]] von Beuys an, das die Vorlage für mehrere mit Diamantstaub (Diamond-Dust) bearbeitete [[Siebdruck|Serigraphien]] wurde. Ende 1979 widmete ihm das New Yorker [[Solomon R. Guggenheim Museum|Guggenheim-Museum]] als erstem Deutschen eine umfangreiche Retrospektive, Beuys war zu der Zeit 58&nbsp;Jahre alt. Am 1. April 1980 trafen sich Beuys und Warhol, die vom Kunstmarkt als zwei konträre Stars betrachtet wurden, erneut: In der Galerie Lucio Amelio in Neapel zeigte Andy Warhol seine Ausstellung ''Joseph Beuys by Andy Warhol'' mit den neuen Siebdruckporträts, die er von Beuys hergestellt hatte. Im April 1981 hielt sich Beuys in Rom auf, um im Palazzo Braschi die Aktionsplastik ''„Terremoto“'' herzustellen. Im selben Monat entstand in Italien eine weitere Arbeit, ''„Terremoto in Palazzo“'', anlässlich einer Ausstellung in Neapel zugunsten der Opfer des verheerenden [[Erdbeben]]s vom 23. November 1980; 1983 stellte der Künstler ein Multiple unter gleichem Titel als [[Offsetdruck|Farboffset]]-Serie her. Im August 1981 reiste er mit seiner Familie mit einem Wohnmobil durch [[Polen]], um jene Orte, die er als junger Soldat schon kennen gelernt hatte, zu besuchen. In [[Łódź]] überließ er dem Museum Sztuki 800 seiner Zeichnungen, Grafiken, Poster, Texte und Manifeste als Schenkung. Von Oktober bis Dezember 1981 fand die erste Beuys-Ausstellung in der [[Deutsche Demokratische Republik|DDR]] statt. In der [[Ständige Vertretungen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik|Ständigen Vertretung der Bundesrepublik Deutschland]] in [[Ost-Berlin]] wurden Multiples aus der Sammlung Dr.&nbsp;Günter Ulbricht, Düsseldorf, gezeigt. Bei der [[documenta 7]] 1982 in Kassel setzte Beuys seine Skulptur ''„[[7000 Eichen|Stadtverwaldung statt Stadtverwaltung (7000 Eichen)]]“'' in die Tat um. Das Ende der aufwändigen Pflanzaktion erlebte Beuys nicht mehr. Bis zu seinem Tod waren erst 5500 Eichen, zu denen jeweils eine [[Basalt]]stele gesetzt wurde, gepflanzt. Den letzten Baum pflanzte sein Sohn Wenzel während der [[documenta 8]] am 12. Juni 1987. Die Baum-Stein-Paare sind im Stadtbild bis heute präsent. Im Oktober 1982 führte er ein Gespräch mit dem [[Tendzin Gyatsho|Dalai Lama]] in [[Bonn]]. Organisiert wurde dieses Treffen von der Niederländerin Louwrien Wijers, die davon ausging, dass Beuys’ Vision, Politik zur Kunst zu machen, den Dalai Lama interessieren müsste. Das Gespräch, das eine Stunde dauerte, ist nicht publiziert und aufgezeichnet worden. Überliefert ist nur, dass fast ausschließlich Joseph Beuys gesprochen habe. Er habe dem Dalai Lama seine Vision einer „weltweiten ''[[Soziale Plastik|Sozialen Plastik]]“'' unterbreitet. Darüber hinaus plante er, den [[Volksrepublik China|Chinesen]], die 1949 [[Tibet]] okkupiert hatten, einen Wirtschaftsplan für Tibet vorzulegen.<ref>''Joseph Beuys'', Kunsthaus Zürich, Zürich 1993, S.&nbsp;246</ref> Im Herbst 1982 hatte Beuys auf der [[Zeitgeist (Ausstellung)|''Zeitgeist''-Ausstellung]] im [[Martin-Gropius-Bau]] in [[Berlin]] ein bedeutendes Werkensemble mit dem Titel ''„Hirschdenkmäler“'' ausgestellt; dessen Bestandteile sind in das Environment ''„[[Blitzschlag mit Lichtschein auf Hirsch]]“'' eingeflossen, das 1987 von der Stadt [[Frankfurt am Main]] erworben wurde und sich heute im [[Museum für Moderne Kunst]] (MMK) befindet. Von der Hamburger Kulturbehörde erging im Frühjahr 1983 ein Planungsauftrag für die Spülfelder in [[Hamburg-Altenwerder|Altenwerder]] an den Künstler, die heute als [[Containerterminal Altenwerder|Containerterminal]] dienen. Beuys entwickelte ein Bepflanzungskonzept; das Projekt ''[[Gesamtkunstwerk Freie und Hansestadt Hamburg]]'' wurde schließlich im Juli 1984 vom Senat der Stadt Hamburg abgelehnt.<ref name="AKT5">Götz Adriani, Winfried Konnertz, Karin Thomas: ''Joseph Beuys'', S.&nbsp;197</ref> === Späte Jahre und Tod === [[Datei:BeuysAchberg85.jpg|thumb|Joseph Beuys 1985]] Die Stadt [[Bolognano]] ernannte Joseph Beuys im Mai 1984 zum Ehrenbürger, nachdem er zwischen dem 11. und 14. Mai die ersten 400 von 7000 ursprünglich beheimateten Bäume und Sträucher für die Errichtung eines Naturschutzgebiets in der Gemeinde gepflanzt hatte.<ref name="Kleemann104">Birte Kleemann (Vorw.): ''Make the secrets productive. Joseph Beuys. Sculpture and Objects''. Pace Wildenstein, S.&nbsp;104; des Weiteren in: Götz Adriani, Winfried Konnertz, Karin Thomas: ''Joseph Beuys'', S.&nbsp;194</ref> Im selben Jahr wurden in [[Tokio]] zwei Ausstellungen eröffnet, die der mittlerweile gesundheitlich schwer angeschlagene Künstler selbst vorbereitete. Die eine fand vom 15. Mai bis 17. Juli 1984 in der Galerie Watari statt: „Joseph Beuys & [[Nam June Paik]]“; die andere mit Werken aus der Sammlung Ulbricht schloss sich vom 2. Juni bis 2. Juli 1984 im Seibu-Museum an. Beuys beteiligte sich mit der Installation ''„Wirtschaftswerte“'', 1980, an der Ausstellung ''[[von hier aus – Zwei Monate neue deutsche Kunst in Düsseldorf]]'', die von September bis Dezember 1984 stattfand. Ende Mai 1985 erkrankte Joseph Beuys an einer [[Interstitium (Anatomie)|interstitiellen]] [[Lungenentzündung|Pneumonie]]. Bei einem Genesungsaufenthalt in Neapel und auf [[Capri]] im September 1985 entstand die Skulptur ''„Scala Libera“'', 1985, sowie ein Prototyp der ''„[[Capri-Batterie]]“''. Kurz vor seinem Tod hielt der Künstler am 20. November 1985 mit ''„Sprechen über das eigene Land: Deutschland“'' eine Grundsatzrede in den [[Münchner Kammerspiele]]n. Er thematisierte dabei noch einmal seine Theorie, dass ''„jeder Mensch ein Künstler“'' sei. Die letzte von Joseph Beuys eingerichtete Installation, ''„[[Palazzo Regale]]“'', wurde von Dezember 1985 bis Mai 1986 im [[Museo di Capodimonte]] in Neapel gezeigt. Im Januar 1986 wurde ihm der angesehene [[Wilhelm Lehmbruck|Wilhelm-Lehmbruck]]-Preis der Stadt [[Duisburg]] verliehen. Elf Tage später, am 23. Januar, verstarb Joseph Beuys mit 64 Jahren in seinem Atelier in Düsseldorf. Er wurde am 14. April 1986 auf See [[Seebestattung|bestattet]]. Das deutsche Motorschiff „Sueño“ (deutsch: „Traum“) mit Heimathafen [[Meldorf]] fuhr auf Position {{Coordinate|text=DMS|NS=54/07/05/N|EW=08/22/0/E|type=landmark|region=XA|name=Seebestattung Joseph Beuys}}, wo seine Asche der Nordsee übergeben wurde.<ref name="AKT10">Götz Adriani, Winfried Konnertz, Karin Thomas: ''Joseph Beuys'', S.&nbsp;204</ref> == Person Beuys == Die tägliche Anwesenheit in der Akademie, die Auskunftsfreude gegenüber Presse, Rundfunk und Fernsehen und die Schonungslosigkeit, mit der sich Beuys in seinen Kunstaktionen bis zum gesundheitlichen Raubbau zu präsentieren schien, prägten das Bild von der Person des Künstlers. An den Akademien war es in den 1960er Jahren keineswegs Sitte, dass der Lehrer den Studenten täglich zur Verfügung stand; das Prinzip, die eigene künstlerische Arbeit mit der Ausbildung der Studenten zu identifizieren, blieb auch später durchweg eine Ausnahme. Ausstellungen fanden in der Tagespresse gewöhnlich wenig Resonanz, die Gegenwartskunst hatte ihre Fachkreise und ihr begrenztes Galeriepublikum. Kataloge zeigten keine Fotos der Künstler. Die Kunstaktionen der 1960er Jahre erlaubten der Presse und dem Fernsehen erstmals interessante Bilder in Schwarzweiß; die Aktionen von Joseph Beuys gaben in ihren seinerzeit als ungewöhnlich bis Ärgernis erregend empfundenen Formen Anlass<ref name="Ermen50">Reinhard Ermen: ''Joseph Beuys'', S.&nbsp;50&nbsp;f., 144</ref>, vor allem die Person des Künstlers ins Bild zu setzen. Nach der spektakulären Rheinüberquerung 1973 war die an sich wenig Aufsehen erregende Kleidung des Künstlers, bestehend aus Jeans, weißem Hemd mit Anglerweste und Filzhut, zum Markenzeichen avanciert, die Beuys weiterhin nicht nur für die mediale Verbreitung seiner Ideen, sondern nach 1980 auch für seinen Auftritt auf der politischen Bühne einsetzte. Das nur schwer abzubildende Werk des Künstlers wurde ersetzt durch das Bild des ''Mannes mit dem Filzhut''. Die polarisierende Wirkung der Arbeiten übertrug sich auf die Wahrnehmung der Person. Die Kritiker sprachen despektierlich von einem ''[[Scharlatan]]'' oder ''[[Schamanismus|Schamanen]]'', begeisterte Anhänger hielten ihn für einen ''[[Leonardo da Vinci]]'' der Gegenwart. Die Fülle der Aussagen, die Beuys der Öffentlichkeit übermittelte, gaben ebenso hinreichend Anlass für [[Zuschreibung]]en seiner Person. Für seine [[Reflexion (Philosophie)|Reflexionen]] zum Beispiel über ein zentrales Motiv der Kunst, den Tod, nannte man ihn einen ''[[Schmerzensmann]] der Kunst''.<ref name="Presse Bayern">[[Abendzeitung]], 13. Februar 1976; vgl. auch [[Bayerische Staatszeitung]], 26. Oktober 1976; [[Münchner Merkur]], 28. Januar 1980</ref> == Werk == Das umfangreiche Werk von Joseph Beuys umfasst im Wesentlichen vier Bereiche: Materielle Arbeiten im traditionellen künstlerischen Sinne (Malerei und Zeichnungen, Objekte und Installationen), die Aktionen, die Kunsttheorie mit Lehrtätigkeit, sowie seine sozial-politischen Aktivitäten. === Lebenslauf-Werklauf === Ab 1961 begann Beuys mit seinem ''„Lebenslauf-Werklauf“'', in der er unter anderem Erfahrungen und Erinnerungen der Kindheit, Jugend und Soldatenzeit einfließen ließ, in literarisch-künstlerischer Form eine Art „Dichtung und Wahrheit“ seiner [[Vita|Künstlervita]] zu entwerfen.<ref>Susanne Willisch/ Bruno Heimberg (Hrsg.): ''Joseph Beuys Das Ende des 20. Jahrhunderts, Die Umsetzung vom Haus der Kunst in der Pinakothek der Moderne München'', München 2007 (Doerner Institut; Bayerische Staatsgemäldesammlungen; Schirmer/Mosel), S.&nbsp;368</ref> Diese Eigendarstellung war auch als Kontrastprogramm zu den von Galerien und Museen erwarteten Lebensläufen der Künstler konzipiert. Beuys machte so aus seiner Biografie selbst ein Kunstwerk und „zeichnete“ eine Parallele zwischen seinem Leben und seiner Kunst.<ref>Götz Adriani, Winfried Konnertz, Karin Thomas: ''Joseph Beuys'', Köln 1994, S.&nbsp;6 und Joseph Beuys. Lebenslauf/Werklauf 1964 [http://www.kunst.uni-stuttgart.de/seminar/beuys/leben1.html]</ref> === Zeichnungen und Partituren === <div style="background-color:#f9f9f9; border:1px solid #aaa; float:right; margin:6px 0 6px 15px; padding:0.2em 0.4em; width:265px;"> '''Zeichnungen und Partituren <br /> <small>Externe Weblinks{{FN|!}}</small>''' * <small>[http://www.moma.org/collection/browse_results.php?criteria=O%3AAD%3AE%3A540&page_number=5&template_id=1&sort_order=1 Fe, 1951]</small> * <small>[http://www.moma.org/collection/browse_results.php?criteria=O%3AAD%3AE%3A540&page_number=18&template_id=1&sort_order=1 unbetitelt, 1958]</small> * <small>[http://www.staedtische-galerie-erlangen.de/seiten/6_sammlung/bestand/seiten/beuys_minneapolis.htm Minneapolis Fragmente, 1974/77]</small> * <small>[http://www.galerie-jan-wagner.de/BeuysBild09.html Kapital Planete (undatiert)]</small> </div> Das zeichnerische Werk beinhaltet eine eigene Bildsprache und führte von der frühen Naturstudie bis hin zu den späten handschriftlichen Tafeldiagrammen, die er in seine Aktionen, Installationen und Diskussionsrunden miteinbezog. Seine zeichnerischen Arbeiten hatten anfangs meist einen filigranen Duktus, manchmal glichen die Zeichnungen vereinfachten Studien. Er fertigte sie gern auf alltäglichen vorgefundenen Materialien an. In den frühen 1940er und 1950er Jahre entstanden zahlreiche Zeichnungen, die sich mit Objekten oder plastischen Werken in Verbindung bringen lassen, wobei Beuys zumeist Mischtechniken aus Aquarell und Bleistift verwendete. Darunter finden sich mit zartem Strich skizzierte Frauenakte und Tierstudien von zumeist hasen- oder hirschähnlichen Wesen. In späteren Arbeiten setzte er sich inhaltlich mit Phänomenen der Erkenntnistheorie und der energetischen oder morphologischen Transformation auseinander, denen Entwürfe neuer sozialer Strukturen folgten. Die nach 1964 entstandenen Arbeiten auf Papier verstand Beuys als so genannte „Partituren“. Sie standen in engem Zusammenhang mit den in den 1960er und frühen 1970er Jahren durchgeführten Aktionen, besaßen einen eher funktionalen Charakter und sind ''„im Sinne bildkünstlerischer Praxis als Vorarbeiten zum eigentlichen Werk zu verstehen.“''<ref>Uwe M. Schneede: ''Ich mache mir eine Partitur, die enthält eigentlich keine Noten, sondern eher Begriffe''. In: ''Joseph Beuys: Zeichnungen'', Staatliche Kunsthalle Karlsruhe 2006, S.&nbsp;62</ref> Die bei seinen zahlreichen Vorträgen entstandenen Kreidezeichnungen auf Schultafeln hatten gleichfalls den Charakter der ''Partitur''. In ihnen klingt einerseits der musikalische und rhythmische Aspekt dieser Zeichnungen durch, andererseits geben sie Hinweis auf die Requisiten, die er in seinen Aktionen benutzte. Die ''Diagramme'' der 1970er Jahre dokumentieren eine immer intensivere Auseinandersetzung für die Idee einer ''Sozialen Skulptur'' und haben mitunter ''„den Charakter von Protokollen seiner pädagogischen Bemühungen.“''<ref> ''Joseph Beuys. Zeichnungen'', Staatliche Kunsthalle Karlsruhe, Karlsruhe 2006, S. 14</ref> In ihnen werden strukturelle Bezüge hergestellt, die aufzeigen, dass das Werk von Beuys nicht nur den Dialog mit den Zeichen und der Bildkultur sucht, sondern auch eine Auseinandersetzung mit der Philosophie, der Literatur, der Natur- und den Sozialwissenschaften. Es ''„motivierten ihn sowohl die Erscheinungen der Natur als auch innere Bilder und Ideen zum Zeichnen: Gedankengut des deutschen Idealismus, der Frühromantik, der Aufklärung, der Philosophie des 19. und 20. Jahrhunderts.“''<ref>Klaus Schrenk (Vorw.): ''Joseph Beuys. Zeichnungen'', Staatliche Kunsthalle Karlsruhe, S. 15</ref> === Fluxus und Aktionskunst === <div style="background-color:#f9f9f9; border:1px solid #aaa; float:right; margin:6px 0 6px 15px; padding:0.2em 0.4em; width:265px;"> '''Fluxus und Aktionskunst <br /> <small>Externe Weblinks{{FN|!}}</small>''' * <small>[http://www.tate.org.uk/research/researchservices/archive/audiofilmhighlights/player_beuys.shtm Eurasienstab, Fluxorum organum opus 39, 1968]</small> * <small>[http://www.track16.com/exhibitions/beuys/beuys1.html Titus Andronicus / Iphigenie, 1969]</small> * <small>[http://www.tate.org.uk/modern/exhibitions/beuys/room4_lg2.shtm I like America and America likes Me, 1974]</small> </div> [[Fluxus]], Aktionskunst und Happening waren vorrangig Kunsterscheinungen der ausgehenden 1950er Jahre, die in den 1960er Jahren ihren Höhepunkt erreichten. Im Fluxus wirkten erstmals europäische und amerikanische Künstler in einer gemeinsamen Bewegung zusammen. Von seinen rund dreißig großen Aktionen, beginnend mit dem Jahr 1962, nachdem er auf [[Nam June Paik]] und [[George Maciunas]] traf, führte Joseph Beuys die meisten in den 1960er Jahren durch. Einen selbst ausgedachten und mit der eigenen Person und ihrem Körper durchgeführten Ablauf einem Publikum zu präsentieren, war durch die [[Futurismus|Futuristen]], die [[Dadaismus|Dadaisten]] und die [[Happening]]s bereits vorweggenommen worden. Die Beuysschen Aktionen gelten als ''Kern seines Werks'', da er sie mit einer ''plastischen Theorie'' überzogen habe, indem er der ''Wärme'' und der ''Kälte'', die er als ''polare Grundprinzipien'' erkannte, Materialien, wie zum Beispiel Fett oder Filz, den Beuys seit den 1960er Jahren von den [[Vereinigte Filzfabriken|Vereinigten Filzfabriken AG]] in [[Giengen an der Brenz]] bezog<ref>{{internetquelle|autor=Julia Voss|hrsg=FAZ.NET|url=http://www.faz.net/s/RubEBED639C476B407798B1CE808F1F6632/Doc~E835F3DD4862A478E8D84E6BCE4465FF7~ATpl~Ecommon~Scontent.html|titel=Wo Beuys den Filz fand. Stoff aus Schweigen|werk=|datum=28. Dezember 2009|zugriff=28. Dezember 2009}}</ref>, zuordnete. Der Einsatz der eigenen Person zeige neben klanglichen und akustischen Signalen die Intention, einen herkömmlichen Kunstbegriff zu einer ''erweiterten Kunst'' zu öffnen, welche die ''Einheit der Gattungen'' spiegele. Der besondere Aspekt der ''Bewegung'' verdeutliche einen ''„nomadischen Habitus“'' (Beuys) und damit ein Lebens- und Werkprinzip des Künstlers.<ref name="Schneede2">Uwe M. Schneede: ''Die Geschichte der Kunst im 20.&nbsp;Jahrhundert'', S. 238&nbsp;ff.</ref> ==== Erste Fluxusaktionen ==== Die ersten Fluxusaktionen von Beuys fanden zunächst wenig Beachtung in der breiten Öffentlichkeit, dennoch schaffte es der Künstler, mit seinen kontrovers diskutierten Aktionen und Installationen in kurzer Zeit internationales Ansehen zu erlangen, und rangierte alsbald an erster Stelle der deutschen Kunstszene. Im Unterschied zum Happening bezog Beuys sein Publikum nicht direkt ein, verstand es jedoch, Publikumsreaktionen in seine Performances einzubinden: Bei einer Aktion auf dem „Festival der neuen Kunst“ in Aachen am 20. Juli 1964 wurde ihm von einem aufgebrachten Studenten die Nase blutig geschlagen. Obwohl ihm das Blut herunterfloss, bezog er den Angriff spontan in die Aktion mit ein und ergriff ein [[Kruzifix]], um es ''„dem empörten Publikum demonstrativ vor die Nase zu halten.“'' Ein Foto dieser Aktion kursierte bald in der deutschen Presse.<ref name="3sat">{{internetquelle|autor=|hrsg=[[3sat]]|url=http://www.3sat.de/3sat.php?http://www.3sat.de/specials/33178/index.html|titel=Deutsche Lebensläufe: der Künstler Joseph Beuys|datum=14. Juli 2002|zugriff=29. August 2008}}</ref> ==== Aktionen mit Symbolcharakter ==== Während der 24-Stunden-Aktion ''„und in uns … unter uns … landunter“'' im Juni 1965 in der Wuppertaler Galerie Parnass brachte er durch die Verwendung der ursprünglich der [[Arte Povera]] zugehörigen Materialien Honig, Fett, Filz und Kupfer ein symbolträchtiges „Dingvokabular“ künstlerisch zur Anschauung, das er in dieser Aktion mit den Bedeutungen ''Energiespeicherung'', ''Spannung'' und ''Kreativität'' belegte. Weitere Aktionen mit Titeln wie ''„[[wie man dem toten Hasen die Bilder erklärt]]“'', 1965, ''„EURASIA“'', 1966, ''„Manresa“'', 1966, und ''„[[Titus Andronicus / Iphigenie]]“'', 1969, folgten. In der Aktion ''„[[I like America and America likes Me]]“'' im Jahr 1974 verbrachte er drei Tage mit einem von nordamerikanischen Ureinwohnern als heilig verehrten [[Kojote]]n in den Räumen der New Yorker Galerie von [[René Block]]. Insbesondere die Aktion mit dem Kojoten, in zahlreichen Fotografien dokumentiert, trug viel zum Beuys’schen Nimbus des „[[Schamane]]n“ bei, da der Künstler darin das medienwirksame Bild eines „Heiligen Mannes“ bot, der eine rätselhaft-animistische Liturgie ausübt. Insofern hatte Beuys’ Kunst auch eine Bedeutung für die seelischen Bereiche, die empfänglich für Mythen, Magie, Riten und schamanistischen Zauber sind.<ref name="Stachelhaus94">Heiner Stachelhaus: ''Joseph Beuys''. Claasen, Düsseldorf 1988, S.&nbsp;94</ref> Beuys lehnte die Interpretation seiner Werke ebenso wie auch die Selbstinterpretation als „unkünstlerisch“ ab. ''„Wenn auch das Kunstwerk das größte Rätsel ist, der Mensch ist die Lösung“'' sagte er und beließ es dabei. [[Datei:Joseph Beuys Filtz TV by Lothar Wolleh.jpg|thumb|Joseph Beuys während der Aktion ''Filz-TV'', Kopenhagen 1966<br /><small>Foto: Lothar Wolleh, 1971</small>]] Seine Aktionen plante der Künstler stets akribisch: er machte im Vorfeld zahlreiche Partituren und notierte seine Ideen; dabei überließ er trotz aller Spontaneität nichts dem Zufall, was in dem Filmdokument ''„[[Eurasienstab|EURASIENSTAB]]“'' (Antwerpen 1968) deutlich wird: Der Zuschauer sieht Beuys oft auf seine Armbanduhr schauen, um seine Handlungen genau mit der Orgelmusik des mitwirkenden Komponisten [[Henning Christiansen]] abzustimmen. Mit der Planung und Umsetzung der Kasseler ''Stadtverwaldungsaktion'' ''„[[7000 Eichen]]“'' verwirklichte Beuys eine soziale Kunst in Form eines ''Landschaftskunstwerks'', in dem Leben, Kunst, Politik und Gesellschaft eine Einheit bilden. Um mit dieser Aktion die Stadt Kassel zur documenta 7 tatsächlich begrünen zu können, musste er eine organisatorische Mammutaufgabe bewältigen. Im Lauf der Aktion machte er die Erfahrung, dass seine Sammler ihn bei der Finanzierung dieser Aktion nicht ausreichend unterstützten, obwohl sie bisher eine enorme Wertsteigerung seiner Werke erlebt hatten. Um tatsächlich die notwendigen 3,5 Millionen DM aufzubringen, ging Beuys soweit, in einem Werbespot der japanischen Whiskymarke ''Nikka'' aufzutreten. Der Satz: ''„Ich habe mich vergewissert, der Whisky war wirklich gut.“'' brachte allein 400.000 DM. Beuys kommentierte diesen Einsatz mit der Bemerkung: ''„Ich habe mein ganzes Leben lang geworben, aber man sollte sich mal dafür interessieren, wofür ich geworben habe.“''<ref name="Ermen114">Reinhard Ermen: ''Joseph Beuys'', S.&nbsp;114&nbsp;ff.</ref> ==== Multimediale Ausdrucksformen ==== Viele Kunstaktionen von Joseph Beuys wurden von Fotografen, wie zum Beispiel Gianfranco Gorgoni, Bernd Jansen, [[Ute Klophaus]] oder [[Lothar Wolleh]], im Bild festgehalten. Beuys verwendete diese Fotografien teilweise als [[Positivfilm|positive]] sowie als [[Negativfilm|negative]] [[Reproduktion]]en für seine [[Multiple]]s. In späteren Fluxusaktionen setzte Beuys tonale und atonale Kompositionen und Geräuschcollagen ein, wobei er Mikrophone, Tonbandgeräte, [[Rückkopplung]]en, verschiedenen Musikinstrumente und seine eigenen Stimme einbrachte. Er arbeitete dabei zusammen mit anderen Künstlern, zum Beispiel mit Henning Christiansen, [[Nam June Paik]], [[Charlotte Moorman]] und [[Wolf Vostell]]. Besonders schätzte er den US-amerikanischen Komponisten und Künstler [[John Cage]].<ref name="artforum">Beuys in Willoughby Sharp: ''An interview mit Joseph Beuys'', In: ''Artforum'', Dezember 1969, S.&nbsp;46; zitiert nach Jürgen Geisenberger, ''Joseph Beuys und die Musik'', Seite 30</ref> Es entstanden Werke wie <!--SIC! Synphonie mit "n" ist korrekt-->''„Eurasia und 34. Satz der Sibirischen Synphonie“'' mit dem Einleitungsmotiv der ''„Kreuzesteilung“'', 1966. In der Aktion ''„…oder sollen wir es verändern“'', 1969, spielten er Klavier und Henning Christiansen Violine. Beuys schluckte Hustensaft, während Christiansen ein Tonband mit Geräuschcollagen aus Stimmen, Vogelgesang, Sirenengeheul und anderen elektronischen Klängen abspielte. Im Jahre 1969 wurde Joseph Beuys vom [[Komponist]]en und [[Regisseur]] [[Mauricio Kagel]] eingeladen, um sich an seinem Film ''[[Ludwig van (Film)|Ludwig van]]'' zum 200. Geburtstag [[Ludwig van Beethoven]]s zu beteiligen. Beuys trug mit einer Aktion die Sequenz ''Beethovens Küche'' bei. Die Dreharbeiten fanden im Auftrag des [[WDR Fernsehen|WDR]] am 4. Oktober in Beuys’ Atelier statt. === Reden === Die ''documenta 5'' von 1972 wird als Zäsur in Beuys' Werk angesehen; während der 100&nbsp;Tage der Ausstellung hatte er sich der Diskussion mit dem Publikum zur Verfügung gestellt. Im Folgenden entwickelte er einen ''erweiterten Kunstbegriff'', mit dem er seine Vorstellung einer ''„umfassenden schöpferischen Umgestaltung des Lebens''“<ref name="Schneede3">Uwe M. Schneede: ''Die Geschichte der Kunst im 20. Jahrhundert'', S.&nbsp;242</ref> umriss und in dem Begriff der ''[[Soziale Plastik|Sozialen Skulptur]]'' zu erfassen suchte. Der Kern dieser Idee bestand in der Vorstellung, dass der ''Mensch'' zu ändern sei mit den Mitteln der ''Kunst'', womit er eine Gegenposition zu den in den 1960er Jahren entworfenen Mitteln des ''Klassenkampfes'' bezog. In den 1970er Jahren verstärkte er durch Diskussionen und Fernsehauftritte die Verbreitung dieser Idee. Im Unterschied zu den Äußerungen anderer Künstler sei es ihm dabei nicht darum gegangen, Interpretationshilfen für seine Werke und deren Rezeption zu schaffen, sondern sich mit den großen Menschheitsfragen auseinanderzusetzen, in deren Rahmen er seine Werke positioniert gesehen habe.<ref name="Schneede4">Uwe M. Schneede: ''Die Geschichte der Kunst im 20. Jahrhundert'', S.&nbsp;242&nbsp;f.</ref> Seine oft diskutierte und häufig falsch interpretierte Aussage ''„Jeder Mensch ein Künstler“'' wird von Beuys noch einmal ausführlich in seiner berühmten Rede am 20. November 1985 in den [[Münchner Kammerspiele]]n thematisiert. Die Rede wurde auf Tonband aufgezeichnet und gibt einen unmittelbaren Eindruck von Beuys als Redner wieder.<ref>[http://www.pinakothek.de/neue-pinakothek/kalender/kalender_index.php?haupt=ausstellungen&inc=ausstellung&action=archiv&which=2100 Pinakothek der Moderne] – ''„Der Tod hält mich wach“'', Ausstellung zum 20. Todestag von Joseph Beuys, 2006</ref> === Rauminstallationen, Vitrinen und Objekte === <div style="background-color:#f9f9f9; border:1px solid #aaa; float:right; margin:6px 0 6px 15px; padding:0.2em 0.4em; width:265px;"> '''Rauminstallationen, Vitrinen und Objekte <br /> <small>Externe Weblinks{{FN|!}}</small>''' * <small>[http://www.nrw-museum.de/output/controller.aspx?cid=101&detail=2&detail2=39 Rostecke, 1963]</small> * <small>[http://www.artnet.de/artwork/3278193/413/joseph-beuys-vitrine-nr-21-warmer-spazierstock-mit-braunem-hut-.html Vitrine Nr 21 (Warmer Spazierstock mit braunem Hut), 1969–75]</small> * <small>[http://www.nationalgalleries.org/collection/online_az/4:322/result/0/68709?initial=B&artistId=2762&artistName=Joseph%20Beuys&submit=1 Sled, 1969]</small> * <small>[http://www.nationalgalleries.org/collection/online_az/4:322/result/0/249?initial=B&artistId=2762&artistName=Joseph%20Beuys&submit=1 Three Pots for the Poorhouse, 1974]</small> * <small>[http://www.museum-kassel.de/index_navi.php?parent=1665 The Pack (das Rudel), 1976]</small> * <small>[http://cs.nga.gov.au/Detail-LRG.cfm?IRN=15071&View=LRG Stripes from the house of the shaman 1964-72, 1980]</small> * <small>[http://www.guggenheimcollection.org/site/artist_work_lg_17_2.html Terremoto, 1981]</small> * <small>[http://www.smb.spk-berlin.de/hbf/vg/s1.html Das Ende des 20. Jahrhunderts, 1982–83]</small> * <small>[http://www.tate.org.uk/servlet/ViewWork?workid=963&tabview=image Ohne Titel (Vitrine), 1983]</small> </div> Die monumentalen Rauminstallationen, die stets für einen bestimmten Zusammenhang von Inhalt und Ort geschaffen waren, verdeutlichten zudem, in welcher Weise Beuys seine Arbeiten als eine ''Einheit'' sah von Formen, Materialien und praktischem wie theoretischem Handeln. Den von ihm so genannte ''Parallelprozess'', mit dem er das Nebeneinander von künstlerischer Arbeit an ''Gegenbildern'' und für ihn grundlegender Begrifflichkeit benannt hatte, hob er zuletzt auf in öffentlichen Projekten, wie zum Beispiel den ''„[[7000 Eichen]]“'' für die Stadt [[Kassel]], die er 1982 zur documenta 7 begann. Die Einschätzung, dass Beuys diese ''Einheit'' auch ''gelebt'' habe, führte zu seiner Kennzeichnung als ''„letzte[r] Visionär in der Kunst des 20. Jahrhunderts“''.<ref name="Schneede5">Uwe M. Schneede: ''Die Geschichte der Kunst im 20.&nbsp;Jahrhundert'', S.&nbsp;245</ref> Etliche Objekte der Beuys’schen Installationen, so auch diverse Objekte und Relikte in einer Gruppe gleichartiger Vitrinen<ref>Karin von Maur, Gudrun Inboden (Bearb.): ''Malerei und Plastik des 20. Jahrhunderts'', Staatsgalerie Stuttgart 1982, S.&nbsp;94</ref>, sind Überbleibsel früherer Aktionen. Er verstand seine Installationskunst als eine Transformation der Idee – als einen Gedanken, der als „Energieträger“ plastisch dargestellt wird und den Betrachter herausfordernd oder provozierend zum Nachdenken anregen sollte. : ''„Meine Objekte müssen als Anregungen zur Umsetzung der Idee des Plastischen verstanden werden. Sie wollen Gedanken darüber provozieren, was Plastik sein kann und wie das Konzept der Plastik sein kann und wie das Konzept der Plastik auf die unsichtbaren Substanzen ausgedehnt und von jedem verwendet werden kann.“''<ref name="tobiaswall">zitiert nach [http://deposit.ddb.de/cgi-bin/dokserv?idn=971858411&dok_var=d1&dok_ext=pdf&filename=971858411.pdf Tobias Wall: ''Das unmögliche Museum''. Dissertation an der Pädagogische Hochschule Ludwigsburg 2003, S.&nbsp;155] (PDF-Datei; 2,6 MB; abgerufen 20. Februar 2008)</ref> Den größten Teil seiner Plastiken und Objekte hatte der Künstler bereits Jahre zuvor in seinen umfangreichen Zeichnungen und Partituren angelegt, um sie später zu realisieren. Ähnliches gilt für sein malerisches Werk, welches allerdings geringeren Umfangs ist. [[Datei:Beuys Briefmarke 2.jpg|thumb|left|Joseph-Beuys-Briefmarke (1993): ''Lagerplatz'' (1962–1966), [[Museum Abteiberg|Städtisches Museum Abteiberg]], Mönchengladbach]] In diesem Werkkomplex veranschaulichte Beuys zudem physikalische Phänomene, wie die der [[Elektrizität]]. Ein Beispiel hierfür ist die Arbeit ''„[[Fond (Environment)|Fond II]]“'', 1961–1967, bestehend aus zwei mit Kupferblech überzogenen Tischen. So ließ er im Jahr 1968 bei einer Ausstellung im [[Van Abbemuseum|Stedelijk van Abbe Museum]] in [[Eindhoven]] mithilfe der dem Werk beigestellten Arbeit ''„Hochspannungs-Hochfrequenz-Generator für FOND II“'' von 1968, bestehend aus einer [[Starterbatterie|Autobatterie]], drei [[Leidener Flasche|Leidener Flaschen]], einer in Filz gehüllten Glasröhre und einem Kupferring, elektrisch erzeugte [[Funke (Entladung)|Funkenentladungen]], nach dem Prinzip des [[Tesla-Transformator|Tesala-Transformators]] zwischen Tisch und Tisch knisternd überspringen.<ref>Magdalena Holzhey: ''Im Labor des Zeichners. Joseph Beuys und die Naturwissenschaft''. Dietrich Reimer Verlag, Berlin 2009, S.&nbsp;115; desw. in: Johannes Stüttgen: ''Der Ganze Riemen. Der Auftritt von Joseph Beuys als Lehrer – die Chronologie der Ereignisse an der Staatlichen Kunstakademie Düsseldorf 1966–1972''. Hrsg. Hessisches Landesmuseum Darmstadt, Verlag der Buchhandlung Walter König, Köln 2008, S.&nbsp;231&nbsp;f.</ref> Diese Arbeit, die zusammen mit einundzwanzig weiteren Arbeiten in einem eigenen Raum unter dem Titel ''„Raumplastik“'', 1968, gleichfalls auf der [[4. documenta]] zu sehen war, befindet sich mit diesen heute im Block Beuys in Darmstadt. Mit der ''„[[Straßenbahnhaltestelle (Rauminstallation)|Straßenbahnhaltestelle]]“'' für die Biennale in Venedig 1976 wird der Beginn einer Werkphase von großen [[Installation (Kunst)|Installationen]] und raumbezogenen Arbeiten angesetzt, in denen der Künstler sowohl eigene Lebenserinnerungen als auch im Folgenden darüber hinaus eigene Werkzusammenhänge herstellte.<ref name="Schneede5">Uwe M. Schneede: ''Die Geschichte der Kunst im 20.&nbsp;Jahrhundert'', S.&nbsp;245</ref> Zur Biennale in Venedig 1980 realisierte Beuys die erste Idee einer Installation mit dem Titel ''„Das Kapital Raum 1970–1977“'', die 1984 in den [[Hallen für neue Kunst]] in [[Schaffhausen]], einer ehemaligen Textilfabrik, als zweistöckige Raum-Skulptur eine dauerhafte Aufstellung fand.<ref>Zur Geschichte von „Das Kapital Raum 1970–1977“: [http://www.raussmueller-collection.ch/index.cfm?ArtikelID=FA2AEFE9-2B3E-7DC8-46E7D7B3A675959F]</ref> In mehreren Werken finden sich [[Quecksilberthermometer]], unter anderem auf Konzertflügeln platziert, um einen Zusammenhang zwischen akustischem [[Tempus]] und der Temperatur zu assoziieren, so in seinem Spätwerk ''„[[Plight]]“'' (deutsch: „Notlage“) von 1985, das er bereits 1958 konzipiert hatte. ''„Plight“'' bestand aus zwei [[Klaustrophobie|klaustrophobisch]] arrangierten Räumen, die von Beuys vollkommen mit Filzrollen ausgekleidet worden waren, (quasi schallgedämmt), und in denen nur ein Konzertflügel aufgestellt war, auf diesem eine Schultafel und ein Fieberthermometer – eine Anspielung auf das „[[Das Wohltemperierte Klavier|wohltemperierte Klavier]]“ von [[Johann Sebastian Bach|Bach]].<ref name="Honour">Hugh Honour, John Fleming: ''Weltgeschichte der Kunst''. Prestel, 1999, S.&nbsp;628</ref> Die Arbeit ''„[[Palazzo Regale]]“'' wurde Beuys’ letzte Rauminstallation, die er 1985 im [[Museo di Capodimonte]] in Neapel aufbaute und in der der Künstler rückblickend auf sein Werk Stellung nahm, indem er seine ''„eigene ästhetische und soziale Tätigkeit“'' als ''„Selbstbestimmung“'' des Menschen thematisierte.<ref name="Schneede5">Uwe M. Schneede: ''Die Geschichte der Kunst im 20.&nbsp;Jahrhundert'', S.&nbsp;245</ref> In der ehemaligen Residenz der [[Bourbon]]en stellte Beuys zwei Messingvitrinen auf, die an den Wänden von sieben rechteckigen Messingtafeln begleitet wurden. Der Titel spielt an auf den ''Palazzo Reale'', den ehemaligen Palast der Vizekönige im Zentrum Neapels. === Multiples === <div style="background-color:#f9f9f9; border:1px solid #aaa; float:right; margin:6px 0 6px 15px; padding:0.2em 0.4em; width:265px;"> '''Multiples <br /> <small>Externe Weblinks{{FN|!}}</small>''' * <small>[http://collections.walkerart.org/item/enlarge_fs.html?type=object&id=7862&image_num=1 Evervess II 1, 1968]</small> * <small>[http://cms.ifa.de/en/exhibitions/exhibitions-abroad/bk/fluxus/ausgewaehlte-werke/joseph-beuys/ Ich kenne kein Weekend, 1972]</small> * <small>[http://www.staeck.de/edition/index.html?d_12999_JOSEPH_BEUYS_Holzpostkarte2054.htm Holzpostkarte, 1974]</small> * <small>[http://www.staeck.de/edition/index.html?d_424_JOSEPH_BEUYS_Das_Warhol_Beuys_Ereignis2025.htm Das Warhol-Beuys-Ereignis, 1979]</small> * <small>[http://www.staeck.de/edition/index.html?d_294_JOSEPH_BEUYS_Flug_nach_Amerika2639.htm Flug nach Amerika, 1974/84]</small> * <small>[http://www.artintern.net/update/english/200810/3221bac76e703f2ee2083761e37a74d2.jpg Capri-Batterie, 1985]</small> * <small>[http://www.staeck.de/edition/index.html?d_12998_JOSEPH_BEUYS_Filzpostkarte2055.htm Filzpostkarte, 1985]</small> </div> Joseph Beuys sah in seinen [[Multiple]]s, seinen als Auflage hergestellte Kunstobjekten, potenzielle Träger und Vehikel zur Verbreitung seiner Ideen. Durch die serielle Ausfertigung des jeweiligen Objekts und dessen Vertrieb beabsichtigte er, einen größeren Kreis von Menschen zu erreichen.<ref name="schellmann">Jörg Schellmann (Hrsg.): ''Joseph Beuys: Die Multiples. Werkverzeichnis der Auflagenobjekte und Druckgraphik''. Edition Schellmann, München/ New York 1997, S.&nbsp;29</ref> Multiples aus selbst gestalteten oder vorgefundenen Objekten entstanden bei Beuys aufgrund sehr unterschiedlicher Arbeitsmethoden als ''„Ergebnis überlegter Formfindung im Atelier, als Relikte von Aktionen, Produkte von Prozessen oder spontan aus einem konkreten Anlaß heraus“''.<ref name="schellmann" /> So gingen bei Beuys vor 1965 Holzschnitte und Radierungen, ab 1965 die Druckgrafik und ab 1980 Wahlplakate für [[Bündnis 90/Die Grünen|Die Grünen]] in die gezielte Produktion seiner Editionen ein. Ferner fanden Fotografien seiner Aktionen in seinen Multiples Verwendung, er übermalte sie oder ordnete die Bilder, oft mit Kreuzen oder anderen Übermalungen versehen, in Kästen an, was teilweise mit den aneinander genähten [[Polaroid]]s und Automatenfotos in Andy Warhols Multiples zu vergleichen ist, wobei Beuys den dokumentarischen Wert betonte, während bei Warhol die Idee der Serie im Vordergrund stand.<ref name="frizot">Michel Frizot: ''Neue Geschichte der Fotografie'', Könemann, 1996, S.&nbsp;728&nbsp;f.</ref> Eines der letzten Multiples von Beuys war die ''„[[Capri-Batterie]]“'' aus dem Jahr 1985. === Erweiterung des Kunstbegriffs zur ''Sozialen Plastik'' === [[Naturwissenschaft]]liche und [[Zoologie|zoologische]] Studien führten bei Joseph Beuys Ende der 1960er Jahre zu erheblichen Bedenken gegen ein, wie er meinte, zu einseitiges Kunst- und Wissenschaftsverständnis und zu der Ansicht, dass der gängige Erfahrungssatz zur [[Erkenntnistheorie|erkenntnistheoretischen]] Begründung, so wie sie die klassische Naturwissenschaft sieht, nicht ausreichte. Nach Beuys war ''„der erweiterte Kunstbegriff […] das Ziel des Weges von der traditionellen (Moderne Kunst) zur anthropologischen Kunst.“''<ref name="beuys">Eva, Wenzel und Jessyka Beuys: ''Joseph Beuys. Block Beuys''. Schirmer/Mosel, München 1990, S.&nbsp;270</ref> Beuys kam zu der Erkenntnis, dass die Begriffe ''Kunst'' und ''Wissenschaft'' in der Gedankenentwicklung des [[Abendland]]es einander diametral gegenüberstehen und dass diese Tatsache Anlass sei, nach einer Auflösung dieser Polarisierung in der Anschauung zu suchen.<ref name="AKT6">Götz Adriani, Winfried Konnertz, Karin Thomas: ''Joseph Beuys'', S.&nbsp;42</ref> Die Auseinandersetzung mit der [[Anthroposophie]] [[Rudolf Steiner]]s führte schließlich zu seinem Konzept eines erweiterten Kunstbegriffs und einer ''„[[Soziale Plastik|Sozialen Plastik]]“'', unter der er eine kreative Mitgestaltung an der Gesellschaft durch die Kunst verstand. Ende 1972 trat Beuys der [[Anthroposophische Gesellschaft|Anthroposophischen Gesellschaft]] als Mitglied bei. Seinen Mitgliedsbeitrag bezahlte er jedoch über lange Zeit nicht, weshalb die Gesellschaft ihn, nicht wie teilweise behauptet, wieder ausschloss<ref name="Ermen37">Reinhard Ermen: ''Joseph Beuys'', S.&nbsp;37</ref>, sondern ''„seine Mitgliedschaft als ‚ruhend‘ betrachtet“''<ref name="die Drei">Volker Harlan: ''Christus als Evolutionsprinzip. Zu einer Bleistiftzeichnung von Joseph Beuys''. In: ''die Drei. Zeitschrift für Anthroposophie in Wissenschaft und sozialem Leben'', 4/2009. mercurial-Publikationsgesellschaft mbH, Stuttgart 2009, S.&nbsp;36</ref> wurde. [[Datei:BeuysAchberg78.jpg|thumb|Joseph Beuys: Vortrag ''„Jeder Mensch ein Künstler – Auf dem Weg zur Freiheitsgestalt des sozialen Organismus“'', [[Achberg]] 1978]] Eine Skulptur war für Beuys mehr als eine dreidimensionale Arbeit, vielmehr sah er sie als ''„[…] eine Kräftekonstellation […], die sich zusammensetzt aus unbestimmten chaotischen, ungerichteten Energien, einem kristallinen Formprinzip und einem vermittelnden Bewegungsprinzip.“'' Dem Pol der Wärme, der chaotischen Energie, ordnete er den Pol der Kälte, das kristalline Formprinzip, zu. Für Beuys waren diese beiden Pole eine Energie, die den jeweiligen Pol in sein Gegenteil zu transformieren in der Lage sei. Wärme und Kälte sind nach Beuys ''„überräumliche plastische Prinzipien.“'' Seine ''„Plastische Theorie“'' entwickelte er während seiner Studien zu den Romantikern [[Novalis]], [[Philipp Otto Runge]], sowie zu Rudolf Steiner und ab 1973 zu Wilhelm Schmundt, nach deren Begegnung beim 1. Jahreskongress [[Dritter Weg]] im Internationalen Kulturzentrum Achberg.<ref name="Schuster">Gerhard Schuster: [http://www.wiege.at/Beuys.htm ''Joseph Beuys und seine Quellen''] Bericht über eine Forschungstagung im Internationalen Kulturzentrum Achberg.</ref> In Anknüpfung suchte Beuys die verlorengegangene Einheit von Natur und Geist wiederherzustellen, indem er dem zweckgerichteten Denken ein ganzheitliches Verstehen entgegensetzte, das archetypische, mythische und magisch-religiöse Zusammenhänge einbezieht. Er übertrug das plastische Prinzip, das bei der Erschaffung einer erkaltenden ''Form'' durch den Eingriff des Bildhauers ''(Bewegung)'', bei welchem das heiße, warme und sich im Zustand des ''Chaos'' befindliche Rohmaterial in das kristalline umgeformt wird, in eine Theorie des kreativen Schaffens. Indem er dieses Gestaltungsprinzip auf das gesellschaftliche Miteinander transformierte, unternahm Beuys den Versuch, die aus seiner Sicht am Materialismus erkrankte westliche Welt zur Neuorientierung zu bewegen; mit Hilfe des von ihm formulierten Denkansatzes sollte eine ''„neue soziale Bewegung“'' entwickelt werden, wie sie unter anderem 1978 im ''Aufruf zur Alternative'' beschrieben wurde.<ref>Joseph Beuys: [http://www.wilfried-heidt.de/beuys-heidt-zusammenarbeit/pdf/Aufruf-zur-Alternative-Heft.pdf ''Aufruf zur Alternative'']. Erstveröffentlichung in: Frankfurter Rundschau, 23. Dezember 1978. (PDF, 345 KB). Abgerufen am 5. Mai 2009.</ref> Dieser neue soziale Organismus war für Beuys ein Kunstwerk, das er die „Soziale Plastik“ (oder zuweilen: die „soziale Skulptur“) nannte.<ref>siehe dazu: [http://www.wilfried-heidt.de/2008/08/02/die-umstuelpung-des-demiurgischen-prinzips/ Wilfried Heidt: ''Vortrag zum „Erweiterten Kunstbegriff“ und zur „sozialen Plastik“ (Die Umstülpung des demiurgischen Prinzips). Sommer 1987'']. In: ''Die unsichtbare Skulptur. Zum erweiterten Kunstbegriff von Joseph Beuys'', hrsg. von der FIU Kassel, Stuttgart, 1989. Abgerufen am 5. Mai 2009.</ref> Alle Menschen, die an diesem neuen Gesellschaftssystem arbeiteten, seien ''„Mitglieder an der lebendigen Substanz dieser Welt.“''<ref name="Zürich">Kunsthaus Zürich: ''Joseph Beuys''. Zürich 1993, S.&nbsp;278</ref> == Rezeption im Kunstbetrieb == === Kunstkritik === In den 1980er Jahren wurde Beuys’ Verarbeitung des Nationalsozialismus ein wichtiges Thema unter den Kunsthistorikern in den USA. Unter anderen widersprachen Benjamin Buchloh, Thomas McEvilley, Frank Gieseke und Albert Markert der insbesondere in Joseph Beuys’ Umkreis vorherrschenden Meinung, dieser habe als einziger Künstler seiner Generation die Nazizeit nicht verdrängt. Buchloh sah Beuys’ Verhalten, insbesondere dessen spätere Stilisierung und Mythisierung seines Flugzeugabsturzes über der Krim im Zweiten Weltkrieg – der Künstler hatte den Gebrauch von Filz in seiner Arbeit auf das Material zurückgeführt, mit dem die Tataren, während ihrer angeblich wochenlangen Pflege des Schwerverletzten, ihm das Leben gerettet hätten –, als ein Indiz dafür, dass der Künstler sich den Verdrängungsprozessen der Nachkriegszeit angeschlossen und sich mit deren ''„neurotischen Konditionen arrangiert“'' habe.<ref name="fritz1">Zum amerikanischen Kunsthistorikerstreit vergl.: Nicole Fritz: ''Bewohnte Mythen. Joseph Beuys und der Aberglaube''. Verlag für Moderne Kunst Nürnberg, Nürnberg 2007, ISBN 3-939738-07-7, S.&nbsp;23&nbsp;f.; (Vorher als Dissertation veröffentlicht: Universität Tübingen, 2002, {{URN|nbn|de:bsz:21-opus-12530}}.)</ref> Der amerikanische Kunstkritiker Donald Kuspit vertrat hingegen den Standpunkt, dass Beuys vielmehr seine Erfahrungen in seinem Werk nicht nur verarbeitet, sondern auch ins Positive gewendet habe; er deutete deshalb die von Beuys selbst initiierte Mythisierung seines Lebenslaufs nicht als Verfälschung, sondern als eine bewusste Umdeutung mit dem Ziel, sich der eigenen Erinnerung zu vergewissern. Kuspit befand, dass der Künstler in seiner Form der Verarbeitung dem Publikum, gleichsam stellvertretend für die Deutschen, eine kreative Haltung für den Umgang mit der eigenen Geschichte vorführte.<ref name="fritz1" /> Den kommerziellen Erfolg der 1970er und 1980er Jahre nahm der Kunstkritiker [[Hans Platschek]] zum Anlass, die Ernsthaftigkeit des politischen Anspruchs der Beuys’schen ''„[[Soziale Plastik|Sozialen Plastik]]“'' in Frage zu stellen. Platschek hielt Beuys in seinem Buch ''„Über die Dummheit in der Malerei“'' vor, ''„soziale Verhältnisse nur für seine Zwecke zu instrumentalisieren und tatsächlich den kapitalistischen Kunstmarkt besonders gut mit einem metaphysisch aufgeladenen Angebot zu bedienen.“'' Beuys spreche, so Platschek, mit Erfolg vornehmlich ein saturiertes bürgerliches Publikum an. ''„Er liefert, Metaphysiker im Supermarkt, das Überirdische frei Haus.“'' Mit seinem ''„Ansinnen, politische Zustände als Magie, die Warenwelt als Stilleben und soziale Verhältnisse als Bastelmaterial zu nehmen“'', habe Beuys, ein Bedürfnis nach vermeintlicher Tiefsinnigkeit bedienend, ''„im Westen auf den Märkten Furore gemacht.“''<ref name="platschek">J. Hans Platschek: ''Über die Dummheit in der Malerei''. Suhrkamp, Frankfurt 1984, S.&nbsp;83&nbsp;ff.</ref> Beuys’ Ansatz, die Probleme einer modernen Gesellschaft aus der Sicht des Künstlers zu bewerten und zu beheben, veranlasste in Folge diverse Gruppierungen und Vereinigungen, von zum Beispiel anthroposophisch ausgerichtete „Ganzheitslehren“ und Bestrebungen von „Naturmedizinen“ bis zu „Selbsthilfe“-Initiativen, Elemente des Beuys’schen Gedankengebäudes für ihre Ziele heranzuziehen; der aus seinem Zusammenhang gelöste Satz ''„Jeder Mensch ist ein Künstler“'' diente als Beweis für eine vermeintliche Beliebigkeit in der zeitgenössischen Kunst und beflügelte bis in die 1990er Jahre Malzirkel und Pädagogen. ''„Jeder Mensch ist ein Künstler. Damit sage ich nichts über die Qualität. Ich sage nur etwas über die prinzipielle Möglichkeit, die in jedem Menschen vorliegt […] Das Schöpferische erkläre ich als das Künstlerische, und das ist mein Kunstbegriff.“''<ref>{{internetquelle|autor=Julia Brodauf|hrsg=Kunstmarkt Media|url=http://www.kunstmarkt.com/pages/kue/kuenstler_portraitbericht.html?id=34000|titel=Jeder Mensch ist ein Künstler|zugriff=17. April 2010}}</ref> === Kunstmarkt === In den Jahren der Beuys’schen Lehrtätigkeit an der Düsseldorfer Kunstakademie (1966–1969) wuchs parallel seine Bedeutung auf dem Kunstmarkt. Auslöser hierfür war der international beachtete Ankauf des kompletten Mönchengladbacher Beuysbestandes durch [[Karl Ströher]]. Dieser hatte parallel eine wertvolle Sammlung von [[Expressionismus|Expressionisten]] und informeller Nachkriegsmalerei verkauft, um mit dem Erlös den Beuysbestand und den Ankauf einer renommierten [[Pop-Art]]-Sammlung zu finanzieren. Mit diesem Coup hatten die Medien ein geeignetes Thema gefunden; neben dem amerikanischen Superstar [[Andy Warhol]] konnte sich als europäischer Gegenpart Joseph Beuys etablieren. Die Preise auf den Kunstmessen stiegen schließlich 1969 rasant an. In der Folge belegte Beuys 1973 im [[Kunstkompass]], einer Weltrangliste der 100 bedeutendsten Gegenwartskünstler, den vierten Platz vor [[Yves Klein]] und von 1974 bis 1976 den fünften Platz, 1971 und 1978 den zweiten und 1979 sowie 1980 den ersten Platz, jeweils vor [[Robert Rauschenberg]] und Andy Warhol.<ref>{{internetquelle|autor=Linde Rohr-Bongard|hrsg=[[Capital]]|url=http://www.capital.de/guide/kunstkompass/100001645.html?nv=smart|titel=Maßstab für Ruhm und Rang auf dem internationalen Markt|werk=Kunstkompass|datum=12. Juni 2002|zugriff=29. August 2008}}</ref> Die Preise, die Beuys’ Werke auf dem Markt erzielten, stießen zuweilen angesichts der in der Kunst ungewohnten Materialien auf Unverständnis; so wurde zum Beispiel der Ankauf des Environments ''„[[zeige deine Wunde]]“'', bestehend aus alten Leichenbahren und Fett, durch das [[Städtische Galerie im Lenbachhaus|Lenbachhaus]] in München 1980 für 270.000&nbsp;Mark als Erwerb des ''„teuersten Sperrmülls aller Zeiten“'' kommentiert.<ref>{{internetquelle|autor=Linde Rohr-Bongard|hrsg=[[Capital]]|url=http://www.capital.de/guide/kunstkompass/100001642.html?eid=100003842|titel=Die Unsterblichen|werk=Kunstkompass|datum=28. Oktober 2004|zugriff=29. August 2008}}</ref> In diesem Kontext ebenso kritisch diskutiert wurde der als „Verschwendung von Steuergeldern“ medienwirksam aufbereitete Eklat um die ''„[[Fettecke]]“'', die Joseph Beuys 1982 in der Düsseldorfer Kunstakademie installiert hatte und die postum 1986 von einer Reinigungskraft entfernt wurde. Im Verlauf kam es zu einem Prozess, der in zweiter Instanz mit einem Vergleich endete, bei dem sich das Land Nordrhein-Westfalen dem Kläger und Beuys-Meisterschüler [[Johannes Stüttgen]] gegenüber verpflichtete, 40.000&nbsp;DM Schadensersatz zu zahlen.<ref>{{internetquelle|autor=Klaus Sakowski|hrsg=Rechtsanwälte Sakowski|url=http://www.sakowski.de/eigentumsuebertragung.3.html|titel=Beuys’ zerstörte Fettecke (LG / OLG Düsseldorf)|zugriff=29. August 2008}}</ref> Ebenfalls erlangte das 1960 entstandene Kunstobjekt ''„unbetitelt (Badewanne)“'' Bekanntheit, das als [[Joseph Beuys’ Badewanne]] zu einer Anekdote der neueren Kunstgeschichte medienwirksam aufbereitet wurde, nachdem das [[Objet trouvé]], eine mit [[Klebeband#Heftpflaster|Heftpflaster]] und [[Mullbinde]]n versehene [[Badewanne]], bei einer Festivität 1973 gereinigt und anderweitig verwendet wurde. Auch in diesem Fall wurde dem Besitzer, dem Kunstsammler [[Sammlung Lothar Schirmer|Lothar Schirmer]], ein Schadensersatz zugesprochen.<ref>{{internetquelle|autor=|hrsg=Hyper-Lexikon|url=http://www.hyperkommunikation.ch/personen/beuys.htm|titel=Joseph Beuys|zugriff=14. Mai 2008}}</ref> === Kunsttheorie === Die Rezeption des Beuys’schen Werks basiert heute durchweg auf Interpretationen, zeitgenössischen Zitaten und Schriftstücken von und über Joseph Beuys sowie auf Bild- und Filmmaterialien, die seine Aktionen dokumentieren. Die jüngere [[Kunstgeschichte|Kunstgeschichtsschreibung]] hat bislang im Wesentlichen zwei Ansätze vorgelegt: die Einteilung des Gesamtwerks nach seinen inhaltlichen und formalen Schwerpunkten<ref name="Schneede1">Uwe M. Schneede: ''Die Geschichte der Kunst im 20. Jahrhundert''. C. H. Beck, München, 2001, S.&nbsp;236–245</ref> und die Sichtung der Arbeiten eines Weltbildentwurfs im Zusammenhang der klassischen Moderne.<ref>Werner Hofmann: ''Die Moderne im Rückspiegel. Hauptwege der Kunstgeschichte''. C. H. Beck, München 1998, S.&nbsp;251–367 ''(„Das 20. Jahrhundert. Triumph der Mehransichtigkeit“)''</ref> Die Einteilung des Werks führt neben dem frühen Zyklus eines ''Lebenslauf-Werklaufs'', den Zeichnungen, Aktionen und Rauminstallationen auch die öffentlichen ''Reden'' als Teil des künstlerischen Werks. Im Unterschied zu den Äußerungen anderer Künstler sei es ihm dabei nicht darum gegangen, Interpretationshilfen für seine Werke und deren Rezeption zu schaffen, sondern sich mit den großen Menschheitsfragen auseinanderzusetzen, in deren Rahmen er seine Werke positioniert gesehen habe.<ref name="Schneede4">Uwe M. Schneede: ''Die Geschichte der Kunst im 20.&nbsp;Jahrhundert'', S.&nbsp;242&nbsp;f.</ref> Für Beuys’ Werk und für sein Denken wird ein ''„Geflecht von [[Ganzheit (Philosophie)|Ganzheitsvorstellungen]]“'' konstatiert, deren ''„[[Klassifikation|unsystematische]] Offenheit“'' dem herkömmlichen Ganzheitsbegriff aus ''„Stimmigkeit und [[Kohärenztheorie|Kohärenz]]“'' entgegenstehe; der Entwurf einer Einheit aus Werk und Leben werde von einem konventionellen Kunstbegriff nicht mehr gedeckt.<ref>Werner Hofmann: ''Die Moderne im Rückspiegel. Hauptwege der Kunstgeschichte'', S.&nbsp;368</ref> Die Möglichkeiten, den Kunstbegriff insbesondere in der ''sozialen Skulptur'' auf alle Lebensbereiche auszuweiten, führte unter anderem zu einer nachfolgenden Adaption in der [[Anthroposophie]], zumal sich Beuys selbst wiederholt auf seine Lektüre [[Rudolf Steiner]]s berufen hatte. Dieser Ansatz wird in einigen Biographien über den Künstler deutlich.<ref>Vgl. zum Beispiel: Heiner Stachelhaus: ''Joseph Beuys'' und Götz Adriani, Winfried Konnertz, Karin Thomas: ''Joseph Beuys''</ref> == Politische Aktivitäten == Für Joseph Beuys war [[Gestaltung|gestalterisches]] und [[Politik|politisches]] Handeln mit seiner Vorstellung vom freien Menschen und dem Menschen als Natur- und Gesellschaftswesen verbunden. Seine gesellschaftspolitischen Aktivitäten zielten seit 1971 auf die Bildungspolitik, mit dem Ziel eine Alternative zu den staatlichen Ausbildungssituationen zu schaffen.<ref name="Verspohl">Franz-Joachim Verspohl in: ''Saur, Allgemeines Künstlerlexikon. Die Bildenden Künstler aller Zeiten und Völker'', Bnd. 10. K.G. Saur, München/ Leipzig 1995, S.&nbsp;297</ref> Er war gegen einen Privat- und [[Staatskapitalismus]], vielmehr für einen freien und demokratischen [[Sozialismus]]. Er setzte sich zugleich gegen den sozialistischen Klassenbegriff ab: ''„Ich kann mit dem Klassenbegriff nicht arbeiten, […] es geht um den Menschenbegriff.“''<ref name="Ermen80">Reinhard Ermen: ''Joseph Beuys'', S.&nbsp;80</ref> Seine Kunst war für ihn Befreiungspolitik.<ref name="HRS">Volker Harlan, Rainer Rappmann, Peter Schata: ''Soziale Plastik. Materialien zu Joseph Beuys'', S.&nbsp;107 zitiert ''Kann Plastik die Welt verändern?'' Wilfried Wiegand in FAZ, Frankfurt 2. Februar 1971</ref> Die Wirkung des politischen Engagements von Beuys blieb umstritten. [[Rudi Dutschke]] notierte in seinem Tagebuch: ''„Joseph war glänzend in der Kunst und unwissend in der Ökonomie.“''<ref name="Ermen121">Reinhard Ermen: ''Joseph Beuys'', S.&nbsp;121</ref> === Deutsche Studentenpartei (DSP) === Am 22. Juni 1967, wenige Tage nach dem Tod des Studenten [[Benno Ohnesorg]], gründete Beuys als Reaktion auf die schwelenden [[Studentenbewegung|Studentenunruhen]] die [[Deutsche Studentenpartei]] (DSP). Hierzu organisierte er auf der Akademiewiese vor der [[Kunstakademie Düsseldorf]] eine „öffentliche Erläuterung“ der DSP mit etwa 200 Studenten, Journalisten und den [[Allgemeiner Studierendenausschuss|AStA]]-Vorsitzenden. Am 24. Juni 1967 trug sich dann die „Deutsche Studentenpartei“ in das Vereinsregister ein – mit Joseph Beuys (1. Vorsitzender), Johannes Stüttgen (2. Vorsitzender) und [[Bazon Brock]] (3. Vorsitzender). In dem Gründungsprotokoll von Johannes Stüttgen, verfasst am 15. November 1967, hieß es: ''„Die Notwendigkeit der neuen Partei, deren wesentliches Anliegen die Erziehung aller Menschen zur geistigen Mündigkeit ist, wurde vor allem angesichts der akuten Bedrohung durch die am [[Materialismus]] orientierte, ideenlosen Politik und der damit verbundenen Stagnation ausdrücklich herausgestellt.“'' Ferner hatte sich die Studentenpartei zum [[Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland|Grundgesetz]] in seiner ''„reinen Form“'' bekannt. Weitere Ziele waren, ''„absolute Waffenlosigkeit, ein geeinigtes [[Europa]], die Selbstverwaltung autonomer Glieder wie Recht, Kultur, Wirtschaft, Erarbeitung neuer Gesichtspunkte zur Erziehung, Lehre, Forschung, die Auflösung der Abhängigkeit von Ost und West.“''<ref name="AKT7">Götz Adriani, Winfried Konnertz, Karin Thomas: ''Joseph Beuys'', S.&nbsp;88&nbsp;f.</ref> Um die Beschränkung auf Studenten aufzulösen, benannte Beuys im März 1970 die „Deutsche Studentenpartei“ um in „Organisation der Nichtwähler, Freie Volksabstimmung“. Die Ziele waren: ''„Ausweitung der politischen Aktivitäten auf alle Gesellschaftsgruppen mit dem Ziel, die Bewusstseins- und Handlungsstrukturen der Gesellschaft zu analysieren und durch die gewonnenen Kenntnisse die Menschen analog der ‚plastischen Theorie‘ in einem pädagogischen Prozess für zentrale individuelle und gesellschaftliche Veränderungsmöglichkeiten zu gewinnen.“''<ref name="AKT8">Götz Adriani, Winfried Konnertz, Karin Thomas: ''Joseph Beuys'', S.&nbsp;108</ref> Am 19. Juni 1971 kam es zur Gründung der „Organisation für direkte Demokratie durch Volksabstimmung“, in der die „Organisation der Nichtwähler“ aufging.<ref>Susanne Anna (Hrsg.): ''Joseph Beuys, Düsseldorf''. Hatje Cantz, Stadtmuseum Düsseldorf, 29. September bis 30. Dezember 2007, Ostfildern 2008, S.&nbsp;96&nbsp;f.</ref> === Organisation für Direkte Demokratie durch Volksabstimmung === Zur [[documenta 5]] 1972 war Joseph Beuys mit seinem Informationsbüro der [[Organisation für direkte Demokratie durch Volksabstimmung]] für die Dauer der [[documenta]] täglich, also für 100&nbsp;Tage, vertreten. Er diskutierte mit den Besuchern über die Idee der direkten Demokratie durch Volksabstimmung und ihre Möglichkeiten der Verwirklichung. Auf dem Schreibtisch des Informationsbüros stand stets eine langstielige rote Rose. Anhand der Rose erklärte Beuys den Besuchern das Verhältnis von [[Evolution]] und [[Revolution]], was für ihn bedeutete, dass die Rose ein Bild eines evolutionären Prozesses zum revolutionären Ziel sei: ''„Diese Blüte kommt nicht ruckartig zustande, sondern nur aufgrund eines organischen Wachstumsvorganges, der so angelegt ist, dass die Blüten keimhaft veranlagt sind in den grünen Blättern und aus diesen ausgebildet werden […] So ist die Blüte in Bezug auf die Blätter und den Stil eine Revolution, obwohl sie in der organischen Umwandlung gewachsen ist, die Rose wird als Blüte nur möglich durch diese organische Evolution.“''<ref name="AKT9">Götz Adriani, Winfried Konnertz, Karin Thomas: ''Joseph Beuys'', S.&nbsp;128</ref> In den Programmschriften zur „Organisation für direkte Demokratie durch Volksabstimmung“ stellte der Künstler sein demokratisches Ordnungssystem von Geistesleben, Rechtsleben und Wirtschaftsleben in Anlehnung an die [[Soziale Dreigliederung|Dreigliederungsidee]] von [[Rudolf Steiner]] und die Ideale der [[Französische Revolution|Französischen Revolution]] auf. Am 8. Oktober 1972, dem letzten Tag der documenta 5, führte Beuys unter der Schiedsrichterleitung seines Schülers [[Anatol Herzfeld]] den legendären ''„Boxkampf für direkte Demokratie durch Volksabstimmung“'' gegen [[Abraham David Christian|Abraham David Christian-Moebuss]] durch, nachdem dieser seinen Lehrer herausgefordert hatte. Der Boxkampf fand im Raum von [[Ben Vautier]] im [[Fridericianum (Kassel)|Fridericianum]] statt. Beuys gewann den [[Boxen|Boxkampf]] in drei Runden mit einem Punktsieg.<ref>Veit Loers, Pia Witzmann (Hrsg.): ''Joseph Beuys. documenta Arbeit''. Edition Cantz, Stuttgart 1993, S.&nbsp;137</ref> === Free International University (FIU) === [[Datei:Documenta 7 Free International University 1982.jpg|thumb|Das Titelblatt des Veranstaltungsprogramms der „Free International University“ von Beuys zur documenta 7]] Die [[Free International University]] (FIU) oder „Freie Internationale Hochschule für Kreativität und interdisziplinäre Forschung“, wie sie auch genannt wurde, war ein von Joseph Beuys, gemeinsam mit [[Klaus Staeck]], [[Georg Meistermann]] und Willi Bongard, am 27. April 1973 gegründeter, gemeinnützig anerkannter Trägerverein und sollte als ein „organisatorischer Ort des Forschens, Arbeitens und Kommunizierens die Fragen einer sozialen Zukunft durchdenken.“<ref>Joseph Beuys: [http://www.dreigliederung.de/archiv/1978-12-001.html ''Aufruf zur Alternative'']. Institut für soziale Dreigliederung, Erstveröffentlichung in [[Frankfurter Rundschau]], 23. Dezember 1978. Abgerufen am 29. August 2008.</ref> Das Fundament dafür bildete ein pädagogischer Entwurf, dessen erste Voraussetzung die grundlegende Erneuerung des Bildungswesens vorsah. Für ein erweitertes Erziehungsprogramm sei die Erneuerung des gesamten Bildungswesens notwendig und damit die Veränderung der Organisationsstruktur, sowie der Methoden und Inhalte des Unterrichts und die vollständige Unabhängigkeit der Schulen und Hochschulen von der Bevormundung durch den Staat.<ref name="FIU2">[http://fiu-verlag.com/fiu-alt/fiubroschuere.htm FIU-Broschüre] und [http://www.humanistische-aktion.homepage.t-online.de/soskulp.htm Soziale Skulptur München: Idee FIU – Freie Internationale Universität]. Abgerufen am 29. Februar 2008</ref> Beuys wollte kein politisches Programm ausbilden, sondern neue konkurrierende Bildungseinrichtungen schaffen, um die alten Einrichtungen nach und nach zu überwinden. Seiner Meinung nach sollte der gesamte Schulbereich in seinen Belangen autonom werden.<ref>Volker Harlan, Rainer Rappmann, Peter Schata: ''Soziale Plastik. Materialien zu Joseph Beuys'', S.&nbsp;106</ref> Joseph Beuys arbeitete bereits im Zuge der Entwicklung seiner Lehrtätigkeit seit den frühen 70er an dem Gedanken zur Gestaltung und Gründung einer freien „Hochschule für Kreativität und interdisziplinäre Forschung“. Die FIU bestand als eingetragener Verein bis 1988. === Die Grünen === ''„Das System ist kriminell, der Staat zum Feind des Menschen geworden!''“<ref>{{internetquelle|autor=Dirk Bitzer|hrsg=geschichte.nrw.de|url=http://www.geschichte.nrw.de/artikel.php?artikel%5Bid%5D=905&lkz=de&WYSESSID=34llmhsvh0pm3pghcln0jclm15|titel=Chronik 1976 – Kunst = Politik|zugriff=29. August 2008}}</ref> konstatierte Beuys 1976 und zog für sich die Konsequenz, selbst in die Politik zu gehen. Bei den [[Bundestagswahl]]en 1976 in [[Nordrhein-Westfalen]] wurde er parteiloser Spitzenkandidat der [[Aktionsgemeinschaft Unabhängiger Deutscher]] (AUD), die sich als „Deutschlands erste Umweltschutzpartei“ verstand, und erhielt in seinem Wahlkreis [[Düsseldorf-Oberkassel]] 598 Stimmen (3 %). Dieses Engagement brachte ihm erhebliche Kritik ein, da sich in der AUD ökologische Strömungen mit nationalkonservativen und stark rechten Tendenzen mischten.<ref name="Ermen120">Reinhard Ermen: ''Joseph Beuys'', S.&nbsp;120</ref> Seit dem Frühjahr 1977 wurden in der Bundesrepublik grüne Listen gegründet. Im Jahr 1979 kandidierte Joseph Beuys für das [[Europäisches Parlament|Europaparlament]] als [[Direktmandat|Direktkandidat]] für „Die Grünen“ und gewann [[Rudi Dutschke]] für gemeinsame Wahlkampfauftritte. Die AUD löste sich zugunsten der „Grünen“ (heute: [[Bündnis 90/Die Grünen]]) auf. Am 11. bis 12. Januar 1980 nahm Beuys am Gründungsparteitag der „Grünen“ in [[Karlsruhe]] und am 16. Februar 1980 an deren Landesmitgliederversammlung in [[Wesel]] teil. Für den Landtagswahlkampf in Nordrhein-Westfalen eröffneten die „Grünen“ am 16. März ein Informationsbüro in Düsseldorf; Beuys gestaltete Plakate und führte eine [[Kampagne]] für die Partei durch. Seine eigenen politischen Vorstellungen konnte er bei den „Grünen“ jedoch nicht durchsetzen. [[Datei:Beuyskelly82Kempten.jpg|thumb|Joseph Beuys mit Petra Kelly, 1982]] 1980, vom 22. bis 23. März, nahm Beuys an ihrem [[Parteitag|Bundesparteitag]] in [[Saarbrücken]] teil. Vor einer Podiumsdiskussion zum Thema „Abbau demokratischer Rechte“ stellten sich [[Petra Kelly]] und Joseph Beuys am 9. Mai 1980 beim Wahlkampfhöhepunkt der „Grünen“ in [[Münster (Westfalen)|Münster]] den Fragen der Presse. 1982, während der Endphase des internationalen [[Wettrüsten]]s, trat Beuys bei Veranstaltungen der westdeutschen [[Friedensbewegung]] mit der Band von [[Wolf Maahn]] als Politsänger auf mit dem Lied ''„Sonne statt Reagan“''.<ref>{{internetquelle|autor=|hrsg=|url=http://www.youtube.com/watch?v=DQ1_ALxGbGk|format=Flash Video|titel= Sonne statt Reagan Video|datum=1982|zugriff=7. Mai 2009}}</ref> Im November 1982 erklärte Beuys auf dem Bundesparteitag in [[Hagen]] seine Bereitschaft, wieder in Nordrhein-Westfalen auf der [[Landesliste]] für den [[Deutscher Bundestag|Deutschen Bundestag]] zu kandidieren, und wurde daraufhin am 21. Januar 1983 als Bundestagskandidat der Partei im Wahlkreis Düsseldorf-Nord aufgestellt. Als er von der Landesdelegiertenkonferenz nicht auf einem der vorderen Plätze gelistet wurde, zog er am folgenden Tag seine Kandidatur zurück. Beuys beendete damit zwar die direkte Mitarbeit bei den Grünen, blieb jedoch bis zu seinem Tod Mitglied der Partei. == Auszeichnungen und Ehrungen == * 1952: 4. Kunstpreis der Stadt Düsseldorf (Kategorie angewandte Kunst); Ausstellung ''Eisen und Stahl'', „Eisenhüttenwerke“, Düsseldorf * 1974: Gastprofessur an der [[Hochschule für bildende Künste Hamburg|Hochschule für bildende Künste]] in Hamburg * 1976: Doctor of Fine Arts [[Ehrendoktor|honoris causa]], [[Nova Scotia College of Art and Design]], [[Halifax (Nova Scotia)|Halifax]] * 1976: [[Lichtwark-Preis]] der Stadt Hamburg * 1977: [[Jan Thorn Prikker (Künstler)|Thorn-Prikker]]-Ehrenplakette der Stadt Krefeld * 1978: Mitglied der [[Akademie der Künste (Berlin)|Akademie der Künste]] in Berlin, Abteilung Bildende Kunst * 1979: [[Goslarer Kaiserring|Kaiserring der Stadt Goslar]] * 1980: Gastprofessur an der [[Staatliche Hochschule für Bildende Künste – Städelschule|Städelschule]] in Frankfurt am Main * 1980: Ausländisches Ehrenmitglied der [[Kungliga Konsthögskolan Stockholm]], Stockholm * 1984: Ehrenbürger der Stadt [[Bolognano]] * 1986: [[Wilhelm Lehmbruck|Wilhelm-Lehmbruck]]-Preis der Stadt Duisburg ''Postum'' * [[Joseph-Beuys-Gesamtschule]], Düsseldorf * Joseph-Beuys-Schule, Neuss * Joseph-Beuys-Allee, Bonn * Joseph-Beuys-Allee, Kleve * Joseph-Beuys-Ufer, Düsseldorf == Ausstellungen und Retrospektiven == * [[Liste der Ausstellungen von Joseph Beuys]] ''(1940–1986)'' * 1979/80: [[Solomon R. Guggenheim Museum]], New York, USA, 2. November bis 2. Januar (Retrospektive) * 1988: [[Martin-Gropius-Bau]], Berlin, Deutschland, 20. Februar bis 1. Mai (Retrospektive) * 1993/94: [[Kunsthaus Zürich]], Zürich, Schweiz, 26. November bis 20. Februar (Retrospektive) * 1994: [[Museo Reina Sofía]], Madrid, Spanien, 15. März bis 6. Juni (Retrospektive) * 1994: [[Centre Georges Pompidou]], Paris, Frankreich, 30. Juni bis 3. Oktober (Retrospektive) * 2005: [[Tate Gallery of Modern Art|Tate Modern]], London, Großbritannien, 4. Februar bis 2. Mai (Retrospektive) * 2008/09: [[Hamburger Bahnhof (Berlin)#Museum für Gegenwart|Museum für Gegenwart]], Berlin, Deutschland, 3. Oktober bis 25. Januar (Retrospektive) * 2009: ''60&nbsp;Jahre. 60&nbsp;Werke. Kunst in der Bundesrepublik Deutschland'', Martin-Gropius-Bau, Berlin, 1. Mai bis 14. Juni; Joseph Beuys ist für das Jahr 1976 mit dem Werk ''Infiltration homogen für Konzertflügel'', 1966, vertreten.<ref>{{internetquelle|autor=Presse- und Informationsamt|hrsg=Bundesregierung Online, 30. April 2009|url=http://www.bundesregierung.de/nn_1264/Content/DE/Artikel/2009/04/2009-04-30-60jahre-60werke.html|titel=60 Jahre Bundesrepublik im Spiegel der Kunst|zugriff=5. Mai 2009}}</ref> * 2009: ''8 Days – Beuys in Japan'', Art Tower Mito ATM, Mito, Japan, 31. Oktober 2009 bis 24. Januar 2010 == Sammlungen == In seiner Geburtsstadt [[Krefeld]] ist Beuys im [[Kaiser-Wilhelm-Museum]] mit einem von ihm selbst eingerichteten Ensemble von Werken ständig präsent. Im heutigen [[Museum Kurhaus (Kleve)|Museum Kurhaus Kleve]], dessen Räumlichkeiten Beuys von 1957 bis 1964 als Atelier genutzt hatte, finden sich etliche seiner Werke. Ein umfangreicher Werkkomplex des Künstlers ist im [[Block Beuys]] im [[Hessisches Landesmuseum Darmstadt|Hessischen Landesmuseum]] in Darmstadt zu sehen. Bei [[Bedburg-Hau]] im [[Kreis Kleve]] sind gegenwärtig innerhalb der [[Hans van der Grinten|Stiftung Museum Schloss Moyland]] im [[Schloss Moyland]] große Bestände an Werken und Archivalien von und zu Joseph Beuys untergebracht. Mehrere Grafiken von Beuys sind in der [[Staatliche Graphische Sammlung München|Staatlichen Graphischen Sammlung München]] ausgestellt. Weitere Werke befinden sich im [[Hamburger Bahnhof (Berlin)|Hamburger Bahnhof]] in Berlin (hier ist auch das [[Joseph Beuys Medien-Archiv]] beheimatet), im [[Kunstmuseum Basel]], im [[Lehmbruck-Museum|Wilhelm Lehmbruck Museum]], Duisburg, im [[Kunstmuseum Bonn]], in der [[Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen]] in Düsseldorf, im [[Museum Ludwig]] in Köln, im [[Städel]] in Frankfurt und in der [[Neue Galerie (Kassel)|Neuen Galerie]] in Kassel; überdies sind Beuys’ Werke im [[Centre Georges Pompidou]] in Paris, im [[Museum of Modern Art|MoMA]], New York, in [[Chicago]], [[Minneapolis]] und [[Tokio]] sowie weltweit in weiteren Museen und in vielen Galerien präsent. == Werkverzeichnis == * [[Liste der Kunstaktionen von Joseph Beuys]] ''(Auswahl)'' * [[Liste der Environments und Installationen von Joseph Beuys]] ''(Auswahl)'' * [[Liste der Skulpturen und Objekte von Joseph Beuys]] ''(Auswahl)'' * [[Liste der Multiples von Joseph Beuys]] ''(Auswahl)'' == Literatur == ''Schriften von Beuys'' * ''Aufruf zur Alternative'' in: Frankfurter Rundschau, 23. Dezember 1978 * ''Ein kurzes erstes Bild von dem konkreten Wirkungsfelde der Sozialen Kunst''. ([[FIU-Verlag]]), ISBN 3-928780-15-8 * ''Gespräch zwischen Joseph Beuys und Hagen Lieberknecht, Geschrieben von Joseph Beuys''. In: ''Joseph Beuys, Zeichnungen 1947–59 I''. Schirmer Verlag, Köln 1972; Einmalige Auflage von 2.000 Exemplaren, kein ISBN * ''Energy Plan for the Western Man. Joseph Beuys in America'', Compiled by Carin Kuoni. Four Walls Eight Windows, New York 1990, ISBN 0-941423-44-1 ''Reden von Beuys'' * ''Sprechen über dieses Land''. In: ''Reden über das eigene Land 3''. C. Bertelsmann, München 1985, ISBN 3-570-06226-0 * ''Sprechen über Deutschland. Rede vom 20. November 1985 in den Münchener Kammerspielen''. FIU-Verlag, Wangen 1985, ISBN 3-928780-14-X * ''Mein Dank an Lehmbruck. Eine Rede''. Schirmer/Mosel, München 2006, ISBN 3-8296-0225-1 ''Ausstellungskataloge'' * Susanne Anna (Hrsg.): ''Joseph Beuys, Düsseldorf''. Hatje Cantz, Stadtmuseum Düsseldorf, 29. September bis 30. Dezember 2007, Ostfildern 2008, ISBN 978-3-7757-1992-6 * Eugen Blume/ Cathrine Nichols (Hrsg.): ''Beuys. Die Revolution sind wir'', Hamburger Bahnhof – Museum für Gegenwart, Berlin, 3. Oktober 2008 bis 25. Januar 2009. Steidl, Göttingen 2008, ISBN 978-3-88609-649-7 * Klaus Schrenk (Vorw.): ''Joseph Beuys. Zeichnungen'', Staatliche Kunsthalle Karlsruhe, 21. Oktober 2006 bis 7. Januar 2007, ISBN 3-925212-68-X * [[Armin Zweite]]: ''Beuys zu Ehren'', Lenbachhaus München, 16. Juli bis 2. November 1986, ISBN 3-88645-075-9 ''Darstellungen'' * Monika Angerbauer-Rau: ''Beuys-Kompass. Ein Lexikon zu den Gesprächen von Joseph Beuys''. DuMont Buchverlag, Köln 1998, ISBN 3-7701-4378-7 * [[Götz Adriani]], Winfried Konnertz und Karin Thomas: ''Joseph Beuys''. DuMont; Neuauflage, Köln 1994, ISBN 3-7701-3321-8 * Eva Beuys (Hrsg.): ''Joseph Beuys. Das Geheimnis der Knospe zarter Hülle, Texte 1941–1986''. Schirmer/Mosel, München 2000, ISBN 3-88814-869-3 * Eva Beuys, Wenzel Beuys: ''Joseph Beuys. Eurasienstab, 1967''. Steidl-Verlag, Göttingen 2005 (Nr. V der Schriftenreihe des Joseph Beuys Medien-Archivs); (Heft mit DVD), ISBN 3-86521-194-1 * Joseph Beuys: ''KUNST = KAPITAL. Achberger Vorträge''. FIU-Verlag, Wangen, ISBN 3-928780-03-4 * Clara Bodenmann-Ritter: ''Joseph Beuys. Jeder Mensch ein Künstler. Gespräche auf der documenta 5/1972''. Ullstein TB; Neuauflage 1991, ISBN 3-548-34450-X * Lynne Cooke, Karen Kelly (Hrsg.): ''Joseph Beuys. Arena – wo wäre ich hingekommen, wenn ich intelligent gewesen wäre!'' Dia Center for the Arts, Cantz Verlag, Stuttgart 1994, ISBN 3-89322-620-6 * Reinhard Ermen: ''Joseph Beuys''. Rowohlt, Reinbek bei Hamburg 2007, ISBN 3-499-50623-8 * Rolf Famulla: ''Joseph Beuys: Künstler, Krieger und Schamane – Die Bedeutung von Trauma und Mythos in seinem Werk''. Psychosozial-Verlag 2008, ISBN 978-3-89806-750-8 * Silvia Gauss: ''Joseph Beuys. Gesamtkunstwerk Freie und Hansestadt Hamburg''. 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Schirmer/Mosel, München 2007 (Doerner Institut; Bayerische Staatsgemäldesammlungen), ISBN 978-3-8296-0287-7 == Weblinks == {{Commons|Joseph Beuys}} {{Wikiquote|Joseph Beuys}} * {{IFA|203|Joseph Beuys}} {{BAM|Joseph Beuys}} * {{DNB-Portal|118510460}} * [{{Der Spiegel|13508033|Titel=Die Mysterien finden im Hauptbahnhof statt|Text=}} SPIEGEL-Gespräch mit Joseph Beuys über Anthroposophie und die Zukunft der Menschheit] vom 4. Juni 1984 * [http://www.zeit.de/1968/51/Kein-Fall-fuer-mich Kein Fall für mich] Akademie-Professor [[Norbert Kricke]] am 20. Dezember 1968 über Beuys in der [[Die Zeit|Zeit]] * [http://www.kunstschloss-wrodow.de/html/kuenstler_bostroem.htm Manifest der Professoren der Kunstakademie Düsseldorf] vom 12. November 1968 gegen Joseph Beuys * {{documenta Archiv|000000157| Joseph Beuys}} === Museen === * [http://www.tate.org.uk/modern/exhibitions/beuys/default.shtm Tate Modern] <small>Ausführliche Beschreibung der Beuys Retrospektive 2005 mit zahlreichen Abbildungen. (englisch)</small> * [http://collections.walkerart.org/item/agent/366 Walker Art Sammlung] <small>Biografie und sechs Abbildungen von Beuys-Werken. (englisch)</small> * [http://www.walkerart.org/beuys/ Joseph Beuys Multiples] <small>Ausführliche Beschreibung der ''Multiples''. (englisch)</small> * [http://collection.artgallery.nsw.gov.au/collection/search.do?bool-1=AND&dept=western%2Fcontemporary&images=true&sort=user_sym_34&browse=western%2Fcontemporary%2Fbrowse&field-1=user_sym_41&keyword-0=B&value-1=66&bool-0=AND&field-0=user_sym_39 Art Gallery New South Wales] <small>Fotografien von Beuys und einigen Werken. </small> * [http://www.mfa.org/collections/search_art.asp?coll_keywords=Beuys&coll_has_images=1 Museum of Fine Arts Boston] <small>Sechs Abbildungen von Beuys-Werken.</small> * [http://www.guggenheimcollection.org/site/artist_works_17_0.html Guggenheim Collection] <small>Sieben Abbildungen von Beuys-Werken.</small> * [http://www.kunstmuseumbasel.ch/de/sammlung/sammlung-online/ Kunstmuseum Basel] <small>65 Werke von Joseph Beuys.</small> * [http://www.nationalgalleries.org/collection/online_az/4:322/?initial=B&artistId=2762&artistName=Joseph%20Beuys&submit=1 National Galleries of Scotland] <small>Fünf Werke.</small> * [http://www.hlmd.de/w3.php?nodeId=358 Werkkomplex von Joseph Beuys im Darmstädter Landesmuseum] <small>Kurzbiografie mit Abbildung des ''Stuhl mit Fett''.</small> * [http://www.moyland.de/pages/josephbeuysarchiv/ Museum Schloss Moyland – Joseph Beuys Archiv] <small>Kurzinfo über die Arbeit des Archivs.</small> === Bilder, Video- und Audio-Aufnahmen === * [http://www.dw-world.de/dw/article/0,2144,2428898,00.html Mein Kunst-Stück: Beuys’ Fettecke im Hamburger Bahnhof] * [http://www.lothar-wolleh.de/beuys/beuys.htm Photographien von Beuys in Aktion (Unterwasserbuch, Filz TV, Klasse)] * [http://www.ubu.com/sound/beuys.html Verschiedene Fluxus-Konzerte von Joseph Beuys] * [http://www.youtube.com/profile_favorites?user=Zarenkrone Unterschiedliche Aufzeichnungen] * [http://www.tate.org.uk/modern/exhibitions/beuys/ram/beuysretro_hb.ram Aufzeichnung einer öffentlichen Gesprächsrunde mit Joseph Beuys in London 1972] == Anmerkungen und Einzelnachweise == <references/> {{FNBox| {{FNZ|!|Extern verlinktes Bildmaterial ist durch ein Copyright geschützt und unterliegt nicht der [[GNU-Lizenz für freie Dokumentation|GNU FDL]]}} }} {{Bildrechtshinweis}} {{Exzellent}} {{Normdaten|PND=118510460|LCCN=n/79/102794|VIAF=14782352}} {{SORTIERUNG:Beuys, Joseph}} [[Kategorie:Deutscher Künstler]] [[Kategorie:Deutscher Bildhauer]] [[Kategorie:Zeichner]] [[Kategorie:Künstler (documenta)]] [[Kategorie:Hochschullehrer (Kunstakademie Düsseldorf)]] [[Kategorie:Die-Grünen-Mitglied (Deutschland)]] [[Kategorie:Fluxus]] [[Kategorie:Aktionskünstler]] [[Kategorie:Performancekünstler]] [[Kategorie:Joseph Beuys]] [[Kategorie:Kunstliteratur]] [[Kategorie:Ehrenbürger in Italien]] [[Kategorie:Person (Düsseldorf)]] [[Kategorie:Person (Kleve)]] [[Kategorie:Person (Meerbusch)]] [[Kategorie:Geboren 1921]] [[Kategorie:Gestorben 1986]] [[Kategorie:Mann]] {{Personendaten |NAME=Beuys, Joseph |ALTERNATIVNAMEN=Beuys, Joseph Heinrich |KURZBESCHREIBUNG=deutscher Künstler |GEBURTSDATUM=12. Mai 1921 |GEBURTSORT=[[Krefeld]] |STERBEDATUM=23. Januar 1986 |STERBEORT=[[Düsseldorf]] }} [[bg:Йозеф Бойс]] [[br:Joseph Beuys]] [[ca:Joseph Beuys]] [[cs:Joseph Beuys]] [[en:Joseph Beuys]] [[es:Joseph Beuys]] [[eu:Joseph Beuys]] [[fi:Joseph Beuys]] [[fr:Joseph Beuys]] [[hr:Joseph Beuys]] [[hu:Joseph Beuys]] [[it:Joseph Beuys]] [[ja:ヨーゼフ・ボイス]] [[lad:Joseph Beuys]] [[lt:Jozefas Boisas]] [[nl:Joseph Beuys]] [[no:Joseph Beuys]] [[pl:Joseph Beuys]] [[pt:Joseph Beuys]] [[ru:Бойс, Йозеф]] [[simple:Joseph Beuys]] [[sv:Joseph Beuys]] [[uk:Йозеф Бойс]] [[zh:约瑟夫·博伊斯]] tatz1ziu8yqoy70es30spwmepfy1nqf wikitext text/x-wiki Die ungewöhnlichen Abenteuer des Julio Jurenito 0 23527 26125 2009-12-28T23:51:28Z Chaddy 11 -Bild (URV) [[Bild:JulioJurenito.jpg|thumb|Innentitel der Erstausgabe (in alter Rechtschreibung, vgl. [[Russische Rechtschreibreform von 1918]])]]'''Die ungewöhnlichen Abenteuer des Julio Jurenito und seiner Jünger: Monsieur Delhaye, Karl Schmidt, Mister Cool, Alexei Tischin, Ercole Bambucci, Ilja Ehrenburg und des Negers Ayscha in den Tagen des Friedens, des Krieges und der Revolution in Paris, Mexiko, Rom, am Senegal, in Moskau, Kineschma und an anderen Orten, ebenso verschiedene Urteile des Meisters über Pfeifen, über den Tod, über die Liebe, über die Freiheit, über das Schachspiel, das Volk der Juden, Konstruktionen und einige andere Dinge''' ist der volle Titel eines 1922 veröffentlichten [[Roman]]s des russischen Schriftstellers [[Ilja Grigorjewitsch Ehrenburg]]. Das russische Original heißt {{lang|ru|Необычайные похождения Хулио Хуренито и его учеников: мосье Дэле, Карла Шмидта, мистера Куля, Алексея Тишина, Эрколе Бамбучи, Ильи Эренбурга и негра Айши, в дни Мира, войны и революции, в Париже, в Мексике, в Риме, в Сенегале, в Кинешме, в Москве и в других местах, а также различные суждения учителя о трубках, о смерти, о любви, о свободе, об игре в шахматы, о еврейском племени, о конструкции и о многом ином}}.({{Audio|Julio Jurenito.ogg|anhören}}) Dieser erste Roman Ehrenburgs wird heute zu seinen künstlerisch gelungensten Werken gezählt. Er ist in eine Reihe von Sprachen übersetzt und bis in die Gegenwart neu aufgelegt worden. In [[Satire|satirischer]] Form behandelt er die Zeit des [[Erster Weltkrieg|Ersten Weltkriegs]], der [[Oktoberrevolution]] und des [[Russischer Bürgerkrieg|Russischen Bürgerkriegs]]. Die Hauptfigur ist der mysteriöse Mexikaner Julio Jurenito, der mit sieben Jüngern durch Europa zieht und schließlich in einer kleinen ukrainischen Stadt den Tod sucht. Das Buch hat eine bewegte Text- und [[künstlerische Rezeption|Rezeptionsgeschichte]] erlebt, die vor allem in seiner kritischen Auseinandersetzung mit der Revolution begründet ist. So existieren neben der [[Erstausgabe]] mehrere gekürzte und entschärfte Fassungen; beide deutschen Übersetzungen sind unvollständig. == Vorgeschichte und Entstehung == [[Bild:Panorama depanne.jpg|thumb|„In unserer Umgebung erhoben sich Dünen, hier und dort mit grauem stachligem Gras bedeckt.“ Bei La Panne]] Ehrenburg, damals 30 Jahre alt, schrieb die ''Ungewöhnlichen Abenteuer des Julio Jurenito'' im Juni 1921 in dem belgischen Seebad [[De Panne|La Panne]]. Er hatte abenteuerliche Jahre hinter sich, die den [[Stoff (Literatur)|Stoff]] für den Roman hergaben: Die Jahre vor dem Ersten Weltkrieg hatte er als [[Bohème|Bohémien]] im Pariser Künstlerviertel [[Montparnasse]] zugebracht. Später schrieb er Kriegsberichte für eine Petersburger Zeitung und berichtete unter anderem auch über [[Senegal|senegalesische]] Soldaten in der französischen Armee. Im Juni 1917 reiste er auf die Nachricht von der [[Februarrevolution 1917|Februarrevolution]] hin nach [[St. Petersburg|Petrograd]] und später nach Moskau, wo er die Ereignisse der Oktoberrevolution erlebte. 1919 hielt er sich in Kiew auf, das nacheinander von deutschen Truppen, den [[Bolschewiki]], der [[Weiße Armee|Weißen Armee]] [[Anton Iwanowitsch Denikin|Denikins]] und wieder der [[Rote Armee|Roten Armee]] beherrscht wurde. Nach einem Intermezzo auf der [[Krim]] kehrte er nach Moskau zurück, wo er prompt als Spion von der [[Tscheka]] verhaftet wurde. Nach einer Intervention seines Freundes [[Nikolai Iwanowitsch Bucharin|Nikolai Bucharin]] freigelassen, arbeitete er dort in der Zeit des [[Kriegskommunismus]] in der Kindertheatersektion. Bereits in Kiew hatte Ehrenburg sein Romanprojekt erwogen und geprobt. Er improvisierte für seine Frau und zwei Freundinnen stundenlang Geschichten in Versform, mal reale Erinnerungen, mal Ausgedachtes.<ref>Joshua Rubenstein: ''Tangled Loyalties. The Life and Times of Ilya Ehrenburg''. University of Alabama Press, Tuscaloosa/London 1999. ISBN 0-8173-0963-2. S. 74. </ref> Nach Ehrenburgs Erinnerungen bildete den Keim des künftigen Romans die Vorstellung, „was wohl ein braver französischer Bürger oder ein römischer Lazzarone täte, wenn sie ins revolutionäre Russland gerieten.“<ref>Ilja Ehrenburg: ''Menschen Jahre Leben'', Buch 2, Volk und Welt, Berlin 1978, S. 314. ''Lazzarone'' lässt sich etwa mit ''Tagedieb'' übersetzen.</ref> 1921 in Moskau fasste er den Entschluss, das Buch niederzuschreiben, beabsichtigte jedoch zu diesem Zweck nach Paris zu reisen, wo er Abstand zu den Ereignissen gewinnen wollte, zugleich aber die gewohnte Kaffeehausatmosphäre suchte und auf eine bessere Nahrungsmittel- und Papierversorgung hoffte. Es gelang ihm, durch die Vermittlung Bucharins – als einer der ersten Sowjetbürger – einen sowjetischen Reisepass für eine „literarische Dienstreise“ zu erhalten. Allerdings stufte ihn der [[Direction centrale des renseignements généraux|französische Staatsschutz]] als unerwünschten Ausländer ein, sodass Ehrenburg von der [[Sûreté Nationale|französischen Polizei]] über die belgische Grenze [[Abschiebung (Recht)|abgeschoben]] wurde.<ref>Lilly Marcou: ''Wir größten Akrobaten der Welt'', Aufbau Taschenbuch Verlag, Berlin 1996. ISBN 3-7466-1259-4. S. 21ff.</ref> In La Panne arbeitete Ehrenburg täglich vom frühen Morgen bis in die Nacht an dem Roman und war bereits nach vier Wochen fertig. Er berichtete in seinen Memoiren, dass er „aus einem inneren Zwang“ schrieb: „Mir war, als führte ich nicht die Feder über ein Blatt Papier, sondern als stürmte ich zum Bajonettangriff vor.“<ref>Ilja Ehrenburg: ''Menschen Jahre Leben'', Buch 2, a.a.O., S. 417 und 418.</ref> Erschienen ist das Buch zuerst 1922 bei einem russischsprachigen Berliner Verlag, ''Gelikon'' – da Ehrenburg Paris versperrt war, wählte er seinen nächsten Wohnsitz in Berlin, wo es zu dieser Zeit eine sehr große russische Exilgemeinde gab. == Werkbeschreibung == === Das Handlungsgerüst === [[Bild:Europe_1911.jpg|thumb|Europa kurz vor dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges]][[Bild:Karta_över_de_europeiska_delarna_av_Sovjetunionen_p%C3%A5_1920-talet.jpg|thumb|Die Sowjetunion in den 20er Jahren]]Der obskure Mexikaner Julio Jurenito begegnet in einem Café in Montparnasse im Jahre 1913 dem russischen Juden Ilja Ehrenburg, einem hungernden Bohème-Schriftsteller. Ehrenburg wird Jurenitos erster [[Jünger]]. Auf Reisen durch Europa sammelt Jurenito noch sechs weitere Jünger um sich: den amerikanischen Kapitalisten Mr. Cool, den senegalesischen Hotelpagen Ayscha, den russischen Intellektuellen Alexei Spiridonowitsch Tischin, den französischen Bestattungsunternehmer Delhaye, den italienischen Tagedieb Ercole Bambucci und den deutschen [[Polytechnikum|Technikumsstudenten]] Karl Schmidt. 1914 tritt der „Meister“ eine geheimnisvolle Reise an – wie sich später herausstellt, zur Erholung nach [[Mallorca]]. Von der allgemeinen Kriegsbegeisterung angesteckt, zerstreuen sich mit Kriegsausbruch auch seine Jünger. Nur Ehrenburg bleibt in Paris zurück. Im folgenden Jahr erscheint Jurenito wieder in Paris, nun als bevollmächtigter Minister der Fantasierepublik Labardan, um Frankreich die Unterstützung dieses Kleinstaats anzubieten. Bei einer von Jurenito veranstalteten patriotischen Feier treffen Jurenito und Ehrenburg auf Ayscha, der als Kolonialsoldat im Krieg einen Arm verloren hat. Die Spur des Mr. Cool finden sie durch einen [[Fliegerpfeil]] wieder, der die Aufschrift „Bruder, geh ein ins Himmelreich!“ trägt. Cool hat mittlerweile ein gewaltiges Kriegswirtschaftsunternehmen aufgezogen. 1916 reist Jurenito mit seinen Jüngern in den Senegal, wo sie den schwerkranken Tischin finden, der mit der [[Fremdenlegion]] zur Unterdrückung eines Aufstands dorthin geschickt worden war und dabei Ayschas Bruder erschossen hatte. Ernüchtert über die Realität des Krieges, unternehmen die Jünger diverse Reisen, die dem Frieden dienen sollen. Zunächst führt sie eine Romreise zum [[Papst]]. Dort vertreibt Bambucci im Auftrag des [[Heiliger Stuhl|Vatikan]]s [[Amulett]]e, transportable Kapellen und ähnliche Waren für alle Kriegsparteien. Besuche im Internationalen Schiedsgericht von [[Den Haag]] und bei den sozialistischen Delegationen der [[Sozialistische Internationale|Zweiten Internationale]] in [[Genf]] geben ebenfalls Anlässe satirischer Entlarvung ab. Nun kehrt die ganze Gruppe nach Paris zurück und wird dort unter Spionageverdacht verhaftet. Vor der Exekution rettet sie der Vorsitzende der „Liga zur Erforschung zweifelhafter Handlungen“, der sich als Monsieur Delhaye herausstellt. Sie begeben sich gemeinsam als Journalisten an die Front und geraten in deutsche Gefangenschaft. Doch auch hier rettet sie ein unverhofftes Wiedersehen: Der kommandierende Offizier entpuppt sich als Karl Schmidt. Nach Monaten in einem deutschen Gefangenenlager gelangen die Vereinten gemeinsam mit Schmidt nach Petrograd und später nach Moskau. Jurenito übt nun schnell wechselnde [[Volkskommissar|Kommissarstätigkeiten]] in der revolutionären Administration aus, u.a. in [[Kineschma]], Schmidt wird hoher Funktionär und Ayscha erhält einen Leitungsposten im Kommissariat für Auswärtige Angelegenheiten. Cool dagegen wird als Ausbeuter in ein Lager gesperrt, und Delhaye verliert aufgrund der Ereignisse der Oktoberrevolution den Verstand. Später werden auch Jurenito und Ehrenburg von der Tscheka verhaftet und kommen zu Cool ins Lager, durch Fürsprache Ayschas aber bekommen sie alle ihre Freiheit wieder. Eine „Erholungsreise“ in die ukrainische Stadt Jelisawetgrad (heute [[Kirowohrad]]) schließt sich an, wo die Jünger die Wechselfälle des russischen Bürgerkrieges erleben (wie der Autor selbst in Kiew). Nach einem Besuch im [[Kaukasus]] erhalten Jurenito und Ehrenburg, zurück in Moskau, eine Audienz im [[Kreml]] bei einem namenlosen „Kapitän“ der bolschewistischen Regierung. Aus späterer erneuter Haft bei der Tscheka befreit sie Karl Schmidt. Endlich beschließt Jurenito, seinen eigenen Tod in Szene zu setzen: In der Kleinstadt [[Konotop]] geht er mit seinen teuren Lederstiefeln im dunklen Park spazieren und wird programmgemäß Opfer eines Raubmordes. Zuvor beauftragt er Ehrenburg mit der Abfassung seiner Biografie. === Formaler Bau === [[Bild:Kirowohrad-Ukraine-Map.png|thumb|Die Lage von Jelisawetgrad in der Ukraine]][[Bild:Konotop-Ukraine-Map.png|thumb|Die Lage von Konotop, dem Sterbeort Jurenitos, in der Ukraine]]Der Roman besteht aus einem Vorwort und 35 Kapiteln. Die ersten elf Kapitel beschreiben die Sammlung der Jünger, die nächsten elf ihre Schicksale im Ersten Weltkrieg und weitere elf ihre Erlebnisse im revolutionären Russland. Das 34. Kapitel berichtet vom Tod des Meisters. Es handelt sich um eine Ich-Erzählung des ersten Jüngers, der den Namen Ilja Ehrenburg mit dem Autor gemein hat. Die Erzählung erscheint somit als eine (fiktive) [[Biografie]] Jurenitos, die die Romanfigur Ehrenburg verfasst hat. Sie ist eingebettet in eine rudimentäre [[Rahmenhandlung]], aus dem Vorwort und dem letzten Kapitel bestehend, die Anlass und Verfertigung der Biografie sowie einen Rückblick auf das Resultat umfasst. In den Kapiteln wechselt der chronologisch fortschreitende Bericht des [[Ich-Erzähler]]s Ehrenburg mit umfangreichen, manchmal ganze Kapitel umfassenden Passagen wörtlicher Rede des „Meisters“ Julio Jurenito, der über zahlreiche Themen doziert, insbesondere über Liebe, Kunst, Religion, Geschichte und Politik. Diese beiden Schichten sind auch stilistisch deutlich differenziert: Der Erzähler, als „Jünger“ dem Meister treu ergeben, spricht in durchgängig ironischem Tonfall (auch und besonders über sich selbst), während Jurenitos prophetische „Anekdoten“ (wie er sie selbst nennt) in satirischer Rede große historische Horizonte aufreißen. Der Erzählerbericht umfasst einen exakt definierten Zeitraum von 1913 bis 1921, eingeschoben sind Rückblicke auf die Biografien des Meisters und seiner Jünger. Die Schauplätze wechseln schnell und unvermittelt; während anfangs Paris das Zentrum der Erzählung ist (mit Abstechern nach Belgien, in die Niederlande und nach Italien), führt der Weg der Romanfiguren im letzten Teil immer wieder nach Moskau. Der Mittelteil markiert den Übergang zwischen diesen beiden Handlungszentren und enthält viele weiträumige Ortsveränderungen ([[Senegal]], [[Rom]], [[Den Haag]], [[Genf]], [[Verdun]], [[Oberlahnstein]], [[Kaunas|Kowno]], [[Sankt Petersburg|Petrograd]]). === Das Evangelium nach Ehrenburg === Der Roman ist eine deutlich erkennbare [[Parodie]] auf den [[Evangelium (Buch)|Evangeliums-]] und besonders auf den [[Passion]]sbericht. Jurenito ist am Tag von [[Verkündigung des Herrn|Mariä Verkündigung]] geboren und stirbt wie [[Jesus von Nazaret|Jesus]] den Opfertod – mit 33 Jahren, wie es von Jesus angenommen wurde. Auch die russische Initiale Х haben Jurenito (Хуренито) und Christus (Христос) gemeinsam. Zahlreiche Anspielungen auf die Evangelien durchsetzen die Erzählung, vom Sammeln der Jünger über die so bezeichneten „[[Wunder]]“ des Meisters bis hin zu dessen Verleugnung durch den Jünger Ehrenburg. Auch formal sind die Entsprechungen deutlich: Immer wieder wird die Handlung durch Kapitel mit Lehren von Jurenito unterbrochen, die meist in [[Gleichnis]]form gehalten sind. Nicht zuletzt ist die Rolle Ehrenburgs als Jünger und Biograf des Meisters den Verfassern der Evangelien nachempfunden. Doch ebenso deutlich wird die parodistische Behandlung der Vorlage. Jurenito lehrt „niemand und niemals etwas“; er hat „weder religiöse Dogmen noch ethische Gebote, nicht einmal ein primitives philosophisches System“; er ist „ein Mensch ohne Überzeugungen“, vielmehr ein großer Provokateur (S. 12f.).<ref>'' Die ungewöhnlichen Abenteuer des Julio Jurenito''. Zitiert wird hier und im Folgenden nach der Ausgabe des Malik-Verlags von 1930 in der Übersetzung von Eliasberg.</ref> Sein geheimnisumwittertes Anliegen ist die Zerstörung aller Glaubens- und Überzeugungssysteme, die schließlich in ferner Zukunft in eine Befreiung der Menschheit münden soll. [[Ralf Schröder]] hat diese Figur daher auch als „schwarzen, anarchistischen Messias“ bezeichnet und von einer „negativen Christologie“ gesprochen.<ref>Schröder, S. 451.</ref> Das Wirken des „Meisters“ erscheint im Roman in schwankendem Licht; diverse Andeutungen im Stile einer [[Verschwörungstheorie]] stilisieren ihn zum geheimen Urheber sämtlicher welterschütternder Ereignisse inklusive Krieg und Revolution, während er an anderen Stellen als scheiternder [[Prophet]] charakterisiert wird, dessen Hoffnungen ein ums andere Mal enttäuscht werden. Und seine Jünger sind sich, mit Ausnahme des Biografen selbst, ihrer Jüngereigenschaft gar nicht bewusst: „Der eine Idiot nennt mich: ‚Führer‘, der andere: ‚Kompagnon‘, der dritte: ‚Freund‘, der vierte: ‚Genosse‘, der fünfte: ‚Patron‘, der sechste: ‚Herr‘ und du, der siebente, nennst mich ‚Meister‘“ (S. 327), beklagt sich Jurenito bei Ehrenburg. Jurenitos Opfertod wird keineswegs durch den Willen motiviert, die Welt zu retten, sondern durch allzu große Langeweile angesichts des „nichtfliegenden Flugzeugs“ der Revolution. Er begründet ihn so: „Ich muss anständig sterben. Für jeden anderen ist es leicht: es genügt, einfach Überzeugungen zu haben, die den allgemein üblichen nicht entsprechen. Ich aber habe, wie du weißt, keinerlei Überzeugungen … Einer Idee wegen kann ich also nicht sterben. Bleibt die einzige Hoffnung: meine Stiefel …“ (S. 328). === Satirische Enzyklopädie, Schelmenroman === [[Bild:Candide1759.jpg|thumb|Titelblatt des ''Candide'']]Andere Elemente des Textes passen freilich nicht in das Schema der Evangeliumsparodie. Das gilt bereits für den [[Barock|barock]] anmutenden, ungewöhnlich langen Titel mit der Aufzählung der [[Protagonist]]en, der Handlungsorte und -zeiten sowie der Lehrgegenstände des Helden. Ähnlich sind die Kapitelüberschriften gestaltet. Auch die sprunghafte Handlung, der Verzicht auf psychologische Entwicklung und die [[Typologisches Modell der Erzählsituationen|Ich-Erzählung]] als Erzählform haben verschiedenen Rezensenten und Forschern eine andere Einordnung nahegelegt. Erika Ujvary hat vorgeschlagen, den Roman als moderne Adaption des [[Schelmenroman|Schelmen]]- oder Narrenromans in der Tradition des ''[[Lazarillo de Tormes]]'' oder von [[Hans Jakob Christoffel von Grimmelshausen|Grimmelshausen]]s ''[[Der abenteuerliche Simplicissimus|Simplicissimus]]'' zu verstehen. Freilich mit einer interessanten Umkehrung, wie Holger Siegel ergänzt: Hier ist der Narr nicht der Diener mehrerer Herren, sondern vielmehr der Meister mehrerer Jünger. Die Rezeption als Schelmenroman lässt sich stützen auf die wiederholten Narren-Manöver Jurenitos, der immer wieder die gängigen Phrasen wörtlich nimmt und auf diese Weise entlarvt. Ein Beispiel: Als Bevollmächtigter der Republik Labardan befragt Jurenito den französischen Außenminister nach dessen Kriegszielen und erhält zur Antwort: „Diese Ziele sind der ganzen Welt bekannt … wir kämpfen für das Recht aller, selbst der kleinsten Völker, über ihr Schicksal zu entscheiden, für die Demokratie und für die Freiheit“ (S. 160ff.). Daraufhin schickt Jurenito eine Deklaration folgenden Inhalts an alle Zeitungen, die jedoch, wenig überraschend, von der [[Zensur (Informationskontrolle)|Militärzensur]] nicht durchgelassen wird: :''Die Regierung der Republik Labardan kann im großen Kampfe zwischen der Barbarei und der Zivilisation nicht neutral bleiben. Aus den Unterredungen mit den Vertretern der verbündeten Mächte hat die Regierung von Labardan Einblick in die hohen Ziele der Verfechter des Rechts gewonnen. Allen Völkern, selbst den kleinsten, wird das Recht eingeräumt werden, über ihr Schicksal zu entscheiden. Die Polen, Elsässer, Georgier, Finnen, Irländer, Ägypter, Hindus und Dutzende anderer Völker werden vom fremden Joche befreit werden. Die Unterdrückung der Völker anderer Rassen wird aufhören, und es darf keine Kolonien mehr geben. Schließlich wird im despotischen Russland beim Siege der Verbündeten die Freiheit eingeführt werden. Die Regierung und das Volk von Labardan können nicht länger schweigen und treten stolz in die Reihen der Kämpfer für das wahre Recht!'' Nach eingehender Lektüre offizieller Verlautbarungen redigiert Jurenito nunmehr seine Deklaration in folgendem Sinn: :''In Nürnberg lebte, wie es die Historiker genau erforscht haben, im XVII. Jahrhundert ein Uhrmacher labardanischer Staatsangehörigkeit. Darum muss Nürnberg mit allen anliegenden Gebieten, München mit inbegriffen, Labardan zufallen.'' (S. 162) Andererseits ist der Roman bereits den Zeitgenossen als Adaption bestimmter satirischer Romane der [[Aufklärung (Literatur)|Aufklärung]] erschienen. Insbesondere [[Voltaire]]s ''[[Candide oder der Optimismus]]'' wird hier immer wieder genannt.<ref>Vgl. Ujvary, S. 115, die u.a. eine Rezension des sowjetischen Kritiker Lew Lunz von 1923 anführt. Lunz war einer der [[Serapionsbrüder (Petrograd)|Serapionsbrüder]], zu denen auch Jelisaweta Polonskaja und Samjatin zählten.</ref> Zahlreiche Ähnlichkeiten werden angeführt: die [[Groteske|grotesken]] Elemente der Handlung, der Verzicht auf Wahrscheinlichkeit, das wiederkehrende [[Motiv (Literatur)|Motiv]] der glücklichen Zufallsrettung in letzter Sekunde, die satirische [[Erzählhaltung]], die Durchmischung von Erzählung und belehrenden Passagen mit weltumfassendem Anspruch, das Lehrer-Schüler-Verhältnis der Helden. Tatsächlich ist Jurenito ein echter ''Pangloss'' (wörtlich: Allsprachler, so der Name des Lehrers von Candide), da er eine ganz unwahrscheinliche Mischung von Sprachen, Handwerken und Wissenschaften beherrscht. Zudem kreist der Roman, wie der ''Candide'', um eine philosophische Idee: in diesem Fall nicht wie bei Voltaire um [[Gottfried Wilhelm Leibniz|Leibniz]]' Lehre, diese Welt sei die beste aller möglichen Welten, sondern um die Destruktion aller Glaubens- und Überzeugungsnormen, vom [[Christentum]] über den [[Nationalismus]] bis hin zum [[Kommunismus]], im Dienste einer [[Utopie|utopischen]] Idee der Selbstbefreiung des Menschen. Und wie beim ''Candide'' ist eine skeptisch-ironische Haltung des Romans zu dieser Idee prägend. === Achte kommen durch die ganze Welt – Die Romanfiguren === Bei den Protagonisten der Romanhandlung, insbesondere bei den „Jüngern“, verzichtet Ehrenburg auf psychologische Motivierung und persönliche Charakterisierung. Wie im Muster des Schelmenromans handelt es sich um Typen, die keine innere Entwicklung aufweisen, sondern holzschnittartig auf wenige Merkmale reduziert werden. Dabei greift Ehrenburg das Schema der ''Nationalitätensatire'' auf, das zum traditionellen Bestand satirischer Literatur gehört, erweitert es jedoch um zeitbedingte und vor allem literarische Züge (''Literatursatire''). So erscheint ''Alexei Tischin'' als eine Karikatur des russischen Intellektuellen in der [[Fjodor Michailowitsch Dostojewski|Dostojewski]]-Nachfolge: Er ist Anhänger von [[Dmitri Sergejewitsch Mereschkowski|Mereschkowski]], erzählt pausenlos seine Lebensgeschichte, vornehmlich in der Eisenbahn (eine Anspielung auf den Beginn von Dostojewskis Roman ''[[Der Idiot]]'') und quält sich ständig mit Gewissensfragen herum, ohne zum Handeln imstande zu sein. ''Mr. Cool'' hingegen wird vor allem durch die Verbindung von Geschäftstüchtigkeit, Rücksichtslosigkeit, moderner Technik, Reklame und Bibelfestigkeit charakterisiert – als Urbild des amerikanischen Kapitalisten. ''Monsieur Delhaye'' wird mit seiner Vorliebe für Zahlen, gutes Essen und seinen stereotypen Redewendungen zum Klischeebild des französischen Rentiers gestaltet. ''Ayscha'' bringt das Motiv des in die europäischen Wirren geworfenen Naturkindes ins Spiel, ''Bambucci'' erscheint als der Inbegriff des anarchischen Tagediebs. Besondere Beachtung hat in der Literatur das Porträt des ''Karl Schmidt'' gefunden: Er vereint in sich die ‚deutschen‘ Eigenschaften Ordnungsliebe, Sparsamkeit und Organisationstüchtigkeit. Zum Zweck der Organisation der ganzen Welt sind ihm alle geistigen Grundlagen Recht, er bekennt, er könne sehr wohl zugleich Nationalist und Sozialist sein. Entsprechend verfolgt er seine Organisationsvorhaben sowohl als deutscher Offizier als auch als Sowjetkommissar; dazu gehört u.a. die Trennung von Sexualität und Kindererzeugung mittels [[Künstliche Befruchtung|künstlicher Befruchtung]] zwecks staatlicher Planung. In späteren Jahren ist Schmidt mehrfach als Urbild des [[Nationalsozialismus|Nationalsozialisten]] ''[[Avant la Lettre|avant la lettre]]'' aufgefasst worden.<ref>Beispielhaft können dafür Joshua Rubenstein, a.a.O., und [[Thomas Urban]] genannt werden. Vgl. Urban: ''Ilja Ehrenburg als Kriegspropagandist.'' In: Karl Eimermacher, Astrid Volpert (Hrsg.): ''Tauwetter, Eiszeit und gelenkte Dialoge. West-östliche Spiegelungen, Band 3: Russen und Deutsche nach 1945''. Fink, München 2006. ISBN 978-3-7705-4088-4. S. 455-488.</ref> Folgender Monolog Schmidts wird häufig als Beleg angeführt: :''Sie glauben, dass es mir und allen Deutschen angenehm ist, zu töten? … Nein, das Töten ist eine sehr unangenehme Notwendigkeit. Eine sehr schmutzige Beschäftigung ohne Begeisterung und ohne Freude. … Aber es gibt keine andere Wahl. … Ob man zum Wohle der Menschheit einen verrückten Greis oder zehn Millionen Menschen tötet, ist nur quantitativ verschieden. … Gerade deshalb werde ich keinen Augenblick schwanken, wenn es der Gesellschaft zum Vorteil gereicht, zum Wohle Deutschlands morgen und zum Wohle der Menschheit übermorgen alle ‚Lusitanias‘ zu versenken und Hunderttausende von Menschen umzubringen. Lohnt es sich da noch, von Städten, Kirchen und ähnlichen Dingen zu sprechen? Obwohl es um sie natürlich schade ist'' (S. 233f.; die ''[[RMS Lusitania]]'' war ein von einem deutschen U-Boot versenkter englischer Dampfer, es gab über 1100 Tote). Schmidt bekräftigt dies damit, dass er gleich anschließend einen Soldaten hinrichten lässt, der zu seiner im Sterben liegenden Frau flüchten wollte: „Ich verstehe Ihre Gefühle … und würde Sie unverzüglich zu Ihrer Frau schicken, aber dies würde zum Überhandnehmen der Desertionen und zur Herabsetzung der Kampffähigkeit der Armee führen. Darum werden Sie im Interesse Ihrer Kinder, und wenn Sie keine Kinder haben, im Interesse der Kinder Deutschlands in zehn Minuten sterben müssen“ (S. 235). Durch die Konfrontation derartiger satirisch überzeichneter Typen mit den sich überschlagenden Zeitereignissen erhält der Roman einen Großteil seiner [[suspense|Spannung]] und seiner [[Komik]]. Kritiker bemerkten, die Figuren würden „wie von einem Wirbelsturm über die Seiten des Buches gerissen“, sie entbehrten innerer Stimmigkeit und Folgerichtigkeit.<ref>So der zeitgenössische sowjetische Kritiker D. Gorbow, hier zitiert nach Ujvary, S. 199.</ref> Damit ist freilich gerade das Kompositionsprinzip des Romans angesprochen: „Dieser Roman … stellt die ungeheure Mühe dar, Versatzstücke von Klischees und Vorurteilen zu Panoramen zusammenzufügen, um im Zusammengefügten deren Brüchigkeit aufzudecken.“<ref>Döring-Smirnov, S. 79</ref> === Die Lehren des Julio Jurenito === Der Titelheld des Romans ist deutlich von Ideen des russischen [[Konstruktivismus (Kunst)|Konstruktivismus]] beeinflusst, mit denen Ehrenburg in den frühen 20er Jahren spielte. Auch Anklänge an [[Karl Marx]] („Geburtshelfer der Geschichte“, S. 13) und [[Friedrich Nietzsche]] sind in seinen Ansichten und seinem Auftreten entdeckt worden; zudem hat Ehrenburg in die Biografie Jurenitos Züge seines Freundes, des mexikanischen Malers [[Diego Rivera]], integriert. Für Jurenito gibt es weder Gott noch Teufel, weder Gut noch Böse, nur die Dinge und die Menschen: :''Das ist eben der ganze Witz, dass alles existiert und doch nichts dahintersteckt. Soeben stirbt ein alter Jean, und zugleich winselt zum erstenmal ein neuer Jean. Vorhin hat es geregnet, und nun ist es trocken. Es wirbelt, es rotiert – das ist alles'' (S. 22f.). Die Verachtung aller Glaubens- und Überzeugungssysteme erstreckt sich auch auf die Kunst. Charakteristisch für die materialistischen, gelegentlich an [[Heinrich Heine]] erinnernden Wendungen von Jurenitos Vorträgen ist seine Antwort auf (ausgerechnet) Mr. Cools „gefühlvolles“ Geständnis, er liebe mehr als alles andere auf der Welt die Schönheit und die Kunst: „Ich aber ziehe Schweinskoteletts mit jungen Erbsen vor“ (S. 99). Jurenito begnügt sich nicht mit der satirischen Kritik, sondern arbeitet aktiv an der Zerstörung der Kultur, allerdings mehr durch Reden und Planen als durch Handeln – er bezeichnet sich als den „Provokateur mit dem friedlichen Lächeln auf den Lippen und dem Füllfederhalter in der Tasche“ (S. 13). Zu diesem Zweck und nach diesem Kriterium wählt er auch seine Jünger aus. Geheimnisvolle Aktivitäten – der Held trifft sich mit serbischen Studenten und diversen Großindustriellen – deuten an, dass Jurenito wesentlich an der Herbeiführung des Ersten Weltkriegs beteiligt war, doch werden solche Andeutungen immer wieder ironisch gebrochen. Er arbeitet sogar an der Entwicklung neuer Waffen, die 50.000 Menschen auf einen Schlag töten können. Freilich fehlt ihm das [[Kapital]] dazu, und seine Pläne landen bei Mr. Cool, der sie zunächst für kriegswirtschaftlich schädlich hält und für einen späteren Krieg gegen [[Japan]] aufheben will. Doch die Zerstörung ist nicht Jurenitos Endziel: Immer wieder spricht er von einer [[Utopie|utopischen]] Zukunft der Menschheit, die die vorherige Zerstörung erfordere. Es ist die Befreiung von den Fesseln der Herrschaft, der Kultur und der Systeme, die er in wiederkehrenden Bildern anspricht: :''Siehst du: dort im Sonnenlichte hüpft über die Steppe, die Beine hoch emporwerfend, ein kleines Füllen. Drückt es denn nicht das ganze, grenzenlose Entzücken des Seins aus? Und hier vor dieser Hütte heult, die Schnauze zum Himmel erhoben und den Schwanz eingeklemmt, ein Hund. Ist in ihm nicht der ganze Gram der Erde? So werden auch die kommenden Menschen sein: Sie werden ihre Gefühle nicht in tausendzentnerschwere Panzer einschließen'' (S. 58f.). Und die [[Herrschaft]] symbolisiert Jurenito im revolutionären Russland mit dem Gleichnis vom Stock: „Der Stock bleibt in beliebigen Händen ein Stock … Eine Regierung ohne ein Gefängnis ist ein widersinniger, perverser Begriff“ (S. 299). Es folgt die Geschichte vom [[Menschewiki|Menschewiken]] und vom [[Bolschewiki|Bolschewiken]], die unter dem Zaren gemeinsam im Gefängnis sitzen und debattieren – als jedoch der Menschewik nach der Revolution weiterdebattieren will, entsinnt sich sein alter Freund, dass er „den bewährten tausendjährigen Stock in Händen“ hält, und lässt ihn erneut in die alte Zelle sperren. Doch dies ist nicht das Ziel der Geschichte: :''Es wird nicht Jahre, sondern Epochen dauern, bis die Menschen einsehen, dass es sich nicht darum handelt, wer den Stock heute in Händen hält, sondern um den Stock selbst, und ihn einfach zerbrechen'' (S. 300). Zunächst aber ist Jurenito zufolge die Verbrämung des Stockes mit den Mitteln der Religion, der Kunst und der Kultur zu zerstören. Dies ist die historische Mission der [[Kommunismus|Kommunisten]]. „Ich flehe Sie an: verzieren Sie Ihre Stöcke nicht mit Veilchen!“ beschwört Jurenito einen revolutionären Untersuchungsrichter, der ihn eben ins Arbeitslager verschickt (S. 277). Ein Zeitalter der unbeschönigten Herrschaft, das alle ihre Rechtfertigungen beseitige, sei erforderlich, um die Heraufkunft des „Reiches der Freiheit“ zu ermöglichen: :''Die Menschheit geht jetzt durchaus nicht in ein Paradies, sondern in das härteste, schwärzeste Fegefeuer. Es bricht gleichsam eine Freiheitsdämmerung an. Assyrien und Ägypten werden von dieser neuen, unerhörten Sklaverei übertroffen werden. Aber diese Galeeren werden die Vorstufe, das Pfand der Freiheit sein … Eine Freiheit, die nicht mit Blut genährt ist, sondern umsonst aufgelesen, als ein Trinkgeld empfangen worden ist, muss verrecken. Aber merkt es euch: das sage ich euch jetzt, wo Tausende von Händen sich nach dem Stocke ausstrecken und Millionen von Rücken wollüstig nach dem Stocke lechzen: es kommt der Tag, und niemand wird mehr den Stock brauchen. Ein ferner Tag!'' (S. 256). Doch die Kommunisten erfüllen die historische Mission nicht, die ihnen Jurenito zuweist. Seine Versuche, als Sowjetkommissar die Kunst abzuschaffen, scheitern stets daran, dass auch die Revolutionäre an sie glauben. Dies führt letztlich zur Resignation am „nichtfliegenden Flugzeug“ der Revolution und zu Jurenitos freiwilligem Gang in den Tod. === Der doppelte Ehrenburg === Im ''Julio Jurenito'' tritt der Autor selbst auf, nämlich als [[literarische Figur]] und [[Erzähler]]. Es findet also eine Verdopplung statt, der [[Autor]] auf dem Titelblatt versetzt sich selbst zugleich als Figur und Erzähler in die Romanwelt. Das Spiel mit dieser Doppelgestalt durchzieht den gesamten Text: Zahlreiche [[Autobiografie|autobiografische]] Anspielungen legen eine Einheit von Autor und Erzähler nahe, die jedoch durch eine ganze Serie von Unwahrscheinlichkeiten, ja Unmöglichkeiten zugleich dementiert wird. Dies ist zugleich ein Spiel mit der [[Fiktionalität]] des literarischen Textes selbst: er wird als authentische Erzählung beglaubigt und gleichzeitig wird eben diese Authentizität ein ums andere Mal negiert. Schließlich ist auch der Roman ein Teil der Kunst, die der Protagonist gerade abschaffen will. Die resultierenden Zweifel an der Zuverlässigkeit des Erzählers werden noch verstärkt durch eine Serie von „Bescheidenheitstopoi“<ref>Ujvary, S. 84</ref>: Der Erzähler erklärt sich für unwürdig, für unfähig, die Lehren des Meisters zu fassen usw. Dazu kommt, dass Ehrenburg sich als Romanfigur wiederholt (wie Tischin) als handlungsunfähig, ja geradezu betäubt vom Handlungsverlauf erweist – ganz anders als der agile Jurenito. Das gilt besonders für die Oktoberrevolution, deren Tage der Erzähler allein in seinem Zimmer verbringt, was er mit bitteren Tiraden auf sich selbst und die Literatur kommentiert: :''Ich saß in einer finsteren Kammer und verfluchte meine talentlose Konstruktion. Eines von beiden: entweder müsste man mir andere Augen einsetzen oder diese nichtsnutzigen Hände wegnehmen. Vor meinem Fenster macht man jetzt – nicht mit dem Gehirn, nicht mit der Phantasie, nicht mit Versen, sondern mit den Händen – die Weltgeschichte. „Glücklich, wer diese Welt besucht in ihren schicksalsschweren Stunden“, sagte der Dichter Tjutschew. Warum soll ich nicht die Treppe hinunterlaufen und schnell mittun, solange unter den Händen noch weicher Ton und nicht harter Granit ist, solange man die Geschichte noch mit Gewehrkugeln schreiben und nicht in den sechs Bänden eines gelehrten Deutschen lesen kann! Aber ich sitze in der Kammer, kaue an einem kalten Kotelett und zitiere Tjutschew. … Merkt es euch, ihr Herren Nachfahren, womit sich in diesen einzigen Tagen der russische Dichter Ilja Ehrenburg beschäftigt hat!'' (S. 258; gemeint ist der Lyriker [[Fjodor Iwanowitsch Tjuttschew]], 1803-1873). Andererseits macht die [[Ironie]] des Erzählers Ehrenburg keineswegs vor seinem „Meister“ halt. Der Chronist verfolgt nicht nur mit Zittern und Entsetzen Jurenitos Aktionen, seine Zerstörungspläne, seine „schrecklichen Diagramme“ und die Wahl seiner Jünger, er dementiert auch mehrfach sein gleich zu Anfang gegebenes Bekenntnis: „Meister, ich werde dich nicht verraten.“ Schon im Vorwort wird Jurenito so vorgestellt: „Aber sein Bild ist leuchtend und lebendig. Er steht vor mir, hager und wild, in seiner orangegelben Weste, mit der unvergesslichen grüngetupften Krawatte, und lächelt still. … Mögen nun meine Worte ebenso warm sein wie seine behaarten Hände, ebenso gemütlich und intim wie seine von Tabak- und Schweißgeruch imprägnierte Weste …“ (S. 11f.). Und das Ende des Romans bildet die Rückkehr des Erzählers nach Westeuropa, aus dem „Fegefeuer der Revolution“, in das ihn der Meister eingeführt hat, in die „gemütliche Hölle oder, wenn diese Bezeichnung unvernünftig erscheinen sollte, in das schlecht gelüftete Paradies“ (S. 339). Dies erweist sich für ihn nicht nur zum Leben, sondern auch zum Schreiben als geeigneter. Es ist, wie Johanna Döring-Smirnov ausführt, gerade die gleichzeitige Verschränkung und Nicht-Identität zwischen dem Lehren, Schreiben und Dichten auf der einen Seite und dem Leben auf der anderen Seite, die ein zentrales Thema des Romans darstellt und in der Verdopplung der Erzählergestalt greifbar wird. Das Verhältnis von Anspruch und Wirklichkeit, Literatur und Leben wird in der Erzählerrede ständig thematisiert – in der Form des Scheiterns der Vermittlung. === Von der Groteske zur Prophetie === Einige Passagen und Szenen des Romans können kaum mehr als satirisch gelesen werden, sie erhalten einen enorm [[Pathos|pathosgeladenen]], geradezu prophetischen Charakter. Im literarischen Werk werden [[Apokalypse|apokalyptische]] [[Prognose]]n für die Wirklichkeit entworfen; das Werk zielt über die Literatur hinaus auf die historische Realität. Gerade diese Szenen haben erheblich zur Langzeitwirkung des Romans beigetragen. Im elften Kapitel des Romans entwirft Julio Jurenito ein [[Plakat]], dessen Text so beginnt: :''In der nächsten Zeit findet statt die feierliche '''Ausrottung des jüdischen Volkes zu Budapest, Kiew, Jaffa, Algier''' und an vielen anderen Orten. Das Programm umfasst neben den beim verehrten Publikum beliebten '''Pogromen''' im Geiste der Zeit restaurierte Judenverbrennungen, Einscharren der Juden bei lebendigem Leibe in die Erde, Besprengungen der Felder mit jüdischem Blute und allerlei neue Methoden der „Säuberung der Länder von verdächtigen Elementen“ usw. usw. usw.'' (S. 125ff., Hervorhebungen im Original). Tischin reagiert entsetzt: „Solche Gemeinheiten im zwanzigsten Jahrhundert!“ Doch Jurenito widerspricht: „Sehr bald, vielleicht in zwei Jahren, vielleicht in fünf Jahren wirst du dich vom Gegenteil überzeugen.“ In einem geschichtlichen Exkurs belehrt er seine Jünger, dass die Menschheit auf Katastrophen stets mit dem Abschlachten von Juden zu antworten pflegte. „Da aber der ganzen Menschheit eine Hungersnot, eine Seuche und ein ordentliches Erdbeben bevorstehen, zeige ich nur eine begreifliche Voraussicht, wenn ich im Voraus diese Einladungen drucken lasse.“ Der Frage Tischins, ob denn die Juden nicht die gleichen Menschen seien „wie wir“, begegnet Jurenito mit einem „etwas kindlichen Spiel“: Er befragt die Jünger danach, ob das Ja oder das Nein als einziges Wort der Sprache erhalten bleiben solle – alle wählen das Ja, nur Ehrenburg das Nein, worauf die anderen Jünger prompt von ihm abrücken und sich in die andere Ecke setzen. Mit einem grandiosen historischen Vortrag Jurenitos über die unterwühlende Kraft des jüdischen Volkes schließt das Kapitel. Während diese Szene gerade die Leser nach dem Zweiten Weltkrieg besonders berührte und verblüffte, hatte eine andere Szene unmittelbarere Wirkungen. Im 27. Kapitel besucht Jurenito mit Ehrenburg die „Kapitänsbrücke“ des revolutionären Moskau und erhält eine Audienz bei „einem gewissen Manne … der dort immer steht“, was niemand anders als [[Lenin]] meinen kann. Die Szene ist aufgebaut nach dem Muster von [[Fjodor Michailowitsch Dostojewski|Dostojewski]]s ''[[Der Großinquisitor|Legende vom Großinquisitor]]'' aus den ''[[Die Brüder Karamasow|Brüdern Karamasow]]'', freilich hier in der Wirklichkeit: „außerhalb der Legende“, wie es in der Kapitelüberschrift heißt. Der Kommunist gibt sein Credo: :''Wir führen die Menschheit einer besseren Zukunft entgegen. Die einen, deren Interessen dadurch geschädigt werden, stören uns auf jede Weise … Diese müssen wir beseitigen und oft einen zur Rettung von Tausenden töten. Die anderen widerstreben, da sie nicht begreifen, dass man sie ihrem eigenen Glück entgegenführt; sie fürchten den schweren Weg und klammern sich an den elenden Schatten der gestrigen Heimstätte. Wir treiben sie vorwärts, wir treiben sie mit eisernen Ruten ins Paradies …'' (S. 287). Während Lenin selbst dieses Porträt nicht übel nahm<ref>Vgl. das Zitat von Krupskaja, das im Kapitel „Die Kritik in der Sowjetunion“ wiedergegeben wird.</ref>, zog es die Kritik vieler sowjetischer Presseorgane auf sich. In der Neuausgabe von 1962 musste das Kapitel komplett wegfallen. == Veröffentlichungs- und Rezeptionsgeschichte == === Schwierige Publikation in der Sowjetunion – Bucharins Vorwort === Gelikon hatte 3.000 Exemplare des Buches gedruckt, im Mai 1922 waren bereits 2.000 davon in Berlin verkauft.<ref>Vgl. Fresinski, S. 12.</ref> Einzelne Exemplare gelangten bald darauf in die Sowjetunion. Dort erregte das Werk erhebliches Aufsehen und stieß auf großes Interesse. Schon kurz nach Erscheinen des ''Julio Jurenito'' wurde Ehrenburg in einer russischen Kritik als „''der'' Modeschriftsteller“ bezeichnet, 1926 galt Ehrenburg dem Kritiker A. Leschnew als „der im Moment populärste und auf jeden Fall meistgelesene Schriftsteller“.<ref>vgl. Ujvary, a.a.O, S. 114</ref> Es kam sogar zu einer Bühnenfassung, die drei Werke Ehrenburgs (''Julio Jurenito'', ''Nikolai Kurbow'' und ''Trust D. E.'') verschmolz, allerdings auch ihren Inhalt massiv veränderte. Mr. Cool ließ sich hier von der Romanfigur Ilja Ehrenburg auf dem Rücken tragen und spornte ihn an: „Schneller, mein bourgeoiser Hengst!“ Ehrenburg sah sie 1924 in Kiew und protestierte gegen die Verunstaltung seiner Werke, allerdings weitgehend erfolglos.<ref>Rubenstein, a.a.O., S. 93f.</ref> Doch trotz der enormen Popularität des Romans gestaltete sich seine Veröffentlichung in der Sowjetunion recht schwierig, unter anderem weil er in die lebhaften Debatten der sowjetischen Literaturkritik und Kulturpolitik geriet. Ehrenburg sandte 1922 ein Exemplar des ''Julio Jurenito'' an seine alte Freundin [[Jelisaweta Polonskaja]] in Petrograd mit der Bitte, die Möglichkeiten für eine Veröffentlichung in Russland herauszufinden.<ref>Brief vom 20. August 1922, von dem Ehrenburg-Forscher Boris Fresinski ediert; [http://magazines.russ.ru/voplit/2000/1/frezins.html].</ref> Im Herbst 1922 wurden alle erreichbaren Exemplare der ''Gelikon''-Ausgabe von der [[Glawnoje Polititscheskoje Uprawlenije|GPU]] als „gefährliche“ Lektüre beschlagnahmt – doch der Moskauer Staatsverlag [[Gosudarstwennoje isdatelstwo RSFSR]] ''(Gosisdat)'' hatte das Buch bereits akzeptiert, stellte nun freilich die zusätzliche Bedingung eines kommentierenden Vorworts.<ref>Rubenstein, a.a.O., S. 80; Brief Ehrenburgs an Polonskaja vom 25. November 1922, [http://magazines.russ.ru/voplit/2000/1/frezins.html].</ref> Diese Bedingung wurde durch [[Nikolai Iwanowitsch Bucharin|Bucharin]] erfüllt, der als Mitglied des [[Zentralkomitee]]s der [[Kommunistische Partei Russlands|Kommunistischen Partei Russlands]] erheblichen Einfluss hatte; mit seinem Vorwort erschien das Buch endlich im April 1923 bei Gosisdat in einer Auflage von 15.000 Exemplaren. Bucharin schrieb: „Unschwer lässt sich feststellen, dass der Autor kein Kommunist ist, dass sein Glaube an die zukünftige Ordnung nicht übermäßig stark ist und er diese Ordnung nicht gerade leidenschaftlich herbeiwünscht. All das tut der Tatsache keinen Abbruch, dass das Buch eine hinreißende Satire ist. Der eigenwillige Nihilismus und der Standpunkt der ‚großen Provokation‘ ermöglichen es dem Autor, eine Reihe von lächerlichen und abstoßenden Seiten des Lebens unter allen Regimen zu zeigen … Deshalb ist das Buch lustig und interessant, spannend und gescheit.“<ref>Übersetzung nach Ujvary, a.a.O., S. 118.</ref> Er nahm das Buch also aufgrund seines künstlerischen Werts und vor allem seines Witzes in Schutz gegen die Verdächtigung des Autors als politisch unzuverlässig – eine Kritik, die er freimütig einräumte. === Die Kritik in der Sowjetunion === Vernichtende Rezensionen erhielt der Julio Jurenito vor allem seitens der Autoren um die Zeitschrift ''Na Postu'', die einen proletarischen Standpunkt der Literatur einforderten. Georgi Gorbatschew etwa schrieb 1924: „Der Skeptizismus und Zynismus Ehrenburgs dient dem in den Krümmungen der [[Neue Ökonomische Politik|Neuen Ökonomischen Politik]] verfaulenden Spießbürgertum.“<ref>Nach Ujvary, a.a.O., S. 117.</ref> Der Ton wurde später sogar noch schärfer und erhielt einen [[Antisemitismus|antisemitischen]] Einschlag. So bezeichnete I. Jewdokimow 1926 in der Literaturzeitschrift ''Nowy Mir'' Ehrenburg als „ewigen Juden“ und meinte: „Irgendjemand hat sich ausgedacht, dass Ehrenburg in seinen Werken die Bourgeoisie und den Kapitalismus geißelt … Das ist ein unverständlicher Irrtum – Ehrenburg ist die gelungenste Verkörperung dieser Kultur … jeder Satz seines Protests ist nur von ihr diktiert.“<ref>Übersetzung nach Ujvary, a.a.O., S. 117; vgl. auch Hammermann, S. 120f.</ref> Dagegen äußerten sich andere Autoren und Kritiker in der Debatte ausgesprochen positiv. Bereits am 28. Juni 1922 nannte [[Alexander Konstantinowitsch Woronski|Alexander Woronski]] in der ''[[Prawda]]'' den ''Julio Jurenito'' ein „ausgezeichnetes“ Buch, das „schon längst von unseren offiziellen Medien hätte wiederveröffentlicht werden sollen“;<ref>Rubenstein, a.a.O., S. 79</ref> [[Marietta Sergejewna Schaginjan|Marietta Schaginjan]] lobte 1923 gerade den Skeptizismus des Buches, der für die Darstellung einer Niedergangs- oder „Liquidationsperiode“ angemessen sei.<ref>Nach Hammermann, S. 128</ref> [[Jewgeni Iwanowitsch Samjatin|Jewgeni Samjatin]] bewunderte 1923 Ehrenburgs meisterhafte Anwendung der „europäischen Waffe“ Ironie, die in Russland zu wenig geachtet sei, und spendete hohes Lob: „Er ist natürlich ein echter Häretiker (und daher ein Revolutionär). Ein wahrer Häretiker hat die gleiche Eigenschaft wie Dynamit: die kreative Explosion geht den Weg des ''größten'' Widerstands.“<ref>Rubenstein, a.a.O., S. 80; vgl. Hammermann, S. 120 ff. Hervorhebung im Original.</ref> Die heftigen Auseinandersetzungen um die ‚richtige Linie‘ in der Kulturpolitik zwischen den ‚Realisten‘ der „[[Russische Assoziation proletarischer Schriftsteller|Russischen Assoziation proletarischer Schriftsteller]]“ (RAPP), den ‚Modernen‘ um [[Wladimir Wladimirowitsch Majakowski|Wladimir Majakowski]] und die „[[Linke Front der Kunst]]“ (LEF) sowie den sog. ‚[[Weggenossen]]‘, insbesondere den [[Serapionsbrüder (Petrograd)|Serapionsbrüder]]n, die auf der Eigenständigkeit der Kunst gegenüber der Politik bestanden, machten sich also häufig an der Person Ehrenburgs und vor allem am ''Julio Jurenito'' fest. Was vor allem die ‚Weggenossen‘ bewunderten, die alles zersetzende Ironie des Buches, die auch den neuen sozialistischen Staat nicht verschonte, war für die RAPP-Anhänger Stein des Anstoßes: Zeichen politischer Unzuverlässigkeit, Mangel eines positiven Standpunkts, Gossenliteratur. Dieser Konflikt wurde zunächst nicht entschieden. Ehrenburgs Buch profitierte davon, dass nicht nur Bucharin, sondern auch der erste Volkskommissar für das Bildungswesen, [[Anatoli Wassiljewitsch Lunatscharski|Anatoli Lunatscharski]], und sogar [[Lenin]] selbst sich günstig über das Werk äußerten. Lunatscharski kritisierte 1924 zwar die „Prinzipienlosigkeit“ Ehrenburgs, rühmte aber seine Begabung, verglich ihn mit [[Heinrich Heine]] und meinte: „Seine Skepsis ist gegen die Werte der Alten Welt gerichtet, und von diesem Standpunkt aus gesehen ist er in gewisser Weise unser Verbündeter.“<ref>Nach Ujvary, a.a.O., S. 118f.</ref> Und in den 1926 erschienenen Erinnerungen von [[Nadeschda Konstantinowna Krupskaja|Nadeschda Krupskaja]], der Lebensgefährtin Lenins, berichtet diese: „Ich erinnere mich, dass von den zeitgenössischen Sachen Iljitsch besonders der Roman Ehrenburgs gefiel, der den Krieg beschrieb. ‚Weißt Du, das ist Ilja Zottelkopf‘, erklärte er feierlich. ‚Es ist ihm gut gelungen.‘“<ref>Zitiert nach Ujvary, a.a.O., S. 122. „Zottelkopf“ (Лохматый) war ein Spitzname Ehrenburgs (aufgrund seiner ungebärdigen Haarmähne); Lenin („Iljitsch“), Krupskaja und Ehrenburg kannten sich aus der russischen Exilgemeinde in Paris vor dem Krieg.</ref> Doch mit der Durchsetzung der stalinschen Kulturpolitik Ende der 20er Jahre genügten solche Urteile nicht mehr. Nach 1928 konnte der ''Julio Jurenito'' 34 Jahre lang nicht mehr in der Sowjetunion erscheinen. 1935 unternahm Ehrenburg einen diesbezüglichen Versuch, wurde aber mit einer Flut von Änderungs- und Streichungswünschen konfrontiert. Er lehnte diese summarisch ab und schrieb stattdessen einen [[Nachwort|Epilog]], der die ideologisch bedenklichen Partien des Buches ins rechte Licht rücken sollte. Das genügte nicht: Zwar erschien der Epilog nebst Ankündigung einer Neuauflage des Romans in einer sowjetischen Zeitschrift, doch der Roman selbst wurde nicht gedruckt<ref>Vgl. Rubenstein, a.a.O., S. 149.</ref> – die Zeit der [[Große Säuberung|Großen Säuberung]] hatte begonnen. Auch die Gesamtausgabe von Ehrenburgs Schriften in den fünfziger Jahren enthielt den ''Julio Jurenito'' nicht. Erst im Gefolge der [[Tauwetter-Periode]], als 1962 eine weitere Ausgabe „Gesammelter Werke“ Ehrenburgs begann, fand der Roman wieder Berücksichtigung. Freilich musste Ehrenburg dafür der Streichung des kompletten Kapitels ''Der Großinquisitor außerhalb der Legende'' zustimmen. Das Vorwort Bucharins, der nach seiner Exekution im Zuge der [[Moskauer Prozesse]] in der Sowjetunion Unperson geblieben war, fiel ebenfalls weg. Dennoch schloss sich erneut eine lebhafte Debatte um die politische Bewertung dieses frühen Romans an; wichtige Kritiker sowjetischer Literaturzeitschriften wollten lediglich diejenigen Werke des Schriftstellers gelten lassen, die im Geist des [[Sozialistischer Realismus|Sozialistischen Realismus]] entstanden waren (etwa ''Der Fall von Paris'' und ''Sturm''), hielten aber das Frühwerk nach wie vor für politisch schädlich.<ref>Vgl. Ujvary, S. 125-127, die als Beispiel den Kritiker der ''[[Literaturnaja Gaseta]]'', A. Metschenko, zitiert.</ref> === Fernwirkungen === Auch außerhalb der Sowjetunion war der ''Julio Jurenito'' ein großer Publikumserfolg. Bereits 1923 erschien eine deutsche Fassung, erstellt durch den renommierten [[Lew Nikolajewitsch Tolstoi|Tolstoi]]- und Dostojewski-Übersetzer [[Alexander Eliasberg]]. Das ''[[Berliner Tageblatt]]'' rühmte den Roman anlässlich seines Erscheinens in deutscher Sprache: „Ein in allen Wassern zwischen Seine und Newa Gewaschener schrieb dieses anklägerische Buch über Europa. Das Werk ist tapfer, klug und überlegen.“<ref>Zitiert nach Schröder, S. 444.</ref> 1930 wurde Eliasbergs Übersetzung vom [[Malik-Verlag]] nachgedruckt. Auf Spanisch erschien der Roman ebenfalls 1923, in Neuauflagen 1928 und 1931; es folgten Übersetzungen ins Französische, Polnische, Tschechische, Jiddische, Japanische, Englische, Bulgarische, Niederländische, Italienische, Portugiesische und Hebräische. In den dreißiger Jahren war Ehrenburg ''[[Iswestija]]''-Korrespondent geworden, in den vierziger Jahren erlangte er als Kriegspropagandist für die Sowjetunion Berühmtheit. Zeitweise wurde er geradezu als Auslandsbotschafter der stalinistischen Sowjetunion wahrgenommen. Doch die subversive Wirkung des ''Julio Jurenito'' dauerte an; er kann als eine Art Flaschenpost aus Ehrenburgs Bohème-Phase angesehen werden, zumal Ehrenburg den Roman nie verleugnete oder umschrieb und immer als sein erstes wirklich gelungenes Werk betrachtete. So war der ''Julio Jurenito'' unter spanischen [[Anarchismus|Anarchisten]] wohlbekannt,<ref>Vgl. Rubenstein, a.a.O., S. 159</ref> was Ehrenburgs Verhältnis zu [[Buenaventura Durruti]] erheblich begünstigte. Aufgrund seines Renommees war er der einzige Sowjetschriftsteller, der im [[Spanischer Bürgerkrieg|Spanischen Bürgerkrieg]] ernsthaft mit den katalanischen Anarchisten zusammenarbeiten konnte. Ein weiteres Beispiel für derartige Fernwirkungen sind die Erlebnisse von [[Victor Zorza]], der in der polnischen [[Westukraine]] aufgewachsen war und nach dem Zweiten Weltkrieg im englischen Exil ein bekannter Schriftsteller und Journalist wurde. Zorza war mit seiner Familie nach der sowjetischen Besetzung Ostpolens in ein Arbeitslager verbracht worden. Nach gelungener Flucht irrte er durch die mittlerweile von Deutschland überfallene Sowjetunion. Im Winter 1941 erfuhr er aus einem Zeitungsartikel, dass sich Ehrenburg in Kuybischew (heute [[Samara]]) aufhielt. Er wanderte dorthin und versuchte den einflussreichen Kriegsjournalisten anzusprechen, auf dessen Hilfe er hoffte, weil er den ''Julio Jurenito'' kannte – er hatte in der Jugend zu seinen Lieblingsbüchern gehört. Das erwähnte er auch gegenüber Ehrenburg. Tatsächlich half ihm Ehrenburg, mit einer polnischen Einheit nach England zu entkommen.<ref>Vgl. Victor und Rosemary Zorza: ''A Way to Die – Living to the End'', im Internet unter [http://www.zorza.net/resources/waytodie/Eleven.html].</ref> Nach dem Zweiten Weltkrieg entdeckte ein Freund von [[George Orwell]], [[Tosco Raphael Fyvel]], den Roman erneut als literarisches Werk und publizierte seine Entdeckung u.a. in der Literaturzeitschrift ''[[Der Monat]]''. Und wiederum war es vor allem der Gegensatz zwischen dem etablierten, in Stalins Außenpolitik eingebundenen Ehrenburg von 1950 und dem anarchischen Frühwerk desselben Autors, der den Reiz der Entdeckung ausmachte. Dieses Muster hat die Rezeption des Julio Jurenito bis zum Ende der Sowjetunion begleitet. == Der Autor und sein Werk == Der etwa ein Jahr nach dem ''Julio Jurenito'' entstandene satirisch-groteske Roman ''Trust D.E.'' stellt eine Art Fortsetzung des Buches dar. Der Protagonist Jens Boot führt hier mit Hilfe eines amerikanischen [[Trust (Wirtschaft)|Trusts]] physisch herbei, was Julio Jurenito hauptsächlich in Reden und symbolischen Akten angestrebt hatte: den ''Untergang Europas'' (so der Untertitel des Romans). Und tatsächlich erscheinen ''Die ungewöhnlichen Abenteuer des Julio Jurenito'' in ''Trust D.E.'' als „Buch im Buch“: Jens Boot findet bei einem Besuch in einem Bordell des Mr. Cool in [[Amiens]] die Biografie des Julio Jurenito vor und liest sie. Er entleiht sich aus diesem Buch die „Idee“, die Rechtfertigung für sein Handeln: „Nun wusste Jens Boot, warum er Europa der Vernichtung preisgegeben hatte.“<ref>Ilja Ehrenburg: ''Trust D. E. oder Die Geschichte vom Untergang Europas''. In: ders.: ''Julio Jurenito /Trust D.E.'', Volk und Welt, Berlin (Ost) 1974, 24. Kapitel: Jens Boot macht sich mit der Lehre Julio Jurenitos bekannt, S. 397ff., Zitat: S. 400.</ref> Während ''Trust D.E.'' sich in Thematik und Stil an ''Julio Jurenito'' anlehnte, suchte Ehrenburg bei seinen späteren Romanen neue Wege. In seiner Autobiografie schrieb er: „Nach dem ''Julio Jurenito'' hatte ich den Eindruck, ich hätte mich schon gefunden, meinen Weg, meine Thematik, meine Sprache. In Wirklichkeit ging ich immer wieder in die Irre, und jedes neue Buch negierte alle vorausgegangenen.“<ref>''Menschen Jahre Leben'', Buch 3, S. 22.</ref> Doch zugleich betonte Ehrenburg eine lebens- und entwicklungsgeschichtliche Kontinuität seines Schaffens von dem berühmt gewordenen Erstling bis zu den Panorama-Romanen im Stil des Sozialistischen Realismus: „Hätte ich das 1921 nicht geschrieben, dann wäre ich 1940 auch nicht imstande gewesen, den ''Fall von Paris'' zu schreiben.“<ref>''Menschen Jahre Leben'', Buch 2, S. 419; Ehrenburg spielt dabei auf seine Charakterisierung des Karl Schmidt an.</ref> 1928 kam Ehrenburg in seinem satirischen Roman ''Das bewegte Leben des Lasik Roitschwantz'' noch einmal auf die Formen und Themen des ''Julio Jurenito'' zurück: die Reisefabel, das Muster des Schelmenromans, die Nationalitätensatire. Nur ist der Held hier kein visionsstarker „Meister“, sondern ein herumgestoßener jüdischer Schneider aus [[Homel]], der ebenfalls über Gott und die Welt philosophiert. Ehrenburg glossiert hier auch die komplizierte Veröffentlichungsgeschichte des ''Julio Jurenito'': Lasik Roitschwantz hält im Literarischen Klub in Moskau eine Rede, in der er die Veröffentlichung der Romane der ‚Weggenossen‘ trotz ihrer unklaren Stellung zur Kommunistischen Partei empfiehlt – freilich „mit irgendeinem betäubenden Vorwort“. „Er schreibt da etwa, dass Schurotschka eine große Liebe hat, wir aber verkaufen ihn im Vorwort wie hundert Töpfe: ‚Schurotschka ist nicht Schurotschka, und die Liebe ist nicht die Liebe, sondern alles nur ein Hin und Her der Gesellschaftsklassen.‘“<ref>Ilja Ehrenburg: Das bewegte Leben des Lasik Roitschwantz. Rhein Verlag, Zürich/Leipzig/München o.J, S. 134f.</ref> Und tatsächlich verfasst Roitschwantz wenig später ein derartiges Vorwort zu einem französischen [[Kolportageroman]]: „Unter dem Vorwand des Zusammenstoßes der verschiedenen Geschlechter geißelt er in Wahrheit kräftig die französische Bourgeoisie, die wie verrückt zwischen den Kronleuchtern und Limousinen herumtanzt.“<ref>Ebd., S. 140.</ref> Ob Bucharin an dieser spöttischen Referenz Anstoß nahm, ist unbekannt. Der'' Lasik Roitschwantz'' jedenfalls gefiel ihm nicht, wie er in der ''[[Prawda]]'' kundtat.<ref>Rubenstein, S. 106, der Bucharins ''Prawda''-Artikel vom 29. März 1928 zitiert: „prinzipienlos, langweilig, durch und durch falsch in seinem einseitigen Literatur-Erbrechen.“</ref> In seiner Autobiografie ''Menschen Jahre Leben'' (1961-1965) bekräftigte Ehrenburg seine Hochschätzung für seinen ersten Roman, während er mit negativen Urteilen über eine Reihe anderer, späterer Bücher nicht zurückhielt. Er meinte: „Schreiben konnte ich nicht. Das Buch hat viele unnötige Episoden, es ist nicht glattgehobelt, hin und wieder stößt man auf unbeholfene Wendungen. Und doch liebe ich dieses Buch.“<ref>''Menschen Jahre Leben'', Buch 2, S. 417.</ref> Und das verwirrende Wechselspiel, das der Roman zwischen Kunst und Leben, erfundener und realer Geschichte betreibt, reflektierte sich auch in diesen Erinnerungen erneut: „Natürlich enthält das Buch allerlei unsinnige Meinungen und naive Paradoxe; immer wieder unternahm ich es, die Zukunft zu ergründen; manches sah ich richtig, in anderem irrte ich mich. Doch im Ganzen ist es ein Buch, von dem ich mich nicht lossage.“<ref>ebd., S. 418</ref> == Literaturgeschichtliche Bedeutung == Der ''Julio Jurenito'' hat eine Vielzahl literarischer Einflüsse in sich aufgenommen, vor allem aus der klassischen russischen Literatur ([[Fjodor Michailowitsch Dostojewski|Dostojewski]], [[Lew Nikolajewitsch Tolstoi|Tolstoi]], [[Nikolai Wassiljewitsch Gogol|Gogol]], [[Anton Pawlowitsch Tschechow|Tschechow]]), aber auch aus der aktuellen Kunst- und Kulturentwicklung ([[Futurismus]], [[Konstruktivismus (Kunst)|Konstruktivismus]], [[Suprematismus]], [[Akmeismus]]) sowie aus der außerliterarischen Zeitungs- und Flugblattsprache. So hat beim Großinquisitor-Kapitel nicht nur Dostojewskis Modell Pate gestanden, sondern auch Gedichte von [[Boris Leonidowitsch Pasternak|Boris Pasternak]] und Schriften von [[Lenin]], wie Johanna Döring-Smirnov nachweist. Einfluss auf den ''Julio Jurenito'' hat auch [[Alexander Alexandrowitsch Blok|Alexander Bloks]] Gedicht ''Die Zwölf'' von 1918 ausgeübt, das zwölf Rotarmisten unter Führung von Jesus Christus imaginiert. Es ist jedoch allen Rezensenten und Literaturwissenschaftlern schwergefallen, den Roman selbst literaturgeschichtlich einzuordnen oder zu verorten. In einer zeitgenössischen Kritik wird [[Wladimir Wladimirowitsch Majakowski|Wladimir Majakowski]]s Drama ''Misterium Buffo'' als vergleichbar betrachtet, und Ralf Schröder erwähnt den Einfluss des ''Julio Jurenito'' auf [[Michail Afanasjewitsch Bulgakow|Michail Bulgakow]]s Roman ''[[Der Meister und Margarita]]'' sowie auf [[Thomas Mann]]s ''[[Doktor Faustus]]''. == Zu den deutschen Übersetzungen == Alexander Eliasbergs Übersetzung von 1923 orientiert sich an der Erstausgabe des Romans und ist die Grundlage für alle deutschen Vorkriegsausgaben sowie für alle westdeutschen Nachkriegsausgaben des Romans. Sie leidet allerdings darunter, dass einzelne Sätze, aber auch längere Passagen und sogar zwei ganze Kapitel aus unklaren Gründen ausgelassen wurden.<ref>Vgl. Heidemann, S. 232.</ref> Dagegen liegt der DDR-Ausgabe von 1975 eine Übersetzung von Maria Riwkin zugrunde. Riwkin nimmt keinerlei Streichungen vor, gibt aber die Fassung von 1962 wieder, der das komplette Großinquisitor-Kapitel fehlt und die auch sonst eine Reihe von Veränderungen aufweist. Immerhin wird in Ralf Schröders Nachwort zu dieser Ausgabe auf das fehlende Kapitel hingewiesen. Es gibt also leider keine vollständige deutsche Übersetzung des ''Julio Jurenito''. == Ausgaben == === In russischer Sprache === Erstausgabe: *Gelikon, Berlin 1922. Mit Vorwort von Bucharin und diversen Textvarianten: *Gosisdat, Moskau 1923, 1927. Mit Vorwort von Bucharin und ersten „ideologischen Kürzungen“<ref>Fresinski, S. 16</ref>: *Semlja i Fabrika, Moskau 1928. Ohne das Großinquisitor-Kapitel und das Bucharin-Vorwort und mit zahlreichen weiteren Textänderungen: *In Band 1 der neunbändigen Ausgabe der Gesammelten Werke, Moskau 1962, S. 9-233. Auf dieser Fassung basiert ein im Internet verfügbarer Scan, der auf www.lib.ru zu finden ist: [http://www.lib.ru/PROZA/ERENBURG/] Vollständige Fassung: *In Band 1 der achtbändigen Ausgabe der Gesammelten Werke (Собрание сочинений в восьми томах), Chudoschestwennaja literatura, Moskau 1990, S. 217-452. ISBN 5-280-01054-5. Darauf basiert der folgende Scan im Internet: [http://belolibrary.imwerden.de/books/Erenburg/erenburg_hurenito.htm] Vollständige Fassung, überprüft durch Vergleich mit der Erstausgabe, herausgegeben und mit Kommentar von Boris Fresinski: *In einer Textsammlung der frühen Prosawerke Ehrenburgs: Необычайные похождения, Kristall, St. Petersburg 2001, S. 33-256. ISBN 5-306-00066-5 === In deutscher Sprache === In Übersetzung von Alexander Eliasberg: *Welt-Verlag, Berlin 1923. *[[Malik-Verlag|Malik]], Berlin 1930. *Kindler, München 1967. *Gloor, Zürich 1969. *[[Suhrkamp Verlag|Suhrkamp]], Frankfurt 1976, 1990, ISBN 3-518-01455-2 In Übersetzung von Maria Riwkin, mit einem Nachwort von Ralf Schröder: *[[Verlag Volk und Welt|Volk und Welt]], Berlin (Ost) 1975. == Einzelnachweise == <references /> == Literatur == *Gudrun Heidemann: ''Das schreibende Ich in der Fremde. Il'ja Ėrenburgs und Vladimir Nabokovs Berliner Prosa der 1920er Jahre.'' Aisthesis, Bielefeld 2005. ISBN 3-89528-488-2. *Boris Fresinski: ''Феномен Ильи Эренбурга (тысяча девятьсот двадцатые годы).'' ''Das Phänomen Ilja Ehrenburg (in den 1920er Jahren).'' In der o.a. Roman-Ausgabe von 2001, S. 5-31. *Holger Siegel: ''Ästhetische Theorie und künstlerische Praxis bei Il'ja Ėrenburg 1921–1932. Studien zum Verhältnis von Kunst und Revolution''. Narr, Tübingen 1979. ISBN 3-87808-517-6 *Hetényi, Zsuzsa: Enciklopedia otricaniia. Julio Jurenito Ilyi Erenburga. /After a Hungarian version of 1995/. Studia Slavica Hungarica Ac. Scient. 45 (2000) 3-4. 317-323.* *Rahel-Roni Hammermann: ''Die satirischen Werke von Ilja Erenburg.'' VWGÖ, Wien 1978. *Ralf Schröder: ''Der Ausgangspunkt von Ehrenburgs Schaffen – Die anarchistische Durchbruchsidee als groteskes Satyrspiel in „Julio Jurenito“ und „Trust D. E.“.'' Nachwort in: Ilja Ehrenburg: ''Die ungewöhnlichen Abenteuer des Julio Jurenito / Trust D. E.'' Volk und Welt, Berlin (Ost) 1975, S. 443-461. *Johanna Renate Döring-Smirnov: ''Zur Funktion literatursatirischer Elemente in Il'ja Erenburgs Roman „Chulio Churenito“.'' In: ''Die Welt der Slaven.'' 18. Jg., 1973, S. 76-90. *Erika Ujvary-Maier (= [[Liesl Ujvary]]): ''Studien zum Frühwerk Ilja Erenburgs. Der Roman „Chulio Churenito“.'' Juris, Zürich 1970. == Weblinks == * [http://www.heretics.com/library/prose/ehren/juren/juren27.htm Das Kapitel „Der Großinquisitor außerhalb der Legende“ (russ.) in der „Bibliothek der Häretiker“] * [http://gutenberg.spiegel.de/index.php?id=5&xid=4804&kapitel=17&cHash=2eed330c08chap017#gb_found Russische Literaturgeschichte in Einzelporträts] Zeitgenössisches Urteil des Literaturwissenschaftlers und Übersetzers [[Alexander Eliasberg]] über den ''Julio Jurenito'' * [http://www.bookrags.com/criticism/ehrenburg-ilya-18911967_1/ Rezension der englischen Ausgabe von 1930 durch Bernice Whittemore in: Outlook and Independent, 23. Juli 1930] * [http://www.ceeol.com/aspx/getdocument.aspx?logid=5&id=0C99DB0B-E92C-495F-9B27-C82C7B427D4B Der wahre Ilja Ehrenburg?] Aufsatz von T. R. Fyvel mit umfangreicher Rezension des ''Julio Jurenito''. Aus: [[Der Monat]], 25/1950, S. 95-98. Fyvel war Literaturredakteur der Londoner „Tribune“. * [http://zeus.zeit.de/text/archiv/1968/11/Zt19680308_024_0054_Li Prognosen, die sich erfüllt haben - Wiedersehen mit Ehrenburgs „Julio Jurenito“ nach einem halben Jahrhundert] Artikel von [[Wolfgang Werth]] in: [[Die Zeit]] 11/1968. {{Exzellent}} {{DEFAULTSORT:Ungewohnlichen Abenteuer des Julio Jurenito}} [[Kategorie:Literarisches Werk]] [[Kategorie:Literatur (20. Jahrhundert)]] [[Kategorie:Literatur (Russisch)]] [[Kategorie:Roman, Epik]] [[Kategorie:Schelmenroman]] [[ru:Необычайные похождения Хулио Хуренито]] 4cdutbq6sfpqjb3omzruyvv1vdqizup wikitext text/x-wiki Hochwasser in Würzburg 0 23528 26126 2010-03-24T11:58:34Z 132.187.112.225 [[Bild:Würzburg-Position.png|thumb|Lage der Stadt [[Würzburg]] in Deutschland]] [[Bild:Pegel, Würzburg.PNG|thumb|upright=1.5|Hochwasserereignisse am [[Pegel Würzburg]]<ref name="175 Jahre Pegel Würzburg. Seite 43.">Wasser- und Schifffahrtsdirektion Süd (Hrsg.): ''175 Jahre Pegel Würzburg – Daten und Fakten.'' Seite 43. Siehe auch: Literatur.</ref>]] '''Hochwasser in Würzburg''' treten beinahe jährlich auf. Der [[Main]] kann dabei nach langanhaltenden Niederschlägen oder nach der Schneeschmelze hohe Wasserstände erreichen. Bei einem [[Jahrhunderthochwasser|Jahrhundert-Hochwasser]] tritt der Main in [[Würzburg]] bis an das Rathaus heran und überflutet eine Altstadtfläche von etwa 25 Hektar; das Wasser kann sogar fast bis zum Dom hinaufgelangen. Die Stadt ist deswegen bemüht, einen sicheren Schutz gegen das Hochwasser zu errichten. Mit einem kompletten Hochwasserschutz wurde 1971 begonnen und bis 2009 vollendet, um dann ein hundertjährliches Hochwasser abhalten zu können. == Hochwasserentwicklung == [[Bild:Hochwasser wuerzburg 022005.jpg|thumb|left|Kleines Hochwasser im Jahre 2005]] Der Main ab Einmündung der [[Regnitz]] lässt sich in mehrere Abschnitte unterteilen, in denen die Hochwasser etwa gleichbleibende Abflüsse haben. Der erste Abschnitt beginnt an der Regnitz-Einmündung und endet bei der Einmündung der [[Fränkische Saale|Fränkischen Saale]] in [[Gemünden am Main]]. Der zweite erstreckt sich von der Mündung der Fränkischen Saale bis zur [[Tauber]]mündung, der dritte von der Tauber- bis zur [[Kinzig (Hessen)|Kinzigmündung]], der vierte von der Kinzig- bis zur [[Nidda (Fluss)|Niddamündung]] und der letzte von da bis zur Mündung des Mains in den [[Rhein]]. Würzburg liegt im ersten Abschnitt, in dem auf einer Fließstrecke von beinahe 200 Kilometern keine größeren Nebenflüsse münden. Die Hochwasser in Würzburg werden überwiegend durch die Abflüsse des Mains oberhalb der Regnitzmündung und der Regnitz geprägt. Eine nach dem Zusammenfluss aufgebaute Hochwasserwelle erreicht etwa 36&nbsp;Stunden später Würzburg. Diese Hochwasserwelle kann durch Zwischengebietseinflüsse verändert werden. Der Main kann dem sogenannten pluvio-nivalen [[Abflussregime]] zugerechnet werden. Dieses ist typisch für [[Mittelgebirge|Mittelgebirgsregionen]]. Der Main ist geprägt durch ein sommerliches Minimum und zwei winterliche Maxima. Das erste Wintermaximum wird durch Niederschläge am Winteranfang im November/Dezember hervorgerufen. Zu diesem Hochwassertyp zählen die Ereignisse von 1882. In den Mittelgebirgen werden dann im Hochwinter die Niederschläge in Form von Schnee gebunden. In der frühjährlichen Tauperiode im Februar/März kommt dieser gebundene Schnee zum Abfluss. Durch das Zusammentreffen mit Frühlingsniederschlägen kann dieses zweite Maximum besonders stark ausfallen, wie 1784 und 1845. Verstärkend kommt dann noch hinzu, dass der Untergrund entweder gefroren oder wassergesättigt und damit versiegelt ist. Infolge von vermehrten Warmlufteinbrüchen im Winter, die die Schneedecke schon im Hochwinter abschmelzen lassen, bildet sich dann oft nur ein einziges, dafür aber ein breites Abflussmaximum. Die Wasserstände können sich durch den sogenannten [[Eisgang|Eisstand]] in wenigen Tagen beträchtlich erhöhen, ohne dass in diesem Zeitraum Niederschlag gefallen ist. Diese Hochwasser werden überwiegend durch Westwetterlagen, der häufigsten Großwetterlage Deutschlands, verursacht. Ausführlichere Informationen über die Eisverhältnisse des Mains in Würzburg siehe [[Pegel Würzburg#Eisverhältnisse|Pegel Würzburg]]. Seltener treten extreme Hochwasser, wie 1342, im Sommer auf. Diese Hochwasser werden nach tagelangem Regen auf bereits gesättigten Böden ausgelöst. == Quellenlage == [[Bild:Main Würzburg.png|thumb|Lage der Stadt Würzburg im Bezug zum Main]] Anhand der Aufzeichnungen von Historikern aus früheren Jahrhunderten, die den Hochwasserablauf, die Eisverhältnisse und die verursachten Schäden schildern, und der an Gebäuden am Main angebrachten Hochwassermarkierungen konnten einige der höchsten Wasserstände der letzten etwa 700&nbsp;Jahre rekonstruiert werden. Besonders hervorzuheben sind die Ausarbeitungen von ''Franz Seberich'' (1958) und ''Heinz Schiller'' (1989), die anhand der überlieferten Wasserstände die Hochwasser der letzten 700&nbsp;Jahre ermittelt haben. Für die Hochwasserereignisse in Würzburg gibt auch das unter Denkmalschutz stehende [[Maintor (Eibelstadt)|Maintor in Eibelstadt]], das etwa zehn Kilometer oberhalb von Würzburg liegt, einen guten Anhaltspunkt. An diesem Tor sind, über die Jahrhunderte verteilt bis zurück in das Jahr 1546, 26 historische Hochwasserstände eingemeißelt. [[Bild:Pegel Würzburg, Abflusskurve.PNG|thumb|Abflusskurve des Main in Würzburg, zur Umrechnung der Wasserstände in Abflüsse<ref name="Abflusstafel">[http://www.hnd.bayern.de/pegel/abflusstafel/pegel_abflusstafel.php?pgnr=24042000&standalone= Hochwassernachrichtendienst – Bayern, Abflusstafel]</ref>]] In Würzburg befinden sich Hochwassermarkierungen bis zum 17.&nbsp;Jahrhundert zurück, so an der Innenseite des ''Spiegeltores'' und am Portal zum Roten Bau des Rathauses. An der heute abgebrochenen Bäckerei Götz in der Karmelitenstraße befanden sich ebenfalls Markierungen. Durch diese Markierungen, die allerdings nicht immer absolut genau sind, lassen sich die einzelnen Wasserstände errechnen. Verschiedene Umstände, wie Stauung, Strömung und Wellenschlag beeinflussten die Messungen. Für das gleiche Hochwasser können demnach unterschiedliche Werte vorliegen. Von großer Bedeutung sind die Markierungen am Portal des Rathauses aus den Jahren 1682, 1784 und 1845. An gleicher Stelle wurde 2004 vom Umweltamt der Wasserstand von 1342, der durch die Quellenlage recht genau zu ermitteln war, ergänzt. Der Hochwasserstand von 1845 ist durch die Pegelmessung bekannt, so dass die Wasserstände der anderen Hochwasser berechnet werden konnten. Der Würzburger ''Carl Gottfried Scharold'', Churfürstlicher [[Pfalzgraf]], berichtete 1805 in der Würzburger Stadtchronik über mehrere Hochwasser der letzten 400&nbsp;Jahre, namentlich die Ereignisse von 1306, 1342, 1442, 1451, 1546, 1633 und 1682. Des Weiteren gab er mehrere Hochwasser aus dem 18.&nbsp;Jahrhundert an, die alle über dem Pflaster des ''Bronnbacher Hofes'' gemessen worden waren. Aufgrund des bekannten Wasserstandes von 1784 konnten die anderen Höchststände ermittelt werden. So liegen Angaben für die Hochwasser von 1682, 1740, 1744, 1764, 1782, 1784 und 1805 vor. Der Würzburger [[Magister]] [[Lorenz Fries]] berichtete in einer um 1546 erschienen Würzburger Chronik über mehrere Hochwasser in Würzburg. == Hochwasserstände == {| class="prettytable float-right" style="width:35%;" |+ Hochwasser in Würzburg<ref name="Die alte Mainbrücke zu Würzburg. Seite 177–181">Franz Seberich: ''Die alte Mainbrücke zu Würzburg.'' Seite 177–181. Siehe auch: Literatur.</ref><ref name="Hochwasserwahrscheinlichkeiten ">Heinz Schiller: ''Ermittlungen von Hochwasserwahrscheinlichkeiten am schiffbaren Main und überregionaler Vergleich der Ergebnisse.'' Seite 224–232. Siehe auch: Literatur.</ref> |- style="background:#EEEEEE" ! rowspan="2" style="width:39%;" | Datum ! colspan="2" style="width:26%;" | Wert am Pegel ! rowspan="2" style="width:35%;" | Wiederkehr-<br />zeit |- style="background-color:#EEEEEE;" ! style="width:13%;" | in cm ! style="width:13%;" | in m³/s |- align="center" | align="left" | −−.−−.1306 || – || – || align="right" | – |- align="center" | align="left" | 21. Juli 1342 || 1000 || 3350 || align="right" | >1000-jährlich |- align="center" | align="left" | 21. Juli 1442 || 900 || 2500 || align="right" | 300–500-jährlich |- align="center" | align="left" | 12. März 1445 || – || – || align="right" | – |- align="center" | | align="left" | 24. Februar 1451 || 840 || 2200 || align="right" | 100–200-jährlich |- align="center" | align="left" | 12. Juni 1481 || – || – || align="right" | – |- align="center" | align="left" | 17. Januar 1497 || – || – || align="right" | – |- align="center" | align="left" | −−.−−.1523 || – || – || align="right" | – |- align="center" | | align="left" | 24. Januar 1546 || 860 || 2300 || align="right" | 200-jährlich |- align="center" | align="left" | 14. Mai 1551 || – || – || align="right" | – |- align="center" | | align="left" | 16. Mai 1573 || 760 || 1650 || align="right" | 20–50-jährlich |- align="center" | | align="left" | −−. März 1595 || 840 || 2200 || align="right" | 100–200-jährlich |- align="center" | align="left" | −−.−−.1618 || – || – || align="right" | – |- align="center" | | align="left" | 25. Januar 1633 || 790 || 1900 || align="right" | 50–100-jährlich |- align="center" | | align="left" | 27. Januar 1682 || 863 || 2250 || align="right" | 100–200-jährlich |- align="center" | | align="left" | 17. Februar 1709 || 644 || 1400 || align="right" | 20-jährlich |- align="center" | | align="left" | 21. Dezember 1740 || 683 || 1250 || align="right" | 10–20-jährlich |- align="center" | | align="left" | 5. März 1744 || 720 || 1400 || align="right" | 20-jährlich |- align="center" | | align="left" | 1. Januar 1764 || 805 || 1750 || align="right" | 50–100-jährlich |- align="center" | | align="left" | 26. Januar 1781 || 673 || 1150 || align="right" | 10-jährlich |- align="center" | | align="left" | 29. Februar 1784 || 928 || 2600 || align="right" | 300–500-jährlich |- align="center" | | align="left" | 21. Januar 1820 || 720 || 1350 || align="right" | 10–20-jährlich |- align="center" | align="left" | −−.−−.1827 || 650 || 1150 || align="right" | 10–20-jährlich |- align="center" | align="left" | 4. Januar 1830 || 675 || 1200 || align="right" | 10–20-jährlich |- align="center" | | align="left" | 6. März 1831 || 705 || 1295 || align="right" | 10–20-jährlich |- align="center" | align="left" | −−.−−.1834 || 635 || 1050 || align="right" | 5–10-jährlich |- align="center" | align="left" | −−.−−.1839 || 675 || 1200 || align="right" | 10–20-jährlich |- align="center" | | align="left" | 20. Januar 1841 || 709 || 1318 || align="right" | 10–20-jährlich |- align="center" | | align="left" | 28. Februar 1844 || 652 || 1100 || align="right" | 5–10-jährlich |- align="center" | | align="left" | 30. März 1845 || 834 || 2170 || align="right" | 100–200-jährlich |- align="center" | | align="left" | 2. Juni 1845 || 686 || 1200 || align="right" | 10–20-jährlich |- align="center" | | align="left" | 10. Februar 1848 || 688 || 1220 || align="right" | 10–20-jährlich |- align="center" | | align="left" | 5. Februar 1850 || 710 || 1320 || align="right" | 10–20-jährlich |- align="center" | | align="left" | 2. Februar 1862 || 732 || 1454 || align="right" | 20–50-jährlich |- align="center" | | align="left" | 19. Februar 1876 || 750 || 1580 || align="right" | 20–50-jährlich |- align="center" | | align="left" | 4. Januar 1880 || 652 || 1100 || align="right" | 5–10-jährlich |- align="center" | | align="left" | 17. Dezember 1880 || 638 || 1040 || align="right" | 5–10-jährlich |- align="center" | | align="left" | 9. März 1881 || 631 || 1020 || align="right" | 5–10-jährlich |- align="center" | | align="left" | 28. November 1882 || 728 || 1460 || align="right" | 20–50-jährlich |- align="center" | | align="left" | 29. Dezember 1882 || 749 || 1670 || align="right" | 20–50-jährlich |- align="center" | | align="left" | 7. Februar 1909 || 760 || 1800 || align="right" | 50–100-jährlich |- align="center" | | align="left" | 16. Januar 1920 || 721 || 1540 || align="right" | 20–50-jährlich |- align="center" | | align="left" | 22. März 1942 || 640 || 1050 || align="right" | 5–10-jährlich |- align="center" | | align="left" | 31. Dezember 1947 || 702 || 1540 || align="right" | 20–50-jährlich |- align="center" | | align="left" | 25. Februar 1970 || 669 || 1390 || align="right" | 10–20-jährlich |- align="center" | | align="left" | 7. Januar 1982 || 637 || 1230 || align="right" | 10–20-jährlich |- align="center" | | align="left" | 29. März 1988 || 640 || 1235 || align="right" | 10–20-jährlich |- align="center" | | align="left" | 29. Januar 1995 || 615 || 1250 || align="right" | 10–20-jährlich |- align="center" | | align="left" | 6. Januar 2003 || 648 || 1350 || align="right" | 10–20-jährlich |} Die Abflussverhältnisse und die daraus resultierenden Wasserstände änderten sich im Laufe der Zeit. Durch den Eingriff des Menschen veränderte sich das Bettvolumen (Breite und Tiefe) des [[Main]]s. Durch den stetigen Ausbau des Mains erhöht sich der Abfluss bei gleichem Wasserstand. Bei gleichem Hochwasserscheitel wie in früheren Jahren kann heute mehr Wasser abfließen. Um die Hochwasser besser miteinander vergleichen zu können, wird deshalb heute neben der Höhe des Wasserstandes auch die Menge des abfließenden Wassers gemessen. Das Hochwasser vom 21.&nbsp;August 1820 erreichte bei einem [[Abfluss]] von 1350&nbsp;m³/s einen Wasserstand am [[Pegel (Wasserstandsmessung)|Pegel]] von 720&nbsp;Zentimetern. Etwa 180&nbsp;Jahre später und nach vielen baulichen Änderungen im und am Fluss, erreichte das Hochwasser vom 6.&nbsp;Januar 2003 bei gleichem Abfluss von 1350&nbsp;m³/s einen Pegelstand von 648&nbsp;Zentimetern. Dementsprechend hat die Anzahl der hohen Wasserstände abgenommen. Bedingt durch die baulichen Änderungen im Würzburger Bereich basieren die historischen Jährlichkeitsangaben nur auf dem Abfluss, da die damaligen Wasserstände deutlich höher waren als heute und so zu verfälschten Jährlichkeiten führen würden. Alle Angaben ab 1823 stammen vom [[Pegel Würzburg]]; davor resultieren sie aus Hochwassermarkierungen und historischen Berichten. Ausführliche Angaben über die Änderungen der Abflussverhältnisse und die Jährlichkeiten siehe [[Pegel Würzburg]]. [[Bild:Hochwasserabflüsse, Würzburg.PNG|thumb|Hochwasserabflüsse<ref name="Martin Schmidt: ''Hochwasser und Hochwasserschutz in Deutschland vor 1850.'' Seite 275.">Martin Schmidt: ''Hochwasser und Hochwasserschutz in Deutschland vor 1850.'' Seite 275. Siehe auch: Literatur.</ref><ref name="175 Jahre Pegel Würzburg. Seite 52.">Wasser- und Schifffahrtsdirektion Süd (Hrsg.): ''175 Jahre Pegel Würzburg – Daten und Fakten.'' Seite 52. Siehe auch: Literatur.</ref>]] [[Bild:Würzburg, Pegel.PNG|thumb|Wasserhöchststände seit 1823 im [[Abflussjahr]] vom 1.&nbsp;November bis zum 30.&nbsp;Oktober des nächsten Jahres.<ref name="175 Jahre Pegel Würzburg. Seite 52.">Wasser- und Schifffahrtsdirektion Süd (Hrsg.): ''175 Jahre Pegel Würzburg – Daten und Fakten.'' Seite 52. Siehe auch: Literatur.</ref>]] [[Bild:Würzburg, Pegel-Abfluss.PNG|thumb|Höchste Abflüsse seit 1823 im [[Abflussjahr]] vom 1.&nbsp;November bis zum 30.&nbsp;Oktober des nächsten Jahres.<ref name="175 Jahre Pegel Würzburg. Seite 53.">Wasser- und Schifffahrtsdirektion Süd (Hrsg.): ''175 Jahre Pegel Würzburg – Daten und Fakten.'' Seite 53. Siehe auch: Literatur.</ref>]] == Hochwasserereignisse == === 1306 === Von diesem Hochwasser gibt es keine Berichte über die Höhe des Wasserstandes, es muss aber eine große Höhe erreicht haben. Aus einem [[Ablass]]gesuch von 1322 geht hervor, dass die ''[[Alte Mainbrücke]]'' bei diesem Hochwasser schweren Schaden genommen hat. Die Reparaturen der Brücke zogen sich über einen längeren Zeitraum hin und waren bis zum Hochwasser 1342 noch nicht beendet.<ref name="Die Alte Mainbrücke zu Würzburg. Seite 27, 28 und 178.">Franz Seberich: ''Die alte Mainbrücke zu Würzburg.'' Seite 27, 28 und 178. Siehe auch: Literatur.</ref> Einen Bericht über das Hochwasser gibt ''Scharold'':<ref name="Scharold, Seite 151.">Carl Gottfried Scharold: Beginn 19. Jahrhundert, Seite 151. ([http://www.wuerzburg.de/tourismus/wml/634,1998.html Auszüge aus der Chronik])</ref> {{Zitat|Im Jahre 1306 wuchs der Main so plötzlich an, daß die an seinen Ufern gelegenen Städte und Dörfer sowohl an ihren Gebäuden als an ihren Früchten und Vieh ungeheuern Schaden erlitten, und viele Menschen daher ihr Leben verloren.|Carl Gottfried Scharold|''Stadtgeschichte Würzburg.'' 1818.}} === Juli 1342 === Das Hochwasser von 1342 ist das herausragende Hochwasserereignis in Mitteleuropa. Es wird beinahe in jeder Abhandlung über Hochwasser ausführlich beschrieben. Dieses Ereignis hinterließ an allen mitteleuropäischen Flussgebieten große Schadensbilder. Auf vielen agrarisch genutzten Flächen und im Wald wurden bis zu 14&nbsp;Meter tiefe Schluchten<ref name="Klimageschichte Mitteleuropas, Seite 66.">Rüdiger Glaser: ''Klimageschichte Mitteleuropas – 1000 Jahre Wetter, Klima, Katastrophen.'' Seite 66. Siehe auch: Literatur.</ref> in die Landschaft gerissen und Erosionsrinnen geschaffen, die auch heute noch teilweise landschaftsbestimmend sind. In bodenkundlichen und morphologischen Arbeiten wurde dies erkannt. Die Zerstörung der gesamten Ernten verursachte anschließend eine Hungersnot.<ref name="Klimageschichte Mitteleuropas, Seite 66.">Rüdiger Glaser: ''Klimageschichte Mitteleuropas – 1000 Jahre Wetter, Klima, Katastrophen.'' Seite 66. Siehe auch: Literatur.</ref> Dieses Hochwasser, auch [[Magdalenenhochwasser]] genannt, da es am [[Maria Magdalena#Gedenktag|St.-Magdalenentag]] auftrat, war in Würzburg und am Main das bisher größte. Die Hochwasserwelle traf am frühen Vormittag des 21.&nbsp;Juli 1342 in Würzburg ein.<ref name="Magdalenenhochwasser">[http://wuerzburg.de/media/wuerzburg.de/org/med_878/1342_A3G.pdf Magdalenenhochwasser bei Wuerzburg.de] (pdf-Datei – 147 Kilobyte)</ref> Statistisch ist dieses Hochwasser nicht mehr erfassbar; es wird so eingestuft, dass es seltener als ein 1000-jährliches Hochwasser eintritt. In den Quellen wird von hohem Schaden und mehreren hundert Toten im Einzugsbereich des Rheins berichtet. In Würzburg zerstörte das Hochwasser die ''Alte Mainbrücke'' und viele Häuser. Das Hochwasser von 1342 ist noch unzureichend erforscht. Topographische Veränderungen an Flüssen, die bisher auf weit zurückliegende geologische Zeiten datiert wurden, werden jetzt vermehrt diesem Hochwasser zugeschrieben. ==== Verlauf ==== Es handelte sich um ein Sommerhochwasser. Die meisten großen Hochwasser am Main liegen jedoch in der besonders gefährdeten Zeit vom 1.&nbsp;November bis 30.&nbsp;April. Dieses Hochwasser wurde durch eine sogenannte [[Vb-Wetterlage]], ähnlich wie beim [[Oderhochwasser 1997]], verursacht. Dabei wird ein Bodentief mit Wasser aufgeladen, das sich über dem warmen [[Mittelmeer]] im Golf von [[Genua]] und über der [[Adriatisches Meer|Adria]] befindet. Dieses Tief umgeht die [[Alpen]] im Osten, um so nach Norden zu gelangen, ohne sich in den Alpen abzuregnen. Ein solches Tief führt zu extremen Niederschlägen, die teilweise mehrere Tage anhalten. Nach einem schneereichen kalten Winter hatte die Schneeschmelze im Februar bereits ein erstes, eher unbedeutendes Hochwasser ausgelöst. Ein feuchter Frühsommer sorgte für einen langanhaltenden hohen Wasserstand am Main. Der Sommer selbst war auch ungewöhnlich nass. Der Boden war noch vom feuchten Frühjahr gesättigt. Im Sommer fiel innerhalb von nur zwei Tagen in weiten Gebieten ungefähr die Hälfte der üblichen Niederschläge eines Jahres, die eine Überschwemmungskatastrophe in Mitteleuropa auslöste, wie sie sich in Höhe und Ausmaß der Schäden später nicht mehr ereignete. ==== Wasserstand ==== Über dieses Ereignis existiert keine Markierung in oder bei Würzburg. In den historischen Aufzeichnungen wird berichtet, dass das Wasser bis an die erste steinerne Säule an den Domgreden reichte. Anhand dieser Angabe lag der Grenzwert des Wasserstandes bei vorsichtig abgeschätzten 950 bis 1030&nbsp;Zentimetern.<ref name="Magdalenenhochwasser">[http://wuerzburg.de/media/wuerzburg.de/org/med_878/1342_A3G.pdf Magdalenenhochwasser bei Wuerzburg.de] (pdf-Datei – 147 Kilobyte)</ref> Dies entspricht einem Abfluss von 3050 bis 3600&nbsp;m³/s.<ref name="Magdalenenhochwasser">[http://wuerzburg.de/media/wuerzburg.de/org/med_878/1342_A3G.pdf Magdalenenhochwasser bei Wuerzburg.de] (pdf-Datei – 147 Kilobyte)</ref> Die Domgreden waren ein hallenartiger Vorbau des Doms zur Domstraße hin, der aus einer mit drei Rundbogen abgeschlossenen Halle und einem Obergeschoss bestand. Der Domwächter nutzte das Obergeschoss als Wohnung, die Halle diente als Markt. Dieser Vorbau war um 1200 errichtet worden und wurde 1644 abgebrochen.<ref name="Magdalenenhochwasser">[http://www.wuerzburg.de/storage/med/umweltamt/263_1342_A3G.pdf Magdalenenhochwasser bei Wuerzburg.de] (pdf-Datei – 147 Kilobyte)</ref> An der Wand des Vorbaues befand sich nachstehende Inschrift über das Ereignis von 1342: : ''„Anno milleno tercento quandrante secundo'' : ''Accedit Herbipoli, quod Magnus ilico cum vi'' : ''Pontem confregit multos hominisque coegit'' : ''Casis exire, si non voluere perire.'' : ''Praxis in festo talis fluvii menor esto'' : ''Navibus hi portus quando fuere gradus“''<ref name="Magdalenenhochwasser">[http://www.wuerzburg.de/storage/med/umweltamt/263_1342_A3G.pdf Magdalenenhochwasser bei Wuerzburg.de] (pdf-Datei – 147 Kilobyte)</ref> Dieser lateinische Vers gibt den ''Praxedistag'', Sonntag den 21.&nbsp;Juli, den heutigen St.-Magdalenentag, als Tag des Hochwassers an. Des Weiteren geht aus dem Vers hervor, dass das Wasser bis nahe an den Fuß der jetzigen Domtreppe reichte.<ref name="Die Alte Mainbrücke zu Würzburg. Seite 28.">Franz Seberich: ''Die alte Mainbrücke zu Würzburg.'' Seite 28. Siehe auch: Literatur.</ref> Der Fuß der heutigen Domtreppe liegt auf 175,3&nbsp;Meter über [[Normalnull]]. Wie groß die Halle selbst war, ist nicht bekannt. Die Greden werden bei drei Rundbogenstellungen kaum länger als 25&nbsp;Meter gewesen sein. Im Bereich der damaligen ersten Säule liegt die heutige Straßenoberfläche bei etwa 174,8&nbsp;Meter über Normalnull. Vermutlich lag das Gelände in diesem Bereich damals einen halben Meter niedriger, wobei man zu einem Wasserstand von 174,3&nbsp;Metern über Normalnull kommt, was dem heutigen Pegel von 1000&nbsp;Zentimetern entspricht. Zu einem weiteren, durch die zerstörte Brücke bedingten Aufstau dürfte es nicht gekommen sein, da sich der Dom in der verlängerten Brückenachse befindet.<ref name="Magdalenenhochwasser">[http://www.wuerzburg.de/storage/med/umweltamt/263_1342_A3G.pdf Magdalenenhochwasser bei Wuerzburg.de] (pdf-Datei – 147 Kilobyte)</ref> ==== Historische Berichte ==== Am Hof zum Großen Löwen in der Dominikanergasse war eine Gedenktafel zum Hochwasser angebracht. Diese Tafel befindet sich inzwischen im Mainfränkischen Museum –&nbsp;die Übersetzung des Textes lautet:<ref name="Klimageschichte Mitteleuropas, Seite 200.">Rüdiger Glaser: ''Klimageschichte Mitteleuropas – 1000 Jahre Wetter, Klima, Katastrophen.'' Seite 200. Siehe auch: Literatur.</ref> {{Zitat|Im Jahre des Herrn 1342, am zwölften Tag vor den Kalenden des August, das war am Sonntag vor Jacobi, schwoll der Main so stark an wie nie zuvor, daß er oberhalb der Stufen des Würzburger Doms und darüber hinaus die ersten steinernen Statuen umspülte. Die Brücke mit ihren Türmen, die Mauern und viele steinerne Häuser in Würzburg stürzten zusammen. In diesem Jahr gab es eine ähnliche Überschwemmung in ganz Deutschland und anderen Gebieten. Und dieses Haus wurde durch Meister Michael von Würzburg erbaut.|Gedenktafel}} In den gesammelten Texten von Weikinn findet sich eine Beschreibung des Hochwassers:<ref>Curt Weikinn: ''Quellentexte zur Witterungsgeschichte Europas von der Zeitwende bis zum Jahre 1850.'' Berlin 1958. In Heinz Schiller: ''Ermittlungen von Hochwasserwahrscheinlichkeiten am schiffbaren Main und überregionaler Vergleich der Ergebnisse.'' Seite 225. Siehe auch: Literatur.</ref> {{Zitat|Am Maria Magdalenena- und folgenden Tag (21./22.&nbsp;Juli) fiel ein außerordentlicher Wolkenbruch, welcher den Mainstrom so sehr anschwellte, daß derselbe allenthalben weit aus seinem Bett trat, Äcker und Weingärten zerstörte und viele Häuser samt ihren Bewohnern fortriß. Auch die Brücke in Würzburg sowie Brücken anderer Mainstädte wurden durch die Wuth der Gewässer zertrümmert. In der Stadt Würzburg trat der Strom bis an die erste Steinerne Säule an den Domgreden.|Curt Weikinn}} Zu diesem Hochwasser gibt es in Würzburg in der ''Chronica de episcopus Maguntinus'' einen Bericht:<ref name="Martin Schmidt: ''Hochwasser und Hochwasserschutz in Deutschland vor 1850.'' Seite 245.">Martin Schmidt: ''Hochwasser und Hochwasserschutz in Deutschland vor 1850.'' Seite 245. Siehe auch: Literatur.</ref> {{Zitat|(Im Juni/Juli) und mehrere Wochen lang darauf ereignete sich eine große Überschwemmung, nicht nur infolge der außergewöhnlich starken Regengüsse, sondern (das Wasser) brach aus verborgenen Orten in den Bergen, Tälern und dem ganzen Lande in Strömen hervor, breitete sich übermäßig stark aus, so dass in verschiedenen Provinzen, und besonders in den Rhein- und Maingegenden und anderwärts es alles an Feld- und Baumfrüchten, Heu, Gebäuden, Vieh und leider zahlreichen Menschen vielfältig und elendiglich vernichtete.|''Chronica de episcopus Maguntinus''}} Ein ausführlicher Bericht stammt von dem Würzburger ''Michael de Leone'', der Augenzeuge des Ereignisses war:<ref>Curt Weikinn: ''Quellentexte zur Witterungsgeschichte Europas von der Zeitwende bis zum Jahre 1850.'' Berlin 1958, Seite 210.</ref> {{Zitat|Im Jahr 1342 […] stieg zu Würzburg der Main-Fluss so sehr über seine Ufer, dass die steinerne und prächtige Brücke zu Würzburg mit den Türmen und ihren Mauern sowie den Stadtmauern und auch viele steinerne Häuser dort und ringsherum plötzlich einstürzten. Die Überschwemmung des Mains war derartig, dass das Wasser über die Stufen des Säulenganges der Kirche zu Würzburg in die Nähe der steinernen Statuen ganz ungewöhnlich stark floss. Auch die hölzernen und steinernen Brücken oberhalb und unterhalb des Mains stürzten zusammen. Auch traten ungeheure Schäden an den Stadt- und Bauerngütern am Main überall beklagenswerterweise ein. Tatsächlich waren auch in anderen Teilen der Welt unerhörte Überschwemmungen der Gewässer. Auch wurden alle unterirdischen Wasserquellen gewissermaßen zerbrochen und die Schleusen des Himmels waren offen. Es fiel Regen auf die Erde wie im 600. Jahr von Noahs Leben, wie man über die Sintflut im 7.&nbsp;Kapitel der Genesis in der Mitte lesen kann.|Michael de Leone|''Kölner Weltchronik.'' 1374.}} Ein Bericht über das Hochwasser und die Zerstörung der ''Alten Mainbrücke'' findet sich bei ''Fries'':<ref name="Die Alte Mainbrücke zu Würzburg. Seite 28.">Franz Seberich: ''Die alte Mainbrücke zu Würzburg.'' Seite 28. Siehe auch: Literatur.</ref> {{Zitat|Wie der Main groß worden und ausgelaufen ist und an der Brüken schaden gethon hat:<br /> Im Jare des Heren 1342 hat es an Sant Laurentzen Tag und Abend ser und lang geregnet, und ist der Main am anderen Tag dornach vom Morgen frue an bis uf Mittag gewachsen und so gros worden, das die Brucken zu Wirtzburg und anderen Orten gar zerrissen, auch vil Heusere nider geworfen hat.|Lorenz Fries|''Würzburger Chronik.'' um 1546.}} ''Scharold'' schildert das Ereignis folgendermaßen:<ref name="Scharold, Seite 151.">Carl Gottfried Scharold: Beginn 19.&nbsp;Jahrhundert, Seite 151. ([http://www.wuerzburg.de/tourismus/wml/634,1998.html Auszüge aus der Chronik])</ref> {{Zitat|Im Jahre 1342 den 22.&nbsp;July an MagdalenenTag früh ist der Mainfluß so hoch angeschwollen, daß die hiesige steinerne Brücke mit ihren Thürmen, und viele daran stossende steinerne Häuser in die Wasserfluth ringsum zusammen stürzten, sofort der Austritt des Wassers sich bis an den Schwibbogen des jetzigen HofgerichtsGebäudes (an die Gräden) erstreckte. Nicht minder sollen damals alles steinerne und hölzerne Mainbrücken ober- und unterhalb Würzburgs gleiches Schicksal mit der diesigen erlitten haben.|Carl Gottfried Scharold|''Stadtgeschichte Würzburg.'' 1818.}} === Juli 1442 === Auf den Tag genau 100&nbsp;Jahre nach dem zerstörerischen Jahrtausendhochwasser kam es in Würzburg am 21.&nbsp;Juli 1442 zu einem erneuten starken Hochwasser. Bei diesem Hochwasser wurde die ''Alte Mainbrücke'' stark beschädigt. Aufgrund fehlender Informationen, wie weit das Wasser in die Stadt eingedrungen ist, gibt es zu diesem Hochwasser keine Höhenangaben. Aufgrund der überlieferten Schäden ist ein Abfluss von etwa 2500&nbsp;m³/s anzunehmen, was einem Wasserstand von etwa neun Metern entspricht. An der ''Alten Mainbrücke'', die als steinerne Brücke 1342 zerstört worden war, wurden später fast alle Brückenjoche aus Holz errichtet, die bei Hochwasser leichter weggespült werden konnten. Die Existenz dieses Hochwassers wird teilweise angezweifelt, da es um das gleiche Datum wie das 1342er-Hochwasser auftrat. In der Geschichte der ''Alten Mainbrücke'' ist allerdings eine teilweise Zerstörung aus dem Jahre 1442 überliefert. Es dauerte nach dem Hochwasser bis 1474, bis die ''Alte Mainbrücke'' wiederhergestellt wurde. ''Fries'' schildert zu diesem Ereignis:<ref name="Die Alte Mainbrücke zu Würzburg. Seite 29.">Franz Seberich: ''Die alte Mainbrücke zu Würzburg.'' Seite 29. Siehe auch: Literatur.</ref> {{Zitat|Wie der Main groß worden und Schaden thun hat.<br />In diesem 1442. Jare finge der Main frue uf Sant Marie Magdalenen Abend an zu wachsen und ward umb Mittag gros, das er die steinin Brucken zu Wirtzburg uber den Main, auch etliche Thuren an der Stadtmauren und ain mercklich Stucke an der Mauren, der gleichen etliche Heuser einrisse und umbwarfe und sunst allenthalben im Velde grossen Schaden thete.|Lorenz Fries|''Würzburger Chronik.'' um 1546.}} Eine ähnliche Schilderung des Ereignisses gibt ''Scharold'':<ref name="Scharold, Seite 151.">Carl Gottfried Scharold: Beginn 19. Jahrhundert, Seite 151.</ref> {{Zitat|Gerade ein Jahrhundert später, nemlich im Jahre 1442 fieng auf St. Maria MagdalenenAbend der Main zu wachsen an, und ward bis um Mitternacht so groß, daß er die steinerne Mainbrücke, auch einige Thürme an den Stadtmauern, und ein ziemlich großes Stück von diesen selbst, desgleichen einige Häuser einriß, und sonst allenthalben im Felde großen Schaden that.|Carl Gottfried Scharold: ''Stadtgeschichte Würzburg.'' 1818.}} === Januar 1546 === Ein großes Hochwasser ereignete sich am 24.&nbsp;Januar 1546. In Berichten wird geschildert, dass das Wasser bis zum Schoderhaus auf dem Marktplatz reichte, was einer Höhe von etwa 860&nbsp;Zentimetern entspricht.<ref name="Hochwasserwahrscheinlichkeiten, Seite 227 ">Heinz Schiller: ''Ermittlungen von Hochwasserwahrscheinlichkeiten am schiffbaren Main und überregionaler Vergleich der Ergebnisse.'' Seite 227. Siehe auch: Literatur.</ref> Das deutet auf einen Abfluss von etwa 2200 bis 2300&nbsp;m³/s hin und würde eine Jährlichkeit von etwa 200 entsprechen. Seberich gibt dieses Hochwasser nur mit einer Höhe von 690&nbsp;Zentimetern bei einem Abfluss von etwa 1200&nbsp;m³/s an.<ref name="Die Alte Mainbrücke zu Würzburg. Seite 179.">Franz Seberich: ''Die alte Mainbrücke zu Würzburg.'' Seite 179. Siehe auch: Literatur.</ref> Eine vorhandene Hochwassermarke am Maintor in Eibelstadt, die zwischen den Markierungen von 1909 und 1948 liegt, deutet einen Wasserstand von etwa 700 bis 750&nbsp;Zentimetern in Würzburg an.<ref name="Martin Schmidt: ''Hochwasser und Hochwasserschutz in Deutschland vor 1850.'' Seite 272.">Martin Schmidt: ''Hochwasser und Hochwasserschutz in Deutschland vor 1850.'' Seite 272. Siehe auch: Literatur.</ref> ''Scharold'' schildert über dieses Hochwasser:<ref name="Scharold, Seite 152.">Carl Gottfried Scharold: Beginn 19. Jahrhundert, Seite 152. ([http://www.wuerzburg.de/tourismus/wml/634,1998.html Auszüge aus der Chronik])</ref> {{Zitat|Im Jahre 1546 den 24.&nbsp;Januar nachmittags breitete sich der Main so hoch aus, daß er am folgenden Tag früh bis an das Rathaus reichte, und viel Schaden verursachte.|Carl Gottfried Scharold|''Stadtgeschichte Würzburg.'' 1818.}} === 1573 === 1573 scheint es zwei Hochwasser gegeben zu haben. Über diese Hochwasser gibt es nur wenige Berichte. Seberich gibt, nur mit Jahresangabe, eine Wasserhöhe von 760 Zentimetern, bei einem Abfluss von etwa 1650&nbsp;m³/s an.<ref name="Die Alte Mainbrücke zu Würzburg. Seite 179.">Franz Seberich: ''Die alte Mainbrücke zu Würzburg.'' Seite 179. Siehe auch: Literatur.</ref> Dies entspricht etwa einem 50-jährlichen Hochwasser. Bei einem Hochwasser Anfang 1573 hat die ''Alte Mainbrücke'' starke Schäden davongetragen. Über dieses Hochwasser gibt es einen Bericht von Bürgermeister ''Heinrich Wilhelm'' vom 15.&nbsp;Januar 1573, der dieses Ereignis schilderte:<ref name="Die Alte Mainbrücke zu Würzburg. Seite 107.">Franz Seberich: ''Die alte Mainbrücke zu Würzburg.'' Seite 107. Siehe auch: Literatur.</ref> {{Zitat|Demnach die Brucken dis 1573. Jars durch das Eis und gewesser Schaden genohmen und die Notturft erfordern woile, weil ohne Gefahr man nit darüber reiten oder fahren könne, dieselbe widerumb zu bauen, bei der Weidschaft gelassen werden, wie sie itzund gewesen, oder aber daß man sie so weith bauen wolle wie die steinen Bogen.|Heinrich Wilhelm}} In Eibelstadt am Maintor existiert eine Marke vom 16.&nbsp;Mai 1573. Dies bedeutet für Würzburg einen Wasserstand von etwa 750 Zentimetern und könnte sich auf das von ''Seberich'' genannte Ereignis beziehen. === März 1595 === In den ersten drei Monaten des Jahres 1595 ereigneten sich mehrere Hochwasser am Main. Ihnen voraus ging ein sehr kalter und harter Winter. Anfangs herrschte eine trockene, strenge Kälte, die den ganzen Main zufrieren ließ, so dass auch die Mühlen still standen. Danach fiel sehr viel Schnee. Durch einen plötzlichen Warmlufteinbruch kam es im Januar zu einem Eisaufbruch, der sich im Februar und März zu großen Hochwassern entwickelte. Für Würzburg sind keine genauen Daten der einzelnen Hochwasserwellen bekannt. Im März erreichte das Wasser einen Höchststand von 840 Zentimetern bei einem Abfluss von 2000 bis 2200&nbsp;m³/s.<ref name="Hochwasserwahrscheinlichkeiten, Seite 231 ">Heinz Schiller: ''Ermittlungen von Hochwasserwahrscheinlichkeiten am schiffbaren Main und überregionaler Vergleich der Ergebnisse.'' Seite 231. Siehe auch: Literatur.</ref> Dies entspricht einem 100- bis 200-jährlichen Hochwasser. Ausführliche Informationen über dieses Ereignis liegen aus [[Nürnberg]] vor, das von der [[Pegnitz (Fluss)|Pegnitz]], einem Nebenfluss des Mains durchflossen wird. Am 24.&nbsp;Januar 1595 traf in Nürnberg die Warmluft ein und zwei Tage später schwoll die Pegnitz zum ersten Mal an. Durch den Eisabgang und den Eisstau kam es zu erheblichen Schäden. Am 5., 8. und 10.&nbsp;März ereigneten sich drei Hochwasser. Diese hatten, obwohl zeitlich eng beieinander liegend, unterschiedliche Auslöser. Das erste wurde durch die Schneeschmelze im Flachland und einen erneuten Eisgang ausgelöst. Der einsetzende Dauerregen führte zur Schneeschmelze in den Bergen und zu den Hochwassern am 8. und 10.&nbsp;März. Die Hochwasserwellen vereinigten sich in [[Bamberg]] mit den Wellen vom Obermain.<ref>Rüdiger Glaser: ''Historische Hochwässer im Maingebiet – Möglichkeiten und Perspektiven auf der Basis der Historischen Klimadatenbank Deutschland (HISKLID). Seite 121–122. Siehe auch: Literatur.</ref> === Januar 1633 === Das Hochwasser am 25.&nbsp;Januar 1633 reichte laut den Berichten bis zur Schustergasse hoch, die 172,5&nbsp;m über Normalnull liegt, was einen Pegelstand von 800 Zentimetern und einem Abfluss von etwa 1900&nbsp;m³/s entspricht.<ref name="Hochwasserwahrscheinlichkeiten, Seite 228 ">Heinz Schiller: ''Ermittlungen von Hochwasserwahrscheinlichkeiten am schiffbaren Main und überregionaler Vergleich der Ergebnisse.'' Seite 228. Siehe auch: Literatur.</ref> Dies entspricht einem 50- bis 100-jährlichen Hochwasser. ''Scharold'' schildert über dieses Hochwasser:<ref name="Scharold, Seite 152.">Carl Gottfried Scharold: Beginn 19. Jahrhundert, Seite 152. ([http://www.wuerzburg.de/tourismus/wml/634,1998.html Auszüge aus der Chronik])</ref> {{Zitat|Im Jahre 1633 ist der Main so hoch und so schnell angewachsen, daß er bis oben an die Schustergasse gegangen.|Carl Gottfried Scharold}} === Januar 1682 === Das Hochwasser wurde durch intensive Niederschläge innerhalb von zwei Wochen im Januar ausgelöst und verursachte einen Eisabgang am Main. Das Hochwasser begann in Würzburg am 25.&nbsp;Januar in der Nacht zu steigen und erreichte am 27.&nbsp;Januar den Höchststand. Es war nach 1784 das zweithöchste durch Markierungen überlieferte Hochwasser in Würzburg. Am Main führte es zu den höchsten Markierungen überhaupt und wird nur von dem Hochwasser von 1784 übertroffen. Unterhalb von Wertheim, wo die Tauber in den Main mündet und der Untermain beginnt, liegen die Markierungen noch teilweise über denen von 1784. Die Hochwassermarke am Rathausportal zeigt eine Höhe von 173,18 Metern über Normalnull und damit 29 Zentimeter mehr als 1845 an. Im Vergleich zu dem per Pegel registrierten Hochwasser von 1845 hatte das Hochwasser einen Pegelstand von 863 Zentimetern, bei einem Abfluss von 2250&nbsp;m³/s.<ref name="Hochwasserwahrscheinlichkeiten, Seite 228 ">Heinz Schiller: ''Ermittlungen von Hochwasserwahrscheinlichkeiten am schiffbaren Main und überregionaler Vergleich der Ergebnisse.'' Seite 228. Siehe auch: Literatur.</ref> Es handelte sich um ein 100- bis 200-jährliches Hochwasser. Eine Schilderung des Hochwassers gibt ''Scharold'':<ref name="Scharold, Seite 152.">Carl Gottfried Scharold: Beginn 19. Jahrhundert, Seite 152. ([http://www.wuerzburg.de/tourismus/wml/634,1998.html Auszüge aus der Chronik])</ref> {{Zitat|Im Jahre 1682 den 25. Januar ist ein so großes und reißendes Wasser gewesen, daß viele Dörfer und Flecken überschwemmt, und viel Menschen und Vieh ertränkt wurden; wobey der Main der Brücke gleich gestanden, und über den Brunnen des Fischmarktes gegangen ist.|Carl Gottfried Scharold}} === September 1732 === Ende September ereignete sich ein Hochwasser zu einer sehr ungewöhnlichen Jahreszeit. Laut den Berichten gab es sehr starke Niederschläge am 29. und 30.&nbsp;September 1732. Diese verursachten ein sehr schnell steigendes Hochwasser. Über dieses Hochwasser gibt es für Würzburg keine Angaben über den Wasserstand, auch nicht in der näheren Umgebung. Im flussabwärts gelegenem Wertheim zählt dieses Ereignis zu einem der schlimmsten Hochwasser in der Geschichte der Stadt. Die Hochwassermarkierungen liegen dort weit über denen von 1845 und nur knapp unterhalb der von 1784 und 1682.<ref>Hans Wehnert, Jörg Paczkowski: ''Hochwasser in Wertheim.'' Hans Wehnert Verlag, Wertheim am Main 1985.</ref> In den gesammelten Texten von ''Weikinn'' findet sich eine Schilderung über das Hochwasser:<ref>Curt Weikinn: ''Quellentexte zur Witterungsgeschichte Europas von der Zeitwende bis zum Jahre 1850.'' Berlin 1958.</ref> {{Zitat|Außerordentliche Wasserfluthen, als Folgen eines stark anhaltenden Regens, haben die in der Mitte liegenden Provinzen Deutschlands betroffen, […] haubtsächlich im Fränkischen Kreise, in dessen Theile gegen Morgen in der Oberpfalz so wol, als noch mehr gegen Abend im Würzburgischen und Wertheimischen, unaussprechlichen Schaden gethan. Auch die Stadt Nürnberg litte sehr, doch nicht so viel als die Stadt Schwabach.|Curt Weikinn}} === Februar 1784 === [[Bild:Hochwasser in Würzburg, 1784.jpg|thumb|Hochwasser in Würzburg]] Ende Februar 1784 ereignete sich am Main, wie auch an vielen anderen Flüssen in Mitteleuropa, ein extremes Hochwasser. Dieses nach 1342 zweithöchste Hochwasser wird im mittleren Maingebiet als 300- bis 500-jährliches Ereignis eingestuft. Die Hochwassermarke am Rathausportal zeigt eine Höhe von 173,83&nbsp;Metern über Normalnull und damit 94&nbsp;Zentimeter mehr als 1845 an. Im Vergleich zu dem am Pegel registrierten Hochwasser von 1845 hatte das Hochwasser von 1784 einen Pegelstand von 928&nbsp;Zentimetern, bei einem Abfluss von 2600&nbsp;m³/s.<ref name="Hochwasserwahrscheinlichkeiten, Seite 229 ">Heinz Schiller: ''Ermittlungen von Hochwasserwahrscheinlichkeiten am schiffbaren Main und überregionaler Vergleich der Ergebnisse.'' Seite 229. Siehe auch: Literatur.</ref> ==== Schäden ==== Ein Warmlufteinbruch nach langer Frostperiode verursachte durch Regen, Schneeschmelze und Eisbruch im gesamten mitteleuropäischen Raum Hochwasser. An allen größeren Haupt- und Nebenflüssen erfolgte der Eisgang zeitgleich. Erschwerend kam hinzu, dass sich durch zeitweise herrschende Tauphasen mehrere Eisdecken übereinander geschoben hatten, die dann wieder festgefroren waren. Dieses Hochwasserereignis wird als eine der größten Umweltkatastrophen der frühen Neuzeit in Mitteleuropa angesehen. Das Hochwasser verwüstete ganze Talzüge, unzählige Brücken wurden zerstört. Das Wasser stieg in Würzburg so hoch, dass die neue Kaserne geräumt werden musste. Die Soldaten wurden gegen den Willen der Stadt Würzburg in bürgerliche Häuser einquartiert. Die Schäden am Eigentum der Menschen waren beträchtlich. Die Regierung erließ eine Weisung an alle am Main liegenden Ämter und Klöster, dass alle Funde von Mobilien und Gerätschaften, die nicht der Obrigkeit gemeldet wurden, als Diebstahl eingestuft werden sollten. Das Wasser bereitete besondere Probleme in Kirchen und Klöstern. Die Kirche ''Sankt Burkhard'' auf der linken Mainseite nahm großen Schaden. Alle Grabplatten wurden aufgerissen, die Kirchenstühle ineinander verschoben und es wurde viel Unrat in die Kirche geschwemmt. Nach dem Hochwasser ließ die geistliche Regierung des Hochstifts alle Kirchen, in die Wasser eingedrungen war, schließen. Darunter fielen die ''Burkharder Kirche'', die Kirche der Karmeliter ''(Reuerkirche)'', die ''Pleicher Kirche'' und das ''Barbarakloster''. Der Gottesdienst der ''Burkharder Kirche'' wurde bis zum 16.&nbsp;Mai 1784 in der Kirche des ''Deutschen Ordens'' (heute ''Deutschordenkirche'') ausgerichtet. Über die ''Karmelitenkirche'' wurde berichtet, dass das Wasser die Leichname aus den Gräbern gespült hatte. Die weltliche Regierung sah darin eine Gefahr für die Gesundheit der Bevölkerung. Professoren der medizinischen Fakultät der Universität Würzburg untersuchten nach dem Ablaufen des Wassers die betroffenen Kirchen und rieten allen Einwohnern, an ungefährlichen Plätzen behutsam Tannenholzfeuer anzulegen und die Häuser mit Wacholdersträuchern auszuräuchern. Daraufhin empfahl die Regierung das Feuer nur in gewöhnlichen Herdstellen anzulegen und riet von der Verwendung von Schießpulver ab. Anfang April wurden die ''Pleicher Kirche'' und die ''Karmelitenkirche'' wieder geöffnet. Aber auch danach bereitete die Feuchtigkeit in den Kirchen Probleme, weshalb angeblich auch Gottesdienstbesucher ohnmächtig wurden. Zu Schäden kam es auch im Keller des Sankt Burkardischen Rückermainamtes, das mit Wasser vollgelaufen war. Im Keller wurden Kelter umgestürzt, zwei Fuder Wein in einem Fass gingen zugrunde. Vier Fässer mussten mit Eisen gebunden werden, weil durch das lang anhaltende Wasser die hölzernen Reifen abgesprungen waren. Beschädigt wurden in Würzburg auch die Brückenbögen und Brückenpfeiler der ''Alten Mainbrücke'', die ''untere Mainmühle'', das Wehr und die Kranenkaimauer. Für diese Schäden forderte die Hofkammer als Abschlag 5000&nbsp;Gulden von den Holzhändlern. Diese seien dafür verantwortlich gewesen, weil die sogenannten Holländerstämme unkontrolliert auf dem Main geschwommen seien und dadurch viel Schaden angerichtet hätten. In der Stadt wurden verschiedene Gebäude, das Pflaster und Straßen und Wege durch das Wasser ruiniert und unbrauchbar. Die ''Augustinerschanz'' wurde ebenfalls zerstört. Die Versorgung der Bevölkerung mit Brot bereitete zeitweise Probleme, da in der Stadt viele Backöfen unter Wasser standen und die ''Main-'' und die ''Kanalmühle'' schwere Schäden aufwiesen. Die Behebung der Schäden kostete der Stadt viel Geld und zog sich zum Teil über Jahre hin. Selbst im Jahre 1788 weigerte sich die Stadt noch, durch das Wasser angehäufte Steine unter dem Wehr auf ihre Kosten zu beseitigen. Das Hochwasser verursachte am Main auch eine geomorphodynamische Wirkung. Es kam in einzelnen Regionen, wie bei Gambach, zu Erosion und Hangabrutschungen durch Unterspülung. Vergleichbare Beschreibungen sind auch aus dem Rhein-, Mosel-, Saar-, Weser- und Odergebiet überliefert. Letztendlich kam die Stadt noch glimpflich davon; es liegen keine Berichte über Todesopfer vor, die Sachschäden beliefen sich allerdings auf mehrere Tausend Gulden. Unter der Teilnahme des Bischofs wurde am 18.&nbsp;März 1784 in der ''Marienkapelle'' ein Dankfest abgehalten. In anderen Regionen, wie in Bamberg, kamen beim Einsturz einer Brücke 36&nbsp;Menschen zu Tode. In Köln am Rhein starben über 1000&nbsp;Menschen, 600&nbsp;Schiffe und hunderte Häuser wurden zerstört. ==== Verlauf ==== Im gesamten europäischen Raum war der [[Winter 1783/84]] äußerst schneereich und sehr kalt. Die Frostperiode hielt im Würzburger Raum insgesamt 13&nbsp;Wochen an. Die Kälte begann im Dezember 1783 und es froren daraufhin fast alle Gewässer in Mitteleuropa zu. Der Große Belt war schon so stark zugefroren, dass man mit Schlitten und Wagen von Dänemark nach Schweden fahren konnte. Um den 26./27.&nbsp;Dezember trat bei den Temperaturen eine kurze Besserung ein, sie fielen jedoch bis zum Jahresende erneut stark. Diese extreme Kälte hielt bis Mitte Januar 1784 an. Von Mitte Januar bis zum 21./22.&nbsp;Februar wurde diese Kaltphase immer wieder von kurzen Phasen mit etwas milderen Temperaturen unterbrochen. In diesem Zeitraum fiel auch häufig Schnee. Der Winter war von Dezember bis Februar sehr schneereich. Vom 24.&nbsp;Dezember 1783 bis zum 21.&nbsp;Februar beobachtete man beispielsweise in Mannheim 29 Schneefallereignisse, die teilweise tagelang anhielten. Der Schnee wuchs in manchen Regionen auf mehr als 1,5&nbsp;Meter Höhe an, wobei am 27. und 28.&nbsp;Dezember 1783 im Rhein-Neckar-Raum etwa 45&nbsp;Zentimeter Schnee fielen. Der Februar brachte viel Schnee und Eis. In Würzburg türmte sich der Schnee so hoch, dass der Bischof Franz Ludwig von Erthal 100&nbsp;Dukaten aus seinem Eigentum gab, um das Eis und den Schnee aus der Stadt schaffen zu lassen. Der Bischof beauftragte auch die Hofkammer, die Hofpferde zum Wegschaffen bereitzustellen. Dem vorausgegangen war eine Ermahnung der Regierung an die Bevölkerung, keinen Unrat aus den Häusern in den Schnee zu schütten, da der Müll mit Schnee und Eis eine gefährliche Mischung bildete. Um den 23.&nbsp;Februar brachte ein plötzlicher Warmlufteinbruch die enormen Schneemassen, die sich im Winter angesammelt hatten, zum Schmelzen. Diese Warmluft wurde durch ein blockierendes Hoch über Osteuropa, das in Mitteleuropa eine meridional orientierte Zirkulation zur Folge hatte, ausgelöst. Die Veränderung der Großwetterlage führte in Mainfranken wie auch in weiten Teilen Europas warme Luftmassen aus westlichen und südlichen Richtungen heran. Der Winter war vorher überdurchschnittlich lange vom Großwettertyp ''Hoch Mitteleuropa'' und ''Ost'' geprägt, wobei sehr kalte Luftmassen aus nördlichen und östlichen Richtungen herangeführt worden waren. Der Warmlufteinbruch wurde infolge großräumiger Aufgleitbewegungen von hohen Niederschlägen geprägt. Bedingt durch die rasche und starke Erwärmung, die von heftigen Regenfällen begleitet war, kam es am 27. und 28.&nbsp;Februar 1784 zum Bruch und Aufstau des Eises am Main in Würzburg. Aufgrund der enormen Schmelzwassermassen, des Eisstaus und den starken Niederschlägen begann nun der Main sehr schnell zu steigen. Der höchste Wasserstand wurde am 29.&nbsp;Februar erreicht. Die Hochwasserwelle hielt bis zum 1.&nbsp;März 1784 an. In Würzburg wurden während des Hochwassers die gefährdetsten Plätze beleuchtet und Viertelmeister und Bürgerschaft hielten am Wasser nächtliche Wache. Der Bischof begutachtete persönlich die Brücke. Das Eis begann am 27.&nbsp;Februar gegen zwölf Uhr zu brechen und staute sich oberhalb der ''Alten Mainbrücke'' auf. Die Eisschollen, Holländerbäume und das Gehölz richteten erhebliche Schäden an der Brücke an. Das Wasser stieg am 29.&nbsp;Februar bis vier Uhr an und erreichte den Kürschnerhofbogen beim Regierungsgebäude. Nach diesem Warmlufteinbruch trat kurze Zeit, bedingt durch die erneute Änderung der Großwetterlage, erneut Kälte ein, die Niederschläge ließen nach und der Mainpegel sank wieder rasch ab. Das blockierende Hoch hatte sich aufgelöst und die vorherigen Wetterlagen konnten sich wieder etablieren. Es strömte wieder Kaltluft aus nördlichen und östlichen Richtungen nach Mitteleuropa. ==== Spenden ==== Der Bischof rief nach der Flut zu Spenden auf. Aus christlichen Motiven bat er die Bevölkerung um Hilfe, wobei er sich auch selbst beteiligen wollte, er könnte aber nicht alles alleine finanzieren. Er ließ der Stadt 400&nbsp;Exemplare seines Aufrufs zur Verteilung geben, mit dem Titel:<ref name="Herbert Schott: Das Hochwasser von 1784.">Herbert Schott: ''Das Hochwasser von 1784.'' Seite 39.</ref> {{Zitat|An das Würzburger-Hochstifts-Publikum: Bedrangte Einwohner der Residenzstadt und des Fürstl. Hochstifts Würzburg die am 27ten und 28ten Hornung 1784 durch die Wasserfluthen in Unglück gerathen.|Herbert Schott}} Die Pfarrer wurden aufgefordert, Spenden zu sammeln und ein Verzeichnis aller Spender zu erstellen. An diese wurde ein nummerierter Schein ausgegeben, auf dem die Höhe der Spende sowie der Name des Spenders vermerkt waren. Zum Schluss der Spendenaktion sollten die Spenden im Wochenblatt veröffentlicht werden. Die Stadt Würzburg trug 400&nbsp;Gulden bei, wobei jeweils 100&nbsp;Gulden vom Wasserzollamt, von der Getreidestiftung, vom Bürgerspital und von der Brücknerschen Stiftung kamen. Mehr konnte die Stadt nach eigenen Aussagen nicht aufbringen. 200&nbsp;Gulden spendete ein Teil des Personals der Hofkammer, 100&nbsp;Gulden kamen vom Ritterstift Sankt Burkhard. ==== Einstufung ==== Dieses Hochwasser wird aus hydrographischer Sicht am Main dem Normaltyp zugeordnet, da es zu diesem regelmäßig, vor allem im Winter infolge lang anhaltender Niederschläge, verbunden mit der Schneeschmelze, kommt. Die Jährlichkeit wird für Würzburg mit 412&nbsp;Jahren angegeben.<ref name="Hochwasserwahrscheinlichkeiten, Seite 231 ">Heinz Schiller: ''Ermittlungen von Hochwasserwahrscheinlichkeiten am schiffbaren Main und überregionaler Vergleich der Ergebnisse.'' Seite 231. Siehe auch: Literatur.</ref> Im mittleren Maintal, von der Regnitzeinmündung bei Bamberg bis zur Einmündung der Fränkischen Saale bei Gemünden wird eine Wiederkehrzeit von etwa 400&nbsp;Jahren geschätzt. In diesem Bereich sind die Hochwassermarkierungen von 1784 die höchsten. Im Bereich zwischen der Fränkischen Saale und der Tauber wird bereits eine Wiederkehrzeit von 250&nbsp;Jahren angegeben. Für den Unterlauf von der Taubereinmündung bis zur Mündung in den Rhein liegt die Jährlichkeit bei 150 Jahren. In diesem Bereich liegen die Markierungen des Hochwassers von 1682 noch über denen des Jahres 1784. Für das gesamte Maingebiet, von der Regnitzmündung bis zur Mündung in den Main, wird ein durchschnittlicher Wert von 200&nbsp;Jahren, nach denen sich eine vergleichbare Flutwelle einstellen kann, angegeben.<ref name="Die Überschwemmungskatastrophe von 1784 im Maintal, Seite 11">Rüdiger Glaser und Horst Hagedorn: ''Die Überschwemmungskatastrophe von 1784 im Maintal.'' Würzburg 1990, Seite 11.</ref> ==== Historische Berichte ==== Im Würzburger Ratsprotokoll ist das Ereignis wie folgt geschildert:<ref name="Die Alte Mainbrücke zu Würzburg. Seite 176.">Franz Seberich: ''Die alte Mainbrücke zu Würzburg.'' Seite 176. Siehe auch: Literatur.</ref> {{Zitat|Den 27ten Februarii 1784 finge das diesjährige Eis an zu brechen und sich ohngeachtet der vielen getroffenen Vorkehr und Aufeisen in Etwas ober der brucken zu stemmen bis gegen 12&nbsp;Uhr zu welcher Zeit des Tages darauff Se. Hochfürstl. Höchstselbst auf die bruck sich gnädigst verfügt und so eben ginge das Eis forth, hierauf liefe das Wasser an und wurde mit den grosen Eisschollen mit vielen holländer baumen und anderes gehöltz vermischet, welches dann schon vielen schaden angerichtet, bis Sonntag den 28ten der Mayn immer mehr angeschwollen, so daß zusehens<!--sic--> in der grösten Geschwindigkeit das Wasser zum thor hereingedrungen und die Menschen, die an der brucken, von Zeit einer halben stund nicht mehr mit freyen fus unterhalb des 4 Röhren bronnens ab kommen könnten, dies Wachsthum hielt an bis den 29 frühe um 4&nbsp;Uhr, da stund der Main grad an den Kierschners Hofbogen bey der Hochfürstl. Regierung, und verwüstete nicht zwar sowohl der Mayn als die unzählige Holländer baumen und ungeheüre Eisschollen die neue Caßerne, sogenannte Augustiner schantz, Herrschaftliche Mühlen und mehrere Privat gebäue von grund aus: weßwegen dann auch die Inwohnere besonders der Büttners- Kärner- Augustiner- und Karmeliter-gassen nebst gantzer Pleichacher und Sander Viertel in die äusserste Lebensgefahr durch beförchtende Umstürze ihrer Häuser gesetzt worden, und da diese schreckbare Noth und Gefahr so lange andauerte, so wurden sie letztlich auch, weilen man mit gröster Noth ihnen mit lebens Mittlen nicht zu Hülf eilen konte, in die Nahrungs Noth versetzet.|Würzburger Ratsprotokoll}} Eine sehr ausführliche Beschreibung findet sich in der Chronik des mainaufwärts gelegenen Kitzingen:<ref name="Rüdiger Glaser und Horst Hagedorn: Die Überschwemmungskatastrophe von 1784 im Maintal.">Rüdiger Glaser und Horst Hagedorn: ''Die Überschwemmungskatastrophe von 1784 im Maintal.'' Würzburg 1990, Seite 4.</ref> {{Zitat|Der Winter stellte sich frühzeitig ein, und die Kälte trat bis zum 1ten Januar 1784 im höchsten Grade, desgleichen in dem halben Februar, wie noch nicht gewesen ist von 14ten bis zum 22ten Januar schneite es unaufhöhrlich fort, an manchen Orten lag der Schnee 6&nbsp;Schuhe tief (mehr als 1,5&nbsp;m), der Mayn konnte alenthalben mit geladenen Wagen überfahren werden. Die mit dem Monat Februar eingestellte gelinde Witterung war nicht im Stande allen harte Schnee und Eis womit das ganze land überzogen war, zu schmelzen: Erst gegen den 27ten des Monats als das Wasser allenthalben sich durch geschmolzenen Schnee vermehrt hatte fing dies Eiß in Mengen sich zu heben an. Man hatte sich allenthalben auf einen gefährlichen Eisbruch gefaßt gemacht und auf ein außerordentlich hohes Wasser im Mayngrunde sich vorgesehen, allein die den am 29ten Februar as einem Schaltjahr übertraf alle Erwartung.|Kitzinger Chronik}} Im benachbarten Wiesenbronn wird in der Chronik der ''Familie Hüßner'' ebenfalls über dieses Hochwasser berichtet:<ref name="Die Überschwemmungskatastrophe von 1784 im Maintal, Seite 2">Rüdiger Glaser und Horst Hagedorn: ''Die Überschwemmungskatastrophe von 1784 im Maintal.'' Würzburg 1990, Seite 2.</ref> {{Zitat|Anno 1784: In dießen Jahr haben wier gar einen graußamen und kalden Winder gehabt daß mann gemeint eß müßt alles erfrieren, daß sich der allerErste Mann nicht gedenken hat könen da eß den an den Neüen Jahr angefangen mit großer und grimicher Kelde und mit vielen heüffigen Schnee aufeinander geworfen bieß an den 20.&nbsp;February, da ist so schnell gangen mit den großen und heüffigen Schnee mit vielen heüffigen regen und Wind da eß dan unvermuth Ein so erschröckliches und erbärmliches gewäßer abtgeben in den meingrund und in denen andern großen flüßen daß man eß mit wemuth und mit hertzen Trauerigkeit hören hat müßen, mit waß vor entsetzlichen Schaden eß gethan hat, viele gute Christen Reich und Armen in den grösten Verlust sind gesetzt worden ferner daß nach dießen angezeigten gewäßern ist wieder kalt worden wieder Schnee aufeinander geworfen, ist also kald geblieben bieß Zuausgang des Merzen&nbsp;[…]|Familie Hüßner}} === März 1845 === Das Hochwasser vom März 1845 ist das höchste der letzten 200&nbsp;Jahre und seit Beginn der Pegelmessungen am Main. Verursacht wurde es wiederum durch Eisabgang. Der Winter war sehr streng und dauerte vom Dezember 1844 bis Ende März 1845. Der Main war komplett zugefroren und selbst am Rhein konnten Fuhrwerke den Fluss überqueren. Das Hochwasser wurde durch einen Wetterumschwung, der mildere Luft herbeiführte und das Eis der Flüsse in Bewegung setzte, ausgelöst. Dieser Prozess begann am Rhein bereits Ende Februar und Anfang März. Das Eis setzte sich dort langsam in Bewegung und bildete an engen Flussstellen Eisbarrieren. Der Main war am 23.&nbsp;März, einem Sonntag, noch so fest zugefroren, dass in Aschaffenburg eine Kegelbahn und Fischbäckereien auf dem Eis eingerichtet werden konnten. Das Tauwetter begann dann am 27.&nbsp;März mit starken Regenfällen. Dabei brach das Eis auf und der Main trat schnell über das Ufer. In Würzburg wurde der höchste Wasserstand am 30.&nbsp;März erreicht. Dieser betrug am Pegel 834 Zentimeter bei einem Abfluss von 2170&nbsp;m³/s.<ref name="Hochwasserwahrscheinlichkeiten, Seite 231 ">Heinz Schiller: ''Ermittlungen von Hochwasserwahrscheinlichkeiten am schiffbaren Main und überregionaler Vergleich der Ergebnisse.'' Seite 231. Siehe auch: Literatur.</ref> Das 100- bis 200jährliche Hochwasser hielt bis Anfang April an, bis das Eis abgeschmolzen war und sich die Lage wieder normalisierte. Sehr ähnlich lief ein [[Elbehochwasser 1845|zeitgleiches Elbhochwasser]] ab. === Dezember 1882 === Das Hochwasser von 1882 zeichnete sich mehr durch seine extreme zeitliche Länge als auch durch seine Höhe aus. Es erreichte Ende November und Ende Dezember zwei Höchststände. 1882 war ein besonders nasses Jahr. Von Oktober bis Dezember fiel fast doppelt so viel Niederschlag wie in anderen Jahren. Ende November schmolz bei starken Regenfällen eine vorhandene Schneedecke weg und verursachte ein Hochwasser, das in Würzburg am 28.&nbsp;November einen ersten Höhepunkt erreichte. Erneute starke Niederschläge verursachten zum Ende des Jahres eine neue Hochwasserwelle, die in Würzburg ihren Höhepunkt am 29.&nbsp;Dezember erreichte. Das Hochwasser dauerte bis zum Anfang des Jahres 1883 an. Der Pegelstand betrug am 28.&nbsp;November 728 Zentimeter bei einem Abfluss von 1460&nbsp;m³/s.<ref name="Hochwasserwahrscheinlichkeiten, Seite 231 ">Heinz Schiller: ''Ermittlungen von Hochwasserwahrscheinlichkeiten am schiffbaren Main und überregionaler Vergleich der Ergebnisse.'' Seite 231. Siehe auch: Literatur.</ref> Das zweite Hochwasser war am 29.&nbsp;Dezember mit einem Pegelstand von 749 Zentimetern und einem Abfluss von 1670&nbsp;m³/s noch etwas höher.<ref name="Hochwasserwahrscheinlichkeiten, Seite 231 ">Heinz Schiller: ''Ermittlungen von Hochwasserwahrscheinlichkeiten am schiffbaren Main und überregionaler Vergleich der Ergebnisse.'' Seite 231. Siehe auch: Literatur.</ref> Die Jährlichkeit beider Hochwasser wird mit 20 bis 50 Jahren angegeben. === Februar 1909 === [[Datei:Hochwasser in Würzburg, 1909.jpg|thumb|Hochwasser in der Domstraße]] Im Februar 1909 ereignete sich das größte Hochwasser seit 1845. In Würzburg dauerte es vom 6. bis zum 8.&nbsp;Februar und stand die Domstraße hinauf bis oberhalb des ''Vierröhrenbrunnens''. In den letzten Tagen im Januar gingen starke Schneefälle voraus. Anfang Februar ging der Schneefall in Regen und ein fünf Tage anhaltendes Tauwetter über. Durch das Schmelzwasser trat der Main über die Ufer. Der höchste Wasserstand wurde mit einem Pegelstand von 760 Zentimetern am 7.&nbsp;Februar 1909 erreicht, bei einem Abfluss von 1800&nbsp;m³/s.<ref name="Hochwasserwahrscheinlichkeiten, Seite 231 ">Heinz Schiller: ''Ermittlungen von Hochwasserwahrscheinlichkeiten am schiffbaren Main und überregionaler Vergleich der Ergebnisse.'' Seite 231. Siehe auch: Literatur.</ref> Dies entspricht einem 50- bis 100-jährlichen Hochwasser. === Januar 1920 === Der Winter 1919/1920 brachte seit Oktober und November starke Schneefälle in den Mittelgebirgsregionen. Tauwetter ließ Ende Dezember 1919 den Main das erste Mal über die Ufer treten. Nach dem Jahreswechsel fiel der Pegel wieder recht schnell, bedingt durch eine Hochdrucklage mit trockener Kälte. Einsetzendes Tauwetter im Januar 1920, das mit starkem Regen und Sturm kam, ließen den Main erneut sehr schnell steigen. Am 16.&nbsp;Januar 1920 wurde in Würzburg der höchste Wasserstand erreicht. Dieser betrug am Pegel 721 Zentimeter bei einem Abfluss von 1540&nbsp;m³/s.<ref name="Hochwasserwahrscheinlichkeiten, Seite 231 ">Heinz Schiller: ''Ermittlungen von Hochwasserwahrscheinlichkeiten am schiffbaren Main und überregionaler Vergleich der Ergebnisse.'' Seite 231. Siehe auch: Literatur.</ref> Dies entspricht einem 20- bis 50-jährlichen Hochwasser. === Februar 1970 === 1970 ereignete sich das letzte größere Hochwasser in Würzburg, das Teile der Altstadt überflutete. Das Hochwasser wurde durch Tauwetter in den Mittelgebirgen ab dem 20.&nbsp;Februar und starke Niederschläge ausgelöst. In Süddeutschland fielen vom 21. bis zum 23.&nbsp;Februar bis zu 70 Liter pro Quadratmeter auf den noch gefrorenen Boden. In den Mittelgebirgsregionen lagen verbreitet mehr als 50 Zentimeter Schnee, die bei dem Tauwetter wegschmolzen. Dies verursachte eine Hochwasserwelle, die Würzburg am 25.&nbsp;Februar 1970 erreichte. Der Wasserstand hatte eine maximale Höhe von 669 Zentimetern, bei einem Abfluss von 1390&nbsp;m³/s.<ref name="Hochwasserwahrscheinlichkeiten, Seite 231 ">Heinz Schiller: ''Ermittlungen von Hochwasserwahrscheinlichkeiten am schiffbaren Main und überregionaler Vergleich der Ergebnisse.'' Seite 231. Siehe auch: Literatur.</ref> Dies entspricht einem 10- bis 20-jährlichen Hochwasser. Starker Frost, der am 25.&nbsp;Februar einsetzte, ließ die Wasserstände wieder rasch zurückgehen. === Januar 2003 === [[Bild:Hochwasser Würzburg Januar 2003.jpg|thumb|Januar-Hochwasser 2003, Blick von der Alten Mainbrücke Richtung Norden auf Mainkai / Karmelitenstr.]] Im Januar 2003 ereignete sich in Würzburg das höchste Hochwasser seit 1970, das allerdings, bedingt durch den seit Mitte der 1980er-Jahre fertig gestellten provisorischem Hochwasserschutz, nur wenige Schäden anrichtete. Das Hochwasser, das durch starke Niederschläge auf gesättigten Böden ausgelöst wurde, erreichte am 6.&nbsp;Januar 2003 Würzburg und hatte einen Wasserstand von 648 Zentimeter, bei einem Abfluss von 1350&nbsp;m³/s.<ref name="hnd.bayern">[http://www.hnd.bayern.de/ereignisse/hw040103/ Hochwassernachrichtendienst Bayern – Hochwasser im Januar 2003]</ref> Es handelte sich um ein 10- bis 20-jährliches Hochwasser. ==== Verlauf ==== Der Dezember 2002 war in Nordbayern, bedingt durch eine ausgeprägte Luftmassentrennung, durch viele Regentage geprägt. In Nordbayern blieben viele [[Wetterstation]]en an nur vier Tagen niederschlagsfrei. Die Böden waren dadurch bereits wassergesättigt und der Main führte mit seinen Nebenflüssen bereits stark erhöhte Wasserstände. Vom 20. bis 24.&nbsp;Dezember und vom 26.&nbsp;Dezember bis zum 4.&nbsp;Januar 2003 gab es ergiebige Dauerregenphasen. Dabei fielen in den meisten Regionen Nordbayerns mehr als 100 Liter pro Quadratmeter. Die stärksten Niederschläge fielen dabei im Einzugsgebiet der flussabwärts in den Main mündenden Fränkischen Saale, die dabei ein starkes Hochwasser mit einer Jährlichkeit von 100 bis 200 verursachte. Die Nebenflüsse des Mains begannen ab dem 2.&nbsp;Januar zu steigen. Am 4.&nbsp;Januar traf die Hochwasserwelle des Obermains bei Bamberg auf die Scheitelwelle der dort mündenden Regnitz. Die Scheitelwelle, die bis Schweinfurt zunächst eine Jährlichkeit von 20 bis 50 aufwies, erreichte dann am 6.&nbsp;Januar 2003 Würzburg.<ref name="hnd.bayern">[http://www.hnd.bayern.de/ereignisse/hw040103/ Hochwassernachrichtendienst Bayern – Hochwasser im Januar 2003]</ref> == Hochwasserschutz == [[Bild:Wuerzburg altstadt panorama.jpg|thumb|Hochwassergefährdeter Bereich [[Würzburg]]er Altstadt zwischen der ''Friedensbrücke'' und der ''Löwenbrücke'']] Die Stadt Würzburg wurde in den letzten Jahrhunderten des Öfteren von verheerenden Hochwassern heimgesucht. Diese reichten mehrmals bis zum Rathaus, aber auch vereinzelt bis zum Dom hinauf. Bei einem Hochwasser der Jährlichkeit 100 werden im rechtsmainischen Altstadtbereich zwischen der ''Friedensbrücke'' und der ''Löwenbrücke'', einem städtebaulich und denkmalpflegerisch sehr sensiblen Bereich, eine Fläche von etwa 25&nbsp;Hektar überflutet.<ref name="hapmain">[http://www.hapmain.de/assets/hap_main/mods/hap_central/tech/WUE_TH_0061.pdf Hochwasseraktionsplan Main – Hochwasserschutz Würzburg] (pdf-Datei)</ref> In diesem Bereich leben rund 3000 Menschen.<ref name="hapmain">[http://www.hapmain.de/assets/hap_main/mods/hap_central/tech/WUE_TH_0061.pdf Hochwasseraktionsplan Main – Hochwasserschutz Würzburg] (pdf-Datei)</ref> Die linksmainischen und die Gebiete auf der rechten Mainseite liegen größtenteils höher und sind deswegen nicht besonders hochwassergefährdet. Es ist nicht möglich, Hochwasser oberhalb von Würzburg durch Speicherbecken zurückzuhalten oder abzuflachen. Dies ist bedingt durch die Größe des Einzugsgebietes und die damit verbundenen großen Abflüsse im Falle eines Hochwassers. Aufgrund der vorhandenen Bebauung des Uferbereiches und der vielfältigen Nutzung des Mains ist eine Vergrößerung des Abflussprofils, die einen Einfluss auf den Wasserstand hätte, nicht möglich. Als einzige realisierbare Möglichkeit, den rechtsmainischen Altstadtbereich vor Hochwassern zu schützen, verbleibt nur die Abschottung durch einen funktionsfähigen Hochwasserschutz. Der erste provisorische Hochwasserschutz stammt aus dem Jahre 1983 und war bis zu einem Pegel von etwa 650 bis 670 Zentimetern ausgelegt. Angedacht ist ein Schutz der Altstadt vor einem 100-jährlichen Hochwasser, das einem Pegelstand von 835 entspricht.<ref name="WWA, Geplante Hochwasserschutzanlagen">[http://www.wwa-wue.bayern.de/projekte/wuerzburg/wuerzburg-3.htm Wasserwirtschaftsamt Aschaffenburg – Hochwasserschutz Würzburg, Geplante Hochwasserschutzanlagen]</ref> Ein solches ist zuletzt 1845 aufgetreten. === Geschichte === [[Bild:Wuerzburg grafeneckart.jpg|thumb|Altes Würzburger Rathausgebäude, das bei größeren Hochwassern erreicht wird]] Für den Altstadtbereich, der eine Uferlänge von etwa 1,5&nbsp;Kilometer umfasst, wurden bereits nach dem Zweiten Weltkrieg beim Wiederaufbau der Stadt zwei Abschnitte des Hochwasserschutzes errichtet. Diese halten einem etwa 100-jährlichen Hochwasser stand. Der erste Abschnitt, ''Stadtbalkon'' genannt, eine stellenweise begehbare Stützmauer, befindet sich unweit der ''Löwenbrücke'' und hat eine Länge von etwa 300&nbsp;Metern. Der zweite Abschnitt ist eine Häuserzeile am Unteren Mainkai. Die mainseitigen Wände der Häuserzeile wurden wasserdicht ausgeführt. Enorme Schäden im Stadtgebiet verursachte das Hochwasser von 1970. Aufgrund dieses 20-jährlichen Ereignisses beantragte die Stadt Würzburg, vertreten durch das ''Wasserwirtschaftsamt Würzburg'', beim Freistaat Bayern den Bau eines Hochwasserschutzes, um den rechtsmainischen Altstadtbereich zwischen der ''Friedensbrücke'' und der ''Löwenbrücke'' komplett vor Hochwasser zu schützen. Mit den Bauarbeiten unter der Trägerschaft des Freistaates wurde 1971 begonnen. Mit dem Bau des Kaufhauses Hertie (heute Wöhrl) wurde Ende der 1970er-Jahre eine etwa 160 Meter große Baulücke der Altstadt geschlossen. Das Kaufhaus wurde im Rahmen der erforderlichen Hochwasserschutzmaßnahmen mit Untergrundabdichtung und Schutztoren versehen. Beim Bau des Congress-Zentrums (CCW) wurde 1986 ebenfalls ein Hochwasserschutz in das Gebäude integriert. Das Herzstück des Würzburger Hochwasserschutzes ist das 1988 fertiggestellte, aus 14&nbsp;Pumpen bestehende Pumpwerk. Es befindet sich unterhalb des CCW-Parkplatzes am ehemaligen Viehhofgelände und dient bei Hochwasser als Binnenentwässerung. Es hat eine Gesamtleistung von 4000&nbsp;Litern pro Sekunde und pumpt bei Hochwasser das anfallende Regenwasser aus dem Kanalnetz in den Main. Im Bereich des ''Alten Kranen'' folgte 1990 der Hochwasserschutz. Beim heutigen ''Haus des Frankenweins'', dem ehemaligen Zollgebäude, wurde beim Wiederaufbau 1990 des Weinkellers und der Gaststätte zum Main hin eine Dichtwand aus sich überlappenden Bohrpfählen errichtet. Mit Aluminiumdammbalken können die drei Torbögen der angrenzenden Kranengarage im Hochwasserfall verschlossen werden. Die Lücke bei der Karmelitenstraße wurde 1993 mit einer 15&nbsp;Meter langen Hochwasserschutzmauer verkürzt. Die verbliebene Straßenöffnung wird seit 1998 bei Bedarf mit drei Meter langen Stahlstützen und 2,5&nbsp;Meter langen Aluminiumdammbalken verschlossen. Überlappende Bohrpfähle wurden zur Gründung und Untergrundabdichtung bis zum Fels abgeteuft. Der Hochwasserschutzabschnitt im Bereich des Alten Kranen wurde von 1997 bis 2001 als letzter offener Abschnitt verwirklicht und am 11.&nbsp;Oktober 2001 eingeweiht. Dieser 200&nbsp;Meter lange Hochwasserschutz am Kranenkai wurde gemeinsam mit dem Ausbau der Straßenbahnlinie 2/4 errichtet. Die Projektierung dieses Abschnittes geht auf einen städtebaulichen Ideenwettbewerb im Jahre 1984 zurück. Dieser Hochwasserschutz entstand unter Berücksichtigung der denkmalpflegerischen und städtebaulichen Sichtweise. Es ist ein zuverlässiger Schutz, gewährt eine optimierte Verkehrsführung und gestaltet den Übergangsbereich von der Stadt zum Fluss optisch ansprechend. Die Durchfahrt bei der ''Kranenbastion'' und die Zufahrt zum Parkplatz an der Friedensbrücke können mit [[Dammbalken]] verschlossen werden. Die überwiegend brüstungshohe Hochwasserschutzmauer kann mit Dammbalken um bis zu einem Meter erhöht werden und reicht bis zum anstehenden Fels in fünf Meter Tiefe. Zum Hochwasserschutz gehört auch eine Dränage, die das ansteigende Grundwasser zu einer Pumpstation leitet, die dann das Wasser aus dem geschützten Gebiet heraus hinter dem Hochwasserschutz in den Main pumpt. Um den angestrebten Schutz vor einem 100-jährlichen Hochwasser zu gewährleisten, muss auch die letzte, 280 Meter lange Lücke zwischen der Reibeltgasse und dem Kaufhaus Wöhrl geschlossen werden. Mit diesem Hochwasserschutzabschnitt wurde Ende 2004 begonnen. Er soll nach den derzeitigen Planungen bis zum Jahre 2009 fertiggestellt sein. Solange dieser Abschnitt noch nicht geschlossen ist, muss bei größeren Hochwassern, trotz fertiger Schutzbauten unterhalb der ''Alten Mainbrücke'', mit einer Überflutung des Altstadtgebietes gerechnet werden. Beim letzten größeren Hochwasser im Januar 2003 mit einem Pegelstand von 648&nbsp;Zentimetern konnte dies gerade noch verhindert werden. Zu den vorgesehenen Baumaßnahmen in den nächsten Jahren zählt auch die Sanierung der bestehenden Schutzmauer am Unteren Mainkai und am Stadtbalkon. Am Stadtbalkon sollen auch die vorhandenen Kellerfenster mit beweglichen Verschlüssen ausgestattet werden. Die Binnenentwässerung oberhalb der ''Alten Mainbrücke'' und in der Kärnergasse muss weiter ausgebaut werden. Dort sollen eine Dränageleitung mit den entsprechenden Pumpstationen gelegt und weitere Anpassungsmaßnahmen im Kanalnetz durchgeführt werden. ==== Weitere Baumaßnahmen ==== [[Bild:Maindreieck.jpg|thumb|Lage von Würzburg im ''Maindreieck'']] Aufgrund des städtebaulichen Ideenwettbewerbs in den Jahren 1998 und 1999 sollen im Rahmen des Hochwasserschutzes weitere Baumaßnahmen, die nicht primär dem Schutz vor dem Hochwasser dienen, durchgeführt werden. In den nächsten Jahren sollen die Verkehrsführung optimiert und Parkplätze umstrukturiert werden. Für die Fußgänger ist eine durchgehende Uferpromenade geplant. Eine Entwurfsvariante für ein Parkdeck mit 38 unterirdischen Pkw-Stellplätzen wird wegen Unwirtschaftlichkeit nicht umgesetzt.<ref name="WWA, Presseberichte">[http://www.wwa-wue.bayern.de/projekte/wuerzburg/wuerzburg-8.htm Wasserwirtschaftsamt Aschaffenburg – Hochwasserschutz Würzburg, Presseberichte]</ref> Durch die Bauarbeiten im Uferbereich fallen zwar 170&nbsp;Parkplätze weg, dafür sollen aber durch eine veränderte Parkregelung 100 neue entstehen. Die bestehende Fahrstraße soll auf sechs Meter verschmälert werden. Zwischen der Straße und dem Mainufer entstehen Grünstreifen und ein 3,5&nbsp;Meter breiter, durchgängiger Fußweg. Entstehen soll dabei auch ein neuer Anlegesteg für Kreuzfahrtschiffe.<ref name="WWA, Presseberichte">[http://www.wwa-wue.bayern.de/projekte/wuerzburg/wuerzburg-8.htm Wasserwirtschaftsamt Aschaffenburg – Hochwasserschutz Würzburg, Presseberichte]</ref> === Betrieb === Der Entwässerungsbetrieb (EBW) der Stadt, der die Anlagen der Binnenentwässerung betreut, ist für die Sicherstellung des Hochwasserschutzes und den rechtzeitigen Aufbau der mobilen Schutzvorrichtungen zuständig. Um einen reibungslosen Ablauf im Hochwasserfall zu gewährleisten, wird der Hochwasserschutz einmal jährlich übungsweise aufgebaut.<ref name="WWA, Vorhandene Hochwasserschutzanlagen">[http://www.wwa-wue.bayern.de/projekte/wuerzburg/wuerzburg-2.htm Wasserwirtschaftsamt Aschaffenburg – Hochwasserschutz Würzburg, Vorhandene Hochwasserschutzanlagen]</ref> Für den Aufbau der etwa 1000&nbsp;Dammbalken mit einem Gesamtgewicht von 35&nbsp;Tonnen und einem Gewicht von jeweils 27&nbsp;Kilogramm und der 75&nbsp;Stützen, 75 bis 350&nbsp;Kilogramm schwer, bleiben dem EBW etwa 36&nbsp;Stunden Zeit. Der Aufbau richtet sich nach dem zu erwartenden Höchststand der Hochwasserwelle.<ref name="WWA, Vorhandene Hochwasserschutzanlagen">[http://www.wwa-wue.bayern.de/projekte/wuerzburg/wuerzburg-2.htm Wasserwirtschaftsamt Aschaffenburg – Hochwasserschutz Würzburg, Vorhandene Hochwasserschutzanlagen]</ref> === Kosten === Seit Beginn der Arbeiten im Jahr 1971 wurden bis zum Jahresende 2003 etwa 7,5&nbsp;Millionen Euro für den Hochwasserschutz ausgegeben. Der Freistaat Bayern trug hiervon 4,5&nbsp;Millionen Euro. Die Stadt und die Stadtwerke, die nur im Bereich des Kranenkais beteiligt waren, übernahmen die verbleibenden drei Millionen Euro.<ref name="WWA, Kosten der Maßnahme">[http://www.wwa-wue.bayern.de/projekte/wuerzburg/wuerzburg-5.htm Wasserwirtschaftsamt Aschaffenburg – Hochwasserschutz Würzburg, Kosten der Maßnahme]</ref> Für den noch ausstehenden Baubereich werden höhere Kosten als die bisher ausgegebenen 7,5&nbsp;Millionen Euro angenommen. Die Kosten für den vollständigen Hochwasserschutz und die weiteren Baumaßnahmen belaufen sich auf etwa 18&nbsp;Millionen Euro, wobei der Freistaat Bayern 67&nbsp;Prozent übernommen hat.<ref name="WWA, Presseberichte">[http://www.wwa-wue.bayern.de/projekte/wuerzburg/wuerzburg-8.htm Wasserwirtschaftsamt Aschaffenburg – Hochwasserschutz Würzburg, Presseberichte]</ref> == Einzelnachweise == <references/> == Literatur == * Franz Seberich: ''Die alte Mainbrücke zu Würzburg.'' Mainfränkische Hefte, Heft 31, Buchdruckerei Karl Hart, Volkach vor Würzburg, Würzburg 1958. * Martin Schmidt: ''Hochwasser und Hochwasserschutz in Deutschland vor 1850.'' Kommissionsverlag Oldenbourg Industrieverlag München, München 2000, ISBN 3-486-26494-X. * Heinz Schiller: ''Ermittlungen von Hochwasserwahrscheinlichkeiten am schiffbaren Main und überregionaler Vergleich der Ergebnisse.'' in Informationsberichte des Bayerischen Landesamtes für Wasserwirtschaft, München 1989. * Rüdiger Glaser: ''Historische Hochwässer im Maingebiet – Möglichkeiten und Perspektiven auf der Basis der Historischen Klimadatenbank Deutschland (HISKLID).'' in Erfurter Geographische Studien, Band 7, 1998. * Bayerisches Landesamt für Wasserwirtschaft (Hrsg.): ''Spektrum Wasser 1 – Hochwasser – Naturereignis und Gefahr.'' Universitätsdruckerei und Verlag Dr.&nbsp;C. Wolf & Sohn GmbH & Co. KG, München 2004, ISBN 3-930253-93-3. * Wasser- und Schifffahrtsdirektion Süd (Hrsg.): ''175&nbsp;Jahre Pegel Würzburg – Daten und Fakten.'' Böhler Verlag, Würzburg 1999. * Rüdiger Glaser: ''Klimageschichte Mitteleuropas – 1000&nbsp;Jahre Wetter, Klima, Katastrophen.'' Primus Verlag, Darmstadt 2001, ISBN 3-89678-405-6. * Carl Gottfried Scharold: ''Stadtgeschichte Würzburg.'' Würzburg 1818, Beiträge zur Chronik von Würzburg, Seite 151–153. == Weblinks == * [http://www.hnd.bayern.de/pegel/wasserstand/pegel_wasserstand.php?pgnr=24042000&standalone=1 Wasserstandsgrafik Würzburg vom HochwasserNachrichtenDienst www.hnd.bayern.de] * [http://www.wuerzburg.de/de/umwelt-verkehr/wasserrechtgewaesserschutzwasserwirtschaft/oberflaechengewaesser/15321.Pegel_Wuerzburg.html Hochwasser am ''Pegel Würzburg'' bei Wuerzburg.de] * [http://www.hap-main.de/p2061265138_378.html?SESSION=bbc1525b270e8cac5cb4959ad3ed1969 HochwasserAktionsplan Main] * [http://www.wwa-wue.bayern.de/projekte/wuerzburg/wuerzburg-1.htm Hochwasserschutz Würzburg beim Wasserwirtschaftsamt Aschaffenburg] * [http://www.ebw.wuerzburg.de/ Entwässerungsbetrieb Würzburg (EBW)] * [http://wuerzburg-siebziger.piranho.com/ Alte Fotos vom Hochwasser 1970] * [http://www.weyer-neustadt.de/content/DesktopDefault.aspx?tabid=146 Main-Hochwasser in Neustadt, Rothenfels, Hafenlohr und Marktheidenfeld] * [http://www.wuerzburg-fotos.de/hochwasser.htm Viele Bilder und weitere Informationen zum Thema Hochwasser in Würzburg (private Homepage) ] {{DEFAULTSORT:Hochwasser in Wurzburg}} [[Kategorie:Flutkatastrophe]] [[Kategorie:Hochwasserschutz]] [[Kategorie:Main]] [[Kategorie:Würzburg]] {{Exzellent}} bmjsdwnl3o0u42m7vy7igk4t1j9emqo wikitext text/x-wiki Heraklit 0 23529 26127 2010-03-20T00:38:08Z TobeBot 0 Bot: Ergänze: [[arz:هيراكليتوس]] {{Begriffsklärungshinweis}} [[Datei:Sanzio 01 Heraclitus.jpg|thumb|Heraklit in der Gestalt [[Michelangelo]]s, Detailansicht aus [[Raphael Santi|Raphaels]] ''[[Die Schule von Athen]]'' (1510–1511), Fresko in der [[Stanzen des Raffael#Stanza della Segnatura|Stanza della Segnatura]], Vatikan]] '''Heraklit von Ephesos''' ({{ELSalt|Ἡράκλειτος ὁ Ἐφέσιος}} ''{{lang|la|Herákleitos ho Ephésios}}'', [[Latinisierung|latinisiert]] ''Heraclitus Ephesius''; * um 520 v.&nbsp;Chr.; † um 460 v.&nbsp;Chr.) war ein [[Vorsokratiker|vorsokratischer]] [[Philosoph]] aus dem [[Ionien|ionischen]] [[Ephesos]]. Heraklit beanspruchte eine von allen herkömmlichen Vorstellungsweisen verschiedene Einsicht in die Weltordnung. Daraus ergibt sich eine nachhaltige Kritik der oberflächlichen Realitätswahrnehmung und Lebensart der meisten Menschen. Ein wiederkehrendes Thema seines Philosophierens ist neben dem auf vielfältige Weise interpretierbaren Begriff des [[Logos]], der die vernunftgemäße Weltordnung und ihre Erkenntnis und Erklärung bezeichnet, der natürliche Prozess beständigen [[Werden (Philosophie)|Werdens]] und Wandels. In späterer Zeit wurde dieser Wandel auf die populäre Kurzformel ''[[panta rhei]]'' („Alles fließt“) gebracht. Des Weiteren setzte sich Heraklit mit dem Verhältnis von Gegensätzen auseinander, wie etwa von Tag und Nacht, Wachsein und Schlafen, Eintracht und Zwietracht. Diese Gegensätze sah er in einer spannungsgeladenen Einheit stehend. Überliefert sind von Heraklits Werk nur Zitate aus späteren Texten anderer Autoren. Diese Zitate bestehen oft nur aus einem Satz und enthalten zahlreiche [[Aphorismus|Aphorismen]], [[Paradoxon|Paradoxien]] und [[Wortspiel]]e. Die stilistischen Eigenheiten, die fragmentarische Überlieferung und der Umstand, dass die Echtheit einiger Fragmente strittig ist, erschweren eine präzise Erfassung seiner Philosophie. Seine Thesen waren und sind daher Gegenstand kontroverser Interpretationsversuche. Wegen der nicht leicht zu entschlüsselnden Botschaften verlieh man ihm bereits in der Antike den Beinamen „der Dunkle“ ({{Polytonisch|ὁ Σκοτεινός}}, ''{{lang|la|ho Skoteinós}}''). Seine genauen Lebensumstände sind&nbsp;– wie der Aufbau seines Werkes&nbsp;– ungeklärt, da sich die Forschung lediglich auf Informationen von nicht zeitgenössischen, teils sehr späten Autoren stützen kann, deren Glaubwürdigkeit umstritten und in manchen Fällen offensichtlich gering ist. == Leben und Legendenbildung == Heraklit wurde um 520 v. Chr.<ref>Zur Datierung von Geburt und Tod Heraklits siehe Mouraviev (2000) S. 577f. (mit Diskussion der älteren Literatur zur Chronologie).</ref> in der griechischen Kolonie [[Ephesos]] in [[Ionien]] geboren, das bis in das 5.&nbsp;Jahrhundert unter der Herrschaft der Perser stand. Als Sohn eines gewissen Blyson oder Herakon, worüber bereits in der Antike Uneinigkeit herrschte,<ref>Diogenes Laertios 9,1 (= [[Die Fragmente der griechischen Historiker|FGrHist]] 244 F 340a).</ref> stammte Heraklit aus einem [[Aristokratie|aristokratischen]] Geschlecht. Dadurch hätte er erblichen Anspruch auf das Amt des königlichen Opferpriesters gehabt; zugunsten seines Bruders verzichtete er jedoch darauf. Zu seinen Mitbürgern nahm Heraklit auch politisch eine deutlich ablehnende Haltung ein, wie ein Zitat zeigt, welches sich auf die Verbannung eines prominenten Lokalpolitikers bezieht: „Recht täten die Ephesier, wenn sie sich alle Mann für Mann aufhängten und den Unmündigen ihre Stadt hinterließen, sie, die Hermodoros, ihren wackersten Mann, aus der Stadt gejagt haben mit den Worten: ‚Von uns soll keiner der Wackerste sein oder, wenn schon, dann anderswo und bei andern.‘“<ref>Diogenes Laertios 9,2.</ref> Trotz seiner Abneigung gegen seine Mitbürger scheint er seine Heimatstadt nie verlassen zu haben. Nur wenige der zu seinem Leben überlieferten Einzelheiten können als gesichert gelten, darunter aber immerhin die Mitteilung, dass er sein Werk ursprünglich im [[Tempel der Artemis in Ephesos|Artemistempel von Ephesos]] hinterlegte.<ref>Gadamer (1999), S. 12.</ref> Die spärlichen biographischen Angaben sind – beispielsweise bei [[Diogenes Laertios]] – ansonsten untrennbar mit Anekdoten verbunden, deren Wahrheitsgehalt umstritten und in manchen Fällen höchst zweifelhaft ist.<ref>Diogenes Laertios 9,1–17.</ref> Ein Großteil der angeblichen Begebenheiten wurde anscheinend in späterer Zeit aus seinen vielfältig deutbaren Sentenzen hergeleitet und zielte darauf, ihn postum der Lächerlichkeit preiszugeben.<ref>Geoffrey Kirk, John E. Raven, Malcolm Schofield, ''Die vorsokratischen Philosophen'', Stuttgart 2001, S. 199.</ref> In diesem Sinne spiegeln manche Anekdoten verzerrte Aspekte seiner Äußerungen wider: Dem Fragment B 52, welches das Leben einem Knabenspiel gleichsetzt, entspricht eine Episode, wonach Heraklit eine Beteiligung an der Gesetzgebung in Ephesos ablehnte, weil er das Spiel mit Kindern im Artemistempel vorzog.<ref>[[Christof Rapp]], ''Vorsokratiker'', München 1997, S. 62.</ref> Ebenso ist Heraklits Tod um 460 v. Chr. von der Legende umrankt, dass er aufgrund seiner rein pflanzlichen Nahrung während seines zurückgezogenen Lebens in den Bergen um Ephesos an [[Ödem|Wassersucht]] erkrankt sei. Mit seiner gewohnt rätselhaften Ausdrucksweise habe er sich den Ärzten nicht verständlich machen können. Daraufhin habe er versucht, sich selbst zu kurieren, indem er sich unter einen Misthaufen gelegt habe, um seinen wassersüchtigen Körper auszutrocknen.<ref>Diogenes Laertios 9,3.</ref> Diese Schilderung angeblicher Umstände seines Ablebens dürfte ihren Ursprung in Versatzstücken der Lehre Heraklits haben, wonach es für die Seele den Tod bedeutet, zu Wasser zu werden.<ref>[[Die Fragmente der Vorsokratiker|DK]] 22 B 36; Rapp (1997), S. 62.</ref> Trotz der lokalen und zeitlichen Nähe zu [[Milet]] und seinen [[Naturphilosophie|Naturphilosophen]] ist eine direkte Bezugnahme Heraklits auf die [[Vorsokratiker#Milesier (ältere ionische Naturphilosophie|Milesier]] weder für [[Thales]] noch für [[Anaximander]] oder [[Anaximenes]] überliefert. Weder stand er in einem Schülerverhältnis zu einem von ihnen,<ref>Pleines (2002), S. 67, Anmerkung 180.</ref> noch begründete er selbst eine kontinuierliche Tradition oder eigene Lehrrichtung. Umstritten ist sein Verhältnis zu [[Parmenides]]; die Vermutung, dass er das Werk des Parmenides kannte, ist spekulativ.<ref>Mouraviev (2000) S. 584f. (mit Literaturübersicht zur Frage). Mouraviev weist darauf hin, dass für eine Parmenides-Rezeption bei Heraklit nur spekulative philosophiegeschichtliche Überlegungen sprechen können, wogegen für eine Heraklit-Rezeption bei Parmenides nicht nur philosophiegeschichtliche, sondern auch philologische Argumente vorgebracht worden sind. Die Frage bleibt offen.</ref> Sein Philosophieren, das er als Selbstsuche charakterisierte,<ref>DK 22 B 101: „Ich habe mich selbst erforscht“ ({{Polytonisch|ἐδιζησάμην ἐμεωυτόν}}); Diogenes Laertios 9,5.</ref> steht somit außerhalb aller Einteilungen in Schulen und Richtungen. Philosophiegeschichtlich wurde Heraklit daher kontrovers als materieller [[Monismus|Monist]] oder [[Prozessphilosophie|Prozess-Philosoph]], als wissenschaftlicher [[Kosmologie|Kosmologe]], [[Metaphysik|metaphysischer]] oder hauptsächlich religiöser Denker, [[Empirismus|Empirist]], [[Rationalismus|Rationalist]] oder [[Mystiker]] bezeichnet, seinem Gedankengut revolutionäre oder geringe Bedeutung zugesprochen und sein Werk als Grundlage der [[Logik]] oder als Widerspruch in sich beurteilt.<ref>Daniel W. Graham, ''Heraclitus'', in: [http://plato.stanford.edu/entries/heraclitus/#LifWor Stanford Encyclopedia of Philosophy].</ref> == Werk == Heraklit verfasste eine Schrift, die er – damaligem Brauch folgend – ohne Titel beließ; erst in späterer Zeit wurde sie als {{Polytonisch|Περὶ φύσεως}} (''{{lang|grc-Latn|Perì phýseōs}}'', „Über die Natur“) betitelt. Sie wurde frühestens 499, wahrscheinlich nach 492 vollendet.<ref>Zur Datierung siehe Mouraviev (2000) S. 580–582.</ref> Das Werk ist als Ganzes verloren, doch deckt sich das Bild, das antike [[Doxographie|doxographische]] Quellen von ihm vermitteln, weitgehend mit dem Wissensstand, den die erhaltenen Fragmente ergeben. Daher wird vermutet, dass nur etwa die Hälfte des ursprünglichen Textes verloren ist.<ref>Marcovich (1965), Sp. 269.</ref> Werke von teilweise deutlich späteren Autoren wie [[Platon]], [[Aristoteles]], [[Clemens von Alexandria]], [[Hippolyt von Rom]] und [[Diogenes Laertios]] enthalten meist sinngemäße, selten wörtliche Zitate aus der ursprünglichen Schrift Heraklits. Aus diesen indirekten Quellen sammelte [[Hermann Diels]] 137 Fragmente sowie mehrere Äußerungen zu Heraklits Leben. Dieses Material veröffentlichte er 1901 unter dem Titel ''Herakleitos von Ephesos'' sowie ab 1903 als Teil seines Werks ''[[Die Fragmente der Vorsokratiker]]''. Nach dieser Ausgabe werden Heraklits Fragmente gewöhnlich zitiert.<ref>Die übliche Zitation umfasst die Kennzeichnung DK als Abkürzung für Diels-Kranz, eine dem Autor zugewiesene Ziffer, die Bezeichnung des Abschnitts und die Nummer des Fragments: z.&nbsp;B. DK 22 B 101.</ref> Allerdings gelten nach heutigem Forschungsstand von den Fragmenten ein bis drei Dutzend als unecht, zweifelhaft oder als lediglich schwache [[Paraphrase (Sprache)|Paraphrasen]] ursprünglicher Zitate.<ref>Einen Überblick über die Ansichten verschiedener Herausgeber zur Authentizität der Fragmente bietet Serge Mouraviev: ''Héraclite d'Éphèse''. In: ''Dictionnaire des philosophes antiques'', hrsg. von Richard Goulet, Bd.&nbsp;3, Paris 2000, S. 573–617, hier: 604–607.</ref> Wegen dieser Überlieferungslage kann die ursprüngliche Konzeption des heraklitischen Werkes nicht zuverlässig rekonstruiert werden. Bereits die Frage nach der Gestalt der Schrift wurde und wird kontrovers beurteilt: So nehmen manche [[Philologe]]n an, dass das Werk Heraklits eine geschlossene philosophische Konzeption sowie „einen durchkomponierten Charakter“ aufwies und „von bestimmten Grundgedanken getragen war, die ihm systematischen Zusammenhang verliehen“, auch wenn sich der ursprünglich kohärente Zusammenhang der Fragmente nicht wiederherstellen lässt.<ref>Thomas Hammer, ''Einheit und Vielheit bei Heraklit von Ephesus'', Würzburg 1991, S. 32.</ref> Vertreter einer gegensätzlichen Forschungsrichtung sehen die Fragmente hingegen als Überreste eines Buches, das als Aneinanderreihung von Sinnsprüchen, so genannten [[Gnome (Dichtung)|Gnomen]], gestaltet war, „einer vielleicht auch erst im Laufe der Zeit zusammengekommenen Sammlung knapper, pointierter, mit höchster Kunst stilisierter Aussprüche.“<ref>Olof Gigon, ''Der Ursprung der griechischen Philosophie von Hesiod bis Parmenides'', 2. Auflage, Basel 1968, S. 197.</ref> Nach Gigon weisen die einzelnen Fragmente „größte Intensität und Selbstständigkeit“ auf, sodass lediglich das Anfangsfragment einen sachlichen und textlichen Anschluss anderer Sprüche erlauben würde.<ref>Gigon (1968) S. 200.</ref> Geoffrey Kirk erwog sogar die Möglichkeit, dass es sich bei den bekannten Fragmenten um eine erst nach Heraklits Tod durch einen Schüler zusammengestellte Sammlung von Aussprüchen handelt; diese Hypothese fand in der Forschung jedoch kaum Anklang. [[Theophrastos von Eresos|Theophrast]] bezeichnete – wie Diogenes Laertios berichtet – das Werk Heraklits als halbfertig und in unterschiedlichen Stilen verfasst, was er auf die [[Melancholie]] des Autors zurückführte. Diogenes Laertios merkte an, die Schrift Heraklits sei in drei Abschnitte über [[Kosmologie]], [[Politik]] und [[Theologie]] aufgeteilt gewesen.<ref>Diogenes Laertios 9,5–6.</ref> Eine Zuordnung der einzelnen Fragmente zu diesen Teilen ist heute jedoch nicht mehr möglich, sodass die tatsächliche Form des Werkes letztlich unbekannt bleibt. == Sprache == Heraklit verfasste sein Werk in [[Ionisches Griechisch|ionischem Griechisch]]. Die Fragmente beziehen sich in oft poetischer Ausdrucksweise auf Erscheinungen der natürlichen Umwelt wie Sonne, Erde und Luft oder auf Aspekte der Zeit wie Tag und Nacht, Morgen und Abend; sie erläutern philosophische Gedanken anhand von Naturvorgängen (Flussfragmente), Verhaltensmustern von Tieren oder menschlichen Tätigkeiten. Heraklits Sprache ist zugleich voller [[Aphorismus|Aphorismen]], [[Paradoxon|Paradoxien]] und [[Wortspiel]]e, welche seine Textstücke verdichten und ihre Ergründung erschweren, sodass ihm bereits in der Antike der Beiname „der Dunkle“<ref>Zum Beispiel Cicero, ''De finibus bonorum et malorum'' 2,15.</ref> verliehen wurde. Zudem bedient sich Heraklit einer Sprache, die je nach individueller [[Lesart]] vielschichtig gedeutet werden kann.<ref>Kahn (1981), S. 89.</ref> Die Dunkelheit der Sprache Heraklits ist die Folge einer für ihn „charakteristischen doppelbödigen Ausdrucksweise […], die der Doppelbödigkeit seiner Gleichnisse entspricht.“<ref>Held (1980), S. 185.</ref> Beispielhaft zeigt sich das etwa im ersten Fragment der Diels-Edition (B 1): „Für diesen Logos aber, obgleich er ewig ist, gewinnen die Menschen kein Verständnis […].“<ref name="B1">DK 22 B 1; Übersetzung leicht variiert nach Gadamer, ''Philosophisches Lesebuch'', Band 1, Frankfurt am Main 1965, S. 27 ({{Polytonisch|τοῦ δὲ λόγου τοῦδ᾽ ἐόντος ἀεὶ ἀξύνετοι γίνονται ἄνθρωποι καὶ πρόσθεν ἢ ἀκοῦσαι καὶ ἀκούσαντες τὸ πρῶτον· γινομένων γὰρ πάντων κατὰ τὸν λόγον τόνδε ἀπείροισιν ἐοίκασι, πειρώμενοι καὶ ἐπέων καὶ ἔργων τοιούτων, ὁκοίων ἐγὼ διηγεῦμαι κατὰ φύσιν διαιρέων ἕκαστον καὶ φράζων ὅκως ἔχει· τοὺς δὲ ἄλλους ἀνθρώπους λανθάνει ὁκόσα ἐγερθέντες ποιοῦσιν, ὅκωσπερ ὁκόσα εὕδοντες ἐπιλανθάνονται.}}).</ref> Bereits [[Aristoteles]] kritisierte, dass dabei das tatsächlich nur einmal vorkommende Wort „immer“ ({{Polytonisch|ἀεί}}, ''{{lang|grc-Latn|aeí}}'') nicht eindeutig auf das davor stehende [[Partizip]] von „sein“ ({{Polytonisch|ἐόντος}}, ''{{lang|grc-Latn|eóntos}}'') oder das folgende „unvernünftig“ oder „ohne Verständnis“ ({{Polytonisch|ἀξύνετοι}}, ''{{lang|grc-Latn|axýnetoi}}'') bezogen ist, und warf Heraklit Ausdrucksschwäche vor.<ref>Aristoteles, ''[[Rhetorik (Aristoteles)|Rhetorik]]'' 1407b11–18.</ref> Moderne Übersetzer stehen hier vor einem Dilemma, da sie sich für eine der Möglichkeiten oder eine Kombination beider Varianten entscheiden müssen.<ref>David Sider, ''Word Order and Sense in Heraclitus: Fragment One and the River Fragment'', in: ''Ionian Philosophy'', hrsg. von Konstantine J. Boudouris, Athen 1989, S. 363–368, hier: S. 364.</ref> So übersetzt beispielsweise Rapp den Begriff Logos allgemein mit „Darstellung“ oder „Erklärung“ und akzentuiert dessen allgemeine Gültigkeit: „Obwohl die hier gegebene Erklärung ''(lógos)'' immer gilt, werden die Menschen sie nicht verstehen […].“<ref>Rapp (1997), S. 65f.</ref> Die knappen Sprüche vereinen gelegentlich unterschiedliche Bedeutungen eines Wortes. So bedeutet beispielsweise das griechische Wort ''bios'' bei verschiedener Betonung sowohl „Leben“ ({{Polytonisch|βίος}}, ''{{lang|grc-Latn|bíos}}'') als auch „Bogen“ ({{Polytonisch|βιός}}, ''{{lang|grc-Latn|biós}}''), was in Fragment 48 zu einem Wortspiel genutzt wird: „Der Name des Bogens ist Leben, sein Tun Tod.“<ref name="B48">Übersetzung nach Gadamer (1999), S. 51 ({{Polytonisch|τῷ οὖν τόξῳ ὄνομα ΒΙΟΣ, ἔργον δὲ θάνατος.}}).</ref> Solche sprachlichen Entgegensetzungen und doppeldeutigen Anspielungen, gefügt in die Einheit eines Satzes, werden bisweilen auch als gewollte Spiegelungen der verborgenen Struktur des Logos interpretiert, der sich dergestalt als verschränkte Einheit von Gegensätzen erweist.<ref>Bremer (1996), S. 81. Ähnlich Gadamer (1999), S. 51: „Im Worte schon ist die Einheit der Gegensätze darin. Das ist gewiß der Grund, warum Heraklit Wortspiele besonders liebt. Sie erlauben ihm, seine eigene Wahrheit im Wortlaut einzufangen und den eingeebneten, gedankenlosen Umgang mit der Sprache gleichsam aufzustören.“</ref> Die literaturgeschichtliche Einordnung der Fragmente Heraklits hängt von teilweise konträren Einschätzungen möglicher Beziehungen zur Ausdrucksweise anderer Autoren ab. Manche Forscher vergleichen die Sprache Heraklits mit antiken [[Orakel]]sprüchen, deren Inhalt nicht eindeutig formuliert, sondern chiffriert in oft antithetischen oder paradoxen Wendungen präsentiert wird.<ref>Rapp (1997), S. 64. Nach Rapp kann Fragment B 93: „Der Herr, dem das Orakel in [[Delphi]] gehört, sagt nichts, verbirgt nichts, sondern gibt Zeichen“ auch als Anspielung auf Heraklit selbst verstanden werden. In diesem Sinne äußerte sich auch schon Ernesto Leibovich, ''L’aiôn et le temps dans le fragment B 52 d’Héraclite'', in: ''Alter'' 2 (1994), S. 87–118, hier: S. 91.</ref> Andere finden in der [[Archaik|archaischen]] [[Prosa]] kein Vorbild für Heraklits vielseitigen Gebrauch von [[Rhetorische Figur|Stilmitteln]].<ref>Dieter Bremer, ''Logos, Sprache und Spiel bei Heraklit'', in: ''Synthesis philosophica'' 5 (fasc. 10), 1990, S. 379–391, hier: S. 380.</ref> Ferner sind die linguistischen Merkmale seiner Sprache mit den [[Chor (Theater)|Chorliedern]] der [[Antikes Griechenland#Griechenland in klassischer Zeit (um 500–336 v. Chr.)|klassischen]] [[Tragödie]] verglichen worden.<ref>Hans-Georg Gadamer, ''Vom Anfang bei Heraklit'', in: ''Sein und Geschichtlichkeit. Karl-Heinz Volkmann-Schluck zum 60. Geburtstag'', hrsg. von Ingeborg Schüssler, Frankfurt a. M. 1974, S. 5.</ref> == Philosophischer Horizont == Die Philosophie Heraklits wurde – etwas einseitig – bereits in der Antike [[Monismus|monistisch]] dergestalt verstanden, dass alle Dinge aus einem vernünftigen Weltfeuer hervorgehen.<ref>Diogenes Laertios 9,6.</ref> Aus dem Feuer entsteht nach Heraklit die Welt, die in allen ihren Erscheinungsformen eine den meisten Menschen verborgene vernunftgemäße Fügung gemäß dem Weltgesetz des [[Logos]] erkennen lässt. Alles befindet sich in einem ständigen, fließenden Prozess des [[Werden (Philosophie)|Werdens]], welches vordergründige Gegensätze in einer übergeordneten Einheit zusammenfasst. Aus dieser Auffassung entstand später die verkürzende Formulierung „Alles fließt“ ({{Polytonisch|πάντα ῥεῖ}}, ''[[Panta rhei|pánta rheî]]''). === Erfahrung und Erkenntnis === Ein zentraler Aspekt der heraklitischen Philosophie ist die Unterscheidung von lebensweltlichen Erfahrungen, wie sie die Masse der Menschen ({{Polytonisch|οἱ πολλοί}}, ''{{lang|la|hoi polloí}}'': „die Vielen“) macht, und tiefer gegründeten Zugängen zur Lebenswirklichkeit, die allein zu [[Erkenntnis]] im Sinne des Logos führen. „Die Vielen“ stehen bei Heraklit in einer bestimmten Hinsicht für den Menschen, der sich nicht wahrer Philosophie widmet und daher nicht zu tieferer Erkenntnis vordringen kann.<ref>Held (1980), S. 441.</ref> Der facettenreich wiederholte Ausgangsgedanke des heraklitischen Philosophierens, der an vielen Stellen des Werkes aufscheint, ist demnach „die Bekämpfung und zugleich kritische Charakterisierung der Denk- und Verhaltensart der Vielen“<ref>Held (1980), S. 128.</ref> und die Überwindung ihrer nur partiellen Erfahrungen und Teilwahrheiten in einer Gesamtsicht.<ref>Andreas Graeser, ''Interpretationen. Hauptwerke der Philosophie. Antike'', Stuttgart 1992, S. 29.</ref> In scharfer Abgrenzung gegenüber der „vor- und außerphilosophischen Denk- und Verhaltensart“ derer, die die Realität nicht erkennen, beansprucht Heraklit, den Logos erkannt zu haben.<ref name="Held 1980, S. 130">Held (1980), S. 130.</ref> Die Aussagen zu diesem Grundthema sind teils belehrender, teils polemischer Art.<ref>Miroslav Marcovich sieht hierin eine Art „Logos-Propaganda“; Miroslav Marcovich, ''On Heraclitus'', in: ''Phronesis'' 11, 1966, S. 59.</ref> In dem üblicherweise als Einleitung zum Werk aufgefassten Fragment B 1, das im Stil eines [[Proömium]]s verfasst ist und das längste von allen Fragmenten darstellt, spricht Heraklit diesen Zusammenhang an: {{Zitat|Für diesen Logos aber, obgleich er ewig ist, gewinnen die Menschen kein Verständnis, weder ehe sie ihn vernommen noch sobald sie ihn vernommen. Alles geschieht nach diesem Logos, und doch gebärden sie sich wie Unerprobte, so oft sie es probieren mit solchen Worten und Werken, wie ich sie künde, ein jegliches nach seiner Natur zerlegend und deutend, wie sich’s damit verhält. Die anderen Menschen wissen freilich nicht, was sie im Wachen tun, wie sie ja auch vergessen, was sie im Schlafe [tun].|ref=<ref name="B1" />}} Trotz eines prinzipiell möglichen Zugangs zu Erkenntnis sind für Heraklit die meisten seiner Mitmenschen somit Unbelehrbare, die ihre trügerische Realitätswahrnehmung selbst dann nicht hinterfragen, wenn sie mit dem Logos in Berührung gekommen sind. So wie im Schlaf die Realität verlassen und eine individuelle Welt betreten wird, konstruieren sie untereinander verschiedene Erklärungen der Wirklichkeit, ohne deren Beschaffenheit zu begreifen. Wahre menschliche Erkenntnis setzt für Heraklit voraus, den Logos als Denk- und Weltgesetz zu erkennen und das eigene Handeln und Denken an ihm auszurichten. Erst durch das Hinhören auf die Natur erschließt sich das Naturgemäße und steht so als Maßstab des Handelns in Verbindung mit dem durch den Logos vorgegebenen Vernunftgemäßen.<ref>Bremer (1996), S. 91f.</ref> {{Zitat|Richtiges Bewusstsein ist die größte Tugend, und Weisheit (ist es), Wahres zu sagen und zu handeln nach der Natur, auf sie hinhörend.|ref=<ref>DK 22 B 112; Übertragung nach Bremer (1996), S. 91 ({{Polytonisch|σωφρονεῖν ἀρετὴ μεγίστη, καὶ σοφίη ἀληθέα λέγειν καὶ ποιεῖν κατὰ φύσιν ἐπαίοντας.}}).</ref>}} Die große Anzahl der Fragmente, in denen sich Heraklit um eine Abgrenzung von allgemein verbreiteten Ansichten bemüht, deutet darauf hin, dass hierin ein Kern seines Werkes liegt.<ref>Held (1980), S. 129f.</ref> Allein 13 Fragmente thematisieren das nicht-philosophische Denken anderer direkt,<ref>DK 22 B 17, B 19, B 28, B 34, B 46, B 56, B 85, B 87, B 95, B 97, B 104, B 107, B 121; Held (1980), S. 128.</ref> 14 weitere heben ausdrücklich den Unterschied zwischen dem Denken und Verhalten der „Vielen“ und demjenigen der „Wenigen“ hervor.<ref>DK 22 B 1, B 4, B 9, B 10, B 13, B 21, B 24, B 25, B 26, B 29, B 37, B 49, B 54, B 89; Held (1980), S. 128.</ref> In sechs Fragmenten richtet Heraklit zudem seine Polemik gegen Dichter und Philosophen, deren Äußerungen für ihn den Standpunkt der breiten Masse repräsentieren.<ref name="B40">DK 22 B 40, B 42, B 57, B 81, B 106, B 129; Held (1980), S. 128.</ref> === Werden und Vergehen === [[Datei:Hendrik ter Brugghen - Heraclitus.jpg|thumb|Heraklit, Ölgemälde von [[Hendrick ter Brugghen]] (1628)]] Seit Platon wird bei der Deutung der Philosophie Heraklits oft betont, dass die Struktur der Realität darin nicht als statisch, sondern als prozesshaft aufgefasst wird. Demnach ist die alltägliche Erfahrung von Stabilität und Identität irreführend. Die scheinbare Stabilität bildet nur die Oberfläche und ist nicht die ganze Wahrheit. Vielmehr ist Stabilität die Funktion von Bewegung.<ref>Andreas Graeser: ''Interpretationen. Hauptwerke der Philosophie – Antike'', Stuttgart 1992, S. 42.</ref> Das Grundprinzip des [[Universum|Kosmos]] ist nach Heraklit nicht – wie etwa für [[Parmenides von Elea]] – ein statisches, gleichbleibendes [[Sein (Philosophie)|Sein]], sondern das [[Werden (Philosophie)|Werden]]. Während Parmenides das Nicht-Sein und damit das Werden radikal leugnet, betont Heraklit das gegensätzliche, aber in untrennbarer Einheit verschränkte Verhältnis von Sein und Werden.<ref>Pleines (2002), S. 80f.: „Denn was wäre Sein ohne Werden? – eine unerkennbare, gestaltlose Masse ohne Struktur und Leben; und was wäre Werden ohne Sein? – eine unerkennbare Bewegung ohne Richtung und Zweck, eine Veränderung von nichts zu nichts“. Zu den konträren Positionen von Heraklit und Parmenides siehe Fleischer (2001), S. 115f.</ref> Die so genannten Flussfragmente, die das metaphorische Bild des Flusses mehrfach variieren,<ref>DK 22 B 12, DK 22 B 49a: „In dieselben Fluten steigen wir und steigen wir nicht: Wir sind es und sind es nicht.“ ({{Polytonisch|ποταμοῖς τοῖς αὐτοῖς ἐμβαίνομέν τε καὶ οὐκ ἐμβαίνομεν, εἶμέν τε καὶ οὐκ εἶμεν.}}) – B 49a gilt jedoch als nur vage Anlehnung an den Originaltext, wobei der gesamte zweite Teil nicht authentisch ist; Held (1980), S. 326 –, DK 22 B 91: „[Der Fluss] zerstreut und sammelt sie wiederum und naht sich und entfernt sich.“ ({{Polytonisch|σκίδνησι καὶ πάλιν συνάγει καὶ πρόσεισι καὶ ἀπεισι·}}).</ref> stehen für diese Gesamtheit von Werden und Wandel, die Natur und Weltgeschehen als eigentliches Seinsgesetz konstituiert: {{Zitat|Wer in dieselben Flüsse hinabsteigt, dem strömt stets anderes Wasser zu.|ref=<ref>DK 22 B 12 ({{Polytonisch|ποταμοῖσι τοῖσιν αὐτοῖσιν ἐμβαίνουσιν ἕτερα καὶ ἕτερα ὕδατα ἐπιρρεῖ·}}).</ref>}} Die spezielle [[Ontologie|ontologische]] und [[Terminologie|terminologische]] Bedeutung des Flusses ergibt sich aus einer Doppelkonstellation: Seine Identität als Objekt verdankt der Fluss dem festen Flussbett mit seinen begrenzenden Ufern, ohne die er nicht ein bestimmbares Ganzes wäre. Anderseits würde die spezifische Eigenschaft eines Flusses fehlen, wenn das Wasser sich nicht in ständiger Bewegung befände. Heraklit beschreibt somit bildlich „Selbigkeit als Beständigkeit einerseits, Herbeikommen von anderem und immer anderem andererseits“.<ref>Fleischer (2001), S. 30.</ref> Das Werden zerstört die Konstanz nicht, es ist vielmehr eine notwendige Bedingung dafür. Andere Interpreten sehen in den Flussbildern eine [[Metapher]] für die [[Zeit]], deren unwandelbarer periodischer Übergang von Tag und Nacht, Sommer und Winter vom gleichbleibenden Flussbett symbolisiert wird; wie die fließenden Wasser geht sie dahin, ohne die höher stehende konstante Ordnung zu verlassen. Die so gedeutete Zeitvorstellung vereinigt das lineare Zeitbild des ständig fortlaufenden Stromes mit periodischen Elementen, die in den [[Topografie (Kartografie)|topographischen]] Konstanten des Flusses enthalten sind.<ref>Fleischer (2001), S. 31; ähnlich Held (1980), S. 327f.</ref> Die Beständigkeit des Flusslaufes und die Ruhelosigkeit seines Fließens, das heißt die Kombination von Konstanz und Variabilität, stellt zudem ein Beispiel für die „Einheit der Gegensätze“ dar, die ein weiteres Kernelement der heraklitischen Lehre bildet.<ref>Gadamer (1999), S. 42.</ref> === Gegensatz und Einheit === Heraklit betrachtet die Erfahrungswelt des Menschen als ein Ganzes von Gegensätzen, die ineinander umschlagen und sich von einem Pol zum anderen wandeln. Die Gegensatzpaare folgen dabei nicht nur einem äußerlichen Prozess, sondern sind als Gegensätze schon ineinander verschränkt. Das Umschlagen der Gegensätze geschieht dabei wohl „gemäß Streit und Schuldigkeit“ ({{Polytonisch|κατ᾽ ἔριν καὶ χρεών}}, ''{{lang|Grc-lat|kat' érin kaì chreōn}}'')<ref>DK 22 B 80.</ref> im Spannungsverhältnis der jeweiligen Bezugspole. So stellt Heraklit etwa Tag und Nacht einander gegenüber:<ref name="DK 22 B 57">DK 22 B 57.</ref> Sie schlagen ineinander um, indem der Tag sich in der Abenddämmerung dem Ende zuneigt und damit das Einsetzen der Nacht bedingt. Im gegenläufigen Prozess der Morgendämmerung geht aus dem Rückgang der Dunkelheit der Tag wiederum hervor.<ref>Fleischer (2001), S. 23.</ref> Die Pole eines Gegensatzes sind nur im Kontrast zueinander überhaupt erfahrbar und daher zeitlich nicht getrennt, sondern bestehen in Form einer logischen wechselseitigen Verschränkung zugleich. Wesentlich durch den jeweiligen Gegensatz sind manchen Fragmenten Heraklits zufolge einzelne Begriffe definiert, denn erst „Krankheit macht die Gesundheit angenehm, Übel das Gute, Hunger den Überfluss, Mühe die Ruhe“;<ref>DK 22 B 111.</ref> Götter werden erst im Kontrast zu Menschen denkbar.<ref>DK 22 B 62: „Unsterbliche sterblich, Sterbliche unsterblich: Sie leben gegenseitig ihren Tod und sterben ihr Leben.“ ({{Polytonisch|ἀθάνατοι θνητοί, θνητοὶ ἀθάνατοι. ζῶντες τὸν ἐκείνων θάνατον, τὸν δὲ ἐκείνων βίον τεθνεῶτες.}}).</ref> Gerade im Gegensatz zeigt sich somit Einheit in Form der Zusammengehörigkeit des Verschiedenen. Etwas anders gewendet ist die von den Vielen verkannte Einheit des scheinbar Gegenstrebigen in Fragment B 51: {{Zitat|Sie verstehen nicht, wie das Auseinandergehende mit sich selbst zusammengeht: gegenspännige Zusammenfügung wie von Bogen und Leier.|ref=<ref>DK 22 B 51, Übersetzung nach Held (1980), S. 166 ({{Polytonisch|οὐ ξυνιᾶσιν ὅκως διαφερόμενον ἑωυτῷ συμφέρεται· παλίντονος ἁρμονίη ὅκωσπερ τόξου καὶ λύρης.}}).</ref>}} Das gemeinsame Merkmal von Bogen und Leier besteht in den einander gegenüberliegenden Schenkeln eines rundgebogenen Holzes, zwischen denen eine oder mehrere Saiten gespannt sind. Obwohl die jeweiligen Enden auseinander streben, bilden sie doch in beiden Fällen eine funktionsgerichtete Einheit.<ref>Bremer (1996), S. 88 verweist zudem darauf, dass Bogen und Leier (oder Lyra) außerdem auf höherer Ebene geeint sind in der Hand des Gottes [[Apollon]], der als Inbegriff der Harmonie mit der Lyra abgebildet wird, der andererseits in der ''[[Ilias]]'' aber mit Hilfe des Bogens Pfeile ins Griechenlager sendet, die dort Pest und Streit auslösen.</ref> Andere Fragmente nennen als Beispiele von sich zur Einheit fügenden Gegensatzpaaren etwa den Kreis, auf dem Anfang und Ende zusammenfallen, oder die identische Strecke beim Auf- und Abstieg.<ref>DK 22 B 103: „Denn beim Kreisumfang ist Anfang und Ende gemeinsam.“ ({{Polytonisch|ξυνὸν γὰρ ἀρχὴ καὶ πέρας ἐπὶ κύκλου περιφερείας.}}); B 60: „Der Weg auf und ab ist ein und derselbe.“ ({{Polytonisch|ὁδὸς ἄνω κάτω μία καὶ ωὑτή.}}).</ref> In einem weiteren Fragment weist Heraklit auf die gegensätzliche Bedeutung des Meerwassers hin, das für Fische die Lebensgrundlage, für Menschen jedoch ungenießbar und tödlich ist.<ref>DK 22 B 61: „Meerwasser ist das reinste und scheußlichste: für Fische trinkbar und lebenserhaltend, für Menschen untrinkbar und tödlich.“ ({{Polytonisch|θάλασσα ὕδωρ καθαρώτατον καὶ μιαρώτατον, ἰχθύσι μὲν πότιμον καὶ σωτήριον, ἀνθρώποις δὲ ἄποτον καὶ ὀλέθριον.}}).</ref> Zugespitzt begegnet dieser Gedanke in Fragment B 88: {{Zitat|Es ist immer dasselbe, Lebendes wie Totes, Waches wie Schlafendes, Junges wie Altes. Das eine schlägt um in das andere, das andere wiederum schlägt in das eine um.|ref=<ref>Übersetzung nach Hans-Georg Gadamer (1965), S. 29 ({{Polytonisch|ταὐτὸ ζῶν καὶ τεθνηκὸς καὶ ἐγρηγορὸς καὶ καθεῦδον καὶ νέον καὶ γηραιόν· τάδε γὰρ μεταπεσόντα ἐκεῖνά ἐστι κἀκεῖνα πάλιν μεταπεσόντα ταῦτα.}}).</ref>}} === Kosmos und Feuer === Der Begriff Kosmos steht auch im vorphilosophischen Sprachgebrauch bereits im Gegensatz zur Unordnung. Grundsätzlich kann er jede Art von Aufstellung, beispielsweise eines Heeres, oder von Gestaltung, etwa einer Sozialordnung, bezeichnen; seit den Milesiern steht der Ausdruck im philosophischen Sinn speziell für die Ordnung der Welt als eines harmonischen Ganzen.<ref>Zur Verwendung des Begriffs in der frühen griechischen Philosophie siehe Charles H. Kahn, ''Anaximander and the Origins of Greek Cosmology'', Indianapolis 1994, S. 219–230.</ref> Heraklits [[Kosmologie]] ist nur schwer zu rekonstruieren. Jedenfalls spielt in seiner Vorstellung von der kosmischen Ordnung die Feuer-Theorie eine maßgebliche Rolle. In Fragment B 30 entwickelt Heraklit diese Theorie abseits der traditionellen Göttervorstellungen, wobei er von der Annahme eines Weltfeuers ausgeht. In Fragment B 31 knüpft er daran an und beschreibt den Kosmos wie folgt: {{Zitat|Diese Weltordnung, dieselbige für alle Wesen, hat kein Gott und kein Mensch geschaffen, sondern sie war immerdar und ist und wird sein ewig lebendiges Feuer, nach Maßen erglimmend und nach Maßen erlöschend.<br /> Feuers Wandlungen: erstens Meer, die Hälfte davon Erde, die andere Glutwind. […] Es [das Feuer] zerfließt als Meer und erhält sein Maß nach demselben Wort [Gesetz], wie es galt, ehe denn es Erde ward. |ref=<ref>DK 22 B 30 ({{Polytonisch|κόσμον τόνδε, τὸν αὐτὸν ἁπάντων, οὔτε τις θεῶν οὔτε ἀνθρώπων ἐποίησεν, ἀλλ᾽ ἦν ἀεὶ καὶ ἔστιν καὶ ἔσται πῦρ ἀείζωον ἁπτόμενον μέτρα καὶ ἀποσβεννύμενον μέτρα.}}).</ref><ref>DK 22 B 31 ({{Polytonisch|πυρὸς τροπαὶ πρῶτον θάλασσα, θαλάσσης δὲ τὸ μὲν ἥμισυ γῆ, τὸ δὲ ἥμισυ πρηστήρ […] θάλασσα διαχέεται καὶ μετρέεται εἰς τὸν αὐτὸν λόγον, ὁκοῖος πρόσθεν ἦν ἢ γενέσθαι γῆ.}}).</ref>}} [[Datei:Kosmologie Heraklits.png|thumb|Schematische Darstellung der kosmologischen Prozesse nach Heraklit]] Heraklit sieht in Fragment B 30 den Kosmos als materielle Ausformung des Weltfeuers, nicht im Sinne eines [[Schöpfung]]smythos geschaffen und von ewigem Fortbestand. Das Weltfeuer selbst schlägt dabei Fragment B 31 zufolge materiell in andere Elemente um, aus denen sich der sichtbare Kosmos zusammensetzt. Dabei wird schrittweise das heiße und trockene Weltfeuer zunächst in sein Gegenteil verwandelt, in feuchtes und kaltes Wasser. Darin verlöscht das Weltfeuer gänzlich, sodass das Wasser in diesem Stadium das einzige kosmische Element darstellt. Später geht das Meer in andere gegenteilige Qualitäten über, teils in Erde und teils in Glutwind. Der Glutwind lässt die [[Gestirn]]e als sichtbares Himmelsfeuer aus verdunstetem Wasser entstehen, das von der Erde aufsteigt, sich wie in einem umgestülpten [[Nachen]] fängt und sich in Form der wahrnehmbaren Himmelskörper entzündet.<ref>Held (1980), S. 404.</ref> Der gesamte Vorgang läuft auch in der umgekehrten Richtung ab.<ref>Schon in der Antike (z.&nbsp;B. Aristoteles, ''De Caelo'' 279b12–17) war umstritten, ob Heraklit eine [[Ekpyrosis]]-Theorie lehrte, welche einen Weltenbrand annimmt, oder aber eine andersartige Transformation des gesamten Kosmos zurück in das Ausgangselement Weltfeuer beschreibt; Fleischer (2001), S. 35.</ref> Dadurch entzündet sich das Feuer erneut und der [[Periodizität|Zyklus]] des Kosmosgeschehens kann neu einsetzen. Während aller Veränderungen bewahrt der Kosmos so wie der Fluss in den Fluss-Fragmenten ein Gleichgewicht der transformierten Anteile. Indem Heraklits Lehre bestimmte Gestalten und Prozesse mit der Spannung von Gegensätzlichem und Gegenläufigem verbindet und in einem dynamischen Gleichgewicht aufgehoben sieht, erschließt sich auch sein metaphysisches Interesse am Feuer: „Deshalb wurde das ‚nach Maßen’ entflammende und nach gleichen Maßen verlöschende Feuer in Analogie zur bewegenden und belebenden Kraft der psyche zu einem sinnlichen Symbol für einen in sich bewegten und geordneten Kosmos und für eine Natur, die sich selbst individuell organisierte und gestaltete.“<ref>Pleines (2002), S. 135f.</ref> Das aus dem Mythos geläufige Bild von der Sonne als kreisförmig sich bewegendem Feuerball konnte als sichtbares Zeichen einer unermesslichen Kraftquelle gedeutet werden, „die gleichwohl an sich hielt, und ohne die das kosmische und terrestrische Geschehen nicht zu begreifen war.“<ref>Pleines (2002), S. 137; noch [[Cicero]] habe Heraklit auf diese Weise verstanden, merkt Pleines an, wenn er von ''ignea vis'' sprach, von der entflammenden und verlöschenden Kraft, die ihm half, die Natur zu verstehen.</ref> Feuer ({{lang|grc|πύρ}}, ''{{lang|la|pýr}}''), das in der Tradition der [[Ionische Naturphilosophie|ionischen Naturphilosophen]] als Urstoff ([[Arché]]) fungiert, ist bei Heraklit auch als Metapher für den Logos zu verstehen, dessen Dynamik die Welt durchwaltet und dessen Wandlung ihr Seinsprinzip bildet. So charakterisiert er das Feuer als „ewig lebendig“ ({{Polytonisch|ἀείζωον}}, ''{{lang|la|aeízōon}}'') und „vernünftig“ ({{Polytonisch|φρόνιμον}}, ''{{lang|la|phrónimon}}''). Heraklits Feuer-Theorie steht außerdem auch für die Vorstellung, dass sich „alles in einem“ finde, da aus allem Feuer und aus Feuer alles andere hervorgehen soll.<ref>DK B 90: „Für Feuer ist Gegentausch alles und für alles Feuer wie für Gold Geld und für Geld Gold.“ ({{Polytonisch|πυρός τε ἀνταμοιβὴ τὰ πάντα καὶ πῦρ ἁπάντων ὅκωσπερ χρυσοῦ χρήματα καὶ χρημάτων χρυσός.}}).</ref> Feuer als die kosmologisch-physikalische Form des Logos anzusehen sei denen unmittelbar einsichtig, die im Logos ein aktiv wirkendes Prinzip sehen: Wie das Feuer habe auch der Logos das Weltgeschehen zu steuern.<ref>Rapp (1997), S. 89.</ref> === Logos und Seele === Der heraklitische Logos hat einen universalen, allgemein gültigen Charakter und steht allen Menschen als gemeinsame „Denkform“<ref>Fränkel (1955), S. 253–283.</ref> und „Denkverfahren“<ref>[[Wolfgang Schadewaldt]], ''Die Anfänge der Philosophie bei den Griechen. Die Vorsokratiker und ihre Voraussetzungen'', hrsg. von Ingeborg Schudoma, Frankfurt am Main 1978, S. 373.</ref> offen. Somit beinhaltet er sowohl einen objektiven Bedeutungsgehalt als Regelungsprinzip im Sinne eines „Weltgesetzes“, einer „Weltvernunft“ oder eines „Sinns“ als auch einen subjektiven und allgemeineren wie „Wort“, „Rede“, „Darlegung“, „Lehre“.<ref>Zur näheren Differenzierung siehe Held (1980), S. 176.</ref> Dadurch ist Heraklits Vortrag auch sprachlich eng mit dem Inhalt dieses Begriffs verbunden. Dieser Logos ist nach Heraklit aufgrund seiner Allgemeinheit erfahrbar wie auch in den eigenen Worten Heraklits vermittelt. Denken im heraklitischen Sinne hat daher Erkenntnis und Vollzug des Logos zum Ziel. Dennoch verlieren sich die meisten Menschen in eigenen Meinungen, ohne den allen gemeinsamen Logos begreifen zu wollen. Ob der Logos aber tatsächlich erkannt wird, ist für Heraklit nicht entscheidend, da er stets außerhalb des menschlichen Verstandes existiert und in Übereinstimmung mit ihm alle Prozesse verlaufen, wodurch im Logos „alles eins ist“ ({{Polytonisch|ἓν πάντα εἶναι.}} / ''{{lang|la|hén pánta eînai.}}''): {{Zitat|Für diesen Logos aber, obgleich er ewig ist, gewinnen die Menschen kein Verständnis, weder ehe sie ihn vernommen noch sobald sie ihn vernommen. Alles geschieht nach diesem Logos, und doch gebärden sie sich wie Unerprobte, so oft sie es probieren mit solchen Worten und Werken, wie ich sie künde, ein jegliches nach seiner Natur zerlegend und deutend, wie sich’s damit verhält.|ref=<ref name="B1" />}} {{Zitat|Drum ist’s Pflicht, dem Gemeinsamen zu folgen. Aber obschon der Logos allen gemein ist, leben die meisten doch so, als ob sie eine eigene Einsicht hätten.|ref=<ref>DK 22 B 2 ({{Polytonisch|διὸ δεῖ ἕπεσθαι τῷ ξυνῷ, τουτέστι τῷ κοινῷ· ξυνὸς γὰρ ὁ κοινός. τοῦ λόγου δ᾽ ἐόντος ξυνοῦ ζώουσιν οἱ πολλοὶ ὡς ἱδίαν ἔχοντες φρόνησιν.}}).</ref>}} {{Zitat|Habt ihr nicht mich, sondern meinen Logos vernommen, ist es weise zuzugestehen, dass alles eins ist.|ref=<ref>DK 22 B 50 ({{Polytonisch|οὐκ ἐμοῦ, ἀλλὰ τοῦ λόγου ἀκούσαντας ὁμολογεῖν σοφόν ἐστιν ἓν πάντα εἶναι.}})</ref>}} Ähnlich dem Kosmos ist auch die [[Seele]] ({{lang|grc|ψυχή}}, ''{{lang|grc-Latn|psychē}}'') vom Logos bestimmt und unterliegt vergleichbaren Umwandlungsprozessen. Da die Seele Anteil am Logos besitzt und dieser sie als überindividuelles, allen gemeinsames und ewiges Gesetz beherrscht und durchwirkt, kann er durch „Selbsterforschung“<ref>DK 22 B 101.</ref> erfahren werden. Damit weist Heraklit der Seele eine gewisse „intellektuelle Funktion“ zu, die weit über den älteren Sinn des Wortes hinausgeht.<ref>Held (1980), S. 189. Ähnlich interpretiert Rapp (1997), S. 90: „Heraklit lokalisiert offenbar die intellektuellen Fähigkeiten in der Seele und sieht sie proportional zum Anteil des Feuers, also der Trockenheit der Seele, wachsen.“</ref> Allerdings ist eine „Barbarenseele“ nicht fähig, den Logos unverfälscht wahrzunehmen.<ref>DK 22 B 107.</ref> Das Verständnis des überindividuellen und ewigen Gesetzes des Logos beginnt somit in der individuellen Seele, deren Gestalt, Umfang oder Potential zu bestimmen oder auszuloten sich aber als vergeblich erweisen muss: {{Zitat|Der Seele Grenzen kannst du nicht ausfinden, und ob du jegliche Straße abschrittest; so tiefen Grund hat sie.|ref=<ref>DK 22 B 45 ({{Polytonisch|ψυχῆς πείρατα ἰὼν οὐκ ἂν ἐξεύροιο πᾶσαν ἐπιπορευόμενος ὁδόν· οὕτω βαθὺν λόγον ἔχει.}}).</ref>}} {{Zitat|Der Seele ist der Logos eigen, der sich selbst mehrt.|ref=<ref>DK 22 B 115 ({{Polytonisch|ψυχῆς ἐστι λόγος ἑωυτὸν αὔξων.}}).</ref>}} Die Seelenlehre Heraklits lässt sich aus den wenigen einschlägigen Fragmenten nicht exakt erschließen; doch ergibt sich daraus, dass die Seele den gleichen Umschlagprozessen wie der Kosmos unterworfen ist. So wird die Seele in das gleiche zyklische Verhältnis zu den Elementen Erde und Wasser gesetzt, in dem laut Fragment B 31 das kosmische Weltfeuer zu den übrigen Elementen steht: {{Zitat|Für die Seelen ist es Tod zu Wasser zu werden, für das Wasser Tod zur Erde zu werden. Aus der Erde wird Wasser, aus Wasser Seele.|ref=<ref>DK 22 B 36 ({{Polytonisch|ψυχῇσιν θάνατος ὕδωρ γενέσθαι, ὕδατι δὲ θάνατος γῆν γενέσθαι, ἐκ γῆς δὲ ὕδωρ γίνεται, ἐξ ὕδατος δὲ ψυχή.}}); Rapp (1997), S. 90.</ref>}} Dieses Fragment behandelt die Seele zwar als sterblich; da Heraklit sie jedoch zum Weltfeuer, das trotz des Umwandlungsgeschehens in seiner Gesamtheit unvergänglich ist, in Analogie setzt, scheint er ihr auch einen Unsterblichkeitsaspekt zuzuweisen. Einigen Interpreten zufolge spricht Heraklit der Seele nur in jenem Maße Unsterblichkeit zu, in dem sie sich dem [[Denken]] und damit dem Logos zuwendet,<ref name="Held 1980, S. 431">Held (1980), S. 431.</ref> eine „bedingte Unsterblichkeit“ gewissermaßen.<ref>Uvo Hölscher, ''Anfängliches Fragen. Studien zur frühen griechischen Philosophie'', Göttingen 1968, S. 157f.</ref> Für diese Deutung sprechen einige Fragmente. Möglicherweise lehrte Heraklit ähnlich wie [[Hesiod]], dass „die Tapferen nach dem Tode mit einem neuen Leben als heroische Wächter über die Lebenden belohnt werden“.<ref name="Held 1980, S. 431"/> Darauf spielen vielleicht einige Fragmente an, die einem ehrenvollen Leben einen unsterblichen Lohn verheißen.<ref>DK 22 B 24, B 25, B 27.</ref> Andere Interpreten meinen, dass die Seelen der Besten im Gegensatz zu denen der Vielen nicht in Wasser aufgelöst werden, sondern zunächst als körperlose Geister bestehen bleiben, bevor sie – letztlich im Sinne von Sterblichkeit – im Weltfeuer aufgehen.<ref>Geoffrey Kirk, ''Heraclitus and Death in Battle (Frg. 24 D)'', in: ''American Journal of Philology'' 70, 1949, S. 210.</ref> Eine abschließende Antwort auf diese Frage ist jedoch kaum möglich. === Polis und Nomos === Hinweise auf Heraklits politisches Denken sind in den Fragmenten nur spärlich zu finden. Dennoch sehen manche Interpreten weniger die Kosmologie, sondern gerade „das Ganze des menschlich-politischen Lebens“ als den Kern der Philosophie Heraklits.<ref>Gadamer (1999), S. 12f., 19.</ref> So deuten einige Fragmente an, dass Heraklits Lehre wesentlich auf die Natur des Menschen und auf die daraus sich ergebenden Gestaltungsaufgaben des sozialen Miteinanders zielte; so betont Heraklit etwa in einem Fragment, dass „seine eigene Art […] dem Menschen sein Daimon“ sei.<ref>DK 22 B 119 ({{Polytonisch|ἦθος ἀνθρώπῳ δαίμων.}}).</ref> Daimon steht dabei für das [[Schicksal]] des Menschen, das dieser nach herkömmlicher Vorstellung von den Göttern und somit von einer äußeren Instanz empfängt. Heraklit verbindet hingegen die Lebensführung des Menschen mit dessen Schicksal: „Was traditionell als Gegensatz von Göttlichem und Menschlichem, Fremdem und Eigenem erscheint, wird von Heraklit – sprachlich und gedanklich – im Menschen als Mitte zusammengefügt: Daimon und [[Ethos]] sind eins und dasselbe.“<ref>Bremer (1996), S. 77.</ref> Der Auffassung Heraklits zufolge tritt somit „an die Stelle der göttlichen Autorität das menschliche Selbst als neue Instanz.“<ref>Bremer (1996), S. 76. Zur Selbstsuche siehe auch Fragment B 101.</ref> Zugleich ist Heraklits Philosophie nicht nur auf den einzelnen Menschen gerichtet, sondern wesentlich auch auf das [[Gemeinwesen]],<ref>Gottfried Neeße, ''Heraklit heute. Die Fragmente seiner Lehre als Urmuster europäischer Philosophie'', Hildesheim 1982, S. 108. Zu Heraklits Begriff ''ξύνον '' ({{lang|grc-Latn|xýnon}}) bemerkt Neeße: „Im Altgriechischen steht das Wort zuerst einmal für ‚Gemeinwesen’ wie auch ‚Gemeinwohl’, und so wird es auch Heraklit aufgefasst haben.“</ref> wie es in B 2 als das allen „Gemeinsame“ bezeichnet wird: „Drum ist’s Pflicht, dem Gemeinsamen zu folgen. Aber obschon der Logos allen gemein ist, leben die meisten doch so, als ob sie eine eigene Einsicht hätten.“<ref>διὸ δεῖ ἕπεσθαι τῷ ξυνῷ, τουτέστι τῷ κοινῷ· ξυνὸς γὰρ ὁ κοινός. τοῦ λόγου δ᾽ ἐόντος ξυνοῦ ζώουσιν οἱ πολλοὶ ὡς ἱδίαν ἔχοντες φρόνησιν.</ref> Elementare Bedeutung im politischen Leben hat damit für Heraklit das allgemein gültige Gesetz, der [[Nomos]], als die rechtliche Grundordnung der [[Polis]]. Er stellt sie auf eine Stufe mit der militärischen Verteidigungsbereitschaft des Gemeinwesens nach außen: „Kämpfen muß das Volk für den Nomos wie für die Stadtmauer.“<ref>Übersetzung nach Held (1980), S. 138 ({{Polytonisch|μάχεσθαι χρὴ τὸν δῆμον ὑπὲρ τοῦ νόμου ὅκωσπερ τείχεος.}}).</ref> Fragment B 114 setzt die Bedeutung des Nomos für die Polis ebenfalls als grundlegend voraus, wobei der Vergleich hier wiederum die Gesamtausrichtung des Denkens auf das allen Gemeinsame unterstreichen soll, das aus dem göttlichen Allgesetz folgt.<ref>„Um mit Geist zu reden, muss man sich auf den Geist des Ganzen stützen, so wie die Stadt sich auf das Gesetz stützt, ja noch viel stärker. Nähren sich doch alle menschlichen Gesetze aus dem Einzigen, dem Göttlichen. Das nämlich herrscht so weit, wie es immer will, ist für alles genug und ist immer noch mehr.“ Übersetzung nach Gadamer (1965), S. 27 ({{Polytonisch|ξὺν νῷ λέγοντας ἰσχυρίζεσθαι χρὴ τῷ ξυνῷ πάντων, ὅκωσπερ νόμῳ πόλις, καὶ πολὺ ἰσχυροτέρως. τρέφονται γὰρ πάντες οἱ ἀνθρώπειοι νόμοι ὑπὸ ἑνὸς τοῦ θείου· κρατεῖ γὰρ τοσοῦτον ὁκόσον ἐθέλει καὶ ἐξαρκεῖ πᾶσι καὶ περιγίνεται.}}).</ref> Wie die Polis Stärke gewinnt aus der Orientierung der Bürger am Nomos, so gewinnt das Denken an Ergiebigkeit, wenn es sich auf das Gemeinsame bezieht. Konkrete Vorstellungen Heraklits zur idealen Polis-Verfassung sind den Fragmenten nicht zu entnehmen. Wenn es in B 33 heißt, dass Gesetz auch besagen könne, „dem Willen eines einzigen zu gehorchen“<ref>„Gesetz kann auch sein, dem Willen eines einzigen zu gehorchen.“ Übersetzung nach Gadamer (1965), S. 27 ({{Polytonisch|νόμος καὶ βουλῇ πείθεσθαι ἑνός.}}).</ref>, so bietet die zeitgenössische griechische Poliswelt dafür verschiedene Anknüpfungsmöglichkeiten: In herausgehobener Funktion mit gesetzgebungsartigen Kompetenzen tätig waren neben den Vertretern der älteren [[Tyrannis]] auch die in der [[Griechische Kolonisation|Großen Kolonisation]] als Gründer fungierenden [[Oikist]]en und die bei inneren Poliskonflikten als Streitschlichter berufenen [[Aisymnet]]en, so im Falle [[Solon]]s von Athen. Welche politische Sonderrolle der von Heraklit offenbar hochgeschätzte Hermodoros in Milet gespielt hat, der nach Fragment B 121 von den Milesiern ins Exil gezwungen wurde, bleibt ebenfalls offen. === Gott und Mensch === [[Datei:Heraclitus, Johannes Moreelse.jpg|thumb|Heraklit, Gemälde von [[Johan Moreelse]] (1602–1634)]] Die [[Theologie|theologischen]] Aussagen der erhaltenen Fragmente Heraklits lassen sich kaum zu einer kohärenten Lehre vereinen. Daher eröffnet sich in der Heraklit-Forschung ein weites Spektrum oft konträrer Deutungen der heraklitischen Theologie; bisweilen wird Heraklits Philosophie als radikale Kritik einer überkommenen [[Religion]] gesehen, andere Interpreten deuten sein Denken „als eine Bestätigung und Artikulation der religiösen Überlieferung“.<ref name = "Held442">Held (1980), S. 442.</ref> Zu berücksichtigen ist dabei der Hintergrund seiner Unterscheidung von außerphilosophischer Ansicht und tieferer Einsicht; die Einsicht hat er möglicherweise als „Zurückführung der Überlieferung auf ihre Wahrheit“ aufgefasst.<ref name="Held442" /> Heraklits Gottesvorstellung oder Götterbild wird in den überlieferten Fragmenten vor allem in Verhältnisgleichungen mit den Größen Affe, Kind, Mann und Gottheit fassbar: {{Zitat|Der schönste Affe ist häßlich mit dem Menschengeschlechte verglichen.|ref=<ref>DK 22 B 82 ({{Polytonisch|πιθήκων ὁ κάλλιστος αἰσχρὸς ἀνθρώπων γένει συμβάλλειν.}}).</ref>}} {{Zitat|Der weiseste Mensch wird gegen Gott gehalten wie ein Affe erscheinen in Weisheit, Schönheit und allem andern.|ref=<ref>DK 22 B 83 ({{Polytonisch|ἀνθρώπων ὁ σοφώτατος πρὸς θεὸν πίθηκος φανεῖται καὶ σοφίᾳ καὶ κάλλει καὶ τοῖς ἄλλοις πᾶσιν.}}).</ref>}} {{Zitat|Kindisch heißt der Mann der Gottheit wie der Knabe dem Manne.|ref=<ref>DK 22 B 79 ({{Polytonisch|ἀνὴρ νήπιος ἤκουσε πρὸς δαίμονος ὅκωσπερ παῖς πρὸς ἀνδρός.}}).</ref>}} {{Zitat|Das Geschlecht der Menschen kommt nie zu wirklichen Einsichten, wohl aber das der Götter.|ref=<ref>DK 22 B 78 ({{Polytonisch|ἦθος γὰρ ἀνθρώπειον μὲν οὐκ ἔχει γνώμας, θεῖον δὲ ἔχει.}}).</ref>}} Wie ein menschenähnlicher Affe hinter dem Menschen zurückbleibt, wird am Maßstab der göttlichen Weisheit selbst das relativiert, was dem Menschen als im höchsten Maße weise gilt, und stößt an seine Grenze; jedoch leugnet Heraklit damit nicht die Existenz Gottes oder mehrerer Götter.<ref>Held (1980), S. 441: Indem Heraklit jenes Verhältnis primär vor dem Hintergrund der Unterscheidung von außerphilosophischen Ansichten und wahrer Erkenntnis der Wenigen auffasst, „übt er zugleich die entschiedenste Kritik an dem vorphilosophischen Selbstverständnis des Menschen hinsichtlich seines Verhältnisses zu Gott oder Göttern; er klärt auf, was es mit diesem Verhältnis in Wahrheit auf sich hat.“</ref> Weitere Einschätzungen des Verhältnisses von Göttern und Menschen enthalten die beiden folgenden Fragmente: {{Zitat|Krieg ist aller Dinge<ref>{{Polytonisch|πάντων}} („von allen“) wird zumeist als Genitiv des Neutrums {{Polytonisch|πάντα}} aufgefasst und mit „aller Dinge“ übersetzt. Nach einer anderen Deutung ist es aber Genitiv von {{Polytonisch|πάντες}} und bezieht sich auf die anschließend genannten Personen: „Krieg ist Aller Vater“ (nämlich der Götter und Menschen, Sklaven und Freien); so versteht die Stelle Held (1980), S. 450f.</ref> Vater, aller Dinge König. Die einen macht er zu Göttern, die anderen zu Menschen, die einen zu Sklaven, die anderen zu Freien.|ref=<ref>DK 22 B 53 ({{Polytonisch|Πόλεμος πάντων μὲν πατήρ ἐστί, πάντων δὲ βασιλεύς, καὶ τοὺς μὲν θεοὺς ἔδειξε τοὺς δὲ ἀνθρώπους, τοὺς μὲν δούλους ἐποίησε τοὺς δὲ ἐλευθέρους.}}).</ref>}} {{Zitat|Unsterbliche sterblich, Sterbliche unsterblich: Sie leben den Tod jener, und das Leben jener sterben sie.|ref=<ref>DK 22 B 62 ({{Polytonisch|ἀθάνατοι θνητοί, θνητοὶ ἀθάνατοι. ζῶντες τὸν ἐκείνων θάνατον, τὸν δὲ ἐκείνων βίον τεθνεῶτες.}}).</ref>}} Die [[Transitivität (Grammatik)|transitive]] Verwendung von „leben“ und „sterben“ deutet nach Held an, dass Heraklit das gesamte Leben als Sterben auffasst, wobei die menschliche Sterblichkeit zur göttlichen Unsterblichkeit in Kontrast tritt, sie als ihr Gegenteil erst bedingt und damit vollzieht oder erst denkbar macht. Das eigentliche Verhältnis von Gott und Mensch zeigt sich in diesem Verständnis des einen Status verleihenden Kampfes, aus dem sich der „Rangunterschied zwischen Göttern und Menschen […] ergibt: Offenbar lassen sich diese Gruppen nur durch ihr unterschiedliches Verhältnis zu dem Tod, mit dem sie im Kampfe konfrontiert werden, unterscheiden. Die Götter gehen aus dem Kampfe als die wesenhaft vom Tode nicht Betroffenen hervor; die Menschen hingegen erweisen sich als die Sterblichen […].“<ref>Held (1980), S. 453.</ref> Daher findet auch jede Erkenntnis des Menschen an seiner Sterblichkeit ihre Grenze und unterscheidet sich somit von göttlicher Weisheit, mit der sie Heraklit generell parallelisiert oder zumindest vergleicht.<ref>Held (1980), S. 456.</ref> Wenngleich der heraklitische Gottesbegriff oft in unbestimmter Weise formuliert ist, führt doch ein weiteres Fragment zu einem konkreteren Verständnis der Theologie Heraklits: {{Zitat|Gott ist Tag Nacht, Winter Sommer, Krieg Frieden, Überfluss und Hunger. Er wandelt sich aber wie ›eine Substanz‹, die, wenn sie mit Duftstoffen vermengt wird, nach dem jeweiligen Duft benannt wird.|ref=<ref>DK 22 B 67 ({{Polytonisch|ὁ θεὸς ἡμέρη εὐφρόνη, χειμὼν θέρος, πόλεμος εἰρήνη, κόρος λιμός. ἀλλοιοῦται δὲ ὅκωσπερ ›?‹, ὁπόταν συμμιγῇ θυώμασιν, ὀνομάζεται καθ᾽ ἡδονὴν ἑκάστου.}}; das Subjekt des Vergleichs ist nicht erhalten. Man hat vermutet, dass Heraklit an Feuer, Wein oder Öl dachte; da diese Mutmaßungen aber spekulativ sind, wählt Held (1980), S. 460f. die undifferenzierte Formulierung „Substanz“.</ref>}} Held sieht in diesem Fragment einen Ausdruck des typisch griechischen Gottesbildes als [[Prädikation|Prädikatsbegriff]], also der Vorstellung, dass das Göttliche unterschiedliche Situationen durchdringt und sich dadurch für den Menschen erfahrbar macht, wodurch „Tag“ und „Nacht“ und andere lebensweltliche Umstände jeweils zu „dem Gott“ werden. Diese sind dabei Erscheinungsweisen des einen Gottes, der als Substrat unverändert bleibt, jedoch in einer anderen Situation erscheint und durch unterschiedliche Wahrnehmungsweisen aufgefasst wird. Die Pluralität der jeweiligen Göttergestalten beruht daher auf der Erfahrung des einen Gottes in vielfältigen Situationen, indem das Göttliche selbst gerade in seiner Differenz und Überlegenheit, die sich aus den menschlichen Eigenschaften ergibt, erfahren wird.<ref>Held (1980), S. 456ff.</ref> === Weisheit und Unverstand === Aus zahlreichen Fragmenten geht hervor, dass Heraklit Weisheit äußerst elitär auffasst; in vollkommener Form schreibt er sie nur den Göttern zu. „Das allein Weise“ ({{Polytonisch|τὸ σοφόν μοῦνον}}, ''{{lang|grc-Latn|tò sophón moûnon}}'') ist das höchste Denkbare; sein Rang ist allenfalls der herausragenden Stellung des Zeus in der [[Griechische Mythologie|griechischen Volksreligion]] vergleichbar.<ref>Held (1980), S. 465f.</ref> Theoretisch ist es zwar „allen Menschen […] gegeben, sich selbst zu erkennen und klug zu sein“,<ref>DK 22 B 116 ({{Polytonisch|ἀνθρώποισι πᾶσι μέτεστι γινώσκειν ἑωυτοὺς καὶ σωφρονεῖν.}}).</ref> doch gelingt es nur den wenigsten, tatsächlich Weisheit zu erlangen: {{Zitat|Das Weise ist nur eins. Es will sich nicht mit dem Namen des Zeus nennen lassen – und will es doch.|ref=<ref>DK 22 B 32; Übersetzung nach Gadamer (1965), S. 29 ({{Polytonisch|ἓν τὸ σοφὸν μοῦνον λέγεσθαι οὐκ ἐθέλει καὶ ἐθέλει Ζηνὸς ὄνομα.}}).</ref> }} {{Zitat|So viele Reden ich gehört habe, keine kommt je so weit zu erkennen: das Weise ist von allem geschieden.|ref=<ref>DK 22 B 108; Übersetzung nach Gadamer (1965), S. 28 ({{Polytonisch|ὁκόσων λόγους ἤκουσα, οὐδεὶς ἀφικνεῖται ἐς τοῦτο, ὥστε γινώσκειν ὅτι σοφόν ἐστι πάντων κεχωρισμένον.}}).</ref>}} Bei seiner Kritik falsch verstandener Weisheit wendet sich Heraklit auch gegen bekannte Persönlichkeiten; so wirft er [[Hesiod]], [[Pythagoras]], [[Xenophanes]] und [[Hekataios von Milet|Hekataios]] vor, ohne Verstand lediglich „Vielwisserei“ ({{lang|grc|πολυμαθίη}}, ''{{lang|grc-Latn|polymathíē}}'') betrieben zu haben, statt zu wahrem Wissen vorzudringen.<ref>DK 22 B 40.</ref> Zwar bescheinigt er seinem Zeitgenossen Pythagoras, mehr Studien betrieben zu haben als irgendein anderer Mensch;<ref>DK 22 B 129. Zweifel an der Echtheit von B 129 sind unbegründet; siehe Zhmud, ''Wissenschaft, Philosophie und Religion im frühen Pythagoreismus'', Berlin 1997, S. 35–37.</ref> jedoch beschuldigt er ihn der „Künstelei“ und nennt ihn spöttisch einen „Oberschwindler“ ''({{lang|grc-Latn|kopídōn archēgós}})''.<ref>DK 22 B 81.</ref> Den „Lehrer der meisten“, Hesiod, trifft die Kritik, die elementare Einheit der Gegensätze Tag und Nacht nicht erkannt zu haben.<ref name="DK 22 B 57"/> Ein Lob spendet Heraklit neben Hermodoros einzig dem Staatsmann [[Bias von Priene]],<ref>DK 22 B 39.</ref> mit dem er die Geringschätzung der breiten Masse teilt. Ein auf Bias gestütztes Zitat findet sich in Fragment B 104, in dem Heraklit polemisch über die [[Aöde]]n und späteren [[Rhapsode]]n spottet: {{Zitat|Denn was ist ihr Sinn oder Verstand? Straßensängern glauben sie, und zum Lehrer haben sie den Pöbel. Denn sie wissen nicht, daß die meisten schlecht und nur wenige gut sind.|ref=<ref>DK 22 B 104 ({{Polytonisch|τίς γὰρ αὐτῶν νόος ἢ φρήν; δήμων ἀοιδοῖσι πείθονται καὶ διδασκάλῳ χρείωνται ὁμίλῳ οὐκ εἰδότες ὅτι ›οἱ πολλοὶ κακοί, ὀλίγοι δὲ ἀγαθοί‹.}}).</ref>}} Insbesondere von [[Homer]] distanziert sich Heraklit scharf. Der Dichter habe es ebenso wie [[Archilochos]] verdient, aus musischen Wettbewerben hinausgeworfen und verprügelt zu werden.<ref>DK 22 B 42.</ref> Diese Polemik setzt unter anderem am ''[[Ilias]]''-Vers „Schwände doch jeglicher Zwiespalt unter Göttern und Menschen“<ref>''Ilias'' 18,107.</ref> an, welcher der heraklitischen Konzeption des Kampfes zuwiderläuft. Während Homer die Befriedung streitender Parteien für wünschenswert hält, ist für Heraklit der Kampf ein notwendigerweise immerwährender, das Dasein konstituierender Prozess, dessen Missachtung als Torheit erscheint.<ref>DK 22 A 22: „Heraklit verübelte es [Homer], dass er schrieb: ‚Schwände doch jeglicher Zwiespalt unter Göttern und Menschen‘.“ ({{Polytonisch|Ἡράκλειτος ἐπιτιμᾷ τῷ ποιήσαντι ›ὡς ἔρις ἔκ τε θεῶν καὶ ἀνθρώπων ἀπόλοιτο‹.}}); Held (1980), S. 451.</ref> == Rezeption == Im Laufe ihrer [[Kulturelle Rezeption|Rezeptionsgeschichte]] wurden die Gedanken Heraklits nicht bloß überliefert, sondern häufig auch von denen, die sich auf ihn beriefen, für eigene philosophische oder theologische Zwecke herangezogen, umgedeutet und dadurch verzerrt.<ref name="Pleines9">Pleines (2002), S. 9. Daher versteht Held seinen eigenen Interpretationsansatz als Gegenentwurf zu den „beliebten ‚tiefsinnigen’ Spekulationen“, bei denen die Heraklit-Fragmente nur „als Reizworte für eigene Einfälle“ herhielten; Held (1980), S. 110.</ref> Manche späteren Denker betonten einseitig einen speziellen Aspekt seiner Lehre, um ihn so zum Vorläufer ihrer eigenen Philosophie zu machen. So gilt Heraklit seit [[Platon]] als Vertreter eines eigenständigen philosophischen Systems, das alle Phänomene auf einen steten Wandel reduziere und als neue Errungenschaft ein Prinzip postuliere, welches unterschiedlichste Gegensätze vereine. Er stehe für die Idee eines vernunftbegabten Feuers als Ursprung aller Dinge. Man sieht ihn als ersten europäischen Philosophen an, der von physikalischen Theorien auf [[Metaphysik|metaphysische]], [[Erkenntnistheorie|epistemologische]] und [[Ontologie|ontologische]] Sachverhalte geschlossen und in allem seine Theorie der dauernden Spannung von Gegensätzen zur Geltung gebracht habe.<ref>Als hinderlich auf der Suche nach dem historischen Heraklit bezeichnet Pleines (2002), S. 36, ganz im Stile Gadamers, vor allem jene Interpretationen, „die den Logos bei Heraklit entweder mit dem Absoluten gleichsetzten oder ihn weltgeschichtlich mediatisierten. […] In all diesen Fällen kommt es deshalb im Rückblick darauf an, die späteren Überlagerungen sorgfältig wieder abzutragen, um den Gedanken auf seine anfängliche Bedeutung zurückzuführen. Erst danach macht es Sinn, ihn auf die typisch neuzeitlichen Gegenstände und Formen des Wissens zu übertragen.“</ref> === Antike und Mittelalter === Für den Ruf des „Dunklen“, den Heraklit bereits in der Antike besaß, steht als erster Anhaltspunkt eine Äußerung des [[Sokrates]] bei Diogenes Laertios. Zu seinen Heraklit-Studien befragt, soll Sokrates geantwortet haben: „Was ich verstanden habe, ist ausgezeichnet – ich glaube<!--sic--> auch das, was ich nicht verstanden habe, jedoch bedürfte es dazu eines delischen Tauchers“.<ref>Diogenes Laertios 2,22; Übersetzung nach Rapp (1997), S. 61. Zu dieser Anekdote und ihrer Überlieferung siehe Serge N. Mouraviev, ''Heraclitea'', Bd.&nbsp;III.1, Sankt Augustin 2003, S. 77f. und Bd.&nbsp;II.A.1, Sankt Augustin 1999, S. 9, 178f.</ref> Damit meinte er besonders geübte Taucher der Insel [[Delos]] und spielte zugleich auf das dortige [[Orakel]] des [[Apollon]] an. Die Deutungsprobleme, die Heraklit aufwirft, ergeben sich also nicht allein aus der fragmentarisch-ungeordneten Überlieferungssituation der Neuzeit, sondern bestanden bereits in der Antike, als Heraklits Werk als eine von wenigen vorsokratischen Schriften wenigstens bis in die mittlere [[Römische Kaiserzeit|Kaiserzeit]] im Original zugänglich war.<ref>[[Uvo Hölscher (Philologe)|Uvo Hölscher]], ''Die Wiedergewinnung des antiken Bodens. Nietzsches Rückgriff auf Heraklit'', in: ''Neue Hefte für Philosophie'', Band 15/16, 1979, S. 156.</ref> Die Umdeutung und Einbeziehung heraklitischer Elemente in eigenes philosophisches Gedankengut setzt bereits bei [[Platon]] und [[Aristoteles]] ein. Während Aristoteles in Heraklit einen Vorläufer seiner [[Metaphysik]] sah, nahm Platon ihn für die Vorgeschichte seiner [[Ideenlehre]] in Anspruch<ref>Pleines (2002), S. 9.</ref> und charakterisierte Heraklits Denken als ein auf ewiges Werden und Fließen gerichtetes,<ref>Pleines (2002), S. 10 merkt dazu an: „Ebenso verdächtig erscheint die Berufung auf Heraklit, wenn umgekehrt die Gegensätzlichkeit und Bewegtheit der unterschiedlich seienden Dinge begrifflich abgestuft wurden, um sie auf der höchsten Stufe einer letzten unbewegten sowie differenz- und gegensatzlosen Einheit formal zusammenzufassen.“</ref> womit eine Deutungstradition begründet wurde, die noch bei [[Nietzsche]] nachklingt: {{Zitat|Heraklit sagt doch, dass alles davon geht und nichts bleibt, und indem er alles Seiende einem strömenden Flusse vergleicht, sagt er, man könne nicht zweimal in denselbigen Fluß steigen.|Platon|Kratylos 402a}} Der erste Teil dieses Zitats aus Platons Dialog ''[[Kratylos]]'' gilt als unecht. Der zweite Abschnitt ist entweder eine platonische Umdeutung oder basiert auf einem anderweitig nicht bezeugten Spruch.<ref>Held (1980), S. 326f.</ref> Im ''Kratylos'' werden zudem Philosophen erwähnt, die „mit Heraklit geglaubt haben, alles Seiende gehe, und es bleibe nichts fest.“<ref>Platon, ''Kratylos'' 401d.</ref> Ähnlich spricht Platon im ''[[Theaitetos (Platon)|Theaitetos]]'' von „Freunden des Heraklit“ oder „Herakliteern“;<ref>Platon, ''Theaitetos'' 179d.</ref> jedoch ist kaum glaubhaft, dass es sich hierbei um einen Schülerkreis im engeren Sinne gehandelt hat.<ref>Pleines (2002), S. 10; Fleischer (2001), S. 121.</ref> [[Datei:Bramante heracleitus and democritus.jpeg|thumb|Der weinende Heraklit und der lachende Demokrit, auf Leinwand übertragenes Fresko von [[Donato Bramante]] (1477), [[Pinacoteca di Brera]], Mailand]] In der römischen Kaiserzeit wurde Heraklit oft erwähnt und zitiert, wobei sich Authentisches mit Erfundenem mischte. Mehrere fingierte Briefe von ihm und an ihn, die sich damals im Umlauf befanden, lassen erkennen, dass [[Kynismus|Kyniker]] versuchten, aus ihm einen Vorläufer ihrer Richtung zu machen.<ref>Die Briefe des Pseudo-Heraklit sind herausgegeben von Serge N. Mouraviev, ''Heraclitea'', Bd.&nbsp;II.A.2, Sankt Augustin 2000, S. 274–309.</ref> Stoiker wie [[Seneca]], [[Pythagoreer|Neupythagoreer]], Platoniker (besonders [[Plutarch]]) und der frühe [[Kirchenvater]] [[Clemens von Alexandria]] beriefen sich auf ihn.<ref>Die Belege sind gesammelt bei Mouraviev, ''Heraclitea'' II.A.2, S. 259ff.</ref> Da es keine einheitliche Traditionslinie oder Schule Heraklits gab, konnten unterschiedliche Strömungen ihn für ihre Anliegen in Anspruch nehmen, doch entstand aus derartigen einzelnen Rückgriffen keine Kontinuität.<ref>Hölscher (1979), S. 156.</ref> [[Lukian von Samosata]] sah Heraklit als „weinenden Philosophen“, der die Torheit der Menschen beklagt habe, im Gegensatz zu [[Demokrit]] als dem über die menschliche Ignoranz „lachenden Philosophen“.<ref>Die Belege zu Lukians Heraklit-Rezeption hat Mouraviev, ''Heraclitea'' II.A.2, S. 450–452 zusammengestellt.</ref> Der [[Skeptizismus|Skeptiker]] [[Sextus Empiricus]] kritisierte Heraklit und warf ihm „dogmatische“ Aussagen vor.<ref>Die einschlägigen Stellen stehen bei Mouraviev, ''Heraclitea'' II.A.2, S. 570–584.</ref> Im Mittelalter kannte man nur noch einzelne Legenden und Fragmente. Während man im [[Byzantinisches Reich|Byzantinischen Reich]] gerne das wenige, was man von Heraklit wusste, zitierte, insbesondere in [[Scholien]] zu Werken antiker Autoren,<ref>Die Belege sind zusammengestellt bei Serge N. Mouraviev, ''Heraclitea'', Bd.&nbsp;II.A.4, S. 797–891.</ref> war er der lateinischsprachigen Gelehrtenwelt des Westens jahrhundertelang so gut wie unbekannt; erst im 12. Jahrhundert taucht bei [[Bernardus Silvestris]] ein Heraklit-Zitat auf.<ref>In seinem Kommentar zu Martianus Capella 5.150–165.</ref> Im 13. Jahrhundert begannen sich jedoch die [[Scholastik|scholastischen]] Gelehrten für ihn zu interessieren; [[Albertus Magnus]] und [[Thomas von Aquin]] verfügten bereits über einige Kenntnis heraklitischer Ideen und setzten sich damit auseinander.<ref>Die Stellen sind bei Mouraviev, ''Heraclitea'' II.A.4 zusammengestellt, S. 894–922 für Albertus Magnus, S. 924–936 für Thomas von Aquin.</ref> Ferner erwähnte [[Dante]] Heraklit zusammen mit anderen antiken Philosophen in der ''[[Divina commedia]]''.<ref>Dante, ''Divina commedia'', ''Inferno'' IV, 138.</ref> Im 15. Jahrhundert entwickelte [[Nikolaus von Kues]] die theologische und erkenntnistheoretische Formel der ''[[coincidentia oppositorum]]'', des Zusammenfalls der Gegensätze, die wegen ihrer Ähnlichkeit mit dem Gegensatzdenken Heraklits oft mit diesem in Zusammenhang gebracht wird. Nikolaus erwähnt jedoch Heraklit nicht, und für die Vermutung, dass er von ihm beeinflusst sei, gibt es kein konkretes Indiz.<ref>Peter Kampits: ''Heraklit und Nicolaus Cusanus'', in: ''Atti del Symposium Heracliteum 1981'', Bd.&nbsp;2, hrsg. von Livio Rossetti, Roma 1984, S. 18.</ref> === Neuzeit === Indirekt fand heraklitisches Gedankengut Aufnahme in den [[Deutscher Idealismus|Deutschen Idealismus]], zumeist gestützt auf erste Versuche einer Sammlung der Fragmente, wie beispielsweise die ''Poesis philosophica'' des [[Henricus Stephanus]] von 1573, nach der auch noch [[Hegel]] Heraklit zitierte.<ref>Hölscher (1979), S. 157.</ref> Den von [[Lessing]] in Bezug auf [[Spinoza]]s Philosophie geprägten Begriff des [[Alleinheit|{{Polytonisch|Ἕν καὶ Πᾶν}}]] (''{{lang|grc-Latn|hén kaì pân}}'', etwa: „Eins und Alles“), übernahm [[Hölderlin]] als Ausdruck des [[Pantheismus]]. In der letzten Fassung des ''[[Hyperion (Hölderlin)|Hyperion]]'' formulierte er das Ineinander komplementärer Gegensätze „als simultane Verbundenheit des Widerstreitenden“. Dabei berief er sich auf „das große Wort, das {{Polytonisch|ἑν διαφερον ἑαυτῳ}}, das Eine in sich selber unterschiedne, des Heraklit“<ref>Hölderlin, ''Hyperion'' I 2, 3. Brief (Kleine Stuttgarter Ausgabe III S. 55) und letzter Brief (S. 85).</ref>: „Wie der Zwist der Liebenden, sind die Dissonanzen der Welt. Versöhnung ist mitten im Streit und alles Getrennte findet sich wieder. Es scheiden und kehren im Herzen die Adern und einiges, ewiges, glühendes Leben ist Alles.“<ref>Zitiert nach Bremer (1996), S. 73.</ref> Die seit Platon gängige Interpretation Heraklits als eines Denkers, der hauptsächlich das Werden und den Prozess der Veränderung thematisierte, wirkte auch bei [[Hegel]] und [[Nietzsche]] im 19. Jahrhundert nach. So sah Hegel in Heraklit den Protagonisten eines in der Hegelschen [[Dialektik]] gründenden Bewegungsgesetzes und bekannte: „Hier sehen wir Land; es ist kein Satz des Heraklit, den ich nicht in meine Logik aufgenommen.“<ref>Hegel, Werke, Bd.&nbsp;17; zitiert nach Held (1980), S. 110.</ref> Zugleich erschienen neue Textausgaben. So publizierte [[Friedrich Schleiermacher]] 1808 seine damals wegen ihrer Vollständigkeit geschätzte Arbeit ''Herakleitos der Dunkle'', die 73 Fragmente enthält. Er bemühte sich darum, Heraklits Philosophie „aus den Trümmern seines Werkes und den Zeugnissen der Alten“<ref>Friedrich Schleiermacher, ''Herakleitos der Dunkle'', in: ''Museum der Alterthumswissenschaft'' 1, 1808, S. 101f.</ref> zu rekonstruieren, und gab das Ermittelte heraus, „soviel man davon wissen und nachweisen kann“.<ref>So Schleiermacher in einem Brief (Berlin, 8. März 1808), ''Briefwechsel mit Boeckh und Bekker'', S. 16f.; zitiert nach Pleines (2002), S. 25.</ref> Auch bei [[Goethe]] spiegelt sich von der Zeit des [[Die Leiden des jungen Werthers|Werther]] bis in die Spätzeit der Einfluss Heraklits wider. Sprachlich äußert er sich in metaphorischem Umgang mit dem Gegensatzprinzip in [[Oxymoron|Oxymora]] wie „fern und nah“, „lebeloses Leben“ oder „geeinte Zwienatur“.<ref>Dorothea Lohmeyer, ''Faust und die Welt'', München 1975, S. 26; Hölscher (1979), S. 161.</ref> Inhaltlich nähert sich Goethe Heraklit vor allem in dem Bestreben, Naturbildungen als Phänomene zu begreifen, die auf eine verborgene Gesetzlichkeit verweisen. Auch in der Vereinigung konstruktiver wie destruktiver Elemente seines Naturbildes lässt Goethe Werther Gedanken formulieren, die an die Flussfragmente erinnern:<ref>Hölscher (1979), S. 160.</ref> {{Zitat|Kannst du sagen: Das ist! da alles vorübergeht? da alles mit der Wetterschnelle vorüberrollt, […] in den Strom fortgerissen […] wird? […] Ich sehe nichts, als ein ewig verschlingendes, ewig wiederkäuendes Ungeheuer.|Goethe|''Die Leiden des jungen Werthers'', I. Buch, 18. August, Jubiläumsausgabe Bd.&nbsp;16, S. 58f}} [[Nietzsche]] meinte in Heraklit einen „Vorfahren“<ref>Nietzsche, [[Nietzsche-Ausgabe#Literatur|Kritische Studienausgabe]] (KSA) 11, 25[454], S. 134.</ref> zu erkennen, „in dessen Nähe überhaupt mir wärmer, mir wohler zu Muthe wird als irgendwo sonst“ und dessen Gedankengut er als „das mir Verwandteste“ anerkannte, „was bisher gedacht worden ist.“<ref>Nietzsche, ''Ecce homo'', ''Die Geburt der Tragödie'' 3 (KSA 6, S. 312f.)</ref> In einem geplanten ''Philosophenbuch'', dessen tatsächlich realisierte Passagen er in das Fragment ''Die Philosophie im tragischen Zeitalter der Griechen'' übernimmt, zeigt Nietzsche gerade zur Persönlichkeit Heraklits<ref>Nietzsche, ''Die Philosophie im tragischen Zeitalter der Griechen'', 8 (KSA 1, S. 834): „Solche Menschen leben in ihrem eignen Sonnensystem; darin muß man sie aufsuchen. […] Von dem Gefühl der Einsamkeit aber, das den ephesischen Einsiedler des Artemis-Tempels durchdrang, kann man nur in der wildesten Gebirgsöde erstarrend etwas ahnen. […] Er ist ein Gestirn ohne Atmosphäre. Sein Auge, lodernd nach innen gerichtet, blickt erstorben und eisig, wie zum Scheine nur, nach außen. Rings um ihn, unmittelbar an die Feste seines Stolzes, schlagen die Wellen des Wahns und der Verkehrtheit: mit Ekel wendet er sich davon ab. Aber auch die Menschen mit fühlender Brust weichen einer solchen wie aus Erz gegossenen Larve aus; in einem abgelegenen Heiligtum, unter Götterbildern, neben kalter, ruhig-erhabener Architektur mag so ein Wesen begreiflicher erscheinen. Unter Menschen war Heraklit, als Mensch, unglaublich.“</ref> eine Nähe, die besonders im ''[[Also sprach Zarathustra|Zarathustra]]'' in eine Identifikation mündet.<ref>Hölscher (1979), S. 164.</ref> Nietzsche identifiziert sich mit dem Protagonisten Zarathustra, dessen Persönlichkeit und Auftreten stark unter dem Einfluss Heraklits steht. Im ''Zarathustra'' greift er zahlreiche Motive Heraklits auf; keine andere Quelle schöpft er dort so intensiv aus wie diese. In der Wahl der Metaphern sind deutliche Parallelen erkennbar, beispielsweise in der Lehre vom [[Übermensch]]en, die analog zur Affe-Mensch-Gott-Proportion der heraklitischen Fragmente entwickelt wird: {{zitat|Was ist der Affe für den Menschen? Ein Gelächter oder eine schmerzliche Scham. Und ebendas soll der Mensch für den Übermenschen sein: ein Gelächter oder eine schmerzliche Scham. Ihr habt den Weg vom Wurme zum Menschen gemacht, und Vieles ist in euch noch Wurm. Einst wart ihr Affen, und auch jetzt noch ist der Mensch mehr Affe, als irgend ein Affe.|Nietzsche|''Also sprach Zarathustra'', Vorrede, 3 (KSA 4, S. 14)}} Philosophiehistorisch ist Nietzsche der gängigen Meinung der [[Philologie]] seiner Zeit verhaftet, die Heraklit in platonischer Tradition als Philosophen des Werdens, der periodischen Weltuntergänge und des Kampfes der Gegensätze interpretierte. „Im Zuge der Umwertung und Umstülpung der unter platonischem Vorzeichen stehenden Metaphysik“ stellt Nietzsches [[Hermeneutik]] „das Werden über das starre, einer fundamentalen Illusion entspringende Sein“ und sieht „Heraklit als die Vorweg-Widerlegung Platons“ an.<ref>Held (1980), S. 110.</ref> Zugleich rezipiert Nietzsche die von Platons Einfluss umgestaltete Flusslehre und verbindet sie mit der aus anderen antiken Traditionen stammenden Idee der [[Ewige Wiederkunft|ewigen Wiederkunft]] des Gleichen, die ihm heraklitisch erscheint und die er mit der Lehre seines Zarathustra<ref>Nietzsche, ''Ecce homo'', ''Die Geburt der Tragödie'', 3 (KSA 6, S. 313): „diese Lehre Zarathustra’s ''könnte'' zuletzt auch schon von Heraklit gelehrt worden sein.“</ref> in Einklang zu bringen versucht.<ref>Bremer (1996), S. 75.</ref> Nach Nietzsches Interpretation verleugnet der heraklitische Begriff des Werdens die „eigentliche Existenz“ des [[Sein (Philosophie)|Seienden]]; die Dinge sind lediglich „das Erblitzen und der Funkenschlag gezückter Schwerter, sie sind das Aufglänzen des Siegs, im Kampf der entgegengesetzten Qualitäten.“<ref>Nietzsche, ''Die Philosophie im tragischen Zeitalter der Griechen'', 5 (KSA 1, S. 826).</ref> So lässt er Heraklit ausrufen: {{Zitat|Ich sehe nichts als Werden. Laßt euch nicht täuschen! In eurem kurzen Blick liegt es, nicht im Wesen der Dinge, wenn ihr irgendwo festes Land im Meere des Werdens und Vergehens zu sehen glaubt. Ihr gebraucht Namen der Dinge, als ob sie eine starre Dauer hätten: aber selbst der Strom, in den ihr zum zweiten Male steigt, ist nicht derselbe als bei dem ersten Male.|Nietzsche|''Die Philosophie im tragischen Zeitalter der Griechen'', 5 (KSA 1, S. 823)}} [[Datei:Franz Xaver Messerschmidt Charakterkopf 2.jpg|thumb|Charakterkopf „Heraklit“, Alabasterbüste von [[Franz Xaver Messerschmidt]] (18. Jh.), [[Landesmuseum Württemberg]]]] Heraklits Bedeutung als Impulsgeber der Philosophiegeschichte betonten Hegel und Nietzsche aus unterschiedlicher Perspektive. So erscheint Heraklit bei Hegel „als der früheste Vorläufer der gegenwärtig erreichten, abschließenden höchsten Vollendung des Denkens“, bei Nietzsche jedoch „als der früheste Vorbote seiner tiefsten Krise; die Vollendung beruht auf dem vollständigen Erscheinen des von Heraklit ahnungsweise Angedeuteten, die Krise auf seiner vollständigen Vergessenheit im gegenwärtigen Zeitalter.“<ref>Held (1980), S. 114.</ref> [[Martin Heidegger]] studierte Heraklit intensiv und stellte ihn in den Zusammenhang seiner eigenen Philosophie.<ref>Heidegger, ''Logos (Heraklit, Fragment 50)'' und ''Aletheia (Heraklit, Fragment 16)'', in: Heidegger, ''Vorträge und Aufsätze'', 6. Auflage, Pfullingen 1990/[[Gesamtausgabe (Heidegger)|GA]] 7; ''Heraklit'', [Ober-]Seminar [mit Eugen Fink] Wintersemester 1966/1967, Frankfurt a. M. 1970/GA 15; ''Heraklit'', 1. ''Der Anfang des abendländischen Denkens''. 2. ''Logik. Heraklits Lehre vom Logos. Freiburger Vorlesung SS 1943 und SS 1944'', hrsg. von Manfred S. Frings, Frankfurt am Main 1979/GA 55; ''Aus den Aufzeichnungen zu dem mit Eugen Fink veranstalteten Heraklit-Seminar'', in: ''Heidegger Studies'' 13 (1997), S. 9–14.</ref> In den 1930er Jahren bestimmte Heidegger „Logik“ im Sinne des Logos-Begriffs Heraklits,<ref>Peter Trawny: ''Martin Heidegger'', Frankfurt 2003, S. 119f. Heidegger hat dem Thema einen eigenen Aufsatz gewidmet: ''„Logos (Heraklit, Fragment 50)'', in: Heidegger, ''Vorträge und Aufsätze'', Pfullingen 1954, S. 227–229; Heraklits Logos meint für Heidegger „das entbergend-bergende Versammeln“; ''Nietzsche'', I (1936–1939), hrsg. von Brigitte Schillbach, 1996/GA 6.1, 463.</ref> der „das Sein des Seienden“ bezeichne.<ref>Heidegger, ''Metaphysik und Nihilismus'', hrsg. von Hans-Joachim Friedrich, 1999/GA 67, 135; ''Nietzsche'', I, hrsg. von Brigitte Schillbach, 1996/GA 6.1, S. 227.</ref> Heidegger führt seinen Begriff von Wahrheit als ''alétheia'' (Unverborgenheit) auf Heraklit zurück und sieht die diesem Wort entspringende „Grunderfahrung“ bei Platon bereits „im Schwinden“.<ref>Heidegger, ''Vom Wesen der Wahrheit. Zu Platons Höhlengleichnis und Theätet'' (Wintersemester 1931/32), hrsg. von Hermann Mörchen, 1988/GA 34, 13 und 93. Auch dem Begriff ''aletheia'' widmet Heidegger einen Aufsatz: ''Aletheia (Heraklit, Fragment 16)'', in: Heidegger, ''Vorträge und Aufsätze'', 6. Auflage, Pfullingen 1990/GA 7.</ref> Für Heidegger „gab es vor Sokrates noch keine Metaphysik; das Denken des Heraklit und Parmenides ist ‚Physik‘ im Sinne eines Erdenkens des Wesens der physis als des Seins des Seienden“.<ref>''Metaphysik und Nihilismus'', GA 67, S. 89.</ref> Heidegger wendet sich gegen „die auch von Nietzsche selbst in Umlauf gebrachte“ Interpretationshypothese, „das Sein ‚sei‘ das ‚Werden‘“.<ref>So u.&nbsp;a. in: ''Metaphysik und Nihilismus'', GA 67, S. 96.</ref> In seiner Heraklit-Deutung wollte Heidegger über den Dualismus von Werden und Sein hinausgelangen.<ref name="Held113">Held (1980), S. 113.</ref> Demnach beruht seine Heraklit-Rezeption wesentlich auf der Logos-Interpretation als einer Auslegung der ''phýsis'': „Im ursprünglichen Gebrauch des Wortes ''phýsis'' ist nach Heidegger noch etwas von dem Verhältnis zu hören, das in dem Wort ''a-létheia'', Un-verborgenheit, von den Griechen zwar benannt, aber nicht eigens bedacht wurde.“ Die Entbergung des Verborgenen ist somit Heraklits Leistung, die er ja auch selbst beanspruchte. Heidegger war der Meinung, dass „der Beginn der Denkgeschichte mehr war als ein später überholter Ausgangspunkt, nämlich der Anfang als [[arché]], d.&nbsp;h. als stiftender und damit bleibender Anfangsgrund“. In Heraklits Aussage (B 123), dass die Natur sich gern verbirgt<ref>DK 22 B 123 ({{Polytonisch|φύσις κρύπτεσθαι φιλεῖ.}}).</ref>, sei das Entwicklungsgesetz des philosophisch-wissenschaftlichen Denkens bereits enthalten. Dies begründe die einzigartige Position Heraklits: „Sein Denken hat eine ‚Sache’ zum Thema, deren Verfassung zugleich das gesamte geschichtliche Schicksal des Denkens überhaupt prägt.“<ref name="Held113" /> Der Psychoanalytiker [[Erich Fromm]] analysiert in ''[[Die Kunst des Liebens]]'' Positionen Heraklits, dessen paradoxe Logik er als Alternative zur aristotelischen [[Satz vom Widerspruch|widerspruchsfreien Logik]] betrachtet. Er zieht auch einen Vergleich mit der Lehre [[Zhuangzi]]s.<ref>Erich Fromm, ''Die Kunst des Liebens'', Ulm 2007, S. 88.</ref> === Einige neuere Deutungen === ; Hans-Georg Gadamer Das Spektrum der modernen Heraklit-Deutungen ist weit. In der deutschsprachigen Literatur gehört diejenige [[Hans-Georg Gadamer]]s zu den profiliertesten. Für ihn stehen Denken und Werk Heraklits entschieden nicht in der Tradition der [[Ionische Naturphilosophie|Ionischen Naturphilosophie]].<ref>Gadamer (1999), S. 78.</ref> Gadamer weist darauf hin, dass schon in der Antike die Deutung vorgeschlagen wurde, dass Heraklits Schrift weniger auf die Natur und die kosmologischen Zusammenhänge ziele als vielmehr auf den Bürgerverband, auf die ''politeia'' und ihre mentale Ausrichtung.<ref>Gadamer (1999), S. 19.</ref> Diese Auffassung stützt sich auf die Beobachtung, dass Heraklits naturbezogene Aussagen oft so naiv wirken, dass ihnen nicht die hauptsächliche Bedeutung zuzukommen scheint. So urteilte schon der Grammatiker Diodot, der diesen Äußerungen Heraklits lediglich einen paradigmatischen, beispielhaft veranschaulichenden Charakter zuwies und die Verfassung des Staates für das eigentliche Thema seiner Schrift hielt.<ref>Gadamer (1999), S. 33 Anmerkung 1.</ref> Als Ausgangspunkt seiner Interpretation wählt Gadamer die Formel „Eins ist das Weise“ ({{Polytonisch|ἓν τὸ σοφὸν}}), denn er deutet das Bestreben, Unterschiedliches in einer Einheit zu denken, als die in mehreren Fragmenten wiederholte zentrale Botschaft Heraklits.<ref>Gadamer (1999), S. 56 verweist auf B 32 ({{Polytonisch|ἓν τὸ σοφὸν μοῦνον λέγεσθαι οὐκ ἐθέλει καὶ ἐθέλει Ζηνὸς ὄνομα.}}), B 41 ({{Polytonisch|εἶναι γὰρ ἓν τὸ σοφόν, ἐπίστασθαι γνώμην, ὁτέη ἐκυβέρνησε πάντα διὰ πάντων.}}) und B 50 ({{Polytonisch|οὐκ ἐμοῦ, ἀλλὰ τοῦ λόγου ἀκούσαντας ὁμολογεῖν σοφόν ἐστιν ἓν πάντα εἶναι.}}).</ref> Für das Gegensatzpaar „wachen und schlafen“ stellt das Individuum selbst als Wachender oder Schlafender das Eine bzw. den Einen dar, der „am Leben ist“. In Fragment B 26 wird dieses Einssein mit dem Feuer verbunden: „Der Mensch in der Nacht zündet sich ein Licht an, wenn die Augen erloschen sind. Lebend rührt er an den Toten, erwacht rührt er an den Schlafenden.“<ref>Gadamer (1999), S. 85 ({{Polytonisch|ἄνθρωπος ἐν εὐφρόνῃ φάος ἅπτεται ἑαυτῷ ἀποσβεσθεὶς ὄψεις. ζῶν δὲ ἅπτεται τεθνεῶτος εὕδων, ἐγρηγορὼς ἅπτεται εὕδοντος.}}).</ref> Dieses Anzünden des Lichts in der Nacht interpretiert Gadamer als ein Erwachen des [[Bewusstsein]]s, wenn man die „volle Aussagekraft“ des Logos darin sieht, dass „nicht das Licht des Traumes, sondern die Helligkeit, die wir ‚Bewusstsein’ nennen, hier gemeint ist“. Dieses Entfachen des Vernunftfeuers als „Zu-sich-Kommen“ des Bewusstseins ist nach Gadamer kein rein individueller Vorgang, sondern ein kollektiver „Weg zur Teilhabe am gemeinsamen Tage und der gemeinsamen Welt.“<ref>Gadamer (1999), S. 89.</ref> ; Klaus Held Die Gegenüberstellung von Ansicht und [[Einsicht]] als „kritische Selbstunterscheidung des Denkens von der vor- und außerphilosophischen Denk- und Verhaltensart“ ist für Klaus Held „der Grundgedanke Heraklits, von dem her sich alle seine weiteren Gedanken entfalten lassen“<ref name="Held 1980, S. 130"/> und der „im Wesen seiner Auffassung vom Denken begründet“ ist.<ref>Held (1980), S. 341.</ref> Als philosophiegeschichtlichen Standort Heraklits bestimmt er eine Mittelposition zwischen dem vorphilosophischen Denken des [[Archaik|archaischen]] Griechentums einerseits, wie es in manchen Fragmenten wie B 24 und B 25 mit der Behandlung von Tod und Ehre nachhalle,<ref>DK 22 B 24: „Im Kriege Gefallene ehren Götter und Menschen“; B 25: „Größerer Tod empfängt größere Belohnung.“</ref> und dem metaphysischen Denken Platons andererseits, bei dem der Mensch über seine unsterbliche Seele Anteil an der Ewigkeit der [[Idee]]n erlangen kann.<ref>Held (1980), S. 432.</ref> Ein spezifisches Moment der [[Phänomenologie|phänomenologischen]] Heraklit-Interpretation Helds liegt in der Verknüpfung mit der von [[Edmund Husserl|Husserl]] und [[Martin Heidegger|Heidegger]] philosophisch reflektierten subjektiven lebensweltlichen Zeiterfahrung. Den Ansatzpunkt dafür bei Heraklit bilde das Umschlagen (μεταπίπτειν) der Gegensätze. Eine Erwartung oder Erinnerung habe selbst den Charakter der Gegenwart, der noch ausstehenden oder der schon entschwundenen: „Es ist die Erfahrung von der einen und einzigen Gegenwart, in der beständig verbleibend ich alle meine Erfahrungen mache. Zu der Weise, wie ich mir dieser Gegenwart bewusst bin, gehört immer ein unthematisches Miterfassen des Kommens und Gehens der Gegenwart.<ref>Held (1980), S. 320; in der zugehörigen Anmerkung 73 vermerkt Held: „Ich spiele hier auf Husserls Entdeckung des Präsenzfeldes mit Retention und Protention an.“ Auf S. 323 führt Held aus: „Dieses Kommen und Gehen kann aber nicht Ankunft und Weggang einer ungegenwärtigen Gegenwart sein, die von der einen übergängigen Gegenwart unterschieden wäre; denn Unterscheidung von anderen Gegenwarten würde Auflösung ihrer Einzigkeit bedeuten. Demnach kann das reine Kommen und Gehen nur Ankunft und Weggang der einen Gegenwart selbst sein. Das aber ist nur möglich, wenn die Gegenwart von sich selbst unterschieden wird. Nun ist die beständige Gegenwart, wie sich herausgestellt hat, Helle. Als von sich Unterschiedene muß sie demnach Dunkel sein.“</ref> Als weiteren Schwerpunkt der heraklitischen Lehre nennt Held die Auseinandersetzung mit dem „lebensverfallene(n) und todesvergessene(n) Verhalten der Vielen“. Das Leben als Verlauf zwischen Geburt und Tod sei nicht nur von diesen zeitlichen Grenzen bestimmt, sondern „in jeder seiner Phasen gebürtig und sterblich“. Wachen und Schlafen, Jugend und Alter stellten über das landläufige Verständnis hinaus „Abwandlungen derjenigen beiden Grundweisen des Lebend-sich-Befindens dar, die bereits durch die Ausdrücke ‚Leben’ und ‚Tod’ bezeichnet werden. […] Alle drei Gegensatzpaare variieren den Grundgegensatz des Erneuernd-sich-Öffnens und des Absterbend-sich-Verschließens.“<ref>Held (1980), S. 281.</ref> ; Jürgen-Eckardt Pleines Im Gegensatz zu Held betrachtet Jürgen-Eckardt Pleines den heraklitischen Logos nicht als nur für eine Elite erkennbar, sondern betont, dass ein allgemein zugängliches Wissen gemeint sei.<ref>Pleines (2002), S. 13; S. 33: „Da Heraklit seine eigenen Nachforschungen keineswegs als genialische Leistung, sondern weit eher als Beitrag zu einem jederzeit möglichen gemeinsamen Wissen und Wollen verstand, ist der heutige Interpret gehalten, auch dessen Bezüge zum Geist jener Zeit, zur gemeinsamen Vernunft, ernstzunehmen.“ Dabei verweist Pleines auch auf [[Sextus Empiricus]] und [[Mark Aurel]], die Heraklits Berufung „auf das ideell Verbindende, auf das Gemeinschaftliche und Verpflichtende im ''logos''“ hervorhoben.</ref> Philosophiehistorisch sieht Pleines in der Konzeption Heraklits Parallelen zur modernen [[Spieltheorie]]<ref name="PLE90">Pleines (2002), S. 90: „Denn die Zuordnung, die aus einem freien Spiel von Kräften oder Vermögen erwächst, lebt von einer Gesetzlichkeit, die an einen Vollzug gebunden ist, in dem Zufall und Notwendigkeit zusammenwirken.“</ref> und hält sie für den Entwurf einer „in sich gespannten [[Systemtheorie]]“, die auf dem Widerspruch als einem konstitutiven „Prinzip alles gegenständlichen und gedachten Seins“ aufbaue. Pleines geht in seiner Interpretation vom Begriff der [[Harmonie]] aus, der bei Heraklit das „wechselseitige Verhältnis […] an sich selbstständiger und entgegengesetzter Momente, die sich in einem ausbalancierten, aber ebenso [[Ambivalenz|ambivalenten]] Gleichgewicht“ halten, bezeichne.<ref>Pleines (2002), S. 182.</ref> Harmonie beschreibe somit bei Heraklit das ausgewogene Verhältnis von konträren Kräften in einem ständigen Widerstreit ''(eris)'' der Dinge. Diesem „relationalen Seinsverständnis“ entspreche auch die Spanne zwischen beiden Polen, „der ''harmos'', der als ‚Fuge’ genauso wie der ''logos'' eine verbindende Gegenbewegung in der Sache wie im Denken signalisierte.“<ref name="PLE120">Pleines (2002), S. 120.</ref> Demgemäß galt das Augenmerk des Philosophen besonders Aussagen über Objekte oder Phänomene, die Kennzeichen ihrer gegenseitigen Beziehung und Gegensätzlichkeit aufweisen und über diese vermittelnde Differenz, bei Pleines „Intervall“ genannt, definiert werden.<ref>Pleines (2002), S. 181.</ref> Für das Verständnis von Harmonie als Ausdruck innerer Spannung verweist Pleines auf die Welt des Klangs. Töne können stets als untereinander differenziert wahrgenommen werden, doch eine in ihre Einzelbestandteile aufgelöste Melodie ist nicht mehr als solche erkennbar.<ref>Pleines (2002), S. 201f. weist darauf hin, dass das Hören von Tönen und das Erkennen distinkter, aber miteinander verbundener Tonfolgen nur möglich war, „solange die verschiedenen Töne nicht unterschiedslos in einen einzigen, unartikulierten Laut zurückfielen, sich aber auf der anderen Seite auch nicht aus der Melodie ins Grenzenlose isolierter Einzelnheit verflüchtigten.“ Schnittpunkt in der Wahrnehmung aber sei der ''kairos'', jener Moment, „in dem das Grenzenlose begrenzt und das Begrenzte von den Fesseln der starren Regeln befreit wurde.“</ref> Diese Auffassung der Tonkunst als Widerstreit von Momenten innerhalb eines dem Wandel unterworfenen Gefüges sei von Heraklit auf alles vernunftgemäße Wissen übertragen worden.<ref>Pleines (2002), S. 202.</ref> Heraklits Denkart habe nicht nur mit den herkömmlichen Schöpfungsvorstellungen gebrochen, sondern „widersetzte sich auch jenen Erklärungsversuchen der Welt, die allein mit einer Folge von Zeitmomenten rechneten, um mit ihrer Hilfe Kausalgesetze oder Finalreihen zu formulieren.“<ref name="PLE120" /> Die bereits bei Anaximander angelegte Neuorientierung des Denkens habe zu einer Abkehr von der Suche nach einem [[Arché|Urelement]] geführt und in der Metaphysik das Augenmerk auf das Problem der [[Relation|Verhältnisse]] unter den Objekten gelenkt.<ref>Pleines (2002), S. 121, 180.</ref> == Ausgaben == * [[Hermann Diels]], [[Walther Kranz]] (Hrsg.): ''Die Fragmente der Vorsokratiker''. Band 1, Hildesheim 2004 (unveränderte Neuauflage der 6. Auflage von 1951), ISBN 3-615-12201-1 (griechischer Originaltext teilweise mit deutscher Übersetzung; [http://ia350627.us.archive.org/2/items/diefragmenteder00krangoog/diefragmenteder00krangoog.pdf online]). * Charles H. Kahn: ''The Art and Thought of Heraclitus. An edition of the fragments with translation and commentary'', Cambridge 1981, ISBN 0-521-28645-X. * Geoffrey Stephen Kirk: ''Heraclitus. The Cosmic Fragments. Edited with an introduction and commentary''. Cambridge 1954. * Serge Mouraviev: ''Heraclitea. Édition critique complète des témoignages sur la vie et l'œuvre d’Héraclite d’Éphèse et des vestiges de son livre et de sa pensée''. Sankt Augustin ab 1999 (20 Bände geplant, bisher 10 Bände erschienen). == Übersetzungen == * [[Jaap Mansfeld]] (Hrsg.): ''Die Vorsokratiker'', Band 1, Stuttgart 1987, ISBN 3-15-007965-9 (griechischer Originaltext mit deutscher Übersetzung; Heraklit S. 231–283) * [[Bruno Snell]]: ''Heraklit. Fragmente''. Artemis & Winkler, 14. Auflage, Düsseldorf 2007, ISBN 978-3-538-03506-5 (griechischer Originaltext mit deutscher Übersetzung) == Literatur == * Dieter Bremer: ''Heraklit''. In: Friedo Ricken (Hrsg.): ''Philosophen der Antike''. Band 1, Stuttgart 1996. * Margot Fleischer: ''Anfänge europäischen Philosophierens. Heraklit – Parmenides – Platons Timaios''. Würzburg 2001, ISBN 3-8260-2001-4. * [[Hermann Fränkel]]: ''Eine heraklitische Denkform''. In: Derselbe: ''Wege und Formen frühgriechischen Denkens''. München 1955, S. 253–283. * [[Hans-Georg Gadamer]]: ''Der Anfang des Wissens''. Stuttgart 1999, ISBN 3-15-009756-8. * Thomas Hammer: ''Einheit und Vielheit bei Heraklit von Ephesus'' (= ''Epistemata. Reihe Philosophie'', Band 90). Königshausen & Neumann, Würzburg 1991, ISBN 3-88479-591-0. * Klaus Held: ''Heraklit, Parmenides und der Anfang von Philosophie und Wissenschaft. Eine phänomenologische Besinnung''. 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Bibliografia 1970–1984 e complementi 1621–1969''. Neapel 1986. * Evangelos N. Roussos: ''Heraklit-Bibliographie''. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1971, ISBN 3-534-05585-3. == Weblinks == ;Fragmente {{Commonscat|Heraclitus|Heraklit}} {{Wikiquote|Heraklit}} {{Wikisource|Heraklit}} {{Wikisource|Scriptor:Heraclitus|Heraclitus|lang=la}} {{Wikisource|Αποσπάσματα (Ηράκλειτος)|Fragmente|lang=el}} * {{DNB-Portal|118549421}} * Hermann Diels: ''[http://commons.wikimedia.org/wiki/Category:Diels_Herakleitos_von_Ephesos Herakleitos von Ephesos]'', griechisch und deutsch, Berlin 1901 * Egon Gottwein: [http://www.gottwein.de/Grie/vorsokr/VSHeraklit00.php Textauswahl] * William Harris: [http://community.middlebury.edu/~harris/Philosophy/heraclitus.pdf ''Heraclitus: The Complete Fragments''], griechisch und englisch, Middlebury College 1994 * Randy Hoyt: [http://www.heraclitusfragments.com/ ''The Fragments of Heraclitus''], griechisch nach Diels-Kranz und englisch nach John Burnet 1912 mit kleinen Modifikationen, 2002 * Samuel Béreau: [http://philoctetes.free.fr/heraclitus.htm ''139 Fragments''], griechisch nach Diels und englisch nach John Burnet 1912 * [http://hiphi.ubbcluj.ro/fam/texte/greci/heraclit.pdf Fragmente] (griechische Originaltexte mit englischen und französischen Übersetzungen; PDF-Datei, 213 kB) ;Quelle * Diogenes Laertios: ''Leben und Meinungen berühmter Philosophen'', [http://classicpersuasion.org/pw/diogenes/dlheraclitus.htm ''Heraklit''] (= IX 1–17) (englisch) ;Literatur * {{SEP|http://plato.stanford.edu/entries/heraclitus/||[[Daniel W. Graham]]}} * {{IEP|http://www.iep.utm.edu/h/heraclit.htm||[[Daniel W. Graham]]}} == Anmerkungen == <references /> {{Exzellent}} {{Normdaten|PND=118549421|LCCN=n/78/95675|VIAF=89803370}} [[Kategorie:Philosoph (Antike)]] [[Kategorie:Vorsokratiker]] [[Kategorie:Erkenntnistheoretiker]] [[Kategorie:Autor]] [[Kategorie:Griechische Philosophie]] [[Kategorie:Literatur (Altgriechisch)]] [[Kategorie:Antiker Autor]] [[Kategorie:Grieche (Antike)]] [[Kategorie:Geboren im 6. Jahrhundert v. Chr.]] [[Kategorie:Gestorben im 5. Jahrhundert v. Chr.]] [[Kategorie:Mann]] {{Personendaten |NAME=Heraklit |ALTERNATIVNAMEN=Ἡράκλειτος ὁ Ἐφέσιος (griechisch); Herákleitos ho Ephésios; Heraclitus Ephesius (latinisiert) |KURZBESCHREIBUNG=griechischer vorsokratischer Philosoph |GEBURTSDATUM=um 520 v. Chr. |GEBURTSORT=[[Ephesos]], [[Ionien]], [[Perserreich]] |STERBEDATUM=um 460 v. Chr. |STERBEORT= }} [[ar:هرقليطس]] [[arz:هيراكليتوس]] [[bg:Хераклит]] [[br:Herakleitos]] [[bs:Heraklit]] [[ca:Heràclit d'Efes]] [[co:Eraclitu]] [[cs:Hérakleitos]] [[cy:Heraclitos]] [[da:Heraklit]] [[el:Ηράκλειτος]] [[en:Heraclitus]] [[eo:Heraklito]] [[es:Heráclito]] [[et:Herakleitos]] [[eu:Heraklito]] [[ext:Eráclitu]] [[fa:هراکلیتوس]] [[fi:Herakleitos]] [[fo:Heraklit]] [[fr:Héraclite]] [[gd:Heraclitus a Ephesus]] [[gl:Heráclito de Éfeso]] [[he:הרקליטוס]] [[hr:Heraklit]] [[hu:Epheszoszi Hérakleitosz]] [[hy:Հերակլիտ]] [[id:Herakleitos]] [[is:Herakleitos]] [[it:Eraclito di Efeso]] [[ja:ヘラクレイトス]] [[ko:헤라클레이토스]] [[ku:Heraklîtos]] [[la:Heraclitus]] [[lt:Heraklitas]] [[mk:Хераклит]] [[nl:Heraclitus]] [[nn:Heraklit]] [[no:Heraklit]] [[pl:Heraklit]] [[pnb:ہیراکلیٹس]] [[pt:Heráclito de Éfeso]] [[ro:Heraclit]] [[ru:Гераклит Эфесский]] [[scn:Eràclitu]] [[sh:Heraklit]] [[simple:Heraclitus]] [[sk:Herakleitos]] [[sl:Heraklit Mračni]] [[sr:Хераклит]] [[sv:Herakleitos]] [[te:హెరాక్లిటస్]] [[th:เฮราคลิตัส]] [[tr:Heraklitos]] [[tt:Гераклит Эфеслы]] [[uk:Геракліт]] [[vi:Heraclitus]] [[zh:赫拉克利特]] sh12ngiyrr8wmuuurea3dvmxj9evbpq wikitext text/x-wiki Rettershof 0 23530 26128 2010-04-22T20:35:01Z EvDa13 0 /* Gründung und wirtschaftliche Blüte des Klosters (1146 bis 1369) */ Verbesserung Interlink – BKL {{Coordinate |NS=50/10/8.81/N |EW=8/25/49.89/E |type=landmark |region=DE-HE}} [[Bild:MJL Retters 2.jpg|thumb|Eingangstor des Hofguts, 1936 in seiner heutigen Form errichtet]] [[Bild:Meyers5 Frankfurt Fischbach.png|thumb|Hof Röders (heute Rettershof) nördlich von Fischbach, Karte von 1893]] [[Bild:MJL Retters 3.jpg|thumb|Gutshof und ''Schlösschen'' von einer Anhöhe im Südwesten, im Vordergrund der Rettersbach]] [[Bild:Karte Kelkheim + Umgebung 1592.jpg|thumb|Karte von 1592, die nach dem Verkauf von Retters angefertigt wurde]] [[Bild:Besitzungen Retters 1221 2.svg|thumb|Lage des Besitzes und abhängiger Höfe von Retters 1221: Weit über [[Vordertaunus]] und [[Wetterau]] verstreute Ländereien]] [[Bild:Besitzungen Retters 1222 2.svg|thumb|Konzentration der Besitztümer auf den Vordertaunus: [[Treisberg]] und [[Seelberg]] im [[Hintertaunus]] gelangen durch eine Schenkung unter die Kontrolle von Retters]] [[Bild:Besitzungen Retters 1559.svg|thumb|1559 bei der Auflösung des Klosters: Fast nur noch Ländereien im Vordertaunus]] Der '''Rettershof''' (auch ''Hof Retters'' oder ''Röders'') ist ein Hofgut und ehemaliges [[Prämonstratenser]]kloster nordöstlich von [[Fischbach (Taunus)|Fischbach]], einem Stadtteil von [[Kelkheim (Taunus)|Kelkheim]] bei [[Frankfurt am Main]]. Vom 12. Jahrhundert bis 1559 waren Ordensfrauen in Retters ansässig, später nutzten verschiedene Eigentümer das Anwesen als Hofgut. Heute ist der Rettershof neben der weiteren landwirtschaftlichen Nutzung ein beliebtes Ausflugsziel. == Lage == Der Rettershof befindet sich auf dem Gebiet des Kelkheimer Stadtteils Fischbach, rund zwei Kilometer nordöstlich des Ortskerns. Er liegt am Waldrand des sogenannten Retterswaldes in dem weiten, sich westlich von ihm erstreckendem Tal des Krebsbaches zwischen [[Kelkheim-Ruppertshain|Ruppertshain]] und Fischbach. In unmittelbarer Nähe des Hofes verläuft der Rettersbach, ein linker Zufluss des Krebsbaches. Westlich schließen sich heute Ackerflächen an, im Osten liegen ausgedehnte Waldflächen. Etwa ein Kilometer nordöstlich beginnt der [[Königstein im Taunus|Königsteiner]] Ortsteil ''Schneidhain''. Im Falle des politisch umstrittenen Ausbaus der [[Bundesstraße 8]] würde die Trasse in unmittelbarer Nähe nordöstlich des Rettershofs verlaufen. Er wird von den Buslinien 806 und 811 des [[Rhein-Main-Verkehrsverbund]]es angefahren. == Geschichte == === Gründung und wirtschaftliche Blüte des Klosters (1146 bis 1369) === Um 1136 siedelten die ersten Chorfrauen aus wirtschaftlichen Erwägungen nach Retters über. Der Ortsname Retters bedeutet ''Rat'' Gottes (= lat. Consilium Dei). Das Gebiet wurde als ''Retters und Braubach'' - ''in reteresse et in brubach'' - bezeichnet<ref name="HStA München MU 5">Schenkungsurkunde von Gerhard von Nüring aus dem Jahr 1146, Hauptstaatsarchiv München (Mainzer Urkunden: 23), Zeile 5</ref> und fortan auch ''Tal des heiligen Kreuzes'' genannt - ''que nunc vallis sancte crucis apellatur''.<ref name="HStA München MU 5">Schenkungsurkunde von Gerhard von Nüring aus dem Jahr 1146, Hauptstaatsarchiv München (Mainzer Urkunden: 23), Zeile 5</ref> Die Chorfrauen entstammten dem Kloster Steinbach im [[Westerwald]], das zur [[Abtei Rommersdorf]] bei [[Neuwied]] gehörte. Die Ländereien erstreckten sich als ''Retters'' über die Wiesen- und Weideflächen zwischen [[Kelkheim-Fischbach|Fischbach]] und [[Kelkheim-Ruppertshain|Ruppertshain]] und ''Braubach'' als Tal des zwischen [[Kelkheim-Hornau|Hornau]] und [[Schneidhain]] verlaufenden Braubachs (die Lage lässt sich heute noch am ''Braubachweiher'' erkennen) und befanden sich im Besitz des Grafen Gerhard von Nürings. Er stiftete als letzter Vertreter seines Adelsgeschlechts, das vorwiegend Ländereien in der [[Wetterau]] besaß, im Jahr 1146 seine Ländereien von Retters, um auf ihnen ein Kloster errichten zu lassen. In einer Urkunde aus dem Jahr 1245<ref>Hauptstaatsarchiv München (Mainzer Urkunden: 84)</ref> wird von einem Kloster des [[Augustinerorden|Augustiner]]ordens berichtet. Als sicher gilt aber, dass spätestens ab 1272 [[Prämonstratenser]] (ein Orden, der sich im 12. Jahrhundert auals Reform der Augustiner-Chorherren entwickelt hatte) in Retters lebten.<ref name="Mainzer 157">Hauptstaatsarchiv München (Mainzer Urkunden: 157-159)</ref> Anfangs handelte es sich bei Retters um ein Doppelkloster, in dem Chorfrauen und -herren ansässig waren. Ab etwa 1200 bestand nur noch ein reines Nonnenkloster, dem meist Ordensfrauen von niederem Adel angehörten. In späterer Zeit verbreitete sich die Legende, Gerhard von Nüringen, der während des [[Zweiter Kreuzzug|Zweiten Kreuzzugs]] bei [[Urfa|Edessa]] mit 100 Gefolgsleuten in arabische Gefangenschaft geriet und zwei Jahre gefangengehalten wurde, habe das Kloster aus Dankbarkeit über seine Befreiung gestiftet. Dies widerspricht allerdings der Datierung der Schenkungsurkunde vom 13. November 1146, rund ein Jahr vor Beginn des Zweiten Kreuzzugs.<ref>''Kelkheim im Taunus. Beiträge zur Geschichte seiner Stadtteile.'' (S. 37)</ref> Seit der Fertigstellung der Abtei war die Klosterkirche der [[Maria (Mutter Jesu)|heiligen Jungfrau Maria]] geweiht (1272 urkundlich erstmals bestätigt<ref name="S51">''Kelkheim im Taunus. Beiträge zur Geschichte seiner Stadtteile.'' (S. 51)</ref><ref name="Mainzer 157">Hauptstaatsarchiv München (Mainzer Urkunden: 157-159)</ref>). Nach Berichten des im 17. Jahrhundert in Retters ansässigen Geschichtsschreibers ''Petrus Diederichs'' wurde die Kirche außerdem noch durch den Mainzer Erzbischof dem [[Nikolaus von Myra|hl. Nikolaus]] geweiht.<ref>siehe Aufzeichnungen Petrus Diederichs, Landeshauptarchiv Koblenz</ref> Spätestens ab 1162 unterstand auch Retters als Filialkloster der Abtei Rommersdorf,<ref>Am 22. September 1162 wurde Retters und seine Güter als Besitz von Kloster Rommersdorf durch Papst [[Viktor IV. (Oktavian)|Viktor IV.]] bestätigt ''Rethers cum appendis suis''). Siehe Aufzeichnungen Petrus Diederichs, Landeshauptarchiv Koblenz</ref> der ältesten Prämonstratenserabtei auf dem Gebiet des [[Bistum Trier|Erzbistums Trier]]. In dieser Zeit unterstand es dem Schutz des [[Kurmainz|Mainzer Erzbischofs]]. Es dürfte eine eher ärmliche Klosterzelle gewesen sein, wie aus einer Niederschrift zum Tod von Burchard von Nürings, dem Bruder des Klosterstifters hervorgeht.<ref>Drauth, Karl: ''Die Grafen von Nüring''. In: Forschungen zur deutschen Geschichte 23, 1883 (S. 368 - 490)</ref> Durch Schenkungen und Handel mit den umliegenden Herrschaften gewann das Kloster bald an Einfluss, so dass rasch ein wirtschaftlicher Aufschwung einsetzte. In einem Brief des Mainzer Erzbischofs [[Konrad I. von Wittelsbach]] aus dem Jahr 1191 waren bereits 22 Ländereien im Vordertaunus, Taunus und Wetterau verzeichnet, denen er Schutz garantierte. In den folgenden Jahrhunderten konzentrierte das Kloster seinen Besitz auf den Vordertaunus, weiter entfernte Ländereien wurden verkauft oder gegen umliegende Gebiete getauscht. Aus einem weiteren Schutzbrief des Mainzer Erzbischofs [[Siegfried II. von Eppstein]] vom 30. Dezember 1221 ist zu entnehmen, dass Retters Ländereien in 40 Orte zwischen [[Wiesbaden]], Frankfurt und [[Butzbach]] besaß, darunter als wichtigste Güter [[Kelkheim-Münster|Münster]], Hornau (beides heute Kelkheimer Stadtteile), [[Beidenau]], Schneidhain und [[Liederbach am Taunus|Liederbach]]. Insgesamt verfügte Retters zu dieser Zeit über 24 Höfe, zwei Mühlen, 67 Hufen Land (entspricht etwa 407 [[Hektar]], meist Wald und Wiesen), 66 [[Morgen (Einheit)|Morgen]] (rund 13 Hektar) selbst bewirtschaftete Äcker und 20 Weinberge. Hinzu kamen grundzinspflichtige Höfe sowie das [[Kirchenpatronat|Patronat]] über die Pfarrkirche von [[Dornheim (Hessen)|Dornheim]] (von 1191 bis 1559, bei [[Groß-Gerau]]).<ref>Hauptstaatsarchiv München (Mainzer Urkunden: 40)</ref> Am 13. September 1275 unterstellte der [[Römisch-deutscher König|römisch-deutsche König]] [[Rudolf I. (HRR)|Rudolf I.]], der dem Haus [[Habsburg]] entstammte, Retters dem Schutz des [[Heiliges Römisches Reich|Reiches]]. Während dieser Zeit der wirtschaftlichen Blüte musste die Zahl der Chorfrauen auf maximal 50 begrenzt werden, da mehr Interessentinnen Aufnahme in das Kloster begehrten als dieses versorgen konnte. In diesen Jahren trug auch die [[Mystik]]erin ''Christina von Retters'' (geboren 1269, gestorben 1291 oder 1292, später selig gesprochen) zur Bekanntheit des Klosters bei, obgleich umstritten ist, ob sie je in Retters tätig war.<ref name="S51">''Kelkheim im Taunus. Beiträge zur Geschichte seiner Stadtteile.'' (S. 51)</ref> Im 13. Jahrhundert banden die [[Eppstein (Adelsgeschlecht)|Herren von Eppstein]] das Kloster Retters eng an sich. 1272 erhielt es von ''Gottfried (dem Älteren) von Eppstein'' die Ländereien von [[Treisberg]] und [[Seelenberg]] als Schenkung. Am 13. Mai 1297 erließ der aus dem Eppsteiner Haus stammende Mainzer Erzbischof [[Gerhard II. von Eppstein|Gerhard II.]] dem Kloster seine Abgaben. Im 14. Jahrhundert geriet das Kloster dann zunehmend in Abhängigkeit von den Eppsteiner Landesherren und wurde von diesen bald als [[Eigenkirche|Eigenkloster]] angesehen. Die Herren von Eppstein waren fortan [[Kirchenpatronat|Klosterherren]] von Retters, das [[Investitur]]recht und die geistliche Führung oblagen aber weiterhin der Abtei Rommershausen.<ref name="S42">''Kelkheim im Taunus. Beiträge zur Geschichte seiner Stadtteile.'', S. 42</ref> === Niedergang und Auflösung des Klosters (1369 bis 1559) === Mitte des 14. Jahrhunderts begann ein starker wirtschaftlicher Niedergang, mit dem der Verkauf von Gütern einherging. Pest, Bevölkerungsrückgang und Kriege wirkten sich negativ auf Handel und Klosterbetrieb aus. Zudem geriet Retters während verschiedener Fehden immer wieder zwischen die Fronten, 1374 wurde es durch Reifenberger Raubritter geplündert. 1369 musste mit den Besitzungen von Treisberg, die für 200 Gulden an Frank von Kronberg<ref name="S42">''Kelkheim im Taunus. Beiträge zur Geschichte seiner Stadtteile.'', S. 42</ref> verkauft wurden, ein wesentlicher Bestandteil des Grundbesitzes abgegeben werden. Nun wurden vorwiegend die verbliebenen Ländereien in der Umgebung von Retters aus selbst bestellt, mit Ausnahme von Beidenau befanden sich keine Höfe mehr in Abhängigkeit vom Kloster. Von 1350 bis 1507 war Retters der [[Freie Reichsstadt|Freien Reichsstadt]] Frankfurt heerpflichtig und im Kriegsfall in die Verteidigung der Stadt und des Umlandes eingebunden.<ref>Kopialbuch II, Nr. 58 fol. 22r im Stadtarchiv Frankfurt (1350)</ref> 1433 spaltete sich das Haus Eppstein in die Linien Eppstein-Münzenberg (vormals Falkenstein-Münzenberg, da in [[Königstein im Taunus|Falkenstein]] ansässig) und Eppstein-Königstein auf, die Retters fortan als gemeinsamen Besitz verwalteten. Durch Streitigkeiten zwischen beiden Familienzweigen geriet das Kloster zunehmend in wirtschaftliche Not, Hunger und Verwahrlosung griffen um sich. Um 1500 lebten noch etwa 20 Personen in Retters. Als im Jahr 1535 mit Eberhard IV. der letzte Eppsteiner Graf und Schutzherr von Retters starb, ohne Nachfahren zu hinterlassen, fielen das Kloster und seine Ländereien an die [[Grafen zu Stolberg|Herren von Stolberg]], wie es bei der Heirat seiner Schwester Anna mit Botho von Stolberg beschlossen worden war. Nachdem Botho 1538 gestorben war, teilten seine Söhne in einem Erbvergleich am 26. August 1538 seinen Besitz untereinander auf. Retters wurde hierbei dem neuen Familienoberhaupt, Ludwig von Stolberg-Königstein (er residierte in Königstein), zugeschlagen. Ludwig war von seinem Bruder Christoph zu Stolberg, dem Dompropst von [[Halberstadt]],<ref>Christoph zu Stolberg erbte die Dörfer Kelkheim, Hornau und Eppstein</ref> zur lutherischen Lehre bekehrt worden. Ab 1540 führte Ludwig in seiner gesamten Grafschaft die Reformation ein und begann Klöster und Stifte aufzulösen. In den Jahren 1542 und 1544 wütete die Pest im Vordertaunus, auch Retters war betroffen, mehr als die Hälfte der Ordensfrauen starben. Stück für Stück lösten die Herren von Stolberg die besten Ländereien aus dem Besitz des zunehmend in Auflösung befindlichen Klosters, das durch hohe Schulden, Misswirtschaft und eine große Zahl von Austritten so geschwächt war, dass immer wieder Krankheit und Hunger ausbrachen und Geld für dringend notwendige Reparaturen fehlte. Nach Streitigkeiten mit dem Pächter des Beidenauer Hofes, Konrad von Hattstein, der sich über die schlechten Bedingungen beim Grafen Ludwig beklagt hatte, beschlagnahmte dieser schließlich Beidenau und belehnte den bisherigen Pächter mit diesem Gut. Somit verlor das Kloster auch noch seinen letzten großen Besitz. Nach dem Tod der letzten Äbtissin Anna von Riedesel am 27. September 1559 kam es zur Auflösung des Frauenklosters im Namen von Ludwig von Stolberg-Königstein. Sein Königsteiner Amtmann, Christof von Hattstein, beschlagnahmte unmittelbar nach dem Tod der Äbtissin sämtliche Siegel sowie Urkunden und drängte die verunsicherten Chorfrauen zur Unterzeichnung einer Abtretungsurkunde an das Haus Stolberg. Noch während die Abtei Rommersdorf eine Kommission zur Ernennung einer neuen Äbtissin einberief, ließ der Amtmann am 23. Oktober 1559 das Kloster trotz der Proteste der verbliebenen Ordensfrauen räumen.<ref>Petrus Diederich, Landeshauptarchiv Koblenz<br/>''Kelheim im Taunus.'' (S. 23)</ref> Die drei noch verbliebenen Nonnen mussten Retters schließlich verlassen, bekamen jedoch von Ludwig eine Leibrente von 25 Gulden jährlich zugesichert.<ref>''Kelkheim im Taunus. Beiträge zur Geschichte seiner Stadtteile.'' (S. 46)</ref> In der Folge versuchte die Abtei Rommersdorf mit dem Hinweis auf die Unrechtmäßigkeit der Abtretungsurkunde (die Chorfrauen waren nicht befugt, einen solchen Vertrag zu unterzeichnen) mehrmals erfolglos ihr enteignetes Filialkloster zurückzuerlangen. === Retters als staatliches Hofgut (1559 bis 1883) === [[Bild:MJL Retters 1.jpg|thumb|Hauptfassade des Gutshofs von Süden, im Hintergrund auf der Anhöhe das ''Schlösschen'']] [[Bild:MJL Retters Schloß 1.jpg|thumb|Das 1884 im Tudorstil erbaute ''Schlösschen'' von Westen]] [[Bild:MJl Retters Protestplakat.jpg|thumb|Protestplakat des [[Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland|B.U.N.D.]] gegen den Ausbau der Bundesstraße 8 nahe dem Rettershof]] Unter der Herrschaft der Herren von Stolberg wurde Retters als Pachthof genutzt. Nach dem Tod Ludwigs im Jahr 1574 fiel dessen Besitz an seinen jüngeren Bruder Christoph. Dieser vermachte seine Besitztümer im Vordertaunus, darunter Retters, 1581 dem [[Frankfurt am Main|Frankfurter]] [[Kaiserdom St. Bartholomäus|Bartholomäusstift]], welches sie kurz darauf für 1200 [[Gulden]] an Kurmainz weiterreichte.<ref>''Zwischen Reichsstandschaft und Standesherrschaft. Die Grafen zu Stolberg und ihr Verhältnis zu den Landgrafen von Thüringen und späteren Herzögen, Kurfürsten bzw. Königen von Sachsen (1210 bis 1815).''</ref> Die neu erworbenen Gebiete wurden vom Amt Königstein verwaltet, die lutherische Lehre bald im Zuge der [[Gegenreformation]] wieder zurückgedrängt. Während des [[Dreissigjähriger Krieg|Dreißigjährigen Krieges]] plünderten kaiserliche Truppen den Hof und brannten ihn nieder. In der Folge wurde das Gut wieder errichtet und von verschiedenen Pächtern bewirtschaftet. 1792 eroberten französische Truppen während der [[Koalitionskriege]] Mainz, und besetzten 1797 nach dem [[Frieden von Campo Formio]] das gesamte linksrheinische Gebiet. 1803 lösten die Besatzer das klerikale Kurfürstentum im Rahmen der [[Säkularisation]] auf, das Hofgut sowie große Teile des Mainzer Besitzes im Vordertaunus wurden dem Fürstentum [[Nassau-Usingen]] zugesprochen. Nassau-Usingen und [[Nassau-Weilburg]] fusionierten 1806 zum [[Herzogtum Nassau]]. Fortan bestand Retters, das nun häufig auch abgewandelt als ''Röders'' bezeichnet wurde, als staatliche Domäne weiter. Nach der Auflösung des Herzogtums Nassau 1866 fiel der Rettershof an [[Preußen]]. === Rettershof seit 1884 === Im Jahr 1883 erwarb der deutsch-englische Adelige Frederik Arnold Rodewald zu Feldheim den Rettershof für 78.000 [[Goldmark]] vom preußischen Staat und tilgte das Erbleihrecht. 1885 ließ er auf einer Anhöhe nördlich des Hofes ein repräsentatives Schlösschen im [[Tudorstil]] nach englischem Vorbild errichten, das als Wohnsitz seiner Tochter Alice und ihrem Ehemann Oskar Freiherr von Dieskau dienen sollte. Als dieser im gleichen Jahr verstarb, heiratete Alice seinen Bruder Leopold und übernahm nach dem Tod ihres Vaters im Jahr 1886 zusammen mit ihrem neuen Ehemann die Leitung des Hofguts. Jedoch reichten die im Vergleich zu den Besitzungen im Mittelalter stark verkleinerten Ländereien nicht aus, um den Rettershof als Luxusbesitz mit angeschlossenem Schloss zu ernähren, so dass er im Jahr 1903 für 210.000 Mk an den wohlhabenden Freiherr von Vincke und seine Frau Sybille von Hessen verkauft werden musste. 1924 erwarb Felix von Richter den Hof und richtete ihn als Stammsitz seiner Familie ein, die sich fortan Richter-Rettershof nannte. Um die Wirtschaftlichkeit zu erhöhen, suchte er nach Nebenerwerbsmöglichkeiten. Im Jahr 1928 nahm eine Damenreitschule mit angeschlossenem Internat ihren Betrieb auf, für die der heute noch in Betrieb befindliche Reitplatz angelegt wurde. In den 1930er-Jahren eröffnete eine bis heute bestehende Gaststätte etwas abseits des Hofes. Während der 1920er- und 1930er-Jahre ließen Felix von Richter-Rettershof und seine Frau Hertha umfangreiche Renovierungen und Umbauten an dem Hofgut vornehmen. Hertha von Richter-Rettershof war eine geborene ''von Rath'', deren Großvater mütterlicherseits, [[Carl Friedrich Wilhelm Meister]], einer der Mitbegründer der Farbwerke Hoechst, später [[Hoechst]] AG, war. Ihre Schwester Hanna war die Frau des Dirigenten und Kunstkritikers [[Paul Bekker]] sowie die Begründerin des Frankfurter Kunstkabinetts; eine weitere Schwester, Eugenie vom Rath, war die Mutter des CDU-Politikers [[Walther Leisler Kiep]]. Nach dem Zweiten Weltkrieg beschlagnahmte die [[Streitkräfte der Vereinigten Staaten|US-Armee]] das Schlösschen und nutzte es bis 1953 als Repräsentanz. Danach quartierte sich für kurze Zeit die [[Organisation Gehlen]], die Vorläuferorganisation des [[Bundesnachrichtendienst]]es, in das Gebäude ein. Ab Mitte der 1950er Jahre war eine private Sprachenschule hier ansässig. Das Hofgut wurde weiterhin von der Familie Richter-Rettershof bewirtschaftet, nach dem Tod Felix von Richter-Rettershofs von dessen Tochter Felicitas Bienzle. 1973-1980 folgte der Sprachschule die deutsche Zentrale der Hare Krishna Bewegung ([[ISKCON]]) als Mieter des Schlösschens.<ref name="K24">''Kelheim im Taunus'' (S. 24)</ref> Als schließlich Ende der 1970er-Jahre die Familie Richter-Rettershof beschloss, das Anwesen zu veräußern, übernahm die Stadt Kelkheim am 1. Januar 1980 den gesamten Besitz mit Schloss und Gutshof sowie rund 110 Hektar Land für neun Millionen [[Deutsche Mark|DM]]. In der Folge baute die Stadt Kelkheim das denkmalgeschützte Schlösschen aufwendig zu einem Hotel um und finanzierte die kostspielige Renovierung des in die Jahre gekommenen Gutshofs. Zum Betrieb des Gutes wurde die stadteigene ''Gutsverwaltung Rettershof GmbH'' gegründet. Seither wird der Rettershof als Reiterhof und für kulturelle Veranstaltungen genutzt. Der in den 1990ern entstandene Plan, rund um das Gestüt einen Golfplatz zu errichten, scheiterte 1997 am Veto der Kelkheimer Bürger im Rahmen eines Bürgerentscheids. Seit den 1980er-Jahren steht ein Ausbau der Bundesstraße 8 zur Entlastung Königsteins zur Debatte, nach den Planungen würde die neue Trasse in unmittelbarer Nähe des Rettershofs verlaufen. [[Bild:MJL Wappen Retters 2.jpg|thumb|Rechte Hälfte des gusseisernen Tores von 1932: Wappen der [[Herren von Eppstein]] (o. li.), der Herren von Kronberg (o. re.) und des Ehepaars Richter-Rettershof (unten) – Wappen der Familie von Richter (Felix, u. li.) und der Familie von Rath (Hertha, u. re.)]] [[Bild:MJL Wappen Retters 1.jpg|thumb|Linke Torhälfte: Wappen des Hauses Falkenstein-Münzenberg (o. li.), der Herren von Reifenberg (Plünderer Retters im Jahr 1374, o. re.), derer von Dieskau (u. li.) und des [[Haus Hessen|Hauses Hessen]] (in Erinnerung an Sybille von Hessen; re.)]] [[Bild:MJL Retters Schloß 2.jpg|thumb|Das heute als Hotel genutzte ''Schlösschen'' von Süden, im Vordergrund die bronzefarbenen Anbauten des Hoteltraktes]] == Architektur und künstlerische Ausgestaltung == === Kloster Retters === Zur Zeit des Klosters bestanden der Gutshof und eine kleine Kapelle. Die Stelle, an der sich die Kapelle befand, wird nach Funden bei Bauarbeiten aus dem Jahr 1939 an der Nordseite des heutigen Reitplatzes gegenüber dem Hoftor vermutet.<ref>''Kelkheim im Taunus. Beiträge zur Geschichte seiner Stadtteile.'' (S. 75)</ref> Von den ursprünglichen Gebäuden blieben nach der Zerstörung während des Dreißigjährigen Krieges lediglich die Grundmauern bestehen, die im Laufe der Jahre überwiegend abgetragen und zum Teil zur Errichtung der neuen Gebäude benutzt wurden. Es besteht noch ein Kellergewölbe unterhalb des Hofes, das aus Zeiten des Klosters stammen könnte. Außerdem wurden im Wald östlich des Hofes Überreste einer alten Mauer gefunden, deren Verlauf sich mit der ehemaligen Klostermauer deckt.<ref>Auf der Karte von Sebastian Wolff aus dem Jahr 1592 lässt sich südöstlich des Klosters ein Maueroval mit einem geschätzten Durchmesser von 250 Metern erkennen.</ref> === Hofgut Retters === Das Hofgut in Fachwerkbauweise als Vierseithof entstand in seiner heutigen Form im Stile des [[Historismus|Historizismus]] in den 1920er- und 1930er-Jahren unter der Führung der Familie von Richter-Rettershof.<ref name="K24">''Kelheim im Taunus'' (S. 24)</ref> Den Abschluss bildete das 1936 errichtete Torhaus mit reichen Ausschmückungen an der Fassade sowie den Wappen der verschiedenen historischen Herrschaften und mit Retters verbundenen Adelshäusern, die in das schmiedeeiserne Tor aus dem Jahr 1932 eingelassen sind. Die meisten Ausschmückungen an den Wänden des Gutshofs, zumeist Fassadensprüche zum Thema Pferd und Reiterei, stammen direkt von Felix und Hertha von Richter-Rettershof, die in den 1930er-Jahren begannen, den Hof mit Verzierungen dieser Art auszugestalten. Auch die reichlich anzutreffenden Jagdtrophäen und anderer Zierrat, darunter Heiligenfiguren und Wappensteine, stammen aus dieser Zeit. Zudem wurden in der Folge einige, etwas abseits gelegene Zweckbauten, zur Bewirtschaftung errichtet. Im Jahr 2000 kam eine große Reithalle im Osten des Gestüts hinzu. === Schlösschen === Das Schlösschen wurde im Jahr 1884 zunächst als Wohnsitz der Freiherrn von Dieskau im englischen Tudorstil auf einer Anhöhe nördlich des Gutshofs errichtet. Als Baumaterial diente Sandstein und Gestein aus dem Vordertaunus. Nachdem es von wechselnden Eigentümern genutzt wurde, baute es in den frühen 1980er-Jahren die Stadt Kelkheim zu einem Hotel um. Hierzu wurde an der südlich gelegenen Hangseite ein bronzegedeckter Hoteltrakt mit 35 Gästezimmern angebaut, der über einen gläsernen Verbindungsgang mit dem Hauptgebäude verbunden ist. Das neue Domizil wurde 1984 als ''Schlosshotel Rettershof'' eröffnet. Seit 1983 steht das Schloss auf der [[Denkmalliste]] für [[Kulturdenkmal|Kulturdenkmäler]] des Landes Hessen. == Einzelnachweise und Anmerkungen == <references/> == Literatur == * Albert Hardt, Urkundenbuch der Klöster Altenberg, Dorlar, Retters, Niederbreitbach-Wolfenacker 2000, Seite 782-840 * Dietrich Kleipa: ''Kelkheim/Taunus. Ein Streifzug durch die Geschichte der Stadt''. Herausgegeben vom Magistrat der Stadt Kelkheim, 1968 * Bock, Dr. Hartmut/ Kleipa, Dietrich/ Zimmermann, Heinz: ''Kelkheim im Taunus. Beiträge zur Geschichte seiner Stadtteile.'' Herausgegeben vom Magistrat der Stadt Kelkheim, 1980 (S. 34–80) * Adolf Guba (Hrsg.): ''Kelkheim im Taunus.'' Druckerei Blei & Guba, Kelkheim/Taunus 1995 (S. 22–25) ISBN 3-00-000369-X. * {{Literatur|Autor=Jörg Brückner|Titel=Zwischen Reichsstandschaft und Standesherrschaft. Die Grafen zu Stolberg und ihr Verhältnis zu den Landgrafen von Thüringen und späteren Herzögen, Kurfürsten bzw. Königen von Sachsen 1210–1815|Verlag=Verlag Janos Stekovics|Jahr=2005|ISBN=3-89923-119-8}} (Informationen über das Geschlecht Eppstein-Stolberg) == Weblinks == * [http://www.kelkheim.de/conpresso4/_rubric/index.php?rubric=%5BDE%5D+Rettershof Rettershof auf www.kelkheim.de] [[Kategorie:Kelkheim (Taunus)]] [[Kategorie: Ehemaliges Prämonstratenserkloster]] [[Kategorie:Ehemaliges Kloster in Hessen]] {{Exzellent}} o49tg83nq0f7sbachyoraqikug685v7 wikitext text/x-wiki Osterinsel 0 23531 26129 2010-04-29T01:17:55Z LinkFA-Bot 0 Bot: [[Template:Link GA|Link GA]] +lv {{Dieser Artikel|beschreibt die Osterinsel im Pazifik bei Chile; zu einer Inselgruppe ähnlichen Namens im Indischen Ozean bei Australien siehe [[Osterinseln]].}} {{Infobox Staat |NAME = <span style="font-size:1.4em">'''Isla de Pascua'''</span><br /> <span style="font-size:1.4em">'''Rapa Nui'''</span><br /> Osterinsel |BILD-FLAGGE = Flag of Rapa Nui, Chile.svg |BILD-FLAGGE-RAHMEN = ja |ARTIKEL-FLAGGE = Flagge der Osterinsel |BILD-WAPPEN = Escudo de la Isla de Pascua.svg |BILD-WAPPEN-BREITE = 120px |WAHLSPRUCH = |AMTSSPRACHE = [[Spanische Sprache|Spanisch]], [[Rapanui (Sprache)|Rapanui]]<ref> Portal Rapa Nui. http://www.portalrapanui.cl/rapanui/informaciones.htm </ref> |HAUPTSTADT = [[Hanga Roa]] |STAATSFORM = |STAATSOBERHAUPT = |REGIERUNGSCHEF = |FLÄCHE = 163,6 |EINWOHNER = 3791 |BEV-DICHTE = 23,1 |WÄHRUNG = [[Chilenischer Peso]] |UNABHÄNGIGKEIT = |NATIONALHYMNE = ''[[Puro, Chile]]'' |ZEITZONE = [[Koordinierte Weltzeit|UTC]]-6 |KFZ-KENNZEICHEN = |INTERNET-TLD = .cl |TELEFON-VORWAHL = |BILD-LAGE = |BILD1 = Easter Island map-de.svg }} Die '''Osterinsel''' ([[Spanische Sprache|spanisch]] ''Isla de Pascua'', [[Rapanui (Sprache)|rapanui]] ''Rapa Nui'') ist eine isoliert gelegene Insel im Südostpazifik, die politisch zu [[Chile]] gehört. Sie liegt südlich des [[Südlicher Wendekreis|südlichen Wendekreises]] bei 27°&nbsp;09′ südlicher Breite und 109°&nbsp;25′ westlicher Länge. Der Hauptort [[Hanga Roa]] ({{Coordinate|text=/|NS=27/09/15/S|EW=109/25/29/W|type=city|region=CL|name=Hanga Roa}}) ist 3526&nbsp;km von der chilenischen Küste (oder 3833 km in genauer Ostrichtung bis zur Küste) und 4251&nbsp;km von [[Tahiti]] entfernt. Das nächstgelegene bewohnte Eiland ist [[Pitcairn]] im Westen, in einer Entfernung von 2078 Kilometern. 2002 lebten auf der Osterinsel 3791 Menschen. Bekannt ist die Insel vor allem wegen der monumentalen Steinskulpturen, die [[Moai]]s genannt werden. Seit 1995 ist die Osterinsel als ''Nationalpark Rapa Nui'' Teil des [[UNESCO-Welterbe]]s. == Geographie == === Ausdehnung und Lage === [[Datei:OsterInsel.png|thumb|left|Lage der Osterinsel]] Die Osterinsel sitzt dem [[Ostpazifischer Rücken|Ostpazifischen Rücken]] auf. Der für viele [[Pazifischer Ozean|pazifische]] Inseln charakteristische [[Küstensaum]] fehlt, die [[Küste]] fällt steil bis zu einer Meerestiefe von 3000 Metern ab. Kleine Sandstrände sind nur an wenigen Stellen zu finden, z.&nbsp;B. an der Nordküste, am Palmenwäldchen von Anakena. Die Osterinsel hat etwa die Form eines rechtwinkligen [[Dreieck]]s mit einer maximalen Länge von 24 Kilometern, einer maximalen Breite von 13&nbsp;km und einer Fläche von 162,5&nbsp;km². Die Landschaft ist durch ihren vulkanischen Ursprung geprägt und besteht im Wesentlichen aus den drei erloschenen [[Vulkan]]en [[Rano Kao]] im Südwesten, Maunga Puakatiki auf der [[Poike]]-[[Halbinsel]] im Osten und [[Maunga Terevaka]] im Norden. Er ist mit 507,41 Metern <ref>Erwin Koch: Warnung an die Welt, DIE ZEIT, Dossier, 28. Mai 009, Nr. 23, S. 19</ref> die höchste Erhebung der Osterinsel. Im Südwesten sind der Osterinsel die kleinen, unbewohnten Inseln [[Motu Iti (Osterinsel)|Motu Iti]], [[Motu Kau Kau]] und [[Motu Nui]] vorgelagert, im Westen [[Motu Tautara]] und vor der Halbinsel Poike [[Motu Marotiri]]. === Klima === [[Datei:Klimadiagramm-Osterinsel.png|thumb|left|[[Klimadiagramm]] Osterinsel]] Das Klima ist [[Subtropen|subtropisch]] warm, die Jahreszeiten sind nur gering ausgeprägt. Starke [[Passat (Windsystem)|Passatwinde]] herrschen vor. Die Niederschläge betragen etwa 1.150&nbsp;mm im Jahr. Die Jahresdurchschnittstemperatur liegt bei 21&nbsp;°C. Die kältesten Monate sind Juli und August, die wärmsten Januar und Februar. Die regenreichsten Monate sind der April und Mai, die regenärmsten November und Februar. Die durchschnittliche Wassertemperatur beträgt 18&nbsp;°C. {{Klimatabelle | TABELLE = | DIAGRAMM TEMPERATUR = deaktiviert | DIAGRAMM NIEDERSCHLAG = deaktiviert | DIAGRAMM NIEDERSCHLAG HÖHE = | QUELLE = [http://islandheritage.org/vg/vg06.html Klimawerte] | Überschrift = | Ort = die Osterinsel | hmjan = 26 | hmfeb = 27 | hmmär = 26 | hmapr = 24 | hmmai = 24 | hmjun = 20 | hmjul = 20 | hmaug = 20 | hmsep = 20 | hmokt = 22 | hmnov = 23 | hmdez = 25 | lmjan = 19 | lmfeb = 19 | lmmär = 20 | lmapr = 18 | lmmai = 17 | lmjun = 16 | lmjul = 15 | lmaug = 15 | lmsep = 15 | lmokt = 15 | lmnov = 17 | lmdez = 18 | avjan = | avfeb = | avmär = | avapr = | avmai = | avjun = | avjul = | avaug = | avsep = | avokt = | avnov = | avdez = | nbjan = 74.5 | nbfeb = 83.7 | nbmär = 98.9 | nbapr = 130.4 | nbmai = 141.1 | nbjun = 115.8 | nbjul = 108.1 | nbaug = 90.0 | nbsep = 92.1 | nbokt = 85.0 | nbnov = 72.2 | nbdez = 75.7 | shjan = | shfeb = | shmär = | shapr = | shmai = | shjun = | shjul = | shaug = | shsep = | shokt = | shnov = | shdez = | wtjan = | wtfeb = | wtmär = | wtapr = | wtmai = | wtjun = | wtjul = | wtaug = | wtsep = | wtokt = | wtnov = | wtdez = | rdjan = 15 | rdfeb = 7 | rdmär = 16 | rdapr = 15 | rdmai = 12 | rdjun = 16 | rdjul = 12 | rdaug = 9 | rdsep = 14 | rdokt = 6 | rdnov = 9 | rddez = 9 }} == Flora == Die Osterinsel gehört zu den artenärmsten Inseln des Südpazifiks. Es sind weniger als 30 [[Indigene Pflanzen|indigene]] [[Samenpflanzen]] (''Spermatophyta'') bekannt. Das ist hauptsächlich eine Folge der isolierten Lage, die Insel war niemals mit einer kontinentalen Landmasse verbunden. Vögel, Wind und ozeanische Strömungen konnten nur in weit geringerem Maße als bei anderen Inseln [[Same (Pflanze)|Samen]] eintragen.<ref name="Alden">Björn Alden, ''Wild and Introduced Plants on Easter Island'' in Courier Forschungsinstitut Senckenberg, Band 125, Frankfurt a. M. 1990, S. 209–216</ref> Der erfolgreichste Überträger von Pflanzenmaterial dürfte daher der Mensch gewesen sein. Bereits die ersten Siedler haben [[Nutzpflanze]]n auf die Insel gebracht, wie die Legende von [[Hotu Matua]] berichtet. Die [[Legende]] dürfte insoweit auf einem wahren Kern beruhen. Zahlreiche Nutzpflanzen existierten bereits, bevor die Europäer die Insel erreichten, wie mehreren Berichten – zum Beispiel von Roggeveen, Forster und anderen frühen Entdeckern – zu entnehmen ist. Dazu gehörten zum Beispiel: [[Papiermaulbeerbaum]], [[Süßkartoffel]], [[Yams]] und [[Taro]]. Aber auch die Europäer trugen in umfangreichem Maße Pflanzen ein, zum Beispiel verschiedene Grasarten als Weidepflanzen für die Schafe und Rinder. Die heute vorherrschende Vegetation entspricht nicht der ursprünglichen. Sie ist das Ergebnis massiver menschlicher Eingriffe in das [[Ökosystem]]. [[Archäobotanik|Archäobotanische]] Befunde belegen, dass die Insel einst dicht mit Palmwäldern der Gattung ''Jubaea'', einer nahen Verwandten der [[Honigpalme]] ''Jubaea chilensis'', bedeckt war. In Proben von Rano Kao wurde nachgewiesen, dass eine Entwaldung über einen längeren Zeitraum ab dem Jahr 1010 (± 70 Jahre) stattfand.<ref>J. R. Flenley und Sarah King, ''Late Quarternary pollen records from Easter Island'', in Nature, Vol. 307, 1984, S. 47–50</ref> Man schätzt, dass in dieser Zeit mehr als 10 Millionen Palmen auf der Insel gefällt wurden. Der Verlust des Palmenwaldes, der die Kulturpflanzen vor dem ständig wehenden Wind und vor Austrocknung geschützt hatte, führte zu einer umfangreichen [[Bodenerosion]], die wiederum entscheidende Auswirkung auf die Nahrungsmittelversorgung und damit auf den rapiden Rückgang der Bevölkerung gehabt haben dürfte.<ref name="Mieth"> Andreas Mieth, Hans-Rudolf Bork, Ingo Feeser: ''Prehistoric and Recent Land Use Effects on Poike Peninsula, Easter Island (Rapa Nui),'' Rapa Nui Journal Vol. 16, 2002</ref> Das [[Totora-Schilf]] (''Scirpus californicus'') ist als Rest der ursprünglichen Vegetation in den [[Kratersee]]n des Rano-Kao und des Rano-Raraku erhalten. Totora-Schilf wurde von den Ureinwohnern vielfältig genutzt, zum Beispiel zum Bau der charakteristischen bootsförmigen Häuser ([[Paenga-Haus]]). [[Datei:Sophora toromiro 2.JPG|thumb|Toromiro]] Von großer ritueller Bedeutung war der [[Toromiro]]-Baum (''Sophora toromiro''), ein in der freien Natur ausgestorbener [[Schmetterlingsblütler]]. Das harte und feinporige Holz wurde vielfältig genutzt, insbesondere für kultische Schnitzereien. Exemplare dieser [[Endemit|endemischen]] Baumart haben lediglich in Botanischen Gärten (z. B.: [[Göteborg]], [[Bonn]], [[London]], [[Valparaíso]]) überlebt. Auffallend ist der geringe Bestand an [[Farn]]en. Lediglich 15 Spezies wurden entdeckt, vier davon sind endemisch. Im Vergleich zu anderen Inseln des Südpazifiks (z.&nbsp;B. [[Marquesas]] mit 27 Familien, 55 Gattungen und 117 Arten von Farnen<ref>Flora of the Marquesas, [http://ravenel.si.edu/botany/pacificislandbiodiversity/marquesasflora/intro.htm]</ref>) ist das sehr wenig.<ref> Carl Johan Fredrik Skottsberg, ''The Natural History of Juan Fernandez and Easter Island,'' Uppsala 1956, S. 197–438</ref> Eine weitere indigene Pflanze, die auf der Osterinsel nur noch in wenigen Exemplaren als kleinwüchsiger Busch vorkommt, ist die zu den [[Lindengewächse]]n (''Tiliaceae'') gehörende ''Triumfetta semitriloba''. Pollenanalysen haben ergeben, dass die Pflanze bereits seit 35.000 Jahren auf der Insel wächst.<ref name="Alden" /> Aus den speziell behandelten Fasern der Rinde knüpften die [[Rapanui (Volk)|Rapanui]] ihre Fischernetze und möglicherweise die Transportseile für die Moai.<ref>W. Mulloy: Easter Island, History Nr. 10, 1967, S. 47–81</ref> Heute ist die Landschaft der Osterinsel überwiegend von ausgedehnten Grasflächen geprägt. Die häufigsten vorkommenden Pflanzenfamilien sind die der [[Süßgräser]] (''Poaceae''), von denen nur vier Spezies indigen sind, und die der [[Sauergrasgewächse]] (''Cyperaceae''). Eine weitere häufige Pflanzenfamilie ist die der [[Korbblütler]] (''Asteraceae''), deren heute vorkommende Arten ausschließlich [[Hemerochorie|anthropochore]] Pflanzen sind.<ref>Georg Zizka, ''Changes in the Easter Island Flora – Comments on Selected Families'', in Courier Forschungsinstitut Senckenberg, Band 125, Frankfurt a. M. 1990, S. 189–207</ref> Über größere Bereiche im Südwesten haben sich vom Menschen eingeführte [[Echte Guave|Guavenbüsche]] ausgebreitet. In den letzten Jahren hat es Aufforstungen mit [[Eukalyptus]] gegeben. Bei Anakena ist ein Palmenhain mit der ursprünglich nicht auf der Insel vorkommenden [[Kokospalme]] entstanden. Als Nutzpflanzen werden heute für den Eigenbedarf [[Kartoffel]]n, Taro, Yams, [[Zuckerrohr]] sowie subtropische Früchte angebaut. Eine wichtige Nahrungspflanze, oft zubereitet in einem [[Erdofen]] (''umu''), ist die ursprünglich aus [[Mittelamerika]] stammende Süßkartoffel. Sie ist bereits seit Jahrhunderten in der gesamten Südsee und im südasiatischen Raum verbreitet. [[Flaschenkürbis]], Gemüse- und scharfe [[Paprika]] sind weitere südamerikanische Pflanzen, die inzwischen auf der Osterinsel wachsen. [[Datei:Osterinselbeet.jpg|thumb|Tiefbeet (''manavai'') mit Bananenanpflanzung]] Der Anbau von Kulturpflanzen in historischer Zeit erfolgte nach Berichten der europäischen Entdecker in sorgfältig bearbeiteten und abgegrenzten Feldern. La Pérouse schätzte, dass etwa ein Zehntel des Areales, insbesondere die tiefer gelegenen Bereiche der Küstenregion, mit Nutzpflanzen bebaut waren. Das würde etwa 20 km² Anbaufläche entsprechen und ausreichen, um eine Bevölkerung von mehreren Tausend Menschen zu ernähren. Der Ackerbau erfolgte mit der einfachsten Methode, dem [[Grabstock]] bzw. aus Mangel an Holz mit einem entsprechend hergerichteten Stein. Den vulkanischen Boden der Osterinsel durchziehen zahlreiche [[Lavaröhre]]n. Durch Erosion stürzte an manchen Stellen die Decke ein, sodass sich [[Doline|dolinenartige]] Spalten bildeten, die sich allmählich mit [[Humus]] füllten. Da die ständig wehenden Winde den Anbau von Nahrungspflanzen erschwerten, nutzte man die Bodensenken als ertragreiche Tiefbeete unterhalb des Bodenniveaus (''manavai'') für die Kultivierung größerer Pflanzen, insbesondere von [[Bananen]]. Einige werden heute noch genutzt, so beispielsweise in der Nähe der Anlage Vinapu. == Fauna == Menschliche Eingriffe blieben auch nicht ohne Folgen für die Fauna. Archäologische [[Ausgrabung|Grabungen]] belegen, dass auf der Osterinsel vor der polynesischen Besiedlung 25&nbsp;Spezies von See- und 6&nbsp;Spezies von Landvögeln heimisch waren.<ref>D. W. Steadman, Stratigraphy, chronology, and cultural context of an early faunal assemblage from Easter Island in Asian Perspectives, Volume 33, 1994, S. 79</ref> Davon sind heute auf der Insel selbst (ohne vorgelagerte Motus) nur drei Seevogelarten und vier Landvogelarten verblieben, keine davon indigen oder endemisch.<ref>Rapa Nui subtropical broadleaf forests; http://www.nationalgeographic.com/wildworld/profiles/terrestrial/oc/oc0111.html</ref> Von den Säugetieren kommen lediglich eingeführte Haustiere –&nbsp;[[Hauspferd|Pferde]], [[Hausschaf|Schafe]], [[Hausrind|Rinder]], [[Hausschwein|Schweine]]&nbsp;– vor. Die ausgewilderten Pferde haben sich mittlerweile zu einem Problem entwickelt. Sie sorgen für die Verbreitung der Guavenbüsche, indem sie die Früchte fressen und die Samen an anderer Stelle ausscheiden. Außerdem reiben sie sich an den liegengebliebenen Statuen und leisten so der allmählichen Erosion Vorschub. Die [[Pazifische Ratte]] (''Rattus exulans''), die vermutlich als Nahrungstier von den ersten Siedlern mitgeführt wurde, ist inzwischen ausgestorben bzw. von europäischen Rattenarten verdrängt worden. Auf der Osterinsel gibt es keine für den Menschen unmittelbar gefährlichen Tiere oder Überträger von [[Infektionskrankheit]]en. [[Datei:Moko.jpg|thumb|Moko, ''Ablepharus boutonii'', als geschnitzte anthropomorphe Figur]] Unter den [[Reptilien]] ist die Echse ''Ablepharus boutonii'' aus der Gattung der [[Natternaugen-Skinke]] erwähnenswert. Ihr Name auf Rapanui ist ''moko''. Das etwa 12&nbsp;cm lange Tier von goldbrauner Farbe genoss offenbar religiöse Verehrung, denn es sind mehrere, sorgfältig aus Toromiro-Holz geschnitzte, [[Anthropomorphismus|anthropomorphe]] Figuren als Zeremonialobjekte erhalten (z.&nbsp;B. Musées Royaux d’Art et d’Histoire, Brüssel). Auf den vorgelagerten Motus nisten zahlreiche Seevögel, darunter [[Fregattvogel|Fregattvögel]], [[Sturmvögel#Sturmtaucher und Verwandte|Sturmtaucher]], [[Tölpel]] sowie [[Seeschwalben|Ruß-]] und [[Seeschwalben|Feenseeschwalben]]. An dem steil abfallenden [[Lava]]sockel bildete sich kein [[Koralle]]nsaum. Das vielfältige Ökosystem eines Korallenmeeres mit seiner artenreichen Population von Meereslebewesen konnte sich nicht entwickeln. In der Umgebung der Osterinsel wurden 164 Fischarten gezählt, davon 107 Spezies von Küstenfischen.<ref>Di Salvo, L. H. und Randall, J. E.: ''The Marine Fauna of Rapanui – Past and Present in Easter Island Studies'' in Contributions to the History of Rapanui in Memory of William T. Mulloy, Oxford 1993</ref> Das ist vergleichsweise wenig, in den Gewässern rund um die [[Fidschi]]-Inseln gibt es mehr als 1.000 Fischarten. James Cook schrieb dazu in seinem Logbuch: :''„Die See scheint wie von Fischen befreit, konnten wir doch nicht einen einzigen fangen und es waren auch nur sehr wenige, welche wir bei den Eingeborenen entdeckten“''.<ref>Zitat aus James Cook: ''Logbücher der Reisen 1768–1779'', Erdmann Verlag Tübingen 1971</ref> Die relative Artenarmut könnte eine der Ursachen für den Bevölkerungsrückgang und den damit verbundenen Kulturverfall auf der Osterinsel gewesen sein. Nicht selten sind [[Pottwal]]e zu beobachten. Man vermutet, dass in den Tiefen auch der [[Riesenkalmar]] vorkommt. Die Tiefsee weist die bisher dichteste bekannte Konzentration von [[Black Smoker|Schwarzen Rauchern]] auf, aktive Vulkanschlote, aus denen heißes, mineralreiches Wasser aus dem Erdinneren sprudelt und um die sich bizarre Lebensgemeinschaften gebildet haben. Im Jahr 2005 wurde 1.500&nbsp;km südlich der Osterinsel eine neue Spezies entdeckt, die so genannte [[Yeti-Krabbe]] ([[Kiwa hirsuta]]). Von besonderem Interesse ist eine endemische [[Kaurischnecken]]-Art, die nach Pater Englert benannte ''Cypraea englerti'', die nur vor der Osterinsel und der unbewohnten Insel [[Sala y Gómez]], 400&nbsp;km östlich, vorkommt. == Geschichte == === Frühgeschichte === [[Datei:KulturschemaOsterinsel.png|thumb|Kulturschema für die Osterinsel]] Die Frühgeschichte der Osterinsel ist schwierig zu rekonstruieren, da schriftliche Aufzeichnungen völlig fehlen. Bereits die Besiedlungsgeschichte ist umstritten. Sowohl die Mono- als auch die Multibesiedlungsthese wurde vertreten. [[Thor Heyerdahl]] postulierte in der Inselgeschichte eine frühe Periode im 1.&nbsp;Jahrtausend n.&nbsp;Chr. und eine mittlere Periode zwischen 1100 und 1600&nbsp;n.&nbsp;Chr. In beiden Perioden gab es seiner Ansicht nach Einwanderungen mit einem deutlichen Bezug nach [[Südamerika]]. Eine weitere Besiedlung soll in der Spätperiode ab 1680 von [[Polynesien]] aus erfolgt sein.<ref>Thor Heyerdahl, ''Die Kunst der Osterinsel,'' München-Gütersloh Wien, 1975, S. 31–37</ref> Diese Theorie war nicht lange haltbar. Ausgehend von der Legende von [[Hotu Matua]] und gestützt auf [[Archäologie|archäologische]], [[Genealogie|genealogische]] und sprachwissenschaftliche Befunde konnte sich die Annahme einer Besiedelung im Rahmen der [[Polynesien#Besiedlung|Polynesischen Expansion]] von Westen, von [[Gambierinseln|Mangareva]] oder den [[Marquesas]], durchsetzen. Sie soll relativ spät in zwei Wellen erfolgt sein, die Erstbesiedlung im 5. oder 6.&nbsp;Jahrhundert, die zweite Besiedlungswelle im 14.&nbsp;Jahrhundert. Die Einbeziehung genetischer Untersuchungen in den 1990er Jahren bewies zweifelsfrei die Herkunft der Osterinsel-Bevölkerung aus dem polynesischen Raum und nicht aus Südamerika.<ref>Erika Hagelberg u.&nbsp;a., ''DNA from Ancient Easter Islanders,'' Nature Nr. 369 v. 5. Mai 1994, S. 25–26</ref> Mittlerweile wird (wieder) die Monobesiedlungsthese bevorzugt, mit nur einer Besiedlung von den Marquesas – evtl. über Mangareva – im 5.&nbsp;Jahrhundert.<ref>Patrick V. Kirch, ''On the Road of the Winds. An Archaeological History of the Pacific Islands before European Contact'', Los Angeles, 2000</ref> Völlig anderer Auffassung ist allerdings der amerikanische Archäologe Terry L. Hunt, der, gestützt auf [[Stratigraphie (Archäologie)|stratigraphische]] Grabungen am Anakena-Strand, die erste Besiedlung im 13.&nbsp;Jahrhundert annimmt.<ref name="Hunt">Terry L. Hunt: ''Kein Kollaps auf der Osterinsel?.'' In: Spektrum der Wissenschaft. Dezember 2006, S. 38–46.</ref> Es entwickelte sich eine streng stratifizierte Gesellschaft mit 10 unabhängigen [[Stammesgesellschaft|Stämmen]] (''máta''), die mit verschiedenen Teilen der Insel assoziiert waren, obwohl es keine definierten Grenzen gab.<ref>Katherine Routledge: The ''Mystery of Easter Island'', London 1919, S. 221</ref> Besiedelt wurde zunächst nur die Küstenregion. Ab etwa 1100 n. Chr. begann die Konstruktion großtechnischer Bauwerke, der Zeremonialplattformen (''[[Ahu (Osterinsel)|ahu]]''), der steinernen Statuen (''[[moai]]''), von [[Zisterne]]n und Beobachtungstürmen (''turtle towers''). Diese Zeit der Kulturblüte dauerte bis zur Mitte des 17. Jahrhunderts, wobei gegen Ende der Periode zunehmend Anzeichen der Degeneration erkennbar waren: * Nachdem der Boden bis zum Ende des 13. Jahrhunderts oberflächenschonend bearbeitet wurde, ist spätestens ab 1300 n. Chr. eine radikale Entwaldung mit zunehmender Bodenerosion nachgewiesen. Dies führte zur Aufgabe von Siedlungen.<ref name="Mieth" /> * Ab dem 13. Jahrhundert wird vermehrt auch das Inselinnere besiedelt, ohne Zugang zu der wichtigen Nahrungsquelle Meer.<ref>P. C. McCoy: ''Easter Island Settlement Patterns in the Late Prehistoric and Protohistoric Periods'' in Bulletin of Easter Island Committee International Fund for Monuments, Vol. 5, New York 1976</ref> * Nach 1425 ist ein höchst intensivierter Landbau unter Nutzung innovativer Möglichkeiten (mit Mauern geschützte Kleinstanbauflächen, [[Mulchen|Steinmulch]]) feststellbar, der aber mit dem Zusammenbruch der Stammesgesellschaft in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts wieder aufgegeben wird.<ref> C.M. Stevenson et al.: ''Prehistoric agricultural production on Easter Island (Rapa Nui), Chile'', Antiquity, Vol. 73, 1999, S. 811</ref> * Ab etwa 1500 bis zum Eintreffen der Europäer kommt es zu vermehrten Überfällen und Stammeskriegen unter Anwendung neuartiger Waffen (''mata’a'' = mit scharfen [[Obsidian]]spitzen versehene Kurzspeere).<ref> P. V. Kirch, ''On the Road of the Winds. An Archaeological History of the Pacific Islands before European Contact'', Los Angeles, 2000, S. 273–274</ref> Wahrscheinlich breitet sich auch [[Kannibalismus]] aus.<ref>S.R. Fisher: ''At the teeth of savages'' in Rapa Nui Journal Nr. 6, 1992. S. 72–73</ref> Die Kriegerkaste gewinnt an Einfluss. * Wie aus archäo-biologischen Untersuchungen von Abfallhaufen der Siedlungen erkennbar ist, nimmt die Zahl und Artenvielfalt der Seevögel nach 1650 n. Chr. als Nahrungsquelle rapide ab.<ref>d.W. Stedman: ''Extinction of birds in Eastern Polynesia: A review of the record, and camparisons with other island groups'' in Journal of Archaeological Science, Vol 16, 1989, S. 177–205</ref> * Ab Mitte des 17. Jahrhunderts kommt der Bau monumentaler Bildwerke zum Erliegen.<ref>Helene Martinsson-Wallin: ''Ahu – The ceremonial stone structures of Easter Island'', Uppsala 1994</ref> * Ab dem Ende des 17., spätestens in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts werden die Kultplattformen durch die Insulaner selbst systematisch zerstört und die Statuen umgeworfen. Es kommt zu einem völligen Verfall der tradierten, auf der Ahnenverehrung fußenden Kultur. Es ist heftig umstritten, wo die Wurzeln für diesen Kulturverfall zu suchen sind, die Mehrzahl der Forscher geht jedoch heute davon aus, dass die Probleme von den Insulanern selbst verursacht wurden. Derzeit sehr populär ist die von [[Kollaps (Buch)|Jared Diamond]] publizierte These des Raubbaus an den natürlichen Ressourcen, der zur Störung des ökologischen Gleichgewichtes auf der isolierten Insel geführt hat.<ref>Jared Diamond: ''Kollaps. Warum Gesellschaften überleben oder untergehen'', Frankfurt am Main 2005, S. 103 ff.</ref> Weitere Theorien gehen davon aus, dass – in unterschiedlichem Umfang – andere Auswirkungen, z.&nbsp;B.: eine mehrjährige [[Dürre]], die [[Kleine Eiszeit]], die von den ersten Siedlern eingeschleppte [[Polynesische Ratte]], der europäische Einfluss auf die Kultur, eine andauernde [[Hungersnot]] oder ein [[Religionskrieg]] ganz oder teilweise Ursachen für den Niedergang der Osterinselkultur gesetzt haben. === Entdeckung und Nutzung durch die Europäer === [[Datei:Luftbild Osterinsel.jpg|thumb|Luftbild]] [[Datei:Hanga Roa Panorama.jpg|thumb|Osterinsel bei Hanga Roa]] Der erste Europäer, der die Osterinsel sah, war vermutlich der [[Piraterie|Pirat]] [[Edward Davis (Pirat)|Edward Davis]], der mit seinem Schiff ''Bachelors Delight'' 1687 von den [[Galápagos-Inseln]] kommend [[Kap Hoorn]] umsegeln wollte. Er sichtete die Insel eher zufällig und glaubte, den sagenhaften [[Terra Australis|Südkontinent]] gefunden zu haben, landete jedoch nicht. Ihren heutigen Namen erhielt die Osterinsel von dem Holländer [[Jakob Roggeveen]], der im Auftrag der [[Niederländische Westindien-Kompanie|Westindischen Handelskompanie]] am Ostersonntag, dem 5. April 1722 mit drei Schiffen dort landete. Er nannte sie Paasch-Eyland (Osterinsel), nach dem Tag der Entdeckung. An der Expedition nahm der Mecklenburger [[Carl Friedrich Behrens]] teil, dessen in [[Leipzig]] verlegter Bericht die Aufmerksamkeit Europas auf die bis dahin unbekannte Insel lenkte. Der [[Katalonien|Katalane]] [[Manuel d’Amat i de Junyent]] (1704–1782, Gouverneur von Chile und Vizekönig von Peru) hatte die Bestrebung, den Einfluss Spaniens in Südamerika (gegen England) zu festigen und nach [[Ozeanien]] zu erweitern. Er beauftragte Don Felipe Gonzales de Haedo, bis zur [[Magellanstraße]] zu segeln und dabei u.&nbsp;a. die ''„Erde Davis“'' für die spanische Krone zu annektieren. Gonzales landete am 15. November 1770 mit dem [[Linienschiff]] ''San Lorenzo'' und der [[Fregatte]] ''Santa Rosalia'' auf der Osterinsel, errichtete als Zeichen des spanischen Anspruches mehrere Kreuze an markanten Punkten und gab ihr den Namen ''San Carlos''. Spanien verlor allerdings in den Folgejahren das Interesse an den ozeanischen Visionen Amats und erneuerte seinen Anspruch auf die Osterinsel nicht. Während seiner zweiten Südseeexpedition besuchte [[James Cook]] vom 13. bis 17. März 1774 die Osterinsel. Er war von der Insel nicht begeistert und schrieb in sein Logbuch: {{Zitat|Keine Nation wird je für die Ehre kämpfen, die Osterinsel erforscht zu haben, zumal es kaum ein anderes Eiland im Meer gibt, welches weniger Erfrischungen bietet und Annehmlichkeiten für die Schifffahrt denn dieses“|James Cook|Logbücher der Reisen 1768–1779<ref>Zitat aus: James Cook: ''Logbücher der Reisen 1768–1779.'' Erdmann, Tübingen 1971, 1975. ISBN 3-7711-0124-7.</ref>}} Dennoch brachte der Aufenthalt wesentliche Erkenntnisse über die [[Geologie|geologische]] Beschaffenheit, die Vegetation, die Bevölkerung und die Statuen (die in der Mehrzahl bereits umgeworfen waren). Wir verdanken sie dem deutschen Naturforscher [[Johann Reinhold Forster]] und seinem Sohn [[Johann Georg Adam Forster]], die an der Cook-Expedition teilnahmen. Reinhold Forster fertigte auch erste Skizzen der Moais, die, als [[Kupferstich]]e in damals typischer romantischer Überhöhung veröffentlicht, in den Salons Aufsehen erregten. Im Jahr 1786 landete der [[Frankreich|Franzose]] Graf [[Jean-François de La Pérouse]] bei einer [[Weltumsegelung]] auf Befehl von [[Ludwig XVI.]] auf der Osterinsel. La Pérouse hatte den Auftrag, genaue Karten zu zeichnen und mit der Erforschung der Völker der [[Südsee]] zur Bildung des [[Louis Joseph Xavier François de Bourbon, dauphin de Viennois|Dauphins]] beizutragen. Die von den europäischen Entdeckern eingeschleppten Krankheiten wie [[Grippe]] und [[Syphilis]] bewirkten einen stetigen Bevölkerungsrückgang auf der Osterinsel. Ein besonders dunkles Kapitel sind die Raubzüge [[Peru|peruanischer]] [[Sklavenhandel|Sklavenhändler]] in den Jahren 1859 bis 1861, die vermutlich mehr als 1.500 Insulaner als [[Zwangsarbeiter]] zum [[Guano]]-Abbau auf die [[Chincha-Inseln]] (Islas Chincha) vor Peru verschleppten. Dies und die Verbreitung der [[Pocken]] durch die wenigen Rückkehrer führten zu einem weiteren dramatischen Bevölkerungsrückgang. 1866 kam der Franzose Dutroux-Bornier, ein ehemaliger französischer Offizier, der nach dem [[Krimkrieg]] nach Tahiti übergesiedelt war, mit seinem britisch-tahitischen Geschäftspartner Brander auf die Osterinsel. In den folgenden Jahren übernahm die Firma umfangreiche Ländereien von den [[Häuptling]]en. Bornier ließ sich auf der Insel nieder und errichtete eine Schreckensherrschaft. Er vertrieb die Insulaner aus ihren Siedlungen und wies ihnen ein nur kleines Gebiet an der Westküste (im Bereich des heutigen Hangaroa) zu, während der Rest der Insel als Weide für [[Schafe]] und Rinder genutzt wurde. Das Betreten dieses Teils war den Rapanui unter Androhung von Strafe verboten. Als die Verhältnisse schließlich unerträglich wurden, ermordeten die Insulaner 1876 den [[Despot]]en Bornier, ein Jahr später starb Brander eines natürlichen Todes. Die Insel blieb nach einem längeren Rechtsstreit der Erben vor französischen Gerichten im Besitz der Familie Brander. 1877 lebten nur noch 111 Personen auf der Insel. Vom 20. bis 25. September 1882 besuchte das deutsche [[Kanonenboot]] ''[[SMS Hyäne (1878)|SMS Hyäne]]'' im Rahmen einer ausgedehnten Südseeexpedition die Osterinsel. Kapitänleutnant Geiseler hatte den Auftrag der kaiserlichen [[Admiralität]], wissenschaftliche Untersuchungen für die [[Ethnologie|ethnologische]] Abteilung der königlich preußischen Museen in Berlin vorzunehmen. Die Expedition lieferte u.&nbsp;a. detailgenaue Beschreibungen der Sitten und Gebräuche, Sprache und Schrift der Osterinsel, außerdem exakte Zeichnungen verschiedener [[Kult|kultischer]] Objekte, von Moais, von Hausgrundrissen sowie einen detaillierten Lageplan der Kultstätte Orongo. Die ersten Fotos der Moais fertigte der Schiffsarzt William Thomson, der 1886 an Bord des [[Vereinigte Staaten|US-amerikanischen]] Schiffes ''Mohican'' die Osterinsel besuchte. === Seit der Annexion durch Chile === Am 9. September 1888 [[Annexion|annektierte]] Chile die Insel. Die chilenische Regierung war dem Vorschlag des [[Korvettenkapitän]]s Policarpo Toro gefolgt, der glaubte, die Insel sei von strategischem Wert. Es wurde ein Vertrag in spanischer und polynesischer Sprache geschlossen, den Toro und 20 Stammeshäuptlinge an Bord des Kriegsschiffes ''Angamos'' unterzeichneten. Der Grund für den Vertragsabschluss war wohl die Hoffnung der Rapanui, sich mit Hilfe der chilenischen Regierung besser gegen Übergriffe wehren zu können. 1895 verpachtete die chilenische Regierung die Insel an den Geschäftsmann Enrique Merlet, der die [[Viehzucht]] weiterhin betrieb. 1903 verkaufte er seine Besitzansprüche an das britische Handelshaus Williamson-Balfour. 1911 erreichte eine wissenschaftliche Kommission unter der Leitung des Deutsch-Chilenen Dr. Walter Knoche die Insel, um dort eine [[Meteorologie|meteorologische]] und [[Seismik|seismische]] Station zu errichten und erstmals fächerübergreifend [[Biologie|biologische]], [[Ethnologie|ethnologische]] und [[Archäologie|archäologische]] Forschungen zu betreiben. Die verschiedenen europäischen Besucher, aber insbesondere die Rückkehrer aus peruanischer Sklaverei, brachten [[Infektionskrankheit]]en auf die Insel, die sich rasch verbreiteten und die Bevölkerung dezimierten. Ab etwa 1900 breitete sich auch die [[Lepra]], vermutlich von Tahiti eingeschleppt, auf der Osterinsel aus.<ref>Walter Knoche: ''Die Osterinsel – Eine Zusammenfassung der chilenischen Osterinselexpedition des Jahres 1911'', Conception 1925</ref> Abseits von Hangaroa wurde daher eine [[Leprakolonie]] errichtet, in der – nach Erzählungen der Einwohner – die Firma auch missliebige Personen isolierte, die sich dort erst mit der Krankheit ansteckten. Im [[Erster Weltkrieg|Ersten Weltkrieg]] spielte die Insel eine nicht unbedeutende Rolle im Seekrieg. Von Tahiti kommend traf sich ein [[Geschwader]] mit den [[Panzerkreuzer]]n ''[[SMS Scharnhorst]]'' und ''[[SMS Gneisenau (1906)|SMS Gneisenau]],'' dem kleinen [[Kreuzer (Schiff)|Kreuzer]] ''[[SMS Leipzig (1905)|Leipzig]]'' sowie Begleitschiffen mit aus dem [[Atlantik]] kommenden Transportschiffen, um Brennstoff und Lebensmittel zu übernehmen. Der Aufenthalt vor der Insel dauerte vom 12. bis 19. Oktober 1914. Am 23. Dezember 1914 versenkte der deutsche [[Hilfskreuzer]] ''[[Prinz Eitel Friedrich (1904)|SMS Prinz Eitel Friedrich]]'' das französische Handelsschiff ''Jean'' unmittelbar vor der [[Bucht]] von Hangaroa. Die Mannschaft des versenkten Schiffes wurde auf der Insel zurückgelassen. Als der deutsche Hilfskreuzer ''[[SMS Seeadler (Hilfskreuzer)|Seeadler]]'' des „Seeteufels“ [[Felix Graf von Luckner]] 1917 vor [[Mopelia]] ([[Gesellschaftsinseln]]) sank, segelte die Mannschaft mit dem gekaperten britischen Schiff ''Fortuna'' zur Osterinsel. Das Schiff trieb beim Versuch des Anlandens auf die Klippen und sank. Die Besatzung rettete sich auf die Insel und lebte dort vier Monate, bis sie schließlich im neutralen Chile arretiert wurde. Als die angeblich [[Hellsehen|seherisch]] begabte, betagte Osterinsulanerin Angata 1914 träumte, Gott habe die gesamte Insel wieder den Rapanui zugesprochen, brach ein Aufstand aus. Die Insulaner wollten nicht länger hinnehmen, dass ihnen das Betreten des größten Teils der Insel untersagt wurde. Als Angata zudem behauptete, dass Gott die Aufständischen kugelfest gemacht habe und ihnen daher nichts geschehen könne, eskalierte der Konflikt.<ref>Hans Nevermann: ''Götter der Südsee'', Stuttgart 1947, S. 186</ref> Der Aufstand wurde durch den Einsatz eines chilenischen Kriegsschiffes beendet, dessen Kommandant aber die unerträglichen Verhältnisse erkannte und Kritik an der Verwaltung der Schaffarm übte. An den räumlichen Beschränkungen änderte sich nichts, die Regierung setzte jedoch einen von der Firma unabhängigen Verwalter ein. Bis zum Jahre 1967 herrschte auf der Insel das chilenische [[Ausnahmezustand|Kriegsrecht]]. Die Bewohner der Insel unterstanden einer restriktiven militärischen Verwaltung mit einem von Chile eingesetzten Militärgouverneur an der Spitze. Obwohl chilenische Staatsbürger, hatten die Insulaner kein Anrecht auf einen chilenischen Pass und durften die Osterinsel nicht verlassen. Ihr Aufenthalt war auf ein umzäuntes und bewachtes Gebiet um Hangaroa beschränkt, der übrige Teil der Insel durfte nur mit Erlaubnis des Gouverneurs betreten werden. Eigenständige, [[Demokratie|demokratische]] Strukturen in der lokalen Verwaltung wurden erst Ende der 1960er Jahre zugelassen. Im Rahmen eines Forschungsprojektes der Universität Chile kam 1935 der deutschstämmige [[Kapuziner]]pater [[Sebastian Englert]] auf die Osterinsel. Er blieb dort als [[Seelsorger]] bis zu seinem Tod im Jahre 1969. Pater Englert sah seine Aufgabe nicht ausschließlich in der Missionierung, er kümmerte sich auch um soziale Belange, Gesundheitsvorsorge und Bildung der Insulaner. Auf den vielseitig Interessierten gehen bedeutende Aufzeichnungen archäologischer, linguistischer, [[Kulturgeschichte|kulturgeschichtlicher]] und botanischer Erkenntnisse zurück. Seine systematische Sammlung von [[Artefakt (Archäologie)|Artefakten]] bildet heute den Grundstock des nach ihm benannten Museums in [[Hanga Roa]]. In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts gab es mehrere Forschungsexpeditionen zur Osterinsel. Erwähnenswerte Forscher sind die Engländerin [[Katherine Routledge]], der Franzose [[Alfred Métraux]] und der Deutsche [[Thomas Barthel]] von der [[Eberhard Karls Universität Tübingen|Eberhard-Karls-Universität Tübingen]], der die wesentlichen Ansätze zur Entschlüsselung der geheimnisvollen Osterinsel-Schrift fand. [[Thor Heyerdahl]] hielt sich von 1955 bis 1956 auf der Osterinsel auf. Er führte [[Ausgrabung]]en und praktische Experimente durch und richtete den ersten Moai wieder auf. Am 21. Mai 1960 verwüstete ein Erdbeben der Stärke 9,5 die Stadt [[Concepción (Chile)|Conception]] in Chile. Das Beben löste eine [[Tsunami]] aus, der die Südküste der Osterinsel traf und den erst einige Jahre zuvor restaurierten Ahu Tongariki völlig zerstörte. Die tonnenschweren Moai wurden mehr als 100 Meter ins Landesinnere geschleudert. Mit japanischer Unterstützung konnten die Schäden in den Folgejahren beseitigt werden, sodass sich die Anlage heute wieder im ursprünglichen Zustand präsentiert. 1967/68 errichtete das US-Militär am Rano Kao eine geheime Abhörstation. Mit ihr kamen amerikanische Militärangehörige auf die Insel, die für einen kleinen wirtschaftlichen Aufschwung sorgten. Unter der Regierung [[Salvador Allende|Allende]] wurde die Basis wieder aufgegeben. Es ist eine Ironie der Geschichte, dass die stufenweise Entwicklung zur Eigenständigkeit der Osterinsel ausgerechnet mit dem Diktator [[Augusto Pinochet]] beginnt. General Pinochet hatte ein besonderes Wohlwollen für die Osterinsel entwickelt. Er war der erste chilenische Präsident, der 1974 die Insel besuchte und er kehrte zweimal, 1980 und 1987, zurück. Unter seiner Regierungszeit wurden erhebliche Mittel in die Verbesserung der Infrastruktur investiert und er ernannte 1984 den ersten ethnischen Rapanui, den in den USA ausgebildeten Archäologen Sergio Rapu, zum Gouverneur der Osterinsel.<ref>Steven Roger Fischer: ''Island at the End of the World - The Turbulent History of Easter Island'',London 2005, S. 227</ref> 1989 veranstaltete das [[Senckenbergmuseum]] in [[Frankfurt am Main]] eine richtungweisende Ausstellung, in der erstmals einige der über die ganze Welt verstreuten Relikte der Osterinsel-Kultur zusammen geführt wurden. 1994 wurde die Osterinsel durch den Film [[Rapa Nui – Rebellion im Paradies]], produziert u.&nbsp;a. von Hollywood-Star [[Kevin Costner]], weltweit in die öffentliche Aufmerksamkeit gerückt. Der Film zeigt, eingebettet in viele Landschaftsaufnahmen der Insel, in spielfilmtypisch dramatischer Zuspitzung die Errichtung der Moai, die Eingriffe der Menschen in die Natur und die damit verbundenen negativen Folgen. Eine weiteres Filmprojekt, eine [[Seifenoper]] von Chiles nationaler Fernsehrstation [[TVN (Chile)|TVN]] mit dem Titel: „Iorana, Bienvenido al Amor“, machte die Osterinsel in Chile bekannt. Seit der Ausstrahlung 1997/98 (mit mehreren Wiederholungen) hat sich die Zahl der chilenischen Touristen vervielfacht. == Kunst und Kultur == Die Bewohner der Osterinsel haben Objekte sowohl aus Stein als auch aus Holz hergestellt. Die erhaltenen [[Osterinsel (Holzschnitzkunst)|Holzschnitzereien]] gelangten durch Kauf oder Tausch mit den europäischen Expeditionen in den Bestand der Sammlungen. === Die Moais === [[Datei:Ahu Tongariki.jpg|thumb|Moais am Ahu Tongariki]] → ''Hauptartikel: [[Moai]]'' Die weltbekannten, kolossalen Steinstatuen der Osterinsel werden [[Moai]]s (Einzahl Moai) genannt. Pater Sebastian Englert nummerierte und [[Verzeichnis|katalogisierte]] 638 Statuen, vermutlich waren es jedoch ursprünglich über 1000. Trotz umfangreicher Forschungen ist ihr eigentlicher Zweck und die genaue Zeit ihrer Errichtung unter den Experten immer noch umstritten. Man geht heute davon aus, dass sie berühmte Häuptlinge oder allseits verehrte [[Ahn]]en darstellen, die als Bindeglied zwischen diesseitiger und jenseitiger Welt fungierten. === Rongorongo-Schrift === [[Datei:Rongorongo Schrift.jpg|thumb|Rongorongo Schrift auf einem „sprechenden Holz“]] → ''Hauptartikel: [[Rongorongo]]'' Die Osterinselkultur verfügt als einzige im Pazifik über eine eigene [[Schrift]], die [[Rongorongo]]-Schrift. Es ist eine mit Lautzeichen durchsetzte [[Bilderschrift]]. Geschrieben wird in Zeilen in einer Variante des [[Bustrophedon]]: Jede Zeile steht gegenüber der vorhergehenden auf dem Kopf und ist gegenläufig geschrieben. Es wird von links nach rechts gelesen und am Ende der Zeile wird die Tafel um 180 Grad gedreht. Der Beginn ist links unten. Die durchschnittlich einen Zentimeter hohen Schriftzeichen zeigen grafische Symbole, Vogelmänner, Menschen, Tiere, Körperteile, astronomische Symbole und Geräte des täglichen Gebrauchs (Boot, Haus, Speer, Steinbeil, Paddel). Die Bilderschrift setzt sich jedoch nicht aus [[Piktogramm]]en, die unmittelbar reale Objekte abbilden, zusammen. Thomas Barthel, der wohl profundeste Kenner der Osterinsel-Schrift, hält sie lediglich für eine Gedächtnisstütze, d.&nbsp;h. es sind Kernbegriffe abgebildet, um die herum Wörter und Sätze aus dem Gedächtnis zu ergänzen sind. Der Archäologe Kenneth P. Emory vom Bishop Museum in [[Hawaii]] vertritt allerdings eine völlig andere Auffassung. Aus der Tatsache, dass die wenigen erhaltenen Rongorongo-Tafeln nachweislich zwischen 1722 und 1868 aufgefunden wurden, zieht er den Schluss, bei der Schrift handele es sich lediglich um eine Nachahmung europäischer Schriftzeugnisse. Die vollständige Entzifferung der Osterinsel-Schrift galt lange als ungelöstes Problem, insbesondere, da die Schriftkultur im Südseeraum keine Parallelen hat. Erst der systematische Vergleich mit Kalenderwissen und die Einbeziehung mündlicher Überlieferungen brachte erste Ansätze zur inhaltlichen Deutung. Bereits Thomas Barthel vermutete zumindest in Teilen in einer Schrifttafel, genannt ''Tablet Mamari'' (heute im Archiv der Congregazione dei SS Cuori in [[Grottaferrata]] bei [[Rom]]), einen [[Lunarkalender|Mondkalender]], da die Zeilen 6 bis 9 der Vorderseite auffallend viele astronomische Zeichen und Mondsymbole zeigen. Diese Ansicht wurde inzwischen bestätigt. Weltweit sind nur 24 als authentisch geltende Schriftzeugnisse auf Holztafeln, den Rongorongo-Tafeln, aber auch auf anderen Kultgegenständen (Rei-Miro in London, Vogelmann in New York und Zeremonialstab in Santiago de Chile) bekannt. Die erhaltenen Rongorongo-Tafeln sind überwiegend aus [[Toromiro]]-Holz geschnitzt. Die Schriftzeichen wurden vermutlich mit [[Obsidian]]splittern oder [[Haie|Haifischzähnen]] eingraviert, Kenneth P. Emory behauptet, mit eisernen Werkzeugen europäischen Ursprunges. Die Schrifttafeln sind heute über Museen und Sammlungen der ganzen Welt verstreut. Die Deutungsversuche sind zahllos, insbesondere seit sich Laienforscher daran versuchen. Die seriösen Erklärungen für die aufgezeichneten Texte reichen von [[Genealogie]]n bis zu rituellen Gesängen. Bislang ist es jedoch immer noch nicht gelungen, die Texte Zeile für Zeile zu übersetzen. === Orongo und der Vogelmannkult === [[Datei:Makemake.jpeg|thumb|[[Makemake (Mythologie)|Makemake]]-Motiv in Orongo]] [[Datei:Motu Nui.jpg|thumb|upright|Blick auf Motu Nui von Orongo mit Vogelmann-Petroglyphen im Vordergrund]] → ''Hauptartikel: [[Orongo (Osterinsel)]]'' Am Hang des [[Rano Kao]], gefährlich nah an einer 300 Meter abfallenden Klippe, befinden sich die bekannten Orongo-[[Petroglyphe]]n. Das Hauptmotiv ist das des Vogelmannes (polynesisch: Tangata Manu), ein Mischwesen aus Mensch und [[Fregattvogel]]. Der Kult um den Vogelmann erlangte ab etwa 1500 n. Chr. zunehmende Bedeutung. Die Gründe für die Abkehr von der alten Religion der Ahnenverehrung, die letztendlich auch das spätere Umstürzen der Moais zur Folge hatte, sind unbekannt. Die Archäologin Georgia Lee, Herausgeberin des Rapa-Nui-Journals, vertritt die Auffassung, dass dies mit der Machtübernahme durch eine Kriegerkaste als Folge der ökologischen Zerstörung in Zusammenhang zu bringen ist.<ref>Heide-Margaret Esen-Baur: ''1500 Jahre Kultur der Osterinsel – Schätze aus dem Land des Hotu Matua,'' Katalog zur Ausstellung veranstaltet von der Deutsch-Ibero-Amerikanischen Gesellschaft Frankfurt a. M. vom 5. April bis 3. September 1989, Mainz am Rhein 1989, S. 109</ref> Andere, zum Beispiel Alfred Métraux, nehmen an, dass Ahnenverehrung und Vogelmannkult zumindest eine Zeitlang parallel bestanden haben. In jedem [[Frühjahr]] schwammen junge Männer von Orongo aus zum vorgelagerten ''Motu Nui'', um das erste Ei der [[Rußseeschwalbe]] (''Sterna fuscata'') zu finden. Wer als erster ein unbeschädigtes Ei zurückbrachte, wurde zum Vogelmann erklärt, stand rituellen Opfern vor und erfreute sich besonderer Privilegien. Vogelmannfiguren sind in der gesamten [[Südsee]] ([[Samoa]], [[Sepik]]-Region in [[Neuguinea]]) verbreitet. Ein weiteres Motiv der Felsritzungen bei Orongo ist ''[[Makemake (Mythologie)|Makemake]]'', ein maskenhaftes Gesicht mit großen, eulenartigen Augen, das den [[Schöpfung|Schöpfergott]] darstellt. Es sind auch Tierdarstellungen zu finden (Vögel, Wale, Haie, Schildkröten) sowie grafische Motive. Zur Kultstätte Orongo gehören sorgfältig errichtete steinerne Hütten, mit einem Dach aus [[Grassodenhaus|Grassoden]], die nicht ständig bewohnt, sondern nur zu kultischen Zwecken genutzt wurden. <br style="clear:both" /> === Rei-Miro === [[Datei:Reimiro.jpg|thumb|Rei Miro; Zeichnung der Geiseler-Expedition von 1882]] → ''Hauptartikel: [[Rei-Miro]]'' ''Rei Miro'' ist ein nur in der Kultur der Osterinsel bekanntes hölzernes [[Pektoral]], vorwiegend aus Toromiro-Holz geschnitzt. Es hat eine [[mondsichel]]artige Form, die aber auch als Bootskörper gedeutet werden kann. Die beiden Enden sind häufig als menschliche oder tierische Köpfe mit feinen Gesichtszügen ausgebildet. An den oberen Enden befinden sich Löcher für eine Umhängeschnur. Einige Pektorale sind mit Schriftzeichen versehen. Rei Miro von der Osterinsel finden sich in den verschiedensten Museen der Welt. Ihre Bedeutung (Kultgegenstand, [[Schmuck]] oder Rangabzeichen) ist unbekannt. === Ao und Rapa === → ''Hauptartikel: [[Ao und Rapa]]'' Ao und Rapa sind paddelförmige, aus Holz geschnitzte Ritualobjekte, die als Rangabzeichen hoher Würdenträger, aber auch bei rituellen Tänzen verwendet wurden. === Kulthöhlen === Der vulkanische Ursprung der Insel hat zur Folge, dass sich im Gestein zahlreiche [[Höhle]]n und Klüfte gebildet haben. Die Höhlen wurden als Kultstätten genutzt, wie zahlreiche [[Felsmalerei]]en beweisen. Die Motive haben ihren Ursprung überwiegend im [[Vogelmannkult]]. [[Thor Heyerdahl]] fand in den Höhlen noch zahlreiche steinerne Kleinplastiken mit den unterschiedlichsten Motiven: Vogelmanndarstellungen, Moais, Kopfplastiken, [[Anthropomorphismus|anthropomorphe]] und [[zoomorph]]e Figuren bis hin zu Darstellungen von [[Segelschiff]]en. Die geheimen Höhlen sind einzelnen Familien zugeordnet. Das Wissen darüber wurde jeweils mündlich an besonders ausgesuchte Mitglieder der Nachfolgegeneration vermittelt. Knochenfunde beweisen, dass die Höhlen auch als Begräbnisstätten genutzt wurden, jedoch vermutlich nur in der Spätperiode. Der Überlieferung der Inselbewohner nach dienten die Höhlen in der Zeit des Kulturverfalls und der nachfolgenden Bürgerkriege auch als Zufluchtsstätten. Eine von Touristen häufig besuchte Kulthöhle mit zahlreichen Felsbildern ist Ana Kai Tangata, die sogenannte „Menschenfresserhöhle“, bei Mataveri an der Westküste. == Die Osterinsel heute == {{Großes Bild|Pano_Rano_Kao_Hanga_Roa.jpg|2000|Panorama der Osterinsel von Süden}} === Verwaltung === [[Datei:HangaroaAlcaldía.jpg|thumb|Gemeindeverwaltung in Hangaroa]] Politisch gehört die Osterinsel heute zu [[Chile]]. Sie hat den Status eines Departamento der [[Región de Valparaíso]]. Das Departamento wird nicht wie die meisten übrigen Departamentos Chiles weiter in Gemeinden untergliedert, sondern entspricht einer Gemeinde. Zu dem Departamento gehört auch die 400&nbsp;km weiter östlich gelegene winzige Insel [[Sala y Gomez]]. Ein bei der chilenischen Regierung akkreditierter [[Gouverneur]] verwaltet die Insel. Seit 1984 ist das immer ein Insulaner. Seit 1966 wird alle vier Jahre in der Gemeinde Hanga Roa ein Gemeinderat aus 6 Personen gewählt, einer davon wird zum [[Bürgermeister]] ernannt. Auf der Insel sind etwa zwei Dutzend [[Polizist]]en stationiert, die auch für die Flughafensicherheit verantwortlich sind. Das chilenische Militär ist insbesondere mit der [[Marine]] präsent. Die Marinestation verfügt über ein [[Patrouillenboot]], das auch für die Seenotrettung zuständig ist. Währung ist der [[Chilenischer Peso|Chilenische Peso]], der US-Dollar hat sich aber inzwischen zu einer Nebenwährung entwickelt und wird überall akzeptiert. Die Osterinsel ist zollfreies Gebiet, sodass die Einnahmen durch Steuern und Abgaben verhältnismäßig gering sind. Der öffentliche Haushalt wird in hohem Maße von Chile [[Subvention|subventioniert]]. === Infrastruktur === [[Datei:Mataveri Airport Easter Island Chile.jpg|thumb|Flughafen Mataveri International]] [[Datei:HangaroaHospital.jpg|thumb|Krankenhaus und Ambulanzwagen in Hangaroa]] [[Datei:HangaroaCallePrincipal.jpg|thumb|Die ''Avenida Atamu Tekena'' ist die Hauptstraße von Hangaroa]] Den [[Flugplatz]] Mataveri Intl. ([[IATA-Code]] IPC) gibt es noch nicht lange. Das erste Flugzeug landete in den 1950er Jahren auf einem notdürftig hergerichteten Grasstreifen bei Mataveri. In den 1960er Jahren erkannte Chile die Bedeutung der Osterinsel als Zwischenstation in einem transpazifischen Luftnetzwerk, nicht zuletzt unter militärischen Gesichtspunkten. Nachdem Pläne für einen Neubau bei Anakena als zu teuer verworfen wurden, erweiterte und asphaltierte man die Graspiste in Mataveri. Der Hauptzweck des von der chilenischen Luftwaffe betriebenen Flugplatzes war jedoch die Versorgung der amerikanischen Basis. Als der Flughafen Mataveri 1984 von der [[National Aeronautics and Space Administration|NASA]] als Notlandeplatz für die [[Raumfähre]]n ausgebaut wurde, konnten dort auch Großraumflugzeuge landen. Das hat zu einem deutlichen Anstieg des [[Tourismus]] geführt, heute die Haupteinnahmequelle der Insel. Mehrmals pro Woche gibt es eine Flugverbindung von und nach Santiago de Chile, der Flug dauert gut viereinhalb Stunden. Zweimal pro Woche gibt es eine Flugverbindung von und nach [[Papeete]] auf [[Tahiti]], der Flug dauert rund sechs Stunden. Mittlerweile gibt es ein zentrales Wasserleitungssystem, bis dahin war man auf die Vorräte in den Kraterseen bzw. an der Küste aussickerndes [[Grundwasser]] angewiesen. An das mit Dieselgeneratoren betriebene Stromversorgungsnetz sind auch im Außenbereich liegende Anwesen angeschlossen. Befestigte Straßen findet man im unmittelbaren Bereich von Hanga Roa und Mataveri. Auch die Strecken von Hanga Roa zum Strand von Anakena und entlang der Südküste zur Halbinsel Poike sind inzwischen [[Teer|geteert]]. Alle Straßen in Hangaroa haben einen Namen, doch sind sie nicht auf Straßenschildern angegeben. In der Nähe des Flughafens befindet sich die einzige Tankstelle, es gibt jedoch keinen Autohändler. Öffentliche Verkehrsmittel gibt es ebenfalls nicht. Einige Taxis, Mietwagen und Mietfahrräder stehen zur Verfügung. Manche der einheimischen Familien halten Pferde, die als alltägliches Fortbewegungsmittel dienen, oder fahren mit dem Motorrad. An den fünf Schulen in Hangaroa können alle Bildungsabschlüsse bis zur Hochschulreife (''Prueba de Aptitud'', entspricht dem deutschen [[Abitur]] und der österreichischen/schweizerischen [[Matura]]) erworben werden. Ein Fach- oder Hochschulstudium ist jedoch nur auf dem Festland möglich. In einer der Grundschulen gibt es einen von der UNESCO unterstützten Schulversuch bilingualen Unterrichts mit Rapa Nui und Spanisch. Problematisch ist, dass es auf Rapa Nui keine Druckerei gibt – alle Druckerzeugnisse auf Rapa Nui müssen auf dem chilenischen Festland gedruckt werden, was die Herstellung erheblich verteuert. Die Gesundheitsversorgung ist weitaus besser als in anderen abgelegenen Regionen von Chile. 1964 kam eine kanadische wissenschaftliche Kommission (Medical Expedition to Easter Island – METEI) im Auftrag der [[UN]] auf die Osterinsel, um in einem Pilotprojekt den Zusammenhang zwischen Vererbung, Umwelt und Krankheiten zu untersuchen. Als sie 1964 die Insel verließ, blieben die in einige Containern untergebrachten modernen medizinischen Einrichtungen zurück. Sie bildeten den Grundstock für die Gesundheitsversorgung der Insel nach neuzeitlichem Standard. Unter [[Augusto Pinochet]] wurde 1975 das kleine Krankenhausgebäude errichtet, das heute einen Arzt, einen Zahnarzt, eine Hebamme sowie einen Pflegedienst beherbergt. Dort ist auch ein Ambulanzwagen stationiert. Ein Augenarzt kommt regelmäßig vom chilenischen Festland und hält Sprechstunden ab. Die weitere [[Infrastruktur]] mit Kirche, Post, Bank, Apotheke, kleinen Geschäften, einigen kleinen Supermärkten, Snack-Bars und Restaurants hat sich seit den sechziger Jahren erheblich verbessert, nicht zuletzt zur Befriedigung der Bedürfnisse des Tourismus. Die meisten Geschäfte befinden sich in der ''Avenida Atamu Tekena'', der Hauptstraße des Dorfes. Am Hafen wird morgens frischer Fisch verkauft, doch sind Auswahl und angebotene Menge gering. Vor einigen Häusern sind Stände aufgebaut, an denen Einheimische selbst gezogenes Obst und Gemüse feilbieten. [[Satellitentelefon]], Internet und E-Mails sind selbstverständlich. Inzwischen gibt es sogar eine Diskothek für die jüngeren Inselbewohner. === Bevölkerung === Man schätzt, dass die Osterinsel zur Zeit der Kulturblüte im 16. und 17. Jahrhundert etwa 10.000 Einwohner hatte. Als Folge der vom Menschen ausgelösten ökologischen Katastrophe, der Nahrungsknappheit und kriegerischer Auseinandersetzungen reduzierte sich diese Zahl auf etwa 2.000 bis 3.000 vor Ankunft der Europäer. Die [[Deportation]] als Zwangsarbeiter nach Peru verringerte die Einwohnerzahl auf etwa 900 im Jahre 1868 und die von den wenigen Rückkehrern eingeschleppten Krankheiten führten zu einem weiteren Bevölkerungsrückgang. Die Ausbeutung der Insel durch die intensive Schafzucht eines europäischen [[Konsortium]]s hatte ein Zurückdrängen der Einwohner auf ein Siedlungsgebiet mit geringer Ausdehnung im Nordwesten der Insel zur Folge. Dieser Interessenkonflikt führte dazu, dass 168 Bewohner im Jahr 1871 mit Hilfe von [[Missionar]]en auswanderten. 1877 betrug die Einwohnerzahl nur noch 111. Danach erholte sich die Bevölkerung langsam. 1888, im Jahr der [[Annexion]] durch Chile, wurden 178 Einwohner gezählt. Zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts gab es –&nbsp;insbesondere unter der jungen Bevölkerung&nbsp;– den verbreiteten Wunsch, die Insel zu verlassen. Entsprechende Bestrebungen wurden jedoch von der chilenischen Militärverwaltung unterbunden. Erst in den 1950er Jahren besserten sich die Lebensumstände und auch die Einwohnerzahl nahm zu. 1960 wurden bereits über 1.000 Einwohner gezählt. Heute hat die Osterinsel, nach einer Zählung aus dem Jahr 2002, 3.791 Einwohner. Im Jahre 1988 waren es auf der Osterinsel lediglich 1.938 gewesen. Die erhebliche Zunahme innerhalb weniger Jahre beruht hauptsächlich auf der Zuwanderung vom chilenischen [[Festland]]. Die Folge davon ist, dass sich die [[Demografie|demografische]] Zusammensetzung der Bevölkerung zu Lasten der [[Polynesier|polynesischen]] [[Ureinwohner]], der Rapanui, verändert. 1982 waren 70 Prozent der Einwohner Rapanui, im Jahre 2002 betrug ihr Anteil nur noch 60 Prozent. 39 Prozent waren europäischen Typs (vorwiegend zeitweilige Residenten, wie Verwaltungsbeamte, Militärpersonal, Wissenschaftler und deren Angehörige) und 1 Prozent sonstige. In den letzten Jahrzehnten gab es aber nicht nur Zuwanderungen. Einwohner der Osterinsel sind auch zum Festland [[Emigration|emigriert]]. Bei der Volkszählung 2002 wurde festgestellt, dass 2.269 Rapanui außerhalb der Osterinsel in Chile lebten. Die [[Bevölkerungsdichte]] auf der Osterinsel beträgt nur 23 Einwohner pro km² (zum Vergleich Deutschland: 230, Schweiz: 181). Mitte des 19. Jahrhunderts gab es noch sechs Siedlungen: Anakena, Tongariki, Vaihu, Vinapu, Mataveri und Hanga Roa. Heute konzentrieren sich die Bewohner auf die Dörfer Hanga Roa und Mataveri im Südwesten, die allerdings so zusammen gewachsen sind, dass sie als eine Siedlung angesehen werden. In den restlichen Regionen der Insel gibt es nur wenige [[Streusiedlung]]en. Die Amtssprache ist [[Spanische Sprache|spanisch]], im Alltag wird allerdings häufig [[Rapanui (Sprache)|Rapanui]], ein [[Polynesische Sprachen|ostpolynesischer]] Dialekt, gesprochen. == Tourismus == Tourismus in nennenswertem Umfang gibt es erst seit 1967, als die erste Passagiermaschine auf der Insel landete. Auch heute noch ist die Osterinsel per Flugzeug ausschließlich mit der Fluggesellschaft [[LAN Airlines|LAN Chile]] von [[Santiago de Chile]] oder von [[Tahiti]] aus zu erreichen. Allerdings ist die Zahl der Touristen im Vergleich zu anderen Urlaubsinseln immer noch sehr gering. Die Osterinsel verfügt nur über einen Hafen für kleine Boote. Eine regelmäßige Schiffsverbindung gibt es nicht. Kreuzfahrtschiffe liegen vor Hanga Roa auf [[Reede]]. Die Passagiere werden ausgebootet, was bei der durchweg rauen See häufig nicht angenehm ist. Die Unterbringung von Touristen reicht von Privatquartieren bis hin zu Hotels, deren Komfort etwa der Dreisterne-Kategorie (nach mitteleuropäischem Standard) entspricht. Die Mehrzahl der Touristen bleibt jedoch im Rahmen von Rundreisen nur zwei oder drei Tage auf der Insel. Zum Verständnis für das hohe Preisniveau sollte der Besucher wissen, dass alles –&nbsp;einige [[Landwirtschaft|landwirtschaftliche]] Produkte ausgenommen&nbsp;– zu hohen Preisen vom Festland importiert werden muss. Da die Bevölkerung heute überwiegend vom Tourismus lebt, gibt es kundige einheimische Reiseführer für alle gängigen Sprachen, auch für [[Deutsche Sprache|Deutsch]]. Die Sehenswürdigkeiten sind mit dem [[Geländewagen]], zu Pferd und für geübte Wanderer auch zu Fuß erreichbar. == Touristische Ziele == {{Großes Bild|Pano Anakena beach.jpg|1500|Der Anakenastrand mit zwei Ahus}} * Der ''[[Rano Raraku]]'', die „Geburtsstätte“ der Moais, ist der für den Touristen wohl interessanteste Punkt der Insel. An den Hängen des Vulkanes und rund um den Kratersee stehen oder liegen über 300 Statuen in unterschiedlicher Größe und verschiedenen Stadien der Fertigung. Unweit davon steht an einer Meeresbucht der Ahu Tongariki, die größte Zeremonialplattform [[Polynesien]]s mit 15 wieder aufgerichteten Statuen von imponierender Größe. * Bei ''Anakena'' befindet sich der einzige nennenswerte Strand der Insel aus feinem, weißen Korallensand. Hier ist Baden möglich. In dem Kokoswäldchen werden [[Picknick]]s für Touristen veranstaltet. Bei Anakena liegen zwei interessante Zeremonialplattformen, der Ahu Naunau und der Ahu Ature Huki. In den Ahu Naunau ist ein kleinerer Moai eingebaut, sozusagen recycelt. * {{Anker|Te Pito o te Henua}} ''Te Pito o te Henua'' ''(Der Nabel der Welt)'' (eigentlich: ''Te Pito Kura'' – der rote Nabel) ist eine zeremonielle Anlage rund um einen kugelförmigen Stein, der vermutlich natürlichen Ursprungs ist. Von [[Esoterik]]ern werden dem Ort ungewöhnliche Eigenschaften zugesprochen. Christian Walter, ein auf der Insel lebender [[Anthropologe]], sagt, die Anlage sei in den sechziger Jahren für leichtgläubige Touristen errichtet worden. Tatsächlich erwähnte [[Thor Heyerdahl]] den Ort nicht, obwohl er in der Nähe umfangreiche archäologische Untersuchungen vorgenommen hat. Andere wiederum behaupten, die Steinkugel sei mit dem Stein identisch, den Hotu Matua von seiner Heimatinsel [[Hiva]] auf die Osterinsel gebracht habe.<ref>Karlo Huke Atan, ''Kultur, Philosophie, Geschichte der Osterinsel,'' Freiburg 1999, S. 26</ref> Am Ahu Tongariki wurde vor einigen Jahren eine weitere Steinkugel –&nbsp;diese jedoch nachweislich von Menschen bearbeitet&nbsp;– ausgegraben. * Vom Kraterrand des ''Rano Kao'' bietet sich ein spektakulärer Ausblick auf die drei der Südwestküste vorgelagerten [[Motu (Insel)|Motus]]. Unmittelbar dort liegt auch die Zeremonialanlage ''Orongo''. * ''Puna Pau'' im Westen ist der Steinbruch am Hang eines Nebenvulkans des Rano Kao, in dem die Kopfaufsätze der Moais aus roter Vulkanschlacke hergestellt wurden. * Das ''Museo Antropologico Padre Sebastian Englert'', etwas außerhalb von Mataveri gelegen, ist im Vergleich zu manch anderem Völkerkundemuseum in Europa oder Amerika bescheiden ausgestattet. Dennoch ist der Besuch wegen des 1978 bei Anakena gefundenen Original-Auges eines Moai empfehlenswert. == Literatur == * Karlo Huke Atán: ''Kultur, Philosophie, Geschichte der Osterinsel.'' Eine Botschaft der Maoris von Rapa Nui. Köln 1999. ISBN 3-932248-07-4. * Karlo Huke Atán: ''Mündliche Überlieferungen der Osterinsel.'' Eine Botschaft der Maoris von Rapa Nui. Freiburg-Köln 1999. ISBN 3-932248-08-2. * Thomas Barthel: ''Grundlagen zur Entzifferung der Osterinselschrift.'' Cram, de Gruyter, Hamburg 1958. * Thomas Barthel: ''Das Achte Land.'' Klaus Renner, München 1974. ISBN 3-87673-035-X. * [[Jared Diamond]]: ''Kollaps. Warum Gesellschaften überleben oder untergehen.'' Frankfurt am Main 2005. ISBN 3-10-013904-6. * Sebastian Englert: ''Das erste christliche Jahrhundert der Osterinsel (1864–1964)''. Neu herausg. von Karl Kohut. Mit einer ethnologischen Einführung von Horst Cain, einer Lebensskizze Sebastian Englerts von Ludwig B. Riedl und einem missionstheologischen Nachwort von Johannes Meier. Frankfurt am Main 1996. ISBN 3-89354-973-0. * Sebastian Englert: ''Diccionario rapanui-español''. Santiago de Chile 1938. * Heide-Margaret Esen-Baur: ''Untersuchungen über den Vogelmann-Kult auf der Osterinsel.'' Wiesbaden 1983. ISBN 3-515-04062-5. * Heide-Margaret Esen-Baur: ''1500 Jahre Kultur der Osterinsel – Schätze aus dem Land des Hotu Matua''. Ausstellung veranstaltet von der Deutsch-Ibero-Amerikanischen Gesellschaft Frankfurt a. M., 5. April bis 3. September 1989. Mainz am Rhein 1989. ISBN 3-8053-1079-X (Katalog zur Ausstellung im [[Naturmuseum Senckenberg]] mit umfangreichen, wissenschaftlich abgesicherten Informationen). * Fritz Felbermayer: ''Sagen und Überlieferungen der Osterinsel''. Verlag Hans Carl, Nürnberg 1971. * Hermann Fischer: ''Schatten auf der Osterinsel – Plädoyer für ein vergessenes Volk.'' Oldenburg 1998. ISBN 3-8142-0588-X. * Horst Gatermann, Hubert Stadler: ''Osterinsel''. München 1994. ISBN 3-7658-0850-4. * Hans Helfritz: ''Die Osterinsel'', Verlag Fretz & Wasmuth, Zürich 1953 * Thor Heyerdahl: ''[[Aku Aku]]. Das Geheimnis der Osterinsel.'' Frankfurt M –&nbsp;Berlin&nbsp;– Wien 1974. ISBN 3-550-06863-8. * Thor Heyerdahl: ''Die Kunst der Osterinsel. Geheimnisse und Rätsel.'' München-Gütersloh-Wien 1975. ISBN 3-570-00038-9. * Hermann Holzbauer: ''Missionsgeschichte der Osterinsel. Pater Sebastian Englert OFM Cap. (1888–1969) zum 100. Geburtstag.'' Ausstellung Dezember 1988 bis März 1989. Schriften der Universitätsbibliothek Eichstätt. Bd 13. Eichstätt 1988. ISBN 3-924109-09-5. * Terry L. Hunt: ''Kein Kollaps auf der Osterinsel?'' in: Spektrum der Wissenschaft, Dezember 2006, Seite 38. * Henri Lavachery: ''Île de Pâques. Une expédition belge en 1934'', Grasset 1935, ISBN|B-0000DQVU-V. * Alfred Métraux: Ethnologie de l'île de Pâques 1935 * Alfred Métraux: L'île de Pâques, Gallimard. Collection idées 1941 * Jennifer Vanderbes: ''Osterinsel.'' Roman. Berlin 2004. ISBN 3-8270-0494-2. * Alfred Métraux: ''Die Oster-Insel''. Stuttgart 1957. * Katherine Routledge: ''The Mystery of Easter Island. The story of an expedition''. London 1920. * Friedrich Schulze-Maizier: ''Die Osterinsel''. Insel, Leipzig 1926. == Filme == Die Osterinsel bildete für eine Reihe von Filmen den Hintergrund. In der Folge 42 ''[[Chile]] und die [[Osterinseln]]'' (Erstausstrahlung am 1. Januar 2002) der [[Fernsehserie]] des [[ZDF]] ''[[Das Traumschiff]]'', die seit 1981 nach einer Idee von [[Wolfgang Rademann]] produziert wird, wird die Osterinsel thematisiert. Der Film ''[[Rapa Nui – Rebellion im Paradies|Rapa Nui]]'' von [[Kevin Reynolds]] thematisiert eine der Legenden.<ref>{{IMDb Titel|tt0110944|Rapa Nui}}</ref> == Einzelnachweise == <div class="references-small" style="-moz-column-count:2; column-count:2;"><references /></div> == Weblinks == {{Commons|Isla de Pascua|Osterinsel}} {{Wikiatlas|Easter Island}} * [http://www.osterinsel.net/ Private Infoseite über die Osterinsel] * [http://www.karsten-rau.de/idx-rap2.htm Ausführlicher, bebilderter Reisebericht über die Osterinsel] * [http://www.schaetze-der-welt.de/video.php?video=228&quality=80 Schätze der Welt: Osterinsel], mit RealVideo (14&nbsp;Min.) * [http://www.zeit.de/2006/16/A-Osterinseln?page=all Die Zeit: „Das Eiland am Ende der Welt“] * [http://www.zeit.de/2009/23/DOS-Osterinsel?page=all Die Zeit: „Warnung an die Welt“] * [http://sz-magazin.sueddeutsche.de/texte/anzeigen/29627 SZ-Magazin: „Die Reise des Königs“] * [http://www.zdf.de/ZDFmediathek/beitrag/video/931494/Terra-X-Heisse-Spur-auf-Rapa-Nui?bc=kua884730#/beitrag/video/931494/Terra-X-Heisse-Spur-auf-Rapa-Nui ''Terra X: Heisse Spur auf Rapa Nui'' (Video)] {{Navigationsleiste Staaten in Ozeanien}} {{Exzellent}} {{Coordinate |NS=27/7/10/S |EW=109/21/17/W |type=isle |region=CL-VS}} [[Kategorie:Osterinsel| ]] [[Kategorie:Insel (Pazifischer Ozean)]] [[Kategorie:Insel (Australien und Ozeanien)]] [[Kategorie:Insel (Chile)]] [[Kategorie:Insel (Polynesien)]] [[Kategorie:Weltnaturerbe (Asien und Ozeanien)]] [[Kategorie:Umweltgeschichte]] {{Link GA|lv}} {{Link FA|he}} {{Link FA|no}} {{Link FA|ru}} [[ace:Pulo Easter]] [[ar:جزيرة القيامة]] [[be:Востраў Пасхі]] [[be-x-old:Выспа Пасхі]] [[bg:Великденски остров]] [[br:Enez Pask]] [[bs:Uskršnje ostrvo]] [[ca:Illa de Pasqua]] [[cs:Velikonoční ostrov]] [[cy:Ynys y Pasg]] [[da:Påskeøen]] [[el:Νησί του Πάσχα]] [[en:Easter Island]] [[eo:Paskinsulo]] [[es:Isla de Pascua]] [[et:Lihavõttesaar]] [[eu:Pazko uhartea]] [[fa:جزیره ایستر]] [[fi:Pääsiäissaari]] [[fo:Páskaoyggin]] [[fr:Île de Pâques]] [[frp:Ila de Pâques]] [[fy:Peaske-eilân]] [[ga:Oileán na Cásca]] [[gl:Illa de Pascua - Rapa Nui]] [[gv:Ellan y Chaisht]] [[he:אי הפסחא]] [[hi:ईस्टर द्वीप]] [[hr:Uskršnji otok]] [[hsb:Jutrowna kupa]] [[hu:Húsvét-sziget]] [[id:Pulau Paskah]] [[io:Pasko-Insulo]] [[is:Páskaeyja]] [[it:Isola di Pasqua]] [[ja:イースター島]] [[ka:აღდგომის კუნძული]] [[ko:이스터 섬]] [[kw:Ynys Pask]] [[la:Insula Paschalis]] [[li:Paoseiland]] [[lt:Velykų sala]] [[lv:Lieldienu sala]] [[mg:Nosin'i Paska]] [[mk:Велигденски Остров]] [[ml:ഈസ്റ്റർ ദ്വീപ്]] [[mn:Пасха арал]] [[mr:ईस्टर द्वीप]] [[nl:Paaseiland]] [[nn:Påskeøya]] [[no:Påskeøya]] [[oc:Illa de Pascas]] [[os:Куадзæны сакъадах]] [[pl:Wyspa Wielkanocna]] [[pnb:جزیرہ ایسٹر]] [[pt:Ilha de Páscoa]] [[qu:Rapanuy]] [[ro:Insula Paştelui]] [[ru:Остров Пасхи]] [[scn:Ìsula di Pasqua]] [[sh:Uskršnji Otok]] [[sk:Veľkonočný ostrov]] [[sl:Velikonočni otok]] [[sr:Ускршње острво]] [[sv:Påskön]] [[sw:Kisiwa cha Pasaka]] [[ta:ஈஸ்டர் தீவு]] [[th:เกาะอีสเตอร์]] [[tr:Paskalya Adası]] [[uk:Острів Пасхи]] [[vec:Ìxoła de Pasqua]] [[vi:Đảo Phục Sinh]] [[war:Isla de Pascua (lalawigan)]] [[yo:Easter Island]] [[zh:復活節島]] [[zh-min-nan:Rapa Nui]] 4ilmb57tmothuv7bkc7nx8gu4n89u9p wikitext text/x-wiki MediaWiki:Vector.css 8 23532 26087 2010-05-11T12:26:04Z Voice of All 167 Neue Seite (vgl. 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Cohen }} Das '''Selbstporträt mit Palette''' (französischer Titel ''Autoportrait à la palette'') ist ein [[Gemälde]] des französischen Malers [[Édouard Manet]]. Das 83 × 67&nbsp;cm große, in Öl auf Leinwand gemalte Bild schuf Manet 1879. Es gehört zum vom [[Impressionismus]] beeinflussten Spätwerk des Künstlers. ''Selbstporträt mit Palette'' ist eines der wenigen Bilder Manets, in denen er sich selbst darstellte. Als Vorbild für das Gemälde wird ein Selbstbildnis von [[Diego Rodríguez de Silva y Velázquez|Diego Velázquez]] betrachtet. Heute befindet es sich in der [[Steven A. Cohen|Sammlung Steven A. Cohen]] in [[Greenwich (Connecticut)]]. == Bildbeschreibung == Das 83 × 67&nbsp;cm große Gemälde zeigt ein Halbporträt des Malers Édouard Manet. In diesem Selbstbildnis als Maler stellte er sich als modischen [[Boulevard]]ier vor einem dunklen Hintergrund dar. Der Abgebildete trägt eine schwarze [[Melone (Hut)|Melone]] und ein braunes Jackett, darunter ein weißes Hemd, von dem nur der Kragen zu sehen ist. Den Brustausschnitt der Anzugjacke bedeckt eine schwarze Seidenkrawatte, die von einer Krawattennadel fixiert wird.<ref name="Theodor Reff">Theodor Reff: ''Manet and modern Paris'', S. 30.</ref> In der linken, nur undeutlich dargestellten Hand hält er einen langen Holzpinsel mit roter Farbe auf den Borsten, die rechte Hand hält eine [[Farbpalette (Malkunst)|Farbpalette]] sowie drei weitere Pinsel. Auf weitere Accessoires wird verzichtet. Die Figur wird von rechts beleuchtet, wodurch die Schattenbildungen unterhalb des rechten Armes sowie in der linken Gesichtshälfte entstehen. Durch die leicht nach links gedreht erscheinende Haltung ist die linke Körperhälfte zudem dunkler als die vordere, rechte Körperhälfte. Der Blick des Malers ist nach vorn auf den Betrachter gerichtet. Da Manet allerdings mit ziemlicher Sicherheit kein Linkshänder war, ist das Bild des Malers ein [[Abbild]] in Form einer seitenverkehrten Darstellung, wie sie in einem [[Spiegelbild]] erscheint. [[Bild:DiegoVelazquez MeninasDetail.jpg|thumb|Selbstporträt von Diego Velázquez als Teil von ''[[Las Meninas]]'', 1656]] [[Bild:Pierre-Auguste Renoir 112.jpg|thumb|Pierre-Auguste Renoir: ''Bildnis Claude Monet'', 1875]] == Entstehung und Deutung == Wie durch [[Röntgenstrahlung|Röntgenanalysen]] festgestellt wurde, übermalte Édouard Manet mit seinem ''Selbstporträt mit Palette'' ein Profilbildnis seiner Frau [[Suzanne Manet|Suzanne]]. Sie war in diesem Bild in einer ähnlichen Pose dargestellt wie im Gemälde ''Madame Manet am Klavier'' (1868, Musée d’Orsay). Die Datierung des Bildes geht auf Manets Freund [[Théodore Duret]] zurück, der nach Manets Tod hierzu [[Léon Leenhoff]], den Sohn von Manets Frau befragte.<ref name="Juliet Wilson-Bareau">Juliet Wilson-Bareau in Gary Tinterow, Geneviève Lacambre: ''Manet/Velázquez'', S. 502.</ref> Zudem verwendete Manet die Anzugjacke im ''Selbstporträt mit Palette'' ebenfalls im 1879 entstandenen Gemälde ''Beim Père Lathuille'' für die Darstellung des Sohnes des Restaurantbesitzers. Als Vorbild für das ''Selbstporträt mit Palette'' wird das Gemälde ''[[Las Meninas]]'' aus dem Jahr 1656 von [[Diego Velázquez]] betrachtet, in dem sich der Künstler ebenfalls mit Pinsel und Palette präsentiert. Hier steht der Maler allerdings im Hintergrund seines Ateliers, während den Vordergrund sein Modell einnimmt, die fünfjährige [[Margarita Teresa von Spanien]] mit ihren Bediensteten. Manet übernahm daraus die Pose des Malers und die Malutensilien, wodurch er, anders als Velázquez, sich selbst zum thematischen Zentrum des Bildes machte. Zugleich ist er jedoch aktiv und überlässt die Ausgestaltung seiner Umgebung sowie die Vorstellung eines im Entstehen begriffenen Gemäldes der Phantasie des Betrachters. Manet selbst malte den spanischen Maler in einer Atelierszene zwischen 1865 und 1870 in einer dem Selbstporträt Velasquez’ ähnlichen Pose. Üblicherweise trugen und tragen Maler bei der Arbeit keine Ausgehkleidung, da diese durch die Ölfarben zu leicht verschmutzt werden könnte. Manets Selbstbildnis als Maler in modischer Stadtkleidung hat verschiedene Vorbilder. Bereits Velázquez trägt im Gemälde ''Die Hoffräulein'' eine kostbare, bei Hof übliche Kleidung. 1870 saß Manet dem Maler [[Henri Fantin-Latour]] im Gemälde ''[[Un atelier aux Batignolles]]'' ebenfalls als gutgekleideter Künstler Modell. Auch das Tragen eines Hutes in einem Innenraum hatte bei der Darstellung eines Malers ein unmittelbares Vorbild. So porträtierte [[Pierre-Auguste Renoir]] seinen Malerkollegen [[Claude Monet]] bereits 1875 mit Anzug und Hut. So wie Velázquez durch seine Kleidung seine Nähe zum spanischen Hof unterstreicht, zeigt Manets Kleidung seine Rolle als modischer und erfolgreicher Pariser Künstler,<ref name="Theodor Reff" /> ''der nicht nur in seiner künstlerischen Haltung, sondern auch in seinem Auftreten und Aussehen vollkommen dem Modell des >peintre de la vie moderne< von Baudelaire entspricht''<ref>zitiert aus Hajo Düchting: ''Manet Pariser Leben'' München, New York 1985; ISBN 3-7913-1445-9 zu Selbstporträt mit Palette, Seite 93</ref> Auffällig in dem Gemälde ist die unfertig wirkende linke Hand mit dem Pinsel des Malers. Victor Stoichiţă erkennt hier eine Absicht Manets und interpretiert sie folgendermaßen: ''Obschon es ein Malakt ist, der hier gezeigt wird, dreht sich die Malerei um sich selbst wie ein Wirbelwind.''<ref name="Stoichiţă">Stoichiţă 2005.</ref> Nach [[Françoise Cachin]] erkläre sich diese Gestaltung mit der Intention, das Licht und die Gedanken auf die wesentlichen Aspekte des Bildes zu konzentrieren.<ref>Françoise Cachin: ''Manet, The Influence of the Modern.'' New York 1995; ISBN 0-8109-2892-2 zu Selbstporträt mit Palette, Seite 109</ref> Suzanne Manet, die Ehefrau des Künstlers, bezeichnete allerdings sowohl dieses Bild als auch das ''Selbstporträt mit Käppchen'' (frz. ''Autoportrait'', 1878/79) als Skizzen.<ref name="Moffet">Nach Moffet 1984.</ref> Bereits 1870 schuf der Malerkollege und Freund Manets ein Bild mit dem Titel ''[[Un atelier aux Batignolles]]'', in dem er Manet malend in der Runde seiner Freunde und Bewunderer darstellte. Auf diesem Gemälde sitzt Manet vor der Staffelei, den Pinsel mit der rechten Hand führend. Fantin-Latour wollte mit dem in akademischer Malweise ausgeführten Bild die Ernsthaftigkeit der Arbeit Manets sowie der jungen Generation französischer Künstler zum Ausdruck bringen. Dieser Plan scheiterte allerdings und führte zu Spott über die zentrale Position Manets inmitten seiner Bewunderer, der in einer zeitgenössischen Karikatur in ''Le Journal amusant'' seinen Ausdruck fand; dort wurde Manet verglichen mit Jesus in der Mitte seiner Jünger. Weitere Gemälde Henri Fantin-Latours, auf denen Manet dargestellt ist, waren unter anderem ein Porträt aus dem Jahre 1867 und die ''[[Hommage à Delacroix]]'' von 1864, in der er auch sich selbst abbildete und weitere Maler seiner Generation vor dem Porträt [[Eugène Delacroix]]s versammelte. <gallery> Bild:Edouard Manet - Spanish Studio Scene.jpg|Édouard Manet: ''Velasquez im Atelier'', 1865–1870 Bild:Fantin-Latour Homage to Delacroix.jpg|Henri Fantin-Latour: ''[[Hommage à Delacroix]]'', 1864 Bild:Manet par Fantin-Latour.jpg|Henri Fantin-Latour: ''Portrait d'Edouard Manet'', 1867 Bild:Henri Fantin-Latour 006.jpg|Henri Fantin-Latour: ''[[Un atelier aux Batignolles]]'', 1870 </gallery> == Einordnung in das Gesamtwerk == [[Bild:Édouard Manet - Self-Portrait with Scull-Cap.JPG|thumb|''Selbstporträt mit Käppchen'', 1878/79]] Das ''Selbstporträt mit Palette'' ist das einzige [[Selbstporträt]] Manets, in dem er sich als Künstler darstellte. Darüber hinaus stellte er sich noch in weiteren Gemälden selbst dar: ''Der Fischfang'' (frz. ''La pêche'', 1860/61), ''Musik im Tuileriengarten'' (frz. ''Musique aux Tuileries'', 1862) und ''Maskenball in der Oper'' (''Bal Masqué à l’Opéra'', 1873); auf diesen Bildern zeigte er sich allerdings nicht im Vordergrund, sondern als Teil einer Gesamtkomposition. Nur das etwa zur gleichen Zeit entstandene ''Selbstporträt mit Käppchen'', ein Ganzporträt, wird als weiteres echtes Selbstbildnis verstanden. Es hängt heute im [[Bridgestone Museum of Art]] in [[Tokio]]. Die zeitliche Nähe der beiden Gemälde lässt auf einen direkten Zusammenhang zwischen ihnen schließen, sie werden entsprechend als zwei Stadien eines Werkvorgangs interpretiert. Im ersten Bild, dem ''Selbstporträt mit Palette'', ist der Malakt selbst dargestellt, erkennbar an der aktiven und in den Vordergrund gerückten Geste des Malers. Das Ganzporträt zeigt den Maler dagegen in einem deutlichen Abstand zum Betrachter. Nach Éric Darragon scheint es, als nehme der Maler ''Abstand, um sein Gemälde zu beurteilen''.<ref> Darragon: ''Manet'', Paris 1989. Zitiert nach Stoichiţă 2005.</ref> Nach Manets Tod hingen die beiden Bilder zu beiden Seiten des 1877 entstandenen Gemäldes ''[[Jean-Baptiste Faure]] in der Rolle des Hamlet''. Stoichiţă zieht aus dieser Anordnung den Schluss, dass durch die Wahl des spanisch wirkenden Gemäldes eine erneute Parallele zu Velázquez entstehen sollte, wobei die Aussage einer Platzierung neben der Präsentationsrolle Faures als [[Hamlet]] allerdings darin liegen könnte, dass mit den Selbstporträts ''Manet in der Rolle von Manet'' dargestellt werden sollte.<ref name="Stoichiţă" />. Nach Juliet Wilson-Bareau wurden die Bilder aber wahrscheinlich nicht von Manet selbst so arrangiert; sie geht vielmehr davon aus, dass [[Léon Leenhoff]] die Bilder rahmen ließ und dann zu beiden Seiten des Faure-Gemäldes aufhing.<ref name="Juliet Wilson-Bareau" /> <gallery> Bild:Édouard Manet - Fishing.JPG|''Der Fischfang'', 1860/61 Bild:Edouard Manet Music in the Tuileries 1862.jpg|''Musik im Tuileriengarten'', 1862 Bild:Edouard Manet 093.jpg|''Maskenball in der Oper'', 1873 Bild:Edouard Manet Faure as Hamlet.JPG|''Jean-Baptiste Faure in der Rolle des Hamlet'', 1877 Bild:Édouard Manet - Fishing (Detail).JPG|''Der Fischfang'' (Detail), Manet gemeinsam mit seiner späteren Ehefrau Suzanne Bild:Édouard Manet - La Musique aux Tuileries (Detail).JPG|''Musik im Tuileriengarten'' (Detail) Bild:Édouard Manet - The Ball of the Opera (Detail).jpg|''Maskenball in der Oper'' (Detail), Manet ist der Mann mit dem blonden Bart Bild:Edouard Manet 031.jpg|''Beim Pere Lathuille'', 1879, fast gleichzeitige Verwendung der Anzugjacke </gallery> ==Rezeption== In der Bedeutung wurde das Gemälde sehr häufig als von geringerem künstlerischen Wert eingeschätzt. Der Kritiker [[Étienne Moreau-Nélaton]] schrieb 1926 sinngemäß: ''Diese Arbeit wie auch der andere Versuch wird von einer gewissen Kälte verdorben. Zuviel Feuer führt die Hand, sie malt hier so frei, daß sich der Maler unmöglich ernsthaft auf sich selbst als Gegenstand konzentrieren kann.''<ref>[[Étienne Moreau-Nélaton]]: ''Manet raconté par lui-même''. Band II, Paris 1926, S. 50–51. Übersetzung nach Moffet 1984.</ref> Andererseits betonte [[Theodore Reff]] 1982 die Bedeutung der Entscheidung Manets, sich zum Höhepunkt seiner Karriere mit zwei Selbstporträts einem Genre zu nähern, das er bislang nie versucht hatte.<ref name="Moffet" /> Vor allem die gewählte Kleidung, in beiden Fällen ein modischer Anzug, drücke aus, dass sich Manet als Teil des zeitgenössischen und modernen Lebens sah, nach [[Théodore Duret]] gehörte er zur ''Pariser Prominenz'' und war sich dessen auch bewusst. Wilson-Bareau liefert eine alternative Erklärung für die Entstehung der Selbstporträts. Nach [[Adolphe Tabarant]] befragte der Zeitgenosse Théodore Duret Léon Leenhoff nach dem Zeitpunkt, an dem Manet von seiner [[Syphilis]]-Erkrankung erfahren habe. Leenhoff gab als Antwort das Jahr 1879 an, wodurch erklärbar wird, dass Manet, der ansonsten in seinem Leben nie an einem Selbstporträt gearbeitet hat, in diesem Jahr zwei Bilder dieses Genres gemalt hat. Offensichtlich wollte er, da er nun die eigene Sterblichkeit vor Augen hatte, sich nochmals mit sich selbst beschäftigen.<ref name="Juliet Wilson-Bareau" /> == Provenienz == Das ''Selbstporträt mit Palette'' wurde zu Manets Lebzeiten nicht verkauft und ging nach seinem Tod in den Besitz seiner Witwe Suzanne über. In der Nachlassauktion im Jahre 1884 wurden beide Selbstporträts allerdings nicht versteigert, Manets Frau wollte sich wahrscheinlich erst 1897 von ihnen auf Anraten von [[Antonin Proust]] trennen, der ihr in einem Schreiben vom 10. Mai 1897 darlegte, dass weder [[Jean-Baptiste Faure]] noch [[Auguste Pellerin]] an den Bildern interessiert seien. Am 2. Februar 1899 vermachte Suzanne Manet die Bilder ihrer Schwester Martina Leenhoff, wahrscheinlich um ihr damit aus finanziellen Schwierigkeiten zu helfen. Im gleichen Jahr versuchten Frau Manet und Proust erneut, die beiden Bilder zu verkaufen, interessiert waren der deutsche Kunsthändler [[Hermann Paechter]] sowie der Franzose [[Ambroise Vollard]]. Paechter erhielt beide Bilder im gleichen Jahr zum Preis von 6.000 Francs für das ''Selbstporträt mit Käppchen'' und nur 1.000 Francs für das ''Selbstporträt mit Palette''. Im Ausstellungskatalog von [[Théodore Duret]] aus dem Jahr 1902 erschien das Bild allerdings als Besitz von Pellerin. Kurz danach ging das ''Selbstporträt mit Käppchen'' an [[Max Linde]] in Lübeck, dem [[Ophthalmologie|Augenarzt]] [[Edvard Munch]]s. Eventuell wurde der norwegische Maler Munch durch dieses Porträt zu eigenen Ganzporträts inspiriert, die er am Anfang des 20. Jahrhunderts unter anderem von seinem Psychiater [[Daniel Jacobson]] (1909) anfertigte und die in Stil und Stimmung dem Manetbild nahe kamen.<ref>nach Mikael Wivel: ''Ausstellungskatalog Kopenhagen 1989: Manet.'' Charlottenlund 1989; ISBN 87-88692-04-3</ref> Im Mai 1910 tauchte das ''Selbstporträt mit Palette'' in einer Ausstellung in der Galerie [[Georges Petit]] in Paris auf und wurde als Leihgabe der Witwe des Marquis [[Etienne de Ganay]] deklariert. Bereits einen Monat später wurde es dann auf einer Ausstellung der Galeristen [[Paul Durand-Ruel]], [[Bernheim-Jeune]] und [[Paul Cassirer]] zusammen mit allen ehemals im Besitz von Pellerin befindlichen Manet-Bildern gezeigt. Pellerin hatte seine Sammlung an die Händler, das ''Selbstporträt mit Palette'' allerdings wahrscheinlich bereits vorher an Madame de Ganay verkauft, und gemeinsam mit ihm wollten sie die ehemalige Sammlung Pellerin vollständig zeigen. Madame de Ganay besaß das Gemälde auch noch in den 1920er Jahren, 1931 gehörte es allerdings dem Berliner Bankier und Präsidenten der [[Darmstädter und Nationalbank]] [[Jakob Goldschmidt]]. Goldschmidt emigrierte 1936 mitsamt der Sammlung nach [[New York City]] und starb dort 1955. Im Jahre 1958 kaufte J. Summers das Gemälde für 65.000 Pfund Sterling.<ref>Provenienz nach Moffet 1984.</ref> <!-- hier gibt es eine Lücke, wie kam das Bild in die Sammlung Loeb? (Zumindest gab es da keinen Zwischenbesitzer, also eventuell Privatverkauf von Summers an Loeb)--> Später erwarb das Sammlerehepaar John und Frances L. Loeb aus New York das Bild für 176.800 US-Dollar.<ref>''New York Times'', July 5, 1998</ref> Bei der Versteigerung der Sammlung Loeb am 12. Mai 1997 bei [[Christie's]] ging das Gemälde für 18,7 Millionen US-Dollar<!-- 17 Millionen plus Aufgeld des Auktionshauses --> an einen zunächst anonymen Bieter.<ref>David Ebony in ''Art in America'', July 1997.</ref> Seinerzeit war dies der zweithöchste je für einen Manet gezahlte Preis. Als neuer Besitzer gab sich kurze Zeit später der Casinobesitzer [[Steve Wynn (Unternehmer)|Steve Wynn]] zu erkennen, der das Bild in den Folgejahren in seinen Hotels [[Hotel Bellagio|Bellagio]] und [[Wynn Las Vegas]] ausstellte.<ref name="Juliet Wilson-Bareau" /> Seit März 2005 ist es Teil der [[Sammlung Steven A. Cohen]].<ref>''New York Times'', March 3, 2005.</ref> == Kopie == Der Neffe des Künstlers, [[Edouard Vibert]] (1867–1899), fertigte kurz vor seinem Tod eine Reihe von Kopien verschiedener Manet-Gemälde für Madame Manet als Erinnerung an die Bilder an, die sie nach dem Tod des Künstlers verkaufen musste. Um die Jahrhundertwende zum 20. Jahrhundert tauchte im Kunsthandel auch eine Kopie des ''Selbstporträts mit Palette'' auf, die ihm zugeschrieben wurde.<ref name="Moffet"/> == Literatur == * Charles S. Moffet: ''Selbstporträt mit Palette''. In: ''Manet 1832–1883''. Réunion des Musées Nationaux, Paris, The Metropolitan Museum of Art, New York, Frölich & Kaufmann, Berlin 1984, ISBN 3-88725-092-3. * Theodor Reff: ''Manet and modern Paris''. National Gallery of Art, Washington und University of Chicago Press, Chicago und London 1982, ISBN 0-226-70720-2. * Victor Ieronim Stoichiţă: ''Eduard Manet: Selbstporträt, 1879''. In: Ulrich Pfisterer, Valeska von Rosen: ''Der Künstler als Kunstwerk. Selbstporträts vom Mittelalter bis zur Gegenwart''. Philipp Reclam jun., Stuttgart 2005, ISBN 3-15-010571-4. * Gary Tinterow, Geneviève Lacambre: ''Manet/Velázquez: The French Taste for Spanish Painting''. Réunion des Musées Nationaux, Paris, The Metropolitan Museum of Art, New York, Yale University Press, New Haven und London 2003, ISBN 1-58839-038-1. == Anmerkungen == <references /> {{Exzellent}} [[Kategorie:Gemälde (19. Jahrhundert)]] [[Kategorie:Porträt]] [[Kategorie:Édouard Manet]] [[fr:Autoportrait à la palette]] 11vpc13swwcznsrynj5acmpp3o4d63p wikitext text/x-wiki Sun Quan 0 23534 26131 2010-03-13T17:03:50Z Ralf S. 0 /* Weblinks */ [[WP:VL]] {{Infobox Kaiser von China |Bild=Sun Quan.jpg |Titel=Dōng Wú Dàdì (東吳大帝) |Familienname=[[Sun-Familie|Sūn]] (孙/孫) |Vorname=Quán (权/權) |Zi=Zhòngmóu (仲謀/仲谋) |Hao= |Postumer Titel kurz=Dà (大) |Postumer Titel vollständig= |Tempelname=Tàizǔ (太祖) |Regierungszeit=[[229]]–[[252]] |Äranamen=Huángwǔ (黃武) 222–229 Huánglóng (黃龍) 229–231 Jiāhé (嘉禾) 232–238 Chìwū (赤烏) 238–251 Taìyuán (太元) 251–252 Shénfèng (神鳳) 252 }} '''Sūn Quán''' ({{zh|v=孙权|t=孫權|w=Sun Ch'üan|hcipa=su̯ən5 tɕʰʏ̯ɛn35}}), [[Chinesischer Name#Hào (Pseudonym, Ehrenname)|Großjährigkeitsname (Zi)]] '''Zhòngmóu''' (* [[182]]; † [[252]]), war der Begründer der chinesischen [[Wu-Dynastie]] zur [[Zeit der Drei Reiche]]. Er war ein Sohn des Generals [[Sun Jian]]. Nach dessen Tod begleitete er seinen älteren Bruder [[Sun Ce]] auf seinen Feldzügen, während dieser zum Kriegsherrn im südöstlichen China aufstieg. Nach Sun Ces Tod im Jahr 200 folgte Sun Quan ihm nach. Er konnte seine Macht konsolidieren und gegen Übergriffe aus dem Norden behaupten. Sein Sieg in der [[Schlacht von Chibi]] (208) besiegelte die Teilung Chinas für die nächsten Jahrzehnte. Im Jahr 221 wurde Sun Quan von [[Cao Pi]], dem Kaiser der [[Wei-Dynastie]], zum ''Herzog von Wu'' ernannt. Er schlug seinen westlichen Rivalen [[Liu Bei]] in der [[Schlacht von Xiaoting]] (222) und wandte sich gegen Cao Pi. Nach seinem Sieg über die Wei-Armee in der [[Schlacht von Shiting]] erklärte er sich im Jahr 229 zum Kaiser. Zahlreiche außen- und innenpolitische Rückschläge verhinderten, dass Sun Quan die Macht seines Reiches weiter ausdehnen konnte. Neben einer fehlgeschlagenen Expedition ins [[Ostchinesisches Meer|Ostchinesische Meer]] und der misslungenen Unterstützung für den Wei-Rivalen [[Gongsun Yuan]] war es besonders seine mangelhafte Kooperation mit den Verbündeten [[Shu Han]] im Westen, die seine Position nach außen schwächte. Im Innern machten ihm die mangelhafte Kontrolle der lokalen Statthalter und bei Hofe nach dem Tod seines Thronfolgers [[Sun Deng]] ein Prinzenstreit zu schaffen. Das Reich, das Sun Quan nach seinem Tod im Alter von siebzig Jahren nach 52 Jahren Regierung hinterließ, war nicht stark genug, um sich gegen die Bedrohung durch die Wei-Dynastie zu behaupten. Machtkämpfe zwischen den Regenten seiner Nachfolger, den Generälen und den Kaiserinnen schwächten das Reich zusätzlich. Im Jahr 280 wurde es schließlich von [[Jin Wudi|Kaiser Wu von Jin]] erobert, der die Wei-Dynastie fünfzehn Jahre zuvor beendet hatte. == Leben == [[Bild:Warlords in 199.jpg|thumb|300px|Machtblöcke in China kurz vor dem Tod Sun Ces.]] === Kindheit und Jugend === Sun Quan soll laut den ''[[Chroniken der Drei Reiche]]'' vom General [[Sunzi (General)|Sunzi]] abstammen. Die spätere Tradition weist ihm die ''Sūn-Insel'' im Unterlauf des [[Qiantang-Fluss]]es als Geburtsort zu. Seine Eltern waren der General [[Sun Jian]] und dessen Gemahlin [[Wu (Sun Jian)|Wu]]. Als Sun Quan im Jahr 182 geboren wurde, diente sein Vater [[Sun Jian]] unter Kaiser [[Han Lingdi|Ling]] (156–189). Nach dessen Tod diente er dem Kriegsherrn [[Yuan Shu]] (155–199) im Bürgerkrieg und fiel bei einem Angriff auf den Kriegsherrn [[Liu Biao]] (142–208) im Jahr 191. Sun Quan hatte drei Schwestern und vier Brüder, von denen einer von einer Konkubine und drei von seiner Mutter [[Wu (Sun Jian)|Wu]] stammten. [[Sun Ce]] (175–200) war der älteste und übernahm das Kommando seines Vaters. In energischen Feldzügen unterwarf er die südöstlichen Regionen des Reiches, zunächst noch als Gefolgsmann Yuan Shus. Sun Ce verstärkte seine Armee auch durch die Kontingente von Verwandten, etwa seines Onkels [[Wu Jing]], und setzte seine Verwandten in Schlüsselpositionen im Heer und in der Zivilverwaltung ein: Seine etwa gleichaltrigen Vettern [[Sun Ben]] und [[Sun Fu]] waren Offiziere, Sun Quan ernannte er im Jahr 196 zum Zivilverwalter von Yangxian. Obwohl dieser Posten eher symbolischen Wert besaß, wird seine Verleihung als Zeichen von Sun Ces Achtung vor seinem jüngeren Bruder angesehen. Im Sommer des Jahres 200 wurde Sun Ce auf der Jagd tödlich verwundet und ernannte Sun Quan in Anwesenheit seiner Berater zu seinem Nachfolger. In den ''Chroniken der Drei Reiche'' sind die folgenden Worte des sterbenden Sun Ce an seinen Bruder überliefert, mit denen er ihm seine Insignien überreichte: ''„Truppen westlich des Yang-Flusses aufstellen, die Chancen zweier Schlachtfronten abschätzen, um Vorherrschaft im Reich kämpfen: Darin kommst du mir nicht gleich. Die Würdigen fördern und fähige Männer in die Ämter einsetzen, so dass jeder sein Bestes tut, um die Länder des Ostens zu halten: Darin komme ich dir nicht gleich.“''<ref>''SGZ'' 46; ''Wu li'' 1, 1109.</ref> === Als Kriegsherr === ==== Konsolidierung ==== Der fließende Übergang von Sun Ce zu Sun Quan ist ein deutliches Zeichen dafür, dass Sun Quan zum Zeitpunkt seiner Machtergreifung bei seinem Bruder, den Generälen und den Beratern Achtung genoss und als der nächstliegende Nachfolger galt. So konnte die Macht der Sun-Familie vererbt werden, während die Reiche vieler anderer Kriegsherren beim Tod ihres Anführers in Chaos versanken und ein rasches Ende fanden. Eine Alternative zur Wahl Sun Quans scheint es überdies nicht gegeben zu haben. Sun Ce hatte einen leiblichen Sohn [[Sun Shao]], der jedoch im Sommer 200 entweder ungeboren oder ein Säugling war und darum nicht für die Leitung eines kleinen, instabilen Territoriums in Frage kam. Sun Quans leibliche Brüder, [[Sun Yi (Marquis)|Sun Yi]] und [[Sun Kuang]], waren jünger als er und nicht so profiliert. Das ''Buch von Wu'' (zitiert in den ''Chroniken der Drei Reiche'') berichtet auch von kurzlebigen Plänen eines Vetters der Sun-Brüder, [[Sun Gao]], die Nachfolge anzutreten. Er hatte sich im Jahr 196 an Sun Ces Feldzügen beteiligt und saß als General mit seinen Truppen in der Kuaiji-Kommandantur. Er traf angeblich Anstalten, mit seinen Truppen die Macht zu ergreifen, erhielt jedoch wie alle Statthalter und Generäle eine Nachricht von Sun Quan, ihm loyal zu bleiben. Sun Gao befolgte das Gebot und gab seinen Plan auf. Er scheint kurz darauf verstorben zu sein, jedenfalls fehlen ab da Nachrichten über ihn.<ref>''SGZ'' 51, ''Wu Shu'' 6, 1205.</ref> Die Unterstützung durch verdiente Beamte war für Sun Quans Autorität gerade am Beginn seiner Herrschaft entscheidend. Seine wichtigsten Parteigänger waren die Berater [[Lü Fan]], [[Zhang Zhao]] und [[Zhang Hong]] sowie die verdienten Generäle [[Cheng Pu]] und [[Zhou Yu]]. Die meisten etablierten Feldherren in seinem Gefolge hatten sich erst unter Sun Ce einen Namen gemacht, nur Cheng Pu, [[Huang Gai]] und [[Han Dang]] hatten bereits Sun Jian gedient. Sie alle sahen Sun Quan als rechtmäßigen Nachfolger an und unterstützten seine Nachfolge. In historischen Quellen wird Cheng Pu als entscheidende Person genannt, die Sun Quans Autorität in der Provinz befestigte, während die volkstümliche Tradition dem berühmten Zhou Yu diese Rolle zuschreibt. [[Bild:Sun Ce Territory.jpg|thumb|300px|Machtbereich Sun Quans in der Yang-Provinz um 200–203.]] Das Kernland Sun Quans bestand zu dieser Zeit aus den Kommandanturen Danjang, Wu und Kuaiji (etwa die heutige Provinz [[Zhejiang]]), die je von [[Zhu Zhi]], Wu Jing und Sun Quan verwaltet wurden. Die Lujiang-Kommandantur, 199 von Sun Ce erobert, stand unter der Statthalterschaft eines Li Shu, der Unabhängigkeit von seinem neuen Herrn anstrebte. Er plante, sich dem Kanzler und mächtigen Kriegsherrn [[Cao Cao]] (155–220) anzuschließen, der den Norden Chinas beinahe unumschränkt beherrschte und den Kaiser [[Han Xiandi|Xian]] kontrollierte. Er hatte auch Sun Ce und in seiner Nachfolge Sun Quan als Kommandanten von Kuaiji bestätigt. Sun Quan kam jedoch Li Shu zuvor und zeigt ihn bei Cao Cao als Verbrecher an. Li Shu war isoliert und konnte dem Angriff Sun Quans nicht standhalten. Er wurde geköpft und durch [[Yu He|Sun He]] ersetzt, einen älteren Stiefbruder Sun Quans. Cao Cao reagierte, indem er [[Liu Fu]] als Inspektor der Yang-Provinz einsetzte. Dieser begann mit dem Ausbau der Stadt [[Hefei]] als Festung und gewann die Gefolgschaft der Banditen und Flüchtlinge der Gegend. Er errichtete nach dem Vorbild Cao Caos Wehrbauernkolonien in der Liujiang-Kommandantur und verbesserte das Bewässerungssystem. Sun Quan hatte inzwischen mit Unruhen in der Danyang-Kommandantur zu kämpfen. Dort war Sun Yi, der Nachfolger Wu Jings, im Jahr 204 von seinen Beratern Gui Lan und Dai Yuan ermordet worden. Sun He, der neue Großverwalter von Lujiang, wurde mit den Ermittlungen beauftragt, fiel ihnen aber ebenfalls zum Opfer. Die Berater übernahmen die Verwaltung der Kommandanturen und sandten Botschaft zu Liu Fu mit dem Ziel, ihr Gebiet Cao Cao zu unterstellen. Gui Lan soll jedoch dann um die Gemahlin seines ermordeten Herrn geworben haben<ref>''SGZ'' 51; ''Wu Shu'' 6, 1215 PC note 2.</ref>, die bei ihrem Schwager Sun Gao Hilfe suchte. Sun Gao ermordete Gui Lan und Dai Yuan und wurde von Sun Quan, der wenig später mit seiner Streitmacht eintraf, belohnt. Neuer Großverwalter von Danyang wurde [[Sun Yu (Offizier)|Sun Yu]], Sun Gaos jüngerer Bruder. Die ''Biografie des [[Lü Meng]]'' berichtet über Sun Quans weitere Personalpolitik dieser Zeit: Er inspizierte die jungen Offiziere, um ihre Truppen nach Verpflegung und Kampfkraft zusammenzulegen.<ref>in: ''SGZ'' 54; ''Wu Shu'' 9, 1273</ref> Daneben bemühte er sich um die Gefolgschaft verdienter Männer. Zu ihm zogen [[Zhuge Jin]] (174–241) aus Langye, der Bruder des berühmten [[Zhuge Liang]]; [[Bu Zhi]] († 248) aus Xiapi; Yan Jun aus Pengcheng; und der spätere Oberbefehlshaber [[Lu Su]] (172–217) auf Anraten von Zhou Yu. ==== Der Krieg gegen Huang Zu ==== Nach der Befestigung seiner Aufmarschbasis und Position konnte Sun Quan die Pläne seines Bruders zur Expansion nach Westen und Süden wieder aufnehmen. Sein erstes Ziel war [[Huang Zu]], der als General des Gouverneurs Liu Biao die Jing-Provinz (in der heutigen Provinz [[Jiangxi]]) westlich von Danyang bewachte und in der benachbarten Jiangxia-Kommandantur saß. Schon seit den Tagen Sun Jians war er ein Erbfeind der Sun-Familie und stellte für Sun Quan eine ernste Bedrohung dar. Darum fasste der Kriegsherr den Plan, das Gebiet zu erobern. Neben der militärischen Bedeutung dieses Plans spielte auch die Rache für den Tod seines Vaters durch Huang Zu eine Rolle. Im Jahr 203 ging Sun Quan gegen Huang Zus Stellungen am Unterlauf des [[Jangtse]] vor. Obwohl er keine Entscheidung herbeiführen konnte, schädigte er die feindliche Flotte empfindlich, so dass eine Gegenaktion Huang Zus verhindert wurde. Im nächsten oder übernächsten Jahr schickte er seine Generäle Cheng Pu und [[Taishi Ci]] aus, um die Poyang-Region südlich von Huang Zus Machtbereich zu stabilisieren. Er operierte von Jiaoqiu (heutiges [[Nanchang]]) aus, während seine Reserve (unter Sun He, später [[Yu Shao|Sun Shao]]) und die Zivilverwaltung weiterhin in Dantu stationiert blieb. Als die Poyang-Region um 206 gesichert war, gab Sun Quan Zhou Yu den Befehl, die Jing-Provinz anzugreifen, und sicherte ihm die Unterstützung des Großverwalters Sun Yu aus der Danyang-Kommandantur zu. Zunächst eroberte Zhou Yu die Siedlungen Mo und Bao, die am Pengli-See lagen und durch Sümpfe von Huang Zus Hauptquartier in Xiakou (heutiges [[Wuhan]]) abgeschnitten waren. Nach dem Sieg stockte er seine Truppen auf und besiegte Huang Zus Streitmacht, deren Anführer Deng Long er gefangennahm und zu Sun Quan sandte. Im nächsten Jahr führte Sun Quan den Feldzug selbst an. Er schwächte Huang Zus Stellungen durch Plünderungszüge und gewann viele Flüchtlinge aus Jiangxia. Im Jahr 208 führte er den entscheidenden Angriff auf Huang Zus Hauptquartier durch und besiegte ihn erst zu Wasser, nahm dann die Stadt im Sturm und tötete Huang Zu auf der Flucht. Damit hatte Sun Quan sein Territorium verdoppelt und die Gefahr im Westen gebannt. ==== Die Schlacht von Chibi ==== [[Bild:Warlords in 208.jpg|thumb|300px|Die Situation am Vorabend der Schlacht von Chibi: Cao Cao hat den Norden vereinigt, Sun Quan kontrolliert den unteren Jangtse.]] Sun Quans nächste und größte Herausforderung rückte unaufhaltsam näher. Der Tod Liu Biaos im August 208 hatte ein Machtvakuum in der Jing-Provinz hinterlassen, das sein Sohn [[Liu Cong (Drei Reiche)|Liu Cong]] nicht ausfüllen konnte. Im September fiel er Cao Caos Angriff zum Opfer. Der Kriegsherr hatte im Namen des Kaisers, den er kontrollierte, das nördliche China ganz erobert und wandte sich nun dem Süden zu. Von allen Kriegsherren der Zeit hatte er die größte Aufmarschbasis, die stärkste Streitmacht, die höchste Autorität und – dies war das Wichtigste – die größte Menschenmasse zur Verfügung. Gegen Cao Caos Angriff hätte Sun Quan allein nicht bestanden, darum verbündete er sich mit [[Liu Bei]] (161–223). Der General hatte Liu Biao seit 200 gedient und hielt die Festung bei Fancheng mit seinen Beratern [[Guan Yu]], [[Zhang Fei]] und [[Zhuge Liang]]. Er genoss großes Ansehen bei seinen Gefolgsleuten, da er sich auf die Abstammung vom Han-Kaiser [[Han Jingdi|Jing]] berief und seit dem Aufstand der [[Gelbe Turbane|Gelben Turbane]] (184) für das Kaiserhaus gestritten hatte. Nach Liu Biaos Tod hielt er sich aus dem Nachfolgestreit heraus, obwohl es auch Stimmen gab, die ihn zum Nachfolger wünschten. Liu Bei sah jedoch ein, dass eine solch umstrittene Position angesichts einer Invasion von Cao Cao unhaltbar wäre, und führte stattdessen die Zivilbevölkerung unter Aufsicht seiner Armee aus dem Krisengebiet nach Süden. Auf dem Marsch wurden sie von Cao Cao angegriffen und in der [[Schlacht von Changban]] zerstreut, und nur durch Zhang Feis Abwehrkampf konnte Liu Bei mit dem Gros seiner Armee und seiner Familie entkommen. In diesen Wirren befahl Sun Quan seinem Berater Lu Su, Liu Biaos Nachfolger zu besuchen und ihnen sein Beileid auszusprechen. Der Zweck der Mission war Spionage und Kontaktaufnahme mit Liu Bei. Schon vorher erfuhr Lu Su jedoch von Liu Congs wenig aussichtsreicher Nachfolge und Liu Beis Flucht. Er fing den General unmittelbar nach der Niederlage von Changban ab und führte ihn nach Fankou am Jangtse, damit er dort sein Lager aufschlage. Gemeinsam mit Zhuge Liang kehrte er zu Sun Quan zurück und erstattete Bericht. Wer bei der folgenden Beratung die wichtigste Rolle einnahm, Zhuge Liang<ref>so ''SGZ'' 5; ''Buch von Shu'' 5, 915.</ref> oder Zhou Yu<ref>so ''SGZ'' 54; ''Wu Shu'' 9, 1169</ref> (der sich damals, den meisten historischen Berichten zufolge, in Poyang befand), ist von Historikern beider Seiten unterschiedlich überliefert. Für Sun Quan gab es drei Alternativen: Er konnte seine Unabhängigkeit aufgeben und sich Cao Cao unterwerfen, seine Kräfte ballen und sich in seinem Machtbereich einigeln, oder alle möglichen Verbündeten um sich scharen und Cao Cao entgegentreten. Seine Entscheidung fiel auf die Offensive, die ihm die beträchtlichen Truppen Liu Beis ermöglichten. Er befahl Zhou Yu, mit Lu Su und Cheng Pu am südlichen Ufer des Jangtse zu lagern, und gab ihnen 30.000 Mann mit. Liu Beis Truppen waren etwa gleich zahlreich. Sie standen mehr als 220.000 Soldaten Cao Caos gegenüber<ref>Karl W. Eikenberry, ''The campaigns of Cao Cao.'' Military Review 74.8:56–64. (1994)</ref>, obwohl Cao Cao selbst von 800.000 sprach<ref>''SGZ'' 47 / ''Wu Shu'' 2, 1118, Anm. 3</ref>. [[Bild:Chibizhizhan-de-2.png|thumb|300px|Truppenbewegungen in den Schlachten von Changban und Chibi.]] Im späten November oder frühen Dezember 208 segelten Zhou Yu und Cheng Pu den Jangtse hinauf, um sich mit Liu Bei und dessen Verbündeten [[Liu Qi (Drei Reiche)|Liu Qi]] zu treffen. Die folgende Schlacht, die als [[Schlacht von Chibi]] oder Schlacht am Roten Felsen bekannt ist, konnten Liu Bei und Sun Quan durch ihre taktischen Vorteile gewinnen. Cao Caos Streitmacht, vom langen Marsch ermüdet und von Seuchen geplagt, lagerte am nördlichen Flussufer, Liu Beis Armee und Sun Quans Marine am südlichen. Da Cao Caos Soldaten nicht an den Kampf zu Wasser gewöhnt waren, anders als Sun Quans Soldaten, suchte Cao Cao diesen Nachteil auszugleichen. Er nahm den Rat eines vermeintlichen Überläufers aus Liu Beis Lager, [[Pang Tong]], an, seine Schiffe zu vertäuen. So sollte das Schaukeln auf der Überfahrt eingeschränkt werden. Cao Caos Flotte wurde durch diese Maßnahme aber auch manövrierunfähig, so dass Sun Quans General [[Huang Gai]] sie unter Ausnutzung des Südwindes in Brand setzen und vollständig niederbrennen konnte. Mit dieser List wurde Cao Caos Übermacht beim Roten Felsen (Chibi) aufgerieben und ihm eine empfindliche Niederlage beigebracht. So war die Teilung Chinas für die nächsten Jahrzehnte besiegelt. Sun Quan gewährte Liu Bei die Herrschaft über eine Hälfte der Jing-Provinz, damit dieser von dort aus eine Machtbasis erobern konnte. Trotzdem spielte Sun Quan mit dem Gedanken, die Provinz eines Tages ganz an sich zu reißen und so seinen Machtbereich zu vergrößern. ==== Kampf um die Jing-Provinz ==== [[Bild:Warlords in 215.jpg|thumb|300px|Die Situation im Jahr 215: Die Jing-Provinz ist geteilt, Sun Quan hat über den Jangtse gesetzt und den Gouverneur [[Shi Xie]] in der Jiaozhi-Provinz unterworfen.]] Nach der Schlacht von Chibi hatte Sun Quan eine gefährliche Bedrohung abgewendet und gleichzeitig einen Machtfaktor in seinem Bereich ausgeschaltet. Schon 209 starb Liu Qi, und Sun Quan übernahm seine Jiangxia-Kommandantur (deren Zivilverwalter Cheng Pu wurde). Liu Bei, der sein Bündnis mit Sun Quan fortsetzte, eroberte mit Zhou Yu gemeinsam die Jing-Provinz, während nördlich von ihnen der Inspektor Liu Fu seine Stellungen weiter ausbaute. Sun Quan konnte nördlich des Jangtse nicht Fuß fassen, wie auch Liu Fu den Jangtse nicht überschritt. Das Land zwischen Jangtse und dem Huai-Fluss wurde Niemandsland. Im Nordwesten konnte Sun Quans Seite Erfolge verzeichnen. In Koordination mit Zhuge Liang drängte Zhou Yu Cao Caos Statthalter zurück und konnte nach einem Sieg über die Armee [[Cao Ren]]s in der Gegend von [[Jiangling (Jingzhou)|Jiangling]] einen Brückenkopf am linken Jangtse-Ufer errichten. Im Jahr darauf (210) erkrankte Zhou Yu und starb. Sein Nachfolger im Oberbefehl der Streitkräfte wurde Lu Su, der sich jedoch gegen Liu Beis Erfolge auf dem Schlachtfeld nicht hervortun konnte. Liu Bei und Sun Quan waren offiziell gleichberechtigt, aber Sun Quans Stellung im Heer und in der Zivilverwaltung war aufgrund seiner Autorität stärker, während Liu Bei vor allem von seinen eigenen Offizieren, Beratern und Soldaten geschätzt wurde. Um die Bande zu stärken, gab Sun Quan Liu Bei möglicherweise seine jüngere Schwester Sun zur Frau. In späteren Adaptionen wird sie [[Sun Shangxiang]] (oder Sun Ren) genannt, im historischen ''Buch von Shu'' dagegen wird sie ohne Namen und nur an wenigen Stellen erwähnt<ref>''SGZ'' 34. ''Buch von Shu'' 4, 879. ''SGZ'' 36. ''Buch von Shu'' 7, 949</ref>. Ein ehrerbietiger Besuch Liu Beis in Sun Quans Hauptquartier, den dieser nicht erwiderte, wird von der Forschung als frühe dramatische Einfügung betrachtet<ref>Arlington und Acton, ''Chinese Plays'', 230–251</ref>. Da aus dem Norden von Cao Cao keine unmittelbare Gefahr drohte, richtete Sun Quan nach der Befriedung der Jing-Provinz sein Augenmerk auf die nächsten Gegner im Westen. [[Liu Zhang (Kriegsherr)|Liu Zhang]] war seit 194 Gouverneur der Yi-Provinz, musste jedoch häufig Unruhen der Bevölkerung und seiner Offiziere unterdrücken. Sein westlicher Nachbar [[Zhang Lu]] hatte in seiner Kommandantur von [[Hanzhong]] einen daoistischen Gottesstaat errichtet und kontrollierte wichtige Pässe auf dem Weg nach Sichuan. Auf seinem Totenbett hatte Zhou Yu Sun Quan gedrängt, Liu Zhang und Zhang Lu zu unterwerfen, aber ein solcher Feldzug hätte Sun Quans Ressourcen bedenklich strapaziert und sein Reich zu rasch ausgedehnt. Dennoch traf Sun Quan alle Vorbereitungen für eine Invasion in der Yi-Provinz. Er verlieh Lu Su den Befehl über das Gros der Streitkräfte (mehrere zehntausend Mann), um ihn neben Liu Bei in der Jing-Provinz zu stationieren. Liu Bei hatte aber selbst schon ein Auge auf die Yi-Provinz geworfen. Nach der Schlacht von Chibi hatte er sich mit Liu Zhang verständigt und mit Hilfstruppen aus der Yi-Provinz den südlichen Teil der Jing-Provinz besetzt. Dort stellte er sich Sun Quans Invasion entgegen und verweigerte der Armee den Durchmarsch. Aus zwei Gründen entschied sich Sun Quan, die Invasion abzubrechen: Ein Krieg gegen Liu Bei hätte seine Kampfkraft arg geschwächt und außerdem die sichere Westgrenze der Jing-Provinz verheert. Im Norden dagegen war die Grenzfrage immer noch ungelöst, also verlagerte Sun Quan seine Initiative dorthin. Die Jing-Provinz teilte er mit Liu Bei, der von dort aus seinen großen Feldzug gegen Liu Zhang unternahm. Im Jahr 210 schickte Sun Quan auch einen Inspektor in die Jiao-Provinz, die südlichste im damaligen China mit der Hauptstadt Longbian (beim heutigen [[Hanoi]]). Ihr Gouverneur [[Shi Xie]] unterwarf sich Sun Quan, behielt aber seinen Posten. Im Winter 212–213 kämpften Cao Caos und Sun Quans Flotten auf dem Jangtse in Höhe von Sun Quans Festung Ruxu. Der Krieg verheerte das Land, besonders da beide Seiten die Taktik der [[Verbrannte Erde|Verbrannten Erde]] anwendeten und die Landbevölkerung nach Nord und Süd floh. Im Sommer 214 konnte Sun Quan endlich nennenswerte Erfolge verzeichnen: Seine Generäle [[Lü Meng]] und [[Gan Ning]] hatten Huan erobert, die letzte Stadt Cao Caos südlich seiner Festung [[Hefei]]. Lü Meng wurde für seinen Sieg mit dem Posten des Zivilverwalters von Liujiang belohnt. Nun kontrollierte Sun Quan den Jangtse mit drei Festungen in Xunyang, Ruxu und Jianye vollständig, und seine Nordgrenze war gesichert. Cao Caos Machtbereicht endete im Flusstal des Huai, und die Stadt und Festung Hefei war sein äußerster Vorposten. Immerhin war er in der Lage, ihn zu halten: Hefeis Verwalter, der dekorierte General [[Zhang Liao]], konnte die Stadt gegen Sun Quans Übergriffe verteidigen. So endete auch Sun Quans Angriff im Jahr 215 nach tagelanger Belagerung der Stadt mit einer Niederlage. Da seine West- und Nordgrenze stabilisiert waren, wandte sich Sun Quan dem Süden zu. Die Hügelländer der Yang-Provinz entzogen sich seiner Kontrolle und erschwerten die Überwachung Shi Xies in der Jiao-Provinz. Die kleineren Feldzüge, die schon Sun Ce unternommen hatte und die Sun Quans General [[He Qi]] 205–208 fortgesetzt hatte, hatten die Kommandanturen Yi und She unter Sun Quans Herrschaft gebracht. Viele Bewohner des Hügellandes blieben jedoch nicht nur unabhängig von Sun Quan, sondern auch der alten Zentralregierung hörig. Im Jahr 216 stiftete Cao Cao einen Aufstand in Poyang (südlich von Danyang) an, der sich bald bis Danyang ausbreitete. He Qi und [[Lu Xun (Drei Reiche)|Lu Xun]] unterwarfen die Rebellen, töteten ihren Anführer und nahmen die kapitulierenden Soldaten in ihre Reihen auf, mehrere tausend. Im selben Jahr gab Cao Cao noch einen Befehl zum Aufstand, diesmal an Fei Zhang in der Danyang-Kommandantur. Fei verbündete sich mit den nichtchinesischen [[Min-Yue]]-Stämmen und griff Sun Quans General Lu Xun an, der ihn jedoch rasch besiegte und in der Folge die Grenzen der Kommandanturen Danyang, Wu und Kuaiji durchzog und überall Truppen aushob. Nach diesen Unruhen war das Hügelland in Sun Quans Händen. Um das Land zu halten, begann er ein ähnliches Kolonisationsprogramm wie Cao Cao: Er verlegte die Landbevölkerung in neue Siedlungen unter fester Kontrolle seiner Regierung. [[Bild:Longzhong Plan.jpg|thumb|300px|Liu Beis Machtbereich um 218 und Zhuge Liangs geplante Marschroute zur Eroberung der Zentralebene.]] Liu Bei hatte währenddessen von der Jing-Provinz aus den Machtbereich des Gouverneurs Liu Zhang erobert und nach dessen Unterwerfung seine Anhänger in die eigenen Reihen integriert. Den stabilen Staat seines Vorgängers übernahm er mit fester Hand und traf alle Vorbereitungen zu einem großen Eroberungsfeldzug im Norden. Sein Stratege Zhuge Liang entwickelte einen Plan, mit dem er ausgehend von der Hauptstadt [[Chengdu]] im Westen und der Festung [[Jiangling]] im Osten Cao Caos Hauptstadt [[Luoyang]] rasch einzunehmen gedachte. Sun Quan dagegen war nach seinem Misserfolg vor Hefei in eine Pattsituation mit Cao Cao geraten. Um die Stabilität seiner Nordgrenze zu gewährleisten, unterwarf er sich ihm förmlich und erneuerte das Bündnis, das die Familien Sun und Cao bis zur Schlacht von Chibi vereint hatte. Sun Quan sah also seine Chancen vornehmlich im Süden und Westen. Liu Beis Machtzuwachs versetzte ihn in Furcht um seinen Anteil der Jing-Provinz. Sun Quans dortiger Oberbefehlshaber, Lu Su, war 217 verstorben. Zu seinem Nachfolger ernannte der Kriegsherr den General Lü Meng, der im Hauptquartier Lukou den Befehl über 10.000 Mann übernahm<ref>''Generals of the South'', Kapitel 5, S. 16</ref>. Liu Bei konzentrierte sich auf die Feldzüge gegen Cao Cao und vertraute auf Guan Yus Vermögen, die Jing-Provinz allein zu halten. Im Frühjahr 219 konnte Liu Bei Cao Caos General [[Xiahou Yuan]] in der [[Schlacht am Berg Dingjun]] besiegen, und im Sommer hatte er die Kontrolle über die Grenzfestung Hanzhong erlangt. Cao Cao musste sich nach [[Chang'an]] zurückziehen, während sich Liu Bei im Herbst zum König von Hanzhong ausrief. Im selben Jahr hatte Guan Yu einen Feldzug gegen Cao Caos Vetter Cao Ren begonnen, der die Festung Fan nördlich des Han-Flusses hielt. Auch mit Unterstützung des Generals [[Yu Jin]] konnte sich Cao Ren nicht behaupten und zog sich nach einer verlustreichen Schlacht in die Festung zurück, wo ihn Guan Yu belagerte. Diese Gelegenheit eines Angriffs nutzte Lü Meng aus zwei Gründen nicht: Zum einen hoffte er, dass Guan Yu für ihn mit Cao Ren einen mächtigen Gegner aus dem Feld räumen werde, zum zweiten war er krank und wurde durch Lu Xun vertreten. Cao Cao und Sun Quan scheinen zu dieser Zeit in Kontakt über die militärische Lage gewesen zu sein. Sie kamen überein, dass Sun Quans Armee Guan Yu angreifen müsse; die Quellen sind sich nicht einig, wer von beiden diese Idee zuerst aufgriff. Anfang Dezember 219 befahl Sun Quan jedenfalls den Angriff, bei dem [[Jiang Qin]] die Flotte, [[Sun Jiao]] die Reserve und Lü Meng die Hauptstreitmacht anführte. Sie nahmen Guan Yus östliche Außenposten im Sturm und eroberten rasch die Stadt Jiangling, wo sie Guan Yus Staatsschatz erbeuteten und seine Familie gefangennahmen. Um die Bevölkerung für sich zu gewinnen, zeigte sich Lü Meng äußerst milde und ließ alle verwundeten gegnerischen Soldaten versorgen und pflegen. Als Guan Yu von Lü Mengs Operationen erfuhr, brach er die Belagerung der Festung Fan ab und machte sich eilig nach Jiangling auf, ohne von Cao Ren verfolgt zu werden. Unterdessen eroberte Lu Xun einige Städte im Tal des Jangtse und trieb Guan Yu in die Enge. So war Guan Yu einige Wochen nach Abbruch der Belagerung in der Gegend von Dangyang zwischen dem Jangtse und dem Han-Fluss eingekesselt und sah sich im Osten Jiang Qin, im Süden Lü Meng, im Westen Lu Xun und im Norden Cao Ren gegenüber. Der größte Teil seiner Männer desertierte, und er wurde in einem Scharmützel mit Lü Mengs Truppen mitsamt seinem Sohn [[Guan Ping]] gefangen genommen und hingerichtet. Seinen Kopf sandte Sun Quan als Tribut an Cao Cao, den übrigen Leichnam ließ er in allen Ehren bestatten<ref>''SGZ'' 36/''Buch von Shu'' 6, 942 Anm. 3, zitiert im ''Wu li''</ref>. Ob dieser Ausgang Sun Quan zufriedenstellte, ist nicht klar. Die Gefangennahme seines verdienstvollsten Generals hätte Liu Bei sicher entmutigt, wohingegen Guan Yus Tod ihn zum Krieg reizte. Nun schlossen Lü Meng (der bald erneut erkrankte und starb; auch Jiang Qin war auf dem Rückweg erkrankt und verstorben.) und nach ihm Lu Xun die unblutige Eroberung der Jing-Provinz ab. Sun Quan proklamierte eine Steuersenkung für die Provinz, um die von Seuchen geplagte Bevölkerung zu entlasten. === Herzog von Wu === [[Bild:Cao Pi Tang-detail.jpg|thumb|[[Cao Pi]], hier auf einem Gemälde aus dem 7. Jahrhundert, begründete die Wei-Dynastie und ernannte Sun Quan zum Herzog.]] [[Bild:LuXun.jpg|thumb|Der Stratege Lu Xun spielte eine wichtige Rolle bei Sun Quans Feldzügen nach Lü Mengs Tod.]] Im März 220 starb Cao Cao, und sein Sohn [[Cao Pi]] erbte den Titel des Herzogs von Wei. Noch im selben Jahr (am 11. Dezember) zwang er den Kaiser, zu seinen Gunsten abzudanken, und errichtete die [[Wei-Dynastie]]. Diese Handlung war ein Schlussstrich unter der mehr als dreißigjährigen Zeit der Auflösung der Han-Dynastie und hatte große Wirkung. Sun Quan nahm den eher symbolischen Machtwechsel, der ihn nicht persönlich berührte, mit Gleichmut hin und sandte weiterhin Tribut an Cao Pi. Liu Bei begriff sich dagegen als rechtmäßiger Nachfolger der Han-Kaiser, weil er sich auf eine weitläufige Abstammung vom Kaiserhaus berief. Darum erklärte er sich am 15. Mai 221 in seiner Hauptstadt [[Chengdu]] zum Kaiser, und seine Dynastie wurde nach seinem Machtbereich „[[Shu Han]]“ (Han von [[Shu (Staat)|Shu]]) genannt. Seit Guan Yus Tod sammelte Liu Bei Kräfte für einen Vergeltungsschlag gegen Sun Quan, der weiterhin in der Jing-Provinz residierte und dort im Jahr 221 eine zweite Hauptstadt [[Wuchang]] errichtete (in der früheren Stadt E), die er bis zum Herbst des Jahres mit Mauern befestigt und mit einer eigenen Kommandantur versehen hatte. So konnte der Lauf des Jangtse von der Mündung des Han-Flusses bis zum See Pengli kontrolliert werden. Im selben Jahr brach Liu Bei zu einer Expedition in die Jing-Provinz auf, deren Nutzen allerdings von vielen seiner Berater und Generäle bezweifelt wurde. In erster Linie ging es Liu Bei um Rache für Guan Yu, erst danach um die Rückeroberung der Jing-Provinz. Sun Quan schickte zur selben Zeit, im Herbst 221, Botschafter an Cao Pi, um ihr Bündnis zu bestärken. Bei der Gesandtschaft befand sich auch der aus der Gefangenschaft befreite General Yu Jin. Dieser Schritt wurde von manchen Beratern Cao Pis als Zeichen der Schwäche Sun Quans gesehen, und sie schlugen vor, sich mit Liu Bei zu verbünden und Sun Quan im Verein auszuschalten<ref>Biografie des [[Liu Ye (Ziyang)|Liu Ye]], ''SGZ''14, 446 f.</ref>. Dieser Plan wurde jedoch verworfen: Er war zum Einen zu riskant, da Sun Quans militärische Stärke mit derjenigen Cao Pis durchaus mithalten konnte, zum Andern hielten viele Berater (und auch Cao Pi selbst) es für unziemlich, einen loyalen Verbündeten so zu verraten, zum Dritten musste Cao Pi seiner noch sehr jungen Herrschaft Geltung und Ansehen verschaffen. Also schickte er Sun Quans Botschafter mit dem Auftrag zurück, ihrem Herrn die [[Neun Ehrenzeichen]] und den Titel des Herzogs von Wu zu überbringen. Im Dezember gelangte die Gesandtschaft nach Wuchang. Sun Quan hatte zuvor den Titel ''Marquis von Nanchang'' getragen, den er unter der Han-Dynastie angenommen hatte. Mit diesem höheren Titel erlangte er die Neutralität des Staates Wei und akzeptierte den neuen Kaiser als rechtmäßige höchste Instanz im Reich, jedenfalls offiziell. Liu Bei hatte seinen Marsch im Sommer begonnen und seine Streitmacht bis zum Dezember an der Ostgrenze gesammelt. In den ''Chroniken der Drei Reiche'' wird sein Heer mit 40.000 Mann beziffert, der Sinologe [[Rafe de Crespigny]] geht jedoch von der Hälfte aus<ref>Crespigny, ''Generals of the South,'' Kapitel 7, S. 6, Anm. 17</ref>. Sun Quans Streitmacht, die in [[Zigui]] unter dem Kommando von [[Pan Zhang]] lag, dürfte etwa gleich groß gewesen sein. Sie hatte Verstärkung von einigen Deserteuren Liu Beis erhalten, die zwar das Kräfteverhältnis nicht beeinflusste, aber große moralische Wirkung hatte, denn die Deserteure hatten den General Zhang Fei ermordet. Mit dem ersten Angriff im Dezember 221 konnte Liu Bei Sun Quans Außenposten zerstören und Pan Zhang zurückdrängen. Die Stadt Zigui fiel, und Liu Beis Spione bemühten sich, die benachbarten Stämme der Wuling-Berge gegen Sun Quan aufzubringen (allerdings erfolglos, und der Offizier [[Ma Liang]] wurde später von ihnen getötet). Dieser reagierte, indem er den General Lu Xun mit einem Heer von 50.000 Mann<ref>''SGZ'' 52 / ''Wu Shu'' 7, 1232</ref> aussandte. Lu Xun errichtete sein Lager am Nordufer des Jangtse im Bezirk Yiling (beim heutigen [[Yichang]]) und bereitete sich auf die Schlacht vor. Im März 222 traf Liu Bei mit der Hauptstreitmacht ein, die der Sechzigjährige selbst anführte. Während er seinen General [[Huang Quan]] mit einem Teil der Truppen gegen Lu Xun aussandte, zog er selbst am südlichen Jangtseufer weiter gegen die Stadt Yidao. Lu Xun hatte es in seinem Lager nicht leicht, sich gegen seine untergebenen Offiziere durchzusetzen. Er entschied sich für eine defensive Zermürbungstaktik und hielt im Lager der Belagerung Huang Quans stand, obwohl seine Generäle ihn drängten, der Stadt Yidao zu Hilfe zu kommen. Schließlich gab sich Liu Bei in der Gegend von Xiaoting eine Blöße an der Flanke, die Lu Xun ausnutzte und Liu Bei in der [[Schlacht von Xiaoting]] besiegte. Huang Quan wurde abgeschnitten und floh nach Norden, um sich mit seinen Truppen Cao Pi zu unterwerfen. Liu Beis Armee hatte sich aufgelöst und war nach Shu geflohen, Liu Bei selbst entkam nur knapp der Gefangennahme und zog sich nach Bodi zurück. Sein General [[Zhao Yun]] verteidigte die Grenze gegen Sun Quan mit der Reservearmee. Beide Seiten vereinbarten einen Waffenstillstand, und Sun Quan wandte sich seinem nördlichen Nachbarn zu. Sein loses Bündnis mit der Wei-Dynastie konnte er umso leichter lösen, als er noch keine Geiseln nach Luoyang geschickt hatte. Cao Pi hatte bei der Titelverleihung von Sun Quan verlangt, dass er seinen ältesten Sohn [[Sun Deng]], damals ein Kind von zwölf Jahren, als Marquis und General nach Luoyang kommen lasse. Sun Quan hatte in einem Entschuldigungsschreiben die Jugend und angebliche schlechte Gesundheit Sun Dengs vorgeschoben, um abzulehnen. Auch weitere Gesandtschaften des Kaisers kehrten ergebnislos nach Luoyang zurück, und im Herbst 222 verlangte Cao Pi, dass Sun Deng unverzüglich als Geisel nach Norden reise. Sun Quan jedoch empfing seine Botschafter nicht einmal und lieferte dem Kaiser damit einen Kriegsgrund. Im neunten Monat schickte Cao Pi drei Armeen Richtung Jangtse: Eine unter [[Cao Zhen]] und [[Xiahou Shang]] griff bei Jiangling, eine unter Cao Ren bei Ruxu und eine unter [[Cao Xiu]] bei Dongkou (in der Nähe von Liyang) an. Um eine bewaffnete Auseinandersetzung zu vermeiden, machte Sun Quan dem Kaiser im frühen November ein Angebot: Er erklärte sich bereit, in die Jiaozhi-Provinz zu ziehen und Sun Deng mit einer Tochter der [[Cao-Familie]] zu verheiraten. Cao Pi ließ sich jedoch nicht darauf ein und verlangte, dass Sun Deng noch am selben Tag als Geisel zu ihm gebracht werde. Sun Quan reagierte mit der Befestigungen seiner Festungen am Jangtse und einer formalen Unabhängigkeitserklärung gegen Wei und erhöhte seinen Herzog-Titel zu dem eines Königs von Wu. Als Regierungsdevise wählte er Huángwǔ ({{zh|c=黃武|b=gelber Krieg}}). Im Januar 223 stellte Sun Quan per Gesandtschaft sein altes Defensivbündnis mit Liu Bei wieder her und konnte sich mit gestärkter Moral der Front am Jangtse zuwenden. Dort wurde Cao Xius Armee von der Flotte unter dem Kommando von Lü Fan geschlagen, in der Festung Ruxu überstand der Kommandant Zhu Huan die Belagerung Cao Rens, der sich nach einer fehlgeschlagenen Expedition gegen die Flussinsel Zhongzhou nach Norden zurückzog. Die Nan-Kommandantur um Jiangling war dagegen in einer vergleichsweise schwachen Position, weil sie noch nicht lange in Sun Quans Händen war und ihre Verteidigungspositionen von den Kämpfen mit Liu Bei geschwächt waren. Cao Zhens und Xiahou Shangs Vorstöße hatte Cao Pi veranlasst, seine Residenz nach [[Wancheng]] im Kreis [[Nanyang]] zu verlegen. Im Winter und Frühjahr wurde Sun Quans Großverwalter [[Zhu Ran]] im Hauptquartier Jiangling belagert. Die Wei-Truppen hatten ihre Versorgungslinien abgeschnitten und zogen sich erst zurück, als nach sechsmonatiger Belagerung eine Seuche im Lager ausgebrochen war. In den nächsten Jahren befahl Cao Pi keine weiteren Angriffe auf diese Region, weil schon die Armee seines Vaters in den hiesigen Sümpfen (208) von Krankheiten befallen worden war. Er konzentrierte sich stattdessen auf den unteren Jangtse. Liu Bei starb im April 223. Er bestimmte seinen Kanzler Zhuge Liang zum Regenten für seinen unerfahrenen Nachfolger [[Liu Shan]]. Zhuge Liang festigte den Staat bis zum Winter des Jahres und verstetigte das Defensivbündnis mit Sun Quan, der Lu Xun mit den Angelegenheiten an der Westgrenze des Reiches betraute. Im Sommer gelang Sun Quans General He Qi ein Vorstoß gegen den Wei-Außenposten Qichun, und ein Jahr lang blieb die Nordgrenze ruhig, bis Cao Pi im Herbst 224 am unteren Jangtse aufrüstete. Er führte eine große Flotte den Huai-Fluss hinunter, um Sun Quans Grenze an einer möglichen Schwachstelle zwischen den Festungen Ruxu und Liyang zu erreichen und eine Invasion vorzubereiten. Trotz der schwach ausgebauten Grenzbefestigungen konnte Sun Quans Offizier [[Xu Sheng]] die Wei-Flotte verwirren, indem er durch neue Dämme und Erdwälle den Eindruck starker Befestigung erweckte. Die Wu-Flotte traf nach einigen Tagen bei ihm ein, und Cao Pi zog sich mit seiner Armee nach Xuchang zurück, ohne dass ein Kampf stattgefunden hatte. Im Frühjahr 225 begann Cao Pi mit dem Bau eines Kanals<ref>Dieser Kanal kann noch nicht lokalisiert werden: Crespigny, ''Generals of the South,'' Kapitel 7, S. 15.</ref>, begab sich im Winter mit angeblich mehr als 100.000 Mann<ref>Crespigny, ''Generals of the South,'' Kapitel 7, S. 15.</ref> über die Stadt Qiao nach [[Guangling]]. Sun Quan erwartete ihn, aber wieder kam es nicht zur Schlacht, weil ein heftiger Wintereinbruch Cao Pis Flotte zum Rückzug zwang. Im nächsten Jahr erkrankte und starb Cao Pi in den Vorbereitungen eines weiteren Feldzugs gegen Sun Quan. Nachfolger wurde sein Sohn [[Cao Rui]]. Auch im Süden seines Reiches verzeichnete Sun Quan Erfolge. Der Gouverneur Shi Xie starb 226 im hohen Alter, und Sun Quan teilte die Jiao-Provinz, ohne Shi Xies Söhne an der Verwaltung zu beteiligen. Ihr Aufbegehren schlug der Inspektor [[Lü Dai]] nieder, der die Shi-Familie auslöschte und Sun Quans Herrschaft im Süden des Reiches zementierte. Im Herbst 226 griff Sun Quan die Wei-Kommandantur Jiangxia an, während sein Offizier Zhuge Jin nach Xiangyang zog. Dort wurde er vom Wei-General [[Sima Yi]] besiegt, während Sun Quans Belagerung von Jiangxia keine Wirkung zeigte. Eine Expedition nach Osten wurde von Cao Zhen zurückgeschlagen. Im Winter 227/228 koordinierten die Staaten Shu und Wu erstmals ihre Operationen gegen Wei: Zhuge Liang veranlasste seinen Spion [[Meng Da]], der Cao Rui als Großverwalter von Xincheng diente, zum Aufstand gegen Wei. Dieser Aufstand wurde jedoch unerwartet rasch von Sima Yi zerschlagen, und Meng Da kam um. Sun Quan, der gleichzeitig mit seiner Armee nach Norden zog, kehrte um. In den folgenden Jahren konzentrierten sich die militärischen Operationen Zhuge Liangs auf die Gebiete um Hanzhong, Chang'an und die südliche Liang-Provinz. Damit war die Nordgrenze von Wu entlastet, und Sun Quan konnte dem Wei-General Cao Xiu im Herbst 228 in der [[Schlacht von Shiting]] eine empfindliche Niederlage beibringen. [[Bild:Sun Quan Tang.jpg|thumb|Idealportrait Sun Quans. Ausschnitt aus der ''[[Dreizehn-Kaiser-Rolle]]'', einem Gemälde der frühen [[Tang-Dynastie]], das [[Yan Liben]] zugeschrieben wird.]] Sun Quan war nach diesen Machtdemonstrationen in der Lage, einen Schritt zu tun, zu dem ihm seine Minister schon seit dem Sieg über Liu Bei geraten hatten: Er erklärte sich am 23. Juni 229 zum Kaiser der [[Wu-Dynastie]] und wählte als Regierungsdevise Huánglóng ({{zh|c=黃龍|b=gelber Drache}}). Schon sein voriger Äraname Huángwǔ hatte die Farbe gelb beinhaltet, die mit kaiserlicher Herrschaft assoziiert wurde<ref>Crespigny, ''Generals of the South,'' Kapitel 7, S. 24.</ref>; man vergleiche auch die Regierungsdevise des Kaisers Cao Pi: Huángchū ({{zh|c=黃初|b=gelber Beginn}}). Der [[Long (Mythologie)|chinesische Drache]] ist eine erhabene, gebieterische Wesenheit und wurde im kaiserlichen China als Attribut des Kaisers verstanden. Sun Quans Regierungsdevise war also äußerst programmatisch und zeigt sein Selbstverständnis als rechtmäßiger Nachfolger des vakanten Kaiserthrons der Han-Dynastie. === Kaiser von Wu === Sun Quans Staat war auch nach Annahme des Kaisertitels von der Zeit der Kriegsherren geprägt: Das Militär gewährleistete die Verwaltung des Reichs, und die Generäle leiteten mit bemerkenswerter Selbstbestimmtheit ihre Zuständigkeitsbereiche. Es ist als große Leistung Sun Quans anzusehen, dass er unter solchen Umständen Ordnung und Macht wahren konnte. Die Politik am Kaiserhof war von Machtkämpfen einflussreicher Personen und Clans bestimmt, vor allem weil militärische Ämter vererbt wurden, während ihre Inhaber in der Han-Zeit regelmäßig neu bestimmt wurden. Sun Quans größtes Verdienst mit der Einrichtung eines unabhängigen Staats südlich des Jangtse war die Erschließung des Südens, die durch die Trennung von der Regierungs in Luoyang in den nächsten Jahrzehnten bedeutend voranschritt. Dort verdrängte die chinesische Kultur allmählich die autochthonen Stämme. ==== Reichsverwaltung ==== Sun Quan hatte schon im Jahr 221, nach Annahme des Herzogtitels, eine Regierung eingerichtet. Sie war ähnlich wie die Han-Verwaltung organisiert, und ein Kanzler stand ihr vor. Diesen Posten hatte zuerst ein gewisser Sun Shao inne, nach dessen Tod (225) der Minister [[Gu Yong]]. Von den niederen Rängen der Hofbeamten sind nur Namen und Titel überliefert, während über ihre Arbeitsweise nichts bekannt ist. Sun Quan scheint nur sechs der neun Ministerien, die unter der Han-Dynastie existierten, eingesetzt zu haben. Offenbar waren auch nicht alle Ämter jederzeit besetzt, und sie stellten eher Auszeichnungen für politisch relevante Personen dar. Die Verwaltung des Reiches oblag größtenteils den Statthaltern und Generälen, von denen Lu Xun das höchste Kommando innehatte. Er wurde von Sun Quan im September 229 mit der Aufsicht über die Jing-Provinz und die Region um Yuzhang beauftragt, also der westlichen Reichshälfte. In der Jing-Provinz kumulierten sich die Truppen von Wu: Neben Lu Xun waren hier auch die Generäle Bu Zhi, Zhu Ran und Pan Zhang mit ihren Armeen stationiert. In Jiangling lagerte Zhuge Jin. Der Osten des Reichs wurde von Sun Quans Truppen in Jianye und denen in Danyang, Kuaiji, Wu und der Festung Ruxu kontrolliert. Das Nordufer des Jangtse bewachte Zhu Huan, der 220 Zhou Tais Kommando übernommen hatte. Er starb 228 und wurde durch den Veteran Lü Fan ersetzt. Später beaufsichtigte Sun Quan direkt von der Hauptstadt Jianye aus das Nordufer des Jangtse. Alles in allem war sein Staat kein bürokratisches Konstrukt wie das Han-Reich, sondern ein verstetigtes Kriegsherren-Dominat. Die rivalisierenden Nachbarstaaten Shu Han und Wei waren ähnlich aufgebaut, und die drei Reiche mussten sich immer wieder im Krieg beweisen. ==== Soziale und wirtschaftliche Entwicklung ==== Sun Quans Wu-Dynastie herrschte über einen Feudalstaat. Die Sun-Familie wird historisch für nicht viel mehr als die Führerschaft einer Gruppe von Adelsfamilien angesehen, die gemeinsame Interessen verfolgten. Immerhin gelang es Sun Jian, fähige Offiziere durch seine bloße Autorität und nicht durch Familienbande auf seine Seite zu bringen. Sun Ce war für seine Feldzüge nicht auf der Suche nach Adligen, sondern nach furchtlosen, geschickten Kriegern. Noch zu Sun Quans Zeiten wurden die Vertreter des Nordens und Südens nicht nach ihrer Abstammung oder Familienzugehörigkeit, sondern nach ihren Fähigkeiten ausgewählt. Während Sun Ce und Sun Quan mit ihrer Expansion seit den 190er Jahren ihre Herrschaft im südlichen China stetig ausgedehnt hatten, stagnierte die Expansion seit den 220er Jahren. Es gab zwar genügend Länder im Süden zu erobern, aber die Ressourcen von Wu genügten nur zur Wahrung der Unabhängigkeit und Abwehr der Rivalenstaaten. Das Regierungssystem Sun Quans wurde jedoch mit der Zeit immer steifer, vor allem weil der Posten eines Verstorbenen auf seinen Sohn überging (wie es ja auch bei Sun Jian und seinen Nachfolger gehandhabt worden war). Seine Gefolgsleute setzten sich sowohl aus Einheimischen der Gegend südlich der Jangtse-Mündung (Danyang, Kuaiji, Wu) als auch aus Emigranten des Nordens zusammen. In den frühen Jahren seiner Herrschaft waren die wichtigsten Positionen im Reich mit Vertretern beider Schichten besetzt, zum Ende seiner Herrschaft hin wurden diejenigen Beamten und Generäle immer dominanter, deren Familien schon lange vor dem Ende der Han-Dynastie im Süden ansässig waren. Die letzten Vertreter des Nordens verschwanden in den 250er Jahren: Der Minister und Regent [[Zhuge Ke]], Sohn des Zhuge Jin, wurde 253 ermordet, der Oberste Minister [[Teng Yin]] kam im Jahr 258 um. Besonders erfolgreich in den Provinzen waren die vier Familien Gu, Lu, Yu und Wei. Die Macht des Staates wurde durch zunehmende Regionalisierung der Wirtschaft im Interesse lokaler Adelsfamilien beeinträchtigt. Die Währung der Han-Dynastie war während des 2. Jahrhunderts einer starken Inflation zum Opfer gefallen, und eine halbherzige Reform des Kanzlers [[Dong Zhuo]] hatte ihr den Rest gegeben. Im ganzen Reich war man darum zu Tauschhandel übergegangen. Cao Pi hatte 221 im Norden Getreide und Reis als offizielle Währung eingeführt, und der Tauschhandel spielte im Norden des Reiches auch nach Wiedereinführung des Kupfergeldes gerade auf dem Land die entscheidende Rolle. Sun Quan versuchte im Jahr 236 die Einführung einer Münzwährung mit einem staatlichen Monopol auf des Kupfer und dem Verbot privater Münzprägung der Adelsfamilien, hatte jedoch keinen Erfolg und gab das Vorhaben 246 auf. So konnte die Regierung nicht vom Binnenhandel profitieren und verlor eine wichtige Einnahmequelle. Der Vorteil an dieser wirtschaftlichen Situation war, dass die Länder südlich des Jangtse keine Abgaben mehr an die Regierung in der Zentralebene leisten mussten und so einen eigenen Wohlstand entwickelten, der in diesem Maß im Süden noch nicht dagewesen war. Der Reichtum des Südens übertraf in den folgenden Jahrzehnten und Jahrhunderten schließlich den des Nordens. Gleichwohl wurde der wenig erschlossene Süden des Reiches von seinen militärischen Oberbefehlshabern, die vor allem auf ihren persönlichen Profit bedacht waren, durch rücksichtslose [[Kolonialismus|Kolonisation]] auf Kosten der einheimischen Stämme der han-chinesischen Bevölkerung erschlossen. ==== Expeditionen und Feldzüge ==== [[Bild:China 5.jpg|thumb|300px|Die Gebiete der Drei Reiche Wei, Shu und Wu 229–262.]] Sun Quans Außenpolitik als Kaiser von Wu begann mit einem herben Rückschlag: Er schickte seine Generäle Wei Wun (衛溫) und Zhuge Zhi (諸葛直) mit einer Flotte von 10.000 Matrosen ins [[Ostchinesisches Meer|Ostchinesische Meer]] hinaus, um die legendären Inseln Yizhou (夷洲) und Danzhou (亶洲) zu entdecken, die mit den [[Ryūkyū-Inseln]] bzw. den Hauptinseln von [[Japan]] identifiziert werden. Erst nach einem Jahr kehre die Flotte mit zahlreichen Gefangenen von den Yizhou-Inseln zurück, aber fast 90% der Besatzung war an Seuchen zugrundegegangen. Sun Quan ließ die Generäle für ihr Versagen hinrichten, obwohl Lu Xun ihm schon zuvor von der Expedition abgeraten hatte. In den folgenden Jahren suchte Sun Quan Verständigung mit dem Gouverneur und Kriegsherrn [[Gongsun Yuan]], der das heutige nördliche Korea beherrschte. Er war offiziell ein Untertan der Wei-Dynastie, aber seine Familie hatte auch in der dritten Generation die autonome Kontrolle über ihr Territorium behauptet. Gongsun Yuan bereitete im Jahr 231 einen Aufstand gegen den Wei-Kaiser Cao Rui vor, und Sun Quan schickte zwei Generäle zu ihm, Zhou He (周賀) und Pei Qian (裴濳), um Pferde zu erwerben und ihn im Gegenzug mit Proviant zu versorgen. Die Generäle wurden jedoch auf dem Rückweg von Wei-Truppen eingeholt und besiegt. Aber auch nach diesem Misserfolg gab Sun Quan seine Richtung nicht auf. Im folgenden Jahr schickte Gongsun Yuan Botschafter zu ihm, die ihm seine Unterwerfung überbrachten. Sun Quan reagierte mit der Verleihung der Neun Ehrenzeichen an Gongsun Yuan und schickte ihm (gegen den Rat von Zhang Zhao) 10.000 Mann unter den Militärbeamten Zhang Mi (張彌) und Xu Yan (許晏), die jedoch nach ihrer Ankunft von Gongsun ermordet wurden. Mit Mühe brachte Lu Xun den Kaiser davon ab, eine Strafexpedition durch das feindliche Gebiet zu Gongsun zu unternehmen. Infolge seiner Rückschläge entschuldigte sich Sun Quan bei Zhang Zhao persönlich. Er wählte auch eine neue Regierungsdevise, Jiāhé ({{zh|c=嘉禾|b=eine Ähre wachsenden Korns}}) Im Jahr 234 unternahm Sun Quan endlich einen mit den Shu-Strategen Zhuge Liang koordinierten Angriff auf das Reich Wei. Er griff erneut der Stadt und Festung Hefei an und schickte zugleich Zhuge Jin und Lu Xun gegen die Stadt Xiangyang aus. Zhuge Liang zog über den Pass Xiagu in die Zentralebene, wurde dort jedoch von Wei-General Sima Yi zurückgeschlagen und starb noch vor dem letzten Gefecht nach kurzer, schwerer Krankheit. Im Osten belagerten die Wu-Armeen vergeblich die Städte Hefei und Xiangyang, bis Cao Rui persönlich mit Verstärkung in Hefei anlangte und Sun Quan zum Rückzug zwang. Auch Lu Xun und Zhuge Jin zogen sich zurück, um nicht zwischen Sima Yi und Cao Rui zu geraten. Gongsun Yuan erhob sich schließlich im Jahr 237, und Sun Quan überlegte, ob er die Situation für einen Angriff gegen Wei nutzen sollte, falls Sima Yi den Aufstand nicht rasch niederschlüge. Schon im nächsten Jahr besiegte und tötete Sima Yi jedoch den Kriegsherrn, und Sun Quan gab seine Pläne auf. Ein letzter großer Angriff gegen Hefei im Jahr 241 brachte keine Änderung der Verhältnisse. ==== Innenpolitik ==== Sun Quans größte Sorge in der Innenpolitik war ein Prinzenstreit, der nach dem frühen Tod des Kronprinzen Sun Deng (241) ausgebrochen war. Im Jahr 242 hatte er seinen Sohn [[Sun He]] zum Kronprinzen ernannt, aber der jüngere [[Sun Ba]], wie sein Bruder ein Sohn der Konkubine Wang, gab sich damit nicht zufrieden. Am Hof formte sich eine Clique, die seine Nachfolge befürwortete, während gleichzeitig andere Partei für den Kronprinzen ergriffen. Die wenigen Mächtigen am Hof, die zwischen den Lagern vermitteln wollten, gerieten rasch zwischen die Fronten. In den 240er Jahren fielen dem Nachfolgestreit viele Generäle und Politiker zum Opfer, auch der General Lu Xun, der 244 zum Kanzler des Reiches avanciert war. Erst sehr spät, im Jahr 250, rang sich Sun Quan zu einem Befreiungsschlag durch. Er zwang Sun Ba zum Selbstmord, verkündete eine neue Ära Taìyuán ({{zh|c=太元|höchste Dynastie}}) und ersetzte den Kronprinzen durch seinen minderjährigen Sohn [[Sun Liang]]. Dessen Mutter, die Konkubine [[Pan (China)|Pan]], erhob er im folgenden Jahr zur Kaiserin. Kurz darauf bereute er sein Vorgehen gegen Sun He, der sich im Streit wenig hatte zuschulden kommen lassen, und wollte ihn wieder einsetzen, aber seine Tochter Sun Dahu und der Minister [[Sun Jun]] brachten ihn von diesem Gedanken ab. Sie planten bereits die Kontrolle über den minderjährigen Thronfolger nach dem Tod seines hochbetagten Vaters. Abgesehen von diesem Streit ist über Sun Quans Innenpolitik nur Nachricht über seine Religionspolitik auf uns gekommen. Sie war offenbar von Toleranz geprägt. Neben der [[Konfuzianismus|konfuzianischen]] Staatsreligion der Han-Dynastie duldete er auch [[Daoismus|daoistische]] Gruppen und die allmähliche Ausbreitung des Buddhismus. China hatte schon seit Kaiser [[Han Wudi|Wu]] (2. Jahrhundert v. Chr.) Kontakt mit dem Buddhismus, der seit dem 1. Jahrhundert n. Chr. auch langsam in China aufkam und im 2. Jahrhundert auch im Machtbereich der Wu-Dynastie präsent war. Zentren der Buddhisten waren Danyang, wo die von [[Liu Ying]] begründete Gemeinde unter dem Protegè des Generals [[Ze Rong]] (161–197) erblühte, und Jiaozhi im Süden, wo der Buddhismus von Indien aus eindrang. Der Vorsteher der dortigen Gemeinden, Kang Senghui, erwarb das Vertrauen des Kaisers und bewirkte eine derartige Stärkung des Buddhismus, dass seine Anhänger auch unter Sun Quans letztem Nachfolger [[Sun Hao]] nicht verfolgt wurden, dessen Regierung einen grausamen Ruf hatte<ref>Umfangreiche Bibliografie für diesen Abschnitt in Crespigny: ''Generals of the South,'' Kapitel 8, S. 34.</ref>. ==== Tod ==== Als Sun Quans Tod im Jahr 252 näherrückte, wurde seine Gemahlin, Kaiserin [[Pan (China)|Pan]], unter ungeklärten Umständen ermordet. Chinesische Historiker sind der Auffassung, dass es eine Intrige rachsüchtiger Diener oder machthungriger Beamter (so [[Hu Sansheng]]) war. Sun Quans gesundheitlicher Zustand wurde dadurch vollständig zerrüttet. Er rief seine letzte Regierungsdevise Shénfèng ({{zh|v=神凤|t=神鳳|b=göttlicher Phönix}}) aus. Im 4. Monat desselben Jahres starb Sun Quan im Alter von 70 Jahren und wurde in seinem Ahnentempel bei Jianye bestattet, südlich des späteren Mausoleums von Kaiser [[Hongwu]] (1328–1398). Sein Kronprinz Sun Liang folgte ihm nach und verlieh seinem Vater den postumen Titel ''Großer Kaiser von Wu'' (東吳大帝) und den Tempelnamen ''Höchster Ahne'' (太祖). == Nachkommenschaft == *Frau Xu (Tochter des Xu Kun): **[[Sun Deng]] (209–241) *''unbekannt:'' **Sun Lü [[:zh-classical:孫慮|孫慮]] (213–232) **Sun Dahu 孫大虎 **Sun Xiaohu 孫小虎 (?–255) *Frau Wang (Tochter Wang Lujius): **[[Sun He]] (223–253) **Sun Ba [[:ja:孫奮|孫霸]] (228–250) *Frau Zhong [[:zh:袁夫人|袁]] **Sun Fen [[:ja:孫奉|孫奮]] (?–270) *Frau Wang: **[[Sun Xiu]] (235–264) *[[Pan (China)|Kaiserin Pan]] (?–252) **[[Sun Liang]] (243–260) == Quellenkunde == Die wichtigste Quelle für das Leben Sun Quans sind die ''[[Chroniken der Drei Reiche]]'' von [[Chen Shou]] (233–297), der als Offizier den Shu Han bis 263 diente und später unter der [[Jin-Dynastie (265–420)|Jin-Dynastie]] als Historiker die historischen Annalen der einzelnen Staaten zusammenstellte und seine Ansichten und Erlebnisse über die Zeit der Drei Reiche in schriftlicher Form niederlegte. Für die Geschichte der Wu-Dynastie spielen neben zahlreichen Einzelbiografien, Familien- und Regionalgeschichten vor allem vier zeitgenössische Werke eine Rolle: Das offizielle ''[[Wu Shu|Buch von Wu]]'', verfasst von Regierungsbeamten, sowie die privaten ''Wu li'' und ''Wu lu'' und das ''[[Jiangbiao zhuan]]'', das kurz nach 280 zusammengestellt wurde. Das Werk wurde in späterer Zeit von [[Pei Songzhi]] (372–451) anhand von Unterlagen aus dem Kaiserlichen Archiv bearbeitet. Dass er dabei für seine Anmerkungen stets mit Quellenangaben arbeitete, ist für Historiker seiner Zeit ungewöhnlich. Die ''Chroniken der Drei Reiche'' berichten die Geschichte aus der Perspektive der Feldherren, so dass militärische und politische Entwicklungen im Vordergrund stehen und die gesellschaftliche, kulturelle und religiöse Situation höchstens als politischer Faktor betrachtet wird. Auch moderne Arbeiten an den ''Chroniken'' haben diese Betrachtungsweise an sich. == Rezeption == === Im klassischen Roman === [[Datei:SunQuan.jpg|thumb|Sun Quan in einer Illustration der ''Geschichte der Drei Reiche'' aus der [[Qing-Dynastie|Qing-Zeit]].]] Die Zeit der Drei Reiche, besonders ihre Herausbildung am Ende der Han-Dynastie, werden in einem Roman aus dem 14. Jahrhundert mit dem Titel ''[[Die Geschichte der Drei Reiche]]'' geschildert, der traditionell [[Luo Guanzhong]] zugeschrieben wird. Als Historienroman beschreibt er markante Persönlichkeiten dieser Zeit romantisch verklärend, so den gerissenen Schurken Cao Cao, den loyalen und hochherzigen Liu Bei, den verwegenen Sun Ce und den stolzen und tapferen Sun Quan. Der Roman bildet die Grundlage für eine breite Rezeption in der modernen Populärkultur: Nach dem Vorbild der ''Geschichte der Drei Reiche'' wurde von 1971 bis 1986 eine Manga-Reihe mit dem Titel ''Yokoyama Mitsuteru Sanguokushi'' veröffentlicht, die 1991–1992 auch als Anime erschien. Der Seiyū [[Nobuo Tobita]] verlieh darin Sun Quan seine Stimme. Seit den 80er Jahren wurden auch zahlreiche Videospiele produziert, die sich mit der Zeit der Drei Reiche und dem Aufstieg der Kriegsherren befassen und die meist im Action- oder Strategiegenre angesiedelt sind. Es gab auch eine Realverfilmung des Romans, die von [[China Central Television]] 1995 als Serie in 84 Folgen produziert wurde. Sie reichte vom ''Schwur im Feigengarten'' (184 n. Chr.) bis zur ''Reichseinigung durch Jin'' (280). Der chinesische Film ''[[Red Cliff (Film)|Red Cliff]]'' ({{zh|c=赤壁}}) vom Regisseur [[John Woo]], der 2009 in Deutschland auf DVD erschien, hat eine entscheidende Stelle in Sun Quans Karriere zum Thema. Der Kriegsherr wird von [[Chang Chen]] dargestellt. === Legendenbildung === Die [[Buddhismus|buddhistische]] Tradition bindet Sun Quan auch in die Verbreitung des Buddhismus im südlichen China ein. Der Vorsteher der buddhistischen Gemeinden in Jiaozhi, Kang Senghui, soll im Jahr 247 zu Sun Quan bestellt worden sein, um ihm vom Buddha zu berichten. Kang erzählte von den ''Sarira'', den Reliquien des großen Buddha, die in Indien in tausenden von Tempeln seien. Sun Quan zweifelt an seiner Aufrichtigkeit und befiehlt ihm, eine ''Sarira'' zu beschaffen, und gibt ihm sieben Tage. Als Kang nach Ende der Frist mit leeren Händen vor den Kaiser tritt, lässt dieser sich zu weiteren sieben Tagen überreden. Aber wieder kann Kang nach Ablauf des Ultimatums kein ''Sarira'' vorweisen. Er wird von Sun Quan mit der Hinrichtung bedroht, erwirkt aber eine letzte Sieben-Tage-Frist. Am Abend des letzten Tages, als Kang schon bereit ist, für seinen Glauben zu sterben, erscheint in einem Krug die ''Sarira''. Er bringt sie dem Kaiser und erläutert ihm die Unzerstörbarkeit der ''Sarira''. Sun Quan ist beeindruckt und ordnet den Bau einer [[Pagode]] für Kangs Gemeinde an, des ersten buddhistischen Sakralbaus in China<ref>http://www.minghui.de/data/article/390/a39092.html</ref>. Die Kurzlebigkeit der Dynastie Sun Quans wird mit einer mündlich tradierten und erst spät fixierten Legende erklärt: Sun Quans Großvater, der ''Sun Zhong'' genannt wird (dieser Name ist nicht historisch bezeugt), lebt als Melonenfarmer auf einer Insel im [[Qiantang-Fluss]]. Eines Tages erhält er von einem der [[Acht Unsterbliche]]n das Orakel, einer seiner Nachkommen werde ganz China beherrschen, wenn er einhundert Schritte gehe und dort eine Melone pflanze. Sun Zhong aber ist ungeduldig und pflanzt die Melone schon nach dreißig Schritten. So herrscht Sun Quan auch nur über ein Drittel von China, und seine Nachkommen werden keine dreißig Jahre nach seinem Tod gestürzt. Eine andere Version dieser Legende berichtet, dass Sun Zhong (oder Sun Jian) von einem der Acht Unsterblichen vor die Wahl gestellt wurde, ob seine Nachkommen über wenige Generationen Kaiser oder über viele Generationen Generäle sein sollten. Er wählte Ersteres. == Einzelnachweise == <references/> == Literatur == === Quelleneditionen === *[[Bo Yang]] (Hg.): ''Sima Guang's Zizhi Tongjian. Modern Chinese Edition''. Taipei 1982–1989. * [[Rafe de Crespigny]] (Hsg.): ''[http://www.anu.edu.au/asianstudies/decrespigny/peace1_index.html To Establish Peace: Being the Chronicle of the Later Han dynasty for the years 189 to 220 AD as recorded in Chapters 59 to 69 of the Zizhi tongjian of Sima Guang]. Asian Studies Monographs, New Series No. 21, Faculty of Asian Studies, The [[Australian National University]], Canberra 1996. ISBN 0-7315-2526-4 * Jon Bartlett (Übersetzer): Die Biografie Sun Quans in den ''Chroniken der Drei Reiche'', Dezember 2004. === Sekundärliteratur === * [[Rafe de Crespigny]]: ''[http://www.anu.edu.au/asianstudies/decrespigny/gos_index.html Generals of the South. The foundation and early history of the Three Kingdoms state of Wu],'' Sydney 1990. ISBN 0-7315-0901-3 * [[Franz Kuhn]] (Übersetzer): ''Die drei Reiche: Roman aus dem alten China,'' Frankfurt am Main 1981, Insel-Taschenbuch 585, ISBN 3-458-32285-X == Weblinks == {{Commons|Sun Quan}} {{PNDfehlt|1. Mai 2007}} * [http://kongming.net/novel/trees/sun_detailed.html Stammbaum der Sun-Familie] (englisch) {{Folgenleiste |AMT=[[Kaiserreich China|Kaiser von China]] (Südwesten) |ZEIT=229–252 |VORGÄNGER=''nominell'' [[Cao Pi|Ming]] von [[Wei-Dynastie|Wei]] |NACHFOLGER=[[Sun Liang]] }} {{Folgenleiste |AMT=[[Wu-Dynastie|Kaiser der Wu-Dynastie]] |ZEIT=229–252 |VORGÄNGER=''keiner'' |NACHFOLGER=[[Sun Liang]] }} {{Exzellent}} {{DEFAULTSORT:Sun, Quan}} [[Kategorie:Kaiser der Wu-Dynastie]] [[Kategorie:Militärperson (China)]] [[Kategorie:Geboren 182]] [[Kategorie:Gestorben 252]] [[Kategorie:Mann]] {{Personendaten |NAME=Sun, Quan |ALTERNATIVNAMEN=Da, Kaiser von Wu; Sun, Zhongmou; Wu Taizu |KURZBESCHREIBUNG=erster Kaiser der [[Wu-Dynastie]] |GEBURTSDATUM=182 |GEBURTSORT=China |STERBEDATUM=252 |STERBEORT=Jianye (heute Nanjing) }} [[ar:سون تشوان]] [[bo:སུན་ཆོན།]] [[ca:Sun Quan]] [[en:Sun Quan]] [[fr:Sun Quan]] [[id:Sun Quan]] [[it:Sun Quan]] [[ja:孫権]] [[ko:손권]] [[nl:Sun Quan]] [[no:Sun Quan]] [[pl:Sun Quan]] [[pt:Sun Quan]] [[ru:Сунь Цюань]] [[simple:Sun Quan]] [[sv:Sun Quan]] [[th:ซุนกวน]] [[vi:Tôn Quyền]] [[zh:孙权]] [[zh-classical:吳大帝]] [[zh-yue:孫權]] j6svyremh04kp1akl16va505oppyuce wikitext text/x-wiki Stiftskirche St. Cyriakus (Gernrode) 0 23535 26132 2009-10-11T15:00:26Z Beckstet 0 Kat [[Bild:Stiftskirche.Gernrode.Westfront.jpg|thumb|upright|Westfront der Stiftskirche St. Cyriakus]] [[Bild:Dehio 47 Gernrode.jpg|thumb|Grundriss der Kirche aus [[Georg Dehio]]s ''Kirchliche Baukunst des Abendlandes'' von 1901]] Die '''Stiftskirche St. Cyriakus''' in [[Gernrode]] ([[Landkreis Harz]], [[Sachsen-Anhalt]]) ist eines der bedeutendsten [[Liudolfinger|ottonischen]] Architekturdenkmale in [[Deutschland]]. Die Kirche, die erstmals im Jahr 961 erwähnt wurde, befindet sich aufgrund der [[Restaurierung]]en im 19. Jahrhundert heute weitgehend wieder im Zustand des 10. Jahrhunderts; lediglich die westliche [[Apsis]] wurde um 1130 ergänzt. Die Kirche war die Stiftskirche des vom Markgrafen der [[Sächsische Ostmark|sächsischen Ostmark]], [[Gero (Ostmark)|Gero]], gegründeten [[Frauenstift]]s, dem bis zur Auflösung im Jahre 1616 [[Liste der Äbtissinnen von Gernrode|Äbtissinnen]] aus den adeligen Familien der Region vorstanden. Die Kirche wurde 1521, als sich die Äbtissin [[Elisabeth von Weida]] der [[Reformation]] anschloss und ihr Stift [[Säkularisation|säkularisiert]] wurde, [[Protestantismus|protestantisch]] und war damit eine der ersten protestantischen Kirchen weltweit. Seit der Restaurierung nutzt sie die evangelische Kirchengemeinde Gernrode als [[Pfarrkirche]]. == Gründung und Gründungsbau == [[Bild:Stiftskirche_Gernrode_von_Osten.jpg|thumb|Die Kirche von Südosten]] [[Bild:Gernrode Türmegr 2002.jpg|thumb|upright|Westwerk und der Ansatz des Langhauses aus dem Bereich des Kreuzganges. Deutlich zu erkennen die Gliederung der Südwand mit doppelstöckigem Kreuzgang, Seitenschiff und Hauptschiff]] Das Frauenstift Gernrode wurde [[959]] von Markgraf Gero gegründet. Dieser war eine der wichtigsten Stützen der Herrschaft Kaiser [[Otto I. (HRR)|Ottos I.]] und reich begütert, die Burg Gernrode war einer von Geros Hauptsitzen. Zur Gründung des Stiftes führte, dass das Aussterben von Geros Familienlinie 959 absehbar war: Sein Sohn Siegfried, der als Mitgründer des Stiftes gilt, starb kinderlos in diesem Jahr, wahrscheinlich nach längerer Krankheit. Geros gleichnamiger jüngerer Sohn war als Diakon vermutlich schon vor seinem Bruder Siegfried verstorben. Die Stiftung einer religiösen Frauengemeinschaft sollte durch andauerndes Gebetsgedenken dem Seelenheil Geros und seiner Söhne dienen ([[Memorialwesen|Memoria]]). Siegfrieds Witwe Hathui wurde von Gero als erste Äbtissin Gernrodes eingesetzt. Das [[Kloster Frose|Stift]] in [[Frose]], das Gero 950 gegründet hatte, wurde in ein Frauenstift umgewandelt und der Neugründung unterstellt. Die reiche Ausstattung des Stifts mit Gütern, Geros politische Bedeutung und auch die Hathuis, die sehr wahrscheinlich eine Nichte der Königin [[Mathilde die Heilige|Mathilde]] war, machten die Neugründung zu einem der angesehensten Frauenstifte des Reiches, vergleichbar den von Verwandten des [[Liudolfinger|ottonischen Herrschergeschlechts]] geleiteten Stiften zu [[Stift Gandersheim|Gandersheim]], [[Stift Quedlinburg|Quedlinburg]] und [[Stift Essen|Essen]].<ref> Jacobsen, Die Stiftskirche von Gernrode und ihre liturgische Ausstattung, S. 222 </ref> Bereits 961 erhielt das neugegründete Stift von Otto I. den Status eines [[Reichsstift]]es. Mit dem Bau der Kirche wurde wahrscheinlich bereits im Jahr der Stiftsgründung begonnen.<ref>Jacobsen: ''Die Stiftskirche von Gernrode''; S. 222 </ref> Die Kirche war vermutlich zunächst den [[Patrozinium|Stiftspatronen]] [[Maria (Mutter Jesu)|Maria]] und [[Simon Petrus|Petrus]] gewidmet. Nachdem sie jedoch eine [[Reliquie|Armreliquie]] des [[Cyriak|Heiligen Cyriakus]] erhalten hatte, die Gero vermutlich bereits 950 in Rom zunächst für die Abtei Frose erworben hatte, wurde dieser Heilige Patron von Stift und Kirche. Beim Tod Geros 965 war der Bau bereits so weit fertiggestellt, dass dieser an der herausragenden Stelle, nämlich in der [[Vierung]], beigesetzt werden konnte.<ref> Knapp, [[Ottonische Architektur]], S. 236 </ref> Der Gründungsbau kann anhand der noch vorhandenen Bausubstanz weitgehend rekonstruiert werden. Er war eine kurze dreischiffige [[Basilika]] mit [[Stützenwechsel]]. Die [[Kirchenschiff|Seitenschiff]]e besaßen [[Empore]]n. St. Cyriakus ist damit eine [[Emporenbasilika]], einer aus [[Byzantinische Kunst#Architektur|Byzanz]] stammenden Form, die hier erstmals nördlich der Alpen verwirklicht wurde. An das [[Langhaus (Kirche)|Langhaus]] schloss sich im Osten ein Querhaus an, das mit dem Mittelschiff eine Vierung bildete. Östlich vom Querhaus lagen Nebenapsiden an den Querhausarmen sowie ein [[Chor (Architektur)|Chor]] mit Apsis. Unter dem Chorbereich befand sich eine kurze dreischiffige [[Krypta|Hallenkrypta]] mit einem Zugang durch zwei seitliche Stollen. In der Westwand der Krypta bestand eine [[Confessio]]. Der Bau besaß ein [[Westwerk]] aus einem quadratischen Mittelturm, der westlich von zwei runden Treppentürmen flankiert wurde. Östlich begleiteten den Mittelturm quadratische Flankenräume. Eine Empore im Westwerk und in den Flankenräumen hatte Verbindung zu den Emporen in den Seitenschiffen.<ref>Jacobsen: ''Die Stiftskirche von Gernrode''; S. 226 </ref> Noch heute ist am Grundriss der Kirche zu erkennen, dass die Mittelachsen von Westwerk, Kirchenschiff und Ostteil verschoben sind. Dies wird darauf zurückgeführt, dass zunächst der Ostteil gebaut wurde, dann das Westwerk und erst zuletzt das Kirchenschiff, an dessen Stelle vermutlich eine provisorische Kirche stand, die das [[Ausfluchten]] verhinderte.<ref>Jacobsen: ''Die Stiftskirche von Gernrode''; S. 223 </ref> Die Anlage der Kirche deutet auf einen Gesamtbauplan, da sie um das kurze, nur zwei [[Joch (Architektur)|Doppeljoche]] umfassende Langhaus herum konzipiert ist. Den [[Arkade|Doppelarkaden]] des Erdgeschosses entsprechen jeweils drei Doppelarkaden auf den Emporen, jede einzelne von einem Bogen überfangen. Die Zweiteilung des Erdgeschosses wird im Emporengeschoss durch einen Mittelpfeiler fortgesetzt.<ref>Knapp, Ottonische Architektur, S.237f. </ref> Die Säulen des Kirchenschiffs tragen [[Kapitell|Maskenkapitelle]], die sich aus [[korinthische Ordnung|korinthischen]] Kapitellen ableiten. Bemerkenswert sind die aus dem Blattwerk der Kapitelle erscheinenden Gesichter. Die Säulen der Langhausarkaden tragen keine Kapitelle, die [[Kämpfer (Architektur)|Kämpfer]] sitzen unmittelbar auf den Schaftringen der Säulen auf. == Die Erweiterung zur Doppelchoranlage == [[Bild:Westkrypta.jpg|thumb|Die Säulen der Westkrypta zeigen typisch romanische Formen]] Im 12. Jahrhundert wurde die Kirche teilweise erheblich umgestaltet. Optisch am auffälligsten war die Erweiterung des Westwerks. Die gerade Westwand, die den Gründungsbau abgeschlossen hatte, entfiel durch den Bau des Westchores mit Westapsis und der darunter liegenden, dreischiffigen Westkrypta. Westapsis und Krypta dienten der Verehrung des Heiligen [[Metro von Verona|Metronus]], der zum zweiten Stiftspatron neben Cyriakus wurde. Die Treppentürme des Westwerkes wurden erhöht. Diese Erhöhung ist daran zu erkennen, dass den durch feinteilige [[Blendarkade|Blendarkaturen]] ausgezeichneten Geschossen des Turmpaares zwei weitere unverzierte Geschosse aufgesetzt wurden. Darüber hinaus entstand das oberste Turmgeschoß mit den gekuppelten Fensteröffnungen erst im 12. Jahrhundert. Außerdem ließen sich in Höhe des unteren Simses der beiden durch Blendarkaturen ausgezeichneten Obergeschosse die Anfänge von Gesimsstücken nachweisen. Bei dem Umbau entfielen auch die Emporen der Seitenschiffe, vermutlich weil die Wände der Seitenschiffe erneuert wurden. Die Querhausarme erhielten Emporen und wurden zur Vierung geöffnet, so dass ein durchlaufendes Querhaus entstand. Das [[Heiliges Grab (Nachbildung)|heilige Grab]] in der Mitte des südlichen Seitenschiffes wurde erneuert. Zudem wurden der sich an die Kirche anschließende Flügel des [[Kreuzgang]]s in seiner noch heute bestehenden doppelstöckigen Form erbaut.<ref>Jacobsen: ''Die Stiftskirche von Gernrode''; S. 226f. </ref> == Spätere Baugeschichte bis zur Restaurierung == In den nördlichen Arm des Querhauses wurde in spätgotischer Zeit eine [[Schatzkammer]] eingebaut. Mit der Aufhebung des Stiftes 1616 begann die Kirche zu verfallen. Die Stiftsgebäude, die im 18. Jahrhundert noch fast vollständig erhalten gewesen sind, wurden im 19. Jahrhundert abgebrochen. Die Kirche selbst diente als landwirtschaftliches Gebäude. Die Fenster wurden teilweise zugemauert, die Apsiden wurden durch Mauern vom Rest der Kirche abgetrennt und erhielten Zugänge von außen. In dieser Zeit dienten die Krypten zur Aufbewahrung von Kartoffeln, die Langhausempore als Getreidespeicher und im Kreuzgang war Vieh untergebracht. Erst 1834 machte der Kunsthistoriker [[Franz Theodor Kugler]] auf den heruntergekommenen Bau aufmerksam. Als mittelalterlicher Bau fand die „neuentdeckte“ Kirche im Zeitalter des [[Historismus]] Beachtung. Der Kunsthistoriker [[Ludwig Puttrich]] bewegte Herzog [[Leopold IV. Friedrich (Anhalt-Dessau)|Leopold Friedrich von Anhalt-Dessau]] dazu, den weiteren Verfall zu verhindern und eine Restaurierung zu veranlassen. == Die Restaurierung durch Ferdinand von Quast == [[Bild:Genrode.Blick zum Westschiff.jpg|thumb|upright|Blick ins Mittelschiff nach Westen und auf die geteilte Orgel, 1877]] Mit der Restaurierung der Stiftskirche beauftragt wurde ein ausgewiesener Experte in der noch neuen Disziplin der Denkmalpflege, der preußische „Konservator der Denkmäler“ [[Ferdinand von Quast]]. Er untersuchte zunächst die vorhandene Bausubstanz. Seine Aufzeichnungen erlauben es, die 1858 noch vorhandenen Teile des Ursprungsbaus und des romanischen Umbaus zu unterscheiden. Ferdinand von Quast bewahrte bei der Restaurierung 1858 bis 1866 weitgehend die originalen Bauformen. Die Emporen des Langhauses wurden wieder geöffnet, die Öffnungen in den Außenwänden der Apsiden wieder geschlossen und die Apsiden erneut zur Kirche hin geöffnet. Lediglich die Ausmalung der Kirche gestaltete von Quast nach seinen eigenen Vorstellungen. Seine Pläne, die [[Klausur (Kloster)|Stiftsklausur]] wieder aufzubauen und die Türme des Westbaus zu erhöhen, um die Anlage an ein idealisiertes Bild des Mittelalters anzupassen, wurden nicht umgesetzt. Die Ausgestaltung der Kirche durch von Quast hat wie die Kirche selbst den Status eines Denkmals. == Spätere Baumaßnahmen == Zwischen 1907 und 1909 wurde der nördliche und 1910 der südliche Treppenturm des Westwerks grundlegend erneuert, woran zwei in das Mauerwerk eingelassene Steintafeln erinnern. Die Kirche präsentiert sich damit äußerlich weitgehend im Bauzustand von 1130, die markanteste Ausnahme ist der [[Dachreiter]] über der Vierung, den von Quast entsprechend seinen Vorstellungen eines [[Ideal (Philosophie)|ideal]]isierten Mittelalters hinzufügte. Die Vorgehensweise von Quasts ist nach heutigen [[Denkmalpflege|denkmalpflegerisch]]en Vorstellungen nicht unumstritten, da seit [[Georg Dehio]] in der Denkmalpflege Konservierung Vorrang vor der Restaurierung hat. Seit der Erneuerung der Türme haben an der Kirche lediglich konservatorische Baumaßnahmen stattgefunden. Bedroht wird der Bau vor allem durch aufsteigende Feuchtigkeit. Diese trägt Salze, die während der Nutzung des Stiftsgeländes als landwirtschaftliche Domäne mit dem [[Urin]] des Viehs in den Boden gelangten, in das Mauerwerk. Eine weitere Bedrohung stellt die klimatische Beanspruchung der Kirche durch Beheizung und stärkeren Besuch dar, die sich durch Kondenswasserniederschlag besonders an der Ausmalung von Quasts sowie an den hölzernen Deckenbalken bemerkbar macht. == Ausstattung == Von der reichen Ausstattung des ottonischen Baus haben sich nur wenige Reste erhalten, da diese 1616, als das Stift aufgelöst war, von den Reformierten entfernt wurde.<ref>Jacobsen: ''Die Stiftskirche von Gernrode''; S. 227 </ref> Die schlichte Ausstattung der Reformierten ist ebenfalls nicht mehr vorhanden. Die heutige Ausstattung ist im Wesentlichen [[Historismus|historistisch]] und wurde nach der Restaurierung geschaffen. Über die Zeit erhalten blieben lediglich einige Grabplatten von Äbtissinnengräbern, die 1519 neu geschaffene [[Tumba (Grabmal)|Tumba]] des Stiftsgründers Gero, sowie das Heilige Grab. === Das Heilige Grab === [[Bild:Stiftskirche um 1700.png|thumb|upright|left|Blick ins Mittelschiff nach Osten, rechts das Heilige Grab, um 1850]] Das [[Heiliges Grab (Nachbildung)|Heilige Grab]] befindet sich im südlichen Seitenschiff. Seine genaue Datierung ist umstritten. Es steht jedenfalls fest, dass es beim romanischen Umbau der Kirche bereits vorhanden war, somit handelt es sich um das älteste erhaltene Heilige Grab in Deutschland. Das Heilige Grab hatte eine wichtige Funktion in der Gernroder Stifts[[liturgie]] während der Ostertage. Im Rahmen liturgischer [[Osterspiel]]e, die für Gernrode aus einer erhaltenen Handschrift rekonstruiert werden konnten, aber auch aus anderen Frauenstiften wie Essen bekannt sind, wurde am Karfreitag der vom Kreuz genommene Korpus in den Sarkophag des Heiligen Grabes gelegt. In der Auferstehungsliturgie des [[Ostersonntag]]s wurde er dann wieder feierlich daraus hervorgeholt und den anwesenden Gläubigen gezeigt. Das Grabmal setzt sich aus einem offenen Vorraum und der eigentlichen Grabkammer zusammen. Der Vorraum ist vom Mittelschiff der Kirche durch eine kleine Tür begehbar, die Grabkammer ist nur über diesen Vorraum erreichbar. Dieser Zustand war jedoch nicht der ursprüngliche. Der gesamte [[Relief (Kunst)|Reliefschmuck]] des Heiligen Grabes bezieht sich auf das Thema der Grablegung und der Auferstehung. Hier wurde erstmals in Deutschland nach Vorbildern aus der byzantinischen Kleinkunst, beispielsweise Buchdeckeln und Elfenbeinkästchen, ein Werk monumentaler Plastik errichtet. Wie bei den byzantinischen Vorbildern werden die Figuren von Rankenbändern umgeben. Leise, verhalten, von individueller Physiognomie und zarter Bewegung verkünden diese Figuren das heilige Geschehen. Die Westwand zeigt auffallend reichen plastischen Schmuck; in der Literatur wird sie daher häufig eine „Predigt in Stein“ genannt. Die Mitte der gestalteten Wand nimmt die Stuckplatte mit einer stehenden weiblichen Figur ein. Diese Figur wurde früher als Stifterin gedeutet; heute erkennt man in ihr zu Recht die vor dem Grabe stehende Maria Magdalena. Ein breites umlaufendes Rahmenband schließlich grenzt die Mittelgruppe ein. Dieses Band ist unterteilt in eine äußere Weinranke mit Trauben, die von Schlangenköpfen ausgeht, und eine innere Ranke, welche große Schlingen ausbildet, in die Menschen- und Tiergestalten eingeflochten sind. In der Mitte der oberen Ranke steht das Lamm Gottes (Opfertod), in der linken oberen Ecke Johannes der Täufer und in der rechten oberen Ecke Moses, beide Vorläufer, Wegbereiter für Christus, sie weisen auf das Lamm Gottes hin. Zur Seite der beiden alttestamentarischen Figuren je ein Löwe. Der Löwe ist hier ein gutes Tier, ein Hinweis ist gegeben durch seine Zähmung, er frisst von den Weintrauben. Der Vogel mit dem Nimbus wird als Phönix anzusehen sein, das immer wiederkehrende Symbol für die Auferstehung <ref>Wenn man die symbolische Bedeutung von Tierdarstellungen des Mittelalters analysieren will, erscheint es immer angeraten, den Physiologus zu konsultieren. Der Physiologus entstand um die Zeit 200 n. Chr. und ist ein Schlüsselwerk zur Tiersymbolik in seiner Wirkung auf die bildende Kunst. Nach diesem Physiologus verbrennt dieser Vogel Phönix sich selbst und erwacht nach drei Tagen zu neuem Leben.</ref>. Der Vogel auf der anderen Seite des Lammes ist ein Adler. Auch er ist ein Christussymbol, da er nach alter Meinung von allen Vögeln am höchsten fliegt und in die Sonne blicken kann (Gleichnis für die Himmelfahrt Christi). Auch die anderen Bildelemente lassen sich in dieser Weise symbolisch dem Generalthema zuordnen. Die Bildertheologie dieser Westwand teilt sich in eine obere und eine untere Zone; die untere ist den irdischen Wesen, den Sterblichen vorbehalten, die leicht der Sünde verfallen können. Ihr gegenüber stellt sich der Bereich der Erlösung in der oberen Zone, in dessen Mittelpunkt das apokalyptische Lamm erscheint; die übrigen Symbole weisen auf die Grundtatsachen der christlichen Lehre hin: Opfertod, Auferstehung und Himmelfahrt. Die Nordwand zeigt rechts von der Säule eine Christusfigur und noch weiter rechts Maria Magdalena. Beide Figuren zusammen bilden eine sog. Noli-me-tangere-Gruppe. „Noli me tangere“ heißt übersetzt „Rühr mich nicht an“. Gemeint ist damit in der Ikonographie der religiösen Kunstgeschichte eine Darstellung des auferstandenen Christus, der nach Joh. 20, 14-18 der Maria Magdalena als Gärtner erscheint und sich mit abweisenden Armbewegungen dagegen sträubt, von ihr berührt zu werden. Die weichen, zurückhaltenden Formen deuten an, dass man noch der Kunst des 11. Jahrhunderts verpflichtet ist, die Verfestigung der späteren Jahre der Romanik kennt man noch nicht.<ref>Budde, Rainer: Deutsche Romanische Skulptur 1050-1250. München 1979, Abb. 44-51</ref>. Die Öffnung in der Wand zum Mittelschiff bildete eine Wirkungsquelle, die die Heilswirkung der im Heiligen Grab geborgenen [[Reliquie]], eines in ein [[Gemmenkreuz]] eingearbeiteten Dornes der [[Dornenkrone]] Christi, auf die davor im Mittelschiff begrabenen Äbtissinnen ausstrahlen ließ. Ein [[Ochsenauge (Architektur)|Oculus]] in der Außenwand der Kirche erlaubte eine entsprechende Ausstrahlung in den Kreuzgang, wo die übrigen Würdenträger des Stifts begraben waren.<ref>Jacobsen: ''Die Stiftskirche von Gernrode''; S. 234f. </ref> === Grabmal des Markgrafen Gero === Das Hochgrab für den als Stifter verehrten Markgrafen Gero wurde 1519 in der Vierung der Stiftskirche errichtet. Es war eine gemeinsame Stiftung der Äbtissin [[Elisabeth von Weida]] und der Pröpstin Ursula von [[Kittlitz (Adelsgeschlecht)|Kittlitz]], das Wappen beider ist auf den Seiten der Tumba abgebildet. Es ist aus [[Sandstein]] hergestellt und misst 94 Zentimeter in der Höhe, 99 Zentimeter in der Breite sowie 212 Zentimeter in der Länge. [[Bild:Grabmal Geros.png|thumb|upright|Das Gero-Grabmal]] Auf den Seitenflächen befinden sich mehrere auf dem Sockel stehende Figuren. Auf der Nordseite sind dies [[Andreas (Apostel)|Andreas]], [[Matthias (Apostel)|Mathias]], [[Johannes der Täufer]] und [[Simon Petrus|Petrus]]. Die Südseite zeigt Figuren der Heiligen [[Antonius der Große|Antonius]] und [[Hedwig von Andechs|Hedwig]] (die Figur hält ein Modell der Kirche in der Hand möglicherweise sollte hier die erste Äbtissin des Stiftes Hathui (Hedwig) dargestellt werden), daneben noch von [[Maria (Mutter Jesu)|Maria]], [[Elisabeth von Thüringen]] sowie [[Onophrios der Große|Onofrius]]. Die beiden Schmalseiten bieten nur Platz für je zwei Figuren. Auf der Westseite sind mit Cyriakus und Metronus die Stiftspatrone dargestellt, an der Ostseite finden sich die Apostel [[Philippus (Apostel)|Philippus]] und [[Thomas (Apostel)|Thomas]]. Die Figuren der Seiten haben im Gegensatz zur Liegefigur auf dem Deckel der Tumba keine hohe künstlerische Qualität. Die Deckplatte zeigt den Markgrafen im Hochrelief in einer Rüstung vom Beginn des 16. Jahrhunderts. In seiner rechten Hand hält er ein Schwert, in seiner Linken eine Fahne. Die Füße sind auf einen Löwen gestützt, der ein Schild hält. Die Figur stammt möglicherweise aus der Werkstatt von [[Tilman Riemenschneider]]. Das Grabmal wurde 1865 während der Renovierung der Stiftskirche geöffnet. Man fand darin die Knochen eines Mannes mit einer Körperlänge von 1,84 Metern. === Tafelbild des Markgrafen Gero === [[Bild:Gero.png|thumb|upright|left|Tafelbild Geros]] Auf der Südempore des Querhauses befindet sich ein Tafelbild des Markgrafen Gero, das zu Beginn des 16. Jahrhunderts entstand. Auf dem Bild ist frontal ein Mann in einem kurzen roten Leibrock mit Gurt zu erkennen, der auf einem flachen sechseckigen Sockel steht, auf dem außerdem noch ein Hund liegt. In der linken Hand trägt der bärtige Mann ein [[Richtschwert]], über dessen Parierstange ein Schild mit aufgemaltem Adler hängt. Mit der erhobenen rechten Hand umfasst er eine Lanze mit einem Wimpel, auf dem ein schreitender Löwe zu erkennen ist. Die zahlreich mit Edelsteinen eingefassten Borten des Gewandes im Stil des 10. Jahrhunderts zeugen davon, dass es sich um eine hochrangige Persönlichkeit handelt. Die Inschrift ''GERO DVX ET MARIHIO FVNDATOR HVIVS ECCLFSIE SAXOIIVM'' identifiziert den Abgebildeten als Markgraf Gero, den Stifter der Kirche. Die malerische Qualität des Gemäldes ist niedrig. Kunsthistorisch bedeutend ist das Tafelbild für die Geschichte der frühen deutschen Skulptur. Es gilt in der Forschung als sicher, dass der Künstler des 16. Jahrhunderts auf eine wesentlich ältere Vorlage, möglicherweise die zeitgenössische Grabplatte, zurückgegriffen hat, von der auch die fehlerhafte Inschrift übernommen wurde. Wenn diese Annahme zutrifft, wäre dieses Tafelbild die Abbildung einer nicht mehr im Original vorhandenen Grabplastik, die eine der frühesten nachweisbaren im deutschsprachigen Raum wäre. === Grabplatten === Die Äbtissinnen des Stiftes wurden bis ins 16. Jahrhundert vor dem Kreuzaltar bestattet. Bei den Grabstellen handelte es sich vermutlich um gemauerte Schächte, welche die Holz- oder Bleisärge aufnahmen und mit in den Kirchenboden eingelassenen Grabplatten verschlossen wurden. Die Grabplatten waren mit Inschriften gekennzeichnet, ab 1324 auch mit einer Darstellung der Verstorbenen. Bei einer Kirchenreparatur der Jahre 1830/31 wurden diese Grabplatten bis auf zwei zu den Treppenstufen verarbeitet, die zum Ostchor hinaufführen. Ihre Beschriftungen sind teilweise noch zu erkennen. Die beiden Platten, die Quast noch vorfand, waren die Doppelgrabplatte der Äbtissinnen Adelheid vom Walde und Bertradis von Snaudit, die 1912 in die südliche Nebenapsis verbracht wurde, und die Grabplatte Elisabeths von Weida, die 1924 aufrecht vor der nördlichen [[Ambo|Epistelambo]] aufgestellt wurde. === Taufstein === Ein romanischer [[Taufbecken|Taufstein]], der um 1150 gefertigt wurde, steht im westlichen Mittelschiff. Er gehörte nicht zur Ausstattung der Stiftskirche, sondern stammt aus der abgerissenen Kirche von [[Alsleben (Saale)|Alsleben]] und wurde 1865 im Zuge der Neuausstattung von von Quast nach Gernrode gebracht. Das achtseitige Taufbecken ist tief in den Sandstein eingearbeitet und hat eine Höhe von 93 Zentimetern sowie einen Durchmesser von 120 Zentimetern. An den Rundbogennischen der Außenseiten ist es mit figürlichen Reliefs ausgestattet, die das Leben Christi darstellen, in zwei Dreiergruppen die Kreuzigung und den [[Heiland|Salvator Mundi]] sowie in je einem Relief Himmelfahrt und Geburt Christi. Die Umsetzung der Darstellung erfolgte jedoch nur mit begrenztem künstlerischen Vermögen, beispielsweise stimmen die Proportionen der Figuren nicht. Der Stein wurde um 1150 gearbeitet. Der Sockel des Taufsteins ist eine Arbeit des 19. Jahrhunderts. === Historistische Ausstattung === Von Quast ließ die Kirche mit neuen Glasfenstern ausstatten und mit großflächigen Wandgemälden ausmalen. Bei der Farbwahl rot, gold und blau orientierte er sich an Freskenresten des 13. Jahrhunderts, die er unter einer dicken Putzschicht in der Ostapsis fand. Um die Kirche wieder als Gottesdienstraum nutzbar zu machen, benötigte sie zudem eine [[Orgel]]. Von Quast ließ, um den Blick in die Westapsis mit dem von ihm gestalteten Wandgemälde des Jüngsten Gerichts nicht zu versperren, die Orgel teilen. Manuale und Pedalwerk sowie Blasebalg sind getrennt und rein mechanisch verbunden. Das Orgelwerk wurde mehrfach erneuert, zuletzt 1981, als ein Werk der Firma Schuster (27 [[Register (Orgel)|Register]] auf zwei [[Klaviatur|Manualen]]) eingebaut wurde. == Ausstattung und Stiftsliturgie um 1500 == Aus der Stiftsbibliothek sind ein [[Brevier (Liturgie)|Brevier]] des ausgehenden 15. Jahrhunderts sowie ein [[Prozessionale]] von 1502 erhalten. Aus diesen Schriften und Baubeobachtungen kann die liturgische Situation im Stift Gernrode um 1500 rekonstruiert werden.<ref>Jacobsen: ''Die Stiftskirche von Gernrode''; S. 229f.</ref> === Die liturgische Einrichtung === [[Bild:Gernrode.Nordostseite-2.jpg|thumb|upright|Ostchor und nördliches Querhaus]] [[Bild:Gernrode.Detail vom Südflügel.jpg|thumb|upright|Detail des Südflügels mit dem angebauten Kreuzgangflügel. Deutlich zu erkennen ist der im 19. Jahrhundert ergänzte Dachreiter]] Die Stiftskirche verfügte um 1500 über zahlreiche [[Altar|Altäre]], deren Aufstellungsorte teilweise bekannt sind, teilweise aus den Quellen erschlossen wurden:<ref>Jacobsen: ''Die Stiftskirche von Gernrode''; S. 229f.</ref> * Der Hauptaltar, gewidmet St. Cyriakus, mit dem Schrein der Cyriakus-Reliquie stand in der östlichen Apsis. Nördlich davon stand das [[Sakramentshaus|Sakramentshäuschen]], davor das Gestühl der [[Kanoniker|Stiftskanoniker]], das durch eine [[Chorschranke|Schranke]] vom Rest der Kirche getrennt war. * Die [[Krypta|Ostkrypta]] enthielt einen Altar der 11.000 Jungfrauen der [[Ursula von Köln|Ursulalegende]]. Die Verehrung dieser Heiligen in Gernrode dürfte entweder auf den Kontakt Geros mit Erzbischof [[Brun (Köln)|Brun]] zurückzuführen sein oder auf die Verwandtschaft Geros mit dem Erzbischof [[Gero von Köln]]. * In der [[Vierung]] befand sich das Stiftergrab, das vermutlich durch eine Öffnung zur Krypta an der Heilswirkung der in der [[Confessio]] aufbewahrten Reliquie teilgenommen hat. Um 1500 war diese Reliquie auf dem Hauptaltar, so dass die [[Fenestella]] und die Confessio vermauert waren. * Im nördlichen Querhaus stand unten ein [[Marienaltar]], in der oberen Etage befand sich ebenfalls ein Altar, da dort eine [[Piscina (Kirche)|Piscina]] nachgewiesen ist. Westlich vor dem unbekannten Altar befand sich die Schatzkammer, die auch als [[Sakristei]] diente. * Im unteren Geschoss des südlichen Querhauses stand der Altar des Heiligen Petrus. Auf der Empore darüber befand sich ein [[Michael (Erzengel)|Michaelsaltar]], vor dem sich das Hauptgestühl der Stiftsdamen befand. * Im Triumphbogen zwischen Vierung und Kirchenschiff stand ein Kreuzaltar. Über diesem konnte durch Baubeobachtung die Existenz eines [[Triumphkreuz]]es nachgewiesen werden. Vor dem Triumphbogen befand sich die Grablege der Äbtissinnen, mit dem Grab Hathuis in der Mitte der ersten Reihe vor dem Kreuzaltar. * Im Mittelschiff befand sich ferner ein [[Allerheiligen]]altar, der über ein eigenes Altargestühl verfügte und vermutlich durch Schranken von der Kirche abgetrennt war. Vor der Westseite des Gestühls bestand noch genügend Platz, um durch die mittig angeordnete Treppe in die Westkrypta zu gelangen. * Im Westchor befand sich der Altar des Metronus. In der Krypta unter dem Westchor befand sich vermutlich der Reliquienschrein dieses Heiligen, möglicherweise auch noch ein weiterer Altar. * Im nördlichen Seitenschiff befand sich am östlichen Ende der Altar der Heiligen [[Katharina von Alexandrien|Katharina]] mit eigenem Gestühl, weiter westlich davon befand sich ein Bild des Heiligen Cyriakus. * Im südlichen Seitenschiff befand sich das Heilige Grab mit dem symbolischen Sarkophag Christi. In der östlichen Vorkammer des heiligen Grabes stand ein Altar des Heiligen [[Ägidius von St. Gilles|Ägidius]], vor der westlichen Schauseite des Heiligen Grabes ein Altar des Heiligen [[Johannes (Apostel)|Johannes des Evangelisten]], der auch über ein eigenes Gestühl verfügte. === Liturgische Nutzung um 1500 === ==== Alltags und an gewöhnlichen Sonntagen ==== Die Stiftskirche war um 1500<ref>Jacobsen: ''Die Stiftskirche von Gernrode''; S. 235ff.</ref> eine [[Prozession]]skirche, die diversen Altäre und Orte wurden entsprechend dem [[Kirchenjahr]] aufgesucht und einbezogen. Die tägliche [[Hochamt|Hauptmesse]] vollzog ein Stiftskanoniker am Hauptaltar im Ostchor, während sich die Stiftsdamen in ihrem Gestühl auf der südlichen Querhausempore befanden. Ein Sichtkontakt zwischen dem Geschehen am Hochaltar und den Damen bestand nicht, außer für die [[Singmeister]]in, die ihren Platz auf der Empore neben dem Vierungspfeiler hatte. Auf der Empore verrichteten die Damen auch die üblichen [[Stundengebet]]e [[Vesper (Liturgie)|Vesper]] und [[Matutin|Vigil]]. Der Michaelsaltar auf dieser Empore stand in keiner Beziehung zu diesem Chordienst des Stiftskapitels. Messhandlungen an ihm wurden nicht in Gegenwart der Damen vorgenommen. An gewöhnlichen Sonntagen fand vor der Hauptmesse eine Prozession der Stiftsdamen statt, die durch den Kreuzgang erfolgte, wo eine [[Statio]] in der am Kreuzgang gelegenen Marienkapelle erfolgte. Von dort zog der [[Konvent (Kirche)|Konvent]] durch die westliche Verbindungstür der Kirche zum Kreuzgang in die Kirche ein, durch das Mittelschiff mit den Gräbern der Äbtissinnen und Geros und über die Chortreppe auf die Empore. ==== An Festtagen ==== An besonderen Festtagen war der liturgische Ablauf weit farbiger und individueller. Für jeden Feiertag war genau geregelt, welche Gruppe wann welche Handlung vollzog. Exemplarisch hierfür ist der Ablauf am [[Palmsonntag]]. Zur [[Prim (Liturgie)|Prim]] befanden sich die Kanoniker im Hochchor, die Stiftsdamen auf der südlichen Querhausempore. Nach der Prim erhoben sich die Kanoniker aus ihrem Gestühl und zogen in Prozession über die Chortreppen ins Mittelschiff. Dort trafen sie auf die Prozession der Stiftsdamen, die über die Chortreppe ihre Empore verlassen hatten, und die den Kanonikern nun vor den Eingang des Heiligen Grabes folgten. Dort stellten sich die Stiftsdamen nach Osten gewendet auf und sangen ein [[Antiphon (Musik)|Antiphon]], während die Kleriker in das Heilige Grab eintraten. Dort nahmen sie das Gemmenkreuz mit der Dornreliquie auf und trugen es hinaus. Die Kleriker begaben sich mit dem Kreuz zum Kreuzaltar und stellten es dort auf. Nach dem Ende des Antiphons begaben sich auch die Damen zum Kreuzaltar, wo Kanoniker und Stiftsdamen gemeinsam einen [[Hymne|Hymnus]] anstimmten. Nach diesem zog der Damenkonvent wieder auf die Empore, um dort die [[Terz (Liturgie)|Terz]] zu singen. Nach der Terz wurden vor der Schranke des Hauptchores die Palmzweige geweiht und vom [[Diakon]] an die Kanoniker und Stiftsdamen verteilt. Die Damen prozernierten mit den Zweigen durch die westliche Tür in den Kreuzgang, durch diesen hindurch Kreuzgang und wieder zurück in die Kirche vor den Kreuzaltar, zu dem sich inzwischen auch die Kanoniker begeben hatten. Es folgte ein Hymnus, danach begaben sich zuerst die Damen, dann die Kanoniker und zuletzt der [[Hebdomadar]] vor dem Kreuz zur Verehrung in [[Proskynese]]. Im Anschluss trugen Hebdomadar und Diakon das Kreuz vom Kreuzaltar zur Chorschranke, vor der es aufgestellt wurde. Alle Gruppen begaben sich dann in ihre Gestühle, um der Hauptmesse beizuwohnen. Nach der Vesper versammelten sich die Stiftsdamen im Gestühl des Katharinenaltars, die Kanoniker auf der Bank am Cyriakusbild westlich davon. Die Singmeisterin sang ein Antiphon, während der Einzug Jesu in Jerusalem dargestellt wurde, indem ein Diakon und ein Subdiakon einen hölzernen Palmsonntagsesel aus dem Westteil der Kirche durch das Kirchenschiff zum Petersaltar unter der Stiftsdamenempore zogen. Anschließend begaben sich die Stiftsdamen und die Kanoniker in ihre üblichen Gestühle zur [[Komplet]]. An diese schloss sich die Nachtruhe an. == Nutzungsgeschichte und heutige Nutzung == [[Bild:Straße der Romanik - Gernrode.jpg|thumb|upright|Ort der Straße der Romanik]] St. Cyriakus war seit der Gründung des ersten Kirchenbaus bis zur Auflösung 1616 die Stiftskirche des von Gero gegründeten Frauenstifts und Mittelpunkt des Stiftslebens. Sie war weder Pfarr- noch Bischofskirche, sondern diente hauptsächlich den Angehörigen des Frauenstifts. Ihre Stellung war daher einer Klosterkirche vergleichbar, auch wenn das Stift Gernrode wahrscheinlich nicht der [[Benediktiner|benediktinischen]] [[Ordensregel|Klosterregel]] folgte, sondern den [[Institutio sanctimonialium]], der 816 von der [[Aachener Reichssynode]] festgelegten kanonikalen Lebensform für [[Frauenstift|Frauenkommunitäten]], wie sie in den vom sächsischen Hochadel begründeten Stiften [[Stift Essen|Essen]], [[Stift Gandersheim|Gandersheim]], [[Stift Quedlinburg|Quedlinburg]] oder [[Elten]] angewendet wurden. In der Kirche fanden die Stundengebete und Messen der Stiftsgemeinschaft statt, sowie die Fürbitten für die verstorbenen Stiftsangehörigen, die adeligen Förderer des Stiftes und deren Vorfahren im Rahmen des organisierten Totengedenkens. Da sich die Äbtissin Elisabeth von Weida bereits 1521 der evangelischen Lehre [[Martin Luther]]s anschloss, wurde die Stiftskirche eine der ersten evangelischen Kirchen weltweit. Das Frauenstift war von 1521 bis zur Auflösung evangelisch-lutherisch, danach diente die Kirche zeitweise einer [[Reformierte Kirche|reformierten]] Gemeinde. Erst diese entfernte die mittelalterliche Ausstattung. Später erfolgte eine [[Profanierung]], die Kirche diente unter anderem als Getreidespeicher. Seit der Restaurierung ist die Stiftskirche Pfarrkirche der evangelischen Gemeinde St. Cyriakus Gernrode, einer Gemeinde der [[Evangelische Landeskirche Anhalts|Evangelischen Landeskirche Anhalts]]. Außer zu Gottesdiensten wird sie auch für Konzerte genutzt, unter anderem wird das Osterspiel der Stiftsliturgie alljährlich zu Ostern aufgeführt. Die Kirche steht seit 1960 unter [[Denkmalschutz]] und ist heute Bestandteil der [[Straße der Romanik]]. == Literatur == * [[Otto von Heinemann]]: ''Geschichte der Abtei und Beschreibung der Stiftskirche zu Gernrode''. Quedlinburg 1877. * Hans K. Schulze, Reinhold Specht, Günter W. Vorbrodt: ''Das Stift Gernrode''. Mit einem kunstgeschichtlichen Beitrag über die Stiftskirche, Köln/Graz 1965. * Institut für Denkmalpflege (Hrsg.), Klaus Voigtländer (Verf.): ''Die Stiftskirche zu Gernrode und ihre Restaurierung 1858–1872'', 2. Aufl. Berlin 1982. * Werner Jacobsen: ''Die Stiftskirche von Gernrode und ihre liturgische Ausstattung''. In: ''Essen und die sächsischen Frauenstifte im Frühmittelalter''. Klartext Verlag, Essen 2003, ISBN 3-89861-238-4. * Ulrich Knapp: ''Ottonische Architektur. Überlegungen zu einer Geschichte der Architektur während der Herrschaft der Ottonen''. In: [[Klaus Gereon Beuckers]], Johannes Cramer, Michael Imhof (Hrsg.): ''Die Ottonen. Kunst – Architektur – Geschichte''. Michael Imhof Verlag, Petersberg 2002, ISBN 3-93-252691-0. * [[Deutsche Stiftung Denkmalschutz]] (Hrsg.): ''Monumente Edition – Romanik in Sachsen-Anhalt.'' Monumente-Publikationen, Bonn 2002, ISBN 3935208057. == Einzelnachweise == <references /> == Weblinks == {{Commonscat|Stiftskirche St. Cyriakus in Gernrode|Stiftskirche St. Cyriakus in Gernrode}} * {{BAM|Stiftskirche Gernrode}} * [http://www.stift-gernrode.uni-goettingen.de/AltFrameset.htm Seiten zum Stift Gernrode einschließlich der Kirche] * [http://www.stiftskirche-gernrode.de/ Seiten des Evangelischen Pfarramtes Gernrode (heutige Nutzer)] {{Exzellent}} {{Coordinate |NS=51/43/27.30/N |EW=11/8/9.50/E |type=landmark |region=DE-ST}} {{DEFAULTSORT:Gernrode, Sankt Cyriakus}} <!-- Oberkategorie drinlassen, denn es war erst katholisch, dann evangelisch --> [[Kategorie:Vorromanisches Bauwerk]] [[Kategorie:Kirchengebäude im Landkreis Harz|Gernrode, Cyriakus]] [[Kategorie:Frauenstift]] [[Kategorie:Evangelisches Frauenstift]] [[Kategorie:Anhaltische Geschichte|Gernrode]] [[Kategorie:Kloster (10. Jahrhundert)]] [[Kategorie:Ehemaliges Kloster in Sachsen-Anhalt]] [[Kategorie:Cyriakuskirche|Gernrode]] [[Kategorie:Straße der Romanik|Gernrode]] [[Kategorie:Gernrode]] [[Kategorie:Reichsabtei|Gernrode]] [[fr:Église Saint-Cyriaque de Gernrode]] [[it:Chiesa di San Ciriaco (Gernrode)]] [[pl:Kościół św. Cyriaka w Gernrode]] 7kbnimr6jwi0pewngo1393h3sr2bw3d wikitext text/x-wiki Amedeo Modigliani 0 23536 26543 26133 2010-04-30T08:37:56Z Omega prime 0 Rechtschreibung / Grammatik [[Bild:Amadeo Modigliani 053.jpg|thumb|''Selbstbildnis'', 1919. Dieses Bild entstand kurz vor Modiglianis Tod und ist dessen einziges Selbstporträt.]] [[Bild:Modibyjeanne.jpg|thumb|Porträt Amedeo Modiglianis gemalt von Jeanne Hébuterne]] '''Amedeo Modigliani''' (* [[12. Juli]] [[1884]] in [[Livorno]]; † [[24. Januar]] [[1920]] in [[Paris]]) war ein [[Italien|italienischer]] [[Zeichnung (Kunst)|Zeichner]], [[Malerei|Maler]] und [[Bildhauerei|Bildhauer]]. Die heutige Bekanntheit beruht vor allem auf seinen Aktgemälden, die zu seiner Zeit als skandalös empfunden wurden und erst später Akzeptanz fanden. Seine Jugend verbrachte Modigliani in Italien, wo er die Kunst der Antike und Renaissance studierte, bis er 1906 nach Paris zog. Dort kam er in Kontakt mit bedeutenden Künstlern wie [[Pablo Picasso]] und [[Constantin Brâncuşi]]. Sein Leben war von Lungenkrankheiten geprägt. In einem Fiebertraum soll er seine Berufung zur Kunst erkannt haben, mit 35 Jahren starb er an [[Tuberkulose]]. Die Informationen über Modiglianis Leben beruhen auf nur wenigen verbürgten Dokumenten, so dass es vor allem nach seinem Tod zur [[Legende]]nbildung um ihn kam. Modiglianis Gesamtwerk umfasst vor allem Gemälde und Zeichnungen. Von 1909 bis 1914 widmete er sich jedoch hauptsächlich der Bildhauerei. Das Hauptmotiv ist der Mensch, sowohl in den Bildern als auch bei den Skulpturen. Daneben gibt es wenige Bilder mit Landschaftsmotiven. Interieurszenen und Stillleben von Modigliani sind nicht bekannt. Modigliani bezog sich in seinen Werken oft auf die [[Renaissance]], griff aber auch andere Elemente wie die zu seiner Zeit populäre [[afrikanische Kunst]] auf. Hingegen lässt er sich keiner der zeitgenössischen Stilrichtungen zuordnen, wie etwa dem [[Kubismus]] oder dem [[Fauvismus]]. Während seines Lebens hatte Amedeo Modigliani nur wenig Erfolg mit seiner Kunst, erst nach seinem Tod erreichte er größere Popularität und seine Kunstwerke erzielten hohe Preise. == Leben == === Erste Lebensjahre und Kindheit === [[Bild:Modigliani Birthplace Livorno.jpg|thumb|Geburtshaus Amedeo Modiglianis in Livorno. Mit der Gedenktafel ehrte der Rat der Stadt den Künstler anlässlich seines 75. Geburtstages.]] Amedeo Modigliani wurde am 12. Juli 1884 in [[Livorno]] als viertes und jüngstes Kind von Flaminio und Eugenia Modigliani geboren. Einer seiner Brüder war [[Giuseppe Emanuele Modigliani]], der später Politiker des [[Partito Socialista Italiano]] und Abgeordneter des italienischen Parlaments wurde. Die Familie Modigliani gehörte dem aufgeklärten jüdischen Bürgertum der Stadt an. Als [[Sephardim|sephardische]] Juden lebten die Mitglieder der Familie nach einer liberalen Auslegung ihres Glaubens. Als Amedeo Modiglianis geboren wurde, war der mit Holz und Kohle handelnde Familienbetrieb infolge der schlechten Konjunktur bereits bankrott gegangen.<ref name="krise">[http://www.italien-1870-1914.de/innere_situation.html Innere Krisen in Italien 1870–1914]</ref> Deshalb trug Modiglianis Mutter als Privatlehrerin und Übersetzerin – unter anderem von Gedichten [[Gabriele D’Annunzio]]s – zum Familienunterhalt bei. Daneben verfasste sie unter einem Pseudonym Literaturkritiken. Amedeo Modigliani nahm außerdem wahrscheinlich an den traditionellen Fünf-Uhr-Tees im Haus seines Großvaters [[Isaac Garsin]] teil, bei denen beispielsweise über Werke von [[Oscar Wilde]] diskutiert wurde.<ref name="hintergrund">Anette Kruszynski: Amedeo Modigliani – Akte und Porträts. Prestel, München 1996. Seite 14</ref> Da seine Mutter aus [[Marseille]] stammte, lernte Amedeo Modigliani bereits früh die [[französische Sprache]], was ihm später seine Integration in Paris erleichterte. Im Alter von elf Jahren litt Amedeo Modigliani an einer schweren [[Rippenfellentzündung]]. 1898, im Alter von 14 Jahren, erkrankte er an [[Typhus]], der zu dieser Zeit noch als tödliche Krankheit galt. Während der Krankheit hatte er laut der Darstellung seiner Mutter einen Fiebertraum, in dem er über die künstlerischen Meisterwerke in Italien phantasiert und der ihm damit seine künstlerische Bestimmung aufgezeigt habe.<ref name="berufung">Doris Krystof: ''Amedeo Modigliani''. Taschen, Köln 2006. Seite 8</ref> Nachdem Amedeo Modigliani wieder gesund war, erhielt er von seinen Eltern die Erlaubnis, die Schule abzubrechen und ein Kunststudium zu beginnen. === Ausbildung === Amedeo Modigliani schrieb sich 1898 an der privaten Zeichen- und Malschule des Malers [[Guglielmo Micheli]] in Livorno ein. Dort war er mit seinen 14 Jahren der jüngste Student in seiner Klasse. Neben der künstlerischen Ausbildung an der Schule, die sich noch stark am [[Impressionismus]] orientierte, lernte Amedeo Modigliani im Atelier von [[Gino Romiti]] das [[Akt (Kunst)|Aktmalen]]. Im Juli 1900 erkrankte Modigliani an [[Tuberkulose]]. Weil die Luftveränderung seine Genesung begünstigen sollte, verbrachte er den Winter 1900/1901 zusammen mit seiner Mutter auf einer Reise nach [[Neapel]], [[Capri]] und [[Rom]]. Von dort aus schrieb Amedeo Modigliani fünf Briefe an den neun Jahre älteren Künstler [[Oscar Ghiglia (Maler)|Oscar Ghiglia]], mit dem er trotz des Altersunterschieds befreundet war. Diese Briefe gehören zu den wenigen schriftlichen Dokumenten Modiglianis, die erhalten geblieben sind. In ihnen schilderte er unter anderem seinen Eindruck von Rom: ''„Rom ist nicht um mich, während ich Dir erzähle, sondern in mir, gleich einem von seinen sieben Hügeln wie von sieben gebieterischen Ideen eingefassten schrecklichen Juwel.“''<ref name="rom">Doris Krystof: ''Amedeo Modigliani''. Taschen, Köln 2006. Seite 10</ref> Im Frühjahr 1901 folgte Amedeo Modigliani seinem Freund Ghiglia nach [[Florenz]]. Nachdem er den Winter 1901/1902 in Rom verbracht hatte, kehrte er nach Florenz zurück und schrieb sich am 7. Mai 1902 an der Scuola libera di Nudo (deutsch: freie Aktzeichenschule) ein. Dort studierte er bei [[Giovanni Fattori]] und beschäftigte sich daneben hauptsächlich mit der Kunst der [[Renaissance]]. 1903 ging Amedeo Modigliani, wiederum Ghiglia folgend, nach [[Venedig]], wo er bis zu seiner Übersiedlung nach Paris lebte. Er schrieb sich am 19. März dieses Jahres am Istituto di Belle Arti di Venezia ein. Dort belegte er unter anderem Kurse der Freien Aktzeichenklasse. Sein Schwerpunkt lag auf dem Studium der italienischen Kunstgeschichte, die Malerei betrieb er weniger intensiv. 1903 und 1905 kam er auf den [[Biennale di Venezia|Biennale]]n in Kontakt mit den Werken der französischen [[Impressionismus|Impressionisten]], mit Skulpturen [[Auguste Rodin|Rodins]] und Werken des [[Symbolismus (Bildende Kunst)|Symbolismus]]. Während seiner Studienzeit in Venedig begann Modigliani [[Haschisch]] zu konsumieren, und nahm an [[Spiritismus|spiritistischen]] Sitzungen teil.<ref name="haschisch">Doris Krystof: ''Amedeo Modigliani''. Taschen, Köln 2006. Seite 94</ref> === Umzug nach Paris === Zu Beginn des Jahres 1906 zog Amedeo Modigliani nach [[Paris]], da die dortige Künstlerszene als besonders fortschrittlich galt und neue Kunststile entwickelte und etablierte. Im vorangegangenen Jahr hatten noch relativ unbekannte Künstler, wie zum Beispiel [[André Derain]] und [[Henri Matisse]], die von der Kritik mit dem Spottnamen ''Les [[Fauvismus|Fauves]]'' (deutsch: ''Die Wilden'') bezeichnet worden waren, im [[Salon d’Automne|Herbstsalon]] ausgestellt. Die Pariser Kunstwelt wurde mit fortschrittlichen [[Kunsthandel|Kunsthändler]]n, die junge und innovative Künstler wie [[Pablo Picasso]] unterstützten, zum Zentrum der avantgardistischen Malerei. Nach seiner Ankunft lebte Amedeo Modigliani anfangs in einem komfortablen Hotel am [[Rive Droite|rechten Ufer]] der [[Seine]], was ihm wegen seiner Herkunft aus einer bürgerlichen Familie angemessen erschien. Nach kurzer Zeit zog er jedoch in das Viertel [[Montmartre]], wo er unter anderem im [[Bateau-Lavoir]] lebte und ein einfaches Atelier nutzte, und nahm Aktzeichenunterricht an der [[Académie Colarossi]]. Seine Mutter schickte ihm zwar so viel Geld, wie es ihr möglich war, aber es reichte für Modigliani nicht zum Überleben. Deshalb wechselte er oft seine Unterkunft und ließ manchmal sogar seine Kunstwerke zurück, wenn er aus einer Wohnung floh, weil er die Miete nicht mehr bezahlen konnte. Eine der ersten Freundschaften, die Modigliani in Paris schloss, verband ihn mit dem deutschen Maler [[Ludwig Meidner]]. Dieser beschrieb später Modiglianis Stellung und Auftreten in der Pariser Gesellschaft: „Unser Modigliani […] war ein charakteristischer und gleichzeitig hoch begabter Vertreter der [[Bohème]] vom Montmartre; wahrscheinlich sogar der letzte echte Bohémien.“<ref name="meidner">Doris Krystof: ''Amedeo Modigliani''. Taschen, Köln 2006. Seite 16</ref> Modigliani nahm trotz seiner gesundheitlichen Probleme am ausschweifenden Leben der Künstler am Montmartre teil. Im Frühjahr 1907 wurde Modigliani von dem Maler [[Henri Doucet]] in ein Haus mitgenommen, das [[Paul Alexandre]] für junge Künstler angemietet hatte. Der junge Arzt Alexandre war von Modiglianis Bildern fasziniert und begann deshalb, ihn zu unterstützen. Er kaufte ihm Bilder und Zeichnungen ab und vermittelte ihm Porträtaufträge. Amedeo Modigliani stellte 1907 im avantgardistischen Herbstsalon aus, der von den Fauvisten geprägt war. Im Folgejahr zeigte Modigliani sechs Gemälde im [[Salon des Indépendants]], darunter ''Die Jüdin''. Seine Bilder fanden jedoch kaum Beachtung, weil sie nicht der gerade modernen Stilrichtung des [[Kubismus]] angehörten, der 1907 durch Picasso und [[Georges Braque]] begründet worden war. So erwähnte der einflussreiche Publizist [[Guillaume Apollinaire]] Amedeo Modigliani nur am Rande seiner Kritik des Salons. Paul Alexandre gelang es, Modigliani Zugang zu vermögenden Kreisen zu verschaffen, so dass er im Frühjahr 1909 mit dem [[Porträt]] ''Die Amazone'' der Baronin [[Marguerite de Hasse de Villers]] den ersten bezahlten Auftrag erhielt. === Zeit als Bildhauer === 1909 lernte Modigliani über Paul Alexandre den rumänischen [[Bildhauer]] [[Constantin Brâncuşi]] kennen und bezog auf Anraten Brâncuşis im April 1909 sein Atelier in der Cité Falguière am [[Montparnasse]]. Modigliani begann in Folge dieser Bekanntschaft schon in diesem Jahr mit der Steinbildhauerei, die für einige Zeit in den Vordergrund seines Schaffens trat. In Livorno und in [[Carrara]] hatte sich Modigliani, beeindruckt von dem knappen Stil Brâncuşis, zur Bildhauerei hingezogen berufen.<ref name="Hulten1">[[Pontus Hulten]], Natalia Dumitresco, Alexandre Istrati: ''Brancusi'', Klett-Cotta, Stuttgart 1986, S.&nbsp;129</ref> Ebenfalls könnte Modigliani schon vorher den Wunsch gehabt haben, als Bildhauer tätig zu werden, hatte jedoch nicht die technischen Möglichkeiten, die erst mit dem neuen Atelier gegeben waren. Auch könnte das [[Antike|antike]] Erbe Italiens, das er aus eigener Erfahrung kannte, eine Inspiration zur Anfertigung von Skulpturen gewesen sein. Eine weitere Möglichkeit wäre, dass Modigliani sich wegen des stagnierenden Erfolgs seiner Malerei in einer anderen künstlerischen Gattung versuchen wollte.<ref name="möglichkeiten">Doris Krystof: ''Amedeo Modigliani''. Taschen, Köln 2006. Seite 25</ref> 1910 lernte Modigliani die aus Russland stammende Dichterin [[Anna Achmatova]] kennen, mit der er in der folgenden Zeit ein Verhältnis hatte. 1911 stellte Amedeo Modigliani seine [[Archaik|archaisch]] wirkenden Steinskulpturen im Atelier des portugiesischen Künstlers [[Amadeo de Souza-Cardoso]] aus. Eine Phase der intensiven Beschäftigung mit dem Motiv der [[Karyatide]]n in seinen Werken, sowohl in der Skulptur, als auch in Gemälden, begann. Im folgenden Jahr wurden die Skulpturen Modiglianis im Herbstsalon ausgestellt. Amedeo Modigliani lernte die Bildhauer [[Jacob Epstein]] und [[Jacques Lipchitz]], die ebenfalls in Paris lebten, kennen, von denen letzterer die Kunst Modiglianis als „Ausdruck seines persönlichen Empfindens“<ref name="lipchitz">Doris Krystof: ''Amedeo Modigliani''. Taschen, Köln 2006. Seite 37</ref> beschrieb. Im Frühling 1913 hielt sich Amedeo Modigliani in Livorno auf, wo er in der Nähe eines Steinbruchs Quartier bezog. In diesem betätigte er sich als [[Marmor]]bildhauer, nachdem er zuvor nur mit Kalksandstein gearbeitet hatte. Die fertig gestellten Skulpturen schickte Modigliani nach Paris; sie wurden jedoch nicht überliefert. Für die Beendigung seiner Bildhauertätigkeit nach 1913 sind die genauen Gründe nicht bekannt. Ein Anlass könnte seine angeschlagene Gesundheit gewesen sein, die durch die staubige Umgebung weiter geschädigt wurde. Auch könnte er keine Zukunft für seine Arbeit als Bildhauer gesehen haben. Er entwickelte sich künstlerisch nicht weiter und die wenigen Ausstellungen brachten kaum Aufmerksamkeit und finanzielle Verbesserungen. So könnte er sich aus diesen Überlegungen heraus wieder der lukrativeren Malerei zugewandt haben.<ref name="gründe">Anette Kruszynski: Amedeo Modigliani – Akte und Porträts. Prestel, München 1996. Seite 22</ref> === Rückkehr zur Malerei und Leben während des Ersten Weltkrieges === [[Bild:Bildnis pablo picasso.jpg|thumb|''Bildnis Pablo Picasso'', 1915. Dieses Porträt ist eines der in den Kriegsjahren entstandenen Porträts befreundeter Künstler.]] Im Frühjahr 1914 lernte Amedeo Modigliani den Kunsthändler [[Paul Guillaume]] kennen, der einige junge und noch unbekannte Künstler vertrat. Guillaume übernahm auch die Vertretung Modiglianis, nachdem dieser mit Beginn des [[Erster Weltkrieg|Ersten Weltkrieges]] Paul Alexandre aus den Augen verloren hatte, und beteiligte ihn an mehreren Gruppenausstellungen in seiner Galerie. Mit Kriegsbeginn meldete sich Amedeo Modigliani freiwillig zum Kriegsdienst, wurde jedoch aufgrund seines schlechten Gesundheitszustandes nicht eingezogen. Deshalb gehörte er zu dem kleiner gewordenen Kreis von Künstlern, die sich in Paris aufhielten. Im Juni 1914 lernte Modigliani die englische Literatin [[Beatrice Hastings]] kennen, mit der ihn über zwei Jahre eine Liebesbeziehung verband. Sie hielt sich in Paris als [[Kolumne|Kolumnistin]] der englischen Zeitung ''The New Age'' auf und schrieb über das Gesellschaftsleben der Stadt. Sie beschrieb unter anderem Modiglianis Konsum von Haschisch und Alkohol, unter dem er „niemals etwas Gutes“ vollbrachte.<ref name="kolummne">Doris Krystof: ''Amedeo Modigliani''. Taschen, Köln 2006. Seite 52</ref> Während der turbulenten Beziehung mit Beatrice Hastings verstärkte sich Modiglianis exzessives Leben noch weiter. Sein Konsum von Alkohol und [[Opium]], den er mit seinen Freunden [[Maurice Utrillo]] und [[Chaim Soutine]] teilte, wurde in der Presse aufgegriffen.<ref name="konsum">Pierre Cabanne: Dictionnaire international des arts, Paris 1979, Bordas, ISBN 2-04-010750-9, S. 894</ref> 1915 zog Modigliani mit Beatrice Hastings in die Rue Norvaine an der Butte Montmartre und porträtierte [[Pablo Picasso]]. Ein Jahr später folgten weitere Porträts berühmter Persönlichkeiten, darunter sein Freund Jacques Lipchitz sowie [[Chaim Soutine]], für den Modigliani ebenfalls ein enger Freund und Unterstützer war. Mit diesen Porträts der Avantgarde von Paris war Modigliani selbst mit ihr verbunden. Sie sicherte ihm einen singulären Platz unter den Pariser Künstlern, da er mit seinen Porträts ein Bild dieser Szene festhielt, und ermöglichte die spätere Legende von Modigliani als Hauptfigur der Pariser Künstlerschaft.<ref name="porträts_paris">Doris Krystof: ''Amedeo Modigliani''. Taschen, Köln 2006. Seite 47</ref> Daneben lernte Amedeo Modigliani auf Vermittlung des befreundeten Künstlers [[Moïse Kisling]] den polnischen Kunsthändler und Dichter [[Leopold Zborowski]] kennen. Dieser verfügte als Händler zwar nicht über die Kontakte Guillaumes und dessen Gespür für die avantgardistische Malerei, dennoch unterstützte er Modigliani in dessen letzten Lebensjahren. So nahmen er und seine Frau Anna den Künstler in ihre Wohnung auf, nachdem er sich von Beatrice Hastings getrennt hatte. Zborowski bezahlte Modigliani ein Tagegeld und das Malmaterial und ließ ihn in seiner Wohnung arbeiten. Später bezahlte er auch die [[Modell (Kunst)|Modelle]] für die Aktgemälde Modiglianis. Amedeo Modigliani fertigte 1916 und 1917 eine Serie von etwa 30 [[Akt (Kunst)|Aktgemälden]] an. Auf Vermittlung von Leopold Zborowski wurden diese Bilder in einer Einzelausstellung in der Galerie der Kunsthändlerin [[Berthe Weill]] gezeigt. Am 3. Dezember 1917 wurde die Ausstellung mit einer [[Vernissage]] mit geladenen Gästen eröffnet. Die Galerie lag gegenüber einer Polizeistation und ein Kommissar wurde auf den Menschenauflauf aufmerksam, der sich infolge eines im Schaufenster präsentierten Aktes bildete. Er rief Berthe Weill zu sich und forderte sie auf, die Ausstellung zu beenden und die Bilder abzuhängen, weil diese zu freizügig seien. Um eine Beschlagnahmung der Bilder zu verhindern, kam Weill der Aufforderung nach. === Aufenthalt in Südfrankreich === Im April 1917 lernte Modigliani die 19-jährige [[Jeanne Hébuterne]] kennen, die an der Académie Colarossi studierte. Die beiden bezogen kurze Zeit später eine gemeinsame Wohnung. 1918 verließen sie zusammen mit dem Ehepaar Zborowski und Modiglianis Freund Soutine Paris, als eine Invasion deutscher Truppen drohte. Daneben könnte auch Zborowskis Interesse als Kunsthändler ein Motiv für diesen Schritt gewesen sein, da eine Luftveränderung den beiden kranken Künstlern Modigliani und Soutine möglicherweise gut tun und ihre Produktivität steigern würde. Sie begaben sich an die französische Mittelmeerküste, wo Modigliani zahlreiche Porträts malte, denen er sich nach den Akten wieder zugewandt hatte. Die fertigen Bilder schickte er zum Verkauf nach Paris. [[Bild:Modigliani gravestone.jpg|thumb|Grabstein Amedeo Modiglianis auf dem Pariser Friedhof Père Lachaise]] Über das Jahr Modiglianis in [[Südfrankreich]] ist nur wenig bekannt, da es kaum schriftliche Dokumente gibt und die Pariser Zeitgenossen in seiner Abwesenheit wenig über ihn zu berichten hatten. Anfangs wohnten Modigliani, Jeanne Hébuterne und seine Freunde in [[Cagnes-sur-Mer]], später zogen sie nach [[Nizza]]. Dort brachte Jeanne Hébuterne am 29. November 1918 eine Tochter zur Welt. Amedeo Modigliani erkannte die Vaterschaft des Kindes, das den Vornamen der Mutter erhielt, an. Während seines Aufenthaltes in Nizza und der näheren Umgebung besuchte Modigliani [[Pierre-Auguste Renoir]], der ein Anwesen über der Küste bewohnte. Ein in der Nachbarschaft wohnender Maler berichtete später, dass es zwischen dem Altmeister des Impressionismus und dem jungen Maler zu einem Streit über Ratschläge Renoirs gekommen sei.<ref name="streit">Doris Krystof: ''Amedeo Modigliani''. Taschen, Köln 2006. Seite 85</ref> === Letztes Lebensjahr und Tod === Nach Vermittlung durch Zborowski wurden 1919 mehrere Werke Modiglianis auf Ausstellungen in England gezeigt, so unter anderem im Rahmen der Ausstellung ''Modern French Painting'' in [[Heale]]. Weiterhin zeigte im September dieses Jahres die [[London]]er Hill Gallery zehn Werke Modiglianis. Ende Mai 1919 kehrte Modigliani nach Paris zurück, wo er am Herbstsalon teilnahm. In dieser Zeit unterstützte ihn auch der finnische Maler [[Léopold Survage]], der ihm sein Atelier zur Verfügung stellte. Als Jeanne Hébuterne erneut schwanger wurde, verlobte sich Amedeo Modigliani mit ihr. Es existiert eine Heiratsverpflichtung vom 7. Juli 1919, in dem er sie als seine zukünftige Ehefrau und die gemeinsame Tochter offiziell als sein Kind anerkennt.<ref name="eheversprechen">[http://www.artdreamguide.com/adg/_arti/_m/_modig/arti.htm Biographie auf artdreamguide.com]</ref> Diese Heiratsabsicht konnte er jedoch nicht mehr umsetzen, da er gegen Jahresende schwer an Tuberkulose erkrankte. Am 24. Januar 1920 verstarb Modigliani in der Charité in Paris. Am folgenden Tag beging seine Verlobte Selbstmord. Er wurde unter großer Anteilnahme auf dem Friedhof [[Père Lachaise]] beigesetzt. Hébuterne wurde später, nachdem ihre Familie den Widerstand dagegen aufgegeben hatte, neben ihm begraben. Ihre Tochter Jeanne wurde von Modiglianis Schwester in Florenz adoptiert. == Werk == Das Gesamtwerk Amedeo Modiglianis besteht aus Gemälden, Zeichnungen und Skulpturen. Das [[Gesamtwerk|Œuvre]] umfasst etwa 420 Gemälde, von denen nur 14 datiert sind,<ref name="werkumfang">Angela Scheider, Anke Daemgen, Gary Tinterow (Hrsg.): ''Die schönsten Franzosen kommen aus New York''. Nicolaische Verlagsbuchhandlung GmbH, Berlin 2007. Seite 260</ref> und etwa 25 Skulpturen.<ref name="zahl_1">Anette Kruszynski: Amedeo Modigliani – Akte und Porträts. Prestel, München 1996. Seite 20</ref> Mit der Ausnahme von wenigen Landschaftsgemälden liegt der Schwerpunkt der Kunst Modiglianis auf der Darstellung des Menschen. Diese kommt in den Porträts, Akten und Skulpturen menschlicher Köpfe beziehungsweise Figuren zum Ausdruck und zeigt ein intaktes Bild des Menschen. Modigliani lässt sich keiner modernen Kunstströmung zuordnen. Seine Werken vereinen [[Expressionismus|expressionistische]], [[Kubismus|kubistische]] und [[Symbolismus (Bildende Kunst)|symbolistische]] Elemente, zeigen jedoch ebenso einen Rückbezug zur [[Antike]], zur [[Renaissance]] und zum [[Manierismus]], die er aus seiner Studienzeit in Italien kannte. Somit entwarf er seinen ganz individuellen Stil. Für den Stil Amedeo Modiglianis sind lineare und lang gestreckte Formen charakteristisch. Viele seiner Bilder zeigen für Modigliani typische Elemente, wie lang gezogene Gesichter und blinde Augen. Die Darstellung ist stark reduziert, in den Porträts und Akten ist sie so auf die Person fokussiert, dass der Raum in den Hintergrund tritt und kaum Attribute neben der zentralen Figur zu finden sind. Nur in den späten Werken Modiglianis werden durch einige wenige Objekte im Bild Hinweise auf das soziale Umfeld der dargestellten Person gegeben. Vor 1914 entstanden außerdem wenige Zirkus- und Varietézeichnungen, welche die Personen in einen größeren erzählerischen Zusammenhang stellen.<ref name="werkumfang_skulpturen">Anette Kruszynski: Amedeo Modigliani – Akte und Porträts. Prestel, München 1996. Seite 8</ref> Da Modigliani nur einen Bruchteil seiner Werke datiert hat, lässt sich die genaue Folge der Bilder nur über stilistische Analysen und Überlieferungen aus zeitgenössischen Berichten rekonstruieren. Dabei lässt sich innerhalb des Œuvres eine stilistische und kompositorische Entwicklung nachweisen, die zu immer weiter der Vollendung entgegenstrebenden Bildern führte. === Porträts === [[Bild:Amadeo Modigliani 005.jpg|thumb|''Die Jüdin'', um 1908]] [[Bild:Modigliani Bildnis Diego Rivera.jpg|thumb|''Bildnis Diego Rivera'', 1914]] [[Bild:Amadeo Modigliani 040.jpg|thumb|''Bildnis Jacques Lipchitz und seine Frau Berthe Lipchitz'', 1916]] [[Bild:Amadeo Modigliani 035-2.jpg|thumb|Bildausschnitt aus ''Porträt des Cendrars'', 1917. Der Name des Porträtierten wurde von Modigliani in unregelmäßigen Großbuchstaben ins Bild integriert.]] [[Bild:Amadeo Modigliani 023.jpg|thumb|''Porträt der Jeanne Hébuterne'', 1918]] Den Großteil der Bilder Amedeo Modiglianis machen [[Porträt]]s aus. Zu seinen frühen Werken gehört das Bild ''Die Jüdin'', das um 1908 entstanden ist. Das 55 × 46 Zentimeter große Ölgemälde ist [[Statue|statuarisch]] aufgebaut. Es zeigt eine streng blickende Frau, deren Gesicht klar herausgearbeitet ist und sich deutlich von der eher verschwommenen Umgebung abhebt. Das Hauptaugenmerk des Bildes liegt auf der Darstellung der [[Psychologie]] der Person, die in der Mitteilung der Stimmung, der Verhaltenheit im Bild und im Blick der Frau auf den Betrachter zum Ausdruck kommt. Deshalb ist die Darstellung auch sehr maßvoll und trotz der leichten Pinselführung nicht auf die voneinander unabhängige Verwendung von Farben und Flächen ausgerichtet. Es gibt jedoch auch Teile des Bildes, die stark von der rein malerischen Behandlung der Fläche geprägt sind. Ein Beispiel dafür ist das Farbfeld in der rechten unteren Bildecke, das nicht einem konkreten Gegenstand zugeordnet werden kann. Darin liegt ein Bezug zu der Vorstellung von [[Maurice Denis]], dass ein Bild, bevor es seinen Gegenstand zeigt, nur eine Oberfläche sei, die nach einer bestimmten Ordnung mit Farbe bedeckt werde.<ref name="die_jüdin">Doris Krystof: Amedeo Modigliani. Taschen, Köln 2006. Seite 19</ref> Diese Definition war von großer Bedeutung für die Zeit, in der auch Modigliani arbeitete. ''Die Jüdin'' zeigt aber auch die Suche Modiglianis nach seinem Platz in der Kunst inmitten der verschiedenen avantgardistischen Strömungen. Das Werk beinhaltet Einflüsse von [[Henri de Toulouse-Lautrec]], [[Edvard Munch]] und [[Paul Cézanne]] und steht im Kontrast zur vorherrschenden fauvistischen Malerei mit ihrer dominierenden Farbvielfalt. Als das Bild im 1908 im Salon des Indépendants ausgestellt wurde, stand es mit seinen dunklen Farben im Kontrast zu den meisten anderen ausgestellten Werken. In der Bilddarstellung ist ''Die Jüdin'' ebenfalls zurückhaltend, in Anbetracht dessen, dass im Vorjahr der [[Kubismus]], mit dem der Raum und die Perspektive zersprengt wurden, entstanden war. Der Farbauftrag Modiglianis in diesem Bild orientiert sich dabei stark an dem des [[Expressionismus]]. Während des Ersten Weltkrieges, nach seiner Phase als Bildhauer, porträtierte Modigliani viele Freunde und Künstler, die in Paris verblieben waren. Eines dieser Porträts ist das ''Bildnis Diego Rivera'' aus dem Jahr 1914. Das 100 × 79 Zentimeter große, mit Öl auf Karton gemalte Bild zeigt den mexikanischen Maler [[Diego Rivera]], der drei Jahre vorher nach Paris gekommen war und schnell zum Freundeskreis um Picasso gehörte. 1919 heiratete Rivera [[Frida Kahlo]] und war in den 1930er-Jahren der Hauptvertreter der mexikanischen [[Wandmalerei]]. Er wurde von Modigliani mehrmals gemalt. Dieses Bild spiegelt durch die freie Farbfleckenmalerei die revolutionären Ansichten und das Temperament Riveras wider. Der Farbauftrag auf den Malgrund erfolgte tupfend. Dabei orientierte Modigliani sich nicht am [[Kolorismus]] des von ihm bewunderten Cézanne, sondern brachte eher einen Nachklang der impressionistischen Malerei hervor. Die Strichtechnik dieses Bildes erinnert auch an die Arbeit Modiglianis beim Erschaffen der Skulpturen. Sie erzeugt den Eindruck eines in den Malgrund geritzten [[Relief (Kunst)|Relief]]s. Das Bild zeigt die obere Körperhälfte Riveras. Das runde Gesicht wird von den Haaren und der Brust gerahmt. Beide Elemente sind wie der Oberkörper nicht konkret vom Bildhintergrund abgegrenzt. Daher entsteht der Eindruck, dass der Körper das gesamte Bild ausfüllt. Die Augen Diego Riveras sind fast ganz geschlossen, seinen Mund umspielt ein Lächeln. Deshalb wirkt er versonnen und zufrieden. Aufgrund der Malweise ist das Bild eines der expressiveren von Amedeo Modigliani, im Gegensatz dazu stehen die folgenden Porträts, deren Malstil einfacher und glatter ist und in denen er mehr Wert auf die Darstellung der äußeren Erscheinung als auf die des Charakters der abgebildeten Person legte. Das Porträt ''Bildnis Jacques Lipchitz und seine Frau Berthe Lipchitz'' aus dem Jahr 1916 oder 1917 gehört zu den Bildern, in denen Amedeo Modigliani die Darstellung der Psychologie eines Charakters aufgab und stattdessen repräsentative Porträts schuf, die sich an Vorbilder des [[Barock]] anlehnten. Dieses 80,2 × 53,5 Zentimeter große Ölgemälde malte Modigliani nach dem Hochzeitsphoto der Lipchitz in mehreren Porträtsitzungen. Das war nicht ungewöhnlich, da er zu dieser Zeit mehrmals [[Fotografie]]n als Vorlagen für Bilder nutzte. Dieses Bild nimmt in Modiglianis Werk eine besondere Stellung ein, da es zu seinen wenigen Doppelporträts gehört. Die Bedeutung dieser Bilder wird daran deutlich, dass Gruppenbildnisse in Modiglianis Œuvre überhaupt nicht vorhanden sind. Dem Porträt des jungen Ehepaars gingen mehrere Skizzen voraus, die jedoch noch auf ein Einzelporträt ausgerichtet waren. In ihnen tastete sich Modigliani immer weiter an die endgültige Bildkomposition heran. Das Bild zeigt den Bräutigam Jacques Lipchitz stehend hinter seiner sitzenden Frau Berthe. Den linken Arm hat er seiner Frau um die Schulter gelegt. Sie sind beide dunkel gekleidet und heben sich so vom helleren Bildhintergrund ab. Ihre Gesichter sind rundlich und die Augen leer. Die beiden Dargestellten, zu denen Modigliani freundschaftlichen Kontakt pflegte, wirken in dem Porträt zwar sympathisch, werden aber aus einer emotionslosen Distanz dargestellt. Diese ist ein zentrales Merkmal der Porträts der folgenden Jahre bis zum Tod Modiglianis. Auf dem Weg zur endgültigen Fassung des Porträts vollzog sich auch eine stilistische Entwicklung. So treten die Vertikale und die Horizontale in den Hintergrund, so dass geschwungene Linien und fließende Formen im Bild dominieren. Das Porträt des Ehepaars Lipchitz weist mit dem in Großbuchstaben geschriebenen, unregelmäßigen Schriftzug ''LIPCHITZ'' ein stilistisches Merkmal Modiglianis auf, das viele seiner Porträts von Freunden gemeinsam haben. Diese Beschriftung, die sich in ihrer ungelenken Pinselführung deutlich von der Signatur unterscheidet, orientierte sich formal an der Tradition von Bildern der Renaissance. Künstler wie Giorgone und Tizian gaben in den Inschriften nicht nur über den Namen des Dargestellten, sondern auch beispielsweise über die Zugehörigkeit zu [[Geheimbund|Geheimbünden]] Auskunft. Mit dem formalen Zitat kann Modigliani auf eine ähnliche innere Verwandtschaft mit den porträtierten Freunden angespielt haben. Außerdem nutzte er sie zur Auflockerung der Bildkomposition. In den Barock- und Renaissance-Bezügen wird weiterhin deutlich, dass Modigliani seine Kenntnisse im Bereich früherer Kunstepochen, die er in den Studien seiner frühen Lebensjahre erworben hatte, auch in seinen Bildern anwandte. Viele Porträts Amedeo Modiglianis zeigen seine beiden Geliebten Beatrice Hastings und Jeanne Hébuterne. Die Gemälde von Hastings weisen oft eine pointierte Wiedergabe von Augen, Mund und Nase auf. Sie zeigen eine starke Fokussierung auf den Charakter seiner als exzentrisch geltenden Geliebten. Die Bilder haben eine spielerische und inoffizielle Wirkung, die ein Resultat der engen und nach Hastings eigenen Angaben dramatischen Beziehung sind. Die Beziehung zu Jeanne Hébuterne war aufgrund des großen Altersunterschiedes nicht so turbulent. Sie sah zu Modigliani auf und war nicht die Diskussionspartnerin wie Hastings. Die Porträts Hébuternes zeigen keine großen Variationen in der Perspektive und des Stils. In einigen Bildern wird sie als [[Kindfrau]] dargestellt, was einen Bezug zur jugendlichen [[Naivität]] aufzeigt, obwohl sie in Modiglianis Leben eine Konstante darstellte. Jeanne Hébuterne ließ Modigliani neu über sein Leben nachdenken, das von Drogen und Alkohol bestimmt war. Mit der Schwangerschaft Jeannes war eine gravierende Änderung in Modiglianis Leben verbunden und stand in Kontrast zu seinem bisherigen Lebenswandel. In dieser Situation entstand das Bild ''Porträt der Jeanne Hébuterne'', das sie als hochschwangere Frau zeigt. Das Porträt stellt [[Jeanne Hébuterne]] in einer sitzenden Position mit im Schoß liegenden Händen und zur Seite geneigten Kopf dar. Der Umstand der [[Schwangerschaft]] wird von Modigliani nicht verdeckt, sondern betont. So zeigt zum Beispiel der gekrümmte Finger der rechten Hand auf den Bauch. Ein weiteres betonendes Element sind die die Aufmerksamkeit auf den Bauchbereich lenkenden Streifen in der Hüftregion. Trotz des lang gestreckten Halses ist ein leicht angedeutetes Doppelkinn, das auf die Schwere der letzten Phase der Schwangerschaft hindeutet. Die Farbgebung ist sehr ausgewogen. Die dunkle Fläche der Kleidung und des Haares werden durch die Streifen an der Hüfte und den Armen, sowie dem grünen und orangen Bildhintergrund ausbalanciert. Das Bild erzeugt eine sehr ruhige Stimmung, es enthält keine Bewegung und die Person wirkt in sich ruhend, was besonders durch die Kopfhaltung deutlich wird. Eine besondere Intensität wird durch den direkten Blick Jeanne Hébuternes auf den Betrachter erzeugt, der ebenfalls Ruhe ausstrahlt. === Akte === [[Bild:Modigliani, Leidender Akt.jpg|thumb|''Leidender Akt – Nudo Dolente'', 1908]] [[Bild:Amadeo Modigliani 015.jpg|thumb|''Liegender Akt'', 1917]] [[Bild:Amadeo Modigliani 062.jpg|thumb|''Stehender Akt – Elvira'', 1918]] Amedeo Modigliani malte während seines ganzen Lebens [[Akt (Kunst)|Aktgemälde]], welche die zweitgrößte Werkgruppe nach den Porträts darstellen. Die ersten stammen aus dem Jahr 1908, wie zum Beispiel das Bild ''Leidender Akt – Nudo Dolente''. Dieses 81 × 54 Zentimeter große Ölgemälde zeigt eine halbfigurige Frauendarstellung. Die hagere Frau wird vollkommen [[Nacktheit|nackt]] gezeigt. Der Kopf ist nach hinten geworfen, der Mund geöffnet. Dies ist ein Zeichen von [[Ekstase]], [[Sorge (Furcht)|Leid]], [[Schmerz]] und [[Sinnlichkeit]]. Der wahre Ausdruck der Person ist hinter dem maskenartigen Gesicht verborgen. Die Schultern sind nach vorn gezogen. An ihnen hängen die unnatürlich langen Arme lose herab, die Hände ruhen auf den Oberschenkeln. Die Frau ist so dünn, dass sie Ähnlichkeit mit einem [[Skelett]] aufweist. Der Akt Modiglianis widersprach damit den klassischen Inhalten dieser Bildgattung, die einen sinnlichen und stark sexuellen Bezug hatten. Vor dem dunklen Bildhintergrund tritt der helle, fast weiße Körper deutlich hervor und wird durch den Hell-Dunkel-Kontrast betont. Der Farbauftrag ist rau und lässt das Bild teilweise unvollendet wirken. In diesem Gemälde wird die ähnliche Körperauffassung von Modigliani in Bezug auf andere Künstler dieser Zeit deutlich. So gibt es Ähnlichkeiten mit Bildern wie ''Madonna''<ref name="bild_madonna">[http://www.thescreamonline.com/art/art4-3/munch/madonna.html Bild: ''Madonna'' von Edvard Munch]</ref> von [[Edvard Munch]] aus dem Jahr 1894 oder Werken von [[George Minne]]. In den Jahren 1916 und 1917 malte Modigliani seine bekannte Serie von Akten, die 30 Gemälde umfasst. Sie zeigen sitzende, stehende oder liegende Modelle, die idealisiert in ihrer Nacktheit dargestellt sind. Die Frauenkörper bilden das zentrale Bildelement, der Raum und andere Gegenstände treten in den Hintergrund und sind nur im geringen Umfang im Bild dargestellt. Ihre Darstellung hat keinen [[Mythologie|mythologischen]] oder historischen Bezug, sondern dient zur alleinigen Darstellung der Nacktheit. Trotzdem stehen sie in der Tradition der Darstellung der nackten [[Venus (Mythologie)|Venus]], die von der [[Renaissance]] bis ins 19. Jahrhundert das vorherrschende Aktmotiv war. Jedoch orientierte Modigliani sich an den italienischen Meistern der Renaissance wie [[Tizian]], [[Sandro Botticelli]] und [[Giorgione]], die jedoch vor der akademischen Ära der Malerei arbeiteten. Ihre Darstellungen folgten keinen bestimmten Aktposen, sondern weisen individuelle Ausprägungen jedes Künstlers auf. Mit den Kunstakademien hatte sich ein prägendes Verständnis des Aktes etabliert. Es gab einen bestimmten und eingeschränkten Kanon von Posen der Aktmodelle, strenge und formale Regeln. Amedeo Modigliani bricht in seinen Akten mit dieser akademischen Tradition, indem er Proportionen, [[Anatomie]] und [[Fortbewegung|Bewegung]] in den Bildern unbeachtet lässt. Daneben sind die Posen der Modelle nicht der akademischen Lehre angepasst. Modiglianis Akte sind auch durch sein Studium beeinflusst worden, das er an der Académie Colarossi betrieb. Dort wurden den Studenten Modelle zur Verfügung gestellt, deren Haltung sie frei bestimmen konnten. Daneben wurden so genannte Viertelstundenakte gemalt, die eine skizzenhafte, schnelle Erfassung des Motivs erforderten. So haben sich aus den Pariser Jahren viele Aktzeichnungen Modiglianis erhalten. Das 60,6 × 92,7 Zentimeter große Gemälde ''Liegender Akt'' gehört zu den berühmtesten Werken Modiglianis und stammt ebenfalls aus der Bilderserie der Jahre 1916 und 1917.<ref name="bekanntheit_akt">Angela Scheider, Anke Daemgen, Gary Tinterow (Hrsg.): ''Die schönsten Franzosen kommen aus New York''. Nicolaische Verlagsbuchhandlung GmbH, Berlin 2007. Seite 258</ref> Es zeigt ein liegendes Modell, das sich zentral in der Bildmitte befindet. Die Frau wird in einer leichten Aufsicht aus nächster Nähe gezeigt, so dass ihre [[Extremität]]en nicht vollständig abgebildet werden. So fehlen die Unterarme mit den Händen und die Beine unterhalb der Hüfte. Das Gesicht ist dem Betrachter zugewandt, die Augen sind geöffnet und blicken den Betrachter direkt an. Die Hüften sind leicht nach hinten gedreht, wodurch die [[Geschlechtsorgan|Scham]] nicht zu erkennen ist. Der Körper befindet sich auf einem roten Bettlaken, was einen leichten Hell-Dunkel-Kontrast erzeugt. Unter dem Kopf befindet sich ein weißes Kissen, das mit dem Ansatz der weißen Bettdecke die hellsten Flächen des Bildes bildet. Im Hintergrund ist die Wand zu erkennen. Insgesamt gibt es neben dem Körper kaum Bildelemente, die von ihm ablenken. Das Bild orientiert sich in der Komposition an die [[Aktfotografie]] der Zeit, dabei ist die [[Erotik]] nicht überbetont, sondern melancholisch abgestuft. Wobei von der dargestellten Frau Würde und Kühle ausgeht, was einen Anschluss an die Skulpturen Modiglianis darstellt. Nach der Serie der Jahre 1916 und 1917 malte Amedeo Modigliani nur noch gelegentlich Akte wie ''Stehender Akt – Elvira'' aus dem Jahr 1918. Dieses 92 × 60 Zentimeter große Ölgemälde entstand während Modiglianis Aufenthalt in Südfrankreich. Für seine Gemälde dieser Zeit typisch, wurde es mit deutlich helleren Farben gemalt. An die Stelle der dominierenden dunklen Farbtöne, besonders Rot, tritt in diesem Bild Türkis. Das stehende Modell, das nur von den Oberschenkeln an gezeigt wird, nimmt im Bild die zentrale Position ein. Neben einem weißen Laken, das die Scham verdeckt, gibt es keine weiteren kompositorischen Bildelemente. Die Umrisslinien des Körpers sind stark hervorgehoben und die Farben großflächig aufgetragen, womit der Präsenz der Person verstärkt wird. === Landschaften === [[Bild:Modigiliani amadeo 15.JPG|thumb|''Landschaft'', 1919]] Unter Amedeo Modiglianis Werken befinden sich nur wenige Landschaftsbilder. Diese entstanden in seinen frühen Jahren in Italien, auf seinen Reisen in seine Heimat und während seines Aufenthaltes in Südfrankreich. Während das 1898 entstandene Bild ''Landschaft in der Toskana'' sich noch am [[Impressionismus]] orientierte und keine klaren Konturen aufweist, sondern unscharf wirkt, steht im Gegensatz dazu beispielsweise das 1919 gemalte 60 × 45 Zentimeter große Bild ''Landschaft''. Dieses in Südfrankreich entstandene Gemälde wird durch klare Umrisse gegliedert. In den Hügeln im Bildhintergrund bilden die Gebäude klare geometrische Strukturen, die im Kontrast zu den Formen der sie umgebenden Wolken stehen, die jedoch ebenfalls klare Umrisse aufweisen. Im Vordergrund ist eine diagonal durch das Bild verlaufende rote Fläche zu sehen, die entweder einen Weg oder ein Brückengeländer darstellt. Mit dem Rot dieses Bildelementes wird die Farbe der Hausdächer erneut aufgegriffen. Es ist klar von der Umgebung abgegrenzt, was ein Gefühl der Enge und Begrenztheit hervorruft. Die Hügel in der Bildmitte führen terrassenförmig in den Hintergrund und erzeugen einen Eindruck von räumlicher Tiefe. Im Kontrast dazu stehen die Bäume im Vordergrund, die mit ihren langen linearen Strukturen das Bild zusätzlich gliedern. Auch in den Landschaftsbildern, die Modigliani in Südfrankreich malte, kommt der Fokus von Modigliani auf das Porträt über das Format zum Ausdruck. Anstelle des für Landschaften üblichen Querformats nutzte er auch das Hochformat. Die Bilder Amedeo Modiglianis weisen Ähnlichkeiten zu Landschaften [[Paul Cézanne]]s auf, der zu Modiglianis künstlerischen Vorbildern zählte, sowie zu Bildern anderer Künstler dieser Zeit. So sind beispielsweise kompositorische Parallelen zu Bildern von [[Gustav Klimt]] vorhanden. Daneben gibt es weitere Ähnlichkeiten wie das stilisierte Aussehen der Bäume, sowie die räumliche Anordnung der Bildelemente.<ref name="landschaft">Jane Rogoyska, Frances Alexander: Amedeo Modigliani. Sirocco, London 2005. Seite 140</ref> === Skulpturen und Bilder mit Bezug zur Bildhauerei === [[Datei:'Woman's Head', limestone sculpture by Amedeo Modigliani, 1912, Metropolitan Museum of Art.jpg|thumb|''Kopf'', 1912. Diese Skulptur wird im [[Metropolitan Museum of Art]] gezeigt.]] [[Bild:Modigliani Kyratide.jpg|thumb|''Karyatide'', 1911/1912]] Zwischen 1909 und 1914 widmete sich Amedeo Modigliani fast ausschließlich der Bildhauerei. Neben ihm wandten sich zu dieser Zeit auch andere Maler dieser Kunstgattung zu, wie beispielsweise Picasso, Matisse und [[André Derain]]. Dies geschah infolge der vor dem Ersten Weltkrieg großen Zuspruch findenden [[Afrikanische Kunst|afrikanischen Kunst]], deren Skulpturen unter dem Begriff ''Negerplastik'' hohe Popularität erreichten. Daneben lernte Amedeo Modigliani den Bildhauer Brancusi kennen, dessen Skulpturen im Herbstsalon neben seinen Bildern ausgestellt waren. Erst nach dem Kontakt mit Brancusi wandte sich Modigliani der Skulptur zu und zog in ein für die Bildhauerei eingerichtetes Atelier am Montparnasse. Die meisten Skulpturen Amedeo Modiglianis stellen Köpfe dar, die er als ''Säulen der Zärtlichkeit'' bezeichnete. Laut dem Kunsthistoriker [[Gerhard Kolberg]] schwanken diese Skulpturen „zwischen hohem ideellen und bildhauerischem Anspruch und primitiver bis archaischer skulpturaler Ausführung“.<ref name="skulptur_zitat">Doris Krystof: Amedeo Modigliani. Taschen, Köln 2006. Seite 28</ref> Dabei ist besonders auffällig, dass Modigliani trotz seiner Unerfahrenheit als Bildhauer fähig war, seinen Kopf-Skulpturen ein einheitliches stilistisches Aussehen zu verleihen. Sie haben alle ein einheitliches Grundmaß und sind aus hochrechteckigen Steinblöcken gearbeitet. Die Köpfe sind idolhaft und ikonenartig ausgearbeitet und strahlen aufgrund ihrer Schlichtheit eine majestätische Würde aus. In den gemeinsamen Ausstellungen dieser Skulpturen im Jahre 1911 wurde deutlich, dass sie nur in der Gesamtheit, jedoch nicht im Einzelwerk ihre Bedeutung zeigen. Um die Wirkung der Präsentation noch zu steigern, entwickelte Modigliani ein eigenes Beleuchtungskonzept der Objekte. Mit dieser Art der Ausstellung inszenierte er seine Skulpturen so, dass ein mysteriöser und religiös anmutender Eindruck entstand. Ein Exemplar dieser Serie ist der 70,5 × 23, 5 × 7,6 Zentimeter große ''Kopf einer Frau''<ref name="skulptur_philly">[http://www.philamuseum.org/collections/permanent/51930.html Skulptur: ''Kopf einer Frau'', um 1912, Philadelphia Museum of Art]</ref>, der sich im Besitz des [[Philadelphia Museum of Art]] befindet. Er weist die typischen Merkmale der Kopfdarstellungen Modiglianis auf. Das Gesicht ist in die Länge gestreckt, so dass Nase und Ohren unnatürlich lang sind. Das Kinn ist spitz zulaufend, der Abstand zwischen den Augen gering. Der Gesichtsausdruck vermittelt keine Emotion, sondern strahlt allein Ruhe aus. Neben den Kopfskulpturen schuf Amedeo Modigliani nur zwei weitere, die heute bekannt sind: eine stehende Figur und eine [[Karyatide]]. Diese weist einen deutlichen Rückbezug zur griechisch-römischen [[Antike]] auf. Karyatiden sind Gewandfiguren in menschlicher Gestalt, die als Stützen ganze Gesimse oder Geschosse tragen und seit der Antike ein fester Bestandteil der Architektur waren. Die Skulptur ''Karyatide''<ref name="skulptur_foto">[http://moma.org/collection/provenance/items/145.51.html Skulptur: ''Karyatide'', um 1914, Moma]</ref> aus dem Jahr 1914 weist nur noch durch ihre Haltung einen Bezug zu dieser Funktion auf. Die Figur kniet auf einem Bein, das andere ist angewinkelt an den Körper gezogen. Die kräftige weibliche Gestalt hält beide Arme über den Kopf erhoben. Die Last, die sie tragen musste, deutet Modigliani nur durch eine Platte an. Das Gewicht der Skulptur konzentriert sich allein auf die Zentralachse der Figur, was ihr Standfestigkeit verleiht. Der verwendete [[Kalksandstein]] wurde von Modigliani nur grob bearbeitet, was eine raue Oberfläche erzeugte im Gegensatz zu den glatten Oberflächen der Kopfskulpturen. Es ist kein Gesicht herausgearbeitet, so dass die Figur eine besondere Anonymität aufweist. Während seiner bildhauerischen Schaffensphase malte Modigliani nur wenige Bilder. Diese hatten meist ebenfalls einen Bezug zur Skulptur, waren von Statuen inspiriert oder griffen das Motiv der Karyatide auf. Ein Beispiel für diese Bildergruppe ist das 72,5 × 50 Zentimeter große Ölgemälde ''Karyatide'', das etwa 1911/1912 entstand. Von der Haltung her weist die Figur eine große Ähnlichkeit mit der 1914 entstandenen Skulptur auf. Der Körper ist auf eine geometrische Weise aus einzelnen Elementen zusammengesetzt worden. Der gesamte Körper ist in die Länge gestreckt und weist verlängerte, kraftvolle Arme auf. Das Bild zeigt somit keine sinnliche Darstellung einer Frau, sondern die von Kraft und Ruhe. Das Gesicht der Frau ähnelt denen [[Altes Ägypten|altägyptischer]] und [[Mykenische Kultur|mykenischer]] Statuen, was ebenfalls eine Rezeption der von ihm studierten Werke darstellt. Die Beugung der Figur ist bildhauerisch nicht realisierbar, da die Verteilung des Gewichts an der Basis die Figur umstürzen lassen würde. So stellt das Bild für Modigliani eine Möglichkeit dar, in der Behandlung des Themas nicht an die Beschränkungen der Erschaffung einer Skulptur gebunden zu sein. === Zeichnungen === [[Bild:Akt zeichnung 1.jpg|thumb|Bleistiftzeichnung eines Aktes, 1918. In dieser 44,1 × 27,9 Zentimeter großen Zeichnung studierte Modigliani eine Komposition, die er so ähnlich auch in einigen Gemälden anwandte.]] Von Amedeo Modigliani sind viele Zeichnungen erhalten geblieben. Ihre hohe Zahl kann in der Studienzeit des Künstlers begründet liegen. In der [[Académie Colarossi]] lernte er im 15-Minuten-Akt das schnelle skizzenhafte Erfassen einer Figur, da das Modell nach 15&nbsp;Minuten jeweils eine andere Position einnahm. Auch später entstanden seine Zeichnungen in sehr kurzer Zeit und ohne viele Korrekturen. Er legte die Zeichnungen in großen Zügen an, wobei offensichtliche Ungenauigkeiten, die in einigen Ausnahmefällen existieren, einen vom Künstler gewollten Effekt darstellen. Während seiner gesamten künstlerischen Laufbahn brachte er die Zeichnungen erst auf das Papier, nachdem sie vorher in seinem Kopf bereits Gestalt angenommen hatten. Dabei gab es keine technische Entwicklung in seinem Schaffen. Er nutzte meist Blätter, die er an der Perforierung aus seinen Skizzenblöcken heraustrennte und auf denen er mit [[Tinte#Tusche|Tusche]] und schwarzer Ölkreide skizzierte. Seltener nutzte er [[Aquarell]], [[Graphit]], [[Rötel]], Kohlestift und blaue bis violette Kreide.<ref name="zeichnungen_1">Noël Alexandre: Der unbekannte Modigliani – Zeichnungen aus der Sammlung Paul Alexandre. Mercatorfonds, Antwerpen 1993. Seite 115</ref> Die meisten Zeichnungen Modiglianis stellen Studien dar, in denen er Motive und Kompositionen testete, und aus dem Moment entstandene Wiedergaben einer Situation beziehungsweise einer Figur. Dabei ragen die Zeichnungen, die vom Theater und Zirkus inspiriert wurden und 1908 entstanden, aus dem übrigen Werk Modiglianis heraus, da sie ein komplett anderes Sujet darstellen. Sie sind nicht allein auf die Figur konzentriert, sondern stellen diese in einem weitergehenden erzählerischen Zusammenhang dar. Zwei der Skizzen zeigen einen Saal des Gaîté-Rochechouart am Montmartre, in dem Modigliani eine Aufführung gesehen hat. Die eine zeigt eine Gruppe von Schauspielern auf der Bühne, die andere eine leere Bühne. In beiden Bildern sind dieselben Zuschauer zu sehen, so dass nachgewiesen ist, dass beide Zeichnungen in derselben Vorstellung vor Ort ausgeführt wurden. Mit den Zeichnungen von Tänzerinnen, Artisten und einer [[Marionette]] machen die aus dem Theater die einzigen Werke Modiglianis aus, in denen sein Vergnügen am und seine Neigung zu Theater und Zirkus deutlich werden. Bei der großen Anzahl von Zeichnungen in den Jahren als Bildhauer wird vermutet, dass es sich größtenteils nicht um Vorlagen für konkrete Einzelstücke handelt, sondern dass Modigliani darin Ideen für nicht realisierte Skulpturen festhielt.<ref name="zeichnungen_2">Jane Rogoyska, Frances Alexander: Amedeo Modigliani. Sirocco, London 2005. Seite 66</ref> Dabei ist keine Zeichnung die Kopie einer anderen, aber aufgrund ihrer stilistischen Ähnlichkeit weisen sie laut [[Claude Roy]] eine „wunderbare Monotonie der Besessenheit“ auf.<ref name="zeichnungen_1">Noël Alexandre: Der unbekannte Modigliani – Zeichnungen aus der Sammlung Paul Alexandre. Mercatorfonds, Antwerpen 1993. Seite 115</ref> Weiterhin existieren viele Porträt- und Aktzeichnungen. == Bedeutung, Beurteilung und Erfolg == Den Großteil seines Lebens hatte Amedeo Modigliani mit seiner Kunst nur wenig Erfolg. Seine Werke waren wenig gefragt, da sie nicht den großen neuen Strömungen in der Kunst angehörten, sondern einen persönlichen Stil zeigten. Ab 1914, nach dem Ende der Phase als Bildhauer, entwickelte Modigliani einen neuen dekorativeren Stil, der mit seinen langen Hälsen und mandelförmigen Augen allmählich steigenden Erfolg brachte. Zu dieser Zeit kam die Bewegung der [[Neue Sachlichkeit (Kunst)|Neuen Sachlichkeit]] auf, in der die Darstellung eines intakten Menschenbildes gefragt war. Daneben ging Modigliani stärker Kompromisse ein infolge der Beziehung zu Jeanne Hébuterne und der Geburt seiner Tochter. So wurden seine Bilder gefälliger und damit verkaufsträchtiger.<ref name="bedeutung_1">Anette Kruszynski: Amedeo Modigliani – Akte und Porträts. Prestel, München 1996. Seite 75</ref> Erst nach seinem Tod wurde ihm die erste Einzelausstellung gewidmet. Die Preise für seine Bilder stiegen in der Folge rasch an. Einer der bedeutendsten Sammler von Werken Modiglianis war dabei [[Roger Dutilleul]], ein französischer Industrieller und Kunstsammler, der von 1918 bis 1925 etwa ein Zehntel des Gesamtwerkes Modiglianis erwarb.<ref name="bedeutung_2">[http://www.cosmopolis.ch/kunst/87/modigliani.htm Biographie und Buchkritik auf cosmopolis.ch]</ref> Modigliani selbst hat sich nur selten zu seiner Kunst geäußert. Laut Berichten seiner Zeitgenossen pflegte er das Bild eines jüdischen Außenseiters und Ausländers. Dabei war er nach seinem Selbstverständnis als Künstler ein „superuomo“ (deutsch: „Übermensch“) und Auserwählter der Gesellschaft. Auffällig ist die strikte Trennung des Privatlebens von der Kunst. Er malte nur ein Selbstbildnis und griff in seinen Kunstwerken nicht den unsteten Lebensstil auf, sondern entwickelte einen klaren und einfachen Stil. Seine Bilder verbinden die Tradition mit der Moderne. Dabei war Modigliani kein Wegbereiter oder Vorreiter einer künstlerischen Entwicklung. Vielmehr blieb er ein stilistischer Außenseiter und Einzelgänger. Mit dem Brückenschlag zwischen moderner Kunst und vergangenen Kunstepochen leistete Modigliani einen herausragenden individuellen Beitrag in der Kunst des 20. Jahrhunderts.<ref name="bedeutung_3">Anette Kruszynski: Amedeo Modigliani – Akte und Porträts. Prestel, München 1996. Seite 111</ref> In der Rezeptionsgeschichte stellen die Aktgemälde Modiglianis den am meisten besprochenen und gerühmten Teil seines Gesamtwerkes dar, obwohl sie nur etwa ein Zehntel an diesem ausmachen. Die Stellung dieser Bilder wurde durch die [[Zensur (Informationskontrolle)|Zensur]], die noch nach Modiglianis Tod bestehen blieb, und die Wirkung auf den Betrachter begründet. Noch nach dem Zweiten Weltkrieg lösten die Akte Diskussionen über ihren [[Pornografie|pornografischen]] Gehalt aus. So musste sich das [[Solomon R. Guggenheim Museum]] in New York rechtfertigen, als es Reproduktionen des in seinem Besitz befindlichen Gemäldes ''Akt mit Halskette'' drucken lassen wollte. Die Akte Modiglianis wurden mit verschiedenen, widersprüchlichen Urteilen belegt. Auf der einen Seite wurden sie positiv als „faszinierend-sinnlich“ bezeichnet, während andere Kritiker sie als „kalt-abstoßend“ empfanden.<ref name="bedeutung_4">Anette Kruszynski: Amedeo Modigliani – Akte und Porträts. Prestel, München 1996. Seite 83</ref> Amedeo Modigliani entwickelte in den Akten einen eigenen Stil. Während andere Maler dieser Zeit wie Picasso, Matisse, [[Tsuguharu Foujita]] oder [[Kees van Dongen]] den nackten weiblichen Körper in einem weitergehenden [[Sujet]] darstellten, konzentrierte sich Modigliani allein auf die Darstellung des weiblichen Körpers, gab im Bild keine Handlung und auch keine weitergehenden Informationen über das Modell wieder. Im Jahr 1955 wurden Arbeiten von ihm auf der [[documenta I]] in [[Kassel]] und 1964 auch auf der [[documenta III]] in der berühmten Abteilung ''Handzeichnungen'' gezeigt. == Fälschungen und Feststellung der Echtheit == Als nach dem Tod Modiglianis seine Kunstwerke im Preis stiegen, wurden zu Beginn [[Authentizität|authentische]] Bilder Modiglianis nachträglich mit dessen Signatur versehen. Damit konnten Geschäftsleute den Wert der Bilder noch erheblich steigern. Daneben wurden komplett neue Bilder produziert, die als Werke Modiglianis ausgegeben wurden und ebenfalls gute Preise erzielen konnten. Die [[Kunstfälschung|Fälschungen]] wurden von der schweren Feststellbarkeit der Echtheit begünstigt. Eine Aussage darüber ließ sich oft nur über vergleichendes Sehen treffen. Dabei werden durch Studium möglichst vieler Originale die Maltechnik eines Künstlers, Signatur, Farbwahl, Komposition und weitere Merkmale analysiert, so dass andere Gemälde dahingehend verglichen werden können. Aufschluss über Malweise und verwendetes Material konnten auch [[Röntgen]]untersuchungen geben. Auf dem Gebiet der Feststellung der Authentizität von Werken Modiglianis leistete die Pariser Retrospektive aus dem Jahr 1981 Maßgebliches. Während der Vorbereitungen wurden Kriterien zur Beurteilung der Vorgehensweise Modiglianis und der Signatur festgelegt. Daneben wurde die Echtheit von Werken Modiglianis über das [[Provenienzprinzip]] nachgewiesen. So beispielsweise für das Porträt ''Bildnis Jaques Lipchitz und seine Frau''. Es wurde von den privaten Sammlern [[Frederic Clay]] und [[Helen Birch Bartlett]] aus einer zuverlässigen Quelle erworben und die Entstehung von Lipchitz persönlich bestätigt. Danach wurde es direkt dem [[Art Institute of Chicago]] übergeben. 1984 sorgte die Entdeckung von drei angeblichen Steinskulpturen Modiglianis in einem Stadtgraben in Livorno für Aufregung. Diese Arbeiten hätte er während seines letzten Aufenthaltes in seiner Heimatstadt in einem Wutausbruch in das Gewässer geworfen. Die Echtheit der Skulpturen wurde unter Kunsthistorikern kontrovers diskutiert. Nach einiger Zeit gab jedoch eine Gruppe von Studenten sowie ein Hobbykünstler bekannt, diese Skulpturen anlässlich des 100. Geburtstags Amedeo Modiglianis selbst geschaffen und in den Stadtgraben geworfen zu haben.<ref name="fälschung">Giovanni Morandi: ''La beffa di Modigliani. Tra falsari veri e falsi''. 2004, Polistampa, ISBN 88-8304-781-8</ref> == Rezeption == === Literatur === Modiglianis Leben in Armut, sein Konsum von Drogen und seine Aktgemälde waren beliebte Themen der literarischen Rezeption. Ein besonders häufig verarbeitetes Motiv stellt die Fantasie dar, Modigliani habe seine Modelle nicht nur gemalt, sondern auch [[Sex|sexuelle Kontakte]] zu ihnen unterhalten. Ein Beispiel dafür ist ein Roman [[André Salmon]]s, der Amedeo Modigliani zum Thema hat.<ref name="literatur">Doris Krystof: Amedeo Modigliani. Taschen, Köln 2006. Seite 60 und 61</ref> In einer Szene entkleidet sich gerade ein Modell, und mit jeder neuen Pose erinnert sie Modigliani an ein kunsthistorisches Vorbild. Dies beeindruckt ihn ebenso wie der Anblick des nackten Mädchens, so dass er nicht gleich mit dem Malen beginnt, sondern erst mit ihr Geschlechtsverkehr hat. In der Darstellung dieser Begebenheit setzt Salmon den Blick des Menschen mit dem Blick des Künstlers Modiglianis auf eine raffinierte Art gleich. [[Ken Follett]]s Roman ''[[Der Modigliani-Skandal]]'' aus dem Jahr 1976 beschäftigt sich ebenfalls mit Amedeo Modigliani. Die Kunststudentin Dee Sleign lernt auf der Suche nach einem Thema für ihre [[Dissertation]] einen alten Mann kennen, der ihr den Hinweis gibt, sich mit unter Drogen gemalten Werken zu beschäftigen. Dabei verweist er sie direkt auf Modigliani, der oft im Rausch gemalt haben soll und seine Bilder wegen Erfolglosigkeit dann verbrannte. Ein Bild soll er aber einem Priester geschenkt haben. Die Studentin macht sich auf die Suche nach diesem noch unbekannten Bild Modiglianis. Da ihr Onkel, ein Galerist, dem sie von ihrer Entdeckung berichtet hat, einen Privatdetektiv ebenfalls auf dieses Bild ansetzt, kommt es zu einem Wettlauf um die Entdeckung. Im zweiten Handlungsstrang der Erzählung planen zwei von der Kunstwelt enttäuschte Kunststudenten die Londoner Galerien zu berauben, indem sie Bilder aus ihnen stehlen und dann vorher angefertigte Fälschungen zurückkaufen lassen. Unter den von ihnen gefälschten Bildern befindet sich auch ein Modigliani. === Film === Neben der literarischen Rezeption wurde das Leben Amedeo Modiglianis auch in drei Spielfilmen behandelt. 1958 entstand unter der Regie [[Jacques Becker]]s der Film ''[[Les Amants de Montparnasse]]''. Er behandelt die letzten Lebensjahre Modiglianis, der von [[Gérard Philipe]] verkörpert wurde, im Pariser Stadtviertel [[Montparnasse]]. Dabei legt der Film einen besonderen Fokus auf dessen Armut und Drogensucht. Aus dem Jahr 1990 stammt der Film ''[[Modi (Film)|Modi]]'', in dem [[Richard Berry (Schauspieler)|Richard Berry]] den Künstler darstellte. Der Film behandelt das Leben Modiglianis ab seinem Umzug von Livorno nach Paris und folgt ihm weiter durch die Zeit des Ersten Weltkrieges und der Nachkriegszeit. 2004 führte [[Michael Davis]] Regie in dem Film ''[[Modigliani (Film)|Modigliani]]''. Der Darsteller [[Andy Garcia]] spielte hier Modigliani, thematisiert werden dessen Beziehung zu Jeanne Hébuterne und die angebliche Rivalität zu Picasso. Diese kommt 1919 in der Konkurrenz während eines Wettbewerbes zum Ausdruck, der dem Sieger Erfolg und ein hohes Preisgeld verspricht. Modigliani möchte ein Meisterwerk abliefern, um das finanzielle Auskommen seiner jungen Familie zu sichern. Der Film wurde in der [[New York Times]] heftig kritisiert. So schrieb Stephen Holden: „The best and maybe the only use to be made of the catastrophic screen biography „Modigliani“ is to serve as a textbook outline of how not to film the life of a legendary artist.“<ref name="film">[http://movies.nytimes.com/2005/07/01/movies/01modi.html?ex=1181448000&en=4ef2040ab84229e0&ei=5070 Kritik in der New York Times]</ref> (sinngemäße Übertragung des englischen Satzes ins Deutsche: „Der beste und möglicherweise einzige Nutzen dieser katastrophalen Film-Biographie ''Modigliani'' ist, als Lehrbeispiel zu dienen, wie das Leben eines legendären Künstlers nicht verfilmt werden sollte.“) == Werke (Auswahl) == Diese Auswahl umfasst eine der Skulpturen, sowie 25 der rund 400 Gemälde Modiglianis. Sie orientiert sich an den ganzseitigen Farbtafeln des unter Literatur aufgeführten Werkes ''Amedeo Modigliani'' von Jane Rogoyska und Frances Alexander. {| class="prettytable" |- class="hintergrundfarbe5" !width="10%" | Bild !width="30%" | Titel !width="10%" | Entstanden !width="20%" | Größe, Material !width="30%" | Ausstellung/Sammlung/Besitzer |- | [[Bild:Akt (Die kleine Jeanne), 1908.jpg|100px]] | ''Akt (Die kleine Jeanne)'' | etwa 1908 | 61 × 38&nbsp;cm, Öl auf Leinwand | [[Perls Gallery]] in [[New York City|New York]] |- | [[Bild:Amadeo Modigliani 005.jpg|100px]] | ''Die Jüdin'' | 1908 | 55 × 46&nbsp;cm, Öl auf Leinwand | Privatsammlung |- | [[Bild:Modigliani, Leidender Akt.jpg|100px]] | ''Leidender Akt – Nudo Dolente'' | 1908 | 81 × 54&nbsp;cm, Öl auf Leinwand | [[Richard Nathanson]] in [[London]] |- | [[Bild:Der chellist, 1909.jpg|100px]] | ''Der Cellist'' | 1909 | 130 × 80&nbsp;cm, Öl auf Leinwand | Privatsammlung |- | [[Bild:Modigliani Kyratide.jpg|100px]] | ''Karyatide'' | 1911/1912 | 72,5 × 50&nbsp;cm, Öl auf Leinwand | [[Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen]] in [[Düsseldorf]] |- | [[Datei:'Woman's Head', limestone sculpture by Amedeo Modigliani, 1912, Metropolitan Museum of Art.jpg|100px]] | ''Kopf'' | 1912 | - | [[Metropolitan Museum of Art]] |- | [[Bild:Karyatide in rosa.jpg|100px]] | ''Karyatide in Rosa'' | 1913/1914 | 54,6 × 43&nbsp;cm, Aquarell | [[Sammlung Evelyn Sharp]] |- | [[Bild:Amadeo Modigliani 061.jpg|100px]] | ''Karyatide'' | 1913 | 81 × 46&nbsp;cm, Öl auf Leinwand | [[Sammlung Samir Traboulsi]] |- | [[Bild:Modigliani Bildnis Diego Rivera.jpg|100px]] | ''Bildnis [[Diego Rivera]]'' | 1914 | 100 × 79&nbsp;cm, Öl auf Karton | [[Museu de Arte de São Paulo|Museu de Arte]] in [[São Paulo]] |- | [[Bild:Amadeo Modigliani 032.jpg|100px]] | ''Porträt des [[Moise Kisling]]'' | 1915 | 37 × 29&nbsp;cm, Öl auf Leinwand | [[Pinacoteca di Brera]] in [[Mailand]] |- | [[Bild:Bride and Groom.jpg|100px]] | ''Braut und Bräutigam'' | 1915 | 55,2 × 46,3&nbsp;cm, Öl auf Leinwand | [[Museum of Modern Art]] in New York |- | [[Bild:Amadeo Modigliani 021.jpg|100px]] | ''Porträt der [[Beatrice Hastings]] vor einer Tür'' | 1915 | 81 × 54&nbsp;cm, Öl auf Leinwand | [[Sammlung Ritter]] in New York |- | [[Bild:Amadeo Modigliani 060.jpg|100px]] | ''Sitzender Akt'' | 1916 | 92 × 60&nbsp;cm, Öl auf Leinwand | [[Courtauld Institute of Art]] in London |- | [[Bild:Amadeo Modigliani 040.jpg|100px]] | ''Porträt des [[Jacques Lipchitz]] mit seiner Frau'' | 1916 | 81 × 54&nbsp;cm, Öl auf Leinwand | [[Art Institute of Chicago]] in [[Chicago]] |- | [[Bild:Amadeo Modigliani 036.jpg|100px]] | ''Portrait des [[Chaim Soutine]]'' | 1916 | 100 × 65&nbsp;cm, Öl auf Leinwand | Privatsammlung |- | [[Bild:Amadeo Modigliani 012.jpg|100px]] | ''Schlafender Akt mit geöffneten Armen (Akt in Rot)'' | etwa 1917 | 60 × 92&nbsp;cm, Öl auf Leinwand | [[Sammlung Gianni Mattioli]] |- | [[Bild:Amadeo Modigliani 056.jpg|100px]] | ''Sitzender Akt'' | 1917 | 73 × 116&nbsp;cm, Öl auf Leinwand | [[Königliches Museum der Schönen Künste (Antwerpen)|Königliches Museum der Schönen Künste]] in [[Antwerpen]] |- | [[Bild:Modigiliani amadeo 14.JPG|100px]] | ''Portrait der [[Jeanne Hébuterne]] mit großem Hut'' | 1917 | 55 × 38&nbsp;cm, Öl auf Leinwand | Privatsammlung |- | [[Bild:Amadeo Modigliani 015.jpg|100px]] | ''Liegender Akt mit hinter dem Kopf verschränkten Armen'' | 1917 | 60 × 92&nbsp;cm, Öl auf Leinwand | Privatsammlung |- | [[Bild:Amadeo Modigliani 023.jpg|100px]] | ''Porträt der Jeanne Hébuterne'' | 1918 | 116 × 73&nbsp;cm, Öl auf Leinwand | Privatsammlung |- | [[Bild:Amadeo Modigliani 062.jpg|100px]] | ''Stehender Akt (Elvira)'' | 1918 | 100 × 65&nbsp;cm, Öl auf Leinwand | [[Sammlung Walter Hadorn]] in [[Bern]] |- | [[Bild:Amadeo Modigliani 017.jpg|100px]] | ''Mädchen in Blau'' | 1918 | 92 × 60&nbsp;cm, Öl auf Leinwand | Privatsammlung |- | [[Bild:HebuterneModigliani.jpg|100px]] | ''Bildnis Jeanne Hébuterne'' | 1919 | 55 × 38&nbsp;cm, Öl auf Leinwand | Privatsammlung |- | [[Bild:Modigiliani amadeo 15.JPG|100px]] | ''Landschaft'' | 1919 | 60 × 45&nbsp;cm, Öl auf Leinwand | Privatsammlung |- | [[Bild:Amadeo Modigliani 003.jpg|100px]] | ''Baum und Häuser'' | 1919 | 57 × 45&nbsp;cm, Öl auf Leinwand | Privatsammlung |- | [[Bild:Amadeo Modigliani 053.jpg|100px]] | ''Selbstbildnis'' | 1919 | 100 × 65&nbsp;cm, Öl auf Leinwand | [[Museu de Arte Contemporanea da Universidade de São Paulo]] |} == Einzelnachweise == <references /> == Literatur == * Noël Alexandre: ''Der unbekannte Modigliani – Zeichnungen aus der Sammlung Paul Alexandre''. Mercatorfonds, Antwerpen 1993, ISBN 3-927789-56-9 * Anette Kruszynski: ''Amedeo Modigliani – Akte und Porträts''. Prestel, München 1996, ISBN 3-7913-2893-X * Doris Krystof: ''Amedeo Modigliani''. Taschen, Köln 2006, ISBN 3-8228-0926-8 * Jacques Lassaigne: ''Amedeo Modigliani – Werkverzeichnis''. Ullstein, Frankfurt am Main 1981, ISBN 3-548-36042-4 * Jane Rogoyska, Frances Alexander: ''Amedeo Modigliani''. Sirocco, London 2005, ISBN 1-84484-342-4 * June Rose: ''Amedeo Modigliani: sein Leben, sein Werk, seine Zeit''. Fischer-Taschenbuch-Verlag, Frankfurt am Main 1994, ISBN 3-596-11780-1 * Werner Schmalenbach: ''Amedeo Modigliani, Malerei – Skulpturen – Zeichnungen''. Prestel, München 1990, ISBN 3-7913-1077-1 * Christoph Vitali (Hrsg.): ''Amedeo Modigliani - Ein Mythos der Moderne''. DuMont, Köln 2009, ISBN 978-3-8321-9191-7 * Alfred Werner: ''Amedeo Modigliani''. DuMont, Köln 1991, ISBN 3-7701-2702-1 == Weblinks == {{Commons|Amedeo Modigliani|Amedeo Modigliani}} * {{Artfacts|12113}} * {{BAM|Amedeo Modigliani}} * {{DNB-Portal|118582941}} * {{Zeno-Künstler|Kunstwerke/A/Modigliani,+Amedeo}} * [http://www.cosmopolis.ch/kunst/87/modigliani.htm Artikel „Biografie & Ausstellung Modigliani und seine Modelle“ auf cosmopolis.ch mit weiterführenden biographischen Details] * [http://www.whoswho.de/templ/te_bio.php?PID=875&RID=1 Biographie bei Who’s Who] (deutsch) * [http://www.whoismodi.com/ Seite zu einer Ausstellung in der Albright-Knox Art Gallery mit vielen Informationen zu Modigliani] (englisch) * [http://mushecht.haifa.ac.il/hecht/art/Artist-Collection-eng.aspx?id=26 Amedeo Modigliani Gemälde und Zeichnungen bei Hecht Museum] (englisch) {{Normdaten|PND=118582941|LCCN=n/79/59541|VIAF=17232808}} {{DEFAULTSORT:Modigliani, Amedeo}} [[Kategorie:Italienischer Maler]] [[Kategorie:Italienischer Bildhauer]] [[Kategorie:Künstler (documenta)]] [[Kategorie:Geboren 1884]] [[Kategorie:Gestorben 1920]] [[Kategorie:Mann]] {{Exzellent}} {{Personendaten |NAME=Modigliani, Amedeo |ALTERNATIVNAMEN= |KURZBESCHREIBUNG=italienischer Maler und Bildhauer |GEBURTSDATUM=12. Juli 1884 |GEBURTSORT=[[Livorno]] |STERBEDATUM=24. Januar 1920 |STERBEORT=[[Paris]] }} [[bg:Амедео Модиляни]] [[br:Amedeo Modigliani]] [[ca:Amedeo Modigliani]] [[cs:Amedeo Modigliani]] [[da:Amedeo Modigliani]] [[el:Αμεντέο Μοντιλιάνι]] [[en:Amedeo Modigliani]] [[es:Amedeo Modigliani]] [[et:Amedeo Modigliani]] [[eu:Amedeo Modigliani]] [[fa:آمادئو مودیلیانی]] [[fi:Amedeo Modigliani]] [[fr:Amedeo Modigliani]] [[gl:Amedeo Modigliani]] [[he:אמדאו מודיליאני]] [[hr:Amedeo Modigliani]] [[hu:Amedeo Modigliani]] [[it:Amedeo Modigliani]] [[ja:アメデオ・モディリアーニ]] [[ka:მოდილიანი]] [[ko:아메데오 모딜리아니]] [[la:Amadeus Modigliani]] [[lb:Amedeo Modigliani]] [[mk:Амадео Модилјани]] [[mt:Amedeo Modigliani]] [[nl:Amedeo Modigliani]] [[nn:Amedeo Modigliani]] [[no:Amedeo Modigliani]] [[pl:Amadeo Modigliani]] [[pt:Amedeo Modigliani]] [[ro:Amedeo Modigliani]] [[ru:Модильяни, Амедео]] [[scn:Amedeu Modigliani]] [[sk:Amedeo Modigliani]] [[sl:Amedeo Modigliani]] [[sr:Амедео Модиљани]] [[sv:Amedeo Modigliani]] [[tr:Amedeo Modigliani]] [[uk:Амедео Модільяні]] [[vi:Amedeo Modigliani]] [[yi:אמעדעא מאדיליאני]] [[zh:阿梅代奥·莫迪利亚尼]] b9xpyvdlpnhuvldxtt37zs6jtyeg494 wikitext text/x-wiki Grabeiche 0 23537 26134 2010-04-20T23:16:42Z Erik Warmelink 0 /* Weblinks */ eigene Kategorie auf Commons [[Bild:Noebdenitz Eiche08.jpg|thumb|''Grabeiche'' in Nöbdenitz im Mai 2007]] Die '''Grabeiche''' (auch '''Begräbniseiche''', '''Thümmel-Eiche''' oder „Tausendjährige Eiche“ genannt) ist ein [[Markante und alte Baumexemplare|markantes altes Baumexemplar]] der [[Stieleiche]] ''(Quercus robur)'', das in [[Thüringen]] steht und in dessen hohlem Stamm sich eine Grabstätte befindet. Laut [[Guinness-Buch der Rekorde]] handelt es sich um die älteste Stieleiche in Europa. Das im Guinness-Buch angegebene Alter von zirka 2000&nbsp;Jahren ist jedoch umstritten. In der neuesten Literatur wird die Eiche auf ein Alter von 700 bis 800&nbsp;Jahren geschätzt. Die Eiche befindet sich in der Ortsmitte von [[Nöbdenitz]], etwa sechs Kilometer südwestlich von [[Schmölln]], im [[Thüringen|thüringischen]] [[Landkreis Altenburger Land]]. In ihrem Wurzelraum, direkt unterhalb des hohlen Stammes, befindet sich eine gemauerte Gruft mit dem Leichnam des 1824 verstorbenen Rittergutsbesitzers [[Hans Wilhelm von Thümmel]]. Dieser war Schriftsteller, Chronist und Kartograf des [[Sachsen-Altenburg|Herzogtums Altenburg]] und hatte diese ungewöhnliche Begräbnisstätte vor seinem Tod von der Pfarrgemeinde erworben. == Beschreibung == {{Coordinate |article=/|map=right|NS=50/52/26/N |EW=12/16/54/E |type=landmark |region=DE-TH}} Die Grabeiche steht auf etwa 230&nbsp;Metern Höhe über [[Normalnull]] in der Nähe der Kirche, im Zentrum von Nöbdenitz. Ursprünglich führte direkt südwestlich des [[Naturdenkmal]]s eine Straße vorbei. Im Jahr 2007 wurde diese Straße im Bereich der Eiche verlegt, so dass sich um den Stammfuß eine Freifläche ergeben hat, auf der eine Schautafel über die Eiche informiert. Die Höhe der Eiche wird heute mit knapp 14&nbsp;Metern angegeben. Im Jahr 2002 betrug der Umfang des Stammes über dem Boden gemessen 12,7&nbsp;Meter.<ref name="Begräbnis-Eiche">{{internetquelle|autor=Heinrich Conrad|hrsg=|url=http://www.arboristik.de/noebdenitz.htm|format=|sprache=|titel=Die Begräbnis-Eiche in Nöbdenitz|werk=|datum=|zugriff=4. Juli 2008|zitat=}}</ref> Der Stamm ist durch [[Insekten]]<b/>fraß und das Zerstörungswerk des [[Schwefelporling]]s ''(Laetiporus sulphureus)'' vollkommen hohl. Er ist sehr unregelmäßig ausgebildet und endet oben abrupt in einer scharfkantigen Bruchstelle. Die Krone ist schon im frühen 19.&nbsp;Jahrhundert bei einer Stammhöhe von ungefähr zehn Metern abgebrochen, eine Sekundärkrone, die der Baum unterhalb der Bruchstelle ausbildete, besteht heute aus zwei Seitenästen. Sie weist eine Breite von 15&nbsp;Metern in Nord-Süd-Richtung und von zehn Metern in West-Ost-Richtung auf.<ref name="Begräbnis-Eiche" /> Von der Bruchstelle bis kurz über dem Boden ist der Stamm vertikal gespalten und wird durch drei breite Eisengurte zusammengehalten, die aus Ketten- und Bandgliedern bestehen. Damit soll das endgültige Auseinanderbrechen des Stammes, welches das Ende des Baumes bedeuten würde, verhindert werden. Wann und von wem diese angebracht wurden, ist nicht bekannt. Für die heutige Eiche lebenswichtig ist ein [[Adventivbildung|Adventivstamm]], der sich vor einigen Jahrzehnten im hohlen Stammbereich auf der Südwestseite gebildet hat und der im unteren Bereich stark [[Borke|borkig]] ist. Über diesen Jungstamm, der durch die großflächige Öffnung der Nebenkrone ausreichend Licht und Niederschläge erhält, bekommt die Eiche genügend Nahrung. Die Eiche befindet sich dennoch in keinem guten Zustand. Der hohle Stamm ist bereits in vielen Bereichen abgestorben und morsch. Die Krone weist ebenfalls schon viele Schäden auf. Einige Zweige sind nur mangelhaft ausgebildet und zeigen Kümmerwuchs. Die Standfestigkeit der Eiche ist allerdings noch nicht unmittelbar gefährdet.<ref name="Pressemeldung vom 4. August 2006">{{internetquelle|autor=Bernd Kemter|hrsg=Ostthüringer Zeitung|url=http://www.noebdenitz.de/in_eigener_sache/Eiche.htm|format=|sprache=|titel=Tausendjährige soll weiter leben|werk=|datum=4. August 2006|zugriff=4. Juli 2008|zitat=}}</ref> Über das Alter der Eiche gibt es verschiedene Angaben. Das [[Guinness-Buch der Rekorde]] gibt ihr Alter mit 2000&nbsp;Jahren an. Damit wäre die Grabeiche nicht nur die älteste Eiche in Deutschland, sondern sogar in ganz Europa. Dies ist aber umstritten. Hans Joachim Fröhlich gab 1994 ein Alter von 1000 bis 1200&nbsp;Jahren an.<ref name="Alte liebenswerte Bäume in Deutschland. Seite 502.">{{Literatur | Autor=Hans Joachim Fröhlich | Sammelwerk= | Titel=Alte liebenswerte Bäume in Deutschland | Jahr=2000 | Verlag=Buchholz | Ort=Ahlering | ISBN=3-926600-05-5 | Seiten=502}}</ref> Dieses Alter dürfte aber ebenfalls noch zu hoch sein, insbesondere wenn man die Zerstörung des Stammes durch den [[Schwefelporling]] und die holzabbauenden Insekten berücksichtigt. Wegen des hohlen Stammes können die Jahresringe nicht ausgezählt werden. Eine Altersbestimmung an einem Altast ist, bedingt durch den Kronenbruch von 1820, ebenfalls nicht durchführbar. Der Stamm der Eiche verstärkte sich in den vergangenen hundert Jahren nur unwesentlich, und eine größere Zunahme des Umfanges ist auch in Zukunft nicht zu erwarten, weshalb sich das Alter auch nicht anhand des Dickenwachstums bestimmen lässt. Zudem fehlen auch belegte jährliche Zuwachsraten des [[Adventivbildung|Adventivstammes]]. In der neuesten Literatur wird das Alter des Baumes mit 700 bis 800&nbsp;Jahren angegeben.<ref name="500 Bäume">{{Literatur | Autor=Bernd Ullrich, Stefan Kühn, Uwe Kühn | Titel=Unsere 500 ältesten Bäume: Exklusiv aus dem Deutschen Baumarchiv | Verlag=BLV Buchverlag GmbH & Co. KG | Ort=München | Jahr=2009 | ISBN=978-3-8354-0376-5 | Seiten=129}}</ref> Auch mit diesem Wert zählt die Grabeiche zu den ältesten Eichen Deutschlands. Andere Eichen, die von Fachleuten zeitweise als die ältesten in Deutschland angesehen wurden, sind beispielsweise die [[Femeiche]], die Gerichtseiche bei Gahrenberg und die [[Ivenacker Eichen]]. == Geschichte == [[Bild:Noebdenitz Eiche13.jpg|thumb|Stammtorso mit zwei Eisenbändern im Mai 2007]] [[Bild:Noebdenitz Eiche10.jpg|thumb|Der hohle Stamm von innen im Mai 2007]] [[Bild:Noebdenitz Eiche07.jpg|thumb|''Grabeiche'' in Nöbdenitz im Mai 2007]] Am Befall durch den Schwefelporling leidet die Eiche schon seit Jahrhunderten. Die Zerstörungen am Stamm begannen, als die Eiche bereits geschwächt war. In einem Eintrag in das Kirchenbuch der Nöbdenitzer Pfarrei im Jahre 1598 wird die Eiche mit den Worten beschrieben: {{Zitat|Ein hohler Eichenbaum, stammet noch aus heidnischer Zeit.|Quelle=Aus dem Kirchenbuch der Pfarrei Nöbdenitz<ref name="Bäume die Geschichten erzählen. Seite 82.">{{Literatur | Autor=Uwe Kühn, Stefan Kühn, Bernd Ullrich | Sammelwerk= | Titel=Bäume die Geschichten erzählen | Jahr=2005 | Verlag=BLV Verlagsgesellschaft | Ort=München | ISBN=3-405-16767-1 | Seiten=82}}</ref>}} In den vergangenen Jahren konnten allerdings keine neuen Fruchtkörper des Schwefelporlings an der Eiche festgestellt werden. 1815 wurde die Eiche vom Blitz getroffen.<ref>{{Literatur | Autor= | Herausgeber=ADAC Verlag | Titel=Der Große ADAC Natur-Reiseführer Deutschland | Verlag=ADAC Verlag | Ort=Turnhout/Belgien | Jahr=1991 | Seiten=377 | ISBN=3-87003-390-8 }}</ref> Bei einem Sturm, der mehrheitlich auf das Jahr 1820<ref name="Deutschlands alte Bäume. Seite 85.">{{Literatur | Autor=Stefan Kühn, Bernd Ullrich, Uwe Kühn | Sammelwerk= | Titel=Deutschlands alte Bäume | Jahr=2007 | Verlag=BLV Verlagsgesellschaft | Ort= | ISBN=978-3-8354-0183-9 | Seiten=85}}</ref>, von einigen Quellen aber auch auf die Jahre 1812<ref name="Berg">M. Berg: ''Begräbniseiche und Dorflinde bei Nöbdenitz.'' Heimatschutz in Ostthüringen, 1937.</ref> oder 1819<ref>{{internetquelle|autor=|hrsg=|url=http://www.noebdenitz.de/dorfgeschichte/daten/eiche.htm|format=|sprache=|titel=Die uralte Eiche zu Nöbdenitz|werk=|datum=|zugriff=4. Juli 2008|zitat=}}</ref> datiert wird, brach die Krone bei einer Stammhöhe von ungefähr zehn Metern ab. Zudem brachen dabei mehrere starke Äste heraus. Die Eiche erholte sich bis in die heutige Zeit nur langsam von diesem Kronenbruch.<ref name="Begräbnis-Eiche" /> Im Jahre 1826 schrieb Friedrich August Schmidt über die Eiche: {{Zitat|Zu seinem Begräbnisplatze hatte er schon lange vorher eine alte Eiche –&nbsp;die sich mitten im Dorfe Nöbdenitz erhebt und in deren kühlem Schatten er oftmals, auch in geselligen Kreisen, auf daselbst angebrachten Moossitzen ausgeruhet und manche seiner sinnigen aphoristisch dargestellten Lebenserfahrungen niedergeschrieben hatte&nbsp;– bestimmt; unter ihrem Stamme wollte er ohne Sarg, wie sein fürstlicher Freund Ernst II. ruhen. Sein Wille wurde genau befolgt. Der Leichnam, von Altenburg nach Nöbdenitz gebracht, wurde dicht unter der Eiche in einer sitzenden Stellung eingesenkt; und blos der Baum bezeichnet den Ort, wo seine irdische Hülle schlummert.|Friedrich August Schmidt |''Neuer Nekrolog der Deutschen.'' 1826.}}<ref name="Nekrolog">{{Literatur | Autor=Friedrich August Schmidt | Titel=Neuer Nekrolog der Deutschen | Band=EBand 1 | Kapitel=Freiherr v. Thümmel | Verlag=Voigt | Ort=Leipzig | Jahr=1826 | ISBN= | Online=[http://books.google.de/books?id=RMUUAAAAQAAJ&dq=n%C3%B6bdenitz%20eiche&as_brr=4&pg=PA471#v=onepage&q=&f=false Google Books] | Seiten=471 }}</ref> Der Berliner Altertumsforscher ''Gustav Parthey'', der bei Herzogin [[Dorothea von Kurland|Anna Dorothea von Kurland]] in [[Löbichau]] zu Besuch war, berichtete in seinem Tagebuch über die Eiche: {{Zitat|[…] Mit Ehrfurcht betrachteten wir eine mitten im Dorfe stehende Eiche von ungeheurem Umfange. Der Volksglaube machte sie zu einem Druidenbaume der heidnischen Germanen, und die Schätzung der Botaniker gab ihr ein Alter von 2000&nbsp;Jahren. In der Höhlung des Stammes konnten 10 bis 20 Menschen neben einander stehen. Der Minister hatte angeordnet, dass man ihn unter der Eiche begraben sollte, damit seine irdischen Überreste unweit als sprossende Zweige und grüne Blätter an die freie Himmelsluft hinausgelangen möchten&nbsp;[…]|Gustav Parthey|Jugenderinnerungen<ref>{{internetquelle|autor=Gustav Parthey|hrsg=[[Ernst Friedel]]|url=http://www.noebdenitz.de/dorfgeschichte/daten/thuemmel.htm|format=|sprache=|titel=Hans Wilhelm von Thümmel|werk=Jugenderinnerungen, zwei Bände, Seite 292|datum=Berlin 1907|zugriff=4. Juli 2008|zitat=}}</ref>}} Im Jahr 1937 beschrieb Bauamtmann ''Berg'' den Zustand der Eiche: {{Zitat|Das Alter der unweit von Kirche und Gottesacker am Pfarrgarten stehenden Eiche wird auf 2000&nbsp;Jahre geschätzt. Wenn für die Richtigkeit der Schätzung auch nicht der Beweis erbracht werden kann, so steht doch immerhin fest, daß die Eiche der weitaus älteste Baum der Gegend ist.&nbsp;[…] Auch am Bauminnern sind die Jahrhunderte nicht spurlos vorbei gegangen, wie der fast völlig ausgefaulte und hohl gewordene Stamm zeigt. Er birgt in seinem Innern eine recht geräumige Höhle, deren Zugang mit einer Gittertür verschlossen ist,&nbsp;[…] Trotz des Verlustes von Krone und Kern lebt der von starken Eisenbändern zusammengehaltene Stamm weiter, wird alle Jahre wieder grün, trägt reichlich Früchte und bedeutet mit seiner knorrigen, trutzigen Gestalt ein ehrwürdiges Naturdenkmal.|M. Berg|Begräbniseiche und Dorflinde bei Nöbdenitz<ref name="Berg">M. Berg: ''Begräbniseiche und Dorflinde bei Nöbdenitz.'' Heimatschutz in Ostthüringen, 1937.</ref>}} Die an der Eiche vorbeiführende Dorfstraße wurde in der zweiten Hälfte des 20.&nbsp;Jahrhunderts verbreitert und [[asphalt]]iert, wodurch die Asphaltdecke unmittelbar an den westlichen Teil des Stammfußes heran reichte. Im Zuge der Straßenverbreiterung wurden eine Rohrleitung für die [[Kanalisation]] und eine [[Gasleitung]] verlegt, die einen Teil des Wurzelbereiches berührten. Die asphaltierte Straßendecke beeinflusste auch den Lebenshaushalt der Eiche, da die Bodenqualität im Bereich der Wurzeln unterhalb der Teerdecke nicht mehr den früheren Verhältnissen entsprach. Der Eiche standen weniger Niederschläge zur Verfügung, da ein Großteil von ihnen nun oberirdisch ablief. Beim Straßenausbau war vermutlich auch der unterste Starkast entfernt worden, der zur Straße gezeigt hatte. Vor einigen Jahren wurden auch mehrere Äste gestutzt, die jetzt nur noch eine Länge von zehn bis 30&nbsp;Zentimeter aufweisen. Das mittlere der drei Eisenbänder, die den Baum zusammenhalten, wurde erneuert. Um die Beeinträchtigung des Baumes durch die Bodenverdichtung zu beseitigen, wurde im August 2006 ein gegenüber der Eiche befindliches baufälliges Haus abgerissen und im Jahr 2007 die Straße dorthin verlegt. Dadurch bekommt die Eiche jetzt wieder mehr Feuchtigkeit und im aufgelockerten Boden eine bessere Durchlüftung der Wurzeln, wodurch man sich eine Verlängerung ihres Lebens erhofft. Weiterhin ist vorgesehen, den Kronenbereich durch Stützen zu entlasten.<ref name="Pressemeldung vom 4. August 2006" /> == Entwicklung des Stammumfangs == [[Bild:Noebdenitz Eiche02.jpg|thumb|''Grabeiche'' in Nöbdenitz im März 2006]] Der Umfang der Eiche wurde in den letzten Jahrhunderten mehrmals ermittelt. ''Ernst Amende'' gab 1902 für die Eiche einen Umfang in Bodennähe von zwölf Metern und in Mannshöhe von 8,3&nbsp;Meter an: {{Zitat|Nöbdenitz liegt anmutig im Sprottenthale. Es zählt 289 Einwohner, hat Bahnhof, Kirche, Pfarrei, Schule und ein großes Rittergut. Der Ort hat eine Sehenswürdigkeit eigener Art aufzuweisen. Neben der Pfarrei, am Wege nach Raudenitz, steht eine uralte Eiche. Ihr Stamm hat unmittelbar über dem Boden einen Umfang von 12&nbsp;m, in Mannshöhe 8,30&nbsp;m. Er ist hohl und wird durch eiserne Reifen zusammengehalten&nbsp;[…]|Ernst Amende|Landeskunde des Herzogtums Sachsen-Altenburg<ref>{{internetquelle|autor=Ernst Amende|hrsg=|url=http://www.arboristik.de/noebdenitz.htm|format=|sprache=|titel=Die Begräbnis-Eiche in Nöbdenitz|werk=Landeskunde des Herzogtums Sachsen-Altenburg|datum=1902|zugriff=4. Juli 2008|zitat=}}</ref>}} 1937 wurde die Eiche vom Bauamtmann Berg vermessen. Er ermittelte einen Umfang, ebenfalls in Bodennähe, von 12,5&nbsp;Metern. Der Stammumfang in einem Meter Höhe betrug im Jahre 1990 elf Meter.<ref name="Deutschlands alte Bäume. Seite 85." /> An der Stelle seines geringsten Durchmessers ([[Taille]]) hatte der Stamm um das Jahr 2000 einen Umfang von 9,12&nbsp;Metern.<ref name="Deutschlands alte Bäume. Seite 190.">{{Literatur | Autor=Stefan Kühn, Bernd Ullrich, Uwe Kühn | Sammelwerk= | Titel=Deutschlands alte Bäume | Jahr=2007 | Verlag=BLV Verlagsgesellschaft | Ort= | ISBN=978-3-8354-0183-9 | Seiten=190}}</ref> Weitere Messungen liegen vom 19.&nbsp;April 2001 vor. Der Umfang bezieht sich dabei auf 1,3&nbsp;Meter Höhe. Da der Boden um die Eiche stark abfällt und der Stamm stark konisch ausgebildet ist, wurden mehrere Messungen durchgeführt, und daraus ein Mittelwert von 10,64&nbsp;Metern ermittelt.<ref name="Begräbnis-Eiche" /> Um einen Vergleich mit den früheren Messungen zu ermöglichen, die am Boden durchgeführt worden waren, wurde die Eiche am 11.&nbsp;Juni 2002 erneut vermessen. Der Umfang in Bodennähe betrug dabei 12,7&nbsp;Meter.<ref name="Begräbnis-Eiche" /> Demnach wurde die Eiche in den letzten hundert Jahren etwa elf Zentimeter dicker, was ein sehr geringes Dickenwachstum bedeutet. Dabei ist aber zu berücksichtigen, dass sich das Bodenprofil in diesem Zeitraum bedingt durch Erdbewegungen veränderte. Die Eiche zählt zu den stärksten in Deutschland. == Thümmel-Grabstätte == Die Eiche gilt als der einzige Baum in Deutschland mit einer darin befindlichen Grabstätte.<ref name="Bäume die Geschichten erzählen. Seite 82." /> Im hohlen Innenraum des Wurzelbereiches ruht der 1744 auf einem Rittergut bei Leipzig geborene ''Hans Wilhelm von Thümmel''. Dieser starb am 1.&nbsp;März 1824 im Alter von 80&nbsp;Jahren und wurde gemäß seinem Vermächtnis am 3.&nbsp;März 1824 unterirdisch in einer ausgemauerten Gruft im Wurzelraum der Eiche bestattet. Diese Bestattung wurde von der herzoglichen Regierung genehmigt und ist im Kirchenregister dokumentiert. Nach der Begräbnisrede wurde der Leichnam ohne Sarg auf eine Moosbank gebettet. Die Gruft wurde nach oben hin mit drei Natursteinen verschlossen und darauf eine amtlich vorgeschriebene, 30&nbsp;Zentimeter dicke Schicht aus [[Calciumhydroxid|Löschkalk]] als Versiegelung der Gruft aufgetragen. Die Bestattung ist im Totenregister der Pfarrei von Nöbdenitz 1824 beschrieben: {{Zitat|Gestorben in Altenburg den 1.&nbsp;März 1824 früh 1&nbsp;Uhr. Beigesetzt unter der von dem seeligen Herrn Geh. Rate erkauften Pfarreiche auf Bewilligung Herzogl. Regierung in einer dazu ausgemauerten Gruft – vermauert wider alle Besorgnis einer gefährlichen Ausdünstung des toten Körpers – mit einer Rede.|Quelle=Aus dem Totenregister der Pfarrei Nöbdenitz<ref name="Begräbnis-Eiche" />}} Damit die Eiche als Andachtsraum genutzt werden konnte, stellte man im Inneren des hohlen Stammes eine Sitzbank aus einem hohlen [[Weiden (Botanik)|Weidenstamm]] und eine Holzkonsole auf. Die Ritzen des Stammes wurden mit Moos abgedichtet, der Andachtsraum wurde durch eine eiserne Gittertür zur Straße hin abgeriegelt und die Eiche mit Sandsteinsäulen und einem Lattenzaun umfriedet<ref name="Die Grabstätte in der 1000jährigen Eiche">{{internetquelle|autor=|hrsg=|url=http://www.noebdenitz.de/dorfgeschichte/daten/grab.htm|format=|sprache=|titel=Die Grabstätte in der 1000jährigen Eiche|werk=|datum=|zugriff=4. Juli 2008|zitat=}}</ref> Von der Eisentür zeugt heute noch eine verrostete senkrechte Eisenschiene am Stamm, an der die Tür angebracht war. === Hans Wilhelm von Thümmel === [[Bild:Noebdenitz Eiche09.jpg|thumb|''Grabeiche'' und Kirche im Mai 2007]] Die Verbindung von ''Thümmel'' zu Nöbdenitz begann im Jahre 1785, als er die Rittergutsbesitzerin ''Charlotte von Rothkirch-Trach'' heiratete. Diese erbte später die Rittergüter Nöbdenitz und Untschen. ''Thümmel'' selbst übte viele verschiedene Tätigkeiten aus. Am Hof des Herzogtums [[Sachsen-Gotha-Altenburg|Sachsen-Gotha und Altenburg]] bekleidete er verschiedene Ämter und wurde der Freund von [[Ernst II. (Sachsen-Gotha-Altenburg)|Herzog Ernst II.]] Er brachte es vom Pagen bis zum Geheimrat und später sogar zum Minister. Zwischen 1803 und 1808 unternahm er mehrere [[Diplomatie|diplomatische]] Missionen in Berlin, Paris, Kopenhagen und anderen Städten. Bekannt wurde er auch durch die Gründung der [[Kammerleihbank]] und die Förderung des Straßenwesens. Er schied 1817 aus dem herzoglichen Dienst aus, wo er einen großen Einfluss ausgeübt hatte. Thümmel hatte sich auch mit der [[Landesvermessung|Landvermessung]] beschäftigt und hinterließ am Ende seiner Dienstzeit ein umfangreiches [[topografische Karte|topografisches Kartenwerk]]. Dieses umfasst die Ämter [[Ronneburg (Thüringen)|Ronneburg]] und [[Altenburg]] und ist als ''Thümmel-Karten'' bekannt geworden, die 1813 vollendet wurden. Danach hielt sich Thümmel öfters in Nöbdenitz auf und besuchte auch die Herzogin ''Anna Dorothea von Kurland'', da er bis zum Jahre 1821 dem Dichterkreis des [[Musenhof]]s angehörte. Er war sehr romantisch veranlagt und legte verschiedene Gärten und Parkanlagen an. Nachdem er sich zur Ruhe gesetzt hatte, schuf er auch in Nöbdenitz eine Gartenanlage. Die Errichtung der Gärten und Parkanlagen kostete den ehemaligen Minister viel Geld, so dass er schließlich mittellos wurde. Dadurch kam es immer wieder zu Streitigkeiten zwischen den Ehepartnern. Bei einem solchen Streit schrie ihn seine Frau an: ''„Ohne Heirat hättest du nicht einmal genug Land für dein Grab!“''<ref>{{Literatur | Autor= | Herausgeber=ADAC Verlag | Titel=Der Große ADAC Natur-Reiseführer Deutschland | Verlag=ADAC Verlag | Ort=Turnhout/Belgien | Jahr=1991 | Seiten=378 | ISBN=3-87003-390-8 }}</ref> Daraufhin kaufte der gekränkte Ehemann von der Pfarrei die Eiche, die sich im damaligen Pfarrgarten befand, um sie nach seinem Tode als Grabstätte zu nutzen. Eine Schilderung des Grabmals gibt Bauamtmann ''Berg'' im Jahre 1937: {{Zitat|Der Zugang zu diesem wohl einzigartigen Erdbegräbnis wurde mit Felsblöcken bis auf eine kleine Schlupföffnung vermauert und mit einer Eisengittertür verschlossen.|M. Berg|Begräbniseiche und Dorflinde bei Nöbdenitz<ref name="Berg">M. Berg: ''Begräbniseiche und Dorflinde bei Nöbdenitz.'' Heimatschutz in Ostthüringen, 1937.</ref>}} === Untersuchung der Grabstätte === [[Bild:Noebdenitz Eiche11.jpg|thumb|Innenraum des Stammes im Mai 2007]] Über den Leichnam unter der Eiche erzählte man sich viele Geschichten. Mehrere Jahrzehnte lang wurde berichtet, dass der Tote auf einem Stuhl sitzend in der Eiche eingemauert worden sei. Andere wiederum bezweifelten, dass sich überhaupt ein Toter in der Eiche befindet. Um endlich Klarheit zu schaffen, versuchte der Heimatforscher ''Ernst Bräunlich'' aus [[Posterstein]], der jahrelang Lehrer in Nöbdenitz war, 135&nbsp;Jahre nach Thümmels Tod den Sachverhalt zu ergründen. 1959 entdeckte er mit seinen Schülern, die er für diese Untersuchung gewinnen konnte, in der Stammhöhle einen Andachtsraum. Darin befanden sich eine zerbrochene Vase, eine morsche Holzkonsole und Reste metallener Kranzschleifen.<ref name="Die Grabstätte in der 1000jährigen Eiche" /> Daraufhin gruben sie ein Loch in den Boden und fanden nach Beseitigung von Erde und morschem Holz die Kalkschicht mit einer Dicke von 20&nbsp;Zentimetern und die drei Natursteinplatten. Der darunter liegende Hohlraum konnte durch einen Spalt mit einer Taschenlampe ausgeleuchtet werden, wobei man ein Skelett erblickte, das quer zur ehemaligen Fahrbahn der Dorfstraße und mit dem Kopf in südlicher Richtung lag.<ref name="Die Grabstätte in der 1000jährigen Eiche" /> Mit dem Fund des Skeletts waren alle Zweifel an der Baumbestattung ausgeräumt. == Einzelnachweise == <references/> == Literatur == * {{Literatur | Autor=Bernd Ullrich, Stefan Kühn, Uwe Kühn | Titel=Unsere 500 ältesten Bäume: Exklusiv aus dem Deutschen Baumarchiv | Verlag=BLV Buchverlag GmbH & Co. KG | Ort=München | Jahr=2009 | ISBN=978-3-8354-0376-5 | Seiten=129}} * {{Literatur | Autor=Stefan Kühn, Bernd Ullrich, Uwe Kühn | Sammelwerk= | Titel=Deutschlands alte Bäume | Jahr=2007 | Verlag=BLV Verlagsgesellschaft | Ort=München | ISBN=978-3-8354-0183-9 | Seiten=85}} * {{Literatur | Autor=Uwe Kühn, Stefan Kühn, Bernd Ullrich | Sammelwerk= | Titel=Bäume, die Geschichten erzählen | Jahr=2005 | Verlag=BLV Buchverlag GmbH & Co. | Ort=München | ISBN=3-405-16767-1 | Seiten=82f}} * {{Literatur | Autor=[[Hans Joachim Fröhlich]] | Titel=Band 10, Thüringen| Sammelwerk=Wege zu alten Bäumen | Verlag=WDV-Wirtschaftdienst | Ort=Offenbach | Jahr=1990 | ISBN= 3-926181-24-9 |Seiten=199 }} * {{Literatur | Autor=Hans Joachim Fröhlich | Sammelwerk= | Titel=Alte liebenswerte Bäume in Deutschland | Jahr=2000 | Verlag=Cornelia Ahlering Verlag | Ort=Buchholz| ISBN=3-926600-05-5 | Seiten=365}} * {{Literatur | Autor= | Herausgeber=ADAC Verlag | Sammelwerk= | Titel=Der Große ADAC Natur-Reiseführer Deutschland | Jahr=1991 | Verlag=ADAC Verlag | Ort=Turnhout/Belgien | ISBN=3-87003-390-8 | Seiten=377f}} * {{Literatur | Autor=Ernst Amende | Sammelwerk= | Titel=Landeskunde des Herzogtums Sachsen-Altenburg | Jahr=1902 | Verlag= | Ort=Buchholz| ISBN= | Seiten=}} * {{Literatur | Autor=M. Berg | Sammelwerk=Heimatschutz in Ostthüringen | Titel=Begräbniseiche und Dorflinde bei Nöbdenitz | Jahr=1937 | Verlag= | Ort=Buchholz| ISBN= | Seiten=}} == Weblinks == {{commonscat}} * [http://www.arboristik.de/noebdenitz.htm Die Begräbnis-Eiche in Nöbdenitz] – Artikel von Heinrich Conrad, Zugriff vom 4. Juli 2008 * [http://www.abg-net.de/index.php?id=273&tx_ttnews&#x5B;tt_news&#x5D;=2888&tx_ttnews&#x5B;backPid&#x5D;=99&cHash=63c79483d4 Nöbdenitz und die 1000-jährige Eiche] – Artikel von Sabine und Klaus Hofmann, 27. Juni 2006, Zugriff vom 4. Juli 2008 * [http://www.noebdenitz.de/dorfgeschichte/daten/eiche.htm Die uralte Eiche zu Nöbdenitz] – Zugriff vom 4. Juli 2008 [[Kategorie:Einzelbaum in Europa]] [[Kategorie:Einzelbaum in Deutschland]] [[Kategorie:Naturdenkmal in Thüringen]] [[Kategorie:Landkreis Altenburger Land]] [[Kategorie:Pflanzlicher Rekord]] {{Exzellent}} tt9dl3mqe3u6rt00dkp4whk2o0ao96g wikitext text/x-wiki Aquarium 0 23538 28410 28142 2011-09-26T13:06:30Z Albe ni 598 kleinigkeiten {{Dieser Artikel|beschreibt das wassergefüllte Becken; zu der russischen Rockgruppe siehe [[Aquarium (Band)]], zu dem Schachprogramm siehe [[Aquarium (Schach)]].}} Das '''Aquarium''' (von [[Latein|lateinisch]] ''aqua'' „[[Wasser]]“) ist die verbreitetste Art des [[Vivarium (Tierhaltung)|Vivariums]]. Meist handelt es sich bei ihnen um Gefäße aus [[Glas]] oder durchsichtigem [[Kunststoff]], die mit Wasser befüllt werden. Mit Hilfe von [[Fische]]n und [[Wirbellose|wirbellosen Tieren]] wie [[Weichtiere]]n oder auch [[Krebstiere|Krebsen]] sowie Wasserpflanzen und Bodenmaterialien, meist Kies oder Sand, stellt der [[Aquaristik|Aquarianer]] eine Unterwasserwelt her und erhält sie am Leben. Auf Wassertiere spezialisierte [[Zoo]]s (auch Aquazoos genannt) bezeichnen sich ebenfalls als Aquarien. Früher nannte man den Kellerraum in Apotheken, der zur Aufbewahrung flüssiger Arzneistoffe in Flaschen, Fässern usw. bestimmt war, „Aquarium“. In England wurde der Begriff „Aquarium“ dann verwendet, um die in den [[Gewächshaus|Glashäusern]] zur Pflege von Wasserpflanzen (aber nicht Wassertieren) aufgestellten Bassins zu bezeichnen. Der moderne Begriff des Aquariums wurde im 19. Jahrhundert üblich. [[Datei:Aquariumsimple.jpg|thumb|Einfaches Hausaquarium (80 × 40 × 30&nbsp;cm, 96&nbsp;l)]] [[Datei:Home aqua 240 litres.png|thumb|Aufwändigeres Hausaquarium (240&nbsp;l)]] [[Datei:Burgerszoo aquarium 1280.jpg|thumb|Aquarium im [[Burgers Zoo]], [[Gelderland]]]] [[Datei:Pyranha Pygocentrus piraya group 1280 boosted.jpg|thumb|Für [[Piranhas]] ist ein [[Artaquarium]] empfehlenswert]] == Geschichte des Aquariums == === Ursprünge === [[Datei:TombofNeb-Amun01.jpg|thumb|Künstlich angelegter Fischteich mit [[Tilapia|Tilapien]] auf einer Wandmalerei des Grabes des [[Nebamun]], um 1400 v. Chr.]] Die Haltung von Fischen in einer künstlichen Umgebung hat eine weit zurückreichende Vergangenheit. Bereits die [[Sumerer]] hielten gefangene Fische in Teichen, bevor sie sie für Mahlzeiten zubereiteten. Ähnliches ist aus dem alten Ägypten bekannt. Für alle [[Gartenkunst im Alten Ägypten|Tempelgärten]] von der [[Frühdynastische Periode (Ägypten)|frühdynastischen]] Zeit bis zum [[Neues Reich|Neuen Reich]] gilt, dass sie mit rechteckigen Wasserbassins ausgestattet waren. Auch in den häufig relativ kleinen ägyptischen Hausgärten hatten künstlich angelegte Teiche und Becken eine zentrale Rolle inne. Auf einem altägyptischen Gartenmodell, das sich heute im [[Metropolitan Museum]] in [[New York City|New York]] befindet, nimmt das von [[Maulbeerfeige]]n umrahmte Wasserbecken fast die ganze Gartenfläche ein. Aufgrund von Abbildungen, die man in der Ausgrabungsstätte [[Oxyrhynchus]] gefunden hat, weiß man, dass in solchen Becken Fische gehalten wurden. Ähnlich alt ist die Haltung von Fischen in [[China]]. Die gezielte Züchtung von [[Karpfen]] begann vermutlich vor ca. 2.500 Jahren; das älteste Buch zur Fischzucht datiert in die Zeit von 770 bis 476 v. Chr. Während der [[Song-Dynastie]] (960–1216 n. Chr.) begann die Domestikation des [[Goldfisch]]es aus der [[Karausche|Silberkarausche]], ab dem frühen 16. Jahrhundert ist belegt, dass Goldfische in großen Keramikgefäßen auch in Häusern gehalten wurden. 1596 erschien das erste Buch zum Thema Aquarium von Chang Chi'en-te mit dem Titel „Chu sha yü p'u“, auf Deutsch „Traktat über die Goldfische“. Die ersten Hinweise auf die Haltung von Nutzfischen im antiken Rom stammen aus dem 2. Jahrhundert v. Chr.<ref name="Nikulina">{{cite web | url=http://www.schriften.uni-kiel.de/Band%2070/Schmoelcke_Nikulina_70_36-55.pdf | title=Fischhaltung im antiken Rom und ihr Ansehenswandel im Licht der politischen Situation, von Elena Nikulina und Ulrich Schmölcke | publisher= Schriften des naturwissenschaftlichen Vereins für Schleswig-Holstein 70:36-55}}</ref> Zunächst waren es Süßwasserbecken, in denen Bauern Fische zum Verzehr zogen. Zu Anfang des 1. Jahrhundert v. Chr. begann die kommerzielle Zucht von marinen Fischen in Meerwasserbecken von Angehörigen der Oberschicht. Schon bald wurden Fische darin vor allem zur Zierde gehalten. Die Meerwasserbecken erreichten in der Folge immer größere Ausmaße und nahmen im 1. Jahrhundert n. Chr. weite Abschnitte der mittelitalienschen Westküste ein. Ihr Betrieb entwickelte sich seit der Mitte des 1. Jahrhundert v. Chr. zu einem Statussymbol einer elitären Oberschicht. Für etwa einhundert Jahre wurde Fischhaltung ein integraler Bestandteil gehobener römischer Lebensweise, nicht selten mit Hang zur Verschwendung und Dekadenz. In der zweiten Hälfte des 1. Jahrhundert n. Chr. forderte die neue flavische Dynastie Bescheidenheit und Sparsamkeit. Nachfolgend verlor die Fischhaltung als Mode rasch an Bedeutung.<ref name="Nikulina"/> === Der Beginn der Aquaristik in Europa === Der genaue Zeitpunkt, zu dem erstmals Lebewesen in durchsichtigen Behältern gepflegt wurden, lässt sich nicht genau bestimmen. Der englische Tagebuchschreiber [[Samuel Pepys]] notierte 1665 in seinen Aufzeichnungen, dass er in London Fische gesehen habe, die in einem Wasserglas am Leben gehalten wurden. Am wahrscheinlichsten handelte es sich um [[Goldfisch]]e. Genannt werden auch [[Paradiesfisch]]e, die durch die Handelsbeziehungen der [[East India Company]] aus [[Guangzhou|Kanton]], wo sie in Gartenteichen gehalten wurden, nach London gelangten. Zunächst waren es vor allem [[Naturwissenschaft|naturwissenschaftliche]] Forscher, die Lebewesen in Behältern hielten, um daran ihre Untersuchungen vorzunehmen. Der [[Vereinigtes Königreich|britische]] [[Chemiker]] [[Joseph Priestley]] beispielsweise, der 1774 gleichzeitig mit dem in Schweden arbeitenden Stralsunder [[Carl Wilhelm Scheele]] den [[Sauerstoff]] entdeckte, nahm weitergehende Untersuchungen zum Sauerstoff an Wasserpflanzen vor, die er in seinem Labor hielt. [[Datei:Emil Adolf Rossmaessler.jpg|miniatur|[[Emil Adolf Roßmäßler]], „Vater der deutschen Aquaristik“]] [[Datei:1856aquariumfresh.png|miniatur|Salonaquarium von 1856]] Auf der [[Weltausstellung]] 1851 in London wurden erstmals Aquarien einer breiten Öffentlichkeit gezeigt. Die Scheiben dieser Aquarien wurden wie bei einem [[Nathaniel Ward|Ward'schen Kasten]] von einem gusseisernen Rahmen zusammengehalten. Den Begriff ''„Aquarium“'' prägte allerdings der englische Naturforscher [[Philip Henry Gosse]] in seiner 1853 erschienenen Veröffentlichung ''„A Naturalist's Rambles on the Devonshire Coast“''. Das Buch fand in der britischen Öffentlichkeit sehr großen Anklang. Es kam in Mode, Lebewesen zumindest kurzfristig in kleinen Glasbehältern zu pflegen, um sie besser studieren zu können. In Deutschland war es vor allem der Naturforscher, [[Pädagoge]] und [[Schriftsteller]] [[Emil Adolf Roßmäßler]], der mit verschiedenen Artikeln dieses Hobby in Deutschland populär machte. Er wird daher scherzhaft auch als „Vater der deutschen Aquaristik“ bezeichnet. 1854 erschien von ihm in der damals populären Familienzeitschrift [[Die Gartenlaube]] der Artikel ''Der Ocean auf dem Tisch''. Ähnlich wie Gosse stellte er hier die Pflege von Seewassertieren vor. Roßmäßler verfolgte mit der Veröffentlichung das Ziel, die Naturwissenschaft im Volk bekannt und populär zu machen. Ihm wurde allerdings bald klar, dass dies durch ein Süßwasseraquarium einfacher zu erzielen war. Deswegen folgte in der Gartenlaube sehr bald der Artikel ''Der See im Glase'', der zu so viel Rückfragen zu dieser Form der Tierhaltung führte, dass er 1857 sein Buch ''Das Süßwasseraquarium'' veröffentlichte. Roßmäßler gab darin konkrete Hinweise, wie ein solches Aquarium einzurichten und zu pflegen sei. Neben dem [[Goldfisch]] empfahl er vor allem die [[Elritze]] und den [[Schlammpeitzger]]. Roßmäßlers Veröffentlichungen folgten eine Vielzahl von weiteren Aquarienbüchern und -zeitschriften. Aquarienvereine wurden in ganz Deutschland gegründet. Es wurde modern, in den Wintergärten der [[Gründerzeit]]villen ein sogenanntes Salonaquarium oder ein [[Goldfischglas]] aufzustellen. :''Hier leben die Tiere genauso wie in der Freiheit&nbsp;– anders als die in Käfigen gefangenen Vögel, Reptilien und Insekten. Durch nichts gehemmt und eingeengt, zeigen sie sich dem Beobachter in ihrer ganzen Naturwüchsigkeit, in ihrer vollen Natürlichkeit.'' (zit. n. Horst & Kipper, S. 12) hieß es in einem 1880 veröffentlichten Aquarienbuch. Aus heutiger Sicht ist diese euphorische Sicht nicht zutreffend. Man hatte zur damaligen Zeit wenig Wissen über die Bedürfnisse der gehälterten Lebewesen oder die im Aquarium ablaufenden Prozesse. Aquarien wurden damals teilweise noch mit Kerzen geheizt, die unter dem Aquarium aufgestellt wurden. Im Herbst starben die Pfleglinge sehr häufig, weil es dem Wasser an Sauerstoff mangelte und man nicht in der Lage war, für eine ausreichende Beleuchtung der Aquarien zu sorgen. === Entwicklungen bis heute === Die Weiterentwicklung der Aquaristik während der letzten einhundert Jahre ist vor allem auf das Verständnis zurückzuführen, dass ein Aquarium in der Regel ohne entsprechende technische und chemische Unterstützung keinen Lebensraum für Fische und Pflanzen bieten kann. Der Schwerpunkt der technischen Weiterentwicklung lag dabei vor allem in der zweiten Hälfte des [[20. Jahrhundert]]s. Ausschlaggebend war neben einem zunehmenden Wissen über die biologischen und chemischen Vorgänge in einem Aquarium die Verfügbarkeit von Materialien für den Bau immer ausgefeilterer [[Aquariumfilter|Aquarienfilter]], verbesserter Beleuchtungssysteme und kleinerer Pumpen sowie eine ausreichende [[Kaufkraft (Konsum)|Kaufkraft]] eines genügend großen Anteils der Bevölkerung, der bereit war, in dieses [[Hobby]] zu investieren und solche Produkte [[Nachfrage|nachzufragen]]. Auch in den [[Gemeinschaft|Communitys]] findet das Thema zusehends seine Verbreitung. [[Datei:Euphyllia.jpg|thumb|[[Hammerkoralle]] (''Euphyllia paraancora'')&nbsp;– Großpolypige, langsam wachsende [[Steinkorallen]] können in Deep Sand Bed-Aquarien gewaltige Größen erreichen.]] Aquarien können aus unterschiedlichem Material gefertigt sein. Bis Ende der 1960er Jahre waren die meisten Aquarien Rahmenaquarien, bei denen Glasscheiben in Metallrahmen eingekittet wurden, oder Vollglasaquarien bis etwa 20 Liter Fassungsvermögen. Eine entscheidende Konstruktionsänderung kam erst mit der Entwicklung der [[Silikon]]kleber, welche die früheren Metallrahmen überflüssig machten. Damit waren rahmenlose Aquarien in den verschiedensten Größen und Formen möglich. Die typischen Aquarien der 1960er und 1970er Jahre waren meist an den Seiten mit Holz verkleidet. Damit sollte sichergestellt werden, dass sich das Aquarium harmonisch in die Wohnung einfügte. In dieser Zeit wurde zunehmend auch Wert auf eine harmonische Pflanzenvielfalt im Becken gelegt, so dass das [[Holländisches Pflanzenaquarium|holländische Pflanzenaquarium]] entstand. Für die Aquarien gibt es verschiedene Möglichkeiten und Methoden zur Temperatureinstellung. Gebräuchlich sind Kontaktthermometer, elektronische Regeleinrichtungen und manuelle Temperatureinstellung. Heute haben die in Aquarien verwendeten [[Stabheizung]]en [[Messsonde]]n, die eine gradgenaue Einstellung ermöglichen, ohne dass Zusatzgeräte erforderlich sind. Elektronische Einrichtungen erlauben teilweise auch eine zeit- oder tageslichtgesteuerte Temperaturführung entsprechend den täglichen Temperaturschwankungen in den Ursprungsgebieten der Fische. Eine allmähliche Erhöhung der Wassertemperatur, wie sie notwendig ist, um bei einigen [[Labyrinthfische]]n die [[Auslöser des Laichansatzes|Laichbereitschaft auszulösen]], ist mit elektronischen Reglern relativ einfach zu erzielen. Anstelle von in das Becken gehängten Stabheizungen gibt es auch verschiedene Arten von Bodenheizungen. In großen Aquarien findet man oft eine direkte Erwärmung über Heizspiralen, die über die Zentralheizung gesteuert werden. Auch die [[Meerwasseraquaristik]], die lange Zeit nur von erfahrenen Aquarianern betrieben wurde, ist heute einfacher zu realisieren. Sie gilt jedoch immer noch als anspruchsvoller und auch kostenintensiver als die Süßwasseraquaristik. In der Praxis haben sich nationale Vorlieben herausgebildet. In Deutschland und wohl auch in vielen anderen Ländern werden [[Riffaquarium|Riffaquarien]] vor allem nach dem [[Berliner System]] betrieben; viele französische Meerwasseraquarianern nutzen das [[Jaubert-System]] und aus [[Nordamerika]] kommt neuerdings die [[Deep Sand Bed|Deep Sand Methode]], die ein enormes Wachstum von [[Steinkorallen]] bei geringem Technikeinsatz möglich macht. [[Zeovith-Methode]], [[Miracle Mud]] oder [[Algenrefugium]] sind weitere Pflegemöglichkeiten in der Meerwasseraquaristik. Es lässt sich allerdings keines von ihnen als das „beste“ System bezeichnen. Klassische Filter wie in der Süßwasseraquaristik haben sich nicht durchgesetzt. [[Datei:Peter Kirwan Mountainscape.jpg|miniatur|Beispiel eines Naturaquariums im Stil von Takashi Amano]] In der Süßwasseraquaristik ist [[Takashi Amano]] wahrscheinlich der derzeit einflussreichste Aquarianer. Er hat das sogenannte [[Naturaquarium]] populär gemacht, bei dem Landschaftsbilder der Natur nachgebildet werden und das von der [[Japanischer Garten|japanischen Gartenkunst]] maßgeblich beeinflusst ist. Es handelt sich dabei keineswegs um [[Biotop-Aquarium|Biotop-Aquarien]], bei denen ein Lebensraum exakt nachgebildet wird. Ziel ist es vielmehr, ästhetische Landschaften als [[Kontemplation]]sobjekte mit den Mitteln der Aquaristik zu gestalten. Vorbilder aus Natur und Phantasie werden dabei ins Aquarium übertragen. Dabei kombiniert Amano Pflanzen, die aus unterschiedlichen Kontinenten stammen, und vergesellschaftet Lebewesen, deren Lebensräume sich in der freien Natur nicht überschneiden. Zunehmend findet sich heutzutage eine Vielfalt von sogenannten „Designaquarien“. Diese Becken haben Säulen- oder Pyramidenform, oder es werden Wandaquarien in Form eines Bildes oder einer Halbkugel mit zu geringem Volumen angeboten, die zur Haltung von Fischen nicht geeignet sind (siehe [[Goldfischglas]]). Designer erfinden Beckeneinrichtungen, wie z.&nbsp;B. aus Chromelementen oder Plastikschläuchen, die ebenso unter den Aspekt der [[Tierquälerei]] fallen. Die neueste Entwicklung der Aquarienform ist das [[Bonsai-Aquarium]]. Hier wird ähnlich einem [[Paludarium]] Wert auf einen Landteil gelegt, der mit Wurzeln, Wasserfällen, Moos und kleinen Solitärpflanzen gestaltet ist. Das Becken dieses Aquarientyps hat eine halbierte Front- und abgeschrägte Seitenscheiben. == Klassifikation von Aquarien == Süßwasseraquarien können nach einer Reihe sehr unterschiedlicher Kriterien klassifiziert werden. Ein wichtiges Gliederungsmerkmal ist heutzutage die Klassifizierung des Wassers anhand der darin gelösten Inhaltsstoffe. Sie sind entscheidend dafür, welchen Lebewesen im Aquarium geeignete Bedingungen geboten werden können. Früher wurde mehr Wert auf die Unterscheidung Kalt- oder Warmwasseraquarium gelegt. === Klassifikation nach Wasserbedingungen === [[Datei:Aquarium tropical - Discus.JPG|thumb|[[Amazonasbecken (Aquaristik)|Amazonasbecken]] mit [[Diskusfische]]n (''Symphysodon discus'') und [[Roter Neon|Roten Neonfischen]] (''Paracheirodon axelrodi'')]] Aquarien werden zuerst vor allem nach dem Salzgehalt des Wassers unterschieden. [[Seewasseraquarium|Meereswasseraquarien]] haben den höchsten Anteil an gelöstem Salz im Wasser. In ihnen werden Lebensbedingungen simuliert, wie sie in Ozeanen vorkommen. Der Salzgehalt liegt bei 3,4&nbsp;Prozent (34&nbsp;g/l). Bei [[Süßwasseraquarium|Süßwasseraquarien]] beträgt der Anteil des Salzes im Wasser weniger als 0,6&nbsp;Prozent. Nachgeahmt werden die Lebensbedingungen in einem See oder Fluss. Dieser Typus von Aquarium ist der in der [[Aquaristik]] am meisten verbreitete. [[Brackwasseraquarium|Brackwasseraquarien]] sind dagegen ein verhältnismäßig wenig verbreiteter Aquarientyp. Sie bilden die Lebensbedingungen der [[Flussmündung|Mündungsgebiete]] großer Flüsse oder Mangrovenküsten nach. Der Salzgehalt liegt zwischen den Werten für ein Salz- und Süßwasseraquarium. Viele tropische Gewässer, aus denen im Aquarium gepflegte Lebewesen stammen, haben salzarmes und sehr weiches Wasser. Bezeichnungen wie [[Amazonasbecken (Aquaristik)|Amazonasbecken]] oder [[Schwarzwasseraquarium]] weisen auf Süßwasseraquarien hin, die diese Lebensbedingungen simulieren; während in einem Schwarzwasserbecken jedoch Arten unterschiedlichster Herkunft gepflegt werden, die diese Haltungsbedingungen fordern, werden in einem Amazonasbecken gezielt nur solche Pflanzen, Fische und Wirbellose gehalten, die ihr ursprüngliches Verbreitungsgebiet im Amazonas haben. Sogenannte Malawibecken oder Ostafrikaaquarien beherbergen meist Fische der ostafrikanischen Grabenseen mit höherem Salzgehalt. Aquarien für heimische Kaltwasserfische weisen ebenfalls oft härteres Wasser als diejenigen für tropische Fische auf; der Begriff „Hartwasserbecken“ ist jedoch unüblich. Einen spezifischen Typ des Aquariums stellt das sogenannte [[Altwasseraquarium]] dar. Hier wird auf den regelmäßigen [[Teilwasserwechsel]] verzichtet und lediglich das verdunstete Wasser mit Regen- oder destilliertem Wasser aufgefüllt. Notwendig dafür ist ein nur sehr geringer Fischbesatz, damit [[Aquariumfilter|Filter]] und Pflanzen die Möglichkeit haben, die anfallenden Stoffwechselprodukte umzuwandeln; diese Form ist in der Aquaristik jedoch umstritten. === Klassifikation nach Temperatur === [[Datei:Goldfisch 1.jpg|thumb|[[Goldfisch]]&nbsp;– eine der Arten, die im Kaltwasseraquarium gepflegt werden kann]] Bei den meisten Aquarien handelt es sich um tropische Süßwasseraquarien, bei denen eine Wassertemperatur zwischen 22 und 28&nbsp;°C konstant gehalten wird. Temperaturen über 28&nbsp;°C sind meist nur in Aquarien mit extrem wärmeliebenden Fischen wie etwa [[Diskusfische]]n oder [[Harnischwelse]]n vorzufinden. Temperaturschwankungen beschränken sich (wenn überhaupt) auf einen Tag-Nacht-Rhythmus oder einen geringfügigen Anstieg oder Abfall der Temperatur zur Laichzeit. Es gibt keine genaue Grenze, ab welcher Wassertemperatur ein Aquarium zu den [[Kaltwasseraquarium|Kaltwasseraquarien]] zählt. Allgemein werden so oft Aquarien bezeichnet, die nicht über eine Heizung verfügen und Zimmertemperatur aufweisen. Je nach Standort des Aquariums kann es sogar notwendig sein, mit einem [[Kühlaggregat]] oder Raumkühlung dafür zu sorgen, dass an heißen Sommertagen die Wassertemperatur nicht über ein für die gepflegten Lebewesen erträgliches Maß hinaus steigt. Größere Schwankungen der Temperatur im Jahreslauf sind charakteristisch für klassische Kaltwasseraquarien. In ihnen werden häufig Fischarten gehalten, die auch in den Gewässern [[Mitteleuropa]]s heimisch sind. Dies sind beispielsweise [[Orfe]]n, [[Moderlieschen]], [[Steinbeißer (Fisch)|Steinbeißer]], [[Mühlkoppe]] und der [[Dreistachliger Stichling|Dreistachlige Stichling]]. Auch der Goldfisch und der aus Nordamerika stammende [[Scheibenbarsch]] zählen zu den Fischen, die sich bei nicht zu hohen Temperaturen wohlfühlen. In den letzten Jahren haben vermehrt Fische aus den Subtropen und topographisch hochgelegenen Regionen der Tropen Einzug in die Kaltwasseraquaristik gefunden, z.&nbsp;B. verschiedene Grundeln und Hochlandkärpflinge. === Klassifikation nach Besatz === [[Datei:Cottus gobio.jpg|thumb|Die in [[Mitteleuropa]] heimische [[Groppe]] benötigt ein Strömungsbecken]] Die meisten Aquarianer beginnen mit einem sogenannten [[Gesellschaftsaquarium]], in dem mehrere Fisch- und [[wirbellose]] Arten gepflegt werden, die dieselben Bedingungen an die Wasserwerte stellen. Bei einigen Fischarten spielen nicht nur die Wasserwerte eine Rolle. So benötigen die als [[Mbuna]] bezeichneten [[Endemit|endemischen]] [[Buntbarsche|Buntbarscharten]] des [[Malawisee]]s Felsenaufbauten, die ihnen Höhlen und Rückzugsmöglichkeiten bieten. Die meisten Pflanzen dagegen werden von diesen Fischen gefressen. Die [[Felsenbecken]], in denen diese Fischarten gepflegt werden, benötigen in der Regel eine besonders gute Filterung, da hier die Stickstoffumwandlung nicht durch Aquarienpflanzen unterstützt wird. Ähnlich wie im Felsenbecken ist auch das [[Strömungsbecken]] ein Aquarientyp, in dem spezifische Umweltbedingungen vorherrschen. Hier werden Fische vergesellschaftet, die für ihr Wohlbefinden eine hohe Fließgeschwindigkeit des Wassers benötigen. Erzielt wird dies, indem eine starke [[Kreiselpumpe]] ihre Ausströmungsöffnung auf der einen Seite des Beckens hat, ihre Einsaugeöffnung aber auf die andere Seite des Beckens verlegt ist. Strömungsbecken, in denen Bachläufe simuliert werden und in denen unter anderem [[Bachforelle]]n gezeigt werden, sind regelmäßig in großen öffentlichen Schauaquarien zu sehen. [[Artaquarium|Artaquarien]] sind vor allem bei erfahreneren Aquarianern verbreitet, die gezielt eine Art pflegen und gegebenenfalls züchten möchten, die besondere Halteanforderungen stellt. Ein Beispiel für eine solche Fischart ist die [[Australische Wüstengrundel]], die sich am wohlsten fühlt, wenn während der Nacht die Wassertemperatur im Aquarium stark abfällt. Nur wenige andere Fischarten kämen über längere Zeit mit diesen starken Temperaturschwankungen zurecht. Andere Arten eignen sich wegen ihrer Aggressivität gegenüber anderen Fischen nicht für eine Haltung im Gesellschaftsbecken. So neigen die im Süßwasser- beziehungsweise im Brackwasseraquarium haltbaren Vertreter der [[Kugelfische]] wie [[Assel-Kugelfisch|Assel-]], [[Zwerg-Kugelfisch|Zwerg-]] und [[Palembang-Kugelfisch]] dazu, die Flossen anderer Fische zu zupfen. Zumindest die ersten zwei Arten lassen sich unter Umständen gemeinsam mit sehr wendigen Fischarten halten, empfehlenswerter ist jedoch für sie ein Artaquarium. [[Biotop-Aquarium|Biotop-Aquarien]] sind Aquarien, in denen ein in der freien Natur vorkommender Lebensraum möglichst exakt nachgebildet wird. In solchen Aquarien werden nur Fische aus derselben Region vergesellschaftet. Klassischer Weise nachgebildete Biotope sind ein Bachlauf im Amazonasbecken, ein Sauerwasserteich im Amazonasbecken, ein mittelamerikanischer Küstenbach, ein westafrikanischer Flusslauf, [[Tanganjikabecken (Aquaristik)|ein Tanganjikasee Biotop]], eine Felsküste im Malawisee, ein südostasiatischer Bachlauf, ein südostasiatischer Bewässerungskanal, eine südostasiatische Flussmündung (Brackwasser), sowie ein Flusslauf in Australien/Neuguinea. Im [[Naturaquarium]] und im [[Holländisches Pflanzenaquarium|Holländischen Pflanzenaquarium]] haben [[Aquarienpflanze]]n gegenüber den Fischarten eine mindestens ebenbürtige Rolle inne. Gelegentlich wird in Holländischen Pflanzenaquarien völlig auf die Kultur von Fischen verzichtet. Für beide Aquarientypen ist eine [[Düngung]] mit [[Kohlenstoffdioxid]] die Regel, um ein optimales Pflanzenwachstum sicherzustellen. == Aquariengröße == [[Datei:KelpAquarium.jpg|thumb|[[Kelpwald]]aquarium des [[Monterey Bay Aquarium]]s]] [[Datei:MobilesGroßaquarium1.jpg|thumb|Europas größtes mobiles Aquarium]] [[Datei:MobilesGroßaquarium2.jpg|thumb|Die Schauseite]] Die kleinsten im Handel erhältlichen Aquarien haben einen Wasserinhalt von 4,5&nbsp;Liter. Diese Aquarien werden auch als [[Nano-Aquarium]] bezeichnet und sind nicht für die Haltung von Fischen gedacht. In ihnen werden Wasserpflanzen gepflegt und – falls es sich dabei um Meerwasser handelt&nbsp;– auch [[Weichkorallen]], [[Krustenanemonen]], winzige [[Krebstiere]] oder [[Stachelhäuter]]. Bei diesen Aquarien ist eine sehr genaue Kontrolle der Wasserwerte und eine sehr sorgfältige Konzeption wichtig. Sie gelten daher als nur für erfahrene Aquarianer empfehlenswert. Noch kleiner sind die sogenannten [[Ecosphere]]s, die jedoch nach Ansicht vieler Aquarianer nicht unter den Begriff Aquarium fallen. Bei ihnen handelt es sich um einen geschlossenen Glaskörper, in dem eine tote Koralle, [[Grünalge]] und die Garnelenart ''[[Halocaridina rubra]]'' vergesellschaftet sind. Diese Garnele ist so genügsam, dass sie in diesen Kugeln ohne zusätzliche Fütterung bis zu zwei Jahre überlebt (normale Lebenserwartung 10–20&nbsp;Jahre). Ein Eingreifen oder eine Fütterung durch den Aquarianer ist nicht möglich. Aus diesem Grund lehnen viele Aquarianer diese Form der Aquaristik ab. Die am meisten verkauften Aquarien mit den Maßen 60×30×30&nbsp;cm fassen dagegen 54&nbsp;Liter Wasser. Diese Aquarien gelten gleichfalls als kleine Aquarien, wenn auch darin eine Reihe von Fischarten gepflegt werden können. In Aquarien dieser geringen Größe wirken sich Pflegefehler (wie insbesondere zu hoher Besatz, aber auch ausbleibender [[Teilwasserwechsel]] oder falsche Fütterung) sehr viel schneller und drastischer aus als in größeren Aquarien. Eine durch Pflegefehler verursachte schnelle Änderung des [[pH-Wert]]s kann zum Tod der darin gepflegten Lebewesen führen. Aquarien, die mehr als 100 Liter fassen, gelten daher als weniger anspruchsvoll in der Pflege und sind geeigneter für die in der Aquaristik gängigen Fischarten. Daher sind sie für weniger erfahrene Aquarianer eine sinnvolle Größe. Vorgefertigte Aquarien werden vom Fachhandel bis zu etwa 700 Litern Volumen angeboten. Maßgefertigte Aquarien können auch bei Privathaltern diese Größe deutlich übersteigen. Dabei muss jedoch das erhebliche Gewicht eines solchen Aquariums und seine Auswirkung auf die [[Baustatik|Statik]] eines Hauses berücksichtigt werden. Die größten Aquarien finden sich in öffentlichen Schauaquarien. Mehrere Schauaquarien, wie beispielsweise das [[Shedd Aquarium]], das [[Monterey Bay Aquarium]] und das [[Okinawa Churaumi Aquarium]] haben Aquarien, die 7,5 Mio. Liter Wasser fassen. Das größte mobile Aquarium Europas fasst etwa 60.000 Liter Wasser und wird im Rahmen von Kongressen oder Ausstellungen gezeigt, kann aber auch von privaten Veranstaltern gemietet werden. Mobile Aquarien sind nicht nur wegen der wechselnden Wasserqualität an den einzelnen Einsatzorten schwierig zu versorgen, sondern auch, weil jeweils ein absolut planer und tragfähiger Untergrund vorhanden sein muss, damit die zentimeterdicken Scheiben nicht reißen. == Bestandteile eines Aquariums == Ein einfacher Glaskasten reicht als Behausung für [[aquatisch]]e Lebewesen in den seltensten Fällen aus. Um die [[Umwelt]] am Herkunftsort der Organismen zumindest so gut nachzubilden, dass sie gut gedeihen und sich eventuell sogar fortpflanzen, wird in der Aquaristik heute in großem Umfang [[Aquarientechnik]] eingesetzt. === Filter, Beleuchtung und Heizung === ==== Filter ==== [[Datei:Aquarium-Au enfilter.png|thumb|Schematische Darstellung eines Außenfilters im Aquarium]] Für die Aufrechterhaltung geeigneter Lebensbedingungen sind ein Filter, bei der Haltung der meisten Fischarten auch eine Heizung und eine Beleuchtung nötig. Filter haben im Aquarium die Funktion, Schwebeteilchen, Futter- und Pflanzenreste sowie gelöste Verbindungen aus dem Wasser zu entfernen oder in ungiftige Stoffe umzubauen. Der [[Aquariumfilter]] in Süßwasseraquarien kann dabei als [[Innenfilter]] oder [[Außenfilter]] ausgeführt sein. Innenfilter sind die am häufigsten verwendete Filterform, ihr Einsatz ist jedoch auf kleinere Aquarien beschränkt. Eine der einfachsten Filterformen ist dabei der [[Hamburger Mattenfilter]]. Außenfilter werden heute meist als sogenannte Topffilter betrieben; daneben existieren auch [[Sandfilter]] oder [[Rieselfilter]], die aber viel Raum beanspruchen. Eine spezielle Art eines Innenfilters ist der [[Bodenfilter]]. Dabei wird der Kies vom Bodengrund als Filter verwendet. Solche Filtersysteme sind in Deutschland unüblich und vor allem in Großbritannien und Nordamerika anzutreffen. Die meisten Filter arbeiten als biologische Filter: der Abbau von Schadstoffen erfolgt durch Mikroorganismen. Diese sind in einem neuen Filter allerdings noch nicht enthalten. Neu eingerichtete Aquarien werden daher über mehrere Wochen ohne Fischbesatz betrieben, damit sich diese Mikroorganismen etablieren können. Dieser Prozess kann durch den Einsatz sog. [[Filterstarter]] beschleunigt werden. Aktivkohlefilter hingegen entziehen dem Wasser auf physikalische Weise ([[Adsorption]]) Schadstoffe; ihre Aufnahmekapazität ist begrenzt, weswegen die Aktivkohle regelmäßig erneuert werden muss. [[Datei:Aquarium - external filter.jpg|thumb|left|[[Außenfilter]]]] [[Datei:Filtermaterial 060227.jpg|thumb|Filtermaterialien: Torfkügelchen um den pH-Wert des Wassers zu senken, Tonröhren und sogenannte „Biobälle“ zur biologischen Filterung, im Hintergrund Schaumstoff]] In einem [[Meerwasseraquarium]] wird die Filterung über einen [[Abschäumer|Eiweißabschäumer]] erzielt. Dies ist möglich, weil Meerwasser eine andere [[Oberflächenspannung]] hat als [[Süßwasser]]. Organisch gelöste Verbindungen, hauptsächlich Stickstoffverbindungen (Eiweiße), aber auch [[Fette]] und [[Öle]], sammeln sich an der Grenzfläche zwischen Luft und Wasser an. Durch die Erzeugung von feinen Blasen entsteht ein mehr oder weniger feiner [[Schaum]], der zusammen mit den Verschmutzungen aus dem Aquarium entfernt werden kann. Dieser Vorgang lässt sich auch an der [[Küste]] beobachten, wenn die [[Brandung|Meeresbrandung]] Schaum produziert, der sich in Form von Flocken am Strand sammelt. ==== Heizung ==== Bei der Heizung ist heute eine [[Stabheizung]] mit Thermostatregelung am gebräuchlichsten. Eine [[Bodenheizung]], bei der entweder eine Heizmatte auf die Bodenscheibe gelegt oder ein Heizkabel im Bodengrund untergebracht wird, ist bei der Aufstellung in beheizten Räumen nicht nötig. Ein Vorteil der Bodenheizung ist allerdings die sehr gute Zirkulation des Wassers durch den Bodengrund und die dadurch verminderte Gefahr des „Schwarzwerdens“ desselben. Ein Nachteil ist, neben dem höheren Anschaffungspreis, dass (anders als bei der Stabheizung) ein einfacher Austausch bei einem Defekt nicht möglich ist. Früher wurden Heizmatten auch häufig unterhalb des Aquariums zwischen Bodenscheibe und Schrankplatte verlegt. Diese Art der Bodenheizung hat den Vorteil, dass keinerlei stromführende Teile innerhalb des Aquariums liegen und den Nachteil, dass ein starker Wärmeverlust auftritt, da die Wärme der Heizmatte erst durch die isolierende Bodenscheibe gelangen muss. Die Gefahr eines elektrischen Schlages wird jedoch auch bei den internen Heizmatten bzw. -kabel gebannt, indem die gängigen Heizkabelsysteme mit ungefährlicher Niederspannung arbeiten. Einige Außenfilter haben auch eine integrierte Heizung, so dass erwärmtes Wasser in das Becken fließt; eine bessere Temperierung bis in die letzten Winkel des Aquariums ist die Folge. Auch hier gilt als Nachteil, dass bei einem solchen Kombigerät das gesamte Gerät ausgetauscht werden muss, wenn entweder die Heizung oder der Filter defekt ist. Bei einem Ausfall des Filters mit integrierter Heizung überleben die Aquarienfische normalerweise die sich verschlechternde Wasserqualität mehrere Tage, aber nicht unbedingt den Temperatursturz. Zur Haltung von Tieren aus sehr kühlen Gewässern gibt es kompakte Kühlgeräte, die in den Außenfilter-Kreislauf eingebunden werden oder eine eigene Pumpe besitzen. ==== Beleuchtung ==== Bei der Beleuchtung werden häufig [[Leuchtstoffröhre]]n eingesetzt. Die Verbreitung von [[Quecksilberdampflampe]]n, auch „HQL-Lampen“ genannt, nimmt heute ab, da [[Halogenmetalldampflampe]]n, auch „HQI-Brenner“ genannt, bei gleicher [[Leistung (Physik)|Leistung]] eine höhere Lichtausbeute bieten. Für Becken über 50&nbsp;cm Höhe sind HQI-Brenner empfohlen, da die Lichtstärke mit zunehmender Tiefe schnell abnimmt. Einen besonderen Reiz versprühen diese beiden letzteren Leuchtmittel durch ihren punktförmigen Lichtaustritt (anders, als bei der langgestreckten Leuchtstoffröhre). Dies führt insbesondere bei einer stärkeren Oberflächenbewegung des Wassers zur sogenannten [[Kaustik (Optik)|Kaustik]], wie man sie vom Tauchen kennt. Speziell auf die Aquaristik abgestimmte Leuchtstoffröhren ermöglichen die Simulation verschiedener Lichtverhältnisse (z.B. natürliches Tageslicht, Tropensonne, Beleuchtung mit erhöhtem Blauanteil zur Simulation einer Meereswassertiefe). Durch die Auswahl der Beleuchtungs-Spektralfarben wird sowohl das Wachstum von Wasserpflanzen (erwünscht) und Algen (meist unerwünscht) beeinflusst. Röhren mit erhöhtem Rot- und Blauanteil werden gezielt zur Verstärkung der Sichtbarkeit der roten, orangen und blauen Farbtöne von Fischen und Korallen eingesetzt, fördern aber auch das Algenwachstum. Am häufigsten werden Beleuchtungen mit Vollspektrum eingesetzt, die dem Sonnenlicht ähnliche Farbverhältnisse schaffen. Der Einsatz von elektronischen Beleuchtungssteuerungen ermöglicht die zeitgesteuerte Einstellung verschiedener Lichtstimmungen (Farbe, Helligkeit) und Simulation von Sonnenauf- und -untergängen. Im Regelfall ist aber die Steuerung der Beleuchtung über eine einfache Zeitschaltuhr ausreichend. Wenn tropische Fische gehalten werden, sollte die Beleuchtungsdauer sich am Tropentag (ganzjährig 12&nbsp;h) orientieren. Die Aquarienbeleuchtung wird häufig in die Aquarienabdeckung integriert. Sie muss den dort herrschenden Feuchtraumbedingungen widerstehen und eine Gefährdung durch elektrischen Stromschlag bei Arbeiten am Aquarium ausschließen. Um unnötige und erhebliche Energieverluste durch Verdunstung zu vermeiden, sollte in jedem Fall eine Aquarienabdeckung verwendet werden. Aus ästhetischen Gesichtspunkten, aber auch zur Beobachtung des Verhaltens nachtaktiver Tiere setzen sich zunehmend [[Moonlight (Aquaristik)|Moonlight]]-Beleuchtungen durch, die nach Abschaltung der Hauptbeleuchtung ein schwaches bläuliches Mondlicht simulieren. Diese Effektbeleuchtungen werden mit LEDs oder [[Leuchtröhre|Kaltkathodenröhren]] geringer Leistung realisiert. Die Wirkung auf das nächtliche Verhalten der Fische ist umstritten. Einerseits ist eine absolute Finsternis unnatürlich und kann Stress bei den Tieren auslösen, andererseits kann zu helles „Mondlicht“ verhindern, dass die Tiere zur Ruhe kommen. Vereinzelt wird von verbessertem Laichverhalten unter Moonlight-Beleuchtung berichtet. Mittlerweile können LED-Röhren die T5- und T8-Leuchtstoffröhren gut ersetzen. Wasserpflanzen benötigen für ihre [[Photosynthese]] zwar das gesamte Lichtspektrum, verwerten aber bevorzugt den roten (um 700 nm) und in geringerem Maße den blauen (um 450 nm) Spektralbereich. Weiße [[Leuchtdiode]]n emittieren auch in diesem Spektralbereich. Durch Einsatz von LED-Röhren, kann der Beleuchtungsenergiebedarf um ca. 30% gegenüber der Leuchtstoffröhre gesenkt werden. === Weitere Ausrüstungsgegenstände === Ein [[Thermometer]] ist notwendig, um die Wassertemperatur gelegentlich zu überprüfen. Ein einfaches, schwimmfähiges Flüssigkeitsthermometer ist dabei ausreichend, auch wenn mittlerweile digitale Aquarienthermometer angeboten werden. Erhältlich sind auch [[Thermofolie]]n, die von außen an einer Stelle des Aquarienglases aufgeklebt werden. Diese Thermometer, die die Temperatur durch eine unterschiedliche Färbung der Schrift anzeigen, werden gelegentlich als nicht hinreichend genau kritisiert. Mit einem [[Käscher|Kescher]] oder einer [[Fischfangglocke]] werden Fische oder auch frei schwimmende Pflanzenbestandteile aus dem Wasser herausgefischt. Eine Fischfangglocke ist dabei besonders geeignet, wenn die Fische sehr empfindlich sind oder man Jungfischschwärme fangen möchte. [[Schlauch]] und [[Eimer (Behälter)|Eimer]] sind nötig, um den Wasserwechsel vornehmen zu können. Ein Mulmsauger ist behilflich, um [[Mulm]] aus dem Aquarium zu entfernen. Sinnvoll bei längerer Abwesenheit ist ein Futterautomat, der über einen längeren Zeitraum regelmäßig Futter in das Aquarien abgibt. Mit ihm wird die Versorgung der Fische während eines Urlaubs sichergestellt. Aquarianer, die besonders Wert auf die Pflege ihrer [[Aquarienpflanze]]n legen, verwenden außerdem eine langstielige [[Pinzette|Pflanz-Pinzette]] und -[[Schere]]. Für die Bestimmung der Wasserwerte werden zum Teil elektronische Geräte angeboten. Es gibt aber auch einfach anzuwendende Tauch- und Tropftests. Bei Tauchtests werden Teststicks kurz ins Aquarienwasser getaucht. Anhand einer Farbskala kann dann der zu bestimmende Wert gemessen werden. Im Handel erhältlich sind dabei Tauchtests, die gleichzeitig [[Nitrit]], [[Nitrat]], die [[Gesamthärte]], die [[Karbonathärte]] und den [[pH-Wert]] bestimmen. Wegen ihrer oft sehr hohen Ungenauigkeit werden sie von fortgeschrittenen Aquarianern oft heftig kritisiert. Das im Wasser gelöste [[Kohlenstoffdioxid]] lässt sich am einfachsten mit einem [[Kohlenstoffdioxid-Dauertest|CO<sub>2</sub>-Dauertest]] messen. Auch die Tropftests messen die im Wasser enthaltenen Stoffe mit einer Farbskala. Dabei werden eine bestimmte Anzahl einer Testlösung auf meist fünf Milliliter Aquariumwasser gegeben. Auch sie bestimmen die Wasserwerte nicht so exakt wie eine Laboruntersuchung. Für die meisten Aquarianer sind die Tropftests jedoch hinreichend genau. === Leitungswasser und Aquarienwasser === Hobbyaquarianer entscheiden sich meist für einen [[Besatz (Tiere)|Besatz]] mit Lebewesen, die mit den Wasserbedingungen zurechtkommen, die das jeweilige [[Leitungswasser]] bietet. Sofern die Wasserwerte des Aquariums auch beim Leitungswasser vorliegen, kann dann ein Aquarium nach einem Teilwasserwechsel direkt mit entsprechend temperiertem Leitungswasser aufgefüllt werden. Viele Aquarianer behandeln das Wasser jedoch mit einem Wasseraufbereiter, um die darin befindlichen [[Schwermetalle]] zu binden und eventuell vorhandenes [[Chlor]] zu neutralisieren. Nur bei sehr stark mit Schwermetallen oder [[Herbizid]]en belastetem Wasser ist eine Filterung mit einem [[Carbonit-Filter]] notwendig. Generell lässt sich Leitungswasser so verändern, dass jeder gewünschte Wasserwert erreicht werden kann. So kann sehr hartes Leitungswasser durch eine [[Umkehrosmose]] oder durch einen [[Mischbettfilter]] auf den gewünschten niedrigeren Härtegrad gebracht werden. [[Brackwasser]]- oder [[Salzwasser]]bedingungen werden durch die Hinzufügung von speziellen Salzmischungen erzielt. === Bodengrund === Die meisten Aquarien haben einen Bodengrund, welcher in der Regel aus Kies oder Sand besteht. [[Kies]] wird am häufigsten als Bodengrund verwendet. Ihn gibt es in unterschiedlichen Korngrößen. Empfehlenswert sind rund geschliffene Steine, damit Fische mit empfindlichen [[Barteln]] sich daran nicht verletzen können. Auch empfehlenswert ist, wenn die Kieshöhe vorne geringer ist als hinten. So rutschen Pflanzenreste etc. nach vorne. Dies ist ein Vorteil, da man die Pflanzenreste leicht entfernen kann. Die Kiesgröße ist abhängig von den zu pflegenden Lebewesen. Generell besteht die Gefahr, dass bei zu großer Kiesgröße Futterreste in die Steinlücken fallen, dort für die Fische nicht erreichbar sind und in den Lücken verfaulen, was die Wasserwerte negativ beeinflusst. Kleine Kiesgrößen mit einem Durchmesser von etwa einem Millimeter sind beispielsweise bei [[Süßwassergarnelen]] notwendig. Die Tiere sind dann in der Lage, die einzelnen Steine mit ihren Beinen umzudrehen und nach Algenaufwuchs abzusuchen. Aquarianer, die Wert auf gutes Pflanzenwachstum legen, bringen unterhalb der Kiesschicht meist noch eine spezielle Aquarienpflanzerde ein, um die Pflanzen ausreichend mit Nährstoffen zu versorgen. Andere Aquarianer verzichten darauf, da bodenwühlende Schnecken diese Pflanzerde nach oben wühlen können. Statt dessen bringen sie Düngekugeln direkt unterhalb der Pflanzen in den Kies ein. Die Färbung des Kieses ist zu einem großen Teil eine [[Ästhetik|ästhetische]] Entscheidung. Fische, die in Aquarien mit sehr hellem Kies als Bodengrund gehalten werden, wirken jedoch blasser. Bei Fischarten, die aus schattigen Lebensräumen stammen, kann ein zu heller Bodengrund ein scheueres Verhalten auslösen. [[Sand]] ist bei einigen wenigen Fischarten als Bodengrund notwendig, um ihrer wühlenden Versteckweise entgegenzukommen. Geeignet für Aquarien ist allerdings nur Sand, der keine Einflüsse auf die Wasserqualität hat: Kalkhaltiger Sand härtet zum Beispiel das Wasser auf. Reiner Quarzsand ist am geeignetsten. Sinnvollerweise sollte er keinen zu hohen Feinstanteil aufweisen, um Wassertrübungen und Verbacken zu verhindern. Eine einkörnige Sieblinie ist hilfreich. Damit sich bodenlebende und gründelnde Fische nicht verletzen, sollten die Sandkörner abgerundet und nicht scharfkantig sein. === Dekorationsmaterial im Aquarium === [[Datei:Partnergrundel Amblyeleortis guttata 060311.jpg|thumb|Die [[Wächtergrundeln|Partnergrundel]] (''Amblyeleortis guttata'') sollte nur paarweise und mit den [[Knallkrebse]]n ''Alpheus bellulus'' oder ''A. ochrostiatus'' zusammen gehalten werden]] Aquarien werden häufig mit Steinen, leeren Muschelschalen und [[Moorkienwurzel]]n dekoriert. Die Verwendung dieses [[Dekorationsmaterial im Aquarium|Dekorationsmaterials]] dient nicht nur der ästhetischen Befriedigung des Aquarienbesitzers, sondern ist für die im Aquarium gepflegten Lebewesen häufig auch notwendig. So sind beispielsweise viele [[Cichliden]] Höhlenbrüter und legen ihren [[Laich]] nur an der Oberdecke einer Steinhöhle ab. [[Wels (Fisch)|Welse]] raspeln das Holz der Moorkienwurzeln ab und [[Garnelen]] der Gattung ''[[Caridina]]'' suchen bevorzugt darauf nach kleinem Algenaufwuchs. Einige Fischarten wie der [[Tanganjika-Schneckenbarsch]] sind darauf angewiesen, dass ihr Aquarium ihnen leere Schnecken- oder Muschelschalen als Rückzugsmöglichkeit anbietet. Und letztlich bilden, ähnlich wie Wasserpflanzen, solche Dekorationsgegenstände die Markierung von Reviergrenzen für territoriale Arten. Bei der Auswahl des Dekorationsmaterials ist unbedingt darauf zu achten, dass es auch bei langer Wässerung keine giftigen Stoffe an das Aquarienwasser abgibt oder die Wasserwerte für die gepflegten Arten ungünstig verändert. Ungeeignete Steine können z.B. Mineralsalze, Eisen oder Kalk abgeben, Plastikartikel enthalten möglicherweise lösliche Weichmacher oder Farben und Hölzer können auslaugen. Deshalb sollten nur Materialien verwendet werden, deren Wirkung auf das Wasser man kennt, oder die im Fachhandel explizit als Aquariendeko angeboten werden. == Energiebedarf und Energieeinsparung == === Verbraucher === Dem Energiebedarf eines Aquariums sollte angesichts der steigenden Energiekosten und der zunehmenden Umweltbelastung auch eine gewisse Aufmerksamkeit gewidmet werden. Energie wird in erster Linie für das Beheizen, die Beleuchtung und die Wasseraufbereitung aufgebracht. In der folgenden Energiebetrachtung soll ein Standardaquarium (200&nbsp;Liter) von 100x40x50&nbsp;cm (LxBxH) mit Abdeckung dienen. {| class="wikitable" |+Leistungsaufnahme der Verbraucher ! Verbraucher!! Leistung [W]!! Dauer [h]!! Arbeit [kWh/Jahr]!! Anteil [%] |- | Pumpe | 10 | 24 | 87,6 | 14 |- | Heizung | 33 | 24 | 289,1 | 47 |- | Licht | 64 | 10 | 233,6 | 38 |} In Summe macht das einen Jahresverbrauch von 610&nbsp;kWh, was etwa ein Drittel eines Singlehaushalts (etwa 1800&nbsp;kWh) ausmacht. Es ist also durchaus lohnend, diverse Überlegungen zur Energieeinsparung anzustellen. === Energieverluste === '''Wärmeverlust''' Mit 47% ist die Heizung des Aquariums der energieaufwändigste Verbraucher. Dabei sind zwei wesentliche Faktoren ausschlaggebend: * Wärmeverlust durch Wärmeleitung des Glases: Wichtig bei dieser Betrachtung sind die Oberfläche, die zum Wärmeaustausch zur Verfügung steht, die Temperaturdifferenz des Wassers zur umgebenden Raumluft und der [[Wärmedurchgangskoeffizient]] oder k-Faktor. Der Wärmedurchgang findet annäherungsweise am Deckel und den Seitenwänden statt, der Boden ist in der Regel schon etwas gedämmt und soll in der Betrachtung vernachlässigt werden. Eine Temperaturdifferenz von 5K (25&nbsp;°C Wassertemperatur und 20&nbsp;°C Raumtemperatur) wird angenommen. {| class="wikitable" |+Wärmeverlust durch Wärmeleitung ! Material!! k-Faktor [W/m2K]!! Fläche [m2]!! Delta T [K]!! Leistung [W] |- | Glas ohne Isolierung | 7 | 1,1 | 5 | 38,5 |- | Glas mit Isolierung | 1 | 1,1 | 5 | 5,5 |} Eine hohe Temperaturdifferenz wie auch eine große Wärmeaustauschfläche sorgen für hohe Energieverluste. * Wärmeverlust durch Verdunstung Verdunstung, auch [[Evaporation]] genannt, entzieht dem Wasser permanent Energie, die wie bei dem oben genannten Wärmedurchgang durch Heizen nachgeführt werden muss. Nun kann durch Anbringen einer Aquarienabdeckung der Luft- und damit Feuchtigkeitsaustausch deutlich reduziert werden. Die mit Wasser gesättigte Luft unterhalb der Abdeckung kann keine weitere Feuchtigkeit aufnehmen und unterdrückt damit die Verdunstung. Allerdings wird und soll eine Abdeckung nicht luftdicht sein, weshalb nach wie vor Verdunstung stattfinden wird, aber in deutlich eingeschränktem Umfang. Folgende Beispielrechnung macht das deutlich. Pro Quadratmeter Wasseroberfläche kann unter der Annahme von natürlich [[Konvektion|konvektivem]] Luftaustausch ohne Aquarienabdeckung ein Wasserverlust durch Verdunstung von etwa 5-6 Litern pro Tag angenommen werden. Mit Deckel reduziert sich das auf 1-2 Liter pro Tag. Bei einer Wassertemperatur von 25&nbsp;°C gehen etwa 2441 [[Joule|kJ]] pro kg Wasser verloren (entspricht 0,684 kWh pro Tag pro Liter Wasser). {| class="wikitable" |+Wärmeverlust durch Verdunstung ! !! Verlustleistung [W/m2] |- | ohne Abdeckung | 155 |- | mit Abdeckung | 42 |} '''Lichtausbeute''' Anhängig vom verwendeten Leuchtmittel ist die Energieeffizienz entsprechend gut (s. [[Aquarium#Beleuchtung|Beleuchtung]]). In dem betrachteten Fall macht das Licht einen Energieanteil von 38% aus. Der Einsatz von LED-Leuchten würde den Energiebedarf bei gleicher Lichtleistung auf etwa ein Drittel reduzieren (ca. 20&nbsp;Watt). Es ist allerdings zu berücksichtigen, dass die reduzierte Leistungsaufnahme des Lichts als Wärmequelle fehlt. '''Gesamtenergieverluste''' In der Praxis kommt es sehr stark auf die Größe des Aquariums und die verwendete Technik an. Der Hauptanteil der Energieverluste entsteht durch die auszugleichenden Wärmeverluste und die Beleuchtung. Bei einem Aquarium mit 500 Litern Inhalt (brutto) werden Energieverbrauchswerte von ca. 6 - 7 kWh/Tag gemessen<ref name="Onlineriff">{{cite web | url=http://www.onlineriff.de/blog/meerwasser/80-stromverbrauchaquarium.html | title=Stromverbrauch eines Aquariums | publisher= Beispielrechnung einer Internetseite}}</ref>. === Energiespartipps === * Abdeckung auf das Aquarium, auch auf den Rieselfilter * Aquarien- und Rieselfilterseiten und Deckel mit [[Styropor]]platten isolieren, ggf. auch mit Innendekorwänden fürs Aquarium * Beleuchtung auf LED-Technik umstellen, ggf. Beleuchtungszeit reduzieren * Wassertemperatur reduzieren, in der Regel kommen Fische auch mit etwas niedrigeren Temperaturen als in ihrer Heimat aus (z.B. statt 28&nbsp;°C, 25&nbsp;°C einstellen). * Innenpumpe statt Außenpumpe verwenden. Einerseits geht keine Wärme über die Wasserleitungen und den Filter verloren, andererseits kommt die Verlustleistung des [[Elektromotor]]s der Wärmebilanz des Wassers zugute. * ggf. Wasserschläuche isolieren * Bei Neukonstruktion, die Sichtscheiben mit Isolierglas versehen. Diese Tipps auf ein 200 Liter Aquarium (25&nbsp;°C Wassertemperatur, Leuchtstoffröhren, keine Abdeckung, keine Isolierung an Deckel und oder Seiten) angewandt, ergeben theoretisch eine Energieeinsparung von etwa 78%! == Lebewesen im Aquarium == === Aquarienpflanzen === Bei den im Aquarium kultivierten Pflanzen handelt es sich entweder um [[Wasserpflanze]]n, die stets [[submers]] wachsen oder um auch [[emers]] gedeihende [[Sumpfpflanze]]n. Nach Schätzungen der Aquarienpflanzenexpertin [[Christel Kasselmann]] werden zwischen 100 und 150 Pflanzenarten als [[Aquarienpflanze]]n angeboten. Lediglich 30 Arten davon sind echte Wasserpflanzen. Auch wenn ein Aquarium wie etwa ein [[Felsenbecken]] ohne Aquarienpflanzen betrieben werden kann, spielen sie in den meisten Aquarien eine wichtige Rolle. Als „Abfallprodukt“ der [[Photosynthese]] produzieren sie während der Beleuchtungsphase des Aquariums [[Sauerstoff]], der von den anderen im Aquarium gehaltenen Lebewesen zur Atmung benötigt wird. Sie reduzieren außerdem das im Aquarium unerwünschte Algenwachstum, indem sie den Algen bei gutem Wuchs Nährstoffe entziehen. Schadstoffe wie [[Phosphat]], [[Nitrate|Nitrat]] und [[Ammonium]] werden gleichfalls durch Pflanzen abgebaut. Darüber hinaus bieten sie den Tieren Verstecke und Reviergrenzen. [[Datei:Myriophyllum aquaticum - side (aka).jpg|thumb|[[Brasilianisches Tausendblatt]]]] Die für Holländische Pflanzenaquarien typischen [[Pflanzenstraße]]n werden mit Pflanzen wie [[Bachburgel]], [[Kardinalslobelie]] und [[Mooskugel]]n erzielt. Besitzer von diesen Aquarien bemühen sich häufig um die Kultur besonders anspruchsvoller Aquarienpflanzen wie [[Zungenblatt]], [[Cognacpflanze]], [[Wasserhaar]] und [[Tausendblatt]]. Im Japanischen Naturaquarium spielen besonders häufig kleinwüchsige und zierliche Arten eine Rolle, die im Vordergrund gepflanzt werden. Dazu zählen das [[Teichlebermoos]], das Zungenblatt und die [[Nadelsimse]]. Häufig werden in diesen Aquarientypen auch Pflanzen wie beispielsweise der [[Javafarn]] auf Steine oder Wurzeln aufgebunden. In Aquarien mit Fischen, die zarte Pflanzen fressen, hat sich insbesondere das [[Zwergspeerblatt]] bewährt, dessen harte Blätter von kaum einer Fischart geschädigt werden. [[Kohlenstoffdioxid|Kohlendioxid (CO2)]], das die Pflanzen für ihr Wachstum benötigen, ist im Wasser nur in geringem Maße gelöst. Der Bedarf an Kohlendioxid ist je nach Pflanzenart unterschiedlich. Es gibt eine Reihe von Aquarienpflanzen, wie beispielsweise die [[Dichtblättrige Wasserpest]], der [[Indischer Wasserfreund|Indische Wasserfreund]] und der [[Indischer Wasserstern]], deren CO2-Bedarf durch einen regelmäßigen Teilwasserwechsel sichergestellt werden kann. Alle drei Pflanzenarten werden für ein neu eingerichtetes Aquarium besonders häufig empfohlen. Da sie gut anwachsen und schnellwüchsig sind, entziehen sie in der Anfangsphase eines Aquariums, in der die Gefahr eines übermäßigen Algenwachstums besonders hoch ist, den Algen effektiv die Nahrungsgrundlage. Wegen ihrer einfachen Kultivierung werden sie außerdem regelmäßig als preisgünstige [[Bundware]] angeboten. Sehr viele Aquarienpflanzen benötigen für ein gutes Gedeihen einen höheren Kohlendioxidgehalt im Wasser, als über den Teilwasserwechsel sichergestellt werden kann. Diese Pflanzen sind auf eine [[Kohlenstoffdioxid-Düngung]] angewiesen. Es gibt eine Vielzahl unterschiedlicher Möglichkeit, diese Düngung zu erzielen. Dies reicht von einer auf der [[Alkoholische Gärung|alkoholischen Gärung]] basierenden Gärungsanlage bis zum (ggf. [[computer]]gesteuerten) Druckgasflaschensystem. Starke Oberflächenbewegung des Wassers und die Verwendung von Sprudelsteinen treibt in starkem Maße das im Wasser gelöste Kohlenstoffdioxid aus. Im Glauben, mehr Sauerstoff für die Fische ins Wasser zu bringen, wird also durch Membranpumpen und plätschernde Filtereinläufe das Gegenteil erreicht: Das im Wasser gelöste Kohlenstoffdioxid wird verstärkt über die Wasseroberfläche an die Luft abgegeben und den Wasserpflanzen als Lebensgrundlage entzogen, die darauf mit vermindertem Wachstum reagieren, weniger Sauerstoff für die Fische erzeugen und den Algen mehr Nährstoffe überlassen. Kohlenstoffdioxid-reiches Aquarienwasser ist deshalb entgegen landläufiger Anfängermeinung nicht sauerstoffärmer, sondern sauerstoffreicher! Nahezu alle im Handel angebotenen Aquarienpflanzen stammen aus Gärtnereien, die sich auf die Zucht von Aquarienpflanzen spezialisiert haben. Vor allem aus der Gattung der [[Schwertpflanzen]] werden immer wieder neue Varietäten herangezogen, die sich vor allem durch interessante rot bis rotbräunlich gesprenkelte Blattfarben auszeichnen. === Fische === [[Datei:Discus fish.jpg|thumb|Der [[Diskusfische|Diskus]] gilt vielen Aquarianern immer noch als der „König der Fische“]] [[Datei:Phenacogrammus interruptus (aka).jpg|thumb|[[Blauer Kongosalmler|Blaue Kongosalmler]] werden meist in einem tropischen [[Gesellschaftsbecken]] gepflegt]] [[Datei:Kampffisch.jpg|thumb|[[Siamesischer Kampffisch]], Männchen&nbsp;– sie wurden in Europa erstmals 1893 in Frankreich nachgezüchtet]] Die ersten in Aquarien gehaltenen Fischarten stammten meist aus heimischen Küsten- und [[Binnengewässer]]n. Zu den wenigen fremdländischen [[Aquarienfisch]]en, die bereits sehr frühzeitig in der aquaristischen Literatur genannt wurden, zählt der [[Goldfisch]]. Zu den ersten auffällig gefärbten Tropenfischen, die gezielt und regelmäßig importiert wurden, zählt der [[Paradiesfisch]]. Für ihn ist belegt, dass er 1876 erstmals in Deutschland gehalten wurde. Diese Art zählte zu den wenigen Fischen, die den langen Transport aus Asien überstehen konnten. Paradiesfische sind nicht nur auf die [[Kiemenatmung]] angewiesen, sondern sind als [[Labyrinthfische]] auch in der Lage, über ihr sogenanntes [[Labyrinthorgan]] atmosphärischen Sauerstoff zu atmen. Aufgrund der Nachfrage in Europa folgten sehr schnell weitere Fischarten, die aus Regionen wie [[Manaus]] in [[Brasilien]], [[Bangkok]] in [[Thailand]] oder [[Jakarta]] importiert wurden. Meist handelte es sich wie beim Paradiesfisch um Labyrinthfische. Aufgrund des langwierigen Transports setzten sich jedoch in der Aquaristik anfangs nur solche Fischarten durch, die nachgezüchtet werden konnten. Die Mehrzahl der heute im Handel erhältlichen Fische stammt aus Nachzuchten. [[Wildfang|Wildfänge]] werden jedoch nach wie vor regelmäßig angeboten, da einige Fischarten nach wie vor in Gefangenschaft nicht nachzüchtbar sind oder ihr Fang wirtschaftlicher ist als die Zucht. Über Wildfänge werden außerdem bis heute neue Arten in die Aquaristik eingeführt. Das gilt insbesondere für [[Panzerwelse]], [[Buntbarsche]] und [[Salmler]]. Wie viele andere Hobbys unterliegt auch die Beschäftigung mit der Haltung von Lebewesen in Aquarien Trends und Moden. In der Süßwasseraquaristik gilt der [[Diskusfische|Diskus]] vielen Aquarianern immer noch als der „König der Fische“. Ebenfalls sehr beliebt ist die Haltung von [[Skalare]]n und der sogenannten [[Mbuna]]s. Viele Aquarianer halten außerdem [[Wels (Fisch)|Wels]], wobei eine starke Nachfrage insbesondere nach solchen Arten besteht, die wie der [[Großkopf-Bratpfannenwels]] oder der [[Blauer Antennenwels]] eine ausgefallene Körperform haben. Bei einigen neu eingeführten Welsarten wie dem sehr auffallend gefärbtem [[Zebrawels]] drückt sich diese Nachfrage auch in einem im Vergleich zu anderen Fischarten hohen Preis aus. Nach ihrer Nahrungsweise können Fische in fischfressende [[Piscivoren]], insektenfressende [[Fleischfresser|Insektivoren]], pflanzenfressende [[Herbivoren]] und [[Plankton]]fresser unterteilt werden. Meist lässt schon die Stellung des [[Fischmaul]]s darauf schließen, welche Nahrungsnische die jeweilige Art nutzt. Fische mit oberständigem Maul sind in der Regel an der Wasseroberfläche fressende Fische. Ein unterständiges Maul ist meist bei Bodenfischen zu finden, die in [[Mulm]] oder auf steinigem Untergrund nach Nahrung suchen oder [[Algen]]aufwuchs abraspeln. Zur Fütterung der Fische bietet die Tierfutterindustrie heute ein großes Spektrum an [[Zierfischfutter]] an. [[Trockenfutter]], das in Flocken-, Granulat- oder als Futtertabletten angeboten wird, gibt es in unterschiedlichen Zusammensetzungen, um den unterschiedlichen Nahrungsanforderungen der einzelnen Fischarten gerecht zu werden. Nicht alle Fischarten nehmen jedoch Trockenfutter an. [[Wasserflöhe]], [[Mückenlarven]], [[Bachflohkrebs]]e und andere aquatische Kleintiere dienen vor allem der Fütterung von überwiegend räuberisch lebenden Fischarten. Diese Futtertiere werden lebend, getrocknet, gefriergetrocknet oder tiefgefroren („[[Frostfutter]]“) angeboten. Arten wie z.&nbsp;B. [[Schützenfisch]]e sind zwingend auf [[Lebendfutter]] angewiesen. Lebendfutter wie [[Grindal]]würmer und [[Salinenkrebs]]e können selbst herangezogen werden. Der Handel bietet aber eine Reihe von Futtertieren an. === Wirbellose und Amphibien === [[Datei:Pomacea canaliculata siphonout.jpg|thumb|left|[[Apfelschnecken|Apfelschnecke]], die mit ihrem [[Sipho]] Luft holt]] Vor allem in den letzten Jahren hat in der Süßwasseraquaristik die gezielte Haltung von [[Wirbellose]]n zugenommen. In der Meerwasseraquaristik wird sie schon länger praktiziert. [[Turmdeckelschnecke|Turmdeckel-]] und [[Posthornschnecke]]n sind schon seit längerer Zeit in Aquarien zu finden. Insbesondere die grabenden Turmdeckelschnecken belüften den Bodengrund und verwerten organische Pflanzenstoffe. Obwohl sie damit ein gesundes Pflanzenwachstum sicherstellen, waren sie in der Aquaristik immer eher „Beitiere“. Der Handel bietet daneben immer mehr an auffallend gefärbten oder geformten Schnecken wie die unterschiedlichen Arten der [[Apfelschnecken]] oder die [[Zebrarennschnecke]] an. Wegen ihres hohen Stoffwechsels müssen sie bei der maximal im Aquarium haltbaren Tierzahl mit eingerechnet werden. Die Mindestkantenlänge für eine Apfelschnecke beträgt 60&nbsp;cm. Seit einigen Jahren werden auch vermehrt [[Süßwassergarnelen|Süßwasser-]] und [[Felsengarnelen]] im Süßwasseraquarium gehalten. Ihre Popularität ist vor allem auf den [[Japaner|japanischen]] [[Fotograf]]en und Aquarianer [[Takashi Amano]] zurückzuführen, der in seinen Aquarien [[Yamatonuma-Garnele]]n zur Algenkontrolle einsetzte. Dies hat zu einer vermehrten Einführung anderer [[Caridea|Garnelenarten]] geführt. Im Handel angeboten werden außerdem einige Krebsarten. In der Süßwasseraquaristik sind es vor allem Flusskrebsarten, die zur [[Fauna Australiens]] oder Nordamerikas gehören. Diese in ihrem [[Habitus (Biologie)|Habitus]] einem [[Hummer]] ähnlichen Krebsarten werden vorwiegend in Farmen für Speisezwecke gezüchtet. In den Zoofachhandel gelangen vor allem blau gefärbte Exemplare wie der [[Yabbi]], der [[Marron]] und der [[Red Claw Hummer]]. Alle drei Arten benötigen sehr große Aquarien, können nur mit großen Fischen vergesellschaftet werden und vergreifen sich auch an den Aquarienpflanzen. Beliebt ist deshalb auch der im Vergleich dazu winzige [[Oranger Zwergflusskrebs|Orange Zwergflusskrebs]]. Amphibische [[Krabben]] dagegen werden selten im Aquarium gepflegt; sie benötigen für ihr Wohlbefinden auch immer einen ausreichend großen Landteil und sind deshalb besser in einem [[Paludarium]] aufgehoben. Seltene Pfleglinge im Aquarium sind [[Amphibien]]. Zu den im Aquarium pflegbaren Arten zählen [[Krallenfrosch|Krallenfrösche]], [[Zwergkrallenfrösche]], der [[Japanischer Feuerbauchmolch]], der [[Axolotl]] sowie die [[Schwimmwühle]]. === Im Aquarium unerwünschte Lebewesen === ==== Algen ==== [[Datei:guppy-male.jpg|thumb|[[Guppy]]&nbsp;– sie zählen zu den Fischen, die Algenaufwuchs fressen]] [[Datei:Pistia stratiotes 1a.jpg|thumb|[[Muschelblume]]n entziehen dem Wasser Nährstoffe und reduzieren dadurch das Algenwachstum]] [[Datei:Yamatonuma-Garnele Caridina japonica 060311 6.jpg|thumb|Die [[Yamatonuma-Garnele]] wird gleichfalls zur Algenbekämpfung im Aquarium gepflegt]] [[Algen]]sporen sind nur wenige Mikrometer groß. Sie werden beim Um- und Einsetzen von Fischen und Pflanzen sowie beim Wasserwechsel mit eingeschleppt. Vermehren sie sich explosionsartig, ist dies ein Hinweis darauf, dass die Stickstoffumwandlung im Aquarium nicht ausreichend gut funktioniert. Besonders in der Startphase eines Aquariums können sich [[Blaualgen]] stark vermehren, die einen meist blaugrünen, gelegentlich auch schwärzlich-purpurnen oder bräunlichen Überzug über Pflanzen und Steinen bilden. Blaualgen wachsen sehr schnell und können Pflanzen, die noch nicht gut angewachsen sind, unter sich ersticken. Eine mechanische Entfernung ist zwar sinnvoll, allerdings können selbst aus kleinsten Rückständen wieder große Algenmengen nachwachsen. Zu den [[Rotalgen]] zählen die sogenannten Bart-, [[Pinselalge|Pinsel-]] und Pelzalgen. Sie sind von einer schmutzig grünen bis schwärzlichen Farbe. Die namensgebende Rotfärbung ist dann sichtbar, wenn man die Algenfäden in Alkohol legt. Rotalgen werden allerdings im Gegensatz zu den Blaualgen von einer Reihe von Fischarten gefressen. [[Kieselalgen]] treten dann auf, wenn ein Aquarium nur unzureichend beleuchtet ist und der Sauerstoffwert wegen der dann geringen Assimilationsleistung der Aquarienpflanzen zu niedrig ist. Diese Algen, die einen schmierig-bräunlichen Belag auf Steinen und Wurzeln bilden, verschwinden, wenn die Lichtverhältnisse im Aquarium verbessert werden. [[Grünalgen]] stellen dagegen ähnlich hohe Ansprüche an das Wasser wie die Aquarienpflanzen. Sie sind von grüner bis hellgrüner Farbe und wachsen je nach Art watteartig, fadenförmig oder büschelartig und lassen sich einfach mit der Hand oder einer Pinzette entfernen. ==== Maßnahmen gegen Algen ==== Einem übermäßigen Wachstum von Algen in der Einlaufphase eines Aquariums kann vorgebeugt werden, indem man mehrere Wochen wartet, bevor das Aquarium das erste Mal mit Fischen und Wirbellosen besetzt wird. In dieser Zeit wird das Aquarium etwa 10&nbsp;Stunden am Tag beleuchtet, und auch der Filter läuft bereits ständig. Gleichzeitig wird das Aquarium sehr dicht mit schnellwüchsigen Pflanzen bepflanzt. Die Pflanzen entziehen den Algen die für ihr explosionsartiges Wachstum nötigen Nährstoffe, und im Filter können sich in dieser Zeit die Mikroorganismen ansiedeln, die für den Umbau von [[Ammonium]], [[Phosphat]] und [[Nitrit]] notwendig sind. Neue Filter können mit speziellen Bakterienkulturen (Fachhandel) geimpft werden, um die biologische Aktivität anzuregen. Bei eingefahrenen Filtern sollten niemals alle Filtermedien gleichzeitig gewechselt/gereinigt werden, damit die angesiedelten Bakterienkulturen nicht vollständig vernichtet werden. Wenn man bereits ein Aquarium hat, kann man einen Teil des Frischwassers im neuen Aquarium durch Aquarienwasser ersetzen und etwas Filterschlamm des eingefahrenen Filters in den Filter des neuen Beckens geben. Das hilft in der Einlaufphase, schneller ein neues Gleichgewicht zu bilden. Besonders Anfänger verwechseln gutgemeinte Sterilität mit der biologischen Sauberkeit, die weniger durch mechanische Filterung und „frisches“ Wasser, als durch aktive Mikroorganismen im Bodengrund und den grobporigen Filtermedien erzeugt wird. Die Mehrzahl der Aquarienpflanzen sind Sumpfpflanzen, die in Wassergärtnereien [[emers]] herangezogen werden. Sie brauchen daher einige Tage, um sich auf das Aquarienmilieu umzustellen. Zu den empfohlenen Pflanzen, die auch bei vorheriger emerser Kultur sehr schnell anwachsen, zählen [[Indischer Wasserfreund]] und [[Indischer Wasserstern|Wasserstern]]. [[Dichtblättrige Wasserpest]] ist ebenfalls sehr gut geeignet; sie wird submers kultiviert, benötigt aber eine starke Beleuchtung. Sie kann sowohl flutend als auch verwurzelt wachsen; fast immer flutend sind die einheimischen [[Hornblätter]], die auch zu einer Nährstoffreduktion im Aquarium beitragen. Gleiches gilt für Schwimmpflanzen wie die [[Muschelblume]]n sowie [[Wasserlinse]]n. Eine Reihe von Fischarten frisst Algen. Als hervorragender Algenvertilger gelten die [[Siamesische Rüsselbarbe]] und die [[Schönflossige Rüsselbarbe]]. Auch [[Ohrgitterwelse]] und [[Antennen-Harnischwelse]] werden unter anderem wegen dieser Eigenschaft im Aquarium gepflegt. Die auch von Anfängern häufig gehaltenen [[Guppy]]s sowie [[Spitzmaulkärpfling]]e, zu dem die Zuchtform [[Black Molly]] gehört, sind Fische, die bedingt Algenaufwuchs fressen. Eine bestehende Algenplage lässt sich durch Algen fressende Fische kaum bekämpfen, da diese Tiere vorwiegend junge, zarte Algen abweiden. Schnecken sind trotz ihres Rufes als Algenvernichter wenig geeignet, da sie sich selbst durch starke Vermehrung zur Plage entwickeln können und durch ihre Stoffwechselprodukte selbst zur Düngung beitragen. Darüber hinaus sind es Süßwassergarnelen, die wirkungsvoll gegen den Algenaufwuchs vorgehen. Mittlerweile bietet der Handel auch chemische Mittel gegen Algenwuchs an. Diese Mittel können allerdings auch die Pflanzen schädigen. Gegen Schwebealgen können UV-Lampen in den Wasserkreislauf des Außenfilters installiert werden ==== Schnecken und Planarien ==== Obwohl Schnecken eine wichtige Funktion im Aquarium innehaben, können sich einige Arten sehr schnell vermehren und im Aquarium überhand nehmen. Zur Plage werden sie oft dann, wenn Fische zu reichlich gefüttert werden, so dass die Schnecken ein sehr großes Nahrungsangebot finden. Sie können über spezielle Schneckenfallen entfernt werden. Auch einige Fischarten fressen junge Schnecken, wobei man jedoch anmerken muss, dass die oft empfohlenen schneckenfressenden Fische besondere Anforderungen stellen, die in vielen Aquarien nicht zu verwirklichen sind. (So können z.&nbsp;B. [[Prachtschmerle]]n durchaus bis zu 30&nbsp;cm lang werden, bedürfen mehrerer Artgenossen und benötigen ein Aquarium mit einer Mindestkantenlänge von 150&nbsp;cm.) [[Strudelwürmer|Planarien]] treten gleichfalls gelegentlich in Aquarien auf. Es handelt sich um bis zu mehrere Millimeter große Würmchen, die auf Scheiben und Einrichtungsgegenständen herumkriechen. Während sie erwachsenen Fischen nicht gefährlich werden, können sie jedoch den [[Laich|Fischlaich]] fressen. Planarien vermehren sich vor allem dann stark, wenn im Aquarium Futterreste und organische Abfallstoffe reichlich vorhanden sind. Chemische Mittel, die Planarien behandeln, lassen auch Schnecken und gegebenenfalls Pflanzen eingehen. Hilfreich kann es sein, wenn das Aquarium für mehrere Tage eine Wassertemperatur von mindestens 35 Grad Celsius aufweist. In dieser Zeit müssen die Fische und „erwünschte“ Wirbellose in einem Ersatzaquarium gepflegt werden. == Chemie im Aquarium == === pH-Wert === [[Datei:Hoher Skalar Pterophyllum altum 060311.jpg|thumb|Der [[Skalar (Fisch)|Skalar]] benötigt für sein Wohlbefinden einen pH-Wert zwischen 5,5 und 6,5]] Der [[pH-Wert]] gilt in der Aquaristik als wichtiger „Wasserwert“, der ein Maß für den Säuregehalt des Wassers darstellt. Lebewesen haben einen unterschiedlich großen Toleranzbereich für den pH-Wert und können außerhalb von diesem nicht überleben. Die Überprüfung, ob eine Tierart in einem Aquarium geeignete Überlebensbedingungen findet, orientiert sich in aller Regel zuerst am pH-Wert. Der Toleranzbereich von Pflanzen ist meist etwas größer als der von Tieren. Der pH-Wert wird auf einer [[Logarithmus|logarithmischen]] Skala mit Werten zwischen 1 und 14 gemessen. Wasserwerte im Aquarium liegen zwischen 4,5 und 9,5, wobei beides Extremwerte darstellen. Ein pH-Wert von sieben gilt als „neutral“, d.&nbsp;h. weder als alkalisch noch als sauer. Logarithmisch bedeutet dabei, dass Wasser mit einem pH-Wert von sechs bereits 10 mal mehr Säuren als solches mit einem pH-Wert von 7 enthält. Wasser mit einem pH-Wert gar von fünf enthält bereits 100 mal mehr Säuren als solches mit einem Wert von 7. Sogenannte [[Schwarzwasseraquarium|Schwarzwasseraquarien]], in denen südamerikanische Fische wie etwa [[Skalare]] oder der häufig gehaltene [[Roter Neon|Rote Neon]] gut gedeihen, haben beispielsweise pH-Werte im Bereich von 5,5 bis 6,5. Wasserpflanzen gedeihen am besten in Aquarien mit einem pH-Wert unter 7, da bei diesen Werten in aller Regel auch der für das Pflanzenwachstum wichtige [[Kohlensäure]]wert höher ist. In Wasser mit einem pH-Wert über 7, das als „alkalisch“ bezeichnet wird, fühlen sich vor allem ostafrikanische [[Barsche]] wohl. === Carbonat- und Gesamthärte === Die Carbonathärte (KH) bezeichnet die Menge an [[Carbonat]]- und [[Hydrogencarbonat]]-Ionen. Damit diese Anionen als Carbonathärtebildner fungieren können, muss eine entsprechende Anzahl von Calcium- und Magnesium-Kationen vorhanden sein. Die Carbonathärte stellt im Wasser einen Säurepuffer dar, der eine starke und schnelle Veränderung des pH-Wertes verhindert. Wasser mit einem niedrigen KH-Wert hat im allgemeinen einen niedrigen pH-Wert, während Wasser mit einem hohen KH-Wert normalerweise alkalisch ist. Die [[Gesamthärte]] (GH) bezeichnet die Summe aller im Wasser gelösten Ionen der [[Erdalkalimetalle]]. Zu diesen zählen neben Magnesium und Calcium (ca. 80 %) unter anderem [[Strontium]] und [[Barium]]. In der Aquaristik spielt die Gesamthärte meist eine geringere Rolle als die Carbonathärte. Normalerweise ist die Karbonathärte geringer als die Gesamthärte. === Leitwert === Mit dem [[Leitwert]] wird die Summe aller gelösten Salze im Wasser bezeichnet. Je mehr Salze im Wasser gelöst sind, desto besser ist die Leitfähigkeit. Vollentsalztes Wasser leitet kaum noch Strom (eine geringe Leitfähigkeit ist durch die Eigen[[Dissoziation (Chemie)|dissoziation]] immer gegeben). Der Leitwert spielt insbesondere dann eine Rolle, wenn Weichwasserfische gezüchtet werden sollen. === Salzgehalt und Redoxpotential === Eine Bestimmung des Salzgehaltes und des Redoxpotentials wird nur für [[Brackwasseraquarium|Brackwasser-]] und [[Meerwasseraquaristik|Meereswasseraquarien]] benötigt. Die Dichte des Salzgehaltes wird mit einem [[Aräometer]] gemessen. Süßwasser hat bei einer Temperatur von 4 Grad Celsius ein spezifisches Gewicht von 1,0. Tropisches Meereswasser, also das Meerwasser, das normalerweise in einem Meerwasseraquarium nachgebildet wird, hat dagegen bei dieser Temperatur wegen der gelösten Salze und Spurenelemente ein spezifisches Gewicht zwischen 1,020 und 1,027. Brackwasser liegt zwischen diesen beiden Werten. Die in der Aquaristik verwendeten Aräometer sind auf 24 Grad Celsius geeicht. Das Redoxpotential (rH-Wert) sagt aus, wie hoch das Wasser mit organischen Substanzen belastet ist und welchen Gehalt an Sauerstoff es aufweist. Hohe Werte deuten auf einen hohen Sauerstoffgehalt und einen geringen Gehalt an organischen Stoffen hin. Gemessen wird der rH-Wert mit elektronischen Messgeräten. Bei der Ermittlung der Werte müssen auch der pH-Wert sowie die Wassertemperatur berücksichtigt werden. === Stickstoffumwandlung im Aquarium === [[Datei:Aquarium-NitrogenCycle.svg|thumb|Stickstoffkreislauf im Aquarium]] Die Stickstoffumwandlung, die durch Pflanzen und Mikroorganismen (einschl. Filter) im Aquarium stattfindet, wird gelegentlich auch als Stickstoffkreislauf bezeichnet. Bei den wenigsten Aquarien liegt jedoch tatsächlich ein Kreislauf vor, bei dem keine Eingriffe mehr notwendig sind. Die Lebewesen im Aquarium sind in der Regel auf Futter angewiesen und zur Nitratreduzierung ist ein regelmäßiger [[Teilwasserwechsel]] notwendig. Über die Kiemen und aus dem Urin der im Aquarium gepflegten Lebewesen sowie dem unverbrauchtem Futter wird zunächst das giftige [[Ammoniak]] freigesetzt. In nicht zu alkalischem Wasser liegt diese Stickstoffverbindung überwiegend als [[Ammonium]] vor. Dieses ist für die Fische und Wirbellosen des Aquariums weniger schädlich. Für Pflanzen stellt es sogar einen wertvollen Dünger dar. Lediglich bei hohen pH-Werten und Temperaturen überwiegt Ammoniak. Für Fische stellt Ammoniak ein starkes Gift dar. Ist Ammoniak im Wasser hoch konzentriert, sind diese nicht mehr in der Lage, über die Kiemen Ammoniak abzuatmen. Sie vergiften sich dann letztlich selbst. Das Ammonium, das von den Pflanzen nicht als Nährstoff verbraucht wird, wird von Mikroorganismen wie z.&nbsp;B. [[Nitrosomonas]]-Bakterien, die sowohl im Aquarium als auch im Filter vorhanden sind, in [[Nitrit]] abgebaut. Nitrit ist wie Ammoniak für Fische giftig und bereits ab Werten von 1 Milligramm pro Liter tödlich. Ein plötzliches Hin- und Herschießen der Fische im Aquarium, apathisches Verhalten oder hektisches Atmen weisen auf eine mögliche Vergiftung durch Nitrit hin. Nitrit wird allerdings durch z.&nbsp;B. [[Nitrobacter]]-Bakterien in der nächsten Stufe zu Nitrat umgewandelt. Dieser Prozess, bei dem unter Verbrauch von Sauerstoff Ammonium zu Nitrit zu Nitrat umgewandelt wird, wird als [[Nitrifikation]] bezeichnet. Nitrat ist für Fische nicht giftig. Er sollte jedoch gering gehalten werden, um eine (teilweise) Denitrifikation (s. u.) im Aquarium oder Körper des Fisches zu vermeiden, die letztlich wieder Nitrit freisetzen würde. Nitrat wird daher durch den regelmäßigen Teilwasserwechsel aus dem Aquarienwasser entfernt. Neben der Nitrifikation findet noch ein weiter Prozess statt, bei dem von Mikroorganismen Nitrat als Ersatz für Sauerstoff veratmet wird. Diesen [[anaerob]] ablaufenden Prozess bezeichnet man als [[Denitrifikation]]. Er findet in den meisten Aquarien kaum statt und kann bei Bedarf z.&nbsp;B. durch spezielle Filter unterstützt werden. == Wirtschaft, Wissenschaft, Natur- und Tierschutz == === Herkunft der im Aquarium gepflegten Lebewesen === Die meisten regelmäßig im Zoofachhandel angebotenen Süßwasserfische stammen aus Nachzuchten. Geschätzt wird, dass es jährlich 300 Millionen Zierfische sind, die für den Aquarienhandel herangezogen werden. Gezüchtet werden die Fische vor allem in Südostasien. Zuchtstationen befinden sich vor allem im Umland von [[Hongkong]], [[Singapur]] und [[Bangkok]] sowie in geringerem Umfang auf [[Sri Lanka]], [[Japan]] und [[Taiwan]]. Darüber hinaus gibt es große Zierfischzuchten in [[Nordamerika|Nord-]] und [[Südamerika]], in einigen südafrikanischen Ländern sowie [[Israel]] und [[Tschechien]]. Deutschlands größter Zierfischzüchter ist in [[Bad Lauterberg im Harz|Bad Lauterberg]] ansässig und züchtet jährlich etwa eine Million Zierfische. Zuchtanlagen für Meerwasserfische sind vor allem seit der Mitte der 1990er Jahre entstanden. Für den Flugzeugtransport in die Importländer werden die Fische in der Regel in Beutel verpackt, die zu einem Drittel mit Wasser und zu zwei Drittel mit Luft oder Sauerstoff gefüllt sind. Luft wird bei Arten wie Labyrinthfischen und Panzerwelsen verwendet, da diese auch atmosphärische Luft atmen. Für sie wäre reiner Sauerstoff tödlich. Gelegentlich wird dem Wasser auch ein [[Betäubungsmittel]] beigegeben, damit der [[Stoffwechsel]] der Fische nicht zu hoch ist und das Wasser nicht zu sehr belastet wird. Zierfischexporteure lassen außerdem ihre Fische vor dem Transport einige Tage fasten, um die Wasserbelastung niedrig zu halten. Die Beutel werden dann in [[Styropor]]boxen verpackt und an ihre Bestimmungsorte geflogen. Eine der großen Frachtflughäfen, an denen viele Zierfische ankommen, ist der [[Rhein-Main-Flughafen|Frankfurter Flughafen]]. [[Importeur]]e sind in der Regel [[Großhandel|Großhändler]], die die Fische zunächst in [[Quarantänebecken]] halten und in der Regel erst nach sieben bis 14 Tagen in den Verkauf gelangen. [[Datei:Piranha medium.jpg|thumb|Wild gefangener [[Piranhas|Piranha]]]] Nach wie vor werden außerdem weltweit Fische, Pflanzen und Wirbellose aus der freien Natur für den Tier- und Pflanzenexport entnommen. Vor allem in Länder mit einem niedrigen Pro-Kopf-Einkommen kann dies in ländlichen Regionen für Bevölkerungsteile eine wesentliche Einkommensquelle darstellen. Regelmäßig importiert werden vor allem Fische, die gar nicht oder nur sehr schwer nachzuzüchten sind. Darüber hinaus besteht eine große Nachfrage nach aquaristischen Neuheiten. Die Zahl der Wildfänge wird auf 30 Millionen pro Jahr geschätzt. Die negativen Auswirkungen der Sammlung von Fischen und Pflanzen werden immer wieder kritisch diskutiert. Als Kritikpunkte werden unter anderem angeführt, dass beim Wildfang von Riff-Fischen [[Korallenriff]]e zerstört, sehr viele andere Tierarten als [[Beifang]] entnommen und Artbestände so stark geplündert werden, dass [[Population (Biologie)|Populationen]] im ursprünglichen Verbreitungsgebiet zusammenbrechen. Sammelexpeditionen sind langwierig, kostspielig und nicht immer erfolgreich. Der Transport zu den Exportzentren kann für die Tiere sehr belastend sein. Viele Aquarianer halten deshalb nur Fische aus Nachzuchten. Unter US-Aquarianern, die sich auf die Meerwasseraquaristik spezialisiert hatten, gaben in einer 1997 durchgeführten Umfrage zwei Drittel der Befragten an, dass sie lieber Fische aus Nachzuchten kaufen würden als Wildfänge. 80&nbsp;Prozent der Befragten gaben außerdem an, dass nur solche Fische in den Handel gelangen sollten, bei denen entweder durch Fangquoten der Fortbestand der Art vor Ort sichergestellt ist oder die direkt aus Nachzuchten stammten. === Tierschutz-Aspekte === Eine [[artgerechte Haltung]] von Fischarten im Aquarium ist möglich. Sie setzt wie bei jeder Haltung von Lebewesen ein ausreichendes Wissen voraus. Viele Aquarianer investieren viel Zeit und Geld, um ihren Fischen oder Wirbellosen artgerechte Bedingungen zu bieten. Eine Reihe von Aquarianern halten auch bewusst nur solche Tiere, die nachzüchtbar sind und unternehmen zum Teil große Anstrengungen, um seltenere Fischarten nachzuzüchten. Ist kein ausreichendes Wissen vorhanden, können in einem Aquarium sehr schnell Bedingungen entstehen, die als [[Tierquälerei]] angesehen werden können. Typische Haltefehler sind: * ein zu hoher Besatz an Fischen und Wirbellosen. Es gibt unterschiedliche Faustregeln, die maximale Besatzgröße im Aquarium zu berechnen. Als Anhaltspunkt kann gelten, dass pro Zentimeter Fisch zwei Liter Wasser im Aquarium notwendig sind. (bezieht sich auf die Länge der ausgewachsenen Tiere) * die Vergesellschaftung von Tierarten, die untereinander unverträglich sind, * die Haltung von Tierarten bei Wasserwerten, die außerhalb des Spektrums liegen, bei denen sie sich wohlfühlen. Auch eine zu starke Fütterung kann dazu beitragen, dass sich Wasserwerte im Aquarium verschlechtern und ein für die Fische erträgliches Maß übersteigen. Nicht durchgeführte Teilwasserwechsel führen gleichfalls meist zu schlechten Wasserwerten (s. jedoch [[Altwasseraquaristik]]). * die Einzelhaltung von [[Schwarmfisch]]en * die Gruppenhaltung von Fischen und Wirbellosen mit territorialem Verhalten in nicht ausreichend großen Becken, so dass die Tiere ein stark aggressives Verhalten untereinander zeigen. * die Haltung von Fischen in nicht der Fischgröße entsprechenden Becken. [[Datei:Monodactylus argenteus.JPG|thumb|Das [[Silberflossenblatt]] wird häufig als Süßwasserfisch angeboten, benötigt jedoch [[Brackwasser]] für sein Wohlbefinden]] Im besten Fall reagieren die Fische auf diese Haltefehler mit verzögertem Wachstum und verringerter Farbpracht. Häufiger gehen die Fische allerdings zugrunde, wobei sich das Sterben über mehrere Monate hinziehen kann. Viele Mitarbeiter des Zoofachhandels sind fachlich kompetent und raten vom Kauf bestimmter Fischarten ab, wenn sie den Eindruck haben, dass der Käufer nicht die geeigneten Haltevoraussetzungen bietet. Die Qualität der Beratung ist allerdings personenabhängig. Bei einigen Arten werden Zuchtformen angeboten, die aus Sicht einer sehr großen Zahl von Aquarianern [[Qualzucht]]en darstellen. Dies sind beispielsweise Goldfische mit teleskopartig vergrößerten Augen oder so stark vergrößerten [[Flosse]]n, dass ein artgerechtes Verhalten den Tieren nicht mehr möglich ist. Regelmäßig werden außerdem Arten angeboten, die sehr spezielle Halteanforderungen stellen, die die wenigsten Aquarianern erfüllen können. So wird beispielsweise das [[Silberflossenblatt]] regelmäßig als Süßwasserfisch angeboten, obwohl der Fisch im ausgewachsenen Zustand ein 1.400-Liter-Aquarium mit Brackwasserbedingungen benötigt. === Erhaltungszuchten === Eine Reihe von Fischarten, Wirbellose als auch Wasserpflanzen sind vom Aussterben bedroht oder gelten als in der freien Natur bereits ausgestorben. Tropische Lebewesen haben zum Teil nur sehr kleine Verbreitungsgebiete. So ist der südamerikanische [[Villavicencio-Zwergbuntbarsch]] nur in wenigen Gewässern in der Nähe der [[Kolumbien|kolumbianischen]] Stadt Villavicencio am Fuße der [[Anden]] gefunden worden und ist durch [[Biotop]]zerstörung bedroht. Der [[Endlers Guppy]] aus der Familie der [[Lebendgebärende Zahnkarpfen|Lebendgebärenden Zahnkarpfen]] stammt aus einer einzigen Süßwasser-Lagune im Nordosten [[Venezuela]]s. Er gilt in der freien Natur als ausgestorben; als Aquarienfisch wird er jedoch sowohl von Privatpersonen als auch öffentlichen Zoos wie beispielsweise dem [[Kölner Zoo]] gezüchtet. Dies gilt auch für eine ganze Reihe anderer Arten. Die Fachzeitschrift ''Aquarium Live'' veröffentlichte beispielsweise in ihrer Ausgabe vom April/Mai 2006 einen Aufruf von Professor Dr. [[Peter Finke]], sich an der Erhaltungszucht der Gattung ''[[Parosphromenus]]'' zu beteiligen. Diese Fische gehören zu den am meisten bedrohten [[Labyrinthfische]]n, da ihr Lebensraum durch Waldabholzung bedroht ist. Die in sehr sauren, fast mineralstofffreien Urwaldbächen Südostasiens lebenden Fische sind allerdings in ihrer Haltung sehr anspruchsvoll und werden äußerst selten im Zoofachhandel angeboten. Es existiert aber ein Arbeitskreis, der sich zum Ziel gesetzt hat, das Aussterben dieser Fischgattung zumindest in Aquarien aufzuhalten. Erhaltungszuchten sind jedoch nicht einfach durchzuführen. In Gefangenschaft gezüchtete Fische können sich sehr schnell in Körperform und Färbung deutlich von denen in freier Natur lebenden Artgenossen unterscheiden. === Wissenschaft und Aquaristik === In Aquarien gehaltene Lebewesen haben immer wieder eine Rolle in den [[Naturwissenschaft]]en gespielt. Das gilt von den Sauerstoffforschungen von [[Joseph Priestley|Priestley]] anhand von Wasserpflanzen im 18. Jahrhundert über die Beobachtungen von [[Konrad Lorenz]] über Territorialverhalten am Beispiel des [[Dreistachliger Stichling|Stichlings]] im frühen 20.&nbsp;Jahrhundert bis zu den Untersuchungen über Auswirkungen von in Wasser gelösten Schadstoffen heute. Die Aquaristik führt auch dazu, dass Tier- und Pflanzenarten eingeführt werden, die bislang noch nicht wissenschaftlich beschrieben wurden. Für einige Fischfamilien, bei denen die Anzahl der neu entdeckten Arten die Geschwindigkeit übersteigt, mit der diese eingeordnet werden, behelfen sich Aquarianer mit Code-Systemen. So werden beispielsweise noch nicht klassifizierte [[Harnisch-Welse]] mit [[L-Nummer]]n bezeichnet. Die Rückwirkung des mit der Aquaristik verbundenen kommerziellen Interesse auf die Forschung lässt sich auch an einer gänzlich anderen Familie zeigen: Wissenschaftliche Untersuchungen bei im Süßwasser lebenden [[Caridea|Garnelen]] konzentrierten sich vor wenigen Jahren noch auf die für den menschlichen Verzehr in [[Garnelenzucht|Shrimp-Farmen]] gezüchteten [[Felsengarnelen]]. Erst seitdem es eine Nachfrage für in Aquarien haltbare Arten gibt, hat sich hier die Forschung auch auf die zahlreichen anderen Garnelenarten ausgedehnt. === Wirtschaftsfaktor Aquaristik === Geschätzt wird, dass von einhundert deutschen Haushalten etwa vier bis sechs mindestens ein Aquarium pflegen. Etwa 40&nbsp;Prozent der Aquarianer besitzen mehr als ein Aquarium. Der [[Industrieverband Heimtierbedarf]] veranschlagte den Umsatz mit Aquarienbedarf für 2003 mit 189 Millionen [[Euro]]. Damit geben Aquarienbesitzer für ihr Hobby mehr aus als Hunde- oder Katzenbesitzer; nicht in dieser Zahl enthalten ist der Umsatz von Wassertieren und -pflanzen. 2003 wurden für mehr als 20 Millionen Euro Zierfische von Großhändlern importiert. Da die Einzelverkaufspreise im Zoofachhandel deutlich über den Importpreisen im Großhandel liegen, wird der jährliche Umsatz auf einen hohen zweistelligen Millionenbetrag geschätzt. == Öffentliche Schauaquarien == Viele [[Zoo]]s zeigen auf ihrem Gelände auch Aquarien, wie das [[Aquarium Berlin|Aquarium]] im [[Zoologischer Garten Berlin|Zoologischen Garten]] Berlin, der eines der ältesten Aquarien in Deutschland besitzt. Der [[Aquazoo Düsseldorf]], der gleichzeitig Naturkundemuseum ist, bemüht sich in seiner Ausstellung, die Adaption von Tieren an ihren Lebensraum deutlich zu machen. Die Sammlung ist nach pädagogischen Aspekten aufgebaut. Zu den zahlreichen öffentlichen Schauaquarien gehören auch das [[Deutsches Meeresmuseum]] in [[Stralsund]], das [[Ozeaneum Stralsund]] und das Seewasseraquarium in [[Wilhelmshaven]]. Weitere Beispiele sind das [[Oceanário de Lisboa]] in [[Lissabon]], das anlässlich der [[Weltausstellung]] 1998 errichtet wurde und das als das zweitgrößte Meerwasseraquarium der Welt gilt, oder das 2001 eröffnete Ozeanium im Zoo von [[Rotterdam]]. Das derzeit (2008) größte Aquarium der Welt befindet sich in [[Atlanta]], USA. Die Becken fassen mehr als 30 Millionen Liter Wasser. Über 500 verschiedene Spezies, gesamthaft rund 120000 Meeresbewohner, finden Platz in diesem künstlichen Riff. Als Hauptattraktion gelten zwei [[Walhaie]]. Das derzeit in [[Vereinigtes Königreich|Großbritannien]] entstehende Institut in der Grafschaft [[Bedfordshire]] soll zwei Biosphären umfassen, die 200 Aquarien mit Süßwasserfischen, [[Amphibien]] und [[Reptilien]] enthalten. Die Baukosten dieses Aquariums sind mit 350 Millionen Euro veranschlagt. Es soll im Jahre 2010 fertig errichtet sein. Wegen der Haltung solcher Meerestiere werden diese Aquarien häufig kritisiert. Besonders häufig steht die US-amerikanische [[Sea World|Sea-World]]-Kette mit ihren [[Delfine|Delphin]]- und [[Großer Schwertwal|Orca]]-Shows in der Kritik, da bezweifelt wird, dass derart großen Meerestieren eine artgerechte Haltung geboten werden kann. Die ebenfalls kommerzielle britische Kette [[Sea Life Centre]] verfolgte zumindest in Deutschland ein anderes Konzept und arbeitete bis 2006 mit [[Greenpeace]] zusammen. Greenpeace nutzte die Räumlichkeiten für eigene Ausstellungen. Die Sea Life Centre zeigten dafür keine Hochseehaie, tropische Fischarten und bedrohte Arten. Diese Verpflichtung verhinderte allerdings auch, dass sich die Sea Life Centre an Erhaltungszuchten beteiligen. Schauaquarien in kleinerem Maßstab betreiben auch einige Aquarienvereine, die in Deutschland überwiegend im [[Verband Deutscher Vereine für Aquarien- und Terrarienkunde]] e.V. organisiert sind. Andere europäische Vereine haben sich überwiegend in der European Aquaristic and Terraristic Association zusammengeschlossen. === Siehe auch === * [[Liste zoologischer Gärten und Aquarien nach Gründungsjahr]] == Quellen == <references /> == Literatur == === Geschichte des Aquariums === * Bernd Brunner: ''Wie das Meer nach Hause kam – Die Erfindung des Aquariums''. Transit Verlag. Berlin 2003 : (engl.: Bernd Brunner: ''The Ocean at Home – An Illustrated History of the Aquarium''. Princeton Architectural Press. New York 2005) === Aquarien einrichten === * [[Takashi Amano]]: ''Das große Buch der Naturaquarien.'' bede Verlag, Ruhmannsfelden 1998, ISBN 3-931792-80-3 * [[Kaspar Horst]] und [[Horst E. Kipper]]: ''Das optimale Aquarium&nbsp;– Leitfaden zur Einrichtung und Pflege des Süßwasser-Aquariums.'' Ad aquadocumenta Verlag, Bielefeld 1992, ISBN 3-925916-15-6 * [[Christel Kasselmann]]: ''Pflanzenaquarien gestalten.'' Franckh-Kosmos Verlag, Stuttgart 2001, ISBN 3-440-08518-X * Petra Kölle: ''300 Fragen zum Aquarium.'' Gräfe und Unzer, München 2005, ISBN 978-3-7742-7369-6 * Gina Sandford: ''Aquarium&nbsp;– Handbuch für Süßwasser- und Meerwasseraquarien.'' [[Dorling Kindersley]], Stamberg 2004, ISBN 3-8310-0553-2 * Claus Schäfer: ''Grundkurs Aquaristik.'' Eugen Ulmer, Stuttgart 1998, ISBN 3-8001-7378-6 * Rüdiger Latka, ''Das Riffaquarium Praxis für Neueinsteiger'', 2005, Rüdiger Latka Verlag, ISBN 3-9810570-0-7 === Lebewesen im Aquarium === * Hans Baensch, Rüdiger Riehl: ''Aquarien-Atlas.'' Bd 1-6. Mergus, Melle 1982-2004 * Hans Gonella: ''Krebse, Krabben und Garnelen im Süßwasseraquarium.'' bede-Verlag, Ruhmannsfelden 1999, ISBN 3-931792-87-0 * Bernd Greger: ''Pflanzen im Süßwasseraquarium.'' Birgit Schmettkamp, Bornheim 1998, ISBN 3-928819-16-X * Kaspar Host: ''Pflanzen im Aquarium.'' Ulmer, Stuttgart 1986, ISBN 3-8001-7159-7 * Christel Kasselmann: ''Aquarienpflanzen.'' Ulmer, Stuttgart 1999, ISBN 3-8001-7454-5 * Ulrich Schliewen: ''Aquarienfische von A bis Z.'' Gräfe und Unzer, München 2006, ISBN 3-7742-5694-2 * Uwe Werner: ''Ausgefallene Aquarienpfleglinge.'' Landbuch, Hannover 1993, ISBN 3-7842-0495-3 === Lexika === * Hans Frey: ''Das Aquarium von A bis Z'', 1. Aufl. 1957 und 12. Aufl. Melsungen, Basel und Wien 1973 === Fachzeitschriften === * ''[[DATZ]]&nbsp;– Die Aquarien- und Terrarienzeitschrift.'' Eugen Ulmer, Stuttgart 1.1951ff. {{ISSN|0723-4066}} (elektr. Ressource 2003ff.) * ''Amazonas&nbsp;– Süßwasseraquaristik-Fachmagazin.'' Natur und Tier, Münster 1.2005,1ff. {{ISSN|1861-2202}} * ''Aquaristik-Fachmagazin.'' Tetra, Berlin, {{ISSN|1437-4854}} * ''Aquarium live.'' Dähne, Ettlingen {{ISSN|1432-413X}} * ''Aquaristik - Aktuelle Süßwasserpraxis ''. Dähne, Ettlingen, {{ISSN|0947-6512}} * ''VDA-aktuell - Verbandszeitschrift des [[Verband Deutscher Vereine für Aquarien- und Terrarienkunde|VDA]]''. VDA, Sparneck, {{ISSN|1863-4648}} * ''Aqua Terra Austria - Magazin des [http://www.oevvoe.org/ Österreichischer Verband für Vivaristik und Ökologie]'' == Weblinks == {{Commons|Aquarium}} * [http://www.aquarium-deutschland.de/ Öffentliche Schauaquarien in Deutschland] * [http://aquascaping.flowgrow.de/ Umfassendes Informationsportal über die Pflanzenaquaristik] * [http://www.aqua-village.de/ Nationales Aquaristikfachportal] * [http://www.aquariummagazin.de/ Online Aquarium-Magazin (OAM) - kostenloses PDF Aquaristik Magazin] * [http://www.ohligers.de/Stromsparen.htm Energiesparen am Aquarium] * [http://www.andy-blackjack.de/index.html Traumaquarium, Fibel für den Aquarianer] * [http://www.scienceblogs.de/frischer-wind/2010/02/was-wird-bei-der-uberprufung-der-wasserqualitat-in-einem-aquarium-eigentlich-gemessen.php Ausführliche Erläuterungen zur Messung der Wasserwerte] in den [[ScienceBlogs]] {{Exzellent}} [[Kategorie:Aquarium| ]] <!----> {{Link FA|es}} {{Link FA|pt}} [[ar:أكواريوم]] [[ast:Acuariu (recipiente)]] [[az:Akvarium]] [[bg:Аквариум]] [[bs:Akvarijum]] [[ca:Aquari (recipient)]] [[cs:Akvárium]] [[cy:Acwariwm]] [[da:Akvarium]] [[en:Aquarium]] [[eo:Akvario]] [[es:Acuario (recipiente)]] [[et:Akvaarium]] [[fa:آکواریوم]] [[fi:Akvaario]] [[fr:Aquarium]] [[gan:水族館]] [[gl:Acuario (recipiente)]] [[he:אקווריום]] [[hi:जलजीवशाला]] [[hr:Akvarij]] [[id:Akuarium]] [[io:Aquario]] [[is:Fiskabúr]] [[it:Acquario (contenitore)]] [[ja:アクアリウム]] [[kk:Аквариум]] [[la:Aquarium]] [[lt:Akvariumas]] [[ml:അക്വേറിയം]] [[nl:Aquarium]] [[nn:Akvarium]] [[no:Akvarium]] [[oc:Aqüari]] [[pl:Akwarium]] [[pt:Aquário]] [[ro:Acvariu]] [[ru:Аквариум]] [[sh:Akvarij]] [[simple:Aquarium]] [[sk:Akvárium]] [[sl:Akvarij]] [[sr:Akvarijum]] [[stq:Aquarium]] [[sv:Akvarium]] [[ta:நீர்வாழ் உயிரினங்கள் காட்சிச்சாலை]] [[tl:Akwaryum]] [[tr:Akvaryum]] [[uk:Акваріум]] [[uz:Akvarium]] [[wuu:水族馆]] [[yi:אקוואריום]] [[zh:水族箱]] 86cs9y8dcx547wneum1z7i6b8aqzvjc wikitext text/x-wiki MediaWiki:Vector.js 8 23539 26086 2010-05-11T12:25:49Z Voice of All 167 Neue Seite (vgl. [[WB:AZ]]) /* Der Grossteil der Codes befindet sich in [[MediaWiki:Common.js]] */ //================================================================================ //*** moveEditsection: Moving of the editsection links /* * moveEditsection * Dieses Script verschiebt die [Bearbeiten]-Buttons vom rechten Fensterrand * direkt rechts neben die jeweiligen Überschriften. * This script moves the [edit]-buttons from the right border of the window * directly right next to the corresponding headings. * * Zum Abschalten die folgende Zeile (ohne führendes Sternchen) in die eigene * monobook.js (zu finden unter [[Special:Mypage/vektor.js|Benutzer:Name/vektor.js]]) kopieren: * var oldEditsectionLinks = true; * * dbenzhuser (de:Benutzer:Dbenzhuser) */ addOnloadHook(function() { if (typeof oldEditsectionLinks != 'undefined' && oldEditsectionLinks) return; var spans = document.getElementsByTagName("span"); for (var i=0; i<spans.length; i++) { var span = spans[i]; if (span.className != "editsection") continue; span.style.fontSize = "x-small"; span.style.fontWeight = "normal"; span.style.styleFloat = "none"; // IE-Fix für die folgende Zeile span.style.cssFloat = "none"; span.style.marginLeft = "0px"; span.parentNode.appendChild(document.createTextNode(" ")); span.parentNode.appendChild(span); } }); au9f5ujwz0t2mb5161640ipdz88nnaf javascript text/javascript Immunologie 0 23540 26136 2010-04-11T11:26:30Z Knoerz 0 Änderungen von [[Special:Beiträge/93.132.97.175|93.132.97.175]] rückgängig gemacht und letzte Version von Kuebi wiederhergestellt Die '''Immunologie''' oder '''Immunbiologie''' ist die Lehre von den biologischen und biochemischen Grundlagen der körperlichen Abwehr von Krankheitserregern wie [[Bakterien]], [[Viren]] und [[Pilze]]n sowie anderen körperfremden Stoffen wie beispielsweise biologischen [[Toxin|Toxine]]n und Umweltgiften, und darüber hinaus von Störungen und Fehlfunktionen dieser Abwehrmechanismen. Sie ist damit eine Teildisziplin der [[Biologie]]. Forschungsgegenstand ist das [[Immunsystem]], ein System von zellulären und molekularen Prozessen, welche die Erkennung und Inaktivierung von Krankheitserregern und körperfremden Substanzen realisieren. Diese Prozesse werden unter dem Begriff [[Immunantwort]] zusammengefasst. Aufgrund der zentralen Rolle des menschlichen Immunsystems bei einer Vielzahl von Erkrankungen ist die Immunologie in der [[Medizin]] für das Verständnis, die [[Prävention]], die [[Diagnostik]] und die [[Therapie]] von Krankheiten von großer Bedeutung. Es gibt verschiedene Teilgebiete der Immunologie. Die '''Immunchemie''' untersucht die Struktur von [[Antigen]]en, [[Antikörper]]n und die chemischen Grundlagen der Immunreaktionen. Die '''Immungenetik''' untersucht die genetische Variabilität von Immunreaktionen, bzw. die Mechanismen der Erzeugung von [[Antikörper]]n, [[T-Zell-Rezeptor]]en und antigenpräsentierenden Komplexen. Die '''Immunpathologie''' und die '''klinische Immunologie''' untersuchen Störungen des Immunsystems, die beispielsweise im Falle von [[Allergie]]n, bei der Bildung von [[Tumor]]en und bei [[Autoimmunkrankheit]]en auftreten. == Historische Informationen == === Frühe Beobachtungen === [[Bild:Edward_Jenner.jpg|thumb|Edward Jenner, Begründer der Immunologie]] Die ältesten bekannten Aufzeichnungen, die Hinweise auf immunologisch relevante Phänomene enthalten, stammen aus dem Jahr 430 vor Christus. Der Geschichtsschreiber [[Thucydides]] stellte damals während der sogenannten [[Attische Seuche|Attischen Seuche]] in [[Athen]] zur Zeit des [[Peloponnesischer Krieg|Peloponnesischen Krieg]]es fest, dass nur Menschen für die Versorgung der Erkrankten in Frage kamen, welche die Krankheit selbst bereits durchgestanden und überlebt hatten. Aus der Zeit um das Jahr 100 vor Christus sind erste Berichte aus China zu einer gezielten Übertragung der [[Pocken]] auf gesunde Menschen zum Zweck der Vorbeugung bekannt. Weite Verbreitung erlangte dieses Verfahren, bei dem [[Eiter]] von leicht Erkrankten mit einer Nadel auf Gesunde übertragen wurde, unter der Bezeichnung „Variolation“ seit dem 15. Jahrhundert vor allem in China, Indien und der Türkei. Durch die Ehefrau des britischen Botschafters in Konstantinopel, die ihren Sohn auf diese Weise impfen ließ, gelangte die [[Variolation]] ab etwa 1722 nach England und verbreitete sich in den folgenden Jahren auch im Rest Europas. Zur gleichen Zeit stellte der englische Landarzt [[Edward Jenner]] fest, dass Melkerinnen, die sich mit den für Menschen harmlos verlaufenden [[Kuhpocken]] infiziert hatten, bei den damals häufig auftretenden Pockenepidemien verschont blieben oder nur leichte Krankheitsverläufe zeigten. Nach intensiver Beobachtung dieses Phänomens impfte er am 14. Mai 1796 einen gesunden achtjährigen Jungen mit Gewebsflüssigkeit, die er einer [[Pustel]] von einer mit Kuhpocken infizierten Milchmagd entnommen hatte. Nachdem der Junge den leichten Verlauf der Kuhpocken überstanden hatte, infizierte ihn Jenner mit echten Pocken. Auch diese Infektion überstand der Junge ohne schwerwiegende Symptome. Im Vergleich zur Variolation bot Jenners Verfahren einige entscheidende Vorteile: Die mit Kuhpocken geimpften Personen wiesen nicht die für Pocken typischen Pusteln und die daraus resultierenden Narben auf, es gab keinen tödlichen Verlauf der [[Impfung]] und die geimpften Personen stellten selbst kein Ansteckungsrisiko dar. Edward Jenner gilt deshalb heute als Begründer der Immunologie. === Beginn immunologischer Forschung === [[Bild:Louis Pasteur.jpg|thumb|Louis Pasteur]] Ein Meilenstein in der Entwicklung der Immunologie, der den Beginn der gezielten Forschung markierte, war die Entwicklung eines Impfstoffes gegen die [[Tollwut]] im Jahr 1885 durch [[Louis Pasteur]]. Am 6. Juli 1885 impfte er damit den neunjährigen Joseph Meister, der zwei Tage zuvor von einem tollwütigen Hund gebissen worden war. [[Joseph Meister]] wurde damit der erste Mensch in der Geschichte der Medizin, der eine Tollwutinfektion überlebte. Innerhalb eines Jahres wurde diese Impfung bei 350 weiteren infizierten Personen angewendet, von denen keiner an Tollwut verstarb. Bereits drei Jahre vorher entdeckte [[Robert Koch]] den Erreger der [[Tuberkulose]] und kurze Zeit später die [[Tuberkulin-Test|Tuberkulin]]-Reaktion, die auf der Basis der Immunantwort den Nachweis einer Tuberkulose-Infektion ermöglichte. 1888 entdeckten [[Emile Roux|Pierre Paul Émile Roux]] und [[Alexandre Émile Jean Yersin]] das [[Diphtherie]]-Toxin. Zwei Jahre später konnten [[Emil Adolf von Behring]] und [[Shibasaburo Kitasato]] sogenannte [[Antitoxin]]e im [[Blutserum|Serum]] von Patienten nachweisen, welche die [[Diphtherie]] überstanden hatten. Emil Adolf von Behring begann auch damit, diese Antiseren zur Behandlung von Diphtherie einzusetzen. Er erhielt für seine Forschungsergebnisse den 1901 erstmals verliehenen [[Nobelpreis für Physiologie oder Medizin]]. Der belgische Bakteriologe [[Jules Bordet|Jules Baptiste Vincent Bordet]] entdeckte 1898, dass eine Erhitzung des Serums auf 55 Grad Celsius zwar kaum Auswirkungen auf die Eigenschaft des Serums hatte, an bestimmte chemische Stoffe zu binden, die bakterienzerstörende Wirkung des Serums ging jedoch verloren. Er postulierte aufgrund dieser Entdeckung die Existenz einer hitzeempfindlichen Komponente im Serum, die für die Wirkung des Serums auf Bakterien notwendig war, und nannte diese Komponente "Alexin". [[Paul Ehrlich]] beschäftigte sich in den folgenden Jahren mit der Untersuchung dieser Komponente und führte den noch heute verwendeten Begriff "Komplement" ein. === Entstehung von zwei Denkrichtungen === [[Bild:E_A_Behring.jpg|thumb|Emil Adolf von Behring, Entdecker der Antitoxine und damit der humoralen Immunabwehr]] Zum Beginn des 20. Jahrhunderts teilte sich die immunologische Forschung in zwei Betrachtungsweisen. Die Humoralimmunologen, die prominentesten von ihnen Paul Ehrlich und Emil Adolf von Behring, vertraten die Ansicht, dass die Grundlagen der Infektionsabwehr in Substanzen im Blutserum, also den Antitoxinen zu suchen seien. Diese Theorie war um 1900 und in den folgenden Jahrzehnten die vorherrschende Auffassung. Daneben entwickelte sich die Ansicht der Zellularimmunologen, insbesondere basierend auf den Arbeiten von [[George Nuttall]] sowie [[Ilja Iljitsch Metschnikow]] ab etwa 1883/1884. Metschnikow konnte anhand von Untersuchungen zur Wirkung von [[Leukozyt|weißen Blutkörperchen]] auf Bakterien die Bedeutung körpereigener zellulärer Prozesse für die Abwehr von Krankheitserregern nachweisen. Wie sich später zeigen sollte, sind beide Aspekte gleichermaßen am Wirken des Immunsystems und an der Immunantwort beteiligt. Es dauerte allerdings bis etwa 1940, bis die Auffassungen der Zellularimmunologen allgemeine Anerkennung fanden und die Annahme, dass [[Antikörper]] der Hauptmechanismus der Immunabwehr wären, aufgegeben wurde. Im Jahr 1901 entdeckte [[Karl Landsteiner]] das [[Blutgruppe|AB0-Blutgruppensystem]] und leistete damit einen weiteren wichtigen Beitrag zum Verständnis des Immunsystems. [[Clemens Peter Freiherr von Pirquet]] stellte 1906 fest, dass Patienten bei einer wiederholten Gabe von Pferdeserum eine heftige Reaktion auf die zweite Behandlung zeigten. Er prägte für diese Überempfindlichkeitsreaktion den Begriff "[[Allergie]]". [[Emil Freiherr von Dungern|Emil von Dungern]] und [[Ludwik Hirszfeld]] veröffentlichten 1910 ihre Ergebnisse zur [[Vererbung (Biologie)|Vererbung]] der Blutgruppen und damit erstmals Ergebnisse zur Genetik von Komponenten des Immunsystems. In dieser Arbeit schlugen die beiden auch die Bezeichnung "AB0" als neue Nomenklatur vor - international verbindlich wurde diese jedoch erst 1928 eingeführt. 1917 beschrieb Karl Landsteiner erstmals das Konzept der [[Hapten]]e, kleiner Moleküle, die bei Kopplung an ein Protein eine Immunreaktion mit Bildung spezifischer Antikörper auslösen können. [[Lloyd Felton]] gelang 1926 die Aufreinigung von Antikörpern aus Serum. Von 1934 bis 1938 entwickelte dann John Marrack erstmals eine Theorie zur spezifischen Erkennung von Antigenen durch Antikörper. === Entwicklung der modernen Immunologie === [[Bild:Burnet 2jpg.jpg|thumb|Frank Macfarlane Burnet]] [[Peter Gorer]] entdeckte bei Studien zur [[Transplantation|Transplantatabstoßung]] 1936 die H-2-Antigene der Maus und damit den ersten [[Haupthistokompatibilitätskomplex]] (MHC). Ebenfalls durch Untersuchungen zur Transplantatabstoßung konnten [[Peter Medawar]] und [[Thomas Gibson (Arzt)|Thomas Gibson]] wichtige Funktionen von Immunzellen aufklären. Damit begann die endgültige Anerkennung der zellulären Immunologie. Im Jahr 1948 fand [[Astrid Fagraeus]] heraus, dass Antikörper durch die B-Zellen im Plasma produziert werden. Ein Jahr später veröffentlichten [[Frank Macfarlane Burnet]] und [[Frank Fenner]] ihre Hypothese der immunologischen Toleranz, die wenige Jahre später von [[Jacques Miller]] mit der Entdeckung der Elimination autoreaktiver T Zellklone im [[Thymus]] bewiesen wurde. 1957 beschrieb Frank Macfarlane Burnet die [[Klon-Selektionstheorie]] als das zentrale Prinzip der adaptiven Immunität. Der Brite [[Alick Isaacs]] und der Schweizer [[Jean Lindemann]] entdeckten 1957 bei der Untersuchung der Auswirkungen von Virusinfektionen auf Zellkulturen, dass die Zellen für die Dauer einer Virusinfektion weitestgehend resistent gegenüber einer zweiten Infektion durch ein anderes Virus waren. Sie isolierten aus den infizierten Zellkulturen ein [[Protein]], das sie [[Interferon]] (IFN) nannten. Zum Ende der 1960er und zum Beginn der 1970er Jahre entdeckten dann [[John David]] und [[Barry Bloom]] den Makrophagen Migration Inhibition Factor (MIF) und eine Reihe weiterer Substanzen, die von Lymphozyten abgegeben werden. [[Dudley Dumonde]] prägte für diese Substanzen den Begriff „Lymphokine“. [[Stanley Cohen]], der 1986 für seine Entdeckung der Wachstumsfaktoren NGF und EGF den Nobelpreis für Physiologie oder Medizin bekam, begann in den frühen 1970er Jahren zusammen mit [[Takeshi Yoshida]], die Funktionen der als Lymphokine bezeichneten Faktoren zu untersuchen. Sie erkannten dabei, dass diese Substanzen zu einer Gruppe von hormon-ähnlichen Botenstoffen gehören, die von vielen verschiedenen Zellen des Immunsystems gebildet werden. Stanley Cohen schlug deshalb 1974 den Begriff „[[Zytokin]]e“ vor, der sich mit der Entdeckung weiterer dieser Stoffe schnell durchsetzte. Mittlerweile sind neben den genannten Faktoren über 100 weitere Zytokine bekannt und in ihrer Struktur und Funktion detailliert untersucht. Die Zeit um 1960 wird allgemein als Beginn der modernen Immunologie angesehen. [[Rodney R. Porter|Rodney Porter]] gelang es zwischen 1959 und 1961, die Struktur von Antikörpern aufzuklären. Zur gleichen Zeit entdeckte [[Jean Dausset]] den Haupthistokompatibilitätskomplex des Menschen, den so genannten [[Human Leukocyte Antigen]] (HLA) Komplex. Ab etwa 1960 wurden von einer Reihe von Wissenschaftlern auch die Grundlagen der zellulären Immunologie aufgeklärt, was unter anderem zur Differenzierung und Beschreibung der [[Lymphozyt|B- und T-Lymphozyten]] und der Entdeckung ihrer jeweiligen Funktionen durch [[Jacques Miller]] führte. Damit setzte sich die Einteilung der Immunabwehr in einen humoralen und einen zellulären Bereich durch. In den folgenden Jahrzehnten wurden unter anderem die verschiedenen Antikörper-Subtypen entdeckt und hinsichtlich ihrer Funktion untersucht. 1975 beschrieben [[Georges J. F. Köhler|Georges Köhler]] und [[César Milstein]] die Gewinnung [[Monoklonale Antikörper|monoklonaler Antikörper]]. Aufgrund der weitreichenden Folgen dieser Entdeckung für die Grundlagenforschung sowie die Diagnostik und Therapie von Erkrankungen erhielten sie 1984 den Nobelpreis für Physiologie oder Medizin. Weitere wichtige Erkenntnisse betrafen die genetischen Grundlagen der Immunologie wie die Beschreibung der [[MHC-Restriktion]] durch [[Rolf Zinkernagel]] im Jahr 1974, die Identifizierung von [[Immunglobulin]]-Genen 1985 durch [[Susumu Tonegawa]] und von [[T-Zell-Rezeptor]]-Genen durch [[Leroy Hood]] ebenfalls ab etwa 1985. ==Forschungsgegenstand== Zentraler Forschungsgegenstand der Immunologie ist das [[Immunsystem]] der [[Säugetiere]]. Dabei handelt es sich um ein komplexes System von Molekülen und Zellen, durch das die Erkennung und Inaktivierung von körperfremden Strukturen realisiert wird. Die Reaktionen dieses Systems auf solche Strukturen werden unter dem Begriff [[Immunantwort]] zusammengefasst. Die Organe des Körpers, die für die Immunantwort zuständig sind, werden zusammen mit den [[Lymphgefäß]]en als [[Lymphsystem|lymphatisches System]] bezeichnet. Für das Funktionieren der Immunantwort ist darüber hinaus der [[Blutkreislauf]] von entscheidender Bedeutung. Die Forschung in der Immunologie befasst sich vorrangig mit medizinischen und klinischen Aspekten der Immunantwort, also beispielsweise ihrer Fehlregulation bei bestimmten Erkrankungen sowie ihrer gezielten Beeinflussung zur Behandlung von Krankheiten. Ein weiteres wichtiges Forschungsgebiet ist die Anwendung von immunologischen Methoden für analytische und diagnostische Zwecke. Die Immunologie lässt sich nach dem untersuchten Teilaspekt, der verwendeten Methodik und der Betrachtungsebene in verschiedene Teildisziplinen untergliedern. === Zelluläre Immunologie === [[Bild:PBNeutrophil.jpg|thumb|Neutrophiler Granulozyt in einem [[Blutausstrich]] ]] Die zelluläre Immunologie befasst sich mit den Zellen des Immunsystems und den von ihnen ausgehenden Reaktionen. Zu den Zellen des angeborenen Immunsystems gehören beispielsweise die [[Neutrophiler Granulozyt|Neutrophilen Granulozyten]], die auch als Fresszellen bezeichneten [[Makrophage]]n, sowie die [[Natürliche Killer-Zelle|natürlichen Killerzellen]] (NK-Zellen). Das adaptive Immunsystem umfasst auf zellulärer Ebene die [[B-Lymphozyt]]en und die [[T-Lymphozyt]]en. Im Gegensatz zum angeborenen Immunsystem kann das adaptive Immunsystem eine spezifische Reaktion gegen bestimmte körperfremde Strukturen ausbilden, allerdings erst nach einem erstmaligen Kontakt. Für das relativ unspezifisch reagierende angeborene Immunsystem ist ein solcher Erstkontakt nicht notwendig. === Humorale Immunologie === [[Bild:Antikörper.svg|thumb|Aufbau eines IgG-Antikörpers]] Die humorale Immunologie beschäftigt sich mit den auf Proteinen basierenden Prozessen des Immunsystems. Zu diesen gehört, im Rahmen der angeborenen Immunantwort, das [[Komplementsystem]]. Im adaptiven Teil des Immunsystems sind Antikörper für die humorale Immunantwort zuständig. Ein weiteres wichtiges Forschungsthema der humoralen Immunologie sind die [[Zytokin]]e. Dabei handelt es sich um Proteine, die die Regulation des Immunsystems und die Kommunikation seiner verschiedenen Komponenten steuern. === Weitere Teildisziplinen === Die Immunchemie untersucht die Struktur und Eigenschaften von Antigenen und Antikörpern sowie die chemischen Grundlagen der Immunantwort. Eine wichtige Anwendung der Immunchemie sind diagnostische und analytische Verfahren auf der Basis der [[Antigen-Antikörper-Reaktion]], wie zum Beispiel die [[Immunhistochemie]]. Die Immungenetik beschäftigt sich mit den genetischen Grundlagen des Immunsystems, also beispielsweise der genetisch bedingten Variabilität von Immunreaktionen sowie den Mechanismen der Erzeugung von Antikörpern, [[T-Zell-Rezeptor]]en und [[antigenpräsentierende Zelle|antigenpräsentierenden Komplexen]]. Die Immunpathologie und die klinische Immunologie widmen sich den medizinischen Aspekten der Immunologie. === Invertebratenimmunologie === Aus historischen Gründen beschäftigt sich die Immunologie hauptsächlich mit dem Immunsystem von [[Wirbeltiere]]n (Vertebraten), insbesondere dem der [[Säugetiere]]. Dies liegt vor allem an den medizinischen Ursprüngen der Immunologie und hat dazu geführt, dass auch in Lehrbüchern und anderen Veröffentlichungen die Immunologie oft nur mit der Immunabwehr bei Säugetieren als Forschungsgegenstand dargestellt wird. Ein Teilbereich der immunologischen Forschung beschäftigt sich jedoch auch mit dem Immunsystem von [[Wirbellose|wirbellosen Tieren]] (Invertebraten). Dieses ist im Vergleich zum Immunsystem der Wirbeltiere gekennzeichnet durch das Fehlen eines adaptiven Immunsystems und damit durch weitestgehend unspezifische Abwehrvorgänge, durch das Vorhandensein von differenzierten biochemischen Abwehrmechanismen in Form von antimikrobiellen Faktoren sowie durch ausgeprägte anatomische Strukturen zur mechanischen Verhinderung des Eindringens von Krankheitserregern und körperfremden Substanzen. Innerhalb des zellulären Immunsystems der wirbellosen Tiere nehmen phagozytierende Zellen eine zentrale Rolle ein. Ziel dieser Forschung ist es zum einen, die [[Biologische Evolution|Evolution]] des Immunsystems und damit auch seine Funktionen besser zu verstehen. Durch den Vergleich der Abwehrmechanismen verschiedener Tiere ist es möglich zu erkennen, welche Teilaspekte ihnen gemeinsam sind und wie sich diese entwickelt haben. Man spricht deshalb auch von ''vergleichender Immunologie''. Weitere Bereiche, auf die sich die Forschung zur Immunologie der Invertebraten auswirkt, sind die [[Ökotoxikologie]] sowie die [[Schädlingsbekämpfung]] und [[Hygiene]]. Innerhalb der biomedizinischen Forschung ermöglicht das Verständnis der Immunabwehr von wirbellosen Tieren, diese in Teilbereichen als [[Modellorganismus|Modellorganismen]] zu nutzen. Einzelne biochemische Komponenten des Immunsystems von Invertebraten lassen sich möglicherweise auch zu therapeutischen und diagnostischen Zwecken einsetzen. == Pathophysiologische Aspekte == Das Immunsystem ist an einer Vielzahl von Krankheiten und anderen klinisch bedeutsamen Vorgängen direkt oder indirekt beteiligt. Diese lassen sich anhand der zugrundeliegenden Mechanismen unterscheiden. === Abwehr von Krankheitserregern === Bei [[Infektion|Infektionen]] mit Bakterien, Viren, [[Protozoen]] oder Pilzen erfolgt im Normalfall eine Abwehr des Eindringens und der Ausbreitung der Krankheitserreger durch das Immunsystem. Unter bestimmten Bedingungen kann die Immunreaktion jedoch versagen oder nur ungenügend sein, so dass sich eine Infektion ausbreitet und vom Immunsystem nicht mehr angemessen kontrolliert wird. Dies kann dazu führen, dass eine Infektion [[Krankheitsverlauf|chronisch]] wird, die Krankheitserreger also ständig im Körper verbleiben und dauerhaft oder schubweise entsprechende Symptome verursachen. Eine schwere [[Allgemeininfektion|generalisierte Infektion]], also die Ausbreitung von einem lokalen Infektionsort über die Blutbahn im gesamten Körper, wird als [[Sepsis]] bezeichnet. Aufgrund massiver Reaktionen des Körpers verläuft diese oft tödlich. === Fehlgeleitete oder überschießende Immunantwort === Den so genannten [[Autoimmunerkrankung|Autoimmunerkrankungen]] liegt eine fehlgeleitete Reaktion des Immunsystems gegen körpereigene Strukturen zugrunde. Diese Reaktionen können entweder zur irreversiblen Zerstörung von körpereigenem Gewebe führen oder körpereigene Moleküle wie zum Beispiel [[Rezeptor|Rezeptoren]] und [[Hormon|Hormone]] in ihrer Funktion beeinträchtigen. Zu den Autoimmunerkrankungen zählen beispielsweise der [[Diabetes mellitus|Diabetes mellitus Typ&nbsp;1]], die [[Hashimoto-Thyreoiditis]], die [[Myasthenia gravis]], der [[Morbus Basedow]] sowie die meisten entzündlich-rheumatischen Krankheiten, unter anderem die [[Rheumatoide Arthritis]]. Bei [[Allergie]]n, auch als Überempfindlichkeitsreaktion bezeichnet, kommt es zu einer überschießenden Reaktion des Immunsystems auf bestimmte körperfremde Strukturen. Voraussetzung für die Entstehung einer Allergie ist ein harmlos verlaufender Erstkontakt mit dem als [[Allergen]] bezeichneten Fremdstoff. Durch diesen Erstkontakt kommt es zur so genannten Sensibilisierung, das heißt der Ausprägung einer spezifischen Immunantwort. Jeder erneute Kontakt mit dem Allergen kann dann zu einer übermäßig starken Reaktion des Immunsystems führen. Allergien sind besonders häufig gegen [[Pollen|pflanzliche Pollen]], [[Tierhaarallergie|Tierhaare]], [[Nahrungsmittelallergie|Lebensmittelbestandteile]] und [[Medikament]]e. Eine Mischform aus Allergie und Autoimmunerkrankung ist die [[Zöliakie]], bei der es zu einer Kreuzreaktion auf das in den meisten Getreidesorten enthaltene Kleber-Eiweiß [[Gluten]] und bestimmte Strukturen im Dünndarmgewebe kommt. === Unzureichende Immunantwort und Immuninsuffizienz === [[Bild:Hiv_budding.jpg|thumb|HIV beim Austritt eines Virions aus einer Zelle]] Zu den Erkrankungen, die durch eine ungenügende Immunabwehr ([[Immundefekt|Immuninsuffizienz]]) gekennzeichnet sind, zählen beispielsweise das erworbene Immunschwäche-Syndrom [[AIDS]] (''Acquired Immunodeficiency Syndrome''), das durch eine Infektion mit dem [[HIV|HI-Virus]] ausgelöst wird. Schwere angeborene Immunschwächeerkrankungen, bei denen gleichzeitig („kombiniert“) der humorale und der zelluläre Teil des adaptiven Immunsystems betroffen sind, werden unter der Bezeichnung [[SCID]] (''severe combined immunodeficiency'') zusammengefasst. Patienten mit einer angeborenen oder erworbenen Immunschwäche besitzen eine hohe Anfälligkeit für Infektionserkrankungen, die mit fortschreitender Immunschwäche in der Regel auch zum Tod führen. Auch bei [[Krebs (Medizin)|Krebserkrankungen]] spielt das Immunsystem eine wichtige Rolle. Patienten mit einer Immunschwäche, zum Beispiel durch eine immunsuppressive Behandlung nach einer [[Transplantation|Organtransplantation]] oder durch eine HIV-Infektion, zeigen eine deutlich erhöhte Häufigkeit bestimmter Krebserkrankungen. Das Immunsystem ist dabei für die Kontrolle entarteter Zellen verantwortlich, so dass diese inaktiviert werden, bevor ein manifester Tumor entstehen kann. Das Teilgebiet der Immunologie, das sich mit den immunologischen Vorgängen bei der Entstehung, dem Verlauf und der Bekämpfung von Tumoren befasst, ist die [[Tumorimmunologie]]. Die [[Krebsimmuntherapie]] umfasst eine Reihe immunologischer Therapieansätze. === Immunantwort gegen Transplantate und Implantate === Von entscheidender Relevanz sind immunologische Prozesse bei der [[Transplantation]] von [[Organspende|Spenderorganen]]. Da transplantierte Organe vom Immunsystem als körperfremd erkannt werden, kommt es zu einer entsprechenden Immunantwort. Unbehandelt führt diese zur [[Abstoßungsreaktion|Abstoßung]] und damit dem Funktionsverlust des betreffenden Organs. Umgekehrt können aber auch in einem Transplantat enthaltene Immunzellen eine Immunreaktion gegen den Empfängerorganismus verursachen, man spricht dann von der [[Graft-versus-Host-Reaktion]]. In der Folge ist zum Erhalt des Organs eine lebenslange Behandlung der betroffenen Patienten mit so genannten [[Immunsuppressivum|Immunsuppressiva]] notwendig, also Medikamenten, welche die kurz- und langfristig vorhandenen Immunreaktionen unterdrücken. Ähnlich wie bei der Transplantation von fremden Organen oder Geweben ist das Immunsystem auch an der Reaktion des Körpers gegen [[Implantat]]e entscheidend beteiligt. Implantate bestehen beispielsweise aus [[Metalle]]n oder [[Kunststoff]]en und werden für vielfältige Aufgaben eingesetzt, unter anderem zum vorübergehenden oder dauerhaften Ersatz von [[Knochen]] oder [[Blutgefäß]]en, als [[Plastische Chirurgie|plastische Implantate]] zur Ausformung bestimmter Körperstrukturen und zum [[Zahnersatz]], sowie zum Ersatz oder zur Unterstützung von körpereigenen Organen bei ihrer Funktion, wie zum Beispiel [[Cochleaimplantat]]e oder [[Herzschrittmacher]]. Da Implantate aus körperfremden Material bestehen, sind sie vielfältigen Prozessen der Immunabwehr ausgesetzt, insbesondere einer chronisch vorhandenen [[Entzündung]]sreaktion. Die immunologische Verträglichkeit dieser Materialien ist damit ein wichtiger Aspekt ihrer [[Biokompatibilität]] und trägt entscheidend zur dauerhaften Funktion des Implantats bei. == Therapeutische Anwendungen == === Immunmodulation === Eine Reihe von therapeutischen Anwendungen, die auf Erkenntnissen und Prinzipien der Immunologie beruhen, lassen sich unter dem Begriff [[Immunmodulation]] zusammenfassen. Dies betrifft alle Therapieansätze, die auf einer gezielten Beeinflussung von bestimmten Prozessen oder Komponenten des Immunsystems beruhen. [[Bild:Vaccination_US_Navy.jpg|thumb|Eine Schutzimpfung]] Weit verbreitet sind beispielsweise [[Impfung]]en, bei denen durch die Gabe von [[Antigen]]en das Immunsystem zur Ausbildung einer Immunantwort gegen diese Antigene angeregt wird. Impfungen spielen eine entscheidende Rolle bei der Prävention von [[Infektionskrankheit]]en. Darüber hinaus gibt es erste Erfolge hinsichtlich einer Impfung gegen krebsassoziierte Viren wie beispielsweise das [[Humanes Papillomvirus|humane Papillomvirus]]. Auf dem gleichen Prinzip wie Impfungen beruht die Sensibilisierung des Immunsystems auf tumorspezifische Strukturen bei Krebspatienten. Ein weiterer Ansatz aus dem Bereich der Immunmodulation wird mit den Begriffen [[Hyposensibilisierung]] beziehungsweise „Spezifische Immuntherapie (SIT)“ bezeichnet. Ziel dabei ist, eine so genannte Immuntoleranz des Körpers gegen bestimmte Antigene zu erreichen. Das bedeutet, dass vorhandene Abwehrreaktionen des Körpers gegen diese Antigene verringert werden. Erreicht werden soll dies durch die wiederholte Gabe der entsprechenden Antigene mit schrittweiser Steigerung der Dosis. Von therapeutischer Relevanz ist die Hyposensibilisierung bei allergischen Erkrankungen. Darüber hinaus gibt es Studien zur Anwendung bei Autoimmunkrankheiten. Unter dem Begriff [[Immunsuppression]] werden Therapien zusammengefasst, deren Ziel die Unterdrückung von unerwünschten immunologischen Prozessen ist. Möglich ist dies durch Medikamente, die in verschiedene Prozesse der Immunabwehr eingreifen. Angewandt werden diese Medikamente vor allem zur Verhinderung der Abstoßung von transplantierten Organen. Darüber werden immunsuppressive Therapien auch bei Autoimmunerkrankungen getestet. Eine [[Immunstimulation]], also die Anregung des Immunsystems und die Verstärkung der Immunantwort, ist ebenfalls möglich. Dazu können beispielsweise bestimmte körpereigene Proteine therapeutisch eingesetzt werden, die eine Rolle bei der Regulation des Immunsystems spielen. Am häufigsten werden hierzu bestimmte [[Zytokin]]e verwendet. Von Relevanz sind entsprechende Therapien insbesondere bei Virusinfektionen. === Therapeutische Antikörper === Eine weitere wichtige Anwendung immunologischer Prinzipien zur Behandlung von Krankheiten sind [[Monoklonaler Antikörper|therapeutische Antikörper]]. Dabei handelt es sich um Antikörper, also Globulin-Proteine des Immunsystems, die biotechnologisch hergestellt werden und gezielt gegen bestimmte Strukturen im Körper gerichtet sind. Diese Strukturen, für die vorher eine Relevanz bei bestimmten Erkrankungen nachgewiesen wurde, werden durch die therapeutischen Antikörper in ihrer Wirkung blockiert oder neutralisiert. Oft handelt es sich bei diesen Zielstrukturen um Proteine auf der Oberfläche von Zellen, wie zum Beispiel Transportproteine, Signalproteine oder Rezeptoren, aber auch um lösliche Proteine im Serum wie Zytokine oder Hormone. Therapeutische Antikörper sind mittlerweile unter anderem zugelassen zur Behandlung von verschiedenen Krebserkrankungen, von Autoimmunerkrankungen, von Allergien sowie zur Verhinderung der Abstoßung von Transplantaten. === Antiseren === Antikörper werden darüber hinaus auch als [[Antiserum]] gegen bestimmte [[Gift]]stoffe eingesetzt. Zur Gewinnung dieser Antiseren werden Tieren wie beispielsweise Pferden kleine Mengen der entsprechenden Gifte injiziert. Diese Tiere entwickeln daraufhin spezifische Antikörper in ihrem Blut, welche die Giftstoffe in ihrer Wirkung neutralisieren. Nach der Gewinnung und Reinigung der entsprechenden Antikörper aus dem Blut dieser Tiere können diese zur akuten Behandlung von [[Vergiftung]]en, beispielsweise nach [[Schlangenbiss]]en, eingesetzt werden. Entsprechend gewonnene Antiseren werden darüber hinaus auch zur sogenannten passiven Immunisierung gegen bestimmte Infektionskrankheiten verwendet, wenn für eine aktive Immunisierung durch eine reguläre Impfung nicht ausreichend Zeit zur Verfügung steht oder kein Impfstoff für eine aktive Immunisierung verfügbar ist. Tierische Antiseren rufen jedoch bei wiederholter Anwendung selbst eine Immunreaktion hervor. Aus diesem Grund wird in der Regel eine aktive Immunisierung bevorzugt, wenn diese möglich ist. Als Notfallmaßnahme erfolgt eine passive Immunisierung bei Verdacht auf eine [[Tollwut]]infektion. == Immunologische Diagnostik == [[Datei:Microtiter plate.JPG|miniatur|right|[[Mikrotiterplatte]] zur Durchführung eines [[Enzyme-linked Immunosorbent Assay|ELISA]]]] Immunologische Labormethoden spielen eine große Rolle bei der Diagnostik von Erkrankungen und in der biomedizinischen [[Grundlagenforschung]]. Als [[Immunassay]]s werden alle Verfahren bezeichnet, die zum qualitativen oder quantitativen Nachweis von bestimmten Strukturen in Flüssigkeiten die spezifische Erkennung von Antigenen durch Antikörper nutzen. Immunassays werden zur Identifikation von Krankheitserregern ebenso genutzt wie zur Untersuchung von [[Körperflüssigkeit]]en auf das Vorhandensein von bestimmten körpereigenen Proteinen, die bei Krankheiten als spezifische [[Biomarker]] gelten. Für eine Reihe von Erkrankungen, insbesondere Allergien, Autoimmunerkrankungen und Infektionen, ist als Teil der Diagnose und zur Verlaufskontrolle der Nachweis von spezifischen Antikörpern möglich. Immunassays werden aber beispielsweise auch als [[Schwangerschaftstest]]s verwendet. Weitere Anwendungen in der Medizin sind die Identifizierung von [[Gift]]stoffen und [[Droge|Rauschdrogen]], die Überwachung von [[Arzneistoff]]en im Körper ([[Drug monitoring]]), oder der Nachweis bestimmter [[Doping]]substanzen in der [[Sportmedizin]]. Außerhalb der medizinischen Diagnostik werden Immunassays beispielsweise in der Umwelt-, Lebensmittel- und Agraranalytik eingesetzt, unter anderem zum Nachweis von Umweltgiften, von Allergenen in Lebensmitteln oder von [[Gentechnisch veränderter Organismus|genetisch veränderten Organismen]]. Bei Organtransplantationen, bei der Übertragung von [[Knochenmark]] und bei [[Blutspende]]n wird durch die molekulargenetische Charakterisierung bestimmter [[Haupthistokompatibilitätskomplex|Histokompatibilitätsmarker]] eine möglichst große Übereinstimmung zwischen Spender und Empfänger sichergestellt. Die [[Antikörperfärbung|Immunhistochemie]] nutzt Antikörper zum Anfärben spezifischer Strukturen in [[Mikroskopie|mikroskopischen]] Präparaten und ist damit eine wichtige Anwendung immunologischer Prinzipien in der [[Pathologie|pathologischen Diagnostik]]. Bei der [[Durchflusscytometrie]] und der [[Magnetic Cell Separation]] (MACS) werden Antikörper verwendet, um auf Zellen bestimmte Oberflächenstrukturen nachzuweisen und dadurch Zellgemische aufzutrennen oder hinsichtlich ihrer Zusammensetzung zu analysieren. Für die klinische Diagnostik ist dies beispielsweise in der [[Hämatologie]] für die Untersuchung der [[Blutbild|Zellverteilung im Blut]] von Bedeutung. == Literatur == *Christine Schütt, Barbara Bröker: ''Grundwissen Immunologie.'' Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg 2006, ISBN 3-8274-1487-3 *[[Charles Janeway]], Paul Travers, Mark Walport, Mark Shlomchik: ''Immunologie.'' 5. Auflage, Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg 2002, ISBN 3-82-741079-7; [http://www.ncbi.nlm.nih.gov/books/bv.fcgi?call=bv.View..ShowTOC&rid=imm.TOC&depth=2 Onlinversion], 5th edition, 2001, (english) * Werner Luttmann, Kai Bratke, Michael Küpper, Daniel Myrtek: ''[[Der Experimentator|Der Experimentator: Immunologie]].'' 2. Auflage. Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg 2006, ISBN 3-82-741730-9 *Arnold Hilgers, Inge Hoffmann: ''Gesund oder krank. Das Immunsystem entscheidet.'' Springer, Berlin 1995, ISBN 3-54-059226-1 * Ivan M. Roitt, Jonathan Brostoff, David K. Male: ''Kurzes Lehrbuch der Immunologie.'' 3. Auflage. Thieme, Stuttgart 1995, ISBN 3-13-702103-0 * Abul K. Abbas, Andrew H. Lichtman: ''Cellular and Molecular Immunology.'' Saunders (W.B.) Company, Philadelphia 2005, ISBN 1-41-602389-5 * David E. Normansell: ''The Principles and Practice of Diagnostic Immunology.'' Wiley-VCH, Weinheim 1994, ISBN 1-56-081534-5 * Jules A. Hoffmann, Charles A. Janeway Jr., Shunji Natori: ''Phylogenetic Perspectives in Immunity, The Insect Host Defense.'' RG Landes Company, Austin TX 1994, ISBN 1-57-059043-5 * Valerie J. Smith: ''Invertebrate Immunology: Phylogenetic, Ecotoxicological and Biomedical Implications.'' In: ''Comparative Haematology International.'' 1/1991. Springer London, S. 61–76, {{ISSN|0938-7714}} == Weblinks == {{Wikibooks|Medizinische Mikrobiologie: Immunologie}} * [http://www.immunologie.de/ Deutsche Gesellschaft für Immunologie (DGfI)] * [http://pathmicro.med.sc.edu/book/welcome.htm Microbiology and Immunology On-line] (englisch) * [http://www.ncbi.nlm.nih.gov/books/bv.fcgi?call=bv.View..ShowTOC&rid=imm.TOC&depth=2 NCBI Bookshelf: Immunobiology – The Immune System in Health and Disease] (englisch) {{exzellent}} [[Kategorie:Immunologie| ]] {{Link FA|ca}} [[af:Immunologie]] [[ar:علم المناعة]] [[bg:Имунология]] [[bs:Imunologija]] [[ca:Immunologia]] [[cs:Imunologie]] [[da:Immunologi]] [[en:Immunology]] [[eo:Imunologio]] [[es:Inmunología]] [[et:Immunoloogia]] [[eu:Immunologia]] [[fa:ایمنی‌شناسی]] [[fi:Immunologia]] [[fr:Immunologie]] [[fur:Imunologjie]] [[gl:Inmunoloxía]] [[he:אימונולוגיה]] [[hr:Imunologija]] [[hu:Immunológia]] [[id:Imunologi]] [[it:Immunologia]] [[ja:免疫学]] [[ko:면역학]] [[lb:Immunologie]] [[lt:Imunologija]] [[ms:Immunologi]] [[nl:Immunologie]] [[no:Immunologi]] [[pl:Immunologia]] [[pt:Imunologia]] [[ro:Imunologie]] [[ru:Иммунология]] [[sh:Imunologija]] [[si:ප්‍රතිශක්තිවේදය]] [[simple:Immunology]] [[sk:Imunológia]] [[sl:Imunologija]] [[sq:Imunologjia]] [[sr:Имунологија]] [[sv:Immunologi]] [[th:วิทยาภูมิคุ้มกัน]] [[tr:İmmünoloji]] [[uk:Імунологія]] [[ur:مناعیات]] [[vi:Miễn dịch học]] [[zh:免疫学]] s1civpcwhe8x4b5ucaiqcglhn3aowj7 wikitext text/x-wiki Linde in Schenklengsfeld 0 23541 26137 2010-02-03T08:37:52Z Metilsteiner 0 /* Geschichte */ Quelle erg. Die '''Linde in Schenklengsfeld''' (auch ''Schenklengsfelder Dorflinde'' oder ''Riesenlinde'' genannt) ist der vielleicht älteste Baum in [[Deutschland]]. Die [[Sommerlinde]] (''Tilia platyphyllos'') steht in [[Schenklengsfeld]], etwa zehn Kilometer südöstlich von [[Bad Hersfeld]] im [[Hessen|osthessischen]] [[Landkreis Hersfeld-Rotenburg]]. Unter der Linde wurde mehrere Jahrhunderte lang [[Gericht]] gehalten. Bei ihr war auch ein [[Pranger]] für den [[Strafvollzug]] aufgebaut. <ref>Hessisches Staatsarchiv, Marburg – Akten aus dem 17. Jahrhundert.</ref> {{Coordinate |article=/|map=right|NS=50/49/9/N |EW=9/50/41/E |type=landmark |region=DE-HE}} == Standort == [[Datei:StGeorgBrunnen.jpg|thumb|''Sankt-Georg-Brunnen'']] Die Linde steht auf etwa 318 Meter Höhe über [[Normalnull|NN]] auf dem Marktplatz von Schenklengsfeld, das auf einer fruchtbaren [[Hochebene]] zwischen dem [[Seulingswald]] im Norden und dem [[Hessisches Kegelspiel|Hessischen Kegelspiel]] im Süden liegt. Der Marktplatz ist leicht nach Süden geneigt und etwa 30 mal 60 Meter groß. Er ist heute komplett gepflastert. Die Linde selbst ist von einer etwa 50 Zentimeter hohen Steinmauer umgeben. Ein Balkengerüst trägt seit mindestens 1900 die Äste der Linde. Zum Innenraum hin hat die Mauer mehrere Durchgänge. Dahinter befindet sich der ''Sankt-Georg-Brunnen''. == Beschreibung == [[Datei:Schenklengsfelder Linde, 1.jpg|thumb|Linde mit Gerüst]] [[Datei:Schenklengsfelder, 4 Linde.jpg|thumb|Abgestützte Stammteile]] Die Linde besteht aus vier einzelnen Teilen, die jeweils für sich als Bäume erscheinen. Innerhalb der vier Teile, die einem gemeinsamen [[Wurzel (Pflanze)|Wurzelstock]] entstammen, befindet sich eine größere, durch Steine erhöhte und mit einem Lattenzaun umgrenzte Freifläche von etwa sechs Quadratmetern. Da auch vier einzelne Bäume dazu neigen, zu einem gemeinsamen Wurzelstock zusammenzuwachsen, wenn sie nur nahe genug beieinander stehen, ist noch unbewiesen, ob sich die Linde ursprünglich aus einem Stamm entwickelt hat, der später geborsten ist. Auch heute noch zeigen die Stammteile Wachstum, so dass sich die Distanz zwischen den Teilen jährlich ein Stück vergrößert. Der Wahrheitsgehalt der Legende, die Linde sei vor langer Zeit durch einen Blitzeinschlag geteilt worden, ist allerdings zweifelhaft.<ref name="Alte liebenswerte Bäume in Deutschland.">[[Hans Joachim Fröhlich]]: ''Alte liebenswerte Bäume in Deutschland.'' S. 157. Siehe auch: Literatur.</ref> Zu einem Zeitpunkt, als der Stamm noch aus einem Stück bestand, sollen auf den Hauptästen Balken und Dielen gelegen haben, die als Tanzpodium dienten. Die Krone der Linde wird durch waagerecht verlaufende Hauptäste gebildet. Diese werden von einem etwa 65 Meter langen Gerüst gestützt, das auf insgesamt mehr als 80 Balken ruht.<ref name="Gerichtslinden, S. 74.">Anette Lenzing: ''Gerichtslinden und Thingplätze in Deutschland.'' S. 74.</ref> Ein paar [[Ast|Äste]] wachsen im Zentrum der [[Baumkrone|Krone]] normal in die Höhe. Die ungewöhnliche Wuchsform der waagerechten Hauptäste wurde dadurch erzielt, dass die Krone in die Breite geleitet und damit das Höhenwachstum gemindert wurde. Bei einer Höhe von etwa zehn Metern weist die Krone einen Durchmesser von fast 25 Metern auf.<ref name="Gerichtslinden, S. 74.">Anette Lenzing: ''Gerichtslinden und Thingplätze in Deutschland.'' S. 74.</ref> Ob die Leitung der Äste zur Gewinnung von [[Bast (Baum)|Bast]] diente, wie das bei anderen [[Tanzlinde]]n beurkundet ist, ist nicht bekannt. Bei diesem Verfahren wurden die jungen, senkrechten [[Spross|Triebe]] der geleiteten Linde zur Gewinnung von Bast für [[Pflanzenveredelung|Veredelungen]] in der Apfelzucht abgeschnitten. Damit die [[Zweig (Botanik)|Zweige]] stets in ausreichender Menge geerntet werden konnten, wurden sie nach unten gebogen und in dieser Position fixiert. Dadurch bildeten sich die charakteristischen querstrebenden Äste. === Stammumfang === Die Messung des Stammumfanges gestaltet sich schwierig, da der Stamm aus vier einzelnen, voneinander getrennten Teilen besteht. Man misst um die vier Stammteile herum, die jeweils etwa drei Meter Umfang haben. Dabei wird der fehlende Zwischenraum nicht berücksichtigt. In einem Meter Höhe beträgt der Stammumfang, gemessen auf diese Weise, 17,91 Meter.<ref name="Deutschlands alte Bäume, S. 14.">Stefan Kühn, Bernd Ullrich, Uwe Kühn: ''Deutschlands alte Bäume.'' S. 14.</ref> An der Stelle seines geringsten Durchmessers hat der Stamm einen Umfang von 17,80 Metern.<ref name="Deutschlands alte Bäume, S. 190.">Stefan Kühn, Bernd Ullrich, Uwe Kühn: ''Deutschlands alte Bäume.'' S. 190.</ref> Die Linde weist damit den größten Umfang eines Baumes in Deutschland auf. Eine Messung von Hartwig Goerss im Jahre 1978 ergab in 0,5 Meter Höhe einen Umfang von 17,40 Metern.<ref>[http://www.altebaeume.de/Schlgsf.html ''Die 1000-jährige Tanzlinde in Schenklengsfeld'' bei altebaeume.de]</ref> === Alter === [[Datei:Schenklengsfelder Linde, 5.jpg|thumb|Abgestützter Stamm]] Über das Alter der Linde gibt es verschiedene Angaben. Auf einem Stein, der sich im Zentrum der vier Stammteile befindet, steht ''Gepflanzt im Jahre 760''. Dieses Datum ist identisch mit dem des Kapellenbaus. Danach wäre die Linde heute annähernd 1250&nbsp;Jahre alt. Von wem und wann der Stein angebracht wurde, ist nicht überliefert. In der [[ARD]]-Sendung ''Deutschlands älteste Bäume'' am 23.&nbsp;April 2007 wurde die Linde von ''Stefan Kühn'' vom ''Deutschen Baumarchiv'' mit wahrscheinlich 1000&nbsp;Jahren oder mehr als ältester Baum in Deutschland vorgestellt.<ref>[http://www.daserste.de/erlebniserde/beitrag_dyn~uid,3qdapyunixpr74pb~cm.asp DasErste.de ''Deutschlands älteste Bäume'']</ref> [[Hans Joachim Fröhlich]] gab 1990 ebenfalls ein Alter von über 1000 und ''Anette Lenzing'' 2005 von 1200 bis 1300&nbsp;Jahren an.<ref name="Gerichtslinden, S. 74.">Anette Lenzing: ''Gerichtslinden und Thingplätze in Deutschland.'' S. 74. </ref> In der neuesten Literatur, ''Deutschlands alte Bäume'', wird das Alter der Linde mit 600 bis 1000&nbsp;Jahren angegeben.<ref name="Deutschlands alte Bäume, S. 14.">Stefan Kühn, Bernd Ullrich, Uwe Kühn: ''Deutschlands alte Bäume.'' S. 14.</ref> Die Minimaleinschätzung von 600&nbsp;Jahren stammt dabei von Bernd Ullrich, die 1000&nbsp;Jahre aus Unterlagen des Deutschen Baumarchivs. == Geschichte == [[Datei:Schenklengsfelder Linde, 2.jpg|thumb|Freifläche mit Stein zwischen den vier Stammteilen]] Die Linde soll nach den Angaben von T. Rosskopf aus dem Jahre 1964 in ''Das Landecker Amt im Kreise Hersfeld''<ref name="Alte liebenswerte Bäume in Deutschland.">Hans Joachim Fröhlich: ''Alte liebenswerte Bäume in Deutschland.'' S. 157.</ref> im Jahre 760 beim Bau einer Kapelle zu Ehren des [[Ritter]]s [[Georg (Heiliger)|Sankt Georg]] gepflanzt worden sein, wovon ein Stein im Zentrum der vier Stammteile zeugt.<ref name="Gerichtslinden, S. 74.">Anette Lenzing: ''Gerichtslinden und Thingplätze in Deutschland.'' S. 74.</ref> Zu diesem Zeitpunkt hieß der Ort noch ''Lengisfeld''. Die Pflanzung der Linde ist jedoch nicht beurkundet. Die Linde diente von 1557 bis 1796 ständig und danach bis weit in das 19. Jahrhundert zeitweise als [[Gerichtslinde]]<ref name="Gerichtslinden, S. 74.">Anette Lenzing: ''Gerichtslinden und Thingplätze in Deutschland.'' S. 74.</ref> sowie lange Zeit als Treffpunkt für [[Tanz]] und [[Jahrmarkt]].<ref name="Alte liebenswerte Bäume in Deutschland.">Hans Joachim Fröhlich: ''Alte liebenswerte Bäume in Deutschland.'' S. 157. Siehe auch: Literatur.</ref> Die Linde ist aufgrund ihrer Besonderheit schon lange als [[Naturdenkmal]] ausgewiesen. Basierend auf dem ''Feld- und Forstpolizeigesetz'' von 1880 wurde sie bereits 1926 und 1930 in Anordnungen der ''Kreis- und Ortspolizeibehörde'' zum Schutz der Naturdenkmale und 1936 nach dem Reichsnaturschutzgesetz geschützt.<ref name="Gerichtslinden, S. 75.">Anette Lenzing: ''Gerichtslinden und Thingplätze in Deutschland.'' S. 75.</ref> Im Jahr 1976 wurde die Linde vom Baumchirurgen [[Michael Maurer]] für 11.000 [[Deutsche Mark|DM]] saniert.<ref name="Gerichtslinden, S. 75.">Anette Lenzing: ''Gerichtslinden und Thingplätze in Deutschland.'' S. 75.</ref> Eine weitere Sanierung erfolgte erst kürzlich - und zwar am 16. November 2009 im Auftrag des BUND durch die Firma Gebrüder Wäldchen aus Ulrichstein. <ref>{{Internetquelle |url=http://www.pressemeldung-hessen.de/hersfeld-rotenburg-beruehmte-tanzlinde-in-schenklengsfeld-muss-baumpflegerisch-behandelt-werden-9175/ |titel=Berühmte “Tanzlinde” in Schenklengsfeld muss baumpflegerisch behandelt werden |werk=Pressemeldung-Hessen.de Onlinemagazin |zugriff=3. Februar 2010}}</ref> <ref>Hierzu auch ein Bericht in der Hessenschau</ref> === Tanzlinde === [[Datei:Schenklengsfelder Linde, 3.jpg|thumb|Balkengerüst mit Steinmauer]] Der Baumchirurg Michael Maurer beschreibt das frühere Aussehen und die Nutzung der Linde in seinem Gutachten vom 30.&nbsp;September 1968 folgendermaßen: {{Zitat|Und es ist nicht allein die Schenklengsfelder Linde, deren unteren Astkranz man soweit auszog. Ursprünglich zog man diese Linde hoch in drei Stufen, ja sogar 3 Stufen des Bodens. Dies hängt mit der Einteilung im germanischen Glauben zusammen: Unter dem Baum die Riesen (Teufel), im Baume die Menschen und oben in der dritten Stufe (Himmel) die Asen. Dazu glaubte man, daß <!--ACHTUNG: Zitat! ß in ss nur ändern, wenn schon damals falsch. -->der Brauttanz unbedingt im Hause der Freija, der guten Fee, getanzt werden müßte<!--ACHTUNG: Zitat! ß in ss nur ändern, wenn schon damals falsch. -->, um Glück zu bringen. Sicherlich war diese Linde auch einmal dreistufig. Genau wie an der berühmten [[Tanzlinde (Effeltrich)|Effeltricher Linde]]&nbsp;[…] verkümmerte der Mittelstamm durch die zu starke Förderung der untersten Stufe, verhungerte er, starb von oben herab ab. Sicherlich tanzte man vor 200 Jahren noch oben, später unten.|Michael Maurer|Gutachten über die Linde<ref name="Maurer">Maurer Baumpflege aus Archiv der Kreisstelle für Naturschutz und Landschaftspflege in Bad Hersfeld</ref>}} === Gerichtslinde === In Schenklengsfeld übten Beamte von 1557 bis 1796 ständig und anschließend bis weit in das 19. Jahrhundert hinein zeitweise das Richteramt aus.<ref name="Gerichtslinden, S. 74.">Anette Lenzing: ''Gerichtslinden und Thingplätze in Deutschland.'' S. 74.</ref> Das in der Nähe der Linde gelegene ehemalige Amtshaus in der Landeckerstraße 8 war der Sitz des [[Landgrafschaft Hessen|landgräflich-hessischen]] [[Amtmann]]es, des obersten Richters des [[Landecker Amt]]es. Unter der [[Gerichtslinde]] wurden die von [[Karl der Große|Karl dem Großen]] eingeführten Ratsversammlungen als [[Thing]] oder [[Rügegericht]] abgehalten.<ref name="Alte liebenswerte Bäume in Deutschland.">Hans Joachim Fröhlich: ''Alte liebenswerte Bäume in Deutschland.'' S. 157.</ref> Die verurteilten [[Frevel|Feldfrevler]] wurden unter der Linde an einem Pfahl eine oder mehrere Stunden, teilweise auch einen oder mehrere Tage, angekettet.<ref name="Gerichtslinden, S. 74.">Anette Lenzing: ''Gerichtslinden und Thingplätze in Deutschland.'' S. 74.</ref> Dies wird belegt durch den Fund eines Schließeisens, mit dem Verurteilte am Pranger befestigt wurden. Hartwig Goerss schrieb 1981 darüber: {{Zitat|In früheren Zeiten fanden unter der Linde die Rügegerichte […] statt. […] wurden von der Gemeindevertretung abgehalten und hatten den Zweck, die Feldfrevler zu verurteilen. Diese Missetäter […] wurden an einen unter der Linde angebrachten Pfahl (Löngestock), an welchem sich ein Schließeisen befand, eine oder mehrere Stunden, oft auch einen ganzen Tag, angeschlossen.|Hartwig Goerss<ref name="Goerss">Hartwig Goerss: ''Unsere Baumveteranen.'' S. 79.</ref>}} === Heutige Bedeutung === Das Tanztreffen hat sich bis in die heutige Zeit erhalten und wird alle zwei Jahre im Juni als ''Lindenblütenfest'' gefeiert. Dabei zeigen [[Tracht (Kleidung)|Trachtengruppen]], Gesangvereine und historische [[Festzug|Festzüge]] Szenen aus der Geschichte. Als Höhepunkt findet zum Abschluss des Festes eine Illuminierung der Linde durch ein [[Feuerwerk]] statt. Die Linde ist eine der [[Sehenswürdigkeit]]en der Gemeinde.<ref>[http://www.gemeinde-schenklengsfeld.de/linde.html Linde bei Gemeinde Schenklengsfeld]</ref> == Siehe auch == * [[Markante und alte Baumexemplare]] == Literatur == * {{Literatur | Autor=Bernd Ullrich, Stefan Kühn, Uwe Kühn | Titel=Unsere 500 ältesten Bäume: Exklusiv aus dem Deutschen Baumarchiv | Verlag=BLV Buchverlag GmbH & Co. KG | Ort=München | Jahr=2009 | ISBN=978-3-8354-0376-5 | Seiten=152 }} * Anette Lenzing: ''Gerichtslinden und Thingplätze in Deutschland.'' Verlagsbuchhandlung KG, Königstein im Taunus 2005, ISBN 3-7845-4520-3. * Stefan Kühn, Bernd Ullrich, Uwe Kühn: ''Deutschlands alte Bäume.'' Fünfte, erweiterte Auflage, BLV Buchverlag GmbH & Co. KG, München 2007, ISBN 978-3-8354-0183-9. * [[Hans Joachim Fröhlich]]: ''Wege zu alten Bäumen – Band 1, Hessen.'' Widi-Druck, Offenbach 1990, ISBN 3-926181-06-0. * Hans Joachim Fröhlich: ''Alte liebenswerte Bäume in Deutschland.'' Cornelia Ahlering Verlag, Buchholz 2000, ISBN 3-926600-05-5. * Hartwig Goerss: ''Unsere Baumveteranen.'' Landbuch Verlag, Hannover 1981. * Michael Brunner: ''Bedeutende Linden – 400 Baumriesen Deutschlands.'' Haupt Verlag, Bern, Stuttgart, Wien 2007, ISBN 978-3-258-07248-7. == Einzelnachweise == <references/> == Weblinks == {{commonscat|Linde (Schenklengsfeld)|Linde in Schenklengsfeld}} * [http://www.altebaeume.de/Schlgsf.html ''Die 1000-jährige Tanzlinde in Schenklengsfeld'' bei altebaeume.de] * [http://www.schwazersilberwald.at/zm/zeitmon/z01euro/z01deuts/st_web/st_de0603.htm ''Schenklengsfelder Dorflinde'' – Textauszug aus ''Alte liebenswerte Bäume in Deutschland''] * http://www.schenklengsfeld.info/linde.html {{Exzellent}} [[Kategorie:Einzelbaum in Europa]] [[Kategorie:Einzelbaum in Deutschland]] [[Kategorie:Naturdenkmal in Hessen]] [[Kategorie:Schenklengsfeld]] qaf8s560jck9ivedja2ufhdbcgb2blj wikitext text/x-wiki Osttimor 0 23542 28529 28164 2011-12-10T21:27:01Z 88.64.17.198 /* Sprachen und Volksgruppen */ {{Infobox Staat |NAME = <span style="font-size:1.4em">'''Repúblika Demokrátika Timór Loro Sa'e'''</span> (Tetum)<br /> <span style="font-size:1.4em">'''República Democrática de Timor-Leste'''</span> (port.)<br /> Demokratische Republik Timor-Leste |BILD-FLAGGE = Flag of East Timor.svg |ARTIKEL-FLAGGE = Flagge Osttimors |BILD-WAPPEN = Coat of arms of East Timor.svg |BILD-WAPPEN-BREITE = 100px |ARTIKEL-WAPPEN = Wappen Osttimors |WAHLSPRUCH = ''Unidade, Acção, Progresso''<br />([[Portugiesische Sprache|port.]] für ''„Einheit, Bewegung, Fortschritt“'') |AMTSSPRACHE = [[Tetum]] und [[Portugiesische Sprache|Portugiesisch]]<br />15 weitere [[Sprachen Osttimors|„Nationalsprachen“]] |HAUPTSTADT = [[Dili]] |STAATSFORM = [[Republik]] |STAATSOBERHAUPT = [[Präsident (Osttimor)|Präsident]] [[José Ramos-Horta]] |REGIERUNGSCHEF = [[Premierminister (Osttimor)|Premierminister]] [[Xanana Gusmão]] |FLÄCHE = 15.007 |EINWOHNER = 1.061.000 (Schätzung 2007)<ref name="FWA10">[http://www.weltalmanach.de Fischer Weltalmanach 2010]</ref> |BEV-DICHTE = 60 |BIP = 459 Mio. US$ (172.) |BIP-ERWEITERT = nominal (2007)<ref>[http://www.imf.org/external/pubs/ft/weo/2008/01/weodata/weorept.aspx?sy=2007&ey=2007&ssd=1&sort=country&ds=,&br=0&c=512,446,914,666,612,668,614,672,311,946,213,137,911,962,193,674,122,676,912,548,313,556,419,678,513,181,316,682,913,684,124,273,339,921,638,948,514,943,218,686,963,688,616,518,223,728,516,558,918,138,748,196,618,278,522,692,622,694,156,142,624,449,626,564,628,283,228,853,924,288,233,293,632,566,636,964,634,182,238,453,662,968,960,922,423,714,935,862,128,716,611,456,321,722,243,942,248,718,469,724,253,576,642,936,643,961,939,813,644,199,819,184,172,524,132,361,646,362,648,364,915,732,134,366,652,734,174,144,328,146,258,463,656,528,654,923,336,738,263,578,268,537,532,742,944,866,176,369,534,744,536,186,429,925,178,746,436,926,136,466,343,112,158,111,439,298,916,927,664,846,826,299,542,582,443,474,917,754,544,698,941&s=NGDPD,NGDPDPC&grp=0&a=&pr1.x=29&pr1.y=7 International Monetary Fund, World Economic Outlook Database, April 2008]</ref> |BIP/EINWOHNER = 440 US$ (159.) |HDI = 0,489 (162.) |WÄHRUNG = [[US-Dollar]] <small>''(+ [[Münzen Osttimors|eigene Münzen]])''</small> |UNABHÄNGIGKEIT = am 28. November 1975 erklärt <br /> am 20. Mai 2002 anerkannt |NATIONALHYMNE = ''[[Pátria]]'' |NATIONALFEIERTAG = 28. November <br /> <small>(Ausrufung der Unabhängigkeit 1975)</small> |ZEITZONE = [[Koordinierte Weltzeit|UTC]]+9 |KFZ-KENNZEICHEN = TL |INTERNET-TLD =. tl |TELEFON-VORWAHL = +670 |BILD-LAGE = LocationEastTimor.svg |BILD1 = Osttimor.png }} Die '''Demokratische Republik Timor-Leste''', im Deutschen auch als '''Osttimor''' bezeichnet, ist ein [[Inselstaat]] in [[Südostasien]]. Es war der erste Staat, der im 21. Jahrhundert unabhängig wurde. Die einzige Landgrenze trennt Osttimor vom [[Indonesien|indonesischen]] [[Westtimor|Westteil]] der Insel [[Timor]], der zu der Provinz [[Nusa Tenggara Timur]] gehört, ebenso wie die nordwestlich gelegene Insel [[Alor]]. Nördlich liegt die Insel [[Wetar]] und nordöstlich weitere Inseln der indonesischen Provinz [[Maluku]]. [[Australien]] liegt südlich, jenseits der [[Timorsee]]. == Landesname und andere geographische Bezeichnungen == Der international offizielle, [[Portugiesische Sprache|portugiesische]] Landesname ''Timor-Leste'' bedeutet wörtlich ‚Timor-Ost‘. In der Amtssprache [[Tetum]] heißt das Land ''Timór Loro Sa’e'', was übersetzt ebenfalls ‚Osttimor‘ bedeutet (wörtlich ‚Timor der aufgehenden Sonne‘, wobei die ''aufgehende Sonne'' in dieser Sprache für die [[Himmelsrichtung]] ''Osten'' steht). Berücksichtigt man, dass auch das [[Indonesische Sprache|indonesische]] Wort ''timur'' ‚Osten‘ bedeutet und sich der Name der Insel Timor davon herleitet, ergäbe sich die wörtliche Bedeutung ‚Osten vom Osten‘ beziehungsweise ‚Osten der Ostinsel‘. Auch der während der indonesischen Besatzungszeit verwendete Provinzname ''[[Timor Timur]]'' bedeutet damit ‚Osttimor‘. {|class="wikitable float-right" width="340" |border="1" colspan="2" align=center style="background:#000000; color:white" |'''Übliche geographische Bezeichnungen'''<ref>[http://www.gnu.org/software/tetum/contributors/cliffMorris-xhtml/ch07s18.html Wörterbuch Tetum - Englisch]</ref><ref name="Coimbra">[http://www.uc.pt/timor/geomorf.html Universität Coimbra - The geomorfology of Timor-Leste]</ref> |- style="background:#efefef;" align=right" ! Deutsche Bedeutung ! Lokale Bezeichnungen |- |Berg || Foho<sup>T</sup>, [[Gunung]]<sup>I</sup>, Monte<sup>P</sup> |- |[[Gipfel (Berg)|Spitze]] || Pico<sup>P</sup> |- |Insel || Ilha<sup>P</sup>, Pulau<sup>I</sup> |- |Land || Rain<sup>T</sup> |- |Meer || Tasi<sup>T</sup> |- |Fluss || Mota<sup>T</sup>, Rio (R.)<sup>P</sup>, Sungai<sup>I</sup> |- |Flüsschen || Ribeira (Rib.)<sup>P</sup> |- |Stadt || Kota<sup>I</sup>, Prasa<sup>T/P</sup>, Sidadi<sup>T/P</sup>, Vila<sup>P</sup> |- |'''Herkunft''' || <sup>I</sup>Bahasa Indonesia, <sup>P</sup>Portugiesisch, <sup>T</sup>Tetum |} {|class="wikitable float-right" width="340" |border="1" colspan="2" align=center style="background:#000000; color:white" |'''Häufige Namensteile geographischer Namen''' |- style="background:#efefef;" align=right" ! Namensteil ! Bedeutung |- |Fatu<sup>T</sup> || Berg mit Steilwänden |- |Foun<sup>T</sup> || neu |- |Kraik, Craic<sup>T</sup> || Unter-, Nieder- |- |Leten<sup>T</sup> || Ober- |- |Lulik<sup>T</sup> || heilig |- |} Osttimoresische Stellen legen Wert darauf, dass der Landesname nicht in fremde Sprachen übersetzt wird, hauptsächlich in dem Bestreben, zu vermeiden, dass auf Indonesisch die mit negativen historischen [[Konnotation]]en verbundene Bezeichnung ''Timor Timur'' (kurz: ''TimTim'') verwendet wird. Seit der Unabhängigkeit wird der offizielle Landesname im internationalen Sprachgebrauch (wie er beispielsweise von Organisationen wie [[Vereinte Nationen|UNO]], [[International Labour Organization|ILO]], [[Europäische Union|EU]] gepflegt wird) daher in praktisch allen gängigen Arbeitssprachen unübersetzt in der portugiesischen Form ''Timor-Leste'' übernommen. Ebenso wird es mittlerweile auch im amtlichen Sprachgebrauch der deutschsprachigen Länder (zumindest im zwischenstaatlichen Schriftverkehr) gehandhabt. Die Bezeichnung der Einwohner und das vom Landesnamen abgeleitete Adjektiv werden nicht einheitlich gebraucht. Einwohner werden als ''Timorese/Timoresin'' oder weniger häufig als ''Timorer/Timorerin'' bezeichnet, wobei die weiblichen Formen auch in großen [[Textkorpus|Korpora]] kaum auftauchen.<ref>[http://wortschatz.uni-leipzig.de/ Wortschatz-Portal der Universität Leipzig]</ref> Das Adjektiv ''timoresisch'' ist aber deutlich häufiger als das konkurrierende ''timorisch''. Auch in der Fachliteratur findet man zumeist die vom Portugiesischen abgeleiteten Formen ''Timorese/Timoresin'' und ''timoresisch'', ebenso auf Webseiten von Interessengemeinschaften, die sich im deutschen Sprachraum mit dem Land beschäftigen.<ref>[http://www.osttimor.de Deutsche Osttimorgesellschaft]</ref><ref>[http://www.osttimor.org Osttimorforum e.&nbsp;V.]</ref> Während die deutschen amtlichen Stellen früher (Liste der Staatennamen 2002) ''Osttimorer(in)'' bzw. ''osttimorisch'' empfahlen, veröffentlichen das [[Auswärtiges Amt|Auswärtige Amt]] und der [[Ständiger Ausschuss für geographische Namen|Ständige Ausschuss für geographische Namen]] seit der Umstellung des offiziellen Sprachgebrauchs von ''Osttimor'' auf ''Timor-Leste'' keine Vorgaben mehr dafür.<ref>[http://www.auswaertiges-amt.de/diplo/de/Infoservice/Terminologie/Staatennamen.pdf Liste des Auswärtigen Amtes (''Verzeichnis der Staatennamen für den amtlichen Gebrauch in der Bundesrepublik Deutschland'')]</ref> Das österreichische Bundesministerium für Auswärtige Angelegenheiten empfiehlt ''timorisch'' als Adjektiv.<ref>[http://www.bmaa.gv.at/up-media/staatennamen_de.pdf Bundesministerium für Auswärtige Angelegenheiten Österreich]</ref> [[Datei:TL-PPT.png|miniatur|Die [[Partido do Povo de Timor|PPT]] propagiert noch heute auf ihrer Parteiflagge die Landesbezeichnung ''Timor-Dili]] Bereits zur ersten Ausrufung der Unabhängigkeit 1975 gab es Stimmen, die das Land nach seiner Hauptstadt lieber ''„Timor-Dili“'' benennen wollten. Dieser Vorschlag setzte sich aber nicht durch. Die Namen von lokalen Orten, Bergen und Gewässern leiten sich von den regionalen Sprachen ab. Allerdings sind unterschiedliche Bezeichnungen nicht ungewöhnlich, so wurden traditionell Flüsse nach dem Gebiet, das sie gerade durchflossen bezeichnet, so dass sich der Flussname alle paar Kilometer änderte. Zudem gibt es oft verschiedene Schreibweisen. Meistens leitet sich die am häufigsten genutzte Form vom Portugiesischen ab, doch während der indonesischen Besatzungszeit wurden diese Bezeichnungen oft dem [[Bahasa Indonesia]] angepasst, was auch der Lautschrift im Tetum entspricht. Zum Beispiel wurde ''qu'' gegen ''k'' getauscht, so dass zum Beispiel der Ort [[Viqueque]] zu ''Vikeke'' wurde. Da heute sowohl Portugiesisch als auch Tetum Amtssprachen sind, sind beide Formen im alltäglichen Gebrauch. International wird aber in erster Linie die portugiesische Form verwendet. Englische Bezeichnungen, wie ''Mount'', ''Peak'' oder ''River'' finden auf Karten und in anderen Quellen immer häufiger Verwendung.<ref>[http://www.pcgn.org.uk/East%20Timor%20%201999.pdf The Permanent Committee on Geographical Names: East Timor - Geographical names against a volatile background, 1999]</ref> Die Regierung von Osttimor führte im Ministeriellen Dokument 6/2003 vom 29. Juli 2003 erstmals eine Schreibweise für alle Verwaltungseinheiten bis hinunter zu den [[Verwaltungsgliederung Osttimors#Sucos und Aldeias|Sucos]] auf.<ref>Ministério da administração estatal: ''[http://web.archive.org/web/20070929094259/http://www.mj.gov.tl/jornal/page7/dm0603.htm Diploma Ministerial n.° 6/2003]'' (portugiesisch), 29. Juli 2003</ref> Am 15. September 2009 wurde im Ministeriellen Dokument 199/2009 die Liste um die [[Verwaltungsgliederung Osttimors#Sucos und Aldeias|Aldeias]] erweitert. Außerdem änderten sich einige Schreibweisen und Namen von Subdistrikten und Sucos, doch auch jetzt noch folgen die Schreibweisen nicht einheitlichen Regeln, so heißen zwei benachbarte Subdistrikte im Distrikt Viqueque [[Uato-Lari|'''Uato'''-Lari]] und [[Uatucarbau|'''Uatu'''carbau]].<ref>[http://www.jornal.gov.tl/public/docs/2009/serie_1/serie1_no33.pdf Jornal da Républica mit dem Diploma Ministerial n.° 199/2009] (PDF-Datei; 315&nbsp;kB) (portugiesisch)</ref> == Geographie == === Überblick === [[Datei:East Timor relief location map.jpg|miniatur|Physische Karte Osttimors]] Das Staatsgebiet Osttimors umfasst nicht nur die östliche Hälfte Timors, sondern auch die Exklave [[Oecusse (Distrikt)|Oecusse]], welche an der Nordküste des indonesischen Teils der Insel gelegen ist, sowie die beiden kleinen Inseln [[Atauro]] nördlich von der Hauptstadt Dili und [[Jaco (Osttimor)|Jaco]] an der Ostspitze. Die Küste ist umgeben von [[Korallen]]bänken. Osttimors Küstenlinie hat eine Länge von 706&nbsp;km, die Landgrenze zu Indonesien ist insgesamt 228&nbsp;km lang. Der Grenzverlauf ist zu 97 % festgelegt. Strittig mit Indonesien sind lediglich noch die unbewohnte kleine Insel [[Fatu Sinai]] (''Pulau Batek''), Gebiete um die Exklave Oecusse (''Nuaf Bijae Sunan'' bei [[Passabe]], ''Naktuka'' bei [[Nitibe]]), sowie die genauen Modalitäten eines Korridors von Oecusse zum Hauptstaatsgebiet. Bis Januar 2008 wollten sich die Regierungen beider Länder über diese Punkte einigen. Die Insel Timor gehört zum östlichen Teil des [[Indonesischer Archipel|indonesischen Archipels]] und zählt zu den [[Kleine Sunda-Inseln|Kleinen Sunda-Inseln]]. Im Nordwesten der bergigen Insel liegt die [[Sawusee]], nördlich die [[Bandasee]], und südlich dehnt sich die Timorsee 500&nbsp;km bis nach Australien aus. Die Timoresen nennen die raue Timorsee ''Tasi-Mane'', das Männermeer, während die ruhige Bandasee als ''Tasi-Feto'', das Frauenmeer, bezeichnet wird. Bereits fünf Kilometer von der Nordküste entfernt fällt der Meeresgrund auf eine Tiefe von {{Höhe|1000}} ab. Während des [[Kalter Krieg|Kalten Krieges]] konnten daher [[Vereinigte Staaten|amerikanische]] [[Atom-U-Boot]]e unentdeckt die [[Straße von Ombai|Straßen von Ombai]] und [[Straße von Wetar|Wetar]] passieren. In der Timorsee erstreckt sich südlich der Insel der schmale [[Timorgraben]] mit einer Tiefe von bis zu 3.300&nbsp;m. [[Datei:Erdbeben in Osttimor.png|miniatur|Erdbeben der letzten Jahre in der Region Osttimor]] Timor liegt auf dem äußeren Rand des sogenannten ''Bandabogens'', der Teil eines Ausläufers des [[Pazifischer Feuerring|pazifischen Feuerrings]] ist und eine Inselkette um die Bandasee bildet. In einer ozeanischen [[Subduktionszone]] schiebt sich hier die Nordwestecke der [[Australische Platte|Australischen Platte]] unter die [[Eurasische Platte]]. Dies führt unter anderem zu einem Wachstum der Bergkette auf Timor, die als zentrales Bergland die gesamte Insel von Südwesten nach Nordosten durchzieht. 32,1 % der Landesfläche liegt auf einer Meereshöhe zwischen 500 und {{Höhe|1500}}, 2,6 % über {{Höhe|1500}}.<ref name="CPH">Census of Population and Housing Atlas 2004</ref> Geologisch gesehen ist Osttimor noch sehr jung, da es erst in den letzten Millionen Jahren aus dem Meer gehoben wurde. Durch die geologischen Aktivitäten besteht eine ständige Gefahr durch [[Erdbeben]] und [[Tsunami]]s. Das letzte stärkere Beben in der Region am 2. April 2010, hatte sein Epizentrum 244 km nordwestlich von Dili und eine Stärke von 5,3<sup>M</sup>. Es kam aber zu keinen Schäden.<ref>[http://www.antara.co.id/en/news/1270193167/mild-quake-hits-dili Antara, 2. April 2010, Mild quake hits Dili]</ref> Der Nordosten der Enklave Oecusse bildet die jüngste und wildeste Oberflächenstruktur der gesamten Insel. Sie ist [[vulkan]]ischen Ursprungs und erreicht mit dem [[Pico do Nipane]] eine Höhe von bis zu {{Höhe|1561}}. Auch die Insel Atauro entstand durch [[Vulkanismus]]. Ihr höchster Punkt ist der [[Mano Côco]] mit {{Höhe|999}}. Aktive Vulkane gibt es auf Timor aber nicht mehr. Die höchsten Erhebungen Osttimors sind der [[Tatamailau]] ({{Höhe|2963}}), der [[Ablai]] ({{Höhe|2320}}) und der [[Matebian]] ({{Höhe|2316}}). [[Datei:Mountain village.jpg|miniatur|Dorf in den Bergen von Aileu]] Im Norden fällt das Gebirge teilweise steil ins Meer ab. Charakteristische Küstenterrassen und einige markante Plateaus mit 400 bis {{Höhe|700}} Höhe, wie jene von [[Baucau]], prägen das Bild. Terrassen und Plateaus entstanden aus Korallen. Das bergige Landesinnere ist von Tälern zerschnitten. Schwemmland findet sich zwischen [[Lautém]] und [[Baucau]]. Größere Flächen sind die Ebenen von [[Batugade]], [[Metinaro]], Dili, [[Manatuto]], [[Com (Osttimor)|Com]] und am [[Lóis]]fluss. An der Südküste liegen weite Küstenebenen. Sie erstrecken sich von der Landesgrenze bis [[Viqueque]] und dann schmaler bis [[Lore I|Lore]]. Die größten sind die Ebene von [[Alas]] mit dem [[Südlicher Lacló|südlichen Laclófluss]], die [[Kicras]]-Ebene mit dem [[Sáhen]]fluss (''Sahe''), die Ebene von [[Luca (Viqueque)|Luca]] mit dem [[Dilor (Fluss)|Fluss Dilor]] und die Ebene von [[Bilibuto]]. An der Grenze zu Westtimor liegt das Flachplateau von [[Maliana]], das früher eine Bucht war.<ref name="Coimbra"/> Die auffälligste [[Hochebene]] Osttimors ist das [[Fuiloro-Plateau]] im Distrikt Lautém. Richtung Süden fällt es, aufgrund seiner großen Fläche unmerklich, von einer Höhe von {{Höhe|700}} auf {{Höhe|500}} ab. Ursprünglich war das Plateau die [[Lagune]] eines urzeitlichen [[Atoll]]s. Drei weitere Hochebenen umgeben das Plateau von Fuiloro: die Plateaus von [[Nári]] im Norden, [[Lospalos]] im Westen und [[Rere (Plateau)|Rere]] im Süden. Die am häufigsten vorkommende Bodenform ist ein weicher Tonboden, der nach einer timoresischen Region als ''[[Bobonaro (Distrikt)|Bobonaro]] '' bezeichnet wird. Dieser Lehm ist überschichtet mit einem wilden Durcheinander aus [[Kalkstein]], Kalk[[mergel]], einer Mischung aus vulkanischem Material und Felsen, die vom Meeresboden durch die seismischen Kräfte an die Oberfläche gehoben wurden. Geologen nennen Timor daher auch ein „tektonisches Chaos“.<ref name=Paradox>[http://dspace.anu.edu.au/bitstream/1885/41370/1/TimorOslo_Paper.pdf James J. Fox: “The Paradox of Powerlessness: Timor in Historical Perspective”, 9. Dezember 1996, Department of Anthropology, Research School of Pacific and Asian Studies, The Australian National University]</ref> Die Angaben zur Gesamtfläche des Landes schwanken zwischen 14.604&nbsp;km²,<ref name="FWA10"/> 14.874&nbsp;km²,<ref>[http://cyberschoolbus.un.org/infonation/index.asp?theme= Vereinte Nationen Homepage]</ref> 14.919&nbsp;km²,<ref name="CPH">Census of Population and Housing Atlas 2004</ref> 15.410&nbsp;km²<ref>[http://www.mfac.gov.tp/travel.html Außenministerium Osttimors]</ref> und 18.900&nbsp;km²<ref>Offizielle Regierungsseite Osttimors (''nicht mehr erreichbar'')</ref>, der offiziellen Angabe seitens der Regierung. Osttimor hat damit etwa die Größe von [[Schleswig-Holstein]]. Städte mit über 10.000 Einwohnern sind (Stand 1. Januar 2006) [[Dili]] (59.069 Einwohner), [[Dare (Dili)|Dare]] (19.141), [[Lospalos]] (17.186), [[Baucau]] (14.961), [[Ermera]] (13.142) und [[Maliana]] (12.065). → ''siehe auch: [[Liste der Städte in Osttimor]] und [[Liste der Berge oder Erhebungen in Osttimor]]'' === Binnengewässer === [[Datei:Tasitolu, Dili.jpg|miniatur|Die Salzseen von [[Tasitolu]] bei Dili]] Fast alle Flüsse Osttimors entspringen im zentralen Bergland und fließen, bedingt durch das steile Gefälle, in Richtung Norden oder Süden ab. Die Fließgewässer bilden im zentralen Inselgebiet ein dichtes hydrografisches Netz. Diese bestehen, wie bei vielen kleinen Inseln mit starken Erhebungen, fast nur aus Bächen, welche eher kurz, gewunden und rasch fließend sind. Jedoch liegen diese Bachläufe die meiste Zeit des Jahres trocken. Intensive Niederschläge während der [[Regenzeit]] führen zur Entstehung von Sturzbächen und dadurch zu starker [[Erosion (Geologie)|Erosion]] des Erdreiches. Mit dem Ende des Regens fällt der Pegel der Bäche jedoch wieder, sodass sie bequem durchwatet werden können. Mit der Rückkehr der trockenen Winde, die von Australien her kommen, verbleiben nur dünne Rinnsale in breiten Flussbetten voller Müll und Geröll, die sich jedes Jahr verbreitern. Die alljährlichen Überflutungen, welche einige Monate andauern können, behindern auch den Warenverkehr zwischen den fruchtbaren Ebenen im Süden und dem restlichen Land. Es gibt Bestrebungen, mit Hilfe von Anpflanzungen die Erosion der Ufer einzuschränken und somit das Zerstörungspotential der Bäche zu verringern. Keiner der Flüsse Osttimors ist schiffbar. Ganzjährig wasserführende Flüsse gibt es genau genommen nur im Süden Osttimors. Der Grund dafür liegt in der im Vergleich zum Norden längeren Regenperiode. Flüsse, die auch im Norden ganzjährig Wasser führen, werden aus dem Süden gespeist. Dies ist der Fall beim [[Nördlicher Lacló|nördlichen Lacló]], der das größte hydrografische Becken Osttimors bildet, dem [[Seiçal (Fluss)|Seiçal]] im [[Baucau (Distrikt)|Distrikt Baucau]] und dem [[Lóis]], dem längsten Fluss Osttimors mit 80&nbsp;km, der bei [[Maubara]] mündet. Nach Süden fließend führen [[Irebere]] (''Irabere''), [[Bebui]], [[Dilor (Fluss)|Dilor]], [[Tafara]], [[Belulik]] (''Bé-lulic''), [[Caraulun]] (''Carau-úlun'', ''Karau Ulun''), [[Sui (Fluss)|Sui]], [[Südlicher Lacló]] und [[Clerec]] das ganze Jahr Wasser. Der Hauptfluss der Exklave Oecusse, der [[Tono (Fluss)|Tono]] (''Nuno-eno''), mündet westlich von [[Pante Macassar]] ins Meer.<ref name="Coimbra"/> [[Datei:Seical.jpg|miniatur|Der Seiçal führt auch in der Trockenzeit Wasser]] In einigen permanenten Flüssen entlang der südlichen Küste sammelt sich durch die starken Gezeiten Sand an den Flussmündungen, was den Abfluss immer mehr blockiert und zur Bildung von [[Marsch (Schwemmland)|Marschland]] führt. Meeresfische, die ihre Brutstätten flussaufwärts haben, und Krokodile leben hier weiter, bis sie von den Einheimischen im Laufe eines Rituals durch einen gegrabenen Ausgang getrieben werden. Fische, Garnelen, Schlangen und kleine Krokodile werden dabei mit der Hand gefangen. An den Küsten bilden sich nach den schweren Regengüssen leicht Sümpfe. Der größte See Osttimors ist die [[Ira Lalaro|Lagoa Ira Lalaro]] (auch ''Suro-bec'') im [[Lautém (Distrikt)|Distrikt Lautém]]. Er hat eine Länge von 6,5&nbsp;km und eine Breite von 3&nbsp;km. Zu den weitere Binnengewässern zählen der [[Maubarasee]] und der ''Tibarsee''. Einen besonderen Reiz der bergigen Landschaft bilden die vielen Wasserfälle, am bekanntesten ist der Wasserfall von [[Bandeira (Wasserfall)|Bandeira]] nahe [[Atsabe]]. Die Gewässer Osttimors sind noch wenig erforscht. Teilweise gibt es Kontroversen über ihre Namensgebung, da den Gewässern in den verschiedenen Regionen, die sie durchfließen, unterschiedliche Namen gegeben wurden.<ref name="Coimbra"/> === Klima === [[Datei:Klimadiagramm-metrisch-deutsch-Dili.Osttimor.png|miniatur|Klimadiagramm Dili]] [[Datei:Dili rain.jpg|miniatur|Regenzeit in Dili]] Das lokale [[Klima]] ist [[Tropen|tropisch]], im Allgemeinen heiß und schwül und ist von einer ausgeprägten Regen- und [[Trockenzeit]] charakterisiert. Während des Ost[[monsun]]s zwischen Mai und November herrscht oft anhaltende Dürre, die Nordküste erreicht dann praktisch kein Regen und die braune Landschaft ist ausgedörrt. In diesen Dürreperioden kommt die Landwirtschaft zum Erliegen. Die kühleren Gebirgsregionen im Zentrum der Insel und die Südküste bekommen in der Trockenzeit gelegentlich Regen, daher bleibt hier die Landschaft grün. Die Regenzeit dauert von Ende November bis April. In dieser Zeit werden die Felder wieder bewirtschaftet. Mit dem Regen kommen oft Überschwemmungen, die trockenen Flussbetten können sich in kürzester Zeit füllen und zu großen Strömen heranschwellen, die Erde und Geröll mit sich reißen und Straßen unterbrechen. An das Ende der Regenperiode schließt sich die Erntezeit an. Die Hauptstadt Dili hat eine durchschnittliche jährliche [[Niederschlagsmenge]] von 1000&nbsp;mm, die zum größten Teil von Dezember bis März abregnet. Dagegen erhält die Stadt [[Manatuto]], östlich von Dili gelegen, durchschnittlich nur 565&nbsp;mm Niederschlag pro Jahr. Die Südküste Osttimors ist regenreicher (1500 bis 2000&nbsp;mm pro Jahr), der meiste Regen fällt an der mittleren Südküste und an den südlichen Bergen. Allerdings schaffen die Berge oft ein besonderes lokales Mikroklima, wodurch zum Beispiel der Ort [[Lolotoe]] im Distrikt Bobonaro die höchste jährliche Niederschlagsmenge in Osttimor mit 2.837&nbsp;mm aufweist. Die Temperatur in der Trockenzeit beträgt um die 30 bis 35&nbsp;°C im Flachland (nachts 20&nbsp;°C). Teile der Nordküste erreichen am Ende der Trockenzeit Temperaturen bis über 35&nbsp;°C, allerdings bei geringer Luftfeuchtigkeit und fast keinen Niederschlägen. In den Bergen ist es tagsüber ebenfalls warm bis heiß, nachts kann die Temperatur aber auf unter 15&nbsp;°C absinken, in höheren Lagen deutlich tiefer. <div class="BoxenVerschmelzen"> <div style="clear:both" class="NavFrame"> <div class="NavHead"><div align="center">Klimatabelle der Hauptstadt Dili</div></div> <div class="NavContent"> {{Osttimor (Klima)}} </div></div></div> === Fauna und Flora === [[Datei:SaltwaterCrocodile('Maximo').jpg|miniatur|Leistenkrokodil]] [[Datei:Regal angelfish.jpg|miniatur|[[Pfauen-Kaiserfisch]] (''Pygoplites diacanthus'') im Meer vor [[Metinaro]]]] [[Datei:Timor flower.jpg|miniatur|Blume in Osttimor]] → ''Hauptartikel: [[Fauna Timors]] und [[Flora Timors]]'' Die Insel Timor gehört zu ''[[Wallace-Linie|Wallacea]]'', einem Gebiet der [[Biogeographie|biogeographischen]] Übergangszone zwischen der [[Asien|asiatischen]] und der [[Australien|australischen]] [[Pflanzenwelt|Flora]] und [[Fauna]]. Allerdings gibt es nur wenige australische Arten, wie den [[Grauer Kuskus|Grauen Kuskus]]. Die wenigen Säugetiere, wie [[Mähnenhirsch]]e, [[Flughunde]], [[Spitzmäuse]] und [[Affen]], sowie Vögel und Insekten ähneln gewöhnlichen malaiischen [[Phänotyp]]en. 23 Vogelarten kommen jedoch nur in der Region ''Timor-[[Wetar]]'' vor, was Osttimor gerade für [[Vogelkunde|Ornithologen]] interessant macht. Zu den insgesamt etwa 240 Vogelarten gehören unter anderem zahlreiche [[Papageien]], sowie [[Amadinen]], [[Kakadus]] und die [[Wetar-Taube]]. Aus der Gruppe der [[Amphibien]] sind in Osttimor mindestens acht [[Frösche|Froscharten]] aus vier Familien heimisch. Keiner dieser [[Froschlurche]] ist allerdings [[Endemit|endemisch]] nur auf Timor beschränkt. Auch [[Reptilien]] bereichern die Tierwelt Timors, so etwa der nach der Insel benannte [[Timor-Waran]] (''Varanus timorensis''), der [[Timor-Python]] (Pythoninae timoriensis), der [[Timor-Wasserpython]] (''Liasis mackloti'') und die im Meer lebende [[Timor-Riffschlange]] (''Aipysurus fuscus''). Timors Meere gehören zum so genannten [[Korallendreieck]], eine Region mit der größten [[Biodiversität]] an [[Korallen]] und Rifffischen in der Welt. Eine besondere kulturelle Bedeutung hat das in Meer und Flüssen lebende [[Leistenkrokodil]]. In Osttimor kam es 2007/2008 zu drei Krokodilangriffen mit zwei Toten und zwei Verletzten.<ref>[http://the-dili-insider.googlegroups.com/web/Crocodile+Assessment+-+17+Sep+08.pdf?hl=en&gda=2q3a01YAAADHs1GalD6hQPtQbCv82q-TjPGKgkSXGi-aqIvk6AGVfHJ-Kw1YobIBc38k5cnwcTh8qUUILewBDECG7R96r9aIuKs5kcsO6REWGyCG01VUCBPhGuxsWDLdLep2NLleRSE&gsc=pddXwgsAAAB7s8M_C9__hdLrer2DszkL United Nations Integrated Mission in Timor-Leste, 17. September 2008, Crocodile threat in Timor-Leste]</ref> → ''siehe auch:'' [[Das gute Krokodil|„Lafaek Diak“ („Das gute Krokodil“) – Die Krokodillegende aus Osttimor]] Die Vegetation Osttimors besteht hauptsächlich aus [[Sekundärwald]], [[Savanne]]n und [[Grasland]]. Es gibt zumeist [[Kasuarinengewächse]], [[Eukalyptus]], [[Sappanholz]], [[Sandelholz]], [[Cendana]] und [[Lontarholz]]. Die Gesamtfläche des Waldes nahm zwischen 1990 und 2000 um 0,6 % ab. Die Fläche des ursprünglichen [[Primärwald]]es Osttimors ist auf 220.000&nbsp;ha, oder ein Prozent des Territoriums, zusammengeschrumpft. Dichten Wald findet man nur noch im Süden des Landes und in den Bergregionen. [[Mangrove (Ökosystem)|Mangrovenwälder]] bedecken nur etwa 7.500&nbsp;ha Osttimors, da im Gegensatz zu anderen Inseln des Archipels nur wenige Ausbuchtungen in der Küstenlinie vorhanden sind. Diese kommen hauptsächlich an der Nordküste vor, an der das Meer ruhiger ist. Beispielsweise findet man Mangrovenwälder bei [[Metinaro]], [[Tibar]] und [[Maubara]]. An der Südküste breiten sich die Mangroven nicht viel weiter als über die Flussmündungen und sumpfigen Gelände hinaus aus. == Bevölkerung == === Sprachen und Volksgruppen === → ''Hauptartikel: [[Sprachen Osttimors]]'' [[Datei:Sprachen Osttimors.png|miniatur|links|300px|Größte Sprachgruppe in den jeweiligen Sucos Osttimors nach den Ergebnissen der Volkszählung vom Okt. 2010. Daneben die beiden Sprachinseln der Lolein (L) und Makuva (M).<ref>[http://www.mof.gov.tl/about-the-ministry/statistics-indicators/sensus-fo-fila-fali/download-suco-reports/?lang=en Statistisches Amt Osttimors, Ergebnisse der Volkszählung von 2010 der einzelenen Sucos]</ref>]] Timor wurde von mindestens drei Einwanderungswellen (''Veddo-Austronesen'', [[Melanesier]] und [[Malaien]]) besiedelt, deren Nachkommen die verschiedenen einheimischen Völker der Insel stellen. Es gibt auf Osttimor etwa 15 Ethnien, davon 12 größere Stammesverbände. Sie sprechen meist austronesische ([[Malayo-Polynesische Sprachen|malayo-polynesische]]) Sprachen und [[Papua-Sprachen]]. Amtssprachen sind [[Tetum]] und [[Portugiesische Sprache|Portugiesisch]]. Die 15 Sprachen der einheimischen Völker, neben der Amtssprache Tetum, sind von der Verfassung als ''Nationalsprachen'' anerkannt: Dies sind [[Wetar (Sprache)|Atauru]], [[Atoin Meto|Baikeno]], [[Bekais]], [[Bunak]], [[Fataluku]], [[Galoli]], [[Habun]], [[Idalaka]], [[Kawaimina]], [[Kemak]], [[Makuva]], [[Makalero]], [[Makasae]], [[Mambai]] und [[Tokodede]]. [[Englische Sprache|Englisch]] und [[Bahasa Indonesia]] sind als ''Arbeitssprachen'' aufgeführt. [[Datei:Klein-g20-V1 Ermera.jpg|miniatur|Mann in traditioneller Kleidung und der ''[[Kaibauk]]''-Krone in [[Ermera]]]] Tetum war bereits vor der portugiesischen Kolonialzeit die [[Lingua Franca]] des östlichen Timors. Nach der Annektierung Osttimors durch Indonesien wurde die portugiesische Sprache verboten. Die Katholische Kirche hielt ihre Messen jedoch nicht auf Bahasa Indonesia, sondern ab dem 7. April 1981 auf Tetum und trug so zur Herausbildung der Sprache und Identitätsstiftung bei. Während Tetum weit verbreitet ist, sprechen nur etwa 18,6 % Portugiesisch. Auch viele Lehrkräfte sprechen kein oder nur sehr schlecht Portugiesisch. Aufgrund dieser Probleme wird die ersten drei Jahre der Unterricht in Tetum gehalten und erst danach Portugiesisch schrittweise eingeführt. [[Datei:Mambai Maubisse.jpg|miniatur|Mambai-Familie in der Nähe von [[Maubisse]]]] Die malayo-polynesischen ''Tetum'' bilden mit etwa 200.000 Angehörigen die größte [[Ethnie]] Osttimors. Weitere malayo-polynesische Ethnien sind die ''Mambai'' (130.000), die ''Kemak'' (50.000), die ''Tokodede'' (32.000) und die ''Galoli'' (11.000). Die ''Baikeno'' in Oecusse (50.000) sprechen eine malayo-polynesische Sprache, stammen aber von der veddo-austronesischen Einwanderungswelle ab. Melanesischer Herkunft sind die Sprecher der Papuasprachen: Die ''Makasae'' (90.000), die ''Bunak'' (50.000) und die ''Fataluku'' (30.000). [[Datei:Dili kids.jpg|miniatur|Kinder in Dili]] Dazu kommen noch Einwanderer aus der jüngeren Geschichte, wie etwa Chinesen (hauptsächlich [[Hakka]]-Händler), [[Araber]] und [[Portugiesen]]. Mit der Einrichtung der Dampfschifffahrtslinie um die [[Jahrhundertwende]] zwischen [[Macao]] und Dili, nahm die Zuwanderung von Chinesen nach Portugiesisch-Timor zu. Unter den Einwanderern waren auch viele zu finden, die als Gegner der chinesischen [[Qing-Dynastie|Mandschu-Kaiser]] aus China flohen. 1912 war die chinesische Gemeinde bereits gut organisiert. Es gab ein Vereinsgebäude, eine eigene Schule und einen [[Buddhismus|buddhistischen]] Tempel. Die chinesische Bevölkerung sprach ursprünglich [[Hakka]], [[Hochchinesisch]] und [[Kantonesisch]]. Vor der [[Indonesien|indonesischen]] Invasion 1975 gab es in Osttimor eine große und lebendige Hakkagemeinde. Während der Invasion kamen aber viele Hakka um oder flohen nach Australien. Heute leben die meisten timoresischen Hakka in [[Darwin (Northern Territory)|Darwin]] und anderen australischen Städten, wie [[Brisbane]], [[Sydney]] und [[Melbourne]]. In Osttimor nennen noch etwa 500 Menschen Chinesisch als ihre Muttersprache. Arabischer Herkunft ist zum Beispiel der ehemalige Premierminister [[Marí Bin Amude Alkatiri|Marí Alkatiri]]. Seine Vorfahren kamen am Ende des 19. Jahrhunderts aus dem heutigen [[Jemen]] nach Timor. → ''siehe auch: [[Geschichte der Chinesischen Minderheit in Osttimor]] und [[Geschichte der Araber in Osttimor]]'' Ein kleiner Teil der Bevölkerung ist gemischter portugiesisch-timoresischer Herkunft. Auf Portugiesisch wird diese Bevölkerung [[Mestizen|Mestiços]] (''deutsch Mestizen'') genannt. Zu ihnen gehören Premierminister [[Xanana Gusmão]] und Staatspräsident [[José Ramos-Horta]]. Zudem gibt es noch eine kleine Gruppe reiner Portugiesen. Etwa 700 Osttimoresen bezeichnen Portugiesisch als ihre Muttersprache. Auch einige Einwanderer aus Indonesien sind nach der Unabhängigkeit Osttimors im Land geblieben. Bahasa Indonesia hat allerdings als Verkehrssprache an Bedeutung verloren, während Englisch durch die ausländischen UN-Soldaten gewonnen hat. Als Muttersprache sprechen etwa 2.400 Einwohner Bahasa Indonesia und etwa 800 nennen Englisch als ihre Muttersprache. An der [[Universidade Nasionál Timór Lorosa'e|Nationaluniversität]] in Dili werden aber weiterhin viele Studiengänge noch auf Bahasa Indonesia gehalten. Die Besatzungszeit hat ein starkes osttimoresisches Nationalgefühl entstehen lassen, doch haben die Unruhen von 2006 wieder eine ethnische Spaltung ins Bewusstsein der Öffentlichkeit gebracht, die schon vor der Kolonialzeit bestand. Diese Teilung des Landes in einen Ost- und einen Westteil hat einen deutlichen Einfluss auf das alltägliche Leben in Osttimor. Die westliche Bevölkerung aus [[Loro Munu]] wird [[Loro Munu|Kaladi]], die östliche aus [[Loro Sae]] wird [[Firaku]] genannt. Der Osten besteht aus den Distrikten Lautém, Baucau, Viqueque und Manatuto. Loro Munu besteht aus den Distrikten Dili, Aileu, Ainaro, Manufahi, Ermera, Bobonaro, Cova Lima, Liquiçá und Oecusse. [[Datei:East Timor-regions.png|miniatur|Die kulturellen Regionen Osttimors: Loro Munu (rosa) und Loro Sae (rot).]] Die Firaku sehen sich als diejenigen, die durch ihren langen Widerstand die indonesische Besatzungsmacht besiegt haben. Zu den Firaku gehören wichtige osttimoresische Persönlichkeiten aus dem Militär und der Premierminister Xanana Gusmão. Dem Westen werfen die Firaku vor, mit den Indonesiern sympathisiert zu haben. Viele der Polizisten, die die Indonesier rekrutiert haben, waren Kaladi. Die UN und das unabhängige Osttimor hat die meisten dieser Polizisten in ihren Dienst übernommen. Der schwelende Konflikt zwischen [[Nationalpolizei Osttimors|Polizei]] und Militär resultiert daraus. Dili ist, als Schmelztiegel der verschiedenen Ethnien und Gruppen des Landes, Schauplatz von regelmäßigen Straßenkämpfen zwischen [[Bandenwesen in Osttimor|Banden]] aus dem Osten und dem Westen. Auch politisch ist eine Trennung zu erkennen. Während die östlichen Distrikte die Hochburgen der alten Unabhängigkeitspartei [[FRETILIN]] sind, haben im Westteil Parteien die Mehrheit, die erst nach dem Unabhängigkeitsreferendum gegründet wurden. Trotzdem gibt es auch zahlreiche verwandtschaftliche Beziehungen zwischen den Distrikten. Die engen Vernetzungen der einzelnen Stämme und Ethnien durch Heirat haben eine lange Tradition, die schon vor der Kolonisation die Insel und ihre grobe Teilung in eine West-, einen zentralen und eine Ostregion verband. Die Stämme am Westrand des Einflussgebietes von [[Wehale]] hatten gleichzeitig Bündnisse mit dem westlichen Timor und Oecussi, die Stämme im Osten mit dem östlichen Timor und seinen Zentren [[Atsabe]] und Lospalos. Auf diese Weise bildete die Insel aus Sicht vieler Timoresen trotz der verschiedenen Einflusssphären eine Einheit, die erst durch die koloniale Spaltung durch Niederländer und Portugiesen zerstört wurde. Doch auch von Fehden und Kriegen wird berichtet. Die alten Beziehungen und familiären Strukturen haben noch heute einen erheblichen Einfluss auf die Politik des Landes. === Bevölkerungsentwicklung === [[Datei:East Timor demographic change.png|miniatur|Demographische Entwicklung Osttimors]] Osttimor hatte Anfang 2006 knapp 950.000 Einwohner. Die Bevölkerungsentwicklung der letzten Jahrzehnte weist vor allem kriegsbedingt auffällige Schwankungen auf. Vor dem Zweiten Weltkrieg lebten etwa 450.000 Menschen in der damaligen portugiesischen Kolonie. Im Krieg verloren 40.000 bis 70.000 Timoresen ihr Leben. Bei der letzten portugiesischen Volkszählung 1970 zählte man 609.477 Einwohnern. Durch die indonesische Invasion 1975, den Guerillakrieg und Repressalien durch die Besatzungsmacht starben zwischen 1974 und 1999 183.000 Menschen. Viele flohen auch aus dem Land, besonders direkt nach der Invasion und in den 1990ern mit Höhepunkt bei den Vertreibungen von 1999, die schließlich zum Eingreifen der internationalen Staatengemeinschaft führten. Damals waren drei Viertel der Bevölkerung auf der Flucht. Mehr als 250.000 Osttimoresen hatten in Westtimor Zuflucht gesucht. Das Bevölkerungswachstum liegt bei 2,6 % pro Jahr. Die [[Fruchtbarkeitsrate]] beträgt 6,5 (2007). Der Anteil der Bevölkerung mit einem Alter unter 15 Jahren beträgt 45 %, der der Personen über 65 beträgt 3 %. Der Anteil der städtischen Bevölkerung beträgt 27 % (Stand: 2007).<ref name="FWA10"/> Die [[Lebenserwartung]] liegt bei 61 Jahren (2006).<ref name="FWA10"/> === Religion === [[Datei:Marienstatue klein.jpg|miniatur|Statue der Mutter Gottes von Fátima in Dili]] {| class="wikitable" |- style="background:#efefef;" ! Religion/Konfession ! Anzahl der Gläubigen<ref name="Statistisches Amt"/> ! Anteil |- |[[Römisch-katholische Kirche|Katholiken]] || 715.285 || 96,5 % |- |[[Protestanten]] || 16.616 || 2,2 % |- |[[Animismus|Animisten]] || 5.883 || 0,8 % |- |[[Muslim]]e || 2.455 || 0,3 % |- |[[Buddhisten]] || 484 || 0,06 % |- |[[Hindu]]s || 191 || 0,02 % |- |Sonstige || 616 || 0,08 % |- |'''Gesamt''' || '''741.530''' || '''100,00 %''' |} Fast alle Einwohner Osttimors sind [[Christen|christlichen]] Glaubens. Über 96 % gaben bei der Volkszählung 2004 an Katholiken zu sein; [[Protestanten]] bilden eine christliche Minderheit (2,2 %). Es gibt Minderheiten von [[Muslim]]en (0,3 %, zumeist [[Sunniten]]), [[Buddhisten]] und [[Hindu]]s. Der [[Traditionelle Religion Timors|traditionelle animistische Glaube]] ist nur noch schwach vertreten (0,8 %).<ref name="Statistisches Amt">[http://dne.mopf.gov.tl/census/tables/district/ Statistisches Amt Timor-Leste Census 2004]</ref> Allerdings tauchen animistische Elemente im katholischen Ritus und im Alltag auf. Der katholische Glaube war während der portugiesischen Kolonialherrschaft auf die Hauptstadt Dili und wenige größere Orte beschränkt. Die Mehrheit der Bevölkerung waren Animisten. Um 1975 betrug der Anteil der Katholiken an der Bevölkerung nur etwa 30 %. Während des Freiheitskampfes gegen Indonesien wurde die Katholische Kirche jedoch zur einigenden Klammer zwischen den zwölf größeren Stammesverbänden gegen die überwiegend muslimischen Indonesier. In keinem anderen Land der Erde hat die Katholische Kirche in den letzten Jahrzehnten einen derart großen Zuwachs erreicht. Sie verdankt das unter anderem dem damaligen [[Apostolischer Administrator|Apostolischen Administrator]] der 1940 errichteten [[Bistum Dili|Diözese Dili]], [[Martinho da Costa Lopes]], der gegen die Menschrechtsverletzungen der Indonesier predigte. 1983 musste er auf Druck [[Jakarta]]s abdanken und wurde ersetzt durch [[Carlos Filipe Ximenes Belo]]. Doch auch er wandte sich gegen die Besatzer. In einem offenen Brief an den Generalsekretär der Vereinten Nationen forderte er ein Referendum über die Eigenständigkeit Osttimors. Weiteren Auftrieb erhielt die Katholische Kirche 1989 durch den Besuch von [[Papst]] [[Johannes Paul II.]] in Osttimor. 1996 erhielt Bischof Belo, zusammen mit José Ramos-Horta, für sein gewaltloses Eintreten für die Freiheit Osttimors den [[Friedensnobelpreis]]. Die Befreiungsbewegung [[FRETILIN]] hatte zwar kommunistische Züge, deren Führer wurden aber stark durch die [[Befreiungstheologie]] [[Lateinamerika]]s von katholischen Priestern beeinflusst. [[Datei:Tutuala 13-16.jpg|miniatur|Kirche von Tutuala]] Im Jahr 1996 wurde die [[Bistum Baucau|Diözese Baucau]] eingerichtet, 2010 folgte als drittes Bistum die [[Bistum Maliana|Diözese Maliana]]. Alle Bistümer sind kirchenrechtlich direkt dem [[Heiliger Stuhl|Heiligen Stuhl]] unterstellt. Zu den Feierlichkeiten für die Unabhängigkeit wurde 2002 eine Marienstatue aus [[Fátima]] (Portugal) nach Dili verschifft und das Land der ''Mutter Gottes von Fátima'' geweiht. Im Mai 2005 wurde der Religionsunterricht in öffentlichen Schulen nach wochenlangen Protestmärschen wieder als Pflichtfach in den Lehrplan aufgenommen. Premierminister Alkatiri hatte im Februar einen Gesetzentwurf eingebracht, nachdem das Fach nur freiwillig besucht werden sollte.<ref>[http://www.zenit.org/article-7587?l=german Zenit, 12. Mai 2005, Osttimor: Kirche und Staat lösen Problem des Religionsunterrichts]</ref> Osttimor ist laut Verfassung ein säkularer Staat und es herrscht Religionsfreiheit. Ramos-Horta betonte aber in seiner Antrittsrede als Premierminister 2006 die Bedeutung der Katholischen Kirche als ein das Land vereinigendes und zwischen den verschiedenen Konfliktparteien aussöhnendes Element. In einem nächsten Schritt entsendete 2007 die Regierung mit ''Justino Maria Aparício Guterres'' den ersten ständig beim Heiligen Stuhl [[Akkreditierung (Diplomatie)|akkreditierten]] Botschafter, um die Beziehungen zum Vatikan weiter zu entwickeln. Außerdem erwartet man die Entsendung eines eigenen [[Apostolischer Nuntius|apostolischen Nuntius]] nach Osttimor. Eine Reihe von Jugendbewegungen, wie etwa [[Colimau 2000]] oder die [[Sagrada Familia (Osttimor)|Sagrada Familia]], tragen quasi-religiöse Züge. Diese Gruppen verwenden dafür christliche und animistische Elemente und kombinieren sie mit verschiedenen Kampfsportarten. Sie haben jeweils einige hundert bis einige tausend Mitglieder.<ref>Scamberi, James: [http://www.etan.org/etanpdf/2006/Report_Youth_Gangs_in_Dili.pdf A Survey of Gangs and Youth Groups in Dili, Timor-Leste]</ref> → ''siehe auch: [[Traditionelle Religion Timors]]'' === Frauen in Osttimor === [[Datei:Tais weaving in Lospalos, East Timor.jpg|miniatur|Frauen in Lospalos beim Weben von traditionellen [[Tais]]]] [[Datei:Dili Market Woman.jpg|miniatur|Marktfrauen in Dili]] Gerade bei Frauen hat die indonesische Besatzungszeit viele Spuren hinterlassen. Neben den Gewaltverbrechen (systematische Vergewaltigungen, sexuelle Sklaverei) sind auch Zwangssterilisationen, Zwangsabtreibungen und Zwangsverhütung zur Bevölkerungskontrolle und Indonesierung zu nennen. Die [[Serious Crime Unit]] der [[UNTAET]] berichtete von sogenannten ''Rape Houses'' in Suai, Bobonaro, [[Lolotoe]], [[Gleno]] und im Hauptsitz der [[Aitarak]]-Miliz in Dili. Wurden Frauen in der Besatzungszeit als Aktivisten oder Angehörige der Freiheitskämpfer Opfer sexueller Gewalt, so gelten sie heute als sozial gebrandmarkt. Ihre Familien fühlen sich beschämt, Ehemänner weisen sie zurück, Kindern aus diesen Vorfällen wird oft die katholische Taufe und der Kirchenbesuch verwehrt. Allgemein ist [[häusliche Gewalt]] ein großes Problem. Die Gründe dafür sind mit in den traumatischen Erlebnissen der Einwohner zu suchen. Die erste osttimoresische Frauenkonferenz im Juni 2001 kritisierte fehlende Gesetze zum Schutz der Opfer. Im Jahr 2000 wurden 169 Fälle häuslicher Gewalt angezeigt, was 40 Prozent aller begangenen Verbrechen ausmacht. <ref>[http://www.osttimor.de/Laenderbericht/frauen.doc Das Gestern im Heute: Frauen in Osttimor (DOC)]</ref> Am 22. März 2010 verabschiedete das Nationalparlament ein Gesetz, dass Opfern von häuslicher Gewalt juristische Unterstützung gewähren soll.<ref>[http://timorlorosaenacao.blogspot.com/2010/03/timor-leste-news_24.html Diário Nacional, 24. März 2010, Parliamentary approve law for domestic violence bei TIMOR LOROSAE NAÇÃO]</ref> In letzter Zeit wurden wiederholt illegal eingewanderte Frauen aus Südost- und Ostasien aufgegriffen, die in Osttimor der Prostitution nachgingen. Auch Menschenschmuggler wurden in diesen Zusammenhang festgenommen.<ref>[http://www.abc.net.au/news/stories/2008/01/03/2131408.htm ABC news, 3. Januar 2008, 28 arrested in E Timor over possible human trafficking]</ref> Das Abtreibungsgesetz folgt noch immer dem alten indonesischen Recht. Sie sind, auch wenn Lebensgefahr für die Mutter besteht, durch das Gesetz verboten, weswegen illegale Abtreibungen ohne ärztliche Hilfe vollzogen werden. Ein neues Gesetz, das sich nach portugiesischem und australischem Recht orientiert, ist zurzeit in Planung. Nach den derzeitigen Planungen sollen Abtreibungen erlaubt sein, wenn die Schwangerschaft das Leben der Frau gefährdet. Zunächst sprachen sich katholische Kräfte in der Politik, wie [[Fernanda Borges]] von der [[PUN]], gegen das Gesetz aus und kritisierten ihn als „westlichen Einfluss“.<ref>[http://www.gulf-times.com/site/topics/article.asp?cu_no=2&item_no=247421&version=1&template_id=45&parent_id=25 Gulf Times, 13. Oktober 2008, New abortion law raises questions in Catholic E Timor]</ref> Doch da Abtreibungen abseits der Ausnahmeregelung weiterhin als kriminell gelten sollen, befürwortete später die Katholische Kirche die Neuregelung.<ref>[http://deaconforlife.blogspot.com/2008/10/asiaeast-timor-east-timor-says-no-to.html East Timor says no to abortion and proposes an Accord with the Catholic Church, 21. Oktober 2008]</ref> Auch die Abbrüche bei Opfern sexueller Gewalt und bei Inzest werden, entgegen erster Planungen, nun nicht mehr entkriminalisiert.<ref>[http://www.radioaustralianews.net.au/stories/200904/2534991.htm?desktop Radio Australia, 4. April 2009, Draft abortion laws dropped in East Timor]</ref> Die Rolle der Frau verändert sich mit Erlangung der Unabhängigkeit langsam. Die meisten Parteien setzen sich für die Gleichberechtigung von Mann und Frau ein, die auch in der Verfassung festgeschrieben ist. Bei den ersten kommunalen Wahlen wurden erstmals Frauen zu Chefs in sieben Sucos und mehreren Dörfern gewählt, im Kabinett Gusmão gibt es drei weibliche Minister und im ersten [[Parlamento Nacional de Timor-Leste|Nationalparlament Osttimors]] waren 25,3 % der Abgeordneten Frauen. Bei den [[Parlamentswahlen in Osttimor 2007|Neuwahlen am 30. Juni 2007]] wurde vorgeschrieben, dass 25 % der Kandidaten auf den Parteilisten weiblich sein mussten. In das neue, kleinere Parlament zogen 18 Frauen ein, darunter die Parteivorsitzende der [[Partido Unidade Nacional|Partido Unidade Nacional PUN]] [[Fernanda Borges]]. Der Frauenanteil im Parlament beträgt nun 27,7 %. 88 % der Einwohner halten Frauen für genauso gut geeignet wie Männer, ein Regierungsamt zu bekleiden, nur 7 % halten sie für schlechter geeignet. 71 % der Befragten in einer Umfrage erklärten, sie könnten es sich vorstellen, bei zukünftigen Wahlen eine Frau zu wählen. Für 8 % ist das unvorstellbar.<ref name=IRI>[http://www.iri.org/pdfs/2009%20February%2013%20Survey%20of%20Timorese%20Public%20Opinion,%20November%2010-December%2016,%202008.pdf International Republican Institute: Timor-Leste National Survey Results, November 10 – December 16, 2008]</ref> [[Kirsty Sword Gusmão]], die Ehefrau von Premierminister [[Xanana Gusmão|Gusmão]], ist die Gründerin und Vorsitzende der ''Alola Foundation'' <ref>[http://www.alolafoundation.org/ Alola Foundation]</ref>, die sich für die Frauen in Osttimor einsetzt. Alola unterstützt vielfältige Projekte im ganzen Land. Der 3. November wird in Osttimor offiziell als ''Nationaler Tag der Frau'' begangen. === Gesundheit === [[Datei:US Navy 080716-N-0209M-002 Capt. Kenneth Eisenberg checks a patient's heart rate at a Pacific Partnership medical civic action program at Nularn 1 Elementary School.jpg|miniatur|Untersuchung durch einen amerikanischen Arzt]] Die medizinische Versorgung ist immer noch mangelhaft. Es gibt 218 medizinische Einrichtungen, darunter neun Krankenhäuser, die zwei größten in Dili und Baucau (Stand 2003). Die Bevölkerung erhält hier kostenlose Behandlung. Vor allem einheimische Ärzte fehlen. Von 40 Ärzten in den Hauptkrankenhäusern von Dili und Baucau waren 2003 nur 10 Osttimoresen. Dank einer Kooperation zwischen Dili und [[Havanna]] sind 90 % der Ärzte in Osttimor [[Kuba]]ner, insgesamt 300. 700 Timoresen studieren in Kuba Medizin.<ref name="Khaleej">[http://www.khaleejtimes.com/DisplayArticleNew.asp?xfile=data/theworld/2007/July/theworld_July436.xml&section=theworld&col= Khaleej Times, 17. Juli 2007, In East Timor, food shortages take hold]</ref><ref> Canberra Times, 1. Januar 2008, Jill Jolliffe: East Timor stands between Cuba and defecting doctors </ref> Die Vielfalt der Sprachen im Land führt oft zu Problemen bei der Verständigung zwischen Arzt und Patient. Die Ausgaben für das Gesundheitswesen betragen 9,6 % des BIP von 2003. 38 % der Einwohner haben kein sauberes Trinkwasser und 59 % keinen Zugang zu Sanitäreinrichtungen (Stand 2006).<ref name="FWA10"/> Pro 100.000 Lebendgeburten starben 2004 800 Mütter. 2008 lobte die [[UNICEF]] Osttimor, da es seit 1990 die Kindersterblichkeit um 40 % gesenkt habe.<ref>[http://www.boston.com/news/world/africa/articles/2008/01/22/child_mortality_highest_in_sierra_leone/ Boston.com, 22. Januar 2008, Child mortality highest in Sierra Leone]</ref> Die Kindersterblichkeit lag 1990 bei 177, 2004 bei 80 und 2005 bei 61. Die Säuglingssterblichkeit lag 1974 bei 50 %, 1990 bei 133 von 1.000 Geburten, 2004 bei 64, 2005 bei 52 und 2006 bei 47.<ref name="UNICEF">[http://www.unicef.org/infobycountry/Timorleste.html UNICEF: Länderinformation Timor-Leste] (Englisch)</ref> Die Geburtenrate lag 2007 bei 42 Geburten auf 1.000 Einwohner, die [[Sterberate]] 2007 bei 9 Sterbefällen auf 1.000 Einwohner.<ref name="FWA10"/> Aufgrund der Zwangssterilisationen während der indonesischen Besatzungszeit haben gerade Frauen ein erhöhtes Misstrauen gegenüber staatlichen, medizinischen Einrichtungen, was besonders die Versorgung von Schwangeren erschwert. In einigen Gebieten ist der Anteil an jungen Müttern extrem hoch. Im Landesdurchschnitt kamen 2004 auf 1000 Lebendgeburten 59,2 Geburten bei Müttern im Alter zwischen 15 und 19 Jahren, in [[Tilomar]] waren es aber zum Beispiel 114,4, womit diese Subdistrikte ähnlich hohe Zahlen wie einige lateinamerikanische Länder haben.<ref name="CPH"/> Ein weiteres großes Problem ist die [[Malaria]], die während der Regenzeit auftritt. Reisenden wird dringend empfohlen, Malaria[[prophylaxe]]n einzunehmen. Daneben sind weitere Krankheiten, wie [[Tuberkulose]], [[Denguefieber]] und die [[Japanische Enzephalitis|japanische Encephalitis]] weit verbreitet. In der Regenzeit ist der Schutz vor [[Mücken]] notwendig, um sich vor Krankheiten zu schützen. Bei der [[Lepra]] sind Fortschritte festzustellen. Wurden 2004 noch 4,7 Neuinfektionen pro 10.000 Einwohnern registriert, waren es 2009 nur noch 1,3. Trotzdem bedeutete das zwischen 2004 und 2009 1.300 neue Fälle der Krankheit.<ref>[http://www1.voanews.com/english/news/health/East-Timor-Declares-War-on-Leprosy-83164277.html Voice of America, 30. Januar 2010, East Timor Declares War on Leprosy]</ref> HIV spielt noch eine geringe Rolle, auch wenn die meisten Osttimoresen nichts über das AIDS-Risiko oder seine Verhütung wissen. 2002 gab es nur einen Todesfall durch HIV in Osttimor, 2003 waren sechs Infizierte bekannt, doch im April 2009 war ihre Zahl auf 117 angestiegen.<ref>[http://www.google.com/hostednews/afp/article/ALeqM5j0wN-H-GUufb0DjnCqkH_ef-RGWg AFP, 30. Dezember 2009, East Timor's ticking AIDS timebomb]</ref> Die Anwesenheit der vielen ausländischen Truppen und Polizeikräfte die Gefahr enorm. == Geschichte == → ''Hauptartikel: [[Geschichte Osttimors]]'' === Kleine Reiche und Fremdherrschaft === [[Datei:Maubara fort.jpg|miniatur|Koloniales Fort in [[Maubara]]]] Die ältesten Spuren menschlicher Besiedlung wurden 2006 in der [[Kalkstein]]höhle [[Jerimalai]] nahe [[Tutuala]], im äußersten Osten Timors gefunden. Sie sind mindestens 42.000 Jahre alt. Neben Steinwerkzeugen und Muschelschalen, die als Schmuck verwendet wurden, fand man die Überreste von Schildkröten, Thunfischen und Riesenratten, die den Höhlenbewohnern als Nahrung gedient hatten. Diese Funde erhärten die Theorie, dass die Besiedlung Australiens über die Kleinen Sundainseln erfolgte. Von dieser Besiedlungswelle scheinen keine Spuren mehr in der heutigen Bevölkerung Timors zu existieren. Timor wurde ab 40.000 v. Chr. in mindestens drei weiteren Wellen von [[Austronesische Sprachen|Austronesen]], [[Melanesier]]n und [[Malaien|Proto-Malaien]] besiedelt. Die Insel teilte sich nach Berichten der [[Portugal|Portugiesen]] in drei lose Herrschaftsgebiete, die sich wiederum in mehrere kleine Königreiche teilten. Heirat- und Bündnispolitik bildete ein Netzwerk das praktisch die gesamte Insel miteinander verband. Im 16. Jahrhundert gründeten die Portugiesen ihre Kolonie [[Portugiesisch-Timor]], deren endgültige Grenzen zum [[Niederlande|niederländischen]] Teil der Insel erst 1916 festgelegt wurden. Beide Kolonialmächte waren bis zum Anfang des 20. Jahrhunderts noch auf die traditionellen Herrschaftsstrukturen angewiesen, um ihre Territorien zu verwalten. Ständig kam es zu [[Anti-Steuer-Rebellionen|Aufständen gegen die Europäer]]. [[Japan]]ische Truppen besetzten die gesamte Insel von 1942 bis 1945, obwohl Portugal im [[Zweiter Weltkrieg|Zweiten Weltkrieg]] ein neutrales Land war. Die Folge war ein [[Guerilla]]krieg, den alliierte Truppen gegen die Japaner auf der Insel führten, der als die [[Schlacht um Timor]] bekannt wurde. Auf beiden Seiten kämpften auch Timoresen mit. Allein in Portugiesisch-Timor starben zwischen 40.000 und 70.000 Menschen. Nach Ende des Weltkriegs wurde [[Westtimor]] von der niederländischen Kolonialmacht als Teil Indonesiens in die Unabhängigkeit entlassen, während Osttimor den Status einer [[Überseeprovinz (Portugal)|portugiesischen Überseeprovinz]] behielt. [[Datei:Tutuala 13-15.jpg|miniatur|Ein Graffiti in [[Tutuala]] mit dem Wort für „Mörder“ klagt die Verbrechen von 1999 an]] Erst 1974 änderte die [[Nelkenrevolution]] in Portugal die politischen Verhältnisse. 1975 sollte die Kolonie für die Unabhängigkeit vorbereitet werden, doch es kam zu einem Bürgerkrieg um die Macht zwischen den beiden größten Parteien [[FRETILIN]] und [[União Democrática Timorense|UDT]], aus dem die FRETILIN als Sieger hervorging. Sie rief am 28. November 1975 die Unabhängigkeit aus, doch nur neun Tage später annektierte [[Indonesien]] das Land und machte es trotz internationaler Verurteilung zu seiner 27. Provinz ''[[Timor Timur]]''. Infolge der 24 Jahre indonesischer Besatzung starben bis zu 183.000 der 800.000 Einwohner. Nach einem [[Unabhängigkeitsreferendum in Osttimor 1999|Referendum im Jahre 1999]], das zu Gunsten einer Unabhängigkeit ausging und weiterer Gewalt durch pro-indonesische [[Freischärler|Milizen]] (''[[Wanra]]'') und die [[Streitkräfte Indonesiens|indonesische Armee]] zur Folge hatte, entsandten die [[Vereinte Nationen|Vereinten Nationen]] unter australischer Führung die Friedenstruppe [[INTERFET]]. Osttimor kam unter Verwaltung der [[United Nations Transitional Administration in East Timor|UNTAET]], bis es schließlich am 20. Mai 2002 endgültig unabhängig wurde. Am 27. September 2002 wurde Osttimor als 191. Mitglied in die Vereinten Nationen aufgenommen. === Die Unruhen von 2006 und ihre Folgen === → ''Hauptartikel: [[Unruhen in Osttimor 2006]]'' [[Datei:Dili damage 2006.jpg|miniatur|Zerstörungen in Dili 2006]] Zwischen Ende April und Ende Mai 2006 erlebte Osttimor die schwersten Unruhen seit seiner Unabhängigkeit. 37 Menschen starben, 155.000 waren auf der Flucht. Ausgangspunkt dafür war die Entlassung von etwa 40 % der Armeeangehörigen, die aus Protest gegen Missstände bei den [[Verteidigungskräfte Osttimors|Verteidigungskräften Osttimors]] Anfang des Jahres desertierten. Über 3.000 Soldaten (''[[International Stabilization Force|Internationale Stabilisierungstruppe ISF]]'') wurden aus verschiedenen Ländern nach Osttimor geschickt um die Situation wieder zu stabilisieren. Premierminister Marí Alkatiri sah sich am 26. Juni zum Rücktritt gezwungen. Seit dem 13. September soll die [[UNMIT]] (''UN Integrated Mission in Timor-Leste'') zusammen mit den ausländischen Truppen für Ordnung im Lande sorgen, beim wirtschaftlichen Aufbau helfen und den friedlichen Verlauf der Wahlen 2007 sichern. Ihr Mandat wurde bis Februar 2010 verlängert. Auch die ISF unter Führung Australiens blieb im Land, um die Sicherheitslage weiter zu stabilisieren. Australien und Neuseeland haben noch etwa 800 Mann im Land stationiert. === Machtwechsel 2007 === → ''siehe auch Kapitel [[Osttimor#Exekutive|Exekutive]] und [[Osttimor#Legislative|Legislative]]'' [[Datei:Flag of FRETILIN (East Timor).svg|miniatur|Flagge der FRETILIN]] Die ersten Neuwahlen nach der Wiederherstellung der Unabhängigkeit brachten einen Machtverlust für die FRETILIN. Der parteilose José Ramos-Horta setzte sich in der Stichwahl gegen den FRETILIN-Kandidaten durch und eine Vier-Parteien-Koalition gelang es die Mehrheit im Parlament zu gewinnen und Xanana Gusmão als Premierminister einzusetzen. Die FRETILIN ist zwar die stärkste Partei im Parlament, konnte aber keine Koalitionspartner finden. Dass sie als stärkste Kraft nicht die Regierung führt, sieht die FRETILIN als Verfassungsbruch, kam aber von anfänglichen Drohungen ab das Parlament zu boykottieren oder vor das Oberste Gericht zu ziehen. Sympathisanten der FRETILIN begannen nach Bekanntgabe der neuen Regierung mit gewaltsamen Ausschreitungen. Vor allem in den östlichen Hochburgen der FRETILIN, den Distrikten [[Viqueque (Distrikt)|Viqueque]] und [[Baucau (Distrikt)|Baucau]] wurden Häuser angezündet und Menschen angegriffen. 6.000 neue Flüchtlinge waren die Folge. Die schlimmsten Vorfälle waren der Überfall auf ein Konvent und Waisenhaus der [[Salesianer Don Boscos]] in [[Baguia]], bei der minderjährige Mädchen vergewaltigt wurden und ein Überfall auf einen UN-Konvoi in Viqueque. Neuen Zündstoff brachten drei Vorfälle, bei denen australische Truppen die Flagge der FRETILIN verunglimpft und gestohlen haben sollen. Der australische Kommandeur, ''Brigadier John Hutcheson'' gab persönlich eine der Flaggen zurück und bedauerte den Vorfall. Die zwei anderen Flaggen wurden über andere Behörden zurück gegeben. FRETILIN-Generalsekretär Alkatiri forderte daraufhin den Abzug der Australier, da sie nicht mehr neutral seien. === Mordanschlag auf Präsident und Premierminister 2008 === {{Hauptartikel|Attentat vom 11. Februar 2008 in Dili}} [[Datei:Memorial-stone-Ramos-Horta-assassination-attempt-Dili-2009.JPG|miniatur|Gedenkstein an das Attentat auf Präsident Ramos-Horta]] Der Anführer der 2006 meuternden Soldaten [[Alfredo Alves Reinado|Alfredo Reinado]] war noch im selben Jahr zusammen mit 56 Getreuen aus einem Gefängnis ausgebrochen, in dem sie wegen unerlaubten Waffenbesitzes und dem Verdacht des Mordes im Laufe der Maiunruhen einsaßen. 2007 eskalierte die Lage um die Flüchtigen, die sich in den Bergen von [[Manufahi]] und [[Ermera (Distrikt)|Distrikt Ermera]] versteckten. Bei einem Überfall auf zwei Posten der Grenzpolizei raubten sie 23 teilweise schwere Waffen. Präsident Gusmão ermächtigte die ISF zur Verhaftung von Reinado und bat auch Indonesien um Unterstützung. Ein Zugriffsversuch durch australische Spezialeinheiten im März 2007 scheiterte. Danach wurde mehrmals versucht das Problem durch Verhandlungen zu lösen. Unter anderem trafen sich Präsident Ramos-Horta und Reinado Mitte August zu direkten Gesprächen.<ref>[http://www.abc.net.au/news/stories/2007/08/23/2012606.htm ABC, 23. August 2007, E Timor President meets fugitive military rebel]</ref> Mehrfach drohte Reinado der Regierung mit Bürgerkrieg und Angriffen auf Dili. Am 11. Februar 2008 kam es im Wohnhaus von Präsident Ramos-Horta zu einen Schusswechsel zwischen Reinado, einigen seiner Männer und den Sicherheitskräften. Ramos-Horta und einer seiner Leibwächter wurden dabei schwer verletzt, Reinado und ein weiterer Rebell kamen ums Leben. Premierminister Gusmão entkam unverletzt der Attacke, die kurz darauf ihm galt. Er erklärte den versuchten Staatsstreich für gescheitert. Präsident Ramos-Horta übernahm im April wieder die Amtsgeschäfte, nachdem er in [[Darwin (Northern Territory)|Darwin]] medizinisch behandelt worden war. Kurz darauf brach die Rebellenbewegung endgültig zusammen. Ihre Mitglieder kamen entweder in Haft oder wurden durch die Regierung wieder in die Gesellschaft integriert. 2010 wurden 24 Rebellen für die Überfälle zu Haftstrafen zwischen 9 und 16 Jahren verurteilt. Unklar blieb auch nach der Gerichtsverhandlung wer auf den Präsidenten schoss und wer Reinado und seinen Leibwächter tötete.<ref>[http://www.smh.com.au/world/attack-on-timorese-president-unsolved-20100304-plta.html Sydney Morning Herald, 5. März 2010, Lindsey Murdoch: Attack on Timorese President unsolved]</ref> == Politik == === Allgemeines === Die Verfassung Osttimors wurde nach [[Verfassung (Portugal)|portugiesischem Vorbild]] entwickelt. → ''siehe auch: [[:en:s:Constitution of the Democratic Republic of East Timor|Die Verfassung Osttimors (englisch)]]'' Von vielen Seiten wird Osttimor als eine „Gesellschaft, die auf Gerüchten basiert“ (''rumor-based society'') bezeichnet, was eine Folge der Traumatisierung durch die gewaltreiche Vergangenheit ist. Nach Beendigung der Eroberung hielt Indonesien das besetzte Land in einer angespannten Stimmung, um den Widerstand zu unterdrücken. Es kam zu willkürlichen Verhaftungen, öffentlicher Ausstellung von Leichen, mysteriösen Morden und dem Ausstreuen von Gerüchten. Die geheimen Widerstandsgruppen wendeten wahrscheinlich ähnliche Methoden an, um Angst unter den Besatzern zu schüren. Die Bevölkerung ist daher anfällig für Gerüchte und Verschwörungstheorien, was von allen politischen Parteien und Akteuren ausgenutzt wird. Das beginnt mit Vermutungen über die verfassungsmäßige Rechtmäßigkeit der Koalitionsregierung und geht über unbelegte Korruptionsvorwürfe und Behauptungen über Fehlverhalten der ausländischen Sicherheitskräfte (zum Beispiel der „[[INTERFET-Frosch]]“) und Unfähigkeit der Regierenden bis hin zu Gerüchten über bewaffnete, paramilitärische Gruppen und Spekulationen über den gewaltsamen Tod des Rebellen Alfredo Reinado und dessen Verbindungen ins Ausland. Im Mai 2009 sah sich der stellvertretende Polizeikommandant ''Alfrdo de Jesus'' gezwungen, die Bevölkerung in Radio und Fernsehen aufzufordern, nicht dem Gerücht zu glauben, eine Hexe namens ''Magareta'' würde nächtens über Dili fliegen.<ref>[http://easttimorlegal.blogspot.com/2009/05/east-timor-legal-news-7-8-may-2009.html East Timor Law and Justice Billetin, 7. Mai 2009, Police call for residents not to believe in witchcraft rumors]</ref> Die Gerüchte verbreiten sich schnell durch Mundpropaganda, [[SMS]] und Internet-Blogs. Dazu kommen Ankündigungen und Warnungen (zum Beispiel per SMS) vor gewalttätigen Ausschreitungen oder Massendemonstrationen, die dann nie stattfinden, oder Machtdemonstrationen von militanten Gruppen, zum Beispiel mit inszenierten Flaggenzeremonien. Folge ist ein „Reich der Angst“ (''Kingdom of Fear''), das dann durch die immer wieder vorkommende wirkliche Gewalt verstärkt wird.<ref name="kalaidoscope">[http://home.snafu.de/watchin/Kaleidoskop.htm Henri Myrttinen: Timor Leste – A Kaleidoscope of Conflicts (2007)]</ref> [[Datei:TIM freedom of speech.png|miniatur|Politische Meinungsfreiheit in den Distrikten Osttimors]] Am 9. Oktober 2009 wurden bei den Kommunalwahlen in den [[Verwaltungsgliederung Osttimors#Sucos und Aldeias|Sucos]] die Räte und Chefs (''Chefes de Suco'') neu gewählt. Die Bevölkerung zeigte sich im Vorfeld interessiert. 97 % wollten laut einer Umfrage an der Wahl teilnehmen. 39 % sind sehr an den Parteien und ihre Führer interessiert, 19 % wenig und 5 % gar nicht. 28 % sind mit der Parteienlandschaft sehr zufrieden, 31 % soweit zufrieden, 27 % nicht sehr zufrieden und 6 % nicht zufrieden. Allerdings sind nur 62 % der Einwohner der Meinung, sie könnten ihre politische Meinung in ihrem Heimatort frei äußern; 24 % sagen, dies sei bei Ihnen nicht der Fall. Als Hauptquelle für politische Information geben 31 % das Radio, 27 % das Fernsehen, 13 % Freunde und Nachbarn, 9 % lokale Führungspersönlichkeiten und 3 % Zeitungen an.<ref name=IRI/> === Exekutive === [[Datei:Xanana.png|miniatur|links|Ex-Präsident und Premierminister [[Xanana Gusmão]]]] [[Datei:EastTimor.JoseRamosHorta.01.jpg|miniatur|Präsident und Friedensnobelpreisträger [[José Ramos-Horta]]]] Der [[Präsident (Osttimor)|Präsident von Osttimor]] wird alle fünf Jahre gewählt und hat eher [[symbol]]ische Befugnisse; er besitzt aber ein [[Veto]]recht bei der Gesetzgebung. Ihm steht der [[Staatsrat (Osttimor)|Staatsrat]] beratend zur Seite. Bei den [[Präsidentschaftswahl in Osttimor 2007|ersten Präsidentenwahlen]] seit der Unabhängigkeit Osttimors von Indonesien am 20. Mai 2002 setzte sich der bisherige [[Premierminister (Osttimor)|Premierminister]] und Friedensnobelpreisträger [[José Ramos-Horta]] gegen den Parlamentspräsidenten [[Francisco Guterres]] (''Lu-Olo '') von der dominierenden Partei [[FRETILIN]] in einer Stichwahl durch. José Ramos-Horta wurde am 20. Mai 2007 vereidigt und löste damit seinen charismatischen Amtsvorgänger [[Xanana Gusmão]] ab. Der frühere Chef der FRETILIN und des ''[[Conselho Nacional de Resistência Timorense]] CNRT'', der als Volksheld verehrt wird, hatte schon vor der Präsidentenwahl angekündigt, er werde bei den [[Parlamentswahlen in Osttimor 2007|Parlamentswahlen am 30. Juni 2007]] als Kandidat für das Amt des Premierministers antreten. Nach den Parlamentswahlen bestimmt der Präsident einen Premierminister, der die Mehrheit einer Partei oder [[Koalition (Politik)|Koalition]] im Parlament hinter sich hat. Als Kopf der Regierung sitzt er dem Kabinett vor. Erster Premierminister nach der indonesischen Besatzung war bis zu seinem Rücktritt am 26. Juni 2006 [[Marí Alkatiri]] von der FRETILIN. Zu seinem Nachfolger wurde am 8. Juli der parteilose bisherige Außenminister José Ramos-Horta ernannt und am 10. Juli vereidigt. Ihm folgte ein Tag vor dessen Vereidigung zum Präsidenten einer der beiden stellvertretenden Premierminister, der Landwirtschaftsminister [[Estanislau da Silva]] (FRETILIN), der die Regierung bis zum Antritt der Neuen nach den Parlamentswahlen am 30. Juni 2007 führte. Xanana Gusmão wurde am 8. August 2007 als vierter Premierminister seit 2002 vereidigt. Am 12. Oktober 2009 konnte die Regierung ein Misstrauensvotum mit den Stimmen der Koalition (38 gegen 25) abwehren. Auslöser war die Freilassung des mutmaßlichen Kriegsverbrechers [[Maternus Bere]] auf Veranlassung von Premierminister Gusmão und Präsident Ramos-Horta. Indonesien hatte gegen die Verhaftung seines Staatsbürgers Anfang August protestiert, woraufhin Bere am 30. August zum 10. Jahrestag des Unabhängigkeitsreferendums an die indonesische Botschaft in Dili übergeben wurde. Die eigenmächtige Freilassung führte zu schweren Vorwürfen aus der Bevölkerung, von den Vereinten Nationen, der Katholischen Kirche und Menschenrechtsorganisationen. Das Oberste Gericht des Landes ermittelt wegen eines möglichen Verfassungsbruchs. Gusmão erklärte, er habe Bere im Interesse der gutnachbarschaftlichen Beziehungen freigelassen. Bere wird die Beteiligung am [[Suai#Das Kirchenmassaker von Suai|Kirchenmassaker von Suai]] vorgeworfen, bei dem 1999 vermutlich bis zu 200 Menschen ermordet wurden.<ref>[http://asia.news.yahoo.com/ap/20091012/tap-as-east-timor-militant-s-release-2nd-510daa6.html Associated Press, 12. Oktober 2009, Guido Goulart: East Timor government survives no-confidence vote]</ref> → ''siehe auch: [[Kabinett Osttimors]]'' === Legislative === [[Datei:Parlament klein.jpg|miniatur|Nationalparlament von Osttimor in Dili]] Das [[Parlamento Nacional de Timor-Leste|Parlament (Parlamento Nacional)]] besteht aus nur einer Kammer. Seine Mitglieder werden alle fünf Jahre in freien Wahlen bestimmt. Laut Verfassung kann die Anzahl der Sitze zwischen 52 und 65 variieren. Während der ersten [[Wahlperiode]] wurden ausnahmsweise die 88 Sitze der Verfassungsgebenden Versammlung beibehalten. Die [[FRETILIN]] errang bei der [[Parlamentswahlen in Osttimor 2001|Wahl am 30. August 2001]] mit 55 Sitzen zwar eine überragende Mehrheit, war aber intern in verschiedene Gruppen zersplittert. Am 30. Juni 2007 fanden die [[Parlamentswahlen in Osttimor 2007|ersten Parlamentsneuwahlen]] seit der Unabhängigkeit statt. Die Auszählung ergab hohe Verluste für die FRETILIN, die nun nur noch 21 der 65 Sitze innehat, weiterhin aber stärkste Kraft im Parlament bleibt. Die FRETILIN kündigte zunächst an entweder eine [[Minderheitsregierung]] oder eine ''Regierung der nationalen Einheit'' zusammen mit den anderen Parteien bilden zu wollen, doch dagegen stellte sich mit 37 Sitzen die nach der Wahl geschlossene [[Aliança da Maioria Parlamentar|Aliança da Maioria Parlamentar AMP]] (''Allianz der Parlamentarischen Mehrheit'') aus [[Congresso Nacional da Reconstrução Timorense|Congresso Nacional da Reconstrução Timorense CNRT]], [[Partido Democrático (Osttimor)|Partido Democrático PD]] und der Coligação [[Associação Social-Democrata de Timor|ASDT]]/[[Partido Social Democrata (Osttimor)|PSD]]. Staatspräsident Ramos-Horta zog die Idee einer Einheitsregierung vor, musste aber am 24. Juli das endgültige Scheitern der Koalitionsgespräche bekannt geben, da die Parteien keine Einigung erzielen konnten. Schließlich wurde der Chef des CNRT und ehemalige Staatspräsident Xanana Gusmão mit der Regierungsbildung beauftragt und zum neuen Premierminister gewählt. Neuer Parlamentspräsident ist [[Fernando de Araújo]] von der PD. Die FRETILIN hat von ihrem anfänglichen Vorhaben gegen die Regierungsbildung vor dem höchsten Gericht Osttimors zu klagen abgesehen, nennt die Allianzregierung aber weiterhin illegitim und verfassungswidrig. Sechs Parteien, die an der Drei-Prozent-Hürde gescheitert waren, organisierten sich nach der Wahl in der [[Liga Democrática Progressiva|Liga Democrática Progressiva LDP]] (''Progressiven Demokratischen Liga''). Ihr Sprecher ist [[Ermenegildo Lopes]] von der [[Partido Milénio Democrático|Partido Milénio Democrático PMD]]. Die Liga hat die Regierung der Allianz als legal und verfassungsgemäß anerkannt. [[Datei:ET parliament2008.png|miniatur|Sitzverteilung und Bündnisse im Nationalparlament Osttimors<br />(Stand: Mai 2008)]] Anfang Mai 2008 unterzeichnete die ASDT eine Bündniserklärung mit der FRETILIN. Allerdings verließ sie nicht die Regierungskoalition, sondern plant mit der FRETILIN bei den nächsten Wahlen 2012 zusammen zu arbeiten. Beide Parteien forderten daher bereits für das Frühjahr 2009 Neuwahlen. Auslöser der Spannungen in der Regierungskoalition war die Weigerung Premierminister Gusmãos zwei der Korruption beschuldigte ASDT-Angehörige des Kabinetts zu entlassen, wie es die Partei gefordert hatte. Korruption wird mehreren Regierungsmitgliedern vorgeworfen, ebenso eine zu große Nähe zu Indonesien. Innerhalb der ASDT brach ein Machtkampf aus, zwischen der Parteiführung und den ASDT-Abgeordneten, die weiterhin treu zur Regierung stehen. Die PSD, enger Partner der ASDT, blieb trotz Unzufriedenheiten ebenfalls in der Koalition mit dem CNRT, der Partei von Premierminister Gusmão zu bleiben. Nach einer Kampfabstimmung um den Vorsitz in der PSD, spalteten sich die Unterlegenen von der Partei ab und gründeten die [[Partido do Desenvolvimento Nacional|Partido do Desenvolvimento Nacional PDN]]. Allerdings schloss sich kein PSD-Abgeordneter der neuen Partei an.<ref>[http://temposemanaltimor.blogspot.com/2010/04/zacarias-minister-of-foreign-affairs.html Tempo Semanal Timor, 3. April 2010, Zacarias (Minister of Foreign Affairs) Threatens to Resign to the Prime Minister by SMS, Xanana asks him to do so quickly]</ref> Am 13. Mai 2008 schloss sich die [[UNDERTIM]] der Regierungskoalition an. Mit ihren beiden Abgeordneten hätte die AMP auch dann noch die absolute Mehrheit im Parlament, wenn die ASDT mit ihren fünf aus der Koalition ausscheiden würde.<ref>[http://www.easttimorlegalinformation.org/Miscellaneous/Translated_Reports_Portuguese_Media_02.html East Timor Legal Information Site, 14. Mai 2008, Extract from Suara Timor Lorosa'e Report 14/05/08 UNDERTIM Signs Accord to Join the AMP Government]</ref> === Judikative === Das ''Tribunal de Recursos'' (''Berufungsgericht'') ist das höchste Gericht Osttimors. Gegen dessen Urteile kann nicht in Berufung gegangen werden. Den Vorsitz führt der Gerichtspräsident, der durch den Präsidenten der Republik für vier Jahre ernannt wird. Das Amt hat seit dem 12. Juni 2007 [[Cláudio de Jesus Ximenes]] in seiner nun dritten Amtszeit inne.<ref>[http://timor-online.blogspot.com/2007/06/president-of-court-of-appeal-to-be.html Timor Online, 12. Juni 2007, President Of The Court Of Appeal To Be Sworn In Tomorrow]</ref> Er ist allerdings seit 2008 erkrankt; über seine Ablösung wird gestritten. Das Nationalparlament wählt ein Mitglied des Obersten Gerichts, die anderen Mitglieder werden durch den Oberen Judikativen Rat bestimmt. [[Generalstaatsanwalt|Generalstaatsanwältin]] ist seit dem 27. März 2009 die ehemalige Ministerin für Staatsadministration [[Ana Pessoa Pinto]]. Ihr Stellvertreter ist seit Juli 2009 ''Vicente Fernandes Brito''. Ihr Vorgänger [[Longuinhos Monteiro]] wurde neuer Polizeichef des Landes.<ref>[http://easttimorlegal.blogspot.com/2009/03/east-timor-legal-news-3-march-2009.html Suara Timor Lorosae, 3. März 2009, Politicians speak recklessly: Monteiro]</ref> Die [[Todesstrafe]] und lebenslängliche Gefängnisstrafe sind in Osttimor abgeschafft. Die zulässige Höchststrafe liegt bei 25 Jahren Gefängnis. Nach UN-Angaben kam es in Osttimor 2008 zu 169 Fällen von Körperverletzung auf 100.000 Einwohner. Der Weltdurchschnitt liegt bei 250, in den USA beträgt der Wert 795. Außerdem kam es in Osttimor 2008 zu drei Morden pro 100.000 Einwohner (USA: sechs pro 100.000).<ref>Terraviva, 20.Mai 2009, Q&A: Timor's „Extreme Poverty Is Centuries-Old“</ref> === Innenpolitik === Staatspräsident Ramos-Horta hat den Wunsch geäußert, dass die ISF und die UN bis 2012 bleiben. Seit den Unruhen von 2006 lebten allein in Dili 30.000 Menschen in Flüchtlingslagern, weitere 70.000 in anderen Distrikten des Landes. Seitdem Anfang 2008 die Regierung die Lebensmittelhilfen für die Flüchtlinge eingestellt hat und jeder rückkehrenden Familie 1.500 bis 4.500 US-$ anbot, nahm ihre Zahl innerhalb eines Jahres um 80.000 ab. Von den 16.000 Familien erhielten 11.700 die staatliche Hilfe. Bis Anfang Mai 2009 konnten 45 von 56 Flüchtlingscamps in Dili geschlossen werden, weitere der letzten 30.000 Flüchtlinge kehrten ab Juni heim, so dass schließlich auch die letzten Camps, wie in Metinaro, geschlossen wurden. Obwohl durch die ständigen Gerüchte der Eindruck entsteht, dass die Einwohner sich unsicher fühlen, unzufrieden sind und der Regierung misstrauen, <ref name="kalaidoscope"/> ergab eine Umfrage im November/Dezember 2008 (landesweit 1.500 Befragte im Alter über 17 Jahre) ein anderes Bild. 75 % der Befragten sehen Osttimor auf dem richtigen Weg. 55 % sagen, dass sich die Lage seit dem Regierungswechsel 2007 gebessert hat, nur 8 % sehen eine Verschlechterung. Vor allem bei der Bildung (70 %), den Beziehungen zu Australien (69 %) und Indonesien (68 %), Gesundheitspolitik (66 %), Nationalen Einheit (61 %) und den Flüchtlingen (53 %) sehen die Einwohner Verbesserungen. Verschlechtert haben sich nach Meinung der Befragten die Lebensmittelpreise (71 %) und die Stromversorgung (53 %). Die wichtigsten Themen der Zukunft seien eine verbesserte Bildung, ein Ausbau des Straßennetzes und die Arbeitslosigkeit. Insgesamt sagen 66 % der Befragten, dass die Regierung eine sehr gute oder gute Arbeit macht, nur 4 % bewerten sie als schlecht oder gar sehr schlecht. Trotz der guten Werte, würden 34 % der Bevölkerung vorgezogene Neuwahlen begrüßen, 43 % sind dagegen.<ref name=IRI/> [[Transparency International]] listet Osttimor im [[Internationaler Korruptionsindex]] 2009 auf Platz 146 mit Wert 2,2 (2007: Platz 122 mit 2,6, 2008: Platz 145 mit 2,2).<ref>[http://www.transparency.org/policy_research/surveys_indices/cpi/2009/cpi_2009_table Transparency International - 2009 Corruption Perceptions Index]</ref> Korruptionsvorwürfe durch die oppositionelle FRETILIN gegen Regierungsmitglieder sind bisher nicht bestätigt, führten aber Ende 2008 zu ausführlichen Diskussionen zu dem Thema. 35 % der Osttimoresen glauben, die Korruption wäre schlimmer geworden. Die Korruptionsbekämpfung ist daher nun ein Hauptziel der Regierungspolitik, auch wenn sie darauf hinweist, dass Transparency in großen Teilen bei ihrer Bewertung auf Daten zur Vorgängerregierung der FRETILIN zurückgegriffen hat. Die Regierung hat eine Anti-Korruptionskommission (''KAK'') gegründet. Vorsitzender ist ''Adérito de Jesus Soares'', der Gründer Osttimors wichtigster Menschenrechtsorganisation, der ''La'o Hamutuk''. Der Vizepremierminister [[Mário Viegas Carrascalão]] ist primär mit der Korruptionsbekämpfung beauftragt worden. 79 % der Einwohner begrüßen die Einrichtung der Kommission.<ref name=IRI/><ref>[http://timorlorosaenacaonewsinenglihs.blogspot.com/2008/11/timor-leste-corruption-indicators-based.html Regierungserklärung zur Bewertung Osttimors im Korruptionsindex] (englisch)</ref> Für 2010 erhöhte das Parlament die Rente für alle Alterspensionäre um zehn auf 30 US-Dollar pro Monat. 75 % der Einwohner sind mit der Arbeit der UN in Osttimor zufrieden, 3 % empfinden sie als schlecht.<ref name=IRI/> === Außenpolitik === [[Datei:Ministério dos Negócios Estrangeiros-Timor-Leste-Dili-2009.JPG|miniatur|Außenministerium in Dili]] Außenminister Osttimors ist [[Zacarias da Costa|Zacarias Albano da Costa]] von der PSD. Osttimor gehört seit dem 24. Februar 2003 zur [[Bewegung der blockfreien Staaten]]. Außerdem ist es Mitglied bei der [[Gemeinschaft der Portugiesischsprachigen Länder]] (CPLP), in der es besonders freundschaftliche Beziehungen mit Angola und Mosambik pflegt, was auch historische Gründe hat. Als Beobachter nahm Osttimor am dritten Gipfel der [[AKP-Staaten]] im Juli 2002 und seit August 2002 an den jährlichen Treffen der Staats- und Regierungschefs des [[Pacific Islands Forum]] teil. Mit dem zweiten katholischen Land in Asien, den [[Philippinen]], entwickelten sich seit der Unabhängigkeit Osttimors gute Beziehungen. Diese erstrecken sich über den wirtschaftlichen, den kulturellen und den Bildungssektor. Am 8. April fand in Dili eine Konferenz der [[g7plus-Staaten]] statt, einer Gruppe der instabilen und gefallenen Staaten. Dieser gehören [[Afghanistan]], die [[Demokratische Republik Kongo]], die [[Elfenbeinküste]], [[Haiti]], [[Sierra Leone]], die [[Zentralafrikanische Republik]] und Osttimor an. Die Konferenz sollte zum Austausch von Erfahrungen bei Stabilisierungsmaßnahmen und zur Stärkung gemeinsamer Interessen dienen, wobei sich Osttimor selbst als Erfolgsbeispiel sieht. Allerdings fehlten Afghanistan und Haiti auf der Konferenz. Dafür waren weitere Vertreter [[Burundi]]s, [[Nepal]]s, der [[Salomonen]], des [[Südsudan]]s und des [[Tschad]]s am ''“Fragile State Forum'' teil.<ref>[http://timor-leste.gov.tl/wp-content/uploads/2010/04/Opening-Speech-of-the-g7+-Meeting-8_4_10.pdf Speech by his excellency the Prime Minister Kay Rala Xanana Gusmão at the opening session of the “g7+” meeting]</ref> Auf der Konferenz wurde die Finanzministerin Osttimors [[Emília Pires]] zur neuen Vorsitzenden der g7plus-Staaten.<ref>[http://timorlorosaenacao.blogspot.com/2010/04/timor-leste-news_13.html Suara Timor-Lorosa’e auf Timor Lorosae Nação, 12. April 2010, Due its success of overcoming 2006 crises, TL now chairs G7+ for two years]</ref> Nach der Aufnahme in das ASEAN Regional Forum (ARF) im Juli 2005 strebt Osttimor mittelfristig auch die Mitgliedschaft in der [[ASEAN]] an. Der Antrag wurde am 28. Juli 2006 in Kuala Lumpur gestellt. Während Indonesien Osttimor bei seinem Wunsch auf Vollmitgliedschaft unterstützt, werden hinter vorgehaltener Hand Bedenken geäußert, die ASEAN hätte bereits mit [[Myanmar]] genug Probleme. In Vorbereitung zum Beitritt hat Osttimor am 14. Januar 2007 einen ''Vertrag über Freundschaft und Zusammenarbeit'' mit den ASEAN-Staaten unterzeichnet. Im August 2007 erklärten die ASEAN-Staaten ihre grundsätzliche Bereitschaft Osttimor aufzunehmen. Die Planungen gehen von einem Beitritt im Jahr 2012 aus. [[Datei:Lula e Ramos Horta 11072008.jpg|miniatur|Brasiliens Präsident [[Luiz Inácio Lula da Silva|Lula da Silva]] mit Präsident Ramos-Horta in Osttimor 2008]] Zur ehemaligen Kolonialmacht Portugal bestehen enge Beziehungen. Portugal leistet Entwicklungshilfe (1999-2007 472 Millionen US-Dollar, 2007-2010 60 Millionen Euro) und ist der wichtigste Geldgeber im Erziehungs- und Justizsektor. Deutschland engagiert sich bei der ländlichen Entwicklung, dem maritimen Transport mit der Finanzierung der Fähren zwischen den Landesteilen und Krisenpräventation und Konfliktberatung. [[Schweden]] hat Osttimor als eines der Kernländer für seine Entwicklungshilfe ausgewählt, ebenso wie [[Irland]], das Osttimor zwischen 2003 und 2007 bereits mit 20 Millionen Euro für Entwicklungshilfe unterstützte. Außerdem entsandte Irland 2008 einen Sonderbotschafter, der mit der osttimoresischen Regierung die Erfahrungen mit dem Friedensprozess in [[Nordirland]] teilen soll. Die [[Europäische Union]] hat für 2008 15 Millionen Euro für die ländliche Entwicklung zugesagt. 2006 waren es bereits 23 Millionen US-Dollar. Japan unterstützte Osttimor zwischen 1999 und 2007 mit 210 Millionen US-Dollar, unter anderem bei der Modernisierung des Hafens und beim Bau der ersten Schnellstraße des Landes. Die USA leisteten im selben Zeitraum Entwicklungshilfe im Wert von 86 Millionen US-Dollar.<ref name=dragon>[http://www.irasec.com/components/com_irasec/media/upload/publication_file_fr_287.pdf Loro Horta: „Timor-Leste - The Dragon’s Newest Friend“, 2009]</ref> Auch zu Australien gibt es enge Bindungen aufgrund der geographischen Nähe und der jüngsten Geschichte, in der Australien das Land auf dem Weg zur Unabhängigkeit unterstützte und unterstützt. Der Streit über die Erdöl- und Erdgasvorkommen in der [[Timorsee]] ist durch den [[Treaty on Certain Maritime Arrangements in the Timor Sea|CMATS-Vertrag]] beigelegt. Den Plan, das gewonnene Erdgas zu einer Raffenerie in Australien zu leiten lehnt Dili aber ab und verlangt eine Verwertung in Osttimor. Australien hat bis 2009 insgesamt Hilfen in Wert von 750 Millionen US-Dollar geleistet.<ref name=Reuters09-09-14>[http://uk.reuters.com/article/idUKTRE58D0I920090914 Reuters, 14. September 2009, China showers gifts on tiny, resources-rich Timor]</ref> [[Datei:Indo-timor border.jpg|miniatur|[[Mota'ain]]: Grenzübergang zu Indonesien]] Indonesien ist Osttimors größter Handelspartner. Als Staatsoberhaupt und nun als Regierungschef hat Xanana Gusmão sich vor allem dem Versöhnungsgedanken verschrieben. Nur eine Normalisierung der Beziehungen zur früheren Besatzungsmacht Indonesien und ein gewisser Schlussstrich unter die Vergangenheit, so seine Überzeugung, können das bitterarme und durch die lange Fremdherrschaft rückständige Land in die Zukunft führen. Die Teilnahme der damaligen indonesischen Präsidentin [[Megawati Sukarnoputri]] an der Unabhängigkeitsfeier 2002 in Dili zeugt von dem Willen Indonesiens, die Unabhängigkeit Osttimors nunmehr endgültig zu akzeptieren. Anfang 2005 empfing Gusmão den im Vorjahr neugewählten indonesischen Präsidenten [[Susilo Bambang Yudhoyono]] zu einem Staatsbesuch. Das Treffen der beiden Männer verlief außergewöhnlich herzlich und wurde als Neuanfang in den bilateralen Beziehungen gewertet. Die osttimoresische Regierung hält trotz der Kritik von Menschenrechtsorganisationen und der Katholischen Kirche an dieser Versöhnungspolitik fest. Eine vom UN-Generalsekretär eingesetzte dreiköpfige unabhängige internationale „Commission of Experts“ hat in ihrem am 27. Juni 2005 vorgelegten Abschlussbericht festgestellt, dass die juristische Aufarbeitung der 1999 in Osttimor begangenen Menschenrechtsverletzungen in Indonesien „völlig unzureichend“ ist. Auch die Arbeit der gemeinsamen [[Wahrheits- und Freundschaftskommission]] (CTF) steht in der Kritik von Vereinten Nationen und Menschenrechtsorganisationen, da sie Amnestie auch für schwere Verbrechen gewährt. UN-Personal wurde die Zusammenarbeit mit der CTF untersagt. Im Oktober 2007 vereinbarten die beiden Außenminister eine engere Zusammenarbeit. So sollen osttimoresische Diplomaten in Indonesien ausgebildet werden. Die [[Volksrepublik China]] war auch der erste Staat, mit dem Osttimor offiziell diplomatische Beziehungen aufnahm, bereits zwei Tage nach der Erklärung der Unabhängigkeit 2002. Wenige Stunden später folgte als zweiter Staat [[Indien]]. Unter Premierminister Alkatiri wurde die Zusammenarbeit mit China sowohl im militärischen, als auch im wirtschaftlichen Bereich verstärkt, was auch nach seinem Rücktritt Bestand hat. Bis 2009 leistete die Volksrepublik Hilfen in Wert von 53 Millionen US-Dollar, meist in öffentlichkeitswirksamen Projekten.<ref name=Reuters09-09-14 /> So lieferte China Uniformen für die timoresischen Streitkräfte, bildet Bauern, Beamte, Soldaten und Polizisten aus, entsendet medizinische Teams und Sicherheitskräfte, lädt timoresische Studenten ein und finanzierte den Bau des Präsidentenpalastes und des Außenministeriums in Dili sowie vom [[Verteidigungskräfte Osttimors|F-FDTL]]-Hauptquartier in [[Metinaro]] und Hunderten Häusern für Kriegsveteranen. Im Juni 2008 lebten laut Angaben der chinesischen Botschaft 2.342 chinesische Staatsbürger in Osttimor. Das Immigrationsbüro schätzt die Zahl sogar auf 3.000.<ref name=dragon/><ref>[http://www.iht.com/articles/2007/07/11/news/timor.php Herald Tribune, 11. Juli 2007, China's 'soft power' winning allies in Asia]</ref> Überraschend griff Premierminister Gusmão im April 2010 Australien mit Blick auf die historische Vergangenheit scharf in einer Rede an. Außerdem würden internationale Nichtregierungsorganisationen Misstrauen in der Bevölkerung gegenüber der Regierung schüren. Auch die USA wurden wegen ihrer Rolle bei der indonesischen Invasion von 1975 kritisiert. Ebenso das von den USA verhängte Embargo des Hafens von Dili, der nach amerikanischer Ansicht terrorgefährdet sei. Gusmão kündigte an, Osttimor wolle U.S.-Staatsanleihen aus seinem Erdölfonds verkaufen, da man nicht das amerikanische Haushaltsdefizit finanzieren wolle. Beobachter vermuten, dass Gusmão sich damit vom Einfluss westlicher Staaten und der UNO mehr absetzen und sich anderen Partnern zuwenden möchte.<ref>[http://www.smh.com.au/world/gusmao-lashes-australia-for-duplicity-20100408-rv6e.html Sydney Morning Herald, 9. April 2010, Gusmao lashes Australia for duplicity]</ref> [[Datei:Diplomatic missions in Timor-Leste.png|miniatur|Staaten mit Botschaften in Osttimor]] [[Datei:Timorese diplomatic missions.PNG|miniatur|Staaten mit diplomatischen Missionen von Osttimor]] [[Deutschland]], [[Österreich]] und die [[Schweiz]] haben keine [[Botschaft (Diplomatie)|Botschaften]] in Osttimor. Zuständig sind die Botschaften der Länder in [[Jakarta]]/Indonesien. In dringenden Fällen können sich deutsche Staatsbürger an die Botschaft Portugals oder der Vertretung der Europäischen Union in Dili wenden. Außerdem haben folgende Länder Botschaften in Dili: Australien, [[Brasilien]], Volksrepublik China, [[Frankreich]], [[Indonesien]], Irland, Japan, [[Kuba]], [[Malaysia]], [[Norwegen]], [[Philippinen]], [[Südkorea]], [[Thailand]], [[Vereinigtes Königreich von Großbritannien und Nordirland|Großbritannien]] und die [[USA]].<ref>[http://www.mfac.gov.tp/diplomissionin.html Webseite des Außenministeriums Osttimors - Liste der ausländischen Botschaften in Osttimor]</ref> [[Neuseeland]] hat in Dili ein Konsulat.<ref>[http://www.mfac.gov.tp/consulin.html Webseite des Außenministeriums Osttimors - Liste der ausländischen Konsulate in Osttimor]</ref> Diplomatische Beziehungen gibt es unter anderem auch mit [[Kuwait]], den [[Vereinigte Arabische Emirate|Vereinigten Arabischen Emiraten]] und [[Südafrika]]. Die für Mitteleuropa zuständige Botschaft Osttimors befindet sich in [[Brüssel]]. Sie ist auch die offizielle Vertretung Osttimors bei der Europäischen Union. Der Brüsseler Botschaft ist zudem der ständigen Vertretung Osttimors bei den Vereinten Nationen in [[Genf]] untergeordnet. Darüber hinaus unterhält Osttimor Botschaften in [[Bangkok]], [[Canberra]], [[Havanna]], Jakarta, [[Kuala Lumpur]], [[Lissabon]], [[Manila]], [[Maputo]], Peking, [[Seoul]], [[Singapur]], [[Tokio]], beim Vatikan und in [[Washington (District of Columbia)|Washington, D. C.]], sowie eine Mission bei den Vereinten Nationen in [[New York City|New York]].<ref>[http://www.mfac.gov.tp/diplomissionout.html Webseite des Außenministeriums Osttimors - Liste der Botschaften Osttimors]</ref> In [[Denpasar]], [[Kupang]] und [[Sydney]] befinden sich [[Generalkonsulat]]e. Ein weiteres ist seit 2009 im indonesischen [[Surabaya]] geplant, da 2000 Osttimoresen in Universitäten der Provinz studieren. Außerdem werden hier mehrere Staatbürger in Krankenhäusern behandelt. Mit der Provinzregierung soll eine Ausbildungs- und gesundheitspolitische Kooperation aufgebaut werden. [[Honorarkonsul]]e gibt es in [[Beirut]], [[Cebu]], [[Dublin]], [[Evora]], Genf, [[Manila]] und auf [[Tasmanien]].<ref>[http://www.mfac.gov.tp/consulout.html Webseite des Außenministeriums Osttimors - Liste der Konsulate Osttimor]</ref> === Militär === → ''Hauptartikel: [[Verteidigungskräfte Osttimors]]'' [[Datei:F-FDTL soldier on training exercise with USMC 2009-10-17 2.jpg|miniatur|hochkant|Ausbildung osttimoresischer Soldaten]] Die ''Verteidigungskräfte Osttimors'' (portugiesisch: ''Forças de Defesa de Timor Leste'', Tetum: ''Forcas Defensa Timor Lorosae'') oder ''FALINTIL-FDTL'' (''F-FDTL'') bestehen aus Landstreitkräften und einer kleinen Marine. Die Streitkräfte sollen eines Tages aus 1.500 aktiven und 1.500 Angehörigen in der Reserve bestehen. Ihr Grundstock wurde am 1. Februar 2001 aus Kämpfern der ehemaligen [[Guerilla]]armee [[FALINTIL]] rekrutiert. Es blieben aber nur wenige aufgrund der geringen Altersversorgung. Das Heer bestand bis Anfang 2006 aus zwei Infanteriebataillonen mit je 600 bis 650 Mann, und die Marine hatte 65 Mann mit den beiden [[Schnellboot]]en [[Oecusse (P101)|Oecusse]] und [[Atauro (P102)|Atauro]]. Anfang 2006 desertierte fast die Hälfte der Soldaten aus Protest gegen angeblich ungerechte Behandlung und schlechte Bedingungen in der Armee. Dies gilt als der Hauptauslöser für [[Unruhen in Osttimor 2006|die schlimmsten Unruhen in Osttimor]] seit der Unabhängigkeit. Im Juni 2007 wurde ein Aufrüstungsplan namens „''Forças 2020''“ bekannt. Nach diesem Plan sollen bis 2010 Marine und Armee massiv aufgerüstet werden, um die osttimoresischen Interessen im Erdölfeld in der Timorsee zu sichern und Schmuggel und illegale Fischerei zu unterbinden. Allein durch illegale Fischer entsteht Osttimor jährlich ein Schaden von 45 Millionen US-Dollar. Schmuggel kostet dem Staat jährlich weitere 8 Millionen US-Dollar an Steuereinnahmen.<ref name=dragon/> Die zukünftigen Einnahmen aus dem Erdölgeschäft sollen die Finanzierung sichern. Neben der Finanzierung wird auch die Fähigkeit Osttimors die notwendigen Technologien anzuwenden vom Ausland angezweifelt. Im Oktober 2009 kündigte Premierminister Gusmão den Kauf zweier [[Kanonenboot]]e der Shanghai-III-Klasse von der Volksrepublik China an. Im Mai 2008 unterschrieb Osttimor mit den sieben anderen Staaten der [[Gemeinschaft der Portugiesischsprachigen Länder|CPLP]] eine Vereinbarung über ein Militärbündnis. Unter anderem sollen osttimoresische Soldaten in Brasilien und Portugal ausgebildet werden.<ref>[http://www.news.com.au/heraldsun/story/0,21985,23718472-5005961,00.html Herald Sun, 18. Mai 2008, East Timor signs military pact]</ref> Auch mit [[Polen]], [[Kanada]], [[Indien]] und [[Japan]] gibt es Pläne zur militärischen Zusammenarbeit bei der Ausbildung der osttimoresischen Soldaten. == Verwaltungsgliederung == {{Hauptartikel|Verwaltungsgliederung Osttimors}} 2004 wurden die Verwaltungsgrenzen überarbeitet. Osttimor ist in 13 administrative Distrikte aufgeteilt. Diese sind in insgesamt 65 Subdistrikte, 442 [[Verwaltungsgliederung Osttimors#Sucos und Aldeias|Sucos]] und in 2.225 Aldeias (''Dörfer'') unterteilt.<ref>[http://www.jornal.gov.tl/public/docs/2009/serie_1/serie1_no33.pdf Jornal da Républica mit dem Diploma Ministerial n.° 199/09] (PDF-Datei; 315&nbsp;kB)</ref> Die Insel Atauro gehört zum Distrikt Dili, die Insel Jaco zum Distrikt Lautém. Seit 2009 überlegt man aber zur Dezentralisierung die Distrikte in Gemeinden umzuwandeln. Ihre Grenzen sollen erhalten bleiben. Dazu sollen eine Gemeindeverwaltung und ein Gemeinderat geschaffen werden. Die Gemeinden sollen einen Etat von der Zentralregierung bekommen, den dann der Gemeinderat verteilt. Ein Bürgermeister soll für die Umsetzung der Beschlüsse sorgen und für die Gemeindeverwaltung verantwortlich sein.<ref>[http://www.estatal.gov.tl/English/News/News_7.html Regierungsseite: Council of Ministers Approves Law Proposals on Local Governance]</ref> Die Verabschiedung der Verwaltungsreform sollte im Februar 2010 erfolgen, die Wahl der Gemeinderäte soll noch im selben Jahr erfolgen.<ref>[http://timornewsnetwork.blogspot.com/2010/01/timornewsline-httpwww.html Timor News Network, 15. Januar 2010, UN to provide security and facilities for municipal assembly elections]</ref> → ''siehe auch: [[Liste der Verwaltungseinheiten Osttimors]]'' <center><gallery widths="150"> Datei:Timor-Leste districts numbered.png|Distrikte Osttimors Datei:East Timor location map.svg|Subdistrikte Ostimors Datei:Sucos Osttimors.png|Sucos Osttimors </gallery></center> [[Datei:TL-Vert-Land-Einw.png|miniatur|Verteilung der Landfläche und der Einwohner auf die einzelnen Distrikte]] {| class="wikitable" margin-left:0.5em" width="60%" ! style="background:#efefef;" |Administrativer [[Bezirk|Distrikt]] (Zahl auf der Karte) ! style="background:#efefef;" |ISO 3166-2:TL ! style="background:#efefef;" |Einwohner<ref name="Statistisches Amt"/> ! style="background:#efefef;" |[[Fläche]] in km²<ref name="CPH"/> ! style="background:#efefef;" |Hauptstadt |- |[[Aileu (Distrikt)|Aileu]] (6) || TL-AL || 37.926 || 737 || align="right"| [[Aileu]] |- |[[Ainaro (Distrikt)|Ainaro]] (10) || TL-AN || 52.476 || 804 || align="right"| [[Ainaro]] |- |[[Baucau (Distrikt)|Baucau]] (2) || TL-BA || 100.326 || 1.506 || align="right"| [[Baucau]] |- |[[Bobonaro (Distrikt)|Bobonaro]] (11) || TL-BO || 83.034 || 1.376 || align="right"| [[Maliana]] |- |[[Cova Lima]] (12) || TL-CO || 52.818 || 1.203 || align="right"| [[Suai]] |- |[[Dili (Distrikt)|Dili]] (5) || TL-DI || 173.541 || 367 || align="right"| [[Dili]] |- |[[Ermera (Distrikt)|Ermera]] (9) || TL-ER || 103.199 || 768 || align="right"| [[Gleno]] |- |[[Lautém (Distrikt)|Lautém]] (1) || TL-LA || 55.921 || 1.813 || align="right"| [[Lospalos]] |- |[[Liquiçá (Distrikt)|Liquiçá]] (8) || TL-LI || 54.834 || 549 || align="right"| [[Liquiçá]] |- |[[Manatuto (Distrikt)|Manatuto]] (4) || TL-MT || 36.719 || 1.782 || align="right"| [[Manatuto]] |- |[[Manufahi]] (7) || TL-MF || 44.950 || 1.323 || align="right"| [[Same (Manufahi)|Same]] |- |[[Oecusse (Distrikt)|Oecusse]] (13) || TL-OE || 57.469 || 814 || align="right"| [[Pante Macassar]] |- |[[Viqueque (Distrikt)|Viqueque]] (3) || TL-VI || 65.245 || 1.877 || align="right"| [[Viqueque]] |} == Transport und Verkehr == [[Datei:East Timor map mhn.jpg|miniatur|Timors Straßennetz]] [[Datei:Mikrolet.jpg|miniatur|Ein Mikrolét]] [[Datei:Pferde in Maubisse klein.jpg|miniatur|Pferde am Markttag in Maubisse]] Wer, wie die meisten Timoresen, nicht über einen [[Allradantrieb|allradbetriebenen]] Wagen verfügt, ist bei Reisen über Land auf die öffentlichen Verkehrsmittel angewiesen, die es in zwei Formen gibt. Der ''Biskota'' ist ein größerer Bus. Solche Busse verbinden die größeren Ortschaften, wie Lospalos oder Baucau, mit Dili und fahren auf den größtenteils asphaltierten Hauptrouten. Um zu kleineren Orten zu gelangen, muss man auf [[Kleinbus]]se, sogenannte ''Mikroléts'', umsteigen. Beide Bustypen sind durchweg überfüllt mit Menschen und Handelsware. Auch die Straßenverhältnisse erleichtern nicht das Reisen. 70 % der 6.000 Kilometer Straße sind reparaturbedürftig. In der Regenzeit sind viele der Wege nur noch Schlammpisten und gar nicht mehr befahrbar. Gerade in den bergigen Regionen sind die einheimischen [[Timor-Pony]]s noch ein alltägliches Transportmittel. Dilis Flughafen [[Presidente Nicolau Lobato International Airport]] ([[IATA]] Code: DIL, [[International Civil Aviation Organization|ICAO]] Code: WPDL) liegt westlich des Stadtzentrums im Suco [[Comoro]] (Komoro) und wird international von Passagiermaschinen angeflogen. Die [[Airnorth]] (IATA Code: TL) fliegt seit dem 18. Januar 2000 die Strecke [[Darwin (Northern Territory)|Darwin]] (Australien)–Dili und zurück, inzwischen täglich in zwei Stunden mit einer [[Embraer]]. An drei Tagen der Woche wird die Strecke sogar zweimal bedient. Täglich fliegt die [[Merpati Nusantara Airlines]] (IATA Code: MZ) von [[Denpasar]] auf [[Bali]] (Indonesien) nach Dili mit einer [[Boeing 737-200]]. Seit dem 1. August 2008 bietet [[Austasia Airlines]] die Route von [[Singapur]] nach Dili und zurück zweimal die Woche an. Für die Strecke wird ein [[Airbus 319]] der [[Silk Air]] verwendet. Für größere Maschinen ist der Flughafen Dili nicht ausgelegt. Zusammen mit dem aus Osttimor stammenden australischen Geschäftsmann ''Jeremias Desousa'' gründete die osttimoresische Regierung 2002 eine eigene Gesellschaft namens ''East Timor Air'' ([[ICAO]] Code: ETA). Erst am 27. November 2008 wurde die Fluggesellschaft, nun als [[Timor Air]] offiziell in Betrieb genommen. Ursprünglich wollte man ab dem 2. Februar 2009 täglich mit einer geleasten [[Embraer]] mit 94 Sitzen die Route Darwin - Dili - Denpasar, und dann zurück nach Dili und Darwin bedienen. Die Maschine gehört der australischen ''SkyAirWorld'' und ist in Australien registriert. Innerhalb der nächsten fünf Jahre sollte die Gesellschaft über vier bis fünf eigene Maschinen verfügen.<ref>[http://www.theage.com.au/travel/timor-air-set-to-take-to-the-skies-20081126-6ism.html The Age, 27. November 2008, Timor Air set to take to the skies]</ref> Allerdings kam es bisher zu keinem Flugverkehr der Gesellschaft.<ref>[http://flytimorair.com/ Timor Air Webseite], abgerufen am 16. April 2010</ref> Der [[Baucau Airport]] (IATA code: BCH) ist der einzige Flughafen Osttimors, auf dem größere Maschinen als die Boeing 737 landen können. Er wird in erster Linie für militärische und Versorgungsflüge genutzt. Reguläre, zivile Flugverbindungen nach Baucau sind zurzeit nicht im internationalen Buchungssystem der Fluggesellschaften vermerkt. Wichtigster Frachthafen des Landes ist Dili. Allerdings haben die Vereinigten Staaten über den Hafen ein Embargo verhängt, da in ihren Augen Schiffe dort nicht genügend vor Terrorangriffen geschützt seien. Premierminister Xanana Gusmão protestierte gegen diese Bewertung.<ref>[http://www.smh.com.au/world/gusmao-lashes-australia-for-duplicity-20100408-rv6e.html Sydney Morning Herald, 9. April 2010, Gusmao lashes Australia for duplicity]</ref> Eine Fährgesellschaft hat, mit deutscher finanzieller Unterstützung, eine Verbindung nach Pante Macassar in der Enklave Oecusse hergestellt. Die ''MV Uma Kalada'' fährt dienstags und donnerstags von Dili in 12 bis 13 Stunden nach Pante Macassar und am selben Tag zurück. Samstags wird von der ''MV Uma Kalada'' die Insel Atauro in zweieinhalb Stunden angelaufen. Zusätzlich verbinden kleine Boote Atauro mit Dili. Im Februar 2007 schenkte die deutsche Regierung Osttimor die Fähre ''Berlin Nakroma'', die nun zusätzlich die Strecken bedient. Es gibt einen Grenzübergang in [[Mota'ain]] nah der Nordküste und in [[Motamasin]] an der Südküste zum indonesischen Westtimor hin, aber keinen regelmäßigen Busverkehr. Von Oecusse aus führen Grenzübergange bei [[Napan]]/[[Bobometo]] (Subdistrikt [[Oesilo]]), [[Nipane|Sacato]]/[[Haumeniana]] und [[Passabe]] nach Westtimor. Allerdings sind nur Bobometo und Sacato legale Übergänge.<ref>[http://www.bakosurtanal.go.id/upl_document/Paper%20IBRU%20Bangkok.pdf Sobar Sutisna and Sri Handoyo: „Delineation and Demarcation surveys of the land border in Timor: Indonesian perspective“, Center for Boundary Mapping, The National Agency for Surveys and Mapping of Indonesia], bakosurtanal.go.id</ref> == Wirtschaft == === Situation === [[Datei:Dili-market-2009.JPG|miniatur|Markt in Dili]] [[Datei:Dili fisher2.jpg|miniatur|Fischer in Dili]] [[Datei:Truck in Dili.jpg|miniatur|Lastwagen in Dili]] Osttimor ist, laut den Vereinten Nationen, heute das ärmste Land Asiens. Die Wirtschaftsindikatoren lägen weit hinter denen anderer asiatischer Länder. Die Arbeitslosigkeit beträgt etwa 20 %. 41 % der Bevölkerung leben unterhalb der Armutsgrenze, die die Vereinten Nationen auf 0,55 US-Dollar pro Tag festgelegt haben. Im [[Human Development Index]] (HDI) lag Osttimor 2008 auf Platz 158 (2007: 150).<ref>[http://hdr.undp.org/en/media/HDI_2008_EN_Tables.pdf Human Development Indices]</ref> 2009 fiel Osttimor auf Platz 162 zurück, konnte aber seinen Wert von 0,483 auf 0,489 leicht steigern. Nach der Volkszählung von 2004 arbeiten 78 % in Land- und Forstwirtschaft und in der Fischerei. 6 % arbeiten in der Öffentlichen Verwaltung, Bildung, Gesundheits- und Sozialdienst, Gemeinden und Verteidigung. Jeweils 4 % für die UN oder dem diplomatischen Dienst, beziehungsweise für Handel, Hotels und Gaststätten. 3 % arbeiten in der Heimarbeit. 2 % arbeiten im Bereich Finanzen, Transport, Lagerung und Kommunikation, nur 1 % im Bereich Bergbau, Ölgewinnung, Elektrizität und im Bau. Mit Macao und Australien gibt es Vereinbarungen über die Entsendung von Gastarbeitern in diese Länder. Am 27.Oktober 2009 trafen die ersten osttimoresischen Gastarbeiter in [[Südkorea]] ein.<ref>[http://mnerdtimorleste.blogspot.com/2009/10/first-timorese-workers-arrive-in-south.html Blogspot.com], Foreign Ministry, 27. Oktober 2009, First Timorese workers arrive in South Korea</ref> Probleme bereiten die fehlende [[Infrastruktur]] (Straßen und Energieversorgung, die 1999 größtenteils zerstört wurde), ein eklatanter Fachkräftemangel und das hohe Lohnniveau aufgrund der internationalen Präsenz und der Einführung des US-Dollars als Währung. Diese Faktoren verringern die Konkurrenzfähigkeit Osttimors gegenüber seinen Nachbarländern. Schätzungen zufolge seien jährliche Investitionen von 40 Millionen Euro nötig, um pro Jahr ein Wirtschaftswachstum von fünf bis sieben Prozent zu erzielen. Damit könne die Armut bis 2015 um ein Drittel reduziert werden. Ein UN-Report stellt fest: „Angesichts der voraussichtlichen Einnahmen aus dem Handel mit Öl und Gas ist dies technisch und finanziell machbar“. Das [[Bruttoinlandsprodukt]] fiel 1999 um 30 %. Während der folgenden drei Jahre wurde das Gebiet mit einem massiven internationalen Hilfsprogramm unter Führung der UN wieder aufgebaut. Das Programm umfasste zivile Beobachter, eine 5.000 Mann starke [[Friedenstruppe]] und 1.300 Polizisten. Das Bruttoinlandsprodukt stieg daher, getragen von der Nachfrage an Dienstleistungen und vom Bausektor, kräftig an (15,4 bzw. 18,3 %) und das Vorkrisenniveau wurde wieder erreicht. Zwischen 2002 und 2005 stagnierte das Bruttoinlandsprodukt. Im Jahre 2005 war ein Wachstum von 2,9 % zu verzeichnen. Mit dem Abzug des UN-Personals bis zu den Unruhen 2006 schrumpfte zunächst die Wirtschaft des Landes, heißt es in dem Bericht „Der Weg aus der Armut“ des UN-Entwicklungsprogramms 2006.<ref name=UNDP>[http://hdrstats.undp.org/countries/country_fact_sheets/cty_fs_TMP.html Human Development Report]</ref> Trotz der [[Finanzkrise ab 2007|Weltfinanzkrise]] konnte Osttimor 2008 ein Wirtschaftswachstum von 12,8 % erreichen. Der [[Internationaler Währungsfonds|Internationale Währungsfonds]] erwartet für Osttimor 2009 ein Wirtschaftswachstum von 7,8 %.<ref name=Age05-09>[http://www.theage.com.au/world/timor-tears-of-joy-as-world-weeps-20090204-7xvz.html Jill Jolliffe in The Age, 5. Februar 2009, Timor tears of joy as world weeps]</ref> In einer Umfrage geben im November/Dezember 2008 29 % der Befragten an, dass sich seit dem Regierungswechsel 2007 ihre finanzielle Situation gebessert habe. Besonders in Oecusse (58 %), Manufahi (49 %) und Lautém (42 %) sehen die Einwohner eine positive Entwicklung, während in Ainaro (16 %) und Baucau (16 %) deutlich weniger Personen eine persönliche Verbesserung sehen. Bei insgesamt 47 % ist sie unverändert, bei 20 % hat sie sich verschlechtert.<ref name=IRI/> Bis Ende 1999 wurden ungefähr 70 % der ökonomischen [[Infrastruktur]] durch pro-indonesische Milizen und Militärs verwüstet. Das Land steht noch immer vor der großen Herausforderung des Aufbaus und der Verbesserung der Lebensverhältnisse der Bevölkerung. Das [[Global System for Mobile Communications|GSM]]-Netz wurde von der ''Timor Telecom'' aufgebaut, die zu 50,1 % der [[Portugal Telecom]] gehört. Weitere Anteilseigner sind der Staat und [[Vodatel]]. Mit der chinesischen [[ZTE]] wurde von der Timor Telecom 2009 ein Vertrag geschlossen, um das Mobilfunksystem weiter auszubauen und [[Wideband CDMA]] zu etablieren.<ref>[http://www.macauhub.com.mo/en/news.php?ID=7685 Macauhub, 6. Juli 2009, China’s ZTE takes third generation mobile phones to East Timor]</ref> Die Zuwachsraten bei den Mobiltelefonen waren von 2006 bis 2009 jährlich bei über 50 %. Mit 140.000 Handys hatten 2009 bereits 13 % der Einwohner ein Mobiltelefon.<ref>[http://www.companiesandmarkets.com/Summary-Market-Report/east-timor-(timor-leste)-telecoms,-mobile-and-internet-157542.asp East Timor (Timor Leste) - Telecoms, Mobile and Internet, 17. August 2009]</ref> Das Monopol der Timor Telecom wurde 2010 von der Regierung aufgehoben, um den freien Wettbewerb zu ermöglichen.<ref>[http://temposemanaltimor.blogspot.com/2010/04/timor-telcom-monopoly-finished.html Tempo Semanal Timor, 3. April 2010, Timor Telcom Monopoly Finished.]</ref> Derzeit bewerben sich die indonesische ''Telkomsel'' und die irische [[Digicel]] als neue Anbieter.<ref>[http://easttimorlegal.blogspot.com/2010/04/government-to-eliminate-timor-telecom.html East Timor Law & Justice Bulletin, 26. April 2010, Government to ‘eliminate’ Timor Telecom]</ref> === Stromversorgung === Seit Ende 2007 funktioniert die Stromversorgung der Hauptstadt wieder verhältnismäßig reibungslos, nachdem sie durch die Unruhen von 2006 zusammenbrach. Meistens werden [[Dieselgenerator]]en zur Stromproduktion verwendet, weswegen in kleineren Orten, wenn überhaupt, Elektrizität zumeist nur für wenige Stunden am Abend verfügbar ist. Seit 2008 arbeitet das von [[Norwegen]] gebaute erste Wasserkraftwerk bei [[Gariuai]] (Distrikt Baucau). Ab 2012 soll die Hauptstadt Dili mit dem [[Ira Lalaro|Iralalary]]-Wasserkraftprojekt (Distrikt Lautém) mit Strom versorgt werden. Dessen zwei Generatoren sollen jeweils eine Leistung von 14 [[Megawatt|MW]] erreichen. Weitere Wasserkraftwerke sollen in [[Atsabe|Atsabe Magapu]] (Distrikt Ermera), [[Ai-Assa]] und [[Maliana|Maliana Bulobo]] (Distrikt Bobonaro) entstehen.<ref>[http://hydrotimor.com/ Hydrotimor - Wasserkraftwerkprojekte in Osttimor] (englisch)</ref> Daneben gibt es Projekte mit Biogas-Kraftwerken, die von Dorfkooperativen betrieben werden, so in [[Loi-Huno]] (Viqueque) und [[Ponilala]] (Ermera).<ref>[http://timor-leste.gov.tl/?p=2302&lang=en&n=1 Gouvernment of Timor-Leste, 3. April 2010, Almost 150 families of Ponilala Village are beneficiaries and shareholders of biogas energy]</ref> 2009 forderte Präsident Ramos-Horta den geplanten Kauf von drei 20 Jahre alten [[Ölkraftwerk]]en aus China zunächst zu stoppen. Verschiedene Umweltschutzgruppen, NGOs und die FRETILIN hatten sowohl die Gefährdung durch Umweltverschmutzung durch die Kraftwerke, als auch die Umstände unter denen der Handel im Wert von 381 Millionen US-Dollar zustande kam, kritisiert, nachdem bereits mit den Vorbereitungen für ein Kraftwerk in [[Hera (Cristo Rei)|Hera]] (30&nbsp;MW) begonnen wurde. Die anderen geplanten Standorte sind Manatuto (90&nbsp;MW) und Manufahi (60&nbsp;MW). Die Hauptstädte der Distrikte sollen mit Hochspannungsleitungen verbunden werden. Eine unabhängige Kommission soll nun den Kauf prüfen.<ref>[http://www.theage.com.au/world/timor-stops-work-on-power-plants-20090317-90z5.html The Age, 18. März 2009, Timor stops work on power plants]</ref><ref>[http://www.laohamutuk.org/Oil/Power/09ProjectNotStopped.htm La’o Hamutuk, 24. März 2009, Heavy Oil Power Project not yet stopped]</ref> === Außenhandel === [[Datei:Timor-Import-Export 2004-2008.jpg|miniatur|Jahresvergleich Export/Import]] 43 % der Importe 2008 in Osttimor stammen aus Indonesien, 17 % aus Singapur, 14 % aus Australien, 7 % aus Vietnam, 5 % aus Malaysia. Auf der Liste der Importeure ist Portugal auf Platz 9 nach Australien das erste Land, dass nicht in Ost- oder Südostasien liegt. Deutschland folgt auf Platz 10. Nachdem der Wert der Importe von 2004 bis 2006 um 23 % sank, stieg er 2008 fast auf das dreifache Volumen an. 2008 machten Erdöl und Treibstoffe knapp 27,5 % der Importe nach Osttimor aus. Größere Anteile am Import stellen Fahrzeuge, Elektrogeräte, Maschinen und Getreide (Reis). Außerdem weitere Lebensmittel und Medikamente. Die Handelsbilanz von 2008 weist nur [[Kaffee]] als Exportgut Osttimors aus. Erstmals ist Deutschland hier der größte Handelspartner nach dem Warenwert, knapp gefolgt von den USA, die dafür eine größere Menge an Kaffee importierten. Die weltweit exportierte Menge hat sich seit 2004 fast verdreifacht, der Wert fast verdoppelt. → ''siehe auch: [[Außenhandelsdaten Osttimors]]'' === Wirtschaftspolitik === [[Datei:Caixa Geral de Depósitos-Building-Dili-2009.JPG|miniatur|Filiale der portugiesischen [[Caixa Geral de Depósitos]] in Dili]] Osttimor ist Mitglied des [[Internationaler Währungsfonds|Internationalen Währungsfonds]], der [[Weltbank]] sowie der [[Asian Development Bank]] (ADB). Die Lage des Staatshaushalts verbessert sich aufgrund der gestiegenen Einnahmen im Öl- und Gassektor infolge des hohen [[Ölpreis]]es zusehends. Eine Auslandsverschuldung existiert nicht, da die internationalen Hilfeleistungen bisher als Zuschüsse (''grants'') gewährt wurden. Der Staatshaushalt für 2008 hatte ursprünglich eine Höhe von 348,1 Millionen US-Dollar.<ref>National Parliament: Press Release on agenda No. 22/II, 5. Dezember 2007</ref> Aufgrund der rapide steigenden Preise für das Grundnahrungsmittel Reis auf dem Weltmarkt und der Schwäche des US-Dollars, entschloss sich die Regierung Ende Juli 2008 das Budget auf 612 Millionen US-Dollar zu erhöhen. Dafür wurden erstmals die nationalen Reserven aus den Erdölgeschäften angetastet. Im November 2008 wurden die Pläne der Regierung aber vom Obersten Gericht des Landes als verfassungswidrig erklärt.<ref>[http://www.abc.net.au/news/stories/2008/11/14/2420543.htm ABC News, 14. November 2008, E Timor's budget unconstitutional, court rules]</ref> Für 2009 hatte das Parlament einen Staatshaushalt von 1,05 Milliarden US-Dollar verabschiedet.<ref name=Age05-09/> Für 2010 sank er wieder auf 659,996 Millionen US-Dollar. Das Defizit beträgt 572,6 Millionen US-Dollar, allein 502 Millionen US-Dollar davon werden aus dem Erdölfonds finanziert. Der Großteil des Budgets geht in den Ausbau der Infrastruktur. Ziel der Wirtschaftspolitik sind stabile Staatsfinanzen und die Förderung des Privatsektors. Eine Aufsichtsbehörde für das Banken- und Zahlungssystem (''Banking and Payments Authority'') wurde bereits gegründet, ebenso ein statistisches Amt (''Direcção Nacional de Estatistica''). Die Politik wird geprägt von einer moderaten Ausgabenpolitik, der Begrenzung der Zahl der im öffentlichen Dienst Beschäftigten und den Bemühungen um eine Verbreiterung der steuerlichen Basis. Seit 2009 wird übereine eigene Nationalbank nachgedacht. Zurzeit wird ein Industriepark gebaut, um ausländische Investoren anzuziehen. Investitionshemmnisse müssen aber noch abgebaut werden, um die Privatwirtschaft in Gang zu bringen. Mit Programmen zur Erleichterung des Zugangs zu Krediten für die klein- und mittelständische Industrie sollen weitere Anreize geschaffen werden. Die Regierung hat ein Investitionsgesetz verabschiedet, dass Anlegern Rechtssicherheit garantiert. Hiermit soll die Attraktivität Osttimors für Investoren gesteigert werden. === Währung === [[Datei:Coins 50 Cent Timor-Leste.png|miniatur|50 Centavos-Münzen von Osttimor]] Landeswährung ist seit Januar 2000 der [[US-Dollar]]. Daneben sind seit 2003 [[Münzen Osttimors|eigene Centavo-Münzen]] im Gebrauch. Ein Centavo entspricht dabei einem US-Cent. Die Münzen gibt es in Werten von 1, 5, 10, 25 und 50 Centavos. Eigene Banknoten werden nicht ausgegeben. Die Einführung des US-Dollars war eine politische Entscheidung. Als Alternativen standen die Einführung einer eigenen Währung oder später die des [[Euro]] zur Auswahl. Eine eigene Währung schien aufgrund der Landesgröße als sinnlos. Der Euro wurde erst wenige Monate vor der Unabhängigkeit Osttimors 2002 als Bargeld eingeführt. Der Wechselkurs zum US-Dollar war zu diesem Zeitpunkt sehr gering, die Zukunft schien noch unsicher. Der US-Dollar wurde schon zuvor von Privatleuten als sichere Währung verwendet. Außerdem hat er auch für die Volkswirtschaften der Nachbarstaaten große Bedeutung, ebenso für den Erdölhandel, auf den Osttimor große Hoffnungen setzt. Daher wurde trotz der engen Beziehungen zu Portugal der US-Dollar als offizielles Zahlungsmittel eingeführt. Durch die [[Dollarisierung]] verzichtet Osttimor auf eine eigenständige [[Geldpolitik]]. Die [[Seigniorage]]-Einnahmen beschränken sich auf die Ausgabe der Centavo-Münzen. === Bodenschätze === Schon vor der indonesischen Besatzungszeit wurden in der [[Timorsee]] zwischen Timor und Australien mehrere Ölfelder entdeckt. Diese Vorkommen gehören zu den reichsten im asiatisch-pazifischen Raum. Am 11. Dezember 1989 schlossen Indonesien und Australien den ''Timor Gap Treaty'', der die Ressourcen unter den zwei Staaten aufteilte. Noch im Mai 2004 bestätigte die australische Regierung erneut die Gültigkeit des Vertrages in einer Form, die die Seegrenze, und damit auch die Rohstoffe, zu Gunsten Australiens verschob.<ref>[http://www.uniya.org/talks/brennan_3sep04.html Uniya – Jesuit Social Justice Center]</ref> Am 12. Januar 2006 einigten sich Osttimor und Australien im [[Treaty on Certain Maritime Arrangements in the Timor Sea]] (''CMATS-Treaty''), den Gewinn aus dem Öl- und Gasvorkommen der ''Greater Sun Rise Area'' zu gleichen Anteilen aufzuteilen. Ein 50-Jahre-[[Moratorium]] bezüglich der Seegrenze wurde vereinbart, ohne dass Osttimor auf seine Ansprüche verzichtet. Am 7. November 2006 unterzeichnete Osttimor einen ersten Vertrag über die Ausbeutung von fünf der insgesamt elf ausgeschriebenen Blöcke des Ölfeldes mit dem italienischen [[Ente Nazionale Idrocarburi|ENI]]-Konzern, zehn Tage später wurde eine ähnliche Vereinbarung mit der indischen [[Reliance Industries|Reliance-Industries]]-Gruppe abgeschlossen und schließlich im Dezember ein [[Joint Venture]] mit [[Kuwait]] vereinbart, für das die [[East Timor Trading Company]] gegründet werden soll. Die Firma [[PetroChina]] führte 2004 seismische Untersuchungen von 70 % des osttimoresischen Festlands auf Erdölvorkommen durch. Als PetroChina aber die Exklusivausbeute möglicher Festlandsvorkommen von Öl und Gas forderte, lehnte die osttimoresische Regierung ab.<ref name=dragon/> Erdölvorkommen an Land waren schon früh bekannt. Bereits 1884 versorgte man die Lampen Dilis mit Öl aus [[Laclubar]].<ref name=HoT>[http://pascal.iseg.utl.pt/~cesa/History_of_Timor.pdf History of Timor] – [[Technische Universität Lissabon]] (PDF-Datei; 805 kB)</ref> Weitere Bodenschätze spielen derzeit keine Rolle. Marmor gibt es in nennenswerten Mengen, dazu etwas [[Gold]], [[Mangan]] und [[Kupfer]].<ref> [http://www.unescap.org/esd/water/publications/mineral/amrs/vol17/East%20Timor.pdf UN-Untersuchungen zum Mineralienvorkommen in Osttimor]''</ref> Heiße Quellen in einigen Regionen deuten auf [[Geothermie|geothermische Energie]] hin. === Landwirtschaft und Handwerk === Der Großteil der timoresischen Bevölkerung lebt von der Land- und Forstwirtschaft und der Fischerei. Die unterschiedlichen Kulturen Timors hängen ökonomisch von Nahrungsmitteln wie [[Mais]] (das wichtigste Getreide), [[Reis]] und [[Süßkartoffel]]n ab. Vom Osten von Manufahi und Manatuto bis in den Westen von Lautém, im Zentrum Bobonaros und im Osten Cova Limas dominiert der Reisanbau. Mais wird eher im zentralen Hochland angebaut. Eine regionale Teilung gibt es auch bei domestizierten Tieren: [[Wasserbüffel|Büffel]] und [[Hausschwein|Schwein]] werden überall auf Timor gezüchtet, aber der Büffel besitzt zum Beispiel für die Makasae eine größere Bedeutung als das Schwein. In anderen Regionen, bei den Ost-Tetum beispielsweise, ist das Schwein von wirtschaftlich größerer Bedeutung als der Büffel. Überall in Osttimor spielen [[Haushuhn|Hühner]] eine wichtige Rolle in der Versorgung der Bevölkerung. Andere Haustiere sind Ziegen, Schafe und Pferde. [[Datei:Timor hunger 2007.png|miniatur|Subdistrikte mit Nahrungsmangel im November 2007]] Durch Dürre, Ungeziefer und Pflanzenkrankheiten sanken 2007 die Ernteerträge bei Mais um 30 % auf 70.000 Tonnen, bei Getreide, Maniok und Knollenfrüchte um 25 bis 30 % und bei Reis um 20 %. Zusätzlich wurde die Situation noch durch die 100.000 Binnenflüchtlinge verschärft. Ein Fünftel der Bevölkerung litt an Unterernährung und musste mit Hilfslieferungen versorgt werden. Man schätzt, dass Osttimor 86.000 Tonnen an Lebensmitteln einführen musste um die Verluste auszugleichen, 15.000 Tonnen davon musste durch internationale Nahrungsmittelhilfen aufgebracht werden.<ref>[http://www.voanews.com/english/2007-06-24-voa8.cfm Voice of America, 24. Juni 2007, East Timor Facing Food Crisis]</ref><ref name="Khaleej"/> Laut dem Landwirtschaftsministeriums litten Ende des Jahres noch elf Subdistrikte unter Nahrungsmittelknappheit. Anfang 2008 wurde die Situation erneut durch Überflutungen und Sturmschäden in elf der dreizehn Distrikte und erneute [[Heuschrecke]]nplagen verschärft.<ref>[http://www.abc.net.au/news/stories/2008/01/25/2146940.htm ABC, 25. Januar 2008, Floods, locusts add to East Timor's woes]</ref> 2009 entsandte China ein Team vom ''Henan Hybrid Rice Institute'' nach Osttimor. Die timoresische Regierung gibt an, dass mit dessen Hilfe und der Einführung des chinesischen Hybridreises die Erntemengen um das Fünffache gesteigert werden konnten.<ref name=dragon/ 2008 schloss die Regierung Osttimors mit der indonesischen Firma ''GTLeste Biotech'' eine Vereinbarung über ein [[Bioethanol]]-Projekt. Auf 100.000 Hektar sollen Zuckerrohrplantagen entstehen, was einem Sechstel des fruchtbaren Landes Osttimors entsprechen würden. Außerdem ist eine Ethanolfabrik geplant. Für 50 Jahre Nutzung des ''„„unproduktiven Landes““'' will GTLeste der Regierung 100 Millionen US-Dollar zahlen. Durch das Engagement sollen 2000 neue Arbeitsplätze entstehen. Die FRETILIN-Opposition zeigt sich skeptisch, dass auf so genannten ''„„unproduktiven Land““'' Zuckerrohr angebaut werden könne und befürchtet stattdessen den Verlust von Anbauflächen für Nahrungsmittel und dies bei akuten Mangel und steigenden Preisen auf dem Weltmarkt. Zudem wird eine Auslaugung der Böden befürchtet. Die Regierung gab bekannt, dass die Gespräche noch in einem Anfangsstadium seien und noch keine konkreten Flächen eingeplant seien. Noch sei GTLeste kein Land versprochen worden.<ref>[http://www.channelnewsasia.com/stories/afp_asiapacific_business/view/356014/1/.html Channel News Asia, 24. Juni 2008, Massive Timor land-for-biofuel plan raises hackles]</ref> [[Datei:Timor Kaffee.png|miniatur|Anteil der Haushalte, die Kaffee anbauen, in den einzelnen Subdistrikten (2004)]] [[Datei:TimoreseJewelry.jpeg|miniatur|Silberschmuck und [[Tais]] auf einem Markt in Dili]] Seit 1815 wird Kaffee in Osttimor angebaut und exportiert. Gerade im Hochland wächst ein besonders aromatischer und milder Kaffee. Sein Potential wird aufgrund fehlender Transport- und Veredelungsmöglichkeiten bisher nur teilweise ausgeschöpft. Die [[Cooperativa Café Timor]] (CCT) ist Osttimors größte [[Kooperative]] mit etwa 22.000 Pflanzern als Mitglieder. In der Erntezeit ist sie der größte Arbeitgeber Osttimors mit 3.000 Arbeitern. Die CCT bildet so die Lebensgrundlage für 44.000 Familien. Ein Viertel der Bevölkerung Osttimors ist abhängig von der Kaffeeproduktion. Hauptzentren sind die Distrikte von Ermera, Ainaro und Liquiçá. Die CCT ist der weltgrößte Produzent und Verkäufer von zertifiziertem Bio-Kaffee. Mit seinem Ruf für konstante Qualität, der seit 1994 aufgebaut wurde, erzielt der ökologische [[Fairer Handel|fair gehandelte]] [[Arabica-Kaffee]] Höchstpreise am internationalen Markt. 2005 hat [[Starbucks]] ein Drittel der Kaffeeernte aufgekauft. 2004 wurden von der CCT 7.689&nbsp;t Kaffee exportiert, 2005 waren es 7.210&nbsp;t. 2006 kam es aufgrund der Unruhen aber zu Ernteausfällen von bis zu 20 %. Auch aufgrund der unsicheren Lage nach dem [[Attentat vom 11. Februar 2008 in Dili|Attentat in Dili am 11. Februar 2008]] kam es zu Behinderungen bei der Kaffeeernte, die zu Verlusten führte.<ref>[http://www.alertnet.org/thenews/newsdesk/IRIN/85600c8efc0a4602877b5232abdf93fa.htm Reuters, 21. April 2008, Timor-Leste: Security concerns stop coffee growers from harvesting]</ref> Trotzdem erzielte die CCT in diesem Jahr mit 19.000&nbsp;t Kaffee und Kaffeeexporten im Wert von 12 Millionen US-Dollar ein Rekordergebnis. Der zweitgrößte Exporteur ''Timor Corp.'' verkaufte 6.000&nbsp;t. Es gibt aber noch strukturelle Probleme. Die Kaffepflanzen gehören zu den ältesten noch produzierende Kaffeesträucher der Welt. Meistens sind Sträucher 15 bis 20 Jahre alt, in Osttimor sind 90 % der Pflanzen über 30, manche sogar über 70 Jahre alt. Auch ging durch die indonesische Besatzungszeit viel Wissen über Kaffeepflanzungen verloren. Im nahen [[Papua-Neuguinea]] wird auf vergleichbaren Flächen die doppelte Ernte gewonnen.<ref>[http://www.etan.org/et2008/10october/26/21etcofe.htm ETAN.org], DPA, 10. Oktober 2008, East Timor's coffee trees stunted by soil and culture</ref> Durch den Anbau von [[Vanille (Gewürz)|Vanille]], [[Kakao]] und [[Erdnuss|Erdnüssen]] neben dem bereits als Exportgut etablierten Kaffee sind hier zukünftig Ertragssteigerungen zu erwarten. Vor und während der Kolonialzeit war Timor für sein [[Sandelholz]] bekannt, dessen Vorkommen bereits im 19. Jahrhundert nahezu erschöpft waren. Außerdem ist Osttimor in der Region berühmt für seine farbenfrohen gewebten Stoffe, die sogenannten [[Tais]]. Diese unterscheiden sich je nach Region des Landes. Auch traditioneller Silberschmuck wird hergestellt. === Tourismus === [[Datei:Baucau Strand klein.jpg|miniatur|links|Strand der Stadt Baucau]] [[Datei:Sabellastarte sanctijosephi (Feather duster worm) in Oceanapia amboinensis (Sponge).jpg|miniatur|Korallenriff an der Nordküste Osttimors]] Das Land bietet zum Wandern geeignete Berge, Strände, Tauchgebiete, heiße Quellen (zum Beispiel im [[Bobonaro (Distrikt)|Distrikt Bobonaro]]) und eine große kulturelle Vielfalt. Gerade die Korallenriffe gehören zu den artenreichsten der Welt. Die Wälder und Feuchtgebiete bieten gute Gelegenheiten zur Vogelbeobachtung. Vorteilhaft ist auch die unmittelbare Nähe zu den beliebten Touristenzielen Australien und [[Bali]]. Fehlende Infrastruktur und teilweise hohe Preise, aufgrund der ausländischen Truppen, bereiten immer noch Schwierigkeiten, weswegen bisher eher Rucksacktouristen den Weg hierher fanden. 2006 warb Osttimor zum ersten Mal auf der Internationalen Tourismusbörse in [[Berlin]] um Besucher. In den letzten Jahren kam es immer wieder zu Gewaltausbrüchen, die mögliche Touristen zurückschrecken ließen. Hauptsächlich in Dili kämpften kriminelle Jugendbanden gegeneinander bis 2008 mehrere Gruppen einen Friedensvertrag untereinander schlossen. Seitdem hat sich die Situation etwas beruhigt. Im Oktober 2008 wurden Pläne für ein Fünf-Sterne-Hotel in [[Tasitolu]], nahe Dili bekannt. Es wäre das erste Luxushotel dieser Art in dem Land.<ref>[http://www.hotelsmag.com/articleXml/LN877174910.html Japan Economic Newswire, 31. Oktober 2008, East Timor to get its 1st luxury resort ]</ref> Weitere Großhotels und Beach Ressorts werden vor allem von Investoren aus Australien, China und Macao geplant. <ref name=dragon/><ref>[http://www.ntnews.com.au/article/2009/05/29/54765_ntnews.html Northern Territory News, 29. Mai 2009, NT businessman's Dili resort dream]</ref> → ''siehe auch: [http://www.auswaertiges-amt.de/diplo/de/Laenderinformationen/TimorLeste/Sicherheitshinweis.html Reisewarnung des Auswärtigen Amts]'' == Kultur == === Tradition === [[Datei:Lospalos klein.jpg|miniatur|Gebäude im traditionellen Stil in Lospalos]] [[Datei:Hafen klein.jpg|Hafen von Dili|miniatur|Hafengebäude in Dili mit Dach im traditionellen Stil]] Die Kultur Osttimors weist, neben europäischen und asiatischen Merkmalen, auch zahlreiche pazifische Einflüsse auf. Die Lebensweise der Einwohner Osttimors hat mit derjenigen der Einwohner des indonesischen Westens der Insel wenig gemein. Der Einfluss der katholischen Kirche auf die Lebensweise der Einwohner ist beschränkt und die Gesellschaft sehr liberal. Auffällig sind auch die traditionellen, steilen Dächer der timoresischen Häuser, die aus dem alltäglichen Bild der Orte nahezu verschwunden sind. Allerdings gibt es aufgrund des neuen nationalen Selbstbewusstseins Neubauten, die solche Dächer nachahmen, so zum Beispiel der Präsidentenpalast, der Flughafen und Hafen von [[Dili]] oder die Schule von [[Lospalos]]. Die kulturellen Traditionen Timors zeichnen sich durch unterschiedliche soziale Institutionen aus. Die sozialen Organisationen der einzelnen Gesellschaften können [[matrilinear]] / [[uxorilokal]] oder [[patrilinear]] / [[patrilokal]] strukturiert sein; einzelne Gruppen schwanken zwischen diesen Möglichkeiten verwandtschaftlicher Organisation. Während die soziale Organisation der [[Atoin Meto|Baikeno]] wahrscheinlich durch eine symmetrische Allianz charakterisiert ist, findet sich die asymmetrische Allianz beispielsweise bei den [[Makasae]], [[Kawaimina|Naueti]] und [[Fataluku]]. Bei den [[Tetum]] herrschen bilaterale beziehungsweise kognate Abstammungsregeln vor. Heiraten und wirtschaftlich-rituelle Allianzen, die sich entlang dieser Organisationsstrukturen bilden, werden über die soziale Institution des sogenannten „Brautpreises“ gesteuert, bei dem Frauen und Güter, die zwischen den sozialen Gruppen zirkulieren, immer in eine bestimmte Richtung fließen. Patrilineare und patrilokale Organisationen zeichnen sich gegenüber matrilinearen und uxorilokalen durch eindrucksvolle Gütertransaktionen aus. In den meisten Kulturen Timors bestimmt die Vollständigkeit des übergebenen „Brautpreises“ die Residenz des Ehepaares. Wird kein oder nur ein unzureichender „Brautpreis“ gezahlt, wohnt der Ehemann in der Frauengeberlineage; die Kinder verbleiben ganz in dieser Lineage. [[Hauskatze|Katzen]] gelten in Osttimor als heilig. Wenn man eine Katze tötet, soll man selbst und seine Nachkommen bis in die siebente Generation verflucht sein. Bei Beerdigungen werden Katzen vom Leichnam ferngehalten, weil laut einem Volksaberglauben der Tote, beherrscht von bösen Geistern, wieder zum Leben erwacht, wenn eine Katze über ihn springt. === Bildung === [[Datei:Universi Dili.jpg|miniatur|Die Universitas Timor Timur im November 1998, Demonstration zum Gedenken des [[Santa-Cruz-Massaker]]s;<br />Foto von Mark Rhomberg/[[East Timor and Indonesia Action Network|ETAN]]]] 1974 waren noch 95 bis 99 % der Bevölkerung [[Analphabetismus|Analphabeten]]. 2004 waren es etwa 54,2 %, von den Frauen zwischen 15 und 60 Jahren können sogar 58,2 % nicht lesen und schreiben.<ref name="CPH"/> Etwa 200.000 Schüler besuchen die Grund- und Sekundarschulen (''Colégio'') des Landes. 6.000 Lehrer unterrichten sie. Ende 2001 gab es in Osttimor 700 Grundschulen, 100 Sekundarschulen, 40 Vorschulen und zehn technische Hochschulen. Die Einschulungsquote von Kindern im Grundschulalter beträgt lediglich 75 %. Weniger als die Hälfte beenden die sechs Jahre Schule, nur 30 % der Jugendlichen zwischen 13 und 15 Jahren gehen überhaupt zur Schule. Die ersten drei Jahre wird auf Tetum unterrichtet, danach steigt sukzessiv der Anteil an Unterricht in Portugiesisch. Die Sekundarschule wird von 15- bis 18-Jährigen besucht. Die [[Universidade Nasionál Timór Lorosa'e]] ''UNTL'' hatte 2004 etwa 8.000 Studenten. Daneben gibt es zwei Privatuniversitäten mit 2.000 bis 3.000 Studenten. Im Oktober 2007 erklärte sich Indonesien bereit 3.500 osttimoresischen Studenten Studienvisa zu geben. === Literatur === [[Datei:Xanana Reading Room1.jpg|miniatur|Xanana Reading Room in Dili]] Der bekannteste Autor der Moderne dürfte wohl der ehemalige Freiheitskämpfer und jetzige Premierminister Xanana Gusmão sein. Während seines Kampfes für die Unabhängigkeit schrieb er zwei Bücher. Auch als Dichter und Maler ist er tätig. Seine Werke beschreiben Kultur, Werte und Fähigkeiten der osttimoresischen Bevölkerung. Weitere wichtige Schriftsteller sind Luís Cardoso, [[Fernando Sylvan]], Ponte Pedrinha, Jorge Barros Duarte, Crisodio Araujo, Jorge Lauten, [[Francisco Borja da Costa]], Afonso Busa Metan und Fitun Fuik. Die timoresischen Völker kannten ursprünglich keine Schrift. Dafür existiert eine reiche Tradition an mündlichen Überlieferungen, wie etwa beim Volk der [[Bunak]] im Zentrum der Insel. Die Geschichten wurden in wiederkehrenden Reimen und [[Alliteration]]en rezitiert. In jedem Dorf brachten die Alten den Jungen die Legenden des Clans bei, aber es gab auch die ''Lia Na'ain'' oder ''Na'Lia'' (in etwa ''Herr der Wörter''), Barden die stundenlang Verse rezitieren konnten. Meistens wurden Verse aus zwei Zeilen verwendet, bei denen jede Zeile aus zwei Sätzen bestand. Der erste Satz der zweiten Zeile wiederholte dabei in anderen Wörtern den Inhalt des letzten Satzes der ersten Zeile. Die Sprache war reich an [[Metapher]]n und Symbolen aus der animistischen Kultur Timors. Die reiche Welt an [http://www.uc.pt/timor/lendas.htm timoresischen Sagen und Legenden] wurde traditionell nur mündlich weitergegeben und erst in moderner Zeit niedergeschrieben. === Musik === [[Datei:Timorese Dancers.jpg|miniatur|links|Timoresische Tänzerinnen in traditioneller Kleidung]] [[Datei:Sandra Pires Wien10-2007i.jpg|miniatur|Sandra Pires]] Die Musik Osttimors spiegelt den Einfluss der Fremdherrschaft wider, unter der das Land fast 500 Jahre stand. Portugiesen und Indonesier brachten beide ihre Musik wie etwa [[Fado]] und [[Gamelan]] mit. Die am weitesten verbreitete Volksmusikrichtung ist der ''Likurai-Tanz'', der für die vom Krieg heimkehrenden Männer von den Frauen vorgeführt wird. Der Tanz wurde von einer kleinen Trommel begleitet. In früheren Zeiten trug man dazu die Köpfe erschlagener Feinde in einer Prozession durch das Dorf. Heutzutage wird dieser Tanz von den Frauen zur Werbung verwendet. Die [[Gitarre]] ist seit langem ein wichtiger Bestandteil der osttimoresischen Musik. Sie wurde von den Portugiesen eingeführt, jedoch gibt es auch einheimische Saiteninstrumente, die ihr ähneln. Ebenfalls von den Portugiesen beeinflusst ist die reichhaltige Kirchenchortradition. Die moderne timoresische Musik hat enge Bindungen zur ehemaligen Unabhängigkeitsbewegung. So hat etwa die Band ''Dili All Stars'' ein Lied veröffentlicht, das zu einer Hymne während der Vorbereitung zum Unabhängigkeitsreferendum 1999 wurde. Die Vereinten Nationen gaben den Auftrag zu dem Lied ''Hakotu Ba'' von ''Lahane'', das die Bevölkerung ermutigen sollte, sich für das Referendum zu registrieren. Zu den osttimoresischen Popmusikern gehört [[Teo Batiste Ximenes]], der in Australien aufwuchs und Folkrhythmen Osttimors in seiner Musik verwendet. Viele osttimoresische Auswanderer brachten ihre Volksmusik auch in die Welt, so nach Portugal und Australien. In Portugal wurde diese mit Musikrichtungen aus anderen portugiesischen Kolonien wie [[Angola]] und [[Mosambik]] vermischt. Weitere Einflüsse stammen von [[Rock ’n’ Roll]], [[Hip Hop]] und [[Reggae]]. Im Juli 2009 wurde mit der [[Hadahur Music School]] Osttimors erste Musikschule in Dili gegründet. Sie soll sowohl die traditionelle Musik bewahren, als auch klassische und populäre Musik der Bevölkerung näher bringen. Auch ist die musische Erziehung ein Ziel. Die in Osttimor geborene Sängerin [[Sandra Pires (Sängerin)|Sandra Pires]] ist unter anderem in ihrer jetzigen Heimat Österreich erfolgreich. Ihre Eltern flohen vor dem Bürgerkrieg von 1975. 2007 trat Pires erstmals in ihrem Geburtsland auf. Ein Lied auf dem Musikalbum ''Oral Fixation 2'' der [[Kolumbien|kolumbianischen]] Sängerin [[Shakira]] heißt ''Timor''. Es handelt von der Gewalt in Osttimor 1999 und der mangelnden Berichterstattung darüber in der westlichen Welt. Auch das Lied ''Four Hundred Miles from Darwin'' der [[Whitlams]] ist der Gewalt in Osttimor vor der Unabhängigkeit gewidmet. === Bildende Kunst und Theater === [[Datei:Three Smiling Women.jpg|miniatur|Moderne Malerei aus Osttimor]] Der portugiesische Künstler [[Fausto Sampaio]] kam 1937 in die damalige Kolonie [[Portugiesisch-Timor]] und malte dort mehrere Bilder von Dili, Baucau, Manatuto, [[Laclo]] und [[Vemasse]], aber auch [[Portrait]]s, wie von [[Aleixo Corte-Real]]. Die timoresischen Legenden, wie der [[Das gute Krokodil|Schöpfungsmythos um das Krokodil]], wurden oft bildlich dargestellt und Motive auch dekorativ verwendet. Seit Februar 2003 gibt es in Dili die erste freie Kunstschule [[Arte Moris]]. Ihr Hauptziel ist Kunst als ein Baustein im psychologischen und sozialen Wiederaufbau eines Landes, das von Gewalttätigkeit verwüstet worden ist, mit besonderer Betonung auf die Hilfe an seine jungen Bürger. Arte Moris bietet Malerei und Bildhauerei und ist mit der Dramaschauspieltruppe [[Bibi Bulak]] auch mit Theaterstücken in der Landessprache Tetum aktiv. === Essen und Trinken === [[Datei:Timor palm wine.jpg|miniatur|Palmsaft wird zur Herstellung von Palmwein aufgefangen]] Die osttimoresische Küche spiegelt die verschiedenen Einflüsse wider, denen das Land unterworfen war. Man findet in ihr chinesische, portugiesische und indonesische Elemente. In den Bergen wächst Kaffee, der hocharomatisch und mild ist. Er wird gerne zum Frühstück getrunken. Dazu gibt es Brot und Butter. Tee wird heiß und süß in Gläsern serviert. Drei Mahlzeiten am Tag sind üblich, wobei das Mittagessen gewöhnlich zwischen zwölf Uhr mittags und zwei Uhr nachmittags eingenommen wird. Mais, Reis, Erdnüsse, [[Sago]], [[Taro]], Kartoffeln, [[Brotfrucht]] und Süßkartoffeln werden angebaut. Auch Obst, wie [[Jackfrucht|Jackfrüchte]], [[Mango]]s und [[Bananen]] sind vorhanden. Dazu lokale Früchte, wie ''[[Salakpalme|Salak]], Jambulan (Jamblang), [[Uha (Frucht)|Uha]], Saramalé'' und ''Aidák''. Reis wird in den meisten Restaurants Osttimors als Beilage serviert. Daneben züchtet man Hühner, Schweine, Büffel und Ziegen. Neben dem Fleisch werden auch die Innereien gegessen. Fisch hat aufgrund der Transportschwierigkeiten nur an der Küste für die Ernährung der Bevölkerung eine Bedeutung. So wird zum Beispiel Thunfisch als gegrilltes Steak serviert. In den Dörfern an der Küste wird ''Soboko'' zubereitet. Dies sind [[Sardinen]] mit [[Tamarinde]]sauce und Gewürzen, die in Palmenblättern am Feuer gekocht werden. Der Geschmack kann von mild bis sehr scharf reichen. Wie in vielen anderen Teilen Ostasiens ist hier der Verzehr von [[Hundefleisch]] üblich. Allerdings soll sich diese Sitte erst in den Achtziger Jahren von [[Sulawesi]] kommend hier eingebürgert haben, als in [[Colmera]], einem Stadtteil von [[Dili]] das erste Hundefleisch-Restaurant eröffnete. Ein typisches Gericht ist ''Kaldeirada'', gekochtes Fleisch (meist Lamm) mit Kartoffeln, Paprika, Gewürzen und Oliven als Beilage. Auch beliebt ist ''Tukir'', ein Lammgericht, das mit vielen Gewürzen in Bambus gekocht wird. Als Nachtisch bekommt man frittierte Bananen, ''Koibandera'' und als regionale Spezialität ''Koirambu'', einen Reismehlkuchen, der wörtlich übersetzt „Haarkuchen“ heißt. Er sieht aus wie zu einem Dreieck geformte dünne Haare. Traditionelle Alkoholika sind verschiedene [[Palmwein]]e (Tuaka und Tua Mutin) und Palmweinbrand (Tua Sabu). Bier wird aus Australien, Indonesien und Singapur importiert und die Portugiesen brachten in der Kolonialzeit den Wein nach Osttimor. === Sport === → ''Hauptartikel: [[Sport in Osttimor]]'' [[Datei:US Navy 091018-N-7881L-350 A Sailor assigned to the amphibious assault ship USS Bonhomme Richard (LHD 6) and also on the ship's soccer team plays soccer with a member of the Under-Seventeen Timor-Leste National Soccer Team at D.jpg|miniatur|hochkant|Freundschaftsspiel zwischen der U17-Mannschaft und Seeleuten der US Navy]] Der Sport in Osttimor leidet vor allem an einer dauernden Geldknappheit. Athleten fehlen teilweise die einfachsten Sportgeräte zur Ausübung ihrer Disziplin. Entsprechend sind die osttimoresischen Sportler bisher bei internationalen Wettkämpfen erfolglos, wenn man von einigen dritten Plätzen mal absieht, bei Wettkämpfen mit nur drei Teilnehmern. Der beliebteste Sport in Osttimor ist [[Fußball]]. Des Weiteren sind osttimoresische Sportler international regelmäßig beim [[Marathonlauf|Marathon]] aktiv. Weit verbreitet ist die Tradition des [[Hahnenkampf]]s, bei dem auch um Geld gewettet wird. 2009 fand erstmal das internationale [[Mountainbike]]rennen „[[Sport in Osttimor#Radfahren|Tour de Timor]]“ statt. Unter der Jugend ist Kampfsport beliebt, von dem es auch eine einheimische, traditionelle Form gibt. Schätzungsweise betreiben 70 % der jungen Männer einen Kampfsport. Verschiedene Jugendbanden bezeichnen sich offiziell als ''Martial Arts-Clubs'', weswegen das Erlernen und die Ausübung von Kampfsport in Osttimor gesetzlich stark reglementiert sind. === Medien === Aufgrund der vielen verschiedenen Sprachen, die in Osttimor im Gebrauch sind, erscheinen auch die Zeitungen in unterschiedlichen Sprachen. Die ''Diario Tempo'', ''Diario Nacional'' und ''Seminario'' erscheinen in Portugiesisch. Die ''Lia Foun'' erscheint in Tetum. ''Timor Post'' (in Tetum und Bahasa Indonesia), ''East Timor Sun'' und ''Suara Timor Lorosae'' (in Englisch, Portugiesisch, Bahasa Indonesia und Tetum) erscheinen in mehreren Sprachen Fernsehen spielt national eine geringe Rolle. Wohlhabendere Timoresen besitzen Satellitenfernseher und sehen oft indonesische und australische, teils auch chinesische Sender. Der nationale Sender ist [[Radio-Televisão Timor Leste|Televisão de Timor Leste (TVTL)]]. Er sendet auch Eigenproduktionen auf Tetum, wie zum Beispiel eine beliebte Comicserie über Geschichte und Legenden Timors. Der Großteil der Bevölkerung nutzt das Radio, um sich zu informieren. Auch hier sind viele Sprachen im Gebrauch. Überregional sind ''Radio Falintil/Voz da Esperanca'', [[Radio-Televisão Timor Leste|Radio Nacional de Timor Leste (RTL)]] und der katholische Sender ''Radio Timor Kmanek (RTK)'' von Bedeutung. Der Radiosender ''[[Rádio Comunidade de Lospalos]]'' ist für den Distrikt Lospalos ein Beispiel der verschiedenen lokalen Radiostationen, die die Bevölkerung mit Nachrichten versorgen. Die [[Reporter ohne Grenzen]] listeten Osttimor in Bezug auf Pressefreiheit 2008 auf Platz 65 (Wert: 13,75) gegenüber Platz 94 (27,00) im Vorjahr.<ref>[http://www.rsf.org/article.php3?id_article=29031 Reporters without borders - Press Freedom Index 2008]</ref> 2009 sank das Land wieder auf Platz 72 (16,00).<ref>[http://www.rsf.org/en-classement1001-2009.html Reporters without borders - Press Freedom Index 2009]</ref> → ''siehe auch: [[Liste der Hörfunk- und Fernsehsender in Osttimor]] und [[Liste der Zeitungen Osttimors]]'' === Öffentliche Feiertage === {| class="wikitable float-right" margin-left:0.5em" |- style="background:#efefef;" ! Datum ! Name des Feiertags |- | [[1. Januar]] || [[Neujahr]] |- | März/April || [[Karfreitag]] |- | [[1. Mai]] || [[Tag der Arbeit]] |- | [[20. Mai]] || Wiederherstellung der Unabhängigkeit |- | Mai/Juni || [[Fronleichnam]] |- | [[15. August]] || [[Mariä Himmelfahrt]] |- | [[30. August]] || ''Consulta'' – Tag der Volksbefragung |- | [[20. September]] || Freiheitstag |- | [[1. November]] || [[Allerheiligen]] |- | [[2. November]] || [[Allerseelen]] |- | [[12. November]] || Nationaler Tag der Jugend (''Santa Cruz-Tag'') |- | [[28. November]] || Proklamation der Unabhängigkeit |- | [[7. Dezember]] || Tag der Helden |- | [[8. Dezember]] || [[Maria Empfängnis]] |- | [[25. Dezember]] || [[Weihnachten]] |- | variabel || [[Zuckerfest]], Ende des [[Ramadan]] |- | variabel || muslimisches [[Islamisches Opferfest|Opferfest]] |- style="background:#efefef;" ! Datum ! Name des Gedenktags |- | Februar/März || [[Aschermittwoch]] |- | März/April || [[Gründonnerstag]] |- | Mai/Juni || [[Christi Himmelfahrt]] |- | [[1. Juni]] || Internationaler Tag des Kindes |- | [[20. August]] || Tag der [[FALINTIL]] |- | [[3. November]] || Nationaler Tag der Frau |- | [[10. Dezember]] || Internationaler Tag der Menschenrechte |} Da Osttimor mehrheitlich christlich ist und die katholische Kirche eine wichtige Rolle im Unabhängigkeitskampf hatte, sind die wichtigen katholischen Feste zugleich öffentliche Feiertage. Zudem sind seit 2005 auch zwei muslimische Feste öffentliche Feiertage. Außerdem gibt es mehrere Feiertage, die an den Freiheitskampf des Landes erinnern: * Am 20. Mai 2002 wurde Osttimor endgültig von der UN-Verwaltung in die Unabhängigkeit entlassen. * Am 30. August 1999 fand das Volksreferendum statt, in dem sich die Bevölkerung für die Unabhängigkeit von Indonesien aussprach. * Am 20. September 1999 landeten die ersten Soldaten der [[INTERFET]], der internationalen Eingreiftruppe, die nach den vorangegangenen Gräueltaten die Kontrolle über Osttimor von Indonesien übernahmen. * Am 12. November 1991 kam es zum [[Santa-Cruz-Massaker]], bei dem das indonesische Militär über 200 Menschen tötete. Der Vorfall kippte endgültig die öffentliche Meinung in der westlichen Welt zu Gunsten der Timoresen. * Am 28. November 1975 erklärte Osttimor seine Unabhängigkeit von Portugal. * Am 7. Dezember 1975 begann offiziell die Invasion Osttimors durch Indonesien. Der Tag der Proklamation der Unabhängigkeit am 28. November ist der Nationalfeiertag Osttimors. Alle Bürger, insbesondere Studenten, Beamte und zivile Angestellte des Staates, sind per Gesetz dazu verpflichtet, an den Feierlichkeiten teilzunehmen. Neben den landesweiten Feiertagen sind auch lokale Feiertage möglich. Die Gedenktage sind keine Urlaubstage, Arbeitnehmern kann aber frei gegeben werden.<ref>[http://www.unmiset.org/legal/RDTL-Law/RDTL-Laws/Law-2005-10.pdf Gesetz 10/2005 der Demokratischen Republik Timor-Leste vom 10. August.]</ref> == Umwelt == [[Datei:Timor Important Bird Area.png|miniatur|links|Important Bird Areas in Osttimor]] Nur noch 220.000 Hektar Osttimors sind Primärwald. Wo Wald vorhanden ist, handelt es sich meist um Sekundärwald. Die kommerzielle Holzgewinnung ist seit 2000 verboten, doch noch immer geht in geringerem Umfang (0,6 % zwischen 1990 und 2000) Waldfläche verloren, meist durch Brennholzgewinnung (Mehr als 94 % der Haushalte kochen auf Feuerholz, 80 % davon stammt aus dem Wald<ref>[http://forestpolicyresearch.org/2009/02/01/east-timor-so-far-there-has-not-been-a-law-on-forestry/ Forest Policy Research: East Timor: So far there has not been a Law on Forestry, 1. Februar 2009]</ref>), Brandrodung, Abweidung und starke Regenfälle, die auch in vielen Teilen Timors eine starke Erosion verursachen. Darunter leidet auch die Wasserqualität der Küste, was wiederum Korallen und Fischbestände gefährdet. Hausmüll und seine Entsorgung sind ein Problem in Dili. Der [[Globale Erwärmung|Klimawandel]] führt in Osttimor zu stärkere Unwetter, die die Erosion weiter vorantreiben, und steigende Temperaturen. Der [[El Nino]]-Effekt erscheint öfter als bisher, weswegen extreme Wetterlagen zunehmen, was zu häufigere Dürren und Überflutungen führt.<ref>[http://www.abc.net.au/ra/programguide/stories/200808/s2326471.htm ABC Radio Australia, 6. August 2008, East Timor faces climate change challenge]</ref> Die [[Kohlenstoffdioxid|CO<small>2</small>]]-Emissionen pro Kopf betrugen 2006 etwa 0,2&nbsp;t.<ref name="FWA10"/> 2009 unterzeichnete Osttimor das [[Montreal-Protokoll]] zum Schutz der [[Ozonschicht]].<ref>[http://www.ynetnews.com/articles/0,7340,L-3777418,00.html Ynet News, 15. September 2009, E. Timor makes UN history with ozone treaty signing]</ref> [[Datei:Tatamailau2.jpg|miniatur|Der Tatamailau, eines der Wildschutzgebiete Osttimors]] 2000 gründete die UNTAET 15 Wildschutzgebiete (''Protected Natural Areas PNA''). Sie sind auch durch das Gesetz des unabhängigen Osttimor geschützt. Sowohl auf See als auch auf dem Land sollen sie Landschaften, seltene Arten und kulturelle Werte schützen. Dazu zählen Korallen, Feuchtgebiete und Mangroven ebenso wie historische, kulturelle und künstlerische Orte. Unter den geschützten Gebieten sind unter anderem der [[Tasitolu|Tasitolu Friedenspark]] mit drei Salzseen und die Berge [[Tatamailau]], [[Matebian]], [[Saboria]] und [[Monte Mundo Perdido]]. Außerdem wurden von [[BirdLife International]] insgesamt 17 Gebiete zu [[Important Bird Area]]s erklärt.<ref>[http://www.birdlife.org/news/news/2009/10/timor_lost_world.html Bird life International, 27. Oktober 2009, Endemics thrive on Timor-Leste's "Lost World" mountain]</ref> Sie haben eine Gesamtfläche von 2.013&nbsp;km², was in etwa 13,4 % der Gesamtfläche Osttimors entspricht. Am 27. Juli 2007 wurde Osttimors erster Nationalpark, der [[Nino Konis Santana Nationalpark]] gegründet und am 4. August 2008 feierlich eröffnet. Er beinhaltet unter anderem die Important Bird Areas [[Paitchau]], Ira Lalaro und Lore, sowie [[Tutuala]], die Insel Jaco und im Meer das ''Korallendreieck''. Der Nationalpark hat eine Gesamtfläche von 123.600 [[Hektar]] (68.000 Hektar Landfläche und 55.600 Hektar des Meeres) Zurzeit laufen Vorbereitungen auch den Tasitolu Friedenspark in einen Nationalpark umzuwandeln. Außerdem bereitet man zusammen mit australischen Wissenschaftlern ein [[Meeresschutzgebiet]] vor. Gerade die Nordküste ist der Lebensraum geschützter Arten, wie dem [[Buckelwal]] und dem [[Kurzflossen-Grindwal|Grindwal]]. Zudem gibt es entlang der Küste viele Korallenriffe.<ref>[http://www.abc.net.au/news/stories/2007/12/18/2121409.htm?section=australia ABC, 18. Dezember 2007, NT helping E Timor establish first marine park]</ref> → ''siehe auch: [[Liste der Naturschutzgebiete Osttimors]]'' == Einzelnachweise == <div class="references-small" style="-moz-column-count:2; column-count:2;"> <references /></div> == Siehe auch == {{Portal|Osttimor}} [[Datei:Flag of East Timor.svg|25px]] '''[[Wikipedia:WikiProjekt Osttimor|WikiProjekt Osttimor]]''' – Mitarbeit zum Thema Osttimor in der Wikipedia * [[Personen aus Osttimor]] == Literatur == * Andrea Fleschenberg (Hg.): ''Osttimor - Vier Jahre Unabhängigkeit'' Focus Asien (Schriftenreihe des Asienhauses), Nr. 27, 2006, ISBN 3-933341-35-3 * Oliver Franz: ''Osttimor und das Recht auf Selbstbestimmung. Eine Untersuchung zur Anwendung des Selbstbestimmungsrechts der Völker am Beispiel Osttimors.'' Schriften zum internationalen und zum öffentlichen Recht. Bd 59. Peter Lang, Frankfurt am Main u.&nbsp;a. 2005, ISBN 3-631-53178-8 * Ekkehard Launer: ''Zum Beispiel Osttimor'' Lamuv, Göttingen 1996, 2003, ISBN 3-88977-465-2 * Alexander Loch: ''[http://www.alexander-loch.de/publikationen.html Haus, Handy & Halleluja. Psychosoziale Rekonstruktion in Osttimor.]'' IKO Verlag, Frankfurt & London 2007, ISBN 3-88939-850-2 * Jörg Meier: ''Der Osttimor-Konflikt (1998–2002). Gründe und Folgen einer gescheiterten Integration.'' Bewaffnete Konflikte nach dem Ende des Ost-West-Konfliktes. Bd 17. Dr. Köster, Berlin 2005, ISBN 3-89574-560-X * Peter L. Münch-Heubner: ''[http://www.hss.de/downloads/berichte_studien_82_osttimor.pdf Osttimor und die Krise des indonesischen Vielvölkerstaates in der Weltpolitik]'', Hans-Seidel-Stiftung, München 2000, ISBN 3-88795-214-6 (PDF, 690&nbsp;KB) * José Ramos-Horta: ''Funu. Osttimors Freiheitskampf ist nicht vorbei!'' Ahriman-Verlag, Freiburg 1997, ISBN 3-89484-556-2 * Monika Schlicher: ''Portugal in Ost-Timor. Eine kritische Untersuchung zur portugiesischen Kolonialgeschichte in Ost-Timor 1850 bis 1912.'' Abera, Hamburg 1996, ISBN 3-934376-08-8 * Monika Schlicher: ''[http://www.missio-aachen.de/Images/25%20OsttimorD_tcm14-33212.pdf Osttimor stellt sich seiner Vergangenheit. Die Arbeit der Empfangs-, Wahrheits- und Versöhnungskommission.]'' in: ''Menschenrechte.'' Internationales Katholisches Missionswerk e.&nbsp;V., Fachstelle Menschenrechte. Missio, Aachen 2005, {{ISSN|1618-6222}} (PDF, 297&nbsp;KB) * Tony Wheeler, Xanana Gusmao, Kristy Sword-Gusmao: ''East Timor''. Lonely Planet, London 2004, ISBN 1-74059-644-7 == Weblinks == {{Wikiatlas|East Timor}} {{Wikinews|Portal:Timor-Leste|Timor-Leste}} {{Commonscat|East Timor|{{PAGENAME}}}} <!-- Weblinks sind auf fünf begrenzt. Neue Weblinks bitte erst nach Rücksprache auf der Diskussionsseite und mit dem Wikiprojekt Osttimor einfügen --> * [http://timor-leste.gov.tl/?lang=en Offizielle Regierungswebsite] (englisch) * [http://www.auswaertiges-amt.de/diplo/de/Laenderinformationen/01-Laender/TimorLeste.html Länder- und Reiseinformationen des Auswärtigen Amtes] * [http://www.etan.org/default.htm East Timor & Indonesia Action News ETAN] * [http://www.osttimor.org Osttimorforum e.&nbsp;V.] * [http://www.osttimor.de Deutsche Osttimorgesellschaft e.&nbsp;V.] {{NaviBlock |Navigationsleiste Staaten in Asien |Navigationsleiste ASEAN-Staaten |Navigationsleiste Pacific Islands Forum |Navigationsleiste Länder der CPLP}} {{Coordinate |NS=8/58//S |EW=125/45//E |type=country |region=TL}} {{Exzellent}} [[Kategorie:Osttimor| ]] [[Kategorie:Staat in Asien]] [[ace:Timor Leste]] [[af:Oos-Timor]] [[als:Osttimor]] [[an:Timor Oriental]] [[ang:Ēasttimor]] [[ar:تيمور الشرقية]] [[arz:تيمور الشرقيه]] [[ast:Timor Oriental]] [[az:Şərqi Timor]] [[bat-smg:Rītū Timuors]] [[bcl:Subangan na Timor]] [[be:Усходні Тымор]] [[be-x-old:Тымор-Лешці]] [[bg:Източен Тимор]] [[bn:পূর্ব টিমোর]] [[bo:ཤར་ཏིམོར།]] [[bpy:মুঙ তিমুর]] [[br:Timor ar Reter]] [[bs:Istočni Timor]] [[ca:Timor Oriental]] [[ceb:Sidlakang Timor]] [[crh:Şarqiy Timor]] [[cs:Východní Timor]] [[cy:Dwyrain Timor]] [[da:Østtimor]] [[diq:Timurê Rocvetışi]] [[dv:އިރުމަތީ ޓިމޯރު]] [[el:Ανατολικό Τιμόρ]] [[en:East Timor]] [[eo:Orienta Timoro]] [[es:Timor Oriental]] [[et:Ida-Timor]] [[eu:Ekialdeko Timor]] [[fa:تیمور شرقی]] [[fi:Itä-Timor]] [[fiu-vro:Hummogu-Timor]] [[fr:Timor oriental]] [[frp:Timor orientâl]] [[fy:East Timor]] [[ga:An Tíomór Thoir]] [[gd:Tiomor an Ear]] [[gl:Timor Leste - Timor Lorosa'e]] [[gu:પૂર્વ તિમોર]] [[gv:Yn Teemor Hiar]] [[he:מזרח טימור]] [[hi:पूर्वी तिमोर]] [[hif:East Timor]] [[hr:Istočni Timor]] [[hsb:Wuchodny Timor]] [[ht:Timò oryantal]] [[hu:Kelet-Timor]] [[hy:Արևելյան Թիմոր]] [[ia:Timor Oriental]] [[id:Timor Leste]] [[ie:Ost-Timor]] [[ilo:Daya a Timor]] [[io:Timor Leste]] [[is:Austur-Tímor]] [[it:Timor Est]] [[ja:東ティモール]] [[jv:Timor Wétan]] [[ka:აღმოსავლეთი ტიმორი]] [[kk:Тимор-Лесте]] [[km:ទីម័រខាងកើត]] [[ko:동티모르]] [[ku:Tîmora Rojhilat]] [[kw:Timor Est]] [[ky:Тимор Лешти]] [[la:Timoria Orientalis]] [[lb:Timor-Leste]] [[li:Oos-Timor]] [[lij:Timor Leste]] [[lmo:Timor Est]] [[ln:Timor ya monyɛlɛ]] [[lt:Rytų Timoras]] [[lv:Austrumtimora]] [[map-bms:Timor Leste]] [[mhr:Эрвел Тимор]] [[mk:Источен Тимор]] [[ml:കിഴക്കൻ ടിമോർ]] [[mn:Зүүн Тимор]] [[mr:पूर्व तिमोर]] [[ms:Timor Leste]] [[mwl:Timor-Leste]] [[mzn:شرقي تيمور]] [[na:East Timor]] [[nah:Timor Tlāpcopa]] [[nds:Oosttimor]] [[nl:Oost-Timor]] [[nn:Aust-Timor]] [[no:Øst-Timor]] [[nov:Timor-Leste]] [[nv:Haʼaʼaahjí Tíímow]] [[oc:Timòr Èst]] [[os:Скæсæн Тимор]] [[pam:Aslagang Timor]] [[pih:Eist Tiimor]] [[pl:Timor Wschodni]] [[pms:Timor Est]] [[pt:Timor-Leste]] [[qu:Anti Timur]] [[ro:Timorul de Est]] [[ru:Восточный Тимор]] [[sah:Илин Тимор]] [[scn:Timor Est]] [[se:Nuorta-Timor]] [[sg:Timôro tî Tö]] [[sh:Istočni Timor]] [[simple:East Timor]] [[sk:Východný Timor]] [[sl:Vzhodni Timor]] [[sq:Timori Lindor]] [[sr:Источни Тимор]] [[stq:Aast-Timor]] [[su:Timor Wétan]] [[sv:Östtimor]] [[sw:Timor ya Mashariki]] [[szl:Wschodńi Timůr]] [[ta:கிழக்குத் திமோர்]] [[te:తూర్పు తైమూర్]] [[tet:Timór Lorosa'e]] [[th:ประเทศติมอร์ตะวันออก]] [[tl:Silangang Timor]] [[tr:Doğu Timor]] [[tt:Көнчыгыш Тимор]] [[udm:Шунды ӝужан пал Тимор]] [[ug:شەرقىي تىمور]] [[uk:Східний Тимор]] [[vec:Timor Est]] [[vi:Đông Timor]] [[vo:Lofüda-Timoreän]] [[war:Sinirangan nga Timor]] [[wo:Timoor gu Penku]] [[wuu:东帝汶]] [[yi:מזרח טימאר]] [[yo:Ìlàoòrùn Timor]] [[zh:东帝汶]] [[zh-min-nan:Tang Timor]] 38frr3jgriea2qfs16fi0cfneca1oe5 wikitext text/x-wiki Faustrecht der Prärie 0 23543 27298 26139 2010-06-04T12:08:17Z Itsnotuitsme 384 {{Infobox Film | DT = Faustrecht der Prärie | OT = My Darling Clementine | PL = [[Vereinigte Staaten|USA]] | PJ = [[1946]] | AF = 12 | LEN = 92 | OS = [[Englische Sprache|Englisch]] | REG = [[John Ford]] | DRB = [[Samuel G. Engel]], [[Winston Miller]], [[Sam Hellman]] (Screen Story) | PRO = Samuel G. Engel | MUSIK = [[Cyril J. Mockridge]] | KAMERA =[[Joseph MacDonald]] | SCHNITT = [[Dorothy Spencer]] | DS = * [[Henry Fonda]]: [[Wyatt Earp]] * [[Linda Darnell]]: Chihuahua * [[Victor Mature]]: [[Doc Holliday]] * [[Cathy Downs]]: Clementine Carter * [[Walter Brennan]]: Old Man Clanton * [[Tim Holt]]: [[Virgil Earp]] * [[Ward Bond]]: [[Morgan Earp]] * [[Alan Mowbray]]: Granville Thorndyke * [[John Ireland (Schauspieler)|John Ireland]]: Billy Clanton }} '''Faustrecht der Prärie''' (englischer Originaltitel: ''My Darling Clementine'', deutsche Alternativtitel: ''Tombstone'' und ''Mein Liebling Clementine'') ist ein US-amerikanischer [[Spielfilm]] von [[John Ford]] aus dem Jahr [[Filmjahr 1946|1946]]. Der [[Western]] basiert auf der 1931 veröffentlichten Biografie ''[[Wyatt Earp]], Frontier Marshal'' von [[Stuart N. Lake]]. [[Henry Fonda]] spielt darin den US-Marshal, der gegen die Clanton-Familie antritt, um den Tod seines Bruders zu rächen. Nachdem Fords ''[[Ringo (1939)|Stagecoach]]'' 1939 die Renaissance des modernen Westerns eingeleitet hatte, ist ''Faustrecht der Prärie'' ein weiterer Schritt des Regisseurs in seiner Entwicklung hin zu ernsthaften, „erwachsenen“ Themen im Western, die mit ''[[Der schwarze Falke]]'' (1956) ihren vorläufigen Höhepunkt finden sollte. ''Faustrecht der Prärie'', dessen Hauptthema die Gründung einer zivilisierten Gesellschaft im Grenzgebiet des Wilden Westens ist, gilt allgemein als Klassiker des Genres. == Handlung == [[Arizona]] im Jahr 1882: die Brüder [[Wyatt Earp|Wyatt]], Virgil, [[Morgan Earp|Morgan]] und James Earp treiben eine Rinderherde durch das Land. In der Nähe der Stadt [[Tombstone]] rasten sie. Die drei älteren Brüder reiten in die Stadt und lassen den jüngsten Bruder James bei der Herde zurück. Tombstone wird von Gesetzlosigkeit und Chaos beherrscht. Als Wyatt einen randalierenden, betrunkenen Indianer bändigt, wird ihm das Amt des [[United States Marshals Service|Marshals]] angetragen. Wyatt lehnt zuerst ab, doch nachdem die Brüder feststellen mussten, dass James ermordet und die Herde gestohlen wurde, nimmt er das Amt an, um die Mörder seines Bruders zu finden. Nach anfänglichem Misstrauen fasst der [[Tuberkulose|TBC]]-kranke Arzt und Spieler [[Doc Holliday]], der mächtigste Mann von Tombstone, Vertrauen zu dem neuen Marshal. Auch Wyatt ist von dem innerlich zerrissenen Trinker Holliday beeindruckt, als dieser bei einer Theateraufführung vor dem johlenden Publikum Tombstones die Worte des [[Hamlet]]-Monologs, die dem betrunkenen Schauspieler entfallen sind, in bewegender Weise zu Ende spricht. Wyatt Earp, frisch rasiert und vornehm gekleidet, findet sich schnell in seinem neuen Amt zurecht und demonstriert der Stadt seine Autorität. [[Bild:Tombstone year 1891.jpg|thumb|Tombstone, hier eine Abbildung aus den Jahren um 1881, ist Schauplatz von ''Faustrecht der Prärie'']] Aus dem Osten der Vereinigten Staaten reist die Krankenschwester Clementine Carter an, um ihren ehemaligen Verlobten Holliday wieder zurückzuholen. Holliday, inzwischen mit der Bardame Chihuahua liiert, weist sie zurück. Als er bemerkt, dass Wyatt Earp Interesse an Clementine zeigt, fordert Holliday sie auf, wieder abzureisen. Am Sonntagmorgen läuten in Tombstone erstmals die Kirchenglocken der noch unvollendeten Kirche. Die rechtschaffenen Bürger Tombstones feiern das Ereignis mit einer Tanzveranstaltung auf dem Kirchenboden, zu der Wyatt Clementine ausführt. Auf der Suche nach den Mördern geraten zunächst die Clantons, der despotische Old Man Clanton und seine vier Söhne, ins Visier der Earps, doch Wyatt findet eine Medaille, die im Besitz von James war, bei Chihuahua. Als Wyatt Doc Holliday als mutmaßlichen Mörder seines Bruders festnehmen will, gesteht Chihuahua, dass sie die Medaille von Billy Clanton bekommen hat. Während dieses Geständnisses schießt Billy Clanton auf Chihuahua. Der flüchtige Billy wird von Virgil Earp verfolgt, doch Old Man Clanton erschießt den Verfolger. Doc Holliday versucht mit einer Notoperation, die schwerverletzte Chihuahua zu retten, doch seine Bemühungen sind vergeblich. Chihuahua stirbt an den Folgen ihrer Verletzung. Wyatt und Morgan Earp werden von den Clantons, die sich nun endgültig als Mörder des Bruders entpuppt haben, herausgefordert, sich im Morgengrauen am [[Schießerei am O. K. Corral|O.&nbsp;K. Corral]] zu einem Duell einzufinden. Doc Holliday, vom Tod Chihuahuas schwer gezeichnet, gesellt sich zu den Earps, um sich den Clantons zum [[Showdown]] zu stellen. Alle Clantons sterben bei der Schießerei und auch Doc Holliday, von einem Hustenanfall geschüttelt, findet den Tod durch gegnerische Kugeln. Clementine beschließt, als Schullehrerin und Krankenschwester in Tombstone zu bleiben. Wyatt, der mit Morgan abreist, um die Leichen der Brüder ins Vaterhaus zu bringen, verabschiedet sich mit einem Kuss von ihr und verspricht ihr, zurückzukommen. blabla == Entstehungsgeschichte == === Drehbuch und Vorproduktion === 1931 wurde von [[Stuart N. Lake]] das Buch ''Wyatt Earp, Frontier Marshal'' veröffentlicht, das Earps Lebensgeschichte nach dessen eigenen Vorgaben beschönigend und verherrlichend darstellte. Nachdem es sich schnell zum Bestseller entwickelt hatte, wurde es zweimal von der [[20th Century Fox]] verfilmt: 1934 mit [[George O’Brien]] als Earp und 1939 nach einem Drehbuch von [[Sam Hellman]] unter der Regie von [[Allan Dwan]] mit [[Randolph Scott]] als Earp und [[Cesar Romero]] als [[Doc Holliday]]<ref name="McBride429">McBride: S.429</ref>. Im November 1945 wählte [[Darryl F. Zanuck]] den Stoff als Vorlage für den Film aus, den John Ford der Fox im Rahmen seines Vertrages über insgesamt zehn Filme noch schuldete und ließ von [[Winston Miller]] ein Drehbuch erstellen<ref name="Loew116">Loew: S.116</ref>. Ford, eben aus dem Kriegsdienst zurückgekehrt, willigte in das Projekt ein, nachdem ihm in Aussicht gestellt wurde, dass Henry Fonda und [[Tyrone Power]] die Hauptrollen übernehmen könnten<ref name="McBride430">McBride: S.430</ref>. Die bereits vor dem Krieg festgelegte Gage von 85.000,- Dollar für Fords Regiearbeit wurde auf 150.000,- Dollar aufgestockt <ref name="Loew116">Loew: S.116</ref>. Obwohl Ford später behauptete, den Dwan-Film nie gesehen zu haben, zeigt ''Faustrecht der Prärie'' sowohl inhaltliche als auch inszenatorische Ähnlichkeiten zu Dwans Version des Stoffes auf. Der Filmauftakt mit dem randalierenden Indianer in Tombstone etwa ist eine fast identische Übernahme aus Hellmans Drehbuch aus dem Jahr 1939; sogar der Darsteller des Indianers ist der gleiche<ref name="Eyman131"> Eyman: S.131</ref>. Hellman erhielt aufgrund dieser Ähnlichkeiten in ''Faustrecht der Prärie'' einen ''screen credit'' als Autor der dem Film zugrunde liegenden Geschichte. Ford bearbeitete Millers Drehbuch nach, brachte einige humoristische Aspekte in das Skript ein und strich einige in seinen Augen überflüssige Dialoge, um einen größeren Schwerpunkt auf die visuelle Wirkung des Films zu legen.<ref name="McBride430">McBride: S.430</ref>. Nachdem Tyrone Power für die Rolle des Doc Holliday doch nicht zur Verfügung stand und die Ideen, [[Douglas Fairbanks junior]], [[Vincent Price]] oder [[James Stewart]] die Rolle darstellen zu lassen, verworfen wurden, wurde schließlich [[Victor Mature]] engagiert, wobei den Verantwortlichen Sorge bereitete, ob das muskulöse Kraftpaket Mature den todkranken, tuberkulösen Holliday in geeigneter Weise darstellen konnte. Er war wie Ford und Fonda eben erst aus dem Kriegsdienst zurückgekehrt und spielte in ''Faustrecht der Prärie'' seine erste Nachkriegsrolle. Für die weibliche Hauptrolle der Clementine wurde zunächst [[Jeanne Crain]] in Betracht gezogen, doch Ford war der Meinung, dass die unbekannte Downs die bessere Wahl für die Rolle als die etablierte Crain war.<ref name=“McBride433”>McBride: S.433</ref> === Produktion und Nachproduktion === [[Bild:Monument valley.JPG|thumb| Monument Valley: ''„Fords ausgewählter Platz für Moralstreitigkeiten“''<ref name="Baxter118">Baxter: S.118</ref>]] Die Dreharbeiten zu ''Faustrecht der Prärie'' fanden vom Mai bis zum Juni 1946 in [[Kayenta]], [[Arizona]] und im angrenzenden [[Monument Valley]] statt. Das [[Filmbudget|Budget]] betrug zwei Millionen Dollar, wobei allein die Kulissen für die Stadt Tombstone mit 250.000,- Dollar zu Buche schlugen<ref name="Loew116">Loew: S.116</ref>. Zanuck war mit dem Rohschnitt des gedrehten Materials nicht zufrieden. Nach einer Probevorführung<ref>Eine Version dieses Rohschnitts wurde in den Archiven der [[University of California, Los Angeles|UCLA]] aufgefunden. Diese sogenannte Preview-Version ist, kommentiert durch den Filmrestaurator Robert Gitt, zusammen mit der Kinoversion in einer Special Edition auf DVD erhältlich</ref> eröffnete er Ford in einem Memo vom 25. Juni 1946, dass er umfangreiche Kürzungen vorzunehmen gedenke.<ref name="Loew117">Loew: S. 117</ref>. Zanucks, so McBride, ''„Ungeduld mit Fords lässigem Stil, seiner Betonung von Stimmungen und Verzierungen“''<ref name="McBride436">McBride: S.426</ref> führte dazu, dass er persönlich etwa zehn Minuten Material aus dem Film entfernte, um die Geschichte in seinen Augen stringenter und weniger auf komische und stimmungsvolle Momente bedacht zu machen. Zudem ordnete Zanuck an, in einigen Szenen den von Ford karg und einfach konzipierten und hauptsächlich [[Diegese|diegetisch]] ausgelegten Soundtrack durch üppiger und dramatischer orchestrierte Musiksequenzen zu ersetzen. Im Juli 1946 drehte der Hausregisseur der Fox [[Lloyd Bacon]] einige Szenen für den Film nach, unter anderem einige Einstellungen von Earp am Grab seines Bruders und die Szene, als Doc Clementine auf einer nächtlichen Veranda auffordert, die Stadt zu verlassen. Die wichtigste nachträglich gedrehte Einstellung war der Kuss, den Earp Clementine in der Abschiedsszene gibt. Ford wollte eigentlich die Beziehung der beiden zum Ende des Films ambivalenter und offener darstellen<ref name="McBride436">McBride: S.436</ref>. Die Eingriffe in seinen Film seitens der produzierenden Filmgesellschaft ließen Ford in den kommenden Jahren vermehrt nach künstlerischer und produktionstechnischer Freiheit streben. Ein Angebot Zanucks, für 600.000 Dollar Jahresgehalt fest angestellt als Regisseur bei Fox zu bleiben, lehnte Ford ab.<ref name="Loew117">Loew: S.117</ref> == Rezeption == ''Faustrecht der Prärie'' kam am 7. November 1946 in die US-amerikanischen Kinos. Verleihstart in Westdeutschland war der 1. November 1949. Der Film spielte in seiner ersten Auswertungsrunde in den USA 2.800.000 Dollar ein.<ref name="Loew116">Loew: S.116</ref>. Weltweit betrugen die Einnahmen aus der Kinoauswertung 4.500.000 Dollar<ref name="McBride436">McBride: S.436</ref>. Der Film spielte somit seine für die damalige Zeit hohen Kosten wieder ein, galt aber nicht als sonderlicher Kassenschlager. Am 28. April 1947 wurde eine Hörspielfassung des Films im Rahmen des [[Lux Radio Theatre]] unter anderem von Henry Fonda, Cathy Downs und [[Richard Conte]] eingesprochen und über Hörfunk ausgestrahlt<ref>[http://www.audio-classics.com/lluxradio.html Webseite über die Ausstrahlungen des Lux Radio Theatre]</ref>. === Zeitgenössische Kritik === Die Filmkritik nahm Fords Werk überwiegend wohlwollend zur Kenntnis, doch enthusiastische Reaktionen waren eher selten. ''[[Time|TIME]]'' schrieb am 11. November 1946, der Film sei ''„eine Pferdeoper für gehobene Ansprüche“''. Ford habe ''„mehr geschaffen als nur eine intelligente Nacherzählung einer modernen Sage“''<ref name="Coyne34Z">zitiert in: Coyne: S.34</ref>. Ray Lanning vom ''[[Motion Picture Herald]]'' empfand in seiner Rezension vom 12. Oktober 1946 den Film als ''„ruhig, lässig, fast ohne jede Handlung“'' Er sei jedoch ''„bemerkenswert aufgrund seiner ideenreichen Handhabung des rohen, manchmal brutalen Materials, um daraus einen stimmungsvollen, fast poetischen Film zu erschaffen“''.<ref name="Coyne34Z">zitiert in: Coyne: S.34</ref>. Richard Griffith äußerte sich im Magazin ''[[New Movies]]'' im Januar 1947 begeisterter. ''Faustrecht der Prärie'' sei ''„nicht nur ein herausragender Western, sondern auch ein […] vielschichtiges Werk der Vorstellungskraft“'' Er portraitiere den Westen so, ''„wie ihn die Amerikaner tief im Inneren verspüren.“'' Henry Fonda sei ''„der selbstbewusste Deuter einer heute verschwundenen Stimmung, als ob er ein Historiker oder Psychologe wäre“''<ref name="Coyne35Z">zitiert in: Coyne: S.35</ref>. [[Bosley Crowther]] resümierte in der ''[[The New York Times|New York Times]]'' vom 29. Dezember 1946, der Film sei ''„ein wenig zu beladen mit den Konventionen des Westerns, um [mit Stagecoach] gleichzuziehen.“'' Die Abgrenzung zwischen Helden und Bösewichtern sei zu offensichtlich.<ref name="Coyne35Z">zitiert in: Coyne: S.35</ref>. ''[[Variety]]'' stellte am 9. Oktober 1946 in einer ansonsten positiven Kritik fest, der Film gerate ''„manchmal […] ins Stocken, um Ford einer gekünstelten Effekthascherei nachgehen zu lassen“''.<ref name="Coyne35Z">zitiert in: Coyne: S.35</ref>. Manny Farber schrieb am 16. Dezember 1946 im ''[[The New Republic]]'', ''Faustrecht der Prärie'' sei ''„ein leuchtendes Beispiel, wie man die wundervolle Geschichte des Westens durch pompöse Filmemacherei ruinieren kann.“'' Der Film konzentriere sich ''„auf Bürgerbewusstsein, Späße und Folklore anstatt auf beinharte Action“'' <ref name="Coyne35Z">zitiert in: Coyne: S.35</ref>. ''[[Filmkritik (Zeitschrift)|Filmkritik]]'' urteilte in ihrer Ausgabe 4/65, Faustrecht der Prärie werde ''„mit Recht […] als einer der schönsten und poetischsten Western gefeiert“''. Er sei auf jeden Fall ''„der geschlossenste Film Fords […], ein echtes [[Melodram (Film)|Melodram]], mit der Poesie, dem Lyrismus und dem überhöhten Realitätsgehalts eines Exemplums.“'' Festgestellt wurde ''„eine straffe Dreiteilung in Ouvertüre, Mittelsatz und Coda“'', wobei besonders im Mittelteil der ''„Fordsche [[Rassismus]]“'' zum Tragen komme, und ''„die bis zur Vergötzung reichende Zelebrierung der Landschaft.“'' Die Sonntagsmorgenszene gehöre ''„zum klassischen Bestand des Westerns“''<ref name="Place71">Place: S.71</ref> Weniger enthusiastisch fiel das Urteil im Handbuch V der katholischen Filmkritik, ''6000 Filme'' (1963), aus, das den Film als ''etwas über dem Durchschnitt'' einstufte.<ref> ''6000 Filme. Kritische Notizen aus den Kinojahren 1945 bis 1958''. Handbuch V der katholischen Filmkritik, 3. Auflage, Verlag Haus Altenberg, Düsseldorf 1963, S. 111 </ref> === Auszeichnungen === ''Faustrecht der Prärie'' gewann 1948 den Preis des [[Sindacato Nazionale Giornalisti Cinematografici Italiani]] für den besten fremdsprachigen Film. 1991 wurde der Film in das [[National Film Registry]] aufgenommen<ref>[http://german.imdb.com/title/tt0038762/awards Auszeichnungen für Faustrecht der Prärie in der imdb]</ref> === Nachwirkung === ''Faustrecht der Prärie'' ist einer der Entwicklungspunkte zwischen den ersten nicht nur von Kindern und Jugendlichen konsumierbaren Western zu Beginn der 1940er-Jahre (''Stagecoach'' (1939), ''[[Der Westerner]]'' (1940), ''[[Überfall der Ogalalla]]'' (1941) und andere) und den „psychologischen“ beziehungsweise [[Edelwestern]] zu Beginn der 1950er-Jahre mit ihren konfliktbeladenen Helden (''[[Red River (1948)|Red River]]'' (1948), ''[[Verfolgt (1947)|Verfolgt]]'' (1947), ''[[Winchester ’73]]'' (1950) und andere). Hanisch merkt an, ''Faustrecht der Prärie'' sei ''„ein Film der Reife“'', der nur noch wenig mit den Pferdeopern vergangener Tage gemeinsam habe. Mit ''Faustrecht der Prärie'' habe der Western ''„endgültig seine Unschuld verloren“'' und sei ''„jetzt auch in breitem Maße für ein erwachsenes Publikum unterhaltsam geworden“''<ref name="Hanisch214">Hanisch: S,214</ref> Es folgten eine Reihe weiterer Verfilmungen der Legende um Earp und Holliday (''[[Zwei rechnen ab]]'' (1957), ''[[Die fünf Geächteten]]'' (1967), ''[[Doc (1971)|Doc]]'' (1971), ''[[Tombstone (1993)|Tombstone]]'' (1993), ''[[Wyatt Earp – Das Leben einer Legende]]'' (1994) und andere) die jedoch in ihrer Grundaussage alle deutlich dunkler und pessimistischer ausfielen als ''Faustrecht der Prärie''. === Filmwissenschaftliche Beurteilung === ''Faustrecht der Prärie'' zählt heute mit seiner überwiegend optimistischen Grundstimmung zu den Klassikern des Genres; ein Film, der ''„aus ganzem Herzen die Ankunft von Recht, Gesetz und Zivilisation im Westen durch die Figur von Fondas Earp“'' feiere, wie Hardy feststellt<ref name="Hardy158">Phil Hardy: ''The Encyclopedia of Western Movies.'' Woodbury Press. Minneapolis 1984. ISBN 0-8300-0405-X S.158</ref>. Für Jeier ist der Film eine ''„Huldigung des Pioniergeists“'', dem Ford ''„in wehmütigen Bildern“'' nachtrauere und in Ritualen wie etwa den gezeigten Tänzen beschwöre<ref name="Jeier109">Jeier: S.109</ref>. [[Joe Hembus|Hembus]] stellt fest, Fords Werk sei ''„der größte mythopoetische Western“'', die Geschichte ''„von einem Mann, dessen Familiensinn zum Gemeinschaftssinn wird und der so seine Mission findet, Gesetz und Ordnung in den Westen zu bringen“''<ref name="Hembus622">[[Joe Hembus]]: ''Western-Lexikon - 1272 Filme von 1894-1975''. Hanser Verlag München Wien, 2. Auflage 1977, ISBN 3-446-12189-7 S.622</ref>. Loew bezeichnet den Film als ''„Quintessenz des Westernfilms“'', der sowohl Naivität, als auch Sentimentalität in sich vereine, ''„getragen von bildhafter Magie“'' <ref name="Loew122">Loew: S.122</ref>. Baxter konstatiert, ''Faustrecht der Prärie'' sei ''„einer von Fords komplettesten und bewegendsten Filmen“''<ref name="Baxter114">Baxter: S.114</ref>, der Fords ''„Dauerinteresse am Einfluss der Zivilisation auf die Wertvorstellungen der Grenze widerspiegle“''<ref name="Baxter118">Baxter: S.118</ref>. Für Clapham liegen die Qualitäten des Films besonders in Fords markanten Stimmungsbildern: ''„Die Action ist flott, schön fotografiert, und die Geschichte ist gut erzählt. Aber wir werden uns an Faustrecht der Prärie immer wegen seiner anderen Qualitäten erinnern - wegen der gemächlichen Einlullungen und den Auszeiten, die genommen werden. Hier ist Ford nachlässig mit sich selbst […], aber die Nachlässigkeiten glücken alle und sind wie verzaubert.“''<ref name="Clapham85">Walter C. Clapham: ''The Movie Treasury: Western Movies - The Story of the West on Screen.'' Galley Press. London 1979. ISBN 0-904644-88X S.85</ref> Auch [[Georg Seeßlen|Seeßlen]] stellt die ruhigen Sequenzen heraus und bezeichnet den Film als ''„Fords poetische Vision vom Leben in der Gemeinschaft an der Grenze, deren utopische Momente vor allem in Augenblicken der Ruhe zum Tragen kommen“''<ref name="Seeßlen79">[[Georg Seeßlen]]: ''Western - Geschichte und Mythologie des Westernfilms.'' Schüren Presseverlag 1995, ISBN 3-89472-421-8. S.79</ref>. Kitses bezeichnet Faustrecht der Prärie als ''„ein absolutes Juwel […], eines der Meisterwerke des klassischen amerikanischen Films“'' und ''„eine liebevolle Hymne auf die Zivilisation“''. ''„Mit der sich entfaltenden Strategie der betörenden Pausen, Abschweifungen und Lustbarkeiten“'' führe ''Faustrecht der Prärie'' ''„in eine charakteristische Welt, die hartnäckig auf ihrer eigenen Wahrhaftigkeit besteht“''<ref name="Kitses55">Kitses: S.55</ref>. Hanisch nennt den Film ''„einen der schönsten Western aus der Geschichte dieses Genres, […]erzählt […] in außerordentlich eindrucksvollen Bildern.“''<ref name="Hanisch210">Hanisch: S.210</ref> ''Faustrecht der Prärie'' sei ''„der Western eines Westerners“'', urteilt Eyman. Der Film sei ''„wortkarg, schnörkellos, aufgeschlossen und zeitlos modern in seiner nachdenklichen Stimmung und seinen düsteren Untertönen“''<ref name="Eyman135">Eyman: S.135</ref>. == Filmanalyse == === Inszenierung === ==== Visueller Stil ==== Von den ersten Sequenzen an macht Ford deutlich, dass er einen Mythos des Westens und seine legendären Protagonisten abbilden will. In [[Einstellungsgröße|halbnahen Einstellungen]] mit [[Kameraperspektive|tiefstehender Kamera]] zeigt er die Earp-Brüder, einen nach dem anderen, wie sie auf ihren Pferden reitend ruhig und bedächtig ihrer Arbeit in freier Natur nachgehen.<ref name="Place62">Place: S.63</ref> Kitses merkt an, sie wirkten in ihrer Erhabenheit ''„wie sich bewegende Statuen“''.<ref name="Kitses56">Kitses: S.56</ref> Ford nutzt, so Place, die Vorkenntnis des Zuschauers der Legende um Earp, ''„um den Mythos, den er erschafft, zu erhöhen“'' und verwendet dafür einen ''„sparsamen, [[Expressionismus|expressionistischen]] visuellen Stil.“''<ref name="Place62">Place: S.62</ref> Mit meistens statischer Kamera erschafft der Regisseur [[tableau]]artige Kompositionen im Stil früher Fotografien.<ref name="Kitses56">Kitses: S.56</ref>. Jeier merkt dazu an, die Geschichte werde erzählt ''„in ruhigen lyrischen Bildern, welche die Stadt und ihre Menschen immer wieder gegen den weiten Himmel und die gigantischen Felsen des Monument Valley stellen.“''<ref name="Jeier108">Jeier: S.108</ref> Der Himmel ''„a la [[El Greco]]“''<ref name="Eyman135">Eyman: S.135</ref>, wie Eyman anmerkt, ist auch in den Szenen, die in der Stadt spielen, immer präsent. Die umgebende Landschaft zwischen den weit auseinanderstehenden Häusern bleibt stets im Blickfeld; Tombstone entwickelt sich zum städtischen Gemeinwesen, aber die Wildnis ist noch nicht zurückgedrängt<ref name="Loew121">Loew: S.121</ref> Ford bedient sich dabei aber nicht realistischer Darstellungsweisen, sondern setzt seine Vorstellung vom Wilden Westen, die laut Place vor allem auf ''„moralische, mythische und poetische Wahrheit“'' abzielt<ref name="Place71">Place: S.71</ref>, in Bildern filmischer Imagination um: die Stadt Tombstone liegt in Wirklichkeit nicht im Monument Valley und auch die großen [[Carnegiea gigantea|Saguaro-Kakteen]], die immer dann prominent in Szene gesetzt werden, wenn die Beziehung zwischen Wyatt und Clementine thematisiert wird, wachsen dort nicht.<ref name="Place71">Place: S.71</ref> Fords lyrisch-naiver visueller Stil findet seinen Höhepunkt in der Sequenz, die den gemeinsamen Gang von Wyatt und Clementine zum Tanz in der unvollendeten Kirche zeigt. ''„In einem der schönsten Spaziergänge der Filmgeschichte“''<ref name="Prinzler">Hans Helmut Prinzler: Fau''strecht der Prärie/Tombstone'' in: Bernd Kiefer, Norbert Grob (Hrsg.): ''Filmgenres: Western.'' Philipp Reclam jun. Stuttgart 2003. ISBN 3-15-018402-9 S.109</ref>, so Prinzler, feiert Ford ''„den Westen und Amerika als vervollkommnungsfähige Gemeinschaft“''<ref name="Coyne40">Coyne: S.40</ref>, so Coyne. Die Tanzgesellschaft unter wehenden amerikanischen Fahnen wird mit Bildausschnitten präsentiert, die ''„perfekt gewählt wie die Komposition eines Malers“'' sind, wie Loew anmerkt. Er fügt hinzu: ''„Jede Szene könnte ein Gemälde abgeben“''<ref name="Loew122">Loew: S.122</ref> Auch Konfliktsituationen werden zuvorderst visuell umgesetzt. Die [[Mise-en-scène]] wird beispielsweise in den Saloon-Szenen in die Tiefe des Raums gestaffelt und mit großer [[Schärfentiefe]] umgesetzt, die dazu dient, ''„die Figuren in ihre Umgebung einzupflanzen“'', so Kitses.<ref name="Kitses56">Kitses: S.56</ref>. Die Weite der Wildnis und die dort herrschenden Konflikte werden so in die langgezogenen, niedrigen und auch im Raumhintergrund stark beleuchteten Räume des Saloons getragen.<ref name="Loew120">Loew: S.120</ref> Den sich dort anbahnenden Konflikt zwischen Wyatt und Doc betont Ford durch das Mittel eines [[Achsensprung]]s zwischen den [[Closeup]]s der beiden Darsteller.<ref name="Loew120">Loew: S.120</ref> ==== Dramaturgie ==== Ford verstärkt laut Hanisch die Wirksamkeit seiner Geschichte, indem er sie innerhalb nur weniger Tage, an einem einzigen Wochenende, spielen lässt. Er nutze ''„eine Dramaturgie der Einheit von Zeit und Ort“''.<ref name="Hanisch211">Hanisch: S.211</ref> Durch die Schauplatzwahl sei die Story ''„sofort isoliert (in Zeit, Geschichte und Örtlichkeit)“'', so Place. Dies schaffe ''„eine geschlossene Welt […], in der sich die Story entfalten kann“''<ref name="Place62">Place: S.62</ref>. Den großen Handlungsrahmen hierfür gibt die bekannte Geschichte ab, die mit der Schießerei am O. K. Corral endet. Clapham erläutert: ''„Es gibt Abweichungen, ein Rachemotiv bei Fonda und die eifersüchtige Einmischung einer Tänzerin […], aber der Weg führt zielsicher zu diesem Zusammentreffen am Corral.“''<ref name="Clapham84">Walter C. Clapham: The Movie Treasury: Western Movies - The Story of the West on Screen. Galley Press. London 1979. ISBN 0-904644-88X S.84</ref> Dieser stringente Handlungsverlauf wird jedoch immer wieder angehalten und verzögert durch die stimmungsvollen „Auszeiten“. Clapham resümiert: ''„Es ist ein Film der berührenden Einstellungen - Fonda, wie er dasitzt und seine Stiefel und sein Gleichgewicht nachrichtet, während die Welt an ihm vorüberzieht; Fonda, der Friedensstifter, rechtschaffen in der Kirche; Fonda mit einer althergebrachten Vorstellung des Grenzlandes, wie er höflich seine Dame zum Tanz im Freien geleitet“''<ref name="Clapham85">Walter C. Clapham: The Movie Treasury: Western Movies - The Story of the West on Screen. Galley Press. London 1979. ISBN 0-904644-88X S.85</ref> Hanisch erläutert, in solchen Szenen werde ''„die ganze Poesie dieses Regisseurs offenbar.“'' Sie seien ''„nicht selten viel eindrucksvoller als die turbulenten Action-Szenen“''<ref name="Hanisch213">Hanisch: S.213</ref> Dazu ist sicher auch die Szene zu zählen, als Wyatt Earp in nachdenklicher Stimmung den Barbesitzer fragt: "Hast du schon mal eine Frau geliebt?" und dieser antwortet: "Ich war immer nur Gastwirt". Ford lässt sich dabei von der Darstellung Fondas leiten. Eyman merkt an, der Regisseur passe ''„den gesamten Film Fondas entschlossenem, eleganten Rhythmus an.“''<ref name="Eyman135">Eyman: S.135”</ref>. Place bestätigt, ''„Fondas spezifische Persönlichkeit“'', sein ''„zurückhaltend-steifer Charakterzug“'', sei durch Fords elegische Regie ''„vielleicht am besten überhaupt eingesetzt worden.“''<ref name="Place63">Place: S.63</ref>. Fondas Earp ist, so Hanisch, ''„der integre, aufrechte Held, ein Mann starker Ruhe“''<ref name="Hanisch213">Hanisch: S.213</ref>. Seine, so Loew, ''„entspannte, virile Kraft, Lässigkeit, Einsilbigkeit und Männlichkeit“''<ref name="Loew119">Loew: S.119</ref> werden filmisch etwa in der berühmten Szene umgesetzt, in der Fonda entspannt auf einer Veranda sitzend und auf dem Stuhl balancierend sein „inneres Gleichgewicht“ demonstriert. Den dramaturgischen Gegensatz zwischen Doc Holliday und Chihuahua auf der einen Seite und Wyatt Earp und Clementine auf der anderen Seite betont Ford, indem er dem ersten Paar die Nachtszenen und dem zweiten die Tagszenen zuweist. Die Nacht, inszeniert als kontraststarker Kampf zwischen Dunkelheit und Licht mit expressiven Schattenwürfen, ist die zu Ende gehende wilde und gesetzlose Zeit, für die Doc und Chihuahua einstehen. Mit Earp und Clementine wird, so Jeier ''„die zivilisierte Phase in der Geschichte von Tombstone eingeleitet“''<ref name="Jeier109">Jeier: S.109</ref>. Für diese stehen die Tagszenen mit ihrem offenen, unverbauten Blick und dem „optimistischen“ Wetter.<ref name="Loew119">Loew: S.119</ref> ==== Ton und Musik ==== Der Musikeinsatz in Faustrecht der Prärie ist weitestgehend [[Diegese|diegetisch]]. Aus der Handlung heraus gibt die Musik ''„Kommentare zur Handlung oder zur Beziehung zwischen den Protagonisten“'' ab, so Loew.<ref name="Loew119">Loew: S.119</ref> Ford nutzt dazu die Melodien von [[Folk]]songs wie dem titelgebenden ''My Darling Clementine'' oder Kirchenliedern wie ''Shall We Gather at the River?''. Im finalen Höhepunkt der Schießerei setzt Ford allerdings keine Musik ein. Zu hören sind nur die Geräusche des Windes und der Stiefel und die Schüsse. Eyman urteilt dazu: ''„Wenn Stille ohrenbetäubend sein kann, dann ist sie es hier.“''<ref name="Eyman135">Eyman: S.135</ref> === Themen und Motive === ==== Historische Authentizität ==== [[Bild:WyattEarp.jpg|thumb|Der historische Wyatt Earp um 1881, im Film dargestellt von Henry Fonda]] Ford behauptete, er hätte Wyatt Earp kurz vor dessen Tod in den 1920er-Jahren selbst kennengelernt.<ref name="Hanisch210">Hanisch: S.210</ref> Trotz Fords selbsterklärtem Anspruch, Earps Geschichte authentisch wiedergeben zu wollen, weist der Film eine Reihe historischer Ungenauigkeiten und Fehlinterpretationen auf. Die Geschehnisse am OK Corral fanden bereits 1881 und nicht erst 1882 statt.<ref name="Loew117">Loew: S.117</ref> Doc Holliday, der Zahnarzt und kein Chirurg war, kam nicht am O. K. Corral um, sondern starb 6 Jahre später an TBC in einem Sanatorium. Auch der alte Clanton war kein Todesopfer der Schießerei, sondern bereits vorher tot. Wyatt Earp war nicht Marshal von Tombstone, sondern sein Bruder Virgil. <ref name="Hanisch211">Hanisch: S.211</ref> Wyatt Earp war nicht der Muster-Gesetzeshüter, zu dem er sich selbst hochstilisierte, sondern ein Spieler und Geschäftsmann im Rotlichtmilieu. Der historische Streit mit den Clantons entbrannte beim Kampf um Marktanteile bei Glücksspiel, Prostitution und Rinderdiebstahl in Tombstone.<ref name="Loew117">Loew: S.118</ref> Faustrecht der Prärie ist also keine historisch genaue, sondern eine ''„poetische, bewusst mythische Nacherzählung der Legende von Wyatt Earp''.“<ref name="Coyne34">Coyne: S.34</ref> French urteilt über den Wahrheitsgehalt des Films: ''„Faustrecht der Prärie sah nach den maßgeblichen Kriterien von 1946 recht realistisch aus, obwohl er in jeder Weise eine totale Fehlinterpretation der Geschehnisse war, die zum [[Schießerei am O. K. Corral|Schusswechsel am O. K. Corral]] führten, doch […] keine [der nachfolgenden Verfilmungen der Earp-Legende] erreicht die Qualität an Wahrheit wie bei Ford, obschon es bei ihm nur ein erdichteter Mythos war“''<ref name="French157">Philip French: ''Westerns - Aspects of a Movie Genre.'' [[Secker & Warburg]] in association with the British Film Institute, London 1973, ISBN 0-436-09933-0. S.157</ref>. ==== Gründung der Zivilgesellschaft ==== Ford portraitiert in ''Faustrecht der Prärie'', so Jeier, ''„das Ende einer wilden Zeit und ihrer Protagonisten“''<ref name„Jeier108">Jeier: S.108</ref> Earp kommt nach Tombstone, um den Tod seines Bruders zu rächen, doch ''„nach und nach wird […] aus dem persönlichen Motiv der Rache […] eine Verpflichtung auch der Gemeinschaft gegenüber“'', so Seeßlen.<ref name="Seeßlen80">Georg Seeßlen: ''Western - Geschichte und Mythologie des Westernfilms.'' Schüren Presseverlag 1995, ISBN 3-89472-421-8. S.80</ref> Er wird nicht nur äußerlich durch seine Besuche beim Barbier zum Träger der Zivilisation, sondern auch in seiner inneren Einstellung. Lenihan erläutert: ''„Fords Faustrecht der Prärie ordnete […] Earps Kampf gegen Gesetzlosigkeit dem weitergefassten Schema des Pioniers zu, der in einem neuen, ungezähmten Land Gesetz und Anstand durchsetzt. Während Earp eine Familienangelegenheit mit den Clantons zu regeln hat, werden seine Taten durchgehend mit Szenen einer blühenden neuen Gesellschaft durchwoben, um den Helden eindeutig mit sozialem Fortschritt zu identifizieren“''.<ref name="Lenihan125">John H. Lenihan: ''Showdown - Confronting Modern America in the Western Film.'' University of Illinois Press. Urbana and Chicago 1979. ISBN 0-252-01254-2 S.125</ref> Sinnbild dieser Gesellschaftsgründung ist der Tanz in der Kirche am Sonntagmorgen; ein, wie Kitses anmerkt, ''„magischer Moment des Kinos“''<ref name="Kitses60">Kitses: S.60</ref>. Die Wertesysteme des amerikanischen Ostens und Westens vereinigen sich zu einer ''„symbolischen Hochzeit von Ost und West“''<ref name="Kitses60">Kitses: S.60</ref>. Earp und Clementine sind in diesem Moment ''„die perfekte (obwohl zuvorderst asexuelle) Vereinigung zwischen den besten Elementen des Westens und des Ostens; die coole, kontrollierte Männlichkeit des Gesetzeshüters ergänzt das feinfühlige und trotzdem beherzte Wesen der Lady aus Boston“'', so Coyne<ref name="Coyne34">Coyne: S.34</ref> Ford zollt mit dieser ''„Schilderung der nationalen Mythenbildung“''<ref name="Loew118">Loew: S.118</ref> Befindlichkeiten in der amerikanischen Gesellschaft Tribut, die sich nach den Entbehrungen und persönlichen Opfern des Zweiten Weltkriegs nach solcher Wertorientierung sehnte. McBride analysiert: ''„Ford zog sich […] in die amerikanische Vergangenheit zurück, um historische oder mythische Antworten auf die Probleme zu finden, die ihn in der Gegenwart belasteten. […] er suchte nach dem, was er für das Herz des amerikanischen Wertesystems hielt.“''<ref name=“McBride418”>McBride: S.418</ref>. Kitses ergänzt: ''„Ford ist an dem Punkt seiner Karriere, an dem seine Vision von Amerika eine [[Transzendenz|transzendente]] ist, eher eine vom blühenden Garten, der kommen wird, als eine von der Wildnis, die besteht“''.<ref name="Kitses62">Kitses S.62</ref> ==== Optimismus und Pessimismus ==== Die Figur des Wyatt Earp, laut Place ''„einer der charmantesten und humansten Charaktere Fords“''<ref name="Place64">Place: S.63</ref>, steht in ihrer optimistischen Sicht für Fords naive Vision einer mustergültigen Gesellschaft. Place betont, Earp bewege sich ''„zwischen den besten Werten des Ostens und des Westens ohne Problem, aber er ist der letzte Fordsche Held, der dies tut“''<ref name="Place68">Place: S.68</ref>. Ab ''Faustrecht der Prärie'' werden Fords Hauptfiguren zunehmend verbitterter und einsamer, gipfelnd in der Figur des Ethan Edwards in ''[[Der schwarze Falke]]'' (1956) und der des Ransom Stoddard in ''[[Der Mann, der Liberty Valance erschoß]]'' (1962). Besonders deutlich wird dies in dem Kontrast, wie Ford die Earpsche Legende in Faustrecht der Prärie und 18 Jahre später in ''[[Cheyenne (Film)|Cheyenne]]'' behandelt. Dort ist Fords Blick auf Earp nur noch distanziert-ironisch; Earp erscheint als ''„Prahlhans und Glücksritter“'', wie Hanisch anmerkt<ref name="Hanisch213">Hanisch: S.213</ref>, er und Holliday sind darin laut Place ''„nur noch Clowns“''<ref name="Place75">Place: S.75</ref> In der Figur des Doc Holliday kündigt sich bereits in ''Faustrecht der Prärie'' ''„das Ende des Fordschen Optimismus an“'', wie Hembus anmerkt.<ref name="Hembus624">Joe Hembus: ''Western-Lexikon - 1272 Filme von 1894-1975''. Hanser Verlag München Wien, 2. Auflage 1977, ISBN 3-446-12189-7 S.624</ref>. Holliday ist geprägt von der, so Place, ''„Unfähigkeit, mit sich selbst und den verschiedenen Aspekten seines Lebens klarzukommen.“''<ref name="Place69">Place: S.69</ref>; eine Figur, die ''„die Zeichen der Zeit erkennt und der nahenden Zivilisation durch Selbstzerstörung entgehen will“'', so Jeier<ref name="Jeier109">Jeier: S.109</ref>. Die zwei Seiten seiner Persönlichkeit, einerseits Arzt und andererseits Spieler und Trinker zu sein, sind im Film ''„überlebensgroß wie beim klassischen tragischen Helden“'', wie Place anmerkt.<ref name="Place69">Place: S.69</ref>, filmisch umgesetzt in der Großaufnahme seines Arztdiploms an der Wand, unter dem eine Whiskyflasche steht. Holliday wirft im Film mit einem Glas auf das Diplom und zerschmettert damit den Rahmen. Im Zusammenhang mit dieser tragischen Figurendisposition sieht Kitses den Bezug auch den Monolog aus ''[[Hamlet]]'', den Holliday an Stelle des betrunkenen Schauspielers zu Ende spricht. Doc Holliday sei wie Hamlet ''„eine entzweite Seele, die ihre Vergangenheit leugnet, […] verflucht und selbstzerstörerisch“''<ref name="Kitses59">Kitses: S.59</ref> Sein Gegenpart sei Clementine, die wie [[Ophelia]] all das repräsentiert, was er verleugnet. Dass Holliday sich schließlich für die Sache der Gemeinschaft opfert, macht ihn in Baxters Augen zum ''„wahren Fordschen Helden“'', zum Märtyrer, dem der ''„recht direkte Ehrgeiz“'' Earps abgehe.<ref name="Baxter118">Baxter: S.117</ref> Eine exotische Einzelmeinung vertritt Baxter in seiner Beurteilung der Beziehung zwischen Earp und Holliday. Er unterstellt ihr eine [[Homosexualität|homosexuelle]] Komponente und nennt ''Faustrecht der Prärie'' Fords ''„sexuell […]komplettesten Film“''<ref name="Baxter116">Baxter: S.116</ref>. Als Indizien hierfür führt er an, dass Earp Holliday einmal im Film als „gutaussehend“ bezeichnet, sich wegen dessen Krankheit Sorgen macht und in der „Übernahme“ von dessen Braut, einer Art [[Übersprungbewegung|Übersprungshandlung]], sein Interesse an der femininen Komponente in Hollidays Persönlichkeit bekunde.<ref name="Baxter117">Baxter: S.117</ref> ==== Familie, Moral, und Abstammung ==== Der handlungsbestimmende Konflikt in Faustrecht der Prärie ist ein Kampf zwischen zwei Familien, den Earps und den Clantons. Beide Familien sind sich ähnlich, indem sie vom übermächtigen Vater (der bei den Earps allerdings nicht im Film erscheint und diese Position nur in den Dialogen der Söhne zugewiesen bekommt) bestimmt werden. Place stellt fest: ''„Die Clantons sind eine Spiegelung der Earps, allerdings eine unnatürliche“''<ref name="Place67">Place: S.67</ref> Ford betont mit der, so Baxter, ''„fast magischen Bedeutung (…), die er den Vätern gab“''<ref name="Baxter120">Baxter: S.210</ref> den hohen Stellenwert, den er einem funktionierenden, [[Patriarchat (Soziologie)|patriarchalisch]] ausgerichteten Familienverbund zumisst. Baxter führt aus: ''„Er war besorgt, die Familie als eine positive Macht zu zeigen, eine soziale Waffe, die verwendet werden soll, um die Welt in Ordnung zu bringen.“''<ref name="Baxter118">Baxter: S.118</ref> Mit seiner eindeutigen Stellungnahme zugunsten der Earps gibt Ford somit ein moralisches Statement ab. McBride merkt an, in seiner ''„idealistischen Weltsicht“'' enthalte ''„der epische Kampf zwischen Gut (die Earps) und Böse (die Clantons) keine moralischen Mehrdeutigkeiten“''<ref name="McBride432">McBride: S.423</ref> Auch die Frage, warum Holliday und Chihuahua im Film sterben müssen, kann unter Gesichtspunkten der von Ford vertretenen Moral behandelt werden. Coynes Standpunkt ist, sie müssten deshalb sterben, weil sie es in Fords Vorstellungswelt ''„moralisch nicht wert sind, an der idealen Grenzlandgemeinde, die Ford […] entwirft, teilzuhaben.“'' Fords Film sei hier ''„nicht nur mythisch, sondern zutiefst moralistisch“'' Hollidays und Chihuahuas wahre Sünde sei ''„die sexuelle Überschreitung der ethnischen Grenzen“''<ref name="Coyne48">Coyne: S.48</ref>. Noch dazu hat sie sich heimlich mit einem der Clantons eingelassen. Ford baut seine weiblichen Hauptrollen komplett gegensätzlich auf: Der temperamentvollen, dunkelhaarigen, geheimnisvollen und provozierenden Chihuahua steht die blonde Clementine entgegen, ein, wie Hanisch anmerkt, ''„unantastbares Wesen, eine verehrungswürdige Muttergestalt“''<ref name="Hanisch214">Hanisch: S.214</ref> Chihuahua, anscheinend teilweise indianischer und teilweise mexikanischer Abstammung, sieht sich konstant den, so Weidinger, ''„rassistischen Verbalattacken“'' Earps ausgesetzt. Ihre ''„dunkle Sexualität“'' sei gefährlich, solange sie am Leben ist. Überleben darf folgerichtig bei Ford nur die „weiße“, angelsächsische Clementine<ref name="Weidinger109">Martin Weidinger: ''Nationale Mythen - männliche Helden: Politik und Geschlecht im amerikanischen Western.'' Campus Verlag Frankfurt/New York 2006, ISBN 3-593-38036-6. S.109</ref>. Chihuahua ist, wie Kitses anmerkt, ''„ein unglückliches Beispiel für die ethnische Vorverurteilung, die sich durch weite Strecken von Fords Werk zieht“''<ref name="Kitses57">Kitses: S.57</ref>. Anders als die Hure Dallas in ''Stagecoach'', die sich als wahre Trägerin des Anstands entpuppt, wird Chihuahua in Faustrecht der Prärie durch die moralische Instanz Wyatt Earp von Beginn an vorverurteilt. Coyne merkt an, Earps Sinn für Moral enthalte ''„Elemente einer Vorstellung von Rassenreinheit, die der Film gutzuheißen scheint, indem er sich eines Tadels enthält“''. Wyatt Earp sei ''„auf seine ruhige Art“'' ebenso ein Rassist wie Hatfield in ''Stagecoach'' und Ethan Edwards in ''Der schwarze Falke''.<ref name="Coyne39">Coyne: S.39</ref> ==== Zeitgeschichtliche Deutungen ==== Dass einige der Hauptbeteiligten gerade erst aus dem Kriegsdienst zurückgekehrt waren, wird für McBride im Film spürbar. Neben der Behandlung von Themen, die das Publikum auch im realen Leben der Nachkriegszeit unmittelbar betrafen (wie etwa die Zerstörung von Familienverbänden), sieht McBride besonders in der Figur des Wyatt Earp einen militärischen Hintergrund. Dieser ist für ihn ein ''„scharfsinniger, ernsthafter Kommandeur“'', der primär militärische Tugenden verkörpere<ref name="McBride432">McBride: S.432</ref>. Laut Loew führt dies zu einer Grundstimmung im Film, die er als ''„konservativ und paternalistisch-autoritär“'' bezeichnet.<ref name="Loew124">Loew: S.124</ref> Loew nennt in diesem Zusammenhang auch zeitimmanente Deutungen des Films, die ihn als politisches Gleichnis sehen. Tag Gallagher etwa setze Wyatt Earp mit den Vereinigten Staaten gleich, die aus dem [[Erster Weltkrieg|Ersten Weltkrieg]] (Dodge City) gekommen seien, nun auch den [[Zweiter Weltkrieg|Zweiten Weltkrieg]] gewonnen hätten (Sieg über die Clantons), aber jetzt wieder in die Wildnis zurückkehren müssten, um sich neu zu orientieren; in dieser Deutung also ein Appell für [[Isolationismus|isolationistische]] Tendenzen in der amerikanischen Nachkriegspolitik. [[Peter Biskind]] habe laut Loew einen ähnlichen Ansatz: für ihn stünde Wyatt für die [[GI (Soldat)|GIs]], die aus dem Zweiten Weltkrieg zurückkehren, ihre Waffen niederlegen wollen, dann aber sehen, dass sie, um auch zukünftig für die Sicherheit der Gemeinschaft sorgen zu können, wieder zur Waffe greifen müssen. In dieser Deutung setze sich der Film für die Notwendigkeit einer Remilitarisierung der USA ein. Loew relativiert aber, dass Ford wahrscheinlich beide Deutungen als abwegig und unzutreffend abgelehnt hätte.<ref name="Loew124">Loew: S.124</ref> == Literatur == * [[Stuart N. Lake]]]: ''Wyatt Earp, Frontier Marshal''. Pocket Books, New York 1994, 400 (XVI) S., ISBN 0-67188537-5 (bislang existiert keine deutschsprachige Übersetzung) * John Baxter: ''John Ford: Seine Filme - sein Leben.'' Wilhelm Heyne Verlag, München 1980, ISBN 3-453-86019-5 * Michael Coyne: ''The Crowded Prairie: American National Identity in the Hollywood Western.'' I.B. Tauris Publishers. London and New York 1998, ISBN 1-86064-259-4 * Scott Eyman, Paul Duncan: ''John Ford - Sämtliche Filme.'' TASCHEN Verlag, Köln 2004, ISBN 3-8228-3090-9 * Michael Hanisch: ''Western - Die Entwicklung eines Filmgenres.'' Henschelverlag Kunst und Gesellschaft Berlin (DDR) 1984. * Thomas Jeier: ''Der Western-Film.'' Wilhelm Heyne Verlag, München 1987, ISBN 3-453-86104-3 * Jim Kitses: ''Horizons West - Directing the Western from John Ford to Clint Eastwood.'' British Film Institute London, New Edition 2004, ISBN 1-84457-050-9 * Dirk C. Loew: ''Versuch über John Ford - Die Westernfilme 1939-1964.'' Verlag Books on Demand, Norderstedt 2005, ISBN 3-8334-2124-X * Joseph McBride: ''Searching for John Ford - A Life.'' Faber & Faber Ltd. London 2004, ISBN 0-571-22500-4 * J. A. Place, Christa Bandmann (Hrsg.): ''Die Western von John Ford.'' Wilhelm Goldmann Verlag, München 1984, ISBN 3-442-10221-9 == Weblinks == * {{IMDb Titel|tt0038762|Faustrecht der Prärie}} * [http://www.imagesjournal.com/issue10/infocus/mydarlingclementine.htm Essay von Grant Tracey auf imagesjournal.com] == Einzelnachweise == <div class="references-small" style="-moz-column-count:3; column-count:3;"><references /></div> {{Navigationsleiste Filme von John Ford}} {{Exzellent}} {{DEFAULTSORT:Faustrecht der Prarie}} [[Kategorie:Filmtitel 1946]] [[Kategorie:US-amerikanischer Film]] [[Kategorie:Western]] [[Kategorie:Schwarzweißfilm]] [[ca:My Darling Clementine]] [[da:My Darling Clementine (film)]] [[en:My Darling Clementine]] [[es:My Darling Clementine]] [[fr:La Poursuite infernale (film, 1946)]] [[it:Sfida infernale]] [[ja:荒野の決闘]] [[nl:My Darling Clementine]] [[pt:My Darling Clementine]] [[zh:俠骨柔情]] 6sqhcdacok0zny5rta8xfkqhb9iywrj wikitext text/x-wiki Indoarische Sprachen 0 23544 26140 2010-04-23T15:41:49Z Mkt.berlin88 0 /* Vorgeschichte */ Die '''indoarischen Sprachen''' bilden eine Unterfamilie des [[Indoiranische Sprachen|indoiranischen]] Zweigs der [[Indogermanische Sprachfamilie|indogermanischen Sprachfamilie]]. Die insgesamt über 100 heute gesprochenen indoarischen Sprachen haben rund eine Milliarde Sprecher vorwiegend in Nord- und Zentral[[indien]], in [[Pakistan]], [[Bangladesch]], [[Nepal]] und auf [[Sri Lanka]] und den [[Malediven]]. Zu den wichtigsten indoarischen Sprachen gehören [[Hindi]], das nah verwandte [[Urdu]], [[Bengalische Sprache|Bengali]], weitere indische Regionalsprachen und die klassische Sprache [[Sanskrit]]. Auch das von den [[Roma]] in Europa gesprochene [[Romani]] zählt zu den indoarischen Sprachen. Mit den vor allem in Südindien gesprochenen [[Dravidische Sprachen|dravidischen Sprachen]] sind die indoarischen Sprachen nicht verwandt, doch haben sie durch jahrtausendelangen [[Sprachkontakt]] zahlreiche gemeinsame Merkmale entwickelt. [[Datei:Indoarische Sprachen Verbreitung.png|thumb|300px|Verbreitungsgebiet der indoarischen Sprachen]] == Beziehungen zu anderen Sprachen == === Indogermanische Sprachfamilie === Die indoarischen Sprachen bilden einen Unterzweig der [[Indogermanische Sprachen|indogermanischen]] [[Sprachfamilie]], zu der auch die Mehrzahl der in [[Europa]] gesprochenen Sprachen gehört. Andere Zweige der indogermanischen Sprachfamilie sind etwa das [[Griechische Sprache|Griechische]], die [[Romanische Sprachen|romanischen]], [[Slawische Sprachen|slawischen]] oder [[Germanische Sprachen|germanischen]] Sprachen. Somit sind die indoarischen Sprachen – wenn auch entfernte – Verwandte des [[Deutsche Sprache|Deutschen]]. Spuren dieser Verwandtschaft lassen sich bei den modernen Sprachen nur noch an einigen wenigen Wörtern auf den ersten Blick erkennen: So lautet das [[Bengalische Sprache|bengalische]] Wort für „Name“ ''nām'', das [[Hindi]]-Wort für „neu“ ist ''nayā'' und die „Kuh“ heißt auf [[Marathi]] ''gau''. In anderen Fällen wie [[Englische Sprache|Englisch]] ''wheel'' und [[Nepali]] ''cakkā'' (beides bedeutet „Rad“) ist der gemeinsame Ursprung, wenngleich vorhanden, nur durch komplizierte [[Etymologie]]n nachvollziehbar. Für einen Großteil des [[Wortschatz]]es und insbesondere der [[Grammatik]] der modernen indoarischen Sprachen lässt sich indes gar keine Entsprechung in den heutigen europäischen Sprachen finden. Zwischen im [[Altertum]] gesprochenen Sprachen wie dem [[Sanskrit]] und dem [[Latein]]ischen oder [[Altgriechische Sprache|Altgriechischen]] sind die Übereinstimmungen hingegen weitaus größer, sowohl was den Wortschatz als auch die [[Morphologie (Sprache)|Morphologie]] angeht. Man vergleiche hierzu Formen wie Sanskrit ''dantam'' und Latein ''dentem'' „den Zahn“ oder Sanskrit ''abharan'' und Altgriechisch ''epheron'' „sie trugen“. Die Erkenntnis der Verwandtschaft des Sanskrit mit den Sprachen Europas war maßgeblich für die Entwicklung der [[Vergleichende Sprachwissenschaft|vergleichenden Sprachwissenschaft]]. Der Engländer [[William Jones (Indologe)|William Jones]] hatte während seiner Richtertätigkeit in [[Kolkata|Kolkata (Kalkutta)]] Sanskrit gelernt und postulierte 1786 als erster die Verwandtschaft des Sanskrit mit dem Griechischen, Lateinischen, [[Gotische Sprache|Gotischen]] und [[Keltische Sprachen|Keltischen]]. Auf dieser Grundlage begründete der deutsche Sprachwissenschaftler [[Franz Bopp]] (1791–1867) die historisch-vergleichende Disziplin der [[Indogermanistik]]. Dass die modernen indoarischen Sprachen mit Sanskrit verwandt sind, erkannte man erst später, schoss nun aber gewissermaßen über das Ziel hinaus und hielt auch die [[Dravidische Sprachen|dravidischen Sprachen]] für Abkömmlinge des Sanskrit.<ref>Colin P. Masica: ''The Indo-Aryan Languages'', Cambridge 1991, S. 3.</ref> Erst [[Robert Caldwell]] erkannte 1856 die Eigenständigkeit der dravidischen Sprachfamilie. === Indoiranischer Sprachzweig === Innerhalb der indogermanischen Sprachfamilie stehen die indoarischen Sprachen den [[Iranische Sprachen|iranischen Sprachen]], zu denen unter anderem [[Persische Sprache|Persisch]] (Farsi), [[Kurdische Sprachen|Kurdisch]] und [[Paschtunische Sprache|Paschtunisch]] gehören, nahe. Auch hier zeigt sich die Verwandtschaft bei den ältesten Sprachformen am deutlichsten: Im [[Altpersische Sprache|Altpersischen]], der Sprache der [[Achämenidenreich|achämenidischen]] Großkönige, und dem Sanskrit sind viele Wörter wie ''daiva'' und ''deva'' „Gott“, ''būmi'' und ''bhūmi'' „Erde“ oder ''aspa'' und ''aśva'' „Pferd“ nahezu formengleich, während die modernen Sprachen sich auseinanderentwickelt haben. Man fasst die indoarischen und iranischen Sprachen unter dem Zweig der [[Indoiranische Sprachen|indoiranischen Sprachen]] zusammen. Zu diesen gehört außerdem als separater Unterzweig noch die zahlenmäßig kleine Gruppe der in Afghanistan und Pakistan gesprochenen [[Nuristani-Sprachen]]. Die Stellung der ebenfalls im äußersten Nordwesten des Subkontinents verbreiteten [[Dardische Sprachen|dardischen Sprachen]] innerhalb des Indoiranischen ist unsicher. Während man sie früher entweder mit den Nuristani-Sprachen zusammenfasste oder als eigenständigen Zweig ansah, hält man sie heute für eine Untergruppe der indoarischen Sprachen. === Südasiatischer Sprachbund === [[Datei:Südasien Sprachfamilien.png|thumb|Die indoarischen Sprachen im Kontext der Sprachfamilien Südasiens]] Die indoarischen Sprachen teilen sich den indischen Subkontinent mit drei anderen Sprachfamilien: den hauptsächlich in Südindien verbreiteten [[Dravidische Sprachen|dravidischen Sprachen]] (deren wichtigste Vertreter [[Tamil]], [[Malayalam]], [[Telugu]] und [[Kannada]] sind), der kleineren Gruppe der in Mittelindien verstreuten [[Munda-Sprachen]] (einem Zweig der [[Austroasiatische Sprachen|austroasiatischen Sprachen]]) und den [[Tibeto-birmanische Sprachen|tibeto-birmanischen Sprachen]] (einem Zweig der [[Sinotibetische Sprachen|sinotibetischen]] Sprachen) am Nord- und Ostrand des Subkontinents. Mit diesen Sprachfamilien sind die indoarischen Sprachen nicht genetisch verwandt, doch haben sie sich durch jahrtausendelangen [[Sprachkontakt]] in Wortschatz, Morphologie und Phonetik (besonders charakteristisch etwa das Vorhandensein von [[retroflex]]en Konsonanten) gegenseitig stark beeinflusst. Aufgrund der zahlreichen gemeinsamen Merkmale kann man diese Sprachen zu einem [[Südasiatischer Sprachbund|südasiatischen Sprachbund]] zusammenfassen. Vor allem die Wechselwirkung zwischen den indoarischen und dravidischen Sprachen ist beachtlich gewesen, wobei die dravidischen Sprachen in großem Maße Wörter aus dem Sanskrit übernommen haben, während sie selbst einen starken strukturellen Einfluss auf die [[Phonetik]] und [[Syntax]] der indoarischen Sprachen ausgeübt haben. == Sprachgeschichte == Die indoarischen Sprachen können auf eine Sprachgeschichte von fast vier Jahrtausenden zurückblicken. Man teilt sie in drei historische Stufen ein: altindoarisch ([[Vedische Sprache|Vedisch]], klassisches Sanskrit), mittelindoarisch ([[Prakrit]]s, [[Pali]], [[Apabhramsha]]) und neuindoarisch, die seit etwa 1000 n.&nbsp;Chr. bis heute gesprochenen indoarischen Sprachen. === Vorgeschichte === Als Mitglieder der indogermanischen Sprachfamilie stammen die indoarischen Sprachen von einer angenommenen [[Indogermanische Ursprache|indogermanischen Ursprache]] ab, die wohl im 4. oder 3. Jahrtausend v.&nbsp;Chr. in den Steppen Südrusslands gesprochen wurde. Von der indogermanischen Urbevölkerung spaltete sich eine Gruppe ab, die sich selbst als „[[Arier]]“ (''ārya'') bezeichnete und die eine Vorstufe der [[Indoiranische Sprachen|indoiranisch]]en Sprachen sprach. Nachdem sie sich eine Zeit lang in [[Baktrien]] aufgehalten hatte, teilte sie sich um 2000 v.&nbsp;Chr. in einen iranischen und indoarischen Zweig auf.<ref>Masica: ''The Indo-Aryan Languages'', S. 36.</ref> Die Iraner ließen sich im Nord- und West-[[Iran]] nieder, die Indoarier wanderten wohl um 1500 v.&nbsp;Chr. in mehreren Wellen auf den indischen Subkontinent ein.<ref>Masica: ''The Indo-Aryan Languages'', S. 37.</ref> Der älteste sprachliche Hinweis auf die Indoarier stammt indes aus dem [[Hurriter|hurritischen]] [[Mitanni]]-Reich im Norden [[Mesopotamien]]s und Nordosten [[Syrien]]s. Im 16.–13. Jahrhundert v.&nbsp;Chr. sind einige der Thronnamen der mitannischen Könige vermutlich indoarisch. Götter wie <sup>d</sup>in-da-ra (mit [[Indra]] gleichgesetzt) und <sup>d</sup>mi-it-ra-aš (mit [[Mitra (vedischer Gott)|Mitra]] gleichgesetzt), werden in einem Vertragstext erwähnt. In einem Lehrbuch der Pferdehaltung, das der Mitannier [[Kikkuli]] im 15. Jahrhundert v.&nbsp;Chr. in [[Hethitische Sprache|hethitischer Sprache]] verfasste, finden sich einige aus dem Indoarischen entlehnte Fachbegriffe.<ref>Jules Bloch: ''Indo-Aryan. From the Vedas to modern times.'' , Paris 1965, S. 11.</ref> Diese frühindoarischen Sprachspuren im Westen Vorderasiens verschwand nach Untergang des Mitanni-Reichs spurlos. === Altindoarische Sprachen === Die altindoarische Phase beginnt mit der Einwanderung der Indoarier nach Indien im 2. Jahrtausend v. Chr. Diese fand wohl in mehreren Wellen über einen längeren Zeitraum statt. Nach und nach breiteten sich die Indoarier in Nordindien aus und verdrängten dort die Sprachen der Urbevölkerung, nicht jedoch ohne von deren [[Substrat (Linguistik)|Substrat]]wirkung beeinflusst worden zu sein. Vieles spricht dafür, dass die [[Dravidische Sprachen|dravidischen]] und [[Munda-Sprachen]] einst in einem weit größeren Gebiet gesprochen wurden, bevor sie durch die indoarische Expansion nach Südindien bzw. die unwegsamen Berg- und Waldgegenden Zentralindiens zurückgedrängt wurden. Die in Indien populäre Sichtweise, die Indoarier seien in Indien [[Indigene Völker|autochthon]] gewesen und hätten dort bereits die [[Indus-Kultur]] begründet, ist aus Sicht der westlichen Sprachwissenschaft nicht haltbar.<ref>Masica: ''The Indo-Aryan languages'', S. 37 ff.</ref> Als Altindoarisch oder [[Altindisch]] fasst man das [[Vedische Sprache|Vedische]] und das klassische [[Sanskrit]] zusammen. Das Vedische, die Sprache der [[Veda]]-Schriften, ist die frühest überlieferte indoarische Sprachform. Die Datierung der lange Zeit nur mündlich überlieferten Texte ist unsicher, die ältesten Hymnen des [[Rigveda]] dürften aber kurz nach der Einwanderung der Indoarier nach Indien Mitte des 2. Jahrtausends v.&nbsp;Chr. entstanden sein. Das Vedische stellt eine archaische Form des Sanskrit mit einem größeren grammatikalischen Formenreichtum und einigen Unterschieden in [[Phonologie]] und Wortschatz dar. Die Unterschiede zum klassischen Sanskrit entsprechen etwa denen zwischen der Sprache [[Homer]]s und dem klassischen [[Altgriechische Sprache|Altgriechischen]]. Die Sprache der [[Brahmana]]s und [[Sutra]]s ist eine Zwischenstufe zwischen Vedisch und klassischem Sanskrit. Um das Verständnis und die fehlerfreie Rezitation der heiligen Texte sicherzustellen, entwickelte sich in Indien früh die Wissenschaft der [[Phonetik]] und [[Grammatik]]. Diese fand im Werk des [[Panini (Grammatiker)|Panini]] ihre Vollendung. Um 300 v.&nbsp;Chr. kodifizierte dieser in seiner Grammatik die Sprache der gebildeten Oberschicht. Das einfache Volk sprach zu dieser Zeit bereits mittelindoarische Idiome. So steht die Bezeichnung „Sanskrit“ (''saṃskr̥ta'' „zurechtgemacht, kultiviert“) auch im Gegensatz zum Begriff „[[Prakrit]]“ (''prākr̥ta'' „natürlich“), mit dem man die mittelindoarischen Sprachen zusammenfasst. Paninis Grammatik wurde normativ für das klassische Sanskrit. Somit wurde Sanskrit als Literatursprache in einem archaischen Stadium konserviert und existierte, ähnlich wie Latein im mittelalterlichen Europa, über einen langen Zeitraum parallel zu den mittelindoarischen Sprachen als Sprache der Religion und Gelehrsamkeit. Diese Stellung hat das Sanskrit in abgeschwächter Form bis heute behalten können. Die indische Verfassung erkennt Sanskrit sogar als eine von 22 Nationalsprachen an. Die Blütezeit der Sanskrit-Literatur fällt in die Mitte des 1. Jahrtausends n.&nbsp;Chr. Das bedeutet, dass etwa ein Dichter wie [[Kalidasa]], der wohl im 5. Jahrhundert lebte, seine Werke zu einer Zeit schrieb, als Sanskrit längst keine gesprochene Sprache mehr war, und sich an die Regeln eines Grammatikers hielt, der 700 Jahre vor ihm gelebt hatte. Anders als die Laut- und Formenlehre war die [[Syntax]] aber durch Panini kaum reglementiert und konnte daher unter dem Einfluss der mittelindoarischen Sprachen Eigenarten entwickeln, die in den frühen Stufen des Altindoarischen unbekannt waren. Charakteristisch für das klassische Sanskrit sind die Bevorzugung von [[Diathese (Linguistik)|Passivkonstruktionen]] und die Bildung riesiger [[Komposition (Grammatik)|Komposita]] mit bis zu 20 Bestandteilen. === Mittelindoarische Sprachen === Die mittelindoarischen Sprachen entstanden schon ab etwa 600 v.&nbsp;Chr. aus dem Altindoarischen. Da die gesprochenen Formen des Altindoarischen keineswegs einheitlich waren, ist die oft geäußerte Aussage, bestimmte mittelindoarische Sprachen seien „aus dem Sanskrit entstanden“ irreführend. Kennzeichnend für die Entwicklung vom Alt- zum Mittelindoarischen ist eine Vereinfachung der Formenlehre und der lautlichen Gestalt der Wörter (z.&nbsp;B. Sanskrit ''trividya'' zu Pali ''tevijja''). Es sind mehrere mittelindoarische Idiome überliefert, für die man oft den Oberbegriff „[[Prakrit]]“ verwendet. Die ältesten Sprachzeugnisse des Mittelindoarischen und zugleich die ältesten Schriftdenkmäler Indiens sind die in einer Reihe regionaler Dialekte abgefassten Edikte Kaiser [[Ashoka]]s aus dem 3. Jahrhundert v.&nbsp;Chr. Sie sind in Steininschriften in der [[Brahmi-Schrift|Brahmi]]-Schrift aus verschiedenen Teilen Indiens überliefert. Die reformerischen Religionen des [[Buddhismus]] und [[Jainismus]] bevorzugten für ihre Schriften Prakrit. Auch in der Kunstdichtung kamen stilisierte Formen der Prakrits zum Einsatz, teils parallel zum Sanskrit. Das klassische Sanskrit-Drama etwa ist mehrsprachig: Die Protagonisten sprechen Sanskrit, Frauen Sauraseni-Prakrit, komische Charaktere Magadhi-Prakrit und die lyrischen Lieder sind in Maharashtri-Prakrit verfasst. Die mittelindoarischen Sprachen lassen sich in drei Phasen einteilen. Die früheste Phase verkörpert [[Pali]], als Sprache des [[Hinayana]]-Kanons und zahlreicher anderer buddhistischer Literatur die wichtigste mittelindoarische Literatursprache. In buddhistischen Ländern wie Sri Lanka, Burma und Thailand gilt Pali als klassische Sprache. Die späteren Prakrits werden in einen westlichen und östlichen Zweig unterteilt. Die Hauptform des westlichen Prakrit, [[Sauraseni]], war im Gebiet der Flüsse [[Ganges]] und [[Yamuna]] verbreitet. Es war zudem das Standard-Prakrit des Dramas und die Sprache einiger Jaina-Texte. Zum östlichen Prakrit gehörte [[Magadhi]], die Sprache des Landes [[Magadha]] im heutigen [[Bihar]]. Es wurde auch zur Charakterisierung niedriger Klassen in Sanskrit-Dramen verwendet. Geografisch wie sprachlich nahm das in [[Kosala]] (heute östliches [[Uttar Pradesh]]) gesprochene [[Ardhamagadhi]] („Halb-Magadhi“) eine Zwischenstellung ein. In Ardhamagadhi ist der frühe Jaina-Kanon abgefasst. Mit ihm verwandt war [[Maharashtri]], der Vorläufer des heutigen [[Marathi]]. Es wurde vor allem als Sprache der Poesie verwendet, so auch für die Lieder der Sanskrit-Dramen. Phonologisch stellt es den fortschrittlichsten Dialekt der mittleren Phase dar. Außerhalb Indiens ist das [[Niya-Prakrit]] in Handschriften aus dem 3.–7. Jahrhundert als Verwaltungssprache indoarischer Gruppen im heutigen [[Ostturkestan]] belegt. Mit ihm verwandt ist das etwas ältere [[Gandhari]], die Sprache indoarischer [[Khotan]]-Manuskripte aus dem 1. Jahrhundert. Um die Mitte des 1. Jahrtausends bildete sich die nächste Stufe des Mittelindoarischen heraus, die man [[Apabhramsha]] (''apabhraṃśa'' „verdorbene Sprache“) nennt. Der Begriff wird generalisierend für alle indoarischen Dialekte der späten mittelindoarischen Phase verwendet. Das Apabhramsha ist grammatikalisch noch weiter vereinfacht als die Prakrits und stellt bereits eine Übergangssprache zum Neuindoarischen dar. Die wichtigste Literatursprache dieser Periode war das Nagara-Apabhramsha, daneben existierten mehrere regionale Apabhramshas, die bereits Vorläufer der heutigen indoarischen Sprachen darstellen. [[Singhalesische Sprache|Singhalesisch]] stellt einen Sonderfall dar, da die Singhalesen schon um 500 v.&nbsp;Chr. wohl aus [[Gujarat]] nach [[Sri Lanka]] einwanderten<ref>Masica: ''The Indo-Aryan Languages'', S. 45.</ref> und ihre Sprache sich, von den übrigen indoarischen Sprachen isoliert, auf eigenen Wegen entwickelt hat. Ab dem 1. Jahrhundert v.&nbsp;Chr. ist ein singhalesisches Prakrit in Inschriften überliefert. Die singhalesische Entsprechung zur Apabhramsha-Phase ist [[Elu (Sprache)|Elu]]. === Neuindoarische Sprachen === Der Übergang vom Mittel- zum Neuindoarischen fand etwa 900–1100 n. Chr. statt. Diese Phase ist schlecht dokumentiert, die ersten Texte in neuindoarischen Sprachen treten erst recht spät auf: Aus dem 12. Jahrhundert sind eine kurze Inschrift in [[Marathi]] und eine Glosse in [[Bengalische Sprache|Bengali]] überliefert. Das älteste literarische Werk in Marathi entstand 1290, in [[Gujarati]] 1394 und in [[Urdu]] um das Jahr 1400.<ref>Bloch: ''Indo-Aryan'', S. 24.</ref> In den neuindoarischen Sprachen wird die grammatikalische Entwicklung, die sich bereits in der mittelindoarischen Phase abzeichnete, zu Ende geführt. Vom alten flektierenden Sprachbau sind nur noch Rudimente vorhanden, stattdessen setzt sich die analytische Struktur durch und einzelne Sprachen entwickeln [[Verbalperiphrase|periphrastische]] und [[Agglutinierender Sprachbau|agglutinierende]] Formen. Dabei sind die westlichen Sprachen generell konservativer als die östlichen, besonders viele archaische Elemente haben die [[Dardische Sprachen|dardischen]] Sprachen erhalten. Vor allem im Bereich des Wortschatzes hinterließen die Herrschaft der muslimischen [[Sultanat von Delhi|Sultane von Delhi]] und [[Mogulreich|Moguln]], die [[Persische Sprache|Persisch]] als Hofsprache verwendeten, und die [[Britisch-Indien|britische Kolonialzeit]] Spuren in den indoarischen Sprachen. == Geografische Verbreitung == Das Hauptverbreitungsgebiet der heutigen indoarischen Sprachen umfasst den nördlichen Teil des [[Indischer Subkontinent|indischen Subkontinents]] etwa vom [[Indus]] im Westen bis nach [[Assam]] im Osten sowie vom [[Himalaya]] im Norden bis etwa zum 18. Breitengrad im Süden. Die indoarischen Sprachen sind die größte Sprachfamilie [[Südasien]]s. 15 von 22 offiziellen [[Sprachen Indiens]] sind indoarisch, drei von vier Indern sprechen eine indoarische Sprache als Muttersprache.<ref>[http://web.archive.org/web/20070206201155/http://www.censusindia.net/cendat/language/lang_table3.PDF Census of India: Family-wise grouping of the 114 scheduled and non-scheduled languages – 1991] im Internetarchiv</ref> Auch in [[Pakistan]], [[Bangladesch]], [[Nepal]], [[Sri Lanka]] und auf den [[Malediven]] ist jeweils eine indoarische Sprache Amtssprache. === Zentralindien === [[Datei:Indoarische Sprachen.png|thumb|300px|Verbreitungsgebiete der wichtigsten indoarischen Sprachen]] Die offizielle Nationalsprache Indiens ist [[Hindi]]. Die Anzahl der Muttersprachler hängt davon ab, in welchem Umfang man benachbarte verwandte Sprachen bzw. Dialekte zum Hindi dazurechnet oder als selbstständige Sprachen betrachtet. Im engeren Sinne hat Hindi über 200 Millionen Muttersprachler, legt man die erweiterte politische Definition der indischen Regierung zugrunde (s.&nbsp;u.), sind es 420 Millionen. Mit Zweitsprachlern wird Hindi von 500 Millionen Indern gesprochen, diese Zahl nimmt ständig zu. Die Hindi-Standardsprache beruht auf dem [[Hindustani]], einer überregionalen Verkehrssprache auf Grundlage des [[Khari Boli]], dem Dialekt von Delhi und Umgebung. Es dient in den nordindischen [[Liste der indischen Bundesstaaten und Unionsterritorien|Bundesstaaten]] [[Uttar Pradesh]], [[Bihar]], [[Jharkhand]], [[Chhattisgarh]], [[Madhya Pradesh]], [[Rajasthan]], [[Haryana]], [[Uttarakhand]] und [[Himachal Pradesh]] sowie im Unionsterritorium [[Delhi (Unionsterritorium)|Delhi]] als Amtssprache und wird von der Bevölkerung als Schriftsprache verwendet. In diesem zentralindischen Gebiet wird eine Reihe von nah verwandten, teils auch als Hindi-Dialekte klassifizierten [[Regionalsprache]]n gesprochen. Diese unterteilen sich in zwei Gruppen, „West-Hindi“ oder west-zentralindisch ([[Haryani]], [[Braj-Kanauji]], [[Bundeli]]) und „Ost-Hindi“ oder ost-zentralindisch ([[Awadhi]], [[Bagheli]], [[Chhattisgarhi]]). Aus politischen Gründen klassifiziert die indische Regierung eine Reihe weiterer Sprachen, die aus sprachwissenschaftlicher Sicht eigenständig sind, zu verschiedenen Untergruppen des Indoarischen gehören und teils sogar eine eigene Schriftsprache haben, als „Hindi-Dialekte“<ref>Hermann Berger: ''Die Vielfalt der indischen Sprachen'', In: Dietmar Rothermund (Hrsg.): ''Indien. Kultur, Geschichte, Politik, Wirtschaft, Umwelt. Ein Handbuch.'', München 1995, hier S. 105.</ref>. Dies sind die Sprachen der ostindischen [[Bihari]]-Gruppe (mit [[Bhojpuri]], [[Maithili]] und [[Magahi]]), die westindischen [[Rajasthani]]-Sprachen sowie im Norden die Gruppe der am Rand des Himalaya gesprochenen nordindischen [[Pahari]]-Sprachen. Diese Definition ist nicht linguistisch, sondern ausschließlich politisch motiviert. Ziel ist es, das Hindi zu einer wirklichen Nationalsprache auszudehnen. Allerdings beeinflusst Hindi als Medien- und Prestigesprache im zunehmenden Maße andere indoarische Sprachen. [[Urdu]], die Sprache der indischen und pakistanischen [[Islam in Indien|Muslime]], und Hindi sind im Bereich der Alltagssprache nahezu identisch; sie beruhen beide auf dem Hindustani und sind nicht einmal unterschiedliche Dialekte. Die Schriftsprache des Urdu unterscheidet sich aber durch einen hohen Anteil von Wörtern [[Persische Sprache|persisch]]-[[Arabische Sprache|arabischer]] Herkunft und die Verwendung der [[Arabisches Alphabet|arabischen Schrift]]. Trotz 65 Millionen Sprechern (mit Zweitsprechern 105 Mio.) ist Urdu eine Sprache ohne territoriale Basis. Einen Großteil ihrer Sprecher macht die muslimische Stadtbevölkerung Nordindiens aus, daneben ist auch in südindischen Städten wie [[Hyderabad (Indien)|Hyderabad]] ein als [[Dakhini]] bekannter Urdu-Dialekt verbreitet. In [[Pakistan]] wird Urdu nur von einem kleinen Teil der Bevölkerung als Muttersprache gesprochen (etwa 10 Mio.). Sie besteht aus Nachkommen eingewanderter nordindischer Muslime, die sich über das ganze Land verbreiteten, wirtschaftlich wie politisch sehr aktiv sind und fast ausschließlich in den Städten leben. Das Urdu etablierte sich bald als überregionale Verkehrs- und Bildungssprache und ist in Pakistan offizielle Nationalsprache, weshalb auch die Anzahl der Urdu-Sprecher stetig zunimmt. === Osten === Zu den ostindischen Sprachen wird die oben schon erwähnte Bihari-Gruppe (insgesamt 65 Mio. Sprecher) mit den Hauptsprachen [[Bhojpuri]], [[Maithili]] und [[Magahi]] gerechnet, die in Bihar zwischen den zentralindischen Idiomen und dem Bengali gesprochen werden. [[Bengalische Sprache|Bengali]] (mit 210 Millionen Sprechern die zweitgrößte indoarische Sprache) ist die Sprache der indischen Bundesstaaten [[Westbengalen]] und [[Tripura]] sowie von [[Bangladesch]]. Einige der Bengali-Varietäten ([[Chittagong (Sprache)|Chittagong]], [[Sylhetti]] und [[Rajbangsi]]) werden auch als eigenständige Sprachen klassifiziert. Nordöstlich anschließend wird [[Asamiya]] im Bundesstaat [[Assam]] mit 15 Millionen Sprechern gesprochen. Die Sprache des an der Ostküste Indiens gelegenen Bundesstaates [[Orissa]] ist [[Oriya]], das von 32 Millionen Menschen gesprochen wird. In den Wald- und Berggegenden Zentralindiens werden neben den nichtindoarischen Sprachen der [[Adivasi]]-Stammesbevölkerung [[Bhatri]] und [[Halbi]], zwei indoarische Übergangsdialekte gesprochen. === Süden und Westen === [[Marathi]] ist im nordwestlichen [[Dekkan]] im Bundesstaat [[Maharashtra]] verbreitet und hat insgesamt 80 Millionen Sprecher. Nah verwandt mit Marathi ist [[Konkani]] (8 Millionen Sprecher), das Amtssprache in [[Goa]] ist und außerdem im äußersten Süden Maharashtras sowie an der Küste von [[Karnataka]] und [[Kerala]] gesprochen wird. In den Stammesgebieten von Nord-Maharashtra, Ost-[[Gujarat]] und Süd-Rajasthan spricht man [[Bhili]] und [[Khandeshi]], zwei indoarische Sprachen, die früher als Gujarati-Dialekte betrachtet wurden. Das sich westlich anschließende [[Gujarati]] hat 45 Millionen Sprecher und wird im Bundesstaat Gujarat sowie von einem Teil der Bevölkerung [[Mumbai]]s (Bombays) gesprochen. Nördlich schließen sich die Sprachen [[Rajasthan]]s an, die sog. Rajasthani-Gruppe mit den Sprachen [[Marwari (Sprache)|Marwari]] (15 Mio.), [[Malvi]], [[Bagri]], [[Lambardi]] und [[Nimadi]], jeweils 1 bis 2 Mio. Sprecher. Das Sprachgebiet des [[Sindhi]] (22 Mio. Sprecher) beginnt im Westen Gujarats und setzt sich jenseits der [[pakistan]]ischen Grenze in der Provinz [[Sindh]] am Unterlauf des Indus fort. Mit dem Sindhi eng verwandt ist die Gruppe der westlichen sog. Panjabi-Dialekte, die auch als [[Lahnda]]-Gruppe bezeichnet wird. Von den Lahnda-Dialekten hat sich [[Siraiki]] als Schriftsprache durchgesetzt, eine weitere westpanjabische Sprache ist [[Hindko]]. Insgesamt sprechen ca. 80 Mio. Lahnda, Hindko oder Siraiki. Das eigentliche (östliche) [[Panjabi]] hat insgesamt 30 Millionen Sprecher und ist im Norden des pakistanischen Industals sowie im indischen Teil des [[Panjab]] verbreitet. [[Dogri-Kangri]] (2,2 Mio. Sprecher) wird im Gebiet von [[Jammu]] im indischen Bundesstaat [[Jammu und Kashmir]] gesprochen, es wurde früher als Panjabi-Dialekt angesehen, gehört aber einem separaten Sprachzweig an und ist mittlerweile in Indien offiziell als eigenständige Sprache anerkannt. === Norden === Nördlich des Hindi-Sprachgebiets wird [[Nepali]] von 16 Mio. Menschen gesprochen. Es ist die Nationalsprache [[Nepal]]s und außerdem in [[Sikkim]], [[Darjiling]] und Teilen [[Bhutan]]s verbreitet. Weitere wichtige nordindische Sprachen sind [[Garhwali]] und [[Kumauni]] mit jeweils rund 2 Mio. Sprechern. Sie werden vor im Vorgebirge des Himalayas, westlich des Nepali-Sprachgebiets gesprochen (sog. West-Pahari-Sprachen). Im äußersten Nordwesten des Subkontinents liegt das Verbreitungsgebiet der [[Dardische Sprachen|dardischen]] Sprachen. Deren wichtigste ist das im [[Kaschmir]]-Tal gesprochene [[Kashmiri]] mit 4,5 Mio. Sprechern, die einzige dardische Literatursprache. Die übrigen dardischen Sprachen (hierzu gehören u.&nbsp;a. [[Pashai]], [[Khowar]], [[Kalasha (Sprache)|Kalasha]], [[Shina]] und [[Indus-Kohistani]]) werden insgesamt von 1,2 Millionen Menschen im [[Hindukusch]]-Gebiet Pakistans und [[Afghanistan]]s gesprochen. === Übrige === Räumlich vom restlichen indoarischen Sprachgebiet getrennt ist das [[Singhalesische Sprache|Singhalesische]] (Sinhala). Es wird von der Mehrheit der Bevölkerung [[Sri Lanka]]s gesprochen (15 Mio. Sprecher). [[Dhivehi|Divehi]], die Sprache der [[Malediven]], hat 300.000 Sprecher und ist eng mit dem Singhalesischen verwandt. Einen Sonderfall stellt [[Romani]] (Romanes) dar, die in zahlreichen Dialekten über die Länder Europas und des vorderen Orients verstreute Sprache der [[Roma (Volk)|Roma]] mit etwa 3,5 Mio. Sprechern. Verwandt mit dem Romani – zu dem auch die in Deutschland verbreitete [[Sintitikes|Sinti-Sprache]] als Dialekt gehört –, sind die ebenfalls außerhalb Indiens im Nahen Osten und Europa gesprochenen Idiome [[Domari]] und [[Lomavren]]. Als Folge neuerer Migrationsprozesse während der britischen Kolonialzeit werden indoarische Sprachen in größerer Zahl u.&nbsp;a. auch in der [[Karibik]], [[Guyana]], [[Südafrika]], [[Mauritius]] und [[Fidschi]] verwendet. In Fidschi dient sogar eine Variante des Hindustani als Amtssprache. == Klassifikation der neuindoarischen Sprachen == === Probleme === Die interne Klassifikation der neuindoarischen Sprachen, die seit etwa 1000 n.&nbsp;Chr. gesprochen werden, stößt auf viele Probleme. Idealerweise kann ein [[Stammbaum]] die genetische Abspaltung einer Gruppe von Sprachen wiedergeben, die sich durch räumliche Entfernung im Laufe der Zeit auseineinander entwickelt haben. Dieser Prozess hat im Prinzip auch bei den indoarischen Sprachen stattgefunden, ist aber durch diverse Wanderungsbewegungen zum Teil historisch nicht mehr eindeutig nachzuvollziehen. Gründe für die immer wieder erfolgenden Migrationen und die damit verbundenen Durchmischungsprozesse sind die kaum vorhandenen natürlichen Barrieren im indischen Kernland und instabile politische Einheiten mit multiethnischen und multilingualen Gesellschaften. Diese Prozesse resultierten letztendlich in einem [[Dialektkontinuum]], das sich über den ganzen indoarischen Sprachraum von West nach Ost und Nord nach Süd erstreckt. Die Folge sind erstens große Schwierigkeiten bei der Identifikation von Einzelsprachen, bei der Abgrenzung von Dialekt und Sprache und schließlich bei der Klassifikation, das heißt der inneren Gliederung der neuindoarischen Sprachen insgesamt. Erschwerend kommt der Umstand hinzu, dass der Übergang vom späten Mittelindoarischen zum frühen Neuindoarischen etwa um 900–1100 n.&nbsp;Chr. nur sehr schwach schriftlich belegt ist; dadurch wird es fast unmöglich, neuindoarische Sprachen auf bestimmte mittelindoarische Sprachen zurückzuführen und somit eine natürliche Gruppenbildung der neuindoarischen Sprachen zu erzielen. Da ein einfaches, gut begründbares Stammbaummodell also nicht leicht zu erreichen ist, gab es Ansätze, mit Hilfe des [[Wellentheorie (Linguistik)|Wellenmodells]] die Strukturierung der neuindoarischen Sprachen zu verstehen. Dabei werden von bestimmten Zentren ausgehende Innovationen untersucht, die sich im Laufe der Zeit durch Teilbereiche der neuindoarischen Sprachen bewegt haben und in [[Isoglosse]]n nachzuvollziehen sind. Hier spielt auch das Phänomen der Prestigesprachen eine große Rolle, deren Merkmale und Innovationen durch Kontakt verstärkt auf benachbarte Sprachen übergegangen sind. (Indoarische Prestigesprachen mit dieser Funktion waren das Vedische, Sanskrit, Magadhi, Sauraseni, Apabhramsha und heutzutage Hindi.) Das Problem der Wellentheorie ist, dass unterschiedliche Isoglossen zu völlig unterschiedlichen Gliederungen führen und somit letztendlich keine Klassifikation möglich ist. === Historische Ansätze === Klassifikationsversuche im klassischen genetischen Sinne gab es bereits seit dem frühen 19. Jahrhundert. Aber erst Hoernle 1880 gibt eine Übersicht, die bereits auf einer größeren Zahl neuindoarischer Sprachen basiert und somit mit moderneren Fassungen vergleichbar ist. Hoernles Hauptgliederung ist eine nordwestliche und eine südöstliche, welche er auf zeitlich getrennte Einwanderungswellen zurückführt: *'''Neuindoarische Sprachen''' (nach Hoernle 1880) **'''Nord-West-Gruppe''' ***'''Nord-Gruppe''': Nepali, Kumanauni, Garhwali u.a. ***'''West-Gruppe''': Sindhi, Panjabi, Gujarati, Hindi u.a. **'''Süd-Ost-Gruppe''' ***'''Ost-Gruppe''': Bihari, Bengali, Oriya u.a. ***'''Süd-Gruppe''': Marathi, Konkani Die Grundstruktur dieser auch areal bedingten Klassifikation haben viele spätere Forscher übernommen, allerdings wurde die These der verschiedenen Einwanderungsströme schon bald verworfen. Einen nächsten wichtigen Schritt machte [[George Abraham Grierson]] in seinem ''Linguistic Survey of India'' (1903-28), der noch heute eine wichtige Arbeitsgrundlage darstellt. Er ging von einem Konzept „äußerer“ und „innerer“ neuindoarischen Sprachen aus. Zu den inneren zählte er die Pahari-Gruppe, Panjabi, Rajasthani, Gujarati und Hindi, zu den äußeren die Ostgruppe (Bengali, Assami, Oriya), die Südgruppe (Marathi, Konkani, Singhalesisch) und eine Nordwestgruppe (Lahnda, Sindhi). Dazwischen positionierte er eine „mittlere“ Gruppe von Übergangssprachen (z.&nbsp;B. Awadhi, Chhattisgarhi). Das Innen-Außen-Konzept konnte sich ebenso wenig wie die Migrationsthese halten. Eine neue Klassifikation legte dann Chatterji 1926 vor, die bereits im Wesentlichen mit heutigen Ansätzen korrespondiert. Obwohl die Gruppen wieder areale Namen tragen, geht Chatterji von linguistischen Merkmalen und bestimmten phonetischen Isoglossen aus und kommt damit zu folgender nicht-hierarchischen Klassifikation: *'''Neuindoarische Sprachen''' (nach Chatterji 1926) **'''Nord''': Pahari, Nepali **'''Nordwest''': Lahnda, Panjabi, Sindhi **'''Südwest''': Rajasthani, Gujarati **'''Zentral''': Hindi und verwandte Sprachen **'''Ost''': Bihari, Bengali, Assami, Oriya **'''Süd''': Marathi, Singhalesisch Grierson revidiert 1931 seinen ursprünglichen Ansatz und kommt zu einer sehr ähnlichen Binnengliederung wie Chatterji. Auch die Klassifikationen von Turner (1960), Katre (1965) und Cardona (1974) sind jeweils begründete Varianten des Chatterji-Ansatzes. === Sonderfälle Dardisch, Romani, Singhalesisch === Während man also zum Kern der neuindoarischen Sprachen nach und nach einen annähernden Konsens gefunden hatte, ohne allerdings in jedem Detail zu einer allgemein akzeptierten Einteilung zu gelangen, gab es noch längere Dispute um Randgruppen, nämlich das [[Dardische Sprachen|Dardische]], die Zigeunersprachen ([[Romani]], [[Domari]]) und das [[Singhalesische Sprache|Singhalesische]] und [[Dhivehi|Maledivische]] (Divehi). Letztere hat man entweder den südindoarischen Sprachen ([[Marathi]], [[Konkani]]) zugerechnet oder aber als eigene Gruppe behandelt. Beim Dardischen ist bis heute nicht endgültig geklärt, welche Sprachen dazugehören sollen. Rechnete man ursprünglich die [[Nuristani-Sprachen]] dazu, so tendiert heute die Mehrheit der Forscher dahin, Nuristani als dritten Zweig des Indoiranischen gleichrangig neben Iranisch und Indoarisch aufzufassen und nicht mehr den dardischen Sprachen zuzuordnen. Strittig ist dann immer noch die Position der (restlichen) dardischen Sprachen (die wichtigste ist Kashmiri) innerhalb des Neuindoarischen. Während manche Forscher es als einen Unterzweig des Nordwestindischen betrachten (etwa zusammen mit Lahnda und Sindhi), setzt sich die Positionierung als selbstständiger Zweig des Indoarischen durch. Besonders schwierig gestaltet sich die Zuordnung des Romani (und der anderen Zigeuneridiome), deren Zugehörigkeit zum Indoarischen Mitte des 19. Jahrhunderts erkannt wurde. Die moderne Darstellung des Romani und seiner Dialekte von Matras (2002) positioniert es im Zentralindischen nahe dem Hindi, frühere Auffassungen tendierten wegen mancher Ähnlichkeiten in der Phonetik eher zum Nordwestindischen. In dieser Sache ist die letzte Entscheidung noch nicht getroffen. Dieser Artikel stellt das Romani zusammen mit dem Domari und Lomavren als separaten Zweig des Neuindoarischen dar. Somit deckt sich die hier gegebene Klassifikation weitgehend mit der von Gippert im ''Metzler Lexikon Sprache'' (2. Auflage 2000), die von ihm als „zur Zeit beste Arbeitshypothese“ bezeichnet wird. Eine stabile, für alle Zeiten gültige Klassifikation der neuindoarischen Sprachen wird es wahrscheinlich auch in Zukunft nicht geben, aber große Abweichungen vom hier vorgestellten Modell sind allerdings wohl auch nicht zu erwarten. === Hauptzweige des Neuindoarischen === Das folgende Strukturdiagramm gibt die Hauptzweige des Neuindoarischen mit den wichtigsten Sprachen wieder. Die vollständige Klassifikation aller neuindoarischen Sprachen wird im nächsten Abschnitt dargestellt. *'''Neuindoarisch''' **'''Dardisch''': [[Kashmiri]], [[Pashai]], [[Khowar]], [[Kohistani|Indus-Kohistani]], [[Shina]] **'''Nordindisch''': [[Garhwali]], [[Kumauni]], [[Nepali]] **'''Nordwestindisch''': [[Dogri|Dogri-Kangri]], [[Hindko]], [[Lahnda]] (West-Panjabi), [[Panjabi]], [[Sindhi]] **'''Westindisch''': [[Marwari (Sprache)|Marwari]], [[Malvi]], [[Nimadi]], [[Gujari]], [[Bagri]], [[Lambardi]]; [[Gujarati]], [[Vasavi]]; [[Bhili]]; [[Khandeshi]] **'''Zentralindisch''': [[Hindi]], [[Urdu]], [[Braj-Kanauji]], [[Haryanvi]], [[Bundeli]]; [[Awadhi]], [[Chhattisgarhi]] **'''Ostindisch''': [[Bhojpuri]], [[Maithili]], [[Magahi]], [[Sadri (Sprache)|Sadri]]; [[Oriya]]; [[Asamiya]], [[Bengalische Sprache|Bengali]], [[Chittagong (Sprache)|Chittagong]], [[Sylhetti]], [[Rajbangsi]] **'''Südindisch''': [[Marathi]], [[Konkani]] **'''Sinhala-Divehi''': [[Singhalesische Sprache|Singhalesisch]], [[Divehi]] (Maledivisch) **'''Romani-Domari''': [[Romani]], [[Domari]] === Klassifikation der neuindoarischen Sprachen === Für jeden Hauptzweig des Neuindoarischen werden in der folgenden Übersicht die strukturelle Gliederung und die zugehörigen Sprachen mit ihren aktuellen Sprecherzahlen angegeben. Zur Sprachidentifikation (und Abgrenzung gegenüber Dialekten) wurde vor allem David Dalby ''The Linguasphere Register'' (2000) herangezogen. Es sei darauf hingewiesen, dass die dargestellten Einheiten tatsächlich „Sprachen“ und nicht nur „Dialekte“ sind; jede angeführte Sprache hat in der Regel ihrerseits etliche Dialekte. Zwischen benachbarten Sprachen gibt es normalerweise Übergangsdialekte, deren Zuordnung natürlich problematisch ist. Für eine vollständige und detaillierte Aufstellung ''mit Dialekten und Unterdialekten'' siehe den unten angegeben Weblink, auf dem diese Klassifikation basiert. Die Sprecherzahlen stammen im Wesentlichen aus [[Ethnologue]] (15. Auflage 2005), bei größeren Sprachen wurden statistische Jahrbücher und zusätzliche Quellen zur Absicherung herangezogen. ''Hauptzweige in Kapitälchen, genetische Untergruppen in Fettdruck, Sprachnamen im Normaldruck.'' '''DARDISCH''' (23 Sprachen mit 5,7 Mio Sprechern) *'''Kashmiri''' **Kashmiri (Keshur) (4,5 Mio) *'''Shina''' **Shina (500 Tsd), Brokshat (Brokskat, Brokpa) (3 Tsd), Ushojo (2 Tsd), Dumaki (500) [''auch als Domari-Dialekt betrachtet''],<br>Phalura (Dangarik) (10 Tsd), Sawi (Sau) (3 Tsd) *'''Kohistani''' **Indus Kohistani (220 Tsd), Kalami Kohistani (Bashkarik, Garwi) (40 Tsd), Torwali (60 Tsd), Kalkoti (4 Tsd),<br>Bateri (30 Tsd), Chilisso (3 Tsd), Gowro (200), Wotapuri-Katarqalai (2 Tsd), Tirahi (100) *'''Chitral''' **Khowar (Chitrali) (240 Tsd), Kalasha (5 Tsd) *'''Kunar''' **Pashai (110 Tsd), Gawarbati (10 Tsd), Dameli (5 Tsd), Shumasti (1 Tsd) '''NORDINDISCH''' oder '''PAHARI''' (3 Sprachen mit 21 Mio Sprechern) *'''Westpahari''' **Garhwali (2,2 Mio), Kumauni (2,4 Mio) *'''Ostpahari''' **Nepali (16 Mio) '''NORDWESTINDISCH''' (20 Sprachen mit 135 Mio Sprechern) *'''Dogri-Kangri''' **Dogri-Kangri (2,2 Mio), Gaddi (Bhamauri) (120 Tsd), Churahi (110 Tsd), Bhattiyali (100 Tsd), Bilaspuri (300 Tsd),<br>Kinnauri-Harijani (6 Tsd), Chambeali (130 Tsd), Mandeali (800 Tsd), Mahasu-Pahari (650 Tsd), Jaunsari (100 Tsd),<br>Kului (110 Tsd), Bhadrawahi-Pangwali (90 Tsd), Pahari-Potwari (200 Tsd) *'''Lahnda''' **Hindko (3 Mio), Lahnda (West-Panjabi) (45 Mio), Siraiki (Süd-Panjabi, Multani) (30 Mio) *'''Panjabi''' **Panjabi (Ost-Panjabi) (30 Mio) *'''Sindhi''' **Sindhi (22 Mio), Kachchi (850 Tsd), Jadgali (100 Tsd) '''WESTINDISCH''' (13 Sprachen mit 78 Mio Sprechern) *'''Rajasthani''' **Marwari (15 Mio), Harauti (600 Tsd), Goaria (25 Tsd);<br>Malvi (1,2 Mio), Nimadi (1,4 Mio), Gujari (Gujuri) (1-2 Mio),<br>Bagri (1,8 Mio), Lambadi (Lamani) (2,8 Mio), Lohari (wenige Tsd) *'''Gujarati''' **Gujarati (45 Mio), Vasavi (1 Mio), Saurashtri (300 Tsd) *'''Bhili-Khandeshi''' **Bhili (6 Mio), Kandeshi (2,5 Mio) '''ZENTRALINDISCH''' (14 Sprachen mit 320 Mio Sprechern, inkl. S2 655 Mio) *'''West''' **Hindi (200 Mio, mit S2 490 Mio), Urdu (60 Mio, mit S2 105 Mio),<br>Braj-Kanauji (6 Mio), Haryanvi (Bangaru) (13 Mio), Bundeli (8 Mio),<br>Gowli (35 Tsd), Chamari (5 Tsd), Sansi (10 Tsd), Ghera (10 Tsd), Bhaya (700) *'''Ost''' **Awadhi (21 Mio), Bagheli (400 Tsd);<br>Chhattisgarhi (12 Mio), Dhanwar (15 Tsd) '''OSTINDISCH''' (26 Sprachen mit 347 Mio Sprechern) *'''Bihari''' **Bhojpuri (26 Mio), Maithili (25 Mio), Magahi (12 Mio), Sadri (2 Mio),<br>Oraon Sadri (200 Tsd), Angika (750 Tsd), Bote-Majhi (10 Tsd) *'''Oriya''' **Oriya (32 Mio), Adiwasi Oriya (300 Tsd), Halbi (800 Tsd) *'''Tharu''' **Rana Thakur Tharu (270 Tsd), Saptari Tharu (250 Tsd), Chitwania Tharu (80 Tsd),<br>Deokri Tharu (80 Tsd), Mahotari Tharu (30 Tsd), Buksa (45 Tsd) *'''Assami-Bengali''' **Assami (15 Mio) **Bengali (210 Mio), Chittagong (14 Mio), Sylhetti (5 Mio), Rajbangsi (2,4 Mio),<br>[[Chakma (Sprache)|Chakma]] (600 Tsd), [[Bishnupriya Manipuri]] (75 Tsd), Hajong (20 Tsd) '''SÜDINDISCH''' (4 Sprachen mit 89 Mio Sprechern) *'''Marathi''' **Marathi (80 Mio) *'''Konkani''' **Konkani (8 Mio), Bhil-Konkani (600 Tsd), Varli (500 Tsd) '''SINHALA-DIVEHI''' (2 Sprachen mit 13,2 Mio Sprechern) *Sinhala (Singhalesisch) (13 Mio), Divehi (Maledivisch) (300 Tsd) '''ROMANI-DOMARI''' (3 Sprachen mit 4 Mio Sprechern) *Romani (3,5 Mio), Domari (500 Tsd), Lomavren (100 Tsd ?) '''NICHT-KLASSIFIZIERT''' (8 Sprachen mit 220 Tsd Sprechern)<br /> Zusätzlich zu den klassifizierten neuindoarischen Sprachen gibt es einige schriftlose Sprachen, die bisher keinem der Hauptzweige zuzuordnen waren; dennoch sind die hier genannten Sprachen zweifelsfrei indoarisch. Möglicherweise sind einige dieser Sprachen Dialekte von klassifizierten Sprachen. Von keiner dieser Sprachen gibt es bisher linguistische Untersuchungen oder gar Grammatiken. Es handelt sich um: * Tippera (100 Tsd Sprecher), Kanjari (50 Tsd), Od (50 Tsd), Usui (5 Tsd), Vaagri Booli (10 Tsd),<br>Darai (7 Tsd), Kumhali (1 Tsd), Chinali (1 Tsd). == Sprachliche Merkmale == === Phonologie === Das [[Phonem]]inventar der indoarischen Sprachen ist in den verschiedenen Sprachstufen recht stabil geblieben. Charakteristische Laute wie die retroflexen und aspirierten Konsonanten kommen sowohl in alt-, mittel- als auch fast allen neuindoarischen Sprachen vor. Hingegen haben die verschiedenen Sprachstufen vor allem hinsichtlich der Verteilung der Laute im Wort tiefgreifende Änderungen durchlaufen, wodurch sich die Lautgestalt der Wörter teils erheblich verändert hat. ==== Konsonanten ==== Charakteristisch für das [[Konsonant]]ensystem der indoarischen Sprachen ist eine große Zahl (in der Regel 20) an [[Plosiv]]en (Verschlusslauten), die nach fünf [[Artikulationsort]]en ([[velar]], [[palatal]], [[retroflex]], [[dental]] und [[labial]]) unterschieden werden. Der Kontrast zwischen retroflexem ''ṭ'' und dentalem ''t'' (vgl. Hindi ''totā'' „Papagei“ und ''ṭoṭā'' „Mangel“) ist typisch für die Sprachen Südasiens. Obwohl man ''c'' und ''j'' traditionell als Plosive klassifiziert, werden sie in der Praxis eher als [[Affrikate]]n, also [{{IPA-Text|ʧ}}] und [{{IPA-Text|ʤ}}], gesprochen.<ref>Masica: ''The Indo-Aryan languages'', S. 94.</ref> Der Unterschied zwischen [[Stimmhaftigkeit]] und [[Stimmlosigkeit]] (z.&nbsp;B. ''p'' vs. ''b'') ist ebenso bedeutungsunterscheidend wie die [[Aspiration (Phonetik)|Aspiration]], die sowohl bei stimmlosen als auch stimmhaften Plosiven vorkommt (z.&nbsp;B. ''p'', ''b'' vs. ''ph'', ''bh''). Nach der Beschreibung der traditionellen indischen Grammatik existiert zu jeder der fünf Reihen von Plosiven ein homorganer (am gleichen Artikulationsort gesprochener) [[Nasal (Phonetik)|Nasal]]. Somit ergibt sich folgendes System der Plosive und Nasale (Angegeben ist die [[IAST]]-Transkription und der Lautwert in [[Liste der IPA-Zeichen|IPA-Lautschrift]]): {| class="wikitable" ! rowspan="2" | &nbsp; ! class="hintergrundfarbe8" colspan="4" | [[Plosiv]]e ! class="hintergrundfarbe8" rowspan="2" | [[Nasal (Phonetik)|Nasale]] |- ! class="hintergrundfarbe8" | [[Stimmlosigkeit|stimmlos]] ! class="hintergrundfarbe8" | stimmlos [[Aspiration (Phonetik)|aspiriert]] ! class="hintergrundfarbe8" | [[Stimmhaftigkeit|stimmhaft]] ! class="hintergrundfarbe8" | stimmhaft aspiriert |--- style="text-align:center" | class="hintergrundfarbe8" style="text-align:left" | '''[[Velar]]''' | k [{{IPA-Text|[[Stimmloser velarer Plosiv|k]]}}] | kh [{{IPA-Text|[[Stimmloser velarer Plosiv|kʰ]]}}] | g [{{IPA-Text|[[Stimmhafter velarer Plosiv|g]]}}] | gh [{{IPA-Text|[[Stimmhafter velarer Plosiv|gʱ]]}}] | ṅ [{{IPA-Text|[[Stimmhafter velarer Nasal|ŋ]]}}] |--- style="text-align:center" | class="hintergrundfarbe8" style="text-align:left" | '''[[Palatal]]''' | c [{{IPA-Text|[[Stimmloser palataler Plosiv|c]]}}] | ch [{{IPA-Text|[[Stimmloser palataler Plosiv|cʰ]]}}] | j [{{IPA-Text|[[Stimmhafter palataler Plosiv|ɟ]]}}] | jh [{{IPA-Text|[[Stimmhafter palataler Plosiv|ɟʱ]]}}] | ñ [{{IPA-Text|[[Stimmhafter palataler Nasal|ɲ]]}}] |--- style="text-align:center" | class="hintergrundfarbe8" style="text-align:left" | '''[[Retroflex]]''' | ṭ [{{IPA-Text|[[Stimmloser retroflexer Plosiv|ʈ]]}}] | ṭh [{{IPA-Text|[[Stimmloser retroflexer Plosiv|ʈʰ]]}}] | ḍ [{{IPA-Text|[[Stimmhafter retroflexer Plosiv|ɖ]]}}] | ḍh [{{IPA-Text|[[Stimmhafter retroflexer Plosiv|ɖʱ]]}}] | ṇ [{{IPA-Text|[[Stimmhafter retroflexer Nasal|ɳ]]}}] |--- style="text-align:center" | class="hintergrundfarbe8" style="text-align:left" | '''[[Dental]]''' | t [{{IPA-Text|[[Stimmloser dentaler Plosiv|t̪]]}}] | th [{{IPA-Text|[[Stimmloser dentaler Plosiv|t̪ʰ]]}}] | d [{{IPA-Text|[[Stimmhafter dentaler Plosiv|d̪]]}}] | dh [{{IPA-Text|[[Stimmhafter dentaler Plosiv|d̪ʱ]]}}] | n [{{IPA-Text|[[Stimmhafter dentaler Nasal|n̪]]}}] |--- style="text-align:center" | class="hintergrundfarbe8" style="text-align:left" | '''[[Labial]]''' | p [{{IPA-Text|[[Stimmloser bilabialer Plosiv|p]]}}] | ph [{{IPA-Text|[[Stimmloser bilabialer Plosiv|pʰ]]}}] | b [{{IPA-Text|[[Stimmhafter bilabialer Plosiv|b]]}}] | bh [{{IPA-Text|[[Stimmhafter bilabialer Plosiv|bʱ]]}}] | m [{{IPA-Text|[[Stimmhafter bilabialer Nasal|m]]}}] |} Einige periphere indoarische Sprachen haben dieses System vereinfacht. Im [[Singhalesische Sprache|Singhalesischen]] ist (wohl unter [[tamil]]ischem Einfluss) die Aspiration verloren gegangen, während [[Asamiya]] keine retroflexen Laute kennt. Andere Sprachen haben zusätzliche Phoneme entwickelt, [[Sindhi]] etwa die [[Implosiv]]e [{{IPA-Text|[[Stimmhafter velarer Implosiv|ɠ]]}}], [{{IPA-Text|[[Stimmhafter palataler Implosiv|ʄ]]}}], [{{IPA-Text|[[Stimmhafter dentaler Implosiv|ɗ]]}}], und [{{IPA-Text|[[Stimmhafter bilabialer Implosiv|ɓ]]}}]. Was die Nasale angeht, waren ursprünglich nur ''m'', das dentale ''n'' und das retroflexe ''ṇ'' eigenständige Phoneme, auch die Unterscheidung zwischen den letzten beiden wird nicht in allen modernen Sprachen gewahrt. Die Laute ''ṅ'' und ''ñ'' sind meist nur positionsbedingte [[Allophon]]e, die nur vor den entsprechenden Plosiven vorkommen, in manchen Sprachen haben sie aber sekundären Phonemstatus erlangt. Im klassischen [[Sanskrit]] kamen der [[Vibrant]] ''r'' [{{IPA-Text|[[Stimmhafter alveolarer Vibrant|r]]}}] und der [[Lateral (Phonetik)|Lateral]] ''l'' [{{IPA-Text|[[Stimmhafter lateraler alveolarer Approximant|l]]}}] vor. Andere indoarische Sprachen haben ihr Phoneminventar in diesem Bereich erweitert: Ein retroflexer Lateral ''ḷ'' [{{IPA-Text|[[Stimmhafter lateraler retroflexer Approximant|ɭ]]}}] kommt bereits im [[Vedische Sprache|Vedischen]] und später u.&nbsp;A. in [[Oriya]], [[Marathi]], [[Gujarati]] und [[Panjabi]] vor. [[Hindi]], [[Bengalische Sprache|Bengali]], Panjabi und Sindhi kennen den retroflexen [[Flap (Phonetik)|Flap]] [{{IPA-Text|[[Stimmhafter retroflexer Flap|ɽ]]}}]. Während im Altindoarischen noch vier [[Frikativ]]e vorkamen – die drei [[Zischlaut]]e ''ś'' [{{IPA-Text|[[Stimmloser alveolopalataler Frikativ|ɕ]]}}], ''ṣ'' [{{IPA-Text|[[Stimmloser retroflexer Frikativ|ʂ]]}}] und ''s'' [{{IPA-Text|[[Stimmloser alveolarer Frikativ|s]]}}] sowie ''h'' [{{IPA-Text|[[Stimmhafter glottaler Frikativ|ɦ]]}}] – sind in den modernen Sprachen die drei ursprünglichen Sibilanten zu einem Laut, im Westen meist [s], im Osten [{{IPA-Text|[[Stimmloser postalveolarer Frikativ|ʃ]]}}], zusammengefallen. Meist ist aber durch Lehnwörter wieder eine Unterscheidung zwischen [s] und [ʃ] eingeführt worden. An [[Halbvokal]]en kommen ''y'' [{{IPA-Text|[[Stimmhafter palataler Approximant|j]]}}] und ''v'' [{{IPA-Text|[[Stimmhafter labiodentaler Approximant|ʋ]]}}] vor. Zusätzlich zu diesen ursprünglichen indoarischen Konsonanten haben viele neuindoarische Sprachen durch Lehnwörter aus dem [[Persische Sprache|Persischen]] und [[Englische Sprache|Englischen]] neue Phoneme übernommen, namentlich [{{IPA-Text|[[Stimmloser labiodentaler Frikativ|f]]}}], [{{IPA-Text|[[Stimmhafter alveolarer Frikativ|z]]}}], [{{IPA-Text|[[Stimmloser velarer Frikativ|x]]}}], [{{IPA-Text|[[Stimmhafter velarer Frikativ|ɣ]]}}] und [{{IPA-Text|[[Stimmloser uvularer Plosiv|q]]}}]. In allen Sprachen außer [[Urdu]] ist die Stellung dieser Phoneme aber nicht sehr gefestigt, bei nachlässiger Aussprache werden sie oft durch ähnlich klingende Laute ersetzt, also etwa ''p<sup>h</sup>ilm'' statt ''film''. ==== Vokale ==== Die Anzahl der [[Vokal]]phoneme bewegt sich in den meisten neuindoarischen Sprachen zwischen sechs und zehn. [[Romani]] hat nur fünf Vokale, das Singhalesische dagegen ein System von 13 Vokalen, das in erster Linie auf der Unterscheidung nach Vokallänge beruht. Für die dardischen Sprachen und bestimmte Marathi-Dialekte werden Systeme mit bis zu 18 Vokalen beschrieben, die aber nur unzureichend erforscht sind.<ref>Masica: ''The Indo-Aryan languages'', S. 113.</ref> Die Vokalsysteme der wichtigsten indoarischen Sprachen sind wie folgt: {| class="wikitable" ! class="hintergrundfarbe8" | Sprache ! class="hintergrundfarbe8" | Vokalphoneme |- |[[Marathi]], [[Nepali]]: || /{{IPA-Text|[[Ungerundeter geschlossener Vorderzungenvokal|i]], [[Ungerundeter halbgeschlossener Vorderzungenvokal|e]], [[Ungerundeter offener Vorderzungenvokal|a]], [[Schwa|ə]], [[Gerundeter halbgeschlossener Hinterzungenvokal|o]], [[Gerundeter geschlossener Hinterzungenvokal|u]]}}/ |- || [[Oriya]]: || /{{IPA-Text|[[Ungerundeter geschlossener Vorderzungenvokal|i]], [[Ungerundeter halbgeschlossener Vorderzungenvokal|e]], [[Ungerundeter offener Vorderzungenvokal|a]], [[Gerundeter halboffener Hinterzungenvokal|ɔ]], [[Gerundeter halbgeschlossener Hinterzungenvokal|o]], [[Gerundeter geschlossener Hinterzungenvokal|u]]}}/ |- | [[Bengalische Sprache|Bengali]]: || /{{IPA-Text|[[Ungerundeter geschlossener Vorderzungenvokal|i]], [[Ungerundeter halbgeschlossener Vorderzungenvokal|e]], [[Ungerundeter fast offener Vorderzungenvokal|æ]], [[Ungerundeter offener Vorderzungenvokal|a]], [[Gerundeter halboffener Hinterzungenvokal|ɔ]], [[Gerundeter halbgeschlossener Hinterzungenvokal|o]], [[Gerundeter geschlossener Hinterzungenvokal|u]]}}/ |- | [[Asamiya]]: || /{{IPA-Text|[[Ungerundeter geschlossener Vorderzungenvokal|i]], [[Ungerundeter halbgeschlossener Vorderzungenvokal|e]], [[Ungerundeter halboffener Vorderzungenvokal|ɛ]], [[Ungerundeter offener Vorderzungenvokal|a]], [[Gerundeter offener Hinterzungenvokal|ɒ]], [[Gerundeter halboffener Hinterzungenvokal|ɔ]], [[Gerundeter halbgeschlossener Hinterzungenvokal|o]], [[Gerundeter geschlossener Hinterzungenvokal|u]]}}/ |- | [[Gujarati]]: || /{{IPA-Text|[[Ungerundeter geschlossener Vorderzungenvokal|i]], [[Ungerundeter halbgeschlossener Vorderzungenvokal|e]], [[Ungerundeter halboffener Vorderzungenvokal|ɛ]], [[Ungerundeter offener Vorderzungenvokal|a]], [[Schwa|ə]], [[Gerundeter halboffener Hinterzungenvokal|ɔ]], [[Gerundeter halbgeschlossener Hinterzungenvokal|o]], [[Gerundeter geschlossener Hinterzungenvokal|u]]}}/ |- | [[Hindi]], [[Panjabi]]: || /{{IPA-Text|[[Ungerundeter geschlossener Vorderzungenvokal|i]], [[Ungerundeter zentralisierter fast geschlossener Vorderzungenvokal|ɪ]], [[Ungerundeter halbgeschlossener Vorderzungenvokal|e]], [[Ungerundeter fast offener Vorderzungenvokal|æ]], [[Ungerundeter offener Vorderzungenvokal|a]], [[Schwa|ə]], [[Gerundeter halboffener Hinterzungenvokal|ɔ]], [[Gerundeter halbgeschlossener Hinterzungenvokal|o]], [[Gerundeter zentralisierter fast geschlossener Hinterzungenvokal|ʊ]], [[Gerundeter geschlossener Hinterzungenvokal|u]]}}/ |} Anmerkung: Der kurze ''a''-Laut kann als [{{IPA-Text|[[Ungerundeter halboffener Hinterzungenvokal|ʌ]]}}] oder [{{IPA-Text|[[Schwa|ə]]}}] wiedergegeben werden. Das symmetrische Zehn-Vokal-System des Hindi und Panjabi steht dem Sanskrit am nächsten. Im Sanskrit bestand aber der Unterschied zwischen Paaren wie ''i'' / ''ī'' primär in der Vokallänge: [{{IPA-Text|i}}] / [{{IPA-Text|iː}}]. In den neuindoarischen Sprachen ist dieser quantitative Unterschied durch einen qualitativen ersetzt worden: [{{IPA-Text|ɪ}}] / [{{IPA-Text|i}}]. Es ist aber möglich, dass der qualitative Unterschied bereits von Anfang mit der Unterscheidung nach der Vokallänge einherging.<ref>Masica: ''The Indo-Aryan languages'', S. 111.</ref> Zumindest für das kurze ''a'' [{{IPA-Text|ə}}] und das lange ''ā'' [{{IPA-Text|aː}}] wird bereits in den ältesten Grammatiken ein Unterschied in der Vokalqualität beschrieben. Zusätzlich kannte das Sanskrit die „konsonantischen Vokale“ ''r̥'', ''r&#x304;̥'' und ''l̥''. Die letzten beiden sind sehr selten, das ''r̥'' kommt hingegen auch in den modernen Sprachen in Sanskrit-Lehnwörtern vor und wird heutzutage je nach Region als [{{IPA-Text|rɪ}}] oder [{{IPA-Text|rʊ}}] gesprochen (z.&nbsp;B. ''r̥ṣi'' [{{IPA-Text|rɪʃɪ}}] „[[Rishi]]“). Die Phoneme [{{IPA-Text|æ}}] und [{{IPA-Text|ɔ}}] im Hindi und Panjabi gehen ursprünglich auf die [[Diphthong]]e [{{IPA-Text|ai}}] und [{{IPA-Text|au}}] zurück und werden in manchen Dialekten auch noch als solche gesprochen. Während diese beiden Diphthonge im Sanskrit phonematisch sind, werden die zahlreichen Vokalverbindungen der neuindoarischen Sprachen nicht als eigenständige Phoneme aufgefasst. Den reinen Vokalen stehen in den meisten neuindoarischen Sprachen [[Nasalvokal]]e gegenüber (z.&nbsp;B. Hindi ''cā̃d'' „Mond“). Das Sanskrit kennt ebenfalls eine als [[Anusvara]] (''ṃ'') bezeichnete Nasalisierung (z.&nbsp;B. ''māṃsa'' „Fleisch“), die aber nur in vorhersagbaren Fällen auftritt und deshalb im Gegensatz zu den Nasalvokalen der modernen Sprachen nicht phonematisch ist. Selbiges gilt für den im Sanskrit vorhandenen stimmlosen Hauchlaut [[Visarga]] (''ḥ''), der meist am Wortende auftritt und sprachhistorisch auf ''s'' oder ''r'' zurückgeht (vgl. die Nominativendung ''-aḥ'' im Sanskrit mit Griechisch ''-os'' und Latein ''-us''). ==== Akzent ==== Die älteste indoiranische Sprachform, das [[Vedische Sprache|Vedische]], verfügte über einen [[Tonakzent (Linguistik)|tonalen Akzent]], der dem des [[Altgriechische Sprache|Altgriechischen]] entsprach (vgl. Vedisch ''pā́t, padáḥ'' mit Altgriechisch ''poús'', ''podós'' „Fuß“). Der Akzent konnte auf jede Silbe des Wortes fallen und wurde mit einem Hochton (''udātta'') gesprochen. Im klassischen Sanskrit wandelte sich der tonale Akzent zu einem auf der Schallfülle beruhenden [[Dynamischer Akzent|dynamischen Akzent]], wie er auch im Deutschen vorkommt. Die Position des Akzents stimmte nicht mit dem alten tonalen Akzent überein, sondern fiel ähnlich wie im [[Latein]]ischen nach vorhersagbaren Regeln auf die zweit-, dritt- oder viertletzte Silbe. Die Betonung folgt in den neuindoarischen Sprachen unterschiedlichen Regeln, ist aber nie bedeutungsunterscheidend. Eine Ausnahme ist Asamiya (vgl. ''ˈpise'' „er trinkt“ und ''piˈse'' „dann“). [[Panjabi]] stellt als [[Tonsprache]] einen Sonderfall dar. Die drei bedeutungsunterscheidende Töne (z.&nbsp;B. ''koṛā'' „Peitsche“, ''kóṛā'' „Aussätziger“, ''kòṛā'' „Pferd“) sind sekundär unter dem Einfluss eines früheren aspirierten Konsonanten entstanden (vgl. Panjabi ''kòṛā'' mit Hindi ''ghoṛā''). ==== Historische Phonologie ==== Die altindoarischen Sprachen hatten eine komplizierte Phonologie, die dem indogermanischen Typus noch recht nahe steht. Die wichtigsten Punkte, in denen sich Sanskrit von der rekonstruierten [[Indogermanische Ursprache|indogermanischen Ursprache]] unterscheidet, sind folgende: * Zusammenfall von ''*a'', ''*e'' und ''*o'' zu ''a'' (vgl. lat. ''agit'' mit Sanskrit ''ajati'' „er treibt“, altgr. ''esti'' mit Sanskrit ''asti'' „er ist“ und altgr. ''posis'' mit Sanskrit ''patiḥ'' „Ehemann, Gebieter“) * Wandel der silbischen Nasale ''*n̥'' und ''*m̥'' zu ''a'' (vgl. lat. ''in-'' und dt. ''un-'' mit Sanskrit ''a-'') * [[Monophthong]]ierung von ''*ai'' und ''*au'' zu ''e'' und ''o'' (vgl. altgr. ''oida'' mit Sanskrit ''veda'' „ich weiß“) * Zusammenfall der [[Labiovelar]]e ''*k<sup>w</sup>'', ''*g<sup>w</sup>'' und ''*g<sup>w</sup>h'' mit den [[Velar]]en ''k'', ''g'', ''gh'', vor ursprünglichen Vordervokalen wandeln sich diese zu den [[Palatal]]en ''c'', ''j'' (vgl. lat. ''-que'' und Sanskrit ''ca'' „und“). * Wandel der [[Palatal|Palatovelare]] ''*ḱ'', ''*ǵ'' und ''*ǵh'' zu ''ś'', ''j'' und ''h'' (vgl. lat. ''centum'' mit Sanskrit ''śatam'' „hundert“), dadurch gehört Sanskrit zu den [[Kentum- und Satemsprachen|Satem-Sprachen]]. * Entstehung einer stimmlosen Reihe von [[Aspiration (Phonetik)|aspirierten]] Konsonanten zusätzlich zu der stimmhaften * Entstehung der [[Retroflex]]e unter dem Einfluss nichtindoarischer Sprachen. Am Wortanfang und im Wortinneren treten im Sanskrit komplexe [[Konsonantencluster|Konsonantenhäufungen]] auf (z.&nbsp;B. ''jyotsna'' „Mondschein“). Dagegen können Wörter nur auf bestimmte Konsonanten enden, Verbindungen von mehreren Konsonanten kommen in der Regel nicht vor (vgl. lat. ''vox'' und [[Avestische Sprache|Avestisch]] ''vāxš'' mit Sanskrit ''vāk'' „Stimme“). Beim Zusammentreffen von Lauten innerhalb eines Wortes oder beim Aufeinandertreffen zweier Wörter treten [[Sandhi]]-Erscheinungen auf (z.&nbsp;B. wird ''na uvāca'' zu ''novāca'' „er sagte nicht“). In der mittelindoarischen Periode vereinfachte sich die Phonologie erheblich. Es kamen keine Sandhi-Regeln mehr zur Anwendung, das Phoneminventar wurde etwas verkleinert. Die wichtigste Änderung in den mittelindoarischen Sprachen war die radikale Vereinfachung der Silbenstruktur hin zu einem Typus, der dem der [[Dravidische Sprachen|dravidischen Sprachen]] ähnelte: Konsonantenverbindungen am Wortanfang waren nicht mehr möglich, im Wortinneren kamen nur bestimmte einfach auszusprechende Konsonantenverbindungen (verdoppelte Konsonanten oder Verbindungen mit einem Nasal als erster Bestandteil) vor, am Wortende waren gar keine Konsonanten außer dem nasalisierten ''ṃ'' zulässig. Die wichtigsten Lautwandel des Mittelindoarischen sind: * Reduzierung von Konsonantenverbindungen am Wortanfang (z.&nbsp;B. Sanskrit ''prathama'' „erster“, ''skandha'' „Schulter“ zu [[Pali]] ''paṭhama'', ''khandha'') * [[Assimilation (Phonologie)|Assimilation]] von Konsonantenverbindungen im Wortinneren (z.&nbsp;B. Sanskrit ''putra'' „Sohn“, ''hasta'' „Hand“ zu [[Pali]] ''putta'', ''hattha'') * Wegfall von auslautenden Konsonanten (z.&nbsp;B. Sanskrit ''paścāt'' „hinten“ zu Pali ''pacchā''), nur ''-m'' und ''-n'' bleiben als nasalisiertes [[Anusvara]] erhalten (z.&nbsp;B. ''kartum'' „machen“ zu Pali ''kattuṃ''). * Zusammenfall der [[Spirant]]en ''ś'', ''ṣ'' und ''s'' (z.&nbsp;B. Sanskrit ''deśa'' „Land“, ''doṣa'' „Fehler“ und ''dāsa'' „Diener“ zu Pali ''desa'', ''dosa'', ''dāsa'') * Wegfall der konsonantischen Vokale ''r̥'', ''r̥̄'' und ''l̥'' (z.&nbsp;B. Sanskrit ''pr̥cchati'' „er fragt“ zu Pali ''pucchati'') * Monophthongierung der Diphthonge ''ai'', ''au'' und der Lautverbindungen ''aya'', ''ava'' zu ''e'' und ''o'' (z.&nbsp;B. Sanskrit ''auṣaḍha'' „Heilkraut“, ''ropayati'' „er pflanzt“ zu Pali ''osaḍha'', ''ropeti'') * in der späteren Phase Ausfall intervokalischer Konsonanten (z.&nbsp;B. Sanskrit ''loka'' „Welt“ zu [[Prakrit]] ''loa''), aspirierte intervokatische Konsonanten werden zu ''h'' (z.&nbsp;B. Sanskrit ''kathayati'' „er erzählt“ zu Prakrit ''kahei''). Dadurch entstehen Abfolgen von zwei Vokalen, die im Sanskrit nicht zulässig waren. In den neuindoarischen Sprachen hat sich die Silbenstruktur durch den Ausfall kurzer Vokale wieder vom simplen Typus des Mittelindoarischen wegentwickelt. So kommen Konsonanten am Wortende sogar weitaus öfter vor als im Sanskrit, auch im Wortinneren sind wieder Konsonantenverbindungen möglich. Verstärkt wird diese Entwicklung durch Lehnwörter aus nichtindoarischen Sprachen. Viele neuindoarische Sprachen haben spezielle Entwicklungen durchlaufen, auf die hier nicht näher eingegangen werden kann. Zentrale Merkmale, die die Phonetik der Mehrzahl der neuindoarischen Sprachen charakterisieren, sind: * Ausfall kurzer Vokale am Wortende (z.&nbsp;B. Prakrit ''phala'' „Frucht“ zu [[Hindi]], [[Nepali]] ''phal'', [[Bengalische Sprache|Bengali]], [[Asamiya]] ''phɔl'' aber [[Oriya]] ''phɔlɔ'') * Ausfall unbetonter kurzer Vokale im Wortinneren (z.&nbsp;B. Prakrit ''sutthira'' „fest“ zu Hindi ''suthrā'', Prakrit ''gaddaha'' „Esel“ zu Bengali ''gādhā''), dadurch Entstehung zahlreicher neuer Konsonantenverbindungen. Dies führt bei mehrsilbigen Stämmen teils zur Alternanz (z.&nbsp;B. Hindi ''samajh-nā'' „verstehen“ und ''samjh-ā'' „verstanden“). * Vereinfachung von doppelten Konsonanten mit [[Ersatzdehnung]] des vorangehenden Vokals (z.&nbsp;B. Prakrit ''satta'' „sieben“ zu Hindi, [[Marathi]] ''sāt'', Bengali ''ʃāt'', aber [[Panjabi]] ''satt'') * Ersetzung eines Nasals vor einem [[Plosiv]] durch Längung und Nasalisierung des vorangehenden Vokals (z.&nbsp;B. Prakrit ''danta'' „Zahn“ zu Hindi, Bengali ''dā̃t'', aber Panjabi ''dand''). === Morphologie === Die [[Morphologie (Sprache)|Morphologie]] der indoarischen Sprachen hat im Laufe ihrer Entwicklung grundlegende Änderungen erfahren. Das altindoarische [[Sanskrit]] war eine hochgradig [[Synthetischer Sprachbau|synthetisch]]-[[Flektierender Sprachbau|flektierende]] Sprache mit einer komplizierten Formenlehre, dem [[Latein]]ischen und [[Altgriechische Sprache|Altgriechischen]] nicht unähnlich. Die Entwicklung hin zu den mittelindoarischen Sprachen ging mit einer deutlichen Vereinfachung der Formenbildung einher. Die neuindoarischen Sprachen sind zu einem weitgehend [[Analytischer Sprachbau|analytischen Sprachbau]] mit [[Agglutinierender Sprachbau|agglutinierenden]] Elementen übergegangen. [[Sprachtypologie|Typologisch]] sind die indoarischen Sprachen stark von ihren [[Dravidische Sprachen|dravidischen]] Nachbarsprachen beeinflusst worden, vor allem im Bereich der [[Syntax]] schlägt dieser Einfluss bereits im klassischen Sanskrit deutlich nieder. ==== Nomen ==== Die Morphologie der [[Nomen|Nomina]] ist im Sanskrit komplex. Sie haben alle acht [[Kasus]] ([[Nominativ]], [[Akkusativ]], [[Instrumentalis|Instrumental]], [[Dativ]], [[Ablativ]], [[Genitiv]], [[Lokativ]], [[Vokativ]]) und drei [[Numerus|Numeri]] ([[Singular]], [[Dual (Grammatik)|Dual]], [[Plural]]) der [[Indogermanische Ursprache|indogermanischen Ursprache]] bewahrt. Je nach Stammauslaut und Genus werden die Nomina in verschiedene [[Deklination (Grammatik)|Deklination]]stypen mit jeweils unterschiedlichen Kasusendungen eingeteilt. Manche Stämme setzen quantitativen [[Ablaut]] ein und sind dadurch höchst variabel (z.&nbsp;B. bildet der Stamm ''pitr̥-'' „Vater“ folgende Formen: ''pitā'', ''pitar-am'', ''pitr-e'', ''pitr̥-bhyām'', ''pitr̥̄-n''). Im Mittelindoarischen wurde dieses komplizierte System vereinfacht: Der Dual ging verloren, das Kasussystem wurde durch den Zusammenfall von Genitiv und Dativ reduziert und die variablen Konsonantenstämme in regelmäßige Vokalstämme umgewandelt (z.&nbsp;B. Sanskrit ''gacchant-/gacchat-'' „gehend“ zu Pali ''gacchanta-''), bis in der Apabhramsha-Phase nur noch ein allgemeinder Deklinationstyp vorhanden ist. Im Großen und Ganzen bleibt aber im Mittelindoarischen das alte Kasussystem, wenn auch vereinfacht, bestehen. Als Beispiel ist die Deklination des Wortes ''putra-''/''putta-'' („Sohn“) im Singular in Sanskrit, [[Pali]] und [[Apabhramsha]] angegeben. {| class="wikitable" ! class="hintergrundfarbe8" | Kasus ! class="hintergrundfarbe8" | Sanskrit ! class="hintergrundfarbe8" | Pali ! class="hintergrundfarbe8" | Apabhramsha |- | [[Nominativ]] || putraḥ || putto || puttu |- | [[Akkusativ]] || putram || puttaṃ || puttu |- | [[Instrumentalis|Instrumental]] || putrena || puttena || putteṇa(ṃ), puttẽ, puttiṃ |- | [[Dativ]] || putrāya || (puttāya) || – |- | [[Ablativ]] || putrāt || puttā, puttasmā, puttamhā || puttahi, puttaho |- | [[Genitiv]] || putrasya || puttassa || puttaha, puttaho, puttassu, puttāsu |- | [[Lokativ]] || putre || putte, puttasmiṃ, puttamhi || putti, puttahiṃ |} Die neuindoarischen Sprachen haben dagegen das Deklinationssystem grundlegend umgestaltet. Das flektierende System des Alt- und Mittelindoarischen ist nur noch in Rudimenten erhalten. Meist sind nur noch zwei primäre Kasus vorhanden, nur vereinzelt finden sich noch Reste der alten Kasus Instrumental, Lokativ und Ablativ. Nominativ und Akkusativ, schon durch Lautwandel im Apabhramsha zusammengefallen, werden zum [[Rektus]] zusammengefasst. In Opposition zum Rektus steht in der Regel ein [[Obliquus (Kasus)|Obliquus]] (z.&nbsp;B. [[Hindi]] ''laṛkā'' – ''laṛke'' „Junge“, [[Gujarati]] ''ghoḍo'' – ''ghoḍā'' „Pferd“). Manche Sprachen wie [[Bengalische Sprache|Bengali]] oder [[Asamiya]] haben keine spezielle Form für den Obliquus. Formal geht der Obliquus meist auf den Genitiv zurück und hat in einigen wenigen Sprachen auch noch dessen Funktion behalten. In den meisten Sprachen kommt er aber nicht allein vor, sondern wird durch ein System von [[Postposition]]en oder sekundären [[Affix]]en in seiner Bedeutung weiter differenziert (z.&nbsp;B. Hindi ''laṛke ko'' „dem Jungen“, Gujarati ''ghoḍānuṃ'' „des Pferdes“). Diese Affixe gehen ursprünglich auf eigenständige Wörter zurück, sind aber teils mit dem Obliquus zu sekundären [[Agglutinierender Sprachbau|agglutinierenden]] Kasusendungen verschmolzen. Die Genitivendung ''-er'' im Bengali leitet sich etwa über die Partikel ''kera'' auf das altindoarische Substantiv ''kārya'' mit der Bedeutung „Angelegenheit“ ab. Der Plural wird auf unterschiedliche Weisen gebildet. Geschieht dies etwa im Hindi flektierend, mit einer Endung, die gleichzeitig Kasus und Numerus ausdrückt (vgl. Nominativ Singular ''laṛkā'', Plural ''laṛke''; Obliquus Singular ''laṛke'', Plural ''laṛkõ''), so setzen andere Sprachen wie Bengali dagegen agglutinierende Pluralsuffixe ein, an die zusätzlich Kasusformantien treten (vgl. Nominativ Singular ''chele'', Plural ''chele-gulo''; [[Objektiv (Grammatik)|Objektiv]] Singular ''chele-ke'', Plural ''chele-gulo-ke''). Die alt- und mittelindoarischen Sprachen kennen die drei indogermanischen [[Genus|Genera]] [[Maskulinum]], [[Femininum]] und [[Neutrum]]. Unter den neuindoarischen Sprachen ist dieses System in den westlichen Sprachen ([[Gujarati]], [[Marathi]], [[Konkani]]) beibehalten worden. Im [[Singhalesische Sprache|Singhalesischen]] kommen ebenfalls drei Genera vor, doch handelt es sich hierbei um ein anders gelagertes System, das wie in den dravidischen Sprachen auf [[Belebtheit]] und [[Natürliches Geschlecht|natürlichem Geschlecht]] beruht. In den meisten neuindoarischen Sprachen sind Maskulinum und Neutrum zusammengefallen. Nach Osten hin ist die Genuskategorie weniger stark ausgeprägt. Die östlichsten Sprachen Bengali, Asamiya und [[Oriya]] haben sie gänzlich verloren, ebenso [[Khowar]] und [[Kalasha (Sprache)|Kalasha]] am entgegengesetzten Ende des indoarischen Sprachraums. ==== Verb ==== Das [[Verb]] zeichnet sich im Altindoarischen (im [[Vedische Sprache|Vedischen]] noch stärker als im klassischen Sanskrit) durch einen großen Reichtum an Formen aus. Die Verben werden in drei Personen, drei Numeri (Singular, Dual, Plural) und drei [[Genus Verbi|Genera Verbi]] ([[Diathese (Linguistik)|Aktiv]] oder ''parasmaipada'', [[Medium (Grammatik)|Medium]] oder ''ātmanepada'' und [[Diathese (Linguistik)|Passiv]]) [[Konjugation (Grammatik)|konjugiert]]. Das [[Tempus]]system ist mit [[Präsens]], [[Imperfekt]], [[Futur]], [[Aorist]], [[Perfekt]] sowie im Vedischen noch [[Plusquamperfekt]] ausgeprägt. Ursprünglich unterschieden sich die Vergangenheitstempora noch in ihrer Bedeutung, später werden sie aber gleichbedeutend verwendet. Die gebräuchlichste Möglichkeit, die Vergangenheit auszudrücken, ist im klassischen Sanskrit indes ein Nominalsatz mit dem [[Partizip Perfekt Passiv]]. An [[Modus (Grammatik)|Modi]] existieren [[Indikativ (Modus)|Indikativ]], [[Konjunktiv]], [[Optativ]] und [[Imperativ (Modus)|Imperativ]]. Dazu kommen mehrere [[Partizip]]ien des Aktivs und Passivs, [[Gerundium|Gerundien]], ein [[Infinitiv]] sowie ein System von abgeleiteten Verben ([[Kausativ]], [[Desiderativ]], [[Intensiv]]). Die Verben werden nach der Bildung des Präsensstammes in zehn Klassen eingeteilt. Die Hauptunterscheidung liegt hierbei zwischen den [[Thematisches Verb|thematischen]] Verben, die den [[Themavokal]] ''a'' zwischen Stamm und Endung einfügen, und den [[Athematisches Verb|athematischen Verben]], bei denen dies nicht der Fall ist. Das Imperfekt wird ebenso wie der Imperativ und Optativ vom Präsensstamm gebildet, die Formen der übrigen Tempora sind in ihrer unabhängig vom Präsensstamm. Die Verbalmorphologie des Sanskrit ist kompliziert und setzt regelmäßig Mittel wie [[Reduplikation (Sprache)|Reduplikation]] und quantitativen [[Ablaut]] (''guṇa''- und ''vr̥ddhi''-Stufe) ein (z. B. werden vom Stamm ''kr̥-'' „machen“ die Formen ''kr̥-ta'' „gemacht“, ''kar-oti'' „er macht“ und ''ca-kār-a'' „er hat gemacht“ gebildet). In den mittelindoarischen Sprachen wird dieses System vereinfacht und regelmäßiger gestaltet. Die Vergangenheitstempora, deren Unterscheidung schon im Sanskrit nur künstlich aufrechterhalten wurde, werden gänzlich durch die Partizipialkonstruktion ersetzt. Der Konjunktiv stirbt ebenso aus wie das Medium und die abgeleiteten Verben mit Ausnahme des Kausativs. Die neuindoarischen Sprachen verwenden neben den alten synthetischen Formen, die nach Person und Numerus konjugiert werden, in größerem Maße [[Partizip]]ialformen, die sich nach Genus und Numerus verändern, sowie [[Analytischer Sprachbau|analytische]] (zusammengesetzte) Verbformen aus Partizip und [[Hilfsverb]]. Die verschiedenen neuindoarischen Sprachen unterscheiden sich darin, wie sie diese Möglichkeiten einsetzen, wie an folgendem Vergleich einiger Formen des Verbs für „kommen“ in den wichtigsten neuindoarischen Sprachen deutlich wird: {| class="wikitable" |- class="hintergrundfarbe8" ! Sprache !! Stamm || Präsens („ich komme“) !! Perfektiv („ich kam“) !! Futur („ich werde kommen“) |- | [[Hindi]]-[[Urdu]] || ā- || ātā hū̃ (m.), ātī hū̃ (f.) || āyā (m.), āī (f.) || āū̃gā (m.), āū̃gī (f.) |- | [[Panjabi]] || āu-, āv-, ā- || āundā hā̃ || āiā (m.), āī (f.) || āvā̃gā (m.), āvā̃gī (f.) |- | [[Kashmiri]] || y(i)-, ā- || chus yivān (m.), ches yivān (f.) || ās (m.), āyēs (f.) || yimɨ |- | [[Sindhi]] || ac-, ā-, ī- || acā̃ tho (m.), acā̃ thī (f.) || āīus (m.), āīasi (f.) || īndus (m.), īndīas (f.) |- | [[Gujarati]] || āv- || āvũ chũ || āyvo (m.), āvī (f.) || āviʃ |- | [[Marathi]] || ye-, ā- || yetõ (m.), yetẽ (f.) || ālõ (m.), ālẽ (f.) || yeīn |- | [[Singhalesische Sprache|Singhalesisch]] || e-, āv- || enavā, emi || āvā, āmi || ennam, emi |- | [[Oriya]] || ās- || āsẽ || āsili || āsibi |- | [[Bengalische Sprache|Bengali]] || āʃ- || āʃi || āʃlum || āʃbo |- | [[Asamiya]] || āh-, ɒh- || āhõ || āhilõ || āhim |- | [[Nepali]] || āu-, ā- || āũchu || āẽ || āunechu |} === Syntax === Die normale [[Satzstellung]] ist in allen Sprachstufen des Indoarischen [[Subjekt-Objekt-Verb]] (SOV). Im Sanskrit kann diese Wortfolge noch recht frei variiert werden, in den neuindoarischen Sprachen ist die Wortfolge fester reglementiert. Nur zur besonderen Betonung kann ein Satzglied hinter das Verb gestellt werden. Die indoarischen Sprachen teilen auch die übrigen [[Sprachtypologie|typologischen]] Merkmale, die für SOV-Sprachen charakteristisch sind: Sie benutzen [[Postposition]]en statt [[Präposition]]en (z.&nbsp;B. Sanskrit ''rāmena saha'' „mit Rama“) und setzen das bestimmende Element vor das bestimmte. Das bedeutet, dass [[Attribut (Grammatik)|Attribute]] ihren Bezugswörtern und [[Nebensatz|Nebensätze]] [[Hauptsatz (Grammatik)|Hauptsätzen]] vorangehen. Beispiele für die SOV-Wortstellung mit [[Interlinearübersetzung]]:<ref>Die Beispiele Stammen auch Bloch: ''Indo-Aryan'', S. 307.</ref> {| |- | ''maĩ'' || ''tum ko'' || ''ye'' || ''kitāb'' || ''detā'' || ''hū̃'' |- | ich || dir || dieses || Buch || gebend || bin |- |} [[Hindi]]: „Ich gebe dir dieses Buch.“ {| |- | ''āmi'' || ''ei'' || ''āmgula'' || ''nūtan'' || ''bazār'' || ''theke'' || ''enechi'' |- | ich || diese || Mangos || neu || Markt || von || brachte |} [[Bengalische Sprache|Bengali]]: „Ich brachte diese Mangos vom neuen Markt.“ {| |- | ''guru-varayā'' || ''maṭa'' || ''iskōlē-di'' || ''siṃhala'' || ''akuru'' || ''igennuvā'' |- | Lehrer+[[Honorificum]] || mir || Schule-in-während || singhalesisch || Buchstaben || lehrte |} [[Singhalesische Sprache|Singhalesisch]]: „Der Lehrer brachte mir, als ich in der Schule war, die singhalesische Schrift bei.“ Schon im klassischen Sanskrit war die bevorzugte Möglichkeit einen Satz der Vergangenheit auszudrücken, eine [[Diathese (Linguistik)|Passivkonstruktion]] mit dem [[Partizip Perfekt Passiv]], bei der die handelnde Person im [[Instrumentalis|Instrumental]] steht (z.&nbsp;B. ''bālena kanyā dr̥ṣṭā'' wörtl. „das Mädchen [ist] vom Jungen gesehen“ statt ''bālaḥ kanyām apaśyat'' „der Junge sah das Mädchen“). Diese Konstruktion wird auch auf [[Intransitivität (Grammatik)|intransitive]] Verben ausgeweitet (z.&nbsp;B. ''mayā suptam'' wörtl. „[es war] von mir geschlafen“ für „ich schlief“). In den neuindoarischen Sprachen hat sich hieraus eine [[ergativ]]ähnliche Konstruktion entwickelt. Charakteristisch hierfür ist, dass bei transitiven Sätzen der Vergangenheit das [[Subjekt (Grammatik)|Subjekt]] eine spezielle Form annimmt, die als [[Agentiv]] bezeichnet wird, während es bei intransitiven Verben und bei Gegenwartssätzen in der Grundform steht. Vergleiche folgende Beispielsätze aus dem Hindi: {| |- | ''laṛka'' || ''kitāb'' || ''kharīdtā hai'' |- | Junge || Buch || lesend ist |- |} „Der Junge liest das Buch.“ {| |- | ''laṛke ne'' || ''kitāb'' || ''kharīdī'' |- | Junge (Agentiv) || Buch || gekauft |- |} „Der Junge kaufte das Buch.“ === Lexik === Die einheimische Grammatik teilt den Wortschatz der modernen indoarischen Sprachen in vier Kategorien, die mit Sanskrit-Namen bezeichnet werden: * ''tadbhava'' („daraus [d.&nbsp;h. aus einem Sanskritwort] entstanden“): [[Erbwort|Erbwörter]] aus dem Altindoarischen * ''tatsama'' („dasselbe wie das [d.&nbsp;h. ein Sanskritwort]“): direkte Entlehnungen aus dem Sanskrit *''deśya'' („lokal“): Wörter ohne Entsprechung im Sanskrit *''videśi'' („fremd“): [[Lehnwort|Lehnwörter]] aus außerindischen Sprachen ==== Erbwörter ==== Den Kern der neuindoarischen Lexik bilden die Tadbhava-Wörter, die auf natürlichem Wege aus dem Altindoarischen über die Zwischenstufe der mittelindoarischen Prakrits entlehnt worden und dabei durch eine Reihe von Lautwandeln in ihrer Gestalt verändert worden sind. So geht das Hindi-Wort ''khet'' („Feld“) über Prakrit ''khetta'' auf Sanskrit ''kṣetra'' zurück. Manche Wörter wie ''deva'' („Gott“) oder ''nāma'' („Name“) hatten schon im Altindischen eine so einfache Gestalt, dass sie keiner weiteren Veränderung unterlagen. Tadbhava-Wörter können einen ursprünglich nichtindogermanischen Ursprung haben, denn bereits im Sanskrit sind Entlehnungen aus den [[Dravidische Sprachen|dravidischen]] und [[Munda-Sprachen]] vorhanden. '''Einige indoarische Wortgleichungen''' <ref>Die Beispiele stammen aus Masica: ''The Indo-Aryan languages'', S. 85.</ref> {| class="wikitable" |- class="hintergrundfarbe8" !Sprache !Hand !Zahn !Ohr !machen !trinken !hören |- | [[Sanskrit]] || hasta || danta || karṇa || kar- || pib- || śṛn- |- | [[Hindi]] || hāth || dā̃t || kan || kar- || pī- || sun- |- | [[Bengalische Sprache|Bengali]] || hāt || dā̃t || kān || kɔr- || pi- || ʃon- |- | [[Panjabi]] || hatth || dand || kann || kar- || pī- || suṇ- |- | [[Marathi]] || hāt || dāt || kān || kar- || pi- || aik- |- | [[Gujarati]] || hāth || dā̃t || kān || kar- || pī- || sā̃bhaḷ- |- | [[Oriya]] || hātɔ || dāntɔ || kānɔ || kɔr- || pi- || suṇ- |- | [[Sindhi]] || hathu || ɗandu || kanu || kar- || pi- || suṇ- |- | [[Asamiya]] || hāt || dā̃t || kān || kɔr- || pi- || xun- |- | [[Nepali]] || hāt || dā̃t || kān || gar- || piu- || sun- |- | [[Kashmiri]] || athɨ || dād || kan || kar- || co- || buz |- | [[Singhalesische Sprache|Singhalesisch]] || ata || data || kaṇa || kara- || bo-, bī- || aha-, äsu- |- | [[Romani]] || vast || dand || kan || ker- || pi- || sun- |} ==== Sanskritismen ==== Wörter, die in unveränderter Gestalt (oder besser: Schreibweise) direkt aus dem Sanskrit entlehnt worden sind, bezeichnet man als Tatsamas. Die Aussprache kann dabei durchaus abweichen: die Unterscheidung zwischen bestimmten Lauten wie ''ś'' und ''ṣ'' wird meist nicht mehr gewahrt, in Hindi und Marathi fällt das kurze ''a'' am Wortende oft aus, im Bengali werden Konsonantenverbindungen assimiliert. So wird das Tatsama ''ātmahatyā'' („Selbstmord“) auf Hindi [{{IPA|aːtmʌhʌtjaː}}], auf Bengali dagegen [{{IPA|ãttohɔtta}}] ausgesprochen. Im [[Singhalesische Sprache|Singhalesischen]] werden auch aus dem [[Pali]], das als Sprache des buddhistischen Kanons eine ähnlich wichtige Rolle wie das Sanskrit einnimmt, übernommene Wörter zu den Tatsamas gerechnet. Teils sind Doubletten von Tadbhava und Tatsama-Wörtern vorhanden, wobei das Tatsama dann meist eine spezialisiertere Bedeutung hat. So existiert im Hindi neben dem erwähnten Tadbhava ''khet'' für ein Feld im konkreten Sinne (d.&nbsp;h. eines, das man pflügen kann) das Tatsama-Wort ''kṣetra'', das ein Feld im übertragenden Sinne (also ein Beschäftigungsfeld o.&nbsp;Ä.) bezeichnet. In den modernen indoarischen Literatursprachen (außer denen wie [[Urdu]], die dem kulturellen Einfluss des Islam unterliegen) hat die Verwendung von Sanskrit-Wörtern sehr große Ausmaße angenommen. Vor allem im Wortschatz des höheren [[Register (Linguistik)|Registers]] finden sich viele Sanskritismen, ähnlich wie in den europäischen Sprachen [[latein]]ische und [[Altgriechische Sprache|griechische]] Fremdwörter verwendet werden. Nationalistische Kreise fördern die Verwendung von Sanskritwörtern als ein Symbol des [[Hindutva|politischen Hinduismus]]<ref>Berger: ''Die Vielfalt der indischen Sprachen'', S. 102.</ref> und versuchen in der Schriftsprache auch für neuere Begriffe wie „Elektrizität“ Sanskrit-[[Neologismus|Neologismen]] zu etablieren. In der Alltagssprache können sich künstliche Sanskrit-Neologismen aber nur schwerlich gegen englische Lehnwörter durchsetzen. ==== Lehnwörter ==== Zu den Deśya-Wörtern rechnet man Wörter ohne Parallelen im Sanskrit. Hierzu gehören aus altindischen Dialekten ererbte Wörter, die im Sanskrit fehlen, sowie Entlehnungen aus den dravidischen und Munda-Sprachen. Dazu kommen in den neuindoarischen Sprachen in großer Zahl aus außerindischen Sprachen, vor allem dem [[Persische Sprache|Persischen]], [[Arabische Sprache|Arabischen]], [[Portugiesische Sprache|Portugiesischen]] und [[Englische Sprache|Englischen]], übernommene Lehnwörter, die die indische Grammatik zur ''videśi''-Kategorie rechnet. Während der etwa achthundertjährigen islamischen Herrschaft in Nordindien war das Persische die Hofsprache der Oberschicht. So gelangten viele persische und über persische Vermittlung auch arabische Wörter in die indoarischen Sprachen. Für Urdu, die Sprache der indischen Muslime, übernimmt das Persisch-Arabische eine ähnliche Rolle als Quelle für Wörter höherer Stilebenen wie Sanskrit für die mehrheitlich von Hindus gesprochenen Sprachen. Dementsprechend groß ist deren Anteil im Urdu, besonders niedrig ist er naturgemäß in Sprachen wie [[Nepali]], [[Asamiya]] oder Singhalesisch, die keinem nachhaltigen islamischen Einfluss ausgesetzt waren.<ref>Masica: ''The Indo-Aryan Languages'', S. 71.</ref> Einen verhältnismäßig kleinen Anteil unter den Fremdwörtern machen Entlehnungen aus dem Portugiesischen, mit der die indischen Sprachen ab dem 16. Jahrhundert durch europäische Seefahrer in Kontakt kamen. Aus der portugiesischen Sprache wurden Wörter wie ''chave'' für „Schlüssel“ (Hindi ''cābhī'', Marathi ''cāvī''), ''janela'' für „Fenster“ (Hingi ''janglā'', Bengali ''jānālā'', Singhalesisch ''janēlaya'') oder ''mestre'' für „Handwerker“ (Hindi ''mistrī'', Marathi ''mestrī'') übernommen. Äußerst zahlreich sind seit der britischen Kolonialzeit die englischen Lehnwörter. Vor allem moderne Begriffe wie „Hotel“ (''hoṭal''), „Ticket“ (''ṭikaṭ'') oder „Fahrrad“ (''sāikil'', von ''cycle'') wurden aus dem Englischen entnommen. == Schriften == Die indoarischen Sprachen werden in einer Vielzahl von Schriften geschrieben: verschiedenen indischen Schriften, der persisch-arabischen Schrift und in Einzelfällen der lateinischen Schrift. [[Dhivehi]], die Sprache der Malediven, hat eine gänzlich eigene Schrift, [[Thaana-Alphabet|Thaana]] genannt. Sie wurde im 15. Jahrhundert nach dem Vorbild von [[Arabische Ziffern|arabischen Ziffernzeichen]] und anderen Elementen geschaffen. === Indische Schriften === [[Datei:Mahamantra.gif|thumb|Hinduistisches Mantra auf Sanskrit in Devanagari-Schrift]] Die meisten für die indoarischen Sprachen verwendeten Schriften gehören ebenso wie die Schriften Südindiens, Südostasiens und Tibets zur Familie der [[indischer Schriftenkreis|indischen Schriften]], die allesamt von der [[Brahmi-Schrift]] abstammen. Die Brahmi-Schrift tritt erstmalig im 3. Jahrhundert v.&nbsp;Chr. in den Inschriften Kaiser [[Ashoka]]s zu Tage. Ihre Ursprünge sind ungeklärt, als wahrscheinlich gilt, dass sie nach dem Vorbild des [[Aramäische Schrift|aramäischen Alphabets]] geschaffen wurde, während die in Indien populäre These einer Abstammung von der [[Indus-Schrift]] von westlichen Forschern abgelehnt wird.<ref>Masica: ''The Indo-Aryan Languages'', S. 133 f.</ref> Im Laufe der Zeit spaltete sich die Brahmi-Schrift in zahlreiche regionale Varianten auf, die grafisch teils sehr stark voneinander abweichen. Strukturell sind sie sich aber sehr ähnlich und teilen alle dasselbe Funktionsprinzip. Es handelt sich bei ihnen um eine Zwischenform aus Alphabet und Silbenschrift, sogenannte [[Abugida]]s, bei denen jedes [[Konsonant]]enzeichen einen [[Inhärenter Vokal|inhärenten Vokal]] ''a'' besitzt, der durch [[Diakritisches Zeichen|diakritische Zeichen]] modifiziert werden kann. Konsonantenverbindungen werden durch [[Ligatur (Typographie)|Ligaturen]] ausgedrückt. Die Reihenfolge der Zeichen ist in den indischen Schriften anders als etwa im lateinischen Alphabet nicht beliebig, sondern spiegelt die Phonologie der indoarischen Sprachen wider. Die Buchstaben werden folgendermaßen angeordnet: * Vokale (''a'', ''ā'', ''i'', ''ī'', ''u'', ''ū'', ''r̥'', ''r̥̄'', ''l̥'', ''e'', ''ai'', ''o'', ''au'') * [[Plosiv]]e und [[Nasal (Phonetik)|Nasale]] nach [[Artikulationsort]] von hinten nach vorne geordnet ** [[Velar]]e (''ka'', ''kha'', ''ga'', ''gha'', ''ṅa'') ** [[Palatal]]e (''ca'', ''cha'', ''ja'', ''jha'', ''ña'') ** [[Retroflex]]e (''ṭa'', ''ṭha'', ''ḍa'', ''ḍha'', ''ṇa'') ** [[Dental]]e (''ta'', ''tha'', ''da'', ''dha'', ''na'') ** [[Labial]]e (''pa'', ''pha'', ''ba'', ''bha'', ''ma'') * [[Halbvokal]]e (''ya'', ''ra'', ''la'', ''va'') * [[Sibilant]]en und [[Hauchlaut]] (''śa'', ''ṣa'', ''sa'', ''ha'') Das Zeicheninventar ist in den verschiedenen Schriften im Wesentlichen dasselbe. Manche Schriften kennen ein spezielles Zeichen für das retroflexe ''ḷ'', weitere Sonderzeichen könnten durch einen untergesetzten Punkt geschaffen werden. Folgende indische Schriften werden für indoarische Sprachen verwendet (als Beispiel ist die erste Konsonantenreihe ''ka'', ''kha'', ''ga'', ''gha'', ''ṅa'' angegeben): {| class="wikitable" ! Schrift !! Sprache(n) !! Beispiel |- |[[Devanagari]] || [[Hindi]], [[Bihari]], [[Rajasthani]], [[Marathi]], [[Nepali]] || [[Datei:Devanagari_velars.png|100px]] |- |[[Bengalische Schrift]] || [[Bengalische Sprache|Bengali]], [[Asamiya]], [[Bishnupriya Manipuri]] || [[Datei:Bengali_velars.png|100px]] |- |[[Gurmukhi-Schrift|Gurmukhi]] || [[Panjabi]] || [[Datei:Gurmukhi_velars.png|100px]] |- |[[Gujarati-Schrift]] || [[Gujarati]] || [[Datei:Gujarati_velars.png|100px]] |- |[[Oriya-Schrift]] || [[Oriya]] || [[Datei:Oriya_velars.png|100px]] |- |[[Singhalesische Schrift]] || [[Singhalesische Sprache|Singhalesisch]] || [[Datei:Sinhala_velars.png|100px]] |} [[Sanskrit]] wurde traditionell in der Schrift der jeweiligen Regionalsprache geschrieben, heute hat sich Devanagari als übliche Schrift für Sanskrit-Texte durchgesetzt. Für manche Sprachen werden parallel mehrere Schriften verwendet: [[Kashmiri]] wird in Pakistan in persisch-arabischer Schrift, in Indien in Devanagari geschrieben. Für Panjabi sind sogar drei Schriften im Einsatz: die persisch-arabische in Pakistan, Gurmukhi unter den [[Sikhismus|Sikhs]] und Devanagari unter den panjabisprachigen [[Hinduismus|Hindus]]. === Persisch-Arabische Schrift === [[Datei:Ghalib poem in Nastaliq.jpg|thumb|Urdu-Gedicht von [[Mirza Ghalib]] im Nastaliq-Duktus]] [[Urdu]], die Sprache der indischen Muslime, wird ebenso wie die übrigen in Pakistan verwendeten indoarischen Sprachen ([[Sindhi]], Panjabi, Kashmiri) in der persisch-arabischen Schrift, einer um einige Sonderzeichen erweiterten Version des [[Arabisches Alphabet|arabischen Alphabets]], geschrieben. Die arabische Schrift eignet sich nicht allzu gut für die Wiedergabe indoarischer Sprachen. Zum einen werden kurze Vokale nicht ausgedrückt und auch bei den langen Vokalen kann etwa nicht zwischen ''ū'', ''ō'' und ''au'' unterschieden werden. In arabischen Lehnwörtern kommen redundante Buchstaben vor, die gleich ausgesprochen werden (z.&nbsp;B. [[Sin (Arabischer Buchstabe)|Sin]], [[Sad (Arabischer Buchstabe)|Sad]] und [[Tha (Arabischer Buchstabe)|Tha]] alle als ''s''). Für andere Laute, die in den indoarischen Sprachen vorkommen, existieren in der arabischen Schrift aber keine Zeichen, so dass diese mithilfe von diakritischen Zeichen neu geschaffen werden mussten (z.&nbsp;B. {{ar|[[ٹ]]}} ''ṭ'', {{ar|[[ڈ]]}} ''ḍ'' und {{ar|[[ڑ]]}} ''ṛ'' für die [[retroflex]]en Laute im Urdu). Bei der Bildung dieser Sonderzeichen weisen die Alphabete von Urdu und Sindhi Unterschiede auf (so sind die Retroflexe in Sindhi {{ar|[[ٽ]]}} ''ṭ'', {{ar|[[ڊ]]}} ''ḍ'' und {{ar|[[ڙ]]}} ''ṛ''), während sich Panjabi und Kashmiri an der Urdu-Orthografie orientieren. Auch verwendet Sindhi für die aspirierten Konsonanten eigene Sonderzeichen, während sie im Urdu durch die Kombination des nichtaspirierten Konsonanten und ''h'' ausgedrückt werden (z.&nbsp;B. Sindhi {{ar|[[ٿ]]}} und Urdu {{ar|ته}} für ''th''). Weiterhin unterscheidet sich Urdu durch die Verwendung des geschwungenen [[Nastaliq]]-Duktus von Sindhi, das man vorzugsweise im simpleren [[Nasch|Naskhi]] schreibt. === Lateinische Schrift === Die einzigen indoarischen Sprachen, die regulär in [[Lateinisches Alphabet|lateinischer Schrift]] geschrieben werden, sind [[Konkani]] und [[Romani]]. Für Konkani, die Sprache [[Goa]]s, wurde im 16. Jahrhundert eine Orthografie auf Grundlage des [[Portugiesische Sprache|Portugiesischen]] geschaffen. Daneben wird Konkani auch in Devanagari-Schrift geschrieben. Für [[Kalasha (Sprache)|Kalasha]], die bislang illiterate Sprache der [[Kalasha (Chitral)|Kalasha von Chitral]], wird seit neuestem im Schulunterricht das lateinische Alphabet verwendet. Im wissenschaftlichen Kontext ist die lateinische [[Transliteration]] gebräuchlich. Der übliche Standard ist das ''International Alphabet of Sanskrit Transliteration'' ([[IAST]]). In der Darstellung der Konsonanten orientiert sie sich am Lautwert der Buchstaben im [[Englische Sprache|Englischen]], deshalb wird z.&nbsp;B. ''y'' für [j] geschrieben. Aspirierte Konsonanten werden durch die [[Digraph (Linguistik)|Digraphen]] ''kh'', ''th'' etc. ausgedrückt. Andere Laute, für die es keinen entsprechenden lateinischen Buchstaben gibt, drückt die IAST-Transliteration durch diakritische Zeichen aus, etwa das [[Makron]] zur Kennzeichnung von Langvokalen oder untergesetzte Punkte für retroflexe Laute. == Einzelnachweise == <references/> == Literatur == === Allgemein === * Hermann Berger: ''Die Vielfalt der indischen Sprachen.'' In: [[Dietmar Rothermund]] (Hrsg.): ''Indien. Kultur, Geschichte, Politik, Wirtschaft, Umwelt. Ein Handbuch''. C. H. Beck, München 1995, S. 101-110. * Jules Bloch: ''Indo-Aryan. From the Vedas to modern times.'' Übers. Alfred Master. Libraire d’Amérique et d’Orient Arien Maisonneuve, Paris 1965. * George Cardona: ''Indo-Aryan Languages.'' In: Bernard Comrie (Hrsg.): ''The Major Languages of South Asia, the Middle East and Africa.'' Routledge, London 1990. * George Cardona, Dhanesh Jain (Hrsg.): ''The Indo-Aryan Languages.'' Routledge, London 2003. * Colin P. Masica: ''The Indo-Aryan Languages.'' Cambridge University Press, Cambridge 1991. * Georgij A. Zograph: ''Die Sprachen Südasiens.'' Übers. Erika Klemm. VEB Verlag Enzyklopädie, Leipzig 1982. * Ralph Lilley Turner: [http://dsal.uchicago.edu/dictionaries/soas/ ''A comparative dictionary of Indo-Aryan languages''] Oxford University Press, London 1962-1966. === Zur Klassifikation === ''Allgemein'' * Merritt Ruhlen: ''A Guide to the World's Languages.'' Edward Arnold, London - Melbourne - Auckland 1991. * David Dalby: ''The Linguasphere Register.'' Linguasphere Press, Hebron (Wales, UK) 2000. ''Indoarisch - in historischer Folge'' * R. Hoernle: ''A Comparative Grammar of the Gaudian Language.'' London 1880. * [[George Abraham Grierson]]: ''Linguistic Survey of India (LSI).'' Vol. I-XI. Kalkutta 1903-28. Reprint Delhi 1968. * [[George Abraham Grierson]]: ''On the Modern Indo-Aryan Vernaculars.'' Delhi 1931-33. * Suniti Kumar Chatterji: ''The Origin and Development of Bengali Language.'' Kalkutta 1926. * R.L.Turner: ''Some Problems of Sound Change of Indo-Aryan.'' Poona 1960. * S.M. Katre: '' Some Problems of Historical Linguistics in Indo-Aryan.'' Poona 1965. * R.C. Nigam: ''Language Handbook on Mother Tongue in Census.'' New Delhi 1972. * George Cardona: ''The Indo-Aryan Languages.'' In: Encyclopedia Britannica, 15. Auflage 1974. * Yaron Matras: ''Romani. A Linguistic Introduction.'' Cambridge University Press 2002. == Weblinks == * [http://www.ethnologue.com/show_family.asp?subid=4-16 Indoarische Sprachen im Ethnologue] {{Exzellent}} [[Kategorie:Indoarische Sprachen| ]] [[Kategorie:Sprachfamilie]] {{Link FA|no}} {{Link FA|sv}} [[ar:لغات هندية آرية]] [[az:Hind qrupu]] [[bg:Индоарийски езици]] [[bn:ইন্দো-আর্য ভাষাসমূহ]] [[bpy:ইন্দো-আর্য ঠাররজিনা]] [[bs:Indoarijanski jezici]] [[ca:Llengües indoàries]] [[cs:Indoárijské jazyky]] [[cy:Ieithoedd Indo-Ariaidd]] [[da:Indoariske sprog]] [[en:Indo-Aryan languages]] [[eo:Hindarja lingvaro]] [[es:Lenguas indo-arias]] [[fa:زبان‌های هندوآریایی]] [[fi:Indoarjalaiset kielet]] [[fr:Langues indo-aryennes]] [[gl:Linguas indoarias]] [[hi:हिन्द-आर्य भाषाएँ]] [[hsb:Indoarijske rěče]] [[is:Indóarísk tungumál]] [[it:Lingue indoarie]] [[ja:インド語派]] [[ko:인도아리아어군]] [[ku:Zimanên hind û arî]] [[la:Linguae Indicae]] [[lt:Indų kalbos]] [[nap:Léng Indo-Arjan]] [[nl:Indo-Arische talen]] [[nn:Indoariske språk]] [[no:Indoariske språk]] [[pl:Języki indoaryjskie]] [[pms:Lenghe indoarian-e]] [[pt:Línguas indo-arianas]] [[qu:Indu rimaykuna]] [[ru:Индоарийские языки]] [[simple:Indo-Aryan languages]] [[sk:Indoárijské jazyky]] [[sv:Indoariska språk]] [[ta:இந்திய-ஆரிய மொழிகள்]] [[th:ภาษากลุ่มอินโด-อารยัน]] [[uk:Індоарійські мови]] [[zh:印度-雅利安语支]] 6te7grwk1gp1j3ebmg68unrwhmtdgui wikitext text/x-wiki Wasserfalle 0 23545 26141 2010-01-12T23:22:53Z CactusBot 0 Bot: Systematik entsprechend [[Wikipedia:WikiProjekt Pflanzensystematik/Systematik|zentraler Definitionsseite]] {{Taxobox | Taxon_Name = Wasserfalle | Taxon_WissName = Aldrovanda vesiculosa | Taxon_Rang = Art | Taxon_Autor = [[Carl von Linné|L.]] | Taxon2_Name = Wasserfalle | Taxon2_WissName = Aldrovanda | Taxon2_Rang = Gattung | Taxon2_Autor = [[Carl von Linné|L.]] | Taxon3_Name = Sonnentaugewächse | Taxon3_WissName = Droseraceae | Taxon3_Rang = Familie | Taxon4_Name = Nelkenartige | Taxon4_WissName = Caryophyllales | Taxon4_Rang = Ordnung | Taxon5_Name = Kerneudikotyledonen | Taxon5_Rang = ohne | Taxon6_Name = Eudikotyledonen | Taxon6_Rang = ohne | Bild = AldrovandaVesiculosaHabit.jpg | Bildbeschreibung = ''Aldrovanda vesiculosa'' Habitus }} Die '''Wasserfalle''' (''Aldrovanda vesiculosa''), auch '''Wasserhade''' oder '''Blasige Aldrovandie''', ist eine [[fleischfressende Pflanze]] in der [[Familie (Biologie)|Familie]] der [[Sonnentaugewächse]] (Droseraceae). Die Wasserfalle ist eine Wasserpflanze. Die [[Gattung (Biologie)|Gattung]] ''Aldrovanda'' ist [[monotypisch]], das heißt, sie hat nur eine [[Art (Biologie)|Art]]. Es gibt jedoch ausgestorbene Arten derselben Gattung. Innerhalb der Art gibt es signifikante geografische Unterschiede (so kennt z.&nbsp;B. die australische Form weder eine Winterruhe durch [[Turio]]nen, noch ist sie frosthart). == Merkmale == Die Wasserfalle ist eine ausdauernde, krautige Süßwasserpflanze. Sie ist wurzellos, nur der Keimling besitzt eine rudimentäre [[Wurzel (Pflanze)|Wurzel]], die aber früh abstirbt. === Habitus === Die Pflanze wird etwa 10 bis 30 cm lang. Entlang der [[Sprossachse]] stehen in kurzen Abständen in [[wirtel]]förmiger Anordnung fünf bis neun 2 bis 3 mm lange Fangblätter an einem Blattstiel, den allerdings [[Ludwig Diels|Diels]] als einen „verlängerten [[Blattgrund]]“ charakterisiert. Der Blattgrund enthält mehrere luftgefüllte Hohlräume, die für den größten Teil des Auftriebs der Pflanze sorgen. Die Pflanze wächst an der einen Seite und stirbt am anderen Ende ab; unter guten Bedingungen werden so ein bis zwei Wirtel pro Tag gebildet. === Falle === Mit ihren Fangblättern, einer Klappfalle ähnlich einer kleineren Ausgabe der [[Venusfliegenfalle]], fängt die Wasserfalle kleine [[Tiere]], vorzugsweise [[Wasserflöhe]], aber auch beispielsweise junge [[Mücken]]larven. Am Rand der Fallen stehen vier bis sechs auffällig steife Borsten; auch im Inneren ist die Falle fein behaart mit sensiblen Härchen. Dabei handelt es sich um Fühlhärchen, die das Schließen der beiden Hälften der [[Blattspreite]] in maximal 1/50 Sekunde veranlassen, wobei der Fang nur bei warmen Wassertemperaturen möglich ist (ab etwa 20&nbsp;°C). Hat die Falle erst einmal eine Beute gefangen, so wird diese mit Hilfe von Verdauungssäften zersetzt. [[Datei:AldrovandaVesiculosaSeedsGermination.jpg|thumb|350px|right|Keimende Samen der Wasserfalle]] === Blüte === Die kleine, weiße [[Blüte]] der Wasserfalle erhebt sich an kurzen Stielen über die Wasseroberfläche; sie bleibt nur wenige Stunden geöffnet. Die nachfolgende Bildung der Samenkapsel hingegen erfolgt wieder unter Wasser. Die Samen [[Keimung|keimen kryptokotylar]], das heißt, die Keimblätter verbleiben innerhalb des Samenkorns und nehmen dessen Reserven, das so genannte [[Endosperm]], auf. Allerdings blüht die Wasserfalle – zumindest in temperierten Bedingungen – eher selten. === Sprossteilung === Die Wasserfalle vermehrt sich meist [[Vegetative Vermehrung|vegetativ]]. Dazu verzweigt sich die Pflanze während ihrer Wachstumsphase stark. Durch das nachfolgende Absterben des Hauptsprosses entstehen voneinander unabhängige Individuen. Da die Pflanze starkwüchsig ist, können so schnell zahlreiche Individuen entstehen. === Turionen === Eine zweite Methode vegetativer Vermehrung, die allerdings nur bei winterharten Formen vorkommt, ist die durch so genannte [[Turio]]nen im Rahmen der Überwinterungsstrategie der Pflanze. Dabei lösen sich zum Ende der Wachstumsperiode Blattwirtel von der Sprossspitze und sinken wegen des hohen Gewichts und des Ausstoßes von Gasen auf den Grund des Wassers. Die Turionen sind frosthart bis zu –15&nbsp;°C. Mit dem Neubeginn des Wachstums im Frühjahr steigen die Turionen wieder auf und beginnen erneut mit dem Wachstum. == Verbreitung und Habitat == Die Wasserfalle ist die am weitesten verbreitete [[Fleischfressende Pflanzen|Karnivorenart]] überhaupt, denn sie ist in [[Europa]], [[Asien]], [[Afrika]] und [[Australien]] beheimatet. In all ihren Arealen ist sie jedoch selten. Die Art breitet sich über [[Epichorie]] aus: sie haftet am Gefieder von Wasservögeln, die sie so in andere Gewässer verschleppen. Dadurch findet sich die Wasserfalle gehäuft entlang von [[Vogelzug]]routen. Die Wasserfalle bedarf äußerst sauberer, seichter, heller und warmer stehender Gewässer, die zugleich nährstoffarm und schwach sauer ([[pH-Wert]] um 6) sind. Sie ist zwischen [[Binsen]] oder [[Schilfrohr|Schilf]], aber auch [[Reis]] frei schwimmend zu finden. Mit zunehmender Verdichtung des Bewuchses ihres Areals geht die Wasserfalle dann wieder zurück und taucht an anderen Stellen wieder auf. Sie reagiert empfindlich auf den Befall durch [[Algen]]. == Gefährdung und Status == In europäischen Ländern ist die Wasserfalle selten, vom Aussterben bedroht oder bereits ausgestorben. Sie wird hier häufig als [[Tertiär (Geologie)|tertiäres]] Relikt betrachtet. Vor 200 Jahren ließen sich noch 150 Standorte nachweisen; gegenwärtig sind nur noch knapp unter vierzig bekannt, meist in Ost- und Südosteuropa gelegen (z.&nbsp;B. 10 in [[Polen]], 1 in [[Ungarn]], 1 in [[Rumänien]], sowie wenige im ehemaligen [[Jugoslawien]], in [[Bulgarien]], der [[Ukraine]] und [[Russland]]). In den letzten 30 Jahren starb die Art in Europa in [[Frankreich]], [[Italien]], der [[Slowakei]], [[Österreich]] ([[Bodensee]]) und [[Deutschland]] aus. Der zu beobachtende Rückgang der Wasserfalle ist im Allgemeinen auf zivilisationsbedingte [[Eutrophierung]] (Erhöhung der Nährstoffzufuhr) ihrer Gewässer zurückzuführen. In Deutschland ist sie erneut in [[Brandenburg]] und [[Worms]] nachgewiesen; die dortigen Bestände gelten jedoch als [[Ansalbung|angesalbt]], offiziell ist sie seit 1986 ausgestorben. Einige Bestände existieren auch in der [[Schweiz]], wo sie eigentlich nicht heimisch ist; diese Standorte gehen auf Ansalbungen aus dem Jahre 1908 zurück. Sie sind aber trotzdem streng geschützt, unter anderem, weil sie auf die in Deutschland selbst erloschenen Bestände aus dem Bodensee zurückgeführt werden. Auch in [[Asien]] ist die Art im Rückgang begriffen; um die Jahrtausendwende ist die Art als Wildform in [[Japan]] ausgestorben, nachgewiesen ist sie noch in [[Bengalen]]. In [[Australien]] sind die Vorkommen der Wasserfalle noch ungestört. Sie kommt dort sowohl in tropischen Formen (z.&nbsp;B. um [[Darwin (Northern Territory)|Darwin]] oder in [[Queensland]]) wie auch subtropisch (z.&nbsp;B. um [[Esperance]]) vor. Über detaillierte Standorte der Pflanze in Afrika ist wenig bekannt. Berichtete Vorkommen ziehen sich von Nordostafrika bis nach Zentral- ([[Sudan]], [[Uganda]], [[Ruanda]], [[Tansania]], [[Simbabwe]], [[Mosambik]]) und Südafrika (z.&nbsp;B. das [[Okavango]]-Delta in [[Botswana]]). Aufgrund der vergleichsweise ungestörten afrikanischen Flora und der geringen Agrarisierung des Kontinents ist eine Gefährdung der Art dort als unwahrscheinlich anzusehen. In Australien und allen europäischen Ländern, in denen sie noch existiert, ist die Art streng geschützt. == Paläobotanik == Anhand von fossilen Samen- und Pollenfunden lässt sich die [[Evolution]] der Gattung weit zurückverfolgen. Mitte der 1980er Jahre wurden im heutigen [[Tschechien]] Samenfragmente einer Art aus dem Ende der [[Kreidezeit]] gefunden, die den ältesten bekannten Vorgänger der Gattung darstellen und zugleich die zweitältesten Fossilfunde einer karnivoren Art überhaupt sind. Die ''[[Palaeoaldrovanda splendens]]'' getaufte Pflanze war eine Zeitgenossin der [[Dinosaurier]] und lebte unter tropischen Bedingungen. Das durch die Klimakatastrophe vor 65 Millionen Jahren ausgelöste Massensterben beeinträchtigte das weitere Gedeihen der Gattung nicht. Fast zwanzig weitere Arten sind aus dem [[Tertiär (Geologie)|Tertiär]] bekannt, die sich bereits im [[Eozän]] in die Sektionen Aldrovanda, Obliquae und Clavatae trennten. Ob nun Warm- oder Kaltzeiten folgten, die Gattung blieb stets mit mehreren Arten präsent. Selbst im [[Pleistozän]], dem unserer Gegenwart vorausgehenden Erdzeitalter, lassen sich noch sechs Arten nachweisen, von denen jedoch nur ''A. vesiculosa'' bis in die Gegenwart überlebte. Da auf Grund der geringen Masse der Pflanzen alle Fossilien stets nur Samen oder Pollen sind, lässt sich kaum eine Aussage über die Gestalt der eigentlichen Pflanzen treffen. Umso bedeutender war der bisher einzigartige Fund eines fossilen Blattes einer ca. 6 Millionen Jahre alten ''[[Aldrovanda inopinata]]'' aus dem [[Miozän]] [[1963]] in [[Wackersdorf]]. Das Blatt ist denen der heutigen Art sehr ähnlich; ein wichtiger Unterschied liegt jedoch im Fehlen der sensiblen Härchen im Zentrum der Blattspreite. == Botanische Geschichte == Entdeckt wurde die Wasserfalle 1699 von [[Leonard Plukenet]] in [[Indien]], der sie ''Lenticula palustris Indica'' nannte. Ihren heutigen wissenschaftlichen Namen erhielt sie 1747 durch [[Giuseppe Monti]], der italienische Exemplare beschrieb und zu Ehren des italienischen Gelehrten [[Ulisse Aldrovandi]] ''Aldrovand'''i'''a vesiculosa'' nannte. Bei der Übernahme des Namens durch [[Carl von Linné]] im Jahre 1753 ging allerdings das erste „i“ des Namens verloren. Ihr erster Nachweis in Deutschland erfolgte 1846 in einem Teich im heutigen [[Pszczyna]] in [[Oberschlesien]] durch [[Emanuel Friedrich Hausleutner]]. == Systematik == [[Charles Darwin]] führte noch eine Unterscheidung der tropischen und subtropischen Formen der Wasserfalle von der temperierten Form unter den Bezeichnungen ''Aldrovanda vesiculosa'' var. ''australis'' bzw. ''Aldrovanda vesiculosa'' var. ''verticillata'' an. Von dieser Systematik ist man abgekommen; heutzutage werden trotz unterschiedlicher Wuchsformen alle Wasserfallen als ein Taxon geführt. Die nächstverwandte Art der Wasserfalle ist die morphologisch ähnliche [[Venusfliegenfalle]]. == Verwendung == Wie alle fleischfressenden Pflanzen ist auch die Wasserfalle Gegenstand des Interesses von Sammlern. In den 1990er Jahren wurde die Art verstärkt in Sammlungen aufgenommen, nachdem australische Typen importiert wurden, deren tropische bzw. subtropische Wuchsform ein Durchkultivieren unter gleichmäßigen Bedingungen ohne Winterruhe ermöglichte. Ihre dauerhafte Kultur gilt jedoch, auch wegen der aquatischen Haltung und ihrer speziellen Ansprüche, weiterhin als schwierig. Eine stilisierte Wasserfalle ist das Symbol der deutschen [[Gesellschaft für Fleischfressende Pflanzen]]. == Literatur == * Charles Darwin: ''Insectenfressende Pflanzen.'' Ch. Darwin's gesammelte Werke. Bd 8. E. Schweizerbart'sche Verlagshandlung (E. Koch), Stuttgart 1876. * Ludwig Diels: ''Droseraceae.'' Das Pflanzenreich. Bd 26 (=4,112). Hrsg. v. Adolf Engler. Engelmann, Leipzig 1906, 1959, 1968 (Nachdr.). (Einzige Monographie der Familie, teils veraltet) * Georg Stehli: ''Pflanzen auf Insektenfang.'' Stuttgart 1934. * Wilhelm Barthlott, Stefan Porembski, Rüdiger Seine, Inge Theisen: ''Karnivoren.'' Stuttgart 2004. ISBN 3-8001-4144-2 (Die neueste Darstellung des Themas Karnivoren in deutscher Sprache) * ''[http://www.ville-ge.ch/cjb/rsf/deu/fiches/pdf/aldr_vesi_d.pdf Aldrovanda vesiculosa L. – Aldrovande – Droseraceae.]'' in: ''Merkblätter Artenschutz.'' Blütenpflanzen und Farne (Stand Oktober 1999). Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft (BUWAL), Bern 1999 (pdf, zu den Schweizer Vorkommen). * Christian Breckpot: ''[http://www.carnivorousplants.org/cpn/samples/NatHist263Aldro.htm Aldrovanda vesiculosa. Description, Distribution, Ecology and Cultivation.]'' in: ''Carnivorous plant newsletter.'' Arboretum, Fullerton Ca 26.1997,3(Sept), 73–82. {{ISSN|0190-9215}} * L. Adamec: ''[http://www.carnivorousplants.org/cpn/samples/Science281Turion.htm Turion overwintering of aquatic carnivorous plants..]'' in: ''Carnivorous plant newsletter.'' Arboretum, Fullerton Ca 28.1999,1, 19–24 * J.-D. Degreef: ''[http://bestcarnivorousplants.com/aldrovanda/papers_online/Fossil.htm Fossil Aldrovanda.]'' in: ''Carnivorous plant newsletter.'' Arboretum, Fullerton Ca 26.1997,3, 93–97. {{ISSN|0190-9215}} * J. Schlauer: ''[http://bestcarnivorousplants.com/aldrovanda/papers_online/Fossil_Additions.htm Fossil Aldrovanda – Additions.]'' in: ''Carnivorous plant newsletter.'' Arboretum, Fullerton Ca 26.1997,3, 98. {{ISSN|0190-9215}} * Fernando Rivadavia, Katsuhiko Kondo, Masahiro Kato, Mitsuyasu Hasebe: ''[http://www.amjbot.org/cgi/content/full/90/1/123 Phylogeny of the sundews, "Drosera" (Droseraceae), based on chloroplast rbcL and nuclear 18S ribosomal DNA Sequences.]'' in: ''American Journal of Botany.'' Columbus Oh 90.2003, 123–130. {{ISSN|0002-9122}} == Weblinks == {{Commons|Aldrovanda vesiculosa|{{PAGENAME}}}} * [http://www.carnivoren.org/gfp/karnivoren/gattungen/aldrovanda.htm Seite der ''Gesellschaft für Fleischfressende Pflanzen'' zur Wasserfalle] * [http://bestcarnivorousplants.com/aldrovanda/ Das ''Aldrovanda Project'' – Englischsprachige Forschungsseite mit zahlreichen weiterführenden Hinweisen] [[Kategorie:Fleischfressende Pflanze]] [[Kategorie:Sonnentaugewächse]] {{Exzellent}} [[cs:Aldrovandka]] [[en:Aldrovanda]] [[es:Aldrovanda]] [[fr:Aldrovanda]] [[hsb:Rybork]] [[hu:Aldrovanda]] [[it:Aldrovanda]] [[ka:ალდროვანდა]] [[lt:Aldrūnė]] [[pl:Aldrowanda]] [[pt:Aldrovanda]] [[ru:Альдрованда]] [[sv:Vattenfälla]] [[zh:貉藻屬]] oijwgvhslmltfda8wnihafhhil8k61f wikitext text/x-wiki Sonnentau 0 23546 26142 2010-04-29T05:08:54Z Denis Barthel 0 Änderung 73734960 von [[Special:Contributions/Spes Rei|Spes Rei]] wurde rückgängig gemacht: bereits in Sektion Oosperma <!-- Für Informationen zum Umgang mit dieser Tabelle siehe bitte [[Wikipedia:Taxoboxen]]. --> {{Taxobox | Taxon_Name = Sonnentau | Taxon_WissName = Drosera | Taxon_Rang = Gattung | Taxon_Autor = [[Carl von Linné|L.]] | Taxon2_Name = Sonnentaugewächse | Taxon2_WissName = Droseraceae | Taxon2_Rang = Familie | Taxon3_Name = Nelkenartige | Taxon3_WissName = Caryophyllales | Taxon3_Rang = Ordnung | Taxon4_Name = Kerneudikotyledonen | Taxon4_Rang = ohne | Taxon5_Name = Eudikotyledonen | Taxon5_Rang = ohne | Taxon6_Name = Bedecktsamer | Taxon6_WissName = Magnoliopsida | Taxon6_Rang = Klasse | Bild = Drosera derbyensis ne1.JPG | Bildbeschreibung = ''Drosera derbyensis'' }} Die Gattung '''Sonnentau''' (''Drosera'') zählt zur [[Familie (Biologie)|Familie]] der [[Sonnentaugewächse]] (Droseraceae) und bildet mit ihren annähernd 200 [[Art (Biologie)|Arten]] die zweitgrößte [[Gattung (Biologie)|Gattung]] [[Fleischfressende Pflanzen|fleischfressender Pflanzen]]. Charakteristisch sind die mit Klebedrüsen besetzten Blätter der Pflanzen, die ihr den Fang von Beute und so das Gedeihen auch in nährstoffarmen Gebieten ermöglichen. Die Gattung ist annähernd weltweit verbreitet, Hauptverbreitungsgebiete sind Australien, Südamerika und Südafrika. Zahlreiche der Arten sind durch den Menschen gefährdet. Einige wenige Arten allerdings werden als Zierpflanzen geschätzt. == Merkmale == Sonnentauarten sind selten ein-, meist aber mehrjährige [[krautige Pflanze]]n, rosettenbildend, aufrecht oder kletternd mit einer Wuchshöhe von einem bis einhundert Zentimetern, je nach Art; kletternde Sonnentau-Arten können jedoch eine wesentlich größere Länge erreichen, über 3 Meter sind berichtet worden (''[[Drosera erythrogyne]]'').<ref>{{Literatur | Autor = Phil Mann | Titel = The world’s largest Drosera | Sammelwerk = Carnivorous Plant Newsletter | Band = 30 | Nummer = 3 | Online = [http://www.cephalotus.net/article.aspx?cid=12&y=2001&m=10&d=22 HTML] | Jahr = 2001 | Monat = Oktober | Tag = 22 | Seiten = 79 }}</ref> Sie können nachweislich ein Alter von über 50 Jahren erreichen.<ref>{{BibISBN|3800141442|Seite 102}}</ref> Die Gattung ist so sehr auf die Aufnahme von Stickstoffen durch Insektenfänge spezialisiert, dass ihr, zumindest bei den Zwergsonnentauarten, das [[Enzym]] [[Nitratreduktase]] vollständig fehlt, das Pflanzen normalerweise zur Aufnahme von bodengebundenem [[Nitrat]] benötigen.<ref>{{Literatur | Autor = J.S. Pate und P.S. Karlsson | Titel = Contrasting effects of supplementary feeding of insects or mineral nutrients on the growth and nitrogen and phosphorus economy of pygmy species of Drosera | Jahr = 1992 | Sammelwerk = [[Oecologia]] | Band = 92 | Seiten = 8–13 }}</ref> [[Vegetative Vermehrung]] findet durch oberirdische Ausläufer, [[Stolonen]], oder&nbsp;– je nach Wuchsform&nbsp;– durch [[Pflanzenknolle|Knollenbildung]] oder [[Brutschuppe]]n statt. [[Datei:DroseraZonariaTuber2.JPG|thumb|right|Austreibende Knolle ''Drosera zonaria'']] === Wuchsformen === [[Datei:Drosera scorpioides gemmae Darwiniana.jpg|thumb|right|Brutschuppen an ''Drosera scorpioides'']] Die Gattung lässt sich in verschiedene Wuchsformen einteilen: *''Temperierte Formen:'' Hierzu zählen alle in Europa vorkommenden Arten. Die Pflanzen ziehen zur Überwinterung in eine Überwinterungsknospe, einen sogenannten [[Hibernakel]] ein, aus dem sie im Frühjahr wieder austreiben (= [[Hemikryptophyt]]). Interessanterweise existieren von einigen solchen Arten auch Formen unter subtropischen bis tropischen Bedingungen, die keine Winterruhe einlegen und dementsprechend auch keine Hibernakel ausbilden ([[Langblättriger Sonnentau]], [[Mittlerer Sonnentau]]). *''Subtropische Formen:'' Die Pflanzen haben unter klimatisch annähernd gleich bleibenden Bedingungen eine ganzjährige Vegetationsperiode. *''Zwergdrosera'': Eine Gruppe von rund 40 australischen Arten, die sich durch Zwergwuchs, die Bildung von Brutschuppen und die Ausbildung einer dichten Behaarung im Herzen der Rosette auszeichnen. Diese dient der Pflanze dazu, sich vor der intensiven Sonne im australischen Sommer zu schützen. Sie entspricht der [[Sonnentaue#Sektion Bryastrum|Sektion Bryastrum]]. *''Knollendrosera'': Über vierzig australische Arten ziehen zur Überdauerung eines extrem trockenen Sommers in eine unterirdische Knolle ein, aus der sie im Herbst wieder austreiben. Diese sogenannten Knollendrosera werden weiter unterteilt in aufrechtwachsende, kletternde und rosettenförmige Arten. Die Gruppe entspricht weitgehend der [[Sonnentaue#Untergattung Ergaleium|Untergattung Ergaleium]]. *''Petiolaris-Komplex'': Eine tropische Gruppe australischer Arten, die unter gleich bleibend hohen Temperaturen, aber in wechselfeuchten Bedingungen lebt. Einige der 14 Arten der Gruppe haben dazu spezielle Strategien herausgebildet, zum Beispiel eine dichte Behaarung, die gleichermaßen vor Austrocknung schützt wie zum Auffangen von Kondenswasser aus der Luft dient; dies ist etwa beim Morgentau der Fall. Sie entspricht weitgehend der [[Sonnentaue#Sektion Lasiocephala|Sektion Lasiocephala]]. Obwohl nicht durch eine Wuchsform im strengen Sinne definiert, wird häufig noch eine weitere Gruppierung angeführt: *''Queenslanddrosera'': Eine kleine Gruppe dreier Arten (''[[Drosera schizandra]]'', ''[[Drosera prolifera]]'' und ''[[Drosera adelae]]''), die bei extrem hoher Luftfeuchtigkeit und geringer Lichtintensität in Regenwäldern des nordostaustralischen Bundesstaates [[Queensland]] gedeihen. [[Datei:DroseraLasiantha.JPG|thumb|right|Stützwurzeln bei ''Drosera lasiantha'']] === Wurzeln === Das Wurzelsystem der meisten ''Drosera''-Arten ist nur schwach ausgeprägt. Es dient hauptsächlich der Verankerung der Pflanze im Untergrund und zur Wasseraufnahme; für die Nährstoffversorgung sind die Wurzeln nahezu bedeutungslos. Einige südafrikanische Arten speichern in ihrer Wurzel Wasser und auch Nährstoffe. Bei manchen australischen Arten sind zu diesem Zwecke Knollen als Speicherorgane angelegt; sie dienen zur Überdauerung der Pflanze in extremer Trockenheit. Die Pfahlwurzeln von Zwergsonnentauarten sind oft extrem verlängert im Verhältnis zu ihrer Größe, eine ein Zentimeter große Pflanze kann eine Pfahlwurzel von bis zu 15 Zentimetern Länge ausbilden. Stämmchenbildende Zwergsonnentauarten bilden häufig im Alter Stützwurzeln aus, die von der Krone herab zum Boden wachsen. === Blätter === [[Datei:DroseraPeltataLamina.jpg|thumb|right|Sonnentaublatt mit Tentakeln (''[[Drosera peltata]]'')]] Innerhalb der Gattung haben sich zahlreiche, teils sehr verschiedene Blattformen entwickelt, mit oder ohne Stiel. Die ungewöhnlichste Form hat dabei sicher die ein- bis mehrfach gegabelte ''[[Drosera binata]]''. Je nach Art ist das gesamte Fangblatt unterschiedlich stark beweglich und unterstützt so den Fangvorgang, so kann der [[Kap-Sonnentau]] (''Drosera capensis'') sein Blatt um 180° biegen und seine Beute dadurch nahezu völlig einschließen. ''Siehe auch: [[Emergenzen bei Drosera]]'' ==== Drüsententakel ==== Unabhängig von ihrer Form zeichnen sich alle Sonnentauarten durch ihre mit klebrigen [[Sekret]]en besetzten Tentakel auf den [[Blatt (Pflanze)|Blättern]] aus, die bei allen Arten der Gattung bewegt werden können. Diese sind gestielte Drüsen, die ein klebriges, zuckerhaltiges Sekret absondern, dessen Schimmern Insekten anzieht, die dann am Sekret kleben bleiben. Die Tentakeln in der unmittelbaren Umgebung um die Beute neigen sich daraufhin ebenfalls in Richtung des Fangs und verstärken so die Haftung und spätere Verdauung. Die gefangenen Tiere finden entweder durch Erschöpfung den Tod oder ersticken am zähen Sekret, das in ihre [[Trachee (Wirbellose)|Tracheen]] einsickert und diese verstopft. Die Tentakel sondern derweil [[Enzym]]e wie [[Esterase]], [[Peroxidase]], [[Phosphatase]] und [[Protease]] ab,<ref>{{BibISBN|3800141442|Seite 41}}</ref> die nun die Beute langsam zersetzen und die darin enthaltenen Nährstoffe lösen. Die so gelösten Nährstoffe werden dann von den auf der Blattoberfläche sitzenden Drüsen aufgenommen und für den Wachstumsprozess verwendet. Letztere können bei einigen Arten aber auch fehlen, so zum Beispiel bei ''[[Drosera erythrorhiza]]''. ==== Schnelltentakel ==== Seit einiger Zeit finden sich zunehmend Belege für Schnelltentakel, welche Beute im Extremfall innerhalb von Zehntelsekunden auf die Blattoberfläche drücken können (z.B. ''[[Drosera glanduligera]]'') <ref>{{Literatur | Autor = I. Hartmeyer und S. Hartmeyer | Jahr = 2005 | Titel = Drosera glanduligera: Der Sonnentau mit „Schnapp-Tentakeln“ | Sammelwerk = Das Taublatt (GFP) | Nummer = 2 | Seiten = 34–38 }}</ref> und so bereits die Geschwindigkeit der [[Venusfliegenfalle]] erreichen. Weitere Untersuchungen konnten solche Tentakeln bei zahlreichen Arten von verschiedensten Standorten weltweit nachweisen.<ref>I. Hartmeyer, S. Hartmeyer: ''Verborgene Vielfalt. Die Schnelltentakel der Gattung Drosera''; in: Das Taublatt, 2006/1, S. 38–50</ref> Diese Tentakeln finden sich am äußersten Punkt der Blattspreiten, sind deutlich verlängert, am Ende verbreitert und sondern weder Klebetropfen noch Enzyme ab. Über einen Gelenkmechanismus erreichen sie im Vergleich zu den beweglichen Fangtentakeln erheblich höhere Geschwindigkeiten und können so Beutetiere auf die Blattspreite befördern oder sie dort arretieren. ==== Nichtdrüsige Emergenzen ==== [[Datei:DroseraIndicaEmergences.JPG|thumb|right|[[Emergenz (Botanik)|Emergenzen]] an australischer ''Drosera indica'']] Einige Arten (''[[Drosera hartmeyerorum]], [[Drosera indica]]'') haben neben den Fangtentakeln auch modifizierte Tentakeln entwickelt mit teils noch ungeklärter Funktion. Diese scheiden weder Fangsekrete noch Enzyme aus und unterscheiden sich in Größe und Struktur deutlich von Fangtentakeln. Im Falle von ''Drosera hartmeyerorum'' dienen sie möglicherweise der Anlockung durch ihre auffällige Färbung. [[Datei:D_hartmeyrorum_Emergenzen_Basis.jpg|thumb|Emergenzen von ''D. hartmeyerorum'']] Die auf den Fangblättern über die ganze Blattfläche verteilten Emergenzen von ''Drosera indica'' sind zwischen 0,1 und 1,0 mm klein, pilzförmig und besitzen bei australischen Varietäten einen halbkugelförmigen gelben Kopf, während afrikanische Varietäten einen [[Transluzenz|transluziden]], gewellt tellerförmigen Kopf aufweisen. Diese sind so klein, dass sie mit bloßem Auge kaum wahrnehmbar sind, eine optische Attraktivität für Insekten gilt daher als eher unwahrscheinlich. Bei ''Drosera hartmeyerorum'' befinden sich die gut sichtbaren, 3–4 mm großen, leuchtend gelben Emergenzen konzentriert an der Blattbasis der immer dunkelroten Fangblätter, sowie über den dunkelroten sichelförmigen Brakteen des Blütenstandes, wo sie eine regelrechte Lichterkette bilden. Sie zeigen eine komplexe Struktur: Auf einem transparenten Tentakelstiel sitzt als Kopf eine aus wabenförmigen, transparenten Riesenzellen gebildete, linsenartige Struktur, die einfallendes Licht auf ein kompaktes, leuchtend gelbes Zentrum fokussiert. Fällt nun Licht auf die Emergenzenköpfe, leuchten diese hellgelb auf. Besonders durch die auf den roten Brakteen des Blütenstandes sitzenden „Linsententakel“ entsteht durch Lichteinfall eine regelrechte gelbe Lichterkette. Da Insekten eine andere Farbwahrnehmung haben, ist das Dunkelrot der Pflanze für sie ein fast schwarzer Hintergrund, vor dem die Emergenzen kontrastreich leuchten.<ref>Eine vollständige Dokumentation findet sich auf der DVD ''Drosera: Schnelltentakel und Landescheinwerfer' sowie in ''Das Taublatt'' 3 (2006); S. 4–9)</ref> [[Datei:DroseraLeucoblastaFlora3.jpg|thumb|Blüte ''Drosera leucoblasta'']] === Blüten, Früchte und Samen === Die [[Blüte]]n des Sonnentaus stehen, wie bei fast allen [[Fleischfressende Pflanzen|Karnivoren]] üblich, an sehr langen Blütenständen über der Pflanze, damit mögliche Bestäuberinsekten nicht durch die Blätter gefangen werden. Die meist ungegabelten [[Blütenstände]] sind in der Regel [[Wickel (Blütenstand)|Wickel]], deren [[Blüte]]n sich einzeln öffnen und meist nur kurz blühen. Entscheidend für die Öffnung der Blüte ist vor allem die Intensität der Sonne; die Blütenstände sind außerdem „heliotrop“, wenden sich also zur Sonne hin. Die [[radiär]]en, zwittrigen Blüten sind immer einfach und fünfzählig; nur zwei Arten fallen diesbezüglich aus dem Rahmen, nämlich die vierzählige ''Drosera pygmaea'' und die acht- bis zwölfzählige ''Drosera heterophylla''. Die Blüten der meisten Arten sind ausgesprochen klein (unter 1,5&nbsp;cm), einige wenige (''[[Drosera regia]]'' und ''[[Drosera cistiflora]]'' haben jedoch Blüten mit einer Größe von bis zu vier Zentimetern Durchmesser. In der Regel sind Sonnentaublüten weiß oder rosa. Eine etwas größere Farbvielfalt herrscht bei den australischen und afrikanischen Arten; dort kommen vereinzelt auch orange (''[[Drosera callistos]]''), rote (''[[Drosera cistiflora]]''), gelbe (''[[Drosera zigzagia]]'') oder gar violett-metallicfarbene (''[[Drosera microphylla]]'') vor. Die [[Fruchtknoten]] sind oberständig. Es werden [[Kapselfrüchte]] mit sehr vielen kleinen Samen gebildet. Viele Sonnentauarten sind selbstbefruchtend; häufig werden große Mengen an Samen produziert. Die Samen sind schwarz, staubfein und [[Lichtkeimung|lichtkeimend]], verlieren aber schnell an Keimfähigkeit. Fast alle Arten sind [[Windstreuer]], bei einigen wenigen Arten (''[[Drosera felix]]'', ''[[Drosera kaieteurensis]]'') gibt es eine spezielle Verbreitungsform, bei denen die Samen durch den „Aufschlag“ eines Regentropfens aus der Samenkapsel herausgeschleudert werden (Regentropfen- oder ''Splash-Cup-''verbreitung). Arten [[Gemäßigte Zone|temperierter Zonen]] sind [[Kaltkeimung|Frostkeimer]]. == Verbreitung == [[Datei:Drosera distribution.svg|thumb|Weltweite Verbreitung der Gattung]] Die Areale der Gattung erstrecken sich insgesamt von Kanada im Norden bis Neuseeland im Süden. Die Hauptverbreitungsgebiete sind mit annähernd 50 Prozent aller Arten [[Australien (Kontinent)|Australien]], [[Südamerika]] mit zwanzig bis dreißig Arten sowie das südliche [[Afrika]]. Einige wenige Arten kommen großflächig in Eurasien und Nordamerika vor; diese Areale sind aber eher als Randgebiet der Gattung anzusehen, ebenso wie die äußersten arktischen Vorkommen. Möglicherweise ist die evolutionäre Trennung der Gattung auf das Auseinanderdriften der ehemals als Superkontinent [[Gondwana]] zusammengehörenden Kontinente zurückzuführen, aber auch eine nachfolgende Zerstreuung über weite Entfernung hin wird diskutiert.<ref name=Rivadavia2003>{{Literatur | Autor = Rivadavia u.a. | Titel = Phylogeny of the sundews, ''Drosera'' (Droseraceae), based on chloroplast rbcL and nuclear 18S ribosomal DNA Sequences | Jahr = 2003 | Seiten = 123–130 }}</ref> Dabei wird als Ursprung der Gattung Australien oder Afrika angenommen.<ref name=Rivadavia2003 /> In Europa existieren (neben dem [[Hybride|Naturhybriden]] ''Drosera × obovata'') nur drei Arten: der [[Rundblättriger Sonnentau|Rundblättrige Sonnentau]] (''D. rotundifolia''), der [[Langblättriger Sonnentau|Langblättrige Sonnentau]] (''D. anglica'') und der [[Mittlerer Sonnentau|Mittlere Sonnentau]] (''D. intermedia''). Häufig wird die Gattung als [[Kosmopolit (Biologie)|kosmopolitisch]] bezeichnet, also als weltweit vorkommend. Der Botaniker [[Ludwig Diels]], Autor der bisher einzigen [[Monographie]] über die Familie, bezeichnete dies jedoch als „arge Verkennung ihrer höchst eigentümlichen Verbreitungsverhältnisse“, obwohl die Sonnentau-Arten „einen beträchtlichen Teil der Erdoberfläche besetzt“<ref name=Diels1906>Diels, Ludwig: Droseraceae, in Engler, A. (Hrsg.): Pflanzenr. 4, 112 : 109, 1906</ref> hielten. Insbesondere wies er auf ihr Fehlen in nahezu allen [[Arides Klima|ariden]] Zonen, zahlreichen [[Regenwald]]gebieten, an der amerikanischen Pazifikküste, in Polynesien, dem Mittelmeerraum und Nordafrika hin sowie auf die sehr geringe Artenvielfalt in temperierten Zonen, zum Beispiel Europa und Nordamerika.<ref name=Diels1906 /> == Habitate == [[Datei:Drosera rotundfolia.jpg|thumb|Rundblättriger Sonnentau am natürlichen Standort&nbsp;– Hochmoor, Nordschwarzwald]] Sonnentauarten wachsen in der Regel in saisonal [[Feuchtgebiet|feuchten]], seltener dauernassen Gebieten mit nährstoffarmen, sauren Böden und viel Sonne, z.&nbsp;B. in [[Moor]]en, [[Heide (Landschaft)|Heiden]], [[Sumpf|Sümpfen]], im [[Wallum]], [[Fynbos]], auf [[Inselberg]]en, aber auch in [[Marschland]] und an den Ufern von Fließgewässern. Viele Formen wachsen gemeinsam mit [[Torfmoose]]n, die dem Untergrund Nährstoffe entziehen und ihn zugleich versauern, wodurch sie das Wachstum möglicher Konkurrenten behindern. Allerdings ist die Gattung in ihren Habitatansprüchen sehr variabel; in einzelnen Fällen schaffen Arten es sogar, in sehr untypischen Gebieten wie [[Regenwälder]]n, [[Wüste]]n (z.&nbsp;B. ''Drosera burmannii'' und ''Drosera indica'') oder auch in Biotopen mit starker Beschattung zu siedeln (Queenslanddrosera). Auch die temperierten Arten, die über den Winter [[Hibernakel]] ausbilden, stellen eine solche Form der Anpassung an abweichende Habitate dar, da die Arten der Gattung üblicherweise eher warme Klimata bevorzugen und nur bedingt frosthart sind. == Gefährdung == [[Datei:Mittlerer Sonnentau i d Blüte.JPG|thumb|Mittlerer Sonnentau (Drosera intermedia) in der Blüte]] Alle heimischen ''Drosera''-Arten stehen in Deutschland, Österreich und der Schweiz unter Naturschutz. Auch in anderen europäischen Ländern wie [[Finnland]], [[Ungarn]], [[Frankreich]] oder [[Bulgarien]] sind ''Drosera''-Arten gesetzlich geschützt. In Mitteleuropa stellte über lange Zeit die Nutzung der Lebensräume durch Trockenlegung und Torfabbau die Hauptgefährdung dar. Dadurch sind in zahlreichen Regionen die Bestände dieser empfindlichen Pflanzen inzwischen verschollen bzw. ausgestorben. Die Erfahrungen haben gezeigt, dass einmal verlorene Standorte nicht mehr durch Wiederansiedelung zurückgewonnen werden können, da der ökologische Spielraum hinsichtlich der Standortfaktoren sehr eng begrenzt ist. Durch den verstärkten gesetzlichen Schutz der Moore und Anmoore sowie die Bemühungen um deren Renaturierung, konnte der Rückgang des Sonnentaus zwar gebremst werden, dennoch sind die meisten Sonnentau-Arten weiterhin stark gefährdet. Das relativ unscheinbare Erscheinungsbild sowie der kleine, niedrige Wuchs dieser Pflanzen erschwert generell die Schutzbemühungen vorort. Oft werden Sonnentaugewächse im Gelände übersehen oder gar nicht erkannt. In zwei der drei Hauptverbreitungsgebiete, in Südafrika und Australien, unterliegen die dortigen Lebensräume der Sonnentaue starkem Nutzungsdruck durch den Menschen. Insbesondere expandierende Siedlungsgebiete ([[Queensland]], [[Perth]], [[Kapstadt]]) sowie die Trockenlegung von Feuchtgebieten für die Land- und Forstwirtschaft gefährden die häufig nur in isolierten Gebieten existierenden Bestände. Auch durch die Dürren, die sich in Teilen Australiens bereits mehr als zehn Jahre hinziehen und vermutlich eine Folge der globalen Erwärmung sind, fallen zunehmend Standorte trocken, dies stellt ebenfalls mittelbar eine Bedrohung der dortigen Arten dar. Gerade die nur in äußerst eng umgrenzten Standorten zu findenden Arten unterliegen durch die Absammlung von Wildpflanzen der größten Gefahr von Totalverlusten. Aufgrund massiven Raubbaus für den Export in [[Madagaskar]] gilt ''[[Drosera madagascariensis]]'' als stark gefährdet, jährlich werden dort 10–200 Millionen Pflanzen für Vermarktungszwecke abgesammelt.<ref>World Wildlife Fund Deutschland, TRAFFIC Deutschland (Hrsg.): ''Drosera spp.&nbsp;– Sonnentau''; 2001, S. 5, [http://www.wwf.de/imperia/md/content/pdf/arten/medizin/Drosera_spp.pdf (pdf)]</ref> == Verwendung == [[Datei:DroseraVoynichManuscriptF56r.jpg|thumb|Als Sonnentau bestimmte Abbildung aus dem rund 500 Jahre alten [[Voynich-Manuskript]] <ref>{{BibISBN|3800141442|Seite 9-10}}</ref>]] === Heilpflanze === Im Sonnentau sind verschiedene medizinisch wirksame Inhaltsstoffe enthalten, nämlich Naphthochinonderivate (Plumbagin, Droseron, Ramentaceon) und Flavonglykoside (Quercetin, Myricetin, Kampferöl). <ref>C. Ayuga u.a.: Contribución al estudio de flavonoides en D. rotundifolia L. An R Acad Farm 1985; 51: 321–326.</ref>, <ref>H. Wagner u.a.: ''Immunological investigations of naphthoquinone–containing plant extracts, isolated quinones and other cytostatic compounds in cellular immunosystems''; Phytochem Soc Eur Symp 1986; S. 43</ref>, <ref>J. Vinkenborg u.a.: [http://www.ncbi.nlm.nih.gov/entrez/query.fcgi?cmd=Retrieve&db=PubMed&list_uids=5774641&dopt=Abstract ''De aanwezigheid van hydroplumbagin–glucoside in Drosera rotundifolia'']; Pharm Weekbl 104 (1969); S. 45–49</ref>, <ref>N. Sampara-Rumantir: ''Rossoliside''; Pharm Weekbl 106 (1971); S. 653–664</ref> Bereits im [[12. Jahrhundert]] wurden die Kräuter von [[Matthaeus Platearius]], einem italienischen Arzt aus der [[Schule von Salerno]], unter dem Namen ''herba sole'' als Heilkraut gegen [[Husten|Reizhusten]] beschrieben. Des Weiteren wurde Sonnentau zur Herzstärkung und als Aphrodisiakum, aber auch zur Behandlung von Sonnenbrand und gegen Sommersprossen verwandt. Als Hustenmedizin wird er auch heute noch in 200–300 zugelassenen Präparaten der Medizin verwendet, zumeist in Kombination mit weiteren Wirkstoffen.<ref>H. Schilcher, M. Elzer: ''Drosera (Sundew): A proven antitussive''; Zeitschrift Phytotherapie, 1993;14:50;4.</ref> Auf Wildsammlungen in Deutschland wird allerdings mittlerweile verzichtet; stattdessen werden entweder Gebiete in Madagaskar, Spanien, Frankreich, Polen und dem Baltikum abgeerntet oder es wird Sonnentau aus deutschen Zuchten verwendet, dort vor allem die schnellwüchsigen Arten ''[[Drosera madagascariensis]]'', ''[[Drosera ramentacea]]'', aber auch der [[Rundblättriger Sonnentau|Rundblättrige]] und der [[Mittlerer Sonnentau|Mittlere Sonnentau]]. === Zierpflanzen === Durch ihre Karnivorie und die als anmutig empfundenen Fangblätter sind Sonnentauarten beliebte [[Zierpflanze]]n. Die meisten Arten haben allerdings aufgrund meist schwieriger Haltungsbedingungen oder der komplizierten Vermehrung nur geringe Marktchancen. Wenige, robuste Arten sind jedoch neben der [[Venusfliegenfalle]] als geläufige Karnivoren für den Massenmarkt mittlerweile in vielen Gartencentern oder Baumärkten erhältlich, insbesondere der [[Kap-Sonnentau]] und ''[[Drosera aliciae]]''. Auch die anderen Sonnentauarten werden von einem mehrere Tausende starken, weltweiten Kreis von Sammlern kultiviert; es befinden sich derzeit so gut wie alle Arten in Kultur. Da viele Sonnentau-Arten sehr eng begrenzte Verbreitungsgebiete haben und auch in diesen selten sind, hat dies durch starke Absammlungen zu Rückgang und Gefährdung einiger Arten beigetragen. === Sonnentau-Arten als Nahrungsmittel === Bei den australischen [[Aborigines]] stellen die Knollen der dort heimischen Knollendrosera ein beliebtes Nahrungsmittel dar.<ref>{{BibISBN|3800141442|Seite 100}}</ref> == Etymologie == Der botanische Name entstammt dem [[Altgriechische Sprache|griechischen]] δρόσος, ''drosos'' für „Tau“. Der deutsche Name ist eine Übersetzung des älteren botanischen Namens ''„Ros solis“''. All diese Namen leiten sich vom glänzenden Aussehen der zahlreichen Drüsensekrettropfen an der Spitze der [[Tentakel]] ab, die an morgendliche Tautropfen erinnern. <ref>Helmut Genaust: Etymologisches Wörterbuch der botanischen Pflanzennamen. 3. Auflage, Birkhäuser, Basel 1996 (Nachdruck ISBN 3-937872-16-7)</ref> == Phylogenetik == Das folgende [[Kladogramm]] stellt die Beziehungen zwischen den verschiedenen Sektionen bzw. Untergattungen anhand der Analysen von Rivadavia u.a. 2003 dar.<ref name=Rivadavia2003 /> Die monotypische Sektion ''Meristocaulis'' wurde nicht in die Untersuchungen mit einbezogen, so dass ihre Stellung in diesem System unklar ist, neuere Untersuchungen stellen sie aber in die Nähe der Sektion ''Bryastrum'' bzw. gliedern sie dort ein. Da die Sektion Drosera [[Kladogramm#Verwandtschaftsverhältnisse|polyphyletisch]] ist, taucht sie mehrfach innerhalb des Kladogramms auf '''( <nowiki>*</nowiki> )'''. Diese phylogenetische Untersuchung hat die Notwendigkeit einer Revision der Gattung noch deutlicher werden lassen. ,--- Sektion Drosera <nowiki>*</nowiki> | | ,---+ | | | | ,---+ `---- Sektion Ptycnostigma | | | | ,---+ `---- Sektion Drosera <nowiki>*</nowiki> | | | | | `---- Sektion Thelocalyx | | ,---- Untergattung Ergaleium | ,----+ | | `---- Sektion Phycopsis ,-------------------+ | | | ,---+ | | | | | | | | ,---- Sektion Bryastrum ,---+ `----+ `----+ | | | `---- Sektion Lasiocephala | | | | | `--- Sektion Coelophylla ---+ `--- Sektion Drosera: ''Drosera arcturi'' <nowiki>*</nowiki> | `--- Sektion Regiae == Systematik == Die Gattung wird nach Seine & Barthlott, 1994 <ref>Rüdiger Seine, Wilhelm Barthlott: ''Some proposals on the infrageneric classification of Drosera L.''; Taxon 43:4; S. 583–589, 1994</ref>, ergänzt um Revisionen (<ref>Allen Lowrie: ''A taxonomic revision of Drosera section Stolonifera (Droseraceae) from south-west Western Australia''; Nuytsia 15 (3), 2005; S. 355–393, [http://www.naturebase.net/images/stories/nature/science/nuytsia/15/3/355–394.pdf Online]</ref>, <ref>Allen Lowrie, John G. Conran: ''A revision of the Drosera omissa/D. nitidula complex (Droseraceae) from south-west Western Australia''; in: Taxon 56 (2007); S. 533–544</ref>) und Neubeschreibungen in drei Untergattungen und elf Sektionen aufgeteilt, Grundlage für diese sind morphologische Merkmale. Seit Jahrzehnten werden immer neue Arten entdeckt und beschrieben, noch in den 1940ern waren erst etwas über 80 Arten<ref>Günter Olberg: ''Sonnentau''; Natur und Volk, Bd. 78, Heft 1/3; S. 32–37, Frankfurt, 1948</ref> bekannt, 2009 bereits fast 200<ref>F. Rivadavia, A. Vicentini, A. Fleischmann: ''A new species of sundew (Drosera, Droseraceae), with water-dispersed seed, from the floodplains of the northern Amazon basin, Brazil'', 2009, Ecotropica 15: 13-21</ref>. Zahlreiche australische Arten wurden vor allem durch den Australier [[Allen Lowrie]] beschrieben. Seine diesbezügliche Taxonomie wurde zwar 1996 durch den deutschen Botaniker [[Jan Schlauer]] in Frage gestellt <ref>Jan Schlauer: ''A dichotomous key to the genus Drosera L. (Droseraceae)''; Carnivorous Plant Newsletter, 25 (1996)</ref>, diese hat sich aber nicht durchgesetzt. <div style="display:block" class="BoxenVerschmelzen"> <div style="clear:both; display:block" class="NavFrame"> <div class="NavHead"><div align="left">Sektionen und Arten der Gattung ''Drosera'' </div></div> <div class="NavContent"> {| |- valign="top" | align="left" | === Untergattung Drosera === ==== Sektion Arachnopus ==== *''[[Drosera hartmeyerorum]]'' *''[[Drosera indica]]'' ==== Sektion Arcturi ==== *''[[Drosera arcturi]]'' ==== Sektion Drosera ==== *''[[Drosera amazonica]]'' *''[[Drosera affinis]]'' *''[[Drosera alba]]'' *''[[Drosera aliciae]]'' *[[Langblättriger Sonnentau]] (''Drosera anglica'') *''[[Drosera arenicola]]'' *''[[Drosera bequaertii]]'' *''[[Drosera biflora]]'' *''[[Drosera brevifolia]]'' *''[[Drosera burkeana]]'' *[[Kap-Sonnentau]] (''Drosera capensis'') *''[[Drosera capillaris]]'' *''[[Drosera cayennensis]]'' *''[[Drosera cendeensis]]'' *''[[Drosera collinsiae]]'' *''[[Drosera colombiana]]'' *''[[Drosera communis]]'' *''[[Drosera cuneifolia]]'' *''[[Drosera dielsiana]]'' *''[[Drosera elongata]]'' *''[[Drosera ericgreenii]]'' *''[[Drosera esmeraldae]]'' *''[[Drosera felix]]'' *''[[Drosera filiformis]]'' *''[[Drosera glabripes]]'' *''[[Drosera grantsaui]]'' *''[[Drosera graomogolensis]]'' *''[[Drosera hamiltonii]]'' *''[[Drosera hilaris]]'' *''[[Drosera hirtella]]'' *''[[Drosera hirticalyx]]'' *''[[Drosera humbertii]]'' *''[[Drosera insolita]]'' *[[Mittlerer Sonnentau]]<br />(''Drosera intermedia'') *''[[Drosera kaieteurensis]]'' *''[[Drosera katangensis]]'' *''[[Drosera linearis]]'' *''[[Drosera madagascariensis]]'' *''[[Drosera montana]]'' *''[[Drosera natalensis]]'' *''[[Drosera neocaledonica]]'' *''[[Drosera nidiformis]]'' *''[[Drosera oblanceolata]]'' *''[[Drosera panamensis]]'' *''[[Drosera peruensis]]'' *''[[Drosera pilosa]]'' *''[[Drosera ramentacea]]'' *''[[Drosera roraimae]]'' *[[Rundblättriger Sonnentau]]<br />(''Drosera rotundifolia'') *''[[Drosera solaris]]'' *''[[Drosera slackii]]'' *''[[Drosera spatulata]]'' *''[[Drosera stenopetala]]'' *''[[Drosera trinervia]]'' *''[[Drosera uniflora]]'' *''[[Drosera villosa]]'' *''[[Drosera viridis]]'' *''[[Drosera yutajensis]]'' ==== Sektion Bryastrum ==== *''[[Drosera allantostigma]]'' *''[[Drosera androsacea]]'' *''[[Drosera barbigera]]'' *''[[Drosera callistos]]'' *''[[Drosera citrina]]'' *''[[Drosera closterostigma]]'' *''[[Drosera dichrosepala]]'' *''[[Drosera echinoblastus]]'' *''[[Drosera eneabba]]'' *''[[Drosera enodes]]'' *''[[Drosera gibsonii]]'' *''[[Drosera grievei]]'' *''[[Drosera helodes]]'' *''[[Drosera hyperostigma]]'' *''[[Drosera lasiantha]]'' *''[[Drosera leioblastus]]'' *''[[Drosera leucoblasta]]'' *''[[Drosera leucostigma]]'' *''[[Drosera mannii]]'' *''[[Drosera microscapa]]'' *''[[Drosera miniata]]'' *''[[Drosera nitidula]]'' *''[[Drosera nivea]]'' *''[[Drosera occidentalis]]'' *''[[Drosera omissa]]'' *''[[Drosera oreopodion]]'' *''[[Drosera paleacea]]'' *''[[Drosera parvula]]'' *''[[Drosera patens]]'' *''[[Drosera pedicellaris]]'' *''[[Drosera platystigma]]'' *''[[Drosera pulchella]]'' *''[[Drosera pycnoblasta]]'' *''[[Drosera pygmaea]]'' *''[[Drosera roseana]]'' *''[[Drosera rechingeri]]'' *''[[Drosera sargentii]]'' *''[[Drosera scorpioides]]'' *''[[Drosera sewelliae]]'' *''[[Drosera silvicola]]'' *''[[Drosera spilos]]'' *''[[Drosera stelliflora]]'' *''[[Drosera walyunga]]'' ==== Sektion Coelophylla ==== *''[[Drosera glanduligera]]'' ==== Sektion Lasiocephala ==== *''[[Drosera banksii]]'' *''[[Drosera brevicornis]]'' *''[[Drosera broomensis]]'' *''[[Drosera caduca]]'' *''[[Drosera darwinensis]]'' *''[[Drosera derbyensis]]'' *''[[Drosera dilatato-petiolaris]]'' *''[[Drosera falconeri]]'' *''[[Drosera fulva]]'' *''[[Drosera kenneallyi]]'' *''[[Drosera lanata]]'' *''[[Drosera ordensis]] *''[[Drosera paradoxa]]'' *''[[Drosera petiolaris]]'' ==== Sektion Meristocaulis ==== *''[[Drosera meristocaulis]]'' ==== Sektion Phycopsis ==== *''[[Drosera binata]]'' ==== Sektion Prolifera ==== *''[[Drosera adelae]]'' *''[[Drosera prolifera]]'' *''[[Drosera schizandra]]'' ==== Sektion Ptycnostigma ==== *''[[Drosera acaulis]]'' *''[[Drosera cistiflora]]'' *''[[Drosera pauciflora]]'' ==== Sektion Thelocalyx ==== *''[[Drosera burmannii]]'' *''[[Drosera sessilifolia]]'' ==== Sektion Oosperma ==== *''[[Drosera camporupestris]]'' *''[[Drosera tentaculata]]'' *''[[Drosera chrysolepis]]'' *''[[Drosera graminifolia]]'' === Untergattung Ergaleium === ==== Sektion Ergaleium ==== *''[[Drosera andersoniana]]'' *''[[Drosera bulbigena]]'' *''[[Drosera erythrogyne]]'' *''[[Drosera gigantea]]'' *''[[Drosera graniticola]]'' *''[[Drosera heterophylla]]'' *''[[Drosera huegelii]]'' *''[[Drosera intricata]]'' *''[[Drosera macrantha]]'' *''[[Drosera marchantii]]'' *''[[Drosera menziesii]]'' *''[[Drosera microphylla]]'' *''[[Drosera modesta]]'' *''[[Drosera moorei]]'' *''[[Drosera myriantha]]'' *''[[Drosera neesi]]'' *''[[Drosera pallida]]'' *''[[Drosera peltata]]'' *''[[Drosera radicans]]'' *''[[Drosera salina]]'' *''[[Drosera stricticaulis]]'' *''[[Drosera subhirtella]]'' *''[[Drosera subtilis]]'' *''[[Drosera sulphurea]]'' *''[[Drosera zigzagia]]'' ==== Sektion Erythrorhizae ==== *''[[Drosera aberrans]]''<ref name="tel12">A. Lowrie, J. G. Conran: ''A review of Drosera whittakeri s. lat. (Droseraceae) and description of a new species from Kangaroo Island, South Australia'' in: Telopea, 12(2): 147-165, 2008</ref> *''[[Drosera browniana]]'' *''[[Drosera bulbosa]]'' *''[[Drosera erythrorhiza]]'' *''[[Drosera lowriei]]'' *''[[Drosera macrophylla]]'' *''[[Drosera orbiculata]]'' *''[[Drosera praefolia]]''<ref name="tel12" /> *''[[Drosera prostratoscaposa]]'' *''[[Drosera rosulata]]'' *''[[Drosera whittakeri]]'' *''[[Drosera zonaria]]'' *''[[Drosera schmutzii]]''<ref name="tel12" /> ==== Sektion Stoloniferae ==== *''[[Drosera fimbriata]]'' *''[[Drosera platypoda]]'' *''[[Drosera ramellosa]]'' *''[[Drosera humilis]]'' *''[[Drosera monticola]]'' *''[[Drosera porrecta]]'' *''[[Drosera rupicola]] '' *''[[Drosera prostrata]]'' *''[[Drosera purpurascens]]'' *''[[Drosera stolonifera]]'' === Untergattung Regiae === *[[Königs-Sonnentau]] (''Drosera regia'') | [[Datei:Drosera aliciae Detail.jpg|thumb|right|''D. aliciae'']] [[Datei:Sundew blossom.jpg|thumb|right|''Blüte von D. capensis'']] [[Datei:Drosera madagascariensis.jpg|thumb|right|''D. madagascariensis'']] [[Datei:Drosera_nitidula.jpg|thumb|right|''D. nitidula'']] [[Datei:DroseraPulchellaFlora2.JPG|thumb|right|''D. pulchella'']] [[Datei:DroseraKenneallyiFlora.jpg|thumb|right|''D. kenneallyi'']] [[Datei:Drosera burmanni Humpty Doo.jpg|thumb|right|''D. burmannii'']] [[Datei:DroseraErythrorhiza.jpg|thumb|right|''D. erythrorhiza'']] [[Datei:DroseraRegia.jpg|thumb|right|Königs-Sonnentau]] |} </div></div></div> == Nachweise == * {{BibISBN|3800141442}} * A. Correa, D. Mireya, Tania Regina Dos Santos Silva: ''Drosera (Droseraceae)''; in: Flora Neotropica, Monograph 96; New York 2005 * [[Charles Darwin]]: ''Insectenfressende Pflanzen''; Stuttgart 1876 * Ludwig Diels: ''Droseraceae''; in [[Adolf Engler]] (Hrsg.): Pflanzenr. 4, 112: 109, 1906 * [[Allen Lowrie]]: ''Carnivorous Plants of Australia'', Bände 1–3, Englisch, Nedlands, Western Australia, 1987–1998 == Einzelnachweise == <references/> == Weiterführende Literatur == * Charles Darwin: ''[[Insectenfressende Pflanzen]]''. In: Ch. Darwin's gesammelte Werke. Bd 8, E. Schweizerbart'sche Verlagshandlung (E. Koch), Stuttgart 1876; [[s:de:Insectenfressende Pflanzen|Text der deutschen Ausgabe auf Wikisource]] == Weblinks == {{Commons|Drosera|Sonnentau (''Drosera'')}} {{Wiktionary|Sonnentau}} {{exzellent}} [[Kategorie:Sonnentaugewächse]] [[Kategorie:Fleischfressende Pflanze]] {{Link GA|en}} [[als:Sonnentau]] [[cs:Rosnatka]] [[da:Soldug]] [[en:Drosera]] [[eo:Drosero]] [[es:Drosera]] [[et:Huulhein]] [[fi:Kihokit]] [[fr:Droséra]] [[he:טללית]] [[hsb:Rosowka]] [[it:Drosera]] [[ja:モウセンゴケ属]] [[ka:დროზერა]] [[ko:끈끈이귀개속]] [[nl:Zonnedauw]] [[no:Soldogg]] [[pl:Rosiczka]] [[pt:Drosera]] [[ro:Drosera]] [[ru:Росянка]] [[simple:Drosera]] [[sr:Росуља]] [[sv:Sileshårssläktet]] [[sw:Umande jua]] [[te:డ్రోసిరా]] [[th:สกุลหยาดน้ำค้าง]] [[uk:Росичка]] [[zh:茅膏菜屬]] c6nx96xsfmpkrqelb780z8zmdag3g0x wikitext text/x-wiki Geschichte von Höchst am Main 0 23547 26143 2010-03-29T17:01:21Z MAY 0 /* Stadterhebung und Stadtentwicklung im Spätmittelalter */ [[File:Wappen Höchst.png|right|150px]] [[File:Hoechst am Main 1625 Daniel Meisner.jpg|thumb|upright=1.8|Höchst am Main mit Schloss, Justinuskirche und Stadtbefestigung im Jahr 1625. Stich von Daniel Meisner aus dem „Thesaurus philopoliticus“]] Die Stadt '''Höchst am Main''', heute der [[Frankfurt am Main|Frankfurter]] Stadtteil [[Frankfurt-Höchst|Höchst]], hat eine über zwölfhundertjährige Geschichte. Lange Zeit war Höchst eine eigenständige Stadt und Vorposten des [[Kurmainz]]er Gebiets vor den Toren Frankfurts. Erst 1928 erfolgte die Eingemeindung nach Frankfurt. == Geografische Einordnung == Höchst entstand an der Kreuzung [[Altstraße|frühgeschichtlicher Verkehrswege]]. Unmittelbar nach der Mündung der [[Nidda (Fluss)|Nidda]] in den [[Main]], zweier damals schiffbarer Flüsse, schiebt sich eine Hangkante fast bis ans Flussufer heran. Das Plateau ist hochwassersicher und war gut zu verteidigen. Am Fuße des Hangs führte eine [[Furt]] durch den Main, oben verlief eine vorrömische [[Altstraße]], die [[Antsanvia]] oder [[Via Regia#Die „Hohe Straße“ Frankfurt-Leipzig|Hohe Straße]], ein Vorläufer der späteren [[Elisabethenstraße]], die von der Mainmündung bei [[Mainz-Kastel|Kastel]] über Höchst bis in den [[Vogelsberg]] führte. Ausgehend von der Niddamündung strebte der [[Lindenweg]] (auch ''Linienweg'' genannt), eine vor-römische, geradlinige Verbindung über den Taunus-Übergang bei der heutigen [[Kastell Saalburg|Saalburg]] ins Lahngebiet. Nördlich von Sossenheim zweigte von diesem die alte Handelsstraße, die hessische [[Weinstraße (Wagenstraße)]] in die [[Wetterau]] ab. == Vor- und Frühgeschichte == Einzelne Funde von Werkzeugen und von bearbeiteten Geweihstücken vom Ende des [[Jungpaläolithikum]]s im Bereich der [[Höchster Altstadt]] lassen den Schluss zu, dass das Höchster Gebiet zu dieser Zeit bereits gelegentlich von Menschen bewohnt war. Eine dauerhafte Besiedelung ist jedoch nicht nachweisbar. Erst mit Beginn der [[Jungsteinzeit]] lässt sich eine ständige menschliche Ansiedelung im Raum der Altstadt, der [[Höchster Neustadt]] und des Oberfeldes feststellen. Bei Bauarbeiten und Ausgrabungen wurden Siedlungsreste und Gefäßscherben aus der [[Bandkeramische Kultur|Bandkeramikzeit]] und der [[Glockenbecherkultur]] gefunden. [[Hügelgrab|Hügelgräber]] und [[Urnenfelderkultur|Urnenfelder]] aus der [[Bronzezeit]] geben Aufschluss über eine fortdauernde menschliche Besiedlung des Höchster Raums. Ebenfalls bei Bauarbeiten gefunden wurden [[Eisenzeit|eisenzeitliche]] Gräber aus der [[Hallstattzeit|Hallstatt-]] und [[La-Tène-Zeit]], die auf [[Kelten|keltische]] Bewohner hinweisen. Ein [[Oppidum (Kelten)|Oppidum]] lässt sich jedoch nicht nachweisen, wie auch noch von keiner festen Ortsstruktur im Sinne eines Dorfes ausgegangen werden kann. == Römische und vorfränkische Zeit == Kurz nach der Zeitenwende errichteten die [[Römisches Reich|Römer]] auf dem Hochufer über dem Main ein [[Römische Militärlager|Kastell]]. Nicht genau nachgewiesen, aber möglich ist, dass in Höhe der [[Wörthspitze]] bei der Niddamündung eine Brücke den flachen Main überspannte und die römische Ansiedlung mit den südmainischen Gebieten um die heutigen Orte [[Kelsterbach]] und [[Groß-Gerau]] verband. Die Römer bauten bestehende keltische Altstraßen aus und legten zahlreiche neue Verbindungen an: Zur Saalburg bzw. dem dortigen Taunus-Übergang den ''[[Lindenweg|Linden]]- oder Linienweg'', über diesen nach dem Elisabethenstraßen-Übergang zur Wetterau die ''Weinstrasse'', auf der Wasserscheide Main / Nidda die ''[[Via Regia|Hohe Straße]]'' zum Vogelsberg und nach Thüringen. In nordwestlicher Richtung zum [[Großer Feldberg|Feldberg]] zieht heute noch die ''[[Königsteiner Straße]]'', und die Strecke entlang dem Mainlauf findet sich nach der Niddabrücke als Verbindung über [[Frankfurt-Griesheim|Griesheim]] und den [[Gutleuthof]] nach Frankfurt. Dies sind heute der ''Nieder Kirchweg'' sowie die ''[[Liste der Straßennamen von Frankfurt am Main/S#St|Stroofstraße]]. In der geschützten Niddamündung wurde ein Flusshafen eingerichtet, am nördlichen Niddaufer entstand eine [[Ziegelei|Militärziegelei]] im Bereich der heutigen [[Frankfurt-Nied|Nieder]] Gemarkung.<ref name="Hafen">Wolfgang Metternich: ''Ende gut, alles grün. Die lange Geschichte der Häfen in Höchst.'' In: Vereinsring Frankfurt (M)-Höchst e.V (Hg.): ''Festschrift zum Höchster Schloßfest 2007.'' Frankfurt am Main 2007. S. 24-30. [http://www.infraserv.com/includes/upload/inter/news/na_veranst-schlossfest-programm_07.pdf (PDF 1 MB)]</ref> Die [[Legio XXII Primigenia]] stellte hier zwischen den Jahren 85 und 120 Ziegel her. Mit Weiterbau des Limes zur Mitte des 2. Jahrhunderts wurde die zeitweilig eingestellte Ziegelproduktion wieder aufgenommen. Erhalten sind mehr als 200 verschiedene Ziegelstempel, die meisten von der XXII. Legion. Die Siedlung verlor mit dem Bau der [[Elisabethenstraße]] über [[Hofheim am Taunus|Hofheim]] und der Anlage des [[Obergermanisch-Raetischer Limes|Limes]] an wirtschaftlicher und militärischer Bedeutung. Sie entwickelte sich zu einer zivilen Siedlung. Als die [[Alamannen]] ab 260 den Limes überwanden und in römisches Gebiet einfielen, zogen sich die Römer in ihre linksrheinischen Gebiete zurück und gaben ihre Besitzungen rechts des Rheins auf. Die Siedlung an der Niddamündung wurde zur [[Wüstung]], Überlieferungen und Berichte über eine Wiederbesiedelung des Höchster Gebietes nach dem Rückzug der Römer gibt es nicht. Lediglich einige Indizien weisen auf ein alemannisches Gehöft im 4. Jahrhundert und einen merowingischen Königshof am Rande der heutigen Altstadt im 5. Jahrhundert hin. == Unter dem Krummstab: Die mainzische Zeit – 790 bis 1803 == === Das Dorf Höchst im Früh- und Hochmittelalter === [[File:Thiotmann Ersterwähnung Höchst 790.jpg|thumb|left|Ersterwähnung des ''villa hostat''. Ausschnitt aus dem [[Lorscher Codex]] (12. Jahrhundert) mit dem Urkundstext von 790.]] [[File:Justinuskirche Höchst south-east view November 2006.jpg|thumb|Die Höchster Justinuskirche in ihrer heutigen Gestalt mit karolingischer Basilika und gotischem Chor]] [[File:Justinuskirche Höchst Mittelschiff.jpg|thumb|Das karolingische Mittelschiff der Justinuskirche]] [[File:Ochsenturm Frankfurt Höchst.jpg|thumb|Der Höchster Ochsenturm aus dem 13. Jahrhundert]] Erst aus dem 8. Jahrhundert gibt es wieder Hinweise auf eine Besiedelung des Hochplateaus über der Nidda mit Gehöften. Von einem Dorf im heutigen Sinn kann dabei allerdings keine Rede sein, es handelte sich vielmehr um eine lockere Ansammlung von Einzelgehöften. Die erste urkundliche Erwähnung dieser Ansiedlung erfolgte am 5. August [[790]], als der [[Franken (Volk)|fränkische]] Gutsherr ''Thiotmann'' dem [[Kloster Lorsch]] ein Anwesen ''„in villa hostat in Nitahgowe“'' schenkte, im ''„Dorf auf der hohen Stätte im Niddagau“''.<ref>Codex Laurissamensis III, Nr. 3399, Bayerisches Hauptstaatsarchiv München</ref> Zu späteren Zeiten schrieb der Renaissancelyriker [[Georg Calaminus]] die [[Hostato]]-Sage in Versform auf, nach der der Knappe [[Hostato]] als einziger die Schlacht von [[Roncesvalles]] überlebte und deswegen von [[Karl der Große|Karl dem Großen]] als Dank für seine Tapferkeit zum Ritter geschlagen und zum Vogt der ''hohen Stätte'' ernannt wurde. Spätestens ab dem frühen 9. Jahrhundert hatte das [[Bistum Mainz|Erzbistum Mainz]], das nach Ausbau seiner Territorialherrschaft strebte, so viele Einzelprivilegien nach [[Fränkisches Recht|fränkischem Recht]] in den Gebieten entlang des Mains von Mainz bis Frankfurt auf sich vereinigt, dass Höchst Teil des Mainzer Besitzes war und nicht mehr zum [[Niddagau]] gehörte. Annalen des [[Kloster Fulda|Klosters Fulda]] aus dem Jahr 849 berichten vom ''„Hofgut Höchst im Gebiet von Mainz“'' <ref>''„villa hohstedui quae es territorio mogontiaco“'' - Annales Fuldenses sive Annales regni Francorum orientalis ab Einhardo, Ruodolfo, Meginhardo fuldensibus, Seligenstadi, Fuldae, Mogontiaci conscripti cum continuationibus Ratisbonensi et Althanensibus. Hrsg. von Friedrich Kurze. [[Monumenta Germaniae Historica]]. Scriptores rerum Germanicarum in usum scholarum separatim editi (SS rer. Germ. u. S.) 7. Hannover 1891, unveränderter Nachdruck Hannover 1993, ISBN 3-7752-5303-3, S. 39 Z. 10-11. Online-Edition: http://mdz10.bib-bvb.de/~db/bsb00000760/images/index.html?id=00000760&nativeno=39. – Deutsche Übersetzung: Jahrbücher von Fulda. In: Quellen zur karolingischen Reichsgeschichte 3. Unter Benutzung der Übersetzungen von C. Rehdantz, E. Dümmler und W. Wattenbach neu bearbeitet von R. Rau (Ausgewählte Quellen zur deutschen Geschichte des Mittelalters. Freiherr vom Stein-Gedächtnisausgabe 7). Darmstadt 1982, ISBN 3-534-06965-X, S. 19–177, hier S. 39.</ref> Die Mainzer Herrschaft dauerte fast tausend Jahre bis zum Jahr 1803, noch heute erinnert das [[Mainzer Rad]] im Höchster Wappen daran. Ab ungefähr 830 ließ der Mainzer Erzbischof [[Otgar von Mainz]] auf dem hohen Ufer über dem Main die [[Justinuskirche (Höchst)|Justinuskirche]] errichten, die bis heute weitgehend erhalten ist. Sie ist eine der ältesten Kirchen Deutschlands und das älteste Bauwerk Frankfurts. Die für das Dorf viel zu große Kirche war ein Machtsymbol des Mainzer Erzbischofs gegenüber dem [[Kaiserpfalz Frankfurt|Frankfurter Königshof]]. Otgars Nachfolger [[Rabanus Maurus]] weihte den Bau nach seiner Fertigstellung im Jahr 850. Die Justinuskirche diente als Dorfkirche. In der Folgezeit entwickelte sich das Dorf Höchst entlang der Hauptstraße zwischen einem mainzischen [[Fronhof]] im Westen, der im Bereich der ''Wed'' gelegen war, und der Justinuskirche im Osten. Die westliche Grenze Höchsts bildet ein Mündungsarm des [[Liederbach (Main)|Liederbachs]], der über den Bereich des heutigen [[Höchster Schloßplatz|Schloßplatzes]] <!--sic!--> zum Main floss. Aus dem 11. Jahrhundert ist die Entstehung eines weiteren erzbischöflichen Hofes westlich der Justinuskirche überliefert. Zusammen mit der Justinuskirche wurde er dem [[Stift St. Alban vor Mainz|Kloster St. Alban]] in Mainz geschenkt. Die Kirche wurde in Schriften des Stifts gezielt als einsturzgefährdet bezeichnet; St. Alban erhielt auf diese Weise als Dreingabe weitere Ländereien und Privilegien in Höchst. Renovierungsarbeiten an der angeblich baufälligen Kirche fanden jedoch nicht statt. Die Höchster Niederlassung der Abtei St. Alban blieb bis zum Jahr 1419 in Höchst. Im 12. Jahrhundert setzte das Bistum Mainz einen [[Burggraf]]en in Höchst ein; urkundlich erwähnt wird ein Graf ''Gotfried von der Wartburg'', ein Verwandter des Erzbischofs [[Heinrich I. Felix von Harburg|Heinrich I]].<ref>Codex diplomaticus nassoicus. Herausgegeben von W. Sauer und K. Menzel. Wiesbaden 1885. Band 1, Nrn. 202, 203, 220, 229, 230. Nach [[#Literatur|Lit.]] Metternich: ''Die Burg des 13. Jahrhunderts in Höchst am Main.''</ref> Ein solcher Statthalter hatte üblicherweise seinen Sitz in einer Stadt oder einer Burg. Höchst war zu dieser Zeit noch keine Stadt, daher kann aus der nachgewiesenen Existenz eines [[Amtmann]]s geschlossen werden, dass bereits Mitte des 12. Jahrhunderts eine Burg als Vorgängerin des heutigen [[Höchster Schloß|Höchster Schlosses]] existierte. Bei Schachtungsarbeiten auf der Schlossterrasse wurden 1981 [[Burggraben|Gräben]] gefunden, die aufgrund ihrer abweichenden Ausrichtung nicht zur – nachgewiesenen – späteren gotischen [[Zollburg]] gehören konnten.<ref>siehe [[#Literatur|Lit.]] Metternich: ''Die Burg des 13. Jahrhunderts in Höchst am Main.''</ref> Der in Höchst und anderen Orten des Untermains erhobene [[Zoll (Abgabe)|Mainzoll]] wurde von Kaiser [[Friedrich I. (HRR)|Friedrich Barbarossa]] im Jahr 1157 aufgehoben und verboten. Lediglich an drei Orten, Frankfurt, [[Aschaffenburg]] und [[Neustadt am Main|Neustadt]] durfte noch der Flusszoll erhoben werden.<ref>MGH Const. 1 Nr. 162, S. 225. Nach U. Maier, Cl. Bandur und R. Kubon: ''Der Zollturm zu Höchst am Main.'' HGH 34/35. Frankfurt-Höchst 1984: Verein für Geschichte und Altertumskunde e.V.</ref> Mit dem Verfall der kaiserlichen Macht im 13. Jahrhundert hatte [[Kurmainz]] die Möglichkeit, in Höchst wieder Zoll zu erheben. Es wurde eine neue und größere Burg errichtet, die nach der Landseite hin eine hohe und fast fünf Meter dicke [[Schildmauer]] besaß. Folge des Burgbaus war eine bescheidene Ausdehnung Höchsts nach Westen. Durch den Aushub des Burggrabens wurde der tief eingeschnittene Mündungsarm des Liederbachs zugeschüttet, der Schloßplatz <!--sic!--> weitgehend auf sein heutiges Niveau angehoben und das Wasser direkt in den Burggraben geleitet. Im Norden und Osten des [[Höchster Schloßplatz|Burgplatzes]] entstand zwischen dem Ende des 13. und Anfang des 14. Jahrhunderts eine neue Bebauung. Der ''Allmeygang'', der bisher direkt zum Main geführt hatte, wurde auf den neuen Platz umgeleitet. Westlich der Burg stand der [[Ochsenturm (Höchst)|Ochsenturm]] als freistehender [[Wartturm]], er wurde später in die im 15, Jahrhundert entstehende Stadtbefestigung einbezogen. === Stadterhebung und Stadtentwicklung im Spätmittelalter === [[Datei:Stadterhebung Höchst 1355 02 11.jpg|thumb|Stadtrechtsurkunde vom 11. Februar 1355 für die Dörfer Algensheim ([[Gau-Algesheim]]) und Hoisten]] [[Datei:Stadterhebung Höchst 1356 01 12.jpg|thumb|Stadtrechtsurkunde vom 12. Januar 1356 (vollständiger Urkundstext auf der Bildbeschreibungsseite)]] Die Stadterhebung Höchsts war für längere Zeit ein Streitpunkt zwischen Mainz und Frankfurt. Dabei ging es vorrangig um die Erhebung des Mainzolls durch die Mainzer Erzbischöfe, für die der Zoll eine wichtige Einnahmequelle bedeutete. Frankfurt hingegen betrachtete den Höchster Mainzoll als Handelshindernis und erwirkte mehrfach dessen kaiserliches Verbot. Dennoch erhoben die Mainzer den Mainzoll oft weiter, ohne sich um die Verbote zu kümmern. Dies blieb in der Zeit des [[Interregnum (HRR)|Interregnums]] mit seiner geschwächten Königsmacht meist folgenlos. 1336 erteilte Kaiser [[Ludwig IV. (HRR)|Ludwig IV der Bayer]] Frankfurt ein Privileg, das jeglichen Bau befestigter Anlagen im Umkreis von sieben [[Meile]]n<ref>ungefähr 35 Kilometer</ref> um Frankfurt verbot. Damit sollte eine Befestigung Höchsts verhindert werden. Am 11. Februar 1355 verlieh Kaiser [[Karl IV. (HRR)|Karl IV.]] in einer in [[Pisa]] ausgestellten Urkunde dem Dorf ''Hoisten'' (Höchst) gegen den Willen Frankfurts die [[Stadtrecht]]e. Die in Latein verfasste Urkunde richtet sich an [[Gerlach von Nassau]], den Landesherrn und Erzbischof von Mainz. Lange Zeit bestanden Zweifel an der Rechtmäßigkeit dieser Urkunde, da sie angeblich weder gesiegelt noch unterschrieben sei.<ref>Siehe z.B. bei [[#Literatur|Lit.]] Frischolz, ''Alt-Hoechst'', S. 56: ''„Merkwürdiger Weise fehlt dieser Urkunde das Siegel; ebenso ist sie an keiner anderen Stelle erwähnt, (...). Daraus ergibt sich, daß eine kanzleimäßige Ausfertigung stattgefunden hat, daß die Urkunde aber (...) nicht vollzogen wurde (...). Somit ist die Urkunde ein wertvolles Dokument über die Verhandlung selber, welche der Erhebung des Ortes Höchst zur Stadt im Jahre 1356 vorangingen, hat aber keine darüber hinausgehende Bedeutung.“''</ref> Doch die im Münchener Bayerischen Hauptstaatsarchiv aufbewahrte Urkunde trägt sowohl das königliche als auch das kaiserliche Siegel und ist entsprechend gültig.<ref>Bayr. Hauptstaatsarchiv München, Mainzer Urkunde 4219</ref> In einer weiteren in Nürnberg auf Deutsch ausgestellten Urkunde vom 12. Januar 1356, die ebenfalls im Bayrischen Hauptstaatsarchiv München aufbewahrt wird, bekräftigte Karl IV. die Stadterhebung noch einmal: : ''Wir gönnen und erlauben ihm von unserer sonderlichen kaiserlichen Gnaden, seinen Nachkommen, […], daß sie aus ihrem Dorfe Hoesten eine Stadt aufrichten, aussetzen, bauen und machen sollen und mögen und die befestigen und bewehren mit Graben, mit Toren, Türmen und mit allen anderen Sachen und mit allen Wegen, …''<ref name="Urkunde1356">Stadtrechtsurkunde von 1356, Bayr. Hauptstaatsarchiv München, Mainzer Urkunde 4238</ref> Zudem erweiterte Karl die Stadtrechte Höchsts deutlich und verlieh der jungen Stadt das [[Marktrecht]].<ref>Wolfgang Metternich: ''Dienstags, freitags und samstags. 650 Jahre Wochenmarkt in Höchst am Main.'' In: Vereinsring Frankfurt (M)-Höchst e.V (Hg.): ''Festschrift zum Höchster Schloßfest 2006.'' Frankfurt am Main 2006. S. 22–29. [http://www.ihr-nachbar.de/na-veranst-schlossfest-festheft-06.pdf (PDF, 1 MB)]</ref> Wie in der ersten Urkunde wurden der Stadt Freiheitsprivilegien nach dem Vorbild der Nachbarstadt Frankfurt zugestanden: : ''Auch sollen sie in der obengenannten Stadt alle Dienstage einen Wochenmarkt begehen und halten, und soll die obgenannte Stadt auf denselben Markttag und in allen anderen Wegen und Sachen alle die Rechte und Freiheiten, Gnade und gute Gewohnheiten haben und der völlig gebrauchen, als Unser und des obgenannten Reiches Stadt zu Franckenfurt hat und gebrauchet und auch von alters darkommen ist.''<ref name="Urkunde1356" /> Höchst wurde damit als Mainzer Tochterstadt vor den Toren Frankfurts ein wichtiges Instrument der Mainzer im Konkurrenzkampf der beiden Großstädte. Gleichzeitig wurden die Mainzer Erzbischöfe im Rahmen der [[Goldene Bulle Karls IV.|Goldenen Bulle]] als Kanzler von Deutschland bestimmt, die das Privileg hatten, die [[Kurfürst]]en zur Königswahl zu versammeln. Mit der Stadtrechtsverleihung wurden die mainzischen Rechte am Untermain gegenüber der aufstrebenden Reichsstadt Frankfurt gestärkt, und durch das Befestigungsrecht konnte Mainz auch militärisch in Höchst präsenter werden. Die bisher ungeschützte Siedlung und der mainzische Fronhof waren nun besser vor Überfällen geschützt. Durch die Stadtumwehrung verlief die Handelsstraße Frankfurt-Mainz durch das geschützte Stadtgebiet, was zur Folge hatte, dass auch ein Landzoll erhoben werden konnte. Die Einnahmen aus den Zöllen in Höchst, [[Burg Ehrenfels (Hessen)|Ehrenfels]] und [[Burg Lahneck|Niederlahnstein]] waren für den finanzschwachen mainzischen Staat ein willkommenes Instrument, am wachsenden Reichtum der Nachbarn teilzuhaben. [[File:Höchst_Stadterweiterungen_1396_1475.jpg|thumb|Übersicht über Stadtmauerbau und Stadterweiterung zwischen 1355 und 1475, basierend auf einem Ausschnitt aus dem Stadtplan von 1850. Der Grundriss der Altstadt hatte sich seit dem Mittelalter nicht verändert.]] [[File:Stadtmauer Frankfurt Höchst.jpg|thumb|Ein Teil der gotischen Höchster Stadtmauer aus dem frühen 15. Jahrhunderts mit dem Wappen Diethers von Isenburg. Ca. 2&nbsp;m der Mauer stehen unsichtbar im Boden, die Aufschüttung stammt vom Bau des [[Höchster Hafen]]s im Jahr 1908.]] Eine Stärkung des Bürgertums lag mit der Stadterhebung Höchsts nicht im Interesse des Erzbischofs, der bereits den Bürgern der Stadt Mainz [[Freie Stadt Mainz|erhebliche Freiheiten]] hatte zugestehen müssen. Die Höchster Bürger erhielten durch die Stadterhebung zwar die [[Stadtluft macht frei|städtischen Freiheiten]], aber keine [[Selbstverwaltung]]. Mainz richtete keinen [[Gemeinderat (Deutschland)|Rat]] ein, und auch der [[Schultheiß]] wurde von den Erzbischöfen ernannt. Die Stadt Höchst sollte Zolleinnahmen erbringen und die Ostgrenze des mainzischen Staats militärisch sichern. Die bäuerliche Fron wurde durch andere Pflichten wie den Wachdienst auf den Stadtmauern ersetzt. Kurz nach der Stadterhebung begann in Höchst der Bau einer Stadtbefestigung. Die teilweise bis heute erhaltene [[Stadtmauer]] entstand vermutlich in mehreren Schritten. Die [[Limburger Chronik]] erwähnt im Bericht über den Frankfurter Angriff von 1396 keine steinerne Mauer, sondern [[Palisaden]] mit [[Burggraben|Gräben]] und [[Wehrturm|Türmen]]: : ''Auch soll man wissen, daß Höchst vorgenannt erst vor vierzig Jahren zu einem Städtchen und zu einer Freiheit begriffen ist worden mit Graben, Planken und [[Bergfried]]en, als sich das gehöret.'' <ref>''Auch sal man wissen, daz Hoste vurgenannt erste vur virzig jaren zu eime stedechen unde zu einer friheit begriffen ist worden mit graben, planken unde bergfriden, als sich daz geburt''. Die Limburger Chronik des Tilemann Elhen von Wolfhagen. Hrsg. von Arthur Wyss. Monumenta Germaniae Historica. Deutsche Chroniken 4,1. Berlin 1883, unveränderter Nachdruck München 1993. S. 92 Z. 4-6. [http://mdz10.bib-bvb.de/~db/bsb00000777/images/index.html?id=00000777&nativeno=92 Online-Edition]</ref> Die Ausdehnung der Stadt reichte anfangs von der ''Rosengasse'' im Westen bis zum späteren ''Kronberger Haus'' im Osten. Sie erreichte im Osten und Westen erst Ende des 15. Jahrhunderts nach einer zweimaligen Erweiterung den Umfang der erhaltenen Stadtumwallung. Der von den Mainzern in Höchst von allen den Main befahrenden Schiffen erhobene Zoll blieb weiterhin Streitpunkt zwischen den Mainzern und den Frankfurtern, da die Handelsstadt Frankfurt durch den Mainzoll ihre wichtigste Lebensader bedroht sah. 1368 wurde der Zoll wieder erhoben, 1379 erneut verboten und der Main bis Frankfurt für zollfrei erklärt. König [[Wenzel (HRR)|Wenzel]] erlaubte im Jahr 1380 schließlich dem Erzbischof [[Adolf I. von Nassau]] und seinen Nachfolgern die Erhebung eines Zolls auf Wein und andere Kaufmannsgüter. 1396 nutzten die Frankfurter deshalb die [[Sedisvakanz]] des Mainzer Bischofsstuhls; im Auftrag des Frankfurter Rats zerstörten die [[Kronberg (Adelsgeschlecht)|Kronberger Ritter]]<ref>Die Kronberger lagen 1389, also nur wenige Jahre vorher, in der [[Kronberger Fehde]] noch [[Geschichte von Frankfurt am Main#Konflikte mit benachbarten Fürsten|im Streit mit Frankfurt]]</ref> Stadt und Burg Höchst im Handstreich.<ref>''Item in der selben zit wart Hoste uf dem Meine, gelegen zuschen Menze unde Frankenfurt, ein suberlich stedechen, daz horet in den stift von Menze, irstegen unde gewonnen unde zu male vurbrant. Daz deden di von Cronenberg unde gewonnen darinnen reisiger gesadelter pherde me dan seszig.'' - Limburger Chronik S. 91 f. [http://mdz10.bib-bvb.de/~db/bsb00000777/images/index.html?id=00000777&nativeno=91 Online-Edition]</ref><ref>Wolfgang Metternich: ''Alte Feinde – Neue Freunde. Die Herren von Kronberg und Höchst.'' In: Vereinsring Frankfurt (M)-Höchst e.V (Hg.): ''Festschrift zum Höchster Schloßfest 2008.'' Frankfurt am Main 2008. S. 18-24 [http://www.ihr-nachbar.de/na_veranst-schlossfest-programm_08.pdf (PDF 1,4 MB)]</ref> In den Jahren 1396 bis 1432 erfolgte schrittweise der Wiederaufbau der Burg und der Stadtbefestigung, gegen den Frankfurt vergeblich klagte. Auch das Wechselspiel um den Höchster Zoll von Erlaubnis und Verbot, Erhebung und Verzicht setzte sich weiter fort. Die Ansiedlung einiger Adelsfamilien in Höchst, die im Wechsel den Posten des mainzischen [[Amtmann]]s besetzten, führten zu einem räumlichen und wirtschaftlichen Wachstum. Die Stadt wurde nach der Zerstörung 1396 entlang der Hauptstraße bis 1432 nach beiden Richtungen erweitert. Im Westen wurde dabei der ältere Ochsenturm als südwestliche Ecke in die neue Befestigung einbezogen. An der Hauptstraße entstanden [[Stadttor]]e. Das Kloster St. Alban, das bisher die Seelsorge in der Justinuskirche übernommen hatte, wurde 1419 aufgelöst. Das Klostergut wurde deshalb 1441 an den [[Antoniter-Orden]] übertragen, der sein Kloster in [[Roßdorf (Bruchköbel)|Roßdorf]] bei Hanau nach Höchst verlegte. Die Antonitermönche erweiterten die Justinuskirche um einen gotischen [[Chor (Architektur)|Chor]], der bis heute das Aussehen des Bauwerks prägt. Die letzten Antoniter verließen Höchst 1803 nach der [[Säkularisierung]]. 1463 erhielt der in der [[Mainzer Stiftsfehde]] unterlegene und als Erzbischof abgesetzte [[Diether von Isenburg]] im [[Frieden von Zeilsheim]] das Amt Höchst als eigene Herrschaft zugesprochen. Bis Diether 1475 erneut Erzbischof wurde, ließ er Burg und Stadt Höchst ausbauen. In einem weiteren Bauabschnitt von 1460 bis 1475 erfolgte noch einmal eine Stadterweiterung nach Osten, die Aufweitung der Straße vor dem ''Storch'' genannten ''Frankfurter Tor'' diente als neuer Platz für den [[Höchster Markt|Höchster Wochenmarkt]]. Bei dieser Erweiterung wurde die befestigte [[Höchster Mainmühle|Mainmühle]] als neue südöstliche Ecke in die Befestigung einbezogen. === Höchst in der frühen Neuzeit bis zum Ende von Kurmainz === [[File:Höchst 1622 Merian.png|thumb|left|Höchst, Ausschnitt aus einem Stich Merians zur Schlacht bei Höchst, 1622]] [[File:Wenzel Hollar Hoechst 1636.jpg|thumb|Höchst im Jahr 1636 mit Ochsenturm, Schloss, Maintor, Stadtbefestigung und Justinuskirche, aquarellierte Federzeichnung von [[Wenzel Hollar]] 1636]] [[File:Schlacht bei Höchst 1622.jpg|thumb|Die Schlacht bei Höchst auf einem zeitgenössischen Stich.„Östreichischer Lorbeerkrantz“, Nicolaus Bellus, 1625]] [[File:Höchst Stadtbrand 1778 Schaden.jpg|thumb|Brandschadensaufnahme in der Höchster Altstadt zwischen Albanusstraße und Kronengasse von 1779]] In der [[Renaissance]]zeit entwickelte sich Höchst langsam zu einem kleinstädtischen Unterzentrum westlich von Frankfurt. Seit Mitte des 16. Jahrhunderts entstanden einige der heute noch bestehenden Adelshöfe wie das [[Höchster Altstadt#Kronberger Haus|Kronberger Haus]], das [[Höchster Altstadt#Dalberger Haus|Dalberger Haus]] und das [[Höchster Altstadt#Greiffenclausches Haus|Greiffenclausche Haus]]. [[Wolfgang von Dalberg]] als Erzbischof und Landesherr ließ das Schloss ab 1586 weiter ausbauen. 1582 wurde Höchst von der [[Pest]] heimgesucht. Die Zahl der Pesttoten ist nicht überliefert, lediglich das [[Tagebuch|Diarium]] der Antoniter berichtet von vier Opfern unter den Brüdern. In der Nacht vom 10. auf den 11. Dezember wurde beim [[Höchster Stadtbrand|Großen Stadtbrand]] die Hälfte der Stadt zerstört. Das Diarium der Antoniter überliefert: :''1586 Högst gebrandt in Vigilia Damasi; war der Main gefroren stundt 5 wochen zu.''<ref>[[Hessisches Hauptstaatsarchiv]] (HStA) Wiesbaden, Dia. Ant. 63r</ref> Der [[Dreißigjähriger Krieg|Dreißigjährige Krieg]] bedeutete auch für Höchst einen Einschnitt. Die Stadt wurde durch die Kriegsereignisse stark in Mitleidenschaft gezogen. Am 20. Juni 1622 wurde die [[Schlacht bei Höchst]] ausgetragen, bei der die Kaiserlichen unter [[Johann t’Serclaes von Tilly|Tilly]] die Braunschweiger schlugen. Die Stadt wurde dabei besetzt und geplündert. Vom November 1631 bis März 1632 besetzten die Schweden unter [[Gustav II. Adolf (Schweden)|Gustav II. Adolf]] die Stadt, eine kleine schwedische Besatzung blieb bis Ende 1634. Auf seinem Zug von Frankfurt Richtung Mainz ließ [[Bernhard von Sachsen-Weimar|Bernhard von Weimar]] im Januar 1635 Höchst einnehmen und die Hälfte der Stadt und das damalige gotische Schloss niederbrennen. Der Kurfürst [[Anselm Casimir Wambolt von Umstadt]] beklagte sich in einem Schreiben vom März des Jahres darüber beim Kaiser: :''Allein aus bösem Vorsatz und giftigem Neid ohne einige ihren Nutzen und Vorteil han sie das durch unsren Vorgänger Wolfgang mit großen Kösten erbaute Residenzschloß ganz und zumal bis auf die noch stehenden Mauern in die Asche gelegt.''<ref>Haus-, Hof- und Staatsarchiv Wien</ref> Die Stadt wurde noch mehrfach von feindlichen Truppen heimgesucht. Brände, Hunger und Pest dezimierten die Bevölkerung. Von den 126 Familien im Jahr 1618 blieben am Ende des Krieges nur noch 75 übrig. Durch Zuzug stieg die Zahl der Haushaltungen jedoch wieder auf 102. Die Stadt erholte sich nur langsam von den Kriegsfolgen, das zerstörte Schloss wurde nicht wieder aufgebaut. Lediglich der Torbau und der [[Bergfried]] wurden in den Jahren 1636 bis 1768 wieder instand gesetzt. Der Turm erhielt dabei 1681 seine Barockhaube. [[File:F-Höchst Bolongaropalast Plan Neustadt.jpg|thumb|left|Idealplan der Höchster Neustadt. Wandgemälde im Bolongaropalast]] Im 18. Jahrhundert setzte in Höchst eine langsame Blüte des Handels ein. Mit dem wirtschaftlichen Aufschwung stieg auch langsam die Bevölkerungszahl, sie verdoppelte sich bis 1780 auf 850 gegenüber 450 im Jahr 1668. Die Gründung der bekannten [[Höchster Porzellanmanufaktur]] im Jahr 1746 – sie produzierte bis 1796 und wurde 1947 neu gegründet – und die Ansiedlung der italienischen Handelsfamilie [[Bolongaro]] waren zwei wichtige Gründe für diesen Aufschwung. Die Bolongaros hatten 1743 eine Frankfurter Tabakhandlung erworben und bauten sie zur größten [[Schnupftabak]]manufaktur Europas aus. 1771 erwarben sie in Höchst das Bürgerrecht, das ihnen die [[lutherisch]]e Reichsstadt Frankfurt verwehrt hatte. Kurfürst [[Emmerich Joseph von Breidbach zu Bürresheim|Emmerich Joseph]] gestattete ihnen den Bau des [[Bolongaropalast]]es im Rahmen seines 1768 begonnenen [[Höchster Neustadt|Neustadt-Projektes]] zur Stadtentwicklung Höchsts. Das Projekt kam jedoch nur stockend voran. Zwar wurden den Neusiedlern viele Priviliegien zugestanden, die Baukosten auf dem schwierigen Gelände waren jedoch hoch und in der Altstadt stand genügend preiswerter Bauplatz zur Verfügung. Daher blieb die Neustadt bis auf wenige Straßenzüge unbebaut. Am 24. September 1778 wurde die Altstadt abermals durch einen [[Höchster Stadtbrand|Stadtbrand]] getroffen, der das nordöstliche Viertel zerstörte. In der Folge wurde die Bebauung dort neu geordnet, um die Brandgefahr zu mindern. Gleichzeitig gestattete der Kurfürst, die Bebauung bis an die Stadtmauer heranzuziehen. Dies bedeutete das Ende der Stadtmauer als Verteidigungsanlage der Stadt. Die Bolongaros, denen 1783 doch noch das Frankfurter Bürgerrecht zugestanden worden war, verließen Höchst wieder und beauftragten ihren Prokuristen Bertina mit der Geschäftsführung der Tabakmanufaktur. In den folgenden Jahren ab 1792 wurde Höchst während der [[Koalitionskriege]] mehrfach von französischen Truppen besetzt. Im September 1795 überschritt ein französisches Heer unter [[Jean-Baptiste Jourdan|Marschall Jourdan]] den Rhein bei [[Mainz-Kastel]], wurde aber am 10. Oktober 1795 von den Österreichern unter [[Charles Joseph de Croix, comte de Clerfait|Karl von Clerfayt]] in der ''Schlacht bei Höchst'' geschlagen und über den Rhein zurückgeworfen. Am 11. Oktober 1802 nahmen einhundert Mann nassauisches Militär unter Führung des Regierungsrats ''Huth'' in Vorwegnahme der Territorialneuordnung Höchst in Besitz.<ref>HStA Wiesbaden 228/I,744</ref> == Von Nassau und Preußen nach Frankfurt – 1803 bis 1928 == === Die biedermeierliche Kreisstadt in Nassau === [[File:Plan von der Stadt Höchst 1850 1864.jpg|thumb|left|Stadtplan von Höchst aus dem Jahr 1864]] [[File:Bahnhof Höchst am Main 1846.jpg|thumb|Der ehemalige Höchster Bahnhof aus dem Jahr 1839, englischer Stahlstich von 1846.]] [[File:Hoechst AG Baubewilligung 1862.jpg|thumb|Bau- und Betriebsgenehmigung für die chemischen Werke Meister, Lucius & Co. durch die herzoglich-nassauische Verwaltung 1862]] Mit dem Ende des [[Heiliges Römisches Reich|Heiligen Römischen Reiches]] durch den [[Reichsdeputationshauptschluss]] von 1803 wurden die geistlichen Fürstentümer aufgelöst – auch das Territorium des Erzbistums Mainz wurde [[Säkularisation|säkularisiert]]. Stadt und Amt Höchst wurden dem Fürstentum [[Nassau-Usingen]] zugeschlagen, das bereits 1806 im [[Herzogtum Nassau]] aufging. Die für Höchst zuständige Residenzstadt war jetzt [[Wiesbaden]]. Wenige Jahre später erfolgte die kirchenrechtliche Lösung Höchsts vom Erzbistum Mainz. Im Rahmen der 1821 erfolgten Neuordnung der Bistümer gehörte Höchst ab 1827 mit dem Herzogtum Nassau und der [[Freie Stadt Frankfurt|Freien Stadt Frankfurt]] zum neu geschaffenen [[Bistum Limburg]]. Vom 1. auf den 2. November 1813 verbrachte der bei [[Völkerschlacht bei Leipzig|Leipzig]] geschlagene [[Napoléon Bonaparte]] seine letzte Nacht auf rechtsrheinischem Boden. Er übernachtete im Bolongaropalast. Sein Kontrahent, [[Gebhard Leberecht von Blücher|Marschall Blücher]], erreichte Höchst wenige Tage später, am 17. November. Er nutzte den Bolongaropalast bis zum 27. Dezember des Jahres als Hauptquartier. [[File:Hoechst Nied Plan 1870.jpg|thumb|left|Höchst und Nied auf einem Hochwasserkataster von 1870]] Die nassauische Regierung begann nach dem Ende der [[Befreiungskriege]] ab dem Jahr 1813 mit einer Verbesserung der Infrastruktur und einer Verwaltungsreform im Herzogtum. Höchst wurde 1816 Verwaltungssitz des [[Amt Höchst|Amtes Höchst]].<ref>Ein nassauischen [[Amt (Kommunalrecht)|Amt]] entspricht einem heutigen [[Landkreis]]</ref>. Im Rahmen des Ausbaus der [[Mainzer Landstraße]] wurden im Jahr 1816 die hinderlichen und nutzlosen Stadtmauern sowie beide Stadttore abgebrochen und die [[Bolongarostraße|Hauptstraße]] erweitert. Erhalten blieb nur die Mainfront der alten Stadtbefestigung, da hier keine Ausdehnungsmöglichkeit für die Stadt bestand. Sie prägt das mainseitige Bild Höchsts bis heute. Die im Rahmen des Neustadtprojekts angelegte [[Königsteiner Straße]] wurde zwischen 1814 und 1820 als [[Chaussee]] Richtung [[Königstein im Taunus|Königstein]] ausgebaut. Höchst erlebte ein weiteres Wirtschafts- und Bevölkerungswachstum. 1822 lautete der Eintrag in einem Geografiebuch: :''Höchst, an dem Einflusse der Nidda in den Main, mit 1516 Einwohnern, Tabaks- und anderen Fabriken, starkem Handel. Das Bolongarosche Gebäude zieret dieses lebhafte Städtchen.''<ref>Brand, Geographisches Handbuch, 4. A., Weißkirchen 1822.</ref> Am 26. September 1839 wurde die erste Etappe der [[Taunusbahn (Wiesbaden)|Taunusbahn]] von Frankfurt nach Höchst eröffnet. Sie war eine der ersten deutschen Eisenbahnen. Der erste [[Bahnhof Frankfurt-Höchst|Höchster Bahnhof]] lag am Bahnübergang der heutigen Königsteiner Straße. Anfang 1840 war die Strecke bis in die nassauische Residenz Wiesbaden fertiggestellt. 1847 eröffnete die [[Sodener Bahn|Nebenbahn]] ins damals sehr beliebte Kurbad [[Bad Soden am Taunus|Soden]]. Nach der [[Deutsche Revolution 1848/49|Märzrevolution von 1848]], die auch an Höchst nicht vorüberging, beschloss die nassauische Regierung eine Verwaltungsreform. Mit einem Gesetz vom Dezember 1848 zur Neuordnung der Gemeindeverwaltung wurde ein auf vier Jahre gewählter ehrenamtlicher Gemeinderat eingeführt. Der Gemeindesrat wurde von der Gemeindeversammlung gewählt und bestand aus einem Bürgermeister, einem Ratschreiber und einer nach Gemeindegröße wechselnden Zahl Gemeinderäte. Von 1860 bis 1887 hatte Höchst vier ehrenamtliche Bürgermeister. Mitte des 19. Jahrhunderts hatte die [[Industrielle Revolution]] in Deutschland ihren ersten Höhepunkt. Das Herzogtum Nassau förderte Industrieansiedelungen nach Kräften, während die [[Freie Stadt Frankfurt]] innerhalb ihrer Grenzen keine größeren Fabriken dulden wollte. Bereits 1856 wurde eine erste ''Fabrik chemischer Producte Simeons, Ruth und Co.'' in Höchst eröffnet. 1863 gründeten die beiden Frankfurter Unternehmer [[Eugen Lucius]] und sein Schwager [[Carl Friedrich Wilhelm Meister]] das Unternehmen ''Theerfarbenfabrik Meister, Lucius & Co.''. Das anfangs sehr kleine Unternehmen wuchs rasch. Unter dem Namen ''Farbwerke Höchst vorm. Meister Lucius&nbsp;& Brüning AG'' und später als ''[[Hoechst AG]]'' wurde es zum größten Chemie- und Pharmakonzern der Welt. Im Höchster Volksmund behielt das Werk immer den Namen ''Rotfabrik'', nach einem der ersten Produkte des jungen Unternehmens, dem roten Farbstoff [[Fuchsin]]. === Groß-Höchst – Die preußische Kreis- und Industriestadt === [[File:Meyers5 Frankfurt Höchst.png|thumb|left|Höchst und Umgebung im Jahr 1893.]] [[File:Lageplan Höchst 1897 1889.jpg|thumb|Stadtplan von Höchst am Main aus dem Jahr 1898]] [[File:1900 Königsteiner Straße.jpg|thumb|Die Königsteiner Straße im Jahr 1900]] [[File:Evangelische Stadtkirche Höchst 1905.jpg|thumb|Die Evangelische Stadtkirche im Jahr 1905]] Das Herzogtum Nassau stand im [[Deutscher Krieg|Deutsch-Deutschen Krieg]] auf Seiten des [[Deutscher Bund|Deutschen Bundes]] und gehörte somit zu den Kriegsverlierern. Das Herzogtum wurde zusammen mit der Freien Stadt Frankfurt und dem [[Kurfürstentum Hessen]] von [[Preußen]] annektiert. Die Stadt Höchst gehörte von 1867 bis 1885 dem neuen [[Mainkreis (Hessen)|Landkreis Wiesbaden]] in der Provinz [[Hessen-Nassau]] an. 1886 wurde Höchst Kreisstadt des neu gegründeten [[Landkreis Höchst|Landkreises Höchst]]. Zum 31. Dezember 1866 hob die preußische Verwaltung endgültig den Mainzoll auf. Die beiden letzten Höchster Zollbeamten beendeten am 15. Februar 1867 ihren Dienst, die Gerätschaften des Amtes wurden versteigert und die Gebäude als Privatwohnung vermietet. Der [[Höchster Altstadt#Zollturm|Zollturm]] wurde 1870 zur Schule umgebaut. Die neue [[Main-Lahn-Bahn]] nach [[Limburg an der Lahn|Limburg]] wurde 1877 in Betrieb genommen. Mit dem Bau der Limburger Strecke wurde 1880 am heutigen Standort ein neues Bahnhofsgebäude errichtet. Es lag als [[Inselbahnhof]] zwischen den Gleisen und war durch eine Stichstraße von der Königsteiner Straße her erreichbar. 1902 wurde die [[Königsteiner Bahn]] nach [[Königstein im Taunus]] eröffnet. 1914 entstand als letztes öffentliches Bauprojekt in Höchst vor dem [[Erster Weltkrieg|Ersten Weltkrieg]] ein [[Bahnhof Frankfurt (Main) Höchst|neuer Bahnhof]], der dritte nach 1839 und 1880. Mit seinen zwölf Gleisen und dem repräsentativen Empfangsgebäude im [[Jugendstil]] war er ein Symbol für das rasante Wachstum, das die Stadt durch den Aufstieg als Chemiestandort erlebte. Die Einwohnerzahl stieg sprunghaft von 6517 im Jahr 1885 auf 14.000 im Jahr 1905. Weitere Industrie- und Handwerksbetriebe siedelten sich an. 1908 wurde am Mainufer der [[Höchster Hafen]] für den wachsenden Warentransport auf dem Fluss ausgebaut. Das vordem flache Ufer wurde dazu dazu um zwei Meter aufgeschüttet.<ref name="Hafen" /> Neue Stadtviertel wurden angelegt, das ''Westend'' mit [[Gründerzeit]]- und Jugendstilbauten entstand. Während der Stadtplan von 1864 noch einen Stadtgrundriss zeigt, der sich im Bereich der Altstadt fast nicht von der spätmittelalterlichen Ausdehnung unterscheidet und die Neustadt kaum über den Plan Emmerich-Josephs hinaus gewachsen ist, verdeutlicht der Stadtplan von 1898 das schnelle Wachstum Höchsts innerhalb von dreißig Jahren. [[File:Hoechster Markt und Synagoge 1923.jpg|thumb|left|Die 1905 eingeweihte Synagoge<br /><small>Aufnahme vom November 1923</small>]] Auch das religiöse Leben in der Stadt wurde vielfältiger. War Höchst ehemals als mainzische Besitzung traditionell katholisch, zogen nun Protestanten und Bürger jüdischen Glaubens zu. Mit finanzieller Unterstützung durch den Industriellen [[Adolf von Brüning]] wurde 1882 die [[Evangelische Stadtkirche Höchst|evangelische Stadtkirche]] errichtet. Die jüdische Gemeinde weihte 1905 ihre neue Synagoge am heutigen Marktplatz feierlich ein. 1909 wurde die neue katholische Pfarrkirche [[St.-Josefs-Kirche (Frankfurt-Höchst)|Pfarrkirche St. Josef]] geweiht, deren Bau als Folge der Enteignung von Kirchengut während der [[Säkularisierung]] von 1803 vom preußischen Staat finanziert wurde. Dies wurde 1906 in einem ''Höchster Kirchenbauprozess'' genannten Gerichtsverfahren zwischen der katholischen Kirchengemeinde und dem preußischem Fiskus entscheiden.<ref>Matthias Höhler: ''Der Höchster Kirchenbauprozess.'' Mainz, Kirchheim 1906.</ref> Schließlich konnte die ehrenamtliche Verwaltung die Probleme der wachsenden Industriestadt nicht mehr bewältigen. Ohne den massiven Einfluss der Farbwerke Hoechst und ihrer Gründerfamilien auf die soziale und kulturelle Stadtentwicklung sowie ihren Bau von Sozialwohnungen für die Arbeiterschaft wäre die Infrastruktur Höchsts längst zusammengebrochen. 1888 bekam Höchst mit [[Eugen Gebeschus]] seinen ersten hauptamtlichen Bürgermeister. Der Verwaltungsjurist setzte sich schnell für eine planvolle Stadtentwicklung ein, die das Wachstum der Stadt ordnete und die verfügbaren Flächen strukturierte. Höchst erwarb 1907 für die wachsende Stadtverwaltung den bis dahin als Wohn- und Industriegebäude genutzten Bolongaropalast und ließ ihn zum Rathaus umbauen. Mitten im Ersten Weltkrieg, am 1. April 1917, wurden die Gemeinden [[Frankfurt-Unterliederbach|Unterliederbach]], [[Frankfurt-Sindlingen|Sindlingen]] und [[Frankfurt-Zeilsheim|Zeilsheim]] nach Höchst am Main eingemeindet. Die neue Stadt nannte sich nun ''Groß-Höchst'', sie hatte mit einem Schlag 32.000 Einwohner. Ihr Bürgermeister Ernst Janke, Amtsinhaber von 1911 bis 1923, wurde von [[Wilhelm II. (Deutsches Reich)|Wilhelm II.]] zum [[Oberbürgermeister]] ernannt.<ref>Dies war lediglich ein persönlicher Titel, rein verwaltungsrechtlich hatte Höchst keinen Oberbürgermeister. Die Nachfolger Jankes führten diese Amtsbezeichnung nicht mehr.</ref> === Nach dem Ersten Weltkrieg – Französische Besatzung und Inflation === [[File:Gedenktafel Bruno Asch Frankfurt Höchst.JPG|thumb|Gedenktafel für Bruno Asch am Bolongaroplast]] Nach dem Ende des Krieges wurden die linksrheinischen Gebiete Deutschlands infolge des [[Versailler Vertrag]]s durch Frankreich besetzt. Hinzu kamen außerdem drei Brückenköpfe auf rechtsrheinischem Gebiet in einem Radius von jeweils dreißig Kilometern rund um [[Köln]], [[Koblenz]] und Mainz. Höchst lag innerhalb des Mainzer Besatzungsgebiets und wurde am 14. Dezember 1918 von französischen, marokkanischen und algerischen Truppen besetzt, die in der eigens für sie erbauten Höchster Kaserne Quartier nahmen. An der Niddabrücke nach [[Frankfurt-Nied|Nied]] wurde ein Grenzübergang (Zollgrenze) eingerichtet, Straßennamenschilder in französischer Sprache wurden aufgehängt. Wegen Widerstands gegen die Besatzungsmacht wurde 1919 Oberbürgermeister Janke ausgewiesen, das gleiche Schicksal traf 1923 seinen Amtsnachfolger [[Bruno Asch]]. Er leitete bis 1925 die Amtsgeschäfte telefonisch von Frankfurt aus, bevor er dort Stadtkämmerer wurde und sein Amt an Bruno Müller übergab, den letzten Höchster Bürgermeister. Die französische Besatzung endete erst im Jahr 1930. Im Werk Höchst entstand 1920 bis 1924 das [[Technisches Verwaltungsgebäude der Hoechst AG|Technische Verwaltungsgebäude]] von [[Peter Behrens]], einer der bedeutendsten [[Expressionismus|expressionistischen]] Industriebauten. Zwischen dem Bahnhof und der Königsteiner Straße wurde südlich des Bahndamms eine der wenigen expressionistischen Parkanlagen Deutschlands angelegt, die heutige Bruno-Asch-Anlage. Der Höchster [[Stadtplanung|Stadtarchitekt]] Carl Rohleder hatte radikale Planungen für ein „Groß-Höchst“, die Abriss und Neubebauung fast der gesamten Altstadt vorsahen. Sie konnten aufgrund der finanzschwachen Situation Höchsts nicht verwirklicht werden. Die [[Deutsche Inflation 1914 bis 1923|Inflation]] und die Kosten der französischen Besatzung zwischen 1918 und 1930 hatten die Stadtkassen geleert. Zudem war das Gewerbesteuereinkommen beträchtlich gesunken, nachdem sich die [[I.G. Farben]], zu der auch die Hoechst AG gehörte, vom Interessenverband 1925 in einen Konzern mit [[I.G.-Farben-Haus|Hauptsitz in Frankfurt]] umgewandelt hatte. Der Hauptteil der Steuereinnahmen aus der Hoechst AG floss nun in die Nachbarstadt. Im Werk Höchst wurde in diesen Jahren wenig investiert, da der neue Konzern seinen Schwerpunkt in Mitteldeutschland hatte. Die wirtschaftlichen Interessen des Konzerns und des Konzernsitzes Frankfurt veranlassten die preußische Regierung, Druck auf die Höchster Verwaltung auszuüben. Würde Höchst sich nicht freiwillig nach Frankfurt eingemeinden lassen, würde dies der preußische Landtag mit einem Gesetzesakt zwangsweise veranlassen. Um nicht Eingemeindungsbedingungen diktiert zu bekommen und weiterhin von den existenziellen Steuereinnahmen zu profitieren, entschied sich der Höchster Magistrat für die freiwillige Aufgabe der städtischen Eigenständigkeit.<ref>Josef Marschang: ''Die Eingemeindung nach Frankfurt.'' In: Leo Gelhard (Hg.), ''600 Jahrfeier der Stadt Höchst am Main vom 2. bis 11. Juli 1955. Fest- und Programmbuch.'' Frankfurt am Main 1955: Stadt Frankfurt am Main. S. 81-87.</ref> Die Stadtverordnetenversammlung verabschiedete am 5. Januar 1928 den mit Frankfurt ausgehandelten Eingemeindungsvertrag<ref>''Eingemeindungsvertrag zwischen der Stadtgemeinde Frankfurt am Main und der Stadtgemeinde Höchst am Main'' von 1928 [http://www.frankfurt.de/sixcms/media.php/738/eingemeindungsvertrag.pdf (PDF, 88 kB)]</ref> mit seiner Anlage zur weiteren Entwicklung Höchsts<ref>Anlage zum Eingemeindungsvertrag von 1928 [http://www.frankfurt.de/sixcms/media.php/738/eingemeindungsvertrag_anlage_5.pdf (PDF, 89 kB)]</ref> Der bisherige Höchster Bürgermeister Bruno Müller (SPD) wurde Dezernent in Frankfurt. == Ein Stadtteil Frankfurts – Höchst ab 1928 == === Von den späten 1920ern bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges === [[File:Frankfurt Höchst Kreishaus.jpg|thumb|left|Ehemaliges Kreishaus an der Höchster Bolongarostraße]] [[File:Höchst Mahnmal französische Besetzung.jpg|thumb|In die mainseitige Stadtmauer eingelassenes Mahnmal des Höchster Künstlers [[Richard Biringer]] an die Zeit der französischen Besatzung.]] [[File:Gedenktafel Synagoge Frankfurt Höchst.JPG|thumb|Gedenktafel an die Synagoge am Höchster Markt.]] Am 1. April 1928 verlor Höchst nach 573 Jahren seine kommunale Selbständigkeit und wurde ein Stadtteil [[Frankfurt am Main|Frankfurts]]. Die 1917 eingemeindeten Höchster Stadtteile wurden ebenfalls zu Frankfurter Stadtteilen. Die französische Militärverwaltung widersetzte sich anfangs der Eingemeindung, stimmte dann aber doch zu. Nachdem die letzten französischen Truppen im Dezember 1929 abgezogen waren, endete die französische Besatzung Höchsts formal im Juni 1930. Höchst blieb allerdings, dies war ein Kuriosum der Eingemeindung, noch bis 1980 [[Kreisstadt]] des [[Main-Taunus-Kreis]]es, der im Rahmen einer Gebietsreform aus dem [[Landkreis Höchst|Altkreis Höchst]] und dem [[Landkreis Wiesbaden|Altkreis Wiesbaden]] neu gebildet wurde. Mit der Machtübernahme durch die [[Nationalsozialismus|Nationalsozialisten]] änderte sich die kommunalpolitische Situation Höchsts. Der Eingemeindungsvertrag sah eine starke Autonomie des Stadtteils vor, die auch einen eigenen Haushalt umfasste. Dies passte nicht zum zentralistischen Führerprinzip der neuen Machthaber, Höchst wurde zu einem abhängigen Verwaltungsbezirk Frankfurts. Im Anhang des Vertrages zugesagte Bauvorhaben und Stadtentwicklungsmaßnahmen wurden nicht ausgeführt, der Vertrag verschwand im Stadtarchiv. Die Nationalsozialisten begannen schnell mit der Enteignung der jüdischen Bevölkerung Höchsts. Die Besitzer des 1929 auf der Königsteiner Straße eröffneten großstädtischen ''Kaufhauses Schiff'' wurden zum Verkauf gezwungen; das Kaufhaus wurde über einen Zwischenbesitzer an den [[Hertie Waren- und Kaufhaus|Hertie-Konzern]] verkauft. Ebenso „[[Arisierung|arisiert]]“ wurde die gegenüber dem Bahnhof gelegene Schuhfabrik ''R. & W. Nathan OHG'', deren Anteile zur Hälfte von der [[Dresdner Bank]] erworben wurden. Das Unternehmen wurde zur [[ADA-ADA-Schuh AG]] umfirmiert, die Inhaber in die Emigration getrieben. Bei den [[Novemberpogrome 1938|Novemberpogromen 1938]] wurde die 1905 am Marktplatz erbaute Synagoge von SA-Leuten niedergebrannt, die Feuerwehr schützte lediglich umstehende Häuser vor dem Feuer. Anstelle der Synagoge wurde ein Luftschutzbunker errichtet. Eine Gedenktafel an dessen Westfassade erinnert heute an das Geschehen. Im Gegensatz zur Kernstadt Frankfurts und anderen Stadtteilen wurde Höchst im [[Zweiter Weltkrieg|Zweiten Weltkrieg]] nur leicht beschädigt. Bei Luftangriffen im Jahr 1940 wurden vier Häuser zerstört, 13 Menschen starben dabei. Insbesondere wurden auch die Anlagen der Hoechst AG nur wenig beschädigt. Lediglich ein Produktionsbetrieb, die Telefonzentrale und die Werksbibliothek wurden zerstört. Insgesamt wurden in Höchst 53 Häuser getroffen. Augenzeugenberichten zufolge gab es in Höchst keinen einzigen schweren Luftangriff. Der letzte Beschuss Höchsts durch US-amerikanische Artillerie erfolgte am Abend des 27. März 1945. Am 29. März 1945 marschierten die [[Streitkräfte der Vereinigten Staaten|amerikanischen Truppen]] in Höchst ein und besetzten den Stadtteil und das Chemiewerk. === Die Entwicklung Frankfurt-Höchsts nach 1945 === [[File:Frankfurt_Höchst_Markthalle.jpg|thumb|left|Die 1955 errichtete Markthalle]] [[File:Frankfurt Hoechst Burggraben 2.jpg|thumb|Renovierte Fachwerkhäuser in der Altstadt]] [[File:Mk Frankfurt Kö 4.jpg|thumb|Ehemaliges Warenhaus in der Fußgängerzone in der Königsteiner Straße]] [[File:Höchster Mainufer Batterie.jpg|thumb|Neugestaltetes Höchster Mainufer 2006]] Im Juli 1945 richtete sich der Soldatensender [[American Forces Network|AFN]] im Höchster Schloß ein. Die Studios befanden sich im Neuen Schloss, die Mannschaftsunterkünfte im Alten Schloss. Bis zum Bezug eines neuen Gebäudes beim [[Hessischer Rundfunk|Hessischen Rundfunk]] 1966 blieb der Sender im Schloss ansässig. 1947 erfolgte auf Betreiben des Höchster Journalisten [[Rudolf Schäfer (Historiker)|Rudolf Schäfer]] die Neugründung der [[Höchster Porzellanmanufaktur]]. Nach finanzieller Beteiligung der Hoechst AG konnte das Unternehmen 1965 fortgeführt werden. Es hatte zwischen 1977 und 2002 seinen Sitz in der Altstadt im Dalberger Haus, seitdem ist der Firmensitz in der Höchster Palleskestraße. Anfang der 1950er-Jahre kam der Eingemeindungsvertrag und seine bisher nicht erfüllten Punkte wieder in die Diskussion. Die Höchster warteten immer noch auf den Anschluss an die [[Straßenbahn Frankfurt am Main|Frankfurter Straßenbahn]], ebenso waren die vertraglich zugesagte Markthalle, das Hallenbad und die Mainbrücke nicht gebaut worden. 1953 gründeten Höchster Bürger einen Ausschuss, der unter dem Motto „Zerbrecht die Ketten Frankfurts“ die Ausgemeindung aus Frankfurt betreiben wollte.<ref>[{{Der Spiegel|25656062|Titel=Wurst aus Höchst|Text=}} Der Spiegel 14/1953 vom 1. April 1953, Seite 14: ''Frankfurt – Wurst aus Höchst.'']</ref> Da der Frankfurter Oberbürgermeister [[Walter Kolb]] seinen Wohnsitz in einem Seitenflügel des Bolongaroplastes hatte, konnte er sich direkt ein Bild vom Unmut der Höchster Bevölkerung machen. Auf seine Initiative wurden die Markthalle und das Hallenbad<ref>Der Bau des Hallenbades wurde von der Hoechst AG mit 4 Mio. DM gefördert, nach [[#Literatur|Lit.:]] Schreier/Wex: ''Chronik der Höchst Aktiengesellschaft.'' S. 224 und 228.</ref> erbaut und im November 1955 eingeweiht.<ref>[[Höchster Kreisblatt]] vom 16. November 1955, [[Frankfurter Allgemeine Zeitung|FAZ]] vom 17. November 1955</ref> Die Straßenbahn wurde von Nied bis zur Zuckschwerdtstraße im Osten Höchsts ausgebaut. Weitere Teile des Vertrages wurden erst seit Mitte der 1990er-Jahre erfüllt, so 1994 [[Leunabrücke|die Errichtung einer Brücke über den Main]] und der Bau des [[Bahnhof Frankfurt-Zeilsheim|Bahnhofs für Zeilsheim und Sindlingen]] im Jahr 2007. 1957 fand zum ersten Mal das [[Höchster Schloßfest]] <!-- sic! --> statt. Es entwickelte sich in den folgenden Jahren zu einem kulturellen Höhepunkt der Region. Ein erster Ansatz zum Denkmalschutz in Höchst erfolgte 1959 mit einer von der Stadt Frankfurt erlassenen Bausatzung, die einige Häuser der Höchster Altstadt unter Schutz stellte. Sie mündete 1972 in ein Ortsstatut, mit dem die Höchster Altstadt als Gesamtensemble unter [[Denkmalschutz]] gestellt wurde. In den folgenden Jahren wurden die Straßen der Altstadt neu gepflastert und mit neuen Straßenlaternen versehen. Viele historische Gebäude wurden seither renoviert. :''→ Hauptartikel: [[Höchster Altstadt]]'' Am 4. Juli 1979 beschloss der [[Hessischer Landtag|Hessische Landtag]] den Umzug der Verwaltung des Main-Taunus-Kreises von Höchst nach [[Hofheim am Taunus]], Höchst verlor dadurch nach fast zwei Jahrhunderten seinen Status als Kreisstadt.<ref>Tobias Rösmann: ''Höchst – Der lange Weg nach unten.'' [[Frankfurter Allgemeine Zeitung]] vom 7. Februar 2006. ([http://www.faz.net/s/Rub8D05117E1AC946F5BB438374CCC294CC/Doc~ED32190C802794AF08CFEAB26B7457977~ATpl~Ecommon~Scontent.html Online])</ref> Es blieb jedoch noch bis 1987 Sitz der Kreisverwaltung. Bis 1980 verfügte Höchst ebenfalls über eine eigenständige Kfz-Zulassungsstelle für das [[Liste der auslaufenden deutschen Kfz-Kennzeichen|Kfz-Kennzeichen FH]] (Frankfurt-Höchst). Seit den 1970er-Jahren war ein kontinuierlicher Bevölkerungsrückgang in Höchst zu verzeichnen. Der Stadtteil hatte und hat den Ruf eines Industriebezirks mit geringer Wohnqualität. Im Jahr 2005 waren 39&nbsp;Prozent der Bevölkerung Migranten, was soziale Spannungen und Ghettobildung mit sich bringt.<ref>Statistisches Jahrbuch 2006 der Stadt Frankfurt, Band 2: Bevölkerung [http://www.frankfurt.de/sixcms/media.php/678/JB2006K02x.pdf (PDF, 598 kB)]</ref> Mit dem Bau von Einkaufszentren wie des [[Main-Taunus-Zentrum]]s vor den Toren Höchsts wurde die traditionelle Kundschaft aus dem Vordertaunus weggelockt. Nach dem Wegzug der Kreisverwaltung blieben auch die Behördenmitarbeiter und -besucher als Kundschaft der Höchster Geschäfte aus. Der Einzelhandel in Höchst geriet daher seit dem Ende der 1980er in eine Krise. Ein weiterer wirtschaftlicher Einschnitt für den Stadtteil ergab sich ab Mitte der 1990er mit der Aufteilung und Auflösung der Farbwerke Hoechst. Die Zahl der im [[Industriepark Höchst]] Beschäftigten sank von über 30.000 (um 1980) auf zeitweise unter 20.000, und der früher übliche Einkaufsbummel der ''Rotfabriker'' während der Mittagspause wurde ein Opfer der Bemühungen um ständige Effizienzsteigerung. Im Jahr 2007 ist der Industriepark ein prosperierender Standort für über 90 Unternehmen, die wieder rund 22.000 Mitarbeiter beschäftigen<ref>[http://www.industriepark-hoechst.com Internetpräsenz des Industrieparks Höchst]</ref>, die jedoch dem Einzelhandel und der Gastronomie in Höchst nur noch wenig Umsatz verschaffen. Auch die finanzielle Unterstützung der früheren Hoechst AG für soziale, kulturelle und denkmalschützerische Projekte im Stadtteil blieb nun weitgehend aus. Die 1990 erfolgte Umwandlung eines Abschnitts der Königsteiner Straße zwischen [[Bolongarostraße]] und [[Hostatostraße]] in eine [[Fußgängerzone]] konnte den Abwärtstrend des Höchster Einzelhandels nicht aufhalten. Viele Fachgeschäfte zogen fort oder gaben auf, leerstehende Geschäftsräume und Geschäfte mit Niedrigpreisware kennzeichnen seither das Bild der Höchster Einkaufsstraßen. Daher beschloss die Stadt Frankfurt im Jahr 2006, in den folgenden zehn Jahren die Stadtentwicklung Höchsts mit zwanzig Millionen Euro zu fördern, um Höchst wieder zu einem attraktiven Wohn- und Geschäftsstandort zu machen.<ref>Stadtplanungsamt Frankfurt am Main (Hg.): ''Rahmenplan Höchst 2006. Städtebauliche Rahmenplanung; Revitalisierung der Innenstadt.'' Frankfurt am Main 2006: Stadt Frankfurt am Main.</ref> == Einzelnachweise und Anmerkungen == <references /> == Literatur == <!-- Hier steht nur Literatur, die bei der Erstellung des Artikels Verwendung fand --> * Wilhelm Frischholz: ''Alt-Höchst. Ein Heimatbuch in Wort und Bild.'' Frankfurt am Main 1926: Hauser. * Leo Gelhard (Hg.): ''600 Jahrfeier der Stadt Höchst am Main vom 2. bis 11. Juli 1955. Fest- und Programmbuch.'' Frankfurt am Main 1955: Stadt Frankfurt am Main. * Markus Grossbach: ''Frankfurt-Höchst. Bildband.'' Erfurt 2001: Sutton. ISBN 3-89702-333-4 * Wilhelm Grossbach: ''Alt-Höchst auf den zweiten Blick. Impressionen aus einer alten Stadt.'' Frankfurt 1980: Höchster Verlagsgesellschaft. * Wilhelm Grossbach: ''Höchst am Main: gestern, heute, morgen.'' Frankfurt am Main 2006: Frankfurter Sparkasse. * Wolfgang Metternich: ''Die Justinuskirche in Frankfurt am Main-Höchst.'' Frankfurt am Main 1986: Verein für Geschichte und Altertumskunde. * Wolfgang Metternich: ''Die städtebauliche Entwicklung von Höchst am Main.'' Frankfurt am Main 1990: Stadt Frankfurt und Verein für Geschichte und Altertumskunde. * Wolfgang Metternich: ''Höchst erstaunliche Geschichte.'' Frankfurt am Main 1994: Kramer. ISBN 3-7829-0447-8 * Wolfgang Metternich: ''Die Burg des 13. Jahrhunderts in Höchst am Main.'' Frankfurt am Main 1995: Verein für Geschichte und Altertumskunde. * Rudolf Schäfer: ''Höchst am Main.'' Frankfurt am Main 1981: Frankfurter Sparkasse * Rudolf Schäfer: ''Chronik von Höchst am Main.'' Frankfurt am Main 1987: Kramer. ISBN 3-7829-0293-9 * Heinrich Schüßler: ''Höchst. Stadt der Farben.'' Frankfurt am Main 1953: Frankfurter Sparkasse von 1822. * Anna Elisabeth Schreier, Manuela Wex: ''Chronik der Hoechst Aktiengesellschaft. 1863–1988.'' Frankfurt am Main 1990: Hoechst Aktiengesellschaft. * Magistrat der Stadt Höchst am Main (Hg.): ''Höchst am Main.'' Höchst a. M. 1925: Verlag der Stadtverwaltung. == Weblinks == {{Commons|Frankfurt-Höchst|Frankfurt-Höchst}} {{Wikisource|Topographia Hassiae (Hessen): Höchst|Höchst in Merians Topographia Hassiae}} {{FrankfurtSeite|ArtikelID=2345215|Objekt=Chronik von Höchst}} {{Altfrankfurt|Objekt=Höchst|Pfad=Stadtteil/Hoechst}} [[Category:Frankfurt-Höchst]] [[Category:Geschichte von Frankfurt am Main| ]] [[Category:Geschichte (Rhein-Main)]] {{Exzellent}} aaecicvz5r4dxjrbs9wewskqg75lody wikitext text/x-wiki Kornmarkt (Frankfurt) 0 23548 26144 2010-02-26T17:39:47Z Doenertier82 0 /* Entstehung, Lage, Bedeutung */ {{Infobox Frankfurter Straße | Name = Kornmarkt / Buchgasse | Bild = Mk Rathaus Buchgasse-3.jpg | Bilduntertitel=Rathausbauten in der Buchgasse | Funktion = Ehemalige Hauptverkehrsstraße, repräsentative Wohnstraße und Messestandort; heute Einzelhandel und Verwaltung. | Länge=ca. 500 m | Anlage = 12. Jahrhundert | Stadtteile = [[Frankfurt-Altstadt|Altstadt]] | Fortsetzung = [[Katharinenpforte]] (N), [[Leonhardstor]]&nbsp;(S) | Querstraßen = [[Großer Hirschgraben|Hirschgraben]], [[Berliner Straße (Frankfurt am Main)|Berliner Straße]], [[Bethmannstraße]], [[Alte Mainzer Gasse]] | Bauwerke = [[Katharinenpforte]] (†), [[Parkhaus Hauptwache]], [[Große Stalburg]] (†), [[Deutsch-reformierte Kirche (Frankfurt)|Deutsch-reformierte Kirche]] (†), ehem. Bundesrechnungshof, [[Bethmann-Bank]], Rathaus-Erweiterungsbauten, [[Leonhardskirche (Frankfurt)|Leonhardskirche]], [[Leonhardstor]]&nbsp;(†) }} Der '''Kornmarkt''' und sein seit der frühen Neuzeit als '''Buchgasse''' bezeichneter südlicher Abschnitt sind ein Straßenzug in der [[Frankfurt-Altstadt|Altstadt]] von [[Frankfurt am Main]]. Während die Straße im mittelalterlichen Frankfurt eine der drei wichtigsten Nord-Süd-Hauptstraßen war, die zwei Stadttore und zwei große Kirchen miteinander verband, führt sie heute ein unscheinbares Dasein. Ihr städtebaulicher Zusammenhang ist weitgehend verloren gegangen – durch Straßendurchbrüche und Kriegszerstörung, vor allem aber den [[Stadtbaugeschichte|Wiederaufbau]] der 1950er Jahre, der keine Rücksicht auf das historische Stadtbild nahm. Die heute recht geringe Bekanntheit der Straße steht in Widerspruch zu ihrer historischen Bedeutung, die ihr als Ursprungsort der [[Frankfurter Buchmesse]], kurzzeitigem Tagungsort der [[Frankfurter Nationalversammlung]] und jahrhundertelangem Wohnsitz von Frankfurter Patrizierfamilien zukommt. == Entstehung, Lage, Bedeutung == [[Datei:Mk Frankfurt Altstadt 13 Jh Kornmarkt.png|miniatur|links|Verlauf des Kornmarkts in der Frankfurter Altstadt (um 1350)]] Der Kornmarkt entstand nach der Stadterweiterung des 12. Jahrhunderts. Seine erste Erwähnung findet sich in einer Urkunde des Stauferkönigs [[Friedrich II. (HRR)|Friedrich II.]] vom 15. August 1219. Darin schenkte er den Bürgern von Frankfurt auf ihre Bitte – ''ad supplicationem fidelium nostrorum universorum de Frankinfort'' – eine dem Reich gehörende, am Kornmarkt gelegene Hofstätte, – ''aream seu curtem iacentem iuxta forum frumenti'' – für den Bau der [[Leonhardskirche (Frankfurt)|Leonhardskirche]]. Nach dem Bau der [[Staufenmauer]] wurde die sich vor allem am [[Main]] entlang erstreckende Stadt nach Norden, also landeinwärts, erweitert und verdoppelte dadurch ihre ummauerte Fläche. Zu den bisherigen in Ost-West-Richtung verlaufenden Hauptstraßen wie der [[Alte Mainzer Gasse|Alten Mainzer Gasse]], der [[Saalgasse]] oder dem [[Markt (Frankfurt)|Markt]] traten nun drei neue Hauptstraßen, die die neuen Stadtteile mit den bisherigen verbanden. Eine weitere Funktion war die Aufnahme des Verkehrs zwischen den beiden neuen landseitigen Stadttoren und den bestehenden, zum [[Häfen in Frankfurt am Main|Hafen]] am Mainufer führenden Toren:<br style="clear:left"/> * Als östliche der drei parallelen Hauptstraßen führte die ''[[Fahrgasse]]'' von der [[Bornheimer Pforte]] (in der Nähe der heutigen [[Konstablerwache]]) zur [[Alte Brücke (Frankfurt)|Mainbrücke]], die durch einen [[Brückenturm]] gesichert war. Die Fahrgasse wurde aufgrund ihrer überregionalen Verkehrsbedeutung (einziger Mainübergang zwischen [[Mainz]] und [[Aschaffenburg]]) zur wichtigsten Hauptverkehrsstraße Frankfurts. * Die mittlere Verbindung, die ''[[Neue Kräme]]'', nahm keinen Durchgangsverkehr auf, weil sie im Norden nicht in ein Stadttor mündete. Sie verband allerdings die beiden wichtigsten Plätze der Altstadt, den [[Liebfrauenberg (Frankfurt)|Liebfrauenberg]] und den [[Römerberg (Frankfurt)|Römerberg]], miteinander. An den Letzteren schloss sich im Süden das zum Mainhafen führende [[Fahrtor]] an. An beiden Enden des Straßenzugs lagen wichtige Kirchen, im Norden die [[Liebfrauenkirche (Frankfurt)|Liebfrauenkirche]], im Süden die [[Alte Nikolaikirche|Nikolaikirche]]. * Der westliche der drei Straßenzüge war der ''Kornmarkt''. Er führte vom nordwestlichen Stadttor, der Bockenheimer Pforte (später [[Katharinenpforte]]) an der heutigen [[Hauptwache (Frankfurt)|Hauptwache]] zum [[Leonhardstor]] am Mainhafen. Auch an diesen beiden Toren lagen wichtige Kirchen, die [[Katharinenkirche (Frankfurt)#Mittelalter|Katharinenkapelle]] und die [[Leonhardskirche (Frankfurt)|Leonhardskirche]]. == Straßennamen == Der gesamte Straßenzug zwischen Katharinen- und Leonhardspforte trug im Mittelalter den einheitlichen Namen ''Kornmarkt''. Später unterschied man drei Abschnitte: der nördliche bis zur Kreuzung der Weißadlergasse und Großen Sandgasse hieß ''Kleiner Kornmarkt'', der mittlere bis zur Kreuzung mit der Schüppen- und Paulsgasse ''Großer Kornmarkt''. Der südliche Abschnitt von der Münzgasse bis zur Leonhardskirche erhielt im 17. Jahrhundert den Namen ''Buchgasse''. Heute gibt es zwei Straßenbezeichnungen, der Abschnitt nördlich der [[Bethmannstraße]] heißt Kornmarkt, der südlich davon liegende Buchgasse. == Mittelalterliche Patrizierpaläste == {| align="right" style="spacing-right:10px;" |- | [[Datei:Mk-Frankfurt-Merian-Kornmarkt-MkII.gif|85px]] | [[Datei:Mk Frankfurt Ravenstein Kornmarkt.jpg|102px]] | [[Datei:Mk Frankfurt Kornmarkt Karte.png|108px]] |- | <center>1628</center> | <center>1862</center> | <center>heute</center> |} Wie der Name verrät, fanden in dieser Straße bis ins 18. Jahrhundert die Frucht- und Getreidemärkte Frankfurts statt. Darüber hinaus war der Kornmarkt ein begehrter Standort für großbürgerliche Stadtpaläste, die meist nach ihren Besitzern benannt waren. Beispiele hierfür sind die Häuser ''Zum Frosch'' oder ''Zum Großen Goldstein''. Das bekannteste bürgerliche Wohnhaus der Straße war die [[Große Stalburg]], die 1496 vom damals reichsten Bürger der Stadt und mehrfachen Bürgermeister [[Claus Stalburg]] (1469–1525) errichtet wurde. Der wehrhafte gotische Steinbau mit Treppengiebel und Türmchen war ein stadtbekannter spätmittelalterlicher Prachtbau, ähnlich dem bis heute erhaltenen [[Steinernes Haus (Frankfurt)|Steinernen Haus]] am Alten Markt. == Der Geburtsort der Frankfurter Buchmesse == Der südliche Teil der Straße war im Mittelalter das Quartier der Waffen- und Rüstungsschmiede. Gegen Ende des 15. Jahrhunderts siedelten sich hier die ersten Drucker und Buchhändler an und verdrängten das vorher ansässige Handwerk. Nach den neuen Bewohnern erhielt der südliche Teil des Kornmarkts seinen heutigen Namen: ''Buchgasse''. Die Händler hielten hier ab 1480<ref>Messe Frankfurt: [http://www.messefrankfurt.com/corporate/de/unternehmen_geschichte.html ein Blick in die Geschichte], abgerufen am 12. Juni 2007</ref> zweimal jährlich eine [[Frankfurter Buchmesse|Buchmesse]] ab, die bald zur wichtigsten Europas wurde. Durch die liberalen Bestimmungen der [[Freie Reichsstadt|Freien Reichsstadt]] konnten hier zu Beginn der [[Reformation]] sogar die Schriften [[Martin Luther]]s gehandelt werden, die anderswo wegen ''Ketzerei'' verboten waren.<ref name="bm">[http://www.buchmesse.de/de/index.php?content=/de/buchmesse_frankfurt/tlp.html Streifzug durch die Geschichte], Website der Frankfurter Buchmesse, abgerufen am 15. Juni 2007.</ref> Bei der Messe 1520 verkaufte ein Frankfurter Buchhändler über 1400 Exemplare seiner Schriften. Luther stieg auf seiner Reise zum [[Reichstag zu Worms (1521)|Wormser Reichstag]] am Sonntag, dem 14. April 1521 und auch bei seiner Rückkehr am Samstag, dem 27. April 1521 im Gasthof ''Zum Strauß'' ab.<ref>Ernst Nebhut, Ferry Ahrlé: ''Frankfurter Straßen und Plätze''. Erstausg., Societäts-Verl., Frankfurt am Main 1974, ISBN 3-7973-0261-4, Seite 20.</ref><ref>Achim Mittler (frankfurt-nordend.de): [http://www.frankfurt-nordend.de/str/str_martin-luther-str.htm Martin-Luther-Straße]</ref> Der Gasthof zum Strauß lag an der Ecke Schüppengasse/Buchgasse; er wurde 1896 beim Durchbruch der Bethmannstraße abgebrochen. Während sein Gegner [[Johannes Cochläus]] – zu jener Zeit [[Dechant]] des [[Liebfrauenkirche (Frankfurt)|Liebfrauenstiftes]] – gegen ihn predigte, bereiteten ihm die Frankfurter Patrizier Philipp Fürstenberger, Arnold von [[Glauburg (Familie)|Glauburg]] und [[Hamman von Holzhausen]] einen begeisterten Empfang. Bis in die späte Nacht diskutierten sie mit dem prominenten Gast, dessen Schriften ihnen bereits vertraut waren. Des anderen Tags besichtigte Luther zunächst die gegenüber seinem Gasthof, im ''Haus Goldstein'', gelegene [[Lessing-Gymnasium (Frankfurt)|Städtische Lateinschule]], die 1519 zur Ausbildung der Patriziersöhne gegründet worden war. Der Gründer, Bürgermeister Hamman von Holzhausen, berief den Humanisten [[Wilhelm Nesen]] zum ersten Rektor. Bei seinem Besuch lernte Luther auch Nesen kennen, der ihm 1523 nach Wittenberg folgte. Ein Brief, den Luther aus Frankfurt an seinen Freund [[Spalatin]] schrieb, blieb erhalten. Darin beschreibt er die körperlichen Beschwernisse seiner Reise und fährt fort: „Aber Christus lebt! und wir wollen nach Worms kommen allen Pforten der Hölle und Fürsten der Luft zu Trutz...Andere Briefe habe ich weiter nicht schreiben wollen, bis ich erst selbst gegenwärtig sehe was zu tun: daß wir den Satan nicht etwa aufblähen, den wir vielmehr zu schrecken und zu verachten willens sind.“<ref>Wilhelm Bornemann, ''Luther in Frankfurt 1521'', in: Frankfurter Kirchenkalender 1921, S.&nbsp;14ff.</ref> [[Datei:Frankfurt Am Main-Buchgasse-Schueppengasse-Haus zum Strauss-vor 1896.jpg|miniatur|links|Gasthof zum Strauß, Zeichnung um 1850]] Auch auf der Rückreise von Worms kehrte Luther für eine Nacht im ''Strauß'' ein. Sein Besuch wurde erneut zum öffentlichen Ereignis. Am anderen Morgen schrieb Luther einen Brief an [[Lucas Cranach der Ältere|Lucas Cranach]], in dem er seine Klausur auf der [[Wartburg]] andeutete: „Ich lasse mich eintun und verbergen, weiß selbst noch nicht, wo...Es muß eine kleine Zeit geschwiegen und gelitten sein: Ein wenig sehet ihr mich nicht, und aber ein wenig, so sehet ihr mich, spricht Christus.“ Um 10 Uhr reiste er nach [[Friedberg (Hessen)|Friedberg]] ab. Im Jahr 1530 ließ sich der Buchdrucker [[Christian Egenolff]] aus [[Hadamar]] in Frankfurt nieder und eröffnete sein Geschäft auf dem Großen Kornmarkt in der Nähe der Buchgasse. Aus seiner Druckerei ging 1535 die erste in Frankfurt gedruckte deutsche Bibel hervor, auch den [[Conrad Faber von Creuznach|Faberschen]] Belagerungsplan von 1552 hat er gedruckt. Die Buchhändler und Verleger in der Buchgasse besaßen 20 Kellergewölbe, in denen Bücher, Stiche und Messekataloge verkauft wurden. Zu den Verkäuferinnen gehörten [[Albrecht Dürer|Dürers]] Frau Agnes und [[Maria Sibylla Merian]].<ref>[http://www.kultours-frankfurt.de/Messe.htm ''Es begann in Holzbuden auf dem Römerberg''], Frankfurter Rundschau vom 14. März 2003</ref> Im Jahre 1682 überschwemmte ein Mainhochwasser die Gewölbe der Buchhändler und richtete großen Schaden an den dort gelagerten Waren an. Der englische Weltreisende [[Thomas Coryat]] besuchte 1608 die Frankfurter Messe. Er schrieb: {{Zitat|In der Buchgasse sah ich eine so unendliche Menge Bücher, daß ich sie höchstlich bewunderte. Diese Straße übertrifft alles, was ich jemals sonst auf meinen Reisen sah. Sie erschien mir als ein wahrer Inbegriff aller der bedeutendsten Bibliotheken Europas.|Thomas Coryat<ref>zit. nach: Walter Gerteis: ''Das unbekannte Frankfurt''. 7. Aufl., Societäts-Verl., Frankfurt am Main 1961, ISBN 3-920346-05-X, Seite 231.</ref>}} Nach dem Dreißigjährigen Krieg verschob sich das geistige Zentrum Deutschlands aus den Reichsstädten am Rhein in die absolutistischen Staaten im Norden und Osten, der Buchhandel wanderte nach und nach dorthin ab, vor allem nach [[Leipzig]]. Die [[Leipziger Buchmesse|dortige Buchmesse]] übernahm Frankfurts führende Rolle, bis die Frankfurter Buchmesse nach 1750 ganz erlosch.<ref name="bm" /> == Der Kornmarkt im klassizistischen Frankfurt == [[Datei:Frankfurt deutsch-reformierte Kirche um 1860.jpg|miniatur|Deutsch-reformierte Kirche am Kornmarkt (1793–1944)]] Auch nach dem Ende des internationalen Buchhandels und der Verlagerung des Stadtzentrums aus der Alt- in die [[Frankfurt-Innenstadt|Neustadt]] blieb die Straße ein Wohngebiet der Oberschicht. Das im 18. Jahrhundert errichtete Haus ''Zum Großen Korb'' galt als eines der schönsten Bauten der Straße. Die ''Große Stalburg'' wurde 1788 an die [[Reformierte Kirche|Deutsch-reformierte Gemeinde]] verkauft, die sie im folgenden Jahr abreißen und das Grundstück durch [[Georg Friedrich Mack]] und [[Nicolas Alexandre Salins de Montfort|Salins de Montfort]] mit ihrer neuen [[Deutsch-reformierte Kirche (Frankfurt)|Gemeindekirche]] bebauen ließ. Das Nachbarhaus ''Liebeneck'' (Großer Kornmarkt 15) bewohnte die Bankiersfamilie Schönemann, deren Tochter [[Lili Schönemann|Lili]] 1775 mit dem wenige Gassen weiter aufgewachsenen [[Johann Wolfgang Goethe]] ein kurzlebiges Verlöbnis einging. In der vom Kornmarkt abzweigenden Großen Sandgasse stand das Haus ''Zum Goldenen Kopf'', seit 1777 Wohnsitz der Familie [[Brentano#Frankfurter Linie Brentanos|Brentano]], Geburtshaus [[Bettina von Arnim|Bettinas]] und Sterbehaus ihrer Mutter [[Maximiliane von La Roche|Maximiliane]]. Im Nachbarhaus befand sich die ''Naumann'sche Druckerei'', die die Briefmarken der [[Thurn und Taxis|thurn- und taxischen]] Post herstellte.<ref> Ernst Nebhut, Ferry Ahrlé: ''Frankfurter Straßen und Plätze''. Societäts-Verl., Frankfurt am Main 1974, ISBN 3-7973-0261-4, Seite 22.</ref> Im 19. Jahrhundert errichtete die [[Bethmann (Familie)|Bankiersfamilie Bethmann]], neben den ebenfalls aus Frankfurt stammenden [[Rothschild]]s eine der wichtigsten Bankiersdynastien ihrer Zeit, an der Ecke Schöppengasse/Buchgasse das repräsentative Hauptgebäude ihres Bankhauses. Zwischen dem 6. November 1848 und dem 9. Januar 1849 nahm die [[Frankfurter Nationalversammlung]] ihren Sitz in der deutsch-reformierten Kirche, da ihr eigentliches Quartier, die [[Frankfurter Paulskirche|Paulskirche]], wegen Umbauarbeiten nicht genutzt werden konnte. Der Kornmarkt wurde so zum Schauplatz von 40 Sitzungen des ersten frei gewählten deutschen Parlaments. In der [[Freie Stadt Frankfurt|freistädtischen Zeit]] war das gegenüber der reformierten Kirche gelegene Gebäude Großer Kornmarkt 12 Sitz des [[Appellationsgericht]]s des Stadtstaats. == Gründerzeitliche Umgestaltung == [[Datei:Frankfurt Am Main-Roemer-Steinernes Haus-Braubachstrassendurchbruch-1904.jpg|miniatur|Bau des Straßendurchbruchs Bethmann-/Braubachstraße, 1904]] [[Datei:Frankfurt Altstadt-Position-Roemer-Ravenstein1861.jpg|miniatur|Umgestaltung des Bereichs Kornmarkt/Paulsplatz durch die Rathausneubauten ab 1898.]] Gegen Mitte des 19. Jahrhunderts nahm die [[Stadtentwicklung]] Frankfurts erheblich zu. Trotz der erst spät ermöglichten Industrialisierung stiegen die Einwohnerzahlen stark an, die bebaute Stadtfläche wuchs über die jahrhundertelang eingehaltene Grenze der [[Wallanlagen (Frankfurt)|Wallanlagen]] hinaus und bedeckte in kurzer Zeit das bisher von Ausfallstraßen, Gärten und Landhäusern geprägte [[Weichbild]] der alten Stadt. Große Infrastrukturprojekte wurden erforderlich, um die schnell wachsende Stadt an die neue Zeit anzupassen. An der Altstadt lief diese Entwicklung jedoch weitgehend vorbei. Das enge, für den neuzeitlichen Verkehr unzugängliche Gassengewirr war von der stadtstrukturellen Entwicklung weitgehend abgehängt und führte zunehmend ein Eigenleben. Der Fortzug wohlhabender Bürger in zeitgemäßere Stadtteile ließ Befürchtungen aufkommen, dass die Altstadt zu einem [[Elendsviertel]] herabsinken könnte. Um dieser Gefahr zu begegnen, leitete der Magistrat unter Oberbürgermeister [[Franz Adickes]] Mitte der 1890er Jahre ein weiteres Großprojekt in die Wege, durch das die Altstadt Anschluss an die rasante Entwicklung der gründerzeitlichen Stadt finden sollte. Mit einem [[Straßendurchbruch]] sollte eine breite Straße von Osten nach Westen durch die ganze Altstadt getrieben werden. Durch repräsentative Architektur sollte die weitere [[Sanierung (Bauwesen)|Sanierung]] der Altstadt angeregt werden, außerdem sollte die Altstadt im Zuge der neuen Verkehrsschneise endlich Anschluss an die bereits seit 1872 verkehrende [[Straßenbahn Frankfurt am Main|Straßenbahn]] erhalten. Der Bau der neuen Straße wurde im Westen begonnen. Ihr fielen hunderte Altstadthäuser zum Opfer, darunter so bekannte und für die Stadtgeschichte bedeutende wie der [[Nürnberger Hof]] oder der [[Hof Rebstock am Markt]]. In der Buchgasse fielen das Haus ''Zum Goldstein'' und der ''Baseler Hof''. Querstraßen wie die Schöppen-, Pauls-, Römer- oder Kälbergasse verschwanden sogar ganz aus dem Frankfurter Stadtplan. Die neue Straße, die den Namen [[Bethmannstraße]] erhielt, wurde ungefähr im Verlauf der bisherigen Schöppen- und Paulsgasse trassiert. Beiderseits der Bethmannstraße entstanden 1900–1908 auf der Ostseite von Kornmarkt und Buchgasse nach Plänen von [[Franz von Hoven]] und [[Ludwig Neher]] die massiven Bauten des [[Römer (Frankfurt)#20. Jahrhundert|Neuen Rathauses]],<ref>Bernd Kalusche, Wolf-Christian Setzepfand: ''Architekturführer Frankfurt am Main.'' 1. Aufl., Reimer, Berlin 1992, ISBN 3-496-01100-9, Seite 74.</ref> gekrönt von den beiden Rathaustürmen [[Langer Franz|''Langer Franz'']] und ''Kleiner Kohn'' an der Buchgasse. Die Straßenbahn in der Bethmannstraße nahm am 1. Mai 1899 den Betrieb auf und erhielt eine Haltestelle an der Ecke zum Kornmarkt.<ref>[http://www.el-citaro.de/images/1899%20Linien.gif el-citaro.de] Liniennetzplan 1899</ref> == Vernichtung und Wiederaufbau == Die westliche Frankfurter Altstadt und mit ihr Kornmarkt und Buchgasse wurden in mehreren Luftangriffen, vor allem während des Vernichtungsangriffs am Abend des 22. März 1944, fast vollständig vernichtet. Am Kornmarkt wurden 80 Menschen in Kellern verschüttet. Die Rettungskräfte gruben einen Stollen in Richtung der Eingeschlossenen. Bevor die Rettung erfolgreich abgeschlossen werden konnte, kam es am übernächsten Tag (24. März) zum nächsten Großangriff. Verbliebene Anwohner nutzten den Rettungsstollen als Schutzraum, als dieser einen Volltreffer durch eine [[Luftmine]] erhielt. Insgesamt 129 Menschen, darunter die 80 zwei Tage vorher Verschütteten, starben.<ref>Armin Schmid: ''Frankfurt im Feuersturm. Die Geschichte der Stadt im Zweiten Weltkrieg''. Verl. Frankfurter Bücher, Frankfurt am Main 1965, Seite 136.</ref> Die gesamte Bebauung des Kornmarkts fiel den Spreng- und Brandbomben und dem folgenden [[Feuersturm]] zum Opfer. Erhalten blieben, mit Ausnahme der Dachkonstruktionen, die beiden Blöcke des Neuen Rathauses sowie stark beschädigte Außenmauern der Bethmann-Bank. == Kornmarkt und Buchgasse heute == [[Datei:Mk Frankfurt Kornmarkt Übersicht.jpg|800px|Kornmarkt und Buchgasse von oben]] Blick auf Kornmarkt und Buchgasse. Norden (Hauptwache) ist links, Süden (Main) ist rechts. === Überblick === Der Kornmarkt wurde im radikal modernen Zeitgeschmack der frühen 1950er Jahre wiederaufgebaut. Sowohl die kleinteilige Parzellierung als auch die einheitlichen Straßenfluchten wurden dabei völlig aufgegeben. Durch die beziehungslos nebeneinandergestellten Großbauten ging der Eindruck eines Straßenzugs verloren, der Kornmarkt wirkt heute wie eine Aneinanderreihung städtischer Restflächen. Die Straße hat ihre Bedeutung sowohl in verkehrlicher als auch in funktionaler Hinsicht verloren, sie gehört heute zu den nur wenig bekannten Nebenstraßen der [[Zeil]]. Auch der Bau der kreuzenden, sechsspurigen Verkehrsschneise [[Berliner Straße (Frankfurt am Main)|Berliner Straße]] führte zum völligen Verlust des historischen Straßenbilds, nicht nur durch die zerstörte aufgehende Bausubstanz, sondern auch durch die nicht mehr wiedererkennbare städtebauliche Struktur. Die Berliner Straße teilt den heutigen Kornmarkt in zwei Bereiche, die nicht mehr als zusammengehörender Straßenzug wahrgenommen werden. Der nördliche Teil gehört als Standort stadtbekannter Einzelhandelsgeschäfte zur Einkaufscity um die Hauptwache, der wesentlich ruhigere südliche, von Verwaltungs- und Wohnbauten geprägte Abschnitt ist Teil der Altstadt. === Nördlich der Berliner Straße === Den nördlichen Abschluss der Straße bildet seit 1956 das Warenhaus [[Kaufhalle AG|Kaufhalle]] (Entwurf: [[Richard Heil]]), das die gesamte Westseite der Katharinenpforte von der Hauptwache bis zum Kleinen Hirschgraben einnimmt. In diesem Gebäude befindet sich heute eine Filiale der [[Kaufhof]]-[[Sportarena]]. Den anschließenden Abschnitt dominiert das [[Parkhaus Hauptwache]] (Kornmarkt 10), das auf einer Länge von rund 75 Metern die komplette Ostseite der Straße zwischen der Bleidenstraße und dem Verbindungsgässchen zur Sandgasse einnimmt. Der Straßenraum des Kornmarkts wurde hier völlig zu einem unregelmäßig-viereckigen Vorplatz des Parkhauses umfunktioniert. Diagonal über den Platz verläuft die Fahrbahn des Kornmarkts, nach Osten zweigen die Ein- und Ausfahrt des Parkhauses ab. Die nicht dem Autoverkehr dienenden Flächen sind nicht sinnvoll nutzbare Restflächen. Das am 18. September 1956 eröffnete viergeschossige Parkhaus Hauptwache war das erste Parkhaus Frankfurts und eines der ersten seiner Art in Europa. Es wurde als Stahlbetonskelett errichtet und teils verglast, teils mit Klinkerplatten verkleidet. Es bot nach der Eröffnung Stellplätze für 430 Fahrzeuge. Die Architekten waren [[Max Meid]] und [[Helmut Romeick]], Bauherrin die stadteigene [[Frankfurter Aufbau AG]]. Die Eröffnung vollzog Oberbürgermeister [[Walter Kolb]], der zwei Tage später verstarb. Das Parkhaus wurde 1986 unter [[Denkmalschutz]] gestellt und kurz darauf saniert.<ref>[http://www.aufbau-ffm.de/serie/Teil23-25/teil24.html] [http://www.aufbau-ffm.de/serie/Teil14-15/teil15.html], Frankfurt-Dokumentation zur Nachkriegszeit auf www.aufbau-ffm.de</ref> Im Erdgeschoss des Parkhauses befinden sich mehrere Ladengeschäfte, darunter das Hauptgeschäft des Schallplatten- und Buchhändlers [[Zweitausendeins]] sowie die geographische Spezialbuchhandlung ''Landkarten-Schwarz''. Auf der gegenüberliegenden Straßenseite entstand zwischen Kleinem Hirschgraben und Weißadlergasse ein dreigliedriger Baukörper, dessen Flucht nicht parallel zu der des Parkhauses liegt, sondern zu diesem eine trapezförmige Fläche aufspannt. Hier (Kornmarkt 9) befindet sich das 1914 gegründete Kaffeegeschäft ''Wackers Kaffee'' mit eigener Rösterei und Kaffeehaus, eine stadtbekannte Institution. Zwischen Weißadlergasse und Berliner Straße liegen auf beiden Straßenseiten je zwei Hausnummern, im durch Arkaden vom hier vierspurig geführten Straßenverkehr des verkehrlich eigentlich unbedeutenden Kornmarkts abgesetzten Eckhaus zur Berliner Straße (Kornmarkt 3) befindet sich die ''Buchhandlung an der Paulskirche Erich Richter''. === Südlich der Berliner Straße === Auch der erste Straßenabschnitt südlich der breiten Zäsur der Berliner Straße heißt noch ''Kornmarkt'', der Name wechselt erst eine Kreuzung weiter südlich an der erheblich schmaleren [[Bethmannstraße]] in ''Buchgasse''. In diesem Abschnitt stehen heute nur noch zwei Gebäude: auf der Ostseite der Nordbau des Frankfurter Rathauses (1900–08), der bis zum [[Paulsplatz (Frankfurt)|Paulsplatz]] reicht, auf der Westseite das achtgeschossige Hochhaus des [[Bundesrechnungshof]]s ([[Werner Dierschke]] und [[Friedel Steinmeyer]], 1951–53). Die Kreuzung zur Bethmannstraße ist von geringer verkehrlicher Bedeutung, gleichwohl ist sie fast gänzlich dem Autoverkehr gewidmet, dessen Hauptstrom hier von Westen nach Norden geleitet wird, der übrige Raum wird von [[Sperrfläche]]n und [[Verkehrsinsel]]n eingenommen. Die Straßenbahnen der Linien 11 und 12 kreuzen hier, jedoch ohne zu halten. Jenseits der Kreuzung beginnt die Buchgasse. Auf der westlichen Straßenseite steht das erhaltene Hauptgebäude der [[Bethmann-Bank]], auf der östlichen das Neue Rathaus mit den nach Kriegsbeschädigung unvollständig wiederaufgebauten Rathaustürmen ''Langer Franz'' und ''Kleiner Cohn''. Südlich der Kreuzung mit der [[Münzgasse]] (Westen) und [[Limpurgergasse]] (Osten) stehen Zeilenwohnbauten, der 1950er Jahre, die keinerlei Rücksicht auf ihren Standort inmitten eines historischen europäischen Stadtzentrums nehmen und nach Art [[Vorstadt|suburban]]er Nachkriegssiedlungen sogar Vorgärten besitzen. An die ehemalige internationale Bedeutung der Buchgasse erinnert vor Ort seit dem Wiederaufbau nichts mehr. Auf städtebaulich äußerst unspektakuläre Weise mündet die Buchgasse in den Leonhardskirchhof, den Vorplatz der [[Leonhardskirche (Frankfurt)|Leonhardskirche]]. Das Eckhaus zur [[Alte Mainzer Gasse|Alten Mainzer Gasse]] (Buchgasse 2), das ehemalige [[Pfarrhaus]], gehörte 1968 bis 2007 den [[Schwestern Unserer Lieben Frau von Sion|Sionsschwestern]], ab 2008 wird es ein ''Generationenhaus'' des [[Caritas]]-Verbandes.<ref>Bistum Limburg: [http://www.bistumlimburg.de/index.php?persongroup=&_1=138826&_0=12&sid=b9737304f0707c152001f2e222e67e16 ''Frankfurter Sionsschwestern brechen auf wie Abraham''], abgerufen am 4. Juni 2007</ref> In diesem auch ''Haus Leonhard'' genannten Gebäude hat der Caritasverband Frankfurt seinen Sitz. 2007 wurde in der Stadtverordnetenversammlung beantragt, mit einer Art [[Walk of Fame]] von der Paulskirche bis in die Buchgasse an die Preisträger des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels zu erinnern.<ref>Börsenverein des Deutschen Buchhandels: [http://www.boersenverein.de/de/96864?mid=144868 Literaturpfad Friedenspreis: ''Frankfurter Stadtverordneter will Friedenspreisträger würdigen''], abgerufen am 8. Juni 2007</ref> Die Buchgasse liegt außerdem auf der Zugstrecke der [[Parade der Kulturen]].<ref>Lageplan und Wegbeschreibung auf der [http://www.parade-der-kulturen.de/ Website] der Parade der Kulturen</ref> == Literatur == * Ernst Nebhut: ''Frankfurter Straßen und Plätze''. 2. Aufl., Societäts-Verlag, Frankfurt am Main 1978, ISBN 3-7973-0261-4. (mit Zeichn. von [[Ferry Ahrlé]]) * Armin Schmid: ''Frankfurt im Feuersturm. Die Geschichte der Stadt im Zweiten Weltkrieg''. Neuaufl., Societäts-Verl., Frankfurt am Main 1984, ISBN 3-7973-0420-X. * Walter Gerteis: ''Das unbekannte Frankfurt''. 8. Aufl., Verl. Frankfurter Bücher, Frankfurt am Main 1991, ISBN 3-920346-05-X. * Wolf-Christian Setzepfand: ''Architekturführer Frankfurt am Main. Architectural guide''. 3., überarb. und erw. Aufl., Reimer, Berlin 2002, ISBN 3-496-01236-6. (Text dt. und engl.) == Einzelnachweise == <references/> == Weblinks == {{Altfrankfurt|Objekt=Frankfurt am Main: Kornmarkt|Pfad=Altstadt2/Kornmarkt/}} * [http://www.stvv.frankfurt.de/PARLISLINK/DDW?W=DOK_NAME='NR_147_2006' Kommunalpolitischer Antrag] zur „Geschichtlichen Würdigung der Buchgasse als Grundstein der Buchmesse“, 27.&nbsp;September 2006 {{Coordinate |NS=50/6/38.813/N |EW=8/40/46.121/E |type=landmark |region=DE-HE |dim=200 }} {{Exzellent}} [[Kategorie:Straße in Frankfurt am Main]] [[Kategorie:Frankfurt-Altstadt]] 5fhs2z07rurwc81l44ses2452ers7fw wikitext text/x-wiki Wale 0 23549 27064 26145 2010-05-03T14:35:18Z Haplochromis 0 /* Verwandtschaftsverhältnisse und stammesgeschichtliche Entwicklung */ {{Dieser Artikel|behandelt die Meeressäugetierordnung der Wale, für den US-amerikanischen Rapper Wale siehe [[Wale (Rapper)]].}} <!-- Für Informationen zum Umgang mit dieser Tabelle siehe [[Wikipedia:Taxoboxen]]. --> {{Taxobox |Taxon_Name = Wale |Taxon_WissName = Cetacea |Taxon_Rang = Ordnung |Taxon_Autor = [[Mathurin-Jacques Brisson|Brisson]], 1762 |Taxon2_WissName = Laurasiatheria |Taxon2_Rang = Überordnung |Taxon3_Name = Höhere Säugetiere |Taxon3_WissName = Eutheria |Taxon3_Rang = Unterklasse |Taxon4_Name = Säugetiere |Taxon4_WissName = Mammalia |Taxon4_Rang = Klasse |Taxon5_Name = Landwirbeltiere |Taxon5_WissName = Tetrapoda |Taxon5_Rang = Reihe |Taxon6_Name = Kiefermäuler |Taxon6_WissName = Gnathostomata |Taxon6_Rang = Überklasse |Bild = Sanc0602.jpg |Bildbeschreibung = [[Buckelwal]] (''Megaptera novaeanglia'') |Subtaxa_Rang = Unterordnung |Subtaxa = * [[Bartenwale]] (Mysticeti) * [[Zahnwale]] (Odontoceti) }} Die '''Wale''' (Cetacea) sind eine [[Ordnung (Biologie)|Ordnung]] der [[Säugetiere]] mit knapp 80 [[Art (Biologie)|Arten]], die ausschließlich im Wasser leben. Bis auf einige [[Flussdelfine|Flussdelfinarten]] leben sämtliche Walarten im [[Meer]]. Die umgangssprachliche Bezeichnung ''Walfisch'' ist irreführend, da die Wale nicht zu den [[Fische]]n gehören. == Merkmale == === Allgemeines === Wale sind neben den [[Seekühe]]n die einzigen vollständig an das Leben im Wasser angepassten Säugetiere. Sie verbringen ihr ganzes Leben im Wasser und sind nicht in der Lage, an Land zu überleben. Gestrandete Wale trocknen schnell aus, das eigene Körpergewicht drückt ihre Lungen zusammen oder bricht ihnen die Rippen, da der [[Auftrieb]] des Wassers fehlt, oder sie sterben aufgrund ihrer guten Wärmeisolation an [[Hitzeschaden#Hitzschlag|Hitzschlag]]. Der gesamte Körperbau und alle Körperfunktionen der Wale sind an ihren Lebensraum angepasst, dennoch teilen sie weiterhin wesentliche Merkmale mit allen anderen [[Höhere Säugetiere|höheren Säugetieren]] (Eutheria): * Wale sind Luftatmer und besitzen [[Lunge]]n. Je nach Art können sie zwischen einigen Minuten bis zu mehr als zwei Stunden (zum Beispiel [[Pottwal]]) untergetaucht bleiben. * Wale besitzen ein besonders leistungsfähiges zweikammeriges [[Herz]]. Dadurch wird der im Blut aufgenommene Sauerstoff sehr effektiv im Körper verteilt. * Wale gehören zu den [[Homoiothermie|gleichwarmen Tieren]], d.&nbsp;h. sie halten im Gegensatz zu den [[Wechselwarmes Tier|wechselwarmen Tieren]] eine konstante, von der Umgebung unabhängige Körpertemperatur. * Wale gebären vollentwickelte [[Kalb|Kälber]] und säugen sie mit extrem fettreicher [[Muttermilch]] aus speziellen [[Milchdrüse]]n. Die [[Embryonalentwicklung]] findet im Körper der Mutter statt. Während dieser Zeit wird der [[Embryo]] durch ein spezielles Nährgewebe, die [[Plazenta]], ernährt. Zu den Walen gehören die größten Tiere, die jemals auf der [[Erde]] gelebt haben. Der [[Blauwal]] (''Balaenoptera musculus'') ist mit einer Körperlänge von bis zu 33,5 Metern und einem Gewicht von bis zu 200 Tonnen das größte Tier unter allen bekannten Tierarten der Erdgeschichte. Der [[Pottwal]] (''Physeter macrocephalus'') ist das größte räuberisch lebende Tier der Erde. Die kleinsten Walarten erreichen dagegen nur eine maximale Körperlänge von etwa 1,50 Metern, wie etwa der [[La-Plata-Delfin]], der [[Hector-Delfin]] und der [[Kalifornischer Schweinswal|Kalifornische Schweinswal]]. Wale zeichnen sich auch durch eine für höhere Säugetiere ungewöhnliche Langlebigkeit aus. Manche Arten, wie etwa der [[Grönlandwal]] (''Balaena mysticetus''), können ein Alter von über 200 Jahren erreichen. Anhand der Jahresringe der knöchernen [[Ohrkapsel]] konnte das Alter des ältesten bekannt gewordenen Exemplars, eines Männchens, auf 211 Jahre zum Zeitpunkt seines Todes bestimmt werden. === Äußere Anatomie === [[Datei:100B2053.jpg|miniatur|Schwanzflosse eines Buckelwals]] Der Körperumriss der Wale ähnelt dem von großen Fischen, was sich auf die Lebensweise und die besonderen Bedingungen des Lebensraums zurückführen lässt ([[Konvergenz (Biologie)|Konvergenz]]). So besitzen sie eine [[Stromlinienform|stromlinienförmige]] Gestalt, und ihre Vorderextremitäten sind zu Flossen umgestaltet ([[Flipper (Flosse)|Flipper]]). Auf dem Rücken tragen sie eine weitere Flosse, die als [[Finne (Flosse)|Finne]] bezeichnet wird und je nach Art verschiedene Formen annimmt. Bei wenigen Arten fehlt sie völlig. Sowohl die Flipper als auch die Finne dienen ausschließlich der Stabilisierung der Wale im Wasser und der Steuerung. Der Schwanz endet in einer großen Schwanzflosse, die [[Fluke]] heißt und wie die Finne eine knorpelige Fläche ohne Knochenteile darstellt. Die Fluke setzt waagerecht statt senkrecht am Körper an, ein von außen sehr gut erkennbares Unterscheidungsmerkmal zu den Fischen. Sie ermöglicht durch vertikales Schlagen die Fortbewegung. Die Hinterbeine fehlen den Walen vollständig, ebenso alle weiteren Körperanhänge, welche die Stromlinienform behindern könnten, wie die Ohren und auch die Haare. Die männlichen [[Genital]]ien und die Brustdrüsen der Weibchen sind in den Körper versenkt. Alle Wale haben einen langgestreckten Kopf, der besonders bei den [[Bartenwale]]n durch die weit ausladenden [[Kiefer (Anatomie)|Kiefer]] extreme Ausmaße annimmt. Die Nasenlöcher der Wale bilden das [[Blasloch]], eines bei [[Zahnwale]]n, zwei bei Bartenwalen. Sie liegen auf der Oberseite des Kopfes, so dass der Körper beim Atmen untergetaucht bleiben kann. Beim Ausatmen [[Kondensation|kondensiert]] meist die Feuchtigkeit der Atemluft und bildet den so genannten [[Blas]]. Bei den Zahnwalen existiert eine bindegewebige [[Melone (Wal)|Melone]] als Kopfwölbung. Diese ist von Luftsäcken und Fett erfüllt und hilft beim Auftrieb sowie bei der Schallbildung. Eine besonders ausgeprägte Melone haben die [[Pottwale]], hier wird sie als Spermacetiorgan bezeichnet und enthält das namensgebende Spermaceti bzw. [[Walrat]]. Die Kiefer enthalten bei den Zahnwalen eine unterschiedliche Anzahl von Zähnen von zwei flachen Hauern bei den [[Zweizahnwale]]n über eine große Anzahl gleichförmiger (homodonter) Zähne bei den [[Delfine]]n. Auch der lange Stoßzahn des [[Narwal]]s ist ein umgebildeter Zahn. Bei den Bartenwalen sitzen an Stelle der Zähne lange hornige Filterplatten, die [[Barte (Wal)|Barten]], in den Kiefern. Der Körper ist von einer dicken Speckschicht eingehüllt. Dieser „[[Blubber]]“ dient zur Wärmeisolation und verleiht den Walen eine glatte, stromlinienförmige Körperform. Bei den großen Arten kann er bis zu einem halben Meter Dicke erreichen. Der sehr spezielle Aufbau der Haut oberhalb der Speckschicht sorgt für ein Phänomen, welches als [[Graysches Paradoxon]] bekannt ist: Der Körper vor allem der schnelleren Schwimmer, etwa der Delfine, verfügt in der Realität über weit bessere Strömungseigenschaften, als dies bei einem Festkörper mit der gleichen Form der Fall ist. Dies wird auf die Dämpfungseigenschaften der Haut zurückgeführt, die störende [[Wirbel (Strömungslehre)|Wirbelbildungen]] abmildern. Zu diesem Zweck besitzt die [[Dermis|Lederhaut]] (Corium oder Dermis) lange [[Papillarkörper|Papillen]], die einen Saum bilden und mit der darüber liegenden [[Epidermis (Wirbeltiere)|Epidermis]] verzahnt sind. Die Papillen der Lederhaut sitzen dabei auf [[Lamelle]]n, die weitgehend quer zur Körperlängsachse und damit auch zur Strömungsrichtung gestellt sind. Aufgrund ihrer Länge hielt man die Papillen zuerst für Ausführungsgänge von [[Schweißdrüse]]n. Heute kennt man allerdings ihre reale Funktion und weiß auch, dass Wale keine [[Hautdrüse]]n mit Ausnahme der Milchdrüsen besitzen. Neben diesen Dämpfungsstrukturen verfügt die Haut über ein [[mikroskop]]isch feines Reliefmuster. Aufgrund der Ergebnisse [[Physiologie|physiologischer]] Experimente wird auch eine aktive Reaktion der Haut angenommen. Die Optimierung der Strömungseigenschaften konnte bei Versuchen mit künstlicher Walhaut nachgestellt werden. === Skelett === [[Datei:BlueWhaleSkeleton.jpg|miniatur|Skelett eines Blauwals]] [[Datei:Walschädelknochen.JPG|miniatur|Ein Walschädelknochen]] [[Datei:Skelett vom Wal MK1888.png|miniatur|Skelett eines Bartenwals]] [[Datei:Skull of a whale.png|miniatur|Schädel eines Wales.]] Das Walskelett kommt weitestgehend ohne kompakte Knochen aus, da es vom Wasser stabilisiert wird. Aus diesem Grunde sind die bei den Landsäugetieren üblichen Kompaktknochen durch feinmaschige ''Spongiosaknochen'' ersetzt. Diese sind leichter und elastischer. An vielen Stellen sind außerdem Knochenelemente durch [[Knorpel]] und sogar [[Fettgewebe]] ersetzt, dadurch werden die [[Hydrostatik|hydrostatischen]] Eigenschaften des Walkörpers weiter verbessert. Im Ohr und an der Schnauze findet sich eine nur bei Walen zu findende Knochenform mit extrem hoher [[Dichte]], die an [[Porzellan]] erinnert. Diese hat besondere akustische Eigenschaften und leitet den Schall besser als andere Knochen. Der [[Schädel]] aller Wale ist charakteristisch verlängert, was gut bei dem hier dargestellten Bartenwal ersichtlich ist. Dabei bilden die [[Kiefer (Anatomie)|Kiefer]]- und die [[Nasenbein]]knochen ein vorspringendes [[Rostrum]]. Die Nasenöffnungen liegen am Scheitelpunkt des Kopfes oberhalb der [[Auge]]n. Der hintere Teil des Schädels mit dem Hirnschädel ist deutlich verkürzt und verformt. Durch die Verlagerung der Nasenlöcher auf die Kopfoberseite verlaufen die [[Nasengang|Nasengänge]] senkrecht durch den Schädel. Bei den Zahnwalen reicht der [[Kehlkopf]] schnabelartig in diesen Gang hinein, bei den Bartenwalen weicht selbiger dem Gang seitlich aus. Die Zähne bzw. die Barten sitzen im Oberkiefer ausschließlich am [[Oberkiefer|Maxillarknochen]]. Der Hirnschädel wird durch den Nasengang nach vorn eingeengt und ist entsprechend höher ausgebildet, wobei sich einzelne Schädelknochen übereinanderschieben (Teleskoping). Die knöcherne Ohrkapsel, das [[Felsenbein|Petrosum]], ist mit dem Schädel nur knorpelig verbunden, damit sie unabhängig von selbigem schwingen kann. Aus diesem Grunde stellen isolierte Ohrkapseln häufige Walfossilien dar, die als [[Cetolith]]en bezeichnet werden. Bei vielen Zahnwalen ist der Schädel aufgrund der Ausbildung einer großen Melone und mehrerer Luftsäcke zudem asymmetrisch ausgebildet. Die Anzahl der [[Wirbel (Anatomie)|Wirbel]] der [[Wirbelsäule]] beträgt abhängig von der Art zwischen 40 und 93 Einzelwirbel. Die Halswirbelsäule besteht wie bei allen Säugetieren aus sieben Wirbeln, die bei den meisten Walen jedoch stark verkürzt oder miteinander verschmolzen sind, was Stabilität beim Schwimmen auf Kosten der Beweglichkeit verschafft. Die [[Rippe]]n werden von den Brustwirbeln getragen, deren Anzahl zwischen 9 und 17 betragen kann. Das [[Brustbein]] ist nur knorpelig und stark zurückgebildet. Die letzten zwei bis drei Rippenpaare sind bei allen Walen nicht mit dem Brustbein verbunden und liegen als [[Fleischrippe]]n frei in der Körperwand, bei den Bartenwalen liegen alle Rippen mit Ausnahme des ersten Paares frei. Daran schließt sich der stabile Lenden- und Schwanzteil der Wirbelsäule an, dem alle weiteren Wirbel angehören. Unterhalb der Schwanzwirbel haben sich die [[Chevron-Knochen]] aus den [[Hämalbogen|Hämalbögen]] der Wirbel entwickelt, die zusätzliche Ansatzstellen für die Schwanzmuskulatur bieten. Die vorderen Gliedmaßen sind paddelförmig mit verkürzten Arm- und verlängerten [[Fingerknochen]], um die Fortbewegung zu unterstützen. Sie sind durch Knorpel verwachsen. Am zweiten und dritten Finger kommt es zudem zu einer Vermehrung der Fingerglieder, einer so genannten [[Hyperphalangie]]. Das einzige funktionelle Gelenk ist das [[Schultergelenk]], alle anderen sind (außer beim [[Amazonasdelfin]] (''Inia geoffrensis'')) unbeweglich. Ein [[Clavicula|Schlüsselbein]] fehlt vollständig. Da eine Fortbewegung des Wals auf dem Land nicht mehr erforderlich ist und bei den großen Arten aufgrund des Körpergewichtes auch nicht mehr möglich wäre, sind die [[Hintergliedmaße]]n stark verkümmert und nur noch als Skelettrudimente ohne Verbindung zur Wirbelsäule vorhanden. === Innere Anatomie und Physiologie === Besonders wichtig für die Lebensweise der Wale im Wasser ist der Aufbau des Atmungs- sowie des Kreislaufsystems. Der Sauerstoffhaushalt der Wale ist entsprechend hocheffektiv. Bei jedem Atemzug kann ein Wal bis zu 90 Prozent des gesamten Luftvolumens der Lunge austauschen, bei einem Landsäugetier liegt dieser Wert etwa bei 15 Prozent. In der Lunge wird der eingeatmeten Luft durch das Lungengewebe etwa doppelt soviel [[Sauerstoff]] entzogen wie bei einem Landsäuger. Die Lunge selbst beinhaltet in den [[Lunge|Alveolen]] ein doppeltes Kapillarnetz, der Sauerstoff wird außer im Blut und der Lunge in verschiedenen Geweben der Wale gespeichert, vor allem in der [[Muskulatur]], in welcher der Muskelfarbstoff [[Myoglobin]] für eine effektive Bindung sorgt. Diese lungenexterne Sauerstoffspeicherung ist beim Tieftauchen überlebenswichtig, da ab einer Tauchtiefe von etwa 100 Metern durch den Wasserdruck die Lungen der Wale kollabieren. Beim Tauchvorgang wird der Sauerstoffverbrauch durch Absenkung der Herztätigkeit und der Blutzirkulation massiv gesenkt, einzelne Organe werden während dieser Zeit nicht mit Sauerstoff versorgt. Manche [[Furchenwale]] können dadurch bis zu 40 Minuten tauchen, [[Pottwale]] zwischen 60 und 90 Minuten und [[Entenwale]] sogar zwei Stunden. Die Tauchtiefen liegen dabei im Durchschnitt bei etwa 100 Meter, Pottwale tauchen bis zu 3.000 Meter tief. Der Magen der Wale besteht aus drei Kammern. Der erste Bereich wird von einem drüsenlosen und sehr muskulösen Vormagen gebildet (der bei den [[Schnabelwale]]n fehlt), danach folgen der Hauptmagen und der Pylorusmagen, die beide mit Drüsen zur Verdauung ausgestattet sind. An die Mägen schließt sich ein Darm an, dessen Einzelabschnitte nur [[Histologie|histologisch]] unterschieden werden können. Die [[Leber]] ist sehr groß und besitzt keine [[Gallenblase]]. Die [[Niere]]n sind stark abgeflacht und sehr lang. Sie sind in mehrere tausend Einzelläppchen (Reniculi) aufgeteilt, um effektiv arbeiten zu können. Die Salzkonzentration im Blut der Wale ist niedriger als die im Meerwasser; die Nieren dienen daher auch zur Salzabscheidung. Das ermöglicht den Walen, Meerwasser zu trinken. === Gemeinsamkeiten in der Chromosomen-Genetik === Der ursprüngliche [[Karyotyp]] der Wale beinhaltet einen [[Chromosom]]ensatz von 2n = 44. Sie besitzen vier Paare telozentrischer Chromosomen (Chromosomen, deren [[Zentromer]] an einem der [[Telomer]]e sitzt), zwei bis vier Paare subtelozentrischer und ein bis zwei große Paare submetazentrischer Chromosomen. Die übrigen Chromosomen sind metazentrisch –&nbsp;haben also das Zentromer etwa in der Mitte&nbsp;– und sind eher klein. Innerhalb der Wale kam es mehrfach [[Konvergenz (Biologie)|konvergent]] zu einer Reduktion der Chromosomenzahl auf 42 Paare, dies ist bei den [[Pottwale]]n (Physiteridae), den [[Schnabelwale]]n (Ziphiidae) und den [[Glattwale]]n (Balaenidae) zu finden. == Verbreitung und Lebensraum == [[Datei:Orca wal 2.jpg|miniatur|Großer Schwertwal in der Arktis]] Wale sind vor allem Meerestiere und in allen Meeren der Welt anzutreffen. Einige Arten schwimmen dabei auch in die Flussdelta und sogar bis in die Flüsse hinein. Nur wenige Arten leben dagegen ausschließlich im Süßwasser, dabei handelt es sich um vier als [[Flussdelfine]] zusammengefasste Arten. Während viele marine Arten der Wale wie etwa der [[Blauwal]], der [[Buckelwal]] und auch der [[Großer Schwertwal|Große Schwertwal]] ein Verbreitungsgebiet haben, das fast alle Meere umfasst, gibt es auch einzelne Arten, die nur lokal vorkommen. Dazu gehören etwa der [[Kalifornischer Schweinswal|Kalifornische Schweinswal]] in einem kleinen Teil des [[Golf von Kalifornien|Golfs von Kalifornien]] sowie der [[Hector-Delfin]] in einzelnen Küstengewässern bei [[Neuseeland]]. In den Meeren gibt es sowohl Arten, die die tieferen Meeresgebiete bevorzugen als auch Arten, die häufig oder ausschließlich in Küstennähe und Flachwasserbereichen leben. Die Aufteilung der Lebensräume ergibt sich im Normalfall entlang bestimmter Temperaturgrenzen in den Ozeanen, entsprechend liegen die Verbreitungsgebiete der meisten Arten entlang spezifischer [[Breitengrad]]e. Viele Arten leben entsprechend nur in tropischen oder subtropischen Gewässern, etwa der [[Brydewal]] oder der [[Rundkopfdelfin]], andere findet man nur im Bereich des südlichen (etwa den [[Südlicher Glattdelfin|Südlichen Glattdelfin]] oder den [[Stundenglasdelfin]]) oder nördlichen Polarmeeres (den [[Narwal]] und den [[Weißwal]]). Diese vertikale Ausbreitung wird vor allem durch Landmassen als natürliche Barrieren unterbrochen. So existieren von vielen [[kosmopolit]]ischen Arten einzelne Populationen im [[Pazifik|pazifischen]], im [[Atlantischer Ozean|atlantischen]] und im [[Indischer Ozean|indischen Ozean]], außerdem kommen einige Arten grundsätzlich nur in einem dieser drei getrennten Ozeane vor. So findet man etwa den [[Sowerby-Zweizahnwal]] und den [[Clymene-Delfin]] nur im Pazifik, den [[Weißstreifendelfin]] und den [[Nördlicher Glattdelfin|Nördlichen Glattdelfin]] nur im Atlantik. Bei wandernden Arten, deren Fortpflanzungsgründe häufig in tropischen und deren Nahrungsgründe in polaren Regionen liegen, kommt es zudem sowohl im Atlantik als auch im Pazifik zur Ausbildung von südlichen und nördlichen Populationen, die durch die Wanderungen genetisch voneinander getrennt werden. Bei einigen Arten führt diese Separierung der Populationen schlussendlich zur Bildung neuer Arten, so etwa beim [[Südkaper]] und den beiden [[Nordkaper]]arten im Atlantik und Pazifik. In europäischen Gewässern konnten insgesamt 32 Walarten nachgewiesen werden. Darunter 25 Arten, die zu den Zahnwalen und sieben, die zu den Bartenwalen gehören. == Lebensweise == Die meisten Wale sind äußerst gesellige Tiere mit einem hoch entwickelten Sozialverhalten, nur wenige Arten leben paarweise oder als Einzelgänger. Die Walgruppen, als Schulen bezeichnet, bestehen dabei meistens aus 10 bis 50 Tieren, zu bestimmten Gelegenheiten (bei Massenauftreten von Nahrung oder zur Paarungszeit) können die Gruppen jedoch auch weit über 1.000 Tiere umfassen. Auch Vergesellschaftung mit anderen Walarten ist dabei möglich. [[Datei:Walflosse08.jpg|miniatur|Schwanzflosse eines Wals an der Küste Argentiniens]] Die einzelnen Schulen haben eine feste Hierarchie, wobei die vorrangigen Stellungen durch Beißen, Schieben oder Rammen bestimmt werden. Das Verhalten in der Gruppe ist nur in äußersten Stresssituationen wie Nahrungsmangel und in Gefangenschaft aggressiv, im Normalfall ist der Umgang friedlich. Dabei spielen Kontaktschwimmen, gegenseitiges Streicheln und Stupsen eine große Rolle. Ebenfalls bekannt sind die spielerischen Verhaltensweisen der Tiere, die sich in Luftsprüngen, Saltos, Wellenreiten oder Flossenschlagen äußern und auch bei ausgewachsenen Tieren vorkommen. Zur Kommunikation untereinander geben die männlichen Tiere gesangsähnliche Töne und Melodien ab ([[Walgesang]]), die über hunderte Kilometer im Wasser zu hören sind. Neuere Forschungen haben ergeben, dass wohl jede Walpopulation ihren eigenen typischen Gesang entwickelt. Manchmal lässt sich sogar ein einzelner Wal an seinem spezifischen, unverwechselbaren Gesang identifizieren. Manche Walarten sind zur Erzeugung von bis zu 622 unterschiedlichen Lauten fähig. Vergleiche älterer mit heutigen Tonaufnahmen zeigen, dass sich die Zusammensetzung der Laute im Lauf der Jahre deutlich verändert bzw. entwickelt. Die Wale jagen auch in der Gruppe, wobei sie sich häufig mit anderen Tierarten zusammentun. So findet man viele Delfinarten gemeinsam mit großen [[Thunfisch]]en auf Jagdzügen, die großen Fischschwärmen folgen. Der [[Großer Schwertwal|Große Schwertwal]] (''Orcinus orca'') jagt in Schulen auch andere, sogar größere Wale. [[Buckelwal]]e (''Megaptera novaeanglia'') bilden in Gemeinschaftsarbeit Blasenteppiche, mit denen sie Kleinfisch- und [[Krill]]schwärme eingrenzen und in denen sie dann mit geöffnetem Maul auftauchen. === Fortpflanzung und Entwicklung === Bei den meisten Walarten konnte man einen jahreszeitlichen Fortpflanzungszyklus feststellen, bei dem der [[Eisprung]] der Weibchen mit der Hauptaktivität der [[Hoden]] bei den Männchen zusammenfällt. Dieser Zyklus ist meistens mit saisonalen Wanderungen gekoppelt, die bei vielen Arten zu beobachten sind. Zur Paarung gehen die meisten Zahnwale keine festen Bindungen ein, bei vielen Arten haben auch die Weibchen mehrere Partner während einer Saison. Die Bartenwale gelten dagegen als weitgehend [[Monogamie|monogam]] innerhalb der einzelnen Fortpflanzungsperioden, dauerhafte Bindungen gehen sie jedoch ebenfalls nicht ein. Die Tragezeit der Wale dauert zwischen neun und 16 Monate, wobei die Dauer nicht zwingend abhängig von der Größe ist. [[Schweinswale]] tragen ebenso wie die riesigen Blauwale etwa 11 Monate. Wale bringen in der Regel immer nur ein Junges zur Welt, bei Zwillingsgeburten stirbt meistens ein Jungtier, da die Mutter nicht genügend Milch für beide Jungtiere aufbringen kann. Die Geburt erfolgt bei den Zahnwalen meistens mit dem Schwanz voran, so dass die Gefahr des Ertrinkens für das Neugeborene minimal ist, bei den Bartenwalen mit dem Kopf voran. Nach dem Geburtsvorgang wird das Jungtier schnell zum ersten Atemzug zur Oberfläche transportiert, wobei bei vielen Arten mehrere Artgenossen als „Hebammen“ tätig werden. Die Jungtiere haben bei der Geburt etwa ein Drittel der Körpergröße der Erwachsenen und sind sehr schnell eigenständig aktiv, vergleichbar mit den [[Nestflüchter]]n bzw. Laufjungen der landlebenden Säuger. Beim Säugen spritzt die Walmutter die Milch aktiv mit Hilfe der Muskulatur der Milchdrüsen in das Maul des Jungen, da es keine Lippen zum Saugen hat. Diese Milch hat in der Regel einen sehr hohen Fettanteil von 16 bis 46 Prozent, wodurch die Jungtiere sehr rasch an Größe und Gewicht zunehmen. Die Säugezeit ist meistens lang, sie beträgt bei vielen Kleinwalen etwa vier Monate und bei großen Arten häufig über ein Jahr, was mit einer engen Bindung der Mutter an ihre Nachkommen einhergeht. Für die Aufzucht der Jungtiere sind bei allen Walen allein die Muttertiere zuständig, bei einigen Walarten gibt es jedoch so genannte „Tanten“, die die Jungtiere ebenfalls gelegentlich säugen. Die meisten Wale werden spät geschlechtsreif, typischerweise mit sieben bis zehn Jahren. Diese Fortpflanzungsstrategie erbringt wenige Nachkommen, die dafür eine hohe Überlebensrate haben. Auch hier gibt es sowohl schnellere Arten wie den [[La-Plata-Delfin]], der bereits mit zwei Jahren geschlechtsreif ist, jedoch nur etwa 20 Jahre alt wird. Der [[Pottwal]] erreicht die Geschlechtsreife dagegen erst mit etwa 20 Jahren, kann dafür aber zwischen 50 und 100 Jahre alt werden. === Räuber === Neben dem Menschen haben die meisten Walarten aufgrund ihrer Größe nur sehr wenige Fressfeinde. Besonders nennenswert sind an dieser Stelle nur größere [[Haie]], die gelegentlich kleinere Walarten angreifen und töten, sowie andere, meist größere, Zahnwale. Beinahe berüchtigt ist in diesem Zusammenhang der [[Großer Schwertwal|Große Schwertwal]], der neben [[Robben]], [[Pinguine]]n und anderen Meerestieren auch fast alle anderen Kleinwale attackiert. In [[Herde|Schulen]] genannten herdenartigen Verbänden greifen Schwertwale auch große Bartenwale an, meist um die bei ihnen schwimmenden Jungtiere zu erbeuten. <!-- Parasiten kommt noch --> === Walkadaver als Lebensraum in der Tiefsee === Erzählungen über „Walfriedhöfe“, an denen sich die Überreste dutzender verendeter Wale angesammelt haben sollen, sind – ähnlich wie die Geschichten über „[[Elefantenfriedhof|Elefantenfriedhöfe]]“ – wissenschaftlich nicht haltbar. Dennoch stellen die einzelnen [[Kadaver|Walkadaver]], die in die [[Tiefsee]] abgesunken sind, wichtige abgeschlossene [[Ökosystem]]e auf dem Meeresgrund dar. Erst neuere, aufwändige Expeditionen mit Hilfe von ferngesteuerten Unterwasserfahrzeugen ([[Remotely Operated Vehicle|ROVs]]), ermöglichten taxonomische und ökologische Forschungen an Walkadavern. Derzeit sind etwa dreißig Tierarten bekannt, die sich allem Anschein nach ausschließlich von Walkadavern ernähren. Dazu gehören unter anderem [[Ringelwürmer]] wie die ''[[Osedax]]''-Arten.<ref>G. W. Rouse, S. K. Goffredi und R. C. Vrijenhoek: ''Osedax: Bone-Eating Marine Worms with Dwarf Males.'' ''Science'' 305, 2004: Seiten 668–671</ref> Möglicherweise sind schon der Aufprall der tonnenschweren Wale auf dem Meeresgrund und die sich dadurch ausbreitenden Druckwellen ein Signal für viele Tierarten, den Kadaver aufzusuchen. Zu den ersten Besuchern zählen [[Haie]] und Raubfische. [[Schleimaale]] finden den Weg entlang einer chemischen „Duftspur“, die durch Meeresströmungen verbreitet wird. Die Zersetzung von Fett und Fleisch der Wale dauert mindestens ein Jahr und ist von einer Abfolge verschiedener Lebensgemeinschaften begleitet. Auch die fettreichen Knochen der Wale können noch mehrere Jahre lang als Energielieferanten dienen. Spezialisierte [[Bakterien]] und [[Archaeen]], die mit Hilfe der durch die Verwesung entstehenden [[Schwefelwasserstoff]]e [[Chemosynthese]] in der lichtlosen Tiefsee betreiben können, sind dann die Basis für die Ernährung von Muscheln und Krebsen. == Evolution der Wale == === Verwandtschaftsverhältnisse und stammesgeschichtliche Entwicklung === [[Datei:Dorudon atrox and Maiacetus inuus.jpg|miniatur|Vergleich des Skeletts von ''[[Dorudon|Dorudon atrox]]'' und des Protocetiden [[Maiacetus|''Maiacetus inuus'']] in Schwimmhaltung. Der 2,6&nbsp;m lange ''Maiacetus'' stammt aus dem frühen Mitteleozän Pakistans<ref name="GINGERICH_2009">Gingerich PD, ul-Haq M, von Koenigswald W, Sanders WJ, Smith BH, et al. (2009) New Protocetid Whale from the Middle Eocene of Pakistan: Birth on Land, Precocial Development, and Sexual Dimorphism. ''PLoS ONE'' 4(2): e4366. {{DOI|10.1371/journal.pone.0004366}}</ref>]] Nachdem [[Paläontologie|Paläontologen]] wegen einer ähnlichen [[Morphologie (Biologie)|Morphologie]] von Schädel und Zähnen lange Zeit die [[Mesonychia]], eine Gruppe fleischfressender Huftiere, als Vorfahren der Wale betrachtet hatten, wiesen [[Molekularbiologie|molekularbiologische]] und [[Immunologie|immunologische]] Studien eine enge [[Phylogenese|stammesgeschichtliche]] Verwandtschaft der Wale mit den [[Paarhufer]]n (Artiodactyla) nach. Die [[Hypothese]], der zufolge die Entwicklungslinie der Wale im frühen [[Eozän]] vor mehr als 50 Millionen Jahren bei frühen Paarhufern ihren Anfang nahm, wurde zu Beginn des 21. Jahrhunderts durch [[Fossil]]funde bestätigt. Die auffälligste fossil dokumentierte [[Synapomorphie]] (gemeinsames Merkmal) der zum Taxon der [[Cetartiodactyla]] zusammengefassten Wale und Paarhufer betrifft das [[Sprungbein]] (Astragalus), ein Knochen im oberen [[Sprunggelenk]] (Knöchel). Es ist bei den frühen Walen durch doppelte Gelenkrollen („Rollbein“) gekennzeichnet, ein anatomisches Merkmal, das sonst nur noch bei den Paarhufern in Erscheinung tritt. Entsprechende Funde liegen aus den früheozänen Ablagerungen des [[Tethys (Ozean)|Tethysmeeres]] in Nord[[indien]] und [[Pakistan]] vor. Die Tethys erstreckte sich während dieser Zeit als flaches Meer zwischen dem asiatischen Kontinent und der nordwärts strebenden [[Indische Platte|Indischen Platte]]. Innerhalb der Paarhufer weisen die meisten molekularbiologischen Befunden die [[Flusspferde]] als nächste lebende Verwandte ([[Schwestergruppe]]) der Wale aus. Für diese Auffassung sprechen auch einige gemeinsame anatomische Merkmale, etwa Übereinstimmungen in der Morphologie der [[Molar (Zahn)|Molaren]] (hintere Backenzähne).<ref>[[Michael J. Benton]]: ''Paläontologie der Wirbeltiere''. Verlag Dr. Friedrich Pfeil. München, 2007. Seite 360.</ref> Der [[Fossilbericht]] bestätigt diese Verwandtschaftshypothese jedoch nicht, denn die ältesten bekannten Fossilbelege der Flusspferde stammen aus Afrika und reichen lediglich etwa 15 Millionen Jahre zurück, die ältesten Walfossilien sind hingegen etwa 50 Millionen Jahre alt. Nach einer alternativen Stammbaumhypothese von dem Paläontologen [[Hans Thewissen]] [[et al.]] aus dem Jahr 2007 waren die [[Raoellidae]], eine ausgestorbene Gruppe von Paarhufern, die nächsten Verwandten der frühen Wale und beide [[Taxon|Taxa]] bilden gemeinsam die Schwestergruppe der übrigen Paarhufer einschließlich der Flusspferde: {{userboxtop| toptext=&nbsp;}} {{Klade |label1=[[Cetartiodactyla]]&nbsp; |1={{Klade |1=&nbsp;übrige Paarhufer |label2=&nbsp;N.N.&nbsp; |2={{Klade |1=&nbsp;[[Raoellidae]] (''[[Indohyus]]'', ''[[Khirharia]]'' u. a.) |2=&nbsp;[[Wale]] (Cetacea) }} }} }} {{userboxbottom}} Die nahe Verwandtschaft gründet sich auf Merkmale des Raoelliden ''[[Indohyus]]''. Dies sind vor allem der knöcherne Ring am [[Felsenbein]] (Bulla tympanica), dem [[Involucrum (Anatomie)|Involucrum]], ein Schädelmerkmal, das bislang nur von Walen bekannt war, sowie weiteren Merkmalen der [[Vorbackenzahn|Vorbackenzähne]] (Prämolare) und der Knochenstruktur.<ref>J.G.M. Thewissen, Lisa Noelle Cooper, Mark T. Clementz, Sunil Bajpai, B.N. Tiwari: ''Whales orginated from aquatic artiodactyls in the Eocene epoch of India.'' Nature 450, 2007; Seiten 1190–1194, {{DOI|10.1038/nature06343}}, [http://www.nature.com/nature/videoarchive/ancientwhale/ Nature Video]</ref> Mithilfe des Fossilberichts lässt sich der allmähliche Übergang vom Land- zum Wasserlebewesen nachvollziehen. Die Reduktion der Hinterbeine gestattete der Wirbelsäule eine höhere Flexibilität, so dass das vertikale Schwanzschlagen zur Fortbewegung im Wasser möglich wurde. Die Vorderbeine wandelten sich zu [[Flipper (Flosse)|Flossen]] um und verloren dabei ihre ursprüngliche Beweglichkeit. Das Ohr der heutigen Wale ist nicht mehr nach außen geöffnet, die Nasenlöcher wanderten von der Kopfspitze nahe der Mundöffnung nach oben, so dass der Wal 'im Vorüberschwimmen' durch das [[Lage- und Richtungsbezeichnungen|dorsale]] [[Blasloch]] atmen kann. Die Zähne, bei den Land bewohnenden Vorfahren der Wale in Schneide-, Eck-, Backenzähne differenziert ([[Heterodontie]]), glichen sich einander an ([[Homodontie]]) in Anpassung an eine piscivore Lebensweise ([[Fischfresser|Fischfressen]]). Bei den Bartenwalen entwickelten sich dagegen die [[Barte (Wal)|Barten]], Strukturen aus einem [[Hornsubstanz|hornähnlichen]] Protein, diese sind also eine relativ späte Entwicklung als Anpassung an die spezielle Ernährungsweise dieser Tiere. === Der Übergang vom Land zum Meer === [[Datei:Adult female and fetal Maiacetus.jpg|miniatur|Fossil eines ''Maiacetus'' (rot, Schädel beige) mit [[Fetus]] (blau, Zähne rot) kurz vor Ende der [[Trächtigkeit]]. Die [[Schädellage]] des Jungtiers dokumentiert einen noch an das Land gebundenen [[Geburt]]svorgang der Wale in dieser frühen Phase ihrer Evolution.<ref name="GINGERICH_2009"/>]] Einer der ältesten Vertreter der frühen Wale ([[Archaeoceti]]) ist ''[[Pakicetus]]'' aus dem mittleren Eozän vor annähernd 50 Millionen. Das etwa wolfsgroße Tier, dessen Skelett nur zum Teil bekannt ist, besaß noch funktionstüchtige Beine und lebte in Ufernähe. Auch sein gut ausgebildetes Rollbein lässt auf einen Archaeoceten schließen, der sich noch gut an Land fortbewegen konnte. Seine lange Schnauze weist eine ursprüngliche, carnivore [[Gebiss|Bezahnung]] auf. Dementsprechend wird ''Pakicetus'' in frühen [[Rekonstruktion]]sversuchen als ein amphibisch lebender [[Prädator|Räuber]] dargestellt. Als wichtigste [[Mosaikform|Übergangsform]] vom Land- zum Meeresleben gilt der etwa 49 Millionen Jahre alte ''[[Ambulocetus]]'' („laufender Wal“), der bis zu drei Meter lang wurde. Er wurde in Nordpakistan entdeckt und 1995 von [[Hans Thewissen]] et al. wissenschaftlich beschrieben. Die Gliedmaßen dieses Archaeoceten waren an das Schwimmen angepasst, eine Fortbewegung an Land war aber noch möglich. Dort bewegte er sich in gebeugter Haltung und robbte wahrscheinlich wie ein [[Seehund]].<ref>[[Michael J. Benton]]: ''Paläontologie der Wirbeltiere''. Verlag Dr. Friedrich Pfeil. München, 2007. Seite 365.</ref> Seine Schnauze war langgestreckt mit weit oben liegenden Nasenlöchern und Augen. Der Schwanz der Tiere war sehr kräftig und unterstützte die Fortbewegung. ''Ambulocetus'' lebte in [[Mangrove (Ökosystem)|Mangrovenwäldern]] im [[Brackwasser]] und ernährte sich in der Uferzone als [[Beutegreifer]] von Fischen und anderen Wirbeltieren. Aus der Zeit vor etwa 45 Millionen Jahren wurden weitere Arten wie ''[[Indocetus]]'', ''[[Remingtonocetidae|Kutchicetus]]'', ''[[Rodhocetus]]'' und ''[[Andrewsiphius]]'' entdeckt, die deutlich an das Leben im Wasser angepasst waren. Die Hinterbeine dieser Arten waren bereits stark zurückgebildet, und die Körperform erinnert an die der [[Robben]]. ''Rodhocetus'', ein Vertreter der [[Protocetidae]], wird als der erste „[[Pelagial|hochseetüchtige]]“ Wal angesehen. Sein Körper war [[Stromlinienform|stromlinienförmig]] und er hatte feingliedrige und verlängerte Hand- und Fußknochen entwickelt, zwischen denen wahrscheinlich eine [[Schwimmhaut]] gespannt war. Die bei Landsäugern im Bereich des Beckens verschmolzene [[Lendenwirbelsäule]] bestand bei ihm aus losen Einzelknochen, die eine Unterstützung der Schwimmbewegung des Rumpfes und Schwanzes ermöglichten. Daher war er ein guter Schwimmer, konnte sich an Land dagegen wahrscheinlich nur relativ schwerfällig bewegen. === Bewohner der Ozeane === Seit dem späten Eozän vor etwa 40 Millionen Jahren bevölkerten Walarten das Meer, die keine Verbindung zum Land mehr besaßen, wie beispielsweise der bis zu 18 Meter lange ''[[Basilosaurus]]'' (früher ''Zeuglodon'' genannt). Der Übergang vom Land zum Wasser war also innerhalb von etwa 10 Millionen Jahren abgeschlossen. Im ägyptischen [[Wadi al-Hitan]] („Tal der Wale“, auch „Wadi Zeuglodon“) sind zahlreiche Skelette von ''Basilosaurus'' und anderen marinen Landwirbeltieren erhalten. [[Datei:Dorudon BW.jpg|miniatur|Lebendrekonstruktion von ''Dorudon atrox'' aus dem späten Eozän von Ägypten]] Die direkten Vorfahren der heutigen Wale findet man wahrscheinlich innerhalb der [[Dorudontinae]], deren bekanntester Vertreter ''[[Dorudon]]'' zur selben Zeit wie ''Basilosaurus'' lebte. Beide Gruppen hatten bereits das für die heutigen Wale typische Gehör entwickelt, das deutliche Anpassungen an ein Leben im Wasser zeigt wie die feste [[Bulla (Anatomie)|Bulla]], die das Trommelfell der Landsäuger ersetzt, sowie schallleitende Elemente für das Richtungshören unter Wasser. Die Handgelenke dieser Tiere waren versteift und trugen wahrscheinlich bereits die für heutige Wale typischen [[Flipper (Flosse)|Flipper]]. Die Hinterbeine waren ebenfalls noch vorhanden, jedoch deutlich verkleinert und mit einem verkümmerten [[Becken (Anatomie)|Becken]] verbunden. In der Folgezeit traten viele verschiedene Formen von Walen auf. Heute kennt man Fossilien von etwa 1.000 Arten, die in der Mehrzahl verschwunden sind, aber deren Nachfahren heute alle Ozeane bevölkern. <br style="clear:left" /> == Systematik == [[Datei:Cetacea.jpg|miniatur|1. Grönlandwal, 2. Orca (Schwertwal), 3. Nordkaper (Glattwal), 4. Pottwal, 5. Narwal, 6. Blauwal, 7. Furchenwal, 8. Belugawal (Weißer Wal). Alle Wale sind im gleichen Maßstab gezeichnet.]] Die Ordnung Cetacea wird klassisch in zwei Unterordnungen aufgeteilt: * [[Bartenwale]] (Mysticeti) verdanken ihren Namen den Barten, kammartigen, an den Enden aufgefaserten Hornplatten, mit denen die Wale Kleintiere wie [[Plankton]] aus dem Meerwasser filtern, indem sie eine große Menge Meerwasser ins Maul nehmen und es durch die Barten auspressen. Beim [[Grönlandwal]] können die Barten über 4 Meter lang werden. Zu dieser Gruppe gehören die größten lebenden Tiere. * [[Zahnwale]] (Odontoceti), zu denen auch die [[Delfine]] zählen, haben eine Reihe kegelförmiger Zähne, in beiden Kiefern (beispielsweise Delfine) oder nur im Unterkiefer, beispielsweise beim Pottwal oder den [[Schnabelwale]]n. Zahnwale zeichnen sich durch die Fähigkeit aus, ihre Umgebung mittels [[Echoortung]] wahrzunehmen. Während es bis in die 1970er Jahre noch Meinungen gab, dass Zahn- und Bartenwale sich aufgrund der Unterschiede im Körperbau, dem Schädel und auch der Lebensweise unabhängig voneinander entwickelt hätten, geht man heute von einem gemeinsamen Vorfahren aus und hält die Wale für [[monophyletisch]]. Die Vorfahren der Wale, die [[Mesonychidae]], sollen, wie bereits oben dargestellt, den heute lebenden [[Flusspferde]]n ähnlich und mit ihnen verwandt gewesen sein. Für diese Annahme sprechen eine Reihe von gemeinsamen Merkmalen aller Wale ([[Apomorphie]]n), vor allem der typische Aufbau der Ohrkapsel und auch des Gehirns, sowie die Fossilfunde, die eine Rückführung aller heute lebenden Wale auf eine gemeinsame Stammgruppe zulassen. In dieser '''Systematik der Wale''' (Cetacea) wird eine Klassifikation bis auf Artebene vorgenommen. Grundlage derselben ist die Einteilung nach der klassischen Systematik. <div style="display:block" class="BoxenVerschmelzen"> <div style="clear:both; display:block" class="NavFrame"> <div class="NavHead"><div align="left">Klassische Systematik der Wale </div></div> <div class="NavContent"> {| |- valign="top" | align="left" | '''Ordnung''' [[Wale]] (Cetacea) * [[Bartenwale]] (Mysticeti) ** [[Glattwale]] (Balaenidae) *** [[Grönlandwal]] (''Balaena mysticetus'') *** [[Atlantischer Nordkaper]] (''Eubalaena glacialis'') *** [[Pazifischer Nordkaper]] (''Eubalaena japonica'') *** [[Südkaper]] (''Eubalaena australis'') ** Zwergglattwale (Neobalaenidae) *** [[Zwergglattwal]] (''Caperea marginata'') ** Grauwale (Eschrichtiidae) *** [[Grauwal]] (''Eschrichtius robustus'') ** [[Furchenwale]] (Balaenopteridae) *** ''Megaptera'' **** [[Buckelwal]] (''Megaptera novaeangliae'') *** ''[[Balaenoptera]]'' **** Zwergwal-Gruppe ***** [[Zwergwal|Nördlicher Zwergwal]] (''Balaenoptera acutorostrata'') ***** [[Zwergwal|Südlicher Zwergwal]] (''Balaenoptera bonaerensis'') **** Blauwal-Gruppe ***** [[Finnwal]] (''Balaenoptera physalus'') ***** [[Blauwal]] (''Balaenoptera musculus'') **** Brydewal-Gruppe ***** [[Brydewal]] (''Balaenoptera brydei'') ***** [[Seiwal]] (''Balaenoptera borealis'') ***** [[Edenwal]] (''Balaenoptera edeni'') ***** [[Omurawal]] (''Balaenoptera omurai'') * [[Zahnwale]] (Odontoceti) ** [[Pottwale]] (Physeteridae) *** ''Physeter'' **** [[Pottwal]] (''Physeter catodon'') *** ''[[Kogia]]'' **** [[Kleiner Pottwal]] (''Kogia simus'') **** [[Zwergpottwal]] (''Kogia breviceps'') ** [[Schnabelwale]] (Ziphiidae) *** [[Zweizahnwale]] (''Mesoplodon'') **** [[Peruanischer Schnabelwal]] (''Mesoplodon peruvianus'') **** [[Hector-Schnabelwal]] (''Mesoplodon hectori'') **** [[True-Wal]] (''Mesoplodon mirus'') **** [[Gervais-Zweizahnwal]] (''Mesoplodon europaeus'') **** [[Japanischer Schnabelwal]] (''Mesoplodon ginkgodens'') **** [[Camperdown-Wal]] (''Mesoplodon grayi'') **** [[Hubbs-Schnabelwal]] (''Mesoplodon carlhubbsi'') **** [[Andrew-Schnabelwal]] (''Mesoplodon bowdoini'') **** [[Stejneger-Schnabelwal]] (''Mesoplodon stejnegeri'') **** [[Sowerby-Zweizahnwal]] (''Mesoplodon bidens'') **** [[Bahamonde-Schnabelwal]] (''Mesoplodon traversii'') **** [[Perrin-Schnabelwal]] (''Mesoplodon perrini'') **** [[Layard-Wal]] (''Mesoplodon layardii'') **** [[Blainville-Schnabelwal]] (''Mesoplodon densirostris'') *** [[Entenwale]] (''Hyperoodon'') **** [[Nördlicher Entenwal]] (''Hyperoodon ampullatus'') **** [[Südlicher Entenwal]] (''Hyperoodon planifrons'') *** ''Ziphius'' **** [[Cuvier-Schnabelwal]] (''Ziphius cavirostris'') *** [[Schwarzwale]] (''Berardius'') **** [[Südlicher Schwarzwal]] (''Berardius arnuxii'') **** [[Baird-Wal]] (''Berardius bairdii'') *** ''Tasmacetus'' **** [[Shepherd-Wal]] (''Tasmacetus shepherdi'') *** ''Indopacetus'' **** [[Longman-Schnabelwal]] (''Indopacetus pacificus'') ** [[Gangesdelfine]] (Platanistidae, ''Platanista'') *** [[Gangesdelfin]] (''Platanista gangetica'') *** [[Indusdelfin]] (''Platanista minor'') ** [[Flussdelfine]] (Iniidae) *** [[Chinesischer Flussdelfin]] (''Lipotes vexillifer'') *** [[La-Plata-Delfin]] (''Pontoporia blainvillei'') *** [[Amazonasdelfin]] (''Inia geoffrensis'') ** [[Gründelwale]] (Monodontidae) *** [[Weißwal]] (''Delphinapterus leucas'') *** [[Narwal]] (''Monodon monoceros'') ** [[Schweinswale]] (Phocoenidae) *** ''[[Phocoena]]'' **** [[Gewöhnlicher Schweinswal]] (''Phocoena phocoena'') **** [[Kalifornischer Schweinswal]] (''Phocoena sinus'') **** [[Burmeister-Schweinswal]] (''Phocoena spinipinnis'') *** ''Neophocaena'' **** [[Glattschweinswal]] (''Neophocaena phocaenoides'') *** ''Phocoenoides'' **** [[Weißflankenschweinswal]] (''Phocoenoides dalli'') *** ''Australophocaena'' **** [[Brillenschweinswal]] (''Australophocaena dioptrica'') ** [[Delfine]] (Delphinidae) *** ''Pseudorca'' **** [[Kleiner Schwertwal]] (''Pseudorca crassidens'') *** ''Orcinus'' **** [[Großer Schwertwal]] (''Orcinus orca'') *** ''Delphinus'' **** [[Gemeiner Delfin]] (''Delphinus delphis'') *** ''Tursiops'' **** [[Großer Tümmler]] (''Tursiops truncatus'') *** [[Kurzschnauzendelfine]] (''Lagenorhynchus'') **** [[Weißschnauzendelfin]] (''Lagenorhynchus albirostris'') **** [[Weißseitendelfin]] (''Lagenorhynchus acutus'') **** [[Weißstreifendelfin]] (''Lagenorhynchus obliquidens'') **** [[Schwarzdelfin]] (''Lagenorhynchus obscurus'') **** [[Peale-Delfin]] (''Lagenorhynchus australis'') **** [[Stundenglasdelfin]] (''Lagenorhynchus cruciger'') *** ''Steno'' **** [[Rauzahndelfin]] (''Steno bredanensis'') *** [[Glattdelfine]] (''Lissodelphis'') **** [[Nördlicher Glattdelfin]] (''Lissodelphis borealis'') **** [[Südlicher Glattdelfin]] (''Lissodelphis peronii'') *** ''Lagenodelphis'' **** [[Borneodelfin]] (''Lagenodelphis hosei'') *** [[Fleckendelfine]] (''Stenella'') **** [[Ostpazifischer Delfin]] (''Stenella longirostris'') **** [[Clymene-Delfin]] (''Stenella clymene'') **** [[Blau-Weißer Delfin]] (''Stenella coeruleoalba'') **** [[Schlankdelfin]] (''Stenella attenuata'') **** [[Zügeldelfin]] (''Stenella frontalis'') *** [[Grindwale]] (''Globicephala'') **** [[Gewöhnlicher Grindwal]] (''Globicephala melas'') **** [[Kurzflossen-Grindwal]] (''Globicephala macrorhynchus'') *** ''Grampus'' **** [[Rundkopfdelfin]] (''Grampus griseus'') *** ''Peponocephala'' **** [[Breitschnabeldelfin]] (''Peponocephala electra'') *** ''Feresa'' **** [[Zwerggrindwal]] (''Feresa attenuata'') *** ''[[Orcaella]]'' **** [[Irawadidelfin]] (''Orcaella brevirostris'') **** [[Australischer Stupsfinnendelfin]] (''Orcaella heinsohni'') *** [[Schwarz-Weiß-Delfine]] (''Cephalorhynchus'') **** [[Commerson-Delfin]] (''Cephalorhynchus commersonii'') **** [[Weißbauchdelfin]] (''Cephalorhynchus eutropia'') **** [[Heaviside-Delfin]] (''Cephalorhynchus heavisidii'') **** [[Hector-Delfin]] (''Cephalorhynchus hectori'') *** ''Sotalia'' **** [[Sotalia]] (''Sotalia fluviatilis'') *** ''[[Sousa (Delfin)|Sousa]]'' **** [[Kamerunflussdelfin]] (''Sousa teuszii'') **** [[Chinesischer Weißer Delfin]] (''Sousa chinensis'') |} </div></div></div> <br/> {{userboxtop| toptext=&nbsp;}} {{Klade |label1=[[Wale]]&nbsp; |1={{Klade |1=&nbsp;[[Schnabelwale]] (Ziphiidae) |label2=&nbsp;N.N.&nbsp; |2={{Klade |1=&nbsp;[[Delfinartige]] (Delphinoidea) |label2=&nbsp;N.N.&nbsp; |2={{Klade |1=&nbsp;[[Pottwale]] (Physeteridae) |2=&nbsp;[[Bartenwale]] (Mysticeti) }} }} }} }} {{userboxbottom}} Aufgrund verschiedener phylogenetischer Analysen auf der Basis molekularbiologischer Daten wird heute davon ausgegangen, dass die Bartenwale innerhalb der Zahnwale als Schwestergruppe der Pottwale entspringen. Letztere stellen also keine monophyletische, also natürliche, Gruppe dar. Elf Walarten werden als Großwale bezeichnet. Dies ist jedoch keine systematische Kategorie, sondern eine zusammenfassende Bezeichnung für die Kolosse der verschiedenen Walfamilien. == Walstrandungen == Unter Walstrandung versteht man das unbeabsichtigte Auflaufen eines Wals auf den Strand oder eine Untiefe. Am bekanntesten sind dabei Massenstrandungen von [[Grindwal|Grind-]] und Pottwalen. Die Ursachen von Walstrandungen sind bis heute noch nicht ausreichend geklärt. Mögliche Gründe für Massen- oder Einzelstrandungen sind: * Toxische Kontaminationen innerhalb der Nahrungskette * schwächender Parasitenbefall im Respirationstrakt, Gehirn oder Mittelohr * bakterielle oder virale [[Infektion]]en * panische Flucht vor Feinden (inkl. Mensch) * starke soziale Bindungen innerhalb einer Gruppe, wodurch alle Individuen einem gestrandeten Tier folgen * Störung des magnetischen Sinnes durch natürliche Anomalien im Magnetfeld der Erde * Verletzungen * [[Unterwasserlärm]]verschmutzung durch Schiffsverkehr, [[seismisch]]e Untersuchungen und militärische [[Sonar#Meeressäuger|Sonarexperimente]]. In den letzten 15 Jahren traten Walstrandungen im Zusammenhang mit militärischen Sonartests gehäuft auf. Generell wird Unterwasserlärm, der noch immer im Zunehmen begriffen ist, vermehrt für Strandungen verantwortlich gemacht, da er die Kommunikation und den Orientierungssinn der Tiere beeinträchtigt<ref>[http://www.oceannoisecoalition.org/ Ocean Noise Coalition], 26. November 2007</ref>. Auch der Klimawandel scheint durch die Beeinflussung der großen [[Windsystem]]e der Erde und damit des Verlaufs der Meeresströmungen zu Walstrandungen zu führen. Mark Hindell und sein Team von der tasmanischen Universität in [[Hobart]] untersuchten Walstrandungen an der Küste von [[Tasmanien]] zwischen 1920 und 2002 und stellten fest, dass in gewissen zeitlichen Abständen jeweils größere Strandungsereignisse vorkamen<ref>New Scientist, 26. Juli 2004</ref>. In den Jahren mit einer zehnfachen Anzahl von Strandungsereignissen wurde auch das Auftreten von starken Stürmen registriert, welche die Kaltwasserströmungen vermehrt in Küstennähe leiteten. In nährstoffreichem, kaltem Wasser finden Wale besonders viele Beutetiere, weshalb sie den Kaltwasserströmungen folgten und damit in diesen meteorologisch außergewöhnlichen Jahren in seichtere Gewässer gelangten als sonst, wo die Gefahr für Strandungen höher ist. Da viele Wale und Delfine in Gruppenverbänden leben, folgen oder begleiten sie oft kranke oder geschwächte Tiere in seichte Gewässer, was bei Ebbe zu Massenstrandung führen kann. Einmal gestrandet, werden vor allem Großwale von ihrem eigenen Körpergewicht erdrückt, wenn sie nicht rechtzeitig ins tiefere Wasser zurückgelotst werden können. Zudem ist die Regulation der Körpertemperatur bei einem gestrandeten Wal nicht mehr gewährleistet und es besteht die Gefahr der Überhitzung. == Menschen und Wale == === Wortherkunft === Der Ursprung des deutschen Wortes „Wal“ lässt sich nur bis ins Germanische zurückverfolgen, dessen Tochtersprachen ([[Niederländische Sprache|ndl.]] woud, [[Englische Sprache|eng.]] whale, [[Schwedische Sprache|schw.]] val, [[Isländische Sprache|isl.]] völlur) die Bezeichnung aus [[Germanische Ursprache|germ.]] *hwala ableiten, auf der auch das Wort „[[Wels (Fisch)|Wels]]“ beruht. Namen für Meeres- und Seetiere sind innerhalb der indogermanischen Sprachen schwer vergleichbar, sodass ein ursprüngliches indogermanisches Wort und dessen Bedeutung nicht hergeleitet werden können. Vermutet wird derweil eine Verbindung zum romanischen ([[Lateinische Sprache|lat.]] squalus „Meersaufisch“) oder baltischen Zweig ([[Altpreußische Sprache|apreuß.]] kalis „Wels“), möglich ist allerdings auch, dass es sich um eine Entlehnung aus einer nicht-indogermanischen Sprache zu (früh-)germanischer Zeit handelt.<ref>Friedrich Kluge: ''Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache.'' 24. Auflage, Hrsg. Elmar Seebold. De Gruyter, Berlin – New York 2002.</ref> === Bedrohung === [[Datei:Walfang norden.jpg|miniatur|Walfang im nördlichen Eismeer, Grafik um 1792]] Die Bedrohung der Wale geht bis auf wenige Ausnahmen direkt vom Menschen aus. Die Bedrohungen durch den Menschen lassen sich unterteilen in die direkte Bejagung durch den Walfang sowie die indirekten Gefahren wie die Fischerei und die Umweltbelastung. ==== Walfang ==== {{Hauptartikel|Walfang}} Im Mittelalter waren die Gründe für den Walfang die enormen Mengen Fleisch, der als Brennstoff verwertbare [[Waltran]] und die Kieferknochen, die man im Hausbau verwendete. Am Ende des Mittelalters fuhren bereits ganze Flotten aus, um die großen Wale, mehrheitlich [[Glattwal]]e wie den [[Grönlandwal]], zu jagen. Die holländische Flotte besaß beispielsweise im 16. und 17. Jahrhundert etwa 300 Walfangschiffe mit 18.000 Männern Besatzung. Im 18. und 19. Jahrhundert wurden vor allem Bartenwale bejagt, um den Bedarf der Korsett- und Reifrockhersteller an [[Fischbein]] zu decken. Außerdem diente das [[Spermaceti]] der Pottwale als Schmiermittel für Maschinen und das [[Ambra]] als Grundstoff für die Pharmaindustrie und zur Parfumherstellung. Als in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts die [[Harpune|Sprengharpune]] erfunden und eingesetzt wurde, kam es zu einem massiven Ansteigen der erlegten Wale. [[Datei:Whale products-d hg.png|miniatur|upright=1.4|Aus einem Wal hergestellte Produkte]] Große Schiffe wurden zu Mutterschiffen für die Walverarbeitung ausgebaut und von Fangflotten mit Dampfantrieb beliefert. Ungefähr in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts hatten Wale eine sehr große Bedeutung als Rohstofflieferant für die Industrie. In dieser Zeit wurde intensiv gejagt, in den 1930er Jahren wurden jedes Jahr über 30.000 Wale getötet. Eine weitere Steigerung auf über 40.000 Tiere pro Jahr erfolgte bis in die 1960er Jahre, wodurch vor allem die Bestände der großen Bartenwalarten zusammenbrachen. Die meisten bejagten Walarten sind heute in ihrem Bestand bedroht. Bei einigen Großwalarten wurden die Populationen bis an den Rand der Ausrottung ausgebeutet. Heute sind sie stark dezimiert, da ein Zuwachs nur langsam möglich ist. Vollständig ausgerottet wurden bereits der Atlantische [[Grauwal]] und der koreanische [[Grauwal]], beim [[Atlantischer Nordkaper|Atlantischen Nordkaper]] rechnet man heute noch mit etwa 300 bis 600 Tieren, der [[Blauwal]]bestand beträgt wahrscheinlich maximal 14.000 Tiere. [[Datei:Domino whale-bone hg.jpg|miniatur|Domino aus Walknochen von einem Walfangschiff]] Die ersten Bestrebungen zum Schutz der Wale wurden 1931 beschlossen. Dabei wurden besonders bedrohte Arten wie etwa der [[Buckelwal]], der damals noch etwa 100 Tiere zählte, unter internationalen Schutz gestellt, außerdem wurden erste [[Walschutzgebiet|Schutzzonen]] eingerichtet. 1946 wurde die [[Internationale Walfangkommission]] gegründet, die die Bestände der Wale kontrollieren und sichern sollte. Das Töten von Walen zu kommerziellen Zwecken wurde durch diese Organisation 1985 weltweit bis zum Jahr 2005 verboten. Allerdings werden auch heute noch Wale gejagt. Vor allem japanische Walfangschiffe jagen Wale verschiedener Arten zu vorgeblich wissenschaftlichen Zwecken. [[Grönland]] und einigen [[Indigene Völker|indigenen Völkern]] der Welt ist der Walfang aus traditionellen Gründen und um ihr Überleben zu sichern erlaubt. [[Island]] und [[Norwegen]] erkennen das Verbot nicht an und betreiben einen offenen kommerziellen Walfang. Länder wie Norwegen und Japan setzen sich für Beendigung des Moratoriums ein. ==== Fischerei ==== Auch die für den [[Walfang]] uninteressanten Kleinwale –&nbsp;vor allem einige [[Delfine|Delfinarten]]&nbsp;– sind teilweise stark dezimiert. Sie fallen sehr häufig der [[Thunfisch]]fischerei zum Opfer, weil sie sich oft in der Nähe von Thunfischschwärmen aufhalten. Dies ist auch den Fischern bekannt, weshalb sie oft nach Delfinen Ausschau halten, um Thunfische zu fangen. Delfine sind wesentlich leichter auszumachen als Thunfische, da sie regelmäßig an der Oberfläche Luft holen müssen. Die Fischer ziehen mit ihren Netzen hunderte Meter große Kreise um die Delfingruppen herum, in der Erwartung, dass sie auch einen Thunfischschwarm einschließen. Die Netze werden zusammengezogen, die Delfine verfangen sich unter Wasser und ertrinken. Besonders für Flussdelfine stellt zudem die Leinenfischerei in größeren Flüssen eine Gefahr dar. Eine weit größere Bedrohung als durch den [[Beifang]] erwächst Kleinwalen allerdings aus der gezielten Bejagung. Im südostasiatischen Raum werden sie in ärmeren Ländern als Fisch-Ersatz an die einheimische Bevölkerung verkauft, da die eigentlichen Speisefische der Region im Export höhere Einnahmen versprechen. Im Mittelmeer werden Kleinwale als Nahrungskonkurrenten verfolgt: Da der Stoffwechsel der Meeressäuger einen ungleich höheren Energiebedarf als bei Raubfischen zur Folge hat, werden sie gezielt vernichtet, um die Bestände der Speisefische nicht mit ihnen teilen zu müssen. ==== Umweltgefahren ==== Die zunehmende [[Meeresverschmutzung]] stellt auch für die Meeressäuger ein ernst zu nehmendes Problem dar. [[Schwermetalle]] und Reste vieler [[Herbizid|Pflanzen-]] und [[Pestizid|Insektengifte]] sind biologisch nicht abbaubar. Über die Meerespflanzen und Beutetiere gelangen sie dann in den Körper der Wale. In der Folge werden die Tiere anfälliger gegenüber Krankheiten und bekommen weniger Junge. Auch die Zerstörung der [[Ozonschicht]] wirkt sich auf die Wale aus, denn [[Plankton]] reagiert sehr empfindlich auf Strahlung und vermehrt sich weniger stark. Dadurch schrumpft das Nahrungsangebot für viele Meerestiere, besonders betroffen sind aber die Bartenwale. Auch das [[Nekton]] wird, neben der intensiven Befischung, durch die intensivere UV-Einstrahlung geschädigt und ist als Futterquelle quantitativ und qualitativ eingeschränkt. Ähnliche Auswirkungen kann zumindest längerfristig eine [[Versauerung der Meere|Übersäuerung der Ozeane]] durch vermehrte Aufnahme von [[Kohlenstoffdioxid]] (CO<sub>2</sub>) darstellen, ein Effekt, welcher der [[Globale Erwärmung|globalen Erwärmung]] entgegenwirkt, da er der sich erwärmenden Atmosphäre wieder Kohlenstoff abnimmt. CO<sub>2</sub> reagiert mit dem Wasser zu [[Kohlensäure]]. Das saure Wasser stört den Bau der Kalkskelette verschiedener [[Alge]]n und Kleinstlebewesen. Von diesem Plankton sind wiederum Wale abhängig, da es für viele Arten die Hauptnahrungsquelle darstellt. Vor allem das Militär und die Geologie bedienen sich starker [[Sonar]]e und erzeugen zusammen mit Sprengungen und Schiffsverkehr in zunehmendem Maße Lärm in den Ozeanen. Meeressäuger, die [[Biosonar]]e zur Orientierung und Kommunikation verwenden, werden dadurch nicht nur behindert, sondern regelmäßig auch zu panischem Auftauchen veranlasst. Dabei kommt es zum Ausperlen von im Blut gebundenen Gasen, woran das Tier dann verendet, da die Gefäße blockiert sind, sogenannte [[Dekompressionserkrankung|Dekompressions-Unfälle]] (beim Menschen als „schwerer Tauchunfall“ bekannt). Nach Marineübungen mit Sonareinsatz werden regelmäßig verendete Wale angespült, die Gasblasen in den Gefäßen haben. Der Schall reicht sehr weit und entfaltet seine verhängnisvolle Wirkung noch in über hundert Kilometern Umkreis. Abhängig von den eingesetzten [[Frequenz]]en sind unterschiedliche Arten stärker oder weniger betroffen. Es wird die Forderung erhoben, dass vor entsprechenden ausgedehnten Einsätzen von Sonartechnik zunächst, gegebenenfalls ebenfalls mit Sonar, ausgeschlossen werden muss, dass sich viele Meeressäuger in der Umgebung befinden. == Kulturelle Bedeutung == Wale spielen vor allem in der Kultur von Bewohnern meeresnaher Gebiete und Inseln eine große Rolle. Dabei sind es vor allem Kleinwale wie die Delfine und Schweinswale, die intensiver beobachtet werden konnten und somit in die Mythologie dieser Völker eingehen konnten. Großwale waren dagegen vor allem bekannt durch Walstrandung (vor allem Pottwale) oder sie wurden von Seefahrern beschrieben. Die kulturelle Bedeutung der Wale für den Menschen und damit auch die [[Geschichte der Walforschung]] reicht zurück bis in die Steinzeit, aus der man Felszeichnungen kleiner Wale kennt. === Wale im Altertum === Wal-Knochen wurden zu zahlreichen Zwecken verwendet. In der [[Neolithikum|neolithischen Siedlung]] [[Skara Brae]] auf [[Orkney]] fertigte man aus Wirbeln Kochtöpfe<ref> V.G. Childe, Skara Brae: A Pictish village in Orkney, Kegan, Paul, Trench, Trubner & Co., London 1931, Pl. LI</ref>. Manche der Gefäße enthalten Farbspuren, Childe deutet sie als Farbeimer<ref> V.G. Childe, Skara Brae: A Pictish village in Orkney, Kegan, Paul, Trench, Trubner & Co., London 1931, Pl. L</ref>. Aus [[Foshigarry]] in Schottland stammt eine Schale aus Walknochen. [[Datei:Destruction of Leviathan.png|miniatur|„Die Vernichtung des Leviathan“, Gravur von Gustave Doré, 1865]] Bei den antiken Griechen wurde der Wal bereits von [[Homer]] erstmals erwähnt. Hier wird er ''[[Keto (Mythologie)|kétos]]'' genannt, ein Begriff, der zunächst alle großen Meerestiere beinhaltete. Von diesem leitete sich auch die lateinische Bezeichnung der Römer für Wal, ''cetus'', ab. Andere Bezeichnungen waren ''phálaina'' ([[Aristoteles]], lateinische Form ''ballaena'') für das weibliche und, mit ironischem Duktus, ''musculus'' (''Mäuschen'') für das männliche Tier. Nordseewale wurde ''physetér'' genannt, wobei möglicherweise damit speziell der Pottwal (heute ''Physeter catodon'') gemeint war. Besonders ausführlich werden Wale bei Aristoteles, [[Plinius der Ältere|Plinius]] und [[Ambrosius Theodosius Macrobius|Ambrosius]] beschrieben. Alle erwähnen sowohl die [[Viviparie]] als auch die Säugung der Jungtiere. Plinius beschreibt die mit den Lungen verbundenen Spritzröhren, und Ambrosius behauptet sogar, Wale nähmen ihre Jungtiere zum Schutz ins Maul. Bartenwale sind offenbar nur Aristoteles bekannt. Mythologisch kann man Wale aufgrund der Gleichsetzung mit anderen großen Meerestieren und Untieren schlecht nachweisen. Anzunehmen ist jedoch, dass das Ungeheuer, dem die eitle [[Kassiopeia (Mythologie)|Kassiopeia]] im Auftrag des Meeresgottes [[Poseidon]] ihre Tochter [[Andromeda (Mythologie)|Andromeda]] opfern sollte, die schließlich vom Helden [[Perseus (Mythologie)|Perseus]] gerettet wurde, ein Wal war. In der [[Bibel]] spielt vor allem der [[Leviathan (Mythologie)|Leviathan]] als Meeresungeheuer eine Rolle. Das Wesen, welches Züge eines riesigen [[Krokodile|Krokodils]] oder eines [[Drache (Mythologie)|Drachens]] und eines Wales vereint, wurde laut Bibel von Gott erschaffen ([[Psalm]] 104, 26) und soll auch wieder von ihm zerstört werden (Psalm 74,14 und [[Buch Jesaja|Jesaja]] 27,1). Im [[Buch Ijob]] wird der Leviathan detaillierter beschrieben (Ijob 40,25–41,26). Eindeutiger als Wal erkennbar ist dagegen die Beschreibung des Propheten [[Buch Jona|Jona]], der auf seiner Flucht vor der göttlichen Aufgabe, der Stadt [[Ninive]] den Untergang zu prophezeien, von einem Wal verschluckt und am Strand von Ninive ausgespieen wird (Jona 2,1–11). [[Datei:Tarentum.jpg|miniatur|Silbermünze mit Taras auf einem Delfin reitend]] Weitaus häufiger als von Großwalen ist in der Antike von Delfinen die Rede. Aristoteles widmet den heiligen Tieren der Griechen in seiner ''[[historia animalium]]'' einen größeren Raum und geht ausführlich auf ihre Rolle als Wassertiere ein. Die Griechen bewunderten den Delfin als „König der Wassertiere“ und bezeichneten ihn irrtümlicherweise als Fisch. Gerühmt werden seine Schnelligkeit, seine Sprünge, seine Intelligenz und seine geringe Menschenscheu. Sein geistiges Vermögen wird sowohl durch seine Fähigkeit, aus den Fangnetzen der Fischern entkommen zu können als auch bei seiner Zusammenarbeit mit Fischern beim Fischfang wahrgenommen. Flussdelfine sind aus dem Ganges und –&nbsp;mit hoher Wahrscheinlichkeit fälschlicherweise&nbsp;– dem Nil bekannt. Bei letzteren erfolgte offenbar eine Gleichsetzung mit [[Haie]]n und [[Welsartige|Welsen]]. Angeblich griffen sie dort sogar [[Krokodile]] an. Im [[Schwarzes Meer|Schwarzen Meer]] jagten die Thraker Delphine, um sie zu essen und Tran aus ihnen herzustellen. In der Mythologie der Griechen nehmen Delfine einigen Raum ein. Aufgrund ihrer Intelligenz retteten sie mehrfach Menschen vor dem Ertrinken. Da man ihnen eine besondere Liebe für Musik nachsagte –&nbsp;wohl nicht zuletzt wegen ihres eigenen Gesanges&nbsp;– retteten sie in den Legenden sehr oft berühmte Sänger wie [[Arion von Lesbos]] aus [[Methymna]] oder [[Kairanos]] aus [[Milet]]. Ebenso bekannt waren sie für ihre Anhänglichkeit an schöne Knaben, mit denen sie zum Teil sogar in den Tod gingen. Aufgrund der geistigen Fähigkeiten hielt man Delfine für vom Gott [[Dionysos]] verzauberte Menschen. [[Datei:Cetus constellation map.png|miniatur|links|Karte des Sternbildes Walfisch]] Delfine gehörten zum Gefolge des [[Poseidon]] und führten diesem auch seine Gattin [[Amphitrite (Mythologie)|Amphitrite]] zu. Doch werden Delphine auch mit anderen Göttern, beispielsweise [[Apollon]], [[Dionysos]] und [[Aphrodite]] in Verbindung gebracht. Die Griechen würdigten sowohl den Wal als auch den Delphin mit einem eigenen Sternbild. Das [[Walfisch (Sternbild)|Sternbild des Wals]] (''Kétos'', lat. ''Cetus'') befindet sich südlich, das [[Delphin (Sternbild)|Sternbild des Delphins]] (''Delphís'', lat. ''Delphinus'') nördlich des Tierkreises. In der antiken Kunst gibt es häufig Delfindarstellungen. Schon bei den [[Kreta|kretischen]] [[Minoer]]n wurden sie dargestellt. Später fand man sie häufig auf [[Relief (Kunst)|Reliefs]], [[Gemme]]n, Lampen, [[Münze]]n, [[Mosaik]]en, Grabsteinen u.s.w. Eine besonders beliebte Darstellung ist die des auf einem Delphin reitenden [[Arion]] oder auch des [[Taras (Mythologie)|Taras]]. Auch in der frühchristlichen Kunst ist der Delphin ein beliebtes Motiv, nicht zuletzt, da er neben dem Fisch teilweise als Symbol für [[Jesus Christus|Christus]] verwendet wurde. === Wale bis in das 19. Jahrhundert === Der irische Mönch [[Brendan der Reisende|St. Brendan der Reisende]] beschrieb in seiner Reiseerzählung ''Navigatio Sancti Brendani'' eine Begegnung mit einem Wal, die er in den Jahren zwischen 565 und 573 gemacht haben soll. Dort schilderte er, wie er und seine Begleiter eine baumlose Insel betraten, die sich in der Folge als riesiger Wal herausstellte, den er Jasconicus nannte. Diesen Wal trafen sie sieben Jahre später erneut und ruhten auf seinem Rücken aus. [[Datei:Stranded Whale.jpg|miniatur|gestrandeter Pottwal, Darstellung von 1684]] Die meisten Beschreibungen großer Wale aus der Zeit bis zum Walfangzeitalter ab dem 17. Jahrhundert stammten allerdings von gestrandeten Walen, die durch ihre Leibesfülle und ihrem Aussehen keinem anderen bekannten Tier glichen. Dies traf insbesondere für den Pottwal zu, der sehr häufig auch in größeren Gruppen strandet. So strandeten nach einer Auswertung alter Unterlagen von Raymond Gilmore im Jahre 1959&nbsp;um 1723 17 Pottwale in der Mündung der [[Elbe]] und 1784 31 Tiere an der Küste Großbritanniens. 1827 trieb ein Blauwal mit einer Länge von 28,5 Metern vor der Küste des damals noch zu den Niederlanden gehörenden [[Ostende]], der skelettiert über sieben Jahre lang durch Europa geschickt wurde. Während dieser Zeit wurden weltweit auch andere Wale gezeigt und lockten als Attraktionen von Museen und Wanderausstellungen Besucher an. [[Datei:La Baleine.jpg|miniatur|links|''La Baleine'', Darstellung um 1840]] Vor allem die Matrosen der [[Walfang]]flotten des 17. bis 19. Jahrhunderts lieferten konkretere und anschaulichere Darstellungen der freilebenden Wale und die Geschichten von [[Walbeobachtung]]en führten zu Geschichten, die zu einem großen Teil dem [[Seemannsgarn]] zugeordnet werden können. Obwohl ihnen mittlerweile bekannt war, dass die meisten Wale harmlose Riesen darstellen, beschrieben sie vor allem den Kampf mit den harpunierten Tieren als Gemetzel. Mit der Intensivierung des Walfangs mehrten sich auch die Beschreibungen von [[Meeresungeheuer]]n, zu denen neben riesigen Walen auch [[Haie]], [[Seeschlange (Kryptozoologie)|Seeschlangen]] sowie [[Riesenkalmare]] und [[Riesenoktopus|-oktopusse]] gehörten. Zu den ersten Walfängern, die ihre Erlebnisse auf den Walfangreisen beschrieben, gehörte der britische Kapitän [[Wilhelm Scoresby]], der 1820 das Buch ''Northern Whale Fishery'' veröffentlichte und darin die Jagd auf die großen Bartenwale der nördlichen Meere beschrieb. 1835 folgten [[Thomas Beale]], ein britischer Chirurg, mit dem Buch ''Einige Beobachtungen zur Naturgeschichte des Pottwals'' und 1840 [[Frederick Debell Bennett]] mit der ''Erzählung von einer Waljagd…''. Auch in die erzählende Literatur und der Malerei fanden die Wale eingang, vor allem in die Romane ''[[Moby Dick]]'' von [[Herman Melville]] und ''[[20.000 Meilen unter dem Meer]]'' von [[Jules Verne]]. In dem 1882 erschienen Kinderbuch ''[[Pinocchio|Abenteuer des Pinocchio: Geschichte eines Hampelmanns]]'' von [[Carlo Collodi]] kommt allerdings kein Wal vor, obwohl dies gemeinhin angenommen wird. Die Holzfigur Pinocchio und ihr Erschaffer Geppetto wurden in der Romanvorlage von einem Hai verschlungen, erst auf den Zeichenbrettern der [[Walt Disney|Walt-Disney]]-Studios wurde dieser in dem 1940 erschienen Film [[Pinocchio (1940)|Pinocchio]]'' zu einem riesigen, bösartigen Wal. Auch in historischer Zeit wurden Walknochen als Rohmaterial genutzt. Teilweise bestanden nur einzelne Gefäßbestandteile aus Walknochen, wie der Boden eines Eimers im [[National Museum of Scotland|Schottischen Nationalmuseum]] [[Edinburgh]]. Aus [[Howmae]] stammt ein Stuhlsitz aus Walbein. In der [[Wikinger]]zeit wurden verzierte Platten aus Walknochen angefertigt, die manchmal als [[Bügelbrett]]er gedeutet werden. In der [[Kanada|Kanadischen]] [[Arktis]] (Ostküste) wurden Pottwalknochen in der [[Punuk-Kultur|Punuk]]-<ref>B. C. Hood, The circumpolar Zone. In: Cunliffe, B., Gosden, C., Joyce, R. (eds.), The Oxford Handbook of Archaeology. Oxford: Oxford University Press, 823 f.</ref> und [[Thule-Kultur]] (1000–1600 n. Chr.) zur Haus-Konstruktion genutzt <ref>A. McCartney, A processual Consideration of Thule Whale Bone Houses. In: A. McCartney, (Hrsg.), Thule Eskimo Culture: An Anthropological Retrospective. Archaeological Survey of Canada Mercury Series 70, 1979, 301-324. Ottawa: National Museum of Man; Peter C. Dawson/Richard M. Levy, A Three-Dimensional Model of a Thule Inuit Whale Bone House. Journal of Field Archaeology 30/4, 2005, 443-455; J. E. Le Mouel/M. Le Mouel, Aspects of Early Thule Culture as seen in the Architecture of a Site on Victoria Island, Amundsen Gulf Area. Arctic 55 (2), 2002, 167-189</ref>. Sie dienten mangels Holz als Dachstütze der Winterhäuser, die halb in die Erde eingetieft waren. Das eigentliche Dach bestand vermutlich aus Fellen, die mit Erde und Moos abgedeckt wurden<ref>J. Savelle, The Role of architectural Utility in the Formation of archaeological Whale Bone Assemblages. Journal of Archaeological Science 24, 1997, 869-885</ref>. === Wale in der modernen Kultur === [[Datei:Tursiops monkey mia 2.jpg|miniatur|[[Großer Tümmler]]<br />(''Tursiops truncatus'')]] Anders als in den vergangenen Jahrhunderten wurden Wale im 20. Jahrhundert nicht mehr als Meeresungeheuer und gefährliche Bestien betrachtet. Mit ihrer zunehmenden Erforschung galten sie nach und nach immer mehr als intelligente und friedfertige Tiere, die von Menschen grundlos gejagt und getötet werden. Vor allen anderen erhielten insbesondere die Delfine diese Rolle, welche sich auch in Filmen und Romanen der 1960er bis 1990er Jahre widerspiegelt. So wurde etwa die Hauptfigur der Serie ''[[Flipper (Delfin)|Flipper]]'', ein [[Großer Tümmler]], ab dem Jahr 1962 neben anderen tierischen Helden wie [[Rin Tin Tin]], [[Lassie]] und [[Fury (Fernsehserie)|Fury]] zu einem Sinnbild tierischer Intelligenz. Dieses Motiv wurde auch in der Serie ''[[SeaQuest DSV]]'' (1993–1996), dem [[Walt Disney|Walt-Disney]]-Film ''[[Free Willy – Ruf der Freiheit]]'' (1993, dort allerdings mit einem [[Großer Schwertwal|Großen Schwertwal]]) und der Buchreihe ''[[Per Anhalter durch die Galaxis]]'' von [[Douglas Adams]] sowie in vielen weiteren Filmen und Büchern aufgegriffen. Das Ansehen der Großwale, bis dahin vor allem durch die ''Moby-Dick''-Verfilmungen geprägt, wandelte sich ebenfalls drastisch. Die Tiere gelten seit dem 20. Jahrhundert teilweise sehr verklärt als „sanfte Giganten“, die friedfertig durch die Meere ziehen. Vor allem die Erforschung des [[Walgesang]]s führte zudem zu einer immer stärker werdenden Positionierung im Bereich der [[Esoterik]], die sich der Gesänge bis heute als entspannende [[Meditation]]smusik bedient. == Tonaufnahmen == * {{Audio|Humpback whale wheezeblow.ogg|Gesang eines Buckelwals}} * {{Audio|Humpback whale moo.ogg|Buckelwalgesang an einem windigen Tag}} == Einzelnachweise == <references /> == Literatur == * Nigel Bonner: ''Whales of the World.'' Octopus Publishing, Blandfort 2002, ISBN 0-7137-2369-6 (nicht-technisches informatives Buch) <!--zum Thema, sehr informationsreich – wozu sonst?--> * T. Cahill: ''Dolphins.'' National Geographic, Washington DC 2003, ISBN 0-7922-3372-7 (Prachtbildband) * M. Carwardine: ''Wale und Delfine.'' Tessloff, Nürnberg 1993, Delius Klasing, Bielefeld 1996, 2003, ISBN 3768814564 * M. Carwardine: ''Delfine – Biologie, Verbreitung, Beobachtung in freier Wildbahn.'' Naturbuch Verlag, Augsburg 1996, ISBN 3-89440-226-1 * M. Carwardine, E. Hoyt, R. E. Fordyce, P. Gill: ''Whales & Dolphins – the ultimate guide to marine mammals.'' Harper Collins, London 2002, ISBN 0-00-220105-4 (umfangreicher Bildführer) * P. Clapham: ''Whales.'' World Life Library. Colin Baxter Photography, Grantown-on-Spey 2001, ISBN 1-84107-095-5 * A. Coenen: ''The whale book, whales and other marine animals as described by Adriaen Coenen in 1585.'' Reaktion Books, London 2003, ISBN 1-86189-1741 (Auszug aus Coenens Manuskripten mit seinen farbgetreu wiedergegebenen Original-Illustrationen (erste bildliche Wal-Darstellung Europas) mit Übersetzung in modernes Englisch und Kommentar zu Meeresbiologie und geschichtl. Hintergrund Coenens) * Ralf Kiefner: ''Wale und Delfine weltweit.'' Jahr Top Special, Hamburg 2002, ISBN 3-86132-620-5 (Führer der Zeitschrift „tauchen“, sehr detailliert) * C. C. Kinze: ''Photographic Guide to the Marine Mammals of the North Atlantic.'' University Press, Oxford 2002, ISBN 0-19-852625-3 (wissenschaftlich orientierter Führer) * J. Mann, R. C. Connor, P. L Tyack, H. Whitehead (Hrsg.): ''Cetacean Societies – Field Studies of Dolphins and Whales.'' University of Chicago Press, Chicago 2000, ISBN 0-226-50340-2 * T. Martin: ''Whales, Dolphins & Porpoises.'' World Life Library. Colin Baxter Photography, Grantown-on-Spey 2003, ISBN 1-84107-173-0 * T. Nakamura: ''Dolphins.'' Chronicle Books, San Francisco Ca 1997, ISBN 0-8118-1621-4 (Fotoband) * J. Niethammer, F. Krapp (Hrsg): ''Handbuch der Säugetiere Europas.'' Bd 6. Meeressäuger. Teil 1B: Wale und Delphine 1. AULA, Wiesbaden 1994, ISBN 389104559X (sehr detailliertes Fachbuch) * R. M. Nowak: ''Walker's Marine Mammals of the World.'' Johns Hopkins University Press, Baltimore 2003, ISBN 0-8018-7343-6 (Auszug aus dem Gesamtwerk) * R.R. Reeves, B.S. Stewart, P.J. Clapham, J. A. Powell: ''Sea Mammals of the World – a complete Guide to Whales, Dolphins, Seals, Sea Lions and Sea Cows.'' A&C Black, London 2002, ISBN 0-7136-6334-0 (Führer mit zahlreichen Bildern) * Gérard Soury: ''Das große Buch der Delfine.'' Deliuzs Klasing, Bielefeld 1997, ISBN 3-7688-1063-1 (detailreicher Bildband) * B. Wilson: ''Dolphins.'' World Life Library. Colin Baxter Photography, Grantown-on-Spey 2002, ISBN 1-84107-163-3 (Meeresbiologisch, persönlich geprägt, zahlreiche Bilder. Inkl. Flussdelfine) * M. Würtz, N. Repetto: ''Underwater world. Dolphins and Whales.'' White Star Guides, Vercelli 2003, ISBN 88-8095-943-3 (Bestimmungsbuch) <!--Wir schreiben eine Enzyklopädie, kein Unterhaltungsblatt. Vielleicht muss man auch nicht jeden Bildband aufführen.--> == Weblinks == {{Commonscat|Cetacea|Wale}} {{Wiktionary|Wal}} * [http://www.wale-delphine.de/ Wale und Delphine] * [http://www.wale.info/ Die Welt der Wale und Delfine] * [http://www.cetacea.de/ Wale, Delfine und Menschen] * [http://mp3.swr.de/swr2/wissen/sendungen/swr2_wissen_081017_laermhoelle_ozean.12844s.mp3 Unterwasserlärm durch Sonar] – SWR2 Wissen Radiobeitrag vom 17. Oktober 2008, 26 min {{Gesprochene Version |datei = De-Wale-article.ogg |version = http://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Wale&oldid=8171501 }} {{Exzellent}} [[Kategorie:Wale| ]] {{Link FA|ca}} {{Link FA|he}} {{Link FA|it}} {{Link FA|no}} {{Link GA|sv}} [[af:Walvisagtiges]] [[an:Cetacea]] [[ar:حيتانيات]] [[az:Balinakimilər]] [[bg:Китоподобни]] [[br:Morvil]] [[bs:Cetacea]] [[ca:Cetaci]] [[cs:Kytovci]] [[cy:Cetacea]] [[da:Hvaler]] [[diq:Balina]] [[el:Κητώδη]] [[en:Cetacea]] [[eo:Cetacoj]] [[es:Cetacea]] [[et:Vaalalised]] [[eu:Zetazeo]] [[fa:آب‌بازسانان]] [[fi:Valaat]] [[fo:Hvalur]] [[fr:Cetacea]] [[gl:Cetáceo]] [[he:לווייתנאים]] [[hi:व्हेल]] [[hr:Kitovi]] [[hu:Cetek]] [[id:Cetacea]] [[io:Cetaceo]] [[is:Hvalir]] [[it:Cetacea]] [[ja:クジラ目]] [[ka:ვეშაპისნაირნი]] [[ko:고래]] [[la:Cetacea]] [[li:Walvèsechtege]] [[lij:Cetacea]] [[lt:Banginiai]] [[lv:Vaļveidīgie]] [[ms:Cetacea]] [[nl:Walvissen]] [[nn:Kvalar]] [[no:Hvaler]] [[nov:Cetacea]] [[oc:Cetacea]] [[pl:Walenie]] [[pt:Cetáceos]] [[qu:Wallina]] [[ro:Cetaceu]] [[ru:Китообразные]] [[scn:Citacea]] [[simple:Cetacea]] [[sk:Veľryby (rad)]] [[sl:Kiti]] [[sr:Китови]] [[sv:Valar]] [[sw:Nyangumi]] [[ta:கடற்பாலூட்டி]] [[tg:Кит]] [[th:อันดับวาฬและโลมา]] [[tr:Balinalar]] [[uk:Китоподібні]] [[vi:Bộ Cá voi]] [[vls:Walvissn]] [[war:Cetacea]] [[zh:鯨目]] [[zh-min-nan:Cetacea]] [[zh-yue:鯨魚]] lwyc1biszocgyxkmqva29qwgeie0qrc wikitext text/x-wiki Paul Moder 0 23550 26146 2010-04-27T18:29:01Z Prüm 0 /* Aufbau der SA und Aufstieg der Altonaer NSDAP */ Links [[Datei:ModerPaul.jpg|miniatur|<center>Paul Moder (1933)</center>]] '''Paul Moder''' (* [[1. Oktober]] [[1896]] in [[Neheim-Hüsten|Neheim]]; † [[8. Februar]] [[1942]] bei [[Maly Kalinez]]/[[Oblast Nowgorod]]) war ein deutscher Politiker (NSDAP), [[Freikorps]]- und [[Schutzstaffel|SS]]-Führer. Ab 1932 war er [[Mitglied des Reichstages|Reichstagsabgeordneter]], nach der „[[Machtergreifung]]“ [[Senator]] der Stadt [[Hamburg-Altona#Geschichte|Altona]] und während der [[Deutsche Besetzung Polens 1939–1945|deutschen Besetzung Polens im Zweiten Weltkrieg]] [[SS- und Polizeiführer]] in [[Warschau]]. Moder hatte seit 1922/23 an vorderer Stelle am Aufbau der Altonaer NSDAP-Ortsgruppe, ab 1925 an der Organisation der örtlichen [[Sturmabteilung|SA]] und ab 1931 am Ausbau der [[Schutzstaffel|SS]] mitgewirkt. Auch von daher unterschied sich seine durch einen antibürgerlich-radikalen Aktivismus geprägte Biografie bis zum Januar 1933 von der vieler anderer früher, führender Nationalsozialisten in Altona, wie [[Hinrich Lohse]] und [[Emil Brix (Politiker)|Emil Brix]], die bei aller Verbalradikalität doch eher dem Normalbild des aufstiegsorientierten, kleinbürgerlichen Parteipolitikers entsprachen.<ref>Einschätzung der Persönlichkeit Lohses in Danker/Schwabe, S.&nbsp;42.</ref>&nbsp;<ref name="SPD Altona">Ähnlich in SPD Altona, S.&nbsp;8.</ref> == In Kaiserreich und Erstem Weltkrieg == Der Sohn eines Hoteliers aus dem [[Westfalen|westfälischen]] Neheim verließ vorzeitig das [[Realgymnasium]] in [[Koblenz]], um sich im August 1914 als [[Erster Weltkrieg|Kriegsfreiwilliger]] zu den Waffen zu melden.<ref name="Freitag/Engels 338">Freitag/Engels, S.&nbsp;338.</ref>&nbsp;<ref>[http://motlc.specialcol.wiesenthal.com/instdoc/d07c02/poliz5z2.html motlc.specialcol.wiesenthal.com]</ref> 1916 bei [[Schlacht um Verdun|Verdun]] verwundet, wurde er zweimal mit dem [[Eisernes Kreuz|Eisernen Kreuz]] ausgezeichnet, zum Leutnant der Reserve befördert und bis Kriegsende als Fliegerbeobachter verwendet.<ref name="Freitag/Engels 338" /> Nach der Entlassung aus dem Heeresdienst trat er in einen kaufmännischen Beruf über. „Kaufmann“ war damals eine verbreitete Berufsbezeichnung, die auch viele ehemalige Offiziere wählten, um dahinter ihre illegalen militärischen Aktivitäten zu verbergen.<ref name="SPD Altona" /> Paul Moder soll außerdem auch als Versandleiter, Korrespondent und Journalist gearbeitet haben.<ref>Die ersten beiden Berufsangaben zitiert auch Peter Longerich: ''Heinrich Himmler. Biographie.'' Siedler, München 2008 ISBN 978-3-88680-859-5, S.&nbsp;142</ref> Über sein Äußeres hieß es, er sei „ein schöner Mann, 1,76&nbsp;m gross und eine gute Erscheinung, sodass er bei Frauen Erfolg hatte“.<ref>[http://motlc.specialcol.wiesenthal.com/instdoc/d07c02/poliz5z2.html; motlc.specialcol.wiesenthal.com] ein Foto Moders aus dem Reichstagshandbuch der 6. Wahlperiode (1932) findet sich unter [http://mdz10.bib-bvb.de/~db/bsb00000006/images/index.html?nativeno=294, mdz10.bib-bvb.de] eins von 1933 unter [http://mdz10.bib-bvb.de/~db/bsb00000009/images/index.html?nativeno=439 mdz10.bib-bvb.de]</ref> == Von der Organisation Roßbach zur NSDAP == === Die ersten Nachkriegsjahre in Altona === Im Frühjahr 1922 kam Moder in die [[Provinz Schleswig-Holstein|holsteinische]] Großstadt Altona, wo er sich ehemaligen [[Freikorps#Freikorps nach dem Ersten Weltkrieg (1918-1923)|Freikorpskämpfern]] um Oberleutnant [[Gerhard Roßbach]] anschloss. Roßbach hatte mit seinem Freikorps im Rahmen des [[Grenzschutz Ost|Grenzschutzes Ost]] im [[Baltikum]], 1920 gegen die [[Rote Ruhrarmee]] sowie 1920/21 –&nbsp;im Vorfeld der Volksabstimmung über dessen staatliche Zugehörigkeit&nbsp;– in [[Oberschlesien]] gekämpft und nach der erzwungenen Auflösung des Korps seine Männer in verschiedenen Tarnorganisationen untergebracht. Bereits seit 1919 hatten sich auch im „roten Altona“<ref>Der Terminus hebt zum einen auf die traditionell guten Wahlergebnisse der [[Sozialdemokratische Partei Deutschlands|SPD]] und später auch der [[Kommunistische Partei Deutschlands|KPD]] in Altona, aber auch auf die soziale Zusammensetzung der Arbeiterstadt ab, in deren dicht besiedelter, elb- und [[Hamburg-Sankt Pauli|St. Pauli]]-naher Altstadt auch eine nennenswerte Zahl randständiger, sozial deklassierter Bewohner („[[Lumpenproletariat]]“) lebte und die vom Chef der Hamburger Ordnungspolizei, [[Lothar Danner]], als „Abruzzenviertel“ bezeichnet wurde; vgl. McElligott 1983, S.&nbsp;493.</ref> verschiedene [[paramilitär]]ische Gruppen gebildet, um die Ergebnisse der [[Novemberrevolution|Revolution]] rückgängig zu machen und „Ruhe und Ordnung“ herzustellen. Sie rekrutierten sich aus heimgekehrten, [[Demobilisierung|demobilisierten]] Soldaten, ehemaligen Freikorpsangehörigen und zum Teil aus Angehörigen der [[Hamburg-Bahrenfeld|Altona-Bahrenfelder]] [[Polizei]]ausbildungsschule in der Theodorstraße. Teile von ihnen hatten schon an der Niederschlagung des [[Spartakusbund|Spartakistenaufstandes]] von Bahrenfeld (5. bis 7. Februar 1919) und der „Hungerunruhen“ (24. Juni bis 1. Juli 1919, ausgelöst durch den [[Sülzeunruhen|„Hamburger Sülzeaufstand“]]) mitgewirkt, bei denen unter anderem das Polizeigefängnis und das [[Amtsgericht Hamburg-Altona#Geschichte und Gebäude|Landgericht]] gestürmt worden waren und es zu Gefangenenbefreiungen gekommen war.<ref>Hoffmann, Band&nbsp;1, S.&nbsp;8; McElligott 1983, S.&nbsp;499.</ref> Zu den paramilitärischen Gruppen zählte beispielsweise eine [[Bürgerwehr]] (Deckname: „Die Wolke“, später „[[Freiwillige Wachabteilung Bahrenfeld]]“), die auf Initiative des Hamburger Überseekaufmanns [[Richard C. Krogmann]] aus Offizieren und Feldwebeln, aber auch Schülern und Studenten wie dem erst 17-jährigen, späteren SS-General [[Bruno Streckenbach]]<ref>Michael Wildt: ''Der Hamburger Gestapo-Chef Bruno Streckenbach. Eine nationalsozialistische Karriere.'' In: Frank Bajohr, Joachim Szodrzynski (Hrsg.): ''Hamburg in der NS-Zeit. Ergebnisse neuerer Forschungen.'' Ergebnisse, Hamburg 1995, ISBN 3-87916-030-9, S.&nbsp;96/97.</ref> gegründet worden und für deren Organisation [[Gustav Noske]]s vormaliger Adjutant [[Edouard Becker]] verantwortlich war. Dieser gut bewaffnete Wehrverband, der von Hamburger Bürgerfamilien finanzielle Zuwendungen erhielt,<ref>Wildt, S.&nbsp;97, nennt auch zwei Söhne Hamburger Senatoren, die bei den Bahrenfeldern ihren Dienst verrichteten.</ref> fand bald darauf mit Unterstützung der dortigen Kommandantur in dem Kasernenkomplex an der Luruper Chaussee in Bahrenfeld seinen festen Stützpunkt.<ref>Krause, S.&nbsp;51/52.</ref><br /> Ihre Führer fassten diese Gruppen zu militärisch organisierten Kampfverbänden zusammen, die Übungen in Altonas Umland veranstalteten und [[Putsch]]pläne für Norddeutschland entwickelten. Im März 1920, während des [[Kapp-Lüttwitz-Putsch]]es, waren einige von ihnen an der Seite von Reichswehrangehörigen zum [[Altonaer Rathaus]] gezogen und hatten die Übergabe der politischen Macht gefordert, wurden jedoch von Mitgliedern des [[Sozialdemokratische Partei Deutschlands|SPD]]-[[Deutsche Demokratische Partei|DDP]]-Magistrats mit Unterstützung republikanischer Heimwehrverbände abgewiesen.<ref>Axel Schildt: ''Max Brauer.'' Ellert & Richter, Hamburg 2002, ISBN 3-8319-0093-0, S.&nbsp;24.</ref> Viele dieser Gruppen standen in Verbindung zur NSDAP, die 1919 in [[München]] gegründet worden war und sich bald über das ganze Reich ausbreitete; auch der Roßbach-Bund war bereits 1922 Kollektivmitglied der Partei.<ref>Vgl. Emil Julius Gumbel: ''Verschwörer. Beiträge zur Geschichte und Soziologie der deutschen nationalistischen Geheimbünde 1918–1924.'' Malik, Wien 1924; hier der Neudruck bei Fischer, Frankfurt/M. 1984, ISBN 3-596-24338-6, S.&nbsp;127.</ref> Traumatisiert von den Erfahrungen und enttäuscht über den Ausgang des Krieges, den aus ihrer Sicht „unwürdigen Abgang“ des [[Wilhelm II. (Deutsches Reich)|Kaisers]] und die Erfolglosigkeit der Freikorpsunternehmen, ohne soldatische Zukunft und berufliche Aussichten,<ref>Detlev J. K. Peukert spricht von den „besonders schlechten Perspektiven der geradezu überflüssigen Generation der Geburtsjahrgänge um 1900“ (ders.: ''Die Weimarer Republik. Krisenjahre der klassischen Moderne.'' Suhrkamp, Frankfurt/M. 1987, ISBN 3-518-11282-1, S.&nbsp;20).</ref> hatten sich viele von ihnen vom nationalen [[Konservatismus]] ab- und einem [[Aktionismus|aktionistischen]], revolutionären Nationalismus zugewandt, in dem häufig auch [[Völkische Bewegung|völkische]] und [[Antisemitismus|antisemitische]] Motive Platz fanden.<ref>Vgl. zu diesem Themenkomplex bspw. Martin Sabrow: ''Die verdrängte Verschwörung. Der Rathenau-Mord und die deutsche Gegenrevolution.'' Fischer, Frankfurt/M. 1999, ISBN 3-596-14302-0.</ref> Im benachbarten [[Hamburg]] existierte bereits im Frühjahr 1921 eine kleine NSDAP-Ortsgruppe, die in der Folgezeit mit den Altonaer Kampfverbänden zusammenarbeitete. Moder trat im Sommer 1922 der Partei auch als Einzelperson bei und gründete 1923 die Altonaer Ortsgruppe mit,<ref name="Freitag/Engels 338" /><ref name="SPD Altona" /> als deren Leiter bald [[Hinrich Lohse]] fungierte. === Der „Kampfbund Roland“ === Paul Moder wurde bereits kurz nach seiner Ankunft in Altona zum Kommandeur der dortigen Organisation Roßbachs ernannt.<ref>Rietzler, S.&nbsp;202</ref> Noch im Frühjahr 1922 schloss sich eine Gruppe von zunächst 24 Angehörigen der örtlichen Polizei, die während ihrer Ausbildung unter dem Tarnnamen „Vereinigung zur Wahrung der Interessen deutscher Grenzmärker“ zusammengefunden hatten, den Roßbachern an.<ref name="Freitag/Engels 338" /> Neben Moder waren zwei weitere ehemalige Freikorpskämpfer, Alf Krüger und Rittmeister a.&nbsp;D. Raben, für Organisation und Training der Gruppe zuständig; anfangs stellte sie auch den Saalschutz für Zusammenkünfte der Hamburger NSDAP, bevor sich diese 1923 eine eigene [[Sturmabteilung]] (SA) schuf. Dieser Veranstaltungsschutz bestand häufig –&nbsp;wie es dann später auch die von Moder befehligte Altonaer SA praktizieren sollte&nbsp;– im gewalttätigen Vorgehen gegen jegliche Kritiker, die aus dem Saal geprügelt und nicht selten krankenhausreif geschlagen wurden. Im September 1922, nach der Ermordung [[Walther Rathenau]]s, reorganisierten Krüger und Moder ihre auf 103 Mitglieder angewachsene Truppe in drei militärischen Zügen, von denen der „Zug Bahrenfeld“ über 30 Polizeianwärter und sechs Angehörige der Polizeikaserne in der Viktoria-, heute Eggerstedtstraße, umfasste. Den Polizisten, die sich zu diesem Zeitpunkt „Turnerschaftlicher Kameradschaftsbund ‚Roland‘“ nannten, war es gelungen, ihre Zugehörigkeit zur Roßbach-Gruppe zu verbergen, so dass sie im November 1922, im Unterschied zu anderen antirepublikanischen Geheimbünden,<ref>Freitag/Engels (S.&nbsp;339) erwähnen bspw. einen Bericht des sozialdemokratischen [[Hamburger Echo]] vom Dezember 1922 über die Enttarnung des Vereins „Schwarz-Weiß-Rot“, der in einer Schokoladenfabrik in der [[Hamburg-Ottensen|Ottensener]] Lager-(heute Gauß-)straße ein Waffenlager unterhielt und dem insbesondere Mittelständler (Fabrikanten, ehemalige Offiziere, Bankbeamte und Staatsbedienstete) angehörten.</ref> beim Verbot der NSDAP und verwandter Gruppierungen infolge des [[Republikschutzgesetz]]es nicht erwähnt wurden und somit von der Polizeiführung unter Senator [[Walther Lamp'l]] (SPD) unbehelligt blieben.<ref>Krause, S.&nbsp;52f.; die geringe Effizienz der Altonaer Ordnungspolizei führte dazu, dass sie am 22. Januar 1923 auf Beschluss des preußischen Innenministeriums mit der Polizei der östlich an Hamburg angrenzenden Stadt [[Hamburg-Wandsbek|Wandsbek]] organisatorisch zusammengelegt wurde (vgl. Hoffmann, Band&nbsp;1, S.&nbsp;361–363).</ref> Zu den Treffpunkten der Gruppe gehörten mehrere Lokale im Stadtgebiet wie der „Schützenhof“, das „Alte Gasthaus“ und der Wartesaal des [[Bahnhof Hamburg-Altona|Altonaer Hauptbahnhofs]].<ref name="Freitag/Engels 339">Freitag/Engels, S.&nbsp;339.</ref> Infolge der galoppierenden [[Deutsche Inflation 1914 bis 1923|Inflation]] und des Beginns der [[Ruhrbesetzung]] gewann die Organisation um den Jahreswechsel 1922/23 zahlreiche neue Mitglieder in Altona und wurde unter der Bezeichnung „Kampfbund Roland“ analog der SA in mehrere Hundertschaften gegliedert; Ende Januar 1923 nahmen Moder, Krüger und andere Angehörige dieser Gruppe am ersten NSDAP-[[Reichsparteitag]] in München teil. Ermutigt durch den Aufruf der [[Reichsregierung]] unter [[Wilhelm Cuno]] zum passiven Widerstand gegen die Ruhrbesetzung, schloss sich der Kampfbund mit anderen Wehrverbänden aus den benachbarten Städten Hamburg und Altona zur „Arbeitsgemeinschaft der vaterländischen Kampfverbände“ zusammen, die ihre Zentrale in Altona hatte und der Verbindungen zur [[Reichswehr]]führung nachgesagt wurden. Zu den geheimen Depots, die diese Arbeitsgemeinschaft anlegte, trug der Kampfbund Roland mit aus Polizeibeständen „abgezweigten“ Waffen erheblich bei. Es existierten auch detaillierte Putschpläne, die nach einer Razzia bei dem Altonaer Hauptmann a.&nbsp;D. [[August Fleck]] gefunden wurden und im Juni 1923 Gegenstand einer Debatte in der [[Hamburgische Bürgerschaft|Hamburgischen Bürgerschaft]] waren.<ref name="Freitag/Engels 339" /> [[Datei:Kaiserhof Bahnhof Brunnen 1912-2.jpg|miniatur|rechts|<center>Hotel Kaiserhof (rechts) am Altonaer Hauptbahnhof</center>]] Bereits in der Nacht vom 17. auf den 18. Februar 1923 war es in Altonas „Hotel Kaiserhof“<ref>Der „Kaiserhof“, von dessen repräsentativem Bau heute nur noch der Südflügel (an der Ecke Max-Brauer-Allee/Lobuschstraße) steht, war bis zu seiner teilweisen Zerstörung im [[Operation Gomorrha|Bombenkrieg]] Altonas zentraler Ort für gesellschaftliche, politische und künstlerische Veranstaltungen; vgl. Freitag/Engels, S.&nbsp;340–342.</ref> zu einem Geheimtreffen führender Vertreter verschiedener politischer und militärischer Organisationen, darunter dem NSDAP-Nachfolger [[Großdeutsche Arbeiterpartei]] und der [[Deutschvölkische Freiheitspartei|Deutschvölkischen Freiheitspartei]], gekommen, an der auch Moder, Raben und, als Redner, Roßbach teilnahmen. Die Polizei hob diese Veranstaltung auf und nahm Raben und Roßbach&nbsp;– nicht jedoch Paul Moder&nbsp;– fest, entließ beide aber 24 Stunden später wieder. Laut Polizeichef Lamp'l waren „die meisten der Versammelten, die im Alter von 19 bis 25 Jahren standen, … bewaffnet, und zwar mit Totschlägern, Stahlruten, … Stich- und einzelne sogar mit Schußwaffen!“.<ref>Freitag/Engels, S.&nbsp;339/340.</ref> Zu einem Vorgehen gegen den Roland oder die Arbeitsgemeinschaft führten diese Ereignisse allerdings nicht. Bei der Wahl zur Altonaer Stadtverordnetenversammlung am 4. Mai 1924 erhielt der [[Völkisch-Sozialer Block|Völkisch-Soziale Block]] (VSB), in den etliche Mitglieder der verbotenen NSDAP eingetreten waren, 8.005&nbsp;Stimmen (entsprechend 8,9 %), größtenteils aus den bürgerlichen Wohnvierteln, und zog mit fünf Abgeordneten, darunter [[Hinrich Lohse]], in das Kommunalparlament ein. Die beiden vorher nicht der NSDAP angehörenden Abgeordneten, Schulrektor Johannes Laß und Malermeister Karl Johannsen, wurden kurz darauf zum Mandatsverzicht gedrängt.<ref>McElligott 1998, S. 47.</ref> Der Roland-Bund hatte unter Moders Führung den Schutz der Wahlveranstaltungen des VSB organisiert.<ref>McElligott 1998, S. 24.</ref> == Aufbau der SA und Aufstieg der Altonaer NSDAP == Nach der [[Hitler-Prozess|Haftentlassung]] [[Adolf Hitler|Hitlers]] im Dezember 1924 wurde die NSDAP im Februar 1925 neu gegründet. Auch in Altona bildete sich umgehend eine neue nationalsozialistische Ortsgruppe –&nbsp;die erste in [[Provinz Schleswig-Holstein|Schleswig-Holstein]]&nbsp;– aus dem Völkisch-Sozialen Block und anderen Gruppierungen wie der Deutsch-Völkischen Freiheitsbewegung.<ref>Zur sozialen Zusammensetzung der Ortsgruppe Altona –&nbsp;ganz überwiegend Angestellte, kleine Ladenbesitzer, Handwerker, Bankbeamte und Staatsbedienstete, aber nur einzelne Arbeiter&nbsp;– siehe McElligott 1998, S.&nbsp;45–53.</ref> Am 1. März 1925 wurde in [[Neumünster]] der NSDAP-Gau Schleswig-Holstein gegründet, dessen Leiter der Altonaer Ortsgruppenführer Lohse wurde.<ref>Zu dieser Gründungsveranstaltung vgl. Kay Dohnke: ''Das „Kernland nordischer Rasse“ grüßt seinen Führer. Gaugründung, ideologische Positionen, Propagandastrategien: Zur Frühgeschichte und Etablierung der NSDAP in Schleswig-Holstein.'' in Arbeitskreis zur Erforschung des Nationalsozialismus in Schleswig-Holstein (Hg.): ''„Siegeszug in der Nordmark“. Schleswig-Holstein und der Nationalsozialismus 1925-1950. Schlaglichter – Studien – Rekonstruktionen.'' Kiel 2008 (Informationen zur Schleswig-Holsteinischen Zeitgeschichte, Heft 50), insbes. S.&nbsp;9–17. Danach kamen 10 der 30 in Neumünster Anwesenden aus Altona.</ref> Altona selbst war für einige Zeit „Gauhauptstadt der Nordmark“.<ref name="SPD Altona" /> Währenddessen bauten [[Wilhelm von Allwörden]] und Paul Moder, der die NS-Mitgliedsnummer 9.425 besaß,<ref>[http://motlc.specialcol.wiesenthal.com/instdoc/d07c02/poliz5z2.html motlc.specialcol.wiesenthal.com]</ref> aus dem Kampfbund Roland und jüngeren, männlichen NSDAP-Mitgliedern die ersten [[Sturmabteilung|SA-Abteilungen]] auf,<ref>Rietzler, S.&nbsp;387</ref> die ab Februar 1926<ref>Dies ist laut Berlage, S.&nbsp;188, und Rietzler, S.&nbsp;386, das offizielle Gründungsdatum der Altonaer SA. Für die Behauptung, Moder sei schon ab 1925 „Führer des SS-Abschnittes XV (Süd-Holstein, Groß-Hamburg und Mecklenburg)“ gewesen, wie im Reichstagshandbuch von 1933 zu lesen (siehe [http://mdz10.bib-bvb.de/~db/bsb00000009/images/index.html?nativeno=259), mdz10.bib-bvb.de] gibt es keinen weiteren Beleg. Rietzler, S.&nbsp;203, datiert den Beginn von Moders SS-Zugehörigkeit auf den Herbst 1931.</ref> in verschiedenen Gaststätten ihre Treff- und Stützpunkte („Sturmlokale“ oder „SA-Kasernen“) hatten&nbsp;– anfangs nur in den „besseren Wohngegenden“ Altonas, gegen Ende der 1920er aber auch zunehmend in den sozialdemokratisch (Ottensen, Bahrenfeld, [[Hamburg-Lurup|Lurup]]) bzw. kommunistisch ([[Hamburg-Altona (Altstadt)|Altstadt]]) dominierten Stadtteilen, wo es gleichfalls Gastwirte gab, die mit der NSDAP sympathisierten.<ref>Beispielhaft seien die heute (2007) noch existierenden Lokale am Lornsenplatz, an der Ecke Wohlers Allee/Große Gärtner-(heute Thaden-)straße und an der Kreuzung Holstentwiete/Fischers Allee genannt.</ref> Meist lagen diese Treffpunkte in Quartieren bzw. Wohnblöcken, in denen die Partei auch relativ gute Wahlergebnisse erzielte.<ref>Vgl. die Auswertung von Wahlergebnissen nach Wahllokalen in McElligott 1998, S.&nbsp;154–161.</ref> Die SA trat ab September 1925 regelmäßig als Saalschutz bei Parteiversammlungen und öffentlichen Propagandaveranstaltungen in Altona auf. Diese mündeten stets in „nahezu obligatorische Schlägereien [mit] Kommunisten, die das Eingreifen der Polizei erforderlich machten“.<ref>Rietzler, S.&nbsp;388</ref> Nach einer [[Joseph Goebbels|Goebbels]]-Hetzrede gegen Republik und Arbeiterparteien am 30. März 1927 kam es zu einer Saalschlacht, die sich auf den umliegenden Straßen fortsetzte und rund 25 Verletzte zur Folge hatte. In deren Folge musste die NSDAP-Ortsgruppe nicht nur für den Sachschaden von weit über 1.000&nbsp;RM aufkommen, sondern hatte bis 1929 erhebliche Schwierigkeiten, überhaupt noch einen Veranstaltungsraum in Altona zu finden.<ref>Rietzler, S.&nbsp;389</ref> Die Partei hatte bei ihrer Wiedergründung 1925 121 Mitglieder;<ref>McElligott 1998, S.&nbsp;46.</ref> zwischen Sommer 1929 und Frühjahr 1931 stieg die Zahl von etwa 300 auf 1.300 Personen.<ref>McElligott 1985<sup>b</sup>, S.&nbsp;20.</ref> Damit gingen aber zunächst keine vergleichbaren Wahlerfolge einher: bei der Stadtverordnetenwahl 1927 zog nur ein einziger Nationalsozialist in das Kommunalparlament ein, 1929 –&nbsp;Altona hatte inzwischen durch Eingemeindungen aufgrund des [[Groß-Altona-Gesetz]]es seine Einwohnerzahl auf etwa 240.000 vergrößert, der Sozialdemokrat [[Max Brauer]] war neuer Oberbürgermeister&nbsp;– reichten 6.880&nbsp;Stimmen für drei Sitze.<ref>Diese wurden eingenommen von Lohse, v. Allwörden, einem Ottensener Tabakladenbesitzer, und [[Bruno Stamer]] (* 1900), zwischen 1921 und 1923 KPD- und ab 1930 NSDAP-Reichstagsmitglied; McElligott 1998, S.&nbsp;24, 46–49, zu Stamer auch [http://mdz10.bib-bvb.de/~db/bsb00000009/images/index.html?seite=337 mdz10.bib-bvb.de]</ref> Moder selbst zog im Februar 1927 nach München; dort wurde er bereits im Juni vorübergehend aus Partei und SA ausgeschlossen&nbsp;– laut seiner Personalakte aufgrund seines Fernbleibens von einem SA-Generalappell. Von April 1930 bis September 1931 arbeitete er dort als Angestellter der NSDAP-Reichsleitung.<ref>Rietzler, S.&nbsp;202f.</ref> 1929/30, nach Beginn der [[Young-Plan#Volksentscheid über Young-Plan|Kampagne gegen den Young-Plan]] und insbesondere begünstigt durch die Arbeitslosigkeit infolge der [[Weltwirtschaftskrise]], erhielt die Altonaer SA starken Zulauf. Für manchen Angehörigen des [[Stahlhelm, Bund der Frontsoldaten|Stahlhelm]] waren die Nazis „hoffähig“ und aufgrund ihrer Stärke und ihrer stark zunehmenden Aktivitäten attraktiv geworden; die Präsenz der SA auf Altonas Straßen, aber auch in zahlreichen Propagandaveranstaltungen stieg ab Mitte 1930 sprunghaft an. Darüber hinaus wurden Erwerbslose zur Haupt-Zielgruppe für Anwerbeversuche seitens der Nationalsozialisten, die von den materiellen Sorgen der sozial Deklassierten und deren Unzufriedenheiten mit „dem System“ profitieren konnten. Schließlich versprachen sich manche Bewohner der kommunistischen Hochburgen in der Altstadt („Klein-Moskau“),<ref>Bezeichnung bspw. bei Schirmann: ''Altonaer Blutsonntag 17. Juli 1932. Dichtungen und Wahrheit.'' ergebnisse, Hamburg 1994, ISBN 3-87916-018-X, S.&nbsp;25.</ref> die selbst nicht zur KPD tendierten, von der SA auch einen gewissen Schutz vor den gleichfalls zunehmenden Aktivitäten der kommunistischen Organisationen.<ref>McElligott 1998, S.&nbsp;50 und 164–173.</ref> Das Gros der SA-Männer und insbesondere ihrer Führungsebene stammte aber weiterhin aus dem kleinbürgerlichen Milieu oder dem alten Mittelstand<ref>McElligott&nbsp;1998, S.&nbsp;176f., nennt exemplarisch Fritz Schwennsen (Kohlenhändler), Hubert Richter (Bäckermeister), Wilhelm Brockmann (Hausbesitzer), Nico Pommerschein (Schlachtereibesitzer), Max Boge (Kleiderladenbesitzer), Oskar Dupont (Inhaber eines Baugeschäfts) sowie, als einzigen Arbeitslosen, Detlev Gotthardt. Dagegen spricht ein anonymer Ex-SA-Mann im Interview (1981) von „achtzig Prozent aus meinem Sturm –&nbsp;187 Mann war unsere Höchststärke&nbsp;– waren Arbeiter … die restlichen kamen aus dem Kleinbürgertum“ (Heinrich Breloer/Horst Königstein: ''Blutgeld: Materialien zu einer deutschen Geschichte.'' Prometh, Köln 1982, ISBN 3-922009-46-8, S.&nbsp;34).</ref>&nbsp;– ähnlich der Struktur der NSDAP-Ortsgruppe: von den vor dem 30. Januar 1933 beigetretenen Mitgliedern waren 38,1 % Angestellte oder Beamte, 24,3 % Handwerksmeister, mittlere und Einzelhändler, 17,1 % gelernte und 15,5 % ungelernte Arbeiter.<ref>In Bruno Stamer hatte die Altonaer Partei unter den „alten Kämpfern“ nur einen „Vorzeigeproletarier“; vgl. die detaillierte Aufgliederung nach Berufen in McElligott 1985<sup>b</sup>, S.&nbsp;20–23.</ref> Im September 1931 kehrte Paul Moder nach Altona zurück,<ref>Rietzler, S.&nbsp;203</ref> wo die Zeit der Straßenkämpfe zwischen SA, [[Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold|Reichsbanner]] und [[Roter Frontkämpferbund|Rotfrontkämpferbund]] begann, die ihren negativen Höhepunkt nach Aufhebung des zweimonatigen SA-Verbotes (14. Juni 1932) im [[Altonaer Blutsonntag]] finden sollte.<ref>Vgl. bspw. Léon Schirmann: ''Altonaer Blutsonntag 17. Juli 1932. Dichtungen und Wahrheit.'' ergebnisse, Hamburg 1994, ISBN 3-87916-018-X; Wolfgang Kopitzsch: ''Der „Altonaer Blutsonntag“.'' In: Arno Herzig, Dieter Langewiesche, Arnold Sywottek (Hrsg.): ''Arbeiter in Hamburg.'' Erziehung und Wissenschaft, Hamburg 1983, ISBN 3-8103-0807-2.</ref> Aufgrund seiner langjährigen Erfahrungen wurde Moder 1931 in die [[Schutzstaffel|SS]] aufgenommen (SS-Nr.: 11.716), die [[Heinrich Himmler]] seit 1929 stark ausbaute, und als Führer der zunächst in [[Wesselburen]], ab September 1932 in [[Hartenholm]] und ab April 1933 in Altona stationierten 4.&nbsp;SS-Standarte „Schleswig-Holstein“ hauptberuflich beschäftigt. Obwohl er sich bis dahin immer als ein „Mann der Tat“ und weniger als ein Parteipolitiker verstanden hatte, ließ sich Moder zur [[Reichstagswahl Juli 1932|Reichstagswahl am 31. Juli 1932]] als NSDAP-Kandidat aufstellen und gewann ein Mandat. Ehe er auf die Parteiliste gesetzt wurde, musste Gauleiter Lohse sich allerdings zunächst mit [[SS-Gruppenführer]] [[Josef Dietrich|Dietrich]] ins Benehmen setzen, weil es einen zweiten gleichrangigen SS-Kandidaten, den [[Standartenführer]] [[Alfred Rodenbücher]], gab.<ref>Omland, S.&nbsp;125</ref> Im überwiegend ländlichen Schleswig-Holstein (Wahlkreis&nbsp;13) konnten die Nationalsozialisten bereits zu diesem Zeitpunkt deutlich mehr als 50 % der Stimmen auf sich vereinigen;<ref>Otto Brandt/Wilhelm Klüver: ''Geschichte Schleswig-Holsteins.'' Mühlau, Kiel 1981<sup>8</sup>, ISBN 3-87559-003-1, S.&nbsp;330; Tabelle der Einzelwahlergebnisse unter [http://www.akens.org/akens/texte/diverses/wahldaten/7-32/7-32.html; www.akens.org] die dafür mitverantwortliche Radikalisierung der schleswig-holsteinischen bäuerlichen Bevölkerung hat [[Hans Fallada]] 1931 literarisch in „Bauern, Bonzen und Bomben“ verewigt.</ref> sie gewann acht der 14 Mandate in dieser Provinz.<ref name="Omland 106">Omland, S.&nbsp;106</ref> Seinen Wahlkampf hatte er allerdings auf gewohnt brachiale Art geführt: in zehn Orten Schleswig-Holsteins organisierte er, dabei die Tradition des radikalen Flügels der [[Landvolkbewegung (Schleswig-Holstein)|Landvolkbewegung]] unter [[Claus Heim]] fortsetzend,<ref>vgl. Danker/Schwabe, S.&nbsp;12–14.</ref> in diesem Sommer Bombenanschläge auf SPD- und KPD-Angehörige. Im November 1932 wurde er deswegen zu sechseinhalb Jahren Zuchthaus verurteilt, kam allerdings, nachdem er [[Reichstagswahl November 1932|am 6. November]] erneut gewählt wurde<ref>Tabelle der Wahlergebnisse unter [http://www.akens.org/akens/texte/diverses/wahldaten/11-32/11-32.html www.akens.org]</ref> und der Reichstag zur Haftverschonung seine [[Politische Immunität|Immunität]] wieder hergestellt hatte, umgehend frei und brauchte diese Strafe nie abzusitzen.<ref name="Omland 106" /><ref>Danker/Schwabe, S.&nbsp;24/25.</ref> An dem „Werbemarsch“ zahlreicher schleswig-holsteinischer SA-Züge vom 17. Juli 1932 durch Altona war Moder offenbar nicht persönlich –&nbsp;jedenfalls nicht in dienstlicher Funktion&nbsp;– beteiligt: in der Literatur zu diesem „Altonaer Blutsonntag“ findet sich lediglich ein Beleg dafür, dass Hamburger SS-Leute an diesem provokativen Umzug durch „Klein-Moskau“ teilnahmen.<ref>Bericht des [[Regierungsbezirk Schleswig|Schleswiger]] Regierungspräsidenten Abegg an den preußischen Innenminister vom 19. Juli 1932, abgedruckt in Schirmann (siehe Anmerkung weiter oben), S.&nbsp;159–168, speziell III.1., „Der Anmarsch der Teilnehmer auf den beiden Sammelplätzen“.</ref> Wohl aber standen dabei die Altonaer SA-Züge im Zentrum der Auseinandersetzungen, insbesondere der schon länger berüchtigte 2.&nbsp;Sturm (offiziell: Sturm 31/2), nach seinem Anführer, dem Bäcker und Konditor Hubert Richter, auch als Richter-Sturm bezeichnet.<ref>Schirmann, S.&nbsp;40; Kopitzsch, S.&nbsp;513.</ref> Und kurz vor dem Blutsonntag hatte es am 8., 10. und 11.&nbsp;Juli bereits drei gewalttätige SA-Aufmärsche in Altona gegeben, an denen auch SS-Leute beteiligt waren.<ref>Schirmann, S.&nbsp;26.</ref> Dennoch gelang der NSDAP bei der [[Reichstagswahl November 1932|Reichstagswahl im November]] auch hier ein Durchbruch: Die Partei lag nur noch in den Stadtteilen [[Hamburg-Altona (Altstadt)|Altstadt]] (hinter der KPD), [[Hamburg-Ottensen|Ottensen]], [[Hamburg-Bahrenfeld|Bahrenfeld]] und [[Hamburg-Lurup|Lurup]] (hinter der SPD) lediglich auf Platz&nbsp;2, während ihre Hochburgen insbesondere in den erst 1927 und teilweise gegen heftigen örtlichen Widerstand eingemeindeten, großbürgerlichen Vororten [[Hamburg-Rissen|Rissen]], [[Hamburg-Sülldorf|Sülldorf]], [[Övelgönne|Oevelgönne]] (über 50 %), [[Hamburg-Blankenese|Blankenese]] und [[Hamburg-Othmarschen|Othmarschen]] (über 40 %) lagen. == Im Dritten Reich == === „Machtübernahme“ in Altona === Bei der [[Reichstagswahl 1933|Reichstagswahl vom 5. März 1933]] errang Paul Moder erneut ein Mandat im Wahlkreis&nbsp;13.<ref>Omland, S.&nbsp;109; Tabelle der Wahlergebnisse unter [http://www.akens.org/akens/texte/diverses/wahldaten/3-33/3-33.html www.akens.org]</ref> Am 10. März 1933 um Mitternacht –&nbsp;zwei Tage vor der Stadtverordnetenwahl&nbsp;– besetzte die SS unter seiner Führung das Altonaer Rathaus und erklärte Oberbürgermeister Brauer und den Magistrat für abgesetzt.<ref>McElligott 1985<sup>a</sup>, S. 12.</ref> Der neue Oberbürgermeister [[Emil Brix (Politiker)|Emil Brix]], seit 1925 Mitglied der Altonaer Nationalsozialisten und Abgeordneter im preußischen Landtag, berichtete dem preußischen Innenminister am 11. März, er habe<ref>SPD Altona, S.&nbsp;9.</ref> {{Zitat|gestern aus eigener Machtvollkommenheit durch die SS Altona unter Führung des SS-Oberführer Moder, M.d.R., das Altonaer Rathaus besetzen lassen. … die Übergabe ging ohne Schwierigkeiten von sich. … Die vollziehende Gewalt ist auf den SS-Oberführer Moder unter gleichzeitiger Berufung zum Stadtkommandanten übergegangen. … Die SS hält das Rathaus besetzt und garantiert für Ruhe und Ordnung. … Im Laufe der Nacht ist weiter verhaftet worden, und zwar von SS-Männern, der sozialdemokratische Landtagsabgeordnete [[Paul Bugdahn|Bugdahn]] mit fünf weiteren Funktionären der SPD.}} {| style="float:right; margin-left: 0.5em; font-size: 80%;" class="prettytable" |- class="hintergrundfarbe5" ! Moders SS-Ränge || Ernennung |- | [[Organisationsstruktur der SS#Übersicht über die Dienstränge|Sturmführer]] | style="text-align: right;" | 1. September 1931 |- | [[Organisationsstruktur der SS#Übersicht über die Dienstränge|Sturmbannführer]] | style="text-align: right;" | 20. September 1931 |- | [[Organisationsstruktur der SS#Übersicht über die Dienstränge|Standartenführer]] | style="text-align: right;" | 18. Oktober 1931 |- | [[Organisationsstruktur der SS#Übersicht über die Dienstränge|Oberführer]] | style="text-align: right;" | 6. Oktober 1932 |- | [[Organisationsstruktur der SS#Übersicht über die Dienstränge|Brigadeführer]] | style="text-align: right;" | 15. Dezember 1933 |- | [[Organisationsstruktur der SS#Übersicht über die Dienstränge|Gruppenführer]] | style="text-align: right;" | 9. November 1936 |- | [[Waffen-SS#Die Waffen-SS-Ränge und die entsprechenden Heeresränge|Hauptsturmführer]] der Reserve <small>(Waffen-SS)</small> | style="text-align: right;" | 19. Juli 1941 |- | [[Waffen-SS#Die Waffen-SS-Ränge und die entsprechenden Heeresränge|Sturmbannführer]] der Reserve <small>(Waffen-SS)</small> | style="text-align: right;" | 9. November 1941 |} Kurz darauf wurde Moder zum Polizeisenator der Stadt Altona ernannt<ref>Berlage, S.&nbsp;188f.</ref> und Ende des Jahres zum SS-Brigadeführer befördert. Die NSDAP erhielt bei der Kommunalwahl am 12. März zwar nur gut 46 % der Stimmen und 30 der 61 Stadtverordnetensitze, aber da die zehn [[Kommunistische Partei Deutschlands|KPD]]-Abgeordneten sofort in „[[Schutzhaft (Nationalsozialismus)|Schutzhaft]]“ genommen wurden und mehrere der 16 sozialdemokratischen Stadtverordneten sich versteckten oder aus der Stadt flüchteten, verfügten die neuen Machthaber auch im kommunalen Parlament über eine solide Mehrheit, erst recht, nachdem die fünf Stadtverordneten des ''Kampfbund Schwarz-Weiß-Rot'' und der Vertreter des ''Nationalen Bürgertums'' noch im März zur NSDAP übertraten.<ref>McElligott 1998, S.&nbsp;201.</ref> In seiner neuen Funktion war Moder entscheidend an der Durchsetzung der [[Volksgemeinschaft]]sideologie beteiligt. Das Hauptinstrument dafür war die [[Gleichschaltung]], also die Unterordnung der bis dahin auf unterschiedliche, oft private Träger verteilten Kultur-, Bildungs- und Freizeiteinrichtungen bzw. des öffentlichen Lebens insgesamt unter eine zentrale Führung.<ref>McElligott 1998, S.&nbsp;229f.</ref> Der Polizei (und 1933 auch noch der SA) kamen dabei zwei Aufgaben zu: zum einen das Aufspüren aller tatsächlich oder vermeintlich in Opposition zu den neuen Machthabern stehenden Personen und Gruppen und zum anderen die Sicherung der Ziele, die von den teilweise miteinander konkurrierenden Inhabern kommunaler und Parteiämter formuliert wurden.<ref>Zu diesem Neben- und Gegeneinander vgl. für das benachbarte Hamburg die Aufsätze von Frank Bajohr und Uwe Lohalm im Kapitel „Herrschaft und Verwaltung“ in: Forschungsstelle für Zeitgeschichte (Hrsg.): ''Hamburg im „Dritten Reich.“'' Wallstein, Göttingen 2005, ISBN 3-89244-903-1, S.&nbsp;69–187.</ref> Im Rathaus selbst wurden schon vor Inkrafttreten des [[Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums|Berufsbeamtengesetzes]] zahlreiche Verwaltungsmitarbeiter entlassen und zum großen Teil durch NS-Gefolgsleute bzw. bekannte Gegner des „Weimarer Systems“ ersetzt.<ref>McElligott 1998, S.&nbsp;203–205; aus seiner Innensicht schildert dies bspw. auch der langjährige Altonaer Stadtarchivar Paul Theodor Hoffmann (ders.: ''Mit dem Zeiger der Weltenuhr. Bilder und Erinnerungen.'' A. Springer, Hamburg 1949, S.&nbsp;308ff).</ref> Hinsichtlich des ersten Aufgabenkomplexes arbeiteten die Moder unterstellten Kräfte einschließlich der als Hilfspolizisten eingesetzten SA-Leute mit der gleichen Brutalität und Effizienz wie in anderen Regionen des Reiches. Zwar konnte der abgesetzte Max Brauer rechtzeitig untertauchen, aber Ex-Bausenator [[Gustav Oelsner]] wurde am 11. März und [[Otto Eggerstedt]], einer der Vorgänger Moders als Polizeipräsident, am 27. Mai 1933 verhaftet.<ref>Freitag/Engels, S.&nbsp;365; Danker/Schwabe, S.&nbsp;36.</ref> Auch in Altona, dessen jüdische Gemeinde gut 2.500 Menschen zählte,<ref>Bei der Volkszählung von 1925, also vor Eingemeindung der Elbdörfer, lebten rund 2.400 Personen jüdischen Glaubens entsprechend 1,3 % der Wohnbevölkerung in der Stadt, mehr als 2.100 von ihnen in der Altstadt; siehe Statistisches Amt der Stadt Altona (Hrsg.): ''Die Volkszählung in Altona am 16. Juni 1925.'' Chr. Adolf, Altona-Ottensen 1927, S.&nbsp;29/30.</ref> kam es am 1. April 1933 zu ersten, von der SA organisierten [[Judenboykott|Boykottaktionen gegen jüdische Geschäfte]]. Die Bewohner der örtlichen Hochburgen von SPD und KPD schließlich standen sozusagen unter Generalverdacht und unterlagen gleichfalls den Repressalien der Ordnungskräfte. Hinsichtlich des zweiten Aufgabenbereiches wurde als eine der ersten Maßnahmen ein „Amt für Kunst und Kultur“ geschaffen, um die verschiedenen staatlichen Aktivitäten zu koordinieren, während private Gesellschaften und Vereine sich zwangsweise dem „Volksbund für Volkstum und Heimat“ anschließen mussten, wenn sie nicht –&nbsp;wie beispielsweise die zahlreichen Altonaer [[Arbeitersport in Deutschland|Arbeitersportvereine]] unmittelbar nach dem [[Reichstagsbrand]] ([[Kampfgemeinschaft für Rote Sporteinheit|kommunistische]]) bzw. im Mai 1933 ([[Arbeiter-Turn- und Sportbund|sozialdemokratische]])&nbsp;– gleich ganz verboten wurden. Hinzu kamen 1933/34 öffentlich inszenierte Massenveranstaltungen wie die Geburtstagsfeier der Heimatdichterin [[Charlotte Niese]], eine „Skagerrakfeier“ anlässlich des Besuchs einer Flotteneinheit im Hafen, das sportliche „Jugendfest“ im [[Altonaer Stadion|Städtischen Stadion]] oder die Eröffnung des Flugplatzes an der Luruper Chaussee.<ref>McElligott 1998, S.&nbsp;230/231.</ref> Diese Maßnahmen verhinderten dennoch nicht, dass es in Altona bis mindestens Ende 1933 eine nennenswerte Ablehnung des neuen Regimes gab: Anlässlich der [[Volksabstimmung (Deutschland)|Volksabstimmung]] über den deutschen [[Völkerbund]]austritt am 12.&nbsp;November des Jahres stimmten 13,5 % mit Nein (in Schleswig-Holstein insgesamt 10,7 %, im Deutschen Reich nur 6,6 %).<ref>Danker/Schwabe, S.&nbsp;48/49; Frank Omland (''„Auf Deine Stimme kommt es an!“ Die Reichstagswahl und Volksabstimmung am 12. November 1933 in Altona.'' Kiel/Hamburg 2008, S.&nbsp;48) hat diese Zahlen auf die Wahlberechtigten umgerechnet, wonach es in Altona 12,6, in Schleswig-Holstein 8,0 und im Reich insgesamt 4,7 % Nein-Stimmen gab.</ref> Im Lauf des Jahres 1934 berief Heinrich Himmler Paul Moder nach [[Berlin]]. Auch sein Abschied aus Altona geriet zu einer solchen öffentlichen Demonstration des Gemeinschaftsgedankens, wie die NS-Zeitung ''[[Der Angriff]]'' schrieb:<ref name="SPD Altona" /> {{Zitat|Moder verknüpfen mit Altona Erinnerungen an eine schwere Kampfzeit. Die unter seiner Führung stehende Roßbachkompanie bildete den Grundstock der Altonaer SS. … Nach dem Bekanntwerden der Nachricht von der Versetzung Moders bereitete ihm der Altonaer SS-Sturmbann … eine Ehrung. Um 7 Uhr abends stand der Sturmbann vor dem 'Haus der Jugend' auf dem Adolf-Hitler-Platz. Unter den Klängen des Präsentiermarsches schritt Brigadeführer Moder zum letztenmal die Front der Männer ab, mit denen er gemeinsam für die Bewegung gekämpft und gelitten hatte.}} === SS-Führer in Berlin und Warschau === In Berlin wurde er Chef des Oberabschnitts Ost/Spree und Stellvertreter des Obergruppenführers [[Sepp Dietrich]].<ref>[http://motlc.specialcol.wiesenthal.com/instdoc/d07c02/poliz4z2.html motlc.specialcol.wiesenthal.com]</ref> Daneben hat er bis 1939 durchgehend dem machtlosen und zunehmend seltener zusammentretenden [[Reichstag (Zeit des Nationalsozialismus)|NS-Reichstag]] angehört, nachdem er zuletzt im Dezember 1938 wieder als Abgeordneter für den Berliner Wahlkreis&nbsp;3 bestätigt worden war.<ref>Vgl. die Abgeordnetenlisten für [[Liste der Reichstagsabgeordneten im Nationalsozialismus (2. Wahlperiode)|1933–1936]], [[Liste der Reichstagsabgeordneten im Nationalsozialismus (3. Wahlperiode)|1936–1939]] und [[Liste der Reichstagsabgeordneten im Nationalsozialismus (4. Wahlperiode)|1939–1945]]</ref> Privat hatte er erhebliche Finanzprobleme; so informierte er Himmler 1937, er habe ein zinsloses Darlehen über 15.000&nbsp;RM von dem Hamburger Kaufmann [[Hermann Fürchtegott Reemtsma]] aufnehmen müssen, um seine Ehefrau im Scheidungsfall abfinden zu können.<ref>Peter Longerich: ''Heinrich Himmler. Biographie.'' Siedler, München 2008 ISBN 978-3-88680-859-5, S.&nbsp;337; auch Tuviah Friedman (siehe dessen sechsseitiges Dossier unter [http://motlc.specialcol.wiesenthal.com/instdoc/d07c02/poliz3z2.html motlc.specialcol.wiesenthal.com] ff.) beschreibt Moder als in Geld- und Frauenangelegenheiten sehr „großzügig“.</ref> Am 1. November 1939, bald nach dem [[Polenfeldzug|deutschen Überfall auf Polen]], kommandierte Himmler Paul Moder in das politisch von [[Hans Frank]] geleitete [[Generalgouvernement]] als „Kommandeur der Polizei“ beim Chef des Distrikts Warschau ab,<ref>Faksimile von Himmlers Einsetzungsmitteilung unter [http://motlc.specialcol.wiesenthal.com/instdoc/d07c02/poliz2z2.html motlc.specialcol.wiesenthal.com]</ref> wo er bis Juli 1941 tätig war.<ref>[http://motlc.specialcol.wiesenthal.com/instdoc/d07c02/poliz1z3.html motlc.specialcol.wiesenthal.com]</ref> Einen solchen Rang gab es in der [[Organisationsstruktur der SS]] aber offiziell nicht;<ref>Vgl. Ruth Bettina Birn: ''Die Höheren SS- und Polizeiführer. Himmlers Vertreter im Reich und in den besetzten Gebieten.'' Droste, Düsseldorf 1986, ISBN 3-7700-0710-7, S.&nbsp;91ff.</ref> da Paul Moder 1941 als [[SS- und Polizeiführer]] bezeichnet wurde,<ref>[http://motlc.specialcol.wiesenthal.com/instdoc/d07c02/poliz9z2.html motlc.specialcol.wiesenthal.com]</ref> ist er entweder in dieser Zeit befördert worden, oder Himmler hat den Rang bei Moders Ernennung 1939 aus unbekanntem Grund nicht erwähnt. Moders unmittelbarer Vorgesetzter im Generalgouvernement war der Höhere SS- und Polizeiführer [[Friedrich-Wilhelm Krüger]]. [[Datei:Mauer Warschauer Ghetto.JPG|miniatur|rechts|<center>Rest der Ghetto-Mauer in einem Warschauer Hinterhof</center>]] Während dieser Zeit wurde das [[Warschauer Ghetto]] eingerichtet, dessen Bewachung Moders Einheit oblag, und die [[Zwangsarbeit in der Zeit des Nationalsozialismus|Zwangsarbeit]] für jüdische Bewohner eingeführt.<ref>[http://motlc.specialcol.wiesenthal.com/instdoc/d07c02/poliz3z2.html motlc.specialcol.wiesenthal.com] Dabei handelt es sich um die erste von sechs nacheinander abrufbaren maschinenschriftlichen Seiten zur Person Moders, in denen auch auf seine Zeit in Altona und Berlin Bezug genommen wird. Autor dieses Textes ist Tuviah Friedman (* 1922), während der Besetzung in [[Radom]] ansässig, nach dem Krieg Direktor des ''Institute of Documentation in Israel for the Investigation of Nazi War Crimes'' in [[Haifa]]. Der Wert dieser [http://motlc.specialcol.wiesenthal.com/instdoc/d06c08/stel4z3.html offenbar 1959] an die [[Zentrale Stelle der Landesjustizverwaltungen zur Aufklärung nationalsozialistischer Verbrechen|Ludwigsburger Zentrale Stelle]] gesandten Quelle ist allerdings fraglich, weil die dortigen Angaben nicht belegt sind bzw. einige davon in Widerspruch zu anderen Quellen stehen, etwa der Schulort Koblenz oder das NSDAP-Eintrittsdatum 1925.</ref> Am 30. März 1940 verhaftete die Sicherheitspolizei etwa 1.000 Angehörige des polnischen Widerstandes, die ab Anfang Mai standrechtlich hingerichtet wurden.<ref>Wildt, S.&nbsp;107.</ref> Im April 1940 erfolgte der Bau einer Mauer um das Ghetto, ab November durfte es nur noch mit einem Erlaubnisschein verlassen werden.<ref>Frank Golczewski: ''Polen.'' In: Wolfgang Benz (Hrsg.): ''Dimension des Völkermords. Die Zahl der jüdischen Opfer des Nationalsozialismus.'' dtv, München 1996, ISBN 3-423-04690-2, S.&nbsp;438/439.</ref> Sicherung und Kontrolle dieser Maßnahmen fielen in Moders Zuständigkeitsbereich. Möglicherweise hat er sich –&nbsp;wie sein deswegen später angeklagter Adjutant von Eupen<ref>[http://motlc.specialcol.wiesenthal.com/instdoc/d07c02/poliz5z3.html motlc.specialcol.wiesenthal.com] (letzter Absatz)</ref>&nbsp;– bei [[Beschlagnahme|Beschlagnahmungen]] auch persönlich bereichert. Von Ende Mai bis Anfang Juni 1940 hatte Moder auch für einige Wochen am [[Westfeldzug 1940|Westfeldzug]] in Frankreich teilgenommen und war für seinen dortigen Einsatz mit der [[Eisernes Kreuz#1939–1945|Spange zum EK&nbsp;I]] ausgezeichnet worden.<ref>Einsatzbefehl vom 23. Mai 1940 unter [http://motlc.specialcol.wiesenthal.com/instdoc/d07c02/poliz11z3.html motlc.specialcol.wiesenthal.com] und Nachruf vom 14. Februar 1942 unter [http://motlc.specialcol.wiesenthal.com/instdoc/d07c02/poliz16z3.html motlc.specialcol.wiesenthal.com]</ref> In unmittelbarem zeitlichem Zusammenhang mit dem [[Krieg gegen die Sowjetunion 1941–1945|deutschen Angriff auf die Sowjetunion]] (ab Juni 1941) beurlaubte Paul Moder sich zu einem längeren Besuch seiner Familie in Berlin selbst; diese Eigenmächtigkeit wurde von seinem direkten Vorgesetzten Krüger dem SS-Personalhauptamt gemeldet. Moder berief sich darauf, dass Krüger ihm die Aufhebung der Urlaubssperre mitgeteilt habe.<ref>[http://motlc.specialcol.wiesenthal.com/instdoc/d07c02/poliz12z2.html motlc.specialcol.wiesenthal.com] – Möglicherweise ist der darin genannte Urlaubsbeginn (12.6.) ein Tippfehler und es muss 12.7. heißen. Denn eine Aufhebung der Urlaubssperre ausgerechnet in den letzten Tagen '''vor''' dem deutschen Angriff wäre ebenso wenig logisch wie ein fünfwöchiger Zeitraum zwischen dem Vergehen und seiner Meldung durch Krüger.</ref> Es muss Spekulation bleiben, ob sich dahinter ein tiefergehender Konflikt zwischen den beiden Männern verbarg, ebenso, ob Himmlers folgende Entscheidung –&nbsp;wie von Friedman vermutet<ref>[http://motlc.specialcol.wiesenthal.com/instdoc/d07c02/poliz19z2.html motlc.specialcol.wiesenthal.com]</ref>&nbsp;– aus einem spontanen Zorn oder aus der Enttäuschung über den von ihm immer geförderten „[[Alter Kämpfer|alten Kämpfer]]“ heraus erfolgte. Jedenfalls wurde Moder am 19. Juli 1941 vom Reichsführer-SS seiner Funktion enthoben, degradiert, durch [[Arpad Wigand]] ersetzt und zur [[SS-Division Totenkopf]] an die russische Front abkommandiert.<ref>[http://motlc.specialcol.wiesenthal.com/instdoc/d07c02/poliz9z2.html motlc.specialcol.wiesenthal.com] und [http://motlc.specialcol.wiesenthal.com/instdoc/d07c02/poliz28z3.html motlc.specialcol.wiesenthal.com]</ref> Offenbar bewährte er sich auch dort: am 9.&nbsp;November 1941 wurde er zum Sturmbannführer befördert.<ref>[http://motlc.specialcol.wiesenthal.com/instdoc/d07c02/poliz16z3.html motlc.specialcol.wiesenthal.com]</ref> Im Februar 1942 fiel er zu Beginn der [[Kesselschlacht von Demjansk|Einkesselung bei Demjansk]] nahe Maly Kalinez in der [[Oblast Nowgorod|Region um Nowgorod]].<ref>[[Ernst Klee]]: ''Das Personenlexikon zum Dritten Reich. Wer war was vor und nach 1945.'', hier nach der erweiterten TB-Ausgabe Fischer, Frankfurt/M. 2005, ISBN 3-596-16048-0, S.&nbsp;413; Sterbeort nach [http://motlc.specialcol.wiesenthal.com/instdoc/d07c02/poliz14z2.html motlc.specialcol.wiesenthal.com]</ref> Himmler kondolierte Moders Witwe persönlich.<ref>''Der Dienstkalender Heinrich Himmlers: 1941/42. (im Auftrag der Forschungsstelle für Zeitgeschichte in Hamburg bearbeitet, kommentiert und eingeleitet von Peter Witte).'' Christians, Hamburg 1999, ISBN 3-7672-1329-X, Einträge 14. Februar und 27. April 1942.</ref> Im Dezember 1942 fanden sich u.&nbsp;a. sein [[Goldenes Parteiabzeichen der NSDAP|goldenes Parteiabzeichen]] und sein SS-Führerausweis unter dem Diebesgut eines SS-Mannes und Reichsbahnschaffners.<ref>[http://motlc.specialcol.wiesenthal.com/instdoc/d07c02/poliz18z3.html motlc.specialcol.wiesenthal.com]</ref> == Literatur == * Hans Berlage: ''Altona. Ein Stadtschicksal.'' Broschek, Hamburg 1937. * Uwe Danker, Astrid Schwabe: ''Schleswig-Holstein und der Nationalsozialismus.'' Wachholtz, Neumünster 2006², ISBN 3-529-02810-X. * Hans-Günther Freitag, Hans-Werner Engels: ''Altona. Hamburgs schöne Schwester.'' A. Springer, Hamburg 1982. * Jürgen Genuneit: ''Die Anfänge der NSDAP in Altona.'' Unveröff. Ms.; auszugsweiser Abdruck in Freitag/Engels, S.&nbsp;338–340, und SPD-Altona, S.&nbsp;8–10. * Paul Th. Hoffmann: ''Neues Altona 1919–1929. Zehn Jahre Aufbau einer deutschen Großstadt.'' 2 Bde., E. Diederichs, Jena 1929. * Thomas Krause: ''Das bürgerliche Trauma. Revolution in Altona.'' In: Arnold Sywottek (Hrsg.): ''Das andere Altona. Beiträge zur Alltagsgeschichte.'' ergebnisse, Hamburg 1984 (bes. S. 49–54, ''Freikorps und Einwohnerwehr''). * Anthony McElligott (1983): ''Das „Abruzzenviertel“. Arbeiter in Altona 1918–1932.'' In: Arno Herzig, Dieter Langewiesche, Arnold Sywottek (Hrsg.): ''Arbeiter in Hamburg.'' Erziehung und Wissenschaft, Hamburg 1983, ISBN 3-8103-0807-2. * Anthony McElligott (1985<sup>a</sup>): ''Kommunalpolitische Entwicklungen in Altona von Weimar zum Dritten Reich.'' In: Stadtteilarchiv Ottensen e.&nbsp;V. (Hrsg.): ''„Ohne uns hätten sie das gar nicht machen können.“ Nazi-Zeit und Nachkrieg in Altona und Ottensen.'' VSA, Hamburg 1985, ISBN 3-87975-316-4. * Anthony McElligott (1985<sup>b</sup>): ''„Wir stehen hier nicht als Gäste“. Nazis, Herrschaft und Bevölkerung in Altona von Weimar bis 1937.'' In: Stadtteilarchiv Ottensen e.&nbsp;V. (Hrsg.): ''„Ohne uns hätten sie das gar nicht machen können.“ Nazi-Zeit und Nachkrieg in Altona und Ottensen.'' VSA, Hamburg 1985, ISBN 3-87975-316-4. * Anthony McElligott (1998): ''Contested City. Municipal Politics and the Rise of Nazism in Altona 1917–1937.'' University of Michigan Press, Ann Arbor 1998, ISBN 0-472-10929-4. * Frank Omland: ''„Der Parlamentarismus der alten Form existierte schon nicht mehr.“ Die schleswig-holsteinischen Abgeordneten der NSDAP im Reichstag 1924-1945.'' In: Arbeitskreis zur Erforschung des Nationalsozialismus in Schleswig-Holstein (Hg.): ''Kritische Annäherungen an den Nationalsozialismus in Schleswig-Holstein. Festschrift für Gerhard Hoch zum 80. Geburtstag am 21.&nbsp;März 2003.'' Kiel 2003 (Informationen zur Schleswig-Holsteinischen Zeitgeschichte, Heft&nbsp;41/42) * Rudolf Rietzler: ''„Kampf in der Nordmark“. Das Aufkommen des Nationalsozialismus in Schleswig-Holstein (1919–1928).'' Karl Wachholtz, Neumünster 1982 ISBN 3-529-02904-1 * SPD Altona (Hrsg.): ''Nazizeit in Altona.'' Broschüre (1980); auszugsweise auch unter [http://www.spdfraktionaltona.de/Nazizeit.htm www.spdfraktionaltona.de] == Weblinks (Fotos von Moder) == * {{ReichstagDB|130354031}} == Anmerkungen == <div class="references-small" style="-moz-column-count:1; column-count:1;"> <references /></div> {{Exzellent}} {{Normdaten|PND=130354031}} {{SORTIERUNG:Moder, Paul}} [[Kategorie:Person im Ersten Weltkrieg (Deutsches Reich)]] [[Kategorie:Reichstagsabgeordneter (Weimarer Republik)]] [[Kategorie:Reichstagsabgeordneter (Deutsches Reich 1933–1945)]] [[Kategorie:Freikorps-Mitglied]] [[Kategorie:NSDAP-Mitglied]] [[Kategorie:SS-Mitglied]] [[Kategorie:SA-Mitglied]] [[Kategorie:Deutsche Besetzung Polens 1939–1945 (Person)]] [[Kategorie:Altonaer Geschichte]] [[Kategorie:Geboren 1896]] [[Kategorie:Gestorben 1942]] [[Kategorie:Mann]] {{Personendaten |NAME=Moder, Paul |ALTERNATIVNAMEN= |KURZBESCHREIBUNG=deutscher Freikorpsführer, Reichstagsabgeordneter und SS-Mann |GEBURTSDATUM=1. Oktober 1896 |GEBURTSORT=[[Neheim-Hüsten|Neheim]] |STERBEDATUM=8. Februar 1942 |STERBEORT=bei [[Maly Kalinez]], Oblast Nowgorod }} fuyz0ay5l2h3sikbl19cdfg0uctrxft wikitext text/x-wiki Max Liebermann 0 23551 28189 27306 2011-03-06T04:08:17Z Billinghurst 553 replacement file at Commons [[Datei:Max Liebermann 1904.jpeg|thumb|upright=1.2|Max Liebermann 1904 <br /> Fotograf: [[Jacob Hilsdorf]]]] '''Max Liebermann''' (* [[20. Juli]] [[1847]] in [[Berlin]]; † [[8. Februar]] [[1935]] ebenda) war ein deutscher [[Malerei|Maler]] und [[Grafiker]]. Er gehört zu den bedeutendsten Vertretern des deutschen [[Impressionismus]]. Nach einer Ausbildung in [[Weimar]] und Auftische Realschule. Max vertrieb sich immer mehr durch Zeichnen die Zeit, was von seinen Eltern verhalten gefördert wurde.<ref>Scheer, S.&nbsp;138</ref> Als er zehn Jahre alt war, erwarb sein Vater Louis das repräsentative Palais Liebermann,<ref>„Louis Lieberman hatte das […] Mietspalais 1857 erworben“ Natter/Schoeps, S.&nbsp;16</ref> direkt am [[Pariser Platz]]. Die Familie besuchte die Gottesdienste der [[Liberales Judentum|Reformgemeinde]] und kehrte sich zunehmend von der orthodoxeren Lebensweise des Großvaters ab. Obwohl das Haus der Liebermanns große Salons und zahlreiche Schlafräume besaß, hielten die Eltern ihre drei Söhne an, in einem gemeinsamen Zimmer zu schlafen. Dieses war zudem mit einem Glasfenster in der Wand versehen, damit man von außen die Schularbeiten beaufsichtigen konnte. Als Louis Liebermann 1859 ein Ölgemälde seiner Frau in Auftrag gab, begleitete Max Liebermann seine Mutter zur Malerin Antonie Volkmar. Aus Langeweile bat er selbst um einen Stift und begann zu zeichnen. Noch als alte Frau war Antonie Volkmar stolz, Liebermann entdeckt zu haben. Seine Eltern waren nicht begeistert von der Malerei, aber wenigstens verweigerte ihr Sohn in diesem Fall den Besuch von Lehranstalten nicht. An seinen schulfreien Nachmittagen erhielt Max fortan privaten Malunterricht bei [[Eduard Holbein]] und [[Carl Steffeck]]. [[Datei:Eltern von Max Liebermann.jpg|thumb|Die Eltern von Max Liebermann]] In der Familie, die über verwandtschaftliche Beziehungen zu anderen bedeutenden jüdischen Bürgerfamilien (so war etwa [[Emil Rathenau]] der Cousin von Max Liebermann) verfügte, galt Max als nicht besonders intelligent. In der Schule schweiften seine Gedanken häufig ab, weshalb er unpassende Antworten gab. Daraus resultierten Hänseleien der Klassenkameraden, die ihm unerträglich wurden, sodass er sich mehrmals in vermeintliche Krankheiten flüchtete. Seine Eltern brachten ihm zwar Liebe und Unterstützung entgegen, doch hielten sie ihm insbesondere das Bild seines älteren, „vernünftigen“ Bruders Georg entgegen, was das Gefühl des Andersseins in Max nur noch verstärkte. Max' zeichnerische Begabung galt den Eltern nicht viel: Bei der ersten Veröffentlichung seiner Werke verbot der Vater dem 13-Jährigen die Nennung des Namens Liebermann. Als weiterführende Schule wählte Louis Liebermann für seine Söhne das [[Friedrichwerdersches Gymnasium|Friedrichwerdersche Gymnasium]], auf dem auch die Söhne Bismarcks lernten. 1862 besuchte der 15-jährige Max eine Veranstaltung des jungen Sozialisten [[Ferdinand Lassalle]], dessen leidenschaftliche Ideen den Millionärssohn faszinierten. 1866 machte Max Liebermann das [[Abitur]]. Später behauptete er, ein schlechter Schüler gewesen zu sein und die Prüfungen nur mit Mühe überstanden zu haben: In Wahrheit war er nur in Mathematik keiner der besseren Schüler, seine Beteiligung galt in den höheren Stufen als „anständig und wohlgesittet“. In den Abiturprüfungen kam er auf den vierten Platz in seinem Jahrgang, doch in seiner Familie fühlte sich Max stets als ein „schlechter Schüler“. === Studium und frühes Schaffen === [[Datei:Max Liebermann 25.jpg|thumb|left|upright|Max Liebermann im Alter von 25&nbsp;Jahren als Student der Kunstschule Weimar]] Max Liebermann schrieb sich nach dem Abitur auf der [[Humboldt-Universität zu Berlin|Friedrich-Wilhelm-Universität]] ein. Er wählte das Fach [[Chemie]], in dem sein Cousin [[Carl Liebermann]] Erfolg hatte. Das Chemie-Studium sollte allerdings nur als Vorwand dienen, sich der Kunst und der Freizeit widmen zu können und gleichzeitig vor dem Vater zu bestehen. Daher wurde es von Max Liebermann niemals ernsthaft betrieben. Statt die Vorlesungen zu besuchen, ritt er im [[Großer Tiergarten|Tiergarten]] aus und malte. Bei Carl Steffeck durfte er zudem immer häufiger Gehilfenaufgaben bei der Gestaltung monumentaler Schlachtenbilder wahrnehmen. Dort lernte er [[Wilhelm von Bode|Wilhelm Bode]] kennen, den späteren Förderer Liebermanns und Direktor des [[Bode-Museum|Kaiser-Friedrich-Museums]]. Am 22. Januar 1868 exmatrikulierte die Universität Berlin Liebermann wegen „Studienunfleiß“. Nach einem intensiven Konflikt mit dem Vater, der vom Weg seines Sohnes nicht angetan war, ermöglichten ihm seine Eltern den Besuch der [[Großherzoglich-Sächsische Kunstschule Weimar|Großherzoglich-Sächsischen Kunstschule]] in [[Weimar]]. Dort wurde er Schüler des belgischen Historienmalers [[Ferdinand Pauwels]], der ihn bei einem Besuch der Klasse im [[Fridericianum (Kassel)|Fridericianum]] in [[Kassel]] [[Rembrandt van Rijn|Rembrandt]] näher bringt. Die Begegnung mit Rembrandt beeinflusste den Stil des jungen Liebermann nachhaltig. Im [[Deutsch-Französischer Krieg|Deutsch-Französischen Krieg]] 1870 war er kurzzeitig vom allgemeinen patriotischen Taumel ergriffen. Er meldete sich freiwillig bei den [[Johanniterorden|Johannitern]], da ihn ein schlecht verheilter Armbruch vom regulären Kriegsdienst abhielt, und diente als Sanitäter bei [[Metz]]. 1870/1871 zogen insgesamt 12.000 Juden auf deutscher Seite in den Krieg. Die Erlebnisse auf den Schlachtfeldern schockierten den jungen Künstler, dessen Kriegsbegeisterung deshalb nachließ. Seit Pfingsten 1871 weilte Max Liebermann in [[Düsseldorf]], wo der Einfluss französischer Kunst stärker präsent war als in Berlin. Dort traf er [[Mihály Munkácsy]], dessen [[Realismus (Kunst)|realistische]] Darstellung Wolle zupfender Frauen, also einer schlichten Szene des Alltags, bei Liebermann Interesse weckte. Von seinem Bruder Georg finanziert, reiste er zum ersten Mal in die [[Niederlande]], nach [[Amsterdam]] und [[Scheveningen]], wo ihn Licht, Menschen und Landschaft begeisterten. [[Datei:Max_Liebermann_-_Gänserupferinnen_-_Google_Art_Project.jpg|thumb||''Die Gänserupferinnen'': Liebermanns erstes großes Ölgemälde entstand 1872 unter Beeinflussung durch [[Mihály Munkácsy|Munkácsys]] und [[Rembrandt van Rijn|Rembrandt]]]] Sein erstes großes Gemälde ''Die Gänserupferinnen'' entstand in den Monaten nach seiner Rückkehr. Es zeigt in dunklen Farbtönen die unbeliebte, prosaische Tätigkeit des Gänserupfens.<ref>Küster, S.&nbsp;30</ref> Darin hat Liebermann neben dem Naturalismus Munkászys auch Elemente der Historienmalerei mit einfließen lassen. Beim Anblick des noch unfertigen Gemäldes entließ ihn sein Lehrer Pauwels: Er könne ihm nichts mehr beibringen. Als Liebermann mit dem Bild 1872 an der [[Hamburg]]er Kunstausstellung teilnahm, weckte sein ungewöhnliches [[Sujet]] vor allem Abscheu und Schockierung. Zwar lobte die Kritik seine geschickte Malweise, doch erhielt er das Image als „Maler des Hässlichen“. Als das Gemälde im selben Jahr in Berlin ausgestellt wurde, stieß es zwar auf ähnliche Meinungen, aber es fand sich mit dem Eisenbahnmagnaten [[Bethel Henry Strousberg]] ein Käufer. Liebermanns Kunst galt in Deutschland als „Schmutzmalerei“. Sein zweites größeres Werk, die ''Konservenmacherinnen'', schickte er daher zur großen Jahresausstellung nach [[Antwerpen]], wo es auch gleich zwei Kaufinteressenten fand. Liebermann hatte seinen ersten Stil gefunden: Er malt realistisch und unsentimental arbeitende Menschen, ohne herablassendes Mitleid oder verklärende [[Romantik]], aber auch ohne anzuprangern. In seinen Motiven erkennt er die natürliche Würde und muss nichts beschönigen. 1873 sah Liebermann vor den Toren Weimars Bauern bei der [[Rübe]]nernte. Er entschloss sich, dieses Motiv in Öl festzuhalten, doch als [[Karl Gussow]] ihm zynisch riet, das Bild am besten gar nicht erst zu malen, kratzte Liebermann das begonnene Gemälde wieder von der Leinwand. Er fühlte sich kraftlos und ohne Antrieb. Liebermann entschloss sich, in [[Wien]] den berühmten Historien- und Salonmaler [[Hans Makart]] zu besuchen, wo er aber nur zwei Tage weilte. Stattdessen war er entschlossen, Deutschland und seiner damaligen von Liebermann als rückständig und verstaubt angesehenen Kunstszene vorerst den Rücken zu kehren. === Paris, Barbizon und Amsterdam === [[Datei:Kartoffelernte in Barbizon.jpg|thumb|left|''Kartoffelernte in Barbizon'': Liebermann orientierte sich 1874 an der [[Schule von Barbizon]]]] Im Dezember 1873 zog Max Liebermann nach Paris und richtete in [[Montmartre]] ein Atelier ein. In der Welthauptstadt der Kunst wollte er Kontakte knüpfen zu führenden Realisten und Impressionisten. Doch die französischen Maler verweigerten dem Deutschen Liebermann jeglichen Kontakt. 1874 reichte er seine ''Gänserupferinnen'' beim [[Salon de Paris]] ein, wo das Bild zwar angenommen, aber in der Presse vor allem unter nationalistischen Gesichtspunkten negative Kritiken erhielt. Den Sommer 1874 verbrachte Liebermann erstmals in [[Barbizon]] in der Nähe des [[Wald von Fontainebleau|Waldes von Fontainebleau]]. „Munkácsy zog mich mächtig an, aber noch mehr taten es [[Constant Troyon|Troyon]], [[Charles-François Daubigny|Daubigny]], [[Jean-Baptiste Camille Corot|Corot]] und vor allem [[Jean-François Millet|Millet]].“<ref>Liebermann 1889, zitiert nach Küster, S.&nbsp;35</ref> Die [[Schule von Barbizon]] war für die Entwicklung des Impressionismus von großer Bedeutung: Sie formte die impressionistische Landschaftsmalerei und bereicherte die Strömungen der Zeit durch die Mittel der Freilichtmalerei. Dies rief in Liebermann eine Abkehr von der altmodischen, schweren Malerei Munkácsys hervor. Ihn interessierten eher die Methoden der Schule von Barbizon, als die Motive, die sie beeinflussten: So erinnerte er sich in Barbizon der Weimarer Studie ''Arbeiter im Rübenfeld'', suchte nach einem ähnlichen Motiv und schuf die ''Kartoffelernte in Barbizon'', die er aber erst Jahre später abschloss. Letztlich versuchte er dabei auf Millets Spuren zu wandeln und blieb nach Ansicht zeitgenössischer Kritiker mit seiner eigenen Leistung hinter ihm zurück: Die Darstellung der Arbeiter in ihrem Umfeld wirkte unnatürlich; es schien, als seien sie nachträglich in die Landschaft eingefügt. <ref>Vgl. Erich Hancke: ''Mit Liebermann in Amsterdam'', in: ''Kunst und Künstler'', Jg. 12, 1913, S.&nbsp;91</ref> 1875 verbrachte Liebermann drei Monate in [[Zandvoort]] in Holland. In [[Haarlem]] kopierte er ausgiebig Gemälde von [[Frans Hals]]. Durch die Beschäftigung mit der Portraitmalerei Hals' erhoffte sich Liebermann Einflüsse auf seinen eigenen Stil. Die Beschäftigung mit Frans Hals und dessen Methode des schwungvollen, undetaillierten Farbauftrags prägte Liebermanns Spätwerk ebenso wie die Einflüsse der französischen Impressionisten. Es entwickelte sich darüber hinaus zu einer Eigenart Liebermanns, zwischen Idee und Ausführung größerer Gemälde viel Zeit vergehen zu lassen. Erst als er im Herbst 1875 nach Paris zurückkehrte und ein größeres Atelier bezog, griff er Gesehenes auf und schuf ein erstes Gemälde badender Fischerjungen; dieses Motiv bannte er Jahre später erneut auf die Leinwand. [[Datei:Holländische Nähschule.jpg|thumb|''Holländische Nähschule'': 1876 begann Liebermann verstärkt, Einflüsse des Impressionismus einfließen zu lassen]] Im Sommer 1876 folgte erneut ein mehrmonatiger Aufenthalt in den Niederlanden. Er setzte dort seine Hals-Studien fort. Darüber fand er später zu einem eigenen Stil, der ihm besonders bei der Portraitmalerei zugute kam.<ref>Scheffler, S.&nbsp;34</ref> In Amsterdam traf er den Radierer [[William Unger]], der ihn in Kontakt mit [[Jozef Israëls]] und der [[Haager Schule]] brachte. In seinem Bild ''Holländische Nähschule'' nutzt Liebermann die Wirkung des Lichts bereits impressionistisch. Über den Professor August Allebé lernte er die [[Portugiesische Synagoge Amsterdams]] kennen, was ihn zu einer malerischen Auseinandersetzung mit seiner jüdischen Herkunft verleitet. Auch entstanden erste Studien des Amsterdamer Waisenhauses. Unter dem Druck, vor seinen Eltern und sich selbst Rechenschaft ablegen zu müssen, verfiel Liebermann in Paris in tiefe Depressionen, oft war er der Verzweiflung nahe.<ref>Hancke, S.&nbsp;124</ref> In dieser Zeit entstanden insgesamt nur wenige Bilder, die mehrfache Teilnahme am Pariser Salon brachte für ihn auch nicht den erwünschten Erfolg. Die Kunstszene der Weltstadt konnte Liebermann nichts geben, sie hatte ihn sogar aus [[Chauvinismus|chauvinistischen]] Gründen als Künstler abgelehnt. Seine Gemälde waren nicht „französisch“ geworden. Dagegen ging größerer Einfluss von seinen regelmäßigen Holland-Aufenthalten aus. Liebermann fasste den endgültigen Entschluss, Paris zu verlassen. === München === [[Datei:Der zwölfjährige Jesus im Tempel.jpg|thumb|left|upright|''Der zwölfjährige Jesus im Tempel'': Einflüsse naturalistischer, altniederländischer und venezianischer Kunst wurden 1879 im Meisterstück des frühen Max Liebermann vereinigt]] 1878 begab sich Liebermann erstmals auf eine [[Italien]]-Reise. In [[Venedig]] wollte er sich Werke [[Vittore Carpaccio]]s und [[Gentile Bellini]]s ansehen, um daraus neue Orientierung zu schöpfen. Dort traf er auf eine Gruppe Münchner Maler - unter ihnen [[Franz von Lenbach]] - in deren Kreis er in Venedig drei Monate blieb und ihnen schließlich in die bayrische Hauptstadt folgte, die mit der [[Münchner Schule (Bildende Kunst)|Münchner Schule]] auch das deutsche Zentrum naturalistischer Kunst war. Im Dezember 1878 begann Liebermann mit der Arbeit an ''Der zwölfjährige [[Jesus von Nazareth|Jesus]] im Tempel''. Erste Skizzen für dieses Werk hatte er bereits in den Synagogen von Amsterdam und Venedig angefertigt. Nie zuvor inszenierte er ein Bild unter größerem Arbeitsaufwand: Die Studien der Synagogeninterieurs verband er mit individuellen Figuren, von denen er vorher [[Aktmalerei|Aktstudien]] fertigte, um sie dann bekleidet zusammenzuführen. Das Sujet tauchte er in beinahe mystisches Licht, das vom Jesuskind als leuchtende Mitte auszugehen scheint. Gegen dieses Bild brandete im ganzen Reich eine Welle der Empörung auf. Während sich [[Luitpold von Bayern|Prinzregent Luitpold]] auf die Seite Liebermanns stellte, schrieb die [[Augsburger Allgemeine]], der Künstler habe „den hässlichsten, naseweisesten Judenjungen, den man sich denken kann“ gemalt. In der Öffentlichkeit wurde Max Liebermann als „Herrgottsschänder“ verunglimpft. Der [[Konservatismus|konservative]] Abgeordnete Daller sprach ihm als Juden im [[Bayerischer Landtag|Bayerischen Landtag]] das Recht ab, Jesus auf diese Weise darzustellen. In Berlin führte der Hofprediger [[Adolf Stoecker]] die antisemitische Debatte um das Gemälde in verletzender Weise fort.<ref>Küster, S.&nbsp;52</ref> [[Datei:Max Liebermann 35.jpg|thumb|upright|Max Liebermann im Alter von 35&nbsp;Jahren]] Während der Widerstand der Kirche und der Kritiker immer unerbittlicher wurde, ergriffen bedeutende Künstlerkollegen für das Werk Partei, darunter [[Friedrich August von Kaulbach]] und [[Wilhelm Leibl]]. Malerisch erscheint es in vielem als Resümee der Epoche des jungen Liebermanns, seiner „Lehrjahre“.<ref>Hancke, S.&nbsp;136f</ref> Als Reaktion auf die Kritik hat Lieberman das Bild übermalt, indem er den jungen Jesus neu gestaltete. Vom Original gibt es ein Foto, welches ein Kind, mit einem kürzerem Umhang bekleidet und dem Ansatz von ''Schläfenlocken'' und leicht vorgeschobenen Kopf und ohne Sandalen zeigt [http://static.ngz-online.de/layout/fotos/ddp_0176EA0034DB662A4b07f26d0dc6.jpg]. Das übermalte Bild zeigt einen Jesus in aufrechterer Haltung mit längeren Haaren und einem längeren Gewand und Sandalen bekleidet. Zwar war Liebermann nun ein berühmter Künstler, doch die malerischen Fortschritte erfuhren im Holland-Aufenthalt 1879 einen Stillstand: So wirkt das Licht in einer damals entstandenen Ansicht einer bäuerlichen Dorfstraße fahl und unnatürlich. 1880 nahm er am Pariser Salon teil. Die Bilder, die dort gezeigt wurden, hatten eines gemeinsam: die Darstellung friedlichen Nebeneinanders arbeitender Menschen in einer harmonischen Gemeinschaft. Die gezeigte Stimmung konnte Liebermann aber nicht im Umfeld des durch antisemitische Anfeindungen erhitzten München einfangen, sondern nur aus den Niederlanden beziehen, die er von jetzt ab alljährlich aufsuchte. Zudem reiste er 1879 zu Malaufenthalten in das [[Dachauer Moos]], nach [[Rosenheim]] und ins [[Inntal]], wo sein Gemälde ''[[Brannenburg]]er Biergarten'' entstand. === Niederlande === [[Datei:Altmännerhaus in Amsterdam.jpg|thumb|left|''Altmännerhaus in Amsterdam'': 1880 wandte sich Liebermann erstmals dem [[Impressionismus|impressionistischen]] Luminarismus zu]] Im Sommer 1880 reiste Liebermann in das [[Nordbrabant|brabantische]] Dorf [[Dongen]]. Dort entstanden Studien, die er später zu seinem Gemälde ''Schusterwerkstatt'' verwendete. Nach Abschluss dieser Arbeit reiste er, bevor er nach München zurückkehrte, noch einmal nach Amsterdam. Dort geschah etwas, das „über seine künstlerische Laufbahn entschied“.<ref>Hancke, S.&nbsp;157</ref> Er warf einen Blick in den Garten des katholischen Altmännerhauses, wo schwarzgekleidete ältere Herren auf Bänken im Sonnenlicht saßen. Über diesen Augenblick sagte Liebermann später: „Es war, als ob jemand auf ebenem Wege vor sich hingeht und plötzlich auf eine Spiralfeder tritt, die ihn emporschnellt“.<ref>zitiert nach Küster, S.&nbsp;56</ref> Er begann, das Motiv zu malen und verwendete dabei erstmals den Effekt des durch ein Laubdach (oder andere Barrieren) gefilterten Lichtes, die später sogenannten „Liebermann'schen Sonnenflecken“, das heißt die punktuelle Darstellung von (teilweise) eigenfarbigem Licht, um eine stimmungsvolle Atmosphäre zu erzeugen. Dies deutete bereits auf das impressionistische Spätwerk Liebermanns hin. Auf dem Pariser Salon 1880 erhielt er für dieses Werk als erster Deutscher eine ehrenvolle Erwähnung. Zudem erwarb Léon Maître, ein bedeutender Sammler des Impressionismus, mehrere Gemälde Liebermanns. Durch den ersehnten Erfolg ermuntert, wandte er sich einem früheren Thema zu: Unter Verwendung älterer Studien komponierte er die ''Freistunde im Amsterdamer Waisenhaus'' (Abbildung siehe unten), ebenfalls mit „Sonnenflecken“. [[Datei:Liebermann Schusterwerkstatt 1881.jpeg|thumb|Max Liebermann: ''Schusterwerkstatt'', 1881]] Im Herbst reiste Liebermann erneut nach Dongen, um vor Ort die ''Schusterwerkstatt'' zu vollenden. Auch in diesem Werk manifestiert sich seine deutliche Hinwendung zur Lichtmalerei, gleichzeitig blieb er jedoch auch seinen früheren Arbeits-Darstellungen treu, indem er weiterhin auf verklärend-romantische Elemente verzichtete. Die ''Schusterwerkstatt'' und die ''Freistunde im Amsterdamer Waisenhaus'' fanden 1882 im Pariser Salon mit [[Jean-Baptiste Faure]] einen Käufer. Die französische Presse feierte ihn als Impressionisten. Der Sammler Ernest Hoschedé schrieb begeistert an [[Édouard Manet]]: „Wenn Sie, mein lieber Manet, es sind, der uns die Geheimnisse des Freilichts offenbarte, so versteht es dagegen Liebermann, das Licht in geschlossenem Raum zu belauschen.“<ref>zitiert nach Küster, S.&nbsp;60</ref> Doch anstatt sich vom Impressionismus vereinnahmen zu lassen, trat Liebermann aus der Sphäre der beliebten Lichtmalerei zurück und wandte sich in seinem Werk ''Rasenbleiche'' wieder dem Naturalismus zu. Während er an diesem Gemälde arbeitete, versuchte [[Vincent van Gogh]] Liebermann in [[Zweeloo]] zu treffen, was ihm allerdings nicht gelang. Zurück aus den Niederlanden folgte er dem Ruf der [[Maltzahn|Gräfin von Maltzan]] ins [[Schlesien|schlesische]] [[Milicz|Militsch]], wo er seine erste Auftragsarbeit – eine Dorfansicht – fertigte. === Rückkehr nach Berlin === [[Datei:Martha Marckwald.jpg|thumb|left|upright|[[Anders Zorn]]: ''Portrait Martha Liebermann'', 1896]] 1884 entschloss sich Liebermann, in seine Heimatstadt Berlin zurückzukehren, obwohl ihm bewusst war, damit auf unvermeidbare Konflikte zu stoßen. Seiner Ansicht nach würde Berlin über kurz oder lang auch in künstlerischer Hinsicht die Rolle der Hauptstadt einnehmen, da sich dort der größte Kunstmarkt befand und er die Münchner Traditionen zunehmend als Last ansah.<ref>Küster, S.&nbsp;73</ref> Im Mai 1884 verlobte er sich mit der Schwester seiner Schwägerin, [[Martha Marckwald]]. Am 14. September fand die Trauung statt, nachdem der Umzug von München nach Berlin vollzogen war. Die erste gemeinsame Wohnung nahm das Paar [[In den Zelten]] 11, am nördlichen Rand des [[Großer Tiergarten|Tiergartens]]. Die Hochzeitsreise führte allerdings nicht wie damals üblich nach [[Italien]], sondern über [[Braunschweig]] und [[Wiesbaden]] nach [[Scheveningen]] in Holland. Dort schloss sich Jozef Israëls den beiden an; gemeinsam reisten sie nach [[Laren (Nordholland)|Laren]], wo Liebermann den Maler [[Anton Mauve]] kennenlernte. Weitere Stationen der Reise waren [[Delden (Stadt)|Delden]], Haarlem und Amsterdam. Überall fertigte Liebermann Studien und sammelte Ideen, die ihn in den folgenden Jahren weitgehend ausfüllten. [[Datei:Max Liebermann 48.jpg|thumb|Max Liebermann im Alter von 48&nbsp;Jahren]] Nach der Rückkehr wurde er in den [[Verein Berliner Künstler]] aufgenommen. Für seine Aufnahme stimmte auch [[Anton von Werner]], sein späterer Widersacher. Im August 1885 wurde Liebermanns einzige Tochter geboren, die den Namen „Marianne Henriette Käthe“ erhielt, jedoch nur Käthe genannt wurde. In dieser Zeit entstanden kaum Bilder: Ganz widmete er sich der Rolle des Vaters.<ref>Scheer, S.&nbsp;234</ref> Gegenüber der Familie Liebermann wohnten [[Carl und Felicie Bernstein]]. Bei den außergewöhnlich kultivierten Nachbarn sah Max Liebermann Gemälde Édouard Manets und [[Edgar Degas]]', die ihn sein ganzes weiteres Leben begleiteten. Zudem konnte er sich in ihrem Kreise erstmals als akzeptiertes Mitglied der Berliner Künstlergemeinschaft fühlen: [[Max Klinger]], [[Adolph Menzel]], [[Georg Brandes]] und [[Wilhelm von Bode|Wilhelm Bode]] gingen dort ebenso ein und aus wie [[Theodor Mommsen]], [[Ernst Curtius]] und [[Alfred Lichtwark]]. Letzterer, der Direktor der [[Hamburger Kunsthalle]], erkannte früh Liebermanns impressionistisches Potential.<ref>Scheer, S.&nbsp;237</ref> Dessen Beitritt in die [[Gesellschaft der Freunde]] erleichterte ebenfalls das Erreichen gesellschaftlicher Akzeptanz in der bourgeoisen [[Oberschicht]]. Nach acht Jahren Abwesenheit aus Berlin nahm Liebermann 1886 erstmals wieder an der Ausstellung der Akademie der Künste teil. Für die Ausstellung wählte er die Gemälde ''Freistunde im Amsterdamer Waisenhaus'', ''Altmännerhaus in Amsterdam'' und ''Das Tischgebet'' aus. ''Das Tischgebet'', das eine niederländische Bauernfamilie in düster-stimmungsvoller Szenerie beim Gebet zeigt, war auf Anregung Jozef Israëls während der Hochzeitsreise entstanden. Der „Meinungsmacher“ [[Ludwig Pietsch]] bezeichnete Liebermann als großes Talent und herausragenden Vertreter der [[Moderne]]. [[Datei:Flachsscheuer in Laren.jpg|thumb|left|''Flachsscheuer in Laren'' 1897; gemeinschaftliche Arbeit als immer wiederkehrendes [[Sujet]]]] Im Sommer 1886 fuhr Martha Liebermann mit ihrer Tochter zur Kur nach [[Bad Homburg vor der Höhe]], was ihrem Mann Gelegenheit bot, in Holland Studien anzufertigen. Er kehrte nach Laren zurück, wo in Bauernkaten aus Rohleinen [[Flachsfaser|Flachs]] gewonnen wurde. Vom Sujet der gemeinschaftlichen Arbeit wiederum beeindruckt, begann Liebermann, Skizzen zu zeichnen und eine erste Fassung in Öl zu malen. In seinem Berliner Atelier komponierte er die Studien zu einem Gemälde im größeren Format, an dem er die Arbeit im Frühjahr 1887 abschließen konnte. Die Darstellung kollektiver Arbeit sollte im Alltäglichen das „heroisch Geduldige“ aufzeigen.<ref>Scheffler, S.&nbsp;42</ref> Im Mai 1887 wurde das Bild auf dem Pariser Salon ausgestellt, wo man es mit nur verhaltenem Applaus aufnahm. Auf der Internationalen Jubiläumsausstellung in München beschrieb ein Kritiker das Gemälde als „die wirkliche Darstellung stumpfen, durch ein Einerlei von schwerer Arbeit hervorgerufenen Siechtums. […] Bauernweiber in verschlissenen Schürzen und Holzpantoffeln, mit Gesichtern, die kaum, dass sie jung waren, die Züge grämlichen Alters zeigen, liegen in der Kammer, deren Gebälk wie drückend niederlastet, ihrem mechanischen Tagewerk ob.“<ref>zitiert nach Küster, S.&nbsp;86</ref> Adolph Menzel dagegen lobte das Bild und bezeichnete den Maler als „den einzigen, der Menschen macht und keine Modelle“. [[Datei:Max Liebermann Atelier.jpg|thumb|Max Liebermann in seinem Atelier]] Zu dieser Zeit veröffentlichte der Kunstkritiker Emil Heilbut eine „Studie über den Naturalismus und Max Liebermann“, in der er den Maler als „tapfersten Vorläufer in der neuen Kunst in Deutschland“ bezeichnete.<ref>Hermann Helferich (alias Emil Heilbut): ''Studie über den Naturalismus und Max Liebermann'', in: ''Die Kunst für alle''; Bd. 2, 1887, S.&nbsp;225</ref> Im März 1888 verstarb [[Wilhelm I. (Deutsches Reich)|Kaiser Wilhelm&nbsp;I.]], ihm folgte [[Friedrich III. (Deutsches Reich)|Friedrich&nbsp;III.]] auf den Thron. Mit seiner Regentschaft waren Hoffnungen auf einen Wandel Preußens zur [[Parlamentarische Monarchie|parlamentarischen Monarchie]] verbunden, die mit seinem Tod nur 99&nbsp;Tage später ihr Ende fanden. Max Liebermann weilte im Frühjahr des [[Dreikaiserjahr]]es in [[Bad Kösen]]. Vom Tod Friedrichs&nbsp;III. bestürzt, malte er eine fiktive ''[[Buchenhalle|Gedächtnisfeier für Kaiser Friedrich&nbsp;III. in Bad Kösen]]'', was zeigt, dass er sich trotz seiner links ausgerichteten politischen Ansichten mit der [[Hohenzollern]]monarchie verbunden fühlte. Er wollte [[Freigeist]] sein, doch die preußischen Traditionen abzulehnen brachte er durch seine Prägung nicht fertig.<ref>Scheer, S.&nbsp;244</ref> 1889 fand in Paris anlässlich der Hundertjahrfeier der [[Französische Revolution|Französischen Revolution]] die [[Weltausstellung]] statt. Die Monarchien [[Russland]], [[Vereinigtes Königreich|Großbritannien]] und [[Österreich-Ungarn]] versagten ihre Teilnahme aus Ablehnung der Revolutionsfeier. Als die Deutschen [[Gotthardt Kuehl]], [[Karl Koepping]] und Max Liebermann in die [[Jury]] berufen wurden, sorgte dies in Berlin für politischen Zündstoff. Liebermann fragte beim [[Liste der preußischen Kultusminister|preußischen Kultusminister]] [[Gustav von Goßler]] an, der ihn – einer inoffiziellen Unterstützung gleichkommend – gewähren ließ. Die Zeitung ''La France'' schürte zur gleichen Zeit in Paris eine Kampagne gegen die generelle Teilnahme Preußens. Liebermann fasste den Plan mit Menzel, Leibl, [[Wilhelm Trübner|Trübner]] und [[Fritz von Uhde|von Uhde]] die erste Garde der deutschen Malerei zu präsentieren. Die deutsche Presse machte ihm Andienung an den Revolutionsgedanken zum Vorwurf. Erneut ergriff der alte Adolph Menzel für Liebermann Partei, und die erste Präsentation nicht-offizieller deutscher Kunst auf französischem Boden kam zustande. Die Weltausstellung rückte Liebermann endgültig ins Licht der Öffentlichkeit. In Paris ehrte man ihn mit einer Ehrenmedaille und der Aufnahme in die ''Société des Beaux-Arts''. Den Ritterschlag der [[Ehrenlegion]] lehnte er nur aus Rücksicht auf die preußische Regierung ab.<ref>Küster, S.&nbsp;89</ref> 1889 reiste Liebermann nach [[Katwijk]], wo er mit dem Gemälde ''Frau mit Ziegen'' vom sozialen Milieu als Sujet Abschied nimmt. Nachdem er zunehmend Erfolge feiern konnte, fand er die Muße, sich Bildern leichteren Lebens zu zuwenden. 1890 erhielt Liebermann mehrere Aufträge aus Hamburg, die alle auf Alfred Lichtwark zurückzuführen waren: Neben einem [[Pastellmalerei|Pastell]] der ''Kirchenallee in [[Hamburg-Sankt Georg|St. Georg]]'' bekam er von dort den ersten Portraitauftrag. Nach Fertigstellung des an Hals'scher Malerei orientierten Bildes zeigte sich der Porträtierte, Bürgermeister [[Carl Friedrich Petersen]], empört. Ihm war die Natürlichkeit der Darstellung in Verbindung mit scheinbar beiläufig durch historisierende Kleidung verliehene Amtswürde zuwider. In Lichtwarks Augen blieb das Bürgermeisterbildnis „ein Fehlschlag“.<ref>Küster, S.&nbsp;97</ref> Mehr Erfolg hatte Liebermann mit seinem Werk ''Frau mit Ziegen'', für das er im Frühjahr 1891 auf der Ausstellung des Münchner Kunstvereins die Große Goldmedaille erhielt. === Liebermann als Kopf der Berliner Secession === [[Datei:Palais Liebermann.jpg|thumb|Palais Liebermann am [[Pariser Platz]], rechts neben dem [[Brandenburger Tor]]]] Am 5. Februar 1892 gründete sich in Berlin die [[Vereinigung der XI]], in der sich elf unabhängige Maler zusammenschlossen. Die Vereinigung der XI avancierte in den nächsten Jahren zum Fundament für die spätere [[Berliner Secession|Secessionsbewegung]], die in Opposition zur konservativen Malerschule der Akademie trat. Die Berliner Sezession befand sich zuerst in der [[Kantstraße]], zog dann aber 1905 an den [[Kurfürstendamm]] unweit des [[Romanisches Café|Romanischen Cafés]] und dem 1917 eröffnetem Atelier der bekannten Berliner Gesellschaftsfotografin [[Frieda Riess]]. Laut Lovis Corinth war Liebermann bereits kurz nach ihrer Gründung „''der heimliche Führer der anarchischen Elfer''“<ref>Küster, S.&nbsp;101</ref> Unter dem Einfluss Wilhelms&nbsp;II. verschärften sich die reaktionären Tendenzen in der Kulturpolitik des Kaiserreiches zunehmend (siehe auch: ''[[Siegesallee#Rinnsteinkunst|Rinnsteinkunst]]''). Die Kunstkritiker der Hauptstadt reagierten höchst unterschiedlich auf die Gründung einer Künstlerbewegung, die sich gegen die ''offizielle'' Richtung stellte. Die meisten verunglimpften insbesondere Liebermann und bezeichneten seine Malweise etwa als „patzig hinstreichende Manier“, dennoch bestritt kaum jemand seine Stellung als führender Berliner Künstler.<ref>Vgl. Jaro Springer alias Dr.&nbsp;Relling, in: ''Kunst für alle'', 8 (1892/1893), S.&nbsp;218f</ref> [[Datei:Liebermann Staffelei.jpg|thumb|left|upright|Max Liebermann an der Staffelei]] Wenige Monate vor dem Tod seiner Mutter im September 1892, als sich deren Gesundheitszustand verschlechterte, bezog Max Liebermann mit seiner Familie das elterliche Palais am [[Pariser Platz]]. Mit großer Selbstdisziplin ging er einem geregelten Tagesablauf nach: Um 10&nbsp;Uhr verließ er das Wohnhaus, um sich in sein Atelier in der Auguste-Viktoria-Straße zurückzuziehen und erst um 18&nbsp;Uhr wiederzukehren. „Ich bin in meinen Lebensgewohnheiten der vollkommene Bourgeois; ich esse, trinke, schlafe, gehe spazieren und arbeite mit der Regelmäßigkeit einer Turmuhr.“<ref>zitiert nach Küster, S.&nbsp;106</ref> Am 5. November 1892 stellte der Verein Berliner Künstler 55 Gemälde des norwegischen Malers [[Edvard Munch]] aus. Die Kritik empörte sich über die Werke und nannte sie „Exzesse des Naturalismus“. Ein Eilantrag vor dem [[Kammergericht]] wurde abgelehnt, ein zweiter führte aber zur Einberufung einer Generalversammlung des Vereins Berliner Künstler. Diese beschloss mit 120 gegen 105 Stimmen die Schließung der Munch-Ausstellung. Damit vollzog sich der endgültige Bruch zwischen konservativ-reaktionärer Schule, als deren Wortführer sich in diesem Streit Anton von Werner profilierte, und der liberal-modernistischen Schule, zu deren bedeutendsten Köpfen Max Liebermann zählte. Unter ihm gründeten noch am Abend der Entscheidung 60 empörte Vereinsmitglieder die ''Freie Künstlervereinigung''. 1893 reiste Liebermann nach [[Rosenheim]], wo er sich mit [[Johann Sperl]] und Wilhelm Leibl traf. Anlässlich einer Ausstellung in Wien erhielt er im Jahr darauf für die ''„Frau mit Ziegen“'' die Große Goldene Medaille. Nach dem Tod seiner Mutter 1892 verstarb 1894 auch Louis Liebermann, sein Vater. Kurz vor dessen Tod hatte Max Liebermann eine späte Zuneigung zu ihm gefunden, die frühere Differenzen zurücktreten ließ. Nach der Versöhnung traf ihn der Abschied besonders schwer. Gleichzeitig vertiefte er sich mit diesen Eindrücken verstärkt in die Arbeit an stimmungsvollen Gemälden.<ref>Scheer, S.&nbsp;259</ref> [[Datei:Allee in Overveen.jpg|thumb|upright|''Allee in [[Bloemendaal|Overveen]]'', 1895 – Liebermann fand ab Mitte der 1890er-Jahre seine persönliche Ausprägung des Impressionismus]] Mit dem Tode seines Vaters wurde Max Liebermann Miterbe eines Millionenvermögens. Auch das Haus am Pariser Platz ging in seinen Besitz über. Nun war es ihm möglich, seine ohnehin für einen Künstler ungewöhnlich luxuriösen Wohnräume nach seinen Wünschen umzugestalten. Er beauftragte den Architekten [[Hans Grisebach (Architekt)|Hans Grisebach]] mit dem Bau einer Wendeltreppe zu einem noch zu errichtenden Dachatelier. Da das Polizeipräsidium wegen eines Paragrafen im Kaufvertrag des Gebäudes, der größere Veränderungen der Bausubstanz verbot, Bedenken anmeldete, beschloss Liebermann, sein Atelier in der Auguste-Viktoria-Straße weiterhin zu nutzen. Die Gemälde aus dieser Zeit sind impressionistischer Natur, wie etwa die 1895 entstandene ''Allee in [[Bloemendaal|Overveen]]''. Auch weiterhin bezog Liebermann die Inspiration für zahlreiche Werke aus seinen regelmäßigen Aufenthalten in den Niederlanden.<ref>Ostwald, S.&nbsp;338</ref> Daneben wandte er sich erstmals der Porträtmalerei zu. 1895 entstand ein Pastellporträt seines Freundes [[Gerhart Hauptmann]], für das er in Venedig den ersten Preis erhielt.<ref>Scheer, S.&nbsp;260</ref> Auch wandte sich Liebermann wieder dem Sujet badender Knaben zu, da ihn die malerische Herausforderung von sich bewegenden Körpern unter freiem Licht interessierte. Doch anstatt wie früher konservative Gemälde mit klassischen Bewegungskompositionen zu schaffen, gelang ihm eine freiere Darstellung des Strandlebens. Zu einer impressionistischen Ausdrucksform kam er aber bei diesem Motiv erst in späteren Jahren. [[Datei:Max Liebermann Corinth.jpg|thumb|left|upright|''Porträt Max Liebermann'' von [[Lovis Corinth]], 1899]] 1896 wurde [[Hugo von Tschudi]] zum Direktor der [[Alte Nationalgalerie|Nationalgalerie]] berufen. Dieser stand den französischen Impressionisten offen gegenüber und begab sich auf eine Ankaufsreise nach Paris. Max Liebermann begleitete ihn dorthin, um ihn bei den [[Kaufverhalten#Ablauf der Kaufentscheidung|Kaufentscheidungen]] für die Nationalgalerie zu beraten. Als von Tschudi sich entschloss, Manets Werk ''[[Im Wintergarten (Manet)|Im Wintergarten]]'' zu erwerben, riet Liebermann ab, da Berlin ja selbst den Naturalismus noch als skandalös empfinden würde. „Was man in Paris in einem Menschenalter nicht aufzufassen vermocht hatte, würde man schwerlich in Deutschland von heut' auf morgen durchzusetzen vermögen.“<ref>Küster, S.&nbsp;113</ref> Über Tschudi konnte Liebermann auch Kontakt zu [[Edgar Degas]] knüpfen, den er in Paris traf. Dort erhielt er auch die Ehrung als ''Ritter der Ehrenlegion'', der der preußische Kultusminister [[Robert Bosse]] zustimmte. Abschließend reiste Liebermann für zehn Tage nach [[Oxford]], wo seinem Bruder [[Felix Liebermann|Felix]] von der [[Universität Oxford|Universität]] die [[Ehrendoktor]]würde verliehen wurde. In London traf er sich mit dem amerikanischen Maler [[James McNeill Whistler]], dessen altmeisterhafter Radierstil nachhaltige Wirkung auf ihn bekam.<ref>Küster, S.&nbsp;117</ref> Durch Einwirken des preußischen Ministers für öffentliche Arbeiten, [[Karl von Thielen]], gestattete das Polizeipräsidium Berlin zeitgleich zu seinem Paris- und Londonaufenthalt den Bau eines Dachateliers im Palais Liebermann.<ref>Scheer, S.&nbsp;263</ref> [[Datei:Atelier Schulgang Laren.jpg|thumb|upright|Max Liebermann in seinem Atelier in der Auguste-Viktoria-Straße, vor dem Gemälde ''Schulgang in Laren'', 1898]] Anlässlich seines 50. Geburtstages 1897 widmete die Akademie der Künste Liebermann einen ganzen Ausstellungssaal, in dem 30 Gemälde, neun Zeichnungen, drei Lithografien und 19 Radierungen gezeigt werden konnten. Nachdem die konservative Berliner Akademie mit ihrer 200-Jahr-Feier 1892 ein [[Fiasko]] erlebt hatte, begann sie sich langsam für moderne Einflüsse zu öffnen. Dies zeigte sich auch in der Verleihung der Großen Goldenen Medaille an Liebermann. Dieser erhielt darüber hinaus den Professorentitel und wurde 1898 in die Akademie aufgenommen – selbst mit der Stimme Anton von Werners. Sein künstlerisches Ansehen stand zu dieser Zeit auf seinem bisherigen Höhepunkt.<ref>Hancke, S.&nbsp;361</ref> Dennoch fielen künstlerische Rückschritte in diese Zeit. Die Sommer 1897 und 1898 verbrachte Liebermann wiederum in [[Laren (Nordholland)|Laren]]. Dort entstanden die ''Weberei in Laren'' und der ''Schulgang in Laren'', worin der Maler auf überwunden geglaubte kompositorische Mittel seiner frühen Jahre zurückgriff.<ref>Küster, S.&nbsp;120</ref> Nachdem die Jury unter Anton von Werner ein Bild des Berliner Malers [[Walter Leistikow]] zur Großen Berliner Kunstausstellung 1898 zurückwies, rief dieser zur Gründung einer Gemeinschaft unabhängiger Künstler auf. Als Präsident dieses Zusammenschlusses moderner, freier Künstler wurde Max Liebermann gewählt.<ref>Lovis Corinth: ''Das Leben Walter Leistikows''. Berlin 1910, nach Küster, S.&nbsp;121</ref> Den Vorstand bildeten neben dem Präsidenten Liebermann und Walter Leistikow die Künstler Otto H. Engel, [[Ludwig Dettmann]], Oskar Frenzel, Curt Herrmann und [[Fritz Klimsch]]. Liebermann war bei der Gründung der Sezession nicht als Wortführer hervorgetreten, sondern trat erst an ihre Spitze, als er von seinen Kollegen dazu gedrängt wurde. Der Bekanntheitsgrad seiner Person verschaffte der Berliner Sezessionsbewegung besonderes Öffentlichkeitsinteresse.<ref>Curt Glaser: ''Die Geschichte der Berliner Secession''. In: ''Kunst und Künstler''. Jahrgang 26 (1927/1928), S.&nbsp;14</ref> Als Sekretäre zog Liebermann die Galeristen [[Bruno Cassirer|Bruno]] und [[Paul Cassirer]] hinzu. [[Datei:Liebermann Sezessionsausstellung.jpg|thumb|left|Der Vorstand der Berliner Secession in der II.&nbsp;Secessionsausstellung 1900. Max Liebermann 2.&nbsp;v.r.]] Für die erste Secessionsausstellung im Mai 1899 konnte Liebermann auch Künstler der [[Münchner Sezession|Münchner]], der [[Darmstädter Sezession|Darmstädter]] und der [[Stuttgarter Sezession]] gewinnen. Ergänzt wurden diese durch die [[Künstlerkolonie Worpswede]], [[Arnold Böcklin]], Hans Thoma, [[Max Slevogt]] und Lovis Corinth. Letztere stellten zum ersten Mal in der Hauptstadt aus. Unter den Berliner Bürgern entbrannten angeregte Diskussionen für und wider die Secession, die der bildenden Kunst neue Aufmerksamkeit verschafften.<ref>Küster, S.&nbsp;124</ref> Der Erfolg der Ausstellung, die mit über 1800 Besuchern und hohen Verkaufszahlen die Erwartungen überstieg, konnte 1900 noch gesteigert werden. Die Secessionsausstellungen wuchsen unter Liebermanns Führung zu einem europäischen Kunstereignis. Um 1900 entwarf er gemeinsam mit Corinth, Slevogt und anderen Künstlern für den Kölner Schokoladeproduzenten [[Ludwig Stollwerck]] Stollwerck-[[Sammelbilder]] u.a. für das Stollwerck-Sammelalbum IV. <ref> Imhoff-Schokoladenmuseum: Sammelbilder. Köln, 2010. </ref> Durch den Zuzug Corinths und Slevogts 1901 veränderte sich Berlins Rolle in der deutschen Kunstlandschaft erheblich. Während der Niedergang Münchens sich beschleunigte, kam Berlin nun auch in der Kunst die Stellung als Hauptstadt zu. Der Akademierektor Anton von Werner versuchte mit allen Mitteln, den Aufstieg der modernen Strömungen zu bremsen. Dabei ging er selbst weiter, als es Wilhelm&nbsp;II. tat. Diesem missfiel zwar die Secession, doch ließ er sie letztlich gewähren. Während sich die Akademieleitung immer weiter von der Realität der Kunstlandschaft entfernte, begann die preußische Regierung (und insbesondere der Kultusminister [[Heinrich Konrad Studt]]) langsam in der Kunst freiheitlicher zu denken. So befürwortete Studt das Konzept Liebermanns für die Weltausstellung 1904 in [[St. Louis|St.&nbsp;Louis]], das gleichgewichtete Beteiligungen der Akademie und der Secession vorschlug. Von Werner wies es mit den Worten zurück: „Mit idealen Zielen und besonderen künstlerischen Strömungen haben diese secessionistischen Bewegungen nicht das geringste zu tun, sie dienen lediglich geschäftigen Interessen.“<ref>Küster, S.&nbsp;129</ref> [[Datei:Landhaus in Hilversum.jpg|thumb|''Landhaus in Hilversum'', 1901. Liebermann entdeckt die Gartendarstellung als [[Sujet]] für einen unbeschwerten Impressionismus]] Im Sommer 1899 weilte Liebermann in Zandvoort und Scheveningen. Dort entwickelte er seine Gemälde badender Knaben weiter, hin zu einer unbeschwerten Darstellung eleganten Strandlebens. Die Motive der spartanischen holländischen Landbevölkerung traten als [[Sujet]] zurück. Er suchte eine Motivwelt, die ihm die Grundlage für einen lichten Impressionismus bot. Daher wandte er sich, neben dem kultivierten Strandleben (mit schemenhaften Reiter- und Frauendarstellungen), dem Lichtspiel in üppigen Gärten zu. 1901 entstand nach dem Vorbild von Édouard Manets ''Landhaus in Rueil'' das Werk ''Landhaus in [[Hilversum]]'', das durch Schatten- und Lichtwechsel Ruhe und Harmonie ausstrahlt. Im Sommer 1901 besuchte Liebermann den [[Artis (Zoo)|Amsterdamer Zoo]]. Dort entdeckte er die Papageienallee als Thema.<ref>Natter/Schoeps: ''Max Liebermann und die Impressionisten'', S.&nbsp;118</ref> [[Datei:Liebermann Restaurant Jacob.jpg|miniatur|left|Terrasse des Restaurants Jacob in Nienstedten an der Elbe, 1902, Hamburger Kunsthalle]] [[Datei:Liebermann Papageienallee 1902.jpeg|thumb|upright|''Papageienallee'', 1902]] 1902 reiste Liebermann erneut nach Hamburg, wo er auf Einladung des ersten Direktors der [[Hamburger Kunsthalle]], [[Alfred Lichtwark]], vom 3. Juli bis 5. August 1902 im [[Hotel Louis C. Jacob|Hotel Jacob]] an der [[Elbchaussee]] wohnte, das auch heute noch existiert. Er sollte für die "Sammlung von Bildern aus Hamburg" Ansichten der Umgebung malen. Es entstand unter anderem das Bild ''[[Polo (Sport)|Polospiel]] in [[Jenisch-Haus|Jenischs Park]]'' und eines seiner bekanntesten Werke ''Terrasse des Restaurants Jacob in [[Hamburg-Nienstedten|Nienstedten an der Elbe]]''.<ref>Küster, S.&nbsp;137</ref> 1903 erfolgte eine erste Veröffentlichung als Professor der Akademie der Künste: Unter dem Titel ''Die Phantasie in der Malerei'' lehnte er Gebilde, die nicht auf die Anschauung eines Wirklichen zurückgingen, kategorisch ab. Bei der Malerei sei das Sujet im Grunde gleichgültig, es komme auf „die den malerischen Mitteln am meisten adäquate Auffassung der Natur“ an. Damit lehnte er die junge Bewegung der [[Abstrakte Kunst|abstrakten Kunst]], insbesondere den [[Expressionismus]], entschieden ab. Liebermanns Essay war keine Kampfschrift, es war sein persönliches Plädoyer für den Naturalismus und den Impressionismus. Für die nachwachsende [[Avantgarde]] des Expressionismus verschob sich so langsam das „Feindbild“ von der reaktionären Akademieleitung zum impressionistischen Secessionsvorstand. Als Reaktion auf Liebermanns Aufsatz griffen [[Henry Thode]] und Hans Thoma dessen Kunstanschauung an: In Bezug auf sein naturalistisches Frühwerk erklärten sie, sie seien nicht gewillt, sich „von Berlin aus aufgewärmten Kohl als Kunstgesetze diktieren zu lassen“. Diese Argumentation deutete bereits auf die spätere Secessionskrise hin.<ref>Küster, S.&nbsp;141</ref> [[Datei:Das Atelier des Künstlers.jpg|thumb|''Das Atelier des Künstlers'', 1902 – in seinem Dachatelier im Palais Liebermann herrschte eine elegant-beschwingte Arbeitsatmosphäre]] Als die Berliner Secession 1905 von der [[Kantstraße]] in ein größeres Ausstellungsgebäude am [[Kurfürstendamm]] zog, knüpfte Liebermann engere Kontakte zu [[Wilhelm von Bode]], dem Direktor der Nationalgalerie. Im Sommer malte er in Amsterdam Ölgemälde der Judengasse, die er drei Jahrzehnte zuvor kennengelernt hatte. Im September ging er erneut für eine Auftragsarbeit Lichtwarks nach Hamburg, um für die Hamburger Kunsthalle ein repräsentatives Bild von neun Hamburger Professoren zu malen. Liebermanns Schaffenskraft hatte ihren Höhepunkt erreicht.<ref>Hacnke, S.&nbsp;452</ref> Seit dem Tode Adolph Menzels, der ihn stark beeinflusst hatte, war er zudem zum einzigen Spitzenvertreter Berliner Kunst geworden. 1907 widmete die Berliner Sezession ihrem Präsidenten eine große Geburtstagsausstellung, die ein großer Besuchererfolg wurde. Seinen 60.&nbsp;Geburtstag verbrachte Liebermann in [[Noordwijk]], wo er sich von der Begeisterung um seine Person zurückzog.<ref>Scheer, S.&nbsp;297</ref> Seit 1900 befasste sich Liebermann zudem verstärkt mit der Grafik und der Bleistift-Zeichnung. 1908 präsentierte die Secession 59 seiner Radierarbeiten in der „Schwarz-Weiß-Ausstellung“.<ref>Küster, S.&nbsp;151ff</ref> === Die Secessionskrise === [[Datei:Liebermann Karikatur.jpg|thumb|left|upright|Max Liebermann als ''Tyrann der Berliner Secession'', Karikatur 1902]] 1908 verstarb Walter Leistikow, der als Gründer eine wichtige Stütze der Berliner Secession gewesen war. Die Gesundheitslage Liebermanns verschlechterte sich seit Frühjahr 1909, weshalb er zur Kur nach [[Karlsbad]] fuhr. Gerade in dieser Zeit brach der Generationenkonflikt aus, der zwischen Impressionisten und Expressionisten seit längerem unter vorgehaltener Hand schwelte: 1910 wies der Secessionsvorstand unter Liebermann 27 expressionistische Bilder zurück: Der Präsident erhob seine Meinung vom Expressionismus zur Institution, und so trat der ehemalige Rebell gegen die Akademie-Kunst selbst als konservativer Wortführer auf. Damit leitete er gleichzeitig den Zerfall der Secessionsbewegung ein. Den Gegenpart vertrat in diesem Konflikt [[Emil Nolde]], der schrieb: „Dem so klugen alten Liebermann geht es wie manchem klugen Mann vor ihm: er kennt seine Grenzen nicht; sein Lebenswerk […] zerblättert und zerfällt; er sucht zu retten, wird dabei nervös und phrasenhaft. […] sie erkennt, wie absichtlich dies alles ist, wie schwach und kitschig. […] Er selbst beschleunigt das Unvermeidliche, wir Jüngeren können es gelassen mit ansehen.“<ref>Emil Nolde an Karl Scheffler, 10. Dezember 1910, zitiert nach Küster, S.&nbsp;157</ref> Nolde warf Liebermann die grundsätzliche Fortschrittsfeindlichkeit und eine diktatorische Macht innerhalb der Sezession vor. Zumindest Ersteres ging in Teilen an der Realität vorbei: Im Jahr 1910 kamen erstmals Werke [[Pablo Picasso]]s, [[Henri Matisse]]s, [[Georges Braque]]s und der [[Fauvismus|Fauvisten]] zur Ausstellung. Der Sezessionsvorstand stellte sich hinter seinen Präsidenten und nannte Noldes Vorgehen eine „krasse Heuchelei“. Man berief eine Generalversammlung ein, die mit 40 zu 2 Stimmen für den Ausschluss Noldes stimmte. Liebermann selbst hatte gegen den Ausschluss gestimmt und führte in einer Verteidigungsrede aus: „Ich bin absolut gegen die Ausschließung des Schreibers, selbst auf die Gefahr hin, dass ähnliche Motive […] zu […] solchen sogenannten «Oppositionen der Jüngeren» treiben könnten.“<ref>Küster, S.&nbsp;158</ref> Obwohl Liebermann aus dieser Debatte gestärkt hervorging, hatte Nolde sein Ziel erreicht: Die Secession war in ihren Grundfesten erschüttert. Durch seine eigenen Bemühungen zur Ehrenrettung Noldes hatte er seine Toleranz verdeutlichen wollen, doch die Spaltung der Secessionsbewegung war nicht aufzuhalten. Nolde gründete die „Neue Secession“, in die Maler der [[Brücke (Künstlergruppe)|Brücke]] und der [[Neue Künstlervereinigung München|Neuen Künstlervereinigung München]] eintraten. Im Frühjahr 1911 flüchtete Liebermann vor der Secessionskrise in Berlin nach Rom. Der Tod seines Freundes Jozef Israëls fiel ebenfalls in diese Zeit. Die Kritik an seinem Führungsstil wurde immer lauter, bis sie schließlich sogar aus den eigenen Reihen drang: Am 16. November 1911 trat Liebermann selbst als Präsident der Berliner Secession zurück. [[Max Beckmann]], Max Slevogt und [[August Gaul]] nahmen ebenfalls ihren Abschied. Die Generalversammlung wählte Liebermann zu ihrem Ehrenpräsidenten und übertrug Lovis Corinth die Secessionsführung. Mit dieser Entscheidung wurde das Ende der Secession vorweggenommen und der Niedergang des deutschen Impressionismus besiegelt. [[Datei:Max-Liebermann-Villa.jpg|thumb|[[Villa Liebermann]] am [[Großer Wannsee|Wannsee]]]] Bereits 1909 hatte Liebermann ein Grundstück am Ufer des [[Großer Wannsee|Wannsees]] erworben. Dort ließ er sich nach Vorbildern Hamburger Patriziervillen durch den Architekten [[Paul Otto August Baumgarten]] einen Landsitz errichten. Die [[Liebermann-Villa]], die dieser im Sommer 1910 erstmals bezog, nannte er sein „Schloss am See“. Darin fühlte sich Liebermann wohl und genoss besonders seine persönliche Gestaltung.<ref>Küster, S.&nbsp;179</ref> Besondere Freude bereitete ihm der große Garten, der von ihm und Alfred Lichtwark entworfen wurde und als Sujet Eingang in zahlreiche Spätwerke Liebermanns fand. Die erste post-Liebermann'sche Jahresausstellung der Secession geriet 1912 unter dem Vorsitz Corinths zu keinem Erfolg. Den Sommer des Jahres verbrachte Liebermann wiederum in Noordwijk. Bei einem Aufenthalt in [[Den Haag]] verlieh ihm [[Wilhelmina (Niederlande)|Königin Wilhelmina]] den [[Hausorden von Oranien]]. Die [[Humboldt-Universität zu Berlin|Friedrich-Wilhelms-Universität Berlin]] ernannte ihn zum Ehrendoktor, und es erfolgte auch der von ihm lang ersehnte Ruf in den Senat der Akademie der Künste. Die [[Liste von Hochschulen für Bildende Kunst|Kunsthochschulen]] in [[Akademie der bildenden Künste Wien|Wien]], [[Institut Saint-Luc|Brüssel]], [[Mailand]] und [[Kungliga Konsthögskolan Stockholm|Stockholm]] machten ihn zu ihrem Mitglied. Berliner Bürger, die Rang und Namen hatten, ließen sich von Liebermann portraitieren.<ref>Scheer, S.&nbsp;303</ref> Anfang 1913 trat Corinth als Vorsitzender der Secession mit dem gesamten Vorstand zurück, Paul Cassirer wurde zum Vorsitzenden gewählt. Der Ehrenpräsident versuchte diese Berufung eines Nicht-Künstlers zu verhindern, wollte aber nicht „''wieder in die Bresche springen''“. Cassirer schloss für die Jahresausstellung 1913 genau die Mitglieder aus, die in der Generalversammlung gegen ihn gestimmt hatten. Auf deren Seite stellte sich unerwartet Lovis Corinth.<ref>Vgl. Lovis Corinth: ''Selbstbiografie''. S.&nbsp;154</ref> Liebermann und andere Gründungsmitglieder der Secession verließen in dieser zweiten Krise die Vereinigung. Im Februar 1914 erfolgte schließlich die Gründung der „[[Freie Secession|Freien Secession]]“, die Tradition der ersten Secessionsbewegung fortsetzte.<ref>Berliner Zeitung, 12. Februar 1914, zitiert nach Küster, S.&nbsp;164</ref> Zwischen Liebermann und Corinth bestand eine für die Rumpfsecession und die Freie Secession symbolische Feindschaft. Corinth versuchte bis zu seinem Tode nach Möglichkeit gegen Liebermann vorzugehen und zeichnete auch in seiner Autobiografie ein zutiefst von Abneigung erfülltes Bild seines Kollegen, der sich immer weiter aus dem Rampenlicht zurückzog und sich seinem Garten am Wannsee widmete. === Kriegszeit === [[Datei:Liebermann Kriegszeit.jpg|thumb|left|upright|''Vor dem Schloss'': Lithografie, ''Kriegszeit'' Nr.&nbsp;1, 31. August 1914. „Ich kenne keine Parteien mehr, kenne nur noch Deutsche (der Kaiser)“]] Drei Wochen nach Ausbruch des [[Erster Weltkrieg|Ersten Weltkriegs]] schrieb der 67-jährige Liebermann: „Ich arbeite so ruhig als möglich weiter, in der Meinung, dass ich dadurch dem Allgemeinen am besten diene.“<ref>Scheer, S.&nbsp;307</ref> Trotz solcher Äußerungen war er vom allgemeinen [[Patriotismus]] erfasst. Er widmete sich der künstlerischen Kriegspropaganda und zeichnete für die Zeitung ''Kriegszeit – Künstlerflugblätter'', die von Paul Cassirer wöchentlich herausgegeben wurde. Die erste Ausgabe zeigte eine Lithographie Liebermanns der bei Kriegsbeginn vor dem [[Berliner Stadtschloss]] anlässlich der „Parteienrede“ Wilhelms&nbsp;II. versammelten Massen. Liebermann begriff die Worte des Kaisers als Aufruf, der nationalen Sache zu dienen und gleichzeitig die gesellschaftlichen Schranken zurückzufahren. So konnte in dieser Zeit seine doppelte Außenseiterrolle als Jude und Künstler (zumindest scheinbar) aufgehoben werden. Durch den prosemitischen Aufruf des Kaisers „An meine lieben Juden“ fühlte er sich zusätzlich zur zivilen Mitwirkung im Kriege verpflichtet. Der frühere Vorkämpfer der Secessionsbewegung stand nun vollkommen auf dem Boden des Kaiserreichs. Er identifizierte sich mit der [[Burgfriedenspolitik]] des Reichskanzlers [[Theobald von Bethmann Hollweg]], der versuchte, innere Gegensätze in der deutschen Gesellschaft zu überbrücken. Bethmann Hollweg vertrat liberalere Ansichten als die Kanzler vor ihm, 1917 wurde er von Liebermann in einer Lithografie portraitiert.<ref>Vgl. Jenns Eric Howold und Uwe M. Schneede (Herausgeber): Katalog zur Ausstellung ''Im Garten von Max Liebermann'' in der Hamburger Kunsthalle und der Alten Nationalgalerie 2004. Nicolaische Verlagsbuchhandlung. S.&nbsp;12ff</ref> Im Herbst 1914 gehörte Max Liebermann zu den 93 Unterzeichnern, überwiegend Professoren, Schriftsteller und Künstler, des Aufrufes [[Manifest der 93|„An die Kulturwelt!“]], in dem deutsche Kriegsverbrechen mit einem sechsfachen „Es ist nicht wahr!“ zurückgewiesen wurden. Er äußerte sich nach dem Krieg selbstkritisch über diesen Aufruf: „Zu Beginn des Krieges überlegte man nicht erst lange. Man war mit seinem Lande solidarisch verbunden. Ich weiß wohl, dass die Sozialisten eine andere Auffassung haben. […] Ich bin nie Sozialist gewesen, und man wird es auch nicht mehr in meinem Alter. Meine ganze Erziehung habe ich hier erhalten, mein ganzes Leben habe ich in diesem Hause zugebracht, das schon meine Eltern bewohnten. Und es lebt in meinem Herzen auch das deutsche Vaterland als ein unantastbarer und unsterblicher Begriff.“<ref>Scheer, S.&nbsp;307</ref> [[Datei:Max Liebermann 1916.jpg|thumb|upright|Selbstportrait, Max Liebermann, 1916]] Zudem trat er in die [[Deutsche Gesellschaft 1914]] ein, in der sich unter dem Vorsitz des liberal-konservativen Politikers [[Wilhelm Solf]] Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens zu politischem und privatem Austausch zusammenschlossen. Einzige Bedingung war nicht eine bestimmte eigene politische Richtung, sondern lediglich das Eintreten für die Burgfriedenspolitik des Kanzlers Bethmann Hollweg.<ref>Eberhard von Vietsch: ''Wilhelm Solf – Botschafter zwischen den Zeiten''. Rainer Wunderlich Verlag, Tübingen 1961. S.&nbsp;142ff</ref> Je weiter der Krieg fortschritt, desto größer wurde Liebermanns Rückzug ins Private, in sein Landhaus am Wannsee. Doch auch die Porträtmalerei beschränkte sich zu Anfang nur auf Militärs, wie [[Karl von Bülow]]. Bereits vor Kriegsausbruch war Liebermann der unangefochtene Porträtmaler des Berliner Großbürgertums gewesen: Wer etwas auf sich hielt, ließ sich von ihm in Öl malen. Auf diese Weise entstand ein enormes Œuvre an Porträts, das Liebermanns Ruf als Maler seiner Epoche festigte. Für seine große Kriegsbegeisterung musste er dagegen später starke Kritik einstecken. Der Kunstschriftsteller [[Julius Meier-Graefe]] schrieb in Bezug auf die Lithographien in der ''Kriegszeit'': „Mancher gibt heute Kuh und Kohlstrunk auf und entdeckt auf einmal in dem Krieg neue Motive, ein anderer kommt auf den Einfall, seinem Polospieler einen Säbel in die Hand zu geben, und bildet sich ein, so schaffe man einen Sieger.“<ref>Catherine Krahmer (Hrsg.): ''Julius Meier-Graefe. Kunst ist nicht für Kunstgeschichte da''. Göttingen 2001, S.&nbsp;408–409</ref> Liebermann verließ Berlin mit Ausnahme zweier Kuraufenthalte in [[Wiesbaden]] 1915 und 1917 nicht. Somit verbrachte er die Sommer nicht mehr in den Niederlanden, sondern am Wannsee, während er im Winter am Pariser Platz wohnte. Seine Familie litt nicht Not, auch wenn sie wegen der Versorgungsunsicherheit die Blumenbeete seines Landhauses zum Gemüseanbau nutzte. Im Mai 1915 heiratete Käthe Liebermann, die mittlerweile fast 30-jährige Tochter des Malers, den Diplomaten [[Kurt Riezler]], der als Berater Bethmann Hollwegs enge Kontakte zur Politik hatte. In diesem Jahr verstarb Anton von Werner, gleichsam als Symbol einer endenden Ära, ebenso Liebermanns Cousin Emil Rathenau. Die Gründer-Generation schied und eine neue Zeit stand vor ihrem Beginn. Im April 1916 erschien Liebermanns Aufsatz „Die Phantasie in der Malerei“ erstmals in Buchform. In der neuverfassten Einleitung schrieb er: „Waren die ästhetischen Ansichten verwirrter als heut? – Wo ein jünger Kunsthistoriker [[Wilhelm Worringer]] aus den Schützengräben Flanderns heraus schreibt, dass der Krieg nicht nur für die Existenz Deutschlands, sondern über den Sieg des Expressionismus entscheidet.“<ref>Max Liebermann: ''Die Phantasie in der Malerei''. Berlin 1916, S.&nbsp;14</ref> Als die ''Kriegszeit'' 1916 ihren Namen im Zuge der nachlassenden Kriegsbegeisterung in „''Bildermann''“ änderte, gab Liebermann die Mitwirkung auf. Stattdessen befasste er sich erstmals mit der [[Illustration]]: 1916 und 1917 entstanden Arbeiten zu [[Johann Wolfgang von Goethe|Goethes]] ''[[Novelle (Goethe)|Novelle]]'' und ''Der Mann von fünfzig Jahren'' sowie [[Heinrich von Kleist|Kleists]] ''Kleinen Schriften''. Sein illustratorischer Stil beschreibt die Atmosphäre an Wendepunkten der Dramaturgie und war nicht zum Erzählen angelegt, weshalb ihm der Durchbruch auf diesem Gebiet nicht gelang und er die Arbeit an Illustrationen bald für zehn Jahre einstellte.<ref>Hancke, S.&nbsp;345</ref> [[Datei:Liebermann Garten.jpg|thumb|left|„''Die Blumenterrassen im Wannseegarten nach Südwesten''“, 1919 – ab 1916 entstanden vermehrt Gemälde des Gartens am Wannsee]] 1917 widmete die Preußische Akademie der Künste Liebermann zum 70.&nbsp;Geburtstag eine große Retrospektive seines Werkes. Fast 200 Gemälde wurden in der Ausstellung gezeigt. [[Julius Elias]] nannte die Ehrungen für den Maler „eine Krönung“. Der Direktor der Nationalgalerie [[Ludwig Justi]] (Nachfolger von Tschudis) stellte ihm ein eigenes Kabinett in Aussicht. Wilhelm II. stimmte der Geburtstagsausstellung zu und verlieh Liebermann den [[Roter Adlerorden|Roten Adlerorden]] III.&nbsp;Klasse. Der Geehrte stellte zufrieden fest, Seine Majestät habe das Kriegsbeil gegen die moderne Kunst begraben.<ref name="Scheer313">Scheer, S.&nbsp;313</ref> [[Walther Rathenau]] veröffentlichte im [[Berliner Tageblatt]] ein [[Essay]] über die Ausstellung: „In Liebermann malt das neue, großstädtisch mechanisierte Preußen sich selbst. […] Der Sohn der Stadt, des jüdischen Patriziats, der übernationalen Bildung wurde zu diesem Dienst ausersehen; ein Mensch des Geistes und Willens, des Kampfes, der Leidenschaft und Reflexion musste es sein.“<ref name="Scheer313"/> Am 18. Januar 1918 fand die feierliche Eröffnung des Max-Liebermann-Kabinetts der Nationalgalerie statt. Die Einweihungsrede hielt der Kultusminister [[Friedrich Schmidt-Ott]]. Wenige Wochen später streikten allein in Berlin 500.000 Arbeiter - das Reich stand vor einem Umbruch. Als schließlich die [[Novemberrevolution]] ausbrach, hielt sich Liebermann im Haus am Pariser Platz auf. In seinem eigenen Haus wurden Maschinengewehre der Monarchisten installiert, weshalb die Soldaten der Revolutionäre das Palais angriffen. Nachdem eine Kugel durch die Wand der ersten Etage in den Salon gegangen war, ergaben sich die Verteidiger. Nach diesem Vorfall brachte Liebermann seine wertvolle Bildersammlung in Sicherheit und zog mit seiner Frau für einige Wochen ins Haus der Tochter. Den politischen Veränderungen stand Liebermann negativ gegenüber: Zwar befürwortete er die Einführung des gleichen Wahlrechts in Preußen und demokratisch-parlamentarische Reformen auf Reichsebene, doch brach für ihn „eine ganze Welt, wenn auch eine morsche“, zusammen. Er hatte bereits 1917 den Abgang Bethmann Hollwegs bedauert und sah in der Republikanisierung die Chance auf eine parlamentarische Monarchie vertan. „Wir haben inzwischen böse Zeiten durchgemacht. […] Berlin ist zerlumpt, schmutzig, abends dunkel, […] eine todte Stadt, dazu Soldaten, die Streichhölzer oder Zigaretten in der [[Friedrichstraße]] oder [[Unter den Linden]] verkaufen, blinde Drehorgelspieler in halbverfaulten Uniformen, mit einem Wort: jammervoll.“<ref>Scheer, S.&nbsp;316</ref> === Späte Jahre === [[Datei:Bundesarchiv Bild 146-1998-029-9, Berlin, AdK-Ausstellung, Max Liebermann, Pierre de Margerie.jpg|thumb|Liebermann (Mitte) bei der Eröffnungsrede einer Ausstellung in der Berliner Akademie der Künste, 1922]] [[Datei:Max Liebermann 1925.jpg|thumb|upright|Selbstportrait, Max Liebermann, 1925]] Nach Kriegsende und Revolution übernahm Liebermann 1920 das Amt des Präsidenten der [[Preußische Akademie der Künste|Berliner Akademie der Künste]]. Die Secessionen bestanden parallel dazu weiterhin, bis sie fast lautlos zerfielen. Mit der Wahl Max Liebermanns zum Akademiepräsidenten endete de facto die Zeit der Secessionsbewegung. Er versuchte, die verschiedenen Strömungen unter dem Dach der Akademie zu vereinigen, und bezog dabei auch den Expressionismus ein. In der Eröffnungsrede der Akademieausstellung sagte er: „''Wer selbst in seiner Jugend die Ablehnung des Impressionismus erfahren hat, wird sich ängstlich hüten, gegen eine Bewegung, die er nicht oder noch nicht versteht, das Verdammungsurteil zu sprechen, besonders als Leiter der Akademie, die wiewohl ihrem Wesen nach konservativ, erstarren würde, wenn sie sich der Jugend gegenüber rein negativ verhalten würde.''“ Damit war er zu seiner Liberalität der Zeit vor der Sezessionskrise zurückgekehrt und versuchte nun, mit Toleranz die Geschicke der Akademie zu lenken.<ref>Küster, S.&nbsp;197</ref> Angesichts der Notwendigkeit eines Neuaufbaus der zusammengebrochenen kaiserlichen Institution gelang es Liebermann, ihr eine demokratische Struktur, ein freiheitliches Unterrichtswesen und gleichzeitig größere Beachtung der Öffentlichkeit zu verschaffen. Durch seine Fürsprache wurden [[Max Pechstein]], [[Carl Hofer]], [[Heinrich Zille]], [[Otto Dix]] und [[Karl Schmidt-Rottluff]] in die Akademie aufgenommen. [[Datei:Liebermann Garten Wannsee.jpg|thumb|left|''Wannseegarten'', 1926. Das Spätwerk Liebermanns ist geprägt durch Rückzug ins Private und impressionistische Darstellungen seines Gartens]] 1922 wurde Walther Rathenau von rechtsradikalen Aktivisten ermordet. Liebermann wurde von dem Mord an seinem Verwandten und Weggefährten zutiefst aufgewühlt. Er fertigte Lithografien zu [[Heinrich Heine]]s ''Rabbi von [[Bacharach]]'' neben zahlreichen Gemälden seines Gartens und Zeichnungen im Gedenken an gefallene jüdische Frontsoldaten. Am 7. Oktober 1924 verstarb sein jüngerer Bruder Felix Liebermann, der ihm zeit seines Lebens auch ein Freund gewesen war. Nur zwei Tage später hatte er den Tod seines Verwandten [[Hugo Preuß]], des Vaters der [[Weimarer Verfassung]], zu beklagen. Liebermann zog sich immer mehr in sich selbst und seinen Garten zurück. Auf seine Mitmenschen wirkte er oft unwirsch und mürrisch.<ref>Scheer, S.&nbsp;325</ref> Dennoch trat er weiterhin, obgleich seine eigenen Werke als „Klassiker“ oder missgünstig als altmodisch galten, für künstlerische Progressivität und auch politische Kunst ein. So unterstützte er das Gemälde ''Schützengraben'' von [[Otto Dix]], das das Grauen des Weltkrieges emotional darstellte und dem vorgeworfen wurde, ein „tendenziöses Machwerk“ zu sein; für Liebermann war es „eines der bedeutendsten Werke der Nachkriegszeit“.<ref>Scheer, S.&nbsp;326</ref> Gleichzeitig polemisierte er, trotz seiner im Grunde toleranten Anschauungen, gegen Ludwig Justi, der Expressionisten in der Nationalgalerie zur Ausstellung brachte. Seine öffentlichen Anfeindungen stellen ein tragisches Kapitel seiner Biographie dar. Im September 1926 äußerte sich Max Liebermann in der ''Jüdisch-Liberalen Zeitung''. In der [[Jom Kippur]]-Ausgabe bekannte er sich öffentlich zu seinem Glauben, zu dem er im Alter verstärkt zurückfand. Er unterstützte darüber hinaus das jüdische Kinderheim „Ahawah“ und den „Jüdischen Hilfsverein“. [[Datei:Liebermann Zille.jpg|thumb|''Zille und sein „Milljöh“ gratulieren Max Liebermann''. Lithografie von [[Heinrich Zille]], 1927]] 1927 trat Liebermann wieder ins Licht der Öffentlichkeit: Medien und Kunstwelt feierten ihn und sein Werk anlässlich seines 80.&nbsp;Geburtstags. Unter den Gratulanten fanden sich neben dem Berliner Urgestein Zille auch internationale Größen wie [[Albert Einstein]], [[Heinrich Mann|Heinrich]] und [[Thomas Mann]] sowie [[Hugo von Hofmannsthal]]. Nie zuvor wurde ein deutscher Künstler von seiner Heimatstadt in einer solchen Form geehrt, wie es Berlin mit der über 100 Gemälde Liebermanns umfassenden Geburtstagsausstellung tat. Sein Lebenswerk erschien mittlerweile klassisch, der ehemals provokante Stil wirkte 1927 wie Dokumente einer vergangenen Epoche. Daher entgegnete der alte Liebermann Kritikern, die ihm Weltentrücktheit und Konservatismus vorwarfen, im Katalog der Ausstellung: „Der Fluch unserer Zeit ist die Sucht nach dem Neuen […]: der wahre Künstler strebt nach nichts anderem, als: zu werden, der er ist.“<ref>zitiert nach Küster, S.&nbsp;205</ref> Die Stadt Berlin verlieh ihm die Ehrenbürgerwürde, um die allerdings in der Stadtverordnetenversammlung hitzig gerungen wurde. An seinem Geburtstag ehrte [[Reichspräsident]] [[Paul von Hindenburg]] Liebermann mit dem [[Adlerschild des Deutschen Reiches]] „als Zeichen des Dankes, den Ihnen das deutsche Volk schuldet“. Innenminister [[Walter von Keudell]] überreichte ihm die Goldene Staatsmedaille mit der Prägung „Für Verdienste um den Staat“. Ende 1927 porträtierte Liebermann den Reichspräsidenten Hindenburg. Obgleich er sich politisch nicht zu ihm bekannte, so nahm er doch den Auftrag gerne an und empfand ihn als weitere Ehrung. In seiner Arbeit verzichtete er auf pathetische Elemente der Darstellung. Die Porträtsitzungen der Gleichaltrigen waren geprägt von gegenseitigem Respekt und gewisser Sympathie. In Hindenburg sah der „Altmeister der deutschen Moderne“ einen altgedienten preußischen Patrioten, der unmöglich in Unvernunft entgleisen könnte. Liebermann schrieb: „Neulich hat ein Hitlerblatt geschrieben – man hat mir das zugeschickt –, es wäre unerhört, dass ein Jude den Reichspräsidenten malt. Über so etwas kann ich nur lachen. Ich bin überzeugt, wenn Hindenburg das erfährt, lacht er auch darüber. Ich bin doch nur ein Maler, und was hat die Malerei mit dem Judentum zu tun?“<ref>zitiert nach Küster, S.&nbsp;213</ref> <div align="center"><gallery> Datei:Liebermann Hindenburg.jpg|Max Liebermann vor dem ''Bildnis Paul von Hindenburg'', 1927 Datei:Bundesarchiv Bild 146-1998-029-6, Max Liebermann.jpg|Max Liebermann 1931 Datei:Bundesarchiv Bild 102-00355, Max Liebermann.jpg|Max Liebermann 1932 Datei:Max Liebermann 1934.jpg|Selbstportrait, Max Liebermann, 1934 </gallery></div> 1932 erkrankte Liebermann ernsthaft. Aus diesem Grund stellte er sein Amt als Akademiepräsident zur Verfügung, wurde aber gleichzeitig zu ihrem Ehrenpräsidenten gewählt. Durch die Behandlung des befreundeten Arztes [[Ferdinand Sauerbruch]] gesundete der Maler wieder. Die Bildnisse, die er von Sauerbruch fertigte, stellen den Abschluss seines Porträtwerkes dar und sind auch ihr Höhepunkt. Zum letzten Mal wandte er sich darin einem individuell neuem Motiv zu. === Zeit des Nationalsozialismus === Im Januar 1933 erfolgte die [[Machtergreifung]] der [[Nationalsozialismus|Nationalsozialisten]]. Als am 30. Januar vor seinem Haus am Pariser Platz der [[Fackelzug]] der neuen Machthaber vorbeimarschierte, sprach Liebermann in seiner [[Berolinismus|Berliner Mundart]] den viel zitierten Satz: {{Zitat|Ick kann jar nich soville fressen, wie ick kotzen möchte.|ref=<ref name="Küster216">zitiert nach Küster, S.&nbsp;216</ref>|Übersetzung=Ich kann gar nicht soviel fressen, wie ich kotzen möchte.}} [[Datei:Juedischer Friedhof Schoenhauser Liebermann.jpg|thumb|upright|Grab Max Liebermanns auf dem [[Jüdischer Friedhof Schönhauser Allee|Jüdischen Friedhof Schönhauser Allee]]]] Sich gegen die beginnende Veränderung in der Kulturpolitik zur Wehr zu setzen, wie es etwa [[Käthe Kollwitz]], [[Heinrich Mann]] oder [[Erich Kästner]] durch ihre Unterzeichnung des ''[[Dringender Appell (1932)|Dringenden Appells]]'' taten, wollte Liebermann aber nicht riskieren. ''Das Natürliche wäre auszutreten. Aber mir, als Juden, würde das als Feigheit ausgelegt werden.''<ref name="Küster216"/> Im Mai 1933 legte er, am Tag nach der [[Bücherverbrennung 1933 in Deutschland|Bücherverbrennung]], alle seine öffentlichen Ämter nieder und erklärte in der Presse: „Ich habe während meines langen Lebens mit allen meinen Kräften der deutschen Kunst zu dienen gesucht. Nach meiner Überzeugung hat Kunst weder mit Politik noch mit Abstammung etwas zu tun, ich kann daher der Preußischen Akademie der Künste […] nicht länger angehören, da dieser mein Standpunkt keine Geltung mehr hat.“<ref>Centralvereins-Zeitung, 11. Mai 1933.</ref> Er zog sich aus der Öffentlichkeit zurück, während kaum einer seiner Weggefährten ihm beistand und die Treue hielt. Einzig Käthe Kollwitz suchte noch Zugang zu ihm. 1934 entstand ein letztes Selbstbildnis. Einem seiner letzten Besucher gestand Liebermann: „Ich lebe nur noch aus Hass. […] Ich schaue nicht mehr aus dem Fenster dieser Zimmer – ich will die neue Welt um mich herum nicht sehen.“<ref>Küster, S.&nbsp;220</ref> [[Datei:Liebermann, Martha Stolperstein.JPG|thumb|upright|[[Stolpersteine|Stolperstein]] für Martha Liebermann]] Am 8. Februar 1935 starb Max Liebermann in seinem Haus am Pariser Platz. [[Käthe Kollwitz]] berichtete, er sei abends um sieben still eingeschlafen.<ref>[[Käthe Kollwitz]]: ''Die Tagebücher 1908–1943''. Hrsg. von Jutta Bohnke-Kollwitz. btb, München 2007. Eintrag vom 9. Februar 1935.</ref> Die Totenmaske fertigte der junge Bildhauer [[Arno Breker]] an, der später wegen seiner Rolle als Lieblingskünstler Hitlers und seiner Haltung zum Nationalsozialismus umstritten war. Die Fotografin [[Charlotte Rohrbach]] nahm die Gipsmaske auf.<ref>Scheer, S.&nbsp;347</ref> Sein Tod war den Medien keine Nachricht wert, er fand&nbsp;– wenn überhaupt&nbsp;– nur am Rande Erwähnung. Die Akademie der Künste, die mittlerweile zu einem Instrument der Nazis geworden war, lehnte jede Ehrung des Altpräsidenten ab. So erschien zu seiner Beerdigung auf dem [[Jüdischer Friedhof Schönhauser Allee|Jüdischen Friedhof Schönhauser Allee]] am 11. Februar 1935 auch kein offizieller Vertreter – weder der Akademie noch der Stadt, deren Ehrenbürger er seit 1927 war. Die [[Gestapo]] hatte im Voraus sogar die Teilnahme an der Bestattung untersagt, damit sie nicht zu einer Demonstration für die Kunstfreiheit werden könnte. Dennoch kamen annähernd 100 Freunde und Verwandte. Unter den Trauernden waren Käthe Kollwitz, [[Hans Purrmann]], [[Konrad von Kardorff]], [[Otto Nagel]], [[Ferdinand Sauerbruch]] mit seinem Sohn Hans, Bruno Cassirer, [[Max Jacob Friedländer]], [[Friedrich Sarre]] und [[Adolph Goldschmidt]]. In seiner Trauerrede wies [[Karl Scheffler]] darauf hin, dass man mit ihm nicht nur einen großen Künstler, sondern eine Epoche zu Grabe trage, für die er symbolisch stand.<ref>Küster, S.&nbsp;223</ref> Die [[Ehrengrab]]stätte der Stadt Berlin befindet sich im Feld E. Seine Frau nahm, als eine Deportation ins [[KZ Theresienstadt]] unmittelbar drohte, eine Überdosis [[Barbital|Veronal]] und verstarb am 10. März 1943 im Jüdischen Krankenhaus von Berlin. Das Palais Liebermann am Pariser Platz versank bald darauf in Trümmern.<ref>Scheer, S.&nbsp;380ff</ref> == Werk == [[Datei:Freistunde im Waisenhaus.jpg|thumb|''Freistunde im Amsterdamer Waisenhaus'', 1881/1882 – ehemals Nationalgalerie, heute [[Städel|Städelsches Kunstinstitut]] in [[Frankfurt am Main]]]] * Werke ** ''Briefe''. Auswahl von Franz Landsberger, Ergänzte Neuausgabe von Ernst Volker Braun. Hatje, Stuttgart 1994. ** ''Die Phantasie in der Malerei – Schriften und Reden''. Mit einem Geleitwort von [[Karl Hermann Roehricht]] und einem Nachwort von [[Günter Busch]]. Buchverlag Der Morgen, 2.&nbsp;Auflage. Lizenzausgabe des S.-Fischer-Verlages, Frankfurt am Main 1986. ** ''Gesammelte Schriften''. Cassirer, Berlin 1922. ** ''In memoriam Paul Cassirer''. Gedächtnisreden anlässlich der Totenfeier am 7. Januar 1926, gehalten von Max Liebermann und Harry Graf Kessler. Mit einem Nachruf von René Schickele. Cranach-Presse, Weimar 1926. ** ''Jozef Israels''. Cassirer, Berlin 1911. * Illustrationen ** Micha Josef Bin-Gorion (Hrsg.): ''Die Geschichte von Tobias''. Übersetzung von Rahel Ramberg, nach einer hebräischen Fassung. Inselverlag, Leipzig 1920. ** Theodor Fontane: ''Effi Briest''. Inselverlag, 11. Auflage. Frankfurt am Main 1994. Mit 21 Lithografien von Max Liebermann. ** Johann Wolfgang von Goethe: ''Der Mann von fünfzig Jahren''. Cassirer, Berlin 1922. ** Johann Wolfgang von Goethe: ''Die Novelle''. Cassirer, Berlin 1922. ** Johann Wolfgang von Goethe: ''Gesammelte Gedichte''. 4 Bände. Cassirer, Berlin 1911. ** Eduard Grisebach: ''Der neue Tanhäuser''. Mit Lithographien von Max Liebermann. J. G. Cotta'sche Buchhandlung, Stuttgart und Berlin 1922. ** Heinrich Heine: ''Der Rabbi von Bacherach''. Propyläen-Verlag, Berlin 1923. ** Gottfried Keller: ''Der schlimm-heilige Vitalis: Eine Legende''. Mit 1 Lithographie von Max Liebermann. F. Heyder-Verlag, Berlin 1924. ** [[Thomas Mann]]: ''Gesammelte Werke in 10 Bänden''. S.-Fischer-Verlag, Berlin 1925. ** ''Das [[Buch Rut]]h''. Propyläen-Verlag, Berlin 1924. * Werkverzeichnis, Kataloge: ** Katrin Boskamp: ''Studien zum Frühwerk von Max Liebermann mit einem Verzeichnis der Gemälde und Ölstudien von 1866 bis 1889''. Hildesheim 1994. ISBN 3-487-09897-0 ** Matthias Eberle: ''Max Liebermann. Werkverzeichnis der Gemälde und Ölstudien''. Hirmer. 1995. 1440 Seiten. ISBN 3-7774-6760-X ** Kunstanstalt Stengel: ''Katalog der Zeichnungen und Aquarelle von Max Liebermann''. Dresden 1927. *** ''Max Liebermann: Werke und Schriften''. Digitales Werkverzeichnis auf DVD. Directmedia Publishing, Berlin 2008. == Rezeption == Im Februar 1936 veranstaltete der [[Kulturbund Deutscher Juden]] anlässlich Liebermanns ersten Todestages eine Gedächtnisausstellung in den Räumlichkeiten der [[Neue Synagoge (Berlin)|Neuen Synagogen]]-Gemeinde. Innerhalb von sechs Wochen zog sie rund 6.000 Besucher an. Als schließlich 1943 auch Martha Liebermann verstarb, wurde der gesamte Nachlass „zugunsten des Deutschen Reiches“ eingezogen. Davon betroffen waren nicht nur Gemälde, die er selbst geschaffen hatte, sondern auch weite Teile der [[Sammlung Liebermann]]: Max Liebermann hatte zeit seines Lebens eine der bedeutendsten privaten Kunstsammlungen Berlins zusammengetragen, die auch einige Werke Manets aufwies. Mit der Beschlagnahmung der Sammlung riss das NS-Regime eine einzigartige Kollektion auseinander, die in dieser Form nie wieder zusammengetragen werden konnte.<ref>Vgl. zum Thema Liebermann und Nationalsozialismus: Bernd Schmelhausen: ''Ich bin doch nur ein Maler. Max und Martha Liebermann im „Dritten Reich“''. Olms Verlag. Hildesheim/Zürich/New York 1994.</ref> In der [[Zeit des Nationalsozialismus]] waren auch Werke Liebermanns vom Verdikt der „[[Entartete Kunst|Entarteten Kunst]]“ betroffen. Allerdings wurden nur sechs Arbeiten aus Museen beschlagnahmt. Die Ächtung seines Werkes betraf weniger seine Arbeiten, in denen man kaum außerordentliche Expressivität erkennen konnte, als seine Persönlichkeit. Als liberaler, jüdischer Großbürger, der in der Weimarer Republik zu nationalen Ehrungen gekommen war und internationales Renommee besaß, war Liebermann für die NS-Ideologen kein Künstler, dessen Andenken es zu fördern galt. So setzte schon bald nach der Machtergreifung eine langsame Reduzierung der Liebermann-Bestände in öffentlichen Sammlungen ein. Im Bombenhagel gingen insgesamt vier Gemälde verloren, 114 bis 1933 erworbene Werke blieben bis 1945 in Museen erhalten.<ref>Klaus P. Rogner (Hrsg.): ''Verlorene Werke der Malerei''. München/Berlin 1965. S.&nbsp;211</ref> [[Datei:Max Liebermann Bildnis Wilhelm Bode.jpg|thumb|left|upright|Das ''Bildnis Wilhelm von Bode'', 1904, ist beispielhaft für Liebermanns Porträtwerk. Es konnte bereits 1947 wieder in der Nationalgalerie ausgestellt werden]] Anlässlich des 100. Geburtstags des Künstlers kamen am 20. Juli 1947 in der Nationalgalerie erstmals nach dem Krieg erhaltengebliebene Werke zur Ausstellung. Gleichzeitig zeigten das [[Niedersächsisches Landesmuseum Hannover|Niedersächsische Landesmuseum]] und die [[Hamburger Kunsthalle]] ihre verbliebenen Liebermann-Arbeiten. Zwei Jahre später konnte der Direktor der Nationalgalerie, [[Paul Ortwin Rave]], mehrere Räume wiedereröffnen. So kamen sechs Gemälde Liebermanns (''Freistunde im Amsterdamer Waisenhaus'', ''Schusterwerkstatt'', ''Gänserupferinnen'', ''Flachsscheuer in Laren'', ''Bildnis Wilhelm von Bode'' und ''Bildnis Richard Strauss'') zur dauerhaften Ausstellung. In den nächsten Jahrzehnten vergrößerte sich die Zahl der Liebermann-Werke in deutschen Museen durch Rückkehr angestammter Arbeiten und Neuerwerbungen – ihre Zahl liegt heute etwa doppelt so hoch wie vor 1945.<ref>Lothar Brauner: ''Max Liebermann in Berlin und den beiden deutschen Staaten 1945–1989. Zur Rezeption seines Werkes im geteilten Deutschland. Ein Versuch.'' In: G. Tobias Natter und Julius H. Schoeps (Hrsg.): ''Max Liebermann und die französischen Impressionisten''. Ausstellungskatalog des Jüdischen Museums der Stadt Wien. DuMont Verlag. Wien/Köln 1997. S.&nbsp;55ff</ref> Hauptwerke Liebermanns zogen als neue Akzente in westdeutsche Sammlungen ein, wie etwa die ''Rasenbleiche'' 1954 in das [[Wallraf-Richartz-Museum]] in Köln oder die ''Papageienallee'' 1955 in die [[Kunsthalle Bremen]]. Stiftungen von Privatsammlern und Rückerwerb kamen hinzu. 1954 fand im Niedersächsischen Landesmuseum anlässlich des 20.&nbsp;Todestages des Malers eine Ausstellung unter der Schirmherrschaft des Bundespräsidenten [[Theodor Heuss]], der sich selbst für den Erwerb von Liebermann-Werken durch westdeutsche Museen stark gemacht hatte, statt. Von einem breiten Publikum wurde dies als „''Wiederentdeckung''“ angesehen.<ref>Brauner, S.&nbsp;58</ref> Im Vergleich zur Rehabilitierung des Werkes in den Sammlungen fiel die kunsthistorische Aufarbeitung Max Liebermanns in den ersten Nachkriegsjahrzehnten bescheiden aus. 1947 erschien in Potsdam ein Heft mit 48 Abbildungen der bedeutendsten Werke Liebermanns, verbunden mit einem Essay von [[Willy Kurth]].<ref>''Max Liebermann. Achtundvierzig Bilder''. Mit einem Text von Willy Kurth. Kunst und Gegenwart&nbsp;III, Potsdam 1947.</ref> 1953 wurde die seit 1906 erschienene Liebermann-Biographie von Karl Scheffler neu aufgelegt: In ihrem Mittelpunkt stand die Erkenntnis, dass ''aus dem Revolutionär von gestern der Klassiker von heute'' geworden ist. Die Veröffentlichung schloss mit den Worten: „Er ist in Deutschland der letzte bürgerliche Maler großen Stils gewesen.“<ref>Karl Scheffler: ''Max Liebermann''. Mit einem Nachwort von Carl Georg Heise, Wiesbaden 1953. S.&nbsp;114</ref> 1961 erschien die erste neue Monographie, die sich mit Liebermanns Werk befasste. Der Autor, Ferdinand Stuttmann, versuchte darin, das lange Ausbleiben einer kunsthistorischen Neuaufarbeitung des Liebermann-Werkes zu erklären. Seiner Ansicht nach habe sich das „Gesicht der bildenden Kunst grundlegend geändert“, sodass die Kunst Liebermanns „der Zeit nach dem Kriege nicht mehr die Problematik und den Stoff zu einer aktuellen Darstellung“ biete. <ref>Vgl. Ferdinand Stuttmann: ''Max Liebermann''. Hannover 1961. S.&nbsp;7</ref> Stuttmann verstand sich ganz als Kunst''historiker'' und wollte Liebermann als geschichtliche Persönlichkeit Gerechtigkeit widerfahren lassen.<ref>Stuttmann, S.&nbsp;12</ref> [[Datei:Die Rasenbleiche.jpg|thumb|''Die Rasenbleiche'' (1882/1883) gehörte zu den Neuerwerbungen der Nachkriegszeit durch westdeutsche Museen, hier das [[Wallraf-Richartz-Museum]] in [[Köln]]]] Während in der [[Geschichte der Bundesrepublik Deutschland (1945–1990)|Bundesrepublik]] einerseits Anschluss an die internationale Kunstentwicklung, von der man in der NS-Zeit ausgeschlossen war, gesucht und gefunden wurde, und sich gleichzeitig die historischen Werke rehabilitierten, verlief die Entwicklung in der [[Deutsche Demokratische Republik|DDR]] grundlegend anders: Unter [[Sowjetunion|sowjetischem]] Einfluss entstand dort ein [[Sozialistischer Realismus]]. Werke von Künstlern der Vergangenheit, die Kritik an der jeweils „herrschenden Klasse“ übten, wurden zum „nationalen Kulturerbe“ erklärt und sollten die sozialistische Ordnung stützen. So wurde auch Max Liebermann, der humanistisch-preußische Jude und fortschrittlicher Großbürger, für den Sozialismus uminterpretiert und aus der Tradition Menzels, [[Franz Krüger|Krügers]] und [[Carl Blechen|Blechens]] herausgelöst und einseitig in die Reihe von Käthe Kollwitz, Heinrich Zille und [[Hans Baluschek]] gestellt.<ref>Brauner, S.&nbsp;59</ref> 1965 fand in [[Ost-Berlin]] eine Ausstellung der Akademie der Künste statt, in der Liebermanns Frühwerk und seine Portraitmalerei gezeigt wurden. Besondere Kontroversen wurden um das Bild „''Flachsscheuer in Laren''“ geführt. Stuttmann schrieb dazu: „''Liebermann schafft, jedenfalls ganz ohne Absicht, ein anklagendes Bild der sozialen Zustände seiner Zeit.''“<ref>Stuttmann, S.&nbsp;29–30.</ref> Darauf entgegnete Karl Römpler in seinem 1958 in Dresden erschienenen Werk ''Der deutsche Impressionismus'': „In einem Bild wie der ''Flachsscheuer'' […] fehlt die Anklage gegen ein System, das sich nicht scheut, Jugendliche auszubeuten. Hier ist Liebermann ganz Kind seiner Klasse.“<ref>Karl Römpler: ''Der deutsche Impressionismus. Die Hauptmeister in der Malerei''. Dresden 1958. S.&nbsp;27</ref> Günter Meiszner meinte dagegen im Gemälde, wie er in seiner 1974 in Leipzig veröffentlichten, [[Marxismus|marxistisch]] geprägten Liebermann-Monographie, der ersten in der DDR, schrieb, ein „Bekenntnisbild für den arbeitenden Menschen“ zu erkennen. Dies verdeutlicht die hitzigen und nicht selten politischen Diskussionen in der Kunstwelt, die Liebermanns Werk erfuhr.<ref>Brauner, S.&nbsp;61</ref> 1973 veröffentlichten Karl-Heinz und Annegret Janda eine erste ausführliche Darstellung der Kunstsammlung Liebermanns.<ref>Karl-Heinz Janda und Annegret Janda: ''Max Liebermann als Kunstsammler. Die Entstehung seiner Sammlung und ihre zeitgenössische Wirkung.'' In: Staatliche Museen zu Berlin, Forschungen und Berichte, Bd.&nbsp;15, Berlin 1973. S.&nbsp;105–149</ref> 1970 erschien „''Max Liebermann als Zeichner''“ anlässlich einer Ausstellung im Kunstgeschichtlichen Institut der [[Johannes Gutenberg-Universität Mainz|Universität Mainz]]. Die große Ausstellung des Gesamtwerkes von 1954 fand bis Ende der 1970er-Jahre keine Nachfolge. In kleinen Ausstellungen, wie 1968 ''„Max Liebermann in Hamburg“'', konnte lediglich ein Ausschnitt der künstlerischen Schaffens Liebermanns gezeigt werden. Meistens fanden sich seine Werke ohnehin in Überblicksausstellungen, die auch andere Künstler seiner Zeit behandelten. Auf diese Art kamen Arbeiten Liebermanns auch häufig im Ausland, insbesondere in den Vereinigten Staaten, zur Ausstellung. Herausragende Beachtung hat sein Werk international nicht gefunden – Max Liebermanns Name blieb eng verknüpft mit der deutschen Ausprägung des Impressionismus, der im europäischen Kontext ein „zu spät gekommener“ war. So gehört er in der kunsthistorischen Einordnung zwar zu den nationalen Größen in Deutschland, aber international nur zur zweiten Garde der Impressionisten.<ref>Vgl. dazu: John Rewald: ''The History of Impressionism''. Museum of Modern Art. 4.&nbsp;Auflage, New York 1973. ISBN 0-87070-360-9</ref> [[Datei:Liebermann Villa1 Berlin.JPG|thumb|left|[[Berliner Gedenktafel|Gedenktafel]] für Max Liebermann an der [[Liebermann-Villa]] am [[Großer Wannsee|Wannsee]]]] 1979/1980 fand in der [[Neue Nationalgalerie|Neuen Nationalgalerie]] in [[West-Berlin]] die Ausstellung „Max Liebermann in seiner Zeit“ statt. Eine große Retrospektive war aber seit dem Bau der [[Berliner Mauer]] und dem daraus resultierenden Fehlen der ostdeutschen Bestände unmöglich geworden. Hier wurde aber der Versuch gemacht, Liebermann in Zusammenhang mit Werken von Zeitgenossen aus Deutschland, Frankreich und Amerika darzustellen. 1985 gedachte die DDR seines 50.&nbsp;Todestages mit der sogenannten „Schwarzweiß-Ausstellung“ im Kupferstichkabinett der Staatlichen Museen. Diese wurde mit dem Eigenbesitz an Zeichnungen und Druckgrafiken aus ostdeutschen Beständen bestritten.<ref>''Für Max Liebermann 1847–1935. Eine Schwarzweiß-Ausstellung der Akademie der Künste und des Kupferstichkabinetts der Staatlichen Museen zu Berlin, in der Nationalgalerie''. Katalog, Berlin 1985</ref> In Ost und West erschienen anlässlich des 50.&nbsp;Todestages mehrere Monographien, wie die biographischen Werke Bernd Küsters und Lothar Brauners. Seit der [[Deutsche Wiedervereinigung|Deutschen Wiedervereinigung]] hat Max Liebermann eine Renaissance erlebt: In mehreren großen Retrospektiven konnten Gesamtdarstellungen seines Werkes vorgenommen werden und durch die Gründung der Max-Liebermann-Gesellschaft 1995, die mittlerweile über 1200&nbsp;Mitglieder aufweist, die [[Liebermann-Villa]] am Wannsee als Gedenkstätte dem Publikum zugänglich gemacht werden. Nach Restaurierungs- und Wiederherstellungsarbeiten zwischen 2002 und 2006, die auch den Wannseegarten betrafen, besteht dort nun ein bleibendes Museum zum Gedenken an Max Liebermann und der Beschäftigung mit seinem Werk. 2006/2007 fand eine gemeinsame Ausstellung des Niedersächsischen Landesmuseums, des [[Assen|Drents Museums Assen]] und des Rijksmuseums in Amsterdam unter dem Titel ''Max Liebermann und die Holländer'' (niederländischer Titel: ''Max Liebermann en Holland'') statt, die die Werke Liebermanns auch dem niederländischen Publikum näher brachte.<ref>[http://www.landesmuseum-hannover.niedersachsen.de/master/C25832449_N26253447_L20_D0_I23657358.html Max Liebermann und die Holländer. Ausstellung im Niedersächsischen Landesmuseum Hannover]</ref> 2006 erschien zudem das Buch ''Wir sind die Liebermanns'' von Regina Scheer, das als [[Bestseller]] die Geschichte der Familie Liebermann einem breiten Publikum vorstellte und in der Medienöffentlichkeit Erwähnung fand.<ref>[http://www.hr-online.de/website/specials/buchmesse/index.jsp?rubrik=18598&key=standard_document_26513362 ''Wir sind die Liebermanns'' von Regina Scheer]</ref> == Literatur == ;Zeitgenössische Literatur * [[Julius Elias]]: ''Max Liebermann. Eine Biographie''. Verlag „Neue Kunsthandlung“, Berlin 1921 (Graphiker der Gegenwart; 8). * [[Max Jakob Friedländer]]: ''Max Liebermann''. Propyläen-Verlag, Berlin 1924. * Erich Hancke: ''Max Liebermann. Sein Leben und seine Werke''. 2. Aufl. Verlag Cassirer, Berlin 1923. * [[Karl Scheffler]]: ''Max Liebermann''. Insel-Verlag, Wiesbaden 1953 (Nachdr. d. Ausg. München 1906; mit einem Nachwort von [[Carl Georg Heise]]). * [[Hans Ostwald]]: ''Das Liebermann-Buch''. Franke-Verlag, Berlin 1930. * [[Gustav Pauli]]: ''Max Liebermann. Des Meisters Gemälde''. DVA, Stuttgart 1911. * [[Walther Rathenau]]: ''Max Liebermann''. In: ''[[Berliner Tageblatt]]'' vom 1. Juli 1917. * Hans Rosenhagen: ''Max Liebermann''. 2. Aufl. Velhagen & Klasiung Verlag, Bielefeld 1927 (Künstler-Monographien; 45). ;Monographien * Lothar Brauner: ''Max Liebermann''. Henschelverlag, Berlin 1986, ISBN 3-362-00027-4 (Welt der Kunst). * Nicole Bröhan: ''Max Liebermann''. Jaron Verlag, Berlin 2004, ISBN 3-89773-121-5 (Berliner Köpfe). * Sven Kuhrau: ''Der Kunstsammler im Kaiserreich. Kunst und Repräsentation in der Berliner Privatsammlerkultur''. Verlag Ludwig, Kiel 2005, ISBN 978-3-937719-20-7 (zugl. Dissertation FU Berlin 2002). * [[Bernd Küster]]: ''Max Lieberman. Ein Malerleben''. Ellert & Richter Verlag, Hamburg 1988, ISBN 3-89234-076-5. * Nina Nedelykov, Pedro Moreira (Hrsg.): ''Zurück am Wannsee. Max Liebermanns Sommerhaus''. Transit-Verlag, Berlin 2003, ISBN 3-88747-181-4. * Marina Sandig: ''Die Liebermanns. Ein biographisches Zeit- und Kulturbild der preußisch-jüdischen Verwandtschaft von Max Liebermann''. Degener, Insingen bei Rothenburg o.d.T. 2005, ISBN 3-7686-5190-8. * Regina Scheer: ''„Wir sind die Liebermanns“. Die Geschichte einer Familie''. List-Verlag, Berlin 2008, ISBN 978-3-548-60783-2 (List-Taschenbuch; 60783) [http://www.hr-online.de/website/specials/buchmesse/index.jsp?rubrik=18598&key=standard_document_26513362]. * Bernd Schmalhausen: ''„Ich bin doch nur ein Maler“. Max und Martha Liebermann im Dritten Reich''. 3. Aufl. Olms, Hildesheim 1998, ISBN 3-487-09911-X. ;Ausstellungskataloge * Annabelle Görgen, Sebastian Giesen, Wilfried Gandras: ''Ein Impressionismus für Hamburgs Bürgertum. Max Liebermann und Alfred Lichtwark''. Ernst Barlach Haus, Hamburg 2002, ISBN 3-935549-31-8. * Jenns E. Howoldt (Hrsg.): ''Im Garten von Max Liebermann''. Hamburger Kunsthalle/Alte Nationalgalerie Berlin. Hamburg und Berlin 2004/05, ISBN 3-89479-180-2. * [[Tobias G. Natter]], [[Julius H. Schoeps]] (Hrsg.): ''Max Liebermann und die Impressionisten'', Ausstellungskatalog Wien, DuMont, Köln 1997. ISBN 3-7701-4294-2 * Angelika Wesenberg (Hrsg.): ''Max Liebermann – Jahrhundertwende''. Alte Nationalgalerie 1997. Staatliche Museen zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz. Mit Beiträgen von Sigrid Achenbach. Berlin 1997, ISBN 3-87584-978-7. * Angelika Wesenberg, Siegrid Achenbach (Hrsg.): ''Im Streit um die Moderne. Max Liebermann. Der Kaiser''. Ausstellung der Nationalgalerie im Haus Liebermann am [[Pariser Platz]], Berlin 2001, ISBN 3-87584-102-6. ;Tondokumente: * M. Liebermann spricht in der Deutschen Funkstunde 1932 * M. Liebermann erzählt Kindern über sein Leben 1932 == Weblinks == {{Wikiquote|Max Liebermann}} {{Commons|Max Liebermann}} {{Artfacts|625}} {{Zeno-Künstler|Kunstwerke/A/Liebermann,+Max}} * {{DNB-Portal|118572695}} * {{BAM|Max Liebermann}} * [http://www.cosmopolis.ch/cosmo56/max_liebermann.htm Biografie und Werk von Max Liebermann in cosmopolis.ch] * [http://www.max-liebermann.de/ Liebermann-Gesellschaft] * [http://www.ludorff.com/ap/liebermann/liebermann.html Biografie und Werke von Max Liebermann] * [http://www.pixelpano.de/liebermann/ Der Garten der Liebermann-Villa in Panoramen] == Einzelnachweise == <references/> {{Exzellent}} {{Normdaten|PND=118572695|LCCN=n/50/50133|VIAF=32004869}} {{DEFAULTSORT:Liebermann, Max}} [[Kategorie:Deutscher Maler]] [[Kategorie:Landschaftsmaler]] [[Kategorie:Maler des Impressionismus]] [[Kategorie:Maler des Realismus]] [[Kategorie:Maler des Naturalismus]] [[Kategorie:Ehrenbürger von Berlin]] [[Kategorie:Person (Preußen)]] [[Kategorie:Berliner Secession]] [[Kategorie:Geboren 1847]] [[Kategorie:Gestorben 1935]] [[Kategorie:Mann]] {{Personendaten |NAME=Liebermann, Max |ALTERNATIVNAMEN= |KURZBESCHREIBUNG=deutscher Maler |GEBURTSDATUM=20. Juli 1847 |GEBURTSORT=[[Berlin]] |STERBEDATUM=8. Februar 1935 |STERBEORT=[[Berlin]] }} [[an:Max Liebermann]] [[ca:Max Liebermann]] [[cs:Max Liebermann]] [[da:Max Liebermann]] [[en:Max Liebermann]] [[es:Max Liebermann]] [[fi:Max Liebermann]] [[fr:Max Liebermann]] [[he:מקס ליברמן]] [[io:Max Liebermann]] [[it:Max Liebermann]] [[ja:マックス・リーバーマン]] [[ko:막스 리버만]] [[la:Maximus Liebermann]] [[mr:माक्स लीबरमान]] [[nl:Max Liebermann]] [[no:Max Liebermann]] [[pl:Max Liebermann]] [[pt:Max Liebermann]] [[ro:Max Liebermann]] [[ru:Либерман, Макс]] [[sv:Max Liebermann]] [[th:แม็กซ์ ลีเบอร์มันน์]] [[tr:Max Liebermann]] 426knr5uwy6p7msskp4pvyae10agsde wikitext text/x-wiki Justinian I. 0 23552 26148 2010-04-23T10:59:05Z 137.248.1.6 /* Sonstige Außenpolitik */ [[Datei:Meister von San Vitale in Ravenna 004.jpg|thumb|250px|Justinian I., Mosaikdetail aus der Kirche [[San Vitale]] in [[Ravenna]]]] [[Datei:Half follis-Justinian I-sb0165.jpg|thumb|250px|[[Follis|Halbfollis]] Justinians I.]] '''Flavius Petrus Sabbatius Iustinianus''', [[Griechische Sprache|griechisch]] '''Ἰουστινιανός''' (* um 482 in Tauresium bei [[Justiniana Prima]]; † 14. November [[565]] in [[Konstantinopel]]), auch bekannt als '''Justinian I.''', war vom 1. August 527 bis zu seinem Tod im Jahre 565 [[Liste der römischen Kaiser|römischer Kaiser]]. In der älteren Literatur wird er auch vereinzelt als ''Justinian der Große'' bezeichnet, die orthodoxen Kirchen verehren ihn als Heiligen. Justinian gilt als einer der bedeutendsten Herrscher der [[Spätantike]]. Seine Regierungszeit markiert dabei eine wichtige Stufe des Übergangs von der [[Antike]] zum [[Mittelalter]] und somit den Übergang von römischer Tradition zu [[Byzantinisches Reich|byzantinischer]] Regierung (siehe auch [[Ende der Antike]]). Justinian betrieb eine aggressive Westpolitik, wobei es ihm gelang, weite Teile des alten [[Römisches Reich|Imperium Romanum]], die im Westen im Verlauf der [[Völkerwanderung]] an die [[Germanen]] gefallen waren (Absetzung des letzten Kaisers in Italien 476), wiederzugewinnen. Für die [[Rechtsgeschichte]] ist die von ihm in Auftrag gegebene Kompilation des [[Römisches Recht|römischen Rechts]], das später so genannte [[Corpus Iuris Civilis]], von großer Bedeutung. 529 ließ Justinian die [[platonische Akademie]] in [[Athen]] schließen, 542 wurde von ihm das altrömische Amt des [[Consulat|Konsuls]], vielleicht aus Kostengründen, faktisch abgeschafft. Die immer stärker hervortretende Sakralisierung des Kaisertums zerstörte die letzten Reste der vom [[Prinzipat]] geschaffenen Illusion, dass der Kaiser nur ein ''[[primus inter pares]]'' sei. Heftige Kritik an der Politik Justinians äußerte der Geschichtsschreiber [[Prokopios von Caesarea]], dessen Werke die wichtigste Quelle für die Zeit Justinians darstellen. Weitere Informationen bieten unter anderem [[Johannes Malalas]], [[Agathias]] und [[Menander Protektor]]. == Allgemeines zur Person Justinians == Flavius Petrus Sabbatius Iustinianus war ein ungefähr 482 geborener Bauernsohn aus dem Dorf Tauresium (heute Taor) in [[Illyrien]]; der Name Sabbatius deutet vielleicht auf thrakischen Ursprung hin.<ref>Evans, ''Age of Justinian'', S. 1f.</ref> Seine Muttersprache war das [[Latein]]ische, und Tauresium gehörte zum Aufgabenbereich des römischen Bischofs; beides waren wohl Gründe für Justinians starke Westorientierung. Prokopios wirft dem Kaiser – vermutlich zu Unrecht – fehlerhaftes Griechisch vor, tatsächlich war er wohl belesen und gebildet. Justinian, der Sohn der Vigilantia, war ein Neffe des späteren Kaisers [[Justin I.]], der seit etwa 470 im [[Byzantinisches Heerwesen|Heer]] Kaiser [[Leo I. (Byzanz)|Leos I.]] und später unter [[Zenon (Kaiser)|Zenon]] und [[Anastasios I.]] Karriere machte. Zeitlebens sollte der soziale Aufsteiger Justinian Anfeindungen von Seiten der senatorischen Elite ausgesetzt sein. Schon zu Lebzeiten seines Onkels, der ihn in die Hauptstadt holte, ihm eine gute Ausbildung ermöglichte und ihn nach seiner Thronbesteigung (518) wohl früh zum Nachfolger aufbaute und vermutlich adoptierte (daher der Name ''Iustinianus''), hatte Justinian nach Ansicht der meisten Forscher Einfluss auf die Reichspolitik, doch wurde diese Sichtweise jüngst bestritten und wenigstens für die frühen Jahre sollte man die Rolle Justinians vielleicht nicht überbewerten.<ref>Brian Croke, ''Justinian under Justin''.</ref> 519 wurde Justinian zum ''[[comes]]'' ernannt, 521 wurde er ''[[Magister Militum|magister equitum et peditum praesentalis]]'' und bekleidete sein erstes [[Consulat|Konsulat]] (drei weitere folgten: 528, 533 und 534); seit 525 trug er den Titel ''[[Caesar (Titel)|Caesar]]'' und galt offiziell als Thronerbe.<ref>Vgl. dazu Brian Croke, ''Justinian under Justin'', S. 43ff.</ref> Anfang April 527 wurde er schließlich zum Mitkaiser erhoben, am 1. August dann nach Justins Tod zum Alleinherrscher. Er war seit 524/525 mit der späteren ''Augusta'' [[Theodora I.]] verheiratet, der einige Quellen einen großen Einfluss auf Justinian nachsagen und die ebenfalls aus einfachsten Verhältnissen stammte, und blieb kinderlos. Er hatte mehrere Vettern; der bedeutendste war [[Germanus (Feldherr)|Germanus]], der auch ein talentierter Feldherr und wichtiger Vertrauter Justinians war. Justinian I. starb am 14. November 565 in Konstantinopel, wo er sich fast seine gesamte Regierungszeit hindurch aufgehalten hatte. Nach dem Tod des Kaisers, der keinen Mitherrscher ernannt hatte, drohte zunächst ein Machtkampf zwischen zweien seiner Neffen, beide mit Namen Justin: dem General [[Justin (Feldherr)|Justin]], einem Sohn des oben genannten Germanus, und dem Chef der Hofhaltung, dem späteren Kaiser [[Justin II.|Justin II]]. Letzterer konnte sich schließlich durchsetzen; er ließ seinen Rivalen bald darauf ermorden.<ref>Zu den Nachfolgern Justinians vgl. [[Harry Turtledove]], ''The Immediate Successors of Justinian: A Study of the Persian Problem and of Continuity and Change in Internal Secular Affairs in the Later Roman Empire During the Reigns of Justin II and Tiberius II Constantine (A.D. 565–582)'', unpublished Diss. University of California 1977.</ref> == Außenpolitik == [[Datei:Justinien 527-565.svg|thumb|250px|Das [[Oströmisch]]e Reich bei Justinians Tod 565]] Justinians Politik strebte die Wiederherstellung der Macht des Kaiserreiches über die spätantike [[Oikumene]] nach römischem Vorbild an ([[Restauratio imperii]]). Ob diese bereits von langer Hand geplant war oder erst nach den Erfolgen von Justinians Feldherr [[Belisar]] über die [[Vandalen]] 534 zu einer Ausprägung der justinianischen Politik wurde, ist in der Forschung umstritten. Unter Justinian, der als letzter römischer Kaiser Latein als Muttersprache sprach, wurden große Teile des alten [[Römisches Reich|Römischen Imperiums]] zurückerobert, und Ostrom wurde wieder ein Weltreich. Die Kriege Justinians wurden vom [[Historiker]] [[Prokopios von Caesarea]] in seinem [[Geschichtswerk]] ''Bella'' eingehend geschildert. === Perserkriege === '''Siehe auch:''' [[Römisch-Persische Kriege]] Justinians erster Krieg gegen das [[Perser (Volk)|persische]] [[Sassanidenreich]] war ein Erbe aus der Regierungszeit seines Vorgängers [[Justin I.]]; seit 526 wurde gekämpft. In Mesopotamien konnte [[Belisar]] 530/531 als neuer ''[[magister militum]] per Orientem'' erste Erfolge erzielen ([[Schlacht bei Dara]]), musste aber auch Niederlagen erleiden (wie bei [[Callinicum]]). Mit dem neuen sassanidischen König [[Chosrau I.]] schloss Justinian 532 ein von recht hohen (aber einmaligen) Zahlungen an die Perser begleitetes Abkommen, den „[[Ewiger Frieden|Ewigen Frieden]]“. Diese Ruhe im Osten machte Justinians Westpolitik einer [[Restauratio imperii]] erst möglich, da die Ressourcen Ostroms bereits stark beansprucht waren. 540 brachen die Kämpfe allerdings erneut aus (laut Prokopios von der Sorge Chosraus ausgehend, dass ein erneuertes Römerreich stärkere Ressourcen gegen [[Perserreich|Persien]] mobilisieren könnte; eventuell spielte auch ein ostgotisches Bündnisangebot eine Rolle – überdies brach um diese Zeit die Macht der [[Hephthaliten]], die Persien bedroht hatten, zusammen). Der Hauptgrund für den persischen Angriff dürfte aber wohl einfach in der günstigen Lage zu sehen sein: Chosrau I. suchte militärischen Ruhm und brauchte Geld, und da das römische Syrien nur schwach verteidigt war, wollte er vermutlich einfach einen Plünderungszug unternehmen und danach wieder Frieden schließen.<ref>Vgl. dazu Henning Börm: ''Der Perserkönig im Imperium Romanum''. In: ''[[Chiron (Zeitschrift)|Chiron]]'' 36, 2006, S. 299-328.</ref> Justinian scheint bereits 539 von den Angriffsplänen gewusst zu haben, konnte aber nicht rechtzeitig Truppen an den Euphrat entsenden – versprochene Verstärkungen trafen jedenfalls nur in sehr geringer Zahl ein. [[Germanus (Feldherr)|Germanus]] wurde mit nur 300 Mann nach [[Antiochia am Orontes]] geschickt und konnte dort auch nichts ausrichten. Der ''magister militum'' Buzes musste mit den lokalen römischen Truppen operieren, die der großen persischen Armee zahlenmäßig weit unterlegen waren; er zog sich auf eine Verteidigungsstellung bei Hierapolis zurück und wartete ab. Die bedeutendsten Städte der Region unterwarfen sich Chosrau. Die größte Katastrophe für die Römer war dann zweifellos die Eroberung, Plünderung und anschließende Zerstörung der Weltstadt Antiochia, wobei Chosrau gewaltige Schätze (auf die es ihm wohl vor allem ankam) und zahlreiche Gefangene nach Persien überführte, wo sie in einer eigenen Stadt angesiedelt wurden. Chosrau soll außerdem ein rituelles Bad im Meer genommen und dem Sonnengott geopfert haben. Andere Städte hatten mehr Glück als Antiochia und konnten sich frei kaufen oder hielten den persischen Angriffen stand. Chosrau bot den Römern sogleich einen erneuten Friedensschluss an, doch Justinian scheint den Glauben an die sassanidische Vertragstreue verloren zu haben und lehnte ab. Der Krieg wurde fortgesetzt; aber es gelang den Römern nur langsam, die Lage zu stabilisieren. Die ohnehin stark beanspruchte oströmische Armee (die Mannschaftsstärke betrug laut [[Agathias]] nur etwa 150.000 Mann, aber diese Angabe muss mit großer Vorsicht behandelt werden – viel wahrscheinlicher ist eine Zahl von gut 300.000 Soldaten) musste nun einen Zweifrontenkrieg führen: gegen die Ostgoten in Italien und gegen die Perser im Osten. Überdies war der Balkanraum durch Plünderungszüge der [[Awaren]] und [[Slawen]] bedroht.<ref>Vgl. zum Balkan den Überblick bei Otto Mazal: ''Justinian und seine Zeit'', Köln 2001, S. 182-194.</ref> [[Datei:Roman-Persian Frontier, 565 AD.png|thumb|Die römisch-persische Grenze zum Zeitpunkt des Todes Justinians im Jahr 565.]] Der östliche Kriegsschauplatz erstreckte sich schließlich vom [[Kaukasus]] (vor allem in [[Armenien]], wo Justinians General [[Sittas]] bis zu seinem Tod 539 sehr erfolgreich operiert hatte, und um die wichtige Festung Petra am [[Schwarzes Meer|Schwarzen Meer]] wurde seit 541 erbittert gekämpft) bis nach [[Mesopotamien]]. Der wichtigste Streitpunkt und ein Zentrum der Kampfhandlungen zwischen Römern und Persern war vor allem [[Lazika]], ein kleines Königreich am Schwarzen Meer, identisch mit dem früheren [[Kolchis]]. Der Krieg sollte bis 561/62 andauern (unterbrochen von einem Waffenstillstand, der sich bezeichnenderweise nicht auf Lazika bezog) und die Ressourcen Ostroms stark strapazieren. Anders als oft behauptet, vernachlässigte Justinian dabei keineswegs die Verteidigung der Ostgrenze zugunsten seiner Eroberungen im Westen, im Gegenteil. Da sich im Orient bald ein militärisches Patt entwickelte und sich die Perser um 560 mit einem neuen Feind, den [[Türken]], konfrontiert sahen, waren sie 562 zum Frieden mit den Römern bereit. In diesem Vertrag, der von [[Petros Patrikios|Petrus Patricius]] für Justinian ausgehandelt wurde, überließen die Perser den Römern Lazika – Justinian hatte die Ostgrenze also letztlich doch halten können, wenngleich er nun den Persern jährlich [[Tribut]] zahlen musste. Es ist letztlich unklar, wie stark diese Zahlungen die römischen Kassen belasteten<ref>Zur These, dass die Zahlungen ökonomisch nicht ins Gewicht fielen, sondern Symbol persischer Überlegenheit waren, vgl. Henning Börm: ''„Es war allerdings nicht so, dass sie es im Sinne eines Tributes erhielten, wie viele meinten...“. Anlässe und Funktion der persischen Geldforderungen an die Römer (3. bis 6. Jh.).'' In: ''[[Historia (Zeitschrift)|Historia]]'' 57, 2008, S. 327ff..</ref> – dennoch waren die Römer wohl mehrheitlich nicht glücklich mit der Tributverpflichtung. Justinians Nachfolger [[Justin II.]] versuchte dann auch, diesen Vertrag zu revidieren – mit allerdings katastrophalem Ergebnis. Insgesamt betrachtet wird man, wie gesagt, wohl nicht sagen können, Justinian habe die Ostgrenze vernachlässigt; seit 540 wurde die Mehrheit der römischen Truppen im Orient eingesetzt (was zur langen Dauer des Krieges in Italien beitrug). Im Kaukasus und in Mesopotamien operierten zeitgleich stets mindestens zwei große kaiserliche Armeen. Justinian war zwar im Osten eher defensiv tätig und widmete sich stärker der Politik im Westen (siehe unten), er entsandte aber nur dann Truppen nach Italien, wenn er sie im Osten entbehren zu können glaubte. Durch eine Mischung aus diplomatischen und militärischen Mitteln konnte der Kaiser die römische Position gegenüber Persien dabei letztlich halten; die Verpflichtung zu jährlichen Tributen wog dagegen gering, wurde aber als Demütigung empfunden. Sein Nachfolger Justin II. ging daher ab 572 wieder aggressiv gegen die Sassaniden vor – was allerdings nur in einen jahrelangen Krieg mündete, der erst 591 unter [[Maurikios]] vorübergehend beendet werden konnte, bevor [[Chosrau II.]] dann 602 den letzten und größten römisch-persischen Krieg begann (siehe [[Herakleios]]).<ref>Vgl. zu Justinians Perserkriegen Rubin, ''Das Zeitalter Justinians'', Bd. 1, S. 245ff.; jetzt zusammenfassend und mit Verweisen auf die aktuelle Literatur: [[Geoffrey Greatrex]], ''Byzantium and the East'', in: Michael Maas (Hg.), ''The Cambridge Companion to the Age of Justinian'', Cambridge 2005, S. 486ff.</ref> === Vandalenkrieg === Der Krieg gegen das [[Vandalen]]reich in Nordafrika (etwa deckungsgleich mit dem modernen [[Tunesien]], siehe auch [[Africa]]) begann ursprünglich als eine Strafexpedition. Der dem [[Katholizismus]] nicht feindlich gesinnte [[Arianismus|arianische]] König [[Hilderich]] war abgesetzt und durch [[Gelimer]] ersetzt worden. Justinian bestand nun auf der Wiedereinsetzung Hilderichs, was aber strikt abgewiesen wurde. Den Charakter einer regelrechten Eroberungskampagne erhielt der Feldzug nach Ansicht viele Forscher (etwa [[Mischa Meier]]) wohl erst im Nachhinein. [[Belisar]] begann schließlich in den Jahren 533/34 mit einem nur ca. 20.000 Mann starken Heer (bestehend aus 15.000 kaiserlichen Soldaten, 1000 ''foederati'' und den zahlreichen ''[[buccelarii]]'' Belisars) den Feldzug, der innerhalb kürzester Zeit abgeschlossen war. Hilfreich dabei war, dass der Vandalenkönig Teile seiner Streitkräfte nach [[Sardinien]] gesandt hatte, um eine dortige Revolte niederzuschlagen, und auch nicht mit einem Angriff der Oströmer gerechnet hatte. Gelimer ließ Hilderich hinrichten, doch Belisar besiegte die Vandalen bei [[Schlacht bei Ad Decimum|''Ad Decimum'']] und [[Schlacht bei Tricamarum|''Tricamarum'']]. Am 15. September 533 fiel [[Karthago]]. Belisar nahm 534 schließlich auch Gelimer gefangen und führte ihn bei seinem „[[Römischer Triumph|Triumphzug]]“ durch [[Konstantinopel]]. Vermutlich entstand erst jetzt, nach diesem überraschend leichten Sieg, der Plan, auch Italien wieder der direkten kaiserlichen Herrschaft zu unterwerfen. Nordafrika wurde bereits 534 wieder in die reguläre kaiserliche Verwaltung übernommen; unter einem neuen ''[[praefectus praetorio]] per Africam'' standen sieben Provinzstatthalter, während auf militärischer Seite künftig ein ''[[magister militum]] per Africam'' das Oberkommando über die ''[[Dux (Titel)|duces]]'' von ''Tripolitania'', ''Byzacena'', ''Numidia'', ''Mauretania Caesariensis'' und ''Sardinia'' inne hatte. Allerdings kam es in Nordafrika schon bald wieder zu Kämpfen mit den [[Berber]]n (Mauren), die einen ständigen Unruheherd darstellten, und auch zu mehreren Meutereien der oströmischen Garnisonstruppen, wie die unter [[Stotzas]]. Justinians General [[Johannes Troglita]] konnte die Berberrebellion nach langwierigen Kämpfen jedoch niederschlagen und die verbliebenen Eindringlinge friedlich ansiedeln; auch ein vandalischer Restaurationsversuch 546 unter [[Guntarith]] scheiterte. Lange nahm die Forschung an, Nordafrika habe nach der Rückeroberung einen massiven Niedergang erlebt, doch ist diese Annahme durch neue Untersuchungen revidiert worden.<ref>Vgl. dazu Yves Modéran: ''Byzanz' letzte Bastion in Afrika''. In: Badisches Landesmuseum (Hg.), ''Das Königreich der Vandalen'', Mainz 2009, S. 376.</ref> ''Africa'' erlebte in den Jahrzehnten um 600 offenbar noch einmal eine bescheidene Blüte und blieb immerhin bis 698 römisch und christlich. === Gotenkriege === '''Siehe auch:''' [[Gotenkrieg]]e [[Datei:Erster und Zweiter Gotenkrieg.png|thumb|300px|Verlauf der Gotenkriege]] Hintergrund für das Eingreifen Ostroms in [[Italien]] bildeten die Intrigen und Thronkämpfe nach dem Tod des bedeutenden [[Ostgoten]]königs [[Theoderich der Große|Theoderich]]. Seine Tochter [[Amalasuntha]] suchte eine Anlehnung an Ostrom, während Theoderichs Neffe [[Theodahad]] seine eigene Position stärken wollte. Nach dem Tod von Amalasunthas jungem Sohn [[Athalarich]] im Jahre 534 gelang es Theodahad, die Königswürde zu erlangen. Das nun folgende diplomatische Intrigenspiel ist kaum zu durchschauen; sicher ist nur, dass Amalasuntha getötet wurde und Justinian dies zum Anlass nahm, Rüstungen einzuleiten. Die Spannungen führten schließlich 535 zum offenen Krieg (''[[Gotenkrieg]]''), doch wurden die Kämpfe gegen die Ostgoten langwieriger als erwartet. Ein oströmischer Angriff auf [[Dalmatien]] scheiterte, während [[Belisar]] [[Sizilien]] und bald darauf [[Neapel]] einnehmen konnte. Theodahad versagte vollkommen, worauf er von [[Witichis]] abgelöst wurde. Dieser organisierte den Widerstand recht erfolgreich, verlor aber Ende 536 [[Rom]] an Belisar. Versuche, die Stadt, die noch immer etwa 100.000 Einwohner hatte, erneut zu erobern, scheiterten. Es kam zu schweren Kämpfen, die sehr wechselhaft verliefen und für die Bevölkerung Italiens mit großen Lasten verbunden waren. So wurde das von oströmischen Truppen eroberte [[Mailand]] 538 von den Ostgoten grausam zurückerobert; zudem kam es zu Hungersnöten im Land. 538 war auch [[Narses]], Belisars Konkurrent, mit nur geringen Verstärkungen nach Italien entsandt worden, doch führten Streitigkeiten zwischen den beiden Kommandeuren dazu, dass die Offensive gegen die Goten im Sande verlief und Narses bald darauf nach Konstantinopel zurückkehrte. Auch der Einfall der [[Merowinger|merowingischen]] [[Franken (Volk)|Franken]], die unter [[Theudebert I.]] 539 in Norditalien einfielen und diese Region gründlich verwüsteten, forderte zahllose Opfer; dabei kämpften sie sowohl gegen die Goten als auch gegen die Oströmer, die beide vorher die Franken als mögliche Verbündete umworben hatten. Im Mai 540 fiel das von Belisar belagerte [[Ravenna]]. Ostgotische Adlige hatten ihm die Kaiserwürde im Westen angeboten, und Belisar war darauf eingegangen.<ref>Vgl. Henning Börm, ''Das weströmische Kaisertum nach 476''. In: [[Josef Wiesehöfer]] u. a. (Hg.), ''Monumentum et instrumentum inscriptum'', Stuttgart 2008, S. 47ff.</ref> Witichis wanderte in die Gefangenschaft, wo er 542 im Range eines [[Patricius]] verstarb. Ob Belisar die Kaiserwürde nur zum Schein annahm, ist unklar. Jedenfalls erweckte dies den Argwohn Justinians, der seinen Generälen ohnehin nie recht traute und einen zweiten ''Augustus'' neben sich nicht geduldet hätte. Sicher ist, dass Belisar seine Kompetenzen überschritt, als er Witichis gefangen nahm, denn Justinian hatte zuvor mit den Ostgoten vereinbart, dass sich diese in Norditalien als [[Foederaten]] ansiedeln sollten. Belisar setzte sich über diese Abmachung eigenmächtig hinweg; vielleicht hätte die Geschichte einen anderen Verlauf genommen, hätte er den kaiserlichen Willen befolgt: Ein transpadanisches Gotenreich hätte als Puffer gegen die Invasionen der [[Langobarden]] und Franken fungieren können, und zudem wäre Italien wohl die zweite, blutigere Phase des Ostgotenkrieges erspart geblieben. [[Datei:Justinian Byzanz.png|thumb|300px|Das Restaurationswerk Justinians I.]] Justinian begann sogleich, oströmische Beamte nach Italien zu entsenden, die sich offenbar vielfach eher als Herren denn als Befreier gaben: Aufgrund der sehr hohen Steuern, die sie einforderten, kam es in Italien bald darauf zu Aufständen, wobei sich der 542 in [[Pavia]], wo sich die Reste der Ostgoten gesammelt hatten, zum neuen König erhobene [[Totila]] (eigentlich ''Baduila'') als ein kluger Stratege erwies (Propagandakampagne, Bau einer Flotte). Nur kleine Truppenteile wurden Belisar, der 544 wieder das Kommando des italischen Kriegsschauplatzes übernommen hatte, zur Niederschlagung der „Rebellion“ zur Verfügung gestellt, da Justinian seinem besten General nicht mehr recht vertraute und der Großteil der römischen Truppen im Osten benötigt wurde, wo es wieder zu Kämpfen mit den Persern gekommen war (siehe oben). Der so genannte ''zweite Gotenkrieg'' (541/42 bis 552) erwies sich als noch härter als der vorangegangene. Ende 546 fiel Rom an Totila, der es jedoch bald darauf wieder verlor. Die Kämpfe erstreckten sich über ganz Italien und wurden mit großer Grausamkeit geführt. 549 wurde Belisar, dem [[Prokopios von Caesarea]], der den General nun nicht mehr begleitete, später zahlreiche Versäumnisse vorwarf, abberufen und zunächst 550 durch [[Germanus (Feldherr)|Germanus]], nach dessen plötzlichem Tod durch Narses ersetzt. Totila hatte derweil 550 Rom ein zweites Mal eingenommen, konnte sich aber wieder nicht behaupten. Dieser Krieg ruinierte auch die wohlhabende weströmische Senatsaristokratie, die bis dahin ein Träger der antiken Kultur gewesen war. Zum Ende des Jahrhunderts sollte der [[Römischer Senat|Senat]] in seiner bisherigen antiken Tradition dann aus den Quellen verschwinden. Narses gelang es Anfang Juni 552, das wieder gotische Ravenna zu erobern und bald darauf die Goten unter Totila bei [[Schlacht von Busta Gallorum|Busta Gallorum]] entscheidend zu schlagen; Totila fiel dabei, womit das gotische Heer seinen Strategen verloren hatte. Unter ihrem letzten König [[Teja]] stellten sich die Goten im Oktober 552 am ''Mons Lactarius'' in Sichtweite des [[Vesuv]] noch einmal zum Kampf, den sie aber ebenfalls verloren. Einzelne gotische Garnisonen konnten sich noch einige Jahre halten, der Krieg war damit jedoch entschieden. Italien wurde wie zuvor ''[[Africa]]'' wieder einem römischen [[Prätorianerpräfekt|''praefectus praetorio'']] unterstellt; das Land jedoch war verwüstet. Die ''Pragmatische Sanktion'', mit der es 554 administrativ wieder ins ''Imperium Romanum'' eingegliedert wurde, schaffte fast alle Ämter ab, die zuvor von weströmischen Senatoren besetzt worden waren, und trug damit noch zusätzlich zum Verschwinden dieser Aristokratie bei. Italien verlor seinen Sonderstatus und sollte wie eine gewöhnliche Provinz von Konstantinopel aus regiert werden; lediglich der Stadt Rom gestand der Kaiser noch einige Privilegien zu, darunter die Wiederaufnahme der kostenlosen Getreidespenden an die nunmehr stark dezimierte Bevölkerung. Bald nach Justinians Tod fielen die [[Langobarden]] 568 in Italien ein – eventuell im Zusammenhang mit einem gescheiterten Versuch des Narses, sie als Foederaten anzusiedeln – und nahmen es zum größeren Teil in Besitz. Als Teile Ostroms verblieben [[Genua]] bis 650, die Region um Ravenna ([[Exarchat Ravenna]]) bis 751, [[Sizilien]] bis zum 9. Jahrhundert und Teile Süditaliens bis 1071.<ref>Allgemein zu den Kriegen Justinians vgl. unter anderem Bury, ''History of the Later Roman Empire'', Bd. 2, sowie Evans, ''Justinian''.</ref> === Sonstige Außenpolitik === In [[Spanien]] konnte der bereits hochbetagte [[weströmisch]]e Senator [[Liberius (Patricius)|Liberius]] im Auftrag Justinians 552 in Folge von inneren Wirren im [[Westgoten]]reich dessen südliche Region um [[Córdoba (Spanien)|Córdoba]] und [[Straße von Gibraltar|Gibraltar]] für das Imperium in Besitz nehmen. Dieser Raum, der im wesentlichen der alten Provinz ''[[Baetica]]'' entsprach, wurde von Justinian als ''Spania'' reorganisiert, blieb knapp 80 Jahre oströmisch und unterstand einem eigenen ''[[magister militum]]''. Die genauen Grenzen des Gebietes sind unklar. Der [[Balkanhalbinsel|Balkan]] kam während der ganzen Regierungszeit Justinians nicht zur Ruhe. Immer wieder fielen [[Awaren]], [[Slawen]] und [[Hunnen]] ein, daher wurde mit erheblichem Aufwand das Festungssystem erweitert und erneuert. Unter anderem wurde das vor Jahrzehnten während der Hunnen- und Gotenzüge zerstörte Legionslager [[Singidunum]] an der Donau ab 535 als oströmisches ''[[Kastron]]'', das den mittelalterlichen Kern der Stadt [[Belgrad]] begründete, neu aufgebaut. Allerdings erwiesen sich diese Maßnahmen dennoch als nicht ausreichend, um die Sicherheit der Provinzen ''[[Moesia]]'' und [[Thrakien]] zu gewährleisten: Das Hinterland war immer wieder Plünderungszügen ausgesetzt, da insbesondere die Donaugrenze vernachlässigt wurde. 545 gewannen die Oströmer die [[Anten]] als Verbündete, die einen Teil der Donaugrenze fortan sicherten. 548 und 550 drangen slawische Stämme über die Donau erstmals ins Innere der Balkanhalbinsel vor und erreichten den Golf von Korinth, die Adria und die ägäische Küste. Die Infiltration slawischer Stämme sollte sich in den nachfolgenden Jahrzehnten als folgenschweres Ergebnis justinianischer Politik zeigen, die zu einem völlig neuen demografisch-soziologischen Charakter der Balkanhalbinsel führte und dem Reich über Jahrhunderte kostspielige militärische Operationen sowie eine mit der Kurie konkurrierende Missionstätigkeit abverlangte. 559 drangen hunnische Angreifer (wohl Kotriguren) unter ihrem Häuptling Zabergan bis in die Nähe von Konstantinopel vor und bedrohten die Hauptstadt, sie konnten aber vom noch einmal reaktivierten Belisar abgewehrt werden. Einige Jahre nach Justinians Tod fiel 582 die Schlüsselfestung [[Sirmium]] (heute [[Sremska Mitrovica]]) dem Ansturm der Awaren und unterworfener slawischer Stämme zum Opfer. Obwohl einer seiner Nachfolger, Kaiser [[Maurikios]], mit zahlreichen [[Balkanfeldzüge des Maurikios|Feldzügen]] die Versäumnisse der justinianschen Balkanpolitik aufzufangen versuchte, konnte er die [[Landnahme der Slawen auf dem Balkan]] letztendlich nur verzögern, denn seine Nachfolger schenkten der Balkanverteidigung nicht die nötige Aufmerksamkeit. Aus der Konsequenz der [[Völkerwanderung]]en der Slawen im 6. Jahrhundert und der späteren byzantinischen Mission hatte der byzantinische Kulturkreis seine natürliche Grenze an [[Drina]] und [[Save]]. Es gelang Kaiser Justinian, Kontakte mit dem christlichen [[Aksumitisches Reich|Reich von Aksum]] herzustellen (im heutigen [[Äthiopien]], siehe dazu auch [[Ella Asbeha]]), wobei die Aksumiten bereits im Jahr 525 im [[Jemen]] gegen die [[Himjariten]] interveniert hatte, sehr zum Ärger der [[Sassaniden]], die in dieser Region eigene Interessen verfolgten und die Südküste des persischen Golfs bald nach dem Tod des Kaisers eroberten. An der Südgrenze der Provinz Ägypten kam es zudem immer wieder zu Kämpfen mit den [[Blemmyer]]n. Aus dem [[Kaiserreich China]] konnten unter Justinian Seidenraupen eingeführt werden, was die Abhängigkeit von Importen verringerte und zur Entstehung einer eigenen Seidenproduktion führte. Auch in denjenigen Regionen des Mittelmeerraumes, die nicht der direkten Herrschaft Ostroms unterworfen waren, wurde der Vorrang des Kaisers zu dieser Zeit in der Regel anerkannt. Ebenso wie mit den Hunnen kam es auch mit den [[Franken (Volk)|Franken]] immer wieder zu Kämpfen, die aber nicht von entscheidender Bedeutung waren (siehe [[#Gotenkriege|Gotenkriege in Italien]]). == Innenpolitik == === Allgemeines === Justinian galt als ein „schlafloser Kaiser“, der sich um viele Belange persönlich kümmerte. Justinian verließ die Hauptstadt nur sehr selten und war ein wahrer „Innenpolitiker“, wobei er das Glück hatte, nicht nur über kompetente zivile Mitarbeiter ([[Tribonian]], [[Johannes der Kappadokier]]), sondern auch über mehrere sehr fähige Generäle zu verfügen ([[Belisar]], [[Narses]], [[Germanus (Feldherr)|Germanus]], [[Sittas]], [[Mundus (Feldherr)|Mundus]], [[Johannes Troglita]]), die seine Kriege für ihn führten. Unter dem sozialen Aufsteiger Justinian erreichte die spätrömische Herrscherideologie ihre höchste Steigerung; er konnte sich zwar nicht völlig von den älteren Wurzeln des Kaisertums lösen, betonte aber stärker als seine Vorgänger, er habe seine Macht direkt von Gott (''ek theou'') erhalten. Allerdings musste er auch Rückschläge wie den unten besprochenen Nika-Aufstand hinnehmen, in dem er seinen Thron nur durch exzessive Gewalt sichern konnte. Seinen Berater, den einflussreichen ''[[praefectus praetorio]]'' Johannes den Kappadokier, ließ er 541 fallen, da dessen Macht von dem Kaiserpaar, aber vor allem von Theodora, als Gefahrenfaktor eingestuft wurde. Ähnlich erging es wenig später Belisar, der durch seine militärischen Siege zum Rivalen des Kaisers zu werden drohte, aber nicht so tief fiel wie Johannes. Es ist bezeichnend, dass Justinian seine Macht niemals mit einem ''Augustus'' oder ''Caesar'' teilte und auch keinen Nachfolger designierte. Justinian sorgte sich auch um die Städte und die Provinzverwaltung sowie - vor allem in der zweiten Hälfte seiner Regierung - um theologische Fragen. Er versuchte durch zahlreiche Gesetze und Verordnungen, die spätrömische Administration des Reiches zu straffen und den aktuellen Erfordernissen anzupassen – nicht immer mit Erfolg, aber mit bemerkenswerter Energie. Die von ihm veranlasste Rechtskompilation war bahnbrechend und sollte bis in die [[Neuzeit]] nachwirken. Eine wichtige Quelle für diese letzte Phase der spätantiken Verwaltungsgeschichte stellt dabei das Archiv des Beamten [[Dioskoros]] dar, der unter Justinian und seinen Nachfolgern wichtige Posten in Ägypten bekleidete. Noch wichtiger ist die Schrift ''De magistratibus'' des ehemaligen kaiserlichen Beamten [[Johannes Lydos]], in der dieser Einblicke auch in die höheren Ränge der spätantiken Verwaltung bietet. Allerdings belasteten die Kriege - vor allem die im Orient - die Staatsfinanzen erheblich. Dies, die ungebremste Bauwut und insbesondere die Folgen der [[Justinianische Pest|Pestepidemie]] sorgten für immer höhere Belastungen, was schließlich möglicherweise zur Verelendung von Teilen der Bevölkerung führte. Andererseits erlebten Kleinasien, Ägypten und die nicht von persischen Invasionen betroffenen Gebiete Syriens und Palästinas unter Justinian eine wirtschaftliche Blüte. Hier wahrten die Städte ihren [[Spätantike|klassisch-antiken]] Charakter, den sie vor allem südlich der Donau bereits verloren. Inwiefern Justinian die Kräfte des Reiches wirklich überstrapazierte, ist bislang kaum zu sagen und sehr umstritten. Die spätrömische Senatsaristokratie konnte im Osten weiter ihr enormes Sozialprestige, ihre klassische Bildung (''[[paideia]]'') und ein teilweise gewaltiges Vermögen alles in allem bewahren (ein Beispiel hierfür ist die hochadlige [[Anicia Juliana]]), es kam aber offenbar zu Spannungen zwischen den politisch weitgehend entmachteten Senatoren und dem Kaiser.<ref>Allgemein zu Fragen der Innenpolitik, aber auch bezüglich des kulturellen Lebens, empfehlen sich die entsprechenden Abschnitte in Maas, ''Cambridge Companion to the Age of Justinian'', wo ein knapper Überblick mit Verweisen auf Quellen und die moderne Literatur geboten wird.</ref> === Nika-Aufstand === Das innenpolitisch markanteste Ereignis in Justinians Regierungszeit war wohl der so genannte [[Nika-Aufstand]] in Konstantinopel im Jahre 532, bei dem die rivalisierenden [[Zirkuspartei]]en der Blauen und Grünen, verärgert durch Justinians Bestrebungen, ihre Macht einzuschränken, sich gegen ihn zusammenschlossen und einen Gegenkaiser ([[Flavius Hypatius]], den Neffen des früheren Kaisers [[Anastasios I.]]) ausriefen. Wahrscheinlich waren auch andere hochrangige Senatoren an der Revolte beteiligt. Während Justinian die Lage als verloren angesehen haben soll, weigerte sich angeblich (nach Prokopios) Justinians Frau, die ''Augusta'' [[Theodora I.|Theodora]], eine ehemalige Zirkusartistin, aus der Hauptstadt zu fliehen.<ref>Die bei Prokop überlieferte Rede ist sehr wahrscheinlich unhistorisch, vgl. [[Mischa Meier]]: ''[http://www.rhm.uni-koeln.de/pdf/147-1_RhM/10-RHM-147-1_Meier.pdf Zur Funktion der Theodora-Rede im Geschichtswerk Prokops (BP 1,24,33-37)]''. In: ''[[Rheinisches Museum für Philologie]]'' 147 (2004), S. 88ff.</ref> Durch Verhandlungen des Hofkämmerers [[Narses]] mit den Aufständischen und durch Belisars Einfall mit kaisertreuen Truppen ins [[Hippodrom (Konstantinopel)|Hippodrom]], wo sich die Aufständischen versammelt hatten, konnte der Aufstand jedenfalls blutig niedergeschlagen werden. Hypatius wurde hingerichtet, und auch zahlreiche Aristokraten fanden dabei den Tod. Insgesamt sollen bei den Unruhen etwa 30.000 Menschen den Tod gefunden haben, und Teile der Hauptstadt brannten nieder. Nach dem Ende des Aufstands blieb es in Konstantinopel jahrelang ruhig; Justinians Herrschaft wurde im Inneren nicht mehr bedroht. Ein [[Usurpation]]sversuch des [[Johannes Cottistis]] brach 537 binnen Tagen in sich zusammen. Erst in den letzten Jahren Justinians kam es wieder zu Unruhen unter der Bevölkerung. === Die Pest und ihre Folgen === Seit 541 tobte die [[Justinianische Pest|Pest]] (wahrscheinlich handelte es sich um Beulenpest) im ganzen Reich, an der wohl auch Justinian selbst erkrankte; sein wichtigster Jurist [[Tribonian]] verstarb sogar – und mit ihm zahllose andere. Prokopios hat einen erschütternden Bericht über das Wüten der Seuche in Konstantinopel hinterlassen. Die Folgen waren offenbar weitreichend: Es kam zu Hungersnöten, und es entwickelte sich offenbar eine Endzeitstimmung, die durch andere Faktoren wie Kriege und zahlreiche Erdbeben noch verstärkt wurde. Wie schwerwiegend die Auswirkungen der Seuche wirklich waren, ist aber umstritten. Vielleicht auch als Folge der Katastrophen (siehe auch die Hypothese zu den [[Klimaveränderungen von 535–536]]) wandte sich Justinian nun verstärkt theologischen Fragen zu. Es kam zu einer gewissen Zäsur in seiner Regierungszeit; seine Politik war, auch bedingt durch die Rückschläge in den Kriegen, alles in allem weniger dynamisch als zu Beginn. Insgesamt können die enormen Menschenverluste durch die Pest wohl als einer der wichtigsten Einzelfaktoren für den Untergang der antiken Zivilisation gesehen werden. === Rechtskompilation === Eine der größten Leistungen Justinians war zweifellos die Kodifikation des [[Römisches Recht|römischen Rechts]]. 529 wurde der aus früheren privaten und öffentlichen Sammlungen kompilierte [[Codex Iustinianus|Codex Justinianus]] veröffentlicht, 533 erschienen die [[Pandekten|''Digesten'']] (auch ''Pandekten'' genannt), eine Sammlung von Schriften [[Römische Juristen|römischer Juristen]], die die zweite Gruppe geltenden Rechts neben den kaiserlichen Gesetzen darstellten, wobei vor allem [[Tribonian]] großen Anteil am Erfolg hatte. Im selben Jahr wurden auch die ''Institutionen'' veröffentlicht, eine Art juristisches Lehrbuch. Den Abschluss dieses ''[[Corpus Iuris Civilis]]'' bildete eine ''Novellensammlung,'' in der die nach Erscheinen des Codex veröffentlichten Verordnungen Aufnahme fanden. Die Wirkung des (erst im [[Mittelalter]] so genannten) Corpus Iuris war weitreichend: Im 12. Jahrhundert wurde das Corpus an der Rechtsschule von [[Bologna]] rezipiert und bildete mit das Grundgerüst für die Programmatik der [[Staufer]], die sich an die spätantike Kaiseridee anlehnten. Am Ende des Mittelalters galt es als allgemein anerkanntes Recht und beeinflusste auch die folgende Gesetzgebung. === Bautätigkeit === [[Datei:Aya sofya.jpg|thumb|250px|Die Hagia Sophia heute. Die Minarette wurden nach der Eroberung Konstantinopels durch die Türken 1453 errichtet.]] [[Bild:Justinanae primae.gif|thumb|Gesamtplan der protobyzantinischen Stadt Justiniana prima (530–615). <br /> <small> 1 Episkopalbasilika <br /> 2 Atrium und Brunnen der Episkopalbasilika <br /> 3 Baptisterium <br /> 4 „Consignatorium“ <br /> 5 Straße der Akropolis <br /> 6 „Episkopalpalast“ <br /> 7 Tor der Akropolis <br /> 8 Kreisförmiger Platz <br /> 9 Nordstraße der Oberstadt <br /> 10 Südstraße der Oberstadt <br /> 11 Weststraße der Oberstadt <br /> 12 Oststraße der Oberstadt <br /> 13 Osttor der Oberstadt <br /> 14 Gebäude im Nordwesten des Kreisplatzes <br /> 15 Gebäude im Nordosten des Kreisplatzes <br /> 16 Gebäude im Südwesten des Kreisplatzes <br /> 17 Gebäude im Südosten des Kreisplatzes <br /> 18 Kirche mit Krypta<br /> 19 Gebäude an der Südstraße der Oberstadt <br /> 20 Südtor der Oberstadt <br /> 21 Kreuzförmige Kirche<br /> 22 Kirche am Fuße der Akropolis <br /> 23 „Urbane Villa“ <br /> 24 Turm d'angle im Südwesten der Oberstadt (Reservoir) <br /> 26 Zisterne der Unterstadt <br /> 27 Doppelkirche <br /> 28 Kirche „à transept“ <br /> 33 Therme <br /> 41 Quadratischer Turm der Mauern der Unterstadt </small>]] Justinian entfaltete eine rege Bautätigkeit. So ließ er unter anderem die alte Kirche der "Heiligen Weisheit", die [[Hagia Sophia]], in Konstantinopel nach ihrer Zerstörung im Nika-Aufstand durch einen prachtvollen Neubau ersetzen, dessen gewaltige Kuppel nach einem Erdbeben noch vor Justinians Tod nochmals erneuert werden musste. Dieser weltberühmte Bau, der maßgeblich von den Architekten [[Anthemios von Tralleis]] und [[Isidor von Milet]] geprägt war, gilt als das letzte Meisterwerk der spätantiken Architektur. Justinians Hagia Sophia war sieben Jahrhunderte lang die größte Kirche überhaupt; die Größe der Kuppel wurde erst nach über einem Jahrtausend vom [[Petersdom]] überboten. Seit 641 wurden dort die Kaiser gekrönt, 1453 wurde sie zur Moschee. Bis heute ist sie das Wahrzeichen Istanbuls. Auch [[Antiochia am Orontes]] wurde nach einem schweren Erdbeben und der Eroberung durch die [[Sassaniden]] 540 wieder aufgebaut. In [[Ephesos]] ließ Justinian unter anderem eine prächtige Kirche errichten, auch das berühmte Sinaikloster geht auf ihn zurück. Die Zahl der großen und kleinen Städte im Oströmischen Reich wird zu seiner Zeit auf etwa 900 geschätzt, und besonders in den Provinzhauptstädten entfaltete sich noch einmal eine zum Teil rege Bau- und Renovierungstätigkeit. Justinian regelte per Gesetz, welcher Anteil an den Steuern den ''poleis'' zukommen sollte, um den Unterhalt der öffentlichen Bauten (Theater, Bäder etc.) zu gewährleisten. Die Krisen, die das Reich seit 540 trafen, ließen die kaiserliche Politik zur Förderung der Städte aber letztlich scheitern. Das römische Festungssystem wurde vor allem an der Donau stark erweitert, insbesondere wurde [[Singidunum]], das heutige [[Belgrad]], durch eine neue Burg befestigt, hielt jedoch langfristig dem Ansturm der [[Slawen]] bzw. der [[Awaren]] nicht stand, die 582 die Schlüsselstadt [[Sirmium]] an der Save nehmen sollten. Auch an der Grenze zum [[Sassanidenreich]] wurden insbesondere nach 540 neue Befestigungen errichtet. Unter den profanen Ingenieursbauten ist die monumentale [[Sangariusbrücke]] in [[Bithynien]] zu nennen, deren Bau vom Kaiser aus strategischen Gesichtspunkten veranlasst wurde. Des Weiteren wurde auf kaiserliche Anweisung hin die Stadt [[Justiniana Prima]] (530–615) im heutigen [[Serbien]] als neue Bischofsstadt prächtig ausgebaut; entweder handelt es sich dabei um seinen Heimatort oder um eine in der Nähe liegende Ortschaft, moderner Name ''Caricin Grad'' (serb. = Kaiserstadt). Die umfassenden Bautätigkeiten Justinians, die Prokopios in einem eigenen Werk feierte, konnten jedoch nur durch reichlich fließende Steuern finanziert werden. Die hohe fiskalische Belastung war vielleicht ein Auslöser für den Nika-Aufstand 532, doch ist dies umstritten. == Religionspolitik == In der christlichen Kirche seiner Zeit spielte Justinian eine dominierende Rolle. Justinian verfasste angeblich selbst theologische Traktate und leitete Kirchenversammlungen. Das Zusammenspiel (die ''[[Symphonia (Theologie)|Symphonia]]'') von spätantikem Staat und christlicher Kirche erreichte in dieser Zeit seinen Höhepunkt; der Kaiser beanspruchte, seine Herrschaft direkt von Gott (''ek theou'') erhalten zu haben. Justinian ging auch entschlossen gegen die verbliebenen [[Heidentum|Nichtchristen]] im Reich vor, vor allem im südlichen [[Ägypten]]. Eifrig um [[Christianisierung]] bemüht, ließ der Kaiser 529 zudem die [[Platonische Akademie]] in Athen, einen Hort paganer neuplatonischer Philosophie, schließen – vermutlich um damit den Einfluss des Heidentums auf Wissenschaft und Bildung zurückzudrängen, vielleicht auch nur, um ein Zeichen zu setzen. Sieben heidnische Philosophen (darunter [[Damaskios]] und [[Simplikios]]) übersiedelten daraufhin 531 kurzzeitig nach Persien, kehrten aber schon 532 wieder in das Imperium zurück.<ref>Vgl. Edward Watts: ''[http://www.duke.edu/web/classics/grbs/FTexts/45/Watts.pdf Where to Live the Philosophical Life in the Sixth Century? Damascius, Simplicius, and the Return from Persia]''. In: ''Greek, Roman, and Byzantine Studies'' 45 (2005) S. 285-315.</ref> Zwar sollen noch in den 540er Jahren 80.000 kleinasiatische „Heiden“ bzw. „Hellenen“ getauft und ihre Tempel zerstört worden sein, doch insgesamt dürfte die Zahl der Anhänger der alten Religion inzwischen eher gering gewesen sein. Es gab allerdings noch immer einige bedeutende pagane "Inseln" im christlichen Reich, zum Beispiel die Stadt [[Carrhae]] in der heutigen Türkei oder das syrische [[Baalbek]]. Der berühmte [[Isis (Ägyptische Mythologie)|Isis]]-Tempel von [[Philae (Ägypten)|Philae]] in Ägypten, bis dahin das letzte offiziell geduldete pagane Heiligtum im Imperium, wurde um 536 durch kaiserliche Truppen geschlossen. Wie stark die vorchristlichen Kulte unter Justinian noch waren, lässt sich kaum abschließend beurteilen. Der Vorwurf des heimlichen Heidentums entwickelte sich zu einem beliebten Instrument, um unliebsame Angehörige der Oberschicht zu belasten. Justinian ordnete 545/6 die Verfolgung nichtchristlicher Grammatiker, Rhetoren, Ärzte und Juristen an und ließ im Jahre 562 heidnische Bücher öffentlich verbrennen.<ref>W. Speyer: ''Büchervernichtung und Zensur des Geistes bei Heiden, Juden und Christen'' (Bibliothek des Buchwesens 7). Stuttgart 1981, S. 136</ref> Die Kindstaufe wurde zwangseingeführt, die Nichtbeachtung mit dem Verlust von Eigentum und Bürgerrecht bestraft, das Festhalten am „hellenischen“ Glauben bzw. die Apostasie nach der Taufe mit der Todesstrafe.<ref>Codex Justinianus I 11,10.</ref> Dies war ein entscheidender Schritt, da nun praktisch jeder Reichsbewohner bereits als Kind getauft wurde und ein Abfall vom Christentum als grundsätzlich todeswürdiges Verbrechen galt. Besonders die [[Manichäismus|Manichäer]] wurden nicht nur von Justinian, sondern auch in Persien schwer verfolgt und mussten in der Folge nach [[Indien]] und [[China]] auswandern.<ref>Siehe Codex Justinianus I 5,12,3.</ref> Die Rechtslage der Juden verschlechterte sich, doch wurde ihre Religion als einzige neben dem Christentum weiterhin geduldet. Einen guten Überblick bezüglich der [[Eschatologie|eschatologischen]] Erwartungen im „Zeitalter Justinians“ (z. B. im Hinblick auf die Pestepidemie und mehrere Naturkatastrophen) gibt [[Mischa Meier]], ''Das andere Zeitalter Justinians''. Inwiefern die enttäuschten [[Parusie]]erwartungen der Jahre um 500 aber tatsächlich auch für die Zeit um 540 von Bedeutung waren und ob die Quellen, die Meier anführt, wirklich repräsentativ sind, bedarf durchaus noch der weiteren Diskussion. In der Frage innerkirchlicher [[Häresie]]n scheiterten Justinians Ausgleichsbemühungen; seine Verurteilung der [[Monophysitismus|monophysitischen (miaphysitischen) Lehre]], welcher unter anderem selbst Kaiserin [[Theodora I.|Theodora]] folgte, verschärfte nur die schon existierenden Spannungen zwischen den monophysitischen Kirchen Syriens und Ägyptens und der antimonophysitisch bzw. [[Konzil von Chalcedon|chalcedonensisch]] eingestellten römischen und konstantinopolitanischen Kirche. Justinians harte Religionspolitik führte im Sommer 529 zu einem Aufstand der [[Samaritaner]], einer Splittergruppe des [[Judentum]]s, in [[Palästina (Region)|Palästina]], der blutig niedergeschlagen wurde (zu den Hintergründen siehe [[Julian ben Sabar]]). Überlebende wurden zwangschristianisiert. Die [[Montanismus|Montanisten]], Christen mit abweichenden Endzeiterwartungen, begingen kollektiven Selbstmord, indem sie sich in ihre Kirchen einschlossen und diese anzündeten, ihr Schrifttum ging verloren.<ref>Otto Mazal: ''Justinian und seine Zeit''. Köln 2001, S. 203.</ref> Justinian persönlich gab sich sehr fromm und als überzeugter Anhänger der orthodoxen Kirche, der auch als Kaiser die strengen [[Fastenzeit#Fastenzeiten in der .C3.B6stlich-orthodoxen Kirche|Fastenzeiten]] strikt einhielt. Der angeblich von Justinian selbst verfasste [[Hymnus]], „O einzig-gezeugter Sohn und Wort Gottes“ gehört bis heute zur [[Liturgie]] der orthodoxen Kirche. Justinian ließ im Januar 543 einen Erlass gegen [[Origenes]] (185-254) veröffentlichen, der auch neun doktrinale [[Anathema]]tismen beinhaltete, welche die Lehre des Origenes zum Inhalt hatten; ein zehnter Anathematismus zielte auf die Person des Origenes, dessen Lehren bereits seit Jahrhunderten umstritten waren. Von der ständigen Synode wurde der Erlass kurz darauf bestätigt. Fast gleichzeitig brach der erbittert geführte ''[[Dreikapitelstreit]]'' aus; beide Konflikte wurden teils zeitgleich geführt, inhaltlich hatten sie jedoch keine Gemeinsamkeit. Im Dreikapitelstreit ging es um die Schriften dreier christlicher Autoren aus dem [[5. Jahrhundert]], die im Verdacht standen, dem bereits 431 verworfenen [[Nestorianismus]] anzuhängen. Namentlich waren dies [[Ibas von Edessa]], [[Theodor von Mopsuestia]] und der Kirchenhistoriker [[Theodoret]]. Auch gegen sie ließ Justinian 544/45 eine Schrift verfassen, wogegen sich auch in den Reihen der Patriarchen erheblicher Widerstand formierte; selbst der römische Bischof [[Vigilius]], welcher der Schrift zuerst zugestimmt hatte, musste seine Zustimmung auf Druck mehrerer westlicher Kirchen (unter anderem der von ''[[Africa]]'') wieder zurückziehen. Justinian berief 553 das [[Zweites Konzil von Konstantinopel|zweite Konzil von Konstantinopel]] ein, das als das ''Fünfte Ökumenische Konzil'' (das letzte der [[Spätantike]]) in die Geschichte einging. Auch hier kam die Kontroverse um Origenes und um den Dreikapitelstreit noch einmal zur Sprache; Justinian ließ keinen Zweifel daran, dass er eine Verurteilung der drei Autoren wünschte, und setzte zu diesem Zweck auch den anwesenden Bischof von Rom (den Papst Vigilius) massiv unter Druck. Ein Ausgleich mit den Monophysiten konnte nicht erreicht werden, und trotz der Anerkennung der Konzilsbeschlüsse durch den Papst stießen sie im Westen auf Widerstand. Kurz vor seinem Tod entfernte sich der Kaiser dann durch die Propagierung des ''[[Aphthartodoketismus]]'' selbst wieder von der Orthodoxie. In theologischen Fragen näherte sich Ostrom unter Justinian bereits dem [[Mittelalter]] an. Teils wird Justinian vorgeworfen, zu einer Verhärtung der Fronten beispielsweise in der Auseinandersetzung mit den Monophysiten beigetragen und somit indirekt die Kraft des Reiches geschwächt zu haben. Der Kaiser selbst, der eine enge Verknüpfung von Kaisertum und Kirche anstrebte, wollte wohl eher das Reich durch eine gemeinsame Religion bzw. Konfession stärken – und wie für die Spätantike typisch, war dabei die Frage nach dem "richtigen" Dogma von entscheidender Bedeutung, da sonst Verdammung statt Erlösung drohte. In der [[Östlich-orthodoxe Kirche|orthodoxen Kirche]] werden Justinian und auch seine Frau [[Theodora I.]] (obwohl sie sich für den Monophysitismus einsetzte) als [[Heilige]] verehrt. Justinians Gedenktag ist sein vermutlicher Todestag, der 14. November. == Wirkung == Justinian ist bis in die jüngste Vergangenheit hinein als eine der leuchtendsten Herrscherfiguren der [[Spätantike]] gefeiert worden, und fraglos zählt er neben Diokletian und Konstantin zu den wichtigsten spätrömischen Kaisern. Problematisch scheint jedoch eine grundsätzliche Bewertung zu sein. Unter Justinian wurden die letzten Reste der alten römischen Volkssouveränität (die allerdings schon lange nur mehr auf dem Papier existierte) beseitigt und durch ein konsequentes Gottesgnadentum ersetzt. Allerdings blieb die schweigende Zustimmung (das ''silention'') der Vertreter von Volk und Heer auch unter Justinian unverzichtbare Legitimation der kaiserlichen Herrschaft. In Italien gingen die eroberten Gebiete nach 568 zu großen Teilen wieder verloren. Im Osten musste das Reich um das nackte Überleben kämpfen und sich den Frieden teuer erkaufen, wobei der oft erhobene Vorwurf, Justinian habe die Perserfront vernachlässigt, um im Westen tätig zu sein, allerdings auf sehr schwachen Argumenten beruht: Im Gegenteil, die Hauptmacht der römischen Truppen widmete sich vor 532 und nach 540 der Abwehr der sassanidischen Angriffe. Hingegen erwies sich gerade die Pestepidemie als verheerend. Große Teile des Reiches wurden entvölkert; die finanzielle Kraft wurde dadurch ebenfalls in Mitleidenschaft gezogen und das militärische Potenzial des Imperiums stark verringert. Allerdings trug der Kaiser gerade an dieser Katastrophe, deren Folgen schwer abzuschätzen sind, keine Mitschuld. Seine Regierungszeit war für die Bevölkerung zweifellos teils mit schweren Lasten verbunden und von einer eher intoleranten Religionspolitik geprägt (das Ziel, das Reich religiös durch das Chalkedonense zu einen, erreichte Justinian damit allerdings so wenig wie seine Vorgänger). Kritik am Kaiser hatten bereits Zeitgenossen geübt, hier vor allem [[Prokopios von Caesarea|Prokopios]] in seiner ''Geheimgeschichte.'' Dabei ist nach wie vor die Frage zu klären, ob Justinians Politik sich tatsächlich wesentlich von der seiner Vorgänger unterscheidet und ob sein Agieren nicht in vielem nur als Pragmatismus zu erklären ist. Das Bild, das Prokopios von Justinian entwirft, ist von tiefem Hass gegen den Kaiser erfüllt: {{Zitat|Und dass er kein menschliches Wesen, sondern, wie man vermutet hat, die Verkörperung eines Dämons in menschlicher Gestalt war, kann man erschließen, wenn man die Schwere der Untaten ermisst, welche er an der Menschheit verübte. Denn in dem Maße, wie die Taten eines Mannes überragend sind, offenbart sich die Macht dessen, der sie verübt. Nun die genaue Zahl jener festzustellen, die durch ihn zerstört wurden, wäre nicht möglich, denke ich, weder für einen Menschen, noch für Gott. Denn man könnte schneller, so denke ich, alle Sandkörner zählen als die unermessliche Zahl jener, welche dieser Kaiser zerstörte.|ref=<ref>Prokopios, Geheimgeschichte 18,1.</ref>}} Im Bereich der Jurisprudenz war Justinian wegweisend, während die spätantike Kultur unter Justinian noch einmal eine letzte Blüte erlebte: Prokopios von Caesarea, [[Agathias]], [[Simplikios]] und [[Corippus]] verfassten bedeutende Werke in klassischer Tradition; man vergleiche dagegen die Kirchengeschichte des [[Euagrios Scholastikos]], die Weltchronik des [[Johannes Malalas]] und die – nur teilweise überlieferten – Werke des [[Johannes von Ephesos]], die recht bald nach Justinians Tod entstanden sind und nach Ansicht mancher bereits in eine andere Richtung weisen. Die noch immer zahlreichen Städte des oströmischen Reiches scheinen zumindest bis zur Pest ebenfalls bis zu einem gewissen Grad floriert zu haben. Außenpolitisch waren Justinians Erfolge, wie bereits angesprochen, nur von mehr oder weniger kurzfristiger Natur. Ob dies 565 absehbar war, steht allerdings auf einem anderen Blatt. Eine gewisse Zäsur ist wohl in den 540er Jahren zu sehen. War die Zeit vorher von Dynamik gekennzeichnet (Rechtskodifikation, Bautätigkeit, Restaurationspolitik), folgte nun eine gewisse Agonie, auch bedingt durch die Katastrophen der Pest und die andauernden Kriege im Westen und Osten – zumindest ist dies die Kernthese der vielbeachteten Monografie von [[Mischa Meier]] (''Das andere Zeitalter Justinians''). Allerdings gelangen zwei spektakuläre außenpolitische Erfolge – der Sieg über die Ostgoten und die Eroberung von Teilen Spaniens – noch am Anfang der 550er Jahre, sodass man den Einschnitt der Jahre um 542 vielleicht auch nicht überbewerten sollte. Ostrom war zudem am Ende seiner Regierungszeit zweifellos die Vormacht im Mittelmeer, ganz nach dem antiken Reichsideal, allerdings erkauft mit hohen Opfern.<ref>Vgl. dazu Mischa Meier, ''Justinian. Herrschaft, Reich und Religion''; siehe nun jedoch auch Michael Maas (Hrsg.), ''The Cambridge Companion to the Age of Justinian''. Siehe auch Harmut Leppin, ''(K)ein Zeitalter Justinians – Bemerkungen aus althistorischer Sicht zu Justinian in der jüngeren Forschung''. Aufsatz im Rahmen des ''21st International Congress of Byzantine Studies''; [http://www.byzantinecongress.org.uk/paper/III/III.1_Leppin.pdf hier online (PDF)].</ref> In der Zeit Justinians wurde in vielen Bereichen der Weg für das byzantinische Reich bereitet, auch wenn dies noch ein langer Prozess war. Insbesondere zu Beginn seiner Regierung war das Reich noch klar römisch, zum Ende hin ist eine Zunahme der byzantinischen Züge (gerade im religiösen Bereich) zu erkennen. Die Verwaltung des Reiches hielt allerdings zumeist noch an der typisch spätantiken Teilung von militärischer und ziviler Gewalt fest. Ein Wechsel deutete sich bereits an, doch der endgültige Bruch mit den antiken Traditionen erfolgte erst Anfang des siebten Jahrhunderts. Die Frage, inwiefern der Kaiser für die Rückschläge und Katastrophen, die das Reich in seinen späteren Jahren und nach seinem Tod trafen, tatsächlich persönlich verantwortlich war, kann durchaus unterschiedlich beantwortet werden. Vielleicht sollte man den faktischen Handlungsspielraum eines spätantiken Herrschers nicht überschätzen und Justinian als einen innerhalb dieses Rahmens ungewöhnlich engagierten und fähigen Monarchen betrachten – als den letzten römischen Kaiser, der diesen Namen wirklich mit Recht trug und der das ''Imperium Romanum'' noch einmal zur Vormacht der Mittelmeerwelt machte. Zwar darf man auch den sukzessiven Zusammenbruch der justinianischen Ordnung bald nach seinem Tod nicht außer Acht lassen, doch Forscher wie [[Chris Wickham]] haben jüngst betont, dass der Kaiser am Ende seines Lebens eine beachtliche Bilanz hinterlassen habe, während die Annahme, seine Politik habe die Kräfte des Imperiums entscheidend überfordert, kaum zu beweisen sei.<ref>Vgl. Chris Wickham: ''The Inheritance of Rome''. London 2009, S. 94f.: ''Justinian's reign does not seem to have been a negative turning point for the empire. But the controversy over it does at least mark respect.''</ref> Der Ausgang der Diskussion ist offen. == Zeittafel == * 481/482 Geburt Justinians. * 523 Heirat Justinians mit [[Theodora I.|Theodora]]. * 525 Erhebung zum ''Caesar'' [[Justin I.|Justins I.]] * April 527 Erhebung zum Mitkaiser. * 1.8.527 Justinian übernimmt die Alleinherrschaft über [[Byzantinisches Reich|Ostrom]]. * 528–534 Entstehung des später so genannten [[Corpus Iuris Civilis]]. * 529/530 Aufstand der [[Samaritaner]] in [[Palästina (Region)|Palästina]]. * 531/532 Abschluss des „Ewigen Friedens“ mit [[Chosrau I.]] von Persien. * 532 [[Nika-Aufstand]], Religionsgespräche zwischen den [[Konzil von Chalcedon|Chalkedoniern]] und [[Monophysitismus|Monophysiten]] in [[Konstantinopel]]. * 533/534 Eroberung des [[Vandalen]]reichs durch [[Belisar]]. * 535–540 Erster Krieg gegen die [[Ostgoten]]. * 536 Verfolgung von [[Monophysitismus|Monophysiten]]. * 536/537 Mehrmonatige Sonnen- und Mondverfinsterung mit unbekanntem Auslöser (evtl. Vulkanausbruch) im gesamten Mittelmeerraum. Klimaveränderungen und Ernteausfälle sind die Folge. * 537 Vollendung der [[Hagia Sophia]]. * 539/540 [[Bulgaren]]einfall in Griechenland mit schweren Verwüstungen. * 540 Einfall der [[Sassaniden]] in das römische Gebiet mit der Zerstörung [[Antiochia am Orontes|Antiochias]]. Beginn eines bis 562 andauernden Krieges mit Persien. * 541/542 Die [[Justinianische Pest|Pest]] wütet im ganzen Reich, Hungersnöte brechen in den folgenden Jahren aus. * 541/552 Zweiter Krieg gegen die [[Ostgoten]]. * 548 Tod Kaiserin [[Theodora I.|Theodoras]]. In [[Africa]] wirft [[Johannes Troglita]] den [[Berber]]aufstand nieder. * 549 Aufdeckung einer Verschwörung gegen Justinian. * 551 Schwere Erdbeben erschüttern Mittelgriechenland und den östlichen Mittelmeerraum. * 552 [[Narses]] besiegt die [[Ostgoten]] bei den ''[[Busta Gallorum]]'' und am ''[[Schlacht am Mons Lactarius|Mons Lactarius]]'' * 552 Eroberung von Gebieten im [[Westgoten|westgotischen]] Spanien. * 553 Verurteilung der „Drei Kapitel“ im [[Zweites Konzil von Konstantinopel|zweiten Konzil von Konstantinopel]] (dem fünften ökumenischen Konzil). * 557 Schweres Erdbeben in [[Konstantinopel]], Kuppel der [[Hagia Sophia]] stürzt ein. * 558 Die [[Pest]] wütet ein zweites Mal in [[Konstantinopel]]. * 559 [[Belisar]] schlägt einen [[Bulgaren]]einfall vor den Toren [[Konstantinopel]]s zurück. * 562 Aufdeckung einer Verschwörung gegen Justinian, Neueinweihung der [[Hagia Sophia]]. Frieden mit den [[Sassaniden]]. * 14.11.565 Tod Justinians. * 568 Das oströmische Italien geht zu großen Teilen an die [[Langobarden]] verloren. == Quellen == Die wichtigste Quelle zur Regierungszeit Justinians I. stellen die Werke des [[Prokopios von Caesarea]] dar, wobei dessen ''Geheimgeschichte'' mit äußerster Vorsicht zu lesen ist, da in dieser stark polemisiert wird. An Prokop schließt [[Agathias]] an, ohne jedoch dessen Niveau zu erreichen. Des Weiteren sei unter anderem auf [[Menander Protektor]], [[Johannes Malalas]] und die diversen Chroniken hingewiesen (z.&nbsp;B. des [[Victor von Tunnuna]]). Eine wichtige Quelle ist auch das so genannte ''[[Corpus Iuris Civilis]],'' zumal vor allem in den Vorreden Justinians Herrschaftsauffassung greifbar wird. * ''Corpus Iuris Civilis.'' Diverse Editionen, z. B. ISBN 3-8252-1764-7. * Prokopios: ''Werke gr.-dt.'' (Bücherei Tusculum), 5 Bände, herausgegeben von [[Otto Veh]], München 1961ff. == Literatur == * [[Klaus Bringmann]]: ''Justinian''. In: [[Manfred Clauss]] (Hrsg.): ''Die römischen Kaiser.'' C.H. Beck, München 1997, S. 431–450, ISBN 3-406-47288-5 (recht informative, knappe biografische Skizze). * [[Robert Browning (Byzantinist)|Robert Browning]]: ''Justinian und Theodora''. Lübbe, Bergisch Gladbach 1988 (engl. ''Justinian and Theodora''. London 1971, mehrere Nachdrucke). * [[John Bagnell Bury]]: ''History of the Later Roman Empire''. 2 Bände, New York 1958 (Nachdruck von 1923). Bd. 1, ISBN 0-486-20398-0, Bd. 2, ISBN 0-486-20399-9 (Älteres Standardwerk, aber immer noch empfehlenswert, wenn auch freilich in Teilen veraltet. Besonders sei auf Bd. 2 hingewiesen, in dem ausführlich die Regierung Justinians beleuchtet wird. Es findet sich dort auch ältere Literatur). * [[Averil Cameron]] u. a. (Hrsg.): ''[[The Cambridge Ancient History]]''. 2. Auflage. Bd. 14, Cambridge 2000, ISBN 0-521-32591-9 (Besonders S. 63ff. Englisches Standardwerk zur Spätantike mit Beiträgen von ausgewiesenen Experten. Sehr empfehlenswert, gerade für den soziokulturellen Hintergrund. Dort auch weiterführende Literatur größtenteils jüngeren Datums.). * Brian Croke: ''Justinian under Justin. Reconfiguring a Reign''. In: ''[[Byzantinische Zeitschrift]]'' 100, 2007, S. 13–56, {{ISSN|0007-7704}}. * James A. S. Evans: ''The Age of Justinian. The Circumstances of Imperial Power''. London und New York 1996, ISBN 0-415-23726-2 (Neuere Biografie, die lesbar, gut und zuverlässig informiert) * James A. S. Evans: ''The Emperor Justinian and the Byzantine Empire''. Greenwood Guides to Historic Events of the Ancient World. Greenwood, Westport Con 2005, ISBN 0-313-32582-0 (Vor allem aufgrund des Anhangs mit ausgesuchten, ins Englische übersetzten Quellen hilfreich). * James A.S. Evans: ''The empress Theodora. Partner of Justinian''. Austin 2002. ISBN 0-292-72105-6 (Leicht romantisierend, dennoch eine nützliche und solide Einführung, die dem populärwissenschaftlichen Werk von P. Cesaretti (''Theodora. Kaiserin von Byzanz'') auf jeden Fall vorzuziehen ist) * [[Hartmut Leppin]]: ''Justinian und die Wiederherstellung des Römischen Reiches. Das Trugbild der Erneuerung''. In: [[Mischa Meier]] (Hrsg.): ''Sie schufen Europa'', C. H. Beck, München 2007, S. 176–194. * Michael Maas (Hrsg.): ''The Cambridge Companion to the Age of Justinian''. Cambridge 2005. ISBN 0-521-52071-1 (Eine hervorragende Aufsatzsammlung zu zentralen Themen (Städte, Pest, Krieg, Administration, Ideologie, Beziehungen zu den Nachbarn des Reiches und zu den Juden usw.), die auch eine umfassende Bibliografie bietet und besonders empfohlen werden kann) [http://ccat.sas.upenn.edu/bmcr/2006/2006-03-12.html Besprechung] * Otto Mazal: ''Justinian I. und seine Zeit''. Böhlau, Köln/Weimar/Wien 2001. (Konservative, umfassende und teilweise bereits überholte Gesamtdarstellung.) * [[Mischa Meier]]: ''Justinian. Herrschaft, Reich und Religion''. C. H. Beck, München 2004, ISBN 3-406-50832-4 (Knappe, aber dennoch sehr informative Biografie. Zudem stark problemorientiert und gut lesbar, die Beurteilung des Kaisers ist aber vielleicht zu negativ). * Mischa Meier: ''Das andere Zeitalter Justinians. Kontingenzerfahrung und Kontingenzbewältigung im 6. Jahrhundert n. Chr.'' 2. Auflage. Göttingen 2004, ISBN 3-525-25246-3 (Detaillierte, umfangreiche Studie, die von einem interessanten Ansatz die Regierungszeit Justinians beleuchtet, der Katastrophenangst und den Endzeiterwartungen der Bevölkerung. Für historische Laien allerdings nicht unproblematisch zu lesen, zudem bedürfen viele von Meiers Thesen noch eingehenderer Diskussion). * [[Berthold Rubin]]: ''Das Zeitalter Justinians''. Bd. 1, Berlin 1960 (2. Band 1995 aus dem Nachlass herausgegeben) . * Peter Sarris: ''Economy and society in the Age of Justinian.'' Cambridge University Press, Cambridge 2006, ISBN 0-521-86543-3. * Georges Tate: ''Justinien. L’épopée de l’Empire d’Orient (527–565)''. Fayard, Paris 2004. * Edward Watts: ''Justinian, Malalas, and the End of Athenian Philosophical Teaching in AD 529''. In: ''Journal of Roman Studies'' 94, 2004, S. 168–182, {{ISSN|0075-4358}}. == Weblinks == {{Commons|Justinian I}} {{Wikisource|Scriptor:Flavius Petrus Sabbatius Iustinianus|Flavius Petrus Sabbatius Iustinianus|lang=la}} * {{DNB-Portal|11855896X}} === Primärquellen === * [http://www.fordham.edu/halsall/source/procop-wars1.html Prokop zum Nika-Aufstand] (englisch) * [http://www.fordham.edu/halsall/source/542procopius-plague.html Prokop zum Ausbruch der Pest] (englisch) * [http://www.fordham.edu/halsall/basis/procop-anec.html Prokops Geheimgeschichte in einer englischen Übersetzung] * [http://www.thelatinlibrary.com/marcellinus.html Marcellinus Comes, ''Chronicon''] (lateinisch) * [http://www.thelatinlibrary.com/justinian.html ''Corpus Iuris Civilis''] (lateinisch, ohne Novellen) * [http://web.upmf-grenoble.fr/Haiti/Cours/Ak/ ''Novellae Iustiniani''] (lateinisch) === Allgemeine Links zu Justinian === * {{DIR|justinia|James Allan Evans}} * {{BBKL|j/Justinianus}} * [http://www.isidore-of-seville.com/justinian/1.html ''Justinian on the Net''] == Anmerkungen == <references /> {{Folgenleiste|VORGÄNGER=[[Justin I.]]|NACHFOLGER=[[Justin II.]]|AMT=[[Liste der byzantinischen Kaiser|Kaiser von Byzanz]]|ZEIT=527–565}} {{Exzellent}} {{Normdaten|PND=11855896X|LCCN=n/79/32202|VIAF=88881722}} [[Kategorie:Heiliger (6. Jahrhundert)]] [[Kategorie:Kaiser (Byzanz)]] [[Kategorie:Kaiser (Rom)]] [[Kategorie:Christlicher Orient]] [[Kategorie:Justinianische Dynastie]] [[Kategorie:Geboren im 5. Jahrhundert]] [[Kategorie:Gestorben 565]] [[Kategorie:Mann]] [[Kategorie:Justinian I.| ]] {{Personendaten |NAME=Justinian I. |ALTERNATIVNAMEN=Flavius Petrus Sabbatius Iustinianus (vollständiger Name); Justinian der Große (in der Literatur verwendeter Name) |KURZBESCHREIBUNG=byzantinischer Kaiser (527−565) |GEBURTSDATUM=um 482 |GEBURTSORT=[[Tauresium]] |STERBEDATUM=14. November 565 |STERBEORT=[[Konstantinopel]] }} {{Link FA|eu}} {{Link FA|mk}} {{Link GA|en}} [[an:Chustinián I]] [[ar:جستنيان الأول]] [[be:Юсцініян I]] [[bg:Юстиниан I]] [[bs:Justinijan I]] [[ca:Justinià I]] [[cs:Justinián I.]] [[cy:Justinianus I]] [[da:Justinian 1.]] [[el:Ιουστινιανός Α']] [[en:Justinian I]] [[eo:Justiniano la 1-a]] [[es:Justiniano I]] [[et:Justinianus I]] [[eu:Justiniano I.a]] [[fa:ژوستینین یکم]] [[fi:Justinianus I]] [[fr:Justinien]] [[gl:Xustiniano I]] [[he:יוסטיניאנוס הראשון, קיסר האימפריה הביזנטית]] [[hr:Justinijan I. Veliki]] [[hu:I. Justinianus bizánci császár]] [[id:Justinianus I]] [[is:Justinianus 1.]] [[it:Giustiniano I di Bisanzio]] [[ja:ユスティニアヌス1世]] [[ka:იუსტინიან I (ბიზანტია)]] [[ko:유스티니아누스 1세]] [[ku:Yustîniyan I]] [[la:Iustinianus I]] [[lt:Justinianas I]] [[lv:Justiniāns I]] [[mk:Јустинијан I]] [[nl:Justinianus I]] [[no:Justinian I den store]] [[pl:Justynian I Wielki]] [[pt:Justiniano I]] [[ro:Iustinian I cel Mare]] [[ru:Юстиниан I]] [[scn:Giustinianu I]] [[sh:Justinijan I. Veliki]] [[simple:Justinian I]] [[sk:Justinián I.]] [[sl:Justinijan I.]] [[sq:Justiniani I]] [[sr:Јустинијан I]] [[sv:Justinianus]] [[th:จักรพรรดิจัสติเนียนที่ 1]] [[tl:Justinian I]] [[tr:I. Justinianos]] [[uk:Юстиніан I]] [[ur:جسٹینین اول]] [[vi:Justinian I]] [[zh:查士丁尼一世]] [[zh-classical:查士丁尼一世]] kz558xs09pie1nm88celpff03sp2u2u wikitext text/x-wiki Ameisenbäume 0 23553 26149 2010-03-19T08:00:55Z Ixitixel 0 /* Systematik */ k <!-- Für Informationen zum Umgang mit dieser Tabelle siehe bitte [[Wikipedia:Taxoboxen]]. --> {{Taxobox | Taxon_Name = Ameisenbäume | Taxon_WissName = Cecropia | Taxon_Rang = Gattung | Taxon_Autor = [[Pehr Löfling|Loefl.]] | Taxon2_Name = Brennnesselgewächse | Taxon2_WissName = Urticaceae | Taxon2_Rang = Familie | Taxon3_Name = Rosenartige | Taxon3_WissName = Rosales | Taxon3_Rang = Ordnung | Taxon4_Name = Eurosiden I | Taxon4_Rang = ohne | Taxon5_Name = Rosiden | Taxon5_Rang = ohne | Taxon6_Name = Kerneudikotyledonen | Taxon6_Rang = ohne | Bild = Cecropia glazioui.jpg | Bildbeschreibung = ''[[Cecropia glaziovi]]'' }} '''Ameisenbäume''' (''Cecropia'') sind eine 61 Arten umfassende [[Gattung (Biologie)|Gattung]] [[Diözie|zweihäusiger]] [[Baum|Bäume]] in der Familie der [[Brennnesselgewächse]] (Urticaceae). Die Mehrzahl ihrer Arten lebt als [[Ameisenpflanze]]n in einer [[Myrmekophylaxis]] genannten [[Symbiose]] mit [[Ameisen]] der Gattung ''[[Azteca]]''. Ursprüngliches und hauptsächliches Verbreitungsgebiet der Gattung ist die [[Neotropis]]. == Merkmale == Ameisenbäume sind [[Ausdauernde Pflanze|ausdauernde]] [[Baum|Bäume]]. Die meisten Arten erreichen Wuchshöhen zwischen fünf und 15 Metern. Exemplare der Arten ''C. distachya'', ''C. herthae'', ''C. insignis'' und ''C. sciadophylla'' werden aber deutlich größer und erreichen Höhen von bis zu 40 Metern. Besonders niedrig bleibt zum Beispiel ''C. ulei'', Pflanzen dieser Art werden selten höher als fünf Meter. Ebenso variabel wie die Wuchshöhe ist auch das Alter, das die Ameisenbäume erreichen können. Können Exemplare von ''C. hololeuca'' mehr als einhundert Jahre alt werden, erreichen Bäume der Art ''C. glaziovii'' nur ein Alter zwischen 30 und 40 Jahren. Noch kürzer leben Exemplare von ''C. ulei'', die nur wenige Jahre alt werden. === Wuchsformen === [[Bild:Cecropia-adenopus.JPG|thumb|[[Habitus (Biologie)|Habitus]] von ''[[Cecropia pachystachya]]'']] Ameisenbäume sind für gewöhnlich nur wenig verzweigt mit einem leuchterähnlichen [[Ast]]system. Bei einigen Arten ist die Verzweigung soweit reduziert, dass der Baum nur aus einer einzelnen [[Sprossachse]] besteht, Beispiele für diese Wuchsformen sind ''C. megastachya'' und ''C. ulei''. Viele Arten, wie zum Beispiel ''C. concolor'' oder ''C. ficifolia'' wachsen bis zur ersten Blüte unverzweigt und verzweigen sich erstmals mit der Samenentwicklung, wobei die Äste aus den Achsen der kreuzgegenständig (dekussiert) stehenden Blattstiele auswachsen. ''C. garciae'' und ''C. hispidissima'' sind stärker verzweigt. Hier beginnen die Äste auf eine Höhe zwischen einem halben und einem Meter. Die Pflanzen bekommen einen eher [[strauch]]ähnlichen [[Habitus (Biologie)|Habitus]]. Bei den meisten Arten stehen die Zweige in flachem Winkel zum Stamm (zumindest größer als 45°) und geben der [[Baumkrone|Krone]] eine schirmartige Form. Einige Arten jedoch wie beispielsweise ''C. putumayonis'' oder ''C. uncubambana'' entwickeln Zweige in einem spitzeren Winkel, was in einer gedrungeneren Krone resultiert. === Wurzeln === Alle Arten von Ameisenbäumen bilden [[Adventivbildung|Adventivwurzeln]] aus, die sich zu [[Stelzwurzel]]n weiterentwickeln. Die Stelzwurzeln werden beim Wachstum nicht durch das Längenwachstum der Sprossachse aus dem Substrat herausgehoben, sondern wachsen überirdisch aus [[Lentizelle]]n aus. Die Wurzeln verankern sich nicht sehr tief im [[Substrat (Ökologie)|Substrat]] (dem Erdboden). Sogar bei ausgewachsenen Pflanzen reichen sie selten tiefer als drei Meter. Sie breiten sich radial aus und erreichen einen Durchmesser von etwa vier Metern. Einzelne − typischerweise bis zu drei – Wurzeln werden aber bis zu 15 Meter lang. Feine, Haufen bildende Wurzeln finden sich nur in den obersten 10 Zentimetern des Substrats. Eine klare Unterscheidung der Wurzeln in die von Jeník und Sen vorgeschlagenen Klassen Makrorhizae (sich vielteilende dicke Wurzeln für Längen- und Tiefenwachstum) und Brachyrhizae (sich zweiteilende dünne Wurzeln)<ref>{{Literatur|Autor=J. Jeník, D. H. Sen|Titel={{lang|en|Morphology of root systems in trees: a proposal for terminology}}|Sammelwerk={{lang|en|Tenth International Botanical Congress, Edinburgh. Abstracts}}|Jahr=1964|Seiten=393–394}}</ref> ist bei den Ameisenbäumen nicht möglich. Die Wurzeln von ''Cecropia'' können in die dicken Wurzeln benachbarter Bäume wie ''[[Miconia poeppigii]]'' und Arten der Gattung ''[[Clusia]]'' einwachsen.<ref>{{Literatur|Autor=Jindrich Pavlis, Jan Jeník|Titel={{lang|en|Roots of pioneer trees in the Amazonian rain forest}}|Sammelwerk={{lang|en|Trees - Structure and Function}}|Band=4|Nummer=18|Jahr=2000|Monat=August|Tag=5|Seiten=442–455|DOI=10.1007/s004680000049|Zugriff=2. August 2007}}</ref> === Sprossachse === Die [[Internodium|Internodien]] der [[Sprossachse]]n sind bei fast allen Arten hohl und tragen nur am Rand eine dünne Schicht eines weißen, weichen [[Mark (Botanik)|Marks]]. Bei ''C. bullata'' und ''C. gabrielis'' hingegen sind sie vollständig mit einem härteren braunen Mark gefüllt, bei ''C. schreberiana'' oder ''C. telealba'' teilweise ausgefüllt. Allgemein kann gesagt werden, dass die Markschicht bei langsamer wachsenden, montanen Arten eher dicker als bei schnellwachsenden Spezies ist. Oft verdickt sich der Stamm bei jungen Pflanzen nach oben, dies kann graduell oder mehr oder weniger abrupt passieren. Die Blattansatzstellen ([[Knoten (Botanik)|Nodien]]) sind verdickt. Dort bilden sich im Inneren des Stängels Scheidewände (Septa), so dass die einzelnen Sprossteile zwischen den Nodien ([[Internodium|Internodien]]) räumlich getrennt sind. Das Mark in den Internodien ist allseits von einer dünnen Haut eines extrem harten [[Sklerenchym]]s umgeben. Diese Sklerenchymschichten setzen sich horizontal an den Nodien fort und machen die Scheidewände sehr stabil. Die meisten Arten bilden an den oberen Grenzen der Internodien kleine Vertiefungen, so genannte [[Prostomata]] aus. Diese sitzen oft genau mittig, oberhalb der Ansatzstelle eines Blattstiels. Die Wand des Internodiums ist dort besonders dünn. [[Andreas Franz Wilhelm Schimper|Schimper]] nannte die Prostomata in seiner Arbeit von 1888 auch [[Diaphragma]].<ref>{{Literatur|Autor=Andreas Franz Wilhelm Schimper|Titel=Wechselbeziehungen zwischen Pflanzen und Ameisen im tropischen Amerika|Sammelwerk=Botanische Mitteilungen aus den Tropen|Band=1|Verlag=G. Fischer|Ort=Jena|Jahr=1888|Seiten=25|Online=[http://www.botanicus.org/primeocr/botanicus1/b11688075/31753002220785/31753002220785_0572.txt txt]|Zugriff=17. Juli 2007}}</ref> Bei den myrmekophylaktischen Arten sind die Prostomata häufig von den Ameisen durchbissen und bilden ein kleines Loch in der Sprossachse. Die Länge der Internodien variiert innerhalb einer Pflanze beträchtlich. Junge Bäume bilden in der Regel längere Internodien aus, bei adulten Exemplaren verkürzt sich die Länge der neu gebildeten Internodien auf 0,5 bis zwei Zentimeter. In den distalen Teilen der Äste sind die Internodien für gewöhnlich länger als zwei Zentimeter. Bei vielen Arten zeigen die Sprossachsen deutliche Narben an den Stellen, wo alte Blätter abgefallen sind. Bei ''C. annulata'', ''C. engleriana'' und ''C. litoralis'' kann an diesen ringförmig stehenden Narben ähnlich wie an [[Jahresring]]en das Alter des Baumes abgelesen werden. === Trichilium === Bei den meisten Ameisenbaum-Arten ist die Unterseite der Blattansätze mit einem oder zwei Haarpolstern (Trichilium) besetzt. Diese bestehen aus sehr verschiedenen [[Trichom]]en, die aber immer aus einer einzigen Zelle bestehen. Sie sind zumeist weiß oder bräunlich. Auf dem Trichilium bilden sich perlenartige kleine Tröpfchen eines [[Milchsaft|latexartigen]] Saftes, der reich an [[Proteine]]n und [[Fette]]n ist, die so genannten Müller’schen Körperchen. Ein einziges Trichilium bildet etwa 2500–8000 dieser Körperchen pro Woche, was etwa 10 Gramm entspricht.<ref>{{Literatur|Autor=Fred R. Rickson|Titel={{lang|en|Ultrastructural Differentiation of the Mullerian Body Glycogen Plastid of Cecropia peltata L.}}|Sammelwerk={{lang|en|American Journal of Botany}}|Band=63|Nummer=9|Jahr=1976|Monat=Oktober|Seiten=1272–1279|DOI=10.2307/2441743}}</ref> Einige Arten bilden gar keine Trichilia aus, dies sind zum Beispiel: ''C. holoeuca'', ''C. pittieri'', ''C. sciadophylla'' und ''C. tacuna'', dabei handelt es sich vor allem um montane Arten, die keine Myrmekophylaxis kennen. === Blätter === [[Bild:Cecropia adenopus.jpeg|thumb|Blätter von ''Cecropia pachystachya '']] Die Blätter aller adulten Ameisenbaumarten sind auffällig groß und schildförmig, mit fast kreisrundem Umfang. Die [[Blatt (Pflanze)#Blattspreite, „Blattnervatur“|Spreite]] sitzt exzentrisch, außerhalb des Mittelpunktes, am [[Blatt (Pflanze)#Blattstiel|Blattstiel]]. Die Nervatur ist fingernervig, und die Spreite ist zwischen den Hauptnerven eingeschnitten, so dass sich handförmige Blätter in verschiedenen Abstufungen (handförmig gelappt, handförmig gespalten, handförmig geteilt, handförmig geschnitten) oder sogar gefingerte Blattformen ergeben. Bei einigen Arten, wie zum Beispiel ''C. sciadophylla'' reichen diese Einschnitte bis zum Blattstiel und die einzelnen Blattteile stehen an eigenen kleinen Stielchen. Bei anderen Arten, wie zum Beispiel ''C. putumayonis'' oder ''C. subintegra'', ist der untere Teil der Spreite kaum oder gar nicht eingeschnitten und nur der obere Teil gespalten. Die Anzahl der Blattsegmente variiert zwischen den Arten von fünf bis über 20, innerhalb einer Art variiert die Zahl innerhalb engerer Grenzen. Der Verlauf der Hauptnerven ist innerhalb der Arten der Gattung relativ uniform. Die Narvatur der Seitennerven hingegen variiert stark zwischen den Spezies. Die [[Epidermis (Pflanze)|Epidermis]] (Blattoberfläche) ist ledrig bis papierartig. Ledrige Blätter sind häufig glatt, wohingegen papierartige eher rau sind. Der Blattstiel ist etwa so lang wie die Spreite, bei einigen Arten, wie zum Beispiel ''C. marginalis'' oder ''C. virgusa'', aber auch nur halb so lang. Blattstiele die länger als 40 Zentimeter werden, sind jedoch selten. Die Spreiten sind an der Basis oft gefaltet und ausgebreitet zur Spitze hin. Bei ''C. augustifolia'' und ''C. montana'' ist die Blattbasis oft um den Blattstiel umgerollt. ==== Blattentwicklung ==== Das [[Kotyledon]] (Keimblatt) der Ameisenbäume ist klein und knorpelig. Es ist [[chlorophyll]]los und hat keine Nervatur. Die ersten [[Trophophyll]]e, Blätter die die Pflanze durch [[Photosynthese]] ernähren, sind gegenständig. Sie sind breitlanzettlich, genervt und haben einen kurzen Blattstiel. In der weiteren Entwicklung werden die Blattstiele länger und die Blätter zunächst an zwei Stellen eingeschnitten. Nach zweimal eingeschnittenen Blatt mit drei Blattsegmenten entwickeln sich Blätter mit fünf Segmenten, dann siebensegmentierte Blätter und so weiter. Auch die Blattgröße steigt von Generation zu Generation. ==== Nebenblätter ==== Die [[Nebenblatt|Nebenblätter]] der Ameisenbäume sind paarig rechts und links der Basis des Blattstiels angewachsen. Ihre Länge variiert von fünf bis zu 50 Zentimetern. Die Spitze ist oft umgebogen oder zu einer Knospe verwachsen. === Blütenstände === Normalerweise stehen in jeder Blattachsel zwei [[Blütenstand|Blütenstände]] mit einer lateralen Knospe zwischen ihnen. Bei vielen Arten steht dem Blütenstand ein basales [[Tragblatt]] gegenüber. Die Tragblätter variieren in der Größe von Art zu Art, werden aber nicht länger als 2,5 Zentimeter. Der Blütenstand besteht aus einem Blütenstiel, der mehrere [[Ähre]]n trägt. Zunächst ist jede dieser Ähren komplett in eine [[Blütenscheide]], die Spatha, gehüllt. Bei der [[Anthese]] öffnet sich die Spatha zunächst adaxial und fällt dann herunter. ''C. hololeuca'' ist die einzige Art, die gar keine Blütenscheiden ausbildet. Vor der Anthese ist die Spatha immer länger als die längste Ähre. Die Gestalt, Oberfläche und Farbe der Spatha ist immer ähnlich den Blütenstielen. Die Anzahl der Ähren variiert zwischen den Arten. Bei weiblichen Blüten sind es in der Regel vier Ähren. bei ''C. gabrielis'' jedoch nur eine einzige und bei ''C. garciae'' und '' C. hispidissima'' bis zu 20. Bei männlichen Blüten sind es üblicherweise deutlich mehr Ähren, bei ''C. membranaceae'' sind es sogar bis zu 100. Die Blüten sind zumeist gelblich. ==== Männliche Blüten ==== Die männlichen Blüten stehen bei allen Spezies frei, nur bei ''C. purpurascens'' sind die oberen Teile der [[Blütenhülle]]n verwachsen. Die Länge des Perianths variiert abhängig von seiner Position innerhalb der Ähre, zur Basis und zur Spitze hin werden sie kürzer, seine Form ist röhrig. Die [[Tepal]]en sind fast vollständig verwachsen und lassen nur eine schmale schlitzförmige Spaltöffnung offen. Nur bei ''C. marginalis'' sind die Tepalen freiblättig. Der obere Teil der Blüte ist oft verdickt und hohl. Im Gegensatz zu den weiblichen Blüten sind die männlichen Blüten zur Spitze hin glatt. Die männlichen Blüten variieren zwischen den Arten stärker als die weiblichen Blüten. Vor allem das [[Staubblatt]] ist oft sehr divergent. Die Staubbeutel stehen zur Achse hin und die Staubfäden sind flach und mehr oder weniger verdickt. Nach der Gestalt des Staubblatts werden die männlichen Ameisenbaumblüten in fünf Gruppen geteilt: * '''''Cecropia peltata''-Typ:''' Der häufigste Typus. Die Antheren lösen sich von den Staubfäden kleben jedoch an der Blütenöffnung fest und bleiben dort sitzen. * '''''Cecropia latiloba''-Typ:''' Bei der Anthese lösen sich die Antheren fast vollständig von den Staubfäden. Die Blüte ist weiter geöffnet und die ganzen Staubbeutel können vom Wind davongetragen werden. * '''''Cecropia sciydophylla''-Typ:''' Die Blüten und Staubbeutel sind in die Länge gezogen und konvex gebogen. Die Antheren lösen sich von den Staubfäden, bleiben aber durch [[Xylem#Tracheiden|Tracheiden]] mit der Blüte verbunden. * '''''Cecropia heterochroma''-Typ:''' Die Staubbeutel zeigen aus der Blüte heraus und bleiben mit den Staubfäden verbunden. * '''''Cecropia membranaceae''-Typ:''' Die Antheren sind mit den Filamenten verwachsen. Die Blüte ist stark verkürzt. Die Pollen sind trocken und werden oft in großen Wolken verweht. Cecropia-Pollen in [[Sedimentgestein]] wurden zu paläoökologischen Studien herangezogen.<ref>{{Literatur|Autor=Kam-Biu Liu, Paul A. Colinvaux|Titel={{lang|en|A 5200-Year History of Amazon Rain Forest}}|Sammelwerk={{lang|en|Journal of Biogeography}}|Band=15|Nummer=2|Jahr=1988|Monat=März|Seiten=231–248|DOI=10.2307/2845412}}</ref> ==== Weibliche Blüten ==== Die weiblichen Blüten stehen bei den meisten Arten frei, zum Beispiel bei ''C. peltata'' oder ''C. litoralis'' sind sie jedoch an der Basis verwachsen. Die Blütenhülle ist zu einer Röhre verwachsen. Der obere Teil der Blüten ist verdickt und konvex gebogen. Bei allen Arten ist die Außenseite der Blüte mit spinnenartigen Haaren besetzt. Die Blüte ist fast vollständig verwachsen und es verbleibt nur ein Spalt, der groß genug ist um die [[Narbe (Botanik)|Narbe]] hindurch zu lassen. Die weiblichen Blüten besitzen oberständigen Fruchtknoten aus einem einzigen [[Fruchtblatt]]. Die Narbe ist entweder kopfig-pinselig oder gestielt und ungeflügelt. === Früchte und Samen === [[Bild:Young Cecropia.jpg|thumb|Fruchtstände eines Ameisenbaums]] Die Früchte sind [[Achäne]]n, eine Sonderform der [[Nussfrucht]], sie werden von vergrößerten, mehr oder weniger fleischigen Teilen der Blütenhülle umfasst. Sie sind grün und bleiben auch nach vollständiger Reife grün. Ihre Form ist länglich, ellipsoid, eiförmig oder umgekehrt eiförmig. Das [[Perikarp]], das Fruchtgehäuse, ist zumeist glatt und dunkelgrün bis braun. Die [[Samenschale]] ist sehr dünn. Der [[Embryo (Pflanze)|Embryo]] mit zwei gleichen, flachen Keimblättern liegt eingebettet in [[Endosperm]]. Die [[Same (Pflanze)|Samen]] verfügen über eine hohe Keimfähigkeit, und können lange im Boden überdauern. Die [[Keimung]] wird durch Sonnenlicht und Temperaturwechsel ausgelöst. == Verbreitung == [[Bild:Cecropia Distribution.png|thumb|280px|Verbreitungsgebiet der Ameisenbäume (ohne [[neophyt]]ische Vorkommen)]] Die Gattung ist in fast der gesamten [[Neotropis]], das heißt im tropischen Teil Amerikas verbreitet. In Argentinien kommt nur eine Art (''Cecropia pachystachya'') im äußersten Nordosten des Landes vor; im [[Altiplano]] von Bolivien und Peru fehlt die Gattung; in Uruguay gibt es kleine Bestände. Die Nordgrenze der Verbreitung reicht bis über die Grenze des Bundesstaats [[Veracruz (Bundesstaat)|Veracruz]] in Mexiko. Die meisten Ameisenbäume leben im Flachland bis 1000&nbsp;m, einige montane Arten kommen aber in [[Nebelwald|Nebelwäldern]] in Höhenlagen bis 2600&nbsp;m vor. Die Art ''Cecropia peltata'' hat sich als [[Neophyt]] auch auf andere Kontinente ausgebreitet. Zum Beispiel gibt es Bestände in [[Malaysia]]<ref> {{Literatur|Autor=F. E. Putz, N. M. Holbrook|Titel={{lang|en|Further observations on the dissolution of mutualism between Cecropia and its ants: the Malaysian case}}|Sammelwerk=Oikos|Band=53|Jahr=1988|Seiten=121–125}}</ref> und in der [[Elfenbeinküste]]<ref>{{Literatur|Autor=L. Ake Assi|Titel={{lang|fr|Cecropia peltata Linne (Moracees): ses origines, introduction et expansion dans l'est de la Cote d'Ivoire}}|Sammelwerk={{lang|fr|Serie A. Sciences Naturelles}}|Band=42|Verlag={{lang|fr|Institut Fondamental d'Afrique Noire}}|Jahr=1980|Seiten=96–102}}</ref> Generell ist die Gattung weit verbreitet, dennoch werden einige Arten von der [[International Union for Conservation of Nature and Natural Resources|IUCN]] als bedroht eingestuft, so zum Beispiel ''C. pastasana'' oder ''C. multiflora''. Auch einige Arten mit einem sehr kleinen Verbreitungsgebiet, wie ''C. multisecta'', oder mit einer hohen Spezialisierung, wie etwa ''C. putumayonis'' und ''C. utcubambana'' sind prinzipiell gefährdet. == Ökologie == Ameisenbäume haben einen hohen Lichtbedarf und wachsen als [[Pionierpflanze]]n in [[Sekundärwald|Sekundärwäldern]], auf [[Lichtung]]en, an Flussläufen, oder heute entlang von Straßen, die durch den Wald gebaut wurden. Sie wachsen sehr schnell, etwa 2,40 Meter pro Jahr, und können zum Beispiel eine nach einem Hochwasser neu entstandene Sandbank in kurzer Zeit besiedeln. Die hohlen Stämme und Äste sind wahrscheinlich eine Anpassung an das schnelle Höhenwachstum, der Baum investiert in das Höhenwachstum und verzichtet auf einen massiven Stamm, um nicht durch konkurrierende Bäume abgeschattet zu werden. Ameisenbäume sind getrenntgeschlechtlich. Weibliche Bäume produzieren bis zu 900.000 Samen in einem Jahr. Die Samen bleiben vier bis fünf, oder sogar bis zu neun Jahre keimfähig. Bei Untersuchungen in [[Suriname]] fanden sich abhängig von der [[Art (Biologie)|Art]] im Schnitt zwischen 20 und 80 ''Cecropia''-Samen pro Quadratmeter Urwaldboden. Wegen der Rodung der Regenwälder durch den Menschen gibt es immer mehr Sekundärwälder und die Ameisenbäume haben sich stark ausgebreitet. <ref name="Kricher">{{Literatur|Autor=John Kricher|Titel={{lang|en|A Neotropical Companion}}|Verlag={{lang|en|Princeton University Press}}|Jahr=1999|ISBN=0691009740|Seiten=71–73}}</ref> === Bestäubung === Die Morphologie der männlichen Blüten und Blütenstände weist darauf hin, dass Ameisenbäume [[Anemophilie|windblütige Pflanzen]] sind. Dazu können entweder ganze Ähren vom Wind verweht werden oder die Antheren reichen aus der Blüte hinaus und die Pollen werden durch Bewegungen der Blüte herausgeschüttelt. Die Pollen sind trocken und können leicht verweht werden. Dennoch gibt es auch Hinweise auf [[Entomogamie]], obwohl Transport der Pollen durch Insekten bislang nicht beobachtet werden konnte. In den Blütenständen legen kleine Käfer und Fliegen ihre Eier ab.<ref>{{Literatur|Autor=J. C. Andrade|Titel={{lang|es|Observações preliminares sobre a eco-etologia de quatro coleópteros Chrysomelidae, Tenebrionidae, Curculionidae) que dependem da embaúba (Cecropia lyratiloba var. nana – Cecropiaceae), na restinga do Recreio dos Bandeirantes, Rio de Janeiro}}|Sammelwerk=Rev. Bras. Entomol.|Band=28|Seiten=99–108|Jahr=1984}}</ref> [[Schwarzkäfer]] der Gattungen ''[[Epitragus]]'' und ''[[Ophtalmoborus]]'' ernähren sich von den Pollen von ''C. pachystachya'', ob dabei eine Bestäubung stattfindet ist jedoch unklar. Die weiblichen Blüten der Art bilden kleine Mengen an [[Nektar (Botanik)|Nektar]].<ref>{{Literatur|Autor= C. de Andrade|Titel={{lang|es|Epizootia natural causada por Cordyceps unilateralis (Hypocreales, Euascomycetes) em adultos de Camponotus sp. (Hymenoptera, Formicidae) na região de Manaus, Amazonas, Brasil}}|Sammelwerk=Acta Amazonica|Band=10|Jahr=1980|Seiten=671–677}}</ref> Wahrscheinlich dient der Nektar aber eher zum besseren Ankleben der Pollen, als zum Anlocken von Insekten. === Symbiose mit Ameisen === [[Bild:Cecropia adenopus 2.jpeg|thumb|280px|''[[Cecropia pachystachya]]'']] Insgesamt 48 der 61 Arten der Ameisenbäume (Siehe Abschnitt Systematik) leben mit [[Ameisen]] der Gattung ''[[Azteca]]'' in einer speziellen [[Symbiose]], der [[Myrmekophylaxis]]. Beide Parteien können auch ohne den Symbiosepartner überleben, die Symbiose ist also fakultativ. Die Stängelwand der ''Cecropia'' ist über den Blattansätzen an den Prostomata sehr dünn und kann von den Ameisen leicht durchbissen werden. Die Kammern werden dann als Wohnraum verwendet. Etwa 60 % der Ameisenvölker halten Kulturen von [[Napfschildläuse]]n (Coccidae) in den hohlen Sprossachsen, die sich ausschließlich vom [[Phloem]]saft der Pflanzen ernähren und von den Ameisen „gemolken“ werden. Dabei greifen ältere Völker offenbar stärker auf solche Kulturen zurück als jüngere. Wahrscheinlich bringen die Ameisen ab einer bestimmten Größe ihrer Kolonie die Schildläuse in die Pflanze ein.<ref>{{internetquelle|autor=A. Benjamin, M. Giambruno, M. Lyke, A. B. Pyle, R. Warner|url=http://www.woodrow.org/teachers/esi/1999/costarica/projects/group2/ants/|titel={{lang|en|A lesson in ABC’s of La Selva (Ants, Bugs, Cecropia)}}|zugriff=21. Juni 2007}}</ref> An der Unterseite der Blattstielbasis auf dem Trichilium werden zudem Futterkörperchen ausgebildet, die Protein- und Fettlieferanten sind und vor allem von den ''Azteca''-[[Larve]]n genutzt werden. Sie werden nach ihrem Entdecker [[Johann Friedrich Theodor Müller]] als ''Müllersche Körperchen'' bezeichnet. Sind keine Schildlauskulturen vorhanden, werden diese auch intensiver von adulten Ameisen genutzt.<ref> {{Literatur|Autor=Dennis J. O'Dowd|Titel={{lang|en|Pearl Bodies as Ant Food: An Ecological Role for Some Leaf Emergences of Tropical Plants}}|Sammelwerk=Biotropica|Band=14|Nummer=1|Jahr=1982|Monat=März|Seiten=40–49|DOI=10.2307/2387758}}</ref> Drei Arten werden von [[Knotenameisen]] (Myrmicinae) der Gattung ''[[Crematogaster]]'' bewohnt, die auch symbiotisch mit Bäumen der paläotropischen Gattung ''[[Macaranga]]'' zusammenleben.<ref>{{Literatur|Autor=Jerry F. Downhower|Titel={{lang|en|The Distribution of Ants on Cecropia Leaves}}|Sammelwerk=Biotropica|Band=7|Nummer=1|Monat=April|Jahr=1975|Seiten=59–62|DOI=10.2307/2989801}}</ref> Die Internodien im unteren Teil der Sprossachse vieler myrmekophylaktischer Arten werden häufig von einer Vielzahl von Gattungen anderer Ameisen bewohnt. Darunter befinden sich wiederum Knotenameisen, zum Beispiel [[Feuerameisen]] (''Solenopsis''), ''[[Pheidole]]'', ''[[Wasmannia]]'' oder ''[[Procryptocerus]]'' aber auch [[Urameisen]] (Ponerinae) wie ''[[Pachycondyla]]'' oder Schuppenameisen wie ''[[Camponotus]]'' und ''[[Myrmelachista]]''. Auch die Gattung ''[[Pseudomyrmex]]'', die mit [[Akazien]] als [[Ameisenpflanze]]n in [[Myrmekophylaxis]] lebt, und noch andere Ameisen finden sich hier.<ref>{{Internetquelle|hrsg=John T. Longino|titel={{lang|en|The Cecropia-Azteca association in Costa Rica}}|zugriff=22. August 2007|url=http://academic.evergreen.edu/projects/ants/ANTPLANTS/CECROPIA/Cecropia.html}}</ref> Die Ameisen verteidigen die Bäume gegen [[Schädlinge]] und Fressfeinde, z.B. gegen [[Blattschneiderameisen]] der Gattung ''Atta''. Klettern Fressfeinde, bzw. Herbivoren, auf die Pflanze werden diese meist aggressiv von den anwesenden Azteca Ameisen attackiert und vertrieben. Außerdem befreien die Ameisen die Ameisenbäume von Aufwuchs, wie [[Epiphyt]]en und [[Kletterpflanze]]n. Beides würde die lichthungrigen und leichtgebauten Bäume durch Abschattung und das zusätzlich zu tragende Gewicht belasten.<ref name="Kricher">{{Literatur|Autor=John Kricher|Titel={{lang|en|A Neotropical Companion}}|Verlag={{lang|en|Princeton University Press}}|Jahr=1999|ISBN=0691009740|Seiten=71–73}}</ref> So sind zum Beispiel [[Riemenblumengewächse]] auffällig selten auf Ameisenbäumen zu finden, und wenn dann nur sehr lokal, aber dort reichlich.<ref>{{Literatur|Autor=P. Jolivet|Titel={{lang|en|Relative protection of Cecropia trees against leaf-cutting ants in tropical America}}|Herausgeber=R. K. Vander Meer, K. Jaffe, A. Cedeno|Sammelwerk={{lang|en|Applied myrmecology: a world perspective}}|Verlag={{lang|en|Westview Press}}|Ort=Boulder|Jahr=1990|Seiten=251–254}}</ref> Ein Nebeneffekt der Myrmekophylaxis ist ein erhöhtes Aufkommen von [[Spechte]]n an den Ameisenbäumen. Die Vögel können die Ameisen an den Bäumen leicht fressen und beschädigen dabei auch die Stämme. Die ''Azteca'' erhalten somit Wohnraum und Nahrung, sind aber einem erhöhten Risiko durch Spechte gegenüber bodenlebenden Ameisen ausgesetzt. Vereinzelt wurden auch [[Erzwespen]] der Gattung ''[[Conoaxima]]'' beobachtet, die den ''Azteca'' zusetzen.<ref>{{Literatur|Autor=W. M. Wheeler|Jahr=1942|Titel={{lang|en|Studies of neotropical ant-plants and their ants}}|Sammelwerk={{lang|en|Bulletin of the Museum of Comparative Zoology}}|Ort=Harvard|Band=90|Seiten=1–262}}</ref> Der durch die Aggressivität gegenüber den Pflanzenschädlingen erforderliche hohe Energieverbrauch ist für junge Völker außerdem mit einer hohen Sterblichkeit verbunden. Die Bäume müssen Energie für die Müllerschen Körperchen zur Ernährung der Ameisen aufwenden. Darüber hinaus werden sie durch Spechte mehr beschädigt als andere Bäume. Dafür schützen die Ameisen sie aber sowohl vor Schädlingen als auch vor Kletterpflanzen und Epiphyten. Auch profitieren die Bäume durch die [[stickstoff]]reichen Ausscheidungen der Ameisen ([[Myrmekotrophie]]). Eine Untersuchung der Symbiose mit einem [[Doebeli-Knowlton-Modell]] ergab, dass die gegenseitigen Vorteile die Nachteile überwiegen. Junge Bäume profitieren aber stärker von der Verbindung als ältere Exemplare.<ref name="www.colostate.edu">{{Internetquelle|hrsg=David Logue|titel={{lang|en|The Costs and Benefits of the Cecropia-Azteca-Coccidae Symbiosis}}|zugriff=21. Juni 2007|url=http://www.colostate.edu/Depts/Entomology/courses/en507/papers_2001/logue.htm}}</ref> Neophytische Ameisenbäume müssen generell ohne ''Azteca''-Ameisen auskommen, da diese nur in der Neotropis vorkommen. === Verhältnis zu anderen Tieren === [[Bild:Three-toed sloth.jpeg|thumb|280px|Das [[Dreifinger-Faultiere|Dreifinger-Faultier]] zählt zu Fressfeinden der Ameisenbäume (hier auf ''C. insignis'')]] Für Ameisenbäume ist das vertikale Wachstum vorrangig. So verzweigt sich die Sprossachse nicht, bis sie eine gewissen Höhe erreicht hat und bildet solange auch keine Blüten und Früchte zur [[Generative Vermehrung|generativen Vermehrung]] aus.<ref>{{Literatur|Autor=Daniel H. Janzen|Titel={{lang|en|Dissolution of mutualism between Cecropia and its Azteca ants}}|Sammelwerk=Biotropica|Band=5|Jahr=1973|Seiten=15–28}}</ref> Vor allem junge Pflanzen bilden nur kleine Kronen mit vier bis zwölf Blättern aus; für sie ist viel Sonne sehr wichtig, eine Beschattung durch größere Pflanzen hingegen kritisch. Auch Fraß an den Blättern ist für junge Pflanzen gefährlich, verliert eine junge Pflanze ein Drittel ihrer Blätter, reduziert sich ihr Wachstum um den Faktor drei.<ref>{{Literatur|Autor=Jerry F. Downhower|Titel={{lang|en|The Distribution of Ants on Cecropia Leaves}}|Sammelwerk=Biotropica|Band=7|Nummer=1|Jahr=1975|Monat=April|Seiten=59–62}}</ref> Durch die Myrmekophylaxis sind die Ameisenbäume aber nicht vor allen Fressfeinden geschützt. Die großen auffälligen Blätter werden zum Beispiel besonders gerne von [[Dreifinger-Faultiere]]n (''Bradypus'' spp.) gefressen. Auch Raupen von [[Schmetterlinge]]n ernähren sich von den großen Blättern, vor allem ''[[Hypercompe icasia]]'', eine Art der [[Bärenspinner]]. [[Rüsselkäfer]] der Gattung ''[[Pseudolechriops]]'' haben sich auf das Leben auf Ameisenbäumen spezialisiert. Sie verwenden lebende oder tote Blattstiele um ihre Eier abzulegen, die Larven wachsen dann in den Blattstielen auf. Einige Arten können die ''Azteca''-Ameisen durch [[Mimikry]] imitieren und sind so vor ihnen geschützt.<ref>{{Literatur|Autor=Henry A. Hespenheide, Louis M. Lapierre|Titel={{lang|en|A review of Pseudolechriops Champion (Coleoptera: Curculionidae: Conoderinae)}}|Sammelwerk=Zootaxa|Band=1384|Seiten=1–39|Jahr=2006|ISSN=1175-5326|Online=http://www.mapress.com/zootaxa/2006f/zt01384p039.pdf|Zugriff=31. Juli 2007}}</ref> Insgesamt 33 Vogelarten aus elf Familien fressen die Früchte und Blüten von ''Cecropia''-Arten.<ref name="Kricher">{{Literatur|Autor=John Kricher|Titel={{lang|en|A Neotropical Companion}}|Verlag={{lang|en|Princeton University Press}}|Jahr=1999|ISBN=0691009740|Seiten=71–73}}</ref> 15 Arten von Vögeln ernähren sich von den Müller’schen Körperchen, dies sind zum Beispiel einige Arten der [[Schillertangaren]] (''Tangara''), einige Arten aus der Familie der [[Waldsänger]] (Parulidae), aber auch der [[Tukan-Bartvogel]] (''Semnornis ramphastinus'') und andere Vögel.<ref>{{Literatur|Autor=Kazuya Naoki, Efraín Toapanta|Titel={{lang|en|Müllerian Body Feeding by Andean Birds: New Mutualistic Relationship or Evolutionary Time Lag?}}|Sammelwerk=Biotropica|Band=33|Nummer=1|Jahr=2001|Seiten=204–207}}</ref> Die Früchte werden auch von einer Vielzahl neotropischer [[Fledermäuse]] gefressen. Im Gegensatz zum Verbiss durch Faultiere ist dies für die Pflanzen jedoch von Vorteil, sie können ihre [[Same (Pflanze)|Samen]] durch die Tiere ausbreiten ([[Zoochorie]]). Dabei wird der fleischige Kelch sowie der äußere Teil der Frucht (Exokarp) und der mittlere Teil (Mesokarp) zum Teil verdaut, viele Samen passieren den Verdauungstrakt der Fledermäuse aber unbeschädigt. Im Boden bleibt die Keimfähigkeit die Samen über ein Jahr lang unbeeinträchtigt.<ref>{{Literatur|Autor=Tatyana A. Lobova, Scott A. Mori, Frédéric Blanchard, Heather Peckham, Pierre Charles-Dominique|Titel={{lang|en|Cecropia as a food resource for bats in French Guiana and the significance of fruit structure in seed dispersal and longevity}}|Sammelwerk=American Journal of Botany|Band=90|Jahr=2003|Seiten=388–403|Online=http://www.amjbot.org/cgi/content/abstract/90/3/388}}</ref> Aber auch Fische scheinen an der Samenausbreitung beteiligt zu sein, indem sie ins Wasser gefallene Früchte fressen.<ref>{{Literatur|Autor=G. Gottsberger|Titel={{lang|en|Seed dispersal by fish in the inundated regions of Humaita, Amazonia}}|Sammelwerk=Biotropica|Band=10|Jahr=1978|Seiten=170–183}}</ref> Ebenfalls unschädlich für die Ameisenbäume sind die [[Angela-Waldsänger]] (''Dendroica angelae'') auf [[Puerto Rico]]. Sie bauen ihre Nester aus den großen trockenen Blättern der Gattung. == Systematik == Traditionell wurde die Gattung den [[Maulbeergewächse]]n (Moraceae) zugerechnet.<ref>{{Literatur|Herausgeber=W. Burger|Titel=Flora Costaricensis, Family #52, Moraceae. Fieldiana, Botany 40|Jahr=1977|Seiten=94–215}}</ref> Im Jahr 1978 stellte [[Cornelis Christiaan Berg (Botaniker)|Cornelis Christiaan Berg]] eine eigene [[Familie (Biologie)|Familie]] Cecropiaceae auf, die neben den Ameisenbäumen noch fünf weitere Gattungen (zum Beispiel ''[[Coussapoa]]'' und ''[[Pourouma]]'') umfasste.<ref>{{Literatur|Autor=Cornelis Christiaan Berg|Titel={{lang|en|Cecropiaceae, a new family of Urticales}}|Sammelwerk=Taxon|Band=27 |Jahr=1978|Seiten=39–44|DOI=10.2307/1220477}}</ref> Genetische Untersuchungen geben aber Hinweis, dass die Gattung in die Familie der [[Brennnesselgewächse]] (Urticaceae) gehört.<ref>{{Literatur|Autor=W. S. Judd, R. W. Sanders, M. J. Donoghue|Titel={{lang|en|Angiosperm family pairs: preliminary phylogenetic analyses}}|Sammelwerk={{lang|en|Harvard papers in Botany}}|Band=5|Jahr=1994|Seiten=1–51}}</ref> Dieser Sichtweise schloss sich auch die [[Systematik der Bedecktsamer nach APG|Angiosperm Phylogeny Group]] an.<ref>{{Literatur|Autor={{lang|en|The Angiosperm Phylogeny Group}}|Titel={{lang|en|An update of the Angiosperm Phylogeny Group classification for the orders and families of flowering plants: APG II}}|Sammelwerk={{lang|en|Botanical Journal of the Linnean Society}}|Band=141|Nummer=4|Jahr=2003|Seiten=407|DOI=10.1046/j.1095-8339.2003.t01-1-00158.x|Zugriff=2. August 2007}}</ref> Die Gattungen ''[[Poikilospermum]]'' und die [[Kanonierblumen]] (''Pilea'') sind [[Schwestergruppe|Schwestertaxa]]. Diese beiden bilden nun wiederum eine Schwesterklade zu den Ameisenbäume. Diese drei Gattungen bilden eine Klade, die morphologisch viel Rückhalt hat, folgendes [[Kladistik|Kladogramm]] zeigt das Verwandtschaftsverhältnis noch einmal:<ref>{{Literatur|Autor=W. S. Judd, R. W. Sanders, M. J. Donoghue|Titel={{lang|en|Angiosperm family pairs: preliminary phylogenetic analyses}}|Sammelwerk={{lang|en|Harvard papers in Botany}}|Band=5|Jahr=1994|Seiten=27–28}}</ref> ┌────── Cecropia ─┤ ┌─── Poikilospermum └──┤ └─── Pilea Der erste Versuch einer Einteilung der Gattung in Sektionen und Untersektionen stammt von [[Emil Heinrich Snethlage]] aus dem Jahr 1923.<ref>{{Literatur|Autor=Emil Heinrich Snethlage|Titel=Beiträge zur Kenntnis der Gattung Cecropia und ihrer Beziehungen zu den übrigen Conocephaloideen|Verlag=Friedrich-Wilhelms-Universität Berlin|Ort=Berlin|Jahr=1923}}</ref> Er teilt die Gattung, wie folgt, in zwei Sektionen und acht Untersektionen: :I. Sektion Tomentosae ::A. Aequales ::B. Subaequales ::C. Arachnoidae :II Sektion Atomentosae ::D. Centrales ::E. Angulatae ::F. Elongatae ::G. Abbreviatae ::H. Polystachyae Mehrere Arten wie ''C. montana'' finden jedoch in dieser Einteilung keinen Platz. Cornelis Christiaan Berg schlug deshalb 1990 eine Einteilung in nur zwei größere Gruppen ohne taxonomischen Rang vor. :I. ''Cecropia peltata''-Gruppe :II. ''Cecropia telenitida''-Gruppe Nach der letzten monographischen Bearbeitung der Gattung umfasst sie 61 Arten.<ref>{{Literatur|Autor=Cornelis Christiaan Berg, Pilar Franco Rosselli|Titel=Cecropia (Cecropiaceae)|Sammelwerk=Flora Neotropica Monographs|Band=94|Jahr=1990|ISBN=0893274615}}</ref> Die Arten sind: <div style="display:block" class="BoxenVerschmelzen"> <div style="clear:both; display:block" class="NavFrame"> <div class="NavHead"><div align="left">Arten der Gattung ''Cecropia'' </div></div> <div class="NavContent"> {| ! Art || Myrmekophylaxis |- | align="left" | ''C. alibicans'' Trécul | align="left" | ja, aber nicht im ganzen Verbreitungsgebiet |- | align="left" | ''C. andina'' Cuatrec | align="left" | nein |- | align="left" | ''C. angulata'' I.W.Bailey | align="left" | ja |- | align="left" | ''C. angustifolia'' Trécul | align="left" | ja, bis auf eine Unterart ohne M. im Süden Ecuadors |- | align="left" | ''C. annulata'' C.C.Berg & P.Franco | align="left" | ja |- | align="left" | ''C. bullata'' C.C.Berg & P.Franco | align="left" | nein |- | align="left" | ''C. chlorostachya'' C.C.Berg & P.Franco | align="left" | wahrscheinlich nicht |- | align="left" | ''C. concolor'' Willd. | align="left" | ja |- | align="left" | ''C. distachya'' Huber | align="left" | ja |- | align="left" | ''C. elongata'' Rusby | align="left" | ja |- | align="left" | ''C. engleriana'' Snethl. | align="left" | ja |- | align="left" | ''C. ficifolia'' Snethl. | align="left" | ja |- | align="left" | ''C. gabrielis'' Cuatrec. | align="left" | nein |- | align="left" | ''C. garciae'' Standl. | align="left" | ja |- | align="left" | ''C. glaziovii'' Snethl. | align="left" | ja |- | align="left" | ''C. goudotiana'' Trécul | align="left" | ja |- | align="left" | ''C. granvilleana'' C.C.Berg | align="left" | ja |- | align="left" | ''C. herthae'' Diels | align="left" | ja |- | align="left" | ''C. heterochroma'' C.C.Berg & P.Franco | align="left" | ja |- | align="left" | ''C. hispidissima'' Cuatrec. | align="left" | ja, aber mit einer anderen Ameisengattung |- | align="left" | ''C. hololeuca'' Miq. | align="left" | nein |- | align="left" | ''C. idroboi'' Cuatrec. | align="left" | ja |- | align="left" | ''C. insignis'' Liebm. | align="left" | ja |- | align="left" | ''C. kavanayensis'' Cuatrec. | align="left" | ja |- | align="left" | ''C. latiloba'' Miq. | align="left" | ja |- | align="left" | ''C. litoralis'' Snethl. | align="left" | ja |- | align="left" | ''C. longipes'' Pittier | align="left" | ja |- | align="left" | ''C. marginalis'' Cuatrec. | align="left" | ja |- | align="left" | ''C. maxima'' Snethl. | align="left" | ja |- | align="left" | ''C. megastachya'' Cuatrec. | align="left" | ja, aber mit einer anderen Ameisengattung |- | align="left" | ''C. membranacea'' Trécul | align="left" | ja, manchmal aber auch mit einer anderen Ameisengattung |- | align="left" | ''C. metensis'' Cuatrec. | align="left" | ja |- | align="left" | ''C. montana'' Sneth. | align="left" | ja |- | align="left" | ''C. multisecta'' P.Franco & C.C.Berg | align="left" | ja |- | align="left" | ''C. mutisiana'' Mildbr. ex Cuatrec. | align="left" | ja |- | align="left" | ''C. obtusa'' Trécul | align="left" | ja |- | align="left" | ''C. obtusifolia'' Bertol. | align="left" | ja |- | align="left" | ''C. pachystachya'' Trécul | align="left" | ja |- | align="left" | ''C. palmata'' Willd. | align="left" | ja |- | align="left" | ''C. pastasana'' Diels | align="left" | ja |- | align="left" | ''C. peltata'' L. | align="left" | ja, aber nicht im ganzen Verbreitungsgebiet |- | align="left" | ''C. pittieri'' B.L.Rob. | align="left" | nein |- | align="left" | ''C. plicata'' Cuatrec. | align="left" | ja, meistens |- | align="left" | ''C. polystachya'' Trécul | align="left" | ja |- | align="left" | ''C. purpurascens'' C.C.Berg | align="left" | ja |- | align="left" | ''C. putumayonis'' Cuatrec. | align="left" | ja |- | align="left" | ''C. reticulata'' Cuatrec. | align="left" | ja |- | align="left" | ''C. sararensis'' Cuatrec. | align="left" | ja |- | align="left" | ''C. saxatilis'' Snethl. | align="left" | ja |- | align="left" | ''C. schreberiana'' Miq. | align="left" | nein |- | align="left" | ''C. sciadophylla'' C.Mart. | align="left" | nein |- | align="left" | ''C. silvae'' C.C.Berg | align="left" | nein |- | align="left" | ''C. strigosa'' Trécul | align="left" | ja |- | align="left" | ''C. subintegra'' Cuatrec. | align="left" | ja |- | align="left" | ''C. tacuna'' C.C.Berg & P.Franco | align="left" | nein |- | align="left" | ''C. telealba'' Cuatrec. | align="left" | nein |- | align="left" | ''C. telenitida'' Cuatrec. | align="left" | ja, aber nicht im ganzen Verbreitungsgebiet |- | align="left" | ''C. ulei'' Snethl. | align="left" | ja |- | align="left" | ''C. utcubambana'' Cuatrec. | align="left" | ja |- | align="left" | ''C. velutinella'' Diels | align="left" | wahrscheinlich nicht |- | align="left" | ''C. virgusa'' Cuatrec. | align="left" | ja |} </div></div></div> == Etymologie == Der deutsche Trivialname leitet sich von der [[Myrmekophylaxis]] und somit vom engen Verhältnis der Gattung zu Ameisen ab. Die Benennungsgeschichte der [[latein]]ischen Gattungsbezeichnung ist unklar. Vielfach wurde davon ausgegangen, dass sie vom [[latein]]ischen Namen ''Cecrops'', [[Altgriechische Sprache|altgriechisch]] {{lang|grc|Κέκροψ}} ''{{lang|grc-Latn|Kékrops}}'' stammt, ohne dass sich ein Bezug zum Ameisenbaum ergibt. [[Kekrops I.|Kekrops]] war ein Autochthon, das heißt ein Sohn der [[Gaia (Mythologie)|Gaia]]. Er war ein [[Mischwesen]] aus Mensch und Schlange.<ref> {{Literatur|Herausgeber=Helmut Genaust|Titel=Etymologisches Wörterbuch der botanischen Pflanzennamen|Auflage=3.|Verlag=Nikol|Ort=Hamburg|Jahr=2005|ISBN=3937872167|Seiten=136f}}</ref> Eine plausiblere Theorie bezieht sich auf [[Kekrops II.]], den Sohn des [[Erechtheus]] und frühem König von [[Attika (Landschaft)|Attika]]. Das erste Exemplar der [[Echte Feige|Echten Feige]] (''Ficus carica''), einem [[Maulbeergewächse|Maulbeergewächs]], soll in Attika gestanden haben. Auch die Gattung der Ameisenbäume wurde früher zu den Maulbeergewächsen gezählt, so dass eine Anlehnung daran sinnvoll erschien.<ref>{{Literatur|Autor=V. Hehn|Titel=Kulturpflanzen und Haustiere in ihrem Übergang von Asien nach Griechenland und Italien sowie in das übrige Europa|Auflage=8.|Verlag=Bornträger|Ort=Berlin|Jahr=1911|Kommentar=mit historisch linguistischen Studien von O. Schrader und botanischen Beiträgen von F. Pax}}</ref> == Inhaltsstoffe und Wirkungen == Keiner der Bestandteile von Ameisenbäumen ist für den Menschen giftig, die Blätter sind jedoch zum Teil scharfkantig und können die Haut leicht einschneiden. Die ''Azteca''-Ameisen an den Bäumen beißen Menschen. Ihre Bisse führen zu juckenden [[Quaddel]]n. Die Inhaltsstoffe von Ameisenbäumen sind noch unzureichend erforscht, am besten bekannt sind Wirkstoffe aus ''Cecropia peltata'', die Blätter enthalten Ergomitrin, ein [[Mutterkornalkaloide|Mutterkornalkaloid]], [[Oxytocin]], [[Serotonin]] sowie [[Acetylcholin]] und [[Prostaglandin]]e. Viele dieser Stoffe können [[Wehe]]n auslösen. So geben Bauern in Honduras Tieren während der Geburt Blätter von ''Cecropia peltata'', um die Niederkunft zu beschleunigen, oder um das Lösen der [[Nachgeburt]] zu fördern.<ref>{{Literatur|Autor=J. Paquet|Titel={{lang|es|Manual de Dendrologia de Algunas Especies de Honduras}}|Verlag=Programa Forestal ACDI-COHDEFOR|Jahr=1981}}</ref> Die Blätter enthalten aber auch [[reizende Stoffe]] wie [[1,8-Cineol]], [[Pinen|α-Pinen]], [[Borneol]], [[Eugenol]], [[Ölsäure]] oder [[Vanillin]]. Einige der Inhaltsstoffe wie 1,8-Cineol, Serotonin, α-Pinen und β-Pinen können beim Menschen [[Spastik]]en auslösen.<ref>{{Internetquelle|titel=Eintrag in der Nutrient Network Library|zugriff=21. Juni 2007|url=http://210.210.24.133/NNL/PCS_View.asp?PRODVAL=0837}}</ref> Ein Extrakt aus den Blättern wirkt gegen [[Gonorrhoe]].<ref>{{Literatur|Autor=A. Caceres, H. Menendez, E. Mendez, E. Cohobon, B. E. Samayoa, E. Jauregui, E. Peralta, G. Carrillo|Titel={{lang|en|Antigonorrhoeal activity of plants used in Guatemala for the treatment of sexually transmitted diseases}}|Sammelwerk={{lang|en|Journal of Ethnopharmacology}}|Band=48|Jahr=1995|Seiten=85–88}}</ref> Traditionell werden Ameisenbäume vor allem in Mexiko, aber auch in anderen Teilen Süd- und Mittelamerikas gegen eine Vielzahl von Erkrankungen verwendet.<ref>{{Internetquelle|titel={{lang|en|Treating Livestock with Medicinal Plants: Cecropia spp.}}|zugriff=21. Juni 2007|url=http://www.ansci.cornell.edu/plants/medicinal/cecrop.html}}</ref> ''Cecropia pachystachya'' hat eine [[Sedierung|sedierende]] und [[Inotropie|positiv inotrope]] (herzstärkende) Wirkung und wird in Argentinien zur Behandlung von [[Asthma]] eingesetzt.<ref>{{Literatur|Autor=Alicia E. Consolinia, María Inés Ragonea, Graciela N. Miglioria, Paula Confortib, María G. Volonté|Titel={{lang|en|Cardiotonic and sedative effects of Cecropia pachystachya Mart. (ambay) on isolated rat hearts and conscious mice}}|Sammelwerk={{lang|en|Journal of Ethnopharmacology}}|Band=106|Nummer=1|Jahr=2006|Monat=Juni|Tag=15|Seiten=90–96|DOI=10.1016/j.jep.2005.12.006}}</ref> == Verwendung == Das Holz von Ameisenbäumen ist sehr leicht und biegsam. ''C. peltata'' hat zum Beispiel eine [[Relative Dichte]] von 0,29 in Bezug auf Wasser, dies ist nur leicht mehr als bei den meisten [[Balsabaum|Balsahölzern]]. Dennoch ist es in der Verwendung eingeschränkt und wird nur lokal genutzt.<ref>{{Literatur|Autor=Justiniano Velazquez|Jahr=1971|Titel={{lang|es|Contribución al conocimiento de las especies del género Cecropia L. Moraceae-"Yagrumbos" de Venezuela}}|Sammelwerk={{lang|es|Acta Botánica Venezolana}}|Band=6|Seiten=25–64}}</ref> Es wird vor allem zur Herstellung von Musikinstrumenten und Werkzeugstielen verwendet. Zum Beispiel werden in [[Nariño]] traditionelle [[Klangholz (Musikinstrument)|Klanghölzer]] aus Ameisenbaumholz gefertigt, aber auch Flöten oder Gitarren werden aus dem Holz hergestellt. Darüber hinaus wird das Holz zur Fertigung von [[Streichholz|Streichhölzern]] und billigen Kisten verwendet. Seltener werden die halbierten, hohlen Stämme als Wasserleitungen genutzt. Es wurde versucht das Holz zur [[Papier]]herstellung heranzuziehen und es gibt einige Anlagen die [[Holzstoff]] aus Cecropia herstellen. Wegen seines hohen [[Harz (Material)|Harz]]- und [[Milchsaft]]-Gehaltes ist das Holz dazu aber nur schlecht geeignet.<ref>{{Literatur|Autor=E. L. Keller, R. M. Kingsbury, D. J. Fahey|Jahr=1958|Titel={{lang|en|Neutral sulfite semichemical pulping of guaba (Inga vera), yagrumo hembra (Cecropia peltata) and eucalyptus (Eucalyptus robusta) from Puerto Rico}}|Sammelwerk={{lang|en|USDA Forest Service, Report 2127}}|Verlag={{lang|en|Forest Products Laboratory}}|Ort=Madison, WI|Seiten=7}}</ref> In [[Puerto Rico]] wird das geschredderte Holz mit [[Zement]] vermischt als Baustoff oder so als Dämmstoff verwendet.<ref>{{Literatur|Autor=W. S. Chalmers|Jahr=1958|Titel={{lang|en|Observations on some Caribbean forests}}|Sammelwerk={{lang|en|Caribbean Forester}}|Band=19|Nummer=12|Seiten=30–42}}</ref> Der Hauptnutzen von Ameisenbäumen liegt in der [[Aufforstung]]. Sie stellen geringe Ansprüche an den Boden und wachsen sehr schnell. So können von [[Bodenerosion]] bedrohte Gebiete befestigt werden. Der Boden wird zunächst zurückgehalten und neue [[Biomasse]] eingebracht, sodass sich auch andere Arten wieder ansiedeln können.<ref>{{Literatur|Autor=Susan R. Silander, Ariel E. Lugo|Online=http://www.na.fs.fed.us/spfo/pubs/silvics_manual/volume_2/silvics_v2.pdf|Titel={{lang|en|Cecropia peltata L. Yagrumo Hembra, Trumpet-Tree}}|Sammelwerk={{lang|en|Silvics of North America}}|Band=2|Verlag={{lang|en|United States Department of Agriculture Forest Service}}|Ort=Washington, DC|Jahr=1990|Zugriff=6. August 1007|Seiten=496–497}}</ref> Fasern der Rinde können zu Seilen gedreht werden. Aus solchen Seilen werden unter Anderem Bogensehnen und Hängematten gefertigt. Die Fruchtstände sind essbar und werden in Bolivien unter dem Namen „''bananitas''“ gehandelt. Das Mark der Blattstiele wird in [[Napo (Provinz)|Napo]] in Ecuador für die Herstellung traditionellen Kopfschmucks verwendet. Traditionell werden die frischen Blätter von Ameisenbäumen verbrannt und die Asche, mit gerösteten und pulverisierten [[Cocastrauch|Coca-Blättern]] gemischt. Dieser [[Kautabak|Priem]] wird zwischen Wange und Zahnfleisch unter die Zunge gelegt.<ref>{{Literatur|Autor=Richard Evans Schutes|Titel={{lang|en|A new method of coca preperation in the Columbean Amazon}}|Sammelwerk={{lang|en|Botanical Museum Leaflets}}|Band=17|Jahr=1957|Verlag=Harvard University|Seiten=241–264}}</ref> Hierfür werden die Blätter von ''C. ficifolia'', ''C. palmata'', ''C. peltata'' und ''C. sciadophylla'' verwendet.<ref>{{Literatur|Autor=Christian Rätsch, Jonathan Ott|Titel=Coca und Kokain, Ethnobotanik, Kunst und Chemie|Verlag=AT Verlag|Ort= Aarau, Schweiz|Jahr=2003|ISBN=3855027072}}</ref> == Literatur == * {{Literatur|Autor=Cornelis Christiaan Berg, Pilar Franco Rosselli|Titel=Cecropia (Cecropiaceae)|Sammelwerk=Flora Neotropica Monographs|Band=94|Jahr=2005|ISBN=978-0-89327-461-0}} * {{Literatur|Autor=Sandra Burger|Titel=Vergleichende Bestandsaufnahme von Ameisenpflanzen entlang eines Transekts im tropischen Tieflandregenwald Costa Ricas|Ort=Wien|Monat=September|Jahr=2003|Verlag=Diplomarbeit an der Universität Wien|Online=[http://www.lagamba.at/researchdb/upload/files/Burger,%20Sandra.pdf pdf]|Zugriff=17. Juli 2007}} * {{Literatur|Autor=Servando Carvajal, Luz María Gonzáles-Villarreal|Titel={{lang|es|La familia Cecropiaceae en el estado de Jalisco, México}}|Verlag={{lang|es|Universidad de Guadalajara}}|Auflage=1.|Jahr=2005|Ort=Guadalajara|ISBN=978-970-27-0683-0|Online=[http://www.cucba.udg.mx/new/publicaciones/flora_de_jalisco/CFJ_19_Cecropiaceae.pdf pdf]}} == Einzelnachweise == <references/> == Weblinks == {{Commons|Cecropia|{{PAGENAME}}}} * [http://academic.evergreen.edu/projects/ants/ANTPLANTS/CECROPIA/Cecropia.html Longino, J.T. (2005): ''{{lang|en|The Cecropia-Azteca association in Costa Rica}}''. Artikel über die Myrmekophylaxis Crecropia ↔ Azteca] (Englisch) * [http://mobot.mobot.org/cgi-bin/search_vast?FLNIONDAD=40003290 ''Cecropia'' in Flora de Nicaragua] (Spanisch) * [http://www.icn.unal.edu.co/publicaciones/icn/caldasia/24(2)/240202.pdf ''Cecropia'' in Peru (PDF)] (Englisch; 163 kB) * [http://www.efloras.org/florataxon.aspx?flora_id=201&taxon_id=105973 Eintrag in der Flora der Anden von Ecuador] (Spanisch) * [http://fm1.fieldmuseum.org/vrrc/?page=results&family=CECROPIACEAE&PHPSESSID=7e5d39cf2e7046f276458ca9f86c9d4e&order=genus&rpno=1 Eingescannte Herbarbelege aus dem Field Museum (Chicago)] (Englisch) * [http://www.ruhr-uni-bochum.de/boga/html/Cecropia_Foto.html Schöne Detailbilder auf ruhr-uni-bochum.de] (Deutsch) [[Kategorie:Brennnesselgewächse]] {{Exzellent}} [[en:Cecropia]] [[eo:Cekropio]] [[es:Cecropia]] [[fr:Cecropia]] [[it:Cecropia (botanica)]] [[lt:Delnuotė]] [[pt:Embaúba (árvore)]] [[qu:Chila]] [[ro:Embaúba]] [[tr:Cecropia]] [[zh:伞树科]] bhlp0o2ztqvbg3nwwlhfgw30eee6bbu wikitext text/x-wiki Wandbilddruck 0 23554 26150 2010-03-26T03:20:14Z Phrood 0 /* Literatur */ '''Wandbilddruck''', oft auch '''Wandschmuck''' genannt, ist die [[Volkskunde|volkskundliche]] Bezeichnung für ein [[Grafik|druckgrafisches]] Blatt, das der Ausschmückung von Räumen diente und meist unter Glas [[Bilderrahmen|gerahmt]] wurde. Die Zeit von 1840 bis 1940 war die wichtigste Epoche des Wandbilddrucks, da die Entwicklung der Werke hier durch neue Drucktechniken bestimmt wurde, der Ausbau des Verkehrsnetzes einen weitreichenden Vertrieb ermöglichte und der – verglichen mit den vorherigen Jahrhunderten – größere Wohlstand Interesse an Kunst im eigenen Heim aufkommen ließ. Wandbilddrucke wurden meist nach Werken zeitgenössischer Maler angefertigt, die von den Kunstverlagen wegen ihrer populären Motive ausgewählt wurden und von denen sich einige auf den Sektor der Reproduktionsgrafik spezialisiert hatten. Als Ausgangsbasis der Reproduktionen diente nicht das originale Bild, sondern eine als Zwischenschritt angefertigte Vorlage. Eine universelle zeitgenössische Bezeichnung für Wandbilddrucke fehlte. Am verbreitetsten waren die Wörter „Zimmerschmuck“ und „Zimmerzierde“<ref>Pieske: ''Bilder für jedermann'', S. 16</ref>, die allerdings auch anderen Wandschmuck wie [[Wandkonsole]]n-[[Nippes (Kunst)|Nippes]] umfassten. Verleger und Händler verwendeten die allgemeine und neutrale Bezeichnung „Kunstblatt“. Der heutige [[Antiquität]]en<nowiki />handel ordnet Wandbilddrucke als dekorative Grafik ein. Wenn auch Antiquitätenhandel und Flohmärkte auffällige Motive wie Elfenreigen und Heidelandschaften manchmal als Inbegriff des Wandbilddrucks erscheinen lassen, so war die tatsächliche Bandbreite der Themen wesentlich größer. [[Bild:Lefler - Hochzeitstraum.jpg|thumb|upright=1.4|[[Franz Lefler]]: „Hochzeitstraum“, handkolorierte Heliogravüre um 1900]] == Geschichte == === Vor 1860 === [[Bild:Aprilregen - Lithografie.jpg|thumb|upright=0.9|„Aprilregen“, kolorierte Lithografie um 1855]] In den Jahrzehnten vor 1840 besaßen nur die Oberschicht und das gehobene Bürgertum gerahmte Drucke, die mitunter aus England und Frankreich importiert und über Generationen hinweg vererbt wurden. Man bevorzugte vor allem mythologische und allegorische Themen, Ansichten sowie literarische und historische Motive. Bis etwa 1830 waren vor allem [[Kupferstich]]e, daneben auch [[Radierung]]en, [[Aquatinta]] und [[Schabkunst]] verbreitet. Anschließend setzte sich, zunächst bei Porträts, die [[Lithografie]] durch. Nach 1840 belebten die Ausstellungen und Reproduktionsaufträge der neu aufkommenden [[Kunstverein]]e sowie Nachrichten von großen Kunstausstellungen das bürgerliche Kunstinteresse. Auch das mittlere Bürgertum erwarb nun zunehmend Wandbilddrucke. Der Bildbedarf der unteren Sozialschichten blieb durch ein reichhaltiges Angebot an [[Bilderbogen|Bilderbögen]] gedeckt. Eine besondere Vorliebe bildete sich für literarische Motive; auch Werke der [[Genremalerei]] wurden gerne reproduziert. Humorvolle Szenen wie Salonaffären, Bubenstreiche und Wirtshausprügeleien waren ebenfalls beliebt. Bessere Wandbilddrucke verwendeten nach wie vor den Kupferstich; entsprechend hoch war der Preis. Der 1820 entwickelte [[Stahlstich]] ermöglichte ein leichteres Arbeiten und eine auflagenstärkere Reproduktion. Nach dieser Technik gefertigte Werke erreichten zeitweise hohe Auflagen, waren aber nach einigen Jahrzehnten nicht mehr gefragt. Die ausdrucksstarke Kreidelithografie mit ihren weichen Übergängen hingegen eroberte sich rasch die Gunst der Bildkonsumenten und stieg zur wichtigsten Reproduktionstechnik auf. Die Qualität der so hergestellten Drucke variierte beträchtlich. Durch den Einsatz verschiedener Arbeitsweisen wie der Feder-, Pinsel- oder Kreidemanier konnten die Lithografien mit besonderen Effekten und Wirkungen versehen werden. === 1860–1890 === In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts erfuhr die Entwicklung des Wandbilddrucks grundlegende Wandlungen. Der zunehmende Wohlstand und neue Drucktechniken, die eine Massenfertigung erlaubten, erweiterten den Konsumentenkreis erheblich. Auch die Werbung und die Vorführung von Gemälden durch die Druckindustrie im Rahmen von Welt-, Industrie- und Gewerbeausstellungen führte zur breiten Akzeptanz von Druckbildern. Die Tatsache, dass Wandbilder als Accessoires der Wohnungseinrichtung beworben wurden, bewog Kulturkritiker zur misstrauischen Bezeichnung „Möbelbilder“.<ref>Pieske: ''Bilder für jedermann'', S. 27</ref> Der Ausbau des Eisenbahnnetzes ermöglichte den Vertrieb durch Läden und Haustürgeschäft. In der bürgerlichen Schicht verfolgten die Kunstvereine ihre Aktivitäten weiter. Neben dem Bürgertum wurden auch die Bedürfnisse der „kleinen Beamten und Handwerker“ und des „Proletariats“ berücksichtigt, indem man die Ware je nach Zielgruppe in Qualitätsklassen unterteilte. [[Bild:Batoni - Büßende Magdalena - Vergleich.jpg|thumb|Oben: ''Büßende Magdalena'' von Pompeo Batoni (1760). Unten: Der umherziehende Verkauf dieses vor 1894 erschienenen Öldrucks wurde 1908 von den Polizeibehörden verboten]] Im Gegensatz zur Druckqualität bestand in der Auswahl der Bildmotive weitgehende Übereinstimmung. Die [[Genremalerei]] mit ihren romantischen Familien- und Liebesszenen beherrschte den Markt; auch im Bürgertum traten mythologische, historische und literarische Themen in den Hintergrund. Patriotische Motive wie Fürstenporträts oder Schlachtenszenen sowie Darstellungen festlicher Anlässe und literarischer Geistesgrößen gehörten weiterhin zum festen Bestandteil des Angebots. Noch größer war der Sektor der religiösen Motive. Er hatte vor allem in ländlichen, katholischen Gegenden einen festen Platz, wohingegen im Bürgertum nur einige Standardmotive wie der anklopfende Christus, der [[guter Hirte|gute Hirte]] oder das [[Tischgebet]] verblieben. Die von [[Leo Schöninger]] vervollkommnete [[Galvanografie]], mit der sich Kupferstiche leichter vervielfältigen ließen, war für anspruchsvollere Kunstfreunde bestimmt. Sie wurde von den [[Fotografie]]n von Ölgemälden, Stichen und Skulpturen ersetzt, die sich ab 1865 zunehmend durchsetzten. Während die fotografische Reproduktion von Kunsthistorikern enthusiastisch aufgenommen wurde, betrachtete man die mit dieser Technik hergestellten Wandbilder skeptisch, da sie nicht nach dem originalen Ölgemälde selbst, sondern nach Reproduktionsstichen und -lithografien angefertigt wurden. Ein Nachteil der Fotografien war, dass sie schnell vergilbten. Der Kupferstich verlor ab den 1870er Jahren deutlich an Beliebtheit. Begleiterscheinungen der Zeit waren die auf [[André Adolphe-Eugène Disdéri|André Disdéri]] zurückgehenden „[[Galerien moderner Meister]]“ im Visitenkartenformat sowie die [[Fotografietonbild]]er, die eine Fotografie vortäuschen sollten. Am umsatzstärksten waren aber die [[Lithografie|Chromolithografien]], mit denen auch farbige Vorlagen reproduziert werden konnten. Sie wurden von [[Godefroy Engelmann]] erfunden und später durch [[Winckelmann & Söhne]] verbessert. Als teure „Farbendruckbilder“ dienten sie der Wiedergabe von Gemälden für das Bürgertum; als Massenware geringerer Qualität, so genannte „Öldrucke“ (auch „Ölfarbendrucke“, „Ölbilddrucke“), deckten sie den Bedarf weniger begüterter Schichten. Sie machten den Kreidelithografien ab etwa 1875 ernsthafte Konkurrenz. Neben den Chromolithografien etablierten sich die fotomechanischen Reproduktionsverfahren wie [[Lichtdruck (Druck)|Lichtdruck]] und [[Heliogravüre]], die unter vielen weiteren Bezeichnungen mit nur geringfügigen technischen Unterschieden bekannt waren. === 1890–1945 === [[Bild:Josef Untersberger - Mater dulce.jpg|thumb|Giovanni ([[Josef August Untersberger|Josef Untersberger]]): „Mater dulce“, Chromolithografie um 1914]] Wandbilddrucke erreichten nun alle Sozialschichten und waren auf die jeweilige Käuferschicht in Geschmack und Preis abgestimmt. Konkurrenz erfuhr der Bilddruck durch Künstler- und [[Kunstpostkarte]]n. Während des [[Erster Weltkrieg|Ersten Weltkriegs]] kam der Kunsthandel der allgemeinen Stimmung durch patriotische Motive entgegen. Landschafts- und Genredarstellungen waren nach wie vor am beliebtesten. Religiöse Themen waren unverändert populär, passten sich aber dem Wandel der Zeit durch das Streichen altertümlich wirkender Bildformulierungen an. Ab etwa 1900 kamen auch Sportmotive auf. Die Zahl der Chromolithografien nahm langsam ab, während die fotomechanischen Reproduktionsverfahren verbessert wurden. Farbdrucke wie Dreifarbendrucke oder Lichtdruck waren vorherrschend. In den 1920er Jahren erlebten die weltlichen und religiösen [[Schlafzimmerbild]]er mit Motiven wie „Elfenreigen“ oder „Hochzeitstraum“ ihre Blütezeit. Nach dem Ersten Weltkrieg fielen die Fürstenbilder weg; sie wurden nur noch für das Ausland angefertigt. In den 1930er Jahren sank die Zahl der religiösen Motive. Stattdessen wurde es gebräuchlich, die Bilder je nach Motiv für ihren Einsatzzweck – Speise-, Wohn-, Herren- oder Kinderzimmer – zu klassifizieren. Landschafts- und Kinderbilder lösten die Genrebilder ab. Außerdem kam so genannte „nationale Bildkunst“ mit [[Adolf Hitler|Führer]]- und [[Paul von Hindenburg|Hindenburg]]-Porträts, heroischen Landschaften und idealisierten Bauern- und Arbeiterdarstellungen auf. Fotomechanische Reproduktionsverfahren wie Farbenlichtdruck und Farbentiefdruck lösten alte Verfahren endgültig ab. === Nach 1945 === Die Bildergewohnheiten nach dem Zweiten Weltkrieg sind wenig erforscht. Der [[Offsetdruck]] fand in Deutschland nach dem Krieg allgemeine Verbreitung. Zunächst versuchte man, die im Krieg vernichtete Wohnungseinrichtung wiederherzustellen. Vor allem Flüchtlinge sahen daher in Wandbildern nach alten Motiven Erinnerungsstücke. Parallel zur „Möbelhaus-Moderne“ der 1960er Jahre entwickelten sich neue, zugkräftige Motive, etwa die [[Dekolleté|vollbusige]] Zigeunerin. Mit der Verfügbarkeit größeren Wohnraums und billigerer Möbel in Mitteleuropa hatte das übergroße Schlafzimmerbild indes ausgedient; die moderne Wohnung verlangte eher viele hochformatige Bilder für die schmalen Wandflächen zwischen den Möbeln. Erst die vor allem unter Jugendlichen beliebten [[Poster]], die vornehmlich Idole aus Film, Musik, Sport und Politik zeigten, machten Riesen-Bilder wieder stubenfähig. In den unteren Sozialschichten wurden, abgesehen von Postern, Landschafts-, Tier- und Blumenbilder zu den beliebtesten Motivgruppen.<ref>Martin Scharfe: „Wandbilder in Arbeiterwohnungen – Zum Problem der Verbürgerlichung“, in: ''Zeitschrift für Volkskunde'' 77, 1981, S. 17–36.</ref> Einen erheblichen Aufschwung erlebten die „echten Originalgemälde“. Diese billigen Gemäldekopien von alten Meistern oder von den neueren Motiven des Wandbilddrucks wurden unter anderem von belgischen Gefängnisinsassen reihenweise gemalt.<ref>Wolfgang Brückner: „Kleinbürgerlicher und wohlstandsbürgerlicher Wandschmuck im 20. Jahrhundert“, in: ''Kunst und Konsum – Massenbilderforschung'' (=Volkskunde als historische Kulturwissenschaft 6; Veröffentlichungen zur Volkskunde und Kulturgeschichte 82), S. 407–444, hier S. 442. Würzburg 2000</ref> Der moderne [[Kunstdruck]] arbeitet mit einer mehr oder weniger hohen Zahl von Druckfarben, um Farbtreue zu garantieren. == Motive und Künstler == Einer Mehrzahl der Käufer von Wandbilddrucken war der Bildinhalt wichtiger als künstlerische und ästhetische Merkmale.<ref>Pieske: ''Bilder für jedermann'', S. 79</ref> Kunstverlage berücksichtigten dies, indem sie ihre Kataloge nach Bildmotiven einteilten. Die Vorlagen für die Reproduktionsdrucke lassen sich in zwei Kategorien einteilen. Einerseits gab es so genannte „Galeriewerke“, die nach Gemälden aus den großen Gemäldegalerien gefertigt wurden. Hier erfuhren einige Werke besondere Verbreitung, etwa [[Das Abendmahl]] von [[Leonardo da Vinci]] oder die [[Sixtinische Madonna]] von [[Raffael]]. Vorrang hatten im Wandbilddruck jedoch die „modernen Meister“ – so die zeitgenössische Bezeichnung – die durch Kunstausstellungen, Rezensionen und Abbildungen in Familien- und Kunstzeitschriften auf sich aufmerksam machten und von den Verlegern entsprechend dem gewünschten Bildthema ausgewählt wurden. === Weltliche Motive === [[Bild:Der kleine Soldat.jpg|thumb|upright=0.8|„Der kleine Soldat“, kolorierte Lithografie von C.&nbsp;Glück nach französischen Studienblättern, um 1850]] '''Kinder- und Familienszenen''' gehörten zu den beliebtesten Genrethemen. Vorläufer des Kindergenres war die niederländische Genremalerei des 17. Jahrhunderts. Später wurde es von [[Jean-Baptiste Greuze]], [[Jean Siméon Chardin]] und englischen Porträtisten kultiviert, bevor es um 1830 in Deutschland aufkam. Stets waren die Bilder von Reinheits- und Unschuldsvorstellungen geprägt. Bekannte Maler einfacher Spielszenen ohne besondere Aussage waren [[Meyer von Bremen]], [[Ludwig Knaus]], [[Hermann von Kaulbach]] und [[Paul Friedrich Meyerheim]]. Ein anderer Bildtypus zeigt Kinder mit erwachsenem Auftreten, als Hoffnungsträger entsprechend der Rollenerwartung zusammen mit Titeln wie „der kleine Soldat“. Die Farbgebung wurde hier den jeweiligen Nationalfarben angepasst. Vorbilder waren Werke wie ''The Children of Nobility'' (1841) von [[Alfred Chalon]]. Eine weitere Gruppe von Bildern diente der lehrhaften Veranschaulichung bürgerlicher Tugenden am Beispiel von „gutherzigen“ oder opfergebenden Kindern. Unter den Schulszenen war ''Les révélations'' von [[Edouard Girardet]] weitverbreitet und in Deutschland unter dem Titel „Das ist ein Taugenichts!“ zusammen mit seinem Pendant „Du wirst die Rute bekommen!“ weithin erhältlich. Ab etwa 1900 wandelte sich der Inhalt der Kinderbilder zugunsten des von [[Corneille Max]] geprägten niedlichen, süßen Mädchens. Viele Darstellungen von Mutter mit Kleinkind können als profanierte [[Marienbild]]er bezeichnet werden. Ein weitverbreitetes Motiv war „der erste Schritt“. Besonders beliebt waren die Bilder von [[Héloïse Leloir]], die allesamt als Farblithografien reproduziert wurden. In den 1920er Jahren kamen auch unter den Schlafzimmerbildern Mutter-Kind-Darstellungen auf; hier waren die Maler [[Alfred Schwarz]] und [[Max Pietschmann|Fr. Laubnitz]] am gefragtesten. Die Familienszenen sprachen vielfältige Aspekte an, etwa das Generationenverhältnis oder die Unterrichtung. [[Bild:Fenner-Behmer - Bücherwurm.jpg|thumb|[[Hermann Fenner-Behmer]]: „Der Bücherwurm“, Farbenlichtdruck um 1910]] '''Schönheiten und Erotik.''' Einen unerlässlichen Katalogsbestandteil der Kunstverlage bildeten Grazien und reizende Mädchenköpfe, darunter Vornamenbilder, Allegorien, [[Odaliske]]n und antike Göttinnen. Vorbilder waren englische Stahlstichserien wie „Byron’s Beauties“ (1836) des Londoner Verlegers Finden oder Alfred Chalons „Gallery of Grace“ (1832) und [[Edward Henry Corbould]]s „Gems of Beauty“ (1840). Auch französische Verlage boten um 1820 Farbstichserien an, die später von den Berliner Verlagen übernommen und umgewandelt wurden. Um 1850 waren die „rustic beauties“ diverser englischer Maler sehr erfolgreich; die dort dargestellten ländlichen Schönheiten wurden oftmals unter dem Titel ''The Daughter of…'' reproduziert. Die in den Schönheitsgalerien abgebildeten allegorischen Frauengestalten wie die „Balldame“, „Blumenfreundin“ oder gar die halbnackte „Metschunka, die Lieblingssklavin“ dienten mitunter als [[Pin-up]]-girls. Einem kleineren, zahlungskräftigen Kundenkreis waren eigens produzierte erotische Werke vorbehalten, etwa der von [[August Scherl]] 1925 angebotene laszive Kupferdruck, betitelt „Zwei Püppchen“. Bereits vor dem Ersten Weltkrieg hatte der Berliner Verlag Richard Bong für derartige Werke geworben. Die üppigen Schönheiten der Orientmalerei mit Titeln wie „Haremsdame“, „Perle des Orients“ oder „Odaliske“ wurden von Berliner Verlagen in die Türkei und den Nahen Osten exportiert. Wie die archivierten Verbotslisten zeigen, fielen sowohl einzelne Blätter als auch ganze Verlagskataloge – besonders, wenn sie die Unterschicht anvisierten – der staatlichen [[Zensur (Informationskontrolle)|Zensur]] zum Opfer. Auch von der Verurteilung von Verlegern zu Geldstrafen wegen Verbreitung unzüchtiger Abbildungen wurde des Öfteren berichtet. [[Bild:Liebesglück - Lithografie.jpg|thumb|„Liebesglück“, kolorierte Lithografie von Joseph Félon, um 1850]] '''Liebespaare.''' Auch Liebespaardarstellungen – in Frankreich „lithographies romantiques“, in England „sentimentals“ genannt – waren weit verbreitet. Zu den Standardmotiven gehörten diejenigen des Malers [[Frank Stone]] mit Titeln wie ''First Appeal'', ''Last Appeal'' oder ''Mated''; ab etwa 1870 wurden sie von den Gesellschaftsszenen seines Sohnes [[Marcus Stone|Marcus]] verdrängt. Ebenfalls gefragt waren die historischen Szenen [[John Everett Millais]]’ wie ''[[The Black Brunswicker]]'' oder ''A Huguenot…''. '''Literatur- und Märchenszenen.''' Literarische Motive gab es als Einzelblätter, Pendants und Vierersuiten; letztere waren vor allem in Frankreich verbreitet. Hatten sich die Kunstverlage in den 1850er und 60er Jahren noch auf ältere Gemälde mit literarischem Inhalt gestützt, so erreichte das Genre ab 1870 mit den Goethe-, Schiller- und Shakespeare-Galerien von Malern wie [[Wilhelm von Kaulbach]], [[August von Kreling]] und [[Ernst Alfred Stueckelberg]] eine Blütezeit. Zu den umgesetzten Stoffen zählten ''[[Wilhelm Tell (Schiller)|Wilhelm Tell]]'', ''[[Der Glöckner von Notre-Dame]]'', ''[[Der Graf von Monte Christo]]'' oder ''[[Romeo und Julia]].'' Auch [[Grimms Märchen]] dienten im 19. Jahrhundert oft als Vorlage. [[Bild:Kaiser Wilhelm - Chromolithografie.jpg|thumb|upright=0.8|Kaiser Wilhelm, Chromolithografie]] '''Patriotische Motive.''' Europaweit verbreitet und wahrscheinlich am umfangreichsten von allen Sparten war das patriotische Genre, das Fürstenporträts, Historienbilder und Schlachtenszenen umfasste. Die Fürstenporträts gingen aus der Tradition der Porträtstiche im 18. Jahrhundert hervor, gewannen aber mit der Lithografie erheblich an Bedeutung. Fürstenbilder im Haus oder in der Werkstatt wurden zu einer Selbstverständlichkeit und hatten während der ersten Jahre des Ersten Weltkriegs Hochkonjunktur. Ab 1933 nahm das nationalsozialistische Bildgut mit Führerbildern, Sport-, Flieger- und Flottenszenen sowie verherrlichenden Darstellungen der Frontsoldaten im Ersten Weltkrieg stark zu. '''Bauerngenre.''' Die Darstellungen des bäuerlichen Lebens gehen auf die niederländische Malerei des 17. Jahrhunderts zurück. Im 18. Jahrhundert kam das Schäfergenre hinzu. Durch ein verstärktes Interesse an Volkstum und Trachten konzentrierten sich ab 1840 Kreise wie die [[Kronberger Malerkolonie]] auf Darstellungen des Landlebens; ihre Werke wurden oft reproduziert. In den 1850er und 60er Jahren dienten vor allem die Bilder des ehemaligen Kutschenmalers [[John Frederick Herring]] als Grundlage für Lithografien bei den Berliner Verlagen. Anfang des 20. Jahrhunderts wurden die Genrebilder von [[Franz Defregger]] und anderen populär. [[Bild:Die Beuteteilung.jpg|thumb|„Die Beuteteilung“, kolorierte Lithografie um 1865]] '''Tier- und Jagdmotive.''' Die Tierszenen zeigten vor allem Katzen, Hunde und Pferde. Bei den Katzenbildern waren Reproduktionen nach [[Mathilde Aïta]], [[C. H. Blair]] und [[Horatio Henry Couldery]] weit verbreitet. Hunde wurden je nach Szene als Wächter, Jagdhelfer oder Gefährten dargestellt, hier dienten die Werke von [[Edwin Landseer]] und [[Richard Ansdell]] gerne als Vorlage. Pferde standen im Kontext von Krieg, Jagd, Sport und Gespanndienst. In der Schlachtenmalerei drückte Ansdells ''Fight for the Standard'' (1848) treffend den Heroismus bei Reiter und Pferd aus; Reproduktionen des Bildes wurden auch in Übersee und sogar in Neuseeland vertrieben. In Deutschland waren außerdem die Pferdebilder [[Franz Krüger]]s beliebt. Die Darstellungen von Rennpferden, zusammen mit Angaben von Name, Gestüt und Siegen gingen von England aus und richteten sich an Rennbegeisterte. Unter den deutschen Malern waren hier [[Carl Steffeck]] und [[Heinrich Sperling]] am gefragtesten. Größere Verbreitung bei den deutschen Kunstverlagen fanden die Pferdeszenen in ländlicher Umgebung von John Frederick Herring. [[Bild:Duntze - Winterlandschaft.jpg|thumb|„Winterlandschaft mit Mühle“, Farblithografie nach [[Johannes Bartholomäus Duntze]], um 1867]] Jagdbilder waren während des gesamten 19. Jahrhunderts bei den populären Kunstverlagen beliebt, darunter auch humoristische Szenen. Im deutschen Raum wurden [[Karl Friedrich Schulz]], [[Christian Kröner]], [[Carl Zimmermann (Maler)|Carl Zimmermann]] und [[Moritz Müller (1841–1899)|Moritz Müller]] häufig reproduziert. Neben Landseer und Ansdell waren die Jagdszenen von [[Henry Alken (1774–1850)|Henry Alken]] sehr populär. '''Humoristische Motive.''' Das humoristische Genre nahm etwa den gleichen Platz wie die historischen Motive ein. Oft wurden Eheszenen und Missgeschicke dargestellt. Einen breiten Raum nahmen auch die Trinkbilder ein, wobei diejenigen von [[Eduard Grützner]] am verbreitetsten waren. '''Ansichten und Landschaften.''' Während im 19. Jahrhundert die Darstellungen bekannter Städte und Gegenden überwogen, waren in der Öldruckindustrie eher allgemeine, fast immer unsignierte Stimmungsbilder mit Titeln wie „Alphütten im Gasterntal“ oder „Die Dorfschmiede“ vorherrschend. Nach 1900 wurde [[Hermann Rüdisühli]] zu einem der gefragtesten Maler für sentimentale und heroische Landschaften. === Religiöse Motive === [[Bild:Fridolin Leiber - Pater noster.jpg|thumb|upright=0.8|[[Fridolin Leiber]]: „Pater noster“, vor 1900]] [[Bild:Ecce homo.jpg|thumb|upright=0.8|„[[Ecce homo]]“, Chromolithografie der Firma Müller & Lohse nach einem Motiv von [[Guido Reni]], um 1890]] In den unteren Sozialschichten und auf dem Land überwogen im Allgemeinen die religiösen Bildmotive. Die Kunstverlage teilten ihre Werke in „weltliche“ und „heilige“ Motive ein, ließen diesen beiden Kategorien aber unterschiedlichen Raum. Bei den Berliner Verlagen machten religiöse Themen höchstens ein Viertel der Gesamtproduktion aus, während sie in München stets den Großteil des Programms einnahmen. Die Konfessionszugehörigkeit der Käufer spielte nur bei [[Heiligenbild]]ern, [[Wallfahrt]]sandenken und [[Herz-Jesu-Verehrung|Herz-Jesu]]-Pendants eine Rolle. '''Bibelszenen.''' Unter dem Material des [[Altes Testament|Alten Testaments]] kristallisierten sich bestimmte Szenen heraus, die häufig dargestellt und reproduziert wurden: [[Josef (Patriarch)|Josefs]]- und [[Mose]]sgeschichte, das Urteil des [[Salomo]] sowie Szenen um [[Buch Rut|Rut]], [[Buch Judit|Judit]], [[Rebekka]], [[Rachel (Bibel)|Rachel]], [[Susanna im Bade|Susanna]] und [[Delila]]. Die Genreszenen „Aussetzung und Findung Mosis“ wurden vor allem nach [[Hippolyte Delaroche]] angefertigt und erreichten weite Verbreitung. Wesentlich häufiger waren die auf dem [[Neues Testament|Neuen Testament]] basierenden Themen. Die nach den [[Nazarener (Kunst)|Nazarenern]] angefertigten Druckgrafiken, vor allem der Typus des anklopfenden, tröstenden und belohnenden Christus, fanden beim gehobenen Bürgertum ihren Platz. Unter den Gleichnissen war der des [[Verlorener Sohn|verlorenen Sohns]] mit Abstand am populärsten. Zu den Malern, deren Werke für den Wandbilddruck umgezeichnet wurden, zählten [[Bernhard Plockhorst]], [[Enrico Schmidt]], [[Johann Roth]], [[Wilhelm Steinhausen]] und [[Heinrich Ferdinand Hofmann]]. '''Sonstige Themen.''' Ein im europäischen und amerikanischen Wandbilddruck weit verbreitetes Bild war ''The Infant Samuel'' (1776) von [[Joshua Reynolds]], das bereits ein Jahr nach seiner Fertigstellung auf den Markt gebracht wurde. Unter den sehr beliebten [[Schutzengelbild]]ern waren das Morgen- und Abendgebet sowie der Engel, der ein Kinderpaar am Felsabgrund oder auf einer Brücke bewacht, häufige Themen. Im angelsächsischen Raum waren die Pendants „Gottvertrauen“ und „Barmherzigkeit“, die einen aus dem Meer ragenden Felsen mit einem Kreuz, an das sich junge Mädchen klammern, in vielen Varianten verbreitet. Sie gehen auf die als ''Rock of Ages'' und ''Simply to the Cross I Cling'' betitelten Bilder von [[Johannes Adam Oertel]] zurück; das Motiv ist jedoch bereits im frühen 17. Jahrhundert anzutreffen. Auch die im 19. Jahrhundert noch nicht tabuisierten Friedhofsbilder waren regulärer Bestandteil der Verkaufskataloge. Sie wurden vor allem von englischen Genremalern wie [[John Callcott Horsley]] seit der Jahrhundertmitte geschaffen. Verwandt sind die so genannten Traumbilder, die Wunsch- oder Hoffnungserscheinungen enthalten. Besonders weit verbreitet waren hier [[Thomas Brooks (Maler)|Thomas Brooks]]’ Bilder ''The Mother’s Dream'' und ''The Believer’s Vision.'' == Verwendung und Funktion == === Private Wohnräume === [[Bild:Wiener Interieur.jpg|thumb|Darstellung eines Wiener Interieurs, 1843]] Die Druckgrafik bildete zusammen mit den privaten Bildnissen den Hauptbestandteil des üppigen bürgerlichen Wandschmucks der [[Biedermeier]]zeit.<ref>Pieske: ''Bilder für jedermann'', S. 39</ref> Sogar an Fenster- und Türnischen wurden gerne Bilder gehängt. Wie zeitgenössische Interieurbeschreibungen und Empfehlungen von Kunstverlagen nahe legen, variierte die Wahl der Motive von Zimmer zu Zimmer. Im [[Salon (Architektur)|Salon]] hingen in der Mehrzahl Ölgemälde. Als Reproduktionsgrafiken waren allenfalls Kunstvereinsgaben akzeptiert. Es dominierten historische Darstellungen, Landschaften und Reproduktionen klassischer Meister. Ein Favorit war [[Arnold Böcklin]]s ''[[Die Toteninsel|Toteninsel]]'', die sehr oft kopiert wurde. Das Speisezimmer hingegen beherbergte nur unbeschwerte Motive wie [[Stillleben]]. Im [[Herrenzimmer]] war ein breitgefächertes Angebot von mythologischen Themen über Trinkbilder bis hin zu Jagdmotiven anzutreffen, auch an freizügigen Darstellungen nahm man keinen Anstoß. Im Gegensatz dazu herrschten im [[Boudoir]] reizende, dekorative und liebliche Genreszenen vor. Später wurden außerdem ernstere, religiöse Motive empfohlen. Die Schlafzimmerbilder, die über die Ehebetten gehängt wurden, gab es erst in den 1910er Jahren. Für das Kinderzimmer waren in erster Linie Märchendarstellungen vorgesehen, aber auch Schutzengelbilder, vor allem als Öldrucke. In den Fluren hing stets der [[Haussegen]]. Auf dem Land waren religiöse Motive, ob als Lithografie oder Öldruck, wesentlich zahlreicher. In katholischen Gegenden machten sie den größten Teil der Bilder aus. Über die Bildergewohnheiten in den städtischen Elendsquartieren ist dank der Fotografien der [[Wohnungsenquête (Berlin)|Berliner Wohnungsenquête]], die von 1903 bis 1920 von der Krankenkasse organisiert wurde, einiges bekannt. Dort, wo die einstige bürgerliche Wohnung nach sozialem Abstieg einer elenden Behausung weichen musste, behielt man in der Regel den Wandschmuck aus den besseren Tagen, inklusive Haussegen. === Öffentliche Räume === [[Bild:Das Wiederfinden - Lithografie.jpg|thumb|upright=0.7|„Das Wiederfinden“, kolorierte Lithografie von 1842]] Die preiswerte Druckgrafik wurde auch in Kirchen und Kapellen verwendet, etwa an den Beichtstühlen oder [[Kreuzweg]]stationen. Für letztere boten alle Kunstverlage, die sich auf religiöse Grafik spezialisiert hatten, eine Folge von 14 Blättern an. Kirchliche Kreise betonten stets die pädagogische Wirkung, die sie sich durch Anbringung geeigneter Bilder in Waisenhäusern, Kinderheimen, Spitälern, Irrenanstalten, Armenhäusern und Gefängnissen erhofften.<ref>Pieske: ''Bilder für jedermann'', S. 46</ref> Der Wandschmuck in den Schulen war immer wieder Gegenstand von Diskussionen. Am häufigsten waren hier Fürstenbilder, religiöse Motive und Ansichten. Mehrere Kunstverlage boten unter dem Schlagwort „Für Schule und Haus“ als familiengerecht, patriotisch und künstlerisch einwandfrei empfundene Blätter an. In den Gasthäusern waren neben der typischen Wirtshausimagerie historische und literarische Themen verbreitet. Hotels zierten bevorzugt weder zu altmodische noch zu avantgardistische Motive. Hier dominierten Landschaften und Ansichten sowie Reproduktionen sehr bekannter Gemälde, zum Beispiel [[Vincent van Gogh]]s [[Sonnenblumen (van Gogh)|Sonnenblumen]]. === Funktionen === Der Kauf von Wandbilddrucken erfüllte in erster Linie ein Schmuck- und Dekorationsbedürfnis. Im 19. Jahrhundert wurden Wandbilddrucke, ungeachtet ihrer tausendfachen Reproduktion und unabhängig von der jeweiligen Gesellschaftsschicht, generell mit Kunst gleichgesetzt.<ref>Pieske: ''Bilder für jedermann'', S. 57</ref> Der Besitz von Kunst diente dem Prestige und unterstrich durch seinen Bildinhalt Wohlsituiertheit und Bildung. Die neue Massenware Wandbild wurde im Allgemeinen als Möglichkeit der Vermittlung von Kunst für alle Schichten begrüßt. So zeigte sich das Massenblatt ''[[Die Gartenlaube]]'' 1884 begeistert von der „modernen Kunstindustrie“: :''„Der schöne Luxus reicher Leute wird immer mehr zu einem bürgerlichen Allgemeingut, so daß Schönheitssinn und durchheiterte Häuslichkeit aus den Bel-Etagen bis in die Dachkammer hinauf- und die Keller hinuntersteigen, der Rohheit und Hässlichkeit den Mund stopfen und die Faust lähmen.“''<ref>Zitiert in Brückner, Pieske: ''Die Bilderfabrik'', S. 65</ref> Vehementer Kritik sahen sich erst die Schlafzimmerbilder in den 1920er Jahren ausgesetzt. Bestimmte Motive dienten der Demonstration eines gruppenspezifischen Bekenntnisses. Eine patriotische Gesinnung äußerte sich etwa durch Bilder historisch-kriegerischer Ereignisse, allegorische Darstellungen und besonders durch Porträts von Fürsten und Feldherren. Wenn im Salon oder Wohnzimmer Bilddrucke mit religiösen Motiven hingen, so unterstrichen sie die christliche Grundhaltung des Hauses. Mythologische Bildinhalte hingegen deuteten eher auf eine humanistische Bildung des Besitzers hin. Gedenk- und Geschenkblätter wie Konfirmations-, Kommunions- und Hochzeitsandenken sind durch ihren Text oder rückseitige Notizen als solche gekennzeichnet. == Die Druckindustrie == === Umzeichnung, Aufbereitung und Ausschmückung === [[Bild:William Frith - English Merry Making.jpg|thumb|Oben: ''An English Merry Making in Olden Time'' von William Frith (1847), unten: die vom Verlag Fabian Silber verkaufte Lithografie (um 1860)]] Beim Ausgangsbild der Wandbilddrucke handelte es sich meistens um ein Ölgemälde. Die fertigen Lithografien wurden jedoch nicht direkt nach dem Original, sondern nach einem Kupferstich, Mezzotinto, Aquatinta oder Stahlstich reproduziert. Auch fotografische Reproduktionen wurden nicht nach dem originalen Ölgemälde, sondern nach derartigen Vorlagen angefertigt. Dieser Zwischenschritt war eine Voraussetzung für die schnelle Umsetzung von Neuerscheinungen. Andererseits vergaben die Kunstverlage auch Auftragsarbeiten, die auf ihr Verlagsprogramm ausgerichtet waren. Je nach anvisiertem Kundenkreis trivialisierten und popularisierten die Verlage die Originalwerke. Wie auch bei anderen Arten der [[Populargrafik]] konnte gegenüber dem Original durch Änderung der Bildkomposition, Reduzierung von Bildinhalt, Tiefe, Perspektive und Bildelementen, Änderung des Aussehens von Personen, Hinzufügen von Ornamenten oder anderen Eingriffen ein eingängigeres und anrührenderes Erscheinungsbild vermittelt werden. Verleger von Öldrucken geringer Qualität beschäftigten hierzu unbekannte Zeichner und Lithografen. Nur bei Verlagen, die das mittlere und gehobene Bürgertum anvisierten, lassen sich die Namen der umzeichnenden Lithografen – die stets für mehrere Verlage gleichzeitig arbeiteten – feststellen. Zu den bekannteren Namen zählten [[C. F. Schwalbe]] (* 1816), ein Mitbegründer des für Berliner Verlage typischen gefälligen, weichen Umzeichnungsstils, [[Gustav Bartsch]] (seit 1847 in Berlin), der sich auch als Genremaler betätigte, [[Wilhelm Bülow]] (ab 1847 verzeichnet) und [[W. Jab]] (ab 1838 tätig). Kolorierer und Koloristen waren vor der Zeit des Farbendruckes, aber auch mit dem Aufkommen der Fotogravüren, für die teilweise oder volle Ausmalung der Vorlage zuständig. Der Begriff Kolorierer umfasste hierbei, im Gegensatz zu den Koloristen, nur ungelernte Arbeitskräfte für grobe Arbeiten mit der Schablone. Wandbilddrucke waren mit dem häufig um Verse ergänzten Bildtitel und der Verlagsadresse versehen. Letztere fiel beim Abschneiden oder Verdecken mit dem [[Passepartout (Rahmen)|Passepartout]] weg. Der Name des Malers wurde oft verschwiegen und gelegentlich durch den des Umzeichners ersetzt. Der Zusatz „comp.“ (=composuit) sollte eine künstlerische Urheberschaft andeuten, die nicht bestand. Nur bei den hochwertigeren Lithografien behielt man ein vollständiges Impressum, wie es im 18. Jahrhundert bei den Reproduktionsgrafiken von Gemälden die Regel gewesen war. Es war üblich, der Bildoberfläche durch [[Kalander|Kalandrieren]] oder [[Gaufrieren]] eine Struktur, meist eine imitierte Leinenbindung, zu verleihen. Auch das Überziehen mit Lacken und [[Firnis]]sen sowie die Dekorierung durch [[Tinsel]], Glimmer oder Stickgarn war verbreitet. === Fabrikation und Vertrieb === [[Bild:Leo Lechner - Anzeige.jpg|thumb|Anzeige des Kunstverlags Leo Lechner in der Branchenzeitschrift ''[[Der Kunsthandel]]'', 1912]] Unter den Bezeichnungen der mit der Herstellung, Herausgabe und dem Vertrieb von Wandbilddrucken befassten Unternehmen war ''[[Kunstanstalt]]'' am verbreitetsten. Dieser allgemeine Begriff konnte einen Hersteller, eine Druckerei oder ein Vertriebsunternehmen, unter Umständen auch für andere Produkte wie Postkarten, Glasmalereien und kunstgewerbliche Erzeugnisse, bezeichnen. Im Gegensatz dazu beschäftigten sich ''[[Kunstverlag]]e'' in der Regel nicht mit dem Druck, sondern lediglich mit der Herausgabe. Mit dem Druck beauftragte man eigene Druckanstalten, zumal nur diese bei aufwändigen Reproduktionstechniken über die nötigen Fachkräfte und Maschinen verfügten. Die beiden Branchen Kunstanstalt und Kunstverlag wurden unter dem Begriff ''[[Kunstverlagsanstalt]]'' zusammengefasst. Die ''chromolithografischen Anstalten'' und ''Ölfarbendruckinstitute'' vereinten Verlag und Druck. Mit dem Vertrieb von Kunstblättern und anderen Kunstgegenständen waren die als ''[[Kunsthandel]]'' oder ''Kunsthandlung'' firmierenden Anstalten betraut. Den Anfang in der Wandbilddruckproduktion bildete der Kunstverleger, der die Vorlagen für den Reproduktionsdruck erwarb; der Preis dafür war sehr unterschiedlich. Zusätzlich musste noch der Stecher, der in mitunter jahrelanger Arbeit die Druckplatte anfertigte, bezahlt werden. So etwa erhielt [[Paul Sigmund Habelmann]] für seinen Stich des „Kinderfestes“ von [[Ludwig Knaus]] 36.000 Mark.<ref>''Der Kunsthandel'' 1927, S. 102. Zitiert in Pieske: ''Bilder für jedermann'', S. 155</ref> Als sich nach etwa 1890 fotomechanische Reproduktionsverfahren durchsetzten, passte sich der Ankaufspreis von Gemälden und Reproduktionsrechten den gesunkenen Umzeichnungs- und Druckkosten an. Der Großhandel fand zwischen Verlegern und Kommissionsgeschäften oder Verlegern und Sortimentern statt. Die Verlage warben in Branchenzeitschriften und entsandten Vertreter, die die Kunsthandlungen regelmäßig aufsuchten, um auf Neuerscheinungen aufmerksam zu machen und Bestellungen entgegenzunehmen. Bilddrucke waren immer auch Exportartikel; besonders nach dem Ersten Weltkrieg stieg die Nachfrage an Wandbilddrucken aus dem Ausland an. Ein wichtiger Umschlagplatz waren Jahrmärkte, daneben war der Straßen- und Hausierhandel verbreitet. Werbung machten die Einzelhändler für ihre Bilder in den Kunst- und Familienzeitschriften, Tageszeitungen und in den Schaufenstern oder durch das Versenden von Prospekten. == Forschungsgeschichte == Erste volkskundliche Forschungsarbeiten zum Thema Wandschmuck erschienen in den späten 1960er Jahren, nachdem ein Katalog der Lithografien des Frankfurter Kunstverlags [[Eduard Gustav May]] erstellt wurde. Zur gleichen Zeit wurde populärer, „[[kitsch]]iger“ Wandschmuck zum Sammlungsobjekt. Der Forschung geht es jedoch nicht um eine künstlerische oder stilistische Bewertung der Bilder, sondern um die gesellschaftliche Rolle des Wandbilddrucks. 1973 wurde im [[Historisches Museum Frankfurt|Historischen Museum Frankfurt am Main]] die wegweisende Ausstellung „Die Bilderfabrik“ gezeigt, zu der ein gleichnamiger Katalog erschien. Seitdem ist der Wandbilddruck gelegentlich Gegenstand von Ausstellungen, deren Kataloge einen wesentlichen Bestandteil der Forschung bilden. == Literatur == ;Allgemeine Literatur: * [[Wolfgang Brückner]] und Christa Pieske: ''Die Bilderfabrik. Dokumentation zur Kunst- und Sozialgeschichte der industriellen Wandschmuckherstellung zwischen 1845 und 1973 am Beispiel eines Großunternehmens'', Historisches Museum Frankfurt am Main, Frankfurt 1973. * Wolfgang Brückner: ''Elfenreigen, Hochzeitstraum. Die Öldruckfabrikation 1880–1940'', DuMont Schauberg, Köln 1974. ISBN 3-7701-0762-4 * Bruno Langner: ''Evangelische Bilderwelt. Druckgraphik zwischen 1850 und 1950'' (=Schriften und Kataloge des Fränkischen Freilandmuseums 16), Fränkisches Freilandmuseum, Bad Windsheim 1992. ISBN 3-926834-22-6 * Christa Pieske: ''Bilder für jedermann. Wandbilddrucke 1840–1940'' (=Schriften des Museums für Deutsche Volkskunde Berlin 15), Keyser, München 1988. ISBN 3-87405-188-9 ;Bibliografie: * Wolfgang Brückner: ''Massenbilderforschung: eine Bibliographie bis 1991/1995'' (=Veröffentlichungen zur Volkskunde und Kulturgeschichte 96). Institut für deutsche Philologie, Würzburg 2003. == Weblinks == * [http://www.massenware-postkarte.de/index.php Bilderfabrik – Massenware Postkarte] == Nachweise == <references/> [[Kategorie:Druckwesen]] [[Kategorie:Volkskunde]] {{Exzellent}} 45c8qifddlouj3zyqzmyakmiamxioeg wikitext text/x-wiki Paula Modersohn-Becker 0 23555 26542 26151 2010-05-03T17:24:14Z Raymond 8 Änderungen von [[Special:Contributions/80.132.67.185|80.132.67.185]] ([[User talk:80.132.67.185|Diskussion]]) rückgängig gemacht und letzte Version von [[User:Xqbot|Xqbot]] wiederhergestellt [[Datei:Paula Modersohn-Becker 006.jpg|miniatur|Selbstporträt mit Kamelienzweig, 1907]] Die Malerin '''Paula Modersohn-Becker''' (* [[8. Februar]] [[1876]] in [[Dresden|Dresden-Friedrichstadt]]; † [[20. November]] [[1907]] in [[Worpswede]]) war eine der bedeutendsten Vertreterinnen des frühen [[Expressionismus]]. In den knapp vierzehn Jahren, in denen sie künstlerisch tätig war, schuf sie 750 [[Gemälde]], etwa 1.000 [[Zeichnung (Kunst)|Zeichnungen]] und 13 [[Radierung]]en, die die bedeutendsten Aspekte der [[Bildende Kunst|Kunst]] des frühen 20. Jahrhunderts in sich vereinen. == Leben == === Familie === [[Datei:Paula Modersohn-Becker 025.jpg|miniatur|[[Worpswede]]r Landschaft, um 1900]] Paula Becker war das dritte Kind von insgesamt sieben Geschwistern. Ihr Vater Carl Woldemar Becker war [[Ingenieur]] von Beruf, ihre Mutter Mathilde entstammte der [[Thüringen|thüringischen]] [[Adelsfamilie]] von Bültzingslöwen. Aus den Briefen, die Carl Woldemar Becker an seine Tochter richtete, ist bekannt, dass Paula Beckers Vater sowohl [[Paris]] und [[Sankt Petersburg]] als auch [[London]] kannte und neben [[Russische Sprache|Russisch]] auch [[Französische Sprache|Französisch]] und [[Englische Sprache|Englisch]] sprach. Die mütterliche Familie war ähnlich weltoffen. Mathilde von Bültzingslöwens Vater war im Ausland Kommandeur eines Truppenkontingents, einige ihrer Brüder waren nach [[Indonesien]], [[Neuseeland]] und [[Australien]] ausgewandert. Der Bruder von Carl Woldemar Becker und somit der Onkel von Paula war [[Oskar Becker (Attentäter)|Oskar Becker]], der im Jahre 1861 ein Attentat auf den damaligen preußischen König [[Wilhelm I. (Deutsches Reich)|Wilhelm von Preußen]] verübte.<ref>{{Webarchiv | url=http://www.radiobremen.de/magazin/kultur/kunst/modersohn-becker/biografie.html | wayback=20080121 | text=Radio Bremen ''Dresden - Bremen - Worpswede, Biografie Paula Modersohn-Becker''}} bei web.archive.org</ref> Bei der Erziehung der Kinder der Familie Becker spielten [[Bildende Kunst|Kunst]], [[Literatur]] und [[Musik]] eine große Rolle. Paula erhielt ebenso wie ihre Schwestern Klavierunterricht. Paulas älteste Schwester, die über eine schöne Singstimme verfügte, durfte Gesangsunterricht nehmen. Bis auf Paula schätzte ihre Familie [[Richard Wagner]] – Paula Becker empfand ihn als „undeutsch“; [[Johann Wolfgang von Goethe|Goethe]] galt in der Familie als der alles überragende Dichter. Paula Beckers Elternhaus wird von ihren Biografen als liberal-bürgerlich eingestuft, wohlhabend war es dagegen nicht. === Die frühen Jahre === ==== Dresden und Bremen ==== [[Datei:Paula Modersohn-Becker 015.jpg|miniatur|''Moorkanal mit Torfkähnen'', um 1900]] [[Datei:Bremen-PaulaBeckerHaus.jpg|miniatur|links|Das [[Paula-Becker-Haus]] in Bremen]] Die ersten zwölf Lebensjahre verbrachte Paula Becker in Dresden-[[Friedrichstadt (Dresden)|Friedrichstadt]]. Über diese ersten Jahre ist wenig bekannt. Überliefert ist nur ein schweres Unglück, bei dem die zehnjährige Paula gemeinsam mit den zwei Cousinen Cora und Maidli Parizot beim Spielen in einer Sandgrube verschüttet wurden. Während Paula und Maidli rechtzeitig gerettet werden konnten, erstickte ihre elfjährige Cousine Cora Parizot unter den Sandmassen. Aus Briefen, die Paula Modersohn-Becker Jahre später an [[Rainer Maria Rilke]] schrieb, weiß man, dass dieses Erlebnis sie stark prägte. Ihre [[Biografie|Biografin]] Liselotte von Reinken sieht darin sogar die Ursache für die mitunter rücksichtslose Entschiedenheit, mit der Paula Modersohn-Becker ihre künstlerischen Ziele verfolgte. Nach der Verurteilung von Oskar Becker verlor sein Bruder Carl Woldemar, Paulas Vater, seine Beamtenstelle. Im Jahre 1888 zog die Familie nach [[Bremen]]. Carl Woldemar Becker konnte dort eine städtische Stelle als Baurat annehmen. Die Familie wohnte in der Hansestadt in einem Haus an der Schwachhauser Chaussee&nbsp;23 (heute [[Schwachhauser Heerstraße]]). Hier hatte Paula ihr erstes kleines Atelier. Das künstlerische Leben war zu dieser Zeit in Bremen sehr rege und über Freundschaften der Mutter bestand zu den künstlerischen Kreisen in Bremen ein enger Kontakt, so dass die Familie Becker daran lebhaft Anteil nahm. Zum 100. Geburtstag von Paula wurden einzelne Räume dieses Hauses wieder für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht. ==== Der erste Kunstunterricht ==== Im Frühsommer 1892 ging Paula Becker auf Wunsch ihrer Eltern nach England. Eine Halbschwester ihres Vater lebte dort in der Nähe Londons. Paula Becker sollte dort Haushaltsführung und Englisch erlernen. Dank der Unterstützung ihres Onkels erhielt Paula Becker dort auch Kunstunterricht. Nach ersten Skizzenstunden besuchte sie eine private Kunstschule, in der sie täglich von zehn bis sechzehn Uhr im Zeichnen unterrichtet wurde. Dieser Kunstunterricht währte allerdings nur kurze Zeit. Der Aufenthalt in London war von Paula Beckers Eltern ursprünglich für ein Jahr geplant; Paula Becker kehrte jedoch bereits nach einem halben Jahr zurück. Sie hatte unter Heimweh gelitten und sich unter der autoritären Führung ihrer Tante nicht wohl gefühlt. ==== Lehrerinnenseminar ==== Vor allem auf Grund des Einwirkens ihres pflichtbewussten Vaters besuchte Paula Becker ab 1893 in Bremen ein Lehrerinnenseminar. Sie folgte damit ihrer ältesten Schwester, die ebenfalls dieses Seminar besucht hatte. Während dieser Zeit erhielt Paula Becker privaten Malunterricht – ein Entgegenkommen des Vaters, denn Paula Becker hatte die Ausbildung zur Lehrerin nur ungern begonnen. [[Datei:Paula Modersohn-Becker 008.jpg|miniatur|''Kinderkopf mit weißem Tuch'', um 1900, Privatsammlung]] Der Malunterricht fand bei dem [[Malerei|Maler]] [[Bernhard Wiegandt]] statt und war für Paula Becker die erste Gelegenheit, nach einem lebenden Modell zu arbeiten. Aus dieser Zeit stammt eine Reihe von Porträts ihrer Geschwister sowie das erste Selbstporträt, das auf das Jahr 1893 datiert wird. Im September 1895 bestand Paula Becker das Lehrerinnenexamen mit einem guten Abschluss. Im Frühjahr 1893 sah Paula Becker das erste Mal Bilder des [[Worpswede]]r Künstlerkreises. [[Otto Modersohn]], [[Fritz Mackensen]], [[Fritz Overbeck (Maler)|Fritz Overbeck]], [[Hans am Ende]] und [[Heinrich Vogeler]] stellten in der [[Kunsthalle Bremen]] ihre Gemälde aus. Paula Becker war zwar angetan, aber eine besondere Begeisterung ist ihren Tagebucheinträgen nicht zu entnehmen. Besonders gut gefiel ihr allerdings ein Bild ihres späteren Mannes Otto Modersohn – sie beeindruckten die eigenartigen Farben und die Art und Weise, mit der er die Stimmung in der Heide einfing. ==== Kunstunterricht in Berlin ==== [[Datei:Foto Paula Modersohn-Becker.jpg|miniatur|hochkant|links|Paula Modersohn-Becker, Foto von 1895]] Der Familie ihrer Mutter verdankte Paula Becker es, dass sie im Frühjahr 1896 nach Berlin fahren konnte, um dort an einem sechswöchigen Kurs an der Zeichen- und Malschule des [[Verein der Berliner Künstlerinnen|Vereins der Berliner Künstlerinnen]] teilzunehmen. Diese Malschule war sehr angesehen; elf Jahre zuvor hatte [[Käthe Kollwitz]] an dieser Schule ihre Ausbildung begonnen. Der Zutritt zu einer [[Kunstakademie]] war Paula Becker als Frau dagegen verwehrt. Nach dem Abschluss des sechswöchigen Kurses konnte Paula Becker ihren Unterricht an der Schule fortsetzen. Offenbar war es ihrer Mutter gelungen, eine Schulgeldermäßigung zu erreichen. Um die Kosten für den Malunterricht zu decken, nahm Mathilde Becker eine Pensionärin in ihr Haus auf. Mathilde Beckers Bruder, Wulf von Bültzingslöwen und seine Frau Cora hatten sich außerdem bereit erklärt, Paula bei sich wohnen zu lassen und für ihren täglichen Unterhalt aufzukommen. In der Ausbildung dominierte der Zeichenunterricht, bei dem nach lebenden Modellen gearbeitet wurde. Erst wer das Zeichnen sicher beherrschte, wurde zu den Malklassen zugelassen. Aus dieser Zeit existiert noch eine Reihe von Aktzeichnungen von Paula Becker, bei denen das Lineare stark betont wurde und die deutliche Hell-Dunkel-Kontraste aufweisen. 1897 wurde sie zu der ersten Malklasse bei Jeanne Bauck, einer heute unbekannten Künstlerin, zugelassen. Auf Jeanne Bauck, von der Paula Becker begeistert war, ist ihr Wunsch zurückzuführen, eine Zeit lang in Paris zu leben. Während ihrer Berliner Zeit verbrachte Paula Becker viel Zeit in Museen. Ähnlich wie die [[Nazarener (Kunst)|Nazarener]] fast siebzig Jahre zuvor schätzte sie vor allem die Künstler der deutschen und italienischen [[Renaissance]]. Zu diesen Malern zählten [[Albrecht Dürer]], [[Lucas Cranach der Ältere|Lucas Cranach]], [[Hans Holbein der Ältere]], [[Tizian]], [[Botticelli]] und [[Leonardo da Vinci]]. Sie bevorzugte damit Maler, die eine Tendenz zur großen, klaren Form haben und die das Linear-Konstruktive besonders betonen. === Worpswede und Paris === ==== Umzug nach Worpswede ==== [[Datei:Paula Modersohn-Becker 014.jpg|miniatur|''Moorgraben'', 1900 bis 1902]] Anlässlich der Silberhochzeit der Eltern unternahm die Familie Becker im Sommer 1897 einen Ausflug in das kleine, vor den Toren [[Bremen]]s gelegene Dorf [[Worpswede]]. Paula Becker war von der Landschaft und ihrem Farbenspiel, der Einsamkeit des Ortes und der dort angesiedelten [[Künstlerkolonie]] tief beeindruckt. Vor Beginn des Herbstsemesters 1897 fuhr sie erneut mit einer Freundin dorthin, um zu wandern und die Maler aufzusuchen. Als sie im Januar 1898 600 Mark erbte und ihre kinderlosen Verwandten Arthur und Grete Becker ihr eine auf drei Jahre befristete jährliche Rente von 600 Mark aussetzten, damit sie ihre Ausbildung fortsetzen konnte, beschloss sie, unterstützt von ihren Eltern, nach Worpswede zu gehen. Ursprünglich war nur an einen kurzen Ferienaufenthalt gedacht. Mathilde Becker plante, dass ihre Tochter ein paar Wochen bei [[Fritz Mackensen]] Mal- und Zeichenunterricht genießen und dann im Herbst eine [[Aupair|Aupair-Stelle]] in Paris annehmen sollte. Dem Einfluss des Vaters war es zu verdanken, dass Mackensen sich tatsächlich dazu bereit fand, die Tochter bei ihren Malstudien zu unterstützen. Als Paula Becker jedoch im September 1898 nach Worpswede ging, war offenbar bereits ein längerer Aufenthalt geplant. ==== Die Worpsweder Künstlerkolonie ==== Die Künstler, die sich in Worpswede seit 1889 angesiedelt hatten, fühlten sich von den [[Kunstakademie]]n unabhängig. Die meisten waren Schüler der seit [[Wilhelm von Schadow]] berühmten [[Kunstakademie Düsseldorf]], standen jedoch wie viele Künstlergemeinschaften des 19. Jahrhunderts der akademischen Kunstausbildung und ihrer [[Ateliermalerei]] kritisch gegenüber. Durch den Rückzug nach Worpswede wollten sie sich ähnlich wie die von [[Théodore Rousseau]] gegründete [[Schule von Barbizon]] um ein neues Naturverständnis in ihrer Malerei bemühen. Ziele waren eine schlichte, unverfälschte Malerei in freier Natur und eine positive Darstellung der als ursprünglich und unverdorben empfundenen Bauernschaft. [[Datei:Paula Modersohn-Becker 012.jpg|miniatur|''Mädchen im Garten neben Glaskugel'', (Elsbeth), um 1901/1902]] Eine enge Freundschaft knüpfte Paula Becker mit [[Clara Westhoff]], die [[Bildhauerei|Bildhauerin]] werden wollte und bei Mackensen Modellier- und Zeichenunterricht nahm. Nachdem das Verhältnis zwischen Paula Becker und den Worpsweder Künstlern anfangs sehr zurückhaltend war, intensivierte sich ab März 1899 der Kontakt zu dem Ehepaar Otto Modersohn sowie zu Heinrich Vogeler, unter dessen Anleitung sie im Sommer 1899 einige Radierungen schuf. Das disziplinierte und farbarme [[Graphik|grafische]] Arbeiten mit [[Druckplatte]] und [[Radiernadel]] lag ihr jedoch nicht sonderlich. Ab etwa 1898 entwarf sie im Auftrag des Kölner Schokoladeproduzenten [[Ludwig Stollwerck]] zusammen mit ihrem späteren Ehemann Otto Modersohn und den Worpsweder Künstlern Fritz Overbeck und Heinrich Vogeler Stollwerck-Bilder, beispielsweise ''Gänsejunge mit Flöte'' und ''Bauernfrau mit zwei Gänsen'' sowie Porträts von sechs Frauen mit Blumenranken.<ref>Günther Busch, Liselotte von Reinken: ''Paula Modersohn-Becker in Briefen und Tagebüchern''. Fischer Verlag, Franfurt, 1979.</ref> Den Kunstunterricht bei Fritz Mackensen empfand Paula Becker anfangs sehr hilfreich, aber schon Ende 1898 stellte sich bei ihr das Gefühl ein, dass er nicht der rechte Lehrer für sie sei. Mit ihrer zur Vereinfachung von Form und Farbe tendierenden Kunst fand sie nicht nur in Worpswede keine künstlerischen Anregungen. Die vernichtende Kritik, die sie gegen Ende 1899 über ihre erste Ausstellungsbeteiligung erhielt, hatte ihr auch deutlich gemacht, dass sie mit ihrer Malerei außerhalb der allgemeinen deutschen Kunstszene stand. In der [[Weser-Zeitung]] stand am 20. Dezember 1899 über ihre zwei ausgestellten Bilder: {{Zitat |Text=Für die Arbeiten … reicht der Wörterschatz einer reinlichen Sprache nicht aus und bei einer unreinlichen wollen wir keine Anleihe machen. Hätte eine solche Leistungsfähigkeit auf musikalischem oder mimischem Gebiet die Frechheit gehabt, sich in den Konzertsaal oder auf die Bühne zu wagen, es würde alsbald ein Sturm von Zischen und Pfeifen dem groben Unfug ein Ende gemacht haben&nbsp;…}} Zwar feierten Künstler wie [[Max Slevogt]], [[Lovis Corinth]], [[Max Liebermann]] oder [[Wilhelm Leibl]] in München und Berlin erste Erfolge; künstlerisch dominierte aber in Deutschland immer noch die Salonmalerei der [[Gründerzeit]]. Aufgeschlossener und innovativer war dagegen die Kunstszene in Paris. Dorthin wollte Paula Becker seit ihrem Studienaufenthalt in Berlin reisen. Siehe auch: [[Künstlerkolonie Worpswede]] ==== Der erste Studienaufenthalt in Paris ==== In der Silvesternacht 1899 brach Paula Becker nach [[Paris]] auf. So wie [[Rom]] um die Wende ins 19. Jahrhunderts Anziehungspunkt für deutsche Künstler war, war Paris gegen Ende des 19. Jahrhunderts zum führenden europäischen Kunstzentrum geworden, und zahlreiche deutsche Künstler, darunter [[Emil Nolde]], [[Carl Hofer]], [[Bernhard Hoetger]] oder [[Käthe Kollwitz]], verbrachten im ersten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts einige Zeit in Paris. Clara Westhoff, die Freundin aus Worpswede, war bereits seit Ende 1899 in Paris, weil sie hoffte, Schülerin von [[Auguste Rodin]] zu werden. Im Jahr 1900 studierte Paula Becker an der [[Académie Colarossi]] in Paris. Ihre Lehrer waren [[Courtois]], [[Raphaël Collin‎|Collin]] und [[Girandot]]. Fast zur gleichen Zeit war auch der aus der Nähe Bremens kommende [[Heinz Witte]]-Lenoir in Paris angekommen. Beide belegten Kurse an der Académie Colarossi im Aktzeichnen. Heinz Witte-Lenoir berichtete: „Ich hatte in meiner Werkstatt einige Zeichnungen von [[Florain]], [[Steinlen]] und [[Degas]] sowie einen Ballen indische Handarbeiten, der noch nicht ausgepackt war und die wir zusammen mit einigen Kollegen und Kolleginnen bewunderten. Ich erinnere mich, dass meine ockerigen Aktgebilde ein starkes Interesse für sie hatte und sie einige Zeit später noch einmal mit einer Engländerin gekommen, um sie noch einmal wieder anzusehen. Das war nun nicht so, dass Paula Modersohn für mich eine größere Bedeutung hatte als viele meiner anderen Bekannten der damaligen Zeit.“ [[Datei:Paula Modersohn-Becker 011.jpg|miniatur|''Kopf eines kleinen Mädchens'' (Elsbeth), 1902]] [[Datei:Paula Modersohn-Becker 003.jpg|miniatur|''Kind auf rotgewürfeltem Kissen, 1904]] Finanziell konnte sich Paula Becker diesen Aufenthalt leisten, weil sie nach wie vor die Rente ihrer Verwandten erhielt. Sie bezog ein kleines Zimmer in dem Ateliergebäude Nr. 9 in der Rue Campagne Première, das sie mit Möbeln vom [[Flohmarkt|Trödel]] und Kisten einrichtete. Im [[Quartier Latin]] wurde sie Schülerin der privaten Akademie Colarossi, und so wie in Berlin besuchte sie erneut Museen. Allein und gemeinsam mit Clara Westhoff besuchte sie außerdem Ausstellungen und Galerien, um die modernen französischen Maler kennenzulernen. Clara Westhoff berichtete später, wie sie gemeinsam den Kunsthändler [[Ambroise Vollard]] aufsuchten und Paula Becker zutiefst beeindruckt von den Gemälden [[Paul Cézanne]]s war, der zu dieser Zeit noch ein völlig unbekannter Künstler war. Nach Sicht der [[Kunsthistoriker]]in Christa Murken Altrogge kann Paula Becker als erste deutsche Künstlerin gewertet werden, die die Größe und das Richtungsweisende dieses Malers erkannte. In einem mit 21. Oktober 1907 datierten Brief an Clara Westhoff schrieb sie Jahre später, dass Cézanne {{Zitat |Text=einer von den drei oder vier Malerkräften ist, der auf mich gewirkt hat wie ein Gewitter und ein großes Ereignis.}} Sicher ist auch, dass Paula Becker während dieses Aufenthaltes in Paris die große Ausstellung der [[Nabis (Künstler)|Nabis]]-Künstler besucht hat. Diese vom [[Japanischer Farbholzschnitt|Japanischen Farbholzschnitt]] beeinflussten Künstler legten Wert auf eine flächenbetonte Malerei, deren Farbe Bedeutungsträger und nicht Mittel zur Wiedergabe von Augenschein ist. Seit April 1900 fand in Paris die große Jahrhundertausstellung statt. Anlässlich dieser Ausstellung kam das Ehepaar Fritz Overbeck und mit ihm Otto Modersohn im Juni nach Paris. Paula Becker kannte den elf Jahre älteren [[Landschaftsmalerei|Landschaftsmaler]] Modersohn von ihrem ersten Aufenthalt in Worpswede und schätzte ihn sehr. Modersohns gesundheitlich angeschlagene Ehefrau Helene war in Worpswede zurückgeblieben und starb während der kurzen Zeit, die er in Paris verbrachte. Modersohn und mit ihm das Ehepaar Overbeck kehrten überstürzt nach Deutschland zurück. ==== Rückkehr nach Worpswede ==== Vierzehn Tage nach der Abreise von Modersohn und den Overbecks kehrte auch Paula Becker gemeinsam mit Clara Westhoff nach Worpswede zurück. Da die geerbten 600&nbsp;Mark aufgebraucht und die ihr ausgesetzte Rente abgelaufen war, legte ihr Vater ihr nahe, sie möge sich eine Stelle als [[Gouvernante]] suchen. Ihr angegriffener Gesundheitszustand erlaubte das jedoch noch nicht sofort. Sie hatte sich in Paris überarbeitet und gleichzeitig aus Sparsamkeit so spartanisch gelebt, dass ihr der Arzt Ruhe verordnete. In dieser Zeit schrieb Paula Becker jenen Tagebucheintrag, der in ihren Biografien häufig zitiert wird, da er eine Vorahnung ihres frühen Todes anzudeuten scheint: {{Zitat |Text=…&nbsp;Ich weiß, ich werde nicht sehr lange leben. Aber ist das denn traurig. Ist ein Fest schöner, weil es länger ist? Und mein Leben ist ein Fest, ein kurzes, intensives Fest...Und wenn nun die Liebe mir noch blüht, vordem ich scheide, und wenn ich drei gute Bilder gemalt habe, dann will ich gern scheiden mit Blumen in den Händen und im Haar. |ref=<ref>Tagebuch, 26. Juli 1900</ref>}} Paula Becker korrigierte diese Andeutung Wochen später durch einen anderen Tagebucheintrag mit den Worten ''Und es dauert doch noch lange. Ich bin gesund und stark und lebe.''<ref>Tagebuch, 3. September 1900</ref> Während sie sich physisch von ihrem anstrengenden Parisaufenthalt erholte, leistete ihr Otto Modersohn gelegentlich Gesellschaft. Die Beziehung zu ihm intensivierte sich, und am 12. September 1900, knapp drei Monate nach dem Tod von Helene Modersohn, verlobten sich die beiden. [[Datei:Paula Modersohn-Becker 013.jpg|miniatur|''Mädchen mit Katze im Birkenwald'', 1904/1905]] In die Verlobungszeit fällt auch die Bekanntschaft mit [[Rainer Maria Rilke]]. Er hatte sich 1898 mit [[Heinrich Vogeler]] während dessen [[Florenz]]-Aufenthaltes angefreundet und kam nun als Gast Vogelers zu Besuch nach Worpswede. Bei Modersohn kehrte in derselben Zeit [[Carl Hauptmann]], der Bruder von [[Gerhart Hauptmann]] ein. Abends traf man sich regelmäßig auf dem [[Barkenhoff]], den das Ehepaar Vogeler bewohnte. Clara Westhoff und Paula Becker erschienen Rilke wie Schwestern. In seinen Tagebüchern nannte er die beiden Freundinnen ''die blonde Malerin'' und die ''Dunkle'', um die immer Handlung, Bewegung und Erzählung war. Beiden Frauen war er eng verbunden. Während er in Clara Westhoff –&nbsp;die er wenig später heiratete&nbsp;– jedoch sehr stark auch die Künstlerin sah, erlebte er Paula Becker vor allem als ''ernste Freundin'' und widmete ihr ein Gedicht, das später in seinem ''Buch der Bilder'' erscheinen sollte: <poem> Du blasses Kind, an jedem Abend soll der Sänger dunkel stehn vor deinen Dingen </poem> In seiner Monografie über die Worpsweder Maler erwähnt Rilke Paula Modersohn-Becker jedoch nicht, und bei [[Auguste Rodin|Rodin]] führte er sie kurz darauf als Ehefrau eines berühmten Malers ein. Die Malerin Paula Modersohn-Becker, die im Urteil heutiger [[Kunstgeschichte|Kunsthistoriker]] das Werk ihres Mannes weit überstrahlt, nahm Rilke erst kurz vor ihrem Tod als Künstlerin wahr. ==== Heirat mit Otto Modersohn ==== Am 25. Mai 1901 heirateten Otto Modersohn und Paula Becker. Paula Modersohn-Becker hatte auf Druck ihrer Eltern zuvor sogar noch einen Kochkurs in [[Berlin]] begonnen, den sie jedoch frühzeitig wieder abbrach. Ihre in einem Brief vom 8. März 1901 angegebene Begründung charakterisiert nicht nur Paula Modersohn-Beckers Person, sondern auch ihre kommenden Ehejahre. {{Zitat |Text=Es ist gut, sich aus Verhältnissen zu lösen, die einem die Luft nehmen.}} [[Datei:Paula Modersohn-Becker 022.jpg|miniatur|''Stillleben mit Milchsatte'', gelegentlich auch als ''Frühstückstisch'' bezeichnet, 1905]] [[Datei:Paula Modersohn-Becker 021.jpg|miniatur|''Stillleben mit Blattpflanze, Zitrone und Apfelsine, 1906, Privatsammlung]] Nach einer kurzen Hochzeitsreise, bei der das Ehepaar unter anderem bei [[Gerhart Hauptmann]] in [[Agnetendorf]] zu Gast war, begann für Paula Modersohn-Becker eine Zeit, in der sie versuchte, ihre Pflichten als Ehe- und Hausfrau und Stiefmutter der jungen Elsbeth mit ihren künstlerischen Ambitionen zu vereinen. Ihr Atelier war eine kleine Klause auf dem Hof des Bauern Brünjes. Modersohn ließ in das Dach Oberlichter einbauen, damit sie das Gebäude nutzen konnte. Ihren Tagesablauf organisierte sie mit Hilfe eines Dienstmädchens; von neun Uhr bis mittags um eins malte sie in ihrem Atelier, kam dann zum Essen heim und kehrte um drei Uhr wieder in ihr Atelier zurück, wo sie oft bis abends um sieben blieb. Ihrer Stieftochter Elsbeth versuchte sie, eine gute und fürsorgende Mutter zu sein. Sie war das Modell einer Reihe ihrer Kinderbilder. ''Mädchen im Garten neben Glaskugel'', das um 1901/1902 entstand und ''Kopf eines kleinen Mädchens'' zeigen ihre Stieftochter. Ihr Mann empfand die ersten drei Jahre ihrer Ehe als sehr glücklich. Aus seinen Tagebucheinträgen weiß man, dass er zutiefst davon überzeugt war, mit einer richtungweisenden Künstlerin verheiratet zu sein – auch wenn das zu dieser Zeit außer ihm keiner zu bemerken schien. Otto Modersohn, Tagebuch 15. Juni 1902: {{Zitat |Text=Wundervoll ist dies wechselseitige Geben und Nehmen; ich fühle wie ich lerne an ihr und mit ihr. Unser Verhältnis ist zu schön, schöner als ich je gedacht, ich bin wahrhaft glücklich, sie ist eine echte Künstlerin, wie es wenige gibt in der Welt, sie hat etwas ganz Seltenes. […] Keiner kennt sie, keiner schätzt sie – das wird anders werden.}} Paula Becker hatte in Modersohn einen sie liebenden Mann gefunden, der ihre künstlerische Weiterentwicklung nach Kräften unterstützte und ihr alles aus dem Weg räumte, damit sie ihrer künstlerischen Arbeit nachgehen konnte. Er brachte ihr zeitlebens das tiefste künstlerische Verständnis entgegen. „Keiner hat wohl solche Einblicke in ihr Wesen tun können, wie ich.“<ref>an Gustav Pauli, 1919</ref> Am 13. April 1902 schrieb er in sein Tagebuch: {{Zitat |Text=Mit Paula heute morgen über Paris gesprochen, es ist doch eine fabelhafte Stadt, wie überreich, Überraschungen, Anregung bietend, wie keine Stadt sonst. […] In das dicke Blut der Deutschen müßte immer von Zeit zu Zeit von dem lebendigen, temperamentvollen Wesen der Franzosen etwas eingeführt werden. Wie gut wäre das allen Worpswedern. […] Ich gehe mit Paula sicher nochmal nach Paris.&nbsp;–}} Die Heirat hatte Paula Modersohn-Becker von dem Zwang befreit, einem ungeliebten Beruf nachgehen zu müssen, um für ihren Unterhalt zu sorgen. Während ihres Lebens hat sie lediglich an die mit ihr freundschaftlich verbundenen Rilke und Vogeler jeweils ein Bild verkauft – ohne die Heirat mit Modersohn hätte sie dem Rat ihres Vaters folgen und sich eine Stelle als Gouvernante suchen müssen. Während Modersohn in seinen Tagebüchern festhielt, dass die Ehe schöner verlaufe als er je geglaubt hätte, finden sich in den Tagebucheinträgen von [[Ostern]] 1902 bei Paula Modersohn-Becker Anzeichen einer kritischeren Haltung – wenn sie diese auch mit Selbstironie kontrastiert: {{Zitat |Text=Es ist meine Erfahrung, daß die Ehe nicht glücklicher macht. Sie nimmt die Illusion, die vorher das ganze Wesen trug, daß es eine Schwesterseele gäbe. Man fühlt in der Ehe doppelt das Unverstandensein, weil das ganze frühere Leben darauf hinausging, ein Wesen zu finden, das versteht … Dies schreibe ich in mein Küchenhaushaltebuch am Ostersonntag 1902, sitze in meiner Küche und koche Kalbsbraten.}} Anders als ihr Mann, der die Stille und Zurückgezogenheit von Worpswede brauchte, um sich künstlerisch zu entfalten, schätzte Paula Modersohn-Becker den Kontakt und die Abwechslung. {{Zitat |Text=Paula kann einfach nicht so schlicht, nüchtern leben. Solch anregendes Leben ist ihr wie der Blume die Sonne notwendig - sie verkümmert, verbittert sonst.[…] Meine einzige Paula, die so sehr künstlerisch ist und so sehr Lebenskünstlerin. […] Paula ist ja allen so sehr überlegen. |ref=<ref>Zitat: Otto Modersohn, Tagebuch 5. November 1905</ref>}} ==== Paris 1903 ==== [[Datei:Clara Rilke-Westhoff.jpg|miniatur|Clara Rilke-Westhoff, 1905 ([[Hamburger Kunsthalle]])]] [[Datei:Paula Modersohn-Becker 016.jpg|miniatur|links|Porträt Rainer Maria Rilke, 1906, [[Bremen]], Sammlung [[Ludwig Roselius (Unternehmer)|Ludwig Roselius]]]] Im Frühjahr 1903 erbat sich Paula Modersohn-Becker von ihrem Mann die Zusage, für einen Zeitraum von zwei Monaten nach Paris zurückkehren zu können. In Paris verkehrte sie sehr viel mit dem Ehepaar Rilke, auch wenn sie die wachsenden Spannungen zwischen Rainer Maria Rilke und Clara Westhoff als belastend empfand. Den überwiegenden Teil ihrer Zeit verbrachte sie im [[Louvre]], um dort nach antiken und ägyptischen Vorbildern zu zeichnen. In ihren Selbstporträts, die danach entstanden, lässt sich nachvollziehen, dass sie sich stark mit den [[Mumienporträt]]s aus dem oberägyptischen [[Fayum]] beschäftigte. Gemeinsam mit dem Ehepaar Rilke besuchte sie außerdem erneut Ausstellungen. Belegt ist aus dieser Zeit, dass sie sich intensiver mit [[Japanischer Farbholzschnitt|Japanischen Farbholzschnitten]] auseinandersetzte, unter anderem in der Sammlung Hayashi, die altjapanische Rollbilder zeigte, die den Jugendstil prägen sollten. Rilke ermöglichte ihr außerdem einen Besuch bei dem berühmten französischen Bildhauer [[Auguste Rodin]], der ihr sein Atelier zeigte und sie anschließend in seinen Pavillon in Meudon bei Paris einlud. Kunsthistoriker vermuten gelegentlich, dass Paula während dieser Zeit auch Gemälde von [[Paul Gauguin]] gesehen hat, obwohl in ihren Tagebüchern nichts dazu vermerkt ist. Die Stillleben, die nach ihrer Rückkehr nach Worpswede entstanden und bei denen Gegenstände als farbige Teilflächen dargestellt sind, die dem Bildganzen untergeordnet sind, zeigen Ähnlichkeiten zu Gauguins Gemälden. ==== Worpswede 1903 bis 1905 ==== [[Datei:Paula Modersohn-Becker.jpg|miniatur|Selbstbildnis vor grünem Hintergrund mit blauer Iris, um 1905]] [[Datei:Paula Modersohn-Becker 002.jpg|miniatur|''Stillleben mit Zitrone, Apfelsine und Tomate'', um 1906 / 1907]] Bereits im März 1903 kehrte sie wieder nach Worpswede zu ihrem Mann und ihrem Stiefkind zurück und brachte aus Paris zahllose künstlerische Anregungen mit. Der Aufenthalt dort hatte ihr eine Verbundenheit zu ihrem Mann und ihrer Stieftochter deutlich gemacht. Sie selber wünschte sich ein Kind und bedauerte zu dem Zeitpunkt sehr, dass es ihr bis jetzt verweigert blieb. Unter den etwa 130 Gemälden, die bis Ende 1904 entstanden, befinden sich neben Stillleben auch viele Kinderporträts und Darstellungen von Säuglingen und Kleinkindern, die sie anders als zuvor ohne ihre Mütter ausschnitthaft darstellt. Allerdings stellt sich nun gerade das von Rilke erworbenem Bild ''Säugling mit der Hand der Mutter'', tatsächlich als Fragment heraus. (Quelle Paula Modersohn Becker Museum). Paula Modersohn-Becker selbst zerschnitt ein größeres, mehrfiguriges Bild in zumindest drei Teile, wie eine Restauratorin entdeckte. Wenn man davon ausgeht, dass Otto Modersohns Kritik vom 26.&nbsp;September 1903 sich auf dieses Bild bezog, scheint damit der Beweis angetreten, dass sie entgegen der Auffassung Otto Modersohns durchaus bereit war, Kritik zu bedenken. Die Zerstörung dieses Bildes, das darf man voraussetzen, wäre allerdings mit Sicherheit nicht in seinem Sinne gewesen. Otto Modersohn, Tagebuch, 26. September 1903: „Bei Meyers Arbeiten von Reyländer und Paula. Reyländer sehr unangenehm, oberflächlich, conventionell, äußerliches Gespiele, hingeschlenkert – eine gefährliche Art, bei der es keine Entwicklung giebt. x&nbsp;Leute auf der Akademie sind so. Paula das Gegentheil. Sie haßt das Conventionelle und fällt nun in den Fehler alles lieber eckig, häßlich, bizarr, hölzern zu machen. Die Farbe ist famos, aber die Form? Der Ausdruck! Hände wie Löffel, Nasen wie Kolben, Münder wie Wunden, Ausdruck wie Cretins. Sie ladet sich zuviel auf. 2&nbsp;Köpfe 4&nbsp;Hände auf kleinster Fläche, unter dem thut sies nicht und dazu Kinder! Rath kann man ihr schwer ertheilen, wie meistens.“<ref>Busch/Reinken/Werner, Neuausgabe 2007</ref> Otto Modersohn wollte, vor allem im Vergleich und entgegen der allgemeinen Auffassung in Worpswede, festhalten, dass in seinen Augen Paulas „Farbe famos“, dass sie das Gegenteil von „oberflächlich“ etc. ist. Dass es gerade bei „ihrer Art“ „Entwicklung gibt“, die er in Worpswede sonst nicht sah. Kinderbilder, wie das 1904 entstandene ''Kind auf rotgewürfeltem Kissen'', zeigen, wie sie die Anregungen der [[Nabis (Künstler)|Nabis]]-Künstler verarbeitete. Diese verbanden Farbflächen mit weißen Stegen, um darüber teppichähnliche Wirkungen zu erzielen. Modersohn-Becker setzt ihr Modell dagegen in einem rotgestreiften Kleidchen auf ein rot-weiß-gewürfeltes Kissen, das eine quadratische Fläche um das Kind bildet und damit ihrem Gemälde Geschlossenheit verleiht. Ungewöhnlich ist der Detailgrad, mit der Modersohn-Becker hier das Gesicht malt. Auf anderen Kinderbildern aus derselben Zeit setzt sie eine Vereinfachung von Form und Farbe erheblich radikaler um und reduziert das Gesicht auf das Notwendige. ==== Paris 1905 ==== [[Datei:Paula Modersohn-Becker 018.jpg|miniatur|Selbstporträt, 1906, [[Bremen]]]] Bereits im Jahre 1903, nach ihrem letzten kurzen Aufenthalt in Paris, hatte Paula Modersohn-Becker angekündigt, dass sie immer wieder für eine Zeit lang dahin zurückkehren wollte. Obwohl es Otto Modersohn schwerfiel, gab er dem erneuten Reisewunsch seiner Frau nach und finanzierte den Aufenthalt. Am 14. Februar 1905 reiste sie nach Paris, um dort gemeinsam mit ihrer Schwester Herma Becker unbeschwerte Tage zu verbringen. Ihren Mann drängte sie wiederholt, sich ihnen doch anzuschließen. Sie belegte erneut Kurse im Zeichnen an privaten Akademien, wurde sich aber zunehmend bewusst, dass sie mittlerweile eine eigene malerische Sprache entwickelt hatte. Erneut suchte sie einige Künstler des [[Nabis (Künstler)|Nabiskreises]] auf, darunter [[Maurice Denis]]. Endlich gab Otto Modersohn ihrem Wunsch nach und kam in Begleitung von Milly Becker, Martha und Heinrich Vogeler und dessen Schwester Marie nach Paris, obwohl ihm seine Frau angedeutet hatte, dass sie gern mit ihm allein Paris erleben wollte. Gemeinsam besuchte man erneut Kunstausstellungen. Da kurz zuvor am 8. März 1905 Otto Modersohns Mutter gestorben war, konnte er das Pariser Leben nicht mehr so genießen, wie beide es sich gewünscht hatten. Enttäuscht, weil er ihr die letzte Pariswoche „recht verdorben“ hatte, wie Paula Modersohn-Becker ihrer Schwester Herma in einem Brief aus Worpswede am 21. April 1905 berichtete: ''Er bildete sich ein, ich bliebe am liebsten in Paris und hielte von Worpswede nichts mehr''. Während Kunsthistoriker nur vermuten können, dass Paula Modersohn-Becker während ihres zweiten Besuchs neben Gemälden von [[Paul Cézanne]] auch Bilder von [[Paul Gauguin]] sah, ist dies für den dritten Besuch durch Reisetagebuchnotizen ihres Mannes eindeutig belegt. Nach ihrer Rückkehr nach Worpswede begann sie sich intensiv mit diesem Künstler auseinanderzusetzen und ließ sich unter anderem von einer ihrer Schwestern Aufsätze über diesen Maler zusenden. === Die letzten Jahre === ==== Rückkehr nach Worpswede – Sommer 1905 bis Februar 1906 ==== [[Datei:Paula Modersohn-Becker 009.jpg|miniatur|''Kinderakt mit Goldfischglas'', 1906 / 1907, [[München]], [[Neue Pinakothek]]]] Der dritte Aufenthalt in Paris hatte Paula Modersohn-Becker angeregt, sich mehr dem [[Stillleben]] zuzuwenden. Vor 1905 sind nur zehn Stillleben in ihrem Werk nachweisbar, von 1905 bis 1907 sind es annähernd fünfzig. In diesen führte sie die abgebildeten Gegenstände immer stärker auf ihre Grundformen zurück – Kreis, Ellipse und Trapez. Am 20.Dezember 1905 schrieb Otto Modersohn in sein Tagebuch: „und an der Seite Paula mit ihren meisterlichen Stilleben und Skizzen, das kühnste und beste an Farbe was hier in Worpswede je gemalt.“ Und am 23. April 1906: „Paulas herrliche Stilleben haben mich ganz gefangen genommen, mit ihnen verglichen besteht nichts. Das wußte ich eigentlich schon lange.“ Daneben entstanden zahlreiche weitere Kinderporträts, darunter Bilder wie ''Bauernmädchen auf einem Stuhl sitzend'', in denen auf alle differenzierenden Linien und Formen verzichtet wird, oder ''Blasendes Mädchen im Birkenwald'', das ihre Biografin Liselotte von Reinken für die schönste Fassung ihrer immer neuen Versuche hält, die Einheit von Kind und Natur in einfacher Zeichensprache auszudrücken. Ein in strenger Profilsicht dargestelltes Mädchen, das auf einem Tuterohr bläst, schreitet weitausschreitend vor einem engen Gitter herbstlich gefärbter Bäume. Die wenigen kritischen Anmerkungen in den Tagebüchern ihres Mannes werden immer wieder durch ausgesprochen anerkennende und weit vorausschauende Äußerungen über ihre Kunst aufgewogen. <ref>siehe Busch/Reinken/Werner 2007</ref> Im Tagebuch-Eintrag vom 11. Dezember 1905 schrieb er: {{Zitat |Text=[…] malt lebensgroße Akte und das kann sie nicht, ebenso lebensgroße Köpfe kann sie nicht […] Ihre herrlichen Studien läßt sie liegen. Zu ihnen Zeichnungen machen – Technik lernen – und sie ist fertig. Sie ist hochkoloristisch – aber unmalerisch hart besonders in ausgeführten Figuren. Verehrt primitive Bilder, sehr schade für sie – sollte sich malerische ansehen. Will Farbe und Form vereinigen – geht gar nicht in der Weise, wie sie es macht&nbsp;[…] |ref=<ref>zit. n. Busch, S. 427</ref>}} In Paula Modersohn-Becker reifte immer wieder der Wunsch, nach Paris zu gehen. Clara Westhoff, die von Rilke getrennt wieder in Worpswede lebte, vertraute sie diesen Wunsch ebenso an wie ihrer Mutter, der sie in Briefen gestand, dafür bereits Geld zu sparen. Als Rilke im Dezember 1905 nach Worpswede kam, um dort mit Frau und Kind Weihnachten zu feiern, weihte auch sie ihn in ihre Pläne ein. Rilke befasste sich nun erstmals ausführlicher mit der Kunst von Modersohn-Becker und schrieb an seinen Gönner [[August Karl von der Heydt|August Karl Freiherr von der Heydt]] im Januar 1906: {{Zitat |Text=Das merkwürdigste war, Modersohns Frau in einer ganz eigenen Entwicklung ihrer Malerei zu finden, rücksichtslos und geradeaus malend, Dinge, die sehr worpswedisch sind und die noch nie einer sehen und malen konnte. Und auf diesem ganz eigenen Wege sich mit [[Vincent van Gogh|van Gogh]] und seiner Richtung seltsam berührend. |ref=<ref>zit. n. Reinken, S. 109</ref>}} Rilke ermutigte sie in ihrem Wunsch, Worpswede und damit ihren Mann zu verlassen. Um sie zu unterstützen, erwarb er von ihr das Gemälde ''Säugling mit der Hand der Mutter''. Er riet ihr wenig später auch, ihre Gemälde doch auf verschiedenen [[Pariser Ausstellungen]] zu zeigen. Paula Modersohn-Becker aber, die nur sehr ungern anderen ihre Bilder zeigte, wollte dieser Empfehlung nicht folgen, weil sie meinte, künstlerisch noch nicht so weit zu sein. ==== Trennung von Otto Modersohn ==== [[Datei:Paula Modersohn-Becker 023.jpg|miniatur|''Stillleben mit Tonkrug'', 1907, Privatsammlung]] Am 23. Februar 1906 verließ Paula Modersohn-Becker Worpswede. Im Tagebuch hielt sie fest, dass sie mit diesem Schritt Otto Modersohn verlassen habe. Für ihn kam der Schritt überraschend, und er sandte ihr nach Paris bittende Briefe, wieder zu ihm zurückzukehren. Paula Modersohn-Becker dagegen bat ihn, sich mit dem Gedanken vertraut zu machen, dass sie von nun an getrennte Lebenswege gehen würden. Otto Modersohn kam sogar im Juni für eine Woche nach Paris, die Aussprache zwischen den zwei Ehepartnern blieb jedoch ergebnislos. Otto Modersohn unterstützte seine Frau jedoch weiterhin finanziell. Ihre Familie warf ihr Egoismus vor. In Paris richtete sie sich in der Avenue du Maine ein spartanisches Atelier ein. Sie nahm auch erneut Zeichenkurse und besuchte einen Anatomiekurs an der [[École nationale supérieure des beaux-arts de Paris]], weil sie mit ihrer Malerei unzufrieden war. Erneut besuchte sie zahlreiche Ausstellungen. Angeregt durch eine im „[[Salon des Indépendants]]“ gezeigten Plastik besuchte sie den Bildhauer [[Bernhard Hoetger]] in seinem Atelier. Als dieser durch eine zufällige Bemerkung von ihr entdeckte, dass sie Malerin war, bestand Hoetger darauf, sich ihre Gemälde anzusehen. Hoetger war von diesen begeistert. Für Paula Modersohn-Becker, die bislang lediglich von ihrem Mann und kurz vor ihrem Weggang aus Worpswede durch Rilke Unterstützung in ihrem künstlerischen Weg gefunden hatte, hatte dieses Urteil sehr großes Gewicht: {{Zitat |Text=Sie haben mir Wunderbarstes gegeben. Sie haben mich selber mir gegeben. Ich habe Mut bekommen. Mein Mut stand immer hinter verrammelten Toren und wußte nicht aus noch ein. Sie haben die Tore geöffnet. Sie sind mir ein großer Geber. Ich fange jetzt auch an zu glauben, daß etwas aus mir wird. Und wenn ich das bedenke, dann kommen mir die Tränen der Seligkeit … Sie haben mir so wohl getan. Ich war ein bißchen einsam |Quelle=Brief an Rilke vom 5. Mai 1906}} Das Urteil von Hoetger war für sie der Anlass, sich mit aller Kraft ihrer Malerei zu widmen. Die Anzahl der Gemälde, die von 1906 bis 1907 entstanden, werden auf insgesamt neunzig geschätzt – ihre Biografin Liselotte von Reinken hat anlässlich dieser ungewöhnlich hohen Anzahl von Gemälden angemerkt, dass man allein aufgrund der damit verbundenen physischen Kraftanstrengung zweifeln würde, wenn man nicht ihre Briefe und Tagebücher als Beleg dafür hätte. Sie arbeitete vor allem an Aktbildern. Außerdem entstanden neben Stillleben in dieser Zeit zahlreiche Selbstbildnisse wie ''Selbstbildnis mit Zitrone''. Viele davon waren Halbakte. Sie wagte sich auch an einen in der [[Kunstgeschichte]] bis dahin nicht nachweisbaren Bildtypus, ein Selbstbildnis in ganzem Akt. ==== Letzte Rückkehr nach Worpswede ==== [[Datei:Paula Modersohn-Becker 005.jpg|miniatur|''Der barmherzige Samariter'' 1907, Bremen, Sammlung Ludwig Roselius]] [[Datei:Paula Modersohn-Becker 001.jpg|miniatur|''Alte Armenhäuslerin im Garten'', 1907]] Am 3. September 1906 teilte Paula Modersohn-Becker ihrem Mann mit, er möge in die Scheidung einwilligen, und sie bat ihn, ihr noch einmal 500&nbsp;Mark zu geben. Danach wollte sie allein für ihren Lebensunterhalt aufkommen. Wenige Tage später, am 9. September, widerrief sie ihre Entscheidung. Den Meinungswechsel bewirkte maßgeblich Bernhard Hoetger, der ihr in den Tagen dazwischen deutlich machte, wie wenig sie dazu im Stande sein würde, für sich selbst finanziell aufzukommen. {{Zitat |Text=Ich habe diesen Sommer gemerkt, daß ich nicht die Frau bin alleine zu stehen … Ob ich schneidig handle, darüber kann uns erst die Zukunft aufklären. Die Hauptsache ist: Stille für die Arbeit und die habe ich auf die Dauer an der Seite Otto Modersohns am meisten. |Autor= |Quelle=Brief an Clara Rilke-Westhoff vom 17. November}} Im Oktober bat Paula Modersohn-Becker ihren Mann, nun doch nach Paris zu kommen, damit sie versuchten, sich wieder zu finden. Sie blieben den Winter über in Paris. Er bezog in derselben Straße wie sie ein Atelier und berichtete in seinem Reisetagebuch: „Es wurde eine sehr denkwürdige, hochanregende Zeit … verkehrten viel mit Hoetgers, mit Paula wurde alles alsbald gut. Museen, namentlich der Louvre, Kunsthandlungen lernte ich natürlich gründlich kennen, überhaupt die ganze wunderbare Stadt. Paula malte sehr viel: das italienische Modell mit dem Kinde, abends war ich immer in ihrem großen Atelier.“ Im März 1907 kehrte Paula Modersohn-Becker gemeinsam mit ihrem Mann nach Worpswede zurück. In Worpswede entstanden in diesem Jahr nicht mehr viele Bilder, dafür aber sehr wichtige. Ihr größter Wunsch war in Erfüllung gegangen: sie war jetzt endlich schwanger, litt jedoch darunter, dass die Schwangerschaft es ihr unmöglich machte, wie früher viele Stunden am Tag zu malen. Zu den letzten Bildern, die sie vollendete, zählt ''Alte Armenhäuslerin im Garten''. Es ist die Darstellung einer alten Frau, die, umgeben von einem Feld mit wildem Mohn, in den im Schoß zusammengelegten Händen einen Fingerhutstängel hält. In diesem Bild verarbeitete sie Anregungen aus der naiven Kunst. Dem Bild folgte ein letztes Selbstbildnis, das ''Selbstbildnis mit Kamelienzweig''. Am 2. November brachte Paula Modersohn-Becker nach einer schwierigen Geburt ihre Tochter Mathilde („Tille“, gest. 1998) zur Welt. Der Arzt verordnete ihr Bettruhe. Am 20. November durfte sie erstmals aufstehen, worauf eine [[Embolie]] einsetzte, an der sie im Alter von 31 Jahren verstarb. ''Wie schade'', so überlieferte Otto Modersohn, seien ihre letzten Worte gewesen (Bohlmann-Modersohn: Otto Modersohn, Leben und Werk S. 184). {{Zitat |Text=Es ist nicht auszudenken, was noch alles entstanden wäre, wenn sie noch länger gelebt hätte. Sie träumte in den letzten Monaten viel von Italien, das sie nie gesehen, von Akten im Freien, von großfigurigen Bildern. Man kann nur ahnen, was sie der Welt noch geschenkt hätte. |Quelle=Otto Modersohn: Ein Buch der Freundschaft, 1932}} == Rezeptionsgeschichte == Es ist vor allem dem Engagement von Otto Modersohn und Heinrich Vogeler zu danken, dass in den Jahren nach Paula Modersohn-Beckers Tod ihre Gemälde in mehreren Ausstellungen gezeigt wurden. Die Bedeutung der Malerin Paula Modersohn-Becker und ihres Werkes hat Vogeler erst nach ihrem frühen Tod erkannt – manche Biografen Modersohn-Beckers sehen in seinem engagierten Einsatz für ihr Werk eine Wiedergutmachung dafür, dass er sie lange nur als Ehefrau seines Künstlerkollegen Otto Modersohn wahrnahm. Paula Modersohn-Becker hat während ihres Lebens nur etwa fünf Bilder verkauft – den frühen Ausstellungen in den ersten Jahren nach ihrem Tod ist es erst zu verdanken, dass einige Sammler auf sie aufmerksam wurden und begannen, ihre Gemälde zu erwerben. Zu diesen Sammlern gehört [[Herbert von Garvens]], [[August von der Heydt (1851-1929)|August von der Heydt]], der, angeregt durch Rilke, 28 ihrer Gemälde erwarb, sowie [[Ludwig Roselius (Unternehmer)|Ludwig Roselius]], auf dessen Initiative das [[Paula Modersohn-Becker Museum]] in Bremen zurückzuführen ist. 1913 wurden in der Kunsthalle Bremen 129 ihrer Gemälde gezeigt, und eine immer größer werdende Anhängerschaft begann, ihre Bilder aufgrund ihrer formalen Dichte und ihrer gleichnishaften Ausdrucksstärke zu schätzen. Zu ihrem zehnten Todestag im Jahre 1917 veranstaltete die [[Kestner-Gesellschaft]] eine große Ausstellung mit ihren Werken und veröffentlichte eine Auswahl ihrer Briefe und Tagebucheinträge. Diese Sammlung, veröffentlicht unter dem Titel ''Eine Künstlerin: Paula Becker-Modersohn – Briefe und Tagebuchblätter'' wurde ein Erfolg und machte ihren Namen bekannt. Sie sind mehrfach neu aufgelegt worden und nach dem Zweiten Weltkrieg auch als Taschenbuch erschienen. Sie haben aber auch zu einer lang anhaltenden sentimentalen Deutung ihrer Person geführt: ein Mädchen, das davon träumt, Künstlerin zu werden, diesen Weg gegen Widerstände und auf Grund glücklicher Umstände umzusetzen vermag, von einem möglichen Lebensweg als Gouvernante durch die Ehe mit einem bekannten und anerkannten Künstler bewahrt wird, nach einer anfänglich glücklichen Ehezeit sich zunehmend in dieser Ehe gefangen fühlt, auszubrechen versucht und kurz darauf im [[Kindbett]] verstirbt. Wenn auch die Entschlossenheit ihrer künstlerischen Selbstfindung Bewunderung erregte, hat sie mitunter den Blick auf die Künstlerin Paula Modersohn-Becker verstellt. Die sehr persönlichen, nie zur Veröffentlichung bestimmten Tagebücher und Briefe sind von einer schwärmerisch-romantischen Geisteshaltung getragen, die im Widerspruch zu der Bildsprache Modersohn-Beckers steht. Als eine „verklärte Phantasie-Figur“ werde Paula Modersohn-Becker aufgrund dieser Aufzeichnungen wahrgenommen, schrieb Günter Busch in seinem einleitenden Essay zur Ausgabe ihrer Briefe und Tagebücher, die im Jahre 1979 erschien. Dazu hat beigetragen, dass die 1917 veröffentlichte Auswahl manchen Tagebuchpassagen nicht das entsprechende Korrektiv entgegensetzte. So ist zwar in dieser Ausgabe ihre scheinbare Todesahnung enthalten, die sie während ihrer Krankheit nach dem ersten Parisaufenthalt niederschrieb. Das jubelnde ''Und es wird doch noch lange dauern'', das sie festhielt, als es ihr kurz darauf gesundheitlich wieder besser ging, fehlt dagegen. 2007 wurde die von Günter Busch und Liselotte von Reinken herausgegebene Ausgabe der Briefe und Tagebuchblätter, von Wolfgang Werner revidiert und erweitert, neu aufgelegt. Diese, bisher vollständigste Fassung ihrer schriftlichen Zeugnisse, korrigiert den Blick auf die Künstlerin in vielen Details und erlaubt einen nüchternen Blick auf ihr Leben und Werk. 1919 erschien der erste Werkkatalog, der von dem Kunsthistoriker und Leiter der Bremer Kunsthalle, [[Gustav Pauli]], herausgegeben wurde. Der Werkkatalog führte zu diesem Zeitpunkt nur 259 Werke auf, er wurde in den nachfolgenden Jahren jedoch allmählich erweitert. Zugeordnet wurde Modersohn-Becker meist dem Kreis der Worpsweder Künstler, obwohl sie mit ihrer Kunst deutlich außerhalb dieser Gruppe stand. So zeigen ihre Landschaftsbilder beispielsweise eine größere stilistische Verwandtschaft zu den Gemälden eines [[Max Pechstein]] oder einer [[Gabriele Münter]]. Am 2. Juni 1927 wurde das Paula-Becker-Modersohn-Haus in Bremen eingeweiht. Bis 1933 folgten zahlreiche weitere Ausstellungen. Während der Zeit des [[Nationalsozialismus]] zählte das Werk Modersohn-Beckers zur [[Entartete Kunst|entarteten Kunst]]. Es wurde aus den Museen entfernt, einzelne Bilder wurden ins Ausland verkauft. Im Ausland war Paula Modersohn-Becker eine bis dahin weitgehend unbekannte Künstlerin; die Verkäufe bewirkten, dass man nun auch im Ausland auf sie aufmerksam wurde. Trotzdem zählt sie auch heute im Ausland eher zu den unbekannten Künstlern – ihre Rolle als Kunstschaffende, die das künstlerische Weltbild des 20. Jahrhunderts vorausahnte, wird überwiegend in den deutschsprachigen Ländern wahrgenommen. Zu dieser begrenzten Wahrnehmung der Künstlerin Modersohn-Becker hat beigetragen, dass sich, anders als bei Gauguin, van Gogh oder Cézanne, kein Künstler nachweisbar kreativ mit ihrer Kunstauffassung auseinandersetzte und ihre Bildideen weiterentwickelte; ihr Werk ist nicht „schulbildend“ geworden und steht weitgehend isoliert. Die systematische Aufarbeitung ihres Gesamtwerkes setzte erst nach dem Zweiten Weltkrieg ein und fand meist in Zusammenhang mit großen [[Retrospektive]]n anlässlich verschiedener Gedenktage statt. Einige ihrer Werke wurden auch in das Ausstellungskonzept der [[documenta&nbsp;1]] (1955) und der [[documenta&nbsp;III]] im Jahr 1964 in [[Kassel]] einbezogen. Das Urteil, das Rilke kurz vor ihrem Tode über ihr Werk fällte, hat auch nach dieser systematischen Aufarbeitung noch Bestand. Modersohn-Becker zeigt eine enge Verwandtschaft zu den neuen malerischen Strömungen zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Angeregt von den Arbeiten der avantgardistischen französischen Künstler, mit denen sie sich während ihrer Aufenthalte in Paris auseinandersetzte, hat sie eine eigenständige Bildsprache entwickelt, in der sich Elemente des Expressionismus, [[Fauvismus]] und [[Kubismus]] ebenso zeigen wie Bezüge zu der Kunst vergangener Epochen. Dies bestätigt sich auch bei einem Blick in das 1998 von Günter Busch und Wolfgang Werner erarbeitete Werkverzeichnis der Gemälde, das über 750 Werke erfasst. Die 2007/2008 in Bremen stattfindenden Ausstellungen beleuchten die Verbindungen Paula Modersohn-Beckers zu so unterschiedlichen Bereichen wie der zeitgenössischen Kunst in Paris und den altägyptischen Mumienporträts und zeigen einmal mehr die weitgespannten Interessen der Künstlerin. == Das Werk == [[Datei:Paula Modersohn-Becker 017.jpg|miniatur|Selbstporträt, 1906, Privatsammlung]] Das Werk von Paula Modersohn-Becker umfasst Porträts, Kinderbildnisse, die Darstellung der bäuerlichen Lebenswelt in Worpswede, Landschaften, Stillleben und Selbstporträts. Letztere begleiteten sie während ihrer gesamten Schaffensperiode. Sie ist darin [[Käthe Kollwitz]] vergleichbar, bei der sich gleichfalls die persönliche Entwicklung in ihren Selbstporträts spiegelte. Über ihre Selbstporträts schrieb Heinrich Vogeler in seinen Erinnerungen: {{Zitat |Text=Paula Becker malte sich häufig selber. Es sind außer dem liebreizenden einfachen Bildnis aus der Frühzeit meist Selbstbildnisse einer ihrer Kraft bewußt werdenden Frau, die Oberlippe verlor ihre Weichheit, energisch unterstreicht sie den klaren, beobachtenden Blick der Augen. |ref=<ref>zitiert n. Murken-Altrogge, S. 72 f</ref>}} Besonders häufig malte sie sich während des Jahres 1906, in dem sie versuchte, sich von ihrem Mann unabhängig zu machen. Während dieser Zeit entstanden auch ihre Akt-Selbstbildnisse, die als die ersten Aktselbstdarstellungen der Kunstgeschichte gelten. Sie sind für die damalige Bildtradition äußerst kühn und verstießen gegen alle Kunstkonventionen. Die bäuerlichen Szenen sind bewusst unromantisch, nicht anklagend und stellen anders als bei Käthe Kollwitz nicht den sozialen Aspekt in den Vordergrund. Sie sind dominiert von einer Sympathie für den Menschen und einem Interesse an Form und Konstruktion. Der Bildraum ist häufig entgegen [[Kunstakademie|akademischen]] Regeln flächig reduziert und beginnt bereits an der unteren Bildgrenze. Die Rahmenkante überschneidet häufig Teile der Darstellung. Diese „unschöne“ Darstellung bäuerlichen Lebens unterschied sie deutlich von der damals gängigen Malerei, in der das Landleben heroisiert wurde. Ihre Darstellungen haben auch wenig gemeinsam mit den mehr [[Genremalerei|genrehaften]] Darstellungen bäuerlicher Milieuschilderungen des Worpsweder Künstlerkreises. Ungewöhnlich sind auch ihre Kinderbildnisse. Sie sind frei von allem Sentimentalem, allem Verspielten oder Anekdotischen und zeigen eine ernsthafte und ungeschönte Wahrnehmung von Kindern. Sie hebt sich damit deutlich ab von den Kinderbildnissen des ausgehenden 19. Jahrhunderts, wie sie beispielsweise [[Hans Thoma]], [[Hermann Kaulmann]] oder [[Ferdinand Waldmüller]] malten. Sie hat mit dieser Darstellungsweise jedoch auch das meiste Unverständnis erregt. Die Kunsthistorikerin Christa Murken-Altrogge hat auf die stilistische Nähe zwischen ihren Kinderbildnissen und den Gemälden des jungen [[Pablo Picasso|Picasso]] aufmerksam gemacht, die der Blauen und Rosa Periode zugerechnet werden und die zur selben Zeit entstanden. In den Porträts von 1906 und 1907 zeigen sich jedoch auch Elemente des geometrisch-konstruktiven Stils des [[Kubismus]]. == Paula Modersohn-Becker-Stiftung == [[1978]] begründete ihre Tochter Tille (1907–1998) die [[Paula Modersohn-Becker-Stiftung]]. == Paula Modersohn-Becker Museum in Bremen == Das [[Paula Modersohn-Becker Museum]] in der Bremer [[Böttcherstraße (Bremen)|Böttcherstraße]] zeigt dauerhaft Meisterwerke von Paula Modersohn-Becker. Das Museum und das expressionistische Museumsgebäude gehen auf [[Ludwig Roselius (Unternehmer)|Ludwig Roselius]] (1874–1943) zurück, der [[Bernhard Hoetger]] (1874–1949) beauftragte, das Gebäude zu entwerfen, in dem seine Sammlung von Werken Paula Modersohn-Beckers untergebracht werden sollte. Am 2. Juni 1927 wurde das Museumsgebäude unter dem Namen ''Paula-Becker-Modersohn-Haus'' eröffnet; Ludwig Roselius setzte bei der Namensnennung den Geburtsnamen von Paula Modersohn-Becker voran. Durch Neuankäufe und Leihgaben der Paula Modersohn-Becker-Stiftung konnte die Sammlung von Ludwig Roselius erweitert werden. Außerdem befindet sich in dem Museum auch eine Sammlung von Skulpturen, Gemälden und Zeichnungen von Bernhard Hoetger. Die Ausstellungsräume werden auch für Sonderausstellungen genutzt. == Ausstellung == Im Jahre 2007 wurde im Museum eine Ausstellung ''Paula Modersohn-Becker und die ägyptischen Mumienporträts'' gezeigt. Kurator war der Direktor der [[Kunstsammlungen Böttcherstraße]] Rainer Stamm, der im gleichen Jahr eine Biographie der Künstlerin publizierte (siehe unten). == Denkmäler für Paula Modersohn-Becker == [[Datei:Modersohn Grave.JPG|miniatur|Paula Modersohn-Beckers Grabstein von Hoetger]] Bereits 1899 fertigte die Bildhauerin [[Clara Westhoff]] eine Büste ihrer Freundin Paula Becker an – ein Symbol ihrer Freundschaft und der gemeinsamen Leidenschaft für die Kunst. Ein Abguss dieses markanten Kopfes, dessen Original in der Sammlung der [[Kunsthalle Bremen]] ausgestellt wird, ist seit dem 100. Todestag der Künstlerin am 20. November 2007 in den Bremer Wallanlagen zu sehen. Der bronzene Abguss der Büste ist auf einem Steinsockel angebracht, den der niedersächsische Künstler [[Hawoli]] geschaffen hat. „Da trat einmal ein Mensch zu uns herein, dessen Bild sich auf eine besondere Art einprägte. War es die Haltung, die entschlossener schien als die anderer Menschen, der kluge braune Blick, der einen fühlen machte: Halt, hier ist jemand, paß auf!“ So berichtet Clara Rilke-Westhoff 1932 in einer Gedenkschrift über ihre erste Begegnung mit Paula Becker im Jahr 1898. Ein Jahr später schuf die Bildhauerin mit der Büste ihrer Weggefährtin ein naturnahes, intensives Abbild der 23-jährigen Paula, das zugleich tiefe Bewunderung für die Freundin ausdrückt. 1908, nach dem Tod ihrer Freundin, überarbeitete sie diese Gips-Skulptur und ließ die zweite, idealisierte Fassung in Bronze gießen. Neben dem Grabdenkmal auf dem Worpsweder Friedhof, geschaffen von dem westfälischen Bildhauer [[Bernhard Hoetger]], und der Paula Modersohn-Becker-Briefmarke aus der Serie ''Frauen der deutschen Geschichte'' erhielt die berühmte Malerin zusätzlich zum „Paula Modersohn-Becker-Steg“ in Bremen diese ganz besondere Hommage in jener Stadt, in der sie ihre künstlerische Karriere begann. Des Weiteren wurde ihr zu Ehren eine Schule in Bremerhaven benannt. == Einzelnachweise == <references /> == Literatur == [[Datei:Stamps of Germany (Berlin) 1988, MiNr 806.jpg|miniatur|Paula Modersohn-Becker auf einer Briefmarke aus der Serie [[Frauen der deutschen Geschichte (Briefmarkenserie)|Frauen der deutschen Geschichte]]]] * ''Paula Modersohn-Becker,'' Sophie Dorothee Gallwitz: ''Eine Künstlerin – Paula Becker-Modersohn. Briefe und Tagebuchblätter.'' Kestner-Gesellschaft, Hannover 1917. * Christa Murken: ''Paula Modersohn-Becker.'' DuMont Buchverlag, Köln 2007. ISBN 978-3-8321-7768-3 * ''Paula Modersohn-Becker – eine Biographie mit Briefen,'' Marina Bohlmann-Modersohn btb, Berlin 2007 (aktualisierte Neuauflage) ISBN 978-3-442-73643-0 (enthält als einzige Neuerscheinung die sehr gut recherchierte Rezeptionsgeschichte im 15. Kapitel, sehr spannend zu lesen.) * Marina Bohlmann-Modersoh: ''Paula und Otto Modersohn'', Rowohlt, Reinbek 2003. ISBN 3-499-23370-3 * Christa Murken-Altrogge: ''Paula Modersohn-Becker.'' DuMont Buchverlag, Köln 1991. ISBN 3-7701-2677-7 * Liselotte von Reinken: ''Paula Modersohn-Becker mit Selbstzeugnissen und Bilddokumenten.'' Rowohlt Taschenbuch, Reinbek 1983. ISBN 3-499-50317-4 * Günter Busch, Liselotte von Reinken (Hrsg.): ''Paula Modersohn-Becker in Briefen und Tagebüchern.'' Fischer, Frankfurt am Main 1979. ISBN 3-10-050601-4 * Günter Busch, Liselotte von Reinken (Hrsg.): ''Paula Modersohn-Becker in Briefen und Tagebüchern.'', 2te revidierte und erweiterte Ausgabe, Fischer, Frankfurt am Main 2007. (In diesem Buch lassen sich alle Zitate aus Paula Modersohn-Beckers Tagebüchern und Briefe unter ihrem jeweiligen Datum nachlesen.) * Gabriele Gorgas: ''Eine der Großen dieses Jahrhunderts. Erstes umfassendes Werkverzeichnis der Gemälde von Paula Modersohn-Becker erschienen.'' In: ''[[Dresdner Neueste Nachrichten|DNN]].'' Dresden 2. August 1999. * Monika Keuthen: '' „…und ich male doch!“ Paula Modersohn-Becker''. Econ-List, München 1999, 2001. ISBN 3-612-26605-5 * Peter Elze: ''Göttertage. Paula Modersohn-Becker in Bildern, Briefen und Tagebuchaufzeichnungen aus Worpswede.'' Beste Zeiten, Bremen 2003. ISBN 3-88808-530-6 * Barbara Beuys: ''Paula Modersohn-Becker oder: wenn die Kunst das Leben ist''. Hanser, München 2007. ISBN 978-3-446-20835-3 * Rainer Stamm: ''Ein kurzes intensives Fest. Paula Modersohn-Becker. Eine Biographie'', Reclam Verlag, Stuttgart 2007. ISBN 3-15-010627-3 * [[Charlotte Ueckert]]: ''Paula Modersohn-Becker''. Rowohlt, Reinbek 2007. ISBN 978-3-499-50567-6 * Kerstin Decker: ''Paula Modersohn-Becker. Eine Biografie''. Propyläen, Berlin 2007. ISBN 978-3-549-07323-0 * Günter Busch, Wolfgang Werner (Hrsg.): Paula ''Modersohn-Becker 1876–1907. Werkverzeichnis der Gemälde'', 2 Bde., Hirmer, München 1998 * Jürgen Teumer: ''Auf Paulas Spuren. Paula Modersohn-Becker in Worpswede 1897–1907''. Schünemann, Bremen 2007. ISBN 978-3-7961-1896-8 * Jürgen Teumer: ''Ich habe manchmal an mein Grab gedacht&nbsp;…'' Paula Modersohn-Beckers Grab auf dem Friedhof in Worpswede. Donat, Bremen 2005. ISBN 3-938275-01-4 * Paula Modersohn-Becker: ''The Letters and Journals of Paula Modersohn-Becker.'' Translated and annotated by J. Diane Radycki. Introduction by Alessandra Comini. Epilogue of poetry by Rainer Maria Rilke (''Requiem'', 1908, translated by Adrienne Rich and Lilly Engler) and by Adrienne Rich („Paula Becker to Clara Westhoff“, 1975–76). Metuchen, N.J., & London: The Scarecrow Press, Inc., 1980. ISBN 0-8108-1344-0 == Weblinks == {{Commonscat|Paula Modersohn-Becker}} {{Wikiquote|Paula Modersohn-Becker}} {{Artfacts|2007}} * {{DNB-Portal|118582933}} * {{Zeno-Künstler|Kunstwerke/A/Modersohn-Becker,+Paula}} {{LeMO|ModersohnBeckerPaula}} * [http://home.moravian.edu/users/art/medjr01/ Dr. Diane Radycki: ''Pictures of Flesh: Modersohn-Becker and the Nude''] * [http://www.paula-in-paris.de/ Ausstellung „Paula in Paris“] in der Kunsthalle Bremen * [http://www.pmbm.de Paula Modersohn-Becker Museum in Bremen] * [http://www.paula-in-worpswede.de Leben – Paula Modersohn-Becker Museum in Worpswede] * [http://www.modersohn-museum.de Otto Modersohn Museum, Fischerhude] * [http://zeit.de/2007/38/A-Modersohn-Becker?page=all Christa Bürger: ''Leben. Malen'']. In: ''[[Die Zeit]]'', 13. September 2007 * [http://www.ifa.de/ausstellungen/ausstellungen-im-ausland/bk/worpswede/ Paula Modersohn-Becker und die Worpsweder. Zeichnungen und Druckgrafik 1895–1905], laufende Tourneeausstellung des Instituts für Auslandsbeziehungen e.&nbsp;V. (ifa) mit aktuellen Tourneestationen {{Exzellent}} {{Normdaten|PND=118582933|LCCN=n/50/154|VIAF=36913211}} {{SORTIERUNG:Modersohn-Becker, Paula}} [[Kategorie:Deutscher Maler]] [[Kategorie:Maler des Expressionismus]] [[Kategorie:Tagebuch]] [[Kategorie:Künstler (documenta)]] [[Kategorie:Person (Bremen)]] [[Kategorie:Person (Worpswede)]] [[Kategorie:Geboren 1876]] [[Kategorie:Gestorben 1907]] [[Kategorie:Frau]] {{Personendaten |NAME=Modersohn-Becker, Paula |ALTERNATIVNAMEN=Becker, Paula (Geburtsname) |KURZBESCHREIBUNG=deutsche Malerin des Expressionismus |GEBURTSDATUM=8. Februar 1876 |GEBURTSORT=[[Dresden]] |STERBEDATUM=20. November 1907 |STERBEORT=[[Worpswede]] }} {{Link FA|fr}} {{Link GA|es}} [[cs:Paula Modersohn-Beckerová]] [[en:Paula Modersohn-Becker]] [[es:Paula Modersohn-Becker]] [[et:Paula Modersohn-Becker]] [[fi:Paula Modersohn-Becker]] [[fr:Paula Modersohn-Becker]] [[ja:パウラ・モーダーゾーン=ベッカー]] [[nl:Paula Modersohn-Becker]] [[no:Paula Modersohn-Becker]] [[pl:Paula Modersohn-Becker]] [[ru:Модерзон-Беккер, Паула]] [[sv:Paula Modersohn-Becker]] [[tr:Paula Modersohn-Becker]] 5iib146bdovlj7qrlqa94s8ou7ydluv wikitext text/x-wiki Finnische Ostkriegszüge 1918–1920 0 23556 26152 2010-04-26T12:42:25Z Mahmudss 0 [[ar:هيموسودات]] [[Bild:Bolshevikki juliste-Itä-Karjala.jpg|thumb|upright=1.3|Dieses Propagandaplakat aus dem Jahr 1922 beschreibt die offizielle sowjetische Einstellung zu den Gebietsansprüchen Finnlands: ''Wir wollen nicht kämpfen, aber wir werden die Sowjets verteidigen!'']] Die '''finnischen Ostkriegszüge 1918–1920''', in der finnischen Geschichtsschreibung auch als „Stammverwandtschaftskriege“ ''(heimosodat)'' bezeichnet, umfassen eine Reihe von bewaffneten Unternehmungen halboffizieller [[Finnland|finnischer]] Truppen in das Gebiet des von Revolution und Bürgerkrieg geschwächten [[Russland]]. Hintergrund der weitgehend von freiwilligen Soldaten getragenen Züge war einerseits das Bestreben, die nach finnischer Auffassung stammverwandten [[Karelier]] in einem [[Großfinnland]] zusammenzuführen, andererseits das Ziel einer leichter zu verteidigenden Ostgrenze. Die zahlenmäßig schwachen Expeditionstrupps scheiterten unter anderem daran, dass die örtliche Bevölkerung sich nicht in dem erhofften Maße für einen Anschluss an Finnland begeistern ließ. Die Feindseligkeiten zwischen Finnland und [[Sowjetrussland]] wurden 1920 durch den [[Frieden von Dorpat]] beendet. == Hintergründe == [[Bild:Heimosodat1.png|thumb|upright=1.3|Die Karte zeigt Finnland in den Grenzen des Großfürstentums. Die hellroten Gebiete stellen die im Rahmen eines Großfinnland erhofften Gebietszuwächse dar. Durch die Drei-Landengen-Grenze würde die Grenze zu Russland drastisch verkürzt.]] Finnland, das seit 1809 als autonomes [[Großfürstentum Finnland|Großfürstentum]] zum russischen Reich gehört hatte, erlangte im Fahrwasser der russischen [[Oktoberrevolution]] 1917 die staatliche Unabhängigkeit. Dieser Prozess wurde von schweren inneren Konflikten begleitet, die bald in den am 27. Januar 1918 begonnenen [[Finnischer Bürgerkrieg|finnischen Bürgerkrieg]] mündeten. In diesem standen die „Roten“ – sozialistische, von den russischen [[Bolschewiki]] gestützte Revolutionäre – den bürgerlichen „Weißen“ gegenüber, welche bis zum Mai 1918 den Aufstand niederschlugen. Obwohl die Beteiligten auf beiden Seiten in erster Linie Finnen waren, betrachtete die bürgerliche Seite den Krieg weniger als Bürgerkrieg denn als Freiheitskrieg zur Sicherung der Unabhängigkeit vom revolutionären Russland. Indessen beschränkten nicht alle Weißen die Ziele dieses so als finnisch-russischen Konflikt empfundenen Zusammenstoßes auf die Beseitigung der revolutionären Kräfte aus dem Gebiet des alten Großfürstentums. Schon seit der Mitte des 19. Jahrhunderts hatte im Zuge des Erwachens eines finnisch-nationalen Bewusstseins auch der [[Irredentismus|irredentistische]] Gedanke eines Großfinnland Fuß gefasst. Kern dieser Stammverwandtschaftsströmung war die Auffassung, dass die jenseits der Grenze lebenden Völker [[Ostkarelien]]s aufgrund ihrer Kultur, ihrer Sprache und ihres Charakters mit Finnland eine natürliche Einheit bilden und damit auch zum gleichen Staat gehören sollten.<ref>Niinistö, S. 16</ref> Verwoben mit den nationalen Motiven waren militärische Überlegungen. Die Lage des jungen Staates erschien mittelfristig gefährdet, die lange Landgrenze zu Russland schien schwer zu verteidigen, sollte ein wiedererstarktes Russland Finnland eines Tages zurückerobern wollen. Durch die Angliederung der ostkarelischen Gebiete hätte eine nur halb so lange sogenannte Drei-Landengen-Grenze zwischen dem [[Finnischer Meerbusen|Finnischen Meerbusen]], dem [[Ladogasee]], dem [[Onegasee]] und dem [[Weißmeer]] erreicht werden können. [[Juho Kusti Paasikivi]], der vom Mai bis November 1918 Vorsitzender des finnischen Senats war, hielt den Erwerb Ostkareliens für geradezu lebensnotwendig für Finnland.<ref>Virrankoski, S. 759</ref> Besonderen Schwung erhielten die großfinnischen Bestrebungen, als der Oberbefehlshaber der Weißen, [[Carl Gustaf Emil Mannerheim]], am 23. Februar 1918 in einer Ansprache an die weißen Truppen mit großer Öffentlichkeitswirkung seinen sogenannten Schwerteid sprach:<ref>[http://www.uta.fi/suomi80/v18v9a.htm Text der Ansprache] auf den Festseiten der Universität Tampere zur 80jährigen Unabhängigkeit Finnlands – Übersetzung durch den Verfasser</ref> {{Zitat|Ich werde mein Schwert nicht in die Scheide stecken, bevor alle Befestigungen in unseren Händen sind, bevor in unserem Land die gesetzliche Ordnung herrscht, bevor der letzte von Lenins Kriegern und Randalierern vertrieben ist, aus Finnland ebenso wie aus Weißkarelien. Vertrauend auf unsere rechte und edle Sache, vertrauend auf unsere tapferen Männer und aufopferungsvollen Frauen schaffen wir jetzt ein mächtiges, großes Finnland.}} Unterdessen war die politische und militärische Lage in Russland chaotisch. Die deutsche Offensive im Februar 1918 führte zum Zusammenbruch der russischen Verteidigung und zwang das bolschewistische Russland zum [[Friedensvertrag von Brest-Litowsk]]. Dies veranlasste die ehemalig verbündeten [[Triple Entente|Entente]]mächte zu militärischen Interventionen in Russland. Im Juni 1918 landete ein britisches Kontingent in [[Murmansk]], insbesondere um die strategisch wichtige [[Murmanbahn]] zu sichern. Infolge der Erhebung der antibolschewistischen Kräfte im Inneren Russlands im Mai 1918 entbrannte der [[Russischer Bürgerkrieg|Bürgerkrieg]], der bis 1920 andauern sollte, in voller Härte. == Kriegszüge 1918 == Im Jahr 1918 unternahmen finnische Truppen drei zeitlich parallele, aber in ihrer Natur, ihren Protagonisten und ihrem Verlauf sehr unterschiedliche Kriegsexpeditionen über die finnische Ostgrenze. Die Vorbereitungen für diese Züge begannen noch während des andauernden Bürgerkrieges und wurden durch diesen teilweise bedingt. Nach Ausbruch des Bürgerkrieges waren zahlreiche Rotgardisten aus dem von den Weißen beherrschten Mittel- und Nordteil Finnlands über die Grenze nach Russland geflohen. Gemeinsam mit den russischen Bolschewiki bildeten sie dort eine Gefahr für das Hinterland des weißen Finnland. Gemeinsam mit den großfinnischen Strömungen wurde diese Gefahr zur Triebfeder für einige Aktivisten, nun den Anschluss Ostkareliens an Finnland herbeizuführen. Die politische und militärische Führung des Landes stützte die Pläne, wenn sie auch reguläre Truppen wegen der anhaltenden Kämpfe des Bürgerkrieges kaum bereitstellte. === Bildung der Expeditionen === [[Bild:Heimosodat Viena 1.png|thumb|left|upright=1.5|Die Expedition in das südliche Weißkarelien unter Carl Wilhelm Malm erreichte ihr Ziel Kem nicht und verharrte um ihrem Stützpunkt in Uchta, bis sie zum Rückzug gezwungen wurde.]] Der südlichste der drei Kriegszüge in das südliche [[Weißkarelien]] wurde initiiert und angeführt von Oberstleutnant [[Carl Wilhelm Malm]], der ein inniger Anhänger des finnischen Stammverwandtschaftsgedanken war. In Absprache mit der militärischen Führung unter Mannerheim bildete er seine rund 370 Mann starke Truppe in erster Linie aus Freiwilligen aus der Region [[Kuopio]] und gab ihr den Namen „Truppen Weißkareliens“ (''Vienan-Karjalan joukot''). Die Teilnehmer des Zuges trugen an ihrem rechten Arm ein weißes Band mit der Aufschrift „Für Karelien“. Es war offensichtlich, dass die nach Weißkarelien entsandten Truppen für eine militärische Eroberung des Gebietes nicht ausreichen würden. Stattdessen zählten die Initiatoren darauf, dass die karelische Bevölkerung, ermutigt durch die finnische Intervention, sich zum Aufstand erheben und so den Anschluss an Finnland ermöglichen würde. So führte die Gruppe 2.000 [[Gewehr]]e und Munition mit sich, um diese an die Karelier zu verteilen, die sich der Truppe anschließen würden.<ref>Niinistö, S. 23–27; Virrankoski, S. 761</ref> Weiter nördlich formte sich eine Kriegstruppe unter der Führung des Jägerleutnants [[Kurt Martti Wallenius]]. Anders als Malm ging Wallenius nicht davon aus, dass die Karelier den Finnen mit fliegenden Fahnen zulaufen würden, hielt aber eine schnelle Säuberung des nördlichen Weißkareliens und möglichst noch weiterer Gebiete von den finnischen Rotgardisten für militärisch unabdingbar. Da für die Operation in der zur Verfügung stehenden Zeit nicht genügend Freiwillige angeworben werden konnten, stellte Mannerheim auch 500 [[Wehrpflicht]]ige ab, denen es allerdings sowohl an Ausbildung als auch an ideologischer Zuverlässigkeit fehlte. Aus den Wehrpflichtigen und Freiwilligen aus dem Schutzkorps [[Österbotten]] wurde schließlich bis Ende März 1918 eine 1.200 Mann starke Truppe gebildet.<ref>Niinistö, S. 56–58</ref> Die dritte, nördlichste Expedition machte es sich zur Aufgabe, das Gebiet [[Petschenga]] an Finnland anzugliedern und dem Land damit einen Zugang zum [[Nördliches Eismeer|Nördlichen Eismeer]] zu verschaffen. Eine Übergabe dieses Gebietes war bereits 1864 unter Zar [[Alexander II. (Russland)|Alexander II.]] diskutiert worden. Erst Anfang März hatte [[Lenin]] den Abgesandten des Volkskommissariats des Roten Finnlands die Abtretung des Gebiets versprochen, aber das Thema interessierte naturgemäß auch die Weißen. Die offiziellen Truppen unter Wallenius erhielten jedoch keine Erlaubnis, auch nach Petschenga vorzudringen, da die finnische Regierung einen Konflikt mit den in Murmansk gelandeten britischen Interventionstruppen fürchtete. Anfang April 1918 gab der Senat dann die Erlaubnis zur Bildung einer zwar inoffiziellen, aber von der Armee mit Waffen ausgerüsteten Unternehmung. Die Truppe wurde geführt von zwei Zivilisten ohne jede Kriegserfahrung, dem Naturwissenschaftler [[Thorsten Renvall]] und dem Arzt [[Onni Laitinen]]. Auch unter den rund 100 Teilnehmern des Zuges befanden sich keine Offiziere.<ref>Niinistö, S. 68–73</ref> === Militärische Vorstöße === <!--Die finnischen Namen karelischer Ortschaften sind teilweise in Kommentaren hinter den russischen Namen vermerkt. Dies dient dem Gedächtnis des Autors und später hoffentlich der Zuordnung, wenn die Orte mal Artikel bekommen sollten. Daher bitte nicht entfernen.--> [[Bild:Heimosodat Viena 2.png|thumb|upright=1.5|Die Vorstöße in das nördliche Weißkarelien unter Kurt Martti Wallenius erlitten bereits im Anfangsstadium schwere Rückschläge und kamen in Sokolosero zum Stillstand.]] Die Truppe von Oberstleutnant Malm überschritt, aus [[Suomussalmi]] anrückend, am 21. März 1918 im Parademarsch als erste die Grenze. Sie rückte zunächst über [[Woknawolok]]<!--Vuokkiniemi--> nach [[Kalewala|Uchta]]<!--Uhtua, heute Kalewala-->, der größten Siedlung der Region vor, ohne auf Widerstand zu stoßen. Am 10. April unternahm sie einen unzureichend vorbereiteten Vorstoß auf [[Kem (Stadt)|Kem]], das als an der Murmanbahn gelegene Hafenstadt am [[Weißes Meer|Weißen Meer]] einen wichtigen Verkehrsknoten darstellte. Der Angriff wurde von bolschewistischen Kämpfern leicht zurückgeschlagen. Malms Soldaten zogen sich nach Uchta zurück, wo sie für mehrere Monate in militärischer Passivität verharrten. Die karelische Bevölkerung verhielt sich den „Befreiern“ gegenüber skeptisch bis gleichgültig und schloss sich den finnischen Truppen trotz intensiver Propagandaarbeit nicht an. Die langen Kämpfe des Weltkrieges hatten die Karelier kriegsmüde gemacht. Einen besonderen Wunsch nach einem Anschluss an Finnland verspürten sie überdies nicht, eher standen die Finnen in Verdacht, die Naturschätze Kareliens – unter ihnen reiche [[Erz]]vorkommen und große Waldflächen – ausbeuten zu wollen. Die bolschewistische Herrschaft wurde zu diesem Zeitpunkt noch nicht als Bedrohung empfunden.<ref>Niinistö, S. 27 f.; Virrankoski, S. 761</ref> Die von Wallenius geführten Truppen wurden in zwei Teile geteilt. Etwa 500 Mann kommandierte Wallenius selbst mit dem Stützpunkt am See [[Paanajärvi]] in der Gemeinde [[Kuusamo]], 700 Mann unterstanden dem Befehl von Jägeroberleutnant [[Oiva Willamo]] mit dem Stützpunkt in [[Kuolajärvi]]. Schon vor Eintreffen der Wehrpflichtigen begann die Abteilung Willamos am 21. März erfolgreich mit der Säuberung des Grenzgebietes auf finnischer Seite von roten Kampfeinheiten. Am 31. März erhielt Wallenius vom Hauptquartier die Erlaubnis zum Grenzübertritt. Während Malms Truppen aus begeisterten Stammverwandtschaftskriegern bestanden, protestierten hier die Wehrpflichtigen gegen ihre Verwendung außerhalb Finnlands. Die Angriffsoperationen wurden durch diesen Unwillen spürbar beeinträchtigt, später kam es sogar zu offenem Aufruhr und Befehlsverweigerung.<ref>Niinistö, S. 59–63</ref> Wallenius und Willamo überschritten am 3. April jeweils die Grenze. Erstes strategisches Ziel war das Dorf [[Sokolosero]]<!--Soukelo-->, das auf der Landenge zwischen zwei Seen ein wichtiges Tor in das Innere Weißkareliens darstellte. Willamo nahm von Norden anrückend das Dorf Tumtscha<!--Tuntsa--> ein, scheiterte aber beim Vormarsch auf [[Ruwaniski]]<!--Ruva--> am Widerstand der Roten Garden und musste sich schließlich wieder nach Finnland zurückziehen. Wallenius’ Versuch der Einnahme Sokoloseros von Süden schlug an diesem Tag ebenso fehl wie in einem zweiten Anlauf am 8. April. Weiter nördlich wurde am 7. April ein Vorstoß in Richtung des an einer weiteren Landenge gelegenen [[Kowda]]<!--Kouta. Das Dorf Kananen gehörte zu dieser Gemeinde.--> bereits im Anfangsstadium mit schweren Verlusten zurückgeschlagen. Angesichts dieser Misserfolge überraschend räumten die Roten schließlich jedoch Sokolosero aufgrund von Nachschubproblemen, so dass der Ort Mitte April kampflos eingenommen wurde. Weitere Geländegewinne konnten die Angreifer nicht mehr erzielen und verharrten in ihren Positionen.<ref>Niinistö, S. 60–65</ref> Die Petschengaexpedition Renvalls und Laitinens zog am 27. April 1918 mit Skiern und Rentierschlitten über die Grenze. Ebenso wie an den anderen Schauplätzen konnten die Eindringlinge auch hier nicht das Vertrauen der Bevölkerung gewinnen. Die Gruppe drang in dem kaum besiedelten Gebiet allerdings ohne nennenswerten Widerstand bis an die Eismeerküste vor.<ref>Niinistö, S. 73 f.</ref> === Änderung der großpolitischen Lage === Unterdessen führte die Entwicklung der allgemeinen politischen Lage einerseits zum Abflauen der Stützung der Expeditionen aus der Heimat und andererseits zur Stärkung des militärischen Widerstandes. Der Oberbefehlshaber der (weißen) finnischen Streitkräfte Mannerheim überwarf sich nach dem Ende des Bürgerkrieges mit der politischen Führung und gab den Oberbefehl am 29. Mai 1918 ab. Damit verloren die Feldzüge ihren einflussreichsten Unterstützer. Ab Anfang August führten Vertreter der finnischen Regierung in [[Berlin]] diplomatische Verhandlungen mit Sowjetrussland über eine friedliche Abtretung Ostkareliens an Finnland. Die Russen ließen sich auf die Forderungen der Finnen jedoch nicht ein. Letztere wurden in der Erwartung enttäuscht, von Deutschland nachdrückliche Unterstützung zu erhalten. Für die Deutschen war bei andauerndem Krieg vordringlich, den Frieden mit Russland nicht zu gefährden. In der Folge schlug auch die finnische militärische Führung einen vorsichtigen Kurs ein, um die junge Unabhängigkeit nicht zu gefährden.<ref>Niinistö, S. 28 f.; Virrankoski, S. 762</ref> Derweil sahen die in Murmansk gelandeten Truppen Großbritanniens die Aktivitäten der Finnen in Karelien als Bedrohung an und vermuteten, dass diese in erster Linie im Interesse Deutschlands aktiv seien. Im Sommer 1918 rüsteten die Briten in Weißkarelien ein aus etwa 250 meist kriegserfahrenen Kareliern bestehendes „Karelisches Regiment“ aus. Weiter im Norden bildeten sie aus zunächst 500 aus Finnland geflohenen Rotgardisten die als Teil der britischen Armee operierende „Legion Murmansk“, die bis zum folgenden Winter auf rund 1000 Mann anwuchs. Nicht zuletzt durch die gemeinsame Propaganda Großbritanniens und Sowjetrusslands ging die Einstellung der karelischen Bevölkerung im Spätsommer von Gleichgültigkeit zu Feindseligkeit über, zahlreiche Karelier schlossen sich den von Großbritannien gebildeten Truppen, nur wenige den Finnen an.<ref>Niinistö, S. 30; Virrankoski, S. 761 f.</ref> === Rückzug und Auflösung === [[Bild:Heimosodat Petsamo.png|thumb|left|upright=1.2|Die kleine Expedition nach Petschenga drang schnell bis zum Eismeer vor, musste sich aber bereits nach wenigen Wochen wieder zurückziehen.]] Bereits Anfang Mai landeten die britischen Truppen an der Küste Petschengas und griffen ab dem 10. Mai gemeinsam mit finnischen und russischen Roten Garden die Expedition von Renvall und Laitinen an. Diese wurden zum fluchtartigen Rückzug in die [[Fjell]]s gezwungen. Die beiden Anführer zerstritten sich, Laitinen zog mit der unter seinem Befehl stehenden neunköpfigen Gruppe nach Finnland ab. Renvall hielt sich noch eine Weile, gestört auch von norwegischen Grenztruppen, die 18 Männer gefangen nahmen. Man wartete vergeblich auf Unterstützung und Nachschub vom Hauptquartier. Am 5. Juli löste sich die inzwischen auf etwa 30 Mann geschrumpfte Petschengaexpedition auf. Fünf der Teilnehmer waren gefallen, einer fiel in Norwegen der [[Spanische Grippe|Spanischen Grippe]] zum Opfer.<ref>Niinistö, S. 74 f.</ref> Die in das nördliche Weißkarelien eingedrungenen Truppen unter Wallenius stellten Anfang Mai die Angriffsversuche ein und verlagerte sich auf die Verteidigung. Um die gleiche Zeit begann die Legion Murmansk mit militärischen Vorstößen. Wallenius’ Truppen wurden zunehmend als Teil des Grenzschutzes verstanden und ab Juli als ''Grenzwachbataillon Lappland I'' bezeichnet. Neben den Operationen der Legion Murmansk machte ihnen vor allem die schlechte Versorgung aus Finnland zu schaffen. Anfang Oktober wurden die letzten Stellungen jenseits der Grenze aufgegeben. Die Unternehmung forderte auf finnischer Seite mindestens 50 Gefallene.<ref>Niinistö, S. 65 f. (Gefallenenzahlen aggregiert aus S. 59–65)</ref> Weiter südlich erschütterte die allgemeine Entwicklung, insbesondere die Einstellung der Karelier, die Moral der Truppen Malms. Viele der Soldaten, die im Sommer für Feldarbeiten beurlaubt wurden, kehrten nicht mehr zurück. Anfang Juli war die Zahl der in der Umgebung von Uchta stationierten Freiwilligen auf einige Zehn geschrumpft, als der durch Krankheit geschwächte Malm sein Kommando abgab. Die Nachfolge trat der enthusiastische Stammverwandtschaftskrieger, Jägerkapitän [[Toivo Kuisma]] an. Dieser stellte die Truppe auf eine neue Grundlage, indem er aus Finnland zehn [[Finnische Jäger|Jäger]] als Offiziere anwarb. Neue Freiwillige, hauptsächlich im Alter von 16 bis 21 Jahren, wurden aus allen Teilen Finnlands rekrutiert. Die so entstandene, etwa 250 Mann starke Truppe, nannte sich nun „Armee der Freiwilligen Finnlands“ (''Suomen vapaaehtoisten armeija'').<ref>Niinistö, S. 30, 34</ref> Sie genoss die persönliche und finanzielle Unterstützung des finnischen [[Reichsverweser]]s [[Pehr Evind Svinhufvud]], es hatte jedoch kein offizielles Staatsorgan die Verantwortung für Kuismas Unternehmung übernommen.<ref>Niinistö, S. 43</ref> Ende August begann das inzwischen auf 300–400 Mann gewachsene Karelische Regiment mit Angriffen auf die finnischen Positionen. Die Stellungen in [[Juschkosero]]<!--Jyskyjärvi--> und [[Kostomukscha]] wurden vernichtet. Anfang September begann Kuisma mit dem Rückzug. Am 1. Oktober gelang es den karelischen Truppen, den Hauptteil der finnischen Soldaten in Woknawolok<!--Vuokkiniemi--> einzukesseln. In der folgenden größten Schlacht dieses Kriegszuges entgingen die Finnen der Vernichtung nur durch das Hinzustoßen der 50 Mann starken zweiten Kompanie, welche die Flanke der Karelier angriff. Das Zurückschlagen des Angriffes wurde von den Finnen als Sieg empfunden, dennoch zogen sich die verbleibenden Kräfte am folgenden Tag ganz nach Finnland zurück. Sie übernahmen zunächst Grenzschutzaufgaben und wurden im Oktober schließlich aufgelöst.<ref>Niinistö, S. 45–52</ref> In den zahlreichen größeren und kleineren Gefechten in der unzugänglichen Wildnis Weißkareliens waren von den rund 300 an den Kampfhandlungen Beteiligten Männern Malms und Kuismas 83 gefallen.<ref>Niinistö, S. 53</ref> Während Truppenorganisation, Kampfverlauf und Opferzahlen auf finnischer Seite Gegenstand zahlreicher historischer Forschungsarbeiten waren und damit recht gut bekannt sind, sind die Informationen über die jeweilige Gegenseite dünner. Insbesondere über Opferzahlen stehen hier keine verlässlichen Zahlen zur Verfügung. Die russischen Archive betreffend die finnischen Ostkriegszüge hat die historische Forschung bisher noch nicht systematisch ausgewertet.<ref>Niinistö, S. 15</ref> == Olonezfeldzug 1919 == In veränderter internationaler Lage wurden die finnischen Ambitionen in Richtung Karelien 1919 erneut aufgenommen und verkörperten sich in einem großen Feldzug in das Gebiet von [[Olonez]]. Der Kriegszug wurde mit größerer Macht und deutlicherer offizieller Stützung durchgeführt, war aber ebenfalls ein reines Freiwilligenunternehmen. Nachdem die Finnen zunächst weit in das Zielgebiet vordrangen, wurden sie letztlich von der Übermacht der bolschewistischen Verteidiger nach Finnland zurückgedrängt. === Hintergründe und Vorbereitung === [[Bild:Heimosodat Repola-Porajärvi.png|thumb|upright=1.2|Die Bemühungen, die karelische Bevölkerung für den großfinnischen Gedanken zu begeistern, fielen nur in zwei Gemeinden auf fruchtbaren Boden. Repoly (finnisch Repola) erklärte 1918, Porossosero (finnisch Porajärvi) 1919 den Anschluss an Finnland.]] Bereits 1918 war auch ein Zug in das Gebiet Olonez geplant worden, blieb aber wegen des Mangels an Truppen unverwirklicht. Bis zum Jahr 1919 hatten sich nun die Rahmenbedingungen erheblich verändert. Deutschland spielte in der finnischen Politik vorläufig keine Rolle mehr, die Beziehungen zu den Westmächten hatten sich verbessert. Sowjetrussland stand unter schwerem Druck seitens der weißen Bürgerkriegsgegner, die [[Petrograd]] von Westen bedrängten, aber auch den äußersten Norden beherrschten. Durch die Offensive der weißen Armee in Südrussland und die Aktivitäten der Weißen in Sibirien war die Lage der Sowjets im Bürgerkrieg 1919 generell am kritischsten. In dieser Situation erwachte das Interesse der Stammverwandtschaftsaktivisten an der kornreichen Region Olonez aufs Neue. Auftrieb erhielt die Bewegung durch die 1918 getroffene Entscheidung der an Finnland grenzenden Gemeinde [[Repoly]]<!--Repola-->, sich Finnland anzuschließen. Die Initiative für die Mission ging im Januar 1919 von den [[Finnische Jäger|Jägern]] [[Gunnar von Hertzen]], [[Paavo Talvela]] und [[Ragnar Nordström]] aus. Das zur Anwerbung gegründete „Karelienkomittee“ brachte bis Anfang März über tausend Freiwillige zusammen. Als Ziel gaben die Organisatoren aus, die Olonezregion schnell zu besetzen und die Bevölkerung dazu zu bewegen, den Anschluss an Finnland zu erklären. Die Regierung unter dem inzwischen zum Reichsverweser ernannten Mannerheim und Ministerpräsident [[Lauri Ingman]] verhielt sich zunächst schwankend, gab aber schließlich die Erlaubnis zum Grenzübertritt, nachdem es Ende März im karelischen [[Wedlosero]]<!--Vieljärvi--> zu einem Aufstand gekommen war. Die nach den Wahlen Mitte April ins Amt eingeführte Regierung unter [[Kaarlo Castrén]] bestätigte den Beschluss, und Ende April bewilligte das Parlament die Finanzierung.<ref>Niinistö, S. 148–153</ref> Als Oberbefehlshaber bestimmte die militärische Führung den Jägeroberstleutnanten [[Ero Gadolin]]. Insgesamt nahmen an dem Kriegszug 132 Jäger als Offiziere und Unteroffiziere teil. Reguläre Armeetruppen wurden ansonsten allerdings nicht abgestellt. Vielmehr bestand der Zug ausschließlich aus Freiwilligen. Der Angriff begann mit etwa 900 Mann, weitere Anwerbungen ließen die Zahl der Teilnehmer aber später auf 4500 Mann wachsen. Der größte Teil der Teilnehmer war zwischen 16 und 20 Jahre alt.<ref>Virrankoski, S. 767 f., Niinistö, S. 156 f.</ref> === Finnischer Vormarsch === Die Unternehmung war von Beginn an unter Zeitdruck gewesen, weil man sie noch vor Beginn der Schneeschmelze beginnen wollte. Die erste Fernpatrouille unter [[Feldwebel]] [[Paul Marttina]] brach bereits am 18. April 1919 über das Eis des [[Ladogasee]]s auf, um die Gleise der [[Murmanbahn]] zu unterbrechen. Zwei Tage später begann von [[Salmi]] aus der eigentliche Angriff in zwei Hauptrichtungen. Den nördlichen Trupp führte Paavo Talvela nach [[Prjascha]]<!--Prääsä--> und weiter in Richtung [[Petrosawodsk]]<!--Petroskoi-->, der größten Stadt der Region und wichtigen Hafenstadt am Onegasee. Der südliche Vorstoß unter von Hertzen drang entlang des Ufers des Ladogasees zur Stadt Olonez, dem politischen und kulturellen Zentrum der Region, und weiter bis in die Nähe des Flusses [[Swir]] vor. Der Vormarsch wurde seitlich gestützt von einer kleinen, 56 Mann starken Truppe unter [[Antti Isotalo]], die über den Ladogasee schnell vorrückte, schließlich beim Angriff auf das Dorf Pisi die Hälfte ihrer Soldaten verlor und schließlich in Olonez, welches am 23. April kampflos eingenommen worden war, mit der Haupttruppe zusammentraf.<ref>Niinistö, S. 159–164</ref> [[Bild:Heimosodat Aunus.png|thumb|left|upright=1.5|Die finnische Expedition drang im April 1919 in zwei Hauptrichtungen weit in das Olonezgebiet vor, konnte aber die strategisch wichtigen Ziele an der Murmanbahn nicht erreichen.]] Die Fernpatrouille Marttinas überquerte zwar den Swir, wurde aber entdeckt und konnte die Bahnstrecke nicht zerstören. Ebenso scheiterte der Versuch der südlichen Haupttruppe, nach [[Lodeinoje Pole]] an der Murmanbahn vorzudringen. In der Führung der finnischen Truppen kam es zu Konflikten zwischen von Hertzen und Gadolin, der schließlich am 28. April vom Oberbefehl zurücktrat und durch [[Aarne Sihvo]] ersetzt wurde. Die sowjetrussischen Truppen begannen mit Gegenangriffen und eroberten am 4. Mai Olonez zurück. Die Finnen zogen sich unter schweren Verlusten nach Aleksala<!--Alavoinen--> einige Kilometer westlich der Stadt zurück, wo sich die Front vorläufig stabilisierte. Unterdessen war Talvela weiter nördlich unter dauernden Kämpfen bis Prjascha vorgerückt und hatte die Stadt am 29. April erobert. Am 3. Mai schoben die Finnen, gleichzeitig einen russischen Gegenangriff abwehrend, ihre Stellung Richtung Petrosawodsk bis zum Dorf Matrosy<!--Matrosa--> vor, wo sie ihre Verteidigungspositionen bezogen.<ref>Niinistö, S. 165–168</ref> Von der karelischen Bevölkerung wurden die finnischen Soldaten mit Wohlwollen aufgenommen. Im Laufe des Feldzuges schlossen sich über 2000 von ihnen den Truppen an, wenn diese Verstärkung sich auch wegen deren unzureichender Ausbildung als militärisch fast bedeutungslos erwies. Die erhoffte allgemeine Volkserhebung blieb allerdings aus.<ref>Niinistö, S. 156 f.; Virrankoski, S. 768</ref> Talvela versuchte auch, mit den im Norden Russlands operierenden Briten Kontakt aufzunehmen, die dort dem gleichen Feind, den bolschewistischen Russen, gegenüberstand. Eine Zusammenarbeit kam aber nicht zustande, da Großbritannien in erster Linie die weißen Russen unterstützte, die wiederum eine Expansion Finnlands auf Kosten Russlands strikt ablehnten.<ref>Niinistö, S. 168 f.</ref> === Zusammenbruch des Feldzuges === Die Finnen gerieten derweil in zunehmende organisatorische Schwierigkeiten. Von Hertzen ging trotz Nachschubproblemen und zahlenmäßiger Übermacht des Gegners erneut zum Angriff über. Diese Entscheidung hatte schwere Konflikte mit den Offizieren zur Folge. Mehrere Abteilungen verließen die Front und kehrten nach Finnland zurück. Nach kurzzeitiger Eroberung der Stadt Olonez zog von Hertzen seine Truppe am 13. Mai nach Tuloksa<!--Tuulos--> zurück, wo schwere Verteidigungskämpfe geführt werden mussten. Ab Juni verzeichneten die Truppen ständige Aderlässe, weil die jeweils nur für zwei Monate verpflichteten Freiwilligen nach Hause zurückkehrten. An der Nordfront hatten die finnischen Stammverwandtschaftskrieger mit ähnlichen Problemen zu kämpfen.<ref>Niinistö, S. 169–171</ref> Den entscheidenden Schlag erhielt die finnische Südfront, als die Bolschewiki, die sich auf dem Ladogasee ungehindert bewegen konnten, am 27. Juni in [[Widliza]]<!--Vitele--> landeten, das Hauptquartier von Hertzens vernichteten und die so vom Nachschub abgeschnittenen finnischen Truppen an der Front zum sofortigen Rückzug zwangen. Auch die Nordfront brach nach anfänglich erfolgreichem Vormarsch in Richtung Petrosawodsk zusammen. Bis Anfang August hatten sich die Finnen ganz aus dem russischen Gebiet zurückgezogen und hatten sich die Truppenverbände weitgehend aufgelöst. Nur im grenznahen [[Pogrankonduschi]]<!--Rajakontu--> lieferten sich kleinere Gruppen noch bis zum März 1920 Stellungsgefechte.<ref>Niinistö, S. 176–183</ref> Über die Zahl der Gefallenen während des Olonezfeldzuges liegen auf beiden Seiten keine verlässlichen Daten vor. Auf finnischer Seite fielen mindestens 330 Männer, manche Schätzungen gehen von 400 Gefallenen und 600 bis 800 Verwundeten aus.<ref>Niinistö, S. 183</ref> Die Gesamtverluste betrügen damit rund 30 % der Gesamtstärke. Die Höhe der Verluste auf russischer Seite ist gänzlich unbekannt. Als einziges, wenn auch indirektes Resultat des Feldzuges ist zu verzeichnen, dass im Juni 1919 die Gemeinde [[Porossosero]]<!--Porajärvi--> dem Beispiel der Nachbargemeinde Repoly folgte und ihren Anschluss an Finnland erklärte. == Petschengaexpedition 1920 == Während des Jahres 1919 bemühte sich Finnland, auf der [[Pariser Friedenskonferenz 1919|Pariser Friedenskonferenz]] diplomatische Fortschritte in der Territorialfrage zu erzielen, blieb darin aber erfolglos. Die alliierte Interventionsarmee zog sich jedoch Ende 1919 aus Nordrussland zurück, und die bereits ihrem Untergang entgegengehende weiße Armee konnte das entstandene Vakuum nicht füllen. So schien sich nun erneut die Möglichkeit zu bieten, das Petschengagebiet unter finnische Kontrolle zu nehmen. Die neuerliche Expedition wurde als politische Unternehmung verstanden und dem Außenministerium unterstellt. Die Führung der Gruppe von 60 Mitgliedern des Jägerbataljons Kaartti übernahm Kurt Martti Wallenius. Sie überschritt die Grenze am 28. Januar 1920 und drang mit ihren [[Rentierschlitten]] bis zum 10. Februar ohne Kämpfe zum Eismeer vor. Die Expedition war aber zahlenmäßig zu klein, das weite Gebiet zu kontrollieren und den Nachschub zu sichern, was durch das spätere Hinzutreten von erst 30 und dann weiteren 99 Mann bis zum März kaum behoben wurde.<ref>Niinistö, S. 78</ref> Als der Widerstand der weißen Russen zusammenbrach und die Bolschewiki nach Norden rückten, wurde die Lage der finnischen Expedition unhaltbar. Sie begann am 22. März mit dem Rückzug. Am gleichen Tag landeten die Bolschewiki mit zwei Schiffen im Petschengafjord und drangen auch zu Lande in das Gebiet vor. In [[Salmijärvi]] kam es am 1. April zum einzigen Gefecht der Expedition, in welchem die Finnen einem von dem ehemaligen Soldaten der Legion Murmansk [[Kalle Kukka]] angeführten Skiverband aus Russen, Kareliern und geflohenen roten Finnen sowie auch Kämpfern von Roten Garden aus Petschenga selbst gegenüberstanden. Von der Expedition fielen vier Männer, vier wurden verwundet, drei flüchteten und 29 gerieten auf dem Rückzug auf norwegisches Gebiet und wurden dort interniert.<ref>Niinistö, S. 78–81</ref> == Finnische Freiwillige in weiteren Konflikten == Die finnischen Stammverwandtschaftsaktivisten beschränkten sich nicht auf die Teilnahme an eigenen Unternehmungen in das russische Staatsgebiet, sondern fühlten sich auch dazu berufen, anderen stammverwandten Völkern in ihrem Ringen mit dem bolschewistischen Russland zur Seite zu treten. Die nachhaltigsten Auswirkungen hatte die Beteiligung finnischer Freiwilliger im [[Estnischer Freiheitskrieg|Estnischen Freiheitskrieg]], in dem sich der junge Staat [[Estland]] ab November 1918 gegen den Versuch Sowjetrusslands zur Rückeroberung des [[Baltikum]]s erfolgreich zur Wehr setzte. Die finnische Regierung unterstützte den Kampf mit Waffenlieferungen, sah sich aber nicht in der Lage, reguläre Soldaten zu schicken. Bis Februar 1919 traten aber 3800 finnische Freiwillige der estnischen Armee bei. Da diese größtenteils schon Kriegserfahrung gesammelt hatten, stellten sie eine bedeutende Verstärkung der Esten dar.<ref>Virrankoski, S. 767</ref> In den Jahren 1919 und 1920 nahmen finnische Freiwillige auch an den Kämpfen im [[Ingermanland]] teil, in denen die [[Ingrier]] die Bildung eines eigenen Staates anstrebten. == Frieden von Dorpat == [[Bild:Heimosodat Petsamo 1920.png|thumb|upright=1.2|Im Frieden von Dorpat erhielt Finnland mit Petschenga (finnisch Petsamo) einen Zugang zum Eismeer.]] Das Jahr 1920 brachte Finnland und Sowjetrussland an den Rand einer direkten militärischen Konfrontation. Die Reste der dem Untergang entgegengehenden weißen Armee im Norden wurden im Februar von der Roten Armee in Murmansk zerschlagen und zogen sich nun in die beiden ursprünglich zu Russland gehörenden, inzwischen aber Finnland beigetretenen Gemeinden Repoly und Porossosero zurück. Die finnische Regierung unter Ministerpräsident [[Juho Vennola]] zog in den Gemeinden reguläre Truppen zusammen, um das Gebiet gegen das zu erwartende Nachrücken der Roten Armee zu verteidigen. Ab Ende Februar kam es zu mehreren Gefechten im Gemeindegebiet von Porossosero.<ref>Niinistö, S. 214–216</ref> Schließlich wollten es aber beide Seiten nicht auf einen eskalierenden Konflikt ankommen lassen. Auf russischer Seite war hierfür ein entscheidender Grund der inzwischen entflammte [[Polnisch-Sowjetischer Krieg|Krieg mit Polen]], der die militärischen Kräfte band. Nachdem schon im April am Fluss [[Sestra]] Waffenstillstandsverhandlungen geführt worden waren, machte der [[Kreml]] im Mai ein offizielles Friedensangebot. Die Verhandlungen begannen am 12. Juni 1920 in [[Dorpat]].<ref>Niinistö, S. 216 f.</ref> Die neue finnische Regierung unter Ministerpräsident [[Rafael Erich]] hielt in den Verhandlungen zunächst weiterhin einen Anschluss Ostkareliens an Finnland für erreichbar. Ziel der finnischen Verhandlungsdelegation unter [[Juho Kusti Paasikivi]] war die Abhaltung einer [[Volksabstimmung]] über die Zugehörigkeit dieser Gebiete. Die sowjetische Delegation konterte durch die Gründung der „Kommune des Arbeitervolkes von Karelien“, angeführt durch den finnischen Flüchtling [[Edvard Gylling]], die nach sowjetischer Auffassung den Volkswillen vertrat. Sowjetrussland bot eine Einigung auf der Grundlage der Grenzen von 1914 mit einigen kleinen Korrekturen zugunsten Russlands an.<ref>Niinistö, S. 217 f.</ref> Die Verhandlungen wurden im Juli für zwei Wochen unterbrochen. Diese Zeit nutzte der finnische Sozialdemokrat [[Väinö Tanner]] mit Wissen Paasikivis zu inoffiziellen Gesprächen mit der Gegenseite, in welchen er wirtschaftlichen Aspekten den Vorrang vor Gebietsgewinnen einräumte und signalisierte, dass für Finnland vor allem Petschenga wegen des Eismeerzugangs unverzichtbar sei. Diese Diplomatie setzte Tanner nach Fortgang der Gespräche weiter fort. Während vor allem das linke politische Spektrum zunehmenden Druck auf die Regierung ausübte, hinsichtlich der sonstigen Gebietsforderungen nachgiebig zu sein, setzte sich als Mindestposition der Regierung die Ansicht durch, dass jedenfalls kein vor der Unabhängigkeit zu Finnland gehörendes Gebiet preisgegeben werden darf.<ref>Niinistö, S. 219–222</ref> Nach zähen Verhandlungen wurde schließlich am 14. Oktober 1920 der Frieden von Dorpat unterzeichnet. Finnland erhielt Petschenga und blieb ansonsten in seinem traditionellen Gebiet unangetastet, musste aber Repoly und Porossosero aufgeben. Die Ziele der finnischen Stammverwandtschaftsaktivisten blieben damit größtenteils unverwirklicht. Im Winter 1921/22 nahmen einige finnische Aktivisten noch als Freiwillige am [[Karelischer Volksaufstand 1921–1922|Karelischen Volksaufstand]] teil, das offizielle Finnland spielte hier aber keine Rolle mehr. Die durch den Frieden von Dorpat geschaffene Grenze zwischen der Sowjetunion und Finnland blieb bestehen, bis sie 1939 durch den [[Winterkrieg]] wieder in Frage gestellt wurde. Für Finnland bedeutete der Friedensschluss zugleich eine Stabilisierung seiner internationalen Stellung, was sich insbesondere darin ausdrückte, dass das Land im Dezember 1920 in den [[Völkerbund]] aufgenommen wurde. == Literatur == * Jussi Niinistö: ''Heimosotien historia 1918–1922''. SKS, Helsinki 2005, ISBN 951-746-687-0 (zitiert: ''Niinistö'') * Pentti Virrankoski: ''Suomen historia 2''. SKS, Helsinki 2001, ISBN 951-746-342-1 (zitiert: ''Virrankoski'') * Jouko Vahtola: ''"Suomi suureksi - Viena vapaaksi": valkoisen Suomen pyrkimykset Itä-Karjalan valtaamiseksi vuonna 1918.'' Pohjois-Suomen Historiallinen Yhdistys, Oulu 1988. [Studia historica septentrionalia 17] ISBN 951-95473-9-8 == Einzelnachweise == <div class="references-small" style="-moz-column-count:2; column-count:2;"> <references /></div> {{Exzellent}} [[Kategorie:Finnische Militärgeschichte]] [[Kategorie:Sowjetische Militärgeschichte]] [[ar:هيموسودات]] [[cv:Советсемпе финнсем хушшинчи пĕрремĕш вăрçă]] [[en:Heimosodat]] [[fi:Heimosodat]] [[ro:Expediţiile războiului finlandez spre est 1918 - 1920]] [[ru:Первая советско-финская война]] affau41f7ihxi7v1gfp9jdt6sbbp4ve wikitext text/x-wiki Epilepsie 0 23557 26153 2010-04-27T17:30:07Z Rotkaeppchen68 0 t {{Infobox ICD |BREITE = |01-CODE = G40.- |01-BEZEICHNUNG = Epilepsie }} '''Epilepsie''' ([[Altgriechische Sprache|altgriechisches]] Substantiv {{Polytonisch|ἐπίληψις}}, ''epílēpsis'' [heute {{Polytonisch|ἐπιληψία}}], „der Anfall, der Übergriff“ über [[latein]]isch ''epilepsia'' seit dem 16.&nbsp;Jahrhundert nachweisbar <ref name="Kluge">Kluge: ''Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache'', 24.&nbsp;Auflage</ref>; zu {{polytonisch|ἐπίληπτος}}, ''epílēptos'', „ergriffen“ vom [[Verb]] {{polytonisch|ἐπιλαμβάνειν}}, „ergreifen“, „packen“, „anfallen“), im Deutschen die Fallsucht oder auch Krampfleiden genannt, bezeichnet ein Krankheitsbild mit mindestens einem spontan auftretenden Krampfanfall, der nicht durch eine vorausgehende erkennbare Ursache (beispielsweise eine akute Entzündung, einen Stromschlag oder eine Vergiftung) hervorgerufen wurde. Ein solcher epileptischer Krampfanfall ist Folge [[paroxysmal]]er synchroner Entladungen von Neuronengruppen im [[Gehirn]], die zu plötzlichen unwillkürlichen stereotypen Verhaltens- oder Befindensstörungen führen. Zur Diagnose wird die Krankengeschichte erhoben und eine Hirnstromkurve (Elektroenzephalogramm, EEG; siehe [[Elektroenzephalografie]]) abgeleitet. Auch bildgebende Untersuchungen gehören zur Routinediagnostik, während speziellere Verfahren besonderen Fragestellungen vorbehalten sind. Die Behandlung besteht zunächst in der Gabe von krampfunterdrückenden Medikamenten ([[Antikonvulsiva]]). In therapieresistenten Fällen kommen auch andere Methoden bis hin zur [[Epilepsiechirurgie]] zum Einsatz. Eine Epilepsie hat für den Betroffenen vielfältige Auswirkungen auf das Alltagsleben, die in der Behandlung ebenfalls Berücksichtigung finden sollten. Epilepsie betrifft nicht nur Menschen, sondern kann in ähnlicher Form auch bei verschiedenen Haustieren auftreten. ==Epidemiologie== Grundsätzlich kann jeder Mensch einen generalisierten Krampfanfall bekommen, wenn sein Gehirn einem entsprechend starken physikalischen oder chemischen Reiz ausgesetzt wird. Etwa 10 % aller Menschen haben eine erhöhte Krampfbereitschaft, die sich teilweise im EEG nachweisen lässt. Wohl 4 - 5 % aller Menschen erleiden einmal oder wenige Male in ihrem Leben unter besonderen Einwirkungen einen epileptischen Anfall, der sich ohne entsprechende Umstände nicht wiederholt. Von derartigen ''Gelegenheitskrämpfen'' zu unterscheiden ist eine ''aktive Epilepsie'', auch ''fortschreitendes Krampfleiden'' genannt. Darunter leiden in Deutschland 0,5–1 % der Bevölkerung. Die [[Inzidenz (Medizin)|Inzidenz]] (Häufigkeit des Neuauftretens) von Epilepsien ist abhängig vom Lebensalter. Pro Jahr tritt bei etwa 60 von 100.000 Kindern eine Epilepsie neu auf, mit einer Spannbreite von 43-82/100.000. Dabei sind Fieberkrämpfe und einzelne unprovozierte Anfälle nicht mit eingerechnet. Im Erwachsenenalter sinkt die Inzidenz zunächst auf etwa 30-50/100.000 im Jahr ab und steigt im hohen Lebensalter ab 50 Jahren auf bis zu 140/100.000 im Jahr an. Rechnet man bis zum 74. Lebensjahr alle Epilepsien zusammen, kommt man auf eine Häufigkeit von etwa 3,4 Prozent.<ref name="siemes">Hartmut Siemes, Blaise F. D. Bourgeois: ''Anfälle und Epilepsien bei Kindern und Jugendlichen.'' Thieme, Stuttgart-New York 2001, ISBN 3-13-127031-4</ref> Die [[Prävalenz]] aktiver Epilepsien liegt im Kindesalter wiederum altersabhängig bei 3-6/1000 Kindern. Im frühen Kindesalter überwiegen dabei die generalisierten Epilepsien, während im Erwachsenenalter die Häufigkeit herdförmiger Epilepsien größer ist.<ref name="siemes"/> == Anfallsformen == {{Infobox ICD |BREITE = |01-CODE = G40.0 |01-BEZEICHNUNG = Lokalisationsbezogene (fokale) (partielle) idiopathische Epilepsie und epileptische Syndrome mit fokal beginnenden Anfällen |02-CODE = G40.1 |02-BEZEICHNUNG = Lokalisationsbezogene (fokale) (partielle) symptomatische Epilepsie und epileptische Syndrome mit einfachen fokalen Anfällen |03-CODE = G40.2 |03-BEZEICHNUNG = Lokalisationsbezogene (fokale) (partielle) symptomatische Epilepsie und epileptische Syndrome mit komplexen fokalen Anfällen |04-CODE = G40.3 |04-BEZEICHNUNG = Generalisierte idiopathische Epilepsie und epileptische Syndrome |05-CODE = G40.4 |05-BEZEICHNUNG = Sonstige generalisierte Epilepsie und epileptische Syndrome |06-CODE = G40.5 |06-BEZEICHNUNG = Spezielle epileptische Syndrome |07-CODE = G40.6 |07-BEZEICHNUNG = Grand-mal-Anfälle, nicht näher bezeichnet (mit oder ohne Petit mal) |08-CODE = G40.7 |08-BEZEICHNUNG = Petit-mal-Anfälle, nicht näher bezeichnet, ohne Grand-mal-Anfälle |09-CODE = G40.8 |09-BEZEICHNUNG = Sonstige Epilepsien |10-CODE = G40.9 |10-BEZEICHNUNG = Epilepsie, nicht näher bezeichnet }} === Übersicht === Die verschiedenen Verlaufsformen der epileptischen Anfälle werden nach der Definition der Internationalen Liga gegen Epilepsie (ILAE) wie folgt eingeteilt: ==== Fokale Anfälle ==== Andere Ausdrücke für einen [[partiell]]en Anfall sind fokaler Anfall oder Herdanfall. Diese Anfallsform ist dadurch gekennzeichnet, dass es ein Zeichen für einen Beginn des Anfallsgeschehens in einer umschriebenen Region des Gehirns gibt. Dabei ist es egal, ob es zu einer sekundären Ausbreitung auf die restliche Hirnrinde kommt (sekundäre Generalisierung). Insbesondere ein Anfallsbeginn mit einer Aura hat einen hohen Aussagewert darüber, in welcher Hirnregion der Anfall seinen Ursprung hat, denn sie ist das Ergebnis einer umschriebenen Aktivierung von Nervenzellverbänden. Unterteilung: * einfach fokale Anfälle (das Bewusstsein ist erhalten) * komplexe fokale Anfälle (mit Bewusstseinsstörung) * fokale Anfälle mit Entwicklung zu sekundär generalisierten Anfällen ==== Generalisierte Anfälle ==== Ein Anfall wird als [[Generalisierung (Erkrankung)|generalisiert]] bezeichnet, wenn der Verlauf und die Symptome keine Hinweise auf eine anatomisch begrenzte Lokalisation geben und keine Zeichen eines lokalen ([[Herd (Medizin)|herdförmigen]]) Beginns zu erkennen sind. Unterteilung: * Absencen – Anfälle mit kurzer Bewusstseinspause ohne Sturz, früher auch französisch mit ''Petit-mal'' bezeichnet. * myoklonische Anfälle – mit einzelnen oder unregelmäßig wiederholten Zuckungen einzelner Muskelgruppen * klonische Anfälle * tonische Anfälle * tonisch-klonische Anfälle – der typische „große“ Anfall mit Bewusstseinsverlust, Sturz, Verkrampfung und anschließend rhythmischen Zuckungen beider Arme und Beine, früher auch ''Konvulsion'' oder französisch ''Grand-mal'' genannt, geht oft mit einem Biss in die Zunge einher. * atonische (astatische) Anfälle ==== Nicht klassifizierbare epileptische Anfälle ==== * Anfälle, die auf Grund unzureichender oder unvollständiger Daten nicht klassifiziert werden können oder bei denen eine Zuordnung nicht möglich ist. === Allgemeines zum Anfallsverlauf === ==== Aura ==== Der Begriff ''[[Aura (Epilepsie)|Aura]]'' stammt aus dem Griechischen und bedeutet die „Wahrnehmung eines Lufthauches“. Man könnte sie auch mit einem „unbestimmten Vorgefühl“ umschreiben. Wenn die Aura isoliert bleibt, kann sie das einzige – subjektive – Symptom eines einfach partiellen Anfalls darstellen. Sie ist das Ergebnis einer epileptischen Aktivierung der Nervenzellen einer umschriebenen Hirnregion. Aufgrund der funktionellen Zuordnung der Symptome zu den entsprechenden Arealen der Hirnrinde kommt ihnen eine hohe Bedeutung in der Lokalisationsdiagnostik von epilepsieauslösenden Herden zu. Breitet sich die epileptische Aktivität aus, kann ein sogenannter sekundär generalisierter Anfall folgen. Beispiele für Auren sind die sogenannte „viszerale Aura“, ein Aufsteigen unbestimmt unangenehmer Gefühle aus der Magengegend, als häufigste Aura bei Schläfenlappenepilepsie, ''Taubheitsgefühle, Kribbeln oder Nadelstiche'' als Aura bei Scheitellappenepilepsie oder ''visuelle Halluzinationen'' bei Hinterhauptslappenepilepsie. Andere Beispiele für eine Aura können Konzentrationsschwierigkeiten, Vergesslichkeit und das nicht mehr richtige Wahrnehmen der Umgebung sein. ==== Status Epilepticus ==== Die meisten epileptischen Anfälle enden nach wenigen Minuten von selbst und der Betroffene erholt sich auch ohne therapeutische Maßnahmen. Man kann sich aber nicht darauf verlassen. Wenn mehrere Anfälle kurz hintereinander als Serie erfolgen, ohne dass der Betroffene sich dazwischen wieder vollständig erholen konnte und im Falle von mehr als 20 Minuten anhaltenden Anfällen auch ohne Bewusstlosigkeit liegt ein [[Status epilepticus]] vor. Je länger so ein Zustand anhält, desto größer ist insbesondere beim ''Grand mal'' die Gefahr einer irreversiblen Schädigung des Gehirns oder je nach Anfallsform auch die eines tödlichen Verlaufes. ==== Terminalschlaf ==== An ihre Aura können sich manche Epileptiker später erinnern, an den Anfall selber in aller Regel nicht ([[Amnesie]]). Nach einem Anfall kann der Betroffene noch für einige Zeit –&nbsp;dies kann bis zu mehreren Stunden dauern&nbsp;– kaum weckbar, desorientiert und müde sein ''([[Terminalschlaf]])''. ==== Multiple Anfallsformen ==== Etliche Patienten haben manchmal generalisierte und manchmal fokale Anfälle. Bei der Diagnose einer multiformen Epilepsie wird jeder bei einem solchen Patienten vorgekommene Anfallstyp beschrieben. == Ursachen von Epilepsie == [[Datei:Epilepise_ätiologie.png|thumb|400px|right|Unterschiedliche Einflüsse verursachen eine Epilepsie]] Lassen sich für ein Anfallsleiden keine hirnorganischen oder [[metabolisch]]en Ursachen feststellen, so spricht man von ''genuiner Epilepsie'', bei identifizierbaren Ursachen von ''symptomatischer Epilepsie''. Für beide Erkrankungsgruppen und auch für Gelegenheitsanfälle (siehe Abschnitt [[Epilepsie#Epidemiologie|Epidemiologie]]) lässt sich eine [[genetische Disposition]] feststellen. Mit der technischen Entwicklung der [[Bildgebende Verfahren|bildgebenden Verfahren]] und der [[Labordiagnostik]] tritt die Diagnose einer genuinen Epilepsie zahlenmäßig zurück. '''Ursachen symptomatischer Epilepsien:''' * [[perinatal]]e Hirnschädigung, zumeist in Form von Sauerstoffmangel bei der Geburt * Fehlbildungen des Hirngewebes (zum Beispiel die [[fokale kortikale Dysplasie]]) * zerebrale Gefäßmissbildungen ([[Hämangiom]]e, [[Aneurysma|Aneurysmen]]) * [[Hirntumor]]en * [[Schädelhirntrauma|Schädelhirntraumen]] bei Unfällen * Infektion des Gehirns ([[Enzephalitis]]) mit verschiedensten Erregern ** [[Meningokokken]] ** [[Masern]] ** [[Hepatitis C]] ** [[FSME-Virus]] (Zecken-Enzephalitis) ** [[Lyme-Borreliose]] (auch durch [[Zecke]]n übertragen) * Stoffwechselerkrankungen, darunter ** [[Hyperparathyroidismus]] mit bedrohlichem Anstieg der [[Kalzium|Calcium]]konzentration im Blut ** [[Hämochromatose]] mit Eisenablagerungen u. a. im Gehirn * [[Eklampsie]] * vaskuläre Enzephalopathie im Rahmen einer [[Arteriosklerose]]. '''Ursachen von Gelegenheitskrämpfen:''' * Fieber ([[Fieberkrampf|Fieberkrämpfe bei Kindern]]) * Schlafentzug * exzessive körperliche Anstrengung * Flimmerlicht mit [[Stroboskop]]effekt, z. B. in Diskotheken * [[Hypoglykämie|Hyp<u>o</u>gylykämie]] (Unterzuckerung) bei [[Diabetes mellitus|Diabetikern]] <ref>Diabetes mellitus ist natürlich eine Stoffwechselerkrankung, aber ein Diabetiker kann Hypoglykämien vermeiden, wenn er nach der Insulininjektion oder Tabletteneinnahme auch Nahrung zu sich nimmt.</ref> * Drogen, z. B.: ** [[Alkoholvergiftung]] ** (beginnender) [[Alkoholentzug]] ** [[Ecstasy]] ** [[Kokain]] * therapeutische [[Psychopharmaka]], z. B.: ** [[Amitryptilin]] === Pathophysiologie === Obwohl das Wissen über die Entstehung von Epilepsien in den letzten Jahrzehnten deutlich zugenommen hat, sind die Zusammenhänge noch immer nicht vollständig geklärt. Zum Auftreten epileptischer Anfälle tragen zum einen eine Übererregbarkeit (Hyperexzitabilität) von Nervenzellen, zum anderen eine abnorme gleichzeitige elektrische Aktivität von größeren Nervenzellverbänden (neuronale Netze) bei. So nimmt man an, dass ein Ungleichgewicht von Erregung und Hemmung in diesen neuronalen Netzen Krampfanfälle entstehen lässt. Verstärkte Erregung oder verminderte Hemmung können sowohl durch Veränderungen in den Membraneigenschaften der Nervenzellen als auch in der Erregungsübertragung von Nervenzelle zu Nervenzelle durch die Überträgersubstanzen ([[Neurotransmitter]]) bewirkt werden. So können sich Defekte in den [[Ionenkanal|Ionenkanälen]] für [[Natrium]]- und [[Calcium]]ionen an der Entstehung und Ausbreitung von Anfallsentladungen beteiligen. Als erregende Neurotransmitter sind die [[Aminosäure]]n [[Glutaminsäure|Glutamat]] und [[Asparaginsäure|Aspartat]] beteiligt, die über eine Bindung an [[NMDA-Rezeptor|NMDA]]- oder [[AMPA-Rezeptor]]en Ionenkanäle öffnen. [[Gamma-Aminobuttersäure]] (GABA) stellt als hemmender Überträgerstoff sozusagen den Gegenspieler dar. Defekte in der [[Biosynthese]], gesteigerter Abbau oder Hemmung dessen [[Rezeptor]]en ([[GABA-Rezeptor]]en) kann ebenfalls zum Anfallsgeschehen beitragen. Elektrolytungleichgewichte aufgrund fortgesetzter Erregung hemmender GABA-verwendender Synapsen können diese zu erregenden Synapsen machen (Kandel, 2001). Die zentral hemmende Wirkung einiger [[Neuropeptid]]e, wie beispielsweise [[Neuropeptid Y]] und [[Galanin]], wird als körpereigener Mechanismus der Verhütung epileptischer Krämpfe diskutiert. Die Mechanismen, die dazu führen, dass aus einzelnen Krampfanfällen eine Epilepsie entsteht, sind weitaus komplexer und noch unbekannt. Da die Mehrzahl der Anfälle Einzelereignisse bleiben, scheinen sie nicht zwangsläufig epilepsieauslösende Veränderungen zu verursachen. Allerdings hat das tierexperimentelle Modell des „[[Kindling]]“ auch die Vorstellung zur Entstehung von Epilepsien beim Menschen geprägt. Unter ''Kindling'' versteht man einen dynamischen Vorgang, bei dem die wiederholte Ausübung elektrischer Reize, die noch nicht ausreichen, einen Anfall hervorzurufen, eine zunehmende Verstärkung der Anfallsbereitschaft hervorrufen, bis schließlich Krampfanfälle auftreten. Anschließend bleibt die erhöhte Empfindlichkeit gegenüber dem Reiz bestehen. Klinische Untersuchungen über den Abstand zwischen den Anfällen zu Beginn einer Epilepsie konnten aber zumindest nicht einheitlich zeigen, dass sich die Intervalle verkürzen, weil ein Anfall den nächsten bahnt. === Genetische Befunde bei Epilepsien === In einigen wenigen Fällen wurde durch Stammbäume und molekulargenetische Untersuchungen nicht nur ein Vererbungsmodus, sondern sogar ein Genort für die mutierten Gene festgestellt. Einen Überblick gibt die Tabelle. Als veränderte Genprodukte konnten zum Beispiel spannungsabhängige Kanäle für Natrium-Ionen oder Rezeptoren von Neurotransmittern identifiziert werden. {|border="1" cellspacing="0" cellpadding="5" |bgcolor=#00BFFF|'''Epilepsie''' |bgcolor=#00BFFF|'''Erbgang''' |bgcolor=#00BFFF|'''[[Genort]]''' |bgcolor=#00BFFF|'''Gen''' |- |bgcolor=#B0E2FF|benigne familiäre neonatale Krampfanfälle |bgcolor=#B0E2FF|autosomal dominant |bgcolor=#B0E2FF|20q<br />8q24 |bgcolor=#B0E2FF|KCNQ2<br />KCNQ3 |- |bgcolor=#87CEFF|benigne familiäre infantile Krampfanfälle |bgcolor=#87CEFF|autosomal dominant |bgcolor=#87CEFF|19q13 |bgcolor=#87CEFF|CHRNA4 |- |bgcolor=#B0E2FF|Absenceepilepsie des Kindesalters |bgcolor=#B0E2FF|komplex |bgcolor=#B0E2FF|8q24 |bgcolor=#B0E2FF|n. b. |- |bgcolor=#87CEFF|juvenile myoklonische Epilepsie |bgcolor=#87CEFF|komplex |bgcolor=#87CEFF|15q4<br />6p |bgcolor=#87CEFF|?CHRNA7<br />n. b. |- |bgcolor=#B0E2FF|nordisches Epilepsiesyndrom |bgcolor=#B0E2FF|autosomal rezessiv |bgcolor=#B0E2FF|8pter-p22 |bgcolor=#B0E2FF|n. b. |- |bgcolor=#87CEFF|generalisierte Epilepsie mit Fieberkrämpfen plus |bgcolor=#87CEFF|autosomal dominant |bgcolor=#87CEFF|19q13 |bgcolor=#87CEFF|SCN1B |- |bgcolor=#B0E2FF|benigne fokale Epilepsie mit zentro-temporalen Spikes |bgcolor=#B0E2FF|komplex |bgcolor=#B0E2FF|15q14 |bgcolor=#B0E2FF|n. b. |- |bgcolor=#87CEFF|autosomal dominante nächtliche Frontallappenepilepsie |bgcolor=#87CEFF|autosomal dominant |bgcolor=#87CEFF|20q13.2<br />15q24 |bgcolor=#87CEFF|CHRNA4<br />?CHRNA3/CHRN5/CHRN5 |- |bgcolor=#B0E2FF|familiäre Temporallappenepilepsie |bgcolor=#B0E2FF|autosomal dominant |bgcolor=#B0E2FF|10q22-q24 |bgcolor=#B0E2FF|LGI1 |- |} Außerdem können Epilepsien auch bei Krankheiten auftreten, denen eine Veränderung des Erbgutes zu Grunde liegt, bei denen das Anfallsleiden aber nur ein Symptom der Erkrankung ist. Beispiele hierfür sind die [[tuberöse Sklerose]] oder das [[Angelman-Syndrom]]. == Einteilung der Epilepsien == Die verschiedenen Formen der Epilepsien werden nach einer Klassifikation der Internationalen Liga gegen Epilepsie (ILAE) eingeteilt. === Lokalisationsbezogene Epilepsien und Syndrome === Bei dieser Form der Epilepsien – auch fokale, lokale, partielle oder herdförmige Epilepsie genannt – beschränkt sich die anfallsartige Entladung zumindest zu Beginn der Anfälle auf eine begrenzte Region der Hirnrinde, sie geht von einem Herd oder Fokus aus. Im Verlauf kann sich die Anfallsaktivität aber auch ausbreiten und schließlich die gesamte Hirnrinde erfassen. Dann spricht man auch von einem ''sekundär generalisierten'' Anfallsleiden. ==== Gutartige Epilepsie des Kindesalters mit zentro-temporalen Spikes ==== Diese Anfallsart wird auch Rolandi-Epilepsie oder [[Rolando-Epilepsie]] genannt. Sie ist durch schlafgebundene Anfälle mit tonischer Verkrampfung der Gesichtsmuskulatur, vermehrtem Speichelfluss und der Unfähigkeit zu sprachlichen Äußerungen verbunden. Die Sprechstörung kann auch nach Abklingen der Verkrampfung noch einige Minuten fortbestehen, was ein wegweisendes Symptom darstellt. Der Beginn liegt zwischen dem zweiten und zwölften Lebensjahr mit einem Erkrankungsgipfel zwischen dem fünften und neunten Lebensjahr. Im [[Elektroenzephalografie|EEG]] finden sich typische Veränderungen, sogenannte zentro-temporale [[Sharp wave]]s. Das „gutartige“ an diesen Epilepsien bezieht sich darauf, dass sie immer mit Abschluss der Pubertät ausheilen. Mit etwa 10-15 Prozent aller Epilepsien im Kindesalter stellen diese Epilepsien die häufigste Anfallsart im Kindesalter dar. ==== Epilepsie des Kindesalters mit occipitalen Paroxysmen ==== Diese Epilepsie (1981 erstmals von Gastaut beschrieben) ist wesentlich seltener als die vorbeschriebene. Sie ist durch Anfälle mit visuellen Symptomen, gefolgt von motorischen oder psychomotorischen Manifestationen charakterisiert. Das Elektro-Enzephalogramm (EEG) zeigt wiederholte epilepsietypische Entladungen in der Region des Hinterhauptlappens. Die betroffenen Kinder seien sonst normal entwickelt und die Anfälle würden im Erwachsenenalter verschwinden. ==== Primäre Leseepilepsie ==== Bei dieser speziellen Form werden die Anfälle durch –&nbsp;besonders lautes&nbsp;– Lesen ausgelöst. Auch andere sprachliche Aktivitäten können Anfälle auslösen. Diese äußern sich in Verkrampfungen der Kaumuskulatur und manchmal auch der Arme. Wenn der Reiz nicht unterbrochen wird, können sie sich auch zu generalisierten Anfällen ausweiten. Es besteht eine starke Vererblichkeit. Im Elektro-Enzephalogramm (EEG) finden sich epilepsietypische Veränderungen bevorzugt der linken Scheitel-Schläfenregion. Der Verlauf ist gutartig. Vermeidung der spezifischen Auslösereize stellt die Behandlung dar. Falls notwendig, ist auch eine medikamentöse Therapie möglich. ==== Symptomatische Epilepsien ==== Bei [[symptomatisch]]en Epilepsien stellen die Anfälle Symptome einer zugrundeliegenden Hirnschädigung dar. Diese Kategorie umfasst sehr unterschiedliche Krankheiten, deren Einordnung auf der [[Anatomie|anatomischen]] Lokalisation und den damit verbundenen Anfallsmerkmalen sowie anderen klinischen Merkmalen beruht. ===== Anhaltende Teilepilepsie des Kindesalters ===== Diese in der Fachsprache ''Epilepsia partialis continua'' genannte Form der Epilepsie besteht in Zuckungen einer Körperregion, die stunden- bis monatelang anhalten können. Durch gelegentliche Ausbreitung können sekundär andere Anfallsformen hinzutreten. Sie tritt in Assoziation mit unterschiedlichen Hirnschädigungen (unter anderem Durchblutungsstörungen, Neubildungen, Hirnschädigung durch Sauerstoffmangel unter der Geburt) auf. Die Zuckungen einzelner Muskeln sind therapieresistent. In manchen speziellen Fällen können epilepsie-chirurgische Maßnahmen die Anfälle reduzieren. ===== Schläfenlappenepilepsie ===== [[Datei:Gehirn lobi seitlich.png|thumb|Lappen (''Lobi'') des Großhirns (von lateral) {| class="wikitable" width="250" |bgcolor="#FFF68F"| |Frontallappen |- |bgcolor="#B4EEB4"| |Parietallappen |- |bgcolor="#B9D3EE"| |Temporallappen |- |bgcolor="#FFD39B"| |Occipitallappen |} ]] Bei dieser Form der Epilepsie (''Temporallappenepilepsie'') haben die Anfälle ihren Ursprung in definierten anatomischen Strukturen des [[Temporallappen|Schläfenlappens]], dem [[Hippocampus]], der Windung um den Hippocampus herum und dem Mandelkern. Sie stellt mit etwa 27 Prozent die häufigste Form der anatomisch klassifizierbaren lokalisationsbezogenen Epilepsien dar. [[Neuropathologie|Neuropathologisches]] Korrelat ist in der überwiegenden Zahl der Fälle die [[mesiale temporale Sklerose]]. Die Anfälle sind charakterisiert durch meist viszerale Auren mit Aufsteigen unangenehmer Gefühle aus der Magengegend. Sie werden gefolgt von herdförmigen Anfällen mit Bewusstseinsverlust, die sich in schmatzend-kauenden Mundbewegungen – welche die Reaktion der Patienten auf einen oft von ihnen beschriebenen „seltsamen Geschmack“ im Mund sind –, gefolgt von sich wiederholenden Handbewegungen, dann Umhergucken und schließlich Bewegungen des ganzen Körpers, äußern. Die medikamentöse Therapie ist bei Temporallappenepilepsien schwierig, nur etwa ein Viertel der Patienten wird anfallsfrei, bei einem weiteren Drittel wird zumindest eine Abnahme der Anfallshäufigkeit erreicht. In therapieresistenten Fällen stellt auch hier die Epilepsiechirurgie eine Möglichkeit dar. Sonderformen der Temporallappenepilepsie sind die [[transiente epileptische Amnesie]] (TEA) und die [[musikalische Epilepsie]]. ===== Stirnlappenepilepsie ===== In der Fachsprache heißen diese Epilepsien ''Frontallappenepilepsien''. Entsprechend der vielfältigen Funktionsbereiche des [[Frontallappen|Stirnlappens]] sind die von ihm ausgehenden Anfälle in ihrem Erscheinungsbild vielgestaltig. Es treten gewöhnlich kurz dauernde, vorwiegend schlafgebundene fokale klonische oder asymmetrisch tonische Anfälle, aber auch komplex ausgestaltete Automatismen bis hin zu Sprachäußerungen auf. Eine nur minimale oder ganz fehlende Verwirrtheit nach dem Anfall spricht ebenfalls für einen Ursprung im Frontallappen. Therapeutisch kommt auch bei den Frontallappenepilepsien nach einer medikamentösen Therapie die Epilepsiechirurgie in Frage, wenn eine definierte Läsion gefunden werden kann. ===== Scheitellappenepilepsie ===== Ihren Ursprung haben diese herdförmigen Anfälle im ''[[Parietallappen]]''. Charakteristisch für diese Form der Epilepsien sind so genannte sensorische Herdanfälle, die sich in Missempfindungen in Form von Taubheitsgefühl, Kribbeln oder Nadelstichen äußern. Eher selten kommt auch anfallsartiger brennender Schmerz, auch als Bauchschmerz oder Kopfschmerz oder einer ganzen Körperhälfte vor. Die Therapie entspricht der bei den anderen symptomatischen fokalen Epilepsien. Liegt eine umschriebene Schädigung des Scheitellappens als Ursache vor, sind die Ergebnisse des epilepsiechirurgischen Vorgehens gut. ===== Hinterhauptslappenepilepsie ===== Die Hinterhauptslappenepilepsie (''Okzipitallappenepilepsie'') stellt mit 5-10 Prozent aller symptomatischen fokalen Epilepsien die seltenste Form dar. Sie entspringen dem [[Okzipitallappen|Hinterhauptslappen]], wo auch die Sehrinde liegt. Typischerweise gehen die Anfälle mit visuellen Halluzinationen in Form anhaltender oder blitzender Flecken oder einfacher geometrischer Figuren, Blindheit und seltener tonischen oder klonischen Augenbewegungen einher. ==== Kryptogen ==== Epilepsiesyndrome mit herdförmigen Anfällen, für die keinerlei Ursache gefunden wird, werden als [[kryptogen]] kategorisiert. === Generalisierte Epilepsien und Syndrome === Bei generalisierten Anfällen ist immer von Anfang an die gesamte Hirnrinde von der elektrischen Anfallsaktivität betroffen. Diese Anfallsformen gehen daher auch im Regelfall mit einem Bewusstseinsverlust einher (Ausnahme ist die Juvenile myoklonische Epilepsie). Sie werden nochmals in sogenannte kleine (Petit-mal, frz. ''kleines Übel'') und große (Grand-mal, frz. ''großes Übel'') Anfälle unterschieden. ==== Idiopathisch ==== Der Begriff [[Idiopathie]] (v. griech.{{Polytonisch|ἴδιος}} „eigen“ und {{Polytonisch|πάθη}} „Leiden“) wird in Verbindung mit Krankheiten genutzt, die selbstständig entstehen. Bei einer idiopathischen Erkrankung existiert (noch) keine bekannte, beweisbare Ursache im Sinne einer Entstehung durch äußere Einflüsse (Umweltfaktoren), sondern vermutlich oder auch bereits nachgewiesenermaßen sind sie anlagebedingt (erblich). ===== Benigne familiäre Neugeborenenkrämpfe ===== Hierbei handelt sich um ein gutartiges ([[benigne]]s), seltenes, aber gut definiertes [[autosomal]] dominant vererbtes Krankheitsbild. Es wurden zwei [[Genlocus|Loci]] auf [[Chromosom 20 (Mensch)|Chromosom 20]] und auf [[Chromosom 8 (Mensch)|Chromosom 8]] identifiziert. Ein weiterer, noch nicht identifizierter existiert. Betroffen sind reifgeborene Neugeborene, die am zweiten oder dritten Lebenstag eine bis drei Minuten andauernde Anfälle mit Atemstillständen ([[Apnoe]]n), Augenbewegungen sowie tonischen und klonischen Äußerungen zeigen. Die Anfälle hören im Lauf der ersten sechs Lebensmonate auf. Die Kinder entwickeln sich altersentsprechend. ===== Benigne Neugeborenenkrämpfe ===== Dies ist eine sporadisch auftretende, nicht erblich bedingte Form von Krampfanfällen im Neugeborenenalter, die typischerweise am fünften Lebenstag (engl. ''fifth-day-fits'', Spannweite 3.-7. Lebenstag) auftreten. Sie äußern sich in klonischen Zuckungen und Atemstillständen, nie in tonischen Anfällen. Sie sind durch Medikamente kaum zu beeinflussen, hören aber spontan wieder auf und die Prognose ist gut. ===== Benigne myoklonische Epilepsie des Kleinkindalters ===== Die benigne myoklonische Epilepsie des Kleinkindesalters stellt mit etwa 0,2 Prozent aller Epilepsien im Kindesalter eine seltene Erkrankung dar. Es wird vermutet, dass es sich um eine frühe Verlaufsform der juvenilen myoklonischen Epilepsie handelt. Sie tritt im Alter zwischen vier Monaten und vier Jahren bei normal entwickelten Kindern auf und äußert sich ausschließlich in kurzen generalisierten [[Myoklonie]]n. Sie spricht gut auf eine medikamentöse Therapie an und hat dementsprechend eine gute Prognose. ===== Absence-Epilepsie des Kindesalters ===== Eine andere Bezeichnung ist ''pyknoleptische Absencen''. Diese Epilepsieform ist durch typische kurz (5 bis 15 Sekunden) dauernde Abwesenheitszustände (Absencen) mit Bewusstseinsverlust und Erinnerungslücke, die täglich einige bis mehrere hundert Male mit Beginn vor der Pubertät bei sonst unauffälligen Kindern auftreten. Im Verlauf können Grand-mal-Anfälle folgen. Familiäre Häufung, Zwillingsstudien und die Assoziation mit einem Genort auf Chromosom 8 weisen auf eine genetische Ursache dieses Syndroms hin. Die Diagnose wird durch typische Anfallsmuster im Elektro-Enzephalogramm (EEG) gestützt. Die Absencen lassen sich relativ gut medikamentös behandeln. Dementsprechend hat diese Epilepsie eine gute Prognose mit einem Rezidivrisiko von 20 Prozent. ===== Juvenile Absence-Epilepsie ===== Im Gegensatz zur vorigen Epilepsieform ist dieses Krankheitsbild auch als ''nicht-pyknoleptische Absencen'' bekannt. Auch die juvenile Absence-Epilepsie gehört zu den erblich bedingten generalisierten Epilepsien mit altersgebundener Manifestation. Der Beginn fällt zumeist mit dem Beginn der Pubertät zusammen und liegt im Gipfel bei 10-12 Jahren. Die Anfälle gleichen denen bei der Pyknolepsie, sind jedoch weniger häufig und dauern dafür etwas länger an. Etwa 80 Prozent der Patienten haben zusätzlich generalisierte, tonisch-klonische Anfälle (Grand mal), meist nach dem Aufwachen. Die medikamentöse Therapie ist nicht ganz so erfolgversprechend wie bei der Pyknolepsie und dementsprechend die Prognose etwas kritischer. ===== Juvenile myoklonische Epilepsie (Janz-Syndrom) ===== Die juvenile myoklonische Epilepsie ([[Dieter Janz|Janz]]-Syndrom), auch Impulsiv-Petit-mal-Epilepsie genannt, ist zu einem gewissen Teil erblich bedingt und manifestiert sich vor allem im Jugend und [[Adoleszenz|Adoleszentenalter]] (12-20 Jahre). Die myoklonischen Anfälle zeigen sich in plötzlichen, kurzen, meist bilateral symmetrisch Muskelzuckungen der Schultern und Arme, die vom Patienten bewusst als „ein elektrischer Schlag“ wahrgenommen werden. Sie treten einzeln oder unregelmäßig wiederholt vor allem in den Morgenstunden auf und sind von stark wechselnder Stärke. Das Bewusstsein bleibt bei dieser Form von Anfällen erhalten. Bei bis zu 95 Prozent der Patienten kommt es im weiteren Verlauf der Krankheit nach Monaten bis Jahren zudem zu generalisiert tonisch-klonischen Krämpfen.<ref>Delgado-Escueta und Enrile-Bacsal (1984): Neurology; 34: 285-294</ref> Weniger häufig (15-40 Prozent der Patienten) treten Absencen auf. Neben der pharmakologischen Therapie muss die Vermeidung oder Reduktion von anfallsauslösenden Faktoren (Ermüdung/Schlafentzug, Alkoholgenuss) gewährleistet sein. ===== Aufwach-Grand-mal-Epilepsie ===== Diese ebenfalls zu den genetisch bedingten Epilepsien gehörende Form manifestiert sich mit einem Häufigkeitsgipfel um das 17. Lebensjahr (Spannweite 14 bis 24). Es treten generalisierte tonisch-klonische Krampfanfälle ohne Aura ausschließlich oder überwiegend in den ersten Stunden nach dem Aufwachen auf. Seltener auch im Anschluss an die aktive Tagesphase bei Entspannung als „Feierabend-Grand-mal“. Neben der Vermeidung von Auslösefaktoren gründet sich die Therapie auf die Gabe eines anfallsdämpfenden Medikaments (unter anderem [[Valproinsäure]]). Die Prognose ist umso günstiger, je jünger die Patienten bei Erkrankungsbeginn sind. ==== Andere generalisierte Epilepsien ==== ===== Epilepsien mit spezifisch ausgelösten Anfällen ===== Bei diesen Epilepsien werden tonisch-klonische Anfälle als Antwort auf spezifische, gut abgrenzbare Reize ausgelöst. Daher heißen sie auch ''Reflexepilepsien''. Sie sind überwiegend idiopathisch. In seltenen Fällen von symptomatischen Reflexepilepsien treten auch fokale Anfälle auf. Zu den auslösenden Reizen gehören überwiegend Flickerlicht und andere visuelle Reize (siehe [[Photosensibilität]]). Diese seltene Form der Epilepsie liegt vor, wenn Anfälle durch Fernsehen oder Videospiele ausgelöst werden. Bildschirme können durch Hell-Dunkel-Wechsel, durch wechselnde Farbkombinationen und durch Muster bei empfänglichen Menschen epileptische Anfälle provozieren. Durch sehr schnelle Farb- und Hell-Dunkel-Wechsel löste 1997 in Japan die Kindersendung [[Pokémon|Pocket Monsters]] bei über 600 Zuschauern ohne epileptische Vorgeschichte, zumeist Kindern, epileptische Reaktionen aus, so dass 200 von ihnen im Krankenhaus übernachten mussten. Ähnliche Wirkungen sind bei [[Computerspiel]]en möglich. In vielen [[Handbuch|Handbüchern]] zu Computerspielen findet sich daher an prominenter Stelle eine [[Epilepsiewarnung]]. ==== Kryptogen oder symptomatisch ==== ===== West-Syndrom ===== Beim [[West-Syndrom]], auch Epilepsie mit ''Blitz-, Nick-, Salaam-Krämpfen (BNS-Anfall)'' genannt, handelt es sich um eine altersgebunden auftretende generalisierte Epilepsie, die fast immer im Säuglingsalter mit Serien von 2 bis 150 kurzdauernden Anfällen beginnt und mit einem typischen Muster im Elektro-Enzephalogramm (EEG), der sogenannten ''[[Hypsarrythmie]]'' einhergeht. Die Prognose ist hinsichtlich der insbesondere [[kognitiv]]en Entwicklung auch bei erfolgreicher medikamentöser Therapie meist ungünstig, wobei dies in der Regel auf bestehende hirnorganische Schädigungen zurückzuführen ist und nicht auf die epileptischen Anfälle selbst. ===== Lennox-Gastaut-Syndrom ===== Das [[Lennox-Gastaut-Syndrom]] ist eine der schwersten Epilepsien des Kindes- und Jugendalters. Es ist durch häufiges Auftreten von verschiedenen generalisierten Anfallsformen, insbesondere von tonischen Sturzanfällen charakterisiert. Es besteht meist eine Therapieresistenz und die Patienten haben meist mittelschwere bis schwere [[kognitiv]]e Defizite. Die Abgrenzung gegen andere Epilepsiesyndrome ist allerdings häufig schwierig. ===== Epilepsie mit myoklonisch astatischen Anfällen ===== Die myoklonisch-astatische Epilepsie, auch [[Hermann Doose|Doose]]-Syndrom genannt, beginnt zumeist in den ersten fünf Lebensjahren. Neben den namengebenden astatischen Sturzanfällen durch plötzlichen Verlust der Spannung der Muskulatur, meist eingeleitet von kurzen Zuckungen können auch Absencen und generalisierte tonisch-klonische Anfälle auftreten. Die Patienten sprechen unterschiedlich gut auf die medikamentöse Therapie an und die Prognose kann bei mit häufigen generalisierten tonisch-klonischen Anfällen getrübt sein. ===== Epilepsie mit myoklonischen Absencen ===== Hierbei handelt es sich um eine spezielle Epilepsie des Kindesalters, bei dem ausschließlich oder überwiegend Absencen auftreten, die von stark ausgeprägten, rhythmischen und beidseitigen Zuckungen vor allem der Schultern und Arme, weniger der Beine, begleitet werden. Im Elektro-Enzephalogramm (EEG) finden sich die auch bei den übrigen Absence-Epilepsien typischen Anfallsmuster. Bei fast der Hälfte der Kinder ist schon vor Beginn der Epilepsie eine geistige Entwicklungsstörung vorhanden. Da ein beträchtlicher Teil der Kinder nicht anfallsfrei wird, kommen im Verlauf der Erkrankung noch etwa ein Viertel dazu. Sprechen die Absencen jedoch rasch und anhaltend auf die Therapie an, bleibt die Intelligenz erhalten. ==== Symptomatisch ==== Diesen Epilepsien liegt eine nachgewiesene Hirnschädigung zurückliegender [Zustand nach Infektion des Zentralnervensystem, Schädel-Hirn-Trauma, Gefäßerkrankung des Gehirns) oder fortschreitender (Stoffwechselerkrankungen mit Beteiligung des Zentralnervensystems, Tumoren des Zentralnervensystems ([[Hirntumor|primärer Hirntumor]], [[Hirnmetastase]]), chronische Infektion des Zentralnervensystems] Art zugrunde. === Epilepsien und Syndrome, die nicht als lokalisationsbezogen oder generalisiert bestimmbar sind === ==== Neugeborenenkrämpfe ==== Hiervon spricht man bei streng auf die ersten vier Lebenswochen beschränkten Anfällen, die in den allermeisten Fällen auf eine Schädigung des Gehirns, zum Beispiel durch Infektion, vorübergehenden Sauerstoffmangel oder Unterzuckerung zurückzuführen und somit symptomatischer Natur sind. ==== Schwere myoklonische Epilepsie des Kindesalters / Dravet-Syndrom ==== Das [[Dravet-Syndrom]] ist extrem selten. Es beginnt bei sonst gesunden Kindern im ersten Lebensjahr mit häufig wiederkehrenden, generalisierten oder halbseitigen Anfällen mit und ohne Fieber, die eher einen verlängerten Verlauf haben. Im zweiten bis dritten Lebensjahr treten einzelne oder kurze Serien (zwei bis drei Abfolgen) von Zuckungen vor allem der Rumpfmuskulatur von sehr unterschiedlicher Stärke auf. Die Therapie ist schwierig und die Prognose dementsprechend schlecht. ==== Epilepsie mit anhaltenden spike-wave-Entladungen im synchronisierten Schlaf ==== Das Besondere an diesem Epilepsiesyndrom ist das Auftreten von durchgehenden generalisierten epilepsietypischen Entladungen im Elektro-Enzephalogramm (EEG) während des gesamten sogenannten synchronisierten [[Schlaf]]es. In Verbindung hiermit kommt es bei den Kindern zu einem geistigen Abbau sowie einer erheblichen Beeinträchtigung der Sprache und der zeitlichen und räumlichen Orientierung. Es treten häufige und vielfältige Anfälle (einseitige fokale motorische Anfälle, atypische Absencen, atonische Anfälle mit Stürzen, generalisierte tonisch-klonische Anfälle – aber nie tonische Anfälle) mit Beginn im Alter von vier Jahren (im Mittel) auf. ==== Aphasie-Epilepsie-Syndrom ==== Das Aphasie-Epilepsie-Syndrom ist auch unter der Bezeichnung Landau-Kleffner-Syndrom bekannt. In der ILAE-Klassifikation wird dieses Syndrom von der Epilepsie mit anhaltenden spike-wave-Entladungen im synchronisierten Schlaf getrennt, obwohl vermutet wird, dass beide Syndrome wahrscheinlich nur unterschiedliche Erscheinungsformen ein und derselben Krankheit sind. Allerdings tritt hierbei bei der Mehrzahl der Fälle im Alter von drei bis acht Jahren ein Verlust der Sprachfähigkeit ([[Aphasie]]) als erstes Symptom auf. Bei etwa 40 Prozent der Kinder äußert sich die Erkrankung zuerst in unterschiedlichen epileptischen Anfällen. Die Prognose ist bezüglich der Anfälle gut, bezogen auf die Sprachfunktion aber durchaus kritisch. === Spezielle Syndrome === ==== Gelegenheitsanfälle ==== ===== Fieberkrämpfe ===== Unter [[Fieberkrampf|Fieberkrämpfen]] versteht man, an fieberhafte Infekte gebundene, meist generalisierte tonisch-klonische Anfälle im Kindesalter zwischen einem halben und sechs Jahren. Sie sind immer harmlos, bleiben in zwei Drittel der Fälle ein einmaliges Ereignis und gehen auch im Wiederholungsfall nicht mit einem erhöhten Risiko für die Entwicklung einer Epilepsie einher. ===== Isolierte Anfälle ===== Einzelne Krampfanfälle ohne erkennbare Provokation (wie beispielsweise Alkohol, andere Drogen, Schlafentzug, akute Erkrankungen, Schädel-Hirn-Verletzung) fallen entsprechend der ILAE-Klassifikation ebenfalls unter die sogenannten Gelegenheitsanfälle. Definitionsgemäß liegt hierbei aber noch keine Epilepsie vor. ===== Ausschließlich bei akuten Ereignissen auftretende Anfälle ===== Zu den möglichen Auslösern gehören beispielsweise [[Alkohol]](entzug), [[Droge]]n, [[Eklampsie|Schwangerschaftsvergiftung]], [[Schlaf]]mangel, akute [[Infektion]]en des Zentralnervensystems oder Schädel-Hirn-Verletzungen. Diese Anfälle zählen auch bei wiederholtem Auftreten zu den Gelegenheitsanfällen und begründen nicht die Diagnose einer Epilepsie. == Komplikationen == Epileptische Anfälle können mit einer Reihe von Komplikationen verbunden sein, von denen die wichtigsten sind: * Verletzungen oder Schädigungen, die während des Anfalles direkt durch die Muskelkontraktionen eintreten. Hierzu gehören nicht selten Wirbelbrüche durch extreme Anspannung der Rückenmuskulatur, Platzwunden, Schnittwunden, Risswunden, Bisswunden. * Verletzungen durch anfallsbedingte Unfälle, wie zum Beispiel das Fallen von einer Leiter, Unfälle im Straßenverkehr oder Ertrinkungsunfälle. * Zunehmende Schädigung des Gehirns durch zu hohe Konzentrationen von während der Anfälle ausgeschütteten Neurotransmittern, „Bahnung“ der Epilepsie. Ein zu großer Anstieg der Konzentration von Kalzium in den Nervenzellen soll für die Schädigung verantwortlich sein. == Diagnostik == * An erster Stelle steht, wie bei allen anderen Erkrankungen auch, die Erhebung der Krankengeschichte ([[Anamnese (Medizin)|Anamnese]]). Bei Epilepsie-Patienten sollte hierbei neben dem familiären Auftreten von Epilepsien und anderen Erkrankungen des Nervensystems besonderes Augenmerk auf Vorerkrankungen gerichtet sein, die möglicherweise eine symptomatische Epilepsie verursachen. Dazu gehören Störungen und Risiken in der Schwangerschaft, Probleme unter der Geburt, die zu einem Sauerstoffmangel führen, Unfälle mit [[Schädel-Hirn-Trauma]] oder entzündliche Erkrankungen des Zentralnervensystems. * Darauf folgt die körperliche Untersuchung insbesondere des Nervensystems mit Untersuchung von Kraft, Gefühl (Sensibilität), Reflexen, Hirnnervenfunktion, Gleichgewicht und Koordination. * Laboruntersuchungen aus dem Blut dienen zum einen dem Erkennen von möglichen Ursachen symptomatischer epileptischer Anfälle (wie Unterzuckerung oder Mineralstoffmangel). Zum anderen überwacht der behandelnde Arzt unter einer medikamentösen Therapie die Menge des Medikamentes im Blut (''Medikamentenspiegel'' oder ''Therapiespiegel'') wie auch mögliche Nebenwirkungen (Blutbild mit Blutplättchen, Leberenzyme, Nierenfunktion, Blutgerinnung, Calcium-Phosphat-Stoffwechsel). [[Datei:Spike-waves.png|thumb|right|250px|Für eine Absence-Epilepsie typisches Anfallsmuster im EEG]] * Durch eine [[Elektroenzephalografie]] (EEG) kann die Bereitschaft des Gehirns zu epileptischen Entladungen direkt angezeigt werden. Dazu bekommt der Patient eine Art Kappe mit Elektroden in definierten Abständen aufgesetzt, von denen über einen Wechselspannungsverstärker die elektrische Oberflächenaktivität der Hirnrinde abgeleitet wird. Zur routinemäßigen Ableitung bei der Fragestellung nach einer Epilepsie gehört die Aktivierung mit [[Hyperventilation]] und [[Photostimulation]]. Im Rahmen der Erstdiagnostik dient das EEG vor allem der Einordnung des Anfalls bzw. der Epilepsie und der Lokalisation des Herdes bei herdförmigen Anfällen. Bei speziellen Fragestellungen können auch Langzeitableitungen (beispielsweise über 24 Stunden, ''Langzeit-EEG'') oder Ableitungen mit gleichzeitiger paralleler Videoaufzeichnung des Patienten (''Video-Doppelbild-EEG'') durchgeführt werden. * Dagegen leitet die [[Magnetoenzephalographie]] (MEG) die magnetische Aktivität des Gehirns mit hoher zeitlicher und räumlicher Auflösung ab. Es handelt sich hierbei aber um eine sehr aufwändige, teure und neue Methode, die vor allem der exakten Lokalisation von epilepsieauslösenden Hirnarealen dient. * Die cerebrale [[Computertomografie]] (CCT) ist eine spezielle Röntgenschichtuntersuchung und war das erste bildgebende Verfahren, mit dem auslösende gröbere Veränderungen am Hirngewebe gefunden werden konnten. Seine Vorteile liegen in der schnellen Verfügbarkeit und der Wirtschaftlichkeit. Da seine Auflösung der Gewebeveränderungen am Gehirn aber anderen Methoden unterlegen ist, hat sie auch wegen der mit ihr verbunden Strahlenbelastung an Bedeutung verloren. [[Datei:MRI head side.jpg|frame|right|MRT-Aufnahme]] * In der [[Magnetresonanztomografie]] (MRT oder MRI) werden die Bilder durch wechselnde, starke Magnetfelder erzeugt. Die Darstellung hat eine deutlich höhere Auflösung und einen besseren Kontrast zwischen grauer und weißer Substanz. Für spezielle Fragestellungen insbesondere in der prächirurgischen Diagnostik steht die [[funktionelle Magnetresonanztomografie]] (fMRI) zur Verfügung, mit der spezielle Hirnfunktionen den zugehörigen Rindenarealen zugeordnet werden kann. * Bei Neugeborenen und Säuglingen kann auch durch eine [[Sonografie|Ultraschalluntersuchung]] des Gehirns durch die offene [[Fontanelle]] Hinweise auf anatomische Abweichungen gewonnen werden. * Mit [[Positronen-Emissionstomografie]] (PET), Flumazenil-PET und [[Single Photon Emission Computed Tomography]] (SPECT) stehen weitere Spezialverfahren zur Verfügung mit denen vor allem epilepsieauslösende Herde genau lokalisiert und im Falle prächirurgischer Diagnostik neurologische Ausfälle durch die Operation abgeschätzt werden können. === Differentialdiagnose === Die wichtigste Differentialdiagnose epileptischer Anfälle sind psychogene nicht-epileptische Anfälle. Sie werden auch dissoziative Anfälle genannt und können epileptischen Anfällen ähnlich sehen. Eine sichere Unterscheidung ist oft nur durch eine Langzeit-Video-EEG-Aufzeichnung möglich. Psychogene Anfälle sind nicht organisch (durch eine Funktionsstörung im Gehirn), sondern seelisch bedingt. Ursächlich kann beispielsweise eine [[Depression]], eine [[Angststörung]] oder eine [[Posttraumatische Belastungsstörung|PTSD / PTBS (posttraumatische Belastungsstörung)]] sein. Nicht selten finden sich in der Lebensgeschichte traumatische Erlebnisse wie etwa sexueller Missbrauch. Diese Anfälle sind nicht simuliert (vorgetäuscht). Sie erfordern eine psychiatrische medikamentöse Therapie oder eine Psychotherapie, oft auch beides. Eine Behandlung mit Antiepileptika ist sinnlos. Weitere [[Differentialdiagnose]]n epileptischer Anfälle sind Erkrankungen, die mit plötzlicher [[Bewusstlosigkeit]] oder Sturz einhergehen: [[Synkope (Medizin)|Synkopen]] (Kreislaufregulationsstörungen), [[Herzrhythmusstörung]]en, zu [[Hypoglykämie|niedriger Blutzuckerspiegel]] und andere, seltenere Erkrankungen. Grand mal-Anfälle, also epileptische Anfälle, können auch im Alkoholentzug, bei Vergiftungen, bei Fieber oder in der Schwangerschaft auftreten. Hierbei liegt keine Epilepsie vor; es ist die Grunderkrankung zu behandeln. Verwirrtheitszustände mit Desorientiertheit, Fehlhandlungen, Verhaltensauffälligkeiten bis hin zu aggressivem Verhalten treten bei manchen Menschen nach einem Anfall auf. Sie können mit psychiatrischen Erkrankungen ([[Delir]], [[Psychose]]) verwechselt werden, insbesondere bei alten Menschen, oder wenn der epileptische Anfall nicht beobachtet wurde. Schließlich kann eine [[Migräne]], die sich ausschließlich in einer [[Migräneaura]] äußert, leicht mit einer Epilepsie, die ebenfalls nur mit Auren einhergeht, verwechselt werden. === Neuropsychologie in der Epilepsiediagnostik === Die neuropsychologische Diagnostik bei Epilepsiepatienten, das heißt die Untersuchung verschiedener kognitiver Funktionen wie etwa der Konzentration, der unmittelbaren Merkfähigkeit oder der mittelfristigen Gedächtnisleistungen, der basalen oder höheren Sprachleistungen etc. erfolgt zur Beantwortung mehrerer Fragestellungen: Während früher Fragen der Lateralisation und der Lokalisation der Epilepsie im Vordergrund standen, interessieren heute durch die großen Fortschritte im Bereich der strukturellen und funktionellen Bildgebung mehr Fragen der funktionellen Beeinträchtigung kognitiver Leistungen durch die Epilepsie selbst bzw. deren somatischen Grundlage, unerwünschte Effekte der medikamentösen Behandlung oder das Risiko kognitiver Einbußen durch einen eventuellen epilepsiechirurgischen Eingriff. Diese Aufgaben der Neuropsychologie lassen sich letztendlich unter dem Stichwort der Qualitätskontrolle, das heißt der Beurteilung der Vertretbarkeit und Verträglichkeit einer gewählten Therapiemethode recht gut zusammenfassen. Zusätzlich beantwortet werden sollen auch Fragen nach der alltagsrelevanz epilepsieassoziierter kognitiver Störungen beispielsweise auf die schulische Leistungsfähigkeit oder den Beruf und dienen auch zur Feststellung der Notwendigkeit der Durchführung einer rehabilitativen Maßnahme und wiederum auch deren Validierung. Üblicherweise erfolgen viele Tests noch mit Papier und Stift, einige Verfahren sind heute aber auch schon als computergestützte Testverfahren erhältlich. Zusätzlich wird in den spezialisierten Zentren immer häufiger auch auf die Methode der funktionellen Bildgebung wie etwa der [[FMRI|funktionellen Magnet-Resonanz-Tomographie]] zur Lateralsiation der hemispheriellen Sprachdominanz zurückgegriffen. Bei Unklarheiten in der Interpretation der Ergebnisse resultiert unter Umständen die Notwendigkeit zur Durchführung des invasiven intra-carotidalen Amobarbitaltests (auch [[Wada-Test]] genannt), der über die temporäre Narkotisierung einer Hirnhemisphäre eine recht zuverlässige Aussage über die Hemisphärenlateralisierung für Sprache erlaubt. Ziel dieser Verfahren ist es, die Risiken bei einem epilepsiechirurgischen Eingriff für weitere kognitive Einbußen möglichst gering zu halten. Weitere Aufgaben der Neuropsychologie betreffen auch die kurz-, mittel- und langfristigen psycho-sozialen Folgen, die eine chronische Erkrankung wie Epilepsie auf das Leben der Betroffen hat. Anhand von mehr oder weniger standardisierten Fragebögen und Interviews versucht man, diese Effekte zu erfassen. Letztendlich müssen sich auch die unterschiedlichen Therapiemethoden an ihren Auswirkungen auf die psycho-soziale Entwicklung der Patienten bezüglich ihrer Wirksamkeit messen lassen. == Behandlung == Ziel der Behandlung bei Epilepsien ist die völlige Anfallsfreiheit mit möglichst wenigen oder ohne Nebenwirkungen. Bei Kindern soll durch die Therapie darüber hinaus eine unbeeinträchtigte Entwicklung gewährleistet werden. Allen Patienten soll eine Lebensform ermöglicht werden, die den Fähigkeiten und Begabungen gerecht wird. Dabei ist zwischen der Akutbehandlung eines epileptischen Anfalls und der Dauerbehandlung zu unterscheiden. Diese Therapieziele werden in erster Linie durch eine geeignete Pharmakotherapie erreicht. Mit Hilfe einer Monotherapie mit [[Valproinsäure]], [[Carbamazepin]] oder einem anderen Antiepileptikum gelingt es in circa zwei Drittel der Fälle, die Anfälle zu kontrollieren. Bei den übrigen Patienten spricht man von einer pharmakoresistenten Epilepsie. Der zusätzliche Einsatz weiterer Antiepileptika (Add-On-Therapie) führt bei pharmakoresistenten Epileptikern (etwa 10 Prozent) zwar nur selten zur dauerhaften Anfallsfreiheit, jedoch sind Teilerfolge, wie etwa eine reduzierte Anfallsfrequenz oder mildere Anfallsformen, erzielbar. Bei pharmakoresistenten Epileptikern sollte ebenfalls frühzeitig geprüft werden, ob sie geeignete Kandidaten für einen epilepsiechirurgischen Eingriff sind. Die Epilepsiechirurgie kann mittlerweile –&nbsp;bei pharmakoresistenten fokalen Epilepsien&nbsp;– die Epilepsie „heilen“, wenn das epileptogene Areal im Hirn genau identifiziert werden kann und operabel ist. Die Chance auf Anfallsfreiheit durch einen epilepsiechirurgischen Eingriff liegt je nach Befundkonstellation bei 50-80 Prozent. Zu einem umfassenden Behandlungskonzept gehören auch eine Aufklärung und Beratung bis hin zur Patientenschulung, die Anleitung zur Anfallsdokumentation gegebenenfalls durch Führen eines Anfallstagebuchs und Hilfen zur Integration in Familie, Schule, Beruf und Gesellschaft. Gesellschaftlich wird hierbei eine offene Auseinandersetzung empfohlen, die auf Respekt beruht. === Akutbehandlung === Die meisten epileptischen Anfälle enden spätestens nach wenigen Minuten von selbst. Je nach Art des Anfalles kann sich der Betroffene dennoch durch Stürze oder – beispielsweise während einer Phase von Zuckungen oder durch Handlungen im Zustand einer Bewusstseinstrübung – an Gegenständen in seiner Umgebung verletzen. Durch Aussetzen der Schutzreflexe kann es auch zu [[Aspiration]] von Essen, Mageninhalt oder – bei Badenden – großer Mengen Wasser kommen. Insbesondere Grand-mal-Anfälle führen durch ineffektive Atmung zu akutem Sauerstoffmangel, der das Gehirn eines Epileptikers noch weiter schädigen kann. Diese Gefahr ist um so größer, je länger die Anfälle ohne zwischenzeitliches Erwachen anhalten. ([[Status Epilepticus]]) ==== Erste Hilfe ==== Vorrangig ist dafür zu sorgen, dass der krampfende Hirnschädigung sich im Stadium der Bewusstseinstrübung nicht zusätzliche Schäden zuzieht: * vor Gefahren abschirmen ** gefährliche Gegenstände außer Reichweite bringen ** Absturzkanten versperren (z. B. im Treppenhaus) ** Straßenverkehr ableiten oder anhalten * Das früher verbreitete Einführen eines Beißkeils ist heutzutage verboten, da es zusätzliche Verletzungen bewirken und außerdem das Abklingen des Anfalls verzögern kann. * Ebenso soll man Krampfende nicht festhalten, ausgenommen Badende, deren Kopf über Wasser zu halten ist, bzw. die aus dem Badegewässer zu bergen sind. Schäden durch Sauerstoffmangel vermeiden: Außer in dem Fall, dass Angehörige oder Betreuer eines Epileptikers über die Möglichkeit zur Akutbehandlung verfügen, ist unbedingt ein [[Notarzt]] zu rufen, der durch Injektion von Medikamenten einen länger anhaltenden Anfall beenden und kurzfristige Folgeanfälle verhindern kann. Auch verfügt der Notarzt über Gerätschaften, um aspirierte Substanzen aus den Atemwegen zu entfernen. Darum ist der Notarzt nicht unnötig gekommen, wenn, wie oft der Fall, der Anfall bei seinem Eintreffen gerade abgeklungen ist. Grundsätzlich ist es für die behandelnden Ärzte hilfreich, wenn der Anfallsverlauf genau beobachtet und seine Dauer notiert wird, da ihm dies die genaue Diagnosestellung und Behandlung erleichtert. ==== Bei bekannter Epilepsie ==== Ein [[Epilepsiehelm]] schützt vor Kopfverletzungen. Menschen, bei denen selbst oder bei ihren Angehörigen eine schwere Form der Epilepsie bekannt ist, führen in der Regel ein ärztlich verordnetes Notfallmedikament mit sich, das bei Bedarf von jeder darin geübten Person verabreicht werden kann. Es handelt sich hierbei um Tropfen, die je nach Darreichungsform entweder in die Wangentasche gegeben oder in Form eines [[Klistier|Mikroklistiers]] in den Enddarm eingeführt werden. Der akute epileptische Anfall kann durch diese Gabe von [[Antikonvulsivum|Antikonvulsiva]] aus der Gruppe der [[Benzodiazepin]]e in den meisten Fällen unterbrochen werden. Es haben sich insbesondere [[Lorazepam]], [[Diazepam]], [[Clonazepam]], [[Midazolam]] und [[Nitrazepam]] in der Akuttherapie etabliert, wobei Lorazepam die längste antikonvulsive Wirkung hat, bei gleichzeitig geringerer sedierender Wirkung als die anderen Substanzen. Jedoch ist die Wirksamkeit und Verträglichkeit jener Medikamente individuell unterschiedlich. Für die Dauerbehandlung werden diese Arzneistoffe nur in Ausnahmefällen eingesetzt, da sie bei regelmäßiger Einnahme insbesondere zu einer psychischen [[Abhängigkeit (Medizin)|Abhängigkeit]] führen können. === Dauerbehandlung === Zur Vorbeugung epileptischer Anfälle haben sich in erster Linie [[Valproinsäure]], [[Carbamazepin]] und sein [[Ketone|Ketoanalog]] [[Oxcarbazepin]] etabliert. Carbamazepin gilt dabei als Mittel der Wahl zur Dauerbehandlung fokaler Anfälle, während Valproinsäure bei der Dauerbehandlung primär generalisierter Anfälle bevorzugt wird. Als Monotherapeutika stehen darüber hinaus die klassischen Antiepileptika [[Phenytoin]], [[Phenobarbital]] und [[Primidon]] mit allerdings recht ungünstigem Nebenwirkungsprofil zur Verfügung. Von den modernen Antiepileptika haben auch [[Lamotrigin]], [[Topiramat]] und [[Levetiracetam]] Zulassungen zur Monotherapie. Eine spezielle Gruppe von Epilepsien des Kindesalters, die benignen idiopathischen Partialepilepsien, werden bevorzugt mit [[Sultiam]] behandelt. Ihre Effekte erzielen diese [[Arzneistoff]]e über eine Erhöhung der Reizschwelle durch Hemmung von Natrium-Ionenkanälen (Valproinsäure, Carbamazepin, Oxcarbazepin und Phenytoin) oder durch eine Aktivierung von [[GABA-Rezeptor]]en (Phenobarbital und sein [[Prodrug]] Primidon) im Zentralnervensystem. Die Zahl der Patienten, die nicht compliant sind, ist in der [[Neurologie]] besonders hoch. <ref>Psychiatrische Praxis, Bd. 36, S. 258, 2009</ref> Bei Patienten mit Epilepsie liege die Rate der Medikamentenverweigerer bei 50 Prozent. <ref>Psychiatrische Praxis, Bd. 36, S. 258, 2009, zitiert nach SZ, 26. Januar 2010, S. 16</ref> Jede zweite Einweisung ließe sich verhindern, wenn Patienten ihre Medikamente nicht eigenmächtig absetzen würden. <ref>Psychiatrische Praxis, Bd. 36, S. 258, 2009, zitiert nach SZ, 26. Januar 2010, S. 16</ref> Da die Monotherapie epileptischer Erkrankungen bei einem Teil der Patienten nicht zu einem befriedigenden Ergebnis führt, kann eine Therapie unter Verwendung eines Zusatztherapeutikums mit einem ergänzenden Wirkmechanismus erwogen werden. Als Zusatztherapeutika haben sich die GABA-Analoga [[Gabapentin]], [[Tiagabin]] und [[Vigabatrin]], welche die GABA-Konzentration im Gehirn erhöhen, etabliert. Alternativ stehen die Ionenkanal hemmenden Suximide [[Mesuximid]] und [[Ethosuximid]], [[Lamotrigin]], [[Levetiracetam]], [[Felbamat]] und [[Topiramat]] zur Verfügung. Nach längerer Zeit der Anfallsfreiheit –&nbsp;wenigstens zwei Jahre&nbsp;– kann in Abhängigkeit vom Risiko des Wiederauftretens von Anfällen und den möglichen psychosozialen Auswirkungen erneut auftretender Anfälle einerseits und den wahrgenommenen Beeinträchtigungen durch die Therapie andererseits auch ein ausschleichendes Beendigen der medikamentösen Therapie erwogen werden. Zahlreiche Studien haben das Risiko des Wiederauftretens von Anfällen nach Beendigung der Medikamenten-Behandlung untersucht. Zusammengefasst besteht eine Chance von etwa 70 Prozent für eine dauerhafte Anfallsfreiheit ohne Medikamente wenn * eine Anfallsfreiheit von zwei bis fünf Jahren bestand, * nur ein Anfallstyp bestand, * eine normale Intelligenz und ein normaler neurologischer Befund besteht und * sich das Elektroenzephalogramm unter der Therapie normalisiert hat. === Sonstige Methoden der Epilepsiebehandlung === ==== Alternative pharmakologische Maßnahmen ==== Neben den im eigentlichen Sinne krampfunterdrückenden Arzneistoffen gibt es für verschiedene schwer behandelbare Epilepsien noch weitere medikamentöse Behandlungsansätze. Beim West-Syndrom hat sich die Behandlung mit ''[[ACTH]]'' (adrencorticotropes Hormon aus der Hirnanhangdrüse, das die [[Nebenniere]]n zu vermehrter Produktion von [[Cortison]] stimuliert) oder [[Corticosteroid]]en direkt als wirksam erwiesen. Diese nebenwirkungsreiche Behandlung (unter anderem Bluthochdruck, Verdickung der Herzmuskulatur mit eingeschränkter Pumpfunktion, Nierenverkalkung, [[Diabetes mellitus]]) wird auch beim Landau-Kleffner-Syndrom, der myoklonisch astatischen Epilepsie und dem Lennox-Gastaut-Syndrom mit unterschiedlichen Erfolgsaussichten eingesetzt. Die Beobachtung, dass bei epilepsiekranken Kindern mit Heuschnupfen eine Injektion von ''[[Immunglobulin]]en'' zu einer Verbesserung des Anfallsleidens führte, hat dazu geführt, auch diese systematisch anzuwenden. Warum Immunglobuline bei Epilepsie überhaupt wirksam sind, ist noch unklar. Auch fehlen noch Kriterien, die bei der Vorhersage helfen, bei welchen therapieschwierigen Epilepsien diese Therapie erfolgversprechend ist. Eine Übersichtsarbeit, die 24 Studien zusammenfasste, konnte bei erheblich unterschiedlicher Behandlungsdauer und Dosierung in den einzelnen Behandlungen insgesamt eine Anfallsfreiheit von etwa 20 Prozent und ein Reduktion der Anfallshäufigkeit von etwa 50 Prozent zeigen. ==== Ketogene Diät ==== Ausgehend von der seit Jahrhunderten bekannten Erfahrung, dass bei Menschen mit Epilepsie ''[[Fasten]]'' vorübergehend zu einer Anfallsfreiheit führte, wurde seit 1921 mit einer Diät mit sehr hohem Fett- und geringem Kohlenhydrat- und Eiweißanteil zur Erzeugung einer anhaltenden Stoffwechsellage mit überwiegender Fettverbrennung und Bildung von [[Ketone|Ketonkörpern]] (Ketose) der [[Biochemie|biochemische]] Effekt des Fastens imitiert. Diese sogenannte ''[[ketogene Diät]]'' erwies sich bei Epilepsiepatienten als effektiv. Der genaue Wirkmechanismus ist dabei bis heute nicht geklärt. Zahlreiche Studien konnten aber zeigen, dass etwa ein Drittel der behandelten Patienten anfallsfrei werden und etwa ein weiteres Drittel eine deutliche Reduktion der Anfälle um mindestens die Hälfte erfährt. Sie ist aus praktischen Gründen besonders gut für Kinder von 1–10 Jahren geeignet, aber auch bei Jugendlichen und Erwachsenen wirksam. Am besten scheinen myoklonische und atonische Anfälle, weniger gut generalisierte tonisch-klonische und fokale Anfälle und am schlechtesten Absencen anzusprechen. Die Diät soll normalerweise zwei Jahre lang durchgeführt werden, bei einem Teil der Patienten hält der erzielte Effekt über die Beendigung hinaus an. Als Nebenwirkungen können zu Beginn Erbrechen, Durchfall, Verstopfung und Diätverweigerung auftreten. Insbesondere bei zusätzlichen akuten Erkrankungen kann sich eine Übersäuerung des Körpers einstellen. Das Risiko für die Bildung von Nierensteinen ist erhöht. Häufig zeigt sich auch eine teilweise massive Erhöhung der Blutfettwerte. Die mögliche Langzeitauswirkung auf Herz-Kreislauf-Erkrankungen lässt sich nicht abschätzen. Besonders bei schwer verlaufenden Epilepsien stellt die ketogene Diät eine wirksame Behandlungsalternative dar. ==== Epilepsiechirurgie ==== Wenn trotz optimaler Wahl der Antiepileptika in höchster ertragbarer Dosierung keine befriedigende Anfallskontrolle erreicht wird, die Auswirkungen der Anfälle auf die Lebensqualität und die Nebenwirkungen der Medikamente auf die geistigen Fähigkeiten und das Verhalten sehr gravierend sind und eine strukturelle Läsion des Gehirns als ursächlich für die Anfälle nachgewiesen werden kann, kommt auch eine chirurgische Therapie des Anfallsleidens in Frage ([[Epilepsiechirurgie]]). Hierzu muss in sorgfältigen und ausgedehnten Untersuchungen vor dem Eingriff (''prächirurgische Diagnostik'') das anfallsauslösende Areal exakt lokalisiert und die funktionelle Beeinträchtigung nach Verlust des entsprechenden Hirngewebes abgeschätzt werden (zum Beispiel [[Wada-Test]]). ==== Vagusnervstimulation ==== Bei der Vagusnervstimulation wird durch einen elektrischen Stimulator entweder in festen Intervallen oder auf Aktivierung durch den Patienten bei Anfallsvorgefühl der [[Nervus vagus|Vagusnerv]] mit elektrischen Strömen gereizt. Der Stimulator wird an der Brustwand eingesetzt. Der stimulierte Vagusnerv leitet die Erregung ins Gehirn weiter. Dadurch kann die Anfallsfrequenz gesenkt werden. Als Nebenwirkungen können lokale Schmerzen oder Missempfindungen, Veränderungen der Stimmlage, Luftnot, Übelkeit und Durchfälle auftreten. Obwohl der Vagusnerv auch direkt den Herzmuskel versorgt und an der Steuerung der Herzfrequenz beteiligt ist, wurde nicht über Veränderungen der Herzfrequenz berichtet. ==== Verhaltenstherapie ==== Verhaltenstherapie –&nbsp;mit oder ohne [[Biofeedback]]&nbsp;– kann den Betroffenen ermöglichen, auf Vorzeichens eines Anfalls zu reagieren und diesen zu verhindern oder abzumildern. Heutzutage wird versucht, die Epilepsie durch eine ganzheitliche Sozialmedizin zu behandeln. Hier wird insbesondere [[Ausdauersport]] und eine weniger strenge Behütung des Patienten empfohlen. ==== Epilepsiehunde ==== Viele Hunde können den epileptischen Anfall eines Familienmitglieds vorher erkennen. Daher versucht man seit einigen Jahren gezielt [[Epilepsiehund]]e auszubilden. == Prognose == Die Prognose von Epilepsien hängt einerseits von verschiedenen Faktoren wie Manifestationsalter, Art der Anfälle oder begleitende Erkrankungen des Nervensystems ab. Andererseits kann sie unter den unterschiedlichen Gesichtspunkten der langfristigen Anfallsfreiheit (Remission), der psychosozialen Beeinträchtigungen oder der Sterblichkeit betrachtet werden. === Remission === Fasst man die unterschiedlichen Studien zur Prognose zusammen, erreichen insgesamt etwa 50 bis 80 Prozent aller Epilepsie-Patienten eine anhaltende Anfallsfreiheit. Dabei haben Kinder mit einem Erkrankungsalter zwischen einem und zehn Jahren die größte statistische Wahrscheinlichkeit, anfallsfrei zu werden. Idiopathische und kryptogene Epilepsien haben allgemein eine bessere Prognose als symptomatische. Entsprechend verschlechtert sich die Prognose bei Patienten mit begleitenden neurologischen Erkrankungen oder geistigen Behinderungen. Anhaltende EEG-Veränderungen gehen ebenfalls mit einer etwas schlechteren Rate an Remissionen einher. Ein gutes prognostisches Zeichen stellt das rasche Ansprechen auf die Therapie dar, wohingegen bisher nicht belegt werden konnte, dass sich die Langzeitprognose durch ein frühes Einsetzen der antiepileptischen Behandlung günstig beeinflussen lässt. === Epileptische Wesensänderungen === Bei einem Drittel bis zur Hälfte der erwachsenen Anfallskranken stellt sich eine epileptische Wesenänderung ein und zwar relativ unabhängig von der Anzahl der Anfälle. Zuweilen ist sie schon vor deren Auftreten festzustellen.<ref>[[Rainer Tölle|Tölle, Rainer]]: ''Psychiatrie''. Kinder- und jugendpsychiatrische Bearbeitung von [[Reinhart Lempp]]. Springer Verlag, Berlin <sup>7</sup>1985, ISBN 3-540-15853-7, Seite 299</ref> Bei Epileptikern werden je nach Anfalls- und Verlaufstyp verschiedenartige Wesensänderungen angetroffen. Sie sind bei den Schlafepileptikern und Kranken mit psychomotorischen Anfällen in der Regel anders und stärker ausgeprägt als bei den Aufwachepileptikern, Pyknoleptikern, Jugendlichen mit Impulsivanfällen und den Patienten mit diffuser Epilepsie. Epileptische Wesensänderungen kommen also sowohl bei idiopathischen als auch symptomatischen Krankheitsformen vor, sind also kein Kriterium der genuinen Epilepsie, wie es früher angenommen wurde.<ref>[[Fritz Broser|Broser, Fritz]]: ''Topische und klinische Diagnostik neurologischer Krankheiten.'' U&S, München <sup>2</sup>1981, ISBN 3-541-06572-9, Kap. 10-101, Seite 504</ref> === Mortalität === Grundsätzlich haben Menschen mit Epilepsien ein erhöhtes Risiko, in einem jüngeren Alter zu versterben. Mögliche Ursachen dafür sind direkte Folgen eines sogenannten Status epilepticus, Unfälle während eines Anfalles - beispielsweise Sturz oder Ertrinken -, Selbsttötung, plötzlicher unerwarteter Tod bei Epilepsie (SUDEP, Sudden Unexpected Death in Epilepsy, siehe unten) oder die Grunderkrankung, durch die die Epilepsie verursacht wird. Das relative Sterblichkeitsrisiko über alle Patienten ist etwa zwei- bis dreifach gegenüber der gesunden Vergleichsbevölkerung erhöht. Am geringsten erhöht ist es bei idiopathischen Epilepsien und am stärksten bei symptomatischen Anfällen bei Kindern mit neurologischen Defiziten von Geburt an. ==== Plötzlicher unerwarteter Tod bei Epilepsie (SUDEP - Sudden Unexpected Death in Epilepsy) ==== Als [[SUDEP]] (von [[Englische Sprache|englisch]]: ''sudden unexpected death in epilepsy'') wird ein plötzlicher unerwarteter Tod bei Epilepsie bezeichnet. In einer Studie wurden folgende Risikofaktoren identifiziert: * jüngeres Lebensalter * symptomatische Epilepsien mit nachweisbarer Gehirnveränderung * männliches Geschlecht * niedrige Serumkonzentration der eingenommenen Antiepileptika * generalisierte tonisch-klonische Anfälle * Schlaf Die Forschung nach Todesursachen von Epileptikern und die Erfassung ihrer [[Mortalität]] ist in Deutschland noch wenig ausgeprägt, weshalb nur wenige Informationen hierzu in der Literatur zu finden sind. Von den Menschen mit Epilepsie liegt die Sterblichkeitsrate bei 600 von 100.000 Personen pro Jahr, bei Neubetroffenen bei 60 von 100.000 Personen pro Jahr. Das Risiko für einen SUDEP liegt bei etwa 50 von 100.000 bis 100 von 100.000 Personen pro Jahr; liegt eine schwere Epilepsie oder eine neurologische Beeinträchtigung vor, sind es sogar bis zu 500 von 100.000 Personen pro Jahr. In [[Vereinigtes Königreich|Großbritannien]] wird die Zahl der an oder in Folge von Epilepsie gestorbenen Menschen mit 1000 pro Jahr angegeben. Es wird geschätzt, dass es sich bei den meisten dieser Todesfälle um SUDEP handelt.<ref name="NSCAOERD">[http://www.official-documents.co.uk/document/reps/nscaerd/report.pdf National Sentinel Clinical Audit of Epilepsy-Related Death 2002 - PDF, englisch]</ref> == Psychosoziales == Obwohl viele Menschen mit Epilepsie durch medikamentöse Behandlung kaum noch Anfälle haben, können die Beeinträchtigungen groß sein. Es kann sich hierbei um objektiv vorhandene Beeinträchtigungen handeln, wie Medikamentennebenwirkungen. Es kommen jedoch psychologische Faktoren hinzu. Einen Grand-mal-Anfall in der Öffentlichkeit oder am Arbeitsplatz gehabt zu haben, ist unangenehm. Epilepsie unterscheidet sich von anderen „Volkskrankheiten“ wie Diabetes dadurch, dass ihr ein [[Stigmatisierung|Stigma]] anhaftet. Dies kann subjektiv immer noch der Fall sein, wenn sich auch die Einstellung in der Bevölkerung verbessert hat. Der Informationsstand ist jedoch, bedingt dadurch, dass Epilepsie in den Medien praktisch nicht präsent ist, immer noch unzureichend. Der Arbeitslosenanteil unter den Menschen mit Epilepsie ist überproportional hoch, selbst unter den Menschen mit Behinderungen allgemein. Dieser hohe Anteil ist nicht allein mit objektiv vorhandenen Leistungsverminderungen zu erklären. Das Spektrum der Erkrankung ist jedoch groß, es reicht von Formen mit guter Prognose und wenigen Anfällen bis zu Formen mit hoher Anfallsfrequenz und eintretenden Gehirnschädigungen. Auch wenn Menschen mit Epilepsie in etlichen Lebensbereichen heute noch auf Schwierigkeiten stoßen, führen sie meist ein relativ normales Leben. == Geschichte == Epilepsie ist älter als die Menschheit (da jedes Gehirn genügender Komplexität, also auch das von anderen –&nbsp;vor den Menschen existenten&nbsp;- Affenarten, gleichförmige Entladungen mit epileptiformen Folgen hervorbringen kann) und gehört zu den häufigsten chronischen Krankheiten überhaupt. Da das Erscheinungsbild bei epileptischen Anfällen spektakulär sein kann, sind Menschen mit Epilepsie im Lauf der Geschichte sowohl positiv wie negativ [[Stigmatisierung|stigmatisiert]] worden. So galten von einer Epilepsie betroffene Menschen in manchen antiken Kulturen als Heilige, da ihnen der (scheinbare) Übergang in [[Trance (Zustand)|Trancezustände]] so leicht fiel. Bereits im Reich der ägyptischen Antike und zur Zeit des babylonischen Königs [[Hammurabi]] war Epilepsie bekannt und gefürchtet. [[Ägyptische Hieroglyphen]] für das Wort Anfallsleiden sind „Wasser“, „gefalteter Stoff“, „zwei Schilfblätter“ und „Brotlaib“, umrahmt von der [[Uräusschlange (Symbol)|Uräusschlange]] am Anfang, die „Ausspruch einer Gottheit“ bedeutet, und dem „schlangenden Mann“ am Ende, der „Feind, Tod“ darstellt.<br /> Bei den Griechen galt Epilepsie als „heilige Krankheit“<ref>Evert Dirk Baumann: ''Die Heilige Krankheit'', Janus 29 (1925), S. 7-32</ref>, „als Besessensein von der göttlichen Macht“. Je nach Art des Anfalls wurden verschiedene Götter mit ihm in Verbindung gebracht ([[Kybele- und Attiskult|Kybele]], [[Poseidon]], Enodia, Apollon Nomios, [[Ares]]). Rund vierhundert Jahre vor Christus wandte sich jedoch der [[Griechen|griechische]] Arzt [[Hippokrates von Kós|Hippokrates]] gegen die Heiligkeit der Krankheit<ref>Hippokrates: Über die heilige Krankheit. Kapitel 1, 2, 7</ref>. Er betonte, auch diese Krankheit habe eine natürliche Ursache. Dies war seiner Meinung nach: Kalter Schleim fließt in das warme Blut, daraufhin kühlt das Blut ab und kommt zum Stehen. Die Behandlung erfolgte nach dem Heilprinzip contraria contrariis (Entgegengesetztes mit Entgegengesetztem bekämpfen): [[Diätetik]], [[Heilmittel]], [[Schröpfen]], Purgieren, von wagemutigen Ärzten Arteriotomie, Brenneisen und [[Trepanation]]. [[Galenos von Pergamon|Galen]] (ca. 129–200) beschrieb erstmals die [[Aura (Epilepsie)|Aura]] als Anzeichen für einen beginnenden Anfall. [[Alexandros von Tralleis]] (ca. 525–605) erkannte, dass Alkohol das Auftreten von epileptischen Anfällen begünstigen kann, und empfahl Pflanzenbestandteile des [[Ysop]] und [[Eisenkraut]].<ref name=Epilepsiemuseum>[http://www.epilepsiemuseum.de/deutsch/geschichte.html#text1 Deutsches Epilepsiemuseum]</ref> Im [[Römisches Reich|antiken Rom]] mussten angehende Soldaten bei ihrer [[Musterung]] durch ein rotierendes Wagenrad in eine Lichtquelle (zum Beispiel die Sonne) schauen. Erlitten sie einen Anfall, wurden sie ausgemustert. Im Mittelalter wurde ein Anfall häufig als „Angriff von oben“, als göttliche Strafe oder „dämonische Besessenheit“ interpretiert und konnte für den Betroffenen schwerwiegende Konsequenzen haben, wie beispielsweise einen [[Exorzismus]]. Im Fall der [[Anneliese Michel]] geschah dies in Deutschland noch 1976. [[Paracelsus]] (1493-1541) betonte allerdings, dass keine unnatürliche, mystische Ursache vorliege, und verwies darauf, dass auch Tiere ("vih") an Epilepsie erkranken können. Es sei zwar nicht immer möglich, die Ursache ("wurzen") zu heilen, doch könne man die Symptome mildern ("das die wurzen nimmer wachs"). Paracelsus glaubte, die Epilepsie könne ihren Sitz auch in der Leber, im Herzen, in den Eingeweiden oder in den Gliedmaßen haben. Entsprechend seiner Konzeption der Übereinstimmung von Makro- und Mikrokosmus nahm er an, das "erdbidmen" ([[Erdbeben]]) sei ebenfalls epileptischer Natur.<ref name=Epilepsiemuseum /> Im 17. und 18. Jahrhundert erhielt Epilepsie allmählich wieder ihren Stellenwert in der Reihe der übrigen Krankheiten, so unterschied zum Beispiel [[Simon-Auguste Tissot]] (1728–1797) zwischen ''idiopathischen'' (anlagebedingten) und ''sympathischen'' (aus einer Grunderkrankung, etwa einem Hirntumor folgenden) Epilepsien und wendete [[Baldrian]] an; doch erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts gelang es wissenschaftlich zu beweisen, dass Epilepsie einen natürlichen Ursprung hat. [[John Hughlings Jackson]] (1835–1911) veröffentlichte exakte Beschreibungen von Anfällen: :''Der [fokale, umschriebene] Anfall beginnt gewöhnlich, dies muss beachtet werden, in dem Teile des Gesichts, des Arms und des Beins, der den mannigfaltigsten Gebrauch hat. [...] So beginnen die in der Hand einsetzenden Anfälle gewöhnlich im Zeigefinger und Daumen; im Fuß einsetzende Anfälle beginnen gewöhnlich in der großen Zehe. [...] Die Häufigkeitsfolge, in der bestimmte Körperpartien von den Krämpfen ergriffen werden, [offenbart] vielleicht nur die Häufigkeitsfolge in der Krankheitsdisposition bestimmter Hirnpartien. [...]Teile, die den mannigfaltigsten Gebrauch haben, werden im Zentralnervensystem durch mehr Ganglienzellen vertreten sein.''<ref name=Epilepsiemuseum /> In der Zeit des [[Nationalsozialismus]] galten Menschen, die von einer Epilepsie betroffen waren, wie viele andere „Behinderte“ als „unwertes Leben“. Im Volk wurde Epilepsie meist als Fallsucht bezeichnet. Als wichtigster Heiliger und Helfer gegen Fallsucht, Krämpfe und andere Nervenkrankheiten wurde unter den Gläubigen der heilige Papst Cornelius angesehen. Seine Anrufung bei Epilepsie war so populär, dass sie auch als „Kornelkrankheit“ oder „Corneliuskrankheit“ bekannt war. In den Niederlanden wurde sie „Corneliuseuvel“ genannt. Im Rheinland, in Belgien und den Niederlanden sind insgesamt etwa 40 Orte bezeugt, an denen Cornelius wegen dieser Leiden angerufen wurde. Zu vielen dieser Orte erfolgten an bestimmten Tagen Wallfahrten, großenteils noch bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts. == Recht == Hat ein Mensch öfter epileptische Anfälle und kann auch durch Behandlung nicht über mindestens ein halbes Jahr anfallsfrei bleiben, darf er kein Auto fahren und keine Tätigkeit verrichten, die ihn selbst oder andere gefährdet. Epilepsiekranke haben daher auch größere Probleme mit der Berufswahl und sollten neben einem Spezialisten für [[Neurologie]] auch einen Facharzt für [[Arbeitsmedizin]] konsultieren. In Deutschland gelten bei der Kraftfahrereignung für Epileptiker folgende Regeln: Wer wiederholt unter epileptischen Anfällen leidet, ist nicht in der Lage ein Kraftfahrzeug zu führen, da er sich und andere Verkehrsteilnehmer gefährdet. Zur weiteren Differenzierung werden die Wagenführer in zwei Gruppen geteilt: * Gruppe 1: umfasst die Führerscheinklassen A, B, B+E * Gruppe 2: umfasst die Führerscheinklassen CE, D, DE mit den Unterklassen C1, C1E, und D1E Bestimmungen für Gruppe 1: Die Fahrerlaubnis wird erteilt bei: * nach der einjährigen Beobachtung von einfach fokalen Anfällen, die ohne Bewusstseinsminderung auftreten und keine motorische, sensorische oder kognitive Einschränkung auf das Führen des Kraftfahrzeugs zeigen * nach dreijähriger Beobachtung bei Anfällen, die ausschließlich an den Schlaf gebunden sind * nach drei- bis sechs-monatiger Beobachtungsphase in Anschluss an einen einmaligen Gelegenheitsanfall, insbesondere wenn dieser provoziert war * nach einjähriger Anfallsfreiheit ohne offensichtliche Rezidivneigung (bei vormals therapieresistenten Epilepsien beträgt die Beobachtungszeit zwei Jahre) * nach sechs-monatiger Anfallsfreiheit, wenn die Anfälle auf eine kürzlich stattgefundene Hirnoperation zurückzuführen sind Bestimmungen für Gruppe 2: Nach zwei unprovozierten epileptischen Anfällen bleibt der Betroffene in der Regel von dieser Gruppe ausgeschlossen, einzige Ausnahme ist eine vom Arzt bestätigte fünf-jährige Anfallsfreiheit ohne Behandlung mit Antikonvulsiva. Betroffene einer Epilepsie haben in Deutschland die Möglichkeit, auf Antrag einen [[Schwerbehindertenausweis]] zur Gewährung steuerlicher und beruflicher Nachteilsausgleiche zu erhalten. Nach den „Anhaltspunkten für die gutachterliche Tätigkeit“ gelten dabei folgende Grade der Behinderung (GdB): <center> {| class="wikitable" !bgcolor=#B0E2FF|Anfälle nach Art, Schwere und Häufigkeit !bgcolor=#B0E2FF| GdB |- |sehr selten (generalisierte große und komplex-fokale Anfälle mit Pausen von mehr als einem Jahr;<br />kleine und einfach-fokale Anfälle mit Pausen von Monaten) |align="center"|40 |- |selten (generalisierte große und komplex-fokale Anfälle mit Pausen von Monaten;<br /> kleine und einfach-fokale Anfälle mit Pausen von Wochen) |align="center"|50–60 |- |mittlere Häufigkeit (generalisierte große und komplex-fokale Anfälle mit Pausen von Wochen;<br /> kleine und einfach-fokale Anfälle mit Pausen von Tagen) |align="center"|60–80 |- |häufig (generalisierte große oder komplex-fokale Anfälle wöchentlich<br />oder Serien von generalisierten Krampfanfällen, von fokal betonten oder von multifokalen Anfällen;<br />kleine und einfach-fokale Anfälle täglich) |align="center"|90–100 |- |Nach drei Jahren Anfallsfreiheit (bei weiterer Notwendigkeit von Behandlung mit Antiepileptika) |align="center"|30 |- |} </center> Je nach Art und Häufigkeit der Anfälle können auch die Ausweismerkmale „RF“ (Befreiung von Rundfunk- und Fernsehgebühren), „B“ (ständige Begleitung erforderlich) oder andere zuerkannt werden. Ein Anfallsleiden gilt als abgeklungen, wenn ohne Medikamente drei Jahre Anfallsfreiheit besteht. Ohne nachgewiesenen Hirnschaden ist dann kein GdB mehr anzunehmen. Viele [[Berufsunfähigkeitsversicherung]]en und auch [[Private Unfallversicherung|Unfallversicherungen]] verweigern die Aufnahme von Epilepsieerkrankten, wenn diese nicht mindestens zwei Jahre anfallsfrei sind. == Epilepsie bei Haustieren == Auch bei Haustieren kommt Epilepsie vor. Am häufigsten betroffen sind hiervon [[Haushund|Hunde]], etwas seltener erkranken [[Hauskatze|Katzen]], sehr selten [[Hauskaninchen|Kaninchen]]. Bei [[Hauspferd|Pferden]] ist eine Häufung bei [[Araber (Pferd)|Arabern]] beschrieben. Aufgrund der anderen Nervenschaltungen im Tierhirn wird allerdings häufig vom „epileptiformen Anfall“ gesprochen. Wie beim Menschen unterscheidet man idiopathische (etwa 80 Prozent) und symptomatische Epilepsien sowie partielle und generalisierte Anfälle. === Partielle Epilepsie === Bei der partiellen oder fokalen Epilepsie wird zwischen einfachen, komplexen und Anfällen mit sekundärer Generalisation unterschieden. Die einfachen fokalen Anfälle stellen sich häufig lediglich als unkontrollierte Bewegung einzelner Gliedmaßen oder Muskelgruppen, Kieferschlagen oder Kopfschütteln dar. Im Fall einer rein sensorischen oder vegetativen fokalen Epilepsie sind meist gar keine Anfälle zu bemerken. Komplexe Anfälle stellen sich infolge der hiermit einhergehenden Bewusstseinsstörung als Verhaltensauffälligkeiten dar: neben unmotiviertem Bellen, Kauen, Lecken, Aggressivität und Zuckungen bestimmter Körperteile (zum Beispiel Ohren, Gesicht) wird häufig das Symptom des „Fliegenschnappens“ oder Drangwandern (zwanghaftes Im-Kreis-Laufen) beobachtet. Eine Abgrenzung zu besonderen individuellen Verhaltensmustern von gesunden Hunden ist häufig schwierig. === Generalisierte Epilepsie === ''Generalisierte'' Anfälle werden in verschiedene Gruppen unterteilt: Absencen (extrem selten), Myoklonien, tonische Anfälle, klonische Anfälle, tonisch-klonische Anfälle (siehe oben). Der häufigste Anfallstyp ist der tonisch-klonische ''Grand-mal''-Anfall. Er wird beim Hund in verschiedene Phasen unterteilt: * ''Prodromalstadium:'' Gekennzeichnet durch feine Wesensveränderungen, Starren ins Leere, Schnüffeln. Dieses Stadium kann mehrere Stunden bis Tage dauern, fehlt oft oder wird vor einem Anfall übersehen. * ''Aura:'' Sie ist oft schwierig von den anderen Phasen abgrenzbar und zeichnet sich durch ausgeprägtes Angstverhalten wie Ruhelosigkeit, Schreckhaftigkeit, Anhänglichkeit oder Bellen aus. Ihre Dauer beträgt wenige Sekunden bis einige Minuten. * ''Iktus:'' Der eigentliche Anfall. Er beginnt häufig mit örtlichen Zuckungen, welche später in generalisierte Krämpfe mit tonisch-klonischen Zuckungen, Kieferschlagen, Speicheln, unkontrolliertem Harn- und Kotabsatz und Bewusstlosigkeit übergeht. Meist dauert diese Phase einige Sekunden bis Minuten. Ein Iktus von einer längeren Dauer als 30 Minuten oder zwei oder mehr hintereinander folgende Krampfanfälle ohne zwischenzeitliches Wiedererlangen des Bewusstseins werden als [[Status epilepticus]] bezeichnet. * ''Postiktus:'' Über einige Minuten bis hin zu Tagen währt dieses Stadium, in welchem das Tier Erschöpfungssymptome zeigt. Gelegentliche Desorientierung, Heißhunger und unmotivierte Aggressivität sind ebenfalls möglich. === Rassedisposition === Bei der idiopathischen Epilepsie der Hunde ist eine Rasse- oder familiäre [[Disposition (Medizin)|Disposition]] teilweise nachgewiesen worden. [[Datei:Golden-Retriever-'Timo'.jpg|thumb|200px|right|Golden Retriever haben die ausgeprägteste Rassedisposition]] Bei folgenden Rassen ist das Auftreten einer Epilepsie häufiger: [[Golden Retriever]], [[Cocker-Spaniel]], [[Pudel]], [[Bernhardiner]], [[Irish Red Setter|Irish Setter]], [[Zwergschnauzer]], Rauhhaar-[[Foxterrier]], [[Dackel]], [[Border Collie]] und [[Großer Schweizer Sennenhund]]. Anfälle vom ''Lafora-Typ'' beim [[Beagle (Hund)|Beagle]] und beim [[Basset Hound]] werden durch eine Ansammlung von [[Glykoprotein]]en im Zentralnervensystem verursacht. Bei [[Keeshond]]en und [[Irish Wolfhound]]s ist ein autosomal-rezessiver Erbgang beschrieben. Bei anderen Rassen wie [[Deutscher Schäferhund|Deutscher]] und [[Belgischer Schäferhund]], [[Golden Retriever]], [[Labrador Retriever]], [[Berner Sennenhund]], [[Deutscher Boxer|Boxer]] und [[Vizsla]] ist ein komplexer Erbgang nachgewiesen. === Differentialdiagnose === Differentialdiagnostisch müssen verschiedene Krankheiten ausgeschlossen werden. Bei Hunden handelt es sich hierbei vor allem um kardial bedingte [[Synkope (Medizin)|Synkopen]], Lebererkrankungen ([[Hepatische Enzephalopathie|hepatoenzephales Syndrom]]) und Infektionskrankheiten [Hund: [[Staupe]], Katze: [[Feline Infektiöse Peritonitis|Feline Infektiöse Peritonitis (FIP)]]]. Die Liste der weiteren Differentialdiagnosen kann nach dem Akronym [[VETAMIN D]] abgearbeitet werden. === Therapie === Infolge begrenzter finanzieller oder diagnostischer Möglichkeiten wird oft nach Abklärung der wichtigsten Differentialdiagnosen eine „diagnostische Therapie“ durchgeführt. Mittel der ersten Wahl ist in der Tiermedizin nach wie vor das [[Phenobarbital]], da die neueren humanmedizinischen Antiepileptika beim Hund kurze [[Halbwertszeit]]en aufweisen und häufig eingenommen werden müssten. [[Kaliumbromid]] ist ebenfalls ein gut wirksames Medikament zur Behandlung der Epilepsie bei Hunden. Beide Präparate werden auch in Kombination eingesetzt. Bei Therapieversagen ist die Verabreichung von [[Gabapentin]], [[Primidon]] (toxisch für Katzen) oder [[Felbamat]] überlegenswert. Bei Katzen ist das Medikament der ersten Wahl Diazepam oder Phenobarbital. Die Therapie mit den Antiepileptika muss in den meisten Fällen lebenslang erfolgen und hat bei korrekter Einstellung eine relativ gute Prognose. Im Falle des Vorliegens eines Status epilepticus ist [[Diazepam]] Mittel der ersten Wahl. Zu beachten ist hierbei, dass es sich beim Status epilepticus um einen lebensbedrohlichen Notfall handelt, der sofortiger Behandlung bedarf. Der Tierbesitzer kann zu Hause mit rektaler Anwendung von diazepamhaltigen Zäpfchen oder Klistiers oder vorsichtiger oraler Verabreichung von Diazepamtropfen „Erste Hilfe“ leisten, um anschließend den Tierarzt schnellstmöglich aufzusuchen. == Siehe auch == * [[Postparoxysmaler Dämmerzustand]] * [[Ohtahara-Syndrom]] * [[Schlaflähmung]] == Literatur == === Lehrbücher und Ratgeber === * Hartmut Siemes, Blaise F. D. Bourgeois: ''Anfälle und Epilepsien bei Kindern und Jugendlichen.'' Thieme, Stuttgart-New York 2001, ISBN 3-13-127031-4 * Rolf Degen: ''Epilepsien und epileptische Syndrome im Kindes- und Erwachsenenalter. Elektroenzephalographie.'' Blackwell, Berlin-Wien 1999, ISBN 3-89412-366-4 * Ansgar Matthes, Hansjörg Schneble: ''Epilepsien – Diagnostik und Therapie für Klinik und Praxis.'' Thieme, Stuttgart-New York 1999, ISBN 3-13-454806-2 * Günter Krämer: ''Der große Trias-Ratgeber Epilepsie.'' TRIAS, Stuttgart 2005, ISBN 3-8304-3129-5 * Günter Krämer: ''Epilepsie von A–Z – Medizinische Fachwörter verstehen.'' TRIAS, Stuttgart 2005, ISBN 3-8304-3229-1 * Günter Krämer: ''Diagnose Epilepsie – Kurz und bündig. Wie Sie die Krankheit verstehen, die besten Therapien für sich nutzen, Ihren Alltag optimal gestalten.'' TRIAS, Stuttgart 2003, ISBN 3-8304-3077-9 * Haiko Puckhaber: ''Epilepsie im Kindesalter – Eine interdisziplinäre Aufgabe.'' Dietmar Klotz, Eschborn 1999, ISBN 3-88074-240-5 * Hansjörg Schneble: ''Epilepsie bei Kindern – Wie ihre Familie damit leben lernt, was Epilepsie ist, wie der Arzt untersucht und behandelt.'' TRIAS, Stuttgart 1999, ISBN 3-89373-528-3 * Andre Jaggy: ''Atlas und Lehrbuch der Kleintierneurologie''. Schlütersche, Hannover 2005, ISBN 3-87706-739-5 * Karl F. Masuhr, Marianne Neumann: ''Neurologie''. Duale Reihe, Georg Thieme Verlag 2005, ISBN 3-13-135945-5 * Prof. Jürgen Bauer: ''Was ist und wie diagnostiziert man eine Epilepsie?''. Psychoneuro für die Hausarztpraxis 2004; 2(2) * Prof. Jürgen Bauer: Epilepsie: Nützliches zu Behandlung und Beratung, Springer, 2002, ISBN 3798513570, 9783798513570 === Kinder- und Jugendbücher zum Thema Epilepsie === * [[Willi Fährmann]]: ''Jakob und seine Freunde.'' Arena, Würzburg 1999, ISBN 3-401-02097-8 (ab 9 Jahre) * Ellen Howard: ''Edith allein.'' Aus dem Amerikan. v. Doris Halter. Ueberreuter, Wien 1989. ISBN 3-8000-2728-3 * Ellen Howard: ''Edith herself.'' Atheneum, New York 1987, Lions 1990, Collins, London 1987, 1990, 1994, ISBN 0-7857-3651-4 (engl. Originalausg.) * Hansjörg Schneble: ''Das Eigentor oder die Geschichte vom Peter Guck-in-die Luft.'' Dgvt, Tübingen 2000, ISBN 3-87159-027-4 (ab 12 Jahre) * Sophie Brandes: ''Kein bisschen cool.'' DTV, München 2000, ISBN 3-423-78113-0 (ab 12 Jahre) === Geschichte === * [[Owsei Temkin]]: ''The Falling Sickness. A History of Epilepsy from the Greeks to the Beginning of Modern Neurology''. Johns Hopkins, Baltimore 1945, 1994 (2. durchg. Aufl.). ISBN 0-8018-4849-0 * Schneble, Hansjörg: Heillos, heilig, heilbar. Geschichte der Epilepsie, de Gruyter, Berlin 2003 * Jutta Kollesch, Diethard Nickel (Hrsg.): ''Antike Heilkunst - Ausgewählte Texte''. Reclam, Stuttgart 2007, ISBN 978-3-15-009305-4. === Erfahrungsberichte === * Anja D. Zeipelt: ''Epi on board – ich glaub' ich krieg' 'nen Anfall'', R.G. Fischer Verlag 2005, ISBN 3-8301-0885-0. * Annette Fink: ''Blickfängerin. Ein Leben mit Epilepsie und Angst'', Kreuz-Verlag 2006, ISBN 3-7831-2830-7 * Mechthild Katzorke, Volker Schöwerling, Prof. Bernd Pohlmann-Eden: ''Leben mit Epilepsie – eine filmische Langzeitdokumentation'', catlinafilm Berlin 2005. * Sue Cooke: ''Zerzaustes Käuzchen. Die Emanzipation einer Epilepsiekranken.'', Frankfurt a. M.: Fischer-TB., 1990 (3. Aufl.), ISBN 3-596-23245-7. * Katrin Knigge: ''Momente außer Kontrolle – leben mit Epilepsie'', Teer+Feder Filmproduktion 2003. === Übersichtsarbeiten === * {{Zitation|Konrad J. Werhahn|Altersepilepsie|2009|Dtsch Arztebl Int|106(9)|135-42|7=http://www.aerzteblatt.de/v4/archiv/artikel.asp?src=heft&id=63517|8=}} == Weblinks == * {{Wikibooks|Erste-Hilfe/ Epileptischer Anfall|Erste Hilfe bei einem Epileptischen Anfall}} * {{Commonscat|Epilepsy|Epilepsie}} * [http://anfallskind.de/ Das Anfallskind] Antworten auf Fachfragen zu Epilepsien im Kindes- und Jugendalter von Dr. med. Helmut Volkers, Bremen * [http://www.izepilepsie.de/home/ IZE / Deutsche Gesellschaft für Epileptologie] * [http://www.epi-freiburg.de Epilepsiezentrum am Universitätsklinikum Freiburg] * [http://www.epileptologie-bonn.de Klinik für Epileptologie der Universität Bonn] * [http://kompetenznetz-epilepsie.de/ Kompetenznetz Epilepsie] Umfassende Informationen in kompetente Quellen * S2-[[Medizinische Leitlinie|Leitlinie]]: ''Diagnostische Prinzipien bei Epilepsien im Kindesalter'', [[AWMF]]-Registernummer 022/007 (online: [http://www.uni-duesseldorf.de/AWMF/ll/022-007.htm Volltext]), Stand 01/2008 == Quellen == <references/> {{Gesprochene Version |datei = De-Epilepsie_01-article.ogg |titel = Anfallsformen, Einteilung der Epilepsien (bis 2.1.2.1: Anhaltende Teilepilepsie des Kindesalters) |datum = 16. Juni 2006 |datei2 = De-Epilepsie_02-article.ogg |titel2 = Einteilung der Epilepsien (ab 2.1.2.2: Schläfenlappenepilepsie), Ursachen von Epilepsien |datum2 = 16. Juni 2006 |datei3 = De-Epilepsie_03-article.ogg |titel3 = Komplikationen, Diagnostik, Behandlung (bis 6.3.3: Epilepsiechirurgie) |datum3 = 16. Juni 2006 |datei4 = De-Epilepsie_04-article.ogg |titel4 = Behandlung (ab 6.3.4: Vagusnervstimulation), Prognose, Psychosoziales, Geschichte, Recht, Epilepsie bei Haustieren |datum4 = 16. Juni 2006 }} {{Gesundheitshinweis}} {{Exzellent}} [[Kategorie:Epilepsie| ]] [[Kategorie:Krankheitsbild in der Neurologie]] [[Kategorie:Krankheitsbild in der Kinderheilkunde]] [[ar:صرع]] [[ay:T'uku usu]] [[bat-smg:Epilepsėjė]] [[bg:Епилепсия]] [[bn:মৃগী]] [[br:Drougsant]] [[bs:Epilepsija]] [[ca:Epilèpsia]] [[cs:Epilepsie]] [[da:Epilepsi]] [[el:Επιληψία]] [[en:Epilepsy]] [[eo:Epilepsio]] [[es:Epilepsia]] [[et:Epilepsia]] [[eu:Epilepsia]] [[fa:صرع]] [[fi:Epilepsia]] [[fr:Épilepsie]] [[ga:Titimeas]] [[gl:Epilepsia]] [[he:מחלת הנפילה]] [[hi:अपस्मार]] [[hr:Epilepsija]] [[hu:Epilepszia]] [[id:Epilepsi]] [[io:Epilepsio]] [[is:Flogaveiki]] [[it:Epilessia]] [[ja:てんかん]] [[ku:Epîlepsî]] [[lt:Epilepsija]] [[ml:അപസ്‌മാരം]] [[ms:Epilepsi]] [[nds:Epilepsie]] [[nl:Epilepsie]] [[no:Epilepsi]] [[nrm:Haut ma]] [[pl:Padaczka]] [[pt:Epilepsia]] [[ro:Epilepsie]] [[ru:Эпилепсия]] [[sh:Epilepsija]] [[simple:Epilepsy]] [[sk:Epilepsia]] [[sl:Epilepsija]] [[sq:Epilepsia]] [[sr:Епилепсија]] [[sv:Epilepsi]] [[tr:Epilepsi]] [[uk:Епілепсія]] [[vi:Động kinh]] [[zh:癫痫]] 6qwke4758mop9o7hdhjx8e7wech31dv wikitext text/x-wiki Burmanniaceae 0 23558 26154 2010-01-11T20:12:50Z CactusBot 0 Bot: Systematik entsprechend [[Wikipedia:WikiProjekt Pflanzensystematik/Systematik|zentraler Definitionsseite]] <!-- Für Informationen zum Umgang mit dieser Tabelle siehe bitte [[Wikipedia:Taxoboxen]]. --> {{Taxobox | Taxon_WissName = Burmanniaceae | Taxon_Rang = Familie | Taxon_Autor = [[Carl Ludwig Blume|Blume]] | Taxon2_Name = Yamswurzelartige | Taxon2_WissName = Dioscoreales | Taxon2_Rang = Ordnung | Taxon3_Name = Monokotyledonen | Taxon3_Rang = ohne | Taxon4_Name = Bedecktsamer | Taxon4_WissName = Magnoliopsida | Taxon4_Rang = Klasse | Taxon5_Name = Samenpflanzen | Taxon5_WissName = Spermatophytina | Taxon5_Rang = Unterabteilung | Taxon6_Name = Gefäßpflanzen | Taxon6_WissName = Tracheophyta | Taxon6_Rang = Abteilung | Bild = Gymnosiphon bekensis Korup National Park Cameroon IMG 1736 2 edit.JPG | Bildbeschreibung = ''Gymnosiphon bekensis'' }} Die '''Burmanniaceae''' sind eine [[Familie (Biologie)|Pflanzenfamilie]] aus der [[Ordnung (Biologie)|Ordnung]] der [[Yamswurzelartige]]n (Dioscoreales). Die Familie wurde 1830 von [[Carl Ludwig Blume]] erstbeschrieben und umfasst rund einhundert Arten in neun häufig [[monotypisch]]en beziehungsweise sehr artenarmen Gattungen. Die stammesgeschichtlich alte Familie ist weltweit in den Tropen verbreitet, ihre Arten sind mehrheitlich vollständig ohne [[Blattgrün]] und ernähren sich stattdessen [[Mykotrophie|mykoheterotroph]] als Parasiten von Pilzen. Durch ihre Unabhängigkeit vom Licht als Energiequelle erschließen sie sich ökologische Nischen, die Pflanzen sonst weitgehend verschlossen bleiben. Aufgrund der evolutionären Anpassungen an ihre Lebensweise wurde den blattgrünlosen Arten „ein bizarres Aussehen“<ref>Traudel Rübsamen: '' Morphologische, embryologische und systematische Untersuchungen an Burmanniaceae und Corsiaceae (Mit Ausblick auf die Orchidaceae-Apostasioideae)'', 1986, S. 9</ref> attestiert und sie wurden mit „einer künstlichen Flora aus Glas, in der die kleinen Blüten in brillanten Farben wie Kristalle auf den zarten, glasartigen Stängeln ruhen“ verglichen.<ref>R. Ciferri: ''L’habitat e la micorrizia di alcune Burmanniacee della Repubblica Dominicana'', in: Atti Ist. Bot. „Giovanni Brosi“, Ser. V, 7:25–34, Übersetzung zitiert nach: Traudel Rübsamen: '' Morphologische, embryologische und systematische Untersuchungen an Burmanniaceae und Corsiaceae (Mit Ausblick auf die Orchidaceae-Apostasioideae)'', 1986, S. 9</ref> == Merkmale == Alle Arten der Familie sind [[Mykotrophie|mykotrophe]] und – bis auf rund vierzig Arten der Gattung ''[[Burmannia]]'' – [[chlorophyll]]lose [[krautige Pflanze]]n, einjährig oder ausdauernd. Sie erreichen meist Wuchshöhen zwischen 5 und 30 Zentimetern, einige ''Burmannia''-Arten nur bis zu 2 Zentimeter, Höchstwerte sind 75 oder gar 100 Zentimeter (''[[Burmannia disticha]]''). Fast alle Arten wachsen [[terrestrisch]], selten finden sich [[Epiphyt]]en (''[[Burmannia kalbreyeri]]'', ''[[Burmannia longifolia]]''). === Rhizom und Wurzeln === Das knollenähnliche, zylindrische und üblicherweise vertikal wachsende [[Rhizom]] ist verzweigt, nur wenige Zentimeter lang und dicht bedeckt mit überlappenden Schuppen und fadenförmigen, [[exogen]] gewachsenen [[Wurzel (Pflanze)|Wurzel]]n, die von [[Arbuskuläre Mykorrhizapilze|Mykorrhizen]] durchwachsen sind. [[Wurzelhaar]]e fehlen, finden sich aber in der Gattung ''[[Dictyostega]]'' möglicherweise funktionell durch die Ränder der Rhizomschuppen beziehungsweise lange Härchen an deren Spitze ersetzt. [[Wurzelhaube]]n fehlen den mykoheterotrophen Arten. Die Wurzeln besitzen eine ausgeprägte [[Wurzel (Pflanze)#Endodermis|Endodermis]] mit U-förmigen Wandverdickungen und/oder [[Casparyscher Streifen|Casparyschen Streifen]]. Der [[Wurzel (Pflanze)#Leitbündel|Zentralzylinder]] ist schwach tri- oder tetrarch ausgebildet und besitzt nur ein bis sechs [[Xylem]]-Gefäße mit ring- oder schraubenförmigen Wandverstärkungen und drei bis acht [[Phloem]]stränge. Es wurden keine [[Siebröhren-Plastiden]] nachgewiesen. Das [[Wurzel (Pflanze)#Perizykel|Perizykel]] ist fast vollständig reduziert. Im Zentrum der Rhizome findet sich [[Mark (Botanik)|Mark]]gewebe sowie der – gelegentlich von einer [[Endodermis]] umgebene – [[Leitbündel]]zylinder, die [[Rinde]] ist im Vergleich zum oberirdischen Teil der Pflanze verdickt. Sowohl Markgewebe als auch Rinde dienen als [[Stärke]]speicher. Mittels seitlich aus dem Rhizom wachsender Sprosse beziehungsweise von Achsenknospen aus der Wurzel vermögen sich Arten der Burmanniaceae auch vegetativ zu vermehren. Von zwei Arten der ''Burmannia'' (''[[Burmannia alba]]'', ''Burmannia longifolia'') ist Wurzel[[dimorphismus]] bekannt, neben einem eigentlich schwach ausgeprägten Wurzelwerk findet sich hier noch eine, gelegentlich sogar zwei sehr verdickte, knollenartige Wurzel. Von diesem Aufbau weichen die blattgrünen Arten der Gattung ''Burmannia'' meist ab: ihnen fehlt das Rhizom und sie besitzen Wurzelhauben. Sie zählen mit bis zu 70 Zentimeter Wuchshöhe auch zu den größten Vertretern der Familie. === Stamm === Oberirdische Sprossachsen werden nur in Form der Blütenstandsachsen ausgebildet, sie sind in der Regel unverzweigt und im Querschnitt zylindrisch, um ihren Ansatz findet sich eine von der Hauptwurzel ausgehende, rund 1 Millimeter hohe [[Blattscheide|Scheide]]. Die [[Epidermis]] besitzt so gut wie keine [[Stoma (Botanik)|Spaltöffnungen]], wenn, dann ohne Nebenzellen ([[Stomata|anomocytische Stomata]]). Nach innen folgen ein ausgeprägtes subepidermales Gewebe, eine [[Sklerenchym]]scheide, eine [[Endodermis]] ähnlich der der Wurzeln. Es gibt 3 bis 20 reduzierte kollaterale [[Leitbündel]]. Die [[Xylem]]-Gefäße besitzen ring- und spiralförmige Verdickungen. === Blätter === Die [[Phyllotaxis|wechselständig]] angeordneten, ungestielten Blätter sind bei mykotrophen Arten zu kleinen [[Schuppenblatt|Schuppenblätter]]n reduziert und von blass bräunlicher, gelblicher, rötlicher Farbe, selten auch vollständig farblos. Bei blattgrünen Arten sind sie bis zu 50 Zentimeter lang, linealisch bis lanzettlich und bilden in der Regel eine Rosette am unteren Teil der [[Sprossachse]]. Nebenblätter fehlen. Die Blätter besitzen nur ein kollaterales Leitbündel, das aus wenigen [[Tracheide]]n, selten aus Gefäßen besteht. Für ''[[Burmannia fadouensis]]'' und ''[[Burmannia pingbianensis]]'' ist die Bildung von [[Brutknospe|Achselbulbillen]] zum Zweck der vegetativen Vermehrung berichtet.<ref>Dianxiang Zhang: ''Systematics of Burmannia L. (Burmanniaceae) in the Old World'', in: Hong Kong University Theses Online, Thesis (Ph.D.), University of Hong Kong, 1999, S. 16–17</ref> === Blüten === [[Bild:Burmannia bicolor near Iwokrama field station Guyana DSCN0407.jpg|thumb|''[[Burmannia bicolor]]'', Guyana]] Die Blütenstände sind endständige einfache (zum Beispiel bei ''[[Apteria]]'') oder doppelte (''[[Gymnosiphon]]'', ''[[Dictyostega]]'') [[Wickel (Blütenstand)|Wickel]] aus ein bis fünfzehn Blüten, die den Achseln von [[Tragblätter]]n entspringen. Im Falle von Doppelwickeln sind die Blüten einseitswendig ausgerichtet. Die Blütenstände sind bei ''Gymnosiphon'' und ''Dictyostega'' eher locker, bei ''[[Miersiella]]'' und einigen ''Burmannia'' kompakt aufgebaut. Die in der Regel radiärsymmetrischen und gestielten, röhren- bis trompetenförmigen [[Blüte]]n sind dreizählig und von variabler Färbung, häufig von blauer bis hellblauer Grundfarbe, daneben aber auch grünlich, gelb, weiß oder rosa. Oft sind verschiedene Farben kontrastreich miteinander kombiniert. Die Länge der Blütenstiele ist, insbesondere innerhalb der Gattung ''Gymnosiphon'' von großer taxonomischer Bedeutung. Die vollständig miteinander verwachsenen [[Tepal]]en stehen in zwei Kreisen, die äußeren drei sind deutlich größer als die inneren, nur bei ''Campylosiphon'' ist dieser Unterschied kaum ausgeprägt. Bei ''Marthella'' fehlen die Tepalen des inneren Kreises vollständig. Die Tepalen des äußeren Kreises sind dabei meist einfach, (nur bei den Gattungen ''Cymbocarpa'' und ''Gymnosiphon'' dreigelappt); die des inneren Kreises sind stark verkleinert, einfach (bei ''[[Hexapterella]]'' gelegentlich dreigelappt) und fleischig verdickt. In der Knospe umschließen die bündig aneinander stehenden äußeren Tepalen die inneren vollständig. Der [[Perianth]] ist persistent, wird also bis zur Fruchtreife nicht abgeworfen, sondern vertrocknet langsam; Ausnahmen sind ''Gymnosiphon'', ''Cymbocarpa'' und ''[[Hexapterella gentianoides]]'', die als circumscissil beschrieben werden, hier werden also alle oberhalb der Blütenröhre gelegenen Blütenelemente abgeworfen und hinterlassen eine „nackte Blütenröhre“. [[Bild:Gymnosiphon longistylus Douala-Edea Reserve Cameroon IMG 2163 edit.JPG|thumb|''[[Gymnosiphon longistylus]]'', Kamerun]] Es ist nur ein Kreis mit drei, den inneren Tepalen gegenüber stehenden [[Staubblätter]]n vorhanden, der äußere Staubblattkreis fehlt. [[Staubfäden]] fehlen mit Ausnahme der Gattungen ''Apteria ''und'' Marthella'' sowie bei ''Hexapterella gentianoides''. Die [[Staubblatt#Aufbau|Theken]] reißen quer auf und sind deutlich voneinander entfernt. Der [[Griffel (Botanik)|Griffel]] ist ebenso lang wie die Blüte, im Querschnitt am Ansatz dreieckig bis rund, oberhalb zylindrisch, fadenförmig und an der Spitze auf Höhe der Staubbeutel in drei trichterförmige oder zweilippige [[Narbe (Botanik)|Narbe]]näste verzweigt. Bei zweilippigen Narbenästen ist die Unterlippe mit [[Papille (Botanik)|Papillen]] besetzt, die als Haftpunkte für die Pollen dienen. Die drei [[Fruchtblätter]] sind zu einem unterständigen [[Fruchtknoten]] verwachsen. Der Fruchtknoten besitzt ein oder drei Fächer. Bei drei Fächern (''Burmannia'') ist die [[Plazenta (Botanik)|Plazentation]] zentralwinkelständig, bei einem meist parietal. Die [[Samenanlage]]n sind anatrop, bitegmisch und tenuinucellat. Für zahlreiche Mitglieder der Familie sind [[Nektarien]] nachgewiesen, von einfachen Septalnektarien bei ''Burmannia'' und ''Campylosiphon'' bis hin zu hochkomplexen Drüsenstrukturen bei ''[[Miersiella umbellata]]'' und ''[[Marthella trinitatis]]'', wo sechs je paarweise miteinander angeordnete, verwachsene Drüsen oberhalb der Fruchtknoten platziert sind.<ref>Traudel Rübsamen: ''Nectaries of the Burmanniaceae (Burmannieae)'', in: Acta Bot. Neerl. 32 (4): 351, 1983</ref> Düfte werden nur schwach, vereinzelt oder kurzzeitig abgegeben, ein einheitliches Bild lässt sich nicht zeichnen. Einzelne Berichte liegen unter anderem vor für ''[[Burmannia championii]]'' (süßlich), ''[[Hexapterella gentianoides]]'' (süß), ''Campylosiphon purpurascens'' (wohlriechend), ''[[Gymnosiphon divaricatus]]'' (angenehm, primelähnlich) und eine weitere ''Gymnosiphon''-Art (nach Kakao). Als Quelle der Düfte werden die Papillen der Perianthinnenseiten in Betracht gezogen.<ref>Traudel Rübsamen: '' Morphologische, embryologische und systematische Untersuchungen an Burmanniaceae und Corsiaceae (Mit Ausblick auf die Orchidaceae-Apostasioideae)'', 1986, S. 90–91, Tafel 75</ref> === Pollen === Die [[Pollen]] werden als äußerst vielgestaltig beschrieben, nur sehr wenige Merkmale gelten für die gesamte Familie. Zumeist werden die Pollenkörner als [[Monade (Palynologie)|Monade]]n, also einzeln ausgestreut, selten bilden sie Gruppen aus je vier ([[Tetrade (Palynologie)|Tetrade]]n) oder zwei ([[Dyade (Palynologie)|Dyaden]]) Pollenkörnern (zum Beispiel bei ''Apteria aphylla''). Bei einigen ''Gymnosiphon''-Arten werden große [[Aggregation (Biologie)|Aggregationen]] zu gleicher Zeit ausgestreut ([[Massula]]). Die Oberfläche der sehr dünnen [[Pollen#Aufbau_und_Funktion|Exine]] ist vollkommen glatt, die Form des Korns ist ellipsoid, seine Länge beträgt zwischen 17 und 54 [[Meter#Mikrometer|Mikrometer]]. An den [[Pollen#Apertur|Aperturen]] dünnt die Exine aus und die [[Pollen#Aufbau_und_Funktion|Intine]] tritt hervor. Meist sind die Pollen [[Pollen#Aufbau_und_Funktion|porat]] (wobei die Poren gelegentlich exzentrisch zum Äquator des Pollenkorns liegen), die Anzahl der Poren ist sehr variabel und kann selbst innerhalb einer Art schwanken. Monoporate und diporate Pollen überwiegen, gelegentlich gibt es Arten mit drei Poren. Selten finden sich [[Pollen#Aufbau_und_Funktion|inaperturate]] (''Gymnosiphon'', ''Apteria aphylla'', ''[[Burmannia sphagnoides]]''), noch seltener [[Pollen#Aufbau_und_Funktion|monocolpate]] Pollen (''[[Cymbocarpa refracta]]'', ''Hexapterella gentianoides''). [[Bild:B11 Dictyostega orobanchoides.jpg|thumb|Samen von ''Dictyostega orobanchioides'', [[Rasterelektronenmikroskop|REM]]]] === Früchte und Samen === Die [[Kapselfrüchte]] sind ein- oder dreifächrig, öffnen sich längs (mit Ausnahme mehrerer quer verlaufender Schlitze bei den ''Burmannia'') und enthalten viele winzige Samen, die bei den blattgrünen Arten durch Wind ([[Windstreuer|Boleochorie]]), bei den mykoheterotrophen Arten durch Wasser verbreitet werden ([[Hydrochorie]]).<ref name="Kirkbride">J. H. Kirkbride Jr., C. R. Gunn, M. J. Dallwitz: ''Burmanniaceae'', in: ''Family Guide for Fruits and Seeds'', vers. 1.0, 2006, Zugriff: 12. August 2007, ([http://nt.ars-grin.gov/sbmlweb/SeedsFruits/rptSeedsFruitsFamData.cfm?thisFamily=Burmanniaceae Online])</ref> Die Samen sind 0,19 bis 1,52 Millimeter lang, 0,06 bis 0,55 Millimeter breit, rundlich-oval bis länglich,<ref>Traudel Rübsamen: '' Morphologische, embryologische und systematische Untersuchungen an Burmanniaceae und Corsiaceae (Mit Ausblick auf die Orchidaceae-Apostasioideae)'', 1986, Tabelle XVII, S. 141</ref>, gelb bis braun, glänzend und ungeflügelt. Der [[Samenanlage#Aufbau|Funiculus]] ist relativ lang, ein [[Endosperm]] ist vorhanden, aber nur extrem schwach ausgeprägt.<ref name="Kirkbride" /> === Genetik === Die [[Chromosomen]]zahlen reichen von 6 und 8 über 68 bis zu 87 bis 99. Das Vorhandensein von [[Polyploidie]]n wird angenommen, eine genaue Chromosomengrundzahl (möglicherweise 6 oder 8) ist aber nicht bekannt. == Ökologie == [[Bild:Burmanniaceae map.jpg|thumb|Weltweite Verbreitung der Burmanniaceae]] === Verbreitung === Die Burmanniaceae sind weltweit in den tropischen Zonen aller Kontinente zu finden, und erreichen nur selten warm gemäßigte Breiten. Besondere Verbreitungsschwerpunkte sind Südamerika und Asien (Südostasien, [[Malesien]]), ein kleinerer Schwerpunkt ist West- und Zentralafrika. Die Familie strahlt darüber hinaus nach Nordamerika, die Karibik und Ostaustralien aus. Die Verteilung zwischen [[Paläotropis]] und [[Neotropis]] ist annähernd gleich. Die fast weltweite Verbreitung ist zusammen mit der Tatsache, dass keine Art auf mehr als einem Kontinent zu finden ist, ein deutliches Anzeichen für das Alter der Familie, das mit rund 93 Millionen Jahren für den ältesten gemeinsamen Vertreter der rezenten Arten ''(Crown node age)'' angegeben wird.<ref>T. Janssen, K. Bremer: ''The age of major monocot groups inferred from 800+ rbcL sequences'', in: Bot. J. Linnean Soc. 146, 2004, S. 385–398</ref> Bemerkenswert ist daneben besonders der hohe Endemismusgrad auf Gattungsebene: Während die 14 Arten in Afrika und 39 Arten in Australasien nur zwei Gattungen entstammen (''Burmannia'', ''Gymnosiphon''), sind die 47 neuweltlichen Arten auf alle 9 Gattungen der Familie verteilt.<ref>Dianxiang Zhang: ''Systematics of Burmannia L. (Burmanniaceae) in the Old World'', in: Hong Kong University Theses Online, Thesis (Ph.D.), University of Hong Kong, 1999, Tabelle 1–1, S. 30</ref> [[Bild:Burmannia congesta Mount Kupe Cameroon IMG 1535 2.JPG|thumb|''[[Burmannia congesta]]'', Kamerun]] === Habitate === Die myko-heterotrophen Arten der Burmanniaceae wachsen meist auf verrottendem Holz oder Laub an sehr schattigen Standorten in luftfeuchten [[Primärwald|Primärwäldern]], gelegentlich aber auch an sonnigen, offenen Standorten humusreicher [[Feuchtsavanne]]n, in [[Bambus]]gebüschen, [[Kiefern]]wäldern, [[Mangrove (Ökosystem)|Mangroven]] oder sogar in feuchtem Sand in Höhlen. Die blattgrünen ''Burmannia''-Arten finden sich an schattigen, aber offenen, feuchten bis sumpfigen und humusarmen Standorten in Savannen, [[Prärie]]n, [[Feuchtwiese]]n, [[Torfmoos]]-[[Moor]]en, an den Ufern von Teichen und Flüssen, in Kiesgruben, Zypressensümpfen oder Nadelwäldern, aber auch Reisfeldern. Vergesellschaftet sind Burmanniaceae mit Arten der [[Süßgräser]], [[Binsengewächse]], [[Sauergrasgewächse]], [[Xyridaceae]], [[Eriocaulaceae]], [[Sonnentaugewächse]], [[Wasserschlauchgewächse]], [[Enziangewächse]], [[Kreuzblumengewächse]] und anderen, in Westafrika sind sie Charakterpflanzen der [[Inselberg]]-Vegetation. Die epiphytischen Arten leben in Wäldern auf lebenden Ästen oder den Stelzwurzeln von Palmen der Gattung ''[[Iriartea]]''. Die Arten wachsen üblicherweise einzeln und finden sich mehrheitlich in niedrigen Höhenlagen, können aber auch auf bis zu 3600&nbsp;m Höhe vordringen. === Bestäubung === Bislang wurde bei den Burmanniaceae nur [[Selbstbestäubung]] beobachtet. Sie tritt bei vielen Arten regelmäßig auf und wird durch mehrere Anpassungen erleichtert: Staubbeutel und Narbe sind einander genähert, die Antheren öffnen sich in der Knospe, teilweise wachsen Pollenschläuche aus der Anthere zur Narbe. Für ''Apteria aphylla'' existiert ein Bericht über Besuche von Milben, die allerdings aufgrund ihrer eingeschränkten Mobilität die Pflanzen auch nur mit ihrem eigenen Pollen bestäuben können. Bei einigen ''Burmannia''-Arten findet sich [[Kleistogamie]], die Blüte bleibt also geschlossen und es kommt zur Selbstbefruchtung (''Burmannia championii'', ''[[Burmannia lutescens]]'', ''Burmannia capitata''), bei ''[[Burmannia coelestis]]'' wurde auch [[Apomixis]] beobachtet, eine vollständig ungeschlechtliche Fortpflanzungsform. Die Anpassungen der Blüten vieler Arten deuten jedoch auf [[Fremdbestäubung]] hin. Teilweise liegt [[Protandrie]] vor (die Staubbeutel reifen vor den Fruchtblättern, eine Selbstbestäubung wird so vermieden), die Blütenstruktur ist deutlich auf den Besuch durch Insekten angepasst, auch in Gestalt der Nektarproduktion vieler Arten. Als Bestäuber werden aufgrund der Blütenstruktur [[Schmetterlinge]] vermutet. In den Kronröhren dreier Exemplare von ''Gymnosiphon breviflorus'', die als Untersuchungsmaterial dienten, wurde zweimal eine „Hymenoptere aus der Verwandtschaft der [[Erzwespen]] […], in der dritten Kronröhre derselben Art eine Fliegenpuppe (oder Larve) der Unterordnung [[Brachycera]]“ gefunden.<ref>Traudel Rübsamen: '' Morphologische, embryologische und systematische Untersuchungen an Burmanniaceae und Corsiaceae (Mit Ausblick auf die Orchidaceae-Apostasioideae)'', 1986, S. 91–92</ref> === Lebensweise === [[Bild:Burmannia itoana (edit).jpg|thumb|''[[Burmannia itoana]]'', Hongkong]] Die Mehrheit aller Arten der Familie betreibt überhaupt keine [[Photosynthese]] mehr und bildet dementsprechend kein [[Chlorophyll]]. Stattdessen leben sie [[Mykotrophie|myko-heterotroph]] von [[Arbuskuläre Mykorrhizapilze|arbuskulären Mykorrhizapilzen]], sind also zu ihrer Ernährung vollständig von den Pilzen abhängig. Da diese Mykorrhiza-Pilze in [[Symbiose]] mit anderen Pflanzen stehen, meist Bäumen oder Sträuchern, wurde für diese Konstellation gelegentlich auch der Begriff [[Epiparasitismus]] gebraucht. Im strengen Sinne ist dieser Begriff jedoch unzutreffend, da Epiparasitismus als indirekte Miternährung am Pilzpartner ohne Schädigung des Pilzes selbst hier nicht vorliegt. Burmanniaceae sind echte Parasiten am Pilz: die in die äußeren bis zu 12 Zellschichten von Rinde und Epidermis der Wurzeln beziehungsweise Rhizome einwachsenden [[Hyphe]]n des Pilzes werden nach und nach abgetötet und die Nährstoffe in Gestalt von [[Stärke]] im Gewebe eingelagert.<ref>Stephan Imhof: ''Subterranean structures and mycotrophy of the achlorophyllous Dictyostega orobanchoides (Burmanniaceae)'', in: Revista de Biología Tropical, Vol.49, No.1, 2001, [http://www.scielo.sa.cr/scielo.php?script=sci_arttext&pid=S0034-77442001000100022&lng=en&nrm=iso Online], Zugriff am 3. September 2007</ref> Über lange Zeiträume sind die unterirdischen Pflanzenteile (Rhizom, Wurzeln) so die einzigen aktiven Teile der Pflanzen, sie treiben erst aus, wenn sie vom Pilz hinreichende Reserven an Nährstoffen angesammelt haben. Wenngleich allerdings der größte Teil der Arten der ''Burmannia'' blattgrün ist, so bedeutet dies doch keinesfalls, dass sie [[Autotrophie|autotroph]] sein müssen. Auch sie parasitieren oftmals Pilze, betreiben aber parallel Photosynthese, nur wenige Arten wie ''Burmannia disticha'' sind völlig frei von Mykorrhizen. Leake konstatierte diesbezüglich: „Es ist höchstwahrscheinlich, dass viele dieser Arten mehr Kohlenstoff durch Heterotrophie als durch Photosynthese beziehen […]“ ''(„It is most likely that many of these species obtain more carbon heterotrophically than they do from photosynthesis […]“)''<ref>Jonathan R. Leake: ''The Biology of Myco-Heterotrophic ('Saprophytic') Plants'', in: New Phytologist, 127:2, 1994, p. 179</ref> Die von den Pflanzen parasitierten Pilze entstammen – soweit bekannt – der Klasse [[Glomeromycetes]], darunter neben Arten der Gattung ''[[Glomus]]'' auch einige aus der Familie der [[Acaulosporaceae]],<ref>Thassilo Franke, Ludwig Beenken, Matthias Döring, Alexander Kocyan, Reinhard Agerer: ''Arbuscular mycorrhizal fungi of the Glomus-group A lineage (Glomerales; Glomeromycota) detected in myco-heterotrophic plants from tropical Africa'', in: Mycological Progress, 2006, Vol. 5, p. 28</ref> <ref>Jonathan R. Leake: ''Plants parasitic on fungi: unearthing the fungi in myco-heterotrophs and de­bunking the ‚saprophytic‘ plant myth.'', in: Mycologist 19, pp. 113–122, 2005</ref> sowie der [[Peronosporaceae]].<ref>Dianxiang Zhang: ''Systematics of Burmannia L. (Burmanniaceae) in the Old World'', in: Hong Kong University Theses Online, Thesis (Ph.D.), University of Hong Kong, 1999, S. 13</ref> === Gefährdung und Status === Aufgrund der meist unzugänglichen Standorte, ihres disjunkten Verbreitungsgebietes, ihrer Unauffälligkeit und ihrer natürlichen Seltenheit ist keine summarische Aussage über die Entwicklung der Bestände der Familie möglich. Auf der Roten Liste der [[IUCN]] standen 1997 drei Arten der Gattung ''Gymnosiphon'' als ''„Rare“'' (=&nbsp;„Selten“),<ref>Siehe die Liste [http://lycosa.unep-wcmc.org/cgi-bin/nph-readbtree.pl/wcmcname/maxhits=10/firstval=1?ETI=Burmanniaceae&DIST.BRU.NAME.TO.SHOW= online]</ref> in neueren Auflagen der Roten Liste tauchen sie jedoch nicht mehr auf. In den USA ist ''[[Burmannia flava]]'' in Florida seit 1998 als „Endangered“ (=&nbsp;„Gefährdet“) eingestuft.<ref>Siehe Eintrag im ''Atlas of Florida Vascular Plants'', [http://www.plantatlas.usf.edu/main.asp?plantID=587 Online], Zugriff am 30. September 2007</ref> In besonderer Hinsicht unklar ist der Status von ''[[Marthella trinitatis]]'', der einzigen Art ihrer Gattung. Die Art ist nur ein einziges Mal 1883 auf dem [[El Tucuche]], dem zweithöchsten Berg [[Trinidad (Insel)|Trinidad]]s, gesammelt und seither nicht mehr wieder gefunden worden, einen offiziellen Status genießt sie aber nicht. Ähnliches gilt für die bisher nur dreimal gefundene ''[[Cymbocarpa saccata]]''. == Systematik == === Gattungen === Die Burmanniaceae umfassen derzeit neun Gattungen mit rund 95 Arten, neue Arten (insbesondere der ''Burmannia'') werden jedoch regelmäßig beschrieben. Bis auf ''Gymnosiphon'' mit knapp über 20 Arten und die ''Burmannia'' mit etwa 60 Arten haben alle Gattungen nur ein oder zwei Vertreter. *''[[Apteria]]'' Nutt. *''[[Burmannia]]'' L. *''[[Campylosiphon]]'' Benth. *''[[Cymbocarpa]]'' Miers *''[[Dictyostega]]'' Miers *''[[Gymnosiphon]]'' Blume *''[[Hexapterella]]'' Urb. *''[[Marthella]]'' Urb. *''[[Miersiella]]'' Urb. === Systematische Geschichte === [[Bild:Burmannia disticha.jpg|thumb|''[[Burmannia disticha]]'', Illustration aus ''Plants of the coast of Coromandel'', um 1800]] Die systematische Geschichte der Burmanniaceae ist in vieler Hinsicht geprägt von Unsicherheiten aufgrund der teils extrem reduzierten Morphologie ihrer mykoheterotrophen Vertreter. Als Familie erstbeschrieben wurden sie 1830 von [[Carl Ludwig Blume|Blume]] mit den drei Gattungen ''Burmannia'', ''Gymnosiphon'' und ''Gonyanthes'' (letztere wurde später als Synonym zu den ''Burmannia'' gestellt), nachdem [[Carl von Linné|Linné]] die beiden ihm bekannten ''Burmannia''-Arten ''Burmannia disticha'' und ''Burmannia biflora'' bei ihrer Erstbeschreibung 1753 der Ordnung Monogynia (Klasse Hexandria) zurechnete (Familien als [[Taxon|Taxa]] wurden in Linnés System ursprünglich nicht verwendet).<ref>Carolus Linnaeus: ''Species Plantarum'', Bd. 1, S. 287, 1753 ([http://www.botanicus.org/page/358306 botanicus.org])</ref> Der Name ehrt den niederländischen Botaniker und Arzt [[Johannes Burman]], einen Freund Linnés. [[Typus (Nomenklatur)|Holotyp]] ist ein Exemplar von ''Burmannia disticha'' aus Ceylon, heute verwahrt im Schwedischen Museum für Naturgeschichte.<ref>Eine Abbildung des Holotyps findet sich auf [http://linnaeus.nrm.se/botany/fbo/b/bilder/burma/burmdis4.jpg der Website des Museums]</ref> Einer ersten Revision wurde die Familie 1847 bis 1851 durch [[John Miers|Miers]] unterzogen. Er führte zugleich eine weitere Untergliederung der Familie in zwei Unterfamilien ein, die Thismiae und die Burmanniae, die mit teils variierenden Rangstufen noch bis zur Jahrtausendwende vertreten wurde (siehe zum Beispiel Maas-van de Kamer 1998). Hooker und Bentham stuften die Familie 1883 anhand morphologischer Merkmale wie Mykotrophie, unterständigem Fruchtknoten, sehr kleinen Samen und einem – wie bei den Orchideen – als fehlend angenommenen [[Endosperm]] gemeinsam mit den [[Orchideen]] in der Ordnung Microspermae ein und gliederten sie in drei Tribus, da sie auch noch die [[Corsiaceae]] in die Familie eingliederten. Diese Zusammenfassung war bis zum Erscheinen von [[Fredrik Pieter Jonker|Jonkers]] Monografie 1938 maßgeblich, auch [[Adolf Engler|Engler]] übernahm sie, zählte aber darüber hinaus auch noch die monotypische Gattung ''[[Geosiris]]'' zur Familie. Die scheinbare Verwandtschaft mit den Orchideen findet sich noch bei [[Arthur John Cronquist|Cronquist]] wieder, der die Burmanniaceae in die Ordnung Orchidales eingliederte. [[Armen Tachtadschjan]] hingegen platzierte die Burmanniaceae, ebenso wie [[Robert Folger Thorne]], mit den Corsiaceae in einer eigenen Ordnung Burmanniales.<ref>Übersicht über die verschiedenen Platzierungen nach Flowering Plant Gateway: ''Vascular Plant Family Finder'', [http://www.csdl.tamu.edu/FLORA/newgate/fpgbfam.htm Online], Zugriff am 25. September 2007</ref> Bedeutende Beiträge zur Kenntnisse der Familie nach Jonker leisteten insbesondere das Ehepaar [[Hiltje Maas-van de Kamer]] und [[Paul J. M. Maas]] von der Universität Utrecht, [[Traudel Rübsamen]] und in neuester Zeit [[Dianxiang Zhang]], [[Vincent Merckx]] und [[Peter Schols]]. === Phylogenetik === Anhand molekulargenetischer Untersuchungen wurden all die zuvor geschilderten Ansätze zunehmend in Frage gestellt. Weder Thismiae noch Corsiae konnten als Teil der Burmanniaceae bestätigt werden, zu den Corsia als Teil der [[Liliales]] besteht wohl nicht einmal mittelbar eine Verwandtschaft.<ref name="Zhang">Dianxiang Zhang: ''Phylogenetic reconstruction of Burmannia L. (Burmanniaceae): a preliminary study'', in: Acta Phytotaxonomica Sinica, 2001, 39:3, Ss. 203–223</ref> <ref>Ray Neyland: ''A phylogeny inferred from large-subunit (26&nbsp;S) ribosomal DNA sequences suggests that Burmanniales are polyphyletic'', in: Australian Systematic Botany, 15, 2002, S. 19–28</ref> <ref name="Merckx">V. Merckx, P. Schols, H. Maas-van de Kamer, P. Maas, S. Huysmans, E. Smets: ''Phylogeny and evolution of Burmanniaceae (Dioscoreales) based on nuclear and mitochondrial data'', in: Am. J. Bot. 93:1684–1698, 2006</ref> Seit Anfang des 21. Jahrhunderts werden alle Tribus daher als separate, einander auch nicht unmittelbar nahe stehende Familien begriffen. Die AP-Website führt die Burmanniaceae als Teil der [[Dioscoreales]], mit den [[Dioscoreaceae]] als Schwestergruppe.<ref>Siehe dazu das Kladogramm zu den Dioscoreales auf der [http://www.mobot.org/MOBOT/Research/APweb/orders/dioscorealesweb.htm#Dioscoreales ''Angiosperm Phylogeny Website'']</ref> Auch die innere Systematik der bisherigen Burmanniae, die als einziges Mitglied der Familie verbleiben, ist den Untersuchungen zufolge revisionsbedürftig. So sind die ''Burmannia'' [[Paraphylie|paraphyletisch]].<ref name="Zhang" /> Auch gilt der Status der Gattung ''Cymbocarpa'' als zweifelhaft, sie ist eventuell in die Gattung ''Gymnosiphon'' einzugliedern. Die derzeit umfangreichste und neueste Untersuchung der Familie von Merckx<ref name="Merckx" /> gibt die Verhältnisse in der Familie wie folgt wieder (stark vereinfacht, fettgedruckte Namen repräsentieren mehrere Taxa): <tt> ,---- '''''Gymnosiphon''''' inkl. '''''Cymbocarpa''''' | | ,---+ | | | | ,---+ | | | `---- ''Hexapterella'' | | | | ,---+ `---- ''Dictyostega'' | | | | | | ,---+ `---- ''Apteria'' | | | | | | ,---+ `--- '''''Burmannia''''' | | | | | | ,--- ''[[Burmannia densiflora]]'' ---+ `---+ | `--- ''[[Burmannia congesta]]'' | | `---- '''''[[Dioscorea]]''' / [[Stenomeris]]'' (Dioscoreales) </tt> Im Rahmen der Untersuchungen zeigte sich auch, dass der Verlust des Chlorophylls sich mehrfach unabhängig voneinander eingestellt hat. Dies wird interpretiert als Hinweis darauf, dass generell eine grundsätzliche genetische Disposition innerhalb der Familie vorhanden ist, die eine Umstellung auf eine mykotrophe Lebensweise erlaubt. == Verwendung == Für den Menschen sind die Arten der Burmanniaceae weitgehend bedeutungslos. Die nach vereinzelten Proben als adstringierend und bitter schmeckend geschilderten<ref>Traudel Rübsamen: '' Morphologische, embryologische und systematische Untersuchungen an Burmanniaceae und Corsiaceae (Mit Ausblick auf die Orchidaceae-Apostasioideae)'', 1986, S. 56</ref> Arten ''Apteria aphylla'' und ''Burmannia biflora'' wurden als Teepflanzen verwandt, für ''Burmannia coelestis'' wurde von den [[Santal]] in [[Westbengalen]] ein Gebrauch als Heilkraut berichtet.<ref>Fredrik Pieter Jonker: ''A monograph of the Burmanniaceae'', Meded. Bot. Mus. Herb. Rijks Univ. Utrecht 51, 1938, S. 14</ref> == Literatur == Die Informationen dieses Artikels entstammen zum größten Teil den folgenden Quellen, für weitere Angaben siehe unter Einzelnachweise: * Hiltje Maas-van de Kamer: ''Burmanniaceae''. In: Klaus Kubitzki (Hrsg.): ''The Families and Genera of Vascular Plants Vol. 3''. Berlin 1998, ISBN 3-540-64060-6. * Traudel Rübsamen: ''Morphologische, embryologische und systematische Untersuchungen an Burmanniaceae und Corsiaceae (Mit Ausblick auf die Orchidaceae-Apostasioideae)''. 1986, ISBN 3-443-64004-4. * Dianxiang Zhang: ''Systematics of Burmannia L. (Burmanniaceae) in the Old World''. In: ''Hong Kong University Theses Online, Thesis (Ph. D.).'' University of Hong Kong, 1999- * Fredrik Pieter Jonker: ''A monograph of the Burmanniaceae''. Meded. Bot. Mus. Herb. Rijks Univ. Utrecht 51: 1–279, 1938. * P. J. M. Maas, H. Maas-van de Kamer, J. van Bentham, H. C. M. Snelders, T. Rübsamen: ''Burmanniaceae''. Flora Neotropica, Monogr. 42:1–189, 1986. == Einzelnachweise == <references/> == Weblinks == *[http://www.burmanniaceae.org/ Forschungs-Website über die Burmanniaceae] {{Commonscat}} {{Exzellent}} [[Kategorie:Burmanniaceae| ]] [[Kategorie:Burmanniaceen| ]] [[Kategorie:Mykoheterotrophe Pflanze]] [[cs:Burmanniaceae]] [[en:Burmanniaceae]] [[es:Burmanniaceae]] [[fr:Burmanniaceae]] [[id:Burmanniaceae]] [[ja:ヒナノシャクジョウ科]] [[ko:석장과]] [[nl:Burmanniaceae]] [[no:Burmanniaceae]] [[pt:Burmanniaceae]] [[sr:Burmanniaceae]] [[vi:Họ Cỏ cào cào]] [[zh:水玉簪科]] 6v37gjayx0pkm4bn18khtarlkarx69o wikitext text/x-wiki Straßenbahn Innsbruck 0 23559 28177 28172 2010-12-23T20:57:23Z Milad A380 527 /* Ausbau der Lokalbahn und Errichtung der Stadtbahn (1905–1914) */ {| class="wikitable float-right" {{BSu-header|Straßenbahn Innsbruck}} {{BS-daten | LÄNGE= 19,5 (+18&nbsp;km STB) | SPURWEITE= 1000 | STROMG= 600 V= / STB 850 V | NEIGUNG= 46 | RADIUS= 17,5 | BILDPFAD_FOTO= Lohner-6ax-TW.jpg | PIXEL_FOTO= 270px | TEXT_FOTO= Linie 1 am Claudiaplatz }} | Eröffnung | 1. Juli 1891 |- | Betreiber | [[Innsbrucker Verkehrsbetriebe|IVB]] |- | Linienfahrzeuge | 27 |- | Arbeitsfahrzeuge | 12 |- | Nostalgiefahrzeuge | 32 (inkl. [[Tiroler MuseumsBahnen|TMB]]) |- | [[Bundesland (Österreich)|Bundesland (A):]] | [[Tirol (Bundesland)|Tirol]] |- |} Die '''Straßenbahn Innsbruck''' besitzt ein [[Meterspur|meterspuriges]] Netz mit einer Länge von 19,5&nbsp;km, auf dem drei Linien betrieben werden. 1905 wurde der elektrische Betrieb mit der Linie&nbsp;1 begonnen. Des Weiteren nutzt die [[Stubaitalbahn]] das Netz der [[Straßenbahn]] auf der Strecke zum [[Innsbruck]]er [[Innsbruck Hauptbahnhof|Hauptbahnhof]]. Betreiber der [[Straßenbahn]] sind die [[Innsbrucker Verkehrsbetriebe|Innsbrucker Verkehrsbetriebe und Stubaitalbahn GmbH]]. == Geschichte == === Die Innsbrucker Lokalbahnen – Wegbereiter der städtischen Straßenbahn (1891–1904) === '''Die ''[[Localbahn Innsbruck–Hall in Tirol]]'' (1891–1899)''' [[Datei:LokalbahnIHiT Lok2.jpg|miniatur|Lok 2 der Localbahn Innsbruck–Hall i. Tirol mit einem Personenzug]] [[Datei:LBHiT Zug.jpg|miniatur|L.B.H.i.T.-Zug in der Falkstraße]] Mit der Südbahn von [[Kufstein]] zum [[Brennerpass|Brenner]] erreichte 1858 die erste Eisenbahn Innsbruck. Sie verband schon damals die Städte Innsbruck und [[Hall in Tirol]], jedoch nur im Mehrstundentakt. Deshalb tauchten schon bald Projekte auf, die beiden Städte anderweitig mit einer Lokalbahn zu verbinden. Doch bis es soweit sein sollte, vergingen noch knapp 40&nbsp;Jahre. Anders als bei vielen anderen Straßenbahnbetrieben zog die Stadt Innsbruck die Errichtung einer [[Dampfstraßenbahn]] dem Bau einer [[Pferdebahn]] vor. Am 18.&nbsp;September 1889 erhielten Louis Hirsch, [[August Riedinger]], Anton Prantl und Hermann Ritter v. Schwind eine [[Konzession]] zum Bau und Betrieb einer ''„mit Dampf oder anderer Motorkraft zu betreibenden Localbahn“'' von Innsbruck nach Hall in Tirol, die den unteren Stadtplatz in Hall mit dem Südbahnhof (dem heutigen Hauptbahnhof) in Innsbruck verbinden sollte. Darüber hinaus war noch eine Stichstrecke zum Bergisel geplant. Die Remisenanlagen hätten im Stadtteil [[Saggen]] gebaut werden sollen, doch aufgrund des schnellen Wachstums der Stadt war dort der benötigte Platz nicht mehr vorhanden. Darum wurde der Plan, die Strecke zum Südbahnhof zu führen, aufgegeben. Stattdessen wurde der [[Bergisel]] als Endbahnhof gewählt, da dort noch genügend Platz für Remisen zur Verfügung stand. Die eingleisig ausgeführte, 12,1&nbsp;km lange Strecke konnte trotz Widerstand seitens der Stadtbevölkerung nach zwei Jahren Bauzeit am 1.&nbsp;Juni 1891 eröffnet werden. Die Bahn führte vom [[Innsbruck Bergiselbahnhof|Bergiselbahnhof]] aus, durch das Dorf Wilten bis in die Innsbrucker Innenstadt, dem [[Inn]] entlang und durch den Saggen weiter zur Kettenbrücke, wo sie auf einer eigenen Brücke den Inn querte. Von dort folgte die Trasse der Hallerstraße bis Hall. Die Betriebsführung oblag der 1893 gegründeten ''Actien-Gesellschaft Localbahn Innsbruck–Hall&nbsp;in&nbsp;Tirol'' (L.B.I.H.i.T.).<ref>Walter Krobot, Josef Otto Slezak, Hans Sternhart: ''Schmalspurig durch Österreich.'' Verlag Josef Otto Slezak, Wien 1975, S. 57</ref> Für den Betrieb wurden vier [[Dampflokomotive]]n, neun [[Personenwaggon]]s und zwei [[Güterwagen]] beschafft. Innerhalb von zwei Jahren wurde der Fuhrpark mit zwei bauartgleichen [[Lokomotive]]n und 19 bauartgleichen Waggons ergänzt. Die Fahrzeuge wurden von 1–6 (Loks) und 1–23 (Personenwaggons, davon fünf offene Sommerwagen) durchnumeriert. Anfangs verkehrten die Züge im Stundentakt. Im Jahr 1900 wurde ein Halbstundentakt eingeführt, weshalb zwei weitere Loks (Betriebsnummer 7–8) und sechs Personenwaggons (Betriebsnummer 24–29) angeschafft werden mussten. Neben den Remisen am Bergiselbahnhof gab es noch einen zweiständigen Lokschuppen in Hall, in dem der letzte Zug nach Hall übernachtete. '''Die ''[[Innsbrucker Mittelgebirgsbahn]]'' (1900–1903)''' Da um die Jahrhundertwende im Innsbrucker Mittelgebirge der [[Tourismus|Sommertourismus]] aufzublühen begann, sollte dieses mit einer Bahn an die Stadt angebunden werden. Besonders die Orte Lans, Sistrans, Igls, Vill und Aldrans zogen die Fremden an. Daher wurde auch hier schon früh eine Bahn geplant. Am 15.&nbsp;Januar 1900 erhielt die Stadt Innsbruck schließlich eine Konzession zum Bau einer dampfbetriebenen [[Lokalbahn]] auf das Plateau des Mittelgebirges. Die eingleisig ausgeführte, 8,4 Kilometer lange Bahn konnte bereits am 27.&nbsp;Juni desselben Jahres eröffnet werden. Diese [[Lokalbahn]], die Innsbrucker Mittelgebirgsbahn, nahm ihren Ausgang ebenfalls beim Bergisel und verband Innsbruck mit den Orten [[Aldrans]], [[Lans (Tirol)|Lans]], [[Sistrans]] und [[Igls]]. Aufgrund von Steigungen bis zu 46 [[Promille]] mussten leistungsstarke Dampflokomotiven beschafft werden: Es wurden drei Dreikuppler-Dampflokomotiven (1–3) und zwölf Personenwaggons (101–112) erworben. Die Beiwagen waren baugleich mit den geschlossenen Wagen der Lokalbahn nach Hall, während die Lokomotiven größer und stärker waren. Die Betriebsführung oblag der ''L.B.I.H.i.T.''<ref>Wolfgang Kaiser: ''Straßenbahnen in Österreich.'' Geramond Verlag, Landsberg 2004, S. 172–174</ref> '''Die ''[[Stubaitalbahn]]'' (1904)''' [[Datei:Stubaitalbahn 1904.jpg|miniatur|Zwei Triebwagen auf dem Mutterer Viadukt im Jahr 1904]] In der kleinen Ortschaft [[Fulpmes]], am Eingang des [[Stubaital]]s gelegen, gab es einige Kleineisen verarbeitende Betriebe. Darum musste eine bessere Verkehrsanbindung an das Stubaital hergestellt werden. Da 1903 das Sillkraftwerk bei Innsbruck eröffnet wurde, stand genügend Leistung für eine elektrisch betriebene Bahnstrecke zur Verfügung. Auch gab es bereits erste Planungen einer Straßenbahn in Innsbruck. Also wurde die Errichtung einer Lokalbahn beschlossen, die vom Südbahnhof zum Bergisel und in weiterer Folge die Brennerstraße entlang durch die Dörfer Natters, Mutters, Kreith und Telfes nach Fulpmes führen sollte. Damit wäre zum einen der Südbahnhof an das Straßenbahnnetz angeschlossen und der Grundstein für die städtische Straßenbahn gelegt worden, zum anderen wäre Fulpmes verkehrstechnisch erschlossen worden. Da die [[AEG|AEG Union]] die Technologie der Wechselstrommotoren erproben wollte und sich dafür an dem Bau der Bahn finanziell beteiligen wollte, fiel die Wahl des Stromsystems auf Einphasen-[[Wechselstrom]] bei 42,5&nbsp;[[Hertz (Einheit)|Hz]]. Die Lokalbahnzüge sollten auf der Überlandstrecke zwischen dem Stubaitalbahnhof am Fuße des Bergisels bis nach Fulpmes mit 2500&nbsp;[[Volt|V]] verkehren und auf der Strecke vom Südbahnhof bis zum Stubaitalbahnhof gleich wie die Straßenbahn mit 600&nbsp;V fahren. Es wurde die ''Aktiengesellschaft Stubaital Bahn (A.G.St.B)'' gegründet. 1903 wurde mit dem Bau des Überlandabschnittes begonnen und am 31. Juli 1904 konnte sie eröffnet werden. Der Betrieb oblag der ''L.B.I.H.i.T.''. Allerdings erwies sich das Stromsystem als unausgereift, weswegen es zu zahlreichen Störungen im Betrieb kam. Deswegen wurde für die Stadt eine Betriebsspannung von 500&nbsp;V [[Gleichspannung]] gewählt, was die Attraktivität der Stubaitalbahn etwas senkte, da nun der Anschluss an den Südbahnhof fehlte. Zwar gab es in den folgenden Jahren immer wieder Pläne, die Bahn auf einer eigenen Trasse zum Südbahnhof zu führen, doch scheiterten diese dann an der schlechten finanziellen Lage des Unternehmens. === Ausbau der Lokalbahn und Errichtung der Stadtbahn (1905–1914) === [[Datei:TW54 bergisel historisch.jpg|miniatur|x200px|Einer der ersten Triebwagen der Innsbrucker Straßenbahn (heute fahren sie im Museumsbetrieb)]] '''Die ''Stadtbahn'' und die ''Saggenlinie'' (1905–1908)''' Am 15. Juli 1905 eröffnete die L.B.I.H.i.T. schließlich die erste Straßenbahnlinie in Innsbruck, welche mit 500&nbsp;V Gleichspannung betrieben wurde. Die als „Stadtbahn“ bezeichnete Linie war eingleisig ausgeführt und 2,3 Kilometer lang. Sie führte vom Südbahnhof beginnend bis zum Staatsbahnhof (dem heutigen Westbahnhof). Eine Stichstrecke führte vom Staatsbahnhof aus über eine Eisenbrücke über die Arlbergbahn zum Bergiselbahnhof. Die Betriebszeiten waren am Anfang noch auf den Zeitraum zwischen sieben und zwanzig Uhr beschränkt. Noch vor Eröffnung der Stadtbahn wurde bereits an einer Erweiterung gearbeitet. Der im Aufbau begriffene Stadtteil Saggen sollte an die Stadtbahn angeschlossen werden. Hierfür wurde die 1,7&nbsp;Kilometer lange „Saggenlinie“ geplant, welche am 18. November 1905 eröffnet wurde. Die Strecke zweigte in der Museumstraße von der Stadtbahn ab, folgte dem [[Viadkut|Südbahnviadukt]] entlang bis zur Bundesbahndirektion und führte von dort weiter zur Adolf Pichlerstraße (heutige Conradstraße). Ab der Eröffnung der Saggenlinie wurde der Südbahnhof nicht mehr direkt angefahren. Die Triebwagen fuhren vom Staatsbahnhof direkt nach Saggen. Ein Triebwagen, der zwischen Museumstraße und Südbahnhof pendelte, bildete dann den Anschluss an diesen. Für den Betrieb der Linien wurden für die Stadtbahn sieben und zur Eröffnung der Saggenlinie drei weitere zweiachsige [[Elektrotriebwagen]] bei der Grazer Waggonfabrik angeschafft, die mit den Betriebsnummern 36–42 beziehungsweise 43–45 in den Bestand aufgenommen wurden. Da die Fahrgastzahlen rapide anstiegen, wurden einige Beiwagen der ''L.B.I.H.i.T.'' zur Verstärkung der Stadtbahn herangezogen. So konnte ein Zug mit bis zu drei Beiwagen verstärkt werden. Da die Localbahn ihre Beiwagen selbst dringend benötigte, mussten bereits 1906 vier Beiwagen beschafft werden, die mit den Betriebsnummern 61–64 in den Bestand aufgenommen wurden. Außerdem wurden zwei der wenig benötigten Sommerbeiwagen der Localbahn für den elektrischen Betrieb auf der Stadtbahn adaptiert und bekamen somit eine elektrische Beleuchtung, eine Solenoidbremse, elektrische Heizungen und Steckgitter bei den Plattformen. Im September 1906 wurde die [[Hungerburgbahn]] eröffnet; die Saggenlinie hätte bis zur Talstation der Bahn verlängert werden sollen, dieser Plan scheiterte allerdings erstmal, da die Straße dorthin noch nicht fertig gestellt war. Außerdem wollte der Stadtsenat nicht zwei Gleise in derselben Straße haben, da bereits die Lokalbahn dort vorbei fuhr. In Hinblick auf einen weiteren Ausbau der Straßenbahn nach Amras bemühte sich die Localbahngesellschaft um eine Konzession für eine Strecke von der Andreas-Hofer-Straße durch die Maximilanstraße zum Südbahnhof. 1908 wurde hier eine neue Linie eröffnet und mit der Linie die zwischen Museumstraße und Südbahnhof pendelte zusammengelegt. Bereits 1907 wurden zwei weitere Triebwagen (Betriebsnummern 46–47) bestellt, die baugleich mit denen der Stadtbahn waren, um diese Linie bedienen zu können. [[Datei:TW1 pastorstrasse.jpg|miniatur|Ein Triebwagen aus 1909]] '''Die Elektrifizierung der Localbahn nach Hall (1909–1911)''' 1909 war es schließlich soweit, die [[Elektrifizierung|Elektrifizierungsarbeiten]] auf der Localbahn nach Hall begannen. Gleichzeitig wurde die Streckenführung der Bahn im Saggen geändert, so dass die Localbahn nicht mehr durch die Falkstraße fuhr, sondern durch die Kaiserjägerstraße zum Rennweg. Dies ermöglichte auch die Verlängerung der Saggenlinie bis zur Talstation der Hungerburgbahn. Auch wurde ein weiteres Gleis von der Andreas-Hofer-Straße aus, durch die Franz-Fischer-Straße zum Wiltener Platzl gelegt, um den Bahnschranken in der Leopoldstraße umgehen zu können. Zusätzlich wurde eine neue Linie eröffnet, die zwischen den Lokalbahnzügen die Strecke der Lokalbahn in der Stadt bedienen sollte. Diese Linie verkehrte zwischen dem Staatsbahnhof und dem Gasthof Dollinger bei der Kettenbrücke. Mit der Eröffnung dieser Linie wurden auch Liniennummern für die einzelnen Linien vergeben. Die Saggenlinie bekam die Nummer 1, die neu eröffnete Linie die Nummer 2, die Linie die den Südbahnhof bediente bekam die Nummer 3 und die Lokalbahn nach Hall bekam die Nummer 4. Für die Elektrifizierung der Linie 4, oder wie sie im Volksmund nun zunehmend genannt wurde, der ''„Haller“'', wurden acht vierachsige Triebwagen bei der Grazer Waggonfabrik bestellt, die statt den Dampflokomotiven die Betriebsnummern 1–8 bekamen. Für die Linie 2 wurden nochmals sechs Stadttriebwagen bestellt, die die Betriebsnummern 48–54 bekamen und über stärkere, sogenannte Schnellläufermotoren verfügten. Anfang des Jahres 1910 wurden die Elektrifizierungsarbeiten auf der Linie&nbsp;4 abgeschlossen. Der letzte Dampfzug verkehrte am 6. Jänner 1910, fortan erfolgte der Betrieb mit 1000 Volt [[Gleichspannung]]. Die 29 Beiwagen der Dampfstraßenbahn wurden für den elektrischen Betrieb umgerüstet. Auf der Linie&nbsp;1 waren auf Grund der stetig steigenden Fahrgastzahlen oft Dreiwagenzüge anzutreffen. [[Datei:TW54 BW143 rangieren IVB.jpg|miniatur|Ein Triebwagen aus 1905 mit einem Beiwagen Baujahr 1906]] '''Die Erschließung Pradls (1911–1914)''' 1911 wurde eine Detailplanung der Verlängerung der Linie 3 nach Amras in Auftrag gegeben. Von der Museumstraße aus, sollte sie über die Gaswerkbrücke, durch die Defregger- und Pradlerstraße, entlang der Amraserstraße bis Amras geführt werden. Allerdings waren die Straßen bis dahin noch nicht rechtzeitig fertig gestellt, so dass vorerst nur die Strecke bis Pradl gebaut werden konnte. Obwohl die neu gebaute Gaswerkbrücke für den Betrieb einer Straßenbahn extra stark dimensioniert wurde, stellte sich heraus, dass bei der Planung die Anforderungen unterschätzt worden waren, weswegen diese nur von leeren Triebwagen passiert werden konnte. Deswegen wurde in Pendelverkehr zwischen der Gaswerkbrücke und der Endstation in Pradl auf der einen Seite und Gaswerkbrücke Landesgericht (Maximilianstraße) auf der anderen Seite eingerichtet. Die Brücke musste zu Fuß überquert werden. Für den Betrieb der Linie 3 wurden nochmals vier weitere Stadttriebwagen mit den Betriebsnummern 32–35 gekauft. Dies sollte für die nächsten 50&nbsp;Jahre die letzte größere Lieferung an Neufahrzeugen für Innsbruck bleiben. Im Jahre 1911 wurde ein neues Nummerierungsschema für die Fahrzeuge eingeführt. Die Triebwagen behielten ihre bisherigen Betriebsnummern. Die Beiwagen wurden von 101 beginnend nummeriert, wobei die Igler Beiwagen ihre Nummer behielten, daran anschließend die Haller Beiwagen und zuletzt die Stadtbeiwagen die Nummern bekamen. Die Güterwagen mussten alle umnummeriert werden. Sie bekamen Nummern im 200er Bereich. Die Fahrzeuge der Stubaitalbahn behielten ihre Nummern. 1912 verfügte die ''L.B.I.H.i.T.'' über vier eingleisige Linien, für den Betrieb standen 31 Triebwagen, 33 Beiwagen, 6 Güterwagen und eine Schneekehre zur Verfügung. Die ''I.M.B.'' verfügte über 3 Dampflokomotiven, 12 Beiwagen und 5 Güterwagen, die ''A.G.St.B.'' über 4 Triebwagen, 6 Beiwagen und 17 Güterwagen.<ref>Kaiser, S. 174–175</ref> 1913 wurde eine neue Brücke über die Sill neben der Gaswerkbrücke geplant, so dass die Linie 3 ohne Unterbrechung bis nach Pradl fahren konnte. Die Brücke wurde 1914 fertig gestellt. Auch wurden 1914 bereits erste Streckenabschnitte in der Stadt für den zweigleisigen Betrieb ausgebaut. === Die Weltkriege und die Zwischenkriegszeit (1914–1945) === [[Datei:Bw 147 tmb.jpg|miniatur|Beiwagen 147, heute ohne Laternendach, dafür mit Plattformschiebetüren]] '''Der Erste Weltkrieg (1914–1918)''' Obwohl in den ersten Jahren des [[Erster Weltkrieg|Ersten Weltkriegs]] die Beförderungszahlen rasant anstiegen, hatte ''L.B.I.H.i.T.'' mit Ersatzteil- und Personalmangel sowie zunehmenden finanziellen Schwierigkeiten zu kämpfen. So wurden 1914 dermaßen viele Bedienstete der Lokalbahn eingezogen, dass der Betrieb auf den Linie 2 und 3 für zwei Monate eingestellt werden musste. Ab 1915 wurde sogar erstmals weibliches Fahrpersonal eingesetzt. Auch wurde in diesem Jahr ein [[Stutzgleis]] am Südbahnhof gebaut, so dass Verwundete in die Lokalbahn umgeladen werden und dann zur Krankenverteilanstalt in Amras (heute Conradkaserne) – wohin 1916 auch die Linie 3 verlängert wurde – gebracht werden konnten. Auch wurden dieses Jahr zwei großräumige Beiwagen von der [[Lokalbahn Lana–Meran]] gekauft. Die zunehmenden Fahrgastzahlen und das abnehmend geschulte Personal führten zu ständigen Improvisationen, da Ersatzteile knapp wurden. 1918 kaufte die ''L.B.I.H.i.T.'' vier Dampfloks der [[Transports Publics Genevois|Genfer Straßenbahn]], um die elektrischen Triebwagen für den innerstädtischen Verwundetentransport frei zu bekommen. Allerdings wurden sie bis auf bei einigen Probefahrten nach Hall nie eingesetzt, da der Krieg davor beendet war. [[Datei:5 wagenzug verlaesst igls.jpg|miniatur|Fünfwagenzug verlässt Igls (2007), so ähnlich sah das auch 1936 aus]] '''Die Zwischenkriegszeit (1914–1938)''' 1919 wurde trotz finanziellen Engpässen bereits wieder an den Ausbau der Straßenbahn gedacht. So wurde die Linie 3 bis zum Pradler Friedhof verlängert und in der Stadt wurden einige Streckenteile zweigleisig ausgebaut. Ende 1920 musste die Linie 2 wegen Ersatzteilmangels eingestellt werden. Ab 1921 verkehrte die Linie 3 nicht mehr bis zum Friedhof, sondern nur noch zur alten Endhaltestelle beim Lindenhof in Pradl. Die ''L.B.I.H.i.T.'' eröffnete am 27.&nbsp;Juni 1923 die als Nummer 0 bezeichnete Innenstadtrundlinie, da die Stadtregierung eine dauerhafte Anbindung des Hauptbahnhofes an die Innenstadt forderte. Da diese Linie sich jedoch nicht bewährte, wurde sie bereits zwei Monate darauf aufgelassen und nach anderen Alternativen gesucht. Am 1. Mai 1924 wurde die Linie 0 erneut bedient, da keine Einigung auf ein sinnvolles Projekt erzielt werden konnte. Aber bereits kurz darauf wurde die Linie wieder eingestellt. In diesem Jahr wurde die noch heute bestehende Saggenschleife eröffnet, so dass die Linie 1 an der Endhaltestelle nicht mehr umsetzen musste, sondern durchfahren konnte. Mitte 1925 wurde der Betrieb auf der Linie 0 wieder aufgenommen, allerdings diesmal mit der Liniennummer 5. 1926 ging die Linie 2 wieder für ein halbes Jahr in Betrieb, bevor sie wegen mangelnder Frequentierung erneut eingestellt wurde. Auch wurde in diesem Jahr die Endstation der Linie 3 vom Landesgericht zum Wiltener Platzl verlegt. In den folgenden Jahren wurde die Linie 5 je nach Bedarf bedient. Da die ''I.M.B.'' 1927 große finanzielle Probleme hatte, überlegte die Stadt die Lokalbahn einzustellen, worauf die ''L.B.I.H.i.T.'' die Lokalbahn aufkaufte. Ein Jahr später rüstete die ''L.B.I.H.i.T.'' zwei 1917 von der Lokalbahn Meran–Lana („Meraner“ genannt) übernommene Beiwagen für den Einsatz auf der ''I.M.B.'' aus. 1929 wurde auch die Endhaltestelle der Linie 4 vom Bergisel zum Wiltener Platzl verlegt. 1930 wurde in Innsbruck der [[Mehrgleisigkeit|Rechtsverkehr]] eingeführt, was zahlreiche teure Anpassungen der Gleise nötig machte. Um im Sommer 1930 und 1931 die Linie 5 nicht mehr bedienen zu müssen und den Bahnhof trotzdem bedienen zu können, wurden die Linie 1 zweigeteilt. Vom Bergisel aus, fuhren die Triebwagen mit der Linienbezeichnung '''1B''' Richtung Bahnhof. Dort hatte der Triebwagen einen kurzen Aufenthalt und wechselte das Liniensignal auf '''1H'''. Dann fuhr er durch den Saggen und wieder zurück zum Bahnhof, um von dort als 1B Richtung Bergisel weiterzufahren. Die wegen der [[Weltwirtschaftskrise]] ausgebliebenen Touristen sorgten 1932 für die Abschaffung der Verstärkungslinien 1B und 1H. Auf der Linie 5 verkehrten auch nur mehr sporadisch Züge. Da es schon länger Pläne gab, die Mittelgebirgsbahn zu elektrifizieren, wurde 1933 ein Triebwagen der Haller mit vier Motoren ausgerüstet und auf der Bergstrecke der Stubaitalbahn bis Mutters erprobt. Für die Probefahrt wurde von Innsbruck aus Gleichstrom eingespeist. Da die Probefahrt zur vollen Zufriedenheit verlief, wurde mit den Vorbereitungen zur Elektrifizierung der ''I.M.B.'' begonnen. 1935 wurde ein weiterer Triebwagen mit vier neuen, stärkeren Motoren ausgerüstet. Am 18.&nbsp;Juni wurde schließlich auf der ''I.M.B.'' der elektrische Betrieb mit 1.000&nbsp;Volt Gleichspannung aufgenommen und sie wurde mit der Liniennummer 6 in das städtische Nummerierungsschema eingereiht. Für den elektrischen Betrieb wurden die Igler Beiwagen mit einer elektrischen Beleuchtung und Heizung ausgerüstet. Im Gegensatz zu den Haller Beiwagen bekamen sie auch noch eine Solenoidbremse. Die beiden ex-Meraner Beiwagen wurden nach der Elektrifizierung nicht mehr für den Betrieb auf der Bergstrecke herangezogen. '''Der Zweite Weltkrieg (1939–1945)''' [[Datei:TW60 triumphpforte.jpg|miniatur|Der „Mailänder“, heute als Museumsfahrzeug unterwegs.]] Der Neubau der Mühlauer Brücke wurde unter der NS-Herrschaft fertig gestellt und so wurde der Rennweg zu einer Haupteinfallsstraße. Deswegen wurden 1939 die Schienen der Lokalbahn nach Hall dort abgetragen. Die Linie 4 benutzte von da an die Schienen der Linie 1 um zur Mühlauer Brücke zu gelangen. 1940 wurde ein weiterer Triebwagen der Haller mit vier stärkeren Motoren für den Betrieb nach Igls ausgerüstet. Die so freigewordenen Motoren wurden in zwei andere Triebwagen eingebaut, so dass nun gesamt fünf viermotorige Fahrzeuge zur Verfügung standen. Die abgetragenen Schienen vom Rennweg wurden für den zweigleisigen Ausbau der Linie 3 und deren Verlängerung 1941 bis zur Rudolf-Greinz-Straße verwendet, wo eine [[Kehrschleife]] angelegt wurde. Auch wurden in diesem Jahr die [[Innsbrucker Verkehrsbetriebe]] unter Einbeziehung der ''L.B.I.H.i.T.'' und einiger lokalen Busunternehmen gegründet. Während des [[Zweiter Weltkrieg|Zweiten Weltkriegs]] kam es zu einer starken Zunahme der Beförderungszahlen. In den Jahren 1941 und 1942 verdoppelten sich die Fahrgastzahlen auf 14,5&nbsp;Millionen. Die geplante Neuanschaffung von Fahrzeugen konnte nicht durchgeführt werden, da die Firmen Rüstungsaufträgen höhere Priorität einräumten. Es wurden allerdings noch einige Ersatzteile geliefert, so dass zwei zweimotorige Triebwagen der Lokalbahn nach Hall mit je zwei stärkeren Motoren ausgerüstet werden konnten. 1944 wurde ein für die Belgrader Straßenbahn gedachtes Fahrzeug “aus Versehen” nach Innsbruck geliefert. Der Großraumtriebwagen der Firma Breda in Mailand wurde als Nummer 60 in den Bestand eingereiht und war Aufgrund seiner modernen Ausstattung bei Fahrern und Fahrgästen sehr beliebt. Während des Kriegs wurde die Strecke der Linie 6 oftmals schwer durch Fliegerbomben beschädigt. Auch der Fuhrpark der Straßenbahn hatte gegen Kriegsende stark am Ersatzteilmangel zu leiden, so dass aus einem Stadttriebwagen, gar ein neuer Beiwagen gebaut wurde. Aber der Großteil der Fahrzeuge blieb von Bombentreffern verschont. === Der Wiederaufbau (1945–1960) === [[Datei:TW19 TW21 TMB.jpg|miniatur|Zwei ex-Züricher Triebwagen zum 100jährigen Jubiläum]] Nach dem [[Krieg]] wurden die zerstörten Streckenabschnitte nach und nach wieder aufgebaut, sodass bereits Ende August 1945 alle Strecken wieder befahrbar waren. Der Fuhrpark konnte allerdings nur notdürftig geflickt werden. 1946 schenkte [[Winterthur]] - die Partnerstadt von Hall - Hall einen Triebwagen. Diese gab den Wagen an die ''IVB'' weiter. 1949 sollten neue Triebwagen beschafft werden, wozu es aufgrund der fehlenden finanziellen Mittel nicht kam. 1950 wurden sieben Triebwagen der Basler Verkehrsbetriebe gekauft, um den überstrapazierten Fuhrpark etwas zu entlasten. Da Anfangs sogar das Geld für Farbe knapp war, fuhren sie die ersten zwei Jahre weiterhin im Basler-Grün durch Innsbruck. 1952 bekamen die ''IVB'' nochmals zwei Triebwagen und drei Beiwagen aus Basel. 1953 wurden mehrere Trieb- und Beiwagen der Rechtsufrigen Thunerseebahn gekauft. Allerdings erwiesen sich diese nicht als für den Betrieb auf der Linie 4 tauglich, so dass die Beiwagen zur Stubaitalbahn kamen und die Triebwagen nur als Rangierfahrzeuge benutzt wurden. 1955 konnten nochmals vier Triebwagen von den [[Verkehrsbetriebe Zürich|Verkehrsbetrieben Zürich]] beschafft werden. Die neuen Fahrzeuge ersetzten nach und nach die Stadttriebwagen. Dabei wurden die hinzugekommen Fahrzeuge modernisiert, erhielten Compactkupplungen und zum Teil Schienenbremsen. Auch wurden die Stadtbeiwagen und ex-Meraner Beiwagen mit den neuen Fahrzeugen zusammen eingesetzt. 1956 wurde die Konzertbrücke fertig gestellt, weswegen der eiserne Viadukt über die Westbahn abgetragen werden konnte. Da es nun auch zu keiner Bahnkreuzung mehr in der Leopoldstraße kam, wurde die Strecke durch die Franz-Fischer-Straße überflüssig und abgetragen. === Der Rückbau (1960–1975) === [[Datei:TW61 TMB.jpg|miniatur|4ax Lohnertriebwagen aus 1960]] In den 1960er Jahren setzten die IVB die Modernisierung des Fahrzeugparks fort. 1960 wurden sechs von [[Bombardier Wien Schienenfahrzeuge|Lohner]] gebaute Großraumwagen in Betrieb genommen und fortan als Nummer 61–66 bezeichnet. Um eine Wendemöglichkeit für Einrichtungswagen beim Bergisel zu ermöglichen, wurde im Juni 1960 ein [[Gleisdreieck]] errichtet. Im Oktober desselben Jahres wurde das Gleisdreieck durch eine Kehrschleife ersetzt. Die nun nicht mehr benötigte Verbindung zwischen Bergiselbahnhof und Wiltener Platzl durch die Leopoldstraße wurde abgetragen und die Linie 4 verkehrte nun über den Hauptbahnhof als Endhaltestelle. 1964 wurde die Strecke in der Leopoldstraße zum Wiltener Platzl gänzlich abgetragen und die Linie 3 verkehrte auch über den Hauptbahnhof. 1965 kam es zum letzten mal für die nächsten 30&nbsp;Jahre zum Ausbau des Straßenbahnnetzes. Die Linie 3 wurde bis zur heutigen Endhaltestelle in Amras verlängert. Durch die Anschaffung von sieben Gelenkwagen – als Nummer 71–77 eingereiht – in den Jahren 1966 und 1967 konnten die letzten Stadtbahnwagen ausgemustert werden. In Hinblick auf die zweiten Olympischen Spiele in Innsbruck 1976 wurde die Linie 4 als Straßenbahn in Frage gestellt. Die Reichenauer Brücke sollte erneuert und die Hallerstraße vierspurig ausgebaut werden, was auch einen größeren Umbau der Gleisanlagen der Haller zur folge gehabt hätte. Deshalb wurde beschlossen, die Lokalbahn ab sofort als Buslinie weiter zu führen. Am 6.&nbsp;Juni 1974 verkehrte der letzte Zug auf der Linie&nbsp;4. Die Linie&nbsp;4 wurde am 7.&nbsp;Juni auf [[Omnibus|Autobusbetrieb]] umgestellt. Die Haller Linie war bis zu ihrer Einstellung mit den originalen, 1909 gebauten Triebwagen und den für den elektrischen Betrieb adaptierten Dampfstraßenbahn-Beiwagen betrieben worden. Die Triebwagen 1, 5, 7 und 8 wurden ausgemustert, die drei anderen Triebfahrzeuge 2, 3 und 4 wurden endgültig der Linie&nbsp;6 zugeteilt. Triebwagen 6 war bereits davor abgestellt worden, da man eines der Drehgestelle als Ersatzteil für Triebwagen 3 benötigte.<ref>Kaiser, S. 184</ref> === Die Modernisierung (1976–1983) === [[Datei:Holger-werner-okt1976 exhagener 01.jpg|miniatur|Fahrzeug kurz nach der Anlieferung 1976 im alten Bergiselbahnhof, noch im Hagener Farbschema und sechsachsig]] [[Datei:TW19 BW147 weihnachtsbahn amras.jpg|miniatur|Weihnachtsbahn]] Im Jahre 1976 stand die Straßenbahn nach der Präsentation des Generalverkehrsplans 1976 kurz vor der Einstellung. Wegen der hohen Kosten für die Anpassung sämtlicher Gleisanlagen an die neu geplanten Linienführungen erwog die Stadtverwaltung, die Straßenbahn durch [[Gelenkbus]]se zu ersetzen. Die Linie 6 und die Stubaitalbahn sollten wegen des Ausbaus der Autobahn eingestellt werden, da die ursprüngliche Trasse genau durch die Betriebshöfe geführt werden sollten. Schlussendlich entschied sich die Stadtverwaltung für die Finanzierung der Baumaßnahmen für die Linienänderungen und somit für den Erhalt der Straßenbahn. Die Adaptierungen wurden im Sommer 1976 vorgenommen. Ab dem 14.&nbsp;Oktober 1976 verkehrten die Linien folgendermaßen:<ref>Kaiser, S. 184–185</ref> :''Linie 1'': Bergisel – Hungerburgbahn :''Linie 3'': Amras – Innenstadt – Amras :''Linie 3/1'': Bergisel – Amras ([[HVZ]]-Verstärker in der Früh) :''Linie 6'': Igls – Bergisel Da die alten Remisen am Bergiselbahnhof nicht mehr zeitgemäß waren, und in der Nähe des Bergisels ein Pressezentrum für die Olympischen Spiele errichtet werden solle, wurde beschlossen, das Pressezentrum so auszulegen, dass nachher die ''Innsbrucker Verkehrsbetriebe'' dahinein übersiedeln konnten. 1977 wurden die neuen Räumlichkeiten von den ''IVB'' in Besitz genommen und ein Teil des alten Bergiselbahnhofs abgebrochen. Auch wurden 1976 acht gebrauchte Zweirichtungstriebwagen von der [[Hagen]]er Straßenbahn gekauft. Diese vorerst auf der Linie 1 eingesetzt, wurden sie in den nächsten Jahren für den Einsatz auf der Linie 6 umgebaut. Nach dem Kauf der ex-Hagener wurden 1977 die letzten Holzkastenwagen auf den Stadtlinien abgestellt. Lediglich die ex-Züricher<!--nicht in „Zürcher“ ändern, siehe Diskussionsseite--> Triebwagen 21 und 19, sowie der ex-Meraner Beiwagen 147 blieben als Schienenschleifwagen beziehungsweise als Weihnachtsbahngarnitur im Stand. Bereits 1980 wurde ein neues Verkehrskonzept beschlossen, dem nach die Straßenbahn wieder ausgebaut werden solle. Eine Linie solle in das O-Dorf und eine in die Reichenau gebaut werden. Auch solle die Linie 4 auf einer anderen – zeitgemäßeren Trasse wieder aufgebaut werden. Für dieses Verkehrskonzept wurden sechs- und achtachsige Gelenkstriebwagen aus Bielefeld gekauft, sowie eine neue große Straßenbahnhalle im neuen Betriebshof gebaut. 1981 hatten schließlich auch die alten Holzkastentriebwagen auf der Igler ausgedient, und die Iglerbahn wurde von nun an mit ex-Hagener Triebwagen bedient. Auch wurde nun der letzte Teil des alten Betriebsbahnhofs abgerissen. Es wurde beschlossen, die Stubaitalbahn, deren Fuhrpark seit Anbeginn nie eine Erneuerung erfuhr, auf Gleichstrom umzustellen und mit ex-Hagener Triebwagen zu betreiben. 1983 war es schließlich soweit, dass die ''„Alte Stubaitalbahn“'' zum letzten Mal fuhr. Nach einigen Tagen Umstellarbeiten konnte der Gleichstrombetrieb aufgenommen werden. Die Züge der Stubaitalbahn endeten von da an nicht mehr am Stubaitalbahnhof, sondern am Hauptbahnhof. Zu diesem Zeitpunkt gründeten sich auch die [[Tiroler MuseumsBahnen]], welche in den Hallen und Remisen des alten Stubaitalbahnhofs ihre Unterkunft fanden. 1984 wollten die ''IVB'' weitere ex-Hagener Triebwagen aus Belgrad rückkaufen, um die Linie 6 bis zur Hungerburgbahn verlängern zu können. Da dieser Versuch aber fehlschlug, wurde die Linie 1985 auf Einrichtungstriebwagen umgestellt. Hierfür wurden die ex-Bielefelder Triebwagen benutzt. Auch wurden die Haltestellen für den Einrichtungsbetrieb adaptiert (Bahnsteige auf beiden Seiten) und der Rechtsverkehr wurde eingeführt. Aufgrund der geringen Fahrgastanzahl wurde die Linie 6 somit auch die erste schaffnerlos fahrende Linie in Innsbruck. Die Triebwagen der Linie 6 waren in den Umlauf der Linie 1 eingebunden, und jede halbe Stunde fuhr ein Triebwagen als Linie 6 betafelt bei der Hungerburgbahn-Talstation los, während der von Igls kommende Wagen sich wieder als Linie 1 in deren Umlauf bis zur Hungerburg eingliederte. === Die Moderne (1983–1999) === [[Datei:TW42 TW75 Museumstr.jpg|miniatur|Verkehr in der Museumstraße]] 1986 wurde das neue Verkehrskonzept gekippt und die Stadtregierung beschloss, anstatt der Straßenbahn in den Osten Innsbrucks zwei [[O-Bus|O-Buslinien]] zu bauen. Einige schon bestellte und bezahlte Straßenbahnen wurden darauf hin verschrottet. Auch wurden die kurzen Lohner ausgemustert. Anfang der 1990er hätten neue Fahrzeuge für die Stubaitalbahn beschafft werden sollen. Allerdings erwies sich das zu teuer, weswegen die ex-Hagener Triebwagen eine Erneuerung bei Bombardier erhielten, um an das Verkehrsaufkommen und die zeitgemäßen Gesetze angepasst zu werden. 1995 wurden das erste Mal seit langem in Innsbruck wieder neue Gleise verlegt. Das zweite Gleis in der Museumstraße wurde wieder eingebaut, und eine Schleife über den Marktplatz wurde neu eröffnet. 1996 stand die Linie 6 wieder vor der Einstellung. Aufgrund einer Unterschriftenaktion in der Bevölkerung konnten allerdings finanzielle Mittel für die Linie bereitgestellt werden. Als Anreiz für die Linie verkehrten von nun an auch täglich zwei Nostalgiezüge mit den alten Igler Triebwagen. Ende der 1990er kam wieder die Diskussion über die Einstellung der Straßenbahn in Innsbruck auf. Die drei Systeme (Bus, Bahn, O-Bus) waren für die hiesigen Verhältnisse zu teuer. Deswegen wurde beschlossen, entweder den Obus oder die Straßenbahn stillzulegen. Dieses Mal gewann die Straßenbahn, und ein neues Regionalbahnkonzept wurde beschlossen. === Ausbau im Rahmen von ''Straßenbahnkonzept'' und ''Regionalbahnkonzept'' (seit 1999) === [[Datei:Weichenbaustelle Anichstr.jpg|miniatur|links|Baustelle in der Bürgerstraße für die Regionalbahn]] [[Datei:Schienefeld tivoli.jpg|miniatur|Gleise vorbereitet zum Einbau]] Das Straßenbahnkonzept wurde von der Stadt Innsbruck am 18. September 2001 beschlossen, das um Stadtbahnstrecken in Vororte erweiterte Regionalbahnkonzept am 17. November 2004. 2004 wurde der Umbau des Hauptbahnhofsvorplatzes beendet, wobei bereits die Weichen für die Stubaitalbahn-Direktanbindung und die Gleise für die Regionalbahn im Bereich des Hauptbahnhofs gelegt wurden. 2005 wurde die Gleise in der Andreas-Hofer-Straße und der Anichstraße für die neuen Straßenbahnen angepasst, da die neuen Bahnen um 20&nbsp;cm breiter (gesamt 2,40&nbsp;m) sind als die alten (2,20&nbsp;m). Auch wurden die ersten Haltestellen an die neuen Niederflurfahrzeuge angepasst, so dass die Fahrgäste erstmals ohne Niveauunterschied einsteigen können. Ende 2005 wurden 22 neue Straßenbahngarnituren bei Bombardier bestellt. 2006 wurden weitere Haltestellenadaptionen und Kanalschachtsanierungen wegen des höheren Achsdrucks der neuen Bahnen durchgeführt. Anfang 2007 wurde der O-Bus-Betrieb in Innsbruck aufgrund des anstehenden Umbaus der Linie O zur Straßenbahn eingestellt. So wurden 2007 in Vorbereitung auf die Neufahrzeuge fast alle Weichen mit Funkweichensteuerung ausgerüstet. Die meisten restlichen Haltestellen im Stadtnetz wurden 2007 außerdem noch für die Niederflurbahnen angepasst. Ende 2007 wurde der Straßenbahn- und Regionalbahnausbau von Stadt und Land in seiner endgültigen Form beschlossen. Am 11. März 2008 wurde der erste neu gelieferte Niederflurtriebwagen für Innsbruck zugelassen. Seit Juli 2009 sind alle Altwagen endgültig abgestellt und fahren auf allen Linien nur noch Niederflurbahnen. Die Linie STB fährt seit Frühjahr 2008 auf 30-Minuten-Intervall bis Kreith verdichtet und durch Sicherungsmaßnahmen an Bahnübergängen beschleunigt. Bis Fulpmes fährt die Bahn nur noch alle 60 Minuten. Zudem ist vorgesehen, die Umlandgemeinden Hall, Thaur und Rum östlich der Stadt und Völs westlich der Stadt mit zu erschließen. Die Buslinie O wird außerdem durch eine Straßenbahnlinie ersetzt und die Linie 3 zum Bahnhof Hötting verlängert. Die Linie STB sollte ursprünglich eine direkte Verbindungsstrecke vom Bergisel zum Hauptbahnhof bekommen und die Buslinie R in ihrem Westast durch eine Straßenbahn ersetzt werden; diese beiden Maßnahmen sind allerdings vorerst zugunsten der Stadtbahnlinie Rum-Völs und der Straßenbahnlinie O zurückgestellt worden. === Gegenwärtige Entwicklungen === [[Datei:Ex-Bielefelder-8ax-TW.jpg|miniatur|links|TW53 im Farbschema der neuen Bahnen]] [[Datei:TW351 IVB Testtram remise.jpg|miniatur|TW351 im Design für die Testfahrten...]] [[Datei:20090111 TW71 Abtransport IVB.JPG|miniatur|links|TW71 bereit zum Abtransport nach Arad]] [[Datei:20080312 TW351 Amras.jpg|miniatur|... und Triebwagen 351 nach der behördlichen Abnahme bereits ohne Beklebung]] Seit dem Gemeinderatsbeschluss 1999, die Straßenbahn weiter auszubauen und nicht einzustellen, werden laufend Bauarbeiten und Erneuerungen durchgeführt. Dies bedingt im Sommer oft Schienenersatzverkehr, da es auch zahlreiche Gleisbauarbeiten benötigt, da die neuen Bahnen breiter sein werden, und einen höheren Verschleiß haben werden. Erstmals seit 1911 wird damit wieder im großen Umfang am Ausbau der Straßenbahn gearbeitet. Der Betriebshof ist ebenso erneuert worden. Auch wurden 2004 neue Arbeitswagen angeschafft, um die annähernd 100&nbsp;Jahre alten Haller Triebwagen 2 und 3 zu entlasten. Bedienten die Bahnen bisher die Weichen über einen Oberleitungskontakt, bedienen sie nun seit Mitte Oktober 2007 diese über eine Funkweichensteuerung, die vom IBIS gesteuert wird. Im Gegensatz zu vielen anderen Straßenbahnbetrieben gibt es in Innsbruck noch den Fahrkartenverkauf beim Fahrer. Dies soll sich auch mit den neuen Bahnen nicht ändern. Die bis dahin auf hochflurbetrieb ausgelegten Haltestellen wurden ebenso modernisiert, um zu den modernen Wagen einen ungefährlichen und barrierefreien Zugang zu ermöglichen. Auf allen Linien der Innsbrucker Straßenbahn gilt momentan der gleiche Tarif von 1,70&nbsp;€ für den Vollpreis und 1,10&nbsp;€ für die ermäßigten Tickets (Kinder, Jugendliche, Pensionisten). Ausgenommen davon ist die Stubaitalbahn, die ab Sonnenburgerhof die Tarifzone der Stadt verlässt. Bis dorthin kann man allerdings mit dem Ticket für die Innenstadt fahren. Obwohl die Linie 6 die Kernzone (= innerstädtische Innsbrucker Tarifzone) verlässt, gilt auf der gesamten Linie der Kernzonen-Tarif, da die Endhaltestelle wieder im verwaltungspolitischen Stadtgebiet liegt. Am 17. Oktober 2007 wurde die erste Niederflurstraßenbahn geliefert. Im November 2007 wurden eines der ältesten, ständig befahrenen Gleisstücke in Innsbruck in der nördlichen Maria-Theresien-Straße stillgelegt. Nach Probe- und Abnahmefahrten nahm die erste Niederflurstraßenbahn schließlich am 27. März 2008 den planmäßigen Betrieb auf der Linie 1 auf. Mit der Errichtung der ersten Neubaustrecke Richtung Hötting West sollte 2008 begonnen werden, der ursprünglich für Juli geplante Baustart wurde jedoch auf Anfang 2009 verschoben. Die Bestellung zehn weiterer Bombardier-Straßenbahnen für die Linie O wurde Anfang Jänner 2008 durchgeführt. Anfang Juli 2008 wurde das erste Altfahrzeug aus Innsbruck, Tw 53, nach Bielefeld abtransportiert. Elf weitere Fahrzeuge wurden 2008 - 2009 zum Straßenbahnbetrieb in [[Arad (Rumänien)|Arad]] geliefert und 4 Stadtfahrzeuge wurden und werden nach [[Lodz]] geliefert. Womit noch zwei Stadtfahrzeuge für Innsbruck erhalten bleiben. Auch werden voraussichtlich die Hagener Triebwagen der Stubaitalbahn nun nach Lodz verkauft. Seit Juli 2009 werden alle Linien der IVB ausschließlich mit Niederflurfahrzeugen betrieben. == Linien == === Bestehende Linien<ref>http://www.ivb.at/fileadmin/download/fahrplan/mein-fahrplan/liniennetzplan/ivb_liniennetzplan_topographisch_2008.pdf</ref> === [[Datei:Netzplan Straßenbahn Innsbruck 09-2007.png|miniatur|links|Liniennetzplan Sept. 07]] ==== Linie 1 – ''Bergisel'' bis ''Mühlauer Brücke'' ==== {| class="wikitable float-left" {{BSu-header|<big>Linie 1</big><br />Wilten – Saggen}} |- {{BS-daten |LÄNGE=4,9 }} | Eröffnung || 15. Juli 1905 <!--|BILDPFAD_FOTO=Linie1.png |PIXEL_FOTO=270px--> |- <!--{{BS-table}} {{BS2|STRrg|STRlg||}} {{BS2|STR|BHF||[[Bergisel]]}} {{BS2|BHF|HST||[[Innsbruck Stubaitalbahnhof|Stubaitalbahnhof]]}} {{BS2|HST|HST||Fritz-Konzert-Straße}} {{BS2|HST|HST||[[Innsbruck Westbahnhof|Westbahnhof]]}} {{BS2|HST|HST||Franz-Fischer-Straße}} {{BS2|HST|HST||Maximilianstraße}} {{BS2|HST|HST||Bürgerstraße}} {{BS2|HST|HST||Marktplatz}} {{BS2|HST|HST||[[Maria-Theresien-Straße]]}} {{BS2|HST|HST||Museumstraße}} {{BS2|HST|HST||[[Tiroler Landesmuseum|Landesmuseum]]}} {{BS2|HST|HST||Bruneckerstraße}} {{BS2|HST|HST||Ing.-Etzel-Straße}} {{BS2|HST|HST||Messe}} {{BS2|HST|HST||Bundesbahndirektion}} {{BS2|HST|HST||Claudiaplatz}} {{BS2|HST|STR||Haydnplatz|Richtung Mühlauer Brücke}} {{BS2|HST|STR||MühlauerBrücke|Endhaltestelle}} {{BS2|STRlf|STRrf||}} |}--> |} [[Datei:TW1 TW19 Falkstr.jpg|miniatur|Historische Triebwagen an der Endhaltestelle der Linie 1 - so könnte es zwischen 1960 und 1974 ausgesehen haben.]] [[Datei:TW53 Bundesbahndirektion.jpg|miniatur|ex-Bielefelder TW51 im Saggen]] Die Linie&nbsp;1 (früher Stadtbahn oder Saggenlinie) ist die am längsten bestehende Linie der Innsbrucker Straßenbahn. Sie wurde im Jahr 1905 bereits elektrifiziert eröffnet und von der [[Localbahn Innsbruck–Hall i. Tirol|Lokalbahn Innsbruck–Hall in Tirol]] betrieben. Die Linie verkehrte und verkehrt Wochentags im 7,5-Minuten-Takt mit sieben Fahrzeugen (abends und an Wochenenden 15-Minuten-Takt) und wird mit ex-Bielefelder- und Lohner-Triebwagen geführt. Sie hat eine Umlaufzeit von 52,5&nbsp;Minuten. '''Streckenführung''' Zur Eröffnung der Stadtbahn führte die Strecke ausgehend von der Haltestelle Südbahnhof (heute Hauptbahnhof), wo auch ein Gleis zum Umsetzen war durch die Bahnstraße (heute Bruneckerstraße), durch die Museumstraße bis zur Ausweiche vor dem Museum. Weiter ging es durch den Burggraben in die Maria-Theresien-Straße, wo eine dreigleisige Ausweiche war, da hier auch mit der Lokalbahn nach Hall gekreuzt wurde. Durch die Anichstraße und Bürgerstraße ging es am Landesgericht vorbei in die Andreas-Hofer-Straße. Kurz vor der Haltestelle Staatsbahnhof (heute Westbahnhof), die auch die Endhaltestelle im Süden der Andreas-Hofer-Straße war, befand sich nochmals eine Betriebsausweiche. Die Saggenlinie zweigte bei der Kreuzung Bahnstraße/Museumstraße in die Viaduktstraße (heute Ing.-Etzel-Straße) ab. Dieser folgte sie bis zur Klaudiastraße (heute Claudiastraße), in die sie einbog. Über den Klaudiaplatz (heute Claudiaplatz) erreichte sie die Endhaltestelle in der Adolf Pichlerstraße (heute Conradstraße), wo sich ebenfalls ein Gleis zum umsetzen befand. Eine Ausweiche befand sich in der Haltestelle ''Kapuzinergasse''. Auch wurde im selben Jahr die Stadtbahn um eine Verbindungsbahn vom Staatsbahnhof zum Bergiselbahnhof gebaut. Beginnend vom Bergisel, folgte die Bahn der Pastorstraße, von wo zum einem das Verbindungsgleis zur Stubaitalbahn und zum anderen das Verladegleis zum Staatsbahnhof abzweigte. Dann querte die Straßenbahn die Arlbergbahn auf einem Stahlviadukt, bevor sie der Egger-Lienz-Straße folgend in die Andreas-Hofer-Straße mündete. Diese Linienführung wurde bis auf einige kleinere Änderungen bis heute beibehalten. So wurde die Abzweigung zum Hauptbahnhof bereits 1905 aufgegeben und die Bahn fuhr vom Bergiselbahnhof, beziehungsweise Staatsbahnhof durch bis zum Saggen. 1909 wurde die Strecke von der Conradstraße aus in die Falkstraße verlängert. 1914 wurden die Museumstraße, Ing.-Etzel-Straße und Anichstraße zweigleisig ausgebaut, 1919 die Andreas-Hofer-Straße und Bürgerstraße. 1924 wurde die Claudiastraße zweigleisig ausgebaut, sowie eine Schleife im Saggen gebaut, so dass die Bahn nun von der Falkstraße aus durch die Erzherzog-Eugen-Straße und Kaiser-Franz-Josef-Straße zum Claudiplatz zurück gelangte. 1930 mit der Einführung des Rechtsverkehrs wurde diese Schleife in Gegenrichtung befahren. 1930/31 wurde im Sommer kurz die Linie 1 in die Linie 1H (Saggen–Bahnhof) und 1B (Bahnhof–Bergisel) unterteilt, welche den Bahnhof bedienten. 1953 wurde das eiserne Viadukt über die Westbahn abgebaut da ab 1956 die Straßenbahn über die neu gebaute Konzertbrücke fuhr. 1976 wurde die Linie das erste Mal grob verlegt. Das Gleis für die westwärts fahrenden Bahnen wurde aus der Museumstraße entfernt. Deswegen musste nun auch von der Linie 1 der Innenstadtring befahren werden. Vom Bergisel in den Saggen fahrend blieb die Linienführung unverändert. Vom Saggen kommend, bog die Bahn in die Bruneckerstraße ab, fuhr über den Hauptbahnhof, durch die Salurnerstraße und Maria-Theresien-Straße zur Anichstraße, um von dort ihrer alten Linienführung zu folgen. 1995 wurde wieder ein zweites Gleis in die Museumstraße gelegt, sowie zwei Gleise über den Marktgraben und den Marktplatz in die Bürgerstraße. Die Linienführung änderte sich dadurch in beide Richtungen wie folgt: Die Bahn biegt nicht mehr aus der Bürgerstraße in die Anichstraße ab, sondern fährt weiter durch die Bürgerstraße bis zum Marktplatz. Durch den Marktgraben führt die Strecke über den Burggraben in die Museumstraße, von wo sie in die die Ing.-Etzel-Straße abbiegt. ''Siehe auch: [http://www.inntram.com/resources/L1.php Strecke der Linie 1 bei Google Earth]'' ==== Linie 3 – ''Anichstraße'' bis ''Amras'' ==== [[Datei:TW76 Maria-Theresien-Str.jpg|miniatur|Früher befuhr die Linie 3 die nördliche Maria-Theresien-Straße, wie hier TW 76]] [[Datei:Tw76 pradler friedhof.JPG|miniatur|TW 76, hier am Pradler Friedhof]] {| class="wikitable float-left" {{BSu-header|<big>Linie 3</big><br />Stadtmitte – Amras}} |- {{BS-daten |LÄNGE=4,0 }} | Eröffnung || 30. Dezember 1911 <!--|BILDPFAD_FOTO=Linie3.png |PIXEL_FOTO=270px--> |- <!--{{BS-table}} {{BS2|STRrg|STRlg||}} {{BS2|STR|BHF||[[Amras]]}} {{BS2|HST|HST||Pradler Friedhof}} {{BS2|HST|HST||Südring}} {{BS2|HST|HST||Rudolf-Greinz-Straße}} {{BS2|HST|HST||Dr.-Glatz-Straße}} {{BS2|HST|HST||Roseggerstraße}} {{BS2|HST|HST||Defreggerstraße}} {{BS2|HST|HST||Leipzigerplatz}} {{BS2|HST|HST||Sillpark}} {{BS2|STR|HST||[[Tiroler Landesmuseum|Landesmuseum]]|Richtung Amras}} {{BS2|STR|HST||Museumstraße|Richtung Amras}} {{BS2|STR|HST||[[Maria-Theresien-Straße]]|Richtung Amras}} {{BS2|STR|HST||Marktplatz|Richtung Amras}} {{BS2|STR|HST||Bürgerstraße|Richtung Amras}} {{BS2|HST|STR||Bruneckerstraße|Richtung Anichstr.}} {{BS2|BHF|STR||[[Innsbruck Hauptbahnhof|Hauptbahnhof]]|Richtung Anichstr.}} {{BS2|HST|STR||[[Triumphpforte]]|Richtung Anichstr.}} {{BS2|HST|STR||Anichstraße|Endhaltestelle}} {{BS2|STRlf|STRrf||}} |}--> |} Der Grundstein für diese Linie wurde bereits 1908 gelegt, als die Verbindung Landesgericht – Südbahnhof gebaut wurde. 1911 wurde die Linie&nbsp;3 schließlich eröffnet um eine Verbindung zum Stadtteil [[Pradl]] herzustellen. Ihre Endhaltestelle wurde immer wieder verlegt und so ist die Linie schrittweise bis nach [[Amras]] verlängert worden. Im November 2007 wurde das Gleis durch die nördliche Maria-Theresien-Straße stillgelegt und die Linie&nbsp;3 fährt nun über den Marktplatz. Die Linie&nbsp;3 hat eine minimale Taktung von 7,5&nbsp;Minuten, wofür bei einer Umlaufzeit von 37,5&nbsp;Minuten fünf Fahrzeuge benötigt werden. '''Streckenführung''' Um den Bahnhof besser an die Stadtbahn anzuschließen, wurde 1908 vom Südbahnhof aus, durch die Salurnerstraße und Maximilianstraße ein Gleis gelegt, wobei die Ausweiche am Bahnhof abgebaut wurde und dafür eine neue Ausweiche in der Haltestelle Adamgasse errichtet wurde. Vor dem Landesgericht fuhr die Bahn auf der Nordseite der Straße, während sie dann auf die Südseite der Maximilianstraße wechselte, um den Postkutschen vor der Hauptpost Platz zu machen. 1911 beschloss man schließlich die Bahn bis Amras zu verlängern. Von der Bahnstraße aus unterquerte sie den Südbahnviadukt, folgte der Rhombergpassage über die Gaswerkbrücke zum Leipzigerplatz. Durch die Defreggerstraße und Pradlerstraße führte die Strecke zur Endstation vor dem Lindenhof, wo sich auch ein Gleis zum Umsetzen befand. Aufgrund einer fehlenden Straße konnte noch nicht weiter gebaut werden als bis nach Pradl. Ab 1914 fuhr die Straßenbahn nicht mehr über die Gaswerkbrücke, da diese zu schwach dimensioniert war, sondern über eine Straßenbahnbrücke nördlich der Gaswerkbrücke. 1916 wurde die Strecke vom Lindenhof durch die Pradlerstraße provisorisch bis zur Krankenverteilungsanstalt (heute Conradkaserne) verlängert, 1919 sogar bis zum Pradler Friedhof. Die italienischen Besatzer genehmigten zwar die Benutzung der bereits vorhandenen Strecke, verboten aber, dass in der Krankenverteilsanstalt zu- oder abgestiegen werden durfte. Allerdings wurde die Lindengasse 1921 wieder die reguläre Endstation und die restliche Trasse zum Friedhof wurde abgetragen. 1926 wurde bei der Triumphpforte neue Weiche eingebaut, so dass man von der Salurnerstraße in die Leopoldstraße abbiegen konnte, welche bereits seit 1914 zweigleisig ausgebaut war. So verlegte man die Endhaltestelle der Linie 3 vom Landesgericht zum Wiltener Platzl. 1941 wurde die Linie 3 in Amras zweigleisig ausgebaut und bis zur Rudolf-Greinz-Straße verlängert, wo eine Umkehrschleife gebaut wurde. Am 31. Dezember 1964 wurde die Strecke in der Leopoldgasse aufgelassen. Deswegen fuhr die Linie 3 ab 1. Januar 1965 von Pradl aus kommend, durch die Museumstraße über den Burggraben in die Maria-Theresien-Straße und von dort weiter durch die Salurnerstraße zum Hauptbahnhof, von welchem sie durch die Bruneckerstraße weiter zurück nach Pradl fuhr. Auch wurde Mitte 1965 endlich die Verlängerung der Strecke bis Amras gebaut, wo sich auch die heutige Endstation befindet. Mit dem Abtragen des westwärts führenden Gleises in der Museumstraße 1976 befuhr die Linie 3 die Schleife über den Bahnhof in entgegen gesetzter Richtung. Diesen Streckenverlauf behielt die Linie bis heute bei. Nur während des Hauptbahnhofneubaus zwischen 2002 und 2004 wurde die Linie 3 von Amras aus kommend durch die Museumstraße (in die in der Zwischenzeit wieder ein westwärts führendes Gleis gelegt wurde) über den Burggraben, Marktgraben und Marktplatz in die Bürgerstraße, um von dort durch die Anichstraße zurück in die Maria-Theresien-Straße zu kommen, von wo aus sie dem normalen Linienverlauf wieder folgte. Seit 5. November 2007 führt die Linie nicht mehr durch die nördliche Maria-Theresien-Straße, sie biegt vorher in die Anichstraße ab und führt dann durch die Bürgerstraße zum Marktplatz und fährt durch den Marktgraben, von wo sie ihrer angestammten Linienführung folgt. Das Gleis in der nördlichen Maria-Theresien-Straße wurde stillgelegt. Die Weichen sind verschraubt worden und die Oberleitung wurde abgetragen. Mitte November 2007 sollen die Gleise vorerst einasphaltiert werden, bis die Fußball-Europameisterschaft 2008 vorüber ist, da man während der Fußball-EM keine Baustellen in der Innenstadt haben will. Danach sollen die Gleise im Zuge der Straßenneugestaltung endgültig entfernt werden. Ab Mitte 2008 wird mit dem Bau einer Verlängerung der Linie 3 von der Anichstraße um ca. 5 Streckenkilometer ins nordwestliche [[Hötting]] begonnen. Bis zur Fertigstellung einer neuen Straßenbahnlinie, die die Buslinie O ersetzt, wird die Linie 3 deren drei westliche Äste bedienen, wobei sie nach Fertigstellung des ersten Bauabschnitts und auch wieder nach Inbetriebnahme der Gesamtstrecke der Straßenbahnlinie O bereits beim Bahnhof Hötting enden wird. Eine spätere Verlängerung ins südwestliche Hötting als Ersatz des Westastes der Buslinie R ist angedacht, aber noch nicht politisch beschlossen. Von der derzeitigen Endschleife in Amras, die abgebaut wird, wird die Linie außerdem um ca. 400 m nach Amras-Ort verlängert. Der Zeithorizont für diese Erweiterung ist noch unbekannt. ''Siehe auch: [http://www.inntram.com/resources/L3.php Strecke der Linie 3 bei Google Earth]'' ==== Linie 6 – ''Bergisel'' bis ''Igls'' ==== [[Datei:Tw 52 nach aldrans.jpg|miniatur|links|ex-Bielefelder auf der Mittelgebirgsbahn]][[Image:Ex-Hagener-8ax-TW.jpg|thumb|ex-Hagener auf der Stubaitalbahn]] Die Linie&nbsp;6 (Innsbrucker Mittelgebirgsbahn) ist 1900 von der Stadt Innsbruck gebaut worden. Die Betriebsführung oblag der ''L.B.I.H.i.T.''. 1936 wurde die mit Dampf betriebene Strecke elektrifiziert. In den 1920er Jahren übernahm die Localbahn Innsbruck–Hall in Tirol die Gesellschaft. Von der Endhaltestelle der Linie&nbsp;1 ''Bergisel'' ausgehend schlängelt sich die oft liebevoll „Waldstraßenbahn“ genannte Linie durch die Wälder oberhalb von Innsbruck bis auf das Mittelgebirgsplateau und weiter bis zum Innsbrucker Stadtteil [[Igls]]. {{Hauptartikel|Innsbrucker Mittelgebirgsbahn}} ==== Linie STB – ''Hauptbahnhof'' bis ''Fulpmes'' ==== Die Stubaitalbahn wurde 1904 als Lokalbahn von der gleichnamigen Aktiengesellschaft gebaut. Die Betriebsführung oblag der ''L.B.I.H.i.T.''. Sie wurde von Anfang an bis 1983 mit Einphasen-Wechselstrom betrieben, und war somit die erste mit diesem Stromsystem betriebene Bahn weltweit. 1983 wurde die Bahn auf Gleichstrom umgestellt und benutzt seit diesem Zeitpunkt die Strecken der Linie 1 und 3 in der Stadt. Vom Stubaitalbahnhof am Fuße des Bergisel ausgehend schlängelt sich die Bahn auf das Platau des westlichen Mittelgebirges, von wo aus sie zum Hauptort des Stubaitals – [[Fulpmes]] – führt. Im Gegensatz zur Linie 6 – welche heutzutage den Status einer Überlandstraßenbahn hat, wird die Stubaitalbahn nach wie vor als Nebenbahn geführt. {{Hauptartikel|Stubaitalbahn}} === Ehemalige Linien === ==== Linie 2 – ''Staatsbahnhof'' bis ''Mühlau'' ==== {| class="wikitable float-left" {{BSu-header|<big>Linie 2</big><br />Wilten – Mühlau}} |- <!--{{BS-daten |LÄNGE=??,? }}--> | Eröffnung || 05. November 1909 <!--|BILDPFAD_FOTO=Linie1.png |PIXEL_FOTO=270px--> |- {{BS-table}} {{BS|uKBHFxa||Andreas-Hofer-Straße|Weiter zum Bergisel}} {{BS|uHST||Wiltener Platz}} {{BS|uBHF||Schulgasse|Ausweiche}} {{BS|uHST||[[Triumphpforte]]}} {{BS|uHST||Landhaus}} {{BS|uBHF||[[Maria-Theresien-Straße]]|Ausweiche}} {{BS|uHST||Stainerstraße}} {{BS|uHST||Marktgraben}} {{BS|uHST||Innbrücke}} {{BS|uHST||[[Hofgarten (Innsbruck)|Hofgarten]]}} {{BS|uBHF||Handelsakademie|Ausweiche}} {{BS|uHST||Schuhmanngasse}} {{BS|uHST||Hungerburgbahn}} {{BS|uKBHFxe||Gasthof Dollinger|Weiter nach Hall i. T.}} |} |} Die Lokalbahn nach Hall wurde 1909 bis 1910 in zwei Teilabschnitten elektrifiziert. Der erste Abschnitt betraf den innerstädtischen Teil vom Bergiselbahnhof über die Leopoldstraße, Maria-Theresien-Straße und Marktgraben, dem Inn entlang bis zum Gasthof Dollinger in Mühlau. Dieser Bereich wurde auch mit 500&nbsp;V Gleichspannung betrieben, während die Überlandstrecke mit 1000&nbsp;V Gleichspannung betrieben wurde. Da im innerstädtischen Bereich auch die Besiedelung wesentlich Dichter war, wollte man vom Wiltener Platzl bis zum Gasthof Dollinger einen 7,5-Minuten-Takt einrichten. Mit Stadttriebwägen wurde deswegen die Linie 2 zwischen den Zügen der Localbahn – welche im 30-Minuten-Takt verkehrten – eingeführt. Am 5. November 1909 wurde die Linie 2 eröffnet. Mit dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs musste die Linie 2 allerdings aufgrund von Personalmangel am 1. August 1914 vorübergehend eingestellt werden. Zwar wurde sie bald wieder eröffnet, musste aber wegen des Ersatzteil- und dem daraus resultierenden Triebwagenmangels 1917 wieder eingestellt werden. 1919 wurde die Linie wieder eröffnet nur um ein Jahr später wieder eingestellt zu werden, da zu wenig Fahrgäste das Angebot nutzten. Auf Drängen des Besitzers des Schlosses [[Büchsenhausen]], der Aktionär der Localbahn war, wurde am 1. März 1926 die Linie wieder eröffnet. Allerdings fuhr der Triebwagen immer hinter dem Zug der Lokalbahn her, weswegen er nie besonders ausgelastet war. Deswegen wurde die Linie am 5. Mai bereits wieder eingestellt, dieses Mal aber endgültig. '''Streckenführung''' Die Endstation der Linie 2 befand sich beim Staatsbahnhof, wo sich auch die Endhaltestelle der Linie 1 befand. Durch die Andreas-Hofer-Straße und Franz-Fischer-Straße erreichte die Bahn dann das Wiltener Platzal, von wo aus die Linie 2 die Gleise der ''L.B.I.H.i.T.'' mitbenutzte. Durch die Leopoldstraße und Maria-Theresien-Straße wurde der Marktgraben erreicht, von wo aus die Linie dem Herzog-Otto-Ufer und dem Rennweg in die Karl-Kapferer-Straße und Siebererstraße fuhr. Durch die Falkstraße und über die Lokalbahnbrücke über den Inn erreichte die Linie schlussendlich den Gasthof Dollinger. Nach der Errichtung der Saggenschleife 1924 fuhr die Linie 2 aus der Falkstraße in die Kaiserjägerstraße abbiegend und weiter über den Rennweg zur Mühlauer Brücke hin. ==== Linie 4 – ''Innsbruck'' bis ''Hall i. T.'' ==== Die ''Localbahn Innsbruck–Hall i. Tirol'' war der Grundstein für die Straßenbahn in Innsbruck. Sie wurde 1891 eröffnet und führte damals von Wilten aus, durch Innsbruck, Mühlau, Arzl, Rum und Thauer nach Hall in Tirol. Betrieben wurde sie von der gleichnamigen Gesellschaft, die auch später das Innsbrucker Straßenbahnnetz betrieb. 1941 gingen aus dieser Gesellschaft so wie einigen Busunternehmer, die Innsbrucker Verkehrsbetriebe hervor. {{Hauptartikel|Localbahn Innsbruck–Hall i. Tirol}} ==== Linie 0 / Linie 5 – Innenstadtring ==== {| class="wikitable float-left" {{BSu-header|<big>Linie 0 / Linie 5</big><br />Innenstadtring}} |- <!--{{BS-daten |LÄNGE=??,? }}--> | Eröffnung || Juni 1923 <!--|BILDPFAD_FOTO=Linie3.png |PIXEL_FOTO=270px--> |- {{BS-table}} {{BS2||uKBHFa||[[Innsbruck Westbahnhof|Westbahnhof]]|Nur Aug. 1929 / Linie 5}} {{BS2|uSTRrg|uABZgr+r|| |Kreuzung Maximilianstr./Bürgerstr.}} {{BS2|uHST|uHST||Landesgericht}} {{BS2|uSTRg|uHST||Anichstraße}} {{BS2|uSTRg|uBHF||[[Maria-Theresien-Straße]]|Richtung HBF}} {{BS2|uSTRg|uHST||Museumstraße|Richtung HBF}} {{BS2|uHST|uSTRf||[[Triumphpforte]]|Richtung Landesgericht}} {{BS2|uHST|uSTRf||[[Innsbruck Hauptbahnhof|Hauptbahnhof]]}} {{BS2|uSTRlf|uSTRrf||}} |} |} Sowohl die Lokalbahn nach Hall, wie auch die innerstädtischen Straßenbahnlinien, schlossen den Hauptbahnhof Anfang der 1920er nur sehr schlecht an die Innenstadt an. Darum forderte die Stadt, dass eine dauerhafte Straßenbahnverbindung zwischen der Maria-Theresien-Straße und dem Hauptbahnhof eröffnet werden solle. Deswegen eröffnete die ''L.B.I.H.i.T.'' 1923 die Rundlinie 0 (''null''). Allerdings wurde die Linie bereits am 15. August wegen zu geringer Fahrgastfrequenz wieder eingestellt. Es wurde nach einer Lösung gesucht, den Bahnhof überhaupt mit einer neuen Linie anzuschließen, die auch noch nicht angeschlossenen Stadtteile erschließen solle. Allerdings kam man hier zu keiner Einigung, so dass am 1. Mai 1924 die Linie 0 wieder eröffnet wurde, aber nur über die Sommersaison bedient blieb. Im darauf folgenden Jahr wurde die Linie 0 als Linie 5 zwischen 29. Mai und 20. September, sowie während der Herbstmesse bedient. In den folgenden Jahren wurde die Linie 5 je nach Bedarf geführt. Um den Bahnhof ganzjährig anzuschließen, beschloss man 1929 die Linie 5 als Rundlinie von Anfang Mai bis Ende Oktober zu betreiben und während der Wintermonate nur zwischen dem Hauptbahnhof und der Maria-Theresien-Straße einen Pendelverkehr einzurichten. Im August des gleichen Jahres wurde die Linie sogar bis zum Westbahnhof verlängert. Ab September verkehrte die Linie allerdings wieder normal. Mitte September war der Betrieb auf der Strecke zwischen Hauptbahnhof und Museumstraße beschränkt. In den Jahren 1930 und 1931 wurde die Linie 5 im Sommer nicht geführt, sondern stattdessen die Linien 1H und 1B (siehe [[Straßenbahn Innsbruck#Linie 1 – Bergisel bis Mühlauer Brücke|Linie 1]]). Danach blieb die Linie 5 eingestellt. '''Streckenführung''' Ausgehend vom Hauptbahnhof, fuhren die Triebwagen der Linie 0 durch die Salurnerstraße, an der Triumphpforte vorbei durch die Maximilianstraße zum Landesgericht. Dort bogen sie in die Bürgerstraße ein, von wo aus sie über die Anichstraße in die Maria-Theresien-Straße gelangten. Von dort weiter führte die Linie am Burggraben entlang in die Museumstraße und von dort durch die Bruneckerstraße zurück zum Hauptbahnhof. Im August 1929 wurde die Linie 5 bis zum Westbahnhof verlängert. Dazu bog sie beim Landesgericht, in die Andreas-Hofer-Straße ab und folgte dieser bis an deren Ende, wo sich der Westbahnhof befindet. Von dort fuhr sie die Andreas-Hofer-Straße zurück, um in die Bürgerstraße zu gelangen, von wo aus sie dem gewohnten Linienverlauf weiter folgte. == Fuhrpark == {{Hauptartikel|Fahrzeuge der Innsbrucker Straßenbahn}} Für den Betrieb der Strecke stehen 27 Linienfahrzeuge zur Verfügung. Des Weiteren besitzt die Innsbrucker Straßenbahn 12 Arbeitsfahrzeuge und 32 Nostalgiefahrzeuge (inklusive den Fahrzeugen der [[Tiroler MuseumsBahnen]]). Die Stubaitalbahn stellt eine gewisse Ausnahme dar, da sie auf der Überlandstrecke eine [[Nebenbahn]] und keine Straßenbahn ist, sie benützt jedoch das Innsbrucker Straßenbahnnetz mit um zum Hauptbahnhof zu gelangen. == Nicht verwirklichte Projekte == [[Datei:Weichenbaustelle HBF.jpg|miniatur|Baustelle am Hauptbahnhof für die Direktführung der Stubaitalbahn]] 1908 überlegten die Dörfer Mühlau, Arzl, Rum, Thaur und Absam, ob sie nicht ebenfalls eine Lokalbahn von St. Nikolaus aus über die Dörfer nach Hall bauen sollten. Da die ''L.B.I.H.i.T.'' hier eine Konkurrenz zur ihrer Lokalbahn sah, bemühte sie sich um eine Vorkonzession, die sie auch erhielt, womit das Projekt nie verwirklicht wurde. Die ''L.B.I.H.i.T.'' erhielt 1909 die Bewilligung für Vorarbeiten einer Bahn, die Maria Hilf und St. Nikolaus bedienen sollte, ausgehend von der Haltestelle Innbrücke. 1914 gab es den Plan, ein Stichgleis bis vor das Landestheater bauen, ausgehend von der Strecke am Rennweg, um am Abend den Theatergästen den Weg bis in die Museumstraße zu ersparen. Auch überlegte man damals, den Innrain und den Mentelberg besser an das Straßenbahnnetz anzuschließen. Die Linie sollte vom Südbahhnhof, durch die Landhausstraße, die heutige Meranerstraße, weiter durch die Maria-Theresien-Straße und durch die Anichstraße, über die Höttinger- und Völserstraße, den heutigen Innrain, bis zum Peterbrünnlschranken führen. Anfang der 1980er wollte die Innsbrucker Stadtregierung die 1974 eingestellt Lokalbahn nach Hall wiederaufbauen sowie das Straßenbahnnetz um eine Linie ins Olympische Dorf beziehungsweise in die Reichenau erweitern. Allerdings wurde 1986 dieses Projekt gekippt, woraufhin die Linien vorerst mit O-Bussen betrieben wurden. Für die Stubaitalbahn gab es immer wieder Pläne, sie direkt vom Hauptbahnhof bis zum Stubaitalbahnhof zu führen, um den Fahrgästen aus der Stadt das Umsteigen zu ersparen, beziehungsweise später, um ihnen den Umweg durch das Zentrum zu ersparen. So war bereits 1929 geplant, die Bahn entlang der Trasse Bundesbahn zu führen. Allerdings wurde dies durch den Börsencrash vereitelt. Als Anfang der 1950er die Bundesbahn verlegt werden sollte, hätte die Stubaitalbahn auf der alten Bahntrasse zum Hauptbahnhof geführt werden sollen. Allerdings sanken bis 1956 die Fahrgastzahlen dermaßen, dass auf dieses Projekt verzichtet wurde. Im Zuge des Regionalbahnausbaus Anfang der 2000er sollte die Bahn erneut direkt der Konzertkurve entlang zum Hauptbahnhof geführt werden. Beim Umbau des Hauptbahnhofs wurden sogar die nötigen Weichen eingebaut. Allerdings wurde dieses Projekt aufgrund der Widerstände der Anrainer vorerst zurückgestellt. Im Zuge des Regionalbahnprojektes und in Hinsicht auf die Fußball-EM 2008 hätte auch die Linie 1 vom Bergiselbahnhof aus zum Tivolistadion verlängert werden sollen. Allerdings wurde dieses Projekt noch vor der Vertragsunterzeichnung wieder fallengelassen. == Fahrgastzahlen 1905–1989 == [[Datei:Fahrgastzahlen strab ibk 1905-1989.gif|miniatur|Fahrgastzahlen ab 1905 bis 1989]] Nach der Eröffnung wurde die Straßenbahn in Innsbruck recht schnell von der Bevölkerung angenommen. So mussten bereits nach einem Jahr neue Fahrzeuge bestellt werden, um dem Transportaufkommen gerecht zu werden und im ersten Jahr wurden Fahrzeuge von der ''L.B.I.H.i.T.'' geliehen. Dieser Trend hielt bis zum Beginn des erstens Weltkriegs an. Sanken am Anfang des Ersten Weltkriegs die Fahrgastzahlen aufgrund des Personalmangels, stiegen sie bald darauf schon wieder, da Frauen das Personal stellten, und in der von Rohstoffknappheit geprägten Zeit, die öffentlichen Verkehrsmittel das günstigste Transportmittel darstellten. Des Weiteren mussten auch die Verwundetentransporte mit der Bahn durchgeführt werden. Auch nach dem Weltkrieg war die Bahn noch das Verkehrsmittel in Innsbruck. Mitte der 1920er bauten die Busunternehmen stark aus. Dadurch verloren auch die Lokal- und Straßenbahnen Fahrgäste. So war die ''I.M.B.'' bereits 1927 das erste Mal von der Einstellung bedroht und wurde von der Stadt an die ''L.B.I.H.i.T.'' verkauft. Mitte der 1930er sanken die Fahrgastzahlen Aufgrund der nahe zurückliegenden [[Weltwirtschaftskrise]] und der [[Tausend-Mark-Sperre]] enorm ab. Erst nach dem Anschluss Österreichs an Deutschland 1938 stiegen die Fahrgastzahlen wieder rapide an. Innsbruck war ein beliebtes Erholungsgebiet und die Ortschaften um Innsbruck waren bekannte Kurorte (z.&nbsp;B. Luftkurort Igls, Solbad Hall). 1940 wurden neue Fahrzeuge für die Straßenbahn bestellt, die aber wegen der Materialknappheit nicht geliefert werden konnten. Trotzdem ist in den ersten Kriegsjahren ein rapider Anstieg der Fahrgastzahlen zu verzeichnen. Gegen Ende des Krieges machten sich die Bombenangriffe auf Innsbruck und der Ersatzteilmangel bemerkbar, so dass der Personenverkehr nur noch vermindert aufrecht erhalten werden konnte. Nach dem Weltkrieg blieben die Fahrgastzahlen vorerst niedrig, da das Auto immer mehr das Verkehrsmittel der Wahl war; auch war der Fuhrpark in Innsbruck nicht besonders einladend, da die meisten Fahrzeuge nun beinahe 50 bis 70&nbsp;Jahre alt waren. Erst die Modernisierung der Straßenbahn ab 1976 führte zu einem Umdenken in Innsbruck, so dass die Fahrgastzahlen wieder stiegen.<ref>Walter Kreutz: ''Straßenbahnen, Busse und Seilbahnen von Innsbruck.'' 2. Auflage. Steiger Verlag, Innsbruck 1991, ISBN 3-85423-008-7, S. 298 f.</ref> == Einzelnachweise == <references /> == Literatur == * Duschek, W., Pramstaller W. u. a.: ''Local- und Straßenbahnen im alten Tirol'', Eigenverlag [http://www.tmb.at/shop/index.php?lang=de&siteid=8 Tiroler MuseumsBahnen], Innsbruck 2008, 48 S. * Wolfgang Kaiser: ''Straßenbahnen in Österreich.'' Geramond Verlag, Landsberg 2004, ISBN 3-7654-7198-4 * Walter Kreutz: ''Straßenbahnen, Busse und Seilbahnen von Innsbruck.'' 2.&nbsp;Auflage. Steiger Verlag, Innsbruck 1991, ISBN 3-85423-008-7 * Innsbrucker Verkehrsbetriebe AG (Hg.), Bernhard Mazegger, Eduard Ehringer: ''100&nbsp;Jahre Straßenbahnen in Innsbruck 1891&nbsp;–&nbsp;1991; 50&nbsp;Jahre Innsbrucker Verkehrsbetriebe 1941&nbsp;–&nbsp;1991.'' Eigenverlag IVB, Innsbruck 1991 * Walter Kreutz, W. Pramstaller, W. Duschek: ''100&nbsp;Jahre Elektrische in Innsbruck.'' Eigenverlag Tiroler MuseumsBahnen, Innsbruck 2005 * Walter Krobot, Josef Otto Slezak, Hans Sternhart: ''Schmalspurig durch Österreich.'' Verlag Josef Otto Slezak, 4. Auflage, Wien 1991, ISBN 385416095X == Weblinks == {{Commonscat|Trams in Innsbruck|Straßenbahn Innsbruck}} * [http://www.ivb.at Innsbrucker Verkehrsbetriebe] * [http://www.tmb.at Tiroler MuseumsBahnen] * [http://www.tramways.at/lists/Innsbruck.htm Liste der erhaltenen Fahrzeuge] * [http://www.public-transport.at ÖPNV in Österreich - Netzpläne der Innsbrucker Straßenbahn] * [http://www.strassenbahn.tk/inntram/maps_lines.html Weitere Netzpläne der Innsbrucker Straßenbahn, Planungsdetails für Regionalbahn] * [http://anno.onb.ac.at/cgi-content/anno?apm=0&aid=ibn&datum=19050715&seite=12&zoom=2 Kundmachung, Innsbrucker Nachrichten, 15.7.1905] * [http://anno.onb.ac.at/cgi-content/anno?apm=0&aid=ibn&datum=19050717&seite=4&zoom=2 Aus Stadt und Land - Die Elektrische, Innsbrucker Nachrichten, 17.7.1905] {{Navigationsleiste Straßenbahnen in Österreich}} {{Exzellent}} [[Kategorie:Straßenbahn (Österreich)|Innsbruck]] [[Kategorie:Spurweite 1000 mm]] [[Kategorie:Verkehr (Innsbruck)]] jw4ygp2kom770dkpex1ootda4532sny wikitext text/x-wiki Toter Uhu 0 23560 26156 2010-04-07T21:14:29Z Rlbberlin 0 /* Weblinks */ Text der Homepage wurde erneuert [[Bild:Édouard Manet - Toter Uhu.jpg|thumb|320x450px|<center>'''''Toter Uhu'''''<br/>[[Édouard Manet]], 1881<br/>97 × 64&nbsp;cm<br/>Öl&nbsp;auf Leinwand<br/>[[Stiftung Sammlung E. G. Bührle]], [[Zürich]]]] '''''Toter Uhu'''''<ref>Deutscher Titel gemäß dem Ausstellungskatalog von Ina Conzen: ''Edouard Manet und die Impressionisten'' S. 152 und 240. Andere in der deutschsprachigen Literatur verwendete Titel wie ''Der große gehörnte Uhu'' oder ''Adlereule'' beruhen möglicherweise auf Übersetzungsfehlern aus der englischsprachigen Literatur.</ref> (französisch: ''{{lang|fr|Le Grand-duc}}'')<ref>Französischer Titel gemäß dem Werkverzeichnis von Denis Rouart, Daniel Wildenstein: ''Edouard Manet: Catalogue raisonné'', Paris und Lausanne 1975 Band 1 Nr. 377.</ref> ist der Titel eines Gemäldes des französischen Malers [[Édouard Manet]]. Das 97 × 64&nbsp;cm große, in [[Ölmalerei|Öl&nbsp;auf Leinwand]] gemalte Bild zeigt einen toten, kopfüber an einer Bretterwand hängenden [[Uhu]] als Jagdtrophäe. Das zu einer Serie von vier nahezu gleichgroßen Stillleben gehörende Werk entstand 1881 während eines Kuraufenthaltes in [[Versailles]], als Manet bereits von schwerer Krankheit gezeichnet war. Vorbilder für diese den Tod symbolisierende Jagdtrophäe finden sich in der französischen Stilllebenmalerei des 18. Jahrhunderts und bei niederländischen Malern des 17. Jahrhunderts. ''Toter Uhu'' ist eines der wenigen Jagdstillleben im Gesamtwerk des Künstlers. Das Gemälde befindet sich in der [[Stiftung Sammlung E. G. Bührle]] in [[Zürich]]. == Bildbeschreibung == Das Motiv des 97 × 64&nbsp;cm großen Gemäldes ist ein kopfüber an einer Bretterwand hängender Uhu. Zwischen den Füßen des toten Tieres ist ein Nagel erkennbar, an dem sich die zusammengeknoteten Enden eines kleinen Strickes befinden. Mit diesem Strick wurden vermutlich die Beine zusammengebunden und das Tier an den Nagel gehängt. Die nach unten hängende Jagdtrophäe ist nach links gedreht, sodass der Bildbetrachter fast ausschließlich die rechte Seite des Tieres sieht. So ist nur das rechte Auge des Uhus erkennbar und der rechte Flügel verdeckt weitestgehend den linken. Obwohl Manets Darstellung der Jagdtrophäe in diesem Gemälde „extrem malerisch-«impressionistisch»“<ref>Hans Jucker, Theodor Müller, Eduard Hüttinger: Sammlung Emil G. Bührle. Seite 102.</ref> ist, zeigt er deutlich die unterschiedliche Befiederung der einzelnen Körperpartien. So setzt sich die Befiederung des Kopfes, des Rumpfes, der Beine und der Schwingen durch Form, Farbe, Muster und Pinselstrich jeweils voneinander ab. Der tote Vogel ist nicht exakt in der Bildmitte positioniert, sondern nimmt die oberen drei Fünftel des Bildes ein. Die unteren zwei Fünftel des Bildes bleiben der ausschließlichen Darstellung der Holzmaserung vorbehalten. Links vom Vogel ist die Maserung der Bretterwand ebenfalls deutlich zu erkennen, während der Bereich rechts vom Körper teilweise von den Schwingen des Tieres verdeckt wird und dahinter eine Art Schattenwirkung gemalt ist. Durch diesen angedeuteten Schatten ist eine Lichtquelle jenseits des linken oberen Bildrandes zu vermuten. Sowohl durch die Positionierung des Uhus im oberen Bildbereich, als auch durch das Hochformat des Gemäldes, wird der Eindruck des Aufhängens des Tieres noch verstärkt. Durch das Fehlen jeglicher räumlicher Umgebung ist das Bild motivisch der seit [[Jacopo de’ Barbari]] bei [[Stillleben]] beliebten [[Trompe-l’œil]]-Malerei zuzuordnen.<ref>Hans Jucker, Theodor Müller, Eduard Hüttinger: Sammlung Emil G. Bührle. Seite 102.</ref> In der unteren rechten Bildecke befindet sich die Signatur „Manet“. Der Maler verwandte im Gemälde für die Darstellung des Tieres wie auch für die des Holzes fast ausschließlich Brauntöne und Schwarz. Während der Uhu überwiegend in kurzen Pinselstrichen und Farbtupfern angelegt ist, werden die waagerecht verlaufenden Holzbretter durch einen langgezogenen Pinselduktus wiedergegeben, dessen wellenartige Bewegung die Holzmaserung unterstreicht. Manets lebhafte Malweise steht hierbei im Gegensatz zum Sujet eines toten Tieres. Die Kunsthistorikerin Ina Conzen beschreibt Manets Malweise wie folgt: „Als moderne Variante eines Jagdstilllebens mutet das Motiv … nüchtern und sachlich an, bar jeder Rhetorik. Als Malerei wirkt die sinnliche Ausreizung der stofflichen Qualitäten der Dinge – die fedrig-heftige Charakterisierung der geschundenen Kreatur und die betonte Maserung der Bretterwand – sprechend auf direkte Weise.“<ref>Ina Conzen: ''Edouard Manet und die Impressionisten'' Seite 152–153.</ref> == Hintergrund == [[Bild:Édouard Manet - A Lièvre.jpg|thumb|Édouard Manet: ''Der Hase''<br />entstanden in Versailles 1881 parallel zu ''Toter Uhu'']] Édouard Manet litt seit Ende der 1870er-Jahre an den Folgen einer [[Syphilis]]-Erkrankung. In den Jahren bis zu seinem Tod 1883 beeinträchtigten ihn vor allem Lähmungserscheinungen in seinem linken Bein, wodurch er nicht nur Probleme beim Gehen hatte, sondern ihm auch längeres Stehen unmöglich wurde. Zur Linderung dieser Symptome hielt sich Manet seit 1879 jährlich mehrere Monate zu Kuraufenthalten in der Umgebung von Paris auf. Hierzu mietete er sich in den Jahren 1879 und 1880 ein Haus in [[Meudon|Bellevue]] und 1882 in [[Rueil-Malmaison|Rueil]]. Die Monate von Ende Juni bis Oktober 1881 verbrachte er in einem Haus in der Avenue de Villeneuve–l’Étang Nr.20 in Versailles. In dieser Zeit ist auch das Gemälde ''Toter Uhu'' entstanden. In einem Brief an den Dichter [[Stéphane Mallarmé]] vom 30. Juli 1881 notierte Manet: „Ich habe kein Modell und namentlich keine Phantasie.“ und weiter „Ich bin nicht zufrieden mit meiner Gesundheit seit ich in Versailles bin.“<ref>Edouard Manet: ''Briefe'' Seite 105.</ref> Am 23. September 1881 schrieb er an die Malerin [[Eva Gonzalès]] über den Versaillesaufenthalt: „Wie Sie, hatten wir leider schreckliches Wetter zu ertragen. Ich glaube, es regnet hier schon seit gut anderthalb Monaten. So mußte<!--Bitte in den Zitaten keine neue Rechtschreibung --> ich, der ich hierher kam, um in dem von Lenôtre entworfenen Park Studien zu machen, mich damit begnügen, einfach meinen Garten, der der scheußlichste aller Gärten ist, zu malen. Einige Stilleben<!--Bitte in den Zitaten keine neue Rechtschreibung -->, und das ist alles, was ich mitbringen werde.“<ref>Edouard Manet: ''Briefe'' Seite 106.</ref> Da Manet das Stehen erhebliche Schmerzen verursachte, konzentrierte er sich während des Versaillesaufenthaltes auf kleinformatige Bilder, die er im Sitzen ausführen konnte. So entstanden in Versailles das Gemälde ''Die Gartenbank'' und die Ölskizze ''Stier auf der Wiese'', sowie eine Serie von vier nahezu gleichgroßen Stillleben. Neben dem ''totem Uhu'' gehörten ''Der Hase'', ''Ackerwinde und Kapuzinerkresse'' sowie ''Gartenwinkel'' zu dieser Bilderfolge. Im Gemälde ''Der Hase'' blieb die linke Bildhälfte unvollendet und die beiden Gartenmotive dieser Serie sind nur skizzenhaft gemalt. Lediglich der ''tote Uhu'' wurde von Manet signiert und gilt somit als vollendetes Werk. == Französische oder niederländische Vorbilder == Obwohl ein direktes Vorbild für das Gemälde ''Toter Uhu'' nicht belegt ist, liegen einige Möglichkeiten der Inspiration nahe. So ist bekannt, dass Manet schon als Kind regelmäßig mit seinem Onkel Edmond Fournier den Louvre besuchte. Das Studium der dortigen Gemäldegalerie setzte er während seiner Ausbildung fort und auch in späteren Jahren holte er sich hier wiederholt Anregungen. Die im Louvre ausgestellte französische Stilllebenmalerei war Manet daher bestens bekannt. Bereits 1866 hatte Manet im Bild ''Stillleben mit Kaninchen'' direkten Bezug auf [[Jean Siméon Chardin]]s um 1727 entstandenes Gemälde ''Kaninchen mit Jagdzubehör'' genommen.<ref>A. und T. Brachert, Klutzen, Reidemeister, Vey, Vignau-Wilberg, Zehmisch: ''Stiftung Sammlung Emil G. Bührle'' Seite 110.</ref><ref>George Mauner: ''Manet – the still life paintings'' Seite 142.</ref> Die Darstellung von Vögeln als Jagdtrophäen finden sich in der französischen Malerei neben Chardin auch bei [[Jean-Baptiste Oudry]] und [[François Desportes]].<ref>Peter Hughes, Penny Stempel: ''Französische Kunst aus dem Davies Vermächtnis'' Seite 28.</ref> Chardins ''An einer Wand aufgehängte Stockente mit Bitterorange'' und Oudrys ''Stillleben mit drei toten Vögeln, Johannisbeeren, Kirschen und Insekten'' sind Beispiele für französische Vorbilder, an denen sich Manet beim ''toten Uhu'' orientiert haben könnte. <ref>Bührle, Dumas, Duparc, Hahnloser-Ingold, Moffett, Prather, Deton Smith, Stevens, Tomlinson: ''Meisterwerke der Sammlung Emil G. Bührle, Zürich'' Seite 100.</ref> <gallery> Bild:Jean-Baptiste Siméon Chardin - Lapin mort et attirail de chasse.jpg|Jean Siméon Chardin: <br />''Kaninchen mit Jagdzubehör'' <br />um 1727 Bild:Édouard Manet - Lapin.JPG|Édouard Manet: <br />''Stillleben mit Kaninchen'' <br />1866 Bild:Jean Siméon Chardin - Un canard col-vert attaché à la muraille et une bigarade.JPG|Jean Siméon Chardin: <br />''An einer Wand aufgehängte Stockente mit Bitterorange''<br />um 1730 Bild:Jean-Baptiste Oudry - Nature morte avec oiseux morts et cerises.JPG|Jean-Baptiste Oudry: <br />''Stillleben mit drei toten Vögeln, Johannisbeeren, Kirschen und Insekten'' <br />1712 </gallery> Kunsthistoriker ziehen als Vorbilder für den ''toten Uhu'' neben den französischen vor allem niederländische Werke in Betracht. Manet, der mit einer gebürtigen Niederländerin verheiratet war, hatte mehrfach die Heimat seiner Frau besucht und bei diesen Gelegenheiten auch die dortigen Museen besichtigt. Zu den möglichen niederländischen Vorbildern für den ''toten Uhu'' zählt das Gemälde ''Totes Rebhuhn'' von [[Jan Baptist Weenix]], welches sich im [[Mauritshuis]] in Den Haag befindet. Der ehemalige Generaldirektor der [[Staatliche Museen zu Berlin|Berliner Staatlichen Museen]], [[Leopold Reidemeister]], sah die „überzeugendste Quelle“ für den ''toten Uhu'' hingegen in dem Bild ''Toter Hahn'' von [[Melchior de Hondecoeter]]. Dieses Bild befand sich jedoch 1872, während Manets letzter Reise in die Niederlande, noch in Privatbesitz und wurde erst 1877 vom Brüsseler [[Königliche Museen der Schönen Künste (Brüssel)|Königlichem Museum der Schönen Künste]] angekauft, sodass nicht belegt ist, ob Manet dieses Gemälde tatsächlich gekannt hat.<ref>Bührle, Dumas, Duparc, Hahnloser-Ingold, Moffett, Prather, Deton Smith, Stevens, Tomlinson: ''Meisterwerke der Sammlung Emil G. Bührle, Zürich'' Seite 100.</ref> <gallery> Bild:Jan Baptist Weenix - Dode patrijs.jpg|Jan Baptist Weenix: <br />''Totes Rebhuhn'' <br />um 1650–1652 Bild:Melchior de Hondecoeter - Dode haan, hangend aan een spijker.jpg|Melchior de Hondecoeter: <br />''Toter Hahn'' <br />17. Jahrhundert </gallery> == Stilllebenmalerei bei Manet == Manets Stillleben wurden – anders als seine häufig umstrittenen Figurenkompositionen – bereits zu seinen Lebzeiten hoch geschätzt. So erwarb der Kunstkritiker [[Ernest Chesenau]] bereits 1863 ein Blumenstillleben des Künstlers, obwohl er im selben Jahr Manets [[Das Frühstück im Grünen (Manet)|''Das Frühstück im Grünen'']] in einem Artikel verriss.<ref>George Mauner: ''Manet – the still life paintings'' Seite 11.</ref> [[Odilon Redon]] riet 1868 in der Zeitung ''La Gironde'' dem Maler gar, sich ganz auf die Stilllebenmalerei zu beschränken.<ref>A. und T. Brachert, Klutzen, Reidemeister, Vey, Vignau-Wilberg, Zehmisch: Stiftung Sammlung Emil G. Bührle. Seite 110.</ref> Von den 430 Gemälden Manets im Werkverzeichnis von Rouart/Wildenstein<ref>Denis Rouart, Daniel Wildenstein: Edouard Manet: Catalogue raisonné, Bibliothèque des Arts, Paris und Lausanne 1975.</ref> zählen mehr als achtzig Bilder zur Stilllebenmalerei.<ref>George Mauner: ''Manet – the still life paintings'' Seite 12.</ref> Dieses Fünftel des Gesamtwerkes entstand während Manets gesamter Laufbahn als Maler. Zudem fügte er Figurenkompositionen und Porträts Stillleben bei. Bekannte Beispiele hierfür sind Manets Hauptwerke ''[[Der spanische Sänger]]'', ''Das Frühstück im Grünen'', ''[[Das Frühstück im Atelier]]'', ''[[Porträt des Théodor Duret]]'' oder ''[[Bar in den Folies-Bergère]]''. Bei den eigentlichen Stillleben konzentrierte sich Manet in den 1860er Jahren zunächst auf die Darstellung von unterschiedlichen Arten von Obst oder Fisch, welche er nach Vorbild niederländischer Maler des 17. Jahrhunderts auf einem Tisch arrangierte. Ebenfalls aus den 1860er Jahren stammen einige Blumenstillleben, die ausschließlich Pfingstrosen zeigen. Diese befinden sich entweder in einer Vase oder, als einzelne Zweige drapiert, ebenfalls auf einem Tisch. Neben einem ''Stillleben mit Sombrero und Gitarre'' fällt aus diesem Muster das weiter oben beschriebene ''Stillleben mit Kaninchen'' nach dem Vorbild von Chardin heraus. Neben einigen wenigen Stillleben, die auf das Jahr 1876 datiert sind und die bereits genannten Motive der 1860er Jahre wiederholen, wandte sich Manet verstärkt erst wieder 1880 der Stilllebenmalerei zu. Neben den bekannten Gemälden ''Der Schinken'' und ''Das Spargelbündel'' entstanden zunächst einige Bilder mit Obstmotiven, bevor sich Manet in seinem letzten Lebensjahr zunehmend auf Blumenstillleben spezialisierte. Neben dem ''Stillleben mit Kaninchen'' aus dem Jahr 1866 stellen die beiden 1881 in Versailles entstandenen Jagdstillleben ''Toter Uhu'' und ''Der Hase'' somit in Manets Gesamtwerk eine Ausnahme dar. == Manets Serienbilder == Manet beschäftigte sich erstmals 1879 mit dem Thema Serienbilder. Im April des Jahres unterbreitete er dem Präfekten des [[Seine (Département)|Départements Seine]] (Préfet de la Seine) den Vorschlag, das neue [[Hôtel de Ville (Paris)|Rathaus der Stadt Paris]] mit sechs Stadtszenen auszuschmücken. Geplant waren die Motive ''die Markthallen'', ''die Eisenbahnen'', ''der Hafen'', ''das unterirdische Paris'', ''die Pferderennen'' und ''die Gärten''. Manet erhielt jedoch keine Antwort von der Stadtverwaltung und das Projekt kam nicht zur Ausführung. Im selben Jahr wie die Bilder aus Versailles entstanden zwei Gemälde einer geplanten Jahreszeitenfolge. Hierbei sollten die einzelnen Jahreszeiten von jeweils einer Frau verkörpert werden. Für das fertiggestellte Bild ''Frühling'' posierte Manets Freundin Jeanne de Marsy, während für den ebenfalls vollendeten ''Herbst'' [[Méry Laurent]] Modell stand. Die Motive ''Sommer'' und ''Winter'' sind von Manet nicht begonnen worden und es ist unbekannt, wer hierfür als Modell vorgesehen war. Die Serie der vier Stillleben aus Versailles wurde im Nachlassinventar des Künstlers vom 18. Juni 1883 mit zwei weiteren Werken Manets als „sechs dekorative Tafeln“ zusammengefasst.<ref>Bührle, Dumas, Duparc, Hahnloser-Ingold, Moffett, Prather, Deton Smith, Stevens, Tomlinson: ''Meisterwerke der Sammlung Emil G. Bührle, Zürich'' Seite 100.</ref> Bei den beiden weiteren Bildern handelt es sich um die Gemälde ''Blumenvase'' aus dem Jahr 1877 und ''Die Gießkanne'' aus dem Jahr 1880.<ref>George Mauner: Manet – the still life paintings. Seite 142, die ''Blumenvase'' ist im Werkverzeichnis Rouart/Wildenstein mit Nr. 266, ''Die Gießkanne'' mit Nr. 348 verzeichnet.</ref> Diese Bilder haben zwar nahezu gleiche Abmessungen wie die Bilderserie aus Versailles, stehen mit letzterer aber in keinem erkennbaren Zusammenhang.<ref>George Mauner: Manet – the still life paintings. Seite 142.</ref> Die Kunsthistorikerin Ina Conzen hat auf die gegensätzlichen Ansätze bei [[Claude Monet]] und Édouard Manet in Bezug auf die Serienbilder hingewiesen: „Das gleiche Motiv immer wieder unter wechselnden Lichtverhältnissen zu erfassen kann .. für Manet nicht sinnvoll sein.“<ref>Ina Conzen: ''Edouard Manet und die Impressionisten'' Seite 153.</ref> Anders als Monet, der in seinen Serienbilder dasselbe Motiv in vielfachen Wiederholungen variierte, ging es Manet in seinen Serien um die Darstellung unterschiedlicher Motive, die in ihrer Gesamtheit ein Thema behandelten. Bei den Stillleben aus Versailles kombinierte Manet zwei florale Sujets mit zwei Tierdarstellungen. Dabei stellen die den Tod symbolisierenden Jagdtrophäen einen Kontrast zu den blühenden und für das Leben stehenden Gartenbildern dar. Ob diese Leben und Tod thematisierenden Bilder für eine bestimmte Raumdekoration vorgesehen waren, ist nicht bekannt. == Todesthematik in Manets Werk == [[Bild:Edouard Manet 059.jpg|thumb|Édouard Manet: <br />''Der Selbstmörder'' <br />entstanden 1877–1881]] Manet hat sich vor der Entstehung des ''toten Uhus'' in seinen Bildern nur selten direkt mit dem Thema Tod auseinandergesetzt. Das Gemälde ''Toter Torero'' von 1864 war zunächst Teil einer größeren Komposition, die im [[Salon de Paris|Pariser Salon]] jedoch keine Anerkennung fand. Manet übernahm, in der nun auf den Torero reduzierten Fassung, Bezug auf eine Komposition aus dem 17. Jahrhundert, welche zu Lebzeiten Manets [[Diego Rodríguez de Silva y Velázquez|Diego Velázquez]] zugeschrieben wurde, den Manet zeitlebens bewunderte. Im selben Jahr entstand das Bild ''Toter Christus mit zwei Engeln'', mit dem Manet ebenfalls den Erfolg im Salon suchte. Auch dieses Bild geht auf traditionelle Vorbilder zurück. Das dritte Bild der 1860er Jahre, in denen Manet sich direkt mit der Todesthematik beschäftigte, war [[Die Erschießung Kaiser Maximilians von Mexiko (Manet)|''Die Erschießung Maximilians von Mexiko'']] von 1867, von der mehrere Fassungen existieren. Das ebenfalls für den Salon geplante Bild stellt die moderne Adaption von [[Francisco de Goya]]s [[Die Erschießung der Aufständischen|''El Tres de Mayo'']] dar. Die drei genannten Werken standen in der Tradition der Malerei und zielten auf ein großes Publikum ab, ohne etwas von Manets Innenleben zu verraten. Anders verhält es sich mit dem zwischen 1867 und 1870 entstandenen Werk ''Das Begräbnis'', in dem Manet vermutlich die Bestattungsprozession seines Freundes [[Charles Baudelaire]] zeigt.<ref>Charles S. Moffett in Cachin, Moffett, Wilson Bareau: Manet 1832–1833. Seite 98.</ref> Hieran schließen sich verschiedene grafische Arbeiten des Jahres 1871 an, die Szenen aus der Zeit der [[Pariser Kommune]] darstellen. Etwa zehn Jahre später entstand das Bild ''Der Selbstmörder'', welches möglicherweise auf Baudelaires Gedicht ''La Corde'' zurückzuführen ist. Das Bild zeigt einen in Abendgarderobe gekleidet Mann, der mit einer Pistole in der Hand erschossen auf dem Bett liegt. Es ist nicht bekannt, ob Manet, angesichts seines sich massiv verschlechternden Gesundheitszustandes während seiner letzten Lebensjahre, den Suizid für sich selbst in Betracht zog. Sowohl in Manets Briefen als auch in den Aussagen seiner Zeitgenossen wird deutlich, dass Manet zum Ende seines Lebens erheblichen Stimmungsschwankungen unterlag. Zum einen resignierte er darüber, dass der allmählich einsetzende Erfolg im Salon für ihn nun zu spät käme, zum anderen machte er immer wieder Pläne für neue Projekte. Das Gemälde ''Toter Uhu'' steht wie viele von Manets Stillleben auch für Vergänglichkeit. Anders als bei den Blumenbildern wird in diesem Bild der Bezug zum Tod deutlich. Dem steht jedoch die lebhafte Malweise des Bildes gegenüber. == Provenienz == Das Gemälde ''Toter Uhu'' befand sich nach dem Tod von Manet am 30. April 1883 im Atelier des Künstlers und erhielt die Nr. 83 im Nachlassinventar. Bei der testamentarisch verfügten Auktion seiner Werke am 4. und 5. Februar 1884 im Pariser Auktionshaus [[Hôtel Drouot]] ersteigerte der Sammler de la Narde für 380 [[Französischer Franc|Francs]] das Bild. Später befand es sich in der Sammlung L.–H. Devillez und in einer namentlich nicht bekannten weiteren Sammlung in Brüssel. Am 27. November 1948 wurde das Gemälde dann auf einer Auktion der Brüsseler Galerie Giroux angeboten (Katalog Nr. 39). Über die Galerie Seligmann in Paris und den Basler Christophe Bernoulli gelangte das Bild schließlich auf den Schweizer Kunstmarkt, wo es 1955 [[Emil Georg Bührle]] von einem Kunsthändler erwarb. Nach dem Tod des Sammlers im Folgejahr verblieb das Bild zunächst im Besitz der Familie. Diese überführte das Gemälde ''Toter Uhu'' und sieben weitere Werke Manets zusammen mit einem Großteil der Sammlung des Verstorbenen in die [[Stiftung Sammlung E. G. Bührle]], welche seit 1960 als Museum zugänglich ist.<ref>Bührle, Dumas, Duparc, Hahnloser-Ingold, Moffett, Prather, Deton Smith, Stevens, Tomlinson: ''Meisterwerke der Sammlung Emil G. Bührle, Zürich'' Seite 233.</ref> == Literatur == * Edouard Manet: ''Briefe''. Deutsche Übersetzung von Hans Graber, Benno Schwabe Verlag, Basel 1933. * Hans Jucker, Theodor Müller, Eduard Hüttinger: ''Sammlung Emil G. Bührle''. Kunsthaus Zürich, Zürich 1958. * A. und T. Brachert, Klutzen, Reidemeister, Vey, Vignau-Wilberg, Zehmisch: ''Stiftung Sammlung Emil G. Bührle''. Artemis, München und Zürich 1973. ISBN 3-7608-0325-3 * Denis Rouart, [[Daniel Wildenstein]]: ''Edouard Manet: Catalogue raisonné''. Bibliothèque des Arts, Paris und Lausanne 1975. * Peter Hughes, Penny Stempel: ''Französische Kunst aus dem Davies Vermächtnis''. National Museum of Wales, Cardiff 1982, ISBN 0-7200-0237-0 * [[Françoise Cachin]], Charles S. Moffett, Juliet Wilson Bareau: ''Manet 1832–1833''. Éditions de la Réunion des musées nationaux, Paris 1983, ISBN 2-7118-0230-2 * Bührle, Dumas, Duparc, Hahnloser-Ingold, Moffett, Prather, Deton Smith, Stevens, Tomlinson: ''Meisterwerke der Sammlung Emil G. Bührle, Zürich''. Artemis, München und Zürich 1990, ISBN 3-7608-1029-2 * George Mauner: ''Manet – the still life paintings''. Harry N. Abrams, New York 2000, ISBN 0-8109-4391-3 * Ina Conzen: ''Edouard Manet und die Impressionisten''. Hatje Cantz, Ostfildern-Ruit 2002, ISBN 3-7757-1201-1 * Maria Teresa Benedetti: ''Manet''. Skira, Mailand 2005, ISBN 88-7624-472-7 == Einzelnachweise == <references/> == Weblinks == * [http://www.buehrle.ch/works_detail.php?lang=de&id_pic=36 „Toter Uhu“ (dort „Der Uhu“) in der Stiftung Sammlung E. G. Bührle] {{Exzellent}} [[Kategorie:Gemälde (19. Jahrhundert)]] [[Kategorie:Édouard Manet]] [[Kategorie:Tier (Bildende Kunst)|Uhu]] [[Kategorie:Kultur (Jagd)]] o9zu3mgn2tmrtcqenpei6srhq1fkxja wikitext text/x-wiki Orrin Keepnews 0 23561 26157 2009-10-14T23:09:57Z Hystrix 0 typo '''Orrin Keepnews''' (* [[2. März]] [[1923]] in [[New York City]], New York) ist ein amerikanischer [[Jazz]]-[[Musikproduzent|Produzent]] und Gründer der [[Plattenfirma|Labels]] Riverside, Milestone und Landmark. Bekannt wurde Keepnews vor allem durch seine Arbeiten mit dem Pianisten und Mitbegründer des [[Bebop]] [[Thelonious Monk]], dazu kommen noch Aufnahmen mit Künstlern wie [[Bill Evans (Pianist)|Bill Evans]], [[Cannonball Adderley]], [[McCoy Tyner]] und dem [[Kronos Quartet]]. Seit den 1990er Jahren ist Keepnews als Produzent für eine Reihe von Wiederveröffentlichungen historischer Jazzaufnahmen, die teilweise auch ursprünglich von ihm produziert wurden, verantwortlich. Zudem ist Keepnews ein gefragter und mehrfach ausgezeichneter Autor für so genannte ''[[Schallplattencover#Liner Notes|Liner Notes]]'' und veröffentlichte zwei Bücher zur Jazzgeschichte. 2004 erhielt er den „[[Trustees Award]]“, die höchste Auszeichnung der [[National Academy of Recording Arts and Sciences|Recording Academy]] für Verdienste um die Musik, die nicht in einer Darbietung bestehen. == Leben und Werk == Der im New Yorker Stadtteil [[Bronx]] als Sohn einer Lehrerin und eines Angestellten der New Yorker Sozialbehörde geborene Keepnews machte mit 16 seinen Abschluss an der Lincoln School. Zu dieser Zeit entwickelte sich – inspiriert durch die Musik von [[Coleman Hawkins]] und [[Pee Wee Russell]] – sein Interesse für Jazz. Bereits im Alter von 15 Jahren besuchte Keepnews regelmäßig die Bars in der [[Jazzclubs der 52nd Street|52ten Straße]] oder im „[[Greenwich Village|Village]]“, Keepnews dazu: <blockquote>„''Wenn du groß genug warst, um in eine Bar zu gehen und 75 Cents oder einen Dollar für einen Drink hin zulegen, hat dich keiner gefragt, ob du alt genug bist.''“<ref>{{internetquelle|autor=Jesse Hamlin|url=http://www.college.columbia.edu/cct/nov04/features2.php|titel=A Life in Jazz|werk=Columbia College Today (online auf Columbia.edu)|datum=November 2004|zugriff=30. Juni 2007}} <blockquote>“''If you were big enough to walk into a bar and put down 75 cents or dollar for a drink, nobody asked if you were old enough.''”</blockquote></ref></blockquote> Dabei ging es Keepnews anfangs, wie er selbst sagte, weniger um die Musik, die zunächst einfach nur da gewesen wäre, ihn dann jedoch mit der Zeit begeistert hätte.<ref>{{internetquelle|autor=Jim Harrington|url=http://www.insidebayarea.com/bayarealiving/ci_6467953|titel=Collection pays tribute to local jazz producer Orrin Keepnews|werk=(online auf InsideBayArea.com)|datum=26. Juli 2007|zugriff=13. August 2007}}<blockquote>“''"I didn’t go there for the music, but the music was there, and the music got me.''”</blockquote></ref> Am [[Columbia University|Columbia College]] belegte Keepnews [[Englische Sprache|Englisch]] als Hauptfach und begann in seiner Freizeit für die College-Zeitung ''Spectator'' über Konzerte im ''[[Village Vanguard]]'' zu berichten. 1943 erhielt Keepnews seine Einberufung zum Militärdienst, durfte aber vor Dienstantritt noch sein Studium beenden. [[Bild:B29.maxwell.750pix.jpg|thumb|In einem Bomber des Typs Boeing B-29 flog Keepnews von 1943 bis 1946 bei Angriffen gegen Japan mit.]] Anschließend war Keepnews drei Jahre lang als Radaroffizier an Bord eines [[Boeing B-29|B-29]]-Bombers – dem Flugzeugtyp aus dem 1945 die [[Kernwaffe|Atombombe]]n auf [[Hiroshima]] und [[Nagasaki]] abgeworfen wurden – tätig und flog während der letzten Monate des [[Zweiter Weltkrieg|zweiten Weltkriegs]] auch bei Einsätzen gegen [[Japan]] mit. Nach seiner Entlassung aus dem Militärdienst 1946 schrieb sich Keepnews zunächst wieder an der Columbia ein. Keepnews beschrieb seine Situation wie folgt: <blockquote>„''Ich schrieb mich für die höheren Fachsemester ein, um mich schnellstmöglich wieder gebildet zu fühlen, wollte aber keinen Master-Abschluss. Ich dachte: ‚Gehe so lange als nötig zur Columbia, bis du wieder in die Welt hinaus gehen und werden kannst was du möchtest, und schaue dann nach einem Job.‘ Das war genau das, was passierte.''“<ref>{{internetquelle|autor=Jesse Hamlin|url=http://www.college.columbia.edu/cct/nov04/features2.php|titel=A Life in Jazz|werk=Columbia College Today (online auf Columbia.edu)|datum=November 2004|zugriff=30. Juni 2007}} <blockquote>“''I enrolled in graduate school for the express purpose of making myself feel literate again, I wasn’t looking for a master’s degree. I figured I’d go to Columbia for however long it took me to feel, 'Hey, I’m now capable of going back into the world I wanted to be in.' and then I’d look for a job, which was pretty much what happened.''”</blockquote></ref></blockquote> Während dieser Zeit lernte Keepnews den begeisterten Jazzfan und Plattensammler [[Bill Grauer]] kennen. Später arbeitete er als [[Redakteur]] und [[Herausgeber]] für verschiedene Verlage, unter anderem für [[Simon & Schuster]], wo Keepnews seine spätere Frau Lucy kennen lernte. Zudem war er als Editor für Grauers ''The Records Changer'' tätig. Ab 1952 arbeiteten Keepnews und Grauer zusammen für [[RCA Records|RCA Victor]] an einer Serie von Reissues von Jazzaufnahmen aus den 1920er Jahren, woraus sich bald die Idee zu einem eigenen Label entwickelte. === Riverside (1953–1964) === 1953 gründete Keepnews zusammen mit Grauer das Label Riverside (ursprünglich mit dem Zusatz ''Bill Grauer Productions''). Grauer übernahm die wirtschaftliche Leitung, während sich Keepnews um die künstlerischen Belange kümmerte. Die Idee hinter Riverside war es, ein Label zu schaffen, auf dem historische Jazz- und [[Blues]]<nowiki></nowiki>aufnahmen aus den 1920er Jahren ([[Joe King Oliver]], [[Jelly Roll Morton]], [[Ma Rainey]], [[Blind Lemon Jefferson]] und andere) neu veröffentlicht werden konnten, doch bereits 1954 wichen Keepnews und Grauer von ihrer ursprünglichen Philosophie ab und produzierten ''Randy Weston Plays Cole Porter In A Modern Mood'' das erste Album des Pianisten [[Randy Weston]]. ==== Thelonious Monk (1955–1961) ==== [[Bild:Thelonious_Monk_1967.jpg|thumb|Thelonious Monk (ab 1955 bei Riverside) war der erste „Star“ des jungen Riverside-Labels]] 1955 nahm Riverside – auf Anregung von Weston – den Pianisten und Komponisten [[Thelonious Monk]] unter Vertrag, der gegen Zahlung von 108,27 Dollar seinen Vertrag mit [[Bob Weinstock]]s [[Prestige Records|Prestige]]-Label aufgelöst hatte.<ref>Bret Primack: ''[http://youtube.com/watch?v=bZ--Xr6ZWrU Orrin Keepnews, Producer – Saint Monk]''. Im Videoblog von Concord Records (auf YouTube.com). 18. Januar 2008 (Stand: 8. Februar 2008).</ref> Monk und Keepnews lernten sich bereits 1948 kennen, als Keepnews Monk im Apartment von [[Blue Note Records|Blue-Note]]-Gründer [[Alfred Lion]] in Greenwich Village für den ''Record Changer'' interviewte. Das Interview (und damit Keepnews) war dem damals noch relativ unbekannten Monk in Erinnerung geblieben, da es sein erstes Interview für eine überregionale Zeitschrift war. Noch im selben Jahr wurde das erste gemeinsame Album ''Thelonious Monk Plays Duke Ellington'' veröffentlicht, auf dem Monk (begleitet von Bassist [[Oscar Pettiford]] und Schlagzeuger [[Kenny Clarke]]) ausnahmslos Kompositionen von [[Duke Ellington]] interpretiert, die Aufnahmen entstanden im Studio von [[Rudy Van Gelder]], das Cover ziert ein Gemälde von [[Henri Rousseau]] (''Die Mahlzeit des Löwen''<ref>In der Folge sollten noch weitere Cover zu Monkaufnahme bei Riverside von Gemälden geziert werden. Auf ''Misterioso'' (1958) ist ''Der Seher'' (oder ''Der Prophet'') von [[Giorgio de Chirico]] auf dem Cover zu sehen. Das Cover zu ''Thelonious Monk with John Coltrane'' zeigt ein liegendes Gemälde auf dem das Profil eines Mannes abgebildet ist, der Monk ähnelt.</ref>). Monk, der sich selbst schon einen Namen als Komponist gemacht hatte, zeigte sich zunächst wenig begeistert von dieser Idee, fand jedoch später Gefallen daran und verlieh Ellingtons Kompositionen seinen ganz eigenen Stil.<ref>{{internetquelle|autor=Jörg Alisch|url=http://www.jazzpages.com/Alisch/monk.htm|titel=Thelonious Monk: Geniale Würfe mit einem Salatblatt im Knopfloch|werk=Jazzpages.com|datum=27. August 2004|zugriff=14. Juli 2007}}</ref> Für weitere Aufnahmen, darunter auch Monks Klassiker ''Brilliant Corners'' und ''Monk’s Music'', konnten Musiker wie [[Art Blakey]], [[Sonny Rollins]] und [[Coleman Hawkins]] gewonnen werden. Monk selbst holte [[John Coltrane]] in seine Band, nachdem dieser sich im Streit von [[Miles Davis]] getrennt hatte. Keepnews über Monk: <blockquote>„''Monk kannte keine Gnade. Er hatte seine Standards. Wahrscheinlich hab ich von ihm genau so viel über das Leben wie über Musik gelernt.''“<ref>{{internetquelle|autor=Jesse Hamlin|url=http://www.college.columbia.edu/cct/nov04/features2.php|titel=A Life in Jazz|werk=Columbia College Today (online auf Columbia.edu)|datum=November 2004|zugriff=30. Juni 2007}} <blockquote>“''Monk was not about to show any mercy. He had his standards. I probably learned as much about living from him as I did about music.''”</blockquote></ref></blockquote> Die Verbindung zu Monk blieb auch nach dessen Wechsel zu [[Columbia Records|Columbia]] erhalten, so schrieb Keepnews die Liner Notes zu einer Reihe von Monks späteren Aufnahmen. Zudem war Keepnews für eine Reihe von Reissues der Monk Aufnahmen von Prestige, Riverside und Columbia verantwortlich. ''Thelonious Monk – The Complete Riverside Recordings'' brachte Keepnews 1988 den Grammy für „Bester Album-Begleittext“ und „Bestes historisches Album“ ein. <ref name="grammy">{{internetquelle|autor=|url=http://www.grammy.com/Recording_Academy/Awards/|titel=The Recording Academy – Awards|werk=Grammy.com|datum=|zugriff=30. Juni 2007}}</ref> ==== Bill Evans (1956–1963) ==== 1956 rief der Gitarrist [[Mundell Lowe]] Keepnews an und überredete ihn, sich zusammen mit seinem Partner Grauer einige Aufnahmen des Pianisten [[Bill Evans (Pianist)|Bill Evans]] über das Telefon anzuhören. Lowe hatte zuvor mit Evans und [[Red Mitchell]] auf einigen [[Jamsession]]s gespielt. Keepnews und Grauer entschieden sich spontan dafür, Evans die Möglichkeit zu einer Aufnahme zu geben, wozu sie den überaus bescheidenen Evans jedoch erst überreden mussten. Die Produktion der ersten Aufnahme lief – wie bei Riverside üblich – an einem einzigen Tag ab und kam noch im selben Jahr unter dem Titel ''New Jazz Conceptions'' heraus. Obwohl das Album gute Kritiken beispielsweise in dem anerkannten Jazzmagazin [[Down Beat]] erhielt, verkaufte es sich im ersten Jahr lediglich 800 mal. <ref>{{internetquelle|autor=Joel Simpson (AAJ Staff)|url=http://www.allaboutjazz.com/php/article.php?id=14599|titel=Bill Evans: 1929-1980|werk=AllAboutJazz.com|datum=27. August 2004|zugriff=13. Juli 2007}}</ref> 1958 holte Miles Davis Evans als Ersatz für [[Red Garland]] für einige Monate (Februar–November) in seine Band. Den zweiten Anlauf mit Evans als ''leader'' wagte Keepnews Ende desselben Jahres mit der Aufnahme ''Everybody Digs Bill Evans'' (mit Cannonball Adderleys Bassist [[Sam Jones (Musiker)|Sam Jones]] und Davis’ Schlagzeuger [[Philly Joe Jones]]). Die Aufnahme wurde 1959 veröffentlicht und verkaufte sich besser als der Vorgänger. Den ersten Erfolg hatte Evans 1959 ohne Riverside als Pianist im Miles Davis Sextett mit den Aufnahmen zu ''[[Kind of Blue]]'', den endgültigen Durchbruch schafften Keepnews/Riverside und Bill Evans mit der Aufnahme ''Portrait in Jazz'' (1959) und ''[[Sunday at the Village Vanguard|Waltz for Debby]]'' (1961) (beide mit [[Scott LaFaro]] am Bass und [[Paul Motian]] am Schlagzeug). Beide Aufnahmen werden von Fans wie Kritikern zu den besten Aufnahmen im Jazz gezählt und wurden 2007 bzw. 1998 in die ''Grammy Hall of Fame'' aufgenommen.<ref name="grammy" /> [[Bild:Vanguard 01.jpg|thumb|Im ''Village Vanguard'' entstanden 1961 die Alben ''Waltz for Debby'' und ''Sunday at the Village Vanguard'' des Trios Bill Evans, Scott LaFaro und Paul Motian.]] Die Aufnahmen zu ''Waltz for Debby'' entstanden am 25. Juni 1961 im ''Village Vanguard'', bei dieser Session nahm Keepnews noch ein weiteres Evans-Album ''[[Sunday at the Village Vanguard]]'' auf. Die beiden Alben waren die letzten Aufnahmen mit Scott LaFaro, der keine zwei Wochen später nach einem Autounfall verstarb. Besonders an diesen Aufnahmen war auch die Aufnahmetechnik. Statt wie sonst häufig üblich in einem Nebenraum befand sich das Aufnahmeteam (bestehend aus Keepnews und Toningenieur David Jones) vor der Bühne in greifbarer Nähe zu den Musikern. Ein Großteil der Aufnahmen erschien 2005 als ''The Complete Village Vanguard Recordings, 1961''.<ref>{{internetquelle|autor=C. Michael Bailey|url=http://www.allaboutjazz.com/php/article.php?id=19577|titel=Bill Evans: The Complete Village Vanguard Recordings, 1961|werk=AllAboutJazz.com|datum=1. November 2005|zugriff=14. Juli 2007}}</ref> Wie die ersten Aufnahmen mit Monk wurden auch viele von Evans in einer [[Trio (Musik)|Trio]]<nowiki></nowiki>besetzung mit Piano, Bass und Schlagzeug eingespielt. Eine Vorliebe, die sich in vielen Keepnews-Produktionen zeigt, beispielsweise auch bei den Aufnahmen mit Red Garland oder [[McCoy Tyner]] (ab den späten 1960er Jahren für Milestone). Das Konzept fand jedoch in den Aufnahmen des Trios Evans, LaFaro und Motian seine intensivste Ausprägung.<ref>{{internetquelle|autor=Scott Pollard|url=http://www.allaboutjazz.com/php/article.php?id=14330|titel=Remembering… Bill Evans|werk=AllAboutJazz.com|datum=31. Juli 2004|zugriff=13. Juli 2007}}</ref> Nicht zuletzt gilt ''Sunday at the Village Vanguard'' als das beste Pianotrio-Album aller Zeiten.<ref>{{internetquelle|autor=Mark Sabbatini|url=http://www.allaboutjazz.com/php/article.php?id=14276|titel=Pianist Bill Evans: A Retrospective|werk=AllAboutJazz.com|datum=31. Juli 2004|zugriff=14. Juli 2007}}</ref> ==== Cannonball Adderley (1958–1964) ==== Als weiteren Star für Riverside konnte Keepnews 1958 den [[Saxophon]]isten [[Cannonball Adderley]] gewinnen, wie Evans ein Mitglied des ersten Miles Davis Quintett/Sextett bei den Aufnahmen zu ''Kind of Blue'' (1959). Kurz zuvor hatte Adderley noch sein erstes eigenes Album ''[[Somethin’ Else]]'' (mit Davis als ''[[Sideman|sideman]]'') auf Blue Note veröffentlicht. Keepnews und Adderley lernten sich bereits 1957 kennen und im Laufe ihrer Zusammenarbeit entwickelte sich eine enge Freundschaft zwischen ihnen, die bis zum Tode Adderleys 1975 andauerte. Adderley war der erste Künstler, der zur Vertragsunterzeichnung mit einem Manager erschien Obwohl es sich dabei um einen Standardvertrag<ref>Musiker waren zu dieser Zeit ganz normale Angestellte. Insbesondere die ''sidemen'' wurden häufig pro Session bezahlt. Zudem waren viele Musiker, die bei einem Label als ''[[Bandleader|leader]]'' einen Vertrag hatten, häufig noch bei anderen Musikern und Labels als ''sideman'' tätig, um sich ihren Lebensunterhalt zu sichern.</ref> handelte, trafen Keepnews und Adderley eine mündliche Sondervereinbarung: Wann und wo immer Adderley sich eine Band gesucht hätte und mit ihr spielte, würde Keepnews dies aufnehmen und veröffentlichen. <blockquote>„''Eine sehr interessante mündliche Vereinbarung: Eine nicht existente Band würde sofort, irgendwo ‚On the road‘, von einem sehr finanzschwachen Unternehmen, das einen Produzenten wie mich nie weiter als eine U-Bahnfahrt von daheim geschickt hat, aufgenommen werden. Aber es wurde das beste Beispiel für ein gutes Ergebnis nach dem Prinzip: ‚wirf Dein Brot auf die Wasserfläche‘<ref>Zitat aus Prediger 11, 1-8. Hier im Sinne der [[Elberfelder Bibel]] als Metapher für die absolute Sinnlosigkeit der Handlung zu verstehen.</ref> seit der Bibel.''“<ref>{{internetquelle|autor=Orrin Keepnews|url=http://cannonball-adderley.com/article/keepnews.htm|titel=Cannonball was my friend|werk=Cannonball Complete Jazz Fake Book (online auf cannonball-adderley.com)|datum=|zugriff=1. Juli 2007}}<blockquote>“''An interesting verbal commitment: a non-existent band would be promptly recorded someplace on the road by a still very shoestring company that had never sent its staff producer, me, to work any further than a subway ride away from home. But it turned out to be one of the neatest examples of good results of bread-cast-upon the-waters since the Bible.''”</blockquote></ref></blockquote> Die Aufnahmen fanden am 18. und 20. Oktober 1959 im ''Jazz Workshop''<!-- ein Jazzclub --> in [[San Francisco]] statt und erschienen unter dem Namen ''Live in San Francisco''. Mit diesem und den folgenden Alben wurden Adderley und sein Quintett (zeitweilig auch Sextett) zur führenden Gruppe im [[Soul Jazz]], jener Mischung aus [[Hard Bop]] und [[Soul]]. Die besondere Verbundenheit Adderleys zu Riverside zeigte sich insbesondere nach dem Tode Grauers und dem finanziellen Niedergang Riversides 1964: trotz lukrativer Angebote anderer Labels verlängerte Adderley seinen Vertrag.<ref>{{internetquelle|autor=Orrin Keepnews|url=http://cannonball-adderley.com/article/keepnews.htm|titel=Cannonball was my friend|werk=Cannonball Complete Jazz Fake Book (online auf cannonball-adderley.com)|datum=|zugriff=1. Juli 2007}}</ref> Nach dem Bankrott von Riverside ging Adderley zunächst für einige Jahre zu [[Capitol Records]]. Von 1973 bis zu seinem Tode war er bei [[Fantasy Records]] unter Vertrag, dem Label, bei dem nun auch Keepnews arbeitete. Neben den drei vorgenannten Protagonisten konnte Riverside noch eine Reihe weiterer hochkarätiger Musiker gewinnen, darunter Cannonball Adderleys Bruder [[Nat Adderley|Nat]], [[Wes Montgomery]] (der Mitte der 1960er Jahre zu [[Creed Taylor]]s [[The Verve Music Group|Verve]]-Label ging) und [[Chet Baker]]. Seine Position als Produzent beschrieb Keepnews, der Fan vieler seiner Künstler war und noch immer ist<ref>{{internetquelle|autor=Jim Harrington|url=http://www.insidebayarea.com/bayarealiving/ci_6467953|titel=Collection pays tribute to local jazz producer Orrin Keepnews|werk=(online auf InsideBayArea.com)|datum=26. Juli 2007|zugriff=13. August 2007}}<blockquote>“''Almost everybody I recorded was someone who I had personal enthusiasm for.''”</blockquote></ref>, scherzhaft: <blockquote>„''Wir waren Jazzfans, die zu Plattenfirmen wurden. Wer sollte dir widersprechen wenn du behauptest, du wärest ein Produzent, wenn du deine eigene Firma hast?''“ <ref>{{internetquelle|autor=Jesse Hamlin|url=http://www.college.columbia.edu/cct/nov04/features2.php|titel=A Life in Jazz|werk=Columbia College Today (online auf Columbia.edu)|datum=November 2004|zugriff=30. Juni 2007}} <blockquote>“''We were fans who became record companies. If you had your own company and said you were a producer, who was going to say you weren’t?''”</blockquote></ref></blockquote> Trotz dieser Besetzung, des Engagements der Jazzfans Keepnews und Grauer und der Tatsache, dass Riverside binnen kürzester Zeit einen ähnlichen Stellenwert wie die renommierten Label Prestige und Blue Note erreichte, war die finanzielle Situation des unabhängigen Labels jedoch eher angespannt, Keepnews: <blockquote>„''Unser Ziel war nicht, viele Platten zu verkaufen, um reich zu werden. Unser Ziel war, genug Platten zu verkaufen, um die nächste machen zu können.''“<ref>{{internetquelle|autor=Jesse Hamlin|url=http://www.college.columbia.edu/cct/nov04/features2.php|titel=A Life in Jazz|werk=Columbia College Today (online auf Columbia.edu)|datum=November 2004|zugriff=30. Juni 2007}} <blockquote>“''Our goal wasn’t to sell a lot of records and get rich. Our goal was to sell enough records to make the next one.”''</blockquote></ref></blockquote> Am 15. Dezember 1963 erlag Grauer einem Herzinfarkt, Keepnews führte fortan alleine die Geschäfte bis zum Bankrott der Firma 1964. Die Rechte an den Aufnahmen gingen 1972 in den Besitz von Fantasy Records über. === Milestone (1966–1972) === Zusammen mit dem in Hannover geborenen Pianisten [[Dick Katz]] gründete Keepnews 1966 Milestone Records. Zu den Künstlern von Milestone gehörten [[McCoy Tyner]], Sonny Rollins, [[Joe Henderson]], [[Gary Bartz]] und [[Lee Konitz]]. Keepnews produzierte aber auf Milestone auch Platten von [[Thad Jones]], [[Wynton Kelly]], [[Nat Adderley]] und [[Junior Mance]]. Mit Rollins hatte Keepnews bereits bei den Riverside-Aufnahmen von Monk zusammengearbeitet, hier erhielt Rollins jedoch die Möglichkeit Aufnahmen unter eigenem Namen zu veröffentlichen. Die Verbindung von Rollins zu Milestone (später als Sublabel von Fantasy und ab 2004 von [[Concord Records]]) hielt bis in die 2000er Jahre an. Der Saxophonist Joe Henderson, der zuvor bei Blue Note unter Vertrag war und 1967 auch mit Miles Davis spielte, nahm seit diesem Jahr Platten für Milestone auf. Im September 1967 kam er mit einem Quintett mit [[Grachan Moncur III]], [[Kenny Barron]], [[Ron Carter]] und [[Louis Hayes]] und einem um Mike Lawrence ergänzten Sextett in die New Yorker ''Plaza Sound Studios'', um Eigenkompositionen von Henderson und Klassiker einzuspielen. Auf der nächsten Platte ''Tetragon'' spielte er im Quartett im Don Friedman, Carter und [[Jack DeJohnette]]. Auf der 1969 aufgenommenen ''Power To The People'' war [[Herbie Hancock]] in den ''Plaza Sound Studios'' dabei. Ebenfalls 1967 wurde der damals noch wenig bekannte Altsaxophonist Gary Bartz gewonnen, dessen Platten für Milestone teilweise bereits deutlich [[Fusion (Musik)|fusionorientiert]] waren (''Harlem Bush Music'') und ebenfalls mit dem [[Black Power]]-Gefühl der Zeit spielten, aber auch die [[psychedelisch]]en Gefühle der 1968er Zeit aufnahmen (''Another Earth''). [[Bild:Mccoy Tyner 1973 gh.jpg|thumb|upright|Coltranes Pianist McCoy Tyner war ab den frühen 1970er Jahren bei Milestone unter Vertrag]] Lee Konitz war einer der gefragtesten weißen Jazzmusiker des [[Cool Jazz]]. Der Saxophonist war unter anderem als 21-jähriger auf Miles Davis ''[[Birth of the Cool]]'' von 1949 zu hören. Keepnews produzierte ein Album mit Duetten, das Konitz mit unterschiedlichen Musikern wie Joe Henderson, Dick Katz, [[Karl Berger (Musiker)|Karl Berger]], [[Jim Hall (Musiker)|Jim Hall]], [[Elvin Jones]] oder [[Eddie Gomez]] vorstellte. Einen besonderen Reiz hat die am 25. September 1967 in den ''Plaza Sound Studios'' aufgenommene Platte dadurch, dass der Standard ''Alone Together'' in verschiedenen Duo-Konstellationen eingespielt und in Art einer Suite angeordnet wurde. Nat Adderley brachte die Rhythmusgruppe seines Bruders Cannonball Adderley mit ins Studio; in der Frontlinie spielten außer ihm noch der Flötist [[Jeremy Steig]] und Joe Henderson mit. Nat Adderley war zuvor schon bei den Aufnahmen seines Bruders bei Riverside als Trompeter und Kornettist aufgetreten, hat aber auch einige Aufnahmen unter eigenem Namen für das Label veröffentlicht. Mit McCoy Tyner konnte Keepnews einen der gefragtesten Pianisten jener Zeit gewinnen. Tyner hatte bereits einige eigene Aufnahmen unter [[Bob Thiele]] bei [[Impulse! Records|Impulse!]] und bei Alfred Lions Blue Note veröffentlicht und war als ''sideman'' auf Coltranes legendärem Album ''[[A Love Supreme]]'' von 1964 zu hören. Für Milestone veröffentlichte Tyner Alben wie ''Sahara'' (1972), ''Enlightenment'' (1973), ''Fly With the Wind'' (1976) und ''Supertrios'' (1977). Bei letzterem Album hatte Keepnews die Idee Tyner in zwei unterschiedlichen Trios mit [[Ron Carter]]/[[Tony Williams]] und [[Eddie Gomez]]/[[Jack DeJohnette]] spielen zu lassen. Zusammen mit Ron Carter, Sonny Rollins und [[Al Foster]] bildete Tyner die ''Milestone Jazzstars''. 1972 wurden die Rechte an den Aufnahmen von Milestone und Riverside an [[Saul Zaentz]]’ Fantasy Records, die zuvor ihr Geld hauptsächlich mit den Aufnahmen der Band [[Creedence Clearwater Revival]] gemacht hatten, verkauft. Fantasy konnten zudem Keepnews als „Head of [[Artists and Repertoire]]“ für seine Jazzabteilung nach [[San Francisco]] holen, wobei Keepnews auch weiterhin als Produzent aktiv blieb. Er war zudem auch viele Jahre Vizepräsident von Fantasy.<ref>{{internetquelle|autor=R. J. DeLuke|url=http://www.allaboutjazz.com/php/article.php?id=26483|titel=Orrin Keepnews: Classic Producer of Classics|werk=(online auf AllAboutJazz.com)|datum=27. Juli 2007|zugriff=27. August 2007}}</ref> Neben den Katalogen von Riverside und Milestone war Keepnews bei Fantasy auch für die Aufnahmen eines weiteren großen Labels, Prestige Records, verantwortlich. Trotz der – auch aus Keepnews’ Sicht – guten Bedingungen verließ er Fantasy 1980 und arbeitete fortan als freischaffender Produzent: <blockquote>„''Ich hatte mir bewiesen, dass ich selbst unter den besten Bedingungen nicht glücklich bin, wenn ich für jemand anderen arbeiten muss.''“<ref>{{internetquelle|autor=Jim Harrington|url=http://www.insidebayarea.com/bayarealiving/ci_6467953|titel=Collection pays tribute to local jazz producer Orrin Keepnews|werk=(online auf InsideBayArea.com)|datum=26. Juli 2007|zugriff=13. August 2007}}<blockquote>“''What I proved to myself is that, even under the best circumstances, I’m not happy working for somebody else.''”</blockquote></ref></blockquote> === Landmark (1985–1993) === Nach einigen Jahren als freischaffender Produzent gründete Keepnews entgegen seiner eigenen Vorsätze erneut ein eigenes Label, Landmark Records. Keepnews kommentierte die Gründung von Landmark wie folgt: <blockquote>„''Ich tat das, von dem ich immer darauf beharrte, dass ich es niemals wieder tun würde, ich gründete ein weiteres Plattenlabel.''“<ref name="times">{{internetquelle|autor=[[Robert Palmer (Produzent/Journalist)|Robert Palmer]]|url=http://query.nytimes.com/gst/fullpage.html?res=9F07E3D61539F933A15751C0A963948260|titel=The Pop Life; A New Label, Landmark, Records Jazz|werk=[[The New York Times]] (online auf nytimes.com)|datum=20. Februar 1985|zugriff=5. Januar 2009}}<blockquote>“''I've done the very thing I always insisted I would never do again, I've started another record label.''”</blockquote></ref></blockquote> Während [[Vibraphon]]ist [[Bobby Hutcherson]] zuvor bereits auf Blue Note veröffentlicht hat, waren Pianist [[Mulgrew Miller]] und das [[Kronos Quartet]] echte Neuentdeckungen. Miller war zuvor insbesondere als ''sideman'' bei [[Mercer Ellington]] (den Sohn der Jazzlegende Duke Ellington) und [[Betty Carter]] bekannt geworden. Keepnews gab ihm die Möglichkeit 1985 sein ersten Album ''Keys to the City'' zu veröffentlichen. [[Bild:Kronos quartet in warsaw.jpg|thumb|Das Kronos Quartet wurde durch Keepnews bei einem größeren Publikum bekannt]] Das Kronos Quartet – ein bereits 1973 gegründetes Streichquartett – führte vor allem zeitgenössische Musik live auf. 1985 konnten sie unter Keepnews ihr erster Album ''Kronos Quartet Plays Music of Thelonious Monk'' veröffentlichen, auf dem sie Kompositionen des 1982 verstorbenen Monk für Streichinstrumente umsetzten. 1986 folgte dann mit ''Music of Bill Evans'' ein weiteres Album Kompositionen eines weiteren Keepnews Künstlers aus der Riverside-Zeit. 1999 wurde das Kronos Quartet mit dem renommierten [[Rolf-Schock-Preis]] ausgezeichnet. 1988 veröffentlichte Keepnews das teilweise autobiographische Buch ''The View from Within: Jazz Writings, 1948–1987''. Es war sein zweites Buch nach dem 1956 zusammen mit Grauer veröffentlichten ''A Pictorial History of Jazz: People and Places from New Orleans to Modern Jazz'', welches bereits 1982 neu aufgelegt wurde. 1993 – Keepnews war mittlerweile 70 Jahre alt – verkaufte er Landmark an Muse Records. Bereits vor dem Verkauf von Landmark trat Keepnews vermehrt als Produzent von Reissues historischer Jazzaufnahmen verschiedener Künstler und Labels in Erscheinung. Darunter auch seine eigenen Aufnahmen mit Monk, Adderley und Montgomery auf den 1950er und 1960er Jahren, die später dann auch als CD-Reissues unter der Bezeichnung ''Original Jazz Classics'' (OJC) vertrieben wurden. Seine Retrospektiven zu Monk, Evans und Ellington bzw. die dazu verfassten ''Liner Notes'' brachten ihm insgesamt vier [[Grammy Award|Grammys]] ein. Bei den [[Grammy Awards 2004]] wurde Keepnews mit dem „Trustees Award“ der Recording Academy ausgezeichnet, einem Preis für das Lebenswerk nichtaufführender Musikschaffender. Der Preis entspricht dem „[[Lifetime Achievement Award]]“ bei den aufführenden Künstlern, der im gleichen Jahr unter anderem an Keepnews’ langjährigen Weggefährten Sonny Rollins ging. Trotz vieler wirtschaftlicher Rückschläge gehört Keepnews zu den künstlerisch erfolgreichsten Produzenten der Jazzgeschichte, der sich selbst immer als jemanden sah, der seinen Künstlern die Möglichkeit schuf, ihre Musik zu machen: <blockquote>„''Ich habe mich selbst immer mehr als einen Katalysator verstanden. Ich habe nie ein Instrument gespielt und fand letztlich heraus, dass genau dies meine Stärke als Produzent war. Ich fühlte mich nie mit den Musikern im Wettbewerb, oder meinte ein Solo besser spielen zu können. Mein Job wurde es, die bestmögliche Umgebung zu schaffen, in der die Musiker sich selber verwirklichen konnten. Das ist nicht einfach und niemals langweilig.''“<ref name="columbia">{{internetquelle|autor=Jesse Hamlin|url=http://www.college.columbia.edu/cct/nov04/features2.php|titel=A Life in Jazz|werk=Columbia College Today (online auf Columbia.edu)|datum=November 2004|zugriff=30. Juni 2007}}<blockquote>“''I’ve always thought of myself as more of a catalyst than anything else, I never played an instrument, and I finally figured out that is one of my strengths as a producer. I’ve never felt that I was competing with the musicians or that I could play that solo better. My job became to provide the best possible environment in which the musicians could express themselves. It’s not easy, and it’s never dull.''”</blockquote></ref></blockquote> == Veröffentlichungen (Auswahl) == ;Originalaufnahmen :<small>Aufnahmen für die Keepnews alleine oder als Co-Produzent verantwortlich war.</small> * 1954: ''Randy Weston Plays Cole Porter In A Modern Mood'' (Randy Weston, Riverside) * 1955: ''Thelonious Monk Plays Duke Ellington'' (Thelonious Monk, Riverside) * 1956: ''Brilliant Corners'' (Thelonious Monk, Riverside) * 1957: ''Monk’s Music'' (Thelonious Monk, Riverside) * 1958: ''Everybody Digs Bill Evans'' (Bill Evans, Riverside) * 1959: ''Chet'' (Chet Baker, Riverside) * 1959: ''Portrait In Jazz'' (Bill Evans, Riverside) * 1959: ''Live in San Francisco'' (Cannonball Adderley, Riverside) * 1960: ''[[The Incredible Jazz Guitar of Wes Montgomery]]'' (Wes Montgomery, Riverside) * 1961: ''African Waltz'' (Cannonball Adderley, Riverside) * 1961: ''Sunday at the Village Vanguard'' (Bill Evans, Riverside) * 1961: ''Waltz for Debby'' (Bill Evans, Riverside) * 1961: ''[[How My Heart Sings!]]'' (Bill Evans, Riverside) * 1969: ''Peacemeal'' (Lee Konitz, Milestone) * 1972: ''Sahara'' (McCoy Tyner, Milestone) * 1976: ''Everybody Come On Out'' ([[Stanley Turrentine]], Milestone/Fantasy) * 1977: ''Supertrios'' (McCoy Tyner, Milestone/Fantasy) * 1985: ''Kronos Quartet Plays Music of Thelonious Monk '' (Kronos Quartet, Landmark) * 1985: ''Keys to the City'' (Mulgrew Miller, Landmark) * 1986: ''Music of Bill Evans'' (Kronos Quartet, Landmark) ;Reissues :<small>Eine Vielzahl von Keepnews’ eigenen Produktionen sind beispielsweise in der Reihe ''Original Jazz Classics'' oder in der ''Orrin Keepnews Collection'' als Reissue erschienen. In dieser Auflistung werden nur Reissues präsentiert, bei denen Keepnews nicht auch Produzent der Originalaufnahme war.</small> * 1996: ''Straight, No Chaser'' (Thelonious Monk, [[Columbia Records|Columbia]], 1967 ursprünglich von [[Teo Macero]] produziert)<ref>Keepnews schrieb sowohl zum Orignalrelease von 1967 als auch zur Reissue die Liner Notes</ref> * 2002: ''Monk’s Dream'' (Thelonious Monk, Columbia, 1964 ursprünglich von Teo Macero produziert)<ref>Keepnews Sohn Peter – Jazzkritiker für die New York Times – schrieb die Liner Notes zur Reissue</ref> ;Retrospektiven * 1983: ''The Interplay Sessions'' (Bill Evans) * 1988: ''Thelonious Monk – The Complete Riverside Recordings'' (Thelonious Monk, Fantasy) * 1998: ''The Complete Columbia Solo Studio Recordings 1962–1986'' (Thelonious Monk, Columbia) * 2001: ''The Duke Ellington Centennial Edition – The Complete RCA Victor Recordings (1927–1973)'' (Duke Ellington) == Bücher == * Orrin Keepnews & Bill Grauer: ''A Pictorial History of Jazz: People and Places from New Orleans to Modern Jazz''. Hale Publishing, 1956. ISBN 0517000091 * Orrin Keepnews: ''The View from Within: Jazz Writings, 1948–1987''. Oxford University Press 1988. ISBN 0195052846 == Auszeichnungen == '''[[National Academy of Recording Arts and Sciences]]'''<ref name="grammy" />: * [[Grammy Awards 1984]]: „Bester Album-Begleittext“ mit ''The Interplay Sessions'' (Bill Evans) * [[Grammy Awards 1988]]: „Bester Album-Begleittext“ und „Bestes historisches Album“ mit ''Thelonious Monk – The Complete Riverside Recordings'' * [[Grammy Awards 2000]]: „Bestes historisches Album“ mit ''The Duke Ellington Centennial Edition – The Complete RCA Victor Recordings (1927–1973)'' * [[Grammy Awards 2004]]: „Trustees Award“ für sein Lebenswerk * Produktionen, die in die „Academy Hall of Fame“ aufgenommen wurden: :1998: ''Waltz for Debby'' (Bill Evans) :1999: ''Brilliant Corners'' (Thelonious Monk), ''The Incredible Jazz Guitar of Wes Montgomery'' (Wes Montgomery), ''Live in San Francisco'' (Cannonball Adderley) :2001: ''Monk’s Music'' (Thelonious Monk) :2007: ''Portrait in Jazz'' (Bill Evans) == Widmungen == * Der Titel der Bill-Evans-Komposition ''Re: Person I Knew'' von dem Album ''Moon Beams'' ist ein [[Anagramm]] des Namens Orrin Keepnews. == Fußnoten == <references /> == Weblinks == * JazzEcho.de: [http://www.jazzecho.de/the_keepnews_collection_122742.jsp The Keepnews Collection] und [http://www.jazzecho.de/riverside_records_106013.jsp Riverside Records] * AllMusic.com: [http://www.allmusic.com/cg/amg.dll?p=amg&sql=11:3jfuxqq5ldte~T1 Biografie] (englisch) * AllAboutJazz.com: [http://www.allaboutjazz.com/php/article.php?id=26483 Orrin Keepnews: Classic Producer of Classics] (englisch) * Columbia.edu: [http://www.college.columbia.edu/cct/nov04/features2.php A Life in Jazz] (englisch) * {{Discogs|Orrin+Keepnews|Orrin Keepnews}} {{DEFAULTSORT:Keepnews, Orrin}} [[Kategorie:Jazz-Produzent]] [[Kategorie:US-Amerikaner]] [[Kategorie:Geboren 1923]] [[Kategorie:Mann]] {{Exzellent}} {{Personendaten |NAME=Keepnews, Orrin |ALTERNATIVNAMEN= |KURZBESCHREIBUNG=amerikanischer Musikproduzent und Gründer der Jazz-Label Riverside, Milestone und Landmark |GEBURTSDATUM=2. März 1923 |GEBURTSORT=[[New York City]], New York |STERBEDATUM= |STERBEORT= }} [[en:Orrin Keepnews]] b66vplwv3n3dzq527tusoatdygy7ft6 wikitext text/x-wiki Vorlage:! 10 23562 26158 2010-04-22T07:42:06Z Niteshift 0 Schützte „[[Vorlage:!]]“: Häufig eingebundene Vorlage ([edit=sysop] (unbeschränkt) [move=sysop] (unbeschränkt)) |<noinclude>{{Dokumentation}} </noinclude> j828xowck1s6llb48gow4iizziqayud wikitext text/x-wiki Vorlage:!) 10 23563 26159 2009-05-05T14:49:22Z Thogo 48 Änderte den Schutz von „[[Vorlage:!)]]“: gegen Botedits, massenweise verwendet ([edit=sysop] (unbeschränkt) [move=sysop] (unbeschränkt)) |}<noinclude>{{Dokumentation}} </noinclude> 2h3sx9q05oxfgl7g7xusq9vgksp01tn wikitext text/x-wiki Vorlage:!- 10 23564 26160 2009-02-23T15:03:07Z WIKImaniac 0 [[Vorlage:Vorlagendokumentation]] durch [[Vorlage:Dokumentation]] ersetzt |-<noinclude>{{Dokumentation}} </noinclude> p31g6wxr9ehktm6l43420gqr6b8ajhb wikitext text/x-wiki Vorlage:(! 10 23565 26161 2009-05-05T14:48:58Z Thogo 48 Änderte den Schutz von „[[Vorlage:(!]]“: massenweise verwendet, dauernde Botedits kosten nur Serverlast ([edit=sysop] (unbeschränkt) [move=sysop] (unbeschränkt)) <includeonly>{|</includeonly><noinclude><nowiki>{|</nowiki>{{Dokumentation}} </noinclude> bjlep0k0gbv2s1nyitcy1wnwoxcjow9 wikitext text/x-wiki Vorlage:Bausteindesign1 10 23566 26162 2009-09-19T12:42:13Z Port(u*o)s 0 Änderte den Schutz von „[[Vorlage:Bausteindesign1]]“: Häufig eingebundene Vorlage ([edit=sysop] (unbeschränkt) [move=sysop] (unbeschränkt)) <code><onlyinclude>cellspacing="8" cellpadding="0" class="hintergrundfarbe1 rahmenfarbe1" style="width: 100%; font-size: 95%; border-bottom-style: solid; border-bottom-width:1px; margin-bottom: 1em; position:relative; clear:right;"</onlyinclude></code> {{Dokumentation}} h8jitfct55rz2gjougeasxo8vdk2s9g wikitext text/x-wiki Vorlage:Bausteindesign2 10 23567 26163 2009-09-19T12:53:02Z Port(u*o)s 0 Änderte den Schutz von „[[Vorlage:Bausteindesign2]]“: Häufig eingebundene Vorlage ([edit=sysop] (unbeschränkt) [move=sysop] (unbeschränkt)) <code><onlyinclude>cellspacing="8" cellpadding="0" class="hintergrundfarbe1 rahmenfarbe1 {{{class|}}}" style="width: 100%; font-size: 95%; border-top-style: solid; margin-top: 1em; clear: both; position:relative;"</onlyinclude></code> {{Dokumentation}} 9i2s083zt1mvpp29hmrfe5697wif01t wikitext text/x-wiki Vorlage:Dieser Artikel 10 23568 26164 2009-08-21T07:08:57Z Sargoth 0 Änderte den Schutz von „[[Vorlage:Dieser Artikel]]“: Häufig eingebundene Vorlage ([edit=sysop] (unbeschränkt) [move=sysop] (unbeschränkt)) <onlyinclude><div id="Vorlage_Dieser_Artikel" class="noprint"> {| {{Bausteindesign1}} | style="width: 26px; vertical-align: middle" |<span id="bksicon">[[Datei:Disambig-dark.svg|25px|verweis=]]</span> | style="vertical-align: middle" | Dieser Artikel {{{1}}} |} </div></onlyinclude> Zur Verwendung dieser Vorlage siehe [[Wikipedia:Begriffsklärung]]. {{Dieser Artikel/Meta}} 6eyji32p6pudjm94sugmuavzj4qewz6 wikitext text/x-wiki Vorlage:Exzellent 10 23569 27169 26165 2010-05-04T17:06:39Z Entlinkt 0 Kat <onlyinclude><includeonly><div id="artikelstadium">[[Datei:Qsicon Exzellent.svg|15px|link=#Vorlage_Exzellent|Dies ist ein als exzellent ausgezeichneter Artikel.]]</div> {| id="Vorlage_Exzellent" {{Bausteindesign2}} | style="width: 24px;" | [[Datei:Qsicon Exzellent.svg|24px|link=Wikipedia:Exzellente Artikel]] | Dieser Artikel wurde {{#if:{{{1|}}}|am {{{1}}}}} {{#if:{{{2|}}}|in [{{fullurl:{{FULLPAGENAME}}|oldid={{{2}}}}} dieser Version]}} in die Liste der [[Wikipedia:Exzellente Artikel|exzellenten Artikel]] aufgenommen. |}{{#ifeq:{{NAMESPACE}}|{{ns:0}}| [[Kategorie:Wikipedia:Exzellent]] }}</includeonly></onlyinclude> Nutzung in der Form <code><nowiki>{{Exzellent|Datum|Versions-ID}}</nowiki></code> ergibt beispielsweise: {{Exzellent|{{#timel:j. 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unter Franco | STP = Flagge von São Tomé und Príncipe | SUI = Flagge der Schweiz | SUD = Flagge Sudans | SUD-1970 = Flagge Sudans (1956 bis 1970) | SRB = Flagge Serbiens | SVK = Flagge der Slowakei | SWE = Flagge Schwedens | SWZ = Flagge von Swaziland | Südkorea = Flagge von Südkorea | SYR = Flagge Syriens | TAN = Flagge Tansanias | TCH = Flagge der Tschechoslowakei (bis 1992) | TGO = Flagge Togos | THA = Flagge Thailands | TPE = Flagge von Taipei City | Taipei = Flagge von Taipei City | TRI = Flagge von Trinidad und Tobago | Tschechien = Flagge Tschechiens | TUN = Flagge Tunesiens | TUR = Flagge der Türkei | TWN = Flagge der Republik China | TZA = Flagge Tansanias | UAE = Flagge der Vereinigten Arabischen Emirate | UGA = Flagge Ugandas | UK = Flagge des Vereinigten Königreichs | UKR = Flagge der Ukraine | United Kingdom = Flagge des Vereinigten Königreichs | URS = Flagge der Sowietunion | URU = Flagge Uruguays | USA = Flagge der Vereinigten Staaten von Amerika | UZB = Flagge Usbekistans | VAN = Flagge Vanuatus | VEN = Flagge Venezuelas | Vereinigte Staaten = Flagge der Vereinigten Staaten von Amerika | Vereinigtes Königreich = Flagge des Vereinigten Königreichs | VIR = Flagge der Amerikanischen Jungferninseln | VOL = Flagge Obervoltas | WAL = Flagge von Wales 2 | YEM = Flagge Jemens | YUG = Flagge SFR-Jugoslawiens | the Kingdom of Yugoslavia (state) = Seekriegsflagge des Königreich Jugoslawiens | ZAM = Flagge Sambias | ZAM-1996 = Flagge Sambias (1964-1996) | ZAR = Flagge Zaires | ZIM = Flagge Simbabwes | Flagge von {{#if:{{{1|}}}|{{{1}}}|None}} }}<!-- _______________ (2) für die Flaggendatei: --></span>[[Datei:{{#switch: {{{1}}} | AFG = Flag of Afghanistan | AGO = Flag of Angola | AHO = Flag of the Netherlands Antilles (bordered) | ALB = Flag of Albania | ALB-1992 = Flag of Albania 1946 | ALG = Flag of Algeria | AND = Flag of Andorra | ANG = Flag of Angola | ARE = Flag of the United Arab Emirates | ARG = Flag of Argentina | ARM = Flag of Armenia | ATG = Flag of Antigua and Barbuda | AUS = Flag of Australia | Australien = Flag of Australia | AUT = Flag of Austria | AZE = Flag of Azerbaijan | BAH = Flag of the Bahamas | BDI = Flag of Burundi | BEL = Flag of Belgium (civil) | BEN = Flag of Benin | BFA = Flag of Burkina Faso | BGD = Flag of Bangladesh | BGR = Flag of Bulgaria | BHR = Flag of Bahrain | BHS = Flag of the Bahamas | BIH = Flag of Bosnia and Herzegovina | BLR = Flag of Belarus | BLZ = Flag of Belize | BOL = Flag of Bolivia | BOS = Flag of Bosnia and Herzegovina | BOS-1992 = Flag of Bosnia and Herzegovina (1992-1998) | BOT = Flag of Botswana | BRA = Flag of Brazil | BRA-1889 = Flag of Brazil (1889-1960) | BRA-1960 = Flag of Brasil (1960-1968) | BRA-1992 = Flag of Brazil (1968-1992) | BRB = Flag of Barbados | BRN = Flag of Brunei | BTN = Flag of Bhutan | BUL = Flag of Bulgaria | BUL-1990 = Flag of Bulgaria (1971-1990) | BUL-1971 = Flag of Bulgaria (1967-1971) | BUL-1967 = Flag of Bulgaria (1946-1967) | BWA = Flag of Botswana | CAF = Flag of the Central African Republic | CAN = Flag of Canada | CAN-1921 = Flag of Canada-1868-Red | CAN-1957 = Flag of Canada 1921 | CAN-1965 = Canadian Red Ensign | CAY = Flag of the Cayman Islands | CGO = Flag of the Republic of the Congo | CGO-1991 = Flag of the People's Republic of Congo | CHA = Flag of Chad | CHE = Flag of Switzerland within 2to3 | Chechnya = Flag of Chechen Republic since 2004 | CHI = Flag of Chile | CHL = Flag of Chile | China = Flag of the People's Republic of China | CHN = Flag of the People's Republic of China | CIS = Flag of the CIS | CIV = Flag of Cote d'Ivoire | CMR = Flag of Cameroon | CMR-1961 = Flag of Cameroon (1957) | CMR-1975 = Flag of Cameroon (1961) | COK = Flag of the Cook Islands | COD = Flag of the Democratic Republic of the Congo | COD-1960 = Flag of Congo Free State | COD-1963 = Flag of Congo Kinshasa | COD-1966 = Flag of Congo Kinshasa 1963 | COD-1971 = Flag of Congo Kinshasa 1966 | COD-2006 = Flag of Congo Kinshasa 1997 | COG = Flag of the Republic of the Congo | COL = Flag of Colombia | COM = Flag of the Comoros | CON = Flag of Demokratische Republik Kongo | CPV = Nuvola Cape Verdean flag | CRC = Flag of Costa Rica | CRI = Flag of Costa Rica | CRO = Flag of Croatia | Croatia = Civil Ensign of Croatia | CUB = Flag of Cuba | CYP = Flag of Cyprus | CZE = Flag of the Czech Republic | Czech = Flag of the Czech Republic | DDR = Flag of East Germany | DEN = Flag of Denmark | FRG | DEU | Deutschland = Flag of Germany | DJI = Flag of Djibouti | DMA = Flag of Dominica | DOM = Flag of the Dominican Republic | DZA = Flag of Algeria | ECU = Flag of Ecuador | EGY = Flag of Egypt | EGY-1922 = Flag of Egypt 1922 | EGY-1958 = Flag of Egypt 1952 | EGY-1972 = Flag of United Arab Republic | EGY-1984 = Flag of Egypt 1972 | ENG = Flag of England | ERI = Flag of Eritrea | ESP = Flag of Spain | ESP-1945 = Flag of Spain 1945 1977 | ESP-1977 = Flag of Spain 1977 1981 | EST = Flag of Estonia | ETH = Flag of Ethiopia | ETH-1974 = Flag of Ethiopia (1897) | ETH-1987 = Flag of Ethiopia (1975-1987, 1991-1996) | ETH-1996 = Flag of Ethiopia (1975-1987, 1991-1996) | Europa = Flag of Europe | the European Union = Flag of Europe | FIN = Flag of Finland | FJI = Flag of Fiji | FR-YUG = Flag of FR Yugoslavia | FRA = Flag of France | Frankreich = Flag of France | FRH = Flag of the Federation of Rhodesia and Nyasaland | GAB = Flag of Gabon | GAM = Flag of The Gambia | GBS = Flag of Guinea-Bissau | GDR = Flag of East Germany | GEO = Flag of Georgia | GER = Flag of Germany | GER-1933 = Flag of Germany 1933 | GHA = Flag of Ghana | GHA-1961 = Flag of the Union of African States (1958-1961) | GHA-1962 = Flag of the Union of African States (1961-1962) | GHA-1966 = Ghana flag 1964 | GRE = Flag of Greece | GRE-1828 = Flag of Greece (1828-1978) | GRE-1970 = Flag of Greece (1970-1975) | GRC = Flag of Greece | GRD = Flag of Grenada | GRN = Flag of Grenada | GBR = Flag of the United Kingdom | GIN = Flag of Guinea | GLP = Flag of Guadeloupe (local) | GMB = Flag of The Gambia | GNB = Flag of Guinea-Bissau | GNQ = Flag of Equatorial Guinea | Großbritannien = Flag of the United Kingdom | GTM = Flag of Guatemala | GUS = Flag of the CIS | GUY = Flag of Guyana | HAI = Flag of Haiti | HKG = Flag of Hong Kong | HON = Flag of Honduras | Hongkong59 = Flag of Hong Kong 1959 | HRV = Civil Ensign of Croatia | HTI = Flag of Haiti | HUN = Flag of Hungary | IDN = Flag of Indonesia | IND = Flag of India | IRL = Flag of Ireland | IRN = Flag of Iran | IRQ = Flag of Iraq | IRQ-1991 = Flag of Iraq (1963-1991) | ISL = Flag of Iceland | ISR = Flag of Israel | ITA = Flag of Italy | ITA-1946 = Flag of Italy (1861-1946) | JAM = Flag of Jamaica | JOR = Flag of Jordan | JPN = Flag of Japan | Kanada = Flag of Canada | KAZ = Flag of Kazakhstan | KEN = Flag of Kenya | KGZ = Flag of Kyrgyzstan | KHM = Flag of Cambodia | KIR = Flag of Kiribati | DR Kongo = Flag of Demokratische Republik Kongo | KOR = Flag of South Korea | Kroatien = Civil Ensign of Croatia | KSA = Flag of Saudi Arabia | KWT = Flag of Kuwait | LAO = Flag of Laos | LAT = Flag of Latvia | LBN = Flag of Lebanon | LBR = Flag of Liberia | LBY = Flag of Libya | LIE = Flag of Liechtenstein | LSO = Flag of Lesotho | LTU = Flag of Lithuania | LUX = Flag of Luxembourg | LVA = Flag of Latvia | MAC = Flag of Macau | MAR = Flag of Morocco | MAS = Flag of Malaysia | MAW = Flag of Malawi | MDA = Flag of Moldova | MDG = Flag of Madagascar | MEX = Flag of Mexico | MGL = Flag of Mongolia | MKD = Flag of Macedonia | MLI = Flag of Mali | MNE = Flag of Montenegro | MOZ = Flag of Mozambique | MRI = Flag of Mauritius | MUS = Flag of Mauritius | MWI = Flag of Malawi | MYS = Flag of Malaysia | NAM = Flag of Namibia | NCA = Flag of Nicaragua | NED = Flag of the Netherlands | Neuseeland = Flag of New Zealand | NIC = Flag of Nicaragua | NIG = Flag of Niger | NLD = Flag of the Netherlands | NGA = Flag of Nigeria | NGR = Flag of Nigeria | NOR = Flag of Norway | NZL = Flag of New Zealand | Northern Ireland = Ulster banner | OMA = Flag of Oman | OMN = Flag of Oman | Österreich = Flag of Austria | PAN = Flag of Panama | PAR = Flag of Paraguay | PER = Flag of Peru | PHI = Flag of the Philippines | PHI-1919 = Flag of the Philippines (navy blue) | PNG = Flag of Papua New Guinea | POL = Flag of Poland | Polen = Flag of Poland | POR = Flag of Portugal | PRI = Flag of Puerto Rico | PRT = Flag of Portugal | PRY = Flag of Paraguay | PRY-1842= Flag of Paraguay 1842 | PRY-1954 = Flag of Paraguay 1954 | PRY-1988 = Flag of Paraguay 1988 | PRK = Flag of North Korea | PUR = Flag of Puerto Rico | PYF = Flag of French Polynesia | QAT = Flag of Qatar | ROM = Flag of Romania | RSA = Flag of South Africa | RSA-1994 = Flag of South Africa 1928-1994 | ROU = Flag of Romania | ROU-1989 = Flag of Romania (1965-1989) | RUS = Flag of Russia | RUS-1993 = Flag of Russia 1991-1993 | RWA = Flag of Rwanda | SAM = Flag of Samoa | SCG = Flag of Serbia and Montenegro | SCO = Flag of Scotland | SEY = Flag 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absolute; left: 31px; top: 0px; width: 38px; height: 59px; background-color: #{{{body}}};">{{#if: {{{pattern_b|}}}|[[Datei:Kit_body{{{pattern_b}}}.{{#ifexist:Media:Kit_body{{{pattern_b}}}.svg|svg|png}}|top|Trikotfarben]]| }}</div> <div style="position: absolute; left: 31px; top: 0px; width: 38px; height: 59px;">[[Datei:Kit_body.svg|top|Trikotfarben]]</div> <!-- Rechter Arm --> <div style="position: absolute; left: 69px; top: 0px; width: 31px; height: 59px; background-color: #{{{rightarm}}};">{{#if: {{{pattern_ra|}}}|[[Datei:Kit_right_arm{{{pattern_ra}}}.{{#ifexist:Media:Kit_right_arm{{{pattern_ra}}}.svg|svg|png}}|top|Trikotfarben]]| }}</div> <div style="position: absolute; left: 69px; top: 0px; width: 31px; height: 59px;">[[Datei:Kit_right_arm.svg|top|Trikotfarben]]</div> <!-- Hose --> <div style="position: absolute; left: 0px; top: 59px; width: 100px; height: 36px; background-color: #{{{shorts}}}">{{#if: {{{pattern_shorts|}}}|[[Datei:Kit_shorts{{{pattern_shorts}}}.{{#ifexist:Media:Kit_shorts{{{pattern_shorts}}}.svg|svg|png}}|png}}|top|Trikotfarben]]| }}</div> <div style="position: absolute; left: 0px; top: 59px; width: 100px; height: 36px;">[[Datei:Kit_shorts.svg|top|Trikotfarben]]</div> <!-- Stutzen -->{{#if:{{{no_socks|}}}|<div style="position: absolute; left: 0px; top: 95px; width: 100px; height: 5px; background-color:white;"><!--null--></div>| <div style="position: absolute; left: 0px; top: 95px; width: 100px; height: 25px; background-color: #{{{socks}}}">{{#if: {{{pattern_socks|}}}|[[Datei:Kit_socks{{{pattern_socks}}}.{{#ifexist:Media:Kit_socks{{{pattern_socks}}}.svg|svg|png}}|top|Trikotfarben]]| }}</div> <div style="position: absolute; left: 0px; top: 95px; width: 100px; height: 25px;">[[Datei:Kit_socks.svg|top|Trikotfarben]]</div>}} </div> <!-- Darunter stehender Text --> {{#if: {{{title|}}}|<div style="padding-top: 0.6em; text-align: center;">'''{{{title}}}'''</div>|}} 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Für ein paar Sekunden werden die Boxen mit Printmedien nicht funktionieren (doppelte Weiterleitung) <noinclude>{{Dokumentation}}</noinclude><includeonly>{{#if:{{{2|}}}|<tr><td style="background-color:#F6F6F6; padding:3px 5px 4px 5px; border-top:1px solid #D5E7F3; width:30%;">{{{1}}}</td><td style="padding:3px 5px 4px 5px; border-top:1px solid #D5E7F3;">{{#if:{{{3|}}}|{{{3}}}|{{{2}}}}}</td></tr>}}</includeonly> j8oh2ewq2dextkt9tn936gj3vi0wwnk wikitext text/x-wiki Vorlage:Navigationsleiste Filme von Ridley Scott 10 23592 26188 2010-04-05T11:33:15Z Johnny T 0 {{Navigationsleiste Filmographie |Regisseur=[[Ridley Scott]] |Filme= [[Die Duellisten]]&nbsp;&#124; [[Alien – Das unheimliche Wesen aus einer fremden Welt|Alien&nbsp;–&nbsp;Das&nbsp;unheimliche&nbsp;Wesen&nbsp;aus&nbsp;einer&nbsp;fremden&nbsp;Welt]]&nbsp;&#124; [[Blade Runner|Blade&nbsp;Runner]]&nbsp;&#124; [[Legende (Film)|Legende]]&nbsp;&#124; [[Der Mann im Hintergrund|Der&nbsp;Mann&nbsp;im&nbsp;Hintergrund]]&nbsp;&#124; [[Black Rain|Black&nbsp;Rain]]&nbsp;&#124; [[Thelma & Louise|Thelma&nbsp;&&nbsp;Louise]]&nbsp;&#124; [[1492 – Die Eroberung des Paradieses|1492&nbsp;–&nbsp;Die&nbsp;Eroberung&nbsp;des&nbsp;Paradieses]]&nbsp;&#124; [[White Squall – Reißende Strömung|White&nbsp;Squall&nbsp;–&nbsp;Reißende&nbsp;Strömung]]&nbsp;&#124; [[Die Akte Jane|Die&nbsp;Akte&nbsp;Jane]]&nbsp;&#124; [[Gladiator (Film)|Gladiator]]&nbsp;&#124; [[Black Hawk Down|Black&nbsp;Hawk&nbsp;Down]]&nbsp;&#124; [[Hannibal_(2001)|Hannibal]]&nbsp;&#124; [[Tricks]]&nbsp;&#124; [[Königreich der Himmel|Königreich&nbsp;der&nbsp;Himmel]]&nbsp;&#124; [[Ein gutes Jahr|Ein&nbsp;gutes&nbsp;Jahr]]&nbsp;&#124; [[American Gangster|American&nbsp;Gangster]]&nbsp;&#124; [[Der Mann, der niemals lebte]]&nbsp;&#124; [[Robin Hood (2010)|Robin Hood]] }}<noinclude> [[Kategorie:Vorlage:Navigationsleiste Regisseure|Scott]] [[en:Template:Ridley Scott]] [[fr:Modèle:Ridley Scott]] [[it:Template:Film di Ridley Scott]] [[ja:Template:リドリー・スコット監督作品]] [[pl:Szablon:Ridley Scott]] [[tr:Şablon:Ridley Scott]] </noinclude> o6i466v6tqsbr5xcnw4q9buuqg65lj5 wikitext text/x-wiki Vorlage:Navigationsleiste Filmographie 10 23593 26189 2009-05-24T19:43:07Z Darkking3 0 Blödsinn {{Navigationsleiste |TITEL=Filme von {{{Regisseur}}} |INHALT={{{Filme}}} }}<noinclude> '''Syntax:''' Parameter: * Regisseur = Name des Regisseurs * Filme = Verweise der Navigationsleiste, am besten getrennt durch einen senkrechten Strich: | [[Kategorie:Vorlage:Navigationsleiste Regisseure|!Filmographie]] </noinclude> h5dey14uqt5t6gntqkqj44os4vtic3e wikitext text/x-wiki Vorlage:OFDb 10 23594 26190 2009-12-08T21:36:48Z Hydro 0 /* Bei vom Lemma abweichendem Film-/Serientitel */ katfix wg. großbuchstaben <includeonly>''[http://www.ofdb.de/view.php?page=film&fid={{{1}}} {{{2|{{PAGENAME}}}}}]'' in der [[Online-Filmdatenbank]]</includeonly><noinclude> Wenn diese Vorlage verwendet wird, sollte sie stets unter den ''Weblinks'' hinter dem IMDB-Link stehen. == Zur Verwendung == <pre> {{OFDb|123456}} </pre> Als erste Variable ist immer die Unterseite des Films/der Serie anzugeben. Für die Suche bietet sich die [http://www.ofdb.de/view.php?page=erwsuche OFDb-eigene Suche] an. === Bei vom [[Lemma (Lexikografie)|Lemma]] abweichendem Film-/Serientitel === <pre> {{OFDb|123456|Film/Serientitel}} </pre> Sofern das [[Lemma (Lexikografie)|Lemma]] vom eigentlichen Film- oder Serientitel abweicht, muss man als 2. Variable den richtigen Filmtitel angeben. Dies ist zum Beispiel bei Spezifikationen, wie ''[[Titanic (1997)]]'' der Fall. [[Kategorie:Vorlage:Datenbanklink Film und Fernsehen|Ofdb Titel]] [[Kategorie:Vorlage:Datenbanklink|Ofdb Titel]] </noinclude> lrfcm5q66b6aowpwuinrmnj1bnn8dqj wikitext text/x-wiki Vorlage:Zitat 10 23595 26191 2010-01-06T19:13:08Z WIKImaniac 0 alternative Bezeichnungen der Parameter ebenfalls berücksichtigen: http://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Wikipedia%3AWikiProjekt_Vorlagen%2FWerkstatt&action=historysubmit&diff=68841520&oldid=68829 <includeonly><blockquote {{#if: {{{lang|}}} | lang="{{{lang|}}}" xml:lang="{{{lang|}}}" }}> <p class="Zitat">{{{vor|„}}}{{{1|{{{Text|}}}}}}{{{nach|“}}}{{Zitat/ref|{{{Umschrift|}}}{{{Übersetzung|}}}{{{2|{{{Autor|}}}}}}{{{3|{{{Quelle|}}}}}}|{{{ref|}}}}}</p> {{#if: {{{Umschrift|}}} |<p class="Zitat" lang="de" xml:lang="de">{{{vor|„}}}{{{Umschrift}}}{{{nach|“}}}{{Zitat/ref|{{{Übersetzung|}}}{{{2|{{{Autor|}}}}}}{{{3|{{{Quelle|}}}}}}|{{{ref|}}}}}</p> }}{{#if: {{{Übersetzung|}}} |<p class="Zitat" {{#if: {{{lang|}}}|lang="de" xml:lang="de"}}>„{{{Übersetzung}}}“{{Zitat/ref|{{{2|{{{Autor|}}}}}}{{{3|{{{Quelle|}}}}}}|{{{ref|}}}}}</p> }}{{#if: {{{2|{{{Autor|}}}}}} |{{#if: {{{3|{{{Quelle|}}}}}} |<p class="cite" {{#if: {{{lang|}}}|lang="de" xml:lang="de"}}><cite>– <span class="Person">{{{2|{{{Autor|}}}}}}</span>: {{{3|{{{Quelle|}}}}}}</cite>{{Zitat/ref||{{{ref|}}}}}</p> |<p class="cite" {{#if: {{{lang|}}}|lang="de" xml:lang="de"}}><cite>– <span class="Person">{{{2|{{{Autor|}}}}}}</span></cite>{{Zitat/ref||{{{ref|}}}}}</p> }} |{{#if: {{{3|{{{Quelle|}}}}}} |<p class="cite" {{#if: {{{lang|}}}|lang="de" xml:lang="de"}}><cite>– {{{3|{{{Quelle|}}}}}}</cite>{{Zitat/ref||{{{ref|}}}}}</p> }} }}</blockquote></includeonly><noinclude>{{Dokumentation}}</noinclude> jsjip7u6jhmoituv1nvm8x9yjrzf4uh wikitext text/x-wiki Vorlage:Zitat-en 10 23596 26192 2010-03-16T23:16:43Z Revolus 0 |ref={{{4|{{{ref|}}}}}} {{Zitat|{{{1|{{{Text|}}}}}}|{{{2|{{{Autor|}}}}}}|{{{3|{{{Quelle|}}}}}}|vor=“|nach=”|lang=en|Übersetzung={{{Übersetzung|}}}|ref={{{4|{{{ref|}}}}}}}}<noinclude> {{Zitatvorlage}} [[Kategorie:Vorlage:Formatierungshilfe|Zitat-en]] [[Kategorie:Vorlage:Fremdsprachenunterstützung|Zitat-en]] </noinclude> tb2oqnepu7l9rnq8h5c8i6oqz4uees0 wikitext text/x-wiki Vorlage:Zitat/ref 10 23597 26193 2010-03-20T08:55:40Z Umherirrender 280 +kat <onlyinclude>{{#if: {{{1|}}} | | {{{2|}}}}}</onlyinclude> [[Kategorie:Vorlage:für Vorlagen|Zitat/ref]] 2qd0yerzmzae1gadevooev50pqflr74 wikitext text/x-wiki Vorlage:ISSN 10 23598 26194 2009-12-08T22:05:37Z Hydro 0 /* Siehe auch */ katfix wg. großbuchstaben <includeonly><span class="plainlinks-print">[http://dispatch.opac.d-nb.de/DB=1.1/CMD?ACT=SRCHA&IKT=8&TRM={{{1}}} ISSN {{{1|''fehlende ISS-Nummer''}}}]</span></includeonly><noinclude> Diese Vorlage erzeugt einen Link auf den [[Bibliothekskatalog|Katalog]] der [[Zeitschriftendatenbank]]. Beim Ausdruck wird der Link weggelassen. == Verwendung == Der Vorlage muss eine [[Internationale Standardseriennummer|ISS-Nummer]] übergeben werden. <code><nowiki>{{ISSN|0938-8303}}</nowiki></code> == Siehe auch == * [[Vorlage:ISSN-Link]] [[Kategorie:Vorlage:Datenbanklink|Issn]] [[Kategorie:Vorlage:Zitation|Issn]] [[Kategorie:Vorlage:Medien|Issn]] [[als:Template:ISSN]] [[bar:Template:ISSN]] [[bg:Template:ISSN]] [[ca:Plantilla:ISSN]] [[cs:Template:ISSN]] [[da:Skabelon:ISSN]] [[el:Πρότυπο:ISSN]] [[en:Template:ISSN]] [[simple:Template:ISSN]] [[eo:ISSN serĉo]] [[es:Template:ISSN]] [[et:Template:ISSN]] [[fi:Template:ISSN]] [[fi:Malline:ISSN]] [[hr:Template:ISSN]] [[hsb:Předłoha:ISSN pytanje]] [[hy:Template:ISSN]] [[id:Template:ISSN]] [[is:Snið:ISSN]] [[it:Template:ISSN]] [[ko:Template:ISSN]] [[ku:Template:ISSN]] [[lt:Template:ISSN]] [[lv:Template:ISSN]] [[nl:Template:ISSN]] [[nn:Template:ISSN]] [[no:Template:ISSN]] [[pl:Template:ISSN]] [[pt:Template:ISSN]] [[ro:Template:ISSN]] [[ru:Template:ISSN]] [[sk:Template:ISSN]] [[sl:Template:ISSN]] [[su:Template:ISSN]] [[sv:Mall:ISSN]] [[uk:Template:ISSN]] [[vi:Template:ISSN]] [[zh:Template:ISSN]] </noinclude> oapol5ubtzsdwfb7894fs3t8izwtdlw wikitext text/x-wiki Vorlage:Rp 10 23599 26195 2010-03-07T08:10:04Z MastiBot 0 Bot: Ergänze: [[pl:Szablon:Rp]] <sup class="reference">:{{{1}}}</sup><noinclude> == Benutzung == <nowiki>{{</nowiki>rp|Seitenzahl(en)}} „Seitenzahl(en)“ kann ein einzelne Seitenzahl (287), mehrere (xii, 287, 292, 418), ein Bereich (287-8) oder eine Kombination davon sein. Kein „Seite“, „pp.“, etc. – nur die Zahlen. Es kann natürlich auch für Seiten ohne Seitenzahl verwendet werden, z.B. „f. 29“, „A7“, „Buchrücken“, etc. Diese Vorlage (deren Name für „reference pages“ steht) dient dazu, Seitenzahlen im Harvard referencing-Stil an Cite.php-generierte Literaturverweisen anzuhängen. Es ist momentan die einzige Lösung für das Problem, das sich ergibt, wenn in einem Artikel eine Quelle sehr, sehr oft mit unterschiedlichen Seitenzahlen zitiert wird. In der englischsprachigen Wikipedia war das insbesondere für Fälle gedacht, wo das Cite.php <code><nowiki><ref ...></nowiki></code> Fußnotensystem wünschenswerter ist als das sehr frustrierende und leicht aus dem Tritt zu bringende <nowiki>{{ref label}}</nowiki> und <nowiki>{{note label}}</nowiki>-System. Hier sind diese Systeme aber abgeschafft. Das Problem ist natürlich, dass für ein Werk, das 100 mal mit individuellen <code><nowiki><ref ...></nowiki></code> und unterschiedlichen Seitenzahlen zitiert wird, 100 Zeilen für die gleiche Quelle durch <code><nowiki><references /></nowiki></code> erzeugt werden, während ein einzelnes <code><nowiki><ref ...>...</ref></nowiki></code> mit darauf folgenden <code><nowiki><ref ... /></nowiki></code> mit dem gleichen <code>name=</code> bei gleichzeitiger Benennung aller Seitenzahlen in der Fußnote eine einzelne Zeile in <code><nowiki><references /></nowiki></code> mit 100 Seitenzahlen erzeugt, was sie ziemlich unlesbar und unbrauchbar macht. Da im Review für [[WP:KEA|Exzellente]] und manchmal auch für [[WP:KLA|Lesenswerte Artikel]] fürgewöhnlich darauf bestanden wird, dass spezifische Fakten mit Seitenzahlen zitiert werden, sind die Beschränkungen von Cite.php ein tatsächliches ernsthaftes Problem für die Autoren. Und, was noch wichtiger ist, jede der genannten Möglichkeiten ist ein ernsthaftes Problem für die Leser der Enzyklopädie. Diese Vorlage löst dieses Problem (vielleicht vorübergehend, da Cite.php gegebenenfalls zu einem zukünftigen Zeitpunkt bezüglich dieses Problems verbessert werden könnte um dieses Problem zu beseitigen, wobei dann ein Bot die verwendeten <nowiki>{{Rp}}</nowiki> durch das neue, verbesserte „Super-<code><nowiki><ref ...></nowiki></code>“ ersetzen könnte). === Beispiele === Das Beispiel unten zeigt <nowiki>{{Rp}}</nowiki> bei der Benutzung sowohl beim ersten Auftreten der Quelle (<code><nowiki><ref ...>...</ref></nowiki></code>), mit anderen Literaturverweisen und Zusatzvorlagen, so dass sichtbar ist, wie es aussieht, wenn es in serie benutzt wird; und mit darauf folgenden Verwendungen (<code><nowiki><ref ... /></nowiki></code>). '''Code''' : <code><nowiki>Ein behaupteter Fakt.<ref name="Jackson1999">Jackson, Jennifer. ''The Unlightable Being of Bareness'', Funky Publications, [[New York]], NY, 1999, ISBN 1-2345-6789-0</ref>{{rp|233-7}}<ref name="Smith2000">Smith, Bob. ''Noch eine Quelle'', Noch ein Verlag, [[Chicago]], IL, 2000, ISBN 0-0986-5432-1. Seite 27</ref><ref name="NYT20060120">[http://url.goes.here.int/ „Irgendein Artikel“]. Jones, Bill. ''New York Times'', Abschnitt „Stil“, Seite S4, [[20. Januar]] [[2006]]; Onlinefassung abgerufen am [[17. März]] [[2007]]</ref></nowiki></code><br /> <code>...</code><br /> <code><nowiki>Noch ein behaupteter Fakt.<ref name="Jackson1999" />{{rp|27, 422}}</nowiki></code><br /> <code>...</code><br /> <code><nowiki><references /></nowiki></code> '''Resultat''' : Ein behaupteter Fakt.<ref name="Jackson1999">Jackson, Jennifer. ''The Unlightable Being of Bareness'', Funky Publications, [[New York City|New York]], NY, 1999, ISBN 1-2345-6789-0</ref>{{rp|233-7}}<ref name="Smith2000">Smith, Bob. ''Noch eine Quelle'', Noch ein Verlag, [[Chicago]], IL, 2000, ISBN 0-0986-5432-1. Seite 27</ref><ref name="NYT20060120">[http://url.goes.here.int/ „Irgendein Artikel“]. Jones, Bill. ''New York Times'', Abschnitt „Stil“, Seite S4, [[20. Januar]] [[2006]]; Onlinefassung abgerufen am [[17. März]] [[2007]]</ref><br /> ...<br /> Noch ein behaupteter Fakt.<ref name="Jackson1999" />{{rp|27, 422}}<br /> ...<br /> <references /> === Hinweis === Diese Vorlage sollte nicht unnötig verwendet werden. In der überwiegenden Zahl der Fälle genügt ws, Seitenzahlen innerhalb von <code><nowiki><ref ...>...</ref></nowiki></code> zu zitieren. Diese Vorlage ist nur für Quellen gedacht, die sehr oft in einem Artikel verwendet werden, und zwar dermaßen oft, dass eine normale Zitation unnütze oder zu viele einzelne Zeilen im <nowiki><references /></nowiki> erzeugen würde. Die übermäßige Benutzung dieser Vorlage macht den Text schwerer lesbar und wird wahrscheinlich von anderen Autoren revertiert. [[Kategorie:Vorlage:Zitation|{{PAGENAME}}]] [[en:Template:Rp]] [[pl:Szablon:Rp]] [[ru:Шаблон:Rp]] </noinclude> 8s282jjv0cuzbs025osx5cphsfvzdng wikitext text/x-wiki Vorlage:Wikibooks 10 23600 26196 2010-03-07T15:56:40Z MastiBot 0 Bot: Ergänze: [[pl:Szablon:Wikibooks]] <onlyinclude><div class="sisterproject" style="margin:0.1em 0 0 0;">[[Datei:Wikibooks-logo.svg|x16px|link=|Wikibooks]]&nbsp;'''[[b:{{{1|{{PAGENAME}}}}}|Wikibooks: {{{2|{{{1|{{PAGENAME}}}}}}}}]]'''{{#switch:{{{3|}}} | = &nbsp;– Lern- und Lehrmaterialien | X = | #default = &nbsp;– {{{3}}} }}</div></onlyinclude> ---- Es gibt einen unbenannten dritten Parameter: * <code><nowiki>{{Wikibooks|Kochbuch/ Käsefondue|Rezept für Käsefondue|X}}</nowiki></code> = {{Wikibooks|Kochbuch/ Käsefondue|Rezept für Käsefondue|X}} * <code><nowiki>{{Wikibooks|Kochbuch/ Käsefondue|Rezept für Käsefondue|äußerst lecker …}}</nowiki></code> = {{Wikibooks|Kochbuch/ Käsefondue|Rezept für Käsefondue|äußerst lecker …}} '''Für Syntax und Anwendung siehe [[Wikipedia:Textbausteine/Schwesterprojekte]].''' [[Kategorie:Vorlage:Schwesterprojektverweis|Wikibooks]]<noinclude> [[en:Template:Wikibooks]] [[pl:Szablon:Wikibooks]] </noinclude> szh8w08dcf5qp8mqeegxyasb4nrwn6q wikitext text/x-wiki Vorlage:!! 10 23601 26197 2009-02-23T14:59:27Z WIKImaniac 0 [[Vorlage:Vorlagendokumentation]] durch [[Vorlage:Dokumentation]] ersetzt ||<noinclude>{{Dokumentation}} </noinclude> qrvt2myoa6rnsswh45j5ff61aln94n1 wikitext text/x-wiki MediaWiki:Monobook.js 8 23602 26085 1425 2010-05-11T12:24:58Z Voice of All 167 /* Der Grossteil der Codes befindet sich in [[MediaWiki:Common.js]] */ //================================================================================ //*** moveEditsection: Moving of the editsection links /* * moveEditsection * Dieses Script verschiebt die [Bearbeiten]-Buttons vom rechten Fensterrand * direkt rechts neben die jeweiligen Überschriften. * This script moves the [edit]-buttons from the right border of the window * directly right next to the corresponding headings. * * Zum Abschalten die folgende Zeile (ohne führendes Sternchen) in die eigene * monobook.js (zu finden unter [[Special:Mypage/monobook.js|Benutzer:Name/monobook.js]]) kopieren: * var oldEditsectionLinks = true; * * dbenzhuser (de:Benutzer:Dbenzhuser) */ addOnloadHook(function() { if (typeof oldEditsectionLinks != 'undefined' && oldEditsectionLinks) return; var spans = document.getElementsByTagName("span"); for (var i=0; i<spans.length; i++) { var span = spans[i]; if (span == 'undefined' || span.className != "editsection") continue; span.style.fontSize = "x-small"; span.style.fontWeight = "normal"; span.style.styleFloat = "none"; // IE-Fix für die folgende Zeile span.style.cssFloat = "none"; span.style.marginLeft = "0px"; span.parentNode.appendChild(document.createTextNode(" ")); span.parentNode.appendChild(span); } }); jla3r051w81b3ls6ghc0xr8rza0260i javascript text/javascript Vorlage:Commonscat 10 23603 27168 26198 2010-05-03T21:25:03Z Merlissimo 313 +pagename-function <onlyinclude><div 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[http://dispatch.opac.d-nb.de/DB=4.1/SET=4/TTL=1/PRS=PP%7F/PPN?PPN={{{1}}} PICA-Datensatz] • [http://toolserver.org/~apper/pd/person/pnd/{{{1}}} Apper-Personensuche])</small></span></includeonly><noinclude>{{Dokumentation}} [[bar:Vorlage:DNB-Portal]] [[da:Skabelon:DNB-Portal]] </noinclude> l01d965aeovm7gt5s2p0161gd01r3jr wikitext text/x-wiki Vorlage:Normdaten 10 23605 27176 26200 2010-05-11T00:50:53Z Entlinkt 0 zurück zu Linked Authority File, jetzt mit kanonischer/normalisierter LCCN <onlyinclude><div id="normdaten" class="catlinks">'''Normdaten''': {{#if: {{{PND|}}}| [[Personennamendatei|PND]]: [http://d-nb.info/gnd/{{{PND}}} {{{PND}}}] – [http://toolserver.org/~apper/pd/person/pnd/{{{PND}}} weitere Informationen] {{#if: {{{LCCN|}}}|&#124;}} }} {{#if: {{{LCCN|}}}|[[Library of Congress Control Number|LCCN]]: [http://errol.oclc.org/laf/{{ParmPart|1|{{{LCCN}}} }}{{ParmPart|2|{{{LCCN}}} }}{{padleft:{{ParmPart|3|{{{LCCN}}} }}|6|0}}.html {{ParmPart|1|{{{LCCN}}} }}{{ParmPart|2|{{{LCCN}}} 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[[Kategorie:Vorlage:für Vorlagen|Taxoauswahl]] </noinclude> 4ufd5am89zy40gsp4fvst0tb8til4wn wikitext text/x-wiki Vorlage:Taxobox 10 23614 26209 2009-12-10T12:27:26Z Cactus26 0 Änderung 66815082 von [[Special:Contributions/Quartl|Quartl]] wurde rückgängig gemacht. Siehe [[Wikipedia_Diskussion:Redaktion_Biologie#Paläoboxen und Ränge]] <includeonly>{| cellpadding="2" cellspacing="1" width="300" {{#ifeq: {{lc:{{{Modus|taxobox}}}}}|paläobox|class="palaeobox float-right" id="Vorlage_Paläobox" summary="Paläobox"|class="taxobox float-right" id="Vorlage_Taxobox" summary="Taxobox"}} id="Vorlage_Taxobox" summary="Taxobox" ! {{#if: {{{Taxon_Name|}}}||{{Taxoauswahl|Hervorheben=ja|Taxon={{{Taxon_Rang|}}}}}}}{{#if: {{{Name|}}}|{{{Name}}}|{{#if: {{{Taxon_Name|}}}|{{{Taxon_Name}}}|{{#if: {{{Taxon_WissName|}}}|{{{Taxon_WissName}}}}}}}}}{{#if: {{{Taxon_Name|}}}||{{Taxoauswahl|Hervorheben=ja|Taxon={{{Taxon_Rang|}}}}}}} {{#if: {{{Bild|}}}|{{#switch: {{lc:{{{Bild}}}}} |fehlt= {{!-}} {{!}}<div style="text-align:center;font-size:8pt;">[[:Kategorie:Wikipedia:Bilderwunsch Taxobox|Hier fehlt ein Bild]]{{#ifeq: {{NAMESPACE}} | {{ns:0}} | <span style="display: none;">[[Kategorie:Wikipedia:Bilderwunsch Taxobox]]</span>}}</div> |ohne|kein|keines= {{!-}} |#default={{!-}} {{!}} <div style="text-align:center;font-size:8pt;">[[Datei:{{{Bild}}}|frameless|300x400px{{#if:{{{Bildbeschreibung|}}}|{{!}}{{{Bildbeschreibung}}}}}]] {{#if: {{{Bildbeschreibung|}}}|{{#ifeq: {{{Bildbeschreibung}}}|ohne||{{{Bildbeschreibung|}}}}}|{{#if: {{{Taxon_Name|}}}|{{{Taxon_Name|}}} {{#if: {{{Taxon_WissName|}}}|(''{{{Taxon_WissName|}}}'')}}|''{{{Taxon_WissName|}}}''}}}} </div>}}|{{!-}}}} {{#ifeq: {{lc:{{{Modus|taxobox}}}}}|paläobox| {{#if: {{{ErdzeitalterVon|}}}{{{MioVon|}}}{{{TausendVon|}}}| {{!-}} ! 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[[Kategorie:Vorlage:für Vorlagen|Taxozeile]] </noinclude> 0b5ezssws5kujw659ramt4sawii46tr wikitext text/x-wiki Vorlage:Taxozitat 10 23616 26211 2008-03-30T19:31:58Z Wiegels 0 Einsortierung <includeonly>! [[Nomenklatur (Biologie)|Wissenschaftlicher Name]] {{#if:{{{KeinTaxon|}}} | | {{Taxoauswahl|Taxon={{{Taxon|}}}|Artikel=ja}}}} {{!-}} {{!}} class="taxo-name" {{!}} {{Taxoauswahl|Hervorheben=ja|Taxon={{{Taxon|}}}}}{{{Taxon_WissName|}}}{{Taxoauswahl|Hervorheben=ja|Taxon={{{Taxon|}}}}} {{!-}} {{!}} class="Person" {{!}} {{{Autor|}}} {{!-}}</includeonly><noinclude>Diese Vorlage wird innerhalb der [[Vorlage:Taxobox]] verwendet. [[Kategorie:Vorlage:für Vorlagen|Taxozitat]] </noinclude> c3f6hhx0l4ztrcp81hx7r15husmfxrs wikitext text/x-wiki Vorlage:Höhe 10 23617 26212 2009-11-28T15:30:21Z Herzi Pinki 0 Jugoslawische Nachfolgestaaten nochmals geändert, jetzt metara iznad Jadrana - m. i. J. (http://hr.wikipedia.org/wiki/Metara_iznad_Jadrana) <includeonly><span style="border-width:0px; padding:0px; margin:0px;" >{{#ifeq: {{formatnum:{{#expr:1*{{{1}}} }} }}|Expression error: Unrecognised punctuation character "."|<!-- erzeuge versteckten Link--><span style="display:none">[[Vorlage:Höhe/Fehler in Parameterliste]]</span>|<!-- nichts, Wert korrekt -->}}<!--kein führendes '-' für neg. Werte, stört in Tabellen-->{{#if: {{{1|}}} |{{#if: {{{2|}}} <!-- Höhenbezug angegeben --> |{{#switch: {{uc:{{{2|}}} }} <!-- Österreich normal-orthometrische Höhe Triest 1875; keine Höhen unter dem Meeresspiegel --> | AT = {{formatnum:{{#expr:1*{{{1}}}<!-- wegen -0 --> }} }}&nbsp;{{#ifeq:{{{link|}}}|true|[[Meter über Adria|m&nbsp;ü.&nbsp;A.]]|<span title="Meter über Adria">m&nbsp;ü.&nbsp;A.</span>}} <!-- Liechtenstein == Schweiz --> | LI <!-- Schweiz nivellierte Höhe Marseille; keine Höhen unter dem Meeresspiegel --> <!-- Fälle 4000<=x<4100 müssen gesondert betrachtet werden, da bei Formatierung der HZE-Stellen führende Nullen nicht angegeben werden --> | CH = {{#ifexpr: ({{{1|}}}>=0) |{{#ifexpr: ({{{1|}}} >= 1000) | {{#expr: (trunc ({{{1|0}}}/1000))}}'{{<!--Fall 4004m!-->#ifexpr: {{{1|}}}mod1000<10|00|{{#ifexpr: {{{1|}}}mod1000<100|0|}} }}|}}{{formatnum:{{#expr:{{{1|}}}mod1000+{{{1|}}}-(trunc ({{{1|0}}}))}} }}<!-- kommanull -->{{#ifexpr: ({{{1|0}}}=trunc ({{{1|0}}})) and (({{{1|0}}}1 round 1)={{{1|0}}})|,0}}&nbsp;{{#ifeq:{{{link|}}}|true|[[Meter über Meer|m&nbsp;ü.&nbsp;M.]]|<span title="Meter über Meer">m&nbsp;ü.&nbsp;M.</span>}} |{{#ifexpr: ({{{1|}}} <= -1000) | {{#expr: (trunc ({{{1|0}}}/-1000))}}'{{<!--Fall 4044m!-->#ifexpr: -{{{1|}}}mod1000<10|00|{{#ifexpr: -{{{1|}}}mod1000<100|0|}} }}|}}{{formatnum:{{#expr:(trunc ({{{1|0}}}))-{{{1|}}}mod1000-{{{1|}}} }} }}<!-- kommanull -->{{#ifexpr: ({{{1|0}}}=trunc ({{{1|0}}})) and (({{{1|0}}}1 round 1)={{{1|0}}})|,0}}&nbsp;{{#ifeq:{{{link|}}}|true|[[Meter über Meer|m&nbsp;unter&nbsp;M.]]|<span title="Meter unter Meer">m&nbsp;unter&nbsp;M.</span>}} }} <!-- die folgenden beiden Einträge erzeugen schweiz-formatierte Zahlen, aber keine m.ü.M., sondern nur m code identisch bis auf 2 Stellen, an denen der Höhenbezug erzeugt wird. Bitte diese Invariante beibehalten --> <!-- Liechtenstein == Schweiz --> | LI-M | CH-M = {{#ifexpr: ({{{1|}}}>=0) |{{#ifexpr: ({{{1|}}} >= 1000) | {{#expr: (trunc ({{{1|0}}}/1000))}}'{{<!--Fall 4004m!-->#ifexpr: {{{1|}}}mod1000<10|00|{{#ifexpr: {{{1|}}}mod1000<100|0|}} }}|}}{{formatnum:{{#expr:{{{1|}}}mod1000+{{{1|}}}-(trunc ({{{1|0}}}))}} }}<!-- kommanull -->{{#ifexpr: ({{{1|0}}}=trunc ({{{1|0}}})) and (({{{1|0}}}1 round 1)={{{1|0}}})|,0}}&nbsp;{{#ifeq:{{{link|}}}|true|[[Meter über Meer|m]]|<span title="Meter über Meer">m</span>}} |{{#ifexpr: ({{{1|}}} <= -1000) | {{#expr: (trunc|{{{1|0}}}/-1000))}}'{{<!--Fall 4044m!-->#ifexpr: -{{{1|}}}mod1000<10|00|{{#ifexpr: -{{{1|}}}mod1000<100|0|}} }}|}}{{formatnum:{{#expr:(trunc ({{{1|0}}}))-{{{1|}}}mod1000-{{{1|}}} }} }}<!-- kommanull -->{{#ifexpr: ({{{1|0}}}=trunc ({{{1|0}}})) and (({{{1|0}}}1 round 1)={{{1|0}}})|,0}}&nbsp;{{#ifeq:{{{link|}}}|true[[Meter über Meer|m]]|<span title="Meter über Meer">m</span>}} }} <!-- Deutschland, unspezifiziertes Höhenbezugssystem --> | DE = {{#ifexpr: ({{{1|}}}>=0) |{{formatnum:{{#expr:+1* {{{1}}} }} }}&nbsp;{{#ifeq:{{{link|}}}|true|[[Höhe über dem Meeresspiegel|<span title="Meter über dem Meeresspiegel">m</span>]]|<span title="Meter über dem Meeresspiegel">m</span>}} |{{formatnum:{{#expr:-1*({{{1}}}) }} }}&nbsp;{{#ifeq:{{{link|}}}|true|[[Höhe über dem Meeresspiegel|m unter dem Meeresspiegel]]|m unter dem Meeresspiegel}} }} <!-- DHHN12 normal-orthometrische Höhe Amsterdam --> | DE-NN = {{#ifexpr: ({{{1|}}}>=0) |{{formatnum:{{#expr:+1* {{{1}}} }} }}<span title="Meter über Normalnull">&nbsp;m&nbsp;ü. |{{formatnum:{{#expr:-1*({{{1}}}) }} }}<span title="Meter unter Normalnull">&nbsp;m&nbsp;unter }}&nbsp;{{#ifeq:{{{link|}}}|true|</span>[[Normalnull|NN]]|NN</span>}} <!-- DDR (SNN76) Normalhöhe Kronstadt --> | DE-HN = {{#ifexpr: ({{{1|}}}>=0) |{{formatnum:{{#expr:+1* {{{1}}} }} }}<span title="Meter über Höhnenormal">&nbsp;m&nbsp;ü. |{{formatnum:{{#expr:-1*({{{1}}}) }} }}<span title="Meter unter Höhnenormal">&nbsp;m&nbsp;unter }}&nbsp;{{#ifeq:{{{link|}}}|true|</span>[[Höhennormal|HN]]|HN</span>}} <!-- DHHN92 Normalhöhe Amsterdam --> | DE-NHN = {{#ifexpr: ({{{1|}}}>=0) |{{formatnum:{{#expr:+1* {{{1}}} }} }}<span title="Meter über Normalhöhennull">&nbsp;m&nbsp;ü. |{{formatnum:{{#expr:-1*({{{1}}}) }} }}<span title="Meter unter Normalhöhennull">&nbsp;m&nbsp;unter }}&nbsp;{{#ifeq:{{{link|}}}|true|</span>[[Normalhöhennull|NHN]]|NHN</span>}} <!-- ALBANIA Pegel Durrës --> |AL = {{formatnum:{{#expr:1*{{{1}}}}}}}&nbsp;{{#ifeq:{{{link|}}}|true|[[Meter über Adria|m&nbsp;ü.&nbsp;A.]]|<span title="Meter über Adria">m&nbsp;ü.&nbsp;A.</span>}} <!-- Slowakei Normalhöhe; keine Höhen unter dem Meeresspiegel --> | SK = {{formatnum:{{#expr:1*{{{1}}}}}}}&nbsp;{{#ifeq:{{{link|}}}|true|[[Höhe über dem Meeresspiegel|<span title="metrov nad morom (Höhe über dem Meeresspiegel)">m&nbsp;n.m.</span>]]|<span title="metrov nad morom">m&nbsp;n.m.</span>}} <!-- Tschechien Normalhöhe Kronstadt; keine Höhen unter dem Meeresspiegel --> | CZ = {{formatnum:{{#expr:1*{{{1}}}}}}}&nbsp;{{#ifeq:{{{link|}}}|true|[[Höhe über dem Meeresspiegel|<span title="metrů nad mořem (Höhe über dem Meeresspiegel)">m&nbsp;n.m.</span>]]|<span title="metrů nad mořem">m&nbsp;n.m.</span>}} <!-- Ungarn Normalhöhe Kronstadt; keine Höhen unter dem Meeresspiegel --> | HU = {{formatnum:{{#expr:1*{{{1}}}}}}}&nbsp;{{#ifeq:{{{link|}}}|true|[[Höhe über dem Meeresspiegel (Ungarn)|<span title="Tengerszint feletti magasság (Höhe über dem Meeresspiegel (Ungarn))">m</span>]]|<span title="Tengerszint feletti magasság">m</span>}} <!-- === FÜR DIE FOLGENDEN ISO CODES KEINE UNTERSCHEIDUNG VON NEGATIVEN HÖHEN, DA BEZEICHNUNG DAFÜR FEHLT === --> <!-- GB orthometrische Höhe Newlyn --> <!-- IE orthometrische Höhe Maln Head --> | GB| IE = {{formatnum:{{#expr:1*{{{1}}}}}}}&nbsp;{{#ifeq:{{{link|}}}|true|[[Höhe über dem Meeresspiegel|<span title="meters above sea level (Höhe über dem Meeresspiegel)">m ASL</span>]]|<span title="meters above sea level">m ASL</span>}} <!-- Frankreich (ohne Übersee) Normalhöhe Marseille; --> <!-- Französisch-Guayana GF Französisch-Polynesien PF Französische Süd- und Antarktisgebiete TF --> | FR|FX = {{formatnum:{{#expr:1*{{{1}}}}}}}&nbsp;{{#ifeq:{{{link|}}}|true|[[Höhe über dem Meeresspiegel|<span title="mètres au-dessus du niveau de la mer (Höhe über dem Meeresspiegel)">m</span>]]|<span title="mètres au-dessus du niveau de la mer">m</span>}} <!-- Italien orthometrische Höhe Genua; +San Marino; +Vatikan --> | IT|SM|VA = {{formatnum:{{#expr:1*{{{1}}}}}}}&nbsp;{{#ifeq:{{{link|}}}|true|[[Höhe über dem Meeresspiegel|<span title="metri sul livello del mare (Höhe über dem Meeresspiegel)">m&nbsp;s.l.m.</span>]]|<span title="metri sul livello del mare">m&nbsp;s.l.m.</span>}} <!-- Nachfolgestaaten YU normal-orthometrische Höhe Triest 1900--> |BA <!-- BOSNIA AND HERZEGOVINA --> |HR <!-- Kroatien --> |ME <!-- MONTENEGRO --> |MK <!-- MACEDONIA, THE FORMER YUGOSLAV REPUBLIC OF --> |RS <!-- SERBIA --> |SI <!-- Slowenien --> = {{formatnum:{{#expr:1*{{{1}}}}}}}&nbsp;{{#ifeq:{{{link|}}}|true|[[Meter über Adria|<span title="metara iznad Jadrana (Meter über Adria)">m.&nbsp;i.&nbsp;J.</span>]]|<span title="metara iznad Jadrana">m.&nbsp;i.&nbsp;J.</span>}} <!-- Niederlande orthometrische Höhe Amsterdam --> | NL = {{formatnum:{{#expr:1*{{{1}}}}}}}&nbsp;{{#ifeq:{{{link|}}}|true|[[Höhe über dem Meeresspiegel|<span title="meter boven NAP (Höhe über dem Meeresspiegel)">m NAP</span>]]|<span title="meter boven NAP">m NAP</span>}} <!-- Norwegen normal-orthometrische Höhe Tredge --> | NO = {{formatnum:{{#expr:1*{{{1}}}}}}}&nbsp;{{#ifeq:{{{link|}}}|true|[[Höhe über dem Meeresspiegel|<span title="meter over havet (Höhe über dem Meeresspiegel)">moh.</span>]]|<span title="meter over havet">moh.</span>}} <!-- Polen Normalhöhe Kronstadt --> | PL = {{formatnum:{{#expr:1*{{{1}}}}}}}&nbsp;{{#ifeq:{{{link|}}}|true|[[Höhe über dem Meeresspiegel|<span title="metry nad poziomem morza (Höhe über dem Meeresspiegel)">m&nbsp;n.p.m.</span>]]|<span title="metry nad poziomem morza">m&nbsp;n.p.m.</span>}} <!-- Schweden Normalhöhe Amsterdam --> | SE = {{formatnum:{{#expr:1*{{{1}}}}}}}&nbsp;{{#ifeq:{{{link|}}}|true|[[Höhe über dem Meeresspiegel|<span title="Meter över havet (Höhe über dem Meeresspiegel)">m&nbsp;ö.h.</span>]]|<span title="Meter över havet">m&nbsp;ö.h.</span>}} <!-- Spanien orthometrische Höhe Alicante --> | ES = {{formatnum:{{#expr:1*{{{1}}}}}}}&nbsp;{{#ifeq:{{{link|}}}|true|[[Höhe über dem Meeresspiegel|<span title="metros sobre el nivel del mar (Höhe über dem Meeresspiegel)">msnm</span>]]|<span title="metros sobre el nivel del mar">msnm</span>}} <!-- alle ISO 3166-1 Codes, so nicht weiter oben definiert. Zwischenlösung bis wir es besser wissen --> |AF <!-- AFGHANISTAN --> |AX <!-- ALAND ISLANDS --> |DZ <!-- ALGERIA --> |AS <!-- AMERICAN SAMOA --> |AD <!-- ANDORRA --> |AO <!-- ANGOLA --> |AI <!-- ANGUILLA --> |AQ <!-- ANTARCTICA --> |AG <!-- ANTIGUA AND BARBUDA --> |AR <!-- ARGENTINA --> |AM <!-- ARMENIA --> |AW <!-- ARUBA --> |AU <!-- AUSTRALIA --> |AZ <!-- AZERBAIJAN --> |BS <!-- BAHAMAS --> |BH <!-- BAHRAIN --> |BD <!-- BANGLADESH --> |BB <!-- BARBADOS --> |BY <!-- BELARUS --> |BE <!-- BELGIUM --> |BZ <!-- BELIZE --> |BJ <!-- BENIN --> |BM <!-- BERMUDA --> |BT <!-- BHUTAN --> |BO <!-- BOLIVIA --> |BW <!-- BOTSWANA --> |BV <!-- BOUVET ISLAND --> |BR <!-- BRAZIL --> |IO <!-- BRITISH INDIAN OCEAN TERRITORY --> |BN <!-- BRUNEI DARUSSALAM --> |BG <!-- BULGARIA --> |BF <!-- BURKINA FASO --> |BI <!-- BURUNDI --> |KH <!-- CAMBODIA --> |CM <!-- CAMEROON --> |CA <!-- CANADA --> |CV <!-- CAPE VERDE --> |KY <!-- CAYMAN ISLANDS --> |CF <!-- CENTRAL AFRICAN REPUBLIC --> |TD <!-- CHAD --> |CL <!-- 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über Mean Sea Level">&nbsp;m&nbsp;ü. |{{formatnum:{{#expr:-1*({{{1}}}) }} }}<span title="Meter unter Mean Sea Level">&nbsp;m&nbsp;unter }}&nbsp;{{#ifeq:{{{link|}}}|true|</span>[[Höhe über dem Meeresspiegel|<span title="Mean Sea Level (Höhe über dem Meeresspiegel)">MSL</span>]]|MSL</span>}} <!-- der Orbit, nur positive Werte, Angaben in km !! --> |XO= {{#ifexpr: ({{{1|}}}>=150)<!--km; sinnvoller unterer Grenzwert für Satelliten--> |<span title="Kilometer über Mean Sea Level">{{Maß|{{{1}}}|km}}&nbsp;ü.&nbsp;{{#ifeq:{{{link|}}}|true|[[Höhe über dem Meeresspiegel|MSL]]|MSL}}</span> |<span style="display:none">[[Vorlage:Höhe/ungültiger Wert]]</span> }} <!-- unsere 8 Planeten, oben uc: !! --> |MERKUR| VENUS| ERDE| MARS| JUPITER| SATURN| URANUS| NEPTUN = {{#ifexpr: ({{{1|}}}>=0) |{{formatnum:{{#expr:+1* {{{1}}} }} }}<span title="Meter über Nullniveau">&nbsp;m&nbsp;ü. |{{formatnum:{{#expr:-1*({{{1}}}) }} }}<span title="Meter unter Nullniveau">&nbsp;m&nbsp;unter }}&nbsp;{{#ifeq:{{{link|}}}|true|[[Nullniveau]]|Nullniveau}}</span> <!-- fälschliche Angabe von m oder Meter wird ignoriert und so behandelt, wie keine Angabe --> |M |METER = {{#ifexpr: ({{{1|}}}>=0) |{{formatnum:{{#expr:+1* {{{1}}} }} }}&nbsp;{{#ifeq:{{{link|}}}|true|[[Bitte kein m oder Meter für HÖHE-BEZUG|m]]|m}} |{{formatnum:{{#expr:-1*({{{1}}}) }} }}&nbsp;{{#ifeq:{{{link|}}}|true|[[Höhe über dem Meeresspiegel|m unter dem Meeresspiegel]]|m unter dem Meeresspiegel}} }} | #default = {{formatnum:{{#expr:1*{{{1}}}}}}}&nbsp;{{{2|}}} <!-- hier generell kein link --><span style="display:none">[[Vorlage:Höhe/unbekannter Bezug]]</span> }} <!-- kein Höhenbezug angegeben, implementierung identisch mit M|METER weiter oben!--> |{{#ifexpr: ({{{1|}}}>=0) |{{formatnum:{{#expr:+1* {{{1}}} }} }}&nbsp;{{#ifeq:{{{link|}}}|true|[[Höhe über dem Meeresspiegel|m]]|<span title="Höhe über dem Meeresspiegel">m</span>}} |{{formatnum:{{#expr:-1*({{{1}}}) }} }}&nbsp;{{#ifeq:{{{link|}}}|true|[[Höhe über dem Meeresspiegel|m unter dem Meeresspiegel]]|m unter dem Meeresspiegel}} }} }} | <b class="hintergrundfarbe8">Höhenwert fehlt, siehe [[Vorlage:Höhe|Vorlagenbeschreibung]]</b><!-- erzeuge versteckten Link--><span style="display:none">[[Vorlage:Höhe/Fehler in Parameterliste]]</span> }}</span></includeonly><noinclude> {{Tausendfach verwendet}} {{Dokumentation}}</noinclude> 2ss8a4rtmxi6fc5zffivt9gs3ijihqy wikitext text/x-wiki Vorlage:ATC 10 23618 26213 2010-04-14T23:27:23Z Merlissimo 313 atc linkfix <includeonly>[[:Kategorie:ATC-{{{1}}}|{{{1}}}]]{{#ifeq: {{NAMESPACE}} | {{ns:0}} | [[Kategorie:ATC-{{{1}}}]]}}{{#ifeq: {{{1|}}} | Q | [http://www.whocc.no/atcvet/atcvet_index/?code= | [http://www.whocc.no/atc_ddd_index/?code= }}{{{1}}}{{{2}}} {{{2}}}]</includeonly><noinclude> == Vorlage zur Verlinkung von [[Arzneistoff]]en nach dem [[Anatomisch-Therapeutisch-Chemisches Klassifikationssystem|ATC-Code]] == * '''Funktion:''' Diese Vorlage dient dazu, auf eine [[:Kategorie:ATC-Code|ATC-Kategorie]] und den entsprechenden Eintrag in der [http://www.whocc.no/atc_ddd_index/ ATC-Datenbank] des ''[[Weltgesundheitsorganisation|WHO]] Collaborating Centre for Drug Statistics Methodology'' zu verweisen. Die entsprechenden ATC-Kategorien („ATC-…“) werden zudem automatisch zum Artikel hinzugefügt. In anderen Namensräumen geschieht dies nicht. * '''Verwendung:''' <tt><nowiki>{{ATC|xxx|yyyy}}</nowiki></tt> ** <tt>xxx</tt> = die ersten drei Ziffern des ATC-Codes, ** <tt>yyyy</tt> = die letzten vier Ziffern des ATC-Codes. * '''Beispiel:''' für [[Diazepam]] <tt><nowiki>{{ATC|N05|BA01}}</nowiki></tt> → {{ATC|N05|BA01}} == Vorlage zur Verlinkung von [[Arzneistoff]]en für die Veterinärmedizin nach dem [[ATCvet|ATCvet-Code]] == * '''Funktion:''' Diese Vorlage dient dazu, auf die Kategorie [[:Kategorie:ATC-Q|ATC-Q]] (Arzneistoffe für die Veterinärmedizin) und den entsprechenden Eintrag in der [http://www.whocc.no/atcvet/atcvet_index/ ATCvet-Datenbank] des ''[[Weltgesundheitsorganisation|WHO]] Collaborating Centre for Drug Statistics Methodology'' zu verweisen. Die ATC-Kategorie („ATC-Q“) wird zudem automatisch zum Artikel hinzugefügt. In anderen Namensräumen geschieht dies nicht. * '''Verwendung:''' <tt><nowiki>{{ATC|Q|xxxyyyy}}</nowiki></tt> ** <tt>Q</tt> = die erste Ziffer des ATCvet-Codes, ** <tt>xxxyyyy</tt> = die letzten sieben Ziffern des ATCvet-Codes. * '''Beispiel:''' für [[Flunixin]] <tt><nowiki>{{ATC|Q|M01AG90}}</nowiki></tt> → {{ATC|Q|M01AG90}} [[Kategorie:Vorlage:Datenbanklink|Atc]] </noinclude> 4ikz3d88y987x2c56vq6q7zqsigll0b wikitext text/x-wiki Vorlage:Booland 10 23619 26214 2008-11-13T01:07:16Z Sargoth 0 Änderte den Schutz von „[[Vorlage:Booland]]“: Häufig eingebundene Vorlage ([edit=sysop] (unbeschränkt) [move=sysop] (unbeschränkt)) <includeonly>{{#if: {{{1|}}} | {{#if: {{{2|}}} | 1 }} }}</includeonly><noinclude> {{Dokumentation}} [[Kategorie:Vorlage:Funktion|{{PAGENAME}}]] [[en:Template:booland]] [[eo:Ŝablono:Booland]] </noinclude> 0z6kzez73xwkchq90sk1508j495bebo wikitext text/x-wiki Vorlage:Booland3 10 23620 26215 2009-06-25T09:52:09Z Gestumblindi 0 bleibt <onlyinclude>{{#if: {{{1|}}} | {{#if: {{{2|}}} | {{#if: {{{3|}}}|1}}}}}}</onlyinclude> {{Dokumentation}} [[Kategorie:Vorlage:Funktion|{{PAGENAME}}]] rbw7g83h18wsnwb12ee0b3uaz9hrv2o wikitext text/x-wiki Vorlage:Boolnot 10 23621 26216 2009-01-08T09:45:19Z Sargoth 0 Änderte den Schutz von „[[Vorlage:Boolnot]]“: [[WP:Entsperrwünsche|Entsperrwunsch]] ([edit=autoconfirmed] (unbeschränkt) [move=autoconfirmed] (unbeschränkt)) <includeonly>{{#if: {{{1|}}}| |1}}</includeonly><noinclude> {{Dokumentation}} [[Kategorie:Vorlage:Funktion|{{PAGENAME}}]] [[en:Template:boolnot]] </noinclude> 1ff2xa8vuy1k1agylpj49blwx5jycxa wikitext text/x-wiki Vorlage:FormatDate 10 23622 26217 2009-09-16T22:43:32Z Griot 0 Änderung 64590048 von [[Special:Contributions/Umherirrender|Umherirrender]] wurde rückgängig gemacht. Monat Name-Zahl beherrscht Format S nicht <onlyinclude><includeonly><!-- Die Ermittlung der Parameter erfolgt mit Hilfe der Tatsache, dass sich der in Variable 1 übergebene ISO-String als Subtraktion interpretieren lässt. Daher ist der in arithmetischen Ausdrücken auftretende Parameter {{{1}}} nicht als einfache Variable interpretierbar sondern als eine Zeichenkette. Beispiel: {{{1}}} sei "2008-07-5" dann ist "0 * {{{1}}}" nicht "0" sondern "0 * 2008-07-5" = -7-5 = -12 Es gilt daher: d = (y-m-d) - (y-m-d*2) m = -(y-m-d*0 - y-m-d*0)/2 y = y-m-d - (y-m-d - y-m-d)/2 -->{{ #ifexpr: {{{1}}}*0-{{{1}}}*0 <!-- if (monat != 0): --> | {{ #ifexpr: ( {{#ifeq: {{lc:{{{2}}}}} | link | 1 | 0}} + {{#ifeq: {{lc:{{{3}}}}} | link | 1 | 0}} + {{#ifeq: {{lc:{{{4}}}}} | link | 1 | 0}} ) <!-- if Verlinkung --> * ( ({{{1}}})-({{{1}}}*2) ) <!-- and (tag != 0): --> |<!-- -->[[<!-- "[[" -->{{ #expr: ({{{1}}})-({{{1}}}*2) }}.&#32;<!-- "tag. " -->{{ Monat Name-Nummer | {{ #expr: -({{{1}}}*0-{{{1}}}*0)/2 }} | F }}{{!}}<!-- "monat|" -->{{ #expr: ({{{1}}})-({{{1}}}*2) }}.&nbsp;<!-- "tag.&nbsp;" -->{{ #ifexpr: {{#ifeq:{{{2}}}|M|1|0}} + {{#ifeq:{{{2}}}|S|1|0}} + {{#ifeq:{{{2}}}|F|1|0}} | {{ Monat Name-Nummer | {{ #expr: -({{{1}}}*0-{{{1}}}*0)/2 }} | {{{2}}} }} | {{ Monat Name-Nummer | {{ #expr: -({{{1}}}*0-{{{1}}}*0)/2 }} | F }} }}<!-- "mon."/"monat" -->]]<!-- "]]" --> |<!-- -->{{ #ifexpr: ({{{1}}})-({{{1}}}*2) <!-- if (tag != 0): --> | {{ #expr: ({{{1}}})-({{{1}}}*2) }}.&nbsp; <!-- "tag.&nbsp;" --> }}<!-- -->{{ #ifexpr: {{#ifeq:{{{2}}}|M|1|0}} + {{#ifeq:{{{2}}}|S|1|0}} + {{#ifeq:{{{2}}}|F|1|0}} | {{ Monat Name-Nummer | {{ #expr: -({{{1}}}*0-{{{1}}}*0)/2 }} | {{{2}}} }} | {{ Monat Name-Nummer | {{ #expr: -({{{1}}}*0-{{{1}}}*0)/2 }} | F }} }}<!-- "mon."/"monat" -->}}<!-- -->{{ #ifexpr: {{#ifeq: {{lc:{{{2}}}}} | nbsp | 1 | 0}} + {{#ifeq: {{lc:{{{3}}}}} | nbsp | 1 | 0}} + {{#ifeq: {{lc:{{{4}}}}} | nbsp | 1 | 0}} | &nbsp; <!-- "&nbsp;" --> | &#32; <!-- " " --> }} }}<!-- -->{{ #switch: {{ #expr: {{#ifeq: {{lc:{{{2}}}}} | link | 1 | 0}} + {{#ifeq: {{lc:{{{3}}}}} | link | 1 | 0}} + {{#ifeq: {{lc:{{{4}}}}} | link | 1 | 0}} > 0 }}<!-- Verlinkung ? -->{{ #expr: {{{1}}}-({{{1}}}-{{{1}}})/2 <= 0 }} <!-- --> | 00 = {{ #expr: {{{1}}}-({{{1}}}-{{{1}}})/2 }} | 10 = [[{{ #expr: {{{1}}}-({{{1}}}-{{{1}}})/2 }}]] | 01 = {{ #expr:-({{{1}}}-({{{1}}}-{{{1}}})/2) + 1 }}&nbsp;v.&nbsp;Chr. | 11 = [[{{ #expr:-({{{1}}}-({{{1}}}-{{{1}}})/2) + 1 }}&#32;v. Chr.{{!}}<!-- -->{{ #expr:-({{{1}}}-({{{1}}}-{{{1}}})/2) + 1 }}&nbsp;v.&nbsp;Chr.]] }}<!-- --></includeonly></onlyinclude> {{Dokumentation}} oh427w5bgu7w7l9c0mm4tttdo8v1guu wikitext text/x-wiki Vorlage:Gesundheitshinweis 10 23623 26218 2010-03-07T00:09:48Z MastiBot 0 Bot: Ändere: [[pt:Predefinição:Aviso-médico]] {| id="Vorlage_Gesundheitshinweis" {{Bausteindesign2}} | style="width: 20px; vertical-align: top" | [[Datei:Rod of asclepius left_drk.svg|8px|verweis=Wikipedia:Hinweis Gesundheitsthemen|Gesundheitshinweis]] | Bitte den [[Wikipedia:Hinweis Gesundheitsthemen|Hinweis zu Gesundheitsthemen]] beachten! |}<noinclude> {{Tausendfach verwendet}} == Benutzung dieses Bausteins == {| class="wikitable" | Der '''Gesundheitshinweis sollte gesetzt werden''' bei: #'''Arzneistoffen von Verschreibungspflichtigen Medikamenten''' mit gesundheitsgefährdenden Nebenwirkungen, bei ''frei verkäuflichen Medikamenten'' nur, wenn bei deren Verwendung besonders oft oder besonders starke gesundheitsschädliche Wirkungen auftreten. #Artikel zu '''Krankheiten''', bei denen die Symptombeschreibung zu einer (fälschlichen) Selbstdiagnose führen können und bei denen Therapiehinweise gegeben werden. |- |'''Nicht sinnvoll''' ist der Gesundheitshinweis bei: #Arzneistoffen von frei verkäuflichen Medikamenten #anatomischen und physiologischen Artikeln #alltäglichen Stoffen wie ätherisches Öl, Zimt, Tabak, Honig, … #Dingen und Handlungen des täglichen Gebrauchs wie Dildo, Sauna, Bodybuilding, … #gesellschaftlichen Themen wie Suizid, Geburt, Rauchen, … #Berufsbezeichnungen und medizinischen Fachgebieten #Artikeln über Krankheitserreger #Personenartikeln (Biografien) (z.&nbsp;B. medizinische Forscher, Ärzte, etc.) #Artikeln zu Chemikalien, die keine Arzneistoffe sind |} [[Kategorie:Vorlage:Themenbaustein|{{PAGENAME}}]] [[Kategorie:Wikipedia:Redaktion Medizin/Vorlagen|Gesundheitshinweis]] [[ast:Plantía:Avisumelicu]] [[bs:Šablon:Medicinsko upozorenje]] [[cs:Šablona:Varování - Medicína]] [[en:Template:Medical disclaimer]] [[eo:Ŝablono:Medicinaj temoj]] [[es:Plantilla:Avisomédico]] [[eu:Txantiloi:Ohar medikoa]] [[id:Templat:Penyangkalan-medis]] [[it:Template:Disclaimer soccorso]] [[ja:Template:Medical disclaimer]] [[ko:틀:의학정보주의사항]] [[la:Formula:Cautio]] [[nl:Sjabloon:Disclaimer medisch lemma]] [[no:Mal:Helsenotis]] [[pl:Szablon:Hmed]] [[pt:Predefinição:Aviso-médico]] [[scn:Template:Dichiarazziuni succorsu]] [[sh:Šablon:Medicinsko upozorenje]] [[sk:Šablóna:Med Disclaimer]] [[sq:Stampa:Kujdes-med]] [[sr:Шаблон:Медицинско упозорење]] [[uk:Шаблон:Медпопередження]] [[zh:Template:Medical]] </noinclude> hef7x5svbb12y21p3neueo2vux8a7w9 wikitext text/x-wiki Vorlage:ISO 639-1 zu Langform 10 23624 26219 2010-01-04T17:40:26Z Guandalug 277 Schützte „[[Vorlage:ISO 639-1 zu Langform]]“: Häufig eingebundene Vorlage: Leider nötig ([edit=autoconfirmed] (unbeschränkt) [move=autoconfirmed] (unbeschränkt)) <includeonly>{{#switch: {{{1}}} | aa = Afar | ab = Abchasisch | ae = Avestisch | af = Afrikaans | ak = Akan | am = Amharisch | an = Aragonesisch | ar = Arabisch | av = Awarisch | ay = Aymara | az = Aserbaidschanisch | ba = Baschkirisch | be = Weißrussisch | bg = Bulgarisch | bh = Bihari | bi = Bislama | bm = Bambara | bn = Bangla | bo = Tibetisch | br = Bretonisch | bs = Bosnisch | ca = Katalanisch | ce = Tschetschenisch | ch = Chamorro | co = Korsisch | cr = Cree | cs = Tschechisch | cu = Altkirchenslawisch | cv = Tschuwaschisch | cy = Walisisch | da = Dänisch | de = Deutsch | dv = Dhivehi | dz = Dzongkha | ee = Ewe | el = Griechisch | en = Englisch | eo = Esperanto | es = Spanisch | et = Estnisch | eu = Baskisch | fa = Persisch | ff = Fulfulde | fi = Finnisch | fj = Fidschi | fo = Färöisch | fr = Französisch | fy = Westfriesisch | ga = Irisch | gd = Schottisch-Gälisch | gl = Galicisch | gn = Guaraní | gu = Gujarati | gv = Manx | ha = Hausa | he = Hebräisch | hi = Hindi | ho = Hiri Motu | hr = Kroatisch | ht = Haitianisch | hu = Ungarisch | hy = Armenisch | hz = Otjiherero | ia = Interlingua | ms = Malaiisch | ie = Interlingue | ig = Igbo | ii = Sichuan Yi <!-- kein Artikel dazu --> | ik = Inupiaq | io = Ido | is = Isländisch | it = Italienisch | iu = Inuktitut | ja = Japanisch | jv = Javanisch | ka = Georgisch | kg = Kikongo | ki = Kikuyu | kj = Kwanyama <!-- kein Artikel dazu --> | kk = Kasachisch | kl = Kalaallisut | km = Khmer | kn = Kannada | ko = Koreanisch | kr = Kanuri | ks = Kashmiri | ku = Kurdisch | kv = Komi | kw = Kornisch | ky = Kirgisisch | la = Latein | lb = Luxemburgisch | lg = Luganda | li = Limburgisch | ln = Lingála | lo = Laotisch | lt = Litauisch | lu = Tschiluba | lv = Lettisch | mg = Malagasy | mh = Marshallesisch | mi = Māori | mk = Mazedonisch | ml = Malayalam | mn = Chalcha-Mongolisch | mr = Marathi | ms = Malaiisch | mt = Maltesisch | my = Birmanisch | na = Nauruisch | nb = Bokmål | nd = isiNdebele | ne = Nepalesisch | ng = Ndonga <!-- kein Artikel --> | nl = Niederländisch | nn = Nynorsk | no = Norwegisch | nv = 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{{!}} align="center" colspan="3" {{!}} <small>'''{{{Bild_legende|}}}'''</small> | }} | <small>—<!--Kein Bild vorhanden--></small>{{#ifeq: {{NAMESPACE}} | {{ns:0}} | [[Kategorie:Wikipedia:Proteinbild nicht vorhanden]]}} }} |- style="background-color:#ffffff; text-align:center;" | align="center" colspan="3" | {{#if: {{{Bild2|}}} | [[Datei:{{{Bild2|}}}{{!}}{{#if:{{{Bild|}}}|250x150px|250x300px}}{{!}}{{#if: {{{Name|}}} | {{{Name}}} | {{PAGENAME}} }}]] {{#if: {{{Bild_legende2|}}} | {{!-}} {{!}} align="center" colspan="3" {{!}} <small>'''{{{Bild_legende2|}}}'''</small> | }} }} |- {{#if: {{{PDB|}}} | {{!}} align="left" colspan="3" style="border-top:2px solid #dddddd" {{!}} <small>Vorhandene Strukturdaten: {{{PDB}}}</small> | }} |- {{#if: {{{Groesse|}}} | {{!}} bgcolor="#ffffff" {{!}} Größe {{!}} bgcolor="#ffffff" colspan="2" align="center" {{!}} {{{Groesse}}} }} |- {{#if: {{{Struktur|}}} | {{!}} bgcolor="#ffffff" {{!}} Struktur {{!}} bgcolor="#ffffff" colspan="2" align="center" {{!}} 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class="plainlinks">[http://www.genenames.org/data/hgnc_data.php?hgnc_id={{{HGNCid}}} {{{Symbol}}}]</span>'' | {{{Symbol}}}}}{{{AltSymbols|}}} |}} {{!-}} {{#if: {{{UniProt|}}}{{{CAS|}}}{{{OMIM|}}}{{{MGIid|}}} | {{!}} bgcolor="#ffffff" {{!}} Externe IDs {{!}} bgcolor="#ffffff" colspan="2" align="center" {{!}} {{#if:{{{OMIM|}}} | [[Online Mendelian Inheritance in Man|OMIM]]:&nbsp;<span class="plainlinks">[http://www.ncbi.nlm.nih.gov/entrez/dispomim.cgi?id={{{OMIM}}} {{{OMIM}}}]</span> |}} {{#if:{{{UniProt|}}} | [[UniProt]]:&nbsp;<span class="plainlinks">[http://www.uniprot.org/uniprot/{{{UniProt}}} {{{UniProt}}}]</span> |}} {{#if:{{{MGIid|}}} | <span class="plainlinks">&nbsp;&nbsp;[[Mouse Genome Informatics|MGI]]:&nbsp;[http://www.informatics.jax.org/searches/accession_report.cgi?id=MGI:{{{MGIid}}} {{{MGIid}}}]</span> |}} {{#if:{{{CAS|}}} | [[CAS-Nummer]]:&nbsp;<span class="plainlinks">[http://ecb.jrc.ec.europa.eu/esis/?LANG=de&GENRE=CASNO&ENTREE={{{CAS}}} {{{CAS}}}]</span> |}} {{#if:{{{CASergänzend|}}} | {{{CASergänzend}}} |}} |}} |}} |- {{#if:{{{ATC-Code|}}} | {{!-}} {{!}} align="center" colspan="3" bgcolor="#90ee90" {{!}} '''Arzneistoffangaben''' {{!-}} {{!}} bgcolor="#ffffff" {{!}} [[Anatomisch-Therapeutisch-Chemisches Klassifikationssystem|ATC-Code]] {{!}} bgcolor="#ffffff" colspan="2" align="center" {{!}} {{{ATC-Code}}} {{#if:{{{DrugBank|}}}| {{!-}} {{!}} bgcolor="#ffffff" {{!}} [[DrugBank]] {{!}} bgcolor="#ffffff" colspan="2" align="center" {{!}} <span class="plainlinks">[http://www.drugbank.ca/cgi-bin/show_drug.cgi?CARD={{{DrugBank}}} {{{DrugBank}}}]</span> }} {{#if:{{{Wirkstoffklasse|}}}| {{!-}} {{!}} bgcolor="#ffffff" {{!}} Wirkstoffklasse {{!}} bgcolor="#ffffff" colspan="2" align="center" {{!}} {{{Wirkstoffklasse}}} }} {{#if:{{{Handelsnamen|}}}| {{!-}} {{!}} bgcolor="#ffffff" {{!}} Handelsnamen {{!}} bgcolor="#ffffff" colspan="2" align="left" {{!}} {{{Handelsnamen}}} }} {{#if:{{{Verschreibungspflicht|}}}| {{!-}} {{!}} bgcolor="#ffffff" {{!}} Verschreibungspflicht {{!}} bgcolor="#ffffff" colspan="2" align="center" {{!}} {{{Verschreibungspflicht}}} }} |}} |- {{#if: {{{TCDB|}}} | {{!-}} {{!}} align="center" colspan="3" bgcolor="#90ee90" {{!}} '''Transporter-Klassifikation''' {{!-}} {{!}} bgcolor="#ffffff" {{!}} [[Transporter Classification Database|TCDB]] {{!}} bgcolor="#ffffff" colspan="2" align="center" {{!}} <span class="plainlinks">[http://www.tcdb.org/tcdb/index.php?tc={{{TCDB}}} {{{TCDB}}}]</span> {{#if: {{{TranspText|}}}| {{!-}} {{!}} bgcolor="#ffffff" {{!}} [[Membrantransport|Bezeichnung]] {{!}} bgcolor="#ffffff" colspan="2" align="center" {{!}} {{{TranspText}}} |}} |}} |- {{#if: {{{EC-Nummer|}}}{{{Kategorie|}}}{{{Peptidase_fam|}}}{{{Inhibitor_fam|}}}{{{Reaktionsart|}}}{{{Substrat|}}}{{{Produkte|}}}{{{MoreEC1|}}}{{{MoreEC2|}}}{{{MoreEC3|}}} | {{!-}} {{!}} align="center" colspan="3" bgcolor="#90ee90" {{!}} {{#if:{{{Inhibitor_fam|}}}|'''Inhibitorklassifikation'''|{{#if:{{{MoreEC1|}}}{{{MoreEC2|}}}{{{MoreEC3|}}}|'''Enzymklassifikationen'''|'''Enzymklassifikation'''}}}} {{!-}} {{#if: {{{EC-Nummer|}}}{{{Kategorie|}}}| {{!}} bgcolor="#ffffff" {{!}} [[EC-Nummer|EC, Kategorie]] {{!}} bgcolor="#ffffff" colspan="2" align="center" {{!}} {{#if:{{{EC-Nummer|}}}|<span class="plainlinks">[http://www.brenda-enzymes.org/php/result_flat.php4?ecno={{{EC-Nummer}}} {{{EC-Nummer}}}]</span>&nbsp;&nbsp;|}}{{#if: {{{Kategorie|}}}|[[{{{Kategorie}}}]]|}} |}} {{!-}} {{#if: {{{Peptidase_fam|}}}| {{!}} bgcolor="#ffffff" {{!}} [[MEROPS]] {{!}} bgcolor="#ffffff" colspan="2" align="center" {{!}} <span class="plainlinks">[http://merops.sanger.ac.uk/cgi-bin/pepsum?id={{{Peptidase_fam}}} {{{Peptidase_fam}}}]</span> |}} {{!-}} {{#if: {{{Inhibitor_fam|}}}| {{!}} bgcolor="#ffffff" {{!}} [[MEROPS]] {{!}} bgcolor="#ffffff" colspan="2" align="center" {{!}} <span 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class="plainlinks">[http://pbil.univ-lyon1.fr/cgi-bin/acnuc-ac2tree?query={{{UniProt}}}&db={{{Homolog_db}}} {{#if: {{{Homolog_fam|}}}|{{{Homolog_fam}}}|{{{Homolog_db}}}}}]</span> }} {{!-}} {{#if: {{{Taxon|}}} | {{!}} bgcolor="#C3FDB8" {{!}} Übergeordnetes Taxon {{!}} bgcolor="#ffffff" colspan="2" align="center" {{!}} {{{Taxon}}} }} {{!-}} {{#if: {{{Taxon_Ausnahme|}}} | {{!}} bgcolor="#C3FDB8" {{!}} Ausnahmen {{!}} bgcolor="#ffffff" colspan="2" align="center" {{!}} {{{Taxon_Ausnahme}}} }} }} |- {{#if: {{{Orthologe|}}} | {{{Orthologe}}} }} |}</includeonly><noinclude> == Anleitung == Um diese aus dem englischen Wikipedia übertragene Vorlage zu nutzen, muss der folgende Text an das obere Ende des Artikels kopiert und eingefügt werden. Es sollten so viele Felder wie möglich ausgefüllt werden. Es können aber auch Felder frei bleiben. Als Beispiel siehe [[Insulin]]. === Kopiervorlage === <pre><nowiki> {{Infobox Protein | Name = | Bild = | Bild_legende = <!-- nach {{PDB|ABCD}} --> | PDB = <!-- {{PDB2|1YY1}}, {{PDB2|ABCD}} --> | Groesse = | Kofaktor = | Precursor = | Struktur = | Isoformen = | HGNCid = | Symbol = | AltSymbols = | OMIM = | UniProt = | MGIid = | CAS = | CASergänzend = | ATC-Code = <!-- {{ATC|X99|XX99}} --> | DrugBank = | Wirkstoffklasse = | Handelsnamen = <!-- ® --> | Verschreibungspflicht = | TCDB = | TranspText = | EC-Nummer = | Kategorie = | Peptidase_fam = | Inhibitor_fam = | Reaktionsart = | Substrat = | Produkte = | Homolog_db = | Homolog_fam = | Taxon = | Taxon_Ausnahme = | Orthologe = }} </nowiki></pre> === Parameter === <div align="center">Mit * bezeichnete Felder müssen angegeben werden. </div> {| style="border-collapse:collapse; width:100%; border-style:solid; border-width:1px; empty-cells:show;" class="rahmenfarbe1" border="1" |- class="hintergrundfarbe6" ! Parameter || Beschreibung || Möglicher Wert |- class="hintergrundfarbe7" | Name || *Name des Proteins || <code>Serumalbumin</code> |- class="hintergrundfarbe8" | Bild || Bild des Proteins || <code><nowiki>Serum Albumin.png</nowiki></code> |- class="hintergrundfarbe8" | Bild_legende || Legende || <code><nowiki>von {{PDB|1YY1}}</nowiki></code> |- class="hintergrundfarbe8" | Bild2 || optionales zweites Bild des Proteins || <code><nowiki>Serum Albumin.png</nowiki></code> |- class="hintergrundfarbe8" | Bild_legende2 || Legende des optionalen zweiten Bildes || <code><nowiki>von {{PDB|1YY1}}</nowiki></code> |- class="hintergrundfarbe7" | PDB || Liste von Einträgen bei [[Protein Data Bank|PDB]] || <code><nowiki>{{PDB2|1YY1}}, {{PDB2|ABCD}}</nowiki></code> |- class="hintergrundfarbe8" | Groesse || Anzahl Aminosäuren, Molgewicht in Dalton oder kD || <code>1234 aa, 187,9 kD</code> |- class="hintergrundfarbe7" | Struktur || Sekundärstruktur (Strukturmotive, Ketten) || <code>βαββαβ </code> |- class="hintergrundfarbe8" | Kofaktor || Für Funktion notwendiger Kofaktor || <code><nowiki>[[Folsäure|Folat]]</nowiki></code> |- class="hintergrundfarbe7" | Precursor || Link auf evtl. [[Präkursor-Protein]] || <code><nowiki>[[Präalbumin]]</nowiki></code> |- class="hintergrundfarbe8" | Isoformen || Liste von [[Isoform]]en || <code>Alb-2a, Alb-2b</code> |- class="hintergrundfarbe7" | Symbol || HGNC-Symbol || <code>ALB</code> |- class="hintergrundfarbe7" | HGNCid || Verlinkung auf den Eintrag bei [[HGNC]] (HUGO Gene Nomenclature Committee) || <code>399</code> |- class="hintergrundfarbe7" | AltSymbol || alternative Symbole || <code>; ALB-1</code> |- class="hintergrundfarbe7" | OMIM || Verlinkung auf den Eintrag bei [[Online Mendelian Inheritance in Man|OMIM]] || <code>103600</code> |- class="hintergrundfarbe7" | UniProt || Verlinkung auf den Eintrag bei [[UniProt]] (auch notwendig für Homolog-Link) || <code>P12345</code> |- class="hintergrundfarbe7" | MGIid || Verlinkung auf den Eintrag bei [[MGIid]] || <code>98765</code> |- class="hintergrundfarbe8" | ATC-Code || *(Arzneistoffe) [[Anatomisch-Therapeutisch-Chemisches Klassifikationssystem|ATC-Code]] des Proteins || <code><nowiki>{{ATC|???|????}}</nowiki></code> |- class="hintergrundfarbe8" | CAS || *(Arzneistoffe) [[CAS-Nummer]] des Proteins || <code>1234-56-78</code> |- class="hintergrundfarbe8" | CASergänzend || Zusätze zur CAS-Nummer, die in der Infobox hinter dem Link auftauchen || <code>?</code> |- class="hintergrundfarbe8" | DrugBank || Zugriffsnummer der [[DrugBank]] || <code>DB00062</code> |- class="hintergrundfarbe8" | Wirkstoffklasse || || <code><nowiki>[[RNase-Hemmer]]</nowiki></code> |- class="hintergrundfarbe8" | Handelsnamen || Liste mit Handelsnamen || |- class="hintergrundfarbe8" | Verschreibungspflicht || Sind Arzneien mit dem Stoff verschreibungspflichtig? || <code>Ja</code> |- class="hintergrundfarbe7" | EC-Nummer || *(Enzyme) [[EC-Nummer]] des Enzyms || <code>2.1.1.14</code> |- class="hintergrundfarbe7" | Kategorie || *(Enzyme) Link auf Enzym-Kategorie || <code><nowiki>[[Hydrolasen]]</nowiki></code> |- class="hintergrundfarbe7" | Peptidase_fam || Peptidase-Familie bei [http://merops.sanger.ac.uk MEROPS] || <code>M02</code> |- class="hintergrundfarbe7" | Inhibitor_fam || Proteaseinhibitor-Familie bei [http://merops.sanger.ac.uk MEROPS] || <code>I04</code> |- class="hintergrundfarbe7" | Reaktionsart || *(Enzyme) Klassifizierung der kat. Reaktion || <code><nowiki>[[Methylierung]]</nowiki></code> |- class="hintergrundfarbe7" | Substrat || *(Enzyme) Haupt-[[Substrat (Biochemie)|Substrat]] des Enzyms || <code><nowiki>[[Traubenzucker|Glukose]]</nowiki></code> |- class="hintergrundfarbe7" | Produkte || *(Enzyme) Produkte der kat. Reaktion || <code><nowiki>[[Ethanol]]</nowiki></code> <!--|- class="hintergrundfarbe6" | GO_Komponente || Liste mit GO-Einträgen: Zellkomponente, wo Protein vorkommt || <code><nowiki>{{GNF GO|id=GO:0005576|text=extrazelluläre Region}}</nowiki></code> |- class="hintergrundfarbe6" | GO_Funktion || Liste mit GO-Einträgen: Proteinfunktion || <code><nowiki>{{GNF GO|id=GO:0005183|text=luteinizing hormone-releasing factor Aktivität}}</nowiki></code> |- class="hintergrundfarbe6" | GO_Prozess || Liste mit GO-Einträgen: Prozesse, an denen Protein teilnimmt || <code><nowiki>{{GNF GO|id=GO:0007165|text=Signaltransduktion}}</nowiki></code>--> |- class="hintergrundfarbe8" | TCDB || (*Transportproteine) Klassifikation bei [[Transporter Classification Database|TCDB]] (www.tcdb.org) || <code>1.A.10</code> |- class="hintergrundfarbe8" | TranspText || Bezeichnung Transporterklasse ||<code><nowiki>[[Kaliumkanal]]</nowiki></code> |- class="hintergrundfarbe7" | Homolog_db || Datenbank der Homologie-Familie. Recherche bei http://pbil.univ-lyon1.fr/search/query_fam.php || <code>HOGENOM / HOVERGEN / HOBACGEN</code> |- class="hintergrundfarbe7" | Homolog_fam || Name der Genfamilie || <code>beliebiger Text</code> |- class="hintergrundfarbe7" | Taxon || Taxon, das alle Organismen einschließt, wo Protein vorkommt (kann bei HOGENOM/HOVERGEN/HOBACGEN nachgelesen werden.)|| <code><nowiki>[[Chordatiere|Chordata]]</nowiki></code> |- class="hintergrundfarbe7" | Taxon_Ausnahme || Liste der Taxa, wo Protein nicht vorkommt || <code><nowiki>[[Felis]]</nowiki></code> |- class="hintergrundfarbe8" | Orthologe || Eine oder mehrere Ortholog-Boxen, siehe die [[:Vorlage:Protein Orthologe]] || |} [[Kategorie:Vorlage:Infobox Naturwissenschaften|Protein]] [[en:template:Protein]] [[ca:plantilla:Protein]] </noinclude> 6uooatvtfukpz2doljpsmoye7ao8su8 wikitext text/x-wiki Vorlage:Internetquelle 10 23626 27292 26221 2010-05-23T10:39:21Z Cepheiden 426 <includeonly><span class="cite"><!-- -->{{#if:{{boolnot|{{booland3|{{{url|}}}|{{{titel|}}}|{{{zugriff|}}}}}}}<!-- -->|<span class="error">Fehlender&#32;Parameter&#32;<!-- -->{{#if:{{{url|}}}||„url“<!-- -->{{#if:{{boolxor|{{{titel|}}}|{{{zugriff|}}}}}|&#32;und&#32;|{{#if:{{{titel|}}}||,&#32;}}}}<!-- -->}}<!-- -->{{#if:{{{titel|}}}||„titel“{{#if:{{{zugriff|}}}||&#32;und&#32;}}}}<!-- -->{{#if:{{{zugriff|}}}||„zugriff“}}<!-- --></span>&#32;([[Vorlage:Internetquelle|Hilfe]])&#32;|<!-- -->}}<!-- {{#if:{{{zugriff|}}}|{{#iferror: {{FormatDate|{{{zugriff}}}}}|<span class="error">Fehlerhafte Angaben bei Parameter „zugriff“</span> ([[Vorlage:Internetquelle|Hilfe]])&#32;|}}|<span class="error">Fehlender Parameter „zugriff“</span>&#32;([[Vorlage:Internetquelle|Hilfe]])&#32;}} {{#if:{{{datum|}}}|{{#iferror: {{FormatDate|{{{datum}}}}}|<span class="error">Fehlerhafte Angaben bei Parameter „datum“</span> ([[Vorlage:Internetquelle|Hilfe]])&#32;|}}}} {{#if:{{{archiv-datum|}}}|{{#iferror: {{FormatDate|{{{archiv-datum}}}}}|<span 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großbuchstaben <span class=plainlinks>[http://www.rcsb.org/pdb/cgi/explore.cgi?pdbId={{{1}}} {{{1}}}]</span><noinclude> * '''Funktion:''' Diese Vorlage dient dazu, auf eine Struktur in der [[Protein Data Bank]] zu verweisen. * '''Verwendung:''' <tt><nowiki>{{</nowiki>PDB2|''Bezeichner''}}</tt> * '''Beispiel:''' <tt><nowiki>{{PDB2|1QLE}}</nowiki></tt> → {{PDB2|1QLE}} [[Kategorie:Vorlage:Datenbanklink|Pdb2]] [[en:Template:PDB2]] </noinclude> hdajb6m4848xipu3pqlktszs4vyqr0r wikitext text/x-wiki Vorlage:Polytonisch 10 23629 26224 2009-08-19T21:22:47Z Melancholie 0 rv <noinclude>{{Dokumentation}} </noinclude><span lang="grc" xml:lang="grc" class="polytonic" style="font-family:'Arial Unicode MS', 'Palatino Linotype', Code2000, 'New Athena Unicode', Gentium, 'Athena Unicode'">{{{1}}}</span> av40kgsf99dc5yjrix3red015mghsd8 wikitext text/x-wiki Vorlage:BibISBN 10 23630 26225 2009-09-11T14:51:05Z Matthias M. 91 Kategorie → Metadaten; InterWiki entfernt (Vorlagen haben dort anderen Zweck) 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[[Hilfe:Einzelnachweise|Einzelnachweisen]]) ausgestattet. Die fraglichen Angaben werden daher möglicherweise demnächst entfernt. Hilf bitte der Wikipedia, indem du die Angaben recherchierst und gute Belege einfügst. Bitte entferne zuletzt diese Warnmarkierung.<br /><!-- 1: --> <includeonly>{{#if:{{{1|}}}|<i>{{{1}}}</i>}}</includeonly><noinclude>'''<nowiki>{{{</nowiki>'''1&#124;'''<nowiki>}}}</nowiki>'''</noinclude> |}<includeonly>{{#ifeq: {{NAMESPACE}}|{{ns:0}}| [[Kategorie:Wikipedia:Quellen fehlen]] }}</includeonly><noinclude>{{Dokumentation}}</noinclude> dmtlonurnjt6na3p2shrntpegmkgg53 wikitext text/x-wiki Vorlage:Quellen 10 23659 26254 2010-02-14T17:13:29Z Xqt 0 Revert auf Version von [[Benutzer:Xqt]] (10:14 Uhr, 5. Februar 2010). Grund: alte Vorlage. Vereinheitlichung, siehe [[Vorlage Diskussion:Belege fehlen]]. Vorlage funktioniert aber weiter <noinclude>{{Veraltete Vorlage|[[Vorlage:Belege fehlen]]}}Die Vorlage ''Quellen'' sollte durch die Vorlage ''Belege fehlen'' ersetzt werden. </noinclude><includeonly>{{Belege fehlen|1={{{1|}}}|2={{{2|}}}}}</includeonly> 4cjhjofma6wn5fbrnnbohxyon35g4r1 wikitext text/x-wiki Vorlage:Lang 10 23660 26255 2008-06-01T10:32:36Z Sargoth 0 <includeonly><span lang="{{{1}}}" xml:lang="{{{1}}}" class="lang">{{{2}}}</span></includeonly><noinclude>{{Dokumentation}}</noinclude> 6y2h1zyxm4cld87mz84qly0ufbw05qs wikitext text/x-wiki Vorlage:Wikisource 10 23661 26256 2010-02-15T17:48:05Z Mps 0 <onlyinclude><div class="sisterproject" style="margin:0.1em 0 0 0;">[[Datei:Wikisource-logo.svg|x16px|link=|Wikisource]]&nbsp;'''[[s:{{#if:{{{lang|}}}|{{{lang|}}}:}}{{{1|{{PAGENAME}}}}}|Wikisource: {{{2|{{{1|{{PAGENAME}}}}}}}}]]'''{{#switch:{{{3|}}} | X = | = &nbsp;– Quellen und Volltexte | #default = {{{3}}} }} {{#if:{{{lang|}}} | ({{#switch: {{{lang|}}} | oldwikisource = orig. | #default = {{#iferror:{{ISO 639-1 zu Langform|{{{lang}}} }}|{{Überarbeiten|[[Vorlage:Wikisource]]|Die Verlinkung auf eines der internationalen '''Wikisource'''-Projekte}} }} }}) }}</div></onlyinclude>{{Dokumentation}} b9zenjxdq0byfebrvfaw25pvzslws0i wikitext text/x-wiki Vorlage:!-! 10 23662 26257 2009-02-23T15:07:53Z WIKImaniac 0 [[Vorlage:Vorlagendokumentation]] durch [[Vorlage:Dokumentation]] ersetzt |- |<noinclude>{{Dokumentation}} </noinclude> hyn9rlql7ivxcoxqj7vzl3mz2harqjy wikitext text/x-wiki Vorlage:!~ 10 23663 26258 2009-05-24T17:24:33Z Umherirrender 280 Änderung 60384797 von [[Special:Contributions/Carschten|Carschten]] wurde rückgängig gemacht. Bitte keine Parameter. Das ist anders besser lesbarer und einfacher zu Hand haben. |- !<noinclude>{{Dokumentation}} </noinclude> 52qlwcv9nmzq081cguai1vcc6a9ics2 wikitext text/x-wiki Vorlage:0 10 23664 26259 2008-07-30T10:13:14Z Lustiger seth 0 [http://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Wikipedia:Administratoren/Anfragen&oldid=48971442#Gesperrte_.22Vorlage:0.22_erg.C3.A4nzen_.28erl..29] <noinclude>{{Dokumentation}} </noinclude><span style="visibility:hidden;">{{{1|0}}}</span> cyqa99v7n389a0blpu9axeqwau8gpne wikitext text/x-wiki Vorlage:Arxiv 10 23665 26260 2010-03-06T20:05:24Z MastiBot 0 Bot: Ergänze: [[eo:Ŝablono:Arxiv]], [[ja:Template:Arxiv]], [[ru:Шаблон:ArXiv]] <includeonly>[[arXiv]]:[[<!-- -->arXiv:<!-- -->{{#if: {{{archive|{{{2|}}}}}}<!-- -->| {{{archive|{{{1}}}}}}/{{{id|{{{2}}}}}}<!-- -->| {{{id|{{{1}}}}}} }} |<!-- end iw link, start pipe trick -->{{#if: {{{archive|{{{2|}}}}}}<!-- -->| {{{archive|{{{1}}}}}}/{{{id|{{{2}}}}}}<!-- -->| {{{id|{{{1}}}}}} }}<!-- -->]]<!-- end of external link --></includeonly><noinclude> == Zweck == Mit dieser Vorlage können [[arXiv]]-Weblinks in einer einfachen, standardisierten Form angegeben werden. == Benutzung == Zurzeit kann die Vorlage in vier Varianten benutzt werden: * <tt><nowiki>{{</nowiki> arxiv | archive=''arch-ive'' | id=''0123456'' }}</tt> * <tt><nowiki>{{</nowiki> arxiv | ''arch-ive'' | ''0123456'' }}</tt> * <tt><nowiki>{{</nowiki> arxiv | id=''0123456'' }}</tt> * <tt><nowiki>{{</nowiki> arxiv | ''0123456'' }}</tt> Die ersten beiden Varianten sind für arXiv-Bezeichner vor der Umstellung am 1. April 2007 (kein Scherz!), die anderen für die neuen Bezeichner, die nicht mehr das Sachgebiet enthalten. Die Bedeutung der Parameter * '''archive''' bezeichnet das [[arXiv]]-Fachgebiet ([http://arxiv.org/help/archive_list vollständige Liste]) mit dem von arXiv vergebenen Kürzel. * '''id''' ist der numerische Teil des Bezeichners, der sich aus Jahr, Monat und fortlaufender Nummer zusammensetzt. Diese Vorlage unterteilt ihn nicht in seine Einzelbestandteile. == Beispiele == Sind auf der Diskussionsseite. [[Kategorie:Vorlage:Datenbanklink|Arxiv]] [[da:Skabelon:Arxiv]] [[en:Template:Arxiv]] [[eo:Ŝablono:Arxiv]] [[it:Template:Arxiv]] [[ja:Template:Arxiv]] [[pl:Szablon:ArXiv]] [[ru:Шаблон:ArXiv]] </noinclude> jyib8yb4ewlrvu2dmfy590dhw1719ba wikitext text/x-wiki Vorlage:Begriffsklärungshinweis 10 23666 26261 2009-12-10T11:15:00Z Merlissimo 313 + {{Dokumentation}} <onlyinclude><div id="Vorlage_Begriffsklärungshinweis" class="noprint"> {| {{Bausteindesign1}} | style="width: 26px; vertical-align: middle" |<span id="bksicon">[[Datei:Disambig-dark.svg|25px|verweis=]]</span> | Der Titel dieses Artikels ist mehrdeutig. {{{1|Weitere Bedeutungen sind unter [[{{PAGENAME}} (Begriffsklärung)]] aufgeführt}}}. |} </div></onlyinclude> {{Dokumentation}} svgvn4fchvnftu8zu12wgyjj5esszh5 wikitext text/x-wiki Vorlage:Cite journal 10 23667 26262 2010-04-22T08:11:57Z Niteshift 0 Schützte „[[Vorlage:Cite journal]]“: Häufig eingebundene Vorlage ([edit=autoconfirmed] (unbeschränkt) [move=autoconfirmed] (unbeschränkt)) <onlyinclude><cite style="font-style:normal" {{#if: {{{ref|}}} | {{#ifeq: {{{ref}}} | none | | id="{{{ref}}}" }} | {{#if: {{booland |1={{{last|}}} |2={{{year|}}} }} | id="Reference-{{{last}}}-{{{year}}}" }} }}>{{#if: {{{authorlink|}}} | [[{{{authorlink}}}|{{{author|{{#if:{{{first|}}}|{{{first}}}&#32;}}{{{last|}}}}}}]] | {{{author|{{#if:{{{first|}}}|{{{first}}}&#32;}}{{{last|}}}}}} }}{{#if: {{{coauthors|}}} | <nowiki>,</nowiki> {{{coauthors}}} }}{{#if: {{{author|{{{last|{{{year|}}}}}}}}} | <nowiki>:</nowiki>&#32; }}{{#if: {{{url|}}} | [{{{url}}} }} ''{{{title}}}''.{{#if: {{{url|}}} | ] }}&#32;{{#if:{{{format|}}} | &#32;({{{format}}}) }}&#32;{{#if: {{{journal|}}} | In: {{#if: {{{publisher|}}} | {{{publisher}}} (Hrsg.):&#32; }} ''{{{journal}}}''.&#32; }}{{#if: {{{volume|}}} | {{{volume}}} }}{{#if: {{{issue|}}} | {{#if: {{{volume|}}} | , Nr.&nbsp;{{{issue}}} | Nr.&nbsp;{{{issue}}} }} }}{{#if: {{{location|}}} | , {{{location}}} }}{{ggf | wert = {{{date|{{datum | jahr ={{{year|}}} | monat ={{{month|}}} | tag ={{{day|}}} }} }}} | vor = {{#if: {{{volume|}}}{{{issue|}}} | ,&#32; }}}}{{#if: {{{pages|}}} | , S. {{{pages}}} }}{{#if: {{{id|}}} | . {{{id}}} }}{{#if: {{{doi|}}} | . {{DOI|{{{doi}}}}} }}{{#if: {{{pmid|}}} | . 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Volltext bei [[PubMed Central|PMC]]: [http://www.pubmedcentral.gov/articlerender.fcgi?tool=pmcentrez&artid={{{pmc}}} {{{pmc}}}] }}{{#if: {{{arxiv|}}} | . {{arxiv|{{{arxiv}}}}} }}.{{#if: {{{accessdate|}}} | &#32;Abgerufen am {{#iferror: {{FormatDate|{{{accessdate}}} }} | {{{accessdate}}} }}. }}{{#if: {{{quote|}}} | &nbsp;„{{{quote}}}“ }}</cite></onlyinclude> <noinclude>{{Dokumentation}}</noinclude> 78sbtzqwoq5a9qz0h1n7fng9tqu1484 wikitext text/x-wiki Vorlage:CoordinateSky 10 23668 26263 2010-02-09T20:51:25Z Merlissimo 313 SizeP-default=0.1 Der Nicht-Existent-Alternativfall konnte aufgrund der Vorbedingung nie erreicht werden <onlyinclude><includeonly><!-- --><span id="coordinates" class="coordinates" style="white-space:nowrap; z-index:1; font-family:monospace;"><!-- -->{{#ifexpr: {{Booland3|{{{RaP|}}}|{{{DeP|}}}|{{{NameP|}}}}} | [http://toolserver.org/~magnus/geo/skyhack.php?ra={{#expr:+{{ParmPart|1|{{{RaP|+/0/0/0}}}}}+{{ParmPart|2|{{{RaP|+/0/0/0}}}}}/60+{{ParmPart|3|{{{RaP|+/0/0/0}}}/00}}/3600}}&de=<!-- -->{{#ifeq:{{ParmPart|1|{{{DeP|+/0/0/0}}}}} | - |{{#expr:-1*({{ParmPart|2|{{{DeP|+/0/0/0}}}}}+{{ParmPart|3|{{{DeP|+/0/0/0}}}}}/60+{{ParmPart|4|{{{DeP|+/0/0/0}}}/00}}/3600)}}<!-- -->|{{#expr: +{{ParmPart|2|{{{DeP|+/0/0/0}}}}}+{{ParmPart|3|{{{DeP|+/0/0/0}}}}}/60+{{ParmPart|4|{{{DeP|+/0/0/0}}}/00}}/3600 }}<!-- -->}}&size={{#expr:{{#if:{{{SizeP|}}}|{{{SizeP}}}|0.1}}/60}}<!-- -->&name={{urlencode:{{{NameP}}}}}<!-- -->{{#if:{{{ObjectP|}}}|&object={{urlencode:{{{ObjectP}}}}}}}<!-- -->{{#if:{{{Viz1P|}}} |&viz1={{urlencode:{{{Viz1P}}}}}}}<!-- -->{{#if:{{{Viz2P|}}} |&viz2={{urlencode:{{{Viz2P}}}}}}}<!-- -->{{#if:{{{Viz3P|}}} |&viz3={{urlencode:{{{Viz3P}}}}}}}<!-- -->{{#if:{{{Viz4P|}}} |&viz4={{urlencode:{{{Viz4P}}}}}}}<!-- -->{{#if:{{{Viz5P|}}} |&viz5={{urlencode:{{{Viz5P}}}}}}}<!-- --><span style="font-family:sans-serif;">Datenbanklinks zu</span><!-- --> {{#if:{{{NameP|}}}|{{{NameP}}}|{{PAGENAME}}}}]<!-- -->|{{CoordinateSkyNO{{#if:{{NAMESPACE}}|x}}}}<!-- -->}}</span><!-- --></includeonly></onlyinclude> {{Dokumentation}} <!-- ~kolossos/sky/skyhack.php? 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<includeonly>[[Spezial:ISBN-Suche/{{{1}}}|ISBN {{{1}}}]] (formal falsche ISBN)</includeonly><noinclude>{{Dokumentation}}</noinclude> tad01aqh1w67vuzqhg3hfu9nd9j6gu8 wikitext text/x-wiki Vorlage:Ggf 10 23672 26267 2009-06-10T05:37:55Z PaterMcFly 0 Schützte „[[Vorlage:Ggf]]“: Häufig eingebundene Vorlage ([edit=autoconfirmed] (unbeschränkt) [move=autoconfirmed] (unbeschränkt)) {{#if: {{{wert|{{{1|}}}}}} | {{{vor|}}}{{{wert|{{{1|}}}}}}{{{nach|}}} }}<noinclude> {{Tausendfach verwendet}} {{Dokumentation}} </noinclude> cack1899aujesfxciqna4k3mjcqdit0 wikitext text/x-wiki Vorlage:HieroglyphenImText 10 23673 26268 2010-02-27T17:14:19Z Brigendo 0 interwiki <includeonly>{| cellpadding="0" cellspacing="0" border="0" style="margin:0px; padding:0px; border:0px; background-color:transparent; vertical-align:middle;" |- | style="vertical-align:bottom; padding:0px; margin:0px; border:0px;" | {{{1}}} | style="vertical-align:bottom; padding:0px; margin:0px; border:0px;" | {{{2|}}} | style="vertical-align:bottom; padding:0px; margin:0px; border:0px;" | {{{3|}}} | style="vertical-align:bottom; padding:0px; margin:0px; border:0px;" | {{{4|}}} | style="vertical-align:bottom; padding:0px; margin:0px; border:0px;" | {{{5|}}} | style="vertical-align:bottom; padding:0px; margin:0px; border:0px;" | {{{6|}}} | style="vertical-align:bottom; padding:0px; margin:0px; border:0px;" | {{{7|}}} | style="vertical-align:bottom; padding:0px; margin:0px; border:0px;" | {{{8|}}} | style="vertical-align:bottom; padding:0px; margin:0px; border:0px;" | {{{9|}}} | style="vertical-align:bottom; padding:0px; margin:0px; border:0px;" | {{{10|}}} | style="vertical-align:bottom; padding:0px; margin:0px; border:0px;" | {{{11|}}} | style="vertical-align:bottom; padding:0px; margin:0px; border:0px;" | {{{12|}}} | style="vertical-align:bottom; padding:0px; margin:0px; border:0px;" | {{{13|}}} | style="vertical-align:bottom; padding:0px; margin:0px; border:0px;" | {{{14|}}} | style="vertical-align:bottom; padding:0px; margin:0px; border:0px;" | {{{15|}}} | style="vertical-align:bottom; padding:0px; margin:0px; border:0px;" | {{{16|}}} | style="vertical-align:bottom; padding:0px; margin:0px; border:0px;" | {{{17|}}} | style="vertical-align:bottom; padding:0px; margin:0px; border:0px;" | {{{18|}}} | style="vertical-align:bottom; padding:0px; margin:0px; border:0px;" | {{{19|}}} | style="vertical-align:bottom; padding:0px; margin:0px; border:0px;" | {{{20|}}} |}</includeonly><noinclude> Diese Vorlage erlaubt es, Hieroglyphen, die mit Hilfe des &lt;hiero&gt;-Elements in die Artikel eingebaut werden, direkt in den Text einzubinden. Hierbei ist zu beachten, dass der ganze Absatz, der die Hieroglyphen enthält, in die Vorlage eingebunden werden muss. Ein Spezialfall ist, wenn zusätzlich ein Bild im Text eingebunden werden soll. In diesem Fall sollte das Bild mit '|' umgeben werden. == Beispiele == ==== Beispiel 1 ==== ; Ohne die Vorlage: Namen wurden in der Hieroglyphenschrift mit den Determinativen <hiero>A1</hiero> für ''Mann'' bzw. <hiero>B1</hiero> für ''Frau'' abgeschlossen. ; Mit der Vorlage: {{HieroglyphenImText|Namen wurden beispielsweise in der Hieroglyphenschrift mit den Determinativen <hiero>A1</hiero> für ''Mann'' bzw. <hiero>B1</hiero> für ''Frau'' abgeschlossen.}} ; Code: <pre><nowiki> {{HieroglyphenImText|Namen wurden beispielsweise in der Hieroglyphenschrift mit den Determinativen <hiero>A1</hiero> für ''Mann'' bzw. <hiero>B1</hiero> für ''Frau'' abgeschlossen.}} </nowiki></pre> ==== Beispiel 2 ==== ; Ohne die Vorlage: Thronname von Weneg lautet <hiero>nswt:bity</hiero> [[Image:Weneg.jpg|10px]] ; Mit der Vorlage: {{HieroglyphenImText|Thronname von Weneg lautet <hiero>nswt:bity</hiero>|[[Image:Weneg.jpg|10px]]}} ; Code: <pre><nowiki> {{HieroglyphenImText|Thronname von Weneg lautet <hiero>nswt:bity</hiero>|[[Image:Weneg.jpg|10px]]}} </nowiki></pre> [[Kategorie:Vorlage:Fremdsprachenunterstützung|{{PAGENAME}}]] [[bar:Vorlage:HieroglyphenImText]] [[ka:თარგი:იეროგლიფები ტექსტში]] </noinclude> 0dmegzjw7n4prf2gg0toc0yajgpbgju wikitext text/x-wiki Vorlage:Infobox Doppelstern 10 23674 26269 2010-04-16T17:35:05Z CHRV 0 Wartung <onlyinclude><includeonly>{{#if:{{{Rek|}}}{{{Dek|}}}| {{CoordinateSky |RaP={{{Rek|}}} |DeP={{{Dek|}}} |SizeP={{#if:{{{Size|}}}|{{{Size}}}|1.0}} |NameP={{#if:{{{Caption|}}}|{{{Caption|}}}|{{PAGENAME}}}} |ObjectP={{{Objekt|}}} |Viz1P={{{Viz1|}}} |Viz2P={{{Viz2|}}} |Viz3P={{{Viz3|}}} |Viz4P={{{Viz4|}}} |Viz5P={{{Viz5|}}} }}}} {| class="wikitable float-right" style="font-size: 90%; width:200px;" |-- ! colspan="3" style="background-color:Gainsboro;" |<big>Doppelstern</big><br/>{{#if:{{{Titel|}}}{{{Name|}}}|{{{Titel|}}}{{{Name|}}}|{{PAGENAME}}}}{{#if:{{{Titel|}}}|<span style="display:none">[[Vorlage:Infobox 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'''Hinweis:''' Wenn ein Artikel einen Sprachparameter nutzt, den diese derzeit noch nicht unterstützt, so sollte der benötigte Sprachparameter im SWITCH-Konstrukt dieser Vorlage ergänzt werden. Zur leichteren Pflege sollten dabei die Sprachcodes in alphabetischer Reihenfolge eingepflegt werden. 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Unnötig (scheint mir nicht sinnvoll zu sein) und unbegründet {{Dokumentation}} <onlyinclude>{| style="text-align:center; margin-left:auto; margin-right:auto; background-color:transparent;" class="nogrid" {{#switch:{{{1|}}} | - = {{!}} ''keine Gefahrensymbole'' | / = {{!}} ''keine Einstufung verfügbar'' [[Kategorie:Wikipedia:Keine Gefahrstoffkennzeichnung verfügbar]] | #default = {{!-}} style="vertical-align:top;" {{Gefahrensymbole/Daten|Bild|{{{1|?}}}}} {{#if:{{{2|}}} | {{Gefahrensymbole/Daten|Bild|{{{2|}}}}} {{#if:{{{3|}}} | {{Gefahrensymbole/Daten|Bild|{{{3|}}}}} {{#if:{{{4|}}} | {{Gefahrensymbole/Daten|Bild|{{{4|}}}}} }}<!-- 4 --> }}<!-- 3 --> }}<!-- 2 --> {{!-}} style="vertical-align:top; line-height:1.1em; font-size:85%;" {{Gefahrensymbole/Daten|Text|{{{1|?}}}}} {{#if:{{{2|}}} | {{Gefahrensymbole/Daten|Text|{{{2|}}}}} {{#if:{{{3|}}} | {{Gefahrensymbole/Daten|Text|{{{3|}}}}} {{#if:{{{4|}}} | {{Gefahrensymbole/Daten|Text|{{{4|}}}}} }}<!-- 4 --> }}<!-- 3 --> }}<!-- 2 --> {{!-}} style="vertical-align:top; font-size:85%;" {{Gefahrensymbole/Daten|Symbol|{{{1|?}}}}} {{#if:{{{2|}}} | {{Gefahrensymbole/Daten|Symbol|{{{2|}}}}} {{#if:{{{3|}}} | {{Gefahrensymbole/Daten|Symbol|{{{3|}}}}} {{#if:{{{4|}}} | {{Gefahrensymbole/Daten|Symbol|{{{4|}}}}} }}<!-- 4 --> }}<!-- 3 --> }}<!-- 2 --> {{#ifeq: {{NAMESPACE}} | {{ns:0}} | {{Gefahrensymbole/Daten|Kategorie|{{{1|?}}}}} {{#if:{{{2|}}} | {{Gefahrensymbole/Daten|Kategorie|{{{2|}}}}} {{#if:{{{3|}}} | {{Gefahrensymbole/Daten|Kategorie|{{{3|}}}}} {{#if:{{{4|}}} | {{Gefahrensymbole/Daten|Kategorie|{{{4|}}}}} }}<!-- 4 --> }}<!-- 2 --> }}<!-- 3 --> }}<!-- ns:0 --> }}<!-- switch --> |} </onlyinclude> i8gv0vcwg58o4pdl8pa3eol88cjwszi wikitext text/x-wiki Vorlage:Infobox Chemisches Element 10 23690 26285 2010-04-26T17:00:00Z JWBE 0 + Sublimationspunkt {{Achtung|<b>Hinweis</b><br>Bitte an dieser langfristig bewährten und vielfach verwendeten Vorlage nichts ändern, sondern etwaige Änderungswünsche auf der Seite der ''[[WP:RC|Redaktion Chemie]]'' eintragen und begründen; dort wird nach Diskussion aller Argumente mehrheitlich darüber beschlossen. Wer Änderungen durchführt, ohne der vorstehenden Bitte nachzukommen, sollte damit rechnen, dass dies sofort revertiert wird.}} <onlyinclude>{| border="2" cellspacing="0" cellpadding="4" rules="all" class="hintergrundfarbe1 rahmenfarbe1 float-right" style="margin:1em 0 1em 1em; border-style:solid; border-width:1px; border-collapse:collapse; empty-cells:show; font-size:90%; width:350px;" |- style="background-color:{{Infobox Chemisches Element/Farbe|{{{Serie|}}}}};" ! colspan="2" style="font-size:120%" |Eigenschaften |- | colspan="2" style="background-color:#ffffff;" align="center"| <div id="table" style="position:relative;"> {{Periodensystem}} <div id="text0" style="font-size:12px; position:absolute; top:0px; left:65px; ">{{{Elektronenkonfiguration|}}}</div> <div id="text2" style="font-size:10px; position:absolute; top:10px; left:175px; min-width:30px; text-align:right;">{{{Ordnungszahl|}}}</div><div id="text3" style="font-size:20px; font-weight:bold; position:absolute; top:6px; left:205px;">{{{Symbol|}}}</div> <div style="text-align: right"><small>[[Periodensystem]]</small></div></div> |- ! colspan="2" style="background-color:{{Infobox Chemisches Element/Farbe|{{{Serie|}}}}};" | Allgemein |- | [[Chemisches Element#Sortierte Liste chemischer Elemente|Name]], [[Elementsymbol|Symbol]], [[Ordnungszahl]] | nowrap | {{{Name}}}, {{{Symbol}}}, {{{Ordnungszahl}}} |- | [[Serie des Periodensystems|Serie]] | nowrap |{{#switch: {{{Serie|}}} | Ac = [[Actinoide]] | Am = [[Alkalimetalle]] | Eg = [[Edelgase]] | Em = [[Erdalkalimetalle]] | Ha = [[Halogene]] | Hm = [[Halbmetalle]] | La = [[Lanthanoide]] | Me = [[Metalle]] | Nm = [[Nichtmetalle]] | Üm = [[Übergangsmetalle]] | xx = Unbekannt }} |- | [[Gruppe des Periodensystems|Gruppe]], [[Periode des Periodensystems|Periode]], [[Block des Periodensystems|Block]] | nowrap | [[Gruppe-{{{Gruppe}}}-Element|{{{Gruppe}}}]], [[Periode-{{{Periode}}}-Element|{{{Periode}}}]], [[Block des Periodensystems|{{{Block|?}}}]] |- {{#if:{{{Aussehen|}}}| {{!}} [[Farbe|Aussehen]] {{!}} {{{Aussehen|}}} }} |- {{#if: {{{CAS|}}}| {{!}} [[CAS-Nummer]] {{!}} nowrap {{!}} {{{CAS}}} }} |- {{#if: {{{ATC-Code|}}} | {{!}} [[Anatomisch-Therapeutisch-Chemisches Klassifikationssystem|ATC-Code]] {{!}} nowrap {{!}} {{{ATC-Code}}} }} |- {{#if: {{{Massenanteil|}}}| {{!}} Massenanteil an der [[Erdhülle]] {{!}} nowrap {{!}} {{{Massenanteil|?}}} }} |- ! colspan="2" style="background-color:{{Infobox Chemisches Element/Farbe|{{{Serie|}}}}};" | Atomar {{{Hauptquelle|}}} |- | [[Atommasse]] | nowrap | {{{Atommasse}}} [[Atomare Masseneinheit|u]] |- {{#if: {{{Atomradius|}}}| {{!}} [[Atomradius]] (berechnet) {{!}} nowrap {{!}} {{{Atomradius|?}}} ({{{AtomradiusBerechnet| -}}}) [[Meter#Pikometer|pm]] }} |- {{#if: {{{KovalenterRadius|}}}| {{!}} [[Kovalenter Radius]] {{!}} nowrap {{!}} {{{KovalenterRadius|?}}} pm }} |- {{#if: {{{VanDerWaalsRadius|}}}| {{!}} [[Van-der-Waals-Radius]] {{!}} nowrap {{!}} {{{VanDerWaalsRadius|?}}} pm }} |- | [[Elektronenkonfiguration]] | nowrap | {{{Elektronenkonfiguration| }}} |- | [[Elektron]]en pro [[Energieniveau]] | nowrap | {{{ElektronenProEnergieNiveau| }}} |- {{#if: {{{Austrittsarbeit|}}}| {{!}} [[Austrittsarbeit]] {{!}} nowrap {{!}} {{{Austrittsarbeit| }}} }} |- {{#if: {{{Ionisierungsenergie_1|}}}| {{!}} 1. 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{{uc:{{{Radioaktiv|Nein}}}}} | JA | ! colspan="2" style="background-color:{{{Serienfarbe|#ffffff}}};" {{!}} Radioaktivität}} |- {{#ifeq: {{uc:{{{Radioaktiv|Nein}}}}} | JA | ! colspan="2" {{!}} [[Datei:Radiation warning symbol.svg|60px|center|Radioaktives Element]]<br /><small>Radioaktives Element</small>{{#ifeq:{{NAMESPACE}}|{{ns:0}}|[[Kategorie:Radioaktiver Stoff]]}} }} |- | colspan="2" style="background-color:{{Infobox Chemisches Element/Farbe|{{{Serie|}}}}}; line-height:1.2em; text-align:center" |<small>Soweit möglich und gebräuchlich, werden [[Internationales Einheitensystem|SI-Einheiten]] verwendet. <br />Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei [[Standardbedingungen]].</small> |} <includeonly>{{#if:{{NAMESPACE}}|<!-- nix -->| {{Infobox Chemisches Element/Kategorien|{{{Symbol|}}}}} [[Kategorie:Periode-{{{Periode|1}}}-Element]] [[Kategorie:Chemisches Element]] {{#if:{{{Serienfarbe|}}}|[[Kategorie:Chemiebox]]}} }}</includeonly></onlyinclude> {{Dokumentation}} e0a1wpg0uq0wzccdeq046ph99i2xps4 wikitext text/x-wiki Vorlage:Infobox Chemisches Element/Farbe 10 23691 26286 2009-11-04T21:21:49Z Wiegels 0 + Kategorie {{Dokumentation/Unterseite}} Zuordnung der Serienfarben <onlyinclude>{{#switch: {{{1|}}} | Ac = Orchid | Am = OrangeRed | Eg = LightskyBlue | Em = DarkOrange | Ha = Khaki | Hm = Peru | La = Plum | Me = DarkGray | Nm = LimeGreen | Üm = LightCoral | xx = Gainsboro |#default = White }}</onlyinclude> [[Kategorie:Vorlage:Formatierungshilfe|Infobox Chemisches Element/Farbe]] [[Kategorie:Vorlage:Infobox Chemie|Chemisches Element 2]] tbdmrlu194pg4b5aicozxjorcx61iw6 wikitext text/x-wiki Vorlage:Infobox Chemisches Element/Isotop 10 23692 26287 2008-05-18T20:24:14Z Orci 55 Schützte „[[Vorlage:Infobox Chemisches Element/Isotop]]“: Vandalismus-Schutz, da in viele Artikel eingebunden [edit=autoconfirmed:move=autoconfirmed] <includeonly>{{#switch: {{{AnzahlZerfallstypen|0}}} | -1= <tr> <td>···</td> <td nowrap> ··· </td> <td> ··· </td> <td> ··· </td> <td> ··· </td> <td> ··· </td> </tr> | 0= <tr> <td nowrap><sup>{{{Massenzahl}}}</sup>{{{Symbol}}}</td> <td nowrap> {{#switch: {{{NH}}} | -1 = [[Radioaktives Spurenelement|in Spuren]] | 0 = [[Synthetisches Radioisotop|{syn.}]] | #default = {{{NH}}} % }} </td> <td colspan="4"> [[Stabiles Isotop|Stabil]]</td> </tr> | 1= <tr> <td nowrap><sup>{{{Massenzahl}}}</sup>{{{Symbol}}}</td> <td nowrap> {{#switch: {{{NH}}} | -1 = [[Radioaktives Spurenelement|in Spuren]] | 0 = [[Synthetisches Radioisotop|{syn.}]] | #default = {{{NH}}} % }} </td> <td> {{{Halbwertszeit}}} </td> <td>{{{Zerfallstyp1ZM}}}</td> <td>{{{Zerfallstyp1ZE}}}</td> <td>{{{Zerfallstyp1ZP}}}</td> </tr> | 2= <tr> <td nowrap rowspan="2"><sup>{{{Massenzahl}}}</sup>{{{Symbol}}}</td> <td nowrap rowspan="2"> {{#switch: {{{NH}}} | -1 = [[Radioaktives Spurenelement|in Spuren]] | 0 = [[Synthetisches Radioisotop|{syn.}]] | #default = {{{NH}}} % }} </td> <td rowspan="2"> {{{Halbwertszeit}}} </td> <td>{{{Zerfallstyp1ZM}}}</td> 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| Massenzahl = | NH = 0 | Halbwertszeit = | Zerfallstyp1ZM = | Zerfallstyp1ZE = | Zerfallstyp1ZP = | Zerfallstyp2ZM = | Zerfallstyp2ZE = | Zerfallstyp2ZP = }} </pre> Für instabile Isotope mit drei Zerfallstypen: <pre> {{Infobox Chemisches Element/Isotop | AnzahlZerfallstypen = 3 | Symbol = | Massenzahl = | NH = 0 | Halbwertszeit = | Zerfallstyp1ZM = | Zerfallstyp1ZE = | Zerfallstyp1ZP = | Zerfallstyp2ZM = | Zerfallstyp2ZE = | Zerfallstyp2ZP = | Zerfallstyp3ZM = | Zerfallstyp3ZE = | Zerfallstyp3ZP = }} </pre> Für instabile Isotope mit vier Zerfallstypen: <pre> {{Infobox Chemisches Element/Isotop | AnzahlZerfallstypen = 4 | Symbol = | Massenzahl = | NH = 0 | Halbwertszeit = | Zerfallstyp1ZM = | Zerfallstyp1ZE = | Zerfallstyp1ZP = | Zerfallstyp2ZM = | Zerfallstyp2ZE = | Zerfallstyp2ZP = | Zerfallstyp3ZM = | Zerfallstyp3ZE = | Zerfallstyp3ZP = | Zerfallstyp4ZM = | Zerfallstyp4ZE = | Zerfallstyp4ZP = }} </pre> Die Angabe NH = 0 bewirkt die Einfügung von <code><nowiki>[[Synthetisches Radioisotop|{syn.}]]</nowiki></code> . Die Halbwertszeit ist '''mit''' Einheit anzugeben. als Zerfallstyp?ZM kann einer der folgenden Werte angegeben werden: <pre> [[Alphastrahlung|&alpha;]] [[Betastrahlung|&beta;]]<sup>&minus;</sup> [[Neutronen-Emission|n]] [[Elektronen-Einfang|ε]] Spontaner Zerfall </pre> Mit den Parametern Zerfallstyp?ZE wird die Energie angegeben, und mit den Parametern Zerfallstyp?ZP die Zerfallsprodukte. [[Kategorie:Vorlage:für Vorlagen|Infobox Chemisches Element/Isotop]] [[hsb:Předłoha:Infokašćik chemiski element/Izotop]] </noinclude> rpep30x9dwch50ayxk03slutx9pvvon wikitext text/x-wiki Vorlage:Infobox Chemisches Element/Kategorien 10 23693 26288 2009-10-26T17:04:31Z Antonsusi 0 {{Dokumentation/Unterseite}} Die Kategoriedaten der Elemente (ausgeblendet). <onlyinclude><includeonly>{{#switch:{{{1|xx}}} | H =[[Kategorie:Gruppe-1-Element]] [[Kategorie:Nichtmetall]] | He =[[Kategorie:Edelgas]] | Li =[[Kategorie:Alkalimetall]] | Be =[[Kategorie:Erdalkalimetall]] | B =[[Kategorie:Gruppe-13-Element]] [[Kategorie:Halbmetall]] | C =[[Kategorie:Gruppe-14-Element]] [[Kategorie:Nichtmetall]] | N =[[Kategorie:Gruppe-15-Element]] [[Kategorie:Nichtmetall]] | O =[[Kategorie:Chalkogen]] [[Kategorie:Nichtmetall]] | F =[[Kategorie:Halogen]] | Ne =[[Kategorie:Edelgas]] | Na =[[Kategorie:Alkalimetall]] | Mg =[[Kategorie:Erdalkalimetall]] | Al =[[Kategorie:Gruppe-13-Element]] [[Kategorie:Erdmetall]] 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ao7irqgd8yhe4ve21ruqsnz5g7udvm2 wikitext text/x-wiki Vorlage:Periodensystem/Element 10 23696 26291 2009-10-21T14:28:54Z Antonsusi 0 <onlyinclude><div style="position:relative; overflow:hidden; width:7px; height:9px; z-index:2; background-color:{{#switch: {{{Serie|}}} |A = Orchid |Am = OrangeRed |Eam = DarkOrange |Em = DarkOrange |Eg = LightskyBlue |H = Khaki |Hm = Peru |L = Plum |Nm = LimeGreen |M = DarkGray |Üm = LightCoral |Ue = Gainsboro |xx = transparent }}; {{#ifeq: {{PAGENAME}} | {{{Link|{{{Name}}}}}} | border:1px solid black; margin:-1px|}}"><div style="position:absolute; top:0; left:0; z-index:3">[[{{{Link|{{{Name}}}}}}|<span style="float:left; width:7px; height:9px; font-size:9px; line-height:9px; word-spacing:7px; cursor:pointer;" title="Element {{{Ordnungszahl}}}: {{{Name}}} ({{{Symbol}}}){{#switch: {{{Serie|xx}}} |A =, Actinoid |Am =, Alkalimetall |Eam =, Erdalkalimetall |Em =, Erdalkalimetall |Eg =, Edelgas |H =, Halogen |Hm =, Halbmetall |L =, Lanthanoid |Nm =, 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Hintergründen. */ div.thumb { border: none; } div.tright { border: none; margin: 0.5em 0 0.8em 1.4em; } div.tleft { border: none; margin: 0.5em 1.4em 0.8em 0; } /* fromWikipedia */ #fromWikipedia { font-size: x-small; } /* Make all non-namespace pages have a light blue content area. This is done by setting the background color for all #content areas to light blue and then overriding it for any #content enclosed in a .ns-0 (main namespace). I then do the same for the "tab" background colors. --Lupo */ #content, #mytabs li.selected a, #p-cactions li.selected a { background-color: #F3F3FF; /* ein leichtes blau */ } .ns-0 #content, .ns-0 #mytabs li.selected a, .ns-0 #p-cactions li.selected a { background-color: white; } /* Kategorien etwas schöner darstellen */ .catlinks { border: 0px; border-top: 2px dotted #aaaaaa; } /* Kategorienseite mit transparentem Hintergrund */ #mw-subcategories table { background-color: transparent; } #mw-pages table { background-color: transparent; } /* Tabellenüberschriften (mit |+) größer und fett */ caption { font-size: 105%; font-weight: bold; } /* Einzelnachweise */ ol.references { font-size:90%; } /* Abschnitt-Bearbeiten-Links */ .editsection { font-size:90%; } /* [[Wikipedia:Externhinweis|Externhinweis]] */ #externHinweis { font-size: x-small; text-align: center; padding: 5px; } /*-----------------------------------------------------------------------------*/ /* Absolute Positionierungen für Monobook.css */ /* Bitte [[MediaWiki Diskussion:Common.css#Absolute Positionierungen]] beachten */ /* Koordinaten-Vorlagen */ #coordinates_3_ObenRechts { display: inline; } #coordinates { display:inline; position:absolute; z-index:1; border:none; background:none; right:12px; top:0.2em; float:right; margin:0 18px 0 0; padding: 0 0.1em 0 0; line-height:11px; text-align:right; text-indent:0; font-size:10px; text-transform:none; white-space:nowrap; } /* Sitenotice linksbündig, sollte dort keine Probleme machen, dafür die Koordinaten freihalten */ /* (für die Dauer der Spendenaktion deaktivert, weil der Rest mittig steht. Ggfs. neu anpassen */ /* #siteNotice p {text-align:left;} */ /* #siteNotice {padding-left:0;} */ /* Sitenotice Hintergrund transparent, vor allem für die nicht-Artikelseiten. */ #siteNotice table { background-color: transparent; font-size: 100%; } /* verhindert, dass der Verbergen-Link die Icons rechts oben verdeckt */ #mw-dismissable-notice td { vertical-align: bottom; } /* Formatierung für [[Wikipedia:Editcount]]-Vorlagen und [[Vorlage:ISSN-Link]] (Schriftgröße 85%) */ #editcount, #issnlink { display: inline; position:absolute; z-index:1; border:none; background:none; right:12px; top:0.3em; float:right; margin:0.0em; padding:0.0em; line-height:1.5em; text-align:right; text-indent:0; font-size:85%; text-transform:none; white-space:normal; } /* Formatierung für Abkürzungen (Schriftgröße 90%) */ #shortcut { display: inline; position:absolute; z-index:1; border:none; background:none; right:12px; top:0.3em; float:right; margin:0.0em; padding:0.0em; line-height:1.5em; text-align:right; text-indent:0; font-size:90%; text-transform:none; white-space:normal; } /* Formatierung für Kennzeichnung von Artikelstadien (Exzellent, Lesenswert etc.) */ #artikelstadium { display: block; position:absolute; z-index:1; border:none; background:none; right:12px; top:0.3em; float:right; margin:0.0em; padding:0.0em; line-height:1.5em; text-align:right; text-indent:0; font-size:90%; text-transform:none; white-space:normal; } /*-----------------------------------------------------------------------------*/ /* Anpassungen für die Stabilen Versionen */ /*-----------------------------------------------------------------------------*/ /* Die Prüfbox verschieben */ .flaggedrevs_short { float:right; position:relative; z-index:1; top:-33px; right:20px; border:0; padding:1px; margin-left:25px; margin-bottom:-28px; } /* Tabelle mit redundantem Sichtungsbalken in der Prüfbox ausblenden */ table #mw-revisionratings-box { display:none; } /* Korrektur des oberen Rands auf der Hauptseite nach Entfernung des Redirhinweises */ .page-Wikipedia_Hauptseite #content { padding: 1em; } /* Korrektur Reiter auf der Hauptseite */ .page-Wikipedia_Hauptseite #mytabs li.selected a, .page-Wikipedia_Hauptseite #p-cactions li.selected a { background-color: white; } /* Abstand der Box zu den positionierten Elementen oben rechts (WP:ABK, Geokoordinaten, Bapperl) */ div.siteNoticeBig, div#centralNotice.collapsed {margin-top:22px;} /* Spezialseiten */ .sp-cached { background-color:#FFFFE0; background-image:url(http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/thumb/8/8c/Clock%20and%20warning.svg/20px-Clock%20and%20warning.svg); background-position:5px 3px; background-repeat:no-repeat; border:1px solid #EEEE80; color:#606000; font-style:italic; margin:0.3em 0; padding:4px 0 4px 30px; } o23euh1ipqq7ucq1oa3vevgufn1p9ux css text/css Vorlage:R-Sätze 10 23698 26292 2010-02-17T11:42:08Z Leyo 0 katfix <noinclude> {{Dokumentation}} [[Kategorie:Vorlage:Zahlenformatierung|R- und S-Satze, R]] [[Kategorie:Vorlage:Datenbanklink Chemie|R- und S-Satze, R]] [[en:Template:R-phrase]] [[fr:Modèle:PhrasesR]] [[ja:Template:R-phrase]] </noinclude>{{#ifeq: {{{1|}}} | - | ''keine R-Sätze'' | {{#ifeq: {{{1|}}} | / | ''siehe oben'' |{{#if: {{{1|}}} |{{R-Sätze/Format|1={{R-Sätze (Texte)|{{{1}}}}}|2={{{1}}}}}{{#if: {{{2|}}} |-{{R-Sätze/Format|1={{R-Sätze (Texte)|{{{2}}}}}|2={{{2}}}}}{{#if: {{{3|}}} |-{{R-Sätze/Format|1={{R-Sätze (Texte)|{{{3}}}}}|2={{{3}}}}}{{#if: {{{4|}}} |-{{R-Sätze/Format|1={{R-Sätze (Texte)|{{{4}}}}}|2={{{4}}}}}{{#if: {{{5|}}} |-{{R-Sätze/Format|1={{R-Sätze (Texte)|{{{5}}}}}|2={{{5}}}}}{{#if: {{{6|}}} |-{{R-Sätze/Format|1={{R-Sätze (Texte)|{{{6}}}}}|2={{{6}}}}}{{#if: {{{7|}}} |-{{R-Sätze/Format|1={{R-Sätze (Texte)|{{{7}}}}}|2={{{7}}}}}{{#if: {{{8|}}} |-{{R-Sätze/Format|1={{R-Sätze (Texte)|{{{8}}}}}|2={{{8}}}}}{{#if: {{{9|}}} |-{{R-Sätze/Format|1={{R-Sätze (Texte)|{{{9}}}}}|2={{{9}}}}}{{#if: {{{10|}}} |-{{R-Sätze/Format|1={{R-Sätze (Texte)|{{{10}}}}}|2={{{10}}}}}{{#if: {{{11|}}} |-{{R-Sätze/Format|1={{R-Sätze (Texte)|{{{11}}}}}|2={{{11}}}}}{{#if: {{{12|}}} |-{{R-Sätze/Format|1={{R-Sätze (Texte)|{{{12}}}}}|2={{{12}}}}}{{#if: {{{13|}}} |-{{R-Sätze/Format|1={{R-Sätze (Texte)|{{{13}}}}}|2={{{13}}}}}{{#if: {{{14|}}} |-{{R-Sätze/Format|1={{R-Sätze (Texte)|{{{14}}}}}|2={{{14}}}}} }}<!-- 14 --> }}<!-- 13 --> }}<!-- 12 --> }}<!-- 11 --> }}<!-- 10 --> }}<!-- 9 --> }}<!-- 8 --> }}<!-- 7 --> }}<!-- 6 --> }}<!-- 5 --> }}<!-- 4 --> }}<!-- 3 --> }}<!-- 2 --> | {{#ifeq: {{NAMESPACE}} | | [[Kategorie:Wikipedia:Gefahrstoffkennzeichnung unbekannt]]}} [[Wikipedia:Redaktion Chemie/unbekannter Wert|?]] <!-- falls kein Parameter angegeben --> }}<!-- 1 --> }}<!-- ifeq --> }}<!-- ifeq --> td0ut2db9ohrrucb3ftaeruyqiapgwi wikitext text/x-wiki Vorlage:S-Sätze 10 23699 26293 2010-02-17T11:42:29Z Leyo 0 katfix <noinclude> {{Dokumentation}} [[Kategorie:Vorlage:Zahlenformatierung|R- und S-Satze, S]] [[Kategorie:Vorlage:Datenbanklink Chemie|R- und S-Satze, S]] [[fr:Modèle:PhrasesS]] </noinclude>{{#ifeq: {{{1|}}} | - | ''keine S-Sätze'' | {{#ifeq: {{{1|}}} | / | ''siehe oben'' |{{#if: {{{1|}}} |{{S-Sätze/Format|1={{S-Sätze (Texte)|{{{1}}}}}|2={{{1}}}}}{{#if: {{{2|}}} |-{{S-Sätze/Format|1={{S-Sätze (Texte)|{{{2}}}}}|2={{{2}}}}}{{#if: {{{3|}}} |-{{S-Sätze/Format|1={{S-Sätze (Texte)|{{{3}}}}}|2={{{3}}}}}{{#if: {{{4|}}} |-{{S-Sätze/Format|1={{S-Sätze (Texte)|{{{4}}}}}|2={{{4}}}}}{{#if: {{{5|}}} |-{{S-Sätze/Format|1={{S-Sätze (Texte)|{{{5}}}}}|2={{{5}}}}}{{#if: {{{6|}}} |-{{S-Sätze/Format|1={{S-Sätze (Texte)|{{{6}}}}}|2={{{6}}}}}{{#if: {{{7|}}} |-{{S-Sätze/Format|1={{S-Sätze (Texte)|{{{7}}}}}|2={{{7}}}}}{{#if: {{{8|}}} |-{{S-Sätze/Format|1={{S-Sätze (Texte)|{{{8}}}}}|2={{{8}}}}}{{#if: {{{9|}}} |-{{S-Sätze/Format|1={{S-Sätze (Texte)|{{{9}}}}}|2={{{9}}}}}{{#if: {{{10|}}} |-{{S-Sätze/Format|1={{S-Sätze (Texte)|{{{10}}}}}|2={{{10}}}}} }}<!-- 10 --> }}<!-- 9 --> }}<!-- 8 --> }}<!-- 7 --> }}<!-- 6 --> }}<!-- 5 --> }}<!-- 4 --> }}<!-- 3 --> }}<!-- 2 --> | {{#ifeq: {{NAMESPACE}} | | [[Kategorie:Wikipedia:Gefahrstoffkennzeichnung unbekannt]]}} [[Wikipedia:Redaktion Chemie/unbekannter Wert|?]] <!-- falls kein Parameter angegeben --> }}<!-- 1 --> }}<!-- ifeq --> }}<!-- ifeq --> lssyxhilop3bdt7eb2yff4elyymhcpg wikitext text/x-wiki Vorlage:Alfa 10 23700 26294 2010-03-30T19:26:20Z Cvf-ps 0 Punkt am Ende erg. <includeonly>Datenblatt ''[http://www.alfa.com/content/msds/german/{{{1}}}.pdf {{#if: {{{Name|}}} | {{{Name}}} | {{PAGENAME}} }}]'' bei AlfaAesar, abgerufen am {{{Datum}}}.</includeonly><noinclude> * '''Funktion:''' Diese Vorlage dient dazu, anhand der Produktnummer auf einen Eintrag in der Datenbank des Herstellers AlfaAesar zu verweisen. * '''Verwendung:''' <tt><nowiki>{{Alfa|''Produkt-Nummer''|''Name''|''Datum=Abrufdatum''}}</nowiki></tt> * '''Beispiel:''' <tt><nowiki>{{Alfa|10766|Name=Bismut|Datum=5. 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[[Kernspin|Spin]] ! [[Gyromagnetisches Verhältnis|γ]] in<br />[[Radiant (Einheit)|rad]]·[[Tesla (Einheit)|T]]<sup>−1</sup>·[[Sekunde|s]]<sup>−1</sup> ! [[Empfindlichkeit (Technik)|E]] ! [[Larmorfrequenz|f<sub>L</sub>]] bei<br />B = 4,7 [[Tesla (Einheit)|T]]<br />in [[Hertz (Einheit)|MHz]] |- | '''<sup>{{{Massenzahl_1}}}</sup>{{{Symbol}}}''' | style="white-space:nowrap;" | {{{Kernspin_1}}} | style="white-space:nowrap;" | {{{Gamma_1}}} | style="white-space:nowrap;" | {{{Empfindlichkeit_1}}} | style="white-space:nowrap;" | {{{Larmorfrequenz_1}}} |--- {{#if: {{{Massenzahl_2|}}}| {{!}}'''<sup>{{{Massenzahl_2}}}</sup>{{{Symbol}}}''' {{!}} style="white-space:nowrap;" {{!}}{{{Kernspin_2}}} {{!}} style="white-space:nowrap;" {{!}}{{{Gamma_2}}} {{!}} style="white-space:nowrap;" {{!}}{{{Empfindlichkeit_2}}} {{!}} style="white-space:nowrap;" {{!}}{{{Larmorfrequenz_2}}}}} |- {{#if: {{{Massenzahl_3|}}}| {{!}}'''<sup>{{{Massenzahl_3}}}</sup>{{{Symbol}}}''' {{!}} style="white-space:nowrap;" {{!}} {{{Kernspin_3}}} {{!}} style="white-space:nowrap;" {{!}} {{{Gamma_3}}} {{!}} style="white-space:nowrap;" {{!}} {{{Empfindlichkeit_3}}} {{!}} style="white-space:nowrap;" {{!}} {{{Larmorfrequenz_3}}}}} |- {{#if: {{{Massenzahl_4|}}}| {{!}}'''<sup>{{{Massenzahl_4}}}</sup>{{{Symbol}}}''' {{!}} style="white-space:nowrap;" {{!}} {{{Kernspin_4}}} {{!}} style="white-space:nowrap;" {{!}} {{{Gamma_4}}} {{!}} style="white-space:nowrap;" {{!}} {{{Empfindlichkeit_4}}} {{!}} style="white-space:nowrap;" {{!}} {{{Larmorfrequenz_4}}}}} |- |}</div><noinclude> {{Dokumentation}} [[Kategorie:Vorlage:für Vorlagen|NMREigenschaften3]] [[hsb:Předłoha:Infokašćik chemiski element/NMR]] </noinclude> 6fadckayjd176ztzqcgcmbafbhq18vb wikitext text/x-wiki Vorlage:R-Sätze/Format 10 23704 26298 2010-03-11T17:32:58Z Leyo 0 +[[:Kategorie:Sensibilisierender Stoff]] bei 42, 43 und 42/43 <noinclude>Diese Vorlage dient der Unterstützung der [[Vorlage:R-Sätze]]: </noinclude>{{#iferror:{{{1}}} | <span style="border-bottom:1px dotted #ff7d00;" title="Fehlerhafter Satz: {{{2}}}">{{{1}}}</span><span style="display:none;">[[Wikipedia:Redaktion Chemie/fehlerhafte Gefahrstoffkennzeichnung]]</span> | {{#ifeq:{{{2|}}} | ? | <span class="IPA" style="color:#ff5400; border-bottom:1px dotted #ff5400;" title="{{{1|Eingabe fehlt}}}">{{{2}}}</span> | <span class="IPA">[[R- und S-Sätze#R{{{2|}}}{{!}}<span style="color:#ff5400; border-bottom:1px dotted #ff5400;" title="{{{1|Eingabe fehlt}}}">{{{2}}}</span>]]</span>{{#ifeq: {{NAMESPACE}} | {{ns:0}} | {{#switch: {{{2|}}} | 45 | 49 = [[Kategorie:Krebserzeugender Stoff]] | 60 | 61 = [[Kategorie:Fruchtschädigender Stoff]] | 46 = [[Kategorie:Erbgutverändernder Stoff]] | 23 | 24 | 25 | 26 | 27 | 28 | 23/24 | 23/25 | 23/24/25 | 24/25 | 26/27 | 26/28 | 26/27/28 | 27/28 | 39/23 | 39/24 | 39/25 | 39/26 | 39/27 | 39/28 | 39/23/24 | 39/23/25 | 39/23/24/25 | 39/24/25 | 39/26/27 | 39/26/28 | 39/26/27/28 | 39/27/28 | 48/23 | 48/24 | 48/25 | 48/23/24 | 48/23/25 | 48/24/25 | 48/23/24/25 = [[Kategorie:Giftiger Stoff]] | 20 | 21 | 22 | 20/21 | 20/22 | 20/21/22 | 21/22 | 48/20 | 48/21 | 48/22 | 48/20/21 | 48/20/22 | 48/21/22 | 48/20/21/22 | 68/20 | 68/21 | 68/22 | 68/20/21 | 68/20/22 | 68/21/22 | 68/20/21/22 = [[Kategorie:Gesundheitsschädlicher Stoff]] | 42 | 43 | 42/43 = [[Kategorie:Sensibilisierender Stoff]] }} }} }} }}<noinclude> [[Kategorie:Vorlage:für Vorlagen|R-Satze]] </noinclude> sagxo8okc9wl71nsxpzn6vtkpt3zcql wikitext text/x-wiki Vorlage:R-Sätze (Texte) 10 23705 26299 2008-09-13T14:18:33Z Dr.cueppers 0 Es gibt nur 10 "Ziffern" <div style="margin:1em; padding:1em; border:solid 1px #ff0040; background-color:#ffffff;"> {{Überschriftensimulation 2|Funktion}} Diese Vorlage gibt den Text der korrespondierenden R-Nummer zurück. Sie ist zur Verwendung in der [[Vorlage:R-Sätze|Vorlage für R-Sätze]] gedacht. {{Überschriftensimulation 3|Beispiel}} <code><nowiki>{{R-Sätze (Texte)|7}}</nowiki></code> ergibt: {{R-Sätze (Texte)|7}} {{Überschriftensimulation 2|Parameter}} Als Parameter dienen alle Zahlen und ihre Kombinationen gemäß [[R- und S-Sätze]]. </div> Liste aller möglichen R-Sätze: <pre> <onlyinclude>{{#switch: {{{1|}}} | 1 = In trockenem Zustand explosionsgefährlich. | 2 = Durch Schlag, Reibung, Feuer und andere Zündquellen explosionsgefährlich. | 3 = Durch Schlag, Reibung, Feuer und andere Zündquellen besonders explosionsgefährlich. | 4 = Bildet hochempfindliche explosionsgefährliche Metallverbindungen. | 5 = Beim Erwärmen explosionsfähig. | 6 = Mit und ohne Luft explosionsfähig. | 7 = Kann Brand verursachen. | 8 = Feuergefahr bei Berührung mit brennbaren Stoffen. | 9 = Explosionsgefahr bei Mischung mit brennbaren Stoffen. | 10 = Entzündlich. | 11 = Leichtentzündlich. | 12 = Hochentzündlich. | 14 = Reagiert heftig mit Wasser. | 15 = Reagiert mit Wasser unter Bildung leicht entzündlicher Gase. | 16 = Explosionsgefährlich in Mischung mit brandfördernden Stoffen. | 17 = Selbstentzündlich an der Luft. | 18 = Bei Gebrauch Bildung explosionsfähiger /leicht-entzündlicher Dampf-Luftgemische möglich. | 19 = Kann explosionsfähige Peroxide bilden. | 20 = Gesundheitsschädlich beim Einatmen. | 21 = Gesundheitsschädlich bei Berührung mit der Haut. | 22 = Gesundheitsschädlich beim Verschlucken. | 23 = Giftig beim Einatmen. | 24 = Giftig bei Berührung mit der Haut. | 25 = Giftig beim Verschlucken. | 26 = Sehr giftig beim Einatmen. | 27 = Sehr giftig bei Berührung mit der Haut. | 28 = Sehr giftig beim Verschlucken. | 29 = Entwickelt bei Berührung mit Wasser giftige Gase. | 30 = Kann bei Gebrauch leicht entzündlich werden. | 31 = Entwickelt bei Berührung mit Säure giftige Gase. | 32 = Entwickelt bei Berührung mit Säure sehr giftige Gase. | 33 = Gefahr kumulativer Wirkungen. | 34 = Verursacht Verätzungen. | 35 = Verursacht schwere Verätzungen. | 36 = Reizt die Augen. | 37 = Reizt die Atmungsorgane. | 38 = Reizt die Haut. | 39 = Ernste Gefahr irreversiblen Schadens. | 40 = Verdacht auf krebserzeugende Wirkung. | 41 = Gefahr ernster Augenschäden. | 42 = Sensibilisierung durch Einatmen möglich. | 43 = Sensibilisierung durch Hautkontakt möglich. | 44 = Explosionsgefahr bei Erhitzen unter Einschluss. | 45 = Kann Krebs erzeugen. | 46 = Kann vererbbare Schäden verursachen. | 48 = Gefahr ernster Gesundheitsschäden bei längerer Exposition. | 49 = Kann Krebs erzeugen beim Einatmen. | 50 = Sehr giftig für Wasserorganismen. | 51 = Giftig für Wasserorganismen. | 52 = Schädlich für Wasserorganismen. | 53 = Kann in Gewässern längerfristig schädliche Wirkungen haben. | 54 = Giftig für Pflanzen. | 55 = Giftig für Tiere. | 56 = Giftig für Bodenorganismen. | 57 = Giftig für Bienen. | 58 = Kann längerfristig schädliche Wirkungen auf die Umwelt haben. | 59 = Gefährlich für die Ozonschicht. | 60 = Kann die Fortpflanzungsfähigkeit beeinträchtigen. | 61 = Kann das Kind im Mutterleib schädigen. | 62 = Kann möglicherweise die Fortpflanzungsfähigkeit beeinträchtigen. | 63 = Kann das Kind im Mutterleib möglicherweise schädigen. | 64 = Kann Säuglinge über die Muttermilch schädigen. | 65 = Gesundheitsschädlich: Kann beim Verschlucken Lungenschäden verursachen. | 66 = Wiederholter Kontakt kann zu spröder oder rissiger Haut führen. | 67 = Dämpfe können Schläfrigkeit und Benommenheit verursachen. | 68 = Irreversibler Schaden möglich. | 14/15 = Reagiert heftig mit Wasser unter Bildung hochentzündlicher Gase. | 15/29 = Reagiert mit Wasser unter Bildung giftiger und hochentzündlicher Gase. | 20/21 = Gesundheitsschädlich beim Einatmen und bei Berührung mit der Haut. | 20/22 = Gesundheitsschädlich beim Einatmen und Verschlucken. | 20/21/22 = Gesundheitsschädlich beim Einatmen, Verschlucken und Berührung mit der Haut. | 21/22 = Gesundheitsschädlich bei Berührung mit der Haut und beim Verschlucken. | 23/24 = Giftig beim Einatmen und bei Berührung mit der Haut. | 23/25 = Giftig beim Einatmen und Verschlucken. | 23/24/25 = Giftig beim Einatmen, Verschlucken und Berührung mit der Haut. | 24/25 = Giftig bei Berührung mit der Haut und beim Verschlucken. | 26/27 = Sehr giftig beim Einatmen und bei Berührung mit der Haut. | 26/28 = Sehr giftig beim Einatmen und Verschlucken. | 26/27/28 = Sehr giftig beim Einatmen, Verschlucken und Berührung mit der Haut. | 27/28 = Sehr giftig bei Berührung mit der Haut und beim Verschlucken. | 36/37 = Reizt die Augen und die Atmungsorgane. | 36/38 = Reizt die Augen und die Haut. | 36/37/38 = Reizt die Augen, Atmungsorgane und die Haut. | 37/38 = Reizt die Atmungsorgane und die Haut. | 39/23 = Giftig: ernste Gefahr irreversiblen Schadens durch Einatmen. | 39/24 = Giftig: ernste Gefahr irreversiblen Schadens bei Berührung mit der Haut. | 39/25 = Giftig: ernste Gefahr irreversiblen Schadens durch Verschlucken. | 39/23/24 = Giftig: ernste Gefahr irreversiblen Schadens durch Einatmen und bei Berührung mit der Haut. | 39/23/25 = Giftig: ernste Gefahr irreversiblen Schadens durch Einatmen und durch Verschlucken. | 39/24/25 = Giftig: ernste Gefahr irreversiblen Schadens bei Berührung mit der Haut und durch Verschlucken. | 39/23/24/25 = Giftig: ernste Gefahr irreversiblen Schadens durch Einatmen, Berührung mit der Haut und durch Verschlucken. | 39/26 = Sehr giftig: ernste Gefahr irreversiblen Schadens durch Einatmen. | 39/27 = Sehr giftig: ernste Gefahr irreversiblen Schadens bei Berührung mit der Haut. | 39/28 = Sehr giftig: ernste Gefahr irreversiblen Schadens durch Verschlucken. | 39/26/27 = Sehr giftig: ernste Gefahr irreversiblen Schadens durch Einatmen und bei Berührung mit der Haut. | 39/26/28 = Sehr giftig: ernste Gefahr irreversiblen Schadens durch Einatmen und durch Verschlucken. | 39/27/28 = Sehr giftig: ernste Gefahr irreversiblen Schadens bei Berührung mit der Haut und durch Verschlucken. | 39/26/27/28 = Sehr giftig: ernste Gefahr irreversiblen Schadens durch Einatmen, Berührung mit der Haut und durch Verschlucken. | 42/43 = Sensibilisierung durch Einatmen und Hautkontakt möglich. | 48/20 = Gesundheitsschädlich: Gefahr ernster Gesundheitsschäden bei längerer Exposition durch Einatmen. | 48/21 = Gesundheitsschädlich: Gefahr ernster Gesundheitsschäden bei längerer Exposition durch Berührung mit der Haut. | 48/22 = Gesundheitsschädlich: Gefahr ernster Gesundheitsschäden bei längerer Exposition durch Verschlucken. | 48/20/21 = Gesundheitsschädlich: Gefahr ernster Gesundheitsschäden bei längerer Exposition durch Einatmen und durch Berührung mit der Haut. | 48/20/22 = Gesundheitsschädlich: Gefahr ernster Gesundheitsschäden bei längerer Exposition durch Einatmen und durch Verschlucken. | 48/21/22 = Gesundheitsschädlich: Gefahr ernster Gesundheitsschäden bei längerer Exposition durch Berührung mit der Haut und durch Verschlucken. | 48/20/21/22 = Gesundheitsschädlich: Gefahr ernster Gesundheitsschäden bei längerer Exposition durch Einatmen, Berührung mit der Haut und durch Verschlucken. | 48/23 = Giftig: Gefahr ernster Gesundheitsschäden bei längerer Exposition durch Einatmen. | 48/24 = Giftig: Gefahr ernster Gesundheitsschäden bei längerer Exposition durch Berührung mit der Haut. | 48/25 = Giftig: Gefahr ernster Gesundheitsschäden bei längerer Exposition durch Verschlucken. | 48/23/24 = Giftig: Gefahr ernster Gesundheitsschäden bei längerer Exposition durch Einatmen und durch Berührung mit der Haut. | 48/23/25 = Giftig: Gefahr ernster Gesundheitsschäden bei längerer Exposition durch Einatmen und durch Verschlucken. | 48/24/25 = Giftig: Gefahr ernster Gesundheitsschäden bei längerer Exposition durch Berührung mit der Haut und durch Verschlucken. | 48/23/24/25 = Giftig: Gefahr ernster Gesundheitsschäden bei längerer Exposition durch Einatmen, Berührung mit der Haut und durch Verschlucken. | 50/53 = Sehr giftig für Wasserorganismen, kann in Gewässern längerfristig schädliche Wirkungen haben. | 51/53 = Giftig für Wasserorganismen, kann in Gewässern längerfristig schädliche Wirkungen haben. | 52/53 = Schädlich für Wasserorganismen, kann in Gewässern längerfristig schädliche Wirkungen haben. | 68/20 = Gesundheitsschädlich: Möglichkeit irreversiblen Schadens durch Einatmen. | 68/21 = Gesundheitsschädlich: Möglichkeit irreversiblen Schadens bei Berührung mit der Haut. | 68/22 = Gesundheitsschädlich: Möglichkeit irreversiblen Schadens durch Verschlucken. | 68/20/21 = Gesundheitsschädlich: Möglichkeit irreversiblen Schadens durch Einatmen und bei Berührung mit der Haut. | 68/20/22 = Gesundheitsschädlich: Möglichkeit irreversiblen Schadens durch Einatmen und durch Verschlucken. | 68/21/22 = Gesundheitsschädlich: Möglichkeit irreversiblen Schadens bei Berührung mit der Haut und durch Verschlucken. | 68/20/21/22 = Gesundheitsschädlich: Möglichkeit irreversiblen Schadens durch Einatmen, Berührung mit der Haut und durch Verschlucken. | E20 = Auch gesundheitsschädlich beim Einatmen. | E20/21 = Auch gesundheitsschädlich beim Einatmen und bei Berührung mit der Haut. | E20/21/22 = Auch gesundheitsschädlich beim Einatmen, Verschlucken und Berührung mit der Haut. | E20/22 = Auch gesundheitsschädlich beim Einatmen und Verschlucken. | E21 = Auch gesundheitsschädlich bei Berührung mit der Haut. | E21/22 = Auch gesundheitsschädlich bei Berührung mit der Haut und beim Verschlucken. | E22 = Auch gesundheitsschädlich beim Verschlucken. | E23 = Auch giftig beim Einatmen. | E23/24 = Auch giftig beim Einatmen und Berührung mit der Haut. | E23/24/25 = Auch giftig beim Einatmen, Verschlucken und Berührung mit der Haut. | E23/25 = Auch giftig beim Einatmen und Verschlucken. | E24 = Auch giftig bei Berührung mit der Haut. | E24/25 = Auch giftig bei Berührung mit der Haut und beim Verschlucken. | E25 = Auch giftig beim Verschlucken. | E26 = Auch sehr giftig beim Einatmen. | E26/27 = Auch sehr giftig beim Einatmen und bei Berührung mit der Haut. | E26/27/28 = Auch sehr giftig beim Einatmen, Verschlucken und Berührung mit der Haut. | E26/28 = Auch sehr giftig beim Einatmen und Verschlucken. | E27 = Auch sehr giftig bei Berührung mit der Haut. | E27/28 = Auch sehr giftig bei Berührung mit der Haut und beim Verschlucken. | E28 = Auch sehr giftig beim Verschlucken. | E39/23/24 = Auch giftig: ernste Gefahr irreversiblen Schadens durch Einatmen und bei Berührung mit der Haut. | E39/23/24/25 = Auch giftig: ernste Gefahr irreversiblen Schadens durch Einatmen, Berührung mit der Haut und durch Verschlucken. | E39/23/25 = Auch giftig: ernste Gefahr irreversiblen Schadens durch Einatmen und durch Verschlucken. | E39/24 = Auch giftig: ernste Gefahr irreversiblen Schadens bei Berührung mit der Haut. | E39/24/25 = Auch giftig: ernste Gefahr irreversiblen Schadens bei Berührung mit der Haut und durch Verschlucken. | E39/25 = Auch giftig: ernste Gefahr irreversiblen Schadens durch Verschlucken. | E39/26 = Auch sehr giftig: ernste Gefahr irreversiblen Schadens durch Einatmen. | E39/26/27 = Auch sehr giftig: ernste Gefahr irreversiblen Schadens durch Einatmen und bei Berührung mit der Haut. | E39/26/27/28 = Auch sehr giftig: ernste Gefahr irreversiblen Schadens durch Einatmen, Berührung mit der Haut und durch Verschlucken. | E39/26/28 = Auch sehr giftig: ernste Gefahr irreversiblen Schadens durch Einatmen und durch Verschlucken. | E39/27 = Auch sehr giftig: ernste Gefahr irreversiblen Schadens bei Berührung mit der Haut. | E39/27/28 = Auch sehr giftig: ernste Gefahr irreversiblen Schadens bei Berührung mit der Haut und durch Verschlucken. | E39/28 = Auch sehr giftig: ernste Gefahr irreversiblen Schadens durch Verschlucken. | E48/20 = Auch gesundheitsschädlich: Gefahr ernster Gesundheitsschäden bei längerer Exposition durch Einatmen. | E48/20/21 = Auch gesundheitsschädlich: Gefahr ernster Gesundheitsschäden bei längerer Exposition durch Einatmen und durch Berührung mit der Haut. | E48/20/21/22 = Auch gesundheitsschädlich: Gefahr ernster Gesundheitsschäden bei längerer Exposition durch Einatmen, Berührung mit der Haut und durch Verschlucken. | E48/20/22 = Auch gesundheitsschädlich: Gefahr ernster Gesundheitsschäden bei längerer Exposition durch Einatmen und durch Verschlucken. | E48/21 = Auch gesundheitsschädlich: Gefahr ernster Gesundheitsschäden bei längerer Exposition durch Berührung mit der Haut. | E48/21/22 = Auch gesundheitsschädlich: Gefahr ernster Gesundheitsschäden bei längerer Exposition durch Berührung mit der Haut und durch Verschlucken. | E48/22 = Auch gesundheitsschädlich: Gefahr ernster Gesundheitsschäden bei längerer Exposition durch Verschlucken. | E48/23 = Auch giftig: Gefahr ernster Gesundheitsschäden bei längerer Exposition durch Einatmen. | E48/23/24 = Auch giftig: Gefahr ernster Gesundheitsschäden bei längerer Exposition durch Einatmen und durch Berührung mit der Haut. | E48/23/24/25 = Auch giftig: Gefahr ernster Gesundheitsschäden bei längerer Exposition durch Einatmen, Berührung mit der Haut und durch Verschlucken. | 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irreversiblen Schadens bei Berührung mit der Haut. | E68/21/22 = Auch gesundheitsschädlich: Möglichkeit irreversiblen Schadens bei Berührung mit der Haut und durch Verschlucken. | E68/22 = Auch gesundheitsschädlich: Möglichkeit irreversiblen Schadens durch Verschlucken. | ? = Fehlende R-Sätze | #default = <strong class="error">Fehlerhafter R-Satz</strong> }}</onlyinclude> </pre> [[Kategorie:Vorlage:für Vorlagen|{{PAGENAME}}]] r7oefe7grn77fq5bam28hpxo7awsxb3 wikitext text/x-wiki Vorlage:S-Sätze/Format 10 23706 26300 2010-01-10T11:40:31Z Wiegels 0 Syntax <noinclude>Diese Vorlage dient der Unterstützung der [[Vorlage:S-Sätze]]: </noinclude>{{#iferror:{{{1}}} | <span style="border-bottom:1px dotted #ff7d00;" title="Fehlerhafter Satz: {{{2}}}">{{{1}}}</span><span style="display:none;">[[Wikipedia:Redaktion Chemie/fehlerhafte Gefahrstoffkennzeichnung]]</span> | {{#ifeq:{{{2|}}} | ? | <span class="IPA" style="color:#ff5400; border-bottom:1px dotted #ff5400;" title="{{{1|Eingabe fehlt}}}">{{{2}}}</span> | <span class="IPA">[[R- und S-Sätze#S{{{2|}}}{{!}}<span style="color:#ff5400; border-bottom:1px dotted #ff5400;" title="{{{1|Eingabe fehlt}}}">{{{2}}}</span>]]</span> }} }}<noinclude> [[Kategorie:Vorlage:für Vorlagen|S-Satze]] </noinclude> ef13zlhm5qpjf5ngvnrnr2285whjpzj wikitext text/x-wiki Vorlage:S-Sätze (Texte) 10 23707 26301 2008-09-13T14:17:27Z Dr.cueppers 0 es gibt nur 10 "Ziffern" <div style="margin:1em; padding:1em; border:solid 1px #ff0040; background-color:#ffffff;"> {{Überschriftensimulation 2|Funktion}} Diese Vorlage gibt den Text der korrespondierenden S-Nummer zurück. Sie ist zur Verwendung in der [[Vorlage:S-Sätze|Vorlage für S-Sätze]] gedacht. {{Überschriftensimulation 3|Beispiel}} <code><nowiki>{{S-Sätze (Texte)|8}}</nowiki></code> ergibt: {{S-Sätze (Texte)|8}} {{Überschriftensimulation 2|Parameter}} Als Parameter dienen alle Zahlen und ihre Kombinationen gemäß [[R- und S-Sätze]]. </div> Liste aller möglichen S-Sätze: <pre> <onlyinclude>{{#switch: {{{1|}}} | (1) = Unter Verschluss aufbewahren. (Text nur erforderlich bei Abgabe an nichtgewerbliche Endverbraucher) | (2) = Darf nicht in die Hände von Kindern gelangen. (Text nur erforderlich bei Abgabe an nichtgewerbliche Endverbraucher) | 3 = Kühl aufbewahren. | 4 = Von Wohnplätzen fernhalten. | 5 = Unter ... aufbewahren. (geeignete Flüssigkeit vom Hersteller anzugeben) | 6 = Unter ... aufbewahren. (inertes Gas vom Hersteller anzugeben) | 7 = Behälter dicht geschlossen halten. | 8 = Behälter trocken halten. | 9 = Behälter an einem gut gelüfteten Ort aufbewahren. | 10 = Inhalt feucht halten. | 11 = Zutritt von Luft verhindern. | 12 = Behälter nicht gasdicht verschließen. | 13 = Von Nahrungsmitteln, Getränken und Futtermitteln fernhalten. | 14 = Von ... fernhalten. (inkompatible Substanzen vom Hersteller anzugeben) | 15 = Vor Hitze schützen. | 16 = Von Zündquellen fernhalten – Nicht rauchen. | 17 = Von brennbaren Stoffen fernhalten. | 18 = Behälter mit Vorsicht öffnen und handhaben. | 20 = Bei der Arbeit nicht essen und trinken. | 21 = Bei der Arbeit nicht rauchen. | 22 = Staub nicht einatmen. | 23 = Gas/Rauch/Dampf/Aerosol nicht einatmen. (geeignete Bezeichnungen vom Hersteller anzugeben) | 24 = Berührung mit der Haut vermeiden. | 25 = Berührung mit den Augen vermeiden. | 26 = Bei Berührung mit den Augen gründlich mit Wasser abspülen und Arzt konsultieren. | 27 = Beschmutzte, getränkte Kleidung sofort ausziehen. | 28 = Bei Berührung mit der Haut sofort abwaschen mit viel ... (vom Hersteller anzugeben) | 29 = Nicht in die Kanalisation gelangen lassen. | 30 = Niemals Wasser hinzugießen. | 31 = Von explosionsfähigen Stoffen fernhalten | 33 = Maßnahmen gegen elektrostatische Aufladung treffen. | 34 = Schlag und Reibung vermeiden. | 35 = Abfälle und Behälter müssen in gesicherter Weise beseitigt werden. | 36 = Bei der Arbeit geeignete Schutzkleidung tragen. | 37 = Geeignete Schutzhandschuhe tragen. | 38 = Bei unzureichender Belüftung Atemschutzgerät anlegen. | 39 = Schutzbrille/Gesichtsschutz tragen. | 40 = Fußboden und verunreinigte Gegenstände mit ... reinigen. (Material vom Hersteller anzugeben) | 41 = Explosions- und Brandgase nicht einatmen. | 42 = Beim Räuchern/Versprühen geeignetes Atemschutzgerät anlegen. (Bezeichnung vom Hersteller anzugeben) | 43 = Zum Löschen ... verwenden. (vom Hersteller anzugeben)(wenn Wasser die Gefahr erhöht, anfügen: Kein Wasser verwenden) | 44 = Bei Unwohlsein ärztlichen Rat einholen (wenn möglich, dieses Etikett vorzeigen). | 45 = Bei Unfall oder Unwohlsein sofort Arzt hinzuziehen (wenn möglich, dieses Etikett vorzeigen). | 46 = Bei Verschlucken sofort ärztlichen Rat einholen und Verpackung oder Etikett vorzeigen. | 47 = Nicht bei Temperaturen über ...°C aufbewahren. (vom Hersteller anzugeben) | 48 = Feucht halten mit ... (vom Hersteller anzugeben) | 49 = Nur im Originalbehälter aufbewahren. | 50 = Nicht mischen mit ... (vom Hersteller anzugeben) | 51 = Nur in gut belüfteten Bereichen verwenden. | 52 = Nicht großflächig für Wohn- und Aufenthaltsräume zu verwenden. | 53 = Exposition vermeiden – vor Gebrauch besondere Anweisungen einholen. – Nur für den berufsmäßigen Verwender – | 56 = Dieses Produkt und seinen Behälter der Problemabfallentsorgung zuführen. | 57 = Zur Vermeidung einer Kontamination der Umwelt geeigneten Behälter verwenden. | 59 = Information zur Wiederverwendung/Wiederverwertung beim Hersteller/Lieferanten erfragen. | 60 = Dieses Produkt und sein Behälter sind als gefährlicher Abfall zu entsorgen. | 61 = Freisetzung in die Umwelt vermeiden. Besondere Anweisungen einholen/Sicherheitsdatenblatt zu Rate ziehen. | 62 = Bei Verschlucken kein Erbrechen herbeiführen. Sofort ärztlichen Rat einholen und Verpackung oder dieses Etikett vorzeigen. | 63 = Bei Unfall durch Einatmen: Verunfallten an die frische Luft bringen und ruhigstellen. | 64 = Bei Verschlucken Mund mit Wasser ausspülen (Nur wenn Verunfallter bei Bewusstsein ist). | (1/2) = Unter Verschluss und für Kinder unzugänglich aufbewahren. (Text nur erforderlich bei Abgabe an nichtgewerbliche Endverbraucher) | 3/7 = Behälter dicht geschlossen halten und an einem kühlen Ort aufbewahren. | 3/9/14 = An einem kühlen, gut gelüfteten Ort, entfernt von ... aufbewahren. (die Stoffe, mit denen Kontakt vermieden werden muss, sind vom Hersteller anzugeben) | 3/9/14/49 = Nur im Originalbehälter an einem kühlen, gut gelüfteten Ort, entfernt von ... aufbewahren. (die Stoffe, mit denen Kontakt vermieden werden muss, sind vom Hersteller anzugeben) | 3/9/49 = Nur im Originalbehälter an einem kühlen, gut gelüfteten Ort aufbewahren. | 3/14 = An einem kühlen, von ... entfernten Ort aufbewahren. (die Stoffe, mit denen Kontakt vermieden werden muss, sind vom Hersteller anzugeben) | 7/8 = Behälter trocken und dicht geschlossen halten. | 7/9 = Behälter dicht geschlossen an einem gut gelüfteten Ort aufbewahren. | 7/47 = Behälter dicht geschlossen und nicht bei Temperaturen über ... °C aufbewahren. (vom Hersteller anzugeben) | 20/21 = Bei der Arbeit nicht essen, trinken oder rauchen. | 24/25 = Berührung mit den Augen und der Haut vermeiden. | 27/28 = Bei Berührung mit der Haut beschmutzte, getränkte Kleidung sofort ausziehen und Haut sofort abwaschen mit viel ... (vom Hersteller anzugeben) | 29/35 = Nicht in die Kanalisation gelangen lassen; Abfälle und Behälter müssen in gesicherter Weise beseitigt werden. | 29/56 = Nicht in die Kanalisation gelangen lassen; dieses Produkt und seinen Behälter der Problemabfallentsorgung zuführen. | 36/37 = Bei der Arbeit geeignete Schutzhandschuhe und Schutzkleidung tragen. | 36/37/39 = Bei der Arbeit geeignete Schutzkleidung, Schutzhandschuhe und Schutzbrille/Gesichtsschutz tragen. | 36/39 = Bei der Arbeit geeignete Schutzkleidung und Schutzbrille/Gesichtsschutz tragen. | 37/39 = Bei der Arbeit geeignete Schutzhandschuhe und Schutzbrille/Gesichtsschutz tragen. | 47/49 = Nur im Originalbehälter bei einer Temperatur von nicht über ... °C aufbewahren. (vom Hersteller anzugeben) | ? = Fehlende S-Sätze | #default = <strong class="error">Fehlerhafter S-Satz</strong> }}</onlyinclude> </pre> [[Kategorie:Vorlage:für Vorlagen|{{PAGENAME}}]] 9gz6dqiv4yr2nwalmbtkdnwzb0139s2 wikitext text/x-wiki Vorlage:"-en 10 23708 26302 2010-03-16T23:16:05Z Revolus 0 ty {{"|Text={{{1|{{{Text|}}}}}}|Autor={{{2|{{{Autor|}}}}}}|Quelle={{{3|{{{Quelle|}}}}}}|Übersetzung={{{Übersetzung|}}}|vor=“|nach=”|lang=en|ref={{{4|{{{ref|}}}}}}}}<noinclude> {{Zitatvorlage}} [[Kategorie:Vorlage:Formatierungshilfe|"-en]] [[Kategorie:Vorlage:Fremdsprachenunterstützung|"-en]] [[Kategorie:Vorlage:mit Einzelnachweisen|{{PAGENAME}}]] </noinclude> hir64vt9m3fyaql4ku92jqisnf9mjgi wikitext text/x-wiki Vorlage:B 10 23709 26303 2009-04-27T18:42:37Z Treublatt 0 Vorlagenprogrammierung korrigiert <noinclude> {{Tausendfach verwendet}} {{Dokumentation}} </noinclude>{{Kein Selbstlink|{{{{{1}}} (Bibel)}}|{{{1}}}}} {{{2}}}{{#if:{{{3|}}}|,{{{3}}}}} {{Bpur|{{{1}}}|{{{2}}}|{{{3|}}}|{{{4|EU}}}}} pkxmhm4233nc4vva2jhao84ms44j015 wikitext text/x-wiki Vorlage:BBKL 10 23710 26304 2010-04-05T23:33:00Z PDD 110 -, <noinclude> <!-- Bitte in diese Vorlage keine Listenmarkierung ("*") einfügen. Dies ist eine Vorlage zum Zitieren von Literatur und wird extensiv u. a. für Belege verwendet; die Einfügung eines * zerstört daher das Layout zahlreicher Artikel. --> </noinclude><includeonly>{{#if: {{{autor|}}}|{{{autor}}}:&nbsp;}}{{#if: {{{1|}}}|[http://www.bbkl.de/{{{1}}}.{{{endung|shtml}}} ''{{{artikel|{{PAGENAME}}}}}'']|''{{{artikel|{{PAGENAME}}}}}''}}. In: ''[[Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon]]'' (BBKL){{#if:{{{band|}}}|. Band {{{band}}}, {{#switch:{{{band}}} |1=Hamm 1975 |2=Hamm 1990, ISBN 3-88309-032-8 |3=Herzberg 1992, ISBN 3-88309-035-2 |4=Herzberg 1992, ISBN 3-88309-038-7 |5 =Herzberg 1993, ISBN 3-88309-043-3 |6 =Herzberg 1993, ISBN 3-88309-044-1 |7 =Herzberg 1994, ISBN 3-88309-048-4 |8 =Herzberg 1994, ISBN 3-88309-053-0 |9 =Herzberg 1995, ISBN 3-88309-058-1 |10 =Herzberg 1995, ISBN 3-88309-062-X |11 =Herzberg 1996, ISBN 3-88309-064-6 |12 =Herzberg 1997, ISBN 3-88309-068-9 |13 =Herzberg 1998, ISBN 3-88309-072-7 |14 =Herzberg 1998, ISBN 3-88309-073-5 |15 =Herzberg 1999, ISBN 3-88309-077-8 |16 =Herzberg 1999, ISBN 3-88309-079-4 |17 =Herzberg 2000, ISBN 3-88309-080-8 |18 =Herzberg 2001, ISBN 3-88309-086-7 |19 =Nordhausen 2001, ISBN 3-88309-089-1 |20 =Nordhausen 2002, ISBN 3-88309-091-3 |21 =Nordhausen 2003, ISBN 3-88309-110-3 |22 =Nordhausen 2003, ISBN 3-88309-133-2 |23 =Nordhausen 2004, ISBN 3-88309-155-3 |24 =Nordhausen 2005, ISBN 3-88309-247-9 |25 =Nordhausen 2005, ISBN 3-88309-332-7 |26 =Nordhausen 2006, ISBN 3-88309-354-8 |27 =Nordhausen 2007, ISBN 978-3-88309-393-2 |28 =Nordhausen 2007, ISBN 978-3-88309-413-7 |29 =Nordhausen 2008, ISBN 978-3-88309-452-6 |30 =Nordhausen 2009, ISBN 978-3-88309-478-6 |31 =Nordhausen 2010, ISBN 978-3-88309-544-8 |32 =Nordhausen 2011}}{{#if:{{{spalte|}}}|, Sp. {{{spalte|}}}}}{{#if:{{{spalten|}}}|, Sp. {{#iferror:{{#expr:{{{spalten}}}}}|{{{spalten}}}|{{#expr:1*{{{spalten}}}*0}}–{{#expr:-(0*{{{spalten}}}*1)}}}}}}}}.</includeonly><noinclude> {{Dokumentation}}</noinclude> a3pi0o9ncai0o8q33hauq0w3x18cvyk wikitext text/x-wiki Vorlage:Bibel 10 23711 26305 2008-07-29T15:41:12Z Solid State 0 Schützte „[[Vorlage:Bibel]]“: Vandalismusschutz [edit=autoconfirmed:move=autoconfirmed] <noinclude>{{Dokumentation}}</noinclude>({{B|{{{1}}}|{{{2}}}|{{{3|}}}|{{{4|EU}}}}}) pvgict5dn7sahzqnkks5lhbeyufxoro wikitext text/x-wiki Vorlage:Bibleserver 10 23712 26306 2009-06-04T08:42:18Z Quedel 0 +Umleitung von "Ez" nach "Hes" für den Bibelserver <includeonly>{{#switch: {{{1}}} | Ez = Hes | Hld = Hoheslied | Klgl = Klagelieder | Koh = Prediger | Obd = Obadja | Ri = Richter | #default = {{{1}}} }}</includeonly><noinclude>{{Bibelzitate}}</noinclude> myphprqngjly47xga97z0mnqrrl8xwb wikitext text/x-wiki Vorlage:Bpur 10 23713 26307 2009-04-04T16:44:00Z PaterMcFly 0 Einbinden der Bibelübersetzungen für NA und BHS (siehe [[Vorlage Diskussion:B]]) <noinclude> {{Tausendfach verwendet}} {{Dokumentation}} [[Kategorie:Vorlage:Datenbanklink|{{PAGENAME}}]] [[Kategorie:Vorlage:Bibelzitate|{{PAGENAME}}]] </noinclude>{{#switch: {{{4}}} | NA =<small class="noprint">[http://www.bibelwissenschaft.de/nc/online-bibeln/novum-testamentum-graece-na-27/lesen-im-bibeltext/bibelstelle/{{urlencode:{{{1}}}%20{{{2}}},{{#if:{{{3|}}}|{{{3}}}|1}}}}/anzeige/context/#iv {{{4}}}]</small> | BHS =<small class="noprint">[http://www.bibelwissenschaft.de/nc/online-bibeln/biblia-hebraica-stuttgartensia-bhs/lesen-im-bibeltext/bibelstelle/{{urlencode:{{{1}}}%20{{{2}}},{{#if:{{{3|}}}|{{{3}}}|1}}}}/anzeige/context/#iv {{{4}}}]</small> | #default =<small class="noprint">[http://www.bibleserver.com/go.php?lang=de&bible={{{4|EU}}}&ref={{urlencode:{{Bibleserver|{{{1}}}}}{{{2}}}{{#if:{{{3|}}}|,{{{3}}}}}}} {{{4|EU}}}]</small>}} 444pyeacb4srw6ihlle3honhsk5rylq wikitext text/x-wiki Vorlage:CIL 10 23714 26308 2009-12-06T19:55:17Z Haselburg-müller 0 <includeonly>[[Corpus Inscriptionum Latinarum|''CIL'']] [http://oracle-vm.ku-eichstaett.de:8888/epigr/epieinzel_de?p_belegstelle={{urlencode:CIL {{padleft:{{{1}}}|2|0}}, {{padleft:{{{2}}}|5|0}}}}&r_sortierung=Belegstelle {{#if: {{{R|A}}} | {{{1}}} |{{getRoman|{{{1}}}}}}}, {{{2}}}]</includeonly><noinclude> '''Funktion:''' Diese Vorlage erzeugt einen Link auf den angegebene [[Corpus Inscriptionum Latinarum|CIL]]-Eintrag. '''Verwendung:''' <code><nowiki>{{CIL|Band (in arabischen Ziffern)|Nummer}}</nowiki></code> '''Beispiel:''' :<nowiki>{{CIL|03|12345}}</nowiki> wird zu {{CIL|03|12345}}. :Durch die Angabe des Parameters R= wird die Bandnummer in römischen Zahlen wiedergegeben: :<nowiki>{{CIL|03|12345|R=}}</nowiki> wird zu {{CIL|03|12345|R=}}. [[Kategorie:Vorlage:Datenbanklink|Cil]] [[als:Vorlage:CIL]] [[it:Template:CIL]] [[en:Template:CIL]] </noinclude> raqk89026pax4lke9sxbhrckcar5g2m wikitext text/x-wiki Vorlage:DIR 10 23715 26309 2009-12-09T19:31:43Z Hydro 0 katfix wg. großbuchstaben {{{2}}}: [http://www.roman-emperors.org/{{{1}}}.htm{{{3|}}} Fachwissenschaftliche Kurzbiografie (englisch)] aus ''[[De Imperatoribus Romanis]]'' (inkl. Literaturangaben).<noinclude> == Verwendung == <nowiki>* {{DIR|name|autor|abschnitt}}</nowiki> [[Kategorie:Vorlage:Datenbanklink|Dir]] </noinclude> byyyv3jmqckvzy2ji4ldhtolg12vymj wikitext text/x-wiki Vorlage:Folgenleiste 10 23716 26310 2009-12-18T18:06:25Z Netnet 0 kleiner abstand, siehe auch disk <noinclude>{{Dokumentation}} </noinclude><div style="clear:both; padding:3px;" class="NavContent"> {| style="width:100%; border:1px solid #aaaaaa; background-color:#f9f9f9; padding:5px; font-size:95%" |- style="text-align:center" | style="width:35%" | '''Vorgänger{{#if:{{{VORGÄNGERIN|}}}|in}}{{#if:{{{VORGÄNGERINNEN|}}}|innen}}'''<br /> {{{VORGÄNGERINNEN|{{{VORGÄNGERIN|{{{VORGÄNGER}}}}}}}}} | style="width:30%" | '''{{{AMT}}}'''{{#if:{{{ZEIT|}}}|<br />{{{ZEIT}}}}} | style="width:35%" | '''Nachfolger{{#if:{{{NACHFOLGERIN|}}}|in}}{{#if:{{{NACHFOLGERINNEN|}}}|innen}}'''<br /> {{{NACHFOLGERINNEN|{{{NACHFOLGERIN|{{{NACHFOLGER}}}}}}}}} |} </div> jhq9jphc45jyr4zdxuvymfdvdbso0yy wikitext text/x-wiki Vorlage:Folgenleiste Römische Kaiser 10 23717 26311 2007-10-22T05:52:16Z Carbidfischer 0 Linkfix {{Folgenleiste |AMT=[[Liste der römischen Kaiser der Antike|Römischer Kaiser]] |VORGÄNGER={{{VG|{{{VORGÄNGER}}}}}} |NACHFOLGER={{{NF|{{{NACHFOLGER}}}}}} }}<noinclude> [[Kategorie:Vorlage:Folgenleiste|Romische Kaiser]] </noinclude> dfykmv1hh7eh4l9uydjkm671fheien2 wikitext text/x-wiki Vorlage:Kein Selbstlink 10 23718 26312 2009-01-19T21:48:06Z WIKImaniac 0 +[[Vorlage:Dokumentation]] <includeonly>{{#ifeq: {{{1}}} | {{PAGENAME}} |{{#if: {{{2|}}}|{{{2}}}|{{{1}}}}}|{{#if: {{{2|}}} |[[{{{1}}}|{{{2}}}]]|[[{{{1}}}]]}}}}</includeonly><noinclude>{{Dokumentation}} </noinclude> rtj8fdnjayw4ihc2zhml45gquja5pw7 wikitext text/x-wiki Vorlage:Lk (Bibel) 10 23719 26313 2010-02-03T07:33:22Z Halbarath 0 Änderungen von [[Special:Beiträge/79.234.171.42|79.234.171.42]] rückgängig gemacht und letzte Version von wiederhergestellt Evangelium nach Lukas<noinclude> {{Bibelzitate}}</noinclude> l0ca0pggyhez7ukxkwukw6ztirwwyl4 wikitext text/x-wiki Vorlage:Mk (Bibel) 10 23720 26314 2006-04-15T23:12:10Z JakobVoss 34 Evangelium nach Markus<noinclude> {{Bibelzitate}}</noinclude> ovo67r7gnwca4xw6ajipf7khvwn20z4 wikitext text/x-wiki Vorlage:Mt (Bibel) 10 23721 26315 2009-06-27T14:42:43Z Alleswissender 0 Änderungen von [[Special:Contributions/Aliensyellow|Aliensyellow]] ([[User talk:Aliensyellow|Diskussion]]) rückgängig gemacht und letzte Version von [[User:JakobVoss|JakobVoss]] wiederhergestellt Evangelium nach Matthäus<noinclude>{{Bibelzitate}}</noinclude> p0kol7ka46z2khaz65v0oevjvnk3xhw wikitext text/x-wiki Vorlage:LaS 10 23722 26316 2010-04-29T01:57:33Z W!B: 0 abgekürzt, wie die anderen in der serie {{#if:{{{1|}}}|[[Latein|lat.]]&nbsp;{{lang|la|{{{1}}}}}|[[Latein|lateinisch]]}}<noinclude> [[Kategorie:Vorlage:Fremdsprachenunterstützung|LaS]] </noinclude> l6rtisgaxgan2fdbhk8jbntdf53x2z3 wikitext text/x-wiki Vorlage:FemBio 10 23723 26317 2009-11-20T14:30:13Z Löschfix 0 Emuliert ''[{{{1}}} {{PAGENAME}}].'' In: ''FemBio. Frauen-Biographieforschung.'' (inkl. Literaturangaben und Zitaten)<noinclude> == Kopiervorlage == <nowiki>{{FemBio|Weblink}}</nowiki> [[Kategorie:Vorlage:Datenbanklink|FemBio]] == Beispiel == <nowiki>{{FemBio|http://www.fembio.org/biographie.php/frau/biographie/anita-augspurg/}}</nowiki> ergibt: {{FemBio|http://www.fembio.org/biographie.php/frau/biographie/anita-augspurg/}} </noinclude> q7yf3q2jsrxzb5rksmothjvawk3zglk wikitext text/x-wiki Vorlage:IMDb Name 10 23724 26318 2009-12-10T11:06:33Z Merlissimo 313 + {{Dokumentation}} {{#if: {{{2|}}}| {{{2|{{SEITENNAME}}}}} | {{{NAME|{{SEITENNAME}}}}}}} in der [http://www.imdb.de/name/nm{{#if: {{{1|}}}|{{{1}}}/ | {{{ID}}}/ }} deutschen] und [http://www.imdb.com/name/nm{{#if: {{{1|}}}|{{{1}}}/ | {{{ID}}}/ }} englischen] Version der [[Internet Movie Database]]<noinclude> {{Dokumentation}} </noinclude> 40qbhdcxftjeern5o6pld3tzgx70r4l wikitext text/x-wiki Vorlage:LeMO 10 23725 26319 2010-03-27T19:08:36Z Löschfix 0 an Vorlage:Internetquelle angeglichen <includeonly>* {{ #if:{{{3|}}}|{{{3}}}: |}} ''[http://www.dhm.de/lemo/html/biografien/{{#if: {{{1|}}}|{{{1}}}/index.html Tabellarischer Lebenslauf von {{{2|{{PAGENAME}}}}} |{{{ID}}}/index.html Tabellarischer Lebenslauf von {{{NAME|{{PAGENAME}}}}} }}].'' In: ''[[Deutsches Historisches Museum#LeMO|LeMO]]'' ([[Deutsches Historisches Museum|DHM]] und [[Haus der Geschichte|HdG]]).</includeonly><noinclude> {{Dokumentation}} [[als:Vorlage:LeMO]] [[bar:Vorlage:LeMO]] [[Kategorie:Vorlage:Datenbanklink|LeMO]] </noinclude> qtkokgt1xcodwmtizphudh80uty7vaz wikitext text/x-wiki Vorlage:Der Spiegel 10 23726 26320 2010-03-31T12:10:44Z Iccander 0 Verlinkt auf Wikipediaeintrag "Der Spiegel" <includeonly>{{#if:{{booland|{{{Titel|}}}|{{{ID|}}}}} |{{Literatur|Titel={{{Titel|}}}|Online=[http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-{{{ID|}}}.html Online]|Autor={{{Autor|}}}|Sammelwerk=[[Der Spiegel]]|Jahr={{{Jahr|}}}|Band={{{Jg|}}}|Nummer={{{Nr|}}}|Kommentar={{{Kommentar|}}}|Seiten={{{Seiten|}}}}} |{{#if: {{{Text}}}|[http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-{{{1}}}.html {{{Text|[[Der Spiegel]]: „{{{Titel}}}“}}}]|http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-{{{1}}}.html}}{{#if:{{NAMESPACE}}|<!--void-->|[[Kategorie:Vorlage Der Spiegel mit alten 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[move=sysop] (unbeschränkt)) <onlyinclude><span style="visibility:hidden" id="{{anchorencode:{{{1|{{{anchor|anchor}}}}}}}}"><span id="Anker:{{anchorencode:{{{1|{{{anchor|anchor}}}}}}}}"></span></span></onlyinclude> [[Kategorie:Vorlage:für Vorlagen|Anker/code]] oxcxo2kctpm9hcwomdv1qv0s6l3xroh wikitext text/x-wiki Vorlage:Dmoz 10 23731 27217 26325 2010-05-01T09:19:31Z Löschfix 0 wikify - an Standard angepasst, siehe Vorlage:Internetquelle * [http://{{#if:{{{1|}}}|{{#rel2abs:www.dmoz.org/{{{1}}}}}/|www.dmoz.org/cgi-bin/search?search={{urlencode:{{PAGENAME}}}}}} Links zum Thema {{{2|{{PAGENAME}}}}}]. In: ''[[Open Directory Project]].''<noinclude> [[Kategorie:Vorlage:Datenbanklink|Dmoz]] [[bg:Шаблон:Dmoz]] [[da:Skabelon:Dmoz]] [[en:Template:Dmoz]] [[eo:Ŝablono:Dmoz]] [[fr:Modèle:Dmoz]] [[hr:Predložak:Dmoz]] [[is:Snið:Dmoz]] [[it:Template:Dmoz]] [[ja:Template:Dmoz]] [[ru:Шаблон:Dmoz]] [[uk:Шаблон:Dmoz]] </noinclude> nxi7mi5pu2vl130mgnnf7sr46g8mmmx wikitext text/x-wiki Vorlage:RL 10 23732 26326 2010-04-07T12:05:00Z Leyo 0 +[[:Kategorie:Vorlage:Datenbanklink Chemie]] <includeonly>aus&nbsp;RL&nbsp;67/548/EWG,&nbsp;Anh.&nbsp;I&nbsp;{{#tag:ref|{{#if: {{{1|}}} | [http://ecb.jrc.ec.europa.eu/esis/index.php?LANG=de&GENRE=CASNO&ENTREE={{{1}}} Eintrag zu ''CAS-Nr. {{{1}}}''] im [[European chemical Substances Information System]] ''ESIS''}} {{#if: {{{Sammelbegriff|}}} | Nicht explizit in RL 67/548/EWG, Anh. I gelistet, fällt aber dort mit der angegebenen Kennzeichnung unter den Sammelbegriff ''„{{{Sammelbegriff}}}“;'' [http://biade.itrust.de/biade/lpext.dll?f=id&id=biadb:r:{{padleft:{{{ZVG}}}|6|0}}&t=main-h.htm Eintrag] in der GESTIS-Stoffdatenbank des [[Institut für Arbeitsschutz der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung{{!}}IFA]], abgerufen am {{{Datum}}} <small>(JavaScript erforderlich)</small> }} |name="ESIS"}}</includeonly><noinclude> ;Funktion: Diese Vorlage ist für die Verwendung innerhalb von [[Vorlage:Infobox Chemikalie]] sowie [[Vorlage:Infobox Chemisches Element]] für den Parameter „Quelle GefStKz“ vorgesehen, falls die Substanz in '''RL&nbsp;67/548/EWG,&nbsp;Anh.&nbsp;I''' gelistet ist. Es gibt die beiden Versionen: <br /><tt><nowiki>{{RL|CAS}}</nowiki></tt> für Einzelnachweise im [[European chemical Substances Information System]] ''ESIS'' und <br /><tt><nowiki>{{RL|Sammelbegriff= |ZVG= |Datum= }}</nowiki></tt> für die unter einem Sammelbegriff eingestuften Stoffe mit Nachweis bei [http://www.dguv.de/bgia/de/gestis/stoffdb/index.jsp GESTIS] (bei ESIS nicht verfügbar). In der Box erscheint jeweils (hinter „Gefahrstoffkennzeichnung“) „'''aus RL 67/548/EWG, Anh. I'''“ und unten die Fußnote(n). ;Beispiele: :[[Salzsäure]]: <tt><nowiki>{{RL|647-01-0}}</nowiki></tt> → {{RL|647-01-0}} :Ergebnis: :<references /> :[[Blei(II)-iodid]]: <tt><nowiki>{{RL|Sammelbegriff=Bleiverbindungen|ZVG=82810|Datum=31. März 2009}}</nowiki></tt> → {{RL|Sammelbegriff=Bleiverbindungen|ZVG=82810|Datum=31. März 2009}} :Ergebnis: :<references /> ;Weitere Einzelnachweise (nur für ESIS): Wenn im Artikel zusätzliche Einzelnachweise auf ESIS gemacht werden sollen, kann dies mittels <tt><nowiki><ref name="ESIS" /></nowiki></tt> geschehen. ;Siehe auch: [[Vorlage:ESIS]] [[Kategorie:Vorlage:für Vorlagen|{{PAGENAME}}]] [[Kategorie:Vorlage:mit Einzelnachweisen|{{PAGENAME}}]] [[Kategorie:Vorlage:Datenbanklink Chemie|{{PAGENAME}}]] </noinclude> g67epr6qa8ewudyyfimsmu81p1xptif wikitext text/x-wiki Vorlage:GroupNum 10 23733 26327 2010-01-05T13:49:12Z Entlinkt 0 + Unterstützung für eine fünfte Zifferngruppe, − [[Vorlage:Exp10]] <noinclude>{{Dokumentation}}</noinclude><includeonly>{{ padleft: {{#expr: floor({{{1}}} / 10^({{{3|0}}} + {{{4|0}}} + {{{5|0}}} + {{{6|0}}}))}} | {{{2|0}}} | 0 }}{{{del|&nbsp;}}}{{ padleft: {{#expr: floor({{{1}}} / 10^({{{4|0}}} + {{{5|0}}} + {{{6|0}}})) - floor({{{1}}} / 10^({{{3|0}}} + {{{4|0}}} + {{{5|0}}} + {{{6|0}}})) * 10^{{{3|0}}} }} | {{{3|0}}} | 0 }}{{#if: {{{4|}}} | {{{del|&nbsp;}}}{{ padleft: {{#expr: floor({{{1}}} / 10^({{{5|0}}} + {{{6|0}}})) - floor({{{1}}} / 10^({{{4}}} + {{{5|0}}} + {{{6|0}}})) * 10^{{{4}}} }} | {{{4}}} | 0}}}}{{#if: {{{5|}}} | {{{del|&nbsp;}}}{{ padleft: {{#expr: floor({{{1}}} / 10^{{{6|0}}}) - floor({{{1}}} / 10^({{{5|0}}} + {{{6|0}}})) * 10^{{{5}}} }} | {{{5}}} | 0}}}}{{#if: {{{6|}}} | {{{del|&nbsp;}}}{{ padleft: {{#expr: {{{1}}} - floor({{{1}}} / 10^{{{6}}}) * 10^{{{6}}} }} | {{{6}}} | 0}} }}</includeonly> plifb38fm7x2l2b6vkl8n26ggw89sm0 wikitext text/x-wiki Vorlage:Großes Bild 10 23734 26328 2009-08-27T13:04:05Z 0 hat „[[Vorlage:Großes Bild]]“ nach „[[Vorlage:Panorama]]“ verschoben: War auf der [[Vorlage Diskussion:Panorama|Disk]] mehrmals gewünscht, Probleme der Schweizer mit ß. #WEITERLEITUNG [[Vorlage:Panorama]] bhme3xsq657vze6wae83hwwwg4nptq3 wikitext text/x-wiki Vorlage:Imagemap Hessen 10 23735 27245 26329 2010-05-03T15:39:17Z Entlinkt 0 Kat {{#tag:imagemap| Bild:{{{Bild|{{{1|Hesse KB.svg}}}}}}{{!}}{{{Maße|thumb}}}{{!}}{{{Alt|Lage des {{{2<includeonly>|{{PAGENAME}}</includeonly>}}} in [[Hessen]] (anklickbare Karte)}}} {{#ifexpr: {{#time: U | {{{Stand|}}} }} < 1217548800 <!-- 1. August 2008 --> | <!-- Kreise in HE vor dem 1. August 2008 --> default [[Kreisreformen in der Bundesrepublik Deutschland#Hessen|Kreisreformen in Niedersachsen]] | <!-- Aktuelle Kreise--> poly 565 180 563 210 595 226 622 216 627 202 626 192 [[Kassel]] poly 499 141 504 177 478 180 486 246 512 266 538 259 547 232 559 235 628 255 637 269 647 265 655 252 684 231 666 229 652 212 659 196 618 174 653 159 637 103 669 81 650 55 630 45 599 45 575 53 556 61 560 85 520 130 [[Landkreis Kassel]] poly 649 264 666 268 686 281 692 283 698 309 779 358 785 344 832 355 837 338 819 329 821 302 806 283 824 284 832 296 848 263 793 240 786 219 747 210 755 167 732 146 707 159 705 172 687 176 679 182 691 196 696 189 679 217 660 198 658 215 676 226 691 226 671 242 [[Werra-Meißner-Kreis]] poly 457 365 469 393 485 393 486 410 493 428 579 457 617 432 606 405 635 341 668 316 691 321 699 310 696 284 654 264 639 270 628 259 629 251 568 241 554 230 538 233 540 255 510 272 519 292 [[Schwalm-Eder-Kreis]] poly 281 368 334 380 352 356 461 384 457 361 520 293 503 257 484 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356 383 377 418 373 442 386 463 381 475 399 488 404 497 432 422 489 423 500 401 504 316 504 298 475 276 483 277 450 250 443 [[Landkreis Marburg-Biedenkopf]] poly 169 503 166 533 179 552 196 556 212 565 281 641 306 633 303 605 337 585 313 574 324 554 322 543 303 530 297 537 299 513 314 509 300 477 275 489 272 454 251 443 239 421 223 411 174 460 185 476 [[Lahn-Dill-Kreis]] poly 165 698 235 700 242 654 278 641 282 643 258 611 240 593 222 581 202 561 199 552 179 556 163 584 143 574 122 590 132 618 113 643 155 663 [[Landkreis Limburg-Weilburg]] poly 301 610 337 583 313 576 327 557 311 539 298 533 297 514 322 503 359 500 409 496 430 497 439 519 435 526 494 565 468 593 447 598 437 627 390 624 380 608 334 605 309 636 [[Landkreis Gießen]] poly 451 798 424 796 414 802 407 787 411 772 383 770 397 699 468 722 506 710 535 665 545 613 567 628 563 646 588 642 596 624 607 626 630 649 654 639 658 649 672 646 689 663 693 691 656 705 662 722 643 728 610 721 609 753 619 754 615 782 582 793 562 768 528 768 508 773 500 789 494 788 488 776 457 785 [[Main-Kinzig-Kreis]] poly 294 637 301 652 323 654 330 675 325 689 335 699 351 724 353 748 361 755 398 743 409 699 464 722 501 717 535 676 541 646 543 618 521 616 504 621 479 621 469 593 452 601 442 603 443 626 388 627 376 607 334 607 314 627 [[Wetteraukreis]] poly 86 844 175 821 179 803 157 781 174 775 192 765 215 757 233 761 243 754 241 733 261 706 234 699 201 706 197 695 180 703 167 697 166 707 138 710 134 731 123 724 92 746 96 757 105 771 101 782 87 775 79 778 80 794 56 806 [[Rheingau-Taunus-Kreis]] poly 234 664 230 695 256 701 257 716 243 735 262 742 269 752 297 752 313 754 326 756 329 738 352 727 337 696 319 692 333 673 317 656 299 651 294 641 254 646 [[Hochtaunuskreis]] poly 160 784 173 817 200 823 214 827 220 837 234 835 237 816 247 812 235 759 191 768 [[Wiesbaden]] poly 237 832 261 831 294 801 280 787 306 773 322 758 309 748 272 752 260 746 242 738 237 736 243 756 233 760 243 786 [[Main-Taunus-Kreis]] poly 278 950 287 969 296 967 308 949 300 942 297 896 309 885 299 869 330 845 313 821 297 823 297 816 304 809 305 803 289 806 260 839 217 836 239 861 241 892 249 905 250 928 265 944 284 948 [[Landkreis Groß-Gerau]] poly 281 787 289 801 307 804 300 813 298 820 311 821 320 815 323 807 364 793 360 775 386 768 391 740 358 757 355 728 334 738 319 765 [[Frankfurt am Main]] poly 360 775 369 804 373 809 396 797 397 773 379 773 [[Offenbach am Main]] poly 315 824 339 856 361 852 404 858 438 835 460 836 456 815 441 811 453 797 424 791 420 801 407 787 407 771 394 774 392 791 398 794 371 808 366 795 338 808 326 806 [[Landkreis Offenbach]] poly 336 859 326 884 312 911 325 919 330 928 344 936 349 910 370 894 369 855 [[Darmstadt]] poly 332 848 300 861 303 880 305 895 292 900 304 962 349 967 358 952 368 961 383 962 405 932 432 932 437 930 453 903 464 911 463 834 431 830 420 851 371 857 371 882 363 896 351 911 347 931 339 935 323 915 311 913 319 892 331 880 329 861 340 856 [[Landkreis Darmstadt-Dieburg]] poly 269 1038 238 983 272 968 278 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Die Imagemap ist in erster Linie als Ergänzung zur [[Vorlage:Navigationsleiste Landkreise und kreisfreie Städte in Hessen|Navigationsleiste Navigationsleiste Landkreise und kreisfreie Städte in Hessen]] gedacht und soll die selben Links wie diese enthalten. Verwendung: <nowiki>{{</nowiki>{{PAGENAME}}|Bild.png|Genitiv des Landkreisnamens}} Es dürfen nur Bilder mit einer Basisgröße von 868&nbsp;×&nbsp;1164 Pixeln eingesetzt werden. Die zur Verfügung stehenden Karten sind in der [[commons:Category:Locator maps of districts in Hesse|Kategorie ''Locator maps of districts in Hesse'']] aufgezählt. Für die Verwendung in Infoboxen: <nowiki>{{</nowiki>{{PAGENAME}}<nowiki>|Bild=…|Maße=frameless{{!}}299x299px|Alt=…}}</nowiki> [[Kategorie:Vorlage:Imagemap Land (Deutschland)|Hessen]] [[Kategorie:Vorlage:Hessen|Imagemap Hessen]] </noinclude> lh0cra3dl552j3lvwdfd2pdqqeaz33m wikitext text/x-wiki Vorlage:Info ISO-3166-2:DE-HE 10 23736 26330 2009-04-04T10:29:17Z Visi-on 0 <onlyinclude>{{#switch: {{lc:{{{1|}}} }} |continent = Europa <!--Administration--> |level = 1 |maxlevel= 1 |acronym = HE |top = DE |upper = DE |lemma = Hessen |admname = Land Hessen |admtype = Land |0 = Deutschland |1 = Hessen |2 = |map = Deutschland Hessen |flag = Flag of Hesse.svg }}</onlyinclude>{{Vorlage:Info ISO-3166-2/Info}} lu81fjt1ajyjucl3uds3e0cu0snbvuj wikitext text/x-wiki Vorlage:Infobox Gemeinde in Deutschland 10 23737 26331 2009-08-28T20:54:53Z Entlinkt 0 Fix <includeonly>{{Infobox Verwaltungseinheit in Deutschland |summary = Infobox Gemeinde in Deutschland |Art = {{{Art|}}} |Name = {{{Name|}}} |Nominativ = 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border-top:2px solid blue;" | {{formatnum: {{{lmdez|}}} }} |} |- style="background: #FFFFFF;" | style="padding-left: 3px; padding-right: 8px;" | Jan | style="padding-right: 8px;" | Feb | style="padding-right: 8px;" | Mär | style="padding-right: 8px;" | Apr | style="padding-right: 8px;" | Mai | style="padding-right: 8px;" | Jun | style="padding-right: 8px;" | Jul | style="padding-right: 8px;" | Aug | style="padding-right: 8px;" | Sep | style="padding-right: 8px;" | Okt | style="padding-right: 8px;" | Nov | style="padding-right: 8px;" | Dez |} {| border="0" cellspacing="0" cellpadding="0" align="left" style="font-size:75%; background:#f8f8f8; margin-top:10px; text-align:center; margin-left:15px; {{#ifeq: {{{DIAGRAMM NIEDERSCHLAG|}}} | deaktiviert | display:none;}}" |- | style="padding-left: 2px; padding-right: 3px; background:#ffffff; line-height:150%;" | N<br />i<br />e<br />d<br />e<br />r<br />s<br />c<br />h<br />l<br />a<br />g | style="vertical-align: bottom; padding-left: 3px; padding-right: 8px; border-left: 1px solid gray; border-bottom: 1px solid gray" | {{formatnum: {{{nbjan}}} }} <div title="Januar" style="background: #8AB0FF; border-color: #739CF1; border-style: solid; border-width: 0px 1px 0px 1px; width: 19px; height:{{#if: {{{DIAGRAMM NIEDERSCHLAG HÖHE|}}}|{{#expr: {{{DIAGRAMM NIEDERSCHLAG HÖHE|200}}} / {{Klimatabelle/Maximum|{{{nbjan|}}}|{{{nbfeb|}}}|{{{nbmär|}}}| {{{nbapr|}}}|{{{nbmai|}}}|{{{nbjun|}}}|{{{nbjul|}}}|{{{nbaug|}}}|{{{nbsep|}}}| {{{nbokt|}}}|{{{nbnov|}}}|{{{nbdez|}}}}} * {{{nbjan|0}}} }}|{{#expr: 2.5 * {{{nbjan|0}}} round 0}}}}px"></div> | style="vertical-align: bottom; padding-right: 8px; border-bottom: 1px solid gray" | {{formatnum: {{{nbfeb}}} }} <div title="Februar" style="background: #8AB0FF; border-color: #739CF1; border-style: solid; border-width: 0px 1px 0px 1px; width: 19px; height:{{#if: {{{DIAGRAMM NIEDERSCHLAG HÖHE|}}}|{{#expr: {{{DIAGRAMM NIEDERSCHLAG HÖHE|200}}} / {{Klimatabelle/Maximum|{{{nbjan|}}}|{{{nbfeb|}}}|{{{nbmär|}}}| {{{nbapr|}}}|{{{nbmai|}}}|{{{nbjun|}}}|{{{nbjul|}}}|{{{nbaug|}}}|{{{nbsep|}}}| {{{nbokt|}}}|{{{nbnov|}}}|{{{nbdez|}}}}} * {{{nbfeb|0}}} }}|{{#expr: 2.5 * {{{nbfeb|0}}} round 0}}}}px"></div> | style="vertical-align: bottom; padding-right: 8px; border-bottom: 1px solid gray" | {{formatnum: {{{nbmär}}} }} <div title="März" style="background: #8AB0FF; border-color: #739CF1; border-style: solid; border-width: 0px 1px 0px 1px; width: 19px; height:{{#if: {{{DIAGRAMM NIEDERSCHLAG HÖHE|}}}|{{#expr: {{{DIAGRAMM NIEDERSCHLAG HÖHE|200}}} / {{Klimatabelle/Maximum|{{{nbjan|}}}|{{{nbfeb|}}}|{{{nbmär|}}}| {{{nbapr|}}}|{{{nbmai|}}}|{{{nbjun|}}}|{{{nbjul|}}}|{{{nbaug|}}}|{{{nbsep|}}}| {{{nbokt|}}}|{{{nbnov|}}}|{{{nbdez|}}}}} * {{{nbmär|0}}} }}|{{#expr: 2.5 * {{{nbmär|0}}} round 0}}}}px"></div> | style="vertical-align: bottom; padding-right: 8px; border-bottom: 1px solid gray" | {{formatnum: {{{nbapr}}} }} <div title="April" style="background: #8AB0FF; border-color: #739CF1; border-style: solid; border-width: 0px 1px 0px 1px; width: 19px; height:{{#if: {{{DIAGRAMM NIEDERSCHLAG HÖHE|}}}|{{#expr: {{{DIAGRAMM NIEDERSCHLAG HÖHE|200}}} / {{Klimatabelle/Maximum|{{{nbjan|}}}|{{{nbfeb|}}}|{{{nbmär|}}}| {{{nbapr|}}}|{{{nbmai|}}}|{{{nbjun|}}}|{{{nbjul|}}}|{{{nbaug|}}}|{{{nbsep|}}}| {{{nbokt|}}}|{{{nbnov|}}}|{{{nbdez|}}}}} * {{{nbapr|0}}} }}|{{#expr: 2.5 * {{{nbapr|0}}} round 0}}}}px"></div> | style="vertical-align: bottom; padding-right: 8px; border-bottom: 1px solid gray" | {{formatnum: {{{nbmai}}} }} <div title="Mai" style="background: #8AB0FF; border-color: #739CF1; border-style: solid; border-width: 0px 1px 0px 1px; width: 19px; height:{{#if: {{{DIAGRAMM NIEDERSCHLAG HÖHE|}}}|{{#expr: {{{DIAGRAMM NIEDERSCHLAG HÖHE|200}}} / {{Klimatabelle/Maximum|{{{nbjan|}}}|{{{nbfeb|}}}|{{{nbmär|}}}| {{{nbapr|}}}|{{{nbmai|}}}|{{{nbjun|}}}|{{{nbjul|}}}|{{{nbaug|}}}|{{{nbsep|}}}| {{{nbokt|}}}|{{{nbnov|}}}|{{{nbdez|}}}}} * {{{nbmai|0}}} }}|{{#expr: 2.5 * {{{nbmai|0}}} round 0}}}}px"></div> | style="vertical-align: bottom; padding-right: 8px; border-bottom: 1px solid gray" | {{formatnum: {{{nbjun}}} }} <div title="Juni" style="background: #8AB0FF; border-color: #739CF1; border-style: solid; border-width: 0px 1px 0px 1px; width: 19px; height:{{#if: {{{DIAGRAMM NIEDERSCHLAG HÖHE|}}}|{{#expr: {{{DIAGRAMM NIEDERSCHLAG HÖHE|200}}} / {{Klimatabelle/Maximum|{{{nbjan|}}}|{{{nbfeb|}}}|{{{nbmär|}}}| {{{nbapr|}}}|{{{nbmai|}}}|{{{nbjun|}}}|{{{nbjul|}}}|{{{nbaug|}}}|{{{nbsep|}}}| {{{nbokt|}}}|{{{nbnov|}}}|{{{nbdez|}}}}} * {{{nbjun|0}}} }}|{{#expr: 2.5 * {{{nbjun|0}}} round 0}}}}px"></div> | style="vertical-align: bottom; padding-right: 8px; border-bottom: 1px solid gray" | {{formatnum: {{{nbjul}}} }} <div title="Juli" style="background: #8AB0FF; border-color: #739CF1; border-style: solid; border-width: 0px 1px 0px 1px; width: 19px; height:{{#if: {{{DIAGRAMM NIEDERSCHLAG HÖHE|}}}|{{#expr: {{{DIAGRAMM NIEDERSCHLAG HÖHE|200}}} / {{Klimatabelle/Maximum|{{{nbjan|}}}|{{{nbfeb|}}}|{{{nbmär|}}}| {{{nbapr|}}}|{{{nbmai|}}}|{{{nbjun|}}}|{{{nbjul|}}}|{{{nbaug|}}}|{{{nbsep|}}}| {{{nbokt|}}}|{{{nbnov|}}}|{{{nbdez|}}}}} * {{{nbjul|0}}} }}|{{#expr: 2.5 * {{{nbjul|0}}} round 0}}}}px"></div> | style="vertical-align: bottom; padding-right: 8px; border-bottom: 1px solid gray" | {{formatnum: {{{nbaug}}} }} <div title="August" style="background: #8AB0FF; border-color: #739CF1; border-style: solid; border-width: 0px 1px 0px 1px; width: 19px; height:{{#if: {{{DIAGRAMM NIEDERSCHLAG HÖHE|}}}|{{#expr: {{{DIAGRAMM NIEDERSCHLAG HÖHE|200}}} / {{Klimatabelle/Maximum|{{{nbjan|}}}|{{{nbfeb|}}}|{{{nbmär|}}}| {{{nbapr|}}}|{{{nbmai|}}}|{{{nbjun|}}}|{{{nbjul|}}}|{{{nbaug|}}}|{{{nbsep|}}}| {{{nbokt|}}}|{{{nbnov|}}}|{{{nbdez|}}}}} * {{{nbaug|0}}} }}|{{#expr: 2.5 * {{{nbaug|0}}} round 0}}}}px"></div> | style="vertical-align: bottom; padding-right: 8px; border-bottom: 1px solid gray" | {{formatnum: {{{nbsep}}} }} <div title="September" style="background: #8AB0FF; border-color: #739CF1; border-style: solid; border-width: 0px 1px 0px 1px; width: 19px; height:{{#if: {{{DIAGRAMM NIEDERSCHLAG HÖHE|}}}|{{#expr: {{{DIAGRAMM NIEDERSCHLAG HÖHE|200}}} / {{Klimatabelle/Maximum|{{{nbjan|}}}|{{{nbfeb|}}}|{{{nbmär|}}}| {{{nbapr|}}}|{{{nbmai|}}}|{{{nbjun|}}}|{{{nbjul|}}}|{{{nbaug|}}}|{{{nbsep|}}}| {{{nbokt|}}}|{{{nbnov|}}}|{{{nbdez|}}}}} * {{{nbsep|0}}} }}|{{#expr: 2.5 * {{{nbsep|0}}} round 0}}}}px"></div> | style="vertical-align: bottom; padding-right: 8px; border-bottom: 1px solid gray" | {{formatnum: {{{nbokt}}} }} <div title="Oktober" style="background: #8AB0FF; border-color: #739CF1; border-style: solid; border-width: 0px 1px 0px 1px; width: 19px; height:{{#if: {{{DIAGRAMM NIEDERSCHLAG HÖHE|}}}|{{#expr: {{{DIAGRAMM NIEDERSCHLAG HÖHE|200}}} / {{Klimatabelle/Maximum|{{{nbjan|}}}|{{{nbfeb|}}}|{{{nbmär|}}}| {{{nbapr|}}}|{{{nbmai|}}}|{{{nbjun|}}}|{{{nbjul|}}}|{{{nbaug|}}}|{{{nbsep|}}}| {{{nbokt|}}}|{{{nbnov|}}}|{{{nbdez|}}}}} * {{{nbokt|0}}} }}|{{#expr: 2.5 * {{{nbokt|0}}} round 0}}}}px"></div> | style="vertical-align: bottom; 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| style="padding-left: 3px; padding-right: 8px;" | Jan | style="padding-right: 8px;" | Feb | style="padding-right: 8px;" | Mär | style="padding-right: 8px;" | Apr | style="padding-right: 8px;" | Mai | style="padding-right: 8px;" | Jun | style="padding-right: 8px;" | Jul | style="padding-right: 8px;" | Aug | style="padding-right: 8px;" | Sep | style="padding-right: 8px;" | Okt | style="padding-right: 8px;" | Nov | style="padding-right: 8px;" | Dez |} {{#if: {{#ifeq: {{{DIAGRAMM TEMPERATUR|}}} | deaktiviert | | 1}} {{#ifeq: {{{DIAGRAMM NIEDERSCHLAG|}}} | deaktiviert | | 1}} | <br clear="all" /> }} <div style="font-size:85%; margin-top:5px;">'''Quelle:''' {{#if: {{{QUELLE|}}} | {{{QUELLE|}}} | ''fehlt''}}</div> |}</includeonly><noinclude> {{Dokumentation}} </noinclude> pe5i5qwhpuaxfxz00mxnrg9td1fp5ya wikitext text/x-wiki Vorlage:Klimatabelle/Durchschnitt 10 23740 26334 2009-08-24T14:14:21Z 85.180.144.176 Formel korrigiert: Die Messwerte von Monaten mit 31 Tagen beeinflussen den Durchschnitt mehr als Monate mit 28, 29 oder 30 Tagen <includeonly>{{#expr: (31*{{{1|0}}} + 28.2425*{{{2|0}}} + 31*{{{3|0}}} + 30*{{{4|0}}} + 31*{{{5|0}}} + 30*{{{6|0}}} + 31*{{{7|0}}} + 31*{{{8|0}}} + 30*{{{9|0}}} + 31*{{{10|0}}} + 30*{{{11|0}}} + 31*{{{12|0}}}) / 365.2425 round 1 }}</includeonly><noinclude> Diese Vorlage ermittelt für die [[{{NAMESPACE}}:Klimatabelle]] (Jahres-)Durchschnittswerte aus zwölf übergebenen Werten. [[Kategorie:Vorlage:für Vorlagen|Klimatabelle/Durchschnitt]] </noinclude> g1wxwl2d3jjtvias00rothmfn8s2sw3 wikitext text/x-wiki Vorlage:Klimatabelle/Minimum 10 23741 26335 2007-07-09T23:43:04Z Wiegels 0 Einsortierung <includeonly>{{Min| {{Min| {{Min|{{{1|}}}|{{{2|}}}|{{{3|}}}}} | {{Min|{{{4|}}}|{{{5|}}}|{{{6|}}}}} }} | {{Min| {{Min|{{{7|}}}|{{{8|}}}|{{{9|}}}}} | {{Min|{{{10|}}}|{{{11|}}}|{{{12|}}}}} }} }}</includeonly><noinclude> Diese Vorlage ermittelt für die [[{{NAMESPACE}}:Klimatabelle]] (Jahres-)Minima aus zwölf übergebenen Werten. [[Kategorie:Vorlage:für Vorlagen|Klimatabelle/Minimum]] </noinclude> 1gny3xdkzro7bhe61ht1n4hb75k98n2 wikitext text/x-wiki Vorlage:Klimatabelle/Niederschlag 10 23742 26336 2007-11-24T12:22:27Z WIKImaniac 0 fix <includeonly>{{#if:{{{1|}}}| {{#ifexpr: {{#expr: {{{1}}}>=100}}|607CD2| {{#ifexpr: {{#expr: {{{1}}}>=90}}|828BD9| {{#ifexpr: {{#expr: {{{1}}}>=80}}|4169E1| {{#ifexpr: {{#expr: {{{1}}}>=70}}|6495ED| {{#ifexpr: {{#expr: {{{1}}}>=60}}|8AB0FF| {{#ifexpr: {{#expr: {{{1}}}>=50}}|B9D3FF| {{#ifexpr: {{#expr: {{{1}}}>=40}}|CFE8FF| {{#ifexpr: {{#expr: {{{1}}}>=30}}|F0F8FF| {{#ifexpr: {{#expr: {{{1}}}>=20}}|FFFFFF| {{#ifexpr: {{#expr: {{{1}}}>=10}}|FFF8DC|EED8AE}} }} }} }} }} }} }} }} }} }} |E5E5E5}}</includeonly><noinclude> {{Klimatabelle/Farbtabelle}} Hier werden die Farbwerte für die [[{{NAMESPACE}}:Klimatabelle]] definiert. [[Kategorie:Vorlage:für Vorlagen|Klimatabelle/Niederschlag]] </noinclude> 9di7ueyhykse207aud8alwyvoi6fbvs wikitext text/x-wiki Vorlage:Klimatabelle/Temperatur 10 23743 26337 2007-06-03T15:15:14Z WIKImaniac 0 Nacharbeiten nach der Verschiebung von [[Vorlage:Klimatabelle2]] nach [[Vorlage:Klimatabelle]] <includeonly>{{#if:{{{1|}}}| {{#ifexpr: {{#expr: {{{1}}}>=30}}|FF4040| {{#ifexpr: {{#expr: {{{1}}}>=25}}|FF6347| {{#ifexpr: {{#expr: {{{1}}}>=20}}|FF8C00| {{#ifexpr: {{#expr: {{{1}}}>=15}}|FFA500| {{#ifexpr: {{#expr: {{{1}}}>=10}}|FFCC66| {{#ifexpr: {{#expr: {{{1}}}>=5}}|FFFF99| {{#ifexpr: {{#expr: {{{1}}}>=0}}|FFFFFF| {{#ifexpr: {{#expr: {{{1}}}>=-5}}|F0F8FF| {{#ifexpr: {{#expr: {{{1}}}>=-10}}|CFE8FF|B9D3FF}} }} }} }} }} }} }} }} }} |E5E5E5}}</includeonly><noinclude> {{Klimatabelle/Farbtabelle}} Hier werden die Farbwerte für die [[{{NAMESPACE}}:Klimatabelle]] definiert. [[Kategorie:Vorlage:für Vorlagen|Klimatabelle/Temperatur]] </noinclude> fukuwb3iixrvnzxmmyl75u4o6lxcfgy wikitext text/x-wiki Vorlage:Lageplan 10 23744 26338 2010-04-24T19:45:56Z Entlinkt 0 /* Beispiel */ Wirkungslosparameter entfernt {{#if: {{{map|}}} | {{{!}} border="0" cellspacing="0" cellpadding="0" style="margin:0 0 0 0; border-style:none; border-width:0px; border-collapse:collapse; empty-cells:show" {{!}}{{#ifexpr: {{#expr: ({{{pos_x|-1}}} >= 0) and ({{{pos_x|0}}} <= 100) and ({{{pos_y|-1}}} >= 0) and ({{{pos_y|0}}} <=100) }} | <div style="position: relative;"><div style="font-size: {{{markersize|5}}}px; line-height: {{{markersize|5}}}px; position: absolute; display: block; left:{{#expr: ({{{mapsize_x|140}}}*{{{pos_x|3}}}/100 - {{{markersize|5}}} /2 ) round 0 }}px; top:{{#expr: ({{{mapsize_y|175}}}*{{{pos_y|3}}}/100 - {{{markersize|5}}} /2 ) round 0 }}px; padding:0;">[[Bild:{{{marker|Reddot.svg}}}|{{{markersize|5}}}px|{{{markertext|}}}]]</div>[[Bild:{{{map|Karte Deutschland.png}}}|{{{mapsize_x|140}}}x{{{mapsize_y|175}}}px|{{{maptext|}}}]]</div> | <span style="color:#ff0000">{{{warning|Fehler}}}</span> }} {{!}}} }}<noinclude> == Zweck == Anzeigen eines Lageplans mit frei wählbarer Karte, Marker, Größe und ''relativer'' Positionierung. (Achtung: Vor allem der [[Internet Explorer]] reagiert äußerst sensibel auf kleine, vielleicht unscheinbare Änderungen des Quelltextes. Bitte nach dem Bearbeiten unbedingt auch im Internet Explorer testen, da es nach wie vor Benutzer gibt, die ihn einsetzen.) '''Beachte:''' Wenn geografische Koordinaten verfügbar sind, ist möglicherweise die [[Vorlage:Positionskarte]] besser geeignet. == Syntax == <pre> {{Lageplan |marker = <!-- Symbol zur Markierung, möglichst SVG, z. B. reddot.svg --> |markersize = <!-- Größe der Markierung ( < mapsize/3) --> |markertext = <!-- Beschriftung --> |pos_x = <!-- relative x-Position (0-100)--> |pos_y = <!-- relative y-Position (0-100)--> |map = <!-- Name der Karte --> |mapsize_x = <!-- Größe der Karte in x-Richtung --> |mapsize_y = <!-- Größe der Karte in y-Richtung --> |maptext = <!-- Beschriftung der Karte --> |warning = <!-- Out of range Meldung -->> }} </pre> ==Anleitung== Einfach die obige Syntax in die Seite einfügen, und die eckigen Klammern mit Inhalt durch die jeweiligen Werte ersetzen. Die einzelnen Variablen werden im folgenden erklärt: ===|marker=== Symbol zur Markierung, möglichst SVG, z. B. * reddot.svg [[Bild:reddot.svg|10px]] * X mark.svg [[Bild:X mark.svg|10px]] * Fadenkreuz.svg [[Bild:Fadenkreuz.svg|10px]] Dies muss ohne den Anfang "Bild:" geschehen!!! ===|markersize=== Größe der Markierung in Pixel der Oberkante. Sie ist fast frei wählbar. Einzige Einschränkung: < mapsize/3 Im Beispiel unten ist sie 10 ===|markertext=== Beschriftung wenn man mit der Maus auf die Markierung geht (Mouseover) Im Beispiel: "Dies ist ein Kreuz" ===|pos_x=== Die x Position (horizontale) der Markierung in Prozent von "|mapsize_x" 0 bedeutet am linken Rand. je höher die Zahl, desto weiter rechts ist die Markierung Im Beispiel "25" ===|pos_y=== Die y Position (vertikale) der Markierung in Prozent von "|mapsize_y" 0 bedeutet am oberen Rand. je höher die Zahl, desto weiter unten ist die Markierung Im Beispiel "25" ===|map=== Die zur Grundlage benutzte Karte Auch hier wieder ohne "Bild:" Im Beispiel "Karte Deutschland.png" ===|mapsize_x=== Die Breite der Karte in Pixel Im Beispiel "200" ===|mapsize_y=== Dieser Wert hat nicht unbedingt Einfluss auf die Größe der Karte, wird aber für die Positionierung des Markers benötigt Im Beispiel "300" ===|maptext=== Beschriftung wenn man mit der Maus über die Karte geht (Mouseover) Im Beispiel: "Deutschland" ===|warning=== Out of range Meldung Im Beispiel "hahaha" == Beispiel == {{Lageplan |marker = X mark.svg |markersize = 10 |markertext = Dies ist ein Kreuz |pos_x = 25 |pos_y = 25 |map = Karte Deutschland.svg |mapsize_x = 200 |mapsize_y = 300 |maptext = Deutschland |warning = hahaha }} '''Syntax:''' <pre> {{Lageplan |marker = X mark.svg |markersize = 10 |markertext = Dies ist ein Kreuz |pos_x = 25 |pos_y = 25 |map = Karte Deutschland.svg |mapsize_x = 200 |mapsize_y = 300 |maptext = Deutschland |warning = hahaha }} </pre> [[Kategorie:Vorlage:Formatierungshilfe|Lageplan]] [[Kategorie:Vom Druck ausschließen]] [[da:Skabelon:Kortplan]] [[hsb:Předłoha:Połoženje]] [[la:Formula:Situs loci]] [[ro:Format:Lageplan]] [[ru:Шаблон:Карта]] </noinclude> lhpo8uyjy8gou53m2j6titrr4uvjwkz wikitext text/x-wiki Vorlage:Metadaten Einwohnerzahl DE-HE 10 23745 26339 2010-03-13T09:45:16Z Harry8 0 Darmstadt, Frankfurt am Main, Kassel <noinclude>{{Dokumentation}}</noinclude><includeonly>{{#if: {{{2|}}} | <!-- Die Metadaten-Parameter sind hier unabhängig vom Schlüssel --> {{#switch: {{{2}}} | STAND | TIMESTAMP=2009-06-30 | QUELLE=[http://www.statistik-hessen.de/static/publikationen/A/AI1_AI2_AI4_AII1_AIII1_AV1_AV2_09-1hj.zip Bevölkerung der hessischen Gemeinden am 30. Juni 2009] (ZIP-Datei; 1053 kB) }} | {{#switch: {{{1}}} | 06 = 6059581 <!--Hessen--> | 064 = 3785904 <!--Reg.-Bez. Darmstadt --> | 065 = 1045957 <!--Reg.-Bez. Gießen --> | 066 = 1227720 <!--Reg.-Bez. Kassel --> | 06431 = 263092 <!--Bergstraße, Landkreis --> | 06411 = 142761 <!--Darmstadt, Stadt --> | 06432 = 288400 <!--Darmstadt-Dieburg, Landkreis --> | 06412 = 667330 <!--Frankfurt am Main, Stadt --> | 06631 = 217970 <!--Fulda, Landkreis --> | 06531 = 255299 <!--Gießen, Landkreis --> | 06433 = 253518 <!--Groß-Gerau, Landkreis --> | 06632 = 123338 <!--Hersfeld-Rotenburg, Landkreis --> | 06434 = 225957 <!--Hochtaunuskreis --> | 06611 = 194148 <!--Kassel, Stadt --> | 06633 = 238544 <!--Kassel, Landkreis --> | 06532 = 255732 <!--Lahn-Dill-Kreis --> | 06533 = 172247 <!--Limburg-Weilburg, Landkreis --> | 06435 = 406976 <!--Main-Kinzig-Kreis --> | 06436 = 226225 <!--Main-Taunus-Kreis --> | 06534 = 251062 <!--Marburg-Biedenkopf, Landkreis --> | 06437 = 97736 <!--Odenwaldkreis --> | 06413 = 119051 <!--Offenbach am Main, Stadt --> | 06438 = 336671 <!--Offenbach, Landkreis --> | 06439 = 183155 <!--Rheingau-Taunus-Kreis --> | 06634 = 184539 <!--Schwalm-Eder-Kreis --> | 06535 = 111775 <!--Vogelsbergkreis --> | 06635 = 163982 <!--Waldeck-Frankenberg, Landkreis --> | 06636 = 105199 <!--Werra-Meißner-Kreis --> | 06440 = 298080 <!--Wetteraukreis --> | 06414 = 276952 <!--Wiesbaden, Landeshauptstadt --> | 06439001 = 6048 <!--Aarbergen--> | 06431001 = 2459 <!--Abtsteinach--> | 06633001 = 7986 <!--Ahnatal--> | 06632001 = 5124 <!--Alheim--> | 06635001 = 5644 <!--Allendorf (Eder)--> | 06531001 = 4071 <!--Allendorf (Lumda)--> | 06432001 = 9127 <!--Alsbach-Hähnlein--> | 06535001 = 16901 <!--Alsfeld--> | 06440001 = 11884 <!--Altenstadt (Hessen)--> | 06534001 = 5214 <!--Amöneburg--> | 06534002 = 3607 <!--Angelburg--> | 06535002 = 2063 <!--Antrifttal--> | 06532001 = 13707 <!--Aßlar--> | 06432002 = 16018 <!--Babenhausen (Hessen)--> | 06635002 = 16393 <!--Bad Arolsen--> | 06533003 = 14165 <!--Bad Camberg--> | 06633006 = 6148 <!--Bad Emstal --> | 06534003 = 8415 <!--Bad Endbach--> | 06632002 = 29984 <!--Bad Hersfeld--> | 06434001 = 51691 <!--Bad Homburg vor der Höhe--> | 06633002 = 3917 <!--Bad Karlshafen--> | 06437001 = 9391 <!--Bad König--> | 06440002 = 31006 <!--Bad Nauheim--> | 06435001 = 9801 <!--Bad Orb--> | 06631001 = 2998 <!--Bad Salzschlirf--> | 06439002 = 10802 <!--Bad Schwalbach --> | 06436001 = 21664 <!--Bad Soden am Taunus--> | 06435002 = 13598 <!--Bad Soden-Salmünster--> | 06636001 = 8526 <!--Bad Sooden-Allendorf--> | 06440003 = 31487 <!--Bad Vilbel--> | 06635003 = 17482 <!--Bad Wildungen--> | 06634027 = 4102 <!--Bad Zwesten--> | 06635004 = 5527 <!--Battenberg (Eder)--> | 06633003 = 27690 <!--Baunatal--> | 06632003 = 13991 <!--Bebra--> | 06437002 = 6635 <!--Beerfelden--> | 06431002 = 39627 <!--Bensheim--> | 06636002 = 1694 <!--Berkatal--> | 06533001 = 5697 <!--Beselich--> | 06431003 = 8800 <!--Biblis--> | 06432003 = 5402 <!--Bickenbach (Bergstraße)--> | 06435003 = 8288 <!--Biebergemünd--> | 06531002 = 10041 <!--Biebertal--> | 06433001 = 6403 <!--Biebesheim am Rhein--> | 06534004 = 13312 <!--Biedenkopf--> | 06431004 = 10043 <!--Birkenau (Odenwald)--> | 06435004 = 6406 <!--Birstein--> | 06532002 = 3447 <!--Bischoffen--> | 06433002 = 12581 <!--Bischofsheim (Mainspitze)--> | 06634001 = 13011 <!--Borken (Hessen)--> | 06435005 = 5196 <!--Brachttal--> | 06532003 = 11081 <!--Braunfels--> | 06533002 = 6665 <!--Brechen--> | 06534005 = 6861 <!--Breidenbach--> | 06632004 = 1828 <!--Breitenbach am Herzberg--> | 06532004 = 4972 <!--Breitscheid (Hessen)--> | 06437003 = 5222 <!--Brensbach--> | 06437004 = 7304 <!--Breuberg--> | 06633004 = 3692 <!--Breuna--> | 06437005 = 3707 <!--Brombachtal--> | 06635005 = 1925 <!--Bromskirchen--> | 06435006 = 20623 <!--Bruchköbel--> | 06440004 = 21361 <!--Büdingen--> | 06631002 = 6487 <!--Burghaun--> | 06635006 = 4905 <!--Burgwald (Gemeinde)--> | 06431005 = 15638 <!--Bürstadt--> | 06531003 = 12992 <!--Buseck--> | 06433003 = 13457 <!--Büttelborn--> | 06440005 = 24993 <!--Butzbach--> | 06633005 = 7532 <!--Calden--> | 06534006 = 7071 <!--Cölbe--> | 06632005 = 1584 <!--Cornberg--> | 06411000 = 142761 <!--Darmstadt--> | 06534007 = 11767 <!--Dautphetal--> | 06432004 = 15204 <!--Dieburg--> | 06635007 = 5161 <!--Diemelsee (Gemeinde)--> | 06635008 = 5434 <!--Diemelstadt--> | 06438001 = 33166 <!--Dietzenbach--> | 06532005 = 6011 <!--Dietzhölztal--> | 06532006 = 23780 <!--Dillenburg--> | 06631003 = 3360 <!--Dipperz--> | 06533004 = 8412 <!--Dornburg (Hessen)--> | 06438002 = 40319 <!--Dreieich--> | 06532007 = 5132 <!--Driedorf--> | 06631004 = 4527 <!--Ebersburg--> | 06534008 = 8978 <!--Ebsdorfergrund--> | 06440006 = 5838 <!--Echzell--> | 06634002 = 7298 <!--Edermünde--> | 06635009 = 6665 <!--Edertal--> | 06438003 = 10495 <!--Egelsbach--> | 06631005 = 2686 <!--Ehrenberg (Rhön)--> | 06532008 = 9324 <!--Ehringshausen--> | 06631006 = 11212 <!--Eichenzell--> | 06431006 = 6107 <!--Einhausen (Hessen)--> | 06631007 = 7468 <!--Eiterfeld--> | 06533005 = 2436 <!--Elbtal (Hessen)--> | 06439003 = 17378 <!--Eltville am Rhein--> | 06533006 = 8003 <!--Elz (Westerwald)--> | 06432005 = 5790 <!--Eppertshausen--> | 06436002 = 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26046 <!--Griesheim--> | 06636004 = 6997 <!--Großalmerode--> | 06432009 = 4569 <!--Groß-Bieberau--> | 06631011 = 8579 <!--Großenlüder--> | 06433006 = 23322 <!--Groß-Gerau--> | 06435011 = 7374 <!--Großkrotzenburg--> | 06431010 = 3777 <!--Groß-Rohrheim--> | 06432010 = 21324 <!--Groß-Umstadt--> | 06432011 = 13837 <!--Groß-Zimmern--> | 06531006 = 13944 <!--Grünberg (Hessen)--> | 06435012 = 14670 <!--Gründau--> | 06634007 = 9072 <!--Gudensberg--> | 06636200 = — <!--Gutsbezirk Kaufunger Wald--> | 06633200 = — <!--Gutsbezirk Reinhardswald--> | 06435200 = — <!--Gutsbezirk Spessart--> | 06634008 = 5299 <!--Guxhagen--> | 06633011 = 5121 <!--Habichtswald (Gemeinde)--> | 06533007 = 12259 <!--Hadamar--> | 06532011 = 19481 <!--Haiger--> | 06635013 = 3611 <!--Haina (Kloster)--> | 06438004 = 14434 <!--Hainburg--> | 06435013 = 4774 <!--Hammersbach--> | 06435014 = 88182 <!--Hanau--> | 06435015 = 7297 <!--Hasselroth--> | 06436005 = 25433 <!--Hattersheim am Main--> | 06635014 = 3259 <!--Hatzfeld (Eder)--> | 06632007 = 3279 <!--Hauneck--> | 06632008 = 3097 <!--Haunetal--> | 06439005 = 7972 <!--Heidenrod--> | 06633012 = 5632 <!--Helsa--> | 06431011 = 25270 <!--Heppenheim (Bergstraße)--> | 06532012 = 20851 <!--Herborn--> | 06535008 = 4942 <!--Herbstein--> | 06632009 = 7625 <!--Heringen (Werra)--> | 06636005 = 2953 <!--Herleshausen--> | 06437008 = 654 <!--Hesseneck--> | 06636006 = 12740 <!--Hessisch Lichtenau--> | 06531007 = 7657 <!--Heuchelheim (Hessen)--> | 06438005 = 18155 <!--Heusenstamm--> | 06631012 = 4766 <!--Hilders--> | 06431012 = 3603 <!--Hirschhorn (Neckar)--> | 06440011 = 2761 <!--Hirzenhain--> | 06436006 = 16923 <!--Hochheim am Main--> | 06437009 = 9388 <!--Höchst im Odenwald--> | 06631013 = 6326 <!--Hofbieber--> | 06633013 = 15888 <!--Hofgeismar--> | 06436007 = 38289 <!--Hofheim am Taunus--> | 06532013 = 4933 <!--Hohenahr--> | 06632010 = 3311 <!--Hohenroda--> | 06439006 = 6178 <!--Hohenstein (Untertaunus)--> | 06634009 = 14370 <!--Homberg (Efze)--> | 06535009 = 7696 <!--Homberg (Ohm)--> | 06631014 = 4626 <!--Hosenfeld--> | 06631015 = 16082 <!--Hünfeld--> | 06533008 = 9928 <!--Hünfelden--> | 06531008 = 12666 <!--Hungen--> | 06439007 = 10105 <!--Hünstetten--> | 06532014 = 10673 <!--Hüttenberg (Hessen)--> | 06439008 = 23013 <!--Idstein--> | 06633014 = 7045 <!--Immenhausen--> | 06634010 = 2547 <!--Jesberg--> | 06435016 = 3604 <!--Jossgrund--> | 06631016 = 6311 <!--Kalbach--> | 06440012 = 21719 <!--Karben--> | 06611000 = 194148 <!--Kassel--> | 06633015 = 12644 <!--Kaufungen--> | 06440013 = 2881 <!--Kefenrod--> | 06436008 = 27409 <!--Kelkheim (Taunus)--> | 06433007 = 13466 <!--Kelsterbach--> | 06439009 = 3952 <!--Kiedrich--> | 06534011 = 16235 <!--Kirchhain--> | 06632011 = 3736 <!--Kirchheim (Hessen)--> | 06535010 = 3316 <!--Kirtorf--> | 06634011 = 4683 <!--Knüllwald--> | 06434005 = 15797 <!--Königstein im Taunus--> | 06635015 = 24071 <!--Korbach--> | 06634012 = 2912 <!--Körle--> | 06436009 = 10656 <!--Kriftel--> | 06434006 = 17550 <!--Kronberg im Taunus--> | 06631017 = 16337 <!--Künzell--> | 06532015 = 8313 <!--Lahnau--> | 06534012 = 6964 <!--Lahntal--> | 06431013 = 31298 <!--Lampertheim--> | 06438006 = 35374 <!--Langen (Hessen)--> | 06435017 = 13448 <!--Langenselbold--> | 06531009 = 11975 <!--Langgöns--> | 06531010 = 9997 <!--Laubach--> | 06535011 = 14068 <!--Lauterbach (Hessen)--> | 06431014 = 7145 <!--Lautertal (Odenwald)--> | 06535012 = 2520 <!--Lautertal (Vogelsberg)--> | 06532016 = 5811 <!--Leun--> | 06531011 = 13349 <!--Lich--> | 06635016 = 4178 <!--Lichtenfels (Hessen)--> | 06633016 = 3374 <!--Liebenau (Hessen)--> | 06436010 = 8632 <!--Liederbach am Taunus--> | 06533009 = 33648 <!--Limburg an der Lahn--> | 06440014 = 5372 <!--Limeshain--> | 06531012 = 12094 <!--Linden (Hessen)--> | 06431015 = 5110 <!--Lindenfels--> | 06435018 = 9878 <!--Linsengericht (Hessen)--> | 06633017 = 13791 <!--Lohfelden--> | 06533010 = 4264 <!--Löhnberg--> | 06534013 = 5601 <!--Lohra--> | 06531013 = 9876 <!--Lollar--> | 06439010 = 3865 <!--Lorch 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[[Kategorie:Vorlage:für Vorlagen|{{PAGENAME}}]] </noinclude><includeonly>{{#switch: {{{1|}}} | I,1=1893 | I,2=1894 | II,1=1895 | II,2=1896 | III,1=1897 | III,2=1899 | IV,1=1900 | IV,2=1901 | V,1=1903 | V,2=1905 | VI,1=1907 | VI,2=1909 | VII,1=1910 | VII,2=1912 | VIII,1=1912 | VIII,2=1913 | IX,1=1914 | IX,2=1916 | X,1=1918 | X,2=1919 | XI,1=1921 | XI,2=1922 | XII,1=1924 | XII,2=1925 | XIII,1=1926 | XIII,2=1927 | XIV,1=1928 | XIV,2=1930 | XV,1=1931 | XV,2=1932 | XVI,1=1933 | XVI,2=1935 | XVII,1=1936 | XVII,2=1937 | XVIII,1=1939 | XVIII,2=1942 | XVIII,3=1949 | XVIII,4=1949 | XIX,1=1937 | XIX,2=1938 | XX,1=1941 | XX,2=1950 | XXI,1=1951 | XXI,2=1952 | XXII,1=1953 | XXII,2=1954 | XXIII,1=1957 | XXIII,2=1959 | XXIV=1963 | I A,1=1914 | I A,2=1920 | II A,1=1921 | II A,2=1923 | III A,1=1927 | III A,2=1929 | IV A,1=1931 | IV A,2=1932 | V A,1=1934 | V A,2=1934 | VI A,1=1936 | VI A,2=1937 | VII A,1=1939 | VII A,2=1948 | VIII A,1=1955 | VIII A,2=1958 | IX A,1=1961 | IX A,2=1967 | X A=1972 | Suppl. 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Februar 2010}} [[Kategorie:Vorlage:Datenbanklink Chemie|Acros]] </noinclude> 98qikdaq9u0u826elginaffqg13b0k5 wikitext text/x-wiki Vorlage:IEP 10 23755 26349 2010-02-20T16:04:55Z Regi51 0 Änderungen von [[Special:Beiträge/85.181.188.2|85.181.188.2]] rückgängig gemacht und letzte Version von PsY.cHo wiederhergestellt {{#if: {{{3|}}} | {{{3}}}:&nbsp;}}[{{{1}}} {{#if: {{{2|}}} | „{{{2}}}“ | Eintrag}}] in der ''[[Internet Encyclopedia of Philosophy]]'' (englisch, inklusive Literaturangaben)<noinclude> Die Vorlage hat drei Parameter: # Die URL des Artikels in der IEP (obligatorisch) # Das in der IEP geführte Lemma (optional) # Den Autor/die Autoren des Artikels in der IEP (optional) [[Kategorie:Vorlage:Datenbanklink|IEP]]</noinclude> h7ax10e4yhainswdu9x8z3e3ju0yr7r wikitext text/x-wiki Vorlage:Philosophie-Bibliographie 10 23756 26350 2008-11-03T15:55:47Z WIKImaniac 0 hat „[[Vorlage:Philosophiebibliographie1]]“ nach „[[Vorlage:Philosophie-Bibliographie]]“ verschoben:&#32;Zusammenführung mit [[Vorlage:Philosophiebibliographie2]] <includeonly>'''[[Portal:Philosophie/Philosophiebibliographie#{{{1}}}|Philosophiebibliographie: {{#if: {{{2|}}} |{{{2}}}|{{{1}}}}}]]''' – Zusätzliche Literaturhinweise zum Thema</includeonly><noinclude> [[Kategorie:Vorlage:Linkhilfe|Philosophie-Bibliographie]] </noinclude> 9mrp7xniifbdr99im6icbg4i1bfwbc6 wikitext text/x-wiki Vorlage:SEP 10 23757 26351 2009-04-11T09:46:46Z WIKImaniac 0 +[[Vorlage:Dokumentation]]; +Warungslinks: http://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Benutzer_Diskussion%3AWIKImaniac&diff=58897320&oldid=58882583 {{#if:{{{beleg|}}}||*}}{{#if: {{{3|}}} | {{{3}}}:&nbsp;}}[{{{1}}} {{#if: {{{2|}}} | „{{{2}}}“ | Eintrag}}] in der ''[[Stanford Encyclopedia of Philosophy]]'' (englisch, inklusive Literaturangaben)<includeonly><!-- Wartungslinks: --><!-- 1 and (not (2 or 3)) -->{{#if:{{booland|{{{1|}}}|{{boolnot|{{{2|}}}{{{3|}}}}}}}|<span style="display:none">[[Vorlage:SEP/Wartung/Parameter 1 und weder Parameter 2 noch Parameter 3]]</span>}}<!-- 1 and 2 and (not 3)) -->{{#if:{{booland|{{booland|{{{1|}}}|{{{2|}}}}}|{{boolnot|{{{3|}}}}}}}|<span style="display:none">[[Vorlage:SEP/Wartung/Parameter 1 und Parameter 2 und nicht Parameter 3]]</span>}}<!-- 1 and 3 and (not 2)) -->{{#if:{{booland|{{booland|{{{1|}}}|{{{3|}}}}}|{{boolnot|{{{2|}}}}}}}|<span style="display:none">[[Vorlage:SEP/Wartung/Parameter 1 und Parameter 3 und nicht Parameter 2]]</span>}}</includeonly><noinclude> {{Dokumentation}} </noinclude> mb5l2wex4btzaxk82jfvqcoervzs7ww wikitext text/x-wiki Vorlage:CIA-Factbook 10 23758 26352 2009-12-09T22:05:23Z Merlissimo 313 -kat (ist auf /Meta) <onlyinclude>[https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/{{#if:{{{Pfad|}}}|{{{Pfad}}}/}}{{#if:{{{Code|}}}|geos/{{lc:{{{Code}}}}}.html}}{{#if:{{{Dateiname|}}}|{{{Dateiname}}}}} CIA World Factbook: {{#if:{{{Text|}}}|{{{Text}}}|{{PAGENAME}}}}] {{{Datum|}}} (englisch)</onlyinclude> {{Dokumentation}} k2vzfgmjgozjabqtjlzfq71znbs4bmm wikitext text/x-wiki Vorlage:Info ISO-3166-2:GH 10 23759 26353 2008-09-04T05:55:40Z Boente 0 [[Hilfe:Zusammenfassung und Quelle#Auto-Zusammenfassung|AZ]]: Die Seite wurde neu angelegt. {{#switch: {{lc:{{{1|}}} }} |continent = Afrika <!--Administration--> |level = 0 |maxlevel= 1 |acronym = GH |top = GH |upper = |lemma = Ghana |admname = Republik Ghana |admtype = Republik |0 = Ghana |1 = |2 = |map = Ghana |flag = Flag of Ghana.svg }}<noinclude>{{Info ISO-3166-2/Info}}</noinclude> dhwajumwisb6jptko8tuuzr9pu4r1r6 wikitext text/x-wiki Vorlage:Infobox Staat 10 23760 26354 2010-04-06T07:23:11Z Seryo93 0 added support for navigation, as it need for articles about former states like [[Sowjetrussland]] {{Dokumentation}} == Vorschau == <onlyinclude>{| class="wikitable float-right" style="width:330px; 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[[Australien]]&nbsp;&#124; [[Bahamas]]&nbsp;&#124; [[Bangladesch]]&nbsp;&#124; [[Barbados]]&nbsp;&#124; [[Belize]]&nbsp;&#124; [[Botsuana]]&nbsp;&#124; [[Brunei]]&nbsp;&#124; [[Dominica]]&nbsp;&#124; [[Fidschi]]&nbsp;&#124; [[Gambia]]&nbsp;&#124; [[Ghana]]&nbsp;&#124; [[Grenada]]&nbsp;&#124; [[Guyana]]&nbsp;&#124; [[Indien]]&nbsp;&#124; [[Jamaika]]&nbsp;&#124; [[Kamerun]]&nbsp;&#124; [[Kanada]]&nbsp;&#124; [[Kenia]]&nbsp;&#124; [[Kiribati]]&nbsp;&#124; [[Lesotho]]&nbsp;&#124; [[Malawi]]&nbsp;&#124; [[Malaysia]]&nbsp;&#124; [[Malediven]]&nbsp;&#124; [[Malta]]&nbsp;&#124; [[Mauritius]]&nbsp;&#124; [[Mosambik]]&nbsp;&#124; [[Namibia]]&nbsp;&#124; [[Nauru]]&nbsp;&#124; [[Neuseeland]]&nbsp;&#124; [[Nigeria]]&nbsp;&#124; [[Pakistan]]&nbsp;&#124; [[Papua-Neuguinea]]&nbsp;&#124; [[Ruanda]]&nbsp;&#124; [[Salomonen]]&nbsp;&#124; [[Sambia]]&nbsp;&#124; [[Samoa]]&nbsp;&#124; [[Seychellen]]&nbsp;&#124; [[Sierra Leone]]&nbsp;&#124; [[Singapur]]&nbsp;&#124; [[Sri Lanka]]&nbsp;&#124; [[St. Kitts und Nevis]]&nbsp;&#124; [[St. Lucia]]&nbsp;&#124; [[St. Vincent und die Grenadinen]]&nbsp;&#124; [[Südafrika]]&nbsp;&#124; [[Swasiland]]&nbsp;&#124; [[Tansania]]&nbsp;&#124; [[Tonga]]&nbsp;&#124; [[Trinidad und Tobago]]&nbsp;&#124; [[Tuvalu]]&nbsp;&#124; [[Uganda]]&nbsp;&#124; [[Vanuatu]]&nbsp;&#124; [[Vereinigtes Königreich]]&nbsp;&#124; [[Republik Zypern|Zypern]] }}<noinclude> [[Kategorie:Vorlage:Navigationsleiste Staatengruppe|Commonwealth of Nations]] [[lv:Veidne:Nāciju sadraudzība]] </noinclude> srjogrrd70z3pyy82vbxwx01hoda5qt wikitext text/x-wiki Vorlage:Navigationsleiste Staaten in Afrika 10 23763 26357 2010-02-15T13:32:31Z Wiegels 0 + Kategorie {{Navigationsleiste |BILD=[[Datei:LocationAfrica.png|70px|border|Lage Afrikas]] |TITEL=Politische Gliederung [[Afrika]]s |INHALT= [[Ägypten]]<sup>1</sup>&nbsp;&#124; [[Algerien]]&nbsp;&#124; [[Angola]]&nbsp;&#124; [[Äquatorialguinea]]&nbsp;&#124; [[Äthiopien]]&nbsp;&#124; [[Benin]]&nbsp;&#124; [[Botsuana]]&nbsp;&#124; [[Burkina Faso]]&nbsp;&#124; [[Burundi]]&nbsp;&#124; 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<!--Königsdorf--> | 09173135 = 9688 <!--Lenggries--> | 09173137 = 4119 <!--Münsing--> | 09173140 = 2225 <!--Reichersbeuern--> | 09173141 = 1243 <!--Sachsenkam--> | 09173142 = 1217 <!--Schlehdorf--> | 09173145 = 3599 <!--Wackersberg--> | 09173147 = 17749 <!--Wolfratshausen,St--> | 09174111 = 7335 <!--Altomünster,M--> | 09174113 = 7153 <!--Bergkirchen--> | 09174115 = 41678 <!--Dachau,GKSt--> | 09174118 = 5505 <!--Erdweg--> | 09174121 = 4754 <!--Haimhausen--> | 09174122 = 5194 <!--Hebertshausen--> | 09174126 = 18184 <!--Karlsfeld--> | 09174131 = 9322 <!--MarktIndersdorf,M--> | 09174135 = 4228 <!--Odelzhausen--> | 09174136 = 6030 <!--Petershausen--> | 09174137 = 1794 <!--Pfaffenhofena.d.Glonn--> | 09174141 = 6341 <!--Röhrmoos--> | 09174143 = 6082 <!--Schwabhausen--> | 09174146 = 2652 <!--Sulzemoos--> | 09174147 = 3145 <!--Hilgertshausen-Tandern--> | 09174150 = 4292 <!--Vierkirchen--> | 09174151 = 3112 <!--Weichs--> | 09175111 = 3591 <!--Anzing--> | 09175112 = 4265 <!--Aßling--> | 09175113 = 1485 <!--Baiern--> | 09175114 = 1160 <!--Bruck--> | 09175115 = 11228 <!--Ebersberg,St--> | 09175116 = 2117 <!--Egmating--> | 09175118 = 3467 <!--Forstinning--> | 09175119 = 1452 <!--Frauenneuharting--> | 09175121 = 4335 <!--Glonn,M--> | 09175122 = 12682 <!--Grafingb.München,St--> | 09175123 = 2809 <!--Hohenlinden--> | 09175124 = 9436 <!--Kirchseeon,M--> | 09175127 = 11499 <!--MarktSchwaben,M--> | 09175128 = 1412 <!--Moosach--> | 09175131 = 2181 <!--Oberpframmern--> | 09175132 = 21697 <!--Vaterstetten--> | 09175133 = 5064 <!--Pliening--> | 09175135 = 13022 <!--Poing--> | 09175136 = 1422 <!--Emmering--> | 09175137 = 3906 <!--Steinhöring--> | 09175139 = 8855 <!--Zorneding--> | 09176111 = 2768 <!--Adelschlag--> | 09176112 = 6814 <!--Altmannstein,M--> | 09176114 = 8652 <!--Beilngries,St--> | 09176116 = 1620 <!--Böhmfeld--> | 09176118 = 3577 <!--Buxheim--> | 09176120 = 4405 <!--Denkendorf--> | 09176121 = 2794 <!--Dollnstein,M--> | 09176122 = 1071 <!--Egweil--> | 09176123 = 14103 <!--Eichstätt,GKSt--> | 09176124 = 2748 <!--Eitensheim--> | 09176126 = 11114 <!--Gaimersheim,M--> | 09176129 = 6441 <!--Großmehring--> | 09176131 = 2472 <!--Hepberg--> | 09176132 = 2814 <!--Hitzhofen--> | 09176137 = 2482 <!--Kinding,M--> | 09176138 = 5655 <!--Kipfenberg,M--> | 09176139 = 8652 <!--Kösching,M--> | 09176143 = 4772 <!--Lenting--> | 09176147 = 1631 <!--Mindelstetten--> | 09176148 = 1615 <!--Mörnsheim,M--> | 09176149 = 1912 <!--Nassenfels,M--> | 09176150 = 1230 <!--Oberdolling--> | 09176153 = 3547 <!--Pförring,M--> | 09176155 = 2788 <!--Pollenfeld--> | 09176160 = 2990 <!--Schernfeld--> | 09176161 = 3678 <!--Stammham--> | 09176164 = 2658 <!--Titting,M--> | 09176165 = 2377 <!--Walting--> | 09176166 = 2646 <!--Wellheim,M--> | 09176167 = 4785 <!--Wettstetten--> | 09177112 = 2539 <!--Berglern--> | 09177113 = 3522 <!--Bockhorn--> | 09177114 = 1413 <!--Bucha.Buchrain--> | 09177115 = 13562 <!--Dorfen,St--> | 09177116 = 2392 <!--Eitting--> | 09177117 = 34020 <!--Erding,St--> | 09177118 = 4228 <!--Finsing--> | 09177119 = 3242 <!--Forstern--> | 09177120 = 3335 <!--Fraunberg--> | 09177121 = 1483 <!--Hohenpolding--> | 09177122 = 1410 <!--Inninga.Holz--> | 09177123 = 5295 <!--Isen,M--> | 09177124 = 906 <!--Kirchberg--> | 09177126 = 2579 <!--Langenpreising--> | 09177127 = 2713 <!--Lengdorf--> | 09177130 = 5381 <!--Moosinning--> | 09177131 = 2386 <!--Neuching--> | 09177133 = 5380 <!--Oberding--> | 09177134 = 1809 <!--Ottenhofen--> | 09177135 = 2420 <!--Pastetten--> | 09177137 = 4278 <!--SanktWolfgang--> | 09177138 = 1140 <!--Steinkirchen--> | 09177139 = 8905 <!--Taufkirchen(Vils)--> | 09177142 = 2050 <!--Walpertskirchen--> | 09177143 = 4706 <!--Wartenberg,M--> | 09177144 = 4450 <!--Wörth--> | 09178113 = 4947 <!--Allershausen--> | 09178115 = 2676 <!--Attenkirchen--> | 09178116 = 5571 <!--Aui.d.Hallertau,M--> | 09178120 = 12929 <!--Eching--> | 09178122 = 3209 <!--Rudelzhausen--> | 09178123 = 4609 <!--Fahrenzhausen--> | 09178124 = 45654 <!--Freising,GKSt--> | 09178125 = 1575 <!--Gammelsdorf--> | 09178129 = 2908 <!--Haaga.d.Amper--> | 09178130 = 9047 <!--Hallbergmoos--> | 09178132 = 1884 <!--Hörgertshausen--> | 09178133 = 2288 <!--Hohenkammer--> | 09178136 = 2723 <!--Kirchdorfa.d.Amper--> | 09178137 = 3948 <!--Kranzberg--> | 09178138 = 3886 <!--Langenbach--> | 09178140 = 3055 <!--Marzling--> | 09178142 = 2730 <!--Mauern--> | 09178143 = 17430 <!--Moosburga.d.Isar,St--> | 09178144 = 4967 <!--Nandlstadt,M--> | 09178145 = 19006 <!--Neufahrnb.Freising--> | 09178150 = 1546 <!--Paunzhausen--> | 09178155 = 2419 <!--Wang--> | 09178156 = 2373 <!--Wolfersdorf--> | 09178157 = 4202 <!--Zolling--> | 09179111 = 1608 <!--Adelshofen--> | 09179113 = 3478 <!--Alling--> | 09179114 = 1866 <!--Althegnenberg--> | 09179117 = 3246 <!--Egenhofen--> | 09179118 = 11848 <!--Eichenau--> | 09179119 = 5929 <!--Emmering--> | 09179121 = 34033 <!--Fürstenfeldbruck,GKSt--> | 09179123 = 37035 <!--Germering,GKSt--> | 09179125 = 3567 <!--Grafrath--> | 09179126 = 19357 <!--Gröbenzell--> | 09179128 = 1379 <!--Hattenhofen--> | 09179130 = 1537 <!--Jesenwang--> | 09179131 = 1584 <!--Kottgeisering--> | 09179132 = 1442 <!--Landsberied--> | 09179134 = 12790 <!--Maisach--> | 09179136 = 4542 <!--Mammendorf--> | 09179137 = 1683 <!--Mittelstetten--> | 09179138 = 3796 <!--Moorenweis--> | 09179140 = 1534 <!--Oberschweinbach--> | 09179142 = 24650 <!--Olching--> | 09179145 = 19441 <!--Puchheim--> | 09179147 = 1867 <!--Schöngeising--> | 09179149 = 3633 <!--Türkenfeld--> | 09180112 = 2465 <!--BadKohlgrub--> | 09180113 = 1181 <!--BadBayersoien--> | 09180114 = 1575 <!--Eschenlohe--> | 09180115 = 801 <!--Ettal--> | 09180116 = 3660 <!--Farchant--> | 09180117 = 25995 <!--Garmisch-Partenkirchen,M--> | 09180118 = 3617 <!--Grainau--> | 09180119 = 1412 <!--Großweil--> | 09180122 = 1922 <!--Krün--> | 09180123 = 7570 <!--Mittenwald,M--> | 09180124 = 12153 <!--Murnaua.Staffelsee,M--> | 09180125 = 5254 <!--Oberammergau--> | 09180126 = 3030 <!--Oberau--> | 09180127 = 3277 <!--Ohlstadt--> | 09180128 = 1168 <!--Riegsee--> | 09180129 = 1681 <!--Saulgrub--> | 09180131 = 614 <!--Schwaigen--> | 09180132 = 2504 <!--Seehausena.Staffelsee--> | 09180133 = 781 <!--Spatzenhausen--> | 09180134 = 2954 <!--Uffinga.Staffelsee--> | 09180135 = 1470 <!--Unterammergau--> | 09180136 = 1394 <!--Wallgau--> | 09181111 = 1088 <!--Apfeldorf--> | 09181113 = 2482 <!--Denklingen--> | 09181114 = 10239 <!--DießenamAmmersee,M--> | 09181115 = 1609 <!--EchingamAmmersee--> | 09181116 = 2271 <!--Eglinga.d.Paar--> | 09181118 = 1826 <!--Eresing--> | 09181120 = 1682 <!--Finning--> | 09181121 = 3451 <!--Fuchstal--> | 09181122 = 5618 <!--Geltendorf--> | 09181123 = 2118 <!--Greifenberg--> | 09181124 = 1804 <!--Hofstetten--> | 09181126 = 1627 <!--Hurlach--> | 09181127 = 2407 <!--Igling--> | 09181128 = 9907 <!--Kaufering,M--> | 09181129 = 1007 <!--Kinsau--> | 09181130 = 27712 <!--LandsbergamLech,GKSt--> | 09181131 = 1555 <!--Obermeitingen--> | 09181132 = 3652 <!--Penzing--> | 09181133 = 2489 <!--Vilgertshofen--> | 09181134 = 2389 <!--Prittriching--> | 09181135 = 1622 <!--Reichling--> | 09181137 = 1486 <!--Rott--> | 09181138 = 1825 <!--Scheuring--> | 09181139 = 3913 <!--SchondorfamAmmersee--> | 09181140 = 908 <!--Schwifting--> | 09181141 = 3245 <!--Pürgen--> | 09181142 = 906 <!--Thaining--> | 09181143 = 1369 <!--Unterdießen--> | 09181144 = 4228 <!--UttingamAmmersee--> | 09181145 = 3679 <!--Weil--> | 09181146 = 3625 <!--Windach--> | 09182111 = 4634 <!--BadWiessee--> | 09182112 = 1591 <!--Bayrischzell--> | 09182114 = 5469 <!--Fischbachau--> | 09182116 = 6076 <!--Gmunda.Tegernsee--> | 09182119 = 8083 <!--Hausham--> | 09182120 = 15357 <!--Holzkirchen,M--> | 09182123 = 3048 <!--Irschenberg--> | 09182124 = 3715 <!--Kreuth--> | 09182125 = 11133 <!--Miesbach,St--> | 09182127 = 4477 <!--Otterfing--> | 09182129 = 5543 <!--Rottach-Egern--> | 09182131 = 6573 <!--Schliersee,M--> | 09182132 = 3986 <!--Tegernsee,St--> | 09182133 = 2924 <!--Valley--> | 09182134 = 5525 <!--Waakirchen--> | 09182136 = 3700 <!--Warngau--> | 09182137 = 3407 <!--Weyarn--> | 09183112 = 6077 <!--Ampfing--> | 09183113 = 2816 <!--Aschaua.Inn--> | 09183114 = 3120 <!--Buchbach,M--> | 09183115 = 1206 <!--Egglkofen--> | 09183116 = 921 <!--Erharting--> | 09183118 = 3818 <!--Garsa.Inn,M--> | 09183119 = 6382 <!--Haagi.OB,M--> | 09183120 = 2382 <!--Heldenstein--> | 09183122 = 702 <!--Jettenbach--> | 09183123 = 1295 <!--Kirchdorf--> | 09183124 = 4020 <!--Kraiburga.Inn,M--> | 09183125 = 694 <!--Lohkirchen--> | 09183126 = 1899 <!--Maitenbeth--> | 09183127 = 3341 <!--Mettenheim--> | 09183128 = 17654 <!--Mühldorfa.Inn,St--> | 09183129 = 6103 <!--Neumarkt-SanktVeit,St--> | 09183130 = 1245 <!--Niederbergkirchen--> | 09183131 = 1325 <!--Niedertaufkirchen--> | 09183132 = 1630 <!--Oberbergkirchen--> | 09183134 = 828 <!--Oberneukirchen--> | 09183135 = 2403 <!--Obertaufkirchen--> | 09183136 = 3362 <!--Polling--> | 09183138 = 953 <!--Rattenkirchen--> | 09183139 = 1800 <!--Rechtmehring--> | 09183140 = 1681 <!--Reichertsheim--> | 09183143 = 914 <!--Schönberg--> | 09183144 = 3507 <!--Schwindegg--> | 09183145 = 1334 <!--Taufkirchen--> | 09183147 = 1737 <!--Unterreit--> | 09183148 = 24037 <!--Waldkraiburg,St--> | 09183151 = 1062 <!--Zangberg--> | 09184112 = 7283 <!--Aschheim--> | 09184113 = 2837 <!--Baierbrunn--> | 09184114 = 4809 <!--Brunnthal--> | 09184118 = 6110 <!--Feldkirchen--> | 09184119 = 15224 <!--Garchingb.München,St--> | 09184120 = 12821 <!--Gräfelfing--> | 09184121 = 6253 <!--Grasbrunn--> | 09184122 = 10939 <!--Grünwald--> | 09184123 = 19025 <!--Haar--> | 09184127 = 9430 <!--Höhenkirchen-Siegertsbrunn--> | 09184129 = 8872 <!--Hohenbrunn--> | 09184130 = 15181 <!--Ismaning--> | 09184131 = 12133 <!--Kirchheimb.München--> | 09184132 = 8303 <!--Neuried--> | 09184134 = 12621 <!--Oberhaching--> | 09184135 = 11293 <!--Oberschleißheim--> | 09184136 = 19923 <!--Ottobrunn--> | 09184137 = 4383 <!--Aying--> | 09184138 = 10588 <!--Planegg--> | 09184139 = 8766 <!--Pullachi.Isartal--> | 09184140 = 6001 <!--Putzbrunn--> | 09184141 = 6767 <!--Sauerlach--> | 09184142 = 5519 <!--Schäftlarn--> | 09184144 = 2913 <!--Straßlach-Dingharting--> | 09184145 = 17605 <!--Taufkirchen--> | 09184146 = 14216 <!--Neubiberg--> | 09184147 = 9177 <!--Unterföhring--> | 09184148 = 22098 <!--Unterhaching--> | 09184149 = 26453 <!--Unterschleißheim,St--> | 09185113 = 2676 <!--Aresing--> | 09185116 = 1193 <!--BergimGau--> | 09185118 = 1822 <!--Bergheim--> | 09185123 = 1563 <!--Brunnen--> | 09185125 = 4595 <!--Burgheim,M--> | 09185127 = 3690 <!--Ehekirchen--> | 09185131 = 2332 <!--Gachenbach--> | 09185139 = 5154 <!--Karlshuld--> | 09185140 = 4743 <!--Karlskron--> | 09185143 = 1483 <!--Langenmosen--> | 09185149 = 28136 <!--Neuburga.d.Donau,GKSt--> | 09185150 = 2586 <!--Oberhausen--> | 09185153 = 4833 <!--Rennertshofen,M--> | 09185157 = 1505 <!--Rohrenfels--> | 09185158 = 16064 <!--Schrobenhausen,St--> | 09185163 = 4287 <!--Königsmoos--> | 09185166 = 2165 <!--Waidhofen--> | 09185168 = 2363 <!--Weichering--> | 09186113 = 4802 <!--Baar-Ebenhausen--> | 09186116 = 1520 <!--Ernsgaden--> | 09186122 = 9874 <!--Geisenfeld,St--> | 09186125 = 3295 <!--Gerolsbach--> | 09186126 = 1961 <!--Hettenshausen--> | 09186128 = 4412 <!--Hohenwart,M--> | 09186130 = 2130 <!--Ilmmünster--> | 09186132 = 2973 <!--Jetzendorf--> | 09186137 = 11300 <!--Manching,M--> | 09186139 = 2836 <!--Münchsmünster--> | 09186143 = 23971 <!--Pfaffenhofena.d.Ilm,St--> | 09186144 = 2082 <!--Pörnbach--> | 09186146 = 4908 <!--Reichertshausen--> | 09186147 = 7502 <!--Reichertshofen,M--> | 09186149 = 5574 <!--Rohrbach--> | 09186151 = 4543 <!--Scheyern--> | 09186152 = 4901 <!--Schweitenkirchen--> | 09186158 = 7128 <!--Vohburga.d.Donau,St--> | 09186162 = 11013 <!--Wolnzach,M--> | 09187113 = 3563 <!--Amerang--> | 09187114 = 5686 <!--Aschaui.Chiemgau--> | 09187116 = 2843 <!--Babensham--> | 09187117 = 18052 <!--BadAibling,St--> | 09187118 = 7019 <!--Bernaua.Chiemsee--> | 09187120 = 5719 <!--Brannenburg--> | 09187121 = 1468 <!--Breitbrunna.Chiemsee--> | 09187122 = 15993 <!--Bruckmühl,M--> | 09187123 = 318 <!--Chiemsee--> | 09187124 = 4164 <!--Edling--> | 09187125 = 2905 <!--Eggstätt--> | 09187126 = 2930 <!--Eiselfing--> | 09187128 = 7743 <!--BadEndorf,M--> | 09187129 = 7435 <!--BadFeilnbach--> | 09187130 = 10183 <!--Feldkirchen-Westerham--> | 09187131 = 2941 <!--Flintsbacha.Inn--> | 09187132 = 2988 <!--Frasdorf--> | 09187134 = 2598 <!--Griesstätt--> | 09187137 = 6914 <!--Großkarolinenfeld--> | 09187138 = 1353 <!--Gstadta.Chiemsee--> | 09187139 = 2703 <!--Halfing--> | 09187142 = 4537 <!--Schechen--> | 09187145 = 1252 <!--Höslwang--> | 09187148 = 6804 <!--Kiefersfelden--> | 09187150 = 17868 <!--Kolbermoor,St--> | 09187154 = 4211 <!--Neubeuern,M--> | 09187156 = 2588 <!--Nußdorfa.Inn--> | 09187157 = 4917 <!--Oberaudorf--> | 09187159 = 3926 <!--Pfaffing--> | 09187162 = 10291 <!--Priena.Chiemsee,M--> | 09187163 = 2473 <!--Prutting--> | 09187164 = 1368 <!--Ramerberg--> | 09187165 = 11358 <!--Raubling--> | 09187167 = 5378 <!--Riedering--> | 09187168 = 3672 <!--Rimsting--> | 09187169 = 5461 <!--Rohrdorf--> | 09187170 = 3709 <!--Rotta.Inn--> | 09187172 = 2622 <!--Samerberg--> | 09187173 = 1220 <!--Schonstett--> | 09187174 = 2682 <!--Söchtenau--> | 09187176 = 2614 <!--Soyen--> | 09187177 = 9856 <!--Stephanskirchen--> | 09187179 = 6951 <!--Tuntenhausen--> | 09187181 = 3136 <!--Vogtareuth--> | 09187182 = 12266 <!--Wasserburga.Inn,St--> | 09187186 = 1590 <!--Albaching--> | 09188113 = 8173 <!--Berg--> | 09188117 = 3300 <!--Andechs--> | 09188118 = 4363 <!--Feldafing--> | 09188120 = 19741 <!--Gauting--> | 09188121 = 17161 <!--Gilching--> | 09188124 = 9996 <!--Herrschinga.Ammersee--> | 09188126 = 4269 <!--Inninga.Ammersee--> | 09188127 = 7580 <!--Krailling--> | 09188132 = 7073 <!--Seefeld--> | 09188137 = 5658 <!--Pöcking--> | 09188139 = 23223 <!--Starnberg,St--> | 09188141 = 9461 <!--Tutzing--> | 09188144 = 5168 <!--Weßling--> | 09188145 = 4695 <!--Wörthsee--> | 09189111 = 4289 <!--Altenmarkta.d.Alz--> | 09189113 = 4874 <!--Bergen--> | 09189114 = 4527 <!--Chieming--> | 09189115 = 2647 <!--Engelsberg--> | 09189118 = 4112 <!--Fridolfing--> | 09189119 = 4283 <!--Grabenstätt--> | 09189120 = 6372 <!--Grassau,M--> | 09189124 = 4484 <!--Inzell--> | 09189126 = 1395 <!--Kienberg--> | 09189127 = 3151 <!--Kirchanschöring--> | 09189129 = 3136 <!--Marquartstein--> | 09189130 = 2439 <!--Nußdorf--> | 09189133 = 4003 <!--Obing--> | 09189134 = 3362 <!--Palling--> | 09189135 = 2351 <!--Petting--> | 09189137 = 1636 <!--Pittenhart--> | 09189139 = 2320 <!--ReitimWinkl--> | 09189140 = 6287 <!--Ruhpolding--> | 09189141 = 1758 <!--Schleching--> | 09189142 = 3557 <!--Schnaitsee--> | 09189143 = 4586 <!--Seeon-Seebruck--> | 09189145 = 8001 <!--Siegsdorf--> | 09189146 = 1131 <!--Staudach-Egerndach--> | 09189148 = 3136 <!--Surberg--> | 09189149 = 5537 <!--Tacherting--> | 09189150 = 1932 <!--Tachinga.See--> | 09189152 = 6073 <!--Tittmoning,St--> | 09189154 = 20922 <!--Traunreut,St--> | 09189155 = 18680 <!--Traunstein,GKSt--> | 09189157 = 11650 <!--Trostberg,St--> | 09189159 = 4865 <!--Übersee--> | 09189160 = 3442 <!--Unterwössen--> | 09189161 = 1858 <!--Vachendorf--> | 09189162 = 6333 <!--Waginga.See,M--> | 09189165 = 1465 <!--Wonneberg--> | 09190111 = 3314 <!--Altenstadt--> | 09190113 = 1137 <!--Antdorf--> | 09190114 = 2302 <!--Bernbeuren--> | 09190115 = 2188 <!--BernriedamStarnbergerSee--> | 09190117 = 1721 <!--Böbing--> | 09190118 = 1693 <!--Burggen--> | 09190120 = 1303 <!--Eberfing--> | 09190121 = 962 <!--Eglfing--> | 09190126 = 1047 <!--Habach--> | 09190129 = 1511 <!--Hohenfurch--> | 09190130 = 3833 <!--Hohenpeißenberg--> | 09190131 = 2537 <!--Huglfing--> | 09190132 = 2538 <!--Iffeldorf--> | 09190133 = 892 <!--Ingenried--> | 09190135 = 2146 <!--Oberhausen--> | 09190136 = 1505 <!--Obersöchering--> | 09190138 = 2435 <!--Pähl--> | 09190139 = 12552 <!--Peißenberg,M--> | 09190140 = 11691 <!--Peiting,M--> | 09190141 = 16230 <!--Penzberg,St--> | 09190142 = 3298 <!--Polling--> | 09190143 = 864 <!--Prem--> | 09190144 = 2246 <!--Raisting--> | 09190145 = 1793 <!--Rottenbuch--> | 09190148 = 12193 <!--Schongau,St--> | 09190149 = 959 <!--Schwabbruck--> | 09190151 = 1290 <!--Schwabsoien--> | 09190152 = 2871 <!--Seeshaupt--> | 09190153 = 1088 <!--Sindelsdorf--> | 09190154 = 2753 <!--Steingaden--> | 09190157 = 21574 <!--Weilheimi.OB,St--> | 09190158 = 2086 <!--Wessobrunn--> | 09190159 = 3136 <!--Wielenbach--> | 09190160 = 1238 <!--Wildsteig--> | 09261000 = 62606 <!--Landshut kreisfreie Stadt--> | 09262000 = 50717 <!--Passau kreisfreie Stadt--> | 09263000 = 44496 <!--Straubing kreisfreie Stadt--> | 09271111 = 2289 <!--Aholming--> | 09271113 = 2144 <!--Auerbach--> | 09271114 = 1430 <!--Außernzell--> | 09271116 = 4881 <!--Bernried--> | 09271118 = 945 <!--Buchhofen--> | 09271119 = 31561 <!--Deggendorf,GKSt--> | 09271122 = 2796 <!--Grafling--> | 09271123 = 1359 <!--Grattersdorf--> | 09271125 = 7704 <!--Hengersberg,M--> | 09271126 = 1193 <!--Hunding--> | 09271127 = 2066 <!--Iggensbach--> | 09271128 = 3128 <!--Künzing--> | 09271130 = 1617 <!--Lalling--> | 09271132 = 4406 <!--Metten,M--> | 09271135 = 2163 <!--Moos--> | 09271138 = 1923 <!--Niederalteich--> | 09271139 = 1146 <!--Oberpöring--> | 09271140 = 3333 <!--Offenberg--> | 09271141 = 11805 <!--Osterhofen,St--> | 09271143 = 1969 <!--Otzing--> | 09271146 = 12625 <!--Plattling,St--> | 09271148 = 1514 <!--Schaufling--> | 09271149 = 5018 <!--Schöllnach,M--> | 09271151 = 3058 <!--Stephansposching--> | 09271152 = 1378 <!--Wallerfing--> | 09271153 = 3822 <!--Winzer,M--> | 09272116 = 976 <!--Eppenschlag--> | 09272118 = 6987 <!--Freyung,St--> | 09272119 = 956 <!--Fürsteneck--> | 09272120 = 8673 <!--Grafenau,St--> | 09272121 = 2409 <!--Grainet--> | 09272122 = 1421 <!--Haidmühle--> | 09272126 = 2542 <!--Hinterschmiding--> | 09272127 = 3449 <!--Hohenau--> | 09272128 = 1642 <!--Innernzell--> | 09272129 = 3349 <!--Jandelsbrunn--> | 09272134 = 2407 <!--Mauth--> | 09272136 = 4458 <!--Neureichenau--> | 09272138 = 2908 <!--Perlesreut,M--> | 09272139 = 734 <!--Philippsreut--> | 09272140 = 2064 <!--Ringelai--> | 09272141 = 4565 <!--Röhrnbach,M--> | 09272142 = 1956 <!--Saldenburg--> | 09272143 = 3066 <!--SanktOswald-Riedlhütte--> | 09272145 = 1295 <!--Schöfweg--> | 09272146 = 2341 <!--Neuschönau--> | 09272147 = 3861 <!--Schönberg,M--> | 09272149 = 3990 <!--Spiegelau--> | 09272150 = 2408 <!--Thurmansbang--> | 09272151 = 10456 <!--Waldkirchen,St--> | 09272152 = 1131 <!--Zenting--> | 09273111 = 12629 <!--Abensberg,St--> | 09273113 = 1685 <!--Aiglsbach--> | 09273115 = 1343 <!--Attenhofen--> | 09273116 = 11061 <!--BadAbbach,M--> | 09273119 = 1216 <!--Biburg--> | 09273121 = 985 <!--Essing,M--> | 09273125 = 2024 <!--Hausen--> | 09273127 = 1200 <!--Herrngiersdorf--> | 09273133 = 4240 <!--Ihrlerstein--> | 09273137 = 15560 <!--Kelheim,St--> | 09273139 = 889 <!--Kirchdorf--> | 09273141 = 5147 <!--Langquaid,M--> | 09273147 = 13905 <!--Mainburg,St--> | 09273152 = 12847 <!--Neustadta.d.Donau,St--> | 09273159 = 2236 <!--Painten,M--> | 09273163 = 2085 <!--Elsendorf--> | 09273164 = 5632 <!--Riedenburg,St--> | 09273165 = 3326 <!--Rohri.NB,M--> | 09273166 = 5394 <!--Saala.d.Donau--> | 09273172 = 3357 <!--Siegenburg,M--> | 09273175 = 1588 <!--Teugn--> | 09273177 = 1805 <!--Train--> | 09273178 = 1619 <!--Volkenschwand--> | 09273181 = 1347 <!--Wildenberg--> | 09274111 = 3899 <!--Adlkofen--> | 09274112 = 1892 <!--Aham--> | 09274113 = 11172 <!--Altdorf,M--> | 09274114 = 2057 <!--Altfraunhofen--> | 09274118 = 785 <!--Baierbach--> | 09274119 = 1740 <!--Bayerbachb.Ergoldsbach--> | 09274120 = 5361 <!--Bodenkirchen--> | 09274121 = 3478 <!--Bucha.Erlbach--> | 09274124 = 3708 <!--Eching--> | 09274126 = 11691 <!--Ergolding,M--> | 09274127 = 7449 <!--Ergoldsbach,M--> | 09274128 = 11166 <!--Essenbach,M--> | 09274132 = 3299 <!--Furth--> | 09274134 = 6379 <!--Geisenhausen,M--> | 09274135 = 1748 <!--Gerzen--> | 09274141 = 3804 <!--Hohenthann--> | 09274145 = 1931 <!--Kröning--> | 09274146 = 4952 <!--Kumhausen--> | 09274153 = 3855 <!--Neufahrni.NB--> | 09274154 = 1102 <!--Neufraunhofen--> | 09274156 = 3654 <!--Niederaichbach--> | 09274165 = 1729 <!--Obersüßbach--> | 09274172 = 4777 <!--Pfeffenhausen,M--> | 09274174 = 1602 <!--Postau--> | 09274176 = 7605 <!--Rottenburga.d.Laaber,St--> | 09274179 = 957 <!--Schalkham--> | 09274182 = 3617 <!--Tiefenbach--> | 09274183 = 6586 <!--Velden,M--> | 09274184 = 11527 <!--Vilsbiburg,St--> | 09274185 = 2369 <!--Vilsheim--> | 09274187 = 2463 <!--Weihmichl--> | 09274188 = 1408 <!--Weng--> | 09274191 = 2409 <!--Wörtha.d.Isar--> | 09274193 = 1329 <!--Wurmsham--> | 09274194 = 5013 <!--Bruckberg--> | 09275111 = 2460 <!--AichavormWald--> | 09275112 = 3057 <!--Aidenbach,M--> | 09275114 = 4336 <!--Aldersbach--> | 09275116 = 6700 <!--BadFüssing--> | 09275117 = 1126 <!--Beutelsbach--> | 09275118 = 2158 <!--Breitenberg--> | 09275119 = 4084 <!--Büchlberg--> | 09275120 = 3924 <!--Eginga.See,M--> | 09275121 = 3452 <!--Fürstenstein--> | 09275122 = 7778 <!--Fürstenzell,M--> | 09275124 = 8488 <!--BadGriesbachi.Rottal,St--> | 09275125 = 2587 <!--Haarbach--> | 09275126 = 12162 <!--Hauzenberg,St--> | 09275127 = 3605 <!--Hofkirchen,M--> | 09275128 = 5946 <!--Hutthurm,M--> | 09275130 = 2354 <!--Kirchham--> | 09275131 = 1952 <!--Kößlarn,M--> | 09275132 = 1287 <!--Malching--> | 09275133 = 4177 <!--Neuburga.Inn--> | 09275134 = 3533 <!--Neuhausa.Inn--> | 09275135 = 2715 <!--NeukirchenvormWald--> | 09275137 = 3842 <!--Obernzell,M--> | 09275138 = 7139 <!--Ortenburg,M--> | 09275141 = 14938 <!--Pocking,St--> | 09275143 = 5003 <!--Rotthalmünster,M--> | 09275144 = 3038 <!--Ruderting--> | 09275145 = 7080 <!--Ruhstorfa.d.Rott,M--> | 09275146 = 6594 <!--Salzweg--> | 09275148 = 1474 <!--Sonnen--> | 09275149 = 1696 <!--Tettenweis--> | 09275150 = 4201 <!--Thyrnau--> | 09275151 = 6724 <!--Tiefenbach--> | 09275152 = 3656 <!--Tittling,M--> | 09275153 = 6233 <!--Untergriesbach,M--> | 09275154 = 16328 <!--VilshofenanderDonau,St--> | 09275156 = 5652 <!--Wegscheid,M--> | 09275159 = 4738 <!--Windorf,M--> | 09275160 = 1748 <!--Witzmannsberg--> | 09276111 = 1000 <!--Achslach--> | 09276113 = 2043 <!--Arnbruck--> | 09276115 = 1049 <!--BayerischEisenstein--> | 09276116 = 3188 <!--Bischofsmais--> | 09276117 = 3338 <!--Bodenmais,M--> | 09276118 = 1628 <!--Böbrach--> | 09276120 = 2393 <!--Drachselsried--> | 09276121 = 2810 <!--Frauenau--> | 09276122 = 2273 <!--Geiersthal--> | 09276123 = 1239 <!--Gotteszell--> | 09276126 = 4228 <!--Kirchbergi.Wald--> | 09276127 = 2160 <!--Kirchdorfi.Wald--> | 09276128 = 2893 <!--Kollnburg--> | 09276129 = 2028 <!--Langdorf--> | 09276130 = 2418 <!--Lindberg--> | 09276134 = 1773 <!--Patersdorf--> | 09276135 = 2698 <!--Prackenbach--> | 09276138 = 11842 <!--Regen,St--> | 09276139 = 3277 <!--Rinchnach--> | 09276142 = 2067 <!--Ruhmannsfelden,M--> | 09276143 = 2911 <!--Teisnach,M--> | 09276144 = 8354 <!--Viechtach,St--> | 09276146 = 2153 <!--Zachenberg--> | 09276148 = 9973 <!--Zwiesel,St--> | 09277111 = 6631 <!--Arnstorf,M--> | 09277112 = 1693 <!--Bayerbach--> | 09277113 = 5522 <!--BadBirnbach,M--> | 09277114 = 3135 <!--Dietersburg--> | 09277116 = 12837 <!--Eggenfelden,St--> | 09277117 = 2400 <!--Egglham--> | 09277118 = 1907 <!--Ering--> | 09277119 = 3909 <!--Falkenberg--> | 09277121 = 6503 <!--Gangkofen,M--> | 09277122 = 889 <!--Geratskirchen--> | 09277124 = 3702 <!--Hebertsfelden--> | 09277126 = 2453 <!--Johanniskirchen--> | 09277127 = 2354 <!--Julbach--> | 09277128 = 5267 <!--Kirchdorfa.Inn--> | 09277131 = 1182 <!--Malgersdorf--> | 09277133 = 4022 <!--Massing,M--> | 09277134 = 2072 <!--Mitterskirchen--> | 09277138 = 11776 <!--Pfarrkirchen,St--> | 09277139 = 2323 <!--Postmünster--> | 09277140 = 1840 <!--Reut--> | 09277141 = 864 <!--Rimbach--> | 09277142 = 2861 <!--Roßbach--> | 09277144 = 1951 <!--Schönau--> | 09277145 = 9808 <!--Simbacha.Inn,St--> | 09277147 = 1453 <!--Stubenberg--> | 09277148 = 3946 <!--Tann,M--> | 09277149 = 5266 <!--Triftern,M--> | 09277151 = 2105 <!--Unterdietfurt--> | 09277152 = 2062 <!--Wittibreut--> | 09277153 = 3688 <!--Wurmannsquick,M--> | 09277154 = 2201 <!--Zeilarn--> | 09278112 = 1762 <!--Aholfing--> | 09278113 = 3422 <!--Aiterhofen--> | 09278116 = 1532 <!--Ascha--> | 09278117 = 1642 <!--Atting--> | 09278118 = 10147 <!--Bogen,St--> | 09278120 = 1009 <!--Falkenfels--> | 09278121 = 1927 <!--Feldkirchen--> | 09278123 = 6746 <!--Geiselhöring,St--> | 09278129 = 2164 <!--Haibach--> | 09278134 = 1680 <!--Haselbach--> | 09278139 = 3299 <!--Hunderdorf--> | 09278140 = 1158 <!--Irlbach--> | 09278141 = 3734 <!--Kirchroth--> | 09278143 = 1831 <!--Konzell--> | 09278144 = 3441 <!--Laberweinting--> | 09278146 = 3919 <!--Leiblfing--> | 09278147 = 621 <!--Loitzendorf--> | 09278148 = 6479 <!--Mallersdorf-Pfaffenberg,M--> | 09278149 = 1424 <!--Mariaposching--> | 09278151 = 2483 <!--Mitterfels,M--> | 09278154 = 1824 <!--Neukirchen--> | 09278159 = 2442 <!--Niederwinkling--> | 09278167 = 2733 <!--Oberschneiding--> | 09278170 = 2973 <!--Parkstetten--> | 09278171 = 680 <!--Perasdorf--> | 09278172 = 1506 <!--Perkam--> | 09278177 = 2675 <!--Rain--> | 09278178 = 1849 <!--Rattenberg--> | 09278179 = 1431 <!--Rattiszell--> | 09278182 = 2525 <!--Salching--> | 09278184 = 1485 <!--SanktEnglmar--> | 09278187 = 2819 <!--Schwarzach,M--> | 09278189 = 1391 <!--Stallwang--> | 09278190 = 2980 <!--Steinach--> | 09278192 = 3309 <!--Straßkirchen--> | 09278197 = 3622 <!--Wiesenfelden--> | 09278198 = 1038 <!--Windberg--> | 09279112 = 18229 <!--Dingolfing,St--> | 09279113 = 6515 <!--Eichendorf,M--> | 09279115 = 4398 <!--Frontenhausen,M--> | 09279116 = 2086 <!--Gottfrieding--> | 09279122 = 12741 <!--Landaua.d.Isar,St--> | 09279124 = 3560 <!--Loiching--> | 09279125 = 2888 <!--Mamming--> | 09279126 = 3634 <!--Marklkofen--> | 09279127 = 5689 <!--Mengkofen--> | 09279128 = 4772 <!--Moosthenning--> | 09279130 = 2498 <!--Niederviehbach--> | 09279132 = 6194 <!--Pilsting,M--> | 09279134 = 7514 <!--Reisbach,M--> | 09279135 = 3653 <!--Simbach,M--> | 09279137 = 6745 <!--Wallersdorf,M--> | 09361000 = 44059 <!--Amberg kreisfreie Stadt--> | 09362000 = 133525 <!--Regensburg kreisfreie Stadt--> | 09363000 = 42219 <!--Weideni.d.OPf. kreisfreie Stadt--> | 09371111 = 2096 <!--Ammerthal--> | 09371113 = 8929 <!--Auerbachi.d.OPf.,St--> | 09371116 = 1835 <!--Birgland--> | 09371118 = 2472 <!--Ebermannsdorf--> | 09371119 = 1931 <!--Edelsfeld--> | 09371120 = 2242 <!--Ensdorf--> | 09371121 = 2567 <!--Freihung,M--> | 09371122 = 4204 <!--Freudenberg--> | 09371123 = 900 <!--Gebenbach--> | 09371126 = 5047 <!--Hahnbach,M--> | 09371127 = 6068 <!--Hirschau,St--> | 09371128 = 1292 <!--Hirschbach--> | 09371129 = 1677 <!--Hohenburg,M--> | 09371131 = 2130 <!--Illschwang--> | 09371132 = 2522 <!--Kastl,M--> | 09371135 = 1798 <!--Königstein,M--> | 09371136 = 10033 <!--Kümmersbruck--> | 09371140 = 1443 <!--Etzelwang--> | 09371141 = 2703 <!--Neukirchenb.Sulzbach-Rosenberg--> | 09371144 = 3380 <!--Poppenricht--> | 09371146 = 2888 <!--Rieden,M--> | 09371148 = 2450 <!--Schmidmühlen,M--> | 09371150 = 4233 <!--Schnaittenbach,St--> | 09371151 = 19976 <!--Sulzbach-Rosenberg,St--> | 09371154 = 3728 <!--Ursensollen--> | 09371156 = 6412 <!--Vilseck,St--> | 09371157 = 1268 <!--Weigendorf--> | 09372112 = 1992 <!--Arnschwang--> | 09372113 = 2669 <!--Arrach--> | 09372115 = 2006 <!--Blaibach--> | 09372116 = 17110 <!--Cham,St--> | 09372117 = 2631 <!--Chamerau--> | 09372124 = 3489 <!--Eschlkam,M--> | 09372125 = 3289 <!--Falkenstein,M--> | 09372126 = 9057 <!--FurthimWald,St--> | 09372128 = 903 <!--Gleißenberg--> | 09372130 = 1622 <!--Grafenwiesen--> | 09372135 = 2056 <!--Hohenwarth--> | 09372137 = 7372 <!--BadKötzting,St--> | 09372138 = 2845 <!--Lam,M--> | 09372142 = 1774 <!--Michelsneukirchen--> | 09372143 = 2330 <!--Miltach--> | 09372144 = 3917 <!--Neukirchenb.Hl.Blut,M--> | 09372146 = 2243 <!--Pemfling--> | 09372147 = 966 <!--Pösing--> | 09372149 = 1233 <!--Reichenbach--> | 09372150 = 1778 <!--Rettenbach--> | 09372151 = 2023 <!--Rimbach--> | 09372153 = 11451 <!--Roding,St--> | 09372154 = 3497 <!--Rötz,St--> | 09372155 = 2336 <!--Runding--> | 09372157 = 2024 <!--Schönthal--> | 09372158 = 2597 <!--Schorndorf--> | 09372161 = 2178 <!--Stamsried,M--> | 09372163 = 2122 <!--Tiefenbach--> | 09372164 = 4075 <!--Traitsching--> | 09372165 = 1001 <!--Treffelstein--> | 09372167 = 1841 <!--Zell--> | 09372168 = 2030 <!--Waffenbrunn--> | 09372169 = 2818 <!--Wald--> | 09372170 = 2104 <!--Walderbach--> | 09372171 = 7088 <!--Waldmünchen,St--> | 09372174 = 2620 <!--Weiding--> | 09372175 = 2109 <!--Willmering--> | 09372177 = 1848 <!--Zandt--> | 09372178 = 2048 <!--Lohberg--> | 09373112 = 8617 <!--Berching,St--> | 09373113 = 7593 <!--Bergb.Neumarkti.d.OPf.--> | 09373114 = 2444 <!--Berngau--> | 09373115 = 3481 <!--Breitenbrunn,M--> | 09373119 = 4320 <!--Deining--> | 09373121 = 6015 <!--Dietfurta.d.Altmühl,St--> | 09373126 = 8516 <!--Freystadt,St--> | 09373134 = 2154 <!--Hohenfels,M--> | 09373140 = 3628 <!--Lauterhofen,M--> | 09373143 = 2341 <!--Lupburg,M--> | 09373146 = 4619 <!--Mühlhausen--> | 09373147 = 39246 <!--Neumarkti.d.OPf.,GKSt--> | 09373151 = 6561 <!--Parsberg,St--> | 09373153 = 2648 <!--Pilsach--> | 09373155 = 7354 <!--Postbauer-Heng,M--> | 09373156 = 5597 <!--Pyrbaum,M--> | 09373159 = 2741 <!--Sengenthal--> | 09373160 = 5043 <!--Seubersdorfi.d.OPf.--> | 09373167 = 5212 <!--Velburg,St--> | 09374111 = 4986 <!--Altenstadta.d.Waldnaab--> | 09374117 = 4159 <!--Eschenbachi.d.OPf.,St--> | 09374118 = 2925 <!--Eslarn,M--> | 09374119 = 1619 <!--Etzenricht--> | 09374121 = 3507 <!--Floß,M--> | 09374122 = 1699 <!--Flossenbürg--> | 09374123 = 1422 <!--Georgenberg--> | 09374124 = 6791 <!--Grafenwöhr,St--> | 09374127 = 1147 <!--Irchenrieth--> | 09374128 = 892 <!--Kirchendemenreuth--> | 09374129 = 3305 <!--Kirchenthumbach,M--> | 09374131 = 1275 <!--Kohlberg,M--> | 09374132 = 1311 <!--Leuchtenberg,M--> | 09374133 = 3430 <!--Luhe-Wildenau,M--> | 09374134 = 2997 <!--Mantel,M--> | 09374137 = 2488 <!--Moosbach,M--> | 09374139 = 5938 <!--Neustadta.d.Waldnaab,St--> | 09374140 = 1264 <!--NeustadtamKulm,St--> | 09374144 = 2298 <!--Parkstein,M--> | 09374146 = 1805 <!--Pirk--> | 09374147 = 2621 <!--Pleystein,St--> | 09374148 = 1346 <!--Trabitz--> | 09374149 = 4510 <!--Pressath,St--> | 09374150 = 1613 <!--Püchersreuth--> | 09374154 = 2076 <!--Schirmitz--> | 09374155 = 912 <!--Schlammersdorf--> | 09374156 = 1143 <!--Schwarzenbach--> | 09374157 = 1154 <!--Speinshart--> | 09374158 = 1477 <!--Störnstein--> | 09374159 = 1543 <!--Tännesberg,M--> | 09374160 = 1219 <!--Theisseil--> | 09374162 = 7722 <!--Vohenstrauß,St--> | 09374163 = 1037 <!--Vorbach--> | 09374164 = 2420 <!--Waidhaus,M--> | 09374165 = 2048 <!--Waldthurn,M--> | 09374166 = 3889 <!--Weiherhammer--> | 09374168 = 5351 <!--Windischeschenbach,St--> | 09374170 = 1087 <!--Bechtsrieth--> | 09375113 = 3185 <!--Alteglofsheim--> | 09375114 = 1581 <!--Altenthann--> | 09375115 = 1724 <!--Aufhausen--> | 09375116 = 1824 <!--Bacha.d.Donau--> | 09375117 = 4839 <!--Barbing--> | 09375118 = 5617 <!--Beratzhausen,M--> | 09375119 = 5631 <!--Bernhardswald--> | 09375120 = 1841 <!--Brennberg--> | 09375122 = 1369 <!--Brunn--> | 09375127 = 2102 <!--Deuerling--> | 09375130 = 3765 <!--Donaustauf,M--> | 09375131 = 1636 <!--Duggendorf--> | 09375143 = 2005 <!--Hagelstadt--> | 09375148 = 8456 <!--Hemau,St--> | 09375153 = 1004 <!--Holzheima.Forst--> | 09375156 = 2873 <!--Kallmünz,M--> | 09375161 = 2334 <!--Köfering--> | 09375162 = 5139 <!--Laaber,M--> | 09375165 = 13146 <!--Lappersdorf,M--> | 09375170 = 4761 <!--Mintraching--> | 09375171 = 1463 <!--Mötzing--> | 09375174 = 12641 <!--Neutraubling,St--> | 09375175 = 8903 <!--Nittendorf,M--> | 09375179 = 7549 <!--Obertraubling--> | 09375180 = 5812 <!--Pentling--> | 09375181 = 3242 <!--Pettendorf--> | 09375182 = 1553 <!--Pfakofen--> | 09375183 = 3103 <!--Pfatter--> | 09375184 = 1420 <!--Pielenhofen--> | 09375190 = 15013 <!--Regenstauf,M--> | 09375191 = 799 <!--Riekofen--> | 09375196 = 7186 <!--Schierling,M--> | 09375199 = 6873 <!--Sinzing--> | 09375201 = 1938 <!--Sünching--> | 09375204 = 4741 <!--Tegernheim--> | 09375205 = 3257 <!--Thalmassing--> | 09375208 = 8214 <!--Wenzenbach--> | 09375209 = 2553 <!--Wiesent--> | 09375210 = 4420 <!--Wörtha.d.Donau,St--> | 09375211 = 1494 <!--Wolfsegg--> | 09375213 = 5806 <!--Zeitlarn--> | 09376112 = 950 <!--Altendorf--> | 09376116 = 4061 <!--Bodenwöhr--> | 09376117 = 4368 <!--Brucki.d.OPf.,M--> | 09376119 = 12309 <!--Burglengenfeld,St--> | 09376122 = 1034 <!--Dieterskirchen--> | 09376125 = 2412 <!--Fensterbach--> | 09376131 = 655 <!--Gleiritsch--> | 09376133 = 899 <!--Guteneck--> | 09376141 = 10474 <!--Maxhütte-Haidhof,St--> | 09376144 = 6030 <!--Nabburg,St--> | 09376146 = 1122 <!--Neukirchen-Balbini,M--> | 09376147 = 8120 <!--NeunburgvormWald,St--> | 09376148 = 1299 <!--Niedermurach--> | 09376149 = 8363 <!--Nittenau,St--> | 09376150 = 5694 <!--Wernberg-Köblitz,M--> | 09376151 = 4883 <!--Oberviechtach,St--> | 09376153 = 5491 <!--Pfreimd,St--> | 09376159 = 2900 <!--Schmidgaden--> | 09376160 = 2701 <!--Schönsee,St--> | 09376161 = 27911 <!--Schwandorf,GKSt--> | 09376162 = 1522 <!--Schwarzachb.Nabburg--> | 09376163 = 6245 <!--Schwarzenfeld,M--> | 09376164 = 1458 <!--Schwarzhofen,M--> | 09376167 = 602 <!--Stadlern--> | 09376168 = 1830 <!--SteinbergamSee--> | 09376169 = 1686 <!--Stulln--> | 09376170 = 7379 <!--Teublitz,St--> | 09376171 = 1975 <!--Teunz--> | 09376172 = 988 <!--Thanstein--> | 09376173 = 971 <!--Trausnitz--> | 09376175 = 4997 <!--Wackersdorf--> | 09376176 = 564 <!--Weiding--> | 09376178 = 1447 <!--Winklarn,M--> | 09377112 = 3338 <!--Bärnau,St--> | 09377113 = 1165 <!--Brand--> | 09377115 = 1360 <!--Ebnath--> | 09377116 = 5363 <!--Erbendorf,St--> | 09377117 = 951 <!--Falkenberg,M--> | 09377118 = 1317 <!--Friedenfels--> | 09377119 = 1753 <!--Fuchsmühl,M--> | 09377127 = 1824 <!--Immenreuth--> | 09377128 = 1408 <!--Kastl--> | 09377129 = 5295 <!--Kemnath,St--> | 09377131 = 1917 <!--Konnersreuth,M--> | 09377132 = 1572 <!--Krummennaab--> | 09377133 = 2341 <!--Kulmain--> | 09377137 = 1014 <!--Leonberg--> | 09377139 = 1909 <!--Mähring,M--> | 09377141 = 6937 <!--Mitterteich,St--> | 09377142 = 1523 <!--Neualbenreuth,M--> | 09377143 = 1968 <!--Neusorg--> | 09377145 = 1406 <!--Pechbrunn--> | 09377146 = 3431 <!--Plößberg,M--> | 09377148 = 1853 <!--Pullenreuth--> | 09377149 = 1233 <!--Reuthb.Erbendorf--> | 09377154 = 9188 <!--Tirschenreuth,St--> | 09377157 = 4474 <!--Waldershof,St--> | 09377158 = 7211 <!--Waldsassen,St--> | 09377159 = 4202 <!--Wiesau,M--> | 09461000 = 69989 <!--Bamberg kreisfreie Stadt--> | 09462000 = 72935 <!--Bayreuth kreisfreie Stadt--> | 09463000 = 41316 <!--Coburg kreisfreie Stadt--> | 09464000 = 47275 <!--Hof kreisfreie Stadt--> | 09471111 = 1939 <!--Altendorf--> | 09471115 = 3938 <!--Baunach,St--> | 09471117 = 6049 <!--Bischberg--> | 09471119 = 4596 <!--Breitengüßbach--> | 09471120 = 6472 <!--Burgebrach,M--> | 09471122 = 1422 <!--Burgwindheim,M--> | 09471123 = 3346 <!--Buttenheim,M--> | 09471128 = 1881 <!--Ebrach,M--> | 09471131 = 4867 <!--Frensdorf--> | 09471133 = 983 <!--Gerach--> | 09471137 = 3291 <!--Gundelsheim--> | 09471140 = 8512 <!--Hallstadt,St--> | 09471142 = 3686 <!--Heiligenstadti.OFr.,M--> | 09471145 = 11707 <!--Hirschaid,M--> | 09471150 = 2578 <!--Kemmern--> | 09471151 = 1335 <!--Königsfeld--> | 09471152 = 1134 <!--Lauter--> | 09471154 = 1747 <!--Lisberg--> | 09471155 = 6028 <!--Litzendorf--> | 09471159 = 8959 <!--Memmelsdorf--> | 09471165 = 4656 <!--Oberhaid--> | 09471169 = 1915 <!--Pettstadt--> | 09471172 = 2924 <!--Pommersfelden--> | 09471173 = 1522 <!--Priesendorf--> | 09471174 = 4505 <!--Rattelsdorf,M--> | 09471175 = 2030 <!--Reckendorf--> | 09471185 = 7134 <!--Scheßlitz,St--> | 09471186 = 1907 <!--Schönbrunni.Steigerwald--> | 09471189 = 1256 <!--Stadelhofen--> | 09471191 = 6844 <!--Stegaurach--> | 09471195 = 7736 <!--Strullendorf--> | 09471207 = 3649 <!--Viereth-Trunstadt--> | 09471208 = 2563 <!--Walsdorf--> | 09471209 = 696 <!--Wattendorf--> | 09471214 = 5004 <!--Zapfendorf,M--> | 09471220 = 5713 <!--Schlüsselfeld,St--> | 09472111 = 2260 <!--Ahorntal--> | 09472115 = 1317 <!--Aufseß--> | 09472116 = 4579 <!--BadBernecki.Fichtelgebirge,St--> | 09472118 = 2533 <!--Betzenstein,St--> | 09472119 = 7211 <!--Bindlach--> | 09472121 = 1990 <!--Bischofsgrün--> | 09472127 = 4716 <!--Creußen,St--> | 09472131 = 5026 <!--Eckersdorf--> | 09472133 = 1110 <!--Emtmannsberg--> | 09472138 = 1954 <!--Fichtelberg--> | 09472139 = 4711 <!--Gefrees,St--> | 09472140 = 1297 <!--Gesees--> | 09472141 = 1452 <!--Glashütten--> | 09472143 = 3632 <!--Goldkronach,St--> | 09472146 = 928 <!--Haag--> | 09472150 = 3751 <!--Heinersreuth--> | 09472154 = 5200 <!--Hollfeld,St--> | 09472155 = 2433 <!--Hummeltal--> | 09472156 = 1387 <!--Kirchenpingarten--> | 09472164 = 1370 <!--Mehlmeisel--> | 09472166 = 1619 <!--Mistelbach--> | 09472167 = 3855 <!--Mistelgau--> | 09472175 = 13751 <!--Pegnitz,St--> | 09472176 = 865 <!--Plankenfels--> | 09472177 = 1302 <!--Plech,M--> | 09472179 = 5362 <!--Pottenstein,St--> | 09472180 = 1073 <!--Prebitz--> | 09472184 = 1014 <!--Schnabelwaid,M--> | 09472188 = 1373 <!--Seybothenreuth--> | 09472190 = 6091 <!--Speichersdorf--> | 09472197 = 3189 <!--Waischenfeld,St--> | 09472198 = 2214 <!--Warmensteinach--> | 09472199 = 6387 <!--Weidenberg,M--> | 09473112 = 4381 <!--Ahorn--> | 09473120 = 3742 <!--Dörfles-Esbach--> | 09473121 = 6122 <!--Ebersdorfb.Coburg--> | 09473132 = 2595 <!--Großheirath--> | 09473134 = 3078 <!--Gruba.Forst--> | 09473138 = 2340 <!--Itzgrund--> | 09473141 = 4107 <!--Lautertal--> | 09473144 = 3922 <!--Meeder--> | 09473151 = 16109 <!--Neustadtb.Coburg,GKSt--> | 09473153 = 1614 <!--Niederfüllbach--> | 09473158 = 6365 <!--BadRodach,St--> | 09473159 = 13450 <!--Rödental,St--> | 09473165 = 4065 <!--Seßlach,St--> | 09473166 = 5094 <!--Sonnefeld--> | 09473170 = 4170 <!--Untersiemau--> | 09473174 = 3251 <!--Weidhausenb.Coburg--> | 09473175 = 5098 <!--Weitramsdorf--> | 09474119 = 2004 <!--Dormitz--> | 09474121 = 6826 <!--Ebermannstadt,St--> | 09474122 = 2655 <!--Effeltrich--> | 09474123 = 6444 <!--Eggolsheim,M--> | 09474124 = 1966 <!--Egloffstein,M--> | 09474126 = 30418 <!--Forchheim,GKSt--> | 09474129 = 4055 <!--Gößweinstein,M--> | 09474132 = 4022 <!--Gräfenberg,St--> | 09474133 = 3950 <!--Hallerndorf--> | 09474134 = 3660 <!--Hausen--> | 09474135 = 5053 <!--Heroldsbach--> | 09474137 = 1299 <!--Hetzles--> | 09474138 = 1590 <!--Hiltpoltstein,M--> | 09474140 = 4824 <!--Igensdorf,M--> | 09474143 = 2285 <!--Kirchehrenbach--> | 09474144 = 1521 <!--Kleinsendelbach--> | 09474145 = 1351 <!--Kunreuth--> | 09474146 = 2924 <!--Langensendelbach--> | 09474147 = 1752 <!--Leutenbach--> | 09474154 = 7983 <!--Neunkirchena.Brand,M--> | 09474156 = 2189 <!--Obertrubach--> | 09474158 = 1905 <!--Pinzberg--> | 09474160 = 1526 <!--Poxdorf--> | 09474161 = 2492 <!--Pretzfeld,M--> | 09474168 = 1252 <!--Unterleinleiter--> | 09474171 = 2029 <!--Weilersbach--> | 09474173 = 1083 <!--Weißenohe--> | 09474175 = 1691 <!--Wiesenthau--> | 09474176 = 2540 <!--Wiesenttal,M--> | 09475112 = 3540 <!--BadSteben,M--> | 09475113 = 2442 <!--Berg--> | 09475120 = 4106 <!--Döhlau--> | 09475123 = 2850 <!--Feilitzsch--> | 09475127 = 1155 <!--Gattendorf--> | 09475128 = 3016 <!--Geroldsgrün--> | 09475136 = 9091 <!--Helmbrechts,St--> | 09475137 = 1107 <!--Issigau--> | 09475141 = 2677 <!--Köditz--> | 09475142 = 3467 <!--Konradsreuth--> | 09475145 = 1335 <!--Leupoldsgrün--> | 09475146 = 1107 <!--Lichtenberg,St--> | 09475154 = 11087 <!--Münchberg,St--> | 09475156 = 8162 <!--Naila,St--> | 09475158 = 5707 <!--Oberkotzau,M--> | 09475161 = 2534 <!--Regnitzlosau--> | 09475162 = 9631 <!--Rehau,St--> | 09475165 = 2076 <!--Schauenstein,St--> | 09475168 = 7485 <!--Schwarzenbacha.d.Saale,St--> | 09475169 = 4917 <!--Schwarzenbacha.Wald,St--> | 09475171 = 4621 <!--Selbitz,St--> | 09475174 = 1689 <!--Sparneck,M--> | 09475175 = 2437 <!--Stammbach,M--> | 09475181 = 1191 <!--Töpen--> | 09475182 = 1569 <!--Trogen--> | 09475184 = 1260 <!--Weißdorf--> | 09475189 = 2216 <!--ZellimFichtelgebirge,M--> | 09476145 = 17564 <!--Kronach,St--> | 09476146 = 8023 <!--Küps,M--> | 09476152 = 3651 <!--Ludwigsstadt,St--> | 09476154 = 2953 <!--Mitwitz,M--> | 09476159 = 1932 <!--Nordhalben,M--> | 09476164 = 4190 <!--Pressig,M--> | 09476166 = 762 <!--Reichenbach--> | 09476171 = 1113 <!--Schneckenlohe--> | 09476175 = 3459 <!--Steinbacha.Wald--> | 09476177 = 3678 <!--Steinwiesen,M--> | 09476178 = 5203 <!--Stockheim--> | 09476179 = 2367 <!--Tettau,M--> | 09476180 = 2119 <!--Teuschnitz,St--> | 09476182 = 564 <!--Tschirn--> | 09476183 = 3965 <!--Marktrodach,M--> | 09476184 = 2968 <!--Wallenfels,St--> | 09476185 = 3062 <!--Weißenbrunn--> | 09476189 = 4036 <!--Wilhelmsthal--> | 09477117 = 983 <!--Grafengehaig,M--> | 09477118 = 561 <!--Guttenberg--> | 09477119 = 1047 <!--Harsdorf--> | 09477121 = 3489 <!--Himmelkron--> | 09477124 = 2555 <!--Kasendorf,M--> | 09477127 = 1642 <!--Ködnitz--> | 09477128 = 27099 <!--Kulmbach,GKSt--> | 09477129 = 1063 <!--Kupferberg,St--> | 09477135 = 989 <!--Ludwigschorgast,M--> | 09477136 = 6642 <!--Mainleus,M--> | 09477138 = 3392 <!--Marktleugast,M--> | 09477139 = 1571 <!--Marktschorgast,M--> | 09477142 = 3948 <!--Neudrossenfeld--> | 09477143 = 3077 <!--Neuenmarkt--> | 09477148 = 1998 <!--Presseck,M--> | 09477151 = 1036 <!--Rugendorf--> | 09477156 = 3348 <!--Stadtsteinach,St--> | 09477157 = 4420 <!--Thurnau,M--> | 09477158 = 1660 <!--Trebgast--> | 09477159 = 1905 <!--Untersteinach--> | 09477163 = 2016 <!--Wirsberg,M--> | 09477164 = 1152 <!--Wonsees,M--> | 09478111 = 5469 <!--Altenkunstadt--> | 09478116 = 6731 <!--Burgkunstadt,St--> | 09478120 = 5693 <!--Ebensfeld,M--> | 09478127 = 1696 <!--Hochstadta.Main--> | 09478139 = 20693 <!--Lichtenfels,St--> | 09478143 = 1303 <!--Marktgraitz,M--> | 09478144 = 1679 <!--Marktzeuln,M--> | 09478145 = 6636 <!--Michelaui.OFr.--> | 09478155 = 3388 <!--Redwitza.d.Rodach--> | 09478165 = 10583 <!--BadStaffelstein,St--> | 09478176 = 4746 <!--Weismain,St--> | 09479111 = 1204 <!--BadAlexandersbad--> | 09479112 = 5725 <!--Arzberg,St--> | 09479126 = 1211 <!--Höchstädti.Fichtelgebirge--> | 09479127 = 1462 <!--Hohenberga.d.Eger,St--> | 09479129 = 3653 <!--Kirchenlamitz,St--> | 09479135 = 3482 <!--Marktleuthen,St--> | 09479136 = 17505 <!--Marktredwitz,GKSt--> | 09479138 = 1836 <!--Nagel--> | 09479145 = 2353 <!--Röslau--> | 09479147 = 1370 <!--Schirnding,M--> | 09479150 = 3525 <!--Schönwald,St--> | 09479152 = 16298 <!--Selb,GKSt--> | 09479158 = 1958 <!--Thiersheim,M--> | 09479159 = 1231 <!--Thierstein,M--> | 09479161 = 2555 <!--Tröstau--> | 09479166 = 3383 <!--Weißenstadt,St--> | 09479169 = 9688 <!--Wunsiedel,St--> | 09561000 = 40454 <!--Ansbach kreisfreie Stadt--> | 09562000 = 104980 <!--Erlangen kreisfreie Stadt--> | 09563000 = 114071 <!--Fürth kreisfreie Stadt--> | 09564000 = 503638 <!--Nürnberg kreisfreie Stadt--> | 09565000 = 38771 <!--Schwabach kreisfreie Stadt--> | 09571111 = 925 <!--Adelshofen--> | 09571113 = 2276 <!--Arberg,M--> | 09571114 = 2904 <!--Aurach--> | 09571115 = 6009 <!--Bechhofen,M--> | 09571122 = 1337 <!--Bruckberg--> | 09571125 = 953 <!--Bucha.Wald--> | 09571127 = 3354 <!--Burgoberbach--> | 09571128 = 1168 <!--Burk--> | 09571130 = 2062 <!--Colmberg,M--> | 09571132 = 2396 <!--Dentleina.Forst,M--> | 09571134 = 1106 <!--Diebach--> | 09571135 = 5637 <!--Dietenhofen,M--> | 09571136 = 11455 <!--Dinkelsbühl,GKSt--> | 09571137 = 1669 <!--Dombühl,M--> | 09571139 = 2628 <!--Dürrwangen,M--> | 09571141 = 1995 <!--Ehingen--> | 09571145 = 12206 <!--Feuchtwangen,St--> | 09571146 = 2439 <!--Flachslanden,M--> | 09571152 = 1833 <!--Gebsattel--> | 09571154 = 1025 <!--Gerolfingen--> | 09571155 = 1394 <!--Geslau--> | 09571165 = 9139 <!--Heilsbronn,St--> | 09571166 = 7658 <!--Herrieden,St--> | 09571169 = 1123 <!--Insingen--> | 09571170 = 2148 <!--Langfurth--> | 09571171 = 3138 <!--Lehrberg,M--> | 09571174 = 5597 <!--Leutershausen,St--> | 09571175 = 3770 <!--Lichtenau,M--> | 09571177 = 2767 <!--Merkendorf,St--> | 09571178 = 1579 <!--Mitteleschenbach--> | 09571179 = 1608 <!--Mönchsroth--> | 09571180 = 7773 <!--Neuendettelsau--> | 09571181 = 2054 <!--Neusitz--> | 09571183 = 1687 <!--Oberdachstetten--> | 09571188 = 627 <!--Ohrenbach--> | 09571189 = 1627 <!--Ornbau,St--> | 09571190 = 4988 <!--Petersaurach--> | 09571192 = 750 <!--Röckingen--> | 09571193 = 11118 <!--RothenburgobderTauber,GKSt--> | 09571194 = 1273 <!--Rügland--> | 09571196 = 3217 <!--Sachsenb.Ansbach--> | 09571198 = 2774 <!--Schillingsfürst,St--> | 09571199 = 3533 <!--Schnelldorf--> | 09571200 = 2880 <!--Schopfloch,M--> | 09571205 = 1245 <!--Steinsfeld--> | 09571208 = 873 <!--Unterschwaningen--> | 09571214 = 5999 <!--Wassertrüdingen,St--> | 09571216 = 2182 <!--Weidenbach,M--> | 09571217 = 2819 <!--Weihenzell--> | 09571218 = 1380 <!--Weiltingen,M--> | 09571222 = 920 <!--Wettringen--> | 09571223 = 1423 <!--Wieseth--> | 09571224 = 2094 <!--Wilburgstetten--> | 09571225 = 1088 <!--Windelsbach--> | 09571226 = 5998 <!--Windsbach,St--> | 09571227 = 1285 <!--Wittelshofen--> | 09571228 = 1642 <!--Wörnitz--> | 09571229 = 2870 <!--Wolframs-Eschenbach,St--> | 09572111 = 7145 <!--Adelsdorf--> | 09572114 = 3021 <!--Aurachtal--> | 09572115 = 7222 <!--Baiersdorf,St--> | 09572119 = 4541 <!--Bubenreuth--> | 09572120 = 3277 <!--Buckenhof--> | 09572121 = 14055 <!--Eckental,M--> | 09572126 = 1515 <!--Gremsdorf--> | 09572127 = 2383 <!--Großenseebach--> | 09572130 = 5127 <!--Hemhofen--> | 09572131 = 7656 <!--Heroldsberg,M--> | 09572132 = 22927 <!--Herzogenaurach,St--> | 09572133 = 3502 <!--Heßdorf--> | 09572135 = 13369 <!--Höchstadta.d.Aisch,St--> | 09572137 = 3058 <!--Kalchreuth--> | 09572139 = 1994 <!--Lonnerstadt,M--> | 09572141 = 1623 <!--Marloffstein--> | 09572142 = 4440 <!--Möhrendorf--> | 09572143 = 1676 <!--Mühlhausen,M--> | 09572147 = 1229 <!--Oberreichenbach--> | 09572149 = 4657 <!--Röttenbach--> | 09572154 = 1964 <!--Spardorf--> | 09572158 = 4736 <!--Uttenreuth--> | 09572159 = 1574 <!--Vestenbergsgreuth,M--> | 09572160 = 2198 <!--Wachenroth,M--> | 09572164 = 6208 <!--Weisendorf,M--> | 09573111 = 2192 <!--Ammerndorf,M--> | 09573114 = 10180 <!--Cadolzburg,M--> | 09573115 = 4242 <!--Großhabersdorf--> | 09573120 = 10498 <!--Langenzenn,St--> | 09573122 = 17003 <!--Oberasbach,St--> | 09573123 = 3027 <!--Obermichelbach--> | 09573124 = 2169 <!--Puschendorf--> | 09573125 = 9870 <!--Roßtal,M--> | 09573126 = 3173 <!--Seukendorf--> | 09573127 = 13895 <!--Stein,St--> | 09573129 = 1264 <!--Tuchenbach--> | 09573130 = 6282 <!--Veitsbronn--> | 09573133 = 5155 <!--Wilhermsdorf,M--> | 09573134 = 25546 <!--Zirndorf,St--> | 09574111 = 1138 <!--Alfeld--> | 09574112 = 15419 <!--Altdorfb.Nürnberg,St--> | 09574117 = 11321 <!--Burgthann--> | 09574120 = 1165 <!--Engelthal--> | 09574123 = 13239 <!--Feucht,M--> | 09574128 = 3636 <!--Happurg--> | 09574129 = 1379 <!--Hartenstein--> | 09574131 = 1890 <!--Henfenfeld--> | 09574132 = 12429 <!--Hersbruck,St--> | 09574135 = 2190 <!--Kirchensittenbach--> | 09574138 = 26164 <!--Laufa.d.Pegnitz,St--> | 09574139 = 6415 <!--Leinburg--> | 09574140 = 2884 <!--Neuhausa.d.Pegnitz,M--> | 09574141 = 4636 <!--Neunkirchena.Sand--> | 09574145 = 1587 <!--Offenhausen--> | 09574146 = 2039 <!--Ottensoos--> | 09574147 = 5330 <!--Pommelsbrunn--> | 09574150 = 2229 <!--Reichenschwand--> | 09574152 = 11956 <!--Röthenbacha.d.Pegnitz,St--> | 09574154 = 4424 <!--Rückersdorf--> | 09574155 = 8110 <!--Schnaittach,M--> | 09574156 = 8260 <!--Schwaigb.Nürnberg--> | 09574157 = 8463 <!--Schwarzenbruck--> | 09574158 = 3177 <!--Simmelsdorf--> | 09574160 = 1805 <!--Velden,St--> | 09574161 = 1767 <!--Vorra--> | 09574164 = 4100 <!--Winkelhaid--> | 09575112 = 11951 <!--BadWindsheim,St--> | 09575113 = 1217 <!--Baudenbach,M--> | 09575115 = 2962 <!--Burgbernheim,St--> | 09575116 = 2489 <!--Burghaslach,M--> | 09575117 = 1796 <!--Dachsbach,M--> | 09575118 = 3665 <!--Diespeck--> | 09575119 = 2133 <!--Dietersheim--> | 09575121 = 6073 <!--Emskirchen,M--> | 09575122 = 1136 <!--Ergersheim--> | 09575124 = 786 <!--Gallmersgarten--> | 09575125 = 2574 <!--Gerhardshofen--> | 09575127 = 817 <!--Gollhofen--> | 09575128 = 1395 <!--Gutenstetten--> | 09575129 = 1247 <!--Hagenbüchach--> | 09575130 = 672 <!--Hemmersheim--> | 09575133 = 906 <!--Illesheim--> | 09575134 = 1095 <!--Ippesheim,M--> | 09575135 = 2123 <!--Ipsheim,M--> | 09575138 = 1037 <!--Langenfeld--> | 09575143 = 1626 <!--Marktbergel,M--> | 09575144 = 1910 <!--MarktBibart,M--> | 09575145 = 5611 <!--MarktErlbach,M--> | 09575146 = 1126 <!--MarktNordheim,M--> | 09575147 = 1041 <!--MarktTaschendorf,M--> | 09575150 = 1412 <!--Münchsteinach--> | 09575152 = 2094 <!--Neuhofa.d.Zenn,M--> | 09575153 = 12228 <!--Neustadta.d.Aisch,St--> | 09575155 = 683 <!--Oberickelsheim--> | 09575156 = 2729 <!--Obernzenn,M--> | 09575157 = 1247 <!--Oberscheinfeld,M--> | 09575161 = 4680 <!--Scheinfeld,St--> | 09575163 = 933 <!--Simmershofen--> | 09575165 = 2330 <!--Sugenheim,M--> | 09575166 = 1288 <!--Trautskirchen--> | 09575167 = 2980 <!--Uehlfeld,M--> | 09575168 = 6183 <!--Uffenheim,St--> | 09575179 = 1021 <!--Weigenheim--> | 09575181 = 1313 <!--Wilhelmsdorf--> | 09576111 = 5516 <!--Abenberg,St--> | 09576113 = 8084 <!--Allersberg,M--> | 09576117 = 5165 <!--Büchenbach--> | 09576121 = 6709 <!--Georgensgmünd--> | 09576122 = 7095 <!--Greding,St--> | 09576126 = 4716 <!--Heideck,St--> | 09576127 = 13226 <!--Hilpoltstein,St--> | 09576128 = 2796 <!--Kammerstein--> | 09576132 = 7407 <!--Schwanstetten,M--> | 09576137 = 6929 <!--Rednitzhembach--> | 09576141 = 2947 <!--Röttenbach--> | 09576142 = 3459 <!--Rohr--> | 09576143 = 24604 <!--Roth,St--> | 09576147 = 5041 <!--Spalt,St--> | 09576148 = 5242 <!--Thalmässing,M--> | 09576151 = 15875 <!--Wendelstein,M--> | 09577111 = 1295 <!--Absberg,M--> | 09577113 = 991 <!--Alesheim--> | 09577114 = 2227 <!--Muhra.See--> | 09577115 = 1113 <!--Bergen--> | 09577120 = 1183 <!--Burgsalach--> | 09577122 = 1708 <!--Dittenheim--> | 09577125 = 3690 <!--Ellingen,St--> | 09577127 = 846 <!--Ettenstatt--> | 09577133 = 873 <!--Gnotzheim,M--> | 09577136 = 16202 <!--Gunzenhausen,St--> | 09577138 = 2672 <!--Haundorf--> | 09577140 = 2390 <!--Heidenheim,M--> | 09577141 = 1199 <!--Höttingen--> | 09577148 = 2345 <!--Langenaltheim--> | 09577149 = 1367 <!--MarktBerolzheim,M--> | 09577150 = 877 <!--Meinheim--> | 09577151 = 1376 <!--Nennslingen,M--> | 09577158 = 4132 <!--Pappenheim,St--> | 09577159 = 1480 <!--Pfofeld--> | 09577161 = 7248 <!--Pleinfeld,M--> | 09577162 = 2008 <!--Polsingen--> | 09577163 = 1152 <!--Raitenbuch--> | 09577168 = 1749 <!--Solnhofen--> | 09577172 = 1191 <!--Theilenhofen--> | 09577173 = 12928 <!--Treuchtlingen,St--> | 09577177 = 17617 <!--Weißenburgi.Bay.,GKSt--> | 09577179 = 1150 <!--Westheim--> | 09661000 = 68747 <!--Aschaffenburg kreisfreie Stadt--> | 09662000 = 53588 <!--Schweinfurt kreisfreie Stadt--> | 09663000 = 133501 <!--Würzburg kreisfreie Stadt--> | 09671111 = 18816 <!--Alzenau,St--> | 09671112 = 5875 <!--Bessenbach--> | 09671113 = 1602 <!--Blankenbach--> | 09671114 = 8182 <!--Karlsteina.Main--> | 09671119 = 2138 <!--Geiselbach--> | 09671120 = 3354 <!--Glattbach--> | 09671121 = 9770 <!--Goldbach,M--> | 09671122 = 16353 <!--Großostheim,M--> | 09671124 = 8517 <!--Haibach--> | 09671126 = 2289 <!--Heigenbrücken--> | 09671127 = 2179 <!--Heimbuchenthal--> | 09671128 = 903 <!--Heinrichsthal--> | 09671130 = 13390 <!--Hösbach,M--> | 09671133 = 3861 <!--Johannesberg--> | 09671134 = 7258 <!--Kahla.Main--> | 09671135 = 1897 <!--Kleinkahl--> | 09671136 = 8237 <!--Kleinostheim--> | 09671138 = 2162 <!--Krombach--> | 09671139 = 5243 <!--Laufach--> | 09671140 = 8361 <!--Mainaschaff--> | 09671141 = 2243 <!--Mespelbrunn--> | 09671143 = 12208 <!--Mömbris,M--> | 09671148 = 1917 <!--Rothenbuch--> | 09671150 = 3616 <!--Sailauf--> | 09671152 = 3855 <!--Schöllkrippen,M--> | 09671153 = 1188 <!--Sommerkahl--> | 09671155 = 7420 <!--Stockstadta.Main,M--> | 09671156 = 3997 <!--Waldaschaff--> | 09671157 = 2048 <!--Weibersbrunn--> | 09671159 = 1894 <!--Westerngrund--> | 09671160 = 1851 <!--Dammbach--> | 09671162 = 1083 <!--Wiesen--> | 09672111 = 888 <!--Auraa.d.Saale--> | 09672112 = 4543 <!--BadBocklet,M--> | 09672113 = 7007 <!--BadBrückenau,St--> | 09672114 = 20855 <!--BadKissingen,GKSt--> | 09672117 = 7726 <!--Burkardroth,M--> | 09672121 = 2917 <!--Elfershausen,M--> | 09672122 = 1601 <!--Euerdorf,M--> | 09672124 = 1845 <!--Fuchsstadt--> | 09672126 = 935 <!--Geroda,M--> | 09672127 = 11707 <!--Hammelburg,St--> | 09672131 = 4734 <!--Maßbach,M--> | 09672134 = 1840 <!--Motten--> | 09672135 = 7898 <!--Münnerstadt,St--> | 09672136 = 4191 <!--Nüdlingen--> | 09672138 = 2051 <!--Oberleichtersbach--> | 09672139 = 5103 <!--Oberthulba,M--> | 09672140 = 5106 <!--Oerlenbach--> | 09672142 = 1205 <!--Ramsthal--> | 09672143 = 1192 <!--Rannungen--> | 09672145 = 1045 <!--Riedenberg--> | 09672149 = 1751 <!--Schondra,M--> | 09672155 = 923 <!--Sulzthal,M--> | 09672157 = 1134 <!--Thundorfi.UFr.--> | 09672161 = 2251 <!--Wartmannsroth--> | 09672163 = 3185 <!--Wildflecken,M--> | 09672166 = 2137 <!--Zeitlofs,M--> | 09673113 = 760 <!--Aubstadt--> | 09673114 = 15669 <!--BadNeustadta.d.Saale,St--> | 09673116 = 2552 <!--Bastheim--> | 09673117 = 4887 <!--Bischofsheima.d.Rhön,St--> | 09673123 = 2217 <!--Fladungen,St--> | 09673126 = 958 <!--Großbardorf--> | 09673127 = 1174 <!--Großeibstadt--> | 09673129 = 721 <!--Hausen--> | 09673130 = 997 <!--Hendungen--> | 09673131 = 677 <!--Herbstadt--> | 09673133 = 1245 <!--Heustreu--> | 09673134 = 1217 <!--Höchheim--> | 09673135 = 3604 <!--Hohenroth--> | 09673136 = 1607 <!--Hollstadt--> | 09673141 = 6943 <!--BadKönigshofeni.Grabfeld,St--> | 09673142 = 5896 <!--Mellrichstadt,St--> | 09673146 = 1787 <!--Niederlauer--> | 09673147 = 1117 <!--Nordheimv.d.Rhön--> | 09673149 = 2782 <!--Oberelsbach,M--> | 09673151 = 1626 <!--Oberstreu--> | 09673153 = 3518 <!--Ostheimv.d.Rhön,St--> | 09673156 = 942 <!--Rödelmaier--> | 09673160 = 1552 <!--Saala.d.Saale,M--> | 09673161 = 2296 <!--Salz--> | 09673162 = 2726 <!--Sandberg--> | 09673163 = 1349 <!--Schönaua.d.Brend--> | 09673167 = 1006 <!--Sondheimv.d.Rhön--> | 09673170 = 1136 <!--Stockheim--> | 09673171 = 912 <!--Strahlungen--> | 09673172 = 1203 <!--Sulzdorfa.d.Lederhecke--> | 09673173 = 1744 <!--Sulzfeld--> | 09673174 = 1010 <!--Trappstadt,M--> | 09673175 = 934 <!--Unsleben--> | 09673182 = 650 <!--Willmars--> | 09673183 = 1312 <!--Wollbach--> | 09673184 = 1484 <!--Wülfershausena.d.Saale--> | 09673186 = 1685 <!--Burglauer--> | 09674111 = 1831 <!--Aidhausen--> | 09674118 = 1054 <!--Breitbrunn--> | 09674120 = 915 <!--Bundorf--> | 09674121 = 1414 <!--Burgpreppach,M--> | 09674129 = 3843 <!--Ebelsbach--> | 09674130 = 7292 <!--Ebern,St--> | 09674133 = 5324 <!--Eltmann,St--> | 09674139 = 1246 <!--Gädheim--> | 09674147 = 13391 <!--Haßfurt,St--> | 09674149 = 5064 <!--Hofheimi.UFr.,St--> | 09674153 = 1710 <!--Riedbach--> | 09674159 = 4305 <!--Oberaurach--> | 09674160 = 1395 <!--Kirchlauter--> | 09674163 = 6426 <!--Knetzgau--> | 09674164 = 3710 <!--Königsbergi.Bay.,St--> | 09674171 = 3635 <!--Maroldsweisach,M--> | 09674180 = 2735 <!--Theres--> | 09674184 = 1571 <!--Pfarrweisach--> | 09674187 = 3030 <!--Rauhenebrach--> | 09674190 = 1584 <!--Rentweinsdorf,M--> | 09674195 = 3171 <!--Sanda.Main--> | 09674201 = 1209 <!--Stettfeld--> | 09674210 = 1751 <!--Untermerzbach--> | 09674219 = 1956 <!--Wonfurt--> | 09674221 = 5726 <!--Zeila.Main,St--> | 09674223 = 626 <!--Ermershausen--> | 09675111 = 828 <!--Abtswind,M--> | 09675112 = 1985 <!--Albertshofen--> | 09675113 = 1221 <!--Biebelried--> | 09675114 = 1046 <!--Buchbrunn--> | 09675116 = 817 <!--Castell--> | 09675117 = 6969 <!--Dettelbach,St--> | 09675127 = 2414 <!--Geiselwind,M--> | 09675131 = 1631 <!--Großlangheim,M--> | 09675139 = 4373 <!--Iphofen,St--> | 09675141 = 20836 <!--Kitzingen,GKSt--> | 09675142 = 1624 <!--Kleinlangheim,M--> | 09675144 = 2330 <!--Mainbernheim,St--> | 09675146 = 1890 <!--Mainstockheim--> | 09675147 = 3603 <!--Marktbreit,St--> | 09675148 = 1175 <!--MarktEinersheim,M--> | 09675149 = 1791 <!--Marktsteft,St--> | 09675150 = 1038 <!--Martinsheim--> | 09675155 = 1025 <!--Nordheima.Main--> | 09675156 = 1778 <!--Obernbreit,M--> | 09675158 = 3202 <!--Prichsenstadt,St--> | 09675161 = 1708 <!--Rödelsee--> | 09675162 = 823 <!--Rüdenhausen,M--> | 09675165 = 3667 <!--Schwarzacha.Main,M--> | 09675166 = 835 <!--Segnitz--> | 09675167 = 1056 <!--Seinsheim,M--> | 09675169 = 1435 <!--Sommerach--> | 09675170 = 1260 <!--Sulzfelda.Main--> | 09675174 = 9226 <!--Volkach,St--> | 09675177 = 991 <!--Wiesenbronn--> | 09675178 = 4810 <!--Wiesentheid,M--> | 09675179 = 1589 <!--Willanzheim,M--> | 09676111 = 1277 <!--Altenbuch--> | 09676112 = 3988 <!--Amorbach,St--> | 09676116 = 4239 <!--Bürgstadt,M--> | 09676117 = 2550 <!--Collenberg--> | 09676118 = 1868 <!--Dorfprozelten--> | 09676119 = 2629 <!--Eichenbühl--> | 09676121 = 8893 <!--Elsenfeld,M--> | 09676122 = 9987 <!--Erlenbacha.Main,St--> | 09676123 = 4001 <!--Eschau,M--> | 09676124 = 2747 <!--Faulbach--> | 09676125 = 5101 <!--Großheubach,M--> | 09676126 = 4116 <!--Großwallstadt--> | 09676128 = 1945 <!--Hausen--> | 09676131 = 2332 <!--Kirchzell,M--> | 09676132 = 3538 <!--Kleinheubach,M--> | 09676133 = 5759 <!--Kleinwallstadt,M--> | 09676134 = 6248 <!--Klingenberga.Main,St--> | 09676135 = 1369 <!--Laudenbach--> | 09676136 = 4892 <!--Leidersbach--> | 09676139 = 9415 <!--Miltenberg,St--> | 09676140 = 4992 <!--Mömlingen--> | 09676141 = 2575 <!--Mönchberg,M--> | 09676143 = 1531 <!--Neunkirchen--> | 09676144 = 4971 <!--Niedernberg--> | 09676145 = 8668 <!--Obernburga.Main,St--> | 09676151 = 1705 <!--Röllbach--> | 09676153 = 826 <!--Rüdenau--> | 09676156 = 1845 <!--Schneeberg,M--> | 09676158 = 1560 <!--Stadtprozelten,St--> | 09676160 = 6947 <!--Sulzbacha.Main,M--> | 09676165 = 2299 <!--Weilbach,M--> | 09676169 = 4835 <!--Wörtha.Main,St--> | 09677114 = 8209 <!--Arnstein,St--> | 09677116 = 1042 <!--Aurai.Sinngrund--> | 09677119 = 2157 <!--Birkenfeld--> | 09677120 = 1845 <!--Bischbrunn--> | 09677122 = 2606 <!--Burgsinn,M--> | 09677125 = 2409 <!--Erlenbachb.Marktheidenfeld--> | 09677126 = 2000 <!--Esselbach--> | 09677127 = 3289 <!--Eußenheim--> | 09677128 = 903 <!--Fellen--> | 09677129 = 4659 <!--Frammersbach,M--> | 09677131 = 10818 <!--Gemündena.Main,St--> | 09677132 = 1288 <!--Gössenheim--> | 09677133 = 1406 <!--Gräfendorf--> | 09677135 = 1788 <!--Hafenlohr--> | 09677137 = 1394 <!--Hasloch--> | 09677142 = 1736 <!--Himmelstadt--> | 09677146 = 1398 <!--Karbach,M--> | 09677148 = 14948 <!--Karlstadt,St--> | 09677149 = 1828 <!--Karsbach--> | 09677151 = 3766 <!--Kreuzwertheim,M--> | 09677154 = 4428 <!--Triefenstein,M--> | 09677155 = 15921 <!--Lohra.Main,St--> | 09677157 = 10894 <!--Marktheidenfeld,St--> | 09677159 = 893 <!--Mittelsinn--> | 09677164 = 874 <!--Neuendorf--> | 09677165 = 1220 <!--Neuhütten--> | 09677166 = 1278 <!--Neustadta.Main--> | 09677169 = 1033 <!--Obersinn,M--> | 09677170 = 2819 <!--Partenstein--> | 09677172 = 1020 <!--Rechtenbach--> | 09677175 = 1625 <!--Retzstadt--> | 09677177 = 2068 <!--Rieneck,St--> | 09677178 = 1040 <!--Roden--> | 09677181 = 1033 <!--Rothenfels,St--> | 09677182 = 947 <!--Schollbrunn--> | 09677186 = 2295 <!--Steinfeld--> | 09677189 = 1321 <!--Thüngen,M--> | 09677193 = 1354 <!--Urspringen--> | 09677200 = 1418 <!--Wiesthal--> | 09677203 = 6469 <!--Zellingen,M--> | 09678115 = 5072 <!--Bergrheinfeld--> | 09678122 = 1232 <!--Dingolshausen--> | 09678123 = 7248 <!--Dittelbrunn--> | 09678124 = 1912 <!--Donnersdorf--> | 09678128 = 3031 <!--Euerbach--> | 09678130 = 1008 <!--Frankenwinheim--> | 09678132 = 2501 <!--Geldersheim--> | 09678134 = 6610 <!--Gerolzhofen,St--> | 09678135 = 6216 <!--Gochsheim--> | 09678136 = 3381 <!--Grafenrheinfeld--> | 09678138 = 4184 <!--Grettstadt--> | 09678150 = 5484 <!--Kolitzheim--> | 09678153 = 806 <!--Lülsfeld--> | 09678157 = 1111 <!--Michelaui.Steigerwald--> | 09678160 = 7947 <!--Niederwerrn--> | 09678164 = 1390 <!--Oberschwarzach,M--> | 09678168 = 4045 <!--Poppenhausen--> | 09678170 = 4826 <!--Röthlein--> | 09678174 = 8001 <!--Schonungen--> | 09678175 = 1981 <!--Schwanfeld--> | 09678176 = 4062 <!--Schwebheim--> | 09678178 = 3890 <!--Sennfeld--> | 09678181 = 4297 <!--Stadtlauringen,M--> | 09678183 = 1996 <!--Sulzheim--> | 09678186 = 3903 <!--Üchtelhausen--> | 09678190 = 2843 <!--Waigolshausen--> | 09678192 = 3416 <!--Wasserlosen--> | 09678193 = 10528 <!--Werneck,M--> | 09678196 = 1118 <!--Wipfeld--> | 09679114 = 1563 <!--Aub,St--> | 09679117 = 3417 <!--Bergtheim--> | 09679118 = 960 <!--Bieberehren--> | 09679122 = 1291 <!--Bütthard,M--> | 09679124 = 2790 <!--Eibelstadt,St--> | 09679126 = 3597 <!--Eisingen--> | 09679128 = 1628 <!--Erlabrunn--> | 09679130 = 4795 <!--Estenfeld--> | 09679131 = 1261 <!--Frickenhausena.Main,M--> | 09679134 = 2455 <!--Gaukönigshofen--> | 09679135 = 805 <!--Gelchsheim,M--> | 09679136 = 6423 <!--Gerbrunn--> | 09679137 = 1317 <!--Geroldshausen--> | 09679138 = 5040 <!--Giebelstadt,M--> | 09679141 = 1599 <!--Greußenheim--> | 09679142 = 4409 <!--Güntersleben--> | 09679143 = 2394 <!--Hausenb.Würzburg--> | 09679144 = 2603 <!--Helmstadt,M--> | 09679146 = 3706 <!--Hettstadt--> | 09679147 = 9437 <!--Höchberg,M--> | 09679149 = 937 <!--Holzkirchen--> | 09679153 = 2239 <!--Kirchheim--> | 09679154 = 2427 <!--Kist--> | 09679155 = 2130 <!--Kleinrinderfeld--> | 09679156 = 4466 <!--Kürnach--> | 09679161 = 3231 <!--Margetshöchheim--> | 09679164 = 2195 <!--Neubrunn,M--> | 09679165 = 2097 <!--Altertheim--> | 09679167 = 1327 <!--Eisenheim,M--> | 09679169 = 1055 <!--Oberpleichfeld--> | 09679170 = 11330 <!--Ochsenfurt,St--> | 09679174 = 1209 <!--Prosselsheim--> | 09679175 = 3427 <!--Randersacker,M--> | 09679176 = 4069 <!--Reichenberg,M--> | 09679177 = 1521 <!--Remlingen,M--> | 09679179 = 773 <!--Riedenheim--> | 09679180 = 7663 <!--Rimpar,M--> | 09679182 = 1675 <!--Röttingen,St--> | 09679185 = 5341 <!--Rottendorf--> | 09679187 = 1678 <!--Sommerhausen,M--> | 09679188 = 843 <!--Sonderhofen--> | 09679192 = 839 <!--Tauberrettersheim--> | 09679193 = 2452 <!--Theilheim--> | 09679194 = 2681 <!--Thüngersheim--> | 09679196 = 1877 <!--Uettingen--> | 09679200 = 3218 <!--Leinach--> | 09679201 = 2781 <!--Unterpleichfeld--> | 09679202 = 9938 <!--Veitshöchheim--> | 09679204 = 2564 <!--Waldbrunn--> | 09679205 = 5055 <!--Waldbüttelbrunn--> | 09679206 = 1480 <!--Winterhausen,M--> | 09679209 = 4265 <!--Zella.Main,M--> | 09761000 = 263313 <!--Augsburg kreisfreie Stadt--> | 09762000 = 41966 <!--Kaufbeuren kreisfreie Stadt--> | 09763000 = 62135 <!--Kempten(Allgäu) kreisfreie Stadt--> | 09764000 = 41050 <!--Memmingen kreisfreie Stadt--> | 09771111 = 1601 <!--Adelzhausen--> | 09771112 = 5300 <!--Affing--> | 09771113 = 20821 <!--Aichach,St--> | 09771114 = 4293 <!--Aindling,M--> | 09771122 = 5328 <!--Dasing--> | 09771129 = 1649 <!--Eurasburg--> | 09771130 = 29119 <!--Friedberg,St--> | 09771140 = 2349 <!--Hollenbach--> | 09771141 = 2484 <!--Inchenhofen,M--> | 09771142 = 11119 <!--Kissing--> | 09771144 = 4057 <!--Kühbach,M--> | 09771145 = 3131 <!--Merching--> | 09771146 = 13108 <!--Mering,M--> | 09771149 = 2007 <!--Obergriesbach--> | 09771155 = 1671 <!--Petersdorf--> | 09771156 = 6357 <!--Pöttmes,M--> | 09771158 = 2419 <!--Rehling--> | 09771160 = 2870 <!--Ried--> | 09771162 = 1829 <!--Schiltberg--> | 09771163 = 1189 <!--Schmiechen--> | 09771165 = 1541 <!--Sielenbach--> | 09771168 = 912 <!--Steindorf--> | 09771169 = 1394 <!--Todtenweis--> | 09771176 = 1169 <!--Baar(Schwaben)--> | 09772111 = 2277 <!--Adelsried--> | 09772114 = 863 <!--Allmannshofen--> | 09772115 = 3764 <!--Altenmünster--> | 09772117 = 2850 <!--Aystetten--> | 09772121 = 3406 <!--Biberbach,M--> | 09772125 = 16570 <!--Bobingen,St--> | 09772126 = 1211 <!--Bonstetten--> | 09772130 = 9896 <!--Diedorf,M--> | 09772131 = 6548 <!--Dinkelscherben,M--> | 09772134 = 992 <!--Ehingen--> | 09772136 = 1032 <!--Ellgau--> | 09772137 = 1389 <!--Emersacker--> | 09772141 = 4613 <!--Fischach,M--> | 09772145 = 4714 <!--Gablingen--> | 09772147 = 20319 <!--Gersthofen,St--> | 09772148 = 4287 <!--Gessertshausen--> | 09772149 = 3418 <!--Graben--> | 09772151 = 4905 <!--Großaitingen--> | 09772156 = 1006 <!--Heretsried--> | 09772157 = 1505 <!--Hiltenfingen--> | 09772159 = 2489 <!--Horgau--> | 09772160 = 1221 <!--Kleinaitingen--> | 09772162 = 2677 <!--Klosterlechfeld--> | 09772163 = 27514 <!--Königsbrunn,St--> | 09772166 = 851 <!--Kühlenthal--> | 09772167 = 2481 <!--Kutzenhausen--> | 09772168 = 1673 <!--Langenneufnach--> | 09772170 = 3813 <!--Langerringen--> | 09772171 = 7428 <!--Langweida.Lech--> | 09772177 = 11107 <!--Meitingen,M--> | 09772178 = 1352 <!--Mickhausen--> | 09772179 = 1056 <!--Mittelneufnach--> | 09772184 = 21480 <!--Neusäß,St--> | 09772185 = 2217 <!--Nordendorf--> | 09772186 = 1660 <!--Oberottmarshausen--> | 09772197 = 987 <!--Scherstetten--> | 09772200 = 13230 <!--Schwabmünchen,St--> | 09772202 = 14731 <!--Stadtbergen,St--> | 09772207 = 3797 <!--Thierhaupten,M--> | 09772209 = 6476 <!--Untermeitingen--> | 09772211 = 1165 <!--Ustersbach--> | 09772214 = 1120 <!--Walkertshofen--> | 09772215 = 2915 <!--Wehringen--> | 09772216 = 3626 <!--Welden,M--> | 09772217 = 1500 <!--Westendorf--> | 09772223 = 6163 <!--Zusmarshausen,M--> | 09773111 = 1356 <!--Aislingen,M--> | 09773112 = 2350 <!--Bachhagel--> | 09773113 = 1289 <!--Bächingena.d.Brenz--> | 09773116 = 1351 <!--Binswangen--> | 09773117 = 3511 <!--Bissingen,M--> | 09773119 = 1684 <!--Blindheim--> | 09773122 = 5748 <!--Buttenwiesen--> | 09773125 = 18341 <!--Dillingena.d.Donau,GKSt--> | 09773133 = 1103 <!--Glött--> | 09773136 = 7759 <!--Gundelfingena.d.Donau,St--> | 09773137 = 1547 <!--Haunsheim--> | 09773139 = 6638 <!--Höchstädta.d.Donau,St--> | 09773140 = 3718 <!--Holzheim--> | 09773143 = 1554 <!--Laugna--> | 09773144 = 10835 <!--Lauingen(Donau),St--> | 09773146 = 969 <!--Lutzingen--> | 09773147 = 1355 <!--Mödingen--> | 09773150 = 1660 <!--Finningen--> | 09773153 = 1012 <!--Medlingen--> | 09773164 = 1415 <!--Schwenningen--> | 09773170 = 3578 <!--Syrgenstein--> | 09773179 = 1252 <!--Villenbach--> | 09773182 = 8909 <!--Wertingen,St--> | 09773183 = 2318 <!--Wittislingen,M--> | 09773186 = 1012 <!--Ziertheim--> | 09773187 = 768 <!--Zöschingen--> | 09773188 = 1296 <!--Zusamaltheim--> | 09774111 = 1111 <!--Aletshausen--> | 09774115 = 1197 <!--Balzhausen--> | 09774116 = 3419 <!--Ursberg--> | 09774117 = 1241 <!--Breitenthal--> | 09774118 = 1451 <!--Bubesheim--> | 09774119 = 4725 <!--Bibertal--> | 09774121 = 9307 <!--Burgau,St--> | 09774122 = 3249 <!--Burtenbach,M--> | 09774124 = 1531 <!--Deisenhausen--> | 09774127 = 1663 <!--Dürrlauingen--> | 09774129 = 601 <!--Ebershausen--> | 09774133 = 1142 <!--Ellzee--> | 09774135 = 19689 <!--Günzburg,GKSt--> | 09774136 = 1536 <!--Gundremmingen--> | 09774140 = 1845 <!--Haldenwang--> | 09774143 = 8403 <!--Ichenhausen,St--> | 09774144 = 6684 <!--Jettingen-Scheppach,M--> | 09774145 = 3362 <!--Kammeltal--> | 09774148 = 3194 <!--Kötz--> | 09774150 = 12564 <!--Krumbach(Schwaben),St--> | 09774151 = 672 <!--Landensberg--> | 09774155 = 6692 <!--Leipheim,St--> | 09774160 = 2003 <!--Münsterhausen,M--> | 09774162 = 3126 <!--Neuburga.d.Kammel,M--> | 09774166 = 1159 <!--Aichen--> | 09774171 = 4176 <!--Offingen,M--> | 09774174 = 1623 <!--Rettenbach--> | 09774178 = 1106 <!--Röfingen--> | 09774185 = 6021 <!--Thannhausen,St--> | 09774189 = 1000 <!--Wiesenbach--> | 09774191 = 1208 <!--Waldstetten,M--> | 09774192 = 721 <!--Waltenhausen--> | 09774196 = 784 <!--Winterbach--> | 09774198 = 2960 <!--Ziemetshausen,M--> | 09775111 = 4825 <!--Altenstadt,M--> | 09775115 = 4572 <!--Bellenberg--> | 09775118 = 3647 <!--Buch,M--> | 09775126 = 1757 <!--Holzheim--> | 09775129 = 16465 <!--Illertissen,St--> | 09775132 = 1366 <!--Kellmünza.d.Iller,M--> | 09775134 = 9239 <!--Nersingen--> | 09775135 = 52866 <!--Neu-Ulm,GKSt--> | 09775139 = 9244 <!--Elchingen--> | 09775141 = 850 <!--Oberroth--> | 09775142 = 861 <!--Osterberg--> | 09775143 = 6984 <!--Pfaffenhofena.d.Roth,M--> | 09775149 = 2679 <!--Roggenburg--> | 09775152 = 22205 <!--Senden,St--> | 09775161 = 958 <!--Unterroth--> | 09775162 = 13044 <!--Vöhringen,St--> | 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Βαυαρίας]] [[en:Template:Germany districts Bavaria]] [[fr:Modèle:Arrondissements allemands en Bavière]] [[it:Template:Circondari della Baviera]] [[ru:Шаблон:Районы в Баварии]] [[simple:Template:Bavaria]] [[sr:Шаблон:Баварска]] [[zh:Template:巴伐利亚州行政区划]] </noinclude> 7r5q1kb4v5wzbkzmfnbsk9o5r7wa7to wikitext text/x-wiki Vorlage:Navigationsleiste Planungsräume in Augsburg 10 23773 26367 2010-03-21T09:18:26Z Dan Wesson 343 fix {{Navigationsleiste |BILD=[[Bild:Augsburg_wappen.svg|60px|Wappen der Stadt Augsburg]] |TITEL=Planungsräume [[Augsburg]]s |INHALT= '''I''': [[Augsburg-Innenstadt|Innenstadt]]&nbsp;&#124; '''II''': [[Augsburg-Oberhausen|Oberhausen]]&nbsp;&#124; '''III''': [[Augsburg-Bärenkeller|Bärenkeller]]&nbsp;&#124; '''IV''': [[Augsburg-Firnhaberau|Firnhaberau]]&nbsp;&#124; '''V''': [[Augsburg-Hammerschmiede|Hammerschmiede]]&nbsp;&#124; '''VI''': [[Augsburg-Lechhausen|Lechhausen]]&nbsp;&#124; '''VII''': [[Augsburg-Kriegshaber|Kriegshaber]]&nbsp;&#124; '''VIII''': [[Augsburg-Pfersee|Pfersee]]&nbsp;&#124; '''IX''': [[Augsburg-Hochfeld|Hochfeld]]&nbsp;&#124; '''X''': [[Augsburg-Antonsviertel|Antonsviertel]]&nbsp;&#124; '''XI''': [[Augsburg-Spickel-Herrenbach|Spickel-Herrenbach]]&nbsp;&#124; '''XII''': [[Augsburg-Hochzoll|Hochzoll]]&nbsp;&#124; '''XIII''': [[Augsburg-Haunstetten-Siebenbrunn|Haunstetten-Siebenbrunn]]&nbsp;&#124; '''XIV''': [[Augsburg-Göggingen|Göggingen]]&nbsp;&#124; '''XV''': [[Augsburg-Inningen|Inningen]]&nbsp;&#124; '''XVI''': [[Augsburg-Bergheim|Bergheim]]&nbsp;&#124; '''XVII''': [[Augsburg-Universitätsviertel|Universitätsviertel]] }}<noinclude> {{Navigationsleistenwartung|Portal:Augsburg}} [[Kategorie:Vorlage:Navigationsleiste Gemeindegliederung (Bayern)|Augsburg]] [[Kategorie:Vorlage:Navigationsleiste (Augsburg)]] </noinclude> gr7ye2xv2thdswerxlu2mw5p8j1sp4y wikitext text/x-wiki Vorlage:BAM 10 23774 26368 2009-11-21T06:21:05Z Minderbinder 0 Siehe http://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Benutzer_Diskussion%3AL%C3%B6schfix&action=historysubmit&diff=67070251&oldid=67059124 <noinclude>{{Dokumentation}}[[en:Template:BAM Portal]] </noinclude>* [http://www.bam-portal.de/searchExpert.do?action=search&query={{urlencode:{{{1|{{PAGENAME}}}}} {{{2|}}} {{{3|}}} {{{4|}}}}} Informationen zu {{ #if:{{{4|}}} |{{{1}}}, {{{2}}}, {{{3}}}, {{{4}}} |{{#if:{{{3|}}} |{{{1}}}, {{{2}}}, {{{3}}} |{{#if:{{{2|}}} |{{{1}}}, {{{2}}} |{{#if:{{{1|}}} |{{{1}}} |'''Suchparameter fehlt!''' }} }} }} }}] im [[BAM-Portal]] 15mqp2ot0xyzyfd3ieypxwe2zc7razf wikitext text/x-wiki Vorlage:Bildrechtshinweis 10 23775 26369 2009-08-12T09:46:09Z Julius1990 0 typo korr, siehe vorlagendisk siehe meine disk {| {{Bausteindesign2}} | style="width: 20px; vertical-align: top" | <imagemap> Datei:Dialog-error-copyright.svg‎|20px default [[Wikipedia:Bildrechte]] desc none </imagemap> | <small> Dieser Artikel kann aus [[Wikipedia:Urheberrechte beachten|urheberrechtlichen Gründen]] nicht hinreichend bebildert werden. Zurzeit sind keine passenden Abbildungen verfügbar, die zur [[Freie Inhalte|freien&nbsp;Weiternutzung]] ausreichend lizenziert sind. Siehe dazu auch die [[Hilfe:FAQ zu Bildern|FAQ zu Bildern]]. |} <noinclude> {{Dokumentation}} [[Kategorie:Vorlage:Hinweisbaustein]] </noinclude> 8kxn6vwxwc99r7s8v20anlzvn03hg2o wikitext text/x-wiki Vorlage:Documenta Archiv 10 23776 26370 2010-04-16T09:04:26Z Minderbinder 0 Blödsinn. Ein Weblink ist kein Zitat per [[WP:LIT]]. <onlyinclude>[http://alephino.documenta-archiv.de/pix/converter.php?id={{{ID|{{{1<noinclude>|ID</noinclude>}}}}}} {{{3|Materialien von und über {{{Name|{{{2|<includeonly>{{PAGENAME}}</includeonly><noinclude><tt>Name</tt></noinclude>}}}}}}}}}] im [[documenta Archiv|documenta-Archiv]]</onlyinclude> Diese Vorlage dient für Artikel im [[documenta Archiv]]. Als Parameterwert wird die ID aus der jeweiligen URL herangezogen. Der zweite Parameter dient für den Linktext nach „Materialien von und über“ (als Standard wird der Seitenname genommen), der dritte für den ganzen Linktext. == Kopiervorlagen == <pre><nowiki> * {{documenta Archiv|000000055|Horst Antes}} * {{documenta Archiv|ID=000000055|Name=Horst Antes}} * {{documenta Archiv|000000055||irgendein Text}} </nowiki></pre> wird zu * {{documenta Archiv|000000055|Horst Antes}} * {{documenta Archiv|ID=000000055|Name=Horst Antes}} * {{documenta Archiv|000000055||irgendein Text}} [[Kategorie:Vorlage:Datenbanklink|Documenta Archiv]] 6zecc9ra8vbkkzrlctz9m63jact7m5x wikitext text/x-wiki Vorlage:FN 10 23777 26371 2009-12-12T11:04:31Z Hydro 0 katfix wg. großbuchstaben <includeonly><span class="reference"><sup id="FN_{{{1}}}_back">[[#FN {{{1}}}|{{{1}}}]]</sup></span></includeonly><noinclude> {{Dokumentation}} [[Kategorie:Vorlage:Formatierungshilfe|Fn]] [[Kategorie:Vorlage:Linkhilfe|Fn]] </noinclude> 7olb9w155hwkg0wqxsjvqp12m168g3w wikitext text/x-wiki Vorlage:FNBox 10 23778 26372 2009-12-12T11:03:42Z Hydro 0 katfix wg. großbuchstaben <div style="background-color:#888; height:1px; width:8em;"/><div style="font-size:smaller; padding-left:0.8em;">{{{1}}}</div><noinclude> Dokumentation siehe '''[[Vorlage:FN]]'''. [[Kategorie:Vorlage:Formatierungshilfe|Fnbox]] [[Kategorie:Vorlage:Linkhilfe|Fnbox]] </noinclude> 5iylk1qr4zkgweujhyfdm6rrdusn4li wikitext text/x-wiki Vorlage:FNZ 10 23779 26373 2009-12-12T11:03:11Z Hydro 0 katfix wg. großbuchstaben <includeonly><div id="FN_{{{1}}}">[[#FN {{{1}}} back|<sup>{{{1}}}</sup>]] {{#if: {{{2|}}}|{{{2}}}}}</div></includeonly><noinclude> Die '''Vorlagen:FN''' und '''FNZ''' setzen die Referenz für eine Fußnote, unabhängig von der Technik der [[Hilfe:Einzelnachweise|Einzelnachweise]] mit <code><nowiki><ref>…</ref></nowiki></code> und <code><nowiki><references/></nowiki></code> Diese Vorlage wird ''nicht'' für [[Wikipedia:Belege|Belegung von Informationen mit Quellen in Literatur und Medien]] im Fließtext verwendet. Genaueres zur Dokumentation siehe ''[[Vorlage:FN]]''. [[Kategorie:Vorlage:Formatierungshilfe|Fnz]] [[Kategorie:Vorlage:Linkhilfe|Fnz]] </noinclude> hq7pyzemtl8sddio8tcf6jjz0rl65r3 wikitext text/x-wiki Vorlage:IFA 10 23780 26374 2010-03-25T09:32:01Z Minderbinder 0 Änderungen von [[Special:Contributions/Arch2all|Arch2all]] ([[User talk:Arch2all|Diskussion]]) rückgängig gemacht und letzte Version von [[User:Wiegels|Wiegels]] wiederhergestellt [http://kuenstlerdatenbank.ifa.de/datenblatt.php3?ID={{{1}}} {{#if:{{{2|}}}|{{{2}}}| {{PAGENAME}} }}] in der [[Institut für Auslandsbeziehungen|ifa]]-Datenbank<noinclude> == Beschreibung == Diese Vorlage wird verwendet, um einen Link auf ein Datenblatt in der Künstler-Architekten-Datenbank des [[Institut für Auslandsbeziehungen|Instituts für Auslandsbeziehungen]] (ifa) zu erstellen. Sie kann folgendermaßen eingebunden werden: <code><nowiki>{{IFA|id|label}}</nowiki></code> * ''id'' (Pflichtangabe) die ID, die als Zahl hinter ID innerhalb der URL bei ifa angegeben ist, z.B. ''68'' im Eintrag zu ''Gerhard Richter'' unter http://kuenstlerdatenbank.ifa.de/datenblatt.php3?ID=68&NAME=richter&ACTION=kuenstler&SUB_ACTION=1|8 * ''label'' (Optional) Der Name der Person, die verlinkt wird. Entspricht der Name dem [[Lemma (Lexikografie)|Lemma]], sollte man den Parameter weglassen, weil dann stattdessen das Lemma eingesetzt wird. [[Kategorie:Vorlage:Datenbanklink|IFA]] </noinclude> 5aemd7w0dv503ye1jj374fqneatjnk9 wikitext text/x-wiki Vorlage:URN 10 23781 26375 2010-02-26T15:24:57Z Mps 0 <includeonly>[[Uniform Resource Name|urn]]{{#ifeq:{{{1}}}|nbn |[http://nbn-resolving.de/urn:nbn:{{{2}}} :nbn:{{{2}}}] |:{{{1}}}:{{{2}}} }}</includeonly><noinclude> {{Dokumentation}} [[Kategorie:Vorlage:Datenbanklink|Urn]] [[Kategorie:Vorlage:Zitation|Urn]] </noinclude> 5h3e8e6g3wo6fz7w5nrc6wtz2iptcyg wikitext text/x-wiki Vorlage:Audio 10 23782 26376 2010-03-09T13:38:00Z Umweltschützen 0 Änderungen von [[Special:Beiträge/84.146.232.162|84.146.232.162]] rückgängig gemacht und letzte Version von Revolus wiederhergestellt {{Dokumentation}} <onlyinclude>[[Bild:Loudspeaker.svg|12px|link=|alt=]]&nbsp;[[Media:{{{1}}}|{{{2}}}]]<sup>[[Hilfe:Audio|<span title="Hilfe&nbsp;– Audio">?</span>]]/[[:Datei:{{{1}}}|<span title="Tondateibeschreibungsseite mit Lizenzangabe für „{{{1}}}“"><tt>i</tt></span>]]</sup></onlyinclude> him1mmvjswpd4hxv3p09lizbei7p5zo wikitext text/x-wiki Vorlage:Info ISO-3166-2:CL 10 23783 26377 2008-06-27T21:25:33Z Boente 0 [[Hilfe:Zusammenfassung und Quelle#Auto-Zusammenfassung|AZ]]: Die Seite wurde neu angelegt. {{#switch: {{lc:{{{1|}}} }} |continent = Südamerika <!--Administration--> |level = 0 |maxlevel= 1 |acronym = CL |top = CL |upper = |lemma = Chile |admname = Republik Chile |admtype = Republik |0 = Chile |1 = |2 = |map = Chile |flag = Flag of Chile.svg }}<noinclude>{{Info ISO-3166-2/Info}}</noinclude> 3ifge7uimkvjeuxiy6h3yk8m21822zz wikitext text/x-wiki Vorlage:Info ISO-3166-2:CL-VS 10 23784 26378 2008-06-27T21:31:36Z Boente 0 [[Hilfe:Zusammenfassung und Quelle#Auto-Zusammenfassung|AZ]]: Die Seite wurde neu angelegt. {{#switch: {{lc:{{{1|}}} }} |continent = Südamerika <!--Administration--> |level = 1 |maxlevel= 1 |acronym = VS |top = CL |upper = CL |lemma = Región de Valparaíso |admname = Región de Valparaíso |admtype = Region |0 = Chile |1 = Valparaíso |2 = |map = Chile |flag = }}<noinclude>{{Info ISO-3166-2/Info}}</noinclude> cvb3bipvm5i15cv81ytl7h1gct7phfo wikitext text/x-wiki Vorlage:Navigationsleiste Staaten in Ozeanien 10 23785 26379 2010-02-15T13:38:20Z Wiegels 0 + Kategorie {{Navigationsleiste |BILD=[[Datei:LocationOceania.png|75px|Lage Ozeaniens]] |TITEL=Politische Gliederung [[Ozeanien]]s |INHALT= '''14 ozeanische [[Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen (alphabetisch)|Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen]]:'''<br /> [[Australien]]&nbsp;&#124; [[Fidschi]]&nbsp;&#124; [[Kiribati]]&nbsp;&#124; [[Marshallinseln]]&nbsp;&#124; [[Föderierte Staaten von Mikronesien|Mikronesien]]&nbsp;&#124; [[Nauru]]&nbsp;&#124; [[Neuseeland]]&nbsp;&#124; [[Palau]]&nbsp;&#124; [[Papua-Neuguinea]]&nbsp;&#124; [[Salomonen]]&nbsp;&#124; [[Samoa]]&nbsp;&#124; [[Tonga]]&nbsp;&#124; [[Tuvalu]]&nbsp;&#124; [[Vanuatu]] '''Andere Gebiete'''<br /> [[Amerikanisch-Samoa]] (US)&nbsp;&#124; [[Bakerinsel]] (US)&nbsp;&#124; [[Cookinseln]] (NZ)&nbsp;&#124; [[Französisch-Polynesien]] (FR)&nbsp;&#124; [[Guam]] (US)&nbsp;&#124; [[Hawaii]] (US)&nbsp;&#124; [[Howlandinsel]] (US)&nbsp;&#124; [[Jarvis Island|Jarvisinsel]] (US)&nbsp;&#124; [[Johnston-Atoll|Johnstoninsel]] (US)&nbsp;&#124; [[Kingmanriff]] (US)&nbsp;&#124; [[Korallenmeerinseln]] (AU)&nbsp;&#124; [[Midwayinseln]] (US)&nbsp;&#124; [[Neukaledonien]] (FR)&nbsp;&#124; [[Niue]] (NZ)&nbsp;&#124; [[Nördliche Marianen]] (US)&nbsp;&#124; [[Norfolkinsel]] (AU)&nbsp;&#124; [[Osterinsel]] (CL)&nbsp;&#124; [[Palmyra (Atoll)|Palmyra]] (US)&nbsp;&#124; [[Pitcairninseln]] (UK)&nbsp;&#124; [[Tokelau]] (NZ)&nbsp;&#124; [[Wake]]&nbsp;(US)&nbsp;&#124; [[Wallis und Futuna]]&nbsp;(FR)&nbsp;&#124; [[West-Neuguinea]] (ID) }}<noinclude> [[Kategorie:Vorlage:Navigationsleiste Staatengruppe|Ozeanien]] [[Kategorie:Vorlage:Navigationsleiste (Ozeanien)|Staaten]] [[bg:Шаблон:Океания]] [[br:Patrom:Broioù Okeania]] [[diq:Template:Dewletê Okyanusya]] [[el:Πρότυπο:Ωκεανία]] [[en:Template:Countries and territories of Oceania]] [[fr:Modèle:Pays d'Océanie]] [[hsb:Předłoha:Oceanija]] [[ja:Template:オセアニア]] [[kw:Template:Ostralasi]] [[la:Formula:Oceania]] [[ms:Templat:Oceania]] [[nds:Vörlaag:Länner in Ozeanien]] [[ro:Format:Oceania]] [[ru:Шаблон:Океания]] [[simple:Template:Oceania]] [[sr:Шаблон:Аустралија и Океанија]] [[tr:Şablon:Okyanusya]] [[uk:Шаблон:Океанія]] [[zh:Template:Oceania]] </noinclude> j3tb9gp2tbg3k26yibgviy7id1q4y0h wikitext text/x-wiki Vorlage:Infobox Gemälde 10 23786 26380 2009-10-24T09:46:03Z Flominator 0 Komma nun nur noch, wenn Ort UND Museum gesetzt sind <onlyinclude>{| class="toccolours float-right" cellspacing="0" style="background:#F5F5F5; border:1px solid #aaa; float:right; margin:6px 0px 6px 15px; padding:0.2em 0.4em; width:265px; text-align:center;" | style="padding:0;{{#if:{{{bilddatei|}}}|"|width:265px"}} | {{#if:{{{bilddatei|}}}|[[Datei:{{{bilddatei}}}|{{#if:{{{vorlagenbreite|}}}|{{{vorlagenbreite}}}px|320x450px}}|rand|&nbsp;]]|}} |- ! ''{{{titel}}}'' |- | {{#if:{{{künstler|}}}|'''[[{{{künstler}}}]]''',|}} {{{jahr}}} |- | <small>{{#if:{{{technik}}}|{{{technik}}}}}{{#if:{{booland|{{{höhe}}}|{{{breite}}}}}|{{#if:{{{technik}}}|,&#32;}}{{{höhe}}}&nbsp;cm&nbsp;×&nbsp;{{{breite}}}&nbsp;cm}}</small> |- | <small>{{ #if: {{{museum|}}}|{{{museum}}}}}{{#if:{{{museen|}}}|{{{museen}}}}}{{#if:{{{ort|}}}|{{#if:{{{museum|}}}|,|}} {{{ort|}}}}} {{#if:{{{bildlink|}}}|[{{{bildlink|}}} Link zum Bild]<br />(Bitte [[Hilfe:FAQ zu Bildern#Wann ist eine Datei gemeinfrei („Public Domain“)?|Urheberrechte beachten]])|}}</small> |}</onlyinclude> {{Dokumentation}} 9n2dx0h8izfbr6m7gan50zq4e5iy0q7 wikitext text/x-wiki Vorlage:Infobox Kaiser von China 10 23787 26381 2008-10-04T14:08:31Z Mps 0 <includeonly>{| class="wikitable float-right" |- {{#if: {{{Bild|}}} || class="hiddenStructure"}} | colspan="2" align="center" |[[Bild:{{{Bild}}}|200px|none]] |- ! class="hintergrundfarbe6" colspan="2" |{{{Titel}}} |- | align="right" style="border-top:1px solid;" |[[Chinesischer Name|Familienname]]: || style="border-top:1px solid;" | {{{Familienname}}} |- | align="right" |[[Chinesischer Name|Vorname]]: || {{{Vorname}}} |- {{#if: {{{Zi|}}} || class="hiddenStructure"}} | align="right" |Großjährigkeitsname (Zi): || {{{Zi}}} |- {{#if: {{{Hao|}}} || class="hiddenStructure"}} | align="right" |Großjährigkeitsname (Hao): || {{{Hao}}} |- {{#if: {{{Postumer Titel kurz|}}} || class="hiddenStructure"}} | align="center" |[[Postumer Titel]]:<br />(kurz) || {{{Postumer Titel kurz}}} |- {{#if: {{{Postumer Titel vollständig|}}} || class="hiddenStructure"}} | align="center" |[[Postumer Titel]]:<br />(vollständig) || {{{Postumer Titel vollständig}}} |- {{#if: {{{Tempelname|}}} || class="hiddenStructure"}} | align="right" |[[Tempelname]]: || {{{Tempelname}}} |- | align="right" style="border-top:1px solid;" |Regierungszeit: || style="border-top:1px solid;" | {{{Regierungszeit}}} |- {{#if: {{{Äranamen|}}} || class="hiddenStructure"}} | align="center" |[[Äraname]]n: || {{{Äranamen}}} |}</includeonly><noinclude> {{Dokumentation}} [[Kategorie:Vorlage:China]] [[Kategorie:Vorlage:Infobox Person|Kaiser von China]] [[Kategorie:Vorlage:Infobox Geschichte|Kaiser von China]] [[en:Template:Infobox Chinese emperor]] [[zh:Template:Emperorcn box]] </noinclude> lkuew8kwxbnwv2qn1hdcbg9kobg1xb1 wikitext text/x-wiki Vorlage:PNDfehlt 10 23788 26382 2010-02-27T13:32:08Z WolfgangRieger 0 + Hinweis auf Fehlerliste <noinclude> Alternative zu der [[Vorlage:PND]], solange keine [[Hilfe:PND|PND]] dieser Person zugeordnet ist. Als Argument das letzte Prüfdatum auf PND-Vorkommen einsetzen, z.B. <nowiki>{{PNDfehlt|26. September 2007}}</nowiki> Optional kann ein Hinweis auf einen nicht individualisierten Eintrag zum Namen gegeben werden: <nowiki>{{PNDfehlt|26. September 2007|106741438}}</nowiki> Sollte der Name nicht dem Lemma entsprechen, kann er als 3. Parameter optional angegeben werden: <nowiki>{{PNDfehlt|26. September 2007|106741438|Hans Mustermann}}</nowiki> Damit ein Datensatz in der PND individualisiert wird, sollte in der Liste unter [[Wikipedia:PND/Fehlermeldung]] ein entsprechender Eintrag mit Angabe der zuzuordnenden Werke gemacht werden. == Anzeige == Um den Eintrag im Artikel sichtbar zu machen, muss die persönliche monobook.css wie folgt ergänzt werden: : <code>table.metadata { display:block; } /* dauerhaftes Einblenden des Personendaten-Blocks */</code> Damit werden auch die [[Wikipedia:Personendaten|Personendaten]] dauerhaft eingeblendet. [[Kategorie:Vorlage:Datenbanklink|Pnd fehlt]] </noinclude> <includeonly>{| class="metadata" | | style="font-variant: font-weight: bold;" | |'''[[Hilfe:PND|PND]]:''' kein individualisierter Datensatz vorhanden (Stand: {{{1}}}) {{#if: {{{2|}}} | Nicht individualisierter [http://d-nb.info/gnd/{{{2}}} Eintrag zum Namen {{{NAME|{{{3|{{PAGENAME}}}}}}}}] im Katalog der DNB |}} |}</includeonly> bgl10i82pxu4u4wuqsi0w2j81roi4l5 wikitext text/x-wiki Vorlage:Zh 10 23789 26383 2009-10-22T13:10:18Z Jens Liebenau 0 redigiert <includeonly>{{#ifeq: {{{kurz| }}}|{{{kurz|u}}} ||{{#ifeq: {{PAGENAME}} | Chinesische Schrift | chin.: | [[Wikipedia:Chinesische Begriffe|chin.]]}}&nbsp; }}{{#if: {{{t|}}} | {{lang|zh-Hant|{{{t}}}}}{{#if: {{{v|}}} | &nbsp;/&nbsp; }}}}{{#if: {{{v|}}} | {{lang|zh-Hans|{{{v}}}}} |{{#if: {{{t|}}}|<!--null--> | {{lang|zh-Hani|{{{c}}}}} }}}}{{#if: {{{p|}}} | , {{#if: {{{hcaudio|}}} | {{Audio|{{{hcaudio}}}|''{{{p}}}''}} | ''{{{p}}}'' }} |{{#if: {{{hcaudio|}}} | {{Audio|{{{hcaudio}}}|Anhören (hochchin.)}} }}}}{{#if: {{{hcipa|}}} | , IPA (hochchin.) [{{IPA|{{{hcipa}}}}}] }}{{#if: {{{tp|}}} | , {{#ifeq: {{PAGENAME}} | Tongyong Pinyin | Tongyong Pinyin | [[Tongyong Pinyin]]}} ''{{{tp}}}'' }}{{#if: {{{w|}}} | , {{#ifeq: {{PAGENAME}} | Wade-Giles | W.-G. | [[Wade-Giles|W.-G.]]}} ''{{{w}}}'' }}{{#if: {{{z|}}} | , {{#ifeq: {{PAGENAME}} | Zhuyin | Zhuyin | [[Zhuyin]]}} {{lang|zh-Bopo|{{{z}}}}} }}{{#if: {{{g|}}} | , {{#ifeq: {{PAGENAME}} | Gwoyeu Romatzyh | G. R. | [[Gwoyeu Romatzyh|G. 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Keine Verbesserung der Vorlage. (Artfacts ist keine Literaturfundstelle, Kursiv ist bei URL nicht angebracht * [http://www.artfacts.net/index.php/pageType/artistInfo/artist/{{{1}}}/lang/2 {{#if:{{{2|}}}|{{{2}}}| {{PAGENAME}} }}] bei artfacts.net<noinclude> == Beschreibung == Diese Vorlage wird verwendet, um einen Link auf eine Personenseite in artfacts.net zu erstellen. Sie kann folgendermaßen eingebunden werden: <code><nowiki>{{Artfacts|id|label}}</nowiki></code> ''id'' (verpflichtend) die ID, die als Zahl am Ende des URL bei Artfacts angegeben ist, z.B. ''4652'' im Eintrag zu ''Damien Hirst'' unter http://www.artfacts.net/index.php/pageType/artistInfo/artist/4652 ''label'' (optional) Der Name der Person, die verlinkt wird. Entspricht der Name dem [[Lemma (Lexikografie)|Lemma]], sollte man den Parameter weglassen, weil dann stattdessen das Lemma eingesetzt wird. [[Kategorie:Vorlage:Datenbanklink|Artfacts]] </noinclude> 2xc14hjs0o75ztny6j6zvg4ob94yund wikitext text/x-wiki Vorlage:Zeno-Künstler 10 23792 26386 2010-04-27T19:22:49Z Holder 0 + als * [http://www.zeno.org/{{{1}}} Werke von {{#if: {{{2|}}} | {{{2}}} | {{PAGENAME}} }}] bei [[Zeno.org]]<noinclude> [[Kategorie:Vorlage:Datenbanklink|Zeno-Künstler]] [[als:Vorlage:Zeno-Künstler]] [[en:Template:Zeno-Künstler]] </noinclude> 780vbf0vnzoxc4x8geyxiqako96mf9o wikitext text/x-wiki Vorlage:Info ISO-3166-2:DE 10 23793 26387 2009-04-04T10:41:25Z Visi-on 0 {{#switch: {{lc:{{{1|}}} }} |continent = Europa <!--Administration--> |level = 0 |maxlevel= 1 |acronym = DE |top = DE |upper = |lemma = Deutschland |admname = Bundesrepublik Deutschland |admtype = Bundesrepublik |0 = Deutschland |1 = |2 = |map = Deutschland |flag = Flag of Germany.svg }}<noinclude>{{Vorlage:Info ISO-3166-2/Info}}</noinclude> pqo8it3k38ktkgry6zlx27lilec2y2u wikitext text/x-wiki Vorlage:Info ISO-3166-2:DE-TH 10 23794 26388 2009-04-04T10:36:57Z Visi-on 0 <onlyinclude>{{#switch: {{lc:{{{1|}}} }} |continent = Europa <!--Administration--> |level = 1 |maxlevel= 1 |acronym = TH |top = DE |upper = DE |lemma = Thüringen |admname = Freistaat Thüringen |admtype = Land |0 = Deutschland |1 = Thüringen |2 = |map = Deutschland Thüringen |flag = Flag of Thuringia.svg }}</onlyinclude>{{Vorlage:Info ISO-3166-2/Info}} t5wx8hsp7d6ojqdwaf0cqw0yirm4nlp wikitext text/x-wiki Vorlage:Positionskarte+ 10 23795 26389 2010-03-19T09:12:57Z Guandalug 277 Änderte den Schutz von „[[Vorlage:Positionskarte+]]“: Änderung erledigt. ([edit=sysop] (unbeschränkt) [move=sysop] (unbeschränkt)) <onlyinclude><table {{#switch: {{{float|}}} |left = class="float-left" style="margin-right: 1em; |right = class="float-right" style="margin-left: 1em; |center= class="centered" style=" |#default= style="margin: 0 1em; }} background-color: {{#if:{{{background|}}}|{{{background}}}|#f9f9f9}}; border: {{#switch:{{#if:{{{caption|x}}}|{{{border|}}}|none}}|none=none|=1px solid #CCC|#default=1px solid {{{border|#CCC}}}}}; border-collapse: collapse; width: 1px;<!-- IMPORTANT *** für alle Browser ausser Firefox *** WICHTIG --> display:inline-table; "> <tr><td style="border: none; padding: 0;"><div style="position: relative; padding: 0; {{#switch:{{{border|#CCC}}}|none=border: none;|=margin:{{#if:{{{caption|x}}}|3|0}}px; border: 1px solid #CCC;|#default=margin:3px; border: 1px solid {{{border|#CCC}}};}}">[[Bild:{{#if: {{{Alternativkarte|}}} | {{{Alternativkarte}}} | {{Positionskarte {{{1|Erde}}}|image|{{{maptype|}}} }} }}|{{#if:{{{width|x}}}|{{{width|240}}}px|frameless{{!}}upright=1}}|center|{{#if: {{{label|}}} | {{{label}}} | {{PAGENAME}} }} ({{Positionskarte {{{1|Erde}}}|name}})]]{{{places|}}}</div></td></tr> {{#if:{{{caption|x}}} |<tr style="font-size: 90%"><td style="border: none;"><div style="margin: 0 0.3em">{{{caption|{{#if: {{{label|}}}|{{{label}}}|{{PAGENAME}}}} ({{Positionskarte {{{1|Erde}}}|name}})}}}</div></td></tr> }}</table></onlyinclude> {{Dokumentation}} 8ylf1cz44fq12716z9tmqbtuixc1zmo wikitext text/x-wiki Vorlage:Positionskarte Deutschland 10 23796 26872 26390 2010-05-01T17:56:08Z TUBS 0 gekürzt. hier zu unübersichtlich {{#switch:{{{1}}} | name = Deutschland | top = 55.1 | bottom = 47.2 | left = 5.5 | right = 15.5 | image = Germany location map.svg }}<noinclude> {{Positionskarte/Info}} == Alternativkarten == <gallery> Datei:Germany2 location map.svg|mit Gewässern </gallery> === Historische Gebietsstände === ''Siehe'': [[:commons:Template:Germany location map/other versions|Alternativkarten auf Commons]] [[als:Vorlage:Positionskarte Deutschland]] [[ar:قالب:خريطة مواقع ألمانيا]] [[bar:Vorlage:Positionskarte Deutschland]] [[be:Шаблон:На карце/Германія]] [[be-x-old:Шаблён:Лякалізацыйная мапа Нямеччыны]] [[bg:Шаблон:ПК Германия]] [[bn:টেমপ্লেট:Location map Germany]] [[bs:Šablon:Lokacijska karta Njemačka]] [[ca:Plantilla:Location map Alemanya]] [[crh:Şablon:Location map Almaniya]] [[cs:Šablona:LocMap Německo]] [[da:Skabelon:Kortpositioner Tyskland]] [[dsb:Pśedłoga:LocMap Nimska]] [[el:Πρότυπο:Location map Γερμανία]] [[en:Template:Location map Germany]] [[eo:Ŝablono:Situo sur mapo Germanio]] [[es:Plantilla:Mapa de localización de Alemania]] [[eu:Txantiloi:Kokapen mapa/DEU]] [[fi:Malline:Location map Germany]] [[fr:Modèle:Géolocalisation/Allemagne]] [[he:תבנית:מפת מיקום/גרמניה]] [[hr:Predložak:Lokacijska karta Njemačka]] [[hsb:Předłoha:LocMap Němska]] [[hu:Sablon:Pozíciós térkép Németország]] [[hy:Կաղապար:Դիրքորոշում Գերմանիա]] [[id:Templat:Location map Jerman]] [[it:Template:Mappa di localizzazione/DEU]] [[ja:Template:Location map Germany]] [[ka:თარგი:პოზრუკა გერმანია]] [[ko:틀:위치 지도 독일]] [[la:Formula:Charta locatrix Germaniae]] [[lb:Schabloun:Kaartpositioun Däitschland]] [[lt:Šablonas:Location map Vokietija]] [[lv:Veidne:Location map Vācija]] [[mk:Шаблон:Location map Germany]] [[mr:साचा:Location map जर्मनी]] [[ms:Templat:Location map Germany]] [[nl:Sjabloon:Positiekaart Duitsland]] [[nn:Mal:Kartposisjon Tyskland]] [[no:Mal:Kartposisjon Tyskland]] [[os:Шаблон:ПозКартæ Герман]] [[pam:Template:Location map Germany]] [[pl:Szablon:Mapa lokalizacyjna/DEU]] [[pt:Predefinição:Mapa de localização/Alemanha]] [[rm:Template:LocMap Germania]] [[ro:Format:Harta de localizare Germania]] [[ru:Шаблон:ПозКарта Германия]] [[sh:Šablon:Location map Germany]] [[simple:Template:Location map Germany]] [[sl:Predloga:Lokacijska karta Nemčija]] [[sr:Шаблон:Location map Germany]] [[sv:Mall:Kartposition Tyskland]] [[szl:Szablon:Mapa lokalizacyjno/DEU]] [[th:แม่แบบ:Location map Germany]] [[tr:Şablon:Location map Germany]] [[ur:سانچہ:Location map Germany]] [[vec:Template:Mappa di localizzazione/DEU]] [[vi:Bản mẫu:Bản đồ định vị Đức]] [[zh:Template:Location map Germany]] [[zh-min-nan:Template:Location map Germany]] </noinclude> emg8qukxrr898pg9140maepo3nwfpp9 wikitext text/x-wiki Vorlage:Positionskarte~ 10 23797 26391 2010-03-28T01:00:51Z Herzi Pinki 0 globe durchreichen <noinclude><!-- Testframe! 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Grund: [[commons:Commons:Deletion requests/File:Cplp.gif]] : Logo are generally unfree. No source that prove this logo is under the GNU li {{Navigationsleiste |BILD= |TITEL=Mitgliedsländer der [[Gemeinschaft der Portugiesischsprachigen Länder|CPLP]] |INHALT= '''Mitglieder:''' [[Angola]]&nbsp;&#124; [[Brasilien]]&nbsp;&#124; [[Kap Verde]]&nbsp;&#124; [[Guinea-Bissau]]&nbsp;&#124; [[Mosambik|Moçambique]]&nbsp;&#124; [[Portugal]]&nbsp;&#124; [[São Tomé und Príncipe]]&nbsp;&#124; [[Osttimor]] '''Beobachterstatus:''' [[Äquatorialguinea]]&nbsp;&#124; [[Mauritius]]&nbsp;&#124; [[Macao]] }}<noinclude> [[Kategorie:Vorlage:Navigationsleiste Staatengruppe|Cplp]] </noinclude> rvri0l4w5lckgd62gttsl9p6cwgbqjl wikitext text/x-wiki Vorlage:Navigationsleiste Pacific Islands Forum 10 23803 26397 2010-02-15T15:44:53Z Henning Blatt 0 assoziierte Mitglieder und Beobachter aktualisiert {{Navigationsleiste |TITEL=Mitgliedstaaten des [[Pacific Islands Forum]] |BILD=[[Datei:Pacific Islands Forum Logo.svg|65px|Logo des Pacific Islands Forum]] |INHALT= [[Australien]]&nbsp;&#124; [[Cookinseln]]&nbsp;&#124; [[Fidschi]]&nbsp;&#124; [[Föderierte Staaten von Mikronesien|Föderierte&nbsp;Staaten&nbsp;von&nbsp;Mikronesien]]&nbsp;&#124; [[Kiribati]]&nbsp;&#124; [[Marshallinseln|Republik&nbsp;Marshallinseln]]&nbsp;&#124; [[Nauru]]&nbsp;&#124; [[Neuseeland]]&nbsp;&#124; [[Niue]]&nbsp;&#124; [[Palau]]&nbsp;&#124; [[Papua-Neuguinea]]&nbsp;&#124; [[Salomonen]]&nbsp;&#124; [[Samoa]]&nbsp;&#124; [[Tonga]]&nbsp;&#124; [[Tuvalu]]&nbsp;&#124; [[Vanuatu]] Assoziierte Mitglieder: [[Neukaledonien]]&nbsp;&#124; [[Französisch-Polynesien]] Beobachter: [[Osttimor]]&nbsp;&#124; [[Tokelau]]&nbsp;&#124; [[Wallis und Futuna]]&nbsp;&#124; [[Asiatische Entwicklungsbank]]&nbsp;&#124; [[Commonwealth of Nations|Commonwealth Secretariat]]&nbsp;&#124; [[Vereinte Nationen]]&nbsp;&#124; [[Western and Central Pacific Fisheries Commission]] }}<noinclude> [[Kategorie:Vorlage:Navigationsleiste Staatengruppe|Pacific Islands Forum]] [[Kategorie:Vorlage:Navigationsleiste (Ozeanien)|Pacific Islands Forum]] </noinclude> 1d6ozjyfqcj2x9o32tmrxch6g1okerj wikitext text/x-wiki Vorlage:Navigationsleiste Staaten in Asien 10 23804 26398 2010-02-15T13:19:15Z Wiegels 0 + Kategorie {{Navigationsleiste |BILD=[[Datei:LocationAsia.svg|75px|Lage Asiens]] |TITEL=Politische Gliederung [[Asien]]s |INHALT= '''47 asiatische [[Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen (alphabetisch)|Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen]]:'''<br /> [[Afghanistan]]&nbsp;&#124; [[Ägypten]]<sup>1</sup>&nbsp;&#124; [[Armenien]]&nbsp;&#124; [[Aserbaidschan]]&nbsp;&#124; [[Bahrain]]&nbsp;&#124; [[Bangladesch]]&nbsp;&#124; [[Bhutan]]&nbsp;&#124; [[Brunei]]&nbsp;&#124; [[Volksrepublik China|China, Volksrepublik]]&nbsp;&#124; [[Georgien]]&nbsp;&#124; [[Indien]]&nbsp;&#124; [[Indonesien]]<sup>2</sup>&nbsp;&#124; [[Irak]]&nbsp;&#124; [[Iran]]&nbsp;&#124; [[Israel]]&nbsp;&#124; [[Japan]]&nbsp;&#124; [[Jemen]]&nbsp;&#124; [[Jordanien]]&nbsp;&#124; [[Kambodscha]]&nbsp;&#124; [[Kasachstan]]<sup>3</sup>&nbsp;&#124; [[Katar]]&nbsp;&#124; [[Kirgisistan]]&nbsp;&#124; [[Kuwait]]&nbsp;&#124; [[Laos]]&nbsp;&#124; [[Libanon]]&nbsp;&#124; [[Malaysia]]&nbsp;&#124; [[Malediven]]&nbsp;&#124; [[Mongolei]]&nbsp;&#124; [[Myanmar]]&nbsp;&#124; [[Nepal]]&nbsp;&#124; [[Nordkorea]]&nbsp;&#124; [[Oman]]&nbsp;&#124; [[Osttimor]]&nbsp;&#124; [[Pakistan]]&nbsp;&#124; [[Philippinen]]&nbsp;&#124; [[Russland]]<sup>3</sup>&nbsp;&#124; [[Saudi-Arabien]]&nbsp;&#124; [[Singapur]]&nbsp;&#124; [[Sri Lanka]]&nbsp;&#124; [[Südkorea]]&nbsp;&#124; [[Syrien]]&nbsp;&#124; [[Tadschikistan]]&nbsp;&#124; [[Thailand]]&nbsp;&#124; [[Turkmenistan]]&nbsp;&#124; [[Türkei]]<sup>3</sup>&nbsp;&#124; [[Usbekistan]]&nbsp;&#124; [[Vereinigte Arabische Emirate]]&nbsp;&#124; [[Vietnam]]&nbsp;&#124; [[Republik Zypern|Zypern, Republik]] '''Abhängige&nbsp;Gebiete:'''<br /> [[Britisches Territorium im Indischen Ozean]] ([[Britische Überseegebiete|Britisches Überseegebiet]])&nbsp;&#124; [[Hongkong]] ([[Sonderverwaltungszone|SVZ]] der VR China)&nbsp;&#124;<br /> [[Macao]] (SVZ der VR China) '''[[De-facto-Regime|Umstrittene]] Gebiete:'''<br /> [[Abchasien]]&nbsp;&#124; [[Republik Bergkarabach|Bergkarabach, Republik]]&nbsp;&#124; [[Republik China|China, Republik (Taiwan)]]&nbsp;&#124; [[Palästinensische Autonomiegebiete]]&nbsp;&#124; [[Südossetien]]&nbsp;&#124; [[Türkische Republik Nordzypern]] <small> <sup>1</sup>&nbsp;Liegt größtenteils in [[Afrika]].&nbsp; <sup>2</sup>&nbsp;Liegt zum Teil auch in [[Ozeanien]].&nbsp; <sup>3</sup>&nbsp;Liegt zum Teil auch in [[Europa]]. </small> }}<noinclude> [[Kategorie:Vorlage:Navigationsleiste Staatengruppe|Asien]] [[Kategorie:Vorlage:Navigationsleiste (Asien)|Staatengruppe]] [[af:Sjabloon:Lande van Asië]] [[bg:Шаблон:Азия]] [[cs:Šablona:Asie]] [[dsb:Pśedłoga:Nawikašćik Azija]] [[en:Template:Countries of Asia]] [[fr:Modèle:Pays d'Asie]] [[he:תבנית:מדינות אסיה]] [[hi:साँचा:एशिया]] [[hsb:Předłoha:Azija]] [[is:Snið:Asía]] [[ja:Template:アジア]] [[ka:თარგი:აზიის ქვეყნები]] [[km:ទំព័រគំរូ:ប្រទេសនៅទ្វីបអាស៊ី]] [[ko:틀:아시아]] [[lt:Šablonas:Azija]] [[lv:Veidne:Āzija]] [[ml:ഫലകം:ഏഷ്യ]] [[mn:Загвар:Ази]] [[nds:Vörlaag:Länner in Asien]] [[sk:Šablóna:Ázia]] [[sl:Predloga:Države Azije]] [[sv:Mall:Asien]] [[th:แม่แบบ:เอเชีย]] [[vi:Tiêu bản:Quốc gia Châu Á]] [[war:Template:Asya]] [[zh:Template:Asia]] [[zh-classical:Template:亞洲]] </noinclude> si6i0l0j2i2365b5asgo8722owno2kx wikitext text/x-wiki Vorlage:Osttimor (Klima) 10 23805 26399 2007-01-05T06:39:55Z J. Patrick Fischer 0 {| border="1" align="center" cellpadding="2" cellspacing="0" width="330" style="margin-left:1em; margin-bottom:1em;" !height: 30px; bgcolor="#CDC9C9" |Klimadaten Dili||bgcolor="#E0E0E0" |Jan||bgcolor="#E0E0E0" |Feb||bgcolor="#E0E0E0" |Mär||bgcolor="#E0E0E0" |Apr||bgcolor="#E0E0E0" |Mai||bgcolor="#E0E0E0" |Jun||bgcolor="#E0E0E0" |Jul||bgcolor="#E0E0E0" |Aug||bgcolor="#E0E0E0" |Sep||bgcolor="#E0E0E0" |Okt||bgcolor="#E0E0E0" |Nov||bgcolor="#E0E0E0" |Dez||bgcolor="#CDC9C9" |Jahr |- |bgcolor="#E0E0E0" |Durchschnittstemperatur [°C]||28,3||28,3||28,3||28,3||28,1||27,5||26,7||26,4||26,4||27,2||28,6||28,9||bgcolor="#CDC9C9" |27,8 |- |bgcolor="#E0E0E0" |Durchschnittliches Tagesmaximum [°C]||31,1||31,1||31,7||31,7||31,7||31,1||30,6||30,6||30,6||31,1||32,2||32,2||bgcolor="#CDC9C9" |31,3 |- |bgcolor="#E0E0E0" |Durchschnittliches Tagesminimum [°C]||25,6||25,6||25,0||25,0||24,4||23,9||22,8||22,2||22,2||23,3||25,6||25,6||bgcolor="#CDC9C9" |24,2 |- |bgcolor="#E0E0E0" |Absolutes Temperaturmaximum [°C]||36,1||35,0||36,7||36,1||35,0||36,7||33,3||35,0||33,9||33,9||35,0||35,0||bgcolor="#CDC9C9" |36,7 |- |bgcolor="#E0E0E0" |Absolutes Temperaturminimum [°C]||21,1||22,8||20,0||21,7||20,6||18,9||16,1||17,2||16,1||18,3||21,1||22,8||bgcolor="#CDC9C9" |16,1 |- |bgcolor="#E0E0E0" |Durchschnittliche Regenmenge [mm]||127,0||119,4||137,2||109,2||86,4||25,4||12,7||5,1||7,6||22,9||50,8||139,7||bgcolor="#CDC9C9" |843,4 |- |bgcolor="#E0E0E0" |Maximale Regenmenge [mm]||161,9||143,9||157,4||148,4||149,8||139,2||137,1||130,1||127,5||149,6||159,9||168,6||bgcolor="#CDC9C9" |1773,5 |- |bgcolor="#E0E0E0" | Jahreszeit || colspan="4" align="center" bgcolor="#BBFFFF" | Regenzeit ||colspan="7" align="center" bgcolor="#FFEBAD" | Trockenzeit || align="center" bgcolor="#BBFFFF" | RZ||bgcolor="#CDC9C9" | |}<noinclude> [[Kategorie:Vorlage:Tabelle|{{PAGENAME}}]] </noinclude> <small>Quelle: [http://www.globalbioclimatics.org/station/in-dili-.htm Phytosociological Research Center]</small> </br> <small>{{Bearbeiten|Vorlage:Osttimor (Klima)|text='''Bearbeiten'''}}</small> g1tcsbumxdiaj37ohkc7lubiudof0n2 wikitext text/x-wiki Vorlage:Navigationsleiste Filme von John Ford 10 23806 26400 2009-08-06T10:01:17Z Filme 0 John Ford hat 1942 einen Film über die Schlacht bei Midway gemacht, hat aber mit dem Film von 1975 nichts zu tun, denn da war er schon tot ! {{Navigationsleiste Filmographie |Regisseur=[[John Ford]] |Filme= [[Das eiserne Pferd|Das&nbsp;eiserne&nbsp;Pferd]]&nbsp;&#124; [[Drei ehrliche Banditen|Drei&nbsp;ehrliche&nbsp;Banditen]]&nbsp;&#124; [[U 13 (Film)|U&nbsp;13]]&nbsp;&#124; [[Ring frei für die Liebe|Ring&nbsp;frei&nbsp;für&nbsp;die&nbsp;Liebe]]&nbsp;&#124; [[Die letzte Patrouille|Die&nbsp;letzte&nbsp;Patrouille]]&nbsp;&#124; [[Stadtgespräch (1935)|Stadtgespräch]]&nbsp;&#124; [[Der Verräter|Der&nbsp;Verräter]]&nbsp;&#124; [[Der Gefangene der Haifischinsel|Der&nbsp;Gefangene&nbsp;der&nbsp;Haifischinsel]]&nbsp;&#124; [[Maria von Schottland|Maria&nbsp;von&nbsp;Schottland]]&nbsp;&#124; [[Rekrut Willie Winkie|Rekrut&nbsp;Willie&nbsp;Winkie]]&nbsp;&#124; [[… dann kam der Orkan|…&nbsp;dann&nbsp;kam&nbsp;der&nbsp;Orkan]]&nbsp;&#124; [[Vier Mann – ein Schwur|Vier&nbsp;Mann&nbsp;–&nbsp;ein&nbsp;Schwur]]&nbsp;&#124; [[Ringo (1939)|Ringo]]&nbsp;&#124; [[Der junge Mr. Lincoln|Der&nbsp;junge&nbsp;Mr.&nbsp;Lincoln]]&nbsp;&#124; [[Trommeln am Mohawk|Trommeln&nbsp;am&nbsp;Mohawk]]&nbsp;&#124; [[Früchte des Zorns (Film)|Früchte&nbsp;des&nbsp;Zorns]]&nbsp;&#124; [[Der lange Weg nach Cardiff|Der&nbsp;lange&nbsp;Weg&nbsp;nach&nbsp;Cardiff]]&nbsp;&#124; [[Tabakstraße]]&nbsp;&#124; [[Schlagende Wetter (1941)|Schlagende&nbsp;Wetter]] (So grün war mein Tal)&nbsp;&#124; [[Der 7. Dezember|Der&nbsp;7.&nbsp;Dezember]]&nbsp;&#124; [[Schnellboote vor Bataan|Schnellboote&nbsp;vor&nbsp;Bataan]]&nbsp;&#124; [[Faustrecht der Prärie|Faustrecht&nbsp;der&nbsp;Prärie]]&nbsp;&#124; [[Befehl des Gewissens|Befehl&nbsp;des&nbsp;Gewissens]]&nbsp;&#124; [[Bis zum letzten Mann|Bis&nbsp;zum&nbsp;letzten&nbsp;Mann]]&nbsp;&#124; [[Spuren im Sand|Spuren&nbsp;im&nbsp;Sand]]&nbsp;&#124; [[Der Teufelshauptmann|Der&nbsp;Teufelshauptmann]]&nbsp;&#124; [[So ein Pechvogel|So&nbsp;ein&nbsp;Pechvogel]]&nbsp;&#124; [[Westlich St. Louis|Westlich&nbsp;St.&nbsp;Louis]]&nbsp;&#124; [[Rio Grande (Film)|Rio&nbsp;Grande]]&nbsp;&#124; [[Der Sieger (1952)|Der&nbsp;Sieger]]&nbsp;&#124; [[Wem die Sonne lacht|Wem&nbsp;die&nbsp;Sonne&nbsp;lacht]]&nbsp;&#124; [[Mogambo]]&nbsp;&#124; [[Mit Leib und Seele (Film)|Mit&nbsp;Leib&nbsp;und&nbsp;Seele]]&nbsp;&#124; [[Keine Zeit für Heldentum|Keine&nbsp;Zeit&nbsp;für&nbsp;Heldentum]]&nbsp;&#124; [[Der schwarze Falke|Der&nbsp;schwarze Falke]]&nbsp;&#124; [[Dem Adler gleich|Dem&nbsp;Adler&nbsp;gleich]]&nbsp;&#124; [[Das letzte Hurra|Das&nbsp;letzte&nbsp;Hurra]]&nbsp;&#124; [[Der letzte Befehl|Der&nbsp;letzte&nbsp;Befehl]]&nbsp;&#124; [[Der schwarze Sergeant|Der&nbsp;schwarze&nbsp;Sergeant]]&nbsp;&#124; [[Zwei ritten zusammen|Zwei&nbsp;ritten&nbsp;zusammen]]&nbsp;&#124; [[Der Mann, der Liberty Valance erschoß|Der&nbsp;Mann,&nbsp;der&nbsp;Liberty&nbsp;Valance&nbsp;erschoß]]&nbsp;&#124; [[Das war der Wilde Westen|Das&nbsp;war&nbsp;der&nbsp;Wilde&nbsp;Westen]]&nbsp;&#124; [[Die Hafenkneipe von Tahiti|Die&nbsp;Hafenkneipe&nbsp;von&nbsp;Tahiti]]&nbsp;&#124; [[Cheyenne (Film)|Cheyenne]]&nbsp;&#124; [[Cassidy, der Rebell|Cassidy,&nbsp;der&nbsp;Rebell]]&nbsp;&#124; [[Sieben Frauen|Sieben&nbsp;Frauen]] }}<noinclude> [[Kategorie:Vorlage:Navigationsleiste Regisseure|Ford]]</noinclude> n5yo3iu14glnjj0at601dgxzq4cc817 wikitext text/x-wiki Vorlage:Ar 10 23807 26401 2009-07-09T20:04:13Z Man77 0 darstellung so wie wirklich in der vorlage {{Arabische Schrift|{{{1}}}|ar}}{{#if:{{{w|}}}|&nbsp;''{{lang|ar-Latn|{{{w}}}}}''}}{{#if:{{{d|}}}|, [[Arabisches Alphabet|DMG]] ''{{lang|ar-Latn|{{{d}}}}}''}}{{#if:{{{b|}}}|, „{{{b}}}“}}<noinclude> <div class="hintergrundfarbe2 rahmenfarbe3" style="margin:1em; padding:1em; border-style: solid;"> * '''Funktion:''' Diese Vorlage dient dazu, Text in [[Arabische Sprache|arabischer Sprache]] und [[Arabische Schrift|Schrift]] einheitlich und lesbarer darzustellen. Außerdem hilft sie Browsern und Suchmaschinen mit dem Text besser umzugehen, in dem die Schreibrichtung und die Sprache des Textes (=Arabisch) angegeben werden.<br />Optional können auch noch verschiedene Transkriptionen sowie die Bedeutung des Wortes angegeben werden. * '''Verwendung:''' <code><nowiki>{{ar|Text in arabischer Schrift|w=Wikipedia-Transkription|d=DMG-Transkription|b=Deutsche Bedeutung}}</nowiki></code> * '''Optionale Parameter:''' ** <code><nowiki>|w=</nowiki></code> [[Wikipedia:Namenskonventionen/Arabisch#Arabische Transkription|Wikipedia-Transkription]] ** <code><nowiki>|d=</nowiki></code> [[Arabisches Alphabet|Transkription]] der [[Deutsche Morgenländische Gesellschaft|Deutschen Morgenländischen Gesellschaft]] (''DMG-Umschrift'' = [[DIN 31635]]) ** <code><nowiki>|b=</nowiki></code> Deutsche Bedeutung des Wortes (Übersetzung) * ''' Beispiele:'''<br /> {| class="prettytable" |- class="hintergrundfarbe6" ! width="50%" | Quelltext ! width="50%" | ...und so sieht's aus |- | <tt><nowiki>'''Ahmad ibn Hanbal''' ({{ar|أحمد بن حنبل|w=Ahmad ibn Hanbal|d=Aḥmad b. Muḥammad b. Ḥanbal}})</nowiki></tt> | '''Ahmad ibn Hanbal''' (<span lang="ar" dir="rtl" style="font-size:1.25em" class="spanAr">أحمد بن حنبل</span> ''<span lang="ar-Latn">Ahmad ibn Hanbal</span>'', [[DIN 31635|DMG]] ''<span lang="ar-Latn">Aḥmad b. Muḥammad b. Ḥanbal</span>'') |- | <tt><nowiki>'''Islam''' ({{ar|إسلام|w=islām|b=Hingabe an [[Gott]]}})</nowiki></tt> | '''Islam''' (<span lang="ar" dir="rtl" style="font-size:1.25em" class="spanAr">إسلام</span> ''<span lang="ar-Latn">islām</span>'', „Hingabe an [[Gott]]“) |} </div> == Siehe auch == *[[Vorlage:ArS]] *[[Vorlage:ArF]] [[Kategorie:Vorlage:Fremdsprachenunterstützung|Ar]] [[da:Skabelon:Ar]] [[ko:틀:Ar]] [[nds:Vörlaag:Ar]] [[vi:Tiêu bản:Ar]] </noinclude> r5w9nvgck7y10fp5dt582mimjm35hdt wikitext text/x-wiki Vorlage:Arabische Schrift 10 23808 26402 2009-03-21T15:37:04Z Revolus 0 &amp;rlm; <onlyinclude>&rlm;<span class="spanAr" {{#if:{{{2|}}}|lang="{{{2}}}"}} dir="rtl" style="font-size:1.25em">{{{1}}}</span>&lrm;</onlyinclude> {{Dokumentation}} [[Kategorie:Vorlage:Fremdsprachenunterstützung|Arabische Schrift]] 8njm8zdyyticteic88exlwesk58tvg3 wikitext text/x-wiki Vorlage:IPA-Text 10 23809 26403 2009-12-12T11:02:10Z Hydro 0 katfix wg. großbuchstaben <span class="IPA">{{{1}}}</span><noinclude> [[Kategorie:Vorlage:Formatierungshilfe|Ipatext]] [[Kategorie:Vorlage:Fremdsprachenunterstützung|Ipatext]] [[en:Template:IPA]] [[ru:Шаблон:МФА]] [[vi:Tiêu bản:IPA]] [[zh:Template:IPA]] </noinclude> m8d0im5q2krx2pncpgs6a20axw5iri7 wikitext text/x-wiki Vorlage:BibISBN/3800141442 10 23810 26404 2009-09-08T14:54:12Z Magnus Manske 127 Neuer Eintrag {{BibRecord | Autor = Wilhelm Barthlott, Stefan Porembski, Rüdiger Seine, Inge Theisen | Titel = Karnivoren. Biologie und Kultur fleischfressender Pflanzen | ISBN = 3-8001-4144-2 | Herausgeber = | TitelErg = | Sammelwerk = | Band = | Nummer = | Auflage = | Verlag = Ulmer | Ort = Stuttgart | Jahr = 2004 | Monat = | Tag = | ISSN = | LCCN = | Originaltitel = | Originalsprache = | Übersetzer = | Online = | DOI = | arxiv = | Zugriff = | Typ = | Seite = {{{Seite|}}} | Seiten = {{{Seiten|}}} | Kommentar = {{{Kommentar|}}} | format = {{{format|}}} | record = {{{record|}}} }} jfmyfkz8j0t259rf09as0jxsqdg4mp5 wikitext text/x-wiki Vorlage:Altfrankfurt 10 23811 26405 2009-12-23T00:00:00Z Entlinkt 0 Kat * [http://altfrankfurt.com/{{{Pfad}}} {{{Objekt}}}]. In: [http://altfrankfurt.com/ altfrankfurt.com]<noinclude> ---- Häufig benutzter Weblink auf die Website http://altfrankfurt.com/ -- benutzt für zahlreiche Bauwerksartikel. Verwendungsbeispiel: <code><nowiki>{{Altfrankfurt|Objekt=Höchst|Pfad=Stadtteil/Hoechst}}</nowiki></code> wird zu: {{Altfrankfurt|Objekt=Höchst|Pfad=Stadtteil/Hoechst}} [[Kategorie:Vorlage:Datenbanklink|{{PAGENAME}}]] [[Kategorie:Vorlage:Hessen|{{PAGENAME}}]] </noinclude> pzqh2lmr6qq3hpr78kowtlp1mpaia12 wikitext text/x-wiki Vorlage:FrankfurtSeite 10 23812 26406 2009-12-22T23:04:21Z Entlinkt 0 Kat * [http://www.frankfurt.de/sixcms/detail.php?id={{{ArtikelID}}} {{{Objekt|{{PAGENAME}}}}}] bei [http://www.frankfurt.de/ frankfurt.de]<noinclude> ---- Häufig benutzter Weblink auf die Website [http://www.frankfurt.de/ http://www.frankfurt.de/]&nbsp;– benutzt für zahlreiche Artikel aus dem Stadtbereich Frankfurt am Main. Verwendungsbeispiel: <code><nowiki>{{FrankfurtSeite|ArtikelID=31920|Objekt=Höchster Stadtpark}}</nowiki></code> Die ArtikelId ist die letzte Kennung der URL. Wird die Variable ''Objekt'' nicht angegeben, wird <code><nowiki>{{PAGENAME}}</nowiki></code>, das heißt der Name der Seite als Standardwert eingesetzt. [[Kategorie:Vorlage:Datenbanklink|{{PAGENAME}}]] [[Kategorie:Vorlage:Hessen|{{PAGENAME}}]] </noinclude> boobmkh4uffbtihvpdokwjrqwbw776h wikitext text/x-wiki Vorlage:Infobox Frankfurter Straße 10 23813 26407 2009-04-07T10:44:28Z Melkom 0 <includeonly>{{Infobox Straße |Name={{{Name}}} |Alternativnamen={{{Alternativnamen|}}} |Stadtwappen=Wappen-frankfurt.png |Kategorie=Straße in Frankfurt am Main |Bild={{{Bild|}}} |Bild zeigt={{{Bilduntertitel|}}} |Ort=Frankfurt am Main |Ortsteil={{{Stadtteile|}}} |Angelegt={{{Anlage|}}} |Neugestaltet={{{Neugestaltet|}}} |HistNamen={{{HistNamen|}}} |Straßen={{{Fortsetzung|}}} |Querstraßen={{{Querstraßen|}}} |Plätze={{{Plätze|}}} |Bauwerke={{{Bauwerke|}}} |Nutzergruppen={{{Nutzergruppe|}}} |Straßengestaltung={{{Straßengestaltung|}}} |Straßenlänge={{{Länge|}}} |Baukosten={{{Baukosten|}}} }} </includeonly><noinclude>{{Dokumentation}} </noinclude> ahicuqb44x1bbb51o6gcxqgzxnltjbz wikitext text/x-wiki Vorlage:Infobox Straße 10 23814 26408 2009-06-17T19:41:22Z Radschläger 0 doppelpunkte entfernt {| class="infobox float-right" cellspacing="0" cellpadding="1" width="250" style="width: 250px; border: 1px solid #999; padding: 1px; margin-left:2em; margin-bottom:2em; background-color: #F9F9F9; font-size:90%;" | ! colspan="2" style="text-align:center; padding: 5px; font-size: 125%; font-weight: bold; background-color: #999; color: #FFF;" | <span style="margin:0px; padding:0px; line-height:100%;">{{{Name|{{PAGENAME}}}}}{{#if:{{{Alternativnamen|}}}|<br /><small>''{{{Alternativnamen}}}''</small>}}</span> |- | colspan="2" valign="middle" style="text-align:center; vertical-align:middle; padding: 5px 4px 0px 4px; font-size:100%;" | [[Datei:{{{Stadtwappen}}}|left|18px]]'''[[:Kategorie:{{{Kategorie}}}|Straße in {{{Ort}}}]]''' |{{#if:{{{Bild|}}}|- {{!}} colspan="2" style="text-align:center; vertical-align:middle; border-top-style:solid; border-color:#888; border-width:2px;" {{!}} [[Datei:{{{Bild}}}|245px|{{{Name}}}]] {{!}}}}{{#if:{{{Bild1|}}}|- {{!}} colspan="2" style="text-align:center; vertical-align:middle; border-top-style:solid; border-color:#888; border-width:2px;" {{!}} {{{!}} cellspacing="0" cellpadding="0" {{!}} {{!}} style="background-color:{{{Bild1Hintergrund|#F9F9F9}}}; padding-right:1px;" {{!}} [[Bild:{{{Bild1}}}|{{{Bild1Breite}}}px|{{{Name}}}]] {{!}} style="background-color:{{{Bild2Hintergrund|#F9F9F9}}}; padding-left:1px;" {{!}} [[Bild:{{{Bild2}}}|{{{Bild2Breite}}}px|{{{Name}}}]] {{!}}} {{!}}}}{{#if:{{{Bild zeigt|}}}|- {{!}} colspan="2" style="text-align:center; vertical-align:middle;" {{!}} <small>{{{Bild zeigt}}}</small> {{!}}}}{{#if:{{{Ort|}}}{{{Ortsteil|}}}{{{Angelegt|}}}{{{Neugestaltet|}}}{{{Straßen|}}}{{{Querstraßen|}}}{{{Plätze|}}}{{{Bauwerke|}}}|- {{!}} colspan="2" valign="middle" style="text-align:center; vertical-align:middle; margin: 5px; background-color: #DFDFDF; border-top-style:solid; border-color:#999; border-width:2px;" {{!}} '''Basisdaten''' {{!}}}}{{#if:{{{Ort|}}}|- {{!}} valign="top" {{!}} '''Ort''' {{!}} valign="top" {{!}} {{{Ort}}} {{!}}}}{{#if:{{{Ortsteil|}}}|- {{!}} valign="top" {{!}} '''Ortsteil''' {{!}} valign="top" {{!}} {{{Ortsteil}}} {{!}}}}{{#if:{{{Angelegt|}}}|- {{!}} valign="top" {{!}} '''Angelegt''' {{!}} valign="top" {{!}} {{{Angelegt}}} {{!}}}}{{#if:{{{Neugestaltet |}}}|- {{!}} valign="top" {{!}} '''Neugestaltet''' {{!}} valign="top" {{!}} {{{Neugestaltet}}} {{!}}}}{{#if:{{{HistNamen|}}}|- {{!}} valign="top" {{!}} '''Hist. 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Spitznamen, können diese hier eingetragen werden. ;Stadtwappen: Zur Einbindung desselben, hier den Bilddateititel eintragen. ;Kategorie: Die passende Straßenkategorie. ;Bild: Bild der Straße. ;Bild zeigt: Bilderläuterung. ;Ort: Stadt, in dem sich die Straße befindet. ;Ortsteil: Stadtteil, in dem sich die Straße befindet. ;Angelegt: Jahr, in dem die Straße ursprünglich angelegt wurde. ;Neugestaltet: Jahr, in dem die Straße eventuell neugestaltet wurde. ;Historische Namen: Namen, die die Straße in der Vergangenheit trug ;Straßen: Weiterführende Straße. ;Querstraßen: In die Straße einmündende oder kreuzende Straßen. ;Plätze: An der Straße liegende Plätze. ;Bauwerke: An der Straße liegende bedeutende Bauwerke. ;Nutzergruppen: Die Straße nutzenden Gruppen (Fußgänger, Radfahrer, Autofahrer, ÖPNV). ;Straßengestaltung: In die Gestaltung der Straße einbezogene Elemente (Brunnen). ;Straßenlänge: Länge der Straße in m. ;Baukosten: Kosten, die beim Bau entstanden sind in $ oder €. [[Kategorie:Vorlage:Infobox Bauwerk|Strasse]] [[Kategorie:Vorlage:Infobox Verkehr|Strasse]] </noinclude> pkfzhpjuyq8n9mw7rh3ktfgjr67ufge wikitext text/x-wiki Vorlage:Gesprochene Version 10 23815 27210 26409 2010-04-29T21:01:50Z WIKImaniac 0 form; doppeltes Leerzeichen im Tipptext bereinigt: http://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Vorlage_Diskussion%3AGesprochene_Version&action=historysubmit&diff=73706589&oldid=62816774 <includeonly><!-- Icon am Artikelanfang --><div id="artikelstadium" style="overflow:hidden; right:12px; top:23px; position:absolute; width:20px; height:15px; z-index:2; text-align:right;" class="noprint"> [[Datei:Qsicon {{#ifeq:{{{exzellent|}}}|ja|exzellent 3|gesprochen}}.svg|15px|none|link=#Gesprochene Version|Dieser Artikel existiert auch als {{#ifeq:{{{exzellent|}}}|ja|exzellente&nbsp;}}{{#if:{{{datei2|}}}|Audioversion|Audiodatei}}.]] </div><div id="Vorlage_GesprocheneWikipedia"> {| id="Gesprochene_Version" {{Bausteindesign3|class=noprint}} |- valign="middle" | [[Datei:Qsicon gesprochen.svg|30px|Gesprochene Wikipedia|link=Wikipedia:WikiProjekt Gesprochene Wikipedia]] | align="left" | Dieser Artikel ist als {{#if:{{{datei2|}}}|Audioversion|Audiodatei}} verfügbar: |- | || {{#if:{{{titel|}}}|''{{#if:{{{datei2|}}}|Teil 1:}} {{{titel}}}''|{{#if:{{{datei2|}}}|Teil 1:}}}} {{MediaM3U|{{{datei}}}}}&nbsp;{{#if:{{{länge|}}}|<nowiki>| </nowiki>{{{länge}}}|}} {{#if:{{{größe|}}}|({{{größe}}})|}} {{#if:{{{version|}}}|[{{{version}}} Text der gesprochenen Version {{#if:{{{datum|}}}|({{{datum}}})}}]}} |- {{#if:{{{datei2|}}}| {{!}} {{!!}} ''Teil 2: {{{titel2|}}}'' {{MediaM3U|{{{datei2|}}}}}&nbsp;{{#if:{{{länge2|}}}|<nowiki>| </nowiki>{{{länge2}}}|}} {{#if:{{{größe2|}}}|({{{größe2}}})|}} {{#if:{{{version2|}}}|[{{{version2}}} Text der gesprochenen Version {{#if:{{{datum2|}}}|({{{datum2}}})}}]}} }} |- {{#if:{{{datei3|}}}| {{!}} {{!!}} ''Teil 3: {{{titel3|}}}'' {{MediaM3U|{{{datei3|}}}}}&nbsp;{{#if:{{{länge3|}}}|<nowiki>| </nowiki>{{{länge3}}}|}} 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border-bottom:{{#if:{{{Dicke|}}}|{{{Dicke|}}}|{{{thickness|1}}}}}px solid black;" valign="bottom" align="center" {{!}} {{{label20|&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;}}} {{!!}} rowspan="2" {{!}} {{{20}}} }} |- | valign="top" |<br /> |} </onlyinclude> {{Dokumentation}} 1gx5k2mu9u5uoe4e52n1qku9ro6752r wikitext text/x-wiki Vorlage:MediaM3U 10 23817 26411 2010-03-07T08:43:30Z MastiBot 0 Bot: Ergänze: [[fr:Modèle:Article audio]], [[pl:Szablon:Spoken Wikipedia]] [[Bild:{{{1}}}|noicon|150px]] [[Media:{{{1}}}|Speichern]] | [[:de:Bild:{{{1}}}|Informationen]]<noinclude> ---- <pre><nowiki>{{MediaM3U|Milch.ogg|IrgendeinIgnorierterText}}</nowiki></pre> ergibt:<br>{{MediaM3U|Milch.ogg|Milch-Datei.ogg}}<br/> [[Vorlage_Diskussion:MediaM3U|Weitere Beschreibung]] [[Kategorie:Vorlage:Multimediaeinbindung|MediaM3U]] [[fr:Modèle:Article audio]] [[pl:Szablon:Spoken Wikipedia]] </noinclude> p0olbr6f3mi8xtgt2wohp46ttibhkgi wikitext text/x-wiki Vorlage:Userboxbottom 10 23818 26412 2008-11-03T17:51:35Z WIKImaniac 0 kat <includeonly>|}</includeonly><noinclude> == Grundidee == Diese Vorlage beendet einen Benutzer-Baustein-Bereich. Weitere Informationen findest du unter {{Vorlage|Userboxtop}}. == Siehe auch == * {{Vorlage|Userboxtop}} * {{Vorlage|Userboxbreak}} [[Kategorie:Vorlage:Benutzerseitenbaustein|Userboxbottom]] [[ar:قالب:نهاية تجميع]] [[ca:Template:fi Caixa d'usuari]] [[en:Template:Userboxbottom]] [[fr:Modèle:BUfin]] [[ja:Template:Boxboxbottom]] [[no:Mal:Brukerboksbunn]] [[pt:Predefinição:Userboxbottom]] [[ru:Шаблон:Userboxbottom]] [[th:แม่แบบ:กล่องผู้ใช้ล่าง]] </noinclude> 09u2t210ai3513tk4mmyhj3vkw3g0st wikitext text/x-wiki Vorlage:Userboxtop 10 23819 26413 2009-05-02T15:27:44Z The Evil IP address 0 link fix {|class="userboxes" style="margin-left: {{{left|1}}}em;; margin-bottom: 0.5em; width: 248px; border: {{{bordercolor|#99B3FF}}} solid 1px; background-color: {{{backgroundcolor|#FFFFFF}}}; color: {{{textcolor|#000000}}}; float: {{{2|{{{align|right}}}}}}; {{{extra-css|}}}" |<div style="text-align: center; font-size: 120%; font-weight: bold;">{{{1|{{{toptext|[[Wikipedia:Baustein|Benutzer-Baustein]]}}}}}}</div><noinclude> |} == Grundidee == Die Grundidee ist das Sammeln verschiedener Bausteine in einer Spalte. Diese Vorlage dient nicht ausschließlich dem Sammeln von Benutzer-Bausteinen, es kann ebenso für das Erstellen einer Bilder-Spalte am Rande eines Artikels verwendet werden. == Syntax == <pre><nowiki>{{Userboxtop | align = | left = | backgroundcolor = | bordercolor = | extra-css = | textcolor = | toptext = }} [Benutzer-Bausteine] {{Userboxbottom}}</nowiki></pre> Alle Parameter sind '''optional'''. === Anpassungen === Ausführliche Erläuterungen finden Sie im Folgenden. {| class="wikitable" |- ! Parameter ! Gültige Werte |- | <code>align</code> | <code>left</code> oder <code>right</code> (Voreinstellung) <!-- <code>center</code> funktioniert nicht --> |- | <code>left</code> | Maßangaben für die linke Marge (in em-space). Voreinstellung ist 1. |- | <code>backgroundcolor</code> | Jede [[Webfarbe]] (Name oder <tt>#XXXXXX</tt> als Hexadezimal-Wert). Voreinstellung ist <tt>#FFFFFF</tt>. |- | <code>bordercolor</code> | Jede [[Webfarbe]] (Name oder <tt>#XXXXXX</tt> als Hexadezimal-Wert). Voreinstellung ist <tt>#99B3FF</tt>. |- | <code>extra-css</code> | Ermöglicht die Angabe weiterer [[Cascading Style Sheets|CSS]] Style-Informationen. |- | <code>textcolor</code> | Jede [[Webfarbe]] (Name oder <tt>#XXXXXX</tt> als Hexadezimal-Wert). Voreinstellung ist <tt>#000000</tt>. |- | <code>toptext</code> | Überschreibt den Standardtext und Link des [[Wikipedia:Baustein|Bausteins]]. Die Verwendung von Wiki-Markup ist möglich. |} Sie können auch Abschnitte mittels {{Vorlage|Userboxbreak}} einfügen. Für Deteils lesen Sie die Dokumentation der Vorlage. == Maskieren des Benutzer-Bausteins == Du kannst die Benutzer-Bausteine, die diese Vorlagen verwenden, maskieren, sodass sie nicht angezeigt werden. Editiere einfach deine CSS-Datei (etwa [[Spezial:Mypage/monobook.css|monobook.css]], wenn du den Monobook-Stil verwendest) und füge die folgende Zeile ein: <code><nowiki>table.userboxes { display: none; }</nowiki></code> == Siehe auch == * {{Vorlage|Userboxbreak}} * {{Vorlage|Userboxbottom}} [[Kategorie:Vorlage:Benutzerseitenbaustein|Userboxtop]] [[ar:قالب:بداية تجميع]] [[ca:Template:Caixa d'usuari]] [[en:Template:Userboxtop]] [[fr:Modèle:BUdébut]] [[fi:Malline:Käyttäjälaatikkoylä]] [[ja:Template:Boxboxtop]] [[ka:თარგი:Boxboxtop]] [[no:Mal:Brukerbokstopp]] [[pt:Predefinição:Userboxtop]] [[ru:Шаблон:Userboxtop]] [[th:แม่แบบ:กล่องผู้ใช้บน]] </noinclude> thckhqrxqwzw5mxihyx4hk7w2aeouu3 wikitext text/x-wiki Vorlage:ReichstagDB 10 23820 26414 2009-05-14T22:22:49Z APPER 97 Datenbanklink für die Datenbank der Reichstagabgeordneten [http://www.reichstag-abgeordnetendatenbank.de/selectmaske.html?pnd={{{1}}}&recherche=ja {{#if:{{{2|}}}|{{{2}}}|{{PAGENAME}}}} in der Datenbank der Reichstagsabgeordneten]<noinclude>{{Dokumentation}}</noinclude> c1icm35x9i5yslekwrd3077myxhk62m wikitext text/x-wiki Vorlage:Webarchiv 10 23821 26415 2009-05-16T11:51:36Z Iccander 0 Änderungen von [[Special:Contributions/Iccander|Iccander]] ([[User talk:Iccander|Diskussion]]) rückgängig gemacht und letzte Version von [[User:Merlissimo|Merlissimo]] wiederhergestellt {{#if: {{{1|}}}|[http://web.archive.org/web/{{{1}}}/{{{2}}} {{{3|{{{2}}}}}}]| {{#if: {{{wayback|}}}|[http://web.archive.org/web/{{{wayback}}}/{{{url}}} {{{text|{{{url}}} (Archivversion)}}}]| {{#if: {{{webciteID|}}}|[http://www.webcitation.org/query?id={{{webciteID|}}} {{{text|{{{url}}} (Archivversion)}}}]| Bitte entweder ''wayback''- oder ''WebciteID''-Parameter angeben}}}}}}<noinclude> {{Dokumentation}}</noinclude> bw4v3re3i99ehdiyuaitupwuny3frkl wikitext text/x-wiki Vorlage:Infobox ICD 10 23822 26416 2010-04-15T09:32:24Z MrArifnajafov 0 <div class="float-right" style="margin:0em 0em 1em 1.5em"; width: auto; text-align: center; font-size: 95%; line-height: 1.4em;"> <div style="border: 1px solid #CCD2D9; width: auto; background: #F9F9F9; padding: 0.5em 0.5em 0.2em 0.5em;"> {| style="width: {{#if:{{{BREITE|}}}|{{{BREITE}}}|280}}px; background: transparent; text-align: left; table-layout: auto; border-collapse: collapse; padding: 0; font-size: 90%; empty-cells:show;" cellspacing="5" cellpadding="5" |- style="background-color:#ABCDEF; border: 1px solid #ABCDEF; text-align: center;" ! colspan="3" style="font-size: 115%;" | Klassifikation nach [[Internationale statistische Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme|ICD-10]] |- valign="top" | {{#if: {{{01-CODE|}}} | {{{01-CODE|}}} | ''Eintrag fehlt''}} || {{#if: {{{01-BEZEICHNUNG|}}} | {{{01-BEZEICHNUNG|}}} | ''Eintrag fehlt'' }} |- valign="top" {{#if:{{{02-BEZEICHNUNG|}}} | {{!}} {{{02-CODE|}}} {{!!}} {{{02-BEZEICHNUNG|}}} }} |- valign="top" {{#if:{{{03-BEZEICHNUNG|}}} | {{!}} {{{03-CODE|}}} {{!!}} {{{03-BEZEICHNUNG|}}} }} |- valign="top" {{#if:{{{04-BEZEICHNUNG|}}} | {{!}} {{{04-CODE|}}} {{!!}} {{{04-BEZEICHNUNG|}}} }} |- valign="top" {{#if:{{{05-BEZEICHNUNG|}}} | {{!}} {{{05-CODE|}}} {{!!}} {{{05-BEZEICHNUNG|}}} }} |- valign="top" {{#if:{{{06-BEZEICHNUNG|}}} | {{!}} {{{06-CODE|}}} {{!!}} {{{06-BEZEICHNUNG|}}} }} |- valign="top" {{#if:{{{07-BEZEICHNUNG|}}} | {{!}} {{{07-CODE|}}} {{!!}} {{{07-BEZEICHNUNG|}}} }} |- valign="top" {{#if:{{{08-BEZEICHNUNG|}}} | {{!}} {{{08-CODE|}}} {{!!}} {{{08-BEZEICHNUNG|}}} }} |- valign="top" {{#if:{{{09-BEZEICHNUNG|}}} | {{!}} {{{09-CODE|}}} {{!!}} {{{09-BEZEICHNUNG|}}} }} |- valign="top" {{#if:{{{10-BEZEICHNUNG|}}} | {{!}} {{{10-CODE|}}} {{!!}} {{{10-BEZEICHNUNG|}}} }} |- valign="top" {{#if:{{{11-BEZEICHNUNG|}}} | {{!}} {{{11-CODE|}}} {{!!}} {{{11-BEZEICHNUNG|}}} }} |- valign="top" {{#if:{{{12-BEZEICHNUNG|}}} | {{!}} {{{12-CODE|}}} {{!!}} {{{12-BEZEICHNUNG|}}} }} |- valign="top" {{#if:{{{13-BEZEICHNUNG|}}} | {{!}} {{{13-CODE|}}} {{!!}} {{{13-BEZEICHNUNG|}}} }} |- valign="top" {{#if:{{{14-BEZEICHNUNG|}}} | {{!}} {{{14-CODE|}}} {{!!}} {{{14-BEZEICHNUNG|}}} }} |- valign="top" {{#if:{{{15-BEZEICHNUNG|}}} | {{!}} {{{15-CODE|}}} {{!!}} {{{15-BEZEICHNUNG|}}} }} |- valign="top" {{#if:{{{16-BEZEICHNUNG|}}} | {{!}} {{{16-CODE|}}} {{!!}} {{{16-BEZEICHNUNG|}}} }} |- valign="top" {{#if:{{{17-BEZEICHNUNG|}}} | {{!}} {{{17-CODE|}}} {{!!}} {{{17-BEZEICHNUNG|}}} }} |- valign="top" {{#if:{{{18-BEZEICHNUNG|}}} | {{!}} {{{18-CODE|}}} {{!!}} {{{18-BEZEICHNUNG|}}} }} |- valign="top" {{#if:{{{19-BEZEICHNUNG|}}} | {{!}} {{{19-CODE|}}} {{!!}} {{{19-BEZEICHNUNG|}}} }} |- valign="top" {{#if:{{{20-BEZEICHNUNG|}}} | {{!}} {{{20-CODE|}}} {{!!}} {{{20-BEZEICHNUNG|}}} }} |- valign="top" {{#if:{{{21-BEZEICHNUNG|}}} | {{!}} {{{21-CODE|}}} {{!!}} {{{21-BEZEICHNUNG|}}} }} |- valign="top" {{#if:{{{22-BEZEICHNUNG|}}} | {{!}} {{{22-CODE|}}} {{!!}} {{{22-BEZEICHNUNG|}}} }} |- valign="top" {{#if:{{{23-BEZEICHNUNG|}}} | {{!}} {{{23-CODE|}}} {{!!}} {{{23-BEZEICHNUNG|}}} }} |- valign="top" {{#if:{{{24-BEZEICHNUNG|}}} | {{!}} {{{24-CODE|}}} {{!!}} {{{24-BEZEICHNUNG|}}} }} |- valign="top" {{#if:{{{25-BEZEICHNUNG|}}} | {{!}} {{{25-CODE|}}} {{!!}} {{{25-BEZEICHNUNG|}}} }} |- valign="top" {{#if:{{{26-BEZEICHNUNG|}}} | {{!}} {{{26-CODE|}}} {{!!}} {{{26-BEZEICHNUNG|}}} }} |- valign="top" {{#if:{{{27-BEZEICHNUNG|}}} | {{!}} {{{27-CODE|}}} {{!!}} {{{27-BEZEICHNUNG|}}} }} |- valign="top" {{#if:{{{28-BEZEICHNUNG|}}} | {{!}} {{{28-CODE|}}} {{!!}} {{{28-BEZEICHNUNG|}}} }} |- valign="top" {{#if:{{{29-BEZEICHNUNG|}}} | {{!}} {{{29-CODE|}}} {{!!}} {{{29-BEZEICHNUNG|}}} }} |- valign="top" {{#if:{{{30-BEZEICHNUNG|}}} | {{!}} {{{30-CODE|}}} {{!!}} {{{30-BEZEICHNUNG|}}} }} |- valign="top" {{#if:{{{31-BEZEICHNUNG|}}} | {{!}} {{{31-CODE|}}} {{!!}} {{{31-BEZEICHNUNG|}}} }} |- valign="top" {{#if:{{{32-BEZEICHNUNG|}}} | {{!}} {{{32-CODE|}}} {{!!}} {{{32-BEZEICHNUNG|}}} }} |- valign="top" {{#if:{{{33-BEZEICHNUNG|}}} | {{!}} {{{33-CODE|}}} {{!!}} {{{33-BEZEICHNUNG|}}} }} |- valign="top" {{#if:{{{34-BEZEICHNUNG|}}} | {{!}} {{{34-CODE|}}} {{!!}} {{{34-BEZEICHNUNG|}}} }} |- valign="top" {{#if:{{{35-BEZEICHNUNG|}}} | {{!}} {{{35-CODE|}}} {{!!}} {{{35-BEZEICHNUNG|}}} }} |- valign="top" {{#if:{{{36-BEZEICHNUNG|}}} | {{!}} {{{36-CODE|}}} {{!!}} {{{36-BEZEICHNUNG|}}} }} |- valign="top" | colspan="3" style="text-align: center; border-top: solid 1px #CCD2D9; padding: 0.4em 1em 0.4em 0; vertical-align: top;" | [http://www.dimdi.de/dynamic/de/klassi/diagnosen/icd10/htmlamtl2006/fr-icd.htm ICD-10 online (WHO-Version 2006)] <!-- Bitte NICHT in eine "german modification" ändern. Die de:Wikipedia wird auch in der Schweiz und in Österreich gelesen. --> |} </div></div><noinclude> == Werte == :<code>BREITE</code> … <code>280</code> (voreingestellt) == Siehe auch == * [[Vorlage:Infobox ICD und DSM]] * [[Vorlage:Infobox DSM und ICD]] == Kopiervorlage == <nowiki>{{Infobox ICD | BREITE = | 01-CODE = | 01-BEZEICHNUNG = | 02-CODE = | 02-BEZEICHNUNG = | 03-CODE = | 03-BEZEICHNUNG = | 04-CODE = | 04-BEZEICHNUNG = | 05-CODE = | 05-BEZEICHNUNG = | 06-CODE = | 06-BEZEICHNUNG = | 07-CODE = | 07-BEZEICHNUNG = | 08-CODE = | 08-BEZEICHNUNG = | 09-CODE = | 09-BEZEICHNUNG = | 10-CODE = | 10-BEZEICHNUNG = | 11-CODE = | 11-BEZEICHNUNG = | 12-CODE = | 12-BEZEICHNUNG = | 13-CODE = | 13-BEZEICHNUNG = | 14-CODE = | 14-BEZEICHNUNG = | 15-CODE = | 15-BEZEICHNUNG = | 16-CODE = | 16-BEZEICHNUNG = | 17-CODE = | 17-BEZEICHNUNG = | 18-CODE = | 18-BEZEICHNUNG = | 19-CODE = | 19-BEZEICHNUNG = | 20-CODE = | 20-BEZEICHNUNG = | 21-CODE = | 21-BEZEICHNUNG = | 22-CODE = | 22-BEZEICHNUNG = | 23-CODE = | 23-BEZEICHNUNG = | 24-CODE = | 24-BEZEICHNUNG = | 25-CODE = | 25-BEZEICHNUNG = | 26-CODE = | 26-BEZEICHNUNG = | 27-CODE = | 27-BEZEICHNUNG = | 28-CODE = | 28-BEZEICHNUNG = | 29-CODE = | 29-BEZEICHNUNG = | 30-CODE = | 30-BEZEICHNUNG = | 31-CODE = | 31-BEZEICHNUNG = | 32-CODE = | 32-BEZEICHNUNG = | 33-CODE = | 33-BEZEICHNUNG = | 34-CODE = | 34-BEZEICHNUNG = | 35-CODE = | 35-BEZEICHNUNG = | 36-CODE = | 36-BEZEICHNUNG = }}</nowiki> [[Kategorie:Vorlage:Infobox Naturwissenschaften|Icd]] [[Kategorie:Wikipedia:Redaktion Medizin/Vorlagen|Icd]] [[az:Şablon:İnfoqutu ICD]] [[en:Template:Infobox Disease]] [[eo:Ŝablono:Informkesto Klasifiko Internacia de Malsanoj]] [[es:Plantilla:Ficha de enfermedad]] [[fi:Malline:Tauti]] [[fr:Modèle:Infobox Maladie]] [[it:Template:Infobox Malattia]] [[lt:Šablonas:Ligos infobox]] [[nl:Sjabloon:Infobox aandoening]] [[no:Mal:Infoboks sykdom]] [[pt:Predefinição:Info/Doença]] [[ru:Шаблон:Болезнь]] [[sl:Predloga:Infopolje Bolezen]] [[tr:Şablon:Hastalık]] [[vi:Tiêu bản:Mã bệnh]] </noinclude> 9bhxu9jcd7zidjbpxvib7wewv5xb4zf wikitext text/x-wiki Vorlage:Zitation 10 23823 26417 2009-09-19T07:12:37Z Cepheiden 0 <noinclude> Vorlage für wissenschaftliche Zitationen (aus der [[:Kategorie:Medizin]]).<br /> Die Vorlage kann auch beim Quellennachweis für einzelne Passagen im Text verwendet werden: &lt;ref&gt; <nowiki>{{Zitation|...}}</nowiki>&lt;/ref&gt;<br /><br /> '''Parameter:''' # Autor (im Format ''Vorname Nachname'', Beispiel: ''Pater Meier''), gibt es mehrere Autoren, wird nur der Erstautor genannt und ein "et al." angefügt # Titel der Publikation, ''ohne'' Anführungszeichen. # Jahr der Publikation # Name der Zeitschrift (bitte ausschreiben), eventuell kann auf die Homepage der Zeitschrift verlinkt werden. # Ausgabe # Seitenzahl # Link zum Volltext des Artikels, bitte nur angeben, wenn der Artikel kostenlos abgerufen werden kann ("''free full text''") # Link zum Abstract (z.&nbsp;B. auf [http://www.ncbi.nlm.nih.gov/entrez/query.fcgi?db=PubMed PubMed]) '''WICHTIG:''' für die Links jeweils "''7=''", bzw. "''8=''" voranstellen, damit auch Links richtig funktionieren, die ein Gleichheitszeichen beinhalten. Falls Du Dir nicht sicher bist, nimm einfach diesen Textblock per [[Copy & Paste]] und ersetze die Angaben:<br> '''<nowiki>{{Zitation|Autor|Titel der Publikation|Jahr|Zeitschrift|Ausgabe|Seiten|7=|8=}}</nowiki>''' [[Kategorie:Vorlage:Zitation|Zitation]] ---- </noinclude><includeonly>{{{1}}}: „''{{{2}}}.''“ {{{4}}} {{#if:{{{3}}}|{{{3}}}|}}{{#if: {{{5}}}|&#x3B; {{{5}}}|}}{{#if: {{{6}}}|&#x3A; S. {{{6}}}|}} {{#if: {{{8}}}| [{{{8}}} Abstract] |}}{{#if: {{{7}}}|&nbsp;[{{{7}}} Artikel]|}}</includeonly> jcjcz5ruz8prrxscs25bzyc1kwo15io wikitext text/x-wiki Vorlage:BS 10 23824 26418 2010-04-28T09:08:30Z Tlustulimu 0 Korrektur der Interwikis, weil diese in die Metaseite gehören <onlyinclude><includeonly>|- {{#if:{{{To|}}}{{{T|}}}|{{!}} style="text-align:center; padding:0; border:none; white-space:nowrap;" {{!}} <div style="position:relative; height:0;"><div style="position:absolute; left:0; right:0; top:0; width:100%; z-index:1; background-color:#F9F9F9;" class="bs-icon">[[Datei:BSicon {{#if:{{{To|}}}|{{{To}}}|{{{T}}}}}.svg|100x{{{PX|20px}}}]]</div></div> {{!}} style="padding:0; 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Sie sollte vorerst nicht weiter in Artikel eingefügt werden! --[[Benutzer:$traight-$hoota|$<small>TR8</small>.$<small>H00T</small>α]] <sup>{[[Benutzer Diskussion:$traight-$hoota|talk]]|[[Benutzer:$traight-$hoota/Bewertung|rate]]}</sup> 23:47, 26. Apr. 2007 (CEST)}} </noinclude>|- ! style="color:#000000; background-color:#D3D3D3;" colspan="2" |{{{1}}}<noinclude>{{BS-Baustein-Hinweis}} </noinclude> dceow3r0ciyaz3pn8junbkfgq2cv5t2 wikitext text/x-wiki Vorlage:BS-table 10 23827 27206 26421 2010-04-30T09:40:00Z Tlustulimu 0 interwiki <onlyinclude><includeonly>|- |colspan="2"|<div style="text-align: right;"><small>[[Wikipedia:Formatvorlage Bahnstrecke/Legende|Legende]]</small></div> {| cellpadding="0" cellspacing="0" style="margin:12px; padding:0; background-color:transparent; line-height:1.2;{{{1|}}}" class="nogrid bstable"</includeonly></onlyinclude> {{BS-Baustein-Hinweis}} [[Kategorie:Vom Druck ausschließen|{{PAGENAME}}]] [[eo:Ŝablono:SP-tabelo]] [[hsb:Předłoha:ŽL-tabela]] ng04v9zxsz046m3rw8rbwk9e8k2la6d wikitext text/x-wiki Vorlage:BS/Texte 10 23828 26422 2010-04-18T02:18:51Z Antonsusi 0 Wichtig für bestimmte Situationen <div style="margin:1em; padding:1em; border:solid 1px #ff0040; background-color:#ffffff;"> {{Überschriftensimulation 2|Funktion}} Diese Vorlage gibt den Text der korrespondierenden [[Wikipedia:Formatvorlage Bahnstrecke#Bilderkatalog|ID]] zurück. Sie ist zur Verwendung in der [[Vorlage:BS]] gedacht und wird nicht direkt eingesetzt. </div> (Unvollständige) Liste verfügbarer Parameter: <pre> <onlyinclude>{{#switch: {{{1|}}} | BHF = Bahnhof, Station | BHFq = Bahnhof, Station – quer | KBHFa = Kopfbahnhof – Streckenanfang | KBHFe = Kopfbahnhof – Streckenende | KBFl = Spitzkehrbahnhof – links | KBFr = Spitzkehrbahnhof – rechts | SBHF = S-Bahnhof | KSBHFa = S-Kopfbahnhof – Streckenanfang | KSBHFe = S-Kopfbahnhof – Streckenende | DST = Bahnhof ohne Personenverkehr<!-– Dienststation, Betriebs- oder Güterbahnhof--> | KDSTa = Dienst-/Güterbahnhof – Streckenanfang | KDSTe = Dienst-/Güterbahnhof – Streckenende | HST = Haltepunkt, Haltestelle | KHSTa = Halt… – Streckenanfang | KHSTe = Halt… – Streckenende | SHST = S-Bahnhalt… | BST = Blockstelle, Awanst, Anst, etc. | TBHFo = Turmbahnhof – oben | TBHFu = Turmbahnhof – unten | TBHFxo = Turmbahnhof – oben | TBHFxu = Turmbahnhof – unten | TSBHFo = Turm-S-Bahnhof – oben | TSBHFu = Turm-S-Bahnhof – unten | TSBHFxo = Turm-S-Bahnhof – oben | TSBHFxu = Turm-S-Bahnhof – unten | THSTo = Turmhalt… – oben | THSTu = Turmhalt… – unten | THSTxo = Turmhalt… – oben | THSTxu = Turmhalt… – unten | TSHSTo = Turm-S-Bahnhalt… – oben | TSHSTu = Turm-S-Bahnhalt… – unten | TSHSTxo = Turm-S-Bahnhalt… – oben | TSHSTxu = Turm-S-Bahnhalt… – unten | ABZlf = Abzweig – in Fahrtrichtung: nach links | ABZrf = Abzweig – in Fahrtrichtung: nach rechts | ABZlg = Abzweig – in Gegenrichtung: nach links | ABZrg = Abzweig – in Gegenrichtung: nach rechts | ABZdf = Abzweig – in Fahrtrichtung: nach links und rechts | ABZdg = Abzweig – in Gegenrichtung: nach links und rechts | ABZdrf = Abzweig – in Fahrtrichtung: geradeaus und nach rechts | ABZdlf = Abzweig – in Fahrtrichtung: geradeaus und nach links | ABZdrg = Abzweig – in Gegenrichtung: geradeaus und nach rechts | ABZdlg = Abzweig – in Gegenrichtung: geradeaus und nach links | ABZdl = Abzweig – von links in alle Fahrtrichtungen | ABZdr = Abzweig – von rechts in alle Fahrtrichtungen | ABZgl+l = Gleisdreieck – geradeaus, nach links, von links | ABZgl+xl = Gleisdreieck – geradeaus, nach links, ex von links | ABZgxl+l = Gleisdreieck – geradeaus, ex nach links, von links | ABZgr+r = Gleisdreieck – geradeaus, nach rechts, von rechts | ABZgr+xr = Gleisdreieck – geradeaus, nach rechts, ex von rechts | ABZgxr+r = Gleisdreieck – geradeaus, ex nach rechts, von rechts | ABZqlr = Gleisdreieck – quer, nach links, nach rechts | ABZqlxr = Gleisdreieck – quer, nach links, ex nach rechts | ABZqrxl = Gleisdreieck – quer, nach rechts, ex nach links | ABZq+lr = Gleisdreieck – quer; von links, von rechts | ABZq+lxr = Gleisdreieck – quer; von links, ex von rechts | ABZq+rxl = Gleisdreieck – quer; von rechts, ex von links | KRZ = Kreuzung | KRZt = Kreuzung mit Tunnelstrecke | KRZh = Kreuzung mit Hochstrecke | KRZo = Planfreie Kreuzung – oben | KRZu = Planfreie Kreuzung – unten | STR = Strecke – geradeaus | STRq = Strecke – quer | STRlf = Strecke – in Fahrtrichtung: nach links | STRrf = Strecke – in Fahrtrichtung: nach rechts | STRlg = Strecke – in Gegenrichtung: nach links | STRrg = Strecke – in Gegenrichtung: nach rechts | STRr+l = Strecken – nach rechts & von links | STRl+r = Strecken – nach links & von rechts | ENDEa = Streckenende auf freier Strecke – Anfang | ENDEe = Streckenende auf freier Strecke – Ende | KMW = Kilometer-Wechsel | ÜST = A/D: Überleitstelle, CH: Spurwechsel | BS2l = Verschwenkung nach links | BS2r = Verschwenkung nach rechts | BS2+l = Verschwenkung von links | BS2+r = Verschwenkung von rechts | BS2lc = Verschwenkung nach links + Ecke | BS2rc = Verschwenkung nach rechts + Ecke | BS2+lc = Verschwenkung von links + Ecke | BS2+rc = Verschwenkung von rechts + Ecke | BS2c1 = Ecke (1. Quadrant) | BS2c2 = Ecke (2. Quadrant) | BS2c3 = Ecke (3. Quadrant) | BS2c4 = Ecke (4. Quadrant) | BRÜCKE = Brücke (groß) | BRÜCKE1 = Brücke (mittel) | BRÜCKE2 = Brücke (klein) | SBRÜCKE = Straßenbrücke | WBRÜCKE = Brücke über Wasserlauf (groß) | WBRÜCKE1 = Brücke über Wasserlauf (mittel) | WBRÜCKE2 = Brücke über Wasserlauf (klein) | WTUNNEL = Tunnel bzw. Unterführung unter Wasserlauf | TUNNEL1 = Tunnel | TUNNEL2 = Tunnel – bei mehreren Tunneln in Folge | TUNNELa = Tunnel – Anfang | TUNNELe = Tunnel – Ende | BUE = Bahnübergang | GRENZE = Grenze | tGRENZE = Grenze im Tunnel | GRENZE+BRÜCKE = Grenze auf Brücke | GRENZE+WBRÜCKE = Grenze auf Brücke mit Wasserlauf | TRAJEKT = Fährverbindung | ÜWol = Strecke nach links – oben | ÜWor = Strecke nach rechts – oben | ÜWo+l = Strecke von links – oben | ÜWo+r = Strecke von rechts – oben | ÜWul = Strecke nach links – unten | ÜWur = Strecke nach rechts – unten | ÜWu+l = Strecke von links – unten | ÜWu+r = Strecke von rechts – unten | ÜWtl = Strecke nach links – mit Tunnel | ÜWtr = Strecke nach rechts – mit Tunnel | ÜWt+l = Strecke von links – mit Tunnel | ÜWt+r = Strecke von rechts – mit Tunnel | UKRZo = Planfreie Kreuzung – oben | UKRZu = Planfreie Kreuzung – unten | TurmHST = Turmhaltestelle<!-- alte ID --> | #default = &nbsp;&nbsp;&nbsp; }}</onlyinclude> </pre> [[Kategorie:Vorlage:für Vorlagen|{{PAGENAME}}]] [[Kategorie:Vorlage:Infobox Bahnstrecke|{{PAGENAME}}]] 78mr6jhf7bmfj3vma0unglyv2v6e31c wikitext text/x-wiki Vorlage:BS2 10 23829 26423 2010-04-28T13:24:45Z Tlustulimu 0 interwiki <onlyinclude><includeonly>|- {{#if:{{{To1|}}}{{{To2|}}}{{{T1|}}}{{{T2|}}}|{{!}} style="text-align:center; 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März]] [[1826]] in [[Gießen]], [[Großherzogtum Hessen]]; † [[7. August]] [[1900]] in [[Berlin-Charlottenburg|Charlottenburg]]), Vater von [[Theodor Liebknecht|Theodor]], [[Otto Liebknecht|Otto]] und [[Karl Liebknecht]], war einer der Gründerväter der [[Sozialdemokratische Partei Deutschlands|Sozialdemokratischen Partei Deutschlands]] (SPD). Er war als [[Radikaldemokratie|radikaldemokratischer]] [[Revolutionär]] aktiv an den [[Deutsche Revolution 1848/49|Revolutionen von 1848/49]] beteiligt − nach der französischen [[Februarrevolution 1848|Februarrevolution]] vor allem in [[Großherzogtum Baden|Baden]] (vgl. [[Badische Revolution]]). Beruflich betätigte er sich unter anderem als [[Journalist]]. Nach 13 Jahren des Exils in der Schweiz und in England, wo er sich als Mitglied des [[Bund der Kommunisten|Bundes der Kommunisten]] unter dem Einfluss von [[Karl Marx]] und [[Friedrich Engels]] [[Marxismus|marxistischen]] Positionen angenähert hatte, wurde er während der ersten Jahrzehnte des [[Deutsches Kaiserreich|deutschen Kaiserreichs]] zu einem der profiliertesten [[Sozialismus|sozialistischen]] [[Politiker]] im [[Reichstag (Deutsches Kaiserreich)|Reichstag]]. Dort war er ein bedeutender Kontrahent des Reichskanzlers [[Otto von Bismarck]]. == Bedeutung und Wirkung Liebknechts == Wilhelm Liebknecht erlangte historische Bedeutung als einer der Begründer der parteipolitisch organisierten deutschen [[Sozialdemokratie]]. Seine Biographie ist eng mit der Entwicklung der sozialistischen [[Arbeiterbewegung]] Deutschlands und Europas im 19. Jahrhundert verbunden. [[Datei:Arbeiterbew.jpg|thumb|Protagonisten der parteipolitisch organisierten frühen deutschen Arbeiterbewegung (Obere Reihe: August Bebel, Wilhelm Liebknecht für die SDAP – Mitte: Karl Marx als ideeller Impulsgeber – Untere Reihe: [[Carl Wilhelm Tölcke]], Ferdinand Lassalle für den ADAV]] Von 1863 bis 1865 war er Mitglied der ersten sozialdemokratischen Parteiorganisation in den Staaten des [[Deutscher Bund|Deutschen Bundes]], dem auf Initiative von [[Ferdinand Lassalle]] gegründeten [[Allgemeiner Deutscher Arbeiterverein|Allgemeinen Deutschen Arbeiterverein]] (ADAV). Nach seinem Ausschluss infolge zunehmender und grundlegender politischer Differenzen mit der Parteiführung gehörte Liebknecht mit [[August Bebel]] zu den Mitbegründern/Initiatoren der weiteren Vorgängerparteien der SPD während der Zeit des Übergangs des Deutschen Bundes zum „[[Kleindeutsche Lösung|kleindeutschen]]“ Nationalstaat des [[Deutsches Reich|Deutschen Reichs]]: 1866 wurde die [[Sächsische Volkspartei]] gegründet, die 1869 in der [[Sozialdemokratische Arbeiterpartei (Deutschland)|Sozialdemokratischen Arbeiterpartei]] (SDAP) aufging. 1875 erfolgte nach inhaltlicher Kompromissbildung die Vereinigung mit dem ADAV zur [[Sozialistische Arbeiterpartei Deutschlands (1875)|Sozialistischen Arbeiterpartei]] (SAP). Letztere wurde nach 12-jähriger Unterdrückung − faktisch ihrem Verbot durch das [[Sozialistengesetz]] − 1890 in Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD) umbenannt. Für die entsprechenden Parteien war Liebknecht von 1867 bis 1871, und erneut ab 1874 bis zu seinem Lebensende Abgeordneter im [[Reichstag (Deutsches Kaiserreich)|Reichstag]], dem von den damals wahlberechtigten Bürgern (Männer ab dem Alter von 25 Jahren) gewählten [[Parlament]]: zuerst dem Reichstag des [[Norddeutscher Bund|Norddeutschen Bundes]], dann des nachfolgenden deutschen Kaiserreichs. Zusätzlich war er von 1879 bis 1885 und von 1889 bis 1892 Mitglied des [[Sächsischer Landtag (1831–1918)|Sächsischen Landtags]]. Zwischen 1876 und 1878 gehörte er dem 5-köpfigen ''Zentralwahlkomitee'', dem damaligen Parteivorstand der SAP an. Des Weiteren begründete er zusammen mit [[Wilhelm Hasenclever]] 1876 das Zentralorgan der damaligen SAP, den ''[[Vorwärts (Deutschland)|Vorwärts]]'', der bis in die Gegenwart die Parteizeitung der SPD geblieben ist. Liebknecht war von 1891 bis zu seinem Tod dessen Chefredakteur. Bis 1878 hatte er sich diese Funktion − vor dem zwischen 1878 und 1890 geltenden zwölfjährigen Verbot der Zeitung durch das Sozialistengesetz – zwei Jahre mit Hasenclever geteilt. Mit seinen radikaldemokratischen und revolutionär-marxistischen Positionen hatte er wesentlichen Anteil daran, dass die SPD des 19. Jahrhunderts [[Ideologie|ideologisch]] an diesen Inhalten ausgerichtet wurde. Aufgrund seiner [[Opposition (Politik)|systemoppositionellen]] Haltung, aus der heraus Wilhelm Liebknecht die herrschenden monarchistischen Staatsstrukturen und die deutsche Regierungspolitik in der Zeit des „[[Wilhelminismus]]“ und davor scharf kritisierte, wurde er mehrfach wegen verschiedener politischer Vergehen seiner Zeit angeklagt, darunter zum Beispiel [[Hochverrat]] oder [[Majestätsbeleidigung]]. Insgesamt verbrachte er etwa sechs Jahre seines Lebens in Haft. Liebknecht war neben seinem Engagement für die proletarische Bildungsarbeit (vgl. [[Arbeiterbildung]]) ein bedeutender Vertreter des [[Internationalismus (Politik)|Internationalismus]] in der Arbeiterbewegung. Vor dem Hintergrund seiner [[Antimilitarismus|antimilitaristischen]] Haltung zählten [[Völkerverständigung]] und [[Frieden]] zwischen den Staaten zu den wesentlichen Zielen Liebknechts. Nach der Auflösung der von 1864 bis 1876 bestehenden [[Internationale Arbeiterassoziation|Internationalen Arbeiterassoziation]], deren Bevollmächtigter für Deutschland Liebknecht seit 1868 gewesen war, war er maßgeblich an der Gründung der Zweiten, der [[Sozialistische Internationale|Sozialistischen Internationale]] im Jahr 1889 beteiligt. Er trug dazu bei, dass die SPD als deren deutsche Sektion zur weltweit stärksten und einflussreichsten [[Sozialistische Partei|sozialistischen Partei]] seiner Zeit wurde. Außer der SPD beriefen sich später (und berufen sich, soweit noch bestehend, bis in die Gegenwart) die [[Kommunistische Partei Deutschlands|KPD]], die [[Sozialistische Einheitspartei Deutschlands|SED]] der [[Deutsche Demokratische Republik|DDR]] und die aus ihr hervorgegangene [[Partei des Demokratischen Sozialismus|PDS]] (nach ihrer Vereinigung mit der [[WASG]] ab Juni 2007 ''[[Die Linke]]'') in ihrer [[Tradition]]sbildung ebenfalls auf Wilhelm Liebknecht. == Leben == === Kindheit und Jugend (1826–1842) === [[Datei:Gießen-19th-century.jpg|left|thumb|Gießen, die Geburtsstadt Liebknechts, Anfang des 19. Jahrhunderts]] [[Datei:Wilhelm Liebknecht, Geburtshaus Gießen-2.jpg|thumb|Tafel an der Stelle des Geburtshauses (1944 zerstört), Burggraben 12/14]] [[Datei:Friedrich_Ludwig_Weidig-Gr.jpg|thumb|Friedrich Ludwig Weidig (1791−1837), Liebknechts Großonkel]] [[Datei:Wilhelm_Liebknecht_-_Student.jpg|thumb|Profil des 21-jährigen Wilhelm Liebknecht im [[Couleur]] des [[Corps Hasso-Nassovia Marburg]], 1847]] [[Datei:Ludwig Friedrich Karl Christian Buechner.jpg|thumb|Altersfoto von Ludwig Büchner (1824−1899), dessen Freundschaft mit Liebknecht lebenslang erhalten blieb. Beide sollten 1881 zu den Gründungsmitgliedern des ''Deutschen Freidenkerbundes'' gehören.]] Nach dem Tod seiner Eltern, dem hessischen Regierungsbeamten Ludwig Christian Liebknecht und dessen Frau Katharina (geb. Hirsch), wuchs der zu diesem Zeitpunkt sechsjährige Wilhelm mit den Geschwistern ab 1832 bei seinem Vormund, dem Kandidaten der Theologie Karl Wilhelm Oßwald (1789–1845) und Freunden des Vaters in seinem Geburtsort Gießen auf. Dort ging er auch zur Schule, die er 1842 mit Gymnasialabschluss beendete. Die von den verwaisten und mittellosen Kindern in der Familie des Vormunds als Widerspruch empfundene Diskrepanz zwischen einer christlich-moralischen Anspruchshaltung und deren vermisster Umsetzung (z.B. Nächstenliebe versus fehlender Fürsorge) trug bei den Brüdern Wilhelm und Louis zu einer sich langfristig festigenden negativen Einstellung gegenüber Kirche und religiösem Glauben bei; ein Umstand, der ursächlich für die spätere Entwicklung Liebknechts zu einem Anhänger der deutschen [[Freidenker]]-Bewegung steht. Das Schicksal von Wilhelm Liebknechts Großonkel mütterlicherseits, des evangelischen Pfarrers [[Friedrich Ludwig Weidig]], beeinflusste bereits relativ früh die soziale und politische Einstellung des jungen Liebknecht und wirkte sich prägend auf sein späteres Leben aus. Weidig hatte 1834 mit dem Schriftsteller und Dramatiker [[Georg Büchner]] die kurz nach ihrem Erscheinen behördlich verbotene sozialrevolutionäre Flugschrift ''[[Der Hessische Landbote]]'' unter der Überschrift „''Friede den Hütten, Krieg den Palästen!''“ veröffentlicht und verbreitet. 1837 war Weidig nach wiederholt an ihm begangenen [[Folter]]ungen in der Haft verstorben. Laut Angaben der damaligen hessischen Justiz hatte er Selbstmord begangen. Eine unabhängige Untersuchung des Todes von Strafgefangenen war zu der Zeit nicht üblich. === Studium und Beteiligung an der Märzrevolution (1843–1849) === Wilhelm Liebknecht studierte von 1843 bis 1846 zuerst in seiner Heimatstadt Gießen [[Philologie]] und evangelische [[Theologie]], dazwischen ein Semester [[Philosophie]] in Berlin. Im Herbst 1846 schrieb er sich für das Fach Philosophie an der [[Universität Marburg]] ein. Neben dem Studium absolvierte er zwei [[Handwerk]]erlehren: In [[Wieseck]] bei Gießen lernte er [[Zimmerer|Zimmermann]], in [[Marburg]] [[Büchsenmacher]]. Dies, so nahm er an, würde ihm bei seiner zeitweilig aus politischen Gründen erwogenen Auswanderung nach Amerika helfen, vor Ort zurecht zu kommen. Mit dieser Erwägung stand Liebknecht in seiner Familie nicht allein. Schließlich war es jedoch lediglich sein Bruder Louis, der das Vorhaben 1851 mit seiner Auswanderung in die USA, wo er auf einer Farm in [[Michigan]] lebte, umsetzen sollte. Als Student kam Wilhelm Liebknecht noch zur Zeit des [[Vormärz]] in Kontakt mit der [[Studentenverbindung|studentischen Verbindungsbewegung]], die sich für demokratische Rechte und die nationale Einigung des [[Deutscher Bund|Deutschen Bundes]] in einem gesamtdeutschen [[Nationalstaat]] einsetzte. Viele der in [[Corps]] und [[Burschenschaft]]en organisierten Studenten standen zu dieser Zeit – in Folge der repressiven [[Karlsbader Beschlüsse]] von 1819 häufig aus dem [[Illegalität|illegalen]] Untergrund heraus – in [[Opposition (Politik)|Opposition]] zur seit dem [[Wiener Kongress]] von 1814/1815 herrschenden reaktionären [[Restauration (Geschichte)|Restaurationspolitik]], die wesentlich vom österreichischen Staatskanzler Fürst von [[Klemens Wenzel Lothar Nepomuk von Metternich|Metternich]] geprägt war. Dabei war Liebknecht eher von den [[Frühsozialismus|frühsozialistischen]] Vorstellungen [[Henri de Saint-Simon|Saint-Simons]] als von nationalstaatlichen Ideen beeinflusst, was ihn nicht davon abhielt, studentischen Verbindungen beizutreten. So trat er 1846 in Gießen in das Corps Rhenania ein. In Marburg wurde er am 12. Januar 1847 in das [[Corps Hasso-Nassovia]] aufgenommen. Im Juli 1847 gründete er zusammen mit Studenten aus [[Fulda]] das Corps Rhenania, das schon im folgenden Wintersemester wieder aufgelöst werden sollte. Anfang August 1846 trat Liebknecht erstmals als einer der Anführer und Sprecher der Gießener Studenten ins Licht der Öffentlichkeit. Eine polizeiliche Maßnahme gegen einen alkoholisierten Studenten eskalierte so weit, dass eine Abteilung Soldaten aus [[Butzbach]] zur ''Wiederherstellung der öffentlichen Ordnung'' nach Gießen verlegt wurde. Daraufhin machten die Studenten mit Unterstützung der Bürger einen „Auszug“ (demonstrativ-symbolische Universitätsstandort-Verlegung) zur zehn km nördlich der Stadt gelegenen [[Staufenberg (Hessen)|Burg Staufenberg]]. An den Verhandlungen mit der Universitätsleitung über die Bedingungen der Rückkehr nach Gießen waren neben anderen auch Liebknecht und [[Ludwig Büchner]], ein jüngerer Bruder [[Georg Büchner]]s beteiligt. Die Studentenrevolte sorgte auch für überregionale Resonanz. Selbst die britische Zeitung ''[[The Times]]'' machte die ''Studentenmeute in Gießen'' zum Thema eines Leitartikels. Liebknecht sah sich veranlasst, Marburg noch vor Abschluss seines Studiums im Sommer 1847 fluchtartig zu verlassen, da ihm beispielsweise wegen der Teilnahme an einem öffentlichen [[Vivat]] für [[Sylvester Jordan]], als Mitverfasser der [[Kurhessen|kurhessischen]] [[Verfassung]], bis zur Aufhebung einer Kerkerhaft 1845 einer der damals bekanntesten politischen Strafgefangenen in [[Hessen]], polizeiliche und juristische Repressalien drohten. Ein Freund hatte ihn vor einer anstehenden Verhaftung gewarnt <ref>[http://www.uni-marburg.de/profil/Geschichte/Viten/liebknecht1 Ulrich Thimm über die Studienjahre Wilhelm Liebknechts in: Marburger UniJournal Nr. 6, Juni 2000]</ref>. Zusammen mit einem anderen Freund namens Maus verließ er in den ersten Julitagen 1847 Gießen mit der Absicht, über Mainz und Rotterdam nach Amerika zu emigrieren. In [[Wisconsin]] wollten sie eine Ackerbau-Genossenschaft bilden. Während der Bahnfahrt nach Mainz-Kastel trafen sie Dr.&nbsp;Ludolf, einen Lehrer an einer [[Zürich|Zürcher]] „Musterschule“ des [[Reformpädagogik|Reformpädagogen]] [[Friedrich Wilhelm August Fröbel]], dem Begründer der Kindergärten. Liebknecht änderte daraufhin spontan seine Pläne und war 1847/48 Lehrer an dieser Schule. Er machte auch erste [[Journalismus|journalistische]] Erfahrungen als Korrespondent der ''Mannheimer Abendzeitung''. Die Auslösung der bürgerlichen [[Februarrevolution 1848]] in [[Frankreich]] führte ihn nach [[Paris]], wo er aktiv auf der Seite der Aufständischen an den revolutionären Kämpfen teilnahm. [[Datei:Freischärler Lörrach 1848.jpg|thumb|left|300px|Einzug der [[Freischärler]] in [[Lörrach]] im September 1848 („Struve-Aufstand“). Ölgemälde von [[Friedrich Kaiser (Maler)|Friedrich Kaiser]]]] Die Februarrevolution, die zum Sturz des „Bürgerkönigs“ [[Ludwig Philipp (Frankreich)|Louis Philippe von Orléans]] und zur Ausrufung der [[Zweite Französische Republik|Zweiten Französischen Republik]] führte, bildete den Funken für den Beginn der Märzrevolution in den Staaten des Deutschen Bundes; – dort zuerst im [[Großherzogtum]] [[Baden (Land)|Baden]]. Die [[Badische Revolution]] war als regionaler Bestandteil dieser gesamtdeutschen Revolution von 1848/49 diejenige, in der die mit am weitesten gehenden Forderungen nach [[Demokratie]] und sozialen Veränderungen zugunsten der sozial benachteiligten Bevölkerungsschichten (im Wesentlichen Handwerksgesellen, Arbeiter und Bauern ohne Landbesitz) vertreten wurden. [[Datei:Gustav_struve.jpg|thumb|Gustav Struve (1805−1870), Liebknechts direkter Vorgesetzter im revolutionären Mannheimer Arbeiterbataillon]] Im September 1848 beteiligte sich Liebknecht am Aufstand radikaldemokratischer Revolutionäre um [[Gustav von Struve|Gustav Struve]] im südbadischen [[Lörrach]]. Nach dessen Niederschlagung wurde Wilhelm Liebknecht in Säckingen verhaftet und später nach Freiburg überstellt. Während seiner Gefangenschaft in [[Freiburg im Breisgau|Freiburg]] verliebte sich der damals 22-Jährige in die sechs Jahre jüngere Ernestine Landolt, eine Tochter des Gefängnisaufsehers, die 1854 Liebknechts erste Ehefrau werden sollte. Im Mai 1849 kam er nach etwa 7 Monaten [[Untersuchungshaft]] wieder auf freien Fuß, nachdem in der [[Bundesfestung]] [[Rastatt]] mit einer [[Meuterei]] der badischen Garnison am 11. Mai 1849 der badische [[Maiaufstände|Maiaufstand]] im Rahmen der [[Reichsverfassungskampagne]] begonnen hatte. Liebknecht schloss sich während dieser letzten Phase der Märzrevolution der Badischen [[Volkswehr]] an. Als [[Leutnant]] im [[Mannheim]]er Arbeiterbataillon war er [[Adjutant]] Gustav Struves. Der Kampf der Revolutionäre für die im Grunde schon gescheiterte [[Paulskirchenverfassung|Reichsverfassung]] beinhaltete den Einsatz für die Anerkennung der demokratischen Veränderungen in einigen Staaten des Deutschen Bundes und die Verteidigung der nach der Flucht des Großherzogs [[Leopold (Baden)|Leopold von Baden]] am 1. Juni 1849 ausgerufenen badischen [[Republik]] gegen die von Norden und Westen anrückende [[konterrevolution]]äre Armee. Diese wurde von preußischen Offizieren unter dem Oberkommando des Bruders von König [[Friedrich Wilhelm IV.]] von Preußen angeführt, – dem bei den Revolutionären als ''Kartätschenprinz'' berüchtigten Wilhelm von Preußen, der 1861 zum preußischen König und 1871 zusätzlich zum ersten deutschen Kaiser [[Wilhelm I. (Deutsches Reich)|Wilhelm I.]] ausgerufen werden sollte. === Exiljahre, Einfluss von Karl Marx (1849–1862) === [[Datei:Friedrich_Engels-1940-cropped.jpg|thumb|130px|Friedrich Engels (1820–1895), Porträt aus den 1840er Jahren]] [[Datei:Marx4.jpg|thumb|130px|Karl Marx (1818–1883), Studiofotografie aus dem Jahr 1861]] Nach der Niederschlagung der Revolution durch preußische Truppen im Juli 1849 konnte sich Liebknecht einer Gefangennahme (die zu einer Hinrichtung hätte führen können) durch Flucht ins [[Exil]] entziehen. Er ging zunächst wieder in die Schweiz, wo er Präsident des Demokratischen Vereins in [[Genf]] wurde. Dort lernte er Friedrich Engels kennen, der ebenfalls als Beteiligter an der badischen Revolution vorübergehend in der Schweiz Zuflucht gefunden hatte. Die Initiative zur Vereinigung der deutschen Arbeiterbildungsvereine in der Schweiz führte zu einer erneuten Verhaftung Liebknechts am 20. Februar 1850 in [[Murten]], und zu seiner Ausweisung wegen „sozialistischer Umtriebe“ am 7. April des gleichen Jahres. Karl Marx warf 1860 in seiner umfangreichen Abhandlung ''[[Herr Vogt]]'' dem gleichfalls aus Gießen stammenden Emigranten [[Carl Vogt]] vor, durch die denunzierende Formulierung vom „''Revolutionstag in Murten''“ zur Ausweisung beigetragen zu haben <ref>[http://www.mlwerke.de/me/me14/me14_408.htm#III_2 Karl Marx: ''Herr Vogt'', Kapitel III: ''Polizistisches'', dort Abschnitt 2: ''Revolutionstag von Murten''], Erstveröffentlichung: London 1860 (online auf mlwerke.de)</ref>. Über Frankreich kam Wilhelm Liebknecht nach [[England]]. In [[London]] trat er dem seit 1847 bestehenden und 1852 aufgelösten [[Bund der Kommunisten]] bei. Über diese Organisation traf er wieder auf Engels und kam in Kontakt mit Karl Marx, zu dem er eine persönliche Freundschaft aufbaute, die in den folgenden Jahren, noch während seiner Zeit im Exil, nicht unbelastet blieb. So schrieb Marx 1859 in einem Anflug des Zorns bezüglich des Disputs mit Liebknecht in einem Brief an Engels, in dem er sich polemisch-abwertend über Wilhelm Liebknecht äußerte: <blockquote>„''… Liebknecht ist ebenso schriftstellerisch unbrauchbar wie er unzuverlässig und charakterschwach ist. Der Kerl hätte diese Woche einen definitiven Abschiedstritt in den Hintern erhalten, zwängen nicht gewisse Umstände, ihn einstweilen noch als Vogelscheuche zu verwenden …''“ <ref>Marx an Engels, 1859 (Marx/Engels Werke 29, S. 443)</ref></blockquote> Dennoch vertiefte Liebknechts Kontakt zu Marx seine sozialistische Einstellung und prägte wesentlich seine nachfolgende politische Haltung. Dabei stand er der [[Materialismus|materialistischen]] [[Dialektik]] Marx’ weiterhin eher distanziert gegenüber. Bei aller Annäherung an die [[Marxismus|marxistische Theorie]] legte Liebknecht seine radikaldemokratischen Wurzeln nicht ab. Demokratie ohne Sozialismus war für ihn keine wirkliche Demokratie, und Sozialismus ohne Demokratie kein wirklicher Sozialismus. Beides bedingte sich in seinen Augen gegenseitig. Beschäftigung fand Liebknecht in England unter anderem als Privatlehrer und [[Korrespondent]], wodurch er sich und seine Frau Ernestine, die er 1854 in London geheiratet hatte, notdürftig über Wasser halten konnte. === Parteipolitische Organisierung der Sozialdemokratie (1863–1900) === Als 1862 durch eine [[Amnestie]] als Folge der Inthronisierung des preußischen Königs Wilhelm I. die Strafverfolgung für viele ehemalige 1848/49er-Revolutionäre während der [[Reaktionsära]] nach der Märzrevolution aufgehoben wurde, kehrte das Ehepaar Liebknecht nach Deutschland zurück, wo sich Wilhelm Liebknecht zunächst in [[Preußen]] beim Aufbau der sozialdemokratischen Bewegung beteiligte. Neben seinem [[Engagement]] für die [[Arbeiterbildung]]svereine verstärkte sich sein Einsatz für eine parteipolitische Organisierung der Arbeiterbewegung. ==== Konflikt mit dem ADAV; Ausweisung aus Preußen; Kontakt zu August Bebel ==== In Preußen wurde er 1863 Mitglied in dem auf Initiative von [[Ferdinand Lassalle]] neu gegründeten [[Allgemeiner Deutscher Arbeiterverein|Allgemeinen Deutschen Arbeiterverein]] (ADAV), der ersten als [[politische Partei]] organisierten Vorläuferorganisation der späteren SPD. Er arbeitete als Journalist unter anderem für das Zentralorgan des ADAV, die Zeitung ''[[Der Social-Demokrat]]'', aber auch für bürgerlich-liberale Zeitungen wie die erst kurz zuvor gegründete ''[[Deutsche Allgemeine Zeitung|Norddeutsche Allgemeine Zeitung]]'', deren Linie sich später in eine die Politik Bismarcks unterstützende und die Sozialdemokratie ablehnende Richtung wandeln sollte. [[Datei:Bundesarchiv Bild 183-R66693, Ferdinand Lassalle.jpg|thumb|Ferdinand Lassalle (1825–1864)]] Bereits zwischen Lassalle und Liebknecht hatte es Differenzen um die Rolle des Staates, insbesondere der von Lassalle vertretenen vorrangigen Rolle Preußens im deutschen Staatenbund gegeben. Weitere Meinungsverschiedenheiten drehten sich um die Bedeutung von [[Reform]] oder [[Revolution]] auf dem Weg zu einer angestrebten sozialistischen Gesellschaft. Während Lassalle den allmählichen Weg zum Sozialismus durch Reformen innerhalb einer nationalstaatlich organisierten Gesellschaftsstruktur für möglich hielt und anstrebte, erwartete Liebknecht von Reformen bestenfalls eine teilweise, jedoch keine wirkliche Verbesserung der Lage der Arbeiterklasse. Er setzte eine soziale und politische Revolution im Sinn einer von Marx postulierten historischen Notwendigkeit voraus, um zu einer grundlegenden Umwälzung der herrschenden Verhältnisse auf dem Weg in eine [[klassenlose Gesellschaft]] zu kommen. Seiner Ansicht nach sollte die Sozialdemokratie darauf hinarbeiten, und die Arbeiterbewegung auf diese Revolution – nicht nur in einem nationalen Rahmen – vorbereiten. Dazu war für Liebknecht eine enge parteipolitische Bindung an die Gewerkschaftsbewegung, die zu jener Zeit noch in ihren Anfängen steckte, wichtig; wohingegen Lassalle der Organisationsform [[Gewerkschaft]] eher ablehnend gegenüber stand, und dagegen die Gründung von Produktiv[[genossenschaft]]en favorisierte. [[Datei:Johann Baptist von Schweitzer.jpg|thumb|left|Johann Baptist von Schweitzer (1833–1875)]] Nach Lassalles frühem Tod in Folge eines Pistolenduells aus privaten Hintergründen im Jahr 1864 spitzten sich die Auseinandersetzungen zwischen Liebknecht und der Partei zu. 1865 wurde Wilhelm Liebknecht als einer der bedeutendsten Vertreter der parteiinternen Oppositionsgruppe, zu der neben anderen auch [[Wilhelm Bracke]] und [[Samuel Spier]] gehörten, aus dem ADAV ausgeschlossen. Letzter Anlass für diesen Ausschluss war ein Konflikt, in den er mit dem Herausgeber des ''Social-Demokrat'', [[Johann Baptist von Schweitzer]], geriet, als Liebknecht die preußenfreundliche und [[Kleindeutsche Lösung|kleindeutsch]]-nationalistische Ausrichtung des Blattes kritisierte, wegen der er schließlich die [[Redaktion]] verließ. Von Schweitzer, nach dem Tode Lassalles seit 1864 einflussreicher [[Funktionär]] des ADAV und von 1867 bis 1871 dessen [[Autokratie|autokratisch]] auftretender Präsident, hatte in Folge von Liebknechts Kritik dessen Parteiausschluss betrieben. Unmittelbar nach dem Ausschluss wurde Liebknecht auch aus Berlin und Preußen ausgewiesen, woraufhin er sich in [[Leipzig]] im [[Königreich Sachsen]] niederließ, und sich dort dem sächsischen Arbeiterbildungsverein anschloss. [[Datei:August Bebel_2.jpg|thumb|August Bebel (1840–1913), Bildquelle: Friedrich-Ebert-Stiftung]] Hier lernte er den 14&nbsp;Jahre jüngeren [[August Bebel]] kennen, der sich unter Liebknechts Einfluss ebenfalls marxistischen Positionen annäherte. Zwischen Liebknecht und Bebel entwickelte sich in der Folgezeit nicht nur eine enge politische Zusammenarbeit, sondern auch eine lebenslange persönliche Freundschaft. Beide waren sich einig in ihrer Ablehnung des preußischen Militär- und Polizeistaates und dessen [[Hegemonie]]streben, seit 1862 unter der Ministerpräsidentschaft Otto von Bismarcks. Aus diesem Grund suchten sie Mitte der 1860er Jahre das Bündnis mit den süddeutschen [[Liberalismus|Liberalen]], die sich nach dem [[Preußischer Verfassungskonflikt|preußischen Verfassungskonflikt]] und der [[Indemnitätsvorlage]] Bismarcks bis 1868 zum Beispiel in der [[Deutsche Volkspartei (Deutsches Kaiserreich)|Deutschen Volkspartei]] (DtVP), einer [[Linksliberalismus|linksliberalen]] Abspaltung der [[Deutsche Fortschrittspartei|Deutschen Fortschrittspartei]], sammelten. Die im Gegensatz zur anderen Abspaltung der Fortschrittspartei, der Bismarck-treuen [[Nationalliberale Partei|Nationalliberalen Partei]], in verschiedene kleinere Parteien zersplitterten Linksliberalen vertraten zwar nicht durchgehend eine reine Republik, sondern teilweise eine konstitutionelle Monarchie, – jedoch unter Einbeziehung Österreichs, also als [[großdeutsche Lösung]] mit [[Föderalismus|föderalistischer]] Struktur und mit deutlich eingeschränkten Machtbefugnissen für die herrschenden Monarchen und Fürsten. Mit der Zusammenarbeit war die Hoffnung verbunden, den reaktionären Einfluss Preußens einzudämmen. ==== Von der Sächsischen Volkspartei zur SDAP; Opposition gegen den Krieg, Festungshaft ==== Zusammen mit Bebel initiierte Liebknecht am 19. August 1866 die Gründung der [[Sächsische Volkspartei|Sächsischen Volkspartei]], die eine Allianz zwischen den zunehmend sozialistisch ausgerichteten Arbeiterbildungsvereinen und antipreußischen Linksliberalen in Sachsen bildete. Im Jahr darauf wurden Bebel und Liebknecht als Abgeordnete dieser Partei in den Reichstag des Norddeutschen Bundes gewählt, wo sie, ab 1868 gemeinsam mit der Deutschen Volkspartei (DtVP), gegen die Regierung Bismarcks und die Vorherrschaft Preußens opponierten. In dieser Zeit überschattete der Tod von Liebknechts Ehefrau Ernestine († 1867) sein Privatleben. Sie war an [[Tuberkulose]], damals auch als „Schwindsucht“ oder „Proletarierkrankheit“ bezeichnet, erkrankt und innerhalb kurzer Zeit im Alter von 35 Jahren daran verstorben. Aus der Ehe waren zwei Töchter (Alice und Gertrud) hervorgegangen. Im Jahr darauf, 1868, heiratete Wilhelm Liebknecht erneut. Seine zweite Frau Natalie, geborene Reh (* 1835, † 1909), bis dahin eine Freundin der Familie, und über den gleichen Urgroßvater [[Johann Georg Liebknecht]] eine entfernte Verwandte Liebknechts, war die Tochter des letzten Präsidenten der [[Frankfurter Nationalversammlung]] von 1848/49, [[Jacob Ludwig Theodor Reh]] und seiner Ehefrau Caroline Theodore Louise Weidig. Natalie Liebknecht brachte in den Folgejahren [[Theodor Liebknecht|Theodor]] (* 1870), [[Karl Liebknecht|Karl]] (* 1871) und [[Otto Liebknecht|Otto]] (* 1876) sowie zwei weitere Söhne zur Welt <ref>[http://www.sozialistenfriedhof.de/uploads/pics/3_w.liebknecht_familie.jpg Familienfotografie um 1888]: Wilhelm Liebknecht mit Ehefrau Natalie und seinen fünf Söhnen ([http://www.sozialistenfriedhof.de/wilhelmliebknecht.html Originaltext, in den das Bild eingebunden ist, auf www.sozialistenfriedhof.de)]</ref>. Karl Liebknecht sollte zwischen 1914 und 1919 als Gegner des [[Erster Weltkrieg|Ersten Weltkrieges]] und [[Kommunistische Partei Deutschlands|KPD]]-Mitbegründer eine eigene historische Bedeutung erlangen. 1869 wurde die Sächsische Volkspartei aufgelöst; ihr [[Dominanz|dominierender]] linker Flügel ging in der überregionalen [[Sozialdemokratische Arbeiterpartei (Deutschland)|Sozialdemokratischen Arbeiterpartei]] (SDAP) auf, die auf Initiative Liebknechts und Bebels und unter Mitwirkung einiger vormaliger ADAV-Dissidenten wie zum Beispiel Bracke und Spier in [[Eisenach]] gegründet wurde und ein eindeutiges sozialistisches Programm erhielt. In den Folgejahren wurden die Anhänger der SDAP in Abgrenzung zu den Unterstützern des „preußisch-sozialdemokratischen“ ADAV, den „''Lassalleanern''“, auch „''die Eisenacher''“ genannt. Nach dem [[Deutscher Krieg|Deutschen Krieg]] von 1866 war mit dem Sieg Preußens über [[Österreich]] bis 1867 der Deutsche Bund aufgelöst und mit dem Zusammenschluss der Fürstentümer nördlich der [[Mainlinie (Politik)|Mainlinie]] der Norddeutsche Bund unter preußischer Vorherrschaft gebildet worden. Damit hatte Österreich seine schon seit dem Ende des [[Krimkrieg]]s im Jahr 1856 bröckelnde Vorherrschaft im zentralen Mitteleuropa zugunsten Preußens endgültig eingebüßt. Bei dieser Entwicklung stellte sich in der parlamentarischen Praxis zwischen 1867 und 1869 heraus, dass sich das Ziel einer [[großdeutsch]]en Reichseinigung zerschlagen und damit auch das Zweckbündnis zwischen [[Linksliberalismus|Linksliberalen]] und Sozialisten in der Sächsischen Volkspartei erübrigt hatte; – zumal die regierungskritischen Parteien im Reichstag zu zersplittert waren, um den starken Fraktionen der [[Deutschkonservative Partei|Konservativen]] und der Nationalliberalen Partei, die Bismarcks Politik stützten, ernsthaft etwas entgegen zu setzen. Die Reichstagsmandate der Sächsischen Volkspartei gingen auf die SDAP über. Liebknecht gab das Parteiorgan der neu gegründeten SDAP, ''[[Der Volksstaat]]'', heraus. Die SDAP erklärte sich zur deutschen Sektion der 1864 in London gegründeten [[Internationale Arbeiterassoziation|Internationalen Arbeiterassoziation]] (IAA), die heute auch als „Erste [[Internationale]]“ der Arbeiterbewegung bezeichnet wird. Bereits vor der Konstituierung der SDAP war Wilhelm Liebknecht 1868 zum Korrespondenten bei der IAA und zu deren Bevollmächtigtem für Deutschland ernannt worden. [[Datei:Leipziger Prozess.jpg|thumb|Wilhelm Liebknecht (in der Mitte im Zeugenstand stehend), August Bebel (1. v. r.) und [[Adolf Hepner]] (2. v. r.) als Angeklagte beim Leipziger Hochverratsprozess <ref>Institut für Marxismus-Leninismus beim [[Zentralkomitee der SED]]: Geschichte der deutschen [[Arbeiterbewegung]], Band 1, Von den Anfängen der deutschen Arbeiterbewegung bis zum Ausgang des 19. Jahrhunderts, Autorenkollektiv: [[Walter Ulbricht]] u. A., [[Karl Dietz Verlag Berlin|Dietz Verlag]] Berlin 1966. Bildteil nach S. 352</ref> ]] Nach Beginn des [[Deutsch-Französischer Krieg|deutsch-französischen Krieges]] im Jahr 1870 ergriff Liebknecht öffentlich Stellung gegen diesen Krieg, enthielt sich jedoch am 19. Juli 1870 unter dem zur Vorsicht mahnenden Einfluss Bebels gemeinsam mit ihm bei der Reichstagsabstimmung über einen Kredit für den Krieg gegen Frankreich. Beide betrachteten nicht nur Bismarcks Politik als gegen die Interessen der Arbeiter gerichtet, sondern auch die des französischen Kaisers [[Napoléon III.]]. Am 26. November desselben Jahres lehnten sie einen weiteren [[Kriegskredit]] ab. Liebknecht und Bebel erklärten 1871 ihre [[Solidarität]] mit der [[Pariser Kommune]] und sprachen sich gegen die [[Annexion]] von [[Elsaß-Lothringen]] aus. In Folge ihres entsprechenden reichskritischen Engagements wurden beide 1872 beim „[[Leipziger Hochverratsprozess]]“ zu zwei Jahren [[Festungshaft]] verurteilt, die sie in der [[Hubertusburg]] in [[Wermsdorf]] absaßen. Liebknechts und Bebels Opposition gegen den Krieg und ihre internationalistische Orientierung verfestigte den vom regierungstreuen Lager lancierten Ruf der Sozialdemokratie als „''[[vaterlandslose Gesellen]]''“ im Kaiserreich, – ein Ruf, der der SPD bis zum Ersten Weltkrieg, – und in [[Nationalismus|nationalistisch]]-[[Konservativismus|konservativen]], insbesondere in reaktionären Kreisen auch darüber hinaus anhaften sollte. Nach seiner Haftentlassung wurde Liebknecht 1874 nach drei Jahren Unterbrechung erneut als Abgeordneter der SDAP in den Reichstag des nunmehr (seit 1871) [[Deutsches Reich|Deutschen Kaiserreiches]] gewählt. ==== Vereinigung der SDAP mit dem ADAV zur SAP; Sozialistengesetz ==== [[Datei:Wilhelm Hasenclever.jpg|thumb|Wilhelm Hasenclever (1837–1889), letzter Präsident des ADAV]] 1875 vereinigte sich die SDAP in [[Gotha]] mit dem ADAV unter dessen letztem Präsidenten [[Wilhelm Hasenclever]] zur ''Sozialistischen Arbeiterpartei Deutschlands'' (SAP). Die Vereinigung der bis dahin in Konkurrenz zueinander stehenden sozialdemokratischen Parteien war möglich geworden, nachdem mit der Reichsgründung von 1871 und der mit ihr geschaffenen politischen Fakten die Hauptgründe für die Rivalität weggefallen waren, die wesentlich in unterschiedlichen Auffassungen zur nationalen Frage und zur Haltung gegenüber der Vorherrschaft Preußens in den deutschen Staaten gelegen waren. Außerdem hatte der bereits 1871 in Folge von Vorwürfen der [[Korruption]] und heimlicher Absprachen mit der Regierung erfolgte Rücktritt des antimarxistischen ADAV-Vorsitzenden Johann Baptist von Schweitzer den Weg zur inhaltlichen Annäherung und schließlich Vereinigung der beiden Parteien frei gemacht. [[Datei:Vorwaerts nr 1.png|thumb|left|Erstausgabe des ''Vorwärts'' vom 1. Oktober 1876]] Diese Fusion der ''„Eisenacher“'' mit den ''„Lassalleanern“'' wurde von Karl Marx aus London wegen der anpasslerischen Haltung an den eher reformorientierten ADAV im [[Gothaer Programm]] der SAP kritisiert (vgl. Marx' ''[[Kritik des Gothaer Programms]]''). Obwohl Wilhelm Liebknecht an der Ausarbeitung des Parteiprogramms, das einen [[Kompromiss]] darstellte, beteiligt war, konnte er Marx′ Kritik in ihrem Wesensgehalt teilen, stand aber aus pragmatischen Gründen, vor denen er der Einheit der sozialistischen Bewegung eine Priorität einräumte, dennoch hinter dem Zusammenschluss von SDAP und ADAV, und verteidigte letztlich den von ihm mitverantworteten Kompromiss. In der von Liebknecht und Hasenclever 1876 neu gegründeten Parteizeitung ''[[Vorwärts (Deutschland)|Vorwärts]]'' setzte er sich später als einer der beiden gleichberechtigten Chefredakteure für die Durchsetzung der marxistischen Theorie in der vereinigten Partei ein. [[Reichskanzler]] Otto von Bismarck hatte die Partei von Anfang an als „Reichsfeind“ eingestuft. Nach zwei innerhalb weniger Wochen im Mai/Juni 1878 verübten erfolglosen [[Attentat]]en auf Kaiser Wilhelm I., die Bismarck fälschlicherweise und wider besseres Wissen den Sozialdemokraten anlastete, setzte dieser Mitte Oktober 1878 im Reichstag das [[Sozialistengesetz]] durch („''Gesetz gegen die gemeingefährlichen Bestrebungen der Sozialdemokratie''“). [[Datei:Reichsgesetzblatt34 1878.jpg|left|thumb|Sozialistengesetz von 1878]] Während der Gültigkeit des jährlich verlängerten und nur leicht modifizierten repressiven Sozialistengesetzes waren bis 1890 die Aktivitäten der Sozialdemokratie, ihre Unterorganisationen, Veröffentlichungen und Versammlungen außerhalb des Reichstags und der Landtage verboten. In ihren Hochburgen, so etwa in [[Berlin]], [[Leipzig]], [[Hamburg]], [[Offenbach am Main]]<ref>[http://amtspresse.staatsbibliothek-berlin.de/kurzliste.php?sb1=4y&s1=Offenbach Berichte in der preußischen Amtspresse über Belagerungszustand in Offenbach]</ref> oder [[Frankfurt am Main]], wurde zeitweilig der sogenannte ''[[Kleiner Belagerungszustand|Kleine Belagerungszustand]]'' verhängt, der es beispielsweise erlaubte, sozialistische „''[[Agitation|Agitatoren]]''“ aus der Stadt auszuweisen. Eine der wichtigsten Publikationen der SAP jener Zeit, ''Der Sozialdemokrat'', bei dem Liebknecht als ständiger Mitarbeiter firmierte, erschien unter der Redaktion von [[Paul Singer (Politiker)|Paul Singer]] ab 1880 zunächst in [[Zürich]], ab 1887 in London, und wurde illegal im Reich verbreitet. Während des Sozialistengesetzes war Wilhelm Liebknecht trotz seines Abgeordnetenstatus auch persönlich von den repressiven Maßnahmen betroffen. 1878 wurde er zunächst aus Berlin ausgewiesen. Nach verschiedenen Gefängnisstrafen 1878/79 und von Mai 1880 bis Juni 1881 erfolgte daraufhin eine Ausweisung aus Leipzig, 1884 erneut aus Berlin, und 1887 aus Frankfurt am Main. Trotz der Repressionen wuchs die SAP in der Illegalität unter Liebknecht und Bebel zu einer Massenpartei heran. Zwischen 1881 und 1890 steigerte sich der Stimmenanteil der Sozialdemokraten, die als Einzelpersonen weiterhin zu Wahlen antreten konnten, bei den [[Reichstagswahl]]en um über 450 % (von knapp 312.000 Stimmen auf mehr als 1,4 Millionen). Auch die für ihre Zeit moderne [[Sozialgesetzgebung]] des Reichskanzlers, mit der er durch Verbesserungen in der sozialen Absicherung der Arbeiterschaft dieser Entwicklung entgegen wirken wollte, konnte den Trend der [[Solidarität|Solidarisierung]] einer breiten Wählerschaft mit der Sozialdemokratie im Ergebnis nicht aufhalten. [[Datei:Reichstagsfraktion1889.jpg|thumb|300px|Liebknecht (hintere Reihe, Mitte) als Mitglied der sozialistischen Reichstagsfraktion von 1889. (sitzend: von links: [[Georg Schumacher]], [[Friedrich Harm]], [[August Bebel]], [[Heinrich Meister]], [[Karl Frohme]]. Stehend: [[Johann Heinrich Wilhelm Dietz]], [[August Kühn (Politiker)|August Kühn]], '''Wilhelm Liebknecht''', [[Karl Grillenberger]], [[Paul Singer (Politiker)|Paul Singer]])]] Im Reichstag nahm Liebknecht kein Blatt vor den Mund und nutzte seine Stellung als Abgeordneter, um die Regierungspolitik Bismarcks scharf zu kritisieren. Da er außerhalb des Reichstags im Deutschland jener Zeit keine Möglichkeit hatte, legal in der Öffentlichkeit aufzutreten, und in Folge der Sozialistengesetze auch viele deutsche Sozialdemokraten in die Nachbarstaaten emigriert waren, reiste er viel und sprach auf verschiedenen sozialistischen [[Tagung|Kongressen]], so zum Beispiel in Frankreich, der Schweiz, England und auch in den [[USA]]. Während der Zeit der Sozialistengesetze gehörte Wilhelm Liebknecht zusammen mit [[Ludwig Büchner]], mit dem er schon seit seiner Studentenzeit befreundet war, 1881 zu den Gründungsmitgliedern des ''Deutschen Freidenkerbundes'', der sich im Unterschied zur [[Freireligiöse Bewegung|freireligiösen Bewegung]] deutlich zum Atheismus bekannte und vorwiegend „bürgerlich“ geprägt war, wo aber auch Sozialdemokraten ein großes Gewicht hatten. Hieraus entstanden mehrere [[Freidenker]]organisationen, die nach dem Ersten Weltkrieg zumeist sozialdemokratisch und kommunistisch orientiert waren. ==== Gründung der Sozialistischen Internationale ==== [[Datei:Liebknecht mit Eleonora Marx.jpg|thumb|left|Liebknecht mit [[Eleanor Marx]], der jüngsten Tochter von Karl Marx, die ebenfalls an den Gründungsvorbereitungen der zweiten Internationale beteiligt war (Fotografie - vermutlich - 1883 anlässlich der Beisetzung von Karl Marx).]] Nach der Spaltung der Internationalen Arbeiterassoziation im Jahr 1872 und deren bis 1876 erfolgten Auflösung aufgrund des Konflikts zwischen dem [[Anarchismus|anarchistischem]] Flügel um [[Michail Bakunin]] und dem marxistischen Flügel um Karl Marx war es nach Marx’ Tod 1883 Liebknechts Bestreben, zu einer neuen Einheit der internationalen Arbeiterbewegung zu kommen. Darin war er sich mit Friedrich Engels, der Marx´ ideelles Erbe übernommen hatte, und mit dem Liebknecht weiterhin in engem Kontakt stand, einig. Bei der Gründung der Sozialistischen Internationale 1889 in Paris, an der Liebknecht einen maßgeblichen Anteil hatte, war die SAP trotz ihrer Unterdrückung im eigenen Land zur einflussreichsten [[Sozialistische Partei|sozialistischen Partei]] der Welt geworden. Allein 85 Teilnehmer des [[Internationaler Arbeiterkongress (1889)|Gründungskongresses]] dieser ''Zweiten Internationale'' vom 14. Juli bis 20. Juli 1889, an dem insgesamt etwa 400 Delegierte aus 20 Staaten versammelt waren, waren aus dem Deutschen Reich; unter ihnen neben August Bebel und [[Eduard Bernstein]] auch [[Carl Legien]] als ein Vertreter der deutschen Gewerkschaftsbewegung, und mit [[Clara Zetkin]] eine bekannte Vertreterin der sozialistischen [[Frauenbewegung]], zu jener Zeit Exilantin in Paris. Liebknecht leitete die deutsche Delegation und war zusammen mit dem französischen Sozialisten [[Édouard Vaillant]] Vorsitzender des Kongresses. Unter anderem wurde dabei in Erinnerung an die Todesopfer des 1886 im US-amerikanischen [[Chicago]] gewaltsam niedergeschlagenen [[Streik]]s und Arbeiteraufstands (vgl. [[Haymarket Riot]]) die Einführung des [[Erster Mai|Ersten Mai]] als ''„internationaler Kampftag der Arbeiterklasse“'' beschlossen. Damit sollte vor allem die Forderung/Durchsetzung des [[Achtstundentag|Achtstunden-Arbeitstages]] für die Lohnarbeiter eine größere und kraftvollere Gewichtung erhalten. ==== Konstituierung der SPD; 1890er Jahre ==== Bei den Reichstagswahlen im Februar 1890 wurden die Sozialdemokraten mit 19,7 % der Stimmen zur wählerstärksten Partei im Reich, erhielten jedoch nur 35 der 391 Reichtagsmandate. Bedingt durch verschiedene Benachteiligungen, beispielsweise bei der Wahlkreiseinteilung, waren dies weit weniger Sitze, als ihnen nach heutigem Maßstab (unter den Bedingungen der demokratischen Normen der Bundesrepublik Deutschland) zuerkannt würden. Nach dem Rücktritt, faktisch der Entlassung Bismarcks als Reichskanzler durch den seit 1888 amtierenden [[Kaiser]] [[Wilhelm II. (Deutsches Reich)|Wilhelm II.]] am 20. März 1890 setzte sich in der neuen Regierung die Einsicht durch, dass die Sozialistengesetze die Sozialdemokratie nicht geschwächt, sondern eher noch gestärkt hatten. Unter dem neuen Reichskanzler [[Leo von Caprivi|Leo Graf von Caprivi]] wurde die letzte Neuvorlage des Sozialistengesetzes am 30. September 1890 abgelehnt, wodurch auch dessen regelmäßig angenommene Vorlagen bis dahin außer Kraft gesetzt wurden. Nach Aufhebung der Sozialistengesetze wurde die SAP 1890 auf dem [[Parteitag]] in [[Halle (Saale)|Halle]] reorganisiert und zugleich umbenannt in Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD), die diesen Namen bis heute beibehalten hat – trotz vieler programmatischer Veränderungen seither. Die Linie der neuen SPD erhielt im [[Erfurter Programm]] von 1891 in ihrem von [[Karl Kautsky]] entworfenen theoretischen Teil zunächst wieder eine von Liebknecht geforderte deutlichere marxistische Ausrichtung, während der von Eduard Bernstein verfasste praktische Teil schon eine Anpassung an parlamentarische Verhältnisse und Möglichkeiten andeutete. Als Chefredakteur der Parteizeitung ''Vorwärts'' (nach dem Verbot zwischen 1878 und 1890 im Jahr 1891 wiederbegründet) und als Abgeordneter trat Liebknecht auch in seinem letzten Lebensjahrzehnt als Anhänger eines internationalistischen Marxismus auf. Aus dieser Haltung heraus kritisierte er vehement den von Preußen dominierten deutschen [[Militarismus]] im Allgemeinen, vor allem die unter Wilhelm II. forcierte [[Aufrüstung]] des Reiches im Verbund mit einer expansiven [[Außenpolitik]] – hierbei die Flottenpolitik des Kaisers im Besonderen: Liebknecht griff den Ausbau der [[Kaiserliche Marine|kaiserlichen Marine]] als ein sinnloses [[Prestige]]projekt des Monarchen an, das zudem eine [[Provokation]] für die vorherrschende [[Seemacht|See]]- und [[Weltmacht]] [[Vereinigtes Königreich von Großbritannien und Irland|Großbritannien]] darstellte, und aus der Sicht der damaligen SPD die Gefahr eines imperialistischen [[Weltkrieg]]es heraufbeschwor. Dementsprechend bekämpfte Liebknecht auch den sich seit Mitte der 1880er Jahre verstärkenden [[Kolonialismus]] bzw. [[Imperialismus]], und lehnte die Errichtung der von der Regierung [[Euphemismus|euphemistisch]] als „''Schutzgebiete''“ bezeichneten [[Deutsche Kolonien|deutschen Kolonien]], z.&nbsp;B. in [[Afrika]] und im [[Südpazifik]], ab. [[Datei:Tombstone Wilhelm Liebknecht.jpg|thumb|Fotografie des Grabmals von Wilhelm Liebknecht (September 2006) auf dem [[Zentralfriedhof Friedrichsfelde]] im Berliner [[Bezirk Lichtenberg]]]] [[Datei:Gedenktafel Adalbertstr 2 (Kreuz) Wilhelm Liebknecht.JPG|thumb|Gedenktafel für Liebknecht in Berlin-Kreuzberg]] 1896 wurde Liebknecht als 70-Jähriger wegen „Majestätsbeleidigung“ noch einmal zu einer 4-monatigen Haftstrafe verurteilt, die er im Berliner [[Justizvollzugsanstalt Plötzensee|Strafgefängnis Plötzensee]] absaß. Zum Ende seines Lebens wandte sich „''der Alte''“ (wie Liebknecht zu dieser Zeit von vielen SPD-Mitgliedern in anerkennendem Respekt vor seiner Lebensleistung genannt wurde) gegen die innerhalb der Partei aufkommenden reformistischen Tendenzen, die durch ein Thesenpapier Eduard Bernsteins die [[Revisionismus]]debatte ausgelöst hatten. Wilhelm Liebknecht starb am 7. August 1900 im Alter von 74 Jahren in [[Berlin-Charlottenburg]]. An seiner Beisetzung auf dem seitdem so bezeichneten „[[Sozialistenfriedhof]]“ im heutigen Berliner Stadtteil [[Berlin-Lichtenberg|Lichtenberg]] nahmen zwischen 120.000 und 150.000 Menschen am Trauerzug teil – zumeist Arbeiter und Anhänger der SPD. Noch mehr Trauernde säumten als Spalier des Zuges die Straßen Berlins. Liebknechts Beerdigung war der Hintergrund für die größte Massenversammlung in Berlin seit dem Tode Kaiser Wilhelms I. zwölf Jahre davor. Sie war eine Huldigung an den „''Soldaten der Revolution''“ (eine während des Leipziger Hochverratsprozesses geäußerte Selbstbezeichnung Liebknechts), als der er von vielen in Erinnerung an die Revolution von 1848/49 betrachtet wurde – und zugleich eine Demonstration für Liebknechts Hauptinhalte und Ziele: Frieden zwischen den Völkern und die Befreiung der Arbeiterklasse. Wilhelm Liebknecht gilt zusammen mit Ferdinand Lassalle und August Bebel als einer der bedeutendsten frühen Anführer der deutschen Sozialdemokratie mit auch internationalem Renommée. === Zitat „''Wissen ist Macht''“ === Der bis heute weit verbreitete Ausdruck „''Wissen ist Macht''“ war in Anlehnung an den englischen Philosophen des 16.&nbsp;Jahrhunderts, [[Francis Bacon]], ein Ausspruch Wilhelm Liebknechts vor einer Versammlung von Vertretern der Arbeiterbildungsvereine im Jahr 1872. Dabei hatte er im Rahmen eines Vortrags den prägnanten Satz „''Wissen ist Macht – Macht ist Wissen''“ als Titel eines längeren Referats verwendet. :Referatauszug: :„''Die Schule ist das mächtigste Mittel der Befreiung, und die Schule ist das mächtigste Mittel der Knechtung — je nach der Natur und dem Zweck des Staats. Im freien Staat ein Mittel der Befreiung, ist die Schule im unfreien Staat ein Mittel der Knechtung. ‚Bildung macht frei‘ — von dem unfreien Staat verlangen, daß er das Volk bilde, heißt ihm einen Selbstmord zumuthen. Der moderne Klassenstaat bedingt aber seinem Wesen nach die Unfreiheit. (...). Er kann freie Männer nicht brauchen, nur gehorsame Unterthanen; nicht Charaktere, nur Bedienten- und Sklavenseelen. Da ein ‚intelligenter‘ Bedienter und Sklave brauchbarer ist als ein unintelligenter — schon die Römer legten auf Sklaven, die etwas gelernt hatten, einen besonderen Werth und zahlten entsprechende Preise für sie —, sorgt der moderne Staat für eine gewisse Intelligenz, nämlich für Bedienten-Intelligenz, die das menschliche Werkzeug verfeinert und vervollkommnet, so daß sich besser mit ihm ‚arbeiten‘ läßt. So wird die Schule zur Dressuranstalt statt zur Bildungsanstalt. Statt Menschen zu erziehen, erzieht sie Rekruten, die auf's Kommando in die Kaserne, diese Menschen-Maschinenfabrik, eilen; Steuerzahler, die sich nicht mucksen, wird ihnen das Fell über die Ohren gezogen; Lohnsklaven des Kapitals, die es in der Ordnung finden, daß ihnen das Mark aus den Knochen gesogen wird.''“ :(Belegstelle: Wilhelm Liebknecht: ''Wissen ist Macht – Macht ist Wissen.'') <ref>Festrede, gehalten zum Stiftungsfest des Dresdener Bildungs-Vereins am 5. Februar 1872. Neuauflage Berlin 1904 S. 24-25</ref> Diese Worte – und mit ihnen einhergehend die Kritik an der Schulpolitik des Kaiserreichs – stehen stellvertretend für ein weiteres wesentliches Anliegen Liebknechts, die Bildungsarbeit in einem [[Emanzipation|emanzipatorischen]] Sinn; insbesondere für die weniger privilegierten Schichten der Bevölkerung: Mittellose, Arbeiter, deren Frauen und Kinder. Er setzte sich über sein gesamtes politisches Schaffen hinweg für die Chancengleichheit in der [[Bildungspolitik]] ein, in der Wissen unabhängig von staatlichen Herrschaftsinteressen frei und für jeden ohne finanziellen Aufwand zugänglich gemacht werden sollte. Das Zitat ''Wissen ist Macht'' findet sich auch auf einer Gedenktafel an Liebknechts Geburtshaus in Gießen, nachdem dessen ursprünglich vorgesehene Parole ''Agitieren, organisieren, studieren'' beim derzeitigen Mieter, dem [[Hessischer Rundfunk|Hessischen Rundfunk]], der dort eine regionale Zweigstelle hat, keine Zustimmung gefunden hatte. == Werke Wilhelm Liebknechts (Auswahl) == *''Die politische Stellung der Socialdemokratie''. Leipzig (1869) *''Zu Trutz und Schutz''. Leipzig (1871) *''Wissen ist Macht – Macht ist Wissen''. Leipzig (1872) *''Was die Socialdemokraten sind und was sie wollen''. (1877) *''Zur orientalischen Frage oder soll Europa kosakisch werden?'' Leipzig (1878) *''Die Emser Depesche oder wie Kriege gemacht werden''. Nürnberg (7. A. 1899) *''Zur Grund- und Bodenfrage''. Leipzig (1876) *''Volks-Fremdwörterbuch''. Leipzig (1874) *''Robert Blum und seine Zeit''. Nürnberg (2. A. 1890) *''Ein Blick in die neue Welt''. Stuttgart (1887) *''Geschichte der Französischen Revolution''. Dresden (1890) *''Robert Owen''. Dresden (1892) *''Karl Marx zum Gedächtnis''. Nürnberg (1896) *''Kein Kompromiß – Kein Wahlbündnis'' (1899) == Nachgeschichte; inhaltlicher Wandel und Spaltung der SPD, Rolle von Liebknechts Söhnen Karl und Theodor (1900–1920er Jahre) == Nach Wilhelm Liebknechts Tod verstärkte sich in der SPD ein inhaltlicher Wandlungsprozess, der schon zum Ende seines Lebens in der von Eduard Bernstein ausgelösten Revisionismusdebatte begonnen hatte. Unter der fortgesetzten Parteiführung von August Bebel und [[Paul Singer (Politiker)|Paul Singer]] (gestorben 1911; abgelöst von [[Hugo Haase]]) wurde die SPD nach den Reichstagswahlen 1912 mit 34,8 % und 110 Abgeordnetenmandaten zur stärksten Fraktion im deutschen Reichstag. Bebel konnte noch ausgleichend auf die verschiedenen Parteiflügel wirken. Als nach Bebels Tod 1913 [[Friedrich Ebert]] neben Hugo Haase die Parteiführung übernahm, setzte sich, verstärkt durch den Beginn des Ersten Weltkrieges und die kriegsbilligende [[Burgfriede]]nspolitik der SPD unter Federführung Eberts, ab August 1914 die [[Reformismus|reformistische]] Fraktion gegen den revolutionär-marxistischen Flügel um dessen Protagonisten Karl Liebknecht, [[Rosa Luxemburg]], [[Clara Zetkin]] und andere durch. Diese Entwicklung führte, nachdem auf der übernationalen Ebene die von Wilhelm Liebknecht mitbegründete [[zweite Internationale]] zerfallen war, während des Krieges zur Spaltung der SPD in [[MSPD]] und [[USPD]]; – eine Spaltung, die nach der [[Novemberrevolution]] 1918, noch kurz vor der Konstituierung der [[Weimarer Republik]], unumkehrbar wurde. [[Datei:Karl Liebknecht.jpg|thumb|Karl Liebknecht]] Karl Liebknecht, ein Sohn Wilhelm Liebknechts, seit 1912 SPD-Reichstagsabgeordneter, war von Anfang an einer der wenigen radikalen Gegner des Ersten Weltkrieges im Parlament des Kaiserreichs, und stimmte – zunächst als einziges Mitglied des Reichstags – ab Dezember 1914 gegen die Kriegskredite, nachdem er der ersten Abstimmung darüber aus Gründen der Parteiraison ferngeblieben war. Aufgrund dieser Haltung wurde er 1916 aus der Partei ausgeschlossen. Sein öffentlicher Auftritt bei einer Rede im Rahmen einer verbotenen Antikriegsdemonstration im selben Jahr führte zu einer Anklage wegen Hochverrat und zu seiner Inhaftierung bis Oktober 1918. Am 9. November 1918, als die Novemberrevolution Berlin erreicht hatte, rief er nach [[Philipp Scheidemann]]s (SPD) Ausrufung der pluralistisch-parlamentarisch gedachten „deutschen Republik“ eine als [[Räterepublik]] gemeinte „freie sozialistische Republik“ aus, die jedoch nicht durchsetzbar war. Zum Jahreswechsel 1918/1919 gehörte Karl Liebknecht als einer der Anführer des linksrevolutionären [[Spartakusbund]]es zu den Mitbegründern der KPD. Sowohl bei der Parteispitze der nunmehr regierenden reformorientierten, bzw. – unter dem Blickwinkel der Linken – der ''„revisionistischen“'' SPD als auch bei den republikfeindlichen [[Militär]]s verhasst, wurde Karl Liebknecht wie auch Rosa Luxemburg unmittelbar nach der Niederschlagung des vom 6. bis 12. Januar 1919 währenden [[Spartakusaufstand]]s am 15. Januar 1919 in Berlin von rechtsnationalistischen [[Freikorps]] unter dem Kommando [[Waldemar Pabst]]s und der politischen Verantwortung des SPD-[[Reichswehrministerium|Reichswehrminister]]s [[Gustav Noske]] ermordet. Wilhelm Liebknechts Sohn Theodor stieg nach der Ermordung seines ein Jahr jüngeren Bruders als Mitglied der USPD in die Parteipolitik ein. Er wurde 1924 Vorsitzender der USPD, die nach 1922 nur noch eine [[Splitterpartei]] war, zerrieben zwischen der SPD und der KPD, und die 1931 in der neu gegründeten, ebenfalls marginalisierten neuen [[Sozialistische Arbeiterpartei Deutschlands (1931)|Sozialistischen Arbeiterpartei Deutschlands]] (SAPD) aufging. == Siehe auch == * [[Geschichte der deutschen Sozialdemokratie]] == Anmerkungen / Einzelnachweise == <references/> == Literatur == Chronologisch nach Erscheinungsdatum: *[[Kurt Eisner]]: ''Wilhelm Liebknecht. Sein Leben und Wirken.'' Berlin, 1900 * [[Paul Kampffmeyer]]: ''Wilhelm Liebknecht, der Soldat der Revolution''. Verlag J.H.W. Dietz, Weimar 1926 *Karl-Heinz Leidigkeit: ''Wilhelm Liebknecht und August Bebel in der deutschen Arbeiterbewegung 1862–1869.'' Verlag Rütten & Loenig, 1957, 385 Seiten *Vadim Tschubinski: ''Wilhelm Liebknecht.'' Deutsche Übersetzung der Biografie aus dem Russischen bei Dietz Verlag Berlin, 1973 * F. W. Weitershaus: ''Wilhelm Liebknecht. Eine Biographie.'' Band 61 der ''Mitteilungen des Oberhessischen Geschichtsvereins.'' 1976 * Wolfgang Schröder: ''Ernestine. Vom ungewöhnlichen Leben der ersten Frau Wilhelm Liebknechts.'' 1987 *[[Bernd Faulenbach]]: ''Die Reichsgründung – Erfüllung der Wünsche der Nation oder Sieg des Fürsten über die Nation? [[Heinrich von Sybel]] und Wilhelm Liebknecht 1870/71.'' In: Dirk Bockermann u.&nbsp;a. (Hrsg.): ''Freiheit gestalten. Zum Demokratieverständnis des deutschen Protestantismus.'' Göttingen 1996, S. 97–106. * Werner Wendorff: ''Schule und Bildung in der Politik von Wilhelm Liebknecht.'' Wissenschaftlicher Verlag Spiess, Berlin, 1998 *[[Dieter Dowe]]: ''Agitieren, organisieren, studieren! – Wilhelm Liebknecht und die frühe deutsche Sozialdemokratie – Vortrag anlässlich der Gedenkveranstaltung der Stadt Gießen und des oberhessischen Geschichtsvereins zum 100. Todestag von Wilhelm Liebknecht.'' Veröffentlichung der Friedrich Ebert-Stiftung, 2000, 31 Seiten – ISBN 3-86077-942-7 * Wolfgang Beutin (Herausgeber): ''Eine Gesellschaft der Freiheit, der Gleichheit, der Brüderlichkeit – Beiträge der Tagung zum 100.Todestag Wilhelm Liebknechts am 21. und 22. Oktober 2000 in Kiel.'' Verlag Lang, Frankfurt am Main, 229 Seiten – ISBN 3-631-37711-8 * Ewald Grothe: ''Die Ahnen des politischen Widerstands. Zu Wilhelm Liebknechts Vor- und Leitbildern.'' In: Georg Büchner Jahrbuch 10 (2000-04), S. 261-267. == Spielfilm == * „''[[Die Unbesiegbaren]]''“; DDR 1953, 102&nbsp;Minuten, Regie: [[Arthur Pohl]], mit [[Erwin Geschonneck]] in der Rolle Wilhelm Liebknechts (Spielfilm über die Entwicklung der Sozialdemokratie Ende der 1880er/Anfang der 1890er Jahre vor dem Hintergrund der fiktiven Geschichte eines Schlossers, der sich der SPD anschließt) == Weblinks == {{Wikiquote|Wilhelm Liebknecht}} {{Commons}} ;Literatur/Texte Wilhelm Liebknechts * {{DNB-Portal|118572768}} {{BAM|Wilhelm|Liebknecht}} * [http://www.marxists.org/deutsch/archiv/liebknechtw/1875/01/landsturm.htm Rede Liebknechts „zum Landsturm(gesetz)“ von 1875 im Reichstag – Abschrift des stenografischen Protokolls mit den Reaktionen des Reichstagspräsidenten und des Plenums] * [http://www.marxists.org/deutsch/archiv/liebknechtw/1899/keinkomp/index.htm Text Wilhelm Liebknechts: „''Kein Kompromiß – Kein Wahlbündnis''“ aus dem Jahr 1899 – wird bisweilen auch als das politische Testament Liebknechts bezeichnet; ein Beitrag zur Auseinandersetzung mit der Revisionismusdebatte, ausgelöst durch Eduard Bernstein] * [http://www.marxists.org/deutsch/archiv/liebknechtw/index.htm Links zu weiteren Texten W. Liebknechts auf marxists.org/deutsch] * [http://www.marxists.org/archive/liebknecht-w/index.htm W. Liebknecht Archive] (englisch) im [[Marxists Internet Archive]] ;Biografien und Nachrufe {{LeMO|LiebknechtWilhelm|Wilhelm Liebknecht|Andreas Michaelis}} * {{NDB|14|503|504|Liebknecht, Wilhelm|Hermann Weber}} * [http://berlin.spd.de/servlet/PB/menu/1006694/ Biografie Wilhelm Liebknechts im historischen Biografieportal der Berliner SPD] * [http://www.sozialistenfriedhof.de/wilhelmliebknecht.html Biografie mit weiteren Fotos bei www.sozialistenfriedhof.de] * [http://www.preussen-chronik.de/person.jsp?key=Person_Wilhelm_Liebknecht Kurzbiografie bei Preussen-chronik.de] * [http://www.uni-marburg.de/profil/Geschichte/Viten/liebknecht1 Ulrich Thimm: ''Wilhelm Liebknecht - Marburgs berühmtester Studienabbrecher und Gründer der SPD'' (Über die Studienjahre Wilhelm Liebknechts in: Marburger UniJournal Nr. 6, Juni 2000)] * [http://194.245.102.188/VS_S-H/Liebknecht-Tagung/Zu_Liebknecht/hauptteil_zu_liebknecht.html zusätzliche biografische Anmerkungen, unter anderem zur Herkunft Liebknechts und seinen Ehen] * [http://biosop.zhsf.uni-koeln.de/biosop_db/biosop_db.php Wilhelm Heinz Schröder: Sozialdemokratische Parlamentarier in den deutschen Reichs- und Landtagen 1867-1933] (der genaue Datensatz muss mit der Suchfunktion - oder alphabetische Liste unter L - ermittelt werden) * [http://web.archive.org/web/20070510041430/http://www.marxistische-bibliothek.de/duncker53.html Hermann Duncker (KPD): „''Der Soldat der Revolution – Zum 25. Todestag von Wilhelm Liebknecht''“ (aus: „Die Rote Fahne“ vom 7. August 1925)] *[http://library.fes.de/cgi-bin/somo_mktiff.pl?year=1926&pdfs=1926_0135x1926_0136x1926_0137x1926_0138x1926_0139&verz=1926/1926-03-08 Paul Kampffmeyer: ''Zum 100. Geburtstag Wilhelm Liebknechts''] (PDF-Digitalisat), veröffentlicht in ''[[Sozialistische Monatshefte]]'', 8. März 1926. {{Exzellent}} {{Normdaten|PND=118572768|LCCN=n/50/50138|VIAF=27081024}} {{DEFAULTSORT:Liebknecht, Wilhelm}} [[Kategorie:Revolutionär 1848]] [[Kategorie:Person (Bund der Kommunisten)]] [[Kategorie:Politiker (Deutsches Reich)]] [[Kategorie:SPD-Mitglied]] [[Kategorie:Reichstagsabgeordneter (Norddeutscher Bund)]] [[Kategorie:Reichstagsabgeordneter (Deutsches Kaiserreich)]] [[Kategorie:Mitglied der zweiten Kammer der Ständeversammlung des Königreichs Sachsen]] [[Kategorie:Publizist]] [[Kategorie:Corpsstudent (19. Jahrhundert)]] [[Kategorie:Marxistischer Theoretiker]] [[Kategorie:Person (Internationale Arbeiterassoziation)]] [[Kategorie:Deutscher]] [[Kategorie:Geboren 1826]] [[Kategorie:Gestorben 1900]] [[Kategorie:Mann]] {{Personendaten |NAME=Liebknecht, Wilhelm |ALTERNATIVNAMEN= |KURZBESCHREIBUNG=Mitbegründer der SPD, Reichstagsabgeordneter |GEBURTSDATUM=29. März 1826 |GEBURTSORT=[[Gießen]] |STERBEDATUM=7. August 1900 |STERBEORT=[[Berlin]] }} [[ca:Wilhelm Liebknecht]] [[en:Wilhelm Liebknecht]] [[eo:Wilhelm Liebknecht]] [[es:Wilhelm Liebknecht]] [[eu:Wilhelm Liebknecht]] [[fa:ویلهلم لیبکنشت]] [[fr:Wilhelm Liebknecht]] [[he:וילהלם ליבקנכט]] [[hr:Wilhelm Liebknecht]] [[hu:Wilhelm Liebknecht]] [[it:Wilhelm Liebknecht]] [[ja:ヴィルヘルム・リープクネヒト]] [[lt:Wilhelm Liebknecht]] [[lv:Vilhelms Lībknehts]] [[ne:भिल्हेल्म लिबक्नेख्त]] [[nl:Wilhelm Liebknecht]] [[no:Wilhelm Liebknecht]] [[nn:Wilhelm Liebknecht]] [[pl:Wilhelm Liebknecht]] [[pt:Wilhelm Liebknecht]] [[ru:Либкнехт, Вильгельм]] [[sv:Wilhelm Liebknecht]] [[tr:Wilhelm Liebknecht]] [[zh:威廉·李卜克内西]] 3bcz61sgci0k6icwakywtys8vay6eua wikitext text/x-wiki Ligue 1 0 23839 26434 2010-05-03T16:48:11Z Wahrerwattwurm 0 /* Die französische Liga als Magnet für ausländische Spieler */ erg. {| border="1" align="center" cellpadding="4" cellspacing="2" style="float: right; margin: 0 0 1em 1em; width: 25em; background: ivory; font-size: 70%; border: 1px #aaaaaa solid; border-collapse: collapse; clear:center;" |- style="background:beige;" ! colspan="2" style="text-align: center; font-size: larger;" | Ligue 1 |- style="background:#ffffff;" | colspan="2" style="text-align: center;" | [[Datei:Ligue 1 (2008).svg|120px|Logo der Ligue 1]] <!--|- | align="center" valign="middle" | Verband | align="center" | --> |- style="background:lemonchiffon;" | align="center" valign="middle" | Erstaustragung | align="center" | 1932/33 |- | align="center" valign="middle" | Mannschaften | align="center" | 20 Teams |- style="background:lemonchiffon;" | align="center" valign="middle" | Aktueller Meister | align="center" | [[Girondins Bordeaux]] |- | align="center" valign="middle" | Rekordmeister | align="center" | [[AS Saint-Étienne]] (10) |- style="background:lemonchiffon;" | align="center" valign="middle" | Rekordspieler | align="center" | [[Jean-Luc Ettori]] (602) |- | align="center" valign="middle" | Rekordtorschütze | align="center" | [[Delio Onnis]] (299) |- style="background:lemonchiffon;" | align="center" valign="middle" | Internetseite | align="center" | [http://www.lfp.fr/indexSite.asp lfp.fr] |- style="background:beige;" | align="right" colspan="2" | ↓ [[Ligue 2]] (II) |} [[Datei:Football-PSG-Caen.jpg|thumb|<center>Ligue-1-Atmosphäre im Prinzenparkstadion bei einem Spiel Paris SG gegen SM Caen im Jahr 2004</center>]]Die '''Ligue 1''' {{IPA|[liːg œ̃]}} ist die höchste Spielklasse im [[Fußball in Frankreich|französischen Männerfußball]]; von [[1932]] bis 2002 hieß sie ''Division&nbsp;1'' oder ''Première Division'' (D1). Sie war von Anbeginn an eine [[Profi]]liga. Es gab zwar schon seit 1894 französische Meisterschaften, aber erst seit 1932 zählt der Gewinn der [[Französischer Fußballmeister|Meisterschaft ''(Championnat de France)'']] als offizieller Titel. In einem Land, in dem diese Sportart in der Publikumsgunst noch bis in das letzte Drittel des 20. Jahrhunderts hinter [[Radsport]], [[Boule (Spiel)|Boule]] und [[Rugby]] zurückstand, hat der professionelle [[Fußball]]spielbetrieb lange gebraucht, bis er um die Jahrtausendwende zu den fünf stärksten Ligen Europas gerechnet werden konnte. Der Spitzenfußball in Frankreich ist heute sehr viel globalisierter und damit verwechselbarer, hat dabei aber immer noch einige sehr „französische“ Eigenheiten bewahrt ''(siehe [[#Die Ligue 1 im Vergleich mit den vier „großen“ europäischen Ligen|unten]])''. Zu dieser Entwicklung haben sowohl außerfranzösische als auch landesspezifische Rahmenbedingungen, Organisationsformen und Strukturen beigetragen, die in der bisher rund 75-jährigen Ligageschichte das Gesicht des französischen Fußballs –&nbsp;weit über seine drei „großen Namen“ [[Raymond Kopa|Kopa]], [[Michel Platini|Platini]] und [[Zinédine Zidane|Zidane]] und erste, inselhafte Erfolge (Ende der [[1950er]] und in den [[1980er]] Jahren) hinaus&nbsp;– geprägt haben und die hier ''en detail'' dargestellt werden. <small>'''Hinweis:''' Zahlreiche französische Vereine haben in diesem Zeitraum ihren Namen geändert; hier wird stets die zum Zeitpunkt ihrer Erwähnung jeweils gültige Bezeichnung verwendet.</small> == Vorgeschichte == === Der späte Beginn: Ursachen === Von den ersten Landesmeisterschaften (1894, noch auf [[Paris]] beschränkt) bis zur Bildung einer das ganze Land umfassenden, einheitlichen Spielklasse vergingen knapp vier Jahrzehnte, in denen gleichwohl bereits Meisterschaften und Pokalwettbewerbe ausgetragen wurden. Für diese –&nbsp;jedenfalls im Vergleich zum [[Fußball in England|„Fußballmutterland“ England]]&nbsp;– lange Anlaufzeit gibt es eine Reihe von Ursachen, die teilweise typisch für die [[Geschichte des Fußballs|Frühgeschichte des Fußballs]] in ganz Europa sind, teilweise aber auch mit spezifisch französischen Bedingungen zusammenhängen. Ein wesentlicher Grund lag in der Verbandsvielfalt (oder, negativ ausgedrückt, in der organisatorischen Zerrissenheit) des französischen Sportes bis nach dem [[Erster Weltkrieg|Ersten Weltkrieg]]: ein einheitlicher Verband, die [[Union des Sociétés Françaises de Sports Athlétiques]] (USFSA), existierte nur von 1887 bis 1905; zwischen 1905 und 1919 gab es hingegen bis zu fünf konkurrierende Verbände, in denen Fußballvereine organisiert waren und ihre jeweiligen Meister ermittelten (Genaueres [[Fußball in Frankreich#Verbandsvielfalt statt -einheit|hier]]). Zwar schufen diese 1908 einen gemeinsamen Dachverband (''Comité Français Interfédéral'', CFI), dem aber erst 1913 alle Organisationen des Fußballsports beigetreten waren; und schon 1914 unterbrach die ''[[Erster Weltkrieg|Grande Guerre]]'' für mehr als vier Jahre alle Einigungsbestrebungen, ehe diese Bemühungen 1919 zur Gründung der [[Fédération Française de Football|Fédération Française de Football Association]] (FFFA, später nur noch FFF) führten. Damit war der Weg zu einer landesweiten, professionellen Liga aber noch keineswegs frei, denn der CFI hatte mit dem Verlag ''[[Hachette Livre|Édition Hachette]]'' eine Abmachung getroffen, die dies zunächst verhinderte: Hachette sponserte den 1917/18 ins Leben gerufenen [[Französischer Fußballpokal|Landespokalwettbewerb]], die ''Coupe de France'', mit jährlich 5.000&nbsp;[[Französischer Franc|Francs]] und hatte sich im Gegenzug dafür das Recht zusichern lassen, dass bis 1928 kein anderer landesweiter Wettbewerb ausgetragen werden dürfe. Zudem verzögerte sich der Start der Liga in den Jahren danach auch aufgrund der Auswirkungen der [[Weltwirtschaftskrise]] und wegen der Auseinandersetzungen zwischen Befürwortern und Gegnern einer Professionalisierung des Sportes. === Entstehung eines verkappten Professionalismus === Professionalisierung im Fußball war in Frankreich kein gänzlich neues Thema.<ref>Zaghafte Anfänge eines professionellen Spielbetriebs hatte es bereits vor 1900 gegeben (beispielsweise führte die ''Union des Sports de France'' 1897–1899 eine Meisterschaft für Berufsspieler durch), wenn auch nur mit wenigen Vereinen und für kurze Dauer; die Abspaltung der ''Ligue de Football Association'' von der ''Union des Sociétés Françaises des Sports Athlétiques'' (1910) beruhte ebenfalls wesentlich auf Meinungsunterschieden über die Frage der Bezahlung von Spielern. Diese Thematik ist insgesamt allerdings bisher noch nicht systematisch aufgearbeitet.</ref> So erhielt Frankreichs Nationaltorwart [[Pierre Chayriguès]], wie er Ende der 1920er selbst bekannte, 1911 für seinen Wechsel zu Red Star Paris 500&nbsp;[[Französischer Franc|Francs]] und verdiente anschließend ein monatliches Fixum von 400&nbsp;FF zuzüglich Siegprämien von jeweils 50&nbsp;FF. Nach Länderspielen holte er sich regelmäßig einen vierstelligen Betrag aus der FFFA-Geschäftsstelle ab, den der Verband –&nbsp;dessen Präsident [[Jules Rimet]] erklärter Verfechter des Amateurgedankens war&nbsp;– als „Reisespesen“, „Verdienstausfallerstattung“ oder „Arzneikosten“ deklarierte. Deswegen konnte Chayriguès es sich erlauben, 1913 ein lukratives Angebot von [[Tottenham Hotspur]] (die Rede war von 25.000&nbsp;FF), in [[Fußball in England|England]] zu spielen, auszuschlagen.<ref>Wahl/Lanfranchi, S.&nbsp;20 und&nbsp;34/35</ref> Virulent wurde die Thematik aber erst nach dem Ersten Weltkrieg, weil ab 1919 die FFFA eine Vereinheitlichung zugunsten des Amateurismus durchzusetzen vermochte, während bis 1914/18 die Verbände unterschiedlich „großzügig“ mit dieser Frage umgegangen waren. Bei etlichen Vereinen kam es daraufhin zu verschiedenen Formen eines heimlichen Berufsspielertums, wie sie auch in Deutschland vor Einführung der Bundesliga existierten. Manche Klubs wurden durch örtliche Unternehmen unterstützt, die sich einen Betriebssportverein hielten und dadurch Arbeitsplätze oder direkte Zahlungen bieten konnten (wie etwa der Automobilhersteller [[Peugeot]] in [[Sochaux]], die Einzelhandelskette [[Casino (Handelskonzern)|Casino]] in [[Saint-Étienne]] oder die Sektkellerei [[Pommery & Greno]] in [[Reims]]). Andere Vereine lockten umworbene Spieler mit der Existenzsicherung durch Übernahme eines kleinen Geschäfts: was früher in Deutschland die Lotto-Toto-Annahmestelle war, war in Frankreich oft ein ''[[Bar-Tabac]]''.<ref>Wahl/Lanfranchi, S.&nbsp;154ff.</ref> Einzelne populäre Spieler vermarkteten auch schon frühzeitig ihren Ruhm; so warben die Nationalspieler [[Eugène Maës]] und [[Henri Bard]] für Fußballstiefel, die ihren Namen trugen. Bei einigen Klubs waren Zahlungen an Spieler in den 1920ern ein offenes Geheimnis. Zu [[Olympique Marseille]] beispielsweise kamen Saison für Saison französische und ausländische Nationalspieler keineswegs nur wegen des angenehmen [[Mittelmeerklima|mediterranen Klimas]]; bei [[Red Star Paris]] spielten nach 1924 zwei Spieler, die kurz zuvor mit Uruguay Olympiasieger geworden waren; [[Montpellier HSC|Sports Olympiques Montpelliérains]] hatte 1929 vier namhafte Spieler aus der Schweiz und Jugoslawien in seinen Reihen; der [[FC Sète 34|FC Sète]] ergänzte 1930 das „Ausländerkontingent“ in seinem Kader (drei Briten und ein Jugoslawe) um einen Ungarn, einen Algerier und einen weiteren serbischen Nationalspieler&nbsp;… Der Nachweis dieses verkappten Professionalismus, den die Franzosen ''l'amateurisme marron'' (etwa mit „trickreicher Amateurismus“ zu übersetzen) nennen, fiel der FFFA jedoch schwer: so schloss sie 1923 den FC Cette (heute Sète) aus dem [[Französischer Fußballpokalsieger|Pokalwettbewerb]] aus, weil dessen Schweizer Spieler Georges Kramer noch kein halbes Jahr in Frankreich ansässig war – doch ein anderes Verbandsgremium entschied Monate später mit einer Stimme Mehrheit, dies rechtfertige nicht die harte Strafe (weshalb Sète sogar die verpassten Pokalrunden nachholen durfte; Genaueres siehe [[Coupe de France 1922/23|hier]]). Zwangsläufig gehörte Sètes langjähriger Präsident [[Georges Bayrou]] zu den hartnäckigsten Befürwortern der Einführung eines offiziellen Berufsspielertums, für das er in der Presse und auf allen Verbandsebenen immer wieder warb. Wenn also die FFFA die Bezahlung von Spielern schon nicht verhindern konnte, so musste ihr Interesse darin bestehen, diese Entwicklung in geordnete Bahnen zu lenken und dadurch zu kontrollieren. Der französische Verband hat sich dann –&nbsp;anders als beispielsweise der [[Deutscher Fußballbund|Deutsche Fußballbund]], der sich 1929/30 („Fall Schalke“, Gründung des Deutschen Professional-Fußballbundes) ebenfalls massiv mit diesem [[Schisma]] auseinandersetzen musste&nbsp;– relativ zügig für einen offensiven Umgang mit dem Scheinamateurismus entschieden. === Die „Coupe Sochaux“ === Ausgerechnet der erst kurz vorher gegründete [[FC Sochaux]] leistete entscheidende Schrittmacherdienste für die Einführung eines landesweiten Ligabetriebes: 1930 stiftete der Vereinssponsor mit Genehmigung der FFF einen Pokal, die ''Coupe Sochaux'', und lud zu diesem weitgehend im Ligamodus<ref>1930/31 in zwei Vierergruppen (mit [[Turnierform#Rundenturnier|Heim- und Auswärtsspielen]]) mit anschließendem Finale der Gruppensieger, 1931/32 in vier Fünfergruppen (erneut jeder gegen jeden) mit nachfolgenden Halbfinal- und Endspielen im [[Turnierform#K.o.-System|K.o.-Modus]].</ref> ausgetragenen Wettbewerb neben dem FC Sochaux die sieben vermeintlich stärksten Mannschaften ein: je zwei aus dem Norden ([[OSC Lille|Lille Olympique]], [[RC Roubaix]]), dem Süden ([[Olympique Marseille]], [[FC Sète 34|FC Sète]]) und Paris ([[Red Star Paris|Red Star]], [[Club Français Paris|Club Français]]) sowie eine aus dem Osten ([[FC Mulhouse]]). Dieser Wettbewerb endete 1931 mit dem 6:1-Endspielsieg des Ausrichters gegen Lille. Im Jahr darauf (1931/32) wurde der Wettbewerb wiederholt, diesmal bereits mit 20 Teilnehmern (Sieger: FC Mulhouse, 4:2 gegen [[Stade Français (Fußball)|Stade Français Paris]]), und das öffentliche Echo verdeutlichte das große Interesse an einer höchsten nationalen Spielklasse. === Die „Stunde Null“ === Am [[16. Januar]] [[1932]] beschloss eine zwölf Monate vorher eigens dafür von der FFF eingesetzte Kommission unter [[Jean Bernard-Lévy]] die endgültigen Modalitäten des zukünftigen Berufsfußballs in Frankreich. Verabschiedet wurde u.&nbsp;a. auch ein Profispielerstatut, nach dem die Spieler mit monatlich höchstens 2.000 [[Französischer Franc|alten Francs]] entlohnt werden durften. Außerdem wurden zwei Aufsichtsgremien geschaffen: Das eine war für Spieler- und Vertragsfragen zuständig; ihm stand der ehemalige Nationalspieler und Journalist [[Gabriel Hanot]] vor. Das zweite ''(Groupement des Clubs Professionnels)'' befasste sich unter dem späteren Verbandspräsidenten (ab 1949) [[Emmanuel Gambardella]] mit Ligabetrieb und Meisterschaft; in ihm waren auch mehrere Vereinsvertreter stimmberechtigt. == Die ersten Jahre (1932–1939) == {| align="right" bgcolor="#f7f8ff" cellpadding="3" cellspacing="0" border="1" style="text-align: center; width:190px; font-size: 95%; border: gray solid 1px; border-collapse: collapse; margin: 0 0 1em 1em;" |- bgcolor="#CCCCCC" | '''Meister'''<br /><small>(in Klammern: Zahl der Titel)</small> |----- align="left" bgcolor="#EFEFEF" |1932/33: Olympique Lille<br />1933/34: FC Sète<br />1934/35: FC Sochaux<br />1935/36: Racing Paris<br />1936/37: Olympique Marseille<br />1937/38: FC Sochaux <sup>(2.)</sup><br />1938/39: FC Sète <sup>(2.)</sup> |} Mit der Spielzeit 1932/33 (exakt am 11. September 1932) begann in [[Frankreich]] der professionelle Spielbetrieb. Dazu mussten –&nbsp;und müssen sich bis heute&nbsp;– die teilnehmenden Klubs ein Profistatut geben. 20 Vereine erhielten 1932 die Zulassung für diese erste Spielzeit und gelten somit als die Gründungsmitglieder der Liga. Sie wurden in zwei Spielstaffeln eingeteilt, aber nicht nach regionalen Gesichtspunkten, sondern in jeder Gruppe spielten Vereine aus dem gesamten Staatsgebiet. Der Gruppe A wurden zugeordnet: [[FC Hyères]], [[OSC Lille|Olympique Lillois]], [[Olympique Marseille]], [[FC Mulhouse]], [[Nîmes Olympique|SC Nîmes]], [[OGC Nizza]], [[Excelsior AC Roubaix]], [[FC Sète 34|FC Sète]] sowie aus Paris [[RC Paris|Racing Club]] und [[Club Français Paris|Club Français]].<br />In Gruppe B spielten: [[Alès Olympique|Olympique Alésien]], [[Olympique Antibes]], [[AS Cannes]], [[SC Fives|SC Fivois]], [[FC Metz]], [[Montpellier HSC|Sports Olympiques Montpelliérains]], [[Stade Rennes|Stade Rennais UC]], [[FC Sochaux|FC Sochaux-Montbéliard]] und aus Paris [[Red Star Paris|Red Star Olympique]] sowie [[CA Paris|Cercle Athlétique]]. Die beiden Gruppensieger (Lille Olympique und Olympique Antibes) sollten in einem Endspiel den ersten französischen Meister ermitteln – das allerdings gewann Lille gegen die AS Cannes, den Zweiten der Gruppe B, weil Antibes der Bestechung eines Gegners überführt und auf Platz Zwei zurückgestuft wurde. Am Ende der ersten Saison stiegen gleich sechs Klubs ab (Club Français, Red Star, Hyères, Metz, Mulhouse und Alès), keiner kam neu hinzu – die D1 wurde vorübergehend auf 14 Mannschaften verkleinert und fortan nur noch in einer Gruppe ausgespielt. In den [[Zweiter Weltkrieg|Vorkriegsspielzeiten]] bis 1938/39 litt der Ligabetrieb zunächst unter manchen „Kinderkrankheiten“. Der Spielmodus wurde häufig verändert ''(siehe [[Ligue 1#Meisterschaftsmodus im Wandel|unten]])'', 1933 eine zweite und 1936 eine dritte, allerdings nicht professionelle Liga eingeführt. Neun Vereine übernahmen sich wirtschaftlich und mussten nach kurzer Zeit den Berufsfußball zumindest vorübergehend wieder aufgeben (1934 OGC Nizza, [[US Suisse Paris]], [[FC Lyon]]; 1935 [[US Tourcoing]], FC Hispano-Bastidien Bordeaux, SC Nîmes, Club Français, [[US Saint-Malo|US Saint-Servan-Saint-Malo]]; 1936 AS Villeurbanne). Andererseits erhöhte sich die Zahl der Profiklubs in D1 und D2 von 20 (1932/33) über 34 (1935/36) auf 37 (1938/39), und der französische Fußball zog Spieler aus vielen anderen Ländern an, was zweifellos seiner Qualität zugute kam: 1933/34 beispielsweise standen u. a. dreizehn Österreicher, zehn Engländer, sieben Ungarn, fünf Schotten und fünf Deutsche in Frankreichs Eliteklasse unter Vertrag – mit steigender Tendenz, was 1938 zur Beschränkung der Höchstzahl spielberechtigter Ausländer auf zwei pro Mannschaft führte ''(siehe auch [[Ligue 1#Die französische Liga als Magnet für ausländische Spieler|unten]])''. In dieser Zeit gab es noch keinen Verein, der die Liga eindeutig dominiert hätte; vielmehr teilten sich fünf Klubs die sieben Meistertitel: der [[FC Sochaux]] und der [[FC Sète 34|FC Sète]] waren je zweimal, [[Olympique Marseille]], [[OSC Lille|Lille Olympique]] und der [[RC Paris|Racing Club]] je einmal erfolgreich. == Die „Kriegsmeisterschaften“ == Von 1940 bis 1945 war Frankreich in weiten Teilen von der deutschen Wehrmacht [[Westfeldzug 1940|besetzt]], ein landesweiter, einheitlicher Spielbetrieb unter Profibedingungen auch aus anderen Gründen nicht möglich. So gab es zwar einen Ligabetrieb in zwei bzw. drei regionalen Gruppen, aber die Aufteilung des Landes in eine freie, eine besetzte und eine verbotene Zone ''(zone libre, zone occupée, zone interdite)'' ließ (außer 1945) keine Endspiele zu. Zudem versuchte die dem professionellen Sport ablehnend gegenüberstehende [[Vichy-Regime|Vichy-Regierung]], ihren bei Sportlern und Sportanhängern unpopulären Standpunkt in kleinen Schritten durchzusetzen: in der Saison 1941/42 setzte das ''Comité national des sports'' unter Leitung des Staatskommissars [[Joseph Pascot|Colonel Pascot]]<ref>Joseph Pascot (1897–1974), [[Rugby Union|Rugby]]-Nationalspieler und mit [[USA Perpignan]] französischer Meister (1921, 1925); von 1940 bis 1942 Sportdirektor in der mit Nazideutschland [[Kollaboration|kollaborierenden]] Regierung unter [[Philippe Pétain|Marschall Pétain]], dann bis Juli 1944 in der Nachfolge von [[Jean Borotra]] als Generalkommissar für Erziehung und Sport de facto Minister; 1945 auf fünf Jahre zum Entzug der bürgerlichen Ehrenrechte verurteilt, wurde diese Strafe kurz danach ausgesetzt.</ref> die Spieldauer von 90 auf 80 Minuten herab. Zwar wurde diese Entscheidung nach einem Jahr rückgängig gemacht, aber dafür musste 1942/43 jeder Profiverein mindestens vier Amateure einsetzen. 1943/44 spielten überhaupt keine Vereinsteams mehr um Meisterschaft und Pokal, sondern nur noch neu gebildete Regionalauswahlen, deren Spieler zu Staatsangestellten wurden. De facto bestanden diese ''Équipes Fédérales'' allerdings ganz überwiegend aus den Spielern eines oder höchstens zweier Klubs, und schon 1944/45 wurde auch dieser Versuch wieder aufgegeben. Dennoch dürften diese Experimente sich kontraproduktiv bezüglich einer Steigerung des Fußballsports in der Zuschauergunst ausgewirkt haben. Darum finden diese Kriegs-Spielzeiten in Frankreich in keinerlei (Spieler-, Mannschafts-, Titel-) Statistiken Berücksichtigung; hingegen wurde der [[Französischer Fußballpokalsieger|Landespokal]] weiterhin ausgetragen und auch in den Statistiken offiziell gewertet. Krieg, Besetzung und [[Résistance|Widerstand]] sorgten auch im professionellen Fußball für eine deutliche Zäsur. Für Spieler, Trainer und Funktionäre unterbrachen bzw. beendeten diese Jahre eine berufliche Karriere (vgl. etwa die Biografien von [[Jean Snella]], [[Roger Courtois]], [[Étienne Mattler]] und [[Larbi Ben Barek]]). Ebenso überstand mancher Traditionsverein, insbesondere aus der im Grenzgebiet zu Belgien gelegenen ''zone interdite'', die auch wirtschaftlich schwierigen Jahre nicht und war zur Fusion oder Auflösung gezwungen (wie beispielsweise der [[SC Fives|SC Fivois]], [[US Tourcoing]] und [[RC Roubaix]]). == Meisterschaften ab 1945 == Nach der Befreiung Frankreichs änderte sich die oben angesprochene relative Ausgewogenheit der ''Division&nbsp;1'' nachhaltig und es lassen sich bis in die Gegenwart vier Epochen definieren, die jeweils durch die Dominanz eines oder weniger Vereine geprägt sind. === 1945: Rückkehr zur Normalität === {| align="right" bgcolor="#f7f8ff" cellpadding="3" cellspacing="0" border="1" style="text-align: center; width:190px; font-size: 95%; border: gray solid 1px; border-collapse: collapse; margin: 0 0 1em 1em;" |- bgcolor="#CCCCCC" | '''Meister'''<br /><small>(in Klammern: Zahl der Titel)</small> |----- align="left" bgcolor="#EFEFEF" |1945/46: OSC Lille <sup>(2.)</sup><br />1946/47: CO Roubaix-Tourcoing<br />1947/48: Olympique Marseille <sup>(2.)</sup><br />1948/49: Stade Reims<br />1949/50: Girondins Bordeaux<br />1950/51: OGC Nizza<br />1951/52: OGC Nizza <sup>(2.)</sup><br />1952/53: Stade Reims <sup>(2.)</sup><br />1953/54: OSC Lille <sup>(3.)</sup><br />1954/55: Stade Reims <sup>(3.)</sup><br />1955/56: OGC Nizza <sup>(3.)</sup><br />1956/57: AS Saint-Étienne<br />1957/58: Stade Reims <sup>(4.)</sup><br />1958/59: OGC Nizza <sup>(4.)</sup><br />1959/60: Stade Reims <sup>(5.)</sup><br />1960/61: AS Monaco<br />1961/62: Stade Reims <sup>(6.)</sup><br />1962/63: AS Monaco <sup>(2.)</sup><br />1963/64: AS Saint-Étienne <sup>(2.)</sup><br />1964/65: FC Nantes<br />1965/66: FC Nantes <sup>(2.)</sup><br />1966/67: AS Saint-Étienne <sup>(3.)</sup><br />1967/68: AS Saint-Étienne <sup>(4.)</sup><br />1968/69: AS Saint-Étienne <sup>(5.)</sup><br />1969/70: AS Saint-Étienne <sup>(6.)</sup><br />1970/71: Olympique Marseille <sup>(3.)</sup><br />1971/72: Olympique Marseille <sup>(4.)</sup><br />1972/73: FC Nantes <sup>(3.)</sup><br />1973/74: AS Saint-Étienne <sup>(7.)</sup><br />1974/75: AS Saint-Étienne <sup>(8.)</sup><br />1975/76: AS Saint-Étienne <sup>(9.)</sup><br />1976/77: FC Nantes <sup>(4.)</sup><br />1977/78: AS Monaco <sup>(3.)</sup><br />1978/79: Racing Strasbourg<br />1979/80: FC Nantes <sup>(5.)</sup><br />1980/81: AS Saint-Étienne <sup>(10.)</sup><br />1981/82: AS Monaco <sup>(4.)</sup><br />1982/83: FC Nantes <sup>(6.)</sup><br />1983/84: Girondins Bordeaux <sup>(2.)</sup><br />1984/85: Girondins Bordeaux <sup>(3.)</sup><br />1985/86: Paris Saint-Germain<br />1986/87: Girondins Bordeaux <sup>(4.)</sup><br />1987/88: AS Monaco <sup>(5.)</sup><br />1988/89: Olympique Marseille <sup>(5.)</sup><br />1989/90: Olympique Marseille <sup>(6.)</sup><br />1990/91: Olympique Marseille <sup>(7.)</sup><br />1991/92: Olympique Marseille <sup>(8.)</sup><br />1992/93: ''kein Titel vergeben''<br />1993/94: Paris Saint-Germain <sup>(2.)</sup><br />1994/95: FC Nantes <sup>(7.)</sup><br />1995/96: AJ Auxerre<br />1996/97: AS Monaco <sup>(6.)</sup><br />1997/98: Racing Lens<br />1998/99: Girondins Bordeaux <sup>(5.)</sup><br />1999/2000: AS Monaco <sup>(7.)</sup><br />2000/01: FC Nantes <sup>(8.)</sup><br />2001/02: Olympique Lyon<br />2002/03: Olympique Lyon <sup>(2.)</sup><br />2003/04: Olympique Lyon <sup>(3.)</sup><br />[[Ligue 1 2004/05|2004/05]]: Olympique Lyon <sup>(4.)</sup><br />[[Ligue 1 2005/06|2005/06]]: Olympique Lyon <sup>(5.)</sup><br />[[Ligue 1 2006/07|2006/07]]: Olympique Lyon <sup>(6.)</sup><br />[[Ligue 1 2007/08|2007/08]]: Olympique Lyon <sup>(7.)</sup><br />[[Ligue 1 2008/09|2008/09]]: Girondins Bordeaux <sup>(6.)</sup> |} Fast so, als hätte es nur eine kurze Sommerpause zwischen dem Ende der letzten Vorkriegssaison und der Wiederaufnahme des regulären Ligabetriebes im August 1945 gegeben, entschied der Fußballverband, dass die besten 14 Erstligisten und die beiden Aufsteiger der Saison 1938/39 die neue ''Division&nbsp;1'' bilden sollten; diese wurde zudem auf 18 Teilnehmer aufgestockt, so dass sich Mannschaften Hoffnungen machen konnten, in diesen Kreis aufgenommen zu werden, die während der Kriegsmeisterschaften besonders erfolgreich abgeschnitten hatten. Weil der SC Fivois mit Lille Olympique-Iris Club fusionierte, gab es schließlich sogar drei freie Plätze, die an Girondins-AS du Port de Bordeaux, Lyon Olympique Universitaire und Stade de Reims fielen – alle drei waren bis dahin ohne Erstligaerfahrung. Ebenfalls neu war der CO Roubaix-Tourcoing, eine Fusion dreier Profiklubs, der den Platz von [[Excelsior AC Roubaix]] einnahm. === 1945–1963: Aus der Champagne nach Europa === Ausgerechnet zwei dieser Neulinge sorgten gleich zu Anfang für Furore: [[CO Roubaix-Tourcoing|CORT]] wurde 1946 Dritter und gewann 1947 die Meisterschaft. Anschließend beherrschte [[Stade Reims]] das fußballerische Oberhaus für fast zwei Jahrzehnte: sechsmal gewann der anfangs als „Provinzfußballer“ belächelte Verein aus der [[Champagne]] in dieser Zeit die Meisterschaft, wurde dazu dreimal Vizemeister und schloss in diesen 18 Jahren mit einer Ausnahme nie schlechter als auf Platz Vier ab. Dazu machten die Rot-Weißen auch in der ''Coupe de France'' (zwei Erfolge) und mehr noch auf europäischer Ebene von sich reden, gewannen 1953 die [[Coupe Latine]] und standen [[Europapokal der Landesmeister 1955/56|1956]] und [[Europapokal der Landesmeister 1958/59|1959]] jeweils gegen [[Real Madrid]] in den Endspielen um den [[UEFA Champions League|Europapokal der Landesmeister]]. Die Mannschaft unternahm ausgedehnte Reisen zu Freundschaftsspielen auf sämtlichen Kontinenten, beileibe nicht nur in der [[Frankophonie|frankophonen Welt]]. Mit sechs aktuellen und zwei langjährigen Reimser Profis stellte sie auch das Gerüst der [[Französische Fußballnationalmannschaft|Nationalelf]] bei Frankreichs bis dahin größtem Weltmeisterschaftserfolg (Dritter der [[Fußball-Weltmeisterschaft 1958|WM in Schweden]]). Noch heute spricht man in Anspielung auf den jahrzehntelangen Vereinssponsor, eine Sektkellerei, vom ''„foot petillant“'', dem „prickelnden Fußball“ der Elf aus der Champagne. Die Rolle als „Kronprinz der Liga“ teilten sich während dieser langen Vorherrschaft der ''[[Reims|Rémois]]'' drei Vereine: [[OSC Lille|Lille OSC]] wurde zwischen 1945 und 1954 zweimal Meister und tat sich mehr noch im Pokal (fünf Titel) hervor; etwas später löste [[OGC Nizza]] (vier Meistertitel zwischen 1950 und 1959) Lille ab, dann folgte die [[AS Monaco]] (zweimal Erster zwischen 1956 und 1964). Für Spannung in der ''Division&nbsp;1'' sorgten ab Mitte der [[1950er|50er]] Jahre zudem [[RC Paris|Racing Paris]] und [[Nîmes Olympique]], die zwei- bzw. dreimal mit dem undankbaren zweiten Platz vorlieb nehmen mussten. === 1963–1981: Doppelherrschaft von „Grünen“ und „Gelben“ === Mit dem Verlust der vorherrschenden Stellung von Stade Reims, das zeitweilig sogar nur noch zweitklassig spielte, ging der Aufstieg der [[AS Saint-Étienne]] einher, die wegen ihrer Spieltracht ''les Verts'' (die Grünen) genannt wurde. Von den 18 Titeln dieser Ära gewann der Verein alleine neun, davon vier in Serie (1967–1970), fügte zwei Vizemeisterschaften sowie fünf Pokalsiege hinzu und erreichte 1976 ebenfalls das [[Europapokal der Landesmeister 1975/76|Europapokalfinale]]. Ähnlich wie Reims anderthalb Jahrzehnte zuvor stellten die ''[[Saint-Étienne|Stéphanois]]'' das Gerüst der Nationalelf – und sie wurden während einiger dieser Jahre sogar vom ehemaligen Reimser Trainer [[Albert Batteux]] gecoacht. Allerdings war die Dominanz der „Grünen“ während dieser Ära ständig bedroht, und dies von einem Klub, der überhaupt erst 1963 in die D1 aufgestiegen war: der [[FC Nantes]] (oder ''les Canaris'' wegen seines gelben Dresses) wurde seinerseits zwischen 1964 und 1986 sechsmal Landesmeister, landete dazu in sieben Spielzeiten auf Platz Zwei, war allerdings im Pokal (nur ein Titel) und auf europäischer Ebene weniger erfolgreich als Saint-Étienne. Lediglich am Ende der Saison 1971/72 stand weder die ASSE noch der FCN auf einem der beiden ersten Plätze: das war die kurze Zeit, in der [[Olympique Marseille]] sich anschickte, in die Phalanx von Grün und Gelb einzubrechen; die Südfranzosen wurden zwischen 1970 und 1972 auch zweimal französischer Meister, aber danach dominierten Saint-Étienne und Nantes noch ein Jahrzehnt lang die Liga wieder alleine. Auf europäischer Ebene allerdings zog ein Außenseiter mit den ''Verts'' gleich: 1978 erreichte der Liga-Nobody [[SC Bastia|SEC Bastia]] das Endspiel im [[UEFA-Pokal]], konnte es aber auch nicht gewinnen. In diese Zeit fällt auch eine Neuerung, die ganz maßgeblich dazu beigetragen hat, dass französische Vereine und insbesondere die [[Französische Fußballnationalmannschaft|Nationalmannschaft]] auf lange Sicht besser mit den anderen starken Nationen des Weltfußballs mithalten konnten: die Pflicht aller Profiklubs zu systematischer Ausbildung und Förderung des Nachwuchses ''(siehe eigenes Kapitel [[Ligue 1#Systematische Nachwuchsförderung|unten]])''. === 1981–1999: Beständig war nur der Wechsel === In diesem Zeitraum gab es keine einzelne Mannschaft, die nahezu durchgehend als sicherer Titelaspirant gelten konnte, sondern sieben Vereine teilten sich die 18 Meisterschaften, und es gelang sogar nur zweien von ihnen, in aufeinanderfolgenden Jahren ihren Titel zu verteidigen: das waren [[Girondins Bordeaux]] (zwischen 1980 und 1990 viermal auf Platz Eins, dazu dreimal Vizemeister) und [[Olympique Marseille]] (zwischen 1986 und 1994 vier Meisterschaften –&nbsp;1989–1992 in Serie&nbsp;–, dazu zwei zweite Plätze). Marseille beendete zudem die Saison 1992/93 als Tabellenführer, allerdings wurde ihm dieser Titel wegen einer Spielmanipulation nachträglich aberkannt, auch nicht an den Tabellenzweiten vergeben, und OM wurde 1994 in die zweite Liga zurückgestuft. Weitere Spitzenteams dieses Abschnittes waren [[AS Monaco]] (drei Titel und drei zweite Plätze zwischen 1978 und 1993), [[Paris Saint-Germain FC|Paris Saint-Germain]] (zwei erste, vier zweite Plätze 1982–1997) und der [[FC Nantes]] (zwei Titel 1983 und 1995 sowie zweimal Vizemeister). Zudem gelang der [[AJ Auxerre]] (1996) und dem [[RC Lens]] (1998) jeweils ihre bisher einzige Meisterschaft. Möglicherweise trug allerdings diese Verbreiterung der Leistungsspitze in der D1, die die Mannschaften regelmäßig stärker forderte, dazu bei, dass die französischen Vertreter in den Europapokalwettbewerben häufiger als je zuvor die Endspiele erreichten. Im [[UEFA-Pokal]] gelang dies Bordeaux (1996) und Marseille (1999), im [[Europapokal der Pokalsieger (Fußball)|Pokalsiegerwettbewerb]] Monaco (1992) und Paris (1996, 1997) und in der [[UEFA Champions League|Champions League]] Marseille (1991, 1993). Zum ersten Mal holten dabei zwei Teams aus der ''Division 1'' sogar den jeweiligen Pokal, nämlich Marseille 1993 und PSG 1996. === Seit 1999: Hegemonie eines einzelnen Klubs === In den bisherigen zehn Spielzeiten dieses Zeitraums hat sich ein Alleingang entwickelt: zwar gewannen anfangs mit [[AS Monaco]] und [[FC Nantes]] zwei „Altmeister“ den Titel, aber von 2002 bis 2008 konnte sich nur noch [[Olympique Lyon]] in die Meisterliste eintragen, nachdem die Elf aus dem [[Stade Gerland]] 2001 schon Platz Zwei belegt hatte. Erstmals misslang OL die erneute Titelverteidigung 2009, als bereits nach dem drittletzten Spieltag rechnerisch feststand, dass die Trophäe in einer anderen Vereinsvitrine Platz finden würde. Dafür erreichte mit der [[US Boulogne]] der 66.&nbsp;Klub in der Ligageschichte die sportliche Qualifikation für die L1. Ohnehin folgte auch in den zurückliegenden Jahrzehnten für die dominierenden Klubs der Liga auf einige Jahre voller Triumphe der Alltag im Mittelfeld und gelegentlich sogar der tiefe Fall in die [[Ligue 2|Ligue&nbsp;2]]. Dass vergangene Größe wenig zählt, musste beispielsweise der FC Nantes erfahren, der 2007 nach 44 Jahren ununterbrochener Erstligazugehörigkeit abstieg; 2008 sind mit Racing Lens, Racing Strasbourg und dem FC Metz gleich drei Klubs abgestiegen, die in der Vergangenheit manch wichtiges Kapitel im „Buch des französischen Ligafußballs“ geschrieben haben. Dabei hat die Ligue 1 gerade im zurückliegenden Jahrzehnt derart an Stärke und Renommee gewonnen, dass sie neben [[FA Premier League|Premier League]], [[Primera División (Spanien)|Primera División]], [[Serie A]] und [[Fußball-Bundesliga|Bundesliga]] zu den bedeutendsten Fußballligen weltweit gezählt wird. AS Monaco gelang 2004 der Einzug in das [[UEFA Champions League 2003/04|Champions-League-Finale]]; Serienmeister Olympique Lyon erreichte je dreimal das CL-Viertel- und Achtelfinale, ehe er sich [[UEFA Champions League 2009/10|2010]] nach einem „innerfranzösischen“ Viertelfinale gegen Girondins Bordeaux für die Vorschlussrunde qualifizierte. <br clear="right" /> ==== Ligue 1 in der Saison 2009/10 ==== [[Datei:Karte Ligue-1-2-Klubs 2009-2010.png|350px|right]]In der Saison 2009/10 gehören der Ligue 1 folgende Vereine an (in Klammern Platzierung und eventuelle Titel der Vorsaison): {| |- valign="top" | * [[AJ Auxerre]] (8.) * [[Girondins Bordeaux]] (1., Ligapokal) * [[US Boulogne]] (D2-3.) * [[Grenoble Foot]] (13.) * [[UC Le Mans|Le Mans UC]] (16.) * [[RC Lens]] (D2-1.) * [[OSC Lille|Lille OSC]] (5.) * [[FC Lorient]] (10.) * [[Olympique Lyon]] (3.) * [[Olympique Marseille]] (2.) | * [[AS Monaco]] (11.) * [[HSC Montpellier]] (D2-2.) * [[AS Nancy]] (15.) * [[OGC Nizza]] (9.) * [[Paris SG]] (6.) * [[Stade Rennes]] (7.) * [[AS Saint-Étienne]] (17.) * [[FC Sochaux]] (14.) * [[FC Toulouse|Toulouse FC]] (4.) * [[FC Valenciennes|Valenciennes FC]] (12.) |} Die abgelaufene [[Ligue 1 2008/09|Saison 2008/09]] war bis zum Ende von Spannung gekennzeichnet: Meisterschaft, Verteilung der UEFA-Europa-League-Plätze sowie zwei der drei Absteiger entschieden sich erst am letzten Spieltag. Lediglich die Tatsache, dass Lyon keinen achten Titel in Serie gewinnen würde, war schon einige Wochen zuvor klar, ebenso der sofortige Wiederabstieg von [[Le Havre AC]]. An der Spitze sicherte Bordeaux seinen Drei-Punkte-Vorsprung vor Marseille aufgrund eines famosen Endspurts (elf Siege in Folge). Toulouse konnte seinen vierten Rang halten und spielt 2009/10 ebenso auf europäischer Ebene wie Lille, das am 38.&nbsp;Spieltag noch an Paris und Rennes vorbeizog, sowie Zweitligist [[EA Guingamp]] als Gewinner der [[Coupe de France 2008/09|Coupe de France]]. Im Tabellenkeller begleitete Aufsteiger [[FC Nantes]] Le Havre ebenso wie [[SM Caen]] in die zweite Liga, während Saint-Étienne sich durch einen Sieg in letzter Minute noch zu retten vermochte. Der dritte Vorjahresaufsteiger, Grenoble Foot, behauptete sich hingegen frühzeitig auf einem gesicherten Mittelfeldplatz. Mit dem RC Lens (nach nur einer Spielzeit) bzw. HSC Montpellier (nach fünf Jahren in der Zweitklassigkeit) sind zwei Traditionsvereine, mit US Boulogne hingegen ein absoluter Neuling aufgestiegen. Boulognes sportlich knapp vor [[Racing Straßburg|Racing Strasbourg]] und [[FC Metz]], zwei Erstligaabsteigern der [[Ligue 1 2007/08|Saison 2007/08]], erreichter Aufstieg erhielt im Juni die Bestätigung des Ligaverbands LFP. Dadurch wurde die [[Normandie]] wieder zum weißen Fleck auf der Erstligakarte, während die [[Nord-Pas-de-Calais|nördlichste Region Frankreichs]] sich auf vier Ligue-1-Mannschaften verdoppeln konnte. Der erste Spieltag findet am 8.&nbsp;August 2009 statt, der achtunddreißigste und letzte am 15.&nbsp;Mai 2010. Als offizielle Zeitfenster für Spielertransfers wurden 9.&nbsp;Juni bis 31.&nbsp;August 2009 sowie 1. bis 31.&nbsp;Januar 2010 festgesetzt. ==== UEFA-Fünfjahreswertung und Europapokalplätze 2010/11 ==== Nach Abschluss der Saison 2008/09 ist Frankreich (Koeffizient 50,168) in der [[UEFA-Fünfjahreswertung]] zwar hinter England (79,499), Spanien (74,266), Italien (62,910) und Deutschland (56,695) auf den fünften Platz zurückgefallen. Gleichwohl stehen der Ligue&nbsp;1 damit zwei sichere Startplätze (für den Meister und den Vizemeister) in der [[UEFA Champions League 2010/11|Champions League 2010/11]] zu, auch der Tabellendritte kann sich dafür qualifizieren. Hinzu kommen drei feste Plätze in der [[UEFA Europa League]] (bisher: UEFA-Pokal) für den Viertplatzierten der D1 sowie die Sieger des [[Französischer Fußballpokal|Landes-]] und des [[Coupe de la Ligue|Ligapokals]]. Der Abstand zur Ukraine (41,850) auf Rang sieben –&nbsp;gleichbedeutend mit dem Verlust des dritten CL-Platzes&nbsp;– hat sich in dieser Spielzeit erheblich verringert.<ref>Zahlen nach [http://www.5-jahres-wertung.de/APD/Online/5-Jahres-Wertung.htm dieser Seite]</ref> ==== Die Ligue 1 im Vergleich mit den vier „großen“ europäischen Ligen ==== Einer auf Basis der Zahlen von 2007 erhobenen schweizerisch-französischen Untersuchung zufolge weist der Spitzenfußball in Frankreich eine Reihe typischer Besonderheiten auf, die ihn von den Ligen in England, Italien, Spanien und Deutschland signifikant unterscheiden:<ref>Untersuchung des ''Observatoire des footballeurs professionnels'' der [[Universität Neuenburg|Universitäten Neuchâtel]] und [[Universität der Franche-Comté|Besançon]], abgedruckt in France Football vom 26.&nbsp;Februar 2008, S.&nbsp;22-27</ref> *Nur 31,1 % der Profis sind auch Nationalspieler; bei den vier „Großen“ liegen die entsprechenden Werte zwischen 41,2 (Spanien) und 67,7 % (England) *32,5 % der Spieler stehen bei dem Klub unter Vertrag, bei dem sie als Jugendliche ausgebildet wurden; dagegen bewegen sich die Vergleichszahlen nur zwischen 8,5 (Italien) und 20,5 % (Spanien) *Französische Erstligaspieler sind mit einem Durchschnittsalter von 24,9 Jahren etwas jünger als ihre Kollegen (zwischen 25,5 in Deutschland und 26,4 Jahren in Italien) *In Frankreich besitzen nur 33,1 % der Profis eine andere Staatsangehörigkeit, während deren Anteil in den Vergleichsligen zwischen 36,8 (Italien) und 59,4 % (England) liegt *78 Franzosen, aber nur 16 Italiener, 15 Spanier, zehn Deutsche und kein einziger Engländer spielen in einer der vier anderen ausländischen Ligen, die hier verglichen werden *Die Vereinstreue ist in Frankreich relativ hoch und wird lediglich von der Bundesliga übertroffen: seit mindestens drei Jahren beim selben Verein spielen in Deutschland 39,0, in Frankreich 36,2, in den drei anderen Ligen nur zwischen 31,1 und 34,6 % der Profis Nach Fortschreibung dieser Studie haben sich die Spezifika der Ligue&nbsp;1 in den Jahren 2008 und 2009 nur graduell, nicht jedoch grundsätzlich verändert.<ref>France Football vom 20.&nbsp;Oktober 2009, S.&nbsp;30–33</ref> Insbesondere ist der französische Fußball mit 85 Auslandsprofis weiterhin die „europäische Spielerquelle Nummer eins“; weltweit „exportieren“ nur Brasilien (139) und Argentinien (95) mehr Spieler als Frankreich. Auf dem vierten Rang folgen, mit weitem Abstand, die Niederlande (36).<ref>France Football vom 10.&nbsp;März 2009, S.&nbsp;22-26</ref> == Meisterschaftsmodus im Wandel == Die Aufteilung der Division&nbsp;1 in zwei Gruppen wurde nach dem ersten Jahr aufgegeben: seit 1933 war die höchste Spielklasse, mit Ausnahme der [[Zweiter Weltkrieg|Kriegs- und Besatzungsjahre]] (1939–1945), stets eingleisig. Ansonsten wurde der Ligacharakter (Heim- und Auswärtsspiel jedes Klubs gegen jeden anderen; die erreichten Punkte und das Torverhältnis entscheiden am Ende der Saison über die Platzierung) von 1932 bis in die Gegenwart beibehalten. Die Meisterschaft wird nicht kalenderjährlich, sondern über den Jahreswechsel hinweg ausgetragen; der Meister des Jahres x hat also seinen Parcours im Jahr x–<small>1</small> begonnen. === Saisondauer und Spielpausen === * Abhängig von der Zahl der teilnehmenden Mannschaften fand der erste Spieltag der D1 meist Anfang August jeden Jahres, im Einzelfall auch bereits ab Mitte Juli statt. Die Auftaktsaison 1932/33 startete sogar erst im September, allerdings hatten die Mannschaften da insgesamt auch nur je 18 Begegnungen auszutragen. * Saisonende ist normalerweise im Mai, aber auch hier gab und gibt es Ausnahmen: so endete die erste Nachkriegssaison erst am 26. Juni 1946, in Jahren einer [[Fußball-Weltmeisterschaft|Weltmeisterschaft]] mit Beteiligung der ''[[Französische Fußballnationalmannschaft|Équipe tricolore]]'' hingegen auch deutlich früher (1985/86 etwa bereits am 12. April). * Die rund zweimonatige Sommerpause ist zum einen den klimatischen Bedingungen im südlichen Teil Frankreichs geschuldet, hängt aber auch mit den Besonderheiten der französischen Urlaubsregelung zusammen: nach dem [[Zweiter Weltkrieg|Zweiten Weltkrieg]] schälte sich ein System heraus, wonach insbesondere Angestellte (die ''„Juilletistes“'') im Juli und Arbeiter (die ''„Aoûtistes“'') ab dem ersten Augustwochenende ihren Jahresurlaub nehmen mussten –&nbsp;die großen Industriebetriebe schlossen bis in die jüngste Zeit im August wegen Betriebsferien&nbsp;–; auch die Ferien an Schulen und Hochschulen erstrecken sich über diese beiden Monate. * Zwischen den Jahren wurde bis einschließlich 1963/64 ohne Unterbrechung durchgespielt, auch an den Weihnachtstagen und Silvester. Eine Winterpause wurde erstmalig 1964/65 eingeführt, die in der Regel aber kürzer als beispielsweise die deutsche ist und nur ca. vom 20. Dezember bis 15. Januar dauert. * Abendspiele unter [[Flutlicht]] wurden für die gesamte Liga erstmals am 19. September 1957, dem 5. Spieltag der Saison 1957/58, angesetzt.<ref>Guillet/Laforge (éd. 2007), S.&nbsp;159</ref> === Teilnehmerzahl und Verfahrensregelungen === * Meist spielten 20 Mannschaften (1932/33, 1946/47, 1958–1963, 1965–1968, 1970–1997 und seit 2002) um den Titel; eine 18er-Liga gab es 1945/46, 1947–1958, 1963–1965, 1968–1970 und 1997–2002, 16 Konkurrenten 1934–1939 und nur 14 in der zweiten Saison (1933/34). * Die Zahl der Ab- und damit auch der Aufsteiger variierte häufig: es gab Spielzeiten, in denen nur der Tabellenletzte in die zweite Liga musste (1968–1970), maximal betraf dies sogar die letzten vier Teams (1958–1963); sehr häufig gab es auch eine Kombination aus feststehenden Abstiegsplätzen (z. B. die letzten beiden) und Ausscheidungsspielen ([[Barrage]]s) zwischen den nächstschlechteren Mannschaften gegen den Dritten (und Vierten) der ''Division&nbsp;2'', von deren Ausgang der Verbleib in der Liga abhing. Seit 1997 gilt hier, dass die letzten Drei absteigen. * Die Zwei-Punkte-Regelung für einen Sieg galt von 1932 bis 1988; 1988/89 wurden versuchsweise für einen Sieg drei Punkte vergeben. Dann kehrte man zur alten Regelung zurück, ehe mit der Saison 1994/95 endgültig die [[Drei-Punkte-Regel]] eingeführt wurde. Zudem hat man kurzzeitig versucht, den attraktiven Angriffsfußball durch Zusatzpunkte zu fördern: pro Spiel bekam jede Mannschaft einen Punkt mehr, die mindestens drei Tore geschossen (1973–1975) bzw. die ihr Spiel mit mindestens drei Toren Unterschied gewonnen hatte (1975/76). Die unterhalb der D3 bestehende Vier-Punkte-Regel, wonach jede Mannschaft für jedes ausgetragene Spiel –&nbsp;unabhängig vom Ergebnis&nbsp;– einen zusätzlichen Punkt erhält, hat sich im Profibereich nie durchgesetzt. Veränderungen des Meisterschaftsmodus zur Steigerung der Torquote und zur Förderung der Spannung sind auch aktuell im Gespräch: in der Saison 2006/07 werden Geldprämien für offensivfreudige D1-Teams ausgeschüttet ''(siehe [[Ligue 1#Fernsehgelder|unten]])''; allerdings blieb der Verband damit hinter einem weitergehenden Vorschlag zurück, der u. a. eine Zusatzpunkteregelung analog derjenigen der [[1970er|70er Jahre]] vorsah. * Bei Punktgleichheit von Mannschaften wurde bis einschließlich der Saison 1964/65 der [[Torquotient]], seither die Tordifferenz (und bei Gleichstand auch in dieser Frage: die höhere Zahl der erzielten Treffer) zur Ermittlung der Reihenfolge herangezogen; diese Neuerung bevorteilt Teams, die offensiver spielen. Von der alten Regelung profitierte beispielsweise 1961/62 Stade de Reims: mit einem Torverhältnis von 83:60 (Quotient 1,383) wurde es Meister vor dem punkt- und tordifferenzgleichen RC Paris (86:63 Tore, Quotient 1,365), der bei Anwendung der Differenzregel wegen seiner mehr erzielten Treffer die Nase vorn gehabt hätte. * 1958/59 wurde die Möglichkeit eingeführt, für einen verletzten Spieler einen Ersatzmann einzuwechseln; Auslöser war das Halbfinalspiel bei der [[Fußball-Weltmeisterschaft 1958|WM 1958]], in dem Frankreichs [[Robert Jonquet]] fast 60 Minuten lang mit einem doppelten Schienbeinbruch auf dem Spielfeld herumstand, damit die ''[[Französische Fußballnationalmannschaft|Équipe Tricolore]]'' nicht zu zehnt gegen Brasilien weiterspielen musste. 1976 wurde das Austauschkontingent auf zwei Spieler erhöht, zudem zu einem grundsätzlichen Recht erweitert, bei dem es nicht mehr darauf ankam, ob der Ausgewechselte tatsächlich verletzt war; heute sind maximal drei Wechsel zulässig. Dazu müssen die möglichen Einwechselspieler vor Anpfiff auf dem Spielberichtsbogen vermerkt werden, der aktuell (2006/07) in der D1 insgesamt 18 Namen enthalten darf, in der D2 nur 16. * Rückennummern auf den Spielertrikots wurden ab 1948 üblich, zuerst in der Nationalmannschaft, bald darauf auch in den Vereinen. Zwar haben heutzutage die klassischen Zahlen 1 bis 11 ausgedient, die zugleich ja auch die Spielposition ihres Trägers charakterisierten. Aber „Phantasienummern“ in großer Höhe sind auch weiterhin nicht zulässig&nbsp;– das Reglement der Liga untersagt Nummern über 30 mit zwei Ausnahmen: die 33 ist für einen Spieler reserviert, der kurzfristig und nachträglich einen anderen auf dem Spielberichtsbogen ersetzt, und im zu begründenden Einzelfall darf von der Regel abgewichen werden. Weiterhin sind die 1, 16 und 30 den Torhütern jeder Mannschaft vorbehalten.<ref>France Football vom 16. Januar 2007</ref> * Kommerzielle Werbung auf den Trikots ist seit 1968/69 zulässig. * Bis 1962 galt die Regelung, dass bei allen Ligaspielen die Einnahmen zwischen den beiden beteiligten Klubs im Verhältnis 60:40 zugunsten des Heimvereins geteilt wurden, wovon vorrangig Vereine profitierten, die aufgrund ihrer spielerischen Attraktivität auswärts deutlich mehr Zuschauer als bei Heimspielen anzogen (wie es insbesondere für Stade de Reims bis Anfang der [[1960er]] Jahre zutraf). === Freiwillige und Zwangsabstiege, Lizenzkauf und Fusion === * Erstmals schon in den [[1930er|30er Jahren]] ''(siehe [[Ligue 1#1933–1939|oben]])'', dann wieder Anfang der [[1960er]] gab es eine regelrechte Welle freiwilliger, wirtschaftlich begründeter Ausstiege aus dem Profibereich, wovon auch ehemalige Landesmeister (FC Sète, CO Roubaix-Tourcoing) und Traditionsvereine (CA Paris, AC Troyes, Le Havre AC, FC Nancy) nicht verschont blieben. Ebenso sind die Jahre um 1990 von mehreren Konkursen gekennzeichnet, meist gefolgt von einer sofortigen Wiedergründung unter neuem Namen. * Zwangsabstiege, meist aus wirtschaftlichen Gründen bis hin zum Konkurs, hat es insbesondere seit den [[1980er]]n auch gegeben: so wurden 1991 gleich drei Vereine trotz sportlicher Qualifikation (Girondins Bordeaux als 10., Brest Armorique als 11. und OGC Nizza als 14. der Tabelle) zum Abstieg verurteilt. * Teils wurden Vereine auch wegen rechtlicher Unregelmäßigkeiten relegiert: schon 1932/33 hatte Olympique Antibes sich einen Sieg erkauft und durfte deshalb nicht das Endspiel um die Meisterschaft bestreiten. Olympique Marseille erhielt nachträglich den Meistertitel für 1993 aberkannt („Affaire OM-VA“, Bestechung von Spielern der US Valenciennes-Anzin) und wurde ein Jahr später ebenfalls in die zweite Liga „strafversetzt“. Red Star Paris wurde sogar zweimal (1954 und 1960) wegen Bestechungsversuchen gegnerischer Mannschaften vorübergehend aus dem Profibereich ausgeschlossen. Man kann also feststellen, dass Verband bzw. Liga in Frankreich bei bekannt gewordenen Manipulationen konsequent durchgriffen. Das gilt auch für [[Doping]]fälle: 1995/96 beispielsweise erhielten mehrere Spieler wegen nachgewiesenen [[Drogenhanf|Cannabis]]-Konsums Sperren (darunter, für zwei Spiele, [[Fabien Barthez]]), und 1998 wurde ein Profi wegen [[Nandrolon]]-Dopings für 18 Monate gesperrt. * Als Besonderheiten gab es auch den Kauf des Ligaplatzes eines Klubs durch einen anderen (Red Star Paris 1967 von Toulouse FC) bzw. die Fusion zweier Vereine zwecks Ligaerhalt (aus RC Paris und UA Sedan-Torcy wurde 1966 dadurch zeitweise der RC Paris-Sedan; zwischen beiden Städten liegen rund 250&nbsp;km). === Die Meisterschaftstrophäe === Der erste [[Französischer Fußballmeister|französische Meister]], Olympique Lille, erhielt nach dem Endspiel 1933 eine große Blumenvase überreicht, die von der Tageszeitung [[Le Petit Parisien]] gestiftet worden war und in Lilles Besitz blieb. Der Zeitungsverlag stellte deshalb ab 1934 eine neue Trophäe zur Verfügung, nunmehr als [[Wanderpokal]]; mit dieser –&nbsp;nach 1945 lediglich mit einer anderen Plakette versehen, weil die Zeitung ab dann ''Le Parisien Libéré'' hieß&nbsp;– wurde bis 2002 der jeweilige Meister der ''Division&nbsp;1'' ausgezeichnet. Allerdings fand nur gelegentlich eine offizielle Übergabezeremonie am letzten Spieltag einer Saison statt. Mit der Umbenennung der Liga wurde ein von der Designerin [[Andrée Putman]] entworfener neuer Meisterpokal ''(„Trophée de Ligue&nbsp;1“)'' geschaffen und erstmals 2003, direkt nach dem Schlusspfiff des letzten Spieltages, an die Meistermannschaft übergeben. 2006 entschied der Ligaverband, dass Olympique Lyon die Trophäe für seine fünf in Folge errungenen Meisterschaften behalten dürfe; deshalb beauftragte der Verband den Bildhauer [[Pablo Reinoso]] mit der Herstellung eines neuen Wanderpokals, der seit Mai 2007 den Meister auszeichnet. Diese Trophäe trägt den Namen ''„Hexagoal“'', ein Wortspiel aus ''Hexagone'' (Sechseck), wie Frankreich auch bezeichnet wird, und dem englischen Wort ''Goal'' (Tor). == Systematische Nachwuchsförderung == In der zweiten Hälfte der [[1970er|70er Jahre]] wurde ein heute eher noch intensiviertes System der Talentförderung eingeführt, das alle Profivereine dazu verpflichtet, ein Sportinternat (''Centre de Formation'', CdF) aufzubauen. Dies erfordert zwar hohe Investitionen, doch ermöglicht es auch den weniger finanzstarken Klubs, immer wieder gute, junge Spieler in die eigenen Reihen einzubauen und nennenswerte Erlöse aus deren [[Transfer (Sport)|Transfers]] an Vereine im In- und Ausland zu erzielen. Gelegentlich behalten sogar Vereine, die in den Amateurbereich zurückkehren, ihr CdF (wie 2004 die [[AS Cannes]]), weil die Existenz einer solchen Einrichtung durchaus auch bei einem Dritt- oder Viertligisten für begabte Jugendliche attraktiv sein kann. Sicherlich kann sich nicht jeder Klub eine Anlage wie [[Girondins Bordeaux]] leisten, die ihr Sportinternat im „Château Bel Air“, einem 1746 errichteten Schloss mit weitläufigem Trainingsgelände in [[Le Haillan]], untergebracht haben; aber zahlreiche Vereine beschäftigen für den Nachwuchsbereich hochqualifiziertes Personal, oft auch ehemalige Profis: bei Bordeaux beispielsweise leitete [[Gernot Rohr]] viele Jahre deren Ausbildungszentrum. Die Mannschaften des ältesten Jugendjahrganges nehmen an der französischen Jugendmeisterschaft ([[Coupe Gambardella]]) teil. Seit der Saison 2002/03 bewertet die FFF diese Nachwuchsarbeit jährlich mithilfe eines differenzierten Punktesystems ''(„Classement des centres de formation“)'' und zeichnet die jeweils besten drei Vereine aus. Die bisherigen Gewinner waren [[AJ Auxerre]] (2003), [[Montpellier HSC]] (2004, 2005) und [[Stade Rennes]] (2006, 2007, 2008, 2009).<ref>Aktuelle Rangfolge siehe [http://www.fff.fr/dtn/actualite/529479.shtml hier]</ref> Auch die FIFA bewertet diese Investitionen hoch: pro Spieler und Jahr kalkuliert sie deren Kosten mit 90.000&nbsp;Euro (für einen 16- bis 18-jährigen); für jedes Ausbildungsjahr vor dem 16. Geburtstag werden weitere 10.000&nbsp;Euro zu einem eventuellen Transferwert dazugerechnet. Im Gegenzug für diese nicht nur fußballerische, sondern auch schulische Ausbildung sind in Frankreich die Absolventen verpflichtet, ihren ersten Profivertrag für maximal drei Jahre bei dem ausbildenden Verein zu unterschreiben. Diese Regelung wird gelegentlich umgangen, indem Nachwuchsspieler –&nbsp;häufig aufgrund des Drängens ihrer wirtschaftlich interessierten Berater&nbsp;– einen Vertrag mit einem ausländischen Klub abschließen. Das ist aber die Ausnahme: von 1998 bis 2006 betraf dies 17 Fälle, die bekanntesten darunter [[Mickaël Silvestre]] (von Rennes zu Inter Mailand), [[Guy Demel]] (von Nîmes zu Arsenal) und [[Mathieu Flamini]] (von Marseille gleichfalls zu Arsenal).<ref>France Football vom 12. Dezember 2006, S.22-24</ref> Dass die Internate sich für Vereine und junge Spieler gleichermaßen lohnen, lässt sich an der Saison 2007/08 exemplarisch nachweisen: von den insgesamt 518 Fußballern in den 20 Ligue-1-Kadern stehen 173 (entsprechend 33,4 %) bei dem Klub unter Vertrag, aus dessen ''Centre de Formation'' sie stammen, also im Mittel neun „Eigengewächse“ in einem 26 Spieler umfassenden Kader. Es ist nicht ungewöhnlich, dass diese mit Erreichen der Volljährigkeit zunächst für ein Jahr an einen Zweit- oder Drittdivisionär ausgeliehen werden, um dort Spielpraxis zu sammeln; anschließend wird aber ein nennenswerter Anteil vom Stammverein zurückgeholt und in das eigene Erstligaaufgebot eingebaut. So verfahren auch nicht etwa nur Klubs, die sportlich bzw. finanziell zu den schwächeren gehören – Bordeaux, Lille und Rennes liegen mit einem Anteil von über 40 % sogar noch weit über dem Ligadurchschnitt. Spitzenreiter sind Aufsteiger FC Metz und die AS Nancy, deren Profis nahezu zur Hälfte schon vor ihrer Volljährigkeit bei diesen Klubs spielten, während bei den Vorjahresaufsteigern Lorient und Valenciennes (11 bzw. 12 %) sowie bei Marseille und Paris (um 20 %) nur sehr wenige Spieler aus dem eigenen Internat stammen.<ref>Stand: 31. August 2007; nach France Football vom 16. Oktober 2007, S.22-25</ref><br /> In der Saison 2008/09 hat sich Aufsteiger Le Havre AC in dieser Hinsicht an die Ligaspitze katapultiert: 16&nbsp;Spieler entsprechend zwei Dritteln seines Kaders stammen aus der eigenen Nachwuchsförderung; hinzu kommen acht weitere in Le Havre ausgebildete Fußballer, die bei Ligakonkurrenten unter Vertrag stehen. Auch Nancy, Lille, Monaco und Bordeaux setzen auf eine zweistellige Zahl von Eigengewächsen. Schlusslichter dieser Wertung sind Nizza, Lorient (je&nbsp;4), Marseille (3) und Valenciennes (1).<ref>Untersuchung des ''Observatoire des footballeurs professionnels'', abgedruckt in France Football vom 14.&nbsp;Oktober 2008, S.&nbsp;26-29</ref> Auch der französische Fußballverband selbst betreibt in den verschiedenen Regionen des Landes solche „Talentschmieden“, die eng mit den jeweiligen Vereinsinternaten kooperieren, sowie das INF ''(Institut national de formation)'' in [[Clairefontaine-en-Yvelines]] bei Paris, das sich insbesondere der jugendspezifischen Trainerausbildung verschrieben hat. Außerdem müssen alle Profiklubs eine zweite Mannschaft für Nachwuchsspieler ''(Reserve Pro)'' unterhalten. Diese Reserveteams nehmen am Spielbetrieb der Amateurligen teil, können also nicht höher als in die [[Championnat de France Amateurs#CFA – die vierte Liga (D4)|viertklassige CFA]] aufsteigen. In der Saison 2007/08 spielen 22 Reservemannschaften in den vier Staffeln dieser höchsten Amateurliga, 2008/09 nur noch 18. Die Fachwelt ist sich weitestgehend darüber einig, dass gerade diese Maßnahmen wesentlich zur dauerhaften Etablierung des französischen Fußballs in der europäischen Spitze beigetragen haben – neben der Tatsache, dass die Liga schon frühzeitig bevorzugtes Ziel für [[Immigranten]] aus der [[Frankophonie|frankophonen]] Welt war. == Die französische Liga als Magnet für ausländische Spieler == Die ab 1932 klare Trennung zwischen bezahltem und Amateurfußball führte dazu, dass in Frankreich schon in den [[1930er]] Jahren Spieler aus vielen europäischen Staaten ihrem Sport legal gegen Bezahlung nachgingen, insbesondere von den britischen Inseln, aus Österreich und Ungarn, aber auch einzelne Deutsche wie [[Willibald Kreß]], der vom DFB wegen angeblichen Berufsspielertums für die Saison 1932/33 gesperrt worden war, und [[Oskar Rohr]]. Begünstigt wurde dies im Einzelfall auch durch die politische Entwicklung in den deutschsprachigen Ländern; so nahmen manche Spieler insbesondere nach dem [[Anschluss (Österreich)|„Anschluss“ Österreichs]] die französische Staatsbürgerschaft an und spielten danach auch für die [[französische Fußballnationalmannschaft]] (z.B. [[Rudolf Hiden|Rudolf „Rodolphe“ Hiden]] oder [[Auguste Jordan|Gustav „Auguste“ Jordan]]). Auf diese Weise konnten die Klubs zudem die anfängliche Regelung umgehen, dass pro Mannschaft nicht mehr als vier Ausländer spielen durften. Aufgrund des [[Spanischer Bürgerkrieg|Spanischen Bürgerkriegs (1936–1939)]] zog es zahlreiche Spieler [[Katalonien|katalanischer]] und [[Baskenland|baskischer]] Herkunft insbesondere zu Klubs im Süden Frankreichs. Darüber hinaus haben sich viele Einwanderer aus Italien und Polen, die vor allem im nordfranzösischen Bergbau tätig waren, bzw. ihre Söhne und Enkel in der Ligue&nbsp;1 einen Namen gemacht; stellvertretend seien aus den frühen Jahren [[Roger Piantoni]], [[Michel Platini]], [[Raymond Kopa]]czewski und [[Léon Glovacki]] genannt. Auch Spieler aus den [[Französische Übersee-Territorien|französischen überseeischen Besitzungen]] und den ehemaligen Kolonien der ''Grande Nation'' prägten die Liga zunehmend (von [[Larbi Ben Barek]] über [[Marius Trésor]] bis [[Zinédine Zidane]]). Ihrer aller Geschichte ist ein „verkleinertes und zeitlich verzögertes Abbild der französischen Immigration des 20.&nbsp;Jahrhunderts“.<ref>Didier Braun: ''L’équipe de France de football, c'est l'histoire en raccourci d'un siècle d'immigration.'' in Hommes&nbsp;& Migrations, Nr.&nbsp;1226 (Juli/August 2000), [http://www.revues-plurielles.org/_uploads/pdf/8_1226_7.pdf hier] als PDF abrufbar.</ref> === Zahlen ausländischer Profis in Frankreich === <small>(Jeweils ohne naturalisierte Spieler)</small> * '''Von 1932 bis 1939''' standen insgesamt 541 Ausländer bei den Profiklubs der D1 und der D2 unter Vertrag, davon 132 Briten, 108 Österreicher, 84 Ungarn, 44 Tschechen, 34 Spanier, 22 Schweizer und 21 Argentinier. * '''Von 1944 bis 1997''' spielten insgesamt 2.281 Ausländer in D1 und D2, als größte Gruppen 265 Jugoslawen, 147 Algerier, 145 Argentinier, 142 Polen, 121 Spanier, 92 Senegalesen, 87 Italiener, 81 Marokkaner, 75 Kameruner, 74 Ivorer, 68 Niederländer, 67 Brasilianer, 66 Ungarn, 60 Deutsche, 50 Tschechen und 49 Dänen. * '''Nach 1997''' liegen keine den gesamten Zeitraum abdeckenden Zahlen vor, aber der hierüber ablesbare Trend (von „Fußballmigranten“ aus West-/Mitteleuropa hin zu Spielern aus Schwarzafrika und Osteuropa) hat sich nicht signifikant verändert, ebenso wenig die Attraktivität, die Frankreich speziell auf Argentinier ausübt, von denen zwei ([[Delio Onnis]] und [[Carlos Bianchi]]) zu den erfolgreichsten Ligue-1-Torschützen aller Zeiten gehören. Der massenhafte „Exodus“ brasilianischer Fußballer ist ein relativ neues Phänomen, das nicht nur in Frankreich zu beobachten ist. Dies bestätigen aktuell (Saison 2007/08) die folgenden Zahlen: von insgesamt 175 Ausländern (entsprechend einem Anteil von 33,8 % aller Ligue-1-Spieler) stammen 76 aus 18 afrikanischen Staaten (darunter 21 Senegalesen, 10 Ivorer, 9 aus Kamerun, hingegen nur noch insgesamt 7 aus Marokko, Algerien und Tunesien), 55 aus Südamerika (34 Brasilianer, 8 Argentinier, 7 Kolumbianer), 43 aus Europa (8 Schweden, 5 Schweizer, aber zusammengenommen 9 aus den Nachfolgestaaten des ehemaligen Jugoslawien) sowie ein Asiate.<ref>Stand: 31. August 2007; nach France Football vom 16. Oktober 2007, S.&nbsp;18-20</ref> In der Saison 2008/09 bestätigen sich diese Trends mit nur geringfügigen Abweichungen im Detail.<ref>Untersuchung des ''Observatoire des footballeurs professionnels'', abgedruckt in France Football vom 14.&nbsp;Oktober 2008, S.&nbsp;29</ref> Was sich allerdings seit den 1990er Jahren stark verändert hat, ist die „umgekehrte Richtung“: die Zahl ''französischer'' Kicker gehobener Spielstärke hat stark zugenommen, die die Ligue&nbsp;1 verlassen, um ihrerseits im Ausland –&nbsp;und da vor allem in den drei europäischen Spitzenligen ([[FA Premier League|England]], [[Primera División (Spanien)|Spanien]], [[Serie A|Italien]])&nbsp;– Geld zu verdienen. Dafür ist einerseits das [[Bosman-Entscheidung|Bosman-Urteil]] verantwortlich, andererseits aber auch die gute, systematische Ausbildung sehr vieler französischer Kicker seit frühester Jugend; hinzu kommt, dass selbst führende Klubs der Liga nur in den seltensten Fällen mit den finanziellen Möglichkeiten der [[G-14]] und anderer ausländischer Vereine Schritt halten können ''(siehe auch [[Ligue 1#Finanzierung: Einnahmen und Ausgaben|unten]])''. === Zulässige Zahl ausländischer Kicker === 1938 sah sich die FFF genötigt, wegen des starken Zustroms von Ausländern deren Zahl auf zwei je Mannschaft zu beschränken; während der „Kriegsmeisterschaften“ versuchte das [[Vichy-Regime]] –&nbsp;wenn auch angesichts seiner Kurzlebigkeit erfolglos&nbsp;– sogar durchzusetzen, dass ausschließlich eigene Staatsangehörige Leistungssport betrieben. Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass Frankreich damals noch über zahlreiche [[Kolonie]]n verfügte, deren Bewohner ebenfalls als Franzosen betrachtet wurden. Insofern ging der rechtsradikale Politiker [[Jean-Marie Le Pen]] mit seiner Kritik an der Zusammensetzung der Nationalmannschaft sogar noch einen Schritt weiter, als er um die Jahrtausendwende monierte, er könne darin keine ''französische'' Mannschaft mehr erkennen. 1958 verbot der französische Verband vorübergehend die Verpflichtung neuer Ausländer. Mit der Einführung der Freizügigkeit von Personen innerhalb des [[Europäischer Binnenmarkt|Europäischen Binnenmarktes]] ist in den [[1990er]]n eine veränderte Situation entstanden; Profifußballer aus anderen [[Europäische Union|EU-Staaten]] dürfen ihre Arbeitskraft ohne quantitative Beschränkung auch in Frankreich anbieten und fallen nicht mehr unter entsprechende Ausländerregelungen. Dem haben sich Verband und Liga inzwischen angepasst: Heutzutage (Stand: 2006) ist es Vereinen der Ligue&nbsp;1 erlaubt, bis zu vier (Ligue&nbsp;2: zwei) Spieler unter Vertrag zu nehmen, die nicht aus einem der Staaten des [[Europäischer Wirtschaftsraum|EWR]] oder einem mit der EU [[Europäische Union#Assoziierte Staaten und Gebiete|assoziierten Gebiet]] stammen. Diese dürfen bei Ligabegegnungen auch gleichzeitig eingesetzt werden. Spieler aus Frankreichs überseeischen Besitzungen, [[Staatsbürgerschaft|Doppelstaatsbürger]] und eingebürgerte („naturalisierte“) Berufsfußballer fallen ohnehin nicht unter diese einschränkende Klausel. == Der Unterbau: Ligue 2 == ''siehe Hauptartikel [[Ligue 2]]'' === Einführung 1933/34 === Zur Saison 1933/34 wurde eine zweite Liga, die ''[[Ligue 2|Division&nbsp;2]]'' (heute: ''Ligue&nbsp;2''; D2 bzw. L2), geschaffen. Damit kam der Fußballverband dem Bedürfnis mehrerer Vereine nach, unter professionellen Bedingungen spielen zu können, ohne die leistungsmäßige Spitze durch eine zu große Ligue 1 zu verwässern; außerdem verhinderte diese Maßnahme, dass die Absteiger aus der D1 sofort wieder unter Amateurbedingungen spielen mussten. In diesem ersten Jahr bestand die D2 aus den sechs D1-Absteigern der Saison 1932/33 und 15 neu für den Profibereich zugelassenen Klubs, die in zwei regionalen Staffeln (Nord mit 13, Süd mit acht Vereinen) antraten. Bereits ein Jahr später spielte auch die D2 in nur noch einer landesweiten Staffel und wurde auf 14 Mannschaften verkleinert; dazu trug bei, dass für 1934/35 nur zwei neuen Vereinen (Lens, Caen) der Profistatus zuerkannt wurde, während er mehreren anderen Klubs (Monaco, Hyères, Béziers) wegen finanziellen Defizits aberkannt wurde oder diese (wie D1-Absteiger Nizza) freiwillig in den Amateurbereich zurückgingen. === Entwicklung bis in die Gegenwart === Die Ligue&nbsp;2 hat ihr Gesicht häufiger verändert als die höchste Spielklasse. Dafür gibt es mehrere Gründe: der Fußball war bis mindestens in die [[1980er]] Jahre in Frankreich in Zuschauergunst und Medieninteresse keineswegs so stark verwurzelt, dass für viel mehr als etwa zwei Dutzend Vereine eine tragfähige finanzielle Basis bestanden hätte, zumal die Tatsache, dass das [[Frankreich|Hexagon]] großflächig und nicht so dicht wie Deutschland besiedelt ist, zu erhöhten Fahrtstrecken und Reisekosten führt und auch weniger zuschauerträchtige Lokalderbys ermöglicht. Zur Veranschaulichung mag dienen, dass selbst ein absoluter Spitzenklub der [[1950er|50er und frühen 60er]] Jahre wie Stade de Reims in 16 von 17 Spielzeiten lediglich einen Saisondurchschnitt zwischen 7.000 und 10.000 Zuschauern aufwies – und das in der ''höchsten'' Spielklasse. Die verbreitete Diskrepanz zwischen relativ hohen Kosten und niedrigen Einnahmen hatte zur Folge, dass die D2 über längere Zeitabschnitte nicht ein-, sondern mehrgleisig organisiert war: * zwei Gruppen (Nord und Süd) 1933/34, 1945/46, 1972–1993 * drei Gruppen (Nord, Mitte und Süd) 1970–1972 * vier Gruppen (Nord, Ost, Süd und West) 1937/38 mit einer sich anschließenden „Meisterrunde“ ''(phase finale)'' der je vier bestplatzierten Mannschaften Von 1970 bis 1992 war die Division&nbsp;2 eine „offene“ Liga, in der sowohl Amateur- als auch Profiklubs antreten durften; vor 1970 und wieder ab 1992 handelt(e) es sich um eine reine Profiliga. In der Saison 1948/49 spielte nach kurzfristigem Rückzug der [[FC Angoulême|AS Angoulême]] übrigens der [[1. FC Saarbrücken]] als ''FC Sarrebruck'' in der D2 mit – sehr erfolgreich, aber nur außer Konkurrenz: deswegen zeigt die offizielle Abschlusstabelle dieser Spielzeit auch bloß 19 Teilnehmer (mit [[RC Lens|Racing Lens]] und [[Girondins Bordeaux|Girondins-AS du Port Bordeaux]] auf den Plätzen Eins und Zwei). Wären die 38 Begegnungen der [[Saarland|Saarländer]] gewertet worden, hätten die beiden Aufsteiger Sarrebruck und Bordeaux heißen müssen. (Zu den politisch-geschichtlichen Hintergründen dieses Intermezzos ''siehe [[Geschichte des Saarlandes#Abtrennung nach 1945|hier]]''.) Die grundsätzlichen Probleme der zweiten Liga sind erst recht in der 1936/37 eingeführten [[National (D3)|dritten Spielklasse (D3)]] festzustellen, die den Übergang zwischen Amateurismus und Professionalismus erleichtern sollte, aber in ihrer „Zwitterrolle“ (in ihr können sowohl Vereine mit professionellen Strukturen als auch Amateurklubs spielen) treffend mit dem Satz „Profis der Ausgaben, Amateure der Einnahmen“ charakterisiert werden kann. Nach dem Zweiten Weltkrieg haben sich zwar die Zahl der Spielstaffeln, die Zahl der Vereine und die Bezeichnungen für D2 und D3 zeitweise verändert, aber diese dreistufige Struktur der Leistungsspitze existiert bis heute und sie stützt sich auf ein breites Fundament von Amateurspielklassen: {| class="prettytable" |- style="background:#efefef;" ! width="4%" | Ebene ! colspan="12" width="96%" | Liga/Division |- | width="4%" align="center" style="background:#efefef;" | 1 | colspan="12" width="96%" align="center" style="background:#C6E2FF;" | '''Ligue 1 (L1, bis 2002 D1)'''<br />''(20 Vereine)'' |- | width="4%" align="center" style="background:#efefef;" | 2 | colspan="12" width="96%" align="center" style="background:#C6E2FF;" | '''[[Ligue 2|Ligue 2 (L2, bis 2002 D2)]]'''<br />''(20 Vereine)'' |- | width="4%" align="center" style="background:#efefef;" | 3 | colspan="12" width="96%" align="center" | {| border="0" cellpadding="5" cellspacing="0" width="100%" style="text-align: center;" |- | style="background-color:#C6E2FF;" | '''[[National (D3)]]''' |- | style="background-color:#EED5D2;" | ''(20 Vereine)'' |} |- | width="4%" align="center" style="background:#efefef;" | 4 | colspan="12" width="96%" align="center" style="background:#EED5D2;" | '''[[Championnat de France Amateur|Championnat de France Amateur (CFA)]]'''<br />''(je 18 Klubs in vier regionalen Staffeln)'' |- | width="4%" align="center" style="background:#efefef;" | 5 | colspan="12" width="96%" align="center" style="background:#EED5D2;" | '''[[Championnat de France Amateur#CFA 2 – die fünfte Liga (D5)|Championnat de France Amateur 2 (CFA 2)]]'''<br />''(je 16 Klubs in acht regionalen Staffeln)'' |- | width="4%" align="center" style="background:#efefef;" | 6 | colspan="12" width="96%" align="center" style="background:#EED5D2;" | '''Division d’Honneur (DH) '''<br />''(auf regionaler bzw. teilweise auf [[Département]]-Ebene)'' |- | width="4%" align="center" style="background:#efefef;" | 7 | colspan="12" width="96%" align="center" style="background:#EED5D2;" | '''Division Supérieure d’Élite (DSE)''' |- | width="4%" align="center" style="background:#efefef;" | 8 | colspan="12" width="96%" align="center" style="background:#EED5D2;" | '''Division Supérieure Régionale (DSR)''' |- | width="4%" align="center" style="background:#efefef;" | 9 | colspan="12" width="96%" align="center" style="background:#EED5D2;" | '''Division d’Honneur Régionale (DHR)''' |- | width="4%" align="center" style="background:#efefef;" | 10–<br />17+ | colspan="12" width="96%" align="center" style="background:#EED5D2;" | Darunter weitere Liga-Stufen ('''Promotion d’Honneur''', '''Promotion d’Honneur Régionale''', '''Interrégionale''', '''Régionale''', '''Promotion Interdistrict''', '''Promotion de Ligue''', '''Départementale&nbsp;1''', '''Départementale&nbsp;2''' usw.) |} Unterhalb der ''Division d'Honneur'' haben sich die Ligenbezeichnungen in jüngster Zeit geändert; hierüber werden nur die aktuell (2006/07) gültigen Bezeichnungen genannt. Übrigens wird in jüngerer Zeit auch der Erstplatzierte der Ligue 2 als Französischer Meister bezeichnet, wenn auch mit dem Ligazusatz ''(Championnat de France D2 bzw. L2)'', und mancher Klub führt diesen Zweitligatitel durchaus bei seinen Erfolgen auf. == Organisation des Profifußballs heute == === Struktur der Vereine === Bis in die erste Hälfte der [[1990er]] waren viele Klubs nach [[Vereinsrecht (Frankreich)|Vereinsrecht]] (in Frankreich ''Association [[Gesetz vom 1. Juli 1901|loi 1901]] à statut renforcé'') organisiert; sie wurden von einzelnen Männern&nbsp;<ref>Frauen als Präsidentinnen eines Profivereins sind sehr selten: die erste war 1987 die Bürgermeisterin von [[Cannes]], [[Anne-Marie Dupuy]], bei der [[AS Cannes|dortigen AS]].</ref> geführt, die oft erhebliche private Mittel in den Verein investiert hatten und ihn dann –&nbsp;teilweise über Jahrzehnte&nbsp;– nach ihrem persönlichen Gusto führten. Dieser Typus des „hemdsärmeligen Sonnenkönigs“ auf dem Präsidentensessel ist auch in den deutschsprachigen Ländern nicht unbekannt. Diese stellten insgesamt zwar nur eine Minderheit dar, während zahlreiche andere wie [[Roger Rocher]] in Saint-Étienne oder [[Henri Germain]] in Reims ihre Vereine über lange Jahre sportlich außerordentlich erfolgreich und finanziell grundsolide geführt haben. Aber es sorgten eben auch immer wieder Präsidenten für negative Schlagzeilen, die ihren Klub um des kurzfristigen Erfolges willen und aus Gründen persönlicher Eitelkeit in die roten Zahlen manövrierten, weil sie auf kaufmännische Sorgfalt wenig Wert legten und fußballerische Experten neben sich auf Dauer nicht duldeten. Deshalb ist die Liste französischer Profivereine lang, die zwischen etwa 1965 und 1995 Konkurs anmelden mussten oder sich nach anhaltenden sportlichen Misserfolgen im Amateurlager wiederfanden: [[FC Nancy]], [[FC Toulouse|Toulouse FC]], [[FC Valenciennes|US Valenciennes]], [[Stade Brestois|Brest Armorique]], auch ehemalige Meister wie der [[FC Sète 34|FC Sète]] und [[Stade Reims]],&nbsp;… Einige wenige Klubs wurden auch vom Verband wegen ihrer Verstöße gegen die Statuten zum Zwangsabstieg verurteilt ''(siehe [[Ligue 1#Meisterschaftsmodus im Wandel|oben]])''. Um dies zukünftig zu vermeiden, müssen seither alle Profiklubs nach Aktien- oder Kapitalgesellschaftsrecht strukturiert sein, wobei unterschiedliche Organisationsformen zulässig sind. Verbreitet sind die SASP ''(Société Anonyme Sportive Professionnelle)'' und die SAOS ''(Société Anonyme à Objet Sportif)'', also [[Aktiengesellschaft]]en; sehr viel seltener kommen SEMS (''Société d'Économie Mixte Sportive'') und SARL (''Société à Responsabilité Limitée'', in etwa der deutschen [[Gesellschaft mit beschränkter Haftung|GmbH]] vergleichbar) vor. Auch in Frankreich sind in diesen Gesellschaften die Rechte der Vereinsmitglieder gering; Präsident, Generaldirektor und Vorstand entscheiden über das operative Geschäft auch im sportlichen Bereich, deren Kontrolle obliegt dem Aufsichtsrat und der Aktionärs- bzw. Gesellschafterversammlung. Über die Berufsfußballabteilung hinaus müssen die Vereine auch Amateur- und Jugendmannschaften unterhalten und Nachwuchsspieler ausbilden ''(siehe [[Ligue 1#Systematische Nachwuchsförderung|oben]])''. Der französische Profiverein des 21. Jahrhunderts kennt trotzdem auch noch die einflussreiche Einzelperson, ohne die im Klub keine größeren Entscheidungen getroffen werden können; allerdings können sich diese, oft als Haupt-Kapitalgeber in Präsidium oder Aufsichtsrat agierend, in der Regel keine Alleingänge alter Prägung leisten und sind in Finanzfragen aufgrund ihrer Biografie alles andere als unbedarft. Zu diesem neuen Typus zählen unter anderem der Modeschöpfer [[Daniel Hechter]] (in den 70er und 80er Jahren bei Paris Saint-Germain und Strasbourg) und der Milliardär [[Robert Louis-Dreyfus]], der Ende 2006 seinen Mehrheitsanteil an Olympique Marseille für 115&nbsp;Mio.&nbsp;€ an den Kanadier [[Jack Kachkar]] verkaufen wollte.<ref>France Football vom 23. Januar 2007; im März 2007 hat Louis-Dreyfus die Verhandlungen überraschend für beendet erklärt, weil Kachkar mehreren Zusagen nicht nachgekommen war (France Football vom 27. März 2007).</ref> An der Börse sind bisher erst zwei Vereine notiert. Vorreiter war Olympique Lyon, der sich auf diesem Weg Anfang 2007 etwa 100&nbsp;Mio.&nbsp;€ an frischem Kapital beschaffte. Ermöglicht wurde dies wurde erst durch eine Gesetzesänderung, die der [[Senat (Frankreich)|Senat]] im Dezember 2006 auf den Weg gebracht hatte. Im Juni 2007 folgte mit dem [[FC Istres]] ein Klub, der zu diesem Zeitpunkt gerade in die [[National (D3)|dritte Liga]] abgestiegen war.<ref>France Football vom 9. und 30. Januar sowie vom 21. August 2007</ref> [[Paris SG|Paris Saint-Germain FC]] beispielsweise hat sich im Sommer 2006 neu strukturiert, nachdem der bisherige Hauptgesellschafter [[Canal Plus|Canal+]] den Verein entschuldet hat; in den zurückliegenden Jahren waren etwa 230&nbsp;Mio.&nbsp;€ Defizit aufgelaufen. Jetzt ist PSG eine SAOS, an der drei [[Investmentfond]]s (Colony Capital, Butler Capital und Morgan Stanley) je 20 % der Anteile halten; die restlichen 40 % sollen in Streubesitz übergehen. Der aktuelle [[Marktkapitalisierung|Börsenwert]] der Gesellschaft wird mit rund 200&nbsp;Mio.&nbsp;€ beziffert. Eine Diskussion darüber, inwieweit sich [[Shareholder value|Renditeerwartungen]] solcher „sportferner“ Kapitaleigner auf die Betriebsabläufe innerhalb des Vereins auswirken können, ist erst in den Anfängen begriffen.&nbsp;<ref>France Football vom 1. August 2006</ref> Der Präsident der Gesellschaft, [[Alain Cayzac]], ist jedenfalls dem [[Trainer]] gegenüber direkt weisungsberechtigt und hat mit [[Alain Roche]] einen ehemaligen Berufsfußballspieler als Berater (in Deutschland entspricht dem am ehesten die Funktion eines Sportdirektors oder Managers) an seiner Seite, der vom Trainer gleichfalls bei allen Grundsatzentscheidungen zu konsultieren ist. Am Beispiel von [[Olympique Lyon]] lässt sich erkennen, auf welchen Feldern zumindest die erfolgreichsten Klubs wirtschaften. Unter dem Dach einer gemeinsamen [[Holding]], der ''OL Groupe'', gibt es die ''SASP Olympique Lyonnais'', die das Kerngeschäft des Konzerns ausmacht, nämlich die Fußballabteilung. Daneben existieren als selbständige Unternehmen, aber unter einheitlicher Marke ''OL Phone'', ''OL Voyages'', ''OL Café'', ''OL Boisson'', ''OL Music'', ''OL Coiffure'', ''OL Taxi'', ''Restaurant Argenson Gerland'' und ''Cro Lyon Boulangeries'' (eine ''OL Land'' für den geplanten Stadionneubau soll 2007 dazukommen)&nbsp;– insgesamt also ein breit gefächertes Geschäftsfeld, an dessen Umsatz der Fußball inzwischen nur noch mit ca. 70 % beteiligt ist. Allerdings gibt es in der Ligue&nbsp;1 nicht einmal eine Handvoll Vereine, die die Grundlagen dafür besitzen, sich in einen ähnlich [[Diversifikation (Wirtschaft)|diversifizierten]] Konzern umzuwandeln ''(siehe auch [[Ligue 1#Ausgaben der Vereine 2006/07|unten]])''. === Die LFP – Vertretung der Profivereine === Die Interessenunterschiede zwischen dem Gros der unter Amateurbedingungen arbeitenden Vereine und der schmalen Schicht professionell organisierter Klubs brachen unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg offen aus. Letztere warfen der FFF nicht zu Unrecht vor, während der Kriegsjahre kaum Widerstand gegen die politischen Versuche, den Professionalismus im Sport abzuschaffen, geleistet zu haben. Die Fronten zwischen beiden Teilen des organisierten Fußballs verhärteten sich bis in die späten [[1960er]] Jahre; im bewegten [[Mai 68|Mai 1968]] besetzten Vertreter mehrerer Amateurvereine unter der Parole ''„Le football aux footballeurs!“'' („Der Fußball den Fußballern!“) sogar den Sitz der FFF in Paris. Erst danach kam es zu einer Annäherung, die 1970 in einen dauerhaften Kompromiss mündete. Seither untersteht die Ligue&nbsp;1 nicht mehr dem französischen Verband bzw. dessen ''Groupement des Clubs Professionnels'', sondern der ''Ligue de Football Professionnel'', die unter dem Dach der FFF weitestgehend autonom über alle Fragen des Ligabetriebes entscheidet. Die LFP umfasst die beiden höchsten Spielklassen (Ligue&nbsp;1 und Ligue&nbsp;2); diese sind gegenüber der dritten Liga, der ebenfalls eingleisigen ''National'' (D3), durch eine feste Auf- und Abstiegsregelung (derzeit je drei Mannschaften) allerdings offen – die Liga kann sich also ihre Bewerber so wenig aussuchen wie ihre Abgänge, sondern darüber entscheiden alleine sportliche Kriterien. Es gibt allerdings die Möglichkeit, Vereinen aus finanziellen Gründen den Profistatus zu verweigern, denn Aufsteiger müssen generell auch ihre wirtschaftliche Leistungsfähigkeit nachweisen. Das hat vor einigen Jahren beispielsweise dazu geführt, dass einem zweiten Verein aus der [[Korsika|korsischen]] Hauptstadt [[Ajaccio]] (dem [[Gazélec FCO Ajaccio|Gazélec FCO]]) die Zulassung zum Profibereich verwehrt wurde, weil angesichts niedriger, überwiegend nur vierstelliger Zuschauerzahlen unterhalb der Ligue&nbsp;1 das Potential für zwei Klubs aus derselben Stadt, wenn sie nicht wenigstens 100.000 Einwohner zählt, als nicht ausreichend bewertet wurde und wird. Außerdem richtet die LFP den [[Coupe de la Ligue|Ligapokal ''(Coupe de la Ligue)'']] aus, an dem nur Profimannschaften (2007/08 die 40 Erst- und Zweitligisten sowie fünf Klubs aus der D3) teilnehmen und der, wie in vielen anderen Ländern, nur eine vergleichsweise geringe Attraktivität besitzt. Des Weiteren ist die LFP neuerdings für alle französischen Jugendnationalmannschaften, die B-Elf der Männer und alle Frauennationalteams zuständig. Dafür bezahlt sie der FFF jährlich rund 10 % ihrer Einnahmen aus dem Rechtehandel. Präsident der LFP ist seit Mai 2002 [[Frédéric Thiriez]]. Die Liga hat sich inzwischen eine [[Ethik]]- und eine Antirassismus-Charta gegeben, letztere unter dem Titel „Den Rassismus ins Abseits stellen“. Mitte Oktober 2007 haben sieben Klubs (Girondins Bordeaux, RC Lens, OSC Lille, Olympique Lyon, AS Monaco, Paris SG und der FC Toulouse) einen „elitären Zirkel der Großen“, den Verein ''Football avenir professionnel'' (FAP) gegründet, der nach eigenem Verständnis für alle Ligamitglieder offen sein soll und Einfluss auf die Zukunft des Spitzenfußballs nehmen will. Nach Aussage des auf fünf Jahre gewählten Präsidenten Jean-Michel Aulas wichen die Interessen der stärksten Erstligisten von denen der anderen Profivereine so stark ab, dass die FAP-Gründung erforderlich geworden sei. Dieser Vorgang stößt in den Medien, aber auch bei anderen Vereinen –&nbsp;so sind beispielsweise Olympique Marseille und die AS Saint-Étienne der FAP bewusst nicht beigetreten&nbsp;– auf Kritik, weil er neben den weit auseinanderklaffenden finanziellen Möglichkeiten der LFP-Mitglieder und der Beteiligung dreier Vereine an der [[G-14]] als ein weiterer Schritt zur Spaltung des Profifußballs verstanden wird.<ref>France Football vom 23. Oktober 2007, S.&nbsp;26/27</ref> Im Mai 2008 hat der FAP seine Auflösung bekanntgegeben.<ref>France Football vom 20. Mai 2008, S.&nbsp;55</ref> === Die Spielergewerkschaft UNFP === Die Erkenntnis, dass Berufsfußballer sich organisieren müssen, um ihre Interessen gegenüber ihren Arbeitgebern durchsetzen zu können, ist in Frankreich nahezu so alt wie der Professionalismus. 1934 entstand die ''Amicale des joueurs professionnels'', die sich 1936 zu einem gewerkschaftsähnlichen Verein ''(syndicat)'' weiterentwickelte. Sein Hauptthemen waren Regelungen bezüglich der Spielertransfers, die die Betroffenen mit einbezog, und die Krankheitskostenerstattung im Verletzungsfall. Zu den Hauptinitiatoren der Organisation zählten [[Jacques Mairesse]], [[Edmond Delfour]], [[Étienne Mattler]], [[Raoul Diagne]] und einige andere, überwiegend Nationalspieler. Ende 1937 kündigten diese einen Spielerstreik für ein Länderspiel an, der aufgrund massiver Drohungen der FFFA und zu geringer Unterstützung aus Spielerkreisen folgenlos blieb. Mit Mairesses Tod im Weltkrieg schlief diese Bewegung für anderthalb Jahrzehnte ein.<ref>Wahl/Lanfranchi, S.&nbsp;69</ref> Im November 1961 kam es zur Neugründung einer Interessenvertretung in Form der ''Union Nationale des Footballeurs Professionnels'', die heutzutage einflussreicher ist als ihre deutsche Schwester und über Sitz und Stimme in der LFP verfügt. Treibende Kraft hinter ihrer Gründung war der [[kamerun]]ische Spieler [[Eugène Njo-Léa]], ein brandgefährlicher Torschütze und 1957 auch Landesmeister mit der AS Saint-Étienne, der später zum Doktor der Rechte promovierte. Die ersten Vorsitzenden der UNFP waren [[Just Fontaine]] (bis 1964) und [[Michel Hidalgo]] (1964 bis 1968). Aktueller Präsident ist seit 1969 [[Philippe Piat]] (zwischen 1965 und 1972 erfolgreicher D1-Torjäger bei Racing Strasbourg, AS Monaco und FC Sochaux), der neuerdings auch der Internationalen Spielergewerkschaft [[FIFPro]] vorsteht. Inzwischen besitzt die UNFP eine „Doppelspitze“: Co-Präsident neben Piat ist [[Sylvain Kastendeuch]], langjähriger Profi mit über 570 Erstligaeinsätzen bei drei Vereinen. Heute bestehen ihre Haupttätigkeitsfelder in der Beratung und Vertretung der Profifußballer bei vertrags- und sportrechtlichen Fragen. Des Weiteren organisiert sie für vorübergehend arbeitslos gewordene Spieler Möglichkeiten, sich fit zu halten, geht dabei auch neue Wege: im Sommer 2006 können diese freiwillig an einem Trainerlehrgang in Clairefontaine teilnehmen, um den angehenden Fußballlehrern die praktische Anwendung ihres theoretischen Lernstoffs zu ermöglichen und ggf. auch selbst Interesse an einer Übungsleiterausbildung zu bekommen. Entstanden war die Idee zu dieser Interessenvertretung in einer Zeit, in der die Spieler „Sklaven der Vereine“ waren (so [[Raymond Kopa]] im Juni 1963 in einem Interview mit der Tageszeitung [[France Dimanche]]): seit den [[1940er]]n bedeutete die Unterschrift eines in Vertragsangelegenheiten meist unerfahrenen, jungen Spielers, dass er bis zu seinem 35. Geburtstag den Verein nicht ohne dessen Zustimmung verlassen konnte. Zwar hieß es in den Profistatuten auch, Verein und Spieler sollten eine vorzeitige Vertragsauflösung „einvernehmlich regeln“; doch wenn sich der Klub dagegen sperrte, hatte der Spieler keinerlei rechtlichen Anspruch darauf. Von der Ablösesumme, die der abgebende Verein im Falle eines Wechsels frei aushandeln konnte, standen dem Spieler etwa 10 % zu. Durch eine unrealistisch hohe Forderung konnte der Klub den Weggang eines Spielers aber jederzeit verhindern. Umgekehrt besaßen Spieler keinerlei Mitspracherecht, wenn ihr Verein sie an einen anderen verkaufte. Dass der zu deutlichen Worten neigende Kopa mit seiner Charakterisierung der Bestimmungen keineswegs übertrieb, lässt sich am Beispiel von [[Roger Piantoni]] veranschaulichen. Der begnadete Linksfuß, der aus einfachsten [[Proletarier|proletarischen Verhältnissen]] (Bergarbeiterfamilie) stammte, unterschrieb 1950 im Alter von 18 Jahren seinen ersten Vertrag beim [[FC Nancy]], einem eher mittelmäßigen Klub der ''Division&nbsp;1'', und hat sich für seine Elf und seinen Arbeitgeber immer bis zum Letzten eingesetzt. 1954 bemühten sich sowohl [[Inter Mailand|Internazionale Mailand]] als auch [[Juventus Turin]] darum, ihn zu verpflichten, und der Enkel italienischer Einwanderer bat seinen Präsidenten darum, ihm diese Chance der Rückkehr zu seinen Wurzeln zu ermöglichen. Hinzuzufügen ist, dass Piantoni ein ungemein bescheidener Mensch war, der, auch als er längst Nationalspieler geworden war, mit Frau und Kindern in einer alles andere als luxuriösen Stadtwohnung lebte und sich lediglich einen Kleinwagen leistete. Seine Enttäuschung war gewaltig, als sein Präsident ihm schlichtweg mitteilte, der FC Nancy wolle sich nicht von seinem besten Spieler trennen. 1957 stieg Nancy aus der ersten Liga ab und verkaufte Piantoni dann an [[Stade de Reims]], was rein sportlich sicher eine deutliche Verbesserung für den Halbstürmer war. Aber erst Jahre später erfuhr er von Reims' Präsidenten [[Henri Germain]], was ihm sein alter Verein immer verschwiegen hatte, dass nämlich sein neuer Arbeitgeber bereits seit 1952 jährliche Zahlungen an Nancy leistete, um sich für den Fall einer vorzeitigen Vertragsauflösung ein Vorkaufsrecht auf den Spieler zu sichern. Kopa wurde übrigens 1963 für seine Äußerungen vom ''Groupement des Clubs Professionnels'' für ein halbes Jahr gesperrt, wenn auch auf Bewährung. Und es dauerte nahezu ein Jahrzehnt, bis es der UNFP gelang, die „ewige“ Bindung von Spielern an ihren ersten Verein abzuschaffen: ab der Saison 1969/70 wurden Spielerverträge grundsätzlich nur noch für eine frei aushandelbare Dauer abgeschlossen. Heutzutage können solche Verträge jederzeit aufgehoben werden, wenn sich Verein und Spieler darüber einig sind. Einseitige Auflösungen hingegen sind in Übereinstimmung mit der 2001 erlassenen Regel des [[FIFA|Weltverbandes]] für Spieler bis zu ihrem 28. Geburtstag drei, für ältere zwei Jahre lang untersagt; Verstöße dagegen werden sanktioniert. In der Praxis geben Klubs allerdings ihren Widerstand gegen einen vorzeitigen Vereinswechsel häufig auf, wenn die Ablösesumme entsprechend erhöht wird (vgl. [[Michael Essien]], der 2005 für 38&nbsp;Mio.&nbsp;€ schließlich doch von Olympique Lyon zu [[FC Chelsea|Chelsea]] wechseln durfte).<ref>France Football vom 10. Juli 2007, S.&nbsp;20/21</ref> === Das Schiedsrichterwesen === Anders als Spieler, Trainer, Vereins- und Verbandsfunktionäre sind die [[Fußballschiedsrichter|Schiedsrichter]] der beiden Profiligen in Frankreich zwar keine Amateure mehr –&nbsp;denn sie erhalten für ihre Einsätze inzwischen auch einen vierstelligen Euro-Betrag&nbsp;–, gehen aber meist noch einem anderen Broterwerb nach. Die Einführung von hauptberuflich tätigen [[Schiedsrichter (Sport)|Referees]] ist auch in Frankreich alle Jahre wieder Teil des öffentlichen Diskurses: 2001 hat die FFF mit der ''Direction Technique Nationale de l’Arbitrage'' (DTNA, seit 2004 DNA) ein Gremium eingesetzt, das sich seither mit dieser und anderen Fragen rund um das Schiedsrichterwesen (beispielsweise verbesserte Ausbildung, Einführung von Torkameras u. a.) befasst. Nachdem Frankreichs „23. Mann“ bei der [[Fußball-Weltmeisterschaft 2006|Weltmeisterschaft 2006]], [[Eric Poulat]], nicht unbedingt zu überzeugen wusste, wurde ein Schritt in Richtung Profischiedsrichter gegangen, den LFP-Präsident Thiriez schon länger fordert: in der Saison 2007/08 erhält ein Spielleiter 1.880 &nbsp;€ pro Partie sowie ein monatliches Fixum von 2.180&nbsp;€. Bei einer mittleren Zahl von Einsätzen wird ein Nettomonatsgehalt von 5.960&nbsp;€ erreicht.<ref>France Football vom 31. Juli 2007, S.&nbsp;28</ref> In Frankreich wird –&nbsp;auch dies ist keine nationale Besonderheit&nbsp;– allerdings bezweifelt, ob für ein solches Salär genügend viele geeignete Personen bereit sind, auf einen anderen Beruf zu verzichten; denn ein Schiedsrichter kann seine Tätigkeit bis zum Erreichen der Altersgrenze (derzeit bei 46 Jahren) auf diesem Niveau für maximal ca. 20 Jahre ausüben. Zudem besaßen französische Spielleiter in der Vergangenheit auch als Amateure durchaus internationales Renommee: [[Georges Capdeville]], [[Maurice Guigue]] (sie leiteten die WM-Endspiele 1938 bzw. 1958), [[Robert Wurtz]], [[Michel Vautrot]] oder [[Joël Quiniou]] (dieser sogar bei drei WM-Turnieren eingesetzt) galten in ihrer aktiven Zeit als ausgewiesene Meister ihres Faches.<br /> Im April 1996 pfiff [[Nelly Viennot]], die 2007 ihre Karriere beendete, als erste Frau ein Profispiel in Frankreich. Momentan sind die 235 französischen Spitzenschiedsricher ''(Arbitres de Fédération)'' in fünf Kategorien eingeteilt, von denen die Angehörigen der beiden obersten Stufen bei Spielen der Profiligen eingesetzt werden –&nbsp;in der Saison 2007/08: 38 Referees, darunter keine Frau&nbsp;–<ref>Eine Liste der D1-Schiedsrichter findet sich [http://www.lfp.fr/arbitre/listeArbitre.asp?code=F1 hier]. Mit Corinne Lagrange und Christelle Laboureyras standen 2007/08 zwei Frauen in Ligaspielen an der Seitenlinie.</ref> und aus deren Kreis sich auch diejenigen rekrutieren, die die FFF dem [[FIFA|Weltverband]] für internationale Einsätze meldet. Zwischen diesen fünf Leistungsstufen und der darunter befindlichen Basis kommt es nach Saisonende zu Auf- und Abstieg wie zwischen den Fußballligen auch, der von einem Leistungsbewertungssystem jedes einzelnen Schiedsrichters abhängt und durch eine Kommission (''Commission d'Arbitrage'') entschieden wird. Seit 1967 existiert ein nationaler Schiedsrichterverband, die ''Union Nationale des Arbitres de Football'' (UNAF); 2004 kam mit der ''Amicale Française des Arbitres de Football'' (AFAF) eine stärker „basisdemokratisch“ strukturierte Konkurrenz hinzu. Die Mitgliedschaft in diesen Organisationen ist freiwillig. Die in Ligue&nbsp;1 und 2 eingesetzten Spielleiter haben sich im Juli 2006 zusätzlich ein eigenes Organ (''Syndicat des arbitres de football d'élite'', SAFE) zur Vertretung ihrer Interessen gegenüber der LFP, aber auch der veröffentlichten Meinung geschaffen und als ihren ersten Vorsitzenden [[Tony Chapron]] gewählt. Seit 2002 tragen die Unparteiischen in den beiden Profiligen, im Landes- und im Ligapokal Werbung für eine Haushaltsgeräte-Handelskette auf den Ärmeln, die dafür jährlich etwa 650.000&nbsp;€ bezahlt und zusätzlich erhebliche finanzielle und organisatorische Ressourcen in die Ausbildung des Schiedsrichternachwuchses investiert. So veranstaltet die Firma ''BUT'' (übersetzt sinnigerweise ''TOR'') gemeinsam mit der FFF die jährlichen „Tage der Schiedsrichterei“, bei denen auf über 300 Sportplätzen in ganz Frankreich junge Menschen für eine solche Tätigkeit interessiert werden sollen&nbsp;– was in den vergangenen vier Jahren immerhin zu mehr als 6.000 neuen Referees geführt hat.<ref>France Football vom 26. September 2006</ref> == Finanzierung: Einnahmen und Ausgaben == === Zuschauerzahlen === Die durchschnittlichen Zuschauerzahlen in den Erstliga-Stadien überschreiten zwar seit der Saison 1999/2000 die 20.000er-Marke (Saison 2008/09: 21.050 Besucher je Spiel), aber die Zahlen schwanken naturgemäß zwischen den einzelnen Vereinen sehr stark, und selbst die Publikumsmagneten wie Olympique Marseille (seit der Saison 1997/98 regelmäßig die meisten Zuschauer), der derzeitige Abonnementsmeister Olympique Lyon (in der Saison 2005/06: 26.000 Dauerkarten verkauft) und Paris Saint-Germain decken ihre Etats zu weniger als der Hälfte durch den Umsatz an den Kassenhäuschen (zu den Eintrittspreisen ''siehe [[Ligue 1#Stadien|unten]]''). Erst 2007/08 wurde der bereits aus der Spielzeit 1998/99 datierende Rekord für ein einzelnes Spiel (57.714 zahlende Zuschauer bei der Begegnung Marseille gegen Lyon) überboten, als das Duell Lille gegen Lyon 77.840 Zuschauer anzog&nbsp;– im Pariser [[Stade de France]]. In der Spielzeit 2008/09 hatten die jeweils 19 Heimspiele der Vereine folgende mittlere Besucherzahlen: Marseille 52.276, Paris 40.902, Lyon 37.394; Meister Bordeaux kam als Fünfter auf 26.953. Am unteren Ende dieser Rangfolge standen Nizza mit 10.623 vor Le Mans (10.411) und Monaco (8.511).<ref>France Football vom 9. Juni 2009, S.&nbsp;35</ref> Dabei haben sich diese Zahlen jahrzehntelang nur sehr schleppend entwickelt. In der Saison 1947/48 (für die vorangehende Zeit liegen keine gesicherten Gesamtzahlen vor) besuchten durchschnittlich 9.700 Zuschauer die Spiele der ''Division&nbsp;1'' und 1952/53 wurde mit 11.100 Besuchern ein vorläufiger Höchststand erreicht. Noch zwanzig Jahre später (1973/74: 10.400 Zahlende im Mittel) und selbst nach den Erfolgen der Nationalmannschaft in den [[1980er]]n ([[Fußball-Europameisterschaft 1984|Europameister 1984]], [[Fußball-Weltmeisterschaft 1982|Weltmeisterschafts-Halbfinalist 1982]] und [[Fußball-Weltmeisterschaft 1986|1986]]) pendelte die Zuschauerzahl alljährlich nur um 10.000. Erst 1997/98 wurde die 15.000er-, zwei Jahre später die 20.000er-Grenze überschritten; dies ist zweifellos maßgeblich durch den Gewinn des [[Fußball-Weltmeisterschaft 1998|Weltmeistertitels]] im eigenen Land beeinflusst worden, zeigt aber zugleich, wie schwer es dem Fußball fiel, sich in der Publikumsgunst gegen die eingangs genannten, traditionellen französischen Sportarten durchzusetzen. === Fernsehgelder === ==== Die Anfänge ==== Für die allererste Liveübertragung eines Ligaspiels –&nbsp;am 29. Dezember 1956&nbsp;– erhielt der gastgebende Stade de Reims von [[Office de Radiodiffusion Télévision Française|RTF]] lediglich eine Ausgleichszahlung, die die Differenz zwischen den Zuschauereinnahmen dieser Partie gegen den FC Metz und den durchschnittlichen Einnahmen der sonstigen Heimspiele kompensierte; geschätzte 700.000 Zuschauer verfolgten das Spiel an den Fernsehempfängern.<ref>''Football 58.'' L'Équipe, Paris 1957, S.&nbsp;5</ref> Aber erst ab Mitte der 1960er Jahre wurden wieder Spiele der ''Division&nbsp;1'' live gezeigt: vier in der Saison 1965/66, sieben 1968/69. Zur Spielzeit 1969/70 erklärte sich der Sender bereit, pro Liveübertragung mindestens 120.000&nbsp;FF (umgerechnet knapp 40.000&nbsp;€) zu bezahlen; angesichts des geringen Zuschauerechos beendete RTF diesen Versuch aber schon im November 1969. Erst im September 1977 –&nbsp;zeitgleich mit dem Höhepunkt der Erfolgskurve der AS Saint-Étienne&nbsp;– kehrte der Ligafußball auf die französischen Bildschirme zurück; für insgesamt 450.000&nbsp;FF erhielt [[TF1]] das Recht, am späten Sonnabend in seinem Magazin ''Téléfoot'' Zusammenfassungen aller Meisterschaftsbegegnungen zu zeigen. Zwei Jahre später bezahlte der staatliche Sender dafür bereits 3&nbsp;Mio.&nbsp;FF pro Saison. Liveübertragungen gab es aber erst wieder ab November 1984, als der Privatsender [[Canal Plus|Canal+]] begann, für je 250.000&nbsp;FF eine Partie pro Spieltag in voller Länge zu zeigen.<ref>Alfred Wahl: ''Les archives du football. Sport et société en France (1880-1980).'' Gallimard, Paris 1989, S.&nbsp;332</ref> Seit dem 3. September 1996 können sämtliche Erstligaspiele bei diesem Anbieter [[Pay-per-View|gegen Bezahlung]] live gesehen werden. ==== Gegenwärtige Entwicklungen ==== In der Gegenwart sind die Vereine der beiden höchsten Spielklassen, wie in anderen Ländern auch, in sehr hohem Maße von den Zahlungen der Fernsehanstalten, ihrer Sponsoren und vom Ertrag des [[Merchandising]]s (hauptsächlich Trikotverkauf und dergleichen Fanartikel) abhängig. In der Saison 2006/07 zahlten Canal+ rund 600&nbsp;Mio., [[Eurosport]] 15&nbsp;Mio. und der Mobilfunkanbieter [[Orange (Unternehmen)|Orange]] 29&nbsp;Mio. Euro an die LFP, die daraus die Klubs der beiden höchsten Spielklassen sowie die aktuell sechs Profivereine in der dritten Liga bediente; auch für Erfolge im Ligapokal ''(Coupe de la Ligue)'' werden aus diesem Gesamtbudget Beträge ausgeschüttet. Ab der Saison 2008/09 wird die französische Liga –&nbsp;abgesehen von je anderthalb Minuten langen Kurzspielberichten auf Basis des französischen Informationsrechtes&nbsp;– ausschließlich für Fernseh-, Internet- und Mobiltelefon-Abonnenten zu sehen sein; Canal+ (465&nbsp;Mio.) und Orange (203&nbsp;Mio.) bezahlen dafür bis 2011 668&nbsp;Mio.&nbsp;€ je Saison. Diese Entscheidung der LFP hat in Frankreich einen Sturm der Empörung ausgelöst und auch die Aufsichtsbehörde ''Conseil supérieur de l'audiovisuel'' auf den Plan gerufen; der CSA prüft ein Recht auf fünf- oder sogar zehnminütige kostenfreie Berichterstattung. Anfang März 2008 haben Canal+ und die Liga eingelenkt: es soll zukünftig eine unverschlüsselte Zusammenfassung des Spieltags geben, die der Sender am Sonntag nachmittag –&nbsp;also ohne das Sonntagabend-Spiel&nbsp;– ausstrahlen wird. Die Fernseheinnahmen blieben von 2000 bis 2003 praktisch konstant, wuchsen dann rapide an: betrugen sie in der Saison 2003/04 noch 256,3&nbsp;Mio.&nbsp;€, stiegen sie 2004/05 auf 351,4 und 2005/06 auf 559,4&nbsp;Mio.&nbsp;€. Davon erhielten in der Saison 2008/09 die Klubs der Ligue 1 alleine 490,0&nbsp;Mio.&nbsp;€, und zwar nach einem Verteilerschlüssel, der sich aus einem für alle gleich hohen Grundbetrag (um 12&nbsp;Mio.&nbsp;€) sowie erfolgsabhängigen Prämien (Tabellenplatz, [[Einschaltquote]]n und Fünf-Jahres-Wertung) zusammensetzt.<ref>Detaillierte Aufschlüsselung für 2005/06 in France Football vom 2. Mai 2007</ref> Vizemeister Marseille standen hieraus 47,5&nbsp;Mio., dem drittplatzierten Titelverteidiger Lyon 43,6&nbsp;Mio. und Meister Bordeaux 41,5&nbsp;Mio. zu, Paris, Lille, Toulouse und Rennes je zwischen 34,7 und 27,9&nbsp;Mio., Nizza (als Einnahmen-Elftem) noch 21,2&nbsp;Mio.&nbsp;€. Demgegenüber flossen in die Kassen der Absteiger Caen und Le Havre nur jeweils gut 13&nbsp;Mio. –&nbsp;also nicht viel mehr als ein Viertel dessen, was Marseille erhielt&nbsp;–, bei Nantes 15,4&nbsp;Mio.&nbsp;€. <ref>Für 2008/09 nach France Football vom 9. Juni 2009, für den Vertrag ab 2008 nach France Football vom 12. und 19. Februar sowie vom 4. und 11. März 2008.</ref><br /> Diese Verteilung ist regelmäßig in der Sommerpause Gegenstand der Kritik, weil beispielsweise nach Ende der Saison 2008/09 der siebzehntplatzierte Beinahe-Absteiger aus Saint-Étienne rund 23,5&nbsp;Mio., der sportlich erfolgreichere FC Valenciennes (Platz&nbsp;12) aber nur gut zwei Drittel davon erhalten hat. Dem wird vor allem von Seiten der begünstigten Klubs entgegengehalten, dass sie aus Gründen der Solidarität mit den kleineren, weniger attraktiven Vereinen die eigentlichen Benachteiligten seien, weil sie bei einer freien Vermarktung deutlich höhere Einnahmen erzielen könnten. Eine Kommission unter [[Michel Hidalgo]] hat Pläne zur Attraktivitätssteigerung der Spiele durch Förderung des Angriffsfußballs unterbreitet; ab der Saison 2006/07 gibt es deshalb in der D1 eine zusätzliche Punktetabelle ''(Challenge d'offensive)'', in der Siege mit mindestens zwei Toren Differenz höher gewichtet werden. Am Ende der Spielzeit werden insgesamt 16,7&nbsp;Mio.&nbsp;€ Prämien nach dieser Tabelle verteilt, wovon die offensivfreudigste Mannschaft 2,4&nbsp;Mio. erhält, das Schlusslicht hingegen nur knapp 150.000&nbsp;€. Dass diese Maßnahme nicht zwangsläufig mehr Treffer nach sich zieht, zeigte sich in aller Deutlichkeit am 32. Spieltag: in zehn Spielen fielen insgesamt nur acht Tore, sechs Begegnungen endeten 0:0&nbsp;– absoluter Negativrekord in 75 Jahren. Etliche Klubs sind inzwischen nahezu auf Gedeih und Verderb von den Zahlungen der Fernsehsender abhängig: bei Auxerre machen diese Zahlungen in der Saison 2005/06 79 % der Gesamteinnahmen aus, bei Troyes, Valenciennes und Sedan knapp unter 70 %. Selbst Marseille und Saint-Étienne, die aufgrund ihrer vergangenen Erfolge hohe Popularität und überdurchschnittliche Zuschauerzahlen vorweisen können, decken ihre Etats zu annähernd 50 % aus diesen Fernsehgeldern. Der Mittelwert aller Erstligaklubs liegt bei 58 %, während durch Sponsoring 18 % und aus dem Ticketverkauf 13 % erlöst werden.<ref>nach France Football vom 9. Oktober 2007</ref> === Klubsponsoren === Exakte Angaben über Einnahmen aus dem Trikot- und Bandensponsoring sind auch in Frankreich angesichts einer sehr eingeschränkten Veröffentlichungspflicht häufig eher Schätzungen und entsprechend nur mit Vorsicht zu genießen. Paris Saint-Germain beispielsweise hat für 2006–2009 [[Emirates|Emirates Airlines]] als Trikotsponsor gewonnen, der dafür ca. 5&nbsp;Mio.&nbsp;€ pro Saison bezahlt.<ref>France Football vom 18. Juli 2006</ref> Noch mehr ist die Brust der Spieler des Titelverteidigers wert: angeblich überweist die Hotelkette [[Accor]] dafür jährlich 15&nbsp;Mio&nbsp;€ an Lyon.<ref>France Football vom 1. August 2006</ref> In Frankreich dürfen außer den Bekleidungsausrüstern, anders als in Deutschland, auch mehrere Sponsoren auf Trikots und Hosen genannt werden. Außerdem sind bei vielen Vereinen die Heim- und die Auswärtshemden mit unterschiedlicher Werbung beflockt. Eine weitere Besonderheit besteht darin, dass etliche französische [[Gemeinde (Frankreich)|Kommunen]], [[Département]]s und [[Regionen Frankreichs|Regionen]] ihren Verein durch [[Sponsoring]] als Werbeträger nutzen; das ist derzeit bei Auxerre, Lorient, Lyon, Nantes, Rennes, Saint-Étienne und Sochaux der Fall.<ref>France Football vom 8. August 2006</ref> Im Spätsommer 2006 wurde auch in Frankreich die Werbung für Online-Sportwetten-Anbieter untersagt, was einige Vereine angesichts kurzfristig wegfallender Einnahmen finanziell in die Bredouille gebracht hat. === Ligasponsor === [[Datei:Ligue 1.jpg|120px|right]]In der Saison 2007/08 besaß das Mobilfunkunternehmen [[Orange (Unternehmen)|Orange]] das Namensrecht an den beiden höchsten Spielklassen, die offiziell also ''Ligue 1 Orange'' und ''Ligue 2 Orange'' hießen. Wie in anderen Ländern auch haben sich diese Bezeichnungen allerdings weder im allgemeinen Sprachgebrauch noch in den Printmedien durchgesetzt; lediglich die Fernseh- und Radiostationen verwenden diese Namen häufiger. Seit der Saison 2008/09 heißt die höchste Spielklasse wieder Ligue 1, ohne Sponsor. === Ausgaben der Vereine 2006/07 === Die 20 Klubs der Ligue 1 beabsichtigten in diesem Spieljahr insgesamt Ausgaben von gut 850&nbsp;Mio.&nbsp;€, also im Mittel 42,5&nbsp;Mio.&nbsp;€. Sieben Klubs liegen deutlich darüber, wobei die 110&nbsp;Mio. von „[[Krösus]]“ Lyon nur das Budget der SASP (Aktiengesellschaft des reinen Sportbereiches) beinhalten, während die [[Holding]] ''OL Groupe'' ''(siehe [[Ligue 1#Struktur der Vereine|oben]])'' insgesamt sogar 160&nbsp;Mio.&nbsp;€ veranschlagt hat. Paris SG hat keine Zahlen bekanntgegeben, aber verlauten lassen, sein Etat liege etwa in der gleichen Größenordnung wie im Vorjahr. Die reichsten und die „ärmsten“ (darin die drei Aufsteiger) Vereine sind hierunter dargestellt; das Ausgaben-Mittelfeld bilden sechs Klubs, deren anfängliche Etatplanungen zwischen 31,5 und 42,5&nbsp;Mio.&nbsp;€ vorsehen.<ref>alle Angaben in diesem Abschnitt: France Football vom 1. August 2006, konsolidierte Saisonbilanzen nach France Football vom 4. März 2008</ref> {| cellspacing="0" cellpadding="0" style="border:0pt solid #AAAAAA; background-color:transparent;" | style="vertical-align:top;" | {| class="prettytable" |- bgcolor="#CCDDEE" ! style="width:180px;" | Vereine mit dem<br />höchsten Budget ! Etat<br />(Mio. €) |- bgcolor="#DDEEFF" | Olympique Lyon | align="center" | 110 |- bgcolor="#DDEEFF" | Olympique Marseille | align="center" | {{0}}75 |- bgcolor="#DDEEFF" | PSG | align="center" | ~70 |- bgcolor="#DDEEFF" | RC Lens | align="center" | {{0}}60 |- bgcolor="#DDEEFF" | Girondins Bordeaux | align="center" | {{0}}55 |- bgcolor="#DDEEFF" | AS Monaco | align="center" | {{0}}50 |- bgcolor="#DDEEFF" | FC Nantes | align="center" | {{0}}50 |} | style="vertical-align:top;" | {| class="prettytable" |- bgcolor="#FFDEAD" ! style="width:180px;" | Vereine mit dem<br />geringsten Budget ! Etat<br />(Mio. €) |- bgcolor="#FFECCE" | OGC Nizza | align="center" | {{0}}27 |- bgcolor="#FFECCE" | UC Le Mans | align="center" | {{0}}22,5 |- bgcolor="#FFECCE" | ES Troyes AC | align="center" | {{0}}22,5 |- bgcolor="#FFECCE" | FC Valenciennes | align="center" | {{0}}22,5 |- bgcolor="#FFECCE" | AS Nancy | align="center" | {{0}}22 |- bgcolor="#FFECCE" | CS Sedan | align="center" | {{0}}22 |- bgcolor="#FFECCE" | FC Lorient | align="center" | {{0}}20,5 |} |} Im internationalen Vergleich mit anderen [[G-14]]-Unternehmen wie [[Real Madrid]] (276&nbsp;Mio.&nbsp;€) und [[Manchester United]] (247&nbsp;Mio.&nbsp;€) stehen allerdings selbst die drei französischen Spitzenklubs nur auf relativ „bescheidenen“ Mittelfeldrängen. Andererseits haben die 20 Erstligisten dem Rechnungsabschluss zum 30. Juni 2006 zufolge einen [[Kumulation|kumulierten]] Einnahmenüberschuss von 27,7&nbsp;Mio.&nbsp;€ erwirtschaftet (nach 32,4&nbsp;Mio.&nbsp;€ Verlust in der Vorsaison) – womit die Ligue&nbsp;1 zumindest auf einem finanziell seriöseren Weg zu sein scheint als beispielsweise die italienische [[Serie A]] (um und bei 400&nbsp;Mio.&nbsp;€ Defizit) oder der englische [[FC Chelsea]], der es alleine auf ein Minus von 204&nbsp;Mio.&nbsp;€ bringt. In der Saison 2006/07 hat sich dieser Trend fortgesetzt und der Überschuss ist auf 42,7&nbsp;Mio.&nbsp;€ angewachsen, wozu insbesondere Lyon (18,6&nbsp;Mio.), Marseille (14,2&nbsp;Mio.) und Bordeaux (11&nbsp;Mio.) beigetragen haben, während die Bilanzen von Paris SG (-18,9&nbsp;Mio.), Absteiger Nantes (-3,8&nbsp;Mio.) und Nizza (-2,6&nbsp;Mio.) die höchsten Defizite aufwiesen. Die Ausgaben der französischen Vereine haben sich seit [[1994|Mitte der 1990er]] analog den steigenden Einnahmen aus den Fernsehrechten entwickelt und dabei mehr als verdreifacht: hatte ein Erstligist 1994/95 durchschnittlich 13,2&nbsp;Mio.&nbsp;€ zur Verfügung, konnte er zwei Jahre später 18&nbsp;Mio., 1999/2000 bereits 33,7&nbsp;Mio., 2004/05 36,5&nbsp;Mio. und in der laufenden Saison 42,5&nbsp;Mio.&nbsp;€ ausgeben – im Mittel, wohlgemerkt. === Spielertransfers zu Beginn der Saison 2009/10 === Nach Abschluss der offiziellen Wechselperiode (31. August 2009) haben die 20 Ligaklubs insgesamt 230&nbsp;Mio.&nbsp;€ für den Einkauf neuer Spieler ausgegeben und 185&nbsp;Mio. durch die Abgabe von Spielern eingenommen. Trotz der [[Finanzkrise ab 2007|Finanz- und Wirtschaftskrise]] lagen die Transferausgaben nur um 14&nbsp;Mio. unter denen des Vorjahres, aber 24&nbsp;Mio.&nbsp;€ höher als 2007. Vor allem aber haben 2009 die Ligamitglieder insgesamt eine negative Transferbilanz in Höhe von rund 45&nbsp;Mio., während diese zwei Jahre zuvor noch positiv war (in der Größenordnung von gut 105 &nbsp;Mio.&nbsp;€).<ref>Alle Angaben in diesem Kapitel für die Saison 2009/10 nach France Football vom 4. September 2009, S.&nbsp;16-19, für die Saison 2007/08 nach France Football vom 4. September 2007, S.&nbsp;20-29. Die Transfersummenangaben enthalten generell keine [[Bonuszahlung|Boni]], die für den Fall bestimmter sportlicher Erfolge zusätzlich fällig würden.</ref> Allerdings haben 20 Ligue-1-Klubs diesmal insgesamt weniger Geld für Spielerwechsel bezahlt als ein einzelner spanischer Verein ([[Real Madrid]] mit geschätzten 250&nbsp;Mio.&nbsp;€). Die höchsten Investitionen in neue Spieler tätigten 2009 Lyon (70&nbsp;Mio. Euro), Marseille (41,4&nbsp;Mio.) und Meister Bordeaux (28&nbsp;Mio.), wobei deren Ausgaben nur Verkaufserlöse in Höhe von 49, 27 bzw. 10,3&nbsp;Mio. gegenüberstanden. Die höchsten Transferüberschüsse erzielten Lille (10,5&nbsp;Mio. Euro), Sochaux und Lorient (je 5,5&nbsp;Mio.). Zwei der drei Aufsteiger, Lens und Montpellier, hatten auf dem diesjährigen ''Mercato'' –&nbsp;so die in Frankreich geläufige Bezeichnung für den Spielermarkt&nbsp;– keinerlei Einnahmen vorzuweisen, mussten aber auch keinerlei Ablösesummen für ihre neuen Spieler bezahlen. Die drei teuersten Neuzugänge waren [[Lisandro López|López]] (Lyon, 24&nbsp;Mio. Euro), [[Luis González|Lucho González]] (Marseille) und [[Michel Bastos|Bastos]] (Lyon, je 18&nbsp;Mio.), Letzterer zugleich auch der teuerste Transfer zwischen zwei Ligue-1-Vereinen. Am meisten für einen französischen Fußballer bezahlte Bordeaux, das [[Yoann Gourcuff|Gourcuff]] nach einem Leihjahr für 13,5&nbsp;Mio. endgültig unter Vertrag nahm. Spektakulär auch die Verkäufe von [[Karim Benzema|Benzema]] (von Lyon zu Real Madrid für 35&nbsp;Mio.&nbsp;€) sowie zwei weitere innerfranzösische Transfers ([[Bafétimbi Gomis|Gomis]] für 13&nbsp;Mio. von Saint-Étienne zum „Erzfeind“ Lyon und [[Stéphane Mbia|Mbia]] für 12&nbsp;Mio. von Rennes nach Marseille). === Spielergehälter === Ende der 1930er galt eine Verdienstobergrenze von 42.000 [[Französischer Franc|alten Francs]] pro Jahr einschließlich aller Prämien.<ref>Guillet/Laforge (éd. 2007), S. 140</ref> Auch nach dem Zweiten Weltkrieg waren die Einkommensmöglichkeiten selbst für Spitzenspieler eher bescheiden; 1954 legte der Verband eine Spanne von 30.000 bis 65.000&nbsp;FF fest, wobei Nationalspielern bis zu 90.000&nbsp;FF bezahlt werden durften.<ref>Rethacker/Thibert, S. 240f.</ref> Mit der Erhöhung der Fernsehgelder und insbesondere nach dem [[Bosman-Entscheidung|Bosman-Urteil]] in den 1990ern kam es auch in Frankreich zu einer nahezu explosionsartigen Steigerung der Gehälter. Allerdings besteht dort ebenso wenig eine Offenlegungspflicht wie in anderen Staaten, so dass die veröffentlichten Zahlen nur als Annäherung zu verstehen sind. Außerdem machen die von den Vereinen zu bezahlenden Saläre (Grundeinkommen und Erfolgsprämien) geschätzt nur etwa 40 bis 60 % des Gesamtbetrages aus; dazu kommen insbesondere Einmalzahlungen bei Vertragsabschluss („Handgeld“), von Sponsoren oder Förderern übernommene Gehaltsanteile und Werbeeinnahmen. In der Saison 2008/09 belegte [[Karim Benzema]] mit jährlich 4,8&nbsp;Mio.&nbsp;€ brutto den Spitzenplatz (Festeinkommen, Prämien, Werbeverträge u.a.), gefolgt von [[Claude Makelele]] (4,6&nbsp;Mio.), [[Juninho Pernambucano|Juninho]] (4,5&nbsp;Mio.), [[Cristiano Marques Gomez|Cris]] (4,2&nbsp;Mio.), [[Fabio Grosso]] (3,9&nbsp;Mio.), [[Kim Källström]] (3,7&nbsp;Mio.), [[Boudewijn Zenden]] (3,3&nbsp;Mio.), [[Sidney Govou]] (3,2&nbsp;Mio.), [[Abdul Kader Keïta|Kader Keita]] (3,1&nbsp;Mio.) und [[Ludovic Giuly]] (3,0&nbsp;Mio.). Auch der 20., [[Yohann Gourcuff]], brachte es noch auf 1,9&nbsp;Mio.&nbsp;€. Weiterhin rangierten unter den 20 Großverdienern 2008/09 mit zwei Ausnahmen ([[Ivan Klasnić]] bei Nantes und Gourcuff bei Bordeaux) nur Spieler von Lyon (10), Paris und Marseille (je 4).<br /> 2009/10 hießen die Spitzenreiter [[Gabriel Heinze]] (4,5&nbsp;Mio.), Gourcuff (4,4&nbsp;Mio.), [[Lucho González]] (4,3&nbsp;Mio.), Cris (4,2&nbsp;Mio.), [[Lisandro López]] (4,1&nbsp;Mio.), [[Mamadou Niang]] (3,8&nbsp;Mio.), Källström (3,7&nbsp;Mio.), Makelele (3,6&nbsp;Mio.), [[Bafétimbi Gomis]] (3,5&nbsp;Mio.) und [[Michel Bastos]] (3,4&nbsp;Mio.). Weitere 15 Spieler lagen zwischen 2,1 und 3,2&nbsp;Mio.. Nach Vereinen sortiert, standen von den 20&nbsp;Höchstverdienern sieben bei Lyon, fünf bei Marseille, vier bei Paris, zwei bei Bordeaux und je einer bei Rennes und Toulouse unter Vertrag.<br /> Sieben der zehn Bestverdiener besitzen keine französische Staatsbürgerschaft. Zu dieser Entwicklung hat eine 2008 eingeführte Sonderregelung des Einkommenssteuergesetzes für Spitzenverdiener (§&nbsp;81C des ''Code général des impôts'') beigetragen, wonach Ausländer, die zuvor in Frankreich nicht steuerpflichtig waren, und Franzosen, die wenigstens die fünf vorangegangenen Jahre ihr Einkommen im Ausland erzielt haben –&nbsp;so wie beispielsweise Makelele&nbsp;–, zwischen 30 und 50%&nbsp; ihrer Bruttoeinkünfte steuerfrei genießen können, und das auf maximal fünf Jahre. Mit den zweistelligen Millionensummen, die ein [[Lionel Messi|Messi]], [[David Beckham|Beckham]], [[Cristiano Ronaldo|Ronaldo]] (jeweils gut 30&nbsp;Mio.) oder [[Carlos Tévez|Tévez]] in Spanien, Italien und England jährlich versteuern müssen, können allerdings auch die bestverdienenden Kicker in der Ligue weiterhin nicht mithalten.<ref>France Football vom 23. März 2010, S.&nbsp;4–13</ref> Die Einkommenshöhe der Spitzenverdiener hat sich 2008/09 gegenüber 2007/08 kaum verändert, gestiegen ist allerdings der mittlere Verdienst aller Ligue-1-Profis, und zwar von 44.600 auf 51.300&nbsp;€ (+&nbsp;15&nbsp;%). Fünf Jahre zuvor lag dieser Wert erst bei gut 29.300&nbsp;€. Der Durchschnitt aller [[Ligue 2|Zweitliga]]profis liegt hingegen 2008/09 nur bei 15.000&nbsp;€ Monatsbrutto.<ref>Alle Angaben gerundet, aus France Football vom 31. März 2009, S.&nbsp;4–17; erhoben wurden sie vom ''Observatoire UFF sport conseil des revenus et de l'épargne des sportifs professionnels''.</ref> Gleichzeitig zeigt sich aber, dass die wachsenden Fernseheinnahmen in erster Linie für Spielerverpflichtungen und -gehälter ausgegeben werden. Die [[Arbeitsentgelt|Bruttolohnsummen]] der D1-Klubs stiegen 2005/06 gegenüber 2004/05 um 2 (Marseille; allerdings auf sehr hohem Niveau) bis 80 % (Lille), lediglich einer der in der Liga verbleibenden 17 Vereine reduzierte seine Ausgaben (Monaco, −10 %). Bei diesen 17 stieg die Gesamtsumme von 321,3 auf 397,3&nbsp;Mio.&nbsp;€, im Mittel also von 18,9 auf 23,4&nbsp;Mio.&nbsp;€, was einem Zuwachs von knapp 24 % binnen eines Jahres entspricht.<ref>France Football vom 2. Mai 2007, S.&nbsp;22</ref> Zu berücksichtigen ist dabei, dass bei den Vereinen über die Gehälter für ihre Profis hinaus erhebliche Personalkosten entstehen, zumal ja auch die Amateure nicht nur „für Luft und Liebe“ spielen. Bei einem in dieser Hinsicht eher durchschnittlichen Verein wie Racing Lens beispielsweise umfasste die Zahl der bezahlten Angestellten Anfang&nbsp;2008 rund 200 Personen: 70&nbsp;Spieler und Trainer (einschließlich des ''Centre de formation''), 70&nbsp;Beschäftigte in der Hauptgeschäftsstelle und etwa 60 in den externen Niederlassungen (Kartenverkauf, Merchandising u.ä.).<ref>France Football vom 20. Mai 2008, S.&nbsp;49</ref> == Spieltage und Berichterstattung == Im Regelfall finden die Spieltage am Wochenende und abends statt, und zwar (wegen der Wünsche des Bezahlfernsehsenders [[Canal Plus|Canal+]]) acht Spiele der Ligue&nbsp;1 am Sonnabend (teilweise zeitversetzt, ab 17.15 bzw. 20&nbsp;Uhr) und zwei am Sonntag (Anstoßzeiten: 18 bzw. 21&nbsp;Uhr), so dass insgesamt vier Partien live übertragen werden können. Die Ligue 2 spielt üblicherweise freitags abends; inzwischen gibt es auch in Frankreich eine Zweitligapartie am Montag. Als nicht unproblematisch gilt die mögliche Interessenkollision, die darin besteht, dass Canal+ nicht nur erheblichen Einfluss auf die Spielplangestaltung nehmen kann, sondern dazu auch noch selbst als Mitinhaber bzw. Sponsor einzelner Vereine (beispielsweise jahrelang bei [[Paris Saint-Germain FC|PSG]]) tätig ist. An den fünf Canal+-Liveübertragungen von Ligabegegnungen mit den höchsten Einschaltquoten in der Saison 2005/06 waren viermal Olympique Marseille und je zweimal Meister Lyon, Paris SG und Saint-Étienne beteiligt – ein Indiz für die derzeitige Popularität der genannten Klubs. Diese Spiele sahen jeweils zwischen 2 und 2,5&nbsp;Mio. Fernsehzuschauer, was in der Spitze einer Einschaltquote von gut 13 % entsprach. Die Verantwortlichen des Bezahlsenders und der LFP erhoffen sich eine weitere Steigerung der Zahlen nach dem Gewinn des Vizeweltmeistertitels in Deutschland. – Außer durch die Liveübertragungen von Canal+ und [[Eurosport]] können Sportinteressierte sich 2007 bei 13 weiteren französischen Fernsehsendern plus dem [[Monaco|monegassischen]] [[Radio Monte Carlo]] regelmäßig über den einheimischen Spitzenfußball informieren. Dabei kommen rund 65 ehemalige oder aktuelle Profifußballer im Studio als Experten (frz.: ''consultants'') zum Einsatz, darunter auch Trainer (z. B. [[Aimé Jacquet|Jacquet]], [[Guy Roux (Fußballtrainer)|Roux]] und [[Arsène Wenger|Wenger]]) und Schiedsrichter ([[Joël Quiniou|Quiniou]]).<ref>France Football vom 6. November 2007, S.&nbsp;20-23</ref> Bei den [[Printmedien]] findet der Fußballfan in Frankreich nahezu „paradiesische Verhältnisse“ vor: mit [[l'Équipe]] gibt es eine täglich –&nbsp;auch sonnabends und sonntags&nbsp;– erscheinende Zeitung (alle Sportarten) und dazu mit [[France Football]], genannt „Die Bibel des Fußballs“, eine dienstags und freitags erscheinende Zeitschrift. == Stadien == Zur [[Fußball-Weltmeisterschaft 1998|WM 1998]] wurden mehrere Stadien in Frankreich neu errichtet oder umgebaut, und zwar sowohl städtische wie vereinseigene Anlagen, wobei letztere bisher noch die Ausnahme darstellen. Vorschriften von [[FIFA]] und [[UEFA]], die Finanzschwäche mancher Kommune und das Interesse der Klubs an der Erzielung höherer Einnahmen führen in den letzten Jahren zunehmend dazu, dass sich der französische Fußball auch in dieser Hinsicht mehr und mehr den Trends anderer europäischer Ligen annähert („Versitzplatzung“, mehr Komfort, Namensverkauf, Großbildschirme, besseres Merchandising in den Stadien usw.). Das typische französische Stadion früherer Jahrzehnte, das ''Stade Vélodrome'' mit dem Spielfeld innerhalb der Asphalt-Radrennbahn, existiert in den Profiligen nicht mehr: als letztes wird derzeit (2006) gerade das ''Stade Auguste-Delaune'', traditionsreicher Spielort des Zweitligisten Stade Reims, um- (und das bedeutet: praktisch neu) gebaut; auch das Stadion in Marseille heißt nur noch so, hat aber keine Radbahn mehr. LFP-Präsident Thiriez konstatierte im Sommer 2007: {{Zitat|Frankreich ist bezüglich seiner Stadien 15 Jahre hinter den anderen großen europäischen Ligen zurück. Bedauerlich für Nostalgiker, aber wir müssen den Standard anheben; das gilt für sämtliche Spielstätten, auch die seit der WM 1998 modernisierten.|<small>France Football vom 26. Juni 2007, S.&nbsp;22</small>}} Zu den Besonderheiten gehört, dass in vielen Stadien einzelne Tribünen nach bedeutenden Spielern der Vergangenheit benannt sind, beispielsweise die ''[[Roger Piantoni|Tribune Piantoni]]'' in Nancy oder die ''[[Francis Méano|Tribune Méano]]'' in Reims. Der Verkauf von Stadionnamen an zahlungskräftige Unternehmen hingegen ist in Frankreich bisher noch verhindert worden. Die Begehrlichkeit, diese Einnahmequelle zu nutzen, existiert allerdings: um den Jahreswechsel 2009/10 steht die mögliche Umbenennung des städtischen Prinzenparks zugunsten einer Ausbaufinanzierung wieder im Raum. Bisher wehren sich zahlreiche PSG-Anhänger massiv dagegen: dort waren bereits Spruchbänder wie „Der Parc ist keine Hure“ und „Coca-Cola-Stadion für unser Heiligtum?“ zu lesen. Hingegen könnte der Neubau einer Spielstätte für den [[UC Le Mans]] als erste in Frankreich den Namen eines Sponsors, der Versicherung [[Mutuelle du Mans Assurances]], tragen und nach ihrer Fertigstellung [[MMArena]] heißen.<ref>France Football vom 1. Dezember 2009, S.&nbsp;53</ref> Bei einem Ligadurchschnitt von 21.500 Zuschauern pro Partie (Saison 2005/06) fällt auf, dass das Fassungsvermögen von immerhin neun der zwanzig aktuellen Erstligastadien eine solche Zuschauerzahl nicht ermöglichte. Andererseits ist zu bedenken, dass beispielsweise das Stadion von [[Sochaux]] über eine größere Kapazität verfügt als die Stadt Einwohner hat. In der Tabelle hierunter ist die von der LFP jeweils für Ligaspiele 2009/10 genehmigte Kapazität der Stadien angegeben;<ref>nach dem Guide 2009–10 von France Football</ref> sie kann bei anderen Veranstaltungen von diesen Zahlen abweichen, etwa durch Verringerung oder Vergrößerung der Stehplatzbereiche. {| class="prettytable" |- bgcolor="#CCDDEE" ! Rang ! Stadt ! style="width:180px;" | Name ! Kapa-<br />zität |- bgcolor="#DDEEFF" | align="center" | {{0}}1 | [[Marseille]] | [[Stade Vélodrome]]{{FN|a}} | align="center" | 60.031 |- bgcolor="#DDEEFF" | align="center" | {{0}}2 | [[Paris]] | [[Prinzenparkstadion|Parc des Princes]] {{FN|a}} | align="center" | 47.428 |- bgcolor="#DDEEFF" | align="center" | {{0}}3 | [[Lens (Pas-de-Calais)|Lens]] | [[Stade Félix-Bollaert]] {{FN|a}} | align="center" | 41.233 |- bgcolor="#DDEEFF" | align="center" | {{0}}4 | [[Lyon]] | [[Stade Gerland]] {{FN|a}} {{FN|c}} | align="center" | 40.494 |- bgcolor="#DDEEFF" | align="center" | {{0}}5 | [[Toulouse]] | [[Stadium Municipal]] {{FN|a}} {{FN|b}} | align="center" | 36.508 |- bgcolor="#DDEEFF" | align="center" | {{0}}6 | [[Saint-Étienne]] | [[Stade Geoffroy-Guichard]] {{FN|a}} {{FN|b}} | align="center" | 35.616 |- bgcolor="#DDEEFF" | align="center" | {{0}}7 | [[Bordeaux]] | [[Stade Chaban-Delmas]] {{FN|a}} | align="center" | 34.198 |- bgcolor="#DDEEFF" | align="center" | {{0}}8 | [[Montpellier]] | [[Stade de la Mosson]] {{FN|a}} | align="center" | 32.500 |- bgcolor="#DDEEFF" | align="center" | {{0}}9 | [[Rennes]] | [[Stade de la Route de Lorient]] | align="center" | 29.376 |- bgcolor="#DDEEFF" | align="center" | 10 | [[Auxerre]] | [[Stade de l'Abbé-Deschamps]] | align="center" | 20.132 |- bgcolor="#DDEEFF" | align="center" | 11 | [[Nancy]] | [[Stade Marcel-Picot]] | align="center" | 20.085 |- bgcolor="#DDEEFF" | align="center" | 12 | [[Grenoble]] | [[Stade des Alpes]] | align="center" | 20.068 |- bgcolor="#DDEEFF" | align="center" | 13 | [[Sochaux]] | [[Stade Auguste-Bonal]] | align="center" | 20.005 |- bgcolor="#DDEEFF" | align="center" | 14 | [[Nizza]] | [[Stade du Ray]] {{FN|d}} | align="center" | 18.500 |- bgcolor="#DDEEFF" | align="center" | 15 | [[Monaco]] | [[Stade Louis II]] {{FN|b}} | align="center" | 18.523 |- bgcolor="#DDEEFF" | align="center" | 16 | [[Villeneuve-d’Ascq]] | [[Stadium Nord Lille Métropole]] {{FN|e}} | align="center" | 18.086 |- bgcolor="#DDEEFF" | align="center" | 17 | [[Le Mans]] | [[Stade Léon-Bollée]] | align="center" | 16.450 |- bgcolor="#DDEEFF" | align="center" | 18 | [[Valenciennes]] | [[Stade Nungesser]] {{FN|f}} | align="center" | 16.547 |- bgcolor="#DDEEFF" | align="center" | 19 | [[Lorient]] | [[Stade du Moustoir]] | align="center" | 15.870 |- bgcolor="#DDEEFF" | align="center" | 20 | [[Boulogne-sur-Mer]] | [[Stade de la Libération]] | align="center" | 15.004 |} <small>{{FNZ|a|Stadion zur Weltmeisterschaft 1998 ausgebaut}} {{FNZ|b|(nahezu) reines Sitzplatzstadion}} {{FNZ|c|Olympique Lyon plant einen vereinseigenen, etwa 60.000 Plätze beinhaltenden Neubau in [[Décines-Charpieu|Décines]], gegen den es aber auch Ende 2009 massiven örtlichen Widerstand gibt.}} {{FNZ|d|OGC Nizza plant einen momentan allerdings gerichtlich „auf Eis gelegten“ Neubau für 32.000 Zuschauer in [[Saint-Isidore]]; derzeit (Oktober 2009) geht der Klub von einer Fertigstellung nicht vor Sommer 2013 aus.}} {{FNZ|e|Ausweichstadion des OSC Lille bis zu einem Neubau des [[Stade Grimonprez-Jooris]]}} {{FNZ|f|Ein Neubau ''([[Stade Nungesser II]])'' ist in Planung}} Anmerkung zur Schreibweise: In Frankreich werden Stadien meist mit Bindestrich zwischen Vor- und Nachnamen der Person geschrieben, nach der sie benannt sind.</small> '''Eintrittspreise 2006/07''' Stadien weisen auch in Frankreich hinsichtlich Komfort, Nähe zum Spielfeld und Sichtqualität für den einzelnen Besucher erhebliche Unterschiede auf; ebenso gibt es innerhalb der Sitz- bzw. Stehplätze noch unterschiedliche Kategorien. Entsprechend fordern die Klubs der Ligue&nbsp;1 für den Besuch eines normalen Punktspiels sehr weit auseinander liegende Eintrittspreise, wobei diese teilweise auch Ausdruck unterschiedlicher [[Kaufkraft (Konsum)|Kaufkraft]] im jeweiligen Einzugsgebiet und der Leistungsstärke der Mannschaft sind. Die Kartenpreise für den einfachen Stehplatz in der Saison 2006/07 beginnen bei 5–6&nbsp;€ (in Le Mans, Rennes, Auxerre, Lille, Valenciennes und –&nbsp;nur auf den ersten Blick überraschenderweise&nbsp;– Monaco), während man in Bordeaux, Lens, Nantes, Paris, Saint-Étienne, Sochaux und Troyes 9–10&nbsp;€, in Marseille und Sedan gar 15&nbsp;€ dafür bezahlen muss. Diese Relation von 1:3 zwischen billigstem und teuerstem Mindestpreis wird von der Preis-Spannweite der jeweils besten Sitzplatzkategorie allerdings noch erheblich übertroffen. Letztere reicht von 24 (Auxerre) bis 330&nbsp;€ (Marseille), ergibt also ein Verhältnis von fast 1:14, wobei die Höchstpreise dieser beiden Klubs allerdings diejenigen in den restlichen 18 Stadien auch extrem unter- bzw. überschreiten. In Le Mans, Lorient, Sedan, Toulouse, Troyes und Valenciennes kostet der teuerste Platz 36–40&nbsp;€, bei neun Erstligisten zwischen 45 und 62&nbsp;€. Deutlich mehr, aber immer noch weitaus weniger als in Marseille, muss der Zuschauer in Bordeaux (72&nbsp;€), Lyon (100&nbsp;€) und Paris (140&nbsp;€) bezahlen. Offenbar gibt es in Paris, Marseille und Lyon, den drei [[Liste der Städte in Frankreich|größten Städten Frankreichs]], genügend viele Menschen, die auch einen dreistelligen Euro-Betrag für ein normales Fußballspiel zu zahlen bereit sind. == Organisierte Fangruppen und Wandel der Zuschauerstruktur == Schon in den [[1950er]] Jahren verfügten etliche Mannschaften über Fanclubs, die –&nbsp;wie der damals größte, ''Allez Reims!''&nbsp;– teilweise sogar mit Unterstützung der Klubgeschäftsstellen operierten. Heute unterscheiden sich die Strukturen in der Fanszene kaum noch von denen in anderen europäischen Ligen: von der traditionsreichen, eher durch ein höheres Durchschnittsalter charakterisierten Mitgliederorganisation bis hin zu den eher jüngeren [[Ultrà-Bewegung|Ultras]], die mit ihren „[[Choreografie|Choreos]]“ oft besonders zur Atmosphäre in den Stadien beitragen, ist die gesamte Spannweite vertreten. Auch Verband und Ligaorganisation betrachten die Fans („Supporters“ auf Französisch) inzwischen nicht mehr nur als zahlendes „Beiwerk“, sondern eher als Mitwirkende eines Events: die LFP veranstaltete 2006/07 erstmals eine „Landesmeisterschaft der Zuschauerränge“ ''(Championnat de France des tribunes)'', an deren Ende das beste Publikum in Ligue&nbsp;1 (Sieger: die [[AS Saint-Étienne]]) und&nbsp;2 ([[SM Caen]]) ausgezeichnet wurde. 2007/08 und 2008/09 konnten die Zuschauer im [[Stade Geoffroy-Guichard]] diesen Erfolg wiederholen.<ref>http://www.lfp.fr/ligue1/championnat_France_Tribunes.asp</ref> Stimmung und Fairness sind die Kriterien, nach denen die Gewinner dieses Pokals ermittelt wurden. Dafür hat sich die LFP sogar dazu bereit erklärt, das kontrollierte Abbrennen auch in französischen Stadien normalerweise verbotener „[[Feuerwerkskörper|Pyro]]s“ zuzulassen: beim normannischen Zweitligaderby zwischen [[Le Havre AC]] und SM Caen Ende August 2006 durften einzelne Vertreter der beiden Fanlager eine Viertelstunde vor dem Anpfiff –&nbsp;im Innenraum und unter Aufsicht der Feuerwehr&nbsp;– ihre Feuerwerksbatterien zünden. Ansonsten wird der wiederholte Einsatz solcher „Stimmungsmittel“ aber streng geahndet; so musste beispielsweise Olympique Marseille Anfang 2007 und erneut im Frühjahr 2009 anschließend jeweils ein Heimspiel unter Ausschluss der Öffentlichkeit austragen.<ref>France Football vom 31. März 2009, S.&nbsp;27</ref> [[Hooligan]]ismus und Gewaltbereitschaft im Umfeld von Ligaspielen sind in den letzten Jahren rückläufig. Es bestehen aber nach wie vor besondere gegenseitige „Hasslieben“, häufig zwischen Fangruppen benachbarter Vereine, deren meistzitierte die zwischen den Anhängern von [[AS Saint-Étienne]] und [[Olympique Lyon]] ist, die auch in der Rückrunde 2006/07 erneut zum Ausdruck kam. Dagegen ist die Gegnerschaft zwischen den Fans von [[Paris SG]] und [[Olympique Marseille]] eine künstlich erzeugte, mit der Ende der 1980er Jahre der Fernsehsender und PSG-Sponsor [[Canal+]] sowie OMs Präsident Tapie –&nbsp;wie beide Seiten später zugaben&nbsp;– das Interesse an den Begegnungen zwischen beiden Mannschaften „anheizen“ wollten.<ref>Alain Pécheral: ''La grande histoire de l'OM. Des origines à nos jours.'' Éd. Prolongations, o.O. 2007 ISBN 978-2-916400-07-5, S.&nbsp;362</ref> Nach der sehr kurzfristigen Absage eines Punktspiels zwischen OM und PSG im Oktober 2009 –&nbsp;viele Pariser Zuschauer waren bereits in Marseille eingetroffen&nbsp;– kam es im Stadtgebiet zu massiven Auseinandersetzungen zwischen Anhängern der beiden Klubs.<ref>[http://www.francefootball.fr/FF/breves2009/20091026_094128_16-personnes-en-garde-a-vue.html France Football online: „16 Personen festgenommen“]; die Absage erfolgte wegen [[Pandemie H1N1 2009|Schweinegrippe]]-Verdachts bei einigen PSG-Spielern (vgl. [http://www.francefootball.fr/FF/breves2009/20091026_090256_om-psg-c-est-pour-quand.html France Football online zum Termin der Neuansetzung]).</ref> Im Februar 2010 starb ein PSG-Fan am Rande des Rückspiels gegen Marseille bei Auseinandersetzungen zwischen verfeindeten Pariser Fangruppen. Vor allem im und um den [[Prinzenparkstadion|Parc des Princes]] kommt es seit einigen Jahren zunehmend zu gewalttätigen Konflikten zwischen Ultras aus der ''tribune Boulogne'', die als „Kurve der weißen [sic!], eher politisch rechts stehenden Pariser“ gilt, und Anhängern aus der ''tribune Auteuil'', auf der sich mehrheitlich „afrikanische und arabische Einwanderer aus den Vorstädten“ finden.<ref>France Football vom 23. März 2010, S.&nbsp;32–35</ref> Saint-Étienne hat 1979 und 1995 zwei Untersuchungen über die Zusammensetzung der Besucher im eigenen Stadion durchgeführt. Inwieweit diese [[Statistische Signifikanz|statistisch verlässliche]] Ergebnisse erbracht haben, kann mangels näherer Informationen über die Methoden der Erhebung nicht bewertet werden, weshalb hier auch auf eine soziologische Analyse der Daten verzichtet wird. Sie sind wegen unterschiedlicher Einzugsgebiete zudem nicht einfach auf sämtliche Stadien der Ligue&nbsp;1 übertragbar, decken sich allerdings in der Tendenz mit Beobachtungen aus deutschen Erstligastadien. Der „typische Besucher“ eines Ligue-1-Spiels war danach 1995 im Vergleich zu 1979…<ref>Zusammenfassung der Untersuchungsergebnisse von [http://geoffroy.guichard.free.fr/spectateurs.php hier (frz.)]</ref> * jünger (Zuwachs des Anteils der unter 40-jährigen von 49 auf 80 %, was mit einer Zunahme von Schülern und Studenten von 26 auf 36 % und einer Abnahme des Rentneranteils von 6,5 auf 5,3 % [[Korrelation|korreliert]]) * beruflich häufiger im [[Dienstleistungssektor]] tätig (Zunahme der Angestellten von 20 auf 24 %, Abnahme der Arbeiter von 21 auf 13 % – worin sich auch der wirtschaftliche Strukturwandel der alten Industriestadt widerspiegelt) * weiblicher (1995 war jeder sechste Besucher eine Besucherin; 1979 wurde dies nicht gesondert ausgewiesen, in Mitteleuropa besteht allerdings ein genereller Trend zu mehr Frauen in den Fußballstadien) == Aktuelle Beliebtheit der Vereine == Eine repräsentative, landesweite Umfrage, die Anfang 2007 im Auftrag von France Football durchgeführt wurde,<ref>France Football vom 6. März 2007</ref> erbrachte als Ergebnis, dass nicht etwa der aktuelle Serienmeister der Ligue&nbsp;1, Olympique Lyon, sondern ein Klub in der Gunst der Bewohner Frankreichs an erster Stelle steht, dessen letzter bedeutender Titelgewinn schon 14 Jahre zurück liegt: 35,9 % der Fußballfans und 17,2 % aller Einwohner nannten Olympique Marseille als ihren einheimischen Lieblingsverein; Lyon kam lediglich auf 20,3 bzw. 12,5 %. Alle anderen Vereine folgen mit weitem Abstand – auf dem dritten Rang steht bei beiden befragten Gruppen Paris Saint-Germain (8,0 bzw. 4,6 %) vor Bordeaux, Saint-Étienne, Auxerre und Lille. Ein wesentlicher Unterschied zwischen Fußballinteressierten und „Normalbürgern“ findet sich auch: nur bei Ersteren taucht der FC Lorient (auf Rang&nbsp;8), nur bei Letzteren der RC Lens (sogar auf dem 4.&nbsp;Platz) unter den zehn beliebtesten Klubs auf. == Statistik (1932–1939 und 1945–2009) == <div style="margin:1.5em; border:3px solid black; padding: 1em 1em 1em 1em; background-color:#CFCFCF; align:center;">HINWEIS: Sämtliche Statistiken, Tabellen usw. werden nach dem letzten Spieltag der Saison 2009/10 zügig aktualisiert. Bitte '''bis dahin keine Einzeländerungen''' (vorzeitig feststehender Absteiger, Erhöhung der Zahl der Spielzeiten, Zahl der Titel usw.) vornehmen. Das macht sonst bei der Aktualisierung im Mai 2010 viel unnötige Arbeit. Danke.</div> <!----> === „Ewige Tabelle“ === <small>(Punkte für den gesamten Zeitraum nach der 3-Punkte-Regel; Vereine, die in der Saison 2009/10 in der Ligue&nbsp;1 spielen, sind rosa unterlegt, Ligue-2-Vereine gelb)</small> {| class="prettytable" |- bgcolor="#CCDDEE" ! Rang ! Verein ! Spiel-<br />zeiten ! Titel ! Vize-<br />mstr. ! Punkte ! Erst-<br />mals ! Zu-<br />letzt |- bgcolor="#DDEEFF" | align="center" | {{0}}1 | bgcolor="#FEDBCA" | [[Girondins Bordeaux]] | align="center" | 56 | align="center" | '''6''' | align="center" | 9 | align="center" | '''3.252''' | align="center" | 1945/46 | align="center" | 2008/09 |- bgcolor="#DDEEFF" | align="center" | {{0}}2 | bgcolor="#FEDBCA" | [[Olympique Marseille]] {{FN|g}} | align="center" | 59 | align="center" | '''8''' | align="center" | 9 | align="center" | '''3.205''' | align="center" | 1932/33 | align="center" | 2008/09 |- bgcolor="#DDEEFF" | align="center" | {{0}}3 | bgcolor="#FEDBCA" | [[AS Saint-Étienne]] | align="center" | 56 | align="center" | '''10''' | align="center" | 3 | align="center" | '''3.165''' | align="center" | 1938/39 | align="center" | 2008/09 |- bgcolor="#DDEEFF" | align="center" | {{0}}4 | bgcolor="#FEDBCA" | [[AS Monaco]] | align="center" | 52 | align="center" | '''7''' | align="center" | 5 | align="center" | '''3.052''' | align="center" | 1953/54 | align="center" | 2008/09 |- bgcolor="#DDEEFF" | align="center" | {{0}}5 | bgcolor="#FEDBCA" | [[FC Sochaux]] | align="center" | 61 | align="center" | '''2''' | align="center" | 3 | align="center" | '''2.987''' | align="center" | 1932/33 | align="center" | 2008/09 |- bgcolor="#DDEEFF" | align="center" | {{0}}6 | bgcolor="#FEDBCA" | [[OSC Lille]] {{FN|h}} | align="center" | 56 | align="center" | '''3''' | align="center" | 6 | align="center" | '''2.777''' | align="center" | 1932/33 | align="center" | 2008/09 |- bgcolor="#DDEEFF" | align="center" | {{0}}7 | bgcolor="#FEDBCA" | [[Olympique Lyon]] {{FN|i}} | align="center" | 51 | align="center" | '''7''' | align="center" | 2 | align="center" | '''2.773''' | align="center" | 1951/52 | align="center" | 2008/09 |- bgcolor="#DDEEFF" | align="center" | {{0}}8 | bgcolor="FEDBCA" | [[RC Lens]] | align="center" | 55 | align="center" | '''1''' | align="center" | 4 | align="center" | '''2.770''' | align="center" | 1937/38 | align="center" | 2007/08 |- bgcolor="#DDEEFF" | align="center" | {{0}}9 | bgcolor="#FFF68F" | [[FC Nantes]] | align="center" | 45 | align="center" | '''8''' | align="center" | 7 | align="center" | '''2.687''' | align="center" | 1963/64 | align="center" | 2008/09 |- bgcolor="#DDEEFF" | align="center" | 10 | bgcolor="#FFF68F" | [[FC Metz]] | align="center" | 57 | align="center" | – | align="center" | 1 | align="center" | '''2.618''' | align="center" | 1932/33 | align="center" | 2007/08 |- bgcolor="#DDEEFF" | align="center" | 11 | bgcolor="#FFF68F" | [[Racing Straßburg|RC Strasbourg]] | align="center" | 56 | align="center" | '''1''' | align="center" | 1 | align="center" | '''2.614''' | align="center" | 1935/36 | align="center" | 2007/08 |- bgcolor="#DDEEFF" | align="center" | 12 | bgcolor="#FEDBCA" | [[OGC Nizza]] | align="center" | 50 | align="center" | '''4''' | align="center" | 3 | align="center" | '''2.455''' | align="center" | 1932/33 | align="center" | 2008/09 |- bgcolor="#DDEEFF" | align="center" | 13 | bgcolor="#FEDBCA" | [[Stade Rennes]] | align="center" | 52 | align="center" | – | align="center" | – | align="center" | '''2.365''' | align="center" | 1932/33 | align="center" | 2008/09 |- bgcolor="#DDEEFF" | align="center" | 14 | bgcolor="#FEDBCA" | [[Paris SG|Paris Saint-Germain]] | align="center" | 36 | align="center" | '''2''' | align="center" | 6 | align="center" | '''2.069''' | align="center" | 1971/72 | align="center" | 2008/09 |- bgcolor="#DDEEFF" | align="center" | 15 | bgcolor="#FEDBCA" | [[FC Toulouse]] {{FN|j}} | align="center" | 40 | align="center" | – | align="center" | 1 | align="center" | '''1.952''' | align="center" | 1946/47 | align="center" | 2008/09 |- bgcolor="#DDEEFF" | align="center" | 16 | bgcolor="#FFF68F" | [[Olympique Nîmes]] | align="center" | 36 | align="center" | – | align="center" | 4 | align="center" | '''1.759''' | align="center" | 1951/52 | align="center" | 1992/93 |- bgcolor="#DDEEFF" | align="center" | 17 | [[Stade Reims]] | align="center" | 29 | align="center" | '''6''' | align="center" | 3 | align="center" | '''1.672''' | align="center" | 1945/46 | align="center" | 1978/79 |- bgcolor="#DDEEFF" | align="center" | 18 | bgcolor="#FEDBCA" | [[AJ Auxerre]] | align="center" | 29 | align="center" | '''1''' | align="center" | – | align="center" | '''1.641''' | align="center" | 1980/81 | align="center" | 2008/09 |- bgcolor="#DDEEFF" | align="center" | 19 | [[RC Paris|Racing Paris]] | align="center" | 30 | align="center" | '''1''' | align="center" | 2 | align="center" | '''1.504''' | align="center" | 1932/33 | align="center" | 1989/90 |- bgcolor="#DDEEFF" | align="center" | 20 | bgcolor="#FFF68F" | [[SC Bastia]] | align="center" | 29 | align="center" | – | align="center" | – | align="center" | '''1.374''' | align="center" | 1968/69 | align="center" | 2004/05 |- bgcolor="#DDEEFF" | align="center" | 21 | bgcolor="#FEDBCA" | [[FC Valenciennes|Valenciennes US/FC]] | align="center" | 28 | align="center" | – | align="center" | – | align="center" | '''1.244''' | align="center" | 1935/36 | align="center" | 2008/09 |- bgcolor="#DDEEFF" | align="center" | 22 | bgcolor="#FEDBCA" | [[AS Nancy]] | align="center" | 25 | align="center" | – | align="center" | – | align="center" | '''1.214''' | align="center" | 1970/71 | align="center" | 2008/09 |- bgcolor="#DDEEFF" | align="center" | 23 | bgcolor="#FEDBCA" | [[HSC Montpellier|Montpellier SO/HSC]] | align="center" | 27 | align="center" | – | align="center" | – | align="center" | '''1.150''' | align="center" | 1932/33 | align="center" | 2003/04 |- bgcolor="#DDEEFF" | align="center" | 24 | bgcolor="#FFF68F" | [[CS Sedan]] | align="center" | 23 | align="center" | – | align="center" | – | align="center" | '''1.102''' | align="center" | 1955/56 | align="center" | 2006/07 |- bgcolor="#DDEEFF" | align="center" | 25 | bgcolor="#FFF68F" | [[SCO Angers]] | align="center" | 23 | align="center" | – | align="center" | – | align="center" | '''1.088''' | align="center" | 1956/57 | align="center" | 1993/94 |- bgcolor="#DDEEFF" | align="center" | 26 | bgcolor="#FFF68F" | [[Le Havre AC]] | align="center" | 24 | align="center" | – | align="center" | – | align="center" | '''1.011''' | align="center" | 1938/39 | align="center" | 2008/09 |- bgcolor="#DDEEFF" | align="center" | 27 | [[AS Cannes]] | align="center" | 22 | align="center" | – | align="center" | 1 | align="center" | '''932''' | align="center" | 1932/33 | align="center" | 1997/98 |- bgcolor="#DDEEFF" | align="center" | 28 | [[FC Rouen]] | align="center" | 19 | align="center" | – | align="center" | – | align="center" | '''860''' | align="center" | 1936/37 | align="center" | 1984/85 |- bgcolor="#DDEEFF" | align="center" | 29 | [[FC Sète]] | align="center" | 16 | align="center" | '''2''' | align="center" | – | align="center" | '''705''' | align="center" | 1932/33 | align="center" | 1953/54 |- bgcolor="#DDEEFF" | align="center" | 30 | [[FC Nancy]] | align="center" | 15 | align="center" | – | align="center" | – | align="center" | '''666''' | align="center" | 1946/47 | align="center" | 1962/63 |- bgcolor="#DDEEFF" | align="center" | 31 | [[Stade Français (Fußball)|Stade Français Paris]] | align="center" | 15 | align="center" | – | align="center" | – | align="center" | '''648''' | align="center" | 1946/47 | align="center" | 1966/67 |- bgcolor="#DDEEFF" | align="center" | 32 | bgcolor="#FFF68F" | [[Stade Laval]] | align="center" | 13 | align="center" | – | align="center" | – | align="center" | '''616''' | align="center" | 1976/77 | align="center" | 1988/89 |- bgcolor="#DDEEFF" | align="center" | 33 | [[Red Star Paris]] | align="center" | 16 | align="center" | – | align="center" | – | align="center" | '''568''' | align="center" | 1932/33 | align="center" | 1974/75 |- bgcolor="#DDEEFF" | align="center" | 34 | [[ES Troyes AC|Troyes AS/ES]] | align="center" | 14 | align="center" | – | align="center" | – | align="center" | '''552''' | align="center" | 1954/55 | align="center" | 2006/07 |- bgcolor="#DDEEFF" | align="center" | 35 | [[Sporting Toulon|SC Toulon]] | align="center" | 12 | align="center" | – | align="center" | – | align="center" | '''529''' | align="center" | 1958/59 | align="center" | 1992/93 |- bgcolor="#DDEEFF" | align="center" | 36 | bgcolor="#FFF68F" | [[SM Caen]] | align="center" | 11 | align="center" | – | align="center" | – | align="center" | '''492''' | align="center" | 1988/89 | align="center" | 2008/09 |- bgcolor="#DDEEFF" | align="center" | 37 | [[CO Roubaix-Tourcoing]] | align="center" | 10 | align="center" | '''1''' | align="center" | – | align="center" | '''473''' | align="center" | 1945/46 | align="center" | 1954/55 |- bgcolor="#DDEEFF" | align="center" | 38 | bgcolor="#FFF68F" | [[Stade Brestois|Armorique/Stade Brest]] | align="center" | 10 | align="center" | – | align="center" | – | align="center" | '''451''' | align="center" | 1979/80 | align="center" | 1990/91 |- bgcolor="#DDEEFF" | align="center" | 39 | bgcolor="#FFF68F" | [[AC Ajaccio]] | align="center" | 10 | align="center" | – | align="center" | – | align="center" | '''418''' | align="center" | 1967/68 | align="center" | 2005/06 |- bgcolor="#DDEEFF" | align="center" | 40 | bgcolor="#FFF68F" | [[EA Guingamp]] | align="center" | {{0}}7 | align="center" | – | align="center" | – | align="center" | '''313''' | align="center" | 1995/96 | align="center" | 2003/04 |- bgcolor="#DDEEFF" | align="center" | 41 | [[Excelsior AC Roubaix]] | align="center" | {{0}}7 | align="center" | – | align="center" | – | align="center" | '''271''' | align="center" | 1932/33 | align="center" | 1938/39 |- bgcolor="#DDEEFF" | align="center" | 42 | [[SC Fives]] | align="center" | {{0}}7 | align="center" | – | align="center" | 1 | align="center" | '''268''' | align="center" | 1932/33 | align="center" | 1938/39 |- bgcolor="#DDEEFF" | align="center" | 43 | [[FC Antibes|Olympique Antibes]] | align="center" | {{0}}7 | align="center" | – | align="center" | – | align="center" | '''238''' | align="center" | 1932/33 | align="center" | 1938/39 |- bgcolor="#DDEEFF" | align="center" | 44 | bgcolor="#FEDBCA" | [[UC Le Mans]] | align="center" | {{0}}5 | align="center" | – | align="center" | – | align="center" | '''232''' | align="center" | 2003/04 | align="center" | 2008/09 |- bgcolor="#DDEEFF" | align="center" | 45 | bgcolor="#FEDBCA" | [[FC Lorient]] | align="center" | {{0}}5 | align="center" | – | align="center" | – | align="center" | '''212''' | align="center" | 1998/99 | align="center" | 2008/09 |- bgcolor="#DDEEFF" | align="center" | 46 | [[FC Mulhouse]] | align="center" | {{0}}6 | align="center" | – | align="center" | – | align="center" | '''188''' | align="center" | 1932/33 | align="center" | 1989/90 |- bgcolor="#DDEEFF" | align="center" | 47 | [[Olympique Alès]] | align="center" | {{0}}6 | align="center" | – | align="center" | – | align="center" | '''170''' | align="center" | 1932/33 | align="center" | 1958/59 |- bgcolor="#DDEEFF" | align="center" | | bgcolor="#FFF68F" | [[Tours FC|Tours AFC/FC]] | align="center" | {{0}}4 | align="center" | – | align="center" | – | align="center" | '''170''' | align="center" | 1980/81 | align="center" | 1984/85 |- bgcolor="#DDEEFF" | align="center" | 49 | [[FC Limoges]] | align="center" | {{0}}3 | align="center" | – | align="center" | – | align="center" | '''139''' | align="center" | 1958/59 | align="center" | 1960/61 |- bgcolor="#DDEEFF" | align="center" | 50 | [[FC Angoulême|AS Angoulême]] | align="center" | {{0}}3 | align="center" | – | align="center" | – | align="center" | '''123''' | align="center" | 1969/70 | align="center" | 1971/72 |- bgcolor="#DDEEFF" | align="center" | 51 | [[Paris FC]] | align="center" | {{0}}3 | align="center" | – | align="center" | – | align="center" | '''122''' | align="center" | 1972/73 | align="center" | 1978/79 |- bgcolor="#DDEEFF" | align="center" | 52 | bgcolor="#FEDBCA" | [[Grenoble Foot|Grenoble FC]] | align="center" | {{0}}3 | align="center" | – | align="center" | – | align="center" | '''118''' | align="center" | 1960/61 | align="center" | 2008/09 |- bgcolor="#DDEEFF" | align="center" | 53 | [[FC Martigues]] | align="center" | {{0}}3 | align="center" | – | align="center" | – | align="center" | '''117''' | align="center" | 1993/94 | align="center" | 1995/96 |- bgcolor="#DDEEFF" | align="center" | 54 | [[RC Roubaix]] | align="center" | {{0}}3 | align="center" | – | align="center" | – | align="center" | '''98''' | align="center" | 1936/37 | align="center" | 1938/39 |- bgcolor="#DDEEFF" | align="center" | 55 | [[SR Colmar]] | align="center" | {{0}}1 | align="center" | – | align="center" | – | align="center" | '''43''' | align="center" | 1948/49 | align="center" | 1948/49 |- bgcolor="#DDEEFF" | align="center" | | [[Chamois Niort]] | align="center" | {{0}}1 | align="center" | – | align="center" | – | align="center" | '''43''' | align="center" | 1987/88 | align="center" | 1987/88 |- bgcolor="#DDEEFF" | align="center" | | [[CA Paris]] | align="center" | {{0}}2 | align="center" | – | align="center" | – | align="center" | '''43''' | align="center" | 1932/33 | align="center" | 1933/34 |- bgcolor="#DDEEFF" | align="center" | 58 | [[FC Gueugnon]] | align="center" | {{0}}1 | align="center" | – | align="center" | – | align="center" | '''38''' | align="center" | 1995/96 | align="center" | 1995/96 |- bgcolor="#DDEEFF" | align="center" | 59 | [[AS Béziers]] | align="center" | {{0}}1 | align="center" | – | align="center" | – | align="center" | '''33''' | align="center" | 1957/58 | align="center" | 1957/58 |- bgcolor="#DDEEFF" | align="center" | 60 | bgcolor="#FFF68F" | [[FC Istres]] | align="center" | {{0}}1 | align="center" | – | align="center" | – | align="center" | '''32''' | align="center" | 2004/05 | align="center" | 2004/05 |- bgcolor="#DDEEFF" | align="center" | 61 | bgcolor="#FFF68F" | [[LB Châteauroux]] | align="center" | {{0}}1 | align="center" | – | align="center" | – | align="center" | '''31''' | align="center" | 1997/98 | align="center" | 1997/98 |- bgcolor="#DDEEFF" | align="center" | 62 | [[Avignon Football|Olympique Avignon]] | align="center" | {{0}}1 | align="center" | – | align="center" | – | align="center" | '''27''' | align="center" | 1975/76 | align="center" | 1975/76 |- bgcolor="#DDEEFF" | align="center" | 63 | [[AS Aix]] | align="center" | {{0}}1 | align="center" | – | align="center" | – | align="center" | '''26''' | align="center" | 1967/68 | align="center" | 1967/68 |- bgcolor="#DDEEFF" | align="center" | 64 | [[Club Français Paris]] | align="center" | {{0}}1 | align="center" | – | align="center" | – | align="center" | '''18''' | align="center" | 1932/33 | align="center" | 1932/33 |- bgcolor="#DDEEFF" | align="center" | 65 | [[FC Hyères]] | align="center" | {{0}}1 | align="center" | – | align="center" | – | align="center" | '''16''' | align="center" | 1932/33 | align="center" | 1932/33 |- bgcolor="#DDEEFF" | align="center" | 66 | bgcolor="#FEDBCA" | [[US Boulogne]] | align="center" | {{0}}0 | align="center" | – | align="center" | – | align="center" | '''0''' | align="center" | 2009/10 | align="center" | |} <small> {{FNZ|g|ohne die 75 P. aus der Saison der Titelaberkennung (1992/93)}} {{FNZ|h|einschließlich 3 P. für das Endspiel der Gruppensieger 1932/33}} {{FNZ|i|einschließlich der 42 P. des Vorgängers [[Lyon Olympique Universitaire]] (1945/46)}} {{FNZ|j|Hierunter sind zwei Vereine zusammengefasst, die beide phasenweise Toulouse FC hießen: der erste existierte von 1937 bis 1967 (19 D1-Saisons und 965 Punkte), der zweite ab 1970 (bisher 21 Spielzeiten, 987 Punkte).}} </small> === Erfolgreichste Torschützen je Saison === siehe ausgelagerten Artikel [[Ligue 1/Torschützenkönige]] === Vereinsrekorde === * '''Titelgewinne:''' AS Saint-Étienne, 10facher Meister * '''Titel in Serie:''' Olympique Lyon (2002–2008), sieben, vor AS Saint-Étienne (1967–1970) und Olympique Marseille (1989–1992), je vier * '''Aufsteiger, die auf Anhieb Meister wurden:''' Girondins Bordeaux (1950), AS Saint-Étienne (1964), AS Monaco (1978) * '''Am längsten ungeschlagen:''' FC Nantes, 32 Spiele (1.–32. Spieltag 1994/95) * '''Am längsten im eigenen Stadion ohne Niederlage''' FC Nantes, 92 Spiele zwischen Mai 1976 und April 1981 * '''Die meisten Siege in einer Saison:''' Stade Reims (1959/60), AS Monaco (1960/61), FC Nantes (1965/66 und 1979/80), je 26 (in 20er-Liga); AS Saint-Étienne (1969/70), 25 (in 18er-Liga) * '''Höchste Zahl an Heimsiegen:''' AS Saint-Étienne, alle 19 Saisonheimspiele gewonnen (1974/75) * '''Höchste Zahl an Auswärtssiegen:''' AS Saint-Étienne (1969/70), Olympique Marseille (1971/72 und 2008/09) und Olympique Lyon (2005/06 und 2006/07), je 12 * '''Geringste Zahl an Niederlagen:''' FC Nantes, 1 (1994/95) * '''Am längsten in der Ligue 1:''' FC Sochaux-Montbéliard, 61 Spielzeiten (einschließlich 2008/09) * '''Am längsten ununterbrochen in Ligue 1:''' FC Nantes (44 Spielzeiten, 1963–2007) vor Paris SG (im 36. Jahr, seit 1974) und FC Metz (35 Spielzeiten, 1967–2002) * '''Am längsten von den aktuellen Erstligisten ununterbrochen in Ligue 1:''' Paris SG (seit 1974/75) vor Monaco (seit 1977/78) und Auxerre (seit 1980/81) * '''Die meisten Tore einer Spielzeit:''' 1.344 (1946/47; im Mittel 3,5 pro Spiel) in einer 20er-Liga bzw. 1.138 (1948/49; im Mittel 3,7 pro Spiel) in einer 18er-Liga * '''Treffsicherster Angriff:''' RC Paris (118 Tore), Stade Reims (109 Tore, beide in 38 Spielen 1959/60); OSC Lille (102 Tore, 1948/49 in 34 Spielen) * '''Beste Abwehr:''' Olympique Marseille, 21 Gegentore (1991/92) * '''Höchster Sieg:''' FC Sochaux mit 12:1 gegen US Valenciennes (1935/36) * '''Die meisten Platzverweise in einer Saison:''' SC Bastia (1998/99), Paris Saint-Germain (2002/03) und RC Lens (2003/04), je 13 * '''Saison mit den meisten Zuschauern:''' 8.186.311 (2005/06) * '''Bester Zuschauerschnitt:''' 22.901 (2000/01) * '''Bestbesuchtes Spiel:''' 77.840 Zuschauer beim Duell Lille gegen Lyon (2008/09, im [[Stade de France]]) === Spieler- und Trainer-Rekorde === * '''Die meisten Titel:''' [[Jean-Michel Larqué]], [[Hervé Revelli]] (beide AS Saint-Étienne, 1967–1970 und 1974–1976), [[Grégory Coupet]], [[Sidney Govou]] und [[Juninho Pernambucano|Juninho]] (alle Olympique Lyon, 2002-2008), je 7 Meisterschaften * '''Die meisten Einsätze in Ligue 1:''' <small>(siehe auch die ausgelagerte [[Ligue 1/Rekordspieler|Liste der Rekordspieler]])</small> ** Torhüter: [[Jean-Luc Ettori]] (AS Monaco, 602 Spiele) vor [[Dominique Dropsy]] (Racing Strasbourg/Girondins Bordeaux/US Valenciennes, 596 Spiele) und [[Dominique Baratelli]] (OGC Nizza/Paris SG/AC Ajaccio, 593 Spiele) ** Feldspieler: [[Alain Giresse]] (Girondins Bordeaux/Olympique Marseille, 586 Spiele) vor [[Sylvain Kastendeuch]] (FC Metz/AS Saint-Étienne/Toulouse FC, 578 Spiele) und [[Patrick Battiston]] (Girondins Bordeaux/FC Metz/AS Saint-Étienne/AS Monaco, 558 Spiele) * '''Erfolgreichster Torschütze insgesamt:''' [[Delio Onnis]], 299 Treffer (1972–1986) * '''Erfolgreichster französischer Torschütze insgesamt:''' [[Bernard Lacombe]], 255 Treffer (1970–1987) * '''Bester Torschütze einer Saison:''' [[Josip Skoblar]] (Olympique Marseille), 44 Tore, vor [[Salif Keïta (Fußballspieler)|Salif Keïta]] (AS Saint-Étienne), 42 Tore, beide in der Spielzeit 1970/71 * '''Torschützenkönig mit der geringsten Trefferzahl:''' [[Pauleta]] (Paris Saint-Germain), 15 Tore in der Saison 2006/07, vor [[Bernard Zénier]] (FC Metz, 1986/87), 18 Treffer * '''Die meisten Tore in einem Spiel:''' ** Vor dem Zweiten Weltkrieg: [[André Abegglen]] (FC Sochaux; 1935) und [[Jean Nicolas]] (FC Rouen; 1938), je 7 Treffer, jeweils gegen US Valenciennes ** Nach dem Zweiten Weltkrieg: [[Roland Tylipski]] (FC Nancy; 1946, gegen Stade Rennes), [[Maurice Charpentier]] (RC Paris; 1963, gegen SO Montpellier), [[Ahmed Oudjani]] (RC Lens; 1963, gegen RC Paris), [[Salif Keïta (Fußballspieler)|Salif Keïta]] (AS Saint-Étienne; 1971, gegen CS Sedan), [[Carlos Bianchi]] (Stade de Reims; 1974, gegen Paris Saint-Germain) und [[Zvonko Kurbos|Zvonko „Tony“ Kurbos]] (FC Metz; 1984, gegen Nîmes Olympique), je 6 Treffer * '''Allererster Torschütze:''' der Österreicher [[Karl Klima]]<ref>Laut der Mehrheit der französischsprachigen Literatur soll dies Karls Bruder [[Johann Klima|Johann]] gewesen sein; siehe dagegen aber z.B. http://www.allezredstar.com/archives/fr_0209.htm (dort unter dem 11. September 2002, 1. und 2. Absatz).</ref> (Olympique Antibes) am 11. September 1932 nach acht Minuten * '''Jüngster eingesetzter Spieler:''' [[Laurent Paganelli]] (AS Saint-Étienne), im Alter von 15 Jahren und 10 Monaten am 25. August 1978 * '''Am häufigsten des Feldes verwiesener Spieler:''' [[Cyril Rool]] (2008/09 bei OGC Nizza), 20 Platzverweise bis einschließlich 2007/08 * '''Größte Zahl von Ligue-1-Spielen als Trainer:''' [[Guy Roux (Fußballtrainer)|Guy Roux]] (AJ Auxerre, RC Lens), 895 Spiele (1980–2005 und 2007), vor [[Kader Firoud]] (Nîmes Olympique, Toulouse FC, SO Montpellier) 782 Spiele (1955–1982) == Siehe auch == * [[Ligue 1/Rekordspieler]] * [[Ligue 1/Torschützenkönige]] * [[Fußball in Frankreich]] * [[Französischer Fußballmeister]] * [[Liste der Fußballspieler mit den meisten Erstligatoren (international)#Frankreich]] * [[Liste der höchsten Fußball-Spielklassen (Europa)]] == Literatur == * Marc Barreaud: ''Dictionnaire des footballeurs étrangers du championnat professionnel français (1932–1997).'' L'Harmattan, Paris 1998 ISBN 2-7384-6608-7 – <small>Wissenschaftliche Abhandlung über die Bedeutung von Ausländern im frz. Profifußball mit Kurzangaben (Vereine, Einsätze) zu jedem einzelnen Spieler</small> * Hubert Beaudet: ''Le Championnat et ses champions. 70 ans de Football en France.'' Alan Sutton, Saint-Cyr-sur-Loire 2002 ISBN 2-84253-762-9 – <small>Darstellung der D1 saisonweise (1932–2002) mit Besonderheiten, Anekdoten und Statistiken</small> * Thierry Berthou/Collectif: ''Dictionnaire historique des clubs de football français.'' Pages de Foot, Créteil 1999 Band 1 (A-Mo) ISBN 2-913146-01-5, Band 2 (Mu-W) ISBN 2-913146-02-3 – <small>Ausführliche Darstellung der Vereinsgeschichte jedes (Ex-)Profi- und vieler Amateurklubs</small> * Stéphane Boisson/Raoul Vian: ''Il était une fois le Championnat de France de Football. Tous les joueurs de la première division de 1948/49 à 2003/04.'' Neofoot, Saint-Thibault o.J. (msch.) – <small>Alphabetische Auflistung sämtlicher Erstligaspieler (1948–2004) mit allen Vereinen, Einsätzen und Toren</small> * Pierre Delaunay/Jacques de Ryswick/Jean Cornu: ''100 ans de football en France.'' Atlas, Paris 1982, 1983² ISBN 2-7312-0108-8 – <small>Standardwerk über die Geschichte des französischen Fußballs (auch Pokal, Nationalmannschaft, Verbände), reich bebildert schon für die Jahre um 1900</small> * Just Fontaine: ''Reprise de volée.'' Solar, o.O. 1970 – ähnlich auch: ders. (u.M.v. Jean-Pierre Bonenfant): ''Mes 13 vérités sur le foot.'' Solar, Paris 2006 ISBN 2-263-04107-9 – <small>Standpunkte eines Beteiligten, der Spieler, Trainer und Gewerkschafter war</small> * Alex Graham: ''Football in France. A statistical record 1894–2005.'' Soccer Books, Cleethorpes 2005 ISBN 1-86223-138-9 – <small>Rein statistisches Werk (Meisterschaften seit 1894, Pokal, zweite Liga)</small> * Sophie Guillet/François Laforge: ''Le guide français et international du football éd. 2007.'' Vecchi, Paris 2006 ISBN 2-7328-6842-6 – <small>Über 600 Seiten Statistiken, Tabellen, Ergebnisse und Texte (erscheint jährlich)</small> * Raymond Kopa (mit Patrice Burchkalter): ''Kopa.'' Jacob-Duvernet, Paris 2006 ISBN 2-84724-107-8 – <small>Klarsichtige, meinungsfreudige Autobiographie</small> * Nathalie Milion: ''Piantoni – Roger-la-Classe.'' La Nuée Bleue/Éd. de l'Est, Nancy 2003 ISBN 2-7165-0602-7 – <small>Atmosphärisch dichte, nicht nur fußballerische Biographie einer ortskundigen Journalistin über Roger Piantoni</small> * Jean-Philippe Rethacker/Jacques Thibert: ''La fabuleuse histoire du football.'' Minerva, Genève 1996, 2003<sup>2</sup> ISBN 978-2-8307-0661-1 – <small>Voluminöse, detailfreudige Geschichte des französischen Fußballs, seit ihrem ersten Erscheinen (1974) mehrfach aktualisiert</small> * Alfred Wahl/Pierre Lanfranchi: ''Les footballeurs professionnels des années trente à nos jours.'' Hachette, Paris 1995 ISBN 978-2-0123-5098-4 – <small>Wissenschaftliche Darstellung der ökonomischen, sozialen und organisatorischen Entwicklung des Professionalismus in Frankreich</small> == Anmerkungen == <references /> == Weblinks == * [http://www.lfp.fr Offizielle Website der Ligue 1] (frz.) * [http://www.frenchleague.com Offizielle Website der Ligue 1] (eng.) * [http://www.fff.fr/ Seite der FFF] (frz.) * [http://www.arbitre.com/fr/actualites/accueil.php?catalogid=8 Seite über das Schiedsrichterwesen] (frz.) * [http://perso.wanadoo.fr/archeofoot/Projet/PageChampionnatDeFrancePro32.html Alle Spielzeiten der Ligue 1] (frz.) * [http://www.ligue1.de Der Fußball-Markt in Deutschland und Frankreich] (Sportökonomische Vergleichsstudie zwischen Bundesliga und Ligue 1; deutschsprachige Magisterarbeit, als PDF) {{NaviBlock |Navigationsleiste Französische Fußballmeisterschaft |Navigationsleiste Ligue 1 |Navigationsleiste Ligue 2 |Navigationsleiste National (D3) }} {{Exzellent}} [[Kategorie:Fußballwettbewerb in Frankreich]] [[Kategorie:Sport (Frankreich)]] [[Kategorie:Ligue 1|!]] [[ar:الدوري الفرنسي الدرجة الأولى]] [[bg:Лига 1]] [[ca:Campionat francès de futbol]] [[cs:Ligue 1 Orange]] [[da:Ligue 1]] [[el:Πρωτάθλημα ποδοσφαίρου Γαλλίας]] [[en:Ligue 1]] [[es:Ligue 1]] [[et:Ligue 1]] [[eu:Frantziako Futbol Liga Txapelketa]] [[fi:Ligue 1]] [[fr:Championnat de France de football]] [[he:ליגת העל הצרפתית בכדורגל]] [[hr:Ligue 1]] [[id:Ligue 1]] [[it:Campionato francese di calcio]] [[ja:リーグ・アン]] [[ka:საფრანგეთის საფეხბურთო ჩემპიონატი]] [[ko:르 샹피오나 리그 앙]] [[lt:Ligue 1]] [[ms:Ligue 1]] [[nl:Ligue 1]] [[nn:Ligue 1]] [[no:Ligue 1]] [[oc:Liga 1]] [[pl:Ligue 1]] [[pt:Campeonato Francês de Futebol]] [[ro:Ligue 1]] [[ru:Чемпионат Франции по футболу]] [[simple:Ligue 1]] [[sk:Ligue 1]] [[sr:Прва лига Француске у фудбалу]] [[sv:Ligue 1]] [[th:ลีกเอิง]] [[tr:Ligue 1]] [[uk:Ліга 1]] [[zh:法国足球甲级联赛]] ijxelp7p1fg0wnck5xmif8ce84xsukv wikitext text/x-wiki Lily-Mottle-Virus 0 23840 26435 2010-01-13T16:43:52Z Aloiswuest 0 Pleonasmus <!-- Für Informationen zum Umgang mit dieser Tabelle siehe bitte [[Wikipedia:Viroboxen]]. --> {{Infobox Virus | Name = Lily-Mottle-Virus | Bild = | Bild_legende = | Wiss_Name = Lily Mottle Virus | Wiss_KurzName = LMoV | Ordnung = nicht klassifiziert | Familie = [[Potyviridae]] | Subfamilie = | Gattung = [[Potyvirus]] | Spezies = Lily-Mottle-Virus | Subspezies = | Genom = [[Polarität (Virologie)|(+)ssRNA]] linear | Baltimore = | Kapsid = helikal | Virushülle = keine | NCBI_Tax = 32624 | NCBI_Ref = | ICTV = 00.057.0.01.069 }} Das '''Lily-Mottle-Virus''' (LMoV), selten als '''Lilienscheckungsvirus''' bezeichnet, ist ein [[Pflanzenvirus]] der Virusfamilie ''[[Potyviridae]]'', das bei Pflanzen aus der Familie der [[Liliengewächse]] (Liliaceae) zu symptomlosen bis milden Erkrankungen einzelner Pflanzenteile führt. Eine häufig vorkommende gleichzeitige [[Infektion]] mit anderen Pflanzenviren, die alleine nur milde oder keine Erkrankungen hervorrufen, kann jedoch ein Absterben der gesamten Pflanze verursachen. Diese [[Koinfektion]] führt zu erheblichen Ernteschäden beim Lilienanbau und ist daher von großer wirtschaftlicher Bedeutung. Das ''Lily-Mottle-Virus'' wird durch [[Blattläuse]] und bei der [[Vegetative Vermehrung|vegetativen Vermehrung]] durch Spaltung der [[Zwiebel (Pflanzenteil)|Lilienzwiebel]] im Gartenbau verbreitet. Das LMoV galt als [[Synonymie|synonyme]] Bezeichnung eines bei [[Lilien]] auftretenden Subtyps des ''[[Tulip-breaking-Virus]]'' (TBV), das jedoch seit 2005 als nahe verwandte, aber eigenständige Virusart [[Virusklassifikation|klassifiziert]] wird. == Entdeckung == Die [[Symptom]]e der von LMoV verursachten Pflanzenkrankheit waren bereits im 19. Jahrhundert bekannt. Erst 1944 gelang es P. Brierley und F. F. Smith, durch Infektionsexperimente an mehreren [[Tulpen]]- und Lilienarten eine Koinfektion mit zwei Viren als Ursache nachzuweisen.<ref name="Brierley">P. Brierley und F. F. Smith: ''Studies on lily virus diseases: the necrotic fleck complex of Lilium longiflorum''. Phytopathology (1944) 34, S. 529–555.</ref> Bei mehreren in den [[Vereinigte Staaten|USA]] angebauten Lilienarten (''[[Lilium auratum]]'', ''[[Lilium speciosum|L. speciosum]]'', ''[[Lilium longiflorum|L. longiflorum]]''), die streifige Aufhellungen ([[Chlorose]]n) oder einzelne [[Nekrose|nekrotische]] Flecken auf den Blättern aufwiesen, konnten sie das ''[[Lily-symptomless-Virus]]'' nachweisen, das stets mit dem ''[[Gurkenmosaikvirus]]'' oder dem ''Lily-Mottle-Virus'' gleichzeitig vorlag.<ref>[http://chla.mannlib.cornell.edu/cgi/t/text/pageviewer-idx?c=chla;cc=chla;sid=98250b601ec506b9b6af776450efa79c;q1=virus;rgn=title;view=image;seq=0001;idno=3157787 Kenneth M. Smith: ''Virus diseases of farm & garden'', 1946, S. 82–83.]</ref> Sie konnten auch zeigen, dass alle drei Viren durch Blattläuse der Art ''[[Aphis gossypii]]'' übertragen werden. == Virusaufbau == === Morphologie === [[Datei:LMoV-Kapsid.jpg|thumb|140px|Schematischer Aufbau des LMoV-[[Kapsid]]s (Ausschnitt mit acht [[Alpha-Helix|Helixwindungen]]). Konservierte Bereiche des Kapsid[[protein]]s (grau), [[N-Terminus]] (blau) und [[C-Terminus]] (rot)]] [[Virion]]en des ''Lily-Mottle-Virus'' bestehen aus einem fadenförmigen [[Kapsid]] mit [[Kapsid#Helikale Symmetrie|helikaler Symmetrie]], in das eine einzelsträngige [[RNA]] als [[Genom]] verpackt ist; eine [[Virushülle]] ist nicht vorhanden.<ref>E. L. Dekker EL et al.: ''Characterization of potyviruses from tulip and lily which cause flower-breaking''. Journal of General Virology (1993) 74(5), S. 881–887; PMID 8492092.</ref> Das Kapsid ist 13&nbsp;nm dick und etwa 740&nbsp;nm lang. Die Länge des Kapsids nimmt bei Anwesenheit [[Wertigkeit (Chemie)|zweiwertiger]] [[Kation]]en (besonders [[Calcium]]-[[Ion]]en) in der [[Präparat]]ion zu und nach deren Bindung durch Zugabe von [[EDTA]] ab. Die einzelnen [[Kapsomer]]e, aus denen das Kapsid zusammengesetzt ist, benötigen für eine [[Helix]]windung eine Ganghöhe von 3,4&nbsp;nm. Diese Ganghöhe ist im Vergleich zu Viren mit starren Stäbchen und vergleichbarem Aufbau (z.&nbsp;B. dem [[Tabakmosaikvirus]]) relativ groß und ermöglicht die Flexibilität und Biegungsfähigkeit der LMoV-Kapside. Für eine Windung werden 7,7 Kapsomere benötigt, so dass das ganze Kapsid aus etwa 1700 Kapsomeren zusammengesetzt ist.<ref>Drews (2004) S. 149.</ref> Die einzelnen Kapsomere bestehen aus nur einem [[Molekül]] des LMoV-Kapsidproteins (CP, ''coat/capsid protein'') mit einer Länge von 274 [[Aminosäuren]] (33&nbsp;[[Dalton|kDa]]). Das CP ist mehrfach so gefaltet, dass [[Amino-Terminus|N-]] und [[Carboxyl-Terminus|C-Terminus]] nach außen zeigen. Diese äußeren Enden des Kapsidproteins sind sehr variabel. Der vorragende N-Terminus bestimmt überwiegend die spezifische Anheftung an die [[Wirt (Biologie)|Wirtszelle]] und ermöglicht die [[Serologie|serologische]] Unterscheidung verschiedener [[Virusisolat]]e. Die innerhalb der verschiedenen Mitglieder der ''Potyviridae'' sehr konservierten Abschnitte in der Mitte des CP (216 Aminosäuren) zeigen im Kapsid nach innen und wechselwirken mit der viralen RNA.<ref>D. D. Shukla und C. W. Ward: ''Structure of potyvirus coat proteins and its application in the taxonomy of the potyvirus group''. Adv. Virus Research (1989) 36, S. 273–314 (Review); PMID 2472047.</ref> Die [[Virion]]en sind gegenüber [[Ethanol]] stabil und verlieren im Pflanzensaft erst nach 10&nbsp;Minuten bei 65–70&nbsp;°C ihre Infektiosität.<ref name="Brierley" /> Das LMoV hat eine Dichte von 1,31&nbsp;g/ml in der [[Dichtegradientenzentrifugation]] ([[Cäsiumchlorid]]) und eine [[Sedimentationsgeschwindigkeit]] von 137 bis 160&nbsp;[[Sedimentationskoeffizient|S]].<ref>Berger (2005) S. 819.</ref> === Genom === Als [[Genom]] besitzt das LMoV eine lineare, einzelsträngige RNA mit [[Polarität (Virologie)|positiver Polarität]] [(+)ssRNA] und einer Länge von 9644 [[Nukleotid]]en. Ein virales Protein (VPg) ist [[kovalent]] an das [[5'-Ende]] der RNA gebunden. Wie bei zellulären [[MRNA|messenger-RNAs]] befindet sich am [[3'-Ende]] des Virusgenoms ein [[Polyadenylierung|Poly(A)-Schwanz]] von 20 bis 160 [[Adenosin]]en. Zwischen den beiden nicht-[[Genexpression|kodierenden]] Enden (NCR: ''non-coding region'') liegt ein [[Offener Leserahmen]] (ORF), der für ein 3095 [[Aminosäure]]n großes [[Polyprotein]] kodiert. Dieses Polyprotein wird durch [[Protease]]n schon während der [[Translation (Biologie)|Translation]] in die einzelnen Virusproteine gespalten. [[Datei:LMoV-Genomkarte.jpg|thumb|upright=2.8|[[Genom]]organisation des LMoV: P1 (''protease 1''), HC (''helper component''), P3 (''protease 3''), CI (''cylindrical inclusions protein''), VPg (''genomic virus protein''), Pro (''protease''), NI (''nuclear inclusions protein''), CP (''capsid/coat protein''). Die Schnittstellen der [[Protease]]n sind als Keile eingezeichnet.]] In der 5'-NCR von Potyviren wurde eine [[IRES (Biologie)|IRES-Struktur]] vermutet, da die Translation ohne eine [[5'-Cap-Struktur]] eingeleitet wird.<ref>D. R. Gallie: ''Cap-independent translation conferred by the 5' leader of tobacco etch virus is eukaryotic initiation factor 4G dependent''. Journal of Virology (2001) 75(24), S. 12141–12152; PMID 11711605.</ref> Weder besitzt das LMoV eine Cap-Struktur, noch konnte aus Sequenzdaten eine IRES bestätigt werden. Das an die 5'-NCR gebundene VPg-Protein dient möglicherweise als [[Primer]] für die [[RNA-Polymerase]] zur Vervielfältigung der RNA. Das VPg anderer Potyviren [[Interaktion|interagiert]] aber zusätzlich direkt mit den Translations-Initiationsfaktoren eIF4E und eIFiso4E.<ref>S. Wittmann et al.: ''Interaction of the viral protein genome linked of turnip mosaic potyvirus with the translational eukaryotic initiation factor (iso) 4E of Arabidopsis thaliana using the yeast two-hybrid system''. Virology (1997) 234, S. 84–92; PMID 9234949.</ref> Dies könnte einen bisher nicht näher charakterisierten, Cap- und IRES-unabhängigen Translationsweg darstellen.<ref>S. Léonard et al.: ''Complex formation between potyvirus VPg and translation eukaryotic initiation factor 4E correlates with virus infectivity''. Journal of Virology (2000) 74(17), S. 7730–7737; PMID 10933678.</ref> === Virusproteine und Replikation === Das Virus gelangt nach der Infektion über die [[Leitbündel]] in die Pflanze und wird von den Zellen durch Membranbläschen ([[Endozytose]]) aufgenommen. Im [[Zytoplasma]] zerfällt das Kapsid und die RNA wird freigesetzt. Die virale RNA kann zusätzlich sehr effektiv über infizierte Nachbarzellen durch Zellkontaktstellen ([[Plasmodesmos|Plasmodesmen]]) in die Zelle gelangen. Dieser direkte Transport nackter, infektiöser RNA wird durch mehrere Virusproteine gesteuert, unter anderem dem sogenannten HC (''helper component''), die einen sogenannten ''Movement Complex'' bilden. Wie bei allen [[RNA-Virus|(+)ssRNA-Viren]] wird die aufgenommene RNA zuerst an den [[Ribosom]]en in Protein translatiert, da für die Vermehrung der RNA mindestens eine Kopie der viralen RNA-abhängigen RNA-Polymerase benötigt wird. Nachdem diese mehrere Kopien der viralen RNA [[Synthese (Chemie)|synthetisiert]] hat, werden die LMoV-Proteine in großen Mengen produziert. Diese ballen sich an den Syntheseorten des [[Viroplasma]]s zu [[Morphologie (Biologie)|morphologisch]] sichtbaren [[Einschlusskörperchen]] (''inclusion bodies'') zusammen. Diese Einschlusskörperchen haben bei der Infektion mit LMoV im Zytoplasma eine charakteristische, zylindrische bis spiralartige Form; jenes Virusprotein, das überwiegend diese Zylinder bildet, wird daher auch als CI (''cylindrical inclusion'') bezeichnet. Im Zellkern bilden sich [[amorph]]e Einschlusskörper, die aus zwei Virusproteinen NIa und NIb (''nuclear inclusions'') bestehen. Da bei der Translation der RNA die Virusproteine immer im gleichen Verhältnis gebildet und größere Mengen des Kapsidproteins im Vergleich zu anderen Proteinen benötigt werden, bilden diese nicht in vielen Kopien benötigten Proteine Einschlusskörperchen, werden abgebaut oder aus der Zelle ausgeschieden. Das Polyprotein des LMoV wird durch virale Proteasen in acht einzelne Proteine gespalten. Am N-Terminus spaltet sich die virale Protease 1 (P1) selbst vom Polyprotein ab. Als nächstes folgt das HC-Protein, das für die Übertragung durch Blattläuse von Bedeutung ist; der Mechanismus ist jedoch ungeklärt. Das HC besitzt am C-Terminus eine [[Papain]]-ähnliche [[Proteindomäne]], mit der sich das HC ebenfalls selbstständig vom Polyprotein abspaltet. Alle weiteren Proteine werden durch die NIa-Protease abgespalten. Es folgt eine weitere Protease (P3) mit noch ungeklärter Funktion und das CI, von dem (möglicherweise zur Aktivierung) ein kleines Peptid 6K1 abgespalten wird. Das CI ist bei der RNA-[[Replikation]] als [[Helikase]] aktiv. Das VPg bildet zusammen mit einer Protease-Komponente das NIa. Das NIb ist die virale RNA-Polymerase, von der das virale Kapsidprotein CP abgespalten wird. Sind genügend virale (+)ssRNA und CP gebildet worden, kann die Verpackung in das Kapsid erfolgen und reife Viren in den Pflanzensaft durch [[Exozytose]] abgegeben werden. Die viel effektivere Infektion der nackten RNA von Zelle zu Zelle erklärt das Auftreten von sich fleckförmig ausbreitenden Läsionen der Blätter. == Systematik == Die Gattung ''[[Potyvirus]]'' ist mit derzeit 180 Virusspezies die größte Gruppe aller Pflanzenviren. Diese Vielzahl an Potyviren erschwert die Unterscheidung und Abgrenzung einzelner Arten oder [[Subtyp]]en, dies gilt besonders für das ''Lily-Mottle-Virus'' und das ''Tulip-breaking-Virus'' (TBV), die lange Zeit als [[Synonym]]e einer einzigen Art betrachtet wurden. Das LMoV galt als der bei Lilien verbreitete Subtyp des TBV (TBV-Subtyp Lily). Erschwert wurde diese Unterscheidung noch dadurch, dass die echte [[Art (Biologie)|Spezies]] TBV ebenfalls bei Lilien Erkrankungen hervorrufen kann. Mit immer mehr [[Nukleotidsequenz|Vergleichssequenzen]] des Genoms verschiedener Virusisolate konnten bislang falsche Zuordnungen nachgewiesen werden.<ref name="Yamaji">Y. Yamaji, L. Xiaoyun et al.: ''Molecular evidence that a lily-infecting strain of Tulip breaking virus from Japan is a strain of lily mottle virus''. European Journal of Plant Pathology (2001) 107, 8, S. 833–837 (Abstract)</ref> Bei einer Untersuchung an 187 vollständigen Genomsequenzen und 1220 Teilsequenzen für das Kapsidprotein von Potyviren wurden mehrere Untergruppen innerhalb der Gattung festgestellt und die Kriterien für die Speziesgrenzen auch für das LMoV und TBV neu festgelegt.<ref>M. J. Adams, J. F.Antoniw und C. W. Fauquet: ''Molecular criteria for genus and species discrimination within the family Potyviridae''. Archives of Virology (2005) 150(3), S. 459–479; PMID 15592889.</ref> Demnach gilt eine Übereinstimmung in der Nukleotidsequenz zwischen zwei vollständigen Genomen von mehr als 76 % als Speziesgrenze (entspricht 82 % Übereinstimmung in der [[Primärstruktur|Aminosäuresequenz]]). Der das Kapsidprotein CP kodierende Teil der Nukleotidsequenz zeigte eine Speziesgrenze bei 76-77 %. Am besten erschien die Sequenz des CI-Proteins zur Unterscheidung geeignet. Mehrere Sequenzen von Potyviren (einschließlich TBV und LMoV), die in der internationalen Genbank [[GenBank]] veröffentlicht waren, mussten daraufhin anderen Spezies zugeordnet werden. Die vom „[[International Committee on Taxonomy of Viruses]]“ festgelegte [[Virus-Taxonomie|Taxonomie]] und seit 2005 gültige Zuordnung der Subtypen des LMoV bezieht bisher als TBV klassifizierte Subtypen mit ein:<ref>P. H. Berger (2005) S. 824 und 827.</ref> :*Familie ''Potyviridae'' ::*Gattung ''Potyvirus'' :::*Spezies ''Lily-Mottle-Virus'' ::::*Subtyp ''Lily-Mild-Mottle-Virus'' ::::*Subtyp ''Lily-Mottle-Virus'' ::::*Subtyp ''Tulip-band-breaking-Virus'' :::*Spezies ''Tulip-breaking-Virus'' == Infektion und Erkrankung durch LMoV == Etwa zwei Wochen nach der Infektion mit LMoV zeigt sich eine hellgrüne Scheckung (engl. ''mottle'') an jungen [[Blatt (Pflanze)|Blättern]]. Die Aufhellung kann auch streifig entlang der [[Blatt (Pflanze)#Blattspreite.2C .E2.80.9EBlattnervatur.E2.80.9C|Blattnervatur]] auftreten. Im Verlauf weniger Tage wird das Blatt an den hellen Flecken dünner und die Pflanzenzellen können bei einer schweren Verlaufsform in diesen Bereichen absterben; die unregelmäßig begrenzten Flecken erscheinen nun dunkelbraun und ausgetrocknet. Alle neuen Triebe und Blüten, die nach einer Infektion austreiben, sind verkleinert und oft deformiert. Diese Ausprägung der Erkrankungssymptome ist bei verschiedenen Lilienarten und -[[hybride]]n jedoch sehr unterschiedlich. Selbst die Erkrankung identischer Spezies in einem einzelnen Anbaugebiet verläuft unterschiedlich schwer. Dieses [[Phänomen]] kann durch den Einfluss der Wachstumsphase zum Infektionszeitpunkt, der Eintrittstelle und der Infektionsdosis des Virus erklärt werden. Bei der [[Osterlilie]] (''L. longiflorum'') entwickelt sich regelmäßig keine Erkrankung, obwohl sich das Virus in der Pflanze vermehrt. Bei der [[Tiger-Lilie]] (''L. lancifolium'') tritt nur eine sehr leichte hellgrüne Scheckung auf. Auch können bei einigen LMoV-Infektionen nur ein geringeres Längenwachstum und verkleinerte Blüten und Zwiebeln festgestellt werden. Die wirtschaftlich wichtige Art ''[[Lilium formosanum|L. formosanum]]'' erkrankt immer nach einer LMoV-Infektion, dies gilt auch für die in [[Taiwan]] vorkommenden Wildsorten. Eine erhöhte Virus[[resistenz]] besitzt nur die besonders ausgelesene Sorte ''Lilium formosanum'' „Little Snow White“. Sehr empfänglich für das LMoV und weiterer bei Lilien vorkommenden Pflanzenviren ist die 1941 von [[Jan de Graaff]] gezüchtete Hybride „Enchantment“ und aller von ihr abgeleiteten Züchtungen wie beispielsweise das in Asien weit verbreitete Kultivar ''Lilium Asia. Hybrid [[Kultivar|cv.]] Enchantment''.<ref name="Yamaji" /> Die alleinige Infektion mit dem LMoV führt nie zum Absterben der gesamten Pflanze, sondern bleibt lokal auf einige Pflanzenteile begrenzt. Besonders häufig ist jedoch eine Koinfektion des LMoV mit dem ''Lily-symptomless-Virus'', das alleine keine Erkrankungssymptome sondern nur einen verminderten Pflanzenwuchs hervorruft. Wird eine Pflanze von beiden Viren infiziert, so verläuft die Erkrankung erheblich schwerer und schneller. Nach den anfänglichen typischen Symptomen einer ausgeprägten LMoV-Infektion kommt es zum Befall größerer [[Leitbündel]] wie dem gesamten [[Phloem]], was schließlich die gesamte Pflanze absterben lässt. Eine doppeltinfizierte Lilienzwiebel kann bereits in der Lagerhaltung schwer geschädigt werden, die Austriebsfähigkeit verlieren und absterben. == Übertragung und Verbreitung == === Übertragung === [[Datei:Aphidoidea puceron Luc Viatour.jpg|thumb|[[Röhrenblattläuse]] bei der Aufnahme von Pflanzensaft]] Das ''Lily-Mottle-Virus'' wird während des Saugaktes von [[Röhrenblattläuse]]n (Aphididae) übertragen. Die Blattläuse nehmen das in hoher Konzentration im Pflanzensaft vorkommende Virus während des Saugaktes auf und können mit einer Verzögerung von wenigen Stunden weitere Pflanzen infizieren. Das Virus kann sich in der Blattlaus selbst nicht vermehren. Nach Aufnahme des Pflanzensaftes in den [[Mitteldarm]] der Blattlaus wird das Virus im Blutkreislauf verteilt und gelangt in den Speichel des Saugapparates; beim nächsten Saugakt kann nun eine neue Pflanze infiziert werden. Jene Blattlausarten, die überwiegend das LMoV übertragen, sind ''[[Aphis gossypii]]'', ''[[Myzus persicae]]'', ''[[Macrosiphum euphorbiae]]'' und ''[[Doralis fabae]]''. Gelagerte Zwiebeln können auch durch ''[[Anuraphis tulipae|Anuraphis (Yezabura) tulipae]]'' mit dem Virus infiziert werden.<ref>Smith (1972), S. 552.</ref> Geflügelte Exemplare der [[Population (Biologie)|Blattlauspopulation]] ermöglichen eine Übertragung über große Distanzen. </br> Beim Anbau der Pflanzen wird das Virus beim Schneiden und Verletzen der Pflanzen mit [[Kontamination|kontaminierten]] Messern und Scheren übertragen. Experimentell wird dieser [[Infektionsweg]] durch gezieltes Anritzen der Pflanzen genutzt. Die Spaltung der Lilien-Zwiebeln bei einer vegetativen Vermehrung verbreitet das Virus auf alle Tochterpflanzen. Gleiches gilt bei einer vegetativen Vermehrung durch [[Steckling]]e in Gewebekulturen, die im industriellen Gartenbau sehr verbreitet ist. Das Virus wird nicht durch [[Same (Pflanze)|Samen]] verbreitet; keimt eine neue Pflanze aus dem Samen einer LMoV-infizierten Pflanze, so ist diese nicht infiziert. === Verbreitung === [[Datei:Xant lut bulbus.jpg|thumb|[[Zwiebel (Pflanzenteil)|Zwiebel]] einer ''Lilium sp.'']] Die natürliche [[Geographie|geographische]] Verbreitung des Virus ist nicht bekannt, da bei seiner Entdeckung in den [[USA]] 1944 bereits eine [[anthropogen]]e Verbreitung durch weltweiten Blumen- und Zwiebelhandel vorlag. Durch die Aufzucht von Lilien in großen Gewächshäusern und Feldern als [[Monokultur]] wird die Übertragung gegenüber dem natürlichen Vorkommen der Wildpflanzen besonders begünstigt. Das Virus ist weltweit verbreitet und in Ländern mit bedeutendem Lilienanbau [[Endemie|endemisch]]. Dies betrifft neben den Vereinigten Staaten auch die [[Niederlande]], [[Polen]], [[Nordkorea|Nord-]] und [[Südkorea]], [[Japan]], Taiwan, [[Volksrepublik China|China]] und [[Israel]]. Das ''Lily-Mild-Mottle-Virus'' als Subtyp des LMoV, wurde bei einer Untersuchung von 185 Lilienproben aus südkoreanischen Kulturen in 26,3 % aller Pflanzen nachgewiesen, eine Koinfektion von LMoV und dem ''[[Tomato-Ringspot-Virus]]'' wurde in weiteren 23,2 % beobachtet.<ref>[http://www.actahort.org/books/414/414_23.htm K. Lee et al.: ''Virus disease of Lilies in Korea''. Acta Horticulturae (ISHS), ''International Symposium on the Genus Lilium'' (1996) 414, S. 195–202.]</ref> In den Niederlanden konnte mehrfach in allen Pflanzen einzelner Lilienfelder des [[Kulturpflanze|Kultivars]] ''„Enchantment“'' das LMoV nachgewiesen werden.<ref>Allan Granoff, Robert G. Webster (eds.): ''Encyclopedia of Virology'', San Diego (Academic Press) 1999, Band&nbsp;2, S. 1321; ISBN 0-12-227030-4.</ref> Häufig bestand zusätzlich eine Infektion mit dem ''Lily-symptomless-Virus''. In den so betroffenen [[Plantage]]n wird vermehrt eine Nekrose des Stammes und der Blätter beobachtet, der meist das Absterben der Pflanze folgt. Sind alle Lilien einer Plantage nur mit dem LMoV infiziert, hat dies meist nicht einen Ausfall der gesamten Blumenernte zur Folge; verkleinerte Blüten oder Pflanzen mit Minderwuchs werden dann zu geringeren Preisen angeboten. Bei allen etwa 340 in größerem Umfang angebauten Lilien-Kultivaren konnte das LMoV nachgewiesen werden.<ref name="Asjes">C. J. Asjes: ''Control of aphid-borne Lily symptomless virus and Lily mottle virus in Lilium in the Netherlands''. Virus Research (2000) 71(1–2), S. 23–32; PMID 11137159 (Review).</ref> Die unerkannte Verbreitung durch weltweiten Transport ist besonders durch jene Lilienarten gegeben, die keine oder nur geringe Infektionssymptome aufweisen, aber das Virus vermehren können wie beispielsweise die Osterlilie und Tiger-Lilie. Das Virus besitzt ein größeres Wirtsspektrum als durch frühere Untersuchungen angenommen wurde. So konnte in der [[Endivie|Winterendivie]] (''C. endivia'' L. var. ''latifolium'' <span class="Person">Lam.</span>) ebenfalls das LMoV nachgewiesen werden.<ref>V. Lisa, H. J. Vetten, D.-E. Lesemann, P. Gotta: ''Occurrence of Lily mottle virus in escarole''. Plant Disease (2002) 86, S. 329.</ref> == Infektionsverhütung == Die Verbreitung des LMoV wird in der industriellen Produktion vorwiegend durch eine Bekämpfung der Blattläuse als [[Vektor (Biologie)|Überträger]] verhindert.<ref name="Asjes" /> Überwiegend im Juni und Juli, weniger im Mai und August wird das Virus durch die sich ausbreitende Blattlaus-Populationen übertragen. Eine wöchentliche Bekämpfung der Insekten ab Mai und zweiwöchentlich im August und September wird im industriellen Maßstab durchgeführt. Die Lilien werden am häufigsten mit [[Paraffinöl]] oder [[Pyrethroide]]n als [[Aerosol]]e behandelt. Für die Infektionsverhütung ist die Vermeidung einer Weiterverbreitung durch Saatzwiebeln und weltweiten Pflanzenhandel bedeutsam. Jene Lilienarten, bei denen keine oder nur milde Symptome auftreten, sind in besonderer Weise eine Quelle für Infektionsausbrüche, da die Infektion hier unerkannt bleibt. Oft wird aus diesem Grund eine gleichzeitige Anzucht [[Resistenz|resistenter]] und empfänglicher Liliensorten vermieden, da sich das Virus in den resistenten Sorten unbemerkt ausbreiten kann ohne Krankheitssymptome zu entwickeln. Diese bilden ein ständiges Reservoir für die Infektion der empfänglichen Sorten. Bei einer Monokultur empfänglicher Sorten können befallene Pflanzen aussortiert und damit die Ausbreitung des Virus in einem gewissem Maß kontrolliert werden. Da das Virus nicht wie andere Mitglieder der Gattung ''Potyvirus'' durch Samen übertragen wird, kann eine Kultur durch aufwändigere, erneute Aufzucht aus Samen von einer Infektion mit dem LMoV befreit werden. Der Transport und Handel mit Pflanzenteilen wie Blüten, Stecklinge oder Zwiebeln aus Anbaugebieten, in denen das LMoV nachgewiesen wurde, unterliegt in vielen Ländern einer gesetzlichen Beschränkung oder einem Einfuhrverbot. Insbesondere die zur Vermehrung und Aufzucht gehandelten Pflanzenteile müssen seit 1998 in Deutschland gemäß einer Umsetzung mehrerer [[EG-Richtlinie|EU-Richtlinien]] auf LMoV getestet sein.<ref>[http://www.bgblportal.de/BGBL/bgbl1f/b198036f.pdf ''Verordnung über das Inverkehrbringen von Anbaumaterial von Gemüse-, Obst- und Zierpflanzenarten sowie zur Aufhebung der Verordnung zur Bekämpfung von Viruskrankheiten im Obstbau'' (16. Juni 1998), Bundesgesetzblatt 1998, Nr. 36, S. 1322–1353.]</ref> Zum Nachweis des LMoV finden immunologische Tests auf LMoV-Virusproteine ([[ELISA]]) und selten der Nachweis des Virusgenoms durch [[Polymerase-Kettenreaktion|PCR]] Anwendung. Sowohl die Blätter (''„leaf test“'') als auch die geernteten Zwiebeln (''„bulb test“'') werden als Testprobe zur Diagnostik verwendet. Neuere Verfahren zum gleichzeitigen Nachweis mehrerer Pflanzenviren aus einer Probe durch DNA-Hybridisierung ([[Makroarray]]) werden derzeit erprobt.<ref>S. Sugiyama et al.: ''A simple, sensitive, specific detection of mixed infection of multiple plant viruses using macroarray and microtube hybridization.'' J. Virol. Methods. (2008) Sep 12. (Epub) PMID 18760308</ref> == Quellen == === Literatur === * [[Gerhart Drews]], Günter Adam, Cornelia Heinze: ''Molekulare Pflanzenvirologie''. Berlin 2004; ISBN 3-540-00661-3 * Sondra D. Lazarowitz: ''Plant Viruses''. In: David M. Knipe, Peter M. Howley (Red.): ''Fields’ Virology''. 5. Auflage. 2 Bände, Philadelphia 2007, S. 641–705; ISBN 0-7817-6060-7 * Kenneth M. Smith: ''A Textbook of Plant Virus Diseases''. 3. Auflage. Edinburgh 1972 * P. H. Berger et al.: ''Family Potyviridae''. In: C. M. Fauquet, M. A. Mayo et al.: ''Eighth Report of the International Committee on Taxonomy of Viruses''. London, San Diego 2005, S. 819–841; ISBN 0-12-249951-4 * Juan José López-Moya, Juan Antonio García: ''Potyviruses''. In: Allan Granoff, Robert G. Webster (Hrsg.): ''Encyclopedia of Virology''. Band 3, Academic Press, San Diego 1999, S. 1369–1375; ISBN 0-12-227030-4 === Einzelnachweise === <references /> == Weblinks == * [http://www.dpvweb.net/dpv/showfig.php?dpvno=71&figno=06 Virionen des TBV mit gleicher Morphologie wie das LMoV] ([[Transmissionselektronenmikroskop|TEM-Aufnahme]]) * [http://www.dpvweb.net/dpv/showfig.php?dpvno=71&figno=07 Einschlusskörperchen im Zytoplasma] (TEM) * [http://www.ncbi.nlm.nih.gov/ICTVdb/ICTVdB/00.057.0.01.069.htm Lily mottle virus] in der Datenbank des [[ICTV]] * [http://www.ncbi.nlm.nih.gov/Taxonomy/Browser/wwwtax.cgi?id=32624 ''Lily mottle virus''] in der Taxonomie-Datenbank des [[National Center for Biotechnology Information|NCBI]] * [http://www.ncbi.nlm.nih.gov/entrez/viewer.fcgi?db=nucleotide&val=NC_005288 Genom- und Polyproteinsequenz des LMoV (NC 005288)] [[Kategorie:Pflanzenvirus]] [[Kategorie:Virusspezies]] {{nobots}} {{Exzellent}} 8tabk9b1gbv9np672aw3nkijy3pk4du wikitext text/x-wiki Lima 0 23841 26436 2010-05-07T12:53:31Z Jo.Fruechtnicht 0 {{Begriffsklärungshinweis}} {| class="float-right" cellpadding="2" style="width: 307px; background: #e3e3e3; margin-left: 1em; border-spacing: 1px;" ! colspan="2" | Lima |- bgcolor="#FFFFFF" align="center" | colspan="2" | |- ! style="background: #e3e3e3;" | Siegel ! style="background: #e3e3e3;" | Flagge |- style="background: #ffffff;" align="center" | style="width: 145px;" | [[Datei:Escudomunlima.png|140px|Siegel von Lima]] | style="width: 145px;" | [[Datei:Flag of Lima.svg|140px|Flagge von Lima]] |- ! colspan="2" | Basisdaten |- bgcolor="#FFFFFF" | [[Staat]]: || [[Peru]] |- bgcolor="#FFFFFF" | [[Verwaltungsgliederung Perus|Provinz]]: || [[Lima (Provinz)|Lima]] |- bgcolor="#FFFFFF" | [[Geographische Koordinaten|Koordinaten]]: || {{Coordinate|text=/|article=/|NS=12/2/6/S|EW=77/1/7/W|type=city|pop=6954583|region=PE-LIM|elevation=10}} |- bgcolor="#FFFFFF" | [[Höhe]]: || {{Höhe|10|link=true}}<ref>Der Wetterbote: [http://www.wetterbote.de/Lima_Peru-Wetter.html Wetter, Lage und Höhe für Lima]</ref> |- bgcolor="#FFFFFF" | [[Fläche]]: || 2.672,28 km² <small>(''Stadt'')</small><br /> 2.819,26 km²<small> (''Metropolregion'')</small> |- bgcolor="#FFFFFF" | [[Einwohner]]: || 6.954.583 <small>(''Stadt'')</small> <br /> 7.765.151 <small>(''Metropolregion'')</small><br /><small>(Volkszählung 2005)</small><ref name="VZ">INEI: [http://www.inei.gob.pe/perucifrasHTM/inf-dem/cua5.htm Bevölkerung der Regionen Perus - Volkszählung 2005]</ref> |- bgcolor="#FFFFFF" | [[Bevölkerungsdichte]]: || 2.602 Einwohner/km² <small> (''Stadt'')</small><br /> 2.754 Einwohner/km²<small> (''Metropolregion'')</small> |- bgcolor="#FFFFFF" | [[Telefonvorwahl|Vorwahlen]]: || 0051 (Peru), 01 (Lima) |- bgcolor="#FFFFFF" | Stadtgliederung: || 43 Bezirke (''Distritos'') |- bgcolor="#FFFFFF" | Offizielle Website: || [http://www.munlima.gob.pe/ www.munlima.gob.pe] |- bgcolor="#FFFFFF" | [[Bürgermeister]] || [[Luis Castañeda Lossio]] |- ! colspan="2" | Luftaufnahme von Lima |-style="background:#ffffff;" | colspan="2" align="center" | [[Datei:Lima Luftaufnahme.jpg|300px|Luftaufnahme von Lima]] |} <!--[[Bild:Perú 0 Lima.png|thumb|Lage von Lima in Peru]]--> {{Positionskarte |Peru |label=Lima |lat=12/2/6/S|long=77/1/7/W|type=city|pop=6954583|region=PE-LIM|elevation=10 |position=left |width=200 |float=right |caption=Lima in Peru }} '''Lima''' ist die [[Hauptstadt]] [[Peru]]s und die mit Abstand größte Stadt des Landes. In der [[Kernstadt]] leben 6.445.974 Menschen. Das gesamte Verwaltungsgebiet der Stadt bildet die [[Lima (Provinz)|Provinz Lima]] (auch ''Region Lima Metropolitana'') und hat 6.954.583 Einwohner (2005).<ref name="VZ"/> Nahe bei Lima liegt die Hafenstadt [[Callao]] mit 810.568 Einwohnern, mit der Lima zusammengewachsen ist. Beide Städte bilden die [[Metropolregion]] Lima (''Área Metropolitana de Lima'') mit 7.765.151 Einwohnern (2005). Lima ist ein wichtiger Verkehrsknotenpunkt sowie das bedeutendste Wirtschafts- und Kulturzentrum von Peru mit zahlreichen Universitäten, Hochschulen, Museen und Baudenkmälern. Die Altstadt von Lima wurde 1991 von der [[UNESCO]] zum [[Weltkulturerbe]] erklärt.<ref>UNESCO: [http://whc.unesco.org/en/list/500 Eintrag der Altstadt von Lima in der UNESCO-Welterbeliste]</ref> == Geographie == === Geographische Lage === [[Datei:Lima SPOT 1048.jpg|thumb|right|Satellitenaufnahme von Lima]] Lima liegt am [[Río Rímac]] im Westen von Peru, zwischen dem [[Pazifischer Ozean|Pazifischen Ozean]] und den Ausläufern der [[Anden]]kordilleren, welche die Stadt nach Osten begrenzen, in der trockenen Küstenregion Perus durchschnittlich zehn Meter über dem [[Meeresspiegel]]. Das Verwaltungsgebiet der Stadt ist mit der [[Lima (Provinz)|Provinz Lima]] (auch „Municipalidad Metropolitana de Lima“) identisch und hat eine Fläche von 2.672,28 Quadratkilometern ([[Saarland]] = 2.568,65 Quadratkilometer). Davon gehören 825,88 Quadratkilometer (30,9 Prozent) zur [[Kernstadt]] (hohe Bebauungsdichte und geschlossene Ortsform), 1.846,4 Quadratkilometer (69,1 Prozent) bestehen aus Vorstädten und Gebieten mit ländlicher Siedlungsstruktur. Die [[Metropolregion]] Lima (''Área Metropolitana de Lima'') umfasst die 43 Bezirke der Region Lima Metropolitana und die sechs Bezirke der Region [[Callao]]. Sie erstreckt sich über eine Fläche von 2.819,26 Quadratkilometer. Das Stadtgebiet (''área urbana'') von Lima besitzt eine Ausdehnung von etwa 60 Kilometern in Nord-Süd-Richtung und rund 30 Kilometern in Ost-West-Richtung. Das dicht bebaute Stadtgebiet wird im Norden grob durch den Fluss [[Río Chillón]] und im Süden durch den Fluss [[Río Lurín]] begrenzt, im Osten durch den Zusammenfluss des Flusses [[Santa Eulalia]] mit dem Hauptfluss [[Río Rímac]]. Das Stadtzentrum befindet sich etwa 15 Kilometer landeinwärts am Río Rímac, welchem auch die peruanische Eisenbahn - die zweithöchstgelegene der Welt (höchste ist die [[Lhasa-Bahn]]) - und die Hauptstraße in Richtung Ticliopass (4.781 Meter) folgen, dem Hauptzugang zum von den Anden geprägten Zentralland Perus. Der Río Rímac hat für Lima größte Bedeutung. Er führt der Stadt Trinkwasser aus reinem Gletscherwasser zu. Der Rückzug des [[Gletscher]]s, der vermutlich durch den Klimawandel bedingt ist, führt dazu, dass es vorübergehend mehr Wasser gibt. Wären die Gletscher nicht mehr vorhanden, versiegte der Fluss und damit die Lebensgrundlage der Menschen, Tiere und Pflanzen in der Region. Zudem stellt das gesamte Einzugsgebiet des Río Rímac durch seine Wasserkraft (beispielsweise die Elektrizitätswerke von Matucana, Huinco und Yanamayo) einen Großteil der Elektrizitätsversorgung für die Stadt sicher. === Stadtgliederung === Das Verwaltungsgebiet der Stadt ist mit der [[Lima (Provinz)|Provinz Lima]] identisch. Diese gliedert sich in 43 [[Bezirk]]e (''Distritos''). Davon entfallen 30 auf die [[Kernstadt]]. Diese sind (* Siedlungszentrum unter anderem Namen): Ate (*Vitarte), [[Barranco (Bezirk)|Barranco]], Breña, Cercado de Lima, Chorillos, [[Comas]], El Agustino, Independencia, Jesús María, La Molina, La Victoria, Lince, Los Olivos, Magdalena del Mar, [[Miraflores]], Pueblo Libre (*Magdalena Vieja), Puente Piedra, Rímac, San Borja, San Isidro, San Juan de Lurigancho, San Juan de Miraflores, San Luis, San Martin de Porres, San Miguel, Santa Anita, Santiago de Surco, Surquillo, [[Villa El Salvador]] und Villa María del Triunfo. 13 Bezirke Limas liegen außerhalb der Kernstadt in den Vorstädten und ländlichen Gebieten. Diese sind: Ancón, Carabayllo, Chaclacayo, Cieneguilla, Lurigancho (*Chosica), Lurin, Pachacámac, Pucusana, Punta Hermosa, Punta Negra, San Bartolo, Santa Maria del Mar und Santa Rosa. ''Siehe auch'': [[Liste der Stadtbezirke von Lima]] === Klima === [[Datei:Klima lima.png|thumb|Klimadiagramm Lima]] Die Stadt befindet sich in der subtropischen [[Klimazone]]. Im Allgemeinen zeichnet sich das Klima durch große Beständigkeit aus. Die mittlere Durchschnittstemperatur beträgt 18,2 Grad Celsius. In der Region fallen im Jahresdurchschnitt nur 13 Millimeter Niederschlag, und längere Perioden ohne Niederschlag kommen immer wieder vor. Im Winter (Juni bis September) liegt die Stadt praktisch den ganzen Vormittag, und oft auch den Rest des Tages unter dichtem Küsten- oder Hochnebel. Lima hat 1284 Sonnenstunden im Jahr, 28,6 Stunden im Juli (Winter) und 179,1 Stunden im Januar (Sommer). Dies sind außergewöhnlich niedrige Werte unter Berücksichtigung der geographischen Lage der Stadt.<ref>http://revistas.ucm.es/ghi/02119803/articulos/AGUC9999110025A.PDF</ref> Der kälteste Monat ist der August. Die Temperaturen fallen dann auf einen mittleren Wert von 15,1 Grad Celsius. Der Sommer (Dezember bis März) ist in Lima durch anhaltenden Sonnenschein bei angenehmen Temperaturen gekennzeichnet. Der wärmste Monat ist der Februar mit einem Durchschnittswert von 22,3 Grad Celsius. {{Klimatabelle | TABELLE = | DIAGRAMM TEMPERATUR = deaktiviert | DIAGRAMM NIEDERSCHLAG = deaktiviert | DIAGRAMM NIEDERSCHLAG HÖHE = | QUELLE = <ref>WMO: [http://worldweather.wmo.int/029/c00108.htm World Weather Information Service]</ref> | Überschrift = | Ort = Lima | hmjan = 25.8 | hmfeb = 26.5 | hmmär = 26.0 | hmapr = 24.3 | hmmai = 21.7 | hmjun = 19.7 | hmjul = 18.7 | hmaug = 18.4 | hmsep = 18.7 | hmokt = 19.9 | hmnov = 21.9 | hmdez = 23.9 | lmjan = 19.1 | lmfeb = 19.4 | lmmär = 19.2 | lmapr = 17.6 | lmmai = 16.1 | lmjun = 15.3 | lmjul = 15.0 | lmaug = 14.6 | lmsep = 14.6 | lmokt = 15.2 | lmnov = 16.4 | lmdez = 17.7 | avjan = | avfeb = | avmär = | avapr = | avmai = | avjun = | avjul = | avaug = | avsep = | avokt = | avnov = | avdez = | nbjan = 0.9 | nbfeb = 0.3 | nbmär = 4.9 | nbapr = 0.0 | nbmai = 0.1 | nbjun = 0.3 | nbjul = 0.3 | nbaug = 0.3 | nbsep = 5.4 | nbokt = 0.2 | nbnov = 0.0 | nbdez = 0.3 | shjan = | shfeb = | shmär = | shapr = | shmai = | shjun = | shjul = | shaug = | shsep = | shokt = | shnov = | shdez = | wtjan = | wtfeb = | wtmär = | wtapr = | wtmai = | wtjun = | wtjul = | wtaug = | wtsep = | wtokt = | wtnov = | wtdez = | rdjan = | rdfeb = | rdmär = | rdapr = | rdmai = | rdjun = | rdjul = | rdaug = | rdsep = | rdokt = | rdnov = | rddez = }} == Geschichte == === Herkunft des Namens === Die Stadt Lima erhielt ihren Namen aufgrund ihrer indigenen Wurzeln; der Name stammt vermutlich vom [[Jaqaru]]-Wort ''lima&nbsp;-&nbsp;limaq'' oder ''limaq&nbsp;-&nbsp;wayta'', das „gelbe Blume“ bedeutet. Eine zweite Möglichkeit ist, dass der Name sich vom [[Quechua (Sprache)|Quechuawort]] ''rimaq'' (bzw. [[Wanka]] ''limaq'') herleitet, das übersetzt „Sprecher“ bedeutet. Hierfür spricht die Tatsache, dass der Fluss, an dem die Stadt liegt, [[Río Rímac]] (Quechua: ''Rimaq'') heißt. === Kolonialzeit === Schon vor der Ankunft der Spanier war der Großraum von Lima das am dichtesten besiedelte Gebiet der peruanischen Küste. Am 18. Januar 1535 wurde Lima von dem [[Spanien|spanischen]] Eroberer [[Francisco Pizarro]] unter dem Namen ''Ciudad de los Reyes'' (Stadt der Könige) auf einer Eingeborenensiedlung am Südufer des Flusses Rimac gegründet. Für Pizarro waren strategische Überlegungen entscheidend, als er sich für das fruchtbare Tal des Río Rímac entschied. So befand er sich für den Notfall in der Nähe seiner Schiffe und hatte dennoch einen guten Ausgangspunkt, um relativ schnell in die Zentralanden zu gelangen. [[Datei:Uni San Marcos.jpg|thumb|Universität ''San Marcos'']] Die Stadt beherbergte zunächst lediglich ein Dutzend Eroberer, und die Hausdächer waren aus Schilf. Ab der spanischen Besetzung wurden die Indios in Sklavenarbeit zum Städtebau herangezogen, für Lima wie für alle anderen kolonialen Städte. 1542 gründeten die Spanier das [[Vizekönigreich Peru]] mit Lima als Hauptstadt, das Neu-Granada, die heutigen Länder [[Ecuador]], [[Kolumbien]] und [[Venezuela]], sowie [[Bolivien]], [[Chile]], [[Argentinien]] und [[Paraguay]] umfasste. Am 12. Mai 1551 wurde im [[Dominikaner]]kloster Nuestra Señora del Rosario die Universität San Marcos gegründet, die erste Universität auf dem amerikanischen Kontinent. Über das 16. und 17. Jahrhundert war Lima das religiöse, wirtschaftliche und politische Zentrum der spanischen Kolonien Südamerikas. Lima wurde für das peruanische Gebiet das Zentrum der Unterdrückungsmaßnahmen gegen die indigene Bevölkerung, unter anderem mit [[Inquisition]] und [[Scheiterhaufen]] der katholischen Kirche gegen alte religiöse Bräuche, Riten und gegen die alte Heiler-Medizin. Die Stadt blühte unter dem ständigen Zufluss von Gold und Silber auf, das zunächst von den besiegten [[Inka]]s, dann aus den Minen der Anden stammte. Der Reichtum lockte in zunehmendem Maße Piraten an. Einer der bekanntesten, Sir [[Francis Drake]], überfiel 1579 Callao, den Hafen Limas. Erst knapp hundert Jahre später wurde ein Schutzwall gegen die drohenden Übergriffe der Freibeuter errichtet. Zu diesem Zeitpunkt war die Einwohnerzahl Limas bereits auf über 25.000 Bewohner angestiegen. Trotz gelegentlicher Erdbeben - am 20. Oktober 1687 (5.000 Tote) und am 28. Oktober 1746 (18.000 Tote) - wuchs und gedieh die Stadt unvermindert. Im 18. Jahrhundert wurde die Stellung der Stadt durch die Gründung des Vizekönigreichs [[Vizekönigreich Neugranada|Neugranada]] (1717) und des [[Vizekönigreich des Río de la Plata|Vizekönigreichs des Río de la Plata]] (1776) geschwächt. === Unabhängigkeit === Im Dezember 1820 besiegte eine Rebellenarmee unter Führung des Revolutionärs [[José de San Martín]] die Spanier in der Schlacht bei [[Pisco]] und besetzte Lima. Am 28. Juli 1821 rief dort San Martín offiziell die Unabhängigkeit Perus aus, nachdem diese bereits 1820 in [[Trujillo (Peru)|Trujillo]], wo sich heute das Freiheitsdenkmal „La Libertad“ befindet, erklärt wurde. Am 3. August 1821 wurde San Martín zum Protektor der neuen Republik mit Lima als Hauptstadt erwählt. 1861 lebten in der Stadt etwa 100.000 Menschen. Mitte des 19. Jahrhunderts begann eine Phase der Industrialisierung und 1851 wurde in der peruanischen Hauptstadt die erste Eisenbahnlinie Südamerikas eingeweiht. [[Datei:Situationsplan_von_Lima.jpg|thumb|Historische Karte (um 1888)]] Während des [[Salpeterkrieg]]s (1879-1883) besetzten [[Streitkräfte Chiles|chilenische Truppen]] die Stadt und plünderten sie. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts brachte der Abbau von [[Guano]] auf den der Küste vor gelagerten Inseln der Stadt Reichtum und Wohlstand. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts setzte dann ein erneuter Wachstumsschub ein. Im Jahre 1919 lebten 175.000 Menschen in Lima. 20 Jahre später waren es bereits über eine halbe Million. Auch viele ausländische Zuwanderer fanden den Weg an die peruanische Küste. Schon in der Kolonialzeit hatten die Spanier schwarze Sklaven aus Afrika geholt und später kamen Chinesen als Vertragsarbeiter ins Land. So entstand im Laufe der Jahre ein multikulturelles Völkergemisch, das entscheidend zum kosmopolitischen Flair der Stadt beigetragen hat. Die Probleme der Landflucht verschärften sich in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts: Bevölkerungsexplosion, mangelnde [[Infrastruktur]] und Naturkatastrophen trieben immer mehr Menschen in die Hauptstadt, aufgefangen von den endlosen Elendsvierteln. Der Terror der Guerillaorganisation [[Sendero Luminoso]] (Leuchtender Pfad) in den 1980er und 1990er Jahren akzentuierte die Situation. Am 18. Juni 1986 kam es im [[Gefängnis]] von Lurigancho, der Frauenstrafanstalt sowie der Gefängnisinsel El Frontón in [[Callao]] zu einer Meuterei von 370 vermeintlichen Anhängern des Sendero Luminoso. Die Meuterei wurde von der Regierung mit Waffengewalt niedergeschlagen, in den Männergefängnissen überlebte nur eine Geisel. Insgesamt starben 249 Gefangene; 124 von ihnen wurden erschossen, nachdem sie sich bereits ergeben hatten. Am 17. Dezember 1996 kam es zur Geiselkrise, als 15 Mitglieder des [[Movimiento Revolucionario Túpac Amaru]] während eines Empfanges die japanische Botschaft in Lima stürmten und zahlreiche wichtige Persönlichkeiten als Geiseln nahmen. Am 22. April 1997 stürmte die [[Peruanische Streitkräfte|Armee]] die japanische Botschaft und beendete die Besetzung blutig. Alle 14 Geiselnehmer, eine Geisel und zwei [[Soldat]]en kamen dabei ums Leben. 71 Geiseln wurden befreit. [[Datei:Street in santa maria del mar.jpg|thumb|Straße in Santa María del Mar]] In den 1990er Jahren gelangten jährlich 200.000 Menschen aus ländlichen Regionen nach Lima. Schon einige Jahrzehnte zuvor war die obere Mittelschicht aus dem überfüllten Stadtzentrum weggezogen. Sie gründete neue Stadtviertel wie Miraflores oder San Isidro, während die ganz Reichen in die neuen Viertel Monterrico beziehungsweise La Molina im Osten Limas zogen. In den Vierteln dazwischen leben Angehörige der Mittel- und Unterschicht, aus deren ehemaligen Barackenstädten haben sich nun solide, einfache Wohnviertel entwickelt. === Einwohnerentwicklung === [[Datei:Lima Palacio Gobierno.JPG|thumb|Perus Regierungspalast im neobarocken Stil]] [[Datei:Justice Palace.png|thumb|Justizpalast]] Während die erste Siedlung noch 117 Häuserblocks umfasste, dehnte sich Lima später zunächst hauptsächlich nach Norden aus. 1562 ist ein weiteres Stadtviertel am anderen Flussufer gebaut worden. Doch erst im Jahre 1610 wurde die erste Steinbrücke eingeweiht. Zu dieser Zeit hatte Lima circa 16.000 Einwohner. 1861 überschritt die Bevölkerungszahl die Grenze von 100.000. Bis 1927 hatte sich diese Zahl verdoppelt. Die meisten Zuwanderer kamen jedoch seit den 1950er Jahren. Heute leben rund sieben Millionen Menschen in Lima. Der überwiegende Teil der Flüchtlinge siedelt sich an der [[Peripherie]] an, so dass sich die Stadt in nördliche und südliche Richtung ausdehnt. Noch in den 1960er Jahren duldete der Staat die Landbesetzungen am Stadtrand, verteilte Besitztitel und sorgte für die nötigsten [[Infrastruktur]]leistungen. In den 1970er Jahren wurden dann für viele Menschen mit Wohnsitz an der Peripherie die stundenlangen Busfahrten jeden Tag in das Stadtzentrum zum Problem. Deshalb wurde von der Stadtverwaltung beschlossen, Lima solle sich nicht weiter ausdehnen. Heute lassen sich zahlreiche Wohnungssuchende unerlaubterweise in den öffentlichen Parks, auf Schulgrundstücken oder privatem Besitz nieder, was zu einer Verstärkung des Konfliktes zwischen den armen und reichen Bewohnern führt. Die Einwohnerzahl der Kernstadt (''Ciudad de Lima'') ohne den Vorortgürtel hat sich in den letzten fünf Jahrzehnten verachtfacht: Lebten 1951 in der Stadt 835.000 Menschen, so waren es bei der Volkszählung 2005 schon 6.445.974. Die Bevölkerungsdichte beträgt somit 7.805 Einwohner je Quadratkilometer. In [[Berlin]] sind es zum Vergleich 3.800. Im gesamten Verwaltungsgebiet der Stadt, das sich über die gesamte [[Lima (Provinz)|Provinz Lima]] erstreckt, leben 6.954.583 Menschen (2005).<ref name="VZ"/> Die Bevölkerungsdichte beträgt hier 2.755 Einwohner je Quadratkilometer. In den Vorstädten und ländlichen Gebieten außerhalb der Kernstadt leben 508.609 Menschen. Die Bevölkerungsdichte liegt dort bei 275 Einwohner je Quadratkilometer. Die [[Metropolregion]] Lima (''Área Metropolitana de Lima'') umfasst die 43 Bezirke der Provinz Lima (auch ''Region Lima Metropolitana'') und die sechs Bezirke der Region [[Callao]] mit zusammen 7.765.151 Einwohnern (2005). Die Bevölkerungsdichte beträgt 2.754 Einwohner je Quadratkilometer. Die folgende Übersicht zeigt die Einwohnerzahlen der Kernstadt (ohne Vorortgürtel). [[Datei:Lima-peru.jpg|thumb|Blick auf das Stadtzentrum]] [[Datei:Lima- Pazifischer Ozean.jpg|thumb|Pazifischer Ozean]] {| | valign="top" | {| class="prettytable" ! style="background:#efefef;" | &nbsp; &nbsp; &nbsp; &nbsp; Jahr &nbsp; &nbsp; &nbsp; &nbsp; ! style="background:#efefef;" | Einwohner |- | 1614 || align="right" | 26.400 |- | 1791 || align="right" | 56.600 |- | 1812 || align="right" | 63.900 |- | 1820 || align="right" | 64.000 |- | 1827 || align="right" | 60.000 |- | 1839 || align="right" | 55.100 |- | 1850 || align="right" | 80.000 |- | 1861 || align="right" | 100.000 |- | 1877 || align="right" | 101.500 |- | 1890 || align="right" | 103.900 |- | 1896 || align="right" | 113.000 |- | 1900 || align="right" | 103.900 |- | 1908 || align="right" | 140.900 |- | 1920 || align="right" | 176.500 |- | 1925 || align="right" | 260.000 |- |} | valign="top" | {| class="prettytable" ! style="background:#efefef;" | &nbsp; &nbsp; &nbsp; &nbsp; Jahr &nbsp; &nbsp; &nbsp; &nbsp; ! style="background:#efefef;" | Einwohner |- | 1927 || align="right" | 200.000 |- | 1931 || align="right" | 373.900 |- | 1940 || align="right" | 533.600 |- | 1945 || align="right" | 657.800 |- | 1951 || align="right" | 835.000 |- | 1953 || align="right" | 964.000 |- | 1961 || align="right" | 1.262.100 |- | 1969 || align="right" | 2.541.300 |- | 1972 || align="right" | 2.821.607 |- | 1981 || align="right" | 3.969.917 |- | 1993 || align="right" | 5.358.077 |- | 1997 || align="right" | 5.930.318 |- | 2000 || align="right" | 6.271.430 |- | 2005 || align="right" | 6.445.974 |- |} |} Das rasante Bevölkerungswachstum spiegelt sich auch in der kontinuierlichen Expansion des Stadtgebietes wider: <gallery> Bild:Evoluciondelima1535.jpg|Stadtgebiet von Lima zur Stadtgründung (1535) Bild:Evoluciondelima1750.jpg|Stadtgebiet von Lima und Callao um 1750 Bild:Evoluciondelima1910.jpg|Stadtgebiet von Lima und Callao um 1910 Bild:Evoluciondelima1940.jpg|Stadtgebiet von Lima und Callao um 1940 Bild:Evoluciondelima1970.jpg|Stadtgebiet von Lima und Callao um 1970 Bild:LIMA 1995blu.jpg|Stadtgebiet von Lima und Callao um 1995 Bild:Evoluciondelima2006.PNG|Stadtgebiet von Lima und Callao um 2006 </gallery> === Entwicklung der Wohnsituation === [[Datei:Miraflores.jpg|thumb|Miraflores]] Seit Mitte des 20. Jahrhunderts ist die Einwohnerzahl Limas explosionsartig angestiegen. Die Stadt ist nicht nur mit der Hafenstadt [[Callao]] und den früheren Fischerorten an der Pazifikküste zusammengewachsen. Darüber hinaus sind auf den trockenen Böden an der Peripherie große Elendsviertel entstanden (''[[Pueblos Jovenes|pueblos jovenes]]'' = „junge Dörfer“ genannt), in denen heute circa zwei Drittel der Bevölkerung Limas leben. Städtebaulich handelt es sich dabei um [[Informelle Siedlung|informelle Siedlungen]]. Viele der älteren Siedlungen befinden sich trotz fehlender wichtiger Infrastrukturen (zum Beispiel Leitungswasser) gegenwärtig in einem Prozess der allmählichen Konsolidierung. In den letzten Jahren hat sich das Bevölkerungswachstum Limas verlangsamt und der Zustrom aus dem ländlichen Raum konzentriert sich nun verstärkt auf die Mittelstädte Perus. [[Datei:Pueblo_joven_(Lima).JPG|thumb|Ein ''Pueblo Joven'' im Norden Limas]] Da der überwiegende Teil des Wachstums der letzten Jahrzehnte durch Landbesetzungen und Eigenbau an der Peripherie der Stadt vonstattenging (informelle Siedlungen), fehlt ein verdichteter Wohnungsbau mit Mehrfamilienhäusern praktisch vollständig. Die ganze Stadt ist, bis auf wenige Ausnahmen, von Einfamilienhäusern mit ein bis drei Stockwerken verschiedenster Qualität (vom Villen- bis zum Bastmattenbau) geprägt. Das Stadtzentrum hat in der Vergangenheit an Bedeutung zugunsten anderer Standorte im mittleren Bereich eingebüßt, so dass sich eine polyzentrale Stadtstruktur von ausschließlich mittlerer Dichte herausgebildet hat. Locker bebaute Randbereiche fehlen hingegen fast vollständig. Die Straßenquerschnitte der jüngeren Stadtviertel und damit des größten Teils der Stadt sind durchweg sehr großzügig angelegt worden. == Politik == === Stadtregierung === [[Datei:Tren Urbano Lima 4.jpg|thumb|Der Bürgermeister Luis Castañeda Lossio und der peruanische Ex-Präsident Alejandro Toledo Manrique im Tren Urbano]] Der Bürgermeister von Lima ist [[Luis Castañeda Lossio]] von der konservativen „Alianza Electoral Unidad Nacional“. Er übernahm das Amt am 1. Januar 2003 von seinem Vorgänger Alberto Andrade Carmona (parteilos), der von 1996 bis 2002 regierte. Bei den Bürgermeisterwahlen am 23. November 2006 gelang ihm die Wiederwahl, als er mit 47,89 Prozent der abgegebenen Stimmen mit großem Vorsprung vor seinen Rivalen gewann.<ref>peru.com: [http://www.peru.com/noticias/especiales/2006/elecciones_municipales/resultados/distrital_detalle.asp?lugar=44&fuente=2 Ergebnis der Bürgermeisterwahl 2006]</ref> Hauptziele seiner Politik sind vor allem die Verbesserung der unzureichenden [[Infrastruktur]] und die Bekämpfung der hohen Kriminalität. Eine seiner ersten Maßnahmen zu Beginn seiner Regierung war die Verbannung der täglich bis zu einem Dutzend Protestveranstaltungen aus dem Stadtzentrum und Regierungsviertel Limas, wobei er die Unterstützung der unter den Protesten leidenden Händler und Geschäftsleute erhielt. Mehrere neuralgische Verkehrsstaupunkte wurden entschärft und einige größere Straßenbauprojekte begonnen. Positiv wurde von den Bürgern zudem das großangelegte Programm zur Begrünung der Stadt aufgenommen, das den Freizeitwert der Stadt erhöht und die eklatantesten Probleme bei der Müllbeseitigung gelöst hat. ''Siehe auch'': [[Liste der Bürgermeister der Stadt Lima]] === Städtepartnerschaften === Lima unterhält mit folgenden Städten Partnerschaften: {| style="padding:0em 1em 0em 1em;" | style="vertical-align:top" | * {{flagicon|the United States}} [[Austin (Texas)|Austin]], [[Vereinigte Staaten|USA]] * {{flagicon|Colombia}} [[Bogotá]], [[Kolumbien]] * {{flagicon|France}} [[Bordeaux]], [[Frankreich]] * {{flagicon|Argentina}} [[Buenos Aires]], [[Argentinien]] * {{flagicon|the United States}} [[Cleveland]], [[Vereinigte Staaten|USA]] | style="vertical-align:top" | * {{flagicon|Spain}} [[Madrid]], [[Spanien]] * {{flagicon|the United States}} [[Miami]], [[Vereinigte Staaten|USA]] * {{flagicon|China}} [[Peking]], [[Volksrepublik China]] * {{flagicon|Brazil}} [[São Paulo]], [[Brasilien]] * {{flagicon|Honduras}} [[Tegucigalpa]], [[Honduras]] |} == Kultur und Sehenswürdigkeiten == === Museen === [[Datei:Torre_Tagle_Lima.jpg|thumb|Palacio de Torre Tagle]] Lima besitzt zahlreiche Museen und Ausstellungszentren. Der [[Archäologie|archäologische]] Komplex ''Huaca Pucllana'' (auch bekannt als ''Huaca Juliana'') - heute Park und Museum - war zwischen 200 und 700 n. Chr. ein [[Verwaltung|administratives]] Zeremonialzentrum der Lima-Kultur. Das ''Instituto Riva-Agüero'', 1947 als Forschungszentrum für [[Gesellschaftswissenschaft]]en der Katholischen Universität von Peru gegründet, beherbergt unter anderem Sektionen für Archäologie sowie Kunst und Volkskultur. Zum Institut gehören auch das Museum für Kunst und Volkskulturen und das Archäologische Museum ''Josefina Ramos de Cox''. Zu den wichtigsten Museen der Stadt gehört das archäologische Museum ''Rafael Larco Herrera''. Es besitzt die weltweit größte Privatsammlung vorspanischer Kunst. Diese entstand aus den Sammlungen und Fundstücken der Ausgrabungen von Rafael Larco Hoyle. Das Museum ''Banco Central De Reserva del Perú'' beherbergt Sammlungen unter anderem der Archäologie, der zeitgenössischen peruanischen Malerei und Volkskunst. Interessant ist auch das ''Museo de Arquelogía y Antropología de la Universitario Mayor de San Marcos'' (Museum für Archäologie und Anthropologie der Universität San Marcos). Es wurde 1919 von Dr. Julio C. Tello gegründet und war das erste archäologische Museum in Peru, das sich von Anfang an auf die Forschung konzentrierte. [[Datei:BARRANCO2.JPG|thumb|Museumsstraßenbahn in Barranco]] Einen Besuch wert ist auch das Goldmuseum (''Museo d'Oro''). Es birgt eine verblüffende und einzigartige Sammlung von Goldornamenten verschiedener vorspanischer [[Anden]]kulturen. Dazu gehören unbezahlbare Gegenstände und [[Juwel]]en, die von Goldschmieden angefertigt wurden, deren Werke auf der ganzen Welt zu sehen sind. Des Weiteren sind dort eine große und interessante Sammlung von Waffen aus der ganzen Welt und bedeutende Stoffe aus der vorinkaischen Zeit ausgestellt. Viele Exponate entstammen [[Grabraub|zweifelhaften Quellen]] und sind damit ihrem archäologischen und kulturellen Kontext entzogen. Eine Übersicht über die Geschichte und Geografie von Peru bietet auch das Nationalmuseum (''Museo de la Nación''), welches neben archäologischen Fundstücken auch dreidimensionale Modelle bekannter peruanischer archäologischer Orte zeigt (beispielsweise [[Machu Picchu]], [[Nazca-Linien]], [[Chavín de Huántar]]). Seit 1997 befährt eine Museumsstraßenbahn einen kurzen Streckenabschnitt auf übriggebliebenen Straßenbahngleisen in der Avenida Pedro Osma im Stadtteil Barranco. Eingesetzt wird ein restaurierter Breda-Triebwagen aus dem Jahre 1924. Betreiber ist das städtische Elektrizitätsmuseum (''Museo de la Electricidad''). === Bauwerke === [[Datei:San_Francisco_Lima.jpg|thumb|Iglesia de San Francisco]] Die Altstadt von Lima mit ihren schachbrettartig angelegten Straßen und prächtigen Bauten aus der Kolonialzeit steht seit 1991 unter dem Schutz der [[UNESCO]] und gehört damit zum [[Weltkulturerbe]] der Menschheit. Die [[Kathedrale]], die zwischen 1535 und 1625 erbaut wurde - nach 1746 teilweise restauriert - mit einem Glassarg, in dem der Gründer von Lima, [[Francisco Pizarro]], liegen soll; die Kirche und das Kloster von San Francisco, die durch ihre Größe und Farbe als best erbauter [[Architektur|architektonischer]] Komplex in [[Lateinamerika]] betrachtet wird; und Santo Domingo, mit einer wunderschönen Hauptklausur, sind nur einige wenige bekannte Bauwerke von unschätzbarem Wert, die sich in Lima befinden. Den Glanz und Schimmer des Lebens im [[Vizekönigreich Perú]] symbolisieren die Häuser Limas wie zum Beispiel das Haus Aliaga, das über dem Göttertempel des Kaziquen Taulichusco errichtet wurde, das Haus Goyoneche oder Rada mit eindeutigem [[Frankreich|französischen]] Einfluss, und das Palais des Torre Tagle, einer der schönsten Wohnsitze von 1735. Lima bewahrt auch Erbstücke der vorspanischen Zeit, die an den Ufern des Flusses Rimac und an der Pazifikküste liegen. Das große [[Heilig]]tum von [[Pachacámac]] ist das wichtigste Erbstück. Es wurde zu Ehren des gleichnamigen [[Gott]]es erbaut. Das Heiligtum Pucllana in Miraflores ist ein weiteres Erbstück, welches 400 n. Chr. ein wichtiges administratives Zentrum der Kultur Lima darstellte. Sehenswert sind außerdem die große [[Plaza de Armas]] und das nahe gelegene Rathaus, der Präsidentenpalast von 1938 und einige Sakralbauten aus dem 16. und 17. Jahrhundert wie ''La Merced'' und ''San Pedro'', die das große [[Erdbeben]] von 1746 überstanden. Das im neokolonialen Stil errichtete erzbischöfliche Palais ist mit Arkaden und Holzbalkonen geschmückt. Die 1794 erbaute Acho-Stierkampfarena - 1945 restauriert - liegt nördlich des Río Rímac. === Parks === [[Datei:Lima Plaza Mayor1.jpg|thumb|Plaza Mayor]] Einer der bekanntesten Parks in Lima ist der Universitätspark (''Parque Universitario''). Im Jahre 1870 wurden die kolonialen Mauern, die Lima umgaben, zerstört und 20.000 Quadratmeter für die Errichtung des Platzes bestimmt. Erst 1921 wurde er mit Pflastersteinen ausgelegt und zum 100. Jahrestag der Unabhängigkeit Perus, eine 30 Meter hohe Turmuhr errichtet, welche um 12 Uhr die Nationalhymne spielt. Interessant ist auch Miraflores mit seinen gepflegten Parkanlagen und Gärten. Der Bezirk ist bekannt für seine mit zahlreichen Blumen überfüllten Parks. Erwähnenswert sind dort der ''Parque Central'' und der ''Parque Kennedy''. An beiden Parkanlagen vorbei verläuft die Avenida Larco Richtung Meer. Die Strände der Gegend sind ein Teil des „Costa Verde“-Gebietes, wo im Sommer viele Tausende von Surfern ihren Sport ausüben. Einen Besuch wert ist sowohl der ''Parque del Amor'' als auch der ''Parque El Olivar'' in San Isidro mit seinen Olivenbäumen, die einst im 15. Jahrhundert aus [[Spanien]] importiert wurden. Im Süden Limas liegt das Vogelschutzgebiet „Zona Reservada de los Pantanos de Villa“. Das 396 Hektar große Wasserschutzgebiet ist hauptsächlich für Vogelliebhaber interessant. 154 Vogelarten wurden dort identifiziert, die Hälfte davon Wandervögel. Hinzu kommen 55 Pflanzenarten. Das Sumpfgebiet befindet sich im Bezirk Chorrillos, am Ende der Avenida Huaylas, ganz in der Nähe der Panamericana Sur. === Sport === Das ''El Nacional'' in Lima ist das geschichtsträchtigste Stadion in Peru. Dort spielt für gewöhnlich die [[Peruanische Fußballnationalmannschaft|peruanische Nationalmannschaft]] und dort fanden 2004 das Eröffnungsspiel sowie das Finale der [[Copa América 2004|Copa América]] statt. Das Stadion wurde im Jahre 1952 eingeweiht und hat Platz für 45.000 Zuschauer. In den letzten Jahren wurde es mit modernen Kommentatorenkabinen ausgestattet, die Bestuhlung und die elektrischen Installationen sind erneuert worden. Seit dieser Zeit verfügt das Stadion, in dem regelmäßig die beiden Serienmeister des Landes, [[Alianza Lima]] und [[Sporting Cristal]], aufeinander treffen, über eine moderne elektronische Anzeigetafel und eine Flutlichtanlage. Eine weitere beliebte Sportart ist der Stierkampf. In der Hauptsaison im Oktober und November kommen international bekannte [[Torero]]s nach Lima, in den übrigen Monaten finden meist am Sonnabend- und Sonntagnachmittag Stierkämpfe statt. Diese werden in der ''Plaza de Acho'', der ältesten Stierkampfarena Amerikas ausgetragen. Interessant sind auch die Hahnenkämpfe, die im ''Coliseo Tradicional Sandia'' in Barranco und im ''El Rosedal'' in Surco veranstaltet werden. Pferderennen finden im ''Jockey Club del Perú'' in Monterrico statt. === Freizeit und Erholung === [[Datei:Costa Verde Miraflores.JPG|thumb|Die ''Costa Verde'' in Miraflores und Chorrillos (hinten)]] [[Datei:Miraflores beach.jpg|thumb|Strand in Miraflores]] [[Datei:Santa Maria Beach.jpg|thumb|Strand in Santa María del Mar]] Zwischen den Bezirken Miraflores und Chorrillos erstrecken sich die Strände der ''Costa Verde'' (Grüne Küste). Pflanzenbewuchs ist aber nur an wenigen Stellen der Klippen vorhanden und die Wasserqualität ungenügend. Die Wellen in diesem Bereich sind allerdings hoch genug zum Surfen. Die Strände bestehen meist aus Kies mit kleineren sandigen Stücken. Zu Miraflores gehören die Surfstrände ''Punta Roquitas'', ''Pampillas'', ''Miraflores'', ''Makaha'' und ''Redondo''. Der beliebteste Strand der Costa Verde ist ''La Herradura'' in Chorrillos am Fuße des Berges [[Morro Solar]], sowie der Strand ''Barranquito'', welcher zum Bezirk Barranco gehört. Die Buchten verfügen meist nur über eine einfache [[Infrastruktur]], bieten keinen Schatten (auch an bewölkten Tagen ist die Sonneneinstrahlung stark) und die Meeresströmungen des [[Pazifischer Ozean|Pazifiks]] sind recht gefährlich. Trotzdem sind die Strände zwischen Januar und März gut besucht. Beliebt in den Wintermonaten April bis November sind die landeinwärts gelegenen Naherholungsgebiete zwischen den Orten Chaclacayo auf 650 Meter Höhe und Chosica auf 850 Meter Höhe. Sie liegen circa 25 beziehungsweise 40 Kilometer östlich von Lima entlang der Carretera Central. Dort befinden sich diverse Country Clubs, Restaurants und private Freizeitareale. Eingerahmt ist das Tal auf beiden Seiten von steil aufragenden unbewachsenen Bergketten. Nur im Bereich des Río Rímac ist ein wenig Pflanzenbewuchs zu finden. Auf der Straße nach Chosica steht der rekonstruierte präinkaische Lehmziegelpalast ''Puruchuco''. Er liegt hinter dem gleichnamigen Dorf. Neben Räumen und Gängen stellt ein kleines Museum Fundstücke der Ausgrabungsstätte aus. Weitere Naherholungsgebiete finden sich landeinwärts im Tal des Flusses Lurín, im Bezirk Cieneguilla, mit Freizeitanlagen, Reitmöglichkeiten und Klubs. Eine Zufahrt ist über La Molina, Rinconada und Musa möglich. Auch im Mündungsgebiet desselben Flusses beim Dorf [[Pachacámac]] (landeinwärts der Ruinen Pachacamacs bei Lurín) wurden in den letzten Jahren Vergnügungsareale und Parks aufgebaut. 15 Kilometer nordwestlich von Miraflores liegt die Stadt [[Callao]]. Dort befinden sich der Hafen, ein Marinestützpunkt und der [[Aeropuerto Internacional Jorge Chávez]]. Ein Ausflug von Callao zur Landzunge von La Punta ist lohnend. Von dort können Bootsausflüge zur vorgelagerten Insel Palomino oder Hafenrundfahrten unternommen werden. Zudem befinden sich dort neben der Museumsfestung San Felipe zahlreiche kleine Restaurants, die vorwiegend Meeresfrüchte-Gerichte servieren. === Regelmäßige Veranstaltungen === [[Datei:Kloster Rosa von Lima.jpg|thumb|Kloster der Rosa von Lima]] Eine Prozession zu Ehren der Schutzpatronin Limas, der Heiligen [[Rosa von Lima|Santa Rosa de Lima]] (1586-1617), findet jährlich am 30. August statt. Rosa von Lima hieß mit bürgerlichem Namen Isabel de Flores. Ihre Eltern hießen Gaspar de Flores und María de Oliva. Mit 20 Jahren trat sie in den Dritten Orden der [[Dominikaner]] ein und nannte sich Rosa a Santa Maria. Sie lebte fortan in einer Hütte in der Nähe des Hauses ihrer Eltern. Mit Weber- und Gärtnerarbeiten verdiente sie ihren Unterhalt. Aus Sühne führte sie ein hartes [[Buße (Christentum)|Büßerleben]]. Rosa wirkte an der Gründung des ersten [[Kontemplation|kontemplativen]] Klosters in [[Südamerika]] mit, das aber erst 1623, nach ihrem Tod, eröffnet werden konnte. Schnell nach ihrem Ableben setzte zunächst in Lima später auch in Peru und schließlich in ganz Lateinamerika ihre Verehrung als Heilige ein. 1671 wurde sie durch [[Klemens X.|Papst Clemens X.]] offiziell heilig gesprochen und so zur ersten Heiligen Amerikas. Eine weitere wichtige Veranstaltung ist die jährlich am 28. Juli stattfindende Militärparade auf der Plaza Mayor anlässlich des Nationalfeiertages (Fiestas Patrias). Am ersten Sonntag im August wird zu Ehren der Virgen Shiquita, María de la Asunción, mit Umzügen, Prozessionen und Andentänzen in der „Iglesia San José de Barrios Alto“ das [[Patronatsfest]] gefeiert. Am 18. Oktober zieht eine Großprozession mit mehreren hunderttausend Gläubigen zu Ehren des [[Señor de los Milagros]], des Herrn der Wunder, durch die Stadt. === Kulinarische Spezialitäten === [[Datei:Mercado Lima Peru.JPG|thumb|Fischverkäuferin auf einem Markt]] Besonders im Süden der Stadt, im wohlhabenden Distrikt Miraflores und dem weiter südlich gelegenen Barranco findet sich ein reichhaltiges und diverses Angebot an Restaurants, Cafés und Bars. Eine Spezialität ist die typische Criollo-Küche Limas mit Gerichten mit Fisch und Meeresfrüchten. Zu diesen [[Peruanische Küche|landestypischen Spezialitäten]] gehört auch [[Ceviche]] - ein Gericht aus rohem Fisch, welches aber durch die Zugabe von Limettensaft gar ist. Eine weitere Spezialität ist die ''[[Causa Limeña]]'', eine kalte Vorspeise, die aus gestampften Kartoffeln fast wie Püree, Thunfisch und Mayonnaise besteht. Dies Zutaten werden wie in einer Auflaufform aufeinander gestapelt. Der ''[[Turrón]] de Doña Pepa'' ist eine sehr dekorative Süßspeise, die besonders im Monat Oktober hergestellt wird, in Verbindung zum kirchlichen Fest des [[Señor de los Milagros]]. Weitere Spezialitäten, die man besonders bei kleinen Essständen in den Straßen der Stadt findet, sind: ''[[Anticuchos]]'' (Spießchen mit mariniertem Rindsherz-Fleisch), [[Emoliente]] (Nahrhaftes Getränk aus [[Leinsamen]] und weiteren Zutaten) sowie [[Picarones]] (Süßspeise aus frittierten Süßkartoffeln mit [[Zuckersirup]]). Eine sehr spezielle Mischung verschiedener internationaler Speisen ist die peruanisch-chinesische Küche ''[[Chifa]]'', welche in allen Bevölkerungsschichten populär ist und im Gegensatz zur weltweit üblichen China-Küche verschiedene Elemente der andinen und europäischen Küche beinhaltet. Sehr beliebt bei der Stadtbevölkerung sind auch Geflügel am Spieß, genannt ''Pollo a la brasa'', welche in zahlreichen Restaurantketten in allen Preisklassen serviert wird. === Handel === [[Datei:Larcomar aerea.jpg|thumb|Einkaufszentrum Larcomar an der Steilküste von Miraflores]] [[Datei:Chinatown Lima Peru.jpg|thumb|Einkaufen in Chinatown]] Das ''Centro Comercial Jockey Plaza'' in Surco gehört zu den größten Einkaufszentren der Stadt. Der Konsumtempel wurde im Stil einer US-amerikanischen Mall errichtet. Dort findet man unter anderem Supermärkte, Banken, Boutiquen, Sportgeschäfte, Heimwerkerläden und Restaurants. Das ''Centro Comercial San Isidro'' besitzt eine ähnliche Ladenstruktur wie Jockey Plaza, aber kleiner. Das ''Centro de Entretenimiento Larcomar'' ist ein modernes, an der Uferpromenade gelegenes Einkaufszentrum mit zahlreichen Restaurants, Cafés, einem großen Kino und Bowlingbahnen. Ein weiteres groß angelegtes Einkaufszentrum ist das ''Centro Comercial San Miguel'', nahe dem wichtigsten Zoo von Lima, dem ''Parque de las Leyendas'', gelegen. Der ''Mercado Central'', ein Obst- und Gemüsemarkt, befindet sich im Zentrum von Lima, zwischen Huallaga und Ucayali. Auf der Rückseite des ''Parque Reducto'' erhält man mit dem Ökosiegel „Bio Latina“ ausgezeichnete Bioprodukte wie beispielsweise Vollkornbrot, Eier, Honig und Kaffee. Die Bioferia findet jeden Sonnabendvormittag statt. Der ''Mercado Indio'' in Miraflores, das ''Centro Artesanal Carabaya'' und das ''Centro Artesanal Santo Domingo'' bieten eine große Auswahl von peruanischem Kunsthandwerk (unter anderem Leder, Silber, Holz, Textilien, Keramik). == Wirtschaft und Infrastruktur == === Wirtschaft === [[Datei:Sanisidro 12.jpg|thumb|San Isidro]] Die Hauptstadt ist das größte Wirtschaftszentrum des Landes. Die [[Metropolregion]] Lima ist mit rund 7.000 Betrieben der dominierende Schwerpunkt der industriellen Entwicklung geworden. Dazu trägt die große Zahl und höhere Qualität von Arbeitskräften, die Bedeutung des Absatzmarktes, die günstige [[Infrastruktur]] und insbesondere die Verkehrserschließung bei. Die bedeutendsten Wirtschaftszweige sind die Textil- und Bekleidungsindustrie, sowie Nahrungs- und Genussmittel verarbeitende Industrien. Außerdem werden Chemikalien, Fahrzeuge, Fisch- und Erdölprodukte sowie Lederwaren hergestellt. Limas Hafen in [[Callao]] ist einer der bedeutendsten Fischerei- und Handelshäfen Südamerikas und bewältigt 75 Prozent der Im- und Exporte Perus. Außerdem besitzt er ausgedehnte Kühlhaus-Kapazitäten und mehrere Trockendocks. Wichtigste Exportgüter des Hafens sind Erdöl, Kupfer, Eisen, Silber, Zink, Blei, Baumwolle, Zucker und Kaffee. Diese Rolle soll durch den [[San Lorenzo Hub Port]] auf der [[Isla San Lorenzo]] weiter ausgebaut werden. Das [[Bruttoinlandsprodukt]] (BIP) in Lima lag 2005 bei 32,765 Milliarden [[US-Dollar]] (Peru = 68,397 Milliarden US-Dollar). Dies entsprach etwa 48 Prozent des BIP von ganz Peru. Das BIP pro Kopf betrug in Lima 3.643 US-Dollar (Peru = 2.513 US-Dollar). Das durchschnittliche jährliche Wirtschaftswachstum der letzten fünf Jahre lag zwischen vier und fünf Prozent.<ref>proinversion.gob.pe: [http://www.proinversion.gob.pe/RepositorioAPS/1/0/arc/TEASER_TREN_ELECTRICO/Teaser_Tren_Elec_Ing_21_febrero2008.pdf Main demographic and economic characteristics]</ref> Lima ist Sitz fast aller großen nationalen Konzerne, Banken und Versicherungen sowie der [[Bolsa de Valores de Lima]] (BVL), der Börse von Peru. Die 1860 als „Bolsa de Comercio de Lima“ gegründete Börse erhielt 1971 ihren heutigen Namen.<ref>Bolsa de Valores de Lima: [http://www.bvl.com.pe/ Offizielle Website]</ref> Auch der größte Teil der ausländischen Betriebe in Peru hat sich in Lima angesiedelt. Das hat zu einer starken Konzentration der Industrie, insbesondere des Managements sowie der Forschungs- und Vertriebsabteilungen in Lima geführt. Auch die regionalen Verflechtungen der Industrie werden überwiegend von der Hauptstadt aus bestimmt, so dass die Metropolregion ein ausgeprägtes Zentrum-[[Peripherie]]-Verhältnis aufweist. Probleme bereiten die hohe Luftverschmutzung durch den Schadstoffausstoß der Industrie und die Abgase der Kraftfahrzeuge (hohe [[Ozon]]- und [[Kohlenmonoxid]]werte) sowie der Verkehrslärm. In der Industrie, die sich im [[Agglomeration|Ballungsgebiet]] von Lima konzentriert, bestehen nur unzureichende Entsorgungs- und Reinigungskapazitäten für Abwasser, Abgas und Abfälle. Vor allem die Menschen in den [[Marginalsiedlung]]en sind durch Infektionserkrankungen gefährdet, die durch unzureichende hygienische Bedingungen und eine mangelhafte Trinkwasserversorgung begünstigt werden. Hinzu kommen Atemwegs- und Hauterkrankungen aufgrund der giftigen Emissionen der zahlreichen Industriebetriebe und des Autoverkehrs. === Verkehr === ==== Fernverkehr ==== [[Datei:Lima Desamparados1.jpg|thumb|Bahnhof Desamparados]] [[Datei:Peru Lima Harbor Ancon.jpg|thumb|Hafen Ancon]] Die größte Stadt des Landes ist der wichtigste Verkehrsknotenpunkt Perus mit einem internationalen Flughafen und Anbindung an die [[Panamericana]]. Letztere ist die wichtigste Straßenverbindung aus Lima heraus. Sie führt in Richtung Norden (Panamericana Norte; Grenze zu [[Ecuador]]) und nach Süden (Panamericana Sur; Grenze zu [[Chile]]) entlang der Pazifikküste zur jeweiligen Grenze. Die Fahrtzeit beträgt rund 15 bis 20 Stunden. Die West-Ost-Verbindung in die [[Anden]] nennt sich Carretera Central. Sie führt zunächst nach [[La Oroya]], wo sich die Straße gabelt. Richtung Norden gelangt man über Tingo Maria nach [[Pucallpa]], Richtung Süden geht es nach [[Huancayo]]. In Lima gibt es keinen zentralen Busbahnhof. Alle Busgesellschaften besitzen eigene Terminals. Da die Abfahrtsorte teilweise in unsicheren Gegenden der Stadt liegen, empfiehlt sich besonders früh morgens und spät abends die Anfahrt per Taxi. Seit Juli 2007 wird an einem unterirdischen Busbahnhof im Zentrum Limas gebaut, der die Verbindung der Außenviertel von Lima mit dem Zentrum verbessern soll. Die erste Eisenbahnlinie in Südamerika wurde am 17. Mai 1851 zwischen Lima und dem 13 Kilometer entfernten Callao in Betrieb genommen.<ref>PeruTren: [http://www.perutren.org/portal/node/8 Railroads of Central Peru and Lima]</ref> Abfahrtsort für die bekannte Strecke nach Huancayo ist die „Estación de Desamparados“ in der Javier Ancash, unweit der Plaza Mayor im Zentrum Limas. Die zweithöchste normalspurige Bahnstrecke der Welt mit {{Höhe|4781|link=true}} bei [[Bahnhof Galera|La Galera]] - höchste ist die [[Lhasa-Bahn]] mit 5.072 Meter - führt über La Oroya (3.726 Meter) nach Huancayo (3.261 Meter) und passiert dabei 58 Brücken, sechs [[Spitzkehre (Eisenbahn)|Spitzkehren]] und 69 Tunnels. Die Eisenbahnstrecke wird zwischen Juni und November wöchentlich mit einem Zug der [[Ferrocarril Central Andino]] befahren. Im Bahnhof „Desamparados“ befindet sich auch ein Museum, das ethnische Ausstellungen zeigt.<ref>Ferrocarril Central Andino: [http://www.ferrocarrilcentral.com.pe/ Offizielle Website]</ref> Der internationale Flughafen von Lima heißt [[Flughafen Lima|Aeropuerto Internacional Jorge Chávez]]. Er liegt an der Avenida Faucett, rund 15 Kilometer nordwestlich des Stadtzentrums in Callao. Dort starten und landen alle nationalen beziehungsweise internationalen Flüge. Der Flughafen wurde 1960 eröffnet und verfügt über eine Start- und Landebahn. Seit 2001 wird er von „Lima Airport Partners“ (LAP), einem [[Joint Venture]] der Unternehmen „Alterra Partners“ und [[Fraport AG]] betrieben. ==== Nahverkehr ==== [[Datei:Lima metro.jpg|thumb|Ein Zug der U-Bahn in der Nähe der Station Villa El Salvador]] Am 24. März 1878 fuhr die erste [[Pferdebahn|Pferdestraßenbahn]] und am 17. Februar 1904 die erste elektrische [[Straßenbahn Lima|Straßenbahn in Lima]]. Der Betrieb wurde am 18. September 1965 eingestellt.<ref>tramz.com: [http://www.tramz.com/pe/li/li00.html The Tramways of Lima, Peru]</ref> [[Oberleitungsbus|Trolleybusse]] verkehrten zwischen 1928 und 1931 in der Stadt.<ref>tramz.com: [http://www.tramz.com/tb/p.html Trolleybus Pioneers in Latin America]</ref> Lima besitzt außer einem zehn Kilometer langen Abschnitt der am 18. Januar 2003 eröffneten [[Tren Urbano Lima|Tren Urbano]] kein Massentransportmittel ([[U-Bahn]], [[S-Bahn]], [[Straßenbahn]]). Die Tren Urbano verkehrt regelmäßig an Samstagen, Sonn- und Feiertagen zwischen 10:00 Uhr und 17:30 Uhr. Außerhalb dieses Zeitraumes wird sie nur bei besonderen Anlässen (beispielsweise Staatsbesuche) in Betrieb genommen. Ein Ausbau des kurzen Streckenabschnitts der U-Bahn ist geplant <ref>Tren Urbano: [http://www.trenurbano.gob.pe/ Offizielle Website]</ref>. Fuer den Monat April 2010 ist die teilweise Inbetriebnahme eines Trolleybussystems in Nord-Sued Richtung vorgesehen ("Metropolitano"). Des weiteren befindet sich eine Strassenbahnstrecke ("tren electrico") im Bau. Der gesamte öffentliche Nahverkehr wird bis heute weitestgehend privat von Bussen, Kleinbussen, Taxis und in einigen Stadtvierteln auch von Mototaxis abgewickelt. Dementsprechend chaotisch ist der Straßenverkehr. Feste Haltestellen finden sich nur an wenigen Stellen. Wer mitfahren möchte, stellt sich an den Straßenrand und macht ein Handzeichen. Auf den Hauptverkehrsachsen der Stadt verkehren Transportmittel im Sekundentakt. Das Fahrtziel steht an der Frontscheibe angeschrieben. In den letzten Jahren hat sich die Anzahl der Taxis auf Limas Straßen vervielfacht. Grund hierfür sind die schlechte wirtschaftliche Lage, die niedrigen Gehälter und die hohe Arbeitslosigkeit. So ist es keine Ausnahme, wenn ein Taxifahrer über einen akademischen Abschluss verfügt oder als Arzt in einem Krankenhaus gearbeitet hat. Viele der privaten Taxifahrer besitzen kein eigenes Fahrzeug und müssen von ihrem niedrigen [[Arbeitsentgelt]] die Wagenmiete bezahlen. Teilweise gibt es in Lima Radwege. Dies vor allem in den wohlhabenderen Vierteln wie Miraflores. === Medien === [[Datei:Avenidaabancay.jpg|thumb|Avenida Abancay]] Zu den wichtigsten Tageszeitungen in Lima gehören die linksoppositionelle ''La República'', die konservative Zeitung ''El Comercio'', die als regierungsfreundlich geltende Tageszeitung ''Expreso'' sowie die Zeitschrift ''Caretas''. Weitere Zeitungen in der Hauptstadt sind ''Diario Correo'', ''El Bocón'', ''El Peruano'', ''Informalisimo'', ''Ojo'' und ''Gestión''. Bedeutende Radiostationen sind ''Radio Alpamayo'', ''Radio América'', ''Radio Nacional'', ''Radio A'', ''Radio Inca Sat'', ''CPN'' und ''RPP Noticias 2'', die alle ein breites Angebot an Informationen und Musik ausstrahlen. Weitere Rundfunkstationen sind die christlichen Sender ''Radio Santa Rosa'', ''Radio María'', ''Sol - Frecuencia Primera'' und ''La Luz'', die Sportsender ''Radio Ovación'' und ''RPP Noticias 1'', ''Radio 100'' (erstes peruanisches Radio im [[Frequenzmodulation|FM]]-Sendebereich), ''Radio Rítmo Romantica'' und ''Panamericana Radio''. Die wichtigsten landesweit ausgestrahlten Fernsehstationen sind ''América Televisión'', ''ATV'', ''Frecuencia Latina'', ''Panamericana'' und ''Red Global''. Die Sender bieten einen Mix aus Information, Unterhaltung, Sport und Spielfilmen. Kabel- und Satellitenfernsehen ist noch nicht sehr verbreitet und wird fast ausschließlich von Menschen der oberen Einkommensschichten genutzt. === Bildung === [[Datei:Square in Lima Peru 01.jpg|thumb|Plaza de Armas]] Von den 13 Hochschulen in Lima sind die am 12. Mai 1551 eröffnete [[Universidad Nacional Mayor de San Marcos]] - die älteste Südamerikas - die 1896 errichtete Universität für Ingenieurwesen (''Universidad Nacional de Ingeniería'') und die agrarwissenschaftliche Universität (''Universidad Nacional Agraria La Molina'') von 1902 die bekanntesten. Die Universität San Marcos wurde im Dominikanerkloster von Lima auf Anweisung von Fray Thomas de San Martín gegründet, aber unter der Herrschaft des Vizekönigs [[Francisco de Toledo]] (1515-1582) den Dominikanern entzogen und weltgeistlicher Verwaltung unterstellt. Die Mönchsorden stellten weiterhin nach einem Proporzsystem die Hochschullehrer, die in den ordenseigenen Colegios dafür ausgebildet wurden. Im Jahre 2002 waren an der Universität 29.710 Studenten und weitere 3.549 [[Postgraduierter|postgraduierte]] Studenten [[Immatrikulation|immatrikuliert]]. Die 1917 eröffnete Katholische Universität ([[Pontificia Universidad Católica del Perú]]) ist die älteste private Universität des Landes. Sie gliedert sich in zehn Fakultäten. An diesen werden circa 40 verschiedene Studiengänge angeboten. [[Datei:Lima_Golf_Club.jpg|thumb|center|600px|Blick auf den Golfklub von Lima, im Hintergrund die Skyline der peruanischen Hauptstadt.]] == Söhne und Töchter der Stadt == * [[José Bernardo Alcedo]], peruanischer Komponist * [[Isabel Allende]], Schriftstellerin * [[Alexis Amore]], peruanische Pornodarstellerin * [[Fernando Belaúnde Terry]], Präsident Perus von 1963 bis 1968 und 1980 bis 1985 * [[Mario Belli Pino]], Schachspieler und -trainer * [[Francisco Bolognesi|Francisco Bolognesi Cervantes]], peruanischer Großmarschall * [[Dolores Cabero y Nùñez]], Ehefrau des peruanischen Nationalhelden [[Miguel Grau Seminario]] * [[Emilio Córdova]], Schachgroßmeister * [[Javier Pérez de Cuéllar]], peruanischer Politiker, Generalsekretär der Vereinten Nationen (1982-1991) * [[Pozzi Escot]], Komponistin * [[Juan Diego Flórez]], peruanischer Opernsänger * [[Alberto Fujimori]], peruanischer Politiker und Präsident Perus (1990-2000) * [[Alan García]], Präsident Perus von 1985 bis 1990 und wieder seit 4. Juni 2006 * [[Celso Garrido Lecca]], Komponist * [[Fernando Fernán Gómez]], spanischer Schauspieler und Regisseur * [[José Paolo Guerrero]], peruanischer Fußballspieler * [[Gustavo Gutiérrez]], Mitbegründer und Namensgeber der Befreiungstheologie * [[Claudia Llosa]], peruanische Filmregisseurin und Drehbuchautorin * [[Nicolás Lindley López]], Chef einer peruanischen Militärjunta im Jahre 1963 * [[Diego Maroto]], wichtigster Architekt Limas in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts * [[Luciana Morales Mendoza]], Schachspielerin * [[Max Otten]], Arzt, Pionier der Arbeitsmedizin * [[Oscar Quiñones Carrillo]], Schachspieler und -lehrer * [[Lorenzo Palacios Quispe]], „König der peruanischen [[Cumbia]]“ * [[Ricardo Pérez Godoy]], Chef einer Militärjunta in Peru von 1962 bis 1963 * [[Claudio Pizarro]], peruanischer Fußballnationalspieler * [[Martin de Porres]], peruanischer Heiliger, Dominikaner * [[Manuel Prado y Ugarteche]], Präsident Perus von 1939 bis 1945 und 1956 bis 1962 * [[Juan Egaña Risco]], chilenischer Präsident * [[Rosa von Lima]], Heilige, Mystikerin, Dominikaner-Terziarin * [[Felipe Santiago de Salaverry]], Staatspräsident von Peru * [[Juan Luis Cipriani Thorne]], Erzbischof von Lima und Kardinal der römisch-katholischen Kirche * [[Henry Urday Cáceres]], Schachgroßmeister und -funktionär * [[Augusto Vargas Alzamora]], Erzbischof von Lima und Kardinal der römisch-katholischen Kirche * [[Raoul de Verneuil]], Komponist und Dirigent * [[Jefferson Farfan]], peruanischer Fußballnationalspieler * [[Valentino Schaafbergo de Martinez]], peruanischer Heiliger == Literatur == * Henry A. Dietz: ''Urban poverty, political participation, and the state. Lima, 1970–1990''. University of Pittsburgh Oress, Pittsburgh 1998 ([http://digital.library.pitt.edu/cgi-bin/t/text/text-idx?idno=31735055592467;view=toc;c=pittpress Volltext]) * Peter Faecke: ''Lima, die Schöne, Lima, die Schreckliche.'' Edition Köln, Köln 2005, ISBN 3-936791-16-3 * Gustavo Gutierrez (Vorwort), Franz Marcus: ''Kirche und Gewalt in Peru. Befreiende Pastoral am Beispiel eines Elendsviertels in Lima.'' LIT, Münster 1998, ISBN 3-8258-3958-3 * Eberhard Kross: ''Die Barriadas von Lima. Stadtentwicklungsprozesse in einer lateinamerikanischen Metropole.'' Ruhr-Universität, Bochum 1992, ISBN 3-931128-44-X * Stefan Roggenbuck: ''Straßenkinder in Lateinamerika. Sozialwissenschaftliche Vergleichsstudie - Bogotá (Kolumbien), São Paulo (Brasilien) und Lima (Peru).'' Peter Lang, Frankfurt am Main 1993, ISBN 3-631-45894-0 * Gerhard Stapelfeldt: ''Verelendung und Urbanisierung in der Dritten Welt. Der Fall Lima/Peru.'' Verlag für Entwicklungspolitik, Saarbrücken 1990, ISBN 3-88156-477-2 == Einzelnachweise == <references/> == Weblinks == {{Commonscat|Lima}} {{Wikinews|Kategorie:Lima|Lima}} * [http://www.munlima.gob.pe/ Homepage der Municipalidad Metropolitana de Lima] * [http://www.goethe.de/ins/pe/lim/deindex.htm Goethe-Institut Lima] {{Welterbe|500}} {{Navigationsleiste Welterbe Peru}} {{Exzellent}} [[Kategorie:Lima| ]] [[Kategorie:Geographie (Lima)| ]] [[Kategorie:Ort in Peru]] [[Kategorie:Hauptstadt in Südamerika]] [[Kategorie:Weltkulturerbe in Peru]] [[Kategorie:Millionenstadt]] [[af:Lima]] [[am:ሊማ]] [[an:Lima]] [[ar:ليما]] [[ast:Lima]] [[ay:Lima]] [[az:Lima]] [[bat-smg:Lima]] [[be:Горад Ліма]] [[be-x-old:Ліма (сталіца)]] [[bg:Лима]] [[bn:লিমা]] [[bo:ལི་མ།]] [[br:Lima]] [[bs:Lima]] [[ca:Lima]] [[crh:Lima]] [[cs:Lima]] [[cv:Лима]] [[cy:Lima]] [[da:Lima]] [[el:Λίμα]] [[en:Lima]] [[eo:Limo (Peruo)]] [[es:Lima]] [[et:Lima (Peruu)]] [[eu:Lima]] [[fa:لیما]] [[fi:Lima]] [[fo:Lima]] [[fr:Lima]] [[frp:Lima]] [[ga:Líoma]] [[gd:Lima]] [[gl:Lima]] [[gn:Lima]] [[he:לימה]] [[hif:Lima]] [[hr:Lima]] [[ht:Lima]] [[hu:Lima]] [[ia:Lima]] [[id:Lima, Peru]] [[io:Lima]] [[is:Líma]] [[it:Lima]] [[ja:リマ]] [[ka:ლიმა]] [[ko:리마]] [[la:Lima]] [[lad:Lima]] [[lb:Lima]] [[lij:Lima]] [[lmo:Lima]] [[ln:Lima]] [[lt:Lima]] [[lv:Lima]] [[mk:Лима]] [[ml:ലിമ]] [[mr:लिमा]] [[ms:Lima]] [[mwl:Lima]] [[nah:Lima]] [[nds:Lima]] [[nl:Lima (stad)]] [[nn:Lima]] [[no:Lima]] [[nov:Lima]] [[oc:Lima]] [[os:Лимæ]] [[pap:Lima]] [[pl:Lima]] [[pms:Lima]] [[pnb:لیما]] [[pt:Lima]] [[qu:Limaq]] [[rm:Lima]] [[ro:Lima]] [[ru:Лима]] [[sc:Lima]] [[scn:Lima]] [[sh:Lima]] [[simple:Lima]] [[sk:Lima]] [[sl:Lima]] [[sq:Lima]] [[sr:Лима]] [[sv:Lima]] [[sw:Lima]] [[szl:Lima]] [[th:ลิมา]] [[tl:Lungsod ng Lima]] [[tr:Lima]] [[ug:لىما]] [[uk:Ліма]] [[vec:Lima]] [[vi:Lima]] [[vo:Lima]] [[war:Lima]] [[yi:לימא]] [[yo:Lima]] [[zh:利馬]] [[zh-min-nan:Lima]] i8q6j2x1s0dynw1g2k3ket980gwgnb8 wikitext text/x-wiki Abraham Lincoln 0 23842 28346 28345 2011-06-21T13:25:42Z Axpde 417 Änderungen von [[Special:Contributions/141.30.91.2|141.30.91.2]] ([[User talk:141.30.91.2|Diskussion]]) rückgängig gemacht und letzte Version von [[User:Daniel 1992|Daniel 1992]] wiederhergestellt [[Datei:Abraham Lincoln head on shoulders photo portrait.jpg|miniatur|Abraham Lincoln (1863) Fotografie von [[Alexander Gardner]].]] '''Abraham Lincoln''' [{{IPA|'eɪbrəhæm 'liŋkən}}] (* [[12. Februar]] [[1809]] bei [[Hodgenville]], Hardin County, heute: [[LaRue County]], [[Kentucky]]; † [[15. April]] [[1865]] in [[Washington D.C.]]) war ein [[Vereinigte Staaten|US-amerikanischer]] [[Politiker]]. Er wurde 1860 zum 16. [[Präsident der Vereinigten Staaten|Präsidenten der Vereinigten Staaten]] gewählt und 1864 wiedergewählt. Er war einer der bedeutendsten Präsidenten der USA, der erste aus den Reihen der [[Republikanische Partei|Republikanischen Partei]] und der erste, der einem [[Attentat]] zum Opfer fiel. Nach der [[Sezession]] von elf sklavenhaltenden [[Südstaaten]] führte Lincoln die [[Nordstaaten]] durch den [[Sezessionskrieg|Bürgerkrieg]], setzte die Wiederherstellung der Union durch und betrieb die [[Sklaverei in den Vereinigten Staaten|Sklavenbefreiung]]. Unter seiner Regierung schlugen die USA den Weg zum zentral regierten, modernen [[Industriestaat]] ein und schufen so die Basis für ihren Aufstieg zur [[Weltmacht]] im 20. Jahrhundert. == Leben == [[Datei:Abraham Lincoln Birthplace abli-ImageF.00001.jpeg|miniatur|Nachbau der Blockhütte in [[Hodgenville]], in der Präsident Abraham Lincoln geboren wurde. Heute Teil des [[Abraham Lincoln Birthplace National Historical Park]].]] [[Datei:Abe Lincoln young.jpg|miniatur|Lincoln im Jahre 1832]] [[Datei:MaryToddLincoln.jpeg|miniatur|Mary Lincoln]] === Kindheit und Jugend === Abraham Lincoln wurde in einer Blockhütte auf der Sinking Spring Farm nahe dem Dorf Hodgenville in Kentucky geboren. Seine Eltern waren der [[Farm (Landwirtschaft)|Farmer]] Thomas Lincoln und dessen Frau Nancy, die beide aus [[Virginia]] stammten. Thomas Lincolns Vorfahren waren einige Generationen zuvor aus [[Wales]] nach Amerika ausgewandert. Zu seiner Familie gehörten noch Abrahams ältere Schwester Sarah sowie ein jüngerer Bruder Thomas jun., der aber schon kurz nach der Geburt starb. Als frommer [[Baptisten|Baptist]] lehnte Lincolns Vater die in Kentucky erlaubte Sklaverei ab, obwohl einige seiner Verwandten Sklavenhalter waren. Ende 1816 zog Thomas Lincoln mit seiner Familie nach Little Pigeon Creek im Südwesten des sklavenfreien Staats [[Indiana]]. Zwei Jahre später starb seine Frau Nancy; 1819 heiratete er die Witwe Sarah Bush Johnston, die drei eigene Kinder in die Ehe mitbrachte. Abraham Lincoln pflegte zu seiner Stiefmutter zeitlebens eine warmherzige Beziehung. Bis zu seinem 19. Lebensjahr half Lincoln seinem Vater bei der Farmarbeit und führte das harte Leben der Pioniere an der [[Grenzland#„Frontier“ in den USA|Frontier]], der Siedlungsgrenze zur Wildnis. 1830 zogen die Lincolns erneut weiter nach Westen, in das [[Macon County (Illinois)|Macon County]] in [[Illinois]]. Kurz darauf verließ Abraham das Elternhaus und ließ sich im Präriestädtchen [[New Salem (Menard County)|New Salem]], Illinois nieder, wo er in den nächsten Jahren als [[Händler|Kaufmann]], [[Geodät|Landvermesser]] und [[Posthalter]] arbeitete. Das städtische Amerika lernte er erstmals im Jahr 1831 kennen, in dem er als Flößer auf dem [[Ohio River|Ohio]] und dem [[Mississippi River|Mississippi]] flussabwärts bis nach [[New Orleans]] fuhr. Lincoln behauptete später, er habe in seiner Jugend kein ganzes Jahr lang die Schule besucht. Immerhin lernte er so weit lesen, schreiben und rechnen, dass er mit 18 eine Stellung als Kaufmannsgehilfe erhielt. Als [[Autodidakt]] sollte er sich aber im Laufe der Jahre eine umfassende Bildung aneignen. === Lincolns Aufstieg === Im Jahr 1832 nahm Lincoln als Freiwilliger am [[Black-Hawk-Krieg|Kriegszug]] gegen die [[Sauk]]-[[Indianer]] unter Häuptling [[Black Hawk (Häuptling)|Black Hawk]] teil, ohne aber in Kämpfe verwickelt zu werden. Seine Kameraden wählten ihn bei dieser Gelegenheit zum Captain. Dies und die Tatsache, dass er sich in einem Debattierclub in New Salem als guter Redner erwiesen hatte, ermutigte ihn, noch im gleichen Jahr für das [[Repräsentantenhaus von Illinois]] zu kandidieren. Als Parteigänger der liberal-konservativen [[United States Whig Party|Whigs]] trat er im Wahlkampf für den Ausbau der Verkehrswege und eine Verbesserung des Schulwesens ein. Im ersten Anlauf gescheitert, errang Lincoln das Mandat im Jahr 1834 und behielt es über vier Legislaturperioden bis 1842. ==== Parlamentarier und Anwalt in Illinois ==== Als ''Honest Abe'' (ehrlicher Abe) – ein Spitzname, der ihm bleiben sollte – erwarb sich Abraham Lincoln im Parlament rasch so viel Vertrauen, dass er zum Sprecher des Finanzausschusses und bereits mit 27 Jahren zum Parteiführer der oppositionellen Whigs gewählt wurde. Aus dem Jahr 1837 datiert seine erste öffentliche Stellungnahme gegen die Sklaverei. In einer Parlamentsdebatte stellte er fest, ''„…dass die Einrichtung der [[Sklaverei]] auf Ungerechtigkeit und schlechte Politik zurückzuführen ist.“'' In den ersten Jahren seiner politischen Tätigkeit absolvierte Lincoln ein diszipliniertes Selbststudium der [[Rechtswissenschaft]]en; 1836 wurde er zur Anwaltskammer von Illinois zugelassen. Im folgenden Jahr gründete er mit dem Rechtsanwalt John T. Stuart eine gemeinsame Kanzlei in der neuen Hauptstadt von Illinois, [[Springfield (Illinois)|Springfield]]. Doch auch als Anwalt lebte Lincoln noch lange in äußerst bescheidenen Verhältnissen. Während seiner Zeit in Springfield näherte sich Lincoln den [[Freimaurerei|Freimaurern]] an, wurde jedoch nie - wie später irrtümlich behauptet - deren Mitglied. Auf Bitten einer [[Freimaurerloge|Loge]] sollte er 1842 die Trauerrede auf seinen Freund, Friedensrichter Bowling Greene, halten, brach aber bei der Ansprache zusammen und konnte sie nicht fortsetzen.<ref name="Denslow">William R. Denslow, Harry S. Truman: ''10,000 Famous Freemasons from K to Z''. ISBN 1-4179-7579-2.</ref><ref>The Lehrman Institute: ''[http://www.mrlincolnandfriends.org/inside.asp?pageID=2&subjectID=2 Abraham Lincoln and Friends - The Boys]''</ref><ref>Henry Rankin: ''Abraham Lincoln: The First American''. S. 54.</ref> Sein späteres Gesuch um Aufnahme in die ''Tyrian Lodge No. 333'' in Springfield zog er kurz vor seiner Wahl zum Präsidenten zurück. Der Grund dafür war, dass er den Beitritt nicht als Wahlkampftaktik missverstanden wissen wollte,<ref name="Militz">Jonathan Byron (hrsg.)/Philip Militz (Autor): ''[http://www.freimaurer-in-60-minuten.de Freimaurer in 60 Minuten].'' Thiele Verlag, München 2009.</ref> denn Freimaurer genossen seinerzeit hohes Ansehen. Auf die Frage, ob er Freimaurer sei, antwortete er im Oktober 1860: “I am not a Freemason (...) though I have a great respect for the institution.”<ref name="Denslow" /> ==== Familiengründung ==== Im Jahr 1842 heiratete Abraham Lincoln [[Mary Lincoln|Mary Todd]], die einer reichen Familie von [[Pflanzer (Südstaaten)|Pflanzern]] und Sklavenhaltern aus Kentucky entstammte. Bei dieser stieß die Hochzeit wegen Lincolns geringen Vermögens, seiner Herkunft und seiner politischen Ansichten auf erheblichen Widerstand. Dem Ehepaar wurden vier Söhne geboren: Robert, Edward, William und Thomas. Edward und William starben noch im Kindesalter zu Lincolns Lebzeiten, Thomas 1871 im Alter von 18 Jahren. Nur [[Robert Todd Lincoln]] erreichte das Erwachsenenalter. Wie sein Vater schlug er eine Karriere als Anwalt und Politiker ein und war von 1881 bis 1885 [[Kriegsministerium der Vereinigten Staaten|US-Kriegsminister]]. Der letzte direkte Nachfahre Abraham Lincolns, ein Urenkel, starb 1985. ==== Abgeordneter im Repräsentantenhaus ==== Im Jahr seiner Hochzeit schied Lincoln aus dem Staatsparlament von Illinois aus, um sich verstärkt seiner Anwaltstätigkeit zu widmen. Er erwarb sich einen Ruf als Spezialist für Eisenbahnrecht und kam allmählich zu bescheidenem Wohlstand. Als einer der führenden Köpfe der Whigs in dem jungen Bundesstaat wurde er 1846 ins [[Repräsentantenhaus der Vereinigten Staaten|US-Repräsentantenhaus]] gewählt. In Washington trat er als Gegner von Präsident [[James K. Polk]] und seiner [[Mexikanisch-Amerikanischer Krieg|Kriegspolitik]] gegen [[Mexiko]] auf. Darüber hinaus brachte er eine zaghafte Resolution zur Beschränkung der Sklaverei im [[Washington D.C.|District of Columbia]] ein. Ansonsten machte er bei seinem ersten Auftreten in der Bundespolitik kaum von sich reden. Da er in Washington ohne seine Familie lebte, reizte ihn eine Karriere in der Bundeshauptstadt wenig. Der 1849 ins Amt gelangte Präsident [[Zachary Taylor]] bot ihm an, [[Gouverneur (Vereinigte Staaten)|Gouverneur]] des neuen [[Historische Territorien auf dem Boden der Vereinigten Staaten|Territoriums]] [[Oregon-Territorium|Oregon]] zu werden, das die heutigen Staaten [[Oregon]], [[Washington (Bundesstaat)|Washington]] und [[Idaho]] sowie Teile [[Montana]]s und [[Wyoming]]s einschloss. Aber auch dies schlug er aus und kehrte 1849 nach Springfield zurück. Für die nächsten fünf Jahre verabschiedete sich Abraham Lincoln aus der Politik. Erst die Zuspitzung der Sklavenfrage brachte ihn auf die politische Bühne zurück. === Der Weg zur Präsidentschaft === Um zu verstehen, wie Abraham Lincoln von einer kaum über Illinois hinaus bekannten Parteigröße zu einem in ganz Amerika beachteten Politiker und schließlich zum Präsidentschaftskandidaten der neuen Republikanischen Partei werden konnte, muss man die Entwicklung der Sklavenfrage und Lincolns Haltung dazu betrachten. ==== Die Zuspitzung der Sklavenfrage ==== Gesellschaftlich, kulturell und wirtschaftlich hatten sich der Norden und der Süden der USA von jeher unterschieden. Trotz seiner geringeren Bevölkerungszahl nahm der Süden mit seiner reichen Pflanzeraristokratie bis zum Bürgerkrieg die gesellschaftlich führende Rolle ein. So kamen zum Beispiel die meisten Präsidenten aus den Sklavenhalterstaaten. Zudem wog die Stimme eines weißen Südstaatlers bei Wahlen ungleich schwerer als die eines Nordstaatlers. Wie viele Abgeordnete ein Staat ins Repräsentantenhaus entsenden durfte, hing von seiner Einwohnerstärke ab. Jedem der Südstaaten aber wurde die Zahl der dort lebenden [[Afroamerikaner|afroamerikanischen]] Sklaven zu drei Fünfteln angerechnet, obwohl diesen selbst das Wahlrecht verwehrt war. Seit Beginn des 19.&nbsp;Jahrhunderts jedoch schritten [[Industrialisierung]] und Bevölkerungswachstum im Norden rasch voran und verschoben das wirtschaftliche Gewicht immer mehr zu seinen Gunsten. [[Datei:Kansas-Nebraska Act.jpg|miniatur|hochkant=1.4|Karte von Kansas und Nebraska aus dem Jahr 1855]] Die Interessen der beiden völlig gegensätzlichen Wirtschaftssysteme ließen sich immer schwerer miteinander vereinbaren. Der Süden, als Agrarland auf die Ausfuhr von [[Baumwolle]], [[Tabak]] und anderen [[Plantage]]nprodukten angewiesen, verfocht eine [[Freihandel]]spolitik. Der Norden, der seine noch junge Industrie vor der Einfuhr von Massenprodukten aus [[England]] schützen wollte, trat für möglichst hohe [[Schutzzoll|Schutzzölle]] ein. Die im Süden traditionell starke [[Demokratische Partei (Vereinigte Staaten)|Demokratische Partei]] war für eine weitgehende Autonomie der Einzelstaaten, was auch das Recht neuer Staaten einschloss, auf ihrem Territorium die Sklaverei zu gestatten. Lincolns Partei dagegen, die Whigs (wie später auch die Republikaner), trat für eine starke Zentralmacht in Washington sowie für das Prinzip der freien Arbeit in den neu zu besiedelnden Gebieten des Westens ein. Freie und Sklavenstaaten waren zunehmend darauf bedacht, gegenüber der jeweils anderen Seite im [[Senat der Vereinigten Staaten|Senat]] nicht in die Minderheit zu geraten. Dieses Problem stellte sich immer von neuem, sobald ein weiterer Staat in die Union aufgenommen werden sollte. Eine erste Zuspitzung des Konflikts konnte 1820 durch den [[Missouri-Kompromiss]] entschärft werden. Er sah vor, dass die Sklaverei nördlich der [[Mason-Dixon-Linie]], die auf etwa 36°30' nördlicher Breite verlief, in allen neuen Staaten mit Ausnahme [[Missouri]]s verboten sein solle. Infolge der großen Landgewinne, die die USA 1848 im [[Mexikanisch-Amerikanischer Krieg|Mexikanisch-Amerikanischen Krieg]] südlich dieser Linie gemacht hatten, drohte sich das Gleichgewicht erneut zugunsten des Südens zu verschieben. Mit dem [[Kompromiss von 1850]] gelang es dem [[Kongress der Vereinigten Staaten|Kongress]] jedoch ein weiteres Mal, die Gegensätze auszugleichen. Am 30. Mai 1854 jedoch verabschiedete er auf Antrag des demokratischen Senators [[Stephen A. Douglas]], eines späteren politischen Gegners von Abraham Lincoln, den [[Kansas-Nebraska Act]]. Dieses Gesetz stellte es beiden Territorien – obwohl nördlich der Mason-Dixon-Linie gelegen – frei, in ihren künftigen Staatsverfassungen selbst festzulegen, ob sie die Sklaverei gestatteten oder nicht. In ''[[Bleeding Kansas]]'', dem blutenden [[Kansas]], brach daraufhin ein „Bürgerkrieg vor dem Bürgerkrieg“ aus. In ihm bekämpften sich Sklavereibefürworter und ''Free Soiler'', die für das Prinzip der freien Arbeit auf freiem Land eintraten. Die faktische Aufhebung des Missouri-Kompromisses löste einen Sturm der Entrüstung im ganzen Norden aus. ==== Lincoln als gemäßigter Gegner der Sklaverei ==== Im Streit über das neue Gesetz zerbrach die Partei der Whigs. Wie Lincoln schloss sich der größte Teil ihrer Mitglieder noch im Laufe des Jahres 1854 mit gemäßigten Sklavereigegnern aus den Reihen der Demokraten, mit radikalen [[Abolitionismus|Abolitionisten]], die das sofortige Verbot der Sklaverei forderten, und mit einigen anderen Gruppierungen zur neuen Republikanischen Partei zusammen. Zu dieser Zeit war Lincoln kein bedingungsloser Gegner der Sklaverei. Er verabscheute sie zwar moralisch, vertrat gegenüber den Südstaaten damals aber einen streng am geltenden Recht und Gesetz orientierten Standpunkt. So war er der Ansicht, dass die [[Gründerväter der Vereinigten Staaten]] die Sklaverei grundsätzlich als Übel angesehen, sie aber aus pragmatischen Gründen weiterhin in jenen Staaten geduldet hätten, in denen sie zur Zeit der [[Amerikanische Unabhängigkeitserklärung|Unabhängigkeitserklärung]] von 1776 und zum Zeitpunkt der Verabschiedung der [[Verfassung der Vereinigten Staaten|US-Verfassung]] von 1787 bereits bestand. Eine Ausdehnung der Sklaverei auf weitere Staaten und Territorien widerspreche aber dem Geist der Verfassung und den freiheitlichen Prinzipien der [[Amerikanische Revolution|Amerikanischen Revolution]]. In den frühen Jahren der Republik hatten sogar viele Politiker aus den Südstaaten, die – wie [[George Washington]] oder [[Thomas Jefferson]] – selbst Sklavenhalter waren, diesen Standpunkt geteilt. Seit Anfang des 19.&nbsp;Jahrhunderts jedoch mehrten sich im Süden die Stimmen von Apologeten der Sklaverei. Sie verteidigten nicht nur ihre Beibehaltung, sondern forderten ihre weitere Ausdehnung. Gingen ihnen die Kompromisse von 1820 und 1850 nicht weit genug, sahen viele Sklavereigegner des Nordens in ihnen ein viel zu großes Entgegenkommen gegenüber dem Süden. Mit dem Kansas-Nebraska Act schienen die Sklavereibefürworter endgültig in die Offensive zu gehen. Daher löste seine Verabschiedung in Lincoln den Entschluss aus, in die Politik zurückzukehren. Im Jahr 1855 scheiterte sein erster Versuch, einen Sitz im Senat zu erlangen. Drei Jahre später unternahm er einen zweiten Anlauf. Sein Gegenkandidat war Stephen A. Douglas, der Führer der Demokraten auf Unionsebene, der als großer Redner bekannt war. Er ließ sich im Wahlkampf auf sieben öffentliche Rededuelle mit Lincoln ein, die wegen ihrer Grundsätzlichkeit und der [[Rhetorik|rhetorischen]] Fähigkeiten der Kontrahenten überall in den USA abgedruckt wurden. Lincoln verlor die Wahl in den Senat zwar erneut, aber er hatte sich nun als gemäßigter Gegner der Sklaverei im ganzen Land einen Namen gemacht und galt als ernsthafter Kandidat der Republikaner für die nächsten Präsidentschaftswahlen. In einer berühmt gewordenen Rede, der so genannten „House Divided Speech“, die er am 16. Juni 1858 im Staatsparlament von Illinois hielt, brachte Lincoln die Sklavenfrage und ihre Auswirkungen auf die amerikanische Politik noch einmal auf den Punkt: {{Zitat|Ein in sich gespaltenes Haus kann keinen Bestand haben. Ich glaube, diese Regierungsform kann keinen Bestand haben, wenn sie auf Dauer halb für die Sklaverei, halb frei ist. Ich erwarte nicht, dass die Union aufgelöst wird. Ich erwarte nicht, dass das Haus zusammenbricht. – Aber ich erwarte, dass es aufhört gespalten zu sein. Es wird entweder ganz das eine oder ganz das andere sein.}} ==== Die Präsidentschaftswahl von 1860 ==== [[Datei:ElectoralCollege1860-Large.png|miniatur|hochkant=1.4|Ergebnis der Wahl von 1860]] Lincoln unternahm 1859 Vortragsreisen durch die Nordstaaten, um sich der Bevölkerung und seinen Parteifreunden vorzustellen und weiter für seinen gemäßigten Standpunkt zu werben. Auf dem [[Republican National Convention|Nominierungsparteitag]] der Republikaner in [[Chicago]] konnte er sich schließlich gegen den ursprünglichen Favoriten [[William H. Seward]] aus dem Bundesstaat [[New York (Bundesstaat)|New York]] und weitere starke Kandidaten wie [[Salmon P. Chase]] aus [[Ohio]] und [[Simon Cameron]] aus [[Pennsylvania]] durchsetzen. Später nahm er sie alle in sein [[Kabinett Lincoln|Kabinett]] auf und zwang damit die Führer der verschiedenen innerparteilichen Gruppierungen, zusammen statt gegeneinander zu arbeiten. Am 18.&nbsp;Mai 1860 bestimmten die Republikaner Abraham Lincoln zu ihrem Spitzenkandidaten für den Kampf ums [[Weißes Haus|Weiße Haus]]. Lincolns Wahlkampflied, das sein Programm prägnant zusammenfasste, war der noch heute populäre Song „[[Lincoln and Liberty]]“. Während des Wahlkampfs kam Lincoln seine hohe rhetorische Begabung zustatten. Er galt als einer der größten Redner seiner Zeit und viele der von ihm geprägten Aussprüche und Aphorismen gehören in den USA bis heute zum allgemeinen Bildungsgut. Vor allem verstand er es, komplizierte Fragen mit einfachen Worten auf den Punkt zu bringen. Sätze wie ''„Nichts ist geregelt, was nicht gerecht geregelt ist“'', ''„Die Wahlversprechen von heute sind die Steuern von morgen“'' oder ''„Wer anderen die Freiheit verweigert, verdient sie nicht für sich selbst“'' überzeugten viele Wähler. Die [[Präsidentschaftswahl in den Vereinigten Staaten 1860|Präsidentschaftswahl]] fand im Herbst statt. Eine Grundlage für seinen Sieg hatte Lincoln schon zwei Jahre zuvor in den Debatten mit Stephen A. Douglas gelegt. Er hatte damals seinen Gegner, der die Präsidentschaftskandidatur der Demokraten anstrebte, zu Äußerungen über die Sklaverei gedrängt, die ihn für die Demokraten des Südens unwählbar machten. Wie die Whigs sechs Jahre zuvor, so spaltete sich nun auch die Demokratische Partei. Die Nord-Demokraten nominierten Douglas, die Süd-Demokraten den eindeutigen Sklavereibefürworter [[John Cabell Breckinridge|John C. Breckinridge]] aus Kentucky, zu diesem Zeitpunkt noch amtierender [[Vizepräsident der Vereinigten Staaten|Vizepräsident]]. Beide zusammen gewannen 2,2 Millionen Wähler, [[John Bell (Politiker)|John Bell]] aus [[Tennessee]], der für die von den Whigs abgespaltene [[Constitutional Union Party]] antrat, weitere 0,6 Millionen; Lincoln aber wurde mit 1,9 Millionen Stimmen der stärkste Einzelkandidat. Er siegte in keinem einzigen der Wahlbezirke des Südens – in den meisten stand er nicht einmal auf dem Stimmzettel –, erhielt aber fast alle [[Wahlmänner]]stimmen des Nordens (180) und damit eine klare Mehrheit: Mit 40 % der Wähler gewannen er und sein Vizepräsidentschaftskandidat [[Hannibal Hamlin]] 59 % aller Wahlmänner. Am 6. November 1860 wurde Abraham Lincoln gewählt; am 4. März 1861 sollte er den Amtseid ablegen. In diesen vier Monaten aber wurden Tatsachen geschaffen, die Lincolns gesamte Regierungszeit bestimmen sollten. === Lincoln als Präsident === [[Datei:Abraham Lincoln.jpg|miniatur|Abraham Lincoln]] Während seiner gesamten Amtszeit als US-Präsident sah sich Abraham Lincoln gezwungen, einen Bürgerkrieg zur Wiederherstellung der Union zu führen. Dabei stand er im Wesentlichen vor vier großen Aufgaben: Er musste den Krieg militärisch gewinnen, bei der Bevölkerung des Nordens die Kampfbereitschaft aufrecht erhalten, die Einmischung europäischer Mächte zugunsten der [[Konföderierte Staaten von Amerika|Konföderierten]] verhindern und schließlich die Abschaffung der Sklaverei betreiben, um die Ursache des Konflikts ein für allemal zu beseitigen. ==== Amtsantritt und Kriegsausbruch ==== Die Wahl Abraham Lincolns war nicht die Ursache, aber Anlass der Sezession. Bereits seit etwa 1850 hatten sich in den Südstaaten die Stimmen gemehrt, die für einen Austritt aus der Union eintraten. Die im Norden geübte Kritik an der Sklaverei wurde als Bedrohung der eigenen Lebensart und Kultur betrachtet und jeder Versuch, sie zu beschränken, als Eingriff in die Rechte der Einzelstaaten und in das Eigentumsrecht ihrer Bürger. Aufgrund dieser Sichtweise machten die Verfechter der Sezession keinen Unterschied zwischen der kompromissbereiten Haltung Lincolns und den Zielen der Abolitionisten. Die Aussicht, Lincoln ins Weiße Haus einziehen zu sehen, gab den Extremisten im Süden den letzten entscheidenden Auftrieb. Noch bevor der neue Präsident sein Amt antreten konnte, gab [[South Carolina]] am 20. Dezember 1860 als erster Staat seinen Austritt aus der Union bekannt. Innerhalb weniger Wochen folgten alle Staaten des tiefen Südens: [[Georgia]], [[Florida]], [[Alabama]], [[Louisiana]], [[Mississippi (Bundesstaat)|Mississippi]] und am 22. Februar 1861 [[Texas]]. In [[Montgomery (Alabama)|Montgomery]], der Hauptstadt Alabamas, wurden am 8. Februar die Konföderierten Staaten von Amerika ausgerufen. Zu ihrem provisorischen Präsidenten wurde der Senator von Mississippi und frühere Kriegsminister [[Jefferson Davis]] gewählt, der wie Lincoln aus Kentucky stammte. Der scheidende US-Präsident [[James Buchanan]] bestritt den Einzelstaaten zwar das Recht, die Union zu verlassen, tat in seinen letzten Wochen im Amt aber nichts, um die Sezession zu verhindern. [[Datei:President-Jefferson-Davis.jpg|miniatur|Lincolns Gegenspieler Jefferson Davis, Präsident der Konföderierten Staaten von Amerika]] In der Rede zu seiner Amtseinführung am 4. März 1861 schlug Lincoln gegenüber dem Süden versöhnliche Töne an. Er versprach, nicht als erster zu Gewaltmaßnahmen zu greifen, machte aber zugleich deutlich, dass sein Amtseid ihn verpflichte, einer Spaltung der Union auf jeden Fall entgegenzutreten: {{Zitat|In euren Händen, meine unzufriedenen Landsleute, nicht in den meinen, liegt die folgenschwere Entscheidung über einen Bürgerkrieg. Die Regierung wird euch nicht angreifen. Ihr könnt keinen Konflikt haben, ohne selbst die Angreifer zu sein.|ref=<ref>Horace Greeley: ''[http://www.perseus.tufts.edu/hopper/text.jsp?doc=Perseus:text:2001.05.0066:chapter=26:page=422 Lincolns Rede zur Amtseinführung The American Conflict.]'' Bd. 1. Kap. 26. New York 1864, 1969 (Repr.), S.422–426. ISBN 0-8371-1438-1</ref>}} Alle Hoffnungen auf eine Verhandlungslösung zerschlugen sich jedoch am 12. April 1861. An diesem Tag begannen [[Confederate States Army|konföderierte Truppen]] mit der Beschießung des von [[United States Army im Sezessionskrieg|unionstreuen Einheiten]] gehaltenen [[Fort Sumter National Monument|Forts Sumter]], das in der Hafeneinfahrt von [[Charleston (South Carolina)|Charleston]] lag, der alten [[Hauptstadt]] von South Carolina. Der Süden, der die Garnison von Fort Sumter als Besatzungstruppe betrachtete, hatte also trotz des angebotenen Gewaltverzichts zu den Waffen gegriffen – und trotz der Tatsache, dass Lincolns Regierung bis dahin keine Verfassung irgendeines Einzelstaats verletzt hatte und dies erklärtermaßen auch nicht plante. Dieser Umstand und der erzwungene Abzug der Garnison von Fort Sumter am 14.&nbsp;April erzeugte nun auch im Norden eine Kriegsstimmung. Die Öffentlichkeit verlangte energische Schritte gegen die „Rebellen“. Wie es soweit kommen konnte, dazu sollte Lincoln vier Jahre später in der Rede zu seiner zweiten Amtseinführung folgendes sagen: {{Zitat|Beide Parteien missbilligten den Krieg, aber eine von ihnen war eher bereit, Krieg zu führen, als die Nation überleben zu lassen, und die andere war eher bereit, den Krieg zu akzeptieren, als die Nation untergehen zu lassen. Und der Krieg kam.}} Der Beginn der Kampfhandlungen bewog [[Virginia]] und drei weitere Staaten des oberen Südens – [[North Carolina]], [[Tennessee]] und [[Arkansas]] – die Union nun ebenfalls zu verlassen. Die Konföderierten verlegten daraufhin ihre Hauptstadt nach [[Richmond (Virginia)|Richmond]], Virginia. Von diesem Staat wiederum trennten sich die westlichen Landesteile ab, die in der Union bleiben wollten. Sie bildeten später den neuen Bundesstaat [[West Virginia]]. Um die Hauptstadt Washington halten zu können, war es für den Norden von entscheidender Bedeutung, die sklavenhaltenden Grenzstaaten [[Delaware]], [[Maryland]], Kentucky und [[Missouri]] zum Verbleib in der Union zu bewegen. Zu diesem Problem ist der Ausspruch Lincolns überliefert: ''„In diesem Krieg hoffe ich Gott auf meiner Seite zu haben. Kentucky aber muss ich auf meiner Seite haben.“'' Alle vier Staaten blieben schließlich loyal – teils freiwillig, teils unter militärischem Druck. ==== Lincolns Politik im Krieg ==== Die [[United States Army|US-Armee]] zählte zu Kriegsbeginn nur etwas mehr als 16.000 Soldaten, die zudem überwiegend in den [[Indianer-Territorium|Indianergebieten]] des Westens stationiert waren. Am 15. April, einen Tag nach dem Fall von Fort Sumter, berief Lincoln daher 75.000 auf 90 Tage verpflichtete [[Miliz (Volksheer)|Milizsoldaten]] ein, um der [[Aufstand|Rebellion]], wie die Abspaltung der Südstaaten im Norden genannt wurde, nunmehr militärisch ein Ende zu bereiten. Als weitere Sofortmaßnahme verfügte er eine [[Seeblockade]] aller konföderierten Häfen und vergrößerte die US-Streitkräfte bis zum Frühsommer durch weitere Anwerbungen auf rund 174.000 [[Soldat]]en und Matrosen. Da der [[Kongress der Vereinigten Staaten|Kongress]] erst im Juli wieder zusammentrat, geschahen diese Truppenaushebungen ohne dessen Ermächtigung. Dasselbe traf auf die Einschränkung einiger Grundrechte, etwa der [[Pressefreiheit]] oder des [[Habeas Corpus|Habeas-Corpus]]-Gesetzes, zu. So ließ Lincoln Personen, die der [[Spionage]] für die Südstaaten verdächtigt wurden, ohne gesetzliche Grundlage verhaften. All dies brachte ihm bei Sympathisanten des Südens – zum Teil bis heute – den Ruf eines [[Diktatur|Diktators]] ein. Als aber im Juli die Vertreter der in der Union verbliebenen Staaten zum Kongress zusammentraten, stimmten sie allen [[Notstandsgesetz|Notstandsmaßnahmen]] des Präsidenten nachträglich zu. Aus ihrer Sicht verfuhr Lincoln mit den Unterstützern der Konföderierten nicht anders, als es mit Angehörigen einer fremden, mit den USA im Krieg befindlichen Macht üblich war – und genau dies beanspruchte die Konföderation ja zu sein. Doch selbst die angegebenen energischen Maßnahmen Lincolns reichten nicht aus. Die erste Niederlage der Unionstruppen in der [[Erste Schlacht am Bull Run|Schlacht am Bull Run]] am 21. Juli 1861 machte deutlich, dass der Konflikt militärisch nicht schnell zu lösen war. Die Union musste sich auf einen langwierigen Eroberungskrieg einstellen. Dies war mit einer kleinen [[Berufsarmee]] und einer dreimonatigen Dienstpflicht nicht zu erreichen. Auch die Verlängerung auf neun Monate reichte nicht aus. Schließlich führte Lincolns Regierung erstmals in der Geschichte der USA die [[allgemeine Wehrpflicht]] ein, eine Maßnahme, die Anfang Juli 1863 zu bürgerkriegsähnlichen Unruhen in [[New York City|New York]] führte, den sogenannten [[Draft Riots]] (''Einziehungskrawalle''). In der Stadt gab es zeitweilig sogar Bestrebungen, sich ebenfalls von der Union loszusagen und einen souveränen Staat zu bilden. [[Datei:Battle of Gettysburg.jpg|miniatur|Tote auf dem Schlachtfeld von Gettysburg]] Der Bürgerkrieg zog sich auch deshalb in die Länge, weil Lincoln lange Zeit keinen geeigneten Oberbefehlshaber für die [[Army of the Potomac|Potomac-Armee]] fand, die die Hauptlast der Kämpfe im Grenzgebiet von Virginia, zwischen Washington D.C. und Richmond, zu tragen hatte. General [[George Brinton McClellan|George B. McClellan]] erwies sich zwar als hervorragender Organisator, aber als zögerlicher Heerführer. Er vergab – etwa im [[Halbinsel-Feldzug]] vom Frühjahr 1862 – gleich mehrere Chancen, dem Krieg durch schon greifbare Siege ein frühes Ende zu bereiten. Andere Befehlshaber wie [[Ambrose Everett Burnside|Ambrose E. Burnside]] und [[Joseph Hooker]] erlitten katastrophale Niederlagen gegen die zahlenmäßig unterlegene [[Army of Northern Virginia|Nord-Virginia-Armee]] des konföderierten Generals [[Robert Edward Lee|Robert E. Lee]]. Abraham Lincoln, der zwischen seiner Funktion als Kompaniechef im Indianerkrieg und der als Oberbefehlshaber der US-Streitkräfte nie mehr einen soldatischen Rang bekleidet hatte, unterzog sich nun auch einem Selbststudium in Militärfragen und wurde bald zum Experten. Mit den auf dem westlichen Kriegsschauplatz siegreichen Generalen [[Ulysses S. Grant]] und [[William T. Sherman]] fand er schließlich zwei Kommandeure, die mit ihren Truppen – der eine von Norden, der andere von Westen – die Konföderierten in langen, blutigen Kämpfen niederrangen. ==== Kriegsziele ==== [[Datei:Greeley-Horace-LOC.jpg|miniatur|Der Sklaverei-Gegner Horace Greeley übte als Verleger erheblichen Einfluss auf die öffentliche Meinung im Norden aus.]] Am 22. August 1862 schrieb Lincoln in einem offenen Brief an die ''[[New York Tribune]]'', die Zeitung des bekannten New Yorker Abolitionisten [[Horace Greeley]]: {{Zitat|Mein oberstes Ziel in diesem Krieg ist es, die Union zu retten; es ist nicht, die Sklaverei zu retten oder zu zerstören. Könnte ich die Union retten, ohne auch nur einen Sklaven zu befreien, so würde ich es tun; könnte ich sie retten, indem ich alle Sklaven befreite, so würde ich es tun; und könnte ich die Union retten, indem ich einige Sklaven befreite und andere nicht, so würde ich auch das tun. Alles, was ich in Bezug auf die Sklaverei und die Schwarzen tue, geschieht, weil ich glaube, dass es hilft, die Union zu retten.}} In der Tat ging es im Bürgerkrieg vordergründig um die Union. Die Frage, an der sich der Kampf entzündet hatte, lautete: Hat ein einzelner Bundesstaat der USA das Recht, jederzeit aus der gemeinsamen Union auszutreten? Der Süden bejahte dies, mit dem Argument, man sei dem Bund schließlich freiwillig beigetreten. Die Konföderierten kämpften also nach eigenem Selbstverständnis für die Rechte der Einzelstaaten. Der Norden wies dagegen darauf hin, dass keines der Einzelstaatenrechte bis dahin verletzt worden und dass nach der Unabhängigkeitserklärung von 1776 eine Revolution nur nach fortgesetzten schweren Rechtsverletzungen gerechtfertigt sei. Den tieferen Grund aber berührte Abraham Lincoln in der [[Gettysburg Address]] von 1863. In dieser Rede, seiner berühmtesten, sagte er, der Krieg werde um die Frage geführt, ob ein [[Staat]], der sich auf [[Demokratie]] und individuelle [[Freiheit]] gründe, überhaupt auf Dauer bestehen könne. Diese Frage stellte sich mit umso größerer Berechtigung in einer Zeit, als eine ''„Regierung des Volkes, durch das Volk und für das Volk“'' – wie Lincoln es in der Rede formulierte – international noch die große Ausnahme darstellte. Lincoln gab damit seiner Überzeugung Ausdruck, dass eine Demokratie zerbrechen müsse, wenn eine [[Minderheit]] (wie die Südstaatler) eine demokratische Entscheidung der [[Mehrheit]] (wie Lincolns Wahl zum Präsidenten) jederzeit verwerfen oder sogar mit Gewalt beantworten dürfe. Hinter der Frage der Einzelstaatenrechte stand aber immer unübersehbar die Sklavenfrage. An ihr – und nur an ihr – hatte sich der Streit um diese Rechte überhaupt erst entzündet. Ohne sie hätte sich das Problem der Einzelstaatenrechte nie in dieser Schärfe gestellt. Lincoln verneinte aus wahltaktischen Gründen lange, dass die Abschaffung der Sklaverei zu seinen Kriegszielen gehörte. Zu Beginn des Konfliktes bildeten die Abolitionisten auch im Norden noch immer eine Minderheit; kaum jemand wäre bereit gewesen, für die Befreiung der Sklaven in den Kampf zu ziehen. Doch eben diese hatte Lincoln bereits in die Wege geleitet, als er den zitierten Brief an Greeley schrieb. ==== Die Sklavenbefreiung ==== [[Datei:Emancipation proclamation.jpg|miniatur|Lincoln und sein Kabinett unterzeichnen die Proklamation zur Sklavenbefreiung]] [[Datei:Emancipation proclamation document.jpg|miniatur|Das Original der Proklamation]] Lincoln war nie radikaler Abolitionist und wurde es auch im Krieg nicht. In dem berühmten Brief an Greeley unterschied er zwischen seinem persönlichen Wunsch, nach dem alle Menschen frei sein sollten, und seiner Pflicht als Amtsträger, nach Recht und Gesetz zu handeln. Nach dem Gesetz aber war die Sklaverei im Süden erlaubt. Nach seiner Vorstellung sollte sie in einem allmählichen Prozess abgeschafft und die Sklavenhalter für den Verlust ihres „Besitzes“ entschädigt werden. Auf keinen Fall war Lincoln vor 1861 bereit, einen Krieg um diese Frage zu führen. Indem sie aber von sich aus zur Gewalt griffen, hatten die Südstaaten nach Lincolns Auffassung selbst den Boden des Rechtes und der Verfassung verlassen. Je länger der Krieg dauerte und je mehr Opfer er forderte, desto stärker wurde Lincolns Überzeugung, dass die Sklaverei als Quelle allen Übels endgültig abgeschafft werden müsse. Dazu kam, dass er die Sklavenbefreiung mehr und mehr als Mittel begriff, den Süden wirtschaftlich und militärisch schwer zu treffen. Am 22. Juli 1862 informierte Lincoln sein Kabinett über die geplante Proklamation. Da die Sklavenbefreiung auch als Kriegsmaßnahme gedacht war, gab [[Außenminister der Vereinigten Staaten|Außenminister]] Seward zu bedenken, dass die Erklärung nach der Reihe schwerer Niederlagen, die die Union bis dahin erlitten hatte, als Zeichen der Schwäche missdeutet werden könne. Daher gab Lincoln die Proklamation erst im September bekannt, nach dem Unionssieg in der [[Schlacht am Antietam]]. Am 1. Januar 1863 trat die [[Emanzipations-Proklamation]] schließlich in Kraft. Ihr entscheidender Passus besagte: {{Zitat|Dass vom 1. Tag des Januar im Jahre des Herrn 1863 an alle Personen, die in einem Staat oder dem bestimmten Teil eines Staates, dessen Bevölkerung sich zu diesem Zeitpunkt in Rebellion gegen die Vereinigten Staaten befinden, als Sklaven gehalten werden, fortan und für immer frei sein sollen.}} Die Proklamation galt also vorerst nur für die Gebiete der Konföderierten, um die loyal gebliebenen Sklavenstaaten nicht zu verprellen. Aber die Befreiung der Sklaven war nun ein offizielles Kriegsziel der Union. Dessen moralisches Gewicht machte es England und Frankreich, die aus wirtschaftlichen und machtpolitischen Gründen die Sache der Konföderation unterstützten, unmöglich, aktiv zu ihren Gunsten in den Krieg einzugreifen. Vollständig abgeschafft wurde die Sklaverei 1865. ==== Wiederwahl, Sieg und Tod ==== Nach ihrer Niederlage in der [[Schlacht von Gettysburg]] vom 1. bis 3. Juli 1863 waren die Konföderierten nicht mehr in der Lage, den Krieg aus eigener Kraft zu gewinnen. Ihre einzige Chance bestand darin, den Krieg so lange und für den Norden so verlustreich weiterzuführen, dass Abraham Lincoln die [[Präsidentschaftswahl in den Vereinigten Staaten 1864|Präsidentschaftswahlen von 1864]] verlieren und er durch einen neuen, verhandlungsbereiten Präsidenten ersetzt würde. [[Datei:Ulysses simpson grant.jpg|miniatur|General Ulysses S. Grant]] Diese Chance war durchaus real. Der unerwartet lange und blutige [[Stellungskrieg]], den General Grant seit dem Frühjahr 1864 im Norden Virginias führte, kostete die Regierung Lincoln weitgehend das Vertrauen der Bevölkerung. Der Präsident war im Sommer des Wahljahrs so unpopulär, dass er selbst mit einer Niederlage rechnete. In einem Memorandum vom 23. August 1864 schrieb er: „''Die Wiederwahl dieser Regierung erscheint heute, wie seit einigen Tagen, als überaus unwahrscheinlich.''“ Sein Gegenkandidat von den Demokraten war sein früherer Oberbefehlshaber McClellan, der grundsätzlich zu einem Verhandlungsfrieden mit dem Süden und zur Anerkennung seiner Unabhängigkeit bereit war. Erst in den letzten Wochen vor der Wahl wendete sich das Blatt, als die Ergebnisse des für den Norden äußerst erfolgreichen [[Atlanta-Feldzug]]es bekannt wurden: Die Truppen General Shermans hatten am 2. September 1864 [[Atlanta]], die Hauptstadt des Rebellenstaates Georgia, erobert. Zwischen ihnen und Virginia standen nur noch schwache Kräfte des Südens. Zudem besiegte Generalmajor [[Philip Henry Sheridan|Philip Sheridan]] am 19. Oktober im [[Shenandoah Valley|Shenandoah-Tal]] ein konföderiertes Korps, das zeitweilig sogar Washington bedroht hatte. Das Kriegsende schien jetzt nur noch eine Frage der Zeit zu sein. Die Republikaner setzten im Wahlkampf auf den von Lincoln geprägten Slogan „''Mitten im Fluss soll man nicht die Pferde wechseln''“ und bezeichneten die Positionen der Demokraten als landesverräterisch. Am 8. November gewann Lincoln die Wahl mit einem Erdrutschsieg: 55 Prozent der Wähler stimmten für ihn, aber er erhielt 212 von 233 Wahlmännerstimmen. Als erster Präsident seit 32 Jahren wurde er für eine zweite Amtszeit bestätigt. Seine Wähler entstammten vor allem der Bauern- und Arbeiterschaft sowie den städtischen Mittelschichten. Ihre geografischen Hochburgen waren [[Neuengland]] und die Staaten mit einem starken Anteil deutscher Einwanderer wie [[Wisconsin]] oder Illinois. Für den Präsidenten war es besonders bedeutsam, dass auch die Soldaten der Unionsarmee zu mehr als zwei Dritteln für ihn gestimmt hatten, obwohl sie sich von einem Sieg McClellans ein rascheres Ende der Kampfhandlungen erhoffen konnten. Vor der Wahl hatte Lincoln geäußert, es sei ihm lieber, mit der Mehrheit der Soldatenstimmen besiegt als ohne diese Mehrheit Präsident zu werden. In der Zeit bis zu seinem zweiten Amtsantritt setzte sich Lincoln energisch für die Verabschiedung des [[13. Zusatzartikel zur Verfassung der Vereinigten Staaten|13. Zusatzartikels zur US-Verfassung]] ein, der die Sklaverei auf dem Territorium der USA ein für allemal verbieten sollte. Nach dem Senat konnte er – nach einem vergeblichen Anlauf – am 31. Januar 1865 auch die nötige Zweidrittelmehrheit des Repräsentantenhauses zur Zustimmung bewegen. Um dem Sklavereiverbot endgültig Verfassungsrang zu verleihen, musste es jetzt nur noch von den Einzelstaaten ratifiziert werden. Ein weiteres, drängendes Problem war die Wiedereingliederung der Südstaaten in die Union. Am 4. März 1865 – anlässlich seiner zweiten Vereidigung als Präsident – versprach Lincoln ''„Groll gegen niemanden“'' und ''„Nächstenliebe gegen alle“'' walten zu lassen. Er fasste bereits die Nachkriegsordnung ins Auge und hatte vor, den Südstaatlern milde Friedensbedingungen zu stellen. Die Rückkehr in die Union sollte ihnen so leicht wie möglich fallen. Gegen Widerstände aus der eigenen Partei setzte Lincoln den Grundsatz durch, dass ein abtrünniger Staat wieder gleichberechtigt in die Union aufgenommen werden sollte, sobald ein Zehntel seiner Bürger ihr den Treueid geleistet hätten. Der Krieg ging nun einem raschen Ende entgegen. Am 3. April eroberten Grants Truppen die Konföderiertenhauptstadt Richmond, und Lincoln besichtigte zwei Tage später das Amtszimmer seines Kontrahenten Jefferson Davis. Am 9. April 1865 kapitulierten die Reste von Lees Armee vor General Grant bei [[Appomattox Court House]] in Virginia. Die konföderierten Truppen unter General [[Joseph E. Johnston]] ergaben sich am 26.&nbsp;April General Sherman bei [[Durham (North Carolina)|Durham]] in North Carolina. [[Datei:Lincolnassassination.jpg|miniatur|[[Lithografie]] des Attentats (ca. 1865); v.l.n.r.: Henry Rathbone, Clara Harris, Mary Todd Lincoln, Abraham Lincoln und [[John Wilkes Booth]]]] Den endgültigen Sieg erlebte Lincoln nicht mehr: Am Abend des Karfreitags 1865 wurde der Präsident beim Besuch des [[Ford’s Theatre]] in Washington D.C. von einem fanatischen [[Sympathisant]]en der Südstaaten, dem Schauspieler [[John Wilkes Booth]], angeschossen. Am folgenden Tag, dem 15. April, erlag er seinen schweren Kopfverletzungen. [[Andrew Johnson]], seit März Lincolns Vizepräsident, legte noch am gleichen Tag den Amtseid als sein Nachfolger ab. Das Attentat war Teil einer größeren Verschwörung: Eine Gruppe von Sklaverei-Anhängern um Booth hatte geplant, neben Lincoln weitere Regierungsmitglieder zu ermorden. So wurde auch Außenminister Seward bei einem Mordanschlag schwer verletzt. Booth wurde am 26. April in Virginia gestellt und bei einem Schusswechsel mit seinen Verfolgern getötet. Seine Komplizen [[Mary Surratt]], [[Lewis Powell]], [[David Herold]] und der deutschstämmige [[George Atzerodt]] wurden später zum Tode verurteilt und am 7. Juli 1865 hingerichtet. Lincolns Sarg wurde mit der Eisenbahn auf demselben Weg nach Springfield überführt, auf dem der neugewählte Präsident 1860 nach Washington gereist war. In allen größeren Städten wie New York und Chicago fanden Trauerprozessionen und -gottesdienste mit dem aufgebahrten Leichnam statt. Am 5. Mai 1865 wurde Abraham Lincoln auf dem Friedhof [[Friedhof Oak Ridge|Oak Ridge Cemetery]] in seiner Heimatstadt Springfield beigesetzt. Am 23. Juni kapitulierten bei [[Fort Towson]] im [[Indianer-Territorium]] die letzten Truppen der Konföderation. Lincolns Vermächtnis, der [[13. Zusatzartikel zur Verfassung der Vereinigten Staaten|13. Verfassungszusatz]], trat nach der Ratifizierung durch sämtliche Bundesstaaten am 18. Dezember 1865 in Kraft. === Nachleben === [[Datei:Mount Rushmore.jpg|miniatur|Die monumentalen Präsidentenporträts von [[Mount Rushmore National Memorial|Mount Rushmore]]; rechts: Abraham Lincoln]] [[Datei:Lincoln statue.jpg|miniatur|Die von [[Daniel Chester French]] geschaffene Statue des Präsidenten im Lincoln Memorial in Washington D.C.]] [[Datei:US stamp 1903 5c Lincoln Sc304.jpg|miniatur|US-Briefmarke mit dem Porträt Lincolns]] Als der Dichter [[Walt Whitman]] von Lincolns Tod erfuhr, widmete er ihm das Gedicht ''„[[O Captain! My Captain!]]"''. Es spricht von einem Kapitän, der sein Schiff durch schweren Sturm sicher in den Hafen gebracht hat, diesen aber selbst nicht lebend erreicht. Später verglich Whitman den Präsidenten, der an einem [[Karfreitag]] tödlich verwundet worden war, mit [[Jesus Christus]]. Dies ist nur eines von vielen Beispielen für die bis zur Verklärung reichende Verehrung, die Abraham Lincoln bereits unmittelbar nach seiner Ermordung zuteil wurde. Mehr als die nüchterne Beurteilung seiner Präsidentschaft trug dazu die Art seines Todes und der Vergleich mit den eher glanzlosen Regierungszeiten seiner ersten Amtsnachfolger bei. Zunächst nur in den Nordstaaten, mit wachsendem zeitlichen Abstand zum Bürgerkrieg aber in den ganzen USA, setzte sich das Bild von Lincoln als einem der bedeutendsten Präsidenten der [[Geschichte der Vereinigten Staaten|US-Geschichte]] durch. Während die weißen Amerikaner in ihm den Bewahrer der Union sahen, betrachteten ihn die [[Afroamerikaner]] vor allem als den Sklavenbefreier. Auch ihr Bild von Lincoln war von religiöser Metaphorik geprägt. Schon bei seinem Besuch in Richmond kurz vor Kriegsende wurde Lincoln von den Schwarzen als „[[Abraham|Vater Abraham]]“ begrüßt. Später verglichen sie ihn mit [[Mose]]s, der sie ins gelobte Land geführt habe, ohne dieses selbst zu erreichen. Auch eher zurückhaltende Beobachter wie der afroamerikanische Abolitionist [[Frederick Douglass]], der Lincoln während seiner Präsidentschaft unablässig wegen seiner zögerlichen Haltung in der Sklavenfrage kritisiert hatte, äußerten sich im Rückblick voller Respekt. Douglass schrieb über die Sklavenbefreiung: „Bedenkt man die enorme Größe der Aufgabe und die Mittel, die dazu notwendig waren, so hat die unendliche Weisheit kaum je einen Mann in die Welt geschickt, der für seine Aufgabe geeigneter war als Abraham Lincoln.“ Heute wird der Mitbegründer der Republikanischen Partei von Angehörigen aller ethnischen Gruppen verehrt, von Konservativen und Liberalen ebenso wie von Linken. Die Freiwilligenverbände aus den USA, die im [[Spanischer Bürgerkrieg|Spanischen Bürgerkrieg]] auf Seiten der Republik gegen die [[Putsch]]isten unter General [[Francisco Franco|Franco]] kämpften, nannten sich [[Abraham-Lincoln-Brigade]]. Zahlreiche Orte in den USA wurden nach dem Präsidenten benannt, von kleinen wie [[Fort Abraham Lincoln]] in [[North Dakota]] bis zu großen wie der [[Lincoln (Nebraska)|Hauptstadt Nebraskas]], die Stadt [[Lincoln (Illinois)|Lincoln]] sogar schon vor seiner Wahl zum Präsidenten.<ref> {{Literatur |Autor=Mark S. Reinhart |Titel=Abraham Lincoln on Screen: Fictional and Documentary Portrayals on Film and Television |Verlag=McFarland |Jahr=2008 |Seite=94 |ISBN=9780786435364}} </ref> Die [[United States Navy]] taufte mehrere Schiffe auf den Namen des Präsidenten, u.a. den Flugzeugträger [[USS Abraham Lincoln (CVN-72)|''USS Abraham Lincoln'']], und auch die Automarke [[Lincoln (Automarke)|Lincoln]] wurde 1917 von deren Begründer [[Henry M. Leland]] nach ihm benannt. Als Forschungseinrichtung wurde 1889 die [[Abraham Lincoln Presidential Library]] ins Leben gerufen. Im April 2005 wurde "The Abraham Lincoln Presidential Library and Museum" in Springfield in einem Festakt seiner Bestimmung übergeben. Das Wohnhaus von Abraham Lincoln im historischen Zentrum Springfields steht unter der Obhut des U.S. National Park Service und ist heute ein Museum. Lincolns Bild ziert die 5-[[United States Dollar|Dollar]]-Note sowie die [[1-Cent-Münze (Vereinigte Staaten)|1-Cent-Münze]].In 10 US-Bundesstaaten wird Lincolns Geburtstag als offizieller Feiertag begangen. Zu seinen und George Washingtons Ehren wurde der nationale Feiertag „Presidents Day“ eingeführt. Und neben den Köpfen George Washingtons, Thomas Jeffersons und [[Theodore Roosevelt]]s wurde auch der Lincolns in die Felsen von [[Mount Rushmore National Memorial|Mount Rushmore]] in [[South Dakota]] gemeißelt. Der Komponist [[Aaron Copland]] schrieb 1942 das Tongedicht ''[[Lincoln Portrait]]'' mit einem gesprochenen Begleittext zu Ehren des 16. US-Präsidenten. Bereits 1922 war am Ufer des [[Potomac River|Potomac]] in Washington das [[Lincoln Memorial]] eingeweiht worden. Der klassizistische Tempelbau und das [[Kapitol (Washington)|Kapitol]] markieren die beiden Enden der [[National Mall]], der zentralen Achse der amerikanischen Hauptstadt. Die Gedenkstätte birgt eine Kolossalstatue Abraham Lincolns, die der [[Zeus-Statue des Phidias|Zeusstatue]] von Olympia nachempfunden ist. In ihre Südwand ist der Text der ''Gettysburg Address'', in die Nordwand Lincolns zweite Inaugurationsrede eingemeißelt. Seit ihrer Entstehung ist sie Schauplatz vieler großer [[Bürgerrechtsbewegung|Bürgerrechtsdemonstrationen]] gewesen. [[Martin Luther King]] hielt 1963 seine berühmte Rede ''„[[I Have a Dream]]“'' von den Stufen des Lincoln Memorials herab. In Lincolns 200. Geburtsjahr trat der erste afroamerikanische Präsident der USA sein Amt an: [[Barack Obama]] hatte seine Bewerbung als Präsidentschaftskandidat am 10. Februar 2007 vor dem alten Parlamentsgebäude in Springfield bekannt gegeben, in dem Lincoln 1858 seine bis heute nachwirkende House-Divided-Speech gehalten hatte. Am 20. Januar 2009 legte der 44. Präsident der Vereinigten Staaten in Washington seinen Amtseid auf Lincolns Bibel ab. == Literatur == * Thomas J. Dilorenzo: ''The Real Lincoln''. Random House USA, New York 2003. * David Herbert Donald: ''Lincoln''. Simon & Schuster, New York 1995. ISBN 0-684-80846-3 * [[Shelby Foote]]: ''The Civil War. A Narrative''. Bd. 1–3. New York 1974, Pimlico, London 1992–2001. ISBN 0-7126-9812-4 * Henry Louis Gates jr., Donald Yacovone: ''Lincoln on Race & Slavery''. Princeton University Press, Princeton 2009, ISBN 978-0691142340. * Ronald D. Gerste: ''Abraham Lincoln. Begründer des modernen Amerika.'' Verlag Friedrich Pustet, Regensburg 2008. ISBN 978-3-7917-2130-9 * Austin Augustus King (Hrsg.): ''Lincoln letters''. Bibliophile Society, Boston 1913 ([http://posner.library.cmu.edu/Posner/books/book.cgi?call=920_L736LAA Digitalisat]) * [[Jürgen Kuczynski]]: ''Abraham Lincoln''. Akademie Verlag, Berlin – Köln 1985. ISBN 3-7609-0971-X * [[James M. McPherson]]: ''Für die Freiheit sterben – Die Geschichte des amerikanischen Bürgerkriegs''. List, München – Leipzig 1988, 1995. ISBN 3-471-78178-1 * [[Jörg Nagler]]: ''Abraham Lincoln (1861–1865). Bewahrung der Republik und Wiedergeburt der amerikanischen Nation''. in: ''Die amerikanischen Präsidenten. 41 historische Portraits von George Washington bis Bill Clinton''. Hrsg. v. Jürgen Heideking. C.H. Beck, München 1995, S.176–193, 2005. ISBN 3-406-39804-9, ISBN 3-406-53147-4 * Jörg Nagler: ''Abraham Lincoln. Amerikas großer Präsident. Eine Biographie.'' C.H. Beck, München 2009. ISBN 978-3-406-58747-4 * Stephen B. Oates: ''With Malice Toward None. A Life Of Abraham Lincoln''. Harper & Raw, New York 1977, 1996. ISBN 0-06-013283-3 * Philip Shaw Paludan: ''The Presidency of Abraham Lincoln''. Univ. Press of Kansas, Lawrence 1994. ISBN 0-7006-0671-8 * [[William Armstrong Percy]]: ''The Intimate World of Abraham Lincoln'', Free Press, 2005 (gemeinschaftlich mit Lewis Gannett) * Merwin Roe (Hrsg.): ''Speeches and Letters by Abraham Lincoln''. J. M. Dent, London 1909, 1936, 1949. * [[Carl Sandburg]]: ''Abraham Lincoln. Das Leben eines Unsterblichen.'' Paul Zsolnay, Hamburg – Wien 1958, Heyne, München 1984. ISBN 3-453-55118-4 * Peter Schäfer, Ulrike Skorsetz: ''Die Präsidenten der USA in Lebensbildern. Von George Washington bis George W. Bush''. Komet, Köln 2005, ISBN 3-89836-450-X * [[Gore Vidal]]: ''Lincoln''. btb Verlag 2002, ISBN 3-442-72912-2 ([[Roman]]) == Video == * Ken Burns: ''The Civil War. Der amerikanische Bürgerkrieg''. WDR/CS Associates, 1996. (4 Kassetten) == Einzelnachweise == <references/> == Weblinks == {{Wikisource|Abraham Lincoln}} {{Wikiquote|Abraham Lincoln}} {{Commonscat}} {{Kongressbio|L000313}} * [http://memory.loc.gov/ammem/alhtml/alser.html Abraham Lincoln Papers at the Library of Congress] * {{DNB-Portal|11857308X}} * [http://www.mrlincolnswhitehouse.org Mr. Lincoln's White House] (engl.) * [http://www.mrlincolnandfreedom.org Mr. Lincoln and Freedom] (engl.) * [http://rogerjnorton.com/Lincoln2.html Abraham Lincoln Research Site] (engl.) * [http://rogerjnorton.com/Lincoln.html Abraham Lincoln Assassination] (engl.) * [http://www.mrlincolnandfriends.org Mr. Lincoln and Friends] (engl.) * [http://www.mrlincolnandnewyork.org Mr. Lincoln and New York] (engl.) * [http://www.whitehouse.gov/history/presidents/al16.html Biografie auf der Website des ''Weißen Hauses''] (engl.) * [http://www.guardian.co.uk/fromthearchive/story/0,,1753974,00.html Lincoln's death too sad to describe] („[[The Guardian]]“, 14. April 1865, Originalbericht) * [http://showcase.netins.net/web/creative/lincoln.html Abraham Lincoln online] (engl.) * [http://www.abrahamlincoln.org The Lincoln Institute] (engl.) * [http://www.nps.gov/liho Lincoln Home National Historic Site] Springfield, Illinois (engl.) * [http://www.nps.gov/linc Lincoln Memorial] Washington, DC (engl.) * [http://www.wsws.org/de/2001/mai2001/hous-m05_prn.html Eine Präsidentenfamilie in Kriegszeiten] Artikel von Joseph Kay * [http://memory.loc.gov/ammem/collections/stern-lincoln/index.html The Alfred Whital Stern Collection of Lincolniana], [[American Memory]] (engl.) {{Findagrave|627}} {{Navigationsleiste Präsidenten der Vereinigten Staaten}} {{Normdaten|PND=11857308X}} {{SORTIERUNG:Lincoln, Abraham}} [[Kategorie:Abraham Lincoln| ]] [[Kategorie:Präsident der Vereinigten Staaten]] [[Kategorie:Mitglied des Repräsentantenhauses der Vereinigten Staaten für Illinois]] [[Kategorie:Mitglied des Repräsentantenhauses von Illinois]] [[Kategorie:Mitglied der United States Whig Party]] [[Kategorie:Mitglied der Republikanischen Partei (Vereinigte Staaten)]] [[Kategorie:Person im Sezessionskrieg]] [[Kategorie:Rechtsanwalt (Vereinigte Staaten)]] [[Kategorie:US-Amerikaner]] [[Kategorie:Geboren 1809]] [[Kategorie:Gestorben 1865]] [[Kategorie:Mann]] {{Personendaten |NAME=Lincoln, Abraham |ALTERNATIVNAMEN= |KURZBESCHREIBUNG=16. Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika |GEBURTSDATUM=12. Februar 1809 |GEBURTSORT=bei [[Hodgenville]], Kentucky |STERBEDATUM=15. April 1865 |STERBEORT=[[Washington D.C.]] }} {{Exzellent}} {{Link GA|ru}} [[am:አብርሀም ሊንከን]] [[an:Abraham Lincoln]] [[ang:Abraham Lincoln]] [[ar:أبراهام لينكون]] [[ast:Abraham Lincoln]] [[az:Avraam Linkoln]] [[bar:Abraham Lincoln]] [[bat-smg:Abrahams Lėnkuolns]] [[bcl:Abraham Lincoln]] [[be:Абрахам Лінкальн]] [[bg:Ейбрахам Линкълн]] [[bn:আব্রাহাম লিংকন]] [[bs:Abraham Lincoln]] [[ca:Abraham Lincoln]] [[ceb:Abraham Lincoln]] [[co:Abraham Lincoln]] [[cs:Abraham Lincoln]] [[cy:Abraham Lincoln]] [[da:Abraham Lincoln]] [[dsb:Abraham Lincoln]] [[dv:އަބްރަހަމް ލިންކަން]] [[el:Αβραάμ Λίνκολν]] [[en:Abraham Lincoln]] [[eo:Abraham Lincoln]] [[es:Abraham Lincoln]] [[et:Abraham Lincoln]] [[eu:Abraham Lincoln]] [[fa:آبراهام لینکلن]] [[fi:Abraham Lincoln]] [[fo:Abraham Lincoln]] [[fr:Abraham Lincoln]] [[fy:Abraham Lincoln]] [[ga:Abraham Lincoln]] [[gan:亞伯拉罕·林肯]] [[gd:Abraham Lincoln]] [[gl:Abraham Lincoln]] [[gv:Abraham Lincoln]] [[hak:Â-pak-lâ-hón Lìm-khén]] [[he:אברהם לינקולן]] [[hi:अब्राहम लिंकन]] [[hif:Abraham Lincoln]] [[hr:Abraham Lincoln]] [[hu:Abraham Lincoln]] [[hy:Աբրահամ Լինքոլն]] [[id:Abraham Lincoln]] [[io:Abraham Lincoln]] [[is:Abraham Lincoln]] [[it:Abramo Lincoln]] [[ja:エイブラハム・リンカーン]] [[jv:Abraham Lincoln]] [[ka:აბრაამ ლინკოლნი]] [[kn:ಅಬ್ರಹಮ್ ಲಿಂಕನ್]] [[ko:에이브러햄 링컨]] [[la:Abrahamus Lincoln]] [[lb:Abraham Lincoln]] [[lt:Abraham Lincoln]] [[lv:Abrahams Linkolns]] [[mi:Abraham Lincoln]] [[mk:Абрахам Линколн]] [[ml:അബ്രഹാം ലിങ്കൺ]] [[mr:अब्राहम लिंकन]] [[ms:Abraham Lincoln]] [[nap:Abraham Lincoln]] [[nds:Abraham Lincoln]] [[nl:Abraham Lincoln]] [[nn:Abraham Lincoln]] [[no:Abraham Lincoln]] [[oc:Abraham Lincoln]] [[pam:Abraham Lincoln]] [[pap:Abraham Lincoln]] [[pl:Abraham Lincoln]] [[pms:Abraham Lincoln]] [[pnb:ابراہام لنکن]] [[pt:Abraham Lincoln]] [[qu:Abraham Lincoln]] [[rm:Abraham Lincoln]] [[ro:Abraham Lincoln]] [[ru:Линкольн, Авраам]] [[scn:Abraham Lincoln]] [[sco:Abraham Lincoln]] [[sh:Abraham Lincoln]] [[simple:Abraham Lincoln]] [[sk:Abraham Lincoln]] [[sl:Abraham Lincoln]] [[sq:Abraham Lincoln]] [[sr:Абрахам Линколн]] [[sv:Abraham Lincoln]] [[sw:Abraham Lincoln]] [[ta:ஆபிரகாம் லிங்க்கன்]] [[te:అబ్రహం లింకన్]] [[tg:Авраҳам Линколн]] [[th:อับราฮัม ลินคอล์น]] [[tl:Abraham Lincoln]] [[tr:Abraham Lincoln]] [[uk:Абрахам Лінкольн]] [[ur:ابراہام لنکن]] [[uz:Abraham Lincoln]] [[vi:Abraham Lincoln]] [[war:Abraham Lincoln]] [[yi:אברהם לינקאלן]] [[yo:Abraham Lincoln]] [[zh:亚伯拉罕·林肯]] [[zh-min-nan:Abraham Lincoln]] [[zh-yue:林肯]] tqsv4ltnug84ps726mkiao5zglm4vt6 wikitext text/x-wiki Georg Lindemann 0 23843 26438 2010-04-26T00:56:18Z Memnon335bc 0 linkfix [[Datei:Bundesarchiv Bild 183-L08017, Georg Lindemann.jpg|thumb|Georg Lindemann (1940)]] '''Georg Lindemann''' (* [[8. März]] [[1884]] in [[Osterburg (Altmark)]]; † [[25. September]] [[1963]] in [[Freudenstadt]]) war ein deutscher Heeresoffizier (seit Juli 1942 [[Generaloberst]]). Als Offizier diente Lindemann während des [[Erster Weltkrieg|Ersten Weltkrieges]] im [[Preußische Armee|preußischen Heer]] und machte, nachdem er kurzzeitig in einem ''[[Freikorps]]'' gedient hatte, Karriere in [[Reichswehr]] und [[Wehrmacht]]. Während des [[Zweiter Weltkrieg|Zweiten Weltkrieges]] (1939–1945) befehligte Lindemann zunächst die ''36. Infanterie-Division'' und das ''L. Armeekorps'', bevor er 1942 die ''[[18. Armee (Wehrmacht)|18. Armee]]'' übernahm. Nachdem er Anfang Mai 1944 noch zum [[Oberbefehlshaber]] der ''[[Heeresgruppe Nord]]'' aufgestiegen war, wurde er wegen zunehmender Differenzen mit [[Adolf Hitler]] Anfang Juli 1944 entlassen. Das Kriegsende erlebte Lindemann als „[[Wehrmachtbefehlshaber|Wehrmachtbefehlshaber Dänemark]]“, wo er noch im Mai 1945 für die Fortsetzung des „Endkampfes“ plädierte. Er führte die deutschen Besatzungstruppen zurück ins [[Deutsches Reich|Deutsche Reich]] und in britische Gefangenschaft. Er selbst kam in alliierte und anschließend in dänische Haft, aus der er 1948 entlassen wurde. == Leben == === Jugend und Erster Weltkrieg === {| class="toccolours" style="float: right; margin-left: 1em; margin-right: 0em; font-size: 85%; background:#F5F5F5; width:25em; max-width: 33%;" cellspacing="5" | style="text-align: left;" | ;Beförderungen<ref name="Bradley">Dermot Bradley (Hrsg.): ''Die Generale des Heeres 1921-1945''; Bd. 7, Bissendorf 2004, S. 536f</ref> * 26. Februar 1903 Fahnenjunker * 18. Oktober 1903 Fähnrich * 18. August 1904 Leutnant * 18. August 1912 Oberleutnant * 28. November 1914 Rittmeister * 1. April 1926 Major * 1. Februar 1931 Oberstleutnant * 1. Juni 1933 Oberst * 20. April 1936 Generalmajor * 20. April 1938 Generalleutnant * 1. November 1940 General der Kavallerie * 5. Juli 1942 Generaloberst |} Lindemann wurde am 8. März 1884 als Sohn des königlich-preußischen Landesgerichts- und Geheimen Justizrates Hermann Lindemann und dessen Ehefrau Elisbeth (geb. Placke) in [[Osterburg (Altmark)|Osterburg]] geboren. Er besuchte das [[Kaiser-Wilhelm- und Ratsgymnasium Hannover|Kaiser-Wilhelm-Gymnasium]] in [[Hannover]] und machte dort sein [[Abitur]].<ref name="Hürter 644">Johannes Hürter: ''Hitlers Heerführer - Die deutschen Oberbefehlshaber im Krieg gegen die Sowjetunion 1941/42'', München 2007, S. 644f</ref> Nach dem Schulabschluss trat Lindemann am 26. Februar 1903 als [[Fahnenjunker]] in das ''[[Magdeburgisches Dragoner-Regiment Nr. 6|(Magdeburgische) Dragonerregiment Nr. 6]]'' in [[Mainz]] ein. Nachdem er dort bis in den Rang eines [[Oberleutnant]]s aufgestiegen war, wurde er am 1. Oktober 1913 zum ''[[Jäger-Regiment zu Pferde Nr. 13]]'' in [[Saarlouis]] versetzt. Dort verblieb er nur kurze Zeit. Ab dem 1. April 1914 war er zum Dienst in den [[Generalstab#Deutsches Kaiserreich|Großen Generalstab]] in [[Berlin]] abkommandiert.<ref name="Bradley"/> Das war insofern ungewöhnlich, als Lindemann zuvor nicht, wie sonst üblich, die [[Preußische Kriegsakademie|Kriegsakademie]] besucht hatte. Im Generalstab lernte er seinen späteren Vorgesetzten [[Georg von Küchler]] kennen, der gleichzeitig dorthin abkommandiert war.<ref>Johannes Hürter: ''Hitlers Heerführer - Die deutschen Oberbefehlshaber im Krieg gegen die Sowjetunion 1941/42'', München 2007, S. 58 Fußnote 144 und S. 156 Fußnote 132</ref> In den Jahren vor Beginn des Ersten Weltkrieges gründete Lindemann eine Familie. Im Jahr 1907 heiratete er Annemarie von der Osten, mit der er die Kinder Ernst (1908), Rosemarie (1910) und Erika (1912) hatte.<ref name="Hürter 644"/> Wegen des Ausbruchs des [[Erster Weltkrieg|Ersten Weltkrieges]] konnte Lindemann seine Ausbildung im Generalstab nicht beenden. Bei der [[Mobilmachung]] seines Regimentes kehrte zu diesem zurück und wurde an der [[Westfront (Erster Weltkrieg)|Westfront]] als [[Eskadron]]schef eingesetzt. Nachdem er hier Ende November 1914 die Beförderung zum [[Rittmeister]] erhalten hatte, wechselte er zum 6. Dezember in den Generalstab des ''Korps Posen''. Anschließend folgten Verwendungen im Generalstab des ''Garde-Reservekorps'' (3. Februar 1915), des ''[[12. Armee (Deutsches Kaiserreich)|Armeeoberkommando 12]]'' (7. Juni 1915) an der [[Ostfront (Erster Weltkrieg)|Ostfront]], des ''[[11. Armee (Deutsches Kaiserreich)|Armeeoberkommando 11]]'' (29. Oktober 1915) auf dem [[Balkanhalbinsel|Balkan]], des ''VII. Reservekorps'' (31. März 1916) und des ''[[1. Armee (Deutsches Kaiserreich)|Armeeoberkommandos 1]]'' (19. Juli 1916) an der Westfront. Am 12. Januar 1917 erhielt Lindemann die verantwortungsvolle Stellung des Generalstabschefs der ''220. Infanteriedivision'', die er länger als ein Jahr behielt, bevor er am 16. Mai 1918 als „Offizier von der Armee“ zur Verfügung der ''Heeresgruppe Kronprinz Rupprecht von Bayern'' versetzt wurde. Im August 1918 wurde er leicht verwundet.<ref name="Hürter 644"/> Am 2. September 1918 übernahm Lindemann erneut den Posten eines Stabschefs, diesmal bei der ''200. Infanteriedivision''.<ref name="Bradley"/> Während des Ersten Weltkrieges hatte Lindemann also nur kurzzeitig im direkten Fronteinsatz gestanden, aber trotz unvollendeter Stabsausbildung Dienst in verschiedenen Stäben geleistet. Während des Krieges hatte er am 9. September 1914 das [[Eisernes Kreuz|Eiserne Kreuz]] II. und am 28. Juli 1915 der I. Klasse erhalten. Am 20. Mai 1917 war ihm zudem das [[Königlicher Hausorden von Hohenzollern|Ritterkreuz des Königlich preußischen Hausordens von Hohenzollern mit Schwertern]] verliehen worden.<ref name="Hürter 644"/> === Revolutionszeit === [[Datei:Bundesarchiv Bild 146-1977-087-27, Autokarawane mit MG und Kämpfern.jpg|thumb|upright=1.5|Freikorps in Bayern 1919]] Das Jahr 1919 bedeutete für Lindemann einen schweren Einschnitt. Er resümierte in einem späteren Aufsatz: ''„Mit dem Sturz aller bis dahin für unumstößlich gehaltenen Begriffe der Staatsform, der nationalen Ehre und Würde, von Pflicht und Recht, von Anstand und Sitte zerbrach für den Offizier ein Weltbild.“''<ref>Georg Lindemann: ''Die staatserhaltende Kraft des deutschen Soldatentums'', in: ''Militärwissenschaftliche Rundschau'' 1 (1936), S. 299</ref> Aus der Überzeugung ''„das Reich, zunächst einmal als Reich in irgendeiner Form, vor dem Abgrund zu retten“''<ref name="Kraft">Georg Lindemann: ''Die staatserhaltende Kraft des deutschen Soldatentums'', in: ''Militärwissenschaftliche Rundschau'' 1 (1936), S. 300</ref> beteiligte er sich in diesem Jahr an der Niederschlagung [[Kommunismus|kommunistischer]] Aufstände in [[München]], [[Halle (Saale)|Halle]], dem [[Ruhrgebiet]] und [[Hamburg]].<ref>Johannes Hürter: ''Hitlers Heerführer - Die deutschen Oberbefehlshaber im Krieg gegen die Sowjetunion 1941/42'', München 2007, S. 89</ref> Bald nach dem Abschluss des [[Waffenstillstand von Compiègne|Waffenstillstandes von Compiègne]] (11. November 1918) und dem Ausbruch der [[Novemberrevolution]] gelangte Lindemann am 10. Januar 1919 als Offizier der Armee z.b.V. zum [[Oberbefehlshaber Ost]]. Gleichzeitig gehörte er zum Generalstab des ''XXII. Reservekorps'', das zum [[Grenzschutz Ost]] gehörte. Doch nur wenige Wochen darauf versetzte man ihn zurück in seinen Stammtruppenteil, das ''Jäger-Regiment zu Pferde Nr.13'', welches inzwischen in [[Colmar]] lag. Dies diente jedoch nur der Demobilisierung der Einheit, die kurz darauf aufgelöst werden sollte. Lindemann gelangte deshalb schon am 10. März 1919 als Eskadronschef zum ''Grenadier-Regiment zu Pferde Nr. 3''. Fast gleichzeitig erfolgte am 23. März 1919 seine Kommandierung zur ''[[Garde-Kavallerie-Schützen-Division]]'' und damit auch zum Generalstab der ''[[Marine-Division|Freiwilligen-Division von Lettow-Vorbeck]]''. Mit diesem Verband nahm Lindemann Anfang Mai 1919 an der Niederschlagung der [[Münchner Räterepublik]] teil und marschierte mit ihm wegen der sog. „[[Sülzeunruhen|Sülze-Unruhen]]“ am 1. Juli 1919 in Hamburg ein. Hier verließ Lindemann die [[Freikorps|Freikorps-Verbände]].<ref name="Bradley"/> Im August 1919 wurde er als Generalstabsoffizier zum Garnisonsältesten in Hamburg, [[Hamburg-Altona|Altona]] und [[Hamburg-Wandsbek (Stadtteil)|Wandsbek]] kommandiert. Gleichzeitig gehörte er ab dem 1. Oktober auch dem [[Wehrkreiskommando|Wehrkreiskommando II]] an. Am 30. November 1919 erhielt er jedoch bereits eine weitere Kommandierung, diesmal als Lehrer an der Infanterie-Schule in München.<ref name="Hürter 644"/> === Karriere in Reichswehr und Wehrmacht === [[Bild:Eskadron der Reichswehr 1928.jpg|thumb|upright=1.5|Eine Eskadron der Reichswehr im Jahre 1928]] Lindemann wurde 1921 in die [[Reichswehr]] übernommen und zunächst auf seinem Posten als Lehrer belassen. Am 15. September 1922 übernahm er als Truppenoffizier die 2. Eskadron im ''[[Reiter-Regiment 7 (Reichswehr)|Reiter-Regiment 7]]'' in [[Breslau]], bevor er am 1. März 1925 in den Stab der ''2. Kavallerie-Division'' (ebenfalls in Breslau) wechselte. Hier erhielt er am 1. April 1926 die Beförderung zum [[Major]]. Dies war seit fast 12 Jahren die erste Beförderung Lindemanns. Zwei Jahre später wurde er Lehrgangsleiter an der Kavallerie-Schule in [[Hannover]]. Nachdem Lindemann am 1. Februar 1931 zum [[Oberstleutnant]] aufgestiegen war, übernahm er am 1. Oktober des Jahres den Befehl über das ''[[Reiter-Regiment 13 (Reichswehr)|Reiter-Regiment 13]]''. In dieser Funktion wurde er am 1. Juni 1933 [[Oberst]] und am 1. Oktober 1934 Kommandeur der Kriegsschule Hannover. Am 20. April 1936 erhielt Lindemann die Beförderung zum [[Generalmajor]] und am 6. Oktober die Ernennung zum Kommandeur der ''[[36. Infanterie-Division (Wehrmacht)|36. Infanterie-Division]]'', welche gerade in [[Kaiserslautern]] neu aufgestellt wurde. Dem folgte am 1. April 1938 die Beförderung zum [[Generalleutnant]].<ref name="Bradley"/> In diesen Jahren betätigte sich Lindemann auch als Militärschriftsteller. Er verfasste mehrere Aufsätze. Im Jahr 1936 erschien der Aufsatz ''Die staatserhaltende Kraft des deutschen Soldatentums'' im ersten Jahrgang der ''[[Militärwissenschaftliche Rundschau|Militärwissenschaftlichen Rundschau]]''. Darin argumentierte er mit Beispielen aus dem [[Siebenjähriger Krieg|Siebenjährigen Krieg]] (1756–1763) und der preußischen [[Koalitionskriege#Die_vierte_Koalition|Niederlage von 1806/07]], dass es allein der Durchhaltewille und der Ethos dieser Offiziere sei, was in Krisenzeiten einen Staat vor dem Zerfall retten könne. Das Offizierskorps habe dies unter größten Opfern und ohne Anerkennung auch von 1918 bis 1923 getan. Er zitierte dabei aus [[Adolf Hitler]]s ''[[Mein Kampf]]'' und sprach in Bezug auf die Ereignisse der Novemberrevolution mehrfach von dem ''„drohenden Gespenst des [[Bolschewismus]] [...] mit seinen unabsehbaren Folgen für unsere Kultur.“''<ref>Georg Lindemann: ''Die staatserhaltende Kraft des deutschen Soldatentums'', in: ''Militärwissenschaftliche Rundschau'' 1 1936), S. 291 u. 300</ref> In einem weiteren Aufsatz profilierte Lindemann sich als Verfechter des [[Bewegungskrieg]]es. Allerdings wollte er dabei den motorisierten Truppen keine entscheidende Wirkung zugestehen. Er argumentierte, dass motorisierte Truppen in einem neuzeitlichen Krieg immer auf die motorisierten Truppen des Gegners stoßen würden und sie deshalb keine Neuerung in die [[Operation (Militär)|operative Kriegführung]] bringen könnten. Auch [[Panzer]]wagen wären nach der Entwicklung von [[Panzerabwehrkanone|Panzerabwehrwaffen]] kaum mehr in der Lage, eigenständig eine gegnerische Stellung zu durchbrechen. Er plädierte deshalb dafür, die Panzer zur Unterstützung der Infanterie einzusetzen und sie nur taktisch, nicht aber operativ in größeren Verbänden einzusetzen.<ref>Georg Lindemann: ''Feuer und Bewegung im Landkrieg der Gegenwart'', in: ''Militärwissenschaftliche Rundschau'' 2 1937), S. 362–377</ref> Diese Einstellung stieß auf die entschiedene Ablehnung von Generalmajor [[Heinz Guderian]], dem Kommandeur der [[2. Panzer-Division (Wehrmacht)|2. Panzerdivision]] und „Schöpfer der deutschen Panzerwaffe“. Guderian antwortete noch im selben Jahr mit einem eigenen Text auf Lindemanns Aufsatz.<ref>Heinz Guderian: ''Der Panzerangriff in Bewegung und Feuer'', in: ''Zeitschrift des Reichsverbandes Deutscher Offiziere'' 16 (1937)</ref> === Zweiter Weltkrieg === [[Datei:Bundesarchiv Bild 183-B20689, vor Leningrad, General Lindemann in den vordersten Linien.jpg|thumb|upright=1.5|General Lindemann bei einem Frontbesuch (März 1942)]] ==== Divisionskommandeur und Kommandierender General eines Armeekorps ==== Beim Beginn des [[Zweiter Weltkrieg|Zweiten Weltkrieges]] wurde auch die 36. Infanterie-Division mobilisiert. Sie wurde der ''[[1. Armee (Wehrmacht)|1. Armee]]'' (Generaloberst [[Erwin von Witzleben]]) unterstellt und an die Westgrenze in den Raum [[Mörsbach (Zweibrücken)|Mörsbach]] verlegt. Mit den gegenüberliegenden französischen Truppen gab es nur wenige Berührungen, an dieser Front fand noch der [[Sitzkrieg]] statt. Bei Beginn des [[Westfeldzug]]es am 10. Mai 1940 unterstand Lindemanns [[Division (Militär)|Division]] dem ''VII. Armeekorps'' ([[General der Infanterie]] [[Eugen von Schobert]]), das seinerseits dem ''[[16. Armee (Wehrmacht)|Armeeoberkommando 16]]'' des Generaloberst [[Ernst Busch (Offizier)|Ernst Busch]] angegliedert war. Schobert wie Busch waren beide im gleichen Dienstalter, möglicherweise sogar jünger als Lindemann und standen trotzdem bereits höher im Rang. Der Historiker Johannes Hürter urteilte: ''„Georg von Lindemann war [...] nach wie vor nur Divisionskommandeur und hinkte gleichaltrigen Kameraden wie Busch oder Reichenau beträchtlich hinterher.“''<ref>Johannes Hürter: ''Hitlers Heerführer - Die deutschen Oberbefehlshaber im Krieg gegen die Sowjetunion 1941/42'', München 2007, S. 171</ref> Ab dem 14. Juni 1940 beteiligte sich die ''36. Infanterie-Division'' am Durchbruch der ''[[Heeresgruppe C]]'' durch die französische [[Maginot-Linie]]. Für seine umsichtige Führung erhielt Lindemann am 5. August 1940 das [[Ritterkreuz des Eisernen Kreuzes]] verliehen.<ref name="Bradley"/> Am 1. Oktober 1940 wurde Lindemann [[Kommandierender General]] des neu eingerichteten ''L. Armeekorps'' und einen Monat später in den Rang eines [[General der Kavallerie|Generals der Kavallerie]] erhoben.<ref name="Bradley"/> Das ''L. Armeekorps'' wurde im Frühjahr 1941 nach [[Bulgarien]] verlegt und von dort aus unter dem Befehl der ''[[12. Armee (Wehrmacht)|12. Armee]]'' ([[Generalfeldmarschall]] [[Wilhelm List]]) vom 6. bis zum 23. April 1941 im [[Balkanfeldzug (1941)|Balkanfeldzug]] eingesetzt. Das Korps gehörte hier den größten Teil der Zeit zur Armee-Reserve und kam kaum ins Gefecht. Im Anschluss an den Balkanfeldzug wurde Lindemanns [[Generalkommando]] im Juni/Juli 1941 nach [[Ostpreußen]] in den Bereich der ''[[Heeresgruppe Nord]]'' (Generalfeldmarschall [[Wilhelm von Leeb|Ritter von Leeb]]) verlegt, um dort am [[Deutsch-Sowjetischer Krieg|Angriff auf die Sowjetunion]] teilzunehmen. Lindemanns Dienststelle war in die unmittelbare Vorbereitung zum Angriff nicht einbezogen gewesen. Er selbst gab später an, erst wenige Tage vor dem 22. Juni 1941 von dem geplanten „Unternehmen Barbarossa“ erfahren zu haben.<ref>Johannes Hürter: ''Hitlers Heerführer - Die deutschen Oberbefehlshaber im Krieg gegen die Sowjetunion 1941/42'', München 2007, S. 225, Fußnote 109</ref> Das ''L. Armeekorps'' trat im Juli 1941 wieder unter den Befehl der ''16. Armee'' und drang mit ihr an der Südflanke der ''[[Heeresgruppe Nord]]'' in Richtung [[Welikije Luki]] vor. Am 28. Juli 1941 wurde Lindemanns Korps kurzzeitig der ''[[9. Armee (Wehrmacht)|9. Armee]]'' der ''[[Heeresgruppe Mitte]]'' unterstellt. Am 2. August kam es zu erbitterten Kämpfen um die Höhen südwestlich von Welikije Luki, in deren Verlauf die ''[[251. Infanterie-Division (Wehrmacht)|251. Infanteriedivision]]'' des ''L. Armeekorps'' schwere Verluste erlitt und hinter die [[Lowat]] ausweichen musste, nachdem ihr die Munition ausgegangen war. Lindemann wälzte die Schuld für den Fehlschlag auf den Kommandeur der Division Generalleutnant [[Hans Kratzert]] ab, der infolge dessen von seinem Posten enthoben wurde. Eine Untersuchung sprach Krazert von jeglicher Schuld frei und setzte ihn als Höheren Artilleriekommandeur bei der ''18. Armee'' wieder ein.<ref>Hans Meier-Welcker: ''Aufzeichnungen eines Generalstabsoffiziers 1939–1942'', Freiburg/Breisgau 1982, S. 125f</ref> Der Stabschef der ''251. Infanteriedivision'' und spätere Leiter des [[Militärgeschichtliches Forschungsamt|Militärgeschichtlichen Forschungsamtes]] der [[Bundeswehr]] Major [[Hans Meier-Welcker]] schrieb über Lindemanns Führung am 5. August 1941 in einem Brief: {{Zitat|Wir unterstehen seit einiger Zeit einer Kommandobehörde, die so ungünstig zusammengesetzt und deshalb unerfreulich ist, wie ich kaum je einen Stab erlebt habe. Dies verdirbt uns viel.|Brief Major Hans Meier-Welckers am 5. August 1941|ref=<ref>Hans Meier-Welcker: ''Aufzeichnungen eines Generalstabsoffiziers 1939–1942'', Freiburg/Breisgau 1982, S. 127</ref>}} Unter Führung des ''[[4. Panzerarmee|Panzergruppen-Kommandos 4]]'' nahm Lindemanns ''L. Armeekorps'' im September 1941 am Vorstoß auf [[Sankt Petersburg|Leningrad]] teil. Einige zeitlang war Lindemanns Korps für den Einmarsch in Leningrad vorgesehen, wobei es eng mit der [[Einsatzgruppen der Sicherheitspolizei und des SD|Einsatzgruppe A]] zusammenarbeiten sollte. Lindemann selbst sollte Stadtkommandant werden.<ref>Johannes Hürter: ''Hitlers Heerführer - Die deutschen Oberbefehlshaber im Krieg gegen die Sowjetunion 1941/42'', München 2007, S.545</ref> Die Panzergruppe 4 wurde in der zweiten Septemberhälfte jedoch für die geplante Offensive gegen [[Moskau]] (→ ''[[Doppelschlacht bei Wjasma und Brjansk|Operation Taifun]]'') abgezogen. Lindemanns ''L. Armeekorps'' blieb jedoch südlich von [[Puschkino]] und hielt die „[[Leningrader Blockade]]“ weiter aufrecht. Es unterstand dabei dem Befehl der ''[[18. Armee (Wehrmacht)|18. Armee]]'' unter Generaloberst Georg von Küchler, den Lindemann seit 1914 kannte. Im Winter 1941/42 kam es während der Abwehr der sowjetischen Gegenoffensiven am [[Wolchow]] (→ ''[[Wolchow-Schlacht|Schlacht am Wolchow]]'') und südlich des [[Ilmensee]]s (→ ''[[Kesselschlacht von Demjansk]]'') im Bereich der ''Heeresgruppe Nord'' zu einer Führungskrise. Am 17. Januar 1942 nahm Hitler den von Gfm. Ritter von Leeb angebotenen Abschied an. An dessen Stelle übernahm Gen.Ost. von Küchler den Befehl über die ''Heeresgruppe Nord''. Die Wahl eines neuen Oberbefehlshabers der ''18. Armee'' fiel auf Georg Lindemann, der am 18. Januar 1942 diesen Posten antrat.<ref>Ernst Klink: ''Die Operationsführung'', in: {{ISBN|9783421060983|format=Literatur|Seite=630}}</ref> Das Kommando über das ''L. Armeekorps'' übernahm dafür Gen.d.Kav. [[Philipp Kleffel]]. ==== Armee- und Heeresgruppenbefehlshaber ==== [[Bild:Leningrad Siege May 1942 - January 1943.png|thumb|upright=1.5|Kampfraum der ''18. Armee'' (Mai 1942 – Januar 1943)]] Unter Lindemanns Führung gelang es der ''18. Armee'', die sowjetische ''2. Stoßarmee'' am Wolchow einzuschließen und sie bis Ende Juni 1942 aufzureiben. Lindemann erhielt dafür am 5. Juli 1942 die Beförderung zum [[Generaloberst]].<ref name="Bradley"/> In den folgenden Wochen wurden auf Weisung des [[Oberkommando des Heeres|Oberkommandos des Heeres (OKH)]] Teile der ''[[11. Armee (Wehrmacht)|11. Armee]]'' unter Gfm. [[Erich von Manstein]] in den Bereich von Lindemanns Truppen verlegt. Ihr Auftrag war, im Rahmen des „Unternehmens Nordlicht“ Leningrad einzunehmen. Als Ende August 1942 eine sowjetische Offensive zum Entsatz der Stadt im Bereich der ''18. Armee'' begann (→ ''[[Erste Ladoga-Schlacht]]''), beauftragte Hitler wiederum Manstein mit deren Abwehr. Manstein war ''„diese offenbare Zurücksetzung“'' Lindemanns ''„etwas peinlich“''; er nannte Lindemann ''„einen alten Bekannten aus dem Ersten Weltkrieg“''.<ref>Erich von Manstein: ''Verlorene Siege'', München 1976, S. 200 u. 296</ref> Im Herbst 1942 wurde das AOK 11 wieder abgezogen, weil das „Unternehmen Nordlicht“ auf unbestimmte Zeit verschoben worden war. Lindemann war nun wieder selbst dafür verantwortlich, die Blockade Leningrads aufrechtzuerhalten. {{Zitat|Die Wiege der bolschewistischen Revolution, als Stadt Lenins, ist es die zweite Hauptstadt der Sowjets. Ihre Befreiung wird immer eines der wichtigsten Ziele der Bolschewiken bleiben. Für das Sowjetregime hätte eine Befreiung Leningrads die gleiche Bedeutung wie die Verteidigung Moskaus oder die Schlacht um Stalingrad.|Tagesbefehl General Lindemanns|ref=<ref>Harrison E. Salisbury: ''900 Tage - Die Belagerung von Leningrad'', Frankfurt/Main 1970, S. 536</ref>}} Im Januar 1943 gelang es Lindemann jedoch nicht mehr, eine weitere sowjetische Entsatzoffensive (→ ''[[Zweite Ladoga-Schlacht]]'') abzuwehren. Der sowjetischen [[Leningrader Front|Leningrader]] und [[Wolchow-Front]] gelang es, die Blockade der Stadt am 18. Januar 1943 zu durchbrechen und einen schmalen Korridor zu gewinnen. Als sie im Sommer 1943 jedoch versuchten, diesen Erfolg auszuweiten (→ ''[[Dritte Ladoga-Schlacht]]''), wurden sie von Lindemanns Verbänden abgewiesen. Für diesen Erfolg wurde ihm am 21. August 1943 das Eichenlaub zum Ritterkreuz verliehen.<ref name="Bradley"/> Laut den amerikanischen Historikern Samuel W. Mitcham und Gene Mueller soll Gfm. von Küchler in den folgenden Monaten die Rücknahme seiner Heeresgruppe beantragt haben. Hitler soll daraufhin Lindemann um eine Stellungnahme gebeten haben, der sich zuversichtlich geäußert habe, auch weitere Offensiven der Roten Armee abwehren zu können. Vielleicht rührte seine Äußerung daher, dass er soeben erst dekoriert worden war und außerdem eine hohe finanzielle Zuwendung erhalten hatte. Im Ergebnis aber wurde der Heeresgruppe eine frühzeitige Absetzbewegung untersagt.<ref>Samuel W. Mitcham / Gene Mueller: ''Hitler's Commanders'', London 1992, S. 59f</ref> Der sowjetischen Großoffensive im Januar 1944 (→ ''[[Leningrad-Nowgoroder Operation]]'') konnte Lindemanns ''18. Armee'' allerdings kaum mehr etwas entgegensetzen. Nachdem die Stellung der Armee an ihren Flanken durchbrochen worden war, erhielt sie am 28. Januar endlich die Genehmigung zum Ausweichen an die [[Luga (Fluss)|Luga]]. Gen.Ost. [[Walter Model]] übernahm am 31. Januar 1944 die Führung der ''Heeresgruppe Nord''. Er setzte bei Hitler die Entscheidung zum weiteren Rückzug in die ausgebaute „[[Panther-Stellung]]“ durch, den die ''18. Armee'' ab dem 17. Februar antrat. Am 1. März 1944 machte sie in der neuen Stellung erneut Front. Der Zusammenbruch der Heeresgruppe war damit vorerst vermieden. Gen.Ost. Model wurde an die Spitze der ''[[Heeresgruppe Nordukraine]]'' versetzt. Sein Nachfolger im Oberbefehl der ''[[Heeresgruppe Nord]]'' wurde am 31. März 1944 Georg Lindemann. Zunächst wurde er nur mit der Führung der Heeresgruppe beauftragt, erst am 6. Mai 1944 ernannte man ihn offiziell zum Oberbefehlshaber.<ref name="Bradley"/> Die Lage der Heeresgruppe war bei Lindemanns Befehlsübernahme besorgniserregend. Sie bestand nur noch aus 30 Infanteriedivisionen mit nur noch 110.248 Mann Gefechtsstärke, 30 Kampfpanzern und 206 [[Sturmgeschütz]]en. Die Überlegenheit der gegenüberliegenden Verbände der Roten Armee wurde auf 8:1 geschätzt.<ref>Karl-Heinz Frieser: ''Die Rückzugskämpfe der Heeresgruppe Nord bis Kurland'', in: ders. (Hrsg.): ''Die Ostfront 1943/44 - Der Krieg im Osten und an den Nebenfronten'', Deutsche Verlags-Anstalt, München 2007, S. 623f</ref> Als die erwartete sowjetische Sommeroffensive begann (→ ''[[Operation Bagration]]'') und schnell tiefe Einbrüchen bei der benachbarten ''Heeresgruppe Mitte'' erzielte, riss die Verbindung zwischen den Heeresgruppen ab. Zwischen ihnen entstand eine mehr als 40 km breite Lücke, durch welche die sowjetischen Verbände in Richtung der [[Ostsee]] vorstießen. Einzig der „[[Fester Platz|Feste Platz]]“ [[Polozk]] wurde noch gehalten. Lindemann trat vehement für eine Aufgabe der Stadt und den Rückzug der gesamten ''Heeresgruppe Nord'' an die [[Düna]] ein. Durch die Räumung des [[Baltikum]]s sollte die Front verkürzt und die frei werdenden Verbände für operative Gegenangriffe eingesetzt werden. Hitler verbot jedoch eine derartige Bewegung und befahl, Polozk zu halten und die ursprüngliche Lage durch einen Gegenangriff wiederherzustellen. Lindemann bot daraufhin seinen Rücktritt an, der jedoch nicht gewährt wurde. Für den befohlenen Gegenangriff konnten nur zwei Divisionen mit acht [[Bataillon]]en und 44 Sturmgeschützen bereitgestellt werden, die 60 km durch 2 sowjetische Armeen vorstoßen sollten. Der Angriff südlich von Polozk begann am 2. Juli und war erfolglos. Gleichzeitig wurde die Lage dadurch verschlechtert, dass die sowjetische ''4. Stoßarmee'' nördlich von Polozk einen tiefen Einbruch erzielte und drohte, die gesamte deutsche Gruppierung einzuschließen. Lindemann befahl daher eigenmächtig den Abbruch des Gegenangriffs und beantragte zudem die Räumung der Stadt, die auch genehmigt wurde. Hitler entschloss sich jedoch gleich darauf, das Rücktrittsangebot Lindemanns anzunehmen. Am 4. Juli 1944 übergab er den Befehl über die ''Heeresgruppe Nord'' an Gen.d.Inf. [[Johannes Frießner]].<ref>Karl-Heinz Frieser: ''Die Rückzugskämpfe der Heeresgruppe Nord bis Kurland'', in: ders. (Hrsg.): ''Die Ostfront 1943/44 - Der Krieg im Osten und an den Nebenfronten'', Deutsche Verlags-Anstalt, München 2007, S. 626–630</ref> Durch sein eigenmächtiges Handeln hatte Lindemann seine ''„Truppen vor einer Katastrophe bewahrt“''.<ref>Karl-Heinz Frieser: ''Die Rückzugskämpfe der Heeresgruppe Nord bis Kurland'', in: ders. (Hrsg.): ''Die Ostfront 1943/44 - Der Krieg im Osten und an den Nebenfronten'', Deutsche Verlags-Anstalt, München 2007, S. 665</ref> ==== Wehrmachtbefehlshaber in Dänemark ==== [[Datei:Second world war europe 1943-1945 map de.png|thumb|upright=1.5|Verbliebener deutscher Machtbereich im Mai 1945 (blau)]] Die folgenden Monate verbrachte Lindemann ohne weitere Verwendung in der [[Führerreserve]]. In diese Zeit fällt auch seine zweite Ehe; er heiratete Maria Woller.<ref name="Hürter 644"/> Erst am 27. Januar 1945 wurde Lindemann als „[[Wehrmachtbefehlshaber|Wehrmachtbefehlshaber Dänemark]]“ eingesetzt.<ref name="Bradley"/> Dabei war es Lindemanns vorrangige Aufgabe, verfügbare militärische Ressourcen für den „Endkampf“ zu mobilisieren. Die deutsche Besatzungsmacht in Dänemark wurde zugunsten der [[Deutsche Westfront 1944/1945|Westfront]] weitgehend ausgedünnt, bis sie im Ernstfall nicht einmal mehr größere Städte wie Kopenhagen hätte verteidigen können. Lindemann konzentrierte sich deshalb auf die Vorbereitung von „[[Riegelstellung]]en“ am [[Großer Belt|Großen]] und [[Kleiner Belt|Kleinen Belt]].<ref>John Zimmermann: ''Die deutsche militärische Kriegführung im Westen 1944/45'', in: Rolf-Dieter Müller (Hrsg.): ''Der Zusammenbruch des Deutschen Reiches 1945 und die Folgen des Zweiten Weltkrieges'', München 2008, S. 382-385</ref> Als sich das Ende des Krieges abzeichnete, übermittelte Lindemann dem Nachfolger Hitlers und neuen Regierungschef [[Großadmiral]] [[Karl Dönitz]] eine Lagebeurteilung, in der er die Aussichtslosigkeit einer Verteidigung Dänemarks hervorhob.<ref>Bernd Wegner: ''Das Kriegsende in Skandinavien'', in: Karl-Heinz Frieser: (Hrsg.): ''Die Ostfront 1943/44 - Der Krieg im Osten und an den Nebenfronten'', Deutsche Verlags-Anstalt, München 2007, S. 1004</ref> In einer Lagebesprechung zwischen den deutschen zivilen und militärischen Spitzen der Besatzungstruppen von [[Dänemark]] und [[Norwegen]] mit der neuen Reichsregierung am 3. Mai 1945 in [[Flensburg]] soll Lindemann dann jedoch, ähnlich wie Gfm. [[Wilhelm Keitel]] und Gen.Ost. [[Alfred Jodl]], der Idee eines letzten „Endkampfes“ nicht abgeneigt gewesen sein.<ref>John Zimmermann: ''Die deutsche militärische Kriegführung im Westen 1944/45'', S. 402 u. 468</ref> Dönitz lehnte dies jedoch ab und so kam es am 4. Mai bei [[Lüneburg]] zu einer Teilkapitulation vor den anrückenden britischen Streitkräften. Der zivile Reichsbevollmächtigte in Dänemark [[Werner Best (NSDAP)|Werner Best]] hatte sich unterdessen ohne Absprachen unter den Schutz der dänischen Freiheitsbewegung gestellt. Lindemann wollte sich jedoch weder der Initiative Bests noch der Teilkapitulation anschließen. Er meldete an Dönitz, dass ihm 230.000 Mann zur Verfügung stünden und er Best ''„als Verräter […] standrechtlich erschießen lassen“'' wolle. Der Großadmiral erlaubte allerdings lediglich dessen Verhaftung. Er forderte Lindemann sogar auf, mit den britischen Verbänden zu kooperieren.<ref>John Zimmermann: ''Die deutsche militärische Kriegführung im Westen 1944/45'', S. 385f</ref> Field Marshal [[Bernard Montgomery|Bernard L. Montgomery]] verlangte den Abzug aller deutschen Truppen aus Dänemark mit Ausnahme von Flüchtlingen, Verwundeten, Kranken und ausländischen Hilfskräften. Daraufhin wurde aus den deutschen Verbänden am 6. Mai 1945 die „Armeegruppe Lindemann“ formiert und dem ''Oberbefehlshaber Nordwest'' Gen.Ost. Ernst Busch unterstellt. Die Einzelheiten der geplanten Rückführung der militärischen Verbände koordinierte Lindemann in den folgenden Tagen mit dem britischen General [[Richard Dewing]].<ref>John Zimmermann: ''Die deutsche militärische Kriegführung im Westen 1944/45'', S. 386f</ref> Beim Abzug kam es zu Übergriffen dänischer Zivilisten und britischer Soldaten auf Wehrmachtangehörige, gegen die Lindemann scharf protestierte. Der Historiker John Zimmermann bemerkte dazu, dass Lindemann nur Tage zuvor seine Soldaten in einem sinnlosen „Endkampf“ habe verheizen wollen und urteilte: ''„Daß Lindemann sich nun auf das Völkerrecht berief und die Einhaltung der entsprechenden Regeln hinsichtlich der Behandlung von Kriegsgefangenen einforderte, muß entweder unter besonderer Naivität oder Schamlosigkeit des ehemaligen Wehrmachtbefehlshabers verortet werden.“''<ref>John Zimmermann: ''Die deutsche militärische Kriegführung im Westen 1944/45'', S. 393</ref> === Nachkriegszeit === Nach der Rückführung seiner Verbände blieb Lindemann auf freiem Fuß und wurde erst am 4. Juni 1945 von US-amerikanischen Truppen gefangen gesetzt. Aus der Haft wurde er am 21. Juli 1947 entlassen. In dieser Zeit sagte er mehrmals bei Befragungen für die [[Nürnberger Prozesse]] aus. Er selbst wurde nicht angeklagt. Am 26. September des Jahres wurde er jedoch erneut festgenommen und an Dänemark ausgeliefert, um dort angeklagt werden zu können.<ref name="Bradley"/> Es kam jedoch keine Anklage zustande. Lindemann wurde am 15. Mai 1948 aus der dänischen Kriegsgefangenschaft entlassen.<ref>Im Detail dazu: Karl Christian Lammers: ''Späte Prozesse und milde Strafen - Die Kriegsverbrecherprozesse gegen Deutsche in Dänemark'', in: Norbert Frei (Hrsg.): ''Transnationale Vergangenheitspolitik - Der Umgang mit deutschen Kriegsverbrechern nach dem Zweiten Weltkrieg'', Göttingen 2006, S. 351–370, hier S. 361</ref> Danach lebte er zurückgezogen in [[Freudenstadt]], wo er 1963 verstarb. Nach eigener Aussage hatte Lindemann im Krieg gegen die Sowjetunion den berüchtigten „[[Kommissarbefehl]]“ nicht an seine Untergebenen weitergeleitet. In einer Befragung im Zuge der Nürnberger Prozesse erklärte er: ''„Befehl ist Befehl, aber trotzdem haben die älteren Führer nicht jeden Befehl ausgeführt, und ich gehörte auch dazu.“''<ref>Aussage Lindemanns am 29. September 1947 (IfZ Nürnberg), vgl. Johannes Hürter: ''Hitlers Heerführer - Die deutschen Oberbefehlshaber im Krieg gegen die Sowjetunion 1941/42'', München 2007, S. 65</ref> Ähnlich verhielt er sich nach eigener Aussage später auch im Hinblick auf den „[[Kriegsgerichtsbarkeitserlass]]“ vom 13. Mai 1941, der den Verfolgungszwang gegen Wehrmachtangehörige wegen Straftaten gegen die Zivilbevölkerung aufhob. Als Oberbefehlshaber der ''18. Armee'' bestätigte er gegen deutsche Soldaten verhängte Todesurteile. In einem Fall betraf dies einen Feldpostsekretär, der ein russisches Mädchen getötet hatte, in einem anderen einen Gefreiten, der einen russischen Mann getötet hatte, weil dieser gegen die Beziehung seiner Schwester zu dem deutschen Soldaten gewesen war.<ref>Eidesstattliche Aussage Lindemanns in Neu-Ulm am 21. Juni 1946, zit. in: Alfred de Zayas: ''Die Wehrmacht-Untersuchungsstelle'' (3. Aufl.), München 1980, S. 73</ref> Charles Whiting beschrieb Lindemann dennoch als „glühenden Nazi“ (''{{"-en|a fervent Nazi}}'').<ref>Charles Whiting: ''The End of the War - Europe, April 15 - May 23 1945'', Stein & Day Pub, 1973, S. 90</ref> Richard Brett-Smith hielt dem entgegen, dass Lindemann im Sommer 1942 selbst in Streit mit dem [[Reichssicherheitshauptamt]] der [[Schutzstaffel|SS]] gelegen hätte, weil er sich über Gefangenenerschießungen durch die 2. SS-Infanterie-Brigade beklagt hatte. Er sehe deshalb keinen Beweis für die Behauptung, Lindemann sei ein Nazi gewesen.<ref>Richard Brett-Smith: ''Hitler’s Generals'', London 1976, S. 173f</ref> Lindemann selbst versicherte 1948 bei einer Aussage, er habe NSDAP-Parteiführern zu verstehen gegeben: „Ich mische mich nicht in die politischen Belange der Partei, mischen Sie sich nicht in meine militärischen Belange, sonst werde ich feindlich.“<ref>Johannes Hürter: ''Hitlers Heerführer - Die deutschen Oberbefehlshaber im Krieg gegen die Sowjetunion 1941/42'', München 2007, S.133f Fn 62</ref> Eine Bestätigung erfuhr dies später durch die Aussage des ehemaligen Luftwaffengenerals [[Herbert Rieckhoff]], der 1945 ausführte: ''„War man z.B. am Tisch des Generaloberst Georg Lindemann von der 18. Armee zu Gast, so war bei strenger Auffassung beinahe jedes Wort Hochverrat, sobald über die ›höhere Führung‹ gesprochen wurde.“''<ref>Zit. nach: Georg Meyer: ''Auswirkungen des 20. Juli 1944 auf das innere Gefüge der Wehrmacht bis Kriegsende und auf das soldatische Selbstverständnis im Vorfeld des westdeutschen Verteidigungsbeitrages bis 1950/51'', in: Thomas Vogel (Hrsg.): ''Aufstand des Gewissens - Militärischer Widerstand gegen Hitler und das NS-Regime 1933–1945'' (6. Aufl.), Hamburg/ Berlin/ Bonn 2001, S.302</ref> Später versuchten Samuel W. Mitcham und Gene Mueller Beweise für Lindemanns positive Einstellung zum Nationalsozialismus darzulegen. Sie erklärten, dass nur Lindemanns „nazifreundliche Einstellung“ (''{{"-en|pro-Nazi attitude}}'') seine Ernennung zum Befehlshaber der ''18. Armee'' erklären könne, denn er hatte zuvor nichts getan, um sich besonders auszuzeichnen. Tatsächlich waren von den drei anderen Korpskommandeuren der Armee zwei ([[General der Artillerie|Gen.d.Art.]] [[Albert Wodrig]] u. [[General der Infanterie|Gen.d.Inf.]] [[Kuno-Hans von Both]]) rangälter als Lindemann und der dritte (Gen.d.Inf. [[Mauritz von Wiktorin]]) wenigstens ranggleich gewesen. Außerdem hatte Lindemann im Herbst 1943 von Hitler eine stattliche Zuwendung von 200.000 [[Reichsmark]] erhalten.<ref>Samuel W. Mitcham / Gene Mueller: ''Hitler's Commanders'', London 1992, S. 59</ref> == Anhang == === Einzelnachweise === <references /> === Literatur === * Richard Brett-Smith: ''Hitler’s Generals'', Osprey Publishing, London 1976. ISBN 0-850-45073-X * Karl-Heinz Frieser (Hrsg.): ''Die Ostfront 1943/44 - Der Krieg im Osten und an den Nebenfronten'', Deutsche Verlags-Anstalt, München 2007, S.278–339 (= ''Das Deutsche Reich und der Zweite Weltkrieg'', Bd. 8). ISBN 978-3-421-06235-2 * Johannes Hürter: ''Hitlers Heerführer - Die deutschen Oberbefehlshaber im Krieg gegen die Sowjetunion 1941/42'' (2. Auflage), R. Oldenbourg Verlag, München 2007 (= ''Quellen und Darstellungen zur Zeitgeschichte'', Bd.66). ISBN 978-3-486-58341-0 * Georg Lindemann: ''Die staatserhaltende Kraft des deutschen Soldatentums'', in: ''Militärwissenschaftliche Rundschau'' 1 1936), S. 291–308. * Georg Lindemann: ''Feuer und Bewegung im Landkrieg der Gegenwart'', in: ''Militärwissenschaftliche Rundschau'' 2 1937), S. 362–377. * Samuel W. Mitcham / Gene Mueller: ''Hitler's Commanders'', Scarborough House, London 1992. ISBN 0-812-84014-3 * John Zimmermann: ''Die deutsche militärische Kriegführung im Westen 1944/45'', in: Rolf-Dieter Müller (Hrsg.): ''Der Zusammenbruch des Deutschen Reiches 1945 und die Folgen des Zweiten Weltkrieges'', München 2008, S. 277-489 (= ''Das Deutsche Reich und der Zweite Weltkrieg'', Bd. 10/1). ISBN 3-421-06237-4 {{Exzellent|30. März 2010|72243844}} {{Navigationsleiste Generaloberste}} {{DEFAULTSORT:Lindemann, Georg}} [[Kategorie:Person im Ersten Weltkrieg (Deutsches Reich)]] [[Kategorie:Militärperson (Reichswehr)]] [[Kategorie:Militärperson (Heer der Wehrmacht)]] [[Kategorie:Generalstabsoffizier (Deutsches Reich)]] [[Kategorie:Träger des Ritterkreuzes des Eisernen Kreuzes]] [[Kategorie:Geboren 1884]] [[Kategorie:Gestorben 1963]] [[Kategorie:Mann]] [[Kategorie:Deutscher]] {{Personendaten |NAME=Lindemann, Georg |ALTERNATIVNAMEN= |KURZBESCHREIBUNG=deutscher Offizier und Generaloberst im Zweiten Weltkrieg |GEBURTSDATUM=8. März 1884 |GEBURTSORT=[[Osterburg (Altmark)]] |STERBEDATUM=25. September 1963 |STERBEORT=[[Freudenstadt]] }} [[bg:Георг Линдеман]] [[da:Georg Lindemann]] [[en:Georg Lindemann]] [[fi:Georg Lindemann]] [[ja:ゲオルク・リンデマン]] [[ru:Линдеман, Георг]] [[sl:Georg Lindemann]] [[sv:Georg Lindemann]] [[tr:Georg Lindemann]] cok0xpq56sbu42rfxs2p4q3oisbsk52 wikitext text/x-wiki Pehr Henrik Ling 0 23844 26439 2010-02-11T00:44:48Z APPER 97 PND; PD fix '''Pehr Henrik Ling''' (in älteren Quellen meist ''Per Henrik Ling,'' in englischen Quellen auch ''Peter Henry Ling;'' * [[15. November]] [[1776]] in [[Södra Ljunga]] ([[Kronobergs län]]); † [[3. Mai]] [[1839]] in [[Stockholm]]) war ein schwedischer Dichter und Autor, sowie Begründer der Schwedischen Gymnastik. Er gilt neben [[Albert Hoffa]] und [[Johann Georg Mezger]] als Vater der ''[[Massage#Klassische Massage|Klassischen Massage]],'' die deshalb auch ''Schwedische Massage'' genannt wird. [[Datei:Pehr_Henrik_Ling.jpg|thumb|Gezeichnetes Porträt von Pehr Henrik Ling aus dem Jahre seines Todes (1839)]] == Leben == === Kindheit und Lehrjahre === Ling wurde im Dorf Södra Ljunga in der Provinz Kronobergs län (historische Provinz [[Småland]]) etwa 15 Kilometer südlich von [[Ljungby]] geboren. Vier Jahre nach Lings Geburt starb sein Vater, Lars Peter Ling, der Pfarrer von Södra Ljunga war. Seine Mutter, Hedvig Maria Molin, heiratete den Amtsnachfolger, verstarb allerdings kurz nach dieser Hochzeit. Er wurde auf das Gymnasium im nahe gelegenen [[Växjö]] geschickt. Eine Jahreszahl ist nicht bekannt, ebenso ob er vorher eine andere Schule besucht hat. 1792 wurde Ling des Gymnasiums verwiesen, als er sich nach einem Aufstand einiger Schüler weigerte, die Anführer zu nennen. Die nächste nachweisliche Station Lings ist die [[Universität Uppsala]], an der er 1793 [[Theologie]] studierte. Nach vier Jahren konnte er dieses Studium am 21. Dezember 1797 mit einem Diplom abschließen. Er entschloss sich zu einer längeren Reise durch [[Europa]] und verließ 1799 Schweden in Richtung [[Dänemark]]. Seine erste Station war [[Kopenhagen]]. Danach hielt er sich in [[Deutschland]], [[Frankreich]] und [[England]] auf. Er eignete sich die Sprachen der von ihm bereisten Länder an und lernte in Deutschland das frisch erwachte „deutsche [[Turnen]]“ kennen. Einige Quellen sehen in dieser Begegnung den Grundstein für seine spätere Arbeit mit der schwedischen Gymnastik. Die nächsten Aufzeichnungen über Lings Leben berichten vom Jahr 1801, in welchem er als Offizier der Marine an der [[Seeschlacht von Kopenhagen]] teilnahm. Obwohl Ling auf seinen Reisen immer wieder Arbeit hatte, war er in diesen Jahren des Öfteren mittellos. Später erzählte er Freunden, dass er stolz darauf sei, seine Lebensbedürfnisse jederzeit auf das äußerste Maß einschränken zu können <ref>Rothstein, Seite XLIII</ref>. Allerdings hinterließen die Jahre der Reisen und Armut, manchmal ohne Essen und Schlaf, und der Dienst bei der Armee körperliche Spuren: sein allgemeiner körperlicher Zustand verschlechterte sich, er zeigte Symptome von [[Rheuma]] und hatte sogar [[Plegie|Paralysen]] <ref>Georgii, Seite 3</ref>. === Ein Ziel, zwei Wege === Im Jahr 1804 errichteten zwei französische Immigranten an der [[Universität Kopenhagen]] eine [[Fechten|Fechtschule]]. Interessiert an diesem Sport, reiste Ling nach Dänemark und wurde Schüler der beiden Franzosen. Er bemerkte, dass die regelmäßigen Fechtübungen seine Gesundheit verbesserten und er schließlich wieder vollkommen rehabilitiert war. Da er eine besondere Begabung für diesen Sport hatte, wurde er ein Jahr später Fechtmeister an der [[Universität Lund|Universität]] von [[Lund]]. Dort unterrichtete er Fechten und die modernen Sprachen, die er sich auf seinen Reisen angeeignet hatte. Neben seiner Tätigkeit als Dozent hielt Ling Vorträge über die skandinavische Mythologie und beschäftigte sich mit der Vergangenheit des schwedischen Volkes. Er belegte Kurse für [[Anatomie]] und [[Physiologie]] an der Universität, um den Gründen für seine Genesung auf die Spur zu kommen. Spätestens an diesem Punkt in seinem Leben fasste er den Entschluss, die Schweden zu würdigen Nachkommen der alten Nordländer zu machen. Dieses Ziel wollte er sowohl mit Gymnastik als auch mit Poesie erreichen<ref>Warburg, Seite 149</ref>. Durch sein Engagement als Dichter und Autor der nordischen Mythologie bekam er Kontakt zu Gleichgesinnten. Anfangs trafen sie sich aus Spaß, später gründete diese Gruppe den Gotischen Bund ''([[Götiska Förbundet]])'' mit dem Ziel, den Schweden über Poesie ihren Stolz und ihr nordländisches Nationalgefühl wiederzugeben. Ling selbst schrieb einige Stücke, wie zum Beispiel ''Asarne'' oder ''Gylfe.'' Die Schwedische Akademie ''([[Svenska Akademien]])'' ernannte ihn im Jahre 1835 zum Nachfolger des Verstorbenen [[Anders Fredrik Skjöldebrand]] (1757 bis 1834). Ling bekam dessen Sitzplatz (Nummer 18) und blieb, wie es die Statuten der Akademie vorsehen, bis zu seinem Tod im Jahre 1839 Mitglied. === Umstrittener Erneuerer === 1812 bat er die schwedische Regierung um Gelder für die Einrichtung eines gymnastischen Institutes in Stockholm. Die Antwort war genauso knapp wie direkt: „Wir haben der Jongleure und Seiltänzer schon genug, ohne ihretwegen die Staatskasse zu belästigen.“ <ref>Rothstein, Seite XLIX</ref> Ling konzentrierte sich auf die Weiterentwicklung des Fechtens und seiner Gymnastik. Seine Bekanntheit als Fechtlehrer half ihm seine gymnastischen Übungen bekannt zu machen. Innerhalb eines Jahres war sein Ansehen in der Gesellschaft so stark gewachsen, dass ihm die Gelder für das Institut bei einer erneuten Anfrage genehmigt wurden. Es waren zwar nur geringe Gelder, aber Ling konnte 1813 sein Gymnastisches Zentralinstitut ''(Gymnastiska Centralinstitutet),'' kurz GCI, in Stockholm gründen und wurde dessen Vorsteher. Bereits wenige Monate später wurden seine gymnastischen Übungen in vielen schwedischen Einrichtungen, wie z. B. Schulen, und bei der Armee eingeführt. 1818 übernahmen die Truppen der Provinz [[Schonen]] eine von ihm entwickelte Art des Bajonettfechtens. Diese Erfolge in staatlichen Einrichtungen versetzten ihn in den Stand, weitere Gelder für das GCI zu fordern und sie auch genehmigt zu bekommen. Ling war allerdings nicht unumstritten. Die Schulmediziner standen seiner Arbeit skeptisch gegenüber und wollten seine Gymnastik höchstens zur Prävention oder als Behandlung bei „Wehwehchen“ anerkennen. An dieser Einstellung änderte sich bis zu seinem Tod nichts. Trotz seiner umstrittenen Person wurden ihm allerdings Auszeichnungen wie der ''Schwedische Professorentitel,'' der Titel ''Ritter des [[Nordstern-Orden]]s'' verliehen und er wurde zum Mitglied der Schwedischen Medizinischen Gesellschaft ''([[Sveriges läkarförbund]])'' gewählt. Seine Schüler hingegen zeigten ihm ihre Wertschätzung insbesondere in Form einer ihm 1821 zum Geschenk gemachten silbernen Medaille: Auf der einen Seite ein Brustbild von Ling, auf der anderen die Umschrift „Dem hochgefeierten Idrottmann<ref>''idrott'' ist [[Schwedische Sprache|schwedisch]] und wird in aktuellen Wörterbüchern mit ''Sport'' übersetzt. Ob ''Idrottmann'' für Ling und seine Schüler eine besondere Bedeutung hatte ist nicht nachvollziehbar.</ref> von seinen Freunden und Schülern“ <ref>Rothstein, Seite L</ref>. Die folgenden Jahre verbrachte Ling mit der Verbesserung seiner Übungen an GCI. 1836 wurde sein Bajonettfechten bei der schwedischen Infanterie übernommen. Er schrieb noch weitere Gedichte und die einzigen drei Bücher, die es über seine Lehren aus seiner Feder gibt. Das größte und wichtigste Werk, ''Gymnastikens allmänna grunder,'' wurde erst ein Jahr nach seinem Tod durch seine Schüler Liedbeck und Georgii veröffentlicht. Ling starb am 3. Mai 1839 in Stockholm, nachdem er einige Monate vorher an einer [[Tuberkulose|Lebertuberkulose]] erkrankt war. == Lehre == {{Zitat|Lings innerem Auge stellte sich jetzt in immer hellern Glanze das Bild dar eines Menschengeschlechts, neugeboren in Gewandheit, Kraft, leiblicher und sittlicher Gesundheit und Schönheit; [...]|Hugo Rothstein: ''Die Gymnastik nach einem Systeme des Schwedischen Gymnasiarchen P. H. Ling''}} Lings Leitbild war es, den vaterländischen Geist zu stärken und das Heldentum der Ahnen zu erneuern. Nach Aussagen seiner Schüler war Lings Urgroßvater sein größtes Vorbild. Dieser wurde über 100 Jahre alt und zeugte 19 Kinder. Ling wollte, nachdem er seine körperliche Stärke durch die Fechtübungen zurückbekam, dieses Wissen der skandinavischen Bevölkerung zu Nutze machen. Da seine Übungen bereits in der Jugend anzuwenden waren, gilt er neben [[Friedrich Ludwig Jahn|F. L. Jahn]], [[Johann Christoph Friedrich GutsMuths|J. C. F. GutsMuths]] und [[Johann Heinrich Pestalozzi|J. H. Pestalozzi]] als Reformator der Jugenderziehung <ref>Kirchberg, Seite 28</ref>. Bereits ein paar Jahre bevor Ling mit seiner systematischen Entwicklung der Gymnastik begann, machte sich [[Franz Nachtegall]] in Dänemark mit Gymnastik einen Namen. Teilweise beruhen Lings Theorien auf Nachtegalls Leibesübungen. Das Leben besteht nach Lings Theorie aus der ''chemischen Grundform,'' der ''dynamischen Grundform'' und der ''mechanischen Grundform.'' Wenn eine dieser Formen von Erkrankungen oder Beschwerden heimgesucht wird, muss mit der jeweils entsprechenden Therapie begonnen werden. Bei der mechanischen Grundform war die Gymnastik seine Therapie der Wahl. Die Gymnastik war in seinen Augen aber nicht in erster Linie Heilmethode, sondern galt vielmehr der [[Prophylaxe|Prävention]]. Hierfür entwickelte Ling sein System der Gymnastik, welches auf vier Säulen aufbaut und, sofern es konsequent durchgeführt werde, dem Menschen Kraft und Fitness bescheren sollte. Die vier Säulen stehen für verschiedene Arten der Gymnastik, mit eigenen Übungen und eigenen Schwerpunkten im Bezug auf Ausübung, Dauer, Exaktheit und vieles mehr. Die ''Medizinische Gymnastik'' soll den schwachen Körper des Patienten stärken und das Allgemeinwohl heben. Genau geleitete Übungen sollen bei der ''Pädagogischen Gymnastik'' der Jugend Disziplin und Gehorsam lehren. Die ''Wehrgymnastik'' dient als Vorbereitung auf die Armee, sollte den Körper stählen und für eine aufrechte Haltung sorgen. Als letzte Säule hatte die ''Ästhetische Gymnastik'' die Aufgabe, die Bewegungen des Körpers eleganter zu machen und so Schönheit zu bringen. In Lings spärlichen Aufzeichnungen finden sich immer wieder Hinweise auf Handgriffe, die der Massage sehr ähnlich sind. Nach seiner Lehre hatten diese allerdings nicht die gleiche Bedeutung wie sie das in der heutigen Klassischen Massage haben. Sie dienten aber Albert Hoffa und Johann G. Mezger als Grundlage für die heute üblichen ''[[Massage#Handgriffe|5 Handgriffe der Massage]].'' Neben dem Körper wollte Ling auch den Geist der Nordländer im modernen Skandinavien wieder aufleben lassen. Seine Gedichte und Epen mit Themen aus nordischen Märchen und Geschichten erzählen von Helden und ihrem Leben. ''Asarne'' ist z. B. ein Epos über die Frühzeit des Nordens. Seine literarischen Werke sind heute, außer im skandinavischen Bereich, nicht mehr sehr verbreitet. == Nachleben == [[Datei:Per Henrik Ling s.jpg|thumb|Büste Lings in [[Göteborg]]. Erbaut von Hans Michelsen.]] Nach Lings Tod übernahm sein Schüler, Professor Lars Gabriel Branting, die Leitung des GCI und führte seine Ideen fort. Die Gymnastik entwickelte sich in zwei unterschiedliche Richtungen. Die eine Gruppe seiner Schüler zeigte einen gemäßigten Ansatz und verstand die Gymnastik als Teil oder Ergänzung der schulmedizinischen Behandlung und der Prävention. Die andere Gruppe wollte bei vielen Erkrankungen die Schulmedizin gänzlich vertreiben und die Gymnastik als alleinige Therapie manifestieren. In Anerkennung seiner Verdienste steht heute in Stockholm in der Nähe des früheren GCI, an der Kreuzung [[Hamngatan]] und [[Sveavägen]], die Statue eines kleinen Mädchens beim Ausüben der Lingschen Gymnastik. In Göteborg steht eine Büste von Ling. Das Pfarrhaus, wo er seine Kindheit verbrachte, ist inzwischen zu einem Museum umfunktioniert worden. Eine besondere Ehre wurde Ling bei den [[Olympische Sommerspiele 1912|Olympischen Sommerspielen 1912]] in Stockholm zuteil, bei denen seine Büste auf der Rückseite der [[Medaille]]n abgebildet war. == Schriften == Ling hat erst gegen Ende seines Lebens Bücher über seine Lehren der Gymnastik und des Fechtens veröffentlicht. Alle früheren Werke sind Gedichte und Dramen über die nordische Mythologie, die größtenteils im oder in Zusammenarbeit mit dem Götiska Förbundet entstanden sind. * ''Agne (sorgspel),'' Lund 1812 * ''Eylif den göthiske (sorgspel),'' Stockholm 1814 * ''Gylfe,'' Stockholm 1814 * ''Asarne (sånger),'' Stockholm 1816 * ''Riksdagen 1527 (historisk Skadespel),'' Stockholm 1817 * ''Den heliga Birgitta (sorgspel),'' Stockholm 1818 * ''Eddornas sinnebildslära för olärde (framställd),'' Stockholm 1819 * ''Blot-Sven (sorgspel),'' Stockholm 1824 * ''Styrbjörn Starke (historiskt skådespel 1),'' Stockholm 1824 * ''Ingiald Illråda och Ivar Widfamne (historiskt skådespel 2),'' Stockholm 1824 * ''Reglemente för gymnastik,'' Stockholm 1836 * ''Reglemente för bajonett fäktning,'' Stockholm 1838 * ''Gymnastikens allmänna grunder,'' Uppsala 1840 (von seinen Schülern vollendet) == Literatur == * Hugo Rothstein: ''Die Gymnastik nach einem Systeme des Schwedischen Gymnasiarchen P. H. Ling.'' Schroeder, Berlin 1848. * Dr. Franz Kirchberg: ''Handbuch der Massage und Heilgymnastik.'' Band 1, Georg Thieme Verlag, Leipzig 1926. * Augustus Georgii: ''A biographical sketch of the swedish poet and gymnasiarch, Peter Henry Ling.'' H. Bailliere, London 1854. [http://books.google.com/books?id=cTsBAAAAQAAJ&printsec=frontcover&hl=de (Digitale Version bei Google Books)] * Carl August Westerblad: ''Ling the founder of swedish gymnastics – His life, his work and his importance'' In: ''Tidskrift i gymnastik'' 4/1909. * Karl Warburg: ''Svensk Litteraturhistoria i sammandrag.'' P. A. Norstedt & Söners Förlag, Stockholm 1904. * Herman Hofberg: ''Svenskt Biografiskt Handlexikon.'' Albert Bonniers Förlag, Stockholm 1906. * Horace Everett Hooper: ''The Encyclopædia Britannica.'' 11. Auflage, o. O. 1911. * Julia Helene Schöler: ''Über die Anfänge der Schwedischen Heilgymnastik in Deutschland – ein Beitrag zur Geschichte der Krankengymnastik im 19. Jahrhundert.'' Münster 2005, [http://miami.uni-muenster.de/servlets/DerivateServlet/Derivate-2865/diss_schoeler.pdf PDF; 1 MB] – ''Dissertation zur Erlangung des doctore medicinae'' == Weblinks == * {{Commons|Pehr Henrik Ling}} * [http://www.olympic.org/upload/games/1912S_medal_b2.jpg Medaille der Olympischen Sommerspiele 1912 (Rückseite)] * [http://www.gih.se Das Gymnastiska centralinstitutet (GCI) heute] * [http://www.sub.su.se/national/p1800a.htm Bilder des „Lingmuseet“ in Södra Ljunga] == Anmerkungen == <references/> {{Exzellent|9. Juli 2006|18795775}} {{Normdaten|PND=118819631}} {{DEFAULTSORT:Ling, Pehr Henrik}} [[Kategorie:Massage]] [[Kategorie:Trainingstheoretiker]] [[Kategorie:Autor]] [[Kategorie:Literatur (19. Jahrhundert)]] [[Kategorie:Literatur (Schwedisch)]] [[Kategorie:Lyrik]] [[Kategorie:Mitglied der Svenska Akademien]] [[Kategorie:Träger des Nordstern-Ordens]] [[Kategorie:Schwede]] [[Kategorie:Geboren 1776]] [[Kategorie:Gestorben 1839]] [[Kategorie:Mann]] {{Personendaten |NAME=Ling, Pehr Henrik |ALTERNATIVNAMEN=Ling, Per Henrik; Ling, Peter Henry |KURZBESCHREIBUNG=schwedischer Dichter, Autor, Begründer der schwedischen Gymnastik und Mitbegründer der klassischen Massage |GEBURTSDATUM=15. November 1776 |GEBURTSORT=[[Södra Ljunga]] ([[Kronobergs län]]), [[Schweden]] |STERBEDATUM=3. Mai 1839 |STERBEORT=[[Stockholm]], [[Schweden]] }} [[da:Pehr Henrik Ling]] [[en:Pehr Henrik Ling]] [[fr:Pehr Henrik Ling]] [[it:Pehr Henrik Ling]] [[no:Pehr Henrik Ling]] [[pl:Pehr Henrik Ling]] [[pt:Pehr Henrik Ling]] [[sv:Pehr Henrik Ling]] rk2vamf09al61derr4pwrefrzhd1py6 wikitext text/x-wiki Linienschwärmer 0 23845 26440 2010-02-14T16:39:16Z Thijs!bot 0 Bot: Ergänze: [[fi:Viirukiitäjä]] {{Begriffsklärungshinweis|Für den amerikanischen Linienschwärmer ''[[Hyles lineata]]'' siehe dort}} <!-- Für Informationen zum Umgang mit dieser Tabelle siehe bitte [[Wikipedia:Taxoboxen]]. --> {{Taxobox | Taxon_Name = Linienschwärmer | Taxon_WissName = Hyles livornica | Taxon_Rang = Art | Taxon_Autor = ([[Eugen Johann Christoph Esper|Esper]], 1780) | Taxon2_WissName = Hyles | Taxon2_Rang = Gattung | Taxon3_WissName = Macroglossinae | Taxon3_Rang = Unterfamilie | Taxon4_Name = Schwärmer | Taxon4_LinkName = Schwärmer (Schmetterling) | Taxon4_WissName = Sphingidae | Taxon4_Rang = Familie | Taxon5_Name = Schmetterlinge | Taxon5_WissName = Lepidoptera | Taxon5_Rang = Ordnung | Taxon6_Name = Insekten | Taxon6_WissName = Insecta | Taxon6_Rang = Klasse | Bild = Hyles livornica.jpg | Bildbeschreibung = Linienschwärmer (''Hyles livornica''), Männchen }} [[Datei:Hyles livornica.JPG|thumb|Weiblicher Linienschwärmer aus [[Sevilla]], Spanien]] Der '''Linienschwärmer''' (''Hyles livornica'') ist ein [[Schmetterling]] ([[Nachtfalter]]) aus der [[Familie (Biologie)|Familie]] der [[Schwärmer (Schmetterling)|Schwärmer]] (Sphingidae), der vorwiegend in den altweltlichen Tropen und Subtropen beheimatet ist. Er fliegt als [[Wanderfalter]] auch nach Europa ein, bleibt hier aber abgesehen von vereinzelten Jahren mit Massenauftreten sehr selten. Das [[Epitheton#Biologie|Artepitheton]] ''livornica'' bezieht sich auf die Stadt [[Livorno]], wo das erstbeschriebene Exemplar gefunden wurde, ihren deutschen Namen erhielt die Art auf Grund der auffälligen weißen [[Flügelader]]n auf den Vorderflügeln. Dieses Merkmal teilt sie mit dem in Amerika verbreiteten ''[[Hyles lineata]]'', der daher ebenso als Linienschwärmer bezeichnet wird. Lange Zeit wurde ''Hyles livornica'' als Unterart des amerikanischen Falters gesehen. Erst im späten 20. Jahrhundert setzte sich die Auffassung durch, dass es sich um zwei unterschiedliche Arten handelt. Die nunmehr vorliegenden [[Mitochondriale DNA|mtDNA]]-Untersuchungen zeigen, dass die sehr ähnlichen Arten innerhalb der Gattung ''[[Hyles]]'' nicht näher miteinander verwandt sind.<ref name="Hundsdoerfer/Kitching/Wink">Anna K. Hundsdoerfer, Ian J. Kitching, Michael Wink: ''A molecular phylogeny of the hawkmoth genus Hyles (Lepidoptera: Sphingidae, Macroglossinae)'', Molecular Phylogenetics and Evolution 35 (2005) 442–458</ref> == Merkmale == === Falter === Die Falter sind in ihrer Größe sehr variabel und haben im Westen des Verbreitungsgebietes eine Flügelspannweite von 46 bis 85 Millimetern, die maximale Spannweite im Osten des Verbreitungsgebietes ist mit 90 Millimetern noch geringfügig größer. Männchen sind etwas kleiner als Weibchen; Reinhardt und Harz geben für Männchen 46 bis 80 und für Weibchen 67 bis 85 Millimeter Spannweite an.<ref name="Reinhardt/Harz">Rolf Reinhardt, Kurt Harz: ''Wandernde Schwärmerarten. Totenkopf-, Winden-, Oleander- und Linienschwärmer.'' Die Neue Brehm-Bücherei Bd. 596, Westarp & Spektrum, Magdeburg, Heidelberg, Berlin und Oxford 1996, ISBN 3-89432-859-2</ref> Ihr Aussehen ist abgesehen von der Intensität ihrer Färbung und dem Grad ihrer Musterung sehr einheitlich. Die Flügel und der Körper der Tiere sind überwiegend olivbraun gefärbt. Die Vorderflügel sind olivbraun mit hellerem Vorderrand und einem schwach gewellten Längsstreifen, der am Hinterrand nahe der Flügelwurzel als breiter weißer Streifen beginnt, dann gelblich wird und schließlich allmählich schmaler werdend bis in den Apex verläuft, wo er seine Farbe wieder zu weißlichgrau ändert. Das schmale Saumfeld ist grau bis bräunlichgrau, der Flügelinnenrand ist basal schwärzlich, daran angrenzend befindet sich ein weißer Fleck. Die weißlichen bis gelblichen Flügeladern kontrastieren auffällig mit der Grundfarbe. Auf den Vorderflügeln befindet sich ein sehr feiner, punktförmiger schwarzer, weißlich umrandeter [[Flügel (Schmetterling)#Regionen|Diskalfleck]], der jedoch nicht immer ausgebildet ist. Die Hinterflügel sind rosarot mit schwarzer Basis und einer gleich bleibend breiten schwarzen Saumbinde, die Fransen sind weiß. Am Flügelinnenrand sitzt ein weißer Fleck, der an den rosaroten Bereich angrenzt. Individuen aus dem Osten des Verbreitungsgebietes sind dunkler gefärbt als jene aus Zentralasien und Afrika. In der südlichen [[Sahara]] findet man kleinwüchsige, blass gefärbte Tiere, die als forma ''saharae'' bezeichnet werden. Der Kopf und der Rücken des [[Thorax (Gliederfüßer)|Thorax]] sind olivbraun, der Thorax ist mit weißen Seitenstreifen und weiß gerandeten Schulterdecken ([[Tegula|Tegulae]]) versehen. Der olivbraune Hinterleib weist schwarz-weiße [[Segmentierung (Biologie)|Segmenteinschnitte]] auf; die ersten beiden Segmente tragen große schwarze und weiße Seitenflecken. Die [[Fühler (Biologie)|Fühler]] sind dunkel olivbraun und haben eine weiße Spitze. Sie werden bei den Männchen 8,5 bis 14, bei den Weibchen 9,5 bis 11 Millimeter lang. Die Weibchen haben Fühler mit nahezu rundem, unterseits leicht abgeflachtem Querschnitt, welche von muschelförmigen Strukturen bedeckt sind. Die Männchen haben Fühler mit oberseits halbkreisförmigem Querschnitt, welche jedoch zur Unterseite hin spitz ausgewölbt sind. Die Oberseite ist beschuppt, die Seiten der ausgewölbten Unterseite tragen dichte Haarbüschel, die aller Wahrscheinlichkeit nach als Rezeptoren für [[Pheromon]]e dienen. === Ei === [[Datei:Hyles livornica.egg.jpg|thumb|Eier des Linienschwärmers an [[Labkräuter|Labkraut]]]] Die Eier des Linienschwärmers sind blassgrün und leicht oval geformt. Sie sind mit 1,1 mal 1,0 Millimetern Größe sehr klein im Verhältnis zur Größe des Falters. === Raupe === Die Raupen erreichen eine Körperlänge von 65 bis 80 Millimetern. Sie sind nach dem Schlupf drei bis vier Millimeter lang, haben eine gelblich- bis weißlich-grüne Körperfärbung mit schwarzem Kopf, [[Insektenbein|Thorakalbeinen]] und ebenso gefärbtem, kurzem [[Analhorn]]. Nach Beginn der Nahrungsaufnahme verfärbt sich der Körper grau- bzw. olivgrün. Ab diesem Zeitpunkt sind bereits die beidseits des Rückens verlaufenden, hellen Längslinien zu erkennen. Ab dem zweiten Raupenstadium treten die Raupen in zwei Grundfarben, olivgrün oder schwarz, auf, wobei es gelegentlich auch Individuen gibt, die graugrün gefärbt sind. Ab diesem Stadium besitzen die Raupen bereits ihre endgültige Musterung, die mit jeder weiteren Häutung deutlicher hervortritt. Am Rücken (dorsal) verläuft eine angedeutete gelbgrüne Längslinie. Auffallend sind die beidseits des Rückens (subdorsal) verlaufenden, gelb gefärbten und unter den [[Trachee (Wirbellose)|Stigmen]] (infrastigmatal) verlaufenden gelb bis fast orange gefärbten Längslinien. Die später auftretenden [[Augenfleck (Tarnung)|Augenflecken]] sind auf der Subdorsallinie als verbreiterte gelbe Flecken gut erkennbar. Der Körper ist insbesondere zwischen den beiden Längslinien fein weiß punktiert, der Kopf hat die Körpergrundfarbe. [[Datei:Hyles.livornica.caterpillar.jpg|thumb|Raupe im letzten Stadium]] Nach der zweiten Häutung treten weiterhin schwarz und grün gefärbte Raupen auf, das Analhorn ist einfarbig schwarz. Die weißliche Punktierung des Körpers tritt stärker hervor und kann manche Exemplare dadurch auch grau wirken lassen. Die Färbung und Intensität der Rückenlinie ist variabel, das Spektrum reicht von einer fast fehlenden undeutlichen Zeichnung bis zu einer deutlichen kräftigen Gelbfärbung. Bei grün gefärbten Raupen kann die Rückenlinie nahezu weiß ausgebildet sein. Die Subdorsallinien sind hellgelb, die Augenflecken sind deutlich gelb erkennbar und schwarz umrandet, da in diesem Bereich die weißliche Punktierung fehlt. Die Infrastigmatallinien sind gelb. Im vierten Raupenstadium haben die vormals grün gefärbten Tiere ebenfalls eine schwarze Grundfarbe, Kopf, [[Bauchbein|Bauch-]] und [[Insektenbein|Thorakalbeine]] sind einfarbig schwarz. Die Punktierung ist gelb. Die Dorsallinie fehlt häufig; falls vorhanden ist sie gelblich bis orange oder rot gefärbt. Die Subdorsalen fehlen ebenso häufig, sind jedoch gelegentlich als gelbe Fleckenlinie oder als breite durchgehende gelbe Linie ausgebildet. Die Augenflecke sind gelb und haben gelegentlich einen orangen Farbstich. Das schwarze Analhorn besitzt nun eine orange Basis. Im fünften und letzten Raupenstadium sind die Raupen nach der Häutung etwa 36 Millimeter lang und entwickeln sich bis zur Verpuppung zu ihrer eingangs beschriebene Länge. Ihre Färbung ist in diesem Stadium sehr variabel. Die Grundfarbe ist schwarz, die Punktierung ist gelb und häufig sehr dominant. Der Rücken ist meist schwarz und hat oft sattelartige Ausbuchtungen auf jedem Segment, wobei dieser gesamte Bereich nicht punktiert ist. Die Rückenlinie ist gelblich, gelegentlich auch rosa gefärbt und verläuft ab dem dritten Segment bis zur Basis des Analhorns. Die Infrastigmatallinien sind weißlich und blassrosa oder als gelbe bzw. meist orange Reihen von Flecken ausgebildet. Das Analhorn ist gelborange bis rötlich-rosa gefärbt, mit schwarzer Spitze und hat eine rau gekörnte Oberfläche. Es ist nahezu gerade, verjüngt sich gleichmäßig kegelförmig und endet in einer abgestumpften Spitze. Der Kopf und der sattelartige Bereich am Rücken des zweiten Körpersegments sind schwarz oder rosa gefärbt. Die gelblichen, manchmal mittig rosa gefärbten und schwarz umrandeten Augenflecken sind auf dem vierten bis 11. Segment rund, auf dem 12. birnenförmig und auf dem 13. Segment in zwei separate Flecken getrennt. Gelegentlich findet sich anstelle dieser Augenflecken nur ein gelber Längsstreifen. Die Beine und der [[Nachschieber]] sind schwarz, die Bauchbeine sind rosa und besitzen schwarze Hakenkränze. Die Bauchseite der Raupen ist glanzlos rosa gefärbt, die Stigmen sind weiß. Es gibt Individuen, bei denen die Rückenlinie, die Infrastigmatallinien und die Augenflecken orangerot gefärbt sind; andere besitzen grün gefärbte Längsstreifen, sind ausgedehnt schwarz gefärbt oder haben eine violett gefärbte Bauchseite. Aus Nordafrika sind blass-apfelgrüne Formen mit gelber Punktierung und Augenflecken bekannt. === Puppe === Die [[Puppe (Schmetterling)|Puppe]] ist 30 bis 45 Millimeter lang und hat eine glanzlose, leicht körnig strukturierte Oberfläche. Sie ist variabel braun gefärbt, kann jedoch auch gelblich oder sogar durchscheinend sein. Sie ist langgestreckter und schlanker als die Puppen der meisten Arten der Gattung ''Hyles''. Der [[Kremaster]], das wie die letzten Hinterleibssegmente dunkler braun gefärbt ist als die restliche Oberfläche der Puppe, endet in einer kurzen dünnen Spitze, die erst bei starker Vergrößerung als aus zwei kurzen Spitzen bestehend erkennbar ist. === Ähnliche Arten === [[Datei:Hyles lineata sjh.jpg|thumb|Präparat des sehr ähnlichen ''[[Hyles lineata]]'']] Die Art kann auf den ersten Blick mit mehreren Arten der Gattung ''[[Hyles]]'', wie beispielsweise dem ''[[Hyles dahlii]]'' oder ''[[Hyles tithymali]]'' verwechselt werden, ist aber anhand ihrer hell gefärbten [[Flügelader]]n auf den Vorderflügeln gut zu unterscheiden. Die australisch verbreitete Art ''[[Hyles livornicoides]]'' sowie die amerikanisch verbreitete Art ''[[Hyles lineata]]'' sehen dem Linienschwärmer wegen ihrer ebenso gefärbten Flügeladern sehr ähnlich. Weibchen von ''Hyles lineata'' haben jedoch auf der Oberseite vollständig weißlich gefärbte Fühler, bei den Männchen sind sie gelblichbraun. Hinter dem Kopf in der Mitte des [[Prothorax]] befindet sich ein weißer Längsstreifen und je ein weiterer, sehr feiner Mittelstreifen auf den Tegulae. Am Hinterleib befinden sich nicht zwei, sondern beidseits vier bis fünf schwarze Flecken, die zum Hinterleibsende hin gleichmäßig kleiner werden. Auch fehlt ''Hyles lineata'' der punktförmige schwarze Diskalfleck auf den Vorderflügeln, wobei dies kein sicheres Unterscheidungsmerkmal ist, da es auch Individuen von ''Hyles livornica'' gibt, denen dieser fehlt. ''Hyles livornicoides'' lässt sich ebenfalls anhand der gleichmäßig gefärbten Fühler vom Linienschwärmer unterscheiden. == Verbreitung und Lebensraum == [[Datei:Hyles livornica habitat map.png|thumb|Verbreitungsgebiete von ''Hyles livornica''. Rot: permanent besiedelt; Orange: In den Sommermonaten Besiedlung bekannt.]] === Gesamtverbreitung === Der Linienschwärmer ist in den altweltlichen [[Tropen]] und [[Subtropen]] verbreitet und kommt von [[Afrika]] über [[Südeuropa]], den [[Mittlerer Osten|Mittleren Osten]], [[Zentralasien]], [[Sibirien]], den Süden [[Indien]]s und [[Volksrepublik China|China]] vor. Besonders häufig findet man die Art in der [[Äthiopien|äthiopischen Region]], auf der [[Arabische Halbinsel|Arabischen Halbinsel]] und der Insel [[Sokotra]]. Sie ist auch in [[Nordafrika]] und auf den [[Kanarische Inseln|Kanarischen Inseln]] häufig.<ref name="Pittaway3"> {{Internetquelle|hrsg=A.R. Pittaway|titel=Sphingidae of the Western Palaearctic|zugriff=31.03.2009|url=http://tpittaway.tripod.com/sphinx/h_liv.htm}}</ref> In Europa kommt die Art nur an den Küsten des Mittelmeers und auf den mediterranen Inseln sowie auf [[Madeira]] und den Kanarischen Inseln dauerhaft vor. Sie fliegt jedoch gelegentlich im Sommer als Wanderfalter weiter nördlich ein und kann dabei auch weit nach Skandinavien vordringen. Im Norden ist sie aber ein sehr seltener Gast und kommt auch in Mitteleuropa nur sehr spärlich vor.<ref name="Ebert">Günter Ebert (Hrsg.): ''Die Schmetterlinge Baden-Württembergs'' Band 4, Nachtfalter II (Bombycidae, Endromidae, Lemoniidae, Saturniidae, Sphingidae, Drepanidae, Notodontidae, Dilobidae, Lymantriidae, Ctenuchidae, Nolidae), Ulmer Verlag Stuttgart 1994, ISBN 3-800-13474-8</ref> Die Art ist im Sommer aus Asien auch aus [[Nowosibirsk]] ([[Bolotnoje]]), einigen Provinzen Chinas, [[Taiwan]], [[Japan]], einschließlich [[Präfektur Okinawa|Okinawa]] sowie durch einen einzelnen Fund bei [[Chiang Mai]] in [[Thailand]] bekannt.<ref name="Pittaway2"> {{Internetquelle|hrsg=A.R. Pittaway|titel=Sphingidae of the Eastern Palaearctic|zugriff=30.03.2009|url=http://tpittaway.tripod.com/china/h_liv.htm}}</ref> === Lebensraum === Linienschwärmer besiedeln unterschiedlichste Offenlandhabitate mit spärlichem Baum- und Strauchbewuchs, von Halbwüsten, [[Steppe]]n und [[Savanne]]n bis zu [[Oase]]n, Felsfluren, Trockenhängen, Stränden, offenem Buschwald, Staudenfluren, [[Ruderalfläche]]n, Weinbergen und Gärten. Man findet sie auch im Hochgebirge, so wurde die Art in [[Nepal]] in über 4000 Meter und in [[Autonomes Gebiet Tibet|Tibet]] bis 3900 Meter Seehöhe nachgewiesen.<ref name="Pittaway3"/> == Lebensweise == Die sehr aktiven [[Imago (Zoologie)|Imagines]] sind vor allem abends, knapp vor und während der Dämmerung zwischen 20.00 und 21.30 Uhr aktiv, sie fliegen jedoch während ihrer Wanderflüge auch morgens und tagsüber bei Sonnenschein. Nachts fliegen sie gerne Lichtquellen an. Die Tiere werden besonders von süßlich duftenden Blüten stark angezogen. Sie sind bei der Nektarsuche nicht wählerisch und wurden unter anderem an [[Heckenkirschen]] (''Lonicera''), [[Seifenkräuter]]n (''Saponaria''), [[Flammenblumen]] (''Phlox''), [[Stechäpfel]]n (''Datura''), [[Nachtkerzen]] (''Oenothera''), [[Petunien]] (''Petunia''), [[Nelken]] (''Dianthus''), [[Verbenen]] (''Verbena''), [[Einblütiges Leimkraut|Einblütigem Leimkraut]] (''Silene uniflora''), [[Taubenkropf-Leimkraut]] (''Silene vulgaris''), [[Baldrian]] (''Valeriana'') und [[Salbei]] (''Salvia'') nachgewiesen. Während ihrer Wanderflüge hat man sie in den [[Alpen]] zudem an [[Westalpen-Klee]] (''Trifolium alpinum''), [[Wollkopf-Kratzdistel]] (''Cirsium eriophorum''), [[Enziane]]n (''Gentiana''), [[Wundklee]] (''Anthyllis''), [[Leimkräuter]]n (''Silene'') und [[Primelgewächse]]n (Primulaceae) beobachtet. Bei Versuchen flogen die Falter rasch violette und blaue Blumenattrappen an, lernten aber schnell auch an weißen Blumen Nektar zu saugen. Die Abfluggeschwindigkeit von den Blüten beträgt zwischen 25 und 45&nbsp;km/h, während der Wanderflüge schätzt man eine Fluggeschwindigkeit von maximal 70&nbsp;km/h.<ref name="Reinhardt/Harz"/> === Wanderflüge, Flug- und Raupenzeiten === Der Linienschwärmer ist ein [[Wanderfalter]], der regelmäßige und weite Wanderungen unternimmt. Insbesondere zahlreiche Falter, die sich südlich der [[Sahara]] entwickeln, fliegen Jahr für Jahr Richtung Norden und verstärken nach der Überquerung der Wüste die nordafrikanischen Populationen. Einige wenige von ihnen fliegen auch weiter nach Norden und erreichen so Mitteleuropa oder sogar den Norden Nordeuropas. Diese Einflüge erfolgen aber nicht regelmäßig und in stark schwankenden Individuenzahlen, ebenso wie die Anzahl der zufliegenden Tiere im Mittelmeerraum zum Teil beträchtlich schwankt, da die Art auch zu Massenvermehrungen neigt. So spricht Traub in Ebert zumindest von 1965 bis 1993 in [[Baden-Württemberg]] von lediglich einem einzelnen Falterfund im Jahr 1992, wohingegen im extrem starken Jahr 1946 Millionen von Linienschwärmern die Alpen überquerten und weit nach Nordeuropa einflogen.<ref name="Ebert"/> Diese Tiere haben sich vermutlich auf der [[Iberische Halbinsel|Iberischen Halbinsel]] entwickelt, wo die Raupen insbesondere in [[Andalusien]] um [[Jaén]] in Massen auftraten. Dabei handelte es sich um die Folgegeneration von wiederum zahlreich aus Afrika eingeflogenen Tieren. Zwar sind immer wieder solche Massenauftreten dokumentiert, in einem durchschnittlichen Jahr werden jedoch nur einige wenige Individuen in Mitteleuropa beobachtet.<ref name="Reinhardt/Harz"/><ref name="Science4you"> {{Internetquelle|hrsg=Sciense4you|titel=Hyles livornica|zugriff=20.03.2009|url=http://www.science4you.org/platform/monitoring/species/index.do?doIndexSheet}}</ref> Die Falter fliegen im Afrika südlich der Sahara ganzjährig in kontinuierlich aufeinander folgenden Generationen. In Nordafrika findet man sie ab Februar (oder früher) bis Oktober wobei mehrere nicht scharf zu trennende Generationen ausgebildet werden und das Maximum im März oder April liegt. Im Osten [[Saudi-Arabien]]s tritt die Art von November bis April in mehreren Generationen auf, das Maximum liegt hier im Januar und Februar. Später im Jahr weichen die Falter bei länger werdenden Tageslichtperioden den bevorstehenden hohen Temperaturen aus und wandern nach Norden. Ihre Eireifung ist durch die längere Tagesdauer verzögert, die Eier reifen während der Wanderung aus und können dann in den kühleren Gebieten, etwa im Mittelmeerraum ab Ende März, abgelegt werden. Noch weiter nördlich setzt die Flugzeit später ein. In Mittel- und Nordeuropa werden einwandernde Tiere meist erst ab Mai oder Juni und dann bis September beobachtet, wobei es sich von Juli bis September einerseits um eine zweite einfliegende Generation, andererseits teilweise auch um Nachkommen der ersten eingewanderten Generation handeln kann. Diese Nachkommen sind aber selten, da Falter von Raupen, die sich bei Tageslängen von 16 Stunden und mehr entwickelt haben, wie es beispielsweise im Mai und Juni im westlichen Mittelmeergebiet um den 40. Breitengrad der Fall ist, nicht fruchtbar sind. Wie auch der [[Oleanderschwärmer]] (''Daphnis nerii'') benötigt der Linienschwärmer für seine Entwicklung Kurztage mit maximal 14 Stunden Licht, da sich ansonsten die Eireifung derart verzögert, dass die Eier nicht mehr zur Entwicklung kommen. Dies ist auch der Grund, warum im Extremjahr 1946 nur sehr wenige Raupenfunde aus Mitteleuropa und weiter nördlich dokumentiert sind. Ob Individuen einer zweiten Generation aus Mitteleuropa erfolgreich wieder in den Süden fliegen können ist nicht bekannt, den mitteleuropäischen Winter können sie jedoch nicht überleben.<ref name="Reinhardt/Harz"/><ref name="Pittaway"/> In China fliegt die Art von April bis September, aus Russland ist sie von Anfang Juni bis Angang August nachgewiesen. Die Raupen findet man in Afrika ganzjährig, in Mitteleuropa nur im Sommerhalbjahr. In den Halbwüstengebieten Nordafrikas können die Raupen nach regenreichen Wintern oft zu Hunderttausenden angetroffen werden. === Nahrung der Raupen === [[Datei:Polygonum aviculare flower kz.jpg|thumb|Vogelknöteriche (hier: [[Vogelknöterich|Echter Vogelknöterich]]) zählen zu den wichtigsten Nahrungspflanzen der Raupen]] [[Datei:Asphodelus aestivus.jpg|thumb|Von [[Affodill]] (hier: [[Kleinfrüchtiger Affodill]]) werden die Blüten und die Fruchtstände gefressen.]] Zu den wichtigsten Nahrungspflanzen der Raupen gehören [[Ampfer]] (''Rumex''), [[Vogelknöteriche]] (''Polygonum'') und in Nordafrika und dem Mittleren Osten [[Affodill]] (''Asphodelus''), von denen die Blüten und die Fruchtstände gefressen werden. Die Raupen des Linienschwärmers sind jedoch [[Polyphagie|polyphag]] und fressen darüber hinaus an einer sehr großen Bandbreite von Pflanzen, wie etwa an [[Weinreben]] (''Vitis vinifera''), [[Jungfernreben]] (''Parthenocissus''), [[Fuchsien]] (''Fuchsia''), [[Labkräuter]]n (''Gallium''), [[Löwenmäuler]]n (''Antirrhinum''), [[Wegerich]] (''Plantago''), [[Bohnenähnliches Jochblatt|Bohnenähnlichem Jochblatt]] (''Zygophyllum fabago''), [[Stachelknöterich]] (''Emex spinosa''), [[Pelargonien]] (''Pelargonium''), ''[[Boerhavia]]'', [[Rüben]] (''Beta''), [[Spargel]] (''Asparagus''), [[Akazien]] (''Acacia''), [[Leinkräuter]]n (''Linaria''), [[Kichererbsen]] (''Cicer''), [[Buchweizen]] (''Fagopyrum''), [[Skabiosen]] (''Scabiosa''), [[Blutweideriche]] (''Lythrum''), [[Ginster]] (''Genista''), [[Mais]] (''Zea mays''), [[Wolfsmilch]] (''Euphorbia''), [[Rhabarber (Gattung)|Rhabarber]] (''Rheum''), [[Erdbeeren]] (''Fragaria'') und [[Liguster]] (''Ligustrum''). Aus [[Kleinasien]] sind die Raupen darüber hinaus auf den Blütenständen von [[Steppenkerzen]] (''Eremurus'') nachgewiesen, in [[Tunesien]] und [[Libyen]] hat man sie an [[Olivenbaum]] (''Olea europaea'') gefunden, in letzterem Land auch an [[Weidenblatt-Akazie]] (''Acacia saligna''), ''[[Eucalyptus resinifera]]'' und ''[[Eucalyptus rostrata]]'', wobei die an Eukalyptus fressenden Raupen vor der Verpuppung zugrunde gingen. Kommt die Art in Mitteleuropa zur Fortpflanzung, dann werden die Raupen häufig an [[Echtes Labkraut|Echtem Labkraut]] (''Galium verum''), [[Wiesen-Labkraut]] (''Galium mollugo'') und [[Weidenröschen]] (''Epilobium'') gefunden, treten aber auch an den meisten oben erwähnten Pflanzen auf. Die Raupen vertragen in der Regel trotz ihrer polyphagen Lebensweise Nahrungspflanzenwechsel nicht gut und müssen sich während ihrer gesamten Entwicklung von der ursprünglich angewöhnten Nahrungspflanze ernähren. Insbesondere bei Masseneinwanderungen etwa im Mittelmeerraum können die Raupen des Linienschwärmers an [[Westlicher Erdbeerbaum|Westlichem Erdbeerbaum]] (''Arbutus unedo''), Weinreben, an denen sie sogar die unreifen Früchte fressen, [[Artischocken]] (''Cynara''), [[Gartensalat]] (''Lactuca sativa''), [[Kartoffel]] (''Solanum tuberosum'') und gelegentlich auch an [[Echter Buchweizen|Echtem Buchweizen]] (''Fagopyrum esculentum'') als Schädlinge auftreten. Während dieser Massenauftreten können die Raupen bei Nahrungsmangel auch an einer Vielzahl von Pflanzen auftreten, die ansonsten nicht gefressen werden, wie etwa an [[Baumwolle]] (''Gossypium'').<ref name="Pittaway3"/><ref name="Reinhardt/Harz"/> === Paarung und Eiablage === Die Paarung, bei der die Partner, wie bei Schwärmern üblich, mit dem Körper in entgegengesetzte Richtungen am Hinterleib aneinandergekoppelt sind, findet immer vor der Morgendämmerung statt und dauert zwei bis drei Stunden. Die Weibchen legen ihre Eier sowohl an der Ober- wie auch Unterseite der Raupennahrungspflanzen ab. Insgesamt werden 200 bis 300 Eier in Gruppen zu vier oder fünf Stück während eines ausdauernden Fluges über weite Strecken abgelegt. === Entwicklung === Die Entwicklung des Linienschwärmers ähnelt der des ähnlich verbreiteten und ebenso wandernden Oleanderschwärmers. Nach durchschnittlich vier Tagen schlüpfen die Raupen. Die Raupenzeit wird in der Literatur mit 12 bis 17 Tagen bzw. 40 Tagen unterschiedlich angegeben, wobei sie nicht immer abhängig von der Temperatur ist, jedoch in der Regel bei niedrigeren Temperaturen länger ist. So sind etwa aus der Schweiz Freilandzuchten mit einer Raupenzeit von sogar acht bis neun Wochen dokumentiert. Die Raupen vertragen Temperaturen unter 16° C nicht und kommen dann nicht mehr zur Verpuppung. Einmal verpuppte Tiere können aber niedrigere Temperaturen um die 6° C, sogar kurzfristig bis um - 13° C ertragen und schlüpfen dann nach der Unterbrechung ihrer Entwicklung, wenn die Temperaturen allmählich ansteigen. Die Verpuppung erfolgt in einem locker gesponnenen [[Kokon]] entweder im Bodenstreu und zwischen abgestorbenem Pflanzenmaterial oder in [[Horst (Botanik)|Grashorsten]]. Die Puppenruhe dauert zwei bis vier Wochen bzw. ist das Überwinterungsstadium in Gegenden, in denen die Art nicht das ganze Jahr über auftritt. Gelegentlich können die Puppen auch ein Jahr überliegen.<ref name="Reinhardt/Harz"/><ref name="Pittaway2"/> Die Raupen sitzen in allen Stadien beim Fressen relativ frei auf ihren Nahrungspflanzen, wobei sie abwechselnd rasch große Mengen an Nahrung zu sich nehmen und sich sodann längere Zeit auf den Pflanzen exponiert sonnen. Werden die Raupen gestört, lassen sich jüngere Tiere von der Pflanze fallen, wohingegen ältere ihren Oberkörper ruckartig von einer zur anderen Seite bewegen und dabei Nahrungsbrei hochwürgen. == Spezialisierte Feinde == Bislang sind vier spezialisierte [[Parasitoid]]e der Raupen des Linienschwärmers bekannt. Dabei handelt es sich im westlichen Verbreitungsgebiet um die [[Raupenfliegen]] ''[[Drino vicina]]'', ''[[Drino imberbis]]'', ''[[Nemorilla maculosa]]'' und ''[[Spoggosia aegyptiaca]]''. Aus dem Osten des Verbreitungsgebietes sind keine Parasitoide bekannt. Die Weibchen dieser Parasitoide legen ihre Eier auf den Raupen ab, in denen sich dann die geschlüpften [[Larve]]n entwickeln. Die Verpuppung findet in der Regel an der Außenseite der bis dahin abgestorbenen Raupen statt.<ref name="Pittaway">A. R. Pittaway: ''The Hawkmoths of the western Palaearctic.'' Harley Books 1993, ISBN 0-946-58921-6</ref> == Taxonomie und Systematik == [[Eugen Johann Christoph Esper]] beschrieb den Linienschwärmer 1780 anhand eines in Italien bei Livorno gefundenen Exemplars als ''Sphinx livornica''.<ref name="Pittaway2"/> [[Jacob Hübner]] stellte die Art 1819 in die von ihm neu aufgestellte Gattung ''[[Hyles]]'', der die Art heute noch zugerechnet wird.<ref name="Fauna">{{Internetquelle|hrsg=Fauna Europaea, Version 1.3, 19.04.2007|titel=Hyles livornica (Esper 1780)|zugriff=31.03.2009|url={{FaunaEuropaea|ID=368025|WissName=Hyles livornica|Rang=Art|Linktext=nein}}}}</ref> Bis ins 20. Jahrhundert wurde ''Hyles livornica'' als [[Konspezifität|konspezifisch]] mit dem amerikanischen ''[[Hyles lineata]]'' angesehen und ist deshalb unter diesem Namen (oder als ''Celerio lineata'' ssp. ''livornica'') in der älteren Literatur zu finden. Gleichartig verhielt es sich mit dem mittlerweile ebenso als eigene Art geführten ''[[Hyles livornicoides]]'', der in Australien verbreitet ist. Die drei Arten haben eine sehr ähnliche Färbung und Musterung, was sie von den übrigen Arten der Gattung abgrenzt und weswegen man sie auch nach der Aufgliederung in drei eigenständige Arten als nahe verwandt ansah, zumal mindestens zwei von ihnen leicht miteinander hybridisiert werden können. [[Mitochondriale DNA|mtDNA]]-Untersuchungen haben jedoch gezeigt, dass die Arten keineswegs sehr nahe miteinander verwandt sind. ''Hyles lineata'' steht sehr wahrscheinlich in einem [[Schwestergruppe]]nverhältnis zu allen übrigen Arten der Gattung ''Hyles''. Die Verwandtschaftsverhältnisse von ''H. livornica'' und ''H. livornicoides'' sind zwar noch nicht ausreichend sicher erforscht, es wird jedoch vermutet, dass ''H. livornica'' in einem Schwestergruppenverhältnis zu einer Gruppe bestehend aus ''[[Fledermausschwärmer|Hyles vespertillio]]'' und den Arten des ''[[Wolfsmilchschwärmer|Hyles euphorbiae]]''-Komplex im weiteren Sinne ([[Liste lateinischer Phrasen/S#Sensu lato|s.l.]]) steht.<ref name="Hundsdoerfer/Kitching/Wink"/> Bei den paläarktisch verbreiteten Arten der Gattung ''Hyles'' ergeben sich dadurch folgende Verwandtschaftsverhältnisse: ┌── ''[[Hyles nicaea]]'' ┌──┤ ─┤ └── ''[[Labkrautschwärmer|Hyles gallii]]'' │ │ ┌── ''Hyles livornica'' │ │ └──┤ ┌── ''[[Fledermausschwärmer|Hyles vespertilio]]'' └──┤ └── ''[[Wolfsmilchschwärmer|Hyles euphorbiae]]''-Komplex s.l. Anhand der DNA-Untersuchungen gilt als gesichert, dass ''H. livornica'' in seiner gesamten afro-paläarktischen Verbreitung eine genetische und taxonomische Einheit bildet. Dies führt auch dazu, dass der Artrang von ''H. malgassica'' aus Namibia, Südafrika und Madagaskar nicht aufrecht erhalten werden kann, sondern es sich bei dieser Gruppe ebenso um Vertreter von ''H. livornica'' handelt.<ref name="Hundsdoerfer/Kitching/Wink"/> Gleich verhält es sich mit der Population der [[Kapverdische Inseln|Kapverdischen Inseln]], bei welcher anhand von Untersuchungen auf der Hauptinsel [[Santiago (Kap Verde)|Santiago]] nachgewiesen wurde, dass die wenn auch kleineren und blasser gefärbten Tiere sich genetisch nicht von den übrigen Individuen von ''Hyles livornica'' unterscheiden.<ref name="Harbich">Heimo Harbich: ''Anmerkungen zum Hyles livornica (ESPER, 1779) Komplex - speziell zur Population von den Kapverdischen Inseln (Lepidoptera: Sphingidae)''. In: Entomologische Zeitschrift, 117. Jahrgang, Heft 4, 15. August 2007, S. 155ff.</ref> Es sind keine Unterarten von ''Hyles lineata'' beschrieben.<ref name="Fauna"/> === Synonyme === *''Sphinx livornica'' Esper, 1780<ref name="Fauna"/> *''Phinx koechlini'' Fuessly, 1781 Arch. Insektengeschichte 1: 1<ref name="Pittaway"/> *''Celerio malgassica Denso 1944<ref name="Fauna"/> *''Hyles renneri'' Eitschberger, Danner & Surholt, 1998<ref name="Fauna"/> *''Celerio saharae'' Gehlen, 1932<ref name="Fauna"/> *''Celerio tatsienluica'' Oberthür, 1916<ref name="Fauna"/> *''Celerio lineata saharae'' Stauder, 1921 Dt. ent. Z. Iris 35: 179<ref name="Pittaway"/> == Gefährdung == Aufgrund seiner weiten Verbreitung und Häufigkeit ist der Linienschwärmer nicht gefährdet. Als Wanderfalter wird er in Mitteleuropa in den [[Rote Liste gefährdeter Arten|Roten Listen gefährdeter Arten]] meist nicht geführt, in Deutschland ist er als Wanderfalter gelistet und als ungefährdet eingestuft. Die Art ist in der [[Bundesartenschutzverordnung]] (BArtSchV) nicht erfasst. == Quellen == === Einzelnachweise === <references /> === Literatur === * Arno Bergmann: ''Die Großschmetterlinge Mitteldeutschlands. Band 3 Spinner und Schwärmer.'' Urania-Verlag GmbH, Jena, 1953 * {{BibISBN|3800134748}} * {{BibISBN|3926285001}} * {{BibISBN|0801437342}} * Manfred Koch: ''Wir bestimmen. Schmetterlinge. Band 2. Bären, Spinner, Schwärmer und Bohrer Deutschlands.'' Neumann Verlag Radebeul 2. Auflage 1964 * {{BibISBN|0946589216}} * {{BibISBN|9783935980241}} * {{BibISBN|3894401281}} == Weblinks == {{Commons|Hyles livornica|Linienschwärmer}} * [http://www.lepiforum.de/cgi-bin/lepiwiki.pl?Hyles_Livornica www.lepiforum.de: Taxonomie und Fotos] * [http://schmetterling-raupe.de/art/livornica.htm www.schmetterling-raupe.de: Kurzbeschreibung und Fotos] * [http://www.leps.it/indexjs.htm?SpeciesPages/HylesLivor.htm Moths and Butterflies of Europe and North Africa] (englisch) * [http://www.nic.funet.fi/pub/sci/bio/life/insecta/lepidoptera/ditrysia/bombycoidea/sphingidae/macroglossinae/hyles/index.html#livornica Markku Savela: Lepidoptera and some other life forms] (englisch) * [http://tpittaway.tripod.com/sphinx/h_liv.htm A.R. Pittaway - Sphingidae of the Western Palaearctic] (englisch) {{Exzellent}} [[Kategorie:Schwärmer]] [[Kategorie:Wanderfalter]] [[en:Hyles livornica]] [[fi:Viirukiitäjä]] [[lt:Pietinis sfinksas]] [[nl:Gestreepte pijlstaart]] [[no:Hvitribbet mauresvermer]] [[pl:Zmrocznik liguryjski]] dmbg93okiebzbsmupox57w4yvl6ni94 wikitext text/x-wiki Carl von Linné 0 23846 28386 28129 2011-09-22T06:58:09Z Ireas 616 {{Dieser Artikel|erläutert den Entwickler des Linnéschen Systems; zu seinem gleichnamigen Sohn siehe [[Carl von Linné (Sohn)]].}} [[Datei:Carolus Linnaeus (cleaned up version).jpg|thumb|Linnés Bildnis wenige Jahre vor seinem Tod. Gemalt von [[Alexander Roslin]] (1775).]] '''Carl von Linné''' {{Audio|sv-Carl_von_Linné.ogg|anhören}} (vor der Erhebung in den Adelsstand '''Carl Nilsson Linnæus'''; * [[23. Mai]] [[1707]] in [[Råshult]] bei [[Älmhult]]; † [[10. Januar]] [[1778]] in [[Uppsala]]) war ein [[Schweden|schwedischer]] Naturwissenschaftler, der mit der [[Binomen|binominalen]] [[Nomenklatur (Biologie)|Nomenklatur]] die Grundlagen der modernen botanischen und zoologischen [[Taxonomie]] schuf. Sein offizielles [[Autorenkürzel der Botaniker und Mykologen|botanisches Autorenkürzel]] lautet „<span class="Person">L.</span>“. In der Zoologie wird „<span class="Person">Linnaeus</span>“ als Autorenkürzel verwendet. Linné setzte sich als Student in seinem Manuskript ''[[Praeludia Sponsaliorum Plantarum]]'' mit der noch neuen Idee von der [[Sexualsystem der Pflanzen|Sexualität der Pflanzen]] auseinander und legte mit diesen Überlegungen den Grundstein für sein späteres Wirken. Während seines Aufenthaltes in Holland entwickelte er in Schriften wie ''[[Systema Naturae]]'', ''[[Fundamenta Botanica]]'', ''[[Critica Botanica]]'' und ''[[Genera Plantarum]]'' die theoretischen Grundlagen seines Schaffens. Während seiner Tätigkeit für [[George Clifford III.|George Clifford]] in [[Hartekamp]] konnte Linné zum ersten Mal viele seltene Pflanzen direkt studieren, und schuf mit ''[[Hortus Cliffortianus]]'' das erste nach seinen Prinzipien geordnete Pflanzenverzeichnis. Nach der Rückkehr aus dem Ausland arbeitete Linné für kurze Zeit als Arzt in [[Stockholm]]. Er gehörte hier zu den Gründern der [[Königlich Schwedische Akademie der Wissenschaften|Schwedischen Akademie der Wissenschaften]] und war deren erster Präsident. Mehrere Expeditionen führten ihn durch die [[Landskap (Schweden)|Provinzen]] seiner schwedischen Heimat und trugen zu seiner Anerkennung bei. Ende 1741 wurde Linné Professor an der [[Universität Uppsala]] und neun Jahre später deren Rektor. In [[Uppsala]] führte er seine enzyklopädischen Anstrengungen, alle bekannten [[Mineral]]ien, [[Pflanzen]] und [[Tier]]e zu beschreiben und zu ordnen, weiter. Seine beiden Werke ''[[Species Plantarum]]'' (1753) und ''Systema Naturae'' (in der zehnten Auflage von 1758) sind noch heute für die biologische Nomenklatur von Bedeutung. == Leben == === Kindheit und Schule === [[Datei:LA2-Rashult-2.jpg|thumb|Die Umgebung um Linnés Geburtshaus in [[Råshult]] wurde wieder so hergestellt, wie er sie in seiner Kindheit erlebte.]] Carl Linnæus wurde am 23. Mai 1707<ref>Während Linnés Leben gab es in Schweden mehrere Wechsel im angewandten Kalender. Von März 1700 bis Februar 1712 galt der [[Schwedischer Kalender|Schwedische Kalender]]. Nach diesem war sein Geburtstag der 13. Mai 1707. Ab März 1712 wurde wieder der [[Julianischer Kalender|Julianische Kalender]] angewendet. Erst ab 1753 galt in Schweden der [[Gregorianischer Kalender|Gregorianische Kalender]]. Im Artikel sind alle Daten nach dem Gregorianischen Kalender angegeben.</ref> in der ersten Stunde nach Mitternacht im kleinen Ort Råshult im [[Socken (Schweden)|Kirchspiel]] [[Stenbrohult]] in der südschwedischen Provinz [[Småland]] geboren. Er war das älteste von fünf Kindern des Geistlichen [[Nils Linnæus|Nils Ingemarsson Linnæus]] und dessen Frau Christina Brodersonia. Sein Vater interessierte sich sehr für Pflanzen und kultivierte in seinem Garten einige ungewöhnliche Pflanzen aus Deutschland. Diese Faszination übertrug sich auf seinen Sohn, der jede Gelegenheit nutzte, um Streifzüge in die Umgebung zu unternehmen und sich die Namen der Pflanzen von seinem Vater nennen zu lassen. Seine schulische Ausbildung begann im Alter von sieben Jahren durch einen Privatlehrer<!--<ref>'''Johan Telander''' (1694–1763), Sohn eines [[Freisasse]]n aus dem Ort.</ref>-->, der ihn zwei Jahre lang unterrichtete. 1716 schickten ihn seine Eltern auf die neu errichtete Domschule in [[Växjö]] mit dem Ziel, dass er später wie sein Vater und Großvater Pfarrer werden sollte. Der junge Linné litt unter den rigiden Erziehungsmethoden der Schule. Das änderte sich erst, als er 1719 die Bekanntschaft des Studenten Gabriel Höök<!--<ref>'''Gabriel Höök''' (* 15. Februar 1698 in Nöbbele; 23. Januar 1769 in Virestad), er heiratete später Linnés Schwester Anna Maria. Sie hatten gemeinsam 10 Kinder.</ref>--> machte, der ihn privat unterrichtete. 1724 wechselte er an das Gymnasium. 1726 reiste sein Vater nach Växjö, um den Arzt [[Johan Stensson Rothman]] in einer medizinischen Angelegenheit zu konsultieren und sich über die Leistungen seines Sohnes zu informieren. Er musste erfahren, dass sein Sohn in den für das Priesteramt notwendigen Fächern [[Griechische Sprache|Griechisch]], [[Hebräische Sprache|Hebräisch]], [[Theologie]], [[Metaphysik]] und [[Rhetorik]] nur mäßige Leistungen erbrachte und ihnen wenig Interesse entgegenbrachte. Hingegen glänzte sein Sohn in [[Mathematik]] und den [[Naturwissenschaft]]en, aber auch in [[Latein]]. Rothman, der das Talent Linnés für eine medizinische Laufbahn erkannte, bot dem schockierten Vater an, seinen Sohn unentgeltlich in sein Haus aufzunehmen und ihn in [[Botanik]] und [[Physiologie]] zu unterrichten. Rothman machte Linné mit dem Klassifizierungssystem der Pflanzen von [[Joseph Pitton de Tournefort]] bekannt und wies ihn auf [[Sébastien Vaillant]]s Schrift zur Sexualität der Pflanzen<ref>Sébastien Vaillant: ''Sermo de Structura Florum''. Leiden, 1718</ref> hin. === Studium === Im August 1727 ging Linné nach [[Lund]], um an der dortigen Universität zu studieren. Am Ende seiner Schulzeit hatte er vom Rektor des Gymnasiums Nils Krok ein nicht sehr schmeichelhaftes Schreiben<ref>[http://www.scricciolo.com/linnaeus_lettera_krok.htm Schreiben] vom 6. Mai 1727 von Nils Krok an den Rektor der Universität Lund</ref> für seine Bewerbung in Lund erhalten. Sein alter Freund Gabriel Höök, mittlerweile Magister der Philosophie in Lund, riet ihm, das Schreiben nicht zu verwenden. Er stellte dem Rektor der [[Universität Lund]] Linné stattdessen als seinen Privatschüler vor und erreichte so die Immatrikulation an der Universität Lund. Höök überzeugte Professor [[Kilian Stobæus]], Linné in sein Haus aufzunehmen. Stobæus besaß neben einer reichhaltigen Naturaliensammlung eine sehr umfangreiche Bibliothek, die Linné jedoch nicht benutzen durfte. Durch den deutschen Studenten David Samuel Koulas<!--<ref>'''David Samuel Koulas''' (* 1699; † 1769), Doktorarbeit: ''De cura partus modo enixi et lactentis''. Halle, 1731</ref>-->, der zeitweise als Sekretär von Stobæus beschäftigt war, erhielt er dennoch Zugriff auf die Bücher, die er bis spät in die Nacht studierte. Im Gegenzug vermittelte er Koulas seine bei Rothman erlernten Kenntnisse in [[Physiologie]]. Verwundert über die nächtlichen Aktivitäten seines Zöglings trat Stobæus eines Nachts unvermittelt in das Zimmer Linnés und fand ihn zu seiner Überraschung in das Studium der Werke von [[Andrea Cesalpino]], [[Caspar Bauhin]] und [[Joseph Pitton de Tournefort]] vertieft. Fortan hatte Linné freien Zugriff auf die Bibliothek. Während seines Aufenthaltes in Lund unternahm Linné regelmäßig Exkursionen in die Umgebung. So auch an einem warmen Tag Ende Mai 1728<!---26. Mai 1728-->, als er mit seinem Kommilitonen [[Mattias Benzelstierna]] die Natur in Fågelsång erkundete und von einem kleinen, unscheinbaren Tier, der „[[Furia infernalis|Höllenfurie]]“, gebissen wurde. Die Wunde entzündete sich und konnte nur mit Mühe behandelt werden. Linné entging nur knapp dem Tod. Zur Erholung fuhr Linné im Sommer in seine Heimat. Hier traf er seinen Lehrer Rothman wieder, dem er von seinen Erfahrungen an der Universität Lund berichtete. Durch diesen Bericht gelangte Rothman, der an der [[Universität Uppsala]] studiert hatte, zu der Überzeugung, dass Linné sein Medizinstudium besser in Uppsala fortsetzen sollte. Linné folgte diesem Rat und brach am 3. September 1728 <!--alt 23. August 1728-->nach Uppsala auf. Die Zustände, die Linné an der dortigen Universität vorfand, waren desolat. [[Olof Rudbeck der Jüngere]] hielt einige wenige Vorlesungen über [[Vögel]] und [[Lars Roberg]] philosophierte über [[Aristoteles]]. Es gab keine Vorlesungen über Medizin und [[Chemie]], es wurden keine [[Obduktion]]en durchgeführt und im alten [[Linné-Garten|Botanischen Garten]] wuchsen kaum zweihundert Arten.<ref>Carl Linnaeus an Kilian Stobaeus, 19. November 1728, [http://linnaeus.c18.net/Letters/display_letter.php?id=L0001 Brief L0001] in [http://linnaeus.c18.net/ The Linnaean correspondence] (abgerufen am 11. März 2008).</ref> Im März 1729 machte Linné die Bekanntschaft von [[Peter Artedi]], mit dem ihn bis zu dessen frühen Tod eine feste Freundschaft verband. Artedis Hauptinteresse galt der Chemie, aber er war auch Botaniker und Zoologe. Die beiden Freunde versuchten sich gegenseitig mit ihren Forschungen zu übertrumpfen. Sie merkten bald, dass es besser wäre, wenn sie die verschiedenen Gebiete der drei Naturreiche, entsprechend ihrer Interessen unter sich aufteilen würden. Artedi übernahm die Amphibien, Reptilien und Fische, Linné die Vögel und Insekten sowie, mit Ausnahme der [[Doldenblütler]], die gesamte Botanik. Gemeinsam bearbeiteten sie die Säugetiere und das Naturreich der Mineralogie. Etwa zu dieser Zeit nahm ihn [[Olof Celsius der Ältere]] in sein Haus auf. Linné half Celsius bei der Fertigstellung von dessen Werk ''Hierobotanicon''. Die finanzielle Situation Linnés besserte sich. Im Juni 1729 erhielt er ein Königliches Stipendium (II. Klasse), das im Dezember 1729 (I. Klasse) noch einmal erhöht wurde<!--ist die Höhe bekannt? Nein.-->. Zum Ende des Jahres 1729 entstand seine erste bedeutende Schrift ''[[Praeludia Sponsaliorum Plantarum]]'', in der er sich zum ersten Mal mit der [[Sexualsystem der Pflanzen|Sexualität der Pflanzen]] auseinandersetzte und die Wegbereiter für sein weiteres Lebenswerk war. Die Schrift wurde schnell bekannt und Olof Rudbeck suchte die persönliche Bekanntschaft Linnés. Zunächst verschaffte er Linné, gegen den Widerstand Robergs, die Stelle des [[Demonstrator]]s des Botanischen Gartens<!--<ref>Seine erste überaus gut besuchte Vorführung fand am 4. Mai 1730 statt.</ref>--> und stellte ihn als Lehrer seiner jüngsten drei Söhne ein. Mitte Juni zog Linné in Rudbecks Haus. 1730/31 arbeitete Linné an einem Katalog der Pflanzen des Botanischen Gartens von Uppsala (''Hortus Uplandicus'', späterer Titel ''Adonis Uplandicus'')<!--Die ersten gedruckten Fassungen stammen von 1888.-->, von dem mehrere Fassungen entstanden. Die Pflanzen waren anfangs noch nach dem Tournefortschen [[Taxonomie|System]] für die [[Klassifizierung]] der Pflanzen angeordnet, an dessen Gültigkeit Linné jedoch immer mehr Zweifel kamen. In der endgültigen Fassung vom Juli 1731, die er in Stockholm beendete, ordnete er die Pflanzen nach seinem eigenen aus 24 Klassen bestehenden System. Während dieser Zeit entstanden die ersten Entwürfe zu seinen frühen Werken, die in Amsterdam veröffentlicht wurden. Ende 1731 sah sich Linné veranlasst, Rudbecks Haus zu verlassen, da die Frau des Universitätsbibliothekars [[Andreas Norrelius]] (1679–1750), die in dieser Zeit ebenfalls dort wohnte, Gerüchte über ihn verbreitete, die das gute Verhältnis zu Rudbecks Familie untergruben. Er verbrachte den Jahreswechsel bei seinen Eltern. === Reise durch Lappland === [[Datei:Carolus Linnaeus by Hendrik Hollander 1853.jpg|thumb|In der eigens für die Lapplandreise erworbenen Kleidung präsentierte Linné sich gern. Ausschnitt eines Porträts von [[Hendrik Hollander]] (Kopie von 1853).]] [[Datei:Iter Lapponicum-Bootragender Lappländer.jpg|thumb|Linnés Tagebuch zur lappländischen Reise enthält zahlreiche Zeichnungen. Hier hat er einen Lappländer skizziert, der sein Boot trägt.]] In einem Brief vom 26. Dezember 1731 empfahl sich Linné der [[Königliche Gesellschaft der Wissenschaften in Uppsala|Königlichen Gesellschaft der Wissenschaften in Uppsala]] für eine Expedition in das weitgehend unerforschte [[Lappland]] und bat um die notwendige finanzielle Unterstützung. Als er keine Antwort erhielt, unternahm er Ende April 1732 einen weiteren Versuch und senkte den für die Reise notwendigen Geldbetrag um ein Drittel. Dieses Mal wurde ihm der Betrag gewährt und er begann am 23. Mai<!--12. Mai--> seine erste große Expedition. Die beschwerliche Reise, während der er alle seine Erlebnisse und Entdeckungen in einem Tagebuch<ref>[[James Edward Smith (Botaniker)|James Edward Smith]] (Herausgeber): ''Iter Lapponicum''. (Lappländische Reise) 1811.</ref> festhielt, dauerte knapp fünf Monate. Am 21. Oktober 1732<!--10. Oktober 1732--> traf er wieder in Uppsala ein. Zu den Strapazen der Reise und den Schulden, die Linné zusätzlich auf sich genommen hatte, kam noch die Enttäuschung, dass die Akademie nur wenige Seiten seiner Ergebnisse publizierte.<ref>''Florula Lapponica''. In: ''Acta Literaria et Scientiarum Sueciae''. Band 3, 1732, S. 46-58.</ref> Sein Buch über die lappländische Pflanzenwelt, ''Flora Lapponica'', wurde erst 1737 in Amsterdam veröffentlicht. Von dieser Reise brachte er erstmals Spielregeln und Spielbrett des zur [[Wikingerzeit]] weit verbreiteten Spiels [[Königszabel|Tablut]] mit. === Falun und die Reise durch Dalarna === Im Frühjahrssemester 1733 hielt Linné private Kurse in [[Dokimastik]] und schrieb eine kurze Abhandlung über das für ihn neue Thema. Er katalogisierte seine Vogel- und Insektensammlung und arbeitete an zahlreichen Manuskripten.<ref>Carl Linnaeus an Gabriel Gyllengrip, 5. Oktober 1733, [http://linnaeus.c18.net/Letters/display_letter.php?id=L0027 Brief L0027] in [http://linnaeus.c18.net/ The Linnaean correspondence] (abgerufen am 11. März 2008).</ref> Von Clas Sohlberg, einem seiner Studenten, erhielt er eine Einladung, den Jahreswechsel 1733/1734 bei dessen Familie in [[Falun]] zu verbringen. Clas Vater, Eric Nilsson Sohlberg, war Inspektor der dortigen Minen, und so ergab sich für Linné die Möglichkeit, die Arbeit in den Minen ausgiebig zu studieren. Er kehrte erst im März 1734 nach Uppsala zurück und gab weiter Privatunterricht in Mineralogie, Botanik und [[Diätetik]]. Während des Aufenthaltes in Falun machte Linné die Bekanntschaft von [[Johan Browall]], der die Kinder des Gouverneurs der [[Landskap (Schweden)|Provinz]] [[Dalarna]], Nils Reutersholm, unterrichtete. Reutersholm war beeindruckt von den Berichten über Linnés Lapplandreise und plante, eine solche Erkundungsreise in der von ihm verwalteten Provinz durchzuführen. Es fanden sich genügend Geldgeber für das Unternehmen, und die aus acht Mitgliedern<!-- Carl Linneaus (als Präsident der Gesellschaft), Reinhold Nasman, Carl Clewberg, Ingel Fahlstedt, Claes Sohlberg, Eric Emporeliusm, Pehr Hedenblad und Benjamin Sandel--> bestehende ''Societas Itineraria Reuterholmiana'' (Reuterholm-Reise-Gesellschaft), der Linné als Präsident vorstand, wurde gegründet. Die Reise durch die Provinz Dalarna begann am 3. Juli 1734 und dauerte insgesamt 45 Tage. Bei der Rückkehr am 18. August 1734 hatten sie ungefähr 520 [[Alte Maße und Gewichte (Skandinavien)#Schweden|Schwedische Meilen]] zurückgelegt. Linnés Reisebericht ''Iter Darlecarlicum'' wurde erst posthum veröffentlicht. Linné blieb in Falun und übernahm den Unterricht von Reutersholms Söhnen. Browall überzeugte ihn, ins Ausland zu gehen, um dort seinen Doktorgrad zu erhalten, der ihm bisher auf Grund seiner angespannten finanziellen Situation verwehrt geblieben war. Es fand sich schließlich eine Lösung für die Reisekosten. Linné sollte Clas Sohlberg nach Holland begleiten und unterrichten und dort promovieren. Er kehrte nach Uppsala zurück, um seine Reisevorbereitungen zu treffen und traf nach einem kürzeren Aufenthalt in Stockholm Ende des Jahres <!--22. Dezember--> wieder in Falun ein. Zum Jahreswechsel 1734/35 lernte er Sara Elisabeth Moraea kennen, eine Tochter des [[Stadtphysicus|Stadtarztes]] von Falun, und machte ihr einen Heiratsantrag<!--16. Januar 1735-->. Dieser wurde von ihrem Vater, der auf die wirtschaftliche Unabhängigkeit seiner Tochter bedacht war, unter der Bedingung akzeptiert, dass Linné seinen Doktortitel erwerben und die Hochzeit innerhalb der nächsten drei Jahre stattfinden würde. === Drei Jahre in Holland === [[Datei:Systema naturae.jpg|thumb|Das Titelblatt der 1. Auflage von ''Systema Naturae'', in dem Linné 1735 sein System zur Klassifizierung der drei Naturreiche erstmalig vorstellte.]] [[Datei:Ehret-Methodus_Plantarum_Sexualis.jpg|thumb|Die von [[Georg Dionysius Ehret]] angefertigte Zeichnung, auf der er Linnés [[Sexualsystem der Pflanzen|Klassifizierungssystem der Pflanzen]] darstellte.]] Linnés Reise südwärts führte ihn über [[Växjö]] und Stenbrohult. Am 15. April 1735 brach er von Stenbrohult nach Deutschland auf. Anfang Mai <!--alt 26. April-->erreichte er [[Lübeck-Travemünde|Travemünde]] und begab sich sogleich nach [[Lübeck]], von wo er am nächsten Morgen mit der [[Postkutsche]] nach [[Hamburg]] reiste. Hier lernte er [[Johann Peter Kohl]] kennen, den Herausgeber der Zeitschrift ''Hamburgische Berichte von Neuen Gelehrten Sachen''. Er besuchte den umfangreichen Garten des Juristen [[Johann Heinrich von Spreckelsen]], in dem er unter anderem 45 [[Aloen|Aloe-]] und 56 [[Mittagsblumengewächse|Mittagsblumen]]-Arten zählte. Auch der Bibliothek von [[Johann Albert Fabricius]] stattete er einen Besuch ab. Als Linné unvorsichtigerweise eine siebenköpfige Hydra, die zu einem hohen Preis zum Verkauf stand und dem Bruder des Hamburger [[Bürgermeister]]s [[Johann Anderson]]<!--(5. Februar 1723; 3. Mai 1743)--> gehörte, als [[Betrug und Fälschung in der Wissenschaft|Fälschung]] entlarvte, riet ihm der Arzt [[Gottfried Jacob Jänisch]], Hamburg zügig zu verlassen, um möglichem Ärger aus dem Weg zu gehen. So brach Linné schon am 27. Mai <!--alt: 16. Mai-->von [[Hamburg-Altona|Altona]] nach [[Holland]] auf. Am 13. Juni <!--(alt: 2. Juni)-->kam Linné in [[Amsterdam]] an. Hier hielt er sich nur wenige Tage auf und segelte am Abend des 16. Juni nach [[Harderwijk]], um endlich den lang erwarteten Abschluss als Doktor der Medizin zu erhalten. Noch am selben Tag schrieb er sich in das ''Album Studiosorum'' der [[Universität Harderwijk]] ein. Zwei Tage später bestand er bei [[Johannes de Gorter]] seine Prüfung als ''Candidatus Medicinae'' und übergab diesem seine Dissertation ''Hypothesis Nova de Febrium Intermittentium Causa''<ref>[http://www.botanicus.org/page/497533 ''Hypothesis Nova de Febrium Intermittentium Causa'']</ref>, die er schon in Schweden fertiggestellt hatte. Die verbleibenden Tage bis zu seiner Prüfung verbrachte er botanisierend mit David de Gorter, dem Sohn seines Prüfers. Am Mittwoch, den 23. Juni 1735, <!--(12. Alt)-->bestand er sein Examen und kehrte, nachdem ihm sein Diplom ausgehändigt wurde, schon am nächsten Tag nach Amsterdam zurück. Hier verweilte er nur kurz, denn er wollte unbedingt [[Herman Boerhaave]] kennenlernen, der in [[Leiden (Stadt)|Leiden]] wirkte. Das Treffen <!--5. Juli 1735--> auf Boerhaaves Landsitz [[Oud-Poelgeest]] kam erst aufgrund der Unterstützung von [[Jan Frederik Gronovius]] zustande, der ihm ein [[Empfehlungsschreiben]] ausstellte. Zuvor hatte Linné Gronovius und [[Isaac Lawson]] einige seiner [[Manuskript]]e gezeigt, darunter einen ersten Entwurf von ''[[Systema Naturae]]''. Beide waren von der Originalität des Linnéschen Ansatzes, die drei Naturreiche [[Mineral]]ien, [[Pflanzen]] und [[Tier]]e zu [[Klassifizierung|klassifizieren]], so beeindruckt, dass sie beschlossen, das Werk auf eigene Kosten herauszugeben. Gronovius und Lawson wirkten als [[Korrektor]]en für dieses und weitere in Holland entstandene Werke Linnés und überwachten die Fortschritte der [[Drucklegung]]. Auf Boerhaaves Empfehlung fand Linné Arbeit und Unterkunft bei [[Johannes Burman]], dem er bei der Zusammenstellung seines ''Thesaurus Zeylanicus'' half. In Burmans Haus stellte Linné sein Werk ''[[Bibliotheca Botanica]]'' fertig und lernte dort auf Empfehlung von Gronovius den Bankier [[George Clifford III.|George Clifford]] kennen. Gronovius hatte Clifford vorgeschlagen, Linné als [[Kurator (Museum)|Kurator]] seiner Sammlung in [[Hartekamp]] einzustellen und von ihm seinen Garten, den ''Hortus Hartecampensis'', beschreiben zu lassen.<ref>Johan Frederik Gronovius an Carl Linnaeus, 1. September 1735, [http://linnaeus.c18.net/Letters/display_letter.php?id=L0044 Brief L0044] in [http://linnaeus.c18.net/ The Linnaean correspondence] (abgerufen am 11. März 2008).</ref> Am 24. September 1735 begann Linné seine Arbeit in Hartekamp. Nur fünf Tage später erhielt er die Botschaft, dass sein Freund [[Peter Artedi]], den er erst wenige Wochen vorher <!--8. Juli-->zufällig in Amsterdam wiedergetroffen hatte, in einem [[Gracht|Amsterdamer Kanal]] ertrunken war. Linné erfüllte das wechselseitige Versprechen der Freunde, das Werk des Anderen fortzuführen und zu veröffentlichen, und bearbeitete und verlegte während seiner Zeit in Holland die Werke von Artedi. Bald nach Linnés Ankunft in Hartekamp traf dort der deutsche Pflanzenzeichner [[Georg Dionysius Ehret]] ein, der von Clifford eine Zeit lang als Zeichner eingestellt wurde. Linné erklärte ihm sein [[Sexualsystem der Pflanzen|neues Klassifizierungssystem]] für Pflanzen, woraufhin Ehret, zunächst für seinen privaten Gebrauch, eine Zeichnung mit den Unterscheidungsmerkmalen der 24 Klassen anfertigte. Die Tafel mit dem Titel ''Caroli Linnaei classes sive literae'' wurde Bestandteil der [[Erstausgabe]] von Linnés ''Systema Naturae'' und vielen weiteren seiner Werke. In Hartekamp arbeite Linné unermüdlich an mehreren Projekten gleichzeitig. So entstanden hier seine Werke ''[[Fundamenta Botanica]]'', ''Flora Lapponica'', ''[[Genera Plantarum]]'' und ''[[Critica Botanica]]'', und gingen Seite für Seite nach der Korrektur zum [[Buchdruck|Drucker]]. Nebenher gelang es ihm, mit Hilfe des deutschen Gärtners [[Dietrich Nietzel]] die in einem der [[Gewächshaus|Warmhäuser]] Cliffords wachsende [[Dessertbanane|Bananenpflanze]] zu Blüte und Fruchtansatz zu bringen. Dieses Ereignis war der Anlass für ihn, die Abhandlung ''[[Musa Cliffortiana]]'' zu schreiben. Das Werk ist die erste [[Monografie]] über eine [[Gattung (Biologie)|Pflanzengattung]]. === England und Frankreich === Im Sommer 1736<!-- Abreise am 21. Juli 1736 --> wurde Linnés Arbeit in Holland durch eine Reise nach [[England]] unterbrochen. <!--In [[London]] wohnte er beim Pfarrer [[Tobias Björk]]<ref>'''Tobias Björk''' (1704–1778), schwedischer Geistlicher. Er war 1735 Pfarrer der [[Schwedische Kirche|Schwedischen Kirche]] in London. 1752 Dekan von Norrbärke in Dalarna.</ref>--> In [[London]] studierte er [[Hans Sloane]]s Sammlung und erhielt von [[Philip Miller]] aus dem [[Chelsea Physic Garden]] seltene Pflanzen für Cliffords Garten. Während des einmonatigen Aufenthaltes traf er mit [[Peter Collinson]] und [[John Martyn (Botaniker)|John Martyn]] zusammen. Bei einem Kurzaufenthalt in [[Oxford]] lernte er [[Johann Jacob Dillen]] kennen.<!-- und [[James Sherard]], vor Ende August 1736 wieder zurück--> Zurück in Hartekamp arbeitete Linné unter dem zunehmenden Druck von Clifford<ref>Carl Linnaeus an Johannes Burman, 25. September 1736, [http://linnaeus.c18.net/Letters/display_letter.php?id=L0093 Brief L0093] in [http://linnaeus.c18.net/ The Linnaean correspondence] (abgerufen am 11. März 2008).</ref> am ''[[Hortus Cliffortianus]]'' weiter, dessen Fertigstellung sich aber insbesondere auf Grund von Problemen mit den [[Kupferstich]]en bis 1738 verzögerte. Im Sommer 1737 wurde ihm von Boerhaave der Posten eines Arztes der [[Niederländische Ostindien-Kompanie|Niederländischen Ostindien-Kompanie]] in [[Niederländisch-Guayana]] angeboten. Er lehnte jedoch ab und empfahl Boerhaave stattdessen den Arzt [[Johann Bartsch (Botaniker)|Johann Bartsch]], der ihm bei der Bearbeitung seiner ''Flora Lapponica'' geholfen hatte. Zu dieser Zeit hatte Linné bereits Pläne, Holland wieder zu verlassen, und schlug alle Angebote Cliffords aus, auf dessen Kosten zu bleiben. Erst als [[Adriaan van Royen]] ihn bat, den [[Botanischer Garten Leiden|Botanischen Garten in Leiden]] nach seinem System neu zu ordnen und wenigstens noch über den Winter zu bleiben, gab Linné nach. Seine Reisepläne indes standen fest. Über [[Frankreich]] und Deutschland, wo er unter anderem [[Albrecht von Haller]] in [[Göttingen]] zu treffen hoffte, wollte er endgültig nach Schweden zurückkehren. Ein schweres Fieber, an dem er Anfang 1738 mehrere Wochen litt, verzögerte die Abreise jedoch immer weiter. Im Mai 1738 hatte sich Linné soweit erholt, dass er die Reise nach Frankreich antreten konnte. Von Leiden aus reiste er über [[Antwerpen]], [[Brüssel]], [[Mons]], [[Valenciennes]] und [[Cambrai]] nach [[Paris]]. Van Royen hatte ihm ein Empfehlungsschreiben<!-- alt: 7. Mai 1738, in Linnes Tagebuch S. 532 --> an [[Antoine de Jussieu]] mitgegeben. Dieser vertraute ihn aus Zeitmangel der Obhut seines Bruders [[Bernard de Jussieu]] an, der zu dieser Zeit den Lehrstuhl für Botanik am [[Jardin des Plantes|Jardin du Roi]] inne hatte. Gemeinsam besichtigten sie den Königlichen Garten, die [[Herbarium|Herbarien]] von [[Joseph Pitton de Tournefort]], [[Sébastien Vaillant]] und [[Joseph Donat Surian]] sowie die Büchersammlung von [[Antoine-Tristan Danty d’Isnard]], und unternahmen botanische Exkursionen in die Umgebung von Paris.<!--([[Fontainebleau]], [[Burgund]] und [[Versailles]])--> Während einer Sitzung der [[Académie des sciences|Pariser Akademie der Wissenschaften]] wurde Linné auf Grund eines Vorschlags von Bernard de Jussieu korrespondierendes Mitglied der Akademie.<ref>[http://www.academie-sciences.fr/membres/in_memoriam/in_memoriam_liste_alphabetique_L.htm Aufnahme in die Akademie der Wissenschaften ]</ref><!-- alt: 14. Juni 1738--> Der Superintendant des Jardin du Roi [[Charles du Fay]] versuchte vergeblich, Linné von einem Verbleib in Frankreich zu überzeugen. Linné wollte jedoch endlich in seine Heimat zurückkehren. Er gab den Plan auf, nach Deutschland zu reisen, und schiffte sich nach einem Monat Aufenthalt in Frankreich in [[Rouen]] nach Schweden ein. === Rückkehr nach Schweden und Heirat === [[Datei:Carl Linnaeus.jpg|thumb|Bildnis von Linné kurz nach seiner Heirat (1739). Von Johan Henrik Scheffel (1690–1781).]] Über das [[Kattegat]] kam Linné in [[Helsingborg]] an. Nach einem kurzen Aufenthalt bei seiner Familie in Stenbrohult reiste er nach Falun weiter, wo kurz darauf die Verlobung mit Sara Elisabeth Moraea stattfand. Um sich seinen Lebensunterhalt zu verdienen, ließ er sich im September 1738 in [[Stockholm]] als Arzt nieder. Nach anfänglichen Schwierigkeiten erlangte er durch die Bekanntschaft mit [[Carl Gustaf Tessin]] recht schnell Zugang zur Stockholmer Gesellschaft. Gemeinsam mit [[Mårten Triewald]], [[Anders Johan von Höpken]], [[Sten Carl Bielke]], [[Carl Wilhelm Cederhielm]] und [[Jonas Alströmer]] gründete er im Mai 1739 die [[Königlich Schwedische Akademie der Wissenschaften]] und wurde ihr erster Präsident. Die Präsidentschaft gab er satzungsgemäß Ende September 1739 bereits wieder ab. Ebenfalls im Mai 1739 wurde er Nachfolger<!-- alt: 14. Mai 1739--> von Triewald am Königlichen Bergwerkskollegium Stockholm, an dem er Vorlesungen über Botanik und Mineralogie hielt, sowie auf Grund einer Empfehlung des Admirals [[Theodor Ankarcrona]] Arzt der schwedischen Admiralität.<!-- alt: 3. Mai 1739--> Derart finanziell abgesichert konnte er am 7. Juli 1739 seine Verlobte Sara Elisabeth Moraea heiraten. Aus der gemeinsamen Ehe gingen mit Carl, Elisabeth Christina, Sara Magdalena, Lovisa, Sara Christina, Johannes und Sofia sieben Kinder hervor. Sara Magdalena und Johannes starben bereits im Kindesalter. Linnés gleichnamiger [[Carl von Linné (Sohn)|Sohn Carl]] wurde wie sein Vater Botaniker, konnte das Werk des Vaters jedoch nur kurze Zeit fortführen und starb im Alter von 42 Jahren. === Reise durch Öland und Gotland === Einen Monat nach seiner Hochzeit kehrte Linné nach Stockholm zurück. Im Januar 1741 erhielt er vom Ständereichstag das Angebot, die Inseln [[Öland]] und [[Gotland]] zu erkunden. Linné und seine sechs Begleiter, darunter Johan Moraeus, ein Bruder seiner Frau, <!-- P. Adlerheim, Johan Moraeus (ein Bruder seiner Frau), H. J. Gahn, G. Dubois, F. Ziervogel, S. Wendt-->brachen am 26. Mai 1741 von Stockholm aus auf. Sie waren zweieinhalb Monate<!-- in Stockholm zurück am 8. August 1741--><!-- alt: 15. Mai bis 28. Juli --> unterwegs und erregten durch ihre Tätigkeit im Vorfeld des [[Russisch-Schwedischer Krieg (1741–1743)|Russisch-Schwedischen Kriegs]] manchmal den Verdacht russischer Spionageaktivitäten. Mit der Veröffentlichung des Reiseberichtes ''Ölandska och Gothländska Resa'' 1745 hatte Linné zum ersten Mal ein Werk in seiner [[Schwedische Sprache|schwedischen]] Muttersprache verfasst. Bemerkenswert ist der Index des Werkes, in dem die Pflanzen verkürzt in [[Binomen|binominaler]] Weise benannt waren. Außerdem wurde mit einem numerischen Index auf die Arten in dem im gleichen Jahr erschienenen Werk ''Flora Suecica'' verwiesen. === Professor in Uppsala === [[Datei:CarlvonLinne_house.jpg|thumb|Linnés Wohnhaus in Uppsala stand auf dem Gelände des [[Linné-Garten|Botanischen Gartens der Universität.]]]] Im Frühjahr 1740 starb [[Olof Rudbeck der Jüngere|Olof Rudbeck]], und dessen Lehrstuhl für Botanik an der Universität Uppsala musste neu besetzt werden. [[Lars Roberg]], Inhaber des Lehrstuhls für Medizin, wollte sich bald zur Ruhe setzen, so dass dieser Lehrstuhl ebenfalls neu zu vergeben war. Neben Linné gab es mit [[Nils Rosén von Rosenstein]] und [[Johan Gottschalk Wallerius]] zwei weitere Anwärter. In Absprache mit dem schwedischen Kanzler [[Carl Gyllenborg]] sollte Rosén die Stelle Rudbecks erhalten und Linné die freiwerdende Position von Roberg. Später sollten sie dann die Lehrstühle tauschen. Linnés offizielle Ernennung zum Professor für Medizin erfolgte am 16. Mai 1741.<!-- alt 5. Mai 1741---> In seiner Rede „Von der Bedeutung in seinem eigenen Land zu Reisen“<ref>''Oratio qua peregrinationum intra patriam asseritur necessitas''</ref> anlässlich der Übernahme das Lehrstuhls, die er am 8. November 1741 hielt<!-- alt 27. Oktober 1741-->, betonte er den ökonomischen Nutzen, der sich aus einer Kartierung der schwedischen Natur ergäbe. Jedoch sei es nicht nur wichtig, die Natur zu studieren, sondern auch lokale Krankheiten, deren Heilmethoden und die verschiedenartigen landwirtschaftlichen Methoden. Seine erste öffentliche Vorlesung fand knapp eine Woche später statt.<!--alt: 2. November 1741, 10 Uhr--> Ende des Jahres tauschten Linné und Rosen die Lehrstühle. Linné unterrichtete Botanik, [[Diätetik]], [[Materia medica|Materia Medica]] und hatte die Aufsicht über den [[Linné-Garten|Alten Botanischen Garten]]. Rosen lehrte Praktische Medizin, [[Anatomie]] und [[Physiologie]]. Für die Gebiete [[Pathologie]] und Chemie waren sie gemeinsam verantwortlich. Linné begann mit der Umgestaltung des Botanischen Gartens und beauftragte damit [[Carl Hårleman]]. Das zum Garten gehörende Haus von [[Olof Rudbeck der Ältere|Olof Rudbeck dem Älteren]] wurde renoviert und Linné zog mit seiner Familie dort ein. Im Garten wurden neue [[Gewächshaus|Gewächshäuser]] errichtet und Pflanzen aus der ganzen Welt angesiedelt. In seinem Werk ''Hortus Upsaliensis'' beschrieb Linné 1748 etwa 3000 verschiedene Pflanzenarten, die in diesem Garten kultiviert wurden. 1750 wurde er [[Rektor]] der Universität Uppsala. Diese Position übte er bis wenige Jahre vor seinem Tod aus. Vor seinem Amtsantritt als Rektor hatte Linné noch zwei weitere Reisen durch Schweden unternommen. Vom 23. Juni bis 22. August 1746 bereiste er gemeinsam mit [[Erik Gustaf Lidbeck]], der später Professor in Lund wurde, die Provinz [[Västergötland]].<!--alt 12. Juni 1746 bis 11. August 1746--> Linnés Aufzeichnungen erschienen ein Jahr später unter dem Titel ''Västgöta Resa''. Eine letzte Reise führte Linné vom 10. Mai bis 24. August 1749<!--alt 29. April 1749 bis 13. August 1749--> durch die südlichste schwedische Provinz [[Schonen]]. Sein Student [[Olof Andersson Söderberg]], der im Vorjahr bei ihm promoviert hatte und später Professor in Halle war, ging ihm während der Reise als sein Sekretär zur Hand. Die ''Skånska Resa'' wurde 1751 veröffentlicht. Mitte Dezember 1772 hielt er seine Abschiedsrede über „Die Freuden der Natur“.<ref>''Deliciae Natura''. Tal hållit uti Upsala la Domkyrka. År 1772. den 14 Dec. vid Rectoratets nedlåggande''. Stockholm 1773. [http://books.google.de/books?id=z-kQAAAAIAAJ&pg=RA1-PA156 Deutsche Kurzrezension der Rede]</ref> === Species Plantarum === :''Hauptartikel: [[Species Plantarum]]'' [[Datei:Species_plantarum_001.jpg|thumb|In ''Species Plantarum'' (1753) verwandte Linné erstmals durchgängig [[Binomen|binominale]] Namen für Pflanzenarten, wie sie in der modernen [[Internationaler Code der Botanischen Nomenklatur|botanischen Nomenklatur]] noch heute üblich sind.]] Linnés Reisen durch Schweden ermöglichten es ihm, in den Werken ''Flora Suecica'' (1745) und ''Fauna Suecica'' (1746) die Pflanzen- und Tierwelt Schwedens ausführlich zu beschreiben. Sie waren wichtige Schritte zur Vollendung seiner beiden bedeutsamsten Werke ''[[Species Plantarum]]'' (erste Auflage 1753) und ''[[Systema Naturae]]'' (zehnte Auflage 1759). Linné ermutigte seine Schüler, die Natur unerforschter Regionen selbst zu erkunden und verschaffte ihnen auch die Möglichkeiten dazu. Die auf Entdeckungsreise gegangenen Schüler nannte er [[Linnés Apostel|„seine Apostel“]]. 1744 schickte ihm der dänische Apotheker August Günther fünf Bände des von [[Paul Hermann]] von 1672 bis 1677 in [[Sri Lanka|Ceylon]] angefertigten Herbariums und bat Linné, ihm bei der Identifizierung der Pflanzen zu helfen. Linné konnte etwa 400 der zirka 660 herbarisierten Pflanzen verwenden und in sein Klassifizierungssystem einordnen. Seine Ergebnisse veröffentlichte er 1747 als ''Flora Zeylanica''.<!-- Dem Werk ist als Anhang die Dissertation von Carl Magnus Dassow beigefügt, in der 41 neue Gattungen aufgeführt werden.--> Ein schwerer [[Gicht]]<nowiki/>anfall zwang Linné 1750, seinem Schüler [[Pehr Löfling]] den Inhalt von ''Philosophia Botanica'' (1751) zu diktieren. Das auf seinen in ''[[Fundamenta Botanica]]'' formulierten 365 Aphorismen aufbauende Werk war als Lehrbuch der Botanik konzipiert. Er stellte darin sein System zu Unterscheidung und Benennung von Pflanzen dar und erläuterte es durch knappe Kommentare. Von Mitte 1751 bis 1752 arbeitete Linné intensiv an der Fertigstellung von ''Species Plantarum''. In den Mitte 1753 erschienenen zwei Bänden beschrieb er auf 1200 Seiten mit ungefähr 7300 Arten alle ihm bekannten Pflanzen der Erde. Besondere Bedeutung hat das [[Epitheton]], das er als [[Marginalie]] zu jeder Art am Seitenrand vermerkte und das eine Neuerung gegenüber seinen früheren Werken war. Der Gattungsname und das Epitheton bilden zusammen den [[Binomen|binominalen]] Namen der Art, so wie er in der modernen [[Internationaler Code der Botanischen Nomenklatur|botanischen Nomenklatur]] noch heute verwendet wird. === Systema Naturae === :''Hauptartikel: [[Systema Naturae]]'' [[Datei:Linnaeus1758-title-page.jpg|thumb|In der 10. Auflage von ''Systema Naturae'' (1758) wandte Linné die binominale Nomenklatur konsequent auf das [[Zoologie|Tierreich]] an.]] <!--:''Hauptartikel: [[Systema Naturae]]'' TODO, da so nicht brauchbar--> Im Veröffentlichungsjahr von ''Species Plantarum'' erschien mit ''Museum Tessinianum'' eine Aufstellung der Objekte der Mineralien- und Fossiliensammlung von [[Carl Gustaf Tessin]], die Linné angefertigte hatte. Das Sammeln von [[Wunderkammer|naturhistorischen Kuriositäten]] war zu dieser Zeit auch in Schweden sehr verbreitet. [[Adolf Friedrich (Schweden)|Adolf Friedrich]] hatte in [[Schloss Drottningholm]] eine Sammlung seltener Tierarten zusammengetragen und beauftragte Linné mit deren Inventarisierung. Linné verbrachte dafür in den Jahren 1751 bis 1754 insgesamt neun Wochen auf dem Schloss des Königs. Der erste Band von ''Museum Adolphi Friderici'' (1754) enthielt 33 Zeichnungen (zwei von [[Affen]], neun von [[Fische]]n und 22 von [[Schlangen]]). Es ist das erste Werk, in dem die binominale Nomenklatur durchgängig in der Zoologie angewendet wurde. In der 10. Auflage von ''[[Systema Naturae]]'' übernahm Linné die binominale Nomenklatur endgültig für die Tierarten, die im ersten Band beschrieben sind. Im zweiten Band von ''Systema Naturae'' behandelte er die Pflanzen. Ein ursprünglich geplanter dritter Band, der die Mineralien zum Inhalt haben sollte, erschien nicht. 1758, das Erscheinungsjahr von ''Systema Naturae'', markiert damit den Beginn der modernen [[Internationale Regeln für die Zoologische Nomenklatur|zoologischen Nomenklatur]]. Die schwedische Königin [[Luise Ulrike von Preußen|Luise Ulrike]] hatte in ihrem [[Schloss Ulriksdal]] ebenfalls eine naturhistorische Sammlung angelegt, die aus 436 [[Insekten]], 399 [[Muscheln]] und 25 weiteren [[Weichtiere|Mollusken]] bestand und in der Abhandlung ''Museum Ludovicae Ulricae'' (1764) durch Linné beschrieben wurde. Den Anhang bildete der zweite Band der Beschreibung des Museums ihres Mannes mit 156 Tierarten. === Letzte Jahre === [[Datei:CarlvonLinne gravestone.jpg|thumb|Grabstein von Carl von Linné und seinem gleichnamigen Sohn im Dom zu Uppsala.]] In seinen letzten Lebensjahren war Linné damit beschäftigt, die zwölfte Auflage von ''Systema Naturae'' (1766–1768) zu bearbeiten. Es entstanden die als Anhang dazu gedachten Werke ''Mantissa Plantarum'' (1767) und ''Mantissa Plantarum Altera'' (1771). In ihnen beschrieb er zahlreiche neue Pflanzen, die er von seinen Korrespondenten aus der ganzen Welt erhalten hatte. Im Mai 1774 erlitt er während einer Vorlesung im Botanischen Garten der Universität Uppsala einen [[Schlaganfall]]. Ein zweiter Schlaganfall 1776 lähmte seine rechte Seite und schränkte seine geistigen Fähigkeiten ein. Carl von Linné starb am 10. Januar 1778 an einem Geschwür an der [[Harnblase]] und wurde im [[Dom zu Uppsala]] begraben. == Rezeption und Nachwirkung == Der im 20. Jahrhundert wirkende britische Botaniker [[William Thomas Stearn]] fasste Linnés Bedeutung folgendermaßen zusammen: {{Zitat|Obwohl Linné als bahnbrechender Ökologe, Geobotaniker, Dendrochronologe, Evolutionist, botanischer Pornograf und Sexualist und vieles mehr bezeichnet wurde, bestehen seine einflussreichsten und wertvollsten Beiträge zu Biologie unzweifelhaft in der erfolgreichen Einführung der binominalen Nomenklatur für Pflanzen- und Tierarten, auch wenn diese Leistung nur ein zufälliges Nebenprodukt seiner enormen enzyklopädischen Tätigkeit war, um in knapper, präziser und praktischer Form die Mittel für das Erkennen und Erfassen ihrer Gattungen und Arten bereitzustellen.|William Thomas Stearn|In: ''The Compleat Naturalist: A Life of Linnaeus.'' 2004<ref>William Thomas Stearn: ''Linnaean Classification, Nomenclature and Method''. In: ''Wilfrid Blunt: The Compleat Naturalist: A Life of Linnaeus''. 2004, S. 256. ISBN 0-7112-2362-9</ref>}} === Lebenswerk === [[Datei:Karte Linne.png|thumb|Wirkungsorte Linnés.]] Mit seinen Verzeichnissen ''[[Species Plantarum]]'' (für Pflanzen, 1753) und ''[[Systema Naturae]]'' (für Pflanzen, Tiere und Mineralien, 1758/1759 beziehungsweise 1766–1768) schuf Linné die Grundlagen der modernen botanischen und zoologischen [[Nomenklatur (Biologie)|Nomenklatur]]. In diesen beiden Werken gab er zu jeder beschriebenen [[Art (Biologie)|Art]] zusätzlich ein [[Epitheton]] an. Gemeinsam mit dem Namen der [[Gattung (Biologie)|Gattung]] diente es als Abkürzung des eigentlichen Artnamens, der aus einer langen beschreibenden Wortgruppe (Phrase) bestand. Aus ''Canna foliis ovatis utrinque acuminatis nervosis'' entstand so die leicht zu merkende Bezeichnung ''[[Canna indica]]''. Das Ergebnis der Einführung [[Binomen|zweiteiliger Namen]] ist die konsequente Trennung der Beschreibung einer Art von ihrer Benennung.<ref>Peter Seidensticker: ''Pflanzennamen: Überlieferung, Forschungsprobleme, Studien''. Franz Steiner Verlag: 1999, S. 33-36</ref> Durch diese Trennung konnten neu entdeckte Pflanzenarten unproblematisch in seine Systematik aufgenommen werden. Linnés Systematik umfasste die drei Naturreiche Mineralien (einschließlich der Fossilien), Pflanzen und Tiere. Im Gegensatz zu seinen Beiträgen zur Botanik und Zoologie, deren fundamentale Bedeutung für die [[Systematik (Biologie)|biologische Systematik]] schnell anerkannt wurde, blieben seine [[Mineralogie|mineralogischen]] Untersuchungen bedeutungslos, da ihm die dafür notwendigen chemischen Kenntnisse fehlten. Die erste chemisch begründete Klassifizierung der Mineralien wurde 1758 von [[Axel Frederic Cronstedt|Axel Frederic von Cronstedt]] aufgestellt.<ref>Axel Frederic von Cronstedt: ''Försök til Mineralogie, eller Mineral-Rikets Upställning''. Wildisksa tryckeriet: Stockholm 1758 (anonym erschienen) [http://books.google.ch/books?id=ThsOAAAAQAAJ Deutsche Ausgabe von 1770].</ref> In grundsätzliche Opposition zu der von Linné vertretenden Auffassung, dass die ganze [[Natur]] in eine [[Taxonomie]] erfasst werden kann, stand der zeitgenössische Naturforscher [[Georges-Louis Leclerc de Buffon]]. Buffon war der Ansicht, dass die Natur zu unterschiedlich und zu reich sei, um sich einem so strengen Rahmen anzupassen.<ref>[[Michel Foucault]]: ''Die Ordnung der Dinge''. Eine Archäologie der Humanwissenschaften. 14. Auflage, Frankfurt a.M. 1997, S. 166, ISBN 3-518-27696-4.</ref> Der Philosoph [[Michel Foucault]] beschrieb Linnés Vorgehensweise des [[Klassifizierung|Klassifizierens]] so, dass es ihm darum gegangen sei „systematisch wenige Dinge zu sehen“. Ihm sei es insbesondere darum gegangen, die [[Ähnlichkeit (Philosophie)|Ähnlichkeiten]] der Dinge in der Welt aufzulösen. So schrieb Linné in seiner ''Philosophia Botanica'': „Alle dunklen Ähnlichkeiten sind nur zur Schande der Kunst eingeführt worden“.<ref>Michel Foucault: ''Die Ordnung der Dinge''. Eine Archäologie der Humanwissenschaften. 14. Auflage, Frankfurt a.M. 1997, S. 175. (Quelle: Linné, ''Philosophia Botanica'', § 299.)</ref> Linné ging zudem von der [[Artenkonstanz|Konstanz der Arten]] aus: „Es gibt so viele Arten, als Gott am Anfang als verschiedene Gestalten geschaffen hat.“<ref>Zitiert nach Mädgefrau S. 70</ref><ref>„Species tot sunt, quot diversas formas ab initio produxit Infinitum Ens“. In Paragraph&nbsp;5 der ''Ratio Operis''. aus ''Genera Plantarum''.</ref> Er unterteilte die Arten bewusst anhand künstlich ausgewählter Merkmale wie Anzahl, Form, Größenverhältnis und Lage<ref>Han-liang Chang: ''Natural History or Natural System? Encoding the Textual Sign''. 2004, S. 6 [http://homepage.ntu.edu.tw/~changhl/changhl/natural%20system_proofs.pdf online]</ref> in [[Klasse (Biologie)|Klassen]] und [[Ordnung (Biologie)|Ordnungen]], um ein einfach zu handhabendes und leicht erlernbares System für die Einordnung der Arten zu schaffen. Entsprechend seiner [[Essentialismus|essentialistischen]] Perspektive mussten alle Angehörigen einer Art dieselbe [[Essenz]] haben. Dennoch ließ er eine gewisse Variation gelten: Für den Fall, dass die Angehörigen einer Art nur wenig voneinander abwichen, führte er den Begriff „[[Varietät (Biologie)|Varietät]]“ ein.<ref>[[Ernst Mayr]]: ''Die Entwicklung der biologischen Gedankenwelt''. Vielfalt, Evolution und Vererbung. Übersetzt von K. de Sousa Ferreira. Berlin / Heidelberg u.a. 2002, S. 231, ISBN 3-540-43213-2. (Nachdruck der Ausgabe, Berlin, Heidelberg, New York, Springer, 1984.)</ref> Bei den Pflanzen verwandte er beispielsweise Merkmale der [[Staubblatt|Staubblätter]], um die Klasse zu bestimmen und Merkmale der [[Stempel (Botanik)|Stempel]], um die Ordnung einer Pflanzenart festzulegen. Auf diese Weise entstand ein sogenanntes „künstliches System“, da es die natürlichen Verwandtschaftsverhältnisse der Arten untereinander nicht berücksichtigte. Die [[Gattung (Biologie)|Gattungen]] und [[Art (Biologie)|Arten]] hielt er für natürlich<ref>„Omnia Genera & Species naturalia sunt.“ (deutsch: „Die Gattungen und Arten sind alle natürlich.“) In Paragraph&nbsp;6 der ''Ratio Operis'' aus ''Genera Plantarum''.</ref> und ordnete sie daher unter Verwendung einer Vielzahl von Kennzeichen entsprechend ihrer Ähnlichkeit. Linné war bestrebt, ein „natürliches System“ zu schaffen, kam jedoch über Ansätze wie ''Ordines Naturales'' in der sechsten Auflage von ''Genera Plantarum'' (1764) nicht hinaus. Für die Pflanzen gelang es erst [[Antoine-Laurent de Jussieu]], ein solches natürliches System aufzustellen. === Auszeichnungen und Würdigung === [[Datei:Linnaea borealis.jpg|thumb|Das [[Moosglöckchen]] ist nach Linné benannt.]] Linné wurde am 30. Januar 1747<!--alt 19. Januar 1747--> zum [[Leibarzt|Archiater]] (Leibarzt) des Königs ernannt. Am 27. April 1753 wurde ihm der [[Nordstern-Orden]] verliehen. Ende 1756 wurde Carl Linnaeus vom Schwedischen König Adolf Friedrich geadelt und nahm den Namen Carl von Linné an.<!--alt 20. November 1756--><ref>''Linnaeus's Diary''. In: Pulteney S. 548</ref> Den auf den 20. April 1757<ref>Nils-Erik Landell: ''Linnés fjäril''. In: ''Arte et Marte: Meddelanden från Riddarhuset''. Band 61, Nr. 1, 2007, S. 6-7 [http://www.riddarhuset.se/jsp/admin/archive/sbdocarchive/AeM_2007_1.pdf online]</ref> datierten [[Adelsbrief]] unterzeichnete der König im November 1761. Die Erhebung in den Adelsstand wurde erst Ende 1762 mit der Bestätigung durch das [[Riddarhuset]] wirksam. [[Jan Frederik Gronovius]] benannte Linné zu Ehren die Gattung ''[[Moosglöckchen|Linnaea]]'' (Moosglöckchen) der Pflanzenfamilie der [[Linnaeaceae]]. Ebenso sind nach ihm der Mondkrater [[Linné (Mondkrater)|Linné]] im [[Mare Serenitatis]] sowie der [[Asteroid]] [[(7412) Linnaeus|Linnaeus]] benannt. Linné war Mitglied zahlreicher [[Akademie der Wissenschaften|wissenschaftlicher Akademien]] und [[Gelehrtengesellschaft]]en. <!-- etwa 20, hier nur die ich validieren konnte--> Hierzu zählten unter anderem die [[Leopoldina|Deutsche Akademie der Naturforscher Leopoldina]], der er unter dem Namen ''Dioscurides II.'' angehörte, die [[Königliche Gesellschaft der Wissenschaften in Uppsala]], die Société Royale des Sciences de Montpellier, die [[Königlich-Preußische Akademie der Wissenschaften]]<ref>{{WH-BAW-1992|name=Linné, Karl von (1757)|id=1656|seite=220}}</ref>, die [[Royal Society]]<ref>[http://royalsociety.org/DServe/dserve.exe?dsqIni=Dserve.ini&dsqApp=Archive&dsqCmd=Show.tcl&dsqDb=Persons&dsqPos=0&dsqSearch=(Surname='Linnaeus') Eintrag] im Archiv der [[Royal Society]]</ref>, die Académie royale des Sciences, Inscriptions et Belles-Lettres Toulouse, die [[Académie des sciences|Pariser Akademie der Wissenschaften]] und die Königliche Großbrittannische Churfürstliche Braunschweigische Lüneburgische Landwirthschaftsgesellschaft Celle. Der Botaniker [[William Thomas Stearn]] erklärte 1959 das im Dom von Uppsala bestattete Skelett von Carl von Linné zum [[Lectotypus]] für die Art ''[[Mensch|Homo sapiens]]''.<ref>W. T. Stearn: ''The Background of Linnaeus's Contributions to the Nomenclature and Methods of Systematic Biology''. In: ''Systematic Zoology''. Band 8, Nr. 1, März 1959, S. 4</ref> === Nachlass und Briefwechsel === [[Datei:Medaille-Linnaeus.jpg|thumb|Die [[Linné-Medaille]] wird von der [[Linnean Society of London]] seit 1888 jährlich vergeben.]] Nach dem Tod Linnés und dem Tod seines Sohnes [[Carl von Linné (Sohn)|Carl]] bot seine Frau Sara den gesamten Nachlass [[Joseph Banks]] für 3000 [[Guinee]]n zum Kauf an. Dieser lehnte jedoch ab und überzeugte [[James Edward Smith (Botaniker)|James Edward Smith]], die Sammlung zu erwerben. Im Oktober 1784 kam Linnés Sammlung in London an und wurde in [[Chelsea (London)|Chelsea]] öffentlich ausgestellt. Linnés Nachlass ist heute im Besitz der [[Linnean Society of London|Londoner Linné-Gesellschaft]]<ref>[http://www.linnean.org/index.php?id=50 Eintrag] über Sir James Edward Smith bei der [[Linnean Society of London]]</ref>, deren höchste Auszeichnung die jährlich vergebene [[Linné-Medaille]] ist. Linné unterhielt bis zu seinem Tod einen umfangreichen [[Briefwechsel]] mit Partnern in der ganzen Welt. Davon stammten ungefähr 200 aus Schweden und 400 aus anderen Ländern. Über 5000 Briefe sind erhalten geblieben.<ref>[http://linnaeus.c18.net/Doc/presentation.php The Linnaean Correspondence – Presentation]</ref> Allein sein Briefwechsel mit [[Abraham Bäck]], seinem engen Freund und Vertrauten, umfasst weit über 500 Briefe. Wichtige botanische und zoologische Briefpartner waren [[Herman Boerhaave]], [[Johannes Burman]], [[Jan Frederik Gronovius]] und [[Adriaan van Royen]] in Holland, [[Joseph Banks]], [[Mark Catesby]], [[Peter Collinson]], [[Philip Miller]], [[James Petiver]] und [[Hans Sloane]] in England, [[Johann Reinhold Forster]], [[Johann Gottlieb Gleditsch (Botaniker)|Johann Gottlieb Gleditsch]], [[Johann Georg Gmelin]] und [[Albrecht von Haller]] in Deutschland, [[Nikolaus Joseph von Jacquin]] in Österreich, sowie [[Antoine Nicolas Duchesne]] und [[Bernard de Jussieu]] in Frankreich. === Kritiker === [[Datei:Hortus Cliffortianus-Sigesbeckia.jpg|thumb|Im ''[[Hortus Cliffortianus]]'' benannte Linné die Gattung ''[[Sigesbeckia]]'' nach [[Johann Georg Siegesbeck]], der wenig später zu einem seiner deutlichsten Kritiker wurde. Die Zeichnung stammt von [[Jan Wandelaar]].]] Die von Linné schon 1729 als Student in ''[[Praeludia Sponsaliorum Plantarum]]'' verwendete [[Analogie (Philosophie)|Analogie]] von Pflanzen und Tieren hinsichtlich ihrer Sexualität provozierte etliche seiner Zeitgenossen zur Kritik. Eine erste Kritik zu Linnés [[Sexualsystem der Pflanzen]] schrieb [[Johann Georg Siegesbeck]] 1737 in einer Anlage zu seiner Schrift ''Botanosophiae''<!--S. 49-->: „[Wenn] acht, neun, zehn, zwölf oder gar zwanzig und mehr Männer in demselben Bett mit einer Frau gefunden werden [oder wenn] dort, wo die Betten der wirklichen Verheirateten einen Kreis bilden, auch die Betten der Dirnen einen Kreis beschließen, so dass die von verheirateten Männern begattet werden […] Wer möchte glauben, dass von Gott solche verabscheuungswürdige Unzucht im Reiche der Pflanzen eingerichtet wurden ist? Wer könnte solch unkeusches System der akademischen Jugend darlegen, ohne Anstoß zu erregen?“<ref>Zitiert nach Karl Mägdefrau S. 71.</ref> [[Julien Offray de La Mettrie]] spottete in ''L'Homme Plante'' (1748, kurz danach Bestandteil von ''L'Homme Machine'') über Linnés System, indem er darin die [[Menschheit]] anhand der von Linné eingeführten Begriffe klassifizierte. Die Menschheit bezeichnete er als ''Dioecia'' (d.&nbsp;h. männliche und weibliche Blüten auf verschiedenen Pflanzen). Männer gehören zur Ordnung ''Monandria'' (ein [[Staubblatt]]) und Frauen zur Ordnung ''Monogyna'' (ein [[Stempel (Botanik)|Stempel]]). Die [[Kelchblatt|Kelchblätter]] interpretierte er als Kleidung, die [[Kronblatt|Kronblätter]] als Gliedmaßen, die [[Nektarium|Nektarien]] als Brüste und so fort.<ref>Julien Offray de La Mettrie: [http://books.google.ch/books?id=l4sNAAAAQAAJ&pg=PA49 ''L'Homme Plante'']. In: ''Oeuvres philosophiques de La Mettrie''. Band 2, 1796, S. 49-75</ref> Selbst [[Johann Wolfgang von Goethe]], der bekannte, „dass nach Shakespeare und Spinoza auf mich die größte Wirkung von Linné ausgegangen [ist], und zwar gerade durch den Widerstreit, zu welchem er mich aufforderte“<ref>Johann Wolfgang von Goethe: ''Geschichte meines botanischen Studiums'' 1817</ref> urteilte: „Wenn unschuldige Seelen, um durch eigenes Studium weiter zu kommen, botanische Lehrbücher in die Hand nehmen, können sie nicht verbergen, dass ihr sittliches Gefühl beleidigt sei; die ewigen Hochzeiten, die man nicht los wird, wobei die Monogamie, auf welche Sitte, Gesetz und Religion gegründet sind, ganz in vage Lüsternheit sich auflöst, bleibt dem reinen Menschensinn unerträglich.“<ref>Johann Wolfgang von Goethe: ''Die Metamorphose der Pflanzen''. In: Johann Heinrich Cotta (Herausgeber): ''Goethe's sämmtliche Werke in vierzig Bänden. Vollständige, neugeordnete Ausgabe. (40 Bde. in 20 Bden)''. 1853-1858, Band 27, S. 102 [http://books.google.de/books?id=M4goAAAAMAAJ&pg=PA102 online]</ref> == Schriften == [[Datei:Linne autograph.png.svg|thumb|Linnés Unterschrift.]] === Werke (Auswahl) === Linné hat zahlreiche Bücher verfasst, von denen viele in mehreren Auflagen erschienen. Einige davon sind in [[Digitalisierung|digitalisierter Form]] bei verschiedenen Anbietern wie dem [[Gallica]]-Projekt der [[Bibliothèque nationale de France|Französischen Nationalbibliothek]], der [http://www.biolib.de/ Online Library of Biological Books], der [[Niedersächsische Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen|Niedersächsischen Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen]], der [http://www.botanicus.org/ Botanicus Digital Library] und der [[Google Book Search|Google Buchsuche]] im Volltext verfügbar. Zu den wichtigsten Werken Linnés zählen: * ''[[Praeludia Sponsaliorum Plantarum]]''. Uppsala, 1729 * ''Florula Lapponica''. In ''Acta Literaria et Scientiarum Sueciae''. Band 3, S. 46-58, 1732 * ''[[Systema Naturae]]''. Johan Wilhelm de Groot, Leiden 1735 * ''[[Bibliotheca Botanica]]''. Salomon Schouten, Amsterdam 1735; [http://gallica.bnf.fr/ark:/12148/bpt6k96603z digitalisierte Fassung] * ''[[Fundamenta Botanica]]''. Salomon Schouten, Amsterdam 1735; [http://gallica.bnf.fr/ark:/12148/bpt6k96608p digitalisierte Fassung] * ''[[Musa Cliffortiana]]''. Leiden 1735; [http://caliban.mpiz-koeln.mpg.de/~stueber/linne/musa/index.html digitalisierte Fassung] * ''Flora Lapponica'' Salomon Schouten, Amsterdam 1737; [http://caliban.mpiz-koeln.mpg.de/~stueber/linne/lapponica/index.html digitalisierte Fassung] * ''[[Genera Plantarum]]''. Conrad Wishoff, Leiden 1737; [http://gallica.bnf.fr/ark:/12148/bpt6k967931 digitalisierte Fassung] der 2. Auflage * ''[[Critica Botanica]]''. Conrad Wishoff, Leiden 1737; [http://books.google.com/books?id=TBMAAAAAQAAJ digitalisierte Fassung] * ''[[Hortus Cliffortianus]]'', Amsterdam 1738; [http://caliban.mpiz-koeln.mpg.de/~stueber/linne/hortus/index.html digitalisierte Fassung] * ''Classes Plantarum''. Conrad Wishoff, Leiden 1738; [http://gallica.bnf.fr/ark:/12148/bpt6k966049 digitalisierte Fassung] * ''Öländska och Gothländska Resa''. Gottfried Kiesewetter: Stockholm und Upsala 1745; [http://resolver.sub.uni-goettingen.de/purl?PPN371729556 digitalisierte Fassung] * ''Flora Suecica''. Lars Salvius: Stockholm 1745; [http://gallica.bnf.fr/ark:/12148/bpt6k96630v digitalisierte Fassung] * ''Fauna Suecica''. Lars Salvius: Stockholm 1746; [http://resolver.sub.uni-goettingen.de/purl?PPN380933462 digitalisierte Fassung] <!--nicht genehmigte Auflage in Leiden--> * ''Västgöta Resa''. Lars Salvius: Stockholm 1747; [http://resolver.sub.uni-goettingen.de/purl?PPN371259835 digitalisierte Fassung] * ''Flora Zeylanica''. Lars Salvius: Stockholm 1747; [http://caliban.mpiz-koeln.mpg.de/~stueber/linne/zeylanica/index.html digitalisierte Fassung] * ''Hortus Upsaliensis''. Lars Salvius: Stockholm 1748; [http://www.botanicus.org/page/405110 digitalisierte Fassung] * ''Materia Medica''. Lars Salvius: Stockholm 1749; [http://gallica.bnf.fr/ark:/12148/bpt6k966169 digitalisierte Fassung] * ''Skånska Resa''. Lars Salvius: Stockholm 1751; [http://resolver.sub.uni-goettingen.de/purl?PPN371731151 digitalisierte Fassung] * ''Philosophia Botanica''. Gottfried Kiesewetter: Stockholm 1751; [http://caliban.mpiz-koeln.mpg.de/~stueber/linne/philosophia/index.html digitalisierte Fassung] * ''[[Species Plantarum]]''. Lars Salvius: Stockholm 1753; [http://www.botanicus.org/page/358012 digitalisierte Fassung] * ''Museum S. R. M. Adolphi Friderici''. Lars Salvius: Stockholm 1754 * ''[[Systema Naturae]]''. 10. Auflage, Lars Salvius: Stockholm 1758; [http://resolver.sub.uni-goettingen.de/purl?PPN362053006 digitalisierte Fassung] * ''Museum S. R. M. Ludovicae Ulricae''. Lars Salvius: Stockholm 1764; [http://gallica.bnf.fr/ark:/12148/bpt6k97147f digitalisierte Fassung] * ''Mantissa Altera''. Lars Salvius: Stockholm 1767 * ''Mantissa Plantarum Altera''. Lars Salvius: Stockholm 1771; [http://gallica.bnf.fr/ark:/12148/bpt6k966180 digitalisierte Fassung] === Zeitschriftenartikel === Für folgende Zeitschriften hat Linné Artikel verfasst: * ''Acta Societatis Regiae Scientarum Upsaliensis'' * ''Kongliga Svenska Vetenskaps Academiens Handlingar'' * ''Memoires de l'Academie Royale des Science de Paris'' * ''Nova Acta Regiae Societatis Scientarum Upsaliensis'' * ''Novi Commentarii Academiae Scientiarum Imperialis Petropolitanae'' * ''[[Post- och Inrikes Tidningar]]'' === Dissertationen === Unter dem Vorsitz von Linnés sind von 1743 bis 1776 insgesamt 185 [[Dissertation]]en entstanden, die ihm häufig direkt zugeschrieben werden. Die Dissertationen seiner Doktoranden wurden im zehnbändigen ''[[Amoenitates Academicae]]'' (Stockholm bzw. Erlangen, 1751–1790) veröffentlicht. == Literatur == === Biographien === * [[Wilfrid Jasper Walter Blunt|Wilfrid Blunt]]: ''The Compleat Naturalist: A Life of Linnaeus''. 2001. ISBN 0-7112-1841-2 * Cecilia Lucy Brightwell: ''A life of Linnaeus''. London 1858 * Florence Caddy: ''Through the fields with Linnaeus''. 2 Bände, London 1887 * [[Theodor Magnus Fries]]: ''Linné: Lefnadsteckning''. 2 Bände Stockholm, 1903 * Edward Lee Greene: ''Carolus Linnaeus''. Philadelphia 1912 * Benjamin D. Jackson: ''Linnaeus''. London 1923 * Lisbet Koerner: ''Linnaeus: Nature and Nation''. Harvard University Press 1999. ISBN 0-674-00565-1 * [[Richard Pulteney]]: ''A General View of the Writings of Linnaeus''. London 1781 * Dietrich Heinrich Stöver: ''The Life of Sir Charles Linnaeus''. London 1794 === Bibliografien seiner Schriften === * Basil Harrington Soulsby: ''A catalogue of the works of Linnaeus (and publications more immediately thereto) preserved in the libraries of the British Museum (Bloomsbury) and the British Museum (Natural History – South Kensington)''. 2. Auflage, London 1933 * Johan Markus Hulth: ''Bibliographia linnaeana. Materiaux pour servir a une bibliographie linnéenne''. Uppsala 1907 * Felice Bryk: ''Bibliographia Linnaeana ad Species plantarum pertinens''. In: ''Taxon''. Band 2, Nr. 3, Mai 1953, S. 74–84. {{DOI|10.2307/1217345}} * Felice Bryk: ''Bibliographia Linnaeana ad Genera Plantarum Pertinens''. In: ''Taxon''. Band 3, Nr. 6, Sept. 1954, S. 174–183. {{DOI|10.2307/1215955}} === Briefwechsel === * Theodor Magnus Fries, Johan Markus Hulth (Herausgeber): ''Bref och skrifvelser af och till Carl von Linné''. 8 Bände, Stockholm 1907–1922 * [[James Edward Smith (Botaniker)|James Edward Smith]] (Herausgeber): ''A Selection of the Correspondence of Linnaeus''. 2 Bände, London 1821 * [http://linnaeus.c18.net/Letters/index.php Briefwechsel] von Carl von Linné === Zur Rezeption seines Werkes === * A. J. Boerman: ''Carolus Linnaeus. A Psychological Study''. In: ''Taxon'. Band 2, Nr. 7, Okt. 1953, S. 145–156. {{DOI|10.2307/1216487}} * Felix Bryk: ''Promiskuitat der Gattungen als Artbildender Faktor. Zur zweihundertsten Wiederkehr des Erscheinungsjahres der fünften Auflage von Linnes Genera plantarum (1754)''. In: ''Taxon''. Band 3, Nr. 6, Sept. 1954), S. 165–173. {{DOI|10.2307/1215954}} * John Lewis Heller: ''Linnaeus's Hortus Cliffortianus''. In: ''Taxon''. Band 17, Nr. 6, Dez. 1968, S. 663–719. {{DOI|10.2307/1218012}} * John Lewis Heller: ''Linnaeus's Bibliotheca Botanica''. In: ''Taxon''. Band 19, Nr. 3, Juni, 1970, S. 363–411. {{DOI|10.2307/1219065}} * James L. Larson: ''Linnaeus and the Natural Method''. In: ''Isis''. Band 58, Nr. 3, Herbst 1967, S. 304–320 * James L. Larson: ''The Species Concept of Linnaeus''. In: ''Isis''. Band 59, Nr. 3, Herbst, 1968, S. 291–299 * E. G. Linsley, R. L. Usinger: ''Linnaeus and the Development of the International Code of Zoological Nomenclature''. In: ''Systematic Zoology''. Band 8, Nr. 1, März, 1959, S. 39–47. {{DOI|10.2307/2411606}} * [[Karl Mägdefrau]]: ''Geschichte der Botanik''. [[Gustav Fischer Verlag]]: Stuttgart 1992, S. 61–77. ISBN 3-437-20489-0 * Staffan Müller-Wille, Karen Reeds: ''A translation of Carl Linnaeus’s introduction to Genera plantarum''. In: ''Studies in History and Philosophy of Science Part C: Studies in History and Philosophy of Biological and Biomedical Sciences''. Band 38, Nr. 3, September 2007, S. 563–572. {{DOI|doi:10.1016/j.shpsc.2007.06.003}} * Staffan Müller-Wille: ''Collection and collation: theory and practice of Linnaean botany''. In: ''Studies in History and Philosophy of Science Part C: Studies in History and Philosophy of Biological and Biomedical Sciences''. Band 38, Nr. 3, September 2007, S. 541–562. {{DOI|10.1016/j.shpsc.2007.06.010}} * Peter Seidensticker: ''Pflanzennamen: Überlieferung, Forschungsprobleme, Studien''. Franz Steiner Verlag: 1999. ISBN 3-515-07486-4 * [[William Thomas Stearn|W. T. Stearn]]: ''The Background of Linnaeus's Contributions to the Nomenclature and Methods of Systematic Biology''. In: ''Systematic Zoology''. Band 8, Nr. 1, März 1959, S. 4–22. {{DOI|10.2307/2411603}} === Sonstiges === * Tagebuch der Reise durch Lappland [http://gallica.bnf.fr/ark:/12148/bpt6k96615z ''Iter Lapponicum ''] <!--(alt: 12. Mai 1732 – 10. Oktober 1732)--> * Tagebuch der Reise durch Dalarna [http://gallica.bnf.fr/ark:/12148/bpt6k966138 ''Iter Dalekarlicum''] <!--(alt: 3. Juli bis 18. August 1734)--> * Auslandstagebuch [http://gallica.bnf.fr/ark:/12148/bpt6k96614m ''Iter ad exteros''] <!--(alt: 24. November 1734 bis 24. Mai 1734)--> * Carl Linné: ''Des Herrn Archiaters und Ritters von Linné Reisen durch einige schwedische Provinzen''. Curt: Halle 1764 [http://resolver.sub.uni-goettingen.de/purl?PPN529604787 Band 1] == Einzelnachweise == <references /> <!--*[http://gdz.sub.uni-goettingen.de/no_cache/dms/load/img/?IDDOC=254616 ''Museum Tessinianum''] bei der [[Niedersächsische Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen|SUB Göttingen]] * [http://gallica.bnf.fr/ark:/12148/bpt6k96594t/f417.pagination ''Oratio qua peregrinationum intra patriam asseritur necessitas''] bei [[Gallica]] In: ''Amoenitates Academicae'' Band 7--> == Weblinks == {{Commons|Carl von Linné}} {{Wikiquote|Carl von Linné}} * {{DNB-Portal|118573349}} * {{IPNI|L.}} * [http://www.ripa.se/carl-erik/ingalill/0001/45_453.htm Lebensdaten] der Vorfahren und Nachkommen * Volltext von [http://zoobank.org/?lsid=urn:lsid:zoobank.org:pub:2C6327E1-5560-4DB4-B9CA-76A0FA03D975&p=0.1&ix=l Band 1] der 10. Auflage von ''Systema Naturae'' * Volltext von [http://botanicallatin.org/philbot/philbot.html ''Philosophia Botanica''] * [http://linnaeus.nrm.se/welcome.html.en The Linnaeus Server] (engl.) u.a mit [http://linnaeus.nrm.se/zool/madfrid.html.en Museum Adolphi Friderici] * [http://193.10.12.180/samlingarna/digitala/linnes-natverk/ Werke] bei der [[Kungliga Biblioteket]] (schwed.) u.a. [http://193.10.12.180/samlingarna/digitala/linnes-natverk/Systema-naturae-1735/''Systema Naturae''. 1. Auflage] * [http://www.linnean-online.org/ The Linnean Collections] * [http://www.nhm.ac.uk/research-curation/projects/linnaean-typification/index.html The Linnaean Plant Name Typification Project] * {{Handlexikon|http://runeberg.org/sbh/b0081.html}} {{Exzellent}} {{Normdaten|PND=118573349}} {{SORTIERUNG:Linne, Carl von}} [[Kategorie:Carl von Linné| ]] [[Kategorie:Botaniker (18. Jahrhundert)]] [[Kategorie:Mediziner (18. Jahrhundert)]] [[Kategorie:Ichthyologe]] [[Kategorie:Arachnologe]] [[Kategorie:Hochschullehrer (Uppsala)]] [[Kategorie:Adliger]] [[Kategorie:Mitglied der Leopoldina]] [[Kategorie:Mitglied der Preußischen Akademie der Wissenschaften]] [[Kategorie:Mitglied der Royal Society]] [[Kategorie:Mitglied der Königlich Schwedischen Akademie der Wissenschaften|Linné, Carl]] [[Kategorie:Namensgeber für eine Pflanzengattung]] [[Kategorie:Träger des Nordstern-Ordens]] [[Kategorie:Gärtner]] [[Kategorie:Schwede]] [[Kategorie:Geboren 1707]] [[Kategorie:Gestorben 1778]] [[Kategorie:Mann]] {{Personendaten |NAME=Linné, Carl von |ALTERNATIVNAMEN=Linnaeus, Carolus (vor der Erhebung in den Adelsstand); Linnaeus, Carl Nilsson (voller Name, vor der Erhebung in den Adelsstand) |KURZBESCHREIBUNG=schwedischer Naturwissenschaftler, der die Grundlagen der modernen Taxonomie entwickelte |GEBURTSDATUM=23. Mai 1707 |GEBURTSORT=[[Råshult]] |STERBEDATUM=10. Januar 1778 |STERBEORT=[[Uppsala]] }} {{Link FA|ia}} {{Link FA|id}} {{Link FA|lmo}} {{Link FA|nn}} {{Link GA|no}} [[af:Carolus Linnaeus]] [[als:Carl von Linné]] [[an:Carl von Linné]] [[ar:كارولوس لينيوس]] [[ast:Carlos Linneo]] [[az:Karl Linney]] [[bar:Carl von Linné]] [[bat-smg:Karls Liniejos]] [[be:Карл Ліней]] [[bg:Карл Линей]] [[bn:কার্ল লিনিয়াস]] [[br:Carl von Linné]] [[bs:Carl von Linné]] [[ca:Carl von Linné]] [[ckb:کارلۆس لینایۆس]] [[co:Carl von Linné]] [[cs:Carl Linné]] [[csb:Karol Linneùsz]] [[cy:Carolus Linnaeus]] [[da:Carl von Linné]] [[dsb:Carl von Linné]] [[el:Κάρολος Λινναίος]] [[en:Carl Linnaeus]] [[eo:Linnaeus]] [[es:Carlos Linneo]] [[et:Carl von Linné]] [[eu:Carl von Linné]] [[fa:کارل لینه]] [[fi:Carl von Linné]] [[fr:Carl von Linné]] [[fy:Carolus Linnaeus]] [[ga:Carl von Linné]] [[gan:卡爾·林奈]] [[gd:Carl Linnaeus]] [[gl:Carl von Linné]] [[he:קארולוס ליניאוס]] [[hi:कार्ल लीनियस]] [[hif:Carl Linnaeus]] [[hr:Carl Linné]] [[hsb:Carl von Linné]] [[hu:Carl von Linné]] [[ia:Carl von Linné]] [[id:Carolus Linnaeus]] [[ilo:Carolus Linnaeus]] [[io:Carolus Linnaeus]] [[is:Carl von Linné]] [[it:Linneo]] [[ja:カール・フォン・リンネ]] [[jv:Carolus Linnaeus]] [[ko:칼 폰 린네]] [[ku:Carl von Linné]] [[la:Carolus Linnaeus]] [[lb:Carl von Linné]] [[lmo:Carl von Linné]] [[lt:Carl von Linné]] [[lv:Kārlis Linnejs]] [[mhr:Линне Карыл]] [[mk:Карл Лине]] [[ml:കാൾ ലിനേയസ്]] [[mn:Карл Линней]] [[ms:Carl Linnaeus]] [[nds:Carl von Linné]] [[nds-nl:Carolus Linnaeus]] [[nl:Carolus Linnaeus]] [[nn:Carl von Linné]] [[no:Carl von Linné]] [[oc:Carl von Linné]] [[pam:Carolus Linnaeus]] [[pl:Karol Linneusz]] [[pnb:لنی اس]] [[pt:Carolus Linnaeus]] [[qu:Carl von Linné]] [[ro:Carl Linné]] [[roa-rup:Carolus Linnaeus]] [[ru:Линней, Карл]] [[sah:Карл Линней]] [[scn:Carolus Linnaeus]] [[sco:Carolus Linnaeus]] [[sh:Carolus Linnaeus]] [[simple:Carolus Linnaeus]] [[sk:Carl Linné]] [[sl:Carl Linnaeus]] [[sr:Карл фон Лине]] [[sv:Carl von Linné]] [[sw:Carl Linnaeus]] [[szl:Carl von Linné]] [[ta:கரோலஸ் லின்னேயஸ்]] [[te:కరోలస్ లిన్నేయస్]] [[th:คาโรลัส ลินเนียส]] [[tl:Carl Linnaeus]] [[tr:Carl Linnaeus]] [[uk:Карл Лінней]] [[ur:لنی اس]] [[vec:Carl von Linné]] [[vi:Carl von Linné]] [[vls:Carolus Linnaeus]] [[vo:Carolus Linnaeus]] [[war:Carl Linnaeus]] [[yi:קארל פאן לינע]] [[yo:Carl Linnaeus]] [[zea:Carolus Linnaeus]] [[zh:卡尔·林奈]] [[zh-min-nan:Carolus Linnaeus]] 94lg5fbuh172i7lgmtdw68daw8gkgi1 wikitext text/x-wiki Linoleum 0 23847 26442 2010-04-05T10:06:43Z Normalo 0 /* Internationale Entwicklung */ [[Datei:LinoleumDOBedit.jpg|thumb|upright=1.3|Moderne Farbkollektion und Rückseite von Linoleum]] [[Datei:Linoleum der Linoleum AB Forshaga Göteborg (jha).jpg|thumb|upright=1.3|Produktpräsentation der ''Linoleum AB Forshaga'' 1923]] '''Linoleum''' ist ein von dem englischen Chemiker [[Frederick Walton]] 1860 entwickeltes Material. Der Name setzt sich zusammen aus den lateinischen Begriffen ''linum'' ‚Lein‘ und ''oleum'' ‚Öl‘ und verweist auf das [[Leinöl]], das neben [[Kork]]mehl und [[Jute]]gewebe der wichtigste Grundstoff für das Linoleum ist. Das Material dient klassischerweise zur Fertigung elastischer [[Bodenbelag|Bodenbeläge]] sowie als [[Druckplatte]] in der bildenden Kunst. Weitgehend historisch ist seine Verwendung für Tapeten ([[Linkrusta|Lincrusta]]). Vereinzelt wird es auch als Belag für Möbelstücke (Tische, Schränke, Pinnwände) gebraucht. Nachdem sich Linoleum in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts als elastischer Bodenbelag durchgesetzt hatte und bis weit in die Mitte des 20. Jahrhunderts vorherrschend war, brach der Markt mit der Einführung von Bodenbelägen aus [[Polyvinylchlorid|PVC]] in den 1960er-Jahren zusammen und erholte sich erst ab Mitte der 1980er-Jahre wieder. Weltweit gab es 2008 nur noch vier Werke (alle in Europa) von drei Herstellern. == Herstellung == === Rohstoffe === [[Datei:Linoleum Zusammensetzung.svg|thumb|Zusammensetzung von Linoleum<ref name="Foerster" />]] Linoleum besteht hauptsächlich aus [[Oxidation|oxidativ]] [[Polymer|polymerisiertem]] [[Leinöl]] ([[Linoxin]]), [[Harz (Material)#Naturharz|Naturharzen]] ([[Kolophonium]], [[Copal (Baumharz)|Copal]] und ersatzweise [[Dammar]]), [[Kork]]- und/ oder [[Holzmehl]], [[Kalkstein]]pulver, [[Titan(IV)-oxid]] als Weißpigment, [[Farbstoff]]en und einem [[Jute]]gewebe als Trägerschicht. Alternativ zum Leinöl kann heute auch [[Sojaöl]] verwendet werden, zudem können je nach Hersteller und Zeitpunkt der Herstellung auch Anteile von [[Kautschuk]] oder [[Kunststoff]]en enthalten sein. Die Festigkeit wird allein durch das oxidierte Öl erreicht, die Zusatzstoffe dienen nur der Veränderung der spezifischen Eigenschaften. Linoleum wird in einem mehrstufigen, zeit- und arbeitsaufwändigen Verfahren hergestellt. Das Linoxin und die Harze sind die Bindemittel und machen als [[Linoleumzement]] etwa 40 % der Gesamtmasse aus, 60 % entfallen auf organische (Holz-, Korkmehl) und anorganische (Kalksteinpulver, Pigmente) Füllmittel. Das Trägermaterial, im Regelfall Jutegewebe (früher [[Segeltuch]]), bildet mit nur etwa einem Prozent den geringsten Teil der Gesamtmasse.<ref name="Foerster">Günther Förster, Josef Eiffler, Uwe Buchholz: ''Linoleum: Der Bodenbelag aus nachwachsenden Rohstoffen.'' Die Bibliothek der Technik Bd. 107, Verlag Moderne Industrie, Landsberg/Lech 1995, ISBN 3-478-93123-1.</ref> === Firnis- und Linoxinherstellung === Ausgangsprodukt der Linoleumproduktion ist das Leinöl aus den Samen des [[Gemeiner Lein|Ölleins]]. Es wird per Warmpressung oder Extraktion gewonnen und vor der Weiterverarbeitung zu [[Leinölfirnis]] umgewandelt, indem es unter Zugabe von [[Sikkativ|Trockenstoffen]] (früher oft [[Blei]]- und [[Cobalt|Kobalt]]-, heute nur [[Mangan]]verbindungen in Mengen von etwa 20&nbsp;[[parts per million|ppm]])<ref name="Foerster" /> bei höheren Temperaturen eingekocht wird. Dabei verliert es rund die Hälfte an Gewicht und wird zäher. Ziel ist es, durch das Einkochen die spätere Trocknungszeit zu verkürzen.<ref name="Ziegler">Torsten Ziegler: ''Wachstuch, Fußtapete, Kamptulikon, Korkteppich: Linoleum – Der Beginn des idealen Bodenbelags.'' In: Gerhard Kaldewei (Hrsg.): ''Linoleum – Geschichte, Design, Architektur 1882–2000,'' 2000, ISBN 3775709622, S. 32–47.</ref> Der Leinölfirnis wird nun zu Linoxin oxidiert, dabei lassen sich drei Verfahren unterscheiden. ==== Historische Verfahren ==== Das älteste Oxidationsverfahren ist das auf [[Frederick Walton]] zurückgehende Tücher-Linoxinverfahren (auch Walton- oder Alt-Walton-Verfahren), bei dem in auf 30&nbsp;bis 40&nbsp;°C geheizten sogenannten ''Oxydationsschuppen'' feine Stoffbahnen aus Baumwolle oder [[Nesseltuch]] herabhingen. Sie wurden regelmäßig mit Leinölfirnis berieselt, der mit dem Luftsauerstoff zu Linoxin reagierte. Erst nach vier bis fünf Monaten wurden die auf eine Stärke von 1&nbsp;bis 1,5&nbsp;Zentimeter angewachsenen Bahnen abgenommen und das gewonnene Linoxin weiterverarbeitet. Die Methode war langsam und aufwändig, das Linoxin jedoch von hoher Qualität. Trotz der Aufwändigkeit war das Verfahren zumindest noch bis in die 1950er Jahre in Gebrauch.<ref>Hi.: ''Unser Jute-Gewebe in der Linoleum-Herstellung.'' In: Die Brücke. Werkzeitung der Jute-Spinnerei und -Weberei Bremen/Delmenhorst, 10. Jg, Nr.6, 1953, Reprint in: Gerhard Kaldewei (Hrsg.): ''Linoleum – Geschichte, Design, Architektur 1882–2000'', 2000, ISBN 3775709622, S. 54–57.</ref><ref name="Tauss">Silvia Tauss: ''Problematik der Erhaltung von Linoleumbelägen in situ – Am Beispiel Warenhaus „Cheesmeyer“ in Sissach'', Diplomarbeit, Bern, 2007, [http://www.hkb.bfh.ch/fileadmin/PDFs/Konservierung/Diplom_2007/Diplomarbeit2007_Tauss_Silvia.pdf PDF Online], Zugriff am 30. September 2008</ref> Das 1871 von [[William Parnacott]] entwickelte und nach dem Fabrikanten [[Caleb Taylor]] benannte Taylor-Verfahren hingegen war ein künstliches Oxidationsverfahren, bei dem das Leinöl mit Oxidationsbeschleunigern versehen und unter Rühren und Einblasen von Sauerstoff auf gut 300&nbsp;°C erhitzt wurde. Der gesamte Oxidationsprozess dauerte nur einen Tag, was die Kosten für das Endprodukt erheblich reduzierte. Das gewonnene Linoxin galt als von minderer Qualität und besaß eine sehr dunkle Eigenfarbe, weshalb es sich nur für spezielle Anwendungen eignete, etwa für die Produktion von Korklinoleum, dunkler einfarbiger Ware oder bedrucktem Linoleum.<ref name="Tauss" /> 1894 patentierte Frederick Walton das sogenannte Schnelloxidationsverfahren (auch Bedford- oder Neu-Walton-Verfahren) als ein neues Verfahren zur Produktion des Linoxins. Das Verfahren gliederte sich in zwei Teile, nämlich die Firnisbereitung in großen Oxidationstürmen, wo das Leinöl ‚herabregnete‘, sowie die abschließende Bereitung des Linoxins in großen, liegenden Trommeln, sogenannten ''Bedford-Trommeln.'' Darin wurde der Firnis bei 55&nbsp;°C unter Rühren zu einer zähen, teigartigen gelbroten Masse verdickt.<ref name="Tauss" /> Später wurde das zwischenzeitlich zwecks Reifung gelagerte Linoxin wieder eingeschmolzen und durch Zugabe verschiedener Harze der sogenannte [[Linoleumzement]] hergestellt. Dieser lagerte dann für zwei Monate bis zur endgültigen Weiterverarbeitung. ==== Heutiges Oxidationsverfahren ==== Heutige Verfahren basieren auf dem Schnelloxidationsverfahren, die einzelnen Schritte sind aber weitgehend zusammengefasst worden. Das Leinöl in den Bedford-Trommeln wird mit Trocknungsstoffen versetzt, bei einer Temperatur von etwa 80&nbsp;°C und unter ständigem Rühren erfolgen dann Firnisbereitung und Oxidation. Sobald die Masse eine bestimmte Zähigkeit ([[Viskosität]]) erreicht hat, erfolgt die Zugabe der eingeschmolzenen Harze in die Trommeln. Durch [[computer]]gesteuerte Verfahren können diese Trommeln aufgeheizt und abgekühlt werden, um die richtige Konsistenz und das optimale Mischungsverhältnis zu erreichen.<ref name="Foerster" /> Bis zu diesem Punkt nimmt die Zubereitung heute nicht mehr als einen Tag in Anspruch. Der Masse wird während der Oxidation zudem Linoleummehl zugegeben, das durch [[Schredder (Maschine)|Schreddern]] und Mahlen von Produktionsresten entsteht. Dies dient zum einen der Verringerung der Abfallmenge, zum anderen wird durch das bereits oxidierte Material der Reifeprozess des neuen Linoleumzements beschleunigt.<ref name="Foerster" /> Der fertige Linoleumzement wird durch eine [[Extruder|Schneckenpresse]] in einen Strang gepresst und in definierte Längen gekürzt. Er wird in mit Kreide oder Holzmehl eingestäubten Eisenkästen abgekühlt und anschließend zur Nachreife und Abkühlung bis zur Verwendung gelagert.<ref name="Foerster" /> === Mischmassenbereitung, Kalandern und Nachreife === [[Datei:Linoleum Querschnitt.jpg|thumb|upright=2|Querschnitt eines Linoleumstücks; die gleichmäßige Mischung ist an der Farbstoffdurchdringung bis zum Trägermaterial erkennbar]] Der so produzierte Linoleumzement wird mit Kork- und Holzmehl, Kalksteinpulver als Bindemittel sowie [[Weißpigment]]en ([[Titan(IV)-oxid|Titandioxid]]) und Farbstoffen vermischt und verknetet. Dabei werden anteilig etwa 40 % Linoleumzement, 40 % Kork- und Holzmehl und 20 % Kalksteinstaub und Pigmente gemischt, wobei die trockenen Bestandteile in einem Vormischer vermengt und erst dann mit dem dünn ausgewalzten Linoleumzement verknetet werden. Die gründliche Verknetung entsteht durch einen mehrstufigen Mischgang, in dem das Material durch mehrere [[Schneckenmischer|Ein- und Zweischneckenmischer]] geführt wird. So ergibt sich eine homogene Mischung des Materials.<ref name="Foerster" /> Zum [[Kalander]]n schütten Dosieranlagen das Material als feinkörnige Masse vor den Kalanderwalzen auf das Trägergewebe auf. Diese großen, gegenläufig arbeitenden Walzenpaare können je nach Bedarf in der Drehgeschwindigkeit reguliert und aufgeheizt werden. Die Mischmasse wird durch die Kalander auf das Trägermaterial aufgewalzt, wodurch sich beide fest miteinander verbinden.<ref name="Foerster" /> Nach dem Kalandern werden die langen, ungeschnittenen Linoleumbahnen zum Nachreifen in Reifekammern gebracht. Durch eine zwei- bis vierwöchige regulierte Wärmebehandlung erhält das Linoleum hier die gewünschten Eigenschaften. Die Kammern beherbergen bis zu 20.000&nbsp;Meter Linoleum und sind im Regelfall 15&nbsp;Meter hoch, durch mittiges Hängen der Bahnen können die Einzelbahnen bis 30&nbsp;Meter lang sein.<ref name="Foerster" /> === Verlegen === Linoleum wird im Regelfall von hierfür qualifizierten Fachleuten (u.a. Bodenleger, Maler, Raumausstatter oder [[Estrich]]verleger) verlegt. Als Hilfsmittel werden [[Klebstoff]]e sowie [[Spachtelmasse]] und spezielle Werkzeuge zur Fußbodenvorbereitung benötigt.<ref name="Foerster" /> Das Linoleum nimmt normalerweise Feuchtigkeit vom Kleber und vom Untergrund auf, wodurch es sich vorübergehend erweicht. Moderne [[Dispersionskleber]] enthalten bis zu 30 % Wasser, das in den Unterboden oder das Linoleum abgegeben wird. Durch die erhöhte Feuchtigkeit kann es bis zu 6 Wochen dauern, bis das Linoleum vollständig getrocknet und voll beanspruchbar ist – in dieser Zeit ist es vor allem für [[Kerbschlag]]belastungen anfälliger, die z.B. durch Stuhlbeine eingeschlagen werden können. Wird unter dem Linoleum zur Schallisolierung eine Korkschicht verlegt, kann der Trocknungsprozess durch die doppelte Feuchtigkeit nochmals deutlich verlängert werden.<ref name="Foerster" /> [[Datei:HAWIG-Bohnermaschine Victor von 1912.jpg|thumb|upright|Bohnern mit der Bohnermaschine 1912]] Um Räume vollständig und fugenlos an den Wänden abzuschließen, gibt es spezielle Wandanschlusssysteme, die ebenfalls aus Linoleum bestehen und in verschiedenen Ausführungen mit Stützprofil oder mit einfachen Sockelstreifen einen sauberen Abschluss ermöglichen. Ebenfalls zum Zubehör gehört Linoleumschmelzdraht zum Abdichten der Nähte, der aus einem [[Schmelzklebstoff]] besteht und transparent oder in den gleichen Farben wie das Linoleum angeboten wird. Zum Abdichten der Nähte nach dem Abbinden des Klebstoffes dient ein [[Handschweißgerät]] oder ein [[Schweißautomat]].<ref name="Foerster" /> === Oberflächenbehandlung === Ein Nachteil des Linoleums gegenüber Bodenbelägen aus PVC ist seine relative Pflegebedürftigkeit. Linoleum musste bis in die 1950er Jahre neben der normalen Reinigung regelmäßig mit wachsbasierten Pflegemitteln [[Bohnern|gebohnert]] werden, um die Oberfläche vor Verschmutzung und mechanischen Schäden zu schützen. Heutzutage wird nach der Reifung eine Schutzschicht auf die Oberfläche des Linoleums aufgetragen und anschließend getrocknet. Bis Mitte der 1990er Jahre war [[Acrylharz]] gebräuchlich<ref name="Foerster" />, heute verwenden die großen Anbieter dazu entweder [[Polyurethane|Polyurethan]] ''(DLW Armstrong bzw. auch alternativ das LPX-Acrylfinish)'' oder spezielle, hauseigene [[Beschichten|Beschichtungen]] wie ''TopShield (Forbo)'' oder ''xf – Extreme Finish (Tarkett).'' Diese versiegeln das Linoleum und machen es ab Werk unempfindlich gegen Verschmutzungen. Der von den Herstellern häufig angeführte Zusatznutzen, dass bisher notwendige Pflegeschritte so entfielen, wird aber von Fachleuten durchaus skeptisch gesehen. Auch würde durch diese vollständigen Versiegelungen Wasser im Material zurückgehalten, was [[Stippnaht|Stippnähte]] begünstigt.<ref>''Sachverständigenseminar des ZVPF in Kassel – PU-Beschichtung im Fokus'' In: FussbodenTechnik 05/06, [http://www.raumausstattung.de/business/artikel-record_id-40800-Wirtschaft.htm Online], Zugriff am 30. September 2008</ref> Grundsätzlich ist festzustellen, daß eine zusätzliche Beschichtung den Schutz des Linoleums optimiert, insbesondere für die vielen Fälle, wo beginnend bei der Linoleumverlegung bis zur Werterhaltung durch korrekte Reinigung und Pflege keine "Norm"bedingungen herrschen. Eine Erstpflege in Form einer zuverlässigen Beschichtung schützt die nicht versiegelten Linoleumnähnte am besten (bei hellen Farben besonders wichtig). In dem Zusammenhang sollte auch auf korrekte Sauberlaufzonen und den Einsatz weicher Stuhlrollen bzw. -gleiter hingewiesen werden zur Reduzierung der mechanischen Einwirkung auf das Linoleum. Unversiegelt wird Sportlinoleum für [[Turnhalle]]n ausgeliefert, da es erst nach der Verlegung mit speziellen rutschfesten Pflegemitteln behandelt wird. Als „Ökoprodukt“ bezeichnet der Handel Linoleum, das unbehandelt vertrieben und erst nach dem Verlegen mit Naturwachsen versiegelt wird.<ref name="Foerster" /> Auch Linoleum für den [[Linolschnitt|Linoldruck]] ist nicht behandelt, da die Oberfläche mit Schnittwerkzeugen bearbeitbar bleiben muss. == Eigenschaften == Linoleum besitzt viele Eigenschaften, die es als Bodenbelag auszeichnen. Seine Basiszusammensetzung und technischen Eigenschaften sind national und international [[Normung|genormt]]. Die wichtigste Norm für Europa stellt [[Europäische Norm|EN]] 548 ''(Elastische Bodenbeläge – Spezifikation für Linoleum mit und ohne Muster)'' in der letzten Fassung von 20. September 2004 dar, die mit zahlreichen weiteren Normen zur Qualität von Sonderformen, Verlegetechniken und anderem verknüpft ist.<ref>Darstellung bei Standards Direct mit assoziierten Normen, [http://www.standardsdirect.org/standards/standards2/StandardsCatalogue24_view_14658.html Online], Zugriff am 30. September 2008</ref> Nach dieser Norm ist Linoleum nach Art des Bindemittels definiert: Es muss aus Leinöl oder anderen trocknenden Pflanzenölen und Harzen bestehen, und der Mindestanteil an Füllmitteln (Kork-, Holzmehl) muss 30 % betragen. === Technische Eigenschaften === Hauptvorteil des Linoleums ist seine Widerstandsfähigkeit gegen mechanische Beanspruchungen. Verformungen (Druckstellen) die durch hohe Belastungen entstehen, bilden sich nach einiger Zeit fast vollständig zurück. Entsprechende Testverfahren und Grenzwerte sind als Qualitätsspezifikation in nationalen Vorschriften enthalten oder werden vom Hersteller angegeben. In Deutschland darf unter genormten Bedingungen (23&nbsp;°C, 50 % relative Luftfeuchtigkeit) nach 150 Minuten Belastung und weiteren 150 Minuten Entlastung eine Eindrucktiefe von 0,15 Millimeter bzw. bei Materialien über 3,2 mm von 0,2 mm nicht überschritten werden. Linoleum kann als schwer entflammbar (früher B1) bzw. normal entflammbar (früher B2) eingestuft werden. Dies entspricht den europäischen [[Feuerwiderstand|Brandschutzklasse]]n C<sub>fl</sub>-s1 bzw. E<sub>fl</sub>. Die nach der EN 1399 geforderten Eigenschaften zur ''Beständigkeit gegenüber brennenden Zigaretten,'' die vor allem bei Bodenbelägen im Publikumsbereich wichtig ist, sieht vor, dass das Material beim Ausdrücken keine und beim Abbrennen einer Zigarette nur leichte Farbveränderungen aufweisen darf. Des Weiteren ist Linoleum beständig gegenüber einer ganzen Reihe von Säuren und Lösungsmitteln sowie gegenüber anderen Chemikalien. Dazu gehören zum Beispiel [[Motorenbenzin|Benzin]], [[Ethanol]], Öle, sowie die meisten waschaktiven Substanzen. Sehr empfindlich ist das Material allerdings gegen Alkalien mit einem [[pH-Wert]] über 9 wie zum Beispiel [[Seife]] oder [[Ammoniak]]. Die Reaktion auf stark alkalische Substanzen ist heute insbesondere im Zusammenhang mit sogenannten Grundreinigern zu beachten,um dauerhafte Schäden am Linoleum zu vermeiden. === Hygienische Eigenschaften === Linoleum ist antistatisch, leicht [[fungizid]] und [[Bakteriostatikum|bakteriostatisch]] bzw.sogar antibakteriell (hemmt also Bakterien-Wachstum). Ursache ist die permanente Emission geringer Mengen verschiedener [[Aldehyde]] ([[Hexanal]], [[Propenal|Acrolein]], [[Acetaldehyd]] usw.), die aus der praktisch nie endenden Leinöl[[autoxidation]] an der Luft stammen oder Reste der Oxidationsreaktion im Herstellungsprozess (‚Reifeprozess‘) sind. Dieser Effekt hat dazu geführt, dass Linoleum als bevorzugter Bodenbelag in Gebäuden mit erhöhten Hygieneanforderungen verwendet wurde und auch heute noch wird. === Reifeschleier === Linoleum entwickelt im Fertigungsprozeß (Reifekammer)durch [[Dunkelvergilbung]] einen typischen ‚Reifeschleier‘. Es handelt sich hierbei um eine Farbverschiebung, die bei dunkel gelagertem Material vorkommen kann. Die Wahrnehmung des sog. Reifegilbs ist farbabhängig. Erfahrungsgemäß gibt es die stärksten Farbeffekte bei hellen Farben, insbesondere bei Blautönen, die durch den Reifegilb eine grüne Farbe annehmen. Es handelt sich dabei aber um einen hoch interessanten reversiblen (!) Prozeß. Es empfiehlt sich daher vor der Farbentscheidung, Linoleumproben einige Tage am Fenster zu belichten. Ambitionierte Hersteller weisen aber zur Sicherheit auch die Linoleum-Grundfarbe nach NCS-Farbangaben aus. Abgebaut wird dieser Reifeschleier oder Reifekammergilb durch (UV-)Licht. Die Belichtungszeit hängt von der Intensität und Dauer der Lichteinwirkung ab. Eine genaue zeitliche Vorhersage ist kaum möglich. Im Sommer genügt oft eine einstündige Belichtung im Freien durch die helle Mittagssonne, um ihn vollständig abzubauen, dunklere Lichtverhältnisse verzögern den Prozess, in vergleichsweise dunklen Räumen kann sich die Belichtungszeit teilweise auf Wochen verlangsamen. Bei ungleichen Lichtverhältnissen kann es zu Farb- und Helligkeitsunterschieden bei verlegtem Linoleum kommen, so genannten Belichtungsvorsprüngen. Wichtig: Werden Linoleumflächen vor der Belichtung durch Möbel u.ä. abgedeckt, findet an diesen Stellen kein Abbau des Reifegilbs statt. Bei der Beseitigung der Abdeckung ( z.B. Verschieben von Möbeln) sollte die vormals abgedeckte Linoleumfläche nicht mit aggressiver Reinigungschemie behandelt werden - einfach warten genügt, der Belichtungsprozeß führt auch dort zur Beseitigung des Reifegilbs. Fazit: Das Phänomen Reifegilb ist das markanteste Echtheitskriterium für Linoleum. === Linoleum mit speziellen Eigenschaften === [[Datei:Sprungballwiki.jpg|thumb|Sportlinoleum bzw. Linodur ist die bekannteste und erfolgreichste Spezialform des Linoleums]] Linoleum wird auch für verschiedene Spezialanwendungen produziert. So wird zur Verwendung in Bereichen, in denen mit elektrosensiblen Bauteilen gearbeitet wird, ein Bodenbelag verlangt, der keine elektrostatische Aufladung ermöglicht. Er muss entsprechend leitfähig sein und häufig zudem eine Standortisolierung durch einen hohen Oberflächenwiderstand aufweisen. Solche Beläge werden vor allem in Bereichen eingesetzt, in denen elektronische Bauteile gebaut, fernmeldetechnische Anlagen oder Rechenzentren betrieben werden. Auch Räume mit hoher Explosionsgefahr wie für die Feuerwerksherstellung erfordern elektrisch leitfähige Fußböden, um keine Zündung durch elektrostatische Aufladungen zu provozieren. Das Linoleum wird hier auf einem Ableitsystem mit Kupferbändern verlegt. Eine weitere Spezialanforderung ist verstärkte Schall- und Trittschallreduzierung. Diese wird durch Zusatzstoffe im Bodenbelag (weichfedernder Bodenbelag) oder einen speziellen Untergrund (schwimmender [[Estrich]]) erreicht. Hochstrapazierfähiges Linoleum ist insbesondere in Turnhallen zu finden. Mit einer Dicke von 4&nbsp;mm ist es besonders dick und wird vor allem auf flächenelastischen Böden aufgebracht. Es wurde bereits vor dem Ersten Weltkrieg entwickelt und auf Kriegsschiffen eingesetzt, wodurch es den Beinamen ''battle ship linoleum'' erhielt. == Geschichte == === Vorgeschichte: Öltücher und Kamptulikon === [[Datei:Michael nairn-2.jpg|thumb|Michael Nairn (1804–1858)]] Bodenbeläge zum Schutz von Fußböden wurden schon mehrere Jahrhunderte vor dem Linoleum verwendet. Vor allem Wachs- oder Öltücher stellten einen direkten Vorgänger der späteren elastischen Bodenbeläge dar. [[Wachstuch]] in Form von bemaltem Gewebe wurde wahrscheinlich bereits im 15.&nbsp;oder 16.&nbsp;Jahrhundert entwickelt, als Fußbodenbelag ist es allerdings erst aus dem frühen 18.&nbsp;Jahrhundert belegt. Es setzte sich zu dieser Zeit vor allem in [[England]] durch zum Schutz von Holzböden oder wertvollen Teppichen unter Tischen, von Treppenstufen und in Durchgängen. Im Regelfall quadratische Stücke von etwa zwei Quadratmetern (zwei bis drei [[Square yard|square yards]]) aus [[Flachsfaser|Leinen]], [[Hanffaser|Hanftuch]] oder [[Baumwolle]] wurden auf die gewünschte Größe vernäht und anschließend mit einer Farbschicht wasserdicht bemalt.<ref name="Simpson_1999">Pamela H. Simpson: ''Comfortable, Durable, and Decorative: Linoleum's Rise and Fall from Grace.'' APT Bulletin 30 (2/3), 1999; Seiten 17–24.</ref> Das englische Patent für Wachstuch als Fußbodenbelag wurde 1763 durch [[Nathan Smith (Erfinder)|Nathan Smith]] eingereicht. Es bestand aus einem mit einem Gemisch aus Harz, Teer, ([[Umbra (Farbe)|Spanischbraun]]), Bienenwachs und Leinöl überzogenen Gewebe.<ref name="Tauss"/> Smith eröffnete im selben Jahr eine erfolgreich laufende Manufaktur für Bodenöltuch in [[London]] und bis zum Ende des 18.&nbsp;Jahrhunderts gab es in England bereits 20&nbsp;Öltuchfabriken. Auch in den [[Vereinigte Staaten|USA]] etablierte sich das Produkt und eine Reihe von Unternehmen wurden gegründet. Eine der bedeutendsten Fabriken Großbritanniens war die Tuchfabrik von [[Michael Nairn (1804–1858)|Michael Nairn]] in [[Kirkcaldy]], die ab 1848 auch Öltücher produzierte<ref name="Simpson_1999" />.<ref name="oxbio_Nairn">Anne Pimlott Baker: ''Nairn, Sir Michael Barker, first baronet (1838–1915)'' In: Oxford Dictionary of National Biography,'' Oxford University Press 2004 ([http://www.oxforddnb.com/view/article/67808 Online, Zugang erforderlich]), Zugriff am 30. September 2008</ref> 1844 patentierte der Engländer [[Elijah Galloway]] einen elastischen Bodenbelag namens [[Kamptulikon]]. Es handelte sich um ein [[Kautschuk|kautschukartiges]] Material, das auch in großen Gebäuden wie Kirchen verwendet wurde und gegenüber dem Öltuch wärme- und schalldämmender war.<ref>{{Pierer1857 Online |Schlagwort=Kamptulĭkon |Band=19 |Seite=858 |Nachtrag=ja}}</ref> Hergestellt wurde Kamptulikon aus Kautschuk, [[Guttapercha]], Abfällen aus der [[Kork]]industrie, [[Schellack]] und [[Leinöl]]. In den 1860er Jahren gab es in England zehn Fabriken, die Kamptulikon herstellten. Aufgrund des relativ hohen Preises konnte es sich allerdings in weniger wohlhabenden Haushalten nicht durchsetzen.<ref name="Simpson_1999" /> === Entdeckung und Entwicklung des Linoleums === [[Datei:Fred Walton.jpg|thumb|Frederick Walton (1833–1928)]] Zahlreichen Quellen zufolge entdeckte Frederick Walton das Linoleum durch einen Zufall: Bei Arbeiten zur Entwicklung schnelltrocknender Farben sah er auf einer Dose mit Farbe auf [[Leinöl]]basis eine feste gummiartige Schicht oxidierten Leinöls.<ref name="Simpson_1999" /> 1860 ließ er einen Prozess zur Herstellung des [[Linoxin]]s patentieren, bei dem Leinöl der Luft ausgesetzt wurde und sich durch Oxidation verdichtete. Walton versuchte, das von ihm neu entwickelte Linoxin auf Gewebebahnen aufzutragen und so einen Ersatz für Kautschuk zu bekommen. 1863 stellte er sein erstes Stück Linoleum her und ließ das Verfahren im Jahr darauf patentieren.<ref name="oxbio">Anne Pimlott Baker: ''Frederick Edward Walton'' In: Oxford Dictionary of National Biography,'' Oxford University Press 2004 ([http://www.oxforddnb.com/view/article/67799 Online, Zugang erforderlich]), Zugriff am 30. September 2008</ref> Bei seiner Einführung wurde Linoleum ein breites Verwendungsspektrum zugetraut, dem in dieser Form jedoch erst erdölbasierte [[Kunststoff]]e des 20. Jahrhunderts wirklich gerecht werden konnten. Zeitgenössische Quellen formulieren hohe Erwartungen an das Material: Es sollte Verwendung finden als Schutzanstrich für Eisen, Holz und Kutschwagen, als wasserfester Klebstoff sowie – nach [[Vulkanisation|Vulkanisierung]] und weiterer Härtung – als Holz-, Elfenbein- und Marmorersatz, im Alltag für [[Bilderrahmen]], Tischdecken oder Besteckgriffe, im technischen Bereich für Prägestöcke und Gasrohre. Im Verbund mit [[Korund]] sollten selbst Schleifräder daraus hergestellt werden. Zur Umsetzung solcher Anwendungen, die Walton weitgehend Lizenznehmern überlassen wollte, kam es jedoch nicht. Sein bereits marktreifes Verfahren zur Herstellung von Bodenbelägen hingegen setzte er selbst mit der Gründung der ''[[Linoleum Manufacturing Company]]'' in [[Staines]] um, die er unter anderem durch eine Partnerschaft<ref name="Simpson_1999" /> mit William J. Turner und anderen Investoren finanzierte.<ref>''Linoleum Manufacture'' In: The Mechanics Magazine, 7. April 1865, S. 216/217</ref> Nach schleppender Einführung konnte sich das neue Material aufgrund seiner Dämmwirkung, Haltbarkeit und Elastizität schnell gegenüber den Öltüchern und dem Kamptulikon durchsetzen. Linoleum wurde aufgrund der leichten Reinigungsmöglichkeit vor allem für öffentliche Gebäude wie Krankenhäuser oder Büros genutzt. 1877 lief der [[Patent]]schutz des Linoleums aus, andere Hersteller begannen ebenfalls mit der Produktion und traten in direkte Konkurrenz zu Walton. Walton hatte es versäumt, den Namen ''Linoleum'' schützen zu lassen und verlor eine Klage gegen die mittlerweile von [[Michael Barker Nairn]] geleitete ''Michael Nairn&nbsp;&amp;&nbsp;Co.'' mit der Begründung, dass der Begriff Linoleum durch seine Bekanntheit bereits ein etablierter Begriff für das Material und nicht mehr nur für das Unternehmensprodukt sei.<ref name="Simpson_1999" /> Innerhalb von nur 14&nbsp;Jahren hatte sich ''Linoleum'' in Großbritannien als allseits bekannte Bezeichnung durchgesetzt. [[Datei:Lincrusta 3.jpg|thumb|Lincrusta-Tapete in einer Jugendstil-Apotheke in Stuttgart (floraler Dekor, Original von 1901)]] 1877 entwickelte und patentierte Frederick Walton ein Verfahren, Linoxin auch als Wandverkleidung nutzbar zu machen, er nannte das neue Produkt ''[[Linkrusta|Lincrusta]]<ref name="oxbio"/>.'' Es bestand aus einem starken Papier, auf das mit einer plastischen Masse erhabene Muster aufgewalzt wurden. Diese Masse war eine Mischung aus Holzmehl, Kreide, Farbe und einem Harz-Linoxin-Gemisch. Die Produktion begann 1878 in [[Sunbury-on-Thames]], später auch in [[Paris]] und [[Hannover]]. 1890 gelang es Walton, mit dem ''[[Linoleum#Technische Voraussetzungen|Straight-Line-Inlaid]]''-Verfahren eine Einlegetechnik marktreif zu machen. Zwar hatte es bereits vorher Möglichkeiten gegeben, Linoleum auch zu gestalten, diese waren aber entweder nur wenig vielfältig (z.&nbsp;B. bei granitiertem oder marmoriertem Linoleum) oder technisch nicht überzeugend (wie das nicht verschleißfeste Bedrucken oder ein unpräzises Verfahren nach C.&nbsp;F. Leake). Walton gründete 1894 die ''Greenwich Inlaid Linoleum Company'' in [[Greenwich (London)|Greenwich]], die sich auf dieses Verfahren spezialisierte. Michael Nairn konnte ab 1881 große nahtlose Linoleumbahnen anbieten und produzierte ab 1895 ebenso wie Walton Linoleum mit einer Einlegetechnik, die mehrfarbige Designs ermöglichte. 1922 übernahm ''Michael Nairn Ltd.'' das Unternehmen von Walton und firmierte seither als ''Michael Nairn and Greenwich Ltd.'' === Internationale Entwicklung === Mit dem Erfolg des Linoleums entstanden zum Ende des 19. Jahrhunderts auch erste Werke außerhalb Englands. Walton verkaufte zwar zuvor bereits vereinzelte Lizenzen zur Herstellung von Linoleum nach Frankreich und Deutschland, der entscheidende Impuls war aber das Auslaufen des Patents von Walton 1877. Nairn eröffnete 1888 seine erste Linoleumfabrik in [[Kearny (New Jersey)|Kearny]], [[New Jersey]] sowie in den 1890er Jahren in [[Choisy-le-Roi]] nahe [[Paris]] und in [[Bietigheim-Bissingen|Bietigheim]] bei [[Stuttgart]]<ref name="oxbio_Nairn" />. 1886 gründete sich zudem ''[[Tarkett]]'' in [[Ronneby]], Schweden, als einer der wenigen bis heute existierenden Linoleumhersteller. Ab den 1870er Jahren entstand eine Linoleum-Industrie in den USA, ab den 1880er Jahren auch in Deutschland. Vor allem um die Jahrhundertwende sowie zwischen 1920 und 1930 entstanden Werke in vielen Ländern Kontinentaleuropas, aber auch in Kanada, Russland<ref name="Gericke">Gustav Gericke: ''Das Deutsche Linoleum auf dem Weltmarkte.'' In: ''Die Durchgeistigung der deutschen Arbeit – Jahrbuch des Deutschen Werkbundes 1912,'' Jena, 1912, Reprint in: Gerhard Kaldewei (Hrsg.): ''Linoleum – Geschichte, Design, Architektur 1882–2000,'' 2000, ISBN 3775709622, S. 116–119.</ref>, der Ukraine oder Japan<ref name="CLU">Continentale Linoleum Union (Hrsg.): ''Der europäische Linoleum-Konzern,'' Basel, Wever & Co, 1928, S. 5, zitiert nach: Silvia Tauss: ''Problematik der Erhaltung von Linoleumbelägen in situ – Am Beispiel Warenhaus „Cheesmeyer“ in Sissach,'' Diplomarbeit, Bern, 2007, S.22</ref>, seit 1927 auch in Australien<ref name="oxbio_Nairn" />. 1928 skizzierte die ''Continentale Linoleum-Union'' die Verhältnisse auf dem Weltmarkt mit den Worten: „England erzeugt ungefähr ebensoviel Linoleum wie der europäische Kontinent. Amerikas Produktion ist ca. fünfmal so groß wie die englische. Daneben ist in Japan eine sehr starke Linoleumindustrie erstanden, die den japanischen und den chinesischen Markt vollkommen abdeckt.“<ref name="CLU" /> [[Datei:Linoleum Produktion.jpg|thumb|upright=2|Linoleum-Weltproduktion 1965–2006<ref>Daten nach Karlheinz Müller, B2B Industriemarktforschung GmbH; Offizielle Datenaufnahme für die Linoleumindustrie, abgesichert durch Daten des Statistischen Bundesamtes Deutschland.</ref>]] Bereits in der Zeit vor dem [[Erster Weltkrieg|Ersten Weltkrieg]] existierten Abkommen zwischen Herstellern verschiedener europäischer Länder, durch die sowohl Preise wie auch Verkaufsbedingungen abgesprochen wurden. Dieses [[Wirtschaftskartell|Kartell]] wurde zunehmend stärker, so existierten 1934 Absprachen zwischen fast allen englischen, deutschen und italienischen Herstellern, die festlegten, dass man nicht in die Heimatmärkte des jeweils anderen Vertragspartner exportieren werde. 1939 galt, dass sowohl zahlreiche britische Hersteller wie auch „alle wichtigen Linoleumhersteller des Kontinents Teil förmlicher Übereinkünfte bezüglich der Verkäufe von Linoleum und Bodenbelägen in allen Märkten außer den Vereinigten Staaten“<ref>„By 1939 the L.M.A, and all the important Continental linoleum manufacturers were parties to formal Convention Agreements covering sales of linoleum and floorcloth in all markets except the United States.“, Competition Commission London: ''Report on the Supply of Linoleum.'' HC 366, 1955–56, S.35 [http://www.competition-commission.org.uk/rep_pub/reports/1950_1959/fulltext/016c11.pdf Online], Zugriff am 30. September 2008</ref> seien. Der [[Zweiter Weltkrieg|Zweite Weltkrieg]] inaktivierte diese Verträge. Obwohl sie nach 1945 aufgrund von Anti-Kartell-Gesetzen verschiedener europäischer Staaten nicht erneuert werden konnten, galten die Absprachen informell noch mindestens bis in die Mitte der 1950er Jahre.<ref name="CCL11">Competition Commission London: ''Report on the Supply of Linoleum.'' HC 366, 1955–56, S.35 [http://www.competition-commission.org.uk/rep_pub/reports/1950_1959/fulltext/016c11.pdf Online], Zugriff am 30. September 2008</ref> Nachdem sich die Linoleummärkte in den 1950er Jahren allmählich erholt hatten, begannen sich Mitte der 1960er Jahre synthetische Bodenbeläge insbesondere aus [[Polyvinylchlorid|PVC]] durchzusetzen und der Markt für Linoleum brach zusammen. Zahlreiche Werke mussten schließen oder auf andere Produkte umstellen. Im Gefolge dieser Krise, die bis in die Mitte der 1970er Jahre anhielt, konzentrierte sich der Markt zunehmend. Die letzten noch verbliebenen Hersteller von Linoleum sind heute die aus der ''Continentalen Linoleum-Union'' hervorgegangene ''[[Forbo Holding]],'' die 1998 von ''Armstrong Industries'' übernommenen ''[[Deutsche Linoleum-Werke|Deutschen Linoleum-Werke (DLW)]]'' und das französische Unternehmen ''[[Tarkett]].'' Weltweit werden jährlich rund 38&nbsp;Millionen Quadratmeter Linoleum verkauft, mit knapp 9&nbsp;Millionen Quadratmetern ist dabei Deutschland der größte Einzelmarkt<ref name="Geiger">Birgit Geiger: ''Zielgerichtet den Großhandel unterstützen – Marktanteile bei Linoleum gewinnen im wichtigsten Markt Deutschland.'' In: eurodecor, 12-05/01-06, S. 22–23, [http://www.eurodecor.de/mediadb/1883133/1883134/Forbo_Flooring_12-01-05-06.PDF Online], Zugriff am 30. September 2008</ref>, gefolgt von Nordamerika mit 4,5&nbsp;Millionen Quadratmetern.<ref name="BTH">''Tarkett Sommer investiert in Linoleum'' In: BTH Heimtex, 06/03, [http://www.raumausstattung.de/business/artikel-record_id-33700-Wirtschaft.htm Online], Zugriff am 30. September 2008</ref> International besitzt ''Forbo'' mit einem Marktanteil von rund 65 % die Marktführerschaft<ref name="Geiger" />, gefolgt von ''Armstrong DLW'' mit 26 % und ''Tarkett'' mit 9 %<ref name="BTH" />. ==== Großbritannien ==== Bereits ab 1906 begann die britische Linoleum-Industrie sich in einem anfangs lockeren und informellen Rahmen zu organisieren.<ref name="CCL2">Competition Commission London: ''Report on the Supply of Linoleum.'' HC 366, 1955–56, S.12 [http://www.competition-commission.org.uk/rep_pub/reports/1950_1959/fulltext/016c05.pdf Online], Zugriff am 30. September 2008</ref> Aufgrund der Depression Anfang der 1930er Jahre gründeten sieben der neun damaligen Linoleum-Hersteller 1934 die sogenannte ''Linoleum and Floorcloth Manufacturers’ Association (L.M.A.),'' die vor allem Formate, Qualitäten und Preise vereinheitlichen und den Absatz des Linoleums fördern sollte<ref name="CCL2" />. Zeitgleich erwuchs dem Linoleum Konkurrenz durch alternative Bodenbeläge, im unteren Preissegment dem bedruckten Linoleum durch das neue [[Balatum]], im oberen durch Bodenbeläge aus Gummi sowie Teppichböden.<ref name="CCL1">Competition Commission London: ''Report on the Supply of Linoleum.'' HC 366, 1955–56, S. 2–3 [http://www.competition-commission.org.uk/rep_pub/reports/1950_1959/fulltext/016c01.pdf Online], Zugriff am 30. September 2008</ref> Betrug die Jahresproduktion der britischen Linoleum-Industrie 1933 noch nur 47 Millionen m² (56 Millionen square yards), stieg sie bis 1937 auf rund 55 Millionen m² (66 Millionen square yards).<ref name="CCLStat">Competition Commission London: ''Report on the Supply of Linoleum.'' HC 366, 1955–56, S.104 [http://www.competition-commission.org.uk/rep_pub/reports/1950_1959/fulltext/016appendices.pdf Online], Zugriff am 30. September 2008</ref> Mit Ausbruch des Zweiten Weltkrieges verringerte sich die Versorgung mit Rohstoffen schlagartig bei gleichzeitig stark steigenden Preisen. Bereits im September 1939 stellte die Regierung den wichtigsten Grundstoff, das Leinöl, unter Kontrolle. Harze, Jute und Farbstoffe folgten bald. Ab 1940 gab es dann erste Abgabebeschränkungen und ab 1942 durfte Linoleum nur noch an staatliche Stellen abgegeben werden, die Zivilbevölkerung konnte nur Linoleum ohne Juterücken und ohne Korkgehalt erwerben. Im Kriegsjahr 1944 wurden so nur 18 Millionen m² Linoleum erzeugt<ref name="CCLStat" />. All diese Beschränkungen blieben bis 1947 in Kraft, nur eine Preiskontrolle hielt sich noch bis 1953.<ref name="CCL1" /> Unmittelbar nach dem Krieg sah sich die britische Linoleum-Industrie gestiegenen Preisen, Rohstoffmangel (Leinöl, Jute) und einem lückenhaften Maschinenpark gegenüber, Schwierigkeiten, die erst um 1954 gelöst waren. In diesem Jahr produzierte die britische Linoleum-Industrie rund 50 Millionen m² (59 Millionen square yards) und knüpfte damit wieder an die Vorkriegszahlen an.<ref name="CCLStat" /> Der Verfall des Linoleummarktes führte Mitte der 1960er Jahre dazu, dass viele Werke schlossen (''Barry, Ostlere and Shepherd Ltd.'' in Kirkcaldy 1967<ref>Anonymus: ''All Change In The Town Centre (1960–1969),'' [http://www.fifetoday.co.uk/CustomPages/CustomPage.aspx?PageID=17700 Online], Zugriff am 25. September 2008</ref>, ''The Linoleum Manufacturing Co. Ltd.'' 1973<ref>Makers Biography des Historic Houses Trust, [http://collection.hht.net.au/results.do?view=detail&db=object&id=28993 Online], Zugriff am 30. September 2008</ref>, ''James Williamson & Son Ltd.'' 1963<ref>Makers Biography des Historic Houses Trust, [http://collection.hht.net.au/results.do?view=detail&db=object&id=28793 Online] </ref>). Manche Unternehmen fusionierten (''Nairn'' und ''Williamson'' 1963<ref>Makers Biography des Historic Houses Trust, [http://collection.hht.net.au/results.do?view=detail&db=object&id=28990 Online], Zugriff am 30. September 2008</ref>) oder passten sich dem Marktgeschehen an, indem sie von der Produktion von Linoleum auf die der nun erfolgreichen neuen Bodenbeläge auswichen. Gegen die sich bis zur Mitte der 1970er Jahre hin fortsetzende Krise jedoch fand die britische Industrie kein Gegenmittel, 1975 wurde der letzte britische Hersteller, ''Nairn and Williamson Ltd.'', von ''[[Unilever]]'' und 1985 wiederum von ''Forbo'' übernommen. ''Forbo'' betreibt in Kirkcaldy heute das letzte britische Linoleum-Werk, ''Forbo Nairn''.<ref>Siehe auf der Website des Unternehmens [http://www.forbo-flooring.co.uk/Default.aspx?MenuId=1008], dort auch das herunterladbare Dokument ''The History of Forbo Nairn'', Zugriff am 30. September 2008</ref> ==== Nordamerika ==== [[Datei:Dominion Oilcloth and Linoleum Building.jpg|thumb|Verwaltungsgebäude der ''Dominion Oilcloth and Linoleum'' in Montreal, heute ''Tarkett'']] 1872 wurde Frederick Walton nach New York eingeladen, um gemeinsam mit [[Joseph Wild]] die ''[[American Linoleum Manufacturing Company]]'' in [[Staten Island]] aufzubauen. Bereits 1879 konnte von der dortigen Popularität des Linoleums berichtet werden, die amerikanischen Öltuchhersteller bekamen durch Wilds Fabrik spürbare Konkurrenz.<ref>''Floorcloth.'' The Carpet Trade 10, Oktober 1879. Nach: Pamela H. Simpson: ''Comfortable, Durable, and Decorative: Linoleum's Rise and Fall from Grace.'' APT Bulletin 30 (2/3), 1999; Seiten 17–24.</ref> Neben Michael Nairn & Co und Joseph Wilds ''American Linoleum Manufacturing Company'' entstanden um die Jahrhundertwende insgesamt sechs Linoleumunternehmen in den USA. Während die Unternehmen von George Blabon und Thomas Potter, beide in [[Philadelphia]], sowie Cook in [[New Jersey]] jedoch nur kurzzeitig bedeutend waren, dominierte die ''[[Armstrong Cork and Tile Company]]'' in [[Lancaster (Pennsylvania)|Lancaster]], [[Pennsylvania]] bald den amerikanischen Linoleummarkt. [[Datei:Linoleum 003.jpg|thumb|Linoleum aus US-amerikanischer Produktion]] Armstrong wurde 1860 von [[Charles D. Armstrong]] gegründet und belieferte ab den 1880er Jahren vor allem Joseph Wild mit Korkmehl für die Linoleumproduktion. 1907 beschloss die Geschäftsführung, eine eigene Linoleumproduktion aufzubauen, was 1908 realisiert wurde. Im Gegensatz zu anderen Unternehmen bot ''Armstrong'' sein Linoleum direkt dem Privatverbraucher an und startete mehrere Kampagnen, um die Endbenutzer für das Programm ''Linoleum für jedes Zimmer des Hauses''<!-- Warum auf Deutsch? --> zu gewinnen. Zu Armstrongs Innovationen gehörte die dauerhafte Verlegetechnik: Während Linoleum vorher wie Teppich ausgelegt wurde und so leicht beschädigt werden konnte, wurde Armstrong-Linoleum auf den Boden geklebt. Armstrong entwickelte sich sehr schnell und war in den 1920er Jahren Marktführer im amerikanischen Raum.<ref name="Simpson_1999" /> Der mittlerweile in ''[[Armstrong Industries]]'' umbenannte Marktführer konnte in der Krise der 1960er Jahre zwar seine bedeutende Stellung im Bereich der elastischen Fußbodenbeläge bis in die Gegenwart aufrecht erhalten, produzierte aber lange kein Linoleum mehr. Erst durch die Übernahme der ''[[Deutsche Linoleum-Werke|Deutschen Linoleum-Werke AG]]'' 1998 wurde Armstrong wieder im Linoleum-Markt aktiv. Der erste<ref>W. H. Morton Cameron: ''Canadian register of commerce and industry.'', 1959, [http://www.lib.uwo.ca/programs/companyinformationcanada/cr-dominionoilcloth.htm Auszug zu ''Dominion Oilcloth & Linoleum Co. Online''], Zugriff am 28. September 2008</ref> [[Kanada|kanadische]] Linoleumproduzent war die 1872 von einer elfköpfigen Investorengruppe gegründete ''Dominion Oil Cloth Co.,'' später '' Dominion Oilcloth & Linoleum Co.'' Das Unternehmen, das anfangs nur Öltuch herstellte, begann um die Jahrhundertwende, auch Linoleum zu produzieren und war in den 1920er Jahren bekannt für die Qualität seiner Waren. 1934 übernahm Dominion mit der ''Barry & Staines Canada Ltd.'' den kanadischen Ableger des britischen Unternehmens, das ebenso wie ''Michael Nairn Ltd.'' einen Anteil am Unternehmen hielt.<ref>Competition Commission London: ''Report on the Supply of Linoleum.'' HC 366, 1955–56, S. 4–5 [http://www.competition-commission.org.uk/rep_pub/reports/1950_1959/fulltext/016c02.pdf Online], Zugriff am 30. September 2008</ref> 1940 übernahm Dominion auch ''Congoleum Canada Ltd.'' 1967 fusionierten die Unternehmen und firmierten als ''Domco Industries Ltd.'', nach weiteren Übernahmen 1991 und 1994 in den USA reorganisierte sich das Unternehmen 1996 zur ''[[Domco]] Inc.'' 1999 erwarb ''Domco'' die Unternehmen ''Tarkett'' und ''Harris Tarkett'' und firmierte kurz als ''Domco Tarkett'', bevor der Konzern seit 2003 nach weiteren Fusionen global als ''Tarkett'' auftrat.<ref>''Die Geschichte von Tarkett'' auf der Unternehmens-Website der FieldTurf Tarkett, [http://www.tarkett-sports.com/html/de/corporate_historique_groupe.php Online], Zugriff am 28. September 2008</ref><ref name="Flooring">Anonymus: ''Domco. Company Profile.'' In: Flooring, Januar 2001, [http://www.allbusiness.com/retail-trade/building-material-garden-equipment-supplies/787256-1.html Online], Zugriff am 28. September 2008</ref> ==== Deutschland ==== In Deutschland konnte sich Linoleum anfangs nur schwer durchsetzen. Die Akzeptanz des durch den Import teuren und vom vertrauten Dielenboden deutlich verschiedenen Bodenbelags beim Verbraucher war gering<ref name="Ziegler"/>. Erst Ende der 1870er, Anfang der 1880er Jahre änderte sich dies und so wurden 1882 mit der ''Delmenhorster Linoleumfabrik'' (Marke „Hansa“) und der ''Linoleum und Wachstuch Compagnie'' in [[Berlin-Neukölln|Rixdorf]] die ersten Linoleumfabriken gegründet. 1883 folgte dann die ''Erste Deutsche Patent-Linoleumfabrik'' in „[[Berlin-Köpenick|Cöpenick]]“, ab 1907 Teil der ''Bremer Linoleum-Werke AG Delmenhorst'' (Marke „Schlüssel“). Viele weitere Werke folgten bis 1899, nur die ''Continental Linoleum Company'' wurde als letzte erst 1911 gegründet.<ref name="Hellmann">Roland A. Hellmann: ''Aufstieg, Fall und Renaissance eines Fußbodenklassikers: Die Geschichte des Linoleums in Deutschland.'' In: Gerhard Kaldewei (Hrsg.): ''Linoleum – Geschichte, Design, Architektur 1882–2000'', 2000, ISBN 3775709622, S. 48–53.</ref> In Delmenhorst siedelte sich dann 1892 zusätzlich die ''Delmenhorster Linoleum-Fabrik AG'' („Anker“-Marke) an, so wurde die Stadt zum Schwerpunkt der deutschen Linoleumproduktion. Ausschlaggebende Standortvorteile Delmenhorsts waren die dort bereits ansässige [[Kork]]- und [[Jute]]industrie, die Nähe zu England, was insbesondere in der Gründungsphase den Personal-, Technik- und Wissenstransfer vereinfachte und die Nähe Bremens als Seehafen, was kurze Wege für Rohstofflieferungen und Export der Produktion bedeutete.<ref name="Ziegler" /> Weitere Schwerpunkte der Linoleumindustrie waren die Region Berlin und Südwestdeutschland. In der Region Berlin gab es neben Rixdorf und Köpenick Werke in [[Velten]] (''Continental Linoleum Company'', ab 1911) und [[Eberswalde]] ''(Eberswalder Linoleumwerke Frentzel & Söhne).'' In [[Maximiliansau]] bei [[Karlsruhe]] wurde 1893 die ''Linoleumfabrik Maximiliansau'' (Marke "Adler") gegründet und im württembergischen [[Bietigheim-Bissingen#Stadtteil Bietigheim|Bietigheim]] entstand 1899 ein Ableger der schottischen Michael ''Nairn Ltd.,'' die ''Linoleumwerke Nairn AG.''<ref name="Hellmann" /> Mit dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs 1914 brach die deutsche Linoleumproduktion zusammen, denn fast alle Rohstoffe kamen aus dem Ausland. Nach dem Kriegsende 1918 dauerte es bis zum Anfang der 1920er Jahre, bis die Branche sich erholt hatte und an die Produktionszahlen der Vorkriegszeit anknüpfen konnte.<ref name="Hellmann" /> [[Datei:DLW-Aktie 1933.jpg|thumb|Aktie der Deutschen Linoleum-Werke von 1933]] Mit dem Ende der Gründungsphase um 1900 begann dann eine Phase der Unternehmenskonzentration. Bis 1922 waren alle Werke der Region Berlin in Delmenhorster Unternehmen aufgegangen, 1926 kam es dann zum Zusammenschluss der Delmenhorster und süddeutschen Unternehmen zur ''[[Deutsche Linoleum-Werke|Deutschen Linoleum Werke Aktiengesellschaft]],'' anfangs mit Sitz in Berlin, ab 1938 dann in Bietigheim. Die Konzentration setzte sich auch auf europäischer Ebene fort: 1928 war die ''Deutsche Linoleum-Werke A.G. Berlin'' Mitgründer der ''[[Continentalen Linoleum Union]],'' schied aber aus politischen Gründen gegen Ende der 1930er Jahre wieder aus ihr aus<ref name="Tauss"/>.<ref name="Hellmann" /> Im Zweiten Weltkrieg kollabierte die deutsche Linoleumproduktion aufgrund fehlender Rohstoffe erneut<ref name="Hellmann" />. Erst nach 1949 erholte sie sich wieder. Von 1951 bis 1955 verdoppelte sich die Jahresproduktion von 2,8 Mio. auf 5,6 Mio. Quadratmeter.<ref>Statistisches Bundesamt (Hrsg.): ''Die industrielle Produktion 1951–1955.'' In: Die Industrie der Bundesrepublik Deutschland, Sonderheft 11, Stuttgart, S.61</ref> Eine Außenseiterposition nahmen die ''Rheinischen Linoleumwerke Bedburg'' (RLB) ein. Das 1897 gegründete und zeit seines Bestehens im Familienbesitz stehende Unternehmen blieb stets unabhängig von der restlichen Industrie. Im Dritten Reich übernahm die RLB mehrere Unternehmen, die zuvor in jüdischem Besitz waren, darunter mit der ''Österreichischen Linoleum-, Wachstuch- und Kunstlederfabriken AG'' und des Prager Unternehmens ''Linoleum-Industrie Leopold Blum'' auch zwei Linoleum-Werke. In der Nachkriegszeit wurde das Unternehmen zum zweitgrößten deutschen Hersteller nach der ''DLW AG'' und beschäftigte bis zu 1100 Mitarbeiter.<ref name="RLB">Stiftung Rheinisch-Westfälisches Wirtschaftsarchiv zu Köln: Bestandsbeschreibung ''Abteilung 58 Rheinische Linoleumwerke Bedburg'', [http://www.ihk-koeln.de/Navigation/RheinischWestfaelischesWirtschaftsarchiv/Anlagen/BestandsbeschreibungAbt58.pdf PDF Online], Zugriff am 27. September 2008</ref> Die Krise der 1960er Jahre führte zu einem drastischen Produktionsrückgang. Hatten 1960 Linoleum und ähnliche Bodenbeläge wie [[Stragula]] und Balatum noch einen Marktanteil von über 50%, so fiel er bis 1969 auf nur noch rund 10%. Als Folge mussten alle deutschen Werke bis auf das Werk in [[Delmenhorst]] schließen oder die Produktion von Linoleum einstellen. In den 1970er Jahren betrug die Produktion der ''DLW AG'' nur noch 150.000 Quadratmeter jährlich<ref name="Welt">DDP: ''Linoleum ist wieder im Kommen.'' In: Die Welt Online, 28. Oktober 2003, [http://www.welt.de/print-welt/article269023/Linoleum_ist_wieder_im_Kommen.html Online], Zugriff am 30. September 2008</ref>, die ''RLB'' stellten 1973 die Linoleumproduktion ein und mussten 1978 Konkurs anmelden. Erst ab Ende der 1970er, Anfang der 1980er Jahre wuchs die Nachfrage im Zuge wachsenden Umweltbewusstseins bis zur Jahrtausendwende wieder und der vorwiegend aus natürlichen Rohstoffen bestehende Baustoff erlangte neue Bedeutung.<ref name="Hellmann" /> In Deutschland ist die ''DLW AG'' traditionell Marktführer, ihr Marktanteil lag um die Jahrtausendwende stabil bei rund 54&nbsp;Prozent (''Forbo'' 36 %, ''Tarkett'' 10 %)<ref name="Geiger" />. Die Gesamtverkaufszahlen stagnierten zwischen 2003 und 2007 bei 9 bis 10&nbsp;Millionen verkauften Quadratmetern, davon entfielen rund 8&nbsp;bis 8,5&nbsp;Millionen Quadratmeter auf den sogenannten [[Objektbereich]]. An der Warengruppe der [[Elastischer Bodenbelag|Elastischen Bodenbeläge]] hat Linoleum in Deutschland damit einen Anteil von rund 7 %.<ref>''Die Verbrauchsentwicklung diverser Bodenbeläge in der BRD'', Website des Bundesverbands Großhandel Heim & Farbe e. V., [http://www.ghf-online.de/c3view.php?sid=ffvwg8QfzMbzgbd8w33l23113Ebbefmezbd8Jx2s&ieb=1206871017&c3p=33 Online], Zugriff am 30. September 2008</ref> ==== Kontinentaleuropa ==== [[Datei:TarkettSiteNarni.gif|thumb|Das Linoleumwerk in Narni, heute ''Tarkett'']] In zahlreichen Ländern Kontinentaleuropas gab es linoleumproduzierende Unternehmen (Skandinavien, Italien, Schweiz, Frankreich, Niederlande, Österreich), meist beschränkte sich dies aber auf einzelne Werke, nur selten kam es zu regelrechten Industrien mit mehreren Herstellern wie in Deutschland. 1928 gründete die ''Deutsche Linoleum-Werke A.G.'' gemeinsam mit der schwedischen ''Linoleum Aktiebolaget Forshaga'' und der Schweizer ''Linoleum AG Giubiasco'' die ''Continentale Linoleum Union'' (CLU) mit Sitz in [[Zürich]], die nach eigenen Angaben zu diesem Zeitpunkt „ungefähr 80 % der kontinentaleuropäischen Linoleumproduktion“<ref name="CLU" /> repräsentierte. Im Folgejahr kam die ''Nederlandsche Linoleumfabriek'' (Niederlande) dazu, später auch Unternehmen aus Österreich, Frankreich und Lettland. Die ''DLW'' schieden aus politischen Gründen gegen Ende der 1930er Jahre wieder aus der Union aus.<ref name="Tauss"/> Aus der ''Continentalen Linoleum Union'' ging dann in den 1970er Jahren die ''[[Forbo Holding|Forbo Holding AG]]'' hervor. Die schwedische ''Linoleum AB Forshaga'' wurde 1896 von Karl Ekström in [[Forshaga]] gegründet, zog aber nach einigen Jahren nach [[Göteborg]], um über dessen Hafen besseren Zugang zu Rohstoffen und kürzere Exportwege zu haben. Über ein halbes Jahrhundert beherrschte das Unternehmen den schwedischen Markt für Bodenbeläge. In den 1960er Jahren verbreiterte das Werk sein Produktionsspektrum auf PVC- und Textilböden. Das Gründungsmitglied der ''Continentalen Linoleum Union'' ging dann 1968 im Forbo-Konzern auf. Heute wird Linoleum in Schweden nicht mehr hergestellt. [[Datei:Linoleum Giubiasco TI jetzt FORBO Dobedit.jpg|thumb|Das Werk der ''Linoleum AG Giubiasco'' (Schweiz) 1932]] In Italien begann die Produktion 1898 mit der Gründung der ''Società Italiana del Linoleum'' mit Sitz in [[Mailand]] durch den Industriellen [[Giovanni Battista Pirelli]], der seine Kautschukfabrik in [[Narni]] zur einzigen italienischen Produktionsstätte für Linoleum umwidmete. Die ''Società Italiana del Linoleum'' war Teil des europäischen Linoleumkartells und so gegen Importe weitgehend geschützt. Gestützt auf ihren Heimatmarkt steigerte das Monopolunternehmen den Exportanteil seiner Produktion auf bis zu 30% in den 1930er Jahren. Auch dieses Werk geriet jedoch zum Ende der 1960er Jahre in die Krise der Branche und musste 1985 schließen.<ref name="Bombara">Silvia Bombara: ''Il peso della storia. Narni e l’industria.'' In: Comune di Narni (Hrsg.): ''Lavoro e formazione - Le aziende narnesi parlano'', o.J. (2007/2008), S. 20–26, [http://www.provincia.terni.it/impiego/cenimptr/monitoraggio/Volume%20LAVORO%20E%20FORMAZIONE.pdf PDF Online], Zugriff am 30. September 2008</ref> Das Werk wurde von ''Sommer Allibert'' übernommen, nach deren Fusion 1997 mit ''Tarkett''<ref>Michael Wortmann: ''Ausländische Direktinvestitionen und Arbeitsplatzexport? Eine Untersuchung des externen und internen Auslandswachstums deutscher Unternehmen'', FAST-Studie Nr. 32, Berlin, 2002, S.60, ([http://www.wzb.eu/gwd/into/pdf/wortmann_fast_32_bmwi2002.pdf PDF Online]), Zugriff am 30. September 2008</ref> in den Folgejahren umfangreich modernisiert<ref name="BTH" /> und ist heute eines der letzten vier noch aktiven Linoleumwerke. Das italienische Unternehmen wurde auch zur Mutter des einzigen Schweizer Linoleumwerkes, das Pirelli 1905 in [[Giubiasco]] im [[Kanton Tessin|Tessin]] gründete. Nach einigen Anfangsschwierigkeiten konnte sich das Werk erfolgreich am Markt etablieren, musste aber die Produktion im Ersten Weltkrieg unterbrechen. Zwei Jahre nach der Wiederaufnahme der Produktion 1919 wurde aus dem Filialwerk 1921 ein eigenständiger Betrieb, die ''Linoleum AG Giubiasco'', die 1928 Mitgründer der ''CLU'' wurde. Das Werk arbeitete weiterhin erfolgreich und beschäftigte vor der Krise zwischen 1930 und 1940 bis zu 225 Angestellte. Nach dem Zweiten Weltkrieg expandierte das Unternehmen und baute sein Angebot weiter aus. Die Linoleumproduktion stellte das Werk 1965 ein und verlegte sich auf die Produktion synthetischer Bodenbeläge. 1974 ging das Werk dann im ''Forbo''-Konzern auf, dem sie bis heute angehört, heutzutage werden dort Pressplatten für antistatische Bodenbeläge<ref>''Ein Jahrhundert Tätigkeit'' auf der Unternehmens-Website der Forbo-Giubiasco SA, [http://www.forbo.ch/default.aspx?menuid=1813 Online], Zugriff am 30. September 2008</ref> hergestellt.<ref>Pasquale Genasci / CN: ''Forbo'' In: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Bd. 4 Dudan – Frowin, 2005, ISBN 978-3-7965-1904-8, [http://www.hls-dhs-dss.ch/textes/d/D41950.php Online], Zugriff am 30. September 2008</ref> [[Datei:LinoleumfabrikZaanstad1899-1903.jpg|thumb|Die erste niederländische Linoleumfabrik in Zaanstad]] Das erste niederländische Linoleumwerk wurde 1898/1899 in [[Zaanstad]] errichtet, brannte aber bereits 1903 bis auf die Grundmauern nieder.<ref>Maura Huig: ''Kaars Sijpesteijns eerste linoleumfabriek (1898–1903)'', In: Met Stoom, Nr. 34, Dezember 1999, [http://www.zaans-industrieel-erfgoed.nl/index%20met%20stoom.html Online], Zugriff am 29. September 2008</ref> Zeitgleich wurde von der ''Nederlandse Linoleum Fabriek'' ein Werk in [[Krommenie]] errichtet, das 1922 um ein weiteres Werk in unmittelbarer Nachbarschaft erweitert wurde. Sowohl das Werk in Zaanstad wie jenes in Krommenie wurden unter Lizenz von Frederick Walton betrieben, der auch sachkundiges Personal bereitstellte. Die ''NLF'' schloss sich 1929 der ''CLU'' an. 1968 erweiterte die ''NLF'' seine Produktpalette um Vinylböden, um der Krise zu begegnen. Im selben Jahr folgte die Fusion der Betriebe in der ''CLU'' zum ''Forbo''-Konzern. Im Rahmen der Reorganisation des Konzerns war es das Werk in Krommenie, das neben dem in Kirkcaldy für die weitere Produktion von Linoleum ausgewählt wurde. Bis heute wird der niederländische Markt von ''Forbo'' dominiert, die 2006 einen Marktanteil von über 90% hatten<ref name="Geiger" />.<ref>Jan Schoen: ''Honderd jaar linoleum in Nederland'' In: Met Stoom, Nr. 34, Dezember 1999, [http://www.zaans-industrieel-erfgoed.nl/index%20met%20stoom.html Online], Zugriff am 29. September 2008</ref> 1922 wurde durch das Unternehmen Blum Haas in [[Traiskirchen]] die ''[[Österreichische Linoleum-, Wachstuch- und Kunstlederfabriken AG]]'' gegründet. Das Unternehmen wurde 1938 „[[Arisierung|arisiert]]“, von den Rheinischen Linoleumwerken Bedburg gekauft und in ''Wiener Linoleum Wachstuchwerke'' umbenannt<ref name="RLB" />. 1945 wurde das Unternehmen enteignet und als [[USIA]]-Betrieb geführt, 1955 wurde es an den aus den USA zurückgekehrten Gründer zurückgegeben, 1958 übernahm es der halbstaatliche [[Semperit AG|Semperit]]-Konzern. Wann die Linoleumproduktion eingestellt wurde, ist nicht bekannt, die ÖLW AG produziert heute Kunstleder und Beschichtungen.<ref>Unternehmenschronik auf der Website des Unternehmens, [http://www.oelw.at/Eingang_Set.htm Online], Zugriff am 27. September 2008</ref> == Konkurrenzprodukte == Linoleum war bereits kurze Zeit nach seiner Etablierung das marktbeherrschende Produkt unter den elastischen Bodenbelägen und konnte diese Stellung fast ein Jahrhundert lang behaupten. In dieser Zeit wurden allerdings immer wieder Alternativen entwickelt, die mehr oder weniger stark mit Linoleum konkurrierten. In der Anfangszeit war dies vor allem das bereits erwähnte und ältere [[Kamptulikon]], es war allerdings weniger fußwarm und verschleißfest als Linoleum. Durch den Ausgangsstoff Gummi, der zum Ende des 19. Jahrhunderts immer teurer wurde, war es auch preislich immer weniger konkurrenzfähig. Um die Jahrhundertwende verschwand es so endgültig vom Markt. 1871 und damit etwa zehn Jahre nach der Entdeckung des Linoleums, wurde das [[Corticin]], später einfach Korkteppich genannt, entwickelt. Dieses bestand aus Korkmehl und polymerisiertem Öl. 1875 patentierte der Designer [[William Morris]] ein afrikanisches Design dieses Materials, das bis etwa 1900 erhältlich war. Corticin konnte sich allerdings gegen Linoleum nicht durchsetzen.<ref name="Simpson_1999" /> Ursprünglich als Ersatzstoffe wurden in der ersten Hälfte des 20.&nbsp;Jahrhunderts [[Stragula]], [[Balatum]], [[Bedola]] und [[Triolin]] entwickelt. Alle existierten zeitweise parallel und konkurrierten mit Linoleum nur im untersten Preissegment. Erst in der zweiten Hälfte des 20.&nbsp;Jahrhunderts setzte sich zunehmend PVC als Fußbodenbelag durch und verdrängte neben den verschiedenen Alternativen auch das Linoleum fast vollständig vom Markt. == Kulturgeschichte == === Design und Architektur === ==== Technische Voraussetzungen ==== Ursprünglich gab es nur einfarbig pigmentiertes Linoleum. Zwar konnte man es mit Dekoren bedrucken, eine vermutlich schon seit der Erfindung des Linoleums gängige Praxis, solche Aufdrucke waren aber nicht verschleißfest und nutzten sich durch Gebrauch ab. Die wohl früheste Methode einer Gestaltung des Materials selbst war ein bereits 1863 existierendes und 1879 noch einmal verbessertes Verfahren, das dem Linoleum ein granitartiges Erscheinungsbild verlieh.<ref>Silvia Tauss: ''Problematik der Erhaltung von Linoleumbelägen in situ – Am Beispiel Warenhaus „Cheesmeyer“ in Sissach'', Diplomarbeit, Bern, 2007, S. 23–24, [http://www.hkb.bfh.ch/fileadmin/PDFs/Konservierung/Diplom_2007/Diplomarbeit2007_Tauss_Silvia.pdf PDF Online], Zugriff am 30. September 2008</ref> [[Datei:LinoleumHansa1895Teppichdekor.jpg|thumb|Bedrucktes Linoleum (Orientteppich-Dekor), Hansa-Werke Delmenhorst, 1895]] Charles Frederick Leake, einem Mitarbeiter von Walton<ref name="oxbio"/>, gelang es dann 1880 erstmals, eine Methode zur Produktion nicht-granitierten, mehrfarbigen Linoleums zu entwickeln, dem Verfahren mangelte es aber noch an Präzision. Die Kunsthistorikern Pamela Watson sprach 1997 von „ … etwas verschwommen aussehenden Mustern, die aber die Präzision einer Gestaltung durch Kacheln nicht nachahmen konnten“.<ref>''„… inlay in somewhat fuzzy-looking patterns, but it could not imitate the precision of a tile design.“'', Pamela H. Simpson: ''Linoleum and Lincrusta: The Democratic Coverings for Floors and Walls.'' In: ''Perspectives in Vernacular Architecture, Vol. 7, Exploring Everyday Landscapes'', 1997, S. 283</ref> 1882 dann erfand Walton das sogenannte ''Straight-Line-Inlaid''-Verfahren, eine Einlegetechnik, die endlich ein dauerhaftes Design ermöglichte. Musterungen wurden hierbei aus verschiedenfarbigen Bahnen ausgeschnitten, mosaikähnlich zusammengelegt und mittels Druck und Hitze zusammengefügt. Anfangs war das so erzeugte Linoleum sehr teuer und entsprechend wenig erfolgreich, da das Schneiden und Zusammenlegen noch von Hand erfolgen musste. Erst als Walton 1890 einen Weg zur maschinellen Erzeugung von Inlaid-Linoleum fand, stand dessen Erfolg nichts mehr im Weg. Walton gründete 1894 die ''Greenwich Inlaid Linoleum Company,'' die sich auf diese Linoleumform spezialisierte.<ref name="oxbio"/><ref name="simpson_97">Pamela H. Simpson: ''Linoleum and Lincrusta: The Democratic Coverings for Floors and Walls.'' In: ''Perspectives in Vernacular Architecture, Vol. 7, Exploring Everyday Landscapes'', 1997</ref> ==== Frühes Design ==== [[Datei:HeinzStoffregenLinoleum oJ.jpg|thumb|Linoleum nach einem Entwurf von Heinz Stoffregen, um 1910]] Wenn in den ersten Jahrzehnten Linoleum überhaupt gestaltet wurde, orientierten sich die zu dieser Zeit federführenden englischen Hersteller in der Regel am Publikumsgeschmack ihrer konservativen Heimatmärkte, die wenigen Produzenten in anderen Ländern wie den USA oder Frankreich wiederum schauten meist nach England. Mit der Absicht, das Linoleum zur Erhöhung der Akzeptanz optisch aufzuwerten, wurden besonders hochwertige oder wertvolle Materialien wie [[Orientteppich]]e, Steinböden oder [[Parkett]] imitiert. Diese Gestaltungsprinzipien blieben noch bis weit ins 20.&nbsp;Jahrhundert maßgeblich. 1912 konstatierte [[Gustav Gericke]]: „Frankreich pflegt in seinem Geschmack noch konservativer zu sein als England und den in der Entwicklung befindlichen neuen deutschen Stil gegenüber den historischen französischen Stilen als minderwertig, mindestens aber dem französischen Geschmack absolut nicht zusagend anzusehen. Auch die in Schweden, Norwegen, Italien, Österreich und der Schweiz bestehenden Fabriken, welche für den Wettbewerb mit Deutschland in Frage kommen, haben sich bislang darauf beschränkt, es England in der Musterung nachzutun<ref name="Gericke" />“.<ref name="Tauss" /> ==== Modernes Design ab 1900 ==== [[Datei:Peter Behrens, um 1913.jpg|thumb|Peter Behrens, um 1913]] In Deutschland konnte sich ab der Jahrhundertwende ein modernerer Ansatz der Linoleumgestaltung durchsetzen, der Einflüsse aus [[Jugendstil]], [[Art Déco]] und [[Neue Sachlichkeit (Architektur)|Neuer Sachlichkeit]] integrierte. Der erste Hersteller, der hier den Schulterschluss mit progressiven Künstlern für eine zeitgemäße Gestaltung des Linoleums suchte, waren die in Delmenhorst ansässigen Hansa-Werke. Bereits seit 1892 gab es hier einen künstlerischen Beirat, dem es allerdings lange nicht gelang, adäquate Vorlagen zu liefern. 1903 dann starteten die Hansa-Werke ein Preisausschreiben und setzten im Anschluss vier der Entwürfe um, darunter auch einen des Münchner Jugendstil-Künstlers [[Richard Riemerschmid]].<ref name="Aschenbeck">Nils Aschenbeck: ''Im Zeitalter der Hygiene.'' In: Gerhard Kaldewei (Hrsg.): ''Linoleum – Geschichte, Design, Architektur 1882–2000'', 2000, ISBN 3775709622, S. 140–161.</ref> Hauptsächlich zurückzuführen ist der Durchbruch des modernen Designs in der deutschen Linoleumherstellung jedoch auf Gustav Gericke, der seit 1903 Direktor der 1892 gegründeten Anker-Werke Delmenhorst war. Gericke war nicht nur ein erfolgreicher Geschäftsmann, sondern war auch einem reformistischen, kunstverbundenen Ideal verbunden. Wahrscheinlich bereits direkt nach seinem Amtsantritt kontaktierte er den Industriedesigner [[Peter Behrens]], der in den Folgejahren stark vom Jugendstil beeinflusst nicht nur Entwürfe für das Linoleum selbst vorlegte, sondern das gesamte Erscheinungsbild des Unternehmens vom Briefpapier an über Plakate, Broschüren bis hin zu Ausstellungspavillons überarbeitete. Ab 1906 dann verbreiterte sich die auf den sogenannten ''Künstlermustern'' basierende Produktpalette der Anker-Werke, neben Behrens entwarfen bedeutende Künstler wie Richard Riemerschmid, [[Bruno Paul]], [[Albin Müller]], [[Rudolf Alexander Schröder]], [[Josef Hoffmann (Architekt)|Josef Hoffmann]], [[Henry van de Velde]], [[Willi Baumeister]]<ref>''Anhang'' In: Armstrong DLW (Hrsg.): ''DLW Referenzen'', 2008, S. 248</ref>, [[Lucian Bernhard]], [[Johann Vincenz Cissarz]] sowie zahlreiche andere für die Anker-Werke.<ref name="Aschenbeck" /> Das Engagement der Anker-Werke unter Gericke ging weit über das Erschließen einer Marktlücke hinaus. 1907 trat das Unternehmen dem neu gegründeten [[Deutscher Werkbund|Deutschen Werkbund]] bei, dem einige seiner Gestalter angehörten, Gericke war dort zeitweise auch Vorstandsmitglied. Neubauten für das Werk zwischen 1910 und 1912 ließen sie von dem Bremer Architekten [[Heinz Stoffregen]] ausführen, seine neusachlichen Bauten fanden insbesondere bei modernen Architekten ebenso viel Beachtung wie die ''Künstlermuster'' der Kollektion. Die sehr grafischen und stark geometrischen Entwürfe sorgten dafür, dass die Anker-Werke nicht nur nach Marktanteilen, sondern auch künstlerisch als führend galten. Auch die anderen Werke in Delmenhorst konnten sich dieser Entwicklung nicht entziehen. Die Hansa-Werke veranstalteten 1911 ein weiteres Preisausschreiben und selbst die kleineren Schlüssel-Werke vertrieben unter anderem Entwürfe von [[Heinrich Vogeler]].<ref name="Aschenbeck" /> Wenngleich diese künstlerische Orientierung sich in Deutschland durchaus am Markt erfolgreich zeigte, so sollte sie sich international als ein Hindernis erweisen. Gericke musste erkennen, dass „[…] die moderne deutsche Mustergebung im Wettbewerb auf dem Auslandsmarkte bislang verhältnismäßig wenig Boden gewinnen konnte […]“, allein in der Schweiz, Österreich, Holland, Belgien und den skandinavischen Länder ließen „[…] sich einige Erfolge […] erkennen.“<ref name="Gericke" /> Zu den wenigen Beispielen für gehobenes Design außerhalb Deutschlands gehörten einige Muster von Josef Hoffmann und weiteren Künstlern der [[Wiener Werkstätte]], die von dem nordamerikanischen Unternehmen [[Armstrong Industries]] um 1915 in sein Programm aufgenommen wurden, sowie Arbeiten von [[Christopher Dresser]] für Frederick Walton.<ref name="simpson_97" /> ==== Werkstoff in der Architektur der Moderne ==== Mit dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs 1914 und dem Kollaps der deutschen Linoleumindustrie endete diese intensive Phase der Zusammenarbeit zwischen den Linoleumwerken und zeitgenössischen Künstlern<ref name="Aschenbeck" />, sie sollte sich erst Mitte der 1920er Jahre nach dem Zusammenschluss fast aller deutschen Werke zu den Deutschen Linoleum-Werken 1926 neu ergeben, dann aber vor allem unter architektonischen Vorzeichen. Architekten wie [[Walter Gropius]], [[Ludwig Mies van der Rohe]] oder [[Bruno Taut]] schätzten den Belag zwar als modern und hygienisch, gebrauchten aber ihren Konzepten gemäß einfarbiges und ungemustertes Linoleum in klaren Farben.<ref name="kaldewei">Gerhard Kaldewei: ''Linoleum – Kunst und Industrie 1882–2000 – Eine Einführung.'' In: Gerhard Kaldewei (Hrsg.): ''Linoleum – Geschichte, Design, Architektur 1882–2000'', 2000, ISBN 3775709622</ref> So gestaltete Mies van der Rohe zwischen 1928 und 1930 einen speziellen, rein elfenbeinweißen Linoleumbelag für den Bau der [[Villa Tugendhat]] in Brünn.<ref name="Franke">Julia Franke: ''Linoleum zum historischen Design des Bodenbelags um 1900'' In: Gerhard Kaldewei (Hrsg.): ''Linoleum – Geschichte, Design, Architektur 1882–2000'', 2000, ISBN 3775709622, S. 130–137.</ref> In großem Maßstab wurde dieser Belag in der Stuttgarter [[Weißenhofsiedlung]] eingesetzt, wo man 20 der 21 Bauten mit Linoleum auslegte.<ref name="Schulte">Karin Schulte: ''Linoleum und der Ausstellungsraum der DLW auf der Werkbund-Ausstellung „Die Wohnung“ 1927 in Stuttgart.'' In: Gerhard Kaldewei (Hrsg.): ''Linoleum – Geschichte, Design, Architektur 1882–2000'', 2000, ISBN 3775709622, S. 198–207.</ref> Häufig wurden verschiedene einfarbige Beläge verwendet, um den Raum zu strukturieren. Ideal dafür waren Linoleumfliesen. So benutzte Gropius in der Karlsruher Siedlung [[Dammerstock]], wo es auch für die Wände und das Mobiliar verwendet wurde, den Belag als Raumteiler<ref name="DLW_1230">Anonymus: ''Die Dammerstock-Siedlung in Karlsruhe.'' In: Nachrichten der Deutschen Linoleum-Werke AG Nr. 12/1930, Reprint in: Gerhard Kaldewei (Hrsg.): ''Linoleum – Geschichte, Design, Architektur 1882–2000'', 2000, ISBN 3775709622, S. 168–170.</ref> und Bruno Taut legte in seinem zweiten Wohnhaus (Haus Taut II) 1927 in fast allen Räumen große, einfache Muster aus Linoleumfliesen.<ref name="zollstock">Bettina Zöller-Stock: ''Zu Innenraumentwürfen des Architekten Bruno Taut'' In: Gerhard Kaldewei (Hrsg.): ''Linoleum – Geschichte, Design, Architektur 1882–2000'', 2000, ISBN 3775709622, S. 130–137.</ref> Mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten 1933 sollte auch diese kurze Phase ihr Ende finden. Als die Produktion in der Nachkriegszeit wiederaufgenommen wurde, spielten gestalterische Fragen zunächst keine Rolle, zumeist wurde einfarbiges Linoleum verlangt. Erst 1957 wurde die Tradition der ''Künstlermuster'' mit der von [[Hertha Maria Witzemann]] gestalteten Kollektion ''Inlaid ’57'' wiederaufgenommen. In Zusammenarbeit mit Architekten erschienen bei der DLW die beiden Muster ''Mikado'' und ''Konfetti.'' Aus Kostengründen wurde das Programm 1959 aber wieder eingestellt. Heutzutage gibt es keine Inlaid-Kollektionen mehr, Inlaid wird nur noch für Sonderaufträge hergestellt.<ref name="kaldewei" /> [[Datei:Making a linocut.JPG|thumb|Linolschnitt]] [[Datei:Zumfrischenwasserlinol.jpg|thumb|Linoldruck]] === Linolschnitt === → ''Hauptartikel: [[Linolschnitt]]'' In der bildenden Kunst wird Linoleum für das Hochdruckverfahren des [[Linolschnitt]]s verwendet, dabei wird ein Negativ in das später als Druckplatte dienende Linoleum geschnitten. Dieses weist, anders als das ähnlich gebrauchte Holz, keine [[Maserung]] auf, wodurch die Druckflächen klar und gleichmäßig sind und die Linienführung ist weich, da es leicht schneidbar ist. Durch diese Eigenschaften begünstigt das Verfahren großflächige Bildelemente. Zur Einfärbung der Druckplatte dienen spezielle Farben, der Druck erfolgt meist auf Papier, aber auch auf Stoff.<ref name="LdK1">Harald Olbrich (Hrsg.): ''Lexikon der Kunst – Architektur, Bildende Kunst, Angewandte Kunst, Industrieformgestaltung, Kunsttheorie: Linol(eum)schnitt'', Bd. 4, ISBN 3-363-00286-6, S. 349–350.</ref> Wann zum ersten Mal mit Linoleum gedruckt wurde, ist nicht genau zu datieren. Häufig angeführt wird ein Drucker in [[Stettin]], der 1890 auf diese Weise Tapeten bedruckt habe, die Behauptung ist jedoch unbelegt. Ab 1895 etablierte sich der Linolschnitt in Deutschland als Technik im schulischen Kunst- und Werkunterricht und wurde in den ersten Jahren des 20. Jahrhunderts auch von Künstlern genutzt. Der erste bekannte Kunst-Linoldruck stammt von [[Erich Heckel]] aus dem Jahre 1903, schnell folgten weitere Künstler, die von der neuen Technik teilweise intensiv Gebrauch machten, so [[Maurice de Vlaminck]], [[Henri Matisse]], [[Wassily Kandinsky|Wassili Kandinsky]], [[Gabriele Münter]] oder [[Christian Rohlfs]]. In den 1920er Jahren arbeiteten [[Konstruktivismus (Kunst)|Konstruktivisten]] wie [[Heinrich Hoerle]] oder [[Gerd Arntz]] mit dem Linoldruck stark grafisch und formelhaft.<ref name="Tietze">Andrea Tietze: ''Der Linolschnitt in der Geschichte und Kunst der Moderne.'' In: Gerhard Kaldewei (Hrsg.): ''Linoleum – Geschichte, Design, Architektur 1882–2000'', 2000, ISBN 3775709622, S. 68–93.</ref> In der Nachkriegszeit begannen Künstler dann den Linoldruck abseits der bisherigen Techniken zu erkunden. [[Wilhelm Lachnit]] ätzte Linoleum, [[Pablo Picasso]] löste sich vom klassischen Verfahren separater Arbeitsgänge und entwickelte den Einplatten-Farbdruck, bei dem er unter Einsatz zunehmend dunklerer Farben abwechselnd druckte und schnitt und im letzten Gang Konturen nachdruckte.<ref name="LdK1" /> Den größten Teil des Spätwerks von [[Karl Rössing]] bilden Linolarbeiten, oft auch in Kombination mit der [[Offsetdruck|Offset-Technik]]. [[HAP Grieshaber]] nahm den Linolschnitt als eine zentrale Technik in sein Repertoire auf und schuf damit Großwerke wie die ''[[Josefslegende (Kunstwerk)|Josefslegende]],'' eine 7 x 9 Meter große Altarwand. In der Kunst der Gegenwart sind vor allem [[Per Kirkeby]] und [[Markus Lüpertz]], die Linoldruck und [[Kupferstich]] kombinierten, sowie [[Georg Baselitz]], [[Jörg Immendorff]], [[Norbert Prangenberg]] und [[Jess Walter]] zu nennen.<ref name="Tietze" /> Großflächigkeit und klare Farben machten den Linoldruck insbesondere bei volksnah orientierten Künstlern populär. Lateinamerikanische Kunstgruppen wie [[Taller de Gráfica Popular]] (Mexiko) oder der [[Club de la Estampa]] (Argentinien) nutzten ihn ebenso wie Künstler der [[Ostblock]]-Staaten. In der [[Deutsche Demokratische Republik|DDR]] spezialisierte sich [[Ingrid Goltzsche-Schwarz]] auf seine Anwendung.<ref name="LdK1" /> Andere, sehr selten eingesetzte Verfahren auf Linoleumbasis sind das sogenannte ''[[Cerataryt]]<ref>Harald Olbrich (Hrsg.): ''Lexikon der Kunst – Architektur, Bildende Kunst, Angewandte Kunst, Industrieformgestaltung, Kunsttheorie: Cerataryt,'' Bd. 1, ISBN 3-363-00286-6, S. 789.</ref>'' sowie die ''[[Bronzo-Lino-Technik]]'' von [[Bruce Onobrakpeya]]<ref>Harald Olbrich (Hrsg.): ''Lexikon der Kunst – Architektur, Bildende Kunst, Angewandte Kunst, Industrieformgestaltung, Kunsttheorie: Onobrakpeya,'' Bd. 5, ISBN 3-363-00286-6, S. 287.</ref>, bei dem Linoleum bronziert wird und so Reliefcharakter erhält. == Einzelnachweise == <references /> == Weiterführende Literatur == * Günther Förster, Josef Eiffler, Uwe Buchholz: ''Linoleum: Der Bodenbelag aus nachwachsenden Rohstoffen.'' (= Die Bibliothek der Technik; Bd. 107). Verlag Moderne Industrie, Landsberg am Lech 1995, ISBN 3-478-93123-1. * Gerhard Kaldewei (Hrsg.): ''Linoleum – Geschichte, Design, Architektur 1882–2000.'' Hatje Cantz, Ostfildern 2000, ISBN 3-7757-0962-2. * Silvia Tauss: ''Problematik der Erhaltung von Linoleumbelägen in situ – Am Beispiel Warenhaus „Cheesmeyer“ in Sissach.'' Diplomarbeit, HKB Bern 2007 ([http://www.hkb.bfh.ch/fileadmin/PDFs/Konservierung/Diplom_2007/Diplomarbeit2007_Tauss_Silvia.pdf Volltext als PDF]) * Pamela H. Simpson: ''Comfortable, Durable, and Decorative: Linoleum's Rise and Fall from Grace,'' in: APT Bulletin 30 (2/3), 1999, {{ISSN|0848-8525}} * The Monopolies and Restrictive Practices Commission (Hrsg.): ''Report on the Supply of Linoleum'' (= HC 366, 1955–56). London 1956 ([http://www.competition-commission.org.uk/rep_pub/reports/1950_1959/016linoleum.htm Online]) == Weblinks == {{Commonscat|Linoleum}} [[Kategorie:Baustoff]] [[Kategorie:Boden (Bauteil)]] {{Exzellent}} [[cs:Linoleum]] [[da:Linoleum]] [[en:Linoleum]] [[eo:Linoleumo]] [[es:Linóleo]] [[fi:Linoleumi]] [[fr:Linoleum]] [[id:Linoleum]] [[it:Linoleum]] [[ja:リノリウム]] [[ko:리놀륨]] [[ms:Linoleum]] [[nds:Linoleum]] [[nl:Linoleum]] [[no:Linoleum]] [[pl:Linoleum]] [[ru:Линолеум]] [[sk:Linoleum]] [[sv:Linoleum]] cx5cszv72nulic1rsptvgetwvfy1b24 wikitext text/x-wiki Linux 0 23848 26443 2010-05-05T17:39:06Z Engie 0 Änderungen von [[Special:Contributions/78.43.233.239|78.43.233.239]] ([[User talk:78.43.233.239|Diskussion]]) rückgängig gemacht und letzte Version von [[User:84.152.165.227|84.152.165.227]] wiederhergestellt {{Begriffsklärungshinweis}} {{Infobox Betriebssystem | Name = Linux oder GNU/Linux | Logo = [[Datei:Tux.svg|150px|Tux, der Linux-Pinguin]] | Bild = | Beschreibung = | Entwickler = diverse | Version = | Freigabedatum= | Stammbaum = basiert auf [[GNU]] | Architekturen= diverse | Kernel = [[monolithischer Kernel]] | Lizenz = diverse | Sonstiges = | Website = }} Als '''Linux''' (dt. [{{IPA|ˈliːnʊks}}]) oder '''GNU/Linux''' (''siehe'' [[GNU/Linux-Namensstreit]]) werden in der Regel [[Freie Software|freie]], [[Portabilität (Informatik)|portable]], [[Unixoides System|Unix-ähnliche]] [[Mehrbenutzersystem|Mehrbenutzer]]-[[Betriebssystem]]e bezeichnet, die auf dem [[Linux (Kernel)|Linux-Kernel]] und wesentlich auf [[GNU]]-Software basieren. Die weite, auch kommerzielle Verbreitung wurde ab 1992 durch die Lizenzierung des Linux-Kernels unter der [[GNU General Public License|GPL]] ermöglicht. Das modular aufgebaute Betriebssystem wird von Softwareentwicklern auf der ganzen Welt weiterentwickelt, die an den verschiedenen Projekten mitarbeiten. Es sind sowohl Unternehmen als auch [[Non-Profit-Organisation]]en und Einzelpersonen beteiligt, die dies als Hobby betreiben. Im praktischen Einsatz werden meist sogenannte [[Linux-Distribution]]en genutzt, in denen verschiedene Software zu einem fertigen Paket zusammengestellt ist. Jede Distribution enthält somit Linux beziehungsweise den Linux-Kernel. Es gibt eine Vielzahl von Linux-Distributionen, aber für die aktuellen Kernel 2.2.x, 2.4.x und 2.6.x jeweils nur eine stabile, eine aktiv gepflegte und eine weiter entwickelte Version – nebenbei wird der (stabile) 2.6.29er-Zweig noch gepflegt und es werden [[Patch (Software)|Patches]] für vorhergehende Versionen bereitgestellt. Allerdings passen viele [[Distributor]]en und versierte Benutzer den [[Betriebssystemkern]] mehr oder weniger für ihre Zwecke an. Die Einsatzbereiche von Linux sind vielfältig und umfassen unter anderem die Nutzung auf [[Desktop-Computer|Desktop-Rechnern]], [[Host (Informationstechnik)|Servern]], [[Mobiltelefon]]en, [[Router]]n, [[Netbook]]s, Multimedia-Endgeräten und [[Supercomputer]]n. Dabei variiert die Verbreitung von Linux in den einzelnen Bereichen drastisch. So ist Linux im Server-Markt eine feste Größe, während es auf dem Desktop bisher nur eine geringe Rolle spielt. Ebenfalls spielt die wirtschaftliche und geographische Lage einer Region eine wichtige Rolle. So planen vorrangig südamerikanische Schwellenländer den verstärkten Einsatz von Linux.<ref>{{internetquelle|autor=Thomas C Green|url=http://www.theregister.co.uk/2002/05/19/ms_in_peruvian_opensource_nightmare/|sprache=englisch|titel=MS in Peruvian open-source nightmare|werk=The Register|datum=19.&nbsp;Mai 2002|zugriff=26.&nbsp;Juli 2008}}</ref><ref>{{internetquelle|autor=Ingrid Marson|url=http://news.zdnet.co.uk/software/linuxunix/0,39020390,39196592,00.htm|sprache=englisch|titel=Brazil to mandate open source use|werk=ZDNet.co.uk|datum=27.&nbsp;April 2005|zugriff=26.&nbsp;Juli 2008}}</ref> == Geschichte == → ''Hauptartikel: [[Geschichte von Linux]]'' === Entwicklungen im Vorfeld === Das 1983 von [[Richard Stallman]] ins Leben gerufene [[GNU-Projekt]] hatte das Ziel, ein [[UNIX]]-ähnliches, [[POSIX]]-kompatibles Betriebssystem zu schaffen. Zwar war bereits Anfang der 90er Jahre eine ansehnliche Menge von Software geschrieben worden, doch steckte der eigentliche Betriebssystem-Kern noch in einer frühen Phase und entwickelte sich nur langsam. Die ebenso freie [[Berkeley Software Distribution]], die sich in den 80er Jahren entwickelt hatte, war in einen Rechtsstreit mit ungewissem Ausgang verwickelt und war aus diesem Grund ebenso keine Alternative als freies Betriebssystem. Damit stand Anfang der Neunziger kein vollständiges, freies System zur Verfügung, welches für Entwickler interessant gewesen wäre. === Historische Entwicklung === [[Datei:Linus Torvalds.jpeg|thumb|right|Linus Torvalds 2004]] 1991 begann [[Linus Torvalds]] in [[Helsinki]] ([[Finnland]]) mit der Entwicklung einer Terminal-[[Emulation]], um unter anderem seinen eigenen Computer besser zu verstehen. Mit der Zeit merkte er, dass sich das System immer mehr zu einem Betriebssystem entwickelte und kündigte es daraufhin in der [[Usenet]]-Themengruppe für das Betriebssystem [[Minix (Betriebssystem)|Minix]], ''comp.os.minix'' an.<ref>{{internetquelle|autor=Linus Torvalds|hrsg=|url=http://groups.google.de/group/comp.os.minix/msg/b813d52cbc5a044b|sprache=englisch|titel=What would you like to see most in minix?|werk=|datum=26. August 1991|zugriff=26. Juli 2008|kommentar=|zitat=}}</ref> Im September desselben Jahres sollte das System dann auf einem Server den Interessierten zur Verfügung gestellt werden. Da der damalige FTP-Server-Administrator Ari Lemmke mit den von Torvalds vorgesehenen Namen ''Freax'' oder ''Buggix'' nicht einverstanden war, stellte jener es stattdessen in einem Verzeichnis mit dem Namen Linux zur Verfügung. Torvalds widersetzte sich anfangs dieser Namensgebung, gab seinen Widerstand aber schnell auf, da er nach eigener Aussage eingestehen musste, dass Linux einfach ein besserer Name war. Linux wurde zu dieser Zeit noch unter einer eigenen Lizenz veröffentlicht, welche die kommerzielle Nutzung verbot. Schnell merkte Torvalds aber, dass diese hinderlich war, und entschied sich dazu, allen Entwicklern deutlich mehr Freiraum zu geben. Er und seine Mitautoren stellten daraufhin im Januar 1992 Linux unter die [[GNU General Public License|GNU GPL]]<ref>[http://www.kernel.org/pub/linux/kernel/Historic/old-versions/RELNOTES-0.12 Release Notes v0.12] vom Januar 1992 im [http://www.kernel.org The Linux Kernel Archives] (abgerufen am 29. Januar 2010)</ref>. Somit konnte man Linux in [[GNU]] integrieren und dies als das erste freie Betriebssystem vertreiben. Dieser Schritt machte das System für eine noch größere Zahl von Entwicklern interessanter, da es für diese die Modifizierung und Verbreitung vereinfachte. 1996 kündigte Torvalds an, dass er einen Pinguin als Maskottchen für Linux haben wolle, und schrieb einen Wettbewerb aus, aus dem schließlich der populäre [[Tux (Maskottchen)|Tux]] hervorging. Der am 12. Oktober 1994 entdeckte Asteroid [[(9885) Linux]] wurde nach dem Linux-Kernel benannt. === Die Bezeichnung GNU/Linux === Die Bezeichnung Linux wurde von Torvalds anfänglich nur für den von ihm geschriebenen [[Betriebssystemkern|Kernel]] genutzt. Dieser wurde anfänglich auf [[Minix (Betriebssystem)|Minix]] verwendet. Nachdem Torvalds und die anderen Linux-Autoren 1992 Linux unter der [[GNU General Public License|GNU GPL]] vertrieben, wurde der Kernel in [[GNU]] integriert. Diese [[GNU-Varianten|GNU-Variante]] wurde schnell zur meist genutzten Variante, da es zu dieser Zeit keinen funktionierenden freien Kernel gab. Als Torvalds und seine Anhänger später auch das gesamte Betriebssystem als ''Linux'' bezeichneten, versuchte der Gründer des [[GNU-Projekt]]s, [[Richard Stallman]], bald, den Namen GNU/Linux durchzusetzen, um der Rolle von GNU eine in seinen Augen angemessene Geltung zu verschaffen. Diese Forderung stieß auf unterschiedliche Reaktionen. Während das GNU-Projekt und das [[Debian]]-Projekt den Namen annahmen, lehnten die meisten Entwickler und anderen Linux-Distributoren dies ab oder widersetzten sich deutlich. Begründet wurde dies einerseits mit Bequemlichkeit, weil der Name ''Linux'' als einfacher angesehen wurde, und andererseits mit dem Hinweis, dass mittlerweile eine beachtliche Menge der mit Linux ausgelieferten Software nicht aus dem GNU-Projekt stamme. ''Siehe auch: [[GNU/Linux-Namensstreit]]'' === Entwicklung heute === [[Datei:KDE 4.png|thumb|Grafische Benutzeroberfläche KDE]] Die Entwicklung des Linux-Kernels wird noch immer von Torvalds organisiert. Dieser ist dafür bei der gemeinnützigen [[Linux Foundation]] angestellt. Andere wichtige Entwickler werden oft von verschiedenen Unternehmen bezahlt. So arbeitet z.&nbsp;B. [[Andrew Morton (Programmierer)|Andrew Morton]] im Auftrag von Google am Linux-Kernel und ist dabei im sogenannten ''Merge Window'' für das Sammeln aller Änderungen und das Weiterleiten an Torvalds zuständig. Neben der Kernel-Entwicklung haben sich auch andere Projekte um das Betriebssystem gesammelt, die es für eine größere Nutzerzahl interessant machten. So ermöglichen [[Grafische Benutzeroberfläche|grafische Benutzeroberflächen]] wie [[K Desktop Environment|KDE]] oder [[GNOME]] einen hohen Benutzerkomfort beim Einsatz als Desktop-System. Verschiedene auf den Desktop ausgelegte Linux-Distributionen vereinfachten die Installation und Konfiguration von Linux so weit, dass sie auch von Anfängern problemlos gemeistert werden können. Eine weltweite Entwickler- und Nutzergemeinde erstellt eine Vielzahl an weiterer Software und Dokumentation rund um Linux, die die Einsatzmöglichkeiten enorm ausgedehnt haben. Hinzu kommt, dass Hersteller [[proprietär]]er Software zunehmend einen Markt bei Linux-Anwendern erkennen und mit der Zeit vermehrt Programme für Linux anbieten. Dabei läuft die Entwicklung schwerpunktmäßig [[Freie Software|freier Software]] sowohl in selbstorganisierten Projekten, bestehend aus ehrenamtlichen und bezahlten Entwicklern, als auch in teilweise von Unternehmen unterstützten Stiftungen. Gemein ist allen Modellen, dass sie sich stark über das [[Internet]] vernetzt haben und dort ein Großteil der Organisation und Absprache stattfindet. === Streit um Linux === Schon früh kam es rund um Linux zum Streit. 1992 griff [[Andrew S. Tanenbaum]] Linux wegen eines aus seiner Sicht veralteten Designs und eines zu liberalen Entwicklungsmodells an.<ref>{{internetquelle|autor=Andy Tanenbaum|hrsg=|url=http://groups.google.de/group/comp.os.minix/msg/f447530d082cd95d|sprache=englisch|titel=LINUX is obsolete|werk=|datum=29. Januar 1992|zugriff=26. Juli 2008|kommentar=|zitat= }}</ref> Später kam Tanenbaum erneut ins Spiel, als Ken Brown an seinem Buch ''[[Samizdat (Buch)|Samizdat]]'' schrieb und nach Anhaltspunkten suchte, dass Linux nur eine Kopie von Unix sei. Tanenbaum nahm Linux diesmal in Schutz, wenn auch mit der Begründung, dass Linux ein zu schlechtes Design habe, als dass es abgeschrieben sein könne. Anderen Streit gab es mit erklärten Konkurrenten. Schon früh wurden interne Microsoft-Dokumente ([[Halloween-Dokumente]]) bekannt, die aufzeigten, dass Microsoft annahm, Linux sei die größte Gefahr für Windows. Später begann Microsoft mit einer Kampagne, um Windows bei einer Gegenüberstellung mit Linux technisch wie wirtschaftlich gut aussehen zu lassen. Während die Community diese Kampagne recht gelassen sah, starteten vor allem Unternehmen im Linux-Umfeld Gegenkampagnen. Im Herbst 2006 aber kündigten Microsoft und [[Novell]] an, im Bereich von Interoperabilität und Patentschutz zusammenzuarbeiten, um so die Zusammenarbeit der einzelnen Produkte zu verbessern. Ein anderer Konkurrent, der Unix-Hersteller [[SCO Group|SCO]], erhob wiederum 2003 den Vorwurf, dass bei IBM angestellte Linux-Entwickler [[Quellcode]] von SCOs Unix in Linux kopiert hätten. Das Verfahren wurde im Sommer 2007 eingestellt, die SCO Group hat mittlerweile Insolvenz angemeldet und wurde vom Börsenhandel ausgeschlossen. Im Artikel [[SCO gegen Linux]] ist der Streit chronologisch dokumentiert. Ebenfalls machte das Markenrecht Linux schon früh zu schaffen. So ließen einige Privatpersonen Mitte der 1990er Jahre den Namen Linux auf sich eintragen, was Torvalds nur mit viel Hilfe wieder rückgängig machen konnte. Er übertrug die Verwaltung der Markenrechte an das [[Linux Mark Institute]], welches wiederum im Jahr 2005 auffiel, als es die Lizenzen für den Markenschutz auf bis zu 5.000&nbsp;Dollar pro Jahr festlegte. Diese Summe brachte hauptsächlich die Gemüter vieler Community-Projekte in Wallung, woraufhin sich Torvalds genötigt fühlte, in einem offenen Brief Stellung zu nehmen und klarzustellen, dass das Geld schlichtweg benötigt werde, damit das gemeinnützig arbeitende Linux Mark Institute seine eigenen Kosten decken könne. == Der Kernel == [[Datei:Linux Kernel Stuktur.svg|thumb|upright=2|Struktur des Linux-Kernels im Detail]] → ''Hauptartikel: [[Linux (Kernel)]]'' === Grundlegende Technologie === Die Bezeichnung ''Linux'' wurde von Linus Torvalds anfänglich nur für den Kernel genutzt, dieser stellt der Software eine Schnittstelle zur Verfügung, mit der sie auf die [[Hardware]] zugreifen kann, ohne sie genauer zu kennen. Der Linux-Kernel ist ein in der Programmiersprache [[C (Programmiersprache)|C]] geschriebener [[Monolithischer Kernel|monolithischer Betriebssystemkern]], wichtige Teilroutinen, sowie zeitkritische Module sind jedoch in prozessorspezifischer [[Assemblersprache]] programmiert. Der Kernel ermöglicht es, nur die für die jeweilige Hardware nötigen [[Gerätetreiber|Treiber]] zu laden, weiterhin übernimmt er auch die Zuweisung von Prozessorzeit und Ressourcen zu den einzelnen Programmen, die auf ihm gestartet werden. Bei den einzelnen technischen Vorgängen orientiert sich das Design von Linux stark an seinem Vorbild [[Unix]]. Der Linux-Kernel wurde zwischenzeitlich auf eine sehr große Anzahl von Hardware-Architekturen portiert. Das Repertoire reicht von eher exotischen Betriebsumgebungen wie dem [[iPAQ]]-Handheld-Computer, Navigationsgeräten von [[TomTom]] oder gar [[Digitalkamera]]s bis hin zu Großrechnern wie IBMs [[System z]] und neuerdings auch Mobiltelefonen wie dem [[Motorola A780]]. Trotz Modulkonzept blieb die monolithische Grundarchitektur erhalten. Die Orientierung der Urversion auf die verbreiteten [[X86-Prozessor|x86]]-[[Personal Computer|PCs]] führte früh dazu, verschiedenste Hardware effizient zu unterstützen und die Bereitstellung von Treibern auch unerfahrenen Programmierern zu ermöglichen. Die hervorgebrachten Grundstrukturen beflügelten die Verbreitung. === Kernel-Versionen === Auf kernel.org<ref>[http://kernel.org/ http://kernel.org]</ref> werden alle Kernel-Versionen archiviert. Die dort zu findende Version ist der jeweilige Referenzkernel. Auf diesem bauen die sogenannten Distributionskernel auf, die von den einzelnen Linux-Distributionen um weitere Funktionen ergänzt werden. Eine Besonderheit stellt dabei das aus vier Zahlen bestehende Versionsnummernschema dar, z.&nbsp;B. ''2.6.14.1''. Es gibt Auskunft über die exakte Version und damit auch über die Fähigkeiten des entsprechenden Kernels. Von den vier Zahlen wird die letzte für Fehlerbehebungen und Bereinigungen geändert, nicht aber für neue Funktionen oder tiefgreifende Änderungen. Aus diesem Grund wird sie auch nur selten mit angegeben, wenn man beispielsweise Kernel-Versionen vergleicht. Die vorletzte, dritte Zahl wird geändert, wenn neue Fähigkeiten oder Funktionen hinzugefügt werden. Gleiches gilt für die ersten beiden Zahlen, bei diesen müssen die Änderungen und neuen Funktionen jedoch drastischer ausfallen. Da die erste Zahl aber zuletzt 1996 geändert wurde, gibt die zweite Zahl faktisch Auskunft über große, tiefgreifende Änderungen. Dementsprechend aufmerksam wurden z.&nbsp;B. die Neuerungen des 2003 veröffentlichten Kernels ''2.6'' beobachtet. Die Pflege der einzelnen Versionen ist dabei je nach Version im Sinne der zweiten Zahl aufgeteilt. Gegenwärtig ist [[David Weinehall]] für die 2.0er Serie verantwortlich, [[Marc-Christian Petersen]] für den Kernel 2.2, [[Willy Tarreau]] für den Kernel 2.4 und [[Andrew Morton (Programmierer)|Andrew Morton]] für den aktuellen stabilen Kernel 2.6. === Neuerungen im Kernel 2.6 === Der aktuelle stabile Kernel wurde ab Dezember 2001 auf Basis des damaligen 2.4er-Kernels entwickelt und weist eine Reihe von Neuerungen auf. Die auffälligste Auswirkung dieser Änderungen ist, dass graphische und interaktive Anwendungen deutlich schneller ausgeführt werden. Eine der wichtigsten Änderungen war dabei die Verbesserung des sogenannten ''[[O(1)-Scheduler]]s'', den [[Ingo Molnar]] für den 2.6er-Kernel komplett neu konzipierte. Er hat die Fähigkeit, das Zuweisen von Prozessorzeit zu unterschiedlichen Prozessen unabhängig von der Anzahl der Prozesse in konstanter Zeit zu erledigen. Seit Kernel 2.6.23 kommt allerdings stattdessen der so genannte ''[[Completely Fair Scheduler]]'' zum Einsatz. Eine andere Neuerung stellt die Einführung von [[Access Control List]]s dar, mit deren Hilfe ein sehr fein abgestimmtes Rechtemanagement möglich ist, was vor allen Dingen in Umgebungen mit vielen Benutzern sehr wichtig ist. Ebenso verfügt der neue Kernel über ein deutlich verbessertes System der Dateiüberwachung. In der neuen Version, ''Inotify'' genannt, gibt die Überwachung bei jeder Operation an einer Datei eine Nachricht ab, was z.&nbsp;B. für Desktop-Suchmaschinen wichtig ist, die daraufhin ihren Index in Bezug auf diese Datei aktualisieren können. === Entwicklungsprozess === Die Entwicklung von Linux liegt durch die GPL und durch ein sehr offenes Entwicklungsmodell nicht in der Hand von Einzelpersonen, Konzernen oder Ländern, sondern in der Hand einer weltweiten Gemeinschaft vieler Programmierer, die sich in erster Linie über das Internet austauschen. In vielen E-Mail-Listen, aber auch in Foren und im Usenet besteht für jedermann die Möglichkeit, die Diskussionen über den Kernel zu verfolgen, sich daran zu beteiligen und auch aktiv Beiträge zur Entwicklung zu leisten. Durch diese unkomplizierte Vorgehensweise ist eine schnelle und stetige Entwicklung gewährleistet, die auch die Möglichkeit mit sich bringt, dass jeder dem Kernel Fähigkeiten zukommen lassen kann, die er benötigt. Eingegrenzt wird dies nur durch die Kontrolle von Linus Torvalds und einigen speziell ausgesuchten Programmierern, die das letzte Wort bei der Aufnahme von Verbesserungen und Patches haben. Auf diese Weise entstehen täglich grob 4.300 Zeilen neuer Code, wobei auch täglich ungefähr 1.800 Zeilen gelöscht und 1.500 geändert werden. (Angaben nach Greg Kroah-Hartman als Durchschnitt für das Jahr 2007). An der Entwicklung sind derzeit ungefähr 100 Maintainer für 300 Subsysteme beteiligt. == Distributionen == → ''Hauptartikel: [[Linux-Distribution]]'' Das Betriebssystem Linux ist eine Zusammenstellung verschiedener Software, die je nach Bedingung unterschiedlich sein kann. Die so entstehenden Distributionen unterscheiden sich teilweise sehr deutlich. === Geschichte der Linux-Distributionen === Die Notwendigkeit von Linux-Distributionen ergab sich durch das Entwicklungsmodell von Linux nahezu sofort. Die Werkzeuge des GNU-Projekts wurden zügig für Linux angepasst, um ein arbeitsfähiges System bereitstellen zu können. Die ersten Zusammenstellungen dieser Art waren 1992 ''MCC Interim Linux'', ''[[Softlanding Linux System]]'' (SLS) und ''[[Yggdrasil Linux]]''. Die älteste bis heute existierende Distribution, [[Slackware]] von [[Patrick Volkerding]], folgte 1993 und stammt von Softlanding Linux System ab. Mit der Ausbreitung der Linux-Distributionen bekamen mehr Menschen die Möglichkeit, das System zu testen, des Weiteren wurden die Distributionen immer umfangreicher, so dass ein immer größerer [[Linux-Einsatzbereiche|Einsatzbereich]] erschlossen werden konnte, was Linux zunehmend zu einer attraktiven Alternative zu Betriebssystemen etablierter Hersteller werden ließ. Im Laufe der Zeit änderte sich auch der Hintergrund der Distributionen: Wurden die ersten Distributionen noch der Bequemlichkeit halber und von Einzelpersonen oder kleinen Gruppen geschrieben, gibt es heutzutage teilweise sehr große Gemeinschaftsprojekte Freiwilliger, Unternehmens-Distributionen oder eine Kombination aus beidem. === Heutige Distributionen === [[Datei:Linux-Distribution.svg|thumb|350px|Bestandteile einer Linux-Distribution]] Hinter den meisten, vorrangig kleinen Distributionen stehen heutzutage über das Internet koordinierte Projekte Freiwilliger. Die großen Distributionen werden eher von Stiftungen und Unternehmen verwaltet. Auch der Einsatzbereich der einzelnen Distributionen differenzierte sich mit der Zeit stark. Vom [[Desktop-PC]] über Server-Installationen und [[Live-CD]]s bis hin zu Distributionen zu technischen Forschungszwecken ist alles vertreten. Die Zusammensetzung einer üblichen Linux-Distribution für den Desktop-PC umfasst eine große Zahl von Softwarekomponenten, die das tägliche Arbeiten ermöglichen. Die meisten Distributionen werden in Form fertiger CD- oder DVD-Images im Internet bereitgestellt oder mit Support-Verträgen oder Handbüchern verkauft. Für besondere Anwendungsbereiche existieren oft keine direkt installierbaren Distributionen. Hier werden Frameworks wie [[OpenEmbedded]] z.&nbsp;B. für Router oder Handys verwendet, um eine Distribution für den Einsatz auf dem Gerät vorzubereiten. === Vielfalt === Es wird eine große Anzahl an Distributionen angeboten, die dem Benutzer eine sehr feine Abstimmung der Auswahlkriterien auf die eigenen Bedürfnisse ermöglicht. Die Auswahl der geeignetsten Distribution ist für viele unerfahrene Benutzer daher nicht einfach. Die verwendete Software kann mehr Gewicht für Privatanwender haben als für Unternehmen, die wiederum mehr Wert auf die Verfügbarkeit offiziellen Supports legen. Auch kann die Politik des Projekts oder dem Unternehmen hinter der Distribution, z.&nbsp;B. in Bezug auf proprietäre Software, ebenso eine Rolle spielen wie die Eigenschaften der Community in diesem Projekt. Auf den Seiten [[Liste der Linux-Distributionen]] und [[Vergleich von Linux-Distributionen]] finden sich eine Aufzählung und eine Gegenüberstellung der wichtigsten oder populärsten Distributionen. === Kompatibilität zwischen den Distributionen === Die Vielfalt der Distributionen, die teilweise verschiedene binäre Formate, eigene Verzeichnisstrukturen und ähnliche Unterschiede aufweisen, führt zu einem gewissen Grad an Inkompatibilität zwischen den Distributionen, der bisher auch durch Richtlinien wie den [[Filesystem Hierarchy Standard]] nicht behoben werden konnte. So kann Software, die für die Distribution A bereitgestellt wird, nicht notwendigerweise auch auf der Distribution B installiert werden. Verschiedene Sichtweisen und Lösungsansätze zu dieser Problematik werden im Hauptartikel [[Linux-Distribution]]en näher beleuchtet. == Einsatzbereiche == → ''Hauptartikel: [[Linux-Einsatzbereiche]]'' Die Einsatzgebiete von Linux sind seit der ersten Version stetig erweitert worden und decken heutzutage einen weiten Bereich ab. === Linux auf dem Desktop === [[Datei:Compiz-fusion-3d-desktop-cube.png|thumb|[[KDE]]-3D-Desktop mit [[Firefox]], [[Kaffeine]], [[Konqueror]] und [[Amarok (Audio)|Amarok]]]] Die vielseitigste Computerinstallation ist die des [[Personal Computer|PCs]] als Schreibtischgerät. Dieser Computer soll ohne Hintergrundwissen nutzbar sein, und dies für eine breite Aufgabenpalette: vom Netzwerkgerät über Multimediasystem, Softwareentwickler-Platz und Office-Station bis hin zum Spielecomputer. Um diese breiten Anforderungen abzudecken, bringen heutige Linux-Distributionen meist viel freie Software mit. Ein Neulingen auffälliges Problem ist dabei, dass unter Linux nur eigene Linux-kompatible Ausführungen der bisher genutzten [[Windows]]-Programme funktionieren. Projekte und Kompatibilitätsschichten wie [[Wine]] und [[Cedega (Software)|Cedega]] gehen das Problem zwar an, decken aber nur einen Teil der Windows-Programme ab. In anderen Fällen muss man zu Alternativen greifen und sich bei der Bedienung umgewöhnen. [[Datei:Ubuntu_gnome.png|thumb|left|[[GNOME]]-Desktop mit [[Firefox]], [[Nautilus (Dateimanager)|Nautilus]] und Hauptmenü]] Trotz umfangreichem Angebot wird Linux im Desktop-Bereich noch eher zögerlich eingesetzt, da das System sich vom vorherrschenden Konkurrenten unterscheidet und deswegen eine gewisse Einarbeitungszeit nötig ist. Auch unter den Distributionen sind einige Vorgehensweisen nicht einheitlich geregelt, darunter die Art der Softwareinstallation. Hinzu kommt, dass die beiden weit verbreiteten [[Arbeitsumgebung|Desktop-Umgebungen]] [[GNOME]] und [[KDE]] unterschiedliche Benutzerrichtlinien haben und deswegen Programme der einen Oberfläche in der anderen fremdartig erscheinen. Um diese Probleme anzugehen, gibt es mittlerweile eine Reihe von Initiativen und Projekten, welche Standards und Richtlinien veröffentlichen, um sowohl Entwicklern wie auch Nutzern den Umgang mit einem Linux-System zu vereinfachen. Die Verbreitung von Linux auf dem Desktop wird gegenwärtig als eher gering eingeschätzt, überdurchschnittliche Verbreitung findet es dabei aber in größeren [[Rechnernetz|Netzwerken]], in denen viele Nachteile durch zentrale Administration und Schulung wegfallen. Bekannt geworden sind in dem Zusammenhang auch größere Migrationen von Unternehmen oder Institutionen, die mehrere hundert oder tausend Rechner auf Linux-Desktops umgestellt haben, wie die Stadt München im Rahmen des [[LiMux]]-Projekts oder die Umstellung von 20.000&nbsp;Desktops bei Peugeot Citroën.<ref>{{internetquelle|autor=Andreas Donath|hrsg=|url=http://www.golem.de/0701/50251.html|titel=Zweitgrößter europäischer Autohersteller steigt auf Linux um|werk=Golem.de|datum=31. Januar 2007|zugriff=26. Juli 2008|kommentar=|zitat=PSA Peugeot Citroën wählt den SUSE Linux Enterprise Desktop für 20.000 Desktops}}</ref> Durch die Auslieferung vorinstallierter Systeme einiger Fachhändler sowie die wachsende Beliebtheit einiger Distributionen wie [[Ubuntu]] wuchs die Linux-Verwendung im Desktopbereich von Anfang 2007 bis Mitte 2008 um fast 30&nbsp;Prozent. In Großbritannien lag der Marktanteil 2008 bei etwa 2,8&nbsp;Prozent.<ref>{{internetquelle|autor=|hrsg=|url=http://derstandard.at/?url=/?id=1216918503031|titel=England: Linux-Marktanteil schnellt hoch – dank Vista|werk=derStandard.at|datum=4. August 2008|zugriff=7. August 2008|kommentar=|zitat=Vor der Einführung von [[Microsoft Windows Vista|Windows Vista]] lag der Marktanteil von Linux bei überschaubaren 0,1&nbsp;Prozent – nun sind es immerhin 2,8&nbsp;Prozent.}}</ref> Weltweit wurde im April 2009 im ''Market-Share-Report'' von ''Net Applications'' erstmals ein Marktanteil von einem Prozent ermittelt.<ref>[http://www.heise.de/newsticker/Linux-knackt-auf-dem-Desktop-die-1-Prozent-Marke--/meldung/137137 heise online: ''Linux knackt auf dem Desktop die 1-Prozent-Marke''] vom 1. Mai 2009</ref> === Linux als Server === Aufgrund der Kompatibilität von Linux mit anderen UNIX-Systemen hat sich Linux auf dem Servermarkt besonders schnell etabliert. Da für Linux schon früh zahlreiche häufig verwendete und benötigte Serversoftware wie [[Webserver]], [[Datenbankserver]] und [[Groupware]] kostenlos und weitgehend uneingeschränkt zur Verfügung stand, wuchs dort der Marktanteil stetig. Da Linux als stabil und einfach zu warten gilt, erfüllt es auch die besonderen Bedingungen, die an ein Server-Betriebssystem gestellt werden. Der [[Modul (Software)|modulare]] Aufbau des Linux-Systems ermöglicht zusätzlich das Betreiben kompakter, [[dedizierter Server]]. Außerdem hat die Portierung von Linux auf verschiedenste Hardwarekomponenten dazu geführt, dass Linux alle bekannten Serverarchitekturen unterstützt. Eingesetzt wird es dabei für praktisch alle Einsatzbereiche. Eines der bekanntesten Beispiele ist die Linux-Server-Konfiguration [[WAMP/LAMP|LAMP]], bei der Linux mit [[Apache HTTP Server|Apache]], [[MySQL]] und [[PHP]]/[[Perl (Programmiersprache)|Perl]] (manchmal auch [[Python (Programmiersprache)|Python]]) kombiniert wird. Auch proprietäre Geschäftssoftware wie [[SAP R/3]] ist mittlerweile auf verschiedenen Distributionen verfügbar und hat eine Installationszahl von über 1.000&nbsp;Systemen erreicht. Das [[Linux Terminal Server Project]] ermöglicht es sämtliche Software außer dem [[BIOS]] der Clients zentral zu verwalten. Da Linux auf einer Vielzahl von verschiedenen Hardwaretypen betrieben werden kann, ist auch die für Linux-Server genutzte Hardware ähnlich umfangreich. Auch moderne Hardware wie die von [[IBM eServer p5|IBMs eServer p5]] wird unterstützt und ermöglicht dort das parallele Ausführen von bis zu 254 Linux-Systemen (Modell p595). Auf IBM-Großrechnern der aktuellen [[System z|System-z]]-Linie läuft Linux wahlweise nativ, mittels [[PR/SM]] in bis zu 30 [[LPAR]]s oder in jeder davon unter [[z/VM]] in potenziell unbegrenzt vielen, real einigen zehntausend virtuellen Maschinen. === Weitere Bereiche === [[Datei:1112FIC326x550.jpg|thumb|left|upright=0.5|[[Neo1973|FIC Neo 1973]] mit [[Openmoko]]]] [[Datei:Sharp Zaurus.jpg|thumb|upright=0.5|Sharp [[Zaurus]] SL-5500 mit dem Linux-basierten OpenZaurus und der Oberfläche OPIE]] Da Linux beliebig angepasst werden kann, hat es sich auch in Rechenzentren ausgebreitet, in denen speziell angepasste Versionen auf [[Großrechner]]n, [[Computercluster]]n oder [[Supercomputer]]n laufen. Im November 2009 laufen die 19 schnellsten Supercomputer der Welt laut der Liste der [[TOP500]] unter Linux. Mit insgesamt 446 von 500 Systemen hält Linux hier einen Marktanteil von 89%<ref>[http://www.top500.org/stats/list/34/osfam Operating system Family share for 11/2009 | TOP500 Supercomputing Sites] unter den Supercomputern, abgerufen am 16. November 2009</ref>. [[Datei:Höchstleistungsrechner Bayern II.jpg|thumb|upright=0.8|[[Höchstleistungsrechner Bayern II|HLRB II]] bei der Einweihungsfeier]] Auf der anderen Seite wird es ebenso in kleinen Endgeräten wie [[Mobiltelefon]]en, [[Handheld-Konsole]]n oder [[Personal Digital Assistant|PDAs]] eingesetzt. Auch [[Network Attached Storage|NAS]]-Speichersysteme oder WLAN-Router können Linux als Betriebssystem nutzen. Vorteil ist, wie in anderen Bereichen auch, dass eine sehr aktive Entwicklergemeinschaft besteht, auf deren Ressourcen (der Kern mit den Schnittstellen- Speicherverwaltungs- und Netzwerkfunktionen, aber z.&nbsp;B. auch umfangreiche Entwicklerprogramme, bereits bestehender Code wie die Benutzeroberflächen [[Open Palmtop Integrated Environment|OPIE]] oder [[GPE Palmtop Environment]], Erfahrung etc.) die Hersteller dabei zurückgreifen können. == Linux und Sicherheit == === Allgemeines === Die Gründe für die Bewertung von Linux als [[Computersicherheit|sicheres]] System sind verschieden und hängen auch vom Einsatzbereich ab. So verfügt Linux als Desktop-System über eine strenge Unterteilung der [[Zugriffsrechte]], die bei anderen verbreiteten Desktop-Systemen im Normalfall nicht eingehalten wird. Dies führt unter anderem dazu, dass viele Funktionsprinzipien verbreiteter [[Computerwurm|Würmer]] und [[Computervirus|Viren]] bei Linux nicht greifen können, beziehungsweise nur den ausführenden Benutzer, jedoch nicht das ganze System kompromittieren können. Bisher traten nur zwei Viren unter Linux auf, [[Staog]] und [[Bliss (Computervirus)|Bliss]]. Im Vergleich zu anderen Desktop-Systemen hat Linux die erste größere Verbreitung bei Nutzern mit einem sehr technischen und sicherheitsbewussten Umfeld erfahren. Die Entwicklung geschah somit, verglichen mit anderen verbreiteten Desktop-Systemen, unter den Augen eines sehr sicherheitskritischen Publikums. Im Gegensatz zu Desktop-Systemen hängt die Sicherheit bei Serversystemen primär vom Grad der Erfahrung der [[Systemadministrator|Administratoren]] mit dem System selbst ab. Linux punktet dabei durch die freie Verfügbarkeit, die es Administratoren ermöglicht, das System ohne Mehrkosten in verschiedensten Testszenarien zu installieren und dort ausgiebig zu untersuchen. Unter sicherheitstechnisch besonders anspruchsvollen Bereichen kommt zum Tragen, dass es eine Reihe von speziell [[Härten (Computer)|gehärteten]] Linux-Distributionen gibt, die den Ansprüchen entsprechend gerecht werden. Initiativen wie [[SELinux]] bemühen sich dort um das Erfüllen hoher Sicherheitsstandards. Für alle Einsatzbereiche spricht, dass Linux nicht auf eine [[Hardware-Plattform|Hardware-Architektur]] festgelegt ist. Würmer und Viren können sich immer nur auf dem Teil der Linux-Systeme verbreiten, auf deren Hardware sie zugeschnitten sind. Hinzu kommt, dass Linux [[Open Source|quelloffene]] Software ist. Jeder kann also den Quellcode studieren, untersuchen und anpassen. Dies führt unter anderem auch dazu, dass der Quelltext (sei es zum Zwecke der Anpassung, zum Zwecke der Schulung, aus dem Sicherheitsinteresse einer Institution oder eines Unternehmens heraus oder aus privatem Interesse) von mehr Menschen studiert wird, als dies bei [[Proprietäre Software|proprietärer Software]] der Fall sein kann. === Technische Fähigkeiten === Vom technischen Gesichtspunkt her verfügt Linux über viele Fähigkeiten, die eine sicherheitstechnisch anspruchsvolle Umgebung erfordert. Dazu gehört sowohl eine einfache Nutzer- und Gruppenrechteverwaltung mittels [[Role Based Access Control]], wie auch eine komplexere Rechteverwaltung mit Hilfe von [[Access Control List]]s. Zusätzlich implementieren viele aktuelle Distributionen auch [[Mandatory Access Control|Mandatory-Access-Control]]-Konzepte mit Hilfe der SELinux/AppArmor-Technik. Ebenso bietet fast jede Linux-Distribution auch eine [[Secure Shell|Secure-Shell]]-Implementierung, mit der verschlüsselte und deswegen sichere Verbindungen zwischen Computern gewährleistet werden können. Andere Verschlüsselungstechnologien wie [[Transport Layer Security]] werden ebenfalls voll unterstützt. Im Rahmen der Verschlüsselung für auf Medien gespeicherte Daten steht das Kryptographie-Werkzeug [[dm-crypt]] zur Verfügung, das eine Festplattenverschlüsselung ermöglicht. Es bietet dabei die Möglichkeit der Verschlüsselung nach aktuellen Standards wie dem [[Advanced Encryption Standard]]. Transparente Verschlüsselung, bei der nur einzelne Dateien statt ganzer Festplatten verschlüsselt werden, steht die Verschlüsselungserweiterung [[EncFS]] oder das Dateisystem [[ReiserFS]] zur Verfügung. Zu den Sicherheitszertifikaten, die im Zusammenhang mit Linux erworben wurden, siehe den Abschnitt [[#Software-Zertifikate|Software-Zertifikate]]. == Zertifikate == === Personalzertifikate === Um den Grad der Kenntnisse von Technikern und Administratoren messbar zu machen, wurden eine Reihe von Linux-Zertifikaten ins Leben gerufen. Das [[Linux Professional Institute]] (LPI) bietet dafür eine weltweit anerkannte Linux-Zertifizierung in drei Levels, die ersten beiden Level (LPIC-1 und LPIC-2) mit jeweils zwei Prüfungen und den dritten Level (LPIC-3) mit momentan einer Core-Prüfung (301) und zwei Erweiterungsprüfungen (302: Mixed Environment, 303: Security). Auch die großen Linux-Distributoren wie [[Red Hat]], [[Novell]] und [[Ubuntu]] bieten eigene Schulungszertifikate an, die aber zum Teil auf die Distributionen und deren Eigenheiten ausgelegt sind. === Software-Zertifikate === Um den Grad der Sicherheit von Technologieprodukten zu bewerten, gibt es ebenfalls eine Reihe von Zertifikaten, von denen wiederum viele für bestimmte [[Linux-Distribution]]en vergeben wurden. So hat z.&nbsp;B. das Suse Linux Enterprise Server 9 des Linux Distributors Novell die Sicherheitszertifikation EAL4+ nach den [[Common Criteria for Information Technology Security Evaluation]] erhalten, Red Hat hat für seine Redhat Enterprise Linux 4 Distribution ebenso die EAL4+-Zertifizierung erhalten. Ein Problem bei der Zertifizierung stellen für viele Distributoren allerdings die hohen Kosten dar. So kostet eine Zertifizierung nach EAL2 etwa 400.000&nbsp;US-Dollar.<ref>{{internetquelle|autor=|hrsg=|url=http://www.heise.de/security/news/meldung/51452|titel=Konsortium erhält Auftrag für hochsicheres Linux nach CC-EAL5|werk=heise Security|datum=24. September 2004|zugriff=26. Juli 2008|kommentar=|zitat=Für viele Anbieter sind allerdings die enormen Entwicklungs- und Evaluierungskosten ein Grund, sich nicht zertifizieren zu lassen. Für EAL2 muss man um die 400.000&nbsp;US-Dollar auf den Tisch legen.}}</ref> == Veranstaltungen und Medien == === Kongresse === [[Datei:Linuxtag-schild2004.jpg|thumb|right|Der LinuxTag 2004 im Kongresszentrum Karlsruhe]] Der jährlich stattfindende [[LinuxTag]] ist die größte, jährlich stattfindende [[Messe (Wirtschaft)|Messe]] zu den Themen Linux und freie Software in Europa. Neben den Ausstellungen aller namhaften Unternehmen und Projekte aus dem Linux-Umfeld wird den Besuchern auch ein Vortragsprogramm zu verschiedenen Themen geboten. Der LinuxTag selbst existiert seit 1996 und zog zuletzt jährlich mehr als 10.000&nbsp;Besucher an. Neben dem großen LinuxTag gibt es noch eine Vielzahl kleinerer und regionaler [[Linuxtag]]e, die oft von Informatikfakultäten an Universitäten organisiert werden. Zu den weiteren internationalen Messen gehört der ''Linux Kongress – Linux System Technology Conference'' in Hamburg. Ein Kuriosum ist die jährlich stattfindende ''LinuxBierWanderung'', die Linux-Enthusiasten der ganzen Welt eine Möglichkeit zum gemeinsamen „Feiern, Wandern und Biertrinken“ geben will. Neben den allgemeinen Messen und Kongressen findet jedes Jahr das [[LUG-Camp]] statt. Dieses wird seit dem Jahre 2000 von Linux-Benutzern aus dem Raum Flensburg bis hin zur Schweiz organisiert und besucht. === Printmedien und elektronische Medien === Mit der zunehmenden Verbreitung von Linux hat sich auch ein Angebot an Printmedien entwickelt, die sich mit der Thematik beschäftigen. Neben einer Vielzahl an Büchern zu allen Aspekten von Linux haben sich auch regelmäßig erscheinende Zeitschriften auf dem Markt etabliert. Bekannteste Vertreter sind hier die einzelnen Hefte der [[Linux New Media AG]], die monatlich ''(Linux-Magazin, Linux-User)'' oder vierteljährlich ''(EasyLinux)'' erscheinen. Schon seit einer ganzen Weile produzieren auch große Computer-Verlage wie [[International Data Group|IDG]] ''(PC-WELT Linux)'', [[WEKA-Verlagsgruppe|Weka]] (''PC-Magazin Linuxlife)'' oder [[Hubert Burda Media|Burda]] ''(CHIP Linux)'' Linux-Heftreihen, die meist alle zwei oder drei Monate oder in unregelmäßiger Abfolge eine neue Ausgabe präsentieren. Auch das Verlagshaus [[Data Becker]] engagiert sich mit der Zeitschrift ''Linux Intern'' auf diesem Terrain des Wettbewerbs. Darüber hinaus erscheint mit der Zeitschrift [[freeX]] des [[C&L Verlag]]s ein Periodicum für Open-Source-orientierte UNIXoide Betriebssysteme, in welchem auch Linux-Themen zum Tragen kommen. Neben den gedruckten Zeitschriften, welche oft jeweils von einer (abonnierbaren) parallelen elektronischen Online-Ausgabe flankiert werden, hat sich auch ein kostenloses e-Magazin im Internet etabliert, das unter dem Namen ''freiesMagazin'' dem Publikum zugänglich gemacht ist. In diesem e-Magazin werden Beiträge über Linux- und OpenSource-Angelegenheiten publiziert, die von eigeninitiativ tätigen Autoren stammen. === Filme === Die Thematik rund um Linux wurde auch in einer Reihe von Dokumentationen behandelt. So behandelt der Kino-Dokumentationsfilm [[Revolution OS]] die Geschichte von Linux, freier Software und Open Source und stützt sich dabei größtenteils auf diverse Interviews mit bekannten Vertretern der Szene. Die TV-Dokumentation [[Codename: Linux]], in Deutschland von [[ARTE]] ausgestrahlt, geht ähnliche Wege, stellt aber auch einen chronologischen Verlauf der Entwicklung von Linux und Unix dar. == Probleme und Kritik == Neben den bereits angesprochenen Problemen, die sich aus der nur bedingten Kompatibilität der Linux-Distributionen ergeben, gibt es weitere Kritik und Probleme rund um Linux. === Hardware-Unterstützung === Als einer der Hauptkritikpunkte an Linux wird oft genannt, dass nicht jede Hardware von Linux unterstützt werde oder Treiber für Linux nicht verfügbar seien. Zwar verfügt Linux über mehr mitgelieferte Treiber als [[Microsoft Windows]] und [[Mac OS X]], allerdings stellen Hardwarehersteller selbst selten Linux-Treiber für ihre Hardware zur Verfügung. Während für Hardware mit offen dokumentierter, generischer Schnittstelle (z.&nbsp;B. Mäuse, Tastaturen, Festplatten und [[USB-Host-Controller]]) Treiber zur Verfügung stehen, ist dies für andere Hardwareklassen (z.&nbsp;B. Netzwerkschnittstellen, Soundkarten und Grafikkarten) nicht immer der Fall, da jeder Hardwarehersteller eigene, hardwarespezifische Schnittstellen benutzt. Die Spezifikationen dieser Schnittstellen werden zudem meist nicht veröffentlicht, sodass sie mittels [[Black Box (Systemtheorie)|Black-Box-Analyse]] bzw. [[Reverse Engineering]] erschlossen werden müssen. Beispiele sind Intels [[High Definition Audio Interface|HD Audio-Schnittstelle]] und deren Linux-Implementierung „snd-hda-intel“ oder der freie 3D-Grafiktreiber „nouveau“ für bestimmte 3D-Grafikchips von [[Nvidia]]. Der Energieverwaltungsstandard [[Advanced Configuration and Power Interface|ACPI]] ist sehr kompliziert und auf die Hauptplatine zugeschnitten, sodass eine vollständige Linux-Implementierung nicht einfach ist. Ein Grund für die Nichtbereitstellung von Linuxtreibern ist das Entwicklungsmodell des Linux-Kernels: Da er keine feste Treiber-[[Programmierschnittstelle|API]] besitzt, müssen Treiber immer wieder an Veränderungen in den einzelnen Kernel-Versionen angepasst werden. Direkt in den Kernel integrierte Treiber werden zwar von den Kernel-Entwicklern meist mitgepflegt, müssen aber unter der [[GNU General Public License]] (GPL) veröffentlicht sein, was einige Hardware-Hersteller ablehnen. Extern zur Verfügung gestellte Treiber müssen aber ebenfalls ständig angepasst und in neuen Versionen veröffentlicht werden, was einen enormen Entwicklungsaufwand mit sich bringt. Außerdem ist die rechtliche Lage solcher externen Module, die nicht unter der GPL stehen, umstritten, weil sie in kompilierter Form technisch bedingt GPL-lizenzierte Bestandteile des Kernels enthalten müssen. Das Problem der Hardwareunterstützung durch sogenannte Binärtreiber (Gewähren von Binärdateien ohne Offenlegung des Quellcodes) wird im Linux-Umfeld kontrovers diskutiert: Während manche für ein komplettes Ausschließen von proprietären Kernel-Modulen plädieren,<ref>{{internetquelle|autor=Thorsten Leemhuis|hrsg=|url=http://www.heise.de/newsticker/meldung/82509|titel=Erneut Debatte um Verbot proprietärer Linux-Treiber|werk=heise online|datum=14. Dezember 2006|zugriff=26. Juli 2008|kommentar=|zitat=}}</ref> befürworten andere, dass einige Hersteller überhaupt – zur Not auch proprietäre – Treiber bereitstellen, mit dem Argument, dass die Linux-Nutzer ohne sie benachteiligt wären, weil sie sonst von bestimmter Hardware schlicht abgeschnitten wären.<ref>{{Literatur|Autor=Oliver Frommel|Titel=Letzte Ausfahrt: Binary|Sammelwerk=Linux Magazin|Nummer=08/2008|Online=http://www.linux-magazin.de/heft_abo/ausgaben/2008/08/letzte_ausfahrt_binary}}</ref> === Digitale Rechteverwaltung === Unter Linux ist die Nutzung von mittels [[Digitale Rechteverwaltung|digitaler Rechteverwaltung]] geschützter Medien schlechter möglich als unter anderen Systemen. So bietet momentan kein Hersteller eine Lösung an, [[Blu-Ray]]-Scheiben auf Linux abspielen zu lassen. Aufgrund des Prinzips digitaler Rechteverwaltung kann nur der Rechteverwalter entscheiden, auf welchen Systemen seine Medien verwendet werden dürfen. Die dort eingesetzten Verfahren sind auch nicht standardisiert, sondern werden von den jeweiligen Herstellern kontrolliert. Die beiden größten Hersteller digitaler Rechteverwaltungssysteme im Endverbraucherumfeld, [[Microsoft]] und [[Apple]], haben mit Stand Oktober 2009, keine entsprechenden Programme für Linux veröffentlicht oder auch nur entsprechende Absichten bekannt gegeben. Allerdings gibt es Windows-DRM-zertifizierte Software, die unter Linux eingesetzt werden kann, wie sie beispielsweise bei der [[AVM GmbH|AVM]] FRITZ!Media 8020 verwendet werden soll. Technische Schranken spielen dabei aber keine Rolle, auch [[Digitale Rechteverwaltung#DRM gegenüber freier Software|freie DRM-Verfahren]] sind verfügbar.<ref>{{internetquelle|autor=Julius Stiebert|hrsg=|url=http://www.golem.de/0603/44158.html|titel=DRM-Spezifikationen von Sun|werk=Golem.de|datum=21. März 2006|zugriff=26. Juli 2008|kommentar=|zitat=Als Teil von Suns Initiative ‘Open Media Commons’ hat das Unternehmen nun Spezifikationen für DRM-Techniken veröffentlicht.}}</ref> Linus Torvalds betont, dass sich Linux und DRM nicht ausschließen.<ref>{{internetquelle|autor=Linus Torvalds|hrsg=|url=http://lkml.org/lkml/2003/4/23/365|sprache=englisch|titel=Flame Linus to a crisp!|werk=Linux Kernel Mailing List archive|datum=23. April 2003|zugriff=26. Juli 2008|kommentar=|zitat=I want to make it clear that DRM is perfectly ok with Linux!}}</ref> === Konfigurierbarkeit === Die Konfiguration von Linux-Systemen kann sehr fein abgestimmt werden. Tief gehende Systemänderungen erfordern aber meist Vorwissen, da selten grafische Oberflächen, Hilfsprogramme oder einfach verständliche Konfigurationsdialoge für diese Feineinstellungen zur Verfügung stehen. Dieser Umstand wird oft von weniger versierten Benutzern kritisiert, da er die Linux-Nutzung erschwert. Projekte wie [[Compiz]] oder [[KDE]] haben sich aber zum Ziel gesetzt, für möglichst viele Einstellungen grafische Oberflächen zur Verfügung zu stellen. Andere Projekte wie [[GNOME]] reduzieren bewusst die grafischen Einstellungsoberflächen auf das Notwendige, um den Benutzer nicht zu verwirren. Gerade einsteigerorientierte Distributionen wie z.&nbsp;B. [[Ubuntu]] oder [[openSUSE]] arbeiten daran, solche Probleme zu beheben. Dies wird je nach Problem mittels sinnvoller Vorkonfiguration, Automatisierung (besonders bei der Hardware-Einrichtung) oder durch spezielle Programme zur Systemkonfiguration zu erreichen versucht. == Literatur == * {{Literatur|Autor=Linus Torvalds, [[David Diamond (Journalist)|David Diamond]]|Titel=[[Just for Fun|«Just for fun» – Wie ein Freak die Computerwelt revolutionierte]]|TitelErg=Autobiografie des Linux-Erfindes|Verlag=[[Deutscher Taschenbuch Verlag|dtv]] 36299|Ort=München|Jahr=2001|ISBN=3-423-36299-5|Übersetzer=Doris Märtin|Originaltitel=«Just for fun» – The story of an accidental revolutionary by HarperBusiness, New York, NY 2001|Kommentar=Lizenzausgabe des Hanser Verlags, München / Wien 2001}} * {{Literatur|Autor=Thomas Uhl, Stefan Strobel|Titel=LINUX. Unleashing the Workstation in Your PC|Verlag=Springer-Verlag GmbH|Monat=Oktober|Jahr=1994|ISBN=3540580778}} * {{Literatur|Autor=Daniel J. Barrett|Titel=Linux kurz & gut|Verlag=[[O’Reilly Verlag|O’Reilly]]|Ort=Köln|Jahr=2004|ISBN=3-89721-501-2}} * {{Literatur|Autor=Michael Kofler|Titel=Linux. Installation, Konfiguration, Anwendung.|Verlag=Addison-Wesley|Ort=München|Jahr=2005|ISBN=3-8273-2158-1}} * {{Literatur|Autor=Hans-Werner Heinl|Titel=Das Linux-Befehle-Buch|Verlag=Nicolaus Millin Verlag|Ort=Berlin|Jahr=2007|ISBN=978-3-938626-01-6}} * {{Literatur|Autor=Bernd Kretschmer, Jens Gottwald|Titel=Linux am Arbeitsplatz. Büroanwendungen einrichten und professionell nutzen|Verlag=Nicolaus Millin Verlag|Ort=Kösel, Krugzell|Jahr=2005|ISBN=3-938626-00-3 (mit DVD)}} * {{Literatur|Autor=Glyn Moody|Titel=Die Software-Rebellen. Die Erfolgsstory von Linus Torvalds und Linux.|Verlag=Verlag Moderne Industrie|Ort=Landsberg am Lech|Jahr=2001|ISBN=3-00-007522-4}} * {{Literatur|Autor=Carla Schroder|Titel=Linux Kochbuch|Verlag=O’Reilly|Ort=Köln|Jahr=2005|ISBN=3-89721-405-9}} * {{Literatur|Autor=Ellen Siever, Stephen Spainhour, Stephen Figgins|Titel=Linux in a Nutshell.|Verlag=O’Reilly|Ort=Köln|Jahr=2005|ISBN=3-89721-195-5}} * {{Literatur|Autor=Ralph Steyer|Titel=Linux für Umsteiger.|Verlag=Software & Support Verlag|Ort=Frankfurt am Main|Jahr=2004|ISBN=3-935042-61-2}} * {{Literatur|Autor=Edward Viesel|Titel=Drucken unter Linux|TitelErg=Professionelles Linux- und Open-Source-Know-How|Auflage=2., aktualisierte und erweiterte |Verlag=Bomots|Ort= [[Forbach (Moselle)|Forbach]] Frankreich|Jahr=2009|ISBN=978-3-939316-60-2}} * {{Literatur|Autor=Matt Welsh, Matthias Kalle Dalheimer, Terry Dawson, Lar Kaufman|Titel=Linux. Wegweiser zur Installation & Konfiguration.|Verlag=O’Reilly|Ort=Köln|Jahr=2004|ISBN=3-89721-353-2|Online=[http://www.oreilly.de/german/freebooks/rlinux3ger/linux_wegIVZ.html online]}} * {{Literatur|Autor=Steffen Wendzel, Johannes Plötner|Titel=Einstieg in Linux.|Verlag=Galileo-Press|Ort=Bonn|Jahr=2004|ISBN=3-89842-481-2}} * {{Literatur|Autor=Michael Wielsch, Jens Prahm, Hans-Georg Eßer|Titel=Linux Intern. Technik. Administration und Programmierung.|Verlag=Data Becker GmbH & Co. KG|Ort=Düsseldorf|Jahr=1999|ISBN=3-8158-1292-5}} == Weblinks == {{Wikinews|Kategorie:Linux|Linux}} {{Commonscat}} {{Wikibooks|Linux-Kompendium}} {{Wiktionary}} {{Wikiquote}} * [http://www.kernel.org/ The Linux Kernel Archives] - offizielle Webseite des Quellcodes des Linuxkernels der Linux Kernel Organization, Inc * [http://www.linux-foundation.org/ The Linux Foundation] (offizielle Website von Linux, engl.) * [http://www.gnu.org/home.de.html GNU’s Not Unix! – Free Software, Free Society] (offizielle Website von GNU) * [http://rybaczyk.freeunix.net/linux/linux-faq.de/cover.html Die Linux-FAQ] – Übersetzung des englischen Originals ''The Linux FAQ'' ins Deutsche von Ingo Rybaczyk * [http://www.linuxfueralle.de/ Verein GNU/Linux Matters] (übersichtliche Website zu Linux) * [http://www.pro-linux.de/ Pro-Linux] (Nachrichten, Workshops, Forum) * [http://www.linfo.org/ The Linux Information Project (LINFO)] == Medien == * [http://www.3sat.de/webtv/?090315_linux_neues.rm 3sat: Linux – die Reise des Pinguins] ([[RealMedia]], Sendung am 15. März 2009) == Einzelnachweise == <references /> {{Gesprochene Version |datei=De-Linux-article.ogg }} {{Exzellent}} [[Kategorie:Linux| ]] [[Kategorie:Freies Betriebssystem]] [[Kategorie:Unixoides Betriebssystem]] [[Kategorie:POSIX-konformes Betriebssystem]] {{Link FA|hu}} {{Link GA|en}} {{Link GA|sv}} [[ace:Linux]] [[af:Linux]] [[als:Linux]] [[am:ሊኑክስ]] [[an:Linux]] [[ar:جنو/لينكس]] [[arz:لينكس]] [[ast:Linux]] [[az:Linuks]] [[bar:Linux]] [[bat-smg:Linux]] [[be:Linux]] [[be-x-old:Linux]] [[bg:Линукс]] [[bn:লিনাক্স]] [[br:Linux]] [[bs:Linux]] [[ca:GNU/Linux]] [[ceb:Linux]] [[ckb:گنو/لینوکس]] [[co:Linux]] [[cs:Linux]] [[csb:Linux]] [[cy:Linux]] [[da:Linux]] [[el:Linux]] [[en:Linux]] [[eo:Linukso]] [[es:GNU/Linux]] [[et:Linux]] [[eu:Linux]] [[fa:لینوکس]] [[fi:Linux]] [[fiu-vro:Linux]] [[fr:Linux]] [[ga:Linux]] [[gl:Linux]] [[he:לינוקס]] [[hi:लिनक्स]] [[hr:Linux]] [[hsb:Linux]] [[ht:Linux]] [[hu:Linux]] [[hy:Լինուքս]] [[ia:Linux]] [[id:Linux]] [[ilo:GNU/Linux]] [[io:Linux]] [[it:Linux]] [[ja:Linux]] [[jbo:linuks]] [[jv:Linux]] [[ka:ლინუქსი]] [[kaa:Linux]] [[kk:Linux]] [[kn:ಲಿನಕ್ಸ್]] [[ko:리눅스]] [[ksh:Linux (Bedriefsystem)]] [[ku:Linux]] [[la:Linux]] [[lb:Linux]] [[li:Linux]] [[lmo:Linux]] [[lo:ລິນຸກຊ໌]] [[lt:Linux]] [[lv:Linux]] [[mg:Linux]] [[mk:Линукс]] [[ml:ഗ്നു/ലിനക്സ്]] [[mn:Линукс]] [[mr:लिनक्स]] [[ms:Linux]] [[nds:Linux]] [[ne:लिनक्स]] [[new:लाइनक्स]] [[nl:Linux]] [[nn:Linux]] [[no:GNU/Linux]] [[oc:Linux]] [[pl:Linux]] [[pt:Linux]] [[qu:Linux]] [[ro:GNU/Linux]] [[ru:Linux]] [[sah:Linux]] [[sc:Linux]] [[scn:Linux]] [[sh:Linux]] [[simple:Linux]] [[sk:Linux]] [[sl:Linux]] [[so:Linux]] [[sq:Linux]] [[sr:Линукс]] [[stq:Linux]] [[sv:Linux]] [[szl:Linux]] [[ta:க்னூ/லினக்சு]] [[te:లినక్సు]] [[th:ลินุกซ์]] [[tl:Linux]] [[tr:Linux]] [[tt:Linux]] [[udm:Linux]] [[uk:Лінукс]] [[ur:لینکس]] [[uz:GNU/Linux]] [[vec:Linux]] [[vi:Linux]] [[wa:Linux]] [[war:Linux]] [[wo:Linux]] [[yi:לינוקס]] [[zea:Linux]] [[zh:Linux]] [[zh-min-nan:Linux]] [[zh-yue:Linux]] [[zu:Linux]] 3zkh3esaie6yh0i87og3kgszwo2loh9 wikitext text/x-wiki Linzer Lokalbahn 0 23849 26444 2010-04-18T18:59:10Z Ole62 0 /* Lokalbahn Linz–Eferding–Waizenkirchen */ [[Bild:Lilo-logo.svg|right|230px|Logo der Linzer Lokalbahn]] Die '''Linzer Lokalbahn''' ('''LILO''') ist eine 1912 eröffnete [[Normalspur|regelspurige]], [[Mehrgleisigkeit|eingleisige]] [[Sekundärbahn|Lokalbahn]] in [[Oberösterreich]]. Sie führt von der Landeshauptstadt [[Linz]] über die Bezirksstadt [[Eferding]] nach [[Neumarkt im Hausruckkreis]]. In [[Niederspaching]] zweigt eine Stichstrecke nach [[Peuerbach]] ab. Der seit 1908 bestehende, eigenständige Streckenteil Neumarkt–Waizenkirchen–Peuerbach wurde 1998 der Linzer Lokalbahn angegliedert. Mit einem modernen Fahrzeugpark werden jährlich etwa 1,6 Millionen Fahrgäste befördert.<ref>[http://www.stern-verkehr.at/sverkehr/ Stern & Hafferl]</ref> Die Lokalbahn ist die bedeutendste der von der Betreibergesellschaft [[Stern & Hafferl]] unterhaltenen Bahnen. Sie erschließt das [[Landwirtschaft|landwirtschaftlich]] und [[Tourismus|touristisch]] bedeutende Gebiet westlich der Stadt Linz an der [[Donau]]. {| class="wikitable float-right" {{BS-header|Linzer Lokalbahn: Stationen und Kunstbauwerke}} |- ! colspan="2" | Geografische Daten |- | Staat: || [[Österreich]] |- | [[Bundesland (Österreich)|Bundesland]]: || [[Oberösterreich]] |- ! colspan="2" | Streckendaten {{BS-daten |STRECKENNR= |LÄNGE=58,5 |SPURWEITE=1435 |STROMG=750 V |NEIGUNG=27 |RADIUS=80/150 |V-MAX=50 |BILDPFAD_KARTE=Karte LiLo.png |PIXEL_KARTE=350px }} |- | Inbetriebnahme: || 1908/1912 |- | Ausbau: || eingleisig |- | [[Haupt- und Nebenbahnstrecke|Art der Bahn]]: || Lokalbahn |- | Betreiber: || [[Stern & Hafferl]] Verkehrs-GmbH<ref name="St&H-Lilo-page">[http://www.stern-verkehr.at/sverkehr/Bahnen/LILO.html LILO - Stern & Hafferl Verkehrs-GmbH]</ref> |-{{BS-table}} {{BS|STRrg|||ÖBB nach [[Summerauer Bahn]], Westbahn|}} {{BS|BHF|0,0|[[Linz Hauptbahnhof|Linz Hbf]]||5={{Höhe|264|AT|link =true}}}} {{BS|ABZlf|||ÖBB nach [[Pyhrnbahn]]}} {{BS|ABZlf|||ÖBB nach Westbahn}} {{BS|SBRÜCKE|||Anbindung A 7}} {{BS|HST|1,8|Untergaumberg||5={{Höhe|266|AT}}|}} {{BS|BRÜCKE}} {{BSe|HST|2,6|Gaumberg|aufgelassen 2006}} {{BS|HST|4,0|[[Leonding]] Lokalbahn||5={{Höhe|274|AT}}|}} {{BS|HST|4,7|Straßfeld||5={{Höhe|276|AT}}}} {{BS|HST|5,1|Bergham||5={{Höhe|276|AT}}}} {{BS|HST|5,8|Am Dürrweg||5={{Höhe|287|AT}}|}} {{BS|HST|6,1|Rufling||5={{Höhe|293|AT}}}} {{BS|HST|6,9|Rufling West||5={{Höhe|293|AT}}}} {{BS|HST|7,8|Dörnbach-Hitzing||5={{Höhe|320|AT}}|}} {{BS|HST|9,3|Thurnharting||5={{Höhe|347|AT}}}} {{BS|HST|11,1|[[Kirchberg-Thening|Kirchberg]]-Thürnau||5={{Höhe|315|AT}}}} {{BS|HST|12,8|Straßham-Schönering||5={{Höhe|285|AT}}|}} {{BS|BRÜCKE}} {{BS|HST|14,1|Wehrgasse||5={{Höhe|2270|AT}}|}} {{BS|HST|15,6|[[Alkoven (Oberösterreich)|Alkoven]]||5={{Höhe|268|AT}}}} {{BS|HST|16,5|Alkoven Schule||5={{Höhe|266|AT}}|}} {{BS|SBRÜCKE}} {{BS|HST|18,2|Straß-Emling||5={{Höhe|268|AT}}}} {{BS|HST|21,5|[[Fraham]]||5={{Höhe|268|AT}}|}} {{BS|WBRÜCKE|||[[Innbach]]}} {{BS|HST|22,6|Unterhillinglah||5={{Höhe|270|AT}}}} {{BS|HST|23,8|[[Eferding]] Gewerbegebiet||5={{Höhe|270|AT}}|}} {{BS|ABZlg|||ÖBB nach [[Aschach an der Donau|Aschach]]}} {{BS|BHF|24,3|[[Eferding]] Bf||5={{Höhe|271|AT}}}} {{BS|ABZlf|||ÖBB nach [[Haiding]], [[Wels (Stadt)|Wels]]|}} {{BS|HST|27,1|Sperneck||5={{Höhe|299|AT}}}} {{BS|HST|28,4|Wackersbach||5={{Höhe|324|AT}}}} {{BS|HST|29,5|Kirnberg||5={{Höhe|350|AT}}|}} {{BS|HST|30,9|Gstocket||5={{Höhe|376|AT}}}} {{BS|HST|33,5|Prattsdorf-Dachsberg||5={{Höhe|377|AT}}}} {{BS|HST|36,1|[[Prambachkirchen]]-Bad Weinberg||5={{Höhe|369|AT}}|}} {{BS|HST|38,1|Manzing-Prambach||5={{Höhe|363|AT}}}} {{BS|HST|40,2|Schurrer-Prambach||5={{Höhe|364|AT}}}} {{BS|HST|41,7|Hochscharten||5={{Höhe|356|AT}}|}} {{BS|HST|{{BSkm|42,3|12,6}}|[[Waizenkirchen]]||5={{Höhe|358|AT}}}} {{BS|WBRÜCKE|||[[Aschach (Fluss)|Aschach]]}} {{BS|HST|10,9|[[Waizenkirchen|Willersdorf an der Aschach]]||5={{Höhe|362|AT}}|}} {{BS|HST|9,2|[[Niederspaching]]||5={{Höhe|365|AT}}}} {{BS|ABZrf|||Abzweig nach [[Peuerbach]] (3,6 km)|5={{Höhe|381|AT}}}} {{BS|WBRÜCKE|||[[Aschach (Fluss)|Aschach]]|}} {{BS|HST|7,6|Itzling||5={{Höhe|371|AT}}}} {{BS|HST|6,8|Stefansdorf||5={{Höhe|372|AT}}}} {{BS|WBRÜCKE|||Eibach|}} {{BS|HST|5,0|Prambeckenhof||5={{Höhe|372|AT}}}} {{BS|HST|3,6|[[Pötting]]||5={{Höhe|378|AT}}}} {{BS|HST|2,7|Oberaschach||5={{Höhe|381|AT}}|}} {{BS|HST|2,2|Straßhof an der Aschach||5={{Höhe|380|AT}}}} {{BS|ABZrg|||ÖBB nach [[Wels (Stadt)|Wels]]}} {{BS|SBRÜCKE|||B 137|}} {{BS|BRÜCKE}} {{BS|BHF|0,0|[[Neumarkt im Hausruckkreis|Neumarkt]]-[[Kallham]] Bf||5={{Höhe|387|AT}}}} {{BS|ABZrf|||ÖBB nach [[Schärding]]|}} {{BS|STRrf|||ÖBB nach [[Ried im Innkreis]]}} |} |} == Geschichte == === Anfänge === [[Bild:Mathias Poche.jpg|thumb|120px|left|Mathias Poche - Mitglied des Aktionskomitees]] [[Bild:Ernst Jäger.jpg|thumb|120px|left|Dr. Ernst Jäger - Mitglied des Aktionskomitees]] Eines der frühesten Bahnprojekte in Oberösterreich hatte zum Ziel, die Regionen [[Eferding]], [[Aschach an der Donau|Aschach]], [[Waizenkirchen]] und [[Peuerbach]] mit der oberösterreichischen Landeshauptstadt [[Linz]] zu verbinden. Bereits Anfang der 1880er Jahre gab es Bestrebungen, eine solche Lokalbahn zu bauen. Nach Eröffnung der [[Westbahn (Österreich)|Westbahn]] folgten rasch weitere Planungen für von Wels ausgehende Lokalbahnen. Die Strecke Wels–[[Haiding]]–Aschach an der Donau wurde bereits am 20. August 1886 fertig gestellt. Die Betriebsführung dieser Bahn oblag der Firma [[Stern & Hafferl]] aus [[Gmunden]]. Diese Lokalbahn zweigte von der Staatsbahn nach Passau bei der Station Haiding ab und verband das fruchtbare [[Eferdinger Becken]] und den Aschachwinkel mit dem [[Österreich|österreichischen]] Staatsbahnnetz und der Stadt Wels.<ref>Buch:''Stern & Hafferl – Visionen mit Tradition'', 2003, Seite 57, Heinrich Marchetti</ref> Wegen dieser bereits vorhandenen Lokalbahn und Streitigkeiten zwischen Wels und Linz konnte das Projekt jahrelang nicht verwirklicht werden. Deshalb wurde ein Aktionskomitee unter dem Vorsitz des kaiserlichen Rats Mathias Poche gebildet. 24 weitere namhafte Persönlichkeiten, darunter auch der Linzer Bürgermeister und der [[Landeshauptmann]]-Stellvertreter, gehörten dem Komitee an, das sich zur Aufgabe stellte, eine Bahnverbindung zwischen der Landeshauptstadt Linz und Eferding herzustellen. Als Option wurde eine Verlängerung der Bahn nach Waizenkirchen und eventuell bis [[Neumarkt im Hausruckkreis]] mit einer Abzweigung nach Peuerbach ins Auge gefasst. Nach vehementem Widerstand der Stadt Wels legte das Aktionskomitee einen Alternativplan vor, der eine von der Station Eferding abzweigende Lokalbahn über Haiding (bei Aschach) nach Aschach an der Donau in die eine Richtung und über Waizenkirchen nach Peuerbach, in die andere Richtung, vorsah - dagegen gab es keine Einwände.<ref>Buch:''75 Jahre Linzer Lokalbahn'', 1987, Seite 7, Karl Zwirchmayr</ref> Am 6. und 7. Juli 1900 tagte das ''Trassenrevision- und Stations-Comitee'' über dieses Projekt, und, obwohl die Vertreter der Städte Wels und Linz dem Projekt zustimmten, scheiterte die Verwirklichung am Veto der ''Welser Lokalbahngesellschaft''. Vertreter von Waizenkirchen fassten daraufhin den Plan, eine von Eferding unabhängige Bahnverbindung zwischen Waizenkirchen und [[Neumarkt im Hausruckkreis|Neumarkt-Kallham]] entlang der Staatsbahnlinie Wels–[[Passau]] mit einer Abzweigung nach Peuerbach zu bauen. Zur Projektausarbeitung wurde wiederum ein eigenes Komitee ins Leben gerufen. Da es gegen dieses Projekt keinerlei Einwände gab, erteilten die Behörden am 23. Oktober 1907 eine [[Konzession]] für den ''„Bau einer mit elektrischer Kraft zu betreibenden normalspurigen Lokalbahn, von der Staatsbahnstation Neumarkt-Kallham nach Waizenkirchen, mit einer Abzweigung nach Peuerbach“''.<ref name="ek022007_34">Buch:''75 Jahre Linzer Lokalbahn'', 1987, Seite 8, Karl Zwirchmayr</ref> === Lokalbahn Neumarkt–Waizenkirchen–Peuerbach === [[Bild:StH Bahnhof Peuerbach.JPG|thumb|left|Der äußerlich weitgehend original erhalten gebliebene Bahnhof Peuerbach]] Diese Konzession führte noch im selben Jahr zur Gründung der ''Neumarkt–Waizenkirchen–Peuerbach AG''. Der Bau der Bahn begann ein Jahr später im Mai 1908. Die Projektierung und Bauleitung führte die Firma Stern & Hafferl aus, die in Waizenkirchen, Peuerbach und Niederspraching Stationsgebäude errichten ließ. In Niederspaching und Peuerbach errichtete man jeweils eine [[Remise|Fahrzeugremise]]. Die Stromversorgung wurde durch ein in Niederspaching errichtetes [[Umformerwerk]] gesichert.<ref name="ek022007_34" /> Die gesamte elektrische Ausrüstung dieser Lokalbahn lieferte die [[AEG]] Union. Alle für die Betriebsaufnahme gebauten Fahrzeuge stammten von der [[Simmering-Graz-Pauker|Grazer Waggonfabrik]]. Nach mehreren Monaten Bauzeit konnte die Bahn am 18. Dezember 1908 eröffnet werden.<ref>Buch:''Die Unternehmung Stern & Hafferl II'', 1982, Seite 71, Helmut Weis</ref><ref>''Handel, Industrie, Verkehr und Landwirtschaft. (Bahneröffnung.)'' Wiener Zeitung, 19. Dezember 1908[http://anno.onb.ac.at/cgi-content/anno?apm=0&aid=wrz&datum=19081219&seite=17&zoom=2]</ref> Im Jahre 1919 war eine Fortsetzung der Strecke von Peuerbach nach [[Neukirchen am Walde]] sowie nach [[Engelhartszell]] geplant. Dr. Fuchsing aus [[Schärding]] gründete ein Aktionskomitee, um diesen Ausbau durchzuführen. Am 24. Februar 1927 fand eine Versammlung mit etwa 300 Teilnehmern statt. Da die für den Ausbau erforderlichen Geldmittel nicht aufgebracht werden konnten, wurde dieses Projekt nie verwirklicht.<ref name="ek022007_34">Buch:''75 Jahre Linzer Lokalbahn'', 1987, Seite 8, Karl Zwirchmayr</ref> === Lokalbahn Linz–Eferding–Waizenkirchen === [[Bild:Josef Stern.png|thumb|120px|left|Der Bauleiter und Initiator Josef Stern]] 1907 tagte das Aktionskomitee, das für den Bau des eigentlichen Lokalbahnprojektes ins Leben gerufen worden war, erneut. Ingenieur [[Josef Stern]] erreichte dabei, dass statt des ursprünglich geplanten [[Dampflokomotive|Dampfbetriebs]] die Strecke elektrisch betrieben werden sollte, und erklärte sich bereit, hierüber ein Detailprojekt auf eigenes Risiko und eigene Kosten anzufertigen. Dieses Projekt erhielt nach einer Überprüfung der [[kaiserlich-königliche österreichische Staatsbahnen|k.k. Staatsbahn]]-Direktion Linz ein Baukapital von 3,5 Millionen [[Österreichische Krone|Kronen]] (knapp 9,5 Millionen [[Euro]]). Die Vorschläge von Josef Stern wurden bei einer Sitzung am 4. Mai 1909 angenommen und ein Finanzierungsplan mit dem Ziel erstellt, die Bahn ohne staatliche [[Subvention]]en betreiben zu können. Darüber hinaus sollte die Finanzierung mit einer Anleihe von 1,2 Millionen Kronen, Stammaktien um 200.000 Kronen sowie Prioritätsaktien im Wert von 2,1 Millionen Kronen erfolgen. Die Stadt Linz kaufte nach dem Gemeinderatsbeschluss vom 17. November 1909 Prioritätsaktien im Wert von 1,5 Millionen Kronen. Weitere Aktien wurden von verschiedenen angrenzenden Orten und der Allgemeinen Sparkasse Linz erworben. Der Landtag unterstützte die Bahn mit dem Kauf von Stammaktien im Umfang von 200.000 Kronen. Die Firma Stern & Hafferl erklärte sich bereit, den Bau der Bahn zu übernehmen und den Betrieb zwölf Jahre lang gegen eine Zahlung von 50 [[Heller (Münze)|Heller]] pro Zugkilometer zu führen. Somit waren alle Bedingungen, die für eine Konzessionserteilung beim k.k. [[Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie|Eisenbahnministerium]] benötigt wurden, erfüllt. Vom 6. bis 17. Oktober sowie vom 9. bis 15. Dezember 1908 wurde eine politische Begehung durchgeführt. Zwei Jahre nach dieser Begehung ordnete das Eisenbahnministerium die Konzessionsverhandlungen an.<ref>Buch:''75 Jahre Linzer Lokalbahn'', 1987, Seite 9–12, Karl Zwirchmayr</ref> ==== Bahnbau und Eröffnung ==== [[‎Bild:Reichgesetzblatt LILO-2.jpg|thumb|230px|Reichsgesetzblatt aus 1911]] [[Bild:LILO Lokalbahnhof.jpg|thumb|230px|Lokalbahnhof Linz um 1912]] [[Bild:Gleisplan Linz Lokalbahnhof 1913.jpg|thumb|230px|Gleisplan Lokalbahnhof von 1913]] [[Bild:LiLo_Linz_alterBHF.jpg|thumb|230px|Der „provisorische“ Bahnhof in Linz, Ende des Jahres 2006.]] [[Bild:LILO Fahrplan 1912.png|thumb|230px|Winterfahrplan 1912/1913]] [[Bild:LILO Unterwerk.jpg|thumb|230px|Innenansicht eines Unterwerkes (1912)]] [[Bild:ET 22 105.jpg|thumb|230px|ET 22.105 im Lieferzustand]] [[Bild:LILO Aktien.JPG|thumb|230px|Aktien der Linzer Lokalbahn (1924)]] [[Bild:LIL Fahrplan alt.png|thumb|230px|Alter LILO-Fahrplan]] Nachdem am 12. Jänner 1911 die im [[Reichsgesetzblatt]] vom 25. Jänner 1911 verlautbarte Konzession zum Bau und Betrieb ''„der normalspurigen Lokalbahn von Linz über Eferding nach Waizenkirchen“'' erteilt wurde, begann am 1. Dezember desselben Jahres der Bau der Lokalbahn. Die Firma Stern & Hafferl gab [[Verzinsliches Wertpapier|Obligationen]] im Wert von 1,2 Millionen Kronen in Zahlung, neben denen auch noch einige Prioritätsaktien gekauft wurden. Die Obligationen wandelte man nach der Eröffnung der Lokalbahn in Aktien um. Das knappe Investitionskapital zwang die Bauleitung unter Ingenieur Josef Stern, die Bauausführung so kostensparend wie möglich, durchzuführen. Deshalb wurde der Ausgangspunkt der Lokalbahn in Linz, die ''Lokalbahnstation'', auf [[Pacht]]grund der Staatsbahn errichtet. Es entstand ein [[Kopfbahnhof]] mit zwei Bahnsteigsgleisen und einem Nebengleis. Diese als [[Provisorium]] gedachte Anlage hielt sich bemerkenswerterweise bis 2005. Nach der am 22. Dezember 1911 erfolgten polizeitechnischen Überprüfung konnte das erste Teilstück Linz–Eferding am 21. März 1912 in Betrieb genommen werden. Eine offizielle Einweihung gab es nicht. Weitere Bahnhöfe wurden in [[Alkoven (Oberösterreich)|Alkoven]], Eferding, [[Prambachkirchen]] und Waizenkirchen errichtet. An 15 Haltestellen entstanden zudem hölzerne Wartehäuschen. Umformerwerke in Dörnbach, Eferding und Waizenkirchen sicherten die bahnbetriebliche Versorgung mit Strom, der auf 750 V [[Gleichstrom]] transformiert wurde. Eine Remise für Wartungen und Reparaturen an den [[Triebfahrzeug]]en entstand in Eferding. Auf der gesamten Strecke wurden [[Vignolschiene]]n auf [[Bahnschwelle|Holzschwellen]] verlegt und in regelmäßigen Abständen Holzmasten zum Tragen der [[Oberleitung]] aufgestellt. Die gesamte elektrische Ausrüstung stammte von den [[Siemens-Schuckertwerke]]n in [[Wien]]. Die Strecke war ursprünglich für eine [[Achslast]] von maximal 11 [[Tonne (Einheit)|Tonnen]] und einer Höchstgeschwindigkeit von 30 [[Kilometer pro Stunde|km/h]] ausgelegt.<ref name="S&H">Buch: ''Stern & Hafferl – Visionen mit Tradition'', 2003, Seite 61–62, Heinrich Marchetti</ref> Der weiterführende Bau des Teilstückes Eferding–Waizenkirchen kam nicht ganz reibungslos voran. Ein verregneter Sommer und die schwierigen Terrainverhältnisse bescherten viele Probleme. Trotz dieser Schwierigkeiten konnte das Teilstück termingerecht fertiggestellt werden. Die polizeitechnische Überprüfung fand am 10. Dezember 1912 statt.<ref>Buch:''75 Jahre Linzer Lokalbahn'', 1987, Seite 13, Karl Zwirchmayr</ref> Die ''Linzer Tagespost'' blickte in einer Ausgabe vom 13. Dezember 1912 auf den Bau zurück und berichtete über die Fertigstellung: ::''[…]Am 9. und 10. des Monats hat die polizeitechnische Prüfung der Lokalbahnstrecke Eferding Waizenkirchen stattgefunden und ein vollständig befriedigendes Resultat ergeben, sodass nun trotz aller Hindernisse, die durch ungünstige Witterung und das schwierige Bauterrain herbeigeführt wurden, dank der Energie der Bauunternehmung Stern & Hafferl die Bahnstrecke Linz–Eferding–Waizenkirchen rechtzeitig fertig gestellt erscheint. Die Eröffnung der Bahn findet am Montag den 16. des Monats mit dem ab Waizenkirchen um 6 Uhr 7 Min. früh nach Linz und von Linz um 7 Uhr 18 Min. früh nach Waizenkirchen abgehenden Zügen statt, was wir hiermit unter Hinweis auf den gleichzeitig veröffentlichten Fahrplan zur allgemeinen Kenntnis bringen.[…]''<ref>''Linzer Tagespost'', 1912, Ausgabe vom 13. Dezember, Seite 13</ref> ==== Anfangsbetrieb ==== Für den Betrieb der Bahn wurden vier Motorwagen, vier Beiwagen, vier [[Arbeitswagen]], 16 [[Güterwaggon|Güterwagen]] und eine [[Elektrolok]] bei der ''Grazer Waggonfabrik'' in Auftrag gegeben. Nach der Fertigstellung des zweiten Teilstückes wurde die Lokalbahn Linz–Eferding–Waizenkirchen am 16. Dezember 1912 feierlich eröffnet. Am 1. Jänner 1913 übernahm Stern & Hafferl die Betriebsführung einschließlich der Stromlieferung. Die Betriebsleitung befand sich in Eferding.<ref name="S&H">Buch:''Stern & Hafferl – Visionen mit Tradition'', 2003, Seite 61–62, Heinrich Marchetti</ref> Eine Fahrt von Linz nach Waizenkirchen dauerte 1912 zirka 130 Minuten. 1912 wurde eine umfangreiche Übersicht aufgestellt, die über die Tarife von Personen- und Güterfahrten aller Art Auskunft gab. Demnach kostete eine einfache Fahrt von Linz nach Eferding 1,5 Kronen, bis Waizenkirchen 2,5 Kronen (beides in der 3. Klasse). Für die 2. Klasse musste man den doppelten Preis bezahlen. Eine Hin- und Rückfahrt kostete das Doppelte einer einfachen Fahrt. Beim Güterverkehr gab es zahlreiche verschiedene [[Fracht]]klassen. Der Transport einer Wagenladung Holz oder Steine nach Eferding kostete 32 Kronen. Im ersten vollen Betriebsjahr 1913 wurden 202.445 Personen und 11.825 Tonnen Güter transportiert, was als wirtschaftlicher Erfolg betrachtet wurde.<ref>Buch:''75 Jahre Linzer Lokalbahn'', 1987, Seite 43, Karl Zwirchmayr</ref> === Kriegsjahre, Krise und Aufschwung === Der [[Erster Weltkrieg|Erste Weltkrieg]] brachte zunächst keinen Rückgang der Beförderungszahlen, die Fahrzeuge wurden allerdings durch den desolaten Zustand der Gleisanlagen und des Unterbaus sehr in Mitleidenschaft gezogen. Die vorherrschende schlechte Versorgungslage ließ Reparaturen in größerem Umfang nicht zu. Die Lokalbahn führte in dieser Zeit zahlreiche Sonderfahrten durch, bei der die Stadtbewohner nach Eferding reisten und dort Lebensmittel erwerben konnten. Auch einige Schäden durch Kriegshandlungen erlitt die Bahn. Das Ende des Krieges brachte eine drastische Verschlechterung der Wirtschaftslage mit sich. Ein Großteil der Einnahmen blieb aus. Gleise und Oberleitung waren durch Kriegseinwirkungen teilweise beschädigt, zwei von vier Motorwagen defekt und vier Güterwaggons konnten nicht eingesetzt werden, da wichtige [[Ersatzteil]]e nicht lieferbar waren. Deshalb wurden die täglich verkehrenden Zugpaare zwischen Eferding und Waizenkirchen eingeschränkt, nur die Verbindung Linz–Eferding war von dieser Maßnahme nicht betroffen. Durch den desolaten Zustand der Anlagen dauerte eine Fahrt von Linz nach Eferding 72 Minuten. Sogar 1912 waren die Reisezeiten kürzer gewesen. Neben den schwierigen geologischen Verhältnissen hatte die Bahn auch noch mit dem schlechten Oberbau zu kämpfen. Deshalb wurden 1936 verschiedene Verbesserungen durchgeführt, was eine Erhöhung des zulässigen Achsdrucks auf 12,5 Tonnen möglich machte.<ref name="75JIII">Buch:''75 Jahre Linzer Lokalbahn'', 1987, Seite 43–50, Karl Zwirchmayr</ref> Im Jahre 1919 bestellte man einen weiteren Motorwagen bei der ''Grazer Waggonfabrik'', baugleich zu den ursprünglichen Fahrzeugen der Strecke Linz–Eferding–Waizenkirchen, obwohl sich deren hölzerne Konstruktion bisher nicht bewährt hatte. Dieses Fahrzeug wurde als 23.001 in den Bestand eingereiht. Außerdem wurden zwei Personenwaggons nachbestellt, die als Cl 4 und Cl 5 bezeichnet wurden. Alle drei Fahrzeuge kosteten bedingt durch die [[Inflation]] insgesamt vier Millionen Kronen. 1926 wurde die Remise in Eferding verlängert, um den erweiterten Fuhrpark unterbringen zu können. In den dreißiger Jahren führte eine starke Zunahme des Güterverkehrs zu einem Mangel an leistungsfähigen Lokomotiven. Die vorhandene Lok 1 war zu schwer, ihre Zugkraft reichte nicht aus. Aus diesem Grund wurde 1935 die vierachsige Lokomotive ''Wöllsdorf III'' gekauft, die ab 1937 auf der Strecke Linz–Eferding–Waizenkirchen als EL 51.01 zum Einsatz kam.<ref name="75J">Buch:''75 Jahre Linzer Lokalbahn'', 1987, Seite 34–38, Karl Zwirchmayr</ref> Ab 1933 konnte die Fahrzeit zwischen Linz und Eferding wieder schrittweise verkürzt werden, sie betrug vor 1945 66 Minuten. Ab 1936 konnten erstmals wieder mehr Zugpaare eingesetzt werden.<ref name="75JIII">Buch:''75 Jahre Linzer Lokalbahn'', 1987, Seite 43–50, Karl Zwirchmayr</ref> 1935 gab es ein Preisausschreiben der Stadt Linz für die Umgestaltung des Lokalbahnhofs. Die aus dieser Aktion gewonnenen Ideen wurden, wie viele weitere Projekte, nie verwirklicht. 1937 feierte man das 25-jährige Jubiläum. Im Jahre 1939 wurde die ''Lokalbahn Linz–Eferding–Waizenkirchen AG'' in ''Linzer Lokalbahn AG'' umbenannt.<ref>Buch:''75 Jahre Linzer Lokalbahn'', 1987, Seite 27, Karl Zwirchmayr</ref> Zu Beginn der 1940er Jahre kam es durch Vorkriegsaktivitäten zu einem sprunghaften Anstieg der Beförderungszahlen sowohl im Güter- als auch im Personenverkehr. Dadurch bestand ein Mangel an Triebfahrzeugen, der so groß war, dass man sogar daran dachte, Dampfloks anzumieten. Alle Bemühungen zur Beschaffung neuer Fahrzeuge schlugen fehl. 1939 konnten lediglich 50 Jahre alte Personenwaggons von der Reichsbahn aus Beständen der [[Wiener Linien|Wiener Dampf-Stadtbahn]] übernommen werden. Zerbrochene Fenster durften aus kriegswirtschaftlichen Gründen nicht repariert, sondern nur durch [[Sperrholz]] ersetzt werden. Neben den Personenwaggons konnten schließlich auch Elektrolokomotiven erworben werden. Drei Jahre später kamen noch zwei Triebwagen und zwei Personenwagen hinzu. Diese Fahrzeuge besaßen allerdings eine andere [[Kupplung]] als die ursprünglichen Fahrzeuge, weshalb sie vorerst nur allein eingesetzt werden konnten. Stern & Hafferl kaufte 1940 eine weitere vierachsige Lok, ''Wöllsdorf IV'', die als EL 51.02 in den Bestand aufgenommen wurde. Ab 21. April 1943 wurde das heute noch gültige Stern & Hafferl Nummernschema auch auf der Linzer Lokalbahn eingeführt.<ref name="75JIII">Buch:''75 Jahre Linzer Lokalbahn'', 1987, Seite 43–50, Karl Zwirchmayr</ref> 1944 ereignete sich in Eferding ein Remisenbrand, dem eine der erst kürzlich erworbenen Loks, zwei Triebwagen und ein Personenwagen zum Opfer fielen. Da vor dem Brand nur drei E-Loks und fünf Triebwagen vorhanden waren, bedeutete dies einen empfindlichen Verlust für die Bahn. Nach diesem Vorfall wurde eine komplett neue Remise errichtet. Als vorübergehende Notlösung mussten vom [[Bahnbetriebswerk]] [[Hohenfurt]] die beiden Triebwagen ET 184.02 und ET 184.04, sowie die zwei Beiwagen EB 184.06 und 16 angemietet werden. Diese Fahrzeuge besaßen allerdings eine Mittelpufferkupplung, weshalb sie mit den anderen Triebfahrzeugen ebenfalls nicht kompatibel waren. 1951 wurden die angemieteten Fahrzeuge schließlich gekauft.<ref name="75J">Buch:''75 Jahre Linzer Lokalbahn'', 1987, Seite 34–38, Karl Zwirchmayr</ref> Im [[Zweiter Weltkrieg|Zweiten Weltkrieg]] gab es immer wieder [[Bombenangriff]]e auf Linz, die auch die Lokalbahn schwer in Mitleidenschaft zogen. Oft wurden Gleise und Fahrleitungen beschädigt. Die Schäden konnten wegen der herrschenden Materialknappheit nur provisorisch behoben werden. Bei [[Fliegeralarm]] wurden alle Fahrzeuge vom Bahnhof Eferding sofort abgezogen und auf der freien Strecke unter Baumreihen abgestellt, die Triebfahrzeuge waren aufgrund ihres braunen Anstrichs gut getarnt.<ref>Buch:''Stern & Hafferl – Visionen mit Tradition'', 2003, Seite 168–170, Heinrich Marchetti</ref> Im Jänner 1945 begann die [[Deutsche Reichsbahn]] mit dem Bau einer Bunkeranlage und einer dazu gehörigen [[Feldbahn]]. Diese Anlagen wurden nach dem Krieg wieder abgebaut.<ref name="75J">Buch:''75 Jahre Linzer Lokalbahn'', 1987, Seite 34–38, Karl Zwirchmayr</ref> Der Krieg stellte enorme Anforderungen an die Lokalbahn. Die Transportkapazitäten reichten nicht aus und die rapide Fahrgastzunahme konnte nicht bewältigt werden. Außerdem mangelte es an Personal, weshalb Frauen nicht nur als Schaffnerinnen sondern auch als Triebfahrzeugführerinnen eingesetzt wurden. Die vom Verkehrsministerium angeordneten Verdunklungsmaßnahmen erschwerten den Betrieb zusätzlich. Alle Fenster der Motorwagen mussten bestmöglich verdunkelt werden. Zu diesen Problemen kam ein Mangel an Triebfahrzeugen, ein zu schwacher Oberbau und eine nicht ausreichende Stromversorgung. 1944 wurde ein bis heute geltender Rekord aufgestellt – die Lokalbahn beförderte in diesem Jahr 2.790.593 Fahrgäste. Anfang 1945 war auf der Strecke zwischen Linz und Untergaumberg wegen Bombenschäden kein Betrieb möglich. Der Betrieb musste vorerst eingestellt werden. [[Bild:Ex_LiLo-Bhf_Linz.jpg|thumb|230px|Ehemaliger Bahnhof der LILO in der Coulinstraße.]] [[Bild:alte_LILO-Trasse.jpg|thumb|230px|Die Trasse zum alten LILO-Bahnhof in Linz verlief über den späteren Bauplatz des [[Wissensturm]]s (Baustelle im Hintergrund).]] [[Bild:KBE ET57 Portrait.jpg|thumb|230px|Eines der übernommenen Fahrzeuge im Originalzustand (noch Köln-Bonner Eisenbahnen)]] === Nach dem Zweiten Weltkrieg === Die amerikanischen Truppen besetzten die Betriebsleitung in Eferding und auf dem Bahnhof wurde ein provisorisches [[Kriegsgefangenenlager]] eingerichtet. Deshalb war auch dieser Bereich nicht befahrbar und es musste ein Notfahrplan eingerichtet werden, der erst nach der Wiederinstandsetzung des Abschnitts Linz–Untergaumberg geringfügig erweitert werden konnte. Mitte Mai 1945 durften wieder Personenzüge verkehren, allerdings, wie die nach Bedarf eingesetzten Güterzüge, nur mit militärischer Begleitung. Wie nach dem Ersten Weltkrieg kam es zu einem rapiden Anstieg der Reisezeiten.<ref name="75JIII">Buch:''75 Jahre Linzer Lokalbahn'', 1987, Seite 43–50, Karl Zwirchmayr</ref> Nach dem Krieg erfolgten so genannte Hamsterfahrten, wobei die Bürger der Stadt Linz die Möglichkeit hatten, mit der Bahn nach Eferding zu fahren und dort Nahrungsmittel zu erwerben. Von 1946 bis 1952 wurde in der Werkstätte Eferding ein Reparaturprogramm für das vorhandene [[Rollmaterial]] durchgeführt. Die Motorwagen erhielten statt ihres hölzernen Wagenkastens einen neuen aus Blech. Ab 1952 verfügten alle Personentriebwagen über eine [[Pneumatik|pneumatische]] Sicherheitsfahrschaltung, wodurch auf einen Beimann verzichtet werden konnte. Durch den teilweisen Einmannbetrieb sanken die Betriebskosten erheblich.<ref name="75J">Buch:''75 Jahre Linzer Lokalbahn'', 1987, Seite 34–38, Karl Zwirchmayr</ref> Nach der Reparatur der Fahrzeuge und Bahnanlagen konnte die Reisezeit auf der gesamten Strecke deutlich verkürzt werden. Verstärkt verkehrten Eilzüge, die grundsätzlich nicht mehr an allen Haltestellen hielten, aber durch ein Haltewunschsystem wieder an Attraktivität verloren und schließlich eingestellt wurden. Erstmals kam es auch zu Fahrten mit lokbespannten Personenzügen.<ref name="75JIII">Buch:''75 Jahre Linzer Lokalbahn'', 1987, Seite 43–50, Karl Zwirchmayr</ref> In den 1950er Jahren nahm man zahlreiche Verbesserungen vor. In kleinen Schritten wurde der gesamte Oberbau verbessert. Durch den Einbau von neuen [[Gleis]]en mit stärkeren Schienenprofilen konnte die Achslast auf 20 Tonnen und die Höchstgeschwindigkeit auf 50 km/h erhöht werden. Bei der Schienenauswechselung mussten auch alle [[Eisenbahnweiche|Weichen]] ausgetauscht werden. Außerdem wurden stärkere Holzschwellen eingebaut und das Schotterbett erneuert. Die hölzernen Wartehäuschen ersetzte man gegen Neubauten aus Beton und Glas.<ref>Buch:''75 Jahre Linzer Lokalbahn'', 1987, Seite 24–25, Karl Zwirchmayr</ref> Neben den erfolgten Verbesserungen erwarben die Betreiber auch neue Fahrzeuge. Die Linzer Lokalbahn AG bestellte bei der ''[[Simmering-Graz-Pauker]] AG'' (vorher ''Grazer Waggonfabrik'') sechs vierachsige Personenwaggons und zwei neue Triebwagen, die als ET 22.106 und 107 in den Bestand aufgenommen wurden. Die elektrische Ausrüstung lieferte die ''ELIN AG''. Die Jungfernfahrt dieser Fahrzeuge fand am 22. März 1951 statt, das Linzer Volksblatt berichtete darüber: :„''In Anwesenheit von Ing. Stern […] fand gestern nachmittags die Eröffnungsfahrt der neuen dreiteiligen Triebwagengarnitur auf der Strecke Linz–Eferding–Waizenkirchen statt. […] Dass es sich dabei um eine gute Wertarbeit handelte, konnten alle Teilnehmer der Eröffnungsfahrt übereinstimmend feststellen. […] Durch vier 120 PS Motoren angetrieben wird mit einer Höchstgeschwindigkeit von 50 Stundenkilometern eine 80prozentige Fahrplanverbesserung erzielt.“ ''<ref>Linzer Volksblatt, 1951, Ausgabe vom 23. März</ref> Wegen [[Murgang|Vermurungen]] entgleiste am 11. Mai 1954 der Personenzug 6922, ET 22.103 wurde dabei leicht beschädigt. Am 4. August desselben Jahres kam es zu einer Entgleisung des Personenzuges 6929. Das Triebfahrzeug ET 22.103 überstand auch diesen Unfall ohne größere Schäden. Die Abschaffung der 3. Klasse erfolgt am 1. August 1956, die Klassenbezeichnungen wurden entweder auf 2.Klasse umgeändert oder weggelassen. Im selben Jahr lieferte SGP Graz eine in Auftrag gegebene Güterzuglok ab, die die Maschine E 20.006 ersetzte. Die Lok wurde mit der Bezeichnung 20.007 versehen. In den 1960er Jahren waren mehrere Neuanschaffungen geplant, die jedoch mangels erforderlicher finanzieller Mittel nicht zu realisieren waren. Hingegen konnten in den 1970er Jahren von der [[Köln-Frechen-Benzelrather Eisenbahn]] sieben Triebwagengarnituren angekauft werden, die nach einer [[Hauptuntersuchung]] als ET 22.130-136 und ES 22.230-236 bezeichnet wurden. Die Werkstätte in Eferding und [[Voest Alpine]] arbeiteten die Garnituren auf. Zum 60-jährigen Jubiläum präsentierte man die ersten beiden Fahrzeuge der Öffentlichkeit. Diese Fahrzeuge stellten fortan die Flaggschiffe der LILO dar, denn sie waren weitaus moderner ausgestattet als die anderen Triebwagen (automatisch schließende Türen, Haltewunschtaste und [[Scharfenbergkupplung]]). Da die Motorwagen aus den 1950er Jahren immer noch unverzichtbar waren und gemeinsam mit den neuen Garnituren im Kreuzungsbetrieb eingesetzt wurden, verkürzten sich die Reisezeiten nicht.<ref name="75J">Buch:''75 Jahre Linzer Lokalbahn'', 1987, Seite 34–38, Karl Zwirchmayr</ref> In den 1970er Jahren ereigneten sich mehrere schwere Unfälle. Der schwerste Unfall in der Geschichte der Bahn ereignete sich am 13. Oktober 1974 in Folge eines Schienenbruchs bei Kilometer 26,3 in der Nähe von Eferding. Der Triebwagen 21.151 wurde dabei so schwer beschädigt, dass das Fahrzeug verschrottet werden musste. 1971 wurde ein Rekord mit 219.282 Tonnen beförderten Gütern aufgestellt, da die Bahn beim Bau des [[Wasserkraftwerk|Donaukraftwerkes]] [[Ottensheim]]-[[Wilhering]] half. Am 1. Dezember 1973 wurde die [[Florianerbahn]], die zur Linzer Lokalbahn AG gehörte, eingestellt.<ref>Buch:''Stern & Hafferl – Visionen mit Tradition'', 2003, Seite 263, Heinrich Marchetti</ref> Im Juli 1977 sorgte ein Werbegag der [[Lufthansa]] für Aufsehen, in dem berittene Indianer einen Zug der LILO in der Nähe von Kirchberg-Thürnau „überfielen“. 1978 wurde das Grundkapital der Linzer Lokalbahn AG auf 4,75 Millionen [[Österreichischer Schilling|Schilling]] (etwa 354.200 Euro) erhöht. Am 17. Mai 1980 fand eine der eindrucksvollsten Sonderfahrten auf der Linzer Lokalbahn statt, eine Fahrt mit dem [[DRG-Baureihe ET 91|Gläsernen Zug]], gezogen von der Stern & Hafferl Lok E 22.001. 1975 konnte die Reisedauer zwischen Linz und Neumarkt auf 92 Minuten gesenkt werden. Im selben Jahr wurde eine Waschanlage für die Fahrzeuge errichtet. 1987 feierte die Linzer Lokalbahn AG das 75-jährige Bestehen der Bahn mit einem großen Fest. Zu Beginn des Jubiläumsjahres konnten gebrauchte Triebwagengarnituren von der Köln-Bonner Eisenbahnen (original Nummern: ET 53, 55, 59, 60) übernommen werden. ET 59 und 60 trafen am 25. Februar, ET 53 und 55 am 29. März im Bahnhof Eferding ein. Alle Fahrzeuge wurden vollkommen überholt und den geltenden Sicherheitsstandards angepasst. Die Fahrzeuge wurden als ET 22.141 bis 144 in den Bestand der LILO aufgenommen. Beim Festprogramm ''75 Jahre Linzer Lokalbahn'' zählten diese neuen Triebwagen am 11. und 12. September 1987 zu den Hauptattraktionen. Durch diese Maßnahme konnten alle alten Garnituren ersetzt werden, wodurch sich die Fahrzeiten abermals verkürzten. Außerdem erübrigten sich die bei den Motorwagen notwendigen Rangierarbeiten.<ref>Buch:''75 Jahre Linzer Lokalbahn'', 1987, Seite 41, Karl Zwirchmayr</ref> Die Lokalbahn Neumarkt–Waizenkirchen–Peuerbach fusionierte am 1. Jänner 1998 handelsrechtlich mit der Linzer Lokalbahn.<ref name="St&H-Lilo-page">[http://www.stern-verkehr.at/sverkehr/Bahnen/LILO.html LILO – Stern & Hafferl Verkehrs-GmbH]</ref> [[Bild:LILO_Linz_Hbf.png|thumb|230px|Einbindung der LILO in Linz Hbf seit 2005]] Immer wieder gab es Überlegungen, die LILO in den [[Linz Hauptbahnhof|Linzer Hauptbahnhof]] einzubinden. Noch im Jubiläumsjahr 1987 erklärte Karl Zwirchmayer, der damalige Betriebsleiter der Linzer Lokalbahn, in seiner Ansprache: ''„…wegen der enormen Kosten lässt sich derzeit keine Verwirklichung dieses Projekts absehen…“''. 18 Jahre später konnte es schließlich realisiert werden: Seit 18. November 2005 hat die LILO ihren Endbahnhof nicht mehr im alten Bahnhofsprovisorium in der Coulinstraße, sondern fährt direkt am Nahverkehrsgleis des Linzer Hauptbahnhofs ein. Der 24 Millionen Euro teure Umbau des Linzer Hauptbahnhofs zum zentralen Umsteigepunkt erforderte einen um zehn Meter in Richtung ''Bahnhofspark'' verschobenen Neubau des Bahnhofsgebäudes, um Raum für die Gleise der Lokalbahn zu schaffen. Die neuen Bahnsteige wurden mit Aufzügen und Rolltreppen versehen und [[barrierefrei]] ausgebaut.<ref>[http://www.oebb.at/vip8/bau/de/Pressecorner/Presseinformationen/Einbindung_Linzer_Lokalbahn_in_Linzer_Hbf/index.jsp ÖBB Infrastruktur Bau]</ref> Der alte Lokalbahnhof wurde am 8. November des Jahres 2005 verabschiedet,<ref>[http://www.stern-verkehr.at/sverkehr/News/news_2005-10.htm Stern & Hafferl Newsletter]</ref> wobei Sonderfahrten mit dem ET 22.105 und eine Versteigerung des Bahnhofsinventars durchgeführt wurden. Am 18. November desselben Jahres fand die feierliche Eröffnung der Einbindung in den Linzer Hauptbahnhof statt.<ref>[http://www.stern-verkehr.at/sverkehr/download/Festprogramm%20LILO.pdf Festprogramm zur Einbindung in den Hauptbahnhof]</ref> Mit der Eröffnung der neuen Endstation ging eine deutliche Verbesserung für die Fahrgäste der Linzer Lokalbahn einher. So bestehen seither bequeme Umsteigemöglichkeiten zu [[Omnibus|Bus]], [[Eisenbahn|Bahn]] und [[Linzer Straßenbahn|Straßenbahn]]. Die [[Dynamische Fahrgastinformation]] ([[Zugzielanzeiger]]) im Bahnsteig- und Tunnelbereich verbesserte die Orientierung für die Fahrgäste.<ref>[http://www.linz.at/images/32_LebLinz_166.pdf PDF-Datei über die Einrichtung der neuen Endstation]</ref> Voraussetzung für die Einbindung der Linzer Lokalbahn in den Linzer Hauptbahnhof waren neue Triebwagen, die ihren Fahrbetrieb mit 750 Volt bei Erreichen der Haltestelle Linz/Untergaumberg dem ÖBB-Stromnetz von 15 [[Kilovolt]] anpassen konnten.<ref>[http://www.oebb.at/vip8/bau/de/Pressecorner/Presseinformationen/Einbindung_Linzer_Lokalbahn_in_Linzer_Hbf/index.jsp ÖBB Infrastruktur Bau]</ref> Zwischen Linz und Eferding, Linz und Peuerbach sowie Waizenkirchen und Neumarkt wurde 2005 gleichzeitig teilweise ein [[Taktfahrplan]] eingeführt. Seit 2005 ist die Strecke für eine Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h und 20 t Achslast ausgelegt. In den Jahren 2006 und 2007 wurden weitere Maßnahmen, die zu mehr [[Barrierefreiheit]] führen sollten, durchgeführt. == Betrieb in der Gegenwart == [[Bild:Diagramm LiLo.png|thumb|230px|Anteile]] [[Bild:LILO Stadler GTW.jpg|thumb|230px|Niederflurgelenktriebwagen Stadler GTW der LILO am Linzer Hauptbahnhof.]] Die Linzer Lokalbahn AG ist eine [[Aktiengesellschaft (Österreich)|Aktiengesellschaft nach österreichischem Recht]] mit einem eingetragenen Grundkapital von 690.391&nbsp;€.<ref>[http://www.kompass.com/en/AT043671 Eintrag bei ''kompass.com'']</ref> Die Anteile befinden sich zu 54,3 Prozent im Besitz der Stadt Linz. Einen weiteren Hauptanteil von 35,3 Prozent hält die [[Stern & Hafferl]] Verkehrs-GmbH, der auch die Betriebsführung obliegt. Ein Anteil in Höhe von 2,6 Prozent gehört der Stadt Eferding; jeweils 1,0 Prozent halten die Städte Leonding und Peuerbach. Die restlichen Anteile verteilen sich auf mehrere Anrainergemeinden (5,0 Prozent) oder befinden sich in Streubesitz (1,0 Prozent).<ref name="Mitglieder">[http://www.schienenbahnen.at/Mitglieder/LILO.pdf PDF-Datei mit den aktuellen Daten bei Schienenbahnen.at]</ref><ref>[http://www.stern-verkehr.at/sverkehr/techn_Daten/tLilo.htm Datenblatt bei ''stern-verkehr.at'']</ref> An 44 [[Haltestelle]]n wird gehalten, bei 37 davon allerdings nur auf Verlangen durch Handzeichen auf dem Bahnsteig oder Fahrgastmeldung im Zug. Seit einigen Jahren liefert die ''Energie AG Oberösterreich'' den benötigten Strom für den Betrieb der Lokalbahn. Die Linzer Lokalbahn beförderte im Jahr 2005 über 1,6 Millionen Fahrgäste. Gefahren wird teilweise im Taktfahrplan. Die Kreuzungsvereinbarungen erfolgen seit 1987 über [[Funkverkehr|Funk]], wodurch sich Unfälle auf wenige umweltbedingte Entgleisungen beschränkten, bei denen die Fahrzeuge aber nie ernsthaft beschädigt wurden. Zusammenstöße mit [[Automobil|Autos]] sind häufiger, was auf schlecht oder gar nicht gesicherte Bahnübergänge zurückzuführen ist.<ref name="St&H-Lilo-page">[http://www.stern-verkehr.at/sverkehr/Bahnen/LILO.html LILO – Stern & Hafferl Verkehrs-GmbH]</ref> Der letzte derartige Unfall ereignete sich am 28. März 2007 an einem ungesicherten Bahnübergang in Straßham.<ref>oberösterreichische [[Kronen Zeitung]], 28. März 2007, Seite 13</ref> Die Weichen, die für die planmäßigen Zugkreuzungen notwendig sind, sind als [[Rückfallweiche]]n ausgeführt. Man erkennt sie an einem blauen Lichtsignal, das leuchtet, wenn die Weiche sich in der Grundstellung befindet. Bis auf die Weichen im Bahnhof Eferding, die mittels Seilzug von einem [[Stellwerk]] der Bauart 5007 fernbedient werden können, müssen sie händisch gestellt werden. Sämtliche Weichen von Anschlussbahnen sind in Abhängigkeit eines Sperrschuhs schlüsseltechnisch gesichert. Alle Weichen sind mit einer elektrischen [[Weichenheizung]] ausgestattet. Der Zugverkehr selbst wird über ein [[Global Positioning System]] mit [[Stern_%26_Hafferl#Zugleitsystem|Zugbeeinflussung]] abgewickelt.<ref name="St&H-GmbH">Stern & Hafferl Verkehrs-GmbH.</ref> Um Triebwagen- oder Lokführer bei der Linzer Lokalbahn werden zu können, durchlaufen Bewerber grundsätzlich eine spezielle Ausbildung im eigenen Haus, unabhängig von einem bereits vorher erlernten oder ausgeübten Beruf. Diese Ausbildung dauert etwa zwei Monate und hat folgenden Inhalt: Signal- und Fahrdienstvorschrift, Grundlagen der [[Elektrotechnik]], elektrischer und mechanischer Aufbau der Fahrzeuge, Bremssystem, Bahnstromversorgung und Sicherheitseinrichtungen. Danach folgt der praktische Teil aus Reparaturen an den Triebfahrzeugen (Werkstätte in Eferding oder der [[Stern & Hafferl#Hauptwerkstätte|Hauptwerkstätte in Vorchdorf]]) und Ausbildungsfahrten.<ref> Mappe: ''Technische Grundlagen für Fahrzeugführer''</ref> == Fuhrpark == [[Bild:ET 22.136 & ET 22.133.JPG|thumb|230px|Zwei „Kölner“ in Vorchdorf]] Seit 2001 wird die Strecke von [[Niederflurtechnik|Niederflurfahrzeugen]] vom Typ [[Stadler GTW|Stadler-GTW]] befahren, die die 1970 von der [[Kölner Verkehrs-Betriebe]]n und 1987 von den [[Köln-Bonner Eisenbahnen]] übernommenen Fahrzeuge ersetzen. Diese Fahrzeuge wurden als ET 22.151–164 in den Fahrzeugpark eingereiht. Alle Fahrzeuge besitzen zusätzlich eine Ausrüstung für eine 15&nbsp;kV 16,7&nbsp;Hz-Anlage, sind klimatisiert, barrierefrei ausgerüstet und verfügen über 126 Sitz- und 108 Stehplätze. Die Triebwagen besitzen luftgefederte [[Drehgestell|Laufdrehgestelle]] und automatisch schließende Türen. Zudem ist eine Vielfachsteuerung von bis zu drei Fahrzeugen möglich. Stern & Hafferl installierte zusätzlich in jedem Triebfahrzeug Haltewunschtasten.<ref>[http://www.stadlerrail.com/file/pdf/Produktblatt_LILO_d.pdf Datenblatt ET 22.151-158]</ref> Die LILO verfügt derzeit über vier E-Triebfahrzeuge und 18 E-Triebwägen auf ihrer Strecke. Zwei weitere ehemalige LILO Triebwagen wurden nach Vorchdorf verliehen. Drei historische Fahrzeuge blieben als Nostalgiefahrzeuge erhalten. Das Nostalgiefahrzeug „Liesel“ wird heute noch teilweise für [[Rangierlok|Rangierarbeiten]] verwendet. Die Stadler GTW's stellen die Paradefahrzeuge der Linzer Lokalbahn dar. Die Reparatur und Wartung der Fahrzeuge besorgt die Betriebswerkstätte in Eferding. Größere Schäden werden in der Hauptwerkstätte von Stern & Hafferl in Vorchdorf behoben. Die Lokalbahn verfügt über vier Remisen, in denen die Fahrzeuge abgestellt werden. Von den einstigen Paradefahrzeugen der Bahn, den Kölner Garnituren, ist nur mehr 22.137 vorhanden, der als Arbeitswagen verwendet wird, vier weitere Fahrzeuge sind noch als Reservefahrzeuge im Bestand; alle anderen „Kölner“ wurden in [[Lambach]] verschrottet.<ref name="St&H-GmbH">Stern & Hafferl Verkehrs-GmbH.</ref> {| class="prettytable" style="font-size:95% width: 100%;" |----- bgcolor="#FFDEAD" !width="11%" | Nr. !width="6%" | Herkunft !width="5%" | Baujahr !width="5%" | Achsfolge !width="9%" | LÜP !width="4%" | Gewicht !width="8%" | V max !width="4%" | Leistung !width="1%" | <small>Sitzpl./Stehpl.</small> !width="47%" | Bemerkungen |- | ET&nbsp;22.151–ET&nbsp;22.164 | Stadler Rail | 2001 | 2'+Bo+2': | 38.200 mm | 57,5/60 t | 120 km/h | 520 kW | 126/108 | neueste vorhandene Triebfahrzeuge |- | ET 22.105 | Grazer W. | 1921 | Bo | 11.500 mm | 1,5 t | 50 km/h | 100 kW | 55/12 | ursprünglich ET 23.001, Nostalgiefahrzeug <sup>1</sup> |- | ET 22.106 | SGP/ELIN | 1951 | Bo'Bo' | 16.900 mm | 39 t | 60 km/h | 376 kW | 56/36 | bis 1988 ET 20.112 |- | ET 22.107 | SGP/ELIN | 1951 | Bo | 16.900 mm | 39 t | 60 km/h | 376 kW | 52/36 | bis 1994 ET 20.114 |- | [[kkStB 21.0|ET 22.109]] | Grazer W. | 1908 | Bo | | | 50 km/h | 108 kW | 36/18 | ehemals ET 21.150, Nostalgiefahrzeug |- | ET 22.133 | Westwaggon | 1954 | Bo'Bo' | 15.750 mm | 24 t | 60 km/h | 272 kW | | ex KFBE 1288, Reservetriebwagen, nach Vorchdorf verliehen |- | ET 22.136 | Westwaggon | 1953 | Bo'Bo' | 15.750 mm | 24 t | 60 km/h | 272 kW | | es KBFE 1290, Reservetriebwagen, nach Vorchdorf verliehen |- | ET 22.137 | Westwaggon | 1954 | Bo'Bo' | 17.150 mm | 25 t | 60 km/h | 272 kW | 48 | ex KBFE 1289, Einsatz als Arbeitstriebwagen <sup>2</sup><ref>Sämtliche Daten: aktuelle Fahrzeugstatistik der LILO</ref> |- | E 22.001 | Ganz & Co | 1915 | Bo'Bo' | 11.700 mm | 30 t | 40 km/h | 192 kW | – | Vielfachsteuerung, ehemals Wöllersdorf III, seit 1935 in Betrieb |- | E 22.002 | Grazer W. | 1912 | Bo'Bo' | 6.900 mm | 19 t | 25 km/h | 74 kW | – | Nostalgiefahrzeug |- | E 22.004 | Ganz & Co | 1916 | Bo'Bo' | 11.700 mm | 30 t | 40 km/h | 192 kW | – | Vielfachsteuerung, ehemals POHEV 5, seit 1945 im Bestand |- | E 22.005 | Ganz & Co | 1915 | Bo'Bo' | 11.700 mm | 30 t | 40 km/h | 192 kW | – | Vielfachsteuerung, ehemals Wöllersdorf II, seit 1947 in Betrieb |- | ES 22.233 | Westwaggon | 1954 | 4 | 15.750 mm | 18,5 t | 60 km/h | – | | ex KFBE 2289, Reservewagen, nach Vorchdorf verliehen |- | ES 22.236 | Westwaggon | 1953 | 4 | 15.750 mm | 18,5 t | 60 km/h | – | | ex KFBE 2290, Reservewagen, nach Vorchdorf verliehen |- | B4ip 22.209 | SGP | 1950 | 4 | | | – | – | 59/21 | derzeit bei der Haager Lies als Verstäkungswagen |- |- | BD 22.254 | SGP | 1950 | 4 | | | – | – | 42/19 | derzeit bei der Haager Lies als Verstäkungswagen |- |- | G 22.307 | | | 4 | | | – | – | - | Güterwagen, grün/weiß |- | G 22.309 | | | 4 | | | – | – | - | Radwagen, rot/weiß |- |} [[Bild:G 22.307.JPG|thumb|Güterwagen 22.307 in Peuerbach]] <sup>1</sup> Ab 1943 wurde das Fahrzeug als ET 22.105 bezeichnet. Die Umstationierung des Triebwagens zur [[Haager Lies]] im Jahre 1985 führte zur Umbenennung in ET 25.105 und Einsatz auf der Haager Lies. 1995 wurde das Fahrzeug an die Marizeller Museumstramway abgegeben, wo es in den Originalzustand zurückversetzt wurde. Im Jahre 2000 kam der Triebwagen im Austausch gegen ET 22.101 wieder zur Linzer Lokalbahn zurück. Das Fahrzeug trägt heute die Nummer 22.105 und befindet sich im Nostalgiebestand der LILO.<ref>Zeunert: ''Die Kleinbahn - ''Privatbahnen & Werksbahnen''. Band 12, 2000, Seite 92</ref> <sup>2</sup> ET 22.137 wurde zu einem Arbeitswagen umgebaut, das Fahrzeug verfügt über einen Schmierstromabnehmer. Der rot/elfenbein lackierte ET 22.109 ist mit einer Werbung einer Bäckerei beklebt. Neben den Triebwagen, Lokomotiven und Beiwagen verfügt die Linzer Lokalbahn nur über wenige Güterwagen, die für den Gütertransport eingesetzt werden; die meisten Güterwagen wurden entweder verschrottet oder zu Bahnwagen umfunktioniert, die für Instandhaltungsarbeiten eingesetzt werden.<ref name="St&H-GmbH">Stern & Hafferl Verkehrs-GmbH.</ref> [[Bild:LILO 1912 A.jpg|thumb|center|550px|Personenzug um 1912]] === Nummerierung und Beschriftung === [[Bild:Lilo Betriebsnummer.jpg|thumb|230px|Betriebsnummer eines Fahrzeugs der LILO]] [[Bild:kkStB 21001.jpg|thumb|230px|Triebwagen 21.001 (1908)]] [[Bild:LILO 1.jpg|thumb|230px|Lok 1 – Liesel (1912)]] [[Bild:LILO E 20 003.jpg|thumb|230px|E 22.003 um 1916]] [[Bild:LILO_Waggon-2.jpg|thumb|230px|Typenskizze der Personenwaggons Cl 1–4]] Das Nummernschema hat, wie bei allen Fahrzeugen von Stern & Hafferl üblich, fünfstellige Ziffern. Dabei geben die erste und die zweite Stelle den Eigentümer an: 21 stand für die Lokalbahn Neumarkt–Waizenkirchen–Peuerbach und 22 für die Lokalbahn Linz–Eferding–Waizenkirchen. Seit der Fusionierung zur LILO ist nur mehr der Eigentumsvermerk 22 üblich. Die darauf folgenden drei Ziffern (dritte bis fünfte Stelle) geben die Fahrzeugbauart und die Ordnungsziffer an ''(siehe [[Stern_%26_Hafferl#Nummerierungsschema|Stern & Hafferl-Nummerierungsschema]])'' Vor der Betriebsnummer steht noch ein Buchstabe, der über das Fahrzeug Auskunft gibt. E steht beispielsweise für eine E-Lok, ET für einen Elektrotriebwagen, P für einen Personen- und G für einen Güterwaggon. Bahnwagen werden mit X bezeichnet. Alle Fahrzeuge waren ursprünglich mit dem vollen Namen der Strecken, auf denen sie eingesetzt wurden, beschriftet &nbsp;–&nbsp;''Lokalbahn Neumarkt–Waizenkirchen–Peuerbach AG'' und ''Lokalbahn Linz–Eferding–Waizenkirchen''. Diese Aufschriften hatten alle Fahrzeuge des ursprünglichen Bestandes, sie waren in goldenen [[Letter]]n aus [[Messing]] an den Triebfahrzeugen angebracht. Im Jubiläumsjahr 1937 wurde diese lange Beschriftung von der Abkürzung der Streckennamen abgelöst (''LEW'' und ''NWP''). 1939 wurde diese Beschriftung durch Schilder mit der Aufschrift ''Linzer Lokalbahn AG'' ersetzt. Diese Aufschrift wurde oft mit ''LLB'' abgekürzt. Diese Abkürzung wurde später durch die heute noch übliche Aufschrift ''<LILO>'' ersetzt. Die ursprünglichen Triebwagen hatten eine braune [[Lackierung]], die Lokomotiven wurden dunkelgrün lackiert. Dieser grüne Anstrich wurde bei allen Loks außer Nr. 1 1975 durch eine rote Lackierung ersetzt. Die heute noch in Originallackierung vorhandene Lok 1 zeigt, wie die Loks ursprünglich lackiert und beschriftet waren. Die Triebfahrzeuge erhielten das heute noch für Fahrzeuge von Stern & Hafferl typische Farbkleid weiß/[[verkehrsrot]].<ref name="St&H-GmbH">Stern & Hafferl Verkehrs-GmbH.</ref> === Ursprünglicher Fahrzeugpark === Aus Kostengründen wählte man preisgünstige zweiachsige Triebfahrzeuge. Die Fahrzeuge für die beiden Strecken wurden bei der ''Grazer Waggonfabrik'' und bei ''Siemens Schuckert Wien'' in Auftrag gegeben. Die für die Strecke Linz–Eferding–Waizenkirchen gelieferten Motorwagen hatten einen Holzaufbau. Sie verfügten über 16 Plätze in der zweiten Klasse und über 39 Plätze in der dritten Klasse, wobei die Sitzplätze der zweiten Klasse gepolstert waren, jene der dritten Klasse verfügten lediglich über Lattenrostbänke. Jedes Fahrzeug besaß 12 Fenster mit aufklappbaren Oberlichten. Die Plattformen waren nicht verglast, das Fahrpersonal war somit der Witterung ausgeliefert. Die Motorwagen besaßen einen Schleifrings[[fahrschalter]], eine [[Vakuumbremse]] und eine Handspindelbremse. Eine Tretglocke, eine Dachglocke und ein Signalhorn dienten als Sicherungseinrichtungen. Die Motorwagen wurden als 22.000 bis 22.003 eingereiht, sie erhielten später die Nummern 22.101 bis 22.104.<ref>Buch:''75 Jahre Linzer Lokalbahn'', 1987, Seite 33–34, Karl Zwirchmayr</ref> Auch die Lokomotiven besaßen einen hölzernen Wagenkasten und die elektrische Ausrüstung entsprach prinzipiell der der Motorwagen. Bei der bis heute erhalten gebliebenen Lok (Spitzname ''Liesel'') ist dies noch ersichtlich. Die Lok befindet sich heute im [[Nostalgie]]bestand der Linzer Lokalbahn.<ref name="St&H">[http://www.stern-verkehr.at/sverkehr/download/Beschr_E22002.pdf Fahrzeugbeschreibung E 22.002]</ref> Die vier angeschafften Personenwaggons hatten ein Gewicht von nur 6,2 Tonnen und ebenfalls einen hölzernen Wagenkasten, die über 38 Sitzplätze der Dritten Klasse verfügten. Jeder Wagen hatte acht Fenster mit aufklappbaren Oberlichten. Für die Strecke Neumarkt–Waizenkirchen–Peuerbach wurden 1908 ebenfalls zweiachsige Motorwagen angeschafft. Diese drei Fahrzeuge wurden als 21.001 bis 003 eingereiht. Die Fahrzeuge waren mit einem [[Stromabnehmer|Lyrastromabnehmer]] ausgerüstet. Die elektrische Ausrüstung war den Fahrzeugen der LEW sehr ähnlich. Außerdem wurden auch einige Güterwaggons angeschafft (siehe Tabelle).<ref>Buch:''75 Jahre Linzer Lokalbahn'', 1987, Seite 35, Karl Zwirchmayr</ref> {| class="prettytable" style="font-size:95%" |----- bgcolor="#FFDEAD" ! Nr. <small>(orig.)</small> ! Nr. ! Baujahr ! Hersteller ! Strecke ! Sonstiges |- | [[kkStB 21.0|21.001–21.003]] | 21.150–21.152 | 1908 | Grazer Waggonfabrik | NWP | bis 1975 im Plandienst; 21.150 (seit 1998 22.109) Nostalgiefahrzeug |- | Cl 1–Cl 2 | 21.201–21.202 | 1908 | Grazer Waggonfabrik | NWP | bis 1908 im Einsatz |- | G 1–G 3 | 21.301–21.303 | 1908 | Grazer Waggonfabrik | NWP | Güterwaggons; 1980 ausgemustert |- | 20.000–20.003 | 22.101–22.104 | 1912 | Grazer Waggonfabrik | LEW | Motorwagen; 101 und 102 fielen dem Remisenbrand von 1944 zum Opfer |- | 1 | 22.002 | 1912 | Grazer Waggonfabrik | LEW | Elektrolokomotive, bis heute erhalten geblieben, Spitzname „Liesel" |- | Cl 1–Cl 4 | 22.201–22.204 | 1911 | Grazer Waggonfabrik | LEW | Personenwaggons; 22.201 erlitt einen Brandschaden<ref>Alle Daten: Fahrzeugstatistik der Linzer Lokalbahn</ref> |- |} == Strecke == [[Bild:Hoehenprofil LiLo.png|thumb|230px|Streckenprofil der LILO]] [[Bild:LILO_Schaltungsschema-2.jpg|thumb|230px|Schaltungsschema der Unterwerke]] [[Bild:Bahnhof Eferding.JPG|thumb|230px|Bahnhof Eferding]] [[Bild:Gleisplan Eferding.png|thumb|230px|Gleisplan Bahnhof Eferding]] === Trassenführung === Die Strecke ist 58,5 km lang und überwindet einen Höhenunterschied von 127 Metern. Die LILO hat insgesamt 44 [[Haltestelle]]n, es gibt 252 Eisenbahnkreuzungen.<ref name="St&H-Lilo-page">[http://www.stern-verkehr.at/sverkehr/Bahnen/LILO.html LILO – Stern & Hafferl Verkehrs-GmbH]</ref> Kreuzungsstellen für Zugbegegnungen befinden sich in Leonding, Hitzing (Dörnbach), Thürnau, Alkoven, Eferding, Prambachkirchen, Waizenkirchen, Niederspaching, Peuerbach und Neumarkt, Güteranschlussgleise in Alkoven, Eferding, Waizenkirchen und Neumarkt. Insgesamt 109 mal queren Straßen und Fahrwege schienengleich die Strecke. Rund ein Viertel dieser [[Bahnübergang|Bahnübergänge]] sind durch [[Lichtzeichenanlage]]n gesichert. Zu den Kunstbauten der Strecke gehören neben den Bahnhofsgebäuden in Leonding, Alkoven, Eferding und Peuerbach zwei Straßenunterführungen und vier Straßenüberführungen. An vier Stellen werden größere Wasserläufe mit Brücken oder Durchlässen überquert.<ref>[http://www.geoland.at/index.php?option=com_maps&Itemid=61&lang=de Orthofotos Oberösterreich]</ref> Die bei der Eröffnung der beiden Strecken errichteten Kunstbauten sind heute noch weitgehend im Originalzustand vorhanden. Für die Instandhaltung der Strecke sind einzelne Bahnerhaltungspartien zuständig.<ref name="St&H-GmbH">Stern & Hafferl Verkehrs-GmbH.</ref> === Elektrische Ausrüstung === Ursprünglich wurde der Strom, der vom Traunfallkraftwerk produziert wurde, über eine 25.000 [[Volt]]-Leitung zum Umspannwerk in Niederspraching geleitet. Dieses Werk speiste wiederum die drei Umformerwerke, die schließlich den Strom für den Betrieb lieferten. Alle drei Umformerwerke waren baugleich ausgeführt. Die [[Oberleitung|Fahrleitung]] bestand ursprünglich aus hartgezogenem [[Kupfer]] von 50 mm² Querschnitt. Die Fahrleitung war mit einer zweifachen Isolation gegen Erde versehen und wurde von insgesamt 1450 [[Oberleitungsmast|Holzmasten]] getragen. Im Jahre 1929 wurde ein Unterwerk mit Quecksilberdampf-[[Gleichrichter|Glasgleichrichtern]] mit 200 [[Ampere]] ausgestattet. 1942 erfolgte ein weiterer Austausch der Gleichrichteranlagen. Da die Anlagen nicht leistungsfähig genug waren, war es immer wieder zu Spannungsabfällen gekommen. Deshalb wurden zwischen 1968 und 1973 die Unterwerke mit [[Silizium]]-Gleichrichteranlagen zu je 1000 A ausgestattet. Den Fahrdraht tauschte man nach starker Abnutzung durch einen neuen Rillenfahrdraht mit 80 mm² Querschnitt aus. Später konnte sogar eine Fahrleitung mit 100 mm² Querschnitt installiert werden. Die beim Bau der Bahn aufgestellten, ungeschützten Nadelholzmasten wurden nach dem ersten Weltkrieg durch [[Imprägnierung|imprägniert]]e ersetzt. Nach 1945 stellte man diese Masten auf Mastfüße aus Metall, die aus Altschienen hergestellt wurden.<ref>Buch:''75 Jahre Linzer Lokalbahn'', 1987, Seite 28–31, Karl Zwirchmayr</ref> Mittlerweile ersetzte man die eisernen Mastfüße durch [[Beton]]sockel. Alle Masten besitzen heute [[Aluminium]]rohr- und [[Ausleger (Energietechnik)|Isolierstoffausleger]]. Die Oberleitung besteht aus der heute üblichen Kupfer-[[Silber]]-[[Legierung]]. == Fahrplankonzept == Seit November 2005 verkehren die Züge der Linzer Lokalbahn zu bestimmten Tageszeiten, hauptsächlich nachmittags, im [[Taktfahrplan#Liniengebundener Taktfahrplan|liniengebundenen Taktfahrplan]]. So besteht dann bei der Ankunft in Linz ein exakter 30-Minuten-Takt, in der Gegenrichtung meist ein alternierender 28-32-Takt. Diejenigen Kreuzungen in Alkoven, die zwischen Minute 28 und 29 stattfinden, entsprechen genau der in Mitteleuropa üblichen [[Symmetrieminute]]. Je nach Beförderungsanspruch liegt der Takt [[Werktag|werktäglich]] -abgesehen von einer 90-Minuten-Lücke am späten Vormittag ab Linz- bei den [[Verkehrsverbindung|Relationen]] Linz–Eferding zwischen 30 und 60 Minuten, Linz–Peuerbach zwischen 30 und 90 Minuten und Waizenkirchen–Neumarkt bei 120 Minuten mit kurzen Übergangszeiten zu Relationen der ÖBB in Neumarkt. Eine durchgehende Verbindung Linz–Neumarkt wird nicht angeboten. Sonn- und feiertags wird die Relation Niederspaching–Neumarkt nicht bedient. Sinngemäß gelten die angegebenen Zeittakte auch für die umgekehrten Relationen Neumarkt–Waizenkirchen, Peuerbach–Linz und Eferding–Linz.<ref>[http://www.stern-verkehr.at/sverkehr/Fahrplan/Fpl_2007LILO.pdf Aktueller Fahrplan]</ref> Die Fahrzeit von Linz nach Eferding beträgt 43 Minuten, nach Peuerbach 91 Minuten und mit Umsteigen in Waizenkirchen (Übergangszeit 20 Minuten) bis nach Neumarkt 120 Minuten. Somit wird auf der Strecke Linz–Neumarkt eine durchschnittliche [[Reisegeschwindigkeit]] von 27,5 km/h erreicht. Bei einer zukünftigen Streckenerweiterung bis St. Georgen an der Gusen wird die Einführung eines [[Taktfahrplan#Integraler Taktfahrplan|integralen Zeittaktes]] notwendig sein, der die Übergangszeiten zu Zügen der ÖBB und zu den Linzer Stadtbuslinien optimiert und auch die in Eferding kreuzende ÖBB-Relation Haiding–Aschach einbezieht. == Wirtschaftlichkeit == [[Bild:LiLo Gueter.svg|thumb|400px|Transportierte Güter (1978–2005)<ref>Statistik über die Beförderungszahlen der Stern & Hafferl Bahnen</ref>]] Die Haupteinnahmequelle der Linzer Lokalbahn stellt aktuell der Personenverkehr dar. Güter werden nur mehr selten transportiert, lediglich der [[Rübe]]ntransport bringt zusätzliche Einnahmen. Weil die Bahn keine eigenen Güterwaggons mehr besitzt, werden für diese Rübenzüge jedes Jahr Waggons angemietet. Regelmäßig werden auch Sonderfahrten mit historischen Triebfahrzeugen durchgeführt. ET 22.105 kann für Sonderfahrten mit Rahmenprogramm, Fotohalten und einer Betriebsbesichtigung jeder Zeit angemietet werden. Grundsätzlich werden auf der Relation Linz–Waizenkirchen noch [[Zugbegleiter]] eingesetzt, probeweise wird auch im Einmannbetrieb gefahren. Im oberen Streckenabschnitt (Waizenkirchen, Neumarkt, Peuerbach) fährt man regelmäßig im Einmannbetrieb. Die LILO beschäftigt 2007 insgesamt 103 Mitarbeiter. Seit 1999 gehört die Bahn zum Linzer Verkehrsverbund (LVV) (seit 2005 Mitglied im [[Oberösterreichischer Verkehrsverbund|Oberösterreichischen Verkehrsverbund]] (OÖVV)) und genießt dadurch einen angemessenen Kostenausgleich.<ref name="Mitglieder" /> Die Einnahmen von jährlich etwa 1,65 Millionen zahlenden Fahrgästen und 70.000 Tonnen beförderter Güter (Stand 2005) decken nicht annähernd die Betriebskosten. Die an der Strecke liegenden Kommunen, allen voran die Städte Linz und Eferding leisten seit Jahren erhebliche Zuschüsse zum Betrieb der LILO. Andere [[Anrainer]]gemeinden kommen laut Pressemeldungen dieser Verpflichtung nicht jedes Jahr in voller Höhe nach, was sowohl zu ständigen politischen Diskussionen als auch zu Schwierigkeiten in Bezug auf notwendige Investitionen führt.<ref>[http://www.kpoe.at/lpd/2832.html KPÖ: Anrainer verweigern Zuschuss für LILO]</ref> Dennoch ist der Betrieb der Bahn Jahr für Jahr dank der gewährten [[Subvention]]en gesichert. In der Gemeinderatssitzung vom 31. März 2004 gewährte die Stadt Linz eine Subvention an die Linzer Lokalbahn AG in Höhe von 290.690 Euro jeweils für die Jahre 2004 bis 2006 für die Aufrechterhaltung des laufenden Betriebs und weiterhin einen Betrag für die Jahre 2004 bis 2007 in Höhe von 1.125.000 Euro pro Jahr für den Ankauf von sechs weiteren Triebfahrzeugen und zusätzlich die Bereitstellung von 109.310 Euro für das Jahr 2004 für die Vorfinanzierung der Triebfahrzeuge. In gleicher Sitzung stimmte die Stadt Linz der Weitergabe der vom Land Oberösterreich voraussichtlich gewährten Bedarfszuweisung in Höhe von 545.000 Euro je Jahr für 2007 und 2008 zu.<ref>[http://www.linz.gv.at/Politik/GRSitzungen/indexp.asp?S_ID=5#6 Gemeinderatsbeschluss Linz 2004]</ref> [[Bild:Beförderungszahlen der LiLo.svg|thumb|400px|Beförderte Personen (1978–2005)]] === Entwicklung der Fahrgastzahlen === Beförderte die Linzer Lokalbahn 1978 auf der Strecke Linz–Eferding–Waizenkirchen noch knapp über 1,6 Millionen Fahrgäste, sank die Beförderungszahl in den folgenden zehn Jahren kontinuierlich auf weniger als die Hälfte, hauptsächlich zurückgeführt auf einen überalterten Fahrzeugbestand und unattraktiven Fahrzeiten. Erst der Einsatz von komfortablerer Triebwagengarnituren der Köln-Bonner Eisenbahnen 1987 und die damit verbundene Fahrzeitverkürzung ließen die Fahrgastzahlen wieder ansteigen. Jedoch sollten weitere zwölf Jahre vergehen, bis 1998 annähernd die früheren Zahlen erreicht werden konnten. Seit 1999 pendelt sich die Beförderungsleistung wieder auf jährlich 1,6 Millionen Fahrgäste ein.<ref>Stern & Hafferl Verkehrs-GmbH, Abteilung Werbung und Verkauf</ref> === Zukunft === Eine Streckenerweiterung auf die [[Summerauerbahn]] bis [[Sankt Georgen an der Gusen]] befindet sich derzeit in Planung. Dadurch sollen das untere [[Mühlviertel]], der Zentralraum Linz und das [[Hausruckviertel]] ohne Umsteigen erreichbar werden. Außerdem sollen weitere Modernisierungen sowie Taktverbesserungen erfolgen. Sollten diese Taktverbesserungen nicht möglich sein, will man den Taktfahrplan völlig neu konzipieren. Es gibt auch eine Studie für eine Systemumstellung zwischen Leonding–Eferding auf [[Wechselstrom]]. Für die neuen Fahrzeuge (ET 22.151 – 164) wäre diese Maßnahme kein Problem, alle anderen Triebfahrzeuge müssten dann allerdings umgerüstet werden, um diesen Streckenabschnitt befahren zu können. Die Werbekonzepte ''LILO als Ausflugsbahn'' und ''Vier-Städte-Bahn'' (Linz, Leonding, Eferding und Peuerbach) sollen in Zukunft weiter verbessert werden. == Einzelnachweise == <div class="references-small" style="-moz-column-count:2; column-count:2;"> <references /></div> == Literatur == * Karl Zwirchmayer: ''75 Jahre Linzer Lokalbahn'', Linzer Lokalbahn AG, 1987 * Helmut Weis: ''Die Unternehmung Stern & Hafferl II''. Bahn im Bild, Band 26, 1982 * Ludger Kenning: ''Eisenbahnhandbuch Österreich''. Verlag Kenning, Nordhorn 1992 ISBN 3-927587-08-7, Seiten 77–78 * Helmut Marchetti: ''Stern & Hafferl – Visionen mit Tradition''. GEG Werbung, Gmunden 2003 ISBN 3-9501763-0-6 :<small>Anmerkung: Bei dem Buch ''75 Jahre Linzer Lokalbahn'' handelt es sich um eine Jubiläumsausgabe, die nur noch antiquarisch erhältlich ist.</small> == Weblinks == * {{Commons|Category:Linzer Lokalbahn|Linzer Lokalbahn}} * [http://www.stern-verkehr.at/sverkehr/Bahnen/LILO.html LILO – Stern & Hafferl Verkehrs-GmbH] * [http://www.schienenbahnen.at/Mitglieder/LILO.pdf PDF-Datei mit den aktuellen Daten] (PDF-Datei 143 KB) * [http://www.eisenbahn-bilder.com/db/categories.php?cat_id=356&sessionid=f791d5a9e2a19f3b77cc1ec6bef96f9d Historische und aktuelle Bilder der Linzer Lokalbahn] '''Fahrzeuge:''' * [http://www.stadlerrail.com/images/content/Produktblatt_LILO_d.pdf Datenblatt ET 22.151–22.158] (PDF-Datei 164 KB) * [http://www.stern-verkehr.at/sverkehr/download/Beschr_E22002.pdf Fahrzeugbeschreibung E 22.002] (PDF-Datei 174 KB) * [http://www.stern-verkehr.at/sverkehr/download/Beschr_ET22105.pdf Fahrzeugbeschreibung ET 22.105] (PDF-Datei 194 KB) {{Exzellent}} [[Kategorie:Bahnstrecke in Oberösterreich]] [[Kategorie:Stern & Hafferl]] [[Kategorie:Verkehr (Linz)]] 3gflvnsspflwccek4tg0yj91h68tqqm wikitext text/x-wiki Lipide 0 23850 28528 26445 2011-11-30T17:41:53Z Yikrazuul 644 svg '''Lipide''' (von [[Altgriechische Sprache|altgriechisch]] {{lang|grc|λίπος}} ''lípos'' „Fett“) ist eine Sammelbezeichnung für ganz oder zumindest größtenteils wasserunlösliche ([[Hydrophobie (Chemie)|hydrophobe]]) Naturstoffe, die sich dagegen aufgrund ihrer geringen [[Polarität (Chemie)|Polarität]] sehr gut in hydrophoben (oder [[Lipophilie|lipophilen]]) Lösungsmitteln wie [[Hexan]] lösen. Ihre Wasserunlöslichkeit rührt vor allem von den langen [[Kohlenwasserstoff]]-Resten, welche die allermeisten Lipide besitzen. In lebenden Organismen werden Lipide hauptsächlich als Strukturkomponenten in [[Zellmembranen]], als Energiespeicher oder als [[Signaltransduktion|Signalmoleküle]] gebraucht. Die meisten biologischen Lipide sind [[Amphiphilie|amphiphil]], besitzen also einen [[lipophil]]en Kohlenwasserstoff-Rest und eine polare [[hydrophil]]e Kopfgruppe, deshalb bilden sie in polaren Lösungsmitteln wie Wasser [[Micellen]] oder Membranen. Oft wird der Begriff „Fett“ als Synonym für Lipide gebraucht, jedoch stellen die Fette ([[Triglyceride]]) nur eine Untergruppe der Lipide dar. Die Lipide können in sieben Gruppen eingeteilt werden: [[Fettsäure]]n, [[Triglyceride|Triacylglyceride]] ([[Fette|Fette und fette Öle]]), [[Wachs]]e, [[Phospholipide]], [[Sphingolipid]]e, [[Lipopolysaccharid]]e und [[Isoprenoide]] (Steroide, Carotinoide etc.) == Fettsäuren, Triacylglyceride (Fette und fette Öle) und Wachse == Die Triacylglycerole ([[Triglycerid]]e) machen mit mehr als 90&nbsp;Prozent den Hauptanteil der Nahrungslipide aus. Sie sind ein wichtiger Energielieferant (1&nbsp;g Fett enthält 38,9&nbsp;[[Joule|kJ]] Energie, 1&nbsp;g [[Zucker]] nur 17,2&nbsp;kJ). Außerdem bilden Triglyceride den wichtigsten Energiespeicher des Körpers (Zucker, d.&nbsp; h. Glucose, wird dagegen in viel geringerer Menge als [[Glycogen]] in der [[Leber]] und Muskulatur gespeichert), sie sind ein guter Kälteschutz in der [[Haut]] und schützen diese auch vor Verletzungen. Alle wichtigen Organe werden durch einen Fettmantel geschützt. === Fettsäuren === [[Datei:Fettsäuren-beispiel.svg|thumb|220px|Sowohl Myristinsäure (eine gesättigte Fettsäure) als auch Myristoleinsäure (eine ungesättigte Fettsäure) haben 14 Kohlenstoffatome. Myristoleinsäure weist im Gegensatz zur Myristinsäure eine Doppelbindung auf.]] [[Fettsäuren]] sind meist unverzweigte [[Monocarbonsäuren]], die aus einer Kohlenwasserstoffkette bestehen, an deren einem Ende sich eine [[Carboxygruppe]] befindet (siehe Bild). Unterschieden wird zwischen gesättigten Fettsäuren, in denen keine [[Doppelbindung]]en vorkommen, und ungesättigten Fettsäuren, die eine oder mehrere Doppelbindungen besitzen (in der Natur meist in [[Cis-trans-Isomerie|cis]]-Stellung und nicht in [[Konjugation (Chemie)|Konjugation]] miteinander). Die einfachste gesättigte Fettsäure ist die [[Buttersäure]] und enthält nur vier [[Kohlenstoff]]atome. Wichtige Vertreter der ungesättigten Fettsäuren sind [[Ölsäure]] (einfach ungesättigt) und [[Arachidonsäure]] (vierfach ungesättigt). Je mehr Doppelbindungen eine Fettsäure enthält, desto niedriger liegt ihr Schmelzpunkt. Ungesättigte Fettsäuren können vom tierischen Organismus nur unter Einschränkung synthetisiert werden. Man bezeichnet daher all jene Fettsäuren, die mit der Nahrung aufgenommen werden müssen, als essenzielle Fettsäuren (s.&nbsp;u.). === Triacylglycerine (Fette und fette Öle) === [[Datei:Triglyceride.svg|thumb|220px|Allgemeine Struktur der Triacylglycerole.<br />Die Seitenketten R<sup>1</sup>, R<sup>2</sup> und R<sup>3</sup> stehen für Alkylreste der Fettsäuren.]] ''Siehe die Hauptartikel [[Fette|Fette und fette Öle]], sowie [[Triacylglycerine]]''. Triacylglycerine stellen, wie oben erwähnt, die größte Gruppe der Nahrungslipide dar. Sowohl Fette als auch Öle sind Dreifach[[ester]] des [[Glycerin]]s und werden als ''Triacylglycerine'' bezeichnet. Werden Triacylglycerine durch [[Verseifung]] gespalten, entstehen Glycerin und die entsprechenden Salze der Fettsäuren. === Wachse === [[Datei:Wachs - Wax.svg|thumb|220px|Bestandteile von [[Bienenwachs]] als Stellvertreter für Wachse]] [[Wachs]]e sind Einfachester von Fettsäuren und unterscheiden sich als solche von den Dreifach-Estern der Fette und Öle. Sowohl der Säuren- als auch der Alkoholteil von Wachsen haben lange gesättigte Alkylreste. Im Gegensatz zu Triglyceriden sind Wachse weniger „ölig“, außerdem härter und poröser. Eine andere Definition ([[Deutsche Gesellschaft für Fettwissenschaft]]) sieht Wachse als Stoffklasse, die ausschließlich über ihre mechanisch-physikalischen Eigenschaften definiert wird. Laut dieser Definition sind Wachse bei 20&nbsp;°C knetbar, fest bis brüchig hart, sie weisen eine grobe bis feinkristalline Struktur auf, farblich sind sie durchscheinend bis [[Opazität|opak]] (undurchsichtig), aber nicht glasartig, über 40&nbsp;°C schmelzen sie ohne Zersetzung, wenig oberhalb des Schmelzpunktes sind sie leicht flüssig (wenig [[Viskosität|viskos]]), weisen eine stark temperaturabhängige Konsistenz und Löslichkeit auf und sind unter leichtem Druck polierbar. == Membranbildende Lipide == Membranbildende Lipide sind Lipide, die einen [[Hydrophilie|hydrophilen]] und einen [[Hydrophobie (Chemie)|hydrophoben]] Teil besitzen – also [[amphiphil]] sind. Dies erlaubt es ihnen, in polaren Lösungsmitteln wie Wasser je nach Beschaffenheit entweder [[Mizelle]]n (kugelförmige Aggregate aus amphiphilen Molekülen, die sich in einem [[Dispersion (Chemie)|Dispersionsmedium]] spontan zusammenlagern) oder [[Doppellipidschicht]]en zu bilden – wobei immer der hydrophile Teil mit dem polaren Lösungsmittel interagiert. Aus diesen Doppellipidschichten sind, mit Ausnahme der Membranen von [[Archaeen]], alle [[Biomembran]]en aufgebaut, welche den Inhalt einer [[Zelle (Biologie)|Zelle]] gegen die Umgebung abgrenzen. Membranbildende Lipide gehören daher zu einer der Grundvoraussetzungen für Leben. === Phospholipide === [[Datei:Phospholipid.svg|thumb|260px|Allgemeine Struktur der Phosphoglyceride<br />Die Reste R<sup>1</sup> und R<sup>2</sup> bestimmen die Fettsäuren, der Rest X bestimmt die Klasse. Bei X&nbsp;=&nbsp;H liegt Phosphatidsäure vor]] [[Phospholipide]] bilden <!-- sind die proteine notwendig zu erwähnen?? sind neben [[Protein]]en--> den Hauptbestandteil von Biomembranen. Man unterscheidet dabei [[Phosphoglyceride]] und [[Sphingomyelin]]e. Die Struktur der Phosphoglyzeride leitet sich von der [[Phosphatidsäure]] ab, welche den Triglyceriden ähnelt, mit dem Unterschied, dass sich an der C3-Hydroxygruppe statt des Acylrestes eine Phosphorylgruppe befindet. Sphingomyeline hingegen unterscheiden sich von Glycerolipiden durch ihr [[Sphingosin]]-Grundgerüst. Die Phosphorsäurediestergruppe aller Phospholipide ist [[hydrophil]] (d.&nbsp;h. interagiert mit Wasser) und wird ''„Kopf“'' genannt. Die Acylreste beziehungsweise der unpolare Teil des Sphingosins werden als ''„Schwanz“'' bezeichnet und sind [[hydrophob]]. Dieser gegensätzliche Charakter führt zur Bildung von [[Doppellipidschicht|Lipid-Doppelschichten]], bei denen der hydrophobe Teil der Membranlipide nach innen und der hydrophile Teil nach außen zeigen. Die wichtigsten am Aufbau von Biomembranen beteiligten Phospholipide sind die Phosphoglyceride [[Phosphatidylcholin]] (auch [[Lecithin]]), [[Phosphatidylethanolamin]], [[Phosphatidylserin]] sowie [[Sphingomyeline]]. Letztere zählen sowohl zu den Phospho- als auch den Sphingolipiden. Phosphatidylethanolamin und Phosphatidylserin werden auch als [[Kephaline]] bezeichnet. Eine vor allem in der intrazellulären Weiterleitung extrazelluärer Signale ([[Signaltransduktion]]) wichtige Gruppe der Phosphoglyceride sind die in verschiedenen [[Phosphorylierung]]sstufen auftretenden [[Phosphatidylinositol]]e; als Kopfgruppe besitzen sie ein [[Phosphoinositol]]. === Sphingolipide === [[Datei:Sphingolipid_de.svg|thumb|260px|Allgemeine Struktur der Sphingolipide<br />Verschiedene Reste (R) ergeben unterschiedliche Untergruppen.<br />[[Wasserstoff]] – [[Ceramide]]<br />Phospho[[cholin]] oder Phospho[[ethanolamin]] – Sphingomyeline<br />[[Saccharid]] – [[Glycolipide]]]] [[Sphingolipid]]e sind ebenfalls Bestandteile von Zellmembranen. Ihr Grundgerüst besteht aus einer [[Fettsäure]] und [[Sphingosin]]. Sie werden unterschieden in die Gruppen der [[Ceramide]], der Sphingomyeline und Glycolipide. Sphingolipide finden sich im [[Nerv]]engewebe, sie spielen eine wichtige Rolle in der Signalübertragung und der Interaktion einzelner [[Zelle (Biologie)|Zellen]]. === Glycolipide === [[Glycolipid]]e sind phosphatfreie, sphingosinhaltige Lipide mit einem [[Glycoside|glycosidisch]] an die 1-Hydroxy-Gruppe des Sphingosin gebundenen [[Kohlenhydrate|Kohlenhydrat]]-Anteil. Sie bilden häufig die Außenseite biologischer Membranen, wobei ihr Kohlenhydrat-Anteil auf der [[Zellmembran]] präsentiert wird. Es wird vermutet, dass diese eine Rolle in der Kommunikation und Interaktion zwischen einzelnen Zellen spielen. Glycolipide werden in [[Cerebroside]], [[Gangliosid]]e und [[Sulfatid]]e unterschieden. == Isoprenoide == Als [[Isoprenoide]] (auch [[Terpenoide]]) werden Verbindungen bezeichnet, die auf [[Isopren]]einheiten aufbauen. Zu den Lipiden zählende Verbindungen sind die Steroide und die Carotinoide. Natürlich vorkommende Steroide gehören zu den Triterpenoid-Derivaten (Triterpenoid bedeutet es besteht aus 30 Kohlenstoffatomen), da sie alle ausgehend von [[Squalen]] biosynthetisiert werden. Carotinoide werden zu den Tetraterpenoid-Derivaten (40 Kohlenstoffatome) gezählt, sie leiten sich von [[Lycopen]] ab. === Steroide === [[Datei:Steran2.svg|thumb|260px|Grundstruktur aller Steroide, das [[Steran]]-Molekül]] Alle [[Steroid]]e haben als Grundstruktur ein System aus vier, üblicherweise [[Cis-trans-Isomerie|trans]]-verbundenen Kohlenstoffringen, drei sechseckigen und einem fünfeckigen. Der bekannteste Vertreter der Steroide ist das zu den [[Sterine]]n zählende [[Cholesterin]]. Es ist unter anderem auch ein essentieller Bestandteil aller Zellmembranen mit Ausnahme der Innenmembran der Mitochondrien, und kann somit im erweiterten Sinne auch zu den Membranlipiden gezählt werden. Es liegt in der Regel in ver[[ester]]ter Form als Cholesterinester der Fettsäuren vor. Das Spektrum der Fettsäuren der Cholesterinester ist stark ernährungsabhängig. [[Gallensäure]]n, die an der [[Fettverdauung]] beteiligt sind, besitzen einen hydrophoben und einen hydrophilen Teil, können somit Fette ummanteln und damit deren Absorption im [[Verdauungstrakt]] erleichtern. [[Sexualhormon]]e sind in den [[Eierstöcke]]n und den [[Hoden]] produzierte Steroide, die die [[Fortpflanzung]] und die Ausbildung der sekundären [[Geschlechtsmerkmal]]e steuern. Die weiblichen Geschlechtshormone sind [[Progesteron]] und [[Östrogen]], die männlichen [[Androgen]]e (z.&nbsp;B. [[Testosteron]] und [[Androsteron]]). Weitere Beispiele sind andere Zoo-, Myco- und [[Phytosterine]] und deren Ester wie z. B. [[Ergosterin]], [[Cholecalciferol|Vitamin D]] und [[Herzglycoside]] (z. B. [[Digitalisglykoside|Digitalis]] und [[Strophantin]]). Phytosterine wie z. B. [[β-Sitosterin]], [[Stigmasterin]] und [[Campesterin]] und deren Ester treten vermehrt bei vegetarischer Ernährung im Human[[Blutserum|serum]] auf. === Carotinoide === [[Carotinoide]] sind [[Polymerisation]]sprodukte von [[Isopren]], die ausschließlich in Pflanzen hergestellt werden und dort als gelb bis rötliche Farbstoffe fungieren. Sie bestehen meist aus ungesättigten Kohlenwasserstoffketten und deren Oxidationsprodukten, und sind aus acht Isopren-Einheiten aufgebaut. Sie werden in [[Carotin]]e und [[Xanthophyll]]e unterschieden. Das bekannteste und am häufigsten vorkommende Carotinoid ist das β-Carotin, auch bekannt als [[Provitamin|Provitamin A]]. Es wird im Körper in [[Retinol]] (Vitamin A) umgewandelt, das eine wichtige Rolle für den [[Sehen|Sehvorgang]] spielt. == Biologische Funktionen == Die biologischen Funktionen der Lipide sind ebenso vielfältig wie ihre chemische Struktur. Sie dienen als * Brennstoff ([[β-Oxidation]] der Fettsäuren) * Energiespeicher (Triacylglycerole) * Membranbausteine (Phospholipide) * Signalmoleküle (Diacylglycerol; IP<sub>3</sub>-Kaskade) * [[Hormon]]e (Eicosanoide; Prostaglandine etc.) * Fettlösliche [[Vitamine]] (Vitamine A, D, E, K) * [[Koenzym|Cofaktoren]] (Dolichol) * [[Pigment (Biologie)|Pigmente]] (Carotinoide) Während manche Lipide vom menschlichen Körper im [[Fettstoffwechsel]] selbst [[Synthese|gebildet]] werden können, müssen andere mit der Nahrung aufgenommen werden. Daher werden diese als ''essentielle Lipide'' bezeichnet. === Essentielle Fettsäuren === Doppelbindungen in der Kohlenwasserstoff-Kette einer Fettsäure, die mehr als neun C-Atome von der [[Carboxygruppe]] entfernt sind, kann der Organismus nicht eigenständig herstellen. Diese sind jedoch von wichtiger Bedeutung und müssen daher über die Nahrung aufgenommen werden, deshalb werden sie als essentiell bezeichnet. Zu den Vertretern der essentiellen [[Omega-3-Fettsäure]]n zählen die [[Linolensäure]], [[Eicosapentaensäure]] und [[Docosahexaensäure]]. Essentielle [[Omega-6-Fettsäure]]n sind die [[Linolsäure]] und die [[Arachidonsäure]]. Aus der Arachidonsäure werden [[Eikosanoide]] synthetisiert, diese sind wichtige [[Hormon|Gewebshormone]] und Mediatoren im Körper. [[Omega-9-Fettsäure]]n sind nicht essentiell, da sie aus Omega-3- und Omega-6-Fettsäuren synthetisiert werden können. Mögliche Quellen für Omega-3- und Omega-6-Fettsäuren in Nahrungsmitteln sind Fische, Leinsamen, Sojaöl, Hanföl, Kürbiskerne oder Walnüsse. Essentielle Fettsäuren spielen eine wichtige Rolle in vielen Stoffwechselprozessen, und es gibt Hinweise, dass Mängel oder Ungleichgewichte in der Aufnahme der essentiellen Fettsäuren Ursache zahlreicher Krankheiten sind. === Fettlösliche Vitamine === Die fettlöslichen Vitamine sind: * [[Vitamin A]], ein [[Terpen]], das eine wichtige Rolle zum einen beim Sehvorgang, zum anderen für Wachstum, Funktion und Aufbau von [[Haut]] und [[Schleimhaut|Schleimhäuten]] spielt, * [[Calciferol|Vitamin D]], zuständig für die Regelung der Kalzium- und Phosphor-Konzentrationen im Blut und somit für die [[Knochen]]stabilität von entscheidender Bedeutung * [[Tocopherol|Vitamin E]], ein [[Terpenoide|Terpenoid]] mit antioxidativer Wirkung und * [[Vitamin K]], ein Terpenoid, das bei der [[Blutgerinnung]] mitwirkt. == Literatur == * Georg Löffler, Petro E. Petrides: ''Biochemie und Pathobiochemie.'' Springer, Berlin 2003, ISBN 3-540-42295-1 * Florian Horn, Isabelle Moc, Nadine Schneider: ''Biochemie des Menschen.'' Thieme, Stuttgart 2005, ISBN 3-13-130883-4 * Charles E. Mortimer, Ulrich Müller: ''Chemie.'' Thieme, Stuttgart 2003, ISBN 3-13-484308-0 * Jeremy M. Berg, John L. Tymoczko, Lubert Stryer: ''Biochemistry.'' 5. Auflage. Freeman, New York 2002, ISBN 0-7167-4684-0, teils [http://www.ncbi.nlm.nih.gov/sites/entrez?db=books&doptcmdl=DocSum&term=lipids+AND+stryer%5Bbook%5D ''online verfügbar''] bei NCBI Bookshelf * F.D. Gunstone, J.L. Harwood, F.B. Padley: ''The Lipid Handbook''. Chapman and Hall, London New - York 1986, ISBN 0-412-24480-2. * O.W. Thiele: ''Lipide, Isoprenoide mit Steroiden''. G. Thieme Verlag, Stuttgart 1979, ISBN 3-13-576301-3. == Weblinks == * [http://www.medizinfo.de/kardio/lipide/blutfette.htm Blutfette] * [http://www.eurofedlipid.org European Federation for the Science and Technology of Lipids] * [https://gold.tugraz.at/Main.jsp Genomics of Lipid-Associated Disorders] (Seite der Technischen Universität Graz, u. a. mit einer Fülle von Lipid-Stoffwechselwegen) * [http://www.biorama.ch/biblio/b20gfach/b35bchem/b12lipid/lip010.htm Biorama: Die Lipide] {{Exzellent}} [[Kategorie:Blutbild]] [[Kategorie:Stoffgruppe]] [[Kategorie:Lipid| ]] {{Link GA|en}} [[an:Lipido]] [[ar:دهنيات]] [[bg:Липид]] [[bs:Lipidi]] [[ca:Lípid]] [[cs:Lipidy]] [[da:Lipid]] [[dv:ފެޓް]] [[el:Λιπίδιο]] [[en:Lipid]] [[eo:Lipido]] [[es:Lípido]] [[et:Lipiidid]] [[eu:Lipido]] [[fa:لیپید]] [[fi:Lipidit]] [[fr:Lipide]] [[ga:Lipidí]] [[gl:Lípido]] [[he:ליפיד]] [[hi:लिपिड]] [[hr:Lipidi]] [[hu:Lipidek]] [[id:Lipid]] [[is:Fita]] [[it:Lipidi]] [[ja:脂質]] [[ka:ლიპიდები]] [[kk:Май қышқылдары]] [[ko:지질 (생물학)]] [[lb:Lipid]] [[lmo:Lipid]] [[lt:Lipidai]] [[lv:Lipīdi]] [[mk:Липид]] [[ml:ലിപ്പിഡ്]] [[nl:Lipide]] [[nn:Lipid]] [[no:Lipid]] [[om:Lipid]] [[pam:Lipid]] [[pl:Lipidy]] [[pt:Lípido]] [[ro:Lipide]] [[ru:Липиды]] [[scn:Lipidi]] [[sh:Lipidi]] [[simple:Lipid]] [[sk:Lipid]] [[sl:Lipid]] [[sq:Lipidet]] [[sr:Липиди]] [[su:Lipid]] [[sv:Lipid]] [[ta:லிப்பிட்]] [[te:కొవ్వు పదార్ధాలు]] [[th:ไขมัน]] [[tr:Lipit]] [[uk:Ліпіди]] [[vi:Lipid]] [[war:Lipido]] [[zh:脂類]] ddx7mr7n6ridoy5a4uiq50aztr0xtkk wikitext text/x-wiki Listeriose 0 23851 26446 2010-04-14T18:58:26Z Wo st 01 0 /* Geschichte */ Zahl korrigiert, tote Quelle entfernt, neue Quelle eingefügt {{Infobox ICD | BREITE = | 01-CODE = A32.9 | 01-BEZEICHNUNG = Listeriose | 02-CODE = A32.1 | 02-BEZEICHNUNG = Listerien-Meningitis | 03-CODE = A32.7 | 03-BEZEICHNUNG = Listerien-Sepsis | 04-CODE = P37.2 | 04-BEZEICHNUNG = Listeriose beim Neugeborenen }} Die '''Listeriose''' ist eine durch [[Bakterien]] der Gattung ''[[Listeria]]'' verursachte [[Infektionskrankheit]]. Der wichtigste Erreger ist ''[[Listeria monocytogenes]]'', der weltweit vorkommt und hochansteckend, aber nur von mäßiger [[Pathogenität|krankheitsauslösender Wirkung]] ist. Die Listeriose kommt beim Menschen vor allem bei Schwangeren und deren ungeborenen Kindern, sowie bei Neugeborenen, bei alten Menschen und bei Menschen mit einer abgeschwächten Immunabwehr ([[AIDS]]-Patienten, [[Immunsuppression|Immunsupprimierte]]) vor. Die Zahl der Listeriosen beim Menschen als Folge von [[Lebensmittelvergiftung|Lebensmittelinfektionen]] – mit teils tödlichem Ausgang – ist in den letzten Jahren in Europa angestiegen. In der Tierwelt sind vor allem [[Wiederkäuer]] (Rinder, Schafe, Ziegen) betroffen. Selten betrifft es Vögel, Pferde und Schweine und sehr selten Raubtiere. Für die [[Epidemiologie|Verbreitung]] der Erkrankung bei Mensch und Tier spielen vor allem verdorbene und verschmutzte Lebens- beziehungsweise Futtermittel eine Rolle, weshalb sie im klassischen Sinne keine [[Zoonose]] –&nbsp;eine vom Menschen auf Tiere und umgekehrt übertragbare Krankheit&nbsp;– sondern eher eine Fäulnis- ([[Sapronose]]) oder Erdkeiminfektion ([[Geonose]]) ist. Das klinische Bild der Listeriose ist sehr variabel und hängt vor allem vom befallenen Organsystem ab. Daher ist die Erkrankung klinisch nicht sicher festzustellen, weshalb eine adäquate Behandlung mit wirksamen [[Antibiotika]] häufig zu spät erfolgt. Bei Lebensmittelinfektionen treten beim Menschen im Regelfall zunächst Durchfall und Bauchschmerzen auf. Am häufigsten entwickeln sich im weiteren Verlauf bei Mensch und Tier infolge einer [[Entzündung]] des [[Gehirn]]s und der [[Hirnhaut|Hirnhäute]] [[Zentralnervensystem|zentralnervöse]] Störungen wie Lähmungen, Zittern, Körperfehlstellungen und Benommenheit. Bei Schwangeren und trächtigen Tieren kann es zu [[Fehlgeburt]]en, Absterben des Fötus oder schweren Neugeboreneninfektionen ([[Septikämie]]n) kommen. Schließlich kann sich eine Listeriose auch als lokale [[Wundinfektion]] sowie als Entzündung der [[Bindehaut|Binde-]] und [[Cornea|Hornhaut]] manifestieren. Die Listeriose ist in Deutschland seit 2001 sowohl beim Menschen als auch bei Tieren eine [[meldepflichtige Krankheit]] ([[Infektionsschutzgesetz]] §&nbsp;7, [[Tierseuche#Meldepflichtige Tierkrankheiten|Verordnung über meldepflichtige Tierkrankheiten]]). [[Datei:Sheep encephalitic listeriosis head upper deviation.jpg|thumb|Abnorme Körperhaltung bei einem Schaf mit Listeriose]] [[Datei:Sheep encephalitic listeriosis neck lateral deviation.jpg|thumb|Kopfseitwärtshaltung bei einem Schaf mit Listeriose]] == Erreger == [[Datei:Listeria monocytogenes PHIL 2287 lores.jpg|thumb|''Listeria monocytogenes'']] Der häufigste Krankheitserreger ist ''[[Listeria monocytogenes]]'', ein [[Gram-Färbung|grampositives]] Stäbchen von 0,5 bis 2&nbsp;µm Länge und 0,4 bis 0,5&nbsp;µm Breite. Er bildet bei Temperaturen über 25 Grad Celsius [[Flagellum|Geißeln]] aus und ist dann beweglich. Er wächst auch unter Sauerstoffabschluss (''fakultativ anaerob''). ''Listeria monocytogenes'' ist außerordentlich kälteresistent und vermehrt sich noch bei Kühlschranktemperatur. Darüber hinaus ist es bis zu einem [[pH-Wert]] von 4,5 säureresistent und widersteht auch hohen Salzkonzentrationen. Man unterscheidet sechs [[Serotyp]]en. Die [[Virulenz]] des Erregers wird vor allem durch das Hemolysin-[[Gen]] (hly) bestimmt, welches das [[Protein]] ''Listeriolysin O'' (LLO) kodiert.<ref name="Pascale"/> 90 % aller Infektionen des Menschen werden durch die Serotypen 4b, 1/2b und 1/2a ausgelöst.<ref>J. M. Farber und P. J. Peterkin: ''Listeria monocytogenes, a food-borne pathogen''. In: ''Microbiological Reviews''. 1991; 55: 476–511.</ref> In den Vereinigten Staaten und Finnland gibt es bereits Datenbanken, in denen die über [[Gelelektrophorese|Pulsfeldgelelektrophorese]] ermittelten genetischen Muster der Stämme von ''L. monocytogenes'' erfasst sind, so dass eine schnelle Aufklärung und Bekämpfung der Listeriosefälle möglich ist.<ref name="Hof"/> Bei Schafen spielt darüber hinaus auch ''[[Listeria ivanovii]]'' eine Rolle, jedoch nur bei der Gebärmutterform (''siehe unten''). Andere Listerien sind nicht krankheitsauslösend (''apathogen'').<ref name="Pascale"/> == Verbreitung == [[Datei:Langres (cheese).jpg|thumb|Rohmilchkäse (hier ein [[Langres (Käse)|Langres]]) ist ein Risikolebensmittel.]] Listerien kommen praktisch überall (ubiquitär) vor. Sie gelten als Schmutzkeim und sind besonders in Abwässern, Böden, sowie verunreinigtem Wasser, Lebens- und Futtermitteln verbreitet. Da Listerien somit eher als Erd- oder Fäulniskeime anzusehen sind, wird die Erkrankung auch als „[[Geonose]]“ oder „[[Sapronose]]“ bezeichnet. Die direkte Ansteckung von Tier zu Tier, Tier zu Mensch oder von Mensch zu Tier findet praktisch nicht statt. Die häufigsten Infektionsquellen für Wiederkäuer sind unzureichend vergorene oder erdreichverschmutzte [[Silage]] mit einem [[pH-Wert]] > 5,6 oder verdorbenes Heu. So gut wie jedes mit Erde oder Staub [[Kontamination|kontaminierte]] Lebensmittel enthält Listerien, weshalb insbesondere Obst und Gemüse beziehungsweise pflanzliche Futtermittel für die Ansteckung verantwortlich sind. Ausnahmen stellen Karotten, Äpfel und Tomaten dar, in denen sich der Erreger nicht hält. Lebensmittel tierischer Herkunft sind zumeist sekundär kontaminiert, werden also erst bei der Verarbeitung mit Listerien beimpft. Besonders gefährdet sind Rohmilch und Butter. Milchprodukte wie Hartkäse, Joghurt und Quark gelten dagegen als sicher. Die ordnungsgemäße [[Pasteurisierung]] tötet Listerien zuverlässig ab. Pasteurisierte Milch kann aber im Haushalt wieder kontaminiert werden, wodurch es auch bei Kühlschranklagerung zu einer Anreicherung mit Listerien kommen kann. [[Mayonnaise]], Geflügelfleisch und kurzgereifte [[Rohwurst|Rohwürste]] ([[Teewurst]], [[Mettwurst]]) sind ebenfalls kritische Lebensmittel.<ref name="rki"/> Vor allem auf den Oberflächen von [[Rohmilchkäse|Roh-]] und [[Weichkäse]]n und [[Salami]] können sich Listerien vermehren und Kolonien bilden. Da in solchen Fällen nur jene Menschen erkranken, die zufällig ein Stück mit Kolonien verzehren, andere, die das gleiche Lebensmittel auch essen, jedoch nicht, ist die Aufklärung hier besonders schwierig. Bei vakuumverpacktem Räucherlachs wurden Kontaminationsraten von bis zu 50 % festgestellt, wobei hier offenbar nur gering humanpathogene Stämme auftreten und Lebensmittelinfektionen durch Räucherlachs selten vorkommen.<ref name="Hof"/> 2006 wurden in Deutschland 520 Listeriosefälle beim Menschen registriert. In der jüngeren Zeit wurde dabei eine Zunahme der Listeriosefälle infolge von Lebensmittelinfektionen beobachtet, während die Anzahl der Neugeborenen- und Schwangereninfektionen (siehe unten) konstant blieb. Erstere stellen im Regelfall Einzelerkrankungen, zumeist bei älteren Menschen dar. Die Ursache für diese Zunahme ist nicht bekannt.<ref name="Hof"/> In den Vereinigten Staaten ist ''L. monocytogenes'' für 28 % der durch Lebensmittel verursachten Todesfälle verantwortlich.<ref name="rki"/> Bei Tieren sind vor allem Rinder und Schafe betroffen, bei anderen Tieren spielt die Listeriose nur eine untergeordnete Rolle. Die Zahl der Ausbrüche in Rinder- und Schafherden zeigt in den letzten Jahren eine leicht fallende Tendenz. {| align="center" border=0 !Listeriosefälle beim Menschen in Deutschland<br /><small>(nach Angaben des [[Robert-Koch-Institut|RKI]])</small> !Listeriosefälle bei Tieren in Deutschland<br /><small>(nach Angaben des [[Friedrich-Loeffler-Institut|FLI]])</small> |- |[[Datei:Listeriosemeldung.png|400px]] |[[Datei:Listeriosemeldung-Tier.png|400px]] |} == Krankheitsentstehung == Die Ansteckung erfolgt über den Mund (oral) oder als Schmierinfektion bei Weichteilinfektionen. Der Erreger breitet sich bei Tieren vor allem über [[Lymphgefäß]]e und entlang der [[Hirnnerv]]en V ([[Nervus trigeminus]]) und XII ([[Nervus hypoglossus]]) aus. [[Datei:FluorescentCells.jpg|thumb|''L. monocytogenes'' nutzt das [[Aktin]]gerüst (rot) zur intra- und transzellulären Fortbewegung.]] Bei Menschen mit Abwehrschwäche hat ''L. monocytogenes'' die Fähigkeit, sich mittels bestimmter Oberflächenproteine (InlA, InlB und P60) an [[Cadherin|E-Cadherin]] zu binden und so in [[Epithel]]zellen des Magen-Darm-Kanals sowie Zellen anderer Organe einzudringen. Innerhalb der Zellen (intrazellulär) überlebt ''L. monocytogenes'' in membranumhüllten [[Vakuole]]n und ist so vor den Mechanismen der unspezifischen Abwehr geschützt, selbst in [[Makrophage]]n kann der Erreger dem intrazellulären Abbau widerstehen.<ref name="rki">[[Robert-Koch-Institut]]: ''Epidemiologisches Bulletin''. 8. Dezember 2006/Nr. 49, [http://www.rki.de/cln_049/nn_196658/DE/Content/Infekt/EpidBull/Archiv/2006/49__06,templateId=raw,property=publicationFile.pdf/49_06.pdf pdf].</ref> Bei Vorhandensein bestimmter [[Virulenz]]faktoren (Listeriolysin, Phospholipase) verlässt der Erreger diese Membranhüllen und vermehrt sich im [[Zytoplasma]] befallener Zellen. Dabei entstehen im Darm verstreut (disseminiert) [[Granulom]]e („Listeriome“). Von diesen verteilt sich der Erreger über das Blut ([[Bakteriämie]]) und besiedelt andere Organe.<ref name="Baenkler">H.-W. Baenkler (Hrsg.): ''Listeriose''. In: ''Innere Medizin''. Thieme-Verlag 2001, S. 1226–1227, ISBN 3-13-128751-9.</ref> Listerien haben die Fähigkeit, sich an die Enden der [[Aktin]]filamente des [[Zytoskelett|Zellgerüsts]] anzukoppeln und sich dadurch innerhalb der Zellen zu bewegen.<ref> Shenoy et al.: ''A kinematic description of the trajectories of Listeria monocytogenes propelled by actin comet tails.'' PNAS 2007;104(20):8229-34. PMID 17485664</ref> Da Aktinfilamente auch in bestimmte [[Zellkontakt]]e einstrahlen, sind Listerien in der Lage, auch in Nachbarzellen einzudringen und überwinden so auch anatomische Barrieren wie die [[Blut-Hirn-Schranke]] und die [[Plazenta]].<ref name="rki"/> Der Körper reagiert auf das Eindringen des Erregers mit einer [[Immunreaktion]] und entwickelt im Normalfall eine [[Immunität (Medizin)|zelluläre Immunität]]. In infizierten, aber nicht erkrankten Lebewesen kann der Erreger in den [[Tonsille|Mandeln]], im [[Magen-Darm-Trakt]] und in der [[Leber]] nachgewiesen werden. Zum Ausbruch der Krankheit kommt es im Regelfall nur bei einem geschwächten Immunsystem. Der Erreger benötigt also weitere Faktoren, um das Immunsystem zu überwinden und eine Erkrankung auszulösen ([[Faktorenkrankheit]]). Infizierte Tiere und Menschen scheiden den Erreger über den Kot und [[Laktation|Laktierende]] auch über die Milch aus. == Listeriose bei Tieren == === Wiederkäuer === ;Schafe und Ziegen Bei Schafen und Ziegen kann die Listeriose in vier Formen auftreten, wobei die Erkrankung bei Ziegen zumeist dramatischer verläuft als bei Schafen. Die häufigste Form ist die ''zentralnervöse Form'', bei der es aufgrund einer [[Meningoenzephalitis|Gehirn-Hirnhaut-Entzündung]] zu neurologischen Ausfällen kommt. Diese Form tritt vor allem bei 4 bis 6 Monate alten Lämmern auf und wird meistens durch ''L. monocytogenes'' Typ 4b verursacht. Typische [[Symptom]]e sind [[Apathie|Abgeschlagenheit]], Drehbewegungen (im englischen Sprachraum heißt die Erkrankung daher auch ''circling disease''), Herabhängen der Ohren, Zittern der Lippen, [[Nystagmus|Augenzittern]] und im fortgeschrittenen Stadium Festliegen in Seitenlage mit Ruderbewegungen. Darüber hinaus sind häufig Tränen- und Nasenausfluss zu beobachten. Eine [[Opisthotonus|Halsüberstreckung]] ist eher selten, die [[Reflex]]e sind zumeist ungestört. Die Erkrankung endet gewöhnlich binnen 10 Tagen tödlich. Die ''metrogene Form'' (v. [[Griechische Sprache|griech.]] ''metra'' „[[Gebärmutter]]“) äußert sich in [[Fehlgeburt]]en bei tragenden Mutterschafen. Die Fehlgeburten verlaufen in der Regel komplikationslos, also ohne [[Nachgeburtsverhaltung]] oder [[Endometritis]]. Auslöser ist zumeist ''L. ivanovii''. Die ''septikämische Form'' ist durch eine Erregerausbreitung im Blut gekennzeichnet ([[Septikämie]]) und tritt vor allem bei Lämmern in den ersten Lebenswochen auf. Sie ist durch Fieber, Schwäche, Saugunlust und Durchfall gekennzeichnet. Sie tritt in einer Herde meist nur sporadisch auf, endet für betroffene Tiere aber zumeist tödlich. Die ''Augenform'' zeigt sich in einer [[Konjunktivitis|Bindehaut-]] und [[Keratitis|Hornhautentzündung]]. [[Differentialdiagnose|Differentialdiagnostisch]] kommen bei Schafen vor allem [[Bornasche Krankheit]], [[Coenurose]], [[Enterotoxämie]]n, [[Tollwut]], [[Pansenazidose]], [[Ketose (Stoffwechsel)|Trächtigkeitsketose]], septikämische [[Meningitis]], [[Abszess]]e des Gehirns und der Hirnhäute, [[Zerebrokortikalnekrose]], [[Hypokalzämie|Calcium-]] oder [[Magnesiummangel]] in Betracht. Auch [[Border Disease]], [[Louping Ill|Springkrankheit]], [[Toxoplasmose]], [[Scrapie]], [[Maedi-Visna-Virus|Visna]], [[Kupfer]]-Vergiftung, [[Botulismus]] und [[Zeckenparalyse]] gehen mit zentralnervösen Erscheinungen einher. [[Aujeszkysche Krankheit]] und [[Deutscher Bradsot|Bradsot]] verlaufen bei Schafen meist [[Krankheitsverlauf|perakut]] und können so klinisch ausgeschlossen werden. ;Rinder Auch bei [[Rinder]]n kommen verschiedene Formen vor, wobei die zentralnervöse und die metrogene Form dominieren. Septikämie, Keratokonjunktivitis und [[Mastitis (Haustiere)|Euterentzündung]] treten vergleichsweise selten auf, sind aber aufgrund der Keimstreuung von Bedeutung. Bei der ''zentralnervösen Listeriose'' gelangen die Erreger vermutlich über Schleimhautläsionen im Kopfbereich (z.&nbsp;B. im Zahnwechsel) entlang des [[Nervus trigeminus]] zum [[Hirnstamm]]. Durch eine meist einseitige [[Enzephalitis]] werden [[Nucleus (ZNS)|Kerngebiete]] von Hirnnerven geschädigt. Je nach beteiligten Hirnnerven kommt es zu meist einseitiger Lähmung der entsprechenden Muskeln. Durch Herabhängen der Augenlider kann sich eine Hornhautentzündung (sogenannte „Expositions[[keratitis]]“) entwickeln, über den unvollständigen Lippenschluss und durch einen gestörten [[Schluckakt|Schluckvorgang]] kommt es zum Verlust von Speichel. Aufgrund der Lähmungen im Kopfbereich werden die Futter- und Wasseraufnahme erheblich behindert, weshalb es bald zu [[Dehydratation (Medizin)|Dehydratation]] sowie zur Eindickung von Panseninhalt und Kot kommt. Die Schädigung des Gleichgewichtssinnes führt zu Kopfschiefhaltung, Gegen-die-Wand-Drängen und später auch zum Festliegen. Unbehandelt führt diese Form der Listeriose innerhalb von 1–2 Wochen in der Regel zum Tod. Listerien-bedingte ''Aborte, Tot- und Fehlgeburten'' treten experimentell etwa 7&nbsp;Tage nach intravenöser Infektion auf. Etwa 10 % der spontanen Fälle gehen mit [[Nachgeburtsverhaltung]] einher. ;Wild- und Zootiere Auch bei in Gefangenschaft gehaltenen Wildwiederkäuern – vor allem [[Gabelbock]], [[Grantgazelle]], [[Hirschziegenantilope]], Wildschafe und -ziegen; selten bei [[Hirsche]]n – treten Listeriosen infolge von Verfütterung von verdorbenen Futtermitteln auf. Das Krankheitsbild gleicht dem der Hauswiederkäuer.<ref name="G/K">Reinhard Göltenboth und Heinz-Georg Klös: ''Krankheiten der Zoo- und Wildtiere''. Parey-Verlag 1995, ISBN 3-8263-3019-6</ref> === Andere Tierarten === Bei Vögeln verläuft eine Listeriose zumeist als [[Septikämie]] mit unspezifischen Symptomen und plötzlichen Todesfällen. Am häufigsten sind [[Kanarienvogel|Kanarienvögel]] und [[Wellensittich]]e betroffen, insgesamt ist die Erkrankung aber selten. Auch zentralnervöse Erscheinungen sind möglich.<ref name="GZ">K. Gabrisch und P. Zwart: ''Krankheiten der Heimtiere''. Schlütersche Verlagsgesellschaft Hannover, 6. Aufl. 2005, ISBN 3-89993-010-X.</ref> Bei Pferden und Schweinen treten gelegentlich zentralnervöse Erkrankungen oder Aborte auf. Bei Hunden und Katzen ist eine Listeriose sehr selten. Sie kann bei Hunden septikämisch, mit [[Fehlgeburt|Aborten]] oder als zentralnervöse Form auftreten, allerdings meist nur bei Tieren mit gestörter [[T-Lymphozyt|T-Zell]]-Funktion, beispielsweise infolge einer [[Staupe]].<ref>Katrin Hartmann: ''Listeriose''. In: Peter F. Suter und Hans G. Niemand (Hrsg.): ''Praktikum der Hundeklinik''. Paul-Parey-Verlag, 10. Auflage 2006, S. 308–309, ISBN 3-8304-4141-X.</ref> Katzen zeigen vor allem einen septikämischen Verlauf mit Fressunlust, Abgeschlagenheit, Erbrechen und Durchfall, gelegentlich ist ''L. monocytogenes'' auch bei Wundinfektionen beteiligt.<ref>Reinhard Weiss: ''Listeriose''. In: Marian C. Horzinek et al. (Hrsg.): ''Krankheiten der Katze''. Enke-Verlag Stuttgart, 4. Auflage 2005, S. 172–173, ISBN 3-8304-1049-2.</ref> Bei [[Hasenartige]]n und [[Nagetiere]]n kann sich eine Listeriose in Form einer Enzephalitis mit zentralnervösen Symptomen manifestieren<ref name="GZ"/>, bei [[Capybara|Wasserschweinen]] wird auch die metrogene Form beobachtet.<ref name="G/K"/> Bei Affen treten Listeriosen am häufigsten bei [[Meerkatzenartige]]n, seltener bei [[Menschenaffen]], [[Neuweltaffen]] und [[Galagos]] auf. Es dominieren – ähnlich wie beim Menschen – die zentralnervöse und metrogene Form mit Neugeboreneninfektion, darüber hinaus werden [[Hepatitis|Leberentzündungen]] beobachtet.<ref name="G/K"/> [[Reptilien]] sind zwar Träger von Listerien und scheiden diese aus, die Bedeutung als Auslöser von Krankheiten bei Reptilien selbst ist aber bislang ungeklärt.<ref name="GZ"/> Es gibt einen gesicherten Fall eines septikämischen Verlaufs bei einer [[Streifenköpfige Bartagame|Bartagame]] nach Verfütterung von listerienhaltigem Schweinefleisch, der nach drei Tagen mit Mikroabszessen in verschiedenen inneren Organen tödlich endete.<ref>Elliot R. Jacobson: ''Bacterial diseases of reptiles''. In: Elliot R. Jacobson (Ed.). ''Infectious diseases and pathology of reptiles''. CRC Press 2007, S. 461–526, ISBN 0-8493-2321-5</ref> === Veterinärpathologie === Veterinärpathologisch lassen sich bei der zentralnervösen Form Ansammlungen von weißen Blutkörperchen im Gehirngewebe ([[leukozyt]]äre Infiltrate) und eine Hirnhautentzündung mit Ansammlung von [[Lymphozyt]]en (lymphozytäre [[Meningitis]] nachweisen. Je nach Pathogenität des Erregers kommt es auch zu [[Abszess|abszedierenden]], [[Nekrose|nekrotisch]]-eitrigen oder [[granulom]]atösen Prozessen. Sie betrifft vor allem den [[Hirnstamm]] und den Halsteil des [[Rückenmark]]s. Relativ typisch ist bei Schafen ein trockener [[Pansen]]inhalt. Septikämische Formen äußern sich in hirsekorngroßen (miliaren) [[Nekrose]]n in Leber und Lunge sowie Blutungen unter die [[Endokard|Herzinnenhaut]] (subendokardial) und den [[Epikard|Herzüberzug]] (subepikardial). Die metrogene Form zeigt sich in Nekrosen der [[Plazenta]], bei Wiederkäuern im Bereich der [[Endometrium#Endometrium bei Nicht-Primaten|Kotyledonen]]. == Listeriose bei Menschen == === Listeriose bei Immunkompetenten === Die Listeriose ist bei [[Immunkompetenz|immunkompetenten]] Personen selten und die Infektion verläuft meistens symptomlos (inapparent). ''L. monocytogenes'' kann im Magen-Darm-Trakt persistieren, ohne klinische Erscheinungen auszulösen. In Einzelfällen kann es zu einer grippeähnlichen Symptomatik kommen, die aber selbstlimitierend und damit nicht therapiebedürftig ist. Neuere Studien weisen jedoch darauf hin, dass sich nach Verzehr von stark mit Listerien angereicherten Lebensmitteln binnen 24&nbsp;Stunden auch bei sonst gesunden Menschen eine schwere Magen-Darm-Entzündung ([[Gastroenteritis]]) einstellen kann.<ref name="Pascale">Pascale Cossart: ''Listeriology (1926–2007): the rise of a model pathogen''. In: ''Microbes Infect''. 2007 May 6, PMID 17618157.</ref> Die Listeriose beginnt beim Menschen vermutlich immer mit einer Gastroenteritis mit Bauchschmerz und Durchfall. Da hier vielfältige Ursachen vorliegen können, wird diese häufig nicht ausdiagnostiziert und gezielt therapiert. Sekundär entstehende Krankheitsbilder können bis zu einige Wochen später auftreten und werden deshalb häufig nicht mehr mit diesem Ereignis in Verbindung gebracht.<ref name="rki"/> Die Listeriose zählt nach der Berufskrankheiten-Verordnung zu den [[Berufskrankheit]]en in der Landwirtschaft und Lebensmittelindustrie, obwohl diese Exposition epidemiologisch kaum Bedeutung hat, sondern nur bei lokalen Haut- und Bindehautinfektionen eine Rolle spielt. === Listeriose bei Immuninkompetenten === Bei einer [[Immunsuppression]] erhöht sich generell das Risiko einer Infektion. Eine Immunsuppression ist meist erworben z. B.: durch eine Virusinfektionen ([[Humanes Immundefizienz-Virus|HIV]]), durch eine immunsuppressive Therapie mittels [[Zytostatikum|Zytostatika]] oder [[Glucocorticoide]]n, welche nach einer [[Organtransplantation]] oder im Rahmen einer [[Autoimmunkrankheit]] oder bei einer Blutkrebserkrankung ([[Leukämie]]) eingesetzt werden. Auch chronischer [[Alkoholmissbrauch]] führt zu einer Art Immunsuppression. Die natürliche, altersbedingte Immunsuppression prädispositioniert ebenso für eine Infektion. Eine Listeriose bei immunsupprimierten Personen ist sehr oft eine schwere, lebensbedrohliche Erkrankung. Es kommt gehäuft zu einem Befall mehrerer Organe. Die häufigste Manifestation, bei etwa einem Drittel der immungeschwächten Personen sowie Alkoholikern und älteren Menschen, ist eine [[Meningoenzephalitis]]. Sie entspricht damit der zentralnervösen Form bei Tieren und manifestiert sich am häufigsten im [[Hirnstamm]].<ref>E. A. Antal et al.: ''Neuropathological findings in 9 cases of listeria monocytogenes brain stem encephalitis''. In: ''Brain Pathol.'' 2005;15(3):187–91, PMID 16196384.</ref> Bei Patienten mit [[Leberzirrhose]] kann eine [[Peritonitis|Bauchfellentzündung]] auftreten. Schwere Fälle sind akut lebensbedrohlich. Bei einer [[Sepsis|Blutvergiftung]] kommt es zu einer [[hämatogen]]en Streuung der Listerien und folglich zur eitrigen Entzündung anderer Organe ([[Endokarditis|Herzklappen]], [[Arthritis|Gelenke]], [[Osteomyelitis|Knochen]], [[Cholezystitis|Gallenblase]]), bei 12 % der Patienten zu einem [[Septischer Schock|septischen Schock]].<ref name="Hof"/><ref name="Suárez">M. M. Suárez et al.: ''Listeria monocytogenes bacteremia: analysis of 110 episodes''. In: ''Med Clin (Barc)''. 2007;129(6):218–21, PMID 17678604.</ref> Seltener ist eine [[Angina]] mit Lymphknotenschwellungen mit Zunahme [[Lymphozyt|lymphomonozytärer]] Zellen im Blutbild. Diese Symptomatik wird als so genanntes „Pseudo-[[Pfeiffer-Drüsenfieber|Pfeiffer]]“ (Paul-Bunell-negative infektiöse Mononukleose) bezeichnet.<ref name="Baenkler"/> Bei [[Schmierinfektion]] der [[Bindehaut]] kann sich eine [[Konjunktivitis|Bindehautentzündung]], [[Keratitis|Hornhautentzündung]] oder [[Uveitis]] einstellen. Auch lokal begrenzte Hautinfektionen können auftreten. === Listeriose bei Schwangeren und Neugeborenen === Schwangere haben ein etwa 12-fach höheres Risiko, an einer Listeriose zu erkranken.<ref>H. Hof: ''Kapitel 29: Listeria monocytogenes und andere Listerien''. In: D. Adam et al. (Hrsg). ''Die Infektiologie''. Springer Verlag, Berlin 2004, S. 945–952.</ref> Sie äußert sich zumeist nur als grippeähnlicher kurzer Fieberschub, der zumeist nicht ernst genommen wird. Jedoch kann sich eine Entzündung des [[Plazenta|Mutterkuchens]] ([[Plazentitis]]) einstellen und die Infektion auf das ungeborene Kind übergehen ([[konnatal]]e Infektion durch diaplazentare Übertragung). Bei Infektionen in der frühen Schwangerschaft, erstes [[Trimenon]], stirbt der Fötus meist ab und es kommt zum [[Fehlgeburt|Abort]]. Spätere Infektionen, zweites und drittes Trimenon, führen zu einer intrauterinen Listeriose, welche zum Fruchttod und damit zum Spätabort führen kann oder eine Frühgeburt verursacht. Bei einer [[perinatal]]en Infektion kann sich das Bild einer [[Listeriosis infantiseptica]] entwickeln. Das Neugeborene kann direkt nach der Geburt Symptome zeigen (early-onset) oder erst Tagen bis zu vier Wochen danach, dies wird als [[late-onset]] bezeichnet. Trotz Intensivmedizin hat die „early-onset“ Erkrankung eine sehr schlechte Prognose, häufig kommt es zu einer [[Sepsis]] (Blutvergiftung), [[Meningitis]] (Hirnhautentzündung) und [[Pneumonie]] (Lungenentzündung). Die Letalität beträgt 36 %. Bei „[[late-onset]]“ Infektion erwirbt das Kind die Listerien meist während des Geburtsvorgangs. Die Erkrankung äußert sich meistens als Hirnhautentzündung. Bei einer geeigneten Therapie ist hier die Prognose besser, die Letalität beträgt 26 %.<ref name="Hof"/> Differentialdiagnostisch kommen beim Menschen eine Vielzahl von Erkrankungen in Betracht: Durchfall anderer Genese, Virusinfekte wie [[Pfeiffer-Drüsenfieber]] sowie Sepsis, Meningitis und Enzephalitis durch andere Erreger. == Diagnose == [[Datei:Smooth L'mono-trans.png|thumb|Anzüchtung von Listerien auf einem Bio-Rad RAPID'L.Mono-Agar]] Die [[Diagnose]] ist klinisch kaum sicher zu stellen. Im [[Blutbild]] zeigt sich ein Anstieg des Gehalts an weißen Blutkörperchen ([[Leukozytose]]). Die Untersuchung des [[Liquor cerebrospinalis|Gehirnwassers]] (''Liquor cerebrospinalis'') zeigt eine [[Pleozytose]] mit vermehrter Zahl [[Monozyt|mononukleärer]] Zellen. Auch das pathologische Bild ist nicht charakteristisch. [[Serologie|Serologische Untersuchungen]], also [[Antikörper]]nachweise haben keinerlei Aussagekraft. Nur eine [[bakteriologische Untersuchung]] kann die Diagnose endgültig sichern. Die Erregeranzüchtung ist normalerweise problemlos, aus dem Gehirnwasser oder Proben mit starker Beteiligung anderer Bakterien (Kot, Vaginalsekret) gelingt sie jedoch nicht immer. Hier können molekularbiologische Methoden (DNA-Nachweis durch [[Polymerase-Kettenreaktion]]) weiterhelfen, insbesondere kann die DNA der Bakterien auf diese Weise sehr zuverlässig im Liquor cerebrospinalis nachgewiesen werden. Außerdem ist es bei Verdacht auf Listeriose grundsätzlich sinnvoll, [[Blutkultur]]en zu entnehmen, da der Erreger daraus in vielen Fällen angezüchtet werden kann. Bei einer Hirnhautentzündung ergibt sich der Verdacht auf eine Listeriose in der Regel schon aus dem Nachweis [[Gram-Färbung|grampositiver]] Stäbchen im Liquor cerebrospinalis. Dabei handelt es sich fast immer um Listerien. == Behandlung == Das größte Problem der [[Therapie]] ist, dass kaum rechtzeitig eine sichere Diagnose gestellt werden kann, da der Erregernachweis nicht immer gelingt. ''L. monocytogenes'' ist zwar empfindlich gegenüber vielen [[Antibiotika]] wie [[Ampicillin]], [[Amoxicillin]], [[Erythromycin]], [[Gentamicin]] und [[Sulfonamide]]n, aufgrund der unklaren Symptomatik beginnt die Behandlung aber häufig zu spät. Ein weiteres Problem der Therapie ist, dass der Erreger fakultativ intrazellulär vorkommt, wo er für einige Antibiotika nicht angreifbar ist. Darüber hinaus sind die Patienten in der Regel immungeschwächt, so dass körpereigene Abwehrmechanismen die medikamentelle Therapie nur unzureichend unterstützen. Problematisch ist weiterhin, dass [[Cephalosporine]] –&nbsp;eine Gruppe häufig routinemäßig eingesetzter und eigentlich breit wirksamer Antibiotika&nbsp;– keine Wirksamkeit gegen Listerien zeigen. In einer spanischen Studie starben 50 % der Patienten, bei denen empirisch Cephalosporine eingesetzt wurden, jedoch nur 12 %, wenn ein listerienwirksames Antibiotikum angewendet wurde.<ref name="Suárez"/> Nach anderen Angaben liegt die Mortalität trotz frühzeitiger Behandlung und dem Einsatz wirksamer Antibiotika zwischen 20 und 30 %.<ref name="Hof">H. Hof et al.: ''Epidemiologie der Listeriose in Deutschland – im Wandel und dennoch nicht beachtet''. In: ''Dtsch Med Wochenschr''. 2007 Jun 15;132(24):1343–1348, PMID 17551889.</ref> Als Therapie der Wahl gilt die Behandlung mit Ampicillin, das bis zu sechsmal täglich über 14 bis 21&nbsp;Tage verabreicht wird, bei schwerer Meningitis in Kombination mit Gentamicin. Bei Unverträglichkeit gegenüber [[β-Lactam-Antibiotika]] wird Erythromycin eingesetzt.<ref name="Baenkler"/> == Vorbeugung == Die sicherste [[Prophylaxe]] vor Lebensmittelinfektionen beim Menschen ist das ausreichende Erhitzen. Gemüse sollte sorgfältig gewaschen und getrennt von rohem Fleisch gelagert werden. Hände, Messer und Flächen sollten nach Kontakt mit rohem Fleisch oder Gemüse gut gewaschen werden. Personen mit erhöhtem Krankheitsrisiko wie Schwangere, Ältere und Schwerkranke sollten rohes Fleisch, rohen Fisch (Lachs), Rohmilch und Rohmilchprodukte wie [[Rohmilchkäse]] grundsätzlich meiden und Fertiggerichte kurz vor dem Verzehr noch einmal erhitzen.<ref name="rki"/> Bei Tieren sind die Vermeidung der Verfütterung verschmutzter Futtermittel, verdorbenen Heus oder fehlgegorener Silagen sowie die Vermeidung von Stress und anderer das Immunsystem schwächender Faktoren die wirksamsten Vorsorgemaßnahmen. == Geschichte == Die Krankheit wurde erstmals 1923 von [[Everitt George Dunne Murray]] und Mitarbeitern bei Kaninchen und Meerschweinchen in einer Versuchstierzucht in Cambridge beschrieben. Drei Jahre später wurde von Murray der Erreger isoliert und wegen der hohen [[Monozytose]] bei Kaninchen und Meerschweinchen zunächst ''Bacterium monocytogenes'' genannt. 1929 wurde in Dänemark der erste durch Erregeranzüchtung nachgewiesene Fall bei Menschen von ''Nyfeldt'' dokumentiert. Der erste Bericht bei Schafen wurde 1931 von ''Gill'' aus Neuseeland vorgelegt, 1941 wurde durch [[Georg Pallaske]] die Krankheit bei Hühnern in Deutschland nachgewiesen. Es folgten Nachweise bei Rindern in den USA (''Johns und Little'', 1935) und Schweinen (''Biester und Schwarte'', 1940). 1940 wurde der Erreger auf Vorschlag von ''J.H.H. Pirie'' nach dem britischen Naturwissenschaftler [[Joseph Lister, 1. Baron Lister]], in ''Listeria monocytogenes'' umbenannt. Die Listeriose blieb als Krankheit zunächst unbeachtet und der Erregernachweis galt eher als labordiagnostisches Kuriosum. 1952 erkannte [[Jürgen Potel]] vom Hygieneinstitut der [[Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg|Universität Halle]] die Bedeutung von ''L. monocytogenes'' für die Neugeborenenform (Granulomatosis infantiseptica).<ref>J. Potel: ''Zur Granulomatosis infantiseptica''. In: ''Zentral Bakteriol''. I Orig 1952; 158:329–331.</ref> Mit der Entwicklung wirksamer immunsuppressiver Medikamente ab den 1950er- und 1960er-Jahren erlangte die Listeriose zunehmend klinische Bedeutung beim Menschen.<ref>D. B. Louria et al.: ''Listeriosis complicating malignant disease: a new association''. In: ''Ann Intern Med''. 1967; 67:260–281.</ref> Mit der [[Aids]]-Epidemie in den 1980er-Jahren stiegen auch die Listeriosefälle an, da Aids-Patienten ein 500-fach erhöhtes Erkrankungsrisiko haben.<ref>R. L. Jurado et al.: ''Increased risk of meningitis and bacteremia due to Listeria monocytogenes in patients with human immunodeficiency virus infection'' In: ''Clinical Infectious Diseases''. 1993; 17:224–227.</ref> Die Erkenntnis, dass die Listeriose bei Tieren eine Futtermittelinfektion ist, legte den Verdacht nahe, Lebensmittel auch als Infektionsquelle für den Menschen in Betracht zu ziehen. Mit dem ersten Nachweis einer durch kontaminierte Nahrungsmittel verursachten [[Endemie]] 1981 in [[Halifax (Nova Scotia)|Halifax]] (Kanada) wurde diese These bewiesen. Bei dieser war kontaminierter [[Weißkohl|Weißkrautsalat]] der Auslöser –&nbsp;mit 41 Betroffenen, davon 83 % Schwangere, und 17 Todesfällen. Weitere Endemien gab es in [[Le Vaud]] (Schweiz) (1983–1984 mit 57 Betroffenen durch Weichkäse, Mortalität 32 %), 1985 in [[Kalifornien]] mit 142 Betroffenen und 48 Todesfällen durch Verzehr von mexikanischem Käse, 1992 (38&nbsp;Fälle, Mortalität 32 %) und 1999 (32&nbsp;Fälle, Mortalität 31 %) in [[Frankreich]] durch Schweinefleisch sowie 1998/99 in den [[Vereinigte Staaten|Vereinigten Staaten]] durch [[Hot Dog]]s mit 101 Betroffenen und einer Mortalität von 21 %. Zahlreiche Betroffene (1566), allerdings ohne Todesfälle, hatte eine Lebensmittelinfektion durch Maissalat in Italien 1997.<ref>Walter F. Schlech III: ''Foodborne Listeriosis''. In: ''Clinical Infectious Diseases''. 2000;31:770–775, PMID 11017828.</ref> Im August 2008 starben in Kanada acht Menschen nachweislich an Listeriose durch Verzehr von verseuchtem Fleisch, welches in Fertiggerichten von Maple Leaf Foods – einem der größten Hersteller in Kanada – enthalten war. Ursache waren hygienische Mängel im Werk in Toronto, welches von den kanadischen Behörden geschlossen wurde.<ref>DTÄBl. 56 (2008), S. 1402</ref> In Deutschland und Österreich starben Ende 2009 acht Menschen nach dem Verzehr von mit Listerien belasteten [[Harzer Käse]].<ref>{{Internetquelle|url=http://www.agrarheute.com/landleben/ern%E4hrung_und_gesundheit/gesetzes%E4nderung_nach_acht_listeria-toten.html?redid=329695|hrsg=''Agrar heute''|titel=Gesetzesänderung nach acht Listeria-Toten|zugriff=2010-04-14|datum=2010-03-24}}</ref> == Literatur und Quellen == * {{Literatur |Autor= |Herausgeber=Heinrich Behrens et al. |Titel=Schafkrankheiten |Sammelwerk= |Band= |Nummer= |Auflage=4. |Verlag=Paul-Parey-Verlag |Ort= |Jahr=2001 |Monat= |Tag= |Seiten= |Spalten= |ISBN=3-8263-3186-9 |ISSN= |Kommentar= |Online= |Zugriff= }} * {{Literatur |Autor=Hartwig Bostedt und Kurt Dedie |Herausgeber= |Titel=Schaf-und Ziegenkrankheiten |Sammelwerk= |Band= |Nummer= |Auflage=2. |Verlag=UTB Stuttgart |Ort= |Jahr=1995 |Monat= |Tag= |Seiten= |Spalten= |ISBN=3-8252-8008-X |ISSN= |Kommentar= |Online= |Zugriff= }} * {{Literatur |Autor= M. Hamon et al. |Herausgeber= |Titel=Listeria monocytogenes: a multifaceted model. |Sammelwerk=Nature Reviews. Microbiology |Band= |Nummer=4(6) |Auflage= |Verlag= |Ort= |Jahr=2006 |Monat= |Tag= |Seiten=423–434 |Spalten= |ISBN= |ISSN=1740-1526 |Kommentar= |Online= |Zugriff= }} * {{Literatur |Autor=H.-J. Selbitz |Herausgeber=Anton Mayr |Titel=Listeria |Sammelwerk=Medizinische Mikrobiologie, Infektions- und Seuchenlehre |Band= |Nummer= |Auflage=7. |Verlag=Enke-Verlag Stuttgart |Ort= |Jahr=2002 |Monat= |Tag= |Seiten=509–517 |Spalten= |ISBN=3-7773-1795-0 |ISSN= |Kommentar= |Online= |Zugriff= }} * {{Literatur |Autor=Matthaeus Stöber |Herausgeber=Gerrit Dirksen et. al |Titel=Listeriose |Sammelwerk=Innere Medizin und Chirurgie des Rindes |Band= |Nummer= |Auflage=4. |Verlag=Verlag Parey |Ort=Berlin |Jahr=2002 |Monat= |Tag= |Seiten=1239–1244 |Spalten= |ISBN=3-8263-3181-8 |ISSN= |Kommentar= |Online= |Zugriff= }} * {{Literatur |Autor=W. Köhler et al. |Herausgeber= |Titel=Medizinische Mikrobiologie |Sammelwerk= |Band= |Nummer= |Auflage=8. |Verlag=Urban & Fischer-Verlag München/Jena |Ort= |Jahr=2001 |Monat= |Tag= |Seiten= |Spalten= |ISBN=3-437-41640-5 |ISSN= |Kommentar= |Online= |Zugriff= }} ;Einzelnachweise <div style="-moz-column-count:2; column-count:2;"> <references/></div> == Weblinks == {{RKI|http://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/L/Listeriose/Listeriose.html}} {{Gesundheitshinweis}} {{Exzellent|16. November 2007|39021794}} [[Kategorie:Bakterielle Infektionskrankheit des Menschen]] [[Kategorie:Berufskrankheit]] [[Kategorie:Meldepflichtige Krankheit]] [[Kategorie:Meldepflichtige Tierseuche]] [[Kategorie:Wiederkäuerkrankheit]] [[Kategorie:Bakterielle Infektionskrankheit bei Tieren]] [[ar:داء الليستريات]] [[ca:Listeriosi]] [[cs:Listerióza]] [[en:Listeriosis]] [[es:Listeriosis]] [[et:Listerioos]] [[eu:Listeriosi]] [[fr:Listériose]] [[hr:Listerioza]] [[is:Votheysveiki]] [[it:Listeriosi]] [[pl:Listerioza]] [[pt:Listeriose]] [[ru:Листериоз]] [[uk:Лістеріоз]] [[wa:Listeriôze]] b59jc2l2z7bi349sjlqck72rpgh7oo6 wikitext text/x-wiki Listspinne 0 23852 26447 2010-01-25T14:14:28Z Roland Kutzki 0 /* Verbreitung und Lebensraum */ link <!-- Für Informationen zum Umgang mit dieser Tabelle siehe bitte [[Wikipedia:Taxoboxen]]. --> {{Taxobox | Taxon_Name = Listspinne | Taxon_WissName = Pisaura mirabilis | Taxon_Rang = Art | Taxon_Autor = ([[Carl Alexander Clerck|Clerck]], 1757) | Taxon2_WissName = Pisaura | Taxon2_Rang = Gattung | Taxon3_Name = Raubspinnen | Taxon3_WissName = Pisauridae | Taxon3_Rang = Familie | Taxon4_WissName = Lycosoidea | Taxon4_Rang = Überfamilie | Taxon5_WissName = Entelegynae | Taxon5_Rang = Teilordnung | Taxon6_Name = Echte Webspinnen | Taxon6_WissName = Araneomorphae | Taxon6_Rang = Unterordnung | Bild = Pisaura_mirabilis.jpg | Bildbeschreibung = Listspinne (''Pisaura mirabilis'') }} [[Bild:Pisaura mirabilis Hahn 1927.jpg|thumb|upright=1.5|Ein frühes Portrait von ''Pisaura mirabilis'' (♂),<br />mit drei Zeichnungsvarianten des Hinterleibrückens;<br />kolorierte Lithographie C. W. Hahns von 1827<ref name="Sacher_1988_p71Tafel18">Carl Wilhelm Hahn (Hrsg.: Peter Sacher), ''Monographie der Spinnen (1820-1836) - Mit einem Kommentar in deutsch und englisch herausgegeben von Peter Sacher'', Reprint der Orig.-Ausg. Nürnberg 1820-1836, Zentralantiquariat der DDR, Leipzig 1988, S. 1-143, ISBN 3-7463-0080-0, hier S. 71, Tafel 18 unter „Dolomedes mirabilis, Walkenaer“</ref>]] Die '''Listspinne''' ''Pisaura mirabilis'', auch '''Raubspinne''' oder '''Brautgeschenkspinne''' genannt, gehört zur Familie der [[Raubspinnen]] (Pisauridae) und zur Überfamilie der [[Lycosoidea]]. Die Listspinne ist in ganz [[Europa]] verbreitet. Die Listspinne wurde 2002 von der [[Arachnologische Gesellschaft|Arachnologischen Gesellschaft e.V.]] zur [[Spinne des Jahres]] gewählt. == Aussehen == Ein auffälliges Merkmal der Listspinne sind die langen Beine, von denen das vierte das längste ist ([[Beinformel]] 4-2-1-3, der Größe nach geordnet), und der schlanke Hinterleib. Männchen haben eine Länge von 10 bis 13 Millimeter, Weibchen sind 12 bis 15 Millimeter lang. Nach der Adulthäutung wiegen Männchen im Mittel 54 Milligramm, Weibchen 68 Milligramm. Der Vorderkörper ([[Prosoma]]) hat eine sehr variable Grundfärbung, die von Hellbraun über meist Rotbraun und Grau bis Schwarz reicht. Er trägt in der Mitte einen hellen, deutlich abgesetzten Längsstrich. Der Hinterkörper ([[Opisthosoma]]) ist lang und schmal, nach hinten verjüngt und auf dem Rücken mit einer breiten, dunkel gerandeten Zackenbinde versehen. [[Bild:Pisaura mirabilis Vulva in Dahl 1908.jpg|thumb|left|upright=0.5|Epigyne/Vulva von ''P. mirabilis''<ref name="Dahl_1908_S85-259Fig23">Friedrich Dahl, ''Die Lycosiden oder Wolfspinnen Deutschlands und ihre Stellung im Haushalte der Natur - Nach statistischen Untersuchungen dargestellt'', Nova acta - Abh. der Kaiserl. Leop.-Carol. Deutschen Akademie der Naturforscher, <u>88</u>, (3), 1908, S. 1/175-679/504, hier S. 85/259, Fig. 23</ref>]] Die Weibchen besitzen mittig auf der Unterseite des Hinterleibs einen aufgrund stärkerer [[Sklerotisierung]] der inneren und äußeren Strukturen auffallend dunklen Bereich ([[Epigyne]]) mit den beiden Begattungsöffnungen. Bei den Männchen ist die an der gleichen Stelle liegende Geschlechtsöffnung unauffällig. Bei der Listspinne variieren Zeichnungsmuster und Farben des Hinterleibs ([[Polymorphismus|Farbpolymorphismus]]), was schon Hahn (1827,<ref name="Sacher_1988_p67u71Tafel18">Carl Wilhelm Hahn (Hrsg.: Peter Sacher), ''Monographie der Spinnen (1820-1836) - Mit einem Kommentar in deutsch und englisch herausgegeben von Peter Sacher'', Reprint der Orig.-Ausg. Nürnberg 1820-1836, Zentralantiquariat der DDR, Leipzig 1988, S. 1-143, ISBN 3-7463-0080-0, hier S. 67 (unter "Dolomodes mirabilis, ''Walkenaer''"), S. 71, Tafel 18 (unter „Dolomedes mirabilis, Walkenaer“)</ref> 1834),<ref name="Hahn_1834_S35">Carl Wilhelm Hahn, ''Die Arachniden - Getreu nach der Natur abgebildet und beschrieben'', Zweiter Band, C. H. Zeh'sche Buchhandlung, Nürnberg 1834, hier S. 35 [Originalexemplar von Oxford University, digitalisiert am 10. Mai 2006 (Google), URL: http://books.google.com/books?pg=PA35&id=rxEAAAAAQAAJ&hl=de&output=html oder http://books.google.com/books?pg=PA35&id=rxEAAAAAQAAJ&hl=de, abgerufen am 15.I.2008 über "Google Buchsuche"]</ref> Bösenberg (1903)<ref name="Bösenberg_1901_in_1901-1903_S410">W. Bösenberg, ''Die Spinnen Deutschlands'', Zoologica - Original-Abhandlungen aus dem Gesamtgebiete der Zoologie, <u>14</u> [1901-1903], (35), Fünfte und sechste Lieferung [1903], Nägele, Stuttgart 1903, S. 385-465, hier S. 410</ref> und Le Pape (1972) hervorhebend beschrieben. Diese Zeichnung, die sowohl durch Haare als auch Hautpigmente hervorgerufen wird, ändert sich mit dem Heranwachsen (Ontogenese).<ref name="Aechter_1955_pp545-606_S568-570u591-593">Rupert Aechter, ''Untersuchungen über die Zeichnung und Färbung der Araneen unter Berücksichtigung der Ontogenie und Phylogenie'', Sitzungsberichte - Österreichische Akademie der Wissenschaften - Mathematisch-naturwissenschaftliche Klasse - Abteilung I, <u>164</u>, (8), 1955, S. 545-606, hier v. a. S. 545-606, 591-593</ref> Pénicaud (1979) fand fünf Typen in der bretonischen Population bei Rennes. Am verbreitetsten war Typ 3, gefolgt von 2, 5 (überwiegend Weibchen) und 1 (überwiegend Männchen): Typ 1 (Rosa und Schwarz), Typ 2 (gelbes Band), Typ 3 (blasses Zickzackmuster), Typ 4 (zwei Spangen) und Typ 5 (sechs Flecken). Männchen sind kontrastreicher als Weibchen gefärbt und erscheinen, vor allem im Kontrast zum weißen Brautgeschenk, schwarz. Weibchen werden oft zum Ende des Sommers blasser. Die Längsstreifen auf Vorderkörper und Hinterleib sind in allen Farbvarianten vorhanden. Sie wird als [[Kryptologie|kryptische]] Färbung und auch als Schutzanpassung an optisch jagende Feinde gesehen. Die Kiefertaster ([[Pedipalpe]]n), also das zweite Gliedmaßenpaar, sind bei [[Nymphe (Zoologie)|Nymphen]] und Weibchen beinartig, bei Männchen am Fuß verdickt ([[Bulbus]]). Am Ende der Verdickung findet sich der Eindringer ([[Pedipalpus|Embolus]]), der das [[Sperma]] nach der Aufnahme vom [[Spinnennetz|Spermanetz]] bis zur Paarung aufbewahrt. Am äußeren [[Chelicere]]ngrundglied befinden sich nur drei Zähne. == Verbreitung und Lebensraum == Die Listspinne ist in ganz [[Europa]] verbreitet. Nach Blandin (1976) kommt sie außerdem auf den [[Kanarische Inseln|Kanarischen Inseln]] und [[Madeira]], im asiatischen Teil [[Russland]]s, in [[China]] und ganz [[Nordafrika]] vor. Während [[Carl Friedrich Roewer|Roewer]] (1954) ihr Vorkommen für die ganze [[Paläarktis]] beschreibt, nimmt die Listspinne nach Pénicaud (1979) nur den westlichen Bereich des [[paläarktis]]chen Verbreitungsgebiets der Gattung [[Pisaura]] ein. Seit Brignoli (1984) die Variationen der Weibchen beschrieben hat, ist die Verbreitung von ''Pisaura mirabilis'' außerhalb Europas höchst umstritten. Die Listspinne besiedelt fast alle [[Habitat]]e, bevorzugt jedoch feuchte Lebensräume wie [[Feuchtwiese]]n, [[Niedermoor]]e, [[Salzwiese]]n, [[Düne]]nbereiche, Waldränder und feuchte Hecken ([[Knick]]s). Sie kommt in allen Höhenschichten ([[Stratum|Strata]]) vom Boden bis zu den Baumkronen vor. Lediglich unter Steinen und in Höhlen fehlt sie. Die Listspinne ist in Höhenlagen bis {{Höhe|1500|DE-NN|link=true}} heimisch. == Lebensweise == Die Listspinne hat ihre Fortpflanzungsperiode im Frühjahr und Sommer. In der Regel erfolgen auch Eiablage und [[Kokon (Verpuppung)|Kokonherstellung]] in dieser Zeit. Die Jungtiere überwintern. Die Listspinne fängt am Tag und in der Nacht Beute. An warmen Tagen ist sie auch im Winter aktiv. === Entwicklung === [[Bild:Pisaura mirabilis fem Hahn 1834.jpg|thumb|upright=1.5|''Pisaura mirabilis'' in Hahns "Die Arachniden" von 1834:<ref name="Hahn_1834_TabLIFig120">Carl Wilhelm Hahn, ''Die Arachniden - Getreu nach der Natur abgebildet und beschrieben'', Zweiter Band, C. H. Zeh'sche Buchhandlung, Nürnberg 1834, hier Tab. LI, Fig. 120, cf. S. 35f [Originalexemplar von Oxford University, digitalisiert am 10. Mai 2006 (Google), URL: http://books.google.com/books?id=rxEAAAAAQAAJ&pg=PT36&hl=de&output=html oder http://books.google.com/books?pg=PT36&id=rxEAAAAAQAAJ&hl=de, abgerufen am 15.I.2008 über "Google Buchsuche"]</ref><br />Weibchen mit Eiersack (A),<br /> Augenstellung von vorne (B),<br /> Pedipalpus eines reifen Männchens (C)]] Die Listspinne entwickelt sich aus einem befruchteten Ei innerhalb des Kokons zum [[Embryo]]. Nach der [[Umrollung]] des Embryos entsteht die so genannte [[Prälarve]] 1. Diese häutet sich fast gleichzeitig mit dem Verlassen der Eihülle zur Prälarve 2. In diesem erstem Stadium ist die junge Listspinne noch haarlos, klauenlos, ohne funktionierende Sinnesorgane und unbeweglich. Nach einigen Stunden findet die Häutung zur [[Larve]] statt. Diese ist farblos, aber beweglich und kann schon Sinnesreize aus der Umwelt wahrnehmen. Sie hat keine Augen und ihre [[Cheliceren]] haben nur eine kurze scharfe Spitze. Zudem hat sie einige Tasthaare an den Füßen. [[Bild:Pisaura mirabilis-01 (xndr).jpg|thumb|left|Junge Listspinne]] Je nach Temperatur häutet sie sich nach 4,5 bis 7,5 Tagen zum ersten voll entwickelten Stadium, [[Nymphe (Zoologie)|Nymphe]] 1 oder Stadium 1 genannt. Sie verlässt den Kokon nach dem Öffnen durch die Mutter und lebt zunächst im Kinderstubennetz, das das Weibchen aus dem [[Glockengewebe]] gefertigt hat. Dort nimmt sie noch keine feste Nahrung zu sich, sondern zehrt von ihren Dotterreserven. Zudem trinkt sie an Wassertropfen. Nach ungefähr einer Woche beginnt die Nymphe sich in ein selbstständiges Leben im ersten eigenen Netz abzuseilen. Der Übergang findet meist im sechsten oder siebten Stadium statt. Nun kann sie bereits [[Fruchtfliegen]] überwältigen. [[Kannibalismus]] tritt in den ersten Tagen nicht auf. Während ihrer Nymphonal-Imaginalperiode durchläuft die Raubspinne maximal zwölf Stadien. Männchen werden mit dem neunten bis elften Stadium geschlechtsreif, Weibchen mit dem zehnten bis zwölften Stadium. Kühle Witterung verzögert die Entwicklung. Alle Stadien produzieren einen Sicherheitsfaden, an dem sie sich bei Gefahr abseilen. Von dem Stadium der Prälarve bis zur letzten Häutung (Adulthäutung) beträgt die Lebensdauer im Mittel 257 Tage für ein Männchen (Stadium 10) und 289 Tage für ein Weibchen (Stadium 11). Das Adultalter ist der Zeitraum von der letzten Häutung bis zum Tod. Weibchen werden deutlich älter als Männchen. Der Rekord liegt für Weibchen bei 247 Tagen und für Männchen bei 186,5 Tagen. In Abhängigkeit vom Verbreitungsgebiet überwintert die Listspinne als Nymphe ein- oder zweimal. Sie verbringt die Zeit der [[Winterruhe]] (Diapause) in Bodennähe in der [[Vegetation]] unter Laub, [[Moose]]n und Steinen. Auch in Garagen und Häusern übersteht sie den Winter. In Süd[[frankreich]] überwintern einzelne Exemplare unter lockerer Rinde von [[Platane]]n. Dort treten die Nymphen des Stadiums 6-8, meist 7 im November die Winterruhe an und nehmen ihre Entwicklung wieder Ende Februar/Anfang März auf. In West- und Mitteleuropa erreicht die Listspinne ihre Geschlechtsreife im Mai, so dass dann [[Sperma]]aufnahme, Brautgeschenkherstellung, Weibchensuche, erste sexuelle Erregung, Balz und Paarung stattfinden. In Nord- und Osteuropa treten geschlechtsreife Listspinnen erst ab Juni auf, während sie in Südeuropa die Geschlechtsreife schon im April erreichen. In Südeuropa hat die Listspinne einen einjährigen Jahreszyklus. Sie wächst im Sommer heran, macht eine Ruhepause mit Häutungsstopp im Winter, wird im Frühling erwachsen, pflanzt sich fort und stirbt spätestens im Herbst. Ihr Nachwuchs ist im nächsten Frühjahr geschlechtsreif. Im nördlichen Verbreitungsgebiet dauert die Entwicklung zwei Jahre, da die Nymphen zweimal überwintern müssen, bis sie geschlechtsreif sind. In Mittel- und Westeuropa gibt es eine Mischform von ein- und zweijähriger Entwicklung. Zwei Monate haben die Männchen Zeit, sich fortzupflanzen, dreieinhalb Monate die Weibchen. == Fressfeinde, Parasiten und Krankheitserreger == Die Listspinne hat zahlreiche Fressfeinde. Dazu zählen zunächst [[Wegwespen]], [[Laubfrösche]], [[Eidechsen]], [[Singvögel]] am Tag und [[Kröten]], [[Spitzmäuse]], [[Fledermäuse]] in der Nacht. Aber auch andere [[Spinnentiere|Spinnenarten]] stellen Tag und Nacht Gefahren dar. In Südeuropa kommen weitere Feinde wie die [[Gottesanbeterinnen]] hinzu. Gelegentlich wird die Raubspinne auch von [[Krabbenspinnen]] erbeutet. Zudem kommt Kannibalismus vor. Die Listspinne ist auch oft ein Opfer von [[Parasiten]] und [[Parasitoide]]n. Dies sind vor allem [[Fadenwürmer]], [[Grabwespen]], [[Schlupfwespen]], [[Wegwespen]] und [[Spinnenfliegen]]. Auch [[Erzwespen]], [[Mückenhafte]] und weitere [[Fliegen]] aus anderen Familien sowie [[Milben]] parasitieren diese Spinne. Die Parasiten befallen sowohl die Tiere selbst als auch die Eier in den Kokons. Letzteres kann zur vollständigen Vernichtung eines Geleges führen. Die Listspinne wird sowohl von [[Baculovirus|Baculoviren]] als auch [[Rickettsien]] befallen. Beide gelangen höchst wahrscheinlich über [[Insekten]]beute in das [[Darm]]system. Nicht nur Nymphen und erwachsene Tiere können infiziert werden, sondern auch die Stadien im Kokon. [[Mykose|Pilzinfektionen]] sind bei der Raubspinne bisher nicht bekannt. == Verhalten == Die Listspinne bewohnt in ihrer Jugend ein Netz und spinnt später selbst verschiedenartige Netze. Männchen stellen [[Sperma]]netze her, Weibchen fertigen Eikokons sowie Glockengespinste und Kinderstubennetze. Sowohl Männchen als auch Nymphen und Weibchen umspinnen ihre Beute. === Netzaufbau === Die Listspinne baut ihr Netz in der [[Krautschicht]] und fixiert es an [[Gräser]]n und [[Krautige Pflanzen|krautigen Pflanzen]]. Charakteristisch ist die Position des Netzzentrums und somit der Spinne im unteren Winkel. Sie sitzt dabei kopfunter, nach oben und nach einer Seite hin von Pflanzenteilen geschützt und verdeckt. Typisch für das Netz der Listspinne ist ein zentraler, von einem Fadengeflecht umgebener [[Ellipse|ellipsoider]] Freiraum (Oval), den sie selten verlässt und in dem sie auf Beute lauert. Das Oval misst in der Längsachse das eineinhalb- bis zweifache der Körperlänge, in Breite und Höhe das einhalb- bis eineinhalbfache der Spinne. Vom Ovalrand aus laufen kreuzende Spannfäden in die Umgebung, die den zentralen ovalen Raum auch bei Bewegungen der umgebenden Grashalme, Blätter oder Zweige dauerhaft konstant erhalten. In diesem Netzbereich sind Fäden zu finden, die einer Perlenschnur ähneln. Auf beiden Seiten der Ovalöffnung formen Fäden eine trichterförmige Struktur. Ein Teil dieses Netzbereiches (Warte) gibt der Spinne Halt und ist auch noch bei erwachsenen Tieren zu finden. Form und Ausdehnung des Netzes variieren in Anpassung an die Umgebung beträchtlich, aber die drei Hauptelemente Oval, trichterförmige Fußstütze und fächerförmig ausgebreiteter Bereich sind immer vorhanden. === Wohn- und Jagdnetz === [[Bild:Pisaura mirabilis on Plantago lanceolata.jpg|thumb|Listspinne auf [[Spitzwegerich]] (''Plantago lanceolata'') in Ruhestellung]] Die Listspinne sitzt im Netzoval in der charakteristischen Lauerstellung kopfunter mit dem Bauch zum Pflanzenstängel. Sie hat einen Sicherheitsfaden im oberen Bereich des Ovals befestigt und streckt ihre Beine zu beiden Seiten aus den Ovalöffnungen. Die [[Palpe]]n berühren den Rand des Ovals, so dass sie jederzeit bereit ist, nach rechts oder links aus den Ovalöffnungen herauszuspringen, um Beute zu fangen oder zu fliehen. Schon Nymphen sind zum Netzbau fähig, bauen ihre ersten eigenen Wohnnetze aber erst nach Verlassen der Kinderstube, etwa eine Woche nach dem Schlüpfen. Spätestens nach zwei Wochen haben alle Jungen ihr erstes eigenes Netz gebaut. Sie halten sich meistens in ihrem Oval auf, verlassen es aber kurzfristig zur Kotabgabe und Häutung. Bei leichten Störungen in der Netzumgebung nehmen sie ruckartig die unbewegliche Haltung ein: beide vorderen Beinpaare starr nach vorne gestreckt. Bei etwas stärkeren Störungen verlassen sie ihr Netzoval, bleiben aber in der Umgebung. Erst massive Störungen lösen eine schnelle Flucht in die Tiefe der Vegetation aus. Nach einigen Minuten kehrt die Nymphe dann am Sicherungsfaden hängend oder zu Fuß in ihr Oval zurück. Zum Beutefang springen die Spinnen meist heraus, suchen das Oval mit der Beute aber sofort wieder auf. Wird das Netz zerstört, so baut die Listspinne in der Regel innerhalb von 24 Stunden im Freiland oft am gleichen Platz ein Neues. Bis zum sechsten Stadium wird ein verlorenes Netz durch ein neues ersetzt. Geschlechtsreife Spinnen haben nie vollständige Netze, sondern nur Fragmente. === Jagdverhalten === [[Bild:pisaura-mirabilis-071106-800.jpg|thumb|right|upright=1.5|Listspinne mit Beute]] Die Listspinne jagt vom Frühjahr bis in den Herbst. Während der Überwinterung fängt sie nur bei Wärmeeinbrüchen Beute. Diese besteht zum Hauptteil aus [[Insekt]]en, an erster Stelle [[Fliegen]] und [[Mücken]], aber auch [[Zikaden]] und [[Heuschrecken]], gefolgt von [[Weberknechte]]n und [[Webspinnen]]. Kannibalismus kommt bei Nymphen und Weibchen vor. Sobald die Nymphe ihr erstes Wohnnetz gebaut hat, lauert sie in ihren Oval kopfunter auf Beute. Sie reagiert sowohl auf Beutetiere, die das Netz berühren oder an Pflanzen der unmittelbaren Umgebung klettern, als auch auf vorbeikommende Fliegen. Bei kurzen oder schwachen Reizen nimmt sie die Bereitschaftsstellung ein, indem sie die ersten Beinpaare spreizt ohne sich von der Stelle zu bewegen. Meistens rennt sie jedoch rasch aus ihrem Netzoval, umklammert die Beute in einem aus allen Beinen gebildeten Fangkorb (Spinndauer: 0,1 Sekunden) und trägt sie in den Cheliceren in ihr Oval zurück, wo sie diese kopfunter verzehrt. Ältere Stadien handeln auf die gleiche Weise, transportieren jedoch große Beute auch rückwärts und verzehren sie kopfunter unterhalb des Ovals, falls sie nicht hineinpasst. Kleinere Beutetiere werden einfach mit den Cheliceren ergriffen. Misslingt der erste Fangversuch, verfolgt die Raubspinne ihre Beute. Die wesentlichen Phasen des Beutefangs sind somit Lauern, Sprung, Umklammern, Biss, Auflösen des Fangkorbs, Hochtransport, Drehen in Kopfunterposition, Anheften des Sicherungsfadens an den Untergrund, Fressen und Fallenlassen der Beutereste. Beim Fang beißt die Listspinne nach Umklammern mit dem Fangkorb die Beute mit den Cheliceren und injiziert dabei ihr Gift. Nach wenigen Sekunden oder Minuten ist das Beutetier tot. Im dritten Stadium können sogar mehrere Fliegen kurz hintereinander erjagt werden. Die Listspinne zerkaut ihre Beute mit den Cheliceren, wobei sie die Verdauungssekrete auf die Beute abgibt und die aufgelösten Bestandteile durch die enge Mundöffnung wieder einsaugt. In der Regel fängt die Listspinne einen halben Tag vor einer Häutung und einen halben Tag danach keine Beute. Bis zu einem halben Tag vor der für Spinnen üblichen Todesstarre geht sie auf Beutejagd. Zur Aufbewahrung umspinnen sie die Beute oder Reste großer Beute und transportieren sie an den Cheliceren bis sie sie an Gräsern oder Blättern befestigen. Das Umspinnen verhindert den Verlust der Nahrung, die nicht sofort gefressen werden kann, und dient der Vorratshaltung. Kurzfristig ermöglicht es Putzhandlungen, Wasseraufnahme und den Fang weiter Beutetiere ohne den Verlust der ersten Beute. === Sozialverhalten === Die Listspinne verbringt die meiste Zeit in ihrem Netzoval und sitzt dabei fast immer energiesparend kopfunter im Gras oder an Zweigen von niedrigen Sträuchern und lauert auf Beute. Bisweilen sonnt sie sich auch horizontal mit zusammengefalteten Vorderbeinen (1-2 oder 1-3) auf Blüten und Blättern und wechselt dabei gelegentlich ihre Position. Bei Störungen verschwindet sie rasch auf die Blattunterseiten oder in den Untergrund. Dies alles trifft tagsüber auch auf Männchen zu, die jedoch vor allem nachts Weibchen suchen. Ebenso sind auch Weibchen mit Kokons aktiv, um einen sonnigen Platz für ihr Kinderstubennetz zu finden. Die ein Netz bewohnenden Nymphen und die noch immer sesshaften Weibchen kämpfen um die besten Beutefangplätze in ihrem [[Habitat|Lebensraum]]. Große Weibchen erobern die günstigsten Plätze. Später nehmen sie sich auch die geeignetsten Plätze für ihr Glockengewebe und bewohnen diese in hoher Dichte. Sie werden von großen Männchen umworben. Kleinere Weibchen werden entweder die Beute größerer Artgenossen oder in ungünstigere Gebiete abgedrängt. Hier werben dann vor allem kleinere Männchen um sie. == Fortpflanzung == Die Listspinne zeigt ein ausgefeiltes Balzverhalten. Das Männchen fängt ein Insekt und spinnt es zu einem Paket, das dem paarungsbereiten Weibchen angeboten wird. Das Weibchen entscheidet, ob es das Paket annimmt und beginnt nach einer Annahme sofort daran zu fressen. Unbekannt ist, wie viel Nahrung die Listspinnenweibchen von den Männchen erhalten, denn sie paaren sich öfter; die Anzahl der überreichten Geschenke und beteiligten Männchen ist unbekannt. === Brautgeschenk === Abgesehen von seltenen Ausnahmen stellen alle Listspinnenmännchen Brautgeschenke her. Am sechsten Tag nach der Adulthäutung fertigen sie diese zum ersten Mal an. Im Vergleich zu [[Nymphe (Zoologie)|Nymphen]] und Weibchen umspinnen sie ihre Beute häufiger und intensiver. Männchen behalten ihre Brautgeschenke einige Tage und heften sie unterwegs am Untergrund fest, um sich Palpen, Beine und Cheliceren zu putzen. Danach oder bei Beunruhigung ergreifen sie ihr Geschenk mit den Cheliceren und setzen die Suche nach Weibchen fort. Begegnen sie keinem Weibchen, fressen sie selbst daran und lassen es irgendwann fallen. Männchen nehmen sich zudem untereinander die Geschenke ab und spinnen mehrere Pakete zu einem größeren zusammen. Es werden auch notfalls nicht fressbare Ersatzobjekte angeboten und angenommen. Die oft zu lesende Erklärung, dass das Männchen durch das Brautgeschenk vor dem gefräßigen Weibchen geschützt sei, ist falsch. In äußerst seltenen Fällen wird ein Männchen von einem Weibchen erbeutet, dann nützt ihm aber auch kein Brautgeschenk. In der ersten Phase der Brautgeschenkherstellung umkreist ein Männchen mit dem Hinterleibsende in großem Abstand die vom Fang noch in [[Chelicere]]n gehaltene Beute, die sich zunächst mitdreht. Dabei werden regelmäßig die austretenden Fäden an den Untergrund geheftet. Dadurch legen sich Fäden über die Beute und heften sie an den Untergrund fest. Dass diese sich mitbewegen können, verhindert das Männchen durch Umgreifen mit den Cheliceren. Schließlich lösen sie diese, beschreiben aber weiterhin mit ihrem Hinterleibsende einen weiten Kreis. Hier kann der Umspinnvorgang schon enden, normalerweise folgen aber noch die Phasen Zwei und Drei, die bei Männchen besonders ausgeprägt sind. In der zweiten Phase hält das Männchen die Beute nicht mehr mit den Cheliceren, sondern lässt die [[Palpen]] die Beute ab und zu berühren. Während des fortgesetzten Umkreisens ziehen die Spinnwarzen nun in engeren Radien um ihre Beute, die sie dabei über- und umspinnen. In der dritten Phase steht das Männchen kopfunter oder mit dem Kopf nach oben, während sich das Hinterleibsende über und um die am Untergrund fixierte Beute bewegt. Ist das Männchen fertig, setzt es sich neben oder über das noch immer mit einem breiten Seidenband festgehaltene Brautgeschenk. Bevor ein Männchen auf die Suche nach einem Weibchen geht, füllt es seine Tasterenden mit [[Sperma]]. Hierzu erzeugt es durch Spinn- und Tupfbewegungen des Hinterleibs mit den Spinnwarzen ein Spermanetz, das entweder horizontal, senkrecht oder in einem schrägen Winkel ausgerichtet ist. Zwischendurch unterbricht es diese Handlungen für Pausen, [[Palpe]]nputzen, Bissen in das Gespinst und Betasten des Gewebes mit den Palpen. Hat das Männchen das Netz fertig gestellt, gibt es einen milchigen Spermatropfen aus der vorne auf der Unterseite des Hinterleibs liegenden Geschlechtsöffnung an der oberen Netzkante durch Reiben ab und nimmt ihn abwechselnd in beide [[Bulbus|Bulbi]] der [[Pedipalpe]]n auf. === Balz === Hat ein Männchen mit Brautgeschenk ein Weibchen gefunden, nimmt es in der Regel die so genannte Anbietehaltung ein. Dabei ist der Vorderkörper weit vom Untergrund abgehoben, die [[Palpen]] und das erste Beinpaar sind zur Seite gestreckt. Nun reagiert das Weibchen entweder so auf diese Präsentation, dass es kopfunter sitzen bleibt oder es hält das erste Beinpaar nach vorne gestreckt hoch. Dadurch erhält sie über die dort liegenden [[Trichobothrium|Trichobothrien]] ständig Informationen über die Aktivitäten und den Aufenthaltsort des Männchens. Diese bieten ihr Brautgeschenk meist ruhig an. Reagiert das Weibchen längere Zeit nicht auf das Männchen, läuft es einige Schritte zur Seite und umspinnt sein Brautgeschenk erneut. Nach einiger Zeit löst sich das Weibchen aus seiner Bewegungslosigkeit und tastet sich mit den ersten beiden Beinpaaren an das unterhalb wartende Männchen heran. Nachdem es Beinkontakt mit dem Männchen hergestellt hat, findet sie das Brautgeschenk durch Abtasten seiner weit zur Seite gestreckten vorderen Beinpaare und begibt sich selbst ins Zentrum. Manchmal kommt es direkt mit dem Brautgeschenk in Kontakt. Die Palpen des Weibchens bewegen sich beim Herantasten auf und ab und berühren schließlich das nach vorne ausgestreckte Brautgeschenk, worauf die Cheliceren sofort zugreifen. Durchschnittlich 35 Sekunden vergehen von den ersten Tastbewegungen des Weibchens bis zum Ergreifen des Brautgeschenks. Es gibt jedoch auch eine schnelle Annahme, bei der das Weibchen wie bei einem Beutefang auf das Männchen springt und in die gerade von ihm erbeutete Fliege beißt. Desinteressierte Weibchen laufen irgendwann davon und putzen sich, was das in seiner Position verharrende Männchen oft gar nicht merkt. === Paarung === Während der ersten Phase der Paarung halten Männchen und Weibchen das Brautgeschenk in den Cheliceren, wobei sich das Weibchen sich in der typischen Kopfunterposition befindet und das Männchen mit dem Kopf nach oben unterhalb steht. Erfolgte die Übernahme in abweichender Lage, dreht sich das Weibchen nun in diese Lage und das Männchen zwangsläufig mit. Nun beginnt es zu fressen, während das Männchen seine Palpen nach vorne gesteckt hält. Durchschnittlich 30 Sekunden nach Ergreifen des Brautgeschenks beginnt das Männchen in der zweiten Phase mit bis zu achtmaligen heftigen Rucken. Dabei wird das über das Brautgeschenk verbundene Weibchen stark geschüttelt und hebt einige Beine vom Untergrund ab. Bisweilen lassen Weibchen hierbei das Brautgeschenk los und trennen sich vom Männchen. Noch während des Ruckens krümmt das Männchen sein Hinterleibsende zum Brautgeschenk hin, löst seine Cheliceren und heftet einen Sicherheitsfaden ans Brautgeschenk. Danach legt es sein drittes Beinpaar von beiden Seiten an das Brautgeschenk. Nun klettert es entweder rechts oder links an Brautgeschenk und Weibchen empor und gelangt so auf dessen Unterseite. Das Männchen begibt sich unter das Weibchen, um es erst mit der einen, dann mit der anderen [[Pedipalpe]] zu begatten. Nachdem er mit der auf der Weibchenseite liegenden Pedipalpe die Geschlechtsöffnung sucht, liegt die Spitze des nicht verwendeten Palpus am Brautgeschenk. An den Pedipalpen befinden sich die Bulbi, in denen das Männchen sein [[Sperma]] für die Paarung aufbewahrt. Die [[Insertation]] kann direkt gelingen oder erst nach mehr oder weniger langem Hin- und Herfahren. Ein Männchen benötigt vom Loslassen des Brautgeschenks bis zur Insertation durchschnittlich 17 Sekunden. Insertationen können nur eine Sekunde lang dauern, aber auch 58 Minuten lang sein. Gewöhnlich beträgt die Zeitdauer einige Minuten. Gelingt dem Männchen die Tastereinführung nicht, kehrt es zum Brautgeschenk zurück und beißt hinein (vierte Phase). Einige Zeit später macht es unter Rucken einen neuen Versuch. In der dritten Phase sitzen Männchen und Weibchen ruhig. Dabei stützen sie sich mit ein bis fünf Beinen gegenseitig ab (meist m2-w1 und m1-w3). Ein [[Pedipalpus|Embolus]] des Männchens ist in eine der beiden [[Epigyne]]öffnungen eingeführt, während das Weibchen am Brautgeschenk frisst. Dabei verfärbt sich dasselbe an der Fraßstelle schwarz, da Lücken im Gespinst von Verdauungssekreten und aufgelösten Beutebestandteilen verstopft sind. Nach gewisser Zeit dreht das Weibchen mit seinen Palpen das Brautgeschenk, um die Fraßstelle zu wechseln. Die Trennung des Paares wird meist vom Weibchen eingeleitet. Es läuft rasch davon oder vollführt schnelle ruckartige Bewegungen zur Seite. Häufig befindet sich das Männchen währenddessen unterhalb des Weibchens, so dass es den Kontakt verliert und zu Boden fällt. Das Weibchen kann aber auch mit einer größeren Anzahl von Beinen einen Fangkorb um das Brautgeschenk spinnen und es so erobern. Hierbei kann das Männchen jedoch ebenfalls mit synchroner Fangkorbbildung reagieren, so dass beide den Halt verlieren und zu Boden stürzen, wo es dann zur Trennung kommt. In diesen Fällen ergreift ein inserierendes Männchen oft schnell das Brautgeschenk und lässt sich vom davonlaufenden Weibchen einfach wegtragen, um an dem Fraßort des Weibchens weitere erfolgreiche Insertationen zu versuchen. Insbesondere bei kleinen Geschenken kann es zu Beißversuchen des Weibchens in Beine und Körper des Männchens kommen, was dann die Trennung auslöst. Manchmal führt das Männchen die Trennung herbei, indem es das Brautgeschenk den Cheliceren des Weibchens entreißt. Es kann dem Weibchen das Brautgeschenk aber auch überlassen. Am Ende der Paarung verbleibt das Brautgeschenk in den meisten Fällen beim Weibchen, das es nach kurzem Lauf kopfunter in einigen Stunden mit Ausnahme ungenießbarer Reste verzehrt. Gelingt dem Männchen die Eroberung des Brautgeschenks spinnt es dieses am Untergrund fest und putzt zunächst Beine und Palpen. Danach verzehrt das Männchen das Geschenk entweder selbst oder bietet es nach neuem Umspinnen wieder einem Weibchen an. Es kann aber auch durch neue Beute vergrößert werden. === Brutpflege === Das Weibchen stellt den Kokon für die Eier nachts, meist jedoch in den frühen Morgenstunden her. Dazu spinnt es zunächst einige Aufhängefäden. Danach fertigt sie die Basalplatte mit einem Durchmesser von etwa fünf Millimetern an, während es sich immer schneller mit ihrem Körper dreht. Diese Umdrehungen fortsetzend, gibt das Weibchen dicke Fäden entlang des Randes der Basalplatte ab, so dass ein Randwall entsteht. Die Pedipalpen bleiben dabei ständig mit der den Spinnwarzen gegenüberliegenden Seite in Kontakt. Somit bestimmt die Größe des Weibchens die Größe des Kokons. [[Bild:Listspinne7.jpg|thumb|Weibliche Listspinne mit Kokon]] Eine Stunde nach der Herstellung des Kokons verharrt das Weibchen bewegungslos und presst den Genitalbereich durch Beugen der Beine fest gegen die Eikammer. Dadurch tritt eine braune Eimasse aus, die je nach der Anzahl der Eier zwei bis vier Millimeter Durchmesser einnimmt. Nun verschließt das Weibchen die Kokonöffnung, indem sie rasch Fäden kreuz und quer darüber spinnt, dann wieder ganze Seidenpakete abgibt. Einige Minuten später reißt sie den Kokon von der Unterlage, wobei sie die Fäden mit den Cheliceren abschneidet. Indem das Weibchen den Kokon zwischen den Pedipalpen und dem dritten Beinpaar rotieren lässt, überspinnt es ihn mit weißer Seide. Schließlich nimmt es den Eikokon in die Cheliceren und transportiert ihn in der für die Pisauridae charakteristischen Weise unter dem Vorderkörper (im Gegensatz zu den [[Wolfspinnen]], bei denen die Weibchen den Kokon an den Spinnwarzen befestigt tragen). In der Regel legt das Weibchen den Eikokon bis zum Bau des Glockengewebes nicht ab, gelegentlich fängt und verzehrt es jedoch Beute. Die erste Eiablage erfolgt zwischen dem 13. und dem 91. Tag nach der Adulthäutung. Die befruchteten Eier messen fast ein Millimeter Durchmesser und sind hell, kugelrund und weich. Nicht entwickelte Eier sind dunkelbraun, eingeschrumpft und hart. Zwei bis drei Tage vor dem Schlüpfen der Jungtiere gegen Ende der Nacht wird zwischen Pflanzenstängeln ein Glockengewebe gewebt. Dieses unten offene, meist fünf Zentimeter hohe, drei Zentimeter weite, am Dach am dichtesten gesponnene Gespinst wird in höchstens ein Meter Höhe befestigt. Während des Spinnens heftet das Weibchen den Eikokon an eine Unterlage und nimmt ihn von Zeit zu Zeit in die Cheliceren. Zum Schluss wird der Kokon im Glockengewebe aufgehängt. Die geschlüpften Jungen werden von der Mutter bewacht und vor allem vor anderen Spinnen verteidigt. Damit der Nachwuchs im ersten Stadium den Kokon verlassen kann, baut das Weibchen das Glockengewebe in den frühen Morgenstunden zu einer Kinderstube um. Dazu macht es zunächst den inzwischen stark aufgeweiteten Kokon am Dach des Gespinstes fest. Dann reißt sie ihn mit den Cheliceren fast vollständig auf und zieht Fäden vom Glockengewebe aus in die umgebende Krautvegetation. Nachdem sie so ein zeltartiges Gespinst, das Kinderstubennetz, geschaffen hat, wird es in der Zeit von zwei bis drei Stunden nach Öffnung des Kokons durch das Weibchen von den Jungen besiedelt. Die Mutter hängt meist kopfunter außen auf dem Kinderstubengespinst, um die Jungen zu bewachen. Bei Regen verstärkt sie das Netz der Kinderstube und repariert aufgetretene Schäden. Bei starker Störung flieht sie, indem sie um das Netz herumläuft oder in die Vegetation unterhalb des Netzes verschwindet. Die Mutter kehrt jedoch bald wieder zu ihren Jungen zurück. == Evolution und Systematik == [[Bild:Pisaura mirabilis 1.jpg|thumb|upright=1.5|Aufmerksam beobachtende Listspinne]] Nach Brignoli (1978, 1984) kommen im [[Mittelmeer]]raum vier von fünf [[Pisaura]]-Arten vor, die den so genannten „Mirabilis-Komplex“ bilden. Diese könnten sich von einer gemeinsamen, vor oder zwischen den [[Eiszeit]]en, in der westlichen [[Paläarktis]] verbreiteten Stammart ableiten. In diesem Fall müssten sie verschiedene [[Ökologische Nische]]n in den gleichen Gebieten gebildet haben. Wenn die Arten echt sind, dürften sie untereinander nicht zu [[Kreuzung (Genetik)|kreuzen]] sein. Nach dem heutigen Stand der Forschung ist es unklar, ob es fünf Variationen oder Unterarten sind. Auf den [[Kanarische Inseln|Kanarischen Inseln]] und [[Azoren]] existiert nach Schmidt (1968, 1973, 1981) eine Variante der Raubspinne. Wunderlich (1987) bestritt dies und behauptete, ''Pisaura mirabilis'' sei mit der Art ''[[Pisaura madeiriana]]'' verwechselt worden und käme somit nicht dort vor, was Schmidt (1990) anhand erwachsener Exemplare widerlegte. Schmidt erwähnte auch die inzwischen als Art geltende ''Pisaura quadrilineata'' (Lucas 1838) auf [[La Palma]]. Er sah Männchen dieser Art nur mit nicht umsponnener Beute. Balz und Paarung sollen derzeit erforscht werden. === Wissenschaftlicher Name, Synonyme und Trivialnamen === Die Listspinne wurde [[1678]] erstmals von [[Martin Lister]] beschrieben, als [[Carl von Linné|Linnés]] [[Nomenklatur]] noch nicht etabliert war, so dass er sie mit einem langen beschreibenden Artennamen versah: ''„Araneus sublividus, alvo undatim picta, productiori, acuminata“'' (zu Deutsch: Bleifarbene Spinne mit wellenförmig bezeichnetem, verlängertem, zugespitztem Hinterleib). Noch im Jahre [[1783]] findet man bei [[Karl de Geer]] solch einen beschreibenden Namen für eine rötliche Farbvariante, die er als eigene Art ansah: ''„Araneus (rufo-fasciata), abdomine elongato, griseo fusco; fascia longitudinali undata rufa, pedibus longissimis“'' (zu Deutsch: Die längliche braun-gräuliche Wolfspinne, mit einer wellenförmigen rostfarbigen Längsbinde und sehr langen Füßen). Das heute gültige [[Epitheton]] ''mirabilis'' (lat. ''mīrus'' = „wunderbar“, „sonderbar“; ''miror'', ''mirāri'' = „sich wundern“, „bewundern“<ref name="Werner_1972_S267">Fritz Clemens Werner, ''[[Wortelemente lateinisch-griechischer Fachausdrücke in den biologischen Wissenschaften]]'', Suhrkamp, 1. Aufl. 1972, S. 1-475, ISBN 3-518-36564-9, hier S. 267</ref>) wurde 1757 von [[Carl Alexander Clerck|Carl Clerck]] in seinem Werk „Svenska spindlar“ zur ebenfalls im selben Werk eingeführten Gattung ''Araneus'' (lat. ''arānea'' = „Spinne“<ref name="Werner_1972_S98">Fritz Clemens Werner, ''Wortelemente lateinisch-griechischer Fachausdrücke in den biologischen Wissenschaften'', Suhrkamp, 1. Aufl. 1972, S. 1-475, ISBN 3-518-36564-9, hier S. 98</ref>) für die Beschreibung der heutigen ''Pisaura mirabilis'' verwendet. Obwohl „Svenska spindlar“ zeitlich vor Beginn der Gültigkeit des [[Internationale Regeln für die Zoologische Nomenklatur|Internationalen Code zoologischer Nomenklatur]] liegt, wurde es wegen seiner Bedeutung für die Bearbeitung der Spinnen per Übereinkommen als nach 1758 erschienen betrachtet und ist somit das erste und einzige nomenklatorisch zu berücksichtigende zoologische Werk, dass vor der 10. Auflage der „Systema Naturae“ von [[Carl von Linné|Carl Linné]] 1758 erschienen ist.<ref name="">F. Pleijel & G. W. Rouse, ''Ceci n´est pas une pipe - names clades and phylogenetic nomenclature'', J. Zool. Syst. Evol. Research, <u>41</u>, 2003, Blackwell, Berlin, S. 162- 174, {{ISSN|0947-5745}}</ref> [[Carl von Linné|Carl Linné]] behielt [[1758]] in seinem ''[[Systema Naturae]]'' die Bezeichnung ''Areneus mirabilis'' bei. Das Brautgeschenk war damals noch unbekannt. [[Giovanni Scopoli]] beschrieb die gleiche Art 1763 in Unkenntnis von Clercks Erstbeschreibung ungültigerweise unter dem Namen ''Aranea listeri'' und benannte das Epitheton somit nach Martin Lister. 1885 stellte [[Eugène Simon]] die Gattung ''Pisaura'' (benannt nach ''Pisaurum'', dem lat. Namen der italienischen Stadt [[Pesaro]]<ref name="HerderLexikonBiologie_Band6_S406">Lexikon der Biologie - in acht Bänden - Allgemeine Biologie - Pflanzen - Tiere, Band 6 "Minamata-Krankheit bis Prädisposition", Herder, Freiburg im Breisgau et al. 1986, S. 1-476, ISBN 3-451-19646-8, hier S. 406</ref>) auf und ordnete ihr ''Araneus mirabilis'' als ''Pisaura mirabilis'' zu.<ref name="Platnick 2007a">vgl. auch: Norman I. Platnick 2007, ''The World Spider Catalog'', Version 8.0, American Museum of Natural History, Last updated Dec. 30, 2007, [http://research.amnh.org/entomology/spiders/catalog/PISAURIDAE.html URL:http://research.amnh.org/entomology/spiders/catalog/PISAURIDAE.html]</ref> Bei Roewer (1954) und Bonnet (1958/59) finden sich neben den bereits erwähnten weitere Synonyme:<ref name="Platnick 2007a"/> Aranea agraria Aranea obscura Dolomedes scheuchzeri Aranea arcuatolineata Aranea rufofasciata Ocyale mirabilis Aranea bivittata Aranea tripunctata Ocyale murina Aranea flavostriata Araneus mirabilis Ocyale rufofasciata Aranea listeri Dolomedes fimbriatus Philodromus quadrilineatus Aranea marmorata Dolomedes insignis Pisaura listeri Aranea mirabilis Dolomedes mirabilis Pisaura rufofasciata Für ''Pisaura mirabilis'' sind in der deutschsprachigen Literatur auch eine Reihe von [[Trivialname]]n in Gebrauch. Meist wird sie dort als „Raubspinne“ (z.B. Stern u. Kullmann 1975, Pfletschinger 1976, Sauer u. Wunderlich 1984, Heimer 1988, Renner 1997, Foelix 1992) bezeichnet. Sie wurde aber auch mit anderen Namen wie etwa „Wald-Wunderspinne“ (Hahn 1827)<ref name="Sacher_1988_p67">Carl Wilhelm Hahn (Hrsg.: Peter Sacher), ''Monographie der Spinnen (1820-1836) - Mit einem Kommentar in deutsch und englisch herausgegeben von Peter Sacher'', Reprint der Orig.-Ausg. Nürnberg 1820-1836, Zentralantiquariat der DDR, Leipzig 1988, S. 1-143, ISBN 3-7463-0080-0, hier S. 67 unter „Dolomodes mirabilis, Walkenaer“ [sic]</ref>, „Wunderbare Jagdspinne“ (Hahn 1834,<ref name="Hahn_1834_S35"/> Grüne 1873) oder „Wunderbarer Wasserläufer“ (Menge 1879) versehen. Lock nannte sie [[1939]] „Große Wolfsspinne“. Die Namen „Heideraubspinne“ (Smolik 1987) und „Heidejagdspinne“ (Schmidt 1955, 1980) sind nur für einige Populationen zutreffend, da ''Pisaura mirabilis'' nicht nur in der [[Heide (Landschaft)|Heide]] vorkommt. Bellmann (1984, 1994, 1997) und Baehr u. Baehr (1987) nennen sie '''Listspinne'''. Damit bezeichnen sie das genetisch fixierte, regelmäßig vorkommende Verhalten des männlichen Brautgeschenks (Nitzsche) als „List“, nehmen also nicht auf das [[Synonym]]-[[Epitheton]] ''listeri'' Bezug.<ref name="Bellmann_1992_p122">Heiko Bellmann, ''Spinnen - beobachten - bestimmen'', 2. Aufl., Naturbuch, Augsburg 1992, S. 1-200, ISBN 3-89440-064-1, hier S. 122</ref> Allerdings kann es so zu Verwechslungen mit der Art ''[[Dolomedes fimbriatus]]'' (z.B. Pfletschinger 1976) kommen, die auch als „Listspinne“ bezeichnet wird. Bei ihr gibt es kein Brautgeschenk. Auch ''P. mirabilis'' wurde zeitweilig der Gattung ''[[Dolomedes]]'' zugeordnet. Zutreffend ist auch der von Lierath (1988) im Titel seines kleinen Artikels über diese Art erwähnte populäre Name „Brautgeschenkspinne“, den auch Nitzsche häufig verwendet. Eine namentliche Abgrenzung zu anderen Pisauridenarten mit entsprechenden Verhalten (z.B. ''[[Pisaura lama]]'') ließe sich nach letztgenannten durch Integration des Artnamens ''„mirabilis“'' zu „Wunderbare Brautgeschenkspinne“ erreichen. In der englischsprachigen Literatur wird sie manchmal ''nuptial feeding spider'' (Lang 1996) oder ''nursery web spider'' (dt. „Kinderstubengespinstspinne“)<ref name="Roberts_1995_p237">Michael J. Roberts, ''Spiders of Britain and Northern Europe'', H. Collins, London u. a. 1995, S. 1-383 S., ISBN 0-00-219981-5, hier S. 237</ref> genannt, wobei beachtet werden muss, dass teilweise die ganze [[Unterfamilie]] Pisaurinae und ihre Arten als ''nursery web spider'' bezeichnet werden können.<ref name="Filmer_1991_1995_S103f">Martin R. Filmer, ''Southern African Spiders - An Identification Guide'', Struik Publishers, Cape Town 1995 (Erstausgabe 1991), S. 1-128, ISBN 1-868-25188-8, hier S. 103f</ref> In Frankreich heißt sie ''le Pisaure'' und in Dänemark ''rovedderkopper'' (dt. „Raubspinne“) <ref name="Roberts_1995_p237"/>, während sie in den Niederlanden als ''Kraamwebspin'' (dt. „Kinderstubengespinstspinne“) oder ''Grote wolfspin'' (dt. „Große Wolfspinne“)<ref name="Roberts1998-1999_p254">Michael J. Roberts (Übers. & Bearb. Aart P. Noordam), ''Spinnengids'', Tirion, Baarn 1998/1999, S. 1-397, ISBN 90-5210-268-6, hier S. 254</ref> bezeichnet wird. == Listspinne und Mensch == Die in [[Europa]] heimische Listspinne gelangte schon relativ früh ins Blickfeld der [[Arachnologie|Spinnenforschung]]. Das Interesse galt zunächst der Brutpflege. Im 20. Jahrhundert widmeten die Forscher sich jedoch schwerpunktmäßig dem Fortpflanzungsverhalten und [[Physiologie|physiologischen]] sowie [[Phänologie|phänologischen]] Aspekten. == Referenzen == <references /> == Literatur == * R. Aechter: ''Untersuchungen über die Zeichnung und Färbung der Araneen unter Berücksichtigung der Ontogenese und Phylogenie''. S. B. Ak. Wiss. Wien math-nat. Kl. Abt. I 164: 545-606, 1955 * B. Baehr, M. Baehr: ''Welche Spinne ist das? Kleine Spinnenkunde für jedermann''. Franckh Kosmos Verlag, Stuttgart, 1987, ISBN 3-4400-5798-4 * J. A. Barrientos: ''Dolomedes et Pisaura dans la région catalane (Araneida, Pisauridae)''. Rev. Arachol. 2: 17-21 * Heiko Bellmann: ''Spinnen: beobachten - bestimmen'', Naturbuch Verlag, Augsburg, 1992, ISBN 3-894-40064-1 * Heiko Bellmann: ''Spinnen (die wichtigsten heimischen Arten, Extra: Netzformen und Eikokons)''. Franckh Kosmos Verlag, 1994 * Heiko Bellmann: ''Kosmos-Atlas Spinnentiere Europas''. 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Binder">Harry H. Binder: ''Lexikon der chemischen Elemente.'' S. Hirzel, Stuttgart 1999, ISBN 3-7776-0736-3.</ref> | CAS = 7439-93-2 | ATC-Code = {{ATC|N05|AN01}} | Atommasse = 6,941 | Atomradius = 145 | AtomradiusBerechnet = 167 | KovalenterRadius = 128 | VanDerWaalsRadius = 182 | Elektronenkonfiguration = &#91;[[Helium|He]]&#93; 2s<sup>1</sup> | ElektronenProEnergieNiveau = 2; 1 | Austrittsarbeit = 2,9 [[Elektronenvolt|eV]] <ref>Ludwig Bergmann, Clemens Schaefer, Rainer Kassing: ''[[Bergmann-Schaefer Lehrbuch der Experimentalphysik|Lehrbuch der Experimentalphysik,]] Band 6: Festkörper''. 2. Auflage, Walter de Gruyter, 2005, ISBN 978-3-11-017485-4, S. 361.</ref> | Ionisierungsenergie_1 = 520,2 | Aggregatzustand = fest | Modifikationen = 1 | Kristallstruktur = kubisch raumzentriert | Dichte= 0,534 g/cm<sup>3</sup> (20 [[Grad Celsius|°C]])<ref name=Greenwood>N. N. Greenwood und A. Earnshaw: ''Chemie der Elemente'', 1. Auflage, 1988, S. 97, ISBN 3-527-26169-9.</ref> | RefTempDichte_K = | Mohshärte = 0,6 | Magnetismus = paramagnetisch | Schmelzpunkt_K = 453,69 | Schmelzpunkt_C = 180,54 | Siedepunkt_K = 1615 | Siedepunkt_C = 1342 | MolaresVolumen = 13,02 · 10<sup>−6</sup> | Verdampfungswärme = 145,92 | Schmelzwärme = 3 | Dampfdruck = | RefTempDampfdruck_K = 453,7 | Schallgeschwindigkeit = 6000 | RefTempSchallgeschwindigkeit_K = 293,15 | SpezifischeWärmekapazität = 3482 <ref name="Harry H. Binder"/> | ElektrischeLeitfähigkeit= 10,6&nbsp;·&nbsp;10<sup>6</sup> | RefTempElektrischeLeitfähigkeit_K = | Wärmeleitfähigkeit = 85 | RefTempWärmeleitfähigkeit_K = | Oxidationszustände = +1 | Oxide = Li<sub>2</sub>O | Basizität = stark [[Basen (Chemie)|basisch]] | Normalpotential = −3,04 V | Elektronegativität = 0,98 | Quelle GefStKz = {{RL|7439-93-2}} | Gefahrensymbole = {{Gefahrensymbole|F|C}} | R = {{R-Sätze|14/15|34}} | S = {{S-Sätze|(1/2)|8|43|45}} | Radioaktiv = | Isotope = {{Infobox Chemisches Element/Isotop | AnzahlZerfallstypen = 0 | Massenzahl = 6 | OZ= 3 | Symbol = Li | NH = 7,4 }} {{Infobox Chemisches Element/Isotop | AnzahlZerfallstypen = 0 | OZ= 3 | Massenzahl = 7 | Symbol = Li | NH = '''92,6''' }} | NMREigenschaften = {{Infobox_Chemisches_Element/NMR | Symbol = Li | Massenzahl_1 = 6 | Kernspin_1 = 1 | Gamma_1 = 3,936 · 10<sup>7</sup><ref name="Hesse">M. Hesse, H. Meier, B. Zeeh: ''Spektroskopische Methoden in der organischen Chemie'' Thieme, 2002.</ref> | Empfindlichkeit_1 = 0,0085<ref name="Hesse"/> | Larmorfrequenz_1 = 29,4<ref name="Hesse"/> | Massenzahl_2 = 7 | Kernspin_2 = 3/2 | Gamma_2 = 1,04 · 10<sup>8</sup><ref name="Hesse"/> | Empfindlichkeit_2 = 0,29<ref name="Hesse"/> | Larmorfrequenz_2 = 77,7<ref name="Hesse"/> }} }} '''Lithium''' [{{IPA|ˈliːtiʊm}}]<ref>Der Duden in 12 Bänden. Duden 06: Max Mangold, Das Aussprachewörterbuch, 6. Auflage, 2005, ISBN 3-411-04066-1, S. 514</ref><ref>[[Helmut de Boor]], Hugo Moser, [[Christian Winkler (Germanist)|Christian Winkler]] (Hrsg.): ''[[Deutsche Aussprache (Siebs)|Siebs: Deutsche Aussprache. Reine und gemäßigte Hochlautung mit Aussprachewörterbuch]]'', de Gruyter, Berlin 1969, S. 334: [http://books.google.de/books?id=ecRbAAAAMAAJ&dq=Lithium]</ref> (abgeleitet von {{ELSalt|λίθος}} ''{{lang|grc-Latn|líthos}}'' „Stein“), auch oft fälschlicherweise [{{IPA|ˈliːtsiʊm}}]<ref name="dict.cc">http://www2.dict.cc/speak.audio.php?type=wav&lang=de&text=Lithium Tonausgabe bei dict.cc</ref> genannt, ist ein [[chemisches Element]] mit dem Symbol Li und der [[Ordnungszahl]] 3. Den Namen Lithium bekam das Element, weil es im Gegensatz zu [[Natrium]] und [[Kalium]] im Gestein entdeckt wurde. Es ist das [[Alkalimetall]] der zweiten Periode des [[Periodensystem]]s der Elemente. Lithium ist ein [[Leichtmetalle|Leichtmetall]] und besitzt die kleinste [[Dichte]] der unter [[Standardbedingungen]] festen Elemente. In elementarer Form reagiert es wie alle Alkalimetalle schon in Berührung mit der Hautfeuchtigkeit und führt so zu schweren Verätzungen und Verbrennungen. Seine Verbindungen sind gesundheitsschädlich, allerdings in weitaus geringerem Maße als die seines Periodennachbarn [[Beryllium]]. Lithium wurde 1817 von [[Johan August Arfwedson]] entdeckt. Es kommt in der Natur aufgrund seiner hohen Reaktivität nicht elementar vor. Bei [[Raumtemperatur]] ist es nur an völlig trockener Luft über längere Zeit stabil, an feuchter Luft bildet sich an der Oberfläche schnell eine mattgraue [[Lithiumhydroxid]]-Schicht aus. Langsam reagiert es auch an trockener Luft zu [[Lithiumnitrid]]. Als [[Spurenelement]] ist es in Form seiner Salze ein häufiger Bestandteil von [[Mineralwasser]]. Im menschlichen [[Organismus]] sind geringe Mengen Lithium vorhanden; das Element ist jedoch nicht [[Essentieller Nahrungsbestandteil|essentiell]] und hat keine bekannte biologische Funktion. Jedoch haben einige Lithiumsalze eine medizinische Wirkung und werden in der [[Lithiumtherapie]] bei [[Bipolare Störung|bipolaren Affektstörungen]], [[Manie]], [[Depression]]en und [[Cluster-Kopfschmerz]]en eingesetzt (siehe Abschnitt [[#Medizin|Medizin]]). == Geschichte == [[Datei:Lithium paraffin.jpg|thumb|left|Lithium-Stücke in Paraffinöl zum Schutz vor Oxidation]] Das lithiumhaltige Mineral [[Petalit]] wurde zuerst von dem brasilianischen Wissenschaftler [[José Bonifácio de Andrada e Silva]] Ende des 18. Jahrhunderts entdeckt. Als Entdecker des Lithiums gilt der Schwede [[Johan August Arfwedson]], der im Jahre 1817 die Anwesenheit eines fremden Elementes in den Mineralen [[Spodumen]] (LiAl[Si<sub>2</sub>O<sub>6</sub>]) und [[Lepidolith]] (K(Li,Al)<sub>3</sub>[(Al,Si)<sub>4</sub>O<sub>10</sub>](F,OH)<sub>2</sub>) feststellte, als er Mineralienfunde von der Insel [[Utö (Schweden)|Utö]] in [[Schweden]] analysierte. 1818 war es der deutsche Chemiker [[Christian Gottlob Gmelin]], der bemerkte, dass Lithiumsalze eine rote [[Flammenfärbung]] ergeben. Beide Wissenschaftler scheiterten in den folgenden Jahren mit Versuchen, dieses Element zu isolieren. Dies gelang erstmals [[William Thomas Brande]] und Sir [[Humphry Davy]] im Jahre 1818 mittels eines [[Elektrolyse|elektrolytischen]] Verfahrens aus [[Lithiumoxid]] (Li<sub>2</sub>O). [[Robert Wilhelm Bunsen|Robert Bunsen]] und [[Augustus Matthiessen]] stellten 1855 durch Elektrolyse von [[Lithiumchlorid]] (LiCl) größere Mengen reinen Lithiums her. Mit der ersten kommerziellen Produktion begann 1923 die deutsche Metallgesellschaft (heute: Chemetall GmbH), indem eine Schmelze aus Lithium- und [[Kaliumchlorid]] (KCl) [[Elektrolyse|elektrolysiert]] wurde. 1917 synthetisierte [[Wilhelm Schlenk]] aus organischen [[Quecksilber]]verbindungen die ersten lithiumorganischen Verbindungen.<ref>C. Elschenbroich: ''Organometallchemie.'' 5. Auflage. Teubner, 2005, S. 16.</ref> Bis kurz nach dem [[Zweiter Weltkrieg|Zweiten Weltkrieg]] gab es bis auf die Anwendung als [[Schmiermittel]] (Mineralöl, angedickt mit Lithiumstearat) und in der [[Glasindustrie]] (Lithiumcarbonat oder Lithumoxid) kaum Anwendungen für Lithium. Dies änderte sich, als in den [[Vereinigte Staaten|Vereinigten Staaten]] [[Tritium]], das sich aus Lithium gewinnen lässt, für den Bau von [[Wasserstoffbombe]]n benötigt wurde. Man begann mit einer breit angelegten Förderung, vor allem in [[Kings Mountain (North Carolina)]].<ref name="IMR">Jessica Elzea Kogel: ''Industrial minerals & rocks: commodities, markets, and uses''. 7. Auflage, SME, 2006, ISBN 978-0-87335-233-8, S. 599 ({{Google Buch|BuchID=zNicdkuulE4C||Seite=PA599|Linktext=Industrial minerals & rocks}}).</ref> Durch die auf Grund der kurzen Tritium-[[Halbwertszeit]] benötigten großen Lithium-Mengen wurde zwischen 1953 und 1963 ein großer Vorrat von Lithium angehäuft,<ref name="IMR"/> das erst nach Ende des [[Kalter Krieg|kalten Krieges]] ab 1993 auf den Markt gebracht wurde. Neben dem Bergbau wurde nun auch die billigere Gewinnung aus [[Sole|Salzlaugen]] wichtig. Größere Mengen Lithium werden mittlerweile für Batterien, für die Polymerisation von Elastomeren, in der Bauindustrie und für die organische Synthese von Pharmazeutika und Agrochemikalien eingesetzt. Seit 2007 sind Batterien (Primär- und Sekundärbatterien) das wichtigste Segment.<ref>[[United States Geological Survey]]: [http://minerals.usgs.gov/minerals/pubs/commodity/lithium/myb1-2007-lithi.pdf Minerals Yearbook 2007: Lithium], 2007.</ref> == Vorkommen == === Vorkommen auf der Erde === [[Datei:Petalite.jpg|thumb|left|Petalit]] An der [[Erdkruste]] hat es einen Anteil von circa 0,006 %.<ref name="dtv">''dtv-Atlas Chemie.'' Band 1. dtv, 2000</ref> Es kommt damit etwas seltener als Zink, Kupfer oder Wolfram sowie etwas häufiger als Kobalt, Zinn oder Blei in der Erdkruste vor. Lithium kommt in der Natur in einigen Mineralien vor. Die wichtigsten sind dabei [[Amblygonit]] (LiAl[PO<sub>4</sub>]F), [[Lepidolith]] (K(Li,Al)<sub>3</sub>[(Al,Si)<sub>4</sub>O<sub>10</sub>](F,OH)<sub>2</sub>), [[Petalit]] (Kastor; LiAl[Si<sub>4</sub>O<sub>10</sub>]) und [[Spodumen]] (Triphan; LiAl[Si<sub>2</sub>O<sub>6</sub>]). Diese Mineralien haben einen Lithiumgehalt von bis zu 9 % (bei Amblygonit). Andere, seltenere Lithiumerze sind [[Kryolithionit]] (Li<sub>3</sub>Na<sub>3</sub>[AlF<sub>6</sub>]<sub>2</sub>), das den größten Lithiumgehalt aller Mineralien aufweist, [[Triphylin]] (Li(Fe<sup>II</sup>,Mn<sup>II</sup>)[PO<sub>4</sub>]) und [[Zinnwaldit]] (K(Li,Fe,Al)<sub>3</sub>[(Al,Si)<sub>4</sub>O<sub>10</sub>](F,OH)<sub>2</sub>). Lithiummineralien kommen in vielen [[Silikat|Silicat]]-[[Gestein]]en vor, aber meist nur in geringen Konzentrationen. Es gibt keine großen Lagerstätten. Da die Gewinnung von Lithium aus diesen Mineralien mit großem Aufwand verbunden ist, spielen sie heutzutage bei der Gewinnung von Lithium oder Lithiumverbindungen keine wesentliche Rolle mehr. Teilweise werden sie noch abgebaut, gemahlen und in der Glasindustrie verwendet. Die Gesamtreserven an Lithium werden auf mehr als 13 Millionen Tonnen geschätzt.<ref name="min"/> Lithiumsalze, insbesondere Lithiumchlorid, kommen verbreitet auch in [[Sole|Salzlaugen]], meist [[Salzsee]]n, vor. Die Konzentration kann bis zu ein Prozent betragen. Daneben ist für die Qualität der Salzlauge das Mengenverhältnis von Magnesium zu Lithium wichtig. Derzeit wird Lithium vor allem in Chile (Salar de Atacama), Argentinien (Salar de Hombre Muerto), USA (Silver Peak, NV) und China (Zhabuye Lake, Tibet; Taijinaier Lake, Qinghai) gewonnen. Es gibt weitere lithiumhaltige Salzseen, die derzeit noch nicht abgebaut werden. So z.B. in China, Argentinien und vor allem Bolivien, das mit dem Salar de Uyuni den Salzsee mit den möglicherweise größten Reserven von geschätzt 5,4 Millionen Tonnen Lithium <ref name="min"/> beherbergt. Lithiummineralien werden vor allem in Australien abgebaut, aber auch in China und Kanada. Europa besitzt keine wirtschaftlich abbaubaren Lithiumlagerstätten. Aufgrund der erwarteten starken Nachfrage nach Lithium für Batterien von Elektrofahrzeugen prüfen derzeit einige Firmen den Abbau von lithiumhaltigen Mineralien und Salzlaugen in verschiedenen Regionen der Welt inklusive Europa. Als Kuppelprodukte bei der Lithiumgewinnung werden häufig [[Kaliumcarbonat]] (Pottasche) und [[Borax]] gewonnen. Verschiedene Pflanzen wie beispielsweise [[Tabak]] oder [[Hahnenfuß]] nehmen Lithiumverbindungen aus dem Boden auf und reichern sie an. Der durchschnittliche Anteil an der Trockenmasse von Pflanzen liegt zwischen 0,5 und 3&nbsp;[[Parts per million|ppm]]. Im Wasser der Weltmeere liegt die mittlere Konzentration bei 180&nbsp;[[Parts per billion|ppb]] und im Flusswasser nur bei etwa 3&nbsp;ppb. === Vorkommen außerhalb der Erde === Nach dem [[Urknall]] ist neben Wasserstoff- und Heliumisotopen auch eine nennenswerte Menge des Isotops <sup>7</sup>Li entstanden. Dieses ist aber zum größten Teil heute nicht mehr vorhanden, da in [[Stern]]en Lithium mit Wasserstoff im Prozess der [[Proton-Proton-Reaktion#Proton-Proton-Reaktion II|Proton-Proton-Reaktion II]] [[Kernfusion|fusioniert]] und so verbraucht wurde.<ref>''[http://www.wissenschaft.de/wissen/news/268553.html Wo das ganze Lithium geblieben ist].'' Auf: ''wissenschaft.de'' (Beobachtung eines fernen [[Sternsystem]]s bringt die Lösung eines [[Kosmologie|kosmologischen]] Rätsels).</ref> In [[Brauner Zwerg|Braunen Zwergen]], Zwischenstufen zwischen Sternen und [[Planet]]en, sind Masse und Temperatur jedoch nicht hoch genug für eine Wasserstofffusion; ihre Masse erreicht nicht die dazu notwendige Größe von etwa 75 [[Jupiter (Planet)|Jupitermassen]]. Das beim Urknall entstandene Lithium blieb somit in größeren Mengen nur in Braunen Zwergen erhalten. Aus diesem Grund ist Lithium auch [[extraterrestrisch]] ein verhältnismäßig seltenes Element, kann aber zum Nachweis Brauner Zwerge dienen.<ref>''[http://abenteuer-universum.de/sterne/brzwerg.html Über braune Zwerge].''</ref> Die Verteilung von Lithium in verschiedenen Sternen ist stark unterschiedlich, auch wenn das Alter, die Masse und [[Metallizität]] ähnlich sind. Es wird angenommen, dass Planeten einen Einfluss auf den Lithiumgehalt eines Sterns besitzen. Besitzt ein Stern keine Planeten, so ist der Lithiumgehalt hoch, während Sterne wie die Sonne, die von Planeten umgeben sind, einen nur geringen Lithiumgehalt besitzen.<ref>Garik Israelian, Elisa Delgado Mena, Nuno C. Santos, Sergio G. Sousa, Michel Mayor, Stephane Udry, Carolina Domínguez Cerdena, Rafael Rebolo, Sofia Randich: ''Enhanced lithium depletion in Sun-like stars with orbiting planets.'' In: ''[[Nature]].'' 2009, 462, S. 189-191, {{DOI|0.1038/nature08483}}.</ref> == Gewinnung und Darstellung == Aus lithiumhaltigen Salzlösungen wird durch [[Verdunsten]] des Wassers und Zugabe von [[Natriumcarbonat]] (Soda) Lithiumcarbonat ausgefällt. Dazu wird die Salzlake zunächst so lange an der Luft eingeengt, bis der Lithiumgehalt 0,5 % überschreitet. Durch Zugabe von Natriumcarbonat fällt daraus das schwerlösliche Lithiumcarbonat aus: : <math>\mathrm{2\ LiCl \ + Na_2CO_3 \ \longrightarrow \ Li_2CO_3\downarrow +\ 2\ NaCl }</math>. Mengenmäßig wurden 2008 außerhalb der USA 27.400&nbsp;t<ref name="min">''[http://minerals.usgs.gov/minerals/pubs/commodity/lithium/mcs-2009-lithi.pdf Lithium bei USGS Mineral Resources, 2009].''</ref> Lithium gewonnen und überwiegend als Lithiumcarbonat (Li<sub>2</sub>CO<sub>3</sub>) gehandelt. Von diesen entfallen 12.000&nbsp;t auf den chilenischen Salar de Atacama und knapp 7000&nbsp;t auf die australische Greenbushes-Mine. Zur Gewinnung von metallischem Lithium wird das Lithiumcarbonat zunächst mit Salzsäure umgesetzt. Dabei entstehen [[Kohlenstoffdioxid]], das als Gas entweicht, und gelöstes [[Lithiumchlorid]]. Diese Lösung wird im Vakuumverdampfer eingeengt, bis das Chlorid auskristallisiert: : <math>\mathrm{Li_2CO_3 +\ 2\ H_3O^+ +\ 2\ Cl^- \longrightarrow \ 2\ Li^+ +\ 2\ Cl^- + CO_2\uparrow +\ 3\ H_2O}</math> Die Apparate und Anlagen für die Lithiumchlorid-Gewinnung müssen aus [[Stahl|Spezialstählen]] oder [[Nickellegierung]] sein, da die Salzlauge sehr [[Korrosion|korrosiv]] wirkt. Metallisches Lithium wird durch [[Schmelzflusselektrolyse]] eines bei 352&nbsp;[[Grad Celsius|°C]] schmelzenden [[Eutektikum|eutektischen]] [[Gemisch]]es aus 52&nbsp;Masse-% [[Lithiumchlorid]] und 48&nbsp;Masseprozent [[Kaliumchlorid]] hergestellt: : <math>\mathrm{Li^+ + e^- \ \xrightarrow[Elektrolyse]{352^{\circ}C} \ Li}</math> beziehungsweise: : <math>\mathrm{KCl + LiCl \ \xrightarrow[Elektrolyse]{352^{\circ}C}\ K + Li + Cl_2}</math>. Das Kalium wird bei der Elektrolyse nicht abgeschieden, weil es ein höheres Elektrodenpotential hat. Spuren von Natrium werden jedoch mit abgeschieden und machen das Lithium besonders reaktiv (vorteilhaft in der organischen Chemie, schlecht für Li-Batterien). Das flüssige Lithium sammelt sich an der [[Elektrolyt]]oberfläche und kann so relativ einfach aus der Elektrolysezelle ausgeschleust werden. Es ist ebenfalls möglich, Lithium per [[Elektrolyse]] von Lithiumchlorid in [[Pyridin]] zu gewinnen. Diese Methode eignet sich besonders gut im Labormaßstab. == Eigenschaften == === Physikalische Eigenschaften === [[Datei:Cubic-body-centered.png|thumb|right|Kristallstruktur von Lithium, a=310&nbsp;pm<ref>K. Schubert:'' Ein Modell für die Kristallstrukturen der chemischen Elemente'' in: ''Acta Crystallographica'' 30, 1974, S. 193–204.</ref>]] Lithium ist ein silberweißes, weiches [[Leichtmetall]]. Es ist bei Raumtemperatur das leichteste aller festen Elemente ([[Dichte]] 0,534&nbsp;g/cm<sup>3</sup><ref name="Holleman-Wiberg">Arnold F. Holleman, Egon Wiberg, Nils Wiberg: ''Lehrbuch der Anorganischen Chemie.'' 91.–100. Auflage. de Gruyter, Berlin 1985, ISBN 3-11-007511-3, S. 928–931.</ref>). Nur fester [[Wasserstoff]] bei <span style="white-space: nowrap">−260&nbsp;°C</span> ist mit einer Dichte von 0,0763&nbsp;g/cm<sup>3</sup><ref name="Holleman-Wiberg"/> noch leichter. Lithium kristallisiert – wie die anderen Alkalimetalle – in einer [[Kubisches Kristallsystem#Kubisch raumzentrierte Kristallstruktur|kubisch-raumzentrierten]] Kugelpackung. Lithium hat unter den Alkalimetallen den höchsten [[Schmelzpunkt|Schmelz]]- und [[Siedepunkt]] sowie die größte [[spezifische Wärmekapazität]]. Lithium besitzt zwar die größte [[Härte]] aller Alkalimetalle, lässt sich bei einer [[Mohs-Härte]] von 0,6 <ref>[http://www.webelements.com/lithium/physics.html Lithium bei webelements.com, physikalische Eigenschaften]</ref> dennoch mit dem Messer schneiden. Als typisches Metall ist es ein guter Strom- (Leitfähigkeit: etwa 18 % von Kupfer<ref name="dtv"/>) und Wärmeleiter. Lithium weist weitgehende Ähnlichkeit zu [[Magnesium]] auf, was sich auch in der Tatsache des Auftretens von heterotypen Mischkristallen aus Lithium und Magnesium, der sogenannten [[Isodimorphie]] zeigt. Obwohl Magnesium in der hexagonal dichtesten, Lithium dagegen in der kubisch raumzentrierten Kugelpackung kristallisiert, sind beide Metalle weitgehend ''heterotyp'' mischbar.<ref>H. Malissa: ''Die Trennung des Lithiums vom Magnesium in Lithium-Magnesium-Legierungen.'' In: ''Fresenius' Journal of Analytical Chemistry.'' 171, Nr. 4, 1959, {{ISSN|0937-0633}}.</ref> Dies erfolgt aber nur in einem beschränkten Konzentrationsbereich, wobei die im Überschuss vorhandene Komponente der anderen ihr Kristallgitter „aufzwingt“. Das Lithium-[[Ion]] weist mit −520&nbsp;kJ/mol<ref name="Binnewies328">M. Binnewies: ''Allgemeine und Anorganische Chemie.'' Spektrum Verlag, 2006, S. 328.</ref> die höchste [[Hydratation]]senthalpie aller Alkalimetallionen auf. Dadurch ist es in [[Wasser]] vollständig hydratisiert und zieht die Wassermoleküle stark an. Das Lithiumion bildet zwei Hydrathüllen, eine innere mit vier Wassermolekülen, die sehr stark über ihre Sauerstoffatome an das Lithiumion gebunden sind, und eine äußere Hülle, in der über [[Wasserstoffbrücke]]n weitere Wassermoleküle mit dem Li[H<sub>2</sub>O]<sub>4</sub><sup>+</sup>-Ion verbunden sind. Dadurch ist der [[Ionenradius]] des hydratisierten Ions sehr groß, sogar größer als diejenigen der schweren Alkalimetalle [[Rubidium]] und [[Caesium]], die in wässriger Lösung keine derart stark gebundenen Hydrathüllen aufweisen. [[Datei:Dilithium-2D-dimensions.png|thumb|100px|left|Lewisformel von Dilithium]] Als [[Gas]] kommt Lithium nicht nur in einzelnen Atomen, sondern auch molekular als Dilithium Li<sub>2</sub> vor. Das einbindige Lithium erreicht dadurch ein volles s-[[Orbital]] und somit eine energetisch günstige Situation. Dilithium hat eine [[Bindungslänge]] von 267,3&nbsp;pm und eine [[Bindungsenergie]] von 101&nbsp;kJ/mol.<ref>Mark J. Winter: ''Chemical Bonding.'' Oxford University Press, 1994, ISBN 0-19-855694-2.</ref> Im gasförmigen Zustand liegt etwa 1 % (nach Masse) des Lithiums als Dilithium vor. <br style="clear:left;" /> === Chemische Eigenschaften === Lithium ist –&nbsp;wie alle Alkalimetalle&nbsp;– sehr reaktiv und reagiert bereitwillig mit sehr vielen Elementen und Verbindungen (wie [[Wasser]]) unter [[Exotherm|Wärmeabgabe]]. Unter den Alkalimetallen ist es allerdings das reaktionsträgste. Eine Besonderheit, die Lithium von den anderen Alkalimetallen unterscheidet, ist seine Reaktion mit molekularem [[Stickstoff]] zu [[Lithiumnitrid]], die bereits bei Raumtemperatur langsam stattfindet: : <math>\mathrm{6\ Li \ + N_2 \ \xrightarrow{20^{\circ}C}\ 2 \ Li_3N }</math>. Dies wird durch die hohe [[Ladungsdichte]] des Li<sup>+</sup>-Ions und damit durch eine hohe [[Gitterenergie]] des Lithiumnitrids ermöglicht. Lithium hat mit −3,04&nbsp;V<ref name="Binnewies241">M. Binnewies: ''Allgemeine und Anorganische Chemie.'' Spektrum Verlag, 2006, S. 241.</ref> das niedrigste [[Normalpotential]] im Periodensystem und ist somit das unedelste aller Elemente. Wie alle Alkalimetalle wird Lithium unter [[Petroleum]] oder [[Paraffinöl]] aufbewahrt, da es sonst mit dem in der [[Luft]] enthaltenen Sauerstoff oder Stickstoff reagiert. Da die Ionenradien von Li<sup>+</sup>- und Mg<sup>2+</sup>-Ionen vergleichbar groß sind, gibt es auch Ähnlichkeiten in den Eigenschaften von Lithium beziehungsweise Lithiumverbindungen und [[Magnesium]] oder Magnesiumverbindungen. Diese Ähnlichkeit in den Eigenschaften zweier Elemente aus benachbarten Gruppen des [[Periodensystem]]s ist als [[Schrägbeziehung im Periodensystem]] bekannt. So bildet Lithium, im Gegensatz zu Natrium, viele [[metallorganische Verbindung]]en, wie [[Butyllithium]] oder [[Methyllithium]]. Die gleiche Beziehung besteht auch zwischen Beryllium und Aluminium, sowie Bor und Silicium. == Isotope == In der Natur kommen die beiden stabilen [[Isotope]] <sup>6</sup>Li (7,6 %) und <sup>7</sup>Li (92,4 %) vor. Daneben sind instabile Isotope, beginnend bei <sup>4</sup>Li über <sup>8</sup>Li bis <sup>12</sup>Li, bekannt, die nur künstlich herstellbar sind. Ihre [[Halbwertszeit]]en liegen alle im [[Millisekunde]]nbereich.<ref>[http://www.nndc.bnl.gov/amdc/nubase/Nubase2003.pdf The Nubase evaluation of nuclear and decay properties] (PDF, englisch)</ref> <sup>6</sup>Li spielt eine wichtige Rolle in der Technologie der Kernfusion. Es dient sowohl im [[Kernfusionsreaktor]] als auch in der [[Wasserstoffbombe]] als Ausgangsmaterial für die Erzeugung von [[Tritium]], das für die energieliefernde Fusion mit [[Deuterium]] benötigt wird. Tritium entsteht im [[Blanket]] des Fusionsreaktors oder in der Wasserstoffbombe neben Helium durch Beschuss von <sup>6</sup>Li mit Neutronen, die bei der Fusion anfallen, nach der [[Kernreaktion]] : <math>\mathrm{\,^6 _3Li + n \rightarrow \,^4 _2He + \,^3 _1T + 4{,}78\ MeV}</math>. Die ebenfalls mögliche Reaktion : <math>\mathrm{\,^7 _3Li + n \rightarrow \,^4 _2He + \,^3 _1T + n -2{,}74\ MeV}</math> ist aus physikalischen Gründen weniger geeignet (siehe [[Blanket]]). Aus diesem Grund wird das Isotop <sup>6</sup>Li bei der Lithiumgewinnung abgetrennt.<ref>''[http://www.bernd-leitenberger.de/abc-waffen.shtml ABC Waffen].''</ref> Die [[Isotopentrennung|Trennung]] kann beispielsweise über einen Isotopenaustausch von Lithium[[amalgam]] und einer gelösten Lithiumverbindung (wie Lithiumchlorid in Ethanol) erfolgen. Dabei werden Ausbeuten von etwa 50 % erreicht.<ref>R. Bauer: ''Lithium-wie es nicht im Lexikon steht''. ''Chemie in unserer Zeit'' 19, Nr. 5, 1985, S. 167–173 ({{DOI|10.1002/ciuz.19850190505}}).</ref> Ist in einer [[Kernwaffentechnik#Dreistufige Wasserstoffbombe|Dreistufenbombe]] neben <sup>6</sup>Li auch <sup>7</sup>Li vorhanden (wie es beispielsweise bei [[Castle Bravo]] der Fall war), reagiert dieses mit einigen der bei der Fusion erzeugten schnellen Neutronen. Dadurch entstehen wieder Neutronen, außerdem Helium und zusätzliches Tritium. Dies führt, obwohl die <sup>7</sup>Li-Neutron-Reaktion zunächst Energie verbraucht, im Endergebnis zu erhöhter Energiefreisetzung durch zusätzliche Fusionen und mehr Kernspaltungen im Bombenmantel aus [[Uran]]. Die Sprengkraft ist deshalb höher, als wenn nur der <sup>6</sup>Li-Anteil der Isotopenmischung in der Bombe umgewandelt worden wäre. Da vor dem Castle-Bravo-Test angenommen wurde, das <sup>7</sup>Li würde '''nicht''' mit den Neutronen reagieren, war die Bombe etwa 2,5-mal so stark wie erwartet.<ref>[http://nuclearweaponarchive.org/Usa/Tests/Castle.html Bericht über den Wasserstoffbombentest Castle Bravo] (engl.)</ref> Das Lithiumisotop <sup>7</sup>Li entsteht in geringen Mengen in [[Kernkraftwerk]]en durch eine [[Kernreaktion]] des (als Neutronenabsorber verwendeten) [[Bor]]isotops <sup>10</sup>B mit Neutronen.<ref>Martin Volkmer: ''Kernenergie Basiswissen.'' Inforum, 2007, ISBN 3-926956-44-5, S. 39 ([http://www.kernenergie.de/r2/documentpool/de/Gut_zu_wissen/Materialen/Downloads/018basiswissen2007.pdf PDF]).</ref> : <math>\mathrm{\,^{10} _{\ 5}B + n \rightarrow \,^7 _3Li + \,^4 _2He + \gamma}</math> Die Isotope <sup>6</sup>Li, <sup>7</sup>Li werden beide in Experimenten mit kalten [[Quantengasen]] verwendet. So wurde das erste [[Bose-Einstein-Kondensat]] mit dem ([[Boson]]) Isotop <sup>7</sup>Li erzeugt <ref>C. C. Bradley, C. A. Sackett, J. J. Tollett, R. G. Hulet: ''Evidence of Bose-Einstein Condensation in an Atomic Gas with Attractive Interactions.'' In: ''Physical Review Letters'' 75, Nr. 9, 1995, S. 1687–1690 ({{DOI|10.1103/PhysRevLett.75.1687}} , [http://www.physik.uni-oldenburg.de/Docs/theo3/harting/Diplom/Articles/bose1.pdf PDF]).</ref>. <sup>6</sup>Li dagegen ist ein [[Fermion]] und kürzlich ist es gelungen, Moleküle dieses Isotops in ein [[Suprafluidität|Suprafluid]] zu verwandeln<ref>S. Jochim, M. Bartenstein, A. Altmeyer, G. Hendl, S. Riedl, C. Chin, J. Hecker Denschlag, R. Grimm: ''Bose-Einstein Condensation of Molecules.'' In: ''Science.'' 302, Nr. 5653, 2003, S. 2101–2103 ({{DOI|10.1126/science.1093280}}, vgl. [http://pc150-c704.uibk.ac.at/ultracold/doc/thesis_selim_jochim/thesis_selim_jochim.pdf Dissertation des Autors Selim Jochim]).</ref>. ''Siehe auch: [[Liste der Isotope/2. Periode#3 Lithium|Liste der Lithium-Isotope]]'' == Verwendung == [[Datei:Lithium Verwendung.svg|thumb||right|Die Verwendung von Lithium, Nachfrage 2008<ref>Reto Rescalli: ''[http://epaper.fuw.ch/files/epaper/publications/fw/fw18112009/pdf/fw_fw18112009_Ausland_025_busp.pdf Lithium sorgt für viel Fantasie.]'' In: ''Finanz und Wirtschaft.'' 18. November 2009, abgerufen am 8. März 2010.</ref>]] Der größte Teil der produzierten Lithiumsalze wird nicht zum Metall reduziert, sondern entweder direkt als Lithiumcarbonat, Lithiumhydroxid, Lithiumchlorid, Lithiumbromid eingesetzt oder zu anderen Verbindungen umgesetzt. Aber auch das Metall wird in einigen Anwendungen benötigt. Die wichtigsten Verwendungszwecke von Lithiumverbindungen findet man im Abschnitt „[[Lithium#Verbindungen|Verbindungen]]“. [[Datei:Lithium battery 3.6V.jpg|thumb|150px|right|[[Lithiumbatterie]]]] === Metall === Ein Teil des produzierten Lithiummetalls wird für die Gewinnung von Lithiumverbindungen verwendet, die nicht direkt aus Lithiumcarbonat hergestellt werden können. Dies sind in erster Linie [[Organische Chemie|organische]] Lithiumverbindungen wie [[Butyllithium]], Lithium-Wasserstoff-Verbindungen wie [[Lithiumhydrid]] (LiH) oder [[Lithiumaluminiumhydrid]] sowie [[Lithiumamid]]. Lithium wird wegen seiner Fähigkeit, direkt mit [[Stickstoff]] zu reagieren, zu dessen Entfernung aus [[Gas]]en verwendet. Metallisches Lithium ist ein sehr starkes [[Reduktionsmittel]]; es reduziert viele Stoffe, die mit anderen Reduktionsmitteln nicht reagieren. Es wird bei der partiellen Hydrierung von Aromaten ([[Birch-Reduktion]]) eingesetzt. In der [[Metallurgie]] wird es zur [[Entschwefelung (Eisenschmelze)|Entschwefelung]], [[Desoxidation]] und [[Entkohlung]] von Metallschmelzen eingesetzt. Da Lithium ein sehr niedriges [[Normalpotential]] besitzt, kann es in [[Batterie]]n als [[Anode]] verwendet werden. Diese [[Lithium-Batterie]]n haben eine hohe [[Energiedichte]] und können eine besonders hohe [[Elektrische Spannung|Spannung]] erzeugen. Nicht zu verwechseln sind die nicht wiederaufladbaren Lithium-Batterien mit den wiederaufladbaren [[Lithium-Ionen-Akkumulator|Lithium-Ionen-Akkus]], bei denen Lithiummetalloxide wie [[Lithiumcobaltoxid]] als [[Kathode]] und [[Graphit]] oder andere Lithiumionen einlagernde Verbindungen als Anode geschaltet sind.<ref>''[http://www.ak-tremel.chemie.uni-mainz.de/ChiuZ/Script%20TU%20Graz%20Lithium-Batterien.pdf Skript über Batterien der TU Graz].'' (PDF)</ref> === Legierungsbestandteil === Lithium wird mit einigen Metallen legiert, um deren Eigenschaften zu verbessern. Oft reichen dafür schon geringe Mengen Lithium aus. Lithium verbessert als Beimischung bei vielen Stoffen die [[Zugfestigkeit]], [[Härte]] und [[Elastizität (Mechanik)|Elastizität]]. Ein Beispiel für eine Lithiumlegierung ist Bahnmetall, eine [[Blei]]legierung mit circa 0,04 % Lithium, die als [[Kugellager|Lagermaterial]] in Eisenbahnen verwendet wird. Auch bei [[Magnesium-Lithium-Legierung|Magnesium]]- und [[Aluminium-Lithium-Legierung|Aluminiumlegierungen]] werden die mechanischen Eigenschaften durch Zusatz von Lithium verbessert. Gleichzeitig sind Lithiumlegierungen sehr leicht und werden deshalb viel in der [[Luftfahrt|Luft-]] und [[Raumfahrt]]technik verwendet. === Forschung (Atomphysik) === In der [[Atomphysik]] wird Lithium gerne verwendet, da es mit <sup>6</sup>Li als einziges Alkalimetall ein stabiles [[fermion]]isches [[Isotop]] besitzt, weshalb es sich zur Erforschung der Effekte in ultrakalten fermionischen [[Quantengas]]en eignet (siehe [[BCS-Theorie]]). Gleichzeitig weist es eine sehr breite [[Feshbach-Resonanz]] auf, die es ermöglicht, die [[Streulänge]] zwischen den [[Atom]]en nach Belieben einzustellen, wobei die [[Magnetfeld]]er aufgrund der Breite der [[Resonanz (Physik)|Resonanz]] nicht besonders präzise gehalten werden müssen. === Medizin === Bereits 1850 wurde Lithium in der westlichen Medizin als Mittel gegen [[Gicht]] erstmals eingesetzt. Es erwies sich jedoch als unwirksam. Auch andere Ansätze zur medizinischen Anwendung von Lithiumsalzen, so unter anderem als Mittel gegen Infektionskrankheiten, blieben erfolglos. Erst 1949 beschrieb der australische Psychiater [[John Cade]] ein mögliches Anwendungsgebiet für Lithiumsalze. Er hatte [[Hausmeerschweinchen|Meerschweinchen]] verschiedene chemische Verbindungen, darunter auch Lithiumsalze, [[Spritze (Medizin)|injiziert]], woraufhin diese weniger stark auf äußerliche Reize reagierten, ruhiger, aber nicht schläfrig wurden.<ref>J. Cade: ''Lithium salts in the treatment of psychotic excitement.'' In: ''Med. J. Australia'' 36, 1949, S. 349.</ref> Nach einem Selbstversuch von Cade wurde 1952–1954 die Verwendung von [[Lithiumcarbonat]] als Medikament zur Behandlung depressiver, schizophrener und manischer Patienten in einer [[Doppelblindstudie]] am Psychiatrischen Krankenhaus in Risskov (Dänemark) untersucht.<ref>M. Schou: ''Lithiumbehandlung der manisch-depressiven Krankheit.'' Thieme, 2001, ISBN 3-13-593304-0.</ref> Damit war der Grundstein für die [[Lithiumtherapie]] gelegt. Bei dieser wird Lithium in Form von Salzen, wie dem [[Lithiumcarbonat]], gegen [[Bipolare Störung|bipolare Affektstörungen]], [[Manie]], [[Depression]] und [[Cluster-Kopfschmerz]] eingesetzt.<ref name="min"/> Dabei ist die geringe [[therapeutische Breite]] zu beachten. Bei zu hohem Lithiumspiegel können Nebenwirkungen auftreten wie [[Tremor]], [[Rigor]], Übelkeit, Erbrechen, [[Herzrhythmusstörung]]en und [[Leukozytose]]. Über 3,0 mmol/l besteht Lebensgefahr. Der Grund ist, dass der Stoffwechsel von Lithium und [[Natrium]] ähnlich sind. Ein zu hoher Lithiumspiegel kann durch Schwitzen oder Natrium-ausschwemmende Medikamente (natriuretische [[Diuretika]]) mit sinkendem Natriumspiegel entstehen. Der Körper versucht, den Natriumverlust zu kompensieren, indem in den Nieren dem Primärharn Natrium entzogen und in das Blut zurücktransportiert wird (Natrium[[Retention (Medizin)|retention]]). Neben Natrium wird dabei auch Lithium reteniert, das normalerweise gleichmäßig von den Nieren ausgeschieden wird. Die Folge ist ein erhöhter Lithiumspiegel, was bei der Einnahme von Lithium ein [[Drug monitoring]] bedingt, bei dem regelmäßig der Lithiumspiegel bestimmt und die Dosis entsprechend angepasst wird. Die Wirkungsweise des Lithium als Psychopharmakon ist allerdings nicht bekannt. Derzeit werden insbesondere die Beeinflussung des [[Inositol]]-Stoffwechsels durch Hemmung der myo-Inositol-1-[[Phosphatase]] ([[Enzymklasse]] 3.1.3.25) <ref>M. J. Berridge: ''Inositol trisphosphate and diacylglycerol as second messengers''. In: ''Biochemical Journal'' 220, Nr. 2, 1984, S. 345–360 ([http://www.biochemj.org/bj/220/bj2200345.htm Abstract]).</ref><ref>D. H. Carney, D. L. Scott, E. A. Gordon, E. F. LaBelle: ''Phosphoinositides in mitogenesis: neomycin inhibits thrombin-stimulated phosphoinositide turnover and initiation of cell proliferation.'' In:''Cell'' 42, Nr. 2, 1985, S. 479–488 ([http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/2992800 Abstract]).</ref> und die Hemmung der Glykogensynthasekinase-3 (GSK-3) in [[Nervenzellen]] als mögliche Mechanismen diskutiert.<ref>R. Williams, W. J. Ryves, E. C. Dalton, B. Eickholt, G. Shaltiel, G. Agam, A. J. Harwood: ''A molecular cell biology of lithium.'' In: ''Biochem. Soc. Trans.'' 32, 2004, S. 799–802.</ref> Die antidepressive Wirkung von Lithium beruht wahrscheinlich ebenfalls auf einer Verstärkung der serotonergen Neurotransmission, also einer erhöhten Ausschüttung von [[Serotonin]] in den [[Synapsen]], während die antimanische Wirkung mit einer Hemmung [[Dopamin|dopaminerger]] Rezeptoren erklärt wird.<ref name="Psychopharmaka"> [http://www.psychiatriegespraech.de/psychopharmaka_therapie_1.php Psychopharmaka-Therapie]</ref><ref>B. Woggon: ''Behandlung mit Psychopharmaka.'' Huber, Bern 1998, S. 77–84.</ref> Eine weitere interessante Auswirkung von Lithiumsalzen auf den Menschen und Säugetiere wie [[Ratte]]n ist die wohl damit zusammenhängende Veränderung der [[Circadiane Rhythmik|Circadianen Rhythmik]].<ref>T. Hafen, F. Wollnik: ''Effect of lithium carbonate on activity level and circadian period in different strains of rats.'' In: ''Pharmacology Biochemistry & Behavior.'' 49, 1994, S. 975–983.</ref> Diese Wirkung konnte sogar bei Pflanzen wie der [[Kalanchoe]] nachgewiesen werden. <ref>E. Bünning, I. Moser: ''Influence of Valinomycin on Circadian Lead Movements of Phaseolus.'' In: ''Prod. Nat. Acad. Sci. USA'' 69, Nr. 9, 1972, S. 2733 ([http://www.pubmedcentral.nih.gov/picrender.fcgi?artid=427027&blobtype=pdf PDF).</ref><ref>W. Engelmann: ''Lithium slows down the Kalanchoe clock.'' In: ''Z. Naturforsch.'' 27, 1972, S. 477.</ref> Andere serotonerge Substanzen wie [[Lysergsäurediethylamid|LSD]], [[Meskalin]] und [[Psilocybin]] zeigen ebenfalls solche Auswirkungen beim Menschen.<ref name="Halluzinogene">''[http://www.studentenlabor.de/bs05/html/halluzinogene.html Übersicht Halluzinogene].''</ref> Ein bemerkenswerter Nebeneffekt der Lithiumtherapie ist die Verringerung der Wahrscheinlichkeit, an der [[Alzheimer-Krankheit]] zu erkranken.<ref>''[http://www.medizinauskunft.de/artikel/familie/senioren/29_07_lithium.php ''Alzheimer: Neue Hoffnung Lithium].'' Medizinauskunft.de:, 29. Juli 2004.</ref> == Nachweis == [[Datei:FlammenfärbungLi.png|thumb|right|100px|Li-Flammenfärbung]] Lithiumverbindungen zeigen eine karminrote [[Flammenfärbung]], die charakteristischen [[Spektrallinie]]n liegen als Hauptlinien bei 670,776 und 670,791&nbsp;nm; kleinere Linien liegen bei 610,3&nbsp;nm.<ref>''[http://www.hia-iha.nrc-cnrc.gc.ca/staff/morton/atomicdataIII/TABLE2.pdf Übersicht über alle Spektrallinien].''</ref> Darüber kann Lithium mit Hilfe der [[Fotometrie|Flammenphotometrie]] nachgewiesen werden. Ein quantitativer Nachweis mit nasschemischen Methoden ist schwierig, da die meisten Lithiumsalze leicht löslich sind. Eine Möglichkeit besteht über das Ausfällen schwerlöslichen Lithiumphosphats. Dazu wird die zu untersuchende Probe zum Beispiel mit [[Natronlauge]] alkalisch gemacht und mit etwas [[Dinatriumhydrogenphosphat]] Na<sub>2</sub>HPO<sub>4</sub> versetzt. Beim Erhitzen fällt bei Anwesenheit von Li<sup>+</sup> ein weißer Niederschlag aus: :<math>\mathrm{3 \,Li^+ + HPO_4^{2-} + OH^- \rightarrow Li_3PO_4 \downarrow + H_2O}</math> == Gefahrenhinweise == Lithium entzündet sich an der Luft im flüssigen Zustand und als Metallstaub bereits bei Normaltemperatur.<ref name="BGIA Gestis">{{GESTIS|CAS=7439-93-2|Datum=5. April 2008}}</ref> Aus diesem Grund muss Lithium auch unter Luftausschluss, meist in [[Petroleum]] gelagert werden. Bei höheren Temperaturen ab 190&nbsp;°C wird bei Kontakt mit Luft sofort überwiegend Lithiumoxid gebildet. In reinem [[Sauerstoff]] entzündet sich Lithium ab etwa 100&nbsp;°C. In einer reinen [[Stickstoff]]atmosphäre reagiert Lithium erst bei höheren Temperaturen zu Lithiumnitrid. Beim Kontakt mit sauerstoff- oder halogenhaltigen Substanzen kann Lithium explosionsartig reagieren. Metallisches Lithium verursacht Schäden durch Verbrennungen oder Alkali-Verätzungen, weil es mit Wasser unter starker Wärmeabgabe Lithiumhydroxid bildet<ref name="BGIA Gestis"/>; dafür genügt schon die Hautfeuchtigkeit. == Verbindungen == Lithium ist sehr reaktiv und bildet mit den meisten [[Nichtmetalle]]n Verbindungen, in denen es immer in der [[Oxidationsstufe]] +I vorliegt. Diese sind in der Regel [[Ion|ionisch]] aufgebaut, haben aber im Gegensatz zu Verbindungen anderer Alkalimetalle einen hohen [[kovalent]]en Anteil. Das zeigt sich unter anderem darin, dass viele Lithiumsalze – im Gegensatz zu den entsprechenden Natrium- oder Kaliumsalzen – gut in organischen Lösungsmitteln wie [[Aceton]] oder [[Ethanol]] löslich sind. Es existieren auch kovalente organische Lithiumverbindungen. Viele Lithiumverbindungen ähneln in ihren Eigenschaften auf Grund der ähnlichen [[Ionenradius|Ionenradien]] den entsprechenden [[Magnesium]]verbindungen ([[Schrägbeziehung im Periodensystem]]). === Wasserstoffverbindungen === Wasserstoff bildet mit Lithium [[Hydride]]. Die einfachste Lithium-Wasserstoff-Verbindung [[Lithiumhydrid]] LiH entsteht aus den Elementen bei 600–700&nbsp;°C. Es wird als [[Raketentreibstoff]] und zur schnellen Gewinnung von Wasserstoff, beispielsweise zum Aufblasen von [[Rettungsweste]]n<ref name="dtv"/>, verwendet. Es existieren auch komplexere Hydride wie Lithiumborhydrid LiBH<sub>4</sub> oder [[Lithiumaluminiumhydrid]] LiAlH<sub>4</sub>. Letzteres hat in der organischen Chemie als selektiver Wasserstoffspender etwa zur [[Reduktion (Chemie)|Reduktion]] von [[Carbonylverbindung|Carbonyl-]] und [[Nitroverbindung]]en eine große Bedeutung. Für die Erforschung der [[Kernfusion]] spielen Lithiumdeuterid (LiD) und Lithiumtritid (LiT) eine wichtige Rolle. Da reines Lithiumdeuterid die Energie der Wasserstoffbombe herabsetzt, wird dafür ein Gemisch aus LiD und LiT eingesetzt. Diese festen Substanzen sind leichter zu handhaben als Tritium mit seiner großen [[Effusion (Physik)|Effusionsgeschwindigkeit]]. === Sauerstoffverbindungen === Mit Sauerstoff bildet Lithium sowohl [[Lithiumoxid]] Li<sub>2</sub>O als auch [[Lithiumperoxid]] Li<sub>2</sub>O<sub>2</sub>. Wenn Lithium mit Wasser reagiert, bildet sich [[Lithiumhydroxid]], eine starke Base. Aus Lithiumhydroxid werden Lithiumfette hergestellt, die als Schmierfette für Autos verwendet werden. Da Lithiumhydroxid auch Kohlenstoffdioxid bindet, dient es in U-Booten zur Regenerierung der Luft. === Weitere Lithiumverbindungen === [[Datei:Lithium chloride.jpg|thumb|150px|right|Lithiumchlorid]] [[Datei:Lithium carbonate.jpg|thumb|150px|right|Lithiumcarbonat]] Lithium bildet mit den Halogeniden Salze der Form LiX. Dies sind [[Lithiumfluorid]], [[Lithiumchlorid]], [[Lithiumbromid]] und [[Lithiumiodid]]. Da Lithiumchlorid sehr hygroskopisch ist, wird es – außer als Ausgangsmaterial für die Lithiumgewinnung – auch als Trockenmittel eingesetzt. Es dient zum Trocknen von Gasen, beispielsweise von [[Erdgas]] bevor es durch die Pipeline geführt wird oder bei Klimaanlagen zur Herabsetzung der Luftfeuchte (bis 2 % relativer Luftfeuchte). Lithiumchlorid dient ferner noch zur Herabsetzung von Schmelztemperaturen, in Schweiß- und Hartlötbädern und als Schweißelektroden-Ummantelung für das Schweißen von Aluminium. Lithiumfluorid findet als Einkristall in der [[Infrarotspektroskopie]] Verwendung. Die technisch wichtigste Lithiumverbindung ist das schwerlösliche [[Lithiumcarbonat]]. Es dient zur Gewinnung der meisten anderen Lithiumverbindungen und wird in der [[Glas]]industrie und bei der Herstellung von [[Email]] als [[Flussmittel]] eingesetzt. Auch in der [[Aluminium]]herstellung wird es zur Verbesserung von Leitfähigkeit und Viskosität der Schmelze zugesetzt. Weitere Lithiumsalze sind: * [[Lithiumperchlorat]], * [[Lithiumsulfat]], * [[Lithiumnitrat]], wird mit [[Kaliumnitrat]] in der Gummiindustrie für die [[Vulkanisation]] verwendet, * [[Lithiumnitrid]], entsteht bei der Reaktion von Lithium mit Stickstoff, * [[Lithiumniobat]], ist in einem großen Wellenlängenbereich transparent und wird in der [[Optik]] und für [[Laser]] verwendet, * [[Lithiumamid]], ist eine starke Base und entsteht bei der Reaktion von Lithium mit flüssigem [[Ammoniak]]. * [[Lithiumstearat]], ist ein wichtiger Zusatz für Öle, um diese als Schmierfette einzusetzen. Diese werden in Automobilen, in Walzenstraßen und bei Landmaschinen verwendet. Lithiumstearate sind in Wasser sehr schwer löslich, dadurch bleibt der Schmierfilm erhalten, wenn sie mit wenig Wasser in Berührung kommen. Die erhaltenen Schmierfette weisen eine hervorragende Temperaturstabilität (>150&nbsp;°C) auf und bleiben bis −20&nbsp;°C schmierfähig.<ref>''[http://www.uniterra.de/rutherford/ele003.htm Periodensystem: Lithium].'' Uniterra.de.</ref> * [[Lithiumacetat]] * [[Lithiumcitrat]] * [[LiPF<sub>6</sub>]], findet als Leitsalz in Lithium-Ionen-Akkus Verwendung. * [[Lithiumphosphat]], wird als Katalysator für die Isomerisation von Propylenoxid eingesetzt. * [[Lithiummetaborat]] und [[Lithiumtetraborat]] * [[Lithiumbromid]] ist ein Reaganz zur Herstellung von Pharmazeutika, es wird aber auch in [[Absorptionskälteanlage]] eingesetzt. === Organische Lithiumverbindungen === Im Gegensatz zu den meisten anderen Alkalimetallorganylen besitzen Lithiumorganyle eine beachtliche Rolle insbesondere in der organischen Chemie. Von besonderer Bedeutung sind [[Butyllithium|''n''-Butyllithium]], [[Tert-Butyllithium|''tert''-Butyllithium]], [[Methyllithium]] und [[Phenyllithium]], die in Form ihrer Lösungen in Pentan, Hexan, Cyclohexan beziehungsweise gegebenenfalls Diethylether auch kommerziell verfügbar sind. Man kann sie durch direkte Umsetzung metallischen Lithiums mit Alkyl-/Arylhalogeniden gemäß : <math>\mathrm{R{-X} + 2 \ Li \rightarrow Li{-R} + Li^+X^-}</math> oder durch [[Transmetallierung]] zum Beispiel aus Quecksilberorganylen gemäß : <math>\mathrm{HgR_2 + 2 \ Li \rightarrow 2 \ Li{-R} + Hg}</math> herstellen. Auf Grund des deutlich kovalenten Charakters ist die Struktur von Lithiumorganylen nur selten durch eine einfache Li-C-Bindung zu beschreiben. Es liegen meist komplexe Strukturen, aufgebaut aus dimeren, tetrameren oder hexameren Einheiten, beziehungsweise polymere Strukturen vor. Lithiumorganyle sind hochreaktive Verbindungen, die sich an der Luft teilweise von selbst entzünden. Mit Wasser reagieren sie explosionsartig. In Folge ihrer extremen Basizität reagieren sie auch mit Lösungsmitteln, deren gebundener Wasserstoff kaum acide ist, wie etwa [[Tetrahydrofuran|THF]], was die Wahl geeigneter Lösungsmittel stark einschränkt. Reaktionen mit ihnen sind nur unter [[Schutzgas]] und in getrockneten Lösungsmitteln möglich. Daher ist im Umgang mit ihnen eine gewisse Erfahrung erforderlich und große Vorsicht geboten. Eine weitere Gruppe organischer Lithiumderivate sind die Lithiumamide des Typs LiNR<sub>2</sub>, von denen insbesondere [[Lithiumdiisopropylamid]] (LDA) und Lithium-bis(trimethylsilyl)amid ([[LiHMDS]], siehe auch [[Hexamethyldisilazan|HMDS]]) als starke Basen ohne nukleophile Aktivität Verwendung finden. Lithiumorganyle finden vielseitige Verwendung, so als Initiatoren für die anionische [[Polymerisation]] von Olefinen, als [[Metallierung]]s-, [[Deprotonierung]]s- oder Alkylierungsmittel. Von gewisser Bedeutung sind die so genannten [[Organische Kupferverbindungen|Gilman-Cuprate]] des Typs R<sub>2</sub>CuLi. == Einzelnachweise == <references/> == Literatur == * Arnold Fr. Holleman, Egon Wiberg: ''Lehrbuch der Anorganischen Chemie'' 91.–100. Auflage, de Gruyter, Berlin 1985, ISBN 3-11-007511-3. * Hans Breuer: ''dtv-Atlas Chemie, Band 1.'' 9. Auflage. dtv, 2000, ISBN 3-423-03217-0. * M. Binnewies: ''Allgemeine und Anorganische Chemie.'' Spektrum, 2004, ISBN 3-8274-0208-5. * N. N. Greenwood, A. Earnshaw: ''Chemie der Elemente.'' VCH Verlagsgesellschaft, 1988, ISBN 3-527-26169-9. * Ernst Henglein: ''Technologie außergewöhnlicher Metalle.'' 1991, ISBN 3-8085-5081-3. * Harry H. Binder: ''Lexikon der chemischen Elemente - das Periodensystem in Fakten, Zahlen und Daten.'' Hirzel, Stuttgart 1999, ISBN 3-7776-0736-3. * Richard Bauer: ''Lithium - wie es nicht im Lehrbuch steht''. In: ''Chemie in unserer Zeit.'' 19, Nr. 5, 1985, {{ISSN|0009-2851}}, S. 167. * N. J. Birch: ''Inorganic Pharmacology of Lithium.'' In: ''[[Chem. Rev.]]'' 99, Nr. 9, 1999, S. 2659–2682. * Jürgen Deberitz, Gernot Boche: ''Lithium und seine Verbindungen – Industrielle, medizinische und wissenschaftliche Bedeutung.'' In: ''Chemie in unserer Zeit'' 37, Nr. 4, 2003, {{ISSN|0009-2851}}, S. 258–266 ({{DOI|10.1002/ciuz.200300264}}). == Weblinks == {{Wiktionary|Lithium}} {{Commons|Lithium}} {{Wikibooks|Praktikum Anorganische Chemie/ Lithium}} * [http://www.wiley-vch.de/books/sample/3527315780_c01.pdf Zusammenfassung über Alkalimetalle von wiley-vch] (PDF; 2,20 MB) * [http://environmentalchemistry.com/yogi/periodic/Li.html EnvironmentalChemistry.com – Lithium] (englisch) {{Navigationsleiste Periodensystem}} {{Exzellent}} [[Kategorie:Antidepressivum]] [[af:Litium]] [[an:Litio]] [[ar:ليثيوم]] [[ast:Litiu]] [[be:Літый]] [[be-x-old:Літый]] [[bg:Литий]] [[bn:লিথিয়াম]] [[bs:Litijum]] [[ca:Liti]] [[co:Litiu]] [[cs:Lithium]] [[cv:Лити]] [[cy:Lithiwm]] [[da:Lithium]] [[el:Λίθιο]] [[en:Lithium]] [[eo:Litio]] [[es:Litio]] [[et:Liitium]] [[eu:Litio]] [[fa:لیتیوم]] [[fi:Litium]] [[fo:Lithium]] [[fr:Lithium]] [[fur:Liti]] [[fy:Litium]] [[ga:Litiam]] [[gl:Litio]] [[gv:Litçhey]] [[hak:Lî]] [[haw:Likiuma]] [[he:ליתיום]] [[hi:लिथियम]] [[hr:Litij]] [[hsb:Litium]] [[ht:Lityòm]] [[hu:Lítium]] [[hy:Լիթիում]] [[id:Litium]] [[io:Litio]] [[is:Litín]] [[it:Litio]] [[ja:リチウム]] [[jbo:roksodna]] [[jv:Litium]] [[ka:ლითიუმი]] [[kn:ಲಿಥಿಯಮ್]] [[ko:리튬]] [[ksh:Lithium]] [[ku:Lîtyûm]] [[la:Lithium]] [[lb:Lithium]] [[lij:Littio]] [[lt:Litis]] [[lv:Litijs]] [[mk:Литиум]] [[ml:ലിഥിയം]] [[mr:लिथियम]] [[ms:Litium]] [[my:လီသီယမ်]] [[nds:Lithium]] [[new:लिथियम]] [[nl:Lithium]] [[nn:Litium]] [[no:Litium]] [[oc:Liti]] [[pa:ਲਿਥੀਅਮ]] [[pl:Lit (pierwiastek)]] [[pnb:لیتھیم]] [[pt:Lítio]] [[qu:Lityu]] [[ro:Litiu]] [[ru:Литий]] [[sa:लिथियम]] [[sah:Литиум]] [[sh:Litij]] [[simple:Lithium]] [[sk:Lítium]] [[sl:Litij]] [[sq:Litiumi]] [[sr:Литијум]] [[stq:Lithium]] [[su:Litium]] [[sv:Litium]] [[sw:Lithi]] [[ta:லித்தியம்]] [[th:ลิเทียม]] [[tl:Lityo]] [[tr:Lityum]] [[tt:Литий]] [[ug:لىتىي]] [[uk:Літій]] [[ur:سنگصر]] [[uz:Litiy]] [[vi:Liti]] [[wa:Litiom]] [[war:Lithium]] [[xal:Литион]] [[yi:ליטיום]] [[yo:Lithium]] [[zh:锂]] [[zh-min-nan:Li (goân-sò͘)]] [[zh-yue:鋰]] q3c3wwwxnrbc3u01hp06d4trehc4nw0 wikitext text/x-wiki Livia Drusilla 0 23854 27356 27355 2010-06-07T19:33:47Z 84.58.237.48 /* Scheidung von Tiberius Claudius Nero und Hochzeit mit Octavian (39&nbsp;v.&nbsp;Chr.) */ Quelle: ich [[File:8092 - Roma - Ara Pacis - Livia - Foto Giovanni Dall'Orto - 28-Mar-2008.jpg|miniatur|Porträt Livias (Abguss eines Originals in der [[Ny Carlsberg Glyptotek]]]] '''Livia Drusilla''' (* [[30. Januar]] [[58 v. Chr.]]; † [[29]]&nbsp;n.&nbsp;Chr. in [[Rom]]), meist nur kurz '''Livia''' genannt, war die langjährige dritte Ehefrau des [[Liste der römischen Kaiser|römischen Kaisers]] [[Augustus]]. Nach dessen Tod wurde sie '''Iulia Augusta''' genannt und trug als erste Römerin den kaiserlichen Titel [[Augustus (Titel)|Augusta]]. Von ihrem Enkel, Kaiser [[Claudius]], nach ihrem Tod zur Göttin erhöht, wurde sie ab 42&nbsp;n.&nbsp;Chr. '''Diva Augusta''' genannt. Im Jahr 38 v. Chr. heiratete Livia Drusilla unter Umständen, die viele Römer als skandalös empfanden, den Triumvirn Gaius Caesar, den späteren Augustus, der damals nach [[Marcus Antonius]] der zweitmächtigste Mann Roms war. Damit rückte sie ins Zentrum der militärischen und politischen Auseinandersetzungen jener Zeit. Der Aufstieg des jungen Caesar Oktavian vom Triumvirn zum [[Princeps]] und damit mächtigsten Mann des römischen Reiches war auch ihr eigener. Dass die Ehe 52,2 Jahre bis zum Tode des Augustus hielt, war für die damalige Zeit außergewöhnlich, zumal Livia wegen einer mit schweren Komplikationen verbundenen Frühgeburt Augustus’ Wunsch nach einem Kind nicht erfüllen konnte. Daher war, auch wenn die Eheschließung von politischen Motiven bestimmt gewesen sein mag, für ihren Bestand gegenseitige Zuneigung und Respekt ausschlaggebend. Trotz oder wegen des stürmischen Beginns ihrer Verbindung war Livia auf ihren guten Ruf als Ehefrau und vorbildliche Mutter bedacht. Im Rahmen der augusteischen Propaganda der wiederhergestellten Republik wirkte sie seit 27&nbsp;v.&nbsp;Chr. geradezu als lebende Inkarnation gesellschaftlicher und moralischer Erneuerung. Augustus würdigte diese Rolle durch Ehrungen, vor allem 9&nbsp;v.&nbsp;Chr., und räumte ihr politischen Einfluss ein, denn er pflegte wichtige Fragen der Politik mit ihr zu besprechen und ihren Rat einzuholen. Von Livia stammen vier Kaiser ab: Sie war die Mutter des [[Tiberius]], die Urgroßmutter [[Caligula]]s, die Großmutter des [[Claudius]] und die Ururgroßmutter [[Nero]]s. == Leben == === Herkunft und Familie === Am dritten Tag vor den [[Kalenden]], dem Monatsbeginn, des Februar 58&nbsp;v.&nbsp;Chr. wurde Livia in Rom als Tochter des [[Marcus Livius Drusus Claudianus]] und der Alfidia geboren.<ref>{{CIL|9|3661}}; [[Cassius Dio]] [http://penelope.uchicago.edu/Thayer/E/Roman/Texts/Cassius_Dio/48*.html#44 48,43–44]; vgl. dazu C.-M. Perkounig, ''Livia Drusilla-Iulia Augusta'', 1995, S. 31–33.</ref> Im Geburtsjahr Livias zählte der Januar noch 28 Tage, so dass sie wohl am 27. Januar zur Welt kam. Im Jahr 45&nbsp;v.&nbsp;Chr. reformierte Caesar den [[Julianischer Kalender|römischen Kalender]] und fügte dem Januar drei Tage hinzu. Livia aber datierte ihren Geburtstag nicht neu, sondern blieb bei der Formulierung „am dritten Tag vor den Kalenden“. Dieser fiel nun im neuen Kalender auf den 30. Januar, der ihr offizielles Geburtsdatum wurde.<ref>Christiane Kunst, ''Livia'', Stuttgart 2008, S. 21. Auch an der allgemein angenommenen Datierung 58&nbsp;v.&nbsp;Chr. sind unlängst Zweifel geäußert worden mit dem Argument, dass die ''Ara pacis'' am 30. Januar 9&nbsp;v.&nbsp;Chr. zu Ehren des 50. Geburtstags der Livia geweiht worden sei: Anthony A. Barrett, ''The Year of Livia's Birth'', in: ''Classical Quarterly'' Bd. 49, 1999, S. 630–632. Dagegen Christiane Kunst, ''Livia'', Stuttgart 2008, S. 21 f. zu Gunsten von 58&nbsp;v.&nbsp;Chr.</ref> Livias Vater, Marcus Livius Drusus Claudianus, war ein gebürtiger [[Claudier]] und stammte aus dem altem patrizischen Geburtsadel. Vermutlich als Heranwachsender war er von [[Marcus Livius Drusus der Jüngere|Marcus Livius Drusus dem Jüngeren]], dessen Ehe kinderlos geblieben war, in die Familie der [[Livier]] adoptiert worden.<ref>Sueton, ''Tiberius'' [http://penelope.uchicago.edu/Thayer/E/Roman/Texts/Suetonius/12Caesars/Tiberius*.html#3 3,1].</ref> Diese waren zwar keine Patrizier, sondern Senatoren [[Plebejer|plebeischer]] Herkunft. Aber sie gehörten ebenso wie die Claudier zu den politisch aktiven Nobilitätsfamilien der Republik, die über Jahrhunderte zahlreiche Amtsträger gestellt hatten. So hatte sich Livias Großvater als [[Volkstribun]] im Jahr 91&nbsp;v.&nbsp;Chr. zum Ziel gesetzt, den italischen Bundesgenossen Roms das römische Bürgerrecht zu verschaffen.<ref>T. Robert S. Broughton, ''Magistrates of the Roman Republic'', Band 2, S. 21 f. mit den Quellenbelegen.</ref> Nach der Adoption führte Livias Vater den Namen seines Adoptivvaters Marcus Livius Drusus und fügte den Beinamen Claudianus an, der auf seine patrizische Herkunft hinwies.<ref>{{CIL|9|3660}} (= ILS 124/5); Sueton, ''Tiberius'' [http://penelope.uchicago.edu/Thayer/E/Roman/Texts/Suetonius/12Caesars/Tiberius*.html#3 3,1]; Tacitus, ''Annalen'' [http://www.thelatinlibrary.com/tacitus/tac.ann5.shtml#1 5,1,1]; [http://www.thelatinlibrary.com/tacitus/tac.ann6.shtml#51 6,51,1].</ref> Wie es allgemein üblich war, erhielt seine Tochter, die nach der Adoption geboren wurde, den Familiennamen des neuen Geschlechts als Name: ''Livia'', mit dem Beinamen in der zärtlichen Koseform ''Drusilla''. Livias Mutter Alfidia gehörte der landstädtischen Munizipalaristokratie an. Claudianus dürfte sie wohl spätestens im März 59&nbsp;v.&nbsp;Chr. nicht zuletzt wegen ihres Reichtums geheiratet haben.<ref> Dazu und zur Frage eines politischen Hintergrunds der Heirat Christiane Kunst, ''Livia'', Stuttgart 2008, S. 23 f. und 34.</ref> Nach Caesars Tod 44&nbsp;v.&nbsp;Chr. schloss sich Claudianus der Partei der Caesarattentäter an, trat 43&nbsp;v.&nbsp;Chr. offen für [[Decimus Iunius Brutus Albinus|Decimus Brutus]] ein und wollte ihm das Kommando über zwei [[Römische Legion|Legionen]] verschaffen.<ref>[[Marcus Tullius Cicero|Cicero]], ''ad familiares'' 11,19,1.</ref> Wegen dieser Parteinahme und um sein großes Vermögen einzuziehen setzten die [[Triumvirat|Triumvirn]] [[Augustus|Octavian]], [[Marcus Antonius]] und [[Marcus Aemilius Lepidus (Triumvir)|Lepidus]] Ende Oktober 43&nbsp;v.&nbsp;Chr. Claudianus auf die berüchtigten [[Proskription]]slisten. Mit diesen erklärten sie ihre politischen Gegner als Staatsfeinde für [[vogelfrei]] und konfiszierten deren Besitz zu Gunsten der eigenen Kriegskassen, um den [[Römische Bürgerkriege|Bürgerkrieg]] gegen die Caesarmörder erfolgreich beenden zu können.<ref>Cassius Dio, [http://penelope.uchicago.edu/Thayer/E/Roman/Texts/Cassius_Dio/48*.html#44 48,44,1]. Zu der uneingeschränkten Strafgewalt der Triumvirn als formalrechtliche Grundlage der Proskriptionen [[Volker Fadinger]], ''Die Begründung des Prinzipats'', 1969, S. 40 f. mit den Quellenbelegen.</ref> Claudianus blieb nur die Flucht in die Ostprovinzen, wo er sich dem Heer der Caesarmörder unter Befehl des [[Marcus Iunius Brutus|Marcus Brutus]] und [[Gaius Cassius Longinus (Verschwörer)|Gaius Cassius]] anschloss. === Hochzeit mit Tiberius Claudius Nero 43&nbsp;v.&nbsp;Chr.=== Unter diesen schwierigen Umständen verheiratete er sein einziges Kind, Livia, mit [[Tiberius Claudius Nero (Prätor 42&nbsp;v.&nbsp;Chr.)|Tiberius Claudius Nero]], einem entfernten Verwandten. So konnte er seiner Tochter wenigstens einen Teil seines Vermögens in Form einer Mitgift übertragen. Livia war gerade 15 Jahre alt, während Claudius Nero wegen der an die Ämterlaufbahn gebundenen Altersstufen mindestens 26 Jahre älter als seine Frau gewesen sein muss.<ref> Zu seiner Prätur 42&nbsp;v.&nbsp;Chr.: Sueton, ''Tiberius'' [http://penelope.uchicago.edu/Thayer/E/Roman/Texts/Suetonius/12Caesars/Tiberius*.html#4 4,2]; T. Robert S. Broughton, ''The Magistrates of the Roman Republic'', Band II, S. 359 und Christiane Kunst, ''Livia'', Stuttgart 2008, S. 40. Bei diesem Amt war ein Mindestalter von 40 Jahren vorgeschrieben: Livius 40,44,1. Anders Christiane Kunst, ''Livia'', Stuttgart 2008, S. 28, die aus der Ämterlaufbahn erschließen will, dass er „mindestens 15 Jahre älter als seine Frau war.“</ref> Noch bevor Livia ihr erstes Kind zur Welt bringen konnte, beging ihr Vater Selbstmord. Zwei Monate vor ihrer Niederkunft war es im September 42&nbsp;v.&nbsp;Chr. zur [[Schlacht bei Philippi|Doppelschlacht von Philippi]] gekommen, in der die Heere der Caesarmörder den Triumvirn Marcus Antonius und Octavian unterlagen. In seiner Verzweiflung über die Niederlage und ohne Hoffnung auf eine Zukunft stürzte sich Claudianus in seinem Zelt ins Schwert.<ref>Velleius 2,71,3.</ref> Am 16. November 42&nbsp;v.&nbsp;Chr. brachte Livia auf dem [[Palatin (Rom)|Palatin]], der bevorzugten Wohngegend der republikanischen Aristokratie in Rom, ihren ersten Sohn zur Welt. Er erhielt den gleichen Namen wie sein Vater, Tiberius Claudius Nero.<ref>Sueton, ''Tiberius'' [http://penelope.uchicago.edu/Thayer/E/Roman/Texts/Suetonius/12Caesars/Tiberius*.html#5 5,1].</ref> === Scheidung von Tiberius Claudius Nero und Hochzeit mit Octavian (39&nbsp;v.&nbsp;Chr.)=== Livias Ehemann hatte sich zunächst wie sein Vater den Caesarmördern angeschlossen, vollzog dann aber eine Kehrtwende und erwies sich den Triumvirn als nützlich. So vermied er, auf die Proskriptionsliste gesetzt zu werden, und schaffte im Jahr 42&nbsp;v.&nbsp;Chr. sogar den Sprung in ein [[Prätor]]enamt. In dieser Funktion setzte er ganz auf Marcus Antonius, den mächtigsten Mann im Triumvirat, und unterstützte im [[Perusinischer Krieg|Perusinischen Bürgerkrieg]] dessen Ziele. Nach der Niederlage der Parteigänger des Antonius floh Claudius Nero mit Livia und ihrem zweijährigen Sohn Tiberius vor dem siegreichen Octavian 40&nbsp;v.&nbsp;Chr. zu [[Sextus Pompeius]] nach Sizilien (Italien), dann nach Griechenland zu [[Marcus Antonius]]. In [[Sparta]] fand die Familie schließlich Aufnahme und für einige Zeit eine sichere Zuflucht, denn die Spartaner gehörten zur Klientel der Claudier und waren der Familie des Claudius Nero zu Hilfeleistungen verpflichtet.<ref>Velleius 2,76,1; Sueton, ''Tiberius'' [http://penelope.uchicago.edu/Thayer/E/Roman/Texts/Suetonius/12Caesars/Tiberius*.html#6 6,2] und Cassius Dio [http://penelope.uchicago.edu/Thayer/E/Roman/Texts/Cassius_Dio/54*.html#7 54,7,2].</ref> In der zweiten Hälfte des Jahres 39&nbsp;v.&nbsp;Chr. konnte Livia mit ihrem Gatten und Sohn nach Rom zurückkehren, nachdem die Triumvirn sich untereinander versöhnt und mit Sextus Pompeius im [[Vertrag von Misenum]] Frieden geschlossen hatten.<ref> Velleius 2,77,1–3 und Tacitus, ''Annalen'' [http://www.thelatinlibrary.com/tacitus/tac.ann5.shtml#1 5,1,1].</ref> Es spricht einiges dafür, dass Livia und Octavian am 23. September 39&nbsp;v.&nbsp;Chr. in dessen Haus zum ersten Mal zusammentrafen. Der Triumvir ließ in diesem Jahr mit großem Aufwand seinen 24. Geburtstag feiern, weil er ihn mit dem Fest der Bartschur verband. Aus diesem Anlass veranstaltete er in aller Öffentlichkeit ein Bankett.<ref>Cassius Dio [http://penelope.uchicago.edu/Thayer/E/Roman/Texts/Cassius_Dio/48*.html#34 48,34,3].</ref> Als er bei diesem Fest Livia begegnete, verliebte er sich in sie. Kurz zuvor hatte er nach kaum einjähriger Ehe seiner zweiten Frau [[Scribonia]] den Scheidungsbrief zustellen lassen. Skandalös daran war, dass er genau an dem Tag bei ihr eintraf, als das erste gemeinsame Kind, [[Iulia (Tochter des Augustus)|Iulia]], geboren wurde.<ref>Sueton, ''Augustus'' [http://penelope.uchicago.edu/Thayer/E/Roman/Texts/Suetonius/12Caesars/Augustus*.html#62 62,2] und Cassius Dio [http://penelope.uchicago.edu/Thayer/E/Roman/Texts/Cassius_Dio/48*.html#34 48,34,3].</ref> In seinen „Memoiren“ rechtfertigte sich Augustus später damit, dass er sich zur Scheidung entschlossen habe „durch und durch angeekelt von ihrem verkommenen Charakter.“ <ref>Sueton, ''Augustus'' [http://penelope.uchicago.edu/Thayer/E/Roman/Texts/Suetonius/12Caesars/Augustus*.html#62 62,2]: ''pertaesus, ut scribit, morum perversitatem eius''. Dazu auch Christiane Kunst, ''Livia'', Stuttgart 2008, S. 47 und 288 Anm. 8, wo versehentlich Sueton, ''Augustus'' [http://penelope.uchicago.edu/Thayer/E/Roman/Texts/Suetonius/12Caesars/Augustus*.html#69 69,2] statt [http://penelope.uchicago.edu/Thayer/E/Roman/Texts/Suetonius/12Caesars/Augustus*.html#62 62,2] als Beleg angegeben ist.</ref> Im Oktober 39&nbsp;v.&nbsp;Chr. bat Octavian Claudius Nero, sich von Livia scheiden zu lassen, obwohl diese mit einem zweiten Sohn, [[Drusus]], im sechsten Monat schwanger war.<ref>Sueton, ''Claudius'' [http://penelope.uchicago.edu/Thayer/E/Roman/Texts/Suetonius/12Caesars/Claudius*.html#1 1,1].</ref> Das schloss eine [[Ehe im Römischen Reich#Scheidung und Witwenstand|Heirat]] mit einem anderen Mann nach den gültigen Regeln aus. Doch Octavian setzte eine Sondererlaubnis des Priesterkollegiums der ''[[Pontifex|Pontifices]]'' durch. Claudius Nero zögerte nicht, zu gehorchen, und übernahm anlässlich der Hochzeit sogar die Rolle des Brautvaters, als er die knapp 20-jährige Livia dem jungen Bräutigam zuführte. Der Termin der Hochzeit ergibt sich eindeutig aus der literarischen Überlieferung. Dagegen legen Inschriften dieses Ereignis auf den 17. Januar 38&nbsp;v.&nbsp;Chr. fest, drei Tage nach der Geburt des Drusus, die Sueton in der Biographie des Kaisers [[Claudius]] auf den 14. Januar datiert. Dabei handelt es sich um einen offiziellen Termin, den erst Kaiser Claudius zum Festtag beschließen ließ, ''weil auch der Geburtstag seines Großvaters (Marcus) Antonius auf denselben Tag falle''.<ref>Sueton, ''Claudius'' [http://penelope.uchicago.edu/Thayer/E/Roman/Texts/Suetonius/12Caesars/Claudius*.html#11 11,3]. Antonius’ Geburtstag, der nach seiner Niederlage bei Actium 31&nbsp;v.&nbsp;Chr. vom Senat zu einem Unglückstag erklärt wurde: Cassius Dio [http://penelope.uchicago.edu/Thayer/E/Roman/Texts/Cassius_Dio/51*.html#19 51,19,3].</ref> Das war nach Ausweis der kaiserlichen Kalender ([[Fasti]] Praenestini) der 14. Januar. Mit dem tatsächlichen Datum der Eheschließung und der Geburt des Drusus hat er nichts zu tun.<ref>Velleius 2,79,2; vgl. auch 2,94,1 und Cassius Dio [http://penelope.uchicago.edu/Thayer/E/Roman/Texts/Cassius_Dio/48*.html#44 48,44,3]; zum Problem der Datierung jetzt im einzelnen Kunst, ''Livia'', S. 48 und 336–340: Appendix 1: ''Die Geburt des Drusus und das Hochzeitsdatum von Livia und Octavian''.</ref> In Wirklichkeit muss Drusus wegen Sueton, ''Claudius'' [http://penelope.uchicago.edu/Thayer/E/Roman/Texts/Suetonius/12Caesars/Claudius*.html#1 1,1] ''im dritten Monat nach der Hochzeit'' geboren worden sein.<ref> So korrekt Sueton, ''Claudius'' [http://penelope.uchicago.edu/Thayer/E/Roman/Texts/Suetonius/12Caesars/Claudius*.html#1 1,1]; vgl. auch Dietmar Kienast, ''Nero C. Drusus'', Nr. II 24, in: DNP 3,1997, Sp. 15 gegen Sueton, ''Claudius'' [http://penelope.uchicago.edu/Thayer/E/Roman/Texts/Suetonius/12Caesars/Claudius*.html#11 11,3].</ref> Historisch glaubwürdig ist also nur die literarische Überlieferung. Danach muss die Hochzeit drei Monate früher, als im Festkalender offiziell angegeben, stattgefunden haben, also Mitte bis Ende Oktober 39&nbsp;v.&nbsp;Chr. Später wurde dann das offizielle Hochzeitsdatum auf den 17. Januar 38&nbsp;v.&nbsp;Chr. festgelegt.<ref>Christiane Kunst, ''Livia'', Stuttgart 2008, S. 336–338.</ref> Octavian soll Livia, so [[Publius Cornelius Tacitus|Tacitus]], „aus Lust auf ihre Schönheit“<ref>Tacitus, ''Annalen'' [http://www.thelatinlibrary.com/tacitus/tac.ann5.shtml#1 5,1,2]: ''cupidine formae''.</ref> begehrt haben. Und Sueton betont eine Nuance sachlicher, dass Octavian zwar „Livia ihrem Gatten Tiberius Nero wegnahm, als sie schon schwanger war“, aber „sie auf einzigartige Art und Weise und mit einzigartiger Treue liebte und schätzte.“<ref>Sueton, ''Tiberius'' [http://penelope.uchicago.edu/Thayer/E/Roman/Texts/Suetonius/12Caesars/Tiberius*.html#62 62,2]: ''Liviam Drusillam matrimonio Tiberi Neronis et quidem praegnantem abduxit dilexitque et probavit unice ac perseveranter.''</ref> Eine leidenschaftliche Liebesbeziehung mag in der Tat die entscheidende Triebfeder gewesen sein.<ref>Vgl. Klaus Bringmann, ''Augustus'', Darmstadt 2007, S. 81.</ref> Doch allein erklärt dieses Motiv nicht, weshalb Octavian Livia so überstürzt heiraten wollte. Es muss noch ein politisches Kalkül hinzugekommen sein: Bei dieser Scheidung und Wiederverheiratung hat der Frontwechsel des früheren Antonius-Anhängers Claudius Nero zu Octavian eine bedeutsame Rolle gespielt.<ref>Vgl. Thomas Späth, ''„Frauenmacht“ in der frühen römischen Kaiserzeit?'', S. 183 mit Anm. 66.</ref> Die Heirat verstärkte enorm Octavians Basis in der alten Aristokratie.<ref>Werner Eck, ''Augustus'', München 1998, S. 24 f.</ref> Von „Brautraub“, wie Tacitus<ref>Tacitus, ''Annalen'' [http://www.thelatinlibrary.com/tacitus/tac.ann5.shtml#1 5,1].</ref> suggeriert, kann keine Rede sein, da Augustus Claudius Nero gebeten hatte, ihm Livia abzutreten.<ref>Heinrich Schlange-Schöningen, ''Augustus'', Darmstadt 2005, S. 63, übernimmt die Version des Tacitus, der aber selbst bekennen muss, dass das eine „unsichere“ These sei.</ref> Dass ihr erster Ehemann bei der Hochzeit anwesend war und eine wichtige Rolle bei der Zeremonie spielte, untermauert, dass er der Bitte aus freiem Willen gefolgt war, um sich dem starken Mann in Rom zu verpflichten. Sein früheres Engagement gegen Octavian im Perusinischen Krieg machte ihn jetzt gefügig. Es war ihm klar geworden, dass man hohe Staatsämter ohne Zustimmung der Triumvirn nicht erlangen konnte. So ist es sicher kein Zufall, dass Livias Großcousin [[Appius Claudius Pulcher (Konsul 38&nbsp;v.&nbsp;Chr.)|Appius Claudius Pulcher]] im Jahr 38&nbsp;v.&nbsp;Chr. Konsul wurde.<ref>T. Robert S. Broughton, ''Magistrates of the Roman Republic'' II, S. 390 mit den Quellenbelegen und Christiane Kunst, ''Livia'', Stuttgart 2008, S. 48 f.</ref> Andererseits war Octavian an der Hochzeit sehr gelegen; denn er wollte sich, nachdem er die Rachepflicht für seinen ermordeten Adoptivvater Caesar erfüllt hatte, mit der alten republikanischen Aristokratie aussöhnen. Die neuen Bündnispartner legten größten Wert auf die öffentliche Demonstration, dass alles mit rechten Dingen zugegangen sei. Um sich und Livia zu entlasten, ließ Octavian Drusus, der in seinem Haus geboren wurde, dem leiblichen Vater übergeben, der ihn sofort als seinen Sohn anerkannte. Als Claudius Nero einige Zeit später starb, wurde Octavian auf Grund seines Testamentes Vormund seiner beiden Söhne und nahm sie in seinem Haus auf.<ref>Jochen Bleicken, ''Augustus'', Berlin 1998, S. 209.</ref> Offensichtlich im Propagandakampf der Jahre 33 und 32&nbsp;v.&nbsp;Chr. ließ Antonius verbreiten, ''Drusus sei ein Sohn aus einem ehebrecherischen Verhältnis mit seinem Stiefvater (= Caesar Octavian).'' Dass dies nur ein Gerücht war, betont Sueton ausdrücklich. Er fügt hinzu, fest stehe nur, dass sofort der Spottvers die Runde machte: ''Mit denen es das Glück gut meint, die haben sogar ein Dreimonatskind.'' Er zitiert ihn in Griechisch, so dass er nur im griechischen Sprachraum des Ostens, über den der Triumvir Antonius herrschte, in Umlauf gebracht worden sein kann. Als historisch gesicherte Tatsache berichtet Sueton lediglich, dass ''Livia Drusus im dritten Monat nach der Heirat mit Augustus – zu diesem Zeitpunkt war sie bereits schwanger – zur Welt gebracht hat''. Damit führt er das Gerücht ad absurdum.<ref>Sueton, ''Claudius'' [http://penelope.uchicago.edu/Thayer/E/Roman/Texts/Suetonius/12Caesars/Claudius*.html#1 1]; vgl. auch Cassius Dio [http://penelope.uchicago.edu/Thayer/E/Roman/Texts/Cassius_Dio/48*.html#44 48,44,5] und Klaus Bringmann, ''Augustus'', S. 81.</ref>. === Die Ehefrau eines Triumvirn (38 bis 27&nbsp;v.&nbsp;Chr.) === [[Datei:Livia Drusilla Louvre Ma1233.jpg|thumb|Livia in jungen Jahren, um 31&nbsp;v.&nbsp;Chr. ([[Louvre]], Paris)]] '''Livia und Octavian im Umbruch von der Republik zur Monarchie: Vom Zweiten Triumvirat zum Duovirat (43–36&nbsp;v.&nbsp;Chr.)''' Die [[Triumvirat#Das Zweite Triumvirat|Triumviratszeit]] war eine Epoche des Übergangs von der Adelsrepublik zur Monarchie. Am 27. November 43&nbsp;v.&nbsp;Chr. erhielt der Triumvirat „zur Neuordnung des Staates“ durch die Lex Titia eine gesetzliche Grundlage. Das Gesetz übertrug den Triumvirn zur wirksamen Bekämpfung des Staatsnotstandes zunächst auf fünf Jahre (42 bis Ende 38&nbsp;v.&nbsp;Chr.) diktatorische Befugnisse, die lediglich durch das Kollegialitätsprinzip, das heißt den Zwang, alle Entscheidungen einstimmig zu treffen, eingeschränkt waren. Der Triumvirat wird als eine „Dreier-[[Römischer Diktator|Diktatur]]“ definiert, weil das Volk mit der Lex Titia die gesamte Gewalt über die [[Römische Republik|Res publica]] und das römische Weltreich in die Hände der Triumvirn gelegt und sich damit selbst entmachtet hatte.<ref>Dazu im einzelnen mit den Quellenbelegen Volker Fadinger, ''Prinzipat'', S. 48 ff. und Dietmar Kienast, ''Augustus. Princeps und Monarch'', 3. erweiterte Auflage, Darmstadt 1999, S. 37 ff.</ref> Aufgrund dieser Machtkonzentration ihrer Männer rückten die Frauen der Triumvirn weit stärker in die Öffentlichkeit, als das bisher für die weiblichen Angehörigen der republikanischen Adelshäuser der Fall war. Als Gattin des nach Marcus Antonius zweitmächtigsten Triumvirn erlangte Livia eine politisch-gesellschaftliche Sonderstellung. <ref>Vgl. auch Christiane Kunst, ''Livia'', Stuttgart 2008, S. 66.</ref> Im Vertrag von Tarent 37&nbsp;v.&nbsp;Chr. wurde das Triumvirat um weitere fünf Jahre von Anfang 37 bis Ende 33&nbsp;v.&nbsp;Chr. verlängert und zumindest Octavian hat sich vom Volk in Rom durch Gesetz diese zweite Laufzeit legalisieren lassen.<ref>Dazu im einzelnen mit allen Quellen Volker Fadinger, ''Prinzipat'', S. 89 ff. und Dietmar Kienast, ''Augustus'', S. 53 ff.</ref> Am 3. September 36 errang Octavian bei [[Seeschlacht von Naulochoi|Naulochos]] einen vollständigen Sieg über [[Sextus Pompeius]] und eroberte Sizilien. Als sein Kollege Lepidus ihm die Insel streitig machte, erreichte Octavian durch geschickte Agitation, dass dessen Truppen zu ihm überliefen. Lepidus wurde seine Triumviralgewalt durch Volksbeschluss aberkannt. Sein Anteil an der Triumviralgewalt wurde auf die beiden verbliebenen Triumvirn übertragen. Das Reich zerfiel jetzt in zwei Hälften: Im Osten regierte Antonius, der Westen war ganz in der Gewalt Octavians. Der Gatte Livias hatte an Macht und Einfluss zu Marcus Antonius aufgeschlossen. Ehrungen, die ihm Senat und Volk von Rom beschlossen, dienten der Überhöhung dieser persönlichen Stellung: So wurden ihm die ''[[Sakrosankt|Sacrosanctitas]]'' eines Volkstribunen und das Recht, auf der Volkstribunenbank zu sitzen, übertragen.<ref>Cassius Dio [http://penelope.uchicago.edu/Thayer/E/Roman/Texts/Cassius_Dio/49*.html#15 49,15,5]; vgl. Wolfgang Kunkel, Roland Wittmann, ''Staatsordnung und Staatspraxis der römischen Republik.'' Zweiter Abschnitt: ''Die Magistratur'', Handbuch der Altertumswissenschaft X.3.2.2, München 1995, S. 664.</ref> Beide Rechte lassen ihn in besonderer Weise für das Wohl der breiten Masse der Bevölkerung verantwortlich erscheinen. Sie weisen bereits auf die Amtsgewalt der Volkstribunen voraus, die seit 23&nbsp;v.&nbsp;Chr. eine zentrale Rechtsbasis für Augustus' Macht im Staate bilden sollte. Im gleichen Maß wurde die Sonderstellung Livias und [[Octavia Minor|Octavias]], der Schwester Octavians und Ehefrau des Triumvirn Marcus Antonius, ausgebaut: Auf Veranlassung oder mit Duldung Octavians wurden ihnen 35&nbsp;v.&nbsp;Chr. folgende Sonderrechte verliehen: * Durch Beschluss des ''[[Concilium Plebis]]'' (= ''Plebiscitum'') die gleiche ''Sacrosanctitas'', d.h. „Heiligkeit“ , wie sie die Volkstribunen besaßen, nur losgelöst von deren Amt.<ref>Cassius Dio 49,38,1. Nach Paul Schrömbges, ''Tiberius und die Res publica Romana'', S. 376 Anm. 214 war anders als im Falle Octavians Vorbild für das Privileg Livias und Octavias nicht die ''sacrosanctitas'' des Volkstribunen, sondern die der [[Vestalin]]nen. Dagegen zu Recht Christiane Kunst, ''Livia'', S. 79. Cassius Dio spricht ausdrücklich von der Unverletzlichkeit der Volkstribunen und nicht der von Vestalinnen.</ref> Die römische ''Plebs'', die den Volkstribunen schützte, sollte wie im Falle Octavians einen Angriff auf Livia oder Octavia als Angriff auf sich selbst werten.<ref>Vgl. dazu Festus 318 unter dem Stichwort ''sacrosanctus'' und {{DNP|10|1203||Sacrosanctus|[[Walter Eder]]}}.</ref> Losgelöst vom Amt des Volkstribunen sollte die „Heiligkeit“ Octavians und nun auch Livias sowie Octavias in dieser neuen Form die Unantastbarkeit und religiöse Weihe des Monarchen und seines Hauses symbolisieren; denn erstmals war dem Diktator Caesar 44&nbsp;v.&nbsp;Chr. dieses Sonderrecht zuerkannt worden.<ref>Cassius Dio [http://penelope.uchicago.edu/Thayer/E/Roman/Texts/Cassius_Dio/44*.html#5 44,5,3]; dazu im einzelnen mit den Parallelquellen [[Martin Jehne]], ''Der Staat des Dictators Caesar'', Passauer Historische Forschungen 3, Böhlau, Köln-Wien 1987, 96 ff. mit Anm. 4 (S. 96), ISBN 3-412-06786-5. Zu Caesar, dem Diktator, als Vorbild Octavians für die Ehrungen des Jahres 35&nbsp;v.&nbsp;Chr. Jochen Bleicken, ''Augustus'', Berlin 1998, S. 654.</ref> Beide Frauen wurden von der Vormundschaft befreit und erhielten völlige Freiheit, ihre eigenen Angelegenheiten selbstständig und eigenverantwortlich zu regeln. Dieses Privileg bedeutete eine große Auszeichnung, da es Livia und Octavia über den Status einer üblichen ''[[Matrone]]'', das heißt verheirateten Frau, weit hinaushob. Es wurde ihnen männliches Bewusstsein von Verantwortung attestiert. Außerdem waren sie rechtlich den hoch angesehenen [[Vestalin]]nen gleich gestellt. Diese genossen das Privileg, weil sie für die staatliche Gemeinschaft der Römer einen unschätzbaren Dienst leisteten. * Statuen von ihnen sollten im öffentlichen Raum aufgestellt werden.<ref>Cassius Dio, [http://penelope.uchicago.edu/Thayer/E/Roman/Texts/Cassius_Dio/49*.html#38 49,38,1].</ref> In dieser Weise waren Frauen bis dahin nach römischer Tradition nicht im öffentlichen Raum geehrt worden; denn die Ehrung musste von Senat und Volk von Rom beschlossen werden, die sie zumeist höheren Magistraten für Verdienste um den Staat zukommen ließen.<ref>Plinius, ''Naturalis Historia'' 34,30.</ref>. Besonders bedeutsam an diesen Vorrechten ist, dass Octavian die Frauen seiner Familie überhaupt in Ehrungen einbezog, die eigentlich ihm allein als siegreichem Feldherrn über Sextus Pompeius und Lepidus zukamen. Damit meldete er bereits dynastische Ansprüche an, die im hellenistischen Königtum wurzelten, für Rom aber etwas völlig Neues darstellten.<ref>Christiane Kunst, ''Livia'', Stuttgart 2008, S. 78 ff.</ref> Hier kündigte sich in der Tat eine Entwicklung an, ''wie die herrschende Familie bald allein das gesamte Volk repräsentierte und schließlich an seine Stelle trat''.<ref>Werner Eck, ''Augustus'', S. 29.</ref> 33&nbsp;v.&nbsp;Chr. starb ihr erster Ehemann Tiberius Claudius Nero. Ihr gemeinsamer Sohn, der neunjährige [[Tiberius]], veranstaltete Leichenspiele – Gladiatorenkämpfe –, für die Livia die Kosten trug, obwohl offiziell Tiberius als Veranstalter der Spiele auftrat.<ref> Sueton, ''Tiberius'' [http://penelope.uchicago.edu/Thayer/E/Roman/Texts/Suetonius/12Caesars/Tiberius*.html#7 7,1].</ref> Tiberius und Drusus verließen das Haus des Vaters und wechselten in den Haushalt ihrer Mutter und ihres Stiefvaters Octavian, denn Nero hatte Octavian testamentarisch als Vormund seiner Söhne eingesetzt.<ref>Cassius Dio [http://penelope.uchicago.edu/Thayer/E/Roman/Texts/Cassius_Dio/48*.html#44 48,44,4f.]; dazu Werner Eck, ''Augustus'', S. 25.</ref> Livias Beitrag zur Leichenfeier verdeutlicht noch einmal die Sonderrolle, die sie in der Triumviratszeit spielte. Er zeigt zum einen, dass sie unter allen Umständen die Karriere ihrer Söhne fördern wollte, zum anderen illustriert er die familiäre Loyalität und Integrität des Hauses, welche die Propaganda Octavians als Gegenbild zur Illoyalität des Antonius gegenüber Octavia und den mit ihr gezeugten Kindern herausstellte. Erstmals wird deutlich, wie stark die Rolle Livias auf die ''domus'' zentriert war, wie sie dann im [[Prinzipat]] prägend wurde.<ref>Christiane Kunst, ''Livia'', Stuttgart 2008, S. 82.</ref> === Die „Kaisergattin“ des Princeps Augustus (30 v. bis 14&nbsp;n.&nbsp;Chr.) === '''Livia und der Umbruch vom Duovirat zum Principat (36 v. bis 27&nbsp;v.&nbsp;Chr.)''' Die beiden Frauen der Triumvirn Octavian und Antonius, Livia und [[Octavia Minor|Octavia]], standen seit der Entmachtung des [[Marcus Aemilius Lepidus (Triumvir)|Lepidus]] 36&nbsp;v.&nbsp;Chr. im Blickpunkt der Öffentlichkeit. Ihre 35&nbsp;v.&nbsp;Chr. noch gleichrangige Sonderstellung wich bald darauf einer absoluten Vorrangstellung Livias und des iulisch-claudischen Hauses gegenüber den Frauen aller übrigen republikanischen Adelshäuser. Diese Wende trat ein, als es Octavian gelang, mit dem Sieg über Antonius und die ägyptische Königin [[Kleopatra VII.]] am 1. August 30&nbsp;v.&nbsp;Chr. den letzten Bürgerkrieg zu beenden und unangefochten in den alleinigen Besitz der römischen Weltherrschaft zu gelangen. Bereits 36&nbsp;v.&nbsp;Chr. hatte sich Antonius faktisch von Octavia zu Gunsten seiner neuen Geliebten, der ägyptischen Königin [[Kleopatra VII.|Kleopatra]], getrennt und damit den Bruch zwischen den beiden Triumvirn vorweggenommen. Octavia verweigerte zwar die Scheidung, wie es ihr Bruder von ihr verlangte, und zwang ihn damit, formal den Triumvirat fortzusetzen. Die Ehrungen von 35&nbsp;v.&nbsp;Chr. nahm sie aber an. Ende 33&nbsp;v.&nbsp;Chr. lief das Triumvirat ab, doch behielten beide Triumvirn die – nun vom Amt abgelöste – Triumviralgewalt bei, indem jeder den anderen beschuldigte, für den weiter bestehenden akuten Notstand verantwortlich zu sein. Im Jahr 32&nbsp;v.&nbsp;Chr. ließ sich Antonius in aller Form von Octavia scheiden. Er schickte Bevollmächtigte nach Rom, die ihr die übliche Scheidungsformel – „''Du magst Deine Sachen mitnehmen''“ – überbrachten.<ref>''[[Pandekten|Digesten]]'' 24,2,1; Plutarch, ''Antonius'' 57,3.</ref> Diese Brüskierung seiner römischen Ehefrau führte, als Octavian noch dazu den skandalösen Inhalt des Testaments des Antonius mit seinen Klauseln zu Gunsten der Kleopatra und ihrer gemeinsamen Kinder publizierte, zu einem jähen Stimmungsumschwung der öffentlichen Meinung in Rom ''(consensus universorum)''<ref>Augustus, ''Res gestae'', Kap. 34; Plutarch, ''Antonius'' 58,3–5; Cassius Dio [http://penelope.uchicago.edu/Thayer/E/Roman/Texts/Cassius_Dio/50*.html#3 50,3,3-5] und Sueton, ''Augustus'' [http://penelope.uchicago.edu/Thayer/E/Roman/Texts/Suetonius/12Caesars/Augustus*.html#17 17,1]; dazu Volker Fadinger, ''Prinzipat'', S. 233 ff.</ref> und ließ die Strategie von 35&nbsp;v.&nbsp;Chr. zu einem vollen Erfolg werden. Die römische Plebs wertete jetzt den Angriff auf die „sakrosankte“ Octavia als Angriff auf sich selbst und beschloss mit einem Gesetz, Antonius die Triumviralgewalt abzuerkennen, während Octavian mit dem Krieg gegen Kleopatra beauftragt wurde.<ref>Plutarch, ''Antonius'' 60; Cassius Dio [http://penelope.uchicago.edu/Thayer/E/Roman/Texts/Cassius_Dio/50*.html#4 50,4,3-4].</ref> Damit war er seit Mitte 32&nbsp;v.&nbsp;Chr. alleiniger Inhaber der Triumviralgewalt. Sie war von nun an eine reine [[Römischer Diktator|Diktaturgewalt]], da automatisch der Anteil des ausgeschiedenen Triumvirn dem übrig gebliebenen zuwuchs.<ref>Zu diesem Automatismus Appian, ''Bürgerkriege'' 5,1; dazu Volker Fadinger, ''Prinzipat'', S. 244 mit Anm. 2.</ref> Am 1. August 30&nbsp;v.&nbsp;Chr. beendete Octavian mit dem Sieg über Antonius und Kleopatra die Bürgerkriege und erfüllte damit den wichtigsten Auftrag der Lex Titia von 43&nbsp;v.&nbsp;Chr. In den Jahren 29 und 28&nbsp;v.&nbsp;Chr. stellte er schrittweise die Ordnung des Staates wieder her, um dann am 13. Januar 27&nbsp;v.&nbsp;Chr. die wiederhergestellte Res publica aus seiner triumviralen Ein-Mann-Potestas in die Souveränität von Senat und Volk von Rom zu entlassen.<ref>Augustus, ''Res gestae'', Kap. 34; dazu im einzelnen Volker Fadinger, ''Prinzipat'', S. 296 ff. und zuletzt Christiane Kunst, ''Livia'', Stuttgart 2008, S. 86.</ref> Auf Drängen der Senatoren und des Volks von Rom, im Interesse des inneren Friedens die Leitung des Staates weiterhin zu übernehmen, erklärte er sich nach einer angemessenen Phase des Zögerns bereit, die Verantwortung für die gefährdeten und noch nicht völlig befriedeten Provinzen des römischen Reiches zu übernehmen, und ließ sich zu diesem Zweck ein zeitlich befristetes, aber bis zu seinem Lebensende immer wieder verlängertes ''[[Imperium (Rom)|Imperium proconsulare]]'' von Senat und Volk von Rom gesetzlich erteilen.<ref>Cassius Dio [http://penelope.uchicago.edu/Thayer/E/Roman/Texts/Cassius_Dio/53*.html#12 53,12,1-7] und [http://penelope.uchicago.edu/Thayer/E/Roman/Texts/Cassius_Dio/53*.html#13 13] = Klaus Bringmann, Thomas Schäfer, ''Augustus'', S. 193 f.: Quelle 21.</ref> Es wurde 23&nbsp;v.&nbsp;Chr. durch zusätzliche Sonderrechte erweitert, nachdem Octavian das Konsulat niedergelegt hatte. Die zeitliche Befristung dieses sogenannten ''Imperium proconsulare maius'' und die Notwendigkeit, es immer wieder von Senat und Volk gesetzlich verlängern zu lassen, blieben unberührt.<ref>Cassius Dio [http://penelope.uchicago.edu/Thayer/E/Roman/Texts/Cassius_Dio/53*.html#32 53,32,3-6] = Bringmann, Schäfer, ''Augustus'', S. 194–196 : Quelle 22.</ref> Darin kam der republikanische Charakter der neuen Ordnung zum Tragen. Sie manifestierte sich auch im Konsulat, das Octavian von 31&nbsp;v.&nbsp;Chr. bis 23&nbsp;v.&nbsp;Chr. Jahr für Jahr an der Seite eines Kollegen bekleidete. Im letzten Satz des Kapitels 34 seines ''Tatenberichts'' stellt Augustus zusammenfassend seine Sicht über das Wesen des Prinzipats dar: „Seit dieser Zeit (27&nbsp;v.&nbsp;Chr.) überragte ich alle übrigen an sozialer Ansehensmacht ''([[Auctoritas]])'', an Amtsgewalt ''(Potestas) '' aber besaß ich nicht mehr als die anderen, die auch ich im Amt zu Kollegen hatte.“ Die Verfassungswirklichkeit einer Monarchie bestand also seit 27&nbsp;v.&nbsp;Chr. darin, dass Augustus der „Princeps schlechthin“ war, der wegen seiner Verdienste um den Staat alle übrigen Bürger an persönlicher Geltung, sozialer Ansehensmacht und charismatischer Ausstrahlung überragte. Diese Macht symbolisiert der Beiname [[Augustus (Titel)|Augustus]], der ihm am 16. Januar 27&nbsp;v.&nbsp;Chr. verliehen wurde. Er bedeutet nach Cassius Dio<ref>Cassius Dio [http://penelope.uchicago.edu/Thayer/E/Roman/Texts/Cassius_Dio/53*.html#16 53,16,8].</ref>, dass sein Träger sich über Menschliches erhebt und dem Göttlichen nahesteht. Im Kontrast dazu sieht Augustus seine magistratische Amtsgewalt stehen. Mit Ausnahme des Konsulats bekleidete Augustus keine weiteren republikanischen Ämter und bekam Jahr für Jahr einen neuen Kollegen von der Volksversammlung ([[Comitia Centuriata]]) zugewählt, der ein Veto gegen seine Entscheidungen hätte einlegen können. Dennoch verschweigt Augustus, dass er Amtsgewalten wie das ''[[Imperium (Rom)|Imperium proconsulare]]'' und seit 23&nbsp;v.&nbsp;Chr. die lebenslängliche ''[[Tribunizische Gewalt|tribunicia potestas]]'' kumulierte, die vom Amt losgelöst und dadurch mit dem republikanischen System unvereinbar waren. Und doch wird in der Übertragung und Verlängerung dieser Amtsgewalten durch Gesetz von Senat und Volk von Rom ein Stück Souveränität der Träger der alten Res publica (= ''Senatus populusque Romanus, SPQR'') sichtbar. So könnte man den Prinzipat des Augustus seit 27&nbsp;v.&nbsp;Chr. als faktische Monarchie in den Rechtsformen der Republik definieren.<ref> Zu der Verbindung republikanischer Traditionen und Rechtsformen mit der Wirklichkeit einer neuen Monarchie als Wesenmerkmal des Prinzipats vgl. die grundlegende Studie von Eder, ''Augustus and the Power of Tradition: The Augustan Principate as „Binding Link“ between Republic and Empire'', S. 71 ff. Die Reduktion des römischen Herrscherwechsels auf den einer traditionellen Monarchie europäischen Typs hat im frühen Principat so weder existiert noch kann sie so vererbt werden; so zu Recht die Kritik von Christiane Kunst, ''Livia'', Stuttgart 2008, S. 13 gegen Rolf Hochhuths ''Demontage der Geschichtsschreibung'' am Beispiel der ''Livia und Julia''.</ref> In diesem Spannungsverhältnis von Monarchie und erneuerter Republik agierte Augustus und er wünschte sich das auch von Livia. Sie tat ihm den Gefallen und füllte ihre neue Rolle vorbildlich aus. Dadurch leistete sie einen wichtigen Beitrag zur Stabilisierung des neuen Herrschaftssystems. '''Livias Bild auf Münzen''' [[Datei:Münze Dupondius - Livia Drusilla.jpg|thumb|Idealisiertes Porträt Livias als ''Iustitia'' auf einer Dupondius-Münze, ca. 22–23&nbsp;n.&nbsp;Chr.]] In diesem Zusammenhang gewinnt der Befund an Bedeutung, dass im Westen keine Münzen mit dem Porträt Livias vor der Regierungszeit des [[Tiberius]] existieren. Daraus kann geschlossen werden, dass Augustus seine Ehefrau nicht wie Antonius Kleopatra öffentlich präsentieren wollte, sondern sie nach dem Sieg über Ägypten auf eine außeröffentliche Rolle festlegte, die dem Ideal der ''Matrone'', das heißt der ehrbaren römischen Ehefrau der Republik, entsprach. Anders stellt sich die Situation im Osten des römischen Reiches dar. In Ägypten wird Livia zu Lebzeiten des Augustus auf Münzen abgebildet. Da das Nilland seit 1. August 30&nbsp;v.&nbsp;Chr. aufgrund seines Sonderstatus als römische Provinz unter der persönlichen Gerichtsbarkeit des Princeps stand, hat Augustus ohne Zweifel persönlich Münzen mit dem Bild Livias autorisiert. Sie übernimmt im Osten allgemein und in Ägypten speziell die übliche Funktion einer Königin bzw. Pharaonin. Ab etwa 19&nbsp;v.&nbsp;Chr. erscheint Livia regelmäßig auf Bronzemünzen, die für Ägypten geprägt wurden mit der Umschrift ''Liouia Sebastou''. Das entspricht der griechischen Variante der lateinischen Formel ''Livia Augusti'' und bedeutet „Livia, Ehefrau des Augustus“. Livia wird auf diesen Münzen in der Ikonographie einer ptolemäischen Königin porträtiert und verschiedenen Göttinnen wie z.B. der Fruchtbarkeitsgöttin Ceres angeglichen.<ref>Joseph Vogt, ''Die alexandrinischen Münzen. Grundlegung einer alexandrinischen Kaisergeschichte'', 2 Bde., Stuttgart 1924, S. 14; dazu und zur Datierung der Münzen zuletzt Kunst, ''Livia'', S. 101 f. und 295 Anm. 34.</ref> Auch in den Städten Kleinasiens wird Livia auf Münzen häufig im hellenistischen Doppelporträt mit Augustus zusammen als Königspaar abgebildet und bereits zu dessen Lebzeiten als ''Augusta'' tituliert. Eine Angleichung an weibliche Gottheiten, z.B. an Vesta oder Demeter, ist hier ebenfalls üblich.<ref> Zu Livia als ''Vesta'' und '' Neue Demeter'' Peter Frisch (Hrsg.), ''Die Inschriften von Lampsakos'' (Inschriften griechischer Städte aus Kleinasien 6), Bonn 1978, Nr. 11; Ovid, ''Ex Ponto'' 4,13,29.</ref> Auf einer Prägung aus Thessalonike in der Provinz Makedonien wird Livia ausdrücklich als „Göttin Livia“ bezeichnet.<ref>Christiane Kunst, ''Livia'', Stuttgart 2008, S. 103 f. mit den Belegstellen.</ref> Livias Schicksal und Rolle in der Zeit nach 30&nbsp;v.&nbsp;Chr. war mit dem Problem der Nachfolge im augusteischen Haus unmittelbar verbunden. Das enthüllt erneut die monarchische Struktur des Prinzipats. Sueton verdanken wir die Nachricht, dass sich Augustus sehnlichst Kinder von Livia wünschte, aber keine von ihr bekam. Nur eines habe sie geboren, aber es kam zu früh und war nicht überlebensfähig.<ref>Sueton, ''Augustus'' [http://penelope.uchicago.edu/Thayer/E/Roman/Texts/Suetonius/12Caesars/Augustus*.html#63 63]. Es wird aus dieser Notiz nicht klar, ob das Kind bereits tot auf die Welt kam oder innerhalb der ersten Woche starb. Christiane Kunst, ''Livia'', Stuttgart 2008, S. 95, vermutet, dass diese Fehlgeburt zur Sterilität des Paares geführt haben könnte. Plinius, ''Naturalis Historia'' 7,57 spricht von einer „körperlichen Abstoßung“ ''(dissociatio corporum)'' des Paares, die zur Unfruchtbarkeit geführt habe.</ref> Vielleicht ist die Tatsache, dass Livia dem Augustus keinen Nachfolger gebar, ein Grund, warum sie vor Ende der Herrschaft des Augustus nicht auf Münzen des Westens erscheint. Wo es aber den üblichen Kommunikationsformen wie in [[Alexandria|Alexandrien]] und den [[Polis|Poleis]] des Ostens entsprach, ließ Augustus seine Frau auf Münzen in der Position einer göttlich verehrten hellenistischen Königin abbilden.<ref>Vgl. dazu Christiane Kunst, ''Livia'', Stuttgart 2008, S. 104.</ref> '''Statuen und Porträts: Die äußere Darstellung Livias als Kaisergattin und Mutter''' [[Datei:Livia statue.jpg|miniatur|Statue Livias mit Attributen der Ceres (Louvre, Paris)]] In ungewöhnlich großer Zahl sind Statuen mit dem Porträt Livias gefunden worden. Schon die Fülle dokumentiert ihre herausragende Bedeutung für die Herrscherfamilie. Außerdem dienten sie dazu, aller Welt zu zeigen, wie Augustus Livia als höchste weibliche Repräsentantin dieser Familie ins Bild gesetzt sehen wollte, um den dynastischen Anspruch seines Hauses optimal zu propagieren.<ref>Dazu im einzelnen Dierichs, ''Idealbild der römischen Kaiserin'', S. 241 ff.; Alexandridis, ''Frauen des römischen Kaiserhauses'' S. 31 ff. und Christiane Kunst, ''Livia'', Stuttgart 2008, S. 105 ff.</ref> Bildnisse, die zu Lebzeiten des Augustus entstanden, zeigen Livia mit einer Zopffrisur, dem sogenannten ''Nodus.'' Sie ist besonders gut auf dem hier zuerst abgebildeten Porträt der Livia, dem „Albani-Bonn-Typ“ aus schwarzem Basalt (27&nbsp;v.&nbsp;Chr. – 14&nbsp;n.&nbsp;Chr.), [[Louvre]] Paris, zu erkennen.<ref>Bei der Nodusfrisur werden die Kopfhaare von hinten nach vorne gekämmt und auf der Stirn zu einer Welle, dem Nodus, umgeschlagen. Die Enden der umgeschlagenen Haare werden dann zu einem Zopf geflochten und auf der Schädeldecke zurück in den Nacken geführt, wo sie zusammen mit den übrigen Haaren, die zu einem Zopf geflochten sind, in einem Knoten enden: Marion Mannsperger, ''Frisurenkunst und Kunstfrisur. Die Haarmode der römischen Kaiserinnen von Livia bis Sabina,'' Bonn 1998, S. 32 f.</ref> Der erste uns bekannte Bildnistyp Livias mit einer solchen Frisur, der „Marbury Hall-Typ“, dürfte um 15&nbsp;v.&nbsp;Chr. entstanden sein, als Livia Mitte 40 war.<ref>Christiane Kunst, ''Livia'', Stuttgart 2008, S. 108 mit Abbildung 28.</ref> Das zweite offizielle Porträt vom „Fayum-Typ“ der [[Ny Carlsberg Glyptotek]], Kopenhagen (4–14&nbsp;n.&nbsp;Chr.) ist im Unterschied zu diesem alterslos gestaltet. Wie die neue Staatsordnung des Augustus ewig bestehen soll, so wurden auch die Bilder der Herrscherfamilie alterslos gestaltet und Livias Porträt dem ihres Ehemannes angeglichen.<ref>Christiane Kunst, ''Livia'', Stuttgart 2008, S. 108 f. mit Abb. 13 im Vergleich Abb. 23.</ref> Während die Physiognomie auf dynastischen Ambitionen des Herrscherpaares und damit die monarchische Struktur des [[Prinzipat]]s schließen lässt, weisen dagegen Haarfrisur und Tracht des Liviaporträts in die altehrwürdige Tradition der Republik. Beide Elemente sollen die [[Matrone]], die sittenstrenge aristokratische Ehefrau der alten Adelsrepublik, charakterisieren und sind der Ideologie der wiederhergestellen [[Römische Republik|Republik]] geschuldet. Zum Bild der römischen Matrone gehört der mütterliche Zug, da es ihre vornehmste Aufgabe war, dem Ehemann legitime Kinder zu gebären. Diesen Aspekt betont besonders die Monumentalstatue aus dem Louvre-Museum von Paris, die Livia mit Nodusfrisur und der traditionellen Matronentracht<ref>Zur Matronentracht: Horaz, ''Saturae'' 1,2,94–100 und B. I. Scholz, ''Untersuchungen zur Tracht der römischen „matrona“'', Köln-Weimar-Wien 1992, S. 30.</ref> als lebenspendenden Göttin [[Ceres (Mythologie)|Ceres]] mit Ährenbündel und Füllhorn angleicht. Es hat viel für sich, die Statue wegen des betont mütterlichen Aspekts des Liviaporträts mit der Adoption des Tiberius durch Augustus in Jahr 4&nbsp;n.&nbsp;Chr. zu verbinden, als man Livia zur Reichsmutter zu stilisieren begann.<ref>Rolf Winkes: ''Livia, Octavia, Iulia. Porträts und Darstellungen''. Providence und Louvain-la-Neuve 1995, S. 55; zustimmend Christiane Kunst, ''Livia'', Stuttgart 2008, S. 109 f. mit Abb. 1.</ref> Eine Entstehung bereits 9&nbsp;v.&nbsp;Chr. ist aber nicht auszuschließen. '''Fragmente von Selbstzeugnissen Livias''' Nicht nur die Porträts, sondern auch Fragmente ihrer denkwürdigen Aussprüche bestätigen, dass Livia ihre Rolle als ideale Ehefrau vollkommen ausfüllte. Als sie in späteren Jahren gefragt wurde, wie sie einen so starken Einfluss auf Augustus gewonnen habe, antwortete sie: „''Sie habe dies dadurch erreicht, dass sie selbst peinlich auf ein sittlich einwandfreies Benehmen gesehen, gerne alle seine Wünsche erfüllt, sich nicht in seine Angelegenheiten gemischt und vor allem den Anschein erweckt habe, als höre und merke sie nichts von seinen Liebesgeschichten“''.<ref>Cassius Dio [http://penelope.uchicago.edu/Thayer/E/Roman/Texts/Cassius_Dio/58*.html#2 58,2,5].</ref> Die sexuellen Eskapaden soll sich Augustus mit Duldung, ja, wie überliefert wird, sogar mit Beihilfe seiner Frau, geleistet haben.<ref> Sueton, ''Augustus'' [http://penelope.uchicago.edu/Thayer/E/Roman/Texts/Suetonius/12Caesars/Augustus*.html#71 71].</ref> In einem Brief nimmt sein Schwager Marcus Antonius das Liebesleben Octavians vor 32&nbsp;v.&nbsp;Chr. aufs Korn: ''Was hat dich denn so verändert? Dass ich die Königin (= Kleopatra VII.) penetriere? Sie ist meine Frau. Habe ich jetzt damit angefangen oder schon vor neun Jahren? Und du, penetrierst du nur Drusilla? Wahrhaftig, wenn du diesen Brief liest, hast du sicher Tertulla oder Terentia oder Rufilla oder Salvia Titisenia oder sie alle penetriert. Oder macht es einen Unterschied, wo und bei welcher du Erektionen bekommst?''<ref>Sueton, ''Augustus'', [http://penelope.uchicago.edu/Thayer/E/Roman/Texts/Suetonius/12Caesars/Augustus*.html#69 69,2].</ref> Augustus' Liebschaften mit verheirateten Frauen, darunter der Gattin des Maecenas,<ref>Cassius Dio [http://penelope.uchicago.edu/Thayer/E/Roman/Texts/Cassius_Dio/54*.html#19 54,19,3].</ref> leugneten auch seine Freunde nicht. Sie entschuldigten sie mit politischen Zwecken, d.h. Spionagezwecken.<ref>Sueton, ''Augustus'' [http://penelope.uchicago.edu/Thayer/E/Roman/Texts/Suetonius/12Caesars/Augustus*.html#69 69,1]. </ref> Davon kann aber keine Rede mehr sein, wenn der Kaiser bis in seine letzten Tage junge Mädchen genoss, die ihm teilweise sogar Livia persönlich vermittelt haben soll.<ref>Sueton, ''Augustus'' [http://penelope.uchicago.edu/Thayer/E/Roman/Texts/Suetonius/12Caesars/Augustus*.html#71 71]; dazu Alexander Demandt, ''Privatleben'', S. 80 und Klaus Bringmann, ''Augustus'', S. 81 und 93. </ref> Ungeachtet der Eskapaden ihres Mannes wollte sich Livia als Vorbild der treuen Ehefrau dargestellt wissen und von anderen wahrgenommen werden. Dem von ihr gezeichneten Bild entspricht genau der Eintrag in der spätrepublikanischen Spruchsammlung des [[Publilius Syrus]] (85): ''„Eine sittsame Frau beherrscht den Gatten durch Gehorsam“''. Und im Jahr 9&nbsp;v.&nbsp;Chr., als Livia und Augustus fast 30 Jahre glücklich verheiratet waren, preist der aus Alexandria stammende Philosoph Areios unmittelbar nach dem Tod des Drusus in einer Trostschrift dessen Mutter Livia mit den Worten: ''„Deines Mannes immer gegenwärtiger Begleiter, dem nicht nur, was in die Öffentlichkeit dringt, bekannt ist, sondern auch alle verborgeneren Regungen eurer Seelen.“''<ref>Fragment Areus = Seneca, ''Dialogi'' 6,4,3; dazu und zur Person des Areios Klaus Bringmann, ''Augustus'', S. 27 und S. 254 A. 40. </ref> In dem Lob der mustergültigen Ehefrau und Mutter wird wohl eigenes Naturell aufscheinen, doch wird es von Augustus mitgeprägt worden sein. '''Die Privilegien Livias von 9&nbsp;v.&nbsp;Chr.''' Zu Beginn dieses Jahres 9&nbsp;v.&nbsp;Chr. ehrte Augustus Livia durch Privilegien, die ihre Mutterrolle stärker betonten: Im Rahmen seiner Ehe- und Sittengesetze<ref>Dazu im einzelnen Dietmar Kienast, ''Augustus'', S. 165 ff. und Ernst Baltrusch, ''Regimen morum'', S. 162 ff.; zu den Zielen der Gesetzgebung S. 178 und 180 ff.</ref> verlieh er ihr das ''ius trium liberorum'', eine von ihm neu geschaffene Auszeichnung, die Müttern von drei lebendgeborenen Kindern zustand.<ref>Cassius Dio [http://penelope.uchicago.edu/Thayer/E/Roman/Texts/Cassius_Dio/55*.html#2 55,2,5].</ref> Das gleiche Privileg erkannte er auch den [[Vestalin]]nen zu.<ref>Cassius Dio [http://penelope.uchicago.edu/Thayer/E/Roman/Texts/Cassius_Dio/56*.html#10 56,10,2]; vgl. auch [http://penelope.uchicago.edu/Thayer/E/Roman/Texts/Cassius_Dio/55*.html#2 55,2,5]. Schon Caesar hatte 59&nbsp;v.&nbsp;Chr. den Empfang eines Ackerloses von mindestens drei Kindern abhängig gemacht: Sueton, ''Caesar'' [http://penelope.uchicago.edu/Thayer/E/Roman/Texts/Suetonius/12Caesars/Julius*.html#20 20,3]; Cassius Dio [http://penelope.uchicago.edu/Thayer/E/Roman/Texts/Cassius_Dio/38*.html#7 38,7,3].</ref> Dieses Recht befreite Livia von der Vormundschaft durch einen Tutor und von Strafen für Kinderlosigkeit.<ref>Ernst Baltrusch, ''Regimen morum'', S. 170.</ref> Sie war schon 35&nbsp;v.&nbsp;Chr. von einem Vormund befreit worden, jetzt wurde das Privileg erneuert und mit der Erfüllung der Geburtsnorm im Sinne der augusteischen Ehegesetze begründet. Auch wurden ihr erneut Statuen zugebilligt.<ref>Cassius Dio [http://penelope.uchicago.edu/Thayer/E/Roman/Texts/Cassius_Dio/55*.html#2 55,2,5].</ref> Das war nach wie vor eine außergewöhnliche Ehre. Nur dass ihr jetzt die Statuen aufgrund ihrer Verdienste gesetzt wurden. Sie bestanden darin, zwei Söhne geboren und aufgezogen zu haben, die jetzt große militärische Erfolge in [[Magna Germania|Germanien]] (Drusus) und [[Pannonien]] (Tiberius) errungen hatten. Die Ehrenbeschlüsse des Jahres 9&nbsp;v.&nbsp;Chr. wurden nicht als Reaktion auf den Tod des Drusus, wie es Cassius Dio nahe legt, gefasst,<ref>So im Anschluss an Cassius Dio Baltrusch, ''Regimen morum'', S. 170 mit Anm. 258: „...als Trost für den Verlust ihres Sohnes...“</ref> sondern mit der feierlichen Weihung der [[Ara Pacis]] am Geburtstag Livias verbunden. Das war zu Beginn des Jahres. Im gleichen Jahr brach sich Drusus bei der Rückkehr von seinem erfolgreichen Feldzug an die Elbe infolge eines Sturzes vom Pferd den Unterschenkel. Er starb 30 Tage später gegen Ende des Jahres. '''Die Ehrungen für Livia und das Janusgesicht des augusteischen Prinzipats''' Mit den Ehrungen wollte Augustus Livia sowohl als segenspendende Mutter erfolgreicher Feldherrn und zugleich vorbildliche Kaisergattin, als ''mater patriae'' (= „Mutter des Vaterlandes“) und ''femina princeps'' (= „weiblicher Princeps“) auszeichnen.<ref>''Consolatio ad Liviam'' 303; dazu Christiane Kunst, ''Livia'', Stuttgart 2008, S. 156.</ref> Den erneuten Prestigezuwachs spiegelt der erwähnte Porträttypus der Monumentalstatue der Livia als segenspendende Göttin Ceres wider. Es ist daher nicht auszuschließen, dass er im Rahmen ihres neuen Statuenprivilegs bereits in diesem Jahr eingeführt wurde und nicht erst 4&nbsp;n.&nbsp;Chr. Die Privilegien des Jahres 9&nbsp;v.&nbsp;Chr. verdeutlichen den [[Ianus|Januskopf]] des [[Prinzipat]]s: Einerseits bewegen sie sich im Rahmen der Ehe- und Sittengesetze, mit denen Augustus die Ideologie der wiederhergestellten Republik bedient. Zum anderen wird die Wirklichkeit der Monarchie deutlich hinter der republikanischen Fassade sichtbar; wenn nämlich Augustus die ''Ara Pacis Augustae'' am 30. Januar einweihen ließ, so verfolgte er damit zweifellos eine dynastische Absicht, weil der 30. Januar der Geburtstag Livias war.<ref> ''Res gestae Divi Augusti'' 12; Ovid, ''Fasti'' 1,709; Cassius Dio [http://penelope.uchicago.edu/Thayer/E/Roman/Texts/Cassius_Dio/54*.html#25 54,25,3]: zum Datum Fasti Praenestini = CIL I² , p. 248; zum dynastischen Charakter der Weihung vgl. auch W. Suerbaum, ''Merkwürdige Geburtstage. Der nicht-existierende Geburtstag des M. Antonius und der vorzeitige Geburtstag des älteren Drusus'', in: ''Chiron'' Bd. 10, 1980, S. 327–355, hier 336; zustimmend Dietmar Kienast, ''Augustus'', S. 239.</ref> Zwar wird jeder Anschein einer Erhöhung des Augustus, die der Tradition der ''Res publica'' widersprach, vermieden. Aber die Reliefbilder und besonders der große Prozessionsfries, auf dem der [[Princeps]] und seine Angehörigen beim Gründungsopfer dargestellt sind,<ref> Zur Opferszene vgl. Ovid, ''Fasti'' 1,719 ff.</ref> machen dennoch den Friedensaltar zum ''eindrucksvollsten Denkmal der neuen Dynastie.''<ref>Dietmar Kienast, ''Augustus'', S. 240. Zur Ara Pacis im einzelnen Paul Zanker, ''Augustus'' S. 177 ff.; vgl. auch Andrea Scheithauer, ''Kaiserliche Bautätigkeit in Rom. Das Echo in der antiken Literatur'', Stuttgart 2000, S. 88 f. und Anm. 498 mit weiterer Literatur.</ref> Zugleich mit der ''Ara Pacis'' wurde auch das ''[[Solarium Augusti]]'' geweiht. Es war die größte Sonnenuhr und der größte Kalender aller Zeiten, ein Denkmal für den Sonnengott [[Sol (Gott)|Sol]], das westlich der Ara Pacis errichtet worden war.<ref>Plinius, ''Naturalis Historia'' 36, 72 f. beschreibt ausführlich das Solarium.</ref> Als Zeiger der Sonnenuhr diente ein Obelisk, etwa 30 m hoch, der eigens aus [[Heliopolis]] in Ägypten herangeschafft worden war. Er steht heute vor dem Italienischen Parlament. In das Pflaster der wohl elliptischen Anlage wurden die Monatslinien sowie die Tage und Stunden in Bronze eingelassen. Der Boden des Liniennetzes bedeckte eine Fläche von 160 x 75 m, größer als es die des Augustusforums war. Einbezogen in das Liniennetz war die Ara Pacis und das [[Mausoleum des Augustus]]. Das Liniennetz war so ausgerichtet, dass die Ara Pacis genau auf der Linie der Tagundnachtgleiche, der Herbst-Äquinoktien, lag. Der Schatten der Spitze des Obelisken fiel am Abend dieses Tages, am 23. September, genau in den Eingang des Altars und verwies auf den Geburtstag des Augustus, dem der Friedensaltar geweiht worden war. Schon mit der Geburt, so die Aussage des Monuments, war von den Göttern vorher bestimmt, dass er die Bürgerkriege beenden und nach dem Sieg über Antonius und Kleopatra der Welt den Frieden bringen werde.<ref> Die Weihinschrift des ägyptischen Obelisken erinnerte ausdrücklich an die Unterwerfung des Nillandes: CIL VI 701 und VI 702; Edmund Buchner, ''Sonnenuhr des Augustus'', S. 7 mit Tafel 109,1 auf S. 82 und Scheithauer, ''Kaiserliche Bautätigkeit'', S. 69 Anm. 358.</ref> Auch die Linie der Wintersonnenwende war von zwei Punkten aus mit dem Friedensaltar verbunden. Der Zeitpunkt dieser Sonnenwende war der Beginn des Sternzeichens des Steinbocks ''(Capricornus)'' und fiel mit dem Zeitpunkt der Empfängnis des Augustus zusammen. So sind das Solarium Augusti wie die Ara Pacis zwei zentrale Bestandteile eines Bautensystems, das eindeutig dynastisch-monarchische Vorstellungen betont. Bestätigt wird dieser Eindruck dadurch, dass beide Bauten an Livias Geburtstag eingeweiht wurden. [[Edmund Buchner]], dessen Forschungsergebnisse zur Sonnenuhr inzwischen allerdings teilweise angezweifelt werden, fasst ihre Bedeutung so zusammen: „Mit Augustus beginnt also – an Solarium und Ara Pacis ist es sichtbar – ein neuer Tag und ein neues Jahr: eine neue Ära des Friedens mit all seinen Segnungen, mit Fülle, Üppigkeit und Glückseligkeit. Diese Anlage ist sozusagen das Horoskop des neuen Herrschers, riesig in seinen Ausmaßen und auf kosmische Zusammenhänge deutend.“ <ref>Edmund Buchner, Solarium Augusti und Ara Pacis, S. 347, in: Römische Mitteilungen 83,1976, 347, wiederabgedruckt in: Ders., Die Sonnenuhr des Augustus, S. 37; zum dynastischen Aspekt des Bautensystems vgl. ferner Paul Schrömbges, ''Tiberius,'' 202 und Dietmar Kienast, ''Augustus,'' S. 241 mit A. 117, dort zur Forschungskontroverse über die Glaubwürdigkeit von Buchners Ergebnissen.</ref> '''Livias politischer und finanzieller Einfluss als ''Mater familias''''' Augustus verwehrte Livia nicht, politischen Einfluss auf seine Entscheidungen auszuüben. Er führte mit ihr Gespräche von gewichtigem Inhalt, und zwar anhand von Aufzeichnungen aus seinem Notizbuch, um auf Grund der Umstände nicht zu viel oder zu wenig zu sagen.<ref>Sueton, ''Augustus'' [http://penelope.uchicago.edu/Thayer/E/Roman/Texts/Suetonius/12Caesars/Augustus*.html#84 84,2]; vgl. auch Alexander Demandt, ''Das Privatleben der römischen Kaiser'', S. 183: 10 e, wo der Quellenbeleg Sueton, ''Augustus'' [http://penelope.uchicago.edu/Thayer/E/Roman/Texts/Suetonius/12Caesars/Augustus*.html#64 64] (in Anm. 53) von 64 in 84,2 zu verbessern ist. Im übrigen war Octavians Adoptivvater Caesar der erste, der im Unterschied zu der damals üblichen Buchrolle ein paginiertes Notizbuch verwendete: Sueton, ''Caesar'' [http://penelope.uchicago.edu/Thayer/E/Roman/Texts/Suetonius/12Caesars/Julius*.html#56 56,6].</ref> Livia hatte ferner das Recht, ihr großes Vermögen ohne Vormund selbstständig zu verwalten.<ref>Cassius Dio [http://penelope.uchicago.edu/Thayer/E/Roman/Texts/Cassius_Dio/49*.html#38 49,38,1].</ref> Zu ihren ausgedehnten Besitzungen gehörte ein Bergwerk in Gallien, in dem eine besondere Art von Kupfer abgebaut wurde.<ref>Plinius, ''Naturalis Historia'' 34,2.</ref> Ihren Sklaven und Freigelassenen stiftete sie ein ''Columbarium'', d.h. eine große Grabanlage mit Nischen zur Aufnahme der Aschenurnen. Das Totenhaus enthält über 1000 Urnen. Mindestens 90 Personen konnten identifiziert werden, die zweifelsfrei zu Livias Personal gehörten und mit etwa 50 verschiedenen Tätigkeiten betraut waren.<ref>CIL VI p. 878 ff. Dazu Jukka Korpela, ''Die Grabinschriften des Kolumbariums „Libertorum Liviae Augustae.“ Eine quellenkritische Untersuchung,'' in: ''Arctos'' Bd. 15, 1981, S. 53–66, und Christiane Kunst, ''Livia'', Stuttgart 2008, S. 255 und 314 f. A. 43 mit weiterer Literatur.</ref> Freigelassene und Sklaven des Kaiserhauses sprachen vor 14&nbsp;n.&nbsp;Chr. dezidiert von der ''domus Caesarum et Liviae''<ref>{{CIL|6|21415}}.</ref>. Auch in den literarischen Quellen erscheinen die Haushalte von Augustus und Livia getrennt. Das bedeutet, dass Livia die direkte Aufsicht über ihren Haushalt und eine eigene Haushaltsorganisation hatte. Ihr städtischer Haushalt bestand aus einer Dienerschaft von etwa 150 Bediensteten.<ref>Susan Treggiari, ''Domestic Staff at Rome in the Julio-Claudian Period'', in: ''Histoire Sociale/Social History'' Bd. 6, 1973, S. 247.</ref> Bemerkenswert ist ein Bautrupp in ihren Diensten, der für keine andere Kaiserin nachweisbar ist. Vielleicht war sie am lukrativen stadtrömischen Baugeschäft beteiligt.<ref>So mit guten Gründen zuletzt Christiane Kunst, ''Livia'', Stuttgart 2008, S. 255.</ref> Außerdem besaß Livia eine prächtige [[Villa di Livia|Landvilla]] in Prima Porta rund 12 km nördlich von Rom mit dem Namen „zu den Hennen“ ''(ad Gallinas)''. Den Namen erklärt die Legende so: Als Livia gleich nach ihrer Hochzeit mit Augustus ihr Landgut besuchte, flog ein Adler an ihr vorüber mit einem weißen Huhn, das einen Lorbeerzweig im Schnabel hielt, und ließ es, so wie er es geraubt hatte, in ihren Schoß fallen. Livia entschloss sich, das Federvieh aufzuziehen und den Zweig einpflanzen zu lassen; später brütete die Henne soviele Küken aus, dass die Villa noch zur Zeit Suetons „Zu den Hühnern“ hieß. Der Name weist auf die Geflügelzucht der Kaiserin hin. Sie züchtete auf dem Gut weiße Hühner, denen man magische Bedeutung zumaß.<ref> Cassius Dio [http://penelope.uchicago.edu/Thayer/E/Roman/Texts/Cassius_Dio/48*.html#52 48,52,3-4] und [http://penelope.uchicago.edu/Thayer/E/Roman/Texts/Cassius_Dio/63*.html#29 63,29]; Plinius, ''[[Naturalis historia]]'' 15,136-137; dazu Alexander Demandt, ''Privatleben der römischen Kaiser'', München 1996, S. 67: 4 s und Christiane Kunst, ''Livia'', Stuttgart 2008, S. 274, wonach Kaiser Claudius anlässlich der Konsekration Livias 42&nbsp;n.&nbsp;Chr. das göttliche Vorzeichen in Umlauf bringen ließ, um die familiäre Einbindung seiner Großmutter und damit der eigenen Person in das Herrscherhaus des Augustus zu propagieren.</ref> Aus dem Zweig aber wuchs ein so üppiger Lorbeerstrauch, dass die Kaiser, wenn sie dabei waren, einen [[Römischer Triumph|Triumph]] zu feiern, dort die Lorbeerzweige pflücken gingen. Im letzten Lebensjahr des Kaisers [[Nero]] schlug ein Blitz in das Heiligtum der Kaiser ein und riss der Statue des Augustus sein Zepter aus den Händen.<ref>Sueton, ''Galba'' [http://penelope.uchicago.edu/Thayer/E/Roman/Texts/Suetonius/12Caesars/Galba*.html#7 7,1].</ref> Am 20. April 1863 wurde im Park dieser Villa tatsächlich eine monumentale Statue mit „leeren“ Händen gefunden, die mit einem eindrucksvollen und historisch bedeutsamen Panzerrelief geschmückt ist: Die berühmte, bis heute am besten von allen Standbildern des ersten Princeps erhaltene [[Augustus von Primaporta|Augustusstatue von Prima Porta]].<ref>Zur Fundgeschichte Heinz Kähler, ''Die Augustusstatue von Primaporta'', Köln 1959, S. 7-9 mit Tafel 22. Zum Fundort, der Villa der Livia, Kähler, a.O. S. 3–5 und wesentlich detaillierter M. M. Gabriel, ''Livias gardenroom at Prima Porta'', New York 1955; Jane Clark Reeder, ''The Statue of Augustus from Prima Porta, the underground complex and the omen of the Gallina alba'', in: ''American Journal of Philology'' Bd. 118, 1997, S. 89–118; Jane Clark Reeder, ''The Villa of Livia ad gallinas albas'', Providence RI, 2001 (Archaeologia Transatlantica 20) und Allan Klynne, ''The Prima Porta garden archaeological project. Terra sigillata from the Villa of Livia, Rome. Consumption and discard in the early Principate'', Diss. Uppsala 2002.</ref> Ihr immenser Reichtum versetzte Livia in die Lage, durch Freigebigkeit – ganz wie Augustus – Dankbarkeit und Anhänglichkeit zu gewinnen. Zugleich lässt sich deutlich ein Streben nach ökonomischer Unabhängigkeit erkennen. Doch hütete sie sich, ihren Reichtum nach außen durch Verschwendung und einen üppigen Lebenswandel zur Schau zu stellen. Ihre zurückhaltende Lebensführung entsprach ganz der des Augustus. Wein und Salat ihrer bescheidenen Tafel waren stadtbekannt.<ref>Plinius, ''Naturalis Historia'' 14,60; 19,92; Sueton, ''Augustus'' [http://penelope.uchicago.edu/Thayer/E/Roman/Texts/Suetonius/12Caesars/Augustus*.html#72 72,1] und [http://penelope.uchicago.edu/Thayer/E/Roman/Texts/Suetonius/12Caesars/Augustus*.html#74 74ff.] ; Cassius Dio [http://penelope.uchicago.edu/Thayer/E/Roman/Texts/Cassius_Dio/54*.html#16 54,16,4 f.]</ref> Und der Princeps trug Gewänder, die unter Aufsicht seiner Frau im eigenen Haus hergestellt worden waren.<ref>Sueton, ''Augustus'' [http://penelope.uchicago.edu/Thayer/E/Roman/Texts/Suetonius/12Caesars/Augustus*.html#73 73].</ref> Sie wollte dem Ideal der altrömischen ''mater familias'', wie es Augustus’ Erneuerungsprogramm und der Ideologie der wiederhergestellten Republik entsprach, so nahe wie möglich kommen. '''Livias Bautätigkeit''' Livia ließ auf eigene Kosten verfallene Tempel in Stand setzen. Sie konzentrierte sich auf Heiligtümer von Gottheiten des Frauenlebens und ließ die Tempel der ''Fortuna muliebris'' und der ''[[Bona Dea]]'' wiederherstellen.<ref>{{CIL|6|883}}; [[Valerius Maximus]] 1,8,4; Seneca, ''Dialogi'' 6,4,3; Ovid, ''Fasti'' 5,157–158.</ref> Sie rundete damit die Bemühungen ihres Mannes ab, die zahlreichen Sakralbauten Roms wiederherzustellen, die in den Wirren der Bürgerkriege vernachlässigt und dem Verfall preisgegeben worden waren. In seinem [[Res gestae divi Augusti|Tatenbericht]] rühmt sich Augustus, er habe in seinem sechsten [[Consulat|Konsulat]] (28&nbsp;v.&nbsp;Chr.) mit Ermächtigung durch den Senat alle zu diesem Zeitpunkt verfallenen Heiligtümer, insgesamt 82 an der Zahl, instandgesetzt.<ref> ''Res Gestae divi Augusti'' 20; vgl. dazu die Liste der wiederhergestellten Tempel bei P. Gros, ''Aurea Templa,'' S. 32 f.</ref> Beide waren davon überzeugt, dass nur durch Rückbesinnung auf die Götter die Weltherrschaft Roms garantiert und der Niedergang durch den Wiederaufbau der Tempel aufgehalten werden könnte.<ref>[[Horaz]], ''Carmina'' 3,6,1 ff.; dazu P. Gros, ''Aurea Templa'', S. 20 ff., besonders S. 27 und A. Scheithauer, ''Kaiserliche Bautätigkeit'', S. 51 gegen Frank Kolb, ''Rom'', S. 363, wonach der Princeps mit der Restaurierung der Heiligtümer prmär keine religiösen Absichten verfolgt habe.</ref> Im Januar 7&nbsp;v.&nbsp;Chr. weihte Livia zusammen mit Tiberius eine prächtige Säulenhalle, die nach ihr als Stifterin ''Porticus Liviae'' benannt wurde. Der Park, den sie umschloss, wurde ein beliebter Erholungsort für die Städter. Dort hatte sie einen Tempel für ''[[Concordia (Mythologie)|Concordia]]'', die Göttin der Eintracht, erbauen lassen.<ref>Cassius Dio [http://penelope.uchicago.edu/Thayer/E/Roman/Texts/Cassius_Dio/54*.html#23 54,23,6] und [http://penelope.uchicago.edu/Thayer/E/Roman/Texts/Cassius_Dio/55*.html#8 55,8,2]; Plinius, ''Naturalis Historia''; Ovid, ''Ars Amatoria'' 1,71-72 und ''Fasti'' 6,637 ff.; [[Strabon]] 5,3,8.</ref> Nach dem Zeugnis Ovids baute und weihte Livia den Tempel als öffentliches Zeugnis ihrer harmonischen Ehe mit Augustus. Der Dichter hat den entscheidenden Aspekt ihrer Baupropaganda wiedergegeben. Außerdem merkt er an, dass sie durch eine aufwendige Ausstattung auf die Bedeutung des Tempels aufmerksam machen wollte.<ref>Ovid, ''Fasti'' 6,637 f.; dazu Andrea Scheithauer, ''Kaiserliche Bautätigkeit'', S. 75.</ref> Der Tempel wurde am 11. Juni geweiht.<ref> C.- M. Perkounig, ''Livia'', S. 64 mit den Quellenbelegen.</ref> Es war das Fest der ''Mater Matuta'', an dem auch deren Tempel am ''Forum boarium''<ref>Ovid, ''Fasti'' 6,479 f.</ref> und das Heiligtum der ''Fortuna Virgo''<ref>Ovid, ''Fasti'' 6,569.</ref> geweiht worden waren. Mit der Wahl des Weihedatums verband Livia ''Concordia'' mit den beiden Gottheiten der Heirat und der Familie. So wurde zwei alten Tempeln und Kulten des Frauenlebens erneut Aufmerksamkeit geschenkt, wodurch auch Livias Heiligtum an Bedeutung gewann. Dass Livia den Kult der ''Concordia'', der Göttin des Familienlebens, so sehr am Herzen lag, entsprang ihrem Engagement für Ehe und Familie. Durch ihre Bautätigkeit unterstützte sie die Gesetzgebung ihres Mannes zu Ehe und Geburtenrate.<ref>Vgl. dazu auch Andrea Scheithauer, ''Kaiserliche Bautätigkeit'', S. 76.</ref> Deutlicher als im Falle des Concordia-Tempels hat [[Ovid]] in seinem Bericht über die Erneuerung des Tempels der ''Bona Dea'' auf dem Aventin Livias Absichten herausgearbeitet. Danach habe die Frau des Augustus das Heiligtum wiederhergestellt, um dem Vorbild ihres Mannes nachzueifern.<ref>Ovid, ''Fasti'' 5,157 f.</ref> Das beweist, dass Ovid diese Maßnahme in den größeren Zusammenhang des augusteischen Programms der Sittenerneuerung eingeordnet wissen wollte. Zu diesem Programm passt sehr gut, dass sie den Tempel der ''Fortuna Muliebris'', der Göttin für Frauen und das Familienleben, restaurieren ließ; denn diese Göttin war mit dem Ideal der ''pudicitia'', der ehelichen Treue, untrennbar verbunden. '''Livia in der Rolle der vorbildlichen Kaisergattin ''(matrona)''''' Die Rolle der Kaisergattin füllte Livia vorbildlich aus, indem sie die Politik ihres Mannes mit Rat und Tat, soweit es von ihm gewünscht war, unterstützte.<ref>Plinius, ''Naturalis Historia'' 14,60; Seneca, ''Dialogi'' 6,3,3. Zu der Fähigkeit Livias, sich Augustus anzupassen, als Fundament einer zeitlebens mustergültigen Ehe vgl. auch Jochen Bleicken, ''Augustus'', 653.</ref> Sie begleitete ihn auf allen Reisen,<ref>Seneca, ''Dialogi'' 6,4,3 und Tacitus, ''Annalen'' [http://www.thelatinlibrary.com/tacitus/tac.ann3.shtml#34 3,34,6].</ref> so in den Orient 30/29&nbsp;v.&nbsp;Chr.<ref>Krinagoras, Ep. 26; [[Flavius Josephus]], ''Antiquitates Iudaicae'' 17,1,1.</ref> und 16&nbsp;v.&nbsp;Chr. nach Gallien.<ref>Cassius Dio [http://penelope.uchicago.edu/Thayer/E/Roman/Texts/Cassius_Dio/54*.html#19 54,19,6].</ref> Im privaten, aber auch öffentlich-repräsentativen Raum verkörperte Livia die sittenstrenge römische ''Matrona'', ohne in Roms öffentlichem Leben politische Ambitionen zu entfalten. In diesem Urteil sind sich die antiken Autoren einig: Valerius Maximus bescheinigt ihr insbesondere Keuschheit in der Öffentlichkeit ''(pudicitia)''.<ref>Valerius Maximus 6,1,1.</ref> Der Dichter [[Ovid]] streicht ihren moralischen Lebenswandel heraus.<ref>Ovid, ''Epistulae ex Ponto'' 3,1,117.</ref> [[Seneca]] beschreibt sie als eine Frau, die ihren Ruf aufs sorgfältigste hütete<ref>Seneca, ''Dialogi'' 6,4,3; vgl. auch Cassius Dio [http://penelope.uchicago.edu/Thayer/E/Roman/Texts/Cassius_Dio/54*.html#16 54,16,5]; 58,2,4-6 und Macrobius, ''Saturnalia'' 2,5,6.</ref> und Velleius betont, dass sie „''in Herkunft, Sittsamkeit und Gestalt die glänzendste der Römerinnen''“ war.<ref>Velleius 2,75,3: ''genere, probitate, forma Romanorum eminentissima''.</ref> Auch Tacitus, der insgesamt in seinem Werk ein negatives Liviabild zeichnet, muss zugeben, dass ihr Betragen untadelig war. Doch rügt er an ihr, dass sie im Hinblick auf ihren eigenständigen Haushalt den Wirkungskreis einer altrömischen Matrone entscheidend überschritt, indem sie sich als zu leutselig erwies.<ref>Tacitus, ''Annalen'' [http://www.thelatinlibrary.com/tacitus/tac.ann5.shtml#1 5,1,3]; vgl. dazu erläuternd Christiane Kunst, ''Livia'', Stuttgart 2008, S. 254.</ref> Ihrer Rolle als Matrone entsprach, dass sie am Schicksal der Mitglieder des Kaiserhauses lebhaft Anteil nahm: Nach dem tragischen Tod ihres Sohnes Drusus 9&nbsp;v.&nbsp;Chr., der sie schwer traf,<ref>''Consolatio ad Liviam'' 95 ff.; Seneca, ''Dialogi'' 6,2,3–5.</ref> nahm sie seine Familie in ihr Haus auf.<ref>Valerius Maximus 4,3,3.</ref> Von 6&nbsp;v.&nbsp;Chr. bis 2&nbsp;n.&nbsp;Chr. bangte Livia um ihren erstgeborenen Sohn Tiberius, der sich nach einem Zerwürfnis mit Augustus nach Rhodos ins freiwillige Exil zurückgezogen hatte.<ref>Sueton, ''Tiberius'' [http://penelope.uchicago.edu/Thayer/E/Roman/Texts/Suetonius/12Caesars/Tiberius*.html#10 10,2]. Zu den Motiven des Tiberius vgl. Jochen Bleicken, ''Augustus'', 635 f.</ref> Als dann 4&nbsp;n.&nbsp;Chr. Augustus seinen Stiefsohn adoptierte und vom Stiefsohn zu seinem Sohn machte, muss Livia sehr erleichtert gewesen sein.<ref> Velleius 2,103; Sueton, ''Tiberius'' [http://penelope.uchicago.edu/Thayer/E/Roman/Texts/Suetonius/12Caesars/Tiberius*.html#21 21,2]; Tacitus, ''Annalen'' [http://www.thelatinlibrary.com/tacitus/tac.ann4.shtml#57 4,57,3].</ref> Ihre Mutterrolle wurde durch die Entscheidung des Augustus neu akzentuiert und weiter aufgewertet: Sie sollte von nun an nicht mehr allein als Gattin des Princeps und Mutter eines erfolgreichen Generals gelten, sondern auch als Mutter eines künftigen Princeps. Obwohl sie an der politischen Karriere des Tiberius sehr interessiert war, waren Gerüchte, sie habe andere mögliche Nachfolger wie [[Lucius Caesar|Lucius]] und [[Gaius Caesar]] oder [[Agrippa Postumus]] ausschalten lassen, ja sogar für den Tod ihres Gatten Augustus 14&nbsp;n.&nbsp;Chr. gesorgt, unsinnig und haltlos.<ref>Tacitus, ''Annalen'' [http://www.thelatinlibrary.com/tacitus/tac.ann1.shtml#3 1,3,3–4]. 1,5,1.1,6,2; Cassius Dio [http://penelope.uchicago.edu/Thayer/E/Roman/Texts/Cassius_Dio/53*.html#33 53,33,4]. [http://penelope.uchicago.edu/Thayer/E/Roman/Texts/Cassius_Dio/55*.html#10 55,10a,10]; [http://penelope.uchicago.edu/Thayer/E/Roman/Texts/Cassius_Dio/56*.html#30 56,30,1–2]; dazu im einzelnen Claudia-Martina Perkounig, ''Livia Drusilla-Iulia Augusta'', S. 82–118; zur Forschungskontroverse, ob noch Augustus oder schon Tiberius für die Ermordung des Agrippa Postumus und Sempronius Gracchus, des Liebhabers der älteren Iulia, verantwortlich zu machen ist, Dietmar Kienast, ''Augustus'', S. 146 mit A. 223.</ref> Wenn überhaupt, war Livia allenfalls in die Ermordung des Agrippa Postumus, des 12&nbsp;v.&nbsp;Chr. nachgeborenen Sohnes des Agrippa von der Tochter des Augustus, Iulia, verstrickt.<ref>So der Vorwurf bei Cassius Dio [http://penelope.uchicago.edu/Thayer/E/Roman/Texts/Cassius_Dio/57*.html#3 57,3,6] und Tacitus, ''Annalen'' [http://www.thelatinlibrary.com/tacitus/tac.ann1.shtml#6 1,6,2], den zuletzt Christiane Kunst, ''Livia'', Stuttgart 2008, S. 188 f. und 279 – freilich nur in diesem Todesfall – für glaubwürdig hält. Anders Jochen Bleicken, ''Augustus'', Berlin 1998, S. 668, der Tiberius den Mordbefehl aus Gründen der ''Staatsräson'' geben lässt, da er der Hauptnutznießer der Beseitigung des Agrippa Postumus gewesen sei. Die ausführlichste und zuverlässigste Darstellung der Todesumstände gibt Sueton, ''Augustus'' [http://penelope.uchicago.edu/Thayer/E/Roman/Texts/Suetonius/12Caesars/Augustus*.html#97 97,1-100,1]; vgl. auch Sueton, ''Tiberius'', [http://penelope.uchicago.edu/Thayer/E/Roman/Texts/Suetonius/12Caesars/Tiberius*.html#21 21 f.]; Velleius 2,123 und Cassius Dio [http://penelope.uchicago.edu/Thayer/E/Roman/Texts/Cassius_Dio/56*.html#46 56,46,1-4]. </ref> '''Des Princeps Tod 14&nbsp;n.&nbsp;Chr.: Livia als Erbin des verstorbenen und Priesterin des vergöttlichten Augustus''' [[Datei:LiviaDrusilla-RGM.jpg|thumb|Marmorkopf der gealterten Livia, 1. Hälfte des 1. Jahrhunderts ([[Römisch-Germanisches Museum]], Köln)]] Am 19. August 14&nbsp;n.&nbsp;Chr., gut einen Monat vor seinem 76. Geburtstag, verstarb Augustus in den Armen Livias mit den Worten: ''Livia, gedenke in deinem weiteren Leben unserer Ehe und sei gegrüßt!''<ref>Sueton, ''Augustus'', [http://penelope.uchicago.edu/Thayer/E/Roman/Texts/Suetonius/12Caesars/Augustus*.html#99 99,1]: ''Livia, nostri coniugii memor vive, ac vale!''</ref> Sie setzte die sterblichen Überreste ihres Gatten in seinem [[Augustusmausoleum|Mausoleum]] auf dem Marsfeld bei.<ref>Sueton, ''Augustus'', [http://penelope.uchicago.edu/Thayer/E/Roman/Texts/Suetonius/12Caesars/Augustus*.html#100 100,2–4].</ref> Kurz zuvor war das Testament eröffnet worden, dessen letzte Fassung Augustus am 3. April 13&nbsp;v.&nbsp;Chr. teils eigenhändig geschrieben, teils auf sein Diktat hin von zwei Freigelassenen hatte aufsetzen und bei den Vestalinnen hinterlegen lassen.<ref>Sueton, ''Augustus'' [http://penelope.uchicago.edu/Thayer/E/Roman/Texts/Suetonius/12Caesars/Augustus*.html#101 101,1–4].</ref> In diesem Testament hatte Augustus für Livia vorgesorgt: Zwei Drittel der Erbschaft sollten Tiberius, ein Drittel ihr zufallen. Um ihr einen Teil seines Vermögens gesetzlich zukommen zu lassen, hatte Augustus noch zu Lebzeiten vom Senat beschließen lassen, dass seine Frau von der ''Lex Voconia'' befreit wurde.<ref>Cassius Dio [http://penelope.uchicago.edu/Thayer/E/Roman/Texts/Cassius_Dio/56*.html#32 56,32].</ref> Dieses Gesetz aus dem Jahre 169&nbsp;v.&nbsp;Chr. verbot jedem Mitglied der ersten Zensusklasse, eine Frau als Erbin einzusetzen.<ref>Gaius 2,226,274; dazu mit den übrigen Quellenbelegen Broughton, ''The Magistrates of the Roman Republic'', Vol. I, S. 169; vgl. auch Baltrusch, ''Regimen Morum'', S. 73 ff. und 171.</ref> Davon hatte Augustus im Rahmen seiner Ehegesetzgebung einige Frauen durch Senatsbeschluss entbinden lassen.<ref>Cassius Dio [http://penelope.uchicago.edu/Thayer/E/Roman/Texts/Cassius_Dio/56*.html#10 56,10,2].</ref> Der Dispens war in jedem Einzelfall nötig, um für die Frauen der Oberschicht, die gleichzeitig das ''ius liberorum'' hatten, die gesetzliche Möglichkeit zu schaffen, Erbin zu werden. Ohne den Dispens durch den Senat hatte das ''ius liberorum'' keinerlei rechtliche Relevanz für eine Erbeinsetzung. Zu den Frauen, die auf diese Weise zusätzlich privilegiert wurden, gehörte nun auch Livia, die 9&nbsp;v.&nbsp;Chr. das Ehrenrecht des ''ius trium liberorum'' erhalten hatte. Mit ihrem Anteil am Vermögen des Augustus stieg sie zur reichsten Frau Roms auf. Mit großem Engagement erreichte sie beim Senat, dass Augustus am 17. September 14&nbsp;n.&nbsp;Chr. offiziell zum Gott erhöht wurde. Sie selbst wurde Priesterin des [[Divus]] Augustus.<ref>Velleius 2,75,3; Cassius Dio [http://penelope.uchicago.edu/Thayer/E/Roman/Texts/Cassius_Dio/56*.html#42 56,42,4] und [http://penelope.uchicago.edu/Thayer/E/Roman/Texts/Cassius_Dio/56*.html#46 56,46,1]; dazu im einzelnen Perkounig, ''Livia Drusilla-Iulia Augusta'', S. 82–118.</ref> Dass eine Frau Priesterin eines männlichen Gottes werden konnte und ihm zu Ehren Opfer vollzog, war einmalig in Rom. Livia baute damit ihre einzigartige Stellung durch diesen Prestigegewinn weiter aus. In der Öffentlichkeit spiegelte er sich in dem Recht wider, dass ihr fortan ein [[Liktor]] zustand, der ihr bei allen öffentlichen Anlässen mit dem Rutenbündel vorausschritt.<ref>Cassius Dio [http://penelope.uchicago.edu/Thayer/E/Roman/Texts/Cassius_Dio/56*.html#46 56,46,2].</ref> Dieses Ehrenrecht genossen bisher allein die Vestalinnen, die Priesterinnen der Vesta. Der abgebildete Marmorkopf zeigt das Liviaporträt nach dem Tode des Augustus mit neuer Frisur im Typus der Göttin [[Ceres (Mythologie)|Ceres]], 14-42&nbsp;n.&nbsp;Chr. Ein Kennzeichen des Cerestypus sind die am Hals herabhängenden Wollschnüre, die sog. ''vittae'', die zugleich eine verheiratete Frau charakterisieren. Es war das völlig neu gestaltete Bildnis der Livia, das nicht nur in der Frisur, sondern auch in den Gesichtsproportionen dem klassischen griechischen Götterbild des 5. Jahrhunderts v. Chr. angenähert wurde. Das neue Bild sollte im ganzen römischen Reich die veränderte Rolle Livias als Witwe und Priesterin des vergöttlichten Gatten bekannt machen. Es fehlt freilich ein offizieller Prototyp des neuen Bildnisses, da Tiberius sich weigerte, die Rolle Livias unter seinem Principat zu institutionalisieren.<ref>Christiane Kunst, ''Livia'', Stuttgart 2008, S. 214 f. mit Abb. 14 und 239 ff.</ref> [[File:KunsthistorischesMuseumCameeLivia.jpg|miniatur|Livia mit der Büste des Divus Augustus; Cameo aus [[Sardonyx]], unregelmäßig geschichtet, nach 14&nbsp;n.&nbsp;Chr., Fassung aus dem 17. Jahrhundert in Gold und emailliert]] Das Manko gleichen Gemmen aus, die privat in Auftrag gegeben wurden. Eine geschnittene [[Gemme|Steingemme]] mit erhaben gearbeiteter Darstellung aus der Zeit 14–29&nbsp;n.&nbsp;Chr., jetzt [[Kunsthistorisches Museum Wien]], hat Livia als Priesterin des Divus Augustus verewigt: Das Bild der Gemme zeigt sie mit Attributen der Göttin Ceres (Ährenbündel und Mohn) und der großen orientalischen Muttergottheit [[Kybele]] (Mauerkrone), der ''Magna Mater'' der Römer. Auf der rechten Hand hält sie den Porträtkopf des vergöttlichten Ehemanns. Livia wird hier mit zwei bedeutenden Muttergottheiten identifiziert.<ref>Christiane Kunst, ''Livia'', Stuttgart 2008, S. 192, Abbildung 18 und S. 215 f. und Jochen Bleicken, ''Augustus'', Berlin 1998, 665.</ref> === Die „Kaisermutter“: Livia als ''Iulia Augusta'' in der Regierungszeit ihres Sohnes Tiberius (14 bis 29&nbsp;n.&nbsp;Chr.) === Livia wurde auf Grund des Testamentes des Augustus etwa am 3. oder 4. September 14&nbsp;n.&nbsp;Chr. in die julische Familie adoptiert und erhielt den Augusta-Titel.<ref>Tacitus, ''Annalen'' [http://www.thelatinlibrary.com/tacitus/tac.ann1.shtml#8 1,8,1]; Cassius Dio [http://penelope.uchicago.edu/Thayer/E/Roman/Texts/Cassius_Dio/56*.html#43 56,43,1]; zum ungefähren Datum Kienast, ''Römische Kaisertabelle'', S. 84.</ref> Ihr offizieller Name lautete fortan ''Iulia Augusta''.<ref>Sueton, ''Augustus'' [http://penelope.uchicago.edu/Thayer/E/Roman/Texts/Suetonius/12Caesars/Augustus*.html#101 101,2]; Tacitus, ''Annalen'' [http://www.thelatinlibrary.com/tacitus/tac.ann1.shtml#8 1,8,1]; Cassius Dio [http://penelope.uchicago.edu/Thayer/E/Roman/Texts/Cassius_Dio/56*.html#43 56,43,1]; dazu im einzelnen Hans-Werner Ritter, ''Livias Erhebung zur Augusta'', in: ''Chiron'' Bd. 2 (1972), S. 313–338.</ref> Sie war die erste Frau, welche die weibliche Form des Ehrennamens Augustus führte. Durch die Adoption wurde die politisch-gesellschaftliche Sonderstellung, die Livia bereits als „Kaisergattin“ besessen hatte, zusätzlich durch die Auszeichnung als „Kaisermutter“ des neuen Princeps Tiberius aufgewertet. Das entsprach ganz und gar der dynastischen Nachfolgepolitik des Augustus. Doch wurde dieser Sonderstatus nie institutionalisiert und mit politischem Einfluss ausgestattet.<ref>Hans-Werner Ritter, ''Livias Erhebung'', S. 324–334 und {{DNP|7|367||Livia Drusilla Nr.2|Helena Stegmann}}.</ref> '''Kaiserin Livia und Kaiser Tiberius''' Andererseits hatte sie schon zu Lebzeiten des Augustus im Osten des römischen Reiches göttliche Verehrung erhalten,<ref>30/29&nbsp;v.&nbsp;Chr. Kult in Athen: [[Inscriptiones Graecae|IG]] III 316 und im ganzen Orient: {{KlP|3|688||Livia 2|[[Rudolf Hanslik]]}}</ref> die nach dessen Tod und ihrer Erhebung zur Augusta auch im Westen immer mehr um sich zu greifen begann. So wurde sie in Antequaria (Anticaria) in der südspanischen Provinz Baetica als ''genetrix orbis'' (= ''Gebärerin des Erdkreises'') kultisch verehrt.<ref>{{CIL|2|2038}}; vgl. ferner {{CIL|10|7340}} und Christiane Kunst, ''Livia'', Stuttgart 2008, S. 186 f. und 212.</ref> Livia tat alles, um durch Ehrungen das Ansehen des vergöttlichten Augustus zu stärken.<ref>Cassius Dio [http://penelope.uchicago.edu/Thayer/E/Roman/Texts/Cassius_Dio/56*.html#46 56,46,3].</ref> Der griechische Historiker Cassius Dio spricht in diesem Kontext von ihr als einer ''Autokratrix'' („Selbstherrscherin“), indem er den lateinischen Kaisertitel ''Imperator'' in das weibliche Geschlecht umwandelt und ins Griechische überträgt.<ref>Cassius Dio [http://penelope.uchicago.edu/Thayer/E/Roman/Texts/Cassius_Dio/56*.html#47 56,47,1]; dazu Christiane Kunst, ''Livia'', Stuttgart 2008, S. 240.</ref> [[Pontius Pilatus]], der Präfekt von Iudaea, in dessen Amtszeit bekanntlich [[Jesus]] gekreuzigt wurde, ließ noch in Livias Todesjahr Münzen prägen, auf deren Vorderseite die Umschrift ''Tiberius Caesar'' zu lesen war und auf der Rückseite analog für Livia: ''Iolia Kaisaros'', „Iulia (des) Caesar“.<ref>Karl Jaroš, ''In Sachen Pontius Pilatus'', Mainz 2002, S. 69, Abb. 14.</ref> Die Formulierung zeigt, dass ''Kaiserin Livia'' als gleichrangig mit ''Kaiser Tiberius'' eingeschätzt wurde. In der Tat drang Livia mit ihren Aktivitäten immer stärker aus dem privaten Bereich auch in den öffentlichen Raum vor. Den Höhepunkt ihrer Macht erreichte sie 22&nbsp;n.&nbsp;Chr. Als Priesterin des Augustus weihte sie am 23. März dieses Jahres nach Auskunft des Festkalenders aus Praeneste beim [[Marcellustheater]] dem Divus Augustus ein Standbild: „Eine Statue für den vergöttlichten Augustus, den Vater, ließen Iulia Augusta und Ti(berius) Caesar am Theater des Marc[ellus] aufstellen.“<ref>''CIL'' I², p. 236, Z. 7 zum 23. April: ''sig(num) divo Augusto patri ad theatrum Marc[elli] Iulia Augusta et Ti(berius) Augustus dedicarunt'', die deutsche Übersetzung nach Helmut Freis (Hrsg.), ''Historische Inschriften zur römischen Kaiserzeit'', S. 4. Dazu Manfred Clauss, ''Kaiser und Gott'', S. 83.</ref> Der Eintrag in den Kalender beweist, dass es sich dabei nicht mehr um eine private Weihung handelte. Und er enthielt einen schweren Affront gegenüber Tiberius. Livia nutzte seine Abwesenheit von Rom aus und setzte ihren eigenen Namen vor den ihres Sohnes, des regierenden Princeps. Kein Wunder, dass Tiberius sehr verstimmt war; denn der Hierarchie des Kaiserhauses hätte jene Reihenfolge entsprochen, die ein Jahr später von den Städten der Provinz [[Asia (Provinz)|Asia]] korrekt eingehalten wurde. Sie beantragten durch ihren Provinziallandtag einen Tempel für Tiberius, seine Mutter (Livia) und die Gottheit des römischen Senats. Tiberius stimmte für diese Provinz seiner göttlichen Verehrung an erster und der seiner Mutter an zweiter Stelle zu.<ref>Tacitus, ''Annalen'' [http://www.thelatinlibrary.com/tacitus/tac.ann4.shtml#15 4,15,3]: ''Asiae urbes templum Tiberio matrique eius ac senatui.''</ref> Im Jahr 25&nbsp;n.&nbsp;Chr. beantragte der Provinziallandtag der spanischen Provinz [[Hispania ulterior]] beim Senat, nach dem Vorbild der Provinz Asia einen Tempel für Tiberius und seine Mutter errichten zu dürfen.<ref>Tacitus, ''Annalen'' [http://www.thelatinlibrary.com/tacitus/tac.ann4.shtml#37 4,37,1].</ref> Als darüber im Senat beraten wurde, hielt Tiberius eine Grundsatzrede, mit der er den Antrag der Spanier ablehnte. Darin begründet der Kaiser, dass er ausnahmsweise der Errichtung eines Tempels für ihn in der Provinz Asia nach dem Vorbild des Augustus zugestimmt habe. Er gehe davon aus, dass zwar die einmalige Annahme solcher Ehren Verständnis gefunden habe, „sich aber in allen Provinzen in Standbildern der Götter verehren zu lassen, ehrgeizig und überheblich sei.“<ref>Tacitus, ''Annalen'' [http://www.thelatinlibrary.com/tacitus/tac.ann4.shtml#37 4,37,3]: ''per omnes provincias effigie numinum sacrari ambitiosum, superbum.'' Dazu Manfred Clauss, ''Kaiser und Gott'', S. 83 f.</ref> Keinem Senator wird die Kritik entgangen sein, die Tiberius, ohne ihren Namen ausdrücklich zu erwähnen, an seiner Mutter übte: In ihrem „Ehrgeiz“ fördere sie die Tendenz, flächendeckend im ganzen römischen Reich als Göttin verehrt zu werden. Es drängt sich der Eindruck auf, dass Tiberius zahlreiche weitere Anträge, ihm einen Kult einzurichten, abschlägig beschied, weil sie auch Livia einschlossen. Jedenfalls lehnte er in seiner Antwort an die Stadt [[Gythio|Gytheion]]/Achaia, die ihm und Livia Götterbilder und Altäre bereitstellen wollte, dies für seine Person ab und merkte gleichzeitig sarkastisch an, Livia werde sich selbst entscheiden und äußern.<ref>''AE'' 1929, 99–100 = SEG 11, 922–923; dazu Clauss, ''Kaiser und Gott'', S. 84 ff. und 331.</ref> Als man vorschlug, der Monat September solle nach ihm in ''Tiberius'' und der Monat Oktober nach Livia in ''Livius'' umbenannt werden,<ref>Sueton, ''Tiberius'' [http://penelope.uchicago.edu/Thayer/E/Roman/Texts/Suetonius/12Caesars/Tiberius*.html#26 26,2]; Cassius Dio [http://penelope.uchicago.edu/Thayer/E/Roman/Texts/Cassius_Dio/57*.html#18 57,18,2].</ref> lehnte Tiberius erneut ab, um nicht eine Gleichrangigkeit mit seiner Mutter akzeptieren zu müssen. Sein Argument, das er auch sonst ständig im Munde führte, war, dass man „die Ehrungen für Frauen maßvoll begrenzen müsse“.<ref>Tacitus, ''Annalen'' [http://www.thelatinlibrary.com/tacitus/tac.ann1.shtml#14 1,14,2]: ''ille moderandos feminarum honores dictitans.''</ref> Das entsprach seiner Denkart, da er auch für seine Person übermäßige Ehren ablehnte. Die Mehrheit der Forscher interpretiert die Quellen dahin, dass die herrschsüchtige Livia eine unerträgliche Last für die Regierungszeit des Tiberius dargestellt habe.<ref>So Ernst Kornemann, ''Tiberius'', Stuttgart 1960, S. 60 f. und S. 103; Erich Koestermann, ''Die Majestätsprozesse unter Tiberius'', Historia Bd. 4, 1955, S. 72; vgl. auch Manfred Clauss, ''Kaiser und Gott'', S. 239 und zuletzt Christiane Kunst, ''Livia'', Stuttgart 2008, S. 213.</ref> Doch übersehen die genannten Autoren, welch großen Vorteil Tiberius besonders in den ersten zehn Jahren seiner Regierungszeit, als sein Prinzipat noch nicht gefestigt war und den Führungswechsel überstehen musste, von dem Ansehen Livias und ihrem geschickten Umgang mit alten und neuen Freunden der kaiserlichen Klientel bezog. Da Schutz und die Hilfe des Patrons erst auf Bitten des Klienten aktiviert werden konnten, musste der Patron zugänglich sein, damit dieses System gegenseitiger Unterstützung funktionierte. Augustus hatte aus gutem Grund seinem Adoptivsohn, dessen menschenscheues und abweisendes Wesen ihm gut bekannt war, die populäre Livia zur Seite gestellt. Nur durch sie konnte das wichtige System der Binnenbeziehungen zwischen Menschen, Parteiungen und dem Kaiserhaus weiterhin aufrecht erhalten und so der noch labile Prinzipat des Tiberius gefestigt werden.<ref>Vilborg Ísleifsdóttir, ''Tiberius, der Senat und der Kaiserkult'', 1987, 4 = http://www.bickel-wbn.de/Bickel/Geschichte/Tiberius.htm#c.</ref> In zwei Stufen versuchte Tiberius die Macht seiner Mutter zu beschränken. Zunächst nahm er ihr „jeden Einfluss auf die öffentlichen Angelegenheiten, überließ ihr jedoch die Leitung der häuslichen Geschäfte“, wie [[Cassius Dio]] berichtet.<ref> Cassius Dio [http://penelope.uchicago.edu/Thayer/E/Roman/Texts/Cassius_Dio/57*.html#12 57,12,6].</ref> Spätestens seit 26&nbsp;n.&nbsp;Chr., als sich Tiberius auf Dauer nach [[Capri]] zurückzog und den Prätorianerpräfekten Seian mit der Verwaltung des römischen Reiches betraute, begann die zweite Etappe von Livias Entmachtung: Indem sich Tiberius dem Einfluss seiner Mutter entzog, wurde auch ihre Macht schwer erschüttert. Sueton analysiert diese Strategie wie folgt: „Weil er sich durch seine Mutter Livia eingeengt fühlte, da sie seiner Ansicht nach einen gleich großen Anteil an der Machtausübung ''(potentia)'' beanspruchte, vermied er ein häufiges Zusammentreffen mit ihr und längere Gespräche unter vier Augen, damit es nicht so aussehe, als werde er durch ihre Ratschläge regiert“.<ref>Sueton, ''Tiberius'' [http://penelope.uchicago.edu/Thayer/E/Roman/Texts/Suetonius/12Caesars/Augustus*.html#50 50,2]; ähnlich erklärt Tacitus, ''Annalen'' 5,1,3 den Rückzug des Tiberius nach Capri: „Es wird auch überliefert, durch seiner Mutter maßlose Herrschsucht sei er verdrängt worden. Ihre Teilhabe an der Herrschaft lehnte er ab und konnte sie doch nicht ganz ausschließen, weil er eben die Herrschaft als Geschenk von ihr erhalten hatte“.</ref> '''Livias Tod 29&nbsp;n.&nbsp;Chr.''' Als Livia drei Jahre später 29&nbsp;n.&nbsp;Chr. im Alter von 86 Jahren in Rom starb und im [[Augustusmausoleum]] beigesetzt wurde,<ref>Cassius Dio [http://penelope.uchicago.edu/Thayer/E/Roman/Texts/Cassius_Dio/58*.html#2 58,2,3].</ref> weigerte sich Tiberius, Capri zu verlassen und an der öffentlichen Bestattung teilzunehmen. So tief ging der Bruch zwischen Mutter und Sohn, dass Tiberius sogar die offizielle Erhöhung Livias zur Gottheit, die der Senat vorgeschlagen hatte, verweigerte. [[Sueton]]s Schilderung lässt sich kaum noch an Dramatik überbieten: :„Jedenfalls hat er seine Mutter während der ganzen drei Jahre, die sie nach seinem Weggang noch lebte, nur einmal an einem Tag und auch da nur für sehr wenige Stunden gesehen. Als sie bald darauf erkrankte, machte er sich nicht die Mühe, sie zu besuchen. Und als sie dann gestorben war, nährte er die Hoffnung, er werde kommen, verbot dann aber, als ihr Leichnam, durch mehrtägige Verzögerung entstellt und in Verwesung übergegangen, schließlich beigesetzt worden war, ihre Erhebung zur Gottheit.“<ref>Sueton, ''Tiberius'' [http://penelope.uchicago.edu/Thayer/E/Roman/Texts/Suetonius/12Caesars/Tiberius*.html#51 51,2]; Tacitus, ''Annalen'' [http://www.thelatinlibrary.com/tacitus/tac.ann5.shtml#2 5,2,1]; Cassius Dio [http://penelope.uchicago.edu/Thayer/E/Roman/Texts/Cassius_Dio/58*.html#2 58,2,1-3]; dazu Manfred Clauss, ''Kaiser und Gott'', S. 361 und Christiane Kunst, ''Livia'', Stuttgart 2008, S. 243–245 und 273.</ref> === ''Diva Augusta'': Livias langer Weg zur Vergottung durch ihren Enkel Kaiser Claudius (17. Januar 42&nbsp;n.&nbsp;Chr.) === [[Datei:Livia Drusilla Louvre Ma1245 n1.jpg|miniatur|Der Marmorkopf der Livia Drusilla als ''Diva Augusta'' aus der Zeit nach 42&nbsp;n.&nbsp;Chr. wurde im 18. Jahrhundert auf eine andere römische Marmorstatue gesetzt; Überlebensgroße Statue, heute im [[Louvre]] in Paris]] Erst [[Claudius]], Enkel des Tiberius C. Nero und der Livia, dritter Kaiser nach Augustus, ließ ihr knapp ein Jahr nach seinem Herrschaftsantritt am 17. Januar 42&nbsp;n.&nbsp;Chr. göttliche Ehren zuerkennen.<ref>Sueton, ''Claudius '' [http://penelope.uchicago.edu/Thayer/E/Roman/Texts/Suetonius/12Caesars/Claudius*.html#11 11,2]; vgl. auch Cassius Dio [http://penelope.uchicago.edu/Thayer/E/Roman/Texts/Cassius_Dio/60*.html#5 60,5,2].</ref> Nur über seine Großmutter Livia war Claudius mit Augustus verbunden. Mit der offiziellen Vergottung Livias konnte er, der als erster Princeps nicht Sohn oder Enkel eines vergöttlichten Herrschers war, an der sakralen Weihe des Kaiserhauses Anteil gewinnen. Mit Absicht legte er daher den Termin für diesen Staatsakt auf den offiziellen Hochzeitstag von Livia und Augustus. Er ließ aus diesem Anlass Münzen prägen mit der Umschrift: ''Divus Augustus'' – ''Diva Augusta''<ref> Kunst, ''Livia'', S. 192, Abbildung 12 = RIC² 101.</ref> und stellte Livia damit dezidiert an die Seite ihres Gatten und ersten Kaisers. Dementsprechend lautete der offizielle Name des Tempels, in dem die Kultbilder des Kaiserpaares untergebracht waren, ''templum Divi Augusti'' und ''Divae Augustae'' („Tempel des vergöttlichten Augustus und der vergöttlichten Augusta“). Er ordnete ferner an, dass künftig der Opferdienst für sie durch die Vestalinnen verrichtet werden und die Frauen bei ihrem Namen schwören sollten. Livia wurde folglich mit der Göttin [[Vesta]] identifiziert, die sie bereits zu Lebzeiten auf einer Inschrift von Lampsakos verkörpert hatte.<ref>Cassius Dio [http://penelope.uchicago.edu/Thayer/E/Roman/Texts/Cassius_Dio/60*.html#5 60,5,2]; dazu Dietmar Kienast, ''Augustus. Princeps und Monarch.'' 3. erweiterte Auflage, Darmstadt 1999, S. 237 Anm. 106 und hier Abschnitt ''[[Livia Drusilla#Livias Bild auf Münzen|Livias Bild auf Münzen]]''.</ref> Außerdem wurden Livia am Tag ihrer Vergöttlichung als weitere Ehrung beim Circusumzug ein von Elefanten gezogener Wagen, so wie Augustus einen besaß, beschlossen.<ref>Sueton, ''Claudius'' [http://penelope.uchicago.edu/Thayer/E/Roman/Texts/Suetonius/12Caesars/Claudius*.html#11 11,2].</ref> Elefanten zu besitzen, war ein Vorrecht nur der Kaiser. Die Dickhäuter wurden dressiert und in einem Gehege zwischen Laurentum und Ardea gehalten.<ref> {{CIL|6|8583}} = [[Hermann Dessau]], ''ILS'' 1578.</ref> Sie wurden bei Triumphzügen und Circusspielen verwendet. Im vorliegenden Fall fuhren die Standbilder von Augustus und Livia auf einem von Elefanten gezogenen jeweils gleichartigen Wagen in den Circus.<ref>Vgl. dazu Alexander Demandt, ''Das Privatleben der römischen Kaiser'', S. 155: 8.x.</ref> Zur Diva Augusta erhöht, hatte Livia postum die größtmögliche Ehrung erreicht und war ihrem ebenso vergotteten Gatten Augustus nunmehr völlig gleich gestellt. Als Göttin war Livia nicht mehr nur Tochter, Ehefrau oder Mutter, sondern erlangte endlich einen eigenen Status.<ref>Christiane Kunst, ''Livia'', Stuttgart 2008, S. 277.</ref> == Historische Bedeutung Livias == === Livia, die erste und bedeutendste Kaiserfrau im römischen Weltreich === Als Livia Drusilla – vermutlich im Oktober 38&nbsp;v.&nbsp;Chr. – den Triumvirn C. Caesar heiratete, trat sie aus dem Schatten der Zweitrangigkeit als Frau des Tiberius Claudius Nero. Als Gattin des nach Antonius zweitmächtigsten Mannes im Staat rückte sie ins Zentrum der militärischen und politischen Auseinandersetzungen jener Zeit. Der Aufstieg des jungen Caesar Oktavian vom Triumvirn zum Princeps und damit mächtigsten Mann des römischen Reiches war auch ihr eigener. Dass die Ehe 52 Jahre bis zum natürlichen Tode des Augustus halten sollte, ist für die damalige Zeit außergewöhnlich, denn in den aristokratischen Kreisen wurden Ehen meist nicht auf Lebenszeit geschlossen, sondern waren ein bewährtes Mittel, um kurzlebige politische Bündnisse personal abzusichern. Die lange Dauer der Ehe ist umso bemerkenswerter, als Livia Augustus' Wunsch nach einem Kind wegen einer mit schweren Komplikationen verbundenen Frühgeburt nicht erfüllen konnte. So muss bei allen politischen Motiven der Eheschließung auch gegenseitige Liebe und tiefer Respekt im Spiel gewesen sein. Zeitlebens war Livia auf ihren guten Ruf als Ehefrau und vorbildliche Mutter bedacht. Im Rahmen der augusteischen Propaganda der wiederhergestellten Republik wirkte sie seit 27&nbsp;v.&nbsp;Chr. geradezu als lebende Inkarnation gesellschaftlicher und moralischer Erneuerung. Augustus würdigte diese Rolle durch Ehrungen, vor allem 9&nbsp;v.&nbsp;Chr., und räumte ihr politischen Einfluss ein, denn er pflegte wichtige Fragen der Politik mit ihr zu besprechen und ihren Rat einzuholen.<ref>Seneca, ''Dialogi ''6,3,3; Sueton, ''Augustus'' [http://penelope.uchicago.edu/Thayer/E/Roman/Texts/Suetonius/12Caesars/Augustus*.html#84 84,2]; Tacitus, ''Annalen'' [http://www.thelatinlibrary.com/tacitus/tac.ann5.shtml#1 5,1,3]; Cassius Dio [http://penelope.uchicago.edu/Thayer/E/Roman/Texts/Cassius_Dio/55*.html#22 55,22,1f.] und [http://penelope.uchicago.edu/Thayer/E/Roman/Texts/Cassius_Dio/58*.html#2 58,2,3]; Seneca, ''de clementia'' 1,9,6.</ref> Wenn Kaiser [[Caligula]] später Livia ''Odysseus im Unterrock'' titulierte,<ref>Sueton, ''Caligula'' [http://penelope.uchicago.edu/Thayer/E/Roman/Texts/Suetonius/12Caesars/Caligula*.html#23 23,3]; dazu im einzelnen Christiane Kunst, ''Livia'', S. 218–245, Kap. 10: ''Odysseus in Frauenkleidern''.</ref> so setzt das ein außergewöhnliches Maß an politischen und geistigen Fähigkeiten bei ihr voraus. Livia behielt auch in kritischen Situationen einen kühlen Kopf, wo Augustus bisweilen hitzig reagierte. Sie scheint ein reiner Verstandesmensch gewesen zu sein, was Kaiser Caligula, den Nachfolger des Tiberius, zu seinem bissigen Bonmot veranlasste.<ref>Vgl. Jochen Bleicken, ''Augustus'', Berlin 1998, S. 654.</ref> === Antike Beurteilung === Livia, Gattin des ersten römischen Kaisers Augustus und Mutter seines Nachfolgers [[Tiberius]], war die erste und wohl bedeutendste Kaiserin Roms. Dennoch haben die antiken Autoren von keiner anderen Frau aus den Familien der aristokratischen Elite Roms ein so widersprüchliches und zwiespältiges Bild gezeichnet wie von ihr: Das Urteil schwankt zwischen zwei Polen, die gegensätzlicher nicht sein können: Skrupellose Intrigantin und Machtpolitikerin, die auch vor Giftmord nicht zurückschreckt.<ref> So soll Livia, um ihrem Sohn und sich selbst zur Macht zu verhelfen, den Tod des [[Marcus Claudius Marcellus (Neffe des Augustus)|Marcellus]] 23&nbsp;v.&nbsp;Chr. (Cassius Dio [http://penelope.uchicago.edu/Thayer/E/Roman/Texts/Cassius_Dio/53*.html#33 53,33,4]; Seneca, ''Dialogi'' 6,2,5), den der [[Gaius Caesar|Gaius]] und [[Lucius Caesar]]es (Tacitus, ''Annalen'' [http://www.thelatinlibrary.com/tacitus/tac.ann1.shtml#3 1,3,3]; Cassius Dio [http://penelope.uchicago.edu/Thayer/E/Roman/Texts/Cassius_Dio/55*.html#10 55,10a,10]), des Augustus selbst (Tacitus, ''Annalen'' [http://www.thelatinlibrary.com/tacitus/tac.ann1.shtml#5 1,5,1]; Cassius Dio [http://penelope.uchicago.edu/Thayer/E/Roman/Texts/Cassius_Dio/56*.html#30 56,30,1]) und des [[Germanicus]] (Tacitus, ''Annalen'' [http://www.thelatinlibrary.com/tacitus/tac.ann3.shtml#3 3,3,1]; [http://www.thelatinlibrary.com/tacitus/tac.ann3.shtml#17 3,17, 2 ff.]) zu verantworten haben. Ebenso soll sie veranlasst haben, dass [[Agrippa Postumus]] (Tacitus, ''Annalen'' [http://www.thelatinlibrary.com/tacitus/tac.ann1.shtml#3 1,3,4]) und [[Iulia (Tochter des Augustus)|Iulia]] (Tacitus, ''Annalen'' [http://www.thelatinlibrary.com/tacitus/tac.ann4.shtml#71 4,71,4]) verbannt und umgebracht wurden.</ref> Oder: Verkörperung des Ideals der vorbildlichen Gattin und stets um das Wohl ihrer leiblichen Kinder wie Stiefkinder bemühten (Stief-)Mutter. Das negative Bild geht vor allem auf den Geschichtsschreiber [[Publius Cornelius Tacitus|Cornelius Tacitus]] zurück, der auch dem [[Prinzipat]] des Augustus kritisch gegenüber stand (siehe auch ''[[Senatorische Geschichtsschreibung]]''). Es findet sich in Spuren aber auch bei [[Cassius Dio]] und dem römischen Kaiserbiographen [[Sueton|Gaius Suetonius Tranquillus]]. Das positive Urteil über Livias Leben vermitteln vor allem die Quellen der augusteischen Zeit. Es wirkt bruchstückhaft noch in die spätere Überlieferung des Cassius Dio und Sueton hinein. === Forschungsgeschichte === Durch die ambivalente Quellenlage pendeln die Urteile der modernen Forschung über Livia im gleichen Maße zwischen diesen beiden Polen: So reihte sie der Sachbuchautor [[Helmut Werner (Autor)|Helmut Werner]] in seinem Werk: ''Tyranninnen. Grausame Frauen der Weltgeschichte'' 2005 in die Galerie jener Frauengestalten ein, die durch ihre Blutrünstigkeit und Machtbesessenheit Geschichte schrieben. Zur gleichen Zeit hat der Dramatiker [[Rolf Hochhuth]] in seiner historischen Erzählung: ''Livia und Julia. Demontage der Geschichtsschreibung'' Livia als (Gift-)Mörderin an sieben potentiellen Nachfolgern ihres Gatten zu entlarven versucht. Sie habe nie das Ziel aus den Augen verloren, ihren nach dem Tod des Drusus nunmehr einzigen leiblichen Sohn Tiberius gegen die leiblichen Erben des Augustus als Nachfolger durchzusetzen. Hochhuth machte Octavian statt Claudius Nero zum Vater von Livias zweitem Sohn Drusus und folgerte: Livia habe sich mit ihrem ersten Ehemann Claudius Nero abgesprochen, sich ins Bett zu Octavian zu legen und von diesem schwängern zu lassen; denn sie hätten konspirativ den Plan gefasst, an „Octavian Rache zu nehmen, an den Mördern ihres Vaters, indem sie dessen Enkel Tiberius an den Enkeln des Kaisers vorbei den Weg zum Thron freimacht....frei mordet“.<ref>Rolf Hochhuth, ''Livia und Julia. Demontage der Geschichtsschreibung'', München 2005, S. 233.</ref> Nach Hochhuth war Livia der düstere Racheengel ihres Ehemanns Claudius Nero – dazu ausersehen, die leiblichen Erben des Augustus zu vernichten.<ref>Rolf Hochhuth, ''Livia und Julia'', S. 218.</ref> Zu der Verbreitung der negativen Beurteilung trug [[Robert Graves]] in seiner fiktiven Autobiographie des Kaisers Claudius bei. Graves hat die Charakteristik Livias für mehrere Generationen regelrecht auf die Rolle der Giftmörderin und vom Ehrgeiz zerfressenen Potentatin zementiert, in deren Händen die wahre Macht der res publica restituta zusammenläuft: „Augustus herrschte über die Welt, aber Livia herrschte über Augustus.“<ref>Robert von Ranke Graves, ''Ich, Claudius, Kaiser und Gott'', 12. Aufl., München 1991, S.13.</ref> In die gleiche Richtung weist das negative Urteil von [[Golo Mann]]. Er charakterisierte sie als „die ewige Stiefmutter, den Blick auf ihren großen Hätschelhans Tiberius gerichtet, ohne Liebe und Gnade für ihre Stiefkinder.“<ref>Golo Mann in einem Artikel von 1976 in der ''Neuen Rundschau'' mit dem Titel ''Versuch über Tacitus''. In: ''Zeiten und Figuren. Schriften aus vier Jahrzehnten'', Frankfurt/Main 1979 (Neudruck) 1989, S. 359–392, hier S. 383.</ref> Der renommierte englische Althistoriker Sir [[Ronald Syme]] übertrug in seinen Standardwerk zur ''Römischen Revolution'' seine fast schon persönliche Abneigung gegenüber dem ersten Princeps auf dessen zweite Ehefrau und degradierte sie zu einer befehlsgewohnten Karrieremacherin<ref>Ronald Syme, Die römische Revolution. Machtkämpfe im antiken Rom. Grundlegend revidierte und erstmals vollständige Neuausgabe, hrsg. v. Friedrich W. Eschweiler und Hans G. Degen, Stuttgart 2003, S. 246.</ref>, die mit Hilfe einer eng gefassten Clique den Staat regiert<ref>Ronald Syme, Die römische Revolution. Machtkämpfe im antiken Rom. Grundlegend revidierte und erstmals vollständige Neuausgabe, hrsg. v. Friedrich W. Eschweiler und Hans G. Degen, Stuttgart 2003, S. 353 und 403.</ref> und deren ehrbares öffentliches Auftreten im größtmöglichen Widerspruch zu ihren geheimen Aktivitäten gestanden haben soll.<ref>Ronald Syme, Die römische Revolution. Machtkämpfe im antiken Rom. Grundlegend revidierte und erstmals vollständige Neuausgabe, hrsg. v. Friedrich W. Eschweiler und Hans G. Degen, Stuttgart 2003, S. 400.</ref> Vor dieser furchteinflößenden Frau gab es für Augustus kein Entkommen, so der englische Althistoriker. Syme lieferte bei seiner Einschätzung wohl die einprägsamste Analyse der Verbindung zwischen Livia und Octavian im Jahr 39&nbsp;v.&nbsp;Chr.<ref>So Christiane Kunst, ''Livia'', S. 10.</ref>: „Die Ehe mit Livia Drusilla war ein politisches Bündnis mit den Claudiern, wenn auch nicht dies allein. Die kalte Schönheit mit den schmalen Lippen, der dünnen Nase und dem entschlossenen Blick hatte in vollem Maße die politischen Fähigkeiten zweier Häuser geerbt, der Claudii und der Livii, die in Rom über Macht aus eigenem Recht verfügten. Sie beutete ihre Klugheit zu ihrem eigenen und ihrer Familie Vorteil aus. Augustus unterließ es nie, ihren Rat in Staatsgeschäften einzuholen. Es lohnte sich, ihn zu haben, und sie verriet nie ein Geheimnis.“<ref>Ronald Syme, ''The Roman Revolution'', Oxford 1939, S. 340, zitiert in der Übersetzung von Friedrich Wilhelm Eschweiler und Hans Georg Degen, Stuttgart 2003, S. 354.</ref> Anderseits wurden schon früh günstige Beurteilungen über Livia gefällt. Ein positives Liviabild entwickelte bereits [[Joseph Aschbach]] 1864: „Livia wußte sich allmählich mit dem ganzen Geiste seiner (Augustus’) Politik und Regierung so innig vertraut zu machen, dass er in ihr den lebendigen Ausdruck von dem, was er selbst wollte und erstrebte, erkannte und der geistige Verkehr mit ihr ihm unentbehrlich ward.“<ref>Joseph Aschbach, ''Livia Gemahlin des Kaisers Augustus. Eine historisch-archäologische Abhandlung'', Wien 1864, S. 10.</ref> Im gleichen Tenor urteilte [[Jochen Bleicken]] in seiner Augustusbiographie von 1998, wenn er Livia als mustergültige Ehefrau und Mutter ihrer eigenen und der ihr anvertrauten fremden Kinder charakterisiert und wörtlich fortfährt: „Sie hatte dieselbe Fähigkeit zur Durchsetzung und dieselbe Konsequenz in der Praxis des Alltagslebens wie Augustus in der Politik.....Augustus und Livia scheinen als Ehepartner in einer über 50jährigen Ehe durch gegenseitige Achtung und Anpassung einander ähnlicher geworden zu sein. Wir wissen von keinem schweren Zerwürfnis, wozu gewiß nicht zuletzt die sittenstrenge Haltung Livias beigetragen hat, die sich nicht erlaubte, was sie dem Gatten nachsah.“<ref>Jochen Bleicken, ''Augustus'', S. 653 f.</ref> Angesichts dieser widersprüchlichen Quellenlage und der davon abhängigen Rezeption in der Moderne ist es unmöglich, eine Biographie Livias zu schreiben, die der Wirklichkeit entspricht. Es fehlen völlig Selbstzeugnisse Livias, die einen Einblick in ihre eigene Gedankenwelt geben und es gestatten würden, neben der äußeren Geschichte ihrer politischen und gesellschaftlichen Rolle auch ihre innere geistige und moralische Entwicklung zu berücksichtigen. Fast das gesamte Material über Livia stammt aus historiographischen Texten, die von Männern verfasst wurden und ganz unterschiedliche Konzepte über das Ideal weiblichen Lebens und die öffentliche Rolle von Frauen widerspiegeln. Oftmals zielen ihre Darstellungen über Livia gar nicht wirklich auf sie als Frau, sondern benutzen sie als Medium, um indirekt über den Princeps und den Prinzipat ein Urteil zu fällen. Es ist daher äußerst schwer, Realität und Fiktion voneinander zu trennen. Zuletzt hat daher die Alt- und Kulturhistorikerin [[Christiane Kunst]] in der neuesten Biographie zu Livia von 2008 „Das Leben der öffentlich sichtbaren oder, anders gesagt, der für die Öffentlichkeit sichtbar gemachten Person fast ausnahmslos als Livias Leben“ dargestellt.<ref>Christiane Kunst, ''Livia. Macht und Intrigen am Hof des Augustus'', Stuttgart 2008, S. 12.</ref> Mit Verweis auf die schwierige Quellensituation und -armut schreibt Kunst eine Geschichte Livias eingebettet in eine kulturgeschichtliche Analyse des Frauenbildes dieser Epoche.<ref>Christiane Kunst, ''Livia. Macht und Intrigen am Hof des Augustus'', Stuttgart 2008, S. 11–14.</ref> === Ursachen für Livias „gebrochene“ Biographie in den antiken Quellen und in der modernen Rezeption === Das positive Urteil über Livia, das die zeitgenössische Überlieferung prägte, schlug in der nachaugusteischen Geschichtsschreibung, vor allem bei Tacitus, in das entgegengesetzte Bild einer skrupellosen Machtpolitikerin und Giftmörderin um. Das Fascinosum dieser Frauengestalt reicht bis in die moderne Gegenwart. Es wurde 1973 von Golo Mann, 2005 von Helmut Werner und dem Dramatiker Rolf Hochhuth rezipiert. Zu den Tatsachen von großer historischer Bedeutung gehört, dass Livia bis zu ihrem Tod 29&nbsp;n.&nbsp;Chr. im Zentrum der Macht des römischen Reiches stand: die ersten Jahre als Ehefrau des Triumvirn Octavian, dann an der Seite des 30&nbsp;v.&nbsp;Chr. zur Alleinherrschaft gelangten Princeps Augustus und schließlich als Mutter des zweiten Herrschers, ihres Sohnes Tiberius. Es waren ihre direkten Nachkommen, die sämtliche Herrscher der julisch-claudischen Dynastie stellten und zum Teil noch in ihrem Haushalt aufgewachsen waren. Einer von ihnen, ihr Enkel [[Claudius]] und vierter [[Princeps]], ließ sie zur Göttin erheben, um auf diese Weise seine Verbundenheit mit dem ebenfalls vergöttlichten Augustus zum Ausdruck zu bringen und seine Herrschaft dynastisch zu legitimieren. Augustus war der Schöpfer des [[Prinzipat]], der die Alleinherrschaft eines alle anderen an Charisma und sozialer Ansehensmacht überragenden Princeps mit republikanischen Traditionen und Rechtsformen verband. Die Koppelung von Tradition und Innovation sollte den Principat den alten aristokratischen Eliten und dem Volk erträglich machen. Das war ein langfristiges Experiment, das auch nach dem Tod des Augustus 14&nbsp;n.&nbsp;Chr. noch nicht abgeschlossen war. Livia stand während ihrer ganzen Ehe mit Augustus im Zentrum dieser politischen Entwicklung. An ihrer Person entwickelte sich die Definition der künftigen Rolle der Kaisergattin in Rom.<ref>Christiane Kunst, ''Livia'', Stuttgart 2008, S. 12 f.</ref> Nach dem Tod des Augustus trat sie als Mutter des Nachfolgers für 15 Jahre noch stärker ins Rampenlicht der Politik. Den Höhepunkt ihrer Macht erreichte sie um 22&nbsp;n.&nbsp;Chr. Das führte in den folgenden Jahren bis zu ihrem Tod zu Konflikten zwischen Mutter und Sohn, nicht zuletzt, weil auch die Position der Kaiserwitwe und Kaisermutter im frühen Prinzipat noch nicht geklärt war. Das war alles in allem ein äußerst brisantes politisches Problem; denn in der Verfassungswirklichkeit war der Prinzipat eine Militärmonarchie, in der Verfassungsform und Rechtstheorie aber beharrten Augustus und auch Tiberius darauf, dass die Republik wiederhergestellt sei. Da war kein Platz für die Existenz eine ''Kaiserin'', weder in Gestalt der ''Kaisergattin'' noch jener der ''Kaisermutter''; denn beide Funktionen hätten den dynastisch-monarchischen Charakter des Prinzipats enthüllt. In krassem Gegensatz zu dieser offiziellen Politik, die faktische Position des Herrschers hinter einer republikanischen Fassade zu verhüllen, stand nun das Bemühen des Augustus, seinem Prinzipat dennoch eine dynastische Erbfolge zu implantieren. Man kann an den öffentlichen Ehrenbeschlüssen des Augustus für seine Frau einen wichtigen Tatbestand ablesen: Livias staatspolitische Bedeutung stieg in dem Maße, in dem es immer wahrscheinlicher wurde, dass der älteren claudischen Linie, die keine Blutsverwandtschaft mit Augustus für sich beanspruchen konnte, die Nachfolge im Principat zufallen würde. So bestand Livias alle anderen Frauen überragende politische Funktion in Propaganda und Selbstdarstellung des frühen Prinzipats vor allem darin, dass sie die dynastische Legitimation des neuen Herrschaftssystem verkörperte.<ref>Vgl. dazu auch Paul Schrömges, ''Tiberius und die Res publica Romana'', S. 202 f.</ref> In den Ehrungen der Jahre 35&nbsp;v.&nbsp;Chr. und vor allem 9&nbsp;v.&nbsp;Chr. honorierte Augustus einerseits Livias Verdienste, weil sie ganz im Sinne seiner Sitten- und Ehegesetzgebung das republikanische Ideal der altrömischen aristokratischen Ehefrau und Mutter vorlebte. Wenn er aber im gleichen Jahr die Ara Pacis und das [[Solarium Augusti]] im Nordteil des Campus Martius am Geburtstag Livias, dem 30. Januar, weihte,<ref>[[Edmund Buchner]], ''Die Sonnenuhr des Augustus'', Philipp von Zabern, Mainz 1982, ISBN 3-8053-0430-7, S. 10.</ref> so galt diese Ehrung Livia als Trägerin der dynastischen Legitimation der Monarchie. Livia als lebende Inkarnation traditioneller Werte und Moralvorstellungen der wiederhergestellten Republik und die gleiche Livia als Verkörperung dynastisch-monarchischer Bestrebungen, das enthüllt den unauflösbaren Widerspruch ihrer öffentlichen Position und musste zwangsläufig zu einer „gebrochenen“ Biographie führen; denn je größer vor allem in der Zeit nach dem Tod des Augustus ihre Bedeutung als Trägerin der dynastische Legitimation eines monarchischen Systems wurde, umso mehr wurde sie Zielscheibe der antimonarchischen Geschichtsschreibung und als machtbesessene Intrigantin und Giftmörderin diffamiert. Nach dem Grundsatz: ''Viel Feind, viel Ehr'' bestätigt das negative Liviabild der nachaugusteischen Geschichtsschreibung eher das positive der augusteischen Zeit anstatt es zu widerlegen: Livia war und bleibt die erste und bedeutendste aller römischen Kaiserinnen. Ihre bis heute auch in zahlreichen Statuen, Münzen und Inschriften nachwirkende weltgeschichtliche Bedeutung besteht darin, dass sie dem frühen Prinzipat auch ein weibliches Gesicht verlieh und einen wesentlichen Beitrag zur Festigung des von Augustus begründeten Prinzipats leistete. == Quellen == * [[Cassius Dio]]: ''Römische Geschichte''. Übersetzt von [[Otto Veh]], Artemis-Verlag, Zürich 1985, ([http://penelope.uchicago.edu/Thayer/E/Roman/Texts/Cassius_Dio/home.html englische Übersetzung]) * Helmut Freis (Hrsg. und Übers.): ''Historische Inschriften zur römischen Kaiserzeit von Augustus bis Konstantin, I. Inschriften aus der Zeit der julisch-claudischen Dynastie a) Historische Ereignisse. 2. Feiertage des Kaiserhauses, Fasti Praenestini''. 2. durchgesehene Auflage. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1994, ISBN 3-534-08586-8 (Texte zur Forschung Band 49). * [[Plinius der Ältere|Gaius Plinius Secundus]]: ''Naturkunde'': lateinisch - deutsch. Herausgegeben und übersetzt von Roderich König in Zusammenarbeit mit Joachim Hopp und Wolfgang Glöckner. 37 Bände. Zürich u. a. 1990–2004. ISBN 3-7608-1618-5. * [[Res gestae divi Augusti]]. ''Meine Taten'', herausgegeben von [[Ekkehard Weber]], Artemis & Winkler, Düsseldorf 2004 (zuerst 1970). ISBN 3-7608-1378-X. * [[Sueton]]: Kaiserbiografien von Gaius Iulius Caesar bis [[Domitian]]. Zahlreiche Ausgaben, beispielsweise in ''Sämtliche erhaltene Werke'', Essen 2004 (deutsche Übersetzung). [http://penelope.uchicago.edu/Thayer/E/Roman/Texts/Suetonius/12Caesars/home.html Text (lateinisch)], [http://penelope.uchicago.edu/Thayer/E/Roman/Texts/Suetonius/12Caesars/home.html englische Übersetzung)] * [[Publius Cornelius Tacitus|Tacitus]], ''[[Annales (Tacitus)|Annalen]]'': das Geschichtswerk setzt erst mit dem Tod des Augustus ein, enthält aber zahlreiche Rückblicke auf seine Herrschaft. Zahlreiche Ausgaben, beispielsweise lateinisch und deutsch hg. von Erich Heller, München u. Zürich 1982. [http://perseus.mpiwg-berlin.mpg.de/cgi-bin/ptext?doc=Perseus%3Atext%3A1999.02.0077 Text (lateinisch/englisch)] * [[Velleius Paterculus]]: ''Römische Geschichte. Historia Romana.'' Übersetzt und lateinisch/deutsch herausgegeben von Marion Giebel, Reclam, Stuttgart 2004, ISBN 3-15-008566-7 ([http://penelope.uchicago.edu/Thayer/E/Roman/Texts/Velleius_Paterculus/home.html lateinischer Text mit englischer Übersetzung]). == Literatur == * [[Annetta Alexandridis]]: ''Die Frauen des römischen Kaiserhauses. Eine Untersuchung ihrer bildlichen Darstellung von Livia bis Iulia Domna''. Philipp von Zabern, Mainz 2004, ISBN 3-8053-3304-8. * [[Ernst Baltrusch]]: ''Regimen morum. Die Reglementierung des Privatlebens der Senatoren und Ritter in der römischen Republik und frühen Kaiserzeit''. Beck, München 1989 ([[Vestigia]], Band 41) ISBN 3-406-33384-2. * Anthony A. Barrett: ''Livia. First Lady of Imperial Rome''. 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Chr.]] [[Kategorie:Gestorben 29]] [[Kategorie:Frau]] [[Kategorie:Augustus]] {{Personendaten |NAME=Livia Drusilla |ALTERNATIVNAMEN=Livia; Iulia Augusta |KURZBESCHREIBUNG=Ehefrau des römischen Kaisers Augustus |GEBURTSDATUM=30. Januar 58 v. Chr. |GEBURTSORT= |STERBEDATUM=29 |STERBEORT=[[Rom]] }} {{Link FA|nl}} {{Exzellent|4. März 2010|71414974}} [[br:Livia]] [[ca:Lívia Drusil·la]] [[el:Λιβία]] [[en:Livia]] [[es:Livia Drusilla]] [[eu:Livia Drusila]] [[fi:Livia]] [[fr:Livie]] [[he:ליוויה]] [[hu:Livia Drusilla]] [[it:Livia Drusilla]] [[ja:リウィア]] [[la:Livia Drusilla]] [[nl:Livia Drusilla II]] [[no:Livia]] [[pl:Liwia Druzylla]] [[pt:Lívia Drusa]] [[ru:Ливия Друзилла]] [[sh:Livija]] [[sl:Livija Druzila]] [[sr:Ливија]] [[sv:Livia Drusilla]] [[tr:Livia]] [[zh:莉薇婭]] 7ce2fbp2lvamof0po785n4ff03ngqwy wikitext text/x-wiki LM-49 0 23855 26450 2010-02-16T23:10:55Z Platte 0 Farbe Tabellenkopf {{Infobox Schienenfahrzeug | Baureihe= LM-49 | Farbe1=EADEBD | Farbe2=000000 | Abbildung= Lm49 nn.jpg | Name= Museumstriebwagen ''LM-49'' Nr.&nbsp;687 in Nischni Nowgorod | Nummerierung= | Hersteller= [[Petersburger Straßenbahn-mechanisches Werk|WARS]] <small>({{RuS|ВАРЗ}})</small> | Baujahre= 1949–1960 <small>(LM-49)</small><br />1949–1960, 1965–1968 <small>(LP-49)</small> | Ausmusterung= | Anzahl= 400 <small>(LM-49)</small><br />375 <small>(LP-49)</small> | Achsformel= Bo'Bo' <small>(LM-49)</small><br />2'2' <small>(LP-49)</small> | Bauart= | Gattung= | Spurweite= 1524 mm | Treibraddurchmesser= | VorneLaufraddurchmesser= | HintenLaufraddurchmesser= | AussenLaufraddurchmesser= | InnenLaufraddurchmesser= | Laufraddurchmesser= | Anfahrzugkraft= | Beschleunigung= | Bremsverzögerung= | Leistungskennziffer= | Höchstgeschwindigkeit= 55 km/h | LängeÜberKupplung= | LängeÜberPuffer= 15.710 mm (LM-49)<br />15.700 mm (LP-49) | Länge= 15.400 mm | Höhe= 3.085 mm | Breite= 2.550 mm | Drehzapfenabstand= 7.500 mm | AchsabstandDerFahrgestelle= 1.800 mm | FesterRadstand= | Gesamtradstand= | RadstandMitTender= | Leermasse= 19,5 t <small>(LM-49)</small><br />13,8 t <small>(LP-49)</small> | Dienstmasse= | DienstmasseMitTender= | Reibungsmasse= | Radsatzfahrmasse= | Antrieb= | Geschwindigkeitsmesser= | Steuerung= Direktsteuerung | Übersetzungsstufen= | Kupplungstyp= | Bremsen= Widerstandsbremse, direkt wirkende Druckluftbremse, Handbremse | Zusatzbremse= | Feststellbremse= | Zugheizung= | Lokbremse= | Zugbremse= | Zugsicherung= | Halbmesser= | Besonderheiten= | Anmerkung= | InstallierteLeistung= | Traktionsleistung= | Motorentyp= DTI-60 oder DK-255 | Motorbauart= | Nenndrehzahl= | Leistungsübertragung= | Tankinhalt= | Stromsystem= 600 V = | Stromübertragung= Oberleitung,<br />Scheren-[[Stromabnehmer]] | Stundenleistung= 220 kW | Dauerleistung= | AnzahlFahrmotoren= 4 | Fahrstufenschalter= | Raddurchmesser= 780 mm | Sitzplätze= 34 (LM-49)<br />35 (LP-49) | Stehplätze= 165&nbsp;<small>(LM-49,&nbsp;8&nbsp;Passagiere&nbsp;pro&nbsp;m²)</small><br />170&nbsp;<small>(LP-49,&nbsp;8&nbsp;Passagiere&nbsp;pro&nbsp;m²)</small> | Fußbodenhöhe= | Niederfluranteil= | Klassen= | Nutzmasse= | Betriebsart= Einrichtungsfahrzeug }} '''LM-49''' ({{RuS|''ЛМ-49''}}) ist ein von dem [[Petersburger Straßenbahn-mechanisches Werk|Wagonoremontny Sawod in Leningrad]] (WARS, heute Peterburgski Tramwajno-Mechanitscheski Sawod, [[Sankt Petersburg]], [[Russland]]) gebautes [[Straßenbahn]]fahrzeug. Die Abkürzung ''LM'' bedeutet ''L''eningradski ''M''otorny ({{RuS|Ленинградский Моторный}}, deutsch Leningrader Triebwagen), die Zahl ''49'' entspricht dem Entwicklungsjahr 1949. Gewöhnlich fuhren die Triebwagen im Paar mit ''LP-49''-[[Beiwagen (Straßenbahn)|Beiwagen]], der antriebslosen Variante des ''LM-49''. Der Buchstabe ''P'' steht für ''Prizepnoi'' ({{RuS|прицепной}}, deutsch Beiwagen). Die Minizüge aus ''LM-49''-Triebwagen und ''LP-49''-Beiwagen wurden oft als ''LM-/LP-49'' bezeichnet. Beide Wagen waren [[Einrichtungsfahrzeug]]e und verkehrten nur auf Linien mit [[Wendeschleife]]n oder [[Gleisdreieck#Straßenbahn|-dreiecken]] an den Streckenenden. Aus technischer Sicht verband die Konstruktion des ''LM-49'' sowohl fortschrittliche (z.&nbsp;B. den tragenden Wagenkasten) als auch konservative Lösungen (z.&nbsp;B. die Direktsteuerung). Das WARS produzierte beide Fahrzeuge ab 1949. Der ''LM-49'' wurde 1960 durch den moderneren ''[[LM-57]]''-Solotriebwagen ersetzt, die Fertigung der ''LP-49''-Beiwagen lief weiter bis 1968. Die Fahrzeuge fuhren in Leningrad, [[Nischni Nowgorod|Gorki]], [[Minsk]], [[Magnitogorsk]] und [[Nowokusnezk]] als Minizüge oder Solotriebwagen von 1949 bis 1987. Die Fahrzeuge waren dauerhaft, sicher und zuverlässig, aber schwierig in der Steuerung. Seit Ende der 1970er Jahre nahm die Führung der sowjetischen Verkehrsbetriebe die Fahrzeuge als veraltet außer Betrieb. Ihr technischer Zustand war noch recht gut, aber sie wurden zwangsweise durch den in Überfluss vorhandenen neuen Fuhrpark ersetzt. Die ausgemusterten Wagen wurden fast alle verschrottet und nur drei ''LM-49'' und ein ''LP-49'' sind bis heute als Museumsexponate oder als Denkmal erhalten geblieben. == Geschichte == === Voraussetzungen === Nach dem [[Krieg gegen die Sowjetunion 1941–1945|Zweiten Weltkrieg]] bedurfte der [[Straßenbahn Sankt Petersburg|Leningrader Straßenbahnverkehrsbetrieb]] akut der Ergänzung seines [[Fuhrpark]]es. Der bedeutende Teil der Vorkriegsfahrzeuge wurde während der [[Leningrader Blockade|Blockade Leningrads]] durch Luftangriffe oder Artilleriebeschuss zerstört oder schwer beschädigt und die Reparatur der übrig gebliebenen Wagen war der erste Schritt im Wiederaufbau des Betriebs. Einige beschädigte vierachsige ''[[LM-33]]''-Trieb- und ''LP-33''-Beiwagen behielten nur die Bodenrahmen mit den Drehgestellen ohne den zerstörten Holzwagenkasten. Das WARS installierte auf diesen Fahrgestellen einen neuen, vollständig aus Metall gefertigten Wagenkasten. Solche Umbauten wurden als ''[[LM-47]]'' (Triebwagen) und ''LP-47'' (Beiwagen) bezeichnet. Doch die Zahl der dafür nutzbaren beschädigten ''LM-/LP-33'' war begrenzt, daher stellte sich für die Führung des Leningrader Straßenbahn-Verkehrsbetriebs die Frage nach der Entwicklung eines neuen Fahrzeuges. Auch zeigte die Praxis, dass die Kombination des ''LM-33''-Bodenrahmens und des neuen Ganzmetall-Wagenkastens sehr schwer war und so die maximale Geschwindigkeit und Beschleunigung unter den gewünschten Werten blieb.<ref group="K" name="Schanin-K">A. Schanin: ''Die letzten Leningrader „Klassiker“'', Nr. 8, 2000</ref> === Entwicklung === Deshalb begannen im Jahr 1948 die Konstrukteure des WARS unter der Leitung von G.&nbsp;I.&nbsp;Romanow, T.&nbsp;A.&nbsp;Sewastjanow, G.&nbsp;A.&nbsp;Titkow und W.&nbsp;S.&nbsp;Strischakow mit der Entwicklung eines neuen Straßenbahnfahrzeuges, das den Anforderungen seiner Zeit entsprechen sollte.<ref group="K" name="Schanin-K" /> Gefordert waren: * eine hohe Beförderungskapazität * bequeme Ein- und Ausstiege für schnellen Fahrgastwechsel * Langlebigkeit * eine niedrige Leermasse Die letzten zwei Forderungen widersprechen einander, weshalb die Konstrukteure einen Kompromiss zwischen hoher Nutzungsdauer und niedriger Leermasse suchen mussten.<ref group="R" name="Romanow-4-6">B. L. Schröder, G. I. Romanow u.a.: ''Die vierachsigen ganzmetallenen Straßenbahnfahrzeuge LM-49 und LP-49'', S.&nbsp;4–6</ref> [[Datei:Emblem des WARS.jpg|thumb|Das Emblem des WARS]] [[Datei:Lm49 rear right.jpg|thumb|Blick von rechts auf das Nischni Nowgoroder ''LM-49''-Museumsfahrzeug. Das ursprünglich einteilige Heckfenster wurde bei der Überholung durch zwei kleinere ersetzt.]] Dank des im sowjetischen Straßenbahnfahrzeugbau neuen Konzeptes mit [[Karosserie#Selbsttragende Karosserie|selbsttragendem Wagenkasten]] gelang es dem Kollektiv der Konstrukteure diese Aufgabe sehr erfolgreich zu lösen. Alle vorherigen Typen aus sowjetischer Produktion waren entweder mit einem [[Karosserie#Nicht selbsttragende Karosserie|nicht]]- oder mittragendem Wagenkasten ausgeführt. Bei ersterem wurde der hölzerne Wagenkasten auf einen massiven Bodenrahmen aus schwerem [[Profilstahl]] aufgesetzt. Dieser Rahmen nahm alle mechanische Belastungen auf und nur er wirkte Verformungen entgegen. Die Konstruktion mit mittragendem Wagenkasten war fortschrittlicher, aber auch sie erforderte eine bedeutende Menge Metall, denn Dach und die Enden des Wagenkastens wirkten den Belastungen nicht entgegen. Der ''LM-49'' nutzte alle Vorteile eines dritten Konzepts – der selbsttragenden Konstruktion. Sein Wagenkasten war ein komplett [[Schweißen|geschweißtes]] Gerüst aus verschiedenen leichten Profilstählen. Weder der Bodenrahmen, noch die Eingangsbereiche, noch die Seiten des Wagenkastens hatten eine selbstständige Bedeutung bei der Sicherstellung der Steifigkeit, das Gerüst des Wagenkastens nahm die Kräfte als einheitliches Ganzes auf.<ref group="R" name="Romanow-9">B. L. Schröder, G. I. Romanow u.a.: ''Die vierachsigen ganzmetallenen Straßenbahnfahrzeuge LM-49 und LP-49'', S.&nbsp;9</ref> Dank dieser Konstruktion wurde schwerer Profilstahl in geringerem Umfang verbaut als bei den Vorkriegswagen, was die Leermasse des ''LM-49'' auf 19,5&nbsp;Tonnen verringerte. Im Vergleich dazu wog das Vorkriegsfahrzeug dieser Klasse, der ''[[LM-33]]''-Triebwagen mit Holzwagenkasten, leer noch 21,3&nbsp;Tonnen.<ref group="R" name="Romanow-4-6" /> Um eine hohe Nutzungsdauer zu erreichen, wurde der Profilstahl des Wagenkastens mit Aluminiumlack gestrichen und an sehr wichtigen Stellen [[Chrom#Verwendung|verchromt]].<ref group="R" name="Romanow-11" /> Die größtmögliche Kapazität des neuen Straßenbahnfahrzeuges wurde durch maximale Nutzung der zulässigen Fahrzeugumgrenzungslinie für einen vierachsigen Wagen mit zwei Drehgestellen erreicht. Die Länge des ''LM-49'' liegt damit bei 15.400&nbsp;mm, die Breite beträgt etwa 2.550&nbsp;mm.<ref group="R" name="Romanow-4-6" /> Für das bequeme Ein- und Aussteigen der [[Passagier|Fahrgäste]] wurden erstmalig im sowjetischen Straßenbahnwagenbau einteilige Schiebetüren mit pneumatischem Antrieb zum Öffnen und Schließen wie bei [[U-Bahn]]-Wagen verwendet. Diese Konstruktion der Türen erforderte besondere Eigenschaften des Wagenkastens – man musste die Türtaschen ohne Beeinträchtigung der Festigkeitseigenschaften der Kastenstruktur im Bereich der Türportale vorsehen.<ref group="R" name="Romanow-39">B. L. Schröder, G. I. Romanow u.a.: ''Die vierachsigen ganzmetallenen Straßenbahnfahrzeuge LM-49 und LP-49'', S.&nbsp;39</ref> Da dieser Wagenkasten der erste in der Sowjetunion konstruierte selbsttragende Wagenkasten war, hatten die Konstrukteure keine empirischen Formeln zur Berechnung seiner Widerstandsfähigkeit. Diese Formeln waren früher ein Hauptinstrument in der Projektierung der Fahrzeuge mit nichttragendem Wagenkasten gewesen. Darum wurde der erste gebaute ''LM-49'' für elektrotensometrische Tests der Haltbarkeit des tragenden Wagenkastens genutzt. Sie zeigten die guten Reserven in der Widerstandsfähigkeit und gaben den Entwicklern Erfahrungsdaten. Das erlaubte die folgenden Straßenbahnfahrzeuge nicht blindlings, sondern unter Verwendung der vorhandenen Kenntnisse beim Aufbau des ''LM-49'' zu erarbeiten.<ref group="R" name="Romanow-4-6" /> Ein Teil der elektrischen Ausrüstung und der Konstruktion der [[Drehgestell]]e wurden vom vierachsigem Vorkriegswagen ''LM-33'' entlehnt.<ref group="A" name="Schanin-A" /> Noch ein Fortschritt war der Verzicht auf den [[Tatzlagerantrieb]] im Drehgestell im Jahr 1950. Die neue Variante des Drehgestelles besaß am Drehgestellrahmen aufgehängte [[Fahrmotor]]en, damit diese zur gefederten Masse gehörten und deren Stoßbelastung verringert wurde. Der erste Teil der gebauten ''LM-49'' wurde noch mit der frühen Variante des Drehgestells mit nur teilweise abgefederten Tatzlagermotoren ausgestattet.<ref group="R" name="Romanow-69-70" /> Die Verbesserung des Fahrkomforts der Fahrgäste und die Erleichterung der Arbeit des Wagenführers wurde größtenteils der zukünftigen Entwicklungsarbeit überlassen. Trotz der Verwendung von gummigefederten Radsätzen und [[Schütz (Schalter)|Schützensteuerung]] im Vorkriegsversuchszug ''[[LM-36|LM-/LP-36]]'', wurden die Serienfahrzeuge ''LM-/LP-49'' mit herkömmlichen Radsätzen und handbetätigten [[Fahrschalter]]n ausgestattet.<ref group="A" name="Schanin-A" /> Die Räder wurden aus vollständig gegossenen<!-- nicht doch gewalzten?--> Radscheiben und aufgeschrumpften Radreifen zusammengesetzt. Die Steuerung erfolgte direkt, der Fahrzeugführer schaltete durch einen [[Fahrschalter]] unmittelbar die Motorstromkreise. Im Ergebnis war die Fahrt wegen der zweistufig gefederten Drehgestelle von bedeutendem Lärm begleitet und die Fahrzeugführer mussten mit der schweren Kurbel des Direktsteuerungs-Fahrschalters arbeiten.<ref name="TramNN-1">[http://tramnn.narod.ru/history/cars/lm49/lm49_3.html Seite „Straßenbahn Nischni Nowgorods“] (russisch), eingesehen am 30. Dezember 2008</ref> === Serienproduktion === Nach den erfolgreichen Tests des Prototyps wurde die Serienproduktion des ''LM-49'' im Jahr 1949 begonnen. Sie dauerte bis einschließlich 1960.<ref group="K" name="Schanin-K" /> Die Fertigung des Nachfolgemodells, dem ''[[LM-57]]'' begann im Jahr 1958 im WARS. Der ''LM-49'' wurde durch den neuen ''LM-57'' erst nach zwei Jahren vollständig in der Produktion ersetzt, da der ''LM-57'' ursprünglich viele Kinderkrankheiten aufwies und dessen Bau die Umrüstung der Produktionskapazitäten des WARS (einige neue Maschinen, Einrichtung des Arbeitsablaufs, Weiterbildung des Personals) erforderte.<ref group="K" name="Schanin-L">A. Schanin. [http://tramnn.narod.ru/history/cars/lm57/lm57_1.html ''Der LM-57''] (russisch), eingesehen am 30. Dezember 2008</ref><br /> Die Fertigung der ''LP-49''-Beiwagen wurde ebenfalls im Jahr 1960 gestoppt, sie wurde allerdings im Jahr 1965 wieder aufgenommen und dauerte bis einschließlich 1968.<ref name="RSbFz">[http://vagons.tramvaj.ru/info.php?m=lm49 Seite „Russische Straßenbahnfahrzeuge“] (russisch), eingesehen am 30. Dezember 2008</ref> Diese Wiederaufnahme hatte zwei Gründe: * Das WARS produzierte in den Jahren 1949 bis 1960 viel mehr Triebwagen ''LM-49'' als Beiwagen ''LP-49''. * Von dem neuen Triebwagen ''LM-57'' gab es keine Beiwagen-Variante, ebenso war die Fahrt in [[Mehrfachtraktion]] nicht möglich<ref group="K" name="Schanin-K" />. Die früher gefertigten ''LM-49''-Solotriebwagen konnten den Verkehr auf den Straßenbahnlinien mit hohem Fahrgastaufkommen nicht bewältigen, so dass sie mit den ''LP-49''-Beiwagen komplettiert wurden und als Minizüge (Triebwagen mit einem Beiwagen – Tw+Bw) verkehrten. In den Jahren 1967–1968 entwickelte das WARS sein nächstes Straßenbahnfahrzeug, den ''[[LM-68]]''-Triebwagen, der auch in Mehrfachtraktion verkehren konnte. Faktisch beendete dies die Ära der „klassischen“ Straßenbahnzüge aus Triebwagen und Beiwagen in der UdSSR, seit 1969 wurden keine Beiwagen in den sowjetischen Waggonbaufabriken gefertigt. Der ''LP-49'' war damit der letzte sowjetische vierachsige Beiwagen der in Serie produziert wurde, seine Produktion lief zugunsten der Fertigung des neuen ''LM-68'' aus.<ref group="K" name="Schanin-K" /> Insgesamt fertigte das WARS 400 Triebwagen des Typs ''LM-49'' und 375 Beiwagen vom Typ ''LP-49''.<ref name="RSbFz" /> === Betriebseinsatz === Die meisten produzierten ''LM-/LP-49'' verkehrten in Leningrad. Daneben wurden diese Fahrzeuge als erster Typ der in Leningrad gefertigten Wagen auch an andere Städte geliefert: Seit 1958 nach [[Nischni Nowgorod|Gorki]], [[Nowokusnezk]] und [[Magnitogorsk]]. Ein Triebwagen ''LM-49'' war im Jahr 1959 ein Geschenk für die [[Minsk]]er Bevölkerung. Im Jahr 1965 wurden alle ''LM-/LP-49'' aus Nowokusnezk nach Gorki gebracht.<ref name="Schanin-K" group="K" /> Ende der 1970er, Anfang der 1980er Jahre wurden die ''LM-/LP-49'' ausgemustert, obwohl ihr technischer Zustand die weitere Nutzung erlaubte. Aber die Führung des Minschilkomchos der UdSSR (russisch ''Минжилкомхоз'' – Abkürzung für министерство жилищно-коммунального хозяйства, Ministerium der Wohnungs- und Kommunalwirtschaft) bestand auf der Erneuerung des Fuhrparkes hin zu moderneren Fahrzeugen. Dies war der Hauptgrund für die Verschrottung vieler äußerst haltbarer Straßenbahnfahrzeuge der Stalin-Ära.<ref name="TramNN-1" /> ==== Leningrad ==== In [[Sankt Petersburg|Leningrad]] erhielten die ''LM-/LP-49'' Wagennummern von 3601 bis 3999, ungerade Nummern für Trieb- und gerade für Beiwagen. Die ungeraden Nummernbereiche 37xx und 38xx wurde nur für die zweimotorigen ''LM-49''-Solotriebwagen benutzt, die geraden Nummern dieses Teilbereichs wurden nicht verwendet. Im Jahr 1956 waren alle ungeraden Nummern ausgegeben, so dass die nächsten gelieferten Straßenbahnfahrzeuge Wagennummern ab 3001 erhielten. Die letzten genutzten Nummern waren 3173 für ''LM-49''-Trieb- und 3168 für die ''LP-49''-Beiwagen. Insgesamt gab es in der Inventarliste des Leningrader Straßenbahn-Verkehrbetriebs 287 Einheiten vom Typ ''LM-49'' und 268 Einheiten vom Typ ''LP-49''. In der Stadt verkehrten die ''LM-/LP-49'' seit 1949 praktisch auf allen Linien und von allen Depots, der letzte ''LM-49'' ging in Leningrad erst im März 1983 außer Betrieb; neuere ''LP-49''-Beiwagen verkehrten auch danach mit Triebwagen ''LM-68'' oder ''LM-68M''. Dabei war die „Achtundsechziger“-Serie (''LM-68'' und ''LM-68M'') eigentlich nicht für den Verkehr in Tw+Bw-Zügen vorgesehen, wurde aber in dieser Rolle trotzdem verwendet. Die Züge aus ''LM-68''-Triebwagen und ''LP-49''-Beiwagen hatten mit der Bezeichnung „Dinosaurier“ einen eigenen Spitznamen. Mitte 1984 wurde der letzte ''LP-49'' in Leningrad außer Betrieb genommen.<ref name="Schanin-K" group="K" /> Nach dem Ende des Fahrgastverkehrs wurden wenige Fahrzeuge der Leningrader ''LM-/LP-49'' als Hilfsfahrzeuge weiter genutzt. Als Turmtriebwagen dienten sie der Wartung des [[Oberleitung|Fahrleitungsnetzes]], daneben wurden sie als Zugfahrzeug für ''WPRS-500''-Bahngleis-Ausrichtungsmechanismen eingesetzt. Die nicht für den Hilfsfuhrpark überarbeiteten Fahrzeuge wurden verschrottet<ref name="Schanin-K" group="K" />. In Leningrad wurde ein Teil der ''LM-/LP-49'' in der lokalen Asche-Halde (sogenannter „Straßenbahnfriedhof“) vergraben<ref name="TramNN-1" />. Später wurde ein Hilfsfahrzeug für Museumszwecke zurück in den ursprünglichen Zustand versetzt. ==== Gorki ==== [[Datei:Lm49 historical photo.jpg|thumb|Ein ''LM-49''-Solotriebwagen auf der Tschkalowstraße in Gorki, 1960er Jahre]] Die schnelle Erweiterung der Stadt Mitte der 1950er Jahre forderte die entsprechende Entwicklung des [[Öffentlicher Personennahverkehr|Nahverkehrs]]. Die größten Schwierigkeiten traten im [[Awtosawodski Rajon]] (Stadtbezirk) auf, wo die Fahrgastströme so groß waren, dass sogar Tw+Bw+Bw-Züge aus vierachsigen Vorkriegswagen ''[[KM (Straßenbahn)|KM/KP]]'' die Verkehrsprobleme nicht lösen konnten. Die Stadtregierung und die Führung des ''Gorkowskoje Tramwajno-Trollejbusnoje Uprawlenije'' (Gorkier Straßenbahn- und Obusamt, der Stadtverkehrsbetrieb) fanden unter diesen Umständen zur Lösung des Problems die notwendigen Geldmittel und Rohstoffe für das WARS, um neue außerplanmäßige ''LM-/LP-49'' für Gorki auch ohne Direktive des Minschilkomchos zu produzieren<ref name="TramNN-1" />.<ref>Ju. M. Kossoi: ''Ihr Freund die Straßenbahn. Das Jahrhundert der Nischni Nowgoroder Straßenbahn''. S.&nbsp;83</ref> So wurden im Jahr 1958 die ersten 19&nbsp;Züge geliefert und vom Depot Nr.&nbsp;2 in [[Sormowo]] aus eingesetzt. Wie geplant fuhren sie auf den Linien 4, 8, 11, 12, 16 und 17, die den Awtosawodskij Rajon mit den anderen Stadtteilen verbanden. Die genauen Wagennummern sind unbekannt, die ersten ''LM-49'' und ''LP-49''-Straßenbahnfahrzeuge erhielten aber die Nr.&nbsp;650 bzw. Nr.&nbsp;453. Die weiter gelieferten ''LM-49'' und ''LP-49'' wurden damit beginnend in aufsteigender Reihenfolge nummeriert. Im Jahr 1965 befahl das Minschilkomchos zwölf gebrauchte ''LM-49''-Triebwagen aus Leningrad and sieben ''LM-/LP-49''-Züge aus Nowokusnezk nach Gorki zu liefern.<ref>Ju. M. Kossoi: ''Ihr Freund die Straßenbahn. Das Jahrhundert der Nischni Nowgoroder Straßenbahn.'' S. 99</ref> Im selben Jahr eröffnete auch das neue Depot Nr.&nbsp;3 und die teilweise Übergabe des Fuhrparkes vom Depot Nr.&nbsp;2 dorthin begann. Das neue Depot befand sich direkt im Awtosawodskij Rajon und so geschah die Verlegung dorthin vor allem, um die sehr langen Dienstfahrten von dem nördlich des Rajons liegenden Depot Nr.&nbsp;2 zu den dortigen Linien zu reduzieren. Anfang 1967 hatte das Depot Nr.&nbsp;2 noch 20&nbsp;''LM-/LP-49''-Züge und 43 ''LM-49'' sowie 37 ''LP-49'' befanden sich im Depot Nr.&nbsp;3. Später wurden alle Fahrzeuge dieses Typs an das Depot Nr.&nbsp;3 verlegt<ref name="TramNN-1" />. Bei der Neunummerierung im Jahr 1970 erhielten alle damals vorhandenen ''LM-49'' Wagennummern von 3701 bis 3761 und die ''LP-49'' von 3801 bis 3846. Insgesamt zählte der Fuhrpark in Gorki nach der Übernahme der Fahrzeuge aus Nowokusnezk 67&nbsp;Trieb- und 46&nbsp;Beiwagen.<ref name="TramNN-1" /> In Gorki wurden die ''LM-/LP-49''-Straßenbahnfahrzeuge im Vergleich mit Leningrad noch früher, bereits in den Jahren 1975 bis 1980, verschrottet; Juri Markowitsch Kossoi, Chef des Gorkier Straßenbahn- und Obus-Verkehrsbetriebs zu dieser Zeit erinnerte sich, dass dies getan wurde, um die Lieferung der neuen tschechischen [[Tatra T3#T3SU|Tatra ''T3SU'']] zu ermöglichen.<ref name="TramNN-1" /> ''LM-/LP-49'' wurden in der Stadt nicht als Hilfsfahrzeuge genutzt. Ein Zug wurde speziell für Museumszwecke erhalten. ==== Andere Städte ==== Weitere Lieferungen von ''LM-/LP-49'' gingen an die im [[Ural]] liegenden Städte [[Magnitogorsk]] und [[Nowokusnezk]], beides Zentren der sowjetischen [[Metallurgie|Hüttenindustrie]]. Ähnlich wie in Gorki, forderten die sehr großen Fahrgastströme der Stahlarbeiter entsprechende Verkehrsmittel. Nach der Lieferung an Gorki im Jahr 1965 fuhren nie wieder ''LM-/LP-49'' in Nowokusnezk, in Magnitogorsk hingegen fuhren sie am längsten von allen Städten, hier verließen die letzten Züge erst 1987 ihre Linien<ref name="Schanin-K" group="K" />. Es gab keine Hilfs- oder Museumsfahrzeuge dieses Typs in Magnitogorsk, aber zwei Wagenkästen wurden mit verschweißten Fenstern als Schuppen verwendet<ref name="TramNN-1" />. Gegenwärtig gibt es so gut wie keine detaillierten Information über die ''LM-/LP-49'' in diesen Städten, so sind ihre Wagennummern, Linien- und Depot-Einteilungen sowie ihre genaue Anzahl unbekannt. Daneben ist und war es in sowjetischen und russischen Straßenbahnbetrieben üblich, für mehrere Fahrzeuge eine identische Wagennummer zu vergeben (das Ersatzfahrzeug für früh verschlissene, verbrannte oder beschädigte Wagen erhielt die gleiche Nummer). Dies erschwert die genaue Feststellung des Fuhrparks in sowjetischen Städten. Der einzige ''LM-49'' in [[Minsk]] fuhr, bis er verbraucht war, und wurde nach der Ausmusterung als Denkmal aufgestellt. == Technische Beschreibung == === Wagenkasten === [[Datei:Lm49 interior 1.jpg|thumb|Ansicht auf den vorderen Teil des Fahrgastraums eines ''LM-49'']] [[Datei:Lm49 interior 2.jpg|thumb|Blick auf den Fahrgastraum in Richtung Heck]] Der Wagenkasten des ''LM-49'' war ein komplett [[Schweißen|geschweißtes]] Gerüst aus leichten [[Profilstahl|Profilstählen]] verschiedener Dicken und Querschnitte. Dieses Gerüst wurde mit 2&nbsp;mm starken [[Stahl]]platten verkleidet. Insgesamt kamen beim Wagenkasten verschiedene Fertigungstechnologien zur Anwendung: die Stahlverkleidung wurde nicht an das Gerüst geschweißt, sondern [[Niet|genietet]] und das Dach wurde aus [[Holzverbindung#Spundung|Spundbrettern]] zusammengesetzt. Diese Bretter wurden ihrerseits mit [[Persenning#Tarpaulin|Zelttuch]] verkleidet, um die Wahrscheinlichkeit von [[Trauma (Medizin)|Elektrotraumen]] für die Arbeiter bei Wartungsarbeiten auf dem Dach zu verringern.<ref group="R" name="Romanow-11">B. L. Schröder, G. I. Romanow u.a.: ''Die vierachsigen ganzmetallenen Straßenbahnfahrzeuge LM-49 und LP-49'', S.&nbsp;11</ref><ref group="R" name="Romanow-31">B. L. Schröder, G. I. Romanow u.a.: ''Die vierachsigen ganzmetallenen Straßenbahnfahrzeuge LM-49 und LP-49'', S.&nbsp;31</ref> Von innen erhielt der Wagenkasten eine Verkleidung aus lackiertem [[Furniersperrholz|Eichenfurnierholz]], einige Metallteile wie Griffstangen, Griffe und Fensterrahmen wurden aus ästhetischen Gründen und gegen Korrosion [[Chrom#Verwendung|verchromt]].<ref group="R" name="Romanow-35">B. L. Schröder, G. I. Romanow u.a.: ''Die vierachsigen ganzmetallenen Straßenbahnfahrzeuge LM-49 und LP-49'', S.&nbsp;35</ref><ref group="R" name="Romanow-50-53">B. L. Schröder, G. I. Romanow u.a.: ''Die vierachsigen ganzmetallenen Straßenbahnfahrzeuge LM-49 und LP-49'', S.&nbsp;50, 53</ref> Der Bretterboden wurde auf dem Bodenrahmen des Gerüstes gedielt und besaß eine schnell auswechselbare [[Schnittholz#Formate|Leistendeckung]]. Unter dieser Deckung befanden sich einige Luken und Wartungsöffnungen zum Zugang an die [[Drehgestell]]e und andere innere Teile und Geräte des Fahrzeuges.<ref group="R" name="Romanow-33">B. L. Schröder, G. I. Romanow u.a.: ''Die vierachsigen ganzmetallenen Straßenbahnfahrzeuge LM-49 und LP-49'', S.&nbsp;33</ref> Ursprünglich waren die Sitze als reine Leistenkonstruktion ungepolstert, doch oft wurden sie bei der Generalüberholung durch gepolsterte [[Sofa]]-artige Sitze wie im Museumsfahrzeug Nr.&nbsp;687 in Nischni Nowgorod ersetzt. Von außen wurde der Wagenkasten im WARS in Creme- und Rottönen angestrichen, der ''LM-49'' im Nischni Nowgoroder Museum trägt eine der möglichen Varianten eines solchen Anstriches, obwohl die Wagen in Gorki ansonsten die für viele sowjetische Straßenbahnverkehrbetriebe traditionellen Farben Rot und Gelb trugen. Die sorgfältige Bearbeitung gegen [[Korrosion]] und das hochwertige Material der Profilstähle und der Verkleidung gewährleisteten eine besonders gute Haltbarkeit, Zuverlässigkeit und lange Nutzungsdauer des Wagenkastens im Ganzen.<ref group="R" name="Romanow-11" /> Der Wagenkasten des ''LP-49''-Beiwagens war annähernd identisch mit dem des Triebwagens. Ihm fehlte der Führerstand, daneben besaß er einige Luken im Boden weniger und eine etwas andere obere Frontpartie, da das Fenster für die Linienanzeige sowie die [[Soffittenlampe|Farbsoffittenlampen]] am Beiwagen entbehrlich waren.<ref group="R" name="Romanow-10-54">B. L. Schröder, G. I. Romanow u.a.: ''Die vierachsigen ganzmetallenen Straßenbahnfahrzeuge LM-49 und LP-49'', S.&nbsp;10, 33 u.&nbsp;53</ref> Der ''LP-49'' war über eine einfache, in der UdSSR standardisierte, mechanische [[Kupplung (Bahn)|Kupplung]] mit dem Triebwagen verbunden, die sonstigen Verbindungen liefen von dieser getrennt. Der ''LM-49'' hatte 34&nbsp;Sitz- und 165&nbsp;Stehplätze bei acht Personen pro Quadratmeter (maximale Anzahl gemäß dem sowjetischen Richtsatz). Infolge des Fehlens des Führerstandes hatte der ''LP-49''-Beiwagen mit 35&nbsp;Sitz- und 170&nbsp;Stehplätzen eine etwas größere Fahrgastkapazität.<ref>M. S. Tschertok: ''Die Straßenbahnfahrzeuge''</ref> Der größte Nachteil des Fahrgastraums war, dass lediglich eine einzige Griffstange für stehende Passagiere auf der linken Seite des Innenraums vorhanden war. Sowohl ''LM-49''-Trieb- wie ''LP-49''-Beiwagen besaßen neben der Mitteltür eine kleine Kabine für den Schaffner. === Drehgestelle === [[Datei:Lm49 bogie 1.jpg|thumb|Gesamtansicht des ''LM-49''-Drehgestells]] [[Datei:Lm49 bogie 2.jpg|thumb|Details des Drehgestelles]] Der ''LM-49'' war mit zwei identischen doppelgefederten [[Drehgestell|Schwanenhalsdrehgestellen]] ausgestattet. Ihr Entwurf war eine geringfügig verbesserte Version des Drehgestells des ''[[LM-33]]''-Triebwagens und besaß viele Teile, die mit diesem austauschbar waren.<ref group="A" name="Schanin-A">A. Schanin, ''Die Amerikanerinnen'', 2000, Nr. 7</ref> Vom technischen Standpunkt her bestand das Drehgestell aus: * der Wiege mit [[Drehzapfen]], der den Wagenkasten mit dem Drehgestell verband * dem massiven Rahmen des Drehgestells mit zwei daran befestigten gekröpften »Schwanenhalsträgern«, die sich auf den Achslagergehäusen abstützen * den Teilen der [[Drehgestell#Grundlagen|Primär- und Sekundärfederung]] * den [[Bremse]]n und den beiden Antriebsmotoren<ref group="R" name="Romanow-64">B. L. Schröder, G. I. Romanow u.a.: ''Die vierachsigen ganzmetallenen Straßenbahnfahrzeuge LM-49 und LP-49'', S.&nbsp;64</ref> Die beiden Radsätze wurden in Ausschnitten des Drehgestellrahmens geführt, der Drehgestellrahmen stützte sich über Schraubenfedern auf den Schwanenhalsträgern ab.<ref group="R" name="Romanow-69-70">B. L. Schröder, G. I. Romanow u.a.: ''Die vierachsigen ganzmetallenen Straßenbahnfahrzeuge LM-49 und LP-49'', S.&nbsp;69, 70</ref> Zwischen den beiden Mittelträgern des Drehgestellrahmens war der untere Teil des quer liegenden Wiegenträgers angebracht, auf dem sich der Wagenkasten pendelnd gelagert mittels elliptischen [[Feder (Technik)|Blattfeder]]n abstützte. Diese Konstruktion bildete die Sekundärfederung und federte Quer- und senkrechte [[Kraft|Kräfte]] ab. Der Drehzapfen war die Verbindung zwischen dem Wagenkasten und der Oberwiege des Wiegenträgers am Drehgestell und ermöglichte die Drehbewegung zwischen diesen beiden.<ref group="R" name="Romanow-71-72">B. L. Schröder, G. I. Romanow u.a.: ''Die vierachsigen ganzmetallenen Straßenbahnfahrzeuge LM-49 und LP-49'', S.&nbsp;71, 72</ref> Am ''LM-49''-Triebwagen hatten die Achswellen geschliffene Abschnitte an den Mittelteilen als Verbindungsstelle zum Zahnrad des [[Vorgelege]]s. Im Fall der ''DTI-60''-Tatzlagermotoren war dieses Vorgelege das einzige Teil der Kraftübertragung vom Motor zum Radsatz, die Achsen des Radsatzes und des [[Anker (Elektrotechnik)|Motorläufers]] waren strikt parallel und steif miteinander verbunden. Diese Motoren waren hier an den äußeren und inneren Mittelträgern des Drehgestells an [[Schraubenfeder]]n befestigt, um so die Relativbewegungen der Radsätze zum Drehgestellrahmen mitgehen zu können. Bei Drehgestellen mit ''DK-255''-Motoren gehörten die Motoren zur gefederten Masse und waren fest mit dem Drehgestellrahmen verbunden, also von den Radsätzen unabhängig gefedert. Für die Kraftübertragung kam eine [[Kardanwelle]] zwischen Vorgelege und Motorläufer hinzu. Diese Verbindung ließ geringe gegenseitigen Bewegungen zwischen Motorwelle und Radsatz zu.<ref group="R" name="Romanow-69-70" /><ref group="R" name="Romanow-77-88">B. L. Schröder, G. I. Romanow u.a.: ''Die vierachsigen ganzmetallenen Straßenbahnfahrzeuge LM-49 und LP-49'', S.&nbsp;77, 82 u.&nbsp;85</ref> Die Drehgestelle des ''LP-49''-Beiwagen unterschieden sich vom Triebwagen lediglich durch das Fehlen der Motoren und sonstiger Antriebsteile.<ref group="R" name="Romanow-65">B. L. Schröder, G. I. Romanow u.a.: ''Die vierachsigen ganzmetallenen Straßenbahnfahrzeuge LM-49 und LP-49'', S.&nbsp;65</ref> Die Drehgestelle waren mit zweiseitig wirkenden Klotzbremsen für jede Achse ausgestattet. Zusätzlich zur elektrodynamischen Bremse war die Druckluftbremse Betriebsbremse, außerdem war eine auf das gleiche Bremsgestänge wirkende Handbremse vorhanden. Die Handbremse wurde auch als Feststellbremse verwendet.<ref group="R" name="Romanow-94-100">B. L. Schröder, G. I. Romanow u.a.: ''Die vierachsigen ganzmetallenen Straßenbahnfahrzeuge LM-49 und LP-49'', S.&nbsp;94, 98</ref> Diese Drehgestellkonstruktion war im Ganzen recht erfolgreich und wurde als zuverlässig geschätzt.<ref group="A" name="Schanin-A" /> === Elektrische Ausrüstung === [[Datei:Lm49 interior 4.jpg|thumb|Zur Innenausstattung der Führerkabine des ''LM-49'' gehört der Fahrschalter mit der „Kaffeemühlen“-Kurbel]] Der ''LM-49'' erhielt die [[Elektrizität|elektrische Energie]] über einen [[Stromabnehmer#Scheren-Stromabnehmer|Scherenstromabnehmer]] von einer einpoligen [[Oberleitung]]. Die [[elektrische Spannung]] im [[Gleichstrom]]netz lag bei 600&nbsp;[[Volt]]. In [[Nischni Nowgorod|Gorki]] wurden die Scherenstromabnehmer durch [[Stromabnehmer#Lyra-Stromabnehmer|Lyrabügel]] ersetzt. Die Schienen dienen als Rückleiter im Fahrstromkreis zum [[Bahnunterwerk]].<ref group="R" name="Romanow-155-157">B. L. Schröder, G. I. Romanow u.a.: ''Die vierachsigen ganzmetallenen Straßenbahnfahrzeuge LM-49 und LP-49'', S.&nbsp;155–157</ref> Die elektrische Ausrüstung lässt sich in Haupt- und Hilfsstromkreise gliedern. Die [[Gleichstrommaschine#Verbundmaschine|Triebdoppelschlussmotoren]], [[Anfahrwiderstand|Anfahr- und Bremswiderstände]], sowie der [[Fahrschalter]] mit Direktsteuerung waren die Teile des Hauptstromkreises.<ref group="R" name="Romanow-155-157" /> Durch den Fahrschalter regulierte der Wagenführer gestuft die [[Stromstärke]] in den [[Anker (Elektrotechnik)|Läufer-]] und [[Erregerwicklung|Feldwicklung]]en der Motoren und steuerte folglich die [[Beschleunigung]] bei Anfahren des Wagens und seine [[Geschwindigkeit|Fahrgeschwindigkeit]]. Beim [[Bremse]]n wirkten die Motoren und Widerstände durch eine spezielle Schaltung als [[Widerstandsbremse|elektrodynamische Bremse]]. Das Fahrzeug konnte damit im Notfall auch bei fehlender Spannung im Stromnetz elektrodynamisch bis auf 5–10&nbsp;km/h abbremsen, der vollständige Stillstand wurde über die Hand- oder Druckluftbremse erreicht.<ref group="R" name="Romanow-155-157" /> Die Verbraucher im Hilfsstromkreise waren: * Außen- und Innenbeleuchtung; einige Fahrzeuge wurden auch mit einem [[Scheinwerfer]] auf dem Dach für den Verkehr auf Außenlinien ausgestattet * der Kompressorantrieb * die Heizung des Fahrgastraums und der Kabine des Wagenführers * die Klingel und bei einigen Fahrzeugen eine Einrichtung für ein einfaches Tonsignal vom Schaffner zum Fahrer<ref group="R" name="Romanow-157-158">B. L. Schröder, G. I. Romanow u.a.: ''Die vierachsigen ganzmetallenen Straßenbahnfahrzeuge LM-49 und LP-49'', S.&nbsp;157–158</ref> Alle diese Stromkreise erhielten die Energie direkt aus der Fahrleitung (600-V-Stromnetz); mehrere typengleiche Kleinspannungsverbraucher, wie die [[Glühlampe]]n, wurden [[Reihenschaltung|in Reihe]] geschaltet, so dass die Spannung ausreichend reduziert wurde. Einzelne andere Geräte, wie die elektrische Klingel, wurden über [[Vorwiderstand|Vorwiderstände]] geschaltet. Ursprünglich hatten die ''LM-49'' keine [[Fahrtrichtungsanzeiger]], [[Bremsleuchte]]n und Funksprechanlagen, sie wurden später installiert und ebenfalls durch Vorwiderstände geschaltet.<ref group="R" name="Romanow-244-260">B. L. Schröder, G. I. Romanow u.a.: ''Die vierachsigen ganzmetallenen Straßenbahnfahrzeuge LM-49 und LP-49'', S.&nbsp;244, 259 u.&nbsp;260</ref> Der ''LP-49''-Beiwagen besaß keinen Hauptstromkreis und nur einen Teil der Geräte im Hilfsstromkreis im Vergleich mit ''LM-49''-Triebwagen. Die elektrische Energie wurde durch ein flexibles Kabel vom Triebwagen her eingespeist. An den Arbeitsplätzen der Schaffner konnte die Klingel betätigt werden. Die sonstige Elektrik wurde von der Kabine des Wagenführers aus gesteuert.<ref group="R" name="Romanow-244-260" /> === Pneumatische Ausrüstung === [[Datei:Lm49 interior 3.jpg|thumb|Die Bedienelemente der pneumatischen Ausrüstung des Wagens und die Säule der Handbremse in der Wagenführerkabine]] Die ''LM-''/''LP-49''-Straßenbahnfahrzeuge besaßen zahlreiche [[Pneumatik|pneumatische Systeme]]. Zu dieser Ausrüstung gehörten ein [[Verdichter|Kompressor]], angetrieben von einem Elektromotor, ein [[Luftfilter]], ein Luftbehälter, eine [[Hauptluftleitung]] mit elektropneumatischem [[Druckregulator]], sowie ein mechanisches [[Sicherheitsventil]] für das Notabblasen im Fall des Versagen des Druckregulators. Hinzu kamen andere Ventile, flexible Verbindungsgummischläuche und viele Druckluftabnehmer. Letztere waren: * die Türantriebe zum Öffnen und Schließen * die Druckluftbremse * der Antrieb der [[Sandstreuer]] * das Gerät für das Heben und Senken des Scheren-Stromabnehmers mit Hilfspumpe im Fall des Druckmangels im System * das Gerät für das Heben und Senken des [[Schienenräumer|Fangkorbes]] * der [[Scheibenwischer]] * die [[Klingel]], die ebenfalls elektrisch oder per Hand funktionierte<ref group="R" name="Romanow-106">B. L. Schröder, G. I. Romanow u.a.: ''Die vierachsigen ganzmetallenen Straßenbahnfahrzeuge LM-49 und LP-49'', S.&nbsp;106</ref> Die ''LP-49''-Beiwagen waren nicht mit einen Kompressor und Sicherheitsventil gegen Drucküberschreitung ausgestattet, die Druckluftversorgung erfolgte vom Triebwagen aus durch einen flexiblen Schlauch. Bei Störungen, bei denen es zur Unterbrechung dieser Verbindung kam, sank der Druck in der Hauptleitung und die Bremsen setzten automatisch ein.<ref group="R" name="Romanow-104">B. L. Schröder, G. I. Romanow u.a.: ''Die vierachsigen ganzmetallenen Straßenbahnfahrzeuge LM-49 und LP-49'', S.&nbsp;104</ref> Der Triebfahrzeugführer konnte alle Druckluftsysteme des Fahrzeuges aus seiner Kabine steuern, zusätzlich konnten die Schaffner in Trieb- und Beiwagen die Ventile zur Türsteuerung und der Notbremse unabhängig vom Triebfahrzeugführer bedienen.<ref group="R" name="Romanow-103-107">B. L. Schröder, G. I. Romanow u.a.: ''Die vierachsigen ganzmetallenen Straßenbahnfahrzeuge LM-49 und LP-49'', S.&nbsp;103, 107</ref> == Versionen == Die ''LM-49''-Triebwagen wurden in drei Varianten, die jeweils keine offiziellen Bezeichnungen hatten, produziert: * ''LM-49'' mit vier ''DTI-60''-Tatzlagermotoren, gesteuert durch ''DK-7B''-Fahrschalter mit 8 Fahr- und 6 Bremsstufen * ''LM-49'' mit zwei ''DTI-60''-Tatzlagermotoren (am ersten und vierten Radsatz), gesteuert durch ''MT-1A''-Fahrschalter mit 8 Fahr- und 6 Bremsstufen. Diese Ausführung wurde ausschließlich für den Verkehr als Solotriebwagen ohne Beiwagen vorhergesehen. Im Betrieb wurden fast alle Fahrzeuge dieser Variante mit der Lieferung der neuen ''LP-49''-Beiwagen allmählich zur viermotorigen Konfiguration aufgerüstet * ''LM-49'', angetrieben durch vier schnelllaufende und vollabgefederte ''DK-255A''- oder ''DK-255B''-Motoren, die durch ''MT-22''-Fahrschalter mit 12 Fahr- und 5 Bremsstufen gesteuert wurden. Das Drehmoment des Motors wurde durch eine Kardanwelle und ein Vorgelege zum Radsatz übergetragen. Die Serienproduktion dieser Variante begann im Jahr 1950.<ref group="R" name="Romanow-222-240">B. L. Schröder, G. I. Romanow u.a.: ''Die vierachsigen ganzmetallenen Straßenbahnfahrzeuge LM-49 und LP-49'', S.&nbsp;222, 233 u.&nbsp;240</ref><ref name="Schanin-A" group="A" /> Während der Serienproduktion unterlag die Konstruktion des ''LP-49''-Beiwagens keinen bedeutenden Änderungen, aber sowohl er als auch der ''LM-49''-Triebwagen wurden generell nur wenig modernisiert und verbessert. Zum Beispiel wurden ab 1953 neue Rollenlager in den Achsbuchsen eingeführt, ab 1958 wurden die Fenster mit denen des neuen ''LM-57''-Solotriebwagens vereinheitlicht. Während des Betriebs in Leningrad wurden einzelne ''LM-/LP-49''-Züge modernisiert. Versuchsweise erhielt ein Zug gummigefederte Räder, zwei andere ''LM-49''-Triebwagen wurden mit einer automatischen Indirektsteuerung sowie großen Seitenfenstern und Glasdach ausgestattet.<ref name="Schanin-A" group="A" /> == Entwurfsanalyse == [[Datei:LM-49-03.jpeg|thumb|Der Sankt Petersburger ''LM/LP-49''-Museumszug auf der [[Tutschkow-Brücke]]]] Die ''LM-/LP-49''-Wagen waren vom technischen Standpunkt her gesehen ein Fortschritt im sowjetischen Straßenbahnfahrzeugbau. Das Konzept des [[Karosserie#Selbsttragende Karosserie|selbsttragenden Wagenkastens]] und die Schiebetüren wurden erstmals bei einem Straßenbahnfahrzeug der UdSSR realisiert.<ref group="R" name="Romanow-9" /><ref group="R" name="Romanow-39" /> Auch gehörten sie zu den ersten Wagen, die mit vollgefederten, schnelllaufenden Motoren ausgestattet wurden. Diese Variante der Federung verringerte die ungefederte Massen des Fahrzeuges und dadurch die schädigende Einwirkung auf das Gleis. Andererseits fanden alle Innovationen lediglich auf dem Gebiet der mechanischen Komponenten und Teile des Fahrzeuges statt, das Niveau der inneren Ausstattung und Ausrüstung blieb auf dem Stand der 1930er Jahre. Der ''LM-49'' wurde mit vielen Druckluftgeräten und einem handbetätigten Fahrschalter ausgestattet. Die Direktsteuerung wies einen niedrigen [[Wirkungsgrad]] mit hohem unnützem Verbrauch von elektrischer Energie auf. Auch forderte sie von dem Wagenführer sichere und trainierte Fertigkeiten für dessen Benutzung.<ref name="TramNN-1" /> Zu dieser Zeit besaßen ausländische Straßenbahnfahrzeuge schon indirekte Steuerungen, bei der alle Umschaltungen in den Motorstromkreisen durch [[Schütz (Schalter)|Schütze]] oder Kleinspannungsverstellmotoren realisiert wurden. Dieses Steuerungssystem vereinfachte die Arbeit des Wagenführers, er wurde frei von der schweren Kurbel des Fahrschalters. Daneben verbraucht ein Straßenbahnfahrzeug mit Indirektsteuerung wegen vom Geschick des Triebwagenführers unabhängigem Anfahrverhalten weniger [[elektrische Energie]] bei der [[Beschleunigung]] im Vergleich zu solchen mit Direktsteuerung. Zu dieser Zeit fand auch ein fließender Übergang von Druckluftgeräten zu rein elektrischen oder elektromechanischen Mechanismen im Bereich der [[Bremse]]n oder Öffnungsantriebe der Türen statt. Ein gutes Beispiel solcher fortschrittlicher Straßenbahnfahrzeuge ist der amerikanische [[PCC-Wagen|''PCC''-Wagen]]. Einige ähnliche Ideen wurden in den Entwürfen der in Kleinserie produzierten ''[[M-38 (Straßenbahnfahrzeug)|M-38]]''-Triebwagen und des ''[[LM-36|LM-/LP-36]]''-Versuchszuges realisiert, aber selbst nach dem großen, durch den Krieg hervorgerufenen technischen Fortschritt waren die sowjetischen Großserien-Straßenbahnfahrzeuge und die Verkehrsbetriebe für diese Verbesserungen noch nicht bereit (die ''M-38'' wurden während des Krieges wegen der sehr komplizierten Wartung außer Betrieb genommen, der ursprünglich indirektgesteuerte ''LM-/LP-36'' wurde sogar noch vor dem Krieg mit einer Direktsteuerung ausgestattet). So war der Konservatismus der Entwickler hier vollkommen angemessen.<ref name="Schanin-A" group="A" /> Zu dieser Zeit wurde wenig Aufmerksamkeit auf die Bequemlichkeit der Passagiere gelegt, die Hauptanforderung war eine hohe Transportkapazität des Fuhrparkes. Immerhin spielte Letztere indirekt wiederum eine bedeutende Rolle beim Fahrkomfort – infolge der großen Abmessungen der ''LM-/LP-49''-Wagen waren sie die geräumigsten Straßenbahnfahrzeuge, im Vergleich mit den Vorkriegswagen (besonders den Zweiachsigen) oder mit dem gleich alten vierachsigen ''[[MTW-82]]''-Solotriebwagen war Gedränge daher seltener.<ref name="TramNN-1" /> Die Verwendung von gummigefederten Rädern, automatischer Indirektsteuerung und leiser Drehgestelle wurde folglich nicht angegangen, die Konstrukteure kamen auf diese Probleme im Entwicklungsprozess ihres nächsten Modells, dem ''[[LM-57]]'' zurück. Im deutschen Straßenbahnfahrzeugbau wurden sehr ähnliche technische Lösungen wie beim ''LM-49'' bei der Konstruktion des Straßenbahnwagens „[[Langer Essener]]“ bereits in den frühen 1930er Jahren verwirklicht. Dieses für seine Zeit sehr innovative Fahrzeug wurde im Jahr 1933 bei ''[[DUEWAG|Waggon-Fabrik AG, Uerdingen]]'' entwickelt und bis 1938 für Essen hergestellt. Der Wunsch, die maximale Beförderungskapazität bei einem Fahrzeug mit Bo'Bo'-[[Bauartbezeichnung von Triebfahrzeugen|Achsformel]] zu erhalten, führte zu identischen Eigenschaften: beide Fahrzeuge waren für ihre Einsatzgebiete Großraumwagen, besaßen einen leichten selbsttragenden Ganzmetall-Wagenkasten und typengleiche Schiebetüren. Doch dem wesentlich jüngeren ''LM-49'' fehlten andere fortschrittliche Lösungen des „Langen Esseners“ wie die vollautomatische Indirektsteuerung mit der Möglichkeit der [[Mehrfachtraktion]].<ref name="Reuther">Axel Reuther: ''Album der deutschen Straßenbahnfahrzeuge von den Anfängen bis 1945''. GeraMond Verlag GmbH, München, ISBN 978-3-7654-7361-6, S.&nbsp;128–130</ref> Dem sowjetischen Straßenbahnfahrzeugbau gelang mit dem ''LM-49'' ein großer Schritt hin zu den damaligen modernen Standards, er konnte sie aber noch nicht in Gänze erreichen. Nach Meinung einiger ehemaliger Arbeiter der Straßenbahn Nischni Nowgorod war der ''LM-49'' das zuverlässigste Fahrzeug aller von ihnen gefahrenen Typen. Im Vergleich mit dem ähnlichen ''MTW-82'' hatte er eine bequemere Kabine, aber wie bei allen Wagen mit Direktsteuerung forderte die Kurbel des Fahrschalters, genannt „[[Kaffeemühle]]“, vom Wagenführer Kraft und Ausdauer. Das problematischste Gerät des LM-49 war der Druckluftkompressor, auch „fror“ die Druckluftanlage rauen Wintern manchmal ein, was zu Problemen mit den Bremsen und Türantrieben führte. Insgesamt bewerteten Passagiere, Wagenführer und Mechaniker das Fahrzeug positiv, besonders im Vergleich zu den in den 1950er Jahren immer noch zahlreichen Wagen aus der Vorkriegszeit.<ref name="TramNN-1" /> == Erhaltene Fahrzeuge == [[Datei:Lm49 inaction.jpg|thumb|Das Nischni Nowgoroder ''LM-49''-Museumsfahrzeug auf dem Gagarinprospekt bei einer Touristenfahrt für Straßenbahnfreunde]] Drei ''LM-49'' und ein ''LP-49'' sind bis heute in [[Sankt Petersburg]], [[Nischni Nowgorod]] und [[Minsk]] ohne größere Änderungen an der Substanz erhalten geblieben. Der ''LM-/LP-49''-Zug mit den Wagennummern 3691+3990 ist ein Exponat des Sankt Petersburger Straßenbahnmuseums und wurde im November 1997 wieder fahrtüchtig gemacht.<ref name="Schanin-A" group="A" /><ref>[http://retro.tramway.ru/trams/3691+3990.html Seite des Museums zum ''LM/LP-49''] (russisch), eingesehen am 30. Dezember 2008</ref> Ein anderer ''LM-/LP-49''-Zug blieb in Nischni Nowgorod erhalten, zur Hundertjahrfeier des Straßenbahn-Verkehrsbetriebes der Stadt im Jahr 1996 wurde aber nur der ''LM-49''-Triebwagen mit der Nummer&nbsp;687 wieder fahrtüchtig gemacht, der ''LP-49''-Beiwagen wurde unverändert gelassen und 1997 abgewrackt. Zur Eröffnung des Elektrikverkehrsmuseums in Nischni Nowgorod wurde der ''LM-49'' Nr.&nbsp;687 instandgesetzt. Er ist heute (2008) einer von zwei uneingeschränkt fahrtüchtigen Straßenbahnfahrzeugen seines Typs.<ref name="TramNN-2">[http://tramnn.narod.ru/history/cars/lm49/tech/gall.html Seite „Straßenbahn Nischni Nowgorods“] (russisch), eingesehen am 30. Dezember 2008</ref> Der Minsker ''LM-49'' Nr.&nbsp;235 ist ein nicht fahrtüchtiges Denkmal in einem Straßenbahn-Betriebswerk der Stadt.<ref>[http://bytrans.net/tram/htm/trdepot.html Seite „Straßenbahn Minsks“] (russisch), eingesehen am 30. Dezember 2008</ref> Die Museumsfahrzeuge in Sankt Petersburg und Nischni Nowgorod können für Rundfahrten, Hochzeiten, Abschlussbälle oder Betriebsfeiern gemietet werden. Der Nischni Nowgoroder ''LM-49'' war in den Jahren 1996, 2004 und 2005 an den Paraden historischer Straßenbahnfahrzeuge beteiligt, bei der Stadtfeier fuhr er als normaler Linienwagen.<ref name="TramNN-2" /> == Weiterführende Informationen == === Literatur === * Шредер Б. Л., Романов Г. И., Тарвид Л. М., Когтева З. Н., Резник М. Я.: ''Четырёхосные цельнометаллические трамвайные вагоны ЛМ-49 и ЛП-49''. Лениздат, Ленинград 1954.<br />(russisch und in kyrillischer Schrift; deutsch in etwa: B. L. Schröder, G. I. Romanow, L. M. Tarwid, S. N. Kogtewa, M. Ja. Resnik: ''Die vierachsigen ganzmetallenen Straßenbahnfahrzeuge LM-49 und LP-49''. Lenisdat, Leningrad 1954.) * М. С. Черток: ''Трамвайные вагоны''. М.: Изд-во Минкомхоз РСФСР, 1953.<br />(russisch und in kyrillischer Schrift; deutsch in etwa: M. S. Tschertok: ''Die Straßenbahnfahrzeuge'') * А. Шанин: ''«Американки»''. – Альманах «Железнодорожное дело», 2000, №7.<br />(russisch und in kyrillischer Schrift; deutsch in etwa: A. Schanin: ''Die „Amerikanerinnen“''. In: Almanach ''Schelesnodoroschnoje delo'' (dt. „Eisenbahnwesen“), 2000, Nr.&nbsp;7) * А. Шанин: ''Последние ленинградские «классики»''. – Альманах «Железнодорожное дело», 2000, №8.<br />(russisch und in kyrillischer Schrift; deutsch in etwa: A. Schanin ''Die letzten Leningrader „Klassiker“''. In: Almanach „Schelesnodoroschnoje delo“ (dt. „Eisenbahnwesen“), 2000, Nr.&nbsp;8) * Коссой Ю. М.: ''Ваш друг трамвай. Век нижегородского трамвая.'' – «Елень», «Яблоко», Н.&nbsp;Новгород 1996, ISBN 5-8304-0008-1.<br />(russisch und in kyrillischer Schrift; deutsch in etwa: Ju. M. Kossoi ''Ihr Freund die Straßenbahn. Das Jahrhundert der Nischni Nowgoroder Straßenbahn''. Elen, Jabloko, Nischni Nowgorod 1996.) === Weblinks === {{Commons|ЛМ-49|LM-49}} * [http://www.piter-tram.de/Geschichte/Museum/Historische_Wagen/LM-49_LP-49/lm-49_lp-49.html Seite „Straßenbahnen in Sankt-Petersburg“ zum ''LM-49''] * [http://tramnn.narod.ru/history/cars/lm49/index.html Seite „Straßenbahn Nischni Nowgorods“ zum ''LM-49''] (russisch) ** [http://tramnn.narod.ru/non_nn_cars/lm33/lm33_1.html Geschichte des ''LM-49''-Vorgängers, des vierachsigen ''LM-33''-Straßenbahnfahrzeuges (A. Schanins Artikel ''Die „Amerikanerinnen“'')] ** [http://tramnn.narod.ru/history/cars/lm49/lm49_1.html Geschichte des ''LM-49'' (A. Schanins Artikel ''Die letzten Leningrader „Klassiker“'')] ** [http://tramnn.narod.ru/history/cars/lm49/gall.html Fotos] ** [http://tramnn.narod.ru/history/cars/lm49/ttx.html Technische Daten] ** [http://tramnn.narod.ru/history/cars/lm49/tech/gall.html Teile und Geräte] * [http://vagons.tramvaj.ru/info.php?m=lm49 Seite „Russische Straßenbahnfahrzeuge“ zum ''LM-49''] (russisch) * [http://web.archive.org/web/20070224170710/http://retro.tramway.ru/trams/3691+3990.html Seite „Retro-Straßenbahn“ – Die Petersburger Klassik“ zum ''LM/LP-49''-Museumszug] (russisch, via web.archive.org) == Einzelnachweise == * B. L. Schröder, G. I. Romanow u.a.: ''Die vierachsigen ganzmetallenen Straßenbahnfahrzeuge LM-49 und LP-49'' <references group="R" /> * A. Schanin, Artikel zur Straßenbahn-Thematik im Almanach „Schelesnodoroschnoje delo“ <references group="A" /> <references group="K" /> * Sonstige Einzelnachweise <references /> {{Navigationsleiste Straßenbahnfahrzeuge des PTMS}} {{Exzellent}} {{SORTIERUNG:Lm 49}} [[Kategorie:Straßenbahnfahrzeug]] [[Kategorie:Petersburger Straßenbahn-mechanisches Werk]] {{Link FA|ru}} [[en:LM-49]] [[ru:ЛМ-49]] rcefa4uldkws4xs0ex1wozeje5m2la1 wikitext text/x-wiki Lobata 0 23856 26451 2010-02-11T23:24:13Z 88.152.225.46 /* Aufbau */ {{Dieser Artikel|behandelt die biologische Ordnung der Lobata; zum são-toméischen Distrikt siehe [[Lobata (São Tomé und Príncipe)]].}} <!-- Für Informationen zum Umgang mit dieser Tabelle siehe bitte [[Wikipedia:Taxoboxen]]. --> {{Taxobox | Taxon_Name = Lobata | Taxon_WissName = Lobata | Taxon_Rang = Ordnung | Taxon_Autor = [[Johann Friedrich Eschscholtz|Eschscholtz]] 1825 | Taxon2_Name = Tentaculata | Taxon2_WissName = | Taxon2_Rang = Klasse | Taxon3_Name = Rippenquallen | Taxon3_WissName = Ctenophora | Taxon3_Rang = Stamm | Taxon4_Name = Gewebetiere | Taxon4_WissName = Eumetazoa | Taxon4_Rang = Abteilung | Taxon5_Name = Vielzellige Tiere | Taxon5_WissName = Metazoa | Taxon5_Rang = Unterreich | Bild = Bathocyroe fosteri.jpg | Bildbeschreibung = Rippenqualle ''Bathycyroe fosteri'' | Subtaxa_Rang = Familie | Subtaxa = *Bathocyroidae *Bolinopsidae *Eurhamphaeidae *Leucotheidae *Deiopeidae *Ocyropsidae *Lampoctenidae *Lobatolampeidae }} Die '''Lobata''' sind eine biologisch bedeutsame [[Ordnung (Biologie)|Ordnung]] von [[Rippenquallen]] (Ctenophora) aus der [[Klasse (Biologie)|Klasse]] [[Tentaculata]]. Sie zeichnen sich durch ihre muskulösen Mundlappen aus, die an Stelle der bei anderen Rippenquallen bevorzugt benutzten Tentakel zum Beutefang eingesetzt werden. == Aufbau == Die Körperform der bis zu 25 Zentimeter großen Lobata wird durch drei senkrecht aufeinander stehende Achsen beschrieben, die ''Körperlängsachse'' zwischen Mund und Gleichgewichtsorgan, die ''tentakuläre'' Achse als Verbindungsachse der beiden Tentakelscheiden und die ''pharyngeale'' Achse senkrecht dazu. Die tentakuläre Achse ist kürzer als die pharyngeale Achse, so dass sich ein ovaler Querschnitt ergibt. Zwei große muskeldurchzogene Mundlappen flankieren den stielförmig vorstehenden Mund und die beiden auf der Mundseite gelegenen [[Tentakel]], die je nach Art unterschiedlich deutlich ausgeprägt und in der [[Gattung (Biologie)|Gattung]] ''Ocyropsis'' sogar ganz abwesend sind. Auf diese Weise entsteht zwischen der Mundseite und den beiden Mundlappen eine schirmartige Höhlung wie sie auch bei den nicht verwandten [[Qualle]]n der [[Nesseltiere]] zu finden ist. An den beiden Tentakelscheiden entspringen je zwei langgezogene Vertiefungen in der Körperwand, die ''aurikularen Furchen'', die über die Schirmunterseite nach außen je zu einem Mundlappen hinlaufen und mit langen Fäden, den [[Tentillen]], besetzt sind. Diese tragen zahlreiche Klebekörperchen ([[Colloblast]]en), die zum Beutefang dienen. Die wie bei allen Rippenquallen von der [[Statocyste]], dem Gleichgewichtsorgan, am mundabgewandten Ende ausgehenden Kammrippen lassen sich in zwei Gruppen einteilen: Je zwei von ihnen laufen parallel in die beiden Mundlappen links und rechts des Mundes hinein; die vier anderen verlaufen senkrecht dazu annähernd in der Tentakelebene und setzen sich mundseitig in vier kegelförmigen Körperanhängen, den ''Aurikeln'', fort, die aber statt Kammplättchen lange [[Geißel (Biologie)|Geißeln]] tragen. Eine Besonderheit der Lobata ist es, dass sich auf allen Kammrippen zwischen den einzelnen Plättchen eine mit Geißeln besetzte Furche befindet, die vermutlich auf mechanische Weise das Schlagsignal der Statocyste weiterleitet. Auch Beschädigungen der Kammrippen können so relativ schnell behoben werden. Letzteres könnte für die auf aktive Fortbewegung angewiesenen Lobata der entscheidende Grund für die Ausbildung dieser Innovation gewesen sein. Das vom zentral gelegenen Magen ausgehende Kanalsystem besteht aus zwei ''paragastrischen'' Kanälen, die an den beiden Schlundseiten entlang zum Mundende laufen sowie vier zum mundabgewandten Ende nach außen laufenden ''Transversalkanälen''. Diese teilen sich Y-förmig auf und setzen sich in den ''Meridionalkanälen'' fort, die unterhalb der Kammrippen zum Mundende laufen und dabei in zwei Schleifensystemen auch die Mundlappen durchqueren. Sie vereinigen sich in einem ''zirkumoralen'', also um den Mund herum gelegenen Ringkanal mit den Enden der paragastrischen Kanäle. == Verbreitung und Lebensraum == Lobata-Arten bilden einen wichtigen Bestandteil des [[Plankton|Meeresplanktons]] und kommen weltweit in allen Meeresgewässern vor. Sie leben allesamt ''[[Pelagial|pelagisch]]'', also im freien Wasser. == Fortbewegung und Ernährung == Lobata schwimmen mit der Mundseite voran; obwohl sie dazu unterstützend ihre Kammrippen einsetzen, kommt der Vortrieb hauptsächlich durch Wellenbewegungen ihrer muskulösen Mundlappen und Aurikeln zustande. Die auf den vier Aurikeln sitzenden Geißeln erzeugen eine Wasserströmung, durch die Beute wie Fischlarven, kleine [[Krebstiere|Krebse]] und anderes [[Plankton|Zooplankton]] um diese herum über die ausgestreckten Tentillen der aurikularen Tentillenbänder geleitet wird, wo sie an den durch Berührung aktivierten Colloblasten hängenbleibt und dann zum Mund transportiert wird. Die Aurikeln erzeugen nicht nur den zum Mund hingeleiteten Nahrungsstrom, sondern sind anscheinend auch zur Wahrnehmung in der Nähe befindlicher Beute befähigt und können die Strömungsrichtung des Wassers entsprechend aktiv steuern - Lobata-Rippenquallen zeigen damit ein größeres Verhaltensrepertoire, als man bis zum Ende des zwanzigsten Jahrhunderts für möglich gehalten hätte. Das zum Beutefang eingesetzte System der Mundlappen und Aurikeln kann als Alternative zu den Tentakeln angesehen werden: Im Gegensatz zu diesen ermöglicht es die ununterbrochene Nahrungsaufnahme von passiv im Wasser schwebender oder nur langsam schwimmender Beute aus dem [[Plankton|Mikro- und Mesozooplankton]]. Anders als die zweite größere Gruppe von Rippenquallen, die [[Cydippida]], die in einem als „Spin Capture“ bezeichneten Vorgang immer erst ihre Tentakel einziehen und durch eine Drehung ihres Körpers zum Mundende bringen müssen, sind sie daher eher auf kleinere Beute spezialisiert. Als Folge treten sie mit den Cydippida kaum in Nahrungskonkurrenz, sondern können durch ihre alternative Strategie mit diesen koexistieren. Von manchen Wissenschaftlern wird dies als selektiver Vorteil angesehen, der die stammesgeschichtliche Entstehung der Lobata aus Cydippida-ähnlichen Vorfahren begünstigt hat. == Fortpflanzung == [[Bild:Juvenile Bolinopsis ctenophore.jpg|thumb|280px|Larve einer ''Bolinopsis''-Rippenqualle]] Lobata pflanzen sich ausschließlich auf sexuelle Weise fort. Die meisten sind [[Hermaphroditismus|Zwitter]], besitzen also sowohl männliche als auch weibliche [[Keimdrüse]]n; Selbstbefruchtung spielt dennoch wahrscheinlich nur bei den Arten der Gattung ''Mnemiopsis'' eine große Rolle. Oft werden erst die männlichen und dann die weiblichen [[Gamet|Keimzellen]] ins Wasser abgegeben, wo die Befruchtung stattfindet. Die weitere Entwicklung läuft über ein Cydippea-Stadium, das wie eine Miniaturversion einer [[Cydippida]]-Rippenqualle aussieht, aber noch keine Mundlappen hat. Da sich die Jungtiere weder im Lebensraum noch im Aussehen wesentlich von den Erwachsenen unterscheiden, spricht man meist nicht von einer [[Larve]], die Entwicklung ist also direkt. Bei den Arten der Gattung ''Ocyropsis'' treten die Geschlechtsorgane im Gegensatz zu allen anderen Rippenquallen immer getrennt auf, es lassen sich also männliche und weibliche Individuen unterscheiden. Ein bemerkenswertes Phänomen, dass bei einigen Lobata-Arten auftritt, ist die so genannte ''Dissogenie'': Einige Jungtiere werden vorzeitig geschlechtsreif und beginnen mit der Produktion von [[Gamet|Keimzellen]]; im Laufe der weiteren Entwicklung bilden sich ihre Keimdrüsen jedoch zurück, um erst in der Erwachsenenphase wiederzukehren. == Einfluss von Lobata in fremden Ökosystemen == Im Jahr 1982 wurde die Lobata-Art [[Mnemiopsis leidyi]] erstmals im vorher nicht von Rippenquallen besiedelten [[Schwarzes Meer|Schwarzen Meer]] beobachtet, wohin sie vermutlich mit dem [[Ballast]]wasser von Schiffen gelangt war, die zuvor die Gewässer des nordwestlichen [[Atlantischer Ozean|Atlantik]] durchquert hatten. Ohne natürliche Feinde explodierte die Population wenige Jahre später und vertilgte nicht nur zahlreiche Fischeier und -larven, sondern verdrängte auch erfolgreich innerhalb von nur zehn Jahren alle Nahrungskonkurrenten um die Planktonbestände, so dass insbesondere die [[Sardellen]]-Fischerei vollkommen zusammenbrach. Die Vorteile von ''Mnemiopsis leidyi'' bestanden anscheinend nicht nur darin, ihre Konkurrenten schon im Ei- oder Larvenstadium vertilgen zu können, sondern auch in der früher begonnenen Nahrungsaufnahme, so dass das vorhandene Zooplankton mengen- und artenmäßig bereits erheblich reduziert war, wenn die verbliebenen Fischlarven schließlich zu erwachsenen Tieren herangereift waren. Erst mit dem zusätzlichen Auftreten einer weiteren, auf ''Mnemiopsis leidyi'' als Beutetier spezialisierten Rippenqualle, ''Beroe ovata'', im Jahre 1997 gelangte das [[Ökosystem]] wieder ins [[Ökologisches Gleichgewicht|Gleichgewicht]]; dennoch ist seitdem das Schwarze Meer mit zwei ortsfremden Arten besiedelt. Ein ähnliches Phänomen ist zu Beginn des 21. Jahrhunderts im [[Kaspisches Meer|Kaspischen Meer]] zu beobachten, wohin ''Mnemiopsis leidyi'' 1998 oder 1999 vermutlich im Ballastwasser von Schiffen gelangte, die den Wolga-Don-Kanal befahren. Inzwischen ist sie auch in die westl. Ostsee verschleppt worden, wie Funde im Oktober 2006 in der Kieler Förde belegen. == Stammesgeschichte == [[Fossilien]], die den Lobata zugeordnet werden können, sind bis heute nicht bekannt, so dass die stammesgeschichtlichen Verwandtschaftsverhältnisse allein aus dem Vergleich mit anderen modernen Rippenquallen erschlossen werden müssen. Eine vorläufige [[Molekularbiologie|molekulargenetische]] Studie ergab, dass eine Gruppe aus den Lobata zusammen mit den [[Cestida]] und den [[Thalassocalycida]] ein [[Kladistik|monophyletisches Taxon]] bildet, also alle Nachkommen des letzten gemeinsamen Vorfahren dieser Tiere umfasst. Morphologische Eigenheiten der [[Ganeshida]], einer Ordnung, die in die vorbenannte Studie nicht einbezogen wurde, deuten darauf hin, dass auch dieses Taxon möglicherweise in denselben Verwandtschaftskreis gehört. == Systematik == [[Bild:Sea walnut, Boston Aquarium.jpg|thumb|Die „Meerwalnuss“ ''[[Mnemiopsis leidyi]]'']] Ob die Lobata selbst ein monophyletisches [[Taxon]] darstellen, ist noch nicht geklärt; möglicherweise sind einige Lobata-Arten enger mit Rippenquallen aus der Ordnung Thalassocalycida verwandt als mit anderen Lobata-Arten. In diesem Falle wäre das Taxon Lobata [[Kladistik|paraphyletisch]], umfasste also nicht alle Nachkommen der Stammart. Man unterscheidet etwa dreißig Arten in acht Familien, deren verwandtschaftliche Verhältnisse zueinander unbekannt sind: *In der Familie Bathocyroidae stehen zwei Arten in einer Gattung, ''Bathocyroe''. *Die höchste Artzahl findet sich in der Familie Bolinopsidae, der fünfzehn Arten in drei Gattungen, darunter ''Mnemiopsis leidyi'', zugeteilt werden. *Die Eurhamphaeidae sind eine monotypische Familie, enthalten also nur eine Art, ''Eurhamphaea vexilligera'', die eine leuchtend rote Flüssigkeit ausstoßen kann, vermutlich zur Ablenkung von Fressfeinden. *Die Leucotheidae umfassen fünf Arten in einer Gattung, ''Leucothea''. Sie zeichnen sich durch besonders lange Tentakel und auf der Außenseite der Körpers befindliche noppenförmige Erhebungen, die ''Papillen'' aus. *Zu den Deiopeidae zählt man drei Arten in zwei Gattungen, ''Kiyohimea'' und ''Deiopea''. *Die Ocyropsidae, die einzige Rippenquallen-Familie in der männliche und weibliche Keimdrüsen auf verschiedenen Tieren vorkommen, wird von drei Arten in einer Gattung, ''Ocyropsis'', gebildet. *Die Lampoctenidae sind eine monotypische Familie mit der einzigen Art ''Lampocteis cruentiventer'', die in der Tiefsee lebt und violett, rot, oder auch schwarz gefärbt ist - vermutlich um das Licht von verdauten Beutetieren abzuschirmen. *Auch die Familie Lobatolampeidae ist monotypisch; zu ihr zählt man nur die Art ''Lobatolampea tetragona'', die an der japanischen Pazifikküste lebt. Die angegebenen Artzahlen sollten als Richtwerte betrachtet werden, da insbesondere bei den artenreicheren Taxa nicht ausgeschlossen werden kann, dass manche wissenschaftliche Namen letztlich ein und dieselbe Art bezeichnen. == Literatur == *G. R. Harbison, R. L. Miller: ''Not all ctenophores are hermaphrodites, Studies on the systematics, distribution, sexuality and devolepment of two species of Ocyropsis.'' in: ''Journal of Marine Biology.'' 90.1986, S.413. *G. I. Matsumoto, G. R. Harbison: ''In situ observations of foraging, feeding, and escape behaviour in three orders of oceanic ctenophores, Lobata, Cestida, and Beroida.'' in: ''Journal of Marine Biology.'' 117.1993, S.279. <!--ist evtl diese hier gemeint: ''Marine biology : international journal on life in oceans and coastal waters.'' Springer, Berlin 1967ff. {{ISSN|0025-3162}}??--> * T. A. Shiganova: ''Invasion of the Black Sea by the ctenophore Mnemiopsis leidyi and recent changes in pelagic community structure.'' in: ''Fisheries Oceanography.'' Blackwell Science, Oxford 1997-1998, S.305. {{ISSN|1365-2419}} == Weblinks == *[http://www.imagequest3d.com/pages/general/news/blackseajellies/blackseajellies.htm Battle of the Black Sea Jellies] – illustrierter Artikel zur Entwicklung im Schwarzen Meer (englisch) *[http://www.caspianenvironment.org/mnemiopsis/mnem_report.htm Zur Entwicklung des Ökosystems im kaspischen Meer (mit Unterseiten)] (englisch) {{Exzellent}} [[Kategorie:Rippenquallen]] [[Kategorie:Ctenophora]] [[ca:Lobata]] [[en:Lobata]] [[fr:Lobata]] [[is:Kambhvelja]] [[pl:Lobata]] [[pt:Lobata (ordem)]] 5nytrk35g359c7kr5kfvuzbrylv7bo7 wikitext text/x-wiki Londinium 0 23857 26452 2010-03-07T10:27:56Z CommonsDelinker 0 Ersetze Mithrastemple1.jpg durch [[commons:File:Ruins_of_the_Mithras_Temple_in_the_City_of_London,_2004.jpg|Ruins_of_the_Mithras_Temple_in_the_City_of_London,_2004.jpg]] (von [[commons:User:Billinghurst|Billinghurst]] angeordnet: File renamed (Meani <imagemap> Image:Londinium 400AD.png|flow|right|400px|Archäologische Karte von Londinium poly 574 371 639 386 626 446 561 431 [[Londinium#Forum|Forum]] poly 461 476 508 488 500 519 457 503 [[Londinium#Praetorium|Praetorium]] poly 227 442 264 446 261 463 226 457 [[Londinium#Tempel|Tempel]] poly 133 286 143 286 143 297 132 297 [[Londinium#Tempel|Tempel]] poly 321 457 345 462 342 477 321 471 [[Londinium#Andere_öffentliche_Bauten|Bäder]] poly 367 356 375 342 380 346 374 358 [[Londinium#Andere_öffentliche_Bauten|Bäder]] poly 389 283 424 283 427 312 390 312 [[Londinium#Andere_öffentliche_Bauten|Amphitheater]] poly 349 178 417 208 384 285 311 255 [[Londinium#Militärlager|Militärlager]] poly 138 434 149 352 177 257 309 249 309 257 182 264 147 431 141 433 [[Londinium#Stadtmauer|Stadtmauer]] poly 148 433 161 446 431 494 492 520 567 539 689 560 834 625 834 632 687 565 564 547 491 528 425 499 159 454 139 438 [[Londinium#Stadtmauer|Stadtmauer]] poly 834 624 838 605 809 382 682 267 420 212 423 205 687 259 815 375 844 602 839 631 [[Londinium#Stadtmauer|Stadtmauer]] poly 517 662 497 691 447 730 532 780 579 774 615 778 656 692 [[Londinium#Vorstädte|Vorstädte]] default [[Londinium#Die_Stadt|Die Stadt]] desc top-right </imagemap> '''Londinium,''' das heutige [[London]], war die größte Stadt und Hauptstadt der römischen Provinz [[Britannien]]. Durch seine günstige Lage an der [[Themse]], die wiederum einen guten Anschluss ans Meer und ins Hinterland bot, war Londinium auch ein bedeutendes Handelszentrum. Die Geschichte von Londinium lässt sich aus wenigen verstreuten Erwähnungen bei antiken Autoren, an Hand der allgemeinen Geschichte Britanniens und durch Ausgrabungen in der Stadt in groben Zügen rekonstruieren. Am Ende des dritten Jahrhunderts war sie sogar Residenz des Gegenkaisers [[Carausius]] und damit Hauptstadt eines Sonderreiches in Britannien. Als bedeutende römische Stadt hatte sie alle öffentlichen Gebäude einer solchen, wobei nur ein Teil von ihnen durch Ausgrabungen identifiziert werden konnte. Das große Forum im Zentrum der Stadt, der größte Bau seiner Art nördlich der Alpen, bezeugt die starke wirtschaftliche Position von Londinium. Dies wird auch durch die Reste zahlreicher Warenlager an den Ufern der Themse bestätigt. == Geschichte == Im Jahre 43 n. Chr. wurden große Teile des heutigen Englands von den Römern erobert. In den Jahren nach der Eroberung kam es zu verschiedenen Stadtgründungen, bei denen es sich meist um die Hauptorte einheimischer Stämme handelte. Die Städte, deren Gründung oft die Errichtung eines [[Römische Militärlager|Militärlagers]] vorausging, wurden der Ausgangspunkt der Romanisierung des Landes.<ref>allgemein: Wacher: ''The Towns of Roman Britain.'' S. 17–32.</ref> Mit den Soldaten kamen auch Händler und Handwerker, die in der neuen Provinz ihr Glück suchten. Im Gegensatz zu vielen anderen römischen Städten in Britannien scheint Londinium keinen keltischen Vorgängerort gehabt zu haben, und die Stadt war auch nie der Hauptort eines Stammesgebietes ([[civitas]]). Im heutigen Stadtgebiet von London gibt es diverse vorgeschichtliche Siedlungen, doch ist keine von diesen als wirkliche Vorgängersiedlung zu bezeichnen. Es wird ein römisches Militärlager an Stelle der späteren Stadt vermutet, doch konnte dies bisher archäologisch nicht nachgewiesen werden und bleibt daher sehr spekulativ. Dennoch ist schon bei der Namensgebung (Londinium ist wohl keltischen Ursprungs und enthält möglicherweise den keltischen Personennamen ''Londinos'') ein starker keltischer Einfluss erkennbar.<ref name="DNP 432">Malcolm Todd: Art. „Londinium“, in: ''[[Pauly-Wissowa|Der Neue Pauly]]'' Bd. 7, Sp. 432–33.</ref> Möglicherweise ist der Ortsname aber vom vorkeltischen (ureuropäischen) Wort ''Plowonida'' abgeleitet, was ungefähr „Siedlung am breiten Fluss“ bedeutet.<ref>Richard Coates: ''A New Explanation of the Name of London.'' In ''Transactions of the Philological Society.'' November 1998, S. 203.</ref> Die Lage des Ortes war ausgesprochen günstig. Hier war die Themse (lateinisch ''Tamesis'') relativ flach und konnte deshalb ohne Schwierigkeiten durchquert werden. Der Fluss bot einen guten Anschluss an das Meer und damit nach [[Gallien]] und dem [[Mittelmeer]]raum. Von Londinium konnte man auf dem Landweg auch gut andere Orte in Britannien erreichen. Schon bei der römischen Invasion im Jahr 43 war die Stelle der späteren Stadt ein zentraler Anlaufpunkt der Römer.<ref name="DNP 432"/> === Vor dem Aufstand der Boudicca 47−60 n. Chr. === Archäologen gehen heute davon aus, dass Londinium ein paar Jahre nach der Invasion als zivile Siedlung entstanden ist, ausgehend vom [[Cornhill]] im Osten des heutigen Stadtzentrums. Entlang der einstigen, in Ost-West-Richtung verlaufenden römischen Hauptstraße, wurde beim Neubau des Hauses [[No 1 Poultry]] eine hölzerne Abwasserleitung entdeckt.<ref>[http://www.eng-h.gov.uk/archrev/rev95_6/poultry.htm Ausgrabungsbericht] von [[English Heritage]]</ref> Die [[Dendrochronologie|dendrochronologische]] Untersuchung ergab, dass sie aus dem Jahr 47&nbsp;n.&nbsp;Chr. stammt; dies wird in neuerer Zeit gerne als wahrscheinlichstes Gründungsjahr der Stadt angegeben. Beiderseits des sumpfigen Walbrooktals (der Bach [[Walbrook]] mündete hier in die Themse) wurde der Ort auf Anhöhen errichtet. Dennoch konnten bislang weder eine Brücke noch ein Kastell, Bauten die üblicherweise errichtet wurden, nachgewiesen werden. Diese Siedlung erlangte schon früh bedeutende Ausmaße. An der Stelle des späteren Forums gab es einen großen freien Platz, der wahrscheinlich als Markt fungierte. Die damaligen Häuser waren alle aus Holz. Dem Bericht von [[Tacitus]] zufolge war die Stadt wegen ihrer zahlreichen Kaufleute und umfangreichen Handelsbeziehungen berühmt.<ref>Tacitus: ''Annalen.'' XIV 33.</ref> Tacitus’ Aussagen wurden durch zahlreiche archäologische Funde im Hafenbereich untermauert. Die frühe besondere Bedeutung erlangte Londinium also durch den Handel mit dem europäischen Festland. Beim [[Boudicca-Aufstand|Aufstand der Boudicca]] im Jahr 60&nbsp;n.&nbsp;Chr. nahmen die Rebellen den Ort, der sicherlich nicht befestigt war, ein und brannten ihn vollkommen nieder. Der römische [[Legatus|Legat]] [[Gaius Suetonius Paulinus]] konnte die Stadt nicht halten und die Aufständischen ließen die florierende Stadt ihre besondere Wut spüren. Der [[Stratum_%28Arch%C3%A4ologie%29|Zerstörungshorizont]] ist heute archäologisch gut sichtbar.<ref>vgl. die Karte bei Marsden: ''Roman London.'' S. 30.</ref> === Zweites und drittes Jahrhundert === In den Jahren nach dem Aufstand wurde die Stadt wieder aufgebaut. Londinium war nun Hauptstadt der britannischen Provinz, wobei der genaue Zeitpunkt des Umzuges der Provinzialverwaltung von [[Camulodunum]] ([[Colchester]]) nach Londinium nicht sicher ist. Doch spricht für die Bedeutung der Stadt beispielsweise, dass hier der Provinzverwalter [[Gaius Iulius Alpinus Classicianus]] bestattet wurde.<ref>Die Reste seines Grabmals fand man 1885 und sind heute im [[Britisches Museum|Britischen Museum]] zu sehen: [http://www.thebritishmuseum.ac.uk/explore/highlights/highlight_objects/pe_prb/t/tombstone_of_gaius_julius_alpi.aspx]</ref> Westlich des Walbrook wurden öffentliche steinerne Bauten errichtet, so ein Forum, ein [[Prätorium]] und [[Thermen]]. Das Forum wurde um 120 erweitert.<ref>Malcolm Todd spricht im ''Neuen Pauly'' von einer kompletten Umgestaltung samt einer neu errichteten [[Basilika]] (die größte in den nordwestlichen Provinzen) um das Jahr 100.</ref> Im Nordwesten der Stadt entstand ein vier Hektar großes Kastell, das in einem Zusammenhang mit dem ''officium'' des Statthalters zu sehen ist. In unmittelbarer Umgebung befand sich ein [[Amphitheater]]. Um das Jahr 100 begann man auch mit der Erweiterung der Kaianlagen, die aus riesigen Eichenbalken entlang dem Themseufer errichtet wurden. Obwohl es früh schon zahlreiche Steinbauten gab, bestand der Großteil der Wohnbebauung zunächst aus Holzhäusern. Die Stadt hatte einen Plan mit sich rechtwinklig kreuzenden Straßen, freilich mit zahlreichen Unregelmäßigkeiten, die vielleicht auf das ungeplante frühe Wachstum der Stadt zurückzuführen sind. Es gab verschiedene Stadtbrände, in denen Teile der Stadt vernichtet wurden. Diese sind nur archäologisch fassbar. Das wohl verheerendste dieser Feuer kann unter Kaiser [[Hadrian (Kaiser)|Hadrian]] datiert werden. Aus dieser Zeit konnte ein ausgebranntes Warenlager ausgegraben werden, das sich voll von importierter, noch unbenutzter [[Terra Sigillata]] fand. [[Bild:Hadrian bm.jpg|thumb|Kaiser Hadrian. Bronzekopf, der in der Themse gefunden wurde]] [[Bild:Antoninianus Carausius leg4-RIC 0069v.jpg|thumb|Münze des Gegenkaisers Carausius, die in Londinium geprägt wurde]] Im Jahr 122 besuchte Kaiser Hadrian Britannien und wahrscheinlich auch Londinium, und es wird vermutet, dass der Bau und die Erweiterung einiger öffentlicher Gebäude auf Anregung des Kaisers erfolgt sind. In der Folgezeit erreichte die antike Stadt ihre größte Blütezeit und es kann angenommen werden, dass mehrere zehntausend Menschen hier lebten. In den Jahren 185 bis 187 war der spätere Kaiser [[Pertinax (Römischer Kaiser)|Pertinax]] Statthalter von Britannien und residierte in der Stadt. Kurz nach ihm wurde um 195 [[Clodius Albinus]], der ebenfalls Statthalter von Britannien war, wahrscheinlich in Londinium zum [[Caesar (Titel)|Caesar]], also zum Mitkaiser erhoben. Zwischen 190 und 220 errichtete man im Norden, Osten und Westen des Stadtgebietes eine Mauer, die gegen Ende des dritten Jahrhunderts bis zur Themse erweitert wurde. Die genauen Gründe für den Bau der [[London Wall]] bleiben im Dunkeln, doch geschah dies zu einer Zeit, als auch viele andere britannischen Städte eine Stadtmauer erhielten.<ref>Wacher: ''The Towns of Roman Britain.'' S. 74.</ref> Um 200 wurde die britannische Provinz zweigeteilt. Londinium war nun die Hauptstadt von [[Britannia Superior]]. Im Laufe des dritten Jahrhunderts wurden die Verhältnisse unruhiger, und die Stadt scheint auch Ziel von Angriffen seitens verschiedener Barbaren gewesen zu sein. Am Ende des dritten Jahrhunderts (286) war die Stadt wahrscheinlich Regierungssitz des Gegenkaisers [[Carausius]]. 296 eroberte der legitime Imperator [[Constantius I.]], auf dessen Münzen sich das älteste Bild der Stadt findet, dieses britannische Sonderreich zurück. Die Quellen berichten von einer drohenden Plünderung der Stadt durch die [[Franken (Volk)|Franken]], die der Kaiser gerade noch verhindern konnte.<ref>Paengyris Latini VIII, V.</ref> Kurz darauf kam es zu einer erneuten Provinzteilung. Londinium war nun der Hauptort der Provinz [[Maxima Caesariensis]]. Das ganze dritte Jahrhundert ist archäologisch in der Stadt nur schlecht belegt. Gegenüber dem zweiten Jahrhundert machte Londinium offensichtlich eine Phase des Niederganges durch. === Viertes Jahrhundert === Um 314 hatte die Stadt auch einen Bischof. Restitutus nahm in diesem Jahr an dem christlichen [[Konzil von Arles (314)|Konzil]] in [[Arles]] teil und wird in diesem Zusammenhang genannt. Administrativ behielt die Stadt ihre Bedeutung jedoch auch weiterhin. Neben der Erhebung zur ''Augusta'' ist auch die Stationierung des ''praepositus thesaurum Augustensium'' im späten 4. Jahrhundert zu nennen. [[Bild:Saxon pot-2 cropped.jpg|thumb|Fragmente eines sächsischen Gefäßes, das um 500 datiert und westlich der römischen Stadt gefunden wurde]] Im Verlaufe des vierten Jahrhunderts gab es zahlreiche Angriffe von Franken und Sachsen auf Britannien. Inwieweit die Stadt davon betroffen war ist nicht bekannt. [[Flavius Theodosius]], der Vater des späteren Kaisers [[Theodosius I.]], setzte 368 mit seinem Sohn nach Britannien über und gelangte nach Londinium, wo er überwinterte, um dann die Ordnung wiederherzustellen.<ref>[[Ammianus Marcellinus]], XXVII, 8, 7; XXVIII, III,1</ref> Dennoch war Britannien in der [[Spätantike]] vor allem ein Sprungbrett für Usurpatoren. Im Jahr 383 gab es mit [[Magnus Maximus]] wieder einen Gegenkaiser in Britannien, dessen Hauptstadt kurzzeitig Londinium gewesen sein dürfte und der hier auch Münzen prägen ließ.<ref>[http://www.coinarchives.com/a/lotviewer.php?LotID=162171&AucID=199&Lot=107 Solidus, der in Londinium geprägt wurde]</ref> Nachdem der Usurpator [[Konstantin III. (Rom)|Konstantin&nbsp;III.]] 407 Britannien mit den Resten des Feldheeres verlassen hatte, war die Provinz weitgehend sich selbst überlassen. Wie bei so gut wie allen britannischen Städten ist im Laufe des vierten Jahrhunderts ein steter Niedergang zu beobachten, obwohl es anscheinend noch eine Reihe von bewohnten ansehnlichen Stadtvillen gab. In Londinium scheint der Verfall aber drastischer als an anderen Orten in Britannien gewesen zu sein. Funde vom Ende des vierten Jahrhunderts sind selten. Münzen dieser Zeit sind im Fundgut auch kaum anzutreffen. Im Laufe des fünften Jahrhunderts wurde die Stadt weitestgehend verlassen, der Siedlungsschwerpunkt verlagerte sich nach außerhalb der Mauern in den Westen, auf die andere Seite des Flusses [[Fleet (Fluss)|Fleet]]. Hier entstand auch das [[Angelsachsen|angelsächsische]] ''Lundenwic,'' das nach Anzeichen neuerer Grabungen schon um 500 entstand. == Status der Stadt == Unklar ist heute jedoch trotz der unzweifelhaften Bedeutung der Stadt der Status, den diese hatte. Es ist nicht bekannt, ob es eine ''[[Colonia (Rom)|colonia]]'' oder eine ''[[civitas]]'' war. Wahrscheinlich ist jedoch, dass die Stadt in [[Flavier|flavischer]] Zeit zum ''[[municipium]]'' erhoben wurde.<ref name="DNP 432"/><ref>[http://www.archaeology.co.uk/others/thinktank/londinium/status.htm vergleiche die Diskussion: The Status of Roman London]</ref> Für das vierte Jahrhundert gibt es Anzeichen, dass die Stadt vielleicht wirklich in den Status einer ''[[Colonia (Rom)|colonia]]'' erhoben worden war. Darauf deutet, dass Londinium in ''Augusta'' umbenannt wurde.<ref>Ammianus Marcellinus, XXVIII, III,1; vgl. [http://www.fh-augsburg.de/~harsch/Chronologia/Lspost05/Notitia/not_doc2.html auch die Notitia Dignitatum (XI)]</ref> Die Bevölkerung der Stadt war weitaus bunter gemischt als in allen anderen Städten Britanniens, was bei der Rolle der Stadt als Verwaltungszentrum auch nachvollziehbar ist. Kaufleute, Soldaten und kaiserliche Beamte beeinflussten das Leben in der Stadt nachhaltig. So war beispielsweise ein breites Spektrum antiker Kulte vertreten. Schon im 1. Jahrhundert entstand ein [[Isis (Ägyptische Mythologie)|Isis]]-Tempel, der um 250 erneuert wurde. Östlich des Walbrook befand sich seit dem späten 2. Jahrhundert bis zu seiner Zerstörung im frühen 4. Jahrhundert ein [[Mithraeum]], das reich mit Skulpturen ausgestattet war. Vor nicht allzu langer Zeit fand man am [[Tower Hill]] eine Basilika, die wohl als christliche Kirche des späten 4. Jahrhunderts zu identifizieren ist.<ref name="DNP 432"/> === Londinium als Provinzhauptstadt === [[Bild:Roman tombstone london.jpg|thumb|Grabstein des Vivius Marcianus]] Die Funktion von Londinium als Provinzhauptstadt wird in den antiken Quellen nicht ausdrücklich erwähnt, kann jedoch aus verschiedenen Indizien erschlossen werden. Zunächst war es die größte römische Stadt Britanniens. Es fand sich bei der Nicholas Lane eine Inschrift, die vielleicht die ''numina Caesaris Augusti'' nennt, bei denen es sich um die ''guten Geister'' des Kaisers handelt, die auf die Existenz des Kaiserkultes in der Stadt deuten. Dieser Kult wurde meist in der Provinzhauptstadt ausgeübt. In der Stadt fand sich ein hölzernes Schreibbrett, das den Stempel des kaiserlichen [[Procurator]]s trägt. Das Brett ist nie benutzt worden. Es scheint ungewöhnlich, dass solch ein Brett fern von seinem Büro verworfen wurde. Das entsprechende Büro ist also in Londinium zu vermuten. Es gibt den Grabstein eines ''speculators,'' bei dem es sich um einen Beamten handelt, der bisher nur im Palast eines Provinzstatthalters bezeugt ist. Ein [[Centurio]] mit dem Namen Vivius Marcianus ist von seinem Grabstein aus London bekannt. Er trägt eine Rolle und es wird vermutet, dass er [[Princeps praetorii]] war.<ref>J. C./M. G. Jarret: ''The division of Britain.'' In: ''Journal of Roman Studies.'' 57 (1967), S. 63.</ref> Schließlich fanden sich Dachziegel mit der Aufschrift: P.PR.BR.LON – ''der Provinzprocurator von Britannien in Londinium.''<ref>Wacher: ''The Towns of Roman Britain.'' S. 83–87.</ref> Im vierten Jahrhundert war die Stadt aber mit Sicherheit, wie in der [[Notitia Dignitatum]] verzeichnet ist, der Sitz des [[Vicarius]] und des [[Praepositus thesaurorum]], bei denen es sich jeweils um hohe Beamte der Provinzialverwaltung handelte. == Handwerk und Handel == Es gibt zahlreiche Belege für verschiedene Handwerksbetriebe. An der Stelle des späteren Praetoriums scheint ein Goldschmied im ersten Jahrhundert gearbeitet zu haben. Aus der Zeit vor dem Aufstand der Boudicca gibt es auch Belege für Eisenschmiede und Kupferverarbeitung. Bemerkenswert, da nicht oft anzutreffen, sind die Reste von Glaswerkstätten aus dem ersten und zweiten Jahrhundert. Vor dem Aufstand bestand in der Stadt auch eine Töpferei, wobei der Töpfer eventuell aus dem [[Rhone]]tal kam, wo es schon vorher eine blühende Töpferindustrie gab. Besonders wichtig für die Stadt war aber der Handel, vor allem mit Gallien, Germanien, Spanien und Italien. Am Ufer der Themse konnten Kaianlagen ausgegraben werden, und im Fluss fand man sogar ein relativ gut erhaltenes Schiff. Inschriften belegen, dass die Einwohner der Stadt aus allen Teilen des römischen Reiches nach Londinium kamen. Die besondere Bedeutung des Handels belegen auch die zahlreichen ausgegrabenen Warenlager, vor allem an den Ufern der Themse. Als Handelsgut ist archäologisch vor allem Keramik belegt, wozu auch Lampen und Tonfiguren gehören. In der Zeit nach dem Aufstand der Boudicca wurde die einfache Tafelware meist in der Umgebung der Stadt produziert oder kam aus verschiedenen Töpfereien bei [[Verulamium]]. Im zweiten Jahrhundert kamen diese aus Töpfereien aus [[Dorset]]. Anspruchsvolle Tischware, vor allem Terra Sigillata, wurde aus Gallien eingeführt. Ab dem dritten Jahrhundert nahmen diese Importe aber ab und man verwendete nur noch lokale Keramik. Glaswaren nahmen, trotz der eigenen Produktion, als Importgut sicherlich vor allem seit dem zweiten Jahrhundert zu. Wertvolle Baumaterialien wurden teilweise auch von weit her eingeführt, obwohl diese im Gesamthandelsvolumen sicherlich keine große Rolle spielten. Lebensmittel wurden zu einem Teil lokal hergestellt. In Londinium selbst fand man die Reste eines Betriebes, in dem Fischsoße ([[Garum]]) produziert wurde.<ref>Milne: ''The Port of Roman London.'' S. 87–95.</ref> Bestimmte anspruchsvollere Lebensmittel wie [[Olivenbaum|Oliven]], Fischsoßen aus Spanien, diverse Fischsorten, Früchte und Wein wurden aber importiert. In der Themse fand sich eine Amphore mit 6.000 Oliven. Als britannisches Exportgut erscheinen in antiken Texten vor allem Textilien.<ref>Milne: ''Port of London.'' S. 103–126.</ref> Als besondere [[Delikatesse]] werden in römischen Quellen britannische [[Austern (Lebensmittel)|Auster]]n genannt. Wie Funde zeigen – im Hafen von Londinium fanden sich viele Austern – war die Stadt einer der Orte, von dem diese Muscheln verschifft wurden.<ref>Milne: ''Port of London.'' S. 91–95.</ref> === Kunst === Eine große Stadt wie Londinium war sicherlich reich mit Kunstwerken geschmückt, von denen auch Beispiele aus allen Bereichen erhalten sind. Die Architektur ist jedoch dermaßen zerstört auf uns gekommen, dass es kaum möglich ist, sich ein wirkliches Bild von ihr zu machen. Es kann z.&nbsp;B. nicht mit Sicherheit gesagt werden, ob es Tempel im klassischen Stil gab. Das gut erhaltene Bad am Themseufer beim ''Huggin Hill'' wirkt architektonisch eher anspruchslos und ist rein funktional konzipiert. Das Prätorium war dagegen ein Repräsentationsbau mit großen Hallen, einem Garten und verschiedenen Sälen mit [[Apsis|Apsiden]]. Bei jüngsten Ausgrabungen fand man in der Vorstadt südlich der Themse einen Bezirk mit zwei gallo-römischen Umgangstempeln. Etwas klarer ist das Bild im Bereich Plastiken und Flachbild, wobei letzteres in Mosaik und Malerei unterteilt werden kann. [[Bild:London figure retouched.JPG|thumb|Statue einer Gottheit aus Londinium, vermutlich einheimische Arbeit]] [[Bild:Londinium mosaic retouched.jpg|thumb|Mosaikfußboden aus Londinium]] Wie die meisten Städte im römischen Reich waren die öffentlichen Plätze und Tempel und sicherlich auch die Häuser wohlhabender Bürger reich mit Statuen ausgeschmückt. Beispiele von Plastiken finden sich auch auf den Friedhöfen der Stadt. Es lassen sich grundsätzlich zwei Stile unterscheiden. Eine Reihe von Werken ist offensichtlich nicht vor Ort, sondern in [[Italien]] oder an anderen Orten am Mittelmeer produziert worden. Sie fallen durch ihren rein klassischen Stil (siehe den Bronzekopf des Hadrian), ihre stilistische Vollkommenheit und den hohen handwerklichen Standard auf. Eine Anzahl solcher Werke fand sich auch im Mithraeum. Es handelt sich meist um kleine, aber auch lebensgroße Marmorskulpturen. Einheimisch gefertigte Skulpturen sind meist viel gröber und wirken teilweise etwas unproportioniert. Dies war, zumindest teilweise, bedingt durch die Verwendung lokaler Gesteinsarten. Diese Skulpturen stehen Werken der [[Gallo-römische Kultur|Gallo-römischen Kultur]] nahe. In Londinium wurde eine Reihe von Mosaikfußböden gefunden, die meist geometrische Muster zeigen. Die wenigen erhaltenen figürlichen Darstellungen wirken meist eher bescheiden bezüglich ihrer Qualität.<ref>[http://www.thebritishmuseum.ac.uk/explore/highlights/highlight_objects/pe_prb/t/the_leadenhall_street_mosaic.aspx Vgl. die Figur des Dionysos in dem Leadenhall street mosaic]</ref> Dies steht im Gegensatz zu den erhaltenen Beispielen der Wandmalerei. Die Reste einer Wand in Southwark steht mit ihrer Darstellung plastischer Architektur kaum italischen Beispielen aus der gleichen Zeit nach (siehe Bild unten).<ref>Yule: ''A Prestigious Roman Building.'' S. 125–30.</ref> Vergleichbare Reste sind aber auch aus anderen Teilen der Stadt bekannt und belegen, wie eng diese Kunstform in Londinium italischen Vorbildern verpflichtet war. Malereien, die z.&nbsp;B. in der Fenchurch Street gefunden wurden, gehören zu aufwändigen Architekturmalereien mit [[Ädikula|Aedikulae]]. Sie datieren wahrscheinlich vom Beginn des zweiten Jahrhunderts.<ref>M. Rhodes: ''Wall-paintings from Fenchurch Street, City of London.'' In: ''Britannia.'' 18 (1987), S. 169ff, Taf. 1–3.</ref> === Reste römischer Wandmalerei === <gallery> Bild:Roman wall painting london-3.jpg|Fragmente einer Wandmalerei Bild:Roman wall painting london2.jpg|Fragmente einer Wandmalerei<ref>[http://news.bbc.co.uk/1/hi/england/london/6903416.stm Rare Roman murals go on display]</ref> Bild:Fench church plaster.gif|Fragmente einer Wandmalerei; Fenchurch Street </gallery> == Die Stadt == [[Bild:Londinium residental.png|thumb|Badetrakt und Reste eines wohlhabenden Hauses (bei Billingsgate ausgegraben), ca. 225<ref>Perring: ''Roman London.'' S. 101, fig. 45.</ref>]] Londinium lag an der Themse, die zur römischen Zeit viel breiter war als heute. Das Stadtgebiet zog sich in einer Länge von etwa 1,5 Kilometer am Fluss entlang und war ca. 600 bis 1000&nbsp;m breit. Es wurde um 200 ummauert. Außerhalb der Stadtmauern, wo vor allem die Nekropolen zu finden sind, gab es eine dünne Besiedlung. Das Zentrum der Stadt war von Anfang an die Gegend um das Forum. In diesem Bereich standen auch viele aufwändige Wohnbauten und hier fanden sich die meisten Mosaiken. Eine weitere Konzentration an Bauten findet sich am Ufer der Themse. Auch hier fanden sich die Reste bedeutender öffentlicher Gebäude, reich ausgestatteter Wohnbauten, zahlreiche Warenlager und Kaianlagen. Nach Norden hin, abseits des Themseufers, scheint die Bebauung lockerer gewesen zu sein und vor allem im dritten und vierten Jahrhundert, als es einen Bevölkerungsrückgang gab, waren diese Gebiete unbebaut und wurden als Gärten oder Ackerland benutzt. Am Ende des vierten Jahrhunderts, als die Bevölkerung immer weiter abnahm, blieben vor allem die Gebiete am Themseufer besiedelt. === Umgebung der Stadt === Im ganzen Stadtgebiet des heutigen Großraums London ([[Greater London]]) gibt es römische Funde. Größere Siedlungen gab es aber wohl nur bei [[London Borough of Enfield|Enfield]], [[Brockley Hill]] und [[Old Ford]] im Norden und [[Brentford]], [[Putney]], [[Croydon]] und [[Grayford]] im Süden. Alle diese Orte, über die sonst wenig bekannt ist, liegen an den Ausfallstraßen der Stadt. Villen sind aus dem näheren Umfeld der Stadt dagegen kaum bekannt. Es ist fraglich, ob dies Zufall ist oder einen besonderen, heute nicht mehr ersichtlichen Grund hatte.<ref>Siehe Karte bei Morris: ''Londinium, London in the Roman Empire.'' Fig. 13, S. 260–61.</ref> == Die Bauten == === Forum === Im Zentrum der Stadt stand das [[Forum (Platz)|Forum]]. Es handelte sich um den größten Bau dieser Art nördlich der Alpen. Schon vor dem Aufstand der Boudicca gab es hier einen freien Platz. Von dem eigentlichen Forum lassen sich zwei Bauphasen unterscheiden, wobei das Forum in der zweiten Bauphase deutlich erweitert wurde. Die Identifikation des Baues in der ersten Phase als Forum ist umstritten und es ist auch vorgeschlagen worden, dass es sich bei den gefundenen Resten um Lagerhäuser handelte. Eine weitere Möglichkeit wäre schließlich, dass es sich um [[Macellum]] gehandelt hat.<ref>Wacher: ''The Towns of Roman Britain.'' S. 91.</ref> Die wenigen Reste zeigen Reihen von Räumen, die zu Warenlagern, aber auch zu den genannten Bauten gehört haben könnten. Der Ausbau in der zweiten Bauphase wird oft mit dem Besuch von Kaiser Hadrian in Verbindung gebracht, obwohl es bisher nicht bewiesen werden kann und auch ein Ausbau unter den [[Flavier]]n (69 bis 96&nbsp;n.&nbsp;Chr.) vorgeschlagen wurde. Immerhin lässt sich immer wieder an anderen Orten im römischen Reich beobachten, dass Kaiser bei ihren Besuchen Geld für den Aufbau oder die Erweiterung von öffentlichen Gebäuden spendeten. Das Forum bestand aus einem großen freien Platz mit einem Wasserbecken in der Mitte. Der Platz war einst von [[Kolonnade]]n und Läden gesäumt. Im Norden schloss sich eine [[Basilika]] mit [[Apsis|Apsiden]] an. Die Basilika bestand aus einem Mittelschiff. Der ganze Komplex war ca. 168&nbsp;×&nbsp;167&nbsp;m groß. Der Haupteingang lag wohl im Süden. Dieses Forum wurde um 300 abgerissen und nie wieder aufgebaut.<ref>Marsden: ''The Roman Forum Site in London.''</ref> === Praetorium === [[Bild:Londinium praetorium.png|thumb|Die Reste des Praetoriums]] Am Ufer der [[Themse]] (in der Gegend des heutigen Bahnhofs [[Bahnhof Cannon Street|Cannon Street]]) stand ein großes repräsentatives Gebäude mit einem Garten, Wasserbecken und Springbrunnen. Es handelt sich vielleicht um das [[Praetorium]] (der Palast des Statthalters) der Stadt, obwohl die schlecht erhaltenen Reste eine andere Funktion, wie die eines großen Bades nicht vollkommen ausschließen. Der Gebäudeplan ist nur in Teilen erhalten. Der Bau war aber einst reich ausgestattet, wie Reste von Mosaiken zeigen. Es gab einen großen Mittelsaal und Bauteile mit Apsiden. Der Bau wurde in der zweiten Hälfte des ersten Jahrhunderts errichtet, wobei diverse An- und Umbauten in der Folgezeit beobachtet werden konnten. Der Bau wurde bis ca. 300 benutzt.<ref>P. Marsden: ''The Excavation of a Roman Palace Site in London.'' In: ''Trans. London and Middx Arch Soc.'' 1961–971, 26 (1975), S. 1–102.</ref> === Tempel === [[Bild:Relief matronae london retouched.jpg|thumb|Relief mit Darstellung von Muttergottheiten]] Londinium hatte mehrere Tempel. Auf einem Altar wird die Renovierung eines [[Jupiter (Mythologie)|Jupiter]]tempels erwähnt.<ref>''[[Roman Inscriptions of Britain]],'' 39a infra.</ref> Durch Inschriften ist der Bau eines Tempels einer Muttergottheit und ein Tempel der ägyptischen Göttin [[Isis (Ägyptische Mythologie)|Isis]] belegt. Ein Krug trägt die Aufschrift ''von Londinium beim Tempel der Isis.'' Ein Altar nennt schließlich die Renovierung des Isis-Tempels.<ref>''Roman Inscriptions of Britain,'' 39b infra.</ref> Neben dem Bau, der vielleicht das erste Forum darstellte fanden sich die Fundamente eines Tempels, der rechteckig und ca. 10&nbsp;×&nbsp;20&nbsp;m groß war. Es gab zwei Räume und im zweiten, größeren Raum eine Nische, sicherlich für die Kultstatue. Vor dem Bau fand sich ein freier Platz, der zum Tempelbezirk gehörte. Die hier verehrte Gottheit ist unbekannt. Der Bau wurde mit Errichtung des großen Forums eingeebnet.<ref>Perring: ''Roman London.'' S. 22, fig. 8.</ref> [[Bild:Serapis head london.jpg|left|thumb|upright|Kopf des [[Serapis]], Marmor, aus dem Mithräum von Londinium]] [[Bild:Ruins_of_the_Mithras_Temple_in_the_City_of_London,_2004.jpg|thumb|Überreste des Mithras-Tempels]] Am Ufer der Themse, eher im Westen der Stadt (in der Nähe von [[Peter's Hill]]) wurden bei Ausgrabungen starke Fundamente eines unbekannten Gebäudes gefunden. Es wird vermutet, dass sie zu einem Tempel gehören. Schließlich konnten neuere Ausgrabungen in der Vorstadt von Southwark einen kleinen Tempelbezirk erfassen. Hier standen zwei [[Gallo-römischer Umgangstempel|gallo-römische Umgangstempel]]. Die hier verehrten Gottheiten bleiben jedoch vorerst unbekannt. Den Ausgrabungen des Tempelkomplexes wurde von der breiten Öffentlichkeit Aufmerksamkeit geschenkt, da sich hier eine Cremedose fand, in der noch die antike Creme steckte.<ref>[http://www.londontreasures.com/Media%20Centre/general/Romantrinketboxecharris.doc Londontreasures (engl., Worddokument)]</ref> Ein weiterer gallo-römischer Umgangstempel fand sich im Winter 2006/2007 in Osten der Stadt. Mit Sicherheit konnte jedoch nur ein [[Mithras-Tempel (London)|Mithraeum]] identifiziert werden. Der Bau enthielt bei seiner Auffindung 1954 noch zahlreiche Skulpturen. Die Reste wurden versetzt und sind deshalb heute noch erhalten. Westlich der Stadt, außerhalb der Stadtmauern, fand man die Reste eines oktogonalen Baues, der vielleicht auch die Reste eines Tempels darstellt. Er wurde um 270 oder vielleicht sogar erst im vierten Jahrhundert errichtet.<ref>J. Heachcote: ''Excavation round-up 1988, Part 1: City of London.'' In: ''The London Archaeologist.'' 6 (1989), S. 46–53.</ref> === Andere öffentliche Bauten === Mehrere Bäder sind bekannt, wobei es im Einzelfall nicht immer sicher ist, ob die gefundenen Reste zu öffentlichen oder privaten Badeanlagen gehörten. Das Bad am ''Huggin Hill'' (in der Nähe des Themseufers), das in [[Flavier|flavischer]] Zeit errichtet wurde und fast vollständig ausgegraben werden konnte, ist sicherlich ein öffentliches Bad gewesen. Es enthielt einen der größten beheizbaren Räume im römischen Britannien. Es wurde jedoch schon am Ende des zweiten Jahrhunderts abgerissen.<ref>P. Marsden: ''{{lang|en|“Two Roman public baths in London”}}.'' In: ''Transactions of the London and Middlesex Archaeological Society.'' 27, 1976, S. 1–70.</ref> An der Fenchurch Street, etwas östlich des Forums fand man die Reste eines Saales, der in hadrianischer Zeit niederbrannte. Die Bedeutung ist unsicher, doch könnte es sich um den Versammlungssaal einer [[Zunft]] handeln, obwohl dies nur eine von verschiedenen vorgeschlagenen Möglichkeiten ist. Etwas südlich des Militärlagers konnten die Fundamente eines [[Amphitheater]]s ausgegraben werden. Es war ca. 130&nbsp;×&nbsp;110&nbsp;m groß; es wurde im zweiten Jahrhundert erbaut und in der Mitte des vierten Jahrhunderts aufgegeben. Südlich von Peter’s Hill am Themseufer, dort wo die starken Fundamente, die vielleicht zu einem Tempel gehörten, gefunden wurden, fanden sich auch die wiederverbauten Reste eines [[Triumphbogen]]s. Der einstige Aufstellungsort des Bogens bleibt unbekannt, doch bei der Annahme, dass er nicht weit von dem hier vermuteten Tempel stand, kann vermutet werden, dass es hier ein religiöses Zentrum der Stadt mit verschiedenen öffentlichen Gebäuden gab. Reste eines Aquäduktes konnten bisher nicht gefunden werden. Wahrscheinlich wurde die Stadt durch die Themse und deren Nebenflüsse mit Frischwasser versorgt. An mehreren Stellen in der Stadt fand man Abwasserleitungen aus Holz, die Schmutz- und Regenwasser fortleiteten. === Warenlager === [[Bild:Londinium storage.png|thumb|Lagerbauten am Themseufer, ca. 100 n. Chr.]] Am Ufer der Themse konnten in den Jahren 1973 bis 1983 zahlreiche Lagerbauten ausgegraben werden, die die wirtschaftliche Bedeutung der Stadt unterstreichen. Hier fand man auch den Betrieb, in dem die für römische Gerichte so beliebte Fischsoße produziert wurde. Die Uferlinie schob sich dabei im Laufe der Jahrhunderte immer weiter nach Süden, womit also neues Land gewonnen wurde. Teile der Uferbefestigungen mit den Landestegen aus Holz sind bei Ausgrabungen gefunden worden und waren zum Teil überraschend gut erhalten. Die Reste eines Holzkastens, der einst im Wasser stand, könnten die Fundamente der vermuteten Themsebrücke darstellen.<ref>zusammenfassend: Milne: ''The Port of Roman London.''</ref> === Militärlager === [[Bild:Roman castle2 london.jpg|thumb|Reste der Mauer des Militärlagers]] Im Norden der Stadt gab es ein ca. 4,5 ha großes Militärlager, das am Ende des ersten oder zu Beginn des zweiten Jahrhunderts errichtet wurde. Es ist umstritten, was für eine Militärtruppe hier stationiert war, vielleicht Soldaten, die in Verbindung mit dem in Londinium residierenden Statthalter standen. In Texten auf [[Weihestein]]en aus der Stadt erscheinen Legionen. Doch ist es sehr zweifelhaft, dass diese hier ihr Lager hatten. Drei Legionen sind bezeugt. Es sind die [[Legio II Augusta]], die [[Legio XX Valeria Victrix]] und die [[Legio VI Victrix]]. === Wohnbauten === [[Bild:London houses.jpg|thumb|Teile der ausgegrabenen Stadt (unter [[No 1 Poultry]]), im Zentrum von London; grau: Steinbauten, schwarz: Mauern noch erhalten, braun: Holzbauten, blau: Abwasserkanäle<ref>[http://www.eng-h.gov.uk/archrev/rev95_6/poultry.htm Zusammenfassung einer Grabung im Stadtzentrum].</ref>]] [[Bild:Roman mosaic london.jpg|thumb|Mosaik aus einem römischen Haus in Londinium]] Wohnbauten konnten im ganzen modernen Stadtgebiet beobachtet werden. Da die Ausgrabungen jedoch meist nur kleine Ausschnitte erfassen, sind nur wenige Gebäude in ihrem Gesamtplan erkennbar. Im ersten und zweiten Jahrhundert scheinen vor allem Holzbauten dominiert zu haben, die dicht an dicht die Stadt bedeckten, obwohl es auch bedeutende Steinhäuser gab. Bemerkenswert sind einige runde Hütten des ersten Jahrhunderts, die zweifelsohne von einheimischen Briten stammen, die sich in der Stadt ansiedelten. Im dritten Jahrhundert wurden immer mehr Steinbauten errichtet, wobei diese Bauten meist größer waren und es den Anschein hat, dass es einen Rückgang in Handwerk und Industrie gab. In dieser Zeit scheinen einige Bereiche innerhalb der Stadtmauern unbebaut und für Ackerbau oder Gärten vorbehalten gewesen zu sein. Ein besonders großer Wohnbau mit Badeanlagen fand sich an der heutigen Lower Thames Street, nahe der Themse, etwas südöstlich des Forums. Die reicheren Häuser, besonders im Zentrum der Stadt, hatten [[Mosaik]]en, [[Römische Wandmalerei|Wandmalerei]]en, [[Hypokaust]]en und Badeanlagen. Sie belegen den Wohlstand in der Stadt. === Stadtmauer === [[Bild:London wall statue.jpg|thumb|Teile der römischen Stadtmauer; nur die Fundamente sind römisch, während der Rest aus dem Mittelalter stammt]] Die [[London Wall|Stadtmauer]] aus Stein, die zum Umland hin ca. 3,2&nbsp;km lang war, ist wie die meisten Stadtmauern Britanniens am Ende des zweiten Jahrhunderts errichtet worden. Unterhalb der Mauer fand sich eine Münze von [[Commodus]].<ref>W. F. Grimes: ''Excavations of Roman and Medieval London.'' London 1968, S. 50.</ref> Es gab mindestens sechs Tore, ein weiteres, wenn nicht noch mehr, kann zur Themse hin erwartet werden, wo es eine Brücke über den Fluss gab. Die Brücke kann bisher auch nur aus der Konzentration in dieser Gegend von Funden und dem Standort der Vorstadt auf der anderen Seite der Themse erschlossen werden. Eindeutige Reste fanden sich bisher nicht. Die Stadtmauer schloss das Militärlager, aber auch das Amphitheater mit ein, was in den meisten anderen britannischen Städten in der Regel nicht der Fall war. Der Verlauf der Stadtmauer ist im Allgemeinen gesichert, nur an der Westseite, südlich von Ludgate Hill, ist sie bisher nicht archäologisch nachweisbar. Die Sicherung des Ufers der Themse ist nicht gesichert. Es wurde zunächst von einer Reihe von Türmen ausgegangen. Neuere Grabungen erbrachten jedoch massive Mauern am Themseufer, die eine Mauer auch hier nahelegen. Problematisch ist, dass die Ufermauer wohl erst um 270&nbsp;n.&nbsp;Chr. erbaut wurde, also viel später als die Landmauer. === Vorstädte === [[Bild:Southwark painting retouched.jpg|thumb|Wandmalerei aus einem wohl ausgestatteten Haus in Southwark. Ca. 150 n. Chr.]] Auf der Südseite der Themse (heutiges [[Southwark]]) gab es eine große Vorstadt, die mit der eigentlichen Stadt durch eine Brücke verbunden war. Das Gelände war hier flach, wurde oft überflutet, so dass nur auf einer Reihe von kleinen Hügeln gesiedelt werden konnte. Die Bebauung scheint typisch für eine Vorstadt gewesen zu sein und entwickelte sich vor allem entlang der Ausfallstraßen. Hier konnten jedoch auch bedeutende Steinbauten mit teilweise reichen Innenausstattungen ausgegraben werden. Hier stand wahrscheinlich auch der Isis-Tempel. Eine Inschrift, die sich vor Ort fand, listet Legionäre mit Namen auf. Es bleibt unklar, was der Zweck dieser Inschrift ist und warum sie sich gerade hier fand.<ref>K. Heard, H. L. Sheldon, P. Thompson: ''{{lang|en|“Mapping Roman Southwark”}}.'' In: ''[[Antiquity]].'' 64, 1990, S. 608–619; Yule: ''A Prestigious Roman Building.'' Siehe auch online: [http://www.eng-h.gov.uk/archrev/rev95_6/southwrk.htm Southwark, Roman waterfront buildings and industry, assessment and analysis]</ref> Immerhin könnte diese Inschrift mit einer [[Mansio]] in Verbindung stehen, die hier vermutet wird.<ref>Yule: ''A Prestigious Roman Building.'' S. 69–72.</ref> Es fand sich ein Tempelbezirk mit zwei Tempelbauten. === Nekropolen === [[Bild:London tombstone.JPG|thumb|Grabstein]] Außerhalb der Stadtmauern gab es umfangreiche Nekropolen mit teilweise monumentalen Grabbauten. Das Grabmal des [[Gaius Iulius Alpinus Classicianus]] gehört einer historisch fassbaren Person. Verschiedene Inschriften auf Grabsteinen belegen den kosmopolitischen Charakter der Bevölkerung. Alfidus Olussa z. B. stammte aus [[Athen]], L. Pomeius Da […] stammte aus [[Arretium]] in Italien. Sein Grabmal wurde von einer marmornen Inschrift geziert. Urnenbestattungen waren die Regel, erst ab dem dritten Jahrhundert kommen Erdbestattungen immer häufiger vor. Die ältesten Gräber fanden sich innerhalb der späteren Stadtmauer, nahe dem Forum. In der Gegend der West Tenter Street, östlich der Stadtmauer wurde ein größerer Friedhofsabschnitt ergraben. Es fanden sich 672 Körpergräber und 134 Brandbestattungen. Sie datieren vom Ende des ersten bis in das fünfte Jahrhundert, Holzsärge konnten beobachtet werden. Ein Grab enthielt mit Silber eingelegte Bronzebroschen, die typisch für hohe Militärangehörige sind.<ref>B. Barber, D. Bowsher, K. Whittaker: ''{{lang|en|“Recent excavations in a cemetery of Londinium”}}.'' In: ''Britannia.'' 21, 1990, S. 1–12. Siehe auch: [http://www.eng-h.gov.uk/archrev/rev94_5/eastcem.htm East cemetery]</ref> == Ausgrabungen == [[Bild:London houses 2.png|thumb|Holzbauten des ersten Jahrhunderts.<ref>Perring: ''Roman London.'' S. 56, fig. 22.</ref>]] Durch die intensive Bebauung der modernen Stadt gestaltet sich die archäologische Erforschung von Londinium schwierig. Viele antike Bauten wurden schon im Mittelalter abgetragen, daneben bewahrten aber auch die dicken mittelalterlichen Schichten römische Reste vor neuzeitlichen Zerstörungen. Die römische Stadt liegt im Zentrum des heutigen Londons, genau dort wo sich die größten Bauten mit den tiefsten Kellern befinden. Die Fundamente großer Häuser sind seit viktorianischer Zeit oft sehr tief und zerstören dabei viele alte Reste, wobei sich die entstandenen Schäden in den letzten Jahren als weniger dramatisch als befürchtet erwiesen haben. Die viktorianischen Mauern bilden oft nur Fundamente an den Außenseiten der Gebäude und lassen den Raum dazwischen ungestört. Seit der Renaissance wurde antiken Objekten, die bei Bauarbeiten in der Stadt zu Tage kamen, Aufmerksamkeit geschenkt. Vor allem nach dem [[Großer Brand von London|Großen Brand von London]] (1666) wurden auch einige mächtige Mauerstrukturen, die zum Forum und Praetorium gehören, von Sir [[Christopher Wren]] beobachtet und beschrieben. Inschriften und Skulpturen, seit dem 18. Jahrhundert auch Mosaiken, wurden kopiert und sind teilweise noch heute erhalten. Systematische Ausgrabungen finden seit dem 19. Jahrhundert statt und sind besonders seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges intensiv. Es können dabei in der Regel nur kleine Ausschnitte der antiken Stadt erfasst werden, die den modernen Parzellen entsprechen. Das Bild der antiken Bebauung bleibt daher ungleichmäßig. === Die sichtbaren Reste in der heutigen Stadt === Im heutigen London sind nur noch wenige Reste der antiken Stadt zu sehen. Ruinen der Stadtmauer (die wiederum im Mittelalter weiter benutzt und ausgebaut wurde) finden sich beim [[Tower of London]] und vor allem in der Nähe des [[Museum of London]]. Einige Mauern des Amphitheaters sind heute unter der [[Guildhall (London)|Guildhall]] zu sehen. Die Fundamente des Mithraeums wurden abgebaut und versetzt. Sie stehen heute in der Queen Victoria Street. Die Einzelfunde der Grabungen sind vor allem im Museum of London zu sehen. Dort gibt es auch die lebensgroße Rekonstruktion eines Wohnraumes aus römischer Zeit mit Mosaik und Wandmalerei. Einige herausragende Objekte von überregionaler Bedeutung sind auch im [[Britisches Museum|Britischen Museum]] ausgestellt.<ref>Wilson: ''A Guide to the Roman Remains in Britain.'' S. 604–652.</ref> == Siehe auch == * [[Liste der Statthalter Britanniens]] == Literatur == === Allgemeines === * Edward Bacon: ''Auferstandene Geschichte. Archäologische Funde seit 1945.'' Aktualisierte Auflage. Zürich 1964, S. 15–24. * Peter Marsden: ''Roman London.'' London 1980. * Ralph Merrifield: ''London, City of the Romans.'' Berkeley (California) 1983, ISBN 0-520-04922-5. (eher populäre Zusammenfassung) * Gustav Milne: ''The Port of Roman London,'' London 1993 (reprint), ISBN 0-7134-4365-0. (Zusammenfassung der Grabungen an der Themse) * [[John Morris (Historiker)|John Morris]]: ''Londinium, London in the Roman Empire.'' London 1999, ISBN 0-7538-0660-6. * Dominic Perring: ''Roman London (The Archaeology of London).'' London 1991, ISBN 1-85264-039-1. (vor allem archäologische Zusammenfassung zum römischen London, reich an Plänen) * John Wacher: ''The Towns of Roman Britain.'' London/New York 1997, ISBN 0-415-17041-9, S. 88–111. (vor allem archäologische Zusammenfassung zum römischen London) * R. J. A. Wilson: ''A Guide to the Roman Remains in Britain.'' 4. Auflage. London 2002, ISBN 1-8411-9318-6, S. 604–652. === Antike Autoren === * Stanley Ireland: ''Roman Britain. A Sourcebook.'' London 1996, ISBN 0-415-13134-0. (Sammlungen aller Stellen bei klassischen Autoren, die Britannien und London erwähnen) === Ausgrabungsberichte === Die Ausgrabungsberichte zum römischen London finden sich verstreut in verschiedenen Zeitschriften und Aufsätzen, deren Zahl unüberschaubar erscheint. In den letzten Jahren werden Ausgrabungsberichte in der Reihe ''MoLAS Monograph Series'' veröffentlicht. Besonders wichtig sind: * P. Marsden: ''The Roman Forum Site in London. Discoveries before 1985.'' London 1987, ISBN 0-11-290442-4. * John D. Shepherd: ''The temple of Mithras, London.'' London 1998, ISBN 1-85074-628-1. Werke der MoLAS Reihe: * Bruno Barber, David Bowsher: ''The eastern cemetery of Roman London: excavations 1983–90.'' (MoLAS Monograph), London 2000, ISBN 1-901992-06-3. * Brian Yule: ''A Prestigious Roman Building Complex on the Southwark Waterfront: Excavations at Winchester Palace, London, 1983–90.'' (MoLAS Monograph) London 2005, ISBN 1-901992-51-9. == Weblinks == * [http://www.roman-britain.org/places/londinium.htm Informationen zu Londinium auf Roman-Britain.org] (englisch) * [http://britannia.com/history/londonhistory/ Informationen zu Londinium auf Britannia.com] (englisch) == Einzelnachweise == <references/> {{Exzellent}} [[Kategorie:Geschichte Londons]] [[Kategorie:Römische Stadt in England]] [[Kategorie:Archäologischer Fundplatz in England]] {{Coordinate |NS=51.5125 |EW=-0.0906 |type=landmark |region=GB}} [[da:Londinium]] [[en:Roman London]] [[es:Londinium]] [[fr:Londres#Londres romain]] [[gl:Londinium]] [[he:לונדיניום]] [[hu:Londinium]] [[it:Londinium]] [[la:Londinium (urbs Romana)]] [[nl:Londinium]] [[nn:Londinium]] [[no:Londinium]] [[pl:Londinium]] [[pt:Londinium]] [[sv:Londinium]] [[tl:Romanong London]] ob7ha929v6clsh4yzdaz8wt5anzx0b0 wikitext text/x-wiki London Underground 0 23858 26453 2010-05-06T10:40:56Z Nervousenergy 0 Revert auf Version von [[Benutzer:Janericloebe]] (19:46 Uhr, 4. Mai 2010). Grund: Vandalismus. {{Infobox U-Bahn |Name = London Underground |Logo = [[Bild:Underground.svg|50px]] |Farbe = #0664ab |Farbe2 = #ffffff |Bild = London Underground Zone 2.png |Stadt = [[London]] |Staat = [[Datei:Flag of the United Kingdom.svg|25px]] [[Vereinigtes Königreich]] |Verkehrsverbund = Transport for London |Eröffnung = 10.01.1863 |Linien = 11 |Streckenlänge = 408 |Stationen = 275 |Fernbf = <!--davon Fernbahnhöfe--> |Tunnelbf = <!--davon unterirdisch--> |Taktfolge = 2 Minuten |Passagiere = 2.670.000 pro Tag |Einzugsbereich = <!--Einwohner im Einzugsbereich--> |Mitarbeiter = <!--Anzahl der Mitarbeiter--> |Fahrzeuge = <!--eingesetzte Fahrzeugtypen--> |Fahrzeugekl = <!--Fahrzeuge klein?--> |Betreiber = <!--Betreibergesellschaft(en)--> |Strom = 630 V Gleichstrom |Stromkl = ja }} Die '''London Underground''' ist das älteste und längste [[U-Bahn]]-Netz der Welt. Sie erschließt die britische Hauptstadt [[London]] und einige angrenzende Gebiete. Der erste Streckenabschnitt der „Metropolitan Railway“ (die heutige [[Metropolitan Line]]) wurde am [[10. Januar]] [[1863]] als unterirdische, mit [[Dampflokomotive]]n befahrene [[Eisenbahn]] eröffnet. Obwohl von der „Metropolitan Railway“ die weltweit häufigste Bezeichnung für eine U-Bahn – ''Metro'' – abgeleitet wurde, wich dieser Begriff im [[Britisches Englisch|britischen Englisch]] bereits Ende des 19. Jahrhunderts der Bezeichnung ''Underground''. In der Umgangssprache der Londoner wird die U-Bahn '''''tube''''' ([[Deutsche Sprache|deutsch]]: ''Röhre, Rohr'') genannt. [[Datei:Why London Underground is nicknamed The Tube.jpg|miniatur|Der Spitzname „tube“ stammt von den röhrenförmigen Tunneln der Kleinprofillinien; hier das Tunnelende der Northern Line nördlich der Station ''[[Hendon Central (London Underground)|Hendon Central]]'']] [[Datei:London Underground D stock at Kensington Olympia 02.jpg|miniatur|Großprofilzug des Typs D78 auf der District Line, Station ''[[Bahnhof Kensington (Olympia)|Kensington (Olympia)]]'']] Zurzeit gibt es 275 <!--siehe Hauptartikel Verkehr in London--> Stationen. Die Länge des Streckennetzes beträgt 408 Kilometer. Außerhalb der [[Innenstadt]] verkehren die Linien mehrheitlich an der Oberfläche, tatsächlich sind nur 45 Prozent aller Strecken unterirdisch. Komplett unterirdisch verkehren lediglich die [[Victoria Line]] und die [[Waterloo & City Line]]. Täglich benutzen durchschnittlich 2,67 Millionen Fahrgäste das Underground-System, an Spitzentagen bis zu 3,4 Millionen. Im Geschäftsjahr 2004/2005 wurden insgesamt 976 Millionen Fahrten unternommen, was einen neuen Rekordwert darstellt. Seit 2003 ist London Underground ein Teil von [[Transport for London]] (TfL), die auch für die übrigen öffentlichen Verkehrsmittel in [[Greater London]] mit Ausnahme der Eisenbahnen verantwortlich ist. == Liniennetz == Das Londoner U-Bahn-Netz ist 408 km lang, hat 275 Stationen und besteht aus elf Linien, die zum Teil mehrfach verzweigt sind. 14 Stationen liegen außerhalb der Grenzen von [[Greater London]], dabei handelt es sich um drei bzw. fünf Stationen der Metropolitan Line in den Grafschaften [[Buckinghamshire]] und [[Hertfordshire]] sowie um sechs Stationen der Central Line in der Grafschaft [[Essex]]. Die Züge fahren werktags von 5 bis 1 Uhr, sonntags von 7 Uhr bis Mitternacht. Manche Stationen sind an Sonntagen oder am späten Abend geschlossen. Die Taktzeiten betragen in Spitzenzeiten zwei Minuten, tagsüber durchschnittlich vier Minuten, am späten Abend bis zu zehn Minuten. Südlich der [[Themse]] gibt es nur wenige U-Bahn-Linien: Vom gesamten Streckennetz der Underground entfallen nur etwa zehn&nbsp;Prozent auf dieses Gebiet. Statt dessen wird das Gebiet vor allem von Vororteisenbahnlinien erschlossen. Nördlich der Themse verhält es sich genau umgekehrt: Hier überwiegen die Linien der Underground, während die Eisenbahn auf wenige Hauptstrecken zu den Kopfbahnhöfen beschränkt ist. Siehe auch: [[Liste der Stationen der London Underground]] === Die einzelnen Linien === {|class="wikitable sortable" style="text-align:center" |-bgcolor=#F8F8FF ! Linie ! Farbe ! Eröffnung ! Linientyp ! Länge in km ! Stationen ! Fahrgäste in Mio./Jahr |- bgcolor="#FFFFFF" | [[Bakerloo Line]] || bgcolor="#AB6612"|Braun || align="center"| 1906 || align="center"|Röhrenbahn || 23,2 || align="center"| 25 || 95,9 |- bgcolor="#F8F8FF" style="color:white" | [[Central Line]] || bgcolor="#DF002C"|Rot || style="color:black" align="center"| 1900 || style="color:black" align="center"|Röhrenbahn || style="color:black"|74,0 || style="color:black" align="center"| 49 || style="color:black"| 183,5 |- bgcolor="#FFFFFF" | [[Circle Line]] || bgcolor="#F7DC00"|Gelb || align="center"| 1884 || Großprofil || 22,5 || align="center"| 27 || 68,4 |- bgcolor="#F8F8FF" style="color:white" | [[District Line]] || bgcolor="#0D6928"|Grün || style="color:black" align="center"| 1868 || align="center" style="color:black"|Großprofil || style="color:black"| 64,0 || style="color:black" align="center"| 60 || style="color:black"| 172,8 |- bgcolor="#FFFFFF" | [[Hammersmith & City Line]] || bgcolor="#F5A6B3"|Rosa || align="center"| 1864 || align="center"|Großprofil || 26,5 || align="center"| 29 || 45,8 |- bgcolor="#FFFFFF" | [[Jubilee Line]] || bgcolor="#767B7F"|Grau || align="center"| 1979 || align="center" | Röhrenbahn || 36,2 || align="center"| 27 || 127,5 |- bgcolor="#F8F8FF" style="color:white" | [[Metropolitan Line]] || bgcolor="#8B004C"|Magenta || style="color:black" align="center"| 1863 || style="color:black" align="center"|Großprofil || style="color:black"| 66,4 || style="color:black" align="center"| 34 || style="color:black"| 53,6 |- bgcolor="#FFFFFF" style="color:white" | [[Northern Line]] || bgcolor="#000000" style="color:white" | Schwarz || style="color:black" align="center"| 1890 || style="color:black" align="center"|Röhrenbahn || style="color:black"| 57,6 || style="color:black" align="center"| 51 || style="color:black"| 206,7 |- bgcolor="#F8F8FF" style="color:white" | [[Piccadilly Line]] || bgcolor="#002d73"| Dunkelblau || style="color:black" align="center"| 1906 || style="color:black" align="center"|Röhrenbahn || style="color:black"| 70,4 || style="color:black" align="center"| 52 || style="color:black"| 176,1 |- bgcolor="#FFFFFF" style="color:black" | [[Victoria Line]] || bgcolor="#0076BD"|Hellblau || align="center"| 1969 || align="center"|Röhrenbahn || 22,5 || align="center"| 16 || 161,3 |- bgcolor="#F8F8FF" style="color:black" | [[Waterloo & City Line]] || bgcolor="#89CBC1"|Türkis || align="center"| 1898 || align="center"|Röhrenbahn || 2,4 || align="center"| 2 || 9,6 |} === Geschlossene Stationen und Linienabschnitte === {{Hauptartikel|Geschlossene Stationen der London Underground}} [[Datei:Closed tube station.jpg|miniatur|Ehemalige Station ''[[St Mary’s (Whitechapel Road)]]'']] Im Netz der Londoner U-Bahn existieren eine Reihe geschlossener Stationen. Die Gründe für die jeweiligen Schließungen sind unterschiedlicher Natur. In den Frühzeiten der Londoner U-Bahn waren [[Fahrtreppe|Rolltreppen]] als vertikales Transportmittel gänzlich unbekannt und die tiefen Stationen waren, abgesehen von Nottreppen ausschließlich über [[Aufzugsanlage|Aufzüge]] erreichbar. Mit der Erfindung der Rolltreppe sind die oberirdischen Zugänge zu den Stationen häufig näher aneinander gerückt, da die Rolltreppen auch eine horizontale Strecke überwinden. Durch diese geringen Abstände erschien es sinnvoll, einige Stationen aufzulassen. Andere Stationen wurden hingegen wegen geringer Fahrgastzahlen geschlossen. == Betrieb == [[Datei:London_Underground_Tube_Stock_1992.jpg|miniatur|Zug des Typs ''Tube Stock 1992'' auf der Central Line]] Seit Januar 2003 ist London Underground in Form einer [[Public Private Partnership]] (PPP; Partnerschaft zwischen öffentlicher Hand und Privatunternehmen) teilprivatisiert. Der Unterhalt der Infrastruktur wird durch private Unternehmen durchgeführt, doch die Underground bleibt im Besitz von [[Transport for London]], die auch für den Zugbetrieb zuständig ist. Das Ziel von PPP ist die Erschließung von Geldquellen für zukünftige [[Investition]]en ins U-Bahn-System. Dazu gehören der Neu- und Ausbau von Stationen, der Kauf von neuem Rollmaterial sowie die Einrichtung von neuen Sicherheitssystemen und Zugsicherungen. Das Netz ist in drei Gruppen aufgeteilt: JNP (Jubilee Line, Northern Line und Piccadilly Line), BCV (Bakerloo Line, Central Line und Victoria Line) sowie SSL (Sub-Surface-Linien mit District Line, Metropolitan Line, Circle Line, East London Line und Hammersmith & City Line). Die Firma [[Metronet]] hat den Unterhalt der BCV- und SSL-Gruppen übernommen, während [[Tube Lines]] für die JNP-Gruppe verantwortlich ist. === Betriebszahlen === Während der Hauptverkehrszeit transportiert die Underground derzeit auf den am stärksten benutzten Abschnitten stündlich 142.000 Passagiere. Theoretisch hätte sie eine maximale Kapazität von 315.000 Passagieren pro Stunde. <ref name="Kapazität">''[http://www.publications.parliament.uk/pa/cm200102/cmhansrd/vo020513/text/20513w08.htm Protokoll Fragestunde House of Commons 13. Mai 2002]</ref> Im Vergleich zu U-Bahnen in anderen Millionenstädten bestreitet die London Underground einen relativ hohen Anteil ihrer Betriebsausgaben aus den Fahrkarteneinnahmen. Im Jahr 2004 wurden die Ausgaben von knapp 2 Milliarden [[Pfund Sterling|Pfund]] zu etwa 62&nbsp;Prozent mit Fahrkarteneinnahmen finanziert. Insgesamt hatte die Underground damit einen Zuschussbedarf von 768 Mio. Pfund. Im Jahr 2002 betrug der Anteil der Fahrkartenverkäufe an den Einnahmen sogar fast 82&nbsp;Prozent. <ref name="Zuschussbedarf">Transport for London: {{Webarchiv | url=http://www.tfl.gov.uk/assets/downloads/corporate/annrep-03-04.pdf | webciteID=5nj1PJkqC | text=''Annual Report 2003/04''}} (pdf; 1,2 MB)</ref> == Technik == [[Datei:London Underground subsurface and tube trains.jpg|miniatur|Bei ''[[Rayners Lane (London Underground)|Rayners Lane]]'' kreuzen sich ein Sub-Surface-Zug der Metropolitan Line (links) und ein Tube-Zug der Piccadilly Line (rechts)]] Die Linien der Londoner Underground können in zwei Typen unterteilt werden: Unterpflasterbahnen (Sub-Surface) und Röhrenbahnen (Tube). Die [[Unterpflasterbahn]]en wurden ähnlich den älteren deutschen U-Bahnen in ''offener Tunnelbauweise'' errichtet (engl. ''cut and cover''). Zuerst wurde mitten auf der Straße eine offene Baugrube ausgehoben. Nachdem die Tunnelwand errichtet und die Gleise verlegt waren, wurde die Baugrube abschnittsweise wieder mit einem Deckel verschlossen; über dem Deckel entstand die Straße neu. Die Gleise liegen durchschnittlich fünf Meter unter der Erdoberfläche. Die Tunnel haben einen Durchmesser von 7,62&nbsp;m (25&nbsp;ft.) und besitzen das gleiche [[Lichtraumprofil]] wie die britischen Eisenbahnlinien. Der erste Tunnelabschnitt zwischen ''[[Bahnhof Paddington|Paddington]]'' und ''[[Bahnhof Farringdon|Farringdon]]'' ist 7,82&nbsp;m (25&nbsp;ft. 8&nbsp;inch) breit. Die Röhrenbahnen wurden anfangs mit Spitzhacke und Schaufel, später mittels [[Schildvortrieb]] in 20 bis 50 Metern Tiefe errichtet. Der Tunneldurchmesser ist weniger als halb so groß wie bei den Sub-Surface-Linien (im Durchschnitt 3,56&nbsp;m (11&nbsp;ft. 8,25&nbsp;inch), jedes Gleis liegt in einer einzelnen Röhre. Obwohl die Standardspurweite von 1435&nbsp;mm benutzt wird, ist das Lichtraumprofil wesentlich geringer. Üblicherweise sind die beiden Teilnetze getrennt. Ausnahme ist die oberirdische Strecke ''[[Rayners Lane (London Underground)|Rayners Lane]]'' – ''[[Uxbridge (London Underground)|Uxbridge]]''; hier verkehren sowohl eine Sub-Surface-Linie (Metropolitan Line) als auch eine Tube-Linie (Piccadilly Line). [[Datei:Stratford Depot 27.JPG|miniatur|left|Wagen des Typs ''1996 Stock'' in der Betriebswerkstatt Stratford Market]] Elektrifiziert sind die Strecken der Londoner U-Bahn mit 630 Volt [[Gleichstrom]]. Im Unterschied zu den meisten anderen U-Bahnen werden zwei [[Stromschiene]]n verwendet; dadurch soll [[Streustromkorrosion]] in Rohrleitungen verhindert werden. Eine der Stromschienen befindet sich zwischen den Gleisen, die andere je nach örtlicher Gegebenheit rechts oder links von den Fahrschienen. Ein weiterer Vorteil dieses Systems ist, dass die Fahrschienen ausschließlich für Signalstromkreise genutzt werden können. Die Stromschienen werden von oben durch die [[Stromabnehmer]] der Züge bestrichen. Hierdurch ist bei offenen Streckenabschnitten eine Gefahr der Vereisung gegeben. Um dem zu begegnen, sind einige Fahrzeuge mit einer speziellen Vorrichtung ausgestattet, die das Anbringen einer Enteisungsflüssigkeit über den Stromabnehmer gestattet. Auf offener Strecke sind die Gleise durch Zäune abgetrennt, um Unfälle zu vermeiden. Zum Einsatz kommen verschiedene Zugtypen aus den Jahren 1960 bis 1996. Zugtypen der Sub-Surface-Linien werden üblicherweise mit einem Buchstaben gekennzeichnet (z.&nbsp;B. ''A Stock'' auf der Metropolitan Line), während die Zugtypen der Tube-Linien nach dem Jahr benannt sind, in denen sie entworfen wurden (z.&nbsp;B. ''1996 Stock'' auf der Jubilee Line). Auf sämtlichen Linien mit Ausnahme der District Line sind die Züge aus Wagen eines einzigen Zugtyps zusammengesetzt. In Entwicklung befinden sich zwei Zugtypen, ''2009 Stock'' für die Victoria Line und ''S Stock'' für die Metropolitan Line; diese sollen ab 2009 ausgeliefert werden. Siehe auch: [[Rollmaterial der London Underground]] == Geschichte == === Erste Pläne === Bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts entstanden in und um London zahlreiche Eisenbahnlinien, doch die einzelnen [[Kopfbahnhof|Kopfbahnhöfe]] lagen alle außerhalb der Innenstadt. Passagiere mussten zwischen den einzelnen Bahnhöfen mit [[Kutsche]]n reisen. Bald verkehrten so viele von ihnen, dass die Straßen hoffnungslos verstopft waren. Nach der [[Great Exhibition]] im Jahr 1851 wurden Pläne präsentiert, die eine unterirdisch verlaufende [[Breitspur]]-Eisenbahn vorsahen. Die [[Great Western Railway]] sollte dadurch die Möglichkeit erhalten, ihre Züge von [[Bahnhof Paddington|Paddington]] bis in die [[City of London]] zu führen. Paddington war der am weitesten von der City entfernte Endbahnhof und nach der Fertigstellung der Eisenbahnlinie nach [[Birmingham]] verschlechterte sich die Verkehrssituation auf den Zufahrtsstraßen erheblich. Die [[Great Northern Railway (Großbritannien)|Great Northern Railway]], deren Endbahnhof [[Bahnhof King’s Cross|King’s Cross]] ebenfalls von dieser Strecke profitieren würde, unterstützte den Plan. Eine oberirdische Streckenführung war von vornherein ausgeschlossen, da man es für sinnvoll hielt, die Züge vom Straßenverkehr zu trennen. Auch sprachen ästhetische Aspekte für eine Untergrund- statt einer [[Hochbahn]]. === Metropolitan Railway === [[Datei:Farringdon tube station platforms.jpg|miniatur|Die teilweise oberirdische Station ''[[Bahnhof Farringdon|Farringdon]]'' ist Teil des ältesten Abschnitts]] Am [[7. August]] [[1854]] wurde die „Metropolitan Railway“ (MetR) gegründet. Das Projekt kam einige Jahre lang nicht schnell voran, weil das Investitionskapital zunächst nur spärlich floss. Schließlich begannen die Bauarbeiten im Februar 1860. Nach zahlreichen Verzögerungen konnte am [[10. Januar]] [[1863]] die erste mit [[Dampflokomotive]]n betriebene U-Bahnlinie eröffnet werden. Die Strecke führte von ''Paddington (Bishop's Road)'' (heute ''[[Bahnhof Paddington|Paddington]]'') nach ''Farringdon Street'', nahe der heutigen Station ''[[Bahnhof Farringdon|Farringdon]]''. Am ersten Betriebstag fuhren 40.000 Personen mit der neuen Bahn. Dieser Abschnitt wird heute von der [[Hammersmith & City Line]], der [[Circle Line]] und teilweise von der [[Metropolitan Line]] befahren. Die Strecke diente zunächst hauptsächlich als innerstädtische Verlängerung der Great Western Railway (GWR). Aus diesem Grund waren neben [[Normalspur]]-Gleisen (1435&nbsp;mm) auch [[Breitspur]]-Gleise (2140&nbsp;mm) verlegt worden. In den ersten Monaten nutzte die Metropolitan Railway ausschließlich GWR-[[Rollmaterial]]. Differenzen zwischen beiden Unternehmen führten am 30. September 1863 zum Rückzug der GWR. Die MetR musste eine Zeit lang das Rollmaterial von der Great Northern Railway und der [[London and North Western Railway]] anmieten, bis ihre erste Bestellung ausgeliefert war. Von Beginn weg galt auf den Zügen der MetR aus Sicherheitsgründen ein [[Rauchverbot]]. Auf vielfachen Wunsch der Öffentlichkeit führte sie jedoch 1874 Wagen mit Raucherabteilen ein. Auch war die MetR eine der ersten Eisenbahngesellschaften des Landes, die besonders günstige Tarife für Arbeiter anbot; diese galten vorerst jedoch nur auf einigen wenigen Zügen. Im Jahr 1880 beförderte die MetR bereits 40 Millionen Fahrgäste pro Jahr. Nach 1868 begann die Metropolitan Railway, ihr Netz nach Nordwesten zu erweitern. 1880 wurde [[Harrow]] erreicht, 1887 [[Rickmansworth]], 1889 [[Chesham]] und 1892 [[Aylesbury]] in der Grafschaft [[Buckinghamshire]]. Von Aylesbury aus verkehrten bereits ab 1891 Züge nach Verney Junction, ab 1899 auch nach Brill, etwa 90 Kilometer von ''[[Baker Street (London Underground)|Baker Street]]'' entfernt. Ursprünglich wollte die MetR sich als überregionales Eisenbahnunternehmen etablieren. Von ''Baker Street'' aus sollten Schnellzüge nach [[Oxford]] und weiter in die [[Midlands]] verkehren; ein Traum, der sich letztlich nicht erfüllte. Das von der Gesellschaft erschlossene Gebiet in [[Middlesex]] wurde innerhalb weniger Jahrzehnte vollständig verstädtert und erhielt bald den Spitznamen [[Metro-land]]. === Metropolitan District Railway === Am [[29. Juli]] [[1864]] erfolgte die Gründung einer zweiten Gesellschaft, der Metropolitan District Railway (MDR; heute [[District Line]]). Deren Hauptaufgabe war die Fertigstellung des südlichen Teils des Innenstadtrings, auch ''Inner Circle'' genannt. Deren erste Strecke zwischen ''[[South Kensington (London Underground)|South Kensington]]'' und ''[[Westminster (London Underground)|Westminster]]'' wurde am [[24. Dezember]] [[1868]] eröffnet. Auch die MDR expandierte in die schnell wachsenden Vororte. In enger Kooperation mit anderen Eisenbahngesellschaften entstanden unter anderem Strecken nach ''[[Hammersmith (London Underground)|Hammersmith]]'' (1874), ''[[Bahnhof Richmond|Richmond]]'' (1877), ''[[Bahnhof Ealing Broadway|Ealing Broadway]]'' (1879) und ''[[Bahnhof Wimbledon|Wimbledon]]'' (1889). Am 6. Oktober 1884 wurde mit der Strecke ''[[Mansion House (London Underground)|Mansion House]]'' – ''[[Tower Hill (London Underground)|Tower of London]]'' die letzte Lücke geschlossen. Obwohl die [[Circle Line]] erst 1949 als eigenständige Linie geschaffen wurde, fuhren beide Gesellschaften um den ganzen Ring ''(Circle)'' herum und lieferten sich einen harten Konkurrenzkampf. === Erste Tubes und Elektrifizierung === [[Datei:Tower subway carriage.jpg|miniatur|Wagen der Tower Subway]] [[Datei:Electric railway train.jpg|miniatur|Zug der City and South London Railway]] Technologische Neuentwicklungen wie der [[Schildvortrieb]] ermöglichten den Bau von tief unter der Oberfläche liegenden Tunneln. Am [[2. August]] [[1870]] wurde die [[Tower Subway]] eröffnet, die erste Röhrenbahn (''Tube'') der Welt, mit einer Spurweite von 762&nbsp;mm. Die Stationen befanden sich nördlich des [[Tower of London]] und in [[Southwark]] in der Vine Street. Ein Kabel zog den Wagen durch die Röhre, als Antrieb dienten zwei [[Dampfmaschine]]n mit einer Leistung von 4&nbsp;[[Pferdestärke|PS]]. Das System erwies sich als kaum brauchbar, da der einzige Wagen lediglich 10 Personen Platz bot. Da es kein Ausweichgleis gab, konnte auch kein zweiter Wagen im Tunnel verkehren. Bereits am 24. Dezember 1870 wurde die Anlage ausgebaut und der Tunnel musste fortan zu Fuß passiert werden. Nach Eröffnung der [[Tower Bridge]] im Jahr 1894 wurde der Tunnel ganz stillgelegt. Heute ist noch das kleine Eingangsgebäude am Tower erhalten. Die Tower Subway war dennoch kein totaler Misserfolg, denn es wurde bewiesen, dass auch unter der Themse ein Tunnel gebaut werden kann. Die erste elektrisch betriebene U-Bahnlinie, die [[City and South London Railway]], wurde am [[4. November|4.&nbsp;November]] [[1890]] zwischen ''[[Stockwell (London Underground)|Stockwell]]'' und ''[[King William Street (London Underground)|King William Street]]'' am nördlichen Ende der [[London Bridge]] eröffnet. Diese Linie bildet einen Teil der heutigen [[Northern Line]]. 1898 erfolgte die Eröffnung der kurzen [[Waterloo & City Line]] zwischen der [[City of London]] und dem Bahnhof [[Bahnhof Waterloo|Waterloo]]. Zwischen 1901 und 1908 wurden die mit Dampf betriebenen Linien nach zunehmenden Beschwerden der Fahrgäste ebenfalls weitgehend elektrifiziert: Die saubere elektrische Energie hatte Anklang gefunden und dreckige Dampfzüge in engen Tunneln wurden als gesundheitsgefährdend und antiquiert empfunden. Um die Strecken mit Elektrizität versorgen zu können, entstanden zwei [[Kohlekraftwerk]]e, die [[Lots Road Power Station]] und die [[Neasden Power Station]]. === Expansion === [[Datei:London_Underground_Charing_Cross_station.jpg|miniatur|left|Station ''[[Charing Cross (London Underground)|Charing Cross]]'' (Northern Line)]] Um die Wende zum 20. Jahrhundert hatte sich die Tunnelbau-Technologie erneut rasch weiterentwickelt, so dass innerhalb kurzer Zeit vier weitere Röhrenbahnen entstanden: * [[Central Line|Central London Railway]] (1900 eröffnet, heute Central Line) * [[Piccadilly Line|Great Northern, Piccadilly & Brompton Railway]] (1906 eröffnet, heute Piccadilly Line) * [[Bakerloo Line|Baker Street & Waterloo Railway]] (1906 eröffnet, heute Bakerloo Line) * [[Charing Cross, Euston and Hampstead Railway]] (1907 eröffnet, heute Northern Line) Diese Zersplitterung der Kräfte war ineffizient. Verbindungen zwischen einzelnen Linien gab es praktisch keine, so dass die Fahrgäste gezwungen waren, sich zuerst an die Oberfläche zu begeben, eine Straße zu überqueren und dann wieder hinabzusteigen. Der Betrieb dieser Bahnen war teuer, und so hielten die Gesellschaften Ausschau nach finanzkräftigen [[Anleger (Kapital)|Investoren]]. [[Datei:South Kensington station building.jpg|miniatur|Glasierte Terrakotta-Ziegel, die typische Stationsarchitektur von Leslie Green, hier in ''[[South Kensington (London Underground)|South Kensington]]'']] [[Datei:55BroadwayLondon.jpg|miniatur|Charles Holden entwarf das Gebäude ''55 Broadway'', den Underground-Hauptsitz]] Ein solcher Investor war der US-Amerikaner [[Charles Tyson Yerkes]]. Seine [[Underground Electric Railways Company]] (UER) übernahm im Jahr 1900 zunächst die finanziell angeschlagene Hampstead-Eisenbahn. Zwei Jahre später kontrollierte Yerkes alle übrigen Gesellschaften mit Ausnahme der [[Waterloo & City Line]] und der [[Metropolitan Line]]. Die UER trat ab 1902 unter dem Markennamen ''Underground Group'' auf und erwarb mit der Zeit auch Dutzende von [[Straßenbahn]]- und [[Omnibus|Buslinien]]. Die Vereinheitlichung des Streckennetzes machte sich auch in der Architektur bemerkbar: [[Leslie Green]], Yerkes' „Hausarchitekt“, baute nicht weniger als 28 Stationsgebäude, die alle einen ähnlichen Stil aufweisen. Der Verlauf der Londoner U-Bahn in größerer Tiefe und der damit verbundene Zugang mittels Aufzügen erklären die voluminösen Stationsgebäude, die in dieser Form z.&nbsp;B. in Paris nicht vorhanden sind, wo der Zugang zu den Stationen in der Regel durch Treppen erfolgt. 1933 wurde die [[Öffentliches Recht|öffentlich-rechtliche]] Gesellschaft ''London Passenger Transport Board'' geschaffen; sie übernahm Yerkes' Unternehmen, die Metropolitan Railway sowie alle privaten Bus- und Tramlinien. Zwischen den beiden Weltkriegen wurde das Netz der Underground nochmals markant erweitert, vor allem die Northern Line und die Piccadilly Line. Für diese Erweiterungen entwarf [[Charles Holden]] repräsentative und weitläufige Stationsgebäude im [[Art-déco]]-Stil, die heute teilweise unter [[Denkmalschutz]] stehen. Ebenfalls von Holden stammt das Gebäude ''55 Broadway'' über der Station ''[[St. James’s Park (London Underground)|St. James’s Park]]'', der Hauptsitz von London Underground. === Zweiter Weltkrieg === [[Datei:Blitz_West_End_Air_Shelter.jpg|thumb|left|U-Bahnhof als Luftschutzbunker im Zweiten Weltkrieg]] Während des [[Zweiter Weltkrieg|Zweiten Weltkriegs]] und vor allem während der [[Luftschlacht um England]] dienten mehrere tief gelegene U-Bahn-Stationen als [[Bunker (Bauwerk)|Luftschutzbunker]]. Andere Stationen und Streckenabschnitte erfüllten weitere Aufgaben: * Eine neu gebaute, aber noch nicht eröffnete Verlängerung der [[Central Line]] zwischen ''[[Redbridge (London Underground)|Redbridge]]'' und ''[[Gants Hill (London Underground)|Gants Hill]]'' wurde in eine unterirdische Fabrik für Flugzeugteile des [[Plessey]]-Konzerns umgewandelt; eine Güterbahn mit einer Spurweite von 457&nbsp;mm verband die einzelnen Abteilungen miteinander. * Die heute geschlossene Station ''[[Down Street (London Underground)|Down Street]]'' diente eine Zeit lang als Sitzungsräumlichkeit für [[Premierminister (Großbritannien)|Premierminister]] [[Winston Churchill]] und sein Kabinett. * In der heute ebenfalls geschlossenen Station ''[[Brompton Road (London Underground)|Brompton Road]]'' war ein Flugabwehr-Kontrollzentrum untergebracht. * In der seit 1994 geschlossenen Station ''[[Aldwych (London Underground)|Aldwych]]'' wurden besonders wertvolle Kunstschätze des [[Britisches Museum|Britischen Museums]] gelagert, um sie vor der Zerstörung zu bewahren. === Die weitere Entwicklung === Nach dem Krieg nahm der Verkehr immer mehr zu, was zu einer Überlastung des Netzes führte. 1969 wurde die [[Victoria Line]] eröffnet, die erste neue Linie seit mehr als 60 Jahren. Sie war so gebaut worden, dass an fast allen Stationen Übergänge zu anderen Schienenverkehrsmitteln entstanden. Sie war auch die erste vollautomatische U-Bahn der Welt, der Zugführer musste nur noch einen Knopf drücken und der Zug fuhr in die nächste Station. Diese Technik nannte sich ''Automatic Train Operation'' (ATO). Auf der Metropolitan Line verkehrten noch bis 1971 von Dampflokomotiven gezogene Dienstzüge. Die Piccadilly Line wurde 1977 zum [[Flughafen London-Heathrow]] verlängert. [[Datei:Canary wharf tube station 750px.jpg|miniatur|Station ''[[Canary Wharf (London Underground)|Canary Wharf]]'' ([[Jubilee Line]])]] 1979 wurde die neue [[Jubilee Line]] eröffnet, doch über 20 Jahre ruhten die Arbeiten an der östlichen Verlängerung in die [[Docklands]]. Geplant war eigentlich eine Streckenführung über ''[[Aldwych (London Underground)|Aldwych]]'' und ''Ludgate Circus'' Richtung Osten. Man konzentrierte sich zunächst auf oberirdische Schienenverkehrsmittel, wie zum Beispiel die [[Docklands Light Railway]]. Doch 1999 konnte die Verlängerung der Jubilee Line eröffnet werden, wenn auch auf einer völlig anderen Route als ursprünglich geplant. Die Stationen an der Jubilee Line-Verlängerung setzten völlig neue Maßstäbe in Sachen Größe und Ausdehnung. So könnte man problemlos das riesige Passagierschiff [[Queen Mary 2]] in die Halle der Station ''[[North Greenwich (London Underground)|North Greenwich]]'' hineinstellen, oder auch 3000 Doppeldeckerbusse. Seit der Eröffnung der Station ''[[Bahnhof Heathrow Terminal 5|Heathrow Terminal 5]]'' am 27. März 2008 wird der [[Flughafen London-Heathrow]] durch drei Stationen erschlossen. == Zukunftspläne == [[Datei:London_Underground_Interior_Jubilee_line.jpg|thumb|U-Bahn-Wagen der Jubilee Line]] [[Datei:Fahrtreppe london.JPG|thumb|right|180px|Langer [[Fahrsteig]] in einer Underground-Station in London]] Die britische Regierung hat insgesamt 16 Milliarden Pfund für Investitionen bis zum Jahr 2030 zugesagt. Sie setzte folgende Prioritäten: Reduzierung der Verspätungen, Einbau neuer [[Aufzugsanlage|Aufzüge]] und [[Fahrtreppe|Rolltreppen]], mehr Sauberkeit und Sicherheit sowie eine neue Station beim neuen [[Wembley-Stadion]]. Die Kapazität einzelner Linien wird erhöht; so werden in Zukunft zum Beispiel auf der [[Victoria Line]] 33 statt 28 Züge pro Stunde verkehren. === Expansion des Streckennetzes === Die Verlängerung der [[East London Line]] befindet sich zurzeit in der Planungsphase. Im Norden wurde die Station ''[[Shoreditch (London Underground)|Shoreditch]]'' geschlossen, dafür wird die Linie über den alten [[Bahnhof Broad Street|Broad Street]]-Viadukt und Dalston nach ''[[Bahnhof Highbury & Islington|Highbury & Islington]]'' verlängert (Anschluss an die Victoria Line). Im Süden sind drei Zweigstrecken nach ''[[Bahnhof Clapham Junction|Clapham Junction]]'', ''[[Bahnhof Crystal Palace|Crystal Palace]]'' und ''[[Bahnhof West Croydon|West Croydon]]'' geplant. Die U-Bahn-Züge werden dabei hauptsächlich auf bereits bestehenden [[Eisenbahn]]strecken verkehren. Diese Änderungen werden bis 2010 die heute relativ kurze und unterdurchschnittlich genutzte Linie in eine wichtige Nord-Süd-Verbindung verwandeln. Um den bereits bestehenden Teil der East London Line für den Eisenbahnbetrieb herzurichten, wird diese ab Ende 2007/Anfang 2008 während 18 Monaten geschlossen. Ab 2010 wird die East London Line nicht mehr zum Underground-Netz gehören, sondern zu einem S-Bahn-ähnlichen System mit dem Namen [[London Overground]]. [[Datei:Watford Tube - platform.JPG|miniatur|Die Endstation ''[[Watford (London Underground)|Watford]]'' der Metropolitan Line wird in wenigen Jahren geschlossen]] Zusammen mit der Grafschaftsverwaltung von [[Hertfordshire]] plant Transport for London die Verlegung der [[Watford]]-Zweigstrecke der [[Metropolitan Line]]. Die bestehende Endstation liegt etwas abseits; die Linie soll über einen neu zu bauenden [[Viadukt]] und eine seit 1996 stillgelegte Eisenbahnstrecke nach ''[[Bahnhof Watford Junction|Watford Junction]]'' geführt werden, dem wichtigsten Bahnhof von Watford. Die Inbetriebnahme ist für das Jahr 2010 vorgesehen. <ref name="Watford">''[http://www.tfl.gov.uk/corporate/projectsandschemes/2053.aspx Croxley rail link] (Transport for London)</ref> Die [[Bakerloo Line]] fuhr ursprünglich bis nach ''Watford Junction'', doch seit 1982 ist ''[[Bahnhof Harrow & Wealdstone|Harrow and Wealdstone]]'' die nördliche Endstation. Im November 2007 übernimmt Transport for London die Betriebskonzession der Eisenbahngesellschaft [[Silverlink]]. Es ist geplant, dass der Betrieb der Bakerloo Line wieder nach Watford Junction ausgedehnt wird. Deshalb werden die 1967 Tube Stock der Victoria Line benötigt, um die baugleiche 1972 Tube Stock Flotte zu ergänzen. == Unfälle und Katastrophen == Die London Underground gilt als ein sehr sicheres Verkehrsmittel. Zugunglücke sind sehr selten: Seit der Gründung von London Underground im Jahr 1933 gab es nur drei Unfälle mit Todesfolge. Am 17.&nbsp;Mai 1938 starben sechs Menschen, als bei der Station ''[[Temple (London Underground)|Temple]]'' ein Zug der [[Circle Line]] nach Missachten eines Stoppsignals auf einen Zug der [[District Line]] auffuhr. Am 8.&nbsp;April 1953 stieß ein Zug der [[Central Line]] zwischen ''[[Bahnhof Stratford|Stratford]]'' und ''[[Leyton (London Underground)|Leyton]]'' mit einem abgestellten Zug zusammen; dabei starben zwölf Menschen. Das mit Abstand schwerste Unglück ereignete sich am 28. Februar 1975. Ein Zug der [[Northern City Line]] (die zwischen 1913 und 1975 ein Teil der Underground war) hielt an der Endstation ''[[Bahnhof Moorgate|Moorgate]]'' nicht an und raste mit einer Geschwindigkeit von über 50&nbsp;km/h an die Wand am Ende der Tunnelröhre. Durch die Wucht des Aufpralls wurden die zwei ersten Wagen völlig zertrümmert. 43 Personen wurden getötet und mehrere Dutzend zum Teil schwer verletzt. Die Aufräumarbeiten dauerten über zwei Wochen. Die Unfallursache bleibt bis heute ungeklärt. Während des [[Zweiter Weltkrieg|Zweiten Weltkriegs]] (vor allem während der [[Luftschlacht um England]]) wurden viele tiefliegende U-Bahn-Stationen als [[Bunker (Bauwerk)|Luftschutzbunker]] verwendet. Doch auch diese Einrichtungen boten nicht immer Schutz vor der deutschen [[Luftwaffe (Wehrmacht)|Luftwaffe]]. Am 3.&nbsp;März 1943 wurden in der Station ''[[Bethnal Green (London Underground)|Bethnal Green]]'' 173 Menschen getötet. Diese lag an einem fertiggestellten, aber noch nicht eröffneten Teilstück der [[Central Line]]. Während eines Luftangriffs wurde in einem Park nahe der Station eine noch geheime Luftabwehrrakete gezündet. Die ungewohnte Explosion löste eine Panik aus, und viele Menschen flohen in die nahegelegene Station. Eine Frau stolperte auf der engen Treppe und löste eine Kettenreaktion aus, in der 300 weitere Menschen verwickelt waren. 172 wurden innerhalb von Sekunden zu Tode getrampelt, eine Person erlag wenig später im Krankenhaus den Verletzungen. Viele Personen wurden auch durch direkte Bombentreffer getötet. Die meisten Opfer gab es am 14.&nbsp;Oktober 1940 in der Station ''[[Bahnhof Balham|Balham]]'' (68), am 12.&nbsp;November 1940 in der Station ''[[Sloane Square (London Underground)|Sloane Square]]'' (79) und am 11.&nbsp;Januar 1941 in der Station ''[[Bank und Monument (London Underground)|Bank]]'' (56). Ein Brand am 23. November 1984 in der Station ''[[Oxford Circus (London Underground)|Oxford Circus]]'' verlief glimpflich und forderte keine Todesopfer. Als Folge davon wurde ein totales Rauchverbot verhängt. Das Missachten dieses Verbots führte am 18.&nbsp;November 1987 zu einer Brandkatastrophe in der Station ''[[King’s Cross St. Pancras]]''. Ein weggeworfenes Streichholz entzündete eine Schmierfett-Schmutz-Mischung unter einer Rolltreppe. Das Feuer setzte die Rolltreppe in Brand und die darüberliegende [[Verteilerebene]] wurde in dichten Rauch eingehüllt. 31 Menschen konnten sich nicht rechtzeitig in Sicherheit bringen und erstickten. Nach einer gründlichen Untersuchung des Vorfalls wurden alle hölzernen Rolltreppen ersetzt sowie Sprinkleranlagen und Brandmelder installiert. Das gesamte Stationspersonal von London Underground muss seither zweimal jährlich einen obligatorischen Sicherheitskurs absolvieren. Die letzte hölzerne Rolltreppe wurde 2006 im Bahnhof [[Bahnhof Greenford|Greenford]] der Central Line außer Dienst gestellt. Am 25. Januar 2003 entgleiste bei der Station ''[[Chancery Lane (London Underground)|Chancery Lane]]'' ein Zug der [[Central Line]], nachdem ein Triebwagen sich vom Rest des Zuges gelöst hatte; 32 Passagiere wurden dabei verletzt. Die gesamte Central Line wurde geschlossen, um nach den Ursachen zu suchen und notwendige Anpassungen an den Zügen vorzunehmen. Ende März fuhren wieder eine beschränkte Anzahl Züge auf den östlichen und westlichen Außenstrecken. Am 3.&nbsp;April wurde auch der zentrale Abschnitt wiedereröffnet; erst Ende April verkehrten die Züge wieder nach dem normalen Fahrplan. Die Schließung betraf kurzzeitig auch die [[Waterloo & City Line]], wo derselbe Fahrzeugtyp (1992 Tube Stock) verwendet wird. Am Vormittag des 7. Juli 2005 fanden bei einem [[Terror]]anschlag im U-Bahn-Netz mehrere Explosionen statt, wobei es mindestens 700 Verletzte und über 50 Tote gab. Am Mittag des 21.&nbsp;Juli 2005 versuchten erneut vier Personen, Sprengstoff in drei U-Bahnen und einem Bus zu zünden. Siehe auch: ''[[Terroranschläge am 7. Juli 2005 in London]]''. Auf dem Netz der Underground kommt es häufig zu [[Suizid]]versuchen (durchschnittlich einmal pro Woche), von denen jeder dritte tödlich endet. Die dadurch verursachten Verspätungen werden in den Lautsprecherdurchsagen als „passenger action“ („Fahrgastzwischenfall“) umschrieben, beim Personal werden sie jedoch als „one under“ („einer unter dem Zug“) bezeichnet. Um die Sicherheit zu erhöhen und Suizide zu vermeiden, sind die 1999 eröffneten Stationen der verlängerten [[Jubilee Line]] mit Glaswänden am Bahnsteigrand ausgestattet. Die Wände sind mit Türen ausgestattet, die sich gemeinsam mit den dahinterliegenden Waggontüren der Züge öffnen und schließen. == Das Logo == [[Datei:London Underground Symbol.jpg|thumb|left|Das Underground-Logo in Form eines Stationsnamensschildes]] Das bekannte Logo der Londoner U-Bahn, ein roter Kreisring mit einem quer darüber liegenden blauen Balken, wurde 1908 von [[Harold Stabler]] entworfen (die Metropolitan Railway hingegen hatte das "Diamond and Bar"-Logo, ein diamantförmiges Logo mit Balken). 1916 überarbeitete [[Edward Johnston]] das Logo im Auftrag des „London Passenger Transport Board“. Es ist in jeder Station, aber auch in und auf den einzelnen Zügen, Bussen, Straßenbahnen und auf den Fahrplänen zu sehen. Entweder ist es in den Stationen auf Schildern angebracht oder zum Teil sogar durch [[Mosaik]]-Technik in die Wand der Tunnelröhren eingearbeitet. Auf dem blauen Balken steht in Großbuchstaben entweder der jeweilige Stationsname oder das Wort „Underground“. Johnston entwickelte den [[Sans Serif|Sans-Serif]]-Schrifttyp [[Johnston Sans|Johnston Typeface]], der ab 1916 für das Logo verwendet wurde; die Schrift bildete die Vorlage für die von [[Eric Gill]] in den 1920ern entwickelte [[Gill Sans]]. Die heute benutzte Schriftart ist eine überarbeitete Version, die unter dem Namen "P22 Johnston Underground" vom Schriftarten-Hersteller [[P22 type foundry]] vertrieben wird. Mit der Zeit entwickelte sich das Logo ebenso zu einem markanten Erkennungsmerkmal für die U-Bahn und London selbst wie der Slogan „mind the gap“ (s.&nbsp;u.). Diese beiden Merkmale sind auf zahlreichen Fanartikeln vereint. Transport for London ist dafür bekannt, dass sie die unautorisierte Benutzung wie z.&nbsp;B. das Kopieren des Logos gerichtlich verfolgen lässt. Trotzdem entstehen weltweit immer wieder zahlreiche Kopien, da sich das Logo bei London-Fans großer Beliebtheit erfreut. == Liniennetzplan == [[Datei:London Underground Zone 2.png|thumb|300px|U-Bahn-Linien innerhalb der Tarifzonen 1 und 2 (inoffizieller [[Liniennetzplan]])]] Im Jahr 1933 entwarf [[Harry Beck]], ein Angestellter von ''London Transport'', einen schematischen [[Liniennetzplan]]. Beck war zur Einsicht gelangt, dass der Fahrgast nicht die genauen geografischen Positionen wissen muss, um von einer Station zur anderen zu gelangen, weil die U-Bahn ja meist unterirdisch verkehrt. Nur die [[Topologie (Geographie)|Topologie]], also die räumliche Beziehung der Stationen untereinander, ist entscheidend. Er begann einen Liniennetzplan zu entwerfen, der elektrischen [[Schaltplan|Schaltplänen]] ähnelte. Beck verfeinerte sein [[Design]]; der Plan bestand nur noch aus den beschrifteten Stationen sowie aus geraden Linien, die entweder horizontal, vertikal oder in einem diagonalen 45-Grad-Winkel verlaufen. London Transport reagierte zunächst skeptisch auf den Plan und betrachtete diesen lediglich als Freizeitarbeit eines einfachen Angestellten. Dennoch wurde der Plan probehalber in einer kleinen Auflage gedruckt und an die Fahrgäste verteilt. Er wurde sofort ein großer Erfolg und wird in seiner Art bis heute verwendet, sei es als Karte in [[Poster]]-Größe oder als handlicher Reisebegleiter. Das Design ist heute ein Symbol für London schlechthin: Es wird auf T-Shirts, Ansichtskarten, Tassen und andere [[Souvenir]]s gedruckt. Der englische Künstler [[Simon Patterson]] ersetzte in seinem Werk ''The Great Bear'' aus dem Jahr 1992 die Namen der Stationen durch Namen von Wissenschaftlern, Philosophen, Heiligen oder anderen Berühmtheiten. Das Bild wird in der [[Tate Modern]] ausgestellt. Über die Jahre hinweg wurden verschiedene Änderungen am Originalentwurf vorgenommen. Besonders das Problem, Umsteigemöglichkeiten zu oberirdischen Bahnstrecken darzustellen, konnte nie zu Becks Zufriedenheit gelöst werden. Außerdem werden heute für einzelne Linien andere Farben verwendet. Erweiterungen des Netzes (zum Beispiel die [[Jubilee Line]]) wurden stets raffiniert integriert; auf diese Weise basierten Neuauflagen stets auf dem Original. Becks Design wird heute weltweit von vielen anderen Verkehrsbetrieben in ähnlicher Form verwendet, beispielsweise in [[U-Bahn Berlin|Berlin]], [[Métro Paris|Paris]] oder [[U-Bahn Tokio|Tokio]]. Auch für [[Straßenbahn]]en ist dieses Konzept geeignet. Ein [[Faksimile]] des Originalplans von 1933 ist in der Station ''[[Finchley Central (London Underground)|Finchley Central]]'' ausgestellt, in deren Nähe Henry Beck einst wohnte. Zwei Linien, die nicht zur Underground gehören, sind ebenfalls auf dem Liniennetzplan abgebildet. Dabei handelt es sich einerseits um die [[Docklands Light Railway]], eine vollautomatische [[Stadtbahn]] im ehemaligen Hafengebiet [[Docklands]], andererseits um die [[North London Line]], eine [[London Overground|Overground]]-Linie, die auf einer Halbringstrecke um das Stadtzentrum herum führt. == Mind the Gap == [[Image:Mind the gap.ogg|thumb|300px|„Mind the gap“-Durchsage am [[Bahnhof Paddington]]]] [[Datei:london_underground_mind_the_gap.jpg|thumb|„Mind the gap“ (dt: Denken Sie an den Spalt)]] Die Durchsage ''Mind the Gap'' (Vorsicht Spalt!, wörtlich: ''Denken Sie an den Spalt'') ist eine Durchsage in der Underground, die es zu großer Bekanntheit gebracht hat und zum Teil als ebenso typisch für London empfunden wird wie die Doppeldeckerbusse. Die Souvenir-Industrie bietet mittlerweile zahlreiche Accessoires (T-Shirts, Tassen, Taschen und auch String Tangas) mit Aufdruck an. Der Techno-Band [[Scooter (Band)|Scooter]] diente die Durchsage als Inspiration für ein [[Mind the Gap|gleichnamiges Album]]. Ihren Ursprung hatte die Durchsage an der Station ''[[Embankment (London Underground)|Embankment]]'' der [[Northern Line]]. Weil der Tunnel exakt dem Verlauf der darüberliegenden Straße folgt, liegt diese Station in einer Kurve und der Spalt zwischen Wagen und Bahnsteig ist außerordentlich breit. Mit der Durchsage werden die Fahrgäste daran erinnert, darauf zu achten, wohin sie treten. Weitere Linien mit großen Abständen zwischen Wagen und Bahnsteig sind die [[Bakerloo Line]] und die [[Central Line]]. Die Durchsage selbst ist aufgezeichnet und wird von professionellen Sprechern gesprochen. Die erste, sehr markante Aufnahme stammt von Peter Lodge und wurde in den 1960er Jahren - bereits digital - aufgenommen. Diese Durchsage ist in einem harschen Ton gehalten, um ein Überhören unwahrscheinlich zu machen. Zusätzlich ist auch die Bahnsteigkante unübersehbar mit „Mind the Gap“ beschriftet. Seit 2003 wird diese Durchsage nach und nach durch eine andere Version ersetzt. Diese wird von Emma Clarke, einer damals 36-Jährigen freien Synchronsprecherin<ref>SpiegelOnline.de vom 26. November 2007: [http://www.spiegel.de/reise/aktuell/0,1518,519760,00.html "Mind the gap"-Stimme ist geschasst ]</ref>, gesprochen und ist in einem vornehmeren, weniger strengen Ton gehalten. == Tarifsystem == Für die Berechnung der Fahrpreise verwendet London Underground das [[Travelcard]]- Tarifzonensystem von [[Transport for London]], das einem [[Verkehrsverbund]] entspricht. Um die zentrale Zone 1, die zu einem großen Teil durch die [[Circle Line]] begrenzt wird, liegen fünf weitere konzentrische Zonen. Diese decken das gesamte Gebiet von [[Greater London]] und einen kleinen Teil im Südwesten von [[Essex]] ab; auch der [[Flughafen London-Heathrow|Flughafen Heathrow]] gehört dazu. Einzelne Stationen der [[Metropolitan Line]] in [[Hertfordshire]] liegen außerhalb des eigentlichen Travelcard-Bereichs; die Zonen 7 bis 9 gelten nur für die Underground, nicht aber für andere Verkehrsmittel. Allgemein gilt: Je mehr Zonen durchfahren werden, desto höher ist der Fahrpreis. Fahrscheine und Abonnemente, welche die Zone 1 abdecken, sind üblicherweise teurer als solche, die lediglich äußere Zonen umfassen. Im Januar 2006 wurde die Tarifstruktur für Einzelfahrscheine stark vereinfacht. Alle Fahrten, die durch ein bis vier Zonen führen, kosteten einheitlich £3, unabhängig von der Länge der Fahrt. Fahrten durch fünf oder sechs Zonen kosteten einheitlich £4. 2007 wurden die Einzelfahrscheine nochmals verteuert: Alle Fahrten kosten nun £4. Die Preise für Papierfahrscheine wurden absichtlich so hoch angesetzt: Die Fahrgäste sollen ermuntert werden, zu Travelcard-Abonnementen oder aber zur [[Oyster Card]] zu wechseln. === Oyster === [[Datei:oystercard.jpg|thumb|Oystercard]] Die [[Oyster Card]] ist eine blaue Plastikkarte, die mit einem [[RFID]]-Chip zum berührungslosen Auslesen ausgestattet ist.<ref name="Oystercard">''[http://www.tfl.gov.uk/tfl/languages/deutsch/german-get-the-most-out-of-oyster.pdf Oyster] (Transport for London)</ref> Es gibt verschiedene Verwendungsmöglichkeiten: * Travelcard (als Zeitkarte ab 1 Woche Gültigkeit für bestimmten Tarifzonen) * Pay-as-you-Go: Es wird nach Abschluss einer Fahrt der Betrag abgebucht. Die Pay-as-you-go-Variante bringt den Fahrgästen erhebliche Einsparungen gegenüber herkömmlichen, gedruckten Tickets ein. Die Fahrgäste sollen dadurch ermuntert werden, die drahtlose Oystercard (es genügt, die Oystercard auf den Scanner zu halten) zu benutzen. Dies soll vor allem die langen Schlangen an den Ticketbarrieren verkürzen und den Personalaufwand verringern. Man kann die Oystercard entweder bei den Ticketautomaten der U-Bahnstationen oder bei den Oyster Ticket Stops aufladen. === Travelcard === [[Datei:London Undeground Travelcard.jpg|thumb|Travelcard]] An den mehrsprachigen Automaten in den Stationen kann man eine sog. ''Travelcard'' erwerben. Es gibt sie in verschiedenen Ausführungen: Die Travelcard für sieben Tage oder langer sowie die ''Day Travelcard'', mit der man innerhalb Londons einen Tag lang innerhalb der Tarifzonen beliebig - auch mit Bussen - in beliebige Richtung fahren darf; weitere Vergünstigungen für Kinder oder Studenten sind möglich. == Barrierefreiheit == Da die meisten Stationen der London Underground bereits mehrere Jahrzehnte alt sind, wurden sie nicht nach Maßstäben des [[Barrierefreies Bauen|barrierefreien Bauens]] errichtet. Die meisten Stationen sind bis heute in vielen Bereichen auch nicht nachgerüstet. Für 2007/2008 sind allerdings umfangreiche Bauarbeiten im Tubenetz angekündigt, in deren Verlauf auch mehrere Stationen mit Liften nachgerüstet werden, sowie neue Wagen mit mehr Rollstuhlplätzen getestet werden. Dies bedeutet, dass die Mehrzahl aller Stationen nicht für [[Rollstuhl]]fahrer zugänglich ist. An allen Stationen ist ein rollstuhlgerechter Durchlass im Sperrensystem zur Fahrscheinkontrolle vorhanden. In den meisten Fällen ist es aber für Rollstuhlfahrer nicht möglich, den Bahnsteig zu erreichen, da oft keine [[Aufzugsanlage|Aufzüge]] zur Verfügung stehen. Von insgesamt 275 Stationen sind 40 mit Aufzügen ausgestattet, wobei diese in einigen Fällen nur auf Nachfrage hin benutzt werden können. Daneben sind diese teilweise nicht direkt, sondern nur über einige Stufen vom Bahnsteig aus zu erreichen. [[Datei:Westminster.tube.station.jubilee.arp.jpg|thumb|left|Die Station [[Westminster (London Underground)|Westminster]] ist modern und barrierefrei zugleich]] Auch beim Umsteigen zwischen einzelnen Linien müssen sehr oft Stufen überwunden werden. Einzig zwischen ''[[Westminster (London Underground)|Westminster]]'' und ''[[Bahnhof Stratford|Stratford]]'', dem neuesten Abschnitt der [[Jubilee Line]], sind sämtliche Stationen rollstuhlgerecht ausgebaut. ''Westminster'' ist die einzige rollstuhlgerechte Station in der Innenstadt. Ein zusätzliches Problem für Rollstuhlfahrer stellt der Höhenunterschied zwischen Bahnsteig und Zug dar, der oft überwunden werden muss. Des Weiteren sind in vielen Zügen keine Stellflächen für Rollstühle vorgesehen. Als Hilfestellung für [[Sehbehinderung|sehbehinderte]] und [[Blindheit|blinde]] Menschen sind alle Bahnsteigkanten durch Bodenbelag gekennzeichnet, der sich von dem des Bahnsteiges unterscheidet. In manchen Zügen kündigen Lautsprecherdurchsagen die Endstation und den nächsten Halt an. Auch für sehbehinderte und blinde Menschen stellt der Einstieg in den Zug ein Hindernis und Sicherheitsrisiko dar. Es sind keine Hilfen zur Navigation durch die oft labyrinthähnlichen Stationen vorhanden. Einzige Hilfestellung für hörbehinderte Menschen sind elektronische Anzeigen in neueren Zügen, die über die Zielrichtung und die nächste Station informieren. „GLAD“ (Greater London Action on Disability), eine Initiative von behinderten Menschen, setzt sich für eine Umgestaltung der London Underground ein. Ziel ist es, die Nutzung der Tube auch für alle Menschen mit Behinderung problemlos zu gestalten. Nach Aussagen von GLAD ist die Tube das am wenigsten behindertengerechte öffentliche Verkehrsmittel in London. == Siehe auch == * [[Northern City Line]] * [[Post Office Railway]] * [[Docklands Light Railway]] * [[London Transport Museum]] == Literatur == * Tobias Döring: ''London Underground.'' Reclam, Stuttgart 2003, ISBN 3-15-009104-7 * Keith Lowe: ''Auf ganzer Linie.'' Heyne, München 2003, ISBN 3-453-86443-3 * Bernhard Strowitzki: ''U-Bahn London.'' GVE, Berlin 1994, ISBN 3-89218-021-0 * John R. Day, John Reed: ''The Story of London's Underground.'' Capital Transport, Harrow Weald <sup>8</sup>2001 (englisch), ISBN 1-85414-245-3 * [[Ludwig Troske]]: ''Die Londoner Untergrundbahnen.'' Springer, Berlin 1892(!), VDI-Verlag, Düsseldorf 1986 (Repr.). ISBN 3-18-400724-3 == Weblinks == {{Commonscat|London Underground}} * [http://www.tfl.gov.uk/tube Seite von Transport for London zur Tube]„“ * [http://de.oocities.com/u_london/london.htm London Underground bei urbanrail.net] * [http://www.underground-history.co.uk/ Unbenutzte Stationen der Londoner U-Bahn] == Einzelnachweise == <references/> <div class="BoxenVerschmelzen"> {{Navigationsleiste U-Bahnen in Großbritannien}} {{Navigationsleiste Transport for London}} </div> {{Exzellent}} [[Kategorie:London Underground| ]] {{Link FA|ca}} {{Link FA|pt}} {{Link FA|sk}} [[ar:مترو أنفاق لندن]] [[be:Лонданскі метрапалітэн]] [[be-x-old:Лёнданскі мэтрапалітэн]] [[bg:Лондонски метрополитен]] [[ca:Metro de Londres]] [[cs:Metro v Londýně]] [[da:London Underground]] [[en:London Underground]] [[eo:Metroo de Londono]] [[es:Metro de Londres]] [[et:Londoni metroo]] [[eu:Londresko metroa]] [[fa:متروی لندن]] [[fi:Lontoon metro]] [[fr:Métro de Londres]] [[ga:London Underground]] [[gl:Metro de Londres]] [[he:הרכבת התחתית של לונדון]] [[hi:लंदन अंडरग्राउंड]] [[hr:Londonski metro]] [[hu:Londoni metró]] [[id:London Underground]] [[is:Neðanjarðarlestakerfi Lundúnaborgar]] [[it:Metropolitana di Londra]] [[ja:ロンドン地下鉄]] [[ka:ლონდონის მეტროპოლიტენი]] [[ko:런던 지하철]] [[la:Ferrivia Subterranea Londiniensis]] [[mn:Лондоны метро]] [[ms:London Underground]] [[nl:Metro van Londen]] [[nn:London Underground]] [[no:Londons undergrunnsbane]] [[pl:Metro londyńskie]] [[pt:Metropolitano de Londres]] [[ro:London Underground]] [[ru:Лондонский метрополитен]] [[simple:London Underground]] [[sk:Londýnske metro]] [[sr:Лондонски метро]] [[sv:Londons tunnelbana]] [[ta:இலண்டன் பாதாளத் தொடர்வண்டி வலையமைப்பு]] [[th:รถไฟใต้ดินลอนดอน]] [[tl:Subteraneo ng Londres]] [[uk:Лондонський метрополітен]] [[vi:London Underground]] [[yi:לאנדאנער אונטערגרונט]] [[zh:伦敦地铁]] [[zh-yue:倫敦地下鐵]] p3q4w80rt95iteaf1tt33snqjmt269x wikitext text/x-wiki Lorentzsche Äthertheorie 0 23859 26454 2010-04-12T17:40:53Z Zbisasimone 0 Änderungen von [[Special:Contributions/62.227.116.23|62.227.116.23]] ([[User talk:62.227.116.23|Diskussion]]) rückgängig gemacht und letzte Version von [[User:Solid State|Solid State]] wiederhergestellt <onlyinclude>Die '''lorentzsche Äthertheorie''' (auch ''Neue Mechanik,'' ''lorentzsche Elektrodynamik,'' ''lorentzsche Elektronentheorie,'' nach dem englischen „Lorentz ether theory“ auch häufig LET abgekürzt) war der Endpunkt in der Entwicklung der Vorstellung vom klassischen [[Äther (Physik)|Lichtäther]], in dem sich [[Licht]]wellen analog zu [[Wasserwelle]]n und [[Schall]]wellen in einem [[Medium (Physik)|Medium]] ausbreiten. Die Theorie wurde vor allem von [[Hendrik Antoon Lorentz]] und [[Henri Poincaré]] entwickelt und danach durch die zwar mathematisch äquivalente, aber in der Interpretation der [[Raumzeit]] wesentlich tiefer gehende [[spezielle Relativitätstheorie]] von [[Albert Einstein]] und [[Hermann Minkowski]] abgelöst. </onlyinclude><!-- Den restlichen Artikel nicht in die Kurzfassung im Portal Physik übernehmen --> == Problemstellung == Die Annahme eines ruhenden Äthers scheint dem Ergebnis des [[Michelson-Morley-Experiment]]s zu widersprechen, bei dem der Nachweis einer Bewegung der Erde relativ zu diesem Äther scheiterte. In der lorentzschen Äthertheorie wird dieser Widerspruch über die Einführung von [[Lorentz-Transformation]]en aufgelöst. Dabei werden jedoch die [[Lorentzkontraktion|Längenkontraktion]] und [[Zeitdilatation]] als Prozesse verstanden, denen relativ zu einem Äther bewegte Maßstäbe und Uhren unterworfen sind, während Raum und Zeit unverändert bleiben. Damit werden diese Effekte als asymmetrisch betrachtet, das heißt, bewegte Maßstäbe sind tatsächlich kürzer und Uhren gehen tatsächlich langsamer. Ein bewegter Beobachter schätzt ruhende Maßstäbe zwar in identischer Weise als kürzer und ruhende Uhren als langsamer ein, diese Einschätzung wird jedoch als Täuschung interpretiert, da sie der bewegte Beobachter unter Verwendung verfälschter Maßstäbe und Uhren gewinnt. Die Symmetrie der Beobachtungen und damit die offensichtliche Gültigkeit eines scheinbaren [[Relativitätsprinzip]]s wird als Folge einer eher zufälligen Symmetrie der zugrunde liegenden dynamischen Prozesse interpretiert. Sie verhindert jedoch die Möglichkeit, die eigene Geschwindigkeit relativ zum Äther zu bestimmen, und macht ihn damit zu einer prinzipiell unzugänglichen Größe in der Theorie. Solche Größen sollten laut einem von Ockham ausgesprochenen Sparsamkeitsprinzip (''„[[Ockhams Rasiermesser|Ockham’s razor]]“'') möglichst vermieden werden, was ein Grund ist, warum diese Theorie als überholt gilt und kaum noch vertreten wird. In der [[spezielle Relativitätstheorie|speziellen Relativitätstheorie]] sind Längenkontraktion und Zeitdilatation dagegen eine Folge der Eigenschaften von Raum und Zeit und nicht von materiellen Maßstäben und Uhren. Die Symmetrie dieser Effekte ist eine Folge der Gleichwertigkeit der Beobachter, die als Relativitätsprinzip der Theorie zugrunde liegt. Alle Größen der Theorie sind experimentell zugänglich. __TOC__ == Historische Entwicklung == [[Datei:Hendrik Antoon Lorentz, in 1916 geschilderd door Menso Kamelingh Onnes.jpg|miniatur|links|Hendrik Antoon Lorentz]] === Grundkonzept === ;Äther und Elektronen Die lorentzsche Äthertheorie, die hauptsächlich zwischen 1892<ref group=A>Lorentz (1892a)</ref> und 1906 von Lorentz und Poincaré entwickelt wurde, beruhte auf der Weiterentwicklung von [[Augustin Jean Fresnel]]s Äthertheorie, den [[maxwellsche Gleichungen|Maxwell-Gleichungen]] und der Elektronentheorie von [[Rudolf Clausius]].<ref group=B>Whittaker (1951), 386ff</ref> Lorentz führte eine strikte Trennung zwischen Materie ([[Elektron]]en) und Äther ein, wobei in seinem Modell der Äther ''völlig unbewegt'' ist und von bewegten Körpern ''nicht'' mitgeführt wird. [[Max Born]]<ref group=B>Born (1964), 172ff</ref> identifizierte den Lorentz-Äther dann überhaupt mit dem absoluten Raum [[Isaac Newton]]s. Der Zustand dieses Äthers kann im Sinne der Maxwell-Lorentz’schen [[Elektrodynamik]] durch das elektrische Feld ''E'' und das magnetische Feld ''H'' beschrieben werden, wobei diese Felder als von den Ladungen der Elektronen verursachte Anregungszustände bzw. [[Vibration]]en im Äther aufgefasst wurden. Hier tritt also ein abstrakter elektromagnetischer Äther an die Stelle der älteren mechanischen Äthermodelle. Im Gegensatz zu Clausius, der annahm, dass die Elektronen durch [[Fernwirkung (Physik)|Fernwirkung]] aufeinander wirken, nahm Lorentz als Vermittler zwischen den Elektronen eben dieses elektromagnetische Feld des Äthers an, in dem sich Wirkungen maximal mit Lichtgeschwindigkeit ausbreiten können. Lorentz konnte aus seiner Theorie beispielsweise den [[Zeeman-Effekt]] theoretisch erklären, wofür er 1902 den [[Nobelpreis]] erhielt. [[Joseph Larmor]] entwarf ungefähr gleichzeitig mit Lorentz (1897, 1900) eine ähnliche Elektronen- oder Äthertheorie, welche jedoch auf einem mechanischen Äther beruhte. ;Korrespondierende Zustände Ein fundamentales Konzept der Theorie war das 1895<ref group=A name=versuch>Lorentz (1895)</ref> von Lorentz eingeführte „Theorem der korrespondierenden Zustände“ für Größen zu v/c (d.&nbsp;h. für Geschwindigkeiten, die gering sind im Vergleich zur Lichtgeschwindigkeit), aus dem folgt, dass ein im Äther ''bewegter'' Beobachter annähernd dieselben Beobachtungen in seinem „fiktiven“ Feld macht wie ein im Äther ''ruhender'' Beobachter in seinem „realen“ Feld. Dieses Theorem wurde von Lorentz (1904)<ref group=A name=phenomen>Lorentz (1904b)</ref> für alle Größenordnungen erweitert und in Übereinstimmung mit dem Relativitätsprinzip von Poincaré (1905, 1906)<ref group=A name=dynam>Poincaré (1906)</ref><ref group=A name=dyn>Poincaré (1905b)</ref> und Lorentz (1906, 1916)<ref group=A name=electron>Lorentz (1916)</ref> komplettiert. === Längenkontraktion === Ein große Herausforderung für diese Theorie war das 1887 durchgeführte [[Michelson-Morley-Experiment]].<ref group=A>Michelson (1887)</ref> Nach den Theorien von Fresnel und Lorentz hätte mit diesem Experiment eine Relativbewegung zum Äther festgestellt werden müssen, die Ergebnisse waren jedoch negativ. [[Albert Abraham Michelson]] selbst vermutete, dass das Ergebnis für eine vollständige Mitführung des Äthers spreche, doch andere Versuche, die Aberration und die Maxwell-Lorentz’sche Elektrodynamik waren mit einer vollständigen Mitführung kaum vereinbar. Eine Lösung deutete sich an, als [[Oliver Heaviside]] 1889 die maxwellsche Elektrodynamik weiterentwickelte und bemerkte, dass das elektrostatische Feld um einen bewegten, kugelförmigen Körper in Bewegungsrichtung um den Faktor <math>\sqrt{1- v^2 / c^2}</math> verkürzt sei (der sogenannte Heaviside-Ellipsoid). Dem folgend schlugen [[George Francis FitzGerald]] (1889) (allerdings nur qualitativ) und unabhängig von ihm Lorentz 1892<ref group=A>Lorentz (1892b)</ref> (bereits quantitativ ausgearbeitet) vor, dass nicht nur die elektrostatischen, sondern auch die molekularen Kräfte während der Bewegung durch den Äther auf allerdings unbekannte Weise derart beeinflusst werden, dass die in Bewegungsrichtung liegende [[Interferometer]]anordnung um den angenäherten Faktor <math>v^2/(2c^2)</math> kürzer ist als der senkrecht dazu stehende Teil. Lorentz selbst schlug 1895<ref group=A name=versuch /> verschiedene Möglichkeiten vor um die relative Verkürzung herbeizuführen: * Das Interferometer ''kontrahiert'' in Bewegungsrichtung und verändert seine Länge senkrecht dazu nicht. * Die Länge des Interferometers bleibt in Bewegungsrichtung gleich, ''dilatiert'' jedoch senkrecht dazu. * Das Interferometer kontrahiert in Bewegungsrichtung und dilatiert gleichzeitig in etwas größerem Ausmaß senkrecht dazu. Die [[Lorentzkontraktion]] der im Äther gemessenen Länge ''l<sub>0</sub>'' in Bewegungsrichtung (ohne Expansion senkrecht dazu) mit dem präzisen Faktor gemäß <math>l=l_0 \cdot \sqrt{1- v^2 / c^2}</math> wurde erst später von Larmor (1897) und Lorentz (1904)<ref group=A name=phenomen /> angegeben: Ein mit der Erde mitbewegter Beobachter würde von dieser Kontraktion, welche im Falle der Bewegung der Erde um die Sonne nur 1/200.000.000 beträgt, nichts bemerken, da alle Maßstäbe ebenso von diesem Effekt betroffen sind.<ref group=B>Brown (2001)</ref> Obwohl der Zusammenhang zwischen elektrostatischen und intermolekularen Kräften keineswegs notwendig war und die Theorie ziemlich bald als "[[ad hoc]]" und von Lorentz selbst als "seltsam" bezeichnet wurde, konnte Lorentz zumindest den Zusammenhang mit der Verkürzung elektrostatischer Felder als Plausibilitätsargument zugunsten der Hypothese anführen. Wichtig dabei ist, dass diese Kontraktion nur den Abstand zwischen den Elektronen, nicht jedoch die Elektronen selbst betraf, deswegen wurde die ursprüngliche Kontraktionshypothese auch als „Intermolekularhypothese“ bezeichnet. Die Elektronen selbst wurden von Lorentz erst 1904 in die Kontraktion mit einbezogen.<ref group=B>Miller (1981), 70-75, </ref> Für die Weiterentwicklung der Kontraktionshypothese siehe den Abschnitt [[#Lorentz-Transformation]]. === Ortszeit === Ein wichtiger Teil des Theorems der korrespondierenden Zustände war die von Lorentz 1892 und 1895<ref group=A name=versuch /> eingeführte [[Relativität der Gleichzeitigkeit|Ortszeit]] <math>t'=t - vx / c^2</math>, wo ''t'' die Zeitkoordinate ist, welche ein im Äther ruhender Beobachter benutzt und ''t''' der Wert ist, den ein zum Äther bewegter Beobachter benutzt. (Wobei [[Woldemar Voigt]] bereits 1887 im Zusammenhang mit dem [[Dopplereffekt]] und einem [[Inkompressibilität|inkompressiblen]] [[Medium (Physik)|Medium]] ebenfalls dieselbe Ortszeit verwendete). Aber während für Lorentz die Längenkontraktion ein realer, physikalischer Effekt war, bedeutete für ihn die Ortszeit vorerst nur eine Vereinbarung oder nützliche Berechnungsmethode. Mit Hilfe der Ortszeit und dem mathematischen Formalismus seiner korrespondierenden Zustände konnte Lorentz die [[Aberration (Astronomie)|Aberration des Lichts]], den Dopplereffekt und die bei dem [[Fizeau-Experiment]] gemessene Abhängigkeit der Lichtgeschwindigkeit in bewegten Flüssigkeiten erklären, ohne eine „teilweise Mitführung“ des Äthers (im Sinne der Äthertheorie Fresnels) annehmen zu müssen. Jedoch wurde vorerst nicht erkannt, dass aus der Ortszeit die Existenz der [[Zeitdilatation]] folgt. Dies wurde von Larmor 1897 definiert, als er durch Kombination der Ortszeit mit dem Faktor <math>\sqrt{1- v^2 / c^2}</math> feststellte, dass periodische Vorgänge von bewegten Objekten im Äther langsamer als bei ruhenden Objekten abliefen. Das ergab sich dann auch aus der Arbeit von Lorentz 1899,<ref group=A name=simple>Lorentz (1899)</ref> der erkannte, dass wenn man die Vibrationen eines bewegten, oszillierenden Elektrons auf die mathematische Ortszeit bezog, scheinbar langsamer verlaufen.<ref group=B>Janssen (1995), Kap. 3.5.4</ref> Anders als Lorentz sah Poincaré in der Ortszeit mehr als einen mathematischen Kunstgriff. So schrieb er 1898 in einem [[Philosophie|philosophischen]] Aufsatz:<ref group=A name=time>Poincaré (1898); Poincaré (1905a), Ch. 2</ref> {{Zitat|Wir haben keine unmittelbare Anschauung für die Gleichzeitigkeit, ebenso wenig wie für die Gleichheit zweier Zeiträume. Wenn wir diese Anschauung zu haben glauben, so ist das eine Täuschung. Wir halten uns an bestimmte Regeln, die wir meist anwenden, ohne uns Rechenschaft darüber zu geben […] Wir wählen also diese Regeln, nicht, weil sie wahr sind, sondern weil sie die bequemsten sind, und wir können sie zusammenfassen und sagen: Die Gleichzeitigkeit zweier Ereignisse oder ihre Aufeinanderfolge und die Gleichheit zweier Zeiträume müssen derart definiert werden, dass der Wortlaut der Naturgesetze so einfach wie möglich wird.}} 1900 interpretierte er dann die Ortszeit als ''Ergebnis'' einer mit Lichtsignalen durchgeführten Synchronisation. Er nahm an, dass zwei im Äther bewegte Beobachter A und B ihre Uhren mit optischen Signalen synchronisieren. Da sie glauben, sich in Ruhe zu befinden, gehen sie von der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit aus. Deshalb müssen nur noch die Lichtlaufzeiten berücksichtigen und ihre Signale kreuzen um zu überprüfen, ob ihre Uhren synchron sind. Hingegen aus Sicht eines im Äther ruhenden Beobachters läuft eine Uhr dem Signal entgegen, und die andere läuft ihm davon. Die Uhren sind also nicht synchron, sondern zeigen nur die Ortszeit <math>t'=t - vx / c^2</math> an. Da die Beobachter aber kein Mittel haben zu entscheiden, ob sie in Bewegung sind oder nicht, werden sie von dem Fehler nichts bemerken.<ref group=A name=action>Poincaré (1900b)</ref> 1904 illustrierte er dieselbe Methode auf folgende Weise: A sendet zum Zeitpunkt 0 ein Signal nach B, welche bei der Ankunft t anzeigt. Und B sendet zum Zeitpunkt 0 ein Signal nach A, welche bei der Ankunft t anzeigt. Wenn in beiden Fällen t denselben Wert ergibt sind die Uhren synchron.<ref group=A name=future>Poincaré (1904); Poincaré (1905a), Ch. 8</ref> Daher verstant Poincaré im Gegensatz zu Lorentz die Ortszeit genauso wie die Längenkontraktion als realen physikalischen Effekt.<ref group=B>Darrigol (2005), 10-11</ref> Im Gegensatz zu Einstein, der 1905 eine ähnliche Prozedur benutzte, welche heute als [[Einstein-Synchronisation]] bekannt ist, blieb Poincaré aber bei der seiner Ansicht nach „bequemeren“ Vorstellung, dass die „wahre“ Zeit trotzdem nur von im Äther ruhenden Uhren angezeigt werde.<ref group=A name=future /> === Lorentz-Transformation === : ''Hauptartikel: [[Geschichte der Lorentz-Transformation]]'' Während die Ortszeit nur die negativen Ätherdriftexperimente für Geschwindigkeiten erster Ordnung erklären konnte, wurde es bald (beispielsweise wegen des [[Trouton-Noble-Experiment]]s), notwendig, die Unentdeckbarkeit des Äthers für alle Größenordnungen zu erklären. Das mathematische Instrumentarium dafür war die [[Lorentz-Transformation]]. Diese wurde zum Teil bereits 1887 von Voigt abgeleitet, allerdings benutzte diese sogenannte [[Geschichte_der_Lorentz-Transformation#Voigt_(1887)|Voigt-Transformation]] einen falschen Skalenfaktor. Lorentz war 1895<ref group=A name=versuch /> mit der Ortszeit für Größen zu v/c im Besitz ähnlicher Gleichungen. [[Joseph Larmor]] (1897) und Lorentz (1899, allerdings mit einem unbestimmten Faktor)<ref group=A name=simple /> schließlich erweiterten diese Gleichungen für Größen der Ordnung v²/c² und gaben ihnen eine Form, welche äquivalent mit den bis heute benutzten ist. 1904<ref group=A name=phenomen /> kam Lorentz sehr nahe einer Theorie, in welcher alle Kräfte zwischen den Molekülen, welcher Natur sie auch seien, in derselben Weise der Lorentztransformation unterworfen sind wie elektrostatische Kräfte - d.h. er konnte die weitgehende Unabhängigkeit der physikalischen Effekte von der Bewegung der Erde demonstrieren. Dabei erweiterte er seine Kontraktionshypothese und erklärte, dass nicht nur der Raum zwischen den Elektronen, sondern auch die Elektronen selbst der Kontraktion unterworfen sind. Ein Problem der Längenkontraktion, wenn man sie auf die Elektronen selbst anwendet, wurde jedoch von [[Max Abraham]] (1904) aufgezeigt: Gemäß der elektromagnetischen Theorie konnte ein System aus kontrahierten Elektronen nicht stabil bleiben, und es wird eine zusätzlich nicht-elektrische Energie benötigt, deren Existenz von Abraham bezweifelt wurde. Um diesen Einwand zu entkräften führte Poincaré (1905) die sogenannten „Poincaŕe-Spannungen“ ein. Dabei handelt es sich um einen externen Druck, welcher nicht nur die Stabilität der Materie, sondern auch die Existenz der Längenkontraktion selbst erklären sollte.<ref group=B>Janssen/Mecklenburg (2007)</ref> (Zu Abrahams Kritik und den Poincaré-Spannungen siehe auch den Abschnitt [[#EM-Ruhemasse und EM-Energie]].) Nach [[Paul Langevin]] (1905) führt diese Erweiterung der Theorie von Lorentz und Larmor tatsächlich zur physikalischen Unmöglichkeit der Entdeckung einer Bewegung zum Äther. Wie Poincaré jedoch am 5. Juni 1905<ref group=A name=dyn /> zeigte, war es Lorentz nicht gelungen, die vollständige Lorentz-Kovarianz der elektromagnetischen Gleichungen zu zeigen. Er korrigierte den Makel in Lorentz’ Anwendung der Gleichungen (z. B. im Zusammenhang mit der [[Ladungsdichte]] und Geschwindigkeit), und zeigte die Gruppeneigenschaft dieser Transformation auf, sprach vom „Postulat der vollständigen Unmöglichkeit der Bestimmung einer absoluten Bewegung“ und sprach die Möglichkeit einer Gravitationstheorie (inkl. [[Gravitationswelle]]n) an, welche diesen Transformationen entsprach. (Wobei wesentliche Teile dieser Arbeit bereits in zwei Briefen enthalten waren, welcher von Poincaré ca. Mai 1905 an Lorentz geschrieben wurden. Im ersten Brief korrigierten Poincaré die elektrodynamischen Gleichungen von Lorentz,<ref group=A>[http://www.univ-nancy2.fr/poincare/chp/text/lorentz3.xml Brief Nr. 1, Mai 1905]</ref> und im zweiten begründete er die Gruppeneigenschaft der Lorentz-Transformation und formulierte das [[Relativistisches Additionstheorem für Geschwindigkeiten|relativistische Additionstheorem für Geschwindigkeiten]].<ref group=A>[http://www.univ-nancy2.fr/poincare/chp/text/lorentz4.xml Brief Nr. 2, Mai 1905]</ref>) : <math>x^\prime = k\ell\left(x + \varepsilon t\right), \qquad y^\prime = \ell y, \qquad z^\prime = \ell z, \qquad t^\prime = k\ell\left(t + \varepsilon x\right)</math> : wo <math>k = \frac 1 {\sqrt{1-\varepsilon^2}}</math> Wobei <math>\ell</math> eine Funktion von <math>\varepsilon</math> ist, welche gleich 1 gesetzt werden muss um die Gruppeneigenschaft zu erhalten. Die Lichtgeschwindigkeit setzte er ebenfalls auf 1. Eine deutlich erweiterte Fassung dieser Schrift (auch als Palermo-Arbeit bekannt)<ref group=A name=dynam /> wurde am 23. Juli 1905 übermittelt, aber erst im Januar 1906 veröffentlicht, was auch daran lag, dass das betreffende Journal nur zwei mal im Jahr erschien. (Einstein veröffentlichte seine Arbeit über die Elektrodynamik genau zwischen den beiden von Poincaré.) Im Zusammenhang mit seiner Gravitationsauffassung zeigte Poincaré, dass die Kombination <math>x^2+ y^2+ z^2- c^2t^2</math> invariant ist und führte dabei den Ausdruck <math>ct \sqrt{-1}</math> als vierte Koordinate eines ''vierdimensionalen Raums'' ein – er benutzte dabei [[Vierervektor]]en bereits vor Minkowski. Er sprach von dem „Postulat der Relativität“; er zeigte dass die Transformationen eine Konsequenz des [[Prinzip der kleinsten Wirkung]] sind und er demonstrierte ausführlicher als vorher deren Gruppeneigenschaft, wobei er den Namen [[Lorentz-Gruppe]] („Le groupe de Lorentz“) prägte. Allerdings merkte Poincaré später an, dass eine Neuformulierung der Physik in eine vierdimensionale Sprache zwar möglich, aber zu umständlich sei und deshalb geringen Nutzen habe, weshalb er seine diesbezüglichen Ansätze nicht weiterverfolgte. Dies wurde später erst durch Minkowski getan.<ref group=B>Walter (2007), Kap. 1</ref> === Masse, Energie und Geschwindigkeit === ==== EM-Ruhemasse und EM-Energie ==== 1881 erkannte [[Joseph John Thomson]], dass sich elektrostatische Felder verhalten, als ob sie den Körpern neben der mechanischen eine elektromagnetische Masse hinzufügen würden. Dies wurde u. a. von Heaviside (1889) und [[George Frederick Charles Searle]] (1896) präzisiert. Und Joseph Larmor (1897), [[Wilhelm Wien]] (1900), [[Max Abraham]] (1902) und Lorentz (1904)<ref group=A name=phenomen /> kamen zu dem Schluss, dass die Masse eines Körpers überhaupt identisch sei mit der em-Masse. Dabei ergab sich bei im Äther ruhenden Körpern der Zusammenhang von em-Ruhemasse m<sub>0</sub> und em-Energie mit <math>m_0=(4/3)E/c^2</math>. Jedoch wurde nicht erkannt, dass diese Äquivalenz für ''alle'' Formen von Energie zutrifft und eine wichtige Konsequenz des Relativitätsprinzips war - dies wurde vollständig erst von Einstein getan, siehe den Abschnitt [[#Trägheit der Energie]]. Die Idee einer elektromagnetischen Natur der Materie musste danach jedoch im Zuge der Weiterentwicklung der relativistischen Mechanik aufgegeben werden. Denn wie bereits im Abschnitt [[#Lorentz-Transformation]] erwähnt, wurde nach Abraham (1903) in der lorentzschen Theorie eine zusätzlich, nicht-elektrische Kraft benötigt, welche die Stabilität der längenkontrahierten Materie garantiert. Er (1904) fand auch heraus, dass bei der Berechnung der lorentzschen em-Masse unterschiedliche Ergebnisse auftraten, abhängig davon ob von der Energie oder vom Impuls ausgegangen wird. Poincaré führte 1905<ref group=A name=dyn /> und 1906<ref group=A name=dynam /> deswegen eine Art „Kohäsionsdruck“ als ''nicht-elektrische'' Kraft ein, welche die Energie um den Betrag <math>-(1/3)E/c^2</math> modifizierte, die Materie stabilisierte, und ein mögliche Erklärung für die Längenkontraktion darstellt. [[Max von Laue]] zeigte 1910, dass die Beschreibung der „Poincaré-Spannungen“ auch im Rahmen der Relativitätstheorie mathematisch korrekt war, jedoch nur eine von vielen, äquivalenten Kompensationsmechanismen darstellte.<ref group=B>Janssen/Mecklenburg (2007)</ref> ==== Masse und Geschwindigkeit ==== Wie oben beschrieben, haben Thomson, Heaviside und Searle erkannt, dass em-Energie die Trägheit von Körpern erhöhen kann. Dabei bemerkten sie, dass diese Trägheit auch von der Geschwindigkeit der Körper abhängt. Dem folgend errechnete Lorentz (1899),<ref group=A name=simple /> dass die Masse ''m<sub>0</sub>'' bei größerer Geschwindigkeit senkrecht zur Bewegungsrichtung um <math>m_T = \gamma m_0</math> und parallel zur Bewegungsrichtung um <math>m_L = \gamma^3 m_0</math> wächst und bei Lichtgeschwindigkeit unendlich groß wird. (Wobei <math>\gamma = 1/\sqrt{1- v^2 / c^2}</math>, ''v'' ist die Relativgeschwindigkeit zwischen Äther und Objekt und ''c'' ist die Lichtgeschwindigkeit.) Diese Gedanken wurden durch Abraham 1902 weiterentwickelt, welcher dafür die Bezeichnungen „transversale“ und „longitudinale“ Masse einführte. Jedoch sind dessen mathematischen Terme etwas komplizierter als die von Lorentz benutzten, da in Abrahams Theorie das Elektron ''nicht'' in Bewegungsrichtung kontrahiert ist. Lorentz selbst erweiterte seine Theorie in der wichtigen Arbeit von 1904 und fügte hinzu, dass die negativen Ätherdriftexperimente es erfordern, dass die Abhängigkeit von der Geschwindigkeit nicht nur für die em-Masse, sondern auch für die normale mechanische Masse der Materie gilt, sofern diese wie gesagt überhaupt existiert.<ref group=A name=phenomen /> Kein Körper kann daher nach dieser Theorie die Lichtgeschwindigkeit erreichen. Die Zunahme der Masse wurde zuerst durch die Experimente von [[Walter Kaufmann (Physiker)|Walter Kaufmann]] (1901) bestätigt, welche jedoch nicht genau genug waren, um zwischen den Theorien von Lorentz und Abraham zu unterscheiden. 1904 illustrierte [[Paul Langevin]] diese Zusammenhänge mit Hilfe einer jeglicher [[Viskosität]] entbehrenden Flüssigkeit, in der sich ein Körper bewegt. Der Körper wird bei Richtungsänderungen in dieser Flüssigkeit einen Widerstand erfahren, danach jedoch bewegt er sich geradlinig gleichförmig, denn der Widerstand wird (bildhaft betrachtet) durch eine Art mitgeführtes [[Kielwasser]] (in dem Fall die mitgeführten elektromagnetischen Felder) kompensiert. Bei jeder Beschleunigung muss zusätzlich die mitgeführte Energie erhalten werden. Diese Energie wirke daher so, als ob sie die Trägheit des Elektrons vergrößern würde. Poincaré (1904)<ref group=A name=future /> folgerte daraus, dass aufgrund der Veränderlichkeit der Masse der [[Massenerhaltungssatz]] als auch das [[Actio und reactio|Reaktionsprinzips]] nicht mehr gültig sein können. Da nun der Begriff Materie mit dem der Masse untrennbar verbunden sei, erklärte Poincaré 1906,<ref group=A>Poincaré (1902), Kap. 14</ref> existiere die Materie eigentlich gar nicht mehr, sondern nur die Felder oder Vibrationen des Äthers, und die Elektronen seien sozusagen nur noch „Höhlungen im Äther“. Das Massenkonzept von Lorentz wurde von Einstein (1905)<ref group=A name=elektro>Einstein (1905a)</ref> in der Frühzeit der Relativitätstheorie übernommen. Weitere Messungen von Kaufmann (1905) schienen den Theorien von Lorentz und Einstein zu widersprechen und die Theorie Abrahams zu bestätigen. Hingegen die Messungen von u. a. [[Alfred Bucherer]] (1908) und [[Günther Neumann]] (1914) schienen das Lorentz-Einsteinsche Massenmodell zu bestätigen. Wie jedoch spätere Untersuchungen zeigten, waren die Kaufmann-Bucherer-Neumann-Experimente im Grunde alle nicht genau genug, um eine Entscheidung zwischen den konkurrierenden Theorien herbeizuführen. Das abrahamsche Modell wurde dann erst 1940 endgültig widerlegt.<ref group=B>Miller (1981), 334-352</ref> Später wurde ein ähnliches Konzept (allerdings ohne longitudinale und transversale Masse) als [[relativistische Masse]] bezeichnet und von bedeutenden Physikern wie Born<ref group=B>Born (1964), 238</ref> oder [[Wolfgang Pauli]]<ref group=B>Pauli (1921), 634-636</ref> in ihren Lehrbüchern zur Relativitätstheorie benutzt. Heute wird dieses Konzept nur noch selten verwendet und der Begriff der [[Invariante Masse|invarianten Masse]] wird als Massenbegriff bevorzugt. ==== Trägheit der Energie ==== Bereits [[James Clerk Maxwell]] (1874) und [[Adolfo Bartoli]] (1876) stellten fest, dass aus der elektromagnetischen Theorie die Existenz von Spannungen folgt, wie sie z. B. in Form des [[Strahlungsdruck]]s in Erscheinung treten. Lorentz erkannte 1895,<ref group=A name=versuch /> dass in seiner Theorie der Äther ebenfalls in der Lage ist, Kräfte zu entfalten welche die Materie in Bewegung versetzten können. Damit das [[Actio und reactio|Reaktionsprinzip]] aufrechterhalten werden kann, müsste umgekehrt auch der Äther in Bewegung gesetzt werden. Das war jedoch im völlig unbeweglichen lorentzschen Äther nicht möglich und das stellt eine Verletzung des Reaktionsprinzips dar, was Lorentz jedoch bewusst in Kauf nahm. Er führte weiter aus, dass man nur noch von „fingierten“ Spannungen sprechen könne, da diese nun reine Rechenausdrücke sind, um die Beschreibung der elektrodynamischen Wechselwirkungen zu erleichtern. Poincaré untersuchte 1900<ref group=A name=action /> diese Probleme am Beispiel der [[Schwerpunkt]]bewegung von Materie, welche der Wirkung eines elektromagnetischen Feldes ausgesetzt ist. Dabei zeigte sich tatsächlich, dass das Reaktionsprinzip nicht auf die Materie alleine anwendbar ist, sondern es muss angenommen werden, dass die elektromagnetische Energie einem mit [[Trägheit]] und [[Impuls (Mechanik)|Impuls]] ausgestatteten „fiktiven“ oder „fingierten“ [[Fluid]] („fluide fictif“) vergleichbar ist, wobei Poincaré die Massendichte dieses Fluids mit <math>E/c^2</math> (also <math>m=E/c^2</math>) angab. Wird nun angenommen, dass das gesamte [[Schwerpunktsystem]] aus der Masse der Materie ''und'' der Masse des fiktiven Fluids besteht, und wird die Unzerstörbarkeit des fiktiven Fluid vorausgesetzt (das heißt es wird weder erzeugt noch vernichtet), bleibt nach Poincaré die Schwerpunktsbewegung erhalten. Da jedoch elektromagnetische Energie in andere Energieformen umgewandelt werden kann, ist die Unzerstörbarkeit des fiktiven Fluids nicht garantiert, was den Unterschied zu einem realen Fluid ausmacht. Deshalb muss angenommen werden, dass an jedem Punkt des Raums ein nicht-elektrisches Energiereservoir oder Ätherfluid existiert, aus dem die elektromagnetische Energie unter bestimmten Bedingungen entstehen und in das sie wieder verschwinden kann. Werden alle diese Komponenten berücksichtigt bleibt die Schwerpunktbewegung erhalten. Poincaré fügte dabei an, dass man sich nicht zu sehr über diese Annahmen wundern solle, da es ja nur (wie bei Lorentz) mathematische Fiktionen seien. Diese Lösung führt nach Poincaré jedoch zu einem weiteren Paradoxon: Eine Lichtquelle wird aufgrund der Trägheit und des Impulses des fiktiven Fluids bei der Emission einen [[Rückstoß]] erfahren. Unter Berücksichtigung der Ortszeit führte Poincaré eine Transformation in das mit der Quelle mitbewegte System durch und ersah, dass zwar in beiden Bezugssystemen die Energiebilanz korrekt ist, jedoch die Impulsbilanz nicht ausgeglichen ist, wodurch es möglich wäre ein [[Perpetuum Mobile]] zu konstruieren. Auch die Naturgesetze würden in den Bezugssystemen unterschiedlich ausfallen und das Relativitätsprinzip wäre verletzt. Deswegen war es seiner Ansicht nach nötig, auch hier eine zusätzliche Hypothese einer vom Äther ausgeübten, ausgleichenden Kraft zu erstellen.<ref group=B>Miller (1981), 41ff</ref><ref group=B>Darrigol (2005), 18-21</ref> Als Poincaré jedoch 1904 auf dieses Thema zurückkam, lehnte er die Verbindung von Masse und elektromagnetischer Energie ab. Auch die vorhin besprochene Konstruktion, dass (fiktive) Bewegungen im Äther bei jedem Paradoxon einen Ausgleich herbeiführen soll war seiner Meinung nach wissenschaftlich wertlos, denn es können solche Bewegungen zwar immer erfunden werden, aber sie wären nicht überprüfbar. So blieb er letztendlich doch bei seiner Meinung, dass das Reaktionsprinzip nicht mit der lorentzschen Theorie vereinbar ist (ohne deswegen jedoch die lorentzsche Theorie aufzugeben). So schrieb er mit Blick auf den Rückstoß, den ein Emitter erfährt:<ref group=A name=future /> {{"|''Der Apparat wird zurückweichen, als ob er eine Kanone, und die Energie, die er ausgestrahlt hat, eine Kugel wäre, und dies widerspricht dem Newtonschen Prinzip weil unser Geschoß hier keine Masse hat, es ist keine Materie, es ist Energie.''}} Abraham (1902) führte Poincaré folgend die zu <math>E/c^2</math> proportionale „elektromagnetische Bewegungsgröße“ (Impuls) ein, womit zumindest im Falle des Rückstoßes das Reaktionsprinzip erhalten werden kann. Im Gegensatz zu Lorentz und Poincaré verstand er diesen Impuls als physikalisch real, und nicht nur als mathematisches Hilfsmittel. [[Friedrich Hasenöhrl]] – korrigiert durch Abraham – führte 1904 und 1905 die Formel <math>m=(4/3)E/c^2</math> ein (was der bereits vorher bekannten Formel für die elektromagnetische Masse entsprach), mit welcher ausgedrückt wird, in welchem Ausmaß die „scheinbare“ Masse eines Körpers durch Strahlung und erhöhte Temperatur zunehmen kann.<ref group=B>Miller (1981), 359-360</ref> === Gravitation === '''Die Theorien von Lorentz''' Lorentz versuchte 1900,<ref group=A>Lorentz (1900)</ref> auf Basis der Maxwell-Lorentz’schen Elektrodynamik auch das Phänomen der Gravitation zu erklären. Zuerst schlug er einen auf der [[Le-Sage-Gravitation]] beruhenden Mechanismus vor. Er nahm dabei an, dass der Äther von einer extrem hochfrequenten em-Strahlung erfüllt sei, welche einen enormen Druck auf die Körper ausübt. Wird nun diese Strahlung vollständig absorbiert, entsteht durch Abschirmung zwischen den Körpern tatsächlich eine dem [[Abstandsgesetz]] folgende „Anziehungskraft“. Das war jedoch dasselbe Problem wie bei den anderen Le Sage Modellen: Bei Absorption muss die Energie irgendwohin verschwinden oder es müsste zu einer enormen [[Wärme]]produktion kommen, was jedoch nicht beobachtet wird. Lorentz verwarf dieses Modell deshalb. In derselben Arbeit versuchte er dann, die Gravitation als eine Art elektrische Differenzkraft zur erklären. Dabei ging er wie vor ihm [[Ottaviano Fabrizio Mossotti]] und [[Karl Friedrich Zöllner]] von der Vorstellung aus, dass die Anziehung zweier ungleichnamiger [[Elektrische Ladung|elektrischer Ladungen]] um einen Bruchteil stärker sei als die Abstoßung zweier gleichnamiger Ladungen. Das Ergebnis wäre nichts anderes als die universelle Gravitation, wobei sich nach dieser Theorie Änderungen im Gravitationsfeld mit Lichtgeschwindigkeit ausbreiten. Das führt jedoch zum Konflikt mit dem [[newtonsches Gravitationsgesetz|Gravitationsgesetz]] [[Isaac Newton]]s, in dem wie [[Pierre-Simon Laplace]] anhand der [[Aberration (Gravitation)|Aberration der Gravitation]] gezeigt hat, die Ausbreitungsgeschwindigkeit ein Vielfaches der Lichtgeschwindigkeit betragen müsste. Lorentz konnte zeigen, dass in dieser Theorie aufgrund der Struktur der Maxwell-Gleichungen nur vernachlässigbare Abweichungen vom Gravitationsgesetz in der Größenordnung <math>v^2/c^2</math> auftreten. Er erhielt jedoch für die Periheldrehung einen viel zu geringen Wert. 1908 <ref group=A>Poincaré (1908a); Poincaré (1908b), 3. Buch</ref> untersuchte Poincaré ebenfalls die von Lorentz aufgestellte Gravitationstheorie und klassifizierte sie als mit dem Relativitätsprinzip vereinbar, bemängelte jedoch wie Lorentz die ungenaue Angabe zur Perihel-Drehung des Merkur. Lorentz selbst jedoch verwarf 1914 sein eigenes Modell, weil er es nicht als mit dem Relativitätsprinzip vereinbar ansah. Stattdessen sah er Einsteins Arbeiten über Gravitation und [[Äquivalenzprinzip (Physik)|Äquivalenzprinzip]] als die vielversprechendste Erklärungsart an.<ref group=A>Lorentz (1914)</ref> '''Poincarés Lorentz-invariantes Gravitationsgesetz''' Poincaré stellte 1904<ref group=A name=future /> fest, dass zur Aufrechterhaltung des Relativitätsprinzips kein Signal schneller als die Lichtgeschwindigkeit sein darf, ansonsten würde obige Synchronisationsvorschrift und somit die Ortszeit nicht mehr gelten. Dies wurde von ihm zu diesem Zeitpunkt als möglicher Einwand gegen die Verträglichkeit des Relativitätsprinzips mit der neuen Theorie aufgefasst. Er errechnete jedoch im Jahre 1905<ref group=A name=dyn /> und 1906<ref group=A name=dynam />, dass Veränderungen im Gravitationsfeld sich mit Lichtgeschwindigkeit ausbreiten können und trotzdem ein gültiges Gravitationsgesetz möglich ist, vorausgesetzt einer solchen Theorie wird die Lorentztransformation zugrunde gelegt. Später versuchten auch Minkowski (1908) und [[Arnold Sommerfeld]] (1910), auf Poincarés Ansatz aufbauend ein Lorentz-invariantes Gravitationsgesetz zu entwerfen, was jedoch durch die Arbeiten von Einstein überflüssig gemacht wurde.<ref group=B>Walter (2007)</ref> == Prinzipien und Konventionen == [[Datei:Poincare.jpg|miniatur|links|Henri Poincaré]] === Konstanz der Lichtgeschwindigkeit === Bereits in seiner philosophischen Schrift über die Zeitmessungen (1898)<ref group=A name=time /> schrieb Poincaré, dass Astronomen wie [[Ole Rømer]] bei der Interpretation der Messung der Lichtgeschwindigkeit an Hand der Monde des [[Jupiter (Planet)|Jupiter]] von dem [[Postulat]] ausgehen müssen, dass das Licht konstant und in alle Richtungen gleich schnell ist. Ansonsten würden andere Gesetze wie das Gravitationsgesetz sehr viel komplizierter ausfallen. (Allerdings ist hier nicht vollkommen klar, ob nach Poincaré dieses Postulat Gültigkeit für alle Bezugssysteme hat.) Ebenso muss die Ausbreitungsgeschwindigkeit bei der Bestimmung der Gleichzeitigkeit von Ereignissen berücksichtigt werden. Dieses Verfahren führte Poincaré 1900<ref group=A name=action /> schließlich bei seiner Interpretation der lorentzschen Ortszeit durch, wobei die Ortszeit (neben der Kontraktionshypothese) für die beobachtete Gültigkeit des Relativitätsprinzips notwendig ist, wie Poincaré mehrmals betonte.<ref group=B>Galison (2002)</ref><ref group=B>Miller (1981), 186-189</ref> Und 1904 fasste er den Zusammenhang zwischen der lorentzschen Theorie und der Lichtgeschwindigkeit auf diese Weise zusammen:<ref group=A name=future /> {{Zitat|Aus all diesen Resultaten würde, wenn sie sich bestätigen, eine ganz neue Methode hervorgehen, die hauptsächlich durch die Tatsache charakterisiert würde, daß keine Geschwindigkeit die des Lichtes übersteigen könnte ebenso wie auch keine Temperatur unter den absoluten Nullpunkt fallen kann. Für einen Beobachter, der selbst in einer ihm unbewußten Bewegung mitgeführt wird, könnte ebenfalls keine scheinbare Geschwindigkeit die des Lichtes übersteigen, und dies wäre ein Widerspruch, wenn man sich nicht daran erinnerte, daß sich dieser Beobachter nicht der gleichen Uhren bedient wie ein feststehender Beobachter, sondern solcher Uhren, die die „Ortszeit“ zeigen.[..] Vielleicht müßten wir auch eine ganz neue Mechanik ersinnen, die uns nur undeutlich vorschwebt, worin, da der Widerstand mit der Geschwindigkeit wächst, die Geschwindigkeit des Lichtes eine unüberschreitbare Grenze wäre. Die gewöhnliche Mechanik würde ganz einfach eine erste Annäherung bleiben, die für nicht sehr große Geschwindigkeiten wahr bleiben würde, so daß man noch die alte Dynamik unter der neuen finden würde...Ich füge aber zum Schluß noch ausdrücklich hinzu, daß wir noch nicht so weit sind, und dass noch durch nichts bewiesen ist, daß sie [die Prinzipien der gewöhnlichen Mechanik] nicht siegreich und unberührt aus dem Kampfe hervorgehen werden.}} === Relativitätsprinzip === Bereits 1895<ref group=A>Poincaré (1895)</ref> nahm Poincaré an, dass das Michelson-Morley-Experiment zu zeigen scheint, dass es unmöglich ist eine absolute Bewegung oder die Bewegung der Materie relativ zum Äther zu messen. Und obwohl die meisten Physiker dies sehr wohl für möglich hielten, blieb Poincaré auch 1900<ref group=A name=relation>Poincaré (1900a); Poincaré (1902), Ch. 10</ref> bei seiner Meinung und verwendete abwechselnd die Begriffe „Prinzip der relativen Bewegung“, bzw. „Relativität des Raumes“. Er kritisierte aber gleichzeitig die Künstlichkeit der jeweils nach Bedarf entworfenen Annahmen, um dieses Prinzip zu retten. Schließlich gebrauchte er 1902<ref group=A>Poincaré (1902), Ch. 13</ref> dafür den Ausdruck „Prinzip der Relativität“. 1904<ref group=A name=future /> würdigte er einerseits die Arbeit der Mathematiker, welche dieses Prinzip mit Hypothesen wie der Ortszeit gerettet haben, kritisierte aber wiederum die „Anhäufung von Hypothesen“. Dabei definierte er dieses Prinzip (nach Miller<ref group=B>Miller (1981), 79</ref> in Abwandlung von Lorentz’ Theorem der korrespondierenden Zustände) folgendermaßen: {{"|''Das Prinzip der Relativität, nach dem die Gesetze der physikalischen Vorgänge für einen feststehenden Beobachter die gleichen sein sollen, wie für einen in gleichförmiger Translation fortbewegten, so dass wir gar keine Mittel haben oder haben können, zu unterscheiden, ob wir in einer derartigen Bewegung begriffen sind oder nicht.''}}<ref group=B>Katzir (2005), 275-288</ref> Bezug nehmend auf diese Einwände Poincarés, versuchte Lorentz eine zusammenhängendere Theorie zu gestalten und schrieb 1904:<ref group=A name=phenomen /> {{"|''Sicherlich haftet diesem Aufstellen von besonderen Hypothesen für jedes neue Versuchsergebnis etwas Künstliches an. Befriedigender wäre es, könnte man mit Hilfe gewisser grundlegender Annahmen zeigen, daß viele elektromagnetische Vorgänge streng, d. h. ohne irgendwelche Vernachlässigung von Gliedern höherer Ordnung, unabhängig von der Bewegung des Systems sind.''}} Obwohl Poincaré 1905 zeigte, dass Lorentz seine Arbeit nicht vollendet hatte, schrieb er ihm dieses Postulat zu:<ref group=A name=dyn /> {{"-fr|''Il semble que cette impossibilité de démontrer le mouvement absolu soit une loi générale de la nature [..] Lorentz a cherché à compléter et à modifier son hypothèse de façon à la mettre en concordance avec le postulat de l’impossibilité complète de la détermination du mouvement absolu. C’est ce qu’il a réussi dans son article intitulé [Lorentz, 1904b]''|Übersetzung=''Es scheint dass diese Unmöglichkeit, die absolute Bewegung der Erde festzustellen, ein allgemeines Naturgesetz ist. [..] Lorentz versuchte seine Hypothese zu vervollständigen und zu modifizieren, um sie in Übereinstimmung mit dem Postulat der vollständigen Unmöglichkeit der Bestimmung einer absoluten Bewegung zu bringen. Dies gelang ihm in seinem Artikel [Lorentz, 1904b]''}} 1906<ref group=A name=dynam /> bezeichnete Poincaré dies als das „Postulat der Relativität“ („Postulat de Relativité“). Und obwohl er angab, dass dieses Postulat vielleicht widerlegt werden könnte (und tatsächlich erwähnte er, dass die Entdeckung der magnetischen [[Kathodenstrahlen]] durch [[Paul Ulrich Villard]] (1904) die Theorie gefährdet<ref group=B>Walter (2007), Kap. 1</ref>), sei es trotzdem interessant, die Konsequenzen zu betrachten, wenn das Postulat ohne Einschränkung gültig sei. Das impliziere auch, dass alle Kräfte der Natur (nicht nur elektromagnetische) invariant unter der Lorentztransformation sind. 1921<ref group=A name=deux>Lorentz (1921), S. 247–261</ref> würdigte auch Lorentz die Leistungen von Poincaré im Zusammenhang mit dem Etablierung des Relativitätsprinzips: {{"-fr|''… je n'ai pas établi le principe de relativité comme rigoureusement et universellement vrai. Poincaré, au contraire, a obtenu une invariance parfaite des équations de l’électrodynamique, et il a formulé le « postulat de relativité » , termes qu’il a été le premier a employer.''|Übersetzung=''… ich habe das Relativitätsprinzip nicht als rigoros und universell gültig etabliert. Poincaré hingegen hat die perfekte Invarianz der elektromagnetischen Gleichungen erreicht, und er formulierte „das Postulat der Relativität“, wobei er diese Begriffe als erster verwendet hat.''}} === Die Rolle des Äthers === Poincaré schrieb 1889 im Sinne seiner Philosophie des [[Konventionalismus]]:<ref group=A>Poincaré (1889); Poincaré (1902), Ch. 12</ref> {{"|''Es kümmert uns wenig, ob der Äther wirklich existiert; das ist Sache des Metaphysikers; wesentlich für uns ist nur, dass alles sich abspielt, als wenn er existierte, und dass diese Hypothese für die Erklärung der Erscheinungen bequem ist. Haben wir übrigens eine andere Ursache, um an das Dasein der materiellen Objekte zu glauben? Auch das ist nur eine bequeme Hypothese, nur wird sie nie aufhören zu bestehen, während der Äther eines Tages ohne Zweifel als unnütz verworfen wird.''}} 1901 stritt er auch die Existenz eines absoluten Raums oder einer absoluten Zeit ab:<ref group=A>Poincaré (1901a); Poincaré (1902), Ch. 6</ref> {{"|''1. Es gibt keinen absoluten Raum, und wir begreifen nur relative Bewegungen; trotzdem spricht man die mechanischen Tatsachen öfters so aus, als ob es einen absoluten Raum gäbe, auf den man sie beziehen könnte. 2. Es gibt keine absolute Zeit; wenn man sagt, daß zwei Zeiten gleich sind, so ist das eine Behauptung, welche an sich keinen Sinn hat und welche einen solchen nur durch Übereinkommen erhalten kann. 3. Wir haben nicht nur keinerlei direkte Anschauung von der Gleichheit zweier Zeiten, sondern wir haben nicht einmal diejenige von der Gleichzeitigkeit zweier Ereignisse, welche auf verschiedenen Schauplätzen vor sich gehen; das habe ich in einem Aufsatze unter dem Titel: la Mesure du temps dargelegt.''}} Poincaré verwendete den Ätherbegriff jedoch weiter und begründete den Nutzen des Äthers 1900<ref group=A name=relation /> damit, dass erklärt werden müsse, wo sich der Lichtstrahl eigentlich befinde, ''nachdem'' er die Quelle verlassen hat und ''bevor'' er den Empfänger erreicht. Denn in der Mechanik müsse ein Zustand exakt durch den vorhergehenden Zustand bestimmt sein. Um also die Einfachheit oder Bequemlichkeit der mechanischen Naturgesetze nicht aufgeben zu müssen, werde ein materieller Träger benötigt. Und obwohl er den relativen und konventionellen Charakter von Raum und Zeit betonte, glaubte er, dass die klassische Konvention „bequemer“ ist und fuhr fort, zwischen der „wahren“ und der „scheinbaren“ Zeit zu unterscheiden. Z.&nbsp;B. schrieb er 1912 zu der Frage, ob die gewohnten Konventionen zu Raum und Zeit tatsächlich geändert werden müssen:<ref group=A>Poincaré (1913), Ch. 2</ref> {{"|''Sind wir gezwungen, unsere Schlußfolgerungen umzuformen? Gewiß nicht! Wir haben eine Übereinkunft angenommen, weil sie uns bequem scheint, und gesagt, dass nichts uns zwingen könnte, sie aufzugeben. Heute wollen manche Physiker eine neue Übereinkunft annehmen. Nicht, als ob sie dazu gezwungen wären; sie sind der Ansicht, dass diese Übereinkunft bequemer ist; das ist alles. Wer nicht dieser Ansicht ist, kann mit voller Berechtigung bei der alten bleiben, um sich nicht in seinen gewohnten Vorstellungen stören zu lassen. Ich glaube, unter uns gesagt, dass man es noch lange Zeit tun wird.''}} Und auch Lorentz schrieb 1913:<ref group=A name=relativ>Lorentz (1913), p. 75</ref> {{"|''Gesetzt, es gäbe einen Äther; dann wäre unter allen Systemen x, y, z, t eines dadurch ausgezeichnet, daß die Koordinatenachsen sowie die Uhr im Äther ruhen. Verbindet man hiermit die Vorstellung (die ich nur ungern aufgeben würde), daß Raum und Zeit etwas völlig Verschiedenes seien und daß es eine „wahre Zeit“ gebe (die Gleichzeitigkeit würde dann unabhängig vom Orte bestehen, entsprechend dem Umstande, daß uns die Vorstellung unendlich großer Geschwindigkeiten möglich ist), so sieht man leicht, daß diese wahre Zeit eben von Uhren, die im Äther ruhen, angezeigt werden müßte. Wenn nun das Relativitätsprinzip in der Natur allgemeine Gültigkeit hätte, so würde man allerdings nicht in der Lage sein, festzustellen, ob das gerade benutzte Bezugssystem jenes ausgezeichnete ist.''}} == Der Übergang zur Relativitätstheorie == === Spezielle Relativitätstheorie === [[Datei:Einstein1921 by F Schmutzer 2.jpg|miniatur|Albert Einstein, 1921]] Während einige mit der Elektronentheorie von Lorentz zusammenhängenden Erklärungen (z. B. dass die Materie ausschließlich aus Elektronen bestehe, oder dass es in der Natur ausschließlich elektrische Wechselwirkungen gebe, oder die angeführten Gravitationserklärungen) eindeutig widerlegt sind, sind viele Aussagen und Ergebnisse der Theorie äquivalent mit Aussagen der [[spezielle Relativitätstheorie|speziellen Relativitätstheorie]] (SRT, 1905)<ref group=A name=elektro /> von [[Albert Einstein]]. Hier gelang es Einstein, die Lorentztransformation und die anderen Teile der Theorie alleine aus der Annahme von zwei Prinzipien, nämlich dem Relativitätsprinzip und der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit, abzuleiten. Diese Prinzipien wurden zum Teil auch von Poincaré und Lorentz verwendet, jedoch erkannten sie nicht, dass sie auch ''ausreichend'' sind, um ohne Benutzung eines Äthers oder irgendwelcher angenommener Eigenschaften der Materie eine geschlossene Theorie zu begründen. Zuerst Poincaré und dann Lorentz lehrten zwar die vollständige mathematische Gleichberechtigung der Bezugssysteme, und erkannten an, dass tatsächlich unterschiedliche Raum- und Zeitkoordinaten gemessen werden. Sie blieben aber dabei, die Effekte der Lorentztransformation auf dynamische Wechselwirkungen mit dem Äther zurückzuführen, unterschieden zwischen der „wahren“ Zeit im ruhenden Äthersystem und der „scheinbaren“ Zeit in relativ dazu bewegten Systemen, und erwähnten den Äther bis zuletzt in ihren Schriften. Die grundlegende Neubewertung von Raum und Zeit im Rahmen einer wissenschaftlichen Theorie blieb Einstein vorbehalten.<ref group=B>Darrigol (2005), 15-18</ref><ref group=B>Janssen (1995), Kap. 4</ref> Einsteins Präsentation der SRT wurde 1907 durch [[Hermann Minkowski]] erweitert, dessen vierdimensionale Raumzeit eine sehr natürliche Interpretation der Zusammenhänge der Theorie ermöglichten (wobei die grundlegenden Aspekte der vierdimensionalen Raumzeit wie oben geschildert bereits von Poincaré vorweggenommen wurden). Die Natürlichkeit und Nützlichkeit der Darstellung durch Einstein und Minkowski trugen zur Akzeptanz der SRT und zur Abnahme des Interesses an Lorentz’ Äthertheorie bei. Lorentz selbst argumentierte zwar 1913, dass zwischen seiner Äthertheorie und der Ablehnung eines bevorzugten Bezugssystems kein großer Unterschied bestehe und es deswegen eine Frage des Geschmacks sei, zu welcher Theorie man sich bekenne.<ref group=A name=relativ /> Jedoch kritisierte Einstein 1907 den [[ad hoc]]-Charakter der Kontraktionshypothese, weil sie einzig zur Rettung des Äthers eingeführt wurde, wobei ein unauffindbarer Äther als Fundament der Elektrodynamik unbefriedigend sei.<ref group=A name=principle>Einstein (1908a)</ref> Auch Minkowski bezeichnete 1908 die Kontraktionshypothese im Rahmen von Lorentz’ Theorie als „Geschenk von oben“; aber obwohl Lorentz’ Theorie vollständig äquivalent mit der neuen Konzeption von Raum und Zeit ist, war Minkowski der Meinung, dass die Zusammenhänge im Rahmen der neuen Raumzeit-Physik sehr viel verständlicher werden.<ref group=B>Walter (1999)</ref> === Äquivalenz von Masse und Energie === Wie Einstein (1905)<ref group=A>Einstein (1905b)</ref> aus dem Relativitätsprinzip abgeleitet hat, ergibt sich tatsächlich eine Trägheit der Energie gemäß <math>E/c^2</math>, oder genauer gesagt, dass elektromagnetische Strahlung Trägheit von einem Körper zum anderen übertragen kann. Doch im Gegensatz zu Poincaré erkannte Einstein, dass die Materie bei der Emission einen Massenverlust von <math>E/c^2</math> erfährt – das heißt, die in den Materie aufgespeicherte und einer bestimmten Masse entsprechende Energie und die elektromagnetische Energie können gemäß <math>E=mc^2</math> ineinander überführt werden, woraus sich erst die eigentliche [[Äquivalenz von Masse und Energie]] ergibt. Poincarés Strahlungsparadoxon kann mit dieser Äquivalenz vergleichsweise einfach gelöst werden. Wird angenommen, dass die Lichtquelle bei der Emission gemäß <math>E/c^2</math> an Masse verliert, löst sich der Widerspruch auf, ohne irgendwelche ausgleichenden Kräfte im Äther annehmen zu müssen.<ref group=B>Darrigol (2005), 18-21</ref> Ähnlich wie Poincaré konnte Einstein 1906 zeigen, dass das Theorem von der Erhaltung und Bewegung des Schwerpunkts auch bei elektrodynamischer Betrachtung gültig ist, wenn die Trägheit der (elektromagnetischen) Energie vorausgesetzt wird. Auch hier musste er nicht wie Poincaré fiktive Massen einführen, sondern brauchte nur aufzuzeigen, wie die Emission und Absorption von Energie zur Übertragung der Trägheit führt, so dass kein Perpetuum Mobile entstehen kann. Dabei verwies er auf die Arbeit von Poincaré und bewertete deren Inhalt als formal weitgehend übereinstimmend mit seinem eigenen Text. Einstein schrieb in der Einleitung:<ref group=A name=schwer>Einstein (1906)</ref> {{Zitat|Trotzdem die einfachen formalen Betrachtungen, die zum Nachweis dieser Behauptung durchgeführt werden müssen, in der Hauptsache bereits in einer Arbeit von H. Poincaré enthalten sind², werde ich mich doch der Übersichtlichkeit halber nicht auf jene Arbeit stützen.}} Ebenso kann mit Einsteins Ansatz der von Poincaré angesprochene Widerspruch zwischen der Aufgabe des Massenerhaltungssatz und dem Reaktionsprinzip gelöst werden, da der Massenerhaltungssatz jetzt ein Spezialfall des [[Energieerhaltungssatz]]es ist. === Allgemeine Relativitätstheorie === Nach der von Einstein entwickelten [[allgemeine Relativitätstheorie|allgemeinen Relativitätstheorie]] (ART), welche die Gravitationserklärungen von Lorentz und Poincaré überflüssig machte, führt eine Einbeziehung der Gravitation in das Relativitätsprinzip dazu, dass Lorentz-Transformationen und die Konstanz der Lichtgeschwindigkeit nur noch lokal definierbar und gültig sind. Einstein selbst sagte in einer Rede (1920), dass im Rahmen der ART der Raum nicht ohne Gravitationspotential gedacht werden kann und damit dem Raum selbst physikalische Qualitäten anhaften. Deswegen könne man von einem „Gravitationsäther“ im Sinne eines „Äthers der Allgemeinen Relativitätstheorie“ sprechen. Er schrieb:<ref group=A name=geo>Einstein (1922)</ref> {{Zitat|Das prinzipiell Neuartige des Äthers der allgemeinen Relativitätstheorie gegenüber dem lorentzschen Äther besteht darin, daß der Zustand des ersteren an jeder Stelle bestimmt ist durch gesetzliche Zusammenhänge mit der Materie und mit dem Ätherzustände in benachbarten Stellen in Gestalt von Differentialgleichungen, während der Zustand des lorentzschen Äthers bei Abwesenheit von elektromagnetischen Feldern durch nichts außer ihm bedingt und überall der gleiche ist. Der Äther der allgemeinen Relativitätstheorie geht gedanklich dadurch in den lorentzschen über, daß man die ihn beschreibenden Raumfunktionen durch Konstante ersetzt, indem man absieht von den seinen Zustand bedingenden Ursachen. Man kann also wohl auch sagen, daß der Äther der allgemeinen Relativitätstheorie durch Relativierung aus dem lorentzschen Äther hervorgegangen ist. }} == Priorität == Es gibt einige Spekulationen, wonach die Spezielle Relativitätstheorie das Werk von Poincaré und Lorentz, und nicht von Einstein war. Siehe dazu den Artikel: [[Geschichte der speziellen Relativitätstheorie]] == Neuere Entwicklungen == === Neu-Lorentzianismus === Obwohl die Idee eines bevorzugten Bezugssystems von der Fachwelt größtenteils abgelehnt wird, wurden nach Lorentz und Poincaré einige „lorentzianische“ oder „neu-lorentzianische“ Modelle (engl.: ''neo-lorentzian relativity'') entwickelt. Diese Theorien wurden vor allem in den 1950er Jahren u.a. von [[Herbert E. Ives]] und [[Geoffrey Builder]] vertreten und in den nachfolgenden Jahrzehnten von [[Simon Jaques Prokhovnik]]. <ref group=C>Prokhovnik (1965)</ref> Übereinstimmend mit der ursprünglichen Lorentzschen Äthertheorie wurde eine ruhender Äther angenommen, wobei die Lichtgeschwindigkeit ausschließlich relativ zu diesem konstant ist, und folglich in bewegten Inertialsystemen richtungsabhängig sein müsste. Wird nun neben der Richtungsabhängigkeit der Effekt der Längenkontraktion postuliert, folgt daraus auch die Existenz der Zeitdilatation. Deswegen ist es (sofern nicht zusätzliche Parameter der Theorie geändert werden) nicht möglich, die Anisotropie der Lichtgeschwindigkeit experimentell festzustellen. Experimente, wie die des exzentrischen bulgarischen Physikers [[Stefan Marinow]], welche angeblich eine Bestätigung für deren Richtungsabhängigkeit lieferten, wurden von der Fachwelt als unbrauchbar zurückgewiesen<ref group=C>Prokhovnik (1979)</ref>. Auch Helmut Günther hat 1996 ein lorentzianisches Modell eines universellen Äthers entwickelt.<ref group=C>Günther (1996)</ref> Dies basiert auf der Tatsache, dass ''quasi-relativistische'' Effekte wie Längenkontraktion bei [[Verformung|plastischen Deformationen]] und [[Versetzung (Materialwissenschaft)|Versetzungen]] in Kristallstrukturen oder auch bei Pendelketten im Zusammenhang mit [[Soliton]]en festgestellt wurden. Dies liegt daran, dass die diesen Phänomenen zugrunde liegende [[Sine-Gordon-Gleichung]] Lorentz-invariant ist.<ref group=C>Dietrich (2001)</ref> Andere lorentzianische Modelle werden in Brandes et al. diskutiert.<ref group=C>Brandes (1997)</ref> Jedoch werden alle diese Modelle in der Fachwelt kaum weiter diskutiert, da einer Theorie in der der Äther durch eine Art Verschwörung verschiedener Effekte praktisch nicht entdeckbar ist, ein recht geringer Grad von Wahrscheinlichkeit beigemessen wird.<ref group=B>Miller (1981)</ref><ref group=B>Janssen (1995)</ref>. Siehe auch [[Kritik an der Relativitätstheorie#Äther und absoluter Raum]]. === Testtheorie von Mansouri/Sexl === [[Reza Mansouri]] und [[Roman Sexl]] (1977)<ref group=C>Mansouri/Sexl (1977)</ref> entwarfen eine so genannte „Testtheorie“ der SRT, um den Rahmen für Untersuchungen zur Gültigkeit der Lorentz-Symmetrie und dem Vorhandensein eines ''bevorzugten'' Bezugssystems festzulegen. Sie wählten folgende Koeffizienten für die Transformationen zwischen den Bezugssystemen: : <math>t=aT+\varepsilon x</math> : <math>x=b(X-vT)\,</math> (Wo T,X die im Äthersystem gemessenen Koordinaten und t,x die in einem bewegten Bezugssystem gemessenen Koordinaten sind.) Daraus folgt, dass <math>1/a(v)</math> die Zeitdilatation und <math>b(v)</math> die Längenkontraktion repräsentiert. Wird angenommen, dass <math>1/a(v)=b(v)=1/\sqrt{1-v^2}</math> ergeben sich automatisch die Lorentz-Transformationen. Dann diskutierten sie verschiedene Arten der Uhrensynchronisation: # ''Interne Uhrensynchronisation:'' Dazu gehören die Poincaré-[[Einstein-Synchronisation]] und die Methode des „langsamen Uhrentransportes“ (verschiedene Uhren werden durch eine mit verschwindend geringer Geschwindigkeit bewegten Uhr synchronisiert). Wird nun angenommen, dass die Zeitdilatation bezüglich des Äthers ''exakt'' gilt, sind beide Arten der Synchronisation äquivalent, unabhängig davon ob ein Äther existiert oder nicht. # ''Externe Uhrensynchronisation:'' Dabei schlugen sie das Bezugssystem, in dem die [[Hintergrundstrahlung|CMBR]] isotrop ist, als Test-Äthersystem vor und benutzten die Uhren dieses Bezugssystems, um die Uhren aller anderen Bezugssysteme zu synchronisieren. Das bedeutet, dass die Uhren aller Bezugssysteme synchron sind (keine [[Relativität der Gleichzeitigkeit]]), jedoch auch in diesem Fall sind Äthertheorie und SRT äquivalent, vorausgesetzt Zeitdilatation und Längenkontraktion haben den exakt relativistischen Wert. Mansouri/Sexl stellten dabei die „bemerkenswerte“ Tatsache fest, dass eine Theorie, welche auf absoluter Gleichzeitigkeit beruht, äquivalent zur SRT sein kann. Sie vertraten aber die Meinung, dass die SRT zu bevorzugen sei, da ansonsten die Äquivalenz der Inertialsysteme zerstört wäre, oder genauer gesagt, dass die beobachtete Äquivalenz ansonsten nur eine scheinbare wäre. Sind jedoch obige relativistische Effekte nicht exakt gegeben, müssten Verletzungen der Lorentz-Symmetrie aufzufinden sein. Präzisionsmessungen haben bis jetzt jedoch die Lorentztransformationen in ihrer exakten Gestalt bestätigt.<ref group=C>Wolf (2005)</ref> == Literatur == Für eine genaue Liste mit den Quellen zu allen anderen Autoren, siehe [[Geschichte der speziellen Relativitätstheorie#Literatur]] === Arbeiten von Lorentz, Poincaré, Einstein === *{{Cite journal |author=Lorentz, Hendrik Antoon |year=1886 |title=De l’influence du mouvement de la terre sur les phénomènes lumineux |journal=Archives néerlandaises des sciences exactes et naturelles |volume=21 |pages=103–176}} *{{Cite journal |author=Lorentz, Hendrik Antoon |year=1892a |title=La Théorie electromagnétique de Maxwell et son application aux corps mouvants |journal=Archives néerlandaises des sciences exactes et naturelles |volume=25 |pages=363–552 |url=http://www.archive.org/details/lathorielectrom00loregoog}} *{{Cite book |author=Lorentz, Hendrik Antoon |year=1892b/1907 |chapter=[[s:Die relative Bewegung der Erde und des Äthers|Die relative Bewegung der Erde und des Äthers]] |title=Abhandlungen über Theoretische Physik |pages=443–447 |location=Leipzig |publisher=B.G. Teubner}} *{{Cite book |author=Lorentz, Hendrik Antoon |year=1895 |title=[[s:Versuch einer Theorie der electrischen und optischen Erscheinungen in bewegten Körpern|Versuch einer Theorie der electrischen und optischen Erscheinungen in bewegten Körpern]] |location=Leiden |publisher=E.J. Brill}} *{{Cite journal |author=Lorentz, Hendrik Antoon |year=1899 |title=[[s:en:Simplified Theory of Electrical and Optical Phenomena in Moving Systems|Simplified Theory of Electrical and Optical Phenomena in Moving Systems]] |journal=Proceedings of the Royal Netherlands Academy of Arts and Sciences |volume=1 |pages=427–442}} *{{Cite journal |author=Lorentz, Hendrik Antoon |title=[[s:en:Considerations on Gravitation|Considerations on Gravitation]] |journal=Proceedings of the Royal Netherlands Academy of Arts and Sciences |year=1900 |volume=2 |pages=559–574}} *{{Cite journal |author=Lorentz, Hendrik Antoon |year=1900 |title=[[s:Über die scheinbare Masse der Ionen|Über die scheinbare Masse der Ionen]] |journal=Physikalische Zeitschrift |pages=78-80 |volume=2 |issue=5}} *{{Cite journal |author=Lorentz, Hendrik Antoon |year=1904a |journal=Encyclopädie der mathematischen Wissenschaften |title=Weiterbildung der Maxwellschen Theorie. Elektronentheorie. |pages=145–288 |volume=5 |issue=2 |url=http://gdz.sub.uni-goettingen.de/no_cache/dms/load/img/?IDDOC=201792}} *{{Cite book |author=Lorentz, Hendrik Antoon |year=1904b/1913 |chapter=[[s:Elektromagnetische Erscheinungen|Elektromagnetische Erscheinungen in einem System, das sich mit beliebiger, die des Lichtes nicht erreichender Geschwindigkeit bewegt]] |title=Das Relativitätsprinzip. Eine Sammlung von Abhandlungen |editor=Blumenthal, Otto & Sommerfeld, Arnold |pages=6-26}} *{{Cite book |author=Lorentz, Hendrik Antoon |year=1910/1913 |chapter=[[s:Das Relativitätsprinzip und seine Anwendung|Das Relativitätsprinzip und seine Anwendung auf einige besondere physikalische Erscheinungen]] |title=Das Relativitätsprinzip. Eine Sammlung von Abhandlungen. |editor=Blumenthal, Otto & Sommerfeld, Arnold |pages=74-89}} *{{Cite book |author=Lorentz, Hendrik Antoon & Einstein, Albert & Minkowski, Hermann |year=1913 |title=Das Relativitätsprinzip |location=Leipzig & Berlin |publisher=B.G. Teubner |url=http://name.umdl.umich.edu/ATE6002.0002.001}} *{{Cite book |author=Lorentz, Hendrik Antoon |year=1914 |title=[[s:Das Relativitätsprinzip (Lorentz)|Das Relativitätsprinzip. Drei Vorlesungen gehalten in Teylers Stiftung zu Haarlem]] |publisher=B.G. Teubner |location=Leipzig and Berlin}} *{{Cite journal |author=Lorentz, Hendrik Antoon |year=1914 |title=La Gravitation |journal=Scientia |volume=16 |pages=28–59 |url=http://diglib.cib.unibo.it/diglib.php?inv=7&int_ptnum=16&term_ptnum=36&format=jpg}} *{{Cite book |author=Lorentz, Hendrik Antoon |year=1916 |title=The theory of electrons |location=Leipzig & Berlin |publisher=B.G. Teubner |url=http://www.archive.org/details/electronstheory00lorerich}} *{{Cite journal |author=Lorentz, Hendrik Antoon |year=1915/1921 |title=Deux Memoirs de Henri Poincaré sur la Physique Mathematique |journal=Acta Mathematica |volume=38 |pages=293–308 |doi=10.1007/BF02392073}} Nachdruck in Poincaré, [http://www.archive.org/details/ceuvresdeehenrip027739mbp Oeuvres tome XI], S. 247–261. *{{Cite journal |author=Lorentz, Hendrik Antoon |year=1928 |title=Conference on the Michelson-Morley Experiment |journal=The Astrophysical Journal |volume=68 |pages=345–351 |url=http://adsabs.harvard.edu/abs/1928ApJ….68..341M}} * {{Cite book |author=Poincaré, Henri |year=1889 |title=Théorie mathématique de la lumière |volume=1 |publisher=G. Carré & C. Naud |location=Paris}} Teilweiser Nachdruck des Vorworts in „Wissenschaft und Hypothese“ (1902), Kap. 12. * {{Cite journal |author=Poincaré, Henri |year=1895 |title=A propos de la Théorie de M. Larmor |journal=L'Èclairage électrique |volume=5 |pages=5–14 |url=http://www.new.dli.ernet.in/scripts/FullindexDefault.htm?path1=/data/upload/0050/246&first=412&last=724&barcode=1990050050241}}. Nachdruck in Poincaré, Oeuvres, tome IX, S. 395–413 * {{Cite book |author=Poincaré, Henri |year=1898/6 |chapter=[[s:Das Maß der Zeit|Das Maß der Zeit]] |title=Der Wert der Wissenschaft (Kap. 2) |pages=26-43 |publisher=B.G. Teubner |location=Leipzig}} * {{Cite journal |author=Poincaré, Henri |year=1900 |title=Les relations entre la physique expérimentale et la physique mathématique |journal=Revue générale des sciences pures et appliquées |volume=11 |pages=1163–1175 |url=http://www.univ-nancy2.fr/poincare/bhp/}}. Deutsche Übersetzung in „Wissenschaft und Hypothese“ (1902), Kap. 9–10. * {{Cite journal |author=Poincaré, Henri |year=1900 |title=[[s:fr:La théorie de Lorentz et le principe de réaction|La théorie de Lorentz et le principe de réaction]] |journal=Archives néerlandaises des sciences exactes et naturelles |volume=5 |pages=252–278}}. Siehe auch [http://www.archive.org/details/DieTheorieVonLorentzUndDasPrinzipDerReaktion deutsche Übersetzung]. * {{Cite journal |author=Poincaré, Henri |year=1901 |title=Sur les principes de la mécanique |journal=Bibliothèque du Congrès international de philosophie |pages=457–494}}. Nachdruck in „Wissenschaft und Hypothese“ (1902), Kap. 6–7. * {{Cite book |author=Poincaré, Henri |year=1901 |title=Électricité et optique |publisher=Gauthier-Villars |location=Paris |url=http://www.archive.org/details/electriciteetopt019479mbp}} * {{Cite book |author=Poincaré, Henri |year=1902/2003 |title=Wissenschaft und Hypothese |location=Berlin |publisher=Xenomos |isbn=3-936532-24-9}}. * {{Cite book |author=Poincaré, Henri |year=1904/6 |chapter=[[s:Der gegenwärtige Zustand und die Zukunft der mathematischen Physik|Der gegenwärtige Zustand und die Zukunft der mathematischen Physik]] |title=Der Wert der Wissenschaft (Kap. 7-9) |pages=129-159 |publisher=B.G. Teubner |location=Leipzig}} * {{Cite book |author=Poincaré, Henri |year=1905a/2003 |title=Der Wert der Wissenschaft |location=Berlin |publisher=Xenomos |isbn=3-936532-23-0}}. * {{Cite journal |author=Poincaré, Henri |year=1905b |title=[[s:fr:Sur la dynamique de l’électron (juin)|Sur la dynamique de l’électron]] |journal=Comptes rendus hebdomadaires des séances de l'Académie des sciences |volume=140 |pages=1504–1508}} Siehe auch [http://www.archive.org/details/UeberDieDynamikDesElektrons deutsche Übersetzung]. * {{Cite journal |author=Poincaré, Henri |year=1906 |title=[[s:fr:Sur la dynamique de l’électron (juillet)|Sur la dynamique de l’électron]] |journal=Rendiconti del Circolo matematico di Palermo |volume=21 |pages=129–176}} Siehe auch [http://www.archive.org/details/UeberDieDynamikDesElektrons23.Juli1905 deutsche Übersetzung]. *{{Cite book |author=Poincaré, Henri |year=1908/13 |title=The foundations of science (Science and Method) |chapter=[[s:The New Mechanics|The New Mechanics]] |location=New York |publisher=Science Press |pages=486-522}}. Deutsche Übersetzung in „Wissenschaft und Methode“ (1908), Drittes Buch. * {{Cite book |author=Poincaré, Henri |year=1908b/2003 |title=Wissenschaft und Methode |location=Berlin |publisher=Xenomos |isbn=3-936532-31-1}}. * {{Cite journal |author=Poincaré, Henri |year=1909 |title=La Mécanique Nouvelle (Lille, 1909) |journal=Comptes rendus des Sessions de l’Association Française pour l’Avancement des Sciences |pages=38–48 |location=Paris |url=http://gallica.bnf.fr/ark:/12148/bpt6k29067t/f19.table}} * {{Cite book |author=Poincaré, Henri |year=1910 |title=La Mécanique Nouvelle (Göttingen, 1909) |journal=Sechs Vorträge über ausgewählte Gegenstände aus der reinen Mathematik und mathematischen Physik |publisher=B.G.Teubner |location=Leipzig und Berlin |pages=41–47 |url=http://www.gutenberg.org/etext/15267}} * {{Cite book |author=Poincaré, Henri |year=1910/11 |title=[[s:Die neue Mechanik (Poincaré)|Die neue Mechanik]] |publisher=B.G. Teubner |location=Leipzig}} * {{Cite book |author=Poincaré, Henri |year=1913/2003 |title=Letzte Gedanken |location=Berlin |publisher=Xenomos |isbn=3-936532-27-3}} *{{Cite journal |author=Einstein, Albert |year=1905a |title=Zur Elektrodynamik bewegter Körper |journal=Annalen der Physik |volume=322 |issue=10 |pages=891-921 |url=http://www.physik.uni-augsburg.de/annalen/history/einstein-papers/1905_17_891-921.pdf}} *{{Cite journal |author=Einstein, Albert |year=1905b |title=Ist die Trägheit eines Körpers von dessen Energieinhalt abhängig? |journal=Annalen der Physik |volume=323 |issue=13 |pages=639–643 |url=http://www.physik.uni-augsburg.de/annalen/history/einstein-papers/1905_18_639-641.pdf}} *{{Cite journal |author=Einstein, Albert |year=1906 |title=Das Prinzip von der Erhaltung der Schwerpunktsbewegung und die Trägheit der Energie |journal=Annalen der Physik |volume=325 |issue=8 |pages=627-633 |url=http://www.physik.uni-augsburg.de/annalen/history/einstein-papers/1906_20_627-633.pdf}} *{{Cite journal |author=Einstein, Albert |year=1908 |title=Über das Relativitätsprinzip und die aus demselben gezogenen Folgerungen |journal=Jahrbuch der Radioaktivität und Elektronik |volume=4 |pages=411-462 |url=http://www.soso.ch/wissen/hist/SRT/E-1907.pdf}} *{{Cite journal |author=Einstein, Albert |year=1909 |title=Über die Entwicklungen unserer Anschauungen über das Wesen und die Konstitution der Strahlung |journal=Physikalische Zeitschrift |volume=10 |issue=22 |pages=817-825 |url=http://www.ekkehard-friebe.de/EINSTEIN-1909-P.pdf}} *{{Cite book | author=Einstein, A. | year=1920 | title=[http://www.geist-oder-materie.de/Naturwissenschaften/Physik/Raum___Zeit___Materie/Einsteins_Relativitatstheorie/Schriften_zur_RT/einstein_zum_ather.html Äther und Relativitätstheorie] Rede, gehalten am 5. Mai 1920 an der Reichs-[[Universität Leiden]] | location=Berlin | publisher=Springer}} === Sekundärquellen === *{{Cite book |author=Born, Max |title=Die Relativitätstheorie Einsteins |location=Berlin-Heidelberg-New York |pages=172-194 |publisher=Springer |year=1964/2003 |isbn=3-540-00470-x }} *{{Cite journal |author=Brown, Harvey R. |title=The origins of length contraction: I. The FitzGerald-Lorentz deformation hypothesis |journal=American Journal of Physics |year=2001 |volume=69 |issue=10 |pages=1044-1054 |url=http://philsci-archive.pitt.edu/archive/00000218/}} *{{Cite journal |author=Darrigol, Olivier |title=The Genesis of the theory of relativity |year=2005 |journal=Séminaire Poincaré |volume=1 |pages=1-22 |url=http://www.bourbaphy.fr/darrigol2.pdf}} *{{Cite book |author=Galison, Peter |year=2003 |title=Einsteins Uhren, Poincarés Karten. Die Arbeit an der Ordnung der Zeit |location=Frankfurt |publisher=Fischer |isbn=3100244303}} *{{Cite book |author=Janssen, Michel |year=1995 |title=A Comparison between Lorentz's Ether Theory and Special Relativity in the Light of the Experiments of Trouton and Noble (Thesis) |url=http://www.mpiwg-berlin.mpg.de/en/sources/index.html#articles}} *{{Cite book |author=Janssen, Michel, Mecklenburg, Matthew |year=2007 |chapter=From classical to relativistic mechanics: Electromagnetic models of the electron |editor=V. F. Hendricks, et.al. |title=Interactions: Mathematics, Physics and Philosophy |pages=65–134 |location=Dordrecht |publisher=Springer |chapterurl=http://www.tc.umn.edu/~janss011/}} *{{Cite journal |author=Katzir, Shaul |year=2005 |journal=Physics in perspective |title=Poincaré’s Relativistic Physics: Its Origins and Nature |pages=268–292 |volume=7 |doi=10.1007/s00016-004-0234-y}} *{{Cite book |author=Miller, Arthur I. |year=1981 |title=Albert Einstein’s special theory of relativity. Emergence (1905) and early interpretation (1905–1911) |location=Reading |publisher=Addison–Wesley |isbn=0-201-04679-2}} *{{Cite book |author=Pauli, Wolfgang |year=1921 |title=Encyclopädie der mathematischen Wissenschaften |chapter=Die Relativitätstheorie |pages=539-776 |volume=5.2 |chapterurl=http://gdz.sub.uni-goettingen.de/no_cache/dms/load/img/?IDDOC=201990}} *{{Cite book |author=Walter, Scott |year=1999a |editor=H. Goenner, J. Renn, J. Ritter, and T. Sauer |chapter=Minkowski, mathematicians, and the mathematical theory of relativity |title=Einstein Studies |volume=7 |pages=45-86 |publisher=Birkhäuser |chapterurl=http://www.univ-nancy2.fr/DepPhilo/walter/}} *{{Cite book |author=Walter, S. |year=2007 |editor=Renn, Jürgen |chapter=Breaking in the 4-vectors: the four-dimensional movement in gravitation, 1905–1910 |title=The Genesis of General Relativity |pages=193–252 |location=Berlin |publisher=Springer |chapterurl=http://www.univ-nancy2.fr/DepPhilo/walter/}} *{{Cite book |author=Whittaker, Edmund Taylor |year=1951 |title=A History of the theories of aether and electricity Vol. 1: The classical theories |edition=2. Ausgabe |location=London |publisher=Nelson}} === Quellen für neuere Arbeiten === * {{Cite journal |last=Prokhovnik, S. J. |year=1965 |title= Neo-Lorentzian relativity |journal = Journal of the Australian Mathematical Society |volume=9 |issue=2 |pages=273-284}} * {{Cite journal |last=Prokhovnik, S. 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Teubner |isbn=3-8154-3029-1}} * {{Cite journal |last=Mansouri R., Sexl R.U. |year=1977 |title= A test theory of special relativity. I: Simultaneity and clock synchronization |journal =General. Relat. Gravit. |volume=8 |issue=7 |pages=497–513}} * Sendker, Werner Bernhard: Die so unterschiedlichen Theorien von Raum und Zeit. Der transzendentale Idealismus Kants im Verhältnis zur Relativitätstheorie Einsteins, Osnabrück, 2000 ISBN 3-934366-33-3 * Wolf et al.: Recent Experimental Tests of Special Relativity (2005):{{arxiv|physics|0506168}}; und Relativity tests by complementary rotating Michelson-Morley experiments (2007):{{arxiv|0706.2031}} === Einzelnachweise === ;Primärquellen <references group=A /> ;Sekundärquellen <references group=B /> ;Neuere Arbeiten <references group=C /> == Weblinks == * Kassner, Klaus: [http://wase.urz.uni-magdeburg.de/kassner/srt/crashcourse/aethertheorie.html Die lorentzsche Äthertheorie] * Mathpages: [http://www.mathpages.com/rr/s8-08/8-08.htm Who Invented Relativity?], [http://www.mathpages.com/home/kmath305/kmath305.htm Poincaré Contemplates Copernicus], [http://www.mathpages.com/home/kmath571/kmath571.htm Whittaker and the Aether], [http://www.mathpages.com/home/kmath601/kmath601.htm Another Derivation of Mass-Energy Equivalence] {{Exzellent}} {{DEFAULTSORT:Lorentzsche Athertheorie}} [[Kategorie:Relativitätstheorie]] [[Kategorie:Überholte Theorie (Physik)]] [[en:Lorentz ether theory]] p858lxz08scuialjzw24elld0g621cg wikitext text/x-wiki Los-Angeles-Klasse 0 23860 26455 2010-04-30T17:04:39Z Luckas-bot 0 Bot: Ergänze: [[cs:Třída Los Angeles]] {{Infobox Kriegsschiff | Farbe1 = 000080 | Farbe2 = ffffff | Bild = USS Los Angeles;0868802.jpg|300px|USS ''Los Angeles'' (SSN-688) |Bildtext = ''Los Angeles'' in schneller Fahrt | Typ = [[Ship Submersible Nuclear|Jagd-U-Boot]] | Namensgeber = Stadt [[Los Angeles]] | Einheiten = 62 gebaut, 44 aktiv<ref>[http://www.nvr.navy.mil/nvrships/active/fleet.htm Aktuelle Schiffsliste der US Navy im Naval Vessel Register] (englisch)</ref> <small>(Stand: 2010)</small> | Dienstzeit = seit 1976 | Verdrängung = 6300 [[Standard-Tonne]]n aufgetaucht, 6900 bis 7100 ts getaucht | Länge = 110 m | Breite = 10 m | Tiefgang = 9,5 m | Tauchtiefe = ca. 300 m, Zerstörungstiefe ca. 450 m | Besatzung = 132 | Antrieb = S6G-Druckwasserreaktor, ein Propeller | Geschwindigkeit = 30+ Knoten | Bewaffnung = 4 x 533 mm [[Torpedorohr]]e, ab ''SSN-719'' 12 [[Vertical Launching System|VLS-Rohre]] }} Die '''Los-Angeles-Klasse''' ist eine Klasse nuklear angetriebener Jagd-[[U-Boot]]e ([[Ship Submersible Nuclear|SSN]]) der [[United States Navy]]. Mit 62&nbsp;auf [[Kiellegung|Kiel]] gelegten Einheiten zwischen 1972 und 1992 ist sie die zahlenmäßig größte Klasse von [[Atom-U-Boot]]en, die bislang in Dienst gestellt wurde. Die Einheiten werden bis weit ins [[21. Jahrhundert]] das Gros der US-amerikanischen U-Boot-Flotte ausmachen. Der Entwurf der ''Los-Angeles-Klasse'' wurde während der Bauzeit modifiziert, so dass insgesamt drei Baulose, genannt ''Flights'', existieren. Einheiten der ''Los-Angeles-Klasse'' dienen in jeder [[Flugzeugträgerkampfgruppe]] der US Navy als Geleitschutz, sie können jedoch auch für Angriffe auf Landziele und zur [[Militärische Aufklärung|Aufklärung]] eingesetzt werden. == Geschichte == === Planung === [[Bild:Hyman Rickover 1955.jpg|thumb|upright|left|Hyman Rickover (1955)]] Ende der 1960er-Jahre wurde in der US Navy der Ruf nach einem Nachfolger für die ''[[Sturgeon-Klasse]]'' laut. Es gab jedoch früh Streit über die Ausrichtung der neuen Klasse. Das Marine-Oberkommando hatte vom [[Naval Sea Systems Command]] (NAVSEA) einen Entwurf bekommen, der unter dem Namen ''Conform'' bekannt war. Dieser stellte eine geringe Geräuschentwicklung und hohen Komfort für die Besatzung in den Mittelpunkt. Admiral [[Hyman Rickover]], der sogenannte ''Vater der Nuklearmarine'', favorisierte dagegen einen eigenen Entwurf, der vor allem auf hohe Geschwindigkeit setzte. Diese U-Boote sollten nach Rickovers Vorstellungen in der Lage sein, mit den nuklear getriebenen [[Flugzeugträger]]n mitzuhalten, um diese direkt zu unterstützen. Dafür wären Geschwindigkeiten von bis zu 35&nbsp;[[Knoten (Einheit)|Knoten]] notwendig gewesen, was beim NAVSEA auf wenig Verständnis stieß. Die Entscheidung zugunsten des Rickover-Entwurfs wurde schließlich aufgrund eines Ereignisses von Anfang des Jahres 1969 gefällt: Die ''[[USS Enterprise (CVN-65)]]'' war zu diesem Zeitpunkt auf dem Weg zu einem Einsatz in Vietnam, als der Marinegeheimdienst erfuhr, dass ein sowjetisches U-Boot der ''[[November-Klasse]]'' aus seinem Hafen auf der Halbinsel [[Kamtschatka]] ausgelaufen war, um die ''Big E'' (Spitzname der Enterprise) abzufangen. Das Oberkommando der Navy ordnete an, dass der Träger und seine Kampfgruppe dem feindlichen U-Boot mit hoher Geschwindigkeit davonfahren solle. Weil das gegnerische U-Boot mithielt und das Absetzen auch bei Geschwindigkeiten von über 30&nbsp;Knoten nicht gelang, brach die ''Enterprise'' die Hochgeschwindigkeitsfahrt ab. Dieser Vorfall machte dem Oberkommando der Navy klar, dass die Sowjetunion bereits sehr schnelle U-Boote besaß, und so fiel die Entscheidung für die von Admiral Rickover geforderte Klasse schneller Jagd-U-Boote. Die Navy verlangte von Rickover, die Finanzierung von zwölf dieser Boote im [[Kongress der Vereinigten Staaten|US-Kongress]] durchzusetzen. Zu diesem Zweck brach Rickover mit der alten Marinetradition, U-Boote nach Meerestieren zu benennen, und beeinflusste zwölf Kongressabgeordnete in ihrer Entscheidung, indem er ihnen vorschlug, die Boote nach ihren Heimatstädten zu benennen. Der Legende nach überzeugte er sie mit den Worten ''{{"-en|Fish don’t vote}}'', zu deutsch {{"|Fische wählen nicht}}. === Bau === [[Bild:Portsmouth launch.jpg|thumb|[[Stapellauf]] der ''Portsmouth'']] Die Boote unterschieden sich allerdings vom ursprünglichen Konzept Rickovers, da der vorgesehene S6G-[[Druckwasserreaktor]] zu schwer für dessen Entwurf wurde. Um dies auszugleichen, wurde die Materialstärke des Rumpfes verringert, was die maximale Tauchtiefe auf etwa 1000&nbsp;Fuß (etwa 300&nbsp;Meter) reduzierte. Außerdem wurde Platz für die Besatzung gestrichen, sodass mehr Seeleute das Prinzip der ''warmen Koje'' (englisch: ''hot bunking'') praktizieren mussten, also das Teilen einer Koje mit einem Kameraden, wobei je einer schläft und einer Wache hat. Der Auftrag über die ersten zwölf Boote der Klasse ging an die Werft ''[[Electric Boat]]'', ein Tochterunternehmen von [[General Dynamics]] in [[Groton (Connecticut)|Groton]], [[Connecticut]]. Die Kostenkalkulation von Electric Boat basierte auf Folgeaufträgen, um die Entwicklungskosten zu amortisieren. Diese blieben jedoch aus, vor allem, da die Schweißnähte an einigen Booten nicht den Vorgaben der Navy entsprachen und demzufolge in erheblichem Umfang nachgebessert werden mussten. Diese Mängel führten unter anderem dazu, dass fünf der ersten zwölf Los-Angeles-Einheiten bei ''[[Newport News Shipbuilding]]'' in [[Newport News]], [[Virginia]] gebaut wurden. Die Navy entzog Electric Boat den Exklusivvertrag, musste allerdings große Teile der angefallenen Kosten selbst bezahlen. Von den restlichen 19&nbsp;Booten, die bis 1977 gefertigt wurden, sind dennoch elf bei Electric Boat gebaut worden, nachdem das Unternehmen seine technischen Probleme mittlerweile in den Griff bekommen hatten. Die anderen acht Einheiten wurden von Newport News Shipbuilding auf Kiel gelegt und gefertigt. Damit war das Bauprogramm vorerst abgeschlossen. Als [[Ronald Reagan]] 1980 sein Programm ''[[Marine der 600 Schiffe|Marine&nbsp;der&nbsp;600&nbsp;Schiffe]]'' vorstellte, war in diesem ein neues Bauvorhaben für weitere Einheiten der ''Los-Angeles-Klasse'' enthalten. Es wurde eine verbesserte Version, genannt ''Flight&nbsp;II'', in Auftrag gegeben. Diese erhielten zusätzliche [[Vertical Launching System|vertikale Startrohre]] für Marschflugkörper. In einer dritten Modifikationsstufe ab 1985 (''Flight&nbsp;III'', die sogenannten 688(I) für ''improved'', zu deutsch: verbessert) wurden nochmals 24&nbsp;Einheiten gefertigt, die neben einem verbesserten Reaktor auch eine günstigere Anordnung der Tiefenruder erhielten. Während die ersten beiden Baulose noch traditionell gebaut wurden, wurde ab ''[[USS Scranton (SSN-756)]]'' ein Modulbauverfahren angewendet, bei dem die einzelnen Bauabschnitte schon einen großen Teil ihrer Innenausrüstung erhielten und danach zusammengeschweißt wurden. Aus diesem Grund gab es beginnend mit SSN-756 die klassische [[Kiellegung]] nicht mehr - diese Boote liefen nicht mehr in der klassischen Weise vom Stapel, stattdessen wurde das Baudock geflutet und das Boot ausgeschwommen. === Einheiten=== Die erste Einheit der Klasse, die ihr auch den Namen gab, war die ''[[USS Los Angeles (SSN-688)]]''. Sie wurde im Januar 1971 bestellt und im November 1976 an die Marine ausgeliefert. Die letzte Einheit der Klasse, die ''[[USS Cheyenne (SSN-773)]]'' wurde im November 1989 bestellt und ist seit 1996 in Dienst. Insgesamt wurden 62&nbsp;Einheiten gefertigt. Als erste wurde Anfang 1995 die ''[[USS Baton Rouge (SSN-689)]]'' außer Dienst gestellt, bis Anfang 2010 folgten weitere 17 Einheiten. Die Hüllennummern der Boote laufen von SSN-688 bis SSN-718 (''Flight&nbsp;I'' mit 31&nbsp;Einheiten), SSN-719 bis SSN-725 und SSN-750 (''Flight&nbsp;II'' mit acht Einheiten, Bau ab 1982) sowie SSN-751 bis SSN-773 (''Flight&nbsp;III'' mit 23&nbsp;Einheiten, auch mit ''688(I)'' bezeichnet, Bau ab 1985). Dazwischen liegen auf SSBN-726 bis SSBN-743 die 23 SSBN- und SSGN-U-Boote der ''[[Ohio-Klasse]]'', die Nummern 744 bis 749 wurden nicht vergeben. Alle Einheiten wurden nach Städten der [[Vereinigte Staaten|Vereinigten Staaten]] benannt; lediglich [[USS Hyman G. Rickover (SSN-709)|SSN-709]] wurde ''USS&nbsp;Hyman&nbsp;G.&nbsp;Rickover'' getauft, um den Initiator dieser U-Boot-Klasse zu ehren. === Kosten === Der Bau einer Einheit kostet, den Wechselkurs von 1990 zugrunde gelegt, rund 900&nbsp;Mio.&nbsp;US-Dollar. Dies entspricht bei durchschnittlich zwei Prozent [[Inflation]] etwa 1,25&nbsp;Mrd.&nbsp;Dollar im Jahr 2006. Die Betriebskosten für ein Boot liegen laut ''Navy Visibility and Management of Operating and Support Costs'' bei etwa 21&nbsp;Mio.&nbsp;Dollar jährlich. Allerdings müssen die erheblichen Kosten für den Austausch der [[Kernbrennstoff|nuklearen Brennelemente]] des Reaktors bei ''Flight&nbsp;I''-Einheiten ungefähr alle 15&nbsp;bis 20&nbsp;Jahre berücksichtigt werden. Auch aus diesem Grund wurden einige der frühen Boote der Los-Angeles-Klasse bereits nach dieser Zeitspanne außer Dienst gestellt. Die Kosten für eine Grundüberholung mit Brennelementwechsel liegen bei rund 406&nbsp;Mio. US-Dollar. Die Ersparnis gegenüber dieser ''Engineered Refueling Overhaul'', liegt bei knapp 210&nbsp;Mio.&nbsp;US-Dollar, da die Außerdienststellungkosten mit zirka 196&nbsp;Mio. US-Dollar zu Buche stehen.<ref name="Engineered Refueling Overhaul">[http://www.globalsecurity.org/military/systems/ship/ssn-688-ero.htm SSN-688 Los Angeles-class Engineered Refueling Overhaul (ERO)] auf globalsecurity.org (englisch)</ref> === Zukunft === Im Jahre 1995 wurde die erste Einheit der Klasse außer Dienst gestellt, weitere Einheiten des ''Flight&nbsp;I'' folgten. Es ist zu erwarten, dass die modifizierten Boote des ''Flight&nbsp;II'' und ''688(I)'' bis weit ins 21.&nbsp;Jahrhundert hinein im Dienst verbleiben. Ursprünglich waren 30&nbsp;Jahre Dienstzeit vorgesehen, allerdings zeigen Erfahrungen mit Booten der ''Sturgeon-Klasse'', dass Dienstzeitverlängerungen um bis zu zehn Jahre möglich und realistisch sind. Zusammen mit einer Werftliegezeit von etwa zwei Jahren für die notwendigen Arbeiten sind somit Gesamteinsatzzeiten von 42&nbsp;Jahren realisierbar.<ref>[http://www.fas.org/man/dod-101/sys/ship/ssn-688.htm Ausführliche Beschreibung der Los-Angeles-Klasse (englisch)] auf www.fas.org (englisch)</ref> Der direkte Nachfolger der Los-Angeles-Klasse, die ''[[Seawolf-Klasse]]'', besteht aus lediglich drei Einheiten, da ein Weiterbau dieser Klasse nicht zuletzt aufgrund der enormen Stückkosten nicht zu finanzieren war. Von der neuesten Klasse von Jagd-U-Booten, der [[Virginia-Klasse (U-Boot)|''Virginia-Klasse'']], werden im Jahre 2010 erst acht Einheiten in Dienst gestellt sein. Es ist geplant, diese Zahl bis 2020 auf 29&nbsp;zu steigern. Aufgrund der hohen Kosten beider Modelle – um zwei&nbsp;Mrd.&nbsp;US-Dollar pro Einheit – ist jedoch eine Reduzierung des Bauprogramms nicht auszuschließen. Aus diesen Gründen kann davon ausgegangen werden, dass die ''Los-Angeles-Klasse'' bis etwa 2025 den größten Teil der U-Boot-Flotte der US Navy stellen wird. == Technik == Die Einheiten der ''Los-Angeles-Klasse'' sind atombetriebene Unterseeboote, die für Geleitschutz, U-Boot-Jagd, Angriffe gegen Landziele mit konventionellen Marschflugkörpern, SEAL-Kommandounternehmen und Aufklärungszwecke eingesetzt werden. Angetrieben werden sie von einem Druckwasser-Kernreaktor, der eine einzelne Schraube am Heck angetreibt. === Rumpf === [[Bild:USS Greeneville in dry dock.jpg|thumb|''Greeneville'' im Trockendock]] Der Rumpf der Boote der ''Los-Angeles-Klasse'' ist bei einer Breite von 10&nbsp;Metern etwa 110&nbsp;Meter lang. Er besteht aus einer [[Zylinder (Geometrie)|zylindrischen]] Röhre, die am Bug mit einem halbrunden Deckel abgeschlossen ist und zum Heck konisch verjüngend ausläuft. Diese Bauweise hat im Vergleich zu einem [[USS Albacore (AGSS-569)|„Albacore-Rumpf“]] geringe Nachteile für die Manövrierfähigkeit, ist jedoch erheblich leichter zu bauen und ermöglicht höhere Geschwindigkeit durch einen geringeren Strömungswiderstand. Um möglichst wenig Wasserwiderstand zu bieten, verfügt das Boot über einen relativ kleinen und schmalen [[Turm (U-Boot)|Turm]], und das Deck ist nahezu frei von hervorstehenden Teilen. Unverzichtbare Einrichtungen, wie die Poller zum Festmachen der Leinen im Hafen, sind einziehbar. Insgesamt bietet diese Bauweise verringerten Wasserwiderstand und eine sehr gute Geräuschdämmung. ==== Druckkörper ==== Der Druckkörper besteht aus hochelastischem ''HY-80-Stahl'' mit einer garantierten [[Streckgrenze]] (''Yield strength'') von 80.000&nbsp;psi ([[Pound-force per square inch|Pfund pro Quadratzoll]]). Dies ist die Belastungsgrenze von Werkstoffen, bis zu der keine bleibende Verformung auftritt und entspricht einem Druck von etwa 5516&nbsp;[[Bar (Einheit)|Bar]]. Ein weiterer Vorteil dieses vorwiegend im Schiffbau verwendeten Stahls ist seine gute Schweißbarkeit. Die vorderen Tiefenruder waren bei ''Flight&nbsp;I'' und ''Flight&nbsp;II'' aufgrund der besseren hydrodynamischen Wirkung noch am Turm angebracht. Da der Einsatzraum im Nordpolargebiet immer größere Bedeutung erhielt, wurden sie - beginnend mit den Booten von ''Flight&nbsp;III'' - an den vorderen Rumpf verlegt, um ein Auftauchen durch arktisches Eis hindurch zu erleichtern. Die Hauptballasttanks liegen am vordersten Ende des Bugs sowie am hintersten Ende des Hecks. Zwischen ihnen sind kleinere Trimmtanks angeordnet, um den Schwebezustand unter Wasser präzise steuern zu können. Die größeren Ballasttanks liegen außerhalb der [[Druckkörper (Physik)|Druckhülle]]. Der gesamte Rumpf ist seit ''Flight&nbsp;II'' standardmäßig mit ''echolosen Kacheln'' versehen. Dieser schaumstoffartige Belag absorbiert von außen auftreffende Sonarwellen, anstatt sie zum Sender zurückzulenken, und erschwert damit die feindliche Aufklärung. Außerdem übt die weiche Struktur dieser Kacheln eine dämpfende Wirkung auf die Übertragung von Eigengeräuschen des Bootes in das umgebende Wasser aus. Die älteren Einheiten des ''Flight&nbsp;I'' wurden mit diesen Kacheln nachgerüstet. ==== Innenaufteilung ==== [[Bild:Pasadena (SSN-752) helm.jpg|thumb|Die Steuerruder der ''Pasadena'']] Die Boote der ''Los-Angeles-Klasse'' gliedern sich in zwei Abteilungen, die durch wasserdichte [[Schott#Schiffbau|Schotten]] voneinander getrennt sind. Der achterne Teil ist dabei etwas länger als der vordere. Der vordere Teil des Bootes besteht aus drei Decks. Im unteren Deck befindet sich der Torpedoraum, in dem sich die Torpedorohre und deren Bedieneinrichtungen befinden. Die Torpedos sind bis zum Laden der Rohre in Gestellen an den Wänden gestapelt. Das mittlere Deck beherbergt die Unterkünfte sowie Aufenthaltsräume für die Besatzung. Weiterhin liegen dort die Unteroffiziermesse (auch ''Ziegenstall'' genannt) die [[Offiziermesse]] sowie die [[Kombüse|Schiffsküche]]. Das obere Deck nehmen die Kontrollräume ein. Zu diesen gehören neben der Steuerzentrale (dem ''Conn'' oder ''Control room''), in dem der [[Wachoffizier]] Aufsicht führt und der die Einrichtungen und Bedienplätze für die Steuerung, die Navigation sowie Waffenkontrolle enthält, auch die Sonarzentrale und die Funkräume. Etwas mehr als die hintere Hälfte des Rumpfes wird vom Reaktor und den Antriebsanlagen eingenommen. Der Reaktor liegt aufgrund seines hohen Gewichts genau in der Mitte des Bootes, wodurch die Trimmung erleichtert wird. Weiter achteraus befinden sich die Turbinen, das Getriebe, der Leitstand für die Reaktorsteuerung, ein kerntechnisches Labor und die achternen Tauchzellen. === Antrieb === Die Boote der ''Los-Angeles-Klasse'' beziehen ihre Hauptenergie aus einem [[Druckwasserreaktor]] vom Typ ''S6G'' (''S'' für Submarine, ''6'' für die Generation, ''G'' kennzeichnet den Hersteller, [[General Electric]]). Der von diesem Reaktor erzeugte Hochdruckdampf wird auf zwei [[Dampfturbine]]n geleitet, die über ein [[Untersetzungsgetriebe]] die einzelne [[Welle (Mechanik)|Welle]] antreiben. Sämtliche Maschinen und Aggregate sind auf sogenannten ''Flößen'' gelagert, die Schwingungen abfedern und damit verhindern, dass sich die Vibrationen durch die Hülle ins Wasser übertragen. Der [[Propeller]] besitzt sieben sichelförmige Blätter und ist aus Bronze gefertigt. Weitere kleinere Turbinen dienen der Stromversorgung. Die Einheiten des ''Flight&nbsp;I'' und des ''Flight&nbsp;II'' werden von einem Kernreaktor vom Typ ''D1G-2'' mit 148&nbsp;[[Watt (Einheit)|Megawatt]], die Einheiten ab ''Flight&nbsp;III'' vom Typ ''D2W'' mit 165&nbsp;Megawatt Leistung angetrieben. Der ältere Typ liefert 22.000&nbsp;kW Antriebsleistung auf die Welle, der neuere D2W zirka 24.300&nbsp;kW. Bei Überholungen älterer Einheiten wird der Reaktorkern jeweils durch das neuere Modell ersetzt. Dies ist erforderlich, damit die Schiffe ihre Maximalgeschwindigkeit nach der Ausrüstung mit den ''echolosen Kacheln'' halten können, da diese den Strömungswiderstand erhöhen. Eine Reaktorfüllung reicht bei den ersten beiden ''Flights'' für 15&nbsp;bis 20&nbsp;Jahre, die letzte ''Flight'' vom Typ ''688(I)'' sowie bereits nachgefüllte frühere Boote brauchen keine Nachfüllung; der Kernbrennstoff in den Brennelementen reicht für einen mindestens 40-jährigen Betrieb. Als Hilfsantrieb gibt es auf jedem Boot einen [[Schiffsdieselmotor|Notdieselmotor]] vom Typ ''38D8Q'', hergestellt von ''[[Fairbanks, Morse and Company]]'', der bei einem Ausfall des Kernreaktors oder des Antriebstrangs einen ausfahrbaren Außenbordmotor betreiben kann. Er kann hierbei zusätzlich zum Laden der im Bug befindlichen Batterien eingesetzt werden. Mit diesem Aggregat können auch die großen Batteriebänke unter dem Torpedoraum aufgeladen werden, mit denen der energieintensive Neustart des Reaktors durchgeführt werden kann. === Elektronik === [[Bild:Annapolis masts.jpg|thumb|right|Der Turm der ''Annapolis'': Links unten, direkt hinter der Brücke ist ein Radartransponder sichtbar, dahinter eine Kommunikationsantenne und beide Periskope. Links am Turm befindet sich die Kommandobrücke, darunter das Fenster für das Hochfrequenzsonar MIDAS.]] ==== Kommunikationssysteme ==== An Bord eines U-Bootes der ''Los-Angeles-Klasse'' befinden sich Systeme zum Funken auf zahlreichen [[Frequenzband|Frequenzbändern]]. Als einziges Band, das auch während des Tauchens unterhalb der Periskoptiefe von 60&nbsp;Fuß (etwas mehr als 18&nbsp;Meter) genutzt werden kann, steht [[Extremely Low Frequency|ELF]] zur Verfügung, das mit etwa 80&nbsp;[[Hertz (Einheit)|Hz]] empfangen wird. Als Sender dient hierbei das Transmittersystem „[[Sanguine]]“, das auf dem US-amerikanischen Festland in den Bundesstaaten Wisconsin und Michigan in der Nähe der Großen Seen betrieben wird. Da bei ELF nur extrem geringe Datendurchsätze möglich sind (wenige Zeichen pro Minute), werden hierüber nur standardisierte Codegruppen an die U-Boote gesendet; für weitere Kommunikation muss sich das U-Boot auf Periskoptiefe begeben. Ähnlich verhält es sich mit [[Längstwelle]] (VLF, unter 30&nbsp;kHz), die allerdings nur etwa 30&nbsp;Meter tief ins Wasser eindringen kann. Auf beiden Bändern kann das U-Boot nur empfangen, da zum Senden sehr große Antennen benötigt werden. Das U-Boot muss eine Schleppdrahtantenne ausfahren, um die Frequenzbänder abhören zu können. Dadurch ist es allerdings in seiner Manövrierfähigkeit eingeschränkt, da bei schneller und enger Kurvenfahrt sowie im Rückwärtsfahrbetrieb sehr leicht die Antenne bricht. In Periskoptiefe kann das U-Boot mittels ausfahrbarer Antennen, die die Wasseroberfläche durchbrechen, auf zahlreichen Frequenzen (außer ELF und VLF) funken. Diese Methode wird vor allem für die Kommunikation zwischen nahe beieinander positionierten Schiffen eingesetzt. Für die taktische Kommunikation mit der Heimatbasis und dem Einsatzkommando werden für gewöhnlich [[Dezimeterwelle|UHF]]-Verbindungen via [[Nachrichtensatellit]]en über das '' Navy Ultra High Frequency Satellite Communications System'' (UHF SATCOM) (deutsch: Satellitenkommunikationssystem der Marine auf ultrahoher Frequenz) verwendet. Für U-Boote wird hierbei das ''Submarine Satellite Information Exchange Sub-System'' (SSIXS) (auf deutsch etwa: ''Untersystem für Satelliten-Informationsaustausch mit Unterseebooten'') verwendet. Zwei getauchte U-Boote können über geringe Distanz auch mittels des [[Gertrude (Telekommunikation)|Gertrude-Systems]] in Verbindung treten. Hierbei werden Schallwellen mit einem sogenannten ''Transducer'' wie mit einem Lautsprecher ins Wasser abgegeben, die das zweite Boot mit seiner Sonareinrichtung auffängt und in Sprache umwandelt. Hierdurch ist eine brauchbare Sprechverbindung möglich, die allerdings unter Umständen von nahebei positionierten gegnerischen Schiffen und U-Booten aufgefasst werden kann. Als weitere Möglichkeit kann ein U-Boot einen Einweg-Transmitter (SLOT = ''Submarine Launched One-way Transmitter'') aus einer Dreizollschleuse am Bug ausstoßen. Diese Boje steigt zur Oberfläche und sendet eine vorher gespeicherte Nachricht an einen Satelliten. ==== Sonarsysteme ==== Das wichtigste Ortungssystem für ein U-Boot ist sein [[Sonar]]. Es ist die einzige Möglichkeit, im getauchten Zustand andere Schiffe, U-Boote und sogar niedrig fliegende Flugzeuge auszumachen. Auch andere Schallquellen, wie zum Beispiel Torpedos, Täuschkörper, aber auch Fischschwärme und Wale können hiermit geortet werden. Zur akustischen Erfassung von Überwasser- und Unterwasserzielen verfügen die U-Boote der ''Los-Angeles-Klasse'' ein Niederfrequenz-Bug-Sonarsystem vom Typ BQQ-E des Herstellers [[IBM]]. Die älteren Einheiten des ''Flight&nbsp;I'' waren zu Beginn mit dem System BQQ-5D ausgerüstet; inzwischen dürften alle noch in Dienst stehenden Einheiten auf das modernere E-Modell nachgerüstet sein. Das System besteht aus einem kugelförmigen Gehäuse (dem sogenannten ''Sonar Dome'') mit einem Durchmesser von 4,5&nbsp;m im Bug des U-Bootes. Im aktiven Modus strahlt es kurze Impulse (sogenannte ''Pings'') von etwa 75&nbsp;[[Watt (Einheit)|kW]] akustischer Leistung ab. Im passiven Modus wird keine Leistung abgestrahlt, sondern nur nach Geräuschen im Wasser gehorcht. Zusätzlich gibt es rund um das Schiff Lateralsensoren, die vor allem in niedrigen Frequenzbereichen lauschen. Als sehr effektiv hat sich die Verwendung eines passiven [[Schleppsonar]]s erwiesen, von dem jedes Boot zwei an Bord hat. Dieses ist als Kabel mit einer Kette von [[Hydrophon]]en (Schallwandlern) aufgebaut, das abgespult und in einer gewissen Entfernung hinter dem U-Boot hergeschleppt wird. Durch die vom Heck des U-Boots entfernte Platzierung der Hydrophone wird die Störung des Sonarbildes durch Eigengeräusche des Schiffes stark minimiert und der tote Winkel des Bug-Sonars nach hinten ausgeglichen. Das ältere der verwendeten Systeme ist das TB-16D, das im Bug aufgetrommelt ist und an einer Schiene in einem wulstförmigen Kanal am Bootskörper entlang abgespult wird, wo es am Heckstabilisator an Steuerbord austritt. Bei einer Gesamtlänge von rund 780&nbsp;Meter sind die letzten 72&nbsp;Meter mit Hydrophonen versehen. Das modernere TB-23 kann noch weiter ausgefahren werden, Hydrophone sind über die letzten 290&nbsp;Meter verteilt. Es tritt am Backbordstabilisator aus und benötigt keinen Führungskanal am Rumpf, da sich die Spule im Heck befindet. Seit 2001 werden die Schiffe auf das modernste System TB-29&nbsp;umgerüstet, das noch leistungsfähiger ist. Am Turm - zum Bug gerichtet - befindet sich ein Hochfrequenzsonar ''MIDAS'' (''Mine Detection & Avoidance System/Sonar''), das kleine Objekte wie Seeminen erfassen kann und für die Navigation in Eisfeldern eingesetzt wird. ==== Funkmess- und Radarsysteme ==== Das wichtigste passive Erfassungssystem für elektromagnetische Strahlung ist das ''WLR-8&nbsp;(V)'', ein Signalempfänger an einem ausfahrbaren Mast, der auf Periskoptiefe eingesetzt wird. Dieses Gerät ist in der Lage, Funk- und Radarsignale in einem weiten Frequenzspektrum aufzufangen und damit gegnerische Einheiten auch jenseits der Reichweite des Sonars aufzuspüren. Die Einheiten der ''Los-Angeles-Klasse'' sind mit einem ausfahrbaren ''AN/BPS-15''-Navigationsradar ausgerüstet, das nur bei Überwasserfahrten als Navigationshilfe, zum Beispiel bei Hafeneinfahrten und Fahrten in engen Wasserstraßen, eingesetzt wird. ==== Periskope ==== Das einzige visuelle Erfassungssystem ist das [[Periskop]]. Jedes U-Boot ist mit zweien dieser Systeme ausgerüstet, einem sogenannten Angriffsperiskop und einem Suchperiskop. Das Angriffsperiskop besitzt einen kleineren Kopf, wodurch es weniger [[Radarrückstrahlfläche]] bietet und durch den Gegner schlechter auszumachen ist. Der Bildwinkel und die Bildqualität sind allerdings eingeschränkt. Für den Rundumblick und für längere Beobachtungen steht das Suchperiskop zur Verfügung. Es hat eine größere Bauform und bietet neben der besseren Bildqualität einen breiteren Bildausschnitt; allerdings ist es durch seine Größe leichter von gegnerischen Schiffen auszumachen. Die Periskope bieten sowohl Vergrößerungsmöglichkeit als auch einen [[Nachtsichtgerät|Nachtsichtmodus]] über Restlichtverstärker und die Möglichkeit, Fotoaufnahmen des Blickfelds zu erstellen. ==== Gefechtssystem ==== Die Einheiten des letzten Bauloses vom Typ 688(I) verfügen über das voll integrierte U-Boot-Gefechtsführungssystem ''BSY-1'' (im Slang der Navy ausgesprochen ''busy one'', zu deutsch etwa: ''das Tüchtige''), das alle Ortungs- und Waffensysteme an Bord miteinander vernetzt. Dies reduziert vor allem die Zeit, die benötigt wird, um einen Torpedo auf ein Ziel einzustellen und abzufeuern. === Bewaffnung === Die Bewaffnung der U-Boote der ''Los-Angeles-Klasse'' besteht aus vier [[Torpedorohr]]en, die im Bug hinter dem Sonardom nach außenbords gewinkelt eingebaut sind. Diese Rohre haben einen Durchmesser von 53,3&nbsp;Zentimetern (21&nbsp;Zoll). Die [[Torpedo]]s werden mittels Druckluft aus diesen Rohren ausgestoßen. Abgefeuert werden können Torpedos vom Typ [[Mark-48-Schwergewichtstorpedo|Mark 48 ADCAP]] mit einer Reichweite von 35&nbsp;Kilometern (geschätzt - etwa 19&nbsp;Seemeilen), [[Seezielflugkörper]] vom Typ [[AGM-84 Harpoon|UGM-84F&nbsp;Sub-Harpoon]] (Reichweite etwa 125&nbsp;km / etwa 67,5&nbsp;NM)) sowie konventionelle [[Marschflugkörper]] vom Typ [[BGM-109 Tomahawk|UGM-109&nbsp;''Tomahawk'']], die über 1000&nbsp;km (>&nbsp;540&nbsp;NM) entfernte Ziele angreifen können. Weiterhin sind die U-Boote zur Verlegung von Seeminen einsetzbar. Hierfür können zwei Minentypen eingesetzt werden: der Typ [[Mark 60 CAPTOR]] und der Typ [[Mark 67 Submarine Launched Mobile Mine]] (SLMM). Der SLMM ist eine Mine auf Basis des Mark&nbsp;37-Torpedos, der ferngesteuert seinen zuvor einprogrammierten Ablagepunkt erreicht und ferngeschärft wird. Insgesamt können 24&nbsp;der eben beschriebenen Einsatzwaffen nachgeladen werden. Während des [[Kalter Krieg|Kalten Kriegs]] bis 1989 war außerdem die [[UUM-44 Subroc]] in Gebrauch, eine durch das Torpedorohr ausgestoßene und mit einem Raketentriebwerk versehene nukleare Wasserbombe, die einen 250-kT-Sprengkopf auf einer ballistischen Flugbahn bis zu 30&nbsp;Kilometer weit verschießen konnte. Damit die U-Boote der Klasse Geschwindigkeiten von über 30&nbsp;Knoten erreichen konnten, musste als Kompromiss die Anzahl der Torpedorohre auf vier beschränkt werden. Diese Konstruktionsentscheidung wurde stark kritisiert, da ein Angriff auf größere Verbände so nur schwer möglich ist, vor allem, weil die Torpedos drahtgelenkt sind und das Rohr erst nach einem Treffer der Waffe nachgeladen werden kann, ohne die Torpedolenkmöglichkeit zu verlieren. Auf den Booten ab der Modifikationsstufe ''Flight&nbsp;II'' ist am Bug, direkt hinter dem Sonardom, zusätzlich ein [[Vertical Launching System]] (VLS) installiert. Aus diesen zwölf senkrecht eingebauten Rohren, die außerhalb der Druckkörpers liegen, können konventionelle Marschflugkörper vom Typ ''Tomahawk'' für Angriffe gegen Landziele (TLAM) gestartet werden. Die einzelnen VLS-Rohre können auf See nicht nachgeladen werden. Bei der Konstruktion der U-Boot-Klasse wurde bereits Platz für ein solches System eingeplant. Das Einsatzspektrum und die Feuerkraft der ''Flight-III''-Boote gegen Landziele wurden durch dieses System erheblich gegenüber den früheren Baulosen erweitert. == Fotodetails == {{Großes Bild|USS_La_Jolla_SSN-701.jpg|700|Die ''[[USS La Jolla (SSN-701)]]'' in [[Pearl Harbor]]. Dies ist ein „Flight-I“-Boot, zu erkennen an den Tiefenrudern am Turm und am Fehlen der VLS-Luken am Bug. Gut zu sehen sind die „echolosen Kacheln“ und die wulstförmige Abdeckung, unter der das TB-16-Schleppsonar verläuft. Hinter dem Turm befindet sich ein sogenannter „Dry Deck Shelter“, durch den Taucher das U-Boot unter Wasser verlassen und betreten können. Ganz hinten links am Bildrand ist der vertikale Stabilisator zu erkennen.}} {{Großes Bild|Cheyenne_moored.jpg|700|Die ''[[USS Cheyenne (SSN-773)]]'' im Hafen von [[Saipan]]. Dieses „Flight-III“-Boot ist deutlich zu erkennen durch die sechs Luken des VLS-Systems (die anderen sechs sind gegenüber auf der seewärtigen Seite) und den Turm ohne Tiefenruder. Die Schlitze am Bug dienen zum Druckausgleich vor dem Abfeuern von Raketen aus den VLS-Rohren. Auf beiden Bildern gut zu sehen ist der Bugbereich, der aus schalldurchlässigem [[Glasfaserverstärkter Kunststoff|glasfaserverstärktem Kunststoff]] besteht, damit Schallwellen die Sonaranlage erreichen und verlassen können.}} == Besatzung == [[Bild:USS Springfield inside.jpg|thumb|Messe der ''Springfield'']] An Bord der Boote der ''Los-Angeles-Klasse'' dienen 13&nbsp;Offiziere sowie 116&nbsp;Unteroffiziere und Mannschaften. Eine Einsatzfahrt dauert im Regelfall sechs Monate. Eine einzelne [[Wache (Schiff)|Wachschicht]] an Bord dauert sechs Stunden; die an Bord geltende Zeitzone ist [[Zulu-Zeit]] (GMT oder UTC), da die Mannschaft unabhängig von Tages- oder Nachtzeiten ihren Dienst verrichtet. Auf dem mittleren Deck der vorderen Sektion sind sowohl Schlaf- als auch Aufenthaltsräume nach Mannschaften sowie Unteroffizieren und Offizieren getrennt. Die drei [[Offiziermesse|Messen]] (wiederum getrennt nach Dienstgradgruppen) dienen als Speisesaal, Aufenthaltsraum mit Fernseher mit Stellplätzen für Getränke- und Verkaufsautomaten. Die [[Kombüse|Bordküche]] serviert zu jeder Wachablösung warme Mahlzeiten, die auf längeren Patrouillenfahrten aus tiefgekühlter und getrockneter Nahrung zubereitet werden. Für kürzere Missionen können in einem der beiden Kühlräume frische Nahrungsmitteln mitgeführt werden. Ein Schlafplatz besteht aus drei übereinander angeordneten [[Koje]]n mit den Maßen 183&nbsp;x&nbsp;91 bei einer Höhe von 61&nbsp;(alle Maße in Zentimeter), der vom Gang durch einen Vorhang abgeschirmt wird. Jedes Besatzungsmitglied hat eine kleine Kiste, in der persönliche Gegenstände verstaut werden können. Etwa 40% der Mannschaftsdienstgrade teilen sich eine Koje. Geschlafen wird abwechselnd je nach abzuleistender Schicht. Dies wird im Marinejargon als ''hot bunking'' (zu deutsch: „warme Koje“) bezeichnet. Die dienstgradhöheren Unteroffiziere und Offiziere schlafen in ähnlichen Bereichen, haben allerdings jeweils eigene Kojen zur Verfügung. Der Kommandant verfügt als einziges Mitglied der Besatzung über eine Kabine. Diese ist etwa 3&nbsp;x 2,5&nbsp;Meter groß und enthält neben einem Bett und einer Nasszelle mit Toilette einen Schreibtisch mit Tresor für Geheimdokumente. Außerdem installiert ist ein Multifunktions-Bildschirm, mit dem er jederzeit Zugriff auf alle Informationen des Bootes wie Geschwindigkeit, Kurs, Tiefe und die taktische Situation hat. == Einsatzprofile == [[Bild:Tomahawk sublaunched.jpg|upright|thumb|Eine Tomahawk durchbricht die Wasseroberfläche]] [[Bild:CVBG_at_Sea_us_navy_web_971215-N-9785M-462.jpg|thumb|''Annapolis'' mit ''[[USS Port Royal (CG-73)]]'' und ''[[USS Nimitz (CVN-68)]]'' (hinten)]] Durch das Mitführen der UGM-109 Tomahawk haben U-Boote der ''Los-Angeles-Klasse'' die Fähigkeit, Landziele anzugreifen. Boote der Klasse waren bereits mehrmals an Angriffen mit diesen Cruise Missiles beteiligt, so während [[Desert Storm|Operation Desert Storm]] 1991, beim Angriff auf eine vermeintliche Chemiewaffenfabrik im Sudan 1993, im Jahr 2001 im [[Krieg in Afghanistan seit 2001|Krieg in Afghanistan]] sowie 2003 im [[Dritter Golfkrieg|dritten Golfkrieg]]. Für den Einsatz gegen U-Boote führen die Einheiten der ''Los-Angeles-Klasse'' bis zu 24&nbsp;Torpedos Mark&nbsp;48&nbsp;ADCAP mit. Mit diesen drahtgesteuerten Torpedos können die U-Boote mehrere Ziele gleichzeitig bekämpfen. Gegen Überwassereinheiten können neben den Mark&nbsp;48&nbsp;ADCAP auch Seezielflugkörper vom Typ UGM-84F&nbsp;Sub-Harpoon eingesetzt werden. Außerdem sind die Boote zur Verlegung von [[Seemine]]n befähigt. Kein U-Boot der Klasse wurde bisher in einer Kampfsituation gegen ein Seeziel eingesetzt, es fanden lediglich Versenkungen in Rahmen sogenannter ''[[Ship Sinking Exercises|SINKEX]]'' (''Sinking Exercise'', deutsch: ''Versenkungsübung'') statt. Außerdem wurden einige ausgemusterste Schiffe als künstliche Riffs versenkt, wie das der ''[[M/V New Carissa]]'' am 11. März 1999 durch die ''[[USS Bremerton (SSN-698)]]'', . Die ''Los-Angeles-Klasse'' übernimmt ebenfalls Geleitschutzaufgaben. So gehören einer [[Flugzeugträgerkampfgruppe]] für gewöhnlich zwei U-Boote an, die zusammen mit den Schiffen des Überwassergeleitschutzes (mehreren Kreuzern und Zerstörern) und Helikoptern nach Unterwasserzielen suchen. Die U-Boote operieren dabei außerhalb des Ringes der Geleitschutzschiffe, wobei meist ein U-Boot vorausfährt, während das andere sich zurückfallen lässt und im Kielwasser der Gruppe nach Verfolgern sucht. Eine andere Taktik ist, dass beide Boote vor der Kampfgruppe fahren, eines jeweils vorsprintet, stoppt und für einen gewissen Zeitraum auf Bedrohungen lauscht, während das zweite Deckung gibt. Die beiden U-Boote wechseln sich in ihrer Aufgabe bei diesem Verfahren regelmäßig ab. Die U-Boote der ''Los-Angeles-Klasse'' sind sogenannte Jagd-U-Boote (englisch: ''Hunter/Killer sub'', deutsch: ''Jäger/Vollstrecker''). Im [[Kalter Krieg|Kalten Krieg]] war es ihre vorrangige Aufgabe, sowjetische [[U-Boot mit ballistischen Raketen|Raketen-U-Boote]] (SSBN) auf ihren Patrouillenfahrten vor den amerikanischen Küsten und später auch modernere sowjetische SSBNs in heimatnahen, sogenannten ''Bastionen'' zu beschatten und im Falle eines drohenden Atomangriffs zu versenken. Auch nach dem Ende des Kalten Krieges gehen die U-Boote der Los-Angeles-Klasse regelmäßig auf Patrouillenfahrt. Ziele solcher Einsätze sind neben russischen und chinesischen Gewässern die Krisenregionen in Asien ([[Formosastraße]], Nordkorea) und der [[Persischer Golf|Persische Golf]]. Weitere Einsatzmöglichkeiten der ''688er'' sind die Foto-, Funk- und Sonar-Aufklärung und die Durchführung geheimdienstlicher Einsätze wie zum Beispiel Kommandounternehmen. So können sie mit ihren Antennen [[elektronische Aufklärung]] (ELINT) sowie [[elektronische Unterstützungsmaßnahme]]n (ESM) betreiben. Für optimale Ergebnisse müssen die Boote sehr nah an die Küste fahren und dabei auch [[Hoheitsgewässer]] souveräner Staaten verletzen. Eine weitere Aufgabe, die ''Los-Angeles''-Einheiten übernehmen können, ist die Foto-Aufklärung neuer Einheiten ausländischer Marinen sowie die akustische Aufklärung, etwa dem Aufnehmen von Schraubengeräuschen und die Aufzeichnung von Schiffsgeräusch-Profilen. Außerdem sind die Boote der Klasse geeignet, Sondereinheiten wie [[United States Navy SEALs|SEAL]]-Teams vor fremden Küsten abzusetzen und nach der Mission wieder aufzunehmen. <br clear="all" style="clear:both;" /> == Unfälle == [[Bild:USS San Franciso drydock Sm.jpg|thumb|Der zerstörte Bug der ''San Francisco'']] Bislang ist keine Einheit der ''Los-Angeles-Klasse'' verlorengegangen, dennoch gab es eine Reihe von Unfällen unter Beteiligung dieser Bootsklasse. Neben kleineren Feuern auf U-Booten der Los-Angeles-Klasse kam es zu Kollisionen und Grundberührungen. 1986 ereignete sich eine Kollision zwischen der ''[[USS Augusta (SSN-710)]]'' und der sowjetischen ''[[K-279]]'' im Atlantik. Einen weiteren Zusammenstoß gab es 1992 zwischen ''[[USS Baton Rouge (SSN-689)]]'' und ''[[K-239]]'' in der [[Barentssee]]. Bei keinem dieser Zwischenfälle gab es Verletzte. Der in den Medien am stärksten beachtete Zwischenfall fand am 9.&nbsp;Februar&nbsp;2001 rund neun Seemeilen vor [[Diamond Head (Hawaii)|Diamond Head]] vor Hawaii statt, als die ''[[USS Greeneville (SSN-772)]]'' bei einem zu Übungszwecken durchgeführten Notauftauchmanöver das japanische Fischereischulschiff ''Ehime Maru'' rammte, woraufhin das japanische Schiff aufgrund seiner starken Beschädigungen in sehr kurzer Zeit versank. Dabei kamen neun japanische Seeleute ums Leben. Kritisiert wurde später, dass bei diesem Manöver eine an Bord befindliche Besuchergruppe in der Kommandozentrale anwesend war. Wiederholt kam es zu Grundberührungen, die teilweise großen Schaden am betroffenen U-Boot anrichteten. Der folgenschwerste Vorfall dieser Art ereignete sich am 8.&nbsp;Januar&nbsp;2005, als die ''[[USS San Francisco (SSN-711)]]'' mit 35&nbsp;Knoten (etwa&nbsp;65&nbsp;km/h) gegen einen unterseeischen Berg lief, wobei ein Besatzungsmitglied ums Leben kam und 97&nbsp;weitere verletzt wurden. == In der Fiktion == * In vielen von [[Tom Clancy]]s Romanen spielen U-Boote der ''Los-Angeles-Klasse'' eine wichtige Rolle, unter anderem die [[USS Dallas (SSN-700)|''USS&nbsp;Dallas'']] in [[Jagd auf Roter Oktober (Roman)|''Jagd auf Roter Oktober'']]. Die [[USS Chicago (SSN-721)|''USS&nbsp;Chicago'']] ist ein wichtiger Schauplatz in seinem Roman ''[[Im Sturm]]'', die [[USS Cheyenne (SSN-773)|''USS&nbsp;Cheyenne'']] hat eine Hauptrolle im Roman ''[[SSN (Roman)|SSN]]''. Auch in den Romanen von [[Patrick Robinson (Autor)|Patrick Robinson]] drehen sich die Handlungen um Ereignisse mit U-Booten der ''Los-Angeles-Klasse''. * Auf der Leinwand wird die ''Los-Angeles-Klasse'' vor allem in der Verfilmung [[Jagd auf Roter Oktober (Film)|''Jagd auf Roter Oktober'']] dargestellt. Die Dreharbeiten fanden an Bord der [[USS Houston (SSN-713)|''USS&nbsp;Houston'']] statt. * Als erstes [[Computerspiel]] wurde im Jahr 1988 die Simulation ''[[688 Attack Sub]]'' der Firma [[Electronic Arts]] (EA) veröffentlicht. Hier war es möglich, ein U-Boot dieser Klasse auf dem PC zu bedienen und Kampfmissionen zu fahren. Aktueller und moderner sind die drei U-Boot-Simulationen von [[Sonalysts]]: In ''[[688(I) Hunter/Killer]]'', ''[[Sub Command]]'' und ''[[Dangerous Waters]]'' werden die U-Boote der Klasse relativ originalgetreu simuliert; der Spieler kann alle wichtigen Positionen auf den Booten bemannen und zahlreiche an der realen Weltlage orientierte Missionen bewältigen. == Literatur == * John L. Birkler: ''The U.S. Submarine Production Base: An Analysis of Cost, Schedule, and Risk for Selected Force Structures.'' RAND Corporation, Santa Monica CA 1994. ISBN 0-8330-1548-6 * Tom Clancy: ''Atom-U-Boot. Reise ins Innere eines Nuclear Warship''. Heine, München 1995, 1997. ISBN 3-453-12300-X * David Miller, John Jordan: ''Moderne Unterseeboote.'' Stocker Schmid AG, Zürich 1987, 1999 (2. Auflage). ISBN 3-7276-7088-6 (zunehmend veraltetes Standardwerk über Unterwasserkriegsführung) == Weblinks == {{Commonscat|Los Angeles class submarines|U-Boote der Los-Angeles-Klasse}} * [http://www.navy.mil/navydata/fact_display.asp?cid=4100&tid=100&ct=4 ''Fact File'' der US Navy] (englisch, mit Links auf die Homepages der Einheiten) * [http://www.globalsecurity.org/military/systems/ship/ssn-688.htm Los-Angeles-Klasse auf globalsecurity.org] (englisch) == Einzelnachweise == <references/> {{Navigationsleiste Unterseeboote der Los-Angeles-Klasse}} {{Exzellent|23. April 2006|15958761}} [[Kategorie:U-Boot der Los-Angeles-Klasse| ]] [[Kategorie:Militärschiffsklasse (Vereinigte Staaten)]] [[Kategorie:Militär-U-Boot-Klasse]] {{link FA|pl}} [[bg:Лос Анджелис (клас подводници)]] [[cs:Třída Los Angeles]] [[da:Los Angeles-klassen]] [[en:Los Angeles class submarine]] [[es:Clase Los Angeles]] [[fi:Los Angeles -luokka]] [[fr:Classe Los Angeles]] [[hr:Podmornica klase Los Angeles]] [[hu:Los Angeles-osztály]] [[it:Classe Los Angeles]] [[ja:ロサンゼルス級原子力潜水艦]] [[ko:LA급 잠수함]] [[ms:Kapal selam Kelas Los Angeles]] [[no:Los Angeles-klassen]] [[pl:Okręty podwodne typu Los Angeles]] [[ru:Подводные лодки типа «Лос-Анджелес»]] [[sl:Razred podmornic los angeles]] [[sv:Los Angeles-klass]] [[tr:Los Angeles sınıfı denizaltı]] 3avvmqxgh548rytbcvd0pkhuhq892xf wikitext text/x-wiki Loschwitzer Kirche 0 23861 26456 2010-03-30T17:32:53Z EWriter 0 [[Kategorie:18. Jahrhundert]] nach [[Kategorie:Erbaut im 18. Jahrhundert]] geändert Die '''Loschwitzer Kirche''' ist eine [[barock]]e Kirche im [[Dresden|Dresdner]] Stadtteil [[Loschwitz]]. Sie war der erste Kirchenbau des Architekten der [[Dresdner Frauenkirche]], [[George Bähr]]. Der bis 1907 als Begräbnisstätte genutzte Kirchhof ist eine der wenigen im 18. Jahrhundert neu angelegten Kirchhofanlagen Sachsens, die noch original erhalten sind, und mit rund 400 Quadratmetern der kleinste Friedhof der Stadt. Die Loschwitzer Kirche und der Kirchhof stehen unter Denkmalschutz und gehörten als Teil der [[Kulturlandschaft Dresdner Elbtal]] von 2004 bis 2009 zum [[UNESCO-Welterbe]]. {| align="right" | [[Datei:August Kotzsch - Loschwitzer Kirche um 1875.jpg|miniatur|[[August Kotzsch]] – Die Loschwitzer Kirche um 1875<ref>Es handelt sich hierbei um das derzeit älteste bekannte Foto der Loschwitzer Kirche.</ref>]] | [[Datei:Loschwitzer Kirche.jpg|miniatur|Die Loschwitzer Kirche 2009]] |} == Geschichte == === Die Situation vor dem Bau der Loschwitzer Kirche === [[Datei:Alte Frauenkirche Dresden Kupferstich von Moritz Bodenehr.png|miniatur|Die Kirche „Zu unserer Lieben Frauen“, bis 1704 Gebetshaus für das Dorf Loschwitz; undatierter Kupferstich von Moritz Bodenehr]] Loschwitz fand erstmals 1315 als Loscuicz urkundliche Erwähnung. Mit der Erweiterung des [[Rundweiler]]s zu einem [[Dorf]] unterstanden die Ländereien schon im 14. Jahrhundert dem Maternihospital in Dresden. Das Dorf Loschwitz gehörte zusammen mit 25 weiteren Dörfern zum [[Kirchspiel]] der in unmittelbarer Nachbarschaft des [[Maternihospital|Maternihospitals]] liegenden Kirche „Zu unserer Lieben Frauen“, der [[Urpfarrei]] der späteren Frauenkirche, die zwischen der heutigen Dresdner Frauenkirche und dem [[Coselpalais]] lag. Loschwitzer Einwohner mussten sich anlässlich des Gottesdienstes, der Beichte oder einer Trauung stets zu der mehrere Kilometer entfernten Pfarrei begeben<ref>Dubbers gibt die Entfernung mit „mehr als einer halben [[Meile]]“ an, vgl. Annette Dubbers (Hrsg.): ''Loschwitz''. Eigenverlag, Dresden 2003, S. 15.</ref>, was vor allem im Winter beschwerlich war. Taufen fanden in der [[Kreuzkirche (Dresden)|Kreuzkirche]] statt. Die Toten des Dorfes Loschwitz wurden auf dem Frauenkirchhof und ab 1571 auf dem alten [[Johannisfriedhof (Dresden)|Johanniskirchhof]] bestattet. [[Datei:Anton Weck Dresden 1680 Kreuzkirche.jpg|miniatur|left|upright|Die alte Kreuzkirche, bis 1704 Taufkirche von Loschwitz]] Nach Ende des [[Dreißigjähriger Krieg|Dreißigjährigen Krieges]] in Sachsen durch den [[Waffenstillstand von Kötzschenbroda]] 1645 erlebte Sachsen einen wirtschaftlichen und kulturellen Aufschwung. Mit dem steten Anwachsen der Einwohnerzahlen in Dresden und den zum Kirchspiel der Dresdner Frauenkirchgemeinde gehörenden Dörfern wurden die Gottesdienste in der mittelalterlichen Frauenkirche wegen Überfüllung fast unmöglich. Es war nicht ungewöhnlich, dass die Gemeindemitglieder aus Loschwitz „bei ungewöhnlich starkem Kirchenbesuche aus der Kirche zur lieben Frauen gedränget und auf den Kirchenboden der kleinen alten Frauenkirche gewiesen“ wurden.<ref name="Pohle 123">Friedrich Wilhelm Pohle: ''Chronik von Loschwitz''. Verlag Christian Teich, Dresden 1883, S. 123.</ref> Gleichzeitig konnte der Seelsorger der Frauenkirchgemeinde umliegende Ortschaften nur zeitlich begrenzt besuchen, da Dresden als Festungsstadt seine Tore abends geschlossen hielt. „Es war öfter nicht möglich, in später oder früher Tages oder zur Nachtzeit den Seelsorger zu erlangen, um Kranken oder Sterbenden das heilige Abendmahl zu reichen, Nottaufen zu verrichten, schweren Kranken Trost zu bringen und dergleichen mehr.“<ref name="Pohle 123"/> Im Dezember 1702 beim Rat zu Dresden und erneut 1703 beim Ober[[konsistorium]] und dem Kurfürsten beantragten die Dörfer Loschwitz und [[Wachwitz]] die [[Auspfarrung]] aus der Frauenkirche. Nachdem zuerst ein „Lesegottesdienst“ in einem Schulhaus in Loschwitz bewilligt worden war, den schon ab 1702 ein Schulmeister immer sonn- und feiertags im Schulgebäude in Loschwitz gehalten hatte,<ref name="Pohle 124">Friedrich Wilhelm Pohle: ''Chronik von Loschwitz''. Verlag Christian Teich, Dresden 1883, S. 124.</ref> stimmte [[August II. (Polen)|August der Starke]] 1704 der Auspfarrung und damit der Gründung einer Loschwitzer Kirchgemeinde zu. Neben Loschwitz gehörten auch das nahe liegende Dorf Wachwitz und Gasthof und Anwesen „Zum Weißen Hirsch“ zur Gemeinde.<ref>Eberhard Münzner: ''Die Kirche zu Dresden Loschwitz''. Schnell & Steiner, Regensburg 1994, S. 2.</ref> Der Rat der Stadt Dresden erhielt das [[Kirchenpatronat|Patronatsrecht]] über die Kirchgemeinde und war daher auch für die Finanzierung und den Bau einer Kirche verantwortlich.<ref name="Wenzel9">Otto R. Wenzel: ''Die äußere Entwicklung der Kirchgemeinde''. In: Ev.-Luth-Kirchgemeinde Dresden-Loschwitz (Hrsg.): ''300 Jahre Kirchgemeinde Dresden-Loschwitz. Festschrift''. Ev.-Luth. Kirchgemeinde Dresden-Loschwitz, Dresden 2004, S. 9.</ref> Zudem setzte sie den Pfarrer ein. Am 4. April 1704 wurde [[Johann Arnold (Theologe)|Johann Arnold]] als erster Pfarrer der neuen Kirchgemeinde berufen und am 21. September 1704 bestätigt.<ref name="Wenzel9"/> Als Parochie konnte nun mit dem Bau einer Kirche begonnen werden. === Der Bau der Loschwitzer Kirche === [[Datei:Karl XII 1706.jpg|miniatur|Der schwedische König Karl XII auf einem Gemälde von [[David von Krafft]] aus dem Jahr 1706. In diesem Jahr schützte er die Loschwitzer Kirche vor der Zerstörung im Nordischen Krieg]] Im Jahr 1704 wurde dem Zimmermann George Bähr<ref>George Bähr wurde erst im Herbst 1705 zum Ratszimmermeister ernannt.</ref> der Entwurf der Kirche übertragen. Er führte ihn zusammen mit dem Ratsmaurermeister [[Johann Christian Fehre]] aus, wobei der Grundriss der zu bauenden Kirche mehrfache Veränderungen erfuhr. Bereits am 3. März 1704 ließ die Gemeinde erste Steine für die Kirche am „Bachhorn“ in [[Pirna]] ausschiffen und den Winter über am Schulhaus in Loschwitz einlagern. Das Schulhaus befand sich am Übergang vom Körnerplatz zur Pillnitzer Landstraße und damit mitten im Dorf, wo die Loschwitzer Gemeinde auch die Kirche errichten lassen wollte. Entgegen dem Willen der Gemeinde wählte der Rat der Stadt Dresden den rund 150 Meter entfernten „Materni-Weinberg“, einen [[Weinberg]] des Maternihospitals, der sich im Besitz des Rates der Stadt befand, als Kirchenstandort. Der Platz am östlichen Rand des Dorfes an der Straße nach Wachwitz war im Gegensatz zum Dorfkern [[hochwasser]]sicher gelegen und der [[Gleichnis von den Arbeitern im Weinberg|Weinberg als christliches Motiv]] bewusst gewählt. „Die eigentlichen Bauarbeiten begannen erst am 27. April 1705, wo der Ratsmaurermeister Fehre aus Dresden zum Steinezuspitzen und -Zurichten 6 Maurer herschickte“,<ref name="Pohle 124"/> unter ihnen [[Johann Gottfried Fehre]], den Sohn Johann Christian Fehres. Am 14. Mai 1705 umgingen die ersten Kirchenväter der neuen Parochie und Männer der Ratsgemeinde, der Amtsgemeinde und aus Wachwitz feierlich den Platz der neuen Kirche und sangen dabei drei Kirchenlieder („Ich ruf zu Dir, Herr Jesu Christ“, „In Dich hab ich gehoffet, Herr“, „Es soll uns Gott gnädig sein“<ref name="Pohle 125">Friedrich Wilhelm Pohle: ''Chronik von Loschwitz''. Verlag Christian Teich, Dresden 1883, S. 125.</ref>). Daraufhin wurden die Weinpfähle gezogen, die [[Rebstock|Weinstöcke]] ausgegraben und der Grund der Kirche gegraben. Am 29. Juni 1705 erfolgte in Gegenwart des fürstlichen Kommissars Graf Friedrich von Schönberg die Grundsteinlegung der Loschwitzer Kirche<ref name="Pohle 125"/>, dazu sang der [[Dresdner Kreuzchor]]. Den Grundstein ergänzte ein Kupferkästchen, in das man die [[Confessio Augustana|Augsburger Konfession]], [[Katechismus#Lutherische Katechismen|Luthers Katechismus]], einen Abriss des zu bauenden Gebäudes und die Geschichte des Ortes auf Pergament geschrieben beilegte.<ref>Friedrich Wilhelm Pohle: ''Chronik von Loschwitz''. Verlag Christian Teich, Dresden 1883, S. 126.</ref> Den Bau selbst führte in den folgenden Jahren Johann Siegmund Kueffner aus, der auch für die Einstellung von Arbeitern verantwortlich war.<ref>Otto-R. Wenzel: ''Die Loschwitzer Kirche – Bau, Zerstörung und Wiederaufbau''. In: Ev.-Luth-Kirchgemeinde Dresden-Loschwitz (Hrsg.): ''300 Jahre Kirchgemeinde Dresden-Loschwitz. Festschrift''. Ev.-Luth. Kirchgemeinde Dresden-Loschwitz, Dresden 2004, S. 30.</ref> [[Datei:Loschwitzer Kirche um 1820.jpg|miniatur|Die Loschwitzer Kirche um 1820]] Im Jahr 1706 kam es an der Kirche, deren Grundmauern bereits standen, zu einer Bauunterbrechung, da während des [[Großer Nordischer Krieg|Großen Nordischen Krieges]] das schwedische Heer auch in Sachsen eindrang. In der Folge flohen die Loschwitzer Einwohner und Bauleute.<ref>Otto-R. Wenzel: ''Die Loschwitzer Kirche – Bau, Zerstörung und Wiederaufbau''. In: Ev.-Luth-Kirchgemeinde Dresden-Loschwitz (Hrsg.): ''300 Jahre Kirchgemeinde Dresden-Loschwitz. Festschrift''. Ev.-Luth. Kirchgemeinde Dresden-Loschwitz, Dresden 2004, S. 29.</ref> Der Rat der Stadt Dresden beauftragte den 1704 zum Pfarrer für Loschwitz berufenen Johann Arnold, dem König von Schweden eine Bittschrift um Schonung des Kirchenbaus zu überbringen. Mit den Kirchenvätern von Loschwitz und Wachwitz ging Arnold nach [[Radeberg]], wo der schwedische König [[Karl XII. (Schweden)|Karl XII.]] mit seinem Heer lagerte, und ließ ihm die Bittschrift der Gemeinde überbringen. Graf [[Carl Piper]], der Berater des Königs, richtete der kleinen Abordnung schließlich aus: {{Zitat|Sein gnädigster König und Herr hätte keiner katholischen Kirche in Polen was leide gethan, so würde Er um so viel weniger einer lutherischen und dero Bau-Materialien was Schaden thun oder thun lassen; man solle in Gottes Namen fortbauen, und solle kein Span bei diesem Gebäude beschädigt werden und wofern sich einer oder der andere daran vergreifen wollte, sollte man sich nur auf diese Antwort berufen.|Pohle, 1883|<ref>Friedrich Wilhelm Pohle: ''Chronik von Loschwitz''. Verlag Christian Teich, Dresden 1883, S. 128.</ref>}} Nachdem den Handwerkern im September 1706 so vom schwedischen König Sicherheit versprochen worden war, konnten die Bauarbeiten fortgesetzt werden. Ab dem 1. Mai 1707 folgte eine erneute Pause, da infolge der Brandschatzungen der Schweden kein Geld für einen Weiterbau vorhanden war. Auch in diesem Fall konnte nach Intervention Arnolds noch im selben Monat mit dem Bau fortgefahren werden. Am 3. August 1708, dem Namenstag Augusts des Starken, erfolgte die feierliche Weihe der Loschwitzer Kirche. Entstanden war ein achteckiger, barocker Saalbau, der äußerlich in Altrosa verputzt auffällig, im Inneren jedoch eher schlicht gehalten war. Zwei Jahre später beendeten die Bauleute auch die Außenarbeiten auf dem Kirchhof. === Die Renovierung 1898/99 === In den folgenden Jahren fanden immer wieder kleinere Renovierungen der Kirche statt,<ref name="Gesammtüberblick 9">Im 19. Jahrhundert erfolgten Reparaturen 1801, 1824, 1841 und 1863. Vgl. M. J. Nestler: ''Gesammtüberblick über die Loschwitzer Kirchenerneuerung''. In: ''Sachsens Elbgau-Presse'', 2. Beilage. 14. Jahrgang, Nummer 87, 16. April 1899, S. 9.</ref> vor allem die 1753 gebaute Leibner-Orgel musste wiederholt Wartungen unterzogen werden. Ende des 19. Jahrhunderts war die Einrichtung und der grundlegende Standard der Kirche, der in weiten Teilen dem Ursprungsbau aus dem Jahr 1708 entsprach, nicht mehr zeitgemäß. Sie besaß weder eine Wasserleitung innerhalb des Gebäudes noch eine Gasleitung, über die zum Beispiel Leuchter hätten entzündet werden können. Die Gemeinde entschloss „sich endlich nach vielen, vorsichtigen Erwägungen, alle die gestellten Forderungen in einer großen und gründlichen, für viele Jahrzehnte alle Reparatur-Arbeiten ausschließenden Gesammterneuerung zusammenzufassen und mit einem Male zu erledigen.“<ref name="Gesammtüberblick 9"/> Der Loschwitzer Architekt [[Karl Emil Scherz]] leitete von 1898 bis 1899 die Renovierung der Kirche. Ihr eher schlichter Innenraum erfuhr dabei eine Neugestaltung mit Goldverzierungen und Ausschmückungen. Die langen Fenster erhielten Glasmalereien, hinzu kamen ein erneuertes Gestühl und Ergänzungen am Altar. Während der Innenraum olivgrün gestrichen wurde, bekam die Fassade statt des ursprünglichen Altrosa einen grauen Anstrich. Die Wiederweihe der Loschwitzer Kirche fand am 12. März 1899 statt. Bis auf kleinere Erneuerungen – so mussten zwei im [[Erster Weltkrieg|Ersten Weltkrieg]] eingeschmolzene Glocken ersetzt werden – blieb die Loschwitzer Kirche bis 1945 unverändert. === Zerstörung der Kirche 1945 und Wiederaufbau === [[Datei:Nosseni-Altar Loschwitz.jpg|miniatur|Der restaurierte Nosseni-Altar der zerstörten Sophienkirche wurde 2002 in der Loschwitzer Kirche geweiht]] Während der [[Luftangriffe auf Dresden]] am 13. und 14. Februar 1945 trafen mehrere Bomben die Loschwitzer Kirche. In der Folge brannte sie bis auf die Umfassungsmauern nieder. Bis 1946 wurde die Ruine vom Schutt befreit, 1947 erfolgten Sicherungsmaßnahmen an den verbliebenen Umfassungsmauern. Bereits 1946 und erneut 1950 bildete sich ein „Ausschuss für den Wiederaufbau der Kirche“, der die dafür nötigen Vorbereitungen traf. Seine Mitglieder wählten als Architekten [[Oskar Menzel]] und [[Herbert Burkhardt]], doch fehlten die finanziellen Mittel genauso wie Baumaterialien. „Das als Geschenk der Ev.-Luth. Kirche Finnlands 1963 dort bereitliegende Bauholz durfte nicht eingeführt werden, solange die Baugenehmigung nicht erteilt war. Diese aber wurde verweigert, weil das notwendige Baumaterial nicht zur Verfügung stand.“<ref name="Wenzel 34">Otto-R. Wenzel: ''Die Loschwitzer Kirche – Bau, Zerstörung und Wiederaufbau''. In: Ev.-Luth-Kirchgemeinde Dresden-Loschwitz (Hrsg.): ''300 Jahre Kirchgemeinde Dresden-Loschwitz. Festschrift''. Ev.-Luth. Kirchgemeinde Dresden-Loschwitz, Dresden 2004, S. 34.</ref> Für die Stadt Dresden ging zu dieser Zeit der Wiederaufbau der [[Dreikönigskirche (Dresden)|Dreikönigskirche]] und der Matthäuskirche vor. Im Jahr 1967 wurde die erhaltene Sakristei instandgesetzt und als funktioneller Kirchenraum eingerichtet. In der Ruine fanden erste Gottesdienste statt. Die „Junge Gemeinde“ errichtete in ihr zudem einen provisorischen [[Glockenstuhl]] und ließ ihn 1969 mit drei neuen Glocken aus [[Apolda]] versehen. Am 31. Mai 1978 wurden die Kirchenruine und der Kirchfriedhof nach einem Bezirkstagsbeschluss unter Denkmalschutz gestellt.<ref>[http://stadtplan.dresden.de/project/cm3/detail/KULTUR_SPORT/DENKMALPFLEGE/KULTURDENKMAL/amt41_kdm_detail.asp?id=11748253 Denkmal: Loschwitzer Kirche, Kirchhof, Nosseni-Altar]; Datum nach Eberhard Münzner: ''Die Kirche zu Dresden Loschwitz''. Schnell & Steiner, Regensburg 1994.</ref> Da am Mauerwerk mit den Jahren Schäden infolge von Verwitterung auftraten, begannen in den 1980er-Jahren erneut Diskussionen um einen Wiederaufbau der Loschwitzer Kirche, deren Wortführer der 1984 gegründete „Wiederaufbau-Ausschuß“ war. Das Landeskirchenamt Sachsen bewilligte den Wiederaufbau 1989 unter Auflagen, so sollten die Bauausführung und Kosten durch die Kirchengemeinde übernommen werden; „Spenden in konvertierbarer Währung“ waren strikt untersagt.<ref>Otto-R. Wenzel: ''Die Loschwitzer Kirche – Bau, Zerstörung und Wiederaufbau''. In: Ev.-Luth-Kirchgemeinde Dresden-Loschwitz (Hrsg.): ''300 Jahre Kirchgemeinde Dresden-Loschwitz. Festschrift''. Ev.-Luth. Kirchgemeinde Dresden-Loschwitz, Dresden 2004, S. 35.</ref> In München gründete Pfarrer Ullrich Wagner am 29. Juli 1989 den „Verein für den Wiederaufbau der evangelischen Kirche in Dresden-Loschwitz e. V.“, der Spendengelder sammelte. Im November 1989 wurde offiziell der Beginn des Wiederaufbaus bekannt gegeben. Am 29. Juni 1991 erfolgte die symbolische Grundsteinlegung. Die Finanzierung des Wiederaufbaus erfolgte in den folgenden Jahren hauptsächlich aus Spendengeldern: Neben den Geldern des Münchner Vereins unterstützten die [[Deutsche Stiftung Denkmalschutz]], die [[Körber-Stiftung]], die [[Dresdner Bank]], das Regierungspräsidium und zahlreiche Privatleute den Wiederaufbau. Auch Dresdner Künstler wie [[Theo Adam]], [[Peter Schreier]] und [[Udo Zimmermann]] leisteten unter anderem mit Benefizkonzerten ihren Beitrag. Am 3. Oktober 1992 wurde das Richtfest gefeiert. Bei der äußerlichen Gestaltung richteten sich die Architekten nach dem Originalbau von 1708, so zeigt sich zum Beispiel der Putz des Kirchenbaus wieder in Altrosa. Gleichzeitig berichtigten sie statische Fehler George Bährs im Dachtragwerk. Die äußere Erneuerung der Kirche kam am 2. Oktober 1994 mit der Wiederweihe der Loschwitzer Kirche zum Abschluss. Es folgte der Innenausbau. Bereits kurz vor der Kirchweihe 1994 hatte die [[Hannover]]aner Gemeinde St. Johannis der Loschwitzer Kirche das alte Gestühl der renovierten [[Neustädter Kirche (Hannover)|Neustädter Kirche]] geschenkt. Neben einem provisorischen Altar wurden bis 1997 auch die beiden Emporen aufgebaut, sodass am 5. Oktober 1997 die neue [[Orgelwerkstatt Wegscheider|Wegscheider-Orgel]] geweiht werden konnte. Der neue Taufstein und das Lesepult stammen vom Dresdner Künstler [[Peter Makolies]]. Der alte Kanzelaltar konnte nicht restauriert werden, da er zu stark beschädigt war. Im Jahr 2002 fand der [[Nosseni-Altar]] der 1945 zerstörten und 1963 abgetragenen [[Sophienkirche (Dresden)|Dresdner Sophienkirche]] in der Loschwitzer Kirche einen neuen Standort. Im Einklang mit den Farben des Altars erhielt der Kircheninnenraum 2004 einen Anstrich in gelben Farbtönen mit weißen Hervorhebungen. Von 2004 bis 2009 war die Loschwitzer Kirche, da sie der Kulturlandschaft zwischen den Schlössern [[Schloss Übigau|Übigau]] und [[Schloss Pillnitz|Pillnitz]] angehört, Teil des UNESCO-Weltkulturerbes Dresdner Elbtal. == Baubeschreibung == === Äußeres === [[Datei:Grundrisse Loschwitzer Kirche.jpg|miniatur|Links der breitere Grundentwurf, rechts der verwirklichte schmalere Bau]] Die Loschwitzer Kirche hebt sich in ihrer äußeren Gestalt deutlich von den zur damaligen Zeit schlichten Dorfkirchen ab. Sie wurde im Anklang an den [[Barock|barocken]] [[Zentralbau]] [[Oktogon (Architektur)|oktogonal]], jedoch langgestreckt als Saalbau angelegt. Ein erhaltener Entwurf zeigt, dass die Loschwitzer Kirche ursprünglich verkürzt und breiter angelegt war und damit eher dem regelmäßigen Achteck eines typischen barocken Zentralbaus entsprochen hätte. Der einzige Zugang hätte sich auf der Westseite der Kirche befunden, alle anderen Seiten wären mit Betstübchen umbaut gewesen. Der Entwurf hätte am gleichen Ort wie der realisierte Bau gestanden, der sich rund 2,5 Meter über der schon damals angelegten Straße befand. Der Zugang zum Grundstück war daher als asymmetrische [[Freitreppe]] geplant.<ref name="Möllering">Wilhelm Möllering: ''George Bähr, ein protestantischer Kirchenbaumeister des Barock''. Frommhold & Wendler, Leipzig 1933, S. 33.</ref> Es ist nicht bekannt, wie das Äußere dieser Kirche geplant war. „Der Grund, den Entwurf nicht auszuführen, wird der gewesen sein, dass bei dem abschüssigen Gelände die Fundamentarbeiten zu schwierig gewesen wären. Deswegen wurde wahrscheinlich das Achteck verschmälert.“<ref name="Möllering"/> Die Loschwitzer Kirche ist mit der Sakristei 27,7 Meter lang und 16,3 Meter breit. Die Höhe ohne Wetterfahne beträgt 41,5 Meter. Der Zugang erfolgt beim ausgeführten Entwurf einerseits auf der ursprünglich geplanten Seite durch das Westportal, das auch heute noch der hauptsächlich genutzte Eingang der Kirche ist. Der Schlussstein der Toreinfassung trägt die Inschrift ''Proximo datum'' ''(Dem Nächsten übergeben)''. [[Datei:Sonnenuhr Loschwitzer Kirche.jpg|miniatur|Geschmückter Teil des südlichen Hauptportals mit darüber aufgemalter Vertikalsonnenuhr]] Ein zweiter Zugang zum Kirchenschiff ist über die der [[Elbe]] zugewandten südlichen „Schauseite“ der Kirche möglich, die mit dem Hauptportal reich geschmückt ist. Das Hauptportal aus [[Putz (Baustoff)|unverputztem]] [[Sandstein]] wird von je drei [[Ionische Ordnung|ionischen]] [[Pilaster]]n flankiert, die in eine [[Verdachung|Überdachung]] münden. Zwischen dem Schlussstein der Toreinfassung, der die Inschrift ''DEO REDDITUM'' ''(Gott übergeben)'' trägt, und der Überdachung befinden sich zwei typisch barocke, ungefüllte [[Kartusche (Kunst)|Kartuschen]], die von einer schlichten Krone überragt werden. [[Datei:Loschwitzer Kirche Sonnenuhr 1895.jpg|miniatur|left|Die ursprüngliche Gestaltung der Sonnenuhr, Ausschnitt aus einer Fotografie von August Kotzsch um 1895]] Zwischen dem [[Portal (Architektur)|Hauptportal]] und dem darüber liegenden Fenster ist eine Vertikalsonnenuhr in Form eines geschlungenen weißen Bandes aufgemalt, die die Zeit von etwa 10 bis 19 Uhr anzeigt. Während sich die in weißem Kalkmörtel gestaltete Sonnenuhr bereits am ursprünglichen Gebäude befand, war sie während der Restaurierung 1898/99 „mit Beibehaltung der alten Conture jetzt in Kalkmörtel und Cement freihändig ausgeführt und so zu plastischer Wirkung gebracht worden.“<ref name="Gesammtüberblick 9"/> Teile der Uhr, wie Ziffern und Markierungen, waren vermutlich vergoldet.<ref name="Denkmalpflege 5">Eberhard Münzner: ''Bericht über die den Wiederaufbau begleitenden denkmalpflegerischen Untersuchungen''. Denkmalschutzamt, Landeshauptstadt Dresden 1995, S. 5.</ref> Der Brand der Loschwitzer Kirche 1945 zerstörte die Sonnenuhr zu rund 50 Prozent.<ref name="Denkmalpflege 5"/> Die heutige Ausführung ist wie die erste Sonnenuhr aufgemalt, zeigt aber ein anderes Muster. Wie auf alten Dokumenten sichtbar ist, war die Zeichnung ursprünglich nicht symmetrisch, sondern ging auf der rechten Seite höher als auf der linken. Die angezeichnete Zahl „VIII“ fehlt daher aus Platzgründen auf der heutigen Sonnenuhr. An der Südseite der Kirche schließt sich die eingeschossige Sakristei an, die von außen zugänglich ist. An der Nordseite der Kirche befanden sich am Ursprungsbau zudem ebenerdige Betstübchen. Das Gebäude ist heute wie in der ursprünglichen Form [[Rosa (Farbe)#Farblehre|altrosa]] [[Putz (Baustoff)|geputzt]], in der Zeit zwischen der Renovierung 1898/99 und der Zerstörung der Kirche 1945 war das Äußere der Kirche grau verputzt. Die hohen [[Stichbogen]]fenster, die mittig geteilt sind, werden durch weiß geputzte [[Fasche]]n betont. Der obere Abschluss weist eine kleine Überdachung mit einem hervorgehobenen Schlussstein auf. Weiß verputzt sind ebenso die Ecken der Kirche, die mit Gestein verstärkt wurden (sogenannte [[Lisene]]n) und in ein stilisiertes [[Akanthus (Ornament)|Akanthus-Blatt]] übergehen, das wiederum mit dem ebenfalls weiß verputzten [[Gesims|Hauptgesims]] verbunden ist. Das steile [[Mansarddach]] der Kirche, das neun Dachfenster mit weiß geputzter Umfassung besitzt, ist mit roten Dachziegeln gedeckt. Daran schließt sich der hoch aufragende, fast turmartige [[Dachreiter]] an, der mit [[Schiefer]] gedeckt ist und durch eine für George Bährs Bauten typische „[[Haube (Architektur)|Welsche Haube]]“ abgeschlossen wird. === Inneres === Der Innenraum der Kirche entsprach in seiner Schlichtheit einer Dorfkirche. Im Kirchenschiff standen zu beiden Seiten des Mittelgangs Kirchenbänke, die für die Frauen der Gemeinde reserviert waren. Unterhalb der hölzernen Emporen, die für die Männer bestimmt waren, lagen in zwei Reihen leicht erhöhte Bankreihen, auf denen die Weinbergsbesitzer mit ihren Familien saßen. Gegenüber der Kanzel über dem Westportal befanden sich auf der ersten Empore die Patronatsloge und in der darüberliegenden zweiten Empore die Orgel und der Platz für den Chor. An der Brüstung der zweiten Empore stand die Inschrift ''Sanctus Sanctus Sanctus Dominus Deus [[Zebaoth]]''. Insgesamt bot die Loschwitzer Kirche Platz für 820 Gläubige.<ref>Annette Dubbers (Hrsg.): ''Loschwitz''. Eigenverlag, Dresden 2003, S. 16.</ref> Die Ecken der Kirche waren mit Pilastern geschmückt, die in [[Volute]]n[[kapitell]]e mündeten, woran sich das [[Spiegelgewölbe]] anschloss. In dessen Mitte war ein [[Deckenmalerei|Deckengemälde]] des Malers [[Johann Gottlob Schieritz]] († 1738) zu sehen, das den „Lobpreis Gottes zeigte“<ref>Eberhard Münzner: ''Die Kirche zu Dresden Loschwitz''. Schnell & Steiner, Regensburg 1994, S. 5.</ref> und von einem [[Stuck]]rahmen umschlossen war. Nach fast 200 Jahren wurde der Innenraum der Loschwitzer Kirche durch [[Karl Emil Scherz]] in den Jahren 1898 und 1899 komplett renoviert. Dabei ersetzte man das Gestühl, die Emporen und die Bankreihen der Weinbergbesitzer durch eine zeitgemäßere Einrichtung, die jedoch das Prinzip der zwei Emporen beibehielt. Die Kirche präsentierte sich „im Inneren in einer dem damaligen Empfinden entsprechenden dunkleren, Farbe und Licht zurückdrängenden Gestalt.“<ref>Otto-R. Wenzel: ''Die Loschwitzer Kirche – Bau, Zerstörung und Wiederaufbau''. In: Ev.-Luth-Kirchgemeinde Dresden-Loschwitz (Hrsg.): ''300 Jahre Kirchgemeinde Dresden-Loschwitz. Festschrift''. Ev.-Luth. Kirchgemeinde Dresden-Loschwitz, Dresden 2004, S. 33.</ref> Neben einem dunklen Gestühl sorgte dafür auch der Innenanstrich in olivgrün. ==== Fenster ==== [[Datei:Sakristeifenster Loschwitzer Kirche.jpg|miniatur|Fenster der Sakristei mit Bleiverglasung und Glasmalerei]] Der ursprüngliche Kirchenbau besaß Fenster mit [[Butzenscheibe]]n, wie sie zum Beispiel noch heute bei der fast zeitgleich erbauten [[St.-Georgen-Kirche (Schwarzenberg)|St.-Georgen-Kirche]] in Schwarzenberg vorzufinden sind. Ab 1807 wurden die Fenster durch preiswerte Flachglastafeln ersetzt, die schließlich einheitlich in Holzrahmenfenster eingesetzt wurden. Bis zur Renovierung 1898/99 existierten nur noch drei Fenster mit den ursprünglichen Butzenscheiben.<ref name="Denkmalpflege 5"/> Bei der Renovierung erhielten alle Fenster Bleiverglasungen der Firma Urban und Goller. Die beiden neuen Altarfenster stiftete der Loschwitzer Maler [[Eduard Leonhardi]]. Nach einer Idee Leonhardis entwarf der Loschwitzer Maler [[Georg Schwenk]] biblische Motive, mit denen beide Fenster versehen wurden: „Es sollten das Gottvertrauen durch den im Garten von [[Gethsemane]] betenden Christus und die Nächstenliebe durch den in der Ausübung seiner barmherzigen That begriffenen Samariter zur Darstellung gelangen und so wie diese Aufgabe gelöst ward, würdig und wirksam, gereichte sie nicht nur dem Herrn Auftraggeber, sondern auch der damit beglückten Kirchgemeinde zur Freude.“<ref>M. J. Nestler: ''Gesammtüberblick über die Loschwitzer Kirchenerneuerung''. In: ''Sachsens Elbgau-Presse'', 2. Beilage. 14. Jahrgang, Nummer 87, 16. April 1899, S. 10.</ref> Neben den Altarfenstern wurden auch die restlichen Fenster des Kirchenschiffs gestaltet. Die Firma Urban und Goller schuf dafür in einfacher, matter Färbung im oberen Fensterteil kirchliche Embleme und darunter je einen Bibelspruch. Die Fenster des Kirchenschiffs erhielten zudem Vorrichtungen zum Öffnen. Bei der Bombardierung 1945 wurden alle Fenster der Kirche zerstört. Von den Glasmalereien konnten nur zwei kleine Fragmente aus den Trümmern gerettet werden. Beim Wiederaufbau verzichtete man auf Glasmalereien und entschied sich für einfache, kleinteilige Holzrahmenfenster, wie sie George Bähr zum Beispiel auch bei der [[Schmiedeberg (Erzgebirge)|Schmiedeberger]] Kirche ''Zur Heiligen Dreifaltigkeit'' verwendet hatte. Die Fenster der Sakristei sind im Gegensatz dazu mit Bleiverglasungen und kleinen Glasmalereien versehen. ==== Altar ==== [[Datei:August Kotzsch - Inneres der Loschwitzer Kirche um 1875.jpg|miniatur|August Kotzsch – Inneres der Loschwitzer Kirche um 1875<ref>Der Kronleuchter aus Glas wurde 1864 von den Gesangsvereinen Liedertafel und Bagatelle aus Loschwitz und Liederhalle aus Wachwitz „ersungen“. Vgl. Pohle, S. 134.</ref>]] [[Datei:Mensa Loschwitzer Kirche.jpg|miniatur|Mensa der Loschwitzer Kirche mit Teilen des alten Kanzelaltars]] Der Altar aus Sandstein, der erste Kanzelaltar in der Dresdner Umgebung,<ref>Hartmut Mai: ''Der evangelische Kanzelaltar. Geschichte und Bedeutung''. Niemeyer, Halle (Saale) 1969, S. 43.</ref> bildete das Herz der Kirche. Er war eine Schenkung des Senators Küffner an die Kirche. Die Kanzel wurde von mehreren [[Pilaster]]n und einer [[Korinthische Ordnung|korinthischen Säule]] zu jeder Seite umrahmt, die in einen [[Fries]] mit kleinen [[Putte|Engelsköpfen]] mündeten. Pilaster und Säulen waren aus [[Stuckmarmor]] gefertigt, während der Kanzelkorb, an dem sich ein Relief mit der Abbildung des [[Schweißtuch der Veronika|Schweißtuchs der Veronika]] befand, aus Holz bestand. Zwischen Kanzel und Fries war die Figur einer die Schwingen öffnenden Taube angebracht. Auf dem Giebel überhalb des Frieses befand sich ein flammendes Herz, das mit dem Tetragramm [[JHWH|<big> יְהֹוָה </big>]] („Jehowáh“) beschriftet war und von [[Palmwedel]]n flankiert wurde. Zahlreiche Teile der Inneneinrichtung, wie der Taufstein, das Kruzifix und das Taufbecken, aber auch der Priesterrock und die Altarleuchter, wurden von Privatpersonen gespendet.<ref>Liste der Geschenke vgl. Pohle, S. 131–133.</ref> Während der Renovierung Ende des 19. Jahrhunderts blieb der Altar weitgehend in seinem Originalzustand. Teile des Altars wurden vergoldet und der Altartisch nun von zwei Marmorsäulen getragen. Der Altarraum wurde mit Marmorplatten ausgelegt. Der bei der Renovierung genutzte Marmor stammte aus den [[Saalburger Marmor]]werken.<ref name="Gesammtüberblick 11">''Gesammtüberblick über die Loschwitzer Kirchenerneuerung'', S. 11.</ref> Auf dem flammenden Herz wurde das Tetragramm durch das [[Christusmonogramm]] getauscht und auf zwei seit 1708 ungenutzte Postamente am Altar die lebensgroßen Statuen des [[Johannes (Apostel)|Johannes]] und [[Paulus von Tarsus]]<ref>Münzner gibt an, die Figuren hätten [[Simon Petrus]] und Paulus dargestellt. Vgl. Münzner: ''Die Kirche zu Dresden Loschwitz'', S. 9. Diese Angabe ist allerdings zurückzuweisen, da Johannes durch sein Attribut, den Kelch, eindeutig identifizierbar ist.</ref> gesetzt, die [[Robert Ockelmann]] geschaffen hatte. Durch den Brand der Kirche 1945 wurde auch der Altar schwer beschädigt und verwitterte in den folgenden Jahren, sodass er wegen Einsturzgefahr 1969 teilweise abgetragen wurde. Eine Rekonstruktion war aufgrund des starken Verfalls nicht möglich. Während des Wiederaufbaus der Kirche wurde der verbliebene Altarunterbau entfernt. Teile fanden als [[Stipes]] für einen provisorischen Altartisch Verwendung,<ref>Münzner: ''Bericht über die den Wiederaufbau begleitenden denkmalpflegerischen Untersuchungen'', S. 6.</ref> den der Bildhauer Ole Göttsche 1994 schuf. Er steht noch heute vor dem Altar und hat seine Funktion als [[Mensa (Altar)|Mensa]] behalten. : → ''Hauptartikel: [[Nosseni-Altar]]'' Am 1. April 1993 stellte die Loschwitzer Kirchgemeinde beim Landeskirchenamt den Antrag, den [[Nosseni-Altar]] der 1945 zerstörten und 1963 abgetragenen [[Sophienkirche (Dresden)|Dresdner Sophienkirche]] in die Loschwitzer Kirche zu übernehmen. Der 1606/07 entworfene Altar aus [[Alabaster]], Marmor und Sandstein lagerte zu dieser Zeit in rund 350 Einzelteilen an verschiedenen Orten Dresdens.<ref>Dubbers, S. 18.</ref> Da die räumlichen Voraussetzungen für eine Aufstellung des Altars gegeben waren, begann 1998 die Rekonstruktion und Restaurierung des Altars. Am 6. Oktober 2002 wurde der elf Meter hohe Nosseni-Altar in der Loschwitzer Kirche feierlich geweiht. ==== Kirchenschmuck ==== [[Datei:Christian Gottlieb Kühn - Trauernder Genius.jpg|miniatur|Christian Gottlieb Kühns Grabfigur ''Trauernder Genius mit verlöschender Fackel'' in der Loschwitzer Kirche]] Der Kircheninnenraum ist schlicht gehalten und vom Altar abgesehen nahezu schmucklos. Bereits [[Cornelius Gurlitt (Kunsthistoriker)|Cornelius Gurlitt]] erwähnte in seiner Inventarisierung der Kunst- und Baudenkmäler Sachsens 1904 zwei Sandsteintafeln, die sich noch heute hinter dem Altar befinden und in lateinischer Sprache auf die Geschehnisse rund um den Kirchenbau eingehen.<ref>Cornelius Gurlitt: ''Beschreibende Darstellung der älteren Bau- und Kunstdenkmäler des Königreichs Sachsen''. Band 26. Meinhold, Dresden 1904, S. 84–89.</ref> An der südlichen Kirchenwand weist heute eine weitere Sandsteintafel auf die Gründung einer Stiftung im Jahr 2004 hin. Schon während der Erneuerung der Kirche 1898/99 verschwand das Deckengemälde von Johann Schieritz, das auch im Zuge des Neubaus der Kirche nicht ersetzt wurde. Im Jahr 1904 befanden sich im Kirchenraum mehrere Gemälde, so ein „Bildniss [[Philipp Melanchthon|Melanchthons]]“<ref name="Gurlitt 90">Gurlitt, S. 90.</ref>, das 73&nbsp;cm&nbsp;×&nbsp;145&nbsp;cm maß und ein Werk „nach Lukas Cranach“<ref>Gurlitt, S. 90. Er gibt keine Erklärung, ob [[Lucas Cranach der Ältere]] oder [[Lucas Cranach der Jüngere]] gemeint war, die beide Bildnisse von Melanchthon fertigten.</ref> war, das Gurlitt auf das 17. Jahrhundert datierte. Ein zweites, jedoch stark übermaltes Gemälde stellte den Pastor Johann Arnold dar und maß 60&nbsp;cm&nbsp;×&nbsp;85&nbsp;cm. Ein Brustbild [[Martin Luther]]s, das die Gemeinde 1846 vom Weinbergsbesitzer Gottlob Reintanz erhalten hatte und das sich seitdem an der nördlichen Kirchenwand befand,<ref>Ernst Hirsch, Matthias Griebel, Volkmar Herre: ''August Kotzsch 1836–1910. Photograph in Loschwitz bei Dresden''. VEB Verlag der Kunst, Dresden 1986, S. 162.</ref> erwähnt Gurlitt nicht, sodass es möglicherweise während der Renovierung entfernt wurde. Das „Gemälde des Gekreuzigten“ (105&nbsp;cm&nbsp;×&nbsp;142&nbsp;cm), das Cornelius Gurlitt auf die zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts datierte und als Kopie des [[Anthonis van Dyck]] einschätzte,<ref name="Gurlitt 90"/> befand sich in der Sakristei und überstand die Bombardierung.<ref>Münzner: ''Die Kirche zu Dresden Loschwitz'', S. 8.</ref> Der erste Taufstein bestand aus Lindenholz und zeigte Engel, die einen Korb mit der Taufschüssel tragen. Der Deckel war kronenartig gestaltet und mit Blumengirlanden geschmückt.<ref>Münzner: ''Die Kirche zu Dresden Loschwitz'', S. 6.</ref> Auf der Spitze befand sich ein Kreuz. Der erste Taufstein wurde 1945 zerstört, während andere Kirchengeräte im Tresorraum der Kirche untergebracht waren und erhalten blieben, so ein Bronzeleuchterpaar aus dem Jahr 1709. Der Dresdner Künstler [[Peter Makolies]] schuf in den 1990er Jahren neben einem Lesepult auch den neuen Taufstein der Loschwitzer Kirche. Auf einem schlichten Sockel befindet sich die einfach gehaltene Schale, deren Deckel eine kleine Figur ziert, die [[Johannes der Täufer|Johannes den Täufer]] darstellt. Eine der Figurennischen an der Nordseite der Kirche ist heute von einer hölzernen Figur des gekreuzigten Jesus belegt. In einer weiteren Nische ist die Grabfigur ''Trauernder Genius mit verlöschender Fackel'' von [[Christian Gottlieb Kühn]] aufgestellt. Ursprünglich befand sie sich auf dem [[St.-Pauli-Friedhof]], wurde später auf den Loschwitzer Kirchfriedhof überführt und schließlich aus Witterungsgründen in der Kirche untergebracht. == Orgel == [[Datei:Kirchenschiff Loschwitzer Kirche.jpg|miniatur|Das einzig erhaltene Foto der Leibner-Orgel um 1885;<ref>Vgl. „Da es leider nur ein einziges Foto gibt, auf dem die Leibnerorgel kurz vor dem Umbau der Kirche zu erkennen ist …“ Kristian Wegscheider: ''Die neue Loschwitzer Orgel''. In: Marianne Kunze (Red.): ''Festschrift zur Orgelweihe, 5. Oktober 1997 in der Kirche zu Dresden-Loschwitz''. Ev.-Luth. Kirchgemeinde Dresden-Loschwitz, Dresden 1997, S. 10.</ref> Foto von August Kotzsch]] Eine Orgel konnte sich die Loschwitzer Gemeinde in den Anfangsjahren nicht leisten, „zur Begleitung des Gesanges [wurde] nur ein Positiv benutzt“<ref>Friedrich Wilhelm Pohle: ''Chronik von Loschwitz''. Verlag Christian Teich, Dresden 1883, S. 142.</ref>, das aus der [[Dreikönigskirche (Dresden)|Dreikönigskirche]] überbracht worden war. Als die Kirche „Zu unserer Lieben Frauen“ abgerissen wurde und ab 1726 der Neubau der barocken Frauenkirche begann, war die von Tobias Weller 1619 gebaute Orgel der alten Frauenkirche vakant geworden. Aus der alten Frauenkirchenorgel und einer zweiten baufälligen aus der [[Auferstehungskirche (Dresden)|Kirche des Dorfes Plauen]] entstanden bis 1753 zwei preiswerte Orgeln, von denen die Gemeinde Loschwitz eine erstand.<ref>Dubbers, S. 17, Pohle, S. 143.</ref> Die am 21. Oktober 1753 geweihte Loschwitzer Orgel wurde von [[Johann Christof Leibner]] geschaffen und enthielt elf Stimmen der alten Frauenkirchenorgel. Von Beginn an waren Reparaturen am Orgelwerk vonnöten. [[Datei:Wegscheider-Orgel Loschwitzer Kirche.jpg|miniatur|left|Wegscheider-Orgel, deren äußere Gestaltung der Leibner-Orgel nachempfunden ist]] Neben den alten Werkteilen sorgte auch der [[Gemeiner Nagekäfer|Holzwurmbefall]] des Instruments für zahlreiche Reparaturen. Während der Renovierung der Kirche 1898/99 wurde daher der Kauf einer neuen Orgel beschlossen, die die Gebrüder [[Jehmlich Orgelbau|Jehmlich]] schufen. „Am 9. März Nachmittags präsentirte sich dieselbe [Orgel] zum ersten Mal mit ihrem herrlichen stilvollen Prospekte und ihren Stimmen voll Kraft und Lieblichkeit und all der im Orgelbau neuesten Mechanik der erfreuten Kirchengemeinde.“<ref name="Gesammtüberblick 11"/> Da die neue Orgel größer als das ursprüngliche Instrument war, wurde die Orgelempore um einen Meter in den Kirchenraum erweitert. Im [[Erster Weltkrieg|Ersten Weltkrieg]] wurden die Prospektpfeifen aus Zinn im Zuge der Reichsmetallspende eingeschmolzen. Als Ersatz erhielt die Orgel Prospektpfeifen aus Zink.<ref>Eberhard Münzner: ''Die Loschwitzer Kirche und ihre Orgeln''. In: Marianne Kunze (Red.): ''Festschrift zur Orgelweihe, 5. Oktober 1997 in der Kirche zu Dresden-Loschwitz''. Ev.-Luth. Kirchgemeinde Dresden-Loschwitz, Dresden 1997, S. 15.</ref> Eine Erweiterung der Orgel fand 1927 statt, als ein drittes Manual für das [[Werk (Orgel)|Fernwerk]] hinzukam, dessen Pfeifenwerk auf dem Dachboden installiert wurde.<ref>Zum Vergleich: Die Frauenkirche in Dresden erhielt erst in den 1930er Jahren ein Fernwerk.</ref> Im folgenden Jahr wurde das Werk durch ein [[Celesta]]-Register erweitert; „die Loschwitzer Orgel soll um diese Zeit die einzige in Sachsen gewesen sein, die ein derartiges besaß.“<ref name="Münzner Orgeln">Eberhard Münzner: ''Die Loschwitzer Kirche und ihre Orgeln'', S. 16.</ref> Die Orgel der Loschwitzer Kirche wurde 1945 zerstört. Nach der Weihe der wiederaufgebauten Kirche 1994 wurde zunächst ein Orgelpositiv (Op. 654)<ref name="Münzner Orgeln"/> der Gebrüder Jehmlich aufgestellt, das die Gemeinde bereits 1951 erworben hatte. Am 5. Oktober 1997 erfolgte in der Loschwitzer Kirche die feierliche Weihe einer neuen [[Orgelwerkstatt Wegscheider|Wegscheider-Orgel]] mit einem Manual (2. Manual mit Wechselschleifen), Pedal und 20 Registern. Disposition der Wegscheider-Orgel:<ref>Kristian Wegscheider, S. 14</ref> {| border="0" cellspacing="0" cellpadding="10" style="border-collapse:collapse;" | style="vertical-align:top" | {| border="0" | colspan="4" | '''I Untere Klaviatur''' C–e<sup>3</sup> ---- |- | 1 || Principal || 8′<sup><ref group="Anm." name="zinn">Zinn.</ref></sup> |- | 2 || Bordun || 16′<sup><ref group="Anm." name="holzblei">C–H Holz, ab c Blei.</ref></sup> |- | 3 || Gedackt || 8′<sup><ref group="Anm." name="holzblei"/></sup> |- | 4 || Viola di Gamba || 8′<sup><ref group="Anm." name="zinn"/></sup> |- | 5 || Flauto traverso || 8′<sup><ref group="Anm." name="holz">Holz.</ref></sup> |- | 6 || Octave || 4′<sup><ref group="Anm." name="zinn"/></sup> |- | 7 || Rohrflöte || 4′<sup><ref group="Anm." name="bleizinn">Blei/Zinn.</ref></sup> |- | 8 || Flauto amabile || 4′<sup><ref group="Anm." name="holz"/></sup> |- | 9 || Nasat || 3′<sup><ref group="Anm." name="bleizinn"/></sup> |- | 10 || Octave || 2′<sup><ref group="Anm." name="zinn"/></sup> |- | 11 || Flöte || 2′<sup><ref group="Anm." name="zinn"/></sup> |- | 12 || Flageolet || 1′<sup><ref group="Anm." name="zinn"/></sup> |- | 13 || Tertia || 1<sup>3</sup>/<sub>5</sub>′<sup><ref group="Anm." name="blei">Blei.</ref></sup> |- | 14 || Mixtur III || 1<sup>1</sup>/<sub>3</sub>′<sup><ref group="Anm." name="zinn"/></sup> |- | 15 || Cornett III ''(ab g)'' || <sup><ref group="Anm." name="zinn"/></sup> |- | |} | style="vertical-align:top" | {| border="0" | colspan="2" | '''II Obere Klaviatur''' ---- |- | Bordun || 16′ |- | Gedackt || 8′ |- | Viola di Gamba || 8′ |- | Flauto traverso || 8′ |- | Rohrflöte || 4′ |- | Flauto amabile || 4′ |- | Nasat || 3′ |- | Flöte || 2′ |- | Tertia || 1<sup>3</sup>/<sub>5</sub>′ |- | |} | style="vertical-align:top" | {| border="0" | colspan="4" | '''Pedal''' C–e<sup>1</sup> ---- |- | 16 || Subbass || 16′<sup><ref group="Anm." name="holz"/></sup> |- | 17 || Oktavbass || 8′<sup><ref group="Anm." name="zinn"/></sup> |- | 18 || Violonbass || 8′<sup><ref group="Anm." name="holz"/></sup> |- | 19 || Posaune || 16′<sup><ref group="Anm.">Bleikehlen, Holzbecher.</ref></sup> |- | 20 || Octavbass || 4′<sup><ref group="Anm." name="zinn"/></sup> |} |} '''Anmerkungen''' <references group="Anm."/> Später wurde die Wegscheider-Orgel noch durch einen [[Zimbelstern]] ergänzt.<ref>Paul-Gerhard Weber: ''Kirchliches Leben in Loschwitz''. In: Ev.-Luth-Kirchgemeinde Dresden-Loschwitz (Hrsg.): ''300 Jahre Kirchgemeinde Dresden-Loschwitz. Festschrift''. Ev.-Luth. Kirchgemeinde Dresden-Loschwitz, Dresden 2004, S. 57.</ref> == Glocken == Die Loschwitzer Kirche besaß zu Beginn drei Glocken, wovon die größte sieben Zentner wog und eine zweite fünf Zentner. Sie wurden zwei Tage vor der Kirchenweihe am 1. August 1708 geweiht. Das Geläut der Loschwitzer Kirche wurde bereits 1710 mit einer [[Schlaguhr]] verbunden, die jedoch aus Kostengründen erst 1862 ein Ziffernblatt auf der Westseite des Kirchturms und 1878 ein zweites Ziffernblatt in Richtung Wachwitz erhielt. Nachdem sich bei der großen Kirchenglocke und der mittleren Risse gezeigt hatten, wurden für die Loschwitzer Kirche drei neue Glocken vom Königlich-Sächsischen Stückgießer [[Johann Gotthelf Große]] aus Dresden gegossen, die 1861 feierlich geweiht wurden:<ref>Tabelleninformationen zu den drei Glocken nach Pohle, S. 150f.</ref> [[Datei:August Kotzsch - Glockenweihe 1861.jpg|miniatur|August Kotzsch – Glockenweihe 1861]] {| class="wikitable" |- class="hintergrundfarbe5" ! Name !! Grundton !! Jahr !! Gewicht !! Inschrift !! Schmuck !! Sonderfunktion |- | Große Glocke || As || 1861 || 10 Zentner || „Versammelt mir meine Heiligen, die den Bund mehr achten, denn Opfer.“ (Psalm 50, 5); „Lobet den Herrn in seinem Heiligthume“ || Auge Gottes, umgeben von in Wolken schwebenden Engeln; Kelch mit überstehender Hostie || Stundenschlag |- | Mittlere Glocke || C || 1861 || 5 Zentner || „Friede sei mit euch.“ (Joh. 20, 19); „Kommt her zu mir, Alle, die ihr mühselig und beladen seid; ich will euch erquicken.“ (Matth. 11, 28) || Christusbild; Kreuz mit übergelegter Palme || Beicht- und Trauglocke |- | Kleine Glocke || Es || 1857 || 3 Zentner || „Erbauet Euch auf Euren allerheiligsten Glauben durch den heiligen Geist. Denn wie viel Euer getauft sind, die haben Christum angezogen.“ (Jud. 20); „Siehe, ich sehe den Himmel offen.“ (Apostel 7, 55) || von Strahlen umgebene Taube; Anker, dessen Stamm mit Efeu umrankt ist || Taufglocke |} Bei der Renovierung der Kirche 1898/99 ersetzte man alle drei Glocken durch neue. Für Kriegszwecke wurden zwei dieser Glocken eingeschmolzen und 1923 durch zwei neue Glocken ersetzt. Während des Zweiten Weltkriegs mussten erneut die beiden größten Glocken zum Einschmelzen abgegeben werden. Die Luftangriffe auf Dresden 1945 hatten schließlich die Kirche „so gründlich zerstört, dass selbst von der Taufglocke, der einzigen, die nicht wiederum für den Krieg eingeschmolzen worden war, nichts gefunden wurde. Erst später entdeckte man bei Aufräumungsarbeiten in der Ruine einen kleinen Bronzerest von ihr.“<ref name="Wenzel 34"/> Die „Junge Gemeinde“ errichtete in der Kirchruine 1969 einen provisorischen Glockenstuhl, der mit drei neuen Bronzeglocken der Gießerei Schilling aus Apolda versehen wurde. Die insgesamt fünfte Glockenweihe in der Geschichte der Loschwitzer Kirche erfolgte am 2. November 1969. {| class="wikitable" |- class="hintergrundfarbe5" ! Name !! Grundton !! Jahr !! Gewicht in kg !! Inschrift !! Durchmesser<br />in Zentimeter !! Sonderfunktion |- | Große Glocke || style="text-align:right;"|e′ || style="text-align:right;"|1969 || style="text-align:right;"|1300 || „Jesus Christus gestern und heute und derselbe auch in Ewigkeit.“ || style="text-align:right;"|126 || Sterbeglocke |- | Mittlere Glocke || style="text-align:right;"|g′ || style="text-align:right;"|1969 || style="text-align:right;"|720 || „Lobe den Herren meine Seele und vergiß nicht, was er dir Gutes getan hat.“ || style="text-align:right;"|104 || Trauglocke |- | Kleine Glocke || style="text-align:right;"|a′ || style="text-align:right;"|1969 || style="text-align:right;"|500 || „Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben, niemand kommt zum Vater denn durch mich“ || style="text-align:right;"|91 || Taufglocke |} == Der Kirchhof == Vor dem Bau der Loschwitzer Kirche wurden die Toten des Dorfes Loschwitz seit 1571 auf dem ersten [[Johannisfriedhof (Dresden)|Johannisfriedhof]] vor dem Pirnaischen Tor beerdigt. Mit dem Bau der Kirche legte man in spätmittelalterlicher Tradition auch zwei Grabfelder auf dem Kirchhof an, die der Gemeinde als Friedhof dienen sollten. In der nordwestlichen Ecke des Grundstücks befand sich ein Bahrenhaus. {| align="right" | [[Datei:Kotzsch - Grab um 1870 Loschwitzer Kirchhof.jpg|miniatur|August Kotzsch – Grabsäule um 1870]] | [[Datei:Loschwitzer Kirchhof.JPG|miniatur|Dasselbe Grab mit deutlichen Verfallsspuren 2009]] |} Bis um 1800 war der Loschwitzer Kirchhof der einzige Friedhof des Dorfes. Die ersten Beerdigungen fanden bereits vor der Fertigstellung der Anlage 1710 statt. Die kleine Fläche konnte in den folgenden Jahren nicht erweitert werden: Östlich, südlich und nördlich der Kirche befanden sich Weinberge, westlich der Kirche lag 2,5 Meter unterhalb von ihr die heutige Pillnitzer Landstraße, „bis 1885 ein kaum vier Meter breiter, unbefestigter Fahrweg“.<ref>Kotzsch, S. 161.</ref> Kirche und Kirchhof konnten schon zur Zeit des Baus nur über eine doppelläufige Rampe erreicht werden, waren so jedoch optimal vor Hochwasser geschützt. Im Jahr 1800 wurde zur Entlastung des Kirchhofs der [[Loschwitzer Friedhof]] angelegt, sodass bis 1907 nur noch vereinzelt Bestattungen, zumeist Erbbegräbnisse, auf dem Kirchhof vorgenommen wurden. Während die Loschwitzer Kirche 1945 zerstört wurde, waren am Kirchfriedhof nur kleinere Schäden zu verzeichnen. Die zumeist aus Sandstein bestehenden Grabmale verfielen jedoch in den folgenden Jahrzehnten oder wurden durch Vandalen zerstört.<ref>Barbara Rühl: ''Zur Geschichte des Loschwitzer Friedhofes''. In: Ev.-Luth-Kirchgemeinde Dresden-Loschwitz (Hrsg.): ''300 Jahre Kirchgemeinde Dresden-Loschwitz. Festschrift''. Ev.-Luth. Kirchgemeinde Dresden-Loschwitz, Dresden 2004, S. 100.</ref> Während des Wiederaufbaus der Loschwitzer Kirche wurden die Grabsteine zunächst vollständig entfernt. Im Jahr 1998 begann die Rekonstruktion und denkmalgerechte Restaurierung der Anlage, die 2003 abgeschlossen wurde. Der Loschwitzer Kirchfriedhof ist heute eine „der wenigen original erhaltenen neuangelegten Kirchhofsanlagen in der Dresdner Gegend … Auf engstem Raum kann hier die Entwicklung der Grabdenkmal- und Grabanlagengestaltung vom Spätbarock bis zum Historismus betrachtet werden.“<ref>Schautafel im [[Lapidarium]].</ref> Seit 1978 steht der Kirchhof unter Denkmalschutz. An der nordwestlichen Ecke des Grundstücks befindet sich heute ein Lapidarium, wo neben verfallenen Grabplastiken und einer Erinnerungsplatte an gefallene Soldaten des Deutsch-Französischen Kriegs 1870/71 auch eine restaurierte Reproduktion der Grabplatte des Komponisten [[Johann Gottlieb Naumann]] zu sehen ist, der als Kind in der Loschwitzer Kirche seine erste musikalische Ausbildung erhielt. Naumanns Grab befindet sich auf dem [[Eliasfriedhof]] in Dresden. Auf dem westlichen Feld des Kirchfriedhofs befinden sich unter anderem die Gräber des Autors [[Eduard Maria Oettinger]] und des ersten Loschwitzer Chronisten und Kantors der Loschwitzer Kirche [[Friedrich Wilhelm Pohle]]. Bedeutende Loschwitzer Persönlichkeiten auf dem westlichen Gräberfeld sind zum Beispiel Friedrich Wilhelm Seebe (1791–1867), Besitzer des Weinbergs Eckberg, Carl Gottfried Fischer (1783–1802), Besitzer des Gasthofes „Weißer Hirsch“, und zahlreiche Mitglieder der Fährmeisterfamilie Modes, die über mehr als 100 Jahre die Fährgerechtigkeit der Loschwitzer Fähre besaßen. <gallery> Datei:Loschwitzer Kirchfriedhof Westfeld.jpg|Westliches Gräberfeld Datei:Östliches Gräberfeld Loschwitzer Kirche.jpg|Südöstliches Gräberfeld Datei:Lapidarium Loschwitzer Kirche.jpg|Lapidarium Datei:Gedenkstein Kügelgen Loschwitzer Kirche.jpg|Gedenkstein für Gerhard und Wilhelm von Kügelgen </gallery> Auf dem südöstlich gelegenen, kleineren Gräberfeld sind heute noch fünf Grabsteine erhalten, darunter die Begräbnisstätte von [[James Ogilvy, 7. Earl of Findlater|Lord Jacob Graf von Findlater]] und seines Geliebten Johann Georg Christian Fischer. Das Grab einer Tochter des Dresdner Goldschmidts [[Johann Melchior Dinglinger]] ist nicht erhalten. Vor dem südlichen Kirchportal befindet sich seit 1920 ein Gedenkstein von Bildhauer [[Heinrich Wedemeyer]] (1867–1941) für den in Loschwitz ermordeten Maler [[Gerhard von Kügelgen]] und seinen Sohn [[Wilhelm von Kügelgen]], der in seiner Autobiografie ''Jugenderinnerungen eines alten Mannes'' Loschwitz ein literarisches Denkmal setzte. ; Die Loschwitzer Kirche als Begräbnisstätte Die Loschwitzer Kirche diente im 18. Jahrhundert als Begräbnisstätte. Gräber befanden sich in extra dafür angelegten [[Gruft|Grüften]] im Altar-, Seiten- und Mittelgangsbereich. Die genaue Anzahl an Grabstellen kann nicht rekonstruiert werden. Eine erste Aufzählung von fünf Grüften, die mit [[Bronze|bronzenen]] [[Epitaph (Grabschmuck)|Epitaphen]] gekennzeichnet waren, nahm der Loschwitzer Chronist und Kantor [[Friedrich Wilhelm Pohle]] 1883 vor. Hinter drei Kreuzen und Sternen auf einer Bodenplatte im Mittelgang vermutete Pohle „Begräbnisstätten von Pfarrerskindern in Loschwitz“.<ref>Friedrich Wilhelm Pohle: ''Chronik von Loschwitz''. Verlag Christian Teich, Dresden 1883, S. 152.</ref> Erst eine Untersuchung der Grabstellen während des Wiederaufbaus der Loschwitzer Kirche Anfang der 1990er-Jahre ergab, dass auch diese Stelle die Gruft einer heute unbekannten Person kennzeichnete. Die Grüfte wurden unter anderem während der Renovierung der Kirche 1898/99 gestört und zum Teil geräumt. Nach Ende der Renovierung brachte man die einfachen bronzenen Inschriftstafeln an den Wänden an. Während der Inventarisierung der Kunst- und Baudenkmäler Sachsens beschrieb Cornelius Gurlitt 1904 detailliert die fünf Bronzeplatten der bekannten Gräber, die im Zweiten Weltkrieg der Reichsmetallspende zum Opfer fielen. Nur von einer Gruft im Mittelgang, die weder Pohle noch Gurlitt beschrieben, ist das Epitaph erhalten und befindet sich heute im Pfarrarchiv. == Nutzung == Die Loschwitzer Kirche wurde als Dorfkirche für die 1704 neugegründete Loschwitzer Gemeinde erbaut. Nach der Zerstörung der Kirche 1945 fand der Gottesdienst im Kirchgemeindehaus auf der Grundstraße 36 statt. Seit der Kirchweihe am 2. Oktober 1994 ist die Loschwitzer Kirche wieder das Zentrum der Gemeinde. Neben sonntäglichen Gottesdiensten finden im Gebäude auch Trauungen statt. Seit der Weihe der Wegscheider-Orgel am 5. Oktober 1997 hat sich die Kirche zu einem beliebten Konzertort in Dresden entwickelt. Die Wegscheider-Orgel „beeindruckt durch einen fantastischen Raumklang“<ref>''Die Loschwitzer Kirche – Im Wandel der Zeit''. Dokumentarfilm, Ravir Film GbR 2008.</ref> und wurde bereits für CD-Einspielungen genutzt. Auch Konzerte in der Loschwitzer Kirche sind auf CD erschienen. == Literatur == * Annette Dubbers (Hrsg.): ''Loschwitz''. Eigenverlag, Dresden 2003, S. 15–18. * Ev.-Luth-Kirchgemeinde Dresden-Loschwitz (Hrsg.): ''300 Jahre Kirchgemeinde Dresden-Loschwitz. Festschrift''. Ev.-Luth. Kirchgemeinde Dresden-Loschwitz, Dresden 2004. * [[Cornelius Gurlitt (Kunsthistoriker)|Cornelius Gurlitt]]: ''Beschreibende Darstellung der älteren Bau- und Kunstdenkmäler des Königreichs Sachsen''. Band 26. Meinhold, Dresden 1904, S. 84–89. * Marianne Kunze (Red.): ''Festschrift zur Orgelweihe, 5. Oktober 1997 in der Kirche zu Dresden-Loschwitz''. Ev.-Luth. Kirchgemeinde Dresden-Loschwitz, Dresden 1997, * [[Heinrich Magirius]]: ''Der Nosseni-Altar aus der Sophienkirche in Dresden''. Verlag der Sächsischen Akademie der Wissenschaften, Leipzig 2004. * Wilhelm Möllering: ''George Bähr, ein protestantischer Kirchenbaumeister des Barock''. Frommhold & Wendler, Leipzig 1933, S. 32–36. * Eberhard Münzner: ''Die Kirche zu Dresden Loschwitz''. Schnell & Steiner, Regensburg 1994. * Eberhard Münzner: Bericht über die den Wiederaufbau begleitenden denkmalpflegerischen Untersuchungen. Denkmalschutzamt, Landeshauptstadt Dresden 1995. * M. J. Nestler: ''Gesammtüberblick über die Loschwitzer Kirchenerneuerung''. In: ''Sachsens Elbgau-Presse'', 2. Beilage. 14. Jahrgang, Nummer 87, 16. April 1899, S. 9–11. * Friedrich Wilhelm Pohle: ''Chronik von Loschwitz''. Verlag Christian Teich, Dresden 1883, S. 123–173. * Marion Stein: ''Friedhöfe in Dresden''. Verlag der Kunst, Dresden 2000, S. 166–168. == Weblinks == * {{Commonscat}} * [http://www.loschwitzer-kirche.de/index1.htm Website der Loschwitzer Kirchgemeinde] == Einzelnachweise == <references/> {{Coordinate|NS=51.053047|EW=13.817343|type=landmark|region=DE-SN}} [[Kategorie:Kirchengebäude in Dresden]] [[Kategorie:Kulturdenkmal in Dresden]] [[Kategorie:Rekonstruiertes Bauwerk in Dresden]] [[Kategorie:Barockbauwerk in Sachsen]] [[Kategorie:Erbaut im 18. Jahrhundert]] [[Kategorie:Disposition einer Orgel|Dresden, Loschwitzer Kirche]] [[Kategorie:Kirchengebäude der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsens|Dresden, Loschwitz]] {{Exzellent|12. September 2009|64283896}} [[pl:Kościół w Loschwitz]] db236wn5rzwpd7641rycoov2be7m6zp wikitext text/x-wiki Löwe 0 23862 26457 2010-05-09T10:47:53Z Sepia 0 erg., Wertung bzw. menschliche Wahrnehmung versachlicht {{Begriffsklärungshinweis}} <!-- Für Informationen zum Umgang mit dieser Tabelle siehe bitte [[Wikipedia:Taxoboxen]]. --> {{Taxobox | Taxon_Name = Löwe | Taxon_WissName = Panthera leo | Taxon_Rang = Art | Taxon_Autor = ([[Carl von Linné|Linnaeus]], 1758) | Taxon2_WissName = Panthera | Taxon2_Rang = Gattung | Taxon3_Name = Großkatzen | Taxon3_WissName = Pantherinae | Taxon3_Rang = Unterfamilie | Taxon4_Name = Katzen | Taxon4_WissName = Felidae | Taxon4_Rang = Familie | Taxon5_Name = Katzenartige | Taxon5_WissName = Feloidea | Taxon5_Rang = Überfamilie | Taxon6_Name = Raubtiere | Taxon6_WissName = Carnivora | Taxon6_Rang = Ordnung | Bild = Lion waiting in Nambia.jpg | Bildbeschreibung = Löwe (''Panthera leo'') }} Der '''Löwe''' (''Panthera leo'', veraltet/poetisch '''Leu''') ist eine Art der [[Katzen]]. Er lebt im Unterschied zu anderen Katzen in [[Rudel (Jagd)|Rudeln]], ist durch die Mähne des Männchens gekennzeichnet und ist heute in [[Afrika]] sowie im indischen Bundesstaat [[Gujarat]] beheimatet. == Wortherkunft == Im [[Deutsche Sprache|Deutschen]] gibt es zwei Varianten desselben Wortes, einmal das gängige „Löwe“, das aus dem norddeutschen Raum übernommen wurde, sowie das altertümlich-poetische „Leu“. Entlehnt hat das Deutsche die Bezeichnung aus ''[[Lateinische Sprache|lat.]]'' "leo", das seinerseits dem ''[[Altgriechische Sprache|gr.]]'' „leon“ entstammt. Vermutet wird weiterhin, dass das Wort im [[Semitische Sprachen|semitischen]] Raum (''[[Assyrische Sprache|assyr.]]'' „labbu“, ''[[Hebräische Sprache|hebr.]]'' „leva“ = die Löwen) seinen Ursprung hat.<ref>Elmar Seebold (Hrsg.), Friedrich Kluge: ''Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache.'' 24. Auflage. De Gruyter, Berlin 2002, ISBN 3-11-017473-1.</ref> == Merkmale == [[Datei:Lion_female.jpg|miniatur|Weibchen des Asiatischen Löwen]] [[Datei:Maneless lion from Tsavo East National Park.png|miniatur|Mähnenloses Löwenmännchen aus dem [[Tsavo-East-Nationalpark|Tsavo Nationalpark]], Kenia]] Nach dem [[Tiger]] ist der Löwe die zweitgrößte Katze und damit das größte [[Landraubtier]] Afrikas. Ein Löwenmännchen hat eine Kopfrumpflänge von 170 bis 250 Zentimetern, eine [[Schulterhöhe]] von etwa 120 Zentimetern und eine Schwanzlänge von rund einem Meter. Ausgewachsene männliche Tiere kommen auf ein durchschnittliches Körpergewicht von 225 Kilogramm. Weibchen sind mit 140 bis 175 Zentimetern Kopfrumpflänge, einer Schulterhöhe von 100 Zentimetern, einem 85 Zentimeter langen Schwanz deutlich zierlicher und haben ein Körpergewicht von rund 150 Kilogramm. Im Schnitt haben Löwen eine größere Schulterhöhe als Tiger, sind aber insgesamt etwas kürzer. Die größten Löwen leben heute im südlichen Afrika, die kleinsten in Asien. In Zoos und Zirkussen gehaltene Männchen erreichen aufgrund guter Fütterung gelegentlich auch ein Gewicht von über 300 Kilogramm. Löwen haben ein kurzes, sandfarben oder gelblich bis dunkel-[[ocker]] gefärbtes Fell. Die Unterseite und die Beininnenseiten sind stets heller. Männliche Exemplare haben zudem eine lange Mähne, die meist dunkelbraun ist, aber auch schwarz, hellbraun oder rotbraun sein kann. Diese Mähne breitet sich von den Wangen bis über die Schultern aus, seltener über Bauch und Brust. Form und Farbe der Mähne variiert nicht nur zwischen Individuen, sondern auch beim selben Individuum im Laufe des Lebens in Abhängigkeit von der körperlichen Verfassung. Besonders lange und dunkle Mähnen sind ein Zeichen guter Verfassung und Kampfeskraft, da der Hormonstatus und der Ernährungszustand Auswirkung auf Dichte und Länge der Mähne haben. Experimentelle Untersuchungen mit ausgestopften Löwenmännchen haben gezeigt, dass Weibchen positiv auf Modelle mit längeren und dunklen Mähnen reagieren, während Männchen Modelle mit ausgeprägten Mähnen eher meiden. Praktischen Nutzen könnte die Mähne als Schutz gegen Prankenhiebe und Bisse bei Rangkämpfen rivalisierender Männchen haben. Hierdurch erklärt sich der [[evolution]]äre Vorteil, den Männchen durch eine Mähne haben, nicht aber Weibchen, da sie eher auf die Jagd spezialisiert sind und nicht auf Kämpfe und bei der Jagd eine Mähne anders als bei Kämpfen nicht von Vorteil ist. Allerdings haben neuere Forschungen gezeigt, dass auch die Temperatur einen wichtigen Einfluss auf die Größe der Mähne hat und Löwenmännchen in kälteren Gebieten sogar unabhängig von ihrer Unterart stärkere Mähnen ausbilden als solche die in sehr warmen Gebieten leben. So bilden Löwenmännchen in Zoos kühler Regionen meist stärkere Mähnen aus als ihre Artgenossen in wärmeren Gefilden. [[Datei:Martin Lacey jr.mit dem weissen Loewen King Tonga.JPG|thumb|Weißer Löwe in einer Zirkusvorstellung]] Bei asiatischen Löwen ist die Mähne weniger deutlich ausgeprägt als bei ihren afrikanischen Artgenossen. Jungen Löwen fehlt sie ganz. Es dauert über fünf Jahre, bis ein Löwenmännchen eine voll ausgebildete Mähne hat. Auffällig ist außerdem die schwarze Schwanzquaste, in der sich ein zurückgebildeter Wirbel befindet (Hornstachel). Junge Löwen haben dunkle Flecken auf dem Körper, die schon während des ersten Lebensjahres verblassen. In sehr seltenen Fällen bleiben diese Flecken auch beim erwachsenen Löwen sichtbar, aber stets undeutlich und nur aus der Nähe betrachtet. Wie bei Tigern gibt es bei Löwen gelegentlichen [[Leuzismus]]; darunter versteht man das Auftreten von Löwen mit weißem Fell. Sie sind jedoch keine [[Albinismus|Albinos]], da die dafür charakteristischen roten Augen fehlen. Die weiße Fellfarbe wird über ein rezessives Gen vererbt. Da weiße Löwen für potenzielle Beutetiere leichter zu sehen sind, haben solche Tiere es schwerer, zu überleben. Außerdem gibt es Berichte über [[Melanismus]], also schwarze Löwen, jedoch keinen Beweis für deren tatsächliche Existenz. == Verbreitungsgebiet und Lebensraum == [[Datei:Lion_distribution.svg|miniatur|Afrikanisches Verbreitungsgebiet des Löwen]] Einst besaß der Löwe das größte Verbreitungsgebiet aller Landsäugetierarten. Es reichte von Peru über Alaska, Sibirien und Mitteleuropa bis nach Indien und Südafrika. Einen Großteil dieses Verbreitungsgebietes büßte der Löwe allerdings schon am Ende des Eiszeitalters ein. Das geschichtliche Verbreitungsgebiet des Löwen umfasste nicht nur große Teile Afrikas, sondern auch das südliche [[Europa]] sowie [[Vorderasien]] und [[Indien]]. Dass auf dem [[Balkanhalbinsel|Balkan]] noch in der [[Antike]] Löwen lebten, berichten zahlreiche zeitgenössische Gelehrte (zum Beispiel [[Herodot]], [[Aristoteles]]). Man nimmt an, dass der Löwe in Europa durch menschliches Zutun im 1. Jahrhundert n.&nbsp;Chr. ausstarb. Heute ist die Verbreitung weitgehend auf das Afrika südlich der Sahara beschränkt. Nördlich der Sahara starb die Art in den 1940er-Jahren aus, ebenso wurden die asiatischen Löwenpopulationen während des 20. Jahrhunderts nahezu vollständig vernichtet. Ein kleiner Restbestand hat sich jedoch im [[Gir-Nationalpark]] in [[Gujarat]] ([[Indien]]) gehalten. Löwen sind anpassungsfähig und kommen in einer Vielzahl von Habitaten vor. Der bevorzugte Lebensraum des Löwen ist die [[Savanne]], doch kommt er auch in Trockenwäldern und Halbwüsten vor. Niemals findet man ihn in dichten, feuchten Wäldern oder wasserlosen Wüsten. Deshalb fehlt die Art naturgemäß in den zentralafrikanischen Regenwäldern und den trockensten Wüsten Nordafrikas und Vorderasiens. Die Bezeichnung „Wüstenkönig“ ist somit nicht zutreffend. == Bestand == Wie bei fast allen Großtieren Afrikas geht die Hauptgefährdung der Löwen durch den Menschen von der Jagd aus. Diese wurde jedoch in den letzten Jahren in beinah allen Teilen des Verbreitungsgebietes auf ein niedrigeres Maß zurückgeschraubt. [[Datei:Lionesses, Masai Mara, Kenya.jpg|miniatur|Zwei Löwenweibchen im [[Massai Mara]] Wildreservat]] Krankheiten stellen ein weiteres Problem dar, vor allem im [[Südafrika|südafrikanischen]] [[Kruger-Nationalpark]]. Seit 1995 hier zum ersten Mal ein tödlicher Fall von [[Tuberkulose]] bei den Löwen aufgetaucht ist, wurden im Krüger-Park umfassende Untersuchungen durchgeführt. Das Ergebnis war, dass im südlichen Bereich des Parks mehr als 90 Prozent der Tiere mit den tödlichen [[Bakterien]] infiziert waren. Die Infektion stammt von [[Afrikanischer Büffel|Büffeln]], die von Löwen gejagt werden und durch den Kontakt mit infizierten Hausrindern die Krankheit in den Park eingeschleppt haben. Die Rinder leiden zu etwa 70 Prozent an einer Lungentuberkulose, bei den Löwen manifestiert sich die Krankheit vor allem im Verdauungssystem. Die Tiere werden schwächer, magern extrem ab und sterben innerhalb weniger Jahre. Neben dieser Tuberkulose gibt es noch eine zweite Krankheit unter den Löwen. Etwa 60 bis 70 Prozent der Löwen sind mit dem [[Felines Immundefizienz-Virus|Felinen Immundefizienz-Virus (FIV)]] infiziert, einem dem menschlichen [[HIV|HI-Virus]] sehr ähnlichen Krankheitserreger, der die [[Immunsystem|Immunabwehr]] der Tiere lahmlegt und so der Tuberkulose den Weg ebnet. Gegen beide Erreger gibt es keine Impfstoffe. Es leben noch 16.000 bis 30.000 Löwen in freier Wildbahn. Die [[International Union for Conservation of Nature and Natural Resources|IUCN]] ging 2008 davon aus, dass die Löwenbestände weltweit in den letzten zwanzig Jahren um 30 bis 50 Prozent zurückgegangen sind. Einen maßgeblichen Einfluss auf die schwindende Population hat die Nutzung des Landes als Viehweide oder landwirtschaftliche Anbauflächen.<!-- Quelle: IUCN-Eintrag --> In einigen großen Schutzgebieten Ost- und Südafrikas scheint die Zukunft der großen Katze jedoch bislang gesichert. == Lebensweise == === Sozialverhalten === [[Datei:Serengeti Lion 2.jpg|miniatur|Löwin]] Im Gegensatz zu den übrigen, eher einzelgängerischen Großkatzen leben Löwen im Rudel. Ein solches Rudel besteht vor allem aus untereinander verwandten Weibchen und deren Nachkommen, die von einem oder wenigen ausgewachsenen Männchen verteidigt werden. Für gewöhnlich gibt es in einem Rudel ein bis drei ausgewachsene Männchen, die in der Rangordnung über den Weibchen stehen. Die Größe des Reviers und die Anzahl der Beutetiere korreliert mit der Rudelgröße, die zwischen 3 und 30 Exemplaren liegen kann. Das Revier eines Löwenrudels umfasst 20 bis 400 [[Quadratkilometer]]. Seine Grenzen werden mit Kot und Urin markiert, auch das weithin hörbare Gebrüll demonstriert den Anspruch der Revierinhaber. Die jungen Männchen bleiben etwa zwei bis drei Jahre im Rudel, bis sie ihre Geschlechtsreife erreicht haben; danach werden sie vertrieben. Junge Männchen streifen mitunter über Jahre umher und schließen sich meist mit anderen nomadisierenden Männchen zusammen. Diese Bindung zwischen miteinander verwandten oder auch fremden Löwen kann dabei sehr stark werden. Die Nomaden legen in dieser Zeit sehr große Strecken zurück, respektieren keine Reviergrenzen, gründen aber auch keine eigenen Reviere. Um ein eigenes Rudel zu erobern, müssen sie die alten Revierbesitzer vertreiben oder im Kampf besiegen. Solche Rangordnungskämpfe sind in der Regel blutig, und nicht selten können sie tödlich enden. Geschlagene Rudelführer werden vertrieben und führen dann meist ein Leben als Einzelgänger. Oft sterben sie jedoch an den Folgen der Kampfverletzungen. Nach der Eroberung eines Rudels durch neue Männchen kommt es häufig zum [[Infantizid (Zoologie)|Infantizid]], das heißt die neuen Rudelführer töten die Jungen ihrer Vorgänger. Der [[Proximate und ultimate Ursachen von Verhalten#Beispiel 2|biologische Nutzen]] kann darin gesehen werden, dass die Weibchen nach kurzer Zeit wieder paarungsbereit sind und das neue Männchen eigenen Nachwuchs zeugen und so seine Gene verbreiten kann. Die führenden Männchen des Rudels können sich meist nur für wenige Jahre gegen Konkurrenten durchsetzen, bis sie von jüngeren, stärkeren Artgenossen vertrieben oder getötet werden. Im Durchschnitt wechseln die dominanten Männchen eines Rudels alle zwei bis drei Jahre. Im Gegensatz zu den Männchen verbringen die Weibchen in der Regel ihr gesamtes Leben in dem Rudel, in dem sie geboren wurden. Löwen sind weniger reinlich als beispielsweise Hauskatzen. In der Regel wird nur der Nasenrücken gereinigt. Gegenseitige Fellpflege gibt es nur bei groben Verschmutzungen, wie zum Beispiel durch Blut der Beutetiere. === Fortpflanzung === [[Datei:Lion_pair2.jpg|miniatur|Ein Löwenpärchen bei der [[Begattung|Kopulation]]]] [[Datei:loewe_3.JPG|miniatur|Junge Löwen]] Löwen erreichen ihre soziale Geschlechtsreife im Alter von zwei bis drei Jahren, ihre physiologische in 18 Monaten. Um die Paarungsbereitschaft eines Weibchens festzustellen, benutzt der männliche Löwe das [[Jacobson-Organ]], das sich am oberen Gaumen befindet. Dazu zieht der Löwe die Oberlippe zurück und öffnet leicht das Maul. Dieser Vorgang wird auch als [[Flehmen]] bezeichnet. Auch wenn ein Männchen die Spitze der Rangordnung einnimmt, kann es sich mit einem Weibchen nur mit dessen Zustimmung paaren. Hierzu legt sich die Löwin auf den Bauch und erlaubt dem Männchen, sie zu besteigen. Während der [[Begattung|Kopulation]] beißt der Kater der Löwin in den Nacken. Dadurch hält diese instinktiv still. Lässt eine Löwin die Kopulation zu, so paaren sie sich alle 15 Minuten zirka 40 Mal am Tag, wobei ein Kopulationsakt etwa 30 Sekunden dauert, bis die Paarungsbereitschaft der Löwin nach etwa fünf Tagen beendet ist. Nach einer Tragzeit von etwa vier Monaten bringt die Löwin abseits vom Rudel und versteckt ein bis vier blinde Junge zur Welt, die jeweils etwa 1,5 Kilogramm wiegen und 50 Zentimeter groß sind. Sie werden etwa sechs bis acht Wochen nur von der Mutter gesäugt und bleiben während dieser Zeit auch im Versteck. Ist dieses weit vom Rudel entfernt, geht die Mutter allein auf Jagd. Dabei kann es vorkommen, dass die Jungen bis zu 48 Stunden allein im Versteck bleiben. Dies ist besonders wegen [[Hyänen]] und anderer Raubtiere gefährlich. Nach maximal 8 Wochen führt die Löwin ihre Jungen zum Rudel. Dabei gibt es selten Probleme mit der Akzeptanz. Die jungen Löwen saugen ab diesem Zeitpunkt nicht nur bei der Mutter, sondern auch bei den anderen Weibchen, so dass die Erziehung allen weiblichen Mitgliedern des Rudels obliegt. Im Alter von sechs Monaten werden Löwenjunge entwöhnt, sie bleiben dann noch ungefähr zwei Jahre bei der Mutter. Die Lebensdauer eines Löwen kann vierzehn bis zwanzig Jahre betragen. In der Regel erreichen jedoch nur Weibchen ein solches Alter. Männchen werden lange vorher von einem jüngeren Konkurrenten getötet oder vertrieben, finden kein Rudel mehr und verhungern. Häufig werden sie daher nicht älter als sieben bis zwölf Jahre. Im [[Zoo]] haben manche Löwen jedoch bis zu 34 Jahre gelebt. === Ernährung === Löwen jagen meist bei Dunkelheit oder in den kühlen Morgenstunden. Zu den Beutetieren gehören vor allem [[Antilope]]n, [[Gazellen]], [[Gnus]], [[Büffel]] und [[Zebra]]s, aber auch Hasen, Vögel und manchmal Fische. In manchen Gegenden spezialisieren sich Löwen auch auf eher untypische Beutetiere. So schlagen Löwen in großen Rudeln mit Gruppenstärken von etwa 30 Tieren am Savuti bisweilen halbwüchsige [[Elefanten]] und am Linyanti [[Flusspferde]] (beides im [[Chobe-Nationalpark]], [[Botswana]]). In Teilen dieses Nationalparks und im benachbarten [[Hwange-Nationalpark]] machen Elefanten etwa 20% der Löwennahrung aus, wobei vor allem Jungtiere und insbesondere Halbwüchsige im Alter von 4 bis 11 Jahren erlegt werden<ref>Power, Compion: ''Lion Predation on Elephants in the Savuti, Chobe National Park, Botswana''. African Zoology 44(1):36-44. 2009 [http://www.bioone.org/doi/abs/10.3377/004.044.0104 Online Abstract]</ref><ref>Loveridge et al. 2006: ''Influence of drought on predation of elephant (''Loxodonta africana'') calves by lions (''Panthera leo'') in an African wooded savannah''. Journal of Zoology, Vol. 270, Isuue 3, 2006 [http://www3.interscience.wiley.com/journal/118624006/abstract Online-Abstract]</ref>. Entgegen der weit verbreiteten Annahme, dass männliche Löwen, sich fast nur von der Beute ihrer Weibchen ernähren, scheinen sie in Wirklichkeit einen großen Teil ihrer Nahrung selbst zu erlegen. Eine neuere Studie im Krüger-Nationalpark ergab, dass selbst territoriale männliche Löwen, die ein Rudel besitzen, sehr erfolgreiche und regelmäßige Jäger sind. Besonders in dicht bewachsenen und unübersichtlichen Lebensräumen scheinen rudelführende Männchen sich weniger von der Beute ihrer Weibchen zu ernähren als in offenen Lebensräumen. Nicht-territoriale Löwenmännchen, die noch kein Rudel erobern konnten, müssen sich ohnehin ihre Beute selbst beschaffen und regelmäßig jagen. Im Gegensatz zu den weiblichen Tieren, die im untersuchten Gebiet vor allem Zebras und Gnus bevorzugten, jagten die Löwenmännchen vor allem Kaffernbüffel<ref>P. J. FUNSTONa, M. G. L. MILLS, H. C. BIGGS and P. R. K. RICHARDSON''Hunting by male lions: ecological influences and socioecological implications''. Animal Behaviour Volume 56, Issue 6, December 1998, Pages 1333-1345 [http://www.sciencedirect.com/science?_ob=ArticleURL&_udi=B6W9W-45WRJHP-3&_user=10&_rdoc=1&_fmt=&_orig=search&_sort=d&_docanchor=&view=c&_searchStrId=952910709&_rerunOrigin=scholar.google&_acct=C000050221&_version=1&_urlVersion=0&_userid=10&md5=2634338630066e3afcc578aceff3b714 online abstract]</ref>. Junglöwen gehen im Alter von drei Monaten zum ersten Mal mit der Mutter zur Jagd. Erst im Alter von zwei Jahren haben sie die Jagdkunst erlernt. [[Datei:Serengeti Lion Running saturated.jpg|miniatur|Löwin auf der Jagd]] [[Datei:Lions_Etosha_NP_Fight_for_Prey.jpg|miniatur|Zwei Männchen beim Kampf um die Beute, [[Etosha-Nationalpark]]]] [[Datei:Male Lion and Cub Chitwa South Africa Luca Galuzzi 2004 edit1.jpg|miniatur|Männchen und Jungtier beim Fressen eines [[Kaffernbüffel]]s]] Löwen sind keine ausdauernde Läufer und können ihre Höchstgeschwindigkeit von etwa 50&nbsp;km/h nicht lange durchhalten.<ref>Christopher McGowan: ''The Raptor and the Lamb. Predators and Prey in the Living World.'' Penguin, London 1998, ISBN 0-14-027264-X, S. 11.</ref> Viele der wesentlichen Beutetiere haben außerdem eine höhere Höchstgeschwindigkeit als Löwen. Auf Grund des Körperbaus kann ein Löwe jedoch schnell beschleunigen und ist daher auf kurzer Distanz in der Lage, beispielsweise ein Zebra einzuholen, das wegen seiner Höchstgeschwindigkeit von 65 Kilometer pro Stunde ihm entkommen könnte. Löwen müssen sich deshalb im Normalfall bis auf einige Meter an die Beute heranpirschen. Sie schleichen sich geduckt oft über mehrere hundert Meter an die Beute heran, wobei jede Deckung ausgenutzt wird. Je näher sie der Beute kommen, desto mehr wird auf die Deckung geachtet. Ist eine Distanz von zirka 30 Metern erreicht, so wird die Beute von dem Löwen mit mehreren Sätzen angesprungen. Jeder Sprung ist dabei etwa 6 Meter lang. Durch die Wucht des Aufpralls wird selbst ein Beutetier, das wie beispielsweise ein Zebra doppelt so schwer ist wie der jagende Löwe, aus dem Gleichgewicht gebracht. Kleinen Beutetieren wie etwa einer [[Thomsongazelle]] durchbeißen Löwen anschließend das Genick. Größere Beutetiere wie ein Gnu oder Zebra werden durch einen Kehlbiss getötet. Da die Eckzähne des Löwen zu kurz sind, um größere Blutgefäße zu erreichen, töten sie diese größeren Beutetiere, indem sie die Luftröhre einklemmen und so die Sauerstoffversorgung der Lungen unterbrechen.<ref>Christopher McGowan: ''The Raptor and the Lamb. Predators and Prey in the Living World.'' Penguin, London 1998, ISBN 0-14-027264-X, S. 13.</ref> Nach dem Jagderfolg kommt die Rangfolge im Rudel zum Tragen. Das Männchen darf zuerst fressen, es folgen die ranghöchsten Weibchen, zuletzt die Jungen. Am Kadaver kommt es nicht selten zu Rangkämpfen, bei denen sich die Rudelmitglieder blutige Wunden holen. Der Jagderfolg ist abhängig vom Geschick der jagenden Tiere, der Tageszeit, den lokalen Gegebenheiten und der bejagten Tierart. In der Serengeti sind 14 Prozent aller Jagden auf [[Riedbock|Riedböcke]] und 32 Prozent aller Angriffe auf Gnus erfolgreich.<ref name="cm34">Christopher McGowan: ''The Raptor and the Lamb. Predators and Prey in the Living World.'' Penguin, London 1998, ISBN 0-14-027264-X, S. 34.</ref> Der Jagderfolg von Löwen ist damit deutlich geringer als der von [[Afrikanischer Wildhund|Afrikanischen Wildhunden]] oder [[Gepard]]en. Da Löwen in offenen Landschaften jagen, erhöht die gemeinsame Jagd die Chance erfolgreich Beute zu schlagen. Nach einer Untersuchung in der Serengeti verdoppelt sich der Jagderfolg, wenn zwei Löwinnen gemeinsam jagen. Der Jagderfolg stieg in dieser Untersuchung jedoch nicht wesentlich an, wenn mehr als zwei Löwinnen an der Jagd beteiligt waren. Eine Studie in einer halbwüstenähnlichen Region in Namibia kam dagegen zu dem Ergebnis, dass die Rudel den höchsten Jagderfolg haben, bei denen mehrere Löwinnen ihre Jagdtechnik eng koordinieren. In dieser weitgehend deckungslosen Landschaft kreisten einige Löwinnen die Beute ein, während andere sich in einem Hinterhalt auf die Lauer legten.<ref name="cm34"/> Ein weiterer Vorteil der gemeinschaftlichen Jagd liegt darin, dass die Beute im Rudel leichter gegen andere Räuber wie [[Wildhunde]] und [[Hyäne]]n verteidigt werden kann. Oft fressen Löwen auch [[Aas]]. Dabei vertreiben sie häufig andere Raubtiere, wie [[Tüpfelhyäne]]n von ihrer Beute − und nicht umgekehrt, wie früher angenommen wurde. In einigen Gebieten Ostafrikas geht dies sogar so weit, dass den Hyänen 70 Prozent ihrer Jagdbeute von Löwen abgejagt wird. == Externe Systematik == Der Löwe zählt zu den [[Großkatzen]] und innerhalb derer zur Gattung ''[[Panthera]]'', die durch ein nicht ganz verknöchertes [[Zungenbein]] charakterisiert ist. Früher wurde dieses Merkmal mit der Fähigkeit zu brüllen in Verbindung gebracht. Neuere Studien zeigen jedoch, dass das laute, charakteristische Brüllen des Löwen (und anderer Großkatzen der Gattung ''Panthera'') vor allem durch eine spezielle Morphologie des [[Kehlkopf]]es bedingt ist. Der Löwe schnurrt, wie andere Großkatzen auch, nur beim Ausatmen. Das Schnurren klingt dabei nicht so wie das einer Kleinkatze, sondern eher wie ein Knurren oder Brummen. == Stammesgeschichte == Der älteste Fossilnachweis einer Katze, die stark einem Löwen ähnelt, stammt aus [[Laetoli]] in [[Tansania]] und ist etwa 3,5 Millionen Jahre alt. Von einigen Wissenschaftlern werden diese Funde, die nur aus Kieferbruchstücken und wenigen postcranialen Knochen bestehen, als ''Panthera leo'' angesehen, andere Forscher bestreiten diese Gleichsetzung. Durch die wenigen Funde ist eine genaue Bestimmung der Artzugehörigkeit kaum möglich, auch sind die ältesten sicher bestätigten Funde von Löwen in Afrika rund zwei Millionen Jahre jünger. <ref> {{Literatur | Autor=Lars Werdelin, Margaret E. Lewis | Titel=Plio-Pleistocene Carnivora of eastern Africa. Species richness and turnover patterns | Sammelwerk=Zoological Journal of the Linnean Society | Band=144 | Nummer=2 | Jahr=2005 | Monat=Juni | Seiten=121–144 | DOI=10.1111/j.1096-3642.2005.00165.x }}</ref> [[Datei:Hoehlenloewe CaveLion hharder.jpg|miniatur|Europäischer Höhlenlöwe (''Panthera leo spelaea'') in einer Rekonstruktion um 1920]] Vor etwa 700.000 Jahren taucht ''Panthera leo'' mit dem [[Mosbacher Löwe]]n (''Panthera leo fossilis'') am italienischen Fundort von [[Isernia]] zum ersten Mal in Europa auf. Ein 1,75 Millionen Jahre alter Löwen-Unterkiefer aus der [[Olduvai]]-Schlucht in Kenia zeigt eine frappierende Ähnlichkeit mit den Mosbacher Löwen. Diese gelten als die größten Löwen Europas und jagten während der [[Cromer-Warmzeit]] vor mehr als 500.000 Jahren bei Wiesbaden in Hessen und bei Heidelberg in Baden-Württemberg. Einige Exemplare waren fast so lang wie die größten Löwen der Erdgeschichte, die [[Amerikanischer Löwe|Amerikanischen Löwen]] (''Panthera leo atrox''), aus Kalifornien, die eine Rekordlänge von 3,60 Meter (Kopf-Rumpflänge: ca. 2,40 Meter, Schwanzlänge: ca. 1,20 Meter) erreichten. Die meisten Löwenfunde in Europa stammen von eiszeitlichen [[Höhlenlöwe]]n (''Panthera leo spelaea''), der sich aus dem Mosbacher Löwen entwickelt hat. In Nordostasien und [[Beringia]] lebte mit dem Beringia-Höhlenlöwen (''Panthera leo vereshchagini'') eine weitere Unterart. In Mitteleuropa, Nordasien und Amerika sind Löwen bis zum Ende des [[Pleistozän]] ein häufiges Element der Fauna, sterben dort aber am Ende der letzten Eiszeit aus. == Unterarten == Es wurden etliche Unterarten des Löwen beschrieben, meist werden jedoch nur die folgenden allgemein anerkannt: [[Datei:Bristol.zoo.lion.yawns.arp.jpg|miniatur|Asiatischer Löwe im Zoo von Bristol]] * Der ''[[Asiatischer Löwe|Asiatische Löwe]]'' (''Panthera leo persica'') ist dem afrikanischen Löwen sehr ähnlich. Nach molekularbiologischen Untersuchungen spaltete er sich vor 50.000 bis 100.000 Jahren vom afrikanischen Löwen ab. Im [[Gir-Nationalpark]] konnte die [[Population (Biologie)|Population]] nun wieder auf 300 Tiere anwachsen, die allerdings durch die starke Inzucht bedroht sind, die zu einem Verlust der genetischen Vielfalt dieser Löwen geführt hat. * Der ''[[Berberlöwe]]'' (''Panthera leo leo'') lebte in [[Nordafrika]] und hatte offenbar eine besonders mächtige Mähne. Die exzessive Nachstellung führte im Jahre 1922 zum Tod des letzten Vertreters dieser Unterart in Freiheit, die sich bis dahin im [[Atlas (Gebirge)|Atlas-Gebirge]] gehalten hatten. Ob die europäischen Löwen zu dieser Unterart gehörten, ist nicht bekannt. Einige Privatleute und Zoos, zum Beispiel in [[Tiergarten Schönbrunn|Wien]] und [[Zoo Dortmund|Dortmund]] züchten Löwen, die den Berberlöwen äußerlich weitgehend ähneln und wohl noch Berberlöwenblut in sich tragen. Ob es sich dabei aber um reine Berberlöwen, oder um Löwen mit einem gewissen Berberlöwen-Anteil handelt, war bisher kaum zu ermitteln. Es werden jedoch zurzeit genetische Untersuchungen durchgeführt, um dies zu klären. Diese Löwen stammen von Tieren ab, die über mehrere Generationen in Gefangenschaft gehalten wurden und über deren genaue Herkunft nichts wirklich Stichhaltiges zu ermitteln ist. Da Löwen in Gefangenschaft relativ leicht zu züchten sind, ist es durchaus möglich, dass es sich um Berberlöwen handelt. * Der ''[[Kaplöwe]]'' (''Panthera leo melanochaitus'') [[Südafrika]]s ist sicher ausgestorben; er fiel im 19. Jahrhundert den Großwildjägern zum Opfer. Nach neueren Forschungen stellte er allerdings keine eigene Unterart dar. * Der ''Transvaal-Löwe'' (''Panthera leo krugeri'') des nordöstlichen Südafrika ist noch im [[Krüger-Nationalpark]] anzutreffen. [[Datei:P.l.Bleyenberghi 2010.jpg|miniatur|Angola-Löwe (''Panthera leo bleyenberghi'') Matadi im [[Zoo Leipzig|Leipziger Zoo]]]] * Der ''Massai-Löwe'' (''Panthera leo massaicus'') aus Ostafrika von Äthiopien, Kenia, Tansania bis nach Mosambik. * Der ''Senegal-Löwe'' (''Panthera leo senegalensis'') ist im Westen Afrikas zu finden, von Senegal bis Nigeria. * Der ''Angola-Löwe'' oder ''Katanga-Löwe'' (''Panthera leo bleyenberghi'') ist im südwestlichen Afrika verbreitet. Neuere molekulargenetische Untersuchungen legen jedoch nahe, dass die heutigen afrikanischen Löwen südlich der Sahara alle zur gleichen Unterart zu rechnen sind. Allenfalls wären demnach zwei Grundtypen zu unterscheiden. Eine Form westlich und eine östlich des [[Great Rift Valley|Großen Grabens]]. So unterscheiden sich etwa Löwen aus [[Tsavo]] (Ost-Kenia) genetisch kaum von ihren Artgenossen in [[Transvaal]] (Südafrika), dagegen bestehen deutlichere Unterschiede zu Löwen aus den [[Aberdare Range|Aberdare-Bergen]] im Westen Kenias. <ref>{{Literatur | Autor=Ross Barnett u. a. | Herausgeber= | Titel=The origin, current diversity and future conservation of the modern lion (Panthera leo) | Sammelwerk=Proceedings of the Royal Society B | Band=273 | Nummer=1598 | Jahr=2006 | Seiten=2119–2125 | Online=http://www.ees.adelaide.edu.au/people/enviro/ACooper/Barnett%20PRS%20lions.pdf | DOI=10.1098/rspb.2006.3555 }}</ref> <ref>{{Literatur | Autor=Jean Dubach u. a. | Herausgeber= | Titel=Molecular genetic variation across the southern and eastern geographic ranges of the African lion, Panthera leo | Sammelwerk=Conservation Genetics | Band=6 | Nummer=1 | Jahr=2005 | Monat=Januar | Seiten=15–24 | DOI=10.1007/s10592-004-7729-6 }}</ref> === ''spelea''-Gruppe === Die ausgestorbenen, prähistorischen Löwen Amerikas und Nordeurasiens bilden eine eigene Rassengruppe (''spelea''-Gruppe), die sich genetisch von den Löwen Afrikas und Südasiens (''leo''-Gruppe) unterscheidet. Dazu zählen: * [[Mosbacher Löwe]] (''Panthera leo fossilis'') * [[Höhlenlöwe]] (''Panthera leo spelaea'') * Ostsibirischer oder Beringia-Höhlenlöwe (''Panthera leo vereshchagini'') * [[Amerikanischer Löwe]] (''Panthera leo atrox'') === Kryptozoologische Art === Die [[Kryptozoologie]] beschäftigt sich mit dem [[Marozi]], einem angeblich gefleckten Löwen mit kurzer Mähne, der im Hochland von Kenia leben soll. Das Fell eines derartigen Löwen wird noch heute im Naturhistorischen Museum in London aufbewahrt. Seit Ende der 1930er-Jahre gab es keine Sichtung mehr. Behauptungen, solche Löwen seien [[Hybride]] aus Löwen und Leoparden, sind mehr als unwahrscheinlich, da sich diese Tiere in der Natur normalerweise feindlich gesinnt sind. In Gefangenschaft konnten dagegen schon mehrfach Hybriden aus Löwen und Leoparden dokumentiert werden, allerdings weist deren Fell ein anderes Muster als das vermeintliche Marozi-Fell in London auf. == Löwen und Menschen == Löwen gehören zu den bekanntesten Tieren und zählen zu den „[[Big Five (Safari)|Big Five]]“, den fünf prominenten Großwildarten Afrikas. Es existieren gelegentlich noch Jagden auf Löwen, diese sind aber selten geworden. Noch im 20. Jahrhundert war die Löwenjagd ein prestigeträchtiges Ereignis in der Großwildjagd. === Löwen in Religion und Mythologie === Bereits die eiszeitlichen Jäger in der Kulturstufe des [[Aurignacien]] haben vor mehr als 30.000 Jahren den Löwen dargestellt. Zu den eindrucksvollsten Kunstwerken aus jener Zeit, das zugleich zu den ältesten überlieferten [[Skulptur]]en der Menschheit zählt, gehört die aus [[Elfenbein|Mammutelfenbein]] geschnitzte, fast 30 Zentimeter hohe Figur des so genannten [[Löwenmensch]]en mit dem Körper eines Menschen und dem Kopf eines Höhlenlöwen aus der Höhle Hohlenstein-Stadel in Baden-Württemberg. Sie verkörperte vielleicht eine Gottheit. In vielen Kulturen hat der Löwe eine Stellung als „König der Tiere“ eingenommen, die auf den Einfluss des [[Physiologus]] zurückzuführen ist, eines frühchristlichen Buches über Tiersymbolik von allgemein großem Einfluss auf die westliche Kultur. Die von ihm ausgehende Faszination wird durch die Vielzahl von [[Wappen]] deutlich, auf denen er abgebildet ist. So findet man den Löwen beispielsweise auf den Wappen von [[Hessen]], [[Husum]], [[Luxemburg]], [[Zürich]], [[Aquitanien]] und [[Montenegro]] (siehe auch [[Löwe (Wappentier)]]). Dass er den Europäern überhaupt bekannt wurde, liegt daran, dass Löwen einst rund um das Mittelmeer verbreitet waren. In der [[Griechische Mythologie|griechischen Mythologie]] erscheinen Löwen in verschiedener Funktion: Der [[Nemeischer Löwe|Nemeische Löwe]] wurde als eine menschenfressende Bestie dargestellt, den zu töten eine der zwölf Aufgaben des [[Herakles]] war. In der Geschichte von [[Androkles]], einer der Fabeln des [[Äsop]], zieht der Held, ein entlaufener Sklave, einem Löwen einen Dorn aus der Pfote; als er später zur Strafe für seine Flucht den Löwen zum Fraß vorgeworfen werden soll, erkennt ihn das Tier wieder und weigert sich, den Mann zu töten. Auf der Flagge von [[Sri Lanka]] wurde der Löwe als Symbol der [[Singhalesen]] verewigt. Der Name des Volkes der Singhalesen entstammt dem Wort ''siṁha'' aus dem [[Sanskrit]] was „Löwe“ bedeutet. [[Datei:Egypt.Giza.Sphinx.01.jpg|miniatur|[[Große Sphinx von Gizeh]]]] In zahlreichen antiken Kulturen spielte der Löwe eine Rolle. In [[Ägypten]] wurden Pharaonen als [[Sphinx (ägyptisch)|Sphingen]] dargestellt, Löwen mit Menschenkopf. Die berühmteste derartige Darstellung ist der [[Großer Sphinx von Gizeh|Große Sphinx von Gizeh]]. Neben der Löwengestalt des Pharao wurde [[Sachmet (Ägyptische Mythologie)|Sachmet]] als Göttin mit Löwenkopf verehrt. Weiter kannte die ägyptische Mythologie auch [[Dedun]], den oberägyptischen Gott des Reichtums. Der [[Markuslöwe]] ist das Symbol für den Evangelisten [[Markus (Evangelist)|Markus]]. Am nördlichen Sternenhimmel gibt es gleich zwei nach diesem Tier benannte [[Sternbild]]er: den [[Löwe (Sternbild)|Löwen]] und den [[Kleiner Löwe|Kleinen Löwen]]. Bei ersterem soll es sich um eine Inkarnation des Nemeischen Löwen handeln, während letzterer eine Neuschöpfung des 17. Jahrhunderts war. Dass der Löwe bis heute ein Image als mächtiges, starkes Tier hat, zeigt sich daran, dass sich bis in die Gegenwart Menschen nach ihm benennen. Der [[Afghanistan|afghanische]] Kriegsherr [[Ahmad Schah Massoud]] beispielsweise wurde von seinen Anhängern „''der Löwe von Pandschir''“ genannt, der [[Äthiopien|äthiopische]] Kaiser [[Haile Selassie]] nannte sich „''Löwe von Juda''“. In [[Fabel#Tierfabel|Tierfabeln]] wurde der Löwe auch als ''Nobel'' bezeichnet. === Menschenfressende Löwen === [[Datei:Monstre2.jpg|miniatur|Menschenfressendes löwenähnliches Ungeheuer (12. Jahrhundert) in [[St. Peter und Paul (Rosheim)|Rosheim]]]] In Afrika stehen [[Flusspferd]]e und [[Leopard]]en im Ruf, dem Menschen weitaus gefährlicher zu sein als Löwen. Trotzdem sind einige Fälle überliefert, bei denen Löwen gezielt Jagd auf Menschen machten. Im Jahr 1898 töteten zwei Löwen im damaligen [[Britisch-Ostafrika]], dem heutigen [[Kenia]], zwischen 14 und 135 indische und afrikanische Arbeiter, die mit dem Bau einer Eisenbahnbrücke über den [[Tsavo (Fluss)|Tsavo-Fluss]] beschäftigt waren. Bei der Suche nach den Ursachen für die [[Menschenfresser]]ei tun sich Forscher bis heute schwer:<ref name=Museum>[http://www.brightsurf.com/news/jan_03/FM_news_011503.html Chicago Field Museum]</ref> Berichte, denen zu Folge bis zu 135 Menschen Opfer der Löwen wurden, sind wahrscheinlich übertrieben. Untersuchungen an Kohlenstoff-Stickstoffisotopen zeigen, dass einer der beiden heute im Museum ausgestellten Löwen gelegentlich, der zweite hauptsächlich Menschenfleisch fraß. Vermutlich war er aufgrund einer Kieferverletzung auf diese leicht zu erjagende Beute angewiesen. Legt man die üblicherweise von Löwen verzehrte Fleischmenge zu Grunde, dürften ihnen etwa 35 Menschen zum Opfer gefallen sein.<ref>{{cite journal | last = Yeakel | first = Justin D.| authorlink = | coauthors = et al. | year = 2009 | month = November | title = Cooperation and individuality among man-eating lions | journal = PNAS | volume = | issue = | pages = | doi =10.1073/pnas.0905309106 | pmid = | arxiv = | id = | url =[http://www.pnas.org/content/early/2009/10/30/0905309106.abstract] | format = | accessdate = | quotes = }} </ref> „''Warum entwickeln manche Löwen Appetit auf Zweibeiner? Forscher haben den Fall zweier berühmter Bestien untersucht: Bei der Umstellung ihres Speiseplans, so das Ergebnis, haben Menschen kräftig geholfen. … Nachlässige Begräbnispraktiken während eines schweren Pockenausbruchs und einer nachfolgenden Hungersnot taten ein Übriges, um die Raubkatzen an den Geschmack von Menschenfleisch zu gewöhnen.''“<ref name=Paetsch2003> {{Literatur | Autor=Paetsch, Martin | Titel=Hungrige Löwen. „Menschen sind zweibeinige Proteinquellen“ | Sammelwerk=Spiegel Online | Jahr=2003 | Monat=Januar | Tag=17 | Online=http://www.spiegel.de/wissenschaft/natur/0,1518,230788,00.html | Zugriff=2009-01-01 }}</ref> Die Bauarbeiten an der Brücke kamen zum Erliegen, als die Löwen auch in Camps eindrangen, die mit hohen Dornenwällen umfriedet worden waren und dort Menschen töteten und fraßen. Der Leiter des Bauprojektes, der britische Oberstleutnant [[John Henry Patterson]], benötigte neun Monate, um die zwei Löwen aufzuspüren und zu erlegen. Beide Löwen erwiesen sich als gesunde männliche Tiere, die mähnenlos waren und von einer ungewöhnlichen Körpergröße. Sie waren von der Schwanzspitze an 2,95 beziehungsweise 2,90 Meter lang und hatten eine Schulterhöhe von 1,20 beziehungsweise 1,15 Meter. Die Vorkommnisse während des Brückenbaus am Tsavo-Fluss inspirierten zwei Hollywood-Produktionen: Der erste kommerzielle [[3D-Film]], der im Jahre 1952 gedreht und in Deutschland unter dem Titel „[[Bwana, der Teufel]]“ veröffentlichte wurde, und „[[Der Geist und die Dunkelheit]]“ von 1996 griffen dieses Ereignis auf. Die beiden erlegten Löwen sind im [[Field Museum of Natural History]] in [[Chicago]] zu besichtigen. == Literatur == * P. Caputa: ''Der kahle König.'' In: ''[[National Geographic]].'' Gruhner und Jahr, Hamburg 2002, {{ISSN|0027-9358}}. * Richard Despard Estes: ''The Behavior Guide to African mammals.'' University of California Press, Berkeley 1991, ISBN 0-520-05831-3, S.&nbsp;369. * Günter Kloss: ''Der Löwe in der Kunst in Deutschland. Skulptur vom Mittelalter bis heute.'' Imhof, Petersberg 2005, ISBN 3-86568-054-2. * Gus Mills, Martin Harvey: ''African Predators.'' Struik, Cape Town 2001, ISBN 1-86872-569-3. * {{ISBN|0801857899}} * Bruce D. Patterson: ''The Lions of Tsavo. Exploring the Legacy of Africa's Notorious Man-eaters.'' McGraw Hill, New York 2004, ISBN 0-07-136333-5. * Alan Turner, Mauricio Anton: ''The Big Cats and Their Fossil Relatives. An Illustrated Guide to Their Evolution and Natural History.'' Columbia University Press, New York 1997, ISBN 0-231-10229-1. * Wighart von Koenigswald: ''Lebendige Eiszeit.'' Theiss, Stuttgart 2002, ISBN 3-8062-1734-3. * Joachim Burger u.&nbsp;a.: ''[http://www.uni-mainz.de/FB/Biologie/Anthropologie/Burger_Cave_Lion.pdf Molecular phylogeny of the extinct cave lion. Panthera leo spelea.]'' In: ''Molecular Phylogenetics and Evolution.'' 30, 2004, {{ISSN|1055-7903}}, S.&nbsp;841–849. * Kelum Manamendra-Arachchi, Rohan Pethiyagoda, Rajith Dissanayake, Madhava Meegaskumbura: ''[http://rmbr.nus.edu.sg/rbz/biblio/s12/s12rbz423-434.pdf A second extinct big cat from the late Quaternary of Sri Lanka.]'' In: ''The Raffles Bulletin of Zoology. Supplement No. 12.'' Singapur 2005, S.&nbsp;423–434. * Mustafa Haikal: ''Die Löwenfabrik. Lebensläufe und Legenden.'' Pro Leipzig, Leipzig 2006, ISBN 3-936508-15-1. == Einzelnachweise == <references/> == Filmdokumentationen == * ''[[Geheimnisse der Steppe]]'' (Original: ''The African Lion''). Dokumentarfilm von [[James Algar]], USA 1955, [[Walt Disney]], 75 Minuten == Weblinks == {{Wiktionary|Löwe}} {{Commons|Panthera leo|Löwen}} * {{IUCN |Year=2008 |ID=15951 |ScientificName=Panthera leo |YearAssessed=2008 |Assessor=H. Bauer, K. Nowell, C. Packer |Download=1. Januar 2009 }} {{DEFAULTSORT:Lowe}} {{Exzellent}} [[Kategorie:Katzen]] {{Link FA|ar}} {{Link FA|ca}} {{Link FA|en}} {{Link FA|es}} {{Link FA|fi}} {{Link FA|fr}} {{Link FA|it}} {{Link FA|li}} {{Link FA|pl}} [[af:Leeu]] [[am:አንበሳ]] [[an:Panthera leo]] [[ang:Lēo]] [[ar:أسد]] [[arz:سبع]] [[az:Şir]] [[ba:Арыҫлан]] [[bat-smg:Liūts]] [[be:Леў]] [[be-x-old:Леў]] [[bg:Лъв]] [[bn:সিংহ]] [[bo:སེང་གེ།]] [[bpy:নংসা]] [[br:Leon (loen)]] [[bs:Lav]] [[ca:Lleó]] [[ce:Лоьм]] [[co:Lionu]] [[cs:Lev]] [[cu:Ль́въ]] [[cv:Арăслан]] [[cy:Llew]] [[da:Løve]] [[el:Λιοντάρι]] [[en:Lion]] [[eo:Leono]] [[es:Panthera leo]] [[et:Lõvi]] [[eu:Lehoi]] [[fa:شیر (گربه‌سان)]] [[fi:Leijona]] [[fiu-vro:Lõvi]] [[fo:Leyva]] [[fr:Lion]] [[ga:Leon]] [[gd:Leòmhann]] [[gl:Panthera leo]] [[gn:Leõ]] [[got:𐌻𐌹𐍅𐌰]] [[gu:એશિયાઇ સિંહ]] [[ha:Zaki]] [[hak:Sṳ̂-é]] [[he:אריה]] [[hi:सिंह (पशु)]] [[hr:Lav]] [[hsb:Law]] [[ht:Lyon]] [[hu:Oroszlán]] [[hy:Առյուծ]] [[ia:Leon]] [[id:Singa]] [[ig:Odúm]] [[io:Leono (mamifero)]] [[is:Ljón]] [[it:Panthera leo]] [[ja:ライオン]] [[jv:Singa]] [[ka:ლომი]] [[kab:Izem]] [[kg:Nkosi]] [[kn:ಸಿಂಹ]] [[ko:사자]] [[ku:Şêr]] [[la:Leo]] [[lb:Léiw]] [[li:Liew]] [[lij:Lion (bestia)]] [[ln:Nkɔ́si]] [[lt:Liūtas]] [[lv:Lauva]] [[mdf:Орксофта]] [[ml:സിംഹം]] [[mn:Арслан]] [[mr:सिंह]] [[ms:Singa]] [[mt:Iljun]] [[my:ခြင်္သေ့]] [[nah:Cuāmiztli]] [[ne:सिंह (जनावर)]] [[nl:Leeuw (dier)]] [[nn:Løve]] [[no:Løve]] [[nrm:Lion]] [[nv:Náshdóítsoh bitsiijįʼ daditłʼooígíí]] [[oc:Panthera leo]] [[os:Цомахъ]] [[pa:ਸ਼ੇਰ]] [[pam:Leon (animal)]] [[pcd:Lion]] [[pl:Lew]] [[pms:Lion]] [[pt:Leão]] [[qu:Liyun]] [[ro:Leu]] [[ru:Лев]] [[sah:Хахай]] [[scn:Liuni]] [[sh:Lav]] [[simple:Lion]] [[sk:Lev púšťový]] [[sl:Lev]] [[sn:Shumba]] [[so:Libaax]] [[sq:Luani]] [[sr:Лав]] [[ss:Libubesi]] [[st:Tau]] [[stq:Leeuwe]] [[su:Singa]] [[sv:Lejon]] [[sw:Simba]] [[ta:சிங்கம்]] [[te:సింహం]] [[tg:Шер]] [[th:สิงโต]] [[ti:ኣንበሳ]] [[tl:Leon]] [[tr:Aslan]] [[ug:شىر]] [[uk:Лев]] [[ur:ببر (شیر)]] [[vec:Leon]] [[vi:Sư tử]] [[vls:Lêeuw (bêeste)]] [[war:Leon]] [[wo:Gaynde]] [[xal:Арслң]] [[yi:לייב]] [[yo:Kìnìún]] [[zh:狮]] [[zh-min-nan:Sai]] [[zh-yue:獅子]] [[zu:Ibhubesi]] 570c4plhf9vqrao3vuq6g6g09s15qxc wikitext text/x-wiki Lübeck 0 23863 28159 26458 2010-10-23T17:33:15Z 85.180.136.223 {{Dieser Artikel|behandelt die Stadt Lübeck. Für weitere Bedeutungen siehe unter [[Lübeck (Begriffsklärung)]].}} {{Infobox Gemeinde in Deutschland |Art = Stadt |Wappen = Wappen Lübeck.svg |Breitengrad = 53/52/11/N |Längengrad = 10/41/11/E |Lageplan = Schleswig-Holstein_HL.svg |Karte = |Lageplanbeschreibung= Lage der Stadt Lübeck in Schleswig-Holstein |Bundesland = Schleswig-Holstein |Kreis = Kreisfreie Stadt |Höhe = 13 |Fläche = 214.14 |PLZ = 23501–23570 |PLZ-alt = 2400 |Vorwahl = 0451 (Hansestadt Lübeck) und 04502 (Lübeck-Travemünde) |Kfz = HL |Gemeindeschlüssel = 01003000 |NUTS = DEFO3 |LOCODE = DE LBC |Gliederung = 10 [[Ortsteil|Stadtteile]] mit 35 [[Stadtbezirk]]en |Adresse = Breite Straße 62<br />23552 Lübeck |Website = [http://www.luebeck.de/ www.luebeck.de] |Bürgermeister = [[Bernd Saxe]] |Partei = SPD }} [[Datei:Lübeck Holstentor.jpg|miniatur|300px|[[Wahrzeichen]] Lübecks: das [[Holstentor]];<br />links die Türme der [[Marienkirche (Lübeck)|Marienkirche]], <br />rechts der Turm der [[Petrikirche (Lübeck)|Petrikirche]], davor die historischen [[Salzspeicher]]. Aufnahme 2004.]] [[Datei:Lubeck panorama.JPG|miniatur|300px || Blick auf die Innenstadt (Altstadt) aus Norden in Richtung Süd-Südwest im Morgenlicht; rechts oben die [[Trave]]. Luftaufnahme 2006.<br /> ---- * Zu erkennen sind im Uhrzeigersinn links der Bildmitte die Türme von: [[Aegidienkirche (Lübeck)|St.Aegidien]] (li.o.), [[Lübecker Dom|Dom]] (Doppeltürme am ob. Bildrand), rechts der Bildmitte: [[Petrikirche (Lübeck)|St.Petri]] (Turm vor Grünzone), [[Holstentor]] (kl. Doppeltürme westl./re. der Petrikirche), [[Marienkirche (Lübeck)|St.Marien]] (größte Doppeltürme zwischen St.Petri und Holstentor), [[Jakobikirche (Lübeck)|St. Jakobi]] (nördl./unterhalb der Marienkirche), im Norden das [[Burgtor (Lübeck)|Burgtor]] mit sonnenglänzendem Dach (am unteren Bildrand rechts), Kanal-Hafen (li. u.) mit direktem Anschluss (li. außerhalb des Bildes) an den [[Elbe-Lübeck-Kanal]] (li. ob. im Bogen bis Mitte ob. Bildrand). ---- * Im Zuge der Verkehrsberuhigung der Altstadt entstand in den 1970er/1980er-Jahren für den Individualverkehr auf ehemals altem Industrie- und Lagerareal die erforderliche Parkzone (Bildrand li. und unten). Eine neue Nutzung fand ebenfalls das frühere Bahn- und Lagergelände nördl./re. vom Holstentor durch die [[Musik- und Kongresshalle Lübeck|Musik- und Kongresshalle]], genannt „MuK“, die über eine Fußgängerbrücke direkt aus der Altstadt erreichbar ist (Bildrand re. o.). Vor der Musikhalle ist auf der Untertrave der südliche Abschnitt des [[Museumshafen Lübeck|Museumshafens Lübeck]] erkennbar, der sich entlang des Altstadtufers nach Norden/nach rechts weiter außerhalb des Bildes erstreckt.]] Die [[Hansestadt]] '''Lübeck'''<ref>Der Name ist slawischen Ursprungs und wurde im Verlauf der Jahrhunderte umgedeutet und umgeformt (siehe dazu im Einzelnen Wolfgang Laur: ''Historisches Ortsnamenlexikon von Schleswig-Holstein'', 2. Aufl., Neumünster 1992, S.&nbsp;437). Auf mittelalterliche Namensformen geht die regionale Aussprache mit langem geschlossenen ''e'' zurück, also [{{IPA|ˈlyːbeːk}}], vgl. [[Dehnungszeichen#Dehnungs-c|Dehnungs-c]]; neueren Ursprungs ist die [[bühnendeutsch]]e Aussprache [{{IPA|ˈlyːbɛk}}].</ref> ([[Niederdeutsche Sprache|plattdeutsch]]: ''Lübeck'', ''Lübeek'', [[Dänische Sprache|dänisch]]: ''Lybæk''; Adjektiv: ''lübsch, lübisch'', seit spätestens dem 19. Jahrhundert auch ''lübeckisch'') ist eine [[kreisfreie Stadt]] im Norden [[Deutschland]]s und im Südosten [[Schleswig-Holstein]]s an der [[Ostsee]] ([[Lübecker Bucht]]). Sie hat nach der Landeshauptstadt [[Kiel]] die meisten Einwohner und ist eines der vier [[Oberzentrum|Oberzentren]] des Landes. Flächenmäßig ist sie die größte Stadt in Schleswig-Holstein. Die mittelalterliche [[Lübecker Altstadt]] ist Teil des [[UNESCO-Welterbe]]s. Die nächstgelegenen großen Städte sind [[Hamburg]] etwa 65&nbsp;Kilometer südwestlich, [[Kiel]] etwa 78&nbsp;Kilometer nordwestlich und [[Schwerin]] etwa 68&nbsp;Kilometer südöstlich. Lübeck grenzt unmittelbar an die Europäische [[Metropolregion Hamburg]] an. Lübeck wird auch „Stadt der [[Sieben Türme]]“ und „Tor zum Norden“ genannt. == Geographie == {{Großes Bild|Panorama Lübeck.jpg|1500|Rundblick über die Altstadt vom Turm der [[Petrikirche (Lübeck)|Petrikirche]] aus; links die [[Marienkirche (Lübeck)|Marienkirche]] (Doppeltürme), auf der rechten Bildhälfte das [[Holstentor]] (mit Bauplane).}} <!--* Zu erkennen sind im Uhrzeigersinn links der Bildmitte die Türme von: [[Aegidienkirche (Lübeck)|St.Aegidien]] (li.o.), [[Lübecker Dom|Dom]] (Doppeltürme am ob. Bildrand), rechts der Bildmitte: [[Petrikirche (Lübeck)|St.Petri]] (Turm vor Grünzone), [[Holstentor]] (kl. Doppeltürme westl./re. der Petrikirche), [[Marienkirche (Lübeck)|St.Marien]] (größte Doppeltürme zwischen St.Petri und Holstentor), [[Jakobikirche (Lübeck)|St.Jakobi]] (nördl./unterhalb der Marienkirche), im Norden das [[Burgtor (Lübeck)|Burgtor]] mit sonnenglänzendem Dach (am unteren Bildrand rechts), Kanal-Hafen (li. u.) mit direktem Anschluss (li. außerhalb des Bildes) an den [[Elbe-Lübeck-Kanal]] (li. ob. im Bogen bis Mitte ob. Bildrand). <br /> ---- * Im Zuge der Verkehrsberuhigung der Altstadt entstand in den 1970er/1980er-Jahren für den Individualverkehr auf ehemals altem Industrie- und Lagerareal die erforderliche Parkzone (Bildrand li. und unten). Eine neue Nutzung fand ebenfalls das frühere Bahn- und Lagergelände nördl./re. vom Holstentor in Bauten der Bildung und der an der Lübecker Untertrave von [[Meinhard von Gerkan]] konzipierten [[Musik- und Kongresshalle Lübeck|Musik- und Kongresshalle]], genannt „MuK“, die 1994 eingeweiht wurde und neben dem üblichen PKW-Anschluss über eine gesonderte Fußgängerbrücke direkt aus der Altstadt erreichbar ist (Bildrand re.o.).]] --> [[Datei:Germany Luebeck overview north.jpg|miniatur|left|Blick von St. Petri nach Norden mit Marienkirche, …]] [[Datei:Germany Luebeck overview east.jpg|miniatur|left|… nach Osten, …]] [[Datei:Germany Luebeck overview south.jpg|miniatur|left|… nach Süden mit dem Dom …]] [[Datei:Germany Luebeck overview west.jpg|miniatur|left|… und im Westen die Trave, …]] [[Datei:Germany Luebeck gables.jpg|miniatur|left|… vielfältige Giebelformen …]] [[Datei:Germany Luebeck townhall.JPG|miniatur|left|… und das im Winkel stehende, historische Rathaus am Markt neben der Marienkirche.]] Die Stadt liegt in der [[Norddeutsches Tiefland|Norddeutschen Tiefebene]] an der unteren [[Trave]], einem schiffbaren Fluss, der etwa 17&nbsp;Kilometer von der Altstadt entfernt im Stadtteil [[Lübeck-Travemünde|Travemünde]] in die Ostsee mündet. Die Altstadt liegt auf einem Hügel, der einen [[Werder (Landschaft)|Werder]] zwischen den Wasserläufen der Trave und der [[Wakenitz]] bildet. Ferner durchzieht der [[Elbe-Lübeck-Kanal]] das Stadtgebiet von [[Krummesse]] bis zur Trave. Die umgebende Landschaft gehört zum [[Schleswig-Holsteinisches Hügelland|Ostholsteiner Hügelland]] und ist geprägt von der [[Weichseleiszeit]] ([[Pleistozän]]). Die geografische Lage an der Trave, die kurz vor Travemünde den [[Baltischer Landrücken|Baltischen Höhenrücken]] durchbricht, begünstigte die Entwicklung der Stadt als Ostseehafen und begründete ihren rasanten Aufstieg zum nordeuropäischen Machtzentrum des Mittelalters. === Stadtgliederung === Das Stadtgebiet Lübecks ist seit der Neustrukturierung durch Bürgerschaftsbeschluss vom 28. September 1972 amtlich in zehn [[Ortsteil|Stadtteile]] eingeteilt. Diese wiederum sind in insgesamt 35 [[Stadtbezirk]]e gegliedert. Die zehn Stadtteile mit ihren amtlichen Nummern und den Einwohnerzahlen der Stadtteile: * ''01 [[Lübecker Altstadt|Innenstadt]]'' (etwa 12.000 Einwohner) * ''02 [[Lübeck-St. Jürgen|St. Jürgen]]'' (etwa 40.000 Einwohner) * ''03 [[Lübeck-Moisling|Moisling]]'' (etwa 10.000 Einwohner) * ''04 [[Lübeck-Buntekuh|Buntekuh]]'' (etwa 10.000 Einwohner) * ''05 [[Lübeck-St. Lorenz|St. Lorenz-Süd]]'' (etwa 12.000 Einwohner) * ''06 [[Lübeck-St. Lorenz|St. Lorenz-Nord]]'' (etwa 40.000 Einwohner) * ''07 [[Lübeck-St. Gertrud|St. Gertrud]]'' (etwa 40.000 Einwohner) * ''08 [[Lübeck-Schlutup|Schlutup]]'' (etwa 6.000 Einwohner) * ''09 [[Lübeck-Kücknitz|Kücknitz]]'' (etwa 20.000 Einwohner) * ''10 [[Lübeck-Travemünde|Travemünde]]'' (etwa 15.000 Einwohner) * ''Siehe auch: [[Liste der Lübecker Stadtteile]]'' Andere Bezeichnungen von Stadtteilen wie [[Hochschulstadtteil]], Ringstedtensiedlung, Edelsteinsiedlung oder Planetensiedlung entsprechen nicht der Verwaltungsgliederung. Die Lübecker Stadtteile haben im Laufe der Zeit jeweils ihr eigenes Bild entwickeln können. '''01:''' Die Innenstadt ist das touristische Kernstück Lübecks, der älteste und flächenmäßig kleinste Stadtteil. Die Innenstadt liegt hauptsächlich auf der Altstadtinsel zwischen Trave und Wakenitz, die in etwa eine Ausdehnung von zwei Kilometer von Nord nach Süd und einen Kilometer von West nach Ost hat. Einige wesentliche Gebäude, die zur Innenstadt gerechnet werden, liegen auf umliegenden kleineren Inseln, wie etwa das [[Holstentor]], das am Fuß der so genannten Wallhalbinsel liegt. Um die Innenstadt zu verlassen, muss jeweils eine Brücke im alten Befestigungsgürtel um die Stadt (Wallanlagen) überquert werden. Die ''Neustädte'' schließen sich nicht wie in den meisten anderen Städten unmittelbar an die mittelalterliche Altstadt an. Die nördliche Wallhalbinsel, auf der sich zurzeit die ''[[Media Docks]]'' und einige Lagerhallen des Hafens befinden, soll in den nächsten Jahren zu einer ''Hafen City'' ähnlich dem [[HafenCity|Projekt in Hamburg]] ausgebaut werden. '''05/06:''' Westlich des Holstentors liegen die beiden Vorstädte St. Lorenz-Nord und St. Lorenz-Süd, die durch die Bahnstrecke getrennt werden. Namengebend ist die Kirche [[St. Lorenz (Lübeck)|St. Lorenz]] am Steinrader Weg, die auf die Kapelle eines Pestfriedhofs aus dem 16. Jahrhundert zurückgeht. Hier wurde Mitte bis Ende des 19. Jahrhunderts eine Vorstadt für die Unter- und Mittelschicht errichtet, in der sich schon bald eine entwickelte Arbeiterkultur etablierte. In der Meierstraße in St. Lorenz-Süd wurde 1913 [[Willy Brandt]] geboren. An der [[Lutherkirche (Lübeck)|Lutherkirche]] in St. Lorenz-Süd arbeitete [[Karl Friedrich Stellbrink]], einer der [[Lübecker Märtyrer]] im Nationalsozialismus. Auch heute dominieren Geschosswohnungen und Industriebetriebe ([[Drägerwerk]]) die beiden Stadtteile. Es gibt nur wenige Grünanlagen. '''03/04:''' Jenseits der [[Gleis|Bahngleise]] in St. Lorenz-Süd folgen dann die beiden Stadtteile Buntekuh und Moisling, die durch Wohnblocks aus den 1960er Jahren geprägt sind. In Buntekuh befinden sich ebenfalls weitläufige Gewerbegebiete entlang der [[Bundesautobahn 1|A&nbsp;1]]. Moisling blickt im Unterschied zu Buntekuh auf eine jahrhundertealte Geschichte zurück. Bereits im 17. Jahrhundert gab es hier eine damals noch zu [[Dänemark]] gehörende Siedlung, die vor allem von [[Juden]] bewohnt war. Auch heute findet sich hier noch ein [[jüdischer Friedhof]]. Der Stadtteil Buntekuh verdankt seinen Namen einem bäuerlichen Gut, das hier bis Ende der 1950er Jahre existierte. Das Gut wiederum wurde nach der [[Hansekogge]] „[[Bunte Kuh]]“ benannt, die 1401 den Angriff auf den [[Piraterie|Seeräuber]] [[Klaus Störtebeker]] führte. '''02:''' Im Süden der Altstadt und auf der Wakenitzhalbinsel auch den östlichen Altstadtrand umfassend liegt der mit Abstand flächengrößte Stadtteil St. Jürgen, der im nördlichen Teil durch gründerzeitliche Villenviertel, dann südlich des St.-Jürgen-Rings eher durch Wohnblocks der 1950er bis 1970er Jahre geprägt ist. Im Süden läuft St. Jürgen mit einem breiten Grüngürtel voller Felder und Wiesen in die [[Naturpark Lauenburgische Seen|lauenburgische]] Landschaft aus. Im Osten wird der Stadtteil von der Wakenitz begrenzt, wo in den Auen aufgrund der ehemaligen deutsch-deutschen Grenze ein reichhaltiges Naturschutzgebiet entstanden ist. In St. Jürgen liegen die beiden größten Hochschulen Lübecks, die Universität und die Fachhochschule. St. Jürgen war ursprünglich eine Vorstadt mit Gärtnereien und Weiden. Heute sind nur noch vier Gärtnereien vorhanden, denn die Grünflächen wurden größtenteils bebaut. Wichtigste Neubauprojekte sind der [[Hochschulstadtteil]], der als gemischtes Wohn- und Geschäftsviertel angelegt wurde, und das Neubaugebiet [[Bornkamp]]. Im äußersten Süden Lübecks schließen sich mehrere dörfliche Stadtteile an wie [[Vorrade]], Beidendorf, Wulfsdorf und Blankensee mit dem Flughafen, die noch zum Gebiet von St. Jürgen gehören. Außergewöhnlich ist der Grenzverlauf im Dorf Krummesse. Hier gehören die alten Bauernhöfe mit ihren Hufen abwechselnd zu Lübeck und zum Herzogtum Lauenburg, so dass die territoriale Zugehörigkeit einem Flickenteppich ähnelt. '''07:''' St. Gertrud im Norden der Altstadt ist ebenso wie St. Jürgen direkt in Altstadtnähe durch klassizistische Sommerhäuser und Gründerzeitvillen rund um den [[Volksgarten|Stadtpark]] und die Wakenitz geprägt. Weiter im Osten folgen modernere Wohnviertel für alle sozialen Schichten. An der Trave findet sich das sehenswerte Fischerdorf [[Gothmund]] mit einigen reetgedeckten Fischerkaten. Hier liegt auch der Lübecker Stadtwald [[Lauerholz]], in dem sich die Grenze zur ehemaligen [[Deutsche Demokratische Republik|DDR]] nachvollziehen lässt. '''08:''' Jenseits des Stadtwaldes Lauerholz liegt der kleine Stadtteil [[Lübeck-Schlutup|Schlutup]], der durch seinen an der Trave gelegenen Fischereihafen geprägt ist. Er wandelt sich zu einem modernen Papierumschlaghafen. In Schlutup befand sich vor der Wende der nördlichste Grenzübergang zwischen der Bundesrepublik und der DDR: die Transitstrecke nach [[Rostock]] und [[Sassnitz]] im Zuge der [[Bundesstraße 105|B&nbsp;105]]. '''09:''' Nördlich der Trave liegt Kücknitz, das alte Industrieviertel von Lübeck. Hier wurde bis in die 80er Jahre bei den [[Hochofenwerk Lübeck|Metallhüttenwerken]] Roheisen sowie Koks, Zement und Kupfer hergestellt. Daran erinnert noch das Museum für Arbeiterkultur in der Geschichtswerkstatt [[Herrenwyk]]. In Kücknitz liegt ein wichtiger Teil des Lübecker Hafens, der unter anderem aus einem neu erbauten Containerterminal besteht. Die Flenderwerft, die traditionsreiche Werft des Stadtteils, meldete im Jahr 2002 Insolvenz an. Seit 2006 befindet sich auf dem ehemaligen Werftgelände der [[Seeland Kai]] der [[Lübecker Hafengesellschaft]] sowie ein Fährterminal der Lehmann-Gruppe. '''10:''' An der Mündung der Trave liegt schließlich Travemünde, das bereits im 14. Jahrhundert von Lübeck erworben wurde und seit 1801 als Seebad anerkannt ist. Hier lockt ein breiter Sandstrand sowohl am eigentlichen Ortskern als auch auf der Priwallhalbinsel, die zu Vor-Wende-Zeiten nur per Fähre erreicht werden konnte, weil sie am Ende von der DDR begrenzt wurde. Südlich der Priwallhalbinsel, der Ostsee abgewandt, liegt die [[Pötenitzer Wiek]], eine große Bucht der Trave, die aufgrund ihrer Grenznähe als artenreiches Gebiet konserviert werden konnte. In Travemünde liegt der [[Skandinavienkai]], der größte Ostseefährhafen Deutschlands. Von dort fahren Fähren in viele Ostseehäfen wie [[Trelleborg]], [[Helsinki]] und [[Klaipėda]]. === Nachbargemeinden === Folgende [[Gemeinde (Deutschland)|Gemeinden]], die mit Ausnahme von drei Gemeinden, die in [[Mecklenburg-Vorpommern]] liegen, alle zu Schleswig-Holstein gehören, grenzen an die Stadt Lübeck: * [[Landkreis Nordwestmecklenburg]] in Mecklenburg-Vorpommern: Stadt [[Dassow]] (Ortsteil Pötenitz), [[Selmsdorf]] und [[Lüdersdorf]] (alle [[Amt Schönberger Land]]) * [[Kreis Herzogtum Lauenburg]]: [[Groß Grönau]] und [[Groß Sarau]] (beide [[Amt Lauenburgische Seen]]), [[Klempau]], [[Krummesse]], [[Rondeshagen]] und [[Bliestorf]] (alle [[Amt Berkenthin]]) sowie [[Groß Schenkenberg]] ([[Amt Sandesneben]]) * [[Kreis Stormarn]]: [[Klein Wesenberg]], [[Wesenberg (Holstein)|Wesenberg]], [[Hamberge]], [[Badendorf]], [[Heilshoop]] und [[Mönkhagen]] (alle [[Amt Nordstormarn]]) * [[Kreis Ostholstein]]: [[Stockelsdorf]] (amtsfreie Gemeinde), [[Bad Schwartau]] (amtsfreie Stadt) sowie [[Ratekau]] und [[Timmendorfer Strand]] (beides amtsfreie Gemeinden) Die Kreise Herzogtum Lauenburg und Stormarn gehören bereits zur Europäischen Metropolregion Hamburg. Lübeck als [[Oberzentrum]] bildet aus Sicht der [[Raumordnung]] mit Stockelsdorf, Bad Schwartau, Ratekau und Groß Grönau eine [[Agglomeration]], auch in den mecklenburgischen Nachbargemeinden entwickelt sich durch das [[Fördergefälle]] ein [[Umland|Speckgürtel]]. Mit der Gemeinde [[Krummesse]] bestehen in Deutschland einmalige, bizarre Grenzverhältnisse; die Gemeinde Krummesse hat hierdurch bedingt die längste Gemeindegrenze Deutschlands bezogen auf ihr Gemeindegebiet. In den Gemeinden der Agglomeration wohnen in etwa weitere 70.000 Einwohner, so dass der [[Agglomeration|Ballungsraum]] Lübeck etwa 283.000 Einwohner hat. === Klima === [[Datei:Klimadiagramm-Luebeck-Deutschland-metrisch-deutsch.png|miniatur|links|Klimadiagramm von Lübeck]]<ref>Geoklima 2.1</ref> <div style="clear:left;"></div> == Geschichte == → ''Hauptartikel: [[Geschichte der Hansestadt Lübeck]]'' === Frühe Geschichte === Der etwa zur Zeit [[Karl der Große|Karls des Großen]] (748–814) von Slawen gegründete Ort [[Liubice]] („die Liebliche“) gilt als Namensgeber des heutigen Lübeck. Seit dem 10. Jahrhundert war Liubice neben [[Oldenburg in Holstein]] die wichtigste Siedlung der [[Abodriten]]. Wahrscheinlich war Liubice bereits in dieser Zeit burgartig befestigt. Nach der dendrochronologisch auf das Jahr 819 bestimmten Gründung der Burg <ref>Antjekathrin Graßmann: ''Lübeckische Geschichte.'' Schmidt-Römhild, Lübeck 1997. ISBN 3-7950-3215-6</ref> wurde Liubice erstmals um das Jahr 1076 von [[Adam von Bremen]] <ref>Adam von Bremen: ''[[:la:Gesta Hammaburgensis Ecclesiae Pontificum]].'' Hahn, Hannover 1993. ISBN 3-7752-5288-6</ref> erwähnt. In der heutigen Lage auf dem Hügel [[Burg Bucu|Buku]], wurde die Stadt Lübeck 1143 durch [[Adolf II. (Schauenburg und Holstein)|Adolf II., Graf von Schauenburg und Holstein]] als erste deutsche Hafenstadt an der Ostsee neu gegründet, nachdem sie 1127 niedergebrannt worden war. === Die Zeit der Hanse === [[Datei:Stadssigill foer staden Luebeck.png|miniatur|Stadtsiegel von 1280]] [[Datei:WP Diebel Lübeck.jpg|miniatur|[[Lübecker Stadtansicht des Elias Diebel]], gewaltiger und detaillierter Holzstich von 1552]] 1160 erhielt Lübeck das [[Soester Stadtrecht]]. Dieser Zeitpunkt wird heute von Historikern als der Beginn der ''Kaufmannshanse'' (im Gegensatz zur späteren ''Städtehanse'') angesehen. Wichtigstes Argument für diese Position stellt dabei das [[Artlenburger Privileg]] von 1161 dar, in dem Lübecker Kaufleute den bisher im Ostseehandel dominierenden gotländischen Kaufleuten rechtlich gleichgestellt werden sollten. Kurz darauf erlangte Lübeck im Juni 1226 von [[Friedrich II. (HRR)|Kaiser Friedrich&nbsp;II.]] mit dem [[Lübecker Reichsfreiheitsbrief|Reichsfreiheitsbrief]] die Reichsfreiheit, wurde also [[Reichsunmittelbarkeit|reichsunmittelbare]] Stadt. Nachdem 1361 [[Visby|Wisby]], der erste Hauptort der [[Hanse]], vom dänischen König [[Waldemar IV. Atterdag]] erobert worden war, wurde Lübeck zum neuen Hauptort der Hanse (auch ''Königin der Hanse'' genannt), die sich im 13. Jahrhundert zur ''Städtehanse'' gewandelt hatte. Lübeck entwickelte sich in Folge zur zeitweise wichtigsten Handelsstadt im [[Nordeuropa|nördlichen Europa]]. Es entstand der Verband der wendischen Städte unter Lübecks Führung. Kaiser [[Ludwig IV. (HRR)|Ludwig der Bayer]] verlieh Lübeck 1340 das [[Münzrecht|Goldmünzrecht]]. 1356 fand der erste allgemeine [[Hansetag]] in Lübeck statt. Mit dem [[Friede von Stralsund|Frieden von Stralsund]] erreichte Lübeck den Höhepunkt seiner Macht im Ostseeraum. Im 14. Jahrhundert war Lübeck neben [[Köln]] und [[Magdeburg]] eine der größten Städte des Reiches. Lübecks Rolle als führende Handelsmacht in der Ostsee wurde in den ersten Jahrzehnten des 16. Jahrhunderts zunehmend durch niederländische Kaufleute gefährdet, die unter Umgehung der Lübecker [[Stapelrecht|Stapels]] direkt die Städte im östlichen Teil der Ostsee ansteuerten. Nachdem der Friedrich I. nicht bereit war, Lübeck als Lohn für seine Hilfe bei der Gefangennahme Christian II. 1532 die [[Sundzoll|Sundschlösser]] zu überlassen, versuchte Jürgen Wullenwever mit militärischen Mitteln, die alte Vormachtstellung im Ostseeraum wiederherzustellen und die [[Grafenfehde]] zu Gunsten Lübecks zu beeinflussen. Zur Finanzierung seiner militärischen Abenteuer ließ er unter anderem den Kirchenschatz einschmelzen. Doch er scheiterte dramatisch, musste 1535 die Stadt verlassen, wurde vom Erzbischof von Bremen gefangen genommen und 1537 hingerichtet. Damit war Lübecks Zeit als „Königin der Hanse“ endgültig vorüber. Und auch die Bedeutung der Hanse schwand. [[Datei:Lübeck.jpg|miniatur|links|Stadtplan Lübecks um 1750 ([[Matthäus Seutter]])]] Im [[Dreißigjähriger Krieg|Dreißigjährigen Krieg]] gelang es Lübeck, neutral zu bleiben. 1629 wurde hier der [[Lübecker Frieden|Friede von Lübeck]] zwischen den kaiserlichen Truppen und König [[Christian IV. (Dänemark und Norwegen)|Christian IV.]] von Dänemark geschlossen. Im Zuge der Vorbereitungen für einen umfassenden Friedenskongress während der Verhandlungen über die Hamburger [[Präliminarien]] 1641 waren auch die beiden Städte Hamburg und Lübeck als Kongressorte im Gespräch. An den Verhandlungen und dem Abschluss des [[Westfälischer Friede|Westfälischen Friedens]] waren die Hansestädte durch den späteren Lübecker Bürgermeister [[David Gloxin]] vertreten. Der letzte Hansetag fand 1669 in Lübeck statt. Die drei Städte Lübeck, Hamburg und Bremen wurden zu Sachwaltern der Hanse und ihres Restvermögens eingesetzt. Der [[Siebenjähriger Krieg|Siebenjährige Krieg]] verlief dank der diplomatischen Beziehungen des Lübecker [[Stadtkommandant]]en [[Isaak Franz Egmont von Chasot|Graf Chasot]] ohne größeren Schaden für die Stadt. Mit dem [[Reichsdeputationshauptschluss]] 1803 blieb Lübeck noch reichsunmittelbare Stadt, um dann mit Fortfall des [[Heiliges Römisches Reich|Heiligen Römischen Reiches]] 1806 ein souveräner deutscher Staat zu werden. Von 1811 bis 1813 fand sich Lübeck in Folge der für [[Gebhard Leberecht von Blücher|Blücher]] vernichtenden ''[[Schlacht bei Lübeck]]'' wider Willen vorübergehend als Teil des französischen Kaiserreiches wieder. 1815 wurde Lübeck auf dem [[Wiener Kongress]] als Freie und Hansestadt Lübeck völkerrechtlich souveränes Mitglied des [[Deutscher Bund|Deutschen Bundes]]. Gesandtschaften und Konsulate wurden zumeist gemeinsam mit den beiden Schwesterstädten Bremen und Hamburg in wichtigen Haupt- und Hafenstädten unterhalten. Die hanseatischen [[Ministerresident]]en wie [[Vincent Rumpff]] in [[Paris]] oder [[James Colquhoun]] in [[London]], zugleich auch der letzte hanseatische [[Stalhof]]meister verhandelten die völkerrechtlichen Verträge mit den wichtigsten Handelspartnern. Das [[Postgeschichte und Briefmarken Lübecks|Postwesen]] betrieb jede Stadt für sich. Die Stadt wurde durch ihre Erneuerungsbewegung [[Jung-Lübeck]] und den [[Germanistentag]] des Jahres 1847 zu einem wichtigen Symbolort des Vormärz, überstand aber aufgrund der weitvorangeschrittenen Vorbereitung einer neuen Verfassung das [[Revolution von 1848/49|Revolutionsjahr 1848]] ohne größere Unruhen. === Neuzeit und Moderne === [[Datei:Lübeck RRD.jpg|miniatur|Markt in Lübeck um 1820 mit der Marienkirche (hi. li.) und dem Rathaus (Mitte u. re.)]] [[Datei:1913_3_Mark_Lübeck.JPG|thumb|3 Markmünze der Freien und Hansestadt Lübeck aus 1913]] Lübeck trat 1866 dem [[Norddeutscher Bund|Norddeutschen Bund]] sowie 1868 dem [[Deutscher Zollverein|Zollverein]] bei und wurde 1871 Gliedstaat des [[Deutsches Reich|Deutschen Reiches]]; damit endet die seit 1806 bestehende [[völkerrecht]]liche [[Souveränität]] Lübecks. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts setzte die [[Industrialisierung]] ein. Die Bevölkerungszahl wuchs rapide und die Vorstädte breiteten sich mit Aufhebung der [[Stadttor|Torsperre]] im Jahr 1864 aus. 1895 wurde die [[Deutsch-Nordische Handels- und Industrie-Ausstellung]] in Lübeck abgehalten, für die Bürger des kleinen Stadtstaates „ihre Weltausstellung“. Anno 1897 bekam die Stadt ihr [[Infanterie-Regiment „Lübeck“ (3. Hanseatisches) Nr. 162]]. Im [[Erster Weltkrieg|ersten Weltkrieg]] wurde es u. a. in der [[Schlacht an der Somme]], der [[Siegfriedstellung]] und der [[Deutsche Frühjahrsoffensive 1918|Frühjahrsoffensive von 1918]] eingesetzt. Der Zusammenbruch des [[Deutsches Kaiserreich|Kaiserreichs]] 1918 führte in Lübeck zwar als nächster Stadt nach Kiel zu einem [[Kieler Matrosenaufstand|Matrosenaufstand]], jedoch in Lübeck als einzigem Staat des Deutschen Reiches nicht zu revolutionären Verwerfungen durch die [[Novemberrevolution]]. Bürgermeister [[Emil Ferdinand Fehling]] und alle Senatoren blieben im Amt, aber bereits im gleichen Jahr kam es zu einem neuen, zeitgemäßen [[Wahlrecht]] des Staates und im Mai 1920 zu einer neuen, ersten demokratischen Verfassung im modernen Sinne. [[Datei:Bundesarchiv Bild 146-1977-047-16, Lübeck, brennender Dom nach Luftangriff.jpg|miniatur|links|Brennende Domtürme 1942]] [[Adolf Hitler|Hitler]] hat nie in Lübeck gesprochen. Die SPD hatte sämtliche Versammlungsräume in der Stadt für den Zeitraum des geplanten Wahlkampfauftrittes, geplant war die Veranstaltung in Lübeck für den 6. November 1932, angemietet. Da die Partei in die Waldhalle nach [[Bad Schwartau]] auswich, unterbrach ein SPD-Mann die Stromzufuhr und die Partei war gezwungen, ihre Veranstaltung im Dunkeln abzuhalten. Der Groll bewegte Adolf Hitler dann dazu, dass die Freie und Hansestadt Lübeck als Vergeltung 1937 ihre Eigenstaatlichkeit verlor. Diese Legende wird bei touristischen Führungen in der Stadt erzählt. Um eine möglichst große Menge zu erreichen, fanden die Veranstaltungen der NSDAP jedoch unter freiem Himmel statt. Der Lübecker Marktplatz war, bedingt durch Brunnen, Baumreihe und Kaak, der NSDAP zu klein, der Alternativort, der [[Buniamshof]] lag ihr zu weit abseits, ergo fiel die Wahl auf den Sportplatz des [[Riesebusch]]s in [[Bad Schwartau]], wo die Veranstaltung am 26. Oktober 1932 stattfand.<ref>Gerhard Schneider: ''Gefährdung und Verlust der Eigenstaatlichkeit der Freien und Hansestadt Lübeck und seine Folgen''; Veröffentlichungen zur Geschichte der Hansestadt Lübeck, Reihe B Band 14,Verlag Schmidt-Römhild, 1986, ISBN 3-7950-0452-7</ref><ref> Manfred Bannow-Lindtke: ''bad Schwartau unterm Hakenkreuz''; Albers & Range, Bad Schwartau 1993 </ref> Des Weiteren ist zu bedenken, dass die NSDAP zu jenem Zeitpunkt bereits die zweitstärkste Fraktion (nach der SPD) im Lübecker Senat stellte.<ref>Lübeckisches Adressbuch, Verlag Max Schmidt</ref> Im März 1933 setzte die [[Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei|NSDAP]] in Lübeck die [[Gleichschaltung]] verbunden mit dem Rücktritt <!--- siehe zu "Abtritt oder Rücktritt" auf der Diskussionsseite bis zur eoindeutigen Klärung. Benutzer:Leonard --> des [[SPD]]-Bürgermeisters [[Paul Löwigt]] und den weiteren sozialdemokratischen Senatoren durch und die demokratischen Verfassungsprinzipien außer Kraft; [[Friedrich Hildebrandt (Politiker)|Friedrich Hildebrandt]], der [[Reichsstatthalter]] für [[Mecklenburg]] und Lübeck, ernannte zum 30. Mai seinen Stellvertreter, [[Otto-Heinrich Drechsler]], zum Bürgermeister. Die Auseinandersetzung der Nationalsozialisten mit den demokratischen Parteien führte zur Verhaftung von [[Julius Leber]] am 1. Februar 1933. [[Willy Brandt|Herbert Frahm (''alias'' Willy Brandt)]] konnte sich der Verfolgung nur durch seine Flucht nach Skandinavien entziehen. Durch das [[Groß-Hamburg-Gesetz]] verlor Lübeck 1937 seine 711 Jahre alte territoriale Eigenständigkeit und wurde Teil der [[Preußen|preußischen]] [[Provinz Schleswig-Holstein]].<ref> Gerhard Schneider: ''Gefährdung und Verlust der Eigenstaatlichkeit der freien und Hansestadt Lübeck und seine Folgen'', Verlag Schmidt-Römhild zu Lübeck 1986, ISBN 3-7950-0452-7 </ref> In der Nacht zum [[Palmsonntag]] vom 28. März auf den 29. März 1942 erfolgte der [[Luftangriff auf Lübeck]]. Lübeck wurde damit zur ersten deutschen Großstadt, die im Rahmen der kurz zuvor erlassenen britischen [[Area Bombing Directive]] bombardiert wurde. Das Zielgebiet bildete die dichtbewohnte mittelalterliche Altstadt. Bei der Bombardierung wurden insgesamt 320 Menschen getötet und 1.044 Gebäude zerstört oder beschädigt, unter ihnen die [[Marienkirche (Lübeck)|Marienkirche]], die [[Petrikirche (Lübeck)|Petrikirche]] und der [[Lübecker Dom|Dom]]. [[Datei:Inner german border herrnburg.jpg|thumb|Innerdeutsche Grenze zwischen Lübeck-Eichholz und [[Lüdersdorf|Herrnburg]]]] Nach 1945 vergrößerte sich Lübecks Einwohnerzahl durch Zuzug von [[Flüchtling]]en aus den [[Ostgebiete des Deutschen Reiches|deutschen Ostgebieten]] erheblich. Es wurde Bestandteil des von den [[Alliierte]]n gebildeten Bundeslandes Schleswig-Holstein, genoss aber im kulturpolitischen Bereich wie in der [[Denkmalpflege]] einen Ausnahmestatus kommunaler Zuständigkeit. Die deutsche Teilung trennte Lübeck zwar vom mecklenburgischen Teil seines Hinterlandes, verschaffte aber andererseits seinem Fährhafen [[Lübeck-Travemünde|Travemünde]] eine bevorzugte Stellung im [[Fähre|Fährverkehr]] zwischen Westeuropa und den [[Ostsee]]ländern [[Schweden]] und [[Finnland]]. Seit der [[Deutsche Wiedervereinigung|deutschen Wiedervereinigung]] ist Lübeck wieder Oberzentrum auch für das [[Westmecklenburg|westliche Mecklenburg]]. Am 18. Januar 1996 starben bei einem [[Lübecker Brandanschlag|Brandanschlag auf eine Asylbewerberunterkunft in der Hafenstraße]] zehn Menschen, 30 werden schwer, 20 leicht verletzt. Die Tat konnte bis heute nicht aufgeklärt werden. == Bevölkerung == === Einwohnerentwicklung === [[Datei:Lübeck Dom-von-Westen 070311.jpg|miniatur|Die Insellage der Altstadt mit intensiver Ufernutzung führt bei vielen Anwohnern zu besonderer Identifikation mit ihrem Wohnbereich, hier [[An der Obertrave]] unweit des Domes; Aufnahme 2007.]] → ''Hauptartikel: [[Einwohnerentwicklung von Lübeck]]'' Im Jahre 1911 überschritt die Einwohnerzahl der Stadt die Grenze von 100.000, wodurch sie zur [[Großstadt]] wurde. Bis 1945 verdoppelte sich diese Zahl auf 219.000. Im Jahre 1968 erreichte die Bevölkerungszahl der Stadt mit 243.121 ihren historischen Höchststand. Zukunftsforscher sagen für die weitere Entwicklung bis 2020 einen Einwohnerverlust von circa fünf bis sechs Prozent voraus. Im Gegensatz dazu gab es zum Jahresende 2008 einen Anstieg der Zahl der Einwohner auf 213.385.<ref>[http://www.luebeck.de/stadt_politik/statistiken/files/PDF/201.pdf Statistik Hansestadt Lübeck] (pdf)</ref> === Religionen === {{Hauptartikel|Bistum Lübeck|Liste der Bischöfe von Lübeck}} ==== Mission ==== Mit dem Wiederaufbau der Stadt verlegte [[Heinrich der Löwe]] 1160 den Bischofssitz aus [[Oldenburg in Holstein|Oldenburg]] (Holstein) hierher und stiftete den Dom als Bischofskirche. Die persönliche Residenz des Bischofs blieb in [[Eutin]], das dadurch später zum Zentrum des [[Hochstift Lübeck|Fürstbistums Lübeck]] wurde. ==== Reformation und Lutheraner ==== Ab 1524 hielt die [[Reformation]] Einzug in der Stadt (erste evangelische Predigt), und 1530/31 führte der Rat der Stadt eine neue Kirchenordnung von [[Johannes Bugenhagen]] ein. Danach war Lübeck über viele Jahre eine protestantische Stadt, die sich 1577 bei Abfassung der [[Konkordienformel]] aktiv für den orthodoxen Lutherismus, veröffentlicht 1580 im [[Konkordienbuch]], entschied, was zu einer Abgrenzung von den umliegenden Gebieten [[Holstein]]s führen und großen Einfluss auf die weitere Entwicklung des Geisteslebens in der Stadt haben sollte. Als Freie Reichsstadt hatte in Lübeck der [[Senat]] das [[Landesherrliches Kirchenregiment|landesherrliche Kirchenregiment]] inne und konnte die kirchlichen Angelegenheiten selbst regeln. Die Verwaltung der [[Evangelisch-Lutherische Kirche in Lübeck|Evangelisch-Lutherischen Kirche in Lübeck]] erfolgte durch das [[Konsistorium]], das jedoch eher ein kirchliches Gericht als eine Behörde war, sowie durch das ''Geistliche Ministerium,'' an dessen Spitze bis 1796 ein [[Superintendent]], dann ein [[Senior (Kirche)|Senior]] stand. 1921 erhielt die Landeskirche eine neue Verfassung. 1933 fanden in Lübeck Kirchenwahlen statt, die eine Mehrheit für die faschistischen [[Deutsche Christen|Deutschen Christen]] erbrachte. Eine Opposition mit dem Ansatz eines [[Kirchenkampf]]es formierte sich erst im Laufe des Jahres 1934. Diese Anhänger der [[Bekennende Kirche|Bekennenden Kirche]] um [[Axel Werner Kühl]] erkannten den neugewählten Bischof [[Erwin Balzer]] nicht an. 1937 wurde zwischen den beiden widerstreitenden Bekenntnissen ein Kompromiss erzielt, der jeder Seite die Koexistenz bis zum Kriegsende ermöglichte. 1948 wurde die Lübecker Kirche Gründungsmitglied der [[Evangelische Kirche in Deutschland|EKD]]. 1977 schloss sie sich der [[Nordelbische Evangelisch-Lutherische Kirche|Nordelbischen Evangelisch-Lutherischen Kirche]] an und wurde Sitz des [[Sprengel]]s Holstein-Lübeck dieser neuen [[Landeskirche]]. Die Kirchengemeinden der Stadt gehören zum ''Kirchenkreis Lübeck.'' Mit [[Elisabeth Haseloff]] erhielt Lübeck 1958 die erste Pastorin Deutschlands; [[Bärbel Wartenberg-Potter]] wurde 2001 dritte Bischöfin in Deutschland. ==== Evangelische Freikirchen ==== Bereits 1532 siedelten sich in Lübeck [[Täufer]] an, die im 16. und 17. Jahrhundert eine [[Mennoniten|mennonitische]] Gemeinde (''Vereenigte vlaamse Doopsgesinde Gemejnte tot Lübeck'') bildeten. Die Gemeinde bestand zu Beginn vor allem aus niederländischen [[Glaubensflüchtling]]en. Auch [[Menno Simons]] hatte mit der [[Mennokate]] eine letzte Wirkungsstätte in der Nähe der Stadt gefunden. Die Mennonitengemeinde konnte jedoch nicht offen in Erscheinung treten, da sie nicht vom Rat der Stadt toleriert wurde,<ref>Dr. Robert Dollinger: ''Geschichte der Mennoniten in Schleswig-Holstein, Hamburg und Lübeck''. In: Quellen und Forschungen zur Geschichte Schleswig-Holsteins, Band 17, Neumünster 1930</ref> außerdem war ihr das Begräbnis in Lübeck verboten, sie bestattete ihre Toten auf der Südseite des außerhalb der Hansestadt befindlichen Friedhofes in [[Hamberge]].<ref>Dr. Werner Neugebauer: ''Schönes Holstein'', Lübeck 1967, Seite 97</ref> Nach dem Zweiten Weltkrieg gab es wieder Mennoniten in Lübeck, die sich 1950 zu einer neuen Gemeinde zusammen schlossen. Die Gemeinde ist heute der [[Arbeitsgemeinschaft Mennonitischer Gemeinden]] angeschlossen. Ab etwa 1849 finden sich in Lübeck [[Baptisten]], die jedoch erst 1921 eine eigene Gemeinde gründeten. Inzwischen existieren vier Gemeinden mit insgesamt 500 Mitgliedern. Die Gemeinden sind dem [[Bund Evangelisch-Freikirchlicher Gemeinden]] angeschlossen. Die Straße vor der baptistischen Friedenskirche wurde 1992 in Erinnerung an die ersten Lübecker Täufer in Täuferstraße umbenannt.<ref>[http://www.efgluebeck.de/geschichte.0.html EFG Lübeck, Geschichte]</ref> Die [[Methodisten]] begannen 1929 mit der Mission in Lübeck und besitzen heute zwei Kirchengebäude im Stadtgebiet.<ref>[http://www.ack-luebeck.de/mitglieder/methodistisch.htm Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Lübeck über die Lübecker Methodisten]</ref> Inzwischen gibt es auch eine Reihe weiterer evangelischer Freikirchen wie die [[Bund Freier evangelischer Gemeinden in Deutschland|Freie evangelische Gemeinde]], die [[Heilsarmee]], die [[Siebenten-Tags-Adventisten]] oder [[Pfingstbewegung|pfingstlerische]] Gemeinden wie die Agape-, Arche-, Ecclesia- oder Salem-Gemeinde. Diese sind dem [[Bund Freikirchlicher Pfingstgemeinden]] (Agape und Ecclesia), dem [[Mülheimer Verband Freikirchlich-Evangelischer Gemeinden|Mülheimer Verband]] (Arche) oder der [[Gemeinde Gottes (Cleveland)|Gemeinde Gottes]] (Salem) angeschlossen. ==== Evangelisch Reformierte ==== 1666 entstand in Lübeck eine [[Reformierte Kirche|reformierte]] Gemeinde; hinzu kam 1689 eine französisch-reformierte Gemeinde, die sich aus zugewanderten [[Hugenotten]] rekrutierte. Beide Gemeinden vereinigten sich 1781 zur „Evangelisch-Reformierten Kirchengemeinde Lübeck“, welche 1926 der [[Evangelisch-reformierte Kirche (Synode evangelisch-reformierter Kirchen in Bayern und Nordwestdeutschland)|Evangelisch-reformierten Landeskirche der Provinz Hannover]] beitrat. Das bedeutende klassizistische Gebäude der [[Reformierte Kirche (Lübeck)|Reformierten Kirche]] in der [[Königstraße (Lübeck)|Königstraße]] wurde 1826 in Betrieb genommen. ==== Katholiken nach der Reformation ==== Im 19. Jahrhundert zogen auch wieder Katholiken in die Stadt. 1849 erhielten sie eine erste Rechtsordnung und 1888 wurde die erste katholische Kirche Lübecks, die Herz-Jesu-Kirche – heute [[Propsteikirche Herz Jesu (Lübeck)|Propsteikirche Herz-Jesu]] – gebaut. Weitere katholische Gemeinden wurden im 20. Jahrhundert gegründet. Sie gehörten zunächst zum „[[Apostolisches Vikariat des Nordens|Apostolischen Vikariat der Nordischen Missionen]]“ und ab 1930 aufgrund des [[Preußenkonkordat|Preußischen Konkordates]] von 1929 zum [[Bistum Osnabrück]]. Aus den nördlichen Gebieten dieses Bistums entstand 1993 das neue [[Erzbistum Hamburg]], zu dem die Stadt Lübeck nunmehr gehört. Offiziell errichtet wurde das Erzbistum Hamburg allerdings erst am 7. Januar 1995. Die Pfarrgemeinden der Stadt Lübeck gehören innerhalb der [[Diözese|Erzdiözese]] Hamburg zum Dekanat Lübeck. ==== Juden in Moisling und Lübeck ==== [[Datei:JuedischerFriedhofHLMoislingneueGraeber.jpg|miniatur|Jüdischer Friedhof in [[Lübeck-Moisling|Moisling]] mit altem und neuem Gräberfeld 2007]]Die ersten jüdischen Familien, die sich 1656 im Dorf [[Lübeck-Moisling|Moisling]] – außerhalb der Lübecker [[Landwehr (Befestigung)|Landwehr]] gelegen – niederließen, waren vor den [[Pogrom]]en des ukrainischen Kosakenaufstandes (1648–1657) unter Hetman [[Bohdan Chmelnyzkyj]] aus dem multinationalen Großreich [[Polen-Litauen]] geflohen. Der Eigentümer von Dorf und Gut Moisling, der Lübecker Bürgermeister [[Gotthard von Höveln]] (1603–1671), der die [[Aschkenasim|aschkenasischen]] Juden aus ökonomischen Erwägungen ansiedelte, stieß damit auf starken Widerstand bei Rat und Bürgerschaft, die bis dahin eine jüdische Ansiedlung sowohl im Lübecker Stadt- als auch Landgebiet verhindert hatten. Nach einer Eskalation des Streits unterstellte von Höveln sein Dorf 1667 königlich-dänischer Territorialhoheit. Der Erbe, sein Schwiegersohn von Wickede, erlangte 1686 und 1697 auf Grund königlicher Konzessionen das Niederlassungsrecht für Juden in Moisling und deren unbeschränkte Handels- und Verkehrsfreiheit im [[Dänischer Gesamtstaat|dänischen Gesamtstaat]]. Doch die holsteinischen Landjuden bedurften, um den täglichen Lebensunterhalt zu bestreiten, für ihre Handelstätigkeit des Lübecker Marktes. Der aber blieb ihnen bis 1852 weitgehend verschlossen. Zwischen 1702 und 1762 gehörte das Dorf [[Schleswig-Holstein-Gottorf|gottorfischen]] beziehungsweise dänischen Eigentümern. Die autonome jüdische Zivil- und Zeremonialgerichtsbarkeit des Unterrabbinats Moisling stand dem [[Hamburg-Altona|Altonaer]] [[Großrabbiner|Oberrabbiner]] zu. 1762 wurde das Dorf lübeckisches Privateigentum, so dass die Stadt ihre antijüdische Politik kontinuierlich durchzusetzen vermochte. Per Staatsvertrag zwischen Dänemark und Lübeck gelangte 1806 die Landeshoheit über Moisling an die Reichsstadt, wodurch die nunmehr 300 rechtlosen Landjuden Lübecker Staatsangehörige wurden; deren ungeregelter Rechtsstatus blieb bis 1848 unverändert. Die in der [[Lübecker Franzosenzeit|napoleonischen Phase]] (1811–1813) oktroyierte bürgerliche Gleichstellung der Juden hatte zur Folge, dass die Hälfte der Moislinger jüdischen Gemeinde nach Lübeck zog, wo 1812 erstmals eine Synagoge eingeweiht wurde. 1814, nach dem Fall [[Napoleon]]s und dem Rückzug der französischen Truppen, widerrief der Senat die Gleichstellung. Nach jahrelangen gerichtlichen Auseinandersetzungen wurden die Juden 1824 aus dem Stadtgebiet vertrieben und kehrten nach Moisling zurück. Im abseitigen Moislinger [[Ghetto|Zwangsghetto]] ernährten sich die kontinuierlich verarmenden Juden hauptsächlich vom Hausierhandel in benachbarten Territorien. Die traditionell gesetzestreue Moislinger Gemeinde stellte 1825 einen altfrommen [[Juden in Polen|polnischen]] [[Rabbiner]] auf Lebenszeit an, konnte 1827 eine neue [[Synagoge Moisling|Synagoge]] weihen und 1837 eine [[Cheder|Elementarschule]] einrichten. In der internen Auseinandersetzung um die Reform des Judentums obsiegten die Traditionalisten. Das Recht, sich in Lübeck niederzulassen, erlangten die Juden 1848 im Laufe der [[Märzrevolution]]. Die ökonomisch-soziale Emanzipation bekräftigte abschließend und unwiderrufen ein 1852 verkündetes Gesetz, ebenso wie die Zulässigkeit einer interkonfessionellen Eheschließung (Mischehe).<ref>Peter Guttkuhn: ''Kleine deutsch-jüdische Geschichte in Lübeck.'' Schmidt-Römhild, Lübeck 2004. ISBN 3-7950-7005-8</ref> Nachdem 1850 eine Synagoge eröffnet worden war, wurde 1880 während des Rabbinats von [[Salomon Carlebach]] (1845–1919) eine weitere, neu erbaute [[Synagoge (Lübeck)|Synagoge]] in der Lübecker St.-Annen-Straße fertiggestellt. Carlebach begründete die Rabbinerdynastie [[Carlebach]], die in Deutschland, Großbritannien, den USA und Israel vertreten ist. Die jüdische Bevölkerung in Lübeck stieg von 522 im Jahre 1857 auf 700 im Jahre 1913 und sank nach der nationalsozialistischen Machtergreifung bis 1937 auf 250. Die letzten 85 Juden wurden 1941-42 ins [[Ghetto Riga]] deportiert. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde kurzfristig eine neue Gemeinde gegründet, deren Mitgliederanzahl sich 1948 auf 250 Personen belief, bis 1952 jedoch wieder auf 30 sank. Seit den Neunzigerjahren sind zahlreiche jüdische [[Kontingentflüchtling]]e aus der ehemaligen Sowjetunion hinzugekommen. ==== Sonstige Religionsgemeinschaften ==== * [[Neuapostolische Kirche]]: Seit dem Jahr 1901 ist die Neuapostolische Kirche in Lübeck ansässig. * [[Orthodoxe Kirchen]]: Es bestehen eine [[Russische Orthodoxe Kirche im Ausland|russisch-orthodoxe]] und eine [[Griechisch-orthodoxe Kirche|griechisch-orthodoxe]] Gemeinde, beide nutzten lange Jahre die [[Katharinenkirche (Lübeck)|Katharinenkirche]] für ihre Gottesdienste. Eine Seitenkapelle der Kirche ist dem Heiligen [[Prokop von Ustjug|Prokop von Lübeck]] geweiht. * [[Islam]]: Der Islam ist insbesondere aufgrund der zahlreichen [[Türken in Deutschland|türkischen]] Mitbürger in all seinen Facetten mit lebendigen Gemeinden und zahlreichen Bethäusern vertreten. ==== Lübecker Märtyrer ==== Von besonderer Bedeutung für die [[Ökumenische Bewegung|Ökumene]] in Lübeck ist das Gedenken an die [[Lübecker Märtyrer]]. Die drei [[Römisch-katholische Kirche|katholischen]] [[Priester]] Johannes Prassek, Hermann Lange und Eduard Müller sowie der [[evangelisch]]e [[Pastor]] [[Karl Friedrich Stellbrink]] wurden 1942 verhaftet, vom nationalsozialistischen [[Volksgerichtshof]] 1943 wegen „[[Verordnung über außerordentliche Rundfunkmaßnahmen|Rundfunkverbrechen]], landesverräterischer Feindbegünstigung und [[Wehrkraftzersetzung|Zersetzung der Wehrkraft]]“ zum Tode verurteilt und am 10. November 1943 in Hamburg durch Enthaupten hingerichtet. == Politik == === Bürgermeister === [[Datei:Bernd Saxe-2008-06.jpg|miniatur|130px|Bürgermeister Bernd Saxe im Juni 2008]] [[Datei:Luebecker rathaus.jpg|miniatur|Das Lübecker Rathaus;<br />links die [[Schaufassade]] aus der [[Backsteingotik]]. Aufnahme 2004.]] Die Leitung der Stadt Lübeck oblag über Jahrhunderte dem [[Stadtvertretung|Rat der Stadt]] mit dem oder den Bürgermeistern an der Spitze. Anfang des 19. Jahrhunderts wurde der Rat mit [[Senat]] bezeichnet. Dieser hatte 16 Senatoren und vier Bürgermeister, wobei die beiden ältesten sich im Vorsitz jährlich ablösten. Ab 1848 gab es nur noch zwei Bürgermeister. Sie waren lediglich Vorsitzende des Senats, nicht aber „Staatsoberhaupt“ der Freien Hansestadt Lübeck. Neben dem Senat gab es die „Bürgerschaft“ als „Parlament“. 1933 wurde die Bürgerschaft aufgelöst und der Senat verkleinert. Vorsitzender war fortan der „Oberbürgermeister“. Am 1. April 1937 wurde Lübeck im Zuge des [[Groß-Hamburg-Gesetz]]es in die [[Preußen|preußische]] [[Provinz Schleswig-Holstein]] eingegliedert, verlor damit seine staatliche Unabhängigkeit, also seine [[Territorium|territoriale]] [[Souveränität]]. 1956 lehnte das Bundesverfassungsgericht eine Beschwerde der Vaterstädtischen Vereinigung Lübeck, die einen Volksentscheid über die Wiedererlangung der Souveränität erreichen wollte, im sogenannten [[Lübeck-Urteil]] ab. Nach dem [[Zweiter Weltkrieg|Zweiten Weltkrieg]] wurde Schleswig-Holstein Teil der britischen [[Besatzungszone]]. Die Militärregierung führte 1946 eine zweigleisige Verwaltungsspitze ein. Danach gab es zunächst einen Bürgermeister als Vorsitzenden der „Bürgerschaft“ und daneben einen [[Oberstadtdirektor]] als Leiter der Verwaltung. Auf die erst seit 1933 geführte Amtsbezeichnung Oberbürgermeister für den Vorsitzenden der Bürgerschaft wurde verzichtet, weil der Titel Bürgermeister in Lübeck eine lange Tradition hat. Die schleswig-holsteinische Gemeindeordnung von 1950 übertrug den Titel „Bürgermeister“ dem Leiter der Verwaltung und führte für den Vorsitzenden der Bürgerschaft wie bei allen größeren Städten Schleswig-Holsteins die neue Bezeichnung [[Stadtpräsident]] ein. [[Lübecker Bürgermeister]] ist seit 2000 [[Bernd Saxe]] von der [[Sozialdemokratische Partei Deutschlands|SPD]]; [[Stadtpräsident]]in ist seit 2008 [[Gabriele Schopenhauer]] von der [[Sozialdemokratische Partei Deutschlands|SPD]]. Bei der Bürgermeisterwahl (amtliches Endergebnis in Klammern) am 4. September 2005 traf Sozialdemokrat Bernd Saxe (47,2 %) auf vier konkurrierende Herausforderer. Der Herausforderer der CDU war Michael Koch (24,0 %). Zudem stellten sich noch Susanne Hilbrecht von [[Bündnis 90/Die Grünen]] (4,6 %) sowie die [[Parteiloser|parteilosen]] Bewerber Gabriele Meißel (3,7 %) und Raimund Mildner (20,5 %) zur Wahl. Da im ersten Wahlgang eine absolute Mehrheit der abgegebenen Stimmen nötig ist, um die Wahl zu gewinnen, traten am 18. September 2005 Bernd Saxe und Michael Koch zur Stichwahl um das Amt des Bürgermeisters an. Aus dieser ging der Amtsinhaber [[Bernd Saxe]] mit 62 % der Stimmen als Sieger hervor. ''Siehe auch:'' [[Lübecker Bürgermeister|Lübecker Bürgermeister und Stadtpräsidenten]] === Bürgerschaft === Im Mai 2008 wurde die [[Bürgerschaft (Vertretungsorgan)|Bürgerschaft]] im Rahmen der [[Kommunalwahlen Schleswig-Holstein 2008]] neu gewählt. Die CDU und die SPD mussten herbe Verluste verkraften, die SPD wurde jedoch nach dem Debakel von 2003 wieder stärkste Fraktion. Drittstärkste Kraft wurde Die Linke, gefolgt von den Grünen, der Bürgerinitiative ''Bürger für Lübeck'', der FDP und der alternativen Wählerliste ''BUNT''. Aufgrund von [[Überhangmandat|Überhang-]] der SPD und [[Ausgleichsmandat]]en hat die Bürgerschaft 60 Mitglieder in sechs Fraktionen und zusätzlich eine fraktionslose Abgeordnete. → ''[[Ergebnisse der Kommunalwahlen in Lübeck]]'' === Wappen === → ''Hauptartikel: [[Lübecker Wappen]]'' [[Blasonierung]]: „In Gold ein rot bewehrter schwarzer Doppeladler mit einem von Silber und Rot geteilten Brustschild. Im großen Wappen halten zwei goldene Löwen den Schild; auf diesem ein Helm mit einköpfigem schwarzem Adler als Zier und silbern-roten Decken.“<ref name="WappenrolleSH">{{Internetquelle | url={{SH-Wappenrolle|239|kreisfreie Stadt Lübeck|nurLink=1}} | titel=Kommunale Wappenrolle Schleswig-Holstein : kreisfreie Stadt Lübeck | autor= | hrsg=Landesarchiv Schleswig-Holstein | werk= | seiten= | datum= | archiv-url= | archiv-datum= | zugriff=2010-04-27 | sprache= | format= | kommentar= | zitat= }}</ref> Das Lübecker [[Wappen]] stammt aus dem Jahre 1450 und ist damit das älteste Stadtwappen Schleswig-Holsteins. Bei dem Doppeladler handelt es sich um den „[[Adler (Wappentier)|Reichsadler]]“ als Symbol der ehemaligen Reichsfreiheit der Stadt Lübeck, welche die Stadt bis 1937 genoss, als sie durch das [[Groß-Hamburg-Gesetz]] der preußischen Provinz Schleswig-Holstein eingegliedert wurde. === Flagge === [[Blasonierung]]: „Von Weiß und Rot geteilt. Im weißen Feld unmittelbar neben der Stange ein schwarzer, rotbewehrter Doppeladler mit weiß-rot geteiltem Herzschild auf der Brust.“<ref name="WappenrolleSH" /> Die Stadtfarben sind wie bei allen [[Hanseflaggen]] Weiß-Rot. === Städtepartnerschaften === * [[Kotka]] (Finnland), seit 1969 * [[Wismar]] (Deutschland, Mecklenburg-Vorpommern), seit 1987 * [[La Rochelle]] (Frankreich), seit 1988, Freundschaftsvertrag bereits seit 1980 * [[Klaipėda]]/''Memel'' (Litauen), seit 1990 * [[Visby]] (Schweden), seit 1999 Freundschafts- und Kooperationsverträge bestehen mit: * [[Venedig]] (Italien), seit 1979 * [[Kawasaki (Kanagawa)|Kawasaki]] (Japan), seit 1992 * [[Bergen (Norwegen)|Bergen]] (Norwegen), seit 1996 * [[Shaoxing]] (China), seit 2003 Darüber hinaus unterhält Lübeck freundschaftliche Beziehungen mit mehr als 100 anderen europäischen Städten, die regelmäßig an den [[Hansetage der Neuzeit|Hansetagen der Neuzeit]] teilnehmen. == Wirtschaft und Infrastruktur == === Hafen === [[Datei:Roro faehre.jpg|miniatur|[[RoRo]]-Fähre]] Der Lübecker Hafen ist der größte deutsche Ostseehafen. Er verbindet Lübeck mit [[Skandinavien]], Russland und dem [[Baltikum]]. Zahlreiche Fährlinien verbinden die Lübecker Häfen mit dem gesamten Ostseeraum. Im Jahr 2007 wurde 32,6&nbsp;Millionen Tonnen Waren umgeschlagen und über 350.000 Passagiere abgefertigt. Der [[Skandinavienkai]] im Stadtteil [[Lübeck-Travemünde|Travemünde]] ist mit etwa 100 regelmäßigen Abfahrten pro Woche der größte Fährhafen Deutschlands: Passagiere und Fracht werden von hier aus nach Schweden, Finnland und ins Baltikum befördert. Der Nordlandkai ist Umschlaghafen für Papier, Trailer, Container und Neufahrzeuge. Die Reedereien [[Finnlines]] und [[Transfennica]] sind stark am Nordlandkai vertreten. Die Translumi-Line unterhält Verbindungen nach [[Kemi]] und [[Oulu]] (Finnland) und transportiert überwiegend [[SECU]]-Boxen, die wetterunabhängiges [[Stauerei|Löschen]] und Laden von Papiererzeugnissen ermöglichen. Gelegentlich machen am ATR-Getreidesilo größere Überseeschiffe fest, die Getreide für [[Ferner Osten|Fernost]] oder [[Südostasien]] laden. Der „Konstinkai“ war Hauskai der Transfennica-Reederei, die rollende Ladung und Papier von/zu finnischen Häfen befördert. Nach einer Umstrukturierung wird der stadtnahe Terminal jetzt wieder für Papier- und Holzumschlag genutzt. Außerdem gibt es zwei Abfahrten pro Woche nach Russland. Der Seelandkai ist neuer „Hauskai“ der Transfennica-Reederei. Er wurde 2006 in Betrieb genommen und verfügt unter anderem über zwei Containerbrücken. Seit 1994 in Betrieb ist der [[Schlutup]]kai, an dem hauptsächlich Papier und Zellulose aus Schweden angelandet wird. Unmittelbar südlich vom Konstinkai ist der Burgtorkai, der früher als Kreuzfahrtterminal diente. Durch die neue Travequerung Nordtangente können große Schiffe den Burgtorkai nicht mehr anlaufen. In privater Hand sind die Lehmannkais I–III der Lübecker Firma ''Hans Lehmann KG'', die Anfang 2004 das Gelände der ehemaligen Flender-Werft dazu gekauft hat, um drei oder vier [[RoRo]]-Anleger zu bauen. Sie will mit dem Partner [[DFDS]] weitere Fährlinien in den russischen und baltischen Raum [[Akquise|akquirieren]]. Ein ähnliches Ziel verfolgt die städtische [[Lübecker Hafengesellschaft]] (LHG) mit den Flächen am danebenliegenden Seelandkai. Zwischen Seelandkai und Lehmannkai&nbsp;I betrieb die [[Hamburger Hafen und Logistik|Hamburger Hafen und Logistik AG]] (HHLA) durch ihre damalige Tochter ''Combisped'' bis Sommer 2009 das moderne ''[[Containerterminal]]-Lübeck'' (CTL) mit [[Containerbrücke]]n zur Bahn-Verladung in Richtung der Containerterminals im [[Hamburger Hafen]]. Zum 1.Mai 2010 übernimmt das Gelände ebenfalls die ''Hans Lehmann KG'', die den Terminal zukünftig als ''CTL Cargo-Terminal Lehmann'' betreiben will. Die Containerbrücken werden demnächst abgebaut, da Lehmann diese nicht mit übernommen hat. Am [[Ostpreußenkai]] vor der Travemünder Hafenpromenade „Vorderreihe“ legen [[Kreuzfahrtschiff]]e und [[Großsegler]] an. Die stadtnahen Häfen Hansekai und Roddenkoppelkai werden heutzutage kaum noch für die gewerbliche Seeschifffahrt genutzt. Am Roddenkoppelkai legt mehrmals monatlich ein Holztransporter an, der Hansekai dient allenfalls Binnenschiffen oder Kurzzeit-Aufliegern als Liegeplatz. [[Datei:Hansekogge Lisa von Luebeck 21.jpg|miniatur|links|Bug der ''Lisa von Lübeck'' im Museumshafen (2007)]] ; Elbe-Lübeck-Kanal [[Datei:Lightvessel Fehrmarnbelt.jpg|miniatur|[[Feuerschiff Fehmarnbelt|Feuerschiff ''Fehmarnbelt'']] im Museumshafen vor der [[Musik- und Kongresshalle Lübeck]]]] : Der [[Elbe-Lübeck-Kanal]] ist für Lübecks Hafenwirtschaft nur von untergeordneter Bedeutung, weil er seit Jahrzehnten nicht modernisiert wurde, so dass er wohl noch für den Freizeitverkehr, nicht aber mehr für heutigen Frachtverkehr attraktiv ist. ; Museumshafen Lübeck: Direkt vor der Lübecker Altstadt im eigentlichen Hansahafen an der Untertrave ist der [[Museumshafen Lübeck]] beheimatet. Viele alte Lastensegler der Ostsee haben hier ihre Liegeplätze und sind im ''Museumshafen zu Lübeck e.V.'' organisiert. Da viele Schiffe noch seetüchtig sind und regelmäßig auslaufen, ist der Hafen im Winter besser als im Sommer gefüllt. Der Lübecker Hafen beherbergt zudem weitere traditionelle Schiffe wie das [[Feuerschiff Fehmarnbelt|Feuerschiff ''Fehmarnbelt'']], die [[Kraweel]] ''[[Lisa von Lübeck]]'' und den [[Gaffelschoner]] ''[[Krik Vig]]''. === Unternehmen === [[Datei:Bundesarchiv Bild 183-2005-0728-522, Lübeck, Fischverarbeitung.jpg|miniatur|Fischverarbeitungsmaschinen der Firma „Nordischer Maschinenbau Rud. Baader“ (1949)]] Früher in Lübeck ansässige Schwerindustrie ist nahezu verschwunden. Von 1905 bis 1981 bestand in Lübeck ein großes Hüttenwerk, das [[Hochofenwerk Lübeck]]. Auch der einst bedeutende Schiffbau ([[Flender-Werke]], [[Orenstein & Koppel]]) wurde ein Opfer des Strukturwandels. Im Spezialmaschinenbau ist die Firma [[Nordischer Maschinenbau Rud. Baader]] als Hersteller von Fischverarbeitungsmaschinen bekannt. In Lübeck haben einige Branchen eine besondere Tradition, so die [[Medizintechnik]], begünstigt auch durch die [[Universität zu Lübeck]]. Größter Arbeitgeber in diesem Bereich ist die [[Drägerwerk]] AG, von der unter anderem [[Narkose]]- und Atemschutzgeräte hergestellt werden. Ein weiteres bedeutendes medizintechnisches Unternehmen ist [[Euroimmun]], ein Hersteller von [[Labor]]kits zur [[Antikörper]]diagnostik. Größter Arbeitgeber mit Sitz in Lübeck ist die [[Bockholdt]] Gruppe mit mehr als 4300 Arbeitnehmern. Bockholdt ist einer der großen deutschen Systemdienstleister in den Bereichen Gebäudeservice und Industrieservice. Eine andere wichtige Branche ist die [[Lebensmittelindustrie]], so zum Beispiel [[Niederegger]], der bekannteste Hersteller von [[Lübecker Marzipan]], außerdem der Suppenhersteller ''Campbell's Germany'', der die [[Erasco]]-Gruppe übernommen hat, und der größte deutsche Fischkonservenhersteller [[Hawesta]]. Im Bereich des Hafens hat sich der [[Frühstücksflocken|Cerealien]]hersteller [[H. & J. Brüggen]] niedergelassen. Nur knapp außerhalb der Stadtgrenze befinden sich die [[Schwartauer Werke]], auf deren [[Marmelade]]ngläsern die Lübecker Kirchtürme abgebildet sind. Die [[Konditorei Junge]] ist unter ihrem Label ''Stadtbäckerei Junge'' bekannt. Weitere in der Stadt ansässige Unternehmen sind die Firmengruppe [[Possehl]], die in verschiedenen Branchen tätig ist, die [[Lübecker Hafengesellschaft]], die [[Lübecker Nachrichten]] und die [[Cinestar|Greater Union Filmpalast GmbH]]. Außerdem erwähnenswert sind die Firmen [[Schmidt-Römhild]] (Deutschlands ältestes [[Verlag]]shaus seit 1579) sowie [[Carl Tesdorpf]], Deutschlands ältestes Weinhandelshaus seit 1678, beide in der [[Mengstraße]] in der Altstadt ansässig. Der [[Schöning-Verlag]] ist der Marktführer für [[Ansichtskarte]]n in Deutschland. Der Finanzdienstleister [[Dr. Klein & Co. AG]], ursprünglich ein Vermittler von [[Kommunalobligation|Kommunalfinanzierungen]] ist Marktführer in der Vermittlung von [[Immobilienfinanzierung]]en an den Endverbraucher und die [[Neue Lübecker|NEUE LÜBECKER]] e.G., Norddeutschlands größte [[Wohnungsbaugenossenschaft]], vermietet Wohnungen sowohl in Lübeck als auch überregional. === Wirtschaftsförderung === Die [[Wirtschaftsförderung]] hat in Lübeck hanseatische Tradition und wird teilweise kommunal sowie auf Landesebene aber auch privatwirtschaftlich gelenkt. Dieser Dualismus ist für [[Existenzgründung|Existenzgründer]], denen mehrere [[Gründerzentrum|Gründerzentren]] zur Auswahl und im Wettbewerb untereinander zur Verfügung stehen von Vorteil. [[Technologiepark|Technologiezentren]] bestehen in [[Herrenwyk]], den [[Media Docks]], im [[Haus der Kaufmannschaft (Lübeck)|Haus der Kaufmannschaft]] und im neuen ''Hochschulstadtteil.'' Das unmittelbare Umland Lübecks in Mecklenburg im [[Aufbau Ost|Fördergebiet]] bietet vor dem Hintergrund der exzellenten Infrastruktur die weitere konkurrierende Möglichkeit interessanter Kombinationen von Lebensqualität und [[Finanzielle Fördermittel|Fördermitteln]]. Das [[Fördergefälle]] zwischen den Kommunen der Region führt politisch allerdings zu der einen oder anderen Missstimmung. Richtungweisend ist das erste Ländergrenzen überschreitende [[Förderprogramm]] [[Region Aktiv Lübecker Bucht]]. === Einzelhandel === Von überregionaler Bedeutung ist die ''Innenstadt'', wo sich das Gros der Lübecker [[Einzelhandel|Einzelhändler]] angesiedelt hat. Die [[Fußgängerzone]] erstreckt sich hauptsächlich über die [[Breite Straße (Lübeck)|Breite Straße]] zwischen Pfaffenstraße und Markt mit einigen sie kreuzenden Rippenstraßen.<ref>Josephine von Zastrow: ''Wird die Hüxstraße zur Fußgängerzone?'' In: Lübecker Nachrichten vom 18. Dezember 2008, S. 15</ref> Der Einkaufsbereich für Fußgänger erweitert sich durch den angrenzenden [[Markt (Lübeck)|Markt]], der lange Zeit fast eine kommerzielle [[Brache]] an zentraler Stelle war. Hier wurde Anfang 2005 ein Neubau mit einem großen Modekaufhaus eröffnet, der architektonisch umstritten war. Auch am Übergang von der Breiten Straße zur Sandstraße erweitert die König Passage den Einkaufsbereich für Fußgänger. Sie ist eine relativ gut ausgestattete [[Ladenpassage]]. Neben der Breiten Straße haben sich in der parallel verlaufenden [[Königstraße (Lübeck)|Königstraße]] sowie in der Verlängerung der Breiten Straße, der [[Sandstraße (Lübeck)|Sandstraße]], die meisten Einzelhändler niedergelassen. An dieser Stelle finden sich auch [[Kaufhaus|Kaufhäuser]] und größere Modegeschäfte. An der Stelle des ehemaligen Kaufhauses ''Haerder'', das 2007 abgebrochen wurde, entstand in kurzer Bauzeit das Einkaufszentrum ''Haerder-Center'', das im Oktober 2008 eröffnet wurde. [[Datei:Hüxstraße48bis42.jpg|miniatur|Die ''Hüxstraße'' mit einer Vielzahl von Einzelhandelsgeschäften; <br />Aufnahme 2007]] Weitere Geschäftsstraßen in der Innenstadt sind die [[Holstenstraße (Lübeck)|Holstenstraße]], die [[Wahmstraße]], die [[Mühlenstraße (Lübeck)|Mühlenstraße]], die [[Große Burgstraße (Lübeck)|Große Burgstraße]] und die [[An der Untertrave|Untertrave]]. Besonders hervorzuheben sind aber die Verlängerungen der Fußgängerzone in der ''Fleischhauer-'' und noch mehr in der ''[[Hüxstraße]]''. In diesen Seitenstraßen befindet sich ein einzigartiges Ensemble kleiner Läden, Restaurants und [[Galerie (Kunst)|Galerien]], hauptsächlich in mittelalterlichen Giebelhäusern. Ein innenstadtnahes [[Gewerbegebiet]] befindet sich in der [[Kanalstraße]]. Derzeit besitzt Lübeck mehrere [[Einkaufszentrum|Einkaufszentren]]. Der ''Citti-Park'' in Buntekuh ist das größte davon in unmittelbarer Nähe zur [[Bundesautobahn 1|A&nbsp;1]]. Neu entstanden sind das ''Mönkhof Karree'' im Hochschulstadtteil, die ''Linden-Arcaden'' direkt neben dem Hauptbahnhof sowie das ''Haerder-Center'' im Zentrum. Klassische Gewerbegebiete gibt es ebenfalls in Buntekuh/St. Lorenz nahe der A&nbsp;1 (Gewerbegebiete Herrenholz, Grapengießerstraße, Roggenhorst), in St.&nbsp;Jürgen nahe der [[Bundesautobahn 20|A&nbsp;20]] (Gewerbegebiet Geniner Straße) und in St. Gertrud (Gewerbegebiet Gleisdreieck, Glashüttenweg/An der Hülshorst). Auf dem derzeitigen Villeroy&Boch-Firmengelände an der Autobahnausfahrt Lübeck-[[Dänischburg]] entsteht bis zum Jahre 2012 ein Wohn-Fachmarktzentrum mit insgesamt 60.000&nbsp;m² Verkaufsfläche. Hier soll ein [[IKEA]]-Möbelhaus, ein Einkaufszentrum mit überwiegend skandinavischen Marken, ein Outlet-Store von Villeroy&Boch sowie ein Baumarkt entstehen. === Verkehr === ==== Straßenanbindung ==== Durch das westliche Stadtgebiet führt die [[Bundesautobahn 1]] [[Hamburg]]–[[Fehmarn]], die als so genannte „[[Vogelfluglinie]]“ und [[Europastraße 47|E&nbsp;47]] weiter über den [[Fehmarnbelt]] (Fähre) nach [[Kopenhagen]] und über die [[Öresundverbindung]] nach [[Malmö]] in [[Schweden]] führt, also ein Bindeglied zwischen der [[Metropolregion Hamburg]] und der [[Öresundregion]] darstellt. An dieser Autobahn befinden sich die Abfahrten Lübeck-Moisling und Lübeck-Zentrum. Im Norden der Stadt zweigt beim Autobahndreieck [[Bad Schwartau]] die [[Bundesautobahn 226|Stadtautobahn A&nbsp;226]] in Richtung [[Lübeck-Travemünde]] und Fährhafen [[Skandinavienkai]] ab. Seit 2001 ist der Lübecker Süden über die Anschlussstelle ''Lübeck-Genin'' an die ''[[Bundesautobahn 20|Ostseeautobahn A&nbsp;20]]'' angeschlossen. Die neue Anschlussstelle ''Lübeck-Süd'' für den Flughafen ''Lübeck-Blankensee'' wurde mit der neuen [[Bundesstraße 207|B&nbsp;207]] erstellt und verkürzt die Anfahrt von außerhalb erheblich. Die A&nbsp;20 ist seit dem 7.&nbsp;Dezember 2005 von Lübeck durch Mecklenburg-Vorpommern bis zur polnischen Grenze bei [[Pomellen]] durchgängig befahrbar. Durch die neue Autobahnumgehung im Zuge der A&nbsp;20 ist für Lübeck eine erhebliche Entlastung des Stadtzentrums wie der B&nbsp;75/[[Bundesstraße 104|B&nbsp;104]] im Bereich [[Lübeck-Siems|Siems]]/[[Lübeck-Schlutup|Schlutup]]/[[Selmsdorf]] eingetreten. Im Westen Lübecks soll die A&nbsp;20 einmal nördlich und westlich um Hamburg herum führen und nördlich von [[Rotenburg (Wümme)|Rotenburg]] an die A&nbsp;1 (Bremen–Hamburg) angeschlossen werden. Die A&nbsp;20 wird dann bei Bad Segeberg die [[Bundesautobahn 21|A&nbsp;21]] nach Kiel kreuzen, so dass irgendwann einmal auch die beiden größten Städte des Landes durch eine Autobahn auf kurzem Wege verbunden sein werden. Nach Beendigung der Bauarbeiten am Autobahnkreuz Lübeck in Richtung [[Bad Segeberg]] wurde der 15,7&nbsp;km lange Straßenabschnitt zwischen Lübeck und [[Geschendorf]] am 28.&nbsp;Juli 2009 in Betrieb genommen und führt zu weiteren Entlastungen im westlichen Stadtgebiet und in [[Stockelsdorf]]. Weitere wichtige Maßnahmen im Bereich der Verkehrsinfrastruktur sind der [[maut]]pflichtige [[Herrentunnel]] (Eröffnet am 26.&nbsp;August 2005) und die neue Travequerung der [[Eric-Warburg-Brücke]] im Zuge der ''Nordtangente'' sowie die Kreisstraße K&nbsp;13 zwischen Lübeck und Stockelsdorf. ==== Eisenbahn ==== [[Datei:Bahnhofsgebäude AL.jpg|miniatur|Lübeck Hauptbahnhof]] [[Datei:Travemünde 00.JPG|miniatur|Bahnhof Lübeck-Travemünde Strand]] [[Datei:DSB IC3.jpg|miniatur|Dänischer IC3 auf der Vogelfluglinie Hamburg–Lübeck–Kopenhagen]] In Lübeck betreibt die Deutsche Bahn folgende Bahnhöfe und Haltepunkte: * [[Lübeck Hauptbahnhof]] * Lübeck-St. Jürgen * Lübeck-Kücknitz * Lübeck-Travemünde Skandinavienkai * [[Travemünde#Hafenbahnhof|Lübeck-Travemünde Hafen]] * [[Travemünde#Strandbahnhof|Lübeck-Travemünde Strand]] * [[Haltepunkt Lübeck-Flughafen|Lübeck Flughafen]] Die Einrichtung des folgenden Haltepunktes befindet sich im Planungsstadium<ref>[http://www.lvs-sh.de/media/pdf/090320_lnvp_090306_web_FINAL.pdf Landesweiter Nahverkehrsplan für den Schienenpersonennahverkehr in Schleswig-Holstein] (pdf, 10&nbsp;MB)</ref>: * Lübeck-Hochschulstadtteil (Baubeginn 2011)<ref>http://www.luebeck.de/stadt_politik/rathaus/buergerschaft/dokumente/db_files/01anie100118.pdf</ref> <!--Dänischburg und Moisling werden laut Quelle als Haltepunkte *gewünscht*--> Von Seiten der Politik und Presse wurde mehrfach gefordert, auf den Lübecker Bahngleisen eine [[S-Bahn]] einzurichten. Dies wurde in der aktuellen Streckenausschreibung für das Bahnnetz Ost als Option festgehalten. Ein Gutachten macht den Einstieg in das S-Bahn-System von den Passagierzahlen des Flughafens Blankensee abhängig. Der Haltepunkt Lübeck-Flughafen wurde hierfür bereits mit Bauvorleistungen errichtet. Der [[Lübeck Hauptbahnhof|Lübecker Hauptbahnhof]] ist seit dem 1. Oktober 2008 an das elektrische Streckennetz der [[Deutsche Bahn|Deutschen Bahn]] angebunden; das seit Jahren bestehende Elektrifizierungsprojekt wurde, nach mehreren Investitionsstopps – nicht zuletzt wegen des [[Lkw-Maut in Deutschland|Mautdesasters]], nun fertig gestellt. Die offizielle Eröffnung der Elektrifizierung fand am 14.&nbsp;Dezember 2008 statt. Fernzugverbindungen bestehen auf der [[Vogelfluglinie]] Richtung Kopenhagen durch die [[Danske Statsbaner]] (DSB). Bis vor einigen Jahren bestehende Fernverbindungen in östliche Richtungen wurden eingestellt oder werden nunmehr an Lübeck vorbei geführt. Seit dem Fahrplanwechsel am 9.&nbsp;Dezember 2007 ist Lübeck an das deutsche [[Intercity-Express|ICE]]-Netz angeschlossen: spezielle [[DBAG-Baureihe 605|Diesel-ICE]] binden Lübeck dabei über Hamburg nach [[Berlin]] an, in anderer Richtung fahren sie auf der Vogelfluglinie bis Kopenhagen. Diese Verbindung wird den Eurocity langfristig ersetzen. Außerdem fährt jeden [[Freitag]] ein durchgehender [[Intercity]] nach [[Passau]] über [[Köln]] und [[Frankfurt am Main]], während der Sommermonate auch an den Wochenenden, dann aber nur bis Frankfurt. Weitere Fernverbindungen nach Abschluss der Elektrifizierungsarbeiten wurden von der DB-Führung bereits in Aussicht gestellt. So verkehrt seit Dezember 2008 täglich ein ICE-Paar zwischen Lübeck und [[München]] über [[Hannover]], [[Kassel]] und [[Würzburg]]. Regionalzüge der [[DB Regio]] fahren nach Hamburg, [[Lüneburg]] (auch Halt in Lübeck Flughafen), [[Bad Kleinen]] (auch Halt in Lübeck-Sankt Jürgen), Kiel, [[Neustadt in Holstein]], [[Puttgarden]] und Lübeck-Travemünde Strand (mit Halt in [[Lübeck-Kücknitz]], Lübeck-Travemünde [[Skandinavienkai]] und Lübeck-Travemünde Hafen). Für Fahrten an die Westküste Schleswig-Holsteins ist Umsteigen in Hamburg bzw. Kiel notwendig, was meist mit längeren Wartezeiten verbunden ist. Die Strecke Hamburg–Lübeck ist in Schleswig-Holstein die Strecke mit der höchsten Frequenz; die [[Ausschreibung|öffentliche Ausschreibung]] wurde durch die nun beschlossene Elektrifizierung auf Eis gelegt. Die schnellste und auch durchgehende Verbindung zwischen Hamburg und Travemünde bestand vor dem Zweiten Weltkrieg durch die [[Lübeck-Büchener Eisenbahn]] und später die [[Deutsche Reichsbahn|Reichsbahn]]. Auf der Strecke von Lübeck nach Hamburg wurden [[Diesellokomotive]]n der [[DB-Baureihe 218|Baureihe 218]], seit Sommer 2006 in Kombination mit [[Doppelstockwagen]], genutzt. Diese Diesellokomotiven werden nun durch [[Elektrolokomotive|E-Loks]] ersetzt. Auf anderen Strecken fahren u.a. [[Triebwagen|Dieseltriebwagen]] der [[DB-Baureihe 628|Baureihe&nbsp;628]]. Von 1945 bis 1990 war Lübeck Grenzbahnhof zur [[Sowjetische Besatzungszone|SBZ]] bzw. [[Deutsche Demokratische Republik|DDR]]. Täglich fuhren ein bis zwei [[Interzonenzug|Interzonenzüge]] Richtung Bad Kleinen–[[Rostock]]. ==== Öffentlicher Personennahverkehr ==== [[Datei:ZOB-Luebeck.jpg|miniatur|links|[[Busbahnhof|ZOB]] Lübeck, Ostseite]] Die [[Straßenbahn Lübeck]] wurde 1959 stillgelegt. Eine Reaktivierung als [[Stadtbahn]] ist immer wieder im Gespräch. Besonders die Grünen setzten sich hierfür ein, da das System „Bus“ aufgrund der sehr starken Auslastung nicht mehr erweiterbar sei. Im städtischen Haushalt für das Jahr 2010 sind 120.000 Euro für eine Machbarkeitsstudie zur Einführung einer Stadtbahn eingeplant.<ref>http://www.hl-live.de/aktuell/textstart.php?id=59195</ref> Von vielen Anwohnern wird bemängelt, dass die derzeit eingesetzten Busse nicht unbedingt in ihrer Dimension dem Weltkulturerbe angepasst sind. Auch ist zunehmend umstritten, ob wirklich jede Buslinie als [[Durchmesserlinie]] quer durch die mittelalterliche Altstadt geführt werden muss oder ob nicht [[Ringlinie]]n um die Altstadt herum sinnvoller seien. Hauptbetreiber ist die [[Stadtverkehr Lübeck]] GmbH (SL). Es gilt daher in Lübeck und einigen umliegenden Gemeinden weiterhin der Tarif der ''Tarifgemeinschaft Lübeck'' (TGL), die von der SL, der Deutsche Bahn AG und der Lübeck-Travemünder Verkehrsgesellschaft mbH (LVG) geschlossen wurde. Zum Gebiet der TGL gehören neben Buslinien der SL und LVG auch alle Bahnhöfe beziehungsweise -halte im Lübecker Stadtgebiet. Auf dem Linienplan des Stadtverkehr werden die Buslinien, die die Altstadt durchfahren, zur besseren Orientierung farblich gekennzeichnet. Die grünen Linien (2, 6, 7, 9, 16, 17, 19) fahren vom [[Holstentor]]platz über den [[Kohlmarkt (Lübeck)|Kohlmarkt]] zur Stadthalle ([[Mühlentor (Lübeck)|Mühlentor]]). Die blauen Linien (1, 11, 21, 31, 34) nehmen vom Holstentorplatz den Weg über die [[Königstraße (Lübeck)|Königstraße]] zum Gustav-Radbruch-Platz am [[Burgtor (Lübeck)|Burgtor]] (in der Gegenrichtung über die [[Beckergrube]] und den [[Schüsselbuden]]). Die roten Linien (nur noch 4, 32) durchqueren die Altstadt von Nord nach Süd vom Gustav-Radbruch-Platz bis zur Stadthalle. Die gelben Linien (3, 12) nehmen schließlich den Weg über die Beckergrube zum Holstentorplatz. Die restlichen Linien (5, 10, 30, 40) fahren auf unterschiedlichen Wegen durch die Altstadt. Die überwiegend signalroten Busse der Lübeck-Travemünder Verkehrsgesellschaft (LVG) verbinden ZOB und Altstadt mit den nördlichen Stadtteilen Kücknitz (Linie 31, 32, 34) und Travemünde (Linie 30 und 40 bis Strandbahnhof). Der Einsatz der populären [[Doppeldeckerbus]]se wurde jedoch am 31.&nbsp;Dezember 2007 beendet, da die Fahrzeuge zu alt waren und neue Fahrzeuge für die Fahrt durch das Burgtor zu hoch sind. Der Busbetrieb Dahmetal bedient mit ihren Buslinien 902 die Strecke Lübeck–Großhansdorf, 906 Lübeck–Ahrensburg, 907 Lübeck–Rondeshagen und 930 Kronsforde–Klempau. Lübeck ist in das von der [[Autokraft|Autokraft GmbH]] betriebene schleswig-holsteinische [[Regionalbus]]-Liniennetz eingebunden. In Travemünde fährt die Priwallfähre – außerhalb der Tarifgemeinschaft – zwischen der Stadt und der Halbinsel [[Priwall]]. ==== Flughafen ==== [[Datei:Flughafen Lübeck.jpg|miniatur|Flughafen Lübeck-Blankensee]] Lübeck verfügt im Süden des Stadtgebiets über den Regionalflughafen [[Flughafen Lübeck|Lübeck-Blankensee]]. Der Flughafen wird seit 2000 von der irischen Fluggesellschaft [[Ryanair]] als Flughafen „Hamburg-Lübeck“ angeflogen und verbindet die Region seitdem mit [[Flughafen London-Stansted|London-Stansted]]. Inzwischen bietet Ryanair weitere Flüge nach [[Bergamo]], [[Flughafen Stockholm-Skavsta|Stockholm-Skavsta]], [[Pisa]], [[Dublin]], [[Palma de Mallorca]] und [[Girona]] bei [[Barcelona]]. Die erste innerdeutsche Verbindung besteht seit Herbst 2008 mit dem [[Flughafen Frankfurt-Hahn]]. Angekündigt sind zudem Flüge nach [[Alghero]] (Sardinien) und [[Alicante]]. Zudem ist seit 2006 die osteuropäische Billigfluglinie [[Wizz Air]] mit Flügen nach [[Danzig]] in Blankensee vertreten. Die Zukunft des Lübecker Flughafens ist in der Stadt umstritten. Der aktuelle Betreiber [[Infratil]] hat den Vertrag mit der Stadt noch bis September 2009 verlängert. Der wirtschaftliche Erfolg des Flughafens wird an einen (heftig umkämpften) weiteren Ausbau gekoppelt sein, zumindest hat Ryanair dies für ein weiteres Engagement in Lübeck zur Vorgabe gemacht. Da allerdings Naturschutzgebiete direkt an den Flughafen grenzen, ist ein unbegrenzter Ausbau nicht möglich. Das [[Planfeststellung]]sverfahren zur nächsten Ausbaustufe ist im Frühjahr 2009 abgeschlossen. Aufgrund von Rechtsstreitigkeiten mit dem Flughafen wegen mutmaßlicher Subventionszahlungen an Ryanair wird der Flughafen zurzeit von keiner deutschen Fluglinie wie [[Lufthansa]] oder [[Air Berlin]] angeflogen, was damit auch bedeutendere innerdeutsche Fluganbindungen beispielsweise nach [[Frankfurt am Main|Frankfurt]] oder [[München]] verhindert. Dennoch hat Lübeck neben [[Westerland]] den einzigen Verkehrsflughafen in Schleswig-Holstein und wird auch deshalb von der Landesregierung beim weiteren Ausbau unterstützt. === Energie === Die örtliche Energieversorgung mit Elektrizität aber auch die [[Gasversorgung Lübeck|Gasversorgung]] in der Stadt liegt in Händen der [[Stadtwerke Lübeck]] GmbH. Das Kraftwerk [[Lübeck-Siems|Siems]] sollte von der E.ON nach dem Abriss eigentlich neu errichtet werden, die E.ON hat sich an diese Versprechungen und Zusagen jedoch nicht gehalten. Lübeck ist Ausgangspunkt des langen Hochspannungs-[[Seekabel]]s „[[Baltic Cable]]“, einer 450-kV-[[Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragung|HVDC]]-Leitung nach Schweden. ''Siehe auch:'' [[Gasversorgung Lübeck]], [[Stromversorgung Lübeck]] === Kommunikation === Die teilprivatisierte Stadtwerke Lübeck GmbH bietet örtlich mit [[Trave-DSL]] einen Internetzugang an (als eines der wenigen Unternehmen in Deutschland im [[Line-Sharing]]-Verfahren, d.&nbsp;h. ggf. auch ohne zusätzlichen Telefonanschluss). Als weitere regionale Anbieter treten [[Hansenet]] und [[Versatel]] (ehemalige KomTel) auf. Anschlüsse von [[Arcor]] sind auch möglich. In wenigen Bereichen Lübecks ist DSL derzeit nicht verfügbar. Kabel Deutschland bietet in der Hansestadt Internet über den Kabelanschluss an. Ferner installiert die Telekom derzeit ein VDSL-Netz. === Lübecker Erfindungen === * [[Lübecker Hütchen]] * [[Lübecker Marzipan]] === Medien === Als Tageszeitung erscheinen in Lübeck die [[Lübecker Nachrichten]] in gedruckter und Online-Ausgabe sowie die Online-Tageszeitung ''HL-live.de''. Der Ostsee-Verlag, eine Tochterfirma der Lübecker Nachrichten GmbH, gibt zweimal wöchentlich das Anzeigenblatt ''Wochenspiegel'' heraus. Die [[Lübecker Stadtzeitung]] erscheint einmal wöchentlich und wird kostenlos an alle Haushalte ausgegeben. Herausgeberin ist die Hansestadt Lübeck. Redaktion, Verlag und Druck liegt in Händen der [[Linus Wittich]] Druck + Verlag Lübeck GmbH. In der Stadtzeitung erschienen die Amtlichen Bekanntmachungen der Stadt. <ref>[http://stadtzeitung.luebeck.de Lübecker Stadtzeitung]</ref> Bedeutende Zeitung in Lübeck war bis 1933 der 1894 gegründete sozialdemokratische [[Lübecker Volksbote]], dessen Chefredakteur von 1921 bis 1933 [[Julius Leber]] war. Für die Zeitung schrieb [[Willy Brandt]] als Schüler. Zwischen 1942 und 1945 erschien die NSDAP-Zeitung [[Lübecker Zeitung]]. Die nach Ende des Zweiten Weltkriegs von der britischen Besatzungsregierung gegründete ''Lübecker Post'' sowie die sozialdemokratische Tageszeitung ''Lübecker Freie Presse'' und ihr Nachfolger ''Lübecker Morgen'' stellten ihr Erscheinen ein. Auch die in Lübeck herausgegebene ''Nordwoche'', eine Wochenzeitung für Schleswig-Holstein, existiert nicht mehr. Der Sender [[Offener Kanal Lübeck]] hat sein Studio in einem mit der Musik- und Kunstschule geteilten Gebäude („Alte Post“) in der [[Kanalstraße]]. Diverse Radiosendungen werden zudem im Sendestudio der [[Media Docks]] produziert. Die Stadt ist Sitz eines Regionalstudios des [[Norddeutscher Rundfunk|NDR]], das Beiträge für die Hörfunkwellen und das Fernsehprogramm produziert. Neben den Programmen des [[Norddeutscher Rundfunk|NDR]] und des Offenen Kanals sind auch der [[Deutschlandfunk]] und [[Deutschlandradio Kultur]] sowie die privaten Rundfunkveranstalter [[Radio Schleswig-Holstein|R.SH]], [[delta radio]], [[Radio NORA]] und [[Klassik Radio]], ferner auch alle landesweiten Sender aus Mecklenburg-Vorpommern, Hamburg und Niedersachsen zu empfangen. === Öffentliche Einrichtungen === Folgende Behörden beziehungsweise [[Körperschaft des öffentlichen Rechts|Körperschaften]] haben ihren Sitz in Lübeck: * [[Handwerkskammer]] Lübeck * [[Deutsche Industrie- und Handelskammer|IHK]] zu Lübeck * [[Wasser- und Schifffahrtsamt]] Lübeck * [[Deutsche Rentenversicherung Nord]] * [[Betriebskrankenkasse|BKK]] Hansestadt Lübeck * [[Landgericht Lübeck]] im [[Gerichtshaus (Lübeck)|Gerichtshaus]] * [[Sozialgericht Lübeck]] * [[Arbeitsgericht Lübeck]] * [[Finanzamt]] * [[Amt für ländliche Räume]] * eine [[Filiale]] der [[Deutsche Bundesbank|Deutschen Bundesbank]], ehemals [[Landeszentralbank]] * [[Landesamt für soziale Dienste]], ehemals [[Versorgungsamt]] == Bildung und Wissenschaft == === Hochschulen === [[Datei:Siegel-Uni-Luebeck.svg|miniatur|120px|Siegel der UZL]] In Lübeck gibt es vier staatliche Hochschulen. Die [[Universität zu Lübeck]] (UZL), damals noch ''Medizinische Hochschule zu Lübeck,'' wurde 1973 als Nachfolgerin der II. Medizinischen Fakultät gegründet, welche seit 1964 eine Fakultät der [[Christian-Albrechts-Universität zu Kiel|Universität Kiel]] war. Anfang der 1980er Jahre wurde das Vorklinikum eröffnet, seitdem ist ein vollständiges Studium der [[Medizin]] in Lübeck möglich. 1993 wurde der Studiengang [[Informatik]] eingerichtet, inzwischen gibt es noch die [[Bachelor]]-/[[Master]]studiengänge ''Molecular Life Science'', ''Computational Life Science'' und seit dem Wintersemester 2007 ''Medizinische Ingenieurwissenschaft'' sowie den in Kooperation mit der [[International School of New Media]] angebotenen Masterstudiengang ''Digital Media.'' Im Rahmen der [[Exzellenzinitiative]] der [[Bundesregierung]] wurde 2007 die ''Graduate School for Computing in Medicine and Life Sciences'' gegründet. Diese Graduiertenschule bildet Doktoranden auf dem Gebiet der Informatik in der Medizin und in den Lebenswissenschaften aus. [[Datei:Logo fh luebeck.jpg|miniatur|Logo der FHL. <br />Entwurf: Martin Botsch]] Der [[Campus]] der [[Universität]] liegt mit dem der [[Fachhochschule]] im Stadtteil [[Lübeck-St. Jürgen|St. Jürgen]]. Die [[Fachhochschule Lübeck]] (FHL) wurde 1969 als Staatliche Fachhochschule für Technik und Seefahrt durch Zusammenschluss mehrerer Vorgängereinrichtungen gegründet. Hier werden heutzutage hauptsächlich Studiengänge aus dem Bereich Technik, [[Ingenieur]]wesen und angewandte [[Naturwissenschaft]]en angeboten. In Zusammenarbeit mit der Universität werden hier beispielsweise auch [[Medizintechnik]]er ausgebildet. [[Datei:Germany Luebeck Trave.jpg|miniatur|Die Musikhochschule (rechts), dahinter die Türme von St. Petri (re.) und St. Marien (li.)]] Die [[Musikhochschule Lübeck]] entstand 1973 aus einem bereits 1891 gegründeten privaten [[Konservatorium]]. Als einzige der Lübecker Hochschulen befindet sie sich im Bereich der Innenstadt. Die Musikhochschule hat in vielen Ländern der Welt einen ausgezeichneten Ruf, so dass Studenten aus über 30 Nationen der Welt hier studieren. Die [[Fachhochschule des Bundes für öffentliche Verwaltung]] – Fachbereich [[Bundespolizei (Deutschland)|Bundespolizei]] wurde 1978 gegründet. Der Hauptsitz dieser Fachhochschule befindet sich in [[Brühl (Rheinland)]]. Als privaten Hochschule ist noch die [[International School of New Media]] (ISNM) in den ''Media Docks'' am Ende der Wallhalbinsel untergebracht. Diese ehemaligen Kaianlagen wurden außer für die Unterbringung der ISNM auch für Firmengründungen des [[Neuer Markt|Neuen Marktes]] restauriert. Sie bieten einen hervorragenden Ausblick auf die Altstadt. === Schulen === In Lübeck bestehen drei [[Integrierte Gesamtschule]]n: die [[Geschwister-Prenski]]-Gesamtschule am Burgtor, die Baltic-Gesamtschule in Lübeck-Buntekuh und die Willy-Brandt-Schule-[[Lübeck-Schlutup|Schlutup]]. Mehrere der Lübecker [[Gymnasium|Gymnasien]] befinden sich direkt in der Innenstadt. In zwei umgebauten Klöstern befinden sich das [[Katharineum zu Lübeck]] mit Schwerpunkt im altsprachlichen Bereich sowie das [[Johanneum zu Lübeck]] als Gymnasium mit Musikzweig; ebenfalls im Bereich der Altstadt liegen die [[Ernestinenschule]] und die [[Oberschule zum Dom]], die bis Anfang der 1980er Jahre als reine Mädchen- beziehungsweise Jungenschule konzipiert waren. Die [[Hanse-Schule für Wirtschaft und Verwaltung]] ist ein Berufsbildungszentrum in der Innenstadt. Weitere, nicht in der Innenstadt liegende Gymnasien sind die Friedrich-List-Schule (ein Fachgymnasium mit wirtschaftlichem Zweig), die [[Thomas-Mann-Schule (Lübeck)|Thomas-Mann-Schule]], ein neusprachliches Gymnasium und [[Europaschule]], das [[Carl-Jacob-Burckhardt-Gymnasium]], das [[Trave-Gymnasium]] im Stadtteil [[Lübeck-Kücknitz|Kücknitz]] und das Fachgymnasium (Technischer Zweig) in der Gewerbeschule III. Die [[Dorothea-Schlözer-Schule]] umfasst neben dem Fachgymnasium die Fachschule für Sozialpädagogik auch Ausbildungsgänge für Pflegeberufe und Hauswirtschaft.Darüber hinaus gibt es einige Fachschulen, Berufsschulen (die im Jahr 2005 als [[Emil Possehl|Emil-Possehl]]-Schule zusammengefasst wurden), Berufsfachschulen, Berufsvorbereitungsschulen und eine Freie [[Waldorfschule]]. Außerdem befindet sich neben dem Gelände der [[Fachhochschule]] die ''Akademie für [[Hörgerät]]eakustik''. === Sonstige Bildungseinrichtungen === In Lübeck besteht seit 1999 der Verbund Weiterbildung in Lübeck, in dem sich auf freiwilliger Basis Einrichtungen der beruflichen, allgemeinen und politischen Bildung zusammengeschlossen haben. Mit über 70 Einrichtungen ist es das größte regionale Weiterbildungsnetzwerk in Schleswig-Holstein. Moderiert von der neutralen Wirtschaftsförderung LÜBECK GmbH informiert der Verbund neutral und objektiv Bürgerinnen und Bürger sowie Unternehmen über die Weiterbildungsmöglichkeiten in der Region. Neben den weiter unten genannten [[Theater]]n und [[Museum|Museen]] besteht noch die [[Volkshochschule]] Lübeck. Die Volkshochschule hat zwei eigene Standorte, einen in der Innenstadt und einen in Sankt-Lorenz-Nord und nutzt für die zahlreichen Kurse auch Räume in anderen öffentlichen Schulen. Die [[Sternwarte Lübeck]] bietet öffentliche Himmelsbeobachtungen und astronomische Vorträge an. Die [[Stadtbibliothek (Lübeck)|Stadtbibliothek]] ist gleichzeitig öffentliche [[Bibliothek|Bücherei]] und wissenschaftliche [[Bibliothek]]. Sie bietet in ihren Räumen in der [[Hundestraße]] sowie in einigen Außenstellen ein reichhaltiges Angebot an Fachbüchern und Trivialliteratur und hat in ihren Archiven auch einige Schätze. Die städtischen [[Urkunde]]nsammlungen seit dem Mittelalter und viele [[Urkunde|Dokumente]] der Hansezeit verwahrt das [[Archiv der Hansestadt Lübeck]]. Die [[Werkkunstschule Lübeck]] ist eine Schule für Kommunikationsdesign. Die [[Wirtschaftsakademie Schleswig-Holstein]] ist mit einer Niederlassung vertreten. == Kultur und Sehenswürdigkeiten == === Weltkulturerbe Lübecker Altstadt === [[Datei:Germany Goldeuro 2007 Luebeck Motivseite IMG 2588.jpg|miniatur|100-Euro-[[Gedenkmünzen der Bundesrepublik Deutschland#100-€-Goldmünzen|Gedenkmünze]] Gold, Deutschland 2007]] [[Datei:Germany Luebeck St Aegidien.jpg|miniatur|Ägidienstraße und Turm von St. Aegidien]] Am 14. Dezember 1987 wurden die erhaltenen Teile des mittelalterlichen Stadtkerns auf der Altstadtinsel von der [[UNESCO]] zum [[UNESCO-Welterbe|Weltkulturerbe]] erklärt. Damit wurde erstmals in Nordeuropa eine ganze Altstadt als Weltkulturerbe anerkannt. Ausschlaggebend waren dabei der exemplarische Charakter der Altstadt für die mittelalterliche Stadtentwicklung im Ostseeraum, die markante Stadtsilhouette mit den sieben Türmen der fünf Hauptkirchen und die geschlossen erhaltene vorindustrielle Bausubstanz. Hinzu kam als weitere schützenswerte Besonderheit der für die [[Mittelalterarchäologie|archäologische]] Erforschung des mittelalterlichen Städtewesens außerordentlich ergiebige Untergrund. Der von der UNESCO geschützte Bereich bezieht die wichtigsten Bauwerke Lübecks ein: den Baukomplex des Rathauses, das Burgkloster, den Koberg – ein vollständig erhaltenes Viertel des späten 13. Jahrhundert – mit [[Jakobikirche (Lübeck)|Jakobikirche]], [[Heiligen-Geist-Hospital]] und den Baublöcken zwischen Glockengießer- und [[Aegidienstraße (Lübeck)|Aegidienstraße]], das Viertel der Patrizierhäuser des 15. und 16. Jahrhundert zwischen [[Petrikirche (Lübeck)|Petrikirche]] und [[Lübecker Dom|Dom]], das [[Holstentor]] und die [[Salzspeicher]] am linken Traveufer. Lübeck bewarb sich um den Titel „[[Europäische Kulturhauptstadt]] 2010“, schied jedoch in der Vorrunde aus. Derzeit (2008) bewirbt Lübeck sich als [[Stadt der Wissenschaft]] im Wettbewerb mit Konstanz und Oldenburg. === Musik === Die Lübecker Altstadt-Kirchen sind mit ihrer Vielfalt an barocken wie modernen Orgeln für Konzerte gut geeignet, sie haben seit der [[Norddeutsche Orgelschule|Norddeutschen Orgelschule]] den Ruf als Musikstadt maßgeblich begründet. Die [[Abendmusiken]] sind seit der Zeit [[Dietrich Buxtehude]]s legendär. Im Sommer macht das in Lübeck ansässige [[Schleswig-Holstein Musik Festival]] in ganz Schleswig-Holstein auch Dorfkirchen, Gutshäuser und -scheunen zu Konzertsälen. Weitere Konzerthallen und Veranstaltungsräume sind die moderne [[Musik- und Kongresshalle Lübeck]], kurz ''MuK'' genannt, das ''[[Kolosseum (Lübeck)|Kolosseum]]'' der [[Gesellschaft zur Beförderung gemeinnütziger Tätigkeit]], die Konzertsäle der [[Musikhochschule Lübeck]] einschließlich der [[Holstentorhalle]], das ''treibsand'' und das ''VeB'', in der [[Alternative Lübeck]], kurz „Walli“ genannt, das Rider's Café in Buntekuh, der Werkhof und die Schuppen 6 und 9. === Theater === [[Datei:Germany Luebeck theatre.jpg|miniatur|Dem Wahren Guten Schönen – die Theaterfassade]] Das [[Theater Lübeck]] ist in einem [[Jugendstil]]-Gebäude in der Beckergrube untergebracht und wurde Mitte der 1990er Jahre renoviert. Im Großen Haus finden hauptsächlich [[Oper]]ndarbietungen statt, unterstützt von den ''Lübecker Philharmonikern.'' Hier haben [[Hermann Abendroth (Dirigent)|Hermann Abendroth]], [[Wilhelm Furtwängler]] und [[Christoph von Dohnányi]] den Ausgangspunkt ihrer Karrieren gelegt. In den Kammerspielen werden Dramen und Komödien sämtlicher Stilrichtungen dargeboten. Daneben gibt es eine für die Größe der Stadt bemerkenswerte Anzahl unabhängiger Theater, unter denen besonders das Lübecker [[Puppentheater|Marionetten-Theater]] ''Fritz Fey,'' das theater combinale, das theater partout, das Volks- und Komödientheater Geisler, das THEATER Haus Lübeck, das Theaterschiff Lübeck, das Lübecker Unterwassermarionettentheater und das ULKNUDEL e.&nbsp;V. sowie die Lübecker Sommeroperette als jährlich stattfindende Open Air-Veranstaltungsreihe hervorzuheben sind. === Kino === [[Datei:HL Kino - Hoffnung.jpg|miniatur|Lichtspiele Hoffnung (November 2003)]] Lübeck ist Stammsitz der [[Cinestar]]-Kinos, die mit den ''Lichtspielen Hoffnung'' in der Hüxtertorallee die Basis ihres Konzerns legten. Dieses traditionsreiche Kino steht nach einem Brand Ende Dezember 2004 noch vor der notwendigen Renovierung und galt bis dahin als das schönste Kino Lübecks. Das Kino ist im September 2009 als Veranstaltungssaal unter dem Namen "Eventhaus Hoffnung" wiedereröffnet worden. Mitte der 1990er Jahre wurde in der [[Stadthalle (Lübeck)|Stadthalle]] nach dem Vorbild der [[Multiplex-Kino]]s ein Kinopalast mit sieben Sälen eingerichtet, nachdem [[Cinestar]] bereits in einigen ostdeutschen Städten solche Kinos erbauen ließ. Hier laufen heute vor allem Filme des [[Mainstream]]-Kinos. 2005 und 2007 wurde die ''Stadthalle'' renoviert und unter anderem auch neu bestuhlt. Es gibt nur noch ein weiteres kommerzielles Kino, das ebenfalls zur Cinestar-Gruppe gehört: das ''Filmhaus''. Nach einer Renovierung zeigt es jetzt hauptsächlich anspruchsvollere Filme und Lesungen. Das ''Kommunale Kino'' in der Mengstraße, ein kleiner Vorführungsraum mit einem kleinen, ausgewählten Filmangebot, das auch selten Gezeigtes abdeckt und dafür schon mit mehreren Preisen ausgezeichnet wurde, ist das einzige Kino, das nicht der Cinestar-Gruppe gehört. Seit Sommer 2007 führt der Förderkreis Kommunales Kino Lübeck e.&nbsp;V. die Geschäfte des ehemals städtischen Kinos. Jedes Jahr im Herbst steht Lübeck im Zeichen der [[Nordische Filmtage Lübeck|Nordischen Filmtage]]. Auf diesem Filmfestival werden an fünf Tagen Filme aus [[Skandinavien]], dem [[Baltikum]] und Schleswig-Holstein gezeigt. Spielort ist vor allem die ''Stadthalle'', während an diesen Tagen das Mainstream-Kino im ''Filmhaus'' läuft. ''Siehe auch'': [[Liste der Lübecker Kinos]] [[Datei:Voelkerkundemuseum.JPG|miniatur|Zeughaus in Lübeck]] [[Datei:Heinrich Thomas Mann.jpg|miniatur|Heinrich und Thomas Mann – um 1900]] === Museen === Für viele Interessengebiete kann man Lübecks reichhaltige [[Museum|Museen]] besichtigen. Im [[St.-Annen-Kloster Lübeck|St. Annen-Museum]] mit der neuen Kunsthalle St. Annen befindet sich eine großartige Sammlung mittelalterlicher [[Christliche Kunst|Sakralkunst]]. Weitere Kunstsammlungen sind im [[Behnhaus]] und [[Behnhaus|Drägerhaus]] mit einem international bedeutsamen Schwerpunkt für die [[Nazarener (Kunst)|Nazarenische Kunst]] und sowie im Kulturforum Burgkloster. Die Stadtgeschichte Lübecks wird im [[Holstentor]]-Museum dargestellt. In der Nähe des Doms befinden sich das [[Museum für Natur und Umwelt Lübeck|Museum für Natur und Umwelt]] sowie die im mittelalterlichen [[Zeughaus (Lübeck)|Zeughaus]] gelegene [[Ethnologie|Völkerkundesammlung]], welche 2007 aus Geldmangel geschlossen wurde. Ebenfalls in der Altstadt kann man das [[Lübecker Theaterfigurenmuseum]] am Kolk besichtigen, Literaturinteressierten sind das [[Buddenbrookhaus]] und das [[Günter Grass|Günter-Grass-Haus]] zu empfehlen. Als Gedenkstätte für den in Lübeck geborenen Friedensnobelpreisträger Willy Brandt wurde 2007 das [[Willy-Brandt-Haus Lübeck]] eröffnet. Im [[Marzipan]]salon im Café [[Niederegger]] kann man alles über das „weiße Gold“ erfahren. Außerhalb der Altstadt gibt es die Geschichtswerkstatt [[Herrenwyk]] in Kücknitz. Am 12. Juli 2005 öffnete im [[Burgkloster (Lübeck)|Burgkloster]] das Lübecker Museum für Archäologie. Die Leitung der städtischen Museen obliegt seit dem 1. Januar 2006 der [[Kulturstiftung Hansestadt Lübeck]]. Als [[Maritim (Adjektiv)|maritime]] Stadt verfügt Lübeck darüber hinaus über den [[Museumshafen Lübeck]] am nordwestlichen Altstadt-Ufer. An die Geschichte der Stadt während der Teilung Deutschlands erinnert die [[Grenz-Dokumentationsstätte Lübeck-Schlutup]]. Sie befindet sich in einem ehemaligen Zollhaus des bis 1989 nördlichsten Grenzübergangs zur [[Deutsche Demokratische Republik|DDR]] im Stadtteil Schlutup. Eine weitere Ausstellung über die ehemalige innerdeutsche Grenze befindet sich in der [[Bundespolizeiakademie]]. === Die Literaturstadt === Lübeck sieht einen deutlichen Schwerpunkt des kulturellen Lebens auch in der Auseinandersetzung mit der dort geborenen Literatur der Brüder [[Thomas Mann]] und [[Heinrich Mann]], die als Zentrum das [[Buddenbrookhaus]] in der [[Mengstraße]] neben der Lübecker Marienkirche gefunden hat. Viele Fremde begreifen die [[Buddenbrooks]] heute noch auch als einen „Lübeck-Reiseführer“. Die Hansestadt verleiht den [[Thomas-Mann-Preis]]. Weitere berühmte Autoren aus Lübeck sind [[Emanuel Geibel]], [[Gustav Falke]], [[Otto Anthes]] und [[Erich Mühsam]]. [[Günter Grass]] lebt heute in der Nähe von Lübeck. In der Hansestadt selbst befindet sich das [[Günter-Grass-Haus]] mit dem überwiegenden Teil seiner literarischen und künstlerischen Originalwerke. Es gibt die [[Erich Mühsam|Erich-Mühsam-Gesellschaft]], die den ''Erich-Mühsam-Preis'' verleiht. Auch die Schriftsteller [[Werner Bergengruen]] und [[Theodor Storm]] waren Schüler des [[Katharineum zu Lübeck|Katharineums]]. === Bauwerke === Das Weltkulturerbe auf der Altstadtinsel besteht aus weit über tausend Gebäuden, die als Denkmäler in die Denkmalliste eingetragen sind. Insofern kann hier nur ein Ausschnitt der wichtigsten erwähnt werden. Das Weltkulturerbe ist jedoch die Gesamtheit des erhaltenen Teils der mittelalterlichen Stadt. ==== Die sieben Türme ==== <gallery> Datei:Église Sainte-Marie de Lübeck.jpg|Marienkirche, Südwest-Ansicht, Aufnahme 2004 Datei:Germany Luebeck St Jacobi.jpg|Kirchturm der [[Jakobikirche (Lübeck)|St. Jakobikirche]] im Norden Datei:HL Kirche - Petrikirche.jpg|[[Petrikirche (Lübeck)|Petrikirche]] von der Obertrave aus gesehen (Foto: Dezember 1998) Datei:Aegiedienkirche Lübeck1.jpg|[[Aegidienkirche (Lübeck)|Aegidienkirche]] Datei:Dom zu Lübeck.JPG|[[Lübecker Dom|Dom zu Lübeck]] im Süden </gallery> Das Bild der Altstadt wird geprägt durch die [[Sieben Türme|sieben Kirchtürme]] (daher die Bezeichnung „Stadt der sieben Türme“), die den fünf großen Altstadtkirchen zuzuordnen sind. In der westlichen [[Skyline|Stadtsilhouette]], mit der verschiedentlich als Logo geworben wird, sind dies die in Nord-Süd-Reihenfolge (das heisst von links nach rechts) gezählten Türme von: * [[Jakobikirche (Lübeck)|Jakobikirche]] im Norden der Altstadt * [[Marienkirche (Lübeck)|Marienkirche]] mit zwei Westtürmen im Zentrum rückseitig des Rathauses * [[Petrikirche (Lübeck)|Petrikirche]] in Sichtweite des Holstentores nahe der Westzufahrt zur Altstadt * [[Aegidienkirche (Lübeck)|Aegidienkirche]] * [[Lübecker Dom|Dom]] mit zwei Westtürmen im südlichen Altstadtabschluss Der noch [[Romanik|romanisch]] begründete [[Lübecker Dom|Dom]] ist in Lübeck nur die zweitgrößte mittelalterliche Kirche, hat jedoch mit 130&nbsp;Metern die größte Länge. Er befindet sich eher abgelegen am südlichen Ende der Altstadtinsel in einer ruhigen Umgebung, die noch die alte [[Domfreiheit]] erahnen lässt. In der Lage der beiden Kirchen zueinander spiegelt sich der Konflikt zwischen der Lübecker Bürgerschaft und dem Lübecker Bischof wider, der dazu führte, dass die Lübecker Bischöfe ihre Residenz nach [[Eutin]] verlegten. Im Unterschied zur Marienkirche ist der Dom seit der Wiederherstellung im Inneren eher nüchtern weiß gestaltet. Hier kann man aber beispielsweise das [[Triumphkreuz]] des berühmten Holzschnitzers [[Bernt Notke]] bewundern. Ganz in der Nähe, in der Parade, befindet sich die [[Propsteikirche Herz Jesu (Lübeck)|Propsteikirche Herz Jesu]], welche 1891 erbaut wurde. Die 100&nbsp;Meter lange gotische [[Marienkirche (Lübeck)|Marienkirche]] war die Hauptpfarrkirche des Rates und der Bürgerschaft. Sie steht in prominenter Lage in der Nähe des [[Markt (Lübeck)|Marktes]] direkt hinter dem [[Lübecker Rathaus|Rathaus]]. Die Marienkirche ist heute die drittgrößte Kirche Deutschlands und gilt als Mutterkirche der [[Backsteingotik]]. Sie beeindruckt nicht nur durch ihre äußere, sondern auch durch ihre innere Größe. Auch wenn im [[Zweiter Weltkrieg|Zweiten Weltkrieg]] wesentliche Kunstschätze im Inneren zerstört wurden, wirkt sie heute doch besonders durch das fast 40&nbsp;Meter hohe [[Kirchenschiff#Mittelschiff und Seitenschiffe|Mittelschiff]] mit reichhaltigen Deckenmalereien eindrucksvoll. Wie auch Dom und Marienkirche, so wurde auch die [[Petrikirche (Lübeck)|Petrikirche]] im Zweiten Weltkrieg erheblich zerstört und erst als letzte wieder aufgebaut. Ebenfalls in Sichtweite des Marktes gelegen, war sie früher die Stammkirche der [[Fischer]] und [[Binnenschifffahrt|Binnenschiffer]]. Heute hat sie keine eigene Gemeinde mehr und wird als Ausstellungs- und Veranstaltungsraum genutzt. Unter anderem ist sie seit 2004 Universitätskirche und wird von den Lübecker Hochschulen für Feierlichkeiten verwendet. Auf ihrem Turm befindet sich eine Aussichtsplattform, von der man bei schönem Wetter bis nach [[Lübeck-Travemünde|Travemünde]] und tief ins [[Mecklenburg-Vorpommern|Mecklenburgische]] sehen kann. Die [[Jakobikirche (Lübeck)|Jakobikirche]] liegt am anderen großen Platz Lübecks, dem [[Koberg (Lübeck)|Koberg]]. Die Kirche war die Stammkirche der [[Seeschifffahrt|Seeschiffer]] und liegt gegenüber der berühmten [[Schiffergesellschaft (Lübeck)|Schiffergesellschaft]], dem [[Zunft]]haus der Kapitäne und heute bekanntesten Restaurant Lübecks mit vielen Schiffsmodellen an der Decke. Ihr Turm besticht durch die vier kugeligen Verzierungen an der Basis des Turmhelms. Die Jakobikirche wurde im Krieg nicht zerstört und bietet daher heute noch das über die Jahrhundert gewachsene Erscheinungsbild. In einer Seitenkapelle steht ein [[Rettungsboot]] des 1957 gesunkenen Segelschulschiffes [[Pamir (Schiff)|Pamir]]. Die [[Aegidienkirche (Lübeck)|Aegidienkirche]] ist die kleinste der fünf großen Altstadtkirchen und die einzige im Ostteil der Altstadt, dem Wohnviertel der Handwerker und kleinen Leute. Auch sie wurde im Krieg nicht zerstört. Ihr Innenraum konnte daher sein Erscheinungsbild erhalten. ==== Weitere Sakralbauten ==== [[Datei:Annen museum lübeck, seitewärts.jpg|miniatur|links|St.-Annen-Museum]] Die [[Lübecker Katharinenkirche|Katharinenkirche]] ist eine ehemalige [[Franziskanische Orden|Franziskaner]]-Klosterkirche des [[Katharinenkloster Lübeck|Katharinenklosters]]. Sie hat keinen Turm und trägt daher nicht zum klassischen Stadtpanorama bei. Ihr Inneres ist aber dennoch überaus sehenswert und gilt als ein Höhepunkt [[Backsteingotik|backsteingotischer]] Architektur. Sie schließt direkt an das [[Gymnasium]] [[Katharineum zu Lübeck|Katharineum]] an und wird heute als Ausstellungsraum genutzt. In ihrer Westfassade finden sich [[Katharinenkirche (Lübeck)#Ausstattung|Nischen-Figuren]] der Bildhauer [[Ernst Barlach]] und [[Gerhard Marcks]]. Weitere [[Sakralbau]]ten des [[Mittelalter]]s sind das [[Burgkloster (Lübeck)|Burgkloster]] und das St.-Annen-Kloster. Das Burgkloster, ein ehemaliges [[Dominikaner]]-Kloster, wurde zum Dank für den Sieg gegen Dänemark in der [[Schlacht bei Bornhöved (1227)]] gegründet. Doch von seinem mittelalterlichen Bau sind nur wenige Überreste erhalten geblieben, die durch ein [[Neugotik|neugotisches]] Gebäude aus dem späten 19. Jahrhundert ergänzt worden. Dieser Gebäudekomplex hat im Laufe der Zeit unterschiedliche Aufgaben gehabt, war beispielsweise zur Zeit des [[Nationalsozialismus]] Gerichtsgebäude und somit Schauplatz einiger Prozesse gegen Regimegegner. Heute befindet sich hier unter anderem ein archäologisches Museum. Das [[St.-Annen-Kloster Lübeck|St.-Annen-Kloster]] in der Nähe der Aegidienkirche beherbergt heute ein umfangreiches Museum mit unterschiedlichen Themenschwerpunkten. So finden sich bedeutende [[Heilig|sakrale]] Kunstwerke wie eine der größten Sammlungen mittelalterlicher [[Flügelaltar|Flügelaltäre]] und [[Statue]]n, dann ein Überblick über Lübecker und Hanseatische Wohnkultur vom Mittelalter bis ins frühe 20. Jahrhundert, schließlich im neuen Anbau, der Lübecker Kunsthalle St. Annen, eine Sammlung zeitgenössischer Kunst. [[Datei:Luebeck-Heiligen-Geist-Hospital von Westen gesehen-20100905.jpg|miniatur|Fassade des Heiligen-Geist-Hospitals]] Am [[Koberg (Lübeck)|Koberg]] liegt gegenüber der Jakobikirche das [[Heiligen-Geist-Hospital]]. Dieses Gebäude ist ein gutes Beispiel für die Formen der Wohltätigkeit in der mittelalterlichen Gesellschaft. Um auch den Armen, Kranken und Alten einen Platz zu bieten, ließen wohlhabende Bürger dieses Gebäude errichten und [[Stiftung|stifteten]] regelmäßig für ihren Unterhalt. Bis in die 1970er Jahre hinein wurde die große Halle mit den heute noch zu besichtigenden, im 19. Jahrhundert errichteten Kabäuschen mit je etwa 3&nbsp;Quadratmeter Wohnfläche als [[Altenheim]] verwendet. Um die Weihnachtszeit findet hier einer der bekanntesten [[Weihnachtsmarkt|Weihnachtsmärkte]] Norddeutschlands statt. Unweit des Heiligen-Geist-Hospitals befindet sich die turmlose und im Stil des Klassizismus konzipierte [[Reformierte Kirche (Lübeck)|Reformierte Kirche]]. ==== Rathaus ==== Direkt neben der Marienkirche befindet sich von jeher das Herz der Stadt, der Markt mit dem Rathaus. Das Rathaus ist im Unterschied zu anderen bedeutenden Rathäusern nicht in einem Stil erbaut, sondern man sieht auch heute noch deutlich, dass es seit dem 12. Jahrhundert immer wieder ergänzt wurde. Hier finden sich heute Baustile von der [[Gotik]] über die [[Renaissance]] bis hin zur [[Moderne]] der 1950er-Jahre. Dem Rathaus schließt sich entlang der Breiten Straße das von der [[Backsteinrenaissance]] überformte [[Kanzleigebäude (Lübeck)|Kanzleigebäude]] an, dessen [[Arkade]]n 2005 renoviert und geöffnet wurden, um die [[Fußgängerzone]] der [[Breite Straße (Lübeck)|Breiten Straße]] auch durch Geschäfte auf dieser Seite attraktiver zu gestalten. Der Rest des Lübecker Marktes wurde im II. Weltkrieg zerstört. Die Gestaltung des Marktes ist seitdem bis zuletzt immer wieder Punkt lebhafter Diskussionen gewesen. ==== Stadttore ==== Lübeck hatte bis ins 19. Jahrhundert noch vier Toranlagen; heute findet man nur noch zwei Überreste von ihnen. Das [[Holstentor]] ist als [[Wahrzeichen]] der Stadt sicher deutschlandweit am berühmtesten. Es wird aber schon seit langem vom Verkehr nur noch umfahren und steht auf einem kleinen, parkähnlichen Platz. Im Inneren befindet sich ein Museum zur Stadtgeschichte. Das andere erhaltene Stadttor ist das [[Burgtor (Lübeck)|Burgtor]]. Es ist in die Überreste der Befestigungsanlagen am nördlichen Stadtrand integriert und muss auch heute noch von jedem durchfahren oder -laufen werden, der sich der Altstadt von Norden her nähert. Es geht direkt über in den Gebäudekomplex des Burgklosters. Das [[Mühlentor (Lübeck)|Mühlentor]] unweit der heutigen Mühlentor-Brücke über den Elbe-Lübeck-Kanal und das [[Hüxtertor]] wurden abgerissen, bevor das Geschichtsbewusstsein in Lübeck durchgriff. [[Datei:Lübeck Schiffergesellschaft 070311.jpg|miniatur|links|Haus der Schiffergesellschaft mit dem typischen [[Backstein]]-[[Treppengiebel]]; Aufnahme 2007.]] [[Datei:Lübeck Buddenbrookhaus 070311.jpg|miniatur|Das Buddenbrookhaus in der Mengstraße gegenüber der Nordseite der Marienkirche; Aufnahme 2007.]] ==== Museen und Bürgerhäuser ==== Einige bedeutende [[Bürgerhaus|Bürgerhäuser]] in der Innenstadt werden heutzutage als Museen verwendet. So bietet das [[Klassizismus|klassizistische]] Ensemble aus [[Behnhaus]] und [[Behnhaus|Drägerhaus]] in der oberen Königstraße heute Raum für ein Kunstmuseum. Im [[Buddenbrookhaus]] befindet sich heute das [[Heinrich Mann|Heinrich-]][[Thomas Mann|und-Thomas-Mann-Zentrum]]. In der Glockengießerstraße findet man seit einigen Jahren schließlich das [[Günter Grass|Günter-Grass-Zentrum]]. Die [[Kaufmannschaft zu Lübeck]] besitzt im [[Haus der Kaufmannschaft (Lübeck)|Haus der Kaufmannschaft]] zwei der schönsten und bedeutsamsten geschnitzten Inneneinrichtungen der Renaissance. Ihr gehört auch das [[Schabbelhaus (Lübeck)|Schabbelhaus]] in der Mengstraße, das als Restaurant zugänglich ist. Am Koberg befindet sich neben sehr gut erhaltenen, meist [[Klassizismus|klassizistischen]] Gebäuden das 1535 errichtete Versammlungshaus der [[Schiffergesellschaft (Lübeck)|Schiffergesellschaft]], in dessen originaler Inneneinrichtung sich heute ein Restaurant befindet. Die spätromanische [[Löwen-Apotheke (Lübeck)|Löwen-Apotheke]] in der Königstraße gilt als der älteste Profanbau Lübecks. Ein unter Denkmalschutz stehendes ehemaliges [[Kontorhaus]] ist der expressionistische [[Handelshof (Lübeck)|Handelshof]] aus dem Jahr 1924 am Bahnhofsvorplatz. ==== Gänge und Höfe ==== [[Datei:Gaenge.jpg|miniatur|typisch Lübecker Gang]] Die [[Lübecker Gänge und Höfe|Gänge und Höfe]], für die Lübeck bekannt ist, sind eher aus Platznot in den Hinterhöfen der Wohnhäuser entstandene Wohnquartiere, die früher für die Ärmsten der Armen errichtet wurden, heute aber begehrter Wohnraum sind. Die größten und schönsten Höfe sind sicherlich der [[Johann Füchting|Füchtingshof]] und der [[Johann Glandorp (1556–1612)|Glandorpshof]] in der [[Glockengießerstraße]]. Es gibt in der Lübecker Altstadt circa 85 kleine Gänge. ==== Vorstädte ==== Wer mehrere Tage in Lübeck verbringt, sollte sich neben der Altstadt auch die Vorstädte ruhig genauer anschauen. Jenseits der idyllischen [[Lübecker Stadtbefestigung|Wallanlagen]] finden sich in St. Gertrud und [[Lübeck-St. Jürgen|St. Jürgen]] sehenswerte Villenviertel mit klassizistischen und aus der Gründerzeit stammenden Villen. Besonders hervorstechend sind hier die [[Eschenburg (Familie)|Eschenburg]]-Villa in St. Gertrud an der Travemünder Allee und die [[Lindesche Villa]] des dänischen Architekten [[Joseph Christian Lillie|Lillie]] in St. Jürgen an der Ratzeburger Allee, die heute als Standesamt genutzt wird. Nur wenige Meter von der Linde-Villa befindet sich außerdem die St. Jürgen-Kapelle aus dem 17. Jahrhundert als Zeichen dafür, dass auch schon vor der Industrialisierung außerhalb der Lübecker Stadtmauern gesiedelt wurde. An der Wakenitz in St. Jürgen liegt auch die Lübecker Wasserkunst mit den [[Lübecker Wasserkunst (1867)|neugotischen Wasserturm]]. In St. Gertrud befindet sich außerdem das Fischerdorf [[Gothmund]] am Ufer der Trave, ebenfalls ein beliebtes Ausflugsziel, das durch sein geschlossenes Ensemble von [[Reet]]dachhäusern besticht. ==== Travemünde ==== Fast 20&nbsp;Kilometer von der Innenstadt schließlich ist das Ostsee-Bad [[Lübeck-Travemünde|Travemünde]] zu finden, das drittälteste [[Seebad]] Deutschlands. Hier kann man die Altstadt mit ihren kleinen Häusern besichtigen, die Vorderreihe mit den Wohnhäusern der Kapitänswitwen, die Bäderarchitektur vergangener Jahrhunderte bewundern (Casino, Kurhaus) oder hinterfragen (Maritim-Hotel). Zudem befindet sich in Travemünde der älteste [[Leuchtturm (Travemünde)|Leuchtturm]] Deutschlands, der nicht mehr in Betrieb ist, aber besichtigt werden kann. === Denkmale und Skulpturen im öffentlichen Raum === Lübeck hat eine Vielzahl bedeutende Standdenkmale und Skulpturen im öffentlichen Raum. Dazu gehören die [[Lübecker Löwen|Löwen]] von [[Christian Daniel Rauch]] vor dem [[Holstentor]], Löwen von [[Fritz Behn]] auf der Burgtorbrücke am Rande des [[Burgfeld (Lübeck)|Burgfelds]] sowie die Replik des [[Braunschweiger Löwe]]n am Dom. [[Datei:Koberg - Geibel.jpg|miniatur|Denkmal für Emanuel Geibel]] Zu einer Reihe weiterer Werke Behns im Stadtgebiet gehören die Antilope vor dem Holstentor sowie der Panter im [[Schulgarten (Lübeck)|Schulgarten]] an der Wakenitz. Die [[Bürgergärten (Lübeck)|Bürgergärten]] sind ein kleiner [[Skulpturengarten]] in der Altstadt zwischen Heiligen-Geist-Hospital und Behnhaus. An der Fassade der [[Katharinenkirche (Lübeck)|Katharinenkirche]] ist die ''Gemeinschaft der Heiligen'' von [[Ernst Barlach]] und [[Gerhard Marcks]] angebracht. Eine Gruppe von [[Allegorie]]n von [[Dietrich Jürgen Boy]] steht auf der [[Puppenbrücke (Lübeck)|Puppenbrücke]] vor dem Holstentor. Am Koberg befindet sich zwischen dem Heiligen-Geist-Hospital und der Jakobikirche das [[Emanuel Geibel|Geibel]]-Denkmal von [[Hermann Volz]]. Aus den 1990er Jahren stammt die Gruppe von sechs ''Offenen Stelen'' aus Eiche von [[Jan Jastram]], die als Leihgabe der [[Possehl-Stiftung]] vor dem [[Gerichtshaus (Lübeck)|Gerichtshaus]] aufgestellt wurde. Als Exponate der [[Documenta IX|documenta 9]] in [[Kassel]] wurde die Gruppe von Tonskulpturen ''Fremde'' des Bildhauers [[Thomas Schütte]] bekannt. Einige dieser Skulpturen befinden sich jetzt als Possehl-Stiftung auf dem Dach der Musik- und Kongresshalle. In der Grünanlage am Lindenplatz ist [[Wilhelm I. (Deutsches Reich)|Kaiser Wilhelm I.]] nach einem Modell des Bildhauers [[Louis Tuaillon]] zu Pferde dargestellt. Es war das letzte [[Reiterstandbild]], das dem Kaiser in Deutschland errichtet wurde. Ihm gegenüber steht das Standbild des ehemaligen Reichskanzlers [[Otto von Bismarck]] von [[Emil Hundrieser]]. Am Rande des Burgfelds steht auf einer Grünfläche der Nachguss der ''Mädchengruppe'' von [[Karl Geiser]], die der Lübecker Ehrenbürger [[Rodolfo Groth]] stiftete. Sie war ursprünglich für den Markt im Zentrum gedacht. Der Stadtteil [[Lübeck-Moisling|Moisling]] verfügt mit der Edelstahl-Wandplastik am ''Haus für alle'' von [[Günter Ferdinand Ris]] über eine Arbeit eines documenta-Teilnehmers. '''Hauptartikel''' zur Kunst im Öffentlichen Raum sind [[Erinnerungs- und Denkmale in Lübeck]] und [[Skulpturen und Objekte in Lübeck]]. === Lübecker Stiftungskultur === Seit dem Mittelalter hat das Stiften in Lübeck Tradition. Ursprünglich wollten sich begüterte Kaufleute so ihr Seelenheil sichern. Das Heiligen-Geist-Hospital ist heute wohl die älteste bestehende Stiftung in Lübeck. Viele der [[Lübecker Gänge und Höfe]] beruhen auf Stiftungen Lübecker Kaufleute. Ohne das Engagement der in Lübeck ansässigen großen und kleinen Stiftungen wäre das reichhaltige Kulturleben der Stadt nicht denkbar und der Erhalt des Kulturerbes nicht darstellbar. Die [[Kulturstiftung Hansestadt Lübeck]] betreut die Lübecker Museumslandschaft. Lübecks älteste Bürgerinitiative, die * [[Gesellschaft zur Beförderung gemeinnütziger Tätigkeit]] ist auch Treuhänderin für eine Vielzahl kleinerer Stiftungen. Weitere wichtige gemeinnützige Stiftungen in Lübeck sind die * [[Parcham’sche Stiftung]], * [[Possehl-Stiftung]], * [[Dräger-Stiftung]], * [[Sparkasse zu Lübeck|Gemeinnützige Sparkassenstiftung zu Lübeck]] und die * [[Edith-Fröhnert-Stiftung]]. Lübeck ist bis heute die Stadt mit der größten „Stiftungsdichte“ Schleswig-Holsteins.<ref>[http://www.stiftungen.org/files/original/galerie_vom_13.06.2008_09.56.03/Staedteranking_2009.pdf Städteranking 2009]</ref> === Lübeck in der Literatur === Der [[Gesellschaftsroman]] ''[[Buddenbrooks|Buddenbrooks: Verfall einer Familie]]'' von [[Thomas Mann]] behandelt den Niedergang einer reichen Kaufmannsfamilie aus Lübeck.<ref>[[Thomas Mann]]: ''Buddenbrooks – Verfall einer Familie'' (1901); Fischer Verlag, Frankfurt 56. Aufl. (1997), 758 Seiten , ISBN 978-3-103-48124-2</ref> Ludwig Ewers´ 1926 erschienener umfangreicher Lübeck-Roman ''Die Großvaterstadt''<ref>Ludwig Ewers: ''Die Großvaterstadt'' (1926); Dräger Druck, Auflage: 3. Aufl. (1980), 476 Seiten, ISBN 978-3-925-40209-8</ref> wurde einst viel gelesen. Seine [[Protagonist]]en leben in derselben Zeit wie die Buddenbrooks; allerdings auf einer anderen sozialen Ebene. Es werden zum Teil die gleichen Ereignisse berichtet, wie beispielsweise das Ereignis in der Königsstraße - Senator Buddenbrook im Haus, Kaufmann Normann draußen. Es handelt sich um eine lesenswerte Ergänzung der ''Buddenbrooks''. Bleibt anzumerken, dass Ludwig Ewers ein Freund [[Heinrich Mann]]s war. Bevor Lübeck allerdings durch die ''Buddenbrooks'' das Licht der Literarischen Welt erblickte, war die Stadt durch das Werk ''Ein Ruf von der Trave''<ref>[[Emanuel Geibel]]: ''Ein Ruf von der Trave'' (1844)</ref> des zu jener Zeit in München lebenden Lübeckers [[Emanuel Geibel]]s bekannt. == Tourismus, Freizeit und Erholung == === Tourismus === Lübeck kennt im Bereich der Altstadt den Städtetourismus, der sich in den letzten Jahren bedingt durch die Entwicklung des Flughafens mit seinen preiswerten innereuropäischen Linienverbindungen im bundesweiten Trend überdurchschnittlich entwickelt hat. Zielgruppen im Ausland sind die Ostsee-Anrainerstaaten, Italien und England. In diesem Bereich ist Lübeck der wichtigste Faktor im [[Tourismus in Schleswig-Holstein]]. Daneben bietet das [[Seebad]] [[Lübeck-Travemünde|Travemünde]] an der [[Lübecker Bucht]] alle Möglichkeiten eines modernen Ostseebades. Neben den Stadtführungen bieten Ausflugsboote auch eine Umrundung der Altstadtinsel an. Eine Besonderheit sind Stadtführungen in den Abendstunden, geführt von einem [[Nachtwächter]]. === Freizeit und Erholung im Stadtgebiet === [[Datei:Wakenitzwinter.jpg|miniatur|Die zugefrorene Wakenitz in Lübeck; Unterlauf nördlich der Brücke im Zuge der Moltkestraße; Aufnahme Januar 2005.]] Wasser, Grünflächen und ausgedehnte Wälder bestimmen das Stadtgebiet Lübecks, das zu den größten kommunalen Waldbesitzern Deutschlands gehört. Die Gewässer von [[Trave]], [[Wakenitz]] und [[Elbe-Lübeck-Kanal]] sind landseitig von Wanderwegen erschlossen und größtenteils mit den großzügigen und ausgedehnten Parkanlagen verbunden. Mit dem [[Freibad an der Falkenwiese]] von 1899 am Westufer der Wakenitz hat die Stadt Lübeck ein unter Denkmalschutz stehendes Flussschwimmbad. Auf der Trave verkehren Ausflugsschiffe zwischen Lübeck und Travemünde und auf der Wakenitz bis nach [[Rothenhusen]] mit Anschlussmöglichkeit über den [[Ratzeburger See]] nach [[Ratzeburg]] in den [[Naturpark Lauenburgische Seen]] (östlich des Sees: [[Biosphärenreservat Schaalsee]]). Die [[Stadtwald|Stadtwälder]] wie das [[Lauerholz]] und die [[Naturschutzgebiet]]e an Wakenitz und Trave ([[Lagune]] im [[Schellbruch]], [[Dummersdorfer Ufer]] mit dem [[Bodendenkmal]] der mittelalterlichen [[Burg]] an der [[Stülper Huk]]) in unmittelbarer Nähe zum Stadtgebiet wie das Nebeneinander von Seebad und mittelalterlichem Weltkulturerbe im gemeinsamen Geist hanseatischer Tradition machen einen wichtigen Teil der Lebensqualitäten und des Freizeitwertes der Stadt aus. Der Travelauf mit den anliegenden Naturschutzgebieten wurde als [[Richtlinie_92/43/EWG_(Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie)|FFH-Gebiet]] an die [[Europäische Union]] gemeldet. Insbesondere in den [[Wald|Wäldern]] in und um Lübeck finden sich etliche [[Hünengrab|Hünengräber]] aus der [[Steinzeit]], unter anderem im Stadtgebiet in den Forsten von Blankensee und Waldhusen. Durch den Wald von Waldhusen führt als Rundweg ein archäologischer Wanderweg. <ref>''Rad- und Wanderkarte Dassow-Travemünde.'' Verlag Grünes Herz, Ilmenau/Thüringen, 3. aktualisierte Auflage 2006</ref> Bei Pöppendorf ist eine der größten und besterhaltenen [[Burg]]anlagen aus der Zeit der [[Wenden]] zu besichtigen. Diese Ringburg ist eine [[Slawen|slawische]] Fluchtburg und hat einen Durchmesser von rund 100 Metern bei einer äußeren Wallhöhe von 8 bis 12 Metern. === Freizeit und Erholung in der näheren Umgebung der Stadt === Auch die nähere Umgebung der Stadt bietet eine Vielzahl von Freizeit- und Erholungsmöglichkeiten: neben den Seebädern an der [[Lübecker Bucht]] die Seen und Wälder der [[Holsteinische Schweiz|Holsteinischen Schweiz]] um die Residenzstadt [[Eutin]] (mit den [[Carl Maria von Weber]]-Festspielen auf der Freilichtbühne im Schlosspark direkt am [[Eutiner See]]), den [[Klützer Winkel]] und die Hansestadt [[Wismar]] auf der Mecklenburger Seite der [[Lübecker Bucht]], den [[Naturpark Lauenburgische Seen]] mit der Inselstadt [[Ratzeburg]] und der Stadt [[Mölln]] an der [[Alte Salzstraße|Alten Salzstraße]], und nicht zuletzt den [[Sachsenwald]]. Im Rahmen des Bundesmodellprogramms „[[Regionen Aktiv – Land gestaltet Zukunft]]“ hat der Bereich Umwelt der Hansestadt Lübeck gemeinsam mit der „[[Region Aktiv Lübecker Bucht|Regionalpartnerschaft Lübecker Bucht e.&nbsp;V.]]“ den Erholungsführer „Lübeck Natürlich! Naturnahe Erholung in der Region Lübeck“ herausgegeben. Aufgrund des Erfolges der ersten Auflage 2004/2005 wurde jetzt eine zweite Ausgabe 2006/2007 mit neuen Themenschwerpunkten und Ausflugszielen verausgabt.<ref>Ursula Kühn: ''[http://www.ralb.org/ralb-projekte/luebeck-natuerlich.html Lübeck Natürlich].'' Lübeck 2004</ref> Auch die Städte des Umlands bieten eigene Attraktionen, wie zum Beispiel [[Bad Segeberg]] mit den [[Karl-May-Festspiele]]n. Größter [[Freizeitpark]] ist der [[Hansa-Park]] in [[Sierksdorf]]. === Regelmäßige Veranstaltungen === * Januar: [[Kringelhöge]] * Februar/Dezember: Marzipan-Show im ''Lübecker Marzipan-Speicher'' * Februar: HanseBike * Mai: Handel und Hanse * Mai: Lübecker Ruderregatta an der Wakenitz * Juli: Drachenbootrennen auf dem Kanal * Juli: [[Lübecker Volks- und Erinnerungsfest]], auf dem [[Volksfestplatz (Lübeck)]] * Juli: [[Travemünder Woche]] * Juli: Sommerfest der [[Hüxstraße]] (wechselnde Länderschwerpunkte) * Juli/August: [[Schleswig-Holstein Musik Festival]] * Juli-September: [[Sand World]] (2003–2007) * August: [[Duckstein (Bier)|Duckstein]] Festival, früher Traveuferfest * August: [[Christopher Street Day]] * September: alle zwei Jahre Altstadtfest * November: [[Nordische Filmtage Lübeck]] * Dezember: [[Ice World]] (2003–2006) * Dezember: [[Weihnachtsmarkt|Lübecker Weihnachtsmarkt]] * Dezember: [[Mittelaltermarkt]] * Dezember: [[Eisarsch-Regatta]] === Bräuche === * Mai: In der Nacht zum ersten Mai findet gegen Mitternacht das alljährliche Mai-Singen unter den Arkaden des Rathauses statt. Junge und alte Sänger begrüßen dabei mitten in der Nacht den Mai mit dem Lied ''Der Mai ist gekommen'' des Lübecker Dichters [[Emanuel Geibel]], das von [[Justus Wilhelm Lyra]] vertont wurde. Die Veranstaltung ist nicht organisiert und wird nicht kommerziell ausgenutzt. Es handelt sich eher um eine – vielleicht auch lokalpatriotische – Zusammenkunft Lübecker Familien. Der Initiator war nach dem Ersten Weltkrieg [[Otto Anthes]] mit seinem „Eulen“-Tisch.<ref>Bernd Gatermann und Peter Guttkuhn: ''„Zur Eule“. Erinnerungen an eine Lübecker Künstlerkneipe''. In: ''[[Der Wagen]]''. 1986, S. 176–183. ISSN 0933-484 X.</ref> === Kulinarische Spezialitäten === Beinahe schon weltweite Berühmtheit hat das [[Lübecker Marzipan]], das seit dem späten Mittelalter in Lübeck hergestellt wird. Bekannte aktuelle Hersteller sind [[Niederegger]], der Lübecker Marzipan-Speicher und [[Erasmi & Carstens]]. Eine ebenso süße Leckerei ist der [[Plettenpudding]], der in den [[Buddenbrooks]] Erwähnung findet: eine aus mehreren Schichten bestehende Süßspeise. In den Buddenbrooks findet auch der [[Lübecker National]] Erwähnung: ein deftiger Gemüseeintopf mit Spargel, Möhren und Rindfleisch. Der Lübecker National ist ein typisches Beispiel dafür, dass die Lübecker [[Regionale Küche|Küche]] in ihren regionalen, norddeutschen Eigenarten mehr einer frugalen Variante der [[Hamburger Küche|Hamburger]] entspricht als der [[Schleswig-Holsteiner Küche]]. Beim [[Rotspon|Lübecker Rotspon]] handelt es sich um [[Rotwein]], der früher auf Fahrten nach [[Bordeaux]] als [[Ballast]] auf dem Rückweg mitgeführt wurde, bis man merkte, dass durch die Lagerung im Meeresklima der Wein eine besondere Note erhielt. Analog dazu gibt es heute auch den [[Wittspon]], der aus [[Weißwein]] hergestellt wird. Traditionelle Weinhändler in Lübeck sind [[Carl Tesdorpf]] und [[von Melle]], hier kann man auch den Rotspon erwerben, den es ähnlich wie anderen Rotwein in unterschiedlichen Qualitätsstufen gibt. == Persönlichkeiten == * ''Siehe'' [[:Kategorie:Person (Lübeck)]] * ''Siehe'' [[Liste der Ehrenbürger von Lübeck]] * ''Siehe'' [[Liste der Söhne und Töchter der Stadt Lübeck]] == Vereine == Der 1919 gegründete [[VfB Lübeck]] ist der bekannteste Sportverein der Stadt. Seine erste Herren-Fußballmannschaft spielt zurzeit in der [[Fußball-Regionalliga|Regionalliga Nord]]. Sein Heimstadion ist das [[Stadion an der Lohmühle]]. Größter Erfolg war der zweimalige Einzug in die [[Zweite Fußballbundesliga]] 1996 beziehungsweise 2003, sowie das Erreichen des Halbfinales im [[DFB-Pokal]] in der Saison 2003/04. Die erste Fußballmannschaft des [[1. FC Phönix Lübeck|FC Phönix Lübeck]] spielte in den 1960er Jahren in der höchsten Spielklasse. Zu den größeren Sportvereinen gehört auch der [[TSV Siems]]. Der [[Lübecker Schachverein von 1873]] war von 2001 bis 2003 Deutscher Meister und 2001 und 2002 Deutscher Pokalsieger. Neben der [[Deutsche Waldjugend|Waldjugend]] gibt es auch mehrere [[Pfadfinder]]gruppen, darunter der ''Bund freier Pfadfinder'' mit dem ''Stamm der Freibeuter'' und der ''[[Bund der Pfadfinderinnen und Pfadfinder]] e.&nbsp;V.''. Mit den [[Lübeck Cougars]] ist die Hansestadt auch in der ''GFL 2'', der zweiten Bundesliga im [[American Football]], vertreten. == Literatur == * Heinrich Christian Zietz: ''Ansichten der freien Hansestadt Lübeck und ihrer Umgebungen.'' Mit 16 Kupfern. Friedrich Wilmans, Frankfurt M 1822, Weiland, Lübeck 1978 (Repr.). * [[Otto Grautoff]]: ''Lübeck.'' Stätten der Kultur. Bd 9. Klinkhardt & Biermann, Leipzig 1908. * Fritz Endres (Hrsg.): ''Geschichte der freien und Hansestadt Lübeck.'' Otto Quitzow, Lübeck 1926, Weidlich, Frankfurt M 1981 (Repr.), ISBN 3-8035-1120-8 * Erich Keyser (Hrsg.): ''Deutsches Städtebuch. Handbuch städtischer Geschichte.'' Bd 1. Nordostdeutschland. Im Auftrag der Konferenz der landesgeschichtlichen Kommissionen Deutschlands mit der Unterstützung des Deutschen Gemeindetages. Kohlhammer, Stuttgart 1939. * Abram Enns: ''Kunst und Bürgertum – Die kontroversen zwanziger Jahre in Lübeck.'' Christians – Weiland, Hamburg – Lübeck 1978, ISBN 3-7672-0571-8 * ''Lübeck 1226 – Reichsfreiheit und frühe Stadt.'' Scheffler, Lübeck 1976. * Gerhard Schneider: ''Gefährdung und Verlust der Eigenstaatlichkeit der Freien und Hansestadt Lübeck und seine Folgen.'' Schmidt-Römhild, Lübeck 1986, ISBN 3-7950-0452-7 * [[Antjekathrin Graßmann]] (Hrsg.): ''Lübeckische Geschichte.'' Schmidt-Römhild, Lübeck 1989, ISBN 3-7950-3203-2 * [[Ernst Deecke]]: ''Lübische Geschichten und Sagen.'' Schmidt-Römhild, Lübeck 1973 * Peter Guttkuhn: ''Kleine deutsch-jüdische Geschichte in Lübeck. Von den Anfängen bis zur Gegenwart.'' Lübeck 2004. ISBN 978-3-7950-7005-2 * [[Heinz Stoob]]: ''Stadtmappe Lübeck.'' in: ''Deutscher Städteatlas.'' Bd 3. Teilband 6. Acta Collegii Historiae Urbanae Societatis Historicorum Internationalis. Serie C. Im Auftrag des Kuratoriums für vergleichende Städtegeschichte e.&nbsp;V. und mit Unterstützung der Deutschen Forschungsgemeinschaft, hrsg. von Heinz Stoob, Wilfried Ehbrecht, Jürgen Lafrenz und Peter Johannek. Dortmund-Altenbeken 1984, ISBN 3-89115-006-7 * ''Lübeck-Lexikon. Die Hansestadt von A bis Z.'' Hrsg. von Antjekathrin Graßmann. Schmidt-Römhild, Lübeck 2006, ISBN 3-7950-7777-X * Manfred Finke: ''UNESCO-Weltkulturerbe Altstadt von Lübeck. Stadtdenkmal der Hansezeit.'' Wachholtz-Verlag, Neumünster 2006, ISBN 978-3-529-01335-5. * Stefanie Rüther: ''Prestige und Herrschaft. Zur Repräsentation der Lübecker Ratsherren in Mittelalter und Früher Neuzeit'' (Norm und Struktur 16). Böhlau, Köln (u.&nbsp;a.) 2003. * Uwe Albrecht (Hrsg.): ''Corpus der mittelalterlichen Holzskulptur und Tafelmalerei in Schleswig-Holstein. Band 2: Hansestadt Lübeck. Die Kirchen der Stadt'', Verlag Ludwig, Kiel 2009, ISBN 978-3-933598-76-9 * {{Literatur | Herausgeber=Verein für Lübeckische Geschichte und Alterthumskunde | Titel=Siegel des Mittelalters| Titelerg=aus den Archiven der Stadt Lübeck | Band=5.–10. Heft | Online={{Google Buch|BuchID=k2sCAAAAYAAJ|Linktext=Siegel des Mittelalters aus den Archiven der Stadt Lübeck, Volumes 5-10}} }} == Weblinks == {{Portal|Lübeck}} {{Commons|Lübeck}} {{Wikisource|Lübeck}} * {{GKD|2018634-4}} {{dmoz|World/Deutsch/Regional/Europa/Deutschland/Schleswig-Holstein/Städte_und_Gemeinden/L/Lübeck/|Lübeck}} * [http://www.luebeck.de/ Offizielle Website der Stadt] == Anmerkungen == <references/> {{NaviBlock |Navigationsleiste Kreise und kreisfreie Städte in Schleswig-Holstein |Navigationsleiste Mitglieder des Deutschen Bundes |Navigationsleiste Bundesstaaten des Deutschen Kaiserreiches |Navigationsleiste Länder der Weimarer Republik |Navigationsleiste Welterbe Deutschland |Navigationsleiste Hansestädte |Navigationsleiste Portale der Hansestädte }} {{Exzellent}} {{SORTIERUNG:Lubeck}} [[Kategorie:Ort in Schleswig-Holstein]] [[Kategorie:Ort mit Seehafen]] [[Kategorie:Lübeck| ]] [[Kategorie:Weltkulturerbe Lübeck|!Lubeck]] [[Kategorie:Kreisfreie Stadt in Schleswig-Holstein]] [[Kategorie:Hansestadt]] [[Kategorie:Mitglied des Rheinischen Städtebundes]] [[Kategorie:Reichsstadt]] [[Kategorie:Ehemalige deutsche Landeshauptstadt]] [[Kategorie:Deutsche Universitätsstadt]] [[af:Lübeck]] [[ar:لوبيك]] [[bg:Любек]] [[br:Lübeck]] [[bs:Lübeck]] [[ca:Lübeck]] [[cs:Lübeck]] [[cv:Любек]] [[cy:Lübeck]] [[da:Lübeck]] [[dsb:Lübeck]] [[el:Λίμπεκ]] [[en:Lübeck]] [[eo:Lubeko]] [[es:Lübeck]] [[et:Lübeck]] [[eu:Lübeck]] [[fi:Lyypekki]] [[fr:Lübeck]] [[he:ליבק]] [[hr:Lübeck]] [[hu:Lübeck]] [[id:Lübeck]] [[io:Lübeck]] [[is:Lübeck]] [[it:Lubecca]] [[ja:リューベック]] [[ka:ლიუბეკი]] [[kk:Любек]] [[ko:뤼베크]] [[la:Lubeca]] [[lb:Lübeck]] [[lmo:Lübeca]] [[lt:Liubekas]] [[lv:Lībeka]] [[nds:Lübeck]] [[nl:Lübeck]] [[nn:Lübeck]] [[no:Lübeck]] [[oc:Lübeck]] [[os:Любек]] [[pl:Lubeka]] [[pms:Lubëcca]] [[pt:Lübeck]] [[ro:Lübeck]] [[ru:Любек]] [[sh:Lübeck]] [[simple:Lübeck]] [[sk:Lübeck]] [[sl:Lübeck]] [[sq:Lybeku]] [[sr:Либек]] [[stq:Lübeck]] [[sv:Lübeck]] [[th:ลือเบ็ค]] [[tr:Lübeck]] [[uk:Любек]] [[vi:Lübeck]] [[vo:Lübeck]] [[war:Lübeck]] [[zh:吕贝克]] [[zh-min-nan:Lübeck]] leaqxjuq3ea1noeh4ojtekq9rp21vef wikitext text/x-wiki Lucca-Madonna 0 23864 26459 2010-03-07T21:56:58Z Star Flyer 0 /* Raum und Inneneinrichtung */ int. link {{Infobox Gemälde | bilddatei=Jan van Eyck 076.jpg | titel=Lucca-Madonna | künstler=Jan van Eyck | jahr=vermutlich 1437/1438 | technik=Mischtechnik auf Holz | höhe=63,8 | breite=47,3 | museum=Städel }} Als '''Lucca-Madonna''' wird ein Gemälde des flämischen Malers [[Jan van Eyck]] bezeichnet, das vermutlich zwischen 1432 und 1441 entstand. Den Namen trägt es nach dem Herzog von Lucca, in dessen Sammlung sich dieses Gemälde zeitweise befand. Das 63,8 mal 47,3 Zentimeter große Gemälde zeigt eine auf einem hölzernen Thron sitzende und von einem Baldachin überkrönte Madonna, die den Christusknaben stillt. Diese Form der Mariendarstellung wird häufig auch als „''[[Maria lactans|Maria Lactans]]''“ bezeichnet. Sie löste im 14. Jahrhundert die bis dahin idealtypische Darstellung Mariens als Himmelskönigin ab, wie sie für die [[Gotik|Hochgotik]] charakteristisch war.<ref> Pächt, S. 8 </ref> [[Bildträger]] des Gemäldes sind drei vertikal angeordnete [[Eichen]]holzbretter. Die kleine Bildgröße lässt darauf schließen, dass es als privates Andachtsbild gedacht war. Der Auftraggeber des Gemäldes ist unbekannt. Heute befindet sich das Gemälde im [[Städel]] in [[Frankfurt am Main]] und gilt als eines der bedeutendsten Werke dieser Sammlung.<ref> Max Hollein, Direktor des Städels, im Vorwort zu der museumseigenen Publikation: ''Fokus auf Jan van Eyck: Lucca-Madonna, um 1437/1438 (Inv. Nr. 944)''. herausgegeben von Jochen Sander, erschienen im Jahre 2006.</ref> == Bildbeschreibung == === Raum und Inneneinrichtung === Der dargestellte Raum ist eng und vom Thron dominiert. In den Raumecken befinden sich Dreiviertelsäulen, die an ihrem oberen Ende für den Betrachter kaum erkennbar in ein Kreuzrippengewölbe übergehen. Die vom Betrachter aus linke Seitenwand ist durch ein hohes Fenster mit klaren Butzenscheiben durchbrochen. Auf dem Fenstersims liegen zwei Früchte, die nicht eindeutig identifizierbar sind. In den meisten Bildbeschreibungen werden die Früchte als Äpfel bezeichnet, sie können jedoch gleichermaßen als Orange gedeutet werden. Für die Bildaussage ist nach heutigem kunsthistorischen Verständnis von nachrangiger Bedeutung, um welche Frucht es sich handelt, da beide gleichermaßen auf das Paradies anspielen und in diesem Kontext eine ähnliche Symbolik besitzen.<ref> Purtle, S.104 und 121 </ref> Auf der rechten Seitenwand befindet sich spiegelbildlich zum Fenster eine Wandnische. Auf dem dort eingelassenen Regalbrett stehen ein leerer Kerzenhalter sowie eine halb gefüllte Glaskaraffe. Auf dem Sims darunter steht eine mit Wasser gefüllte große Schüssel oder ein Waschbecken. Schräg oberhalb vom Fenster beziehungsweise der Wandnische ist jeweils ein [[Okulus]] angedeutet. Für den Betrachter sind jeweils nur die Wandeinlässe sichtbar; der Rest ist vom Bildrand beschnitten. Der Boden des Raumes besteht aus blauweißen, geometrisch gemusterten Fliesen. Ein Teppich bedeckt den Sockel des Thrones und verdeckt den größten Teil der Fliesen. Ähnlich wie die Fliesen weist auch der in Rot, Grün, Blau und Gelb gehaltene Teppich ein geometrisches Muster auf. Das Ende des Teppichs ist für den Betrachter nicht sichtbar. Es wird vom Bildrand abgeschnitten. Vom hölzernen Thron sind nur Teile des Sockels, die Armlehnen und Teile der Rückenlehne sichtbar. Arm- und Rückenlehnen sind jeweils von Löwenfiguren gekrönt. Jan van Eyck hat sie so gemalt, dass sie an gegossene Bronze erinnern. Der Baldachin des Thrones besteht aus einem Stoff, durch dessen blauen Grund sich ein stilisiertes und in Grün und Gold ausgeführtes gleichmäßiges Rankenmuster zieht. Der Baldachin endet in einer feinen Fransenborte. Der gleiche Stoff, aus dem auch der Baldachin besteht, bedeckt die Rückseite des Thrones, hier sind allerdings gleichmäßig weiße und rote stilisierte Blüten eingestreut. Das Blaugrün der Stoffbespannung wiederholt sich außerdem in der Robe Mariens sowie in den Ornamenten des Teppichs. In ähnlicher Form findet sich das Blütenmotiv der Stoffbespannung in dem perlengefassten roten Edelstein des [[Haarreif]]s und im Ornament des Teppichs. [[Bild:Retable de l'Agneau mystique (1).jpg|thumb|Rote Heuken heben auf mehreren Gemälden Jan van Eycks die zentrale Figur hervor. Hier eine Tafel des [[Genter Altar]]s]] === Marienfigur und Christusknabe === Das weiße, fast durchsichtige Hemd, das Maria unter ihrer Robe trägt, ist nur durch einen dünnen Rand zu erkennen, der am Halsausschnitt sichtbar ist. Die Grundfarbe der Robe ist blau und greift den Farbton des Stoffes auf, aus dem Baldachin und Thronrückseite bestehen. Am Halsausschnitt weist die Robe einen gelben Saum auf. Der linke Ärmel dieser Robe endet in einem schmalen Pelzstreifen und gibt den Blick frei auf einen eng anliegenden roten Ärmel eines zweiten Hemdes oder Rocks, den Maria unter der Robe trägt. Der rechte Ärmelende der Robe ist von dem stoffreichen Umhang verdeckt, der die Marienfigur fast vollständig umgibt. Die Farbe dieses Umhangs – auch [[Heuke]] genannt - mit seinem reichen Faltenwurf ist rot. Die Säume des Umhangs sind mit Perlen, Edelsteinen und Goldstickereien reich gefasst. Perlen finden sich auch auf dem schmalen Diadem, das die hellbraunen Haare Marias über der Stirn zusammenhält. In der Mitte dieses Diadems befindet sich ein einzelner, roter Edelstein, der blütenförmig von sechs Perlen umgeben ist. Über die Schultern fällt das Haar Marias offen und wellig herab. Am Ringfinger der linken Hand trägt sie einen breiten, goldenen Ring, in dessen Mitte ein blauer Stein gefasst ist. Darüber befindet sich ein schmaler, zweiter goldener Ring.<ref name="Purtle110">Purtle, S. 110</ref> Hemd und Robe sind geöffnet. Mit der linken Hand reicht Maria dem Jesuskind die Brust; der Blick ihrer niedergeschlagenen Augen ist auf das Gesicht des Kindes gerichtet. Der Christusknabe sitzt in aufrechter Haltung auf einer Windel, die über einen Teil des roten Umhangs ausgebreitet ist. Der aschblond behaarte Kopf des Christusknaben ist für den Betrachter nur im Profil zu sehen und etwas nach hinten geneigt. Den Blick hat das nackte Kind auf das Gesicht seiner Mutter gerichtet. Die Füße stemmt das Kind gegen den Leib seiner Mutter, und mit seiner rechten Hand greift es nach dem Arm der Mutter. In seiner linken Hand hält es einen Apfel. Dort, wo Maria mit ihrer rechten Hand ihren Sohn im Rücken stützt, schiebt sie seine Haut in kleinen Fältchen nach oben. == Veränderungen am Gemälde im künstlerischen Gestaltungsprozess == Sowohl durch röntgentechnische Analysen des Gemäldes als auch der Untersuchungen durch [[Infrarot-Reflektografie]] ist heute bekannt, welche Veränderungen Jan van Eyck an der ersten Farbfassung des Gemäldes vornahm. Jan van Eyck hat in geringem Umfang Korrekturen an der Handhaltung Mariens, an der Windel sowie an der Figur des Christusknaben vorgenommen. In weit größerem Umfang veränderte er die Darstellung des Innenraums, des Baldachins und sowie den Podest des Throns. Der Thronpodest wies ursprünglich zwei Stufen auf. Der Teppich fehlte. Der Innenraum schloss nicht mit einem Kreuzrippengewölbe sondern mit einer Flachdecke ab; es gab keine Occuli. Der Baldachin war ursprünglich weniger breit, und die Fransendecke war an den Seiten weniger stark herabgezogen. Nach den Rekonstruktionen des Städels fehlten ursprünglich auch die Dreiviertelsäulen in den Raumecken. Jan van Eyck rückte außerdem den Löwen, der die vom Betrachter aus gesehenen rechte Armlehne des Thrones krönte, etwas weiter nach vorne. Alle diese Veränderungen trugen dazu bei, die Tiefe des dargestellten Raumes zu betonen. <ref> Jochen Sander (Hrsg): ''Fokus auf Jan van Eyck: Lucca-Madonna, um 1437/1438 (Inv. Nr. 944)''. Publikation des Städel Museums, 2006</ref> == Einordnung der Lucca-Madonna im Werk Jan van Eycks == Die Lucca-Madonna ist eines von sechs heute bekannten Madonnengemälde Jan van Eycks, die auf einen Zeitraum zwischen der Beendigung der Arbeit am [[Genter Altar]] im Jahre 1432 und seinem Tod im Juni 1441 datiert werden. Dazu zählen im Einzelnen [[Bild:Eyck madonna kirche.jpg|thumb|Die „Madonna in der Kirche“ zählt zu den Madonnengemälden, die Bezug auf eine Stifterfigur nehmen. Diese ist hier auf einer Seitentafel dargestellt]] * das [[Dresdner Marienaltar|Marien-Triptychon]] aus dem Jahre 1437, das sich heute in der Staatlichen Kunstsammlung Dresden befindet und auf dem die Madonna ebenso wie bei der Lucca-Madonna gleichfalls zwei Ringe am Ringfinger der linken Hand trägt<ref name="Purtle110" />; * die [[Madonna in der Kirche]], die in der Gemäldegalerie in Berlin zu sehen ist; * die im [[Louvre]] befindliche [[Rolin-Madonna]], * die [[Madonna am Springbrunnen]] in Antwerpen sowie * die [[Madonna des Kanonikus Joris van der Paele]] oder Paele-Madonna von 1436, die im [[Groeningemuseum]] in [[Brügge]] hängt. Dieses Gemälde gleicht in einer Reihe von Details der Lucca-Madonna: So ähneln sich die gestickten Säume und der Faltenwurf der roten Umhänge; beide Madonnenfiguren haben einen ähnlichen Kopfschmuck, und das Blumenmuster sowohl des Teppichs als auch der Stoffbespannung des Thrones gleichen sich. * Unvollendet blieb die Madonna des Propstes van Maelbeke, die sich heute in Privatbesitz befindet und die im Bildaufbau der Paele-Madonna ähnelt. Nur wenige der Madonnengemälde Jan van Eycks sind großformatige Tafeln wie etwa die unvollendet gebliebene Maelbeke-Madonna. Charakteristisch sind dagegen kleinformatige Gemälde wie das Dresdner Marien-Triptychon, ein kleines Reisealtärchen, das inklusive des erhalten gebliebenen Originalrahmens 33 mal 53,5 Zentimeter misst. <ref>Végh, Bildbeschreibung Nr. 25</ref> Noch kleiner ist die Madonna am Springbrunnen, die mit einer Bildfläche von neunzehn Zentimetern mal zwölf Zentimetern nur wenig größer ist als eine Ansichtskarte.<ref>Végh, Bildbeschreibung Nr. 27 </ref> Zu diesen eher kleinformatigen Gemälden zählt auch die Lucca-Madonna. Die Springbrunnen-Madonna und die Lucca-Madonna haben innerhalb dieser Madonnengemälden darüber hinaus eine Sonderstellung, weil auf beiden Gemälden die Bezugnahme auf eine Stifterfigur fehlt. Nach Ansicht der Kunsthistorikerin Carol Purtel stehen diese beiden Gemälde damit in der Tradition von Andachtsbildern, wie sie bereits Maler der Schulen von Siena und Florenz gegen Ende des 13. und zu Beginn des 14. Jahrhunderts schufen. Die meisten dieser Gemälde zeigen ausschließlich die Gottesmutter mit dem Christusknaben und zeigen beide Figuren während einer intimen, auf einander bezogenen Handlung.<ref> Purtle, S. 98 - 99 </ref> Eine Reihe von Kunsthistorikern gehen heute davon aus, dass sich Jan van Eyck um 1426 in Italien aufhielt und dabei die Gelegenheit hatte, Gemälde dieser Schulen zu studieren. Urkunden weisen den Maler als engen Vertrauten des Herzogs [[Philipp III. (Burgund)|Philipp von Burgund]] aus und Jan van Eyck wurde mehrfach von ihm mit diplomatischen Missionen beauftragt.<ref>Pächt, S. 80</ref> <ref name=''Végh1>Végh, S. 15 </ref> So war Jan van Eyck 1427 Mitglied einer Gesandtschaft, die in [[Aragonien]] eine Ehe zwischen dem Herzog und einer spanischen Adligen anbahnen sollte. Von 1428 bis 1429 bereiste er mit einem ähnlichen Auftrag [[Portugal]] sowie die benachbarten spanischen Provinzen [[Galizien]], [[Kastilien]] und [[Andalusien]].<ref name=''Végh1''>Végh, S. 15 </ref>Während die Reiseziele dieser diplomatischen Missionen bekannt sind, geht das Reiseziel der ersten diplomatischen Mission, die Jan van Eyck im Auftrag des Herzogs unternahm, nicht aus den Rechnungsbüchern des herzoglichen Hofes hervor. Erwähnt ist nur, dass Jan van Eyck 1426 eine „''weite geheime Reise''“ unternahm.<ref name=''Végh1''>Végh, S. 15 </ref> Das Ziel ist mit hoher Wahrscheinlichkeit Italien gewesen. Als Beleg für einen Aufenthalt in Italien wird auch gewertet, dass Jan van Eyck mehrere seiner Gemälde mit Namen und mitunter sogar einer Jahreszahl versah, was zu diesem Zeitpunkt zwar in Italien, aber nicht in den Niederlanden gebräuchlich war.<ref> Végh, S. 3 und S. 9 </ref> Einige Details der Raumdarstellung der Lucca-Madonna finden sich auf zwei älteren Gemälden Jan van Eycks, nämlich sowohl auf dem [[Arnolfini-Hochzeit]] als auch auf dem Genter Altar wieder. Beim Arnolfini-Doppelporträt ist wie bei der Lucca-Madonna links ein hohes Fenster dargestellt, liegt eine Frucht auf dem Fenstersims und eine geschnitzte Löwenfigur verziert den Stuhl hinter der Braut. Auf der Verkündigungstafel des Genter Altars finden sich gleichfalls eine Glaskaraffe, ein Kerzenleuchter und eine große Schüssel oder Waschbecken. == Bildsprache == === Bildaufbau === [[Bild:Jan van Eyck 085.jpg|thumb|200px|Dresdner Marien-Triptychon, Jan van Eyck, um 1437, Gemäldegalerie in Dresden]] [[Bild:Folio 191v - The Madonna and the Child.jpg|thumb|Darstellung der Madonna mit Kind, [[Très Riches Heures]], [[Brüder von Limburg]]]] Die mit 63,8 mal 47,3 Zentimeter verhältnismäßig kleine Bildfläche lässt den Schluss zu, dass das Bild nicht für den Altarraum einer Kirche bestimmt war, sondern für einen Auftraggeber gemalt wurde, der ein privates Andachtsbild wünschte. Auch die Ausführung des Bildes lässt darauf schließen. Der durch den unteren Bildrand beschnittene Teppich, die oberhalb der Bildmitte befindlichen Figurendarstellungen sowie die scheinbar willkürliche Beschneidung von Deckengewölbe und Seitenwänden geben dem Betrachter das Gefühl, sich im selben Raum wie die erhöht sitzende Marienfigur mit dem Christusknaben zu befinden. Einige Details wie der auf der Kante der Thronstufen aufbrechende Teppichflor sind ein Beleg dafür, dass das Gemälde für einen Betrachter geschaffen wurde, der sich in extremer Nahsicht mit dem Bildinhalt auseinandersetzen kann. Oswald Goetz schrieb dazu in einer Bildbetrachtung aus dem Jahre 1932:<ref> Gallwitz (Hrsg); S. 41 </ref> : ''Der Beschauer hat sich dem Thron genähert. Er teilt die Kühle des Raumes mit dem Paar, übermächtig groß thront Maria vor ihm. Man hat das Gefühl, als nähme man ungerufen teil an dieser intimen Stunde. Wie zu einem Zeremoniell in aller Pracht gekleidet, sitzt Maria auf dem Thron, in feierlicher Größe und Unnahbarkeit, und wie durch ein Wunder enthüllt sich uns die heiter-ernste Beschäftigung von Mutter und Kind, die niemandes achtend anmutig einander hingegeben sind. Das weiche, gedämpfte Licht überspielt sie, wir sind so nah, daß wir die Stäubchen in der Luft fallen und steigen sehen''. Trotz dieser monumentalisierenden Überhöhung der Marienfigur und des Christusknabens beschreibt János Végh es als intimes, bürgerliches Bild.<ref name="VéghBild22">Végh, Bildbeschreibung Nr. 22 </ref> Die beiden Figuren thronen nicht in einem prächtig ausgestatteten Kirchenraum wie etwa bei dem Dresdner Marien-Triptychon. Es fehlen auch Schutzheilige, die die Besonderheit des Augenblicks betonen. Nur der Teppich und der Baldachin heben die beiden Figuren aus der schlichten Umgebung hervor. Die räumliche Tiefe wird durch die perspektivische Darstellung der Fliesen sowie des Thronsockels und der Löwenskulpturen auf Arm- und Rückenlehne betont. Die Verwendung von Fliesen zur Betonung der Tiefenausdehnung weisen auch auf den Einfluss italienischer Bilder hin, die Jan van Eyck während seiner vermuteten Italienreise studieren konnte.<ref name="VéghBild22" /> Auch die große, pyramidenförmig fallende Heuke, die die Marienfigur umhüllt, betont die Raumtiefe. Der Faltenwurf des Umhangs an seinem Ende deutet an, dass sich unter dem Umhang Thronstufen verbergen. Eine scharfe Linie betont die Kniehöhe der Marienfigur. Die Oberschenkelpartie sowie die Sitzfläche des Thrones sind nicht dargestellt, was dem Betrachter den Eindruck verleiht, zu einer erhöht sitzenden Figur aufzublicken. Sein Augenpunkt ist so gewählt, dass er auf der Knielinie ruht. Die Darstellung des Christusknaben in einer Seitensicht ist eines der Bildmerkmale, die die Lucca-Madonna von norditalienischen Andachtsbildern unterscheidet, bei denen die zentrale Figur grundsätzlich in Frontalsicht gezeigt wird. Diese Darstellungsform taucht das erste Mal bei Pariser Buchmalern zu Beginn des 15. Jahrhunderts auf, findet sich bei Mariendarstellungen der [[Très Riches Heures]] der [[Brüder von Limburg]] sowie in einem in Utrecht entstandenen Andachtsbuch der [[Maria von Guelders]] aus dem Jahre 1415. Die Kunsthistorikerin Carol Purtle konnte anhand der Ähnlichkeit der Bildlösungen nachweisen, dass Jan van Eyck mit hoher Wahrscheinlichkeit mit einigen dieser Buchmalereien vertraut war.<ref> Purtle, S. 100 </ref> [[Bild:Eyck madonna rolin.jpg|thumb|[[Rolin-Madonna]]]] === Der rote Umhang === Das Gemälde ist dominiert vom Rot der Heuke. Dieser rote Farbton wird auch bei einigen der Blüten auf der Stoffbespannung der Thronrückseite sowie am Ärmel des Rocks aufgegriffen. Jan van Eyck hat mehrfach seine dargestellten Personen in solche stoffreichen, roten Umhänge gehüllt. Die Gottvaterfigur auf der zentralen Tafel des geöffneten Genter Altars weist einen mit der Darstellung der Lucca-Madonna ähnlich üppigen roten Umhang auf. Auch hier ist der Saum mit Gold und Perlen bestickt. In ähnlicher Weise hat Jan van Eyck die Heuke der Madonnenfigur auf dem Dresdner Marien-Triptychon sowie der [[Rolin-Madonna]] gemalt. Die Verwendung der Farbe Rot für die Bekleidung von Madonnen- oder Gottvaterfiguren ist ein Charakteristikum der niederländischen Malerei des 15. Jahrhunderts. Italienische Maler verwendeten als Farbe bevorzugt das kostbare [[Ultramarin]], das in bester Qualität mehr wert war als sein Gewicht in Gold und das man wegen dieses hohen Materialwerts als angemessene Wahl ansah. <ref>Margarete Bruns: ''Das Rätsel Farbe – Materie und Mythos''. Philipp Reclam jun. GmbH, Stuttgart 1997, ISBN 3-15-010430-0, S. 155 und S. 154</ref> In den Niederlanden schätzte man dagegen zu dieser Zeit besonders scharlachfarbene Gewänder, die mit dem teuersten Textilfarbstoff [[Karmin]] gefärbt waren. Dieser Farbstoff wurde aufwändig aus den Eiern der [[Schildläuse|Schildlausarten]] ''Kermes ilicis'' und ''Kermes vermilio'' gewonnen. Entsprechend dem Modegeschmack seiner niederländischen Zeitgenossen hat Jan van Eyck auf mehreren Gemälden seine zentralen Figuren in rote Gewänder gehüllt. Er verwendete dabei auf seinen Gemälden als untere Farbschicht [[Cinnabarit|Zinnoberrot]]. Dieses kann sich allerdings unter Lichteinwirkung zu einem braunen oder fast schwarzen Farbton verändern. Um dies zu verhindern, legte Jan van Eyck eine zweite Farbschicht aus transparentem, dunklem Krapprot darüber, was einerseits eine Farbveränderung des Zinnobers verhinderte und gleichzeitig den roten Gewändern einen Glanz verleiht, der sich bis heute erhalten hat.<ref>Margarete Bruns: ''Das Rätsel Farbe – Materie und Mythos''. Philipp Reclam jun. GmbH, Stuttgart 1997, ISBN 3-15-010430-0, S. 157 f. und S. 74</ref> === Die stillende Mutter === Die stillende Maria, die sich wie in der Lucca-Madonna mütterlich dem Kind hingibt, ist ein Bildtypus, der vor allem nördlich der Alpen beliebt war. Sie weisen auf ein Umfeld hin, dass es als idealtypisch ansah, wenn eine Mutter auf die Amme verzichtete und ihr Kind selbst säugte. Dabei wurde Maria als Vorbild herangezogen. Bereits in [[Wolfram von Eschenbach]]s [[Parzival]] rechtfertigt Herzeloyde mit dem Hinweis auf die Gottesmutter, dass sie ihren Sohn selbst nährt. Die 1431 gestorbene [[Christine de Pizan]] betonte in ihren ''Les XV Joyes Notre Dame'' (Die fünfzehn Freuden Mariens) die Wonnegefühle, die Maria beim Stillen ihres Sohnes empfand. [[Mapheus Vegius]] bezog sich in seiner 1444 verfassten Erziehungslehre nicht direkt auf Maria. Er rühmte vielmehr an der Mutter des heiligen Bernhard, dass sie es als ihre Pflicht ansah, ihre Kinder selbst zu stillen. Bei privaten Andachtsbildern, die in Norditalien in dieser Zeit in Auftrag gegeben wurden, ist der Bildtypus der stillenden Madonna dagegen selten. Es fehlen hier auch Darstellungen, die Maria bei der Verrichtung anderer hausfraulicher Aufgaben zeigt. Nach Ansicht des Historikers Klaus Schreiner reflektiert sich darin die Lebensrealität der Schichten, die in Norditalien finanziell in der Lage waren, ein privates Andachtsbild zu erwerben. In norditalienischen Patrizierfamilien war es mehr als nördlich der Alpen selbstverständlich, dass eine Amme das Kind säugte und Bedienstete das Kleinkind großzogen. Entsprechend ist die Mutter-Kind-Beziehung in der norditalienischen Tafelmalerei nur angedeutet – das Kleinkind saugt nicht an der Brust der Mutter, es nestelt bestenfalls an der Kleidung der Mutter. <ref> Klaus Schreiner: ''Maria – Jungfrau, Mutter, Herrscherin''. Carl Hanser Verlag, München 1994, ISBN 3-446-17831-7, S. 195</ref> Das [[Neues Testament|Neue Testament]] deutet nur an einer Stelle an, dass Maria ihren Sohn säugte: Im [[Lukas-Evangelium]] findet sich die Überlieferung, dass eine Frau aus dem Volk den Leib, der Jesus getragen habe, und die Brüste, die ihn gesäugt haben, als selig preist (Luk. 11, 27–28). Das Bild der mit der Milch ihrer Brüste nährenden Gottesmutter hat trotzdem in der christlichen Theologie und Symbolsprache eine vielschichtige Bedeutung erlangt. Bereits die frühen [[Kirchenvater|Kirchenväter]] [[Irenäus von Lyon]], [[Augustinus von Hippo|Augustinus]], [[Clemens von Alexandria]] oder [[Ambrosius von Mailand]] sprechen bildhaft von einer Kirche, die wie eine Mutter die zu ihr gehörenden Gläubigen mit der Milch des Glaubens nähre. Theologen wie [[Tertullian]] oder [[Athanasius der Große]] betonen, dass der körperliche Vorgang des Stillens belege, dass Jesus einen menschlichen Körper habe und gleichzeitig Gottessohn wie wahrer Mensch sei. <ref> Klaus Schreiner: ''Maria – Jungfrau, Mutter, Herrscherin''. Carl Hanser Verlag, München 1994, ISBN 3-446-17831-7, S. 177 – 181, S. 196 und S. 197</ref> Die entblößte Brust deutet gleichzeitig symbolhaft das Versprechen Marias an, dass der Gläubige am Tag des jüngsten Gerichtes auf die Fürsprache der Mutter Gottes vertrauen könne. Ein [[Fresko]], das fast 50 Jahre nach der Lucca-Madonna entstand und das sich an der Südwand des Doms von Graz befindet, macht dies wegen der darauf befindlichen Fürbitte besonders deutlich: : ''Oh Herrgott und ainiger sun'' : ''Erbarm dich über den Sünder nun'' : ''Sieh an die prusst dy saugtn dich'' : ''Vergib dem sunder durch mich''<ref>Im heutigen Deutsch etwa ''Oh Herrgott und einziger Sohn/ Erbarm dich über den Sünder nun / Sieh an die Brust, die Dich gesäugt / vergib dem Sünder durch mich </ref> [[Bild:Eyck fountain Antwerpen.jpg|thumb|Madonna am Springbrunnen - ähnlich wie bei der Lucca-Madonna ist hier die Stifterfigur nicht dargestellt]] [[Bild:Hubert van Eyck 030.jpg|thumb|Genter Altar, Verkündigungstafel: Handtuch, Waschschüssel und Wasserkaraffe weisen auch hier auf die rituelle Reinigung der Braut hin]] === Symbolik === Im Mittelpunkt des Gemäldes befindet sich ein kleiner Apfel, den der Christusknabe in seiner linken Hand hält. Der Apfel läge eigentlich im Körperschatten des Kindes. Jan van Eyck hat ihn aber so gemalt, als fiele Licht auf ihn. Die zentrale Position auf dem Gemälde und die malerische Hervorhebung betonen die Bedeutung des Apfels in der Bildaussage. Die Symbolsprache des Apfels ist in der Bildenden Kunst vielfältig<ref> siehe dazu beispielsweise Margarethe Schmidt: ''Warum ein Apfel, Eva – Die Bildsprache von Baum, Frucht und Blume''. Verlag Schnell & Steiner, Regensburg 2000, ISBN 3-7954-1304-4, S. 48 – 53 </ref>: Bereits die Kirchenväter setzten den [[Baum der Erkenntnis]] dem [[Äpfel|Apfelbaum]] gleich und bis heute wird der Apfel als Symbol des Sündenfalls verstanden, auch wenn im 1. Buch Mose nicht erwähnt ist, von welchem Baum Eva die verbotene Frucht pflückte. Der Apfel kann jedoch gleichermaßen als ein Hinweis auf den umfriedeten Garten verstanden werden, der im [[Altes Testament|alttestamentarischen]] [[Hohes Lied|Hohem Lied]] beschrieben ist. Anders als im Bericht vom Sündenfall ist der Apfel im Hohenlied zweimal namentlich genannt: :'' Wie ein Apfelbaum unter den wilden Bäumen, so ist mein Freund unter den Jünglingen. Unter seinem Schatten zu sitzen, begehre ich; und seine Frucht ist meinem Gaumen süß. '' (Hld 2,3) :'' Ich sprach: Ich will auf den Palmbaum steigen und seine Zweige ergreifen. Lass deine Brüste sein wie Trauben am Weinstock und den Duft deines Atems wie Äpfel; '' (Hld 7,9) Bezieht sich der Apfel auf den Sündenfall, dann sind der Christusknabe und Maria als neuer Adam und neue Eva dargestellt, die statt zur Verdammnis die Menschheit zu ihrer Erlösung führen. Dass auf der Lucca-Madonna Christus als säugendes Kind dargestellt ist, schränkt diese Interpretation nicht ein. Die zu Zeiten von Jan von Eyck weit verbreitete „''Maria Thronus''“-Predigt bezeichnet Marias schwangeren Leib als das Paradies des neuen Adams. Und während der alte Adam, der die von Eva angebotene verbotene Frucht aß, dadurch das Paradies verlor und sterblich wurde, verheißt der neue Adam, der von der neuen Eva genährt wird, erneut die Unsterblichkeit.<ref> Purtle, S. 104 </ref> Carol Purtle hat in ihrer Bildanalyse gezeigt, dass diese Interpretation zwar nahe liegt, dass es aber auch eine Reihe von Hinweise gibt, dass Jan van Eyck eine andere Bildaussage beabsichtigte. Es sind vier Gemälde von Jan van Eyck überliefert, auf denen Adam und Eva abgebildet sind. Sie stehen nie im Bildmittelpunkt, sondern sind immer schmückendes und ergänzendes Beiwerk – auf der Paele-Madonna zieren sie beispielsweise als Schnitzwerk den Thron Mariens. Bezieht sich Jan van Eyck auf den Sündenfall, dann ist es Eva, die den Apfel in der Hand hält.<ref> Purtle, S. 104 – 105 </Ref> Das alttestamentarische Hohe Lied, auf das der dargestellte Apfel gleichfalls hinweist, ist eine Sammlung von Liebesliedern, die schon von den jüdischen Schriftgelehrten allegorisch-theologisch verstanden wurde, denn bereits beim Propheten [[Jesaja]] heißt es ''…wie sich ein Bräutigam freut über die Braut, so wird sich dein Gott über dich freuen''. Das Christentum hat sich dieser theologischen Auslegung der Liebeslieder angeschlossen und stets in Christus den Bräutigam gesehen. Im Laufe der Jahrhunderte wurde jedoch die Frage, wer als Braut zu sehen ist, unterschiedlich beantwortet. In den ältesten Interpretationen hat zunächst die Kirche, die „''ecclesia''“, die Rolle der Braut inne. In der mittelalterlichen Mystik, wie sie unter anderem der im 12. Jahrhundert lebende [[Bernhard von Clairvaux]] vertrat, ist es dann die Seele des Einzelnen, die sich in einer „''unio mystica''“ mit Christus vermählt. Im gleichen Jahrhundert wird Maria zunehmend der Kirche gleichgesetzt und gleichzeitig als Mutter und Braut interpretiert.<ref> Margarethe Schmidt: ''Warum ein Apfel, Eva – Die Bildsprache von Baum, Frucht und Blume''. Verlag Schnell & Steiner, Regensburg 2000, ISBN 3-7954-1304-4, S. 101 – 103 </ref> Entscheidend für diese Auslegung waren insbesondere die Schriften des [[Rupert von Deutz]], der in nicht weniger als sieben Kommentaren die Jungfrau Maria als die Braut des Hohenliedes sah. <ref> Purtle, S. 105; auf S. 105 bis 110 geht Carol Purtle ausführlich auf den Einfluss der Kommentare des Rupert von Deutz auf die Bildende Kunst ein </ref> Auf diese Interpretationen weisen nicht nur das mädchenhaft offen herabfallende Haar und der juwelengeschmückte Haarreif, sondern – nach Ansicht von Carol Purtle – auch die zwei Ringe hin, die Maria am Ringfinger ihrer linken Hand trägt. Sie stellen Maria als eine zweifache Braut dar, die sich gleichzeitig als Stellvertreterin der „''ecclesia''“ und als Jungfrau Maria mit dem göttlichen Bräutigam vermählt.<ref> Purtle, S. 111–112 </ref> Ähnlich wie der Apfel ist auch die ringgeschmückte Hand im Zentrum des Gemäldes. Der von Löwen geschmückte Thron unterstreicht die Bezugnahme auf die Braut des Hohenliedes. Diese Sammlung von Liebesliedern wurde König Solomon zugeschrieben, von dem das Alte Testament berichtet, dass er auf einem Löwenthron saß. Auch die Wasserkaraffe und die Schüssel weisen auf die Deutung der Madonnenfigur als Braut. Beide tauchen bereits auf der Verkündigungstafel des Genter Altars auf und können als Anspielung auf die rituelle Reinigung der Braut vor der Hochzeit interpretiert werden. <ref> Purtle, S. 114 – 121 </ref> == Datierung der Lucca-Madonna == Jan van Eyck war der erste niederländische Maler, der Gemälde signierte und gelegentlich sogar mit einer Jahreszahl versah.<ref> Végh, S. 3 und S. 9 </ref> Im Falle der Lucca-Madonna fehlt allerdings sowohl die Signatur als auch eine Datierung. Jan van Eyck brachte beides häufig auf dem Rahmen an. Der Originalrahmen der Lucca-Madonna ist jedoch nicht erhalten geblieben; die Tafel befindet sich heute in einem modernen Rahmen. Kunsthistorischer Konsens ist, dass die Lucca-Madonna jüngeren Datums ist als der Genter Altar, an dem Jan van Eyck seine Arbeit 1432 abschloss. Eine genauere Datierung ist anhand des Vergleichs mit anderen Madonnendarstellungen Jan van Eycks versucht worden. [[Bild:Jan van Eyck 075.jpg|thumb|Die [[Ince-Hall-Madonna]] - sie gilt heute nicht mehr als ein Gemälde Jan van Eycks]] [[Bild:Jan van Eyck 069.jpg|thumb|Madonna des Kanonikus Paele]] Für Datierungsversuche der Lucca-Madonna dienten lange Zeit Vergleiche mit der sogenannten [[Ince-Hall-Madonna]], die als ein datiertes und signiertes Original von Jan van Eyck galt. Anders als eine Reihe von van Eyck’schen Tafelgemälden trägt dieses die Signatur und die Datierung auf das Jahr 1433 allerdings auf der Bildfläche und nicht auf dem Rahmen. Bis zu einer genaueren Analyse des Bildes galt als kunstgeschichtlich weit akzeptierter Erklärungsversuch, dass nach dem Verlust des Originalrahmens die ursprünglich vorhandene Signatur nachträglich durch einen unbekannten Maler auf die Bildfläche übertragen wurde. Genauere Untersuchungen haben jedoch gezeigt, dass dieser Erklärungsversuch nicht greift. Signatur und Inschrift liegen in der Malfläche selbst und sind nicht nachträglich angebracht. Heute gilt die Ince-Hall-Madonna auch nicht mehr als eine getreue Kopie eines verlorengegangenen Jan-van-Eyck-Originals, da die gewählte Darstellung eine Reihe von Widersprüchen aufweist: Obwohl die Marienfigur von einem prunkvollen Thronbaldachin überkrönt ist, sitzt sie nicht auf einem Thron, sondern hockt am Boden, wie es für die Darstellungsform einer ''Madonna humilitatis'' charakteristisch ist. Die räumliche Beziehung zwischen der Marienfigur und dem Christusknaben mit dem sie umgebenden Mobiliar ist nur vage angedeutet, und dem Bildaufbau fehlt die Tiefenausdehnung, die Jan van Eyck seiner Lucca-Madonna verleihen konnte.<ref> Pächt, S. 88 </ref> Die Ince-Hall-Madonna wird deswegen mittlerweile als ein Gemälde eines Jan-van-Eyck-Nachfolgers eingeordnet, der sich in starkem Maße entweder an der Bildkomposition der Lucca-Madonna oder einem anderen, nicht erhalten gebliebenen Madonnengemälde Jan van Eycks anlehnte.<ref> Purtle, S. 98 </ref> Die Datierung des Bildes gilt als apokryph und damit als wertlos für die zeitliche Einordnung der Lucca-Madonna. <ref> Für eine ausführlichere Diskussion der Ince-Hall-Madonna siehe Pächt, S. 87 – 88 und Jochen Sander (Hrsg): ''Fokus auf Jan van Eyck: Lucca-Madonna, um 1437/1438 (Inv. Nr. 944)''. Publikation des Städel Museums, 2006, S. 37 – 38 </ref> Zwei andere Madonnendarstellungen Jan van Eycks lassen sich zeitlich einordnen, so dass sie über Stilvergleiche zu einer Feindatierung der Lucca-Madonna herangezogen worden sind: Die [[Madonna des Kanonikus Joris van der Paele]], die sich heute im [[Groeningemuseum]] in [[Brügge]] befindet, ist auf dem Originalrahmen mit dem Jahr 1436 datiert. Bei dem Marien-Triptychon, das sich heute in der Staatlichen Kunstsammlung Dresden befindet, wurde bei einer neuzeitlichen Restaurierung die bislang übermalte Datierung auf das Jahr 1437 freigelegt. <ref> Jochen Sander (Hrsg): ''Fokus auf Jan van Eyck: Lucca-Madonna, um 1437/1438 (Inv. Nr. 944)''. Publikation des Städel Museums, 2006, S. 18</ref> Der Kunsthistoriker Otto Pächt ordnet die Lucca-Madonna stilistisch früher als diese zwei datierten Madonnengemälde ein. Wie bei der Lucca-Madonna schließt sich auch bei der Figurenpyramide der Paele-Madonna die Brustpartie ohne Überleitung an die Horizontale des Schoßes der Madonna an. Während aber der Christusknabe bei der Lucca-Madonna bildparallel dargestellt ist, ist der Christusknabe der Paele-Madonna mit der Dreiviertel-Wendung des Oberkörpers und des Kopfes sowie der verkürzten Beinpartie eine sehr viel komplexere Lösung als die Darstellungsform der Lucca-Madonna. Noch weiter geführt ist die Tiefenstaffelung der dargestellten Madonnenfigur mit Christusknaben im Dresdner Marien-Triptychon.<ref> Paecht, S. 84 </ref> Die Methode des Stilvergleichs zur Datierung unterstellt eine lineare stilistische Entwicklung Jan van Eycks, die von Kunsthistorikern auch bestritten wurde. Sie berücksichtigt nicht, dass Jan van Eyck den Darstellungsmodus in Abhängigkeit von der Bildfunktion gewählt haben könnte. Die Lucca-Madonna kann als Andachts- oder Meditationsbild verstanden werden, dass sich mit der frontalen Ausrichtung der Figuren bewusst an den direkt davor betenden Auftraggeber wenden wollte. Eine Stifterfigur in einem reich ausgestatteten Kirchenraum schafft eine Distanz zwischen dem Beschauer und der dargestellten Figurengruppe. <!--Der Betrachter selbst tritt an die Stelle der konventionellen Stifterfigur.''Im Zusammenhang unverständlicher Satz''. --~~~~--> Die Bildsprache der Lucca-Madonna kann deshalb auch als radikaler und weiter fortgeschritten als die der Paele-Madonna oder des Dresdner Marien-Triptychons begriffen werden.<ref> Jochen Sander (Hrsg): ''Fokus auf Jan van Eyck: Lucca-Madonna, um 1437/1438 (Inv. Nr. 944)''. Publikation des Städel Museums, 2006, S. 32, 33 und 37 </ref> Neben der stilistischen Analyse gibt der Bildträger einen wichtigen Anhaltspunkt für die Datierung des Gemäldes. Jan van Eyck hat als Bildträger Eichenholzbretter verwendet, deren [[Dendrochronologie|dendrochronologische]] Untersuchung nahelegt, dass sie von einem Baum stammen, der frühestens 1422, wahrscheinlich aber erst um 1428 gefällt wurde. Frisch gefälltes Holz ist als Bildträger ungeeignet; es muss zuvor einen langwierigen Trocknungsprozess durchlaufen, damit die Bretter nach der Bemalung nicht reißen. Auf Basis statistischer Untersuchungen der Zeitdauer zwischen Fällung und Verwendung als Bildträger liegt eine Bemalung ab 1438 nahe. Das [[Städel]], zu dessen Bestand das Gemälde heute zählt, geht von einem Entstehungszeitpunkt um 1437/1438 aus.<ref> Jochen Sander (Hrsg): ''Fokus auf Jan van Eyck: Lucca-Madonna, um 1437/1438 (Inv. Nr. 944)''. Publikation des Städel Museums, 2006, S. 28 und S. 38</ref> == Provenienz == Der Auftraggeber des Gemäldes ist unbekannt. Die Lucca-Madonna wurde erst im 19. Jahrhundert „wiederentdeckt“ und in den 1840er Jahren durch J.D. Passavent Jan van Eyck zugeordnet.<ref>J.D. Passavent: ''Beiträge zur Kenntnis der alt niederländischen Malerschulen bis zur Mitte des 16. Jahrhunderts''. In: ''Kunstblatt''. 1843, S. 229 </ref>. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts befand sich das Bild noch im Besitz des Marquis Cittadella in Lucca. Von dort gelangte es in die Sammlung von [[Karl II. Ludwig (Parma)|Karl Ludwig von Bourbon-Parma]], der von 1824 bis 1847 Herzog von Lucca war. Der Brüsseler Kunsthändler C. J. Niewenhuysen erwarb das Gemälde 1841 und verkaufte es 1843 an [[Wilhelm II. (Niederlande)|Willem II. von Holland]] weiter. Nach dem Tode von Willem II. wurde die Kunstsammlung des holländischen Königs versteigert. Dabei konnte das Frankfurter Museum Städel das Bild nach einem Bieterwettstreit mit anderen europäischen Museen ersteigern.<ref> Jochen Sander (Hrsg): ''Fokus auf Jan van Eyck: Lucca-Madonna, um 1437/1438 (Inv. Nr. 944)''. Publikation des Städel Museums, 2006, S. 14</ref> == Quellen == === Einzelnachweise === <references/> === Literatur === * Klaus Gallwitz (Hrsg): ''Besuch im Städel – Betrachtungen zu Bildern''. Insel Taschenbuchverlag, Frankfurt 1986, ISBN 3-458-32639-1 * Otto Pächt: ''Van Eyck – die Begründer der altniederländischen Malerei''. Prestel Verlag, München 1989, ISBN 3-7913-1033-X * Carol J. Purtle: ''The Marian Paintings of Jan van Eyck''. Princeton University Press, Princeton, New Jersey 1982 * Jochen Sander (Hrsg): ''Fokus auf Jan van Eyck: Lukas Madonna, um 1437/1438 (Inv. Nr. 944)''. Publikation des Städel Museums, 2006 * János Végh: ''Jan van Eyck''. Henschelverlag Kunst und Gesellschaft, Berlin 1984 {{Exzellent}} [[Kategorie:Gemälde (15. Jahrhundert)]] [[Kategorie:Kunst (Frankfurt am Main)]] [[Kategorie:Jan van Eyck]] [[Kategorie:Christliche Kunst (Maria)]] [[en:Lucca Madonna (van Eyck)]] [[it:Madonna di Lucca]] [[pl:Madonna z Lukki]] 488ao3bdbgimrtzb4u2wld8ca85boyp wikitext text/x-wiki Ludwig XIV. 0 23865 28307 28297 2011-05-18T19:50:32Z Axpde 417 Änderungen von [[Special:Contributions/93.247.243.175|93.247.243.175]] ([[User talk:93.247.243.175|Diskussion]]) rückgängig gemacht und letzte Version von [[User:Luckas-bot|Luckas-bot]] wiederhergestellt '''Ludwig XIV.''' ([[Französische Sprache|französisch]] ''Louis XIV, Louis le Grand''; * [[5. September]] [[1638]] in [[Saint-Germain-en-Laye]]; † [[1. September]] [[1715]] in [[Versailles]]) war seit 1643 [[König]] von [[Frankreich]] und [[Königreich Navarra|Navarra]], genannt ''„der Sonnenkönig“'' (frz. ''le Roi-Soleil''). [[Datei:Louis1667.jpg|upright=1.4|miniatur|<center>Ludwig XIV. bei der Gründung des [[Pariser Observatorium]]s im Jahr 1667</center>]] Ludwig XIV. gilt als klassischer Vertreter des höfischen [[Absolutismus]]. Der Leitsatz des Absolutismus, ''L'État, c’est moi!'' – ''Der Staat bin ich!'', wird ihm jedoch fälschlicherweise zugeschrieben.<ref>Vgl. hierzu: Manfred Kossok: ''Am Hofe Ludwigs XIV.'' S. 25; für das tatsächliche Selbstverständnis von Ludwig XIV. in Bezug auf Politik und Staatswesen siehe: Klaus Malettke: ''Ludwig XIV. von Frankreich. Leben, Politik und Leistung''. S. 67ff</ref> Er festigte die Macht der Krone durch den Ausbau der Verwaltung, durch die Bekämpfung der Opposition des Adels und durch die Förderung der französischen Wirtschaft. Die Hofkultur wurde ganz auf die Person des Herrschers zugeschnitten. Zum Symbol für dessen herausragende Stellung wurde sein prunkvolles Auftreten. Der König förderte Künste und Wissenschaften, was eine Blütezeit der französischen Kultur zur Folge hatte. Ludwig XIV. vertrat eine expansive und kriegerische Außenpolitik, so dass Frankreich unter seiner Regierung eine stark dominierende Stellung in Europa gewann. Mit zweiundsiebzig Jahren auf dem Thron war er das am längsten amtierende Staatsoberhaupt in der [[Geschichte Europas]]. == Überblick == [[Datei:Louis XIV of France.jpg|thumb|upright=1.2|Ludwig XIV. im Krönungsornat (Staatsporträt von [[Hyacinthe Rigaud]] aus dem Jahre 1701)]] Die Geburt Ludwigs XIV. im [[Schloss Saint-Germain-en-Laye]] erschien vielen als glückliches Ereignis, denn dreiundzwanzig Jahre lang war die Ehe seiner Eltern [[Ludwig XIII. (Frankreich)|Ludwig XIII.]] und [[Anna von Österreich (1601–1666)|Anna von Österreich]] ohne Nachkommen geblieben. Durch seine Geburt wurde die befürchtete [[Thronfolge]] von [[Jean-Baptiste Gaston, Herzog von Orléans|Gaston d'Orléans]] ausgeschlossen. Aus Dankbarkeit erhielt der Neugeborene den Beinamen ''Dieudonné'' (der Gottgegebene). Sein Bruder, Herzog [[Philipp I. (Orléans)|Philipp I. d'Orléans]], wurde 1640 geboren. Schon als Vierjähriger wurde Ludwig am 14. Mai 1643 als König inthronisiert. Er lebte aber bis zu seinem dreizehnten Lebensjahr (1651) unter der [[Regentschaft]] seiner Mutter Anna von Österreich. Die tatsächliche Macht wurde in dieser Zeit vom „regierenden Minister“ [[Jules Mazarin|Kardinal Mazarin]] ausgeübt. Mazarin bereitete Ludwig zielgerichtet auf seine Rolle als absolutistischer Herrscher vor. Schritt für Schritt wurde der junge König an der Macht beteiligt und teilte sich schließlich die Verantwortung mit Mazarin. Durch die außenpolitischen Erfolge der Minister-Kardinäle [[Armand Jean du Plessis Richelieu|Richelieu]] und Mazarin politisch gestärkt, entfaltete Ludwig das absolutistische Königtum [[barock]]er Prägung in Frankreich, mit einem Hofleben, das ganz auf die Person des Herrschers zugeschnitten war. Nach dem [[Westfälischer Friede|Westfälischen Frieden]] am Ende des [[Dreißigjähriger Krieg|Dreißigjährigen Krieges]] 1648 und dem [[Pyrenäenfrieden]] mit Spanien 1659 war Frankreich die politische und militärische Vormacht in Europa. Unterstützt von Ministern wie [[Jean-Baptiste Colbert|Colbert]], [[François-Michel Le Tellier, marquis de Louvois|Louvois]], [[Hugues de Lionne|Lionne]] und dem Kanzler [[Pierre Séguier|Séguier]] konzentrierte er den staatlichen Machtapparat und erweiterte die militärischen, institutionellen und materiellen Machtgrundlagen der französischen [[Monarchie]]. Negativ auf seine Herrschaft wirkten sich die [[Hugenotten]]-Verfolgung und der [[Spanischer Erbfolgekrieg|Spanische Erbfolgekrieg]] aus. Letzterer führte durch die Härte der Kämpfe 1713 fast zu einem [[Staatsbankrott]], der nur durch eine Finanzreform und massive Einsparungen abgewendet wurde. 1660 heiratete Ludwig [[Maria Theresia von Spanien (1638–1683)|Maria Theresia von Spanien]]. Nach deren Tod im Jahr 1683 heiratete er in [[Morganatische Ehe|morganatischer Ehe]] insgeheim die [[Françoise d'Aubigné, Madame de Maintenon|Marquise de Maintenon]]. Ludwig überlebte seinen Sohn [[Louis de Bourbon, dauphin de Viennois|Louis, ''le Grand Dauphin'']] und seinen ältesten Enkel [[Louis de Bourbon, dauphin de Viennois, duc de Bourgogne|Louis de Bourgogne]] und starb am 1. September 1715. Erst sein Urenkel folgte ihm als [[Ludwig XV. (Frankreich)|Ludwig XV.]] auf den Thron. Ludwig XIV. wurde in der von ihm geschaffenen ''Krypta der Bourbonen'' in der [[Basilika Saint-Denis]] beigesetzt. Im Jahre 1793 wurde sein sehr gut erhaltener Körper mit denen anderer Könige durch [[Französische Revolution|Revolutionäre]] „[[Profanierung|profaniert]]“ und sogar kurzzeitig in eine Grube geworfen. Das einbalsamierte Herz wurde ursprünglich in die [[Jesuiten]]kirche in der ''Rue St. Antoine'' in [[Paris]] gebracht, um neben dem Herzen seines Vaters zu ruhen. In der [[Restauration (Frankreich)|Restaurationszeit]] kamen jedoch alle [[Herzbestattung]]en der Angehörigen des Königshauses, auch das Ludwigs XIV., nach St. Denis, wo es sich bis heute in der wiederhergestellten [[Krypta]] befindet. == Herrschaft == === Die frühen Jahre === [[Datei:LouisXIV-child.jpg|thumb|Ludwig XIV. mit 8 Jahren]] Nachdem Ludwig XIV. als vierjähriger Junge 1643 den Thron geerbt hatte, übernahm seine Mutter Anna von Österreich die Regentschaft. Diese bestätigte umgehend Kardinal Mazarin als [[Premierminister]]. Acht Jahre zuvor war Frankreich an der Seite [[Wasa (Dynastie)|Schwedens]] in den [[Dreißigjähriger Krieg|Dreißigjährigen Krieg]] eingetreten, mit dem Hauptziel das [[Haus Habsburg]] zu schwächen. Frankreichs Armeen kämpften nun sowohl gegen den römisch-deutschen Kaiser und dessen Verbündete im [[Heiliges Römisches Reich|Reich]], als auch gegen den spanischen König. Zwar waren die französischen Armeen militärisch erfolgreich, aber dennoch belastete der Konflikt die Staatsfinanzen erheblich. Innenpolitisch sah sich Anna einer heftigen [[Opposition (Politik)|Opposition]] gegenüber, denn die städtischen Gerichtshöfe und [[Prinz]]en misstrauten ihrer [[Regierung]]. Dem stellte sich [[Kardinal]] Mazarin entgegen. Anna entpuppte sich jedoch als völlig anders als erwartet. Die Königin, als spanische Habsburgerin am französischen Hof zunächst verschmäht, wurde selbst zu einer überzeugten Französin. Sie duldete weder [[Nepotismus|Favoriten]], noch die Schmälerung der königlichen [[Autorität]] im Staate. Ihre Generäle wies sie an, die Kämpfe mit unverminderter Härte voranzutreiben. Mazarin leitete die Staatsgeschäfte und führte die absolutistische Politik Kardinal Richelieus fort, indem er die [[Zentralismus|Zentralisierung der Staatsgewalt]] in der Person des Königs mit aller Macht betrieb. Mit der Unterzeichnung der [[Westfälischer Friede|Friedensverträge zu Münster und Osnabrück]] 1648 war Frankreich der große Sieger des Dreißigjährigen Krieges. Erhebliche Truppenteile konnten gegen [[Spanien]] eingesetzt werden. Doch nun brach in Frankreich die [[Fronde]] (1648–1653) aus, ein offener [[Bürgerkrieg]] des [[Parlement|Pariser Parlaments]] und der Prinzen gegen die Politik des königlichen [[Absolutismus]]. Als Möglichkeit zur Revolte diente die [[Minderjährigkeit]] Ludwigs. Die Frondeure gaben vor, gegen die negativen Einflüsse des Leitenden Ministers Mazarin zu kämpfen. Dieser wurde als Italiener allgemein wenig geschätzt, insbesondere die königlichen Prinzen nahmen ihm übel, dass er sie konsequent von jeder politischen [[Macht]] ausschloss. Die [[Parlement|Parlamente]] (Oberste Gerichtshöfe) hingegen wurden vom [[Englischer Bürgerkrieg|Englischen Bürgerkrieg]] beeinflusst und sahen eine Chance ihre [[Privileg]]ien gegenüber der Krone auszubauen. Die Fronde scheiterte 1652. Die Unruhen sollten jedoch noch bis 1654 anhalten. Ludwig XIV. wurde 1651 für [[Volljährigkeit|volljährig]] erklärt, womit die Regentschaft seiner Mutter offiziell endete. Der König – noch zu jung zur Regierung – übertrug erwartungsgemäß die Macht an Mazarin und nicht an einen Prinzen aus dem Königshaus. 1654 erfolgte die [[Krönung]] und [[Salbung]] des Königs in [[Reims]], womit die Ordnung im Königreich, für jeden ersichtlich, wiederhergestellt war. Die Krönung des Königs sollte für die Menschen bewusst als das [[Symbol]] für [[Kontinuität]] und den Schutz Gottes über den König stehen. Während des Bürgerkriegs kam der [[Französisch-Spanischer Krieg (1635–1659)|Kampf mit Spanien]] zum Erliegen, die Frondeure bekamen überdies Unterstützung von den Spaniern. Nachdem wieder innerer Friede herrschte, konnte Frankreich seine Kräfte gegen Spanien bündeln und erzielte Erfolge durch Angriffe auf die [[Spanische Niederlande]] und die Invasion Spaniens, welche zur erneuten Besetzung [[Katalonien]]s führte. 1657 gelang es Mazarin das [[Commonwealth of England|republikanische England]] unter [[Oliver Cromwell]] in einem Geheimvertrag zum [[Bündnis|Bundesgenossen]] gegen die Spanier zu gewinnen. Spanien sah sich gezwungen den Frieden zu suchen. König [[Philipp IV. (Spanien)|Philipp IV.]] bot Ludwig die Hand seiner ältesten Tochter, der Infantin [[Maria Theresia von Spanien (1638–1683)|Maria Theresia von Spanien]], an. 1659 trafen beide Monarchen auf der [[Isla de los Faisanes|Fasaneninsel]], zwischen Frankreich und Spanien, zusammen und unterzeichneten den [[Pyrenäenfrieden]]. Frankreich erwarb das [[Roussillon]] in den Pyrenäen und bekam von den Spanischen Niederlanden das [[Artois]] und einige Nebenländer. Die Infantin verzichtete auf ihr Erbrecht an der spanischen Krone gegen eine [[Mitgift]] von 500.000 Goldtalern, eine für die Spanier unerschwingliche Summe, die nicht ausgezahlt werden konnte. Dadurch blieb Maria Theresia älteste, erbberechtigte Tochter des spanischen Königshauses. Die Heirat zwischen Ludwig XIV. und Maria Theresia (einer Kusine ersten Grades) fand am 9. Juni 1660 in [[Saint-Jean-de-Luz]] statt. Bereits am 1. November 1661 wurde [[Ludwig von Frankreich, Le Grand Dauphin|Dauphin Louis]] geboren. === Die Alleinherrschaft === [[Datei:Louis-xiv-lebrunl.jpg|thumb|Ludwig XIV. 1661]] Seit seiner Kindheit führte Kardinal Mazarin die Geschäfte für den König. Der Leitende Minister galt als ein außerordentliches Talent in der [[Politik]] und unterrichtete daher selbst den König in der Kunst der [[Staatsräson|Staatsführung]]. Ludwig XIV. bekam so eine solide und sehr umfassende Ausbildung in Staatsangelegenheiten, Recht, Geschichte und Militärstrategie, aber auch in diversen Sprachen und Wissenschaften. Als Mazarin am 9. März 1661 starb, war der 22-jährige König gut auf sein Amt vorbereitet und verkündete dem Staatsrat, dass er keinen Leitenden Minister mehr einsetzen, sondern die Regierungsgeschäfte in eigener Regie führen werde. Diese Regierungsgrundsätze hielt er 1670 in seinen „Memoiren“ für seinen Nachfolger fest und eine solche Form der Alleinregierung bezeichnet man auch als das absolutistische [[Kabinettsystem]]. Der Hof und die Minister waren zunächst irritiert, doch man meinte, es würde sich nur um eine vorübergehende Phase beim König handeln. Dieser hingegen begann die Regierung umzubilden und entließ einen Großteil des Staatsrats, selbst seine Mutter schloss er aus, so dass nur noch die wichtigsten drei [[Minister]] an den Ratssitzungen teilnahmen. Einer von diesen war [[Nicolas Fouquet]], der Finanzminister. Ludwig ließ ihn wegen [[Korruption]] und [[Hochverrat]] verhaften und durch den ihm treu ergebenen [[Jean-Baptiste Colbert]] ersetzen. Fouquet hatte Staatsgelder veruntreut und Befestigungen ohne Genehmigung des Königs bauen lassen. Letzteres interpretierte Ludwig als Vorbereitung einer [[Aufstand|Rebellion]] gegen seine Person. Mit der neuen Regierung wurde ein [[Reform]]programm beschlossen, dessen Ziele die Förderung von [[Wirtschaft]] und [[Wissenschaft]], der massive Ausbau von [[Flotte (Marine)|Flotte]] und [[Armee]] und eine tiefgreifende Reformierung der [[Bürokratie]] war. Ludwig schrieb selbst an seine Mutter: ''„Ich bin nicht der Gimpel, für den mich die Höflinge gehalten haben…“,'' denn es war dem König sehr ernst mit der Politik und der dazugehörigen Verantwortung. Der junge Ludwig XIV. suchte Europa zu beeindrucken. Diese Gelegenheit bot sich ihm bereits 1661 beim [[Londoner Kutschenstreit]], in dessen Folge Spanien den Vorrang des Königs von Frankreich in ganz Europa anerkennen musste. Den europäischen Höfen wurde klar, dass Ludwig nicht die Absicht hatte ein schwacher König zu sein. 1662 kam es zur [[Defensivallianz]] zwischen Frankreich und Holland, kurz darauf kaufte Ludwig XIV. vom englischen König [[Karl II. (England)|Karl II.]] die Stadt [[Dünkirchen]]. Doch der König wollte alle Welt nicht nur politisch überraschen, sondern auch seine Macht und Reichtum zur Schau stellen. Dies ging am besten durch prächtige, für den [[Barock]] typische Hoffeste. Daher fand 1664 das Fest ''Die Freuden der verzauberten Insel'' (''Plaisirs de l’Île enchantée'') statt. Europas [[Fürst]]en waren verblüfft und erstaunt über den [[Luxus]] dieser Vergnügungen und begannen zunehmend den [[Lebensstil]] des französischen Monarchen nachzuahmen. Die Legende des „Sonnenkönigs“ nahm hier ihren Anfang. Im Jahr 1665 starb sein Onkel und Schwiegervater Philipp IV. von Spanien. Ludwig machte zum ersten Mal das [[Erbrecht]] seiner Gemahlin geltend. Er forderte auf Grundlage des [[Herzogtum Brabant|brabantischen]] Devolutionsrechts einen Erbteil für Frankreich, nach welchem Töchter aus erster Ehe ein vorrangiges Erbrecht haben. In Spanien saß mit [[Karl II. (Spanien)|Karl II.]] ein degeneriertes Kind auf dem Thron und dessen Mutter [[Maria Anna von Österreich (1634–1696)|Maria Anna von Österreich]] führte für diesen die Regentschaft. Die Regentin wies die französischen Forderungen zurück und Ludwig bereitete einen Waffengang vor. 1667 brach der [[Devolutionskrieg]] (1667–1668) aus. Die Armeereformen des Königs waren bereits weit vorangeschritten, so dass Ludwig Interesse daran hatte seine neuen Armeen auch zu erproben. Er hatte hier mit dem [[Stehendes Heer|stehenden Heer]] ein für die Neuzeit völliges Novum eingeführt: Berufssoldaten, welche ständig bereit standen, streng ausgebildet und diszipliniert, sowie regelmäßig bezahlt und versorgt wurden. So marschierte eine Armee von 70.000 Mann in die Spanischen Niederlande ein und annektierte danach die [[Franche-Comté]]. Spanien sah sich vor vollendete Tatsachen gestellt und hatte keine Mittel zu Gegenwehr. Der Sieg schien uneingeschränkt zu sein, doch fühlte sich nun Frankreichs Alliierter Holland von der Präsenz französischer Truppen bedroht. Die holländischen Generalstaaten verbündeten sich 1668 mit England und Schweden zur Tripelallianz gegen Ludwig XIV., um so die Friedensverhandlungen zu beschleunigen. Dieser sah sich nun gezwungen bei den Verhandlungen in Aachen Abstriche von seinen Forderungen zu machen. Durch den [[Frieden von Aachen (1668)|Frieden von Aachen]] behielt Frankreich große Teile im Westen der Spanischen Niederlande, musste jedoch die Franche-Comté wieder herausgeben. Ludwig XIV. konnte nicht verzeihen, dass ihm sein eigener Alliierter in den Rücken gefallen war, wobei er bisher immer größter Förderer Hollands gewesen war und sogar 1666 zu dessen Gunsten im [[Englisch-Niederländischer Krieg (1665–1667)|Zweiten Englisch-Niederländischen Seekrieg]] militärisch interveniert hatte. Er warf den Generalstaaten offen Undankbarkeit und sogar [[Verrat]] vor. Dies hielt ihn aber nicht davon ab noch im selben Jahr das ''Grand Divertissement Royal'' in Versailles zu feiern, als Zeichen seines Triumphes. === Der Kampf gegen Holland === [[Datei:Louis xiv Maastricht.jpg|thumb|Der König 1673 vor [[Maastricht]]]] Ludwig XIV. hatte nun zwei politische Ziele: Erstens Holland zu bestrafen und zweitens die Grenzen zu begradigen, was nichts anderes hieß, als weitere Teile Spaniens zu erobern. Zuerst wurde die Tripelallianz von ihm zerstört, indem er 1670 mit seinem Cousin [[Karl II. von England]], durch den [[Vertrag von Dover]], ein Offensivbündnis einging und dann [[Schweden]] hohe [[Subsidien]] für eine Allianz zahlte. Danach annektierte Frankreich das Herzogtum [[Lothringen]], schloss zahlreiche Bündnis- und Neutralitätsabkommen mit benachbarten Fürsten. Schließlich war Holland außenpolitisch und militärisch vollständig isoliert. 1672 erklärten Frankreich und [[England]] den Krieg gegen Holland, der [[Holländischer Krieg|Holländische Krieg]] (1672–1678) begann. Ludwig ließ 120.000 Mann die Grenzen zu den [[Republik der Sieben Vereinigten Niederlande|Vereinigten Provinzen der Niederlande]] überschreiten. Sein Ziel war nicht Holland zu annektieren, sondern er wollte nur ein Exempel statuieren und Handelsvorteile erzwingen. Eigentliches Ziel war die Bedrohung Spaniens. Französische Truppen nahmen immer mehr Gebiete ein, die Holländer verloren den Kampf und nur die Öffnung der [[Deich]]e und die völlige Überflutung breiter Landschaften rettete sie vor der totalen militärischen Niederlage. In dieser Situation wurde [[Johan de Witt]] durch [[Wilhelm III. (England)|Wilhelm III. Prinz von Oranien]] als Generalstatthalter der Provinzen abgelöst. Dieser ging unverzüglich ein Bündnis mit Spanien und dem [[Römisch-deutscher Kaiser|römisch-deutschen Kaiser]] [[Leopold I. (HRR)|Leopold I.]] ein. Damit hatte Ludwig XIV. auch sein zweites politisches Ziel erreicht: Spanien und der römisch-deutsche Kaiser erklärten freiwillig den Krieg. Nach dem Abzug seiner Truppen aus Holland konnte Ludwig seine Armeen nun gegen Spanier und Kaiserliche verwenden. 1674 annektierte er erneut die [[Franche-Comté]], England schied jedoch aus dem Krieg aus. Zur Feier der Siege veranstaltete der König sein drittes berühmtes Fest, das ''Fest von Versailles''. Die Kämpfe zogen sich noch bis 1678 hin, verliefen jedoch höchst erfolgreich für Frankreich. Ludwig hielt während des Krieges 280.000 Mann unter Waffen. Dieser Übermacht und der Kampfstärke der französischen Truppen waren die alliierten Streitkräfte nicht gewachsen, weswegen Frankreich den Holländischen Krieg schließlich gewann. 1678/79 wurde der [[Friede von Nimwegen]] geschlossen. Frankreich behielt dabei fast vollständig seine Eroberungen gegen Spanien und im [[Heiliges Römisches Reich|Heiligen Römischen Reich]]. Der Einfluss und die Dominanz Ludwigs XIV. in Europa verstärkten sich weiter. Trotzdem war der König unzufrieden, da die beabsichtigten Grenzbegradigungen nicht vollständig erreicht wurden. So entließ er 1679 seinen Außenminister, den [[Simon Arnaud, marquis de Pomponne|Marquis de Pomponne]], und ersetzte ihn durch Colberts talentierten Bruder [[Charles Colbert, marquis de Croissy|Charles Colbert de Croissy]]. Zur Sicherung der Grenzen begann Ludwig mit dem Ausbau des [[Festungsanlagen von Vauban|französischen Festungsgürtels]]. Der Festungsbaumeister [[Sébastien le Prestre de Vauban]] umgab das Königreich mit über 160 neugeschaffenen oder umgebauten Befestigungsanlagen, welche Frankreichs Territorien abriegeln sollten. Dazu gehörten Stadtgründungen wie [[Saarlouis]] und [[Neuf-Brisach]], letzteres stellt noch heute ein besonders anschauliches Beispiel für diese Festungsstädte dar. Nach dem erfolgreichen Krieg löste Frankreich seine Armeen nicht auf, sondern behielt die volle Kampfstärke weiter unter Waffen. Ludwig benutzte sie zur Durchsetzung der [[Reunionspolitik|Reunionen]], wodurch er seine Eroberungen weiter ausbauen konnte. Zunächst annektierte er die restlichen Teile des [[Elsass]], hier war insbesondere [[Straßburg]] sein Hauptziel, welches als Einfallstor für kaiserliche Truppen gedient hatte; es wurde 1681 eingenommen. Im Jahr 1683 besetzte Ludwig XIV. die östlichen Teile der Spanischen Niederlande, namentlich [[Luxemburg]], 1684 das Kurfürstentum [[Kurpfalz|Pfalz]]; dieses wurde in die französische Saarprovinz umgewandelt. Daneben erfolgte noch die Besetzung der unteren [[Schelde]], wodurch große Teile [[Flandern]]s in französischen Besitz gerieten. Gegen diese offenen Aggressionen mitten im Frieden protestierte Spanien heftig und erklärte noch 1683 den Krieg. Doch kein anderer Staat war bereit, die Waffen gegen Frankreich zu richten, insbesondere Kaiser Leopold I. war durch die [[Zweite Wiener Türkenbelagerung|Wiener Türkenbelagerung]] gebunden. So musste Spanien umgehend um Frieden bitten. Ludwig handelte 1684 zu [[Regensburg]] mit Spanien, Kaiser und Reich einen zwanzigjährigen [[Waffenstillstand]] aus und erreichte so die vorläufige Anerkennung sämtlicher Reunionen. Dadurch hatte Ludwig XIV. mit keinerlei Gegenwehr mehr zu rechnen. === Der Machtzenit === [[Datei:Versailles1685.jpg|thumb|upright=1.6|Der Empfang des Dogen von Genua in Versailles 1685]] Ludwigs politische und militärische Übermacht war nach dem Frieden von Nimwegen erdrückend. Frankreichs Diplomaten beherrschten das politische Parkett. Es war die dominierende [[Seemacht]] geworden, wo es noch 1660 kaum mehr als zwei [[Kriegsschiff]]e hatte. Die Stärke und technologische Überlegenheit der französischen Armee war höher als in jedem anderen Land, die Wirtschaft florierte und ganz Europa imitierte Frankreichs Kultur. Aufgrund der großen Erfolge verlieh Paris Ludwig im Jahr 1680 den Titel „der Große“ ''(Ludovicus Magnus)''. In den Jahren zuvor war Ludwig XIV. neben der Expansion in Europa auch noch mit der Erweiterung des [[Französische Kolonien|französischen Kolonialreiches]] beschäftigt. Neben den im frühen 17. Jahrhundert gegründeten [[Neufrankreich]]-Kolonien in [[Kanada]], gründete er die ersten Kolonien von [[Französisch-Indien]]: 1673 [[Chandannagar]], 1674 [[Puducherry|Pondichéry]] und die Insel [[Martinique]] in [[Westindien]]. 1682 gründete [[René-Robert Cavelier, Sieur de La Salle|La Salle]] am unteren Mississippi eine neue frz. Kolonie und nannte sie zu Ehren des Königs [[Louisiana (Kolonie)|Louisiana]]. Daneben erwarb der König noch 1660 [[Haiti]], 1664 [[Französisch-Guayana]], sowie mit dem [[Senegal]] Teile der westafrikanischen Küste und [[Madagaskar]]. Innenpolitisch begann Ludwig XIV. seine Kontrolle über die französische [[Staatskirche]] auszubauen. Im November 1681 ließ er eine [[Klerus]]versammlung abhalten, welche die [[Gallikanismus|Gallikanischen Artikel]] verabschiedete, wodurch die Macht des Papstes praktisch aufgelöst wurde. Der Einfluss der französischen Könige auf die eigene Kirche war ohnehin sehr stark, nun jedoch durfte der Papst auch keine [[Legat (Botschafter)|Legaten]] mehr ohne des Königs Zustimmung nach Frankreich senden. Bischöfe durften ohne dessen Erlaubnis das Land nicht verlassen, kein Staatsbeamter [[Exkommunikation|exkommuniziert]] werden für Taten, die seinen Dienst betrafen. Alle kirchlichen Privilegien wurden dem Monarchen übertragen, sämtliche Einflussmöglichkeiten des Papstes durch die Billigung des Königs reguliert. Der Papst verweigerte schließlich seine Zustimmung zu diesen Artikeln und erst Jahre später sollte Ludwig einen Kompromiss mit dem [[Heiliger Stuhl|Heiligen Stuhl]] finden. Außerdem ging Ludwig davon aus, dass er, um die Einheit der Nation zu stärken, eine Vereinigung der [[Religion]] erreichen müsste. In dieser Sichtweise folgte er konsequent der Religionspolitik seiner Vorgänger, darin besonders der Vorgabe Kardinal [[Armand-Jean du Plessis, duc de Richelieu|Richelieus]], die stets eine Wiederholung der [[Hugenottenkriege]] fürchteten. Des Weiteren wurde er in dem tiefen Glauben erzogen, dass die Seele eines [[Protestant]]en den Qualen der Hölle ausgeliefert sei, weshalb er es als seine Pflicht ansah, die Seelen seiner hugenottischen Untertanen zu retten. Er setzte deshalb die protestantische Bevölkerung unter Druck, vor allem durch das [[Edikt von Fontainebleau]] (1685). Dadurch wurde das 1598 von [[Heinrich IV. (Frankreich)|Heinrich IV.]] ausgerufene tolerante [[Edikt von Nantes]] widerrufen. Hugenottische Kirchen wurden daraufhin zerstört, protestantische Schulen geschlossen. Durch Ludwigs Maßnahmen flohen von 1685 bis 1730 etwa 200.000 (von 730.000) [[Hugenotten]] ins Ausland, vor allem in die [[Niederlande]], nach [[Preußen]], England und [[Nordamerika]], wo sie, als zumeist gut ausgebildete Fachkräfte, zur Steigerung der [[Produktivität]] beitrugen. Diese französischen Flüchtlinge beeinflussten etwa die protestantische Arbeitsethik der Niederlande, wodurch später der bereits erhebliche Reichtum in dieser Region noch gesteigert wurde. Die neuere Forschung hat allerdings gezeigt, dass die Zahl der Geflohenen bei weitem zu gering war, um einen spürbaren Schaden an der französischen Wirtschaft herbeizuführen.<ref>Klaus Malettke: ''Ludwig XIV. von Frankreich. Leben, Politik und Leistung''. S. 120</ref> Jedoch erschütterte das Edikt von Fontainebleau Frankreichs Ansehen bei den protestantischen Staaten Europas und ein harter Kern von 20.000 Hugenotten entfachte Aufstände in Zentralfrankreich ([[Kamisarden]]). Die große Mehrheit gab dem Druck jedoch nach und konvertierte, auch aufgrund der Steuerbegünstigungen und den Sonderrechten für [[Konversion (Religion)|Konvertierte]] sowie der lebenslangen Befreiung vom Dienst in der [[Miliz (Volksheer)|Miliz]]. Letztlich bedeutete für Ludwig XIV., seine Minister und seine Kardinäle, nur ein [[Katholizismus|katholisches]] Frankreich ein einheitliches und stabiles Frankreich. [[Datei:Court billard 1694.jpg|thumb|upright=1.3|Ludwig XIV. bei seinem Lieblingsspiel, dem Billard, Versailles 1694]] Ab 1686 formierte sich die [[Liga von Augsburg]] gegen Frankreich, in der sich protestantische und katholische Staaten zusammenschlossen, um sich gegen dessen Eroberungspolitik zur Wehr zu setzen. Mitglieder waren der römisch-deutsche Kaiser Leopold I., [[Kurfürstentum Bayern|Bayern]] (Kurfürst [[Maximilian II. Emanuel (Bayern)|Maximilian II. Emanuel]]), [[Preußen|Brandenburg]] ([[Friedrich Wilhelm I. (Brandenburg)|Friedrich Wilhelm I.]]), die Vereinigten Provinzen, Spanien (Karl II. von Spanien) und [[Schweden]] ([[Karl XI.|Karl XI. von Schweden]]). Ludwig entsandte 1688 erneut Truppen in die Pfalz, um seine Ansprüche auf dieses Land zu demonstrieren und einem Angriff der Liga an dieser Stelle zuvorzukommen. Durch diese Maßnahme, die später sogar zur Verwüstung der Pfalz führte, eskalierte der Konflikt zwischen König und Liga. Letztere formierte sich zu einer Offensivallianz und erklärte Frankreich den Krieg, dem sich England nach der [[Glorious Revolution|Glorreichen Revolution]] von 1688 ebenso anschloss und so in den [[Pfälzer Erbfolgekrieg]] (1688-1697) mündete. Frankreich hatte sich zwar zuvor nicht auf diesen Krieg vorbereiten können, war aber sehr erfolgreich. Französische Armeen besetzten die Spanische Niederlande und marschierten ins Reich ein, eroberten zahlreiche feste Plätze. Die Truppen der Alliierten waren weniger gut ausgebildet und zahlenmäßig unterlegen. Zudem waren große Truppenteile des Kaisers im [[Großer Türkenkrieg|5. Türkenkrieg]] gebunden. Die Allianz konnte kaum Siege verbuchen, doch auch Ludwig traf die Niederlage seiner Flotte vor La Hougue 1692. Es gelang keiner der beiden Seiten den Gegner endgültig niederzuringen. Besonders die Alliierten konnten Frankreich nicht aus dem Reich verdrängen. Als Ludwig XIV. einsah, dass er trotz mehrerer strategisch vorteilhafter Siege, wie die Schlacht von [[Neerwinden]] am 29. Juli 1693, keinen Frieden mit den Waffen erzwingen konnte, begann er seine [[Diplomat]]en als politische Waffe einzusetzen. Die erschöpften Kontrahenten begannen den [[Frieden von Rijswijk]] zu vereinbaren, der 1697 unterzeichnet wurde. Ludwig suchte hier einen maßvollen und stabilen Frieden auszuhandeln, der auch seine Gegner befriedigen konnte. Daher gab er Luxemburg und die Pfalz wieder heraus und bekam dafür die restlichen Reunionen endgültig bestätigt. Darüber hinaus erkannte Ludwig XIV. den [[Wilhelm III. (England)|Prinzen von Oranien]] als König von England an. Frankreich sollte so die Möglichkeit bekommen sich langfristig von den Kriegsanstrengungen zu erholen. === Die letzten Jahre === [[Datei:Nicolas de Largillière 003.jpg|thumb|upright=1.3|Ludwig XIV. und seine Erben im Jahr 1711]] Nach 1697 begann die spanische [[Thronfolge]] zunehmend zum Hauptthema an den Höfen Europas zu werden. Der spanische König [[Karl II. (Spanien)|Karl II.]] war unfähig einen Erben zu zeugen. Daher war seine Nachfolge unklar. Sowohl die [[Bourbonen]], als auch die [[Habsburger]] der deutschen Linie machten Erbansprüche geltend. Denn König Ludwig XIV. und auch der Kaiser des heiligen römischen Reiches, [[Leopold I. (HRR)|Leopold I.]] hatten Töchter [[Philipp IV. (Spanien)|Philipps IV.]] von Spanien geheiratet. Ludwig hatte jedoch mit [[Maria Theresia von Spanien (1638–1683)|Maria Theresia von Spanien]] die ältere von beiden geehelicht und diese hatte nie mit Gültigkeit auf ihr Erbrecht verzichtet. Leopold hingegen hatte die jüngere Tochter [[Margarita Teresa von Spanien|Margarita von Spanien]] geheiratet und war zudem der Meinung, dass Spanien im Besitz der Habsburger bleiben müsste. Nun fürchteten andere Staaten wiederum, dass die Mächtekonstellation in Europa erheblich erschüttert werden würde, sollten sich Frankreich oder Kaiser Leopold Spanien gänzlich einverleiben. Unter diesen Bedenken handelte Ludwig XIV. mit Wilhelm III. von England den 1. Teilungsvertrag aus. Der bayerische Prinz [[Joseph Ferdinand von Bayern|Joseph-Ferdinand]] sollte Spanien bekommen und die restlichen europäischen Besitzungen Spaniens zwischen Ludwig und Leopold aufgeteilt werden. Kaiser Leopold akzeptierte diese vertragliche Regelung. Spanien hingegen lehnte jede Teilung seines Reiches ab. Karl II. entschloss sich stattdessen, den bayerischen Prinzen Joseph-Ferdinand als Universalerben für alle Ländereien einzusetzen, in der Hoffnung, dass sowohl Ludwig, als auch Leopold auf ihre vertraglichen Rechte verzichten würden. Mit dem Tod des bayerischen Prinzen Joseph-Ferdinand war dieser Plan hinfällig geworden. Karl II. wollte aber die Einheit seines Reiches wahren und entschied sich vorerst für den [[Karl VI. (HRR)|Erzherzog Karl]] – den jüngeren Sohn des Kaisers – als seinen Erben. Dessen Ansprüche wurden jedoch durch den 2. Teilungsvertrag zwischen Frankreich und England geschmälert. Nach diesem sollte Erzherzog Karl zwar Spanien erben, aber die italienischen Besitzungen an Frankreich fallen. Woraufhin Kaiser Leopold I. seine Zustimmung zum 2. Teilungsvertrag verweigerte und das gesamte spanische Erbe ungeteilt für seinen Sohn Karl beanspruchte, womit er Frankreich, Holland und England brüskierte. Kurz vor seinem Tod im Jahr 1700 entschied sich Karl II. jedoch um. Er setzte den zweiten Sohn des französischen Kronprinzen [[Louis de Bourbon, dauphin de Viennois|Louis]], den [[Philipp V. (Spanien)|Herzog von Anjou]], als Universalerben ein. Sollte dieser unerwartet den französischen Thron erben, so würde dessen jüngerer Bruder, der [[Charles de Bourbon, duc de Berry|Herzog von Berry]], Spaniens neuer König. Sollte auch dieser nicht mehr zu Verfügung stehen, so würde dann erst Erzherzog Karl sein Erbe werden. Damit erkannte Karl II. von Spanien die legitimen Thronrechte der Bourbonen an, welche sich von [[Maria Theresia von Spanien (1638–1683)|Maria Theresia von Spanien]] herleiteten. Als Ludwig XIV. die Nachricht vom Tod des spanischen Königs und dessen neuen [[Testament]] erfuhr, sah er sich in einer schwierigen Lage. Sollte er das Testament für seinen Enkel annehmen oder auf dem 2. Teilungsvertrag mit England bestehen, den Kaiser Leopold jedoch nie anerkannt hatte? Nach intensivem Abwägen mit seinen Ministern, entschloss er sich das spanische Erbe zu akzeptieren, da ein Krieg mit dem Kaiser nun ohnehin unvermeidlich war und Frankreich so die bessere Position gegen den Kaiser einnehmen konnte. Es gilt als gesichert, dass eine Ablehnung des Testaments den Krieg nicht hätte verhindern können, da Kaiser Leopold den Waffengang plante, wenn Frankreich auf dem 2. Teilungsvertag bestanden hätte. So proklamierte Ludwig XIV. seinen Enkel Philippe d'Anjou zu [[Philipp V. (Spanien)|Philipp V.]] und damit zum neuen König von Spanien. Ludwig befahl die sofortige Besetzung der spanischen Nebenländer, noch bevor sich Leopold ihrer bemächtigen konnte. [[Datei:Louis 1714.jpg|thumb|upright=1.3|Ludwig XIV. empfängt den späteren König von Polen und Kurfürsten von Sachsen, [[August III. (Polen)|August III.]], im Schloss [[Schloss Fontainebleau|Fontainebleau]] 1714]] Durch die Sorge, dass Frankreichs Übermacht dadurch noch zunehmen könnte, vereinigten sich England, Holland und das Reich mit dem Kaiser zum Kampf gegen Ludwig, wodurch die [[Große Allianz]] geschaffen wurde. Die französisch-spanische Allianz wurde durch [[Savoyen]], [[Kurköln]] und [[Kurfürstentum Bayern|Bayern]] unterstützt, wodurch der [[Spanischer Erbfolgekrieg|Spanische Erbfolgekrieg]] (1702–1713) ausgelöst wurde. Frankreich verfolgte nun zwei Ziele: Das wichtigste war die Durchsetzung Philipps V. als spanischen König, außerdem beabsichtigte Ludwig XIV. weitere Eroberungen gegen das Reich zu machen. Der Krieg verlief jedoch wenig geradlinig. Frankreichs Armeen dominierten zu Beginn das Feld. Die kaiserlichen Alliierten hatten jedoch alle verfügbaren Kräfte gegen Frankreich mobilisiert und ihre Armeen modernisiert und ausgebaut. Frankreich war gezwungen, während des Krieges 680.000 Soldaten zu unterhalten, um ein schlagkräftiges Gegengewicht zu bilden und die feindlichen Armeen im Heiligen Römischen Reich zu beschäftigen. Frankreichs Staatsfinanzen wurden überbeansprucht, leere Kassen waren die Folge. 1708 sah die militärische Lage für Frankreich zunächst so schlecht aus, dass Ludwig XIV. um Frieden ersuchte. Da die Alliierten jedoch unannehmbare Forderungen stellten, wurden Gespräche unverzüglich abgebrochen. In der Folge wendete sich das Blatt wieder leicht zu Gunsten Frankreichs, eine Entscheidung brachte dies jedoch nicht. Alle Parteien waren zermürbt und auch die kaiserlichen Alliierten standen vor einem finanziellen und wirtschaftlichen Kollaps. Frankreich war klar, dass es die feindliche Koalition nicht mehr endgültig besiegen konnte und die Koalition musste erkennen, dass es ihnen unmöglich war, Frankreich zu überwältigen oder Philipp V. aus Spanien zu vertreiben. Als 1711 Kaiser [[Joseph I. (HRR)|Joseph I.]] starb und Erzherzog Karl damit neuer Kaiser wurde, erkannte England zunehmend die Gefahr, dass Karl sowohl Spanien als auch das Reich unter seiner Herrschaft vereinen könnte, und begann Friedensgespräche mit Frankreich. 1713 unterzeichnete England den [[Friede von Utrecht|Separatfrieden von Utrecht]] mit Ludwig und Philipp und schwächte so die Kaiserlichen weiter. Durch die Besetzung [[Freiburg im Breisgau|Freiburgs]], im November 1713 durch Frankreichs Truppen, sah sich Kaiser [[Karl VI. (HRR)|Karl VI.]] gezwungen, ebenfalls den Frieden zu suchen und 1714 den [[Frieden von Rastatt]] zu akzeptieren. Danach erfolgte der [[Friede von Baden]] zwischen Frankreich und dem Reich. Philipp V. blieb König von Spanien und behielt ebenso dessen Kolonien. Die Reste der Spanischen Niederlande und die italienischen Besitzungen fielen an den Kaiser. Damit hatte Frankreich sein politisches Hauptziel erreicht und die Bourbonen auf Spaniens Thron etabliert, musste jedoch auf fast jede militärische Eroberung verzichten. Dennoch war die habsburgische Umklammerung Frankreichs endgültig zerschlagen worden. In seinen letzten Jahren kümmerte sich Ludwig XIV. hauptsächlich um die Erholung der Staatsfinanzen durch Einsparungen und Finanzreformen, sowie die Förderung der Wirtschaft. Da sein Urenkel [[Ludwig XV. (Frankreich)|Ludwig XV.]] noch ein Kleinkind war, übertrug Ludwig XIV. die Regierungsgewalt testamentarisch auf seinen Neffen, [[Philippe II. Charles de Bourbon, duc d'Orléans|Philipp II. d'Orléans]], der dann als Regent fungieren sollte. Als Ludwig XIV. am 1. September 1715 durch [[Gangrän|Wundbrand]] an seinem linken Bein starb, hatte er das französische Territorium wie keiner seiner Vorgänger vergrößert. Frankreich war der mächtigste Staat und kulturelles Zentrum Europas. [[Französische Sprache|Französisch]] diente im 17. und 18. Jahrhundert als Sprache des guten Geschmacks, ähnlich wie [[Englische Sprache|Englisch]] später zur globalen Wirtschaftssprache wurde. Im 18. Jahrhundert übernahm zum Beispiel der russische Adel französische Sitten und sprach eher Französisch als [[Russische Sprache|Russisch]]. Das französische Volk war nach den Holländern das wohlhabendste Europas geworden, die Wirtschaft erholte sich nach der [[Stagnation]] im Spanischen Erbfolgekrieg schnell, sie wuchs in erheblichen Maße weiter, auch wenn die [[Steuer]]n vergleichsweise hoch waren. : ''Mit seinem Tod verlor Frankreich einen seiner größten, fähigsten und bedeutendsten Herrscher, dessen Regierung die französische Monarchie nach innen und außen nachhaltig geprägt und dessen Leistung weit über die französischen Grenzen hinaus vielfältige Nachahmung gefunden hat.''<ref name="km156">Klaus Malettke: ''Ludwig XIV. von Frankreich. Leben, Politik und Leistung''. S. 156</ref> Andererseits jedoch war die Bevölkerung nach 72 Jahren Herrschaft ihres alten Königs überdrüssig. Die enormen finanziellen Belastungen des letzten Krieges lasteten die Menschen ebenfalls Ludwig XIV. an. Der alte König gestand selbst, dass „''nichts mein Herz und meine Seele tiefer gerührt hat als die Erkenntnis des völligen Ausblutens der Völker meines Reichs durch die unermeßliche Steuerlast''“, welche der Spanische Erbfolgekrieg nötig gemacht hatte. Als sein Körper in die Gruft überführt wurde, berichtete der Polizeikommissar Pierre Narbonne: „''Viele Menschen freuten sich über den Tod des Fürsten, und überall hörte man Geigen spielen.''“ Und [[Voltaire]] sah neben dem Trauerzug „''...kleine Zelte, wo das Volk trank, sang und lachte.''“ Man freute sich auf die Herrschaft des neuen Königs und wollte die letzten harten Jahre des Kampfes um den spanischen Thron vergessen. == Wirtschaft == [[Datei:Meulen.jpg|thumb|upright=1.2|Ludwig XIV. bei der Einnahme von [[Besançon]] im Jahr 1674]] Als Ludwig XIV. 1661 die Herrschaft antrat, war Frankreichs [[Staatshaushalt]] durch den letzten Krieg mit Spanien stark angespannt. Ludwig förderte enorm den [[Geldkreislauf]], indem er große Summen für seine Kriege, für das Hofleben, Kunst und Kultur ausgab. Große Geldmengen verschwanden durch [[Korruption]] in der französischen [[Bürokratie]]. Ludwig selbst schreibt: ''„Als Mazarin starb, da herrschte viel Unordnung in der Verwaltung meines Königreiches.“'' Ludwig XIV. setzte sich zum Ziel dieses Chaos auszurotten und klare Ordnung in den staatlichen Strukturen Frankreichs herzustellen. Als erstes ließ er 1661 seinen Finanzminister (''Oberintendanten der Finanzen'') [[Nicolas Fouquet]] verhaften, weil sich dieser an den Einnahmen des Staates bereichert hatte, um das luxuriöse [[Schloss Vaux-le-Vicomte]] erbauen zu können. Ein deutliches Zeichen an dessen Nachahmer. Ludwig XIV. ernannte daraufhin [[Jean-Baptiste Colbert]], den bekanntesten Förderer des [[Merkantilismus]], zu seinem ''Generalkontrolleur der Finanzen''. Das Amt des [[Finanzminister]]s wurde abgeschafft und durch einen Finanzrat ersetzt, dem der König und Colbert persönlich vorstanden. Etwas unerhörtes zu dieser Zeit, denn ein König hatte sich damals eigentlich nicht um etwas so unschickliches wie Geld zu kümmern. Indem Colbert die Korruption bekämpfte und die Bürokratie neu organisierte, konnte er die Steuereinnahmen mehr als verdoppeln, ohne neue Steuern erheben zu müssen. So war es Ludwig möglich, bereits am Anfang seiner persönlichen Regierung eine Steuersenkung zu erlassen und so ein schnelleres Wachstum der französischen Wirtschaft zu erreichen. Die Wirtschaft wurde durch die Einrichtung von [[Handelskompanie]]n und [[Manufaktur]]en gefördert. Besonders die französische Luxusindustrie wurde bald führend in Europa und darüber hinaus. Mit Waren wie [[Gobelin-Manufaktur|Gobelinteppichen]], Spiegeln, Spitzen, Goldschmiedearbeiten und Möbeln, die in ganz Europa begehrt waren, erzielte die Krone Spitzenprofite. Nach innen wurde Nordfrankreich einer [[Zollunion]] unterworfen, um so innerfranzösische Handelshemmnisse abzubauen. Colberts Versuche eine einheitliche Zollbarriere für das ganze Königreich zu erwirken, scheiterten jedoch an lokalen Handelsprivilegien. Das französische Steuersystem enthielt Handelssteuern (aides, douanes), Salzsteuer ([[gabelle]]) und Landsteuer ([[Taille (Steuer)|taille]]). Durch veraltete Regelungen aus dem [[Feudalismus]] waren der [[Adel]] und der [[Klerus]] von diesen direkten Steuern befreit, die von der Landbevölkerung und der aufstrebenden Mittelklasse (der [[Bourgeoisie]]) aufgebracht werden mussten. Vermutlich wurde die [[Französische Revolution]] auch vom Ärger über dieses alte Steuersystem genährt. Allerdings ist unter Ludwig XIV. die Tendenz festzustellen, den Adel und Klerus der direkten Steuer zu unterwerfen. Zur Zahlung der indirekten Steuern waren diese ohnehin verpflichtet. Der König führte die „[[capitation]]“ – eine Kopfsteuer – ein, von der die unteren Schichten kaum erfasst wurden, aber von der die beiden oberen [[Ständeordnung|Stände]] in vollem Umfang betroffen waren. Selbst die [[Prinz von Geblüt|Prinzen von Geblüt]] und der [[Dauphin (Adel)|Dauphin]] mussten den höchsten Steuersatz zahlen. Auf diese Weise wurde der Hochadel zum ersten Mal unvermittelt an der Finanzierung des Staates beteiligt. Beim Tode Ludwig XIV. war Frankreich das reichste Königreich Europas mit überdurchschnittlichen Staatseinnahmen, welche die Finanzen anderer Staaten bei weitem übertraf. Allerdings betrugen die [[Staatsschuld]]en durch die harten Anforderungen des Spanischen Erbfolgekrieges zwei Milliarden Livres, ein Betrag der erst im Jahr 1725 endgültig getilgt war. Dies änderte aber nichts an der enormen Leistungsfähigkeit der [[Wirtschaft]]. Frankreich verfügte über das zweitgrößte Handelsvolumen und eine deutlich positive [[Handelsbilanz]]; nur die Holländer vermochten höhere Gewinne mit ihren internationalen Handelskompanien zu erzielen. Frankreich war ein strukturell stabiles und ressourcenstarkes Land, das mit über 20 Millionen Einwohnern das mit Abstand bevölkerungsreichste Land Europas war. == Kunst macht Politik == [[Datei:Versailles-1664.jpg|thumb|upright=1.3|Die „Vergnügungen der verzauberten Insel“ in Versailles 1664]] Die Herrschaft Ludwig XIV. nennt man zu Recht das „Grand Siècle“. Der König hatte die Absicht die besten Künstler, Architekten, Maler, Poeten, Musiker und Schriftsteller für Frankreich arbeiten zu lassen. Er entfaltete ein noch nie dagewesenes [[Mäzenatentum]] mit der Absicht die gesamte Kunstlandschaft Frankreichs zu beeinflussen, zu prägen und zu lenken, um sie im Interesse königlicher Politik zu instrumentalisieren. Die Kunst stand im Dienste der [[Glorifizierung|Verherrlichung]] des Königs und seiner Ziele, ganz nach [[Barock|barocker Manier]]. Das Ansehen des Königs und des Staates sollte gesteigert werden; dazu wurde Ludwigs Minister Colbert damit beauftragt [[Literatur]], [[Kunst]] und [[Wissenschaft]] zu fördern. Dem Minister wurde die Organisation der [[Ruhm|''Gloire'']] des Königs überlassen. Zahlreiche [[Académie Royale|Königliche Akademien]] wurden auf allen Gebieten der Kunst und Wissenschaft gegründet: * 1663 die [[Académie des Inscriptions et Belles-Lettres|Akademie der Inschriften]] und die Akademie für [[Malerei]] und [[Bildhauerei|Skulptur]] * 1666 die [[Académie des sciences|Akademie der Wissenschaften]] * 1671 die [[Académie royale d'architecture|Akademie der Architektur]] * 1672 die Akademie der Musik (''Académie royale de Musique'' heute [[Pariser Oper|Opéra National de Paris]]) Im Sinne der Selbstdarstellung des Monarchen sind auch die Feste in Versailles zu verstehen. Die Repräsentation des Königs diente dem Ansehen des Staates in aller Welt. Einige Künstler erklommen im Dienste des Königs ungeahnte Höhen; hier wären besonders [[Jean-Baptiste Lully|Lully]] auf dem Gebiet der Musik und des Tanzes zu nennen, aber auch [[Molière]], der für Ludwig XIV. zahllose Bühnenstücke verfasste. Beide Künstler zusammen zeigten sich für die Organisation der königlichen Spektakel verantwortlich. Daneben förderte Ludwig XIV. noch zahlreiche berühmte Künstler: Darunter auf dem Gebiet der Literatur [[Nicolas Boileau|Boileau]], [[Jean de La Fontaine|La Fontaine]] und [[Jean Racine|Racine]], in der Malerei [[Charles Lebrun|Le Brun]], [[Hyacinthe Rigaud|Rigaud]] und [[Pierre Mignard|Mignard]], im Bereich der Musik - die Ludwig besonders wichtig war - unter anderem [[Marc-Antoine Charpentier|Charpentier]], [[François Couperin|Couperin]], [[Michel-Richard Delalande|Delalande]] und [[Marin Marais|Marais]], in der Architektur [[Louis Le Vau|Le Vau]], [[Claude Perrault|Perrault]], [[Robert de Cotte|de Cotte]], als auch [[Jules Hardouin-Mansart|Hardouin-Mansart]], die im Auftrag des Königs den französischen [[Klassizistischer Barock|klassizistischen Barock]] prägten, und im Kunsthandwerk [[Antoine Coysevox|Coysevox]] sowie insbesondere [[André-Charles Boulle|Boulle]]. Auf dem Gebiet der Wissenschaft konnte Ludwig XIV. einige bekannte Forscher für Paris gewinnen, darunter [[Giovanni Domenico Cassini|Cassini]], [[Christiaan Huygens|Huygens]] und [[Vincenzo Maria Coronelli|Coronelli]], deren Arbeiten er mit hohen Pensionen unterstützte. === Versailles === [[Datei:Schloss-Versailles.jpg|thumb|upright=1.3|Versailles zum Ende der Herrschaft von Ludwig XIV.]] Der Bau des [[Schloss Versailles|Schlosses von Versailles]] war Teil von Ludwigs Strategie zur Zentralisierung der [[Macht]]. Ludwig XIV. vollendete die Bestrebungen der Kardinäle Richelieu und Mazarin und schuf einen zentralisierten, absolutistischen [[Territorialstaat]]. Er schwächte den [[Adel]], indem er die Adeligen lieber zu Mitgliedern seines Hofes als zu regionalen Provinzherrschern machte. Zu diesem Zweck baute er Versailles, einen gewaltigen [[Palast]] vor den Toren von Paris, den der Hof am 6. Mai 1682 bezog. Die höfische [[Zeremonie|Etikette]] nötigte die Adeligen dazu, immense Geldsummen für ihre Kleidung auszugeben, und ihre Zeit vor allem auf Bällen, Diners und anderen Festlichkeiten zu verbringen, die die alltägliche Routine des Hoflebens darstellten. Ludwig XIV. soll ein fotografisches Gedächtnis gehabt haben, so dass er beim Betreten eines Saales auf einen Blick feststellen konnte, wer anwesend war. Deshalb konnte kein [[Aristokrat]], der auf die Gunst des Königs angewiesen war, seine Abwesenheit riskieren. Anstatt seine regionalen Angelegenheiten zu regeln und seine dortige Macht zu behalten, wetteiferte der Adel nun um solche trivialen [[Ehre]]n wie die, dem König beim Ankleiden helfen zu dürfen. Dadurch konnte Ludwig den niederen [[Noblesse de robe|Amtsadel]] fördern und [[Bürgertum|Bürgerliche]] in Positionen einsetzen, die früher von der traditionellen Aristokratie beansprucht wurden. So ruhte die politische Macht fest in der Hand des Königs. Man kann nicht stark genug herausstellen, dass Versailles hauptsächlich nicht als Ort für das persönliche [[Vergnügen]] des Königs diente, sondern ein politisches Machtinstrument war. Durch die Bindung des [[Hochadel]]s an den Hof geriet dieser nicht nur zunehmend in persönliche Abhängigkeit vom König, sondern wurde ebenso von Rebellionen und Machtkompetenzen ferngehalten. Das Schloss war mit einer Fülle von politischen Aussagen gefüllt, die jedem Besucher in der Anordnung der Räume, den Gemälden und Skulpturen, in den Gärten und Alleen begegnete. Die Sinnaussage war folgende: Der König ist der Garant für Ruhe, [[Öffentliche Ordnung|Ordnung]] und [[Wohlstand]] des [[Staat]]es, der einzige [[Gottesgnadentum|Stellvertreter Gottes]] auf Erden und niemand kommt seiner Macht gleich. : ''Das tägliche Leben Ludwigs XIV. vollzog sich weitestgehend in der Öffentlichkeit inmitten eines großen Hofstaates, der alles in allem rund 20.000 Personen umfasste. Unter die vornehme, adelige Hofgesellschaft mischten sich in den weiträumigen Schlossanlagen Besucher, Schaulustige und zumeist eine beträchtliche Zahl von Bittstellern. Im Prinzip stand jedem Untertan das traditionelle Recht zu, dem König Bittgesuche (placets) zu überreichen. Seit 1661 hat Ludwig XIV. jene Praxis reglementiert, zugleich aber auch gefördert. Der Monarch sah darin eine willkommene Möglichkeit, sich mit den unmittelbaren Sorgen und Nöten seiner Untertanen vertraut zu machen. Später wurde in Versailles jeden Montag im Raum der Garde des Königs ein großer Tisch aufgestellt, auf dem die Bittgesuche von ihren Überbringern deponiert wurden. Bis 1683 war der Marquis de Louvois, Staatssekretär für das Kriegswesen und Minister, für die Weiterleitung dieser Gesuche verantwortlich. Sie wurden danach von den zuständigen Staatssekretären bearbeitet und alsbald – mit einem entsprechenden Bericht versehen – dem König vorgelegt, der dann jeden Fall persönlich entschied. … Am Hof gab es neben großen Festveranstaltungen, Theater- und Musikaufführungen auch vielfältige andere Möglichkeiten der Zerstreuung bis hin zum Glücksspiel und zu Vergnügungen einfachster Art.''<ref>Klaus Malettke: ''Ludwig XIV. von Frankreich. Leben, Politik und Leistung''. S. 75f</ref> === Paris === [[Datei:The Dome Church at Les Invalides - July 2006-3.jpg|thumb|upright=1.2|Invalidendom in Paris]] Ludwig XIV. war der Bauleidenschaft verfallen. Neben seinen Großprojekten in Versailles war [[Paris]] sein Hauptaugenmerk. Es ist sicherlich nicht wahr, dass Ludwig Paris nicht mochte. Dennoch kann man feststellen, dass die Ereignisse der [[Fronde]] Spuren in seinem Denken hinterlassen hatten. Damals stürmten Aufständische das Schlafzimmer des Kindkönigs im [[Palais Royal (Paris)|Palais Royal]], um sich zu vergewissern, dass dieser nicht geflohen war. Seither war Ludwig überzeugt, dass Paris nicht allen Sicherheitsbedürfnissen entsprach. Die [[Schloss (Gebäude)|Palastanlagen]], welche ihm vorschwebten, konnte er hier ebenfalls nicht verwirklichen, denn er bevorzugte weite Aussichten und große Wasserflächen. Dennoch vernachlässigte er seine Hauptstadt niemals und ließ ihr alle nur erdenklichen Förderungen zu Teil werden. Sein Ziel war es, die Stadt in ein zweites [[Rom]] zu verwandeln und mit zahlreichen repräsentativen Bauten und Plätzen zu verschönern. Paris erlebte unter der Aufsicht Colberts einen Bauboom, wie kaum wieder in der Geschichte. Ludwig ließ den [[Louvre]] umbauen, die Stadtmauern von Paris schleifen und durch breite [[Boulevard]]s ersetzen, zahlreiche neue Plätze (darunter die [[Place des Victoires]] und [[Place Vendôme]]) erbauen, des Weiteren Kirchen (wie [[Pfarrkirche Saint-Roch|Saint-Roch]] und [[Val-de-Grâce]]), Brücken (den Pont Royal), Parkanlagen (wie der [[Jardin des Tuileries|Tuileriengarten]] und die [[Avenue des Champs-Élysées|Champs-Élysées]]), Triumphbögen und neue Stadtviertel (darunter die Faubourgs St.&nbsp;Antoine und St.&nbsp;Honoré) errichten. Aber auch so praktische Maßnahmen, wie eine durchgehende Straßenpflasterung, die ersten Straßenlaternen und frühe Formen der [[Kanalisation]] durchführen. Unter diesen Baumaßnahmen ist auch das [[Hôtel des Invalides]] mit dem [[Invalidendom]] zu nennen, wo die Kriegsversehrten kostenlos versorgt wurden, sowie das [[Hôpital Salpêtrière]]. Auch das [[Pariser Observatorium]] für wissenschaftliche Studien und das [[Collège des Quatre Nations]], das bis heute als Sitz der [[Académie française]] dient, zählen dazu, alls auch die Gründung der [[Comédie-Française]]. Paris wuchs sprunghaft und war mit 700.000 Einwohnern eine der größten Städte der Welt, in der durch Ludwigs Förderung schließlich 20 Prozent der intellektuellen Elite Europas wohnten. Die französische Hauptstadt wurde zum [[städtebau]]lichen und kulturellen Vorbild für den ganzen Kontinent. === Andere Residenzen === [[Datei:Marly 1724.jpg|thumb|upright=1.0|Schloss Marly]] Der französische Hof wechselte des Öfteren den Aufenthaltsort, verließ aber nur höchst selten die Nähe von Paris. Es gab einige Hauptresidenzen in der Umgebung der Hauptstadt, welche seit langem als Sitz der Könige dienten. Diese suchte Ludwig XIV. auszubauen und zu verschönern. In [[Schloss Fontainebleau|Fontainebleau]] ließ er in den Gärten ein neues Barockparterre, einen großen Kanal und einen neuen Park anlegen. In Saint-Germain-en-Laye wurde die Große Achse geschaffen und ebenfalls die Gärten neu gestaltet. Durch die Gartenarchitektur wurde [[André Le Nôtre]] – der Schöpfer des französischen [[Barockgarten]]s – in ganz Europa berühmt. Im [[Schlosspark]] von Versailles ließ er sich mit dem [[Grand Trianon]] zudem ein [[Lustschloss]] errichten, welches wie [[Schloss Marly-le-Roi|Marly-le-Roi]] als Privatresidenz des Monarchen gedacht war. In Marly entstand ab 1678 eine imposante Anlage, die als einzige nicht der [[Öffentlichkeit]] zugänglich war. Hierher zog sich Ludwig XIV. vom geschäftigen und stets öffentlichen Leben in Versailles zurück. Erscheinen durfte man nur auf ausdrückliche Einladung und eine solche galt als eine der höchsten Ehren im Leben eines Höflings. In der Umgebung, der nunmehr zur [[Stadt]] erhobenen Anlagen von Versailles, entstanden zahllose Schlösser und Gärten, die von Angehörigen des Königshauses und vom [[Hofstaat|Hofadel]] errichtet wurden. Hier suchte man Ruhe vom Hof und ging der Jagd nach, oder lud den König für ein [[Fest]] zu seinen Ehren ein. All dies verschlang ungeheure Mengen Geld und der Adel war bald gezwungen [[Apanage|Pensionen]] vom König zu erbitten, um den Lebensstandard zu halten. So vergrößerte sich die Abhängigkeit der Adeligen weiter. == Persönlichkeit == [[Datei:LouisXIV-Bernini.jpg|thumb|upright=1.1|Ludwig XIV. 1665, Büste von [[Gian Lorenzo Bernini]]]] Ludwig XIV. war ein komplexer Charakter. Er war für seinen Charme bekannt und brachte jedem die [[Höflichkeit]] entgegen, die ihm gebührte. Selbst vor Mägden soll er den Hut gezogen haben. Seine wichtigsten Eigenschaften waren wohl eine unerschütterliche Menschenkenntnis und der ihm nachgesagte scharfe [[Verstand]]. Als Monarch legte er einen solchen Arbeitseifer an den Tag, dass er die meisten Herrscher der Geschichte darin wahrscheinlich weit übertraf. Das Regieren fiel ihm leicht, denn er hatte eine geradezu professionelle Einstellung zu seiner Arbeit. Es wird berichtet, dass er in Sitzungen niemals ermüdete und auch jedem aufmerksam zuhörte, der das Wort an ihn richtete. Ludwig XIV. schätzte hohe [[Bildung]] und seine Kenntnisse in [[Politik]] und [[Geschichte]] waren gefürchtet. Auch zeichnete ihn enorme Willenskraft aus; so begegnete er Schmerzen und Situationen der [[Tod]]esgefahr mit völliger Gelassenheit und Selbstbeherrschung. Beispielhaft dafür steht, dass er schon wenige Wochen nach einer ohne [[Narkose]] durchgeführten Operation wieder ausritt. Dennoch war er auch in hohem Maße von [[Egozentrik]] beherrscht, verbunden mit einem hohen [[Selbstwertgefühl]]. Er wurde von einem starken Drang nach [[Ruhm]] und [[Reputation]] geleitet, aber auch vom Gefühl der Pflichterfüllung gegenüber dem Staat und seinen Untertanen. Als [[Kavalier]] war Ludwig XIV. vorbildlich. Seine Anziehungskraft auf schöne [[Frau]]en ist bis heute legendär. Frauen spielten in seinem Leben eine große Rolle, besonders als [[Mätresse]]n. Seine Familie war ihm wichtig, besonders seinen Kindern schenkte er daher große Aufmerksamkeit. Als Vater und Großvater war er fürsorglich und liebevoll, er konnte aber auch hart und unnachgiebig sein. Seine unehelichen Kinder [[Bastard|legitimierte]] er ausnahmslos, erhob sie in den Prinzenrang und verheiratete sie mit Prinzen und Prinzessinnen von Geblüt. Ludwig XIV. selbst war von durchschnittlicher [[Körpergröße]] und trug hohe [[Absatz (Schuh)|Absätze]], um noch größer zu wirken. Zeitgenossen berichten sogar, dass er auf viele Menschen durch seine äußere Erscheinung recht einschüchternd wirkte. Als Liebhaber und Förderer des [[Historischer Tanz#Bühnentanz|Hofballetts]] tanzte er bis zu seinem 30. Lebensjahr ausgesprochen gern in öffentlichen Aufführungen. Er war auch ein guter [[Reiten|Reiter]], liebte die Jagd, das Schauspiel und besonders die [[Musik]]. Mit zahlreichen Künstlern unterhielt er freundschaftliche Beziehungen, unter denen sich [[Molière]], [[Jean-Baptiste Lully|Lully]] und [[André Le Nôtre|Le Nôtre]] einer besonders tiefen Zuneigung sicher sein durften. Einige Historiker sagen Ludwig XIV. nach, er hätte von den [[Bourbonen]] die Lebensfreude, von den [[Medici]] die Kunstliebe und von den spanischen [[Habsburger]]n die majestätische Würde geerbt. In der Mode war Ludwig, durch seinen persönlichen Geschmack, immer wieder ein stilbildendes [[Vorbild]], so bei der Einführung der [[Allongeperücke]] und des [[Justaucorps]]. == Bedeutung == [[Datei:France-LouisXIV-1.jpg|thumb|upright=1.1|Frankreich unter Ludwig XIV.]] Ludwig XIV. steht für den monarchischen [[Absolutismus]] schlechthin, er hat diesen zwar nicht begründet, aber in Frankreich ausgebaut und verfestigt. Auf dem Feld der [[Innenpolitik]] zeichneten ihn insbesondere die effektive Stärkung der königlichen Zentralverwaltung aus, um so traditionelle Machtrivalen, wie [[Hoher Adel|Schwertadel]] und [[Ständeordnung|Provinzialstände]], zu schwächen. Dazu baute Ludwig konsequent ein straffes Netz aus dreißig [[Historische Provinzen Frankreichs|Intendanten]] auf, die als [[Funktionsträger]] des Königs fungierten und so erfolgreich den Willen der Krone in den [[Provinz]]en durchsetzen konnten.<ref name="km156"/> Dies war sicherlich einer der wichtigsten Fortschritte seiner Herrschaft. Aber es wären ebenso die [[Gesetzgebung]]swerke des Königs auf dem Gebiet der [[Rechtspflege]] ([[Code Louis]]), des [[Handel]]s, der [[Schifffahrt]] und des [[Sklavenhandel]]s ([[Code Noir]]) zu nennen, die zu den großen innenpolitischen Leistungen seiner Regierung gezählt werden. Zu den Schattenseiten seiner Herrschaft gehören zweifellos die Repressionen gegenüber den Hugenotten, die beispielhaft für die religiöse [[Intoleranz]] der Epoche stehen und in ganz Europa auf ähnliche Weise stattgefunden haben. In der Tat war die 1685 erfolgte Aufhebung des [[Edikt von Nantes|Ediktes von Nantes]] in Frankreich sogar eine der populärsten Entscheidungen seiner ganzen Amtszeit.<ref>Klaus Malettke: ''Ludwig XIV. von Frankreich. Leben, Politik und Leistung''. S. 116ff</ref> Der Vorwurf hingegen, Ludwig XIV. hätte sein Land in den Ruin geführt, ist angesichts der historischen Realität unplausibel.<ref>Olivier Bernier: ''Ludwig XIV. Die Biographie''. S. 369</ref> Eine wirtschaftliche [[Stagnation]] ließ sich in Frankreich nur während des [[Spanischer Erbfolgekrieg|Spanischen Erbfolgekriegs]] beobachten, als auch die Steuern ungewöhnlich hoch waren und der europäische Handel zum erliegen kam. Sowohl vor, als auch nach dem kräftezehrenden Erbfolgekrieg, zeigte sich das Reich der [[Bourbon]]en als ungemein produktiv und [[Wirtschaftswachstum|prosperierend]].<ref>François Bluche: ''Im Schatten des Sonnenkönigs. Alltagsleben im Zeitalter Ludwigs XIV.'' S. 2ff</ref> Die Staatsverschuldung von 1715 resultierte auch nicht aus einem übertriebenen Hang zu [[Luxus]] und Großbauten, sondern war zum größten Teil die Folge des Spanischen Erbfolgekriegs, der ungeheure finanzielle Anstrengungen nötig gemacht hatte.<ref>Klaus Malettke: ''Ludwig XIV. von Frankreich. Leben, Politik und Leistung''. S. 98ff</ref> Letztlich stellen sich die Staatschulden auch als weniger belastend dar, als oft angenommen wird, denn bereits zehn Jahre nach Ludwig XIV. waren die Kriegsschulden zurückgezahlt und wieder ein ausgeglichener [[Staatshaushalt]] hergestellt. Die größten Erfolge kann Ludwig im Bereich der [[Außenpolitik]] vorweisen. Er hinterließ ein mächtigeres, größeres und auch strategisch abgesichertes Frankreich, das nun endgültig als eine der führenden [[Seemacht|Seemächte]] anerkannt war. Abgesichert nicht zuletzt deshalb, weil es ihm in den letzten Jahren seiner Herrschaft gelungen war, die habsburgische Einkreisung für immer zu beenden.<ref>Klaus Malettke: ''Ludwig XIV. von Frankreich. Leben, Politik und Leistung''. S. 122ff</ref> Allerdings musste Ludwig dafür lange Kriege führen, deren Kosten die große Masse der Bevölkerung zu tragen hatte. Dennoch waren die Steuern seiner Zeit sicher nicht – wie gern behauptet – ruinös für die [[Untertan]]en.<ref name="ob370">Olivier Bernier: ''Ludwig XIV. Die Biographie''. S. 370</ref> Eine beachtliche Leistung nach innen und außen war ebenso die Kunst- und Repräsentationspolitik. Mit deren Hilfe hatte Ludwig quasi eine [[Hegemonie]] der französischen Kultur über Europa etablieren können, die sich sogar bis in das 19. Jahrhundert erhalten sollte.<ref name="ob370"/> Der ''Sonnenkönig'' wurde immer wieder, je nach [[Zeitalter|Epoche]] und politischer Ausrichtung, höchst unterschiedlich bewertet. So galt er den [[Republik]]anern als ein Scheusal der [[Autokratie]] und die [[Nationalismus|nationalistischen]] Deutschen stilisierten ihn zum Raubkönig, der Deutschland im Würgegriff gehalten habe. Tatsächlich lieferte Ludwig durch seine aggressive Expansionspolitik den [[Völkische Bewegung|Deutschnationalen]] ein Argument für die [[deutsch-französische Erbfeindschaft]]. Viele andere hingegen sehen in ihm einen pflichtbewussten und umsichtigen Monarchen, der bereits Prinzipien der [[Zeitalter der Aufklärung|Aufklärung]] vorwegnahm.<ref>François Bluche: ''Im Schatten des Sonnenkönigs. Alltagsleben im Zeitalter Ludwigs XIV.'' S. 5</ref> In Frankreich wird er bis heute für seine tatkräftige Steigerung der nationalen Größe verehrt und zu den mit Abstand bedeutendsten Persönlichkeiten der [[Geschichte Frankreichs|französischen Geschichte]] gezählt. Der erste Autor, der ihm eine umfangreiche historische Analyse widmete, war [[Voltaire]], der über Ludwig XIV. urteilte: : ''Er hat Mängel und Gebrechen gehabt, er hat Fehler begangen - aber würden die, die ihn verurteilen, ihn erreicht haben, wenn sie an seiner Stelle gewesen wären? […] Man wird seinen Namen nicht ohne Ehrfurcht aussprechen können.'' == Werke == [[Datei:Louis-xiv-signature.jpg|thumb|upright=1.2|Signatur Ludwigs XIV.]] * '''''Mémoires pour l’instruction du Dauphin:''''' Die politische [[Autobiografie]] Ludwigs XIV. Eigentlich geschaffen um den Kronprinzen in die Geheimnisse der Politik einzuführen, indem der König Rechenschaft über seine ersten Regierungsjahre ablegt. Ab 1670 geschrieben, umfassen die Memoiren die Jahre 1661, 1662, 1666, 1667 und 1668, sowie die ''Betrachtungen über den Herrscherberuf'' von 1679 und die politischen Ratschläge an seinen Enkel [[Philipp V. (Spanien)|Philipp V.]] von Spanien aus dem Jahr 1700. Sie stellen nicht nur einen Tatenbericht dar, sondern geben auch einen lebendigen Eindruck von der Weltanschauung und dem Realismus des Monarchen. Am Ende seiner Herrschaft wollte Ludwig XIV. die geheimen Manuskripte im Kamin vernichten, nur das beherzte Eingreifen des [[Adrien-Maurice de Noailles|Herzogs de Noailles]] und sein Talent ihm diese „abzuschwatzen“ retteten sie. 1749 übergab der Herzog die Manuskripte der königlichen Bibliothek. * '''''Manière de montrer les jardins de Versailles:''''' Die Art und Weise die [[Garten|Gärten]] von Versailles zu besichtigen. Dieser Führer stellt einen sehr intimen Einblick in das Wesen des Königs dar. Die königlichen Gärten, geschaffen von [[André Le Nôtre]], hatten eine politische Funktion zu erfüllen, ihre Aussage als Instrument des Staates war eindeutig. Ludwig XIV. liebte seine Gärten sehr, weshalb er eigenhändig diese Anweisungen verfasste, mit deren Hilfe es möglich war, die Gärten in ihrer logischen Abfolge zu begehen und so den Kunstgenuss auf das höchste zu steigern. Es sind sechs Versionen bekannt. == Kinder == [[Datei:Louis14-Family.jpg|thumb|upright=1.4|Die königliche Familie 1670]] '''Legitime Kinder mit Königin [[Maria Theresia von Spanien (1638–1683)|Maria Theresia]]:''' * [[Louis de Bourbon, dauphin de Viennois|Louis]], ''dauphin de France'' (1661–1711) * Anne Elisabeth (18. November 1662–1662) * Marie Anne (16. November 1664–1664) * Marie Thérèse (* 1667; † 1672) * Philippe Charles, ''duc d'Anjou'' (1668–1671) * Louis François, ''duc d'Anjou'' (*u.† 1672) '''Uneheliche Kinder:''' Vier Kinder mit [[Louise de La Vallière|Louise Françoise de La Vallière]]: * Charles (* 19. November 1663; † 1665) * Philippe (* 7. Januar 1665; † 1666) * [[Marie Anne de Bourbon|Marie Anne]], ''mademoiselle de Blois'' (1666–1739); ∞ [[Louis Armand I. de Bourbon, prince de Conti|Louis Armand I., prince de Conti]] * Louis, ''comte de Vermandois'' (* 3. Oktober 1667; † 1683) Sechs Kinder mit [[Françoise-Athénaïs de Rochechouart de Mortemart, marquise de Montespan|Françoise Athénaïs de Montespan]]: * [[Louis-Auguste de Bourbon, duc du Maine|Louis Auguste]], ''duc du Maine'' (1670–1736) * Louis César, ''comte de Vexin'' (1672–10. Januar 1683) * [[Louise Françoise de Bourbon, princesse de Condé|Louise Françoise]], ''mademoiselle de Nantes'' (1673–1743); ∞ [[Louis III. de Bourbon, prince de Condé|Louis III., prince de Condé]] * Louise Marie (12. November 1674–15. September 1681) * [[Françoise Marie de Bourbon|Françoise Marie]], ''mademoiselle de Blois'' (1677–1749); ∞ [[Philippe II. de Bourbon, duc d’Orléans]] * [[Louis-Alexandre de Bourbon, comte de Toulouse|Louis Alexandre]], ''comte de Toulouse'' (1678–1737) Ein Kind mit [[Marie Angélique de Scoraille de Roussille|Marie Angélique de Fontanges]]: * 1 Sohn (*u.† 1679) == Siehe auch == * [[Canal du Midi]] * [[Geschichte Frankreichs]] * [[Habsburgisch-Französischer Gegensatz]] * [[Madame de Maintenon]] * [[Mann mit der eisernen Maske]] == Vorfahren == {| style="float:center;margin-left:0.5em" border="1" cellspacing="0" | rowspan=8 align="center" bgcolor="white" | '''Ludwig XIV.'''<br />König von Frankreich und Navarra | rowspan=4 align="center" bgcolor="white" | '''[[Ludwig XIII. (Frankreich)|Ludwig XIII.]]'''<br />König von Frankreich und Navarra | rowspan=2 align="center" bgcolor="white" | '''[[Heinrich IV. (Frankreich)|Heinrich IV.]]'''<br />König von Frankreich und Navarra | align="center" bgcolor="white" | '''[[Antoine de Bourbon, duc de Vendôme|Antoine de Bourbon]]'''<br />Herzog von Vendôme und Beaumont<br />Prinz von Frankreich |- | align="center" bgcolor="white" | '''[[Jeanne d'Albret|Johanna III.]]'''<br />Königin von Navarra<br />Herzogin von Albret |- | rowspan=2 align="center" bgcolor="white" | '''[[Maria von Medici]]'''<br />Regentin von Frankreich<br />Großherzogin der Toskana | align="center" bgcolor="white" | '''[[Franz I. (Toskana)|Franz I. von Medici]]'''<br />Großherzog der Toskana |- | align="center" bgcolor="white" | '''[[Johanna von Österreich|Johanna]]'''<br />Erzherzogin von Österreich |- | rowspan=4 align="center" bgcolor="white" | '''[[Anna von Österreich (1601–1666)|Anna von Österreich]]'''<br />Regentin von Frankreich<br />Infantin von Spanien und Portugal<br /> Erzherzogin von Österreich | rowspan=2 align="center" bgcolor="white" | '''[[Philipp III. (Spanien)|Philipp III.]]'''<br />König von Spanien und Portugal<br />Erzherzog von Österreich | align="center" bgcolor="white" | '''[[Philipp II. (Spanien)|Philipp II.]]'''<br />König von Spanien und Portugal<br />Erzherzog von Österreich |- | align="center" bgcolor="white" | '''[[Anna von Österreich (1549-1580)|Anna]]'''<br />Erzherzogin von Österreich |- | rowspan=2 align="center" bgcolor="white" | '''[[Margarete von Österreich (1584–1611)|Margarete]]'''<br />Erzherzogin von Österreich | align="center" bgcolor="white" | '''[[Karl II. (Innerösterreich)|Karl II.]]'''<br />Herzog von Steiermark<br />Erzherzog von Österreich |- | align="center" bgcolor="white" | '''[[Maria Anna von Bayern (1551–1608)|Maria Anna]]'''<br />Herzogin von Bayern |} <br style="clear:both;" /> == Literatur == ; Schriften Ludwigs XIV. * ''Briefe.'' Hrsg. von P. Gaxotte, Übersetzung M. Spiro. Kompass, Basel/Leipzig 1931. * ''Manière de montrer les jardins de Versailles.'' Simone Hoog, Réunion des Musées Nationaux 2001, ISBN 2-7118-4224-X. * ''Memoiren.'' Hrsg. von J. Longnon, Übersetzung L. Steinfeld. Kompass, Basel/Leipzig 1931. * ''Mémoires de Louis XIV.'' Jean Longnon, Tallandier, Paris 2001, ISBN 2-235-02294-4. ; Biografien * Olivier Bernier: ''Ludwig XIV. Die Biographie.'' Albatross, Düsseldorf 2003, ISBN 3-491-96085-1. * Philippe Erlanger: ''Ludwig XIV. Das Leben eines Sonnenkönigs.'' Bechtermünz, Augsburg 1996, ISBN 3-86047-154-6. * Warren H. Lewis: ''Ludwig XIV. Der Sonnenkönig.'' Heyne, München 1989, ISBN 3-453-55034-X. * Uwe Schultz: ''Der Herrscher von Versailles. Ludwig XIV und seine Zeit.'' Beck, München 2006, ISBN 3-406-54989-6. * Bernd-Rüdiger Schwesig: ''Ludwig XIV. mit Selbstzeugnissen und Bilddokumenten.'' Rowohlt, Reinbek 2001, ISBN 3-499-50352-2. ; Darstellung von Ludwigs Politik und Zeit * François Bluche: ''Im Schatten des Sonnenkönigs. Alltagsleben im Zeitalter Ludwigs XIV.'' Ploetz, Freiburg 1986, ISBN 3-87640-253-0. * [[Peter Burke]]: ''Ludwig XIV. Die Inszenierung des Sonnenkönigs.'' Wagenbach, Berlin 2001, ISBN 3-8031-2412-3. * Pierre Goubert: ''Ludwig XIV. und zwanzig Millionen Franzosen.'' Propyläen, Berlin 1973, ISBN 3-549-07280-5. * [[Manfred Kossok]]: ''Am Hofe Ludwigs XIV.'' DVA, Stuttgart 1990, ISBN 3-421-06523-3. * Klaus Malettke: ''Ludwig XIV. von Frankreich. Leben, Politik und Leistung.'' Muster-Schmidt, Göttingen 1994, ISBN 3-7881-0143-1. * [[Voltaire]]: ''Le siècle de Louis XIV.'' Le livre de poche, Paris 2005, ISBN 2-253-08696-7. * Gilette Ziegler: ''Der Hof Ludwigs XIV. in Augenzeugenberichten.'' Rauch, Düsseldorf 1964. ; Kunst und Architektur * Pierre-André Lablaude: ''Die Gärten von Versailles.'' Werner, Worms 1995, ISBN 3-88462-117-3. * Vincent Maroteaux: ''Marly. L’autre palais du soleil.'' Vögele, Genf 2002, ISBN 3-9522154-4-9. * Jean-Marie Pérouse de Montclos: ''Versailles.'' 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Der Hof Ludwig XIV. nach den Denkwürdigkeiten des Herzogs von Saint-Simon.'' Reclam, Stuttgart 1983, ISBN 3-15-007954-3. * [[Ezechiel Spanheim]]: ''Relation de la Cour de France en 1690.'' Mercure de France, Paris 1988. == Belege == <references /> == Weblinks == {{Gesprochene Version|datei=De-Ludwig_XIV-article.ogg|version=http://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Ludwig_XIV._%28Frankreich%29&oldid=17732801}} {{Wikiquote|Ludwig XIV. von Frankreich}} {{Wiktionary|Sonnenkönig}} {{Commons|Louis XIV de France|Ludwig XIV.}} {{Wikisource|Ludwig XIV.}} * {{DNB-Portal|118816829}} * {{VD17|004301870}} * [http://www.louis-xiv.de Louis XIV – Infoseite] * [http://www.voltaire-integral.com/Html/00Table/14Loui14.html Die Onlineausgabe von Voltaires ''Le siècle de Louis XIV''] * [http://fr.rodovid.org/wk/Personne:28595 Eine genealogische Übersicht über Vorfahren und Familie] {{Folgenleiste Könige von Frankreich|AMT=[[Datei:Blason France moderne.svg|35px]]<br /><br />[[Liste der Herrscher Frankreichs|König von Frankreich]] und [[Königreich Navarra|Navarra]]|VG=[[Ludwig XIII. (Frankreich)|Ludwig XIII.]]|NF=[[Ludwig XV. (Frankreich)|Ludwig XV.]]|ZEIT=1643–1715}} {{Folgenleiste|VORGÄNGER=Ludwig XIII.|NACHFOLGER=Ludwig XV.|AMT=[[Datei:Coat of arms of Andorra.svg|35px]]<br />[[Kofürst von Andorra]]|ZEIT=1643–1715}} {{Exzellent}} {{Normdaten|PND=118816829|LCCN=n/80/051801|SELIBR=194162|VIAF=89583139}} {{SORTIERUNG:Ludwig 14 #Frankreich}} [[Kategorie:Geschichte Frankreichs in der Frühen Neuzeit]] [[Kategorie:Graf (Barcelona)]] [[Kategorie:Haus Bourbon]] [[Kategorie:König (Frankreich)]] [[Kategorie:König (Navarra)]] [[Kategorie:Mäzen]] [[Kategorie:Franzose]] [[Kategorie:Geboren 1638]] [[Kategorie:Gestorben 1715]] [[Kategorie:Mann]] [[Kategorie:Ludwig XIV.|!]] {{Personendaten |NAME=Ludwig XIV. |ALTERNATIVNAMEN=Louis XIV.; Sonnenkönig (genannt); Roi Soleil (genannt, französisch) |KURZBESCHREIBUNG=König von [[Frankreich]] (1643−1715) |GEBURTSDATUM=5. September 1638 |GEBURTSORT=[[Saint-Germain-en-Laye]] |STERBEDATUM=1. 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Lajos francia király]] [[hy:Լյուդովիկոս XIV]] [[id:Louis XIV dari Perancis]] [[io:Louis 14ma]] [[is:Loðvík 14.]] [[it:Luigi XIV di Francia]] [[ja:ルイ14世 (フランス王)]] [[ka:ლუდოვიკო XIV (საფრანგეთი)]] [[ko:루이 14세]] [[ku:Louis XIV.]] [[la:Ludovicus XIV]] [[lb:Louis XIV. vu Frankräich]] [[lt:Liudvikas XIV]] [[lv:Luijs XIV]] [[mk:Луј XIV]] [[ml:ലൂയി പതിനാലാമൻ]] [[mr:लुई चौदावा, फ्रांस]] [[ms:Louis XIV dari Perancis]] [[nl:Lodewijk XIV van Frankrijk]] [[nn:Ludvig XIV av Frankrike]] [[no:Ludvig XIV av Frankrike]] [[oc:Loís XIV de França]] [[pl:Ludwik XIV]] [[pms:Luis XIV ëd Fransa]] [[pt:Luís XIV de França]] [[qu:Louis XIV]] [[ro:Ludovic al XIV-lea al Franţei]] [[ru:Людовик XIV]] [[scn:Luiggi XIV di Francia]] [[sh:Luj XIV]] [[simple:Louis XIV of France]] [[sk:Ľudovít XIV.]] [[sl:Ludvik XIV. Francoski]] [[sq:Louis XIV]] [[sr:Луј XIV]] [[sv:Ludvig XIV av Frankrike]] [[sw:Louis XIV wa Ufaransa]] [[ta:பிரான்சின் பதினான்காம் லூயி]] [[th:พระเจ้าหลุยส์ที่ 14 แห่งฝรั่งเศส]] [[tl:Louis XIV ng Pransiya]] [[tr:XIV. Louis]] [[uk:Людовик XIV (король Франції)]] [[vi:Louis XIV của Pháp]] [[vls:Lodewyk XIV]] [[war:Louis XIV han Fransya]] [[zh:路易十四]] p07i6y6tkiej02bki0a9xixssazlan6 wikitext text/x-wiki Ludwig VII. (Bayern) 0 23866 26461 2010-04-28T01:41:27Z Xqbot 0 Bot: Ändere: [[fr:Louis VII de Bavière]] [[Datei:Ludbar.jpg|thumb|Ludwig VII. (Aquarell von Christian Hörmann von [[Guttenberg (Adelsgeschlecht)|Guttenberg]], um 1750)]] '''Ludwig VII. von Bayern''' (* wohl [[1368]]<ref>{{Literatur|Autor = Theodor Straub|Titel = Die Mailänder Heirat Herzog Stephans III. des Kneißels und Das wirkliche Geburtsjahr Herzog Ludwigs des Bärtigen und seiner Schwester Isabeau de Bavière|Sammelwerk = Sammelblatt des Historischen Vereins Ingolstadt|Band = Band 77|Jahr = 1968|Seiten = 5–12|Kommentar = [http://periodika.digitale-sammlungen.de/ingolstadt/Blatt_bsb00005256,00006.html online]}}</ref>; † [[1. Mai]] [[1447]] in [[Burghausen]]) war von 1413 bis zu seinem Tod Herzog von [[Bayern-Ingolstadt]]. Er wurde ''der Bärtige'' oder ''der Gebartete'' genannt, da er nach der französischen Mode seiner Zeit einen Bart trug. Ludwig war der Sohn seines Vorgängers [[Stephan III. (Bayern)|Stephan III.]], mit dem er die Wahl seines Verwandten [[Ruprecht I. (HRR)|Ruprecht von der Pfalz]] zum König des [[Heiliges Römisches Reich|Heiligen Römischen Reichs]] betrieb. Er hielt sich viele Jahre in [[Frankreich]] auf. Da König [[Karl VI. (Frankreich)|Karl VI.]] wegen einer Geisteskrankheit weitgehend regierungsunfähig war, war Ludwig de facto Regent Frankreichs. Als Enkel [[Bernabò Visconti]]s engagierte er sich auch in der Italienpolitik. Ludwig förderte die Künste und ließ das [[Neues Schloss (Ingolstadt)|Neue Schloss]] in [[Ingolstadt]] errichten. Sein Streit mit [[Heinrich XVI. (Bayern)|Heinrich XVI.]] von [[Bayern-Landshut]] zog sich über Jahrzehnte hin und endete mit der Inhaftierung Ludwigs in Burghausen, wo er schließlich starb. == Zeitgeschichtlicher Hintergrund == [[Datei:Ludovico il Bavaro.jpeg|thumb|Kaiser Ludwig IV. war Ludwigs Urgroßvater (Grabplatte in der [[Frauenkirche (München)|Frauenkirche]]).]] Mit Ludwigs Urgroßvater [[Ludwig IV. (HRR)|Ludwig IV.]] hatten die Wittelsbacher 1314 erstmals den römisch-deutschen König gestellt. Nach dem Tod Ludwigs IV. 1347 wurde Bayern unter seinen sechs Söhnen aufgeteilt. [[Stephan II. (Bayern)|Stephan II.]] erhielt 1353 das Herzogtum Bayern-Landshut, das nach seinen Tod 1375 wiederum unter seinen Söhnen aufgeteilt wurde. Stephan III., der Vater Ludwigs VII., erhielt Bayern-Ingolstadt, das aus mehreren voneinander getrennten Teilen bestand, dem Gebiet um die Residenzstadt Ingolstadt, einem südlichen Teil, der von [[Wasserburg am Inn|Wasserburg]] über [[Kufstein]] nach [[Kitzbühel]] reichte, und Streubesitz in der heutigen [[Oberpfalz]]. Der ungünstige Zuschnitt des neuen Herzogtums sollte noch für einigen Streit mit den Landshuter Vettern sorgen. Nach dem Tod Ludwigs IV. verstärkten die Wittelsbacher ihr Engagement in Norditalien durch Heiratsbündnisse mit Bernabò Visconti, dem Herrn von Mailand. Auch Stephan III. heiratete eine Tochter Viscontis und ging nach dessen Tod wie später sein Sohn gegen Viscontis Mörder [[Gian Galeazzo Visconti|Gian Galeazzo]] vor. Die bayerischen Herzöge engagierten sich aber auch in Frankreich. Auch hier waren Heiratsbündnisse das Mittel der Wahl. Von entscheidender Bedeutung ist dabei das Jahr 1385, in dem die [[Doppelhochzeit von Cambrai]] das Bündnis zwischen [[Straubing-Holland]] und [[Burgund]] besiegelte und Isabeau, die Schwester Ludwigs VII., den jungen König Karl VI. von Frankreich heiratete. Ihr Bruder sollte deshalb in den nächsten Jahrzehnten immer wieder nach Frankreich reisen. Das Todesjahr Ludwigs IV., 1347, stellt einen Einschnitt in der Geschichte Europas dar. Der [[Schwarzer Tod|Schwarze Tod]], eine Pestepidemie ungeahnten Ausmaßes, verbreitete sich auf dem ganzen Kontinent und ließ dessen Bevölkerung rapide schrumpfen. Der Bevölkerungsrückgang hielt über ein Jahrhundert lang an und kam erst in der Zeit nach dem Tod Ludwigs VII. zum Stillstand. Zu den verheerenden ökonomischen und demografischen Auswirkungen der Pest trat der 1337 ausgebrochene [[Hundertjähriger Krieg|Hundertjährige Krieg]] zwischen England und Frankreich. Auch der Einfluss der Kirche, die sich 1378 für vier Jahrzehnte spaltete, ging zurück. Wegen dieser Entwicklung spricht man für die Zeit, in die Ludwig VII. geboren wurde, auch von der Krise des [[Spätmittelalter]]s. == Leben == === Gesandter des Papstes === [[Datei:Isabeau de Baviere3.jpg|thumb|Ludwigs jüngere Schwester Isabeau (hier dargestellt mit [[Christine de Pizan]]) war Königin von Frankreich.]] Ludwig wurde wohl 1368 als Sohn Herzog [[Stephan III. (Bayern)|Stephans III.]] und der [[Mailand|mailändischen]] Adligen [[Taddea Visconti]] geboren. Seine Mutter starb, als Ludwig dreizehn Jahre alt war, seine jüngere Schwester [[Elisabeth von Bayern (1371–1435)|Isabeau]] heiratete 1385 in [[Amiens]] den französischen König [[Karl VI. (Frankreich)|Karl VI]]. Ob Ludwig an der Hochzeit seiner Schwester teilnahm, ist nicht bekannt, er verbrachte aber zwischen 1391 und 1415 einige Jahre in Frankreich. Erste militärische Erfahrungen sammelte er 1388 im [[Städtekrieg 1387–1389|Städtekrieg]] zwischen den bayerischen Herzögen und dem [[Schwäbischer Städtebund|Schwäbischen Städtebund]]. Im September 1388 nahm er an der Belagerung von [[Donaustauf]] teil. Ende 1391 besuchte Ludwig im Auftrag des römischen [[Papst]]es [[Bonifatius IX.]] zum ersten Mal den französischen Hof. Dieser hatte Ludwig und seinen Vater bei einer Italienreise beauftragt, sich im [[Heiliges Römisches Reich|Heiligen Römischen Reich]] und in Frankreich für das römische Papsttum einzusetzen.<ref>Zu dieser Zeit gab es auch einen Papst in Avignon, der von Frankreich unterstützt wurde. Für die Hintergründe siehe [[Abendländisches Schisma]].</ref> Ludwig wurde freundlich aufgenommen, sein Schwager Karl VI. ließ zu seinen Ehren für sich selbst und einige Höflinge Kleidung im deutschen Stil anfertigen und gewährte ihm eine Pension in Höhe von 5.000 [[Franc]]s.<ref>Karl VI. ließ grauschwarze Kleidungsstücke anfertigen, wie sie damals in Deutschland getragen wurden, vgl. Straub, ''Herzog Ludwig der Bärtige'', S. 8.</ref> === Rückkehr nach Bayern === [[Datei:Karte Bayern-Ingolstadt.png|thumb|Das Teilherzogtum Bayern-Ingolstadt (1392–1447)]] 1393 kehrte Ludwig nach Bayern zurück, um seinen Vater im Konflikt mit den anderen [[wittelsbach]]ischen Herzögen zu unterstützen, die sich im [[Vertrag zu München]] gegen ihn verbündet hatten. Stein des Anstoßes war die von Stephans Bruder [[Johann II. (Bayern)|Johann II.]] und dessen Sohn [[Ernst (Bayern)|Ernst]] erwirkte [[bayerische Landesteilung von 1392]], bei der sich die Ingolstädter übervorteilt sahen. Ein drohender Krieg wurde jedoch durch den plötzlichen Tod des Landshuter Herzogs [[Friedrich (Bayern)|Friedrich]] Ende 1393 vorerst verhindert. Ludwigs Vater Stephan und Johann übernahmen nun gemeinsam die Vormundschaft für Friedrichs minderjährigen Sohn Heinrich XVI. Die Konflikte zwischen München und Ingolstadt brachen jedoch bald wieder auf, da beide Seiten versuchten, ihren Einfluss im reichen [[Bayern-Landshut|Niederbayern]] auszuweiten. Eine Aufteilung Bayern-Landshuts wurde jedoch durch die [[Landstände]] verhindert, die geschlossen ihrem jungen Herzog huldigten. Stephan und Johann einigten sich am 8. Mai 1394 darauf, in Zukunft im Wechsel jeweils zwei Jahre lang als Vormund Heinrichs zu fungieren. Während sich Stephan danach um die Freilassung des am selben Tag in Gefangenschaft geratenen Königs [[Wenzel (HRR)|Wenzel]] bemühte, bereitete sich Johann weiter auf einen Krieg mit Ingolstadt vor. Noch im Mai verständigte er sich mit den [[österreich]]ischen Herzögen [[Albrecht III. (Österreich)|Albrecht]] und [[Wilhelm (Österreich)|Wilhelm]], am 6. Juni schloss er einen Vertrag mit [[Berthold von Wehingen|Berthold Wähinger]], dem Bischof von [[Freising]], der zugleich österreichischer Kanzler war. Ludwig VII. wollte den Münchener Kriegsvorbereitungen mit einem Überfall auf Freising an Weihnachten 1394 zuvorkommen. Als er am Dreikönigstag 1395 auch [[Neuburg an der Donau]] eroberte und plünderte, griff Johann mit seinen beiden Söhnen [[Aichach]], [[Friedberg (Bayern)|Friedberg]] und [[Markt Schwaben]] an. Die Auseinandersetzungen, die als [[Erster bayerischer Hauskrieg]] bezeichnet werden, zogen sich bis [[Darstellung des Herrn|Lichtmess]] hin, endeten jedoch ohne eindeutiges Ergebnis. === Königsmacher === Stephan III. versöhnte sich im Herbst 1395 mit seinem Bruder. Heinrichs Mutter konnte Stephans Sohn Ludwig durch die Zahlung von 10.000 [[Gulden]] zum Stillhalten bewegen. Als dieser sich auch mit Ernst von Bayern-München geeinigt hatte, beruhigte sich die Lage in Bayern wieder. Vater und Sohn hatten aber bereits neue Pläne: Sie betrieben gemeinsam mit einigen anderen Fürsten den Sturz König Wenzels und nahmen am 1. Februar in [[Frankfurt am Main|Frankfurt]] an einem Geheimtreffen teil, auf dem die Wahl eines neuen Königs beschlossen wurde. In Stephans Beisein wurde im August 1400 in [[Lahnstein]] die Absetzung Wenzels und die Einsetzung des Wittelsbachers Ruprecht von der Pfalz verkündet. Dieser konnte sich nicht zuletzt dank der Unterstützung der beiden Ingolstädter gegen Wenzel durchsetzen. Während Stephan III. in Frankreich mit Hilfe seiner Tochter Isabeau deren Ehemann Karl VI. dazu bewegte, Ruprecht als König anzuerkennen, übertrug er seinem Sohn, der mittlerweile mit seiner [[Mätresse|Favoritin]] selbst einen Sohn hatte, die Verwaltung des Herzogtums. Ludwig widmete sich nun wieder verstärkt der wittelsbachischen Italienpolitik, die ihn bereits 1390/91 nach [[Italien]] geführt hatte. Der Versuch eines Heiratsbündnisses mit dem [[Königreich Neapel]] war damals jedoch gescheitert. Auch der Zug in die [[Lombardei]], den Ludwig gemeinsam mit seinem Verwandten, dem römisch-deutschen König Ruprecht, plante, stand unter keinem guten Stern. Herzog Gian Galeazzo Visconti von Mailand, mit dem Ludwig über seine Mutter ebenfalls verwandt war, schlug Ruprecht 1402. Ludwig machte sich nun erneut auf den Weg nach Frankreich, um mit Karl VI. ein Bündnis gegen Mailand zu schließen. Der plötzliche Tod Gian Galeazzos bei der Belagerung von [[Florenz]] machte den Zweck der Reise jedoch hinfällig. === Aufstieg zum Regenten === [[Datei:Le Bal des Ardents.jpg|thumb|Da König Karl VI. seit dem ''[[Bal des Ardents]]'' (Darstellung aus der Chronik des [[Jean Froissart]]) regierungsunfähig war, gewann Ludwig mehr und mehr Macht in Frankreich.]] Ludwig nutzte jedoch den Aufenthalt in Frankreich, um [[Anne de Bourbon|Anna von Bourbon]] zu heiraten, eine Hofdame seiner Schwester, die eng mit dem Königshaus verwandt war. Anna gebar Ludwig zwei Söhne, von denen aber nur der ältere, der wie sein Vater [[Ludwig VIII. (Bayern)|Ludwig]] hieß, das Erwachsenenalter erreichte. Die Heirat erwies sich insbesondere in finanzieller Hinsicht als günstig: Annas Mitgift betrug stolze 130.000 Francs. Ludwig erhielt außerdem eine halbe französische Grafschaft und eine Pension in Höhe von 12.000 Francs. Seine Einkünfte entsprachen damit denen eines Neffen des Königs. Der geschäftstüchtige Ludwig achtete genau darauf, die ihm zustehenden Gelder auch tatsächlich zu erhalten, und nahm Teile des Kronschatzes als Pfand, wenn der französische König nicht über genug Barmittel verfügte. Während in Frankreich der Eindruck entstand, Isabeau plündere den Staatsschatz für ihre deutschen Verwandten, konnte ihr Bruder einige wertvolle Kunstwerke nach Bayern schaffen.<ref>Dazu zählt zum Beispiel das so genannte ''[[Goldenes Rössl|Goldene Rössl]]'', das sich heute in [[Altötting]] befindet und den vor Maria knienden Karl VI. mit Pferd, Hund und einigen Heiligenfiguren zeigt.</ref> Seine Gläubiger bezahlte er mit Anweisungen auf Pariser Banken. Etwa die Hälfte seiner Einnahmen schickte Ludwig nach Bayern, wo sein Vater auch nach der Bestätigung der Landesteilung von 1392 im Winter 1402/03 mit den jungen Herzögen von [[Bayern-München]], Ernst und [[Wilhelm III. (Bayern)|Wilhelm III.]], und Heinrich XVI. von Bayern-Landshut im Streit lag. So konnten die Ingolstädter verpfändete Städte auslösen, ihre Schulden tilgen und sogar einige neue Orte hinzugewinnen. Ludwig selbst blieb allerdings die meiste Zeit in Frankreich, wo er nach der Ermordung [[Louis de Valois, duc d’Orléans|Ludwigs von Orléans]], des Bruders des Königs, im November 1407 mehr und mehr an Einfluss gewann. Er leitete die Hofhaltung des Thronfolgers, begleitete den Hof auf allen Reisen und konnte schließlich das ''[[Hôtel du Porc-Epic]]'' in unmittelbarer Nähe der königlichen Residenz erwerben. Da Karl VI. wegen einer Geisteskrankheit faktisch regierungsunfähig war, entsprach Ludwigs Position der eines Regenten Frankreichs. === Streit mit Heinrich === Den ganzen Winter 1402/03 über erhielt Ludwig Briefe von der Stadt [[München]], die ihn um Hilfe gegen die Herzöge Ernst und Wilhelm III. bat, die nach der Einigung mit seinem Vater Stephan III. wieder dorthin zurückkehren wollten. Als er Mitte März erfuhr, dass die Stadt bereits belagert wurde, kehrte er unverzüglich nach Bayern zurück. Ludwig versuchte, die Übergabe Münchens an seine Vettern am Verhandlungstisch zu verhindern, musste aber am 31. Mai deren Herrschaft über die Stadt anerkennen. Er machte sich nun auf den Weg an den Rhein, wo er an der Beilegung der Streitigkeiten zwischen König Ruprecht und dem Erzbischof von [[Bistum Mainz|Mainz]] mitwirkte. Erst im Juli konnte er sich endlich wieder um seine eigenen Gebiete im Herzogtum Bayern-Ingolstadt kümmern. [[Datei:Richental Papststurz.jpg|thumb|Ludwig legte bei Papst Johannes XXIII. Revision ein. Dieser wurde 1415 auf der Flucht vom Konzil von Konstanz gefangen genommen und abgesetzt (aus der Richental-Chronik, um 1460/65).]] Ludwig erkannte, dass der aufwendige Lebensstil seines Vaters das junge Herzogtum in die Verschuldung getrieben hatte. Er forderte deshalb die geistlichen und weltlichen Herren in der Umgebung auf, diesem kein Geld mehr zu leihen. Die wütenden Proteste Stephans III. nahm er in Kauf.<ref>Dieser beklagte sich in einem Brief: ''Er'' (Ludwig VII.) ''maint, wir sullen bey dem unsern armůt und notichait leiden!'' (Neuburger Kopialbuch 69, 38).</ref> Ludwig fand während seines kurzen Aufenthalts in Bayern 1403/04 aber auch die Zeit dafür, seinen Vetter Heinrich zu verklagen. Unterstützung fand er dafür bei seinem Vetter [[Johann III. (Bayern)|Johann III.]], dem [[Elekt|Fürstelekten]] von [[Bistum Lüttich|Lüttich]] und späteren Herzog von Straubing-Holland. Ludwig forderte von Heinrich eine Entschädigung für die Benachteiligung des Ingolstädter Herzogtums in der kurz zuvor bestätigten Landesteilung. Als der als Richter eingesetzte Ernst von Bayern-München 1406 die Forderung zurückwies, ging Ludwig in Revision. Er wandte sich 1407 an König Ruprecht, 1409 an den römischen Papst [[Gregor XII.]] und insgesamt viermal an den pisanischen Papst [[Johannes XXIII. (Gegenpapst)|Johannes XXIII]]. Er beugte sich zwar dem [[Freisinger Schiedsspruch]] von 1410, der Heinrichs Rechte als Herzog von Bayern-Landshut bestätigte, versuchte aber, diesen durch ein Bündnis mit Ernst und Wilhelm zu isolieren. Er drängte die beiden jedoch zu weitreichenden Zugeständnissen, worauf sie sich stattdessen auf die Seite seines Gegners Heinrich schlugen. === Johann von Burgund === [[Datei:John duke of burgundy.jpg|thumb|Ludwigs Zusammenarbeit mit dem hier dargestellten Johann von Burgund scheiterte.]] In Frankreich wandte sich Ludwig währenddessen dem einflussreichen Herzog von [[Burgund]], [[Johann Ohnefurcht]], zu. Gemeinsam schlugen sie 1408 in der [[Schlacht von Othée]] die Erhebung der [[Lüttich]]er Bürger gegen Fürstelekt Johann nieder. Die politische Zusammenarbeit der beiden gestaltete sich zunächst recht positiv, kam aber ab 1412 durch populistische Reformforderungen Johanns völlig zum Erliegen. Johann forderte niedrigere Steuern und weniger höfischen Luxus, Ludwig lehnte dies ab und zog sich so den Zorn der Pariser Gewerbetreibenden zu. Als sich eine wütende Volksmenge vor seinem Haus versammelte, floh er zu seinem Verwandten [[Wilhelm II. (Bayern)|Wilhelm II. von Straubing-Holland]] in den [[Grafschaft Hennegau|Hennegau]]. Der Transport mit seinen Wertsachen, die ihm nachgeschickt werden sollten, wurde von Parteigängern des Burgunders überfallen, die dabei einen bayerischen Knappen töteten und verstümmelten. Ludwig, dessen erste Frau bereits 1408 gestorben war, kehrte dennoch bald wieder nach Paris zurück, weil er die französische Adlige [[Catherine d’Alençon|Katharina von Alençon]] ehelichen wollte. Die für den 23. Mai 1413 geplante Heirat hätte Ludwig erneut eine beträchtliche Mitgift eingebracht. Sie musste jedoch verschoben werden, da am Tag zuvor die königliche Residenz von zum Teil bewaffneten Aufständischen gestürmt wurde. Ludwig, einige Höflinge und eine Reihe von Hofdamen, insgesamt zwanzig Männer und fünfzehn Frauen, wurden von diesen gefangen genommen. Der Bruder der Königin wurde im [[Louvre]] inhaftiert. Während seiner über zweimonatigen Haft wurde er vor allem über die von ihm außer Landes geschafften Schätze befragt, entging aber der Hinrichtung. Nach seiner Freilassung am 4. August kehrte Ludwig wieder an den französischen Hof zurück. Im Oktober heiratete er Katharina von Alençon. Sein Verhältnis zu Johann von Burgund war jedoch zerrüttet und so unternahm Ludwig alles, um diesem zu schaden. Im Februar 1415 verließ er Frankreich an der Spitze einer Delegation zum [[Konzil von Konstanz]]. Seine zweite Frau Katharina, deren zwei Kinder mit Ludwig früh gestorben waren, ließ er allein zurück. Sie starb 1462 in Paris. === Attentat in Konstanz === [[Datei:Richental Konzilssitzung Muenster.jpg|thumb|Sitzung des Konzils von Konstanz (aus der Richentalchronik, um 1460/65)]] Ludwigs Vater Stephan III. war bereits im September 1413 gestorben, dieser war somit bereits seit über einem Jahr Herzog von Bayern-Ingolstadt, als er mit großem Gefolge in Konstanz ankam. Selbst der römisch-deutsche König [[Sigismund (HRR)|Sigismund]] begab sich vor die Mauern der Stadt, um den Herzog persönlich zu begrüßen. Auf dem Konzil betrieb Ludwig die Verurteilung der burgundischen These, der Mord an Ludwig von Orléans sei als [[Tyrannenmord]] gerechtfertigt gewesen. Die Leitung der französischen Konzilsgesandtschaft war zugleich Höhepunkt und Ende von Ludwigs Arbeit im Dienst der französischen Krone. Seine Tätigkeit in Bayern nahm ihn in den nächsten Jahren zu sehr in Anspruch, als dass er noch einmal nach Frankreich hätte zurückkehren können. 1417 entging Ludwig nur knapp einem Mordanschlag durch seinen Vetter [[Heinrich XVI. (Bayern)|Heinrich von Bayern-Landshut]], der am 17. April 1414 zusammen mit anderen Gegnern des Ingolstädters die [[Kelheim]]er [[Sittichgesellschaft]] gegründet hatte.<ref>Der Sittich sollte wohl Ludwigs Wappenvogel, den St.-Oswalds-Raben, parodieren, vgl. Theodor Straub, ''Bayern im Zeichen der Teilungen und Teilherzogtümer'', in: ''Handbuch der Bayerischen Geschichte'', Band 2, München 1988, S. 248 f.</ref> Ludwig hatte behauptet, Heinrich sei der Sohn eines Kochs, was dieser als tödliche Beleidigung auffasste. Als Ludwig seinen Gegner auch noch als „ainen vergiesser des menschen bluets“ bezeichnete, griff dieser ihn mit fünfzehn Getreuen an und verletzte ihn schwer.<ref>So der Chronist [[Johannes Aventinus]], vgl. Matthias Lexer (Hrsg.), ''Aventinus'', S. 544.</ref> === Der Bayerische Krieg === [[Datei:Sigismund(HRR).jpg|thumb|König Sigismund vermittelte einen Waffenstillstand zwischen Ludwig und seinen Feinden (kolorierter Holzschnitt, 1536).]] Der Konflikt mit Heinrich, der bereits mit Stephan III. im Streit gelegen hatte, überschattete Ludwigs mehr als dreißigjährige Regierungszeit. Dass Ludwig seinen Widersacher nach dem Mordversuch in Konstanz einen „pluethunt“ (Bluthund) nannte, trug sicher nicht zur Entschärfung des Konflikts bei.<ref>Vgl. Lexer, ''Aventinus'', S. 544.</ref> Heinrich XVI., der einer Bestrafung für den Angriff auf Ludwig nur durch die Fürsprache [[Friedrich I. (Brandenburg)|Friedrichs von Brandenburg]] und seiner Münchener Vettern Ernst und Wilhelm und vor allem durch die Zahlung von 6000 Gulden an König Sigismund entgehen konnte, sann auf Rache. Der Kampf zwischen der von ihm geführten [[Konstanzer Liga]] und Ludwig VII. gipfelte 1420–22 im [[Bayerischer Krieg (1420–1422)|Bayerischen Krieg]], der mit der Brandschatzung der [[Burggrafschaft Nürnberg|Nürnberger Burggrafenfeste]] durch den Ingolstädter begann und mit seiner Niederlage gegen die Münchener Herzöge in der [[Schlacht bei Alling]] endete. Johann III., der seit 1418 als Nachfolger seines verstorbenen Bruders [[Wilhelm II. (Bayern)|Wilhelm]] Herzog von Straubing-Holland war und den Ludwig gern auf seiner Seite gehabt hätte, verhielt sich neutral. Auf Betreiben König Sigismunds, der seine Kräfte auf die [[Hussitenkriege|Hussiten]] zu konzentrieren gedachte, wurde am 2. Oktober 1422 unter Vermittlung des Eichstätter Fürstbischofs [[Johann II. von Heideck]] in [[Regensburg]] ein vierjähriger Waffenstillstand zwischen den verfeindeten Parteien geschlossen.<ref> [[Alfred Wendehorst]]: ''Das Bistum Eichstätt. Band 1: Die Bischofsreihe bis 1535''. Reihe: ''Germania Sacra - Neue Folge 45''. Berlin 2006. ISBN 978-3-11-018971-1. S. 191.</ref> Das Herzogtum Bayern-Ingolstadt wurde zeitweilig einem königlichen Landeshauptmann unterstellt, Ludwig VII. folgte dem König an dessen Hof in [[Ungarn]] und Heinrich XVI. wurde zur Unterstützung des [[Deutscher Orden|Deutschen Ordens]] nach [[Litauen]] geschickt. Ludwig verlegte sich nun wieder auf den Rechtsweg und unterstützte eine Klage gegen Heinrich wegen des Mordversuchs von Konstanz und der Zerstörung der Burg des bayerischen Adligen [[Kaspar Törring]]. === Kampf um Straubing === [[Datei:Map Bavaria-Straubing - Karte Straubing-Holland.png|thumb|Mit Johann III. starb der letzte Herzog von Straubing-Holland (Karte des Herzogtums).]] In der Zwischenzeit war zwischen den wittelsbachischen Linien ein Streit um das [[Straubinger Ländchen]] ausgebrochen, das Ludwig als „eltist und wirdigst fürst von Bayrn“<ref>Zitiert nach Dorit-Maria Krenn/Joachim Wild, ''„Fürste in der Ferne“'', Augsburg 2003, S. 37.</ref> für sich beanspruchte. Herzog Johann III. von Straubing-Holland war am 6. Januar 1425 vergiftet worden. Da er keine männlichen Nachkommen hatte und seine Nichte [[Jakobäa]] nur den holländischen Teil des Herzogtums beanspruchte, war das Straubinger Ländchen herrenlos geworden. Ludwig traf sich am 5. Februar in Freising mit Ernst und Heinrich, um über das weitere Vorgehen zu beraten. Es kam jedoch zu keiner Einigung. Als auch noch Albrecht von Österreich das Gebiet für sich beanspruchte und das Ende des Waffenstillstands von 1422 immer näher rückte, griff König Sigismund ein. Im März 1426 legte er Heinrich, Ernst und Wilhelm als Kandidaten für die Übernahme des Straubinger Ländchens fest. Ludwig lehnte diese Entscheidung ab, worauf der König die Angelegenheit seinem Kanzler [[Konrad III. von Dhaun|Konrad von Mainz]] übertrug. Dessen Urteil wollten sich nun die anderen drei Herzöge nicht beugen. Im Oktober akzeptierte Sigismund schließlich auch Ludwig als Kandidaten für das Straubinger Erbe. Dieser nahm jedoch nicht an der Huldigung der Straubinger Landstände im Januar 1427 teil. Am 21. Juli übertrug er in Heinrichs Abwesenheit mit Ernst und Wilhelm die endgültige Entscheidung den Landständen, die sie wiederum an das königliche Hofgericht verwiesen. König Sigismund favorisierte zunächst eine Dreiteilung des Straubinger Ländchens, ließ sich jedoch von den Münchener Herzögen zu einer Teilung nach Köpfen überreden. Das Erbe Herzog Johanns wurde im [[Preßburger Schiedsspruch]] von 1429 also gevierteilt, wobei zwei Teile an München und je einer an Ingolstadt und Landshut gingen. === Väter und Söhne === Heinrich fühlte sich übervorteilt und konnte erst durch einen [[Feme]]prozess zum Einlenken bewegt werden. Am 19. Januar 1434 wurde er vom Freistuhl in [[Villigst]] für schuldig befunden und erklärte sich schließlich zu einem Vergleich bereit. Der Konflikt zwischen Ludwig und Heinrich schwelte jedoch weiter. Ein Vermittlungsversuch der Landshuter Stände wurde 1435 von Heinrich unterbunden, bereits im darauffolgenden Jahr kam es wieder zum offenen Krieg zwischen den beiden Herzögen. Auch mit dem Bischof von [[Bistum Passau|Passau]] lag Ludwig im Streit. Er hatte Passauer Untertanen in [[Schärding]] und am [[Ruine Königstein (Oberösterreich)|Königstein]] zum Befestigungsbau eingesetzt, worauf der Bischof Ludwigs Befestigungen schleifen ließ. [[Datei:BurghausenCastleMainCourt.jpg|thumb|Ludwig wurde von seinem eigenen Sohn gestürzt und in der Burg zu Burghausen gefangengesetzt.]] Die Hinrichtung der Baderstochter [[Agnes Bernauer]] am 12. Oktober 1435 gab Anlass zu neuerlichen Verstimmungen zwischen den bayerischen Herzögen. [[Albrecht III. (Bayern)|Albrecht III.]], der Sohn Herzog Ernsts, hatte Agnes wohl heimlich geheiratet und damit die Erbfolge in Bayern-München gefährdet. Sein Vater ließ Agnes Bernauer daraufhin bei Straubing in der [[Donau]] ertränken, während Albrecht mit Heinrich auf der Jagd war. Albrecht nahm Heinrich dessen Beteiligung an der Affäre übel und schlug sich deshalb auf die Seite von Heinrichs Erzfeind Ludwig. Diese Annäherung zwischen dem Münchener und dem Ingolstädter Herzog blieb allerdings eine Episode, Albrecht söhnte sich schon bald mit seinem Vater und schließlich auch mit Heinrich aus. Auch Albrechts kurzzeitiger Verbündeter Ludwig geriet bald darauf mit seinem Sohn in Konflikt. 1438 beteiligte sich Ludwig VII. nicht an den Vorbereitungen für einen gesamtbayerischen [[Landfrieden]], wohl aber sein Sohn Ludwig VIII. Die nächsten Jahre waren vom Streit zwischen Vater und Sohn geprägt. Der [[Bistum Eichstätt|Eichstätter Fürstbischof]] [[Albrecht II. von Hohenrechberg]], vom König beauftragt, versuchte zu vermitteln. Ludwig VIII. konnte es seinem Vater offenbar nicht verzeihen, dass dieser ihm seinen 1439 verstorbenen unehelichen Sohn [[Wieland von Freyberg]] immer vorgezogen hatte. Die gut gemeinten Ratschläge Ludwigs VII. für seinen gleichnamigen Sohn verhallten ungehört.<ref>Erhalten ist etwa ein Brief Ludwigs VII. an seinen Sohn vom 1. August 1428, in dem er diesem Hinweise zur Kriegsführung gab. Er wird im Bayerischen Hauptstaatsarchiv aufbewahrt (Neuburger Kopialbuch, fol. 74).</ref> 1443 verbündete sich der jüngere Ludwig schließlich mit dem Erzfeind seines Vaters und nahm Ludwig VII. gefangen. Nach dem Tod Ludwigs VIII. wurde sein Vater 1445 an Heinrich ausgeliefert. Ludwig VII. starb Anfang Mai 1447 als Gefangener seines Vetters in der [[Burg zu Burghausen]]. Er hätte sich wohl freikaufen können, war jedoch offensichtlich zu stolz, um diese Möglichkeit in Erwägung zu ziehen. == Bauherr und Kunstmäzen == [[Datei:Schloss neu ingolstadt.jpg|thumb|Das von Ludwig VII. erbaute [[Neues Schloss (Ingolstadt)|Neue Schloss]] in Ingolstadt]] Bedeutend ist Ludwigs Regierungszeit nicht zuletzt wegen seiner regen Bautätigkeit. So begann er 1418 mit dem Bau des [[Neues Schloss (Ingolstadt)|Neuen Schlosses]] in Ingolstadt, das stark von der französischen Gotik beeinflusst ist und heute ein Museum beherbergt. Es wurde allerdings erst nach Ludwigs Tod vollendet.<ref>So Siegfried Hofmann, ''Die Baugeschichte des Ingolstädter Schlosses im Spiegel der erhaltenen Baurechnungen'', in: ''Sammelblatt des Historischen Vereins Ingolstadt'' 88, 1979, S. 83 und ihm folgend Monika Schmid, ''Die Bedeutung Herzog Ludwigs VII. für die Architektur und Bildkunst im Teilherzogtum Bayern-Ingolstadt'', S. 24 ff. Dagegen Theodor Straub, ''Herzog Ludwig der Bärtige und das Neue Schloß'', in: ''Sammelblatt des Historischen Vereins Ingolstadt'' 81, 1972, S. 55.</ref> Außerdem ließ er 1425 das [[Münster Zur Schönen Unserer Lieben Frau (Ingolstadt)|Münster]] errichten und stiftete das [[Hohe Schule (Ingolstadt)|Pfründehaus]], in dem später die [[Universität Ingolstadt|Universität]] untergebracht war. Die dort lebenden Armen sollten für das Seelenheil des Herzogs beten, der in seinen Planungen bis zu 1000 Fürbitter vorsah. Diese wurden aber nach seinem Tod nicht umgesetzt. Die ständigen Konflikte Ludwigs mit seinen wittelsbachischen Verwandten machten eine bessere Befestigung der von ihm beherrschten Städte erforderlich. Gelegentlich kam er dabei wie in Schärding seinen Nachbarn in die Quere. Nachgewiesen sind Befestigungsmaßnahmen außerdem in [[Friedberg (Bayern)|Friedberg]], [[Rain (Lech)|Rain am Lech]], [[Kufstein]], [[Wasserburg am Inn]], [[Lauingen (Donau)|Lauingen]] und [[Schrobenhausen]]. Von besonderer Bedeutung war die Vollendung der neuen Stadtmauern in seinen Residenzstädten Ingolstadt und [[Neuburg an der Donau]]. Die neuen Befestigungsanlagen in Neuburg mussten bereits 1440 ihre erste Bewährungsprobe bestehen, als Ludwig von seinem Sohn belagert wurde. Ludwig VIII. musste zunächst erfolglos abziehen, konnte aber drei Jahre später in die Stadt eindringen und seinen Vater gefangen nehmen. Kunsthistorisch herausragend sind die Kleinodien, die Ludwig aus Frankreich nach Bayern geschickt hat. Ihr Wert in damaliger Währung wird auf etwa 100.000 Gulden geschätzt. Sie umfassen unter anderem goldenes und silbernes Tafelgeschirr, [[Reliquie|Reliquiare]] aus dem Besitz seiner Gattin Anna von Bourbon und als bedeutendsten Bestandteil die Kleinodien aus dem französischen Kronschatz. Letztere waren sowohl Reserve für finanzielle Notzeiten, in die ein Fürst wie Ludwig leicht geraten konnte, als auch potentielle Gastgeschenke. Neben den zahlreichen Kunstwerken, die er aus Frankreich mitgebracht hatte, gab Ludwig auch selbst Arbeiten in Auftrag. Die nach einem späteren Besitzer so genannte [[Ottheinrich-Bibel]], eine wertvolle Bibelhandschrift, wurde für ihn angefertigt.<ref>Vgl. Robert Suckale, ''Die Regensburger Buchmalerei von 1350 bis 1450'', in: ''Regensburger Buchmalerei'', München 1987, S. 93–99.</ref> [[Datei:Muenster IN Scherbelberg.JPG|thumb|Ludwig legte den Grundstein für das Ingolstädter [[Münster Zur Schönen Unserer Lieben Frau (Ingolstadt)|Münster]].]] Ludwig achtete auch sehr auf seine Außenwirkung. Er passte sein Wappen, in dem sich wittelsbachische und nordspanische Elemente vereinten, immer wieder den Gegebenheiten an. Als Wappentier wählte er spätestens 1413 den [[Oswald (Northumbria)|St.-Oswalds-Raben]]. Auch die Bildhauerei war für Ludwig ein wichtiges Mittel der Repräsentation. Ein von ihm selbst entworfenes Grabmal aus rotem Marmor, das jenes seines Verwandten [[Albrecht II. (Bayern)|Albrecht II. von Straubing-Holland]] noch übertreffen sollte, wurde nie fertiggestellt. Der dafür vorgesehene Grabstein blieb unbearbeitet, ein [[Hans Multscher]] zugeschriebener Entwurf des Grabreliefs ist allerdings erhalten geblieben. == Ludwigs Erbe == Mit dem Tod Ludwigs endete die fünfundfünfzigjährige Geschichte des Herzogtums Bayern-Ingolstadt. Das gesamte Gebiet einschließlich der Teile des [[Straubinger Ländchen]]s, die im [[Preßburger Schiedsspruch]] 1429 Ingolstadt zugesprochen worden waren, fiel an Ludwigs Erzfeind Heinrich XVI. von Bayern-Landshut. Dieser hatte sich gegen den Willen König [[Friedrich III. (HRR)|Friedrichs III.]] und ungeachtet der Erbansprüche [[Albrecht III. (Bayern)|Albrechts III.]] von Bayern-München des Ingolstädter Herzogtums bemächtigt, konnte diesen Anspruch jedoch behaupten. Ludwig VII., der einmal Regent von Frankreich gewesen war, war als Gefangener seines Vetters gestorben, der nun sein Nachfolger wurde. == Heirat und Nachkommen == Herzog Ludwig VII. heiratete am 1. Oktober 1402 in Paris [[Anne de Bourbon|Anna von Bourbon]] (1380–1408), Witwe Johanns II. von Berry, des Grafen von Montpensier. Deren Eltern waren [[Jean I. de Bourbon, comte de La Marche|Johann I.]], Graf von [[Marche (Frankreich)|Marche]] und [[Herzogtum Vendôme|Vendôme]], und seine Gattin Katharina von Vendôme. Aus der Ehe gingen zwei Söhne hervor: * [[Ludwig VIII. (Bayern)|Ludwig VIII. der Bucklige]] (1403–1445) ∞ 1441 in Ingolstadt Prinzessin Margarete (1410–1465), Tochter des Kurfürsten [[Friedrich I. (Brandenburg)|Friedrich I. von Brandenburg]] und seiner Gattin Prinzessin Elisabeth von Bayern-Landshut, der Tochter des Herzogs [[Friedrich (Bayern)|Friedrich von Bayern-Landshut]]; * Johann (*/† 1404 in Paris). In zweiter Ehe heiratete Ludwig am 1. Oktober 1413 in Paris Gräfin [[Catherine d’Alençon|Katharina]] (1395–1462), die Witwe [[Peter von Navarra|Peters von Navarra]], des [[Grafschaft Mortain|Grafen von Mortain]]. Deren Eltern waren Graf [[Peter II. (Alençon)|Peter II.]] von [[Herzogtum Alençon|Alençon]] und seine Gemahlin Marie de Chamaillard. Aus der Ehe gingen zwei Kinder hervor, von denen keines das Erwachsenenalter erreichte: * Johann (1414–1420); * Anna (1416–1418). == Stammbaum == {{Stammbaum/Start}} {{Stammbaum | |}} {{Stammbaum | | UV1 |y| UM1 | | UV2 |y| UM2 | | UV3 |y| UM3 | | UV4 |y| UM4 | |UV1=[[Ludwig IV. (HRR)|Ludwig der Bayer]]|UM1=[[Beatrix von Schlesien-Glogau]]|UV2=[[Friedrich II. (Sizilien)|Friedrich III. von Sizilien]]|UM2=[[Eleonore von Anjou]]|UV3=[[Stefano Visconti]]|UM3=[[Valentina Doria]]|UV4=[[Mastino II. della Scala]]|UM4=[[Taddea da Carrara]]}} {{Stammbaum | | | | |!| | | | | | | |!| | | | | | | |!| | | | | | | |!| | | | |}} {{Stammbaum | | | | GV1 |~|~|y|~|~| GM1 | | | | | | GV2 |~|~|y|~|~| GM2 | | | |GV1=[[Stephan II. (Bayern)|Stephan II. von Bayern]]|GM1=[[Elisabeth von Sizilien (1309–1349)|Elisabeth von Sizilien]]|GV2=[[Bernabò Visconti]]|GM2=[[Beatrice della Scala]]}} {{Stammbaum | | | | | | | | |!| | | | | | | | | | | | | | | |!| | | | | | | | |}} {{Stammbaum | | | | | | | | Vat |~|~|~|~|~|~|y|~|~|~|~|~|~| Mut | | | | | | | |Vat=[[Stephan III. (Bayern)|Stephan III. von Bayern-Ingolstadt]]|Mut=[[Taddea Visconti]]}} {{Stammbaum | | | | | | | | | | | | | | | | |!| | | | | | | | | | | | | | | | |}} {{Stammbaum | | | | | | | | | | | | | | | | akt | | | | | | | | | | | | | | | |akt='''Ludwig VII. von Bayern-Ingolstadt}} {{Stammbaum/Ende}} == Literatur == * {{Literatur|Autor = Karin Kaltwasser|Titel = Herzog und Adel in Bayern-Landshut unter Heinrich XVI. dem Reichen (1393–1450)|Verlag = Dissertation|Ort = Regensburg|Jahr = 2004|Kommentar = [http://www.opus-bayern.de/uni-regensburg/volltexte/2004/410/pdf/Dissertation.pdf PDF]}} * {{Literatur|Autor = Renate Kremer|Titel = Die Auseinandersetzungen um das Herzogtum Bayern-Ingolstadt 1438–1450|Verlag = C. H. Beck|Ort = München|Jahr = 2000|ISBN = 3-406-10694-3|Kommentar = ''Schriftenreihe zur bayerischen Landesgeschichte'', Band 113; zugleich Dissertation, Mannheim 1989}} * {{Literatur|Autor = [[Claudia Märtl]]|Titel = Frankreich. Herzog Ludwig VII. von Bayern-Ingolstadt (1368–1447) und seine Schwester Isabeau am französischen Königshof|Herausgeber = [[Alois Schmid (Historiker)|Alois Schmid]], Katharina Weigand|Sammelwerk = Bayern mitten in Europa. Vom Frühmittelalter bis ins 20. Jahrhundert|Verlag = C. H. Beck|Ort = München|Jahr = 2005|ISBN = 3-406-52898-8|Seiten = 107–120}} * {{ADB|19|502|508|Ludwig VII|[[Sigmund Ritter von Riezler]]|ADB:Ludwig VII.}} * {{Literatur|Autor = Monika Schmid|Titel = Die Bedeutung Herzog Ludwigs VII. für die Architektur und Bildkunst im Teilherzogtum Bayern-Ingolstadt|Verlag = Dissertation|Ort = Eichstätt|Jahr = 1987}} * {{Literatur|Autor = [[Theodor Straub]]|Titel = Herzog Ludwig der Bärtige von Bayern-Ingolstadt und seine Beziehungen zu Frankreich in der Zeit von 1391 bis 1415||Verlag = Lassleben|Ort = Kallmünz|Jahr = 1965|Kommentar = ''Münchener historische Studien, Abteilung Bayerische Geschichte'', Band 7; zugleich Dissertation, München 1966}} * {{NDB|15|360|363|Ludwig VII. der Bärtige|Theodor Straub}} * {{Literatur|Autor = Theodor Straub|Titel = Ludwig der Bärtige. Mythos und Wirklichkeit|Sammelwerk = Sammelblatt des Historischen Vereins Ingolstadt|Band = Band 110|Jahr = 2001|Seiten = 75–90}} * {{Literatur|Autor = Joachim Wild|Titel = Die Herzöge von Straubing und Ingolstadt. Residenzstädte auf Zeit|Herausgeber = Alois Schmid, Katharina Weigand|Sammelwerk = Die Herrscher Bayerns. 25 historische Portraits von Tassilo III. bis Ludwig III|Auflage = 2.|Verlag = C. H. Beck|Ort = München|Jahr = 2006|ISBN = 3-406-54468-1|Seiten = 118–129, insbesondere S. 124–128}} == Weblinks == * [http://gw2.geneanet.org/index.php3?b=hwember1&lang=de&m=NG&n=Ludwig%22_im_Bart+von+Bayern Genealogie Ludwigs VII.] * [http://www.ingolstadt.de/stadtmuseum/scheuerer/ausstell/ludw7-00.htm Ausstellung über Ludwig VII. im Stadtmuseum Ingolstadt] * [http://www.datenmatrix.de/cgi-local/hdbg-karten/karten.cgi?action=detail&templ=01_01_karten_detail&id=90 Karte des Herzogtums Bayern-Ingolstadt zur Zeit Ludwigs VII.] == Anmerkungen == <references /> {{Folgenleiste|VORGÄNGER=[[Stephan III. (Bayern)|Stephan III.]]|NACHFOLGER=[[Ludwig VIII. (Bayern)|Ludwig VIII.]]|AMT=[[Liste der bayerischen Herrscher|Herzog von Bayern-Ingolstadt]]|ZEIT=1413–1447}} {{Exzellent|11. September 2006|21338019}} {{Normdaten|PND=118729381}} [[Kategorie:Herzog (Bayern)|Ludwig 07]] [[Kategorie:Wittelsbacher|Ludwig 07 Bayern]] [[Kategorie:Bayern-Ingolstadt]] [[Kategorie:Person (Ingolstadt)]] [[Kategorie:Geboren 1368]] [[Kategorie:Gestorben 1447]] [[Kategorie:Mann]] {{Personendaten |NAME=Ludwig VII. von Bayern |ALTERNATIVNAMEN=Ludwig der Bärtige; Ludwig der Gebartete |KURZBESCHREIBUNG=Herzog von Bayern-Ingolstadt |GEBURTSDATUM=1368 |GEBURTSORT= |STERBEDATUM=1. Mai 1447 |STERBEORT=[[Burghausen]] }} [[en:Louis VII, Duke of Bavaria]] [[fr:Louis VII de Bavière]] [[it:Ludovico VII di Baviera]] [[ja:ルートヴィヒ7世 (バイエルン公)]] [[nl:Lodewijk VII van Beieren]] p7l4k20nqc724p0gz6rdzoaclsrzegp wikitext text/x-wiki Ludwig-Donau-Main-Kanal 0 23867 26462 2010-04-10T09:23:42Z Qhx 0 Wegen dem Kommaproblem (vorletzter Edit) und dem besseren Lesefluss den Satzeinschub als Satzergänzung verschoben {{Infobox Schifffahrtskanal |NAME = Ludwig-Donau-Main-Kanal |BILD = Ludwigskanal-Karte.jpg |BILDBESCHREIBUNG = Verlauf des Ludwig-Donau-Main-Kanals |ABKÜRZUNG = |LAGE = Deutschland: Bayern |LÄNGE = 172,4 km |ERBAUT = 1836 bis 1846<br />(1950 aufgelassen) |AUSGEBAUT = |KLASSE = |BEGINN = Abzweig aus der Donau in Kelheim |ENDE = Abzweig in die Regnitz in Bamberg |SCHLEUSEN = 100 Schleusen von Kelheim bis Bamberg |HÄFEN = Kelheim, Beilngries, Neumarkt in der Oberpfalz, Nürnberg, Fürth, Erlangen, Forchheim, Bamberg |ABZWEIGUNGEN KREUZUNGEN = |HISTORISCHE VORLÄUFER = Fossa Carolina |GENUTZTER FLUSS = Altmühl, Regnitz |HERAUSRAGENDE BAUWERKE = Trogbrücken Schwarzach-Brückkanal und Gauchsbach-Brückkanal |INFOZENTRUM MUSEUM = Kanalmuseum, Burgthann |KILOMETRIERUNG = ab Kelheim bis Bamberg km 0 bis km 172,4 |TALFAHRT = |ZUSTÄNDIGE WSD = |ANMERKUNGEN = Der Ludwig-Donau-Main-Kanal war der Vorläufer des Main-Donau-Kanals. |BILD1 = Ludwigs-Kanal Brückkanal Schwarzenbruck von oben.jpg |BILD1-BESCHREIBUNG = Schwarzach-Brückkanal, 2005 }} Der '''Ludwig-Donau-Main-Kanal''' (auch '''Ludwigskanal''' oder regional einfach '''Alter Kanal''' genannt) war im 19. und 20.&nbsp;Jahrhundert eine 172,4&nbsp;km lange Wasserstraße zwischen der [[Donau]] bei [[Kelheim]] und dem [[Main]] bei [[Bamberg]]. Im weiteren Sinne war der zwischen 1836 und 1846 erbaute Kanal Teil einer schiffbaren Verbindung zwischen der [[Nordsee]] bei [[Rotterdam]] und dem [[Schwarzes Meer|Schwarzen Meer]] bei [[Constanţa]]. Durch die Überquerung eines Teils der [[Europäische Hauptwasserscheide|Europäischen Hauptwasserscheide]] nahm das ehrgeizige Bauwerk eine besondere Stellung ein. 100&nbsp;Schleusen, teilweise in den Flüssen [[Regnitz]] und [[Altmühl]], bewältigten insgesamt einen Höhenunterschied von rund 260&nbsp;Metern. Historische Nachfolger sind die nicht vollendete [[Mindorfer Linie]] und der 1960 bis 1992 errichtete [[Main-Donau-Kanal]]. Er wurde 1950 aufgelassen. Der Abschnitt zwischen [[Beilngries]] und [[Nürnberg]] ist noch heute im weitgehend historischen Umfang und mit einigen Funktionen erhalten. == Verlauf == [[Datei:Karte und Höhenprofil Ludwig Kanal.jpg|miniatur|links|''Karte und Längenprofil des Ludwig Kanales'', Stahlstich (1845) von Alexander Marx]] [[Datei:Europa Ludwigskanal Rhein Main Donau.png|miniatur|links|Der Ludwigskanal im europäischen Kontext]] Der Ludwig-Donau-Main-Kanal, der bis auf zwei Abschnitte nicht mehr schiffbar ist, begann offiziell bei Kilometer&nbsp;0 an der Mündung zur Donau in Kelheim. In der [[Niederbayern|niederbayerischen]] Stadt befindet sich in einem kurzen Verbindungskanal zur Altmühl die [[Schleuse]]&nbsp;1 und an deren Oberhaupt der ehemalige Kanalhafen. Für den weiteren Verlauf wurde das Bett der Altmühl bis km&nbsp;32,9 und Schleuse&nbsp;13 bei [[Dietfurt an der Altmühl]] schiffbar gemacht. Anschließend begann der Stillwasserkanal, der zunächst weiter in westlicher Richtung bis [[Beilngries]] im Ottmaringer Tal verlief. Das Kanalbett des Ludwigskanals zwischen Kelheim und Beilngries wurde in den 1980er und 1990er&nbsp;Jahren größtenteils durch dessen historischen Nachfolger, den Main-Donau-Kanal&nbsp;(MDK), überbaut. Noch vor Beilngries zweigt der Verlauf des Alten Kanals nach Norden ab. Das heute weitgehend erhaltene, aber trockene Kanalbett folgt parallel dem wenige Kilometer westlich verlaufenden Main-Donau-Kanal und der [[Sulz (Altmühl)|Sulz]]. Nördlich von Beilngries beginnt ein etwa 65&nbsp;km langer Abschnitt, in dem der Kanal noch heute Wasser führt und die meisten Bauwerke wie Schleusen und Brücken erhalten sind. Bei [[Mühlhausen (Oberpfalz)]] verlässt der Neue Kanal die Route des historischen Vorgängers, die weiter nach Norden bis [[Neumarkt in der Oberpfalz]] führt. Vor Neumarkt in der Gemeinde [[Sengenthal]] erreicht der Ludwig-Donau-Main-Kanal nach Schleuse&nbsp;32 und einem bewältigtem Höhenunterschied von 79&nbsp;Metern seine [[Scheitelhaltung]]. Auf {{Höhe|417|DE-NN|link=true}} (Wasserspiegelhöhe) überquert dieser 24&nbsp;Kilometer lange Teil des Kanals noch heute die Europäische Hauptwasserscheide. Bei [[Berg bei Neumarkt in der Oberpfalz]] verläuft dieser Abschnitt nach Westen. Die folgende Schleuse&nbsp;33 befindet sich erst bei km&nbsp;85,8 bei [[Burgthann]] im [[Landkreis Nürnberger Land]]. Der Ludwigskanal erreicht über [[Röthenbach bei Sankt Wolfgang]], [[Wendelstein (Mittelfranken)|Wendelstein]] und [[Worzeldorf]] das Stadtgebiet [[Nürnberg|Nürnbergs]]. Nach Schleuse&nbsp;72 (km&nbsp;108,2) verschwindet das Wasser des Kanals in einem [[Überlaufbauwerk]] und einem Rohr, das zum westlich gelegenen Main-Donau-Kanal führt. Der Kanal folgt heute im weiteren Verlauf einem 1,5&nbsp;km langen Alleeweg in Nürnberg-Gartenstadt. Das Kanalbett wurde hier mit Erde aufgeschüttet, die heute von Gras bedeckt ist. Kanalweg und Schleusen sind hier dennoch gut zu erkennen. Es folgt ein etwa 40&nbsp;km langer Abschnitt, der in den 1960er Jahren fast komplett von der [[Bundesautobahn 73]] (Frankenschnellweg) überbaut wurde. Lediglich einige Reste wie Grenzsteine oder das Kanaldenkmal in [[Erlangen]] erinnern zwischen Nürnberg und [[Forchheim]] an den einst hier verlaufenden Ludwig-Donau-Main-Kanal. Ab [[Eggolsheim|Neuses an der Regnitz]] folgte die Wasserstraße wiederum dem heutigen Verlauf des Main-Donau-Kanals. Im [[Bamberg]]er Stadtteil Bug mündete der Ludwigskanal bei Schleuse&nbsp;99 und km&nbsp;169,3 in die Regnitz. Der eigentliche Stillwasserkanal erreichte damit eine Länge von 136,4&nbsp;km. Die Wasserstraße folgte dem westlichen Arm der Regnitz, die sich vor der Bamberger Innenstadt teilt. Nach der heute noch genutzten Schleuse&nbsp;100 hatte die Wasserstraße am sogenannten Nonnengraben endgültig das Niveau der Regnitz erreicht. Dadurch konnte das letzte Hindernis, das Bamberger Mühlenviertel, umfahren werden. Der von der Scheitelhaltung bis hier überwundene Höhenunterschied betrug 187&nbsp;Meter. In einigen Quellen wird auch die sogenannten ''Schleuse&nbsp;101'' erwähnt. Durch ein ab 1858 errichtetes [[Wehr (Wasserbau)|Stauwehr]] und diese Schleuse konnte die Regnitz bis zur Mainmündung bei [[Bischberg]] von Kanalschiffen befahren werden. == Planung und Bau == === Vorgeschichte === [[Datei:Verbindung_main_donau.png|miniatur|Verschiedene Projekte zur Verbindung von Rhein, Main und Donau]] [[Datei:Kanalprojekt Main Donau Michael Georg Regnet 001.jpg|miniatur|Karte des Kanalprojekts von Michael Georg Regnet, 1801]] Die süddeutsche Landschaft war in der Frühzeit noch eine schwer zugängliche Wildnis. Für die ersten Siedler waren die Flussläufe von Altmühl und Regnitz oft die einzigen Durchgangswege. Die Idee zum Bau einer schiffbaren Verbindung zwischen den Flüssen [[Rhein]] bzw. Main und Donau wurde bereits zur Zeit des [[Fränkisches Reich|Fränkischen Reiches]] erstmals verwirklicht. Gängige Theorien gehen davon aus, dass [[Karl der Große]], damals noch König der Franken, im Jahr 793 die sogenannte [[Fossa Carolina]] (auch ''Karlsgraben'' genannt) errichten ließ. Diese Verbindung, damals noch mit Dämmen und Rollen statt Schleusen, verband die Altmühl mit der [[Schwäbische Rezat|Schwäbischen Rezat]] in der Nähe des heutigen Ortes [[Treuchtlingen]]. Das Projekt konnte sich jedoch nicht durchsetzen und wurde schon kurz nach seinem Bau wieder aufgegeben.<ref name="Molkenthin">{{Literatur |Autor=Ralf Molkenthin |Titel=Straßen aus Wasser, Technische, wirtschaftliche und militärische Aspekte der Binnenschiffahrt im Mitteleuropa des frühen und hohen Mittelalters |Verlag=LIT Verlag |Ort=Münster |Jahr=2006 |Seiten=54–81 |ISBN=3-8258-9003-1 }}</ref> Im dünn besiedelten Europa der folgenden Jahrhunderte verfolgte man keine ähnlichen Projekte mehr. Erst im 17.&nbsp;Jahrhundert, nach dem Ende des [[Dreißigjähriger Krieg|Dreißigjährigen Krieges]], wurden Überlegungen zur Schaffung einer solchen Wasserstraße wieder lebendig. So schlug 1656 Eberhard Wasserberg aus [[Emmerich]] dem Fürstbischof zu [[Eichstätt]] [[Marquard II. Schenk von Castell]] eine „''Conjunction des Rheinstrombs Donawflusses und anderer kleiner Wasser …''“ vor. Dieser veranlasste mit einem Empfehlungsschreiben an Bürgermeister und Rat der Stadt Nürnberg, dort seine Idee vorzutragen. Der [[Alchemie|Alchemist]] und Wirtschaftstheoretiker [[Johann Joachim Becher]] beschrieb in seinem 1688 veröffentlichten Buch „''Politische Discvrs Von den eigentlichen Ursachen des Auf- und Abnehmens der Städte, Länder und Republiken''“ einen „''Kurtzen doch gründlichen Entwurff Aller derer Utilitäten, so aus der Vereinigung des Rheins mit der Donau vermittelst Schiffreichmachung und Vereinigung der [[Tauber]] und [[Wörnitz|Wernitz]]…''“. Auch im 18.&nbsp;Jahrhundert entstanden verschiedene Vorschläge und Projekte zur Überwindung der Wasserscheide. Georg Zacharias Hans regte in seiner 1726 in [[Regensburg]] erschienenen Schrift „''De Danubii et Rheni coniunctione''“ eine Wiederaufnahme der Idee Karls des Großen an. Eine Illustration zeigt unter anderem die Darstellung eines [[Schiffshebewerk]]s an der Fossa Carolina nach der Vorstellung des 18.&nbsp;Jahrhunderts. 1729 illustrierte Johann Georg Eckardt in seinem Beitrag ''Conspectus Fossae Carolinae pro conjunctione Danubii et Rheni'' eine ähnliches Konzept.<ref name="Zirnbauer">{{Literatur |Autor=Heinz Zirnbauer |Titel=Rhein-Main-Donau. Die Geschichte einer Idee in Bildern |Verlag=GAA-Verlag |Ort=Nürnberg |Jahr=1962 }}</ref> Nach der [[Französische Revolution]] und mit Beginn der [[Industrielle Revolution in Deutschland|Industrialisierung Deutschlands]] im 19.&nbsp;Jahrhunderts gab es weitere Untersuchungen und Planungen. Der Nürnberger Jurist Michael Georg Regnet schlug 1801 in seinem Werk ''Einige Fingerzeige zur Beförderung des großen Projektes die Donau mit dem Rheine zu vereinigen'' vor, einen Kanal im Gebiet des später realisierten Ludwigskanals anzulegen.<ref name="Regnet">{{Literatur |Autor=Michael Georg Regnet |Titel=Einige Fingerzeige zur Beförderung des großen Projektes die Donau mit dem Rheine zu vereinigen. |Verlag=Bauer- und Mannische Buchhandlung |Ort=Nürnberg |Jahr=1801 }}</ref> Auch [[Carl Friedrich von Wiebeking]], kam 1806 nach einer Reise in das Gebiet der Fossa Carolina zu dem Schluss, eine Verbindung von [[Altmühl]] und [[Roth (Rednitz)|Roth]] sei die günstigste Lösung. Durch die [[Koalitionskriege|Napoleonischen Kriege]] traten diese und weitere Projekte wieder in den Hintergrund.<ref name="kanaldoku-ausstellung">[http://www.hansgruener.de/word_d/kanal/kanaldoku_ausstellungskat.pdf Ausstellungskatalog 1972] (PDF)</ref> === Ludwig-Donau-Main-Kanal === [[Datei:Heinrich Freiherr von Pechmann 1861.jpg|miniatur|links|hochkant|Heinrich Freiherr von Pechmann, 1861]] Bereits im Jahre seiner Thronbesteigung 1825 beauftragte König [[Ludwig I. (Bayern)|Ludwig I.]] von Bayern den königlichen Baurat [[Heinrich Freiherr von Pechmann]], Pläne für einen neuerlichen Versuch zu entwerfen. Von Pechmann schloss die Planung, bei der er sich für die Strecke Kelheim-Bamberg entschied, schon 1830 ab, 1832 wurden sie publiziert. 1834 erließ Ludwig&nbsp;I. das „''Gesetz, die Erbauung eines Kanals zur Verbindung der Donau mit dem Main betreffend''“ und 1835 wurde ein ''[[Aktiengesellschaft|Actienverein]]'' gegründet, der die Finanzierung des Kanalprojektes sicherstellen sollte. Am 1.&nbsp;Juli&nbsp;1836 begannen die auf sechs Jahre veranschlagten Arbeiten und bereits Ende 1839 waren die Erdarbeiten nahezu erledigt, nur an größeren Dämmen musste noch längere Zeit gearbeitet werden. Nach einem Zeitungsbericht von Ende 1840 waren 90 [[Schleuse]]n fertiggestellt, „''die Schiffsziehwege in der ganzen Länge des Kanals chaussirt und die Dämme berast, die Ufer mit Fruchtbäumen besetzt; sämtliche Schleußen- und Kanalwärterhäuser waren zum Theil der Vollendung nahe''“.<ref name="kanaldoku-ausstellung" /> [[Datei:Ludwigskanal Alexander Marx 005.jpg|miniatur|Der Kanalhafen von Nürnberg, Stahlstich (1845) von Alexander Marx]] [[Datei:Ludwigskanal Alexander Marx 022.jpg|miniatur|Der Dörlbacher Einschnitt, Stahlstich (1845) von Alexander Marx]] Ab 1839 traten jedoch immer wieder Probleme auf – kleinere [[Damm (Wall)|Dammbrüche]] waren zu beheben. Zum Jahresende 1842 war der Kanal immerhin „''an den meisten Stellen so weit gediehen, daß er für die Schifffahrt tauglich erschien''“. Dennoch wurde Pechmann 1843 als Erster Vorstand der Kanalbaudirektion in den Ruhestand versetzt. Die Probleme beim Bau des Kanals, speziell der nötige Abbruch und Wiederaufbau des ''Schwarzach-Brückkanals'', werden neben Unstimmigkeiten mit [[Leo von Klenze]], dem Vorstand der Obersten Baubehörde, als Gründe für die Entlassung angeführt. Verzögert wurde die Fertigstellung auch durch den Einbau zusätzlicher Stauwehre in der Altmühl, der durch die Erfahrungen nach einer Dürre im Jahre 1842 nötig wurde, um eine Mindestwassertiefe zu garantieren. Der König ordnete die Eröffnung der Schifffahrt zwischen Nürnberg und Bamberg für den Mai 1843 an. Diese erfolgte am 6.&nbsp;Mai&nbsp;1843 durch festlich geschmückte Schiffe mit voller Ladung, die in Bamberg unter Kanonendonner nach Nürnberg ablegten. Die Bauarbeiten im südlichen Abschnitt dauerten aufgrund von Hochwassern und Problemen mit der Geologie noch bis 1845. An dem Projekt waren anfänglich 3000 und später zeitweise 9000 Arbeiter beschäftigt. Das Kapital der Aktiengesellschaft, an dem das Königreich Bayern 25 % hielt, betrug 10&nbsp;Millionen [[Gulden]]. Zum Absatz der Aktien wurde mit dem Bankhaus [[Rothschild]] ein Vertrag geschlossen, der diesem eine vierprozentige Verzinsung des Aktienkapitals ab dem 1.&nbsp;Juli&nbsp;1842 versprach, sollte der Kanal bis zu diesem Zeitpunkt nicht vollständig betriebsbereit der Aktiengesellschaft übergeben worden sein. So beliefen sich die Kosten entgegen der geplanten 8&nbsp;Millionen Gulden schließlich auf 17,5&nbsp;Millionen Gulden.<ref name="kanaldoku-ausstellung" /> Im August 1845 konnte der Kanal „''in allen seinen Anlagen und Zubehörungen … als vollendet betrachtet''“ und auch die Strecke Kelheim–Nürnberg eröffnet werden. Am 2. Juli 1846 wurde der Kanal nach insgesamt 10-jähriger Bauzeit an die Aktiengesellschaft übergeben und am 15.&nbsp;Juli&nbsp;1846 erfolgte die feierliche Enthüllung des durch König Ludwig I. gestifteten Kanaldenkmals am [[Erlangen|Erlanger]] [[Erlangen-Burgberg|Burgberg]]. Der König selbst jedoch war bei dieser Feierlichkeit nicht anwesend. Der Entwurf des Monuments stammt von Leo von Klenze, die Figurengruppe von [[Ludwig Michael Schwanthaler]]. [[Datei:Ludwigskanal Denkmal 2.jpg|miniatur|Das Kanaldenkmal in Erlangen, 2008]] Das Kanaldenkmal stellt die Vereinigung von Main und Donau (lat. Moenus et Danubius) durch eine Allegorie der beiden oben auf liegenden Figuren dar, welche sich über ihren [[Quelle]]n die Hand reichen. Die Inschrift lautet: <center>„DONAU UND MAIN<br/>FÜR DIE SCHIFF-FAHRT VERBUNDEN,<br/>EIN WERK VON CARL DEM GROSSEN VERSUCHT,<br/>DURCH LUDWIG I KOENIG VON BAYERN<br/>NEU BEGONNEN UND VOLLENDET<br/>MDCCCXLVI.“</center> == Ausbau und Abmessungen == === Regelquerschnitt des Kanals === [[Datei:Ludwigskanal Kanalbett Querschnitt.svg|miniatur|hochkant=2.5|Regelquerschnitt des Kanalbetts]] Angelegt war der Kanal mit einer Tiefe von 1,46&nbsp;Metern (plus 15&nbsp;Zentimeter wegen eingeplanter Verschlammung) sowie einer Breite von am Wasserspiegel 15,76&nbsp;Metern (54 Bayerische Fuß) und am Grund 9,92&nbsp;Metern (34 Fuß). Die Maße wählte von Pechmann auch, damit das ausweichende Wasser einem Schiff einen möglichst geringen Widerstand entgegensetzt. Dies machte ein Verhältnis von knapp 1:4 zwischen dem Querschnitt des Kanals (220 Quadratfuß ≈ 18,7&nbsp;m²) und dem eines im Wasser liegenden Schiffes (57 Quadratfuß ≈ 4,80&nbsp;m²) nötig. Die gut 26° geneigte Böschung des Kanals wurde vom Wasserspiegel abwärts 4 Fuß gepflastert, um einer Erosion durch Wellenschlag vorzubeugen. Das eigentliche Kanalbett wurde nicht gepflastert oder sonstwie verdichtet. Nach Beobachtungen und eigenen Versuchen hielt von Pechmann es für vollkommen ausreichend, das Wasser einer [[Haltung (Wasserbau)|Haltung]] die ersten Tage mit Tonerde und Straßenschlamm zu versetzen. Der lockere – über weite Strecken sogar sandige – Boden dichtete bis zur Eröffnung dadurch ausreichend ab, wobei Pechmann mit einem Wasserverlust durch Versickern und Verdunsten von der dreifachen Füllmenge pro Schifffahrtsjahr rechnete.<ref name="pechmann-kurze geschichte s.45">[http://www.hansgruener.de/word_d/kanal/pechmann_1854.pdf Heinrich Freiherr von Pechmann: ''Der Ludwig-Canal – Kurze Geschichte seines Baues …'' Nürnberg 1854, S. 45f.] (PDF)</ref> In den tiefen Einschnitten bei Unterölsbach und Dörlbach verzichtete von Pechmann auf Uferböschungen und sparte so insgesamt gut 10&nbsp;m Breite ein. Hier erhielt der Kanal senkrechte Stützmauern. === Regelschiffe auf dem Kanal === [[Datei:Ludwigskanal Alexander Marx 026.jpg|miniatur|Treidelkähne am ''Grubenbachdamm'' bei [[Berg bei Neumarkt in der Oberpfalz|Kettenbach]], Stahlstich (1845) von Alexander Marx]] Die damaligen ''Regelkähne'' des Kanals waren um die 24&nbsp;Meter (80 bis 84 Fuß) lang, ''Langholzkähne'' sollten eine Länge von etwa 30&nbsp;Meter (100 bis 104 Fuß) nicht überschreiten. Die Breite der Schiffe war auf ca. 4,20&nbsp;Meter (14½ Fuß) an der Wasseroberfläche und ca. 4,00&nbsp;Meter (14 Fuß) am Boden begrenzt. Der heute gering erscheinende maximale Tiefgang von etwa 1,16&nbsp;Metern (4 Fuß) war angesichts der etwa 70 Zentimeter Tiefe von Main und Donau für damalige Verhältnisse relativ groß. Die Regelschiffe der Flüsse waren hingegen breiter als der Ludwigskanal. In Kelheim und Bamberg musste die Fracht auf die entsprechenden Schiffe umgeladen werden. Die Kähne des Ludwigskanals konnten bis zu 120&nbsp;Tonnen Fracht befördern. Zum Vergleich: Die Schiffe auf dem heutigen Main-Donau-Kanal gehören der 1200-Tonnen-Klasse an. Die [[Treideln|Treidelpfade]] entlang des Kanals waren auf eine Breite von je gut 2,30&nbsp;Meter, auf Dämmen gut 2,90&nbsp;Meter, angelegt. Entlang des Stillwasserkanals gab es die Pfade an beiden Ufern, an den kanalisierten Flüssen Regnitz und Altmühl nur einseitig. An den Flusskreuzungen gab es [[Fähre|Fährboote]] zum Übersetzen der Pferde. Die Schiffe wurden im Stillwasserkanal meist von einem Pferd, an den Flüssen von bis zu drei Pferden gezogen, obwohl auch Menschen zugelassen waren ([[Treideln]]). Oft hatten die Kähne einen Treidelmast, an dem etwa 40 bis 80&nbsp;Meter lange Seile befestigt waren. Um die Jahrhundertwende ließ die Bedeutung der Treidelpfade nach, da sich der Antrieb per [[Dampfmaschine]] und [[Propeller]] durchsetzte. == Schleusen == [[Datei:Ludwigskanal Alexander Marx 014.jpg|miniatur|Schleuse 7 mit Schleusenwärterhaus an der Altmühl bei [[Riedenburg]], Stahlstich (1845) von Alexander Marx]] Von den einst 100 [[Schiffsschleuse|Schleusen]] sind knapp zwei Drittel heute noch erhalten, einige davon wurden allerdings verfüllt. Die Schleusenkammern waren 4,67&nbsp;Meter (16 Fuß) breit und hatten im Abstand von 34,50&nbsp;Meter (155 Fuß) angebrachte äußere [[Schleusentor|Tore]]. Die meisten Schleusen verfügten über ein drittes Tor, das die Kammer auf ca. 28,30&nbsp;Meter (97 Fuß) verkürzte und bei kürzeren Schiffen einen Sparbetrieb ermöglichte. Dieses dritte Torpaar gab es nicht bei den Schleusen an der Altmühl, den Schleusen an der Regnitz bei Erlangen und Schleuse 100 in Bamberg, weil es dort nicht nötig war, Wasser zu sparen. Der durch die Schleusen jeweils überwundene Niveauunterschied betrug zwischen 2,33&nbsp;Meter und 3,20&nbsp;Meter. Jeder Schleusungsvorgang bedeutete einen Zeitaufwand von etwa 10 bis 15 Minuten. Gegründet wurden die Schleusen auf Holzpfähle, die Mauern bestanden aus Bruchsteinen der Umgebung in Verbindung mit halbhydraulischem Kalk. Die Schleusentore waren aus [[Eichen]]holz und sind heute in den meisten Fällen durch Fallmauern am Oberhaupt ersetzt worden, da sie baufällig waren. === Die Schleusung === Bei der Schleusung wurde zunächst der Wasserausgleich durch ein zahnrad-stangengetriebenes [[Schütz (Wasserbau)|Schütz]] (Schiebeverschluss) im Tor hergestellt und die Tore dann mit Stangen auf- bzw. zugezogen, ohne gegen den Wasserdruck arbeiten zu müssen. Ursprünglich waren die Tore durch lange Balken über das Scharnier hinaus verlängert und mittels dieser als Hebelarme bewegt. Die Balken wurden jedoch schon bald nach Eröffnung abgesägt und durch das Stangenverfahren ersetzt, obwohl es mehr Kraftaufwand bedurfte. Dies ist nur eine von mehreren Änderungen, die sowohl während des Baus als auch danach immer wieder durchgeführt wurden und – nach von Pechmanns Dokumentation – technisch oft nicht nur unnötig sondern sogar kontraproduktiv waren. Verantwortliche hierfür nennt Pechmann nicht, lässt jedoch durchklingen es handelte sich dabei um ''von oben'' protegierte Kollegen. Eine Schleusenfüllung benötigte bis zu 510.000 Liter Wasser. Da es keine [[Sparschleuse|Sparbecken]] gab, floss bei jeder Schleusung der Inhalt einer Schleusenkammer in Richtung Tal ab. Eine der größten Herausforderungen des Projektes bestand deshalb vor allem darin, den Kanal ohne den damals noch aufwendigen Einsatz von [[Schöpfwerk]]en ausreichend mit Betriebswasser zu versorgen. === Die Schleusenwärter === [[Datei:Schleusenwärterhaus (Ludwingskanal).JPG|miniatur|Schleusenwärterhaus der Schleuse 61 bei [[Feucht]], 2007]] An der Strecke standen 69 Schleusen- und Kanalwärterhäuser, die nach einem Musterplan gebaut waren, der im Detail je nach Gelände angepasst werden konnte. Nach Angaben<ref name="pechmann-kurze beschreibung">[http://www.hansgruener.de/word_d/kanal/pechmann_kanaldoku.pdf Heinrich Freiherr von Pechmann: ''Der Ludwig-Canal – Eine kurze Beschreibung dieses Canal’s''. München 1846] (PDF)</ref> von von Pechmann stammte der Musterplan für die einstöckigen Häuser ebenfalls von ihm, erfuhr jedoch eine Korrektur durch den Baukunstausschuss (unter Leo von Klenze), sodass sie „''einen freundlichen und gefälligen Anblick gewähren''“ konnten. Die dazugehörigen Grundstücke waren zum Gemüseanbau und zur Tierhaltung für die dort lebenden Schleusenwärter und Aufseher vorgesehen. Die Schleusenwärter und ihre Gehilfen waren sowohl für die Bedienung der Schleusen (im Schnitt für drei Schleusen), als auch für die Instandhaltung und Pflege des Kanals und seiner Anlagen zuständig. Ganz oben in der Hierarchie standen die Kanalmeister, die alles kontrollierten und überwachten. Sie mussten auch die Grundstückspacht kassieren und das Obst der 40.000 entlang der Strecke gepflanzten Kanalbäume versteigern. Noch erhaltene Schleusenwärterhäuser stehen unter anderem in Nürnberg-Worzeldorf, Burgthann, Sengenthal, Kelheim, Forchheim ({{Coordinate|text=ICON0|NS=49/43/31.94/N|EW=11/3/31.18/E|type=landmark|region=DE-BY|name=Schleusenwärterhäuschen Forchheim}}), [[Schwarzenbruck]] und Bamberg. == Weitere Bauwerke == === Wege- und Straßenbrücken === [[Datei:Ludwigs-Kanal Sorger Brücke.jpg|miniatur|Die ''Sorger Brücke'', 2006]] Auf der gesamten Länge des Kanals gab es knapp 100<ref name="pechmann-kurze geschichte s.38f">[http://www.hansgruener.de/word_d/kanal/pechmann_1854.pdf Heinrich Freiherr von Pechmann: ''Der Ludwig-Canal – Kurze Geschichte seines Baues …'' Nürnberg 1854, S. 38f.] (PDF)</ref> Brücken über den Ludwig-Donau-Main-Kanal, inklusive der Schleusenbrücken waren es sogar 117<ref name="schultheis 1847 s.42">[http://www.hansgruener.de/word_d/kanal/schultheis_1847_ludwigskanal.pdf Friedrich Schultheis: ''Der Ludwig-Kanal – Seine Entstehung und Bedeutung als Handelsstraße''. Nürnberg 1847, S. 42] (PDF)</ref> oder 127<ref name="geschäftsbericht s.1">[http://www.hansgruener.de/word_d/kanal/geschaeftsbericht.pdf Geschäftsbericht 1851, S. 1] (PDF)</ref>. Rund die Hälfte waren steinerne Flachbogenbrücken nach dem Vorbild der ''[[Sorg (Wendelstein)|Sorger]] Brücke'', die anderen – aus Kostengründen – Flachbrücken mit gemauerten Widerlagern und hölzerner Fahrbahn, die für kleinere Straßen zum Einsatz kamen. Bei den meisten Brücken führten die Treidelpfade unter dem Brückenbogen hindurch. Dies hatte den Vorteil, dass die Zugpferde der Schiffe nicht aus- oder umgespannt werden mussten. Daneben gab es auch neun steinerne Rundbogenbrücken ohne darunter verlaufende Treidelpfade, die zu Pechmanns „''Erstaunen und Unwillen''“ während seiner Abwesenheit nach Vorbildern am [[Canal du Rhône au Rhin]] errichtet wurden. Zwei davon sind noch erhalten: bei Schloss Gugelhammer und in der Nürnberger Gartenstadt. An allen Brücken verengte sich der Kanal auf 5,84&nbsp;m Breite.<ref name="pechmann-kurze geschichte s.38f"/> === Brückkanäle === [[Datei:Ludwigs-Kanal Brückkanal Schwarzenbruck von unten.jpg|miniatur|links|hochkant|''Schwarzach-Brückkanal'' bei Schwarzenbruck, 2005]] [[Datei:Brückkanal2.JPG|miniatur|Innenansicht des südlichen Widerlagers des ''Schwarzach-Brückkanals'', 2004]] [[Datei:Gößeltal-Kanalbrücke bei Beilngries.jpg|miniatur|Der ''Gößelthal-Brückkanal'' bei Beilngries, 2009]] Insgesamt wurde der Ludwigskanal zehnmal auf [[Trogbrücke]]n, sogenannten ''Brückkanälen'', über Flüsse, Straßen und Einschnitte geführt. Ursprünglich waren 13 Brückkanäle geplant, die drei größten wurden jedoch aus Kostengründen durch hohe Erddämme ersetzt. Heute sind die beiden unweit voneinander liegenden Brückkanäle über die [[Schwarzach (Rednitz)|Schwarzach]] (17,50&nbsp;Meter hoch, 14,60&nbsp;Meter Spannweite, 90&nbsp;Meter lang) und den Gauchsbach (8,50&nbsp;Meter hoch, 11,60&nbsp;Meter Spannweite, 42,50&nbsp;Meter lang) sowie der Brückkanal über eine kleine Straße bei Beilngries ({{Coordinate|text=DMS|NS=49/03/19.19/N|EW=11/28/02.41/E|type=landmark|dim=100|region=DE-BY|name=Brückkanal Gößelthal}}) erhalten. Beim letztgenannten führt der Kanal allerdings kein Wasser mehr. Der ''Schwarzach-Brückkanal'', der den Kanal bei km&nbsp;95,2 zwischen den Schleusen&nbsp;59 und 60 ({{Coordinate|text=DMS|NS=49/21/19/N|EW=11/12/20/E|type=landmark|dim=100|region=DE-BY|name=Schwarzach-Brückkanal}}) mit einer Höhe von 17,50&nbsp;Metern über den Fluss trägt, gilt als technische Meisterleistung des Projekts. Die insgesamt 90&nbsp;Meter lange Konstruktion aus mit [[Sandstein]]mehl und Kalk verfugten Sandstein-Quadern überspannt das Schwarzachtal mit einem Bogen von 14,60&nbsp;Metern Spannweite. [[Architektur|Architektonisch]] orientierten sich von Pechmann und später der königliche Baurat [[Leo von Klenze]] für ihre Pläne an römischen [[Aquädukt]]en. Dieser Brückkanal verursachte jedoch auch den größten Rückschlag des Projekts, als er, bereits 1841 fertiggestellt, 1844 nach einigen Reparaturversuchen fast vollständig abgetragen werden musste. Der Grund dafür war das zur Füllung des Raums zwischen den Flügelmauern der Südseite verwendete Material aus [[Tonmineral|toniger]] Erde und Sand das beim Ausgraben des Kanals anfiel. Es quoll bei der ersten Wasserung 1843 auf, verursachte bereits Stunden danach Risse in den Außenmauern und drohte, diese ganz zu sprengen. Von Pechmann hatte ein Aufquellen zwar vorhergesehen und deshalb zur Stabilisierung eine Verbindung der Mauern mittels eiserner Mauerhaken eingeplant, jedoch die auftretenden Kräfte unterschätzt. Das nördliche auf Fels gegründete [[Widerlager (Brückenbau)| Widerlager]] war mit Sand vom rechten Ufer gefüllt gewesen und deshalb unbeschädigt geblieben. Beim Neuaufbau auf den alten Fundamenten wurde das Innere der Brücke dann hohl gelassen und die Widerlager mit Gewölben abgeschlossen. Während das auf der Nordseite ein kleiner Raum mit einem Spitzbogen ist, erinnert die Halle auf der Südseite an eine gotische Kathedrale. Größere, heute nicht mehr vorhandene Trogbrücken waren der ''Dooser Brückkanal'' an der Nürnberg/Fürther Stadtgrenze über die Pegnitz sowie der siebenbogige Truppach-Brückkanal über die [[Wiesent (Fluss)|Wiesent]] bei Forchheim. === Dämme und Einschnitte === [[Datei:Ludwigskanal Alexander Marx 020.jpg|miniatur|Der ''Distellochdamm'', Stahlstich (1845) von Alexander Marx]] [[Datei:LudwigKanal.jpg|miniatur|Der ''Unterölsbacher Einschnitt'', 2002]] Drei Dämme entstanden, um zunächst geplante Trogbrücken zu ersetzen. Die weiteren etwa 70 Dämme führten den Kanal über flaches Gelände oder schützten ihn im Bereich der Altmühl und der Regnitz vor dem fast jährlich stattfindenden Hochwasser. Straßen und Gewässer konnten in diesen Fällen den Kanal durch kostengünstige Tunnelbauten, sogenannte Durchlässe, queren. Die höchsten noch erhaltenen Dämme des Kanals sind * der ''Kettenbachdamm'' (18,5&nbsp;Meter hoch, 435&nbsp;Meter lang) und der ''Gruberbachdamm'' mit Durchlässen für den Kettenbach und den Gruberbach bei Berg bei Neumarkt in der Oberpfalz (km&nbsp;76). * Der ''Schwarzenbachdamm'' (km&nbsp;84,2) mit Straßendurchlass und der ''Distellochdamm'' (km&nbsp;84,8, 20&nbsp;Meter hoch, 319&nbsp;Meter lang) mit Durchlass für den Tiefenbach bei Schwarzenbach (Burgthann). Um höher gelegene Landschaftsabschnitte ohne Schleusen zu durchqueren, mussten an manchen Stellen sogenannte Einschnitte geschaffen werden. Bis auf den ''Dörlbacher Einschnitt'', für den ein von der Nürnberger ''Maschinenfabrik Wilhelm Späth'' konstruierter [[Bagger|Schaufelbagger]] mit [[Dampfmaschine]]nantrieb zum Einsatz kam, wurden die Einschnitte von Hand gegraben. Die tiefsten Einschnitte waren * der ''Unterölsbacher Einschnitt'' (23&nbsp;Meter tief, 580&nbsp;Meter lang) bei km&nbsp;78,9. * der ''Dörlbacher Einschnitt'' (14,50&nbsp;Meter tief, 870&nbsp;Meter lang) bei km&nbsp;82,1. * der ''Buchberger Einschnitt'' bei km&nbsp;64,1. == Wasserhaushalt == [[Datei:Ludwigskanal Überlauf Schleuse 25.jpg|miniatur|links|Zwangsentlastung bei Schleuse 25 in den Durchlass des Entengrabens, 2008]] [[Datei:Ludwigs-Kanal Sicherheitstor.jpg|miniatur|Sicherheitstor zwischen Schleuse 64 und 65 bei Kleinschwarzenlohe, 2005]] Das Wasser des Kanals stammte hauptsächlich aus der [[Schwarzach (Altmühl)|Schwarzach]]/[[Pilsach]]-Einleitung am Hafen von Neumarkt in der Oberpfalz. Auch vom Gauchsbach bei Feucht und vom [[Dillberg]] transportierten Leitgräben Wasser in den Kanal. Der Pilsach-Leitgraben ist der einzige, aus dem heute noch ständig Wasser eingeleitet wird, ca. 250&nbsp;l pro Sekunde. Die gesamte Scheitelhaltung ist knapp 60&nbsp;cm tiefer ausgelegt, wodurch ein Reservoir von gut 200.000m³ Wasser zur Verfügung stand. Im Stillwasserkanal konnte der Wasserstand durch die Schleusen geregelt werden. Um Wasser bei zu starkem Zulauf auch wieder geregelt ablaufen lassen zu können, wurden 32 sogenannte ''Zwangsentlastungen'' (Überläufe) eingebaut. Durch flache Stellen in der Böschung lief überschüssiges Wasser einfach ab. Daneben gab es insgesamt 38 sogenannte Grundablässe, um eine Haltung für Wartungsarbeiten trockenlegen zu können. Das Wasser konnte hier durch Öffnungen in einen Bach oder Fluss abgelassen werden.<ref name="grundablässe">[http://www.hansgruener.de/docs_d/kanal/grundablass.htm Grundablässe]</ref> Einer dieser Grundablässe liegt zwischen dem Brückkanal über die Schwarzach und der benachbarten Schleuse 59 auf der Südseite der Brücke. Über ihn kann Wasser durch einen schmalen, gemauerten Kanal in die tiefer liegende Schwarzach abgeleitet werden. Im Bereich von Altmühl und Regnitz konnte der Wasserpegel in einer gewissen Bandbreite durch Stauwehre reguliert werden. Sie befanden sich meist auf Höhe einer Schleuse und dienten auch zum Schutz der Schleusen vor Hochwasser. In längeren Kanalabschnitten sowie vor und nach Dämmen befanden sich [[Sicherheitstor]]e. Im Falle eines Lecks, beispielsweise durch einen Dammbruch, schlossen sich die Tore durch die entstehende Strömung selbständig und verhinderten so ein Auslaufen des Kanals. Diese Tore waren im Normalbetrieb offen, wurden jedoch gelegentlich durch Öffnen der bergab liegenden Schleuse geschlossen. So konnten bei gesenktem Wasserspiegel beispielsweise Wartungsarbeiten durchgeführt werden. Die in die Tore eingebauten [[Plattenschütz]]e dienten zum Wiederbefüllen eines entleerten Kanalabschnitts und dazu, den Wasserzufluss zu regulieren. == Betrieb == === Häfen und Landestellen === [[Datei:Ludwigs Kanal Hafen Kelheim und letzte Schleuse.jpg|miniatur|Schleuse 1 und Kanalhafen in Kelheim, 2007]] [[Datei:Ludwigskanal Alexander Marx 018.jpg|miniatur|Der Kanalhafen von Neumarkt in der Oberpfalz, Stahlstich (1845) von Alexander Marx]] Zum Be- und Entladen der Schiffe gab es am Ludwigskanal ursprünglich, das heißt bei Eröffnung, 7 Häfen und 15 weitere Anlandeplätze, genannt Länden. Letztere wurden mit von Pechmanns Worten ''„dadurch gebildet, dass man dort statt der Uferböschung eine etwa 58&nbsp;m lange senkrechte Kaimauer als Ufer errichtete, diese etwas nach hinten versetzte und dadurch das Kanalbett um den gleichen Betrag verbreitete.“'' Viele Länden entstanden alleine auf Betreiben von am Kanal liegenden Gemeinden oder Unternehmen. Solche Länden fanden bzw. finden sich beispielsweise in [[Wendelstein (Mittelfranken)|Wendelstein]], Pfeifferhütte, Rasch und [[Berching]]. Für ihre Benutzung erhob man keine Gebühren, es reichte die mündlich erteilte Erlaubnis des Schleusen- oder Kanalwärters. Die verladenen Güter variierten je nach Region, so war die Lände Pfeifferhütte vor allem Umschlagplatz für Getreide, in Worzeldorf wurden vor allem Steine aus dem nahen Steinbruch und Ziegelsteine für den Transport nach Nürnberg verladen. Mit der Zeit stieg der Bedarf für solche Länden allerdings anscheinend, so listet der ''Führer über die deutschen Wasserstraßen'' von 1893 derer bereits 27. Häfen waren meistens beiderseitige Verbreiterungen der Haltung auf unterschiedlicher Länge mit senkrechten Kaimauern und verfügten über Lagergebäude. Als wichtigster Ort am Kanal galt Nürnberg, das über den größten Hafen (ca. 50&nbsp;m&nbsp;× 300&nbsp;m) am Ludwigskanal verfügte. Die alten Kanalhäfen von Kelheim, Beilngries, Neumarkt in der Oberpfalz, Worzeldorf und Bamberg existieren heute noch. Alte Fotos zeigen, wie wenig sich dort über die Jahre geändert hat: Lagerhalle, Schleusenwärterhaus, Hafenbecken, Schleuse und Ladekräne sind weitgehend im Originalzustand erhalten geblieben. Weitere wichtige Häfen befanden sich in Fürth, Erlangen und Forchheim. Zum Be- und Entladen kamen hauptsächlich von der Späthschen Maschinenfabrik konstruierte und gefertigte Kräne mit einer Tragkraft von 30 Zentnern zum Einsatz. Sie stehen auch heute noch an mehreren Stellen am Kanal und werden vor allem im Hafen Neumarkt noch von der dortigen Flussmeisterei genutzt. Für jeden Hafen war ein Hafenmeister zuständig, dessen Funktion auch einem Schleusen- oder Kanalwärter übertragen werden konnte. Allerdings war es – wenn auch an den schrägen Böschungen und ohne Kräne schwieriger – auch ohne speziellen Anlandeplatz möglich, an jedem gewünschten Punkt am Kanal festzumachen und Ladung zu übernehmen oder zu löschen. Der Schiffer brauchte dies nur rechtzeitig der Kanaldirektion mitzuteilen, die Genehmigung für das Anlegen außerhalb von Länden und Häfen war allerdings gebührenpflichtig, es wurde dafür eine sogenannte ''Böschungsgebühr'' erhoben. === Wirtschaft === [[Datei:Ludwigskanal Transportmengen Ergebnisse 1843-1912.svg|miniatur|hochkant=1.5|Transportierte Mengen und Betriebsergebnisse des Ludwigskanals (1843 bis 1912)]] [[Datei:Kanalhafen Nuernberg 1.jpg|miniatur|''Am Canalhafen naechst der Leonharder Straße'', Bleistiftzeichnung (1843) von [[Georg Christoph Wilder]]]] [[Datei:4 Verkehrswege.jpg|miniatur|Blick vom [[Burgberg (Erlangen)|Erlanger Burgberg]] auf Regnitz, Ludwig-Donau-Main-Kanal, Chaussee und Ludwig-Süd-Nord-Bahn, um 1900]] [[Datei:Bamberg05.jpg|miniatur|Historischer Kran am ehemaligen Hafen ''Am Kranen'' in Bamberg, 2007]] Bei einer Geschwindigkeit von 3 km/h eines pferdegezogenen Schiffes dauerte eine Fahrt von Kelheim bis Bamberg, einschließlich 10 bis 15 Minuten pro Schleusung und Nachtruhe, etwa sechs Tage. Von [[Amsterdam]] bis nach [[Wien]] war man mit dem Schiff gute zwei Monate unterwegs. Der Betrieb des Kanals sollte sich für die Investoren auch lohnen. Deshalb wurden für die Benutzung des Ludwigskanals und seiner Häfen Gebühren erhoben, die in Gebührenordnungen veröffentlicht wurden. Den Kanalgebühren unterlag jedes den Kanal befahrende Schiff, den Hafengebühren nur jene, welche sich in einem Hafen aufhielten. Die Gebührenordnungen waren umfangreiche und detaillierte Aufstellungen. Beladene Schiffe waren in der ersten Gebührenordnung von 1843 nach geladenem Gut in zehn verschiedene Klassen eingeteilt für die die Kanalgebühren pro Zentner und [[Alte Maße und Gewichte (Bayern)#Die alten, duodezimalen Längenmaße|Meile]] der Fahrt von 0,1 bis 1,3 [[Kreuzer (Münze)|Kreuzer]] reichten. Für leere Schiffe waren die Gebühren in sechs Größenklassen gestaffelt und reichten pro Meile von 8 bis 40 Kreuzer. Der zu zahlende Mindestbetrag war der eines unbeladenen Schiffes der jeweiligen Klasse, war also auch für nur wenig und mit geringem Wert beladene Schiffe zu zahlen.<ref name="Kanalgebühren">[http://www.hansgruener.de/docs_d/kanal/dokumente_kanalordnung_kanalgebuehren.htm Kanalgebühren von 1843]</ref> Bereits 1846 gab es die erste Gebührensenkung mit einer Konsolidierung auf nur mehr 5 Güterklassen mit Gebühren von 0,2 bis 0,5 Kreuzer pro Zentner, 1853, 1860 und 1863 folgten weitere Senkungen.<ref name="Geschäftsbericht">[http://www.hansgruener.de/word_d/kanal/geschaeftsbericht.pdf Geschäftsbericht 1851] (PDF)</ref> Als grober Anhaltspunkt: 1850 kostete eine Maß Bier 5 Kreuzer. Beladene und unbeladene Schiffe hatten die Kanalgebühr an der ersten von ihnen berührten Erhebungsstelle für die ganze Kanalstrecke, die sie mit unveränderter Ladung zurücklegten, zu entrichten. Schiffe, die auf ihrer Fahrt keine Erhebungsstelle berührten, bezahlten die Kanalgebühren vor ihrer Abfahrt an der dem Abfahrtsort nächstliegenden Erhebungsstelle. Hafengebühren entstanden für alle Schiffe, die geschäftlich im Hafen lagen. Solange ein Schiff beladen war oder mit Aus-, Ein- oder Umladen beschäftigt war, lagen die Gebühren 1843 je nach Schiffsklasse zwischen 4 und 20 Kreuzer pro Tag, für leere Schiffe fiel die Hälfte an. Lag ein Schiff nur für die Nacht oder weniger als 18 Stunden im Hafen, fielen keine Hafengebühren an. Darüber hinaus fielen für das Ein- oder Ausladen von Gütern sogenannte Krangebühren an (gestaffelt nach Warenklasse), zusätzlich Waaggebühren (0,2 Kreuzer pro Zentner) wenn die Hafenwaagen benutzt wurden. Der Arbeitsaufwand des Ein-, Aus- und Umladens wurde ebenfalls nach Gewicht berechnet, sofern er nicht vom Schiffspersonal erledigt wurde. Wurden Waren auf dem Hafengelände (unter freiem Himmel oder im Lagerhaus) gelagert, wurde dies ebenfalls pro angefangenem Monat berechnet. 1852 beliefen sich die gesamten Einnahmen auf 160.671 Gulden wobei der Anteil an Schifffahrtsgebühren 145.849 Gulden, Hafen- und Überwinterungsgebühren 1.506 Gulden und Lager- und Lagerhausgebühren 6.583 Gulden betrug. Auf der Ausgabenseite liefen im gleichen Jahr 94.145 Gulden auf.<ref name="Geschäftsbericht" /> Die geplante jährliche Transportmenge auf dem Kanal lag bei 100.000 Tonnen, wobei das Kanaljahr von März bis November ging, im Winter ruhte der Betrieb. Im ersten vollen Betriebsjahr 1847 wurden gut 175.000 Tonnen befördert, bis 1850 stieg die Menge weiter bis auf knapp 196.000 Tonnen, womit aber auch schon der Höchststand erreicht war. Einem Tiefstand 1853/54, der durch eine Gebührensenkung aufgefangen werden konnte, folgten noch einmal zehn transportstarke Jahre, dann setzte jedoch ein bis 1895 dauernder Trend nach unten ein. Mit einem fünfjährigen Zwischenhoch um 1900 ging die Menge noch einmal von gut 80.000 auf 150.000 Tonnen hoch, sank danach aber bis 1912 auf gut 60.000 Tonnen ab. 1925 waren es rund 22.000 Tonnen und 1940 rund 35.000 Tonnen.<ref name="denkschrift">[http://www.hansgruener.de/word_d/kanal/ludwigs_kanal_ausbau_1914.pdf ''Denkschrift über den Ludwig-Donau-Main-Kanal''. München 1914, S.&nbsp;18&nbsp;ff.] (PDF)</ref> Die transportierte Fracht setzte sich hauptsächlich aus Holz, Steinen, Kohle und Agrarprodukten zusammen. Das Geschäftsergebnis verlief nicht ganz parallel. Nach Anfangsverlusten konnten von 1850 bis 1863 durchgehend Gewinne ausgewiesen werden, wenn sie mit rund 50.000 Gulden pro Jahr auch verhältnismäßig klein waren. Danach kam man nicht mehr aus der Verlustzone. Bis 1912 lief ein Gesamtverlust von 2,9 Millionen Gulden auf. Ein Grund dafür waren die mehrmals nötigen – teils erheblichen – Gebührensenkungen um konkurrenzfähig zu bleiben.<ref name="denkschrift" /> Dafür war einerseits die zunehmende Verbreitung der [[Eisenbahn]], wie die fast zeitgleich errichtete und streckenweise parallel zum Kanal verlaufende [[Bahnstrecke Nürnberg–Bamberg]] der [[Ludwig-Süd-Nord-Bahn]], verantwortlich. Ein anderer wesentlicher Grund lag aber darin, dass kein durchgehender Schiffsverkehr zwischen Rhein und Donau möglich war. Die Rhein und Donau befahrenden Schiffe waren zu breit für den Kanal und die eigens für den Kanal gebauten Schiffe hatten für Main und Donau einen zu großen Tiefgang. Bereits in den 1890er Jahren gab es Ideen für einen neuen, größeren Main-Donau-Kanal, für den auch [[Ludwig III. (Bayern)|Prinz Ludwig von Bayern]] 1891 eintrat. Die Realisierung eines solchen sollte jedoch bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts dauern. Die Nutzung der Treidelpfade als idyllisch gelegene Wander- und Radwege ist eine Entwicklung, die schon um die Jahrhundertwende stattfand. Die Hektik der sich immer mehr entwickelnden Industrie und des rasch anwachsenden Autoverkehrs ging am alten Kanal fast vollständig vorbei. Zeitgenössischen Zeitungsartikeln zufolge wurde der Kanal von der Bevölkerung nicht mehr hauptsächlich als Verkehrsweg angesehen, sondern als Ausflugsziel, als Ort zum Schwimmen und Fischen. Die wirtschaftliche Bedeutung sank, der Freizeitwert stieg. In Büchern und von Zeitzeugen als legendär beschrieben werden die sogenannten ''Schlagrahmdampfer'', mit denen Ausflügler im lokalen Verkehr für wenige [[Pfennig]]e zu Kaffee und Kuchen in Kanallokale geschippert wurden. Die [[Nationalsozialismus|Nationalsozialisten]] erklärten diese Personenschifffahrt auf dem Ludwigskanal in den 1930er Jahren jedoch zum unerwünschten Luxus und stellten die Dampferfahrten ein. Eine der letzten Nutzungen als Wasserstraße waren 1944 Überführungsfahrten einiger [[Schnellboot]]e in Richtung Schwarzes Meer. == Stilllegung und heutige Nutzung == [[Datei:2007-06-14 Nürnberg-Rothenburger Straße.JPG|miniatur|links|Der mit Schilf bewachsene Mittelstreifen des Frankenschnellwegs in Nürnberg erinnert noch heute an den Verlauf des Kanals.]] [[Datei:LudwigDonauMainKanal Neumarkt2.jpg|miniatur|Flachbrücke über den Kanal bei Loderbach (Berg bei Neumarkt in der Oberpfalz)]] [[Datei:Ludwigs Canal.jpg|thumb|Radweg am Kanal bei Neumarkt in der Oberpfalz]] [[Datei:SchwarzenbachSchiff.jpg|miniatur|Das Kanalschiff ''Elfriede'' in der Scheitelhaltung bei Schwarzenbach, 2008]] [[Datei:Muehlhausen Treidelboot1.jpg|miniatur|Das Kanalschiff ''Alma-Viktoria'' in der Schleuse 25 bei Mühlhausen, 2008]] Während des [[Zweiter Weltkrieg|Zweiten Weltkrieges]] gab es bereits erste Planungen, den Kanal aufzulassen und das Bett zwischen Forchheim und Nürnberg als Trasse für eine [[Reichsautobahn]] zu verwenden. Im Krieg wurde auch der Kanal und seine Bauwerke nicht verschont – es gab einige wenige Treffer der Alliierten und vor allem im Bereich Fürth zum Ende hin noch Brückensprengungen durch die [[Wehrmacht]]. Die Beschädigungen des Zweiten Weltkrieges am Ludwigskanal wurden recht schnell beseitigt, obwohl nach Kriegsende nicht ganz klar war, wie es mit dem Kanal weitergehen sollte. Abschnittsweise fuhren noch Transportschiffe, die vor allem Baumaterial und Schutt transportierten. Schon 1950 wurde das Bauwerk aber endgültig aufgelassen, teilweise trockengelegt und insbesondere zwischen Nürnberg und Bamberg abgetragen und überbaut. Seit den 1960er Jahren verläuft hier die Autobahn A 73 auf weiten Teilen der alten Kanaltrasse. Der letzte große Eingriff erfolgte durch den Bau des Main-Donau-Kanals im Ottmaringer Tal und im [[Altmühltal]], wodurch der Kanalabschnitt samt den Schleusen 2, 3, 7, 8, 9 und 15 bis 21 zerstört wurde. In den 1970er Jahren wurde der Kanal mit Inkrafttreten des bayerischen Denkmalschutzgesetzes (1973) in seinen Teilabschnitten systematisch als Streckendenkmal erfasst und unter [[Denkmalschutz]] gestellt. Da noch einige Teilbereiche in der Denkmalliste fehlten, erfolgte in den frühen 1980er Jahren eine Nacherfassung. Eigentümer der einst königlichen Anlagen ist heute der Freistaat Bayern, verwaltet werden sie von den regional zuständigen [[Wasserwirtschaftsamt|Wasserwirtschaftsämtern]]. Zu den Aufgaben der ihnen untergeordneten Flussmeistereien zählt die Durchführung der nötigen Instandhaltungsarbeiten des insgesamt relativ pflegeleichten Bauwerks. Darunter fallen die Übergänge an den Schleusen, die Brückkanäle, das Renovieren der Schleusenkammern und Ersetzen des alten Baumbestandes am Kanal. Ebenso muss das Kanalbett von Zeit zu Zeit von angesammelten Wasserpflanzen und Schlamm befreit werden. Im Winter muss, damals wie heute, das Eis an den Brückkanälen zerstoßen werden, damit die sich ausdehnende Eisschicht die Bauwerke nicht beschädigt. Bis in die frühen 1980er Jahre hinein wurden nur die nötigsten Arbeiten zur Erhaltung erledigt, seitdem wird die Pflege intensiver. So wurden 1986 der Gauchsbach- und der Schwarzach-Brückkanal saniert und die Tröge mit Bitumenbahnen abgedichtet. Ebenso funktionieren einige Schleusen noch und wurden durch das Einsetzen neuer Schleusentore teilweise sogar wieder funktionsfähig gemacht. Dies sind momentan (Mitte 2008) die Schleusen 100, 68, 58, 33, 32, 30, 26, 25, 24, 12 und 1. Im Gegensatz zu früher – damals wurde [[Carbolineum|Teeröl]] verwendet – dürfen heute zum Schutz des Holzes keine Imprägniermittel mehr eingesetzt werden. Das Holz altert somit recht schnell, und Tore müssen nach maximal 20 Jahren ausgetauscht werden. In den meisten Schleusen wurde daher das Tor am Oberhaupt durch eine Fallmauer aus Beton ersetzt und am Unterhaupt ersatzlos entfernt. Auch heute noch wichtig sind die vorgenannten Sicherheitstore, die deshalb auch regelmäßig erneuert werden. Die noch bestehenden Teilstücke sind für Ausflügler interessant und gut in Rad- und Fußwanderwege eingebunden. So liegen am Schwarzach-Brückkanal Start- und Zielpunkt eines sechs Kilometer langen, vom Wasserwirtschaftsamt Nürnberg als Lehrpfad angelegten Rundwegs. Das Teilstück von Worzeldorf bis Neumarkt gehört zum [[5-Flüsse-Radweg]]. Die einzigen noch regelmäßig auf dem Kanal verkehrenden Schiffe sind zwei Treidelschiffe der Wasserwirtschaftsämter Nürnberg und Regensburg, die in den Frühjahrs- und Sommermonaten kurze Fahrten für Touristen anbieten. Die ''Elfriede'' verkehrt in einem Abschnitt der Scheitelhaltung bei Schwarzenbach, die ''Alma-Viktoria'' in den Haltungen der Schleusen 24 und 25 bei Mühlhausen. Seit 1995 befindet sich im Südflügel der Burg [[Burgthann]] das ''Bayerische Ludwig-Donau-Main-Kanal-Museum''. In weiteren Gemeinden gibt es mittlerweile ernsthafte Planungen für Kanalmuseen. Einer der Standorte ist die im aufgelassenen nördlichen Teil gelegene {{Coordinate|text=Schleuse 94|NS=49/45/41.68/N|EW=11/2/46.88/E|type=landmark|region=DE-BY|name=Schleuse 94}} bei [[Eggolsheim]]. == Kunst am Kanal == [[Datei:Kunst-Am-Kanal_StapelungDrei1.jpg|miniatur|Skulptur ''Stapelung 3'' am Ludwigskanal bei Berg bei Neumarkt in der Oberpfalz, 2007]] Im [[Landkreis Neumarkt in der Oberpfalz]] existiert seit 2003 das ''Projekt [[Kunst am Kanal]],'' in dessen Rahmen bisher drei Skulpturen(gruppen) am Ludwigskanal gestaltet wurden. Dies sind ein Stelenfeld zwischen Berg und Neumarkt an der Straße nach Beckenhof sowie die ''Himmelsleiter'' südlich der Verbindungsstraße vom Berger Ortsteil Unterölsbach nach Reichenholz in der Gemeinde [[Burgthann]]. Die ''Stapelung 3'' genannte Holzkonstruktion an der Heinrichsburgbrücke bei [[Berg bei Neumarkt in der Oberpfalz]] wurde am 1. März 2008 durch den [[Orkan Emma]] zerstört. == Siehe auch == * [[Main-Werra-Kanal]] == Literatur == * {{Meyers Online|10|980}} * Georg [[Dehio]]: ''Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler. Bayern.'' Band 1: ''Franken''. 2. durchgesehene und ergänzte Auflage. Deutscher Kunstverlag, München u. a. 1999, ISBN 3-422-03051-4, S. 592f. * Friedrich Birzer: Der Ludwigs-Donau-Main-Kanal, baugeologisch betrachtet. Mit 12 Abb. In: ''Geologische Blätter für Nordost-Bayern und angrenzende Gebiete'' 1, 1951, 1, {{ISSN|0016-7797}}, S. 29–37. * Friedrich Birzer: ''Der Kanalbauversuch Karls des Großen''. Mit 2 Abb. In: ''Geologische Blätter für Nordost-Bayern und angrenzende Gebiete'' 8, 1958, 4, {{ISSN|0016-7797}}, S. 171–178. * Friedrich Birzer: ''Die Dammrutschungen am Ludwigskanal bei Ölsbach''. Mit 5 Abb. im Text. In: ''Geologische Blätter für Nordost-Bayern und angrenzende Gebiete'' 24, 1974, 4, {{ISSN|0016-7797}}, S. 285–291. * Friedrich Birzer: ''Der Schwarzach-Brückkanal''. Mit 6 Abb. im Text. In: ''Geologische Blätter für Nordost-Bayern und angrenzende Gebiete'' 30, 1980, 3/4, {{ISSN|0016-7797}}, S. 196–202. * Bruno von Freyberg: ''Funde und Fortschritte zur Erdgeschichte beim Bau des Ludwig-Donau-Main-Kanals''. Mit 4 Abb. im Text. In: ''Geologische Blätter für Nordost-Bayern und angrenzende Gebiete'' 22, 1972, 2/3, {{ISSN|0016-7797}}, S. 100–125. * W. Kanz, W. A. Schnitzer: ''Tropfsteinbildungen und Wasserchemismus im Entwässerungsstollen des Ludwigskanals bei Ölsbach (Bl. 6634 Altdorf bei Nürnberg)''. Mit 3 Abb. und 2 Tab. im Text. In: ''Geologische Blätter für Nordost-Bayern und angrenzende Gebiete'' 28, 1978, 2/3, {{ISSN|0016-7797}}, S. 136–146. * Herbert Liedel, Helmut Dollhopf: ''Der alte Kanal damals und heute. Ludwig-Donau-Main-Kanal.'' Stürtz Verlag, Würzburg 1981, ISBN 3-8003-0154-7. * Herbert Liedel, Helmut Dollhopf: ''150 Jahre Alter Kanal.'' W. Tümmels Verlag, Nürnberg 1996. ISBN 3-921590-41-8 === Karten === * Bayerisches Landesvermessungsamt: ''Umgebungskarte - Topographische Karten Bayern.'' Naturpark Altmühltal, Östlicher Teil - Parsberg, Riedenburg, Mainburg, Regensburg-West, Kelheim. Altmühl-Panoramaweg, Jakobsweg, Juraweg. Mit Wanderwegen u. Radwanderwegen. UTM-Gitter f. GPS. Die Karte des Naturparks Altmühltal. 1: 50.000. ISBN 3-86038-422-8 * Bayerisches Landesvermessungsamt: Topographische Karte 1: 25.000 (TK 25) (''in der Reihenfolge des Streckenverlaufs von Kelheim nach Bamberg''): ** 7037 Kelheim, 7036 Riedenburg, 7035 Schamhaupten, 6935 Dietfurt a.d. Altmühl, 6934 Beilngries, 6834 Berching, 6734 Neumarkt i.d.OPf., 6634 Altdorf b. Nürnberg, 6633 Feucht, 6632 Schwabach, 6532 Nürnberg, 6531 Fürth, 6431 Herzogenaurach, 6331 Röttenbach, 6332 Erlangen Nord, 6232 Forchheim, 6132 Buttenheim, 6131 Bamberg Süd, 6031 Bamberg Nord. == Weblinks == {{Commons|Ludwigskanal}} * [http://www.hansgruener.de/kanal.htm Hans Grüners „Der Alte Kanal“ – reich bebildert und mit Dokumenten u.&nbsp;a. von Pechmanns als PDF] * [http://www.pasta.franken.de/kanal/index.htm Gerhard Wilhelms Kanalseiten] * [http://www.andre-kraut.de/kanal/index.html Kanalseiten von André Kraut] * [http://www.nuernbergluftbild.de/index.php?main=1&news=35 Eine Hubschrauber-Wanderung entlang des alten Kanals] * [http://www.eyrich-net.org/gedaten.html#ludwigskanal Verlauf des Ludwigskanals für Google Earth] == Einzelnachweise == <references/> {{Exzellent}} [[Kategorie:Kanal in Bayern]] [[Kategorie:Ehemaliger Kanal]] [[Kategorie:Flusssystem Regnitz|KLudwigskanal]] [[Kategorie:Geographie (Nürnberg)]] [[Kategorie:Landkreis Nürnberger Land]] [[Kategorie:Ehemaliges Bauwerk in Bayern]] [[Kategorie:Erbaut in den 1840er Jahren]] [[fr:Canal Ludwig]] pjqyslxwjjbui6qeqyt7x7meior1fwk wikitext text/x-wiki Luftangriffe auf Dresden 0 23868 26463 2010-05-06T07:46:17Z Sargoth 0 Änderung 74002042 von [[Special:Contributions/Sargoth|Sargoth]] wurde rückgängig gemacht. [[Datei:Bundesarchiv Bild 183-Z0309-310, Zerstörtes Dresden.jpg|thumb|upright=2.0|Blick vom Rathausturm über den [[Pirnaischer Platz|Pirnaischen Platz]] auf die zerstörte Innenstadt Dresdens nach den Luftangriffen]] '''Luftangriffe auf Dresden''' wurden im [[Zweiter Weltkrieg|Zweiten Weltkrieg]] von der [[Royal Air Force]] (RAF) und der [[United States Army Air Forces]] (USAAF) auf den Großraum [[Dresden]] geflogen. Davon sind die vier Angriffswellen vom 13. bis 15. Februar 1945 in die Geschichte eingegangen. Während früher oft sechsstellige Opferzahlen propagiert wurden, kamen nach neuesten historischen Untersuchungen mindestens 18.000, höchstens 25.000 Menschen durch diese Angriffe ums Leben.<ref>[http://www.dresden.de/de/02/110/03/c_015.php?shortcut=historikerkommission Gesammelte Unterlagen der Stadt Dresden zu den Forschungsergebnissen der Historikerkommission], 17. März 2010</ref> Große Teile der Innenstadt und der industriellen und militärischen [[Infrastruktur]] Dresdens wurden zerstört. Diese Angriffe waren nicht die schwersten im [[Luftkrieg im Zweiten Weltkrieg]]. Doch veranlassten oft gerade sie Kritik an der alliierten [[Kriegführung]] seit 1942, besonders an der britischen ''[[Area Bombing Directive]]''. Diskutiert wird, ob solche [[Flächenbombardement]]s militärisch notwendig und zweckmäßig waren sowie ob sie [[Ethik|ethisch]] als [[Verbrechen]], rechtlich als [[Kriegsverbrechen]] zu werten sind. == Hintergründe und Ziele == [[Datei:Second world war europe 1943-1945 map de.png|thumb|Kriegsverlauf 1943 bis 1945]] Im Herbst 1944 und im darauffolgenden Winter rückten die [[Alliierte]]n langsamer vor als von den Nationalsozialisten erwartet. Obwohl die deutschen Truppen in Europa verstreut und teilweise voneinander isoliert waren, scheiterte die [[Operation Market Garden]] zunächst. Anschließend gelang es den Deutschen, ihre Truppen zur [[Ardennenoffensive]] zusammenzuführen. Der [[Krieg gegen die Sowjetunion 1941–1945#1945|sowjetische Vormarsch]] stockte 1944 in [[Ostpreußen]] und [[Ungarn]] und kam an der Oder im Februar 1945 zunächst zum Stillstand; zu „Festungen“ ausgebaute Städte wie [[Breslau]], [[Königsberg (Preußen)|Königsberg]] und weitere wurden noch immer von den Deutschen gehalten. Der Dresdner [[Gauleiter]] [[Martin Mutschmann]] freute sich noch Weihnachten 1944, sein „Volk wieder im Angriff zu sehen“.<ref>''Dresdner Zeitung'' vom 23. Dezember 1944, zitiert in Matthias Neutzner: ''Die Erzählung vom 13. Februar. Dresdner Hefte, Bd. 84: ''Mythos Dresden'', ISBN 3-910055-79-6</ref> Zum Jahresbeginn 1945 war das Kriegsende für damalige Zeitzeugen also noch nicht eindeutig abzusehen.<ref>Victor Klemperer: ''Ich will Zeugnis ablegen bis zum letzten – Tagebücher 1933–1945.'' Aufbau Verlag, Berlin 1995, ISBN 3-351-02340-5</ref> Anfang 1945 begann die Entscheidungsschlacht der Alliierten gegen das NS-Regime. Die Westalliierten hatten im November 1944 den [[Rhein]] erreicht und konzentrierten sich ab Februar 1945 auf die Eroberung des [[Ruhrgebiet]]s. Die [[Rote Armee]] war bis Ende Januar 1945 auf der geografischen Breite Berlins an die [[Oder]] vorgedrungen und stand kurz davor, [[Schlesien]] zu erobern. Von dort flohen Millionen Deutsche vor allem nach [[Mitteldeutschland]]. Versprengte [[Wehrmacht]]seinheiten versuchten, Wiederaufstellungsräume hinter der noch ungefestigten sowjetischen Frontlinie zu erreichen. Im Februar und März wuchs die Sowjetarmee auf die für die [[Schlacht um Berlin]] notwendige Stärke an. Seit März 1944 besaßen die Westalliierten die [[Luftüberlegenheit]] über Deutschland und den besetzten Gebieten. Sie nutzten diese zu Luftangriffen gegen Militär-, Verkehrs- Verwaltungs- und Regierungeinrichtungen, Produktionsstätten und auch gegen die deutsche Bevölkerung, um den Einmarsch ihrer Bodentruppen in die „Festung Deutschland“ vorzubereiten. Dabei bombardierten sie in den letzten Kriegsmonaten zahlreiche große und kleine deutsche Städte und zerstörten viele davon teilweise großflächig. Seit Sommer 1944 plante das britische ''[[RAF Bomber Command|Bomber Command]]'' einen besonders schweren Vernichtungsschlag (''thunderclap''), um den Durchhaltewillen der Deutschen endgültig zu brechen. Doch im Januar 1945 errechnete der britische Geheimdienst, dass die Wehrmacht nochmals bis zu 42 Divisionen an die Ostfront verlegen könnte. Nun wurden die Angriffspläne für die RAF modifiziert. Dresden wurde neben [[Berlin]], [[Leipzig]] und [[Chemnitz]] zum vorrangigen Zielgebiet. Auf der [[Konferenz von Jalta]] vom 4. bis 11. Februar 1945 vereinbarten die Alliierten auf Drängen der [[Sowjetunion]] weitere westliche Fliegerangriffe, darunter auch die auf Dresden, das nun als militärisches Ziel galt. Die Angriffe sollten dieses wichtige Produktions- und Verkehrszentrum hinter der [[Ostfront (Zweiter Weltkrieg)|Ostfront]] funktionsuntüchtig machen und so weitere Truppentransporte verhindern. Zugleich sollten sie die Rote Armee von Gegenangriffen entlasten und so das sowjetische Vorrücken erleichtern.<ref>[http://www.airforcehistory.hq.af.mil/PopTopics/dresden.htm USAF: ''The Bombing of Dresden'': USAAF-Analyse der Angriffe vom 14. und 15. Februar]</ref> == Dresden im Krieg == Zu Beginn des Zweiten Weltkriegs war Dresden mit 642.143 Einwohnern die siebtgrößte deutsche Stadt. Ihr Gebiet blieb bis zum August 1944 von Luftangriffen verschont, weil es bis dahin außerhalb der Reichweite und damit der Zielplanungen alliierter Bomber lag. Im Herbst 1944 war Dresden neben [[Breslau]] der letzte größere unbeschädigte Industrie-, Wirtschafts- und Verwaltungsstandort und Verkehrsknotenpunkt des Deutschen Reiches.<ref name="München 1949">''Statistisches Handbuch von Deutschland: 1928–1944.'' München 1949</ref> === Verkehr === Der [[Eisenbahnknoten Dresden]] war drittgrößter Bahnumschlagplatz des Deutschen Reichs.<ref name="München 1949" /> Hier kreuzten sich die Bahnstrecken nach Berlin, [[Prag]], Breslau, [[Warschau]], Leipzig und [[Nürnberg]]. Da Bahnanlagen anderer Städte bereits schwer beschädigt waren, wurde der Bahnverkehr des Raums Leipzig–Berlin–Dresden ab 1944 großenteils über den [[Bahnhof Dresden-Friedrichstadt|Güter- und Rangierbahnhof Dresden-Friedrichstadt]], den [[Dresden Hauptbahnhof|Hauptbahnhof]] und den [[Bahnhof Dresden-Neustadt]] abgewickelt. Zudem versorgten die Anlagen die Industriebetriebe [[Freital]]s und Bergbaubetriebe im [[Erzgebirge]] sowie die Industriegebiete von [[Pirna]], [[Heidenau (Sachsen)|Heidenau]], [[Radebeul]], [[Coswig (Sachsen)|Coswig]], [[Bautzen]] und [[Görlitz]]. Die großen Industriebetriebe Dresdens waren über den Kohlebahnhof mit dem [[Alberthafen Dresden-Friedrichstadt|Alberthafen]] und dem Güterbahnhof in der Leipziger Vorstadt (Neustadt) verbunden. Dresden war Sitz der [[Reichsbahndirektion Dresden]], die den Eisenbahnbetrieb im größten Teil [[Sachsen]]s und im nordwestlichen [[Sudetenland]] organisierte. Weiterhin besaß die [[Deutsche Reichsbahn]] in Dresden ein [[Ausbesserungswerk]] und ein [[Bahnbetriebswerk]]. Auf den verkehrsarmen Strecken im Umland und in Tunnels wurden Lokomotiven und Waggons aus gefährdeteren Regionen Deutschlands abgestellt. Transporte von Truppen und Material an die Front und von Gefangenen in die [[Vernichtungslager]] wurden über Dresden abgewickelt. Aus dem Osten strömten Millionen Flüchtlinge vor allem nach Mitteldeutschland. Als Ende 1944 immer mehr Menschen aus dem Osten flohen, war Dresden, für das ein Zuzugsverbot galt, für sie Durchgangsstation.<ref>Matthias Neutzner: ''Die Erzählung vom 13. Februar.'' Dresdner Hefte, Bd. 84: ''Mythos Dresden'' (2005), ISBN 3-910055-79-6</ref> === Industrie === Nach den Angaben der Dresdner Industrie- und Handelskammer von 1941 war die Stadt „einer der ersten Industriestandorte des Reiches“.<ref name="München 1949" /> Bis 1944 war die Mehrzahl der Betriebe fast vollständig auf Rüstung umgestellt. Nach Angaben der USAAF waren im Februar 1945 „mindestens 110“ Fabriken und Unternehmen in Dresden ansässig, die „legitime militärische Ziele“ darstellten.<ref name="afhis">[https://www.airforcehistory.hq.af.mil/PopTopics/dresden.htm USAF: ''The Bombing of Dresden'']</ref> 50.000 Arbeiter habe allein die Rüstungsindustrie beschäftigt, darunter auch Zulieferindustrie für die Flugzeugwerke in Dresden-[[Klotzsche]].<ref name="mn-dh-84">Matthias Neutzner: ''Die Erzählung vom 13. Februar.'' Dresdner Hefte, Bd. 84</ref> Die Archive des [[Hauptstaatsarchiv Dresden|Hauptstaatsarchives Dresden]] zeigen die wirtschaftliche Bedeutung und Produktivität des intakten und mit [[Zwangsarbeit in der Zeit des Nationalsozialismus|Zwangsarbeitern]] gut versorgten Großraums: Sie nennen z.&nbsp;B. 44 Betriebe des Geld-, Bank- und Versicherungswesens, 29 Maschinenbauwerke, 13 auf Elektrotechnik und Gerätebau spezialisierte Industriebetriebe, zwölf Betriebe der Lebens- und Genussmittelindustrie, vorwiegend der Zigarettenindustrie, sechs feinmechanische und optische Industriebetriebe sowie weitere Werke, die bis dahin weitgehend auf die [[Wirtschaft im nationalsozialistischen Deutschland#Kriegswirtschaft|Kriegswirtschaft]] umgestellt und unzerstört waren.<ref>[http://www.archiv.sachsen.de/archive/dresden/1107.htm Hauptstaatsarchiv Dresden 9. Wirtschaft]</ref> Als militärisch bedeutsam werden außerdem insbesondere nach lokalen Quellen folgende Betriebe genannt: * Chemische Industrie in [[Niedersedlitz]], * [[Waffenfabrik Lehmann]], [[Friedrichstadt (Dresden)|Friedrichstadt]], * Optische Werke, vor allem [[Zeiss Ikon]] im Stadtzentrum und in [[Reick]], * Stahlbau [[Kelle & Hildebrandt]]<ref>[http://www.archiv.sachsen.de/archive/dresden/4456_3131363139.htm Hauptstaatsarchiv Dresden 9.2. Metallurgische Industrie]</ref> in [[Luga (Dresden)|Großluga]], * Fabrik für Transformatoren und Röntgengeräte [[Koch & Sterzel]]<ref>[http://www.archiv.sachsen.de/archive/dresden/4446_3131363434.htm Hauptstaatsarchiv Dresden 9.7. Elektrotechnik, Elektronik, Gerätebau]</ref> in [[Mickten]], * [[Schaltanlagen- und Apparatebau Gebrüder Bassler]] und * Funktechnik von [[Nordmende|Radio-Mende]]<ref>[http://www.archiv.sachsen.de/archive/dresden/4458_3131373235.htm Hauptstaatsarchiv Dresden 9.11 Feinmechanische und optische Industrie]</ref>. Das [[Sachsenwerk]], Avus und [[MIAG]] produzierten Maschinenteile in [[Leuben]]; das Panzerwerk MIAG-Mühlenbau (ehemals Mühlenbau Gebr. Seck) befand sich im damaligen [[Zschachwitz]]er Ortsteil [[Sporbitz]].<ref>[http://www.linksfraktion-dresden.de/daten/downloaddok/zwangsarbeiter.pdf Reinhardt Balzk: ''Zwangsarbeiter in Dresden'' (Publikation der PDS-Fraktion Stadtrat Dresden, September 2001)]</ref> Betriebe in Dresden-[[Löbtau]] und im südlichen Umland ([[Erzgebirge]]) stellten [[Granate|Glasgranaten]] her. Die Rüstungsfabrik ''Universelle-Werke J. C. Müller & Co.''<ref>[http://www.archiv.sachsen.de/archive/dresden/4444_3131363833.htm Hauptstaatsarchiv Dresden 9.8 Maschinenbau]</ref> produzierte in der [[Südvorstadt (Dresden)|Südvorstadt]] (Zwickauer Straße, Florastraße) mit [[Kriegsgefangener|Kriegsgefangenen]], die auf dem Gelände des MIAG-Mühlenbaus in Leuben und in mehreren weiteren, über die gesamte Stadt verteilten Zwangsarbeiterlagern interniert waren. Bisher weiß man von 10 Außenstellen der [[Konzentrationslager]] [[KZ Flossenbürg|Flossenbürg]], [[KZ Auschwitz-Birkenau|Auschwitz-Birkenau]] und anderer in der Stadt. Seit Ende 1944 wurden nochmals weitere 5000 Häftlinge nach Dresden transportiert, darunter etwa 2000 [[Juden]]. Sie wurden bis zu den Angriffen zusammen mit Dresdner Juden in überfüllten „[[Judenhaus|Judenhäusern]]“ untergebracht und u.&nbsp;a. in den Rüstungsbetrieben [[Goehle-Werke]], bei der [[Osram]] GmbH, Bernsdorf&nbsp;&&nbsp;Co. und beim Reichsbahnausbesserungswerk zur Arbeit gezwungen (siehe [[Vernichtung durch Arbeit]]).<ref>Nora Goldbogen: ''Nationalsozialistische Judenverfolgung in Dresden seit 1938.'' Dresdner Hefte 45: ''Zwischen Integration und Vernichtung – Jüdisches Leben in Dresden im 19. und 20. Jahrhundert.'' ISBN 3-910055-34-6</ref> === Militär === Dresden war im Februar 1945 die letzte intakte Garnisonsstadt im Rücken der Ostfront. Schon im 19. Jahrhundert war die [[Albertstadt]] als Militärbezirk am nördlichen Stadtrand errichtet worden. Sie umfasste weitläufige Kasernenkomplexe und Versorgungseinrichtungen mit Gleisanschluss und eigenem Bahnhof, Speichern, Verladerampen, Heeresbäckerei, Metallverarbeitungs- und Handwerksbetrieben wie Sattlerei und Schneiderei. Zudem war sie mit Exerzierplätzen, Kanonenschussbahnen, einer Kirche und der [[Offizierschule des Heeres]] versorgt. Auch in [[Mickten]] sowie in [[Johannstadt]] wurden Kasernen errichtet bzw. ausgebaut.<ref>Dresdner Geschichtsverein e.V. (Hrsg.): ''Dresden als Garnisonstadt.'' Dresdner Hefte, Band 35, ISBN 3-910055-43-5</ref> Reste der [[Reichswehr]] von 1918 wurden ab 1921 in Dresden untergebracht. 1935 wurde der [[Fliegerhorst]] 38/III Dresden-[[Klotzsche]] gebaut (heute: [[Flughafen Dresden]]). Als erste im Deutschen Reich nahm 1936 die [[Luftkriegsschule Klotzsche|Luftkriegsschule Dresden]] (LKS 1) an der „Hermann-Göring-Straße“ (heute „Zur Wetterwarte“) ihren Betrieb in 60 Gebäuden auf. Ab 1940 wurde der Flugplatz ausschließlich militärisch genutzt.<ref>Franz Spur: ''Dresdner Fliegerschmiede 1935 – 1945. Geschichte der Luftkriegsschule 1 Dresden in Klotzsche.'' Militärhistorische Schriften des Arbeitskreises Sächsische Militärgeschichte e.V., Sonderheft, ISBN 3-9809520-1-0</ref> Nach der „[[Machtübernahme]]“ der Nationalsozialisten wurde auch die Stadt bis 1939 nochmals militärisch ausgebaut und erhielt das Wehrbereichskommando. Das [[Luftgaukommando]] IV wurde in [[Strehlen (Dresden)|Strehlen]] am Rand der Innenstadt errichtet. Bei [[Nickern]] im Süden der Stadt entstand 1939/40 ein weiterer ausgedehnter Kasernenkomplex der [[Luftwaffe (Wehrmacht)|Luftwaffe]].<ref>Dresdner Geschichtsverein e.V. (Hrsg.): ''Dresden als Garnisonstadt.'' Dresdner Hefte, Band 35</ref> Zudem standen 1939 etwa 20.000 Mann des IV. Wehrbereichs (Armeekorps) der [[Deutsche 6. Armee|6. Armee]] in Dresden. Im Kriegsverlauf wurden die meisten regulären Truppenteile an die Front verlegt, darunter auch die [[Flugabwehrkanone|Flakeinheiten]]. Die Kasernen wurden meist mit auszubildenden Ersatztruppen wieder aufgefüllt. Die Garnisonsstadt wurde zu einer Lazarett- und Versorgungsstadt. Auch die bekannten Ballhäuser, Gaststätten und Elbdampfer wurden zu Lazaretten und Lagern umfunktioniert.<ref name="hr-dh-41">Hermann Rahne: ''Die „Festung Dresden“ von 1945.'' In: ''Dresden – Das Jahr 1945.'' Dresdner Hefte, Bd. 41, ISBN 3-910055-27-3</ref> === „Verteidigungs-“ und „Festungsbereich“ === Im November 1944 wurden daher auch in Dresden zehn Bataillone des [[Volkssturm]]s für den erwarteten Kampf gegen den Einmarsch sowjetischer Panzer rekrutiert und vereidigt: darunter Einheiten zum Schanzenbau, Panzerjagdkommandos, Nachrichteneinheiten, Transportbataillone aus sämtlichen Dresdner LKWs samt Fahrern. Einige davon wurden im Januar an die Ostfront abkommandiert. Der Großteil von etwa 20.000 Mann, darunter auch [[Hitlerjugend]], blieb jedoch in Dresden kaserniert. Diese hastig zusammengewürfelten Einheiten wurden auch in Schulen wie Heereseinheiten ausgebildet, konnten aber aufgrund der vorrangigen Versorgung von Wehrmacht, [[Schutzstaffel|SS]] und Polizei nicht mehr ausreichend bewaffnet und ausgerüstet werden und wurden daher zum Stellungsbau eingesetzt.<ref name="hr-dh-41"/> Die militärische Führung und verantwortliche Gauleitungen wollten die [[Elbe]] von [[Hamburg]] bis Prag zur letzten deutschen Verteidigungslinie gegen den Vormarsch der Roten Armee machen. Die flussnahen Städte sollten zu „Festungen“ ausgebaut und vom Volkssturm verteidigt werden. Den vorerst geheimen Befehl zur Errichtung des Verteidigungsbereichs Dresden-Riesa gab [[Generaloberst]] [[Heinz Guderian]] bereits am 1. Dezember 1944: Rund um die Stadt sollten [[Panzersperre]]n, [[Panzergraben|Panzergräben]], [[Schützengraben|Schützengräben]], Artilleriestellungen und [[Minenfeld]]er angelegt werden. Die Behörden in der Stadt wurden dazu dem Befehl des Korpsstabes unterstellt.<ref name="hr-dh-41"/> Nach den ersten Luftangriffen häuften sich seit Januar 1945 die Ersatzanfragen von den Fronten. Mehrere wurden abgelehnt, u.&nbsp;a. die Anfrage des Kommandeurs der vor der Stadt kämpfenden 4. Panzerarmee. Daher behielt die Garnison Dresden bis zum Mai eine beachtliche Truppenstärke, die vor allem aus der Division 404, der [[Waffen-SS]], Luftwaffe, schlecht ausgerüsteter Flakersatzabteilung und der [[Kriegsmarine]] (in [[Tharandt]] und Ottendorf-Okrilla) bestand. Die militärischen Polizeitruppen rückten jedoch im März zur Ostfront. Noch im April 1945 gab der [[Gauleiter]] [[Martin Mutschmann]] die Devise aus „Die Stadt wird mit allen Mitteln und bis zum letzten verteidigt“ und startete einen Aufruf an die Bevölkerung „Der Feind bedroht unsere Heimat – Kampf bis zum Letzten“.<ref name="hr-dh-41"/> === Luftschutz === 1940 wurde auch in Dresden mit kräftigem Werberummel der [[Propagandafilm]] ''[[Feuertaufe (Film)|Feuertaufe]]'' gezeigt, woraufhin nach Berichten der SS jedoch angesichts des zerstörten Warschaus bei den Zuschauern „keine heroisch stolze, sondern eine bedrückende, verängstigte Stimmung über die ,Schrecken des Krieges‘ entstand“.<ref>[http://www.zeit.de/2003/07/A-Wielun?page=all Joachim Trenkner: ''Ziel vernichtet'' (Die Zeit Juli/2003)]</ref> Spätestens seit Frühjahr 1943 war auch für Dresden diese Bedrohung abzusehen, da schon [[Luftangriffe auf Leipzig]] stattfanden, das nur 120 Kilometer entfernt ist. Nach dem Dresdner Historiker Matthias Neutzner erwarteten die Dresdner nun täglich Bombenangriffe und richteten sich mit der Angst im Alltag ein. Dies zeigen damalige Briefe und Tagebucheinträge. Zwischen August 1944 und April 1945 warfen die Westalliierten ca. 10 Millionen Kriegsflugblätter über Dresden ab, mit denen sie die Bevölkerung zum Aufgeben aufriefen.<ref>Christian Hermann: ''Millionen Kriegsflugblätter für Dresden'', in: ''Dresden – Das Jahr 1945''. Dresdner Hefte, Bd. 41, ISBN 3-910055-27-3</ref> Seit 1935 war der [[Luftschutz]] im ganzen Deutschen Reich vorbereitet worden. Die [[Reichsgau|Gauhauptstadt]] Dresden galt als „überaus gefährdet“. [[Luftschutzbunker]] wurden in Dresden jedoch kaum gebaut, da die Behörden unter Gauleiter Mutschmann der Kriegswirtschaft Vorrang vor dem Schutz der Bevölkerung gaben. Zuzug wurde verboten, Durchreisende und Flüchtlinge durften höchstens eine Nacht in der Stadt bleiben. Beides wurde streng durchgesetzt. Ab 1944 wurden Kinder mit der [[Kinderlandverschickung]] aus Dresden evakuiert. Die Innenstadtbewohner wurden aufgerufen, in Quartieren am Stadtrand zu übernachten.<ref>Matthias Neutzner (Hrsg.): ''Martha Heinrich Acht – Dresden 1944/45''. Dresden 2003 (4. erweiterte Auflage, Erstauflage 1995)</ref> Juden durften Luftschutzräume im ganzen Deutschen Reich nicht nutzen. Auch Industrie und Verwaltung bereiteten sich sorgfältig auf Luftangriffe vor, deren Zerstörungsausmaß durch die Erfahrungen in anderen Städten abschätzbar war. Am 13. Oktober 1944 ließ Mutschmann anlässlich der Trauerfeier für die Toten nach dem Angriff vom 7. Oktober in der ''[[Dresdner Zeitung]]'' verlauten: {{Zitat|Niemand sollte in der Illusion leben, gerade sein Ort, seine Stadt, würden nicht angegriffen. […] Es gibt keine friedlichen Inseln in Deutschland.}} Dies war die einzige Pressemitteilung über den ersten Luftangriff auf Dresden.<ref name="mn-dh-84"/> == Luftangriffe == [[Datei:B-17 Flying Fortress.jpg|thumb|B-17-Bomber (Flying Fortress) der USAAF]] === Vorläufige Einzelangriffe === Seit Herbst 1944 gab es häufiger Voralarm und Luftalarm in Dresden. Am 24. August 1944 erfolgte ein erster Bombenangriff auf die Industrie in Freital (Mineralölwerk der [[Rhenania-Ossag]] in [[Birkigt (Freital)|Freital-Birkigt]]) und das Industriegelände [[Gittersee|Dresden-Gittersee]]. Eine Bombe fiel auf [[Coschütz (Dresden)|Dresden-Coschütz]]. Bei dem Angriff starben 241 Menschen.<ref>''Sächsische Zeitung'', 12. Februar 2005: ''Der Ablauf der Angriffe''</ref> Am 7. Oktober 1944 griffen 30 amerikanische Bomber mit ca. 80 [[Tonne (Masseneinheit)|US-Tonnen]] [[Sprengbombe]]n, als Ersatz für das Primärziel [[Most (Tschechien)|Brüx]] ([[Hydrierwerk]] [[Litvínov|Oberleutensdorf]]), den [[Bahnhof Dresden-Friedrichstadt]] und die Rüstungsfabrik Lehmann an. Einige Bomben fielen auf die westliche Altstadt ([[Seevorstadt]]) und verursachten 312 Todesopfer. Am 16. Januar 1945 bombardierte die USAAF mit 133 Flugzeugen, 279,8 US-Tonnen Sprengbomben und 41,6 Tonnen [[Brandbombe]]n tagsüber erneut den Bahnhof Friedrichstadt. Auch [[Cotta (Dresden)|Dresden-Cotta]], Löbtau und [[Leutewitz (Dresden)|Leutewitz]] wurden getroffen. Der Angriff forderte 334 Tote. Die Angriffe schwächten auch die Luftabwehr. Auf dem [[Militärflugplatz]] Klotzsche standen danach nur noch 30 einsatzfähige [[Jagdflugzeug]]e und [[Nachtjäger]] bereit – allerdings fast ohne Treibstoffreserven. Trotzdem wurde die [[Flak]] noch im selben Monat an die [[Ostfront (Zweiter Weltkrieg)|Ostfront]] verlegt. Seitdem [[Air Marshal]] [[Arthur Harris]] 1942 Oberbefehlshaber des britischen „Bomber Command“ geworden war, wechselten Nachtangriffe der RAF und Tagesangriffe der USAAF einander ab. Harris gab den Angriffsbefehl zu den folgenden schweren Bombardierungen Dresdens mit dem Codewort „Chevin“. Sechs Bomberstaffeln flogen gegen 17:30 von ihren Horsten in Südengland über zwei Routen in das Reichsgebiet ein. Hinter der [[Deutsche Westfront 1944/1945|Westfront]] flogen einige Begleitjäger zur Irreführung der deutschen Luftabwehr andere Routen. === Erste Angriffswelle in der Nacht vom 13. auf den 14. Februar === [[Datei:Mosquito 600pix.jpg|thumb|Zielmarkierer De Havilland Mosquito]] Am [[Faschingsdienstag]], 13. Februar 1945 um 21:45, wurde in Dresden der 175. [[Fliegeralarm]] ausgelöst.<ref name="mn-dh-84"/> Die Menschen begaben sich in die Keller ihrer Häuser oder Wohnblocks und die wenigen vorhandenen Luftschutzbunker. Die Angriffe begannen bei aufgeklartem, wolkenlosem Nachthimmel. Um 22:03 wurde die Innenstadt von [[Avro Lancaster]]-Bombern des [[No. 83 Squadron RAF|No. 83 Squadron]], einer „[[Pfadfinder (Militär)|Pfadfinder]]“-Einheit, mit Magnesium-Lichtkaskaden („Christbäumen“) ausgeleuchtet, zwei Minuten darauf warfen neun britische [[De Havilland Mosquito]]s rote Zielmarkierungen auf das gut sichtbare [[Heinz-Steyer-Stadion|DSC-Stadion]] im [[Ostragehege]] nordwestlich des Stadtkerns. Von 22:13 Uhr bis 22:28 fielen die ersten Bomben. 244 britische Lancaster-Bomber der [[No. 5 Bomber Group]] zerstörten die Gebäudedächer mit 529 [[Luftmine]]n und 1800 Spreng- und Brandbomben, insgesamt 900 Tonnen. Sie gingen südwestlich des Zielpunktes in einem 45-Grad-Fächer zwischen der großen Elbschleife im Westen der Stadt, dem industriell bebauten „Ostragehege“ (heute Messegelände) und dem Hauptbahnhof, etwa 2,5&nbsp;km Luftlinie entfernt, nieder. In diesen 15 Minuten wurde bereits eine Fläche von etwa drei Vierteln der Dresdner Altstadt in Brand gesetzt. Gezielte Treffer einzelner Gebäude waren bei diesen Nachtangriffen der RAF weder beabsichtigt noch möglich. Vielmehr sollte ein Bombenteppich die gesamte Innenstadt großflächig zerstören. Die Flammen der brennenden Innenstadt nach der ersten Angriffswelle waren im weiten Umkreis am Himmel zu sehen. Manche Brände loderten noch vier Tage. === Zweite Angriffswelle in der Nacht vom 13. auf den 14. Februar === [[Datei:Bundesarchiv Bild 141-2716, Britisches Flugzeug Avro Lancaster.jpg|thumb|Britischer Lancaster-Bomber]] Um 1:23 Uhr begann die zweite Angriffswelle mit 529 britischen Lancaster-Bombern der [[No. 1 Group RAF|No.1]], [[No. 3 Group RAF|No. 3]] und [[No. 8 Group RAF|No. 8]] Groups der Royal Air Force sowie der [[No. 6 Group RCAF|No. 6 Group]] der kanadischen Luftwaffe. Sie warfen bis 1:54 Uhr insgesamt 650.000 [[Stabbrandbombe]]n – 1500 Tonnen – über einem Gebiet von Löbtau bis [[Blasewitz]] und von der Neustadt bis [[Zschertnitz]] ab. Die von der ersten Angriffswelle verursachten Brände dienten nach Augenzeugenberichten britischer Fliegerbesatzungen zur Orientierung für die nachfolgenden Bomber. Ihre Bomben trafen auch die [[Elbwiesen (Dresden)|Elbwiesen]] und den [[Großer Garten|Großen Garten]], wohin viele Dresdner nach der ersten Welle geflüchtet waren, und beschädigten auch Kliniken, wie die Frauenklinik Pfotenhauerstraße und das Diakonissenhaus Neustadt, schwer. Beide Bombardements betrafen ein Stadtgebiet von etwa 15 Quadratkilometern. Die zweite Angriffswelle verhinderte weitere Löschaktionen, so dass sich die zahlreichen Einzelfeuer rasch zu einem orkanartigen [[Feuersturm]] vereinten. Dieser zerstörte ganze Straßenzüge; in der extremen Hitze schmolzen Glas und Metall. Der starke Luftsog wirbelte auch größere Gegenstände und Menschen umher oder zog sie ins Feuer hinein. Sie verbrannten, starben durch Hitzeschock und Luftdruck oder erstickten in den Luftschutzkellern an Brandgasen. Wer sich ins Freie retten konnte, war auch dort dem Feuersturm und detonierenden Bomben ausgesetzt. === Tagesangriffe am 14. und 15. Februar === Den Nachtangriffen folgte am 14. Februar von 12:17 bis 12:31 Uhr ein Tagesangriff von 311 bis 316 B-17-Bombern der USAAF und zwischen 100 und 200 Begleitjägern. Sie warfen bei wolkenbedecktem Himmel über Dresden nach [[Radar|Zielradar]] 1.800 Sprengbomben (474,5 t) und 136.800 Stabbrandbomben (296,5 t) ab. Ihre Angriffsziele waren einige Rüstungsbetriebe und erneut der Bahnhof und das [[Reichsbahnausbesserungswerk Dresden]] in Friedrichstadt. Getroffen wurden auch das dortige Krankenhaus und umliegende Stadtteile.<ref>Götz Bergander: ''Dresden im Luftkrieg'', Würzburg 1998, S. 138-164, besonders S. 148; S. 371, Anmerkung 28</ref> Im etwa 35&nbsp;km entfernten [[Neustadt in Sachsen|Neustadt]] ging am 14. Februar von den Nachtangriffen verursachter Ascheregen nieder. Am 15. Februar etwa um 10:15 Uhr stürzte die ausgebrannte [[Frauenkirche (Dresden)|Frauenkirche]] ein. Von 11:51 bis 12:01 Uhr folgte ein weiterer Tagesangriff von 211 amerikanischen [[Boeing B-17|B&nbsp;17]]. Bei schlechter Sicht warfen sie 460&nbsp;t Bomben, verstreut auf das gesamte Gebiet zwischen [[Meißen]] und [[Pirna]]. === Weitere Angriffe === Am 2. März flogen 455 B-17-Bomber nach Angaben der USAAF zunächst das [[Synthesewerk Schwarzheide|Hydrierwerk Schwarzheide]] an, wichen aber auf das Ersatzziel Dresden aus. Ab 10:27 Uhr fielen 853 [[Tonne (Einheit)|Tonnen]] Sprengbomben und 127 Tonnen Brandbomben auf die Bahnanlagen in Friedrichstadt und Neustadt sowie in die angrenzende Bebauung. [[Werner von Gilsa]] war nach den Februarangriffen in Dresden eingetroffen und übernahm nun als Nachfolger von [[Friedrich-Wilhelm Liegmann]] das Kommando über den Festungsbereich. Sein Stab befand sich vorerst noch im [[Taschenbergpalais]] (Altstadt), anschließend in der [[Albertstadt]]. Er ließ die Lebensmittellager öffnen und stellte den Bombenflüchtlingen die Luftwaffensanitätseinheit in [[Nickern]] zur Verfügung. Andere Truppenteile und Durchreisende ließ er abfangen und abkommandieren; Beurlaubte und sogar Leichtverletzte wurden zu neuen Truppen zusammengestellt. Am 10. April befahl Gauleiter Mutschmann auch Schülern, Stellungen zu bauen. Auf der [[Brühlsche Terrasse|Brühlschen Terrasse]] wurden Geschütze aufgestellt. Die [[8. US-Air Force|8. Bomberflotte]] der USAAF flog am 17. April mit 572 Maschinen einen weiteren, letzten Angriff auf das Stadtgebiet. Über den Rangierbahnhöfen warf sie 1385 Tonnen Sprengbomben und 150 Tonnen Brandbomben, auf ein nicht genanntes Industriegebiet weitere 25 Tonnen Sprengbomben ab. Erst dabei wurde der Bahnverkehr durch Dresden wirksam unterbrochen. Das NS-Regime nutzte die verheerenden Angriffe zur [[NS-Propaganda|Propaganda]] gegen die Alliierten, um die letzten Kräfte der Überlebenden zu mobilisieren. Man hoffte, die [[Anti-Hitler-Koalition]] könnte im letzten Moment zerfallen, und erteilte deshalb für die Elblinie den Befehl: ''Halten bis zum Letzten!'' Am 14. April erklärte Mutschmann Dresden offiziell zur „Festung“. Luftbilder der USAAF bestätigen den Fortschritt beim Bau der Verteidigungsanlagen. Am 23. April warf die RAF erneut 40.000 Flugblätter über dem von der Front umgangenen Dresden ab.<ref>Christian Hermann: ''Millionen Kriegsflugblätter für Dresden'', Dresdner Hefte, Bd. 41</ref> Erst nach Kapitulation der Berliner Wehrmachtseinheiten am 2. Mai löste Gilsa den „Verteidigungsbereich Dresden“ auf und befahl seine Räumung. Dennoch verteidigten versprengte Gruppen die zerstörte Stadt bis zum Inkrafttreten der [[Bedingungslose Kapitulation#Deutschland – Mai 1945|Bedingungslosen Gesamtkapitulation]] am 8. Mai 1945. Erst an diesem letzten Kriegstag nahm die Rote Armee das Stadtgebiet vollständig ein. == Folgen == === Für die Bevölkerung === [[Datei:Fotothek df ps 0000124 003 Gedenken am Totensonntag vor einer Ruine.jpg|miniatur|Gedenken in den Trümmern]] [[Datei:Fotothek df ps 0000436 002 Kriege ^ Kriegsfolgen ^ Enttrümmerungen.jpg|miniatur|left|Enttrümmerungsarbeiten]] [[Datei:Fotothek df ps 0000365 001 Musikanten ^ Straßenmusikanten ^ Kriege ^ Kriegsfolge.jpg|miniatur|Straßenbild zwischen Trümmern]] Die Luftabwehr hatte nach den ersten Bombenangriffen 1944 für viele Mauerdurchbrüche in den Kellern zu Nachbarhäusern gesorgt. Nach Zeugenaussagen konnten einige Menschen so durch die geschlossenen Häuserzeilen in unversehrte Häuser und Stadtteile fliehen; andere fanden durch die Gewölbe unterhalb der Altstadt ins Freie der Elbwiesen. Etwa 1000 Menschen überlebten den Angriff in der [[Annenkirche (Dresden)|Annenkirche]]. Viele wurden jedoch auf der Flucht von Brandgasen ereilt und erstickten; Familien wurden im Chaos auseinandergerissen. Überlebende, die in Bunkern und Kellern ausgeharrt oder den Weg ins Freie gefunden hatten, wurden für den Rest ihres Lebens schwer [[Trauma (Psychologie)|traumatisiert]]. Tausende Menschen flohen noch während der ersten Angriffswelle in weniger beschädigte Stadtteile wie [[Mockritz]], Leuben, Blasewitz, [[Pieschen]], Löbtau oder in das Umland. Öffentliche Gebäude, wie [[Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei|NSDAP]]-Stellen, Gasthöfe und Schulen, wurden als Auffangstellen genutzt und zu provisorischen Notaufnahmen umfunktioniert. Allein in den fünf Auffangstellen des Dresdner Ortsteils [[Plauen (Dresden)|Plauen]] wurden bis Mitte März 16.000 Flüchtlinge registriert. Die Behörden schickten viele der Ausgebombten in das Umland. [[Datei:Fotothek df ps 0000421 002 Eugeba-Drogerie in noch nutzbaren Erdgeschoßräumen, d.jpg|miniatur|Erste gewerbliche Aktivitäten zur Versorgung der Bevölkerung]] Im Stadtzentrum, Bezirk IV, wurden im März noch 4000 Einwohner festgestellt. Der nördliche Teil [[Striesen]]s musste tausende Flüchtlinge aufnehmen. Trotz der Öffnung der Nahrungsmitteldepots wurden die Nahrungsmittel bald knapp, und selbst Lebensmittelkarten konnten nicht mehr gedruckt werden. Erst Mitte April wurde die Verpflegung der Ausgebombten durch die [[Nationalsozialistische Volkswohlfahrt]] eingestellt. „[[Volksgenosse]]n ohne eigene Kochgelegenheit“ wurden laut Bezirksverwaltung am 10. April 1945 auf die gemeinsame Benutzung vorhandener „Kochstellen“ verwiesen. Die NS-Behörden waren arbeitsunfähig, als Auffangstellen umfunktioniert oder ausgebrannt; viele Beamte waren geflüchtet oder umgekommen. Die Stadt war laut Mutschmann nicht mehr in der Lage, „ihre laufenden Verwaltungsarbeiten durchzuführen“. Wegen Personalmangel wurden Beamte aus ganz Sachsen verpflichtet.<ref name="mn-dh-41">Matthias Neutzner: ''Wozu leben wir noch? Um zu warten, bis die Russen kommen?'', Dresdner Hefte, Bd. 41</ref> Da die Bomben auch die [[Geheime Staatspolizei|Gestapozentrale]] zerstörten, kam es nicht mehr zur [[Deportation deutscher Juden|Deportation]] der letzten 174 Dresdner Juden, die zwischen dem 14. und 16. Februar 1945 angesetzt war.<ref>Nora Goldbogen: ''Nationalsozialistische Judenverfolgung in Dresden seit 1938.'' Dresdner Hefte 45</ref> So entkamen einige wenige Dresdner Juden, die trotz Nutzungsverbots bei Bombardierungsbeginn in Keller geflüchtet waren und dort überlebt hatten, dem [[Holocaust]]. Darunter war der Literaturwissenschaftler [[Victor Klemperer]], der damals in sein Tagebuch schrieb:<ref>Victor Klemperer: ''Ich will Zeugnis ablegen bis zum letzten – Tagebücher 1933–1945.'' Berlin 1995</ref> {{Zitat|Wen aber von den etwa 70 [[Judenstern|Sternträgern]] diese Nacht verschonte, dem bedeutete sie Errettung, denn im allgemeinen Chaos konnte er der Gestapo entkommen.}} Auch der später weltberühmte Puppenspieler [[Josef Skupa]] konnte wegen der Angriffe aus der Gestapo-Haft fliehen.<ref>Autorenkollektiv: ''Unterhaltungskunst A-Z'', Henschelverlag, Berlin 1975 (Taschenbuch der Künste) S. 256f.</ref> In den folgenden Tagen wurden die Leichen in der Stadt mit Lastwagen oder Handkarren eingesammelt, zu öffentlichen Plätzen zur Identifizierung gebracht und dort zu Tausenden gestapelt. Die meisten geborgenen Opfer konnten nicht mehr identifiziert werden. Aus Furcht vor [[Seuche]]n wurden am 25. Februar 6865 Leichen auf dem heutigen [[Altmarkt (Dresden)|Altmarkt]], weitere im [[Krematorium]] [[Tolkewitz]] verbrannt. Bis zum 30. April wurden auf dem [[Heidefriedhof (Dresden)]] rund 10.430 Tote und die Asche der auf dem Altmarkt verbrannten Leichen bestattet, weitere Tote auf dem [[Johannisfriedhof (Dresden)|Johannisfriedhof]] und dem damaligen [[Nordfriedhof (Dresden)|Standortfriedhof]]. Der Gauleiter ließ ganze Stadtteile abriegeln und zu „toten Gebieten“ erklären. === Für das Stadtgebiet === [[Datei:Luftangriffe auf Dresden.png|thumb|Zerstörte Gebiete in Dresden und einzelne Ziele. Rot umrandet: total zerstörte Kernbereiche der Bombardierung. Rosa abgestuft: bebaute Gebiete. Braun: strategische Ziele]] Dresdens dicht besiedelte Innenstadt bestand hauptsächlich aus Bauten der [[Renaissance]], des [[Barock]] und Mischgebieten der [[Gründerzeit]] auf mittelalterlichem Grundriss. Damals wurden Industriebetriebe in Hinterhöfen der Wohnbebauung oder als größere Komplexe direkt neben Siedlungen errichtet. Die Altstadt brannte zu einem großen Teil aus; außer Ruinen blieben nur wenige Gebäude schwer beschädigt erhalten. Die Seevorstadt, Johannstadt, die östliche Südvorstadt waren weitgehend abgebrannt oder zertrümmert. Auch die alten Ortskerne und historischen Bauten von Mickten, Strehlen und [[Gruna (Dresden)|Gruna]] waren vernichtet. Hinzu kamen schwere Schäden in Reick, Friedrichstadt, Plauen, Zschertnitz, der [[Innere Neustadt|Inneren Neustadt]] sowie Brände in [[Prohlis]]. Zwischen Schandauer Straße und Bodenbacher Straße wurden fast 800 Häuser mit rund 7000 Wohnungen, Fabriken und Werkstätten vollständig zerstört.<ref>Matthias Neutzner: ''Wozu leben wir noch? Um zu warten, bis die Russen kommen?'' In: ''Dresden – Das Jahr 1945'', Dresdner Hefte, Bd. 41, ISBN 3-910055-27-3</ref> Schäden an einzelnen Häuserzeilen gab es im [[Hechtviertel]], in Pieschen, Niedersedlitz und Albertstadt; die am dichtesten besiedelte [[Äußere Neustadt]] blieb weitgehend verschont. [[Datei:Frauenkirche 1970.jpg|thumb|Ruine der Frauenkirche vor Beginn des Wiederaufbaus]] [[Datei:Fotothek df ps 0000364 001 Theodor Rosenhauer arbeitet zwischen Trümmern an sein.jpg|miniatur|Neubeginn des kulturellen Lebens zwischen den Trümmern, [[Theodor Rosenhauer]]]] Die Bombenangriffe zerstörten viele [[Kulturdenkmal|Kulturdenkmäler]] des spätbarocken „[[Elbflorenz|Florenz an der Elbe]]“, darunter [[Semperoper]], [[Frauenkirche (Dresden)|Frauenkirche]], [[Dresdner Residenzschloss|Dresdner Schloss]], [[Sophienkirche (Dresden)|Sophienkirche]] und [[Zwinger (Dresden)|Zwinger]]. Die Baubehörden der [[Deutsche Demokratische Republik|DDR]] ignorierten den früheren Stadtgrundriss, ließen viele ausgebrannte Gebäude abreißen (u. a. Sophienkirche, [[Albert-Theater (Dresden)|Albert-Theater]], [[Palais der Sekundogenitur]]), andere Ruinen oder Trümmerhaufen als „Mahnmal“ erhalten (Frauenkirche, [[Kurländer Palais]]) und verstärkten so noch den Eindruck einer fast völligen Zerstörung des Stadtkerns.<ref>Dresdner Geschichtsverein e.&nbsp;V. (Hrsg.): ''Wiederaufbau und Dogma. Dresden in den fünfziger Jahren.'' Dresdner Hefte, Bd. 28, ISBN 3-910055-12-5</ref> Obwohl die Nachtangriffe der RAF nicht direkt auf die Dresdner [[Rüstungsindustrie]] zielten, zerstörten sie 70 Prozent der Dresdner Industriebetriebe und beschädigten viele Versorgungseinrichtungen wie Gas-, Wasser- und Kraftwerke. Auch die folgenden Tagesangriffe der USAAF waren wegen der schlechten Sicht sehr ungenau. In den Wohngebieten wurden bis Mai 1945 60.000 bis 75.000 von insgesamt 222.000 Wohnungen mitsamt Hausrat und Kleidung völlig zerstört, weitere 18.000 Wohnungen schwer und 81.000 leicht beschädigt. 30 Prozent der Einzelhandelsbetriebe waren funktionsuntüchtig, darunter drei Kaufhäuser der Altstadt und die Markthallen Weißeritzstraße, Antonsplatz und die [[Neustädter Markthalle]], in denen sich der Handel mit Obst und Gemüse damals konzentrierte.<ref name="afhis"/> [[Datei:Bundesarchiv Bild 183-1985-0117-031, Dresden, zerstörte Semperoper.jpg|thumb|left|Ruine der [[Semperoper]]]] [[File:Fotothek df ps 0006344 Kriege ^ Kriegsfolgen ^ Zerstörungen - Trümmer - Ruinen.jpg|thumb|Stehengebliebenes Treppenhaus 1945]] Der Straßenverkehr war nach dem 13. Februar zunächst vollständig blockiert. Die Oberleitungen der Straßenbahn waren zu 75 Prozent zerstört, Straßen verschüttet oder mit Bombentrichtern übersät; das Bauamt zählte 1100 davon. Alle Elbbrücken im Stadtgebiet waren beschädigt. Das Zentrum war als Verkehrsknotenpunkt unpassierbar geworden. Arbeitsstellen und Behörden mussten zu Fuß meist durch die Trümmerwüste der Altstadt erreicht werden. Der Eisenbahnverkehr wurde jedoch nach zwei Wochen behelfsmäßig wieder in Betrieb genommen. Truppentransporte fuhren sogar schon nach wenigen Tagen wieder, da die Fernstrecken durch Dresden bis zur Bombardierung am 2. März 1945 nahezu unversehrt blieben.<ref name="mn-dh-41"/> Die meisten Betriebe mussten ihre Produktion einstellen. Sie waren beschädigt oder zerstört, ihre Arbeiter waren umgekommen, ausgebombt oder konnten die Betriebe nicht erreichen. <!--Die Versorgung mit Elektrizität, Wasser und Gas war zusammengebrochen.[Quelle fehlt]--> Nach einer „Schlussmeldung“ des [[SS- und Polizeiführer]]s Elbe vom 15. März 1945 konnten nur noch sechs Betriebe ihre Produktion mit unbestimmter Menge fortsetzen. Der „[[Städtischer Vieh- und Schlachthof (Dresden)|Städtische Vieh- und Schlachthof]]“ im Ostragehege nahm den Betrieb am 19. Februar, die Brotfabrik und Großfleischerei Rosenstraße Ende März behelfsmäßig wieder auf.<ref name="mn-dh-41"/> === Für die Alliierten === Unter den Westalliierten war das nächtliche ''area bombing'' in den letzten Kriegsmonaten umstritten. Besonders nach den Februarangriffen auf Dresden drängte die US-Militärführung die Briten dazu, diese Taktik aufzugeben. Doch die RAF war überwiegend für Flächenbombardements ausgerüstet und ausgebildet. Am 28. März 1945 erwog [[Winston Churchill]], den Luftkrieg gegen deutsche Städte einzustellen, und distanzierte sich in einem Telegrammentwurf an General Ismay und die britischen ''Chiefs of Staff'' und ''Chief of the Air Staff'' von dessen Ausrichtung:<ref>[http://www.learningcurve.gov.uk/heroesvillains/g1/cs3/g1cs3s3a.htm Telegramm Churchills – Erster Entwurf]</ref> {{Zitat|Mir scheint, dass der Moment gekommen ist, wo das Bombardieren deutscher Städte, nur um den Terror zu vermehren, wenngleich andere Vorwände angeführt werden, überdacht werden sollte. Andernfalls werden wir ein völlig zerstörtes Land kontrollieren…Die Zerstörung von Dresden stellt die Ausführung alliierter Bombardierungen von nun an ernsthaft in Frage.… Ich sehe die Notwendigkeit für eine präzisere Konzentration auf militärische Ziele… anstelle von bloßen Terrorakten und mutwilligen Zerstörungen, wie imposant diese auch sein mögen.}} Gesendet wurde jedoch eine Fassung, die vor allem betonte, dass weitere Zerstörungen von Wohnräumen und ähnlichem Großbritanniens eigenen Interessen nach dem Krieg entgegen stünden.<ref>[http://www.learningcurve.gov.uk/heroesvillains/g1/cs3/g1cs3s3b.htm Telegramm Churchills – Gesendeter Entwurf]</ref> Am Folgetag schätzte Arthur Harris die Wirkung in einem Schreiben an das [[Air Ministry]] so ein: {{Zitat|Dresden war eine Ansammlung von Munitionsfabriken, ein intaktes Verwaltungszentrum und ein Knotenpunkt für Transporte nach Osten. Nun ist es nichts mehr davon.}} Dass Harris anders als andere führende Militärs in Großbritannien nach dem Krieg keine staatliche Ehrung erhielt und erst spät in den Adelsstand erhoben wurde, gilt manchen als Hinweis auf eine Distanzierung Winston Churchills von seinem „Bomber“, obgleich dieser selbst die Entscheidung zum ''area bombing'' getroffen hatte. == Rezeption == === Propaganda === Das [[Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda]] von [[Joseph Goebbels]] benutzte Dresdens Bombardierung, um die deutsche Kriegsschuld zu relativieren und eine Opferrolle der Deutschen zu behaupten. Die Nationalsozialisten machten zum Beispiel aus dem subjektiven Erleben der traumatisierten Ausgebombten die offizielle Nachricht eines Kriegsverbrechens von „alliierten Terrorfliegern“, um den Hass der Bevölkerung zu schüren. So behauptete bereits die Zeitschrift ''[[Das Reich]]'' am 4. März 1945 in einem Artikel „Der Tod von Dresden“: {{Zitat|Um Mitternacht erschien am glutroten Himmel des [[Weltkulturerbe Dresdner Elbtal|Elbtals]] eine zweite britische Luftflotte und richtete mit Sprengbomben und [[Bordwaffe]]n unter den Menschenmassen auf den Grünflächen ein Blutbad an, wie es bis dahin allenfalls die Fantasie eines [[Ilja Ehrenburg]] hätte ersinnen können.}} Diese Propagandalüge ging dann ungeprüft in die deutsche Nachkriegsliteratur ein<ref>z. B. Axel Rodenberger: ''Der Tod von Dresden. Bericht vom Sterben einer Stadt in Augenzeugenberichten.'' Berlin 1995, ISBN 3-550-07074-8</ref> und wurde auch von dem späteren Holocaustleugner [[David Irving]] in veränderter Form übernommen.<ref>David Irving: ''Der Untergang Dresdens'', 1964</ref> Im [[Kalter Krieg|Kalten Krieg]] behinderten erneut ideologische Vorurteile die sachliche historische Erforschung des Kriegsverlaufs. Dresdens erster Nachkriegsbürgermeister [[Walter Weidauer]] hatte die Angriffe 1946 noch als vermeidbare, aber von deutschen Faschisten provozierte Katastrophe dargestellt: Drei Jahre später beschuldigte er allein die Westmächte der verbrecherischen Bombardierung Dresdens ohne jede militärische Notwendigkeit. Seit 1949 unterstellte die DDR-Propaganda den Alliierten entgegen den heute bekannten Tatsachen, sie hätten der Sowjetunion ein unnötig zerstörtes Ostdeutschland hinterlassen wollen. Die Darstellung der Luftangriffe wird bis heute von politischen Interessen mitbestimmt. === Legenden === Zur festen Überlieferung von den Ereignissen während der Bombardierungen gehören Berichte von [[Phosphor]]regen und [[Tiefflug|Tieffliegerangriffen]] auf Flüchtlinge. Die Historiker [[Götz Bergander]]<ref>Götz Bergander: ''Vom Gerücht zur Legende. Der Luftkrieg über Deutschland im Spiegel von Tatsachen, erlebter Geschichte, Erinnerung, Erinnerungsverzerrung'', in: Thomas Stamm-Kuhlmann u.&nbsp;a. (Hrsg.): ''Geschichtsbilder.Festschrift für Michael Salewski zum 65. Geburtstag'', Stuttgart 2003</ref>, [[Helmut Schnatz]]<ref>Helmut Schnatz: ''Tiefflieger über Dresden? Legenden und Wirklichkeit''. Mit einem Vorwort von Götz Bergander. Köln/Weimar/Wien 2000, ISBN 3-412-13699-9</ref> und [[Frederick Taylor (Historiker)|Frederick Taylor]]<ref>Frederick Taylor: ''Dresden, Dienstag, 13. Februar 1945. Militärische Logik oder blanker Terror?'' Bertelsmann, München 2004, ISBN 3-570-00625-5</ref> sind diesen Berichten nachgegangen und bezeichnen sie als „[[Legende]]n“. Dies rief anfangs wütende Proteste mancher Dresdner hervor; so wurde Helmut Schnatz bei der Vorstellung seines Buchs gestört. Schnatz bestreitet, dass am 13. Februar 1945 weißer Phosphor „abgeregnet“ worden sein kann: Phosphor[[kautschuk]] wurde damals allenfalls als [[Brandbeschleuniger]] in Bombenkanistern verwendet und ließ sich nicht „abregnen“.<ref> Helmut Schnatz: ''Tiefflieger über Dresden? Legenden und Wirklichkeit.'' Köln/Weimar/Wien 2000</ref> 1945 hatte die RAF Phosphorkanister, die etwa bei der „[[Operation Gomorrha]]“ gegen Hamburg im August 1943 noch eingesetzt wurden, ausrangiert. Bergander zufolge wies Joseph Goebbels damals gegen die Panik in der Bevölkerung zutreffend darauf hin, dass „in Deutschland noch niemals Phosphor abgeregnet“ worden und dies eine optische Täuschung beim Aufschlag anderer Bombentypen sei. Demgemäß können auch in Dresden weiße Leuchtmunition und Stabbrandbomben mit leuchtendem Phosphor verwechselt worden sein. Von direktem Tieffliegerbeschuss berichten Augenzeugen, die am 14. und 15. Februar als Flüchtlinge auf den Elbwiesen, im Großen Garten oder auf Ausfallstraßen unterwegs waren.<ref>[http://www.timewitnesses.org/german/%7Elothar.html Lothar Metzger: ''Die Bombardierung Dresdens: Ein Augenzeugenbericht'']; [http://www.timewitnesses.org/english/%7Eangela2.html Angela's story: ''Machine-gunning civilian refugees'']</ref> Details ihrer Erinnerungen – z.&nbsp;B. die Außenmarkierungen der US-Flieger – sind nachweislich falsch; keiner dieser Berichte gilt daher als historisch zuverlässig. Götz Bergander, der die Luftangriffe als Kind selbst erlebte, ging den Berichten nach und fand 1977 heraus, dass sie sich nur auf den Tagesangriff vom 14. Februar bezogen und Tiefflüge an diesem Tag nur von einer Bomberstaffel auf dem Weg nach Prag weitab von Dresden belegt sind. Weder in den [[Wehrmachtbericht]]en, die sonst jeden Tieffliegerangriff auf Zivilisten vermerkten, noch den Polizeiberichten über Todesursachen sei für die fragliche Zeit dergleichen erwähnt.<ref>Götz Bergander: ''Dresden im Luftkrieg – Vorgeschichte, Zerstörung, Folgen'', 2. erweiterte Auflage. Böhlau, Weimar/Köln/Wien 1994, ISBN 3-412-10193-1, S. 198ff</ref> Er erklärt die wenigen glaubwürdigen Augenzeugenberichte wie folgt:<ref>Götz Bergander,''Dresden im Luftkrieg'', S. 209</ref> {{Zitat|Mit großer Wahrscheinlichkeit waren es amerikanische Begleitjäger, die deutsche Jäger verfolgten; Luftkämpfe verlagerten sich oft aus größeren Höhen in Bodennähe, und Luftkämpfe mit deutschen Verlusten sind im Raum Dresden-[[Chemnitz]] zweifelsfrei nachweisbar … Bei einer Verfolgungsjagd in Bodennähe können Geschossgarben auch im Boden einschlagen, und es ist ganz natürlich und psychologisch verständlich, dass Menschen im Freien [[Maschinengewehr]]salven als auf sich abgefeuert erleben.}} Diese Annahme konnte nicht durch Geschossfunde in den fraglichen Freiflächen erhärtet werden.<ref>[http://einestages.spiegel.de/static/topicalbumbackground/2901/das_ende_der_legenden.html Hans Michael Kloth: ''Das Ende der Legenden'' (Spiegel)]</ref> Die alliierten Begleitjäger sollten beim Ausbleiben eines Luftkampfs sonst nahe Bodenziele angreifen. Doch die RAF und USAAF bestritten, dass solche Angriffe in Dresden stattfanden. Helmut Schnatz überprüfte ihre Befehlsketten und wies nach, dass weder Militärbefehle noch Pilotenaussagen noch Angaben der Nationalsozialisten in Meldungen oder Totenscheine Tieffliegerangriffe erwähnen. Er fand den ausdrücklichen Befehl an die Eighth Air Force, im Luftraum Dresden nicht einzugreifen. Die RAF erwähnt zwar einen Befehl an die amerikanischen [[North American P-51|Mustangs]], den Straßenverkehr in Dresdens Umgebung zu beschießen, um das Chaos zu vergrößern,<ref> [http://www.raf.mod.uk/bombercommand/dresden.html Bomber Command – Dresden, February 1945]</ref> laut Schnatz bezog sich dieser Befehl allerdings auf Gelegenheitsziele entlang des Rückwegs nach England.<ref>Helmut Schnatz: ''Tiefflieger über Dresden? Legenden und Wirklichkeit.'' Köln/Weimar/Wien 2000, S. 70 ff., S 123</ref> Er verweist u.&nbsp;a. darauf, dass Flugzeuge aus den beteiligten Gruppen der USAAF u.&nbsp;a. in der Nähe von Donauwörth und von Bayreuth abstürzten.<ref>Helmut Schnatz: ''Tiefflieger über Dresden? Legenden und Wirklichkeit.'' Köln/Weimar/Wien 2000; S. 103f</ref> Tiefangriffe während einer Bombardierung waren generell kaum möglich und nicht üblich, da tieffliegende Jagdflugzeuge und höher fliegende Bomber sich gegenseitig gefährdet hätten. Schnatz zufolge schloss der Feuersturm nach dem ersten Nachtangriff Tiefflug über der brennenden Innenstadt aus. Bei den folgenden Tagesangriffen hätten die Begleitjäger – wie bei US-Operationen typisch – eigene Angriffe allenfalls nach dem Abflug der Bomber starten können. Auch das hält er u.&nbsp;a. wegen der sehr dichten Bewölkung und begrenzten Treibstoffmenge für unwahrscheinlich.<ref>[http://www.bombenkrieg.historicum-archiv.net/themen/dresden.html Helmut Schnatz: ''Luftkriegslegenden in Dresden'']</ref> Der Forschungsstand seit 2000 schließt direkten Beschuss von Flüchtenden in Dresden daher weitgehend aus.<ref>[http://www.historikertag.de/Dresden2008/index.php/wissenschaftliches-programm/sektionen-am-1okt/details/7-Helmut%20Schnatz Helmut Schnatz: ''Quellenkritische Überprüfung von öffentlichen Diskursen'', Vortrag in Dresden, 1. Oktober 2008]</ref> === Erzählerische Dramatisierung === Bis heute werden die Luftangriffe auf Dresden in Erlebnisberichten, Dokumentationen, Romanen und Spielfilmen verarbeitet. Autoren wie [[Kurt Vonnegut]], der als US-Kriegsgefangener die Bombardierung Dresdens miterlebte, und [[Alexander McKee]], britischer Kriegsberichterstatter, haben Erlebnisberichte über die Luftangriffe auf Dresden veröffentlicht, ohne sie abschließend zu bewerten. Vonnegut verarbeitete seine Erinnerungen in dem Roman ''[[Schlachthof 5 oder Der Kinderkreuzzug|Slaughterhouse Five]]'', der nach dem Städtischen Schlacht- und Viehhof im Ostragehege benannt ist. Matthias Neutzner zufolge trugen solche Darstellungen dazu bei, dass sich in der [[Kollektives Gedächtnis|kollektiven Erinnerung]] der Ereignisse ein emotionaler Kern verfestigte. Die Bombardierung Dresdens wurde im Englischen zu einer festen sprichwörtlichen Wendung: ''Like Dresden'' bezeichnet ein verheerendes Feuer oder die Zerstörung von Kulturgütern. Die Angriffe seien häufig als plötzliche, unerwartete, sinnlose Zerstörung einer einzigartigen und unschuldigen Stadt, kurz vor dem absehbaren Ende des Krieges beschrieben worden. Die als prächtige Residenz weithin bekannte, nahezu unbeschädigte Stadt sei aber auch im Februar 1945 noch ein kriegswichtiges Ziel gewesen und nicht allein „die unschuldige Kulturschöne“.<ref name="mn-dh-84"/> === Opferzahlen === [[Datei:Bundesarchiv Bild 183-08778-0001, Dresden, Tote nach Bombenangriff.jpg|thumb|Leichenberge in der Dresdner Innenstadt, Februar 1945]] [[Datei:AnnenfriedhofGedenktafel.jpg|thumb|Gedenktafel für die Opfer des 13. Februar 1945 auf dem [[Alter Annenfriedhof|Alten Annenfriedhof]] in der [[Südvorstadt (Dresden)|Dresdner Südvorstadt]]]] Die Zahlen der bei den Luftangriffen Getöteten waren auch unter Historikern lange Zeit umstritten. Die NS-Behörden hielten die Berichte über geborgene Tote geheim, so dass deren Zahl sich nur schätzen ließ. Dabei mussten unbekannte und nicht exakt bekannte Faktoren berücksichtigt werden: * Dresdens Einwohnerzahl im Februar 1945, von der die Einschätzung der Siedlungsdichte im Innenstadtbereich und der davon prozentual Getöteten mit abhängt, * der Zahl der Dresdner, die sich damals als Soldaten, KZ-Häftlinge oder Flüchtlinge – etwa aus Furcht vor Fliegerangriffen, Raumnot oder Nahrungsknappheit – außerhalb des Stadtgebiets befanden, * der Zahl der Flüchtlinge aus dem Osten, die sich im Februar 1945 im Innenstadtbereich aufhielten, * der Zahl der unbekannten, wegen der Kriegssituation von keinem Angehörigen gemeldeten Toten, * der Zahl der nicht aufgefundenen, vollständig verbrannten oder verschütteten Toten. Frühe Medien-und Erlebnisberichte brachten sechsstellige Opferzahlen in Umlauf, auf die sich [[Rechtsextremismus|Rechtsextremisten]] und [[Geschichtsrevisionismus|Geschichtsrevisionisten]] oft berufen. Die schwedische Zeitung ''Svenska Morgenbladet'' vermutete am 17. Februar 1945 „über 100.000“, am 27. Februar 1945 „näher bei 200.000“ Tote. 1948 erwähnte das [[Internationales Komitee vom Roten Kreuz|Internationale Komitee vom Roten Kreuz]] über 275.000 „gemeldete“ Tote im Raum Dresden. Die Zahl beruhte auf Angaben von NS-Behörden, nicht eigener Nachforschung. [[Axel Rodenberger]] schrieb 1951 in ''Der Tod von Dresden'' von 350.000 bis 400.000 Toten, die ein ungenannter „Leiter des Propagandaamts“ nach Berlin gemeldet habe. ''F.J.P. Veale'' schrieb 1955 in ''Der Barbarei entgegen'' von 300.000 bis 500.000 Toten. [[David Irving]] schätzte 1963 in seinem Buch ''Der Untergang von Dresden'' 135.000 bis 250.000 Tote und blieb in späteren Auflagen dabei.<ref>[http://www.h-ref.de/personen/irving-david/irving-dresden.php Holocaust-Referenz: ''Luftkrieg: „Der Untergang Dresdens“. David Irving und die Luftangriffe auf Dresden'']</ref> [[Hans Dollinger]] schrieb 1973 von 250.000, [[Rolf Hochhuth]] 1974 mit Berufung auf Irving von 202.000, die [[Süddeutsche Zeitung]] 1975 von 135.000, ''[[Die Welt]]'' von „250.000 oder gar 400.000“ Toten. Der ehemalige Dresdner Generalstabsoffizier [[Eberhard Matthes]] behauptet seit 1992 ohne schriftlichen Beleg: Auf einen „Führerbefehl“ vom 30. April 1945 habe man dem Führerbunker in seinem Beisein telefonisch 3.500 identifizierte, 50.000 identifizierbare und 168.000 unkenntliche Leichen gemeldet. Bergander bezweifelt, dass [[Adolf Hitler]] am Tag seines Suizides noch eine solche Meldung angefordert hätte.<ref>Götz Bergander: ''Dresden im Luftkrieg'', S. 215-218, 227f. und 382, Anmerkung 61</ref> Interne NS-Dokumente stellten die spekulativen Zahlen in Frage. Die Zeitung ''Das Reich'' sprach am 4. März 1945, als Bergungsergebnisse schon vorlagen, von „zehntausenden“ gefundenen Toten. Joseph Goebbels sprach bei einer Konferenz in Görlitz am 6. März 1945 nach Berichten von Teilnehmern von „40.000“ Todesopfern, für die Hitler ebensoviele alliierte Piloten ermorden wolle. Eine polizeiliche „Schlussmeldung“ des „Befehlshabers der Ordnungspolizei Berlin“ stellte am 22. März 1945 fest:<ref>zitiert nach Götz Bergander: ''Luftkrieg in Dresden'', S. 224</ref> :''18.375 Gefallene, 2212 Schwerverwundete, 13.718 Leichtverwundete.'' Von den Toten seien 50% identifizierbar; die „Gesamtzahl der Gefallenen einschl. Ausländer“ wurde „auf etwa 25.000 geschätzt“. Ein am selben Tag erlassener ''Tagesbefehl 47'' berichtet von 20.204 geborgenen Toten und schätzt, dass sich diese Zahl wahrscheinlich auf 25.000 erhöhen werde. Dieses Dokument wurde 1966 im [[Bundesarchiv Koblenz]] entdeckt und erwies eine bislang bekannte Version davon, bei der an alle Zahlen eine Null anhängt worden war, als Fälschung. David Irving, der sich darauf gestützt hatte, räumte in einem Leserbrief an die [[The Times|Times]] am 7. Juli 1966 ein, sich geirrt zu haben.<ref>Götz Bergander: ''Dresden im Luftkrieg'', S. 218-222; [http://www.holocaustdenialontrial.org/trial/defense/evans/520di Richard J. Evans: ''David Irving, Hitler and Holocaust Denial: Electronic Edition''] (Gutachten im Prozess Irvings gegen Deborah Lipstadt zu den Opferzahlen in Dresden)</ref> Eine weitere Lagemeldung vom 3. April 1945 schreibt:<ref>zitiert nach Götz Bergander: ''Luftkrieg in Dresden'', S. 226</ref> :''Die Zahl der geborgenen Gefallenen beträgt nach dem Stand vom 31.3.45: 22096 Personen.'' Akten des Bestattungs- und Marstallamtes, die 1993 im Dresdner Stadtarchiv gefunden wurden, bestätigten diese niedrigeren Angaben. Sie führen rund 25.000 Tote auf, die bis zum 17. April 1945 beigesetzt wurden. Darin waren schon viele Opfer der Tagesangriffe am 14. und 15. Februar 1945 enthalten. Bis 1970 fand man bei Bauarbeiten in der Stadt noch weitere ca. 1900 Leichen. Auch die Flüchtlings- und Einwohnerzahlen wurden genauer eingegrenzt: Neben den etwa 700.000 Dresdnern hielten sich etwa 200.000 Flüchtlinge aus [[Schlesien]] damals im Großraum Dresden auf, von denen maximal 85.000 in Notunterkünften der Innenstadt Platz finden konnten.<ref>Götz Bergander: ''Dresden im Luftkrieg'' S. 213</ref> Berücksichtigt wird auch die [[Kinderlandverschickung]] seit 1944, ein Zuzugsverbot und die Anweisung, nicht in der Innenstadt zu übernachten.<ref>Matthias Neutzner (Hrsg.): ''Martha Heinrich Acht – Dresden 1944/45.'' Dresden 2003</ref> Auf dieser Basis schätzten die meisten Historiker bis 2008, dass mindestens etwa 25.000, höchstens 40.000 Menschen durch die Bombenangriffe ihr Leben verloren haben.<ref>Walter Weidauer: ''Inferno Dresden. Über Lügen und Legenden um die Aktion "Donnerschlag"'', Dietz Verlag, 8. Auflage 1990, ISBN 3320008188; Friedrich Reichert: ''Verbrannt bis zur Unkenntlichkeit – Die Zerstörung Dresdens 1945.'' Stadtmuseum der Landeshauptstadt Dresden (Hrsg.), DZA Verlag für Kultur und Wissenschaft 1994, S. 58; referiert bei [http://www.bombenkrieg.historicum-archiv.net/themen/dresden.html Helmut Schnatz: ''Luftkriegslegenden in Dresden'' (17. Dezember 2003)]</ref> Eine 2005 von der Stadt Dresden beauftragte Historikerkommission unter der Leitung von [[Rolf-Dieter Müller]]<ref>weitere Mitglieder: [http://www.dresden.de/de/02/10/05/c_015.php Stadt Dresden: Präsentation der Historikerkommission]</ref> sollte bis zum 800-jährigen Stadtjubiläum 2006 eine möglichst verlässliche Gesamtzahl der Getöteten ermitteln, um [[Geschichtsfälschung]]en zu begegnen.<ref>[http://www.lr-online.de/regionen/sachsen/art1047,798555?fCMS=423ee7944e4bfbfc63597f29e07a3139 Sven Heitkamp: ''Kontroverse um Zahl der Dresdner Bombenopfer'' (Lausitzer Rundschau 18. Januar 2005)]</ref> Sie arbeitete ergebnisoffen und zog außer den bekannten Dokumenten auch bis dahin unberücksichtigte Akten städtischer Ämter, neue archäologische Befunde und Zeitzeugenberichte heran, zu denen sie die Bevölkerung aufrief.<ref>[http://www.welt.de/kultur/article726910/Wie_viele_Menschen_starben_im_Dresdner_Feuersturm.html Interview mit Rolf-Dieter Müller (Die Welt 20. Februar 2007): ''Wie viele Menschen starben im Dresdner Feuersturm?'']</ref> Nachdem der Finanzausschuss des Dresdner Stadtrats der ehrenamtlich arbeitenden Kommission die Sachmittel vorübergehend gesperrt hatte, nahm sie ihre Arbeit im Januar 2007 wieder auf.<ref>[http://www.welt.de/kultur/article712560/Niemand_stirbt_in_Deutschland_ohne_Registrierung_.html Sven Felix Kellerhoff: ''Niemand stirbt in Deutschland ohne Registrierung'' (Die Welt 13. Februar 2007)]</ref> Zum Historikertag Anfang Oktober 2008 gab die Historikerkommision vorläufige Ergebnisse, im März 2010 gab sie ihren Abschlussbericht bekannt.<ref>[http://www.dresden.de/media/pdf/infoblaetter/Historikerkommission_Dresden1945_Abschlussbericht_V1_14a.pdf dresden.de: ''Abschlussbericht der Historikerkommision zu den Luftangriffen auf Dresden zwischen dem 13. und 15. Februar 1945'']</ref> Neu ausgewertet wurden etwa Aktenbestände von Stadtbauamt, Marstall- und Bestattungsamt, Ernährungs-, Fürsorge- und Kriegsschädenamt sowie der Oberbauleitung Enttrümmerung. Über Akten der Ausgabestellen für Nahrungsbezugsscheine nach Kriegsende konnte die Einwohnerzahl Dresdens nach den Angriffen erstmals genauer bestimmt werden.<ref>[http://www.historikertag.de/Dresden2008/index.php/wissenschaftliches-programm/sektionen-am-1okt/details/5-Thomas%20Kübler Thomas Kübler: ''Relevante Quellen für die Historikerkommission im Stadtarchiv Dresden'']</ref> Grabungen im Stadtzentrum ergaben seit 1993, dass fast alle kriegszerstörten Keller nach den Angriffen begehbar waren und geräumt wurden. Nur etwa ein Fünftel davon wies feuergerötete Sandsteine auf, die auf Brandtemperaturen wie beim Feuersturm an der Oberfläche hinwiesen. Man fand Überreste von 14 Toten, die wahrscheinlich durch solche Feuer umkamen.<ref>[http://www.historikertag.de/Dresden2008/index.php/wissenschaftliches-programm/sektionen-am-1okt/details/6-Thomas%20Westfalen Thomas Westfalen: ''Grabungsfunde im Zentrum von Dresden'']</ref> Unbezeugte Tote können statistisch nur einen Bruchteil der bis 1945 insgesamt von Standesämtern und Suchdiensten registrierten für tot erklärten und vermissten deutschen Zivilisten ausmachen.<ref>[http://www.historikertag.de/Dresden2008/index.php/wissenschaftliches-programm/sektionen-am-1okt/details/8-Rüdiger%20Overmans Rüdiger Overmans: ''Statistische Erhebungen zu Kriegsflüchtlingen'']</ref> Durch elektronische Datensammlung wurden erstmals alle verfügbaren Bergungsnachweise, Unterlagen der Friedhöfe und Standesämter, Akten der Amtsgerichte zu Toterklärungen u.&nbsp;a. erfasst. So konnten sie miteinander und mit den Wohn- und Bergungsorten der Luftkriegstoten verglichen und überprüft werden.<ref>[http://www.historikertag.de/Dresden2008/index.php/wissenschaftliches-programm/sektionen-am-1okt/details/9-Matthias%20Neutzner Mattias Neutzner: ''Statistisch-geografische Analyse der Bergung, Bestattung und Registrierung von Luftkriegstoten nach den Luftangriffen auf Dresden vom 13. bis 15. Februar 1945'']</ref> Auf diese Weise ermittelte die Kommission eine Mindestzahl von 18.000 und eine Höchstzahl von 25.000 durch die Luftangriffe getöteten Menschen. Diese Rahmendaten seien endgültig, da dazu sämtliche Quellen ausgewertet und abgeglichen wurden.<ref>[http://einestages.spiegel.de/static/topicalbumbackground/2886/endlich_ruhe_fuer_die_toten.html 1945 Zeitgeschichten auf Spiegel online: ''Dresdner Bombeninferno: Endlich Ruhe für die Toten'']</ref> === Militärische, ethische und rechtliche Bewertungen === Die Luftangriffe auf Dresden gelten oft als Paradebeispiel für eine verfehlte Kriegführung der Alliierten, die ab 1945 primär der [[Zivilperson|Zivilbevölkerung]] gegolten und keine kriegsentscheidende Bedeutung mehr gehabt habe. Als Indizien dafür werden die Pläne für einen Vernichtungsschlag und die Auswahl dicht besiedelter Innenstädte ohne größere Industriestandorte genannt. Bezweifelt wird, dass die Angriffe primär Dresdens militärische Infrastruktur treffen sollten: Dagegen sprächen die Abwurfstellen der Zielmarkierungen, der nächtliche Abwurf von Stabbrandbomben auf die Altstadt und der Umstand, dass Flughafen, Fabriken und Kasernen im Norden der Stadt weniger stark beschädigt wurden. Zudem wird behauptet, dass Dresden militärisch schutz- und bedeutungslos gewesen sei<ref name="mn-dh-84"/>, da „die Flakeinheiten ins Ruhrgebiet und nach Schlesien abgezogen worden waren“.<ref>Gerd R. Ueberschär: ''Dresden 1945.'' S. 38</ref> Dem wird entgegengehalten, dass punktgenaue Bombenabwürfe damals wegen fehlender [[Radar|Zielradartechnik]] und Wetterabhängigkeit noch erschwert waren. Gerade die schlechte Trefferquote bei Punktzielen war 1943 Anlass zur Verstärkung des Flächenbombardements (''area bombings''). Andererseits soll die RAF an der Westfront mit neuer Radarausrüstung zu zielgenaueren Treffern gekommen sein, die den Vormarsch der alliierten Bodentruppen entscheidend begünstigt hätten. Mit dem [[H2S (Navigation)|H2S-Radar]] stand der RAF und der USAF seit Januar 1943 ein Zielradar zur Verfügung. <ref>[http://www.raf.mod.uk/bombercommand/feb43.html RAF Zielradar H2S]</ref> <ref>Freeman, Roger A. The Mighty Eighth War Diary (1990). ISBN 0879384956 Seite 240</ref> Die ethische und rechtliche Verantwortbarkeit der alliierten Luftkriegsstrategie waren in Großbritannien seit ihrem Beginn umstritten, wurden aber seit der [[Luftschlacht um England]] nur selten öffentlich kritisiert. Dass die britischen Städtebombardierungen [[Völkerrecht]] brechen, die ethischen Grundlagen der [[Westliche Welt|westlichen Zivilisation]] bedrohen und die Chancen zur künftigen [[Versöhnung]] mit den Deutschen zerstören, vertrat im [[House of Lords]] ab Februar 1943 vehement und wiederholt der anglikanische Bischof [[George Kennedy Allen Bell|George Bell]]. Neben ihm opponierten nur noch zwei [[Labour Party|Labour-Abgeordnete]] im [[House of Commons (Vereinigtes Königreich)|House of Commons]] gegen das ''area bombing''. Die [[Haager Landkriegsordnung]] von 1907 hatte den Unterzeichnerstaaten, darunter Großbritannien und Deutschland, die Auswahl ziviler Ziele, damit auch von Innenstädten, verboten. Die Reichweite des für den Landkrieg konzipierten Völkerrechts hatten Völkerrechtsexperten 1922/23 beraten und Regeln für den Luftkrieg entworfen, in denen es hieß:<ref>zitiert nach [http://www.welt.de/print-welt/article423713/Bombenkrieg__und_Kriegsrecht_Das_Beispiel_Dresden.html Sven Felix Kellerhoff: ''Bombenkrieg und Kriegsrecht: Das Beispiel Dresden'' (Die Welt, 9. Februar 2005)]</ref> {{Zitat|Das Luftbombardement zur Terrorisierung der Zivilbevölkerung und Zerstörung oder Beschädigung von Privateigentum nichtmilitärischen Charakters ist verboten.}} Doch dieser Entwurf wurde nicht in das [[Kriegsvölkerrecht]] aufgenommen, so dass dieses Flächenbombardements nicht ausdrücklich verbot. Die USAF und die RAF bezeichneten Dresden 1945 anhand von umfangreichem Material als „legitimes militärisches Ziel“.<ref name="afhis"/> Heute diskutieren Historiker und Philosophen ausgiebig militärische und ethische Aspekte des Luftkriegs und ihr Verhältnis zueinander. Zum einen wird gefragt, ob das ''moral bombing'' zusammen mit dem Abwurf von Millionen von Flugblättern Risse zwischen [[Volk]] und Führung erzeugen und die [[Kampfmoral]] der Deutschen brechen konnte oder aber eher das Gegenteil erreichte. Zum anderen wird in Frage gestellt, dass der Luftkrieg in den letzten Kriegsmonaten überhaupt noch primär militärische Zwecke verfolgte. [[Gerd R. Ueberschär]] beschrieb die Angriffe 2001 als Bruch des damaligem Kriegsvölkerrechts. Die Bombardierung habe keine Schlacht um die Stadt entschieden und auch das Kriegsende nicht beschleunigt.<ref>Gerd R. Ueberschär: ''Dresden 1945 – Symbol für Luftkriegsverbrechen'', in: Wolfram Wette, Gerd R. Ueberschär (Hrsg.): ''Kriegsverbrechen im 20. Jahrhundert'', Darmstadt 2001, S. 382-396</ref> [[Jörg Friedrich]] beschrieb in seinem Buch ''Der Brand'' 2002 die Angriffe aus der Sicht der Betroffenen.<ref>Jörg Friedrich: ''Der Brand. Deutschland im Bombenkrieg 1940–1945.'' Ullstein-Heine-List, München 2002, ISBN 3-548-60432-3</ref> Für ihn waren die Bombardierungen vieler deutscher Städte nicht erst seit den letzten Kriegsmonaten militärisch sinnlose, beabsichtigte Massenvernichtung. Er löste damit eine neue, bis heute anhaltende Debatte über den Luftkrieg in Großbritannien und Deutschland aus, in der sein Buch Zustimmung aus dem rechten Spektrum<ref>[http://www.jungefreiheit.de/Archiv.364.0.html Dieter Stein: ''Das deutsche Trauma. Ein Buch über den Bombenkrieg trifft den Nerv der Deutschen'' (Junge Freiheit 50/02, 6. Dezember 2002)]</ref> und Kritik erfuhr.<ref>[http://www.dradio.de/dlr/sendungen/politischesbuch/167343/ Hans-Ulrich Wehler, Rezension für das Deutschlandradio (''Das politische Buch''), 2. Dezember 2002]</ref> Frederick Taylor belegte daraufhin 2004 erneut die kriegswirtschaftliche Bedeutung der Industrie Dresdens, die Pläne der Deutschen an der Ostfront und Absprachen der Alliierten mit den Sowjets. Er betonte, dass die Deutschen den Luftkrieg eröffnet und rücksichtslos geführt hatten, so dass den Briten damals nur noch die Bomber als Offensivwaffe blieben. Er sprach den Angriffen damit eine militärische Rationalität zu, schloss aber nicht aus, dass sie auch Kriegsverbrechen gewesen sein könnten. Der Ethiker [[Thomas A. Cavanaugh]] nannte die Angriffe 2006 mit Bezug auf das Prinzip der Doppelwirkung<ref>dazu Thomas Nagel: ''War and Massacre'', in: Philosophy and Public Affairs, Vol. 1, No. 2, 1972, S. 123-144</ref> als Beispiel für ein illegitimes „Terrorbombardement“, bei dem das Töten von Zivilisten unmittelbares Ziel und kein unbeabsichtigter Nebeneffekt gewesen sei.<ref>Thomas A. Cavanaugh: ''Double Effect Reasoning. Doing Good and avoiding Evil'', Oxford University Press 2006, S. 181</ref> Der britische Philosoph [[Anthony Grayling]] beurteilte das ''area bombing'' der Royal Airforce 2007 als militärstrategisch sinnlos und rechtlich wie ethisch als Kriegsverbrechen.<ref>Anthony Grayling: ''Among the Dead Cities'', Februar 2007</ref> Geschichtsrevisionistischen Missbrauch dieser Beurteilung schloss er aus:<ref>zitiert nach [http://www.welt.de/print-welt/article715809/Warum_der_Luftkrieg_ein_Kriegsverbrechen_war.html Sven F. Kellerhoff: ''Warum der Luftkrieg ein Kriegsverbrechen war''] (Die Welt 1. Februar 2007)</ref> :''Selbst wenn die alliierte Bomberoffensive teilweise oder völlig moralisch verwerflich gewesen sein sollte, reicht dieses Unrecht auch nicht annähernd an die moralische Ungeheuerlichkeit des [[Holocaust]] heran.'' Ob 1945 eine Strafverfolgung der Verantwortlichen für den Luftkrieg möglich gewesen wäre, wird wegen der damals fehlenden übernationalen Rechtsinstanz bezweifelt. Nach dem seit 1977 auch von Großbritannien und Deutschland ratifizierten Zusatzprotokoll zur [[Genfer Konventionen|Genfer Konvention]] ist eine flächendeckende Städtebombardierung verboten.<ref>[http://www.admin.ch/ch/d/sr/i5/0.518.521.de.pdf Zusatzprotokoll zu den Genfer Abkommen 1949 über den Schutz der Opfer internationaler bewaffneter Konflikte] (pdf)</ref> Jedoch ist dieses Verbot juristisch nicht [[Rückwirkung|rückwirkend]] anwendbar. == Gedenken == === Kirche === Am 13. Februar 1946 gegen 22:00, dem ersten Jahresdatum der nächtlichen Luftangriffe, kletterten zwei Schuljungen auf den Turm der [[Kreuzkirche (Dresden)|Kreuzkirche]] und läuteten deren Glocken. Seitdem läuten jedes Jahr an diesem Tag um 21:45 – dem Zeitpunkt des damaligen Fliegeralarms – alle Dresdner [[Kirchenglocke]]n. 1995, zum 50. Jahrestag der Angriffe, wurde eine ''Glockensinfonie'' unter Einbeziehung aller Dresdner Glocken gespielt. Schon unmittelbar nach Kriegsende hatte die anglikanische Gemeinde des britischen [[Coventry]], das die deutsche Luftwaffe im Zweiten Weltkrieg nahezu vollständig zerstört hatte, Kontakt mit Dresdner Kirchengemeinden aufgenommen. 1956 begann die Partnerschaft zwischen beiden Städten. 2002 trafen Gäste aus Coventry mit Dresdner Partnern zusammen, um unter dem Motto „Brücken bauen – Versöhnung leben“ ein Zeichen gegen [[Krieg]] und [[Hass]] zu setzen. [[Datei:Frauenkirche Dresden August 2004.jpg|thumb|right|Die wieder aufgebaute Dresdner Frauenkirche]] Die Begegnung fand an der Baustelle der Dresdner Frauenkirche statt, deren Wiederaufbau 1990 begonnen hatte. Sie ist inzwischen mit Hilfe von intensiven Spendensammlungen vor allem britischer und deutscher Fördervereine vollständig wiedererbaut und zum Mittelpunkt der Versöhnungsarbeit geworden. Das „Cross of Nails“ ([[Nagelkreuz von Coventry]]) aus den Trümmern der am 14. November 1940 zerstörten [[Coventry Cathedral|Kathedrale von Coventry]] wurde seither zum berühmten Symbol einer internationalen Gemeinschaft, die heute in Hunderten von Bombardierungen betroffenen Städten der Welt existiert. Seit dem 13. Februar 2005 gehört die Frauenkirche Dresden dazu. === DDR === In Dresden gab es von 1946 an – früher als in anderen deutschen Städten – regelmäßige politische Gedenkveranstaltungen, deren Schwerpunkte mehrfach verändert wurden. Zunächst betonte man eine „… bewusst von den faschistischen Verbrechern provozierte Zerstörung Dresdens…“, an der „… die politische Schwäche des deutschen Volks“ eine Mitschuld trage. Auf Anweisung der sowjetischen Militäradministration sollte das Gedenken keinen Trauercharakter haben. Seit den 1950er Jahren im [[Kalter Krieg|Kalten Krieg]] trat die Frage nach der Schuld der Deutschen am Krieg beim nunmehr DDR-weiten offiziellen Gedenken an die Toten von Dresden zurück. Die Luftangriffe wurden zunehmend den Westalliierten angelastet, deren Bombardements keinen militärischen Zielen gegolten und keinerlei strategische Bedeutung für das Kriegsende gehabt hätten, sondern barbarisch und kulturfeindlich gewesen seien. Laut manchen DDR-Politikern hätten „anglo-amerikanische Luftgangster“ (ein Ausdruck von Joseph Goebbels) Dresden bewusst zerstört, um die Stadt nicht in sowjetische Hände fallen zu lassen. So behauptete der sächsische Ministerpräsident [[Max Seydewitz]] seit 1955 in seinem Dresdenbuch ''Die unbesiegte Stadt'', die deutschamerikanischen Besitzer der [[Villa San Remo]] in Dresden, Charles und [[John H. Noble]], hätten die alliierten Luftflotten mit einem Sender nach Dresden gelotst.<ref>[http://www.john-noble.de/sir_john_noble/noble_legende/ john-noble.de: ''Die Noble-Legende'']</ref> Ein von Staatsinteressen unabhängiges Gedenken begannen [[Friedensbewegung#Friedensbewegung in der DDR| kirchliche Friedensgruppen]] in der DDR. 1981 führte eine solche Gruppe vor der Frauenkirche eine symbolische Kerzenaktion durch und wandte sich in Flugblättern gegen die zunehmende [[Militarismus|Militarisierung]]. 1982 versammelten sich dort erstmals hunderte Demonstranten und forderten: „Nie wieder Krieg, nie wieder Faschismus!“ Zum 40. Jahrestag der Luftangriffe 1985 gab es erstmals wieder zentrale Staatsfeierlichkeiten in der Innenstadt; die Frauenkirche blieb dagegen Ort gesellschaftskritischer Proteste. Beide Seiten berücksichtigten die deutsche Kriegsschuld, deutsche Terrorangriffe und den Holocaust als Angriffsursachen sowie deren eventuelle militärische Notwendigkeit nur unzureichend. Erst seit der [[Wende (DDR)|politischen Wende in der DDR 1989]] setzten sich die Stadtvertreter vor allem während der Jahrestage der Luftangriffe intensiver mit ihrer Vergangenheit auseinander. === Rechtsextremisten === [[Datei:Dresden 130205 Fronttransparent.jpg|thumb|Fronttransparent der rechtsextremen Kundgebung am 13. Februar 2005 mit den Trägern [[Holger Apfel]] (NPD), [[Gerhard Frey (DVU)|Gerhard Frey]] (DVU), [[Udo Voigt]] (NPD) und [[Franz Schönhuber]] (Ex-REP)]] [[Datei:Dresden 130205 Gegenproteste.jpg|thumb|Gegenproteste mit Nationalfahnen der alliierten Siegermächte sowie [[Israel]]s]] Am 13. Februar 1990 fand der britische Holocaustleugner [[David Irving]] bei einem Vortrag in Dresden 500 zustimmende Teilnehmer; seine Beschreibung der Luftangriffe als alliierter [[Völkermord]] gab [[Neonazi]]s in der DDR Auftrieb. Seit 1998 benutzten immer mehr Rechtsextremisten das jährliche Gedenken für ihre Propaganda. 1998 versuchten 30 bis 40 junge Neonazis zur Frauenkirche zu gelangen, wurden dabei von der Polizei eingekesselt und sangen Protestlieder. Im Jahr darauf waren es bereits etwa 200 Rechtsextremisten, die sich unter die trauernden Dresdner Bürger mischten und ihrerseits zahlreiche mit deutschnationalen Farben und Symbolen geschmückte Kränze an den Bauzäunen der im Wiederaufbau befindlichen Frauenkirche niederlegten. Im Jahr 2000 organisierte erstmals die [[Junge Landsmannschaft Ostdeutschland|Junge Landsmannschaft Ostpreußen]] (JLO) einen eigenen nächtlichen „Trauermarsch“ unter dem Motto „Ehre den Opfern des Bombenterrors“, an dem etwa 500 Personen teilnahmen, darunter bekannte Rechtsextremisten wie [[Franz Schönhuber]], [[Horst Mahler]] und [[Gert Sudholt]]. Von 2001 bis 2004 stieg die Teilnehmerzahl dieser Veranstaltung von 750 auf etwa 2100 an. Im Jahr 2005 lagen Organisation und Anmeldung dieses Gedenkmarsches in den Händen der [[Nationaldemokratische Partei Deutschlands|NPD]], die dabei eine „rechte Volksfront“ zur Schau stellte. Nachdem Ministerpräsident [[Georg Milbradt]] (CDU) die ihm für 2005 angetragene Schirmherrschaft abgelehnt hatte, übernahm [[Holger Apfel]] (NPD) diese. Am 13. Februar 2005 demonstrierten etwa 6500 Rechtsextremisten in einem mehrstündigen Marsch durch die Dresdner Innenstadt. Diese Märsche etablierten sich als eine der größten regelmäßigen bundesweiten Veranstaltungen von Rechtsextremisten seit Bestehen der Bundesrepublik.<ref>{{Literatur|Online=[http://www.verfassungsschutz.sachsen.de/download/VS-Bericht_2004.pdf PDF, 1,78 Mb]|Zugriff=2009-12-08|Titel=Verfassungsschutzbericht 2004 Freistaat Sachsen|Seiten=53|Herausgeber=Landesamt für Verfassungsschutz Sachsen}}</ref> Sie dienen nicht nur als Machtdemonstration, sondern auch zur Vernetzung zwischen verschiedenen rechtsextremen Gruppen. Unter den Teilnehmern sind Angehörige, Wähler und Sympathisanten jeden Alters aller als rechtsextrem geltenden Parteien, aber auch neonazistische [[Freie Kameradschaften]] und einige [[Vertriebenenverband|Vertriebenenverbände]]. Hinzu kommen zunehmend auch Personen und Organisationen aus anderen europäischen und außereuropäischen Ländern. Beliebtes Propagandaschlagwort bei den Märschen auf Transparenten und in Reden ist der Ausdruck [[Holocaust (Begriff)#„Bombenholocaust“|„Bombenholocaust“]], der die Angriffe mit dem Holocaust gleichsetzt. Damit wird die alliierte Kriegführung aus ihrem historischen Kontext gelöst und zur einseitigen Anklage verwendet. Man attestiert besonders Großbritannien und den USA besondere Unmenschlichkeit und Grausamkeit und betreibt damit eine Täter-Opfer-Umkehr, die die Kriegsgegner Deutschlands als Verbrecher darstellt und ihnen die eigentliche Kriegsschuld anlastet, um die des nationalsozialistischen Deutschlands zu verharmlosen. [[Datei:Antifa blockade Dresden 2010.jpg|thumb|Antifablockade in Dresden 2010]] Am 13. Februar 2007 nahmen etwa 1.500 Personen am „Trauermarsch“ teil, zu dem JLO, NPD und regionale rechtsextreme Gruppen aufgerufen hatten. Eine zudem geplante „Aktionswoche“ sollte deutsche Kriegsverbrechen vergessen machen.<ref>[https://www.bnr.de/archiv/meldungsarchiv/jahr2007/meldungen0207/rechtsextremeaktionswoche/ Blick nach Rechts, 8. Februar 2007: ''Rechtsextreme „Aktionswoche“'']</ref> 2010 konnten etwa 5000 Neonazis - 3000 weniger als erwartet - ihren Marsch nicht durchführen und mussten sich auf eine Standkundgebung vor dem [[Bahnhof Dresden-Neustadt]] beschränken: Zum Teil geduldete, zum Teil gewaltsam geräumte Blockaden tausender Gegendemonstranten bewirkten, dass die Polizei den Marsch auf keiner möglichen Route absichern konnte und ihn darum untersagte und unterband.<ref>[http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,677718,00.html Olaf Sundermeyer (Der Spiegel, 13. Februar 2010): ''Bomben-Gedenken in Dresden: Neonazis scheitern mit Propagandamarsch'']</ref> === Stadt === Dresdner Stadträte und Bürgerinitiativen bieten seit Jahren eigene Gedenkveranstaltungen zu den Jahrestagen der Angriffe an. Getragen von einer Bürgermehrheit, versuchen sie zusammen mit gesellschaftlichen Gruppen und der Partnerstadt Coventry über nationale Grenzen hinweg Verständnis dafür zu wecken, dass die deutsche Kriegsschuld nicht mit Kriegsverbrechen anderer aufgewogen, in keiner Weise angezweifelt oder relativiert werden kann. Sie befürworten ein gemeinsames Gedenken an alle Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft, um zu zeigen, dass für sie die Versöhnung die einzige Option für eine friedliche Zukunft darstellt. So reihten städtische Plakate zum 60. Jahrestag der Luftangriffe am 13. Februar 2005 Dresdens Schicksal in eine Liste anderer durch Kriege zerstörter Städte ein, darunter [[Gernika#Bombardierung Gernikas im Bürgerkrieg|Guernica]], [[Warschau]], [[Coventry]], [[Sankt Petersburg|Petersburg]], [[Operation Gomorrha|Hamburg]], [[Atombombenabwürfe auf Hiroshima und Nagasaki|Hiroshima]], [[Monrovia]], [[Sarajevo#Krieg in Bosnien|Sarajevo]], [[Grosny]] und [[Bagdad]]. Die Stadtverwaltung erlässt seit Jahren ein [[Versammlungsverbot]] für den 13. und 14. Februar rund um die Frauenkirche, um dort Zusammenstöße von Rechtsextremisten und Gegendemonstranten zu verhindern. Antifagruppen werfen ihr vor, dem jährlichen Neonaziaufmarsch so einen reibungslosen Ablauf zu ermöglichen und aktiven Gegenprotest auch mit rechtsstaatlich umstrittenen Mitteln zu unterbinden. Sie weisen auf Städte hin, die aktives Einschreiten gegen Neonaziaufmärsche erlauben.<ref>[http://venceremos.antifa.net/archiv/13februar/2008/pm.htm Dresdner Antifabündnis Venceremos: ''13./16. Februar 2008 in Dresden: Pressemitteilungen''], abgerufen am 20. April 2010</ref> 2007 nahmen etwa 4000 Personen an einer Gegendemonstration unter dem Motto „Geh Denken“ teil.<ref>[http://www.sz-online.de/nachrichten/artikel.asp?id=1407809 Sächsische Zeitung, 14. Februar 2007: ''Dresdner zeigen Courage gegen Rechts'']</ref> 2009 protestierten über 10.000 Menschen gegen die jährlichen Neonazi-Aufmärsche. 2010 bildeten etwa 10.000 Dresdner eine Menschenkette um die Altstadt, um diese symbolisch von Neonazis abzuschirmen. Ein Bündnis der Stadt mit Kirchen, Gewerkschaften, Parteien, Wirtschaftsverbänden und weiteren Gruppen hatte dazu aufgerufen. Die Oberbürgermeisterin [[Helma Orosz]] (CDU) erinnerte daran, „wer diesen verdammten Krieg losgetreten hatte“ und rief dazu auf, Dresden „zu einer Festung gegen Intoleranz und Dummheit“ zu machen, um sich rechtsextremem Missbrauch des Gedenkens entgegenzustellen.<ref>[http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,677692,00.html Der Spiegel, 13. Februar 2010: ''Zehntausend bei Anti-Neonazi-Kette: Dresden stemmt sich gegen die Geschichtsklitterer']</ref> Seit 2010 wird mit dem [[Dresden-Preis]] ein internationaler [[Liste von Friedenspreisen|Friedenspreis]] gestiftet, der jährlich am 13. Februar vergeben werden soll. == Literatur == ; Gesamtdarstellungen * Götz Bergander: ''Dresden im Luftkrieg. Vorgeschichte – Zerstörung – Folgen.'' (1. Auflage 1977) Böhlau, 2., überarbeitete und erweiterte Auflage, Weimar/Köln/Wien 1994, ISBN 3-412-10193-1 * A. C. Grayling: ''[[Die toten Städte]]. Waren die alliierten Bombenangriffe Kriegsverbrechen?'' Bertelsmann, München 2007, ISBN 978-3-570-00845-4 * Jörg Friedrich: ''Der Brand. Deutschland im Bombenkrieg 1940-1945.'' Propyläen, Berlin/München 2002, ISBN 3-549-07165-5 * Frederick Taylor: ''Dresden, Dienstag, 13. Februar 1945. Militärische Logik oder blanker Terror?'' Bertelsmann, München 2004, ISBN 3-570-00625-5 ::[http://www.fr-online.de/in_und_ausland/politik/zeitgeschichte/60_jahre_nach_kriegsende/bibliographie_und_rezensionen/rezensionen/?em_cnt=629554& Rezension von Stephan Reinhardt, 10. Februar 2005] ::[http://www.zeit.de/2005/07/P-Taylor?page=all Rezension von Volker Ullrich, 10. Februar 2005] ::''Fakten gegen Legenden. Frederick Taylor über die Bombardierung Dresdens im Februar 1945''. In: [[Analyse & kritik]] Nr. 93 vom 18. März 2005 ; Sachbücher, Monografien und Einzelbeiträge * Dresdner Geschichtsverein: ''Dresdner Hefte – Beiträge zur Kulturgeschichte.'' {{ISSN|08632138}} :besonders Nr. 41: ''Dresden – Das Jahr 1945.'' Dresden 1995, ISBN 3-910055-27-3 ::darin: Matthias Neutzner: ''„Wozu leben wir nun noch? Um zu warten, bis die Russen kommen?“ Die Dresdner Bevölkerung vom 13. Februar bis zum 17. April 1945'' * Matthias Neutzner (Hrsg.): ''Lebenszeichen – Dresden im Luftkrieg 1944/45.'' Sandstein, Dresden 1994, ISBN 3-930382-01-6 (2. überarbeitete Auflage, Erstauflage 1991; Dokumentation der gleichnamigen Ausstellung August 1989 bis April 1990 / Februar 1992 bis heute) * Oliver Reinhard, Matthias Neutzner, Wolfgang Hesse (Hrsg.): ''Das rote Leuchten. Dresden und der Bombenkrieg.'' Ed. Sächsische Zeitung, Dresden 2005, ISBN 3-938325-05-4 * Wolfgang Schaarschmidt: ''Dresden 1945. Dokumentation der Opferzahlen.'' Herbig, München 2005, ISBN 3-7766-2430-2 * Gunnar Schubert: ''Die kollektive Unschuld. Wie der Dresden-Schwindel zum nationalen Opfermythos wurde.'' Konkret-Texte 42. KVV Konkret, Hamburg 2006, ISBN 3-930786-47-8 * Gerd R. Ueberschär: ''Dresden 1945''. In: Gerd R. Ueberschär (Hrsg.): ''Orte des Grauens. Verbrechen im Zweiten Weltkrieg''. Primus Verlag, Darmstadt 2003, ISBN 3-89678-232-0, S. 37–48 ; Romane, Erlebnisberichte, autobiografische Erzählungen * '' 13. Februar 1945. Zeitzeugen über die Zerstörung Dresdens. Ein Lesebuch.'' Sebastian Kranich (Redaktion), Eva-Maria Zehrer (Konzeption), Sächsische Landeszentrale für politische Bildung (Herausgeber), Dresden 2009 * [[Henny Brenner]]: ''Das Lied ist aus. Ein jüdisches Schicksal in Dresden.'' ddp Goldenbogen, Dresden 2005, ISBN 3-932434-25-0 * Henri Coulonges: ''L'adieu à la femme sauvage.'' Stock, 1979, ISBN 2-234-01052-7 ** dt. Ausgabe: ''Dresden starb mit dir, Johanna.'' Ullstein, Frankfurt/Berlin/Wien 1984, ISBN 3-550-06329-6 * Alexander McKee: ''Dresden 1945. The Devil's Tinderbox.'' Souvenir Press, 1982; Dutton, 1984, ISBN 0-525-24262-7 ** dt. Ausgabe: ''Dresden 1945. Das deutsche Hiroshima.'' Zsolnay, Wien/Hamburg 1983, ISBN 3-552-03529-X * Axel Rodenberger: ''Der Tod von Dresden. Ein Bericht über das Sterben einer Stadt.'' Landverlag, Dortmund 1951; Neuausgabe unter dem Titel ''Der Tod von Dresden. Bericht vom Sterben einer Stadt in Augenzeugenberichten.'' Ullstein, Frankfurt/Berlin 1995, ISBN 3-550-07074-8 * Kurt Vonnegut: ''Slaughterhouse-Five or The Children's Crusade.'' Delacorte Press, 1969, ISBN 0-385-31208-3; deutsch: ''Schlachthof 5 oder Der Kinderkreuzzug.'' Hoffmann & Campe, Hamburg 1970, ISBN 3-455-07955-5; Rowohlt, Reinbek 1972, ISBN 3-499-11524-7 ; Aufsätze und aktuelle Artikel * [http://www.bombenkrieg.historicum-archiv.net/themen/dresden.html ''Luftkriegslegenden in Dresden''] von Helmut Schnatz, historicum.net, 17. Dezember 2003 * [http://www.bombenkrieg.historicum-archiv.net/themen/ddr.html ''Dresden und die Erinnerungspolitik in der DDR''] von Gilad Margalit, historicum.net, 25. Januar 2004 * [http://venceremos.antifa.net/13februar/onlinedoku/blumentritt.htm ''Keine Träne für Dresden – Über die Dresdenmythen''] Vortrag von Martin Blumentritt im Jour Fixe der Initiative Sozialistisches Forum am 18. Juni 2002 == Filme == *[[Dresden (Film)|„Dresden“]]: Zweiteiliger Fernsehfilm für das [[ZDF]], Regie: [[Roland Suso Richter]], Buch/Autor: [[Stefan Kolditz]]. Gesendet am 5. und 6. März 2006, jeweils 20:15 Uhr, Gesamtlänge: 177 Minuten == Weblinks == {{Commonscat|Bombing of Dresden in World War II|Bombenangriffe auf Dresden}} * [http://www.dresden.de/media/pdf/infoblaetter/Historikerkommission_Dresden1945_Abschlussbericht_V1_14a.pdf Dresden: Abschlussbericht der Historikerkommission] * [http://www.deutschefotothek.de/?MEDIA_KARTEN#|1 Deutsche Fotothek: Schadenspläne der Stadt Dresden] Dort auffindbar: ::Blatt 1, 4, 5, 6. Bearbeitet 1945/1946 vom Stadtbauamt Dresden. Grundlagenkarte Dresden 1: 5000, Stadtvermessungsamt Dresden, mit Legende zum Zerstörungsgrad. Stadtarchiv Dresden ::„Der neue Plan von Dresden mit besonderer Kennzeichnung der total zerstörten Gebiete“. Stadtplan von 1947 * [http://www.dhm.de/lemo/html/wk2/kriegsverlauf/dresden/ Deutsches Historisches Museum: ''Bombardierung von Dresden''] * [http://www.mahndepots.de/ Mahndepots in Dresden], Kunstprojekt ''Gravuren des Krieges'' * {{Webarchiv|url=http://de.geocities.com/fliegerhorste/dresden.htm|wayback=20080628151532|text=Dresden – Luftkriegsschule 1}} == Einzelnachweise == <references /> {{Exzellent}} [[Kategorie:Luftkriegsoperation im Zweiten Weltkrieg|Dresden]] [[Kategorie:Großbrand|Dresden]] [[Kategorie:Dresdner Geschichte]] [[Kategorie:Sächsische Geschichte]] [[Kategorie:1945]] [[Kategorie:Militär im Nationalsozialismus]] [[Kategorie:Royal Air Force]] [[Kategorie:United States Air Force]] [[Kategorie:Deutsche Militärgeschichte (Zweiter Weltkrieg)]] {{Link GA|ru}} [[ar:قصف درسدن (الحرب العالمية الثانية)]] [[bg:Бомбардировки на Дрезден]] [[cs:Bombardování Drážďan]] [[da:Luftbombardementet af Dresden]] [[en:Bombing of Dresden in World War II]] [[es:Bombardeo de Dresde]] [[et:Dresdeni pommitamine]] [[eu:Dresdenen bonbardaketa]] [[fa:بمباران درسدن در جنگ جهانی دوم]] [[fi:Dresdenin pommitukset]] [[fr:Bombardement de Dresde]] [[he:הפצצת דרזדן]] [[hr:Bombardiranje Dresdena]] [[hu:Drezda bombázása]] [[id:Pengeboman Dresden pada Perang Dunia II]] [[it:Bombardamento di Dresda]] [[ja:ドレスデン爆撃]] [[ka:დრეზდენის დაბომბვა]] [[nl:Bombardement op Dresden]] [[no:Bombingen av Dresden]] [[pl:Bombardowanie Drezna]] [[pt:Bombardeamento de Dresden]] [[ro:Bombardarea Dresdei în al Doilea Război Mondial]] [[ru:Бомбардировка Дрездена]] [[sl:Bombardiranje Dresdna]] [[sv:Bombningen av Dresden]] [[tr:Dresden Bombardımanı]] [[zh:德累斯顿轰炸]] 0mt1vyibxt51apqlcobichfk1ygc5pv wikitext text/x-wiki Luftkrieg während der Operation Overlord 0 23869 26465 2010-05-06T07:43:34Z Sargoth 0 Änderungen von [[Special:Contributions/Sargoth|Sargoth]] ([[User talk:Sargoth|Diskussion]]) rückgängig gemacht und letzte Version von [[User:Mesterson|Mesterson]] wiederhergestellt [[Bild:Typhoon-rearmed.jpg|thumb|Eine [[Hawker Aircraft|Hawker]] [[Hawker Typhoon|Typhoon]] wird mit Luft-Bodenraketen bewaffnet, Mai 1944]] [[Bild:North_American_P-51_Mustang.JPG|thumb|[[North American Aviation|North American]] [[North American P-51|P-51 Mustangs]] mit schwarz-weißen „Invasionsstreifen“ zur besseren Unterscheidung von Flugzeugen der Luftwaffe]] [[Bild:Halifax-mk3.jpg|thumb|Eine [[Handley Page]] [[Handley Page Halifax|Halifax Mark III]], ein schwerer Bomber der RAF, der auch als Schleppflugzeug für Lastensegler eingesetzt wurde]] Der '''Luftkrieg während der Operation Overlord''' gehört neben der [[Luftschlacht um England]], den [[Trägerschlacht]]en im Pazifik und dem strategischen [[Luftkrieg#Bombenangriffe auf Deutschland|Luftkrieg gegen das Deutsche Reich]] zu den bedeutendsten Luftschlachten des [[Zweiter Weltkrieg|Zweiten Weltkrieges]]. Sie fand zwischen April und August [[1944]] im Verlauf der alliierten Landung in Nordfrankreich (→ [[Operation Overlord]]) statt. Die alliierte Landung in der Normandie wurde auch durch die [[Luftüberlegenheit]] der alliierten Streitkräfte ermöglicht. Vor dem 6. Juni 1944, dem sogenannten D-Day, bereiteten die alliierten Luftstreitkräfte die Invasion vor. Sie bombardierten deutsche Versorgungslinien, Artilleriebatterien und unterstützten die französische [[Résistance]] aus der Luft mit Munition und Ausrüstung. Während des D-Days sicherten alliierte Jäger den Luftraum über dem Landungsbereich, und Bomberstaffeln griffen deutsche Stellungen im Hinterland an. Zum Schutz der Armada und der Nachschubschiffe suchten zugleich alliierte Flugzeuge die See nach deutschen U-Booten ab. Da die Deutschen an eine Landung beim [[Pas-de-Calais]] geglaubt hatten und teilweise im Juni 1944 immer noch glaubten (→ [[Deutsche Situation in der Normandie im Jahr 1944]]), konnten sie den Alliierten am D-Day nur wenige Jagdflugzeuge entgegensetzen. Ein Großteil der Verbände war kurz zuvor weiter ins Landesinnere verlegt worden. Nach dem D-Day unterstützten die Alliierten ihre Offensiven auf dem Boden mit konzentrierten Bombardements. Alliierte Jagdbomber suchten die Normandie nach deutschen Truppenverbänden ab und beschossen sie, um einen Einsatz gegen die Landstreitkräfte zu verhindern. Die Deutsche Luftwaffe konnte den alliierten Luftstreitkräften und dem Vormarsch am Boden kaum Kräfte entgegensetzen. Die [[Wehrmacht|Deutsche Wehrmacht]] erhoffte sich durch „Wunderwaffen“, wie beispielsweise „Blitzbombern“ und [[Düsenjäger]]n (die jedoch nicht zum Einsatz kamen), vor allem aber durch den Einsatz von kampferprobten Panzerdivisionen, die Invasion abzuwehren. Außerdem griff die Deutsche Wehrmacht britische Städte mit den „[[Vergeltungswaffe]]n“ [[Fieseler Fi 103|V1]] und [[A4 (Rakete)|V2]] an. Die alliierten Luftstreitkräfte konnten alle an sie gestellten Aufgaben erfüllen, wenn auch, wie im Falle der Schlacht um Caen, mit Verzögerung aufgrund schlechten Wetters. Das Ausmaß der eingesetzten Kräfte war bislang unerreicht, der Verlust von fast 17.000 alliierten Besatzungen innerhalb von weniger als drei Monaten war das höchste personelle und materielle Opfer in der Geschichte des Luftkrieges. Die Deutsche Luftwaffe war nicht in der Lage, der alliierten Übermacht entscheidend zu begegnen. Der Versuch, den alliierten Vormarsch durch einen massiven Gegenschlag während ungünstigen Flugwetters im Winter 1944 zu stoppen, scheiterte ebenfalls ([[Ardennenoffensive]], [[Operation Bodenplatte]]). == Hintergrund, Planung und Situation der Kriegsgegner == === Alliierte Vorbereitung der Operation Overlord und Aufgabenstellung für die Luftstreitkräfte === [[Bild:B17-dropping-supplies-for-resistance.jpg|thumb|B-17 Bomber der USAAF werfen Versorgungsmaterial für die Résistance im besetzten Frankreich ab, 1944]] Am 11. Januar 1944 begannen die alliierten Luftangriffe im direkten Zusammenhang mit der Vorbereitung auf [[Operation Overlord]]. Die Einsätze hatten bis zum Beginn der Invasion folgende Ziele, die parallel zueinander verfolgt wurden: # Versorgung der Widerstandsgruppen im besetzten Frankreich ([[Résistance]]) mit Waffen und Gerätschaften, die zur Durchführung von Sabotageaktionen dienten. # Angriff auf die kurz vor der Fertigstellung befindlichen deutschen Raketenabschussbasen an der Kanalküste. # Angriffe gegen deutsche Transporteinrichtungen im zukünftigen Landungsgebiet, hauptsächlich gegen Einrichtungen der von den Deutschen beherrschten französischen Eisenbahn ([[Luftkrieg während der Operation Overlord#Transportation Plan|Transportation Plan]]). # Angriffe gegen Einrichtungen der deutschen Luftwaffe, insbesondere gegen Einsatzbasen der Reichsverteidigung und deren Endmontagewerke. Bereits vier Monate vor der Durchführung der Operation Overlord wurde von den Alliierten eine Serie von Luftangriffen gegen Ziele an der Kanalküste, der holländischen Küste und Ziele im Reichsgebiet durchgeführt, mitunter um die Verteidigungsbereitschaft der deutschen Luftwaffe zu testen. Bei diesen Operationen, die bei den alliierten Besatzungen als [[Big Week]] bekannt wurden, stellte sich heraus, dass die alliierten Luftstreitkräfte an jedem Ort und zu jeder Zeit die Lufthoheit erringen konnten. Darüber hinaus wurden im April 1944 Erdöllager im Fördergebiet um die [[Rumänien|rumänische]] Stadt [[Ploieşti|Ploesti]] und [[Kohleverflüssigung#Zur Geschichte|Hydrierwerke]] im deutschen Reichsgebiet angegriffen, was zu einem Mangel an Flugbenzin führte und die Bewegungsfreiheit der Luftwaffe weiter einschränkte. === Beteiligte alliierte Luftstreitkräfte === [[Oberbefehlshaber]] der Alliierten Expeditions-Luftflotten (Allied Expeditionary Air Force, AEAF) und damit der größten und vielseitigsten Luftarmada aller Zeiten war [[Luftmarschall]] [[Trafford Leigh-Mallory]]. Unter seinem Befehl befanden sich Luftlandeflotten, Taktische Luftflotten, Strategische Luftflotten, das Küstenkommando der Royal Air Force sowie die „Air Defence of Great Britain“. ==== Luftlandeflotten ==== * ''No. 38 Group AEAF'' und ''No. 46 RAF Transport Command'' mit zusammen 478 Transportflugzeugen und 1.120 [[Lastensegler]]n für Luftlandeoperationen. * ''Ninth Troop Carrier Command'' der ''Ninth Air Force'' mit insgesamt 813 Transportflugzeugen und 511 [[Lastensegler]]n.<ref>Website zur Dokumentation der Invasion in der Normandie, unter: http://www.6juin1944.com/assaut/aeropus/en_page.php?page=statistics; Abgerufen Ende April 2006 </ref> ==== Taktische Luftflotten ==== ===== Entwicklungsgeschichte ===== Während des [[Westfeldzug 1940|Westfeldzugs 1940]] waren die Methoden der alliierten Luftstreitkräfte, insbesondere der Royal Air Force, gegen die schnell vorrückenden Verbände des deutschen Landheeres noch unbefriedigend. Die für die [[Luftnahunterstützung]] vorgesehenen Verbände, die mit veralteten Flugzeugen des Musters [[Fairey Battle]] ausgerüstet waren, waren fast vollständig aufgerieben worden, ohne nennenswerte taktische Erfolge erzielt zu haben. Während des [[Afrikafeldzug]]es, der für England eine Fortsetzung des Landkrieges gegen das Deutsche Reich darstellte, wurde dieses Defizit sowohl bei der RAF als auch bei den amerikanischen Luftstreitkräften aufgeholt. Die erste taktische Luftflotte der Royal Air Force war die Desert Air Force (DAF). Diese aus verschiedenen Jäger- und Bomberkommandos zusammengestellte Einheit entwickelte wichtige, für spätere taktische Luftflotten wegweisende Methoden wie zum Beispiel den Einsatz von [[Forward Air Controller]]n (zu deutsch sinngemäß: Vorgeschobene Angriffseinweiser). Auf amerikanischer Seite wurde die Ninth Air Force am 12. November 1942 aus der US-Army Middle East Air Force (USAMEAF) in Nordafrika gebildet. Vorhandene Flugzeugmuster wurden für den Einsatz gegen Bodentruppen in einer [[Taktischer Luftkrieg|taktischen Situation]] umgerüstet, Angriffsmuster wurden erprobt, die Voraussetzung(en) für die Entstehung von spezialisierten taktischen Luftflotten wurde(n) geschaffen. ===== Die Second Tactical Air Force der Engländer und die Ninth Air Force der Amerikaner ===== [[Bild:Preinvasion_bombing_of_Pointe_du_Hoe.jpg|thumb|Mittlere Bomber der Ninth Air Force bombardieren die Pointe du Hoc vor der Invasion]] Als das [[Afrikakorps]] 1943 geschlagen war, wurden die taktischen Einheiten nach England verlegt und in zwei große Luftflotten zusammengefasst, die britische Second Tactical Air Force (2nd TAF) und die amerikanische Ninth Air Force. Beide Luftflotten wurden auf die Umstände einer geplanten Invasion hin ausgerichtet und begleiteten die alliierten Bodentruppen von der Landung in der Normandie an bis zum Kriegsende. Die Ausrüstung wurde im weiteren Verlauf durch neue Flugzeugmuster und spezielle Munition komplettiert, wie zum Beispiel die [[Hawker Typhoon]], ausgerüstet mit ungelenkten Luft-Bodenraketen zur Panzerbekämpfung. Die Second Tactical Air Force und die Ninth Air Force verfügten am 6. Juni 1944 zusammen über ca. 2.600 Flugzeuge, darunter Jagdflugzeuge, Jagdbomber, leichte und mittlere Bomber, Aufklärer und Artilleriebeobachter. ==== Strategische Luftflotten ==== * [[RAF Bomber Command|Royal Air Force Bomber Command]] (Strategisches Bomberkommando der Royal Air Force, Oberbefehlshaber [[Arthur Harris]]) bestand am 6. Juni 1944 aus 82 Squadrons mit insgesamt 1.681 Flugzeugen. * [[8. US-Air Force|8. United States Army Air Force]], seit 22. Februar 1944 unter dem Befehl der United States Strategic Air Force (USSTAF) und deren Oberbefehlshaber General Carl Spaatz. Die Luftstreitmacht, die zu Deutsch als 8. US-Luftflotte und im amerikanischen Militärjargon als „Mighty Eighth“ (Mächtige Achte) bezeichnet wurde, war die größte aller beteiligten Luftflotten. Sie bestand aus über 2.800 Flugzeugen und verfügte auch über große Begleitjägerverbände. ==== Royal Air Force Coastal Command (Küstenkommando) ==== [[Bild:Short_Sunderland_Mk_V.jpg|thumb|Short Sunderland Mk.V, im Einsatz als U-Boot-Jäger des Coastal Command]] ''16th'' und ''19th Group'' mit insgesamt 63 ''Squadrons'', die am 6. Juni zusammen 678 einsatzbereite Flugzeuge umfassten, davon 549 aus Einheiten der [[Royal Air Force]]. Hauptaufgabe war die Durchführung der [[Luftkrieg während der Operation Overlord#Operation Cork|Operation Cork]]. Daneben wurden die alliierten Seestreitkräfte bei der Abwehr von Schnellbooten und anderen leichten Überwasserschiffen unterstützt und Nachschublinien an der Küste angegriffen. ==== Air Defence of Great Britain (ADGB) ==== Zur Verteidigung der britischen Inseln waren die ''10th'', die ''11th'', die 12th und die ''13th Group'' mit insgesamt 45 ''Squadrons'', die in etwa je einer deutschen [[Staffel (Militär)|Staffel]] entsprachen, vorgesehen. Diese Einheiten wurden teilweise auch kurzfristig der Second Tactical Air Force unterstellt und nahmen an vielfältigen Operationen teil, die weit über die Verteidigung des britischen Luftraumes hinausgingen. === Verteidigungsplan der deutschen Luftwaffe === ==== Die Rolle der Luftwaffe ==== Nach dem Kriegswinter 1943-44 kam es zu einer Vertrauenskrise zwischen dem Oberbefehlshaber der [[Luftwaffe (Wehrmacht)|Luftwaffe]] Hermann [[Hermann Göring|Göring]] und Hitler. Göring, seit dem misslungenen Putsch 1923 engster Vertrauter Hitlers, hatte während des Krieges mehrfach leere Versprechungen gemacht. So wollte er 1940 das Britische Expeditionskorps in [[Schlacht von Dünkirchen|Dünkirchen]] durch die Luftwaffe vernichten, es gelang aber eine erfolgreiche Evakuierung von fast 340.000 alliierten Soldaten. Im August 1940 wollte er die [[Royal Air Force]] innerhalb von vier Tagen niederwerfen, scheiterte aber in der [[Luftschlacht um England]] auch damit. Die von ihm zugesagte Versorgung der eingeschlossenen [[Schlacht um Stalingrad|6. Armee in Stalingrad]] über den Winter 1942-43 aus der Luft versagte. Göring hatte sogar behauptet, das Reichsgebiet vor alliierten Luftangriffen vollständig schützen zu können. Die Hoffnung auf starke Landstreitkräfte und die kapitalen Fehleinschätzungen Görings führten dazu, dass Hitler die Verteidigung der möglichen Invasionsstrände nicht der Luftwaffe übertrug. Er wählte dafür mit Generalfeldmarschall [[Erwin Rommel]] den Befehlshaber mit großen Erfahrungen im Bodenkampf gegen alliierte Truppen. Den Einsatz der Luftwaffe, insbesondere den Einsatz von „Blitzbombern“ zur Bekämpfung gelandeter alliierter Truppen, gedachte Hitler selbst zu lenken. Die tatsächliche Aktivität der Luftwaffe beschränkte sich auf einzelne Nachtangriffe, wie am 29. April 1944 gegen Portsmouth mit 100 Bombern. Zusammen mit dem [[Vergeltungswaffe|V-Waffeneinsatz]] bildete dies die sogenannte Fernkampfoffensive. Abgeworfene Bombenlasten über England: * 1943: 2.298 Tonnen * 1944: 9.151 Tonnen (inklusive V-Waffen) Die defensiven Vorkehrungen beschränkten sich auf die Verlegung von einigen Luftabwehrbatterien aus dem Reichsgebiet an die Atlantikküste. Mit der Verlegung von fliegenden Verbänden wollte man im [[Oberkommando der Wehrmacht]] „''bis zum letzten Augenblick [warten]''“ <ref name=OKW>Percy E. Schramm (Hrsg.): ''Kriegstagebuch des Oberkommandos der Wehrmacht 1944-1945'', Teilband 1, ISBN 3-7637-5933-6</ref>. Die vom Oberkommando der Wehrmacht erwogenen Szenarien konzentrierten sich auf Feldschlachten gegen Luftlandetruppen und Heeresverbände der alliierten Invasionsarmee. Aspekte des Luftkrieges in diesem Zusammenhang wurden vernachlässigt. Generalfeldmarschall [[Erwin Rommel]], der die Verteidigungsanlagen der zukünftigen Westfront inspizierte, stellte fest, dass eine Invasionsarmee von den Verteidigern noch vor der Brückenkopfbildung zurückgeschlagen werden müsse. Rommel selbst konzentrierte sich dabei auf die Bereitstellung von gepanzerten Verbänden und den Ausbau von Verteidigungsanlagen. Wie der Luftüberlegenheit des Gegners zu begegnen sei, blieb offen. Ab April wurden die militärischen Voraussetzungen für eine Invasion auf alliierter Seite vom [[Oberkommando der Wehrmacht]] als gegeben betrachtet. Jede Verzögerung des Angriffs wurde als Vorteil für die Verteidiger gewertet, da diese die Zeit für die Aufstellung weiterer Heeresverbände und zum Ausbau von Verteidigungsanlagen nutzen könnten. Dass der Grund der Verzögerung möglicherweise mit der Flugwetterlage zu tun hatte, wurde zwar erkannt, es wurden aber keine Anstalten zur Sicherstellung der Luftüberlegenheit über den möglichen Kampfgebieten getroffen. ==== Verfügbare Einheiten zum Zeitpunkt der alliierten Invasion ==== Am 6. Juni 1944 waren für die Verteidigung der Kanalküste bei Tage außer den 39 veralteten [[Junkers Ju 88]] des Zerstörergeschwaders 1 (ZG 1) lediglich die beiden dauerhaft dort stationierten [[Jagdgeschwader 2]] (JG 2 „[[Manfred von Richthofen|Richthofen]]“) und [[Jagdgeschwader 26]] (JG 26 „[[Albert Leo Schlageter|Schlageter]]“) vorgesehen. Die Anzahl der einsatzbereiten Maschinen der beiden Geschwader betrug 119, was einer Einsatzbereitschaft von weniger als 50% entspricht. Außerdem befanden sich insgesamt 154 Horizontalbomber aus verschiedenen Kampfgeschwadern und 36 Jagdbomber des Schlachtgeschwaders 4 (SG 4) in Reichweite des Kampfgebietes <ref>Website der Royal Air Force - Schlachtaufstellung der Luftwaffe unter http://www.raf.mod.uk/dday/luftu.html; Abgerufen Ende April 2006</ref>. == Alliierte Operationen vor dem D-Day == === Aufklärungsflüge === Um die Landung an den Stränden, das Bombardement und auch den Schiffsbeschuss besser koordinieren zu können, flogen die Alliierten regelmäßig Aufklärungsflüge über der Normandie. Damit die Aufklärungsflüge der Alliierten den Invasionsbereich nicht verrieten, flogen selbige allerdings drei Einsätze über dem Pas-de-Calais, während sie einen über der Normandie flogen. === Transportation Plan === [[Bild:Mitchell-attacks-railway-dday.jpg|thumb|[[North American B-25|B-25]]-„Mitchell“- Bomber über den Eisenbahnanlagen von Tourcoing, Mai 1944]] Der „Transportation Plan“ war ein strategischer Plan von Professor [[Solly Zuckerman]], einem Berater des ''[[Air Ministry]]'' während des Zweiten Weltkrieges. Der Gedanke war, dass die Zerstörung aller Transporteinrichtungen im Besetzten Frankreich die deutsche Wehrmacht am ehesten daran hindern würde, die Invasion zurückzuwerfen. Das bedeutete die Zerstörung der französischen Eisenbahnknotenpunkte, der Verschubbahnhöfe und der Wartungsbetriebe. Es gab Kritik gegen diesen Plan unter anderem von [[Arthur Harris]] und [[Carl Spaatz]], den Kommandeuren der Bombereinheiten. Ein damit konkurrierender Plan war der Oil Plan. Der Plan wurde dennoch genehmigt, im April 1944 erteilte [[Charles Portal]] den direkten Befehl, die Einrichtungen der Eisenbahn in Trappes, Aulnoye, Le Mans, Amiens, Lougeau, Courtrai und Laon anzugreifen. Anfang Juni waren aufgrund der Luftangriffe im Verlauf des Transportation Planes 1.500 der 2.000 Dampflokomotiven in Frankreich aktionsunfähig. Eisenhower schrieb an Marshall und Roosevelt: :„''I consider the Transport Plan as indispensable to the preparations to Overlord. There is no other way this tremendous Air Force can help us, during the preparatory period, to get ashore and stay there.''“ :(Deutsch: „''Ich erachte den Transport-Plan als unverzichtbar für die Vorbereitungen zu Overlord. Es gibt keinen anderen Weg für diese fabelhafte Luftstreitmacht, uns in der Vorbereitungsphase zu helfen, an die Küsten zu gelangen, und uns dort zu halten''“). === Operation Cork === Das Ziel der Operation Cork war, den Durchbruch von deutschen [[U-Boot]]en vom [[Golf von Biscaya]] oder vom Atlantik zu den Landungsgebieten und der Kanalküste zu verhindern. Dazu wurde das Seegebiet zwischen Südirland, [[Cornwall]] und der Halbinsel von [[Brest (Frankreich)|Brest]] bei Tag und bei Nacht von [[U-Boot-Jäger]]n patrouilliert. Dabei wurden innerhalb von zwei Wochen nach Beginn der Invasion 20 U-Boote versenkt und mehrere weitere beschädigt. Sechs von sieben Zerstörern der Deutschen [[Kriegsmarine]], die in Brest oder [[Le Havre]] lagen, wurden ausgeschaltet und zahlreiche Schnellboote versenkt. == Der D-Day (6. Juni) == === Luftlandungen === [[Bild:101st Airborne on D-Day -1.jpg|thumb|Brigadegeneral Anthony C. McAuliffe instruiert die 101. US-Luftlandedivision einen Tag vor D-Day. Im Hintergrund zwei C-47 Transportmaschinen und davor etwas verdeckt ein Lastensegler]] Kurz nach Mitternacht landete die [[6. Britische Luftlandedivision]] an der östlichen Flanke des Landungsgebietes der Invasion nördlich von [[Caen]] und östlich der [[Orne (Ärmelkanal)|Orne]]. Eine Flotte von 606 viermotorigen Transportflugzeugen und 327 [[Lastensegler]]n wurde dafür aufgeboten. Die Präzision beim Erreichen der geplanten „Abwurfzonen“ (''„Drop Zones“,'' DZ) war beachtlich, Leigh-Mallory bezeichnete die Aktion als die größte navigatorische Leistung des bisherigen Krieges. Bis vier Uhr früh waren alle operationellen Ziele der Luftlandedivision, die unter anderem aus der Sicherung zweier Brücken bestand, erreicht. An der westlichen Flanke des Landungsgebietes zeichnete sich eine völlig andere Situation ab. Die 338 [[Douglas C-47]] Transporter und die 229 Lastensegler, die die [[82. US-Luftlandedivision]] zu ihrer „Jump Zone“ („Absprungzone“) im Zentrum der Halbinsel bringen sollten, gerieten über der Küste unter heftigen Beschuss durch Flak. 23 C-47 und zwei Lastensegler wurden abgeschossen, viele wurden durch Ausweichmanöver abgedrängt. Dazu kam starker Rückenwind, was dazu führte, dass die Fallschirmspringer und die Lastensegler zwischen fünf und 40 Kilometer entfernt von ihrer „Jump Zone“ landeten. Dennoch konnten sich kleinere Gruppen zusammenfinden und ihre taktischen Aufgaben erfüllen, da die Verwirrung unter den deutschen Verteidigern groß war. Am zweiten Tag nach der Invasion waren erst 2.000 von den 6.000 abgesetzten Truppen mit ihrer Einheit vereint. Der [[101. US-Luftlandedivision]] erging es nicht besser als der 82. US-Luftlandedivision. Auch diese stark versprengten Einheiten, die von 443 C-47 und 82 Lastenseglern ans Ziel gebracht wurden, konnten ihre Aufgabe erfüllen, die unter anderem darin bestand, die Kleinstadt [[Sainte-Mère-Église]] zu erobern. Die drei Luftlandedivisionen erlitten in den ersten drei Tagen der Invasion Verluste von zusammen mehr als 3.000 Mann. === Unterstützung der Landungen und Einsatz schwerer Bomber === Zwischen drei und fünf Uhr morgens griffen über tausend britische Halifax-Bomber des ''Bomber Command'' 26 ausgewählte Küstenbatterien und andere befestigte Stellungen entlang der französischen Atlantikküste an. Von der 8. US-Luftflotte nahmen 2.600 schwere Bomber an den weit verteilten Angriffen teil. Obwohl von den Landungszonen davon wenig zu sehen war, konnten alle außer zwei der ausgewählten Küstenbatterien zerstört werden. Insgesamt gingen dabei 25 Maschinen beider strategischer Luftflotten verloren. [[Datei:Overlordheavybombing.jpg|thumb|Britischer Luftangriff mit «Handley Page Halifax»-Bombern auf den [[Mimoyecques (V3-Bunker)|V3-Bunker]] in Mimoyecques (Frankreich)]] Eisenhower sagte bereits in seiner D-Day-Ansprache: :„''Macht euch keine Sorgen wegen der Flugzeuge über euch. Es werden unsere eigenen sein.''“ <ref name=Hall>Tony Hall (Hrsg.): ''Operation „Overlord“'', ISBN 3-613-02407-1, Seite 130</ref>. Der Einsatz strategischer Bomber zu taktischen Zwecken vor und während der Invasion wurde von den Befehlshabern der Bomberflotten teilweise mit Kritik kommentiert. [[Arthur Harris]] als Befehlshaber des britischen Bomber Command hielt eine Intensivierung des strategischen Luftkrieges gegen die Städte im Reichsgebiet für zielführend zur schnellen Beendigung des Krieges. [[Carl Spaatz]] als Oberbefehlshaber der amerikanischen strategischen Luftflotten war für eine Offensive gegen die Ölreserven des Deutschen Reiches („Oil Plan“) anstelle des Transportation Planes. Im Verlauf der Invasion wurden jedoch auf Befehl Eisenhowers Flächenbombardements häufig zur Vorbereitung einer großen Offensive durchgeführt. Dieser Einsatz zeigte Erfolge, wenn auch viele alliierte Soldaten Opfer von ungenauen Bombenabwürfen wurden. === Küstenpatrouillen === Während der ersten drei Tage der Invasion wurde der Luftraum über den Landungsstränden dicht gestaffelt überwacht. Von der Oberfläche bis 600 Meter Seehöhe war der Luftraum in eine westliche Angriffszone (''Western Assault Area'', WAA) und eine östliche Angriffszone (''Eastern Assault Area'', EAA) aufgeteilt. Jeweils drei Geschwader der Royal Air Force oder der Royal Canadian Air Force überwachten das Western Assault Area und das Eastern Assault Area. Die Einheiten wurden aus Verbänden der Second Tactical Air Force und der Air Defence of Great Britain zusammengestellt. Über 600 Meter Seehöhe wurde der Luftraum über der gesamten Angriffszone ohne Unterbrechung von jeweils drei Geschwadern der Ninth Air Force überwacht. Für den D-Day war befohlen worden, dass in der Nacht ständig zwei Flugzeugstaffeln im Luftraum patrouillieren. Hierbei musste darauf geachtet werden, dass die alliierten Flugzeuge auch als solche erkannt werden konnten, da die Schiffsbesatzungen auf jedes unbekannte Flugzeug schossen. Allein am 6. Juni wurden 2.300 Einzeleinsätze von etwa 650 Jagdflugzeugen zum Schutz der Angriffszonen über der Normandie geflogen. Alle anderen taktischen Einheiten waren mit Einsätzen zur Unterstützung der Landungstruppen direkt gegen die Küstenverteidigung und gegen Nachschublinien im Hinterland im Einsatz. === Deutsche Reaktionen und erste Luftkämpfe === Aufgrund der Überraschung über den Ort der Invasion reagierten die Deutschen mit keinem großen Gegenangriff aus der Luft. Zur Zeit der Landung am Morgen des 6. Juni waren es genau zwei deutsche Flugzeuge, geflogen von [[Oberstleutnant]] [[Josef Priller]] und [[Feldwebel]] [[Heinz Wodarczyk]], die die alliierten Landungstruppen angriffen. Alle anderen Flugzeuge waren am 4. Juni ins Landesinnere verlegt worden, da man die bisherigen Flugplätze für zu bedroht ansah. Der erste Luftkampf ereignete sich kurz vor Mittag südlich von [[Caen]], der letzte im Luftraum über [[Évreux]] und [[Bernay (Eure)|Bernay]] gegen 21 Uhr. Die Verluste der alliierten Luftstreitkräfte an diesem Tag beliefen sich auf 55 Jäger und 11 mittelschwere Bomber, außerdem 41 Truppentransporter und schwere Bomber. Von den 55 Jagdflugzeugen gingen 16 durch Luftkämpfe verloren, alle anderen durch Flak oder Unfälle&nbsp;<ref name=loss1>Die alliierten Verlustzahlen des Artikels entstammen folgenden Publikationen: PRO document AIR 24/1496 Operations Record Book for 2nd TAF; ''RAF Fighter Command Losses, Volume 3'', Norman Franks; ''Ninth Tactical Air Force in WWII'', Kenneth Rust; ''The Mighty Eighth Combat Chronology'', Paul Andrews und William Adams</ref>. Die Luftwaffe verlor am D-Day 18 Jäger und vier mittelschwere Bomber, außerdem 12 leichte Bomber des Musters [[Junkers Ju 87|Ju 87]], welche sich auf einem Überstellungsflug befanden <ref name=loss2>Die Verlustzahlen der Luftwaffe entstammen aus: ''La Luftwaffe Face Au Debarquement Allie: 6 Juin Au 21 Aout 1944'', Jean-Bernard Frappé, ISBN 2-84048-126-X</ref>. == Der Luftkrieg in der Folgezeit == === Der 7. Juni – Tag Eins nach dem D-Day === ==== Organisierter Flugplatzbau ==== Bereits am zweiten Tag der Invasion brachten die Alliierten spezielle Einheiten in die Normandie, die mit der Errichtung und Verteidigung von Feldflugplätzen (englisch: ''Advanced Landing Grounds'', ALGs) beauftragt waren. Auf britischer Seite waren das so genannte ''Service Command Units'' (SCUs, sinngemäß übersetzt: „Betriebs-Kommandoeinheit“). Diese Spezialeinheiten waren bereits ab 1942 in Nordafrika im Einsatz. [[Bild:ALG-B.3-landing.jpg|thumb|upright=1.3|Eine Spitfire IX landet auf dem ALG B.3 (St. Croix-sur-Mer) am 12. Juni 1944]] Sie brachten Lastwagen - beladen mit Zelten, Treibstoff, Munition und Flugabwehrgeschützen - zu vorbestimmten Geländeabschnitten, die zur Errichtung von vorgeschobenen Feldflugplätzen bestimmt waren. Zusammen mit den Service Command Units kamen ''Airfield Construction Groups'' (ACGs, sinngemäß übersetzt: „Flugplatz-Errichtungstrupps“), die etwa 800 Mann stark waren und schwere Ausrüstung wie [[Bulldozer]], Walzen und große Rollen aus Gitterstahl mitführten. Sie konnten in kurzer Zeit ein Flugfeld mit den erforderlichen Elektroinstallationen, Mannschaftsräumen und Kommunikationseinrichtungen errichten, während Service Command Units das Gelände sicherten. Sobald die fliegende Einheit mit ihrer Infrastruktur das Flugfeld übernommen hatte, zogen die Service Command Units weiter und bereiteten die Errichtung des nächsten voll ausgerüsteten Flugplatzes (= Advanced Landing Ground) vor. Am 7. Juni kamen zwei Airfield Construction Groups und vier Service Command Units mit den Landungstruppen an; die ersten Notlandebahnen waren noch am selben Tag betriebsbereit. Bis zum 10. Juni waren vier Advanced Landing Grounds fertiggestellt, innerhalb eines Monats waren es 25. Die United States Army Air Force brachte Engineer Aviation Bataillone als Kombination der schon genannten Service Command Units und Airfield Construction Groups ab 9. Juni in die Normandie. Die Bezeichnung erfolgte durchlaufend mit „B“ für die britischen und „A“ für die amerikanischen Flugplätze, also B.1, B.2, bzw. A.1, A.2 usw. Die Möglichkeiten des taktischen Luftkrieges verbesserten sich für die Alliierten enorm durch den kurzen Anflug der Jagdbomber von den Advanced Landing Grounds. Der Druck und die Geschwindigkeit des alliierten Vorrückens wurden dadurch deutlich erhöht. ==== Schwerste Luftkämpfe der Normandie-Kampagne ==== Am Tag nach der Invasion wurden alle verfügbaren Jagdgeschwader aus dem Deutschen Reich an die Invasionsfront gebracht. Während die Anzahl der Einzeleinsätze bei den Alliierten Luftstreitkräften in etwa das Ausmaß des Invasionstages erreichte, verdoppelten sich die Einsätze der Luftwaffe. Die alliierten Verluste an diesem Tag waren mit 89 Jägern und Jagdbombern die schwersten der gesamten Normandie-Kampagne. Davon wurden 16 bei Luftkämpfen verloren, die Mehrzahl aber durch Flak oder Unfälle. Die Luftwaffe verlor 71 Flugzeuge, davon 13 mittlere Bomber des Musters Ju 88. Mit dem Verlust von 160 Flugzeugen auf beiden Seiten an einem Tag rangiert der 7. Juni 1944 an vierter Stelle der verlustreichsten Luftschlachten der Geschichte nach dem 7. Juli 1943 (ca. 350 Flugzeuge verloren, [[Schlacht bei Kursk]]), dem 18. August 1940 (236 Flugzeuge verloren, davon 60 am Boden zerstört, [[Luftschlacht um England]]) und dem 19. August 1942 (165 Flugzeuge verloren, [[Operation Jubilee]]). === 10. Juni – den Alliierten gelingt die Bombardierung eines deutschen Stabes === Die Alliierten versuchten neben deutschen Stellungen, Nachschublinien und Truppenformationen auch, deutsche Stäbe zu bombardieren. So bombardierten 40 Typhoons und 61 Bomber vom Typ B-25 Mitchell am 10. Juni das Schloss von [[La Caine]] (10 Kilometer südlich von [[Caen]]), in dem der Stab der [[Panzergruppe West]] untergebracht war. Dabei wurde das Stabsgebäude zerstört und der Chef des Stabes, [[Sigismund-Helmut von Dawans|General von Dawans]], mit vielen Stabsoffizieren getötet, und der Kommandeur von Schweppenburg verletzt. Die überlebenden Stabsoffiziere zogen sich nach Paris zurück, das Kommando über die Panzerarmee ging temporär an das [[1. SS-Panzerkorps]] über. === Erste deutsche Düsenjäger kommen zu spät === [[Bild:Messerschmitt_Me_262.jpg|thumb|upright=1.3|Me 262]] Zum Zeitpunkt der Invasion war laut [[Führerbefehl]] jegliche Diskussion darüber verboten, ob die Düsenflugzeuge als Jäger oder als Bomber einzusetzen wären. Bei einer Vorführung der [[Me 262]] im Dezember 1943 in Insterburg soll Hitler zu den Anwesenden Göring und [[Adolf Galland]] gesagt haben: „''In diesem Flugzeug, das Sie mir hier als Jagdflugzeug präsentieren, erblicke ich den Blitzbomber, mit dem ich die Invasion in der ersten und schwächsten Phase abschlagen werde.''“.<ref>Adolf Galland: ''Die Ersten und die Letzten''</ref> Hitler versäumte aber, diesen Entschluss, und vor allem die Umrüstung des als Jäger konzipierten Flugzeuges zum Bomber, per Führerbefehl zu erlassen. So stellte Hitler im April 1944 fest, dass bis dahin der Entwurf nicht geändert wurde, keine Vorrichtungen zum Tragen von Bomben angebracht wurden und sich die laufende Arbeit ausschließlich auf die Jägerversion bezog. Ab diesem Zeitpunkt stellte Hitler das Projekt unter seine persönliche Aufsicht. Zum Zeitpunkt der Invasion waren dadurch weder die Bomber- noch die Jägerversion einsatzbereit. Erst am 30. August erreichte der Chef des Generalstabes der Luftwaffe, General Kreipe, die Verwendung jeder zwanzigsten Me 262 für Erprobungszwecke im Jagdsektor.<ref name=OKW/> Im Kampf um die Normandie konnten diese Flugzeuge daher nicht eingesetzt werden. === Einsatz von deutschen «Mistelgespannen» === Mitte Juni 1944 verlegten die Deutschen mehrere ihrer sogenannten [[Mistelschlepp|Mistelgespanne]] in die Normandie. Diese Mistelgespanne bestanden aus einer unbemannten ''Junkers Ju 88'', die anstelle einer Kanzel eine 2800 Kilogramm schwere Hohlladung mit Distanzzünder trug und über einen Strebebock mit einer ''Messerschmitt Bf 109'' verbunden war. Aus dieser Messerschmitt-Maschine lenkte der Pilot die Junkers, koppelte dann seine Maschine ab und flog zurück. Der erste solcher Mistelgespann-Verbände, die Kampfgruppe 101, kam in der Nacht vom 24. auf den 25. Juni zum Einsatz. Mit vier Flugzeugen flog der Kommodore der Einheit, Hauptmann Horst Rudat, in das Invasionsgebiet und lenkte mit den anderen Piloten seiner Einheit die mit Sprengstoff geladenen Maschinen auf alliierte Schiffe. Die ''HMS Nith'', eine britische [[Fregatte]] der „River class“, wurde durch die Explosion einer in unmittelbarer Nähe auf dem Wasser auftreffenden ''Ju 88'' erheblich beschädigt <ref name=Hall2>Tony Hall (Hrsg.): ''Operation „Overlord“'', ISBN 3-613-02407-1, Seite 130</ref>. Neun der Besatzungsmitglieder starben, während 26 weitere verwundet wurden. Die HMS Nith wurde nach der Beschädigung zurück nach England gebracht, um dort repariert zu werden. === Einsatz der alliierten Luftstreitkräfte bei der Schlacht um Caen === [[Bild:Reccon-Spit-normandy1944.jpg|thumb|Ein Spitfire-Fotoaufklärer mit „Invasionsstreifen“ zur sicheren Unterscheidung von Flugzeugen der Deutschen, Juli 1944]] Die kanadische 1. und britische 2. Armee, mit etwa 115.000 Mann, saßen bei von deutschen Verbänden gehaltenen Dörfern nördlich von Caen fest, weshalb die Alliierten zunächst planten, am 7. Juli einen Bomberangriff auf die Dörfer zu fliegen, dies aber dann doch aufgrund der gefährlichen Nähe zu den eigenen Bodentruppen unterließen. Daraufhin wurde das zu bombardierende Gebiet weiter in Richtung Caen verschoben. 467 Flugzeuge der Alliierten flogen am Abend des 7. Juli bei klarem Wetter zum Zielgebiet und warfen etwa 2.276 Bomben ab. Das Bombardement schadete den deutschen Verbänden wenig, umso mehr jedoch den nördlich der Stadt gelegenen [[Vorort]]en, die größtenteils zerstört wurden, sowie den französischen Zivilisten, von denen etwa 3.000 starben. Nachdem es den Deutschen gelang, mit einer [[Flugabwehrkanone|Flak]] ein alliiertes Flugzeug abzuschießen, stürzten später drei weitere über alliiertem [[Luftraum]] ab. Zusätzlich zum Bombardement schoss die [[Artillerie|Schiffsartillerie]] von den Stränden aus auf die Stadt. Alexander McKee sagte zu dem Bombardement am 7. Juli folgendes: :„''Die 2.500-Tonnen-Bomben unterschieden in keiner Weise zwischen Freund und Feind. Sollten die britischen Befehlshaber geglaubt haben, dass sie die Deutschen einzuschüchtern vermochten, indem sie die Franzosen umbrachten, so hatten sie sich schwer getäuscht.''“ <ref name=Memorial>Yves Lecouturier: ''Entdeckungspfade - Die Strände der alliierten Landung'', Seite 102, ISBN 3-88571-287-3</ref>. [[Bild:Bombcarpiquet.jpg|thumb|Eine Luft-Boden-Rakete wird von einer Typhoon der 181. Squadron der [[Royal Air Force]] über dem [[Flugplatz Caen-Carpiquet|Flugfeld Carpiquet]] abgefeuert]] [[Bild:Normandy-barrage.jpg|thumb|Amerikanische Bomber beim Bombardieren des Schienennetzes bei Domfront, um die Nachschubwege der Deutschen auszuschalten (Juni 1944)]] Als am 8. Juli britische und kanadische Verbände zur Eroberung Caens ansetzten ([[Schlacht um Caen]]), wurden als Vorbereitung wieder strategische Bomber eingesetzt. Wie schon am D-Day und vor der Operation Epsom legten 800 Halifax-Bomber des ''Bomber Command'' einen Bombenteppich hinter der Hauptkampflinie, der so genannten „Bomb Line“. In 40 Minuten warfen sie 3.000 Tonnen Sprengbomben ab. Anschließend wurden Jagdbomber der 2nd TAF zur Unterstützung der Bodeneinheiten und zur Abschirmung des Luftraumes gegen die Luftwaffe eingesetzt. Bis zum 11. Juli konnte die Stadtteile nordwestlich der Orne bis zum Orneufer eingenommen werden. Die deutschen Stellungen am südöstlichen Ufer waren zu diesem Zeitpunkt unerreichbar, da alle Brücken der Stadt zerstört waren. Der Plan der Operation Overlord erforderte die unverzügliche Eroberung des Geländes zwischen Caen und Falaise, nicht zuletzt, weil sich dieses flache weitläufige Gelände am besten für die Errichtung neuer Feldflugplätze eignete. Am 18. Juli 1944 wurde deshalb ein 942 Flugzeuge umfassender Verband der Alliierten, bestehend aus Bombern und Jägern, damit beauftragt, fünf Dörfer im Bereich östlich von Caen anzugreifen, um der 2. Britischen Armee die Operation Goodwood zu erleichtern. Die Angriffe fanden bei Dämmerung am Morgen des Tages und bei guten Wetterverhältnissen statt. Vier der Ziele waren durch [[Pfadfinder (Militär)|Pfadfinderflugzeuge]] zufriedenstellend markiert, bei dem fünften Ziel mussten die Bombermannschaften auf anderem Weg das Ziel finden. Unterstützt von amerikanischen Bombern und Jägern warfen die britischen Flugzeuge ca. 6.800 Tonnen Bomben über den Dörfern und dem umliegenden Gebiet ab. Zwei deutsche Einheiten, die [[16. Luftwaffenfelddivision|16. Felddivision der Luftwaffe]] und die [[21. Panzer-Division (Wehrmacht)|21. Panzerdivision]], traf das Bombardement im Vergleich zu den restlichen deutschen Einheiten sehr hart. Insgesamt wurden sechs alliierte Flugzeuge von deutschen Flugabwehrgeschützen sowie anderen Bodentruppen, abgeschossen. Ein walisischer Soldat sagte zu den Bombergeschwadern: :„''Der gesamte nördliche Himmel war, so weit das Auge sehen konnte, von ihnen [den Bombern] gefüllt - Welle über Welle, eine über der anderen, die sich nach Osten und Westen ausdehnten, so dass man dachte, es ginge nicht mehr weiter. Jeder hatte jetzt sein Fahrzeug verlassen und starrte verwundert [in den Himmel], bis die letzte Welle von Bombern ihre Bomben abgeworfen hatte und den Rückflug antrat. Danach begannen die Geschütze, mit einem immer lauter werdenden Geschützfeuer das Werk der Bomber zu vollenden.''“ <ref name=MoD>Britisches Verteidigungsministerium: ''http://www.veteransagency.mod.uk/pdfolder/60th_anniversary/normandy.pdf'', PDF-Datei, Seite 5</ref>. Danach überschritten britische und kanadische Verbände die Orne über Brücken nordöstlich von Caen, die schon am D-Day erobert wurden. Die 600 Panzer der Alliierten trafen auf heftigen Widerstand durch die deutsche Wehrmacht, am ersten Tag der Operation gingen bereits 200 britische Panzer verloren. Als sich am 20. Juli das Wetter verschlechterte, kam die Operation Goodwood zum Stillstand. === „Friendly Fire“ bei der Operation Cobra === Durch die Öffnung des Hafens von Cherbourg kam es im Gebiet westlich von Caen zu einer starken Konzentration von amerikanischen Truppen. Diese sollten am 23. Juli bei [[St. Lô]] einen Großangriff in Richtung Süden starten, der die [[Operation Cobra]] einleiten sollte. Dieser Angriff musste wegen des Unwetters, das bereits die Operation Goodwood zum Stillstand gebracht hatte, auf den 24. Juli verschoben werden. An diesem Tag sollten Bomber der 8. US-Luftflotte den Angriff vorbereiten und Ziele bei St. Lô angreifen, der Großteil der Bomber wurde aber wegen unpassenden Wetters wieder zurückgerufen. 350 Bomber warfen dennoch ihre Bomben unter schwierigen meteorologischen Bedingungen. Dabei kam es zu Fehlwürfen auf der alliierten Seite der „Bomb Line“. Der alliierte Feldflugplatz A.5 (Chipelle) wurde getroffen, und Teile der 30. US-Infanteriedivision. Der Angriff der Bodeneinheiten verzögerte sich deshalb um einen weiteren Tag, auf den 25. Juli um 11 Uhr. Diesmal sollten mittlere Bomber der 9. US-Luftflotte (''Ninth Air Force'') den Angriff unterstützen, wieder kam es zu Fehlwürfen in die eigenen Verbände. Innerhalb von zwei Tagen der Operation Cobra hatte die 30. US-Infanteriedivision 700 Opfer durch eigene Bomben („[[Friendly Fire]]“) zu beklagen. Dennoch wurde die Operation Cobra zu einem großen Erfolg und führte zur Bildung des [[Kessel von Falaise|Kessels von Falaise]]. === Die deutsche Luftaufklärung und die Düsenmaschine Arado Ar 234 === [[Bild:Arado_234B_3.jpg|thumb|upright=1.3|Die düsengetriebene Arado Ar 234 der Deutschen]] Am Morgen des 2. August 1944 startete von [[Juvincourt]] bei Paris aus der deutsche Leutnant Erich Sommer mit einem Prototypen des düsengetriebenen Bombers und Aufklärers [[Arado Ar 234]]. Er flog in einer Höhe von 9.200–10.000 Metern (hier variieren die Quellen) mit einer Geschwindigkeit von etwa 740 Kilometer pro Stunde und sammelte während seines 90 Minuten dauernden Fluges mehr Informationen und Fotos über den alliierten Landekopf als die konventionellen Aufklärer der Deutschen Luftwaffe in den vorangegangenen acht Wochen, wobei er den Landekopf von einem bis zum anderen Ende überflog <ref name=Hall3>Tony Hall (Hrsg.): ''Operation „Overlord“'', ISBN 3-613-02407-1, Seite 145 (hier ist als Geschwindigkeit die falsche Zahl 270 km/h angegeben, die in diesem Text angegebene Geschwindigkeit basiert auf http://www.faqs.org/docs/air/avar234.html; Abgerufen am 22. Juni 2006. Außerdem gibt Hall als Höhe 10.000 Meter an, wohingegen faqs.org von 9.200 Metern spricht)</ref>. In der Folgezeit flogen Besatzungen der Arado-Maschinen regelmäßig Aufklärungsflüge, was jedoch keinen weiteren Einfluss auf den Kriegsverlauf mehr hatte, da die Alliierten schon eine feste Basis in Frankreich aufgebaut hatten. === Alliierte Abwehr des deutschen Gegenangriffs am 7. August === [[Bild:Memorial Avion.jpg|thumb|left|Hawker Typhoon mit Raketenbewaffnung, aufgehängt im sog. Memorial de la Paix in [[Caen]]]] [[Bild:Battle of Mortain - Devastated German Tank.jpg|thumb|Zerstörter deutscher [[Schützenpanzerwagen Sd.Kfz. 251|Schützenpanzerwagen]] und Tote durch Luftangriffe britischer [[Hawker Typhoon]]s]] [[Bild:Typhoonrocketnormandy.jpg|thumb|Auf einen deutschen motorisierten Truppenverband, der versucht, aus dem Kessel von Falaise zu fliehen, wird durch eine Hawker Typhoon der 181. Squadron der RAF eine Rakete abgefeuert]] Das schnelle Vorrücken der amerikanischen und britischen Verbände von St. Lô nach [[Avranches]] eröffnete für die Verteidiger die Möglichkeit eines Gegenangriffs. Teile der 15. deutschen Armee, die bis dahin am Pas-de-Calais zurückgehalten worden waren, und Teile der 7. deutschen Armee starteten in der Nacht vom 6. bis zum 7. August einen Großangriff von [[Mortain]] aus in Richtung Westen, um die Flanke der Alliierten einzudrücken und in weiterer Folge große alliierte Verbände einzukesseln. Für diesen Angriff, der als [[Unternehmen Lüttich]] bezeichnet wurde, sollten 300 Jagdflugzeuge von deutschen Feldflugplätzen um Paris den alliierten Luftangriffen entgegenwirken. Der Großangriff wurde von der alliierten Führung bereits früh erkannt und die Panzereinheiten bei Avranches durch zwei zusätzliche amerikanische Divisionen verstärkt. Die Führung der alliierten Luftstreitkräfte legte fest, dass die Typhoon-Jagdbomber der Second Tactical Air Force sich ausschließlich gegen die vorrückenden deutschen Panzer richten sollten, während die Jagdflugzeuge der Second Tactical Air Force, der 9. Air Force und der 8. Air Force einen Abwehrkorridor gegen deutsche Jagdflugzeuge errichteten. Bis zum 7. August kam der deutsche Gegenangriff gut voran, Bodennebel begünstigte den Angriff und verhinderte den Einsatz der Typhoons. Die 30. US-Infanteriedivision wurde bei Mortain auf einer Anhöhe von den deutschen Panzerverbänden eingekesselt. Doch zu Mittag des 7. August lichtete sich der Nebel, und hervorragendes Flugwetter setzte ein. Nun trafen die Jagdbomber der Second Tactical Air Force erstmals in diesem Konflikt auf eine Konzentration von über 250 Panzern und gepanzerten Fahrzeugen. Die deutschen Jagdflugzeuge konnten zur Gänze vom Schlachtfeld abgedrängt werden. Bis zum Abend griffen die Typhoons mit Raketen und [[Bordwaffe]]n an und zerstörten zwei Drittel der Panzer. Damit war das Unternehmen Lüttich gescheitert. Bei der Untersuchung der Wracks auf dem Schlachtfeld durch die Royal Air Force zeigte sich später, dass mehr Fahrzeuge von den Besatzungen vorzeitig evakuiert als zerstört wurden. Von den Fahrzeugen, die zerstört wurden, gingen mehr Fahrzeuge auf das Konto von Panzerabwehrkanonen als von Luft-Bodenraketen. Daraus schloss man auf die demoralisierende Wirkung von anfliegenden Typhoons, ähnlich der Wirkung, die man von den deutschen [[Sturzkampfflugzeug]] [[Junkers Ju 87]] kannte. Zur besonderen Wertschätzung der Leistung der Typhoon-Piloten wurde in Noyers-Bocage eine Typhoon-Gedenkstätte errichtet, welche, in schwarzem Marmor gemeißelt, die Namen der 151 von Mai bis August 1944 gefallenen Typhoon-Piloten zeigt. === Einsatz deutscher Vergeltungswaffen === [[Bild:Duxford UK Feb2005 V1flyingbomb.JPG|thumb|upright=1.5|V1 auf Startrampe im englischen Duxford Museum.]] [[Bild:Tempest-V-2TAF.jpg|thumb|left|Eine [[Hawker Tempest]] der Second Tactical Air Force wird in England u.a. für die Abwehr der V1 vorbereitet, 12. Juni 1944]] Die von der [[Deutsche Kriegsmarine|Kriegsmarine]] entwickelte, flugzeugähnliche [[V1]] wurde in der Nacht vom 12. auf den 13. Juni 1944 erstmals von Abschussanlagen an der Kanalküste gegen London eingesetzt. Bis zur Eroberung der Abschussanlagen („Schleudern“) am 6. September 1944 wurden ca. 8.000 V1 abgefeuert, von denen 29 % zum Ziel gelangten <ref name=OKW/>. Zur Abwehr wurden vor allem die schnellen [[Hawker Tempest]] eingesetzt. Durch den Einsatz der V1 gegen London starben 6.184 Zivilisten, weitere 17.981 wurden schwer verletzt. Für die mit Überschallgeschwindigkeit fliegende [[A4 (Rakete)|V2]] war eine Hauptabschussrampe in [[Saint Omer]] geplant, diese konnte aber wegen andauernder Luftangriffe und der Eroberung durch Invasionstruppen nicht in Betrieb genommen werden. Am 8. September 1944 kam es zum ersten Einsatz einer V2 von einer mobilen Abschussrampe aus, zuletzt wurde die Rakete von holländischen Inseln aus gestartet. Bis zum letzten Abschuss am 27. März 1945 wurden 2.724 Personen durch V2 Raketen getötet und 6.467 schwer verletzt. Die Erwartung Hitlers, diese Waffe würde die britische Bevölkerung zermürben, wurde nicht erfüllt. Der Wille, Deutschland zu besiegen, wurde jedoch gestärkt. === 26./27. August - Deutscher Luftangriff auf Paris === Nachdem die Alliierten die Stadt Paris im Verlauf der [[Schlacht um Paris]] am 25. August 1944 erobert hatten, warfen in der Nacht des 26. auf den 27. August 50 deutsche Kampfflieger der in Reims stationierten 3. Luftflotte (Generaloberst Deßloch) Bomben über der französischen Hauptstadt ab. Knapp 600 Häuser gingen in Flammen auf. Durch den Bombenangriff kamen 213 Menschen ums Leben, während 914 weitere verwundet wurden. == Folgen == Vom 6. bis zum 30. Juni 1944 verloren die Alliierten Luftstreitkräfte 1.284 Flugzeuge, hauptsächlich durch [[Flak]]. Insgesamt wurden in dieser Zeit 158.000 Einzeleinsätze geflogen <ref>Website der Royal Air Force - Überblick unter http://www.raf.mod.uk/dday/timeline_june.html; Abgerufen Ende April 2006</ref>. Bis zur Auflösung des Kessels von Falaise Ende August 1944 stiegen die alliierten Verluste auf 4.099 Flugzeuge und 16.674 Flugzeugsoldaten. Unter den verloren gegangen Flugzeugen gehörten 1.639 zur Klasse der Jagdflugzeuge, Jagdbomber oder mittleren Bomber. Dem gegenüber verlor die Deutsche Luftwaffe allein 1.522 Jagdflugzeuge. Die Verlustrate bei den Jagdflugzeugen im direkten Luftkampf war 3:1 zugunsten der Alliierten, zwei von drei abgeschossenen alliierten Jagdflugzeugen und Jagdbombern waren Opfer der deutschen und im geringen Maße auch der alliierten Flugabwehrgeschütze. Die Verlusterate der Jagdflugzeuge erklärt sich dadurch dass die deutschen Jäger hauptsächlich die alliierten Bomberverbände attackierten und dabei von den Eskorten ihrerseits angegriffen wurden. Die Verlustrate pro Einsatz war bei der Deutschen Luftwaffe sechsmal höher als bei den Alliierten.<ref name=loss1/> Während die Alliierten ihre materiellen Verluste über intakte Nachschubwege ersetzen konnten, blieb der Verlust für die Deutsche Luftwaffe größtenteils unersetzt. == Literatur == * David Clark: ''Angels Eight: Normandy Air War Diary''. Bloomington 1st Books, 2003, ISBN 1-4107-2241-4. * Percy E. Schramm (Hrsg.): ''Kriegstagebuch des Oberkommandos der Wehrmacht 1944–1945''. Teilband 1, ISBN 3-7637-5933-6. * Tony Hall (Hrsg.): ''Operation „Overlord“'', Motorbuch Verlag, 2004, ISBN 3-613-02407-1 == Weblinks == * [http://www.raf.mod.uk/dday/luftu.html Website der Royal Air Force - Schlachtaufstellung der Luftwaffe] (''englisch'') * [http://www.raf.mod.uk/dday/timeline_june.html Website der Royal Airforce - Überblick] (''englisch'') * [http://www.raf.mod.uk/bombercommand/diary.html Kriegstagebuch des RAF:] (''englisch'') ** [http://www.raf.mod.uk/bombercommand/jun44.html Juni 1944] ** [http://www.raf.mod.uk/bombercommand/jul44.html Juli 1944] ** [http://www.raf.mod.uk/bombercommand/aug44.html August 1944] * [http://www.au.af.mil/au/aul/aupress/Books/Davis_B99/Davis_B99.pdf „Bombing the European Axis Powers: A Historical Digest of the Combined Bomber Offensive, 1939–1945“ von Richard G. Davis] (PDF ''englisch'') * [http://aupress.au.af.mil/CADRE_Papers/PDF_Bin/shwedo.pdf „XIX Tactical Air Command and Ultra“] (PDF ''englisch'') == Quellen und Anmerkungen == <references/> {{Exzellent}} [[Kategorie:Operation Overlord|Luftkrieg]] [[Kategorie:Luftkriegsoperation im Zweiten Weltkrieg|Overlord]] [[Kategorie:1944]] [[Kategorie:Deutsche Militärgeschichte (Zweiter Weltkrieg)]] {{Link GA|da}} [[da:Luftkrigen under Operation Overlord]] s092f731nn18s16azpw2kdxcbx8ko32 wikitext text/x-wiki Luftpost 0 23870 26466 2010-03-31T08:18:09Z Heied 0 /* Amtliche Luftpostmarken */ '''Luftpost''' (historisch und in der Philatelie auch '''Flugpost''') ist die Beförderung von [[Postsendung]]en per [[Luftfracht]] oder [[Brieftaube]]n. Die Beförderung mittels Luftpost erfolgt zum Teil nur gegen eine Entrichtung erhöhter Postgebühren, die früher mitunter durch Freimachung mit besonderen Luftpostwertzeichen eingezogen wurden. Die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit der Luftpostgeschichte sowie das systematische Sammeln von Luftpostwertzeichen und Belegstücken heißt [[Aerophilatelie]]. [[Datei:Bundesarchiv Bild 102-00115, Berlin, Erster Luftpost-Briefkasten..jpg|thumb|Erster Luftpost-Briefkasten in Berlin (1923)]] == Historische Entwicklung == === Die Anfänge der Luftpost === Bereits im [[Altertum]] wurden Botschaften mittels ''Flugpost'' überbracht, indem [[Brieftaube]]n als Überbringer von Nachrichten eingesetzt wurden. Erstmals wurden Tauben im [[Altes Ägypten|Alten Ägypten]] zur Nachrichtenüberbringung eingesetzt. Dieser besonders schnellen Art der Überbringung von Botschaften wurde militärische, politische und auch wirtschaftliche Beachtung beigemessen. Im Jahre 1279 v. Chr. wurde die Kunde von der Krönung des ägyptischen [[Pharao]]s [[Ramses II.]] durch vier freigelassene Tauben verbreitet.<ref>Lothar Störck, in: ''Lexikon der Ägyptologie VI'', Spalte 240-241, Stichwort Taube</ref> Brieftauben wurden auch von anderen [[Hochkultur (Geschichtswissenschaft)|Hochkulturen]] verwendet. Der römische Feldherr [[Julius Caesar]] bediente sich der besonderen Fähigkeiten der Brieftaube. Er ließ Nachrichten von Unruhen im eroberten [[Gallien]] durch eigene ''Botentauben'' überbringen, um so schnell wie möglich seine Truppen befehligen zu können. Auch im [[Mittelalter]] wurde die Brieftaube als Nachrichtenüberbringer eingesetzt. Der Kalif von [[Bagdad]], ''Nur-Eddin'', richtete seine eigene ''Brieftaubenpost'' ein. Sie wurde allerdings nach der Zerstörung Bagdads im Jahre 1258 durch die [[Mongolei|Mongolen]] wieder eingestellt. Auch ägyptische [[Sultan]]e richteten im Mittelalter eine eigene ''staatliche Taubenpost'' ein. [[Kreuzritter]]n führten Brieftauben im 12. und 13. Jahrhundert aus dem [[Vorderer Orient|Vorderen Orient]] erneut nach [[Europa]] gebracht. === Die ersten Flugmaschinen === [[Bild:Montgolfiere 1783.jpg|250px|thumb|[[Montgolfière]]]] Zur Zeit der [[Renaissance]] tauchten in Europa die ersten ernstzunehmenden Entwürfe von Flugmaschinen auf. Die bekanntesten stammen vom italienischen Universalgenie [[Leonardo da Vinci]]. Die ersten flugtauglichen Konstruktionen entstanden jedoch erst über 250&nbsp;Jahre später. Die [[Brüder Montgolfier]] entdeckten durch einen Zufall, dass heiße Luft stark genug ist, um eine Papiertüte in die Luft zu heben. Diese Entdeckung war die Grundlage der Entwicklung des ersten [[Heißluftballon]]s, der [[Montgolfière]]. Am 21. November 1783 fand der erste Flug eines Menschen mit einem Heißluftballon statt. Die Erfindung des Heißluftballons hatte große Auswirkungen auf die Geschichte der Luftpost. Bereits ein Jahr nach der ersten bemannten Ballonfahrt nahmen die Piloten kleinere Nachrichten oder Mitteilungen auf ihre Fahrten mit. Jedoch kam es erst im Jahre 1793 zum eigentlichen Beginn der Ballonpostgeschichte. Aus den beiden belagerten Festungen [[Valenciennes]] und [[Condé]] in [[Frankreich]] wurden mit kleinen Ballons Mitteilungen für die Verbündeten der Eingeschlossenen aufgelassen. Diese Nachrichten wurden allerdings von den [[Feind]]en abgefangen. In den folgenden Jahrzehnten kam es zur weiteren Anwendungen von Ballons zur Nachrichtenübermittlung im Krieg. [[Bild:Ballonbrief.jpg|250px|thumb|Adressseite eines Französischen Ballonbriefs 1870/71]] Das berühmteste Beispiel unter [[Philatelist]]en aller Welt ist die [[Pariser Ballonpost]]. Die Verbindung zwischen Paris und dem unbesetzten Frankreich während des [[Deutsch-Französischer Krieg|Deutsch-Französischen Krieges]] in den Jahren 1870 und 1871 konnte nur durch ein geschicktes Zusammenspiel zwischen [[Ballonpost]] und [[Brieftaube]]n aufrechterhalten werden. Man gab den Ballonen aus Paris neben 2.500.000 [[Brief]]en und [[Postkarte]]n insgesamt 363 Brieftauben mit, damit diese später mit Antworten oder anderen Nachrichten zurückkehren konnten. In Metz kam es ebenfalls während des Deutsch-Französischen Krieges zu ähnlichen Versuchen, mit Ballonen Verbündeten Nachrichten zukommen zu lassen (vergleiche [[Metzer Ballonpost]]). Der erste amtliche Ballonpostflug fand am 17. Juli 1859 in den [[USA]] statt. Dieser führte von [[St. Louis]] in das 1.290&nbsp;km entfernte [[Henderson (New York)|Henderson]] in [[New York (Bundesstaat)|New York]]. Der Pilot [[John Wise (Ballonfahrer)|John Wise]] hatte 123 Briefe an Bord. Nur einer dieser posthistorischen Belege ist erhalten geblieben. In Deutschland fand der erste amtliche Ballonpostflug im Rahmen der [[Leipzig]]er Gewerbeausstellung im Juni 1897 statt. Der Pilot ''Louis Godard'' übergab die beförderten Postkarten nach der Landung der [[Reichspost]] zur Weiterbeförderung. Die Karten erhielten private Bestätigungsstempel. Bis zum Ende des 19. Jahrhunderts fanden solche Luftpostbeförderungen immer im Rahmen von besonderen Veranstaltungen oder aus militärischen Gründen statt. Der deutsche Generalpostmeister [[Heinrich von Stephan]] wies jedoch in einem vielbeachteten Vortrag auf die mögliche Bedeutung der Luftpost für die alltägliche Postbeförderung im Jahre 1874 hin. Dieser Vortrag erschien sogar als Buch unter dem Titel ''„Weltpost und Luftschifffahrt“''. === Die Erfindung des Flugzeuges === [[Bild:Kitty-hawk.jpg|thumb|Orville Wright fliegt erstmals in [[Kitty Hawk]]]] Nichts hatte größere Auswirkungen auf die Geschichte der Luftpost als die Erfindung des [[Flugzeug]]s. Nach den ersten Flugversuchen [[Otto Lilienthal]]s mit seinem Hängegleiter im Sommer 1891 fand am 17. Dezember 1903 der erste motorisierte Flug der Welt ([[Gebrüder Wright]]) statt. Fünf Jahre später kam es zu der ersten Beförderung von Postsendungen durch Flugzeuge: Am 12. August 1909 wurden im Rahmen einer Flugausstellung [[Sonderstempel]] für einen Rundflug über [[Mailand]] ausgegeben. Ein Monat später, am 20. September 1909, wurden anlässlich eines Rundflugs über die italienische Stadt [[Brescia]] mitgeflogene Belege mit einem ähnlichen Sonderstempel versehen. Bei diesen beiden Veranstaltungen wurden die Postsendungen jedoch nicht weiterbefördert. Der erste offizielle Postbeförderungsflug zwischen zwei Orten fand am 18. Februar 1911 während einer Kunst- und Gewerbeausstellung in [[Indien]] statt. Der junge französische Pilot [[Henri Pequet]] transportierte etwa 6.500 Briefe vom Ausstellungsort [[Allahabad]] in das etwa acht Kilometer entfernte Naini. Henri Pequet benötigte für diese Strecke mit seinem [[Doppeldecker (Flugzeug)|Doppeldecker]] „Sommer“ ungefähr 13&nbsp;Minuten. Die mitgeflogenen Belege wurden mit dem Bestätigungsstempel „First Aerial Post, U.&nbsp;P. Exhibition Allahabad 1911“ versehen. [[Bild:Bundesarchiv Bild 183-R36070, Luftpost.jpg|thumb|Postübergabe vor dem Flug zwischen Bork und Brück 1912]] Ein Jahr später, am 19. Mai 1912, fand der erste offizielle Postflug der [[Reichspost|Deutschen Reichspost]] zwischen [[Mannheim]] und [[Heidelberg]] statt. Zuvor gab es in Deutschland bereits mehrere private Postbeförderungen mit Flugzeugen ohne Genehmigung der Post. Die erste Veranstaltung dieser Art wurde am 13. November 1911 in [[Berlin]] durchgeführt. Bei der Veranstaltung ''Flug um Berlin'' wurden Postkarten für Sammler auf den Flug mitgenommen. Die zweite Veranstaltung dieser Art war ein Flug über acht Kilometer zwischen den Orten [[Borkheide|Bork]] und [[Brück]]. Bei dieser Flugveranstaltung wurden erstmals Flugmarken ausgegeben. Sie dienten ausschließlich zur [[Finanzierung]] der Veranstaltung und hatten keinen postalischen Wert. Der Schweizer Flugpionier [[Oskar Bider]] transportierte am 9. März 1913 die erste schweizerische Luftpost auf der Strecke [[Basel]] - [[Liestal]]. In den folgenden Jahren gab es bis zum Ausbruch des [[Erster Weltkrieg|Ersten Weltkrieges]] eine intensive Zusammenarbeit der Reichspost mit den Veranstaltern der Postflüge (siehe zum Beispiel ''[[Flugpost am Rhein und am Main]]''). In anderen Ländern wurde jedoch selbst während des Krieges am Aufbau eines zivilen Luftpostnetzwerkes gearbeitet. In [[Italien]] wurden 1917 die ersten Flugpostmarken der Welt ausgegeben. Diese wurden zur Bezahlung der Postgebühren für die Beförderung per Luftpost auf den Strecken [[Turin]] - [[Rom]] und Rom - [[Palermo]] verwendet. Dabei handelte es sich noch um einen Probebetrieb. In [[Österreich]] wurde am 31. März 1918 die erste regelmäßige Flugpostlinie zwischen [[Wien]], [[Krakau]] und [[Lemberg]] eingerichtet. Dafür wurden ebenfalls eigene Flugpostmarken ausgegeben. Diese regelmäßige Postbeförderung durch Flugzeuge wird von vielen Philatelisten als eigentlicher Beginn der Flugpostgeschichte angesehen. [[Image:FlugpostWeimarBerlin.jpg|thumb|Briefumschlag, ''Durch Flugpost u. Eilboten'' von der Weimarer Nationalversammlung nach Berlin am 1. März 1919]] [[Image:Bundesarchiv Bild 183-T0126-510, Berlin, Flugpost nach Weimar.jpg|thumb|Berliner Flugpost nach Weimar, Februar 1919]] Die ersten regelmäßigen staatlichen Flugpostverbindungen unter deutscher Regie wurden gegen Ende des 1. Weltkrieges an der Ostfront in Russland und im Baltikum eingerichtet. Die Geschichte der zivilen Luftpost in Deutschland begann am 5. Februar 1919. Von diesem Tag an starteten zweimal täglich Flugzeuge in [[Flugplatz Johannisthal|Berlin-Johannisthal]], um Postsendungen – vor allem Zeitungen – von der Hauptstadt zum Tagungsort der verfassunggebenden [[Weimarer Nationalversammlung|Nationalversammlung]] in [[Weimar]] zu transportieren. Diese Flugpostverbindung konnte vorerst ausschließlich von den Abgeordneten der Nationalversammlung in Anspruch genommen werden, die wegen der revolutionären Lage in Berlin in die damalige thüringische Hauptstadt ausgewichen war. Wenige Monate später wurde diese Flugpostlinie auch für die Öffentlichkeit freigegeben. In den folgenden Jahren fand ein rascher Ausbau des Flugpostverbindungen in Deutschland wie auch in ganz Westeuropa und den USA statt. Am 11. August 1920 wurden die ersten Flugpostflüge von Deutschland ins Ausland durchgeführt. Bei dem angeflogenen Ziel handelte es sich um die schwedische Hafenstadt [[Malmö]]. Ab dem Jahr 1921 führte die Deutsche Reichspost besondere Flugpostbestätigungsstempel und Flugpostklebezettel ein. Im Jahre 1922 bestanden bereits 13 verschiedene Luftpostlinien. Im Mai 1923 wurden in Berlin die ersten [[Briefkasten|Luftpostbriefkästen]] Deutschlands aufgestellt. Diese besonderen, blau lackierten Briefkästen dienten nur zum Einwurf von Luftpostsendungen und sollten eine schnellere Bearbeitung und Weiterleitung der Luftpostsendungen ermöglichen. 1924 fand die erste Nachtflugpost zwischen Berlin, [[Kopenhagen]] und [[Stockholm]] statt. Am 6. Januar 1926 kam es zur Gründung der [[Lufthansa|Deutschen Luft Hansa]] (seit 1934 ''Deutsche Lufthansa''). Bis dahin waren die Aero Hansa AG, die Deutsche Aero Lloyd AG und die Junkers Luftverkehr AG für die Luftpostbeförderung verantwortlich gewesen. Da jedoch Reich, Länder und Kommunen den Unternehmen, die sich einen ruinösen Wettbewerb lieferten, die [[Subvention]]en zu streichen drohten, schlossen sie sich unter dem Druck der Banken und des Staates zu der neuen Fluggesellschaft zusammen. Die Luft Hansa musste sich verpflichten, bei jedem Flug genügend Platz für den Transport von Postsendungen freizuhalten. Der stetige Ausbau des weltweiten Flugnetzes und die ständigen Weiterentwicklungen bei Flugzeugen führten zu einem stürmischen Ausbau der Luftpost. Vor Beginn des [[Zweiter Weltkrieg|Zweiten Weltkrieges]] wurde bereits ein Großteil der Auslandssendungen durch Flugzeuge befördert. Zu den berühmtesten Flugpostpiloten der damaligen Zeit gehört [[Antoine de Saint-Exupéry]]. === Der Zweite Weltkrieg und das vorläufige Ende der Deutschen Luftpost === [[Bild:Luftfeldpostmarke.jpg|thumb|250px|Luftfeldpostmarke]] Während des [[Zweiter Weltkrieg|Zweiten Weltkrieges]] wurde die Luftfeldpost zu einer der wichtigsten Kommunikationsmöglichkeiten zwischen [[Kriegsfront|Front]] und [[Heimat]]. In fast allen beteiligten Ländern wurde das Luftpostnetz entscheidend ausgebaut und die Luftpost weiterentwickelt. Im Deutschen Reich war die Beförderung von Briefen durch die Luftfeldpost vor allem für weit von der Heimat entfernte Fronten gedacht. Zwischen dem 17. April und dem 9. Mai 1942 wurde in [[Biała Podlaska]] bei [[Brest-Litowsk]] der erste Ausgangspunkt für die deutsche Flugfeldpost eingerichtet. Die angeflogenen Ziele richteten sich nach dem jeweiligen Frontverlauf. Als Transportflugzeug wurde meist die [[Junkers Ju 52/3m|Junkers Ju 52]] eingesetzt. Im Mai 1944 wurde der Ausgangspunkt nach [[Łódź|Litzmannstadt]] (''Łódź'') verschoben. Wenige Monate später, am 6. Juli 1944, wurde der deutsche Luftfeldpostdienst schließlich ganz eingestellt. Das Deutsche Reich gab ab dem 18. April 1942 eigene ''Zulassungsmarken'' für Luftfeldpostbriefe heraus. Jeder deutsche Soldat erhielt pro Monat vier solcher [[Briefmarke]]n, nach einer Portoerhöhung im Mai 1943 acht Zulassungsmarken. Damit konnte er insgesamt vier Briefe oder Postkarten in die Heimat freimachen. Die Briefmarken wurden an Soldaten an Frontabschnitten im Osten, auf dem [[Balkanhalbinsel|Balkan]] und in [[Skandinavien]] ausgegeben, sofern diese mit dem Luftfeldpostnetz in Verbindung standen. Neben dem Deutschen Reich gaben auch andere Länder während des Zweiten Weltkrieges eigene Luftfeldpostmarken heraus. Das verbündete Italien verausgabte im Juni 1943 sogar eigene ''Luftfeldpost-Eilmarken''. Die [[Alliierte]]n besaßen ein ähnlich stark ausgeprägtes Luftfeldpostnetz wie das Deutsche Reich. Die alliierten ''Airgraph-Dienste'' ([[V-Mail]]) der britischen und amerikanischen Streitkräfte bestand während der Kriegsjahre 1941 bis 1945. Am 21. April 1941 wurde die erste Feldpostlinie von [[Kairo]] nach [[London]] vom Airgraph-Dienst eröffnet. Die Soldaten schrieben die zu verschickenden Nachrichten auf spezielle Formulare, die anschließend mikrofotografisch auf Schmalfilm festgehalten wurden. Nach der Ankunft der Schmalfilme in der Heimat wurden die einzelnen Nachrichten wiederum vergrößert an den Empfängern zugestellt. Aus dem militärischen Prinzip einer möglichst gewichtssparenden Nachrichtenübermittlung via Flugzeug entstand später das zivile [[Aerogramm]]. Nach der Niederlage und der Kapitulation des Deutschen Reiches am 8. Mai 1945 wurde der Luftpostverkehr in den nun besetzten deutschsprachigen Gebieten Österreich und Deutschland von ausländischen Unternehmen übernommen. In Österreich bestand bereits zwei Jahre nach Kriegsende wieder ein regelmäßiger Luftpostdienst; in Deutschland konnten erst ab 20. Oktober 1948 alle Einwohner der Bundesrepublik Luftpostsendungen aufgeben. Im Jahre 1954 kam es in der Bundesrepublik zu einer Neugründung der Deutschen Lufthansa, die nach Kriegsende ihren Flugbetrieb eingestellt hatte. Ab 1. April 1955 gab es wieder erste regelmäßige deutsche Luftpostflüge. Kurze Zeit später, am 17. Mai 1955, wurden wieder internationale Ziele postalisch durch die westdeutsche Lufthansa miteinander verbunden. In der [[DDR]] gab es ebenfalls eine Luftverkehrsgesellschaft namens Lufthansa, die ebenso für die Luftpost verantwortlich war. === Die Luftbrücke nach Berlin === Ein besonderes Kapitel in der Geschichte der Luftpost bildet die [[Berliner Luftbrücke|Luftbrücke nach Berlin]]. Hier konnte die Luftpost zum ersten Mal durch keine andere Postbeförderungsart unterstützt oder ersetzt werden. Die Luftbrücke nach Berlin wurde von den West-Alliierten mit Flugzeugen errichtet, um die größte deutsche Stadt mit lebensnotwendigen Gütern zu versorgen. Dies konnte nur noch auf dem Luftweg geschehen, da die [[Sowjetunion|Sowjetische Besatzungsmacht]] ab 24. Juni 1948 eine vollständige [[Berlin-Blockade|Blockade West-Berlins]] errichtete. Obwohl die Luftbrücke eigentlich zunächst nur für den Transport der lebensnotwendigsten Gütern vorgesehen war, beförderte man bald auch Post in beide Richtungen. Hierfür wurden keinerlei zusätzliche Gebühren durch die Alliierten verlangt. Die West-Berliner Post verwendete für diese besonderen Postsendungen zwei eigens geschaffene [[Poststempel]]. Diese Maschinenstempel trugen die Inschrift ''Luftbrücke Berlin'' beziehungsweise ''Kauft vom Blockierten Berlin''. Neben diese beiden amtlichen Poststempeln waren jedoch noch zahlreiche private Bestätigungsstempel in Verwendung. Nach fast einjährigem Bestehen der Berliner Luftbrücke musste die [[Sowjetunion]] schließlich einsehen, dass diese die Versorgung Berlins garantierte und unbegrenzt weitergeführt werden konnte. Sie entschlossen sich daher die Blockade West-Berlins am 12. Mai 1949 um 0.01 Uhr wieder aufzuheben. === Die moderne Luftpost und der Einfluss der Philatelie === Zur Zeit der ersten Postflüge von Flugzeugen war man noch gerne dazu bereit hohe Luftpostbeförderungsgebühren in Kauf zu nehmen, um solch einen speziellen [[Brief]] zu erhalten. Ein schönes Beispiel hierfür ist ein Luftpostbrief des [[Fähnrich]]s [[Edwin Müller]], der später einer der berühmtesten [[Philatelist]]en [[Österreich]]s werden sollte. Auf die Rückseite eines Luftpostbeleges aus dem Jahre 1918 schrieb er: :''»Ich möchte sehr gerne einen Flugpostbrief Budapest-Wien haben – das wäre alles, was zu meiner Seligkeit fehlt.«'' [[Bild:B-757 Frachter, DHL.jpg|thumb|250px|Frachtflugzeug der [[DHL]]]] Mit der Zeit verlor das Flugzeug jedoch seinen besonderen Status und wurde schließlich zu etwas ganz Alltäglichem. Dies führte unter anderem dazu, dass die Luftpost heute als etwas Selbstverständliches wahrgenommen wird. In den meisten [[Europa|europäischen Ländern]] muss schon lange keine zusätzliche Luftpostgebühr mehr entrichtet werden. In den [[USA|Vereinigten Staaten]] gibt es jedoch durchaus noch solche Gebühren. Dies rührt daher, dass in den USA ein starker [[Wettbewerb (Wirtschaft)|Konkurrenzkampf]] zwischen privaten Kurierdiensten wie [[FedEx]] und [[United Parcel Service|UPS]] und der staatlichen Post „[[United States Postal Service]]“ herrscht. Deshalb müssen diese Unternehmen stets darauf bedacht sein, ihre Leistungen billiger als die Konkurrenz anzubieten. Dies führt dazu, dass die geringeren Kosten bei einer Postbeförderung, die auf dem Landweg oder per [[Schiff]] erfolgt, an den Kunden weitergegeben wird. Die scheinbar höheren Kosten für einen Luftposttransport resultieren daraus. In den meisten europäischen Ländern gibt es keinen so starken Konkurrenzkampf zwischen staatlichen und privaten Unternehmen. Dies lässt sich meist auf bestehende oder erst kürzlich aufgelassene [[Monopol|Postmonopole]] zurückführen. Private Kurierdienste in Mitteleuropa setzten meist auf eine schnellere, aber teurere Postbeförderung. Das Luftpostaufkommen in Deutschland, aber vor allem von Deutschland in das außereuropäische Ausland, steigt ständig. Dies zeigt wie wichtig die Luftpost zur raschen postalischen Verbindung weit voneinander entfernter Orte ist. Besonders große Bedeutung hat sie in Regionen der Welt, die – abgesehen vom Flugzeug – nur schwer zugänglich sind. Stellvertretend hierfür sei [[Australien]], im speziellen die Gebiete im Zentrum des Kontinents abseits der großen [[Metropolregion|Ballungsgebiete]] an den Küsten, genannt. Meist wird die Luftpost heutzutage in Zusammenhang mit anderen Beförderungsarten wie [[Bahnpost]] oder [[Schiffspost]] verwendet, um eine schnellstmögliche aber auch billige Zustellung der Postsendung zu garantieren. Die Bedeutung der Luftpost ist in Ländern ohne Bahn- und Schiffspost ungleich höher als in Mitteleuropa, da dort keine wirkliche Alternative zur Luftpost existiert. Dies betrifft vor allem [[Postpaket|Paket]]sendungen, da reine Nachrichtenübertragungen heutzutage nicht mehr auf den Postweg angewiesen sind. Luftpost wird heute fast ausschließlich mit Flugzeugen durchgeführt. Andere Luftpostbeförderungsarten haben meist philatelistische Hintergründe und keine postalische Bedeutung. Zu diesen Beförderungsarten ist vorneweg die "Raketenpost" zu nennen. Obwohl durchaus ernste Versuche von einzelnen [[Post]]wesen mit einer Postbeförderung durch [[Rakete]]n gemacht wurden, findet diese meist auf private Initiative statt und hat keinerlei postalischen Sinn. Die erste Raketenpost fand bereits 1931 durch den [[Österreich]]er [[Friedrich Schmiedl]] statt. Neben der Raketenpost gibt es außerdem Ballonpost, [[Zeppelinpost]], Helikopterpost und ähnliche Luftpostbeförderungsarten, die eigens für Philatelisten durchgeführt werden. Heute wird ein Luftpost-Brief in den Ländern der EU als Brief angesehen, der binnen 48&nbsp;Stunden beim Empfänger eintrifft. Ob der Brief dabei per Luft oder per Straße transportiert wurde, spielt nur noch eine sekundäre Rolle. Die europäische Luftpost unterliegt derzeit dem Wandel der europäischen Liberalisierung. Früher wurde ein Luftpost-Brief von der staatlichen Airline für die staatliche, mit Monopolen gesicherte Postgesellschaft transportiert. Die staatlichen Luftfahrtgesellschaften unterliegen im europäischen Raum mehr und mehr dem Sparzwang, der von [[Billigfluggesellschaften]] gestarteten Preisoffensiven. In der Konsequenz werden kleinere Flugzeuge eingesetzt die nicht mehr so viel Fracht transportieren können wie erforderlich. Mit dem Wegfall der Monopole auf den Transport von Briefen sehen sich die ehemals staatlichen Postgesellschaften auch im Wettbewerb und entwickeln ein immer größeres Interesse an wirtschaftlichem Arbeiten. Der Wettbewerb der Luftfahrgesellschaften und der Wettbewerb der Postgesellschaften hat dazu geführt, dass Briefe nur noch begrenzt mit dem Flugzeug transportiert werden. Mehr und mehr werden die je nach Land Luftpost-, Priority- oder A-Post genannten Briefe auf dem Landweg mit Transportern zwischen den europäischen Ländern bewegt. == Philatelie == === Sendungsformen der Luftpost === ==== Gewöhnliche Postsendungen ==== Einen Unterschied zwischen Luftpostsendungen und gewöhnlichen [[Postsendung]]en gibt es streng genommen nicht. Bei einer Luftpostsendung handelt es sich ebenso um einen [[Brief]], eine [[Postkarte]] oder ein [[Postpaket|Paket]] wie bei einer normalen Postsendung, nur dass diese eben einen Teil der Beförderungsstrecke in der Luft zurückgelegt haben und einen entsprechenden Nachweis erhalten. Früher wurden Luftpostsendungen mit den Worten „Mit Flugpost“ oder durch einen speziellen Aufkleber, der diese Aufschrift trägt, angewiesen. Üblicherweise war für Luftpostbeförderung auch Extra-Porto fällig. Seit der Errichtung des Nachtluftpostnetzes legt ein bedeutender Anteil des gesamten Postaufkommens einen Teil seiner Beförderungsstrecke im Flugzeug zurück, erhält jedoch keinen speziellen Flugbestätigungsvermerk. Durch den Wegfall der Luftpostgebühren kann der Absender ohnehin nur noch scheinbar einen Einfluss auf die Art der Postbeförderung nehmen. Flugpostbelege sind das Herzstück jeder aerophilatelistisch orientierten Sammlung. Der Sammler achtet bei diesen Belegen auf eine Vielzahl von Besonderheiten. Hierzu zählen unter anderem die verwendeten [[Briefmarken]] sowie die [[Poststempel|Stempel]] auf der Postsendung. Weiter achtet der Sammler darauf, ob es sich um einen besonderen Flug, beispielsweise um einen Eröffnungsflug, handelt. Besondere „Leckerbissen“ sind Postsendungen aus verunglückten Flugzeugen, die gerettet werden konnten. Diese werden meist mit eigenen Stempeln versehen. ==== Spezielle Postsendungen ==== In Laufe der Zeit entwickelte sich eine Reihe von Postsendungsarten, die speziell für die Luftpost hergestellt werden. Den Beginn in dieser Reihe machen die Ballonbriefe aus der Zeit der Pariser Ballonpost. Besonders während des Zweiten Weltkriegs zeigten sich die Vorteile einheitlicher Luftpostsendungen. Aus diesen Erkenntnissen entwickelte sich schließlich das [[Aerogramm]], das heute vergleichsweise nur noch selten benutzt wird. In [[Vereinigtes Königreich|Großbritannien]] erscheinen jedoch jährlich eigens gestaltete ''Weihnachtsaerogramme''. === Luftpostmarken === ==== Amtliche Luftpostmarken ==== [[Bild:Inverted Jenny.jpg|thumb|200px|Inverted Jenny]] [[Bild:Eesti Ohu Post.jpg|thumb|200px|Luftpostmarke Estland (1921–1923)]] Amtliche Luftpostmarken wurden weltweit das erste Mal im Jahre 1917 in [[Italien]] ausgegeben. Sie können ausschließlich zur Freimachung von Luftpostsendungen verwendet werden und weisen aufgrund des teureren Luftpostportos höhere Nominale als gwöhnliche Freimarken auf. Damit wollten die einzelnen Postwesen der Welt der anfänglichen Besonderheit dieser Postbeförderung Rechnung tragen. Heutzutage haben die meisten Länder die Ausgabe von Luftpostmarken wieder eingestellt, an ihre Stelle sind gewöhnliche [[Freimarke]]n getreten. Manche Länder geben jedoch noch weiter eigene Luftpostmarken aus, um mit dem Verkauf an Sammler ihre Einnahmen zu steigern. Luftpostmarken sind ein fester Bestandteil jeder aerophilatelistischen Sammlung. Die unter Sammlern berühmteste Luftpostmarke ist auch vielen Nicht-Philatelisten ein Begriff. Es handelt sich hierbei um den US-amerikanischen Briefmarkenfehldruck „[[Inverted Jenny]]“ aus dem Jahre 1918. Dieser seltene [[Abart|Fehldruck]] unterscheidet sich von der Originalmarke dadurch, dass das Flugzeug, eine Curtiss Jenny, im Zentrum des Briefmarkenmotivs verkehrt herum gedruckt wurde. Bislang sind nur 100 Exemplare dieser philatelistischen Rarität bekannt geworden. Die Inverted Jenny ist die Krönung jeder aerophilatelistischen Sammlung. Im Laufe der Zeit entstanden zahlreiche verschiedene Formen von amtlichen Luftpostmarken. Der mittelamerikanische Staat [[Guatemala]] gab beispielsweise ''Luftpost-Auslandsmarken'', die nur für in das Ausland gerichtete Sendungen verwendet werden konnten und analog hierzu ''Luftpost-Inlandsmarken'' heraus. [[Russland]] verausgabte eigene ''Luftpost-Dienstmarken'', die für die Bezahlung von Luftpostsendungen des russischen Konsulates dienten. ==== Flugmarken ==== Flugmarken wurden im Gegensatz zu Luftpostmarken stets von privater Seite verausgabt. Es handelt sich dabei um markenähnliche [[Vignette]]n, die es bereits vor den ersten Flugpostmarken gab. Sie dienten zur Finanzierung von Flugveranstaltungen, in deren Rahmen eine Flugpostbeförderung stattfand. Dazu musste eine Flugmarke vom Veranstalter gekauft und auf die zu befördernde Sendung geklebt werden. Wünschte der Adressat eine Weiterbeförderung nach der Landung des Flugzeuges, musste die Postsendung zusätzlich mit Freimarken frankiert werden. Solche Vignetten erschienen beispielsweise zur Anfangszeit der Flugpost in Deutschland und in der Schweiz. Nachdem die Popularität des Flugzeuges nach einiger Zeit wieder sank, schwand auch die Anzahl solcher Flugveranstaltungen. Im Jahre 1933 wurde in Deutschland schließlich die letzte Flugmarke ausgegeben. Flugmarken werden nicht von allen Aerophilatelisten in ihre Sammlung aufgenommen, da diese Briefmarken nie eine postalische Bedeutung hatten. Da sie jedoch von der Post meist genehmigt wurden, sprechen andere Sammler von ''halbamtlichen Flugmarken'' und machen diese zu einem festen Bestandteil ihrer Sammlung. ==== Luftpostklebezettel ==== [[Datei:Mit Flugpost-2.jpg|200px|miniatur|Luftpostklebezettel]] [[Datei:Luftpostaufkleber.jpg|200px|miniatur|Luftpostaufkleber wie von der Deutschen Post ausgegeben]] [[Datei:Luftpostumschlag.jpg|200px|miniatur|Luftpostumschlag]] Bei Luftpostklebezetteln handelt es sich streng genommen um keine Briefmarken. Sie erfüllen zwar durch ihre [[Zähnung]], ihre Form und ihre [[Gummierung]] das äußere Erscheinungsbild einer Briefmarke, haben jedoch keinen postalischen Wert. Die aufklebbaren Zettel werden von der Post gratis abgegeben und dienen ausschließlich zur Kennzeichnung von durch Luftpost zu befördernde Sendungen. Luftpostklebezettel sind meist in blauer Farbe gehalten und besitzen neben ihrer Inschrift ''„Mit Flugpost“'' kein Motiv. Diese Inschrift ist neben der Landessprache meist noch auf [[Französische Sprache|Französisch]], seltener auf [[Englische Sprache|Englisch]] angegeben. Dies rührt daher, dass vom 1874 gegründeten [[Weltpostverein]] „UPU“ Französisch als Weltpostsprache gewählt wurde. Das bedeutet, dass jede Postsendung, die auf französisch adressiert war, theoretisch weltweit ohne Probleme zugestellt werden sollte. Daher erklärt sich auch der Zusatz „[[Prioritaire]]“, der die Vorrangigkeit der Sendung anzeigt. Bei Luftpostklebezettel muss es sich jedoch nicht zwangsläufig um aufklebbare Zettel im Briefmarkenformat handeln. Bei [[Aerogramm]]en und anderen speziellen Luftpostumschlägen sind diese bereits eingedruckt. Sendungen ohne Luftpostklebezettel werden jedoch in der Regel genauso durch Luftpost transportiert wie Sendungen mit solchen Vignetten. Trotzdem haben sie sich, im Gegensatz zu den anderen Luftpostmarkenarten, bis heute gehalten. Luftpostklebezettel müssen nicht zwingend in einer Luftpostsammlung vorhanden sein. Sie gelten mehr als ein Randgebiet der Philatelie, dem nur von wenigen Sammlern Beachtung geschenkt wird. === Luftpoststempel in der Philatelie === ==== Amtliche Luftpoststempel ==== Bei amtlichen Luftpoststempeln handelt es sich um gewöhnliche [[Poststempel]] der Post. Sie werden jedoch ausschließlich für die Entwertung von Luftpostsendungen verwendet. Der einzige Unterschied zu Ortstempeln besteht in der Inschrift der Luftpoststempel. Diese weist für gewöhnlich einen Hinweis auf die besondere Beförderung des Beleges auf. Die Inschrift bei einem Luftpoststempel lautet beispielsweise ''* Wien * / 30. 3. 1929 / (Flugpost)''. Heutzutage werden Luftpoststempel kaum noch von der Post verwendet. Sie wurden meist aus Gründen der einfacheren Handhabung abgeschafft. Ein besondere Kennzeichnung ist heutzutage auch nicht mehr notwendig, da diese Beförderungsart bei weiteren Entfernungen so gut wie immer verwendet wird. ==== Bestätigungsstempel ==== [[Bild:Zeppelinstempel 1.jpg|thumb|200px|Bestätigungsstempel für Zeppelinpost]] Bei Bestätigungsstempeln handelt es sich in Gegensatz zu Luftpoststempel nur selten um postamtliche Stempel. Sie werden meist auf private Initiative hergestellt. Die Bestätigungsstempel sollen einen zusätzlichen Nachweis erbringen, dass ein Brief auf eine bestimmte Art befördert wurde. Dazu wird der Bestätigungsstempel auf die Postsendung, jedoch niemals auf eine Briefmarke abgeschlagen. Der erste Bestätigungsstempel dieser Art stammte vom 18. Februar 1911 anlässlich der ersten offiziellen Postbeförderung zwischen zwei verschiedenen Orten in [[Indien]]. Zu Beginn der Luftpost durch das Flugzeug wurden Bestätigungsstempel häufig und gerne verwendet. Besonders die Bestätigungsstempel der [[Zeppelinpost]] waren und sind bei Philatelisten sehr beliebt. Heutzutage verwendet man Bestätigungsstempel nur noch bei besonderen Luftpostbeförderungen, wie Helikopterflüge, die meist in einer philatelistischen Rahmenveranstaltung stattfinden. ==== Ausfallsstempel ==== Eine besondere Art der Luftpoststempel ist der Ausfallsstempel. Dieser wird immer dann verwendet, wenn ein bestimmter Flug ausfällt oder verschoben wird. Heutzutage kann meist ein Ersatzflug gefunden werden. Bei bestimmten Flügen, beispielsweise bei angekündigten Eröffnungsflügen, muss dies allerdings trotzdem mit einem Ausfallsstempel auf der Postsendung vermerkt werden. Bei diesem Ausfallsstempel handelt es sich meist um einen Gummistempel, der kurzerhand hergestellt werden musste. Ausfallsstempel stellen keine große philatelistische Besonderheit dar, da immer die gesamten Postsendungen eines ausgefallenen Fluges betroffen sind. Dies bedeutet, dass beispielsweise ein Beleg eines ausgefallenen Erstfluges nur mit einem Ausfallsstempel existieren kann. ==== Katastrophenstempel ==== Bei den seltensten und philatelistisch beliebtesten Luftpoststempeln handelt es sich um die Katastrophenstempel. Diese kommen immer dann zum Einsatz, wenn Postsendungen nach dem [[Flugzeugabsturz|Absturz]] eines Flugzeuges oder Zeppelins gerettet werden können. Solche Postsendungen werden in der Regel mit einem improvisierten Gummistempel versehen, der Auskunft über Gründe der meist vorhanden Blessuren der Postsendungen gibt. Da solche Belege naturgemäß nur sehr selten vorkommen, erzielen sie bei Briefmarkenauktionen oft erhebliche Preise. == Literatur == * [[Heinrich von Stephan]]: ''Weltpost und Luftschifffahrt.'' Springer-Verlag, Berlin 1874. === Zur Luftpost allgemein === * Robert Paganini: ''Geschichte der Luftpost. Historischer Katalog sämtlicher Luftposten.'' Verlag von Edmund Stein, Potsdam 1920. * Jochen Stenzke: ''Michel Zeppelin- und Flugpost-Spezial-Katalog 2002.'' Schwaneberger Verlag, Unterschleißheim 2002. ISBN 3-87858-536-5 === Zur historischen Ballonpost === * Günther Heyd: ''Paris par Moulins (Die Ballons von Paris) 1870/71.'' Verlag von Edgar Mohrmann, Hamburg 1973. * Wilhelm Hofinger: ''Die älteste Luftpost der Welt. Historische Studie nach Originaldokumenten der Pariser Ballonpost 1870/71.'' Johannes Scheer, Stockach 1976. == Einzelnachweise == <references/> == Weblinks == * [http://www.museumsstiftung.de/stiftung/d1xx_sammlungen.asp?dbid=10&kattype=B&kat=105&page=1 Ausgewählte Stücke der Flugpost-Sammlung der Museumsstiftung Post und Telekommunikation] * [http://philatelie.deutschepost.de/philatelie/informationen/archiv/extra/03/extra0304_01.jhtml;jsessionid=UZPVZ4DVMCWT0CTYER1CFGQ Vom Gleiter zum Jumbo – Die Geschichte der deutschen Luftpost] * [http://www.travelbrochuregraphics.com/Top_Level_Pages/Airlines/Airlines_Page_15.htm Werbebroschüren für die Luftpost aus den 1920er und 1930er] * Beitrag über die [http://www.austria-lexikon.at/af/Wissenssammlungen/Briefmarken/1968/Flugpostausstellung_I Internationale Flugpostausstellung (IFA) Wien 1968] auf Austria Forum [[Kategorie:Philatelie]] [[Kategorie:Postwesen]] [[Kategorie:Postgeschichte]] [[Kategorie:Luftfahrt]] {{Exzellent}} [[cs:Letecká pošta]] [[en:Airmail]] [[eo:Aerpoŝto]] [[es:Correo aéreo]] [[fr:Poste aérienne]] [[he:דואר אוויר]] [[it:Posta aerea]] [[ja:航空扱い]] [[lt:Oro paštas]] [[pl:Poczta lotnicza]] [[ru:Авиапочта]] [[sh:Vazdušna pošta]] [[sl:Zračna pošta]] [[sr:Ваздушна пошта]] [[sv:Flygpost]] [[tr:Postes aeriennes]] [[uk:Авіапошта]] c8r68xiucajq612t1d5ytb8cxv2v5vz wikitext text/x-wiki Luftsack (Vogel) 0 23871 26467 2010-02-05T10:42:39Z Spuk968 0 Änderungen von [[Special:Beiträge/87.162.41.31|87.162.41.31]] rückgängig gemacht und letzte Version von Small Axe wiederhergestellt: [[WP:WWNI|Änderungen nicht hilfreich]] Die '''Luftsäcke''' (''Sacci pneumatici'') der [[Vögel]] sind dünnwandige Anhänge der [[Lunge#Vogellunge|Lunge]], die wie [[Blasebalg|Blasebälge]] die Luft durch die Lunge führen. In ihnen findet jedoch kein [[Gasaustausch]] statt. Es handelt sich um hauchdünne Säcke mit einer durchsichtigen Wand. Neben ihrer Funktion als „Motor der Atmung“ sind sie auch an der Stimmbildung beteiligt. Hochfrequente Exspirationen (Ausatmungen) werden im [[Stimmkopf]] (''Syrinx'') zum [[Vogelgesang]] moduliert. Die dritte wichtige Funktion der Luftsäcke ist die Beteiligung an der [[Thermoregulation]] durch die Wärmeabgabe über [[Verdunstung]]. == Aufbau == Die Luftsäcke sind größtenteils von einem einschichtigen [[Epithel|Plattenepithel]] ausgekleidet. Teilweise treten auch kubische und hochprismatische Flimmerepithelzellen auf. In ihre Wand sind [[Bindegewebe#Elastisches Bindegewebe|elastische Fasern]] und [[glatte Muskulatur]] eingelagert. Darin verlaufen auch einzelne [[Nervenfaser]]n, bei denen bei einigen Vögeln der Ursprung aus dem [[Nervus vagus]] beschrieben ist, über deren Funktion bislang aber keine Kenntnisse vorliegen. == Einteilung der Luftsäcke == [[Datei:Airsacs-bird.jpg|thumb|'''Luftsacksystem eines [[Turmfalke]]n''' (Ausgusspräparat)<br /> 1 Halsluftsack, 2 Schlüsselbeinluftsack, 3 vorderer Brustluftsack, 4 hinterer Brustluftsack, 5 Bauchluftsack (5' Divertikel in den [[Beckengürtel]], 6 [[Lunge]], 7 [[Luftröhre]]<small>. A [[Schlüsselbein]], B [[Coracoid|Rabenbein]], C [[Schulterblatt]], D [[Notarium]], E [[Synsacrum]], F [[Becken (Anatomie)|Becken]], G [[Oberschenkelknochen]], H [[Sternum|Brustbein]]</small>]] Die Luftsäcke werden während der Entwicklung bereits sehr früh im [[Embryo]] angelegt. Sie entstehen beim [[Huhn]] am 5. und 6. Embryonaltag, gleichzeitig mit der Entwicklung der Lungen, aber vor der Bildung der Sekundärbronchien. Am 10. Tag sind die Luftsäcke bereits vollständig entwickelt und zeigen danach nur noch ein Größenwachstum. Embryonal werden sechs paarige Luftsäcke angelegt, von denen zwei Paare bei fast allen Vögeln (Ausnahme [[Haubentaucher]]) in der weiteren Entwicklung zum einheitlichen Schlüsselbeinluftsack verschmelzen. Beim [[Truthuhn]] werden nur 5 Luftsackpaare angelegt. Der linke und rechte '''Halsluftsack''' (''Saccus cervicalis'') liegt entlang der [[Halswirbelsäule]] und besitzt Aussackungen (Divertikel) inner- und außerhalb der [[Halswirbel]]. Bei [[Hühnervögel]]n verschmelzen beide Halsluftsäcke zu einer medianen Hauptkammer. Der Haubentaucher hat keine Halsluftsäcke. Der ursprünglich aus zwei Paaren bestehende '''Schlüsselbeinluftsack''' (''Saccus clavicularis'') verschmilzt median bei den Vögeln, mit Ausnahme des Haubentauchers, zu einem unpaaren Sack. Von ihm gehen Divertikel innerhalb und außerhalb des [[Brustkorb]]s aus. Letztere erstrecken sich auch in die Knochen des [[Schultergürtel]]s und den [[Oberarmknochen]]. Diese Knochen sind somit bei Vögeln luftgefüllt (pneumatisiert). Beim [[Afrikanischer Strauß|Strauß]] ist der Oberarmknochen nicht pneumatisiert. Die funktionelle Bedeutung dieser [[Pneumatisation]] ist noch nicht endgültig geklärt. Die '''vorderen Brustluftsäcke''' (''Sacci thoracici craniales'') liegen zwischen zwei Bindegewebsmembranen (''Septum horizontale'' und ''obliquum'') innerhalb des Brustkorbs und umfassen das [[Herz]] und den [[Magen#Magen der Vögel|Drüsenmagen]] (''Proventriculus''). Bei [[Singvögel]]n verschmelzen sie mit dem einheitlichen Schlüsselbeinluftsack. Die '''hinteren Brustluftsäcke''' (''Sacci thoracici caudales'') liegen direkt der Körperwand an und befinden sich hinter den vorderen Brustluftsäcken. [[Truthühner]] haben keine (werden embryonal auch nicht angelegt), [[Haushuhn|Hühner]] nur kleine hintere Brustluftsäcke. Bei Störchen sind sie geteilt, so dass sie 4 hintere Brustluftsäcke haben. Die '''Bauchluftsäcke''' (''Sacci abdominales'') liegen als dünne Ballons zwischen den [[Darm]]schlingen und pneumatisieren auch den [[Beckengürtel]]. Bei [[Papageien]], Straußen und [[Sperlingsvögel]]n sind die Bauchluftsäcke relativ klein. Die Vögel besitzen maximal 12 Luftsäcke, aufgrund der Verschmelzung der vier Schlüsselbeinluftsäcke aber im Regelfall nur 9. Die artspezifische Zahl schwankt zwischen 7 und 11. {| class="prettytable" |colspan=3 align=center| '''Anzahl der Luftsäcke bei einigen Vögeln''' |---- |11 |[[Störche]] |hintere Brustluftsäcke nochmals unterteilt (also 5 Paare + Schlüsselbeinluftsack) |---- |10 |[[Haubentaucher]] |4 Schlüsselbeinluftsäcke, aber keine Halsluftsäcke (also 5 Paare) |---- |9 |Regelfall |4 Paare + einheitlicher Schlüsselbeinluftsack |---- |8 |[[Haushuhn]] |Hals- und Schlüsselbeinluftsack unpaar, 3 paarige Luftsäcke |---- |rowspan=2|7 |[[Truthuhn]] |Halsluftsack unpaar, hintere Brustluftsäcke fehlen |---- |[[Singvögel]] |unpaarer Schlüsselbeinluftsack mit vorderen Brustluftsäcken verschmolzen |} == Luftsacksysteme == Man unterscheidet funktionell zwei Luftsacksysteme. Das '''kraniale Luftsacksystem''' besteht aus den Hals-, Schlüsselbein- und den beiden vorderen Brustluftsäcken. Sie werden über die so genannten medioventralen Sekundärbronchien (zur Mitte und nach unten gerichtete Abgänge der [[Bronchialsystem|Hauptbronchien]]) belüftet und sind meist nur bei verstärkter Atmung aktiv. Das '''kaudale Luftsacksystem''' besteht aus den hinteren Brust- sowie den Bauchluftsäcken. Sie sind über einen lateroventralen Sekundärbronchus bzw. direkt an den Hauptbronchus angeschlossen. == Atemmechanik bei Vögeln == Die [[Atmung]] der Vögel unterscheidet sich grundsätzlich von der der [[Säugetiere]]. Zwar gibt es auch hier Muskeln für [[Inspiration (Medizin)|Inspiration]] (Einatmung) und Exspiration (Ausatmung), sie wirken aber nicht auf die [[Lunge]]n, da diese bei Vögeln unbeweglich im Brustkorb eingewachsen sind und keine Volumenänderungen ausführen können. Ein [[Zwerchfell]] ist bei Vögeln ebenfalls nicht ausgebildet. Die wichtigsten Inspirationsmuskeln sind die Rippenanhangsmuskeln (''Musculi appendicocostales''). Ihre Kontraktion führt zu einer Erweiterung des [[Brustkorb]]s. Auch die Abwärtsbewegung des [[Brustbein]]s trägt maßgeblich zu diesem Prozess bei. Dies führt zu einem Unterdruck in der Leibeshöhle und damit zu einer Erweiterung der Luftsäcke, wodurch Luft durch die Lunge hindurch angesaugt wird. Die wichtigsten Exspirationsmuskeln sind die [[Bauchmuskel]]n, die die Leibeshöhle verengen und damit die Luft aus den Luftsäcken verdrängen. [[Datei:Respiration-in-birds.png|thumb|Luftstrom durch Lunge und Luftsäcke bei Vögeln (A normale, B forcierte Atmung). <small>1 Trachea, 2 Palaeopulmo, 3 Neopulmo, 4 hinteres Luftsacksystem, 5 vorderes Luftsacksystem</small>. rot: Frischluft, blau: sauerstoffarme Luft, violett: Mischluft]] === Ruheatmung (Abb. A) === In der Ruheatmung ist zumeist nur das hintere Luftsacksystem aktiv. Von den beiden hinteren Luftsackpaaren wird Luft durch einen Teil der Lunge (so genannte ''Neopulmo'') gesaugt, zum Teil gelangt auch Frischluft in diese Luftsäcke. Damit befindet sich am Ende der Einatmung Mischluft mit einem noch nutzbaren [[Sauerstoff]]anteil in den hinteren Luftsäcken. Bei der Ausatmung wird diese Mischluft nun noch einmal durch die Lunge geleitet und somit viel effektiver ausgenutzt als beim Säugetier mit seinen blind endenden Luftwegen und dem dementsprechend hohen [[Totraum (Atmung)|Totraum]]. Dieses effiziente System kompensiert auch das große Volumen der [[Luftröhre]] bei Vögeln, die im Vergleich zu Säugetieren länger und dicker ist und ein etwa 4,5faches Totraumvolumen hat. === Forcierte Atmung (Abb. B) === Bei vermehrter Atmung kommt zu der normalen Atmung noch das vordere Luftsacksystem dazu. Es saugt Frischluft durch den übrigen Teil der Lunge (so genannte ''Palaeopulmo''). Die verbrauchte Luft dieses Luftsacksystems gelangt bei der Ausatmung direkt in die [[Luftröhre]], wird also nicht noch einmal durch die Lunge geleitet. === Tierartliche Besonderheiten in der Atemmechanik === Bei Vogelarten ohne Neopulmo (z. B. [[Pinguine]]) gelangt nur Frischluft in die hinteren Luftsäcke, sie nutzen bei der Einatmung das vordere, bei der Ausatmung das hintere System. Bei [[Störche]]n ist die Neopulmo schwach entwickelt. == Konsequenzen aus der Atemmechanik == Beim Festhalten und bei der Manipulation von Vögeln ist die komplexe Atemmechanik zu beachten. Beim In-die-Hand-nehmen ist darauf zu achten, dass der Brustkorb nicht zu stark in seiner Bewegung eingeschränkt wird. Legt man Vögel auf den Rücken, so behindert die Last der übrigen Organe die Entfaltung der Bauchluftsäcke und die Schwerkraft des Brustmuskels die des Brustbeins, so dass es schnell zu Atemnot oder gar zu einer Erstickung kommen kann. == Evolutionärer Ursprung des Luftsacksystems und der Atemmechanik bei Vögeln == [[Datei:Dino bird air sac (Ger).jpg|thumb|Vergleich des Luftsacksystems von Dinosauriern und Vögeln]] Bei zahlreichen Vertretern der [[Theropoden]], einer vogelähnlichen Gruppe der [[Dinosaurier]], sind Wirbel und Rippen mit pneumatischen Foramina vergleichbar denen [[Rezent (Biologie)|rezenter]] Vögel nachgewiesen, ebenso beim Urvogel ''[[Archaeopteryx]]''. Sie weisen darauf hin, dass bereits bei den Vorfahren der Vögel bestimmte Knochen mit Aussackungen (Divertikeln) eines Luftsacksystems gefüllt (das heißt pneumatisiert) waren. Innerhalb der [[Archosaurier]], deren rezente Nachfahren die [[Krokodile]] und die [[Vögel]] sind, besaßen neben den Theropoden, die als mutmaßliche Stammgruppe der Vögel gelten, weitere Gruppen (die [[Flugsaurier]] und die [[Sauropoden]]) pneumatisierte Knochen, so dass von manchen [[Paläontologe]]n angenommen wird, ein Luftsacksystem sei nicht nur ein urtümliches Merkmal der Vögel, sondern das einer weitaus größeren und älteren Gruppe, der so genannten [[Ornithodira|Ornithodiren]], gewesen. Inwiefern die Funktion des Atmungssystems bei Vögeln und Theropoden ähnlich war, wird kontrovers diskutiert: O’Connor und Claessens (2005) schlagen für Theropoden eine den Vögeln ähnliche Form der Durchströmungsatmung vor. Sie wiesen in einem gut erhaltenen [[fossil]]en Exemplar der urtümlichen Theropoden-Gattung ''[[Majungatholus]]'' pneumatische Öffnungen in Hals-, Brust- und Beckenwirbeln nach. [[Datei:cuirassal_breathing.png|left|thumb|''Kürassieratmung'' bei [[Theropoden]] und frühen [[Vögel]]n: A Inspiration, B Exspiration. Durch die Rotation der Bauchrippen wird der Bauchraum seitlich erweitert bzw. verengt. Ansicht ventral. Nach Carrier & Farmer (2000).]] Dass die [[Neuralbogen|Neuralbögen]] der Brustwirbel 12 und 13 verglichen mit den davor und dahinter liegenden besonders kleine Öffnungen zeigen, interpretieren sie als Trennung zwischen einem vorderen (kranialen) und einem hinteren (kaudalen) Luftsacksystem, denen jeweils die Divertikel in den vorderen bzw. hinteren Wirbelkörpern und Neuralbögen zuzuordnen sind. Das Vorhandensein eines hinteren Luftsacksystems, das mechanisch einfacher zu „belüften“ sei als ein vorderes, halten O’Connor und Claessens für eine entscheidende Voraussetzung für eine vogelähnliche Durchströmung der Lunge (siehe Ruheatmung bei rezenten Vögeln, Abb. A). Theropoden und frühe Vögel besaßen im Gegensatz zu rezenten flugfähigen Vögeln nur ein kleines, kaum den vorderen Brustbereich einnehmendes Brustbein und ein dreistrahliges [[Beckengürtel|Becken]] – das [[Schambein]] war bauchwärts gerichtet und nicht wie bei späteren Vögeln parallel zu [[Darmbein]] und [[Sitzbein]] rotiert. Offenbar spielten Auf- und Abwärtsbewegungen des Brustbeins sowie Rotationen des Beckens („Beckenatmung“) beim Ein- und Ausatmen zu Beginn der Vogelevolution noch keine Rolle. Andererseits waren Theropoden und urtümliche [[Mesozoikum|mesozoische]] Vögel wie ''Archaeopteryx'', ''[[Confuciusornis]]'' und ''Sinornis'' im Besitz miteinander verzahnter Bauchrippen (''[[Gastralia]]''). Durch die Kontraktion der Bauchmuskulatur (besonders des ''[[Musculus rectus abdominis]]'') wurden laut Claessens (2004) die Bauchrippen gegeneinander geschoben und so der hintere Brustraum seitlich erweitert. Somit ermöglichte die Kontraktion derselben Muskeln, die bei rezenten Vögeln zur Verringerung des Brustraumvolumens beim Ausatmen beitragen, bei frühen Vögeln und Theropoden paradoxerweise das Einatmen. Dieser Atemmechanismus, der auf Verschiebung eines Systems von Bauchrippen beruht, wird nach Carrier und Farmer (2000) auch als „Kürassieratmung“ (''cuirassal breathing'') bezeichnet und als eine notwendige Voraussetzung für eine urtümliche Durchströmungsatmung angesehen. Bei späteren Vögeln wurde mit dem Verlust der Bauchrippen diese Form der Brustraumkontraktion und -expansion durch andere Formen abgelöst. In welchem [[Phylogenese|phylogenetischen]] Stadium zuerst ein Atemmechanismus ähnlich dem der heutigen Vögel vorlag, ist noch weitgehend offen. Bevor es der Atmung diente, könnte das Luftsacksystem bei Dinosauriern und Flugsauriern thermoregulatorische Funktion gehabt und zur Gewichtsreduktion beigetragen haben. Ruben et al. (1997, 1999) glauben, bei Fossilien der kleinen theropoden Dinosaurier ''[[Sinosauropteryx]]'' und ''[[Scipionyx]]'' versteinertes Weichgewebe des Brust- und Bauchraums vorliegen zu haben, das zeige, dass die Atmung der Theropoden der der Vögel nicht ähnlich sei: Angeblich sei der Brustraum wie bei Krokodilen durch ein [[Zwerchfell]] unterteilt gewesen, dessen kolbenartige Bewegung das Ein- und Ausatmen steuerte. Diese Theorie lässt jedoch den Nachweis pneumatischer Foramina in einer großen Zahl von Theropoden unbeachtet. Und dass die Versteinerungen bzw. Hautschatten im Bereich des Bauchraums der genannten Exemplare tatsächlich oben genannte Aussagen zur Lage und Anatomie der inneren Organe zulassen, gilt unter Paläontologen als zweifelhaft. == Klinische Bedeutung == Das Luftsacksystem ist häufig bei Erkrankungen der Atemwege mit betroffen. Der Bau der Luftsäcke führt dazu, dass Vögel, anders als Säugetiere, Fremdkörper nicht abhusten können. Die häufigsten [[Bakterien|bakteriellen]] Erreger einer [[Aerosacculitis|Luftsackentzündung]] (Aerosacculitis) sind ''[[Escherichia coli]]'', [[Mykoplasmen]] (''[[Mycoplasma gallisepticum]]'' u.&nbsp;a.) und [[Chlamydien]] ([[Ornithose]], ''[[Chlamydophila psittaci]]''), seltener [[Pasteurellen]] (''Pasteurella gallinarum''), ''[[Ornithobacterium rhinotracheale]]'' und [[Bordetellen]] (''[[Bordetella avium]]''). Zum Nachweis von bakteriellen Erregern kann eine Spülung analog der [[Bronchoalveoläre Lavage|bronchoalveolären Lavage]] durchgeführt werden. An durch [[Pilze]] hervorgerufenen Luftsack[[mykose]]n ist vor allem ''[[Aspergillus fumigatus]]'' beteiligt. [[Aspergillose]]n zählen dabei zu den am häufigsten auftretenden Luftsackinfektionen. Auch bei [[Virusinfektion|Viruserkrankungen]] wie [[Geflügelpest]] („Vogelgrippe“), [[Newcastle-Krankheit]] (atypische Geflügelpest), [[Infektiöse Bronchitis des Huhnes]] (IB) und [[Infektiöse Laryngotracheitis]] (ILT) kann eine Aerosacculitis auftreten. Schließlich können auch [[Parasit]]en wie [[Würmer]] (''Serratospiculum'' spp.) oder [[Milben]] ([[Luftsackmilbe]] ''Cytodites nudus'') den Luftsack befallen. Erkrankungen des Luftsacks gehen im Allgemeinen mit schwerer Atemnot einher. Die Luftsäcke sind limitierender Faktor für die [[Sonographie|Ultraschalluntersuchung]] bei Vögeln, da Luft eine Total[[Reflexion (Physik)|reflexion]] der [[Schall]]wellen verursacht. Eine direkte Applikation von [[Isofluran]] in die Luftsäcke ist als [[Narkose]]möglichkeit beschrieben. == Literatur == * Britt, B.B.; Makovicky, P.J.; Gauthier, J.; Bonde, N.: ''Postcranial pneumatization in ''Archaeopteryx''.'' In: ''Nature'' 395/1998, S. 374–376, {{ISSN|0028-0836}}. * Carrier, D.R.; Farmer, C.G.: ''The evolution of pelic aspiration in archosaurs.'' In: ''Paleobiology'' 26(2)/2000, S. 271–293, {{ISSN|0094-8373}}. * Claessens, L.P.A.M.: ''Dinosaur gastralia: origin, morphology, and function.'' In: ''Journal of Vertebrate Paleontology'' 24(1)/2004, S. 89–106. * Codd, J.R.; Boggs, D.F.; Perry, S.F.; Carrier, D.R.: ''Activity of three muscles associated with the uncinate processes of the giant Canada Goose Branta canadensis maximus''. In: ''Journal of Experimental Biology'' 208/2005, S. 849–857. ([http://jeb.biologists.org/cgi/content/full/jexbio;208/5/849 Volltext]) * Duncker, H.-R.: ''The lung air sac system of birds''. In: ''Ergebnisse der Anatomie und Entwicklungsgeschichte'' 45/1971, S. 1–171, {{ISSN|0301-5556}}. * O’Connor, P.M.; Claessens, L.P.A.M.: ''Basic avian pulmonary design and flow-through ventilation in non-avian theropod dinosaurs.'' In: ''Nature'' 436/2005, S. 253–256, {{ISSN|0028-0836}}. * Ruben, J.A.; Jones, T.D.; Geist, N.R.; Hillenius, W.J.: ''Lung Structure and Ventilation in Theropod Dinosaurs and Early Birds.'' In: ''Science'' 278/1997, S. 1267–1270. * Ruben, J.A.; Sasso, C.D.; Geist N.R.; Hillenius, W.J.; Jones, T.D.; Signore, M.: ''Pulmonary Function ans Metabolic Physiology of Theropod Dinosaurs.'' In: ''Science'' 283/1999, S. 514–516. * Salomon, F.-V. (Hrsg.): ''Lehrbuch der Geflügelanatomie''. Fischer-Verlag, Jena/Stuttgart 1993, ISBN 3-334-60403-9. * Smith J.H.; Meier J.L.; Lamke C.; Neill P.J.; Box E.D.: ''Microscopic and submicroscopic anatomy of the parabronchi, air sacs, and respiratory space of the budgerigar (Melopsittacus undulatus)''. In: ''American Journal of Anatomy'' 177/1986, S. 221–242, {{ISSN|0002-9106}}. * Wedel, M.J.: ''Vertebral pneumaticity, air sacs, and the physiology of sauropod dinosaurs.'' In: ''Paleobiology'' 29(2)/2003, S. 243–255, {{ISSN|0094-8373}}. 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April 2006|16070740}} [[Kategorie:Anatomie der Vögel]] [[ca:Sac aeri]] [[eo:Pneŭmosako (birdo)]] [[fr:Sac aérien (oiseau)]] [[pl:Worki powietrzne]] [[uk:Повітряні мішки]] 5xkrqiblhovkdf270eha9f8p0l0wcff wikitext text/x-wiki Luftschlacht um England 0 23872 26468 2010-05-10T10:58:06Z Spuk968 0 Änderungen von [[Special:Beiträge/91.37.225.159|91.37.225.159]] rückgängig gemacht und letzte Version von Onee wiederhergestellt {{Begriffsklärungshinweis|Eine Beschreibung des Films von 1969 findet sich unter [[Luftschlacht um England (Film)]]}} {{Infobox Militärischer Konflikt |KONFLIKT=Luftschlacht um England |TEILVON=[[Zweiter Weltkrieg]] |BILD= |BILDBREITE= |BESCHREIBUNG= |DATUM= je nach Quelle: Mitte [[1940]] |DATUMBIS=Anfang [[1941]] |ORT=[[Vereinigtes Königreich]] |CASUS= |GEBIETE= |AUSGANG= Abbruch von Deutscher Seite |FOLGEN= Deutsche Invasion verhindert, Briten behalten Luftherrschaft |FRIEDENSSCHLUSS= |KONTRAHENT1=<div align="center">[[Datei:Flag of Germany 1933.svg|30px]]<br/>[[Deutsches Reich]], sowie Italien</div> |KONTRAHENT2=<div align="center">[[Datei:Flag of the United Kingdom.svg|30px]]<br/>[[Vereinigtes Königreich]] und [[Commonwealth]]</div> |BEFEHLSHABER1=[[Hermann Göring]]<br/>[[Albert Kesselring]]<br/>[[Hugo Sperrle]]<br/>[[Hans-Jürgen Stumpff]] |BEFEHLSHABER2=[[Hugh Dowding, 1. Baron Dowding|Hugh Dowding]]<br/>[[Keith Park]]<br/>[[Trafford Leigh-Mallory]]<br/>Christopher Quintin-Brand<br/>Richard Saul |TRUPPENSTÄRKE1= (zu Beginn) 1576 Bomber, <br/>809 einmotorige Jäger, <br/>300 zweimotorige Jäger |TRUPPENSTÄRKE2= (zu Beginn) 500 Bomber, <br/>700 einmotorige Jäger,<br/>96 zweimotorige Jäger |VERLUSTE1=873 Jäger,<br/>1014 Bomber |VERLUSTE2=1023 Jäger,<br/>376 Bomber,<br/>148 Seeflugzeuge |NOTIZEN= |ÜBERBLICK = {{Linkbox Westfeldzug}} }} Die '''Luftschlacht um England ([[Vereinigtes Königreich|Großbritannien]])''' war der Versuch der deutschen [[Luftwaffe (Wehrmacht)|Luftwaffe]], im [[Zweiter Weltkrieg|Zweiten Weltkrieg]] zwischen Sommer 1940 und Anfang 1941 mit Bombeneinsätzen gegen das britische Militär und Angriffen gegen britische Städte die Kapitulation Großbritanniens zu erzwingen oder wenigstens die Invasion der Insel vorzubereiten. International bekannt als ''Battle of Britain'', war es eine Serie von Luftgefechten im britischen Luftraum, die von der deutschen Luftwaffe gegen die [[Royal Air Force]] (RAF) geführt wurde. Britische Historiker legen den Zeitraum der Schlacht vom 10. Juli bis zum 31. Oktober 1940 fest, da ab diesem Tag die Tagangriffe in größerem Ausmaß ausblieben. Manche Quellen und Statistiken beziehen sich auf einen Zeitraum bis zum Mai 1941, als die Kampfgruppen der Bombergeschwader der Luftwaffe für das [[Unternehmen Barbarossa]] abgezogen wurden. Ziel des [[Oberkommando der Wehrmacht|Oberkommandos der Wehrmacht]] in der Luftschlacht um England war die Erringung der Luftherrschaft über den britischen Luftraum durch die Vernichtung der Kampfkraft der [[Royal Air Force]]. Dies galt als Grundvoraussetzung für eine erfolgreiche Invasion, deren Planung bereits im Dezember 1939 zwischen [[Adolf Hitler|Hitler]] und [[Erich Raeder|Großadmiral Raeder]] besprochen wurde ([[Operation Seelöwe]]). Hitler hoffte jedoch später, Großbritannien durch verstärktes Bombardement zu Friedensverhandlungen zwingen zu können; Ende September 1940 wurden die Invasionspläne intern auf unbestimmte Zeit verschoben, also aufgegeben. Der Begriff ''Luftschlacht um England'' (eigentlich ''Battle of Britain'') wurde vom britischen Premierminister [[Winston Churchill]] geprägt, der am 18. Juli 1940 in einer Rede vor dem Unterhaus erklärte: : ''„Die Schlacht, die [[Maxime Weygand|General Weygand]] die Schlacht um Frankreich nannte, ist vorbei. Ich erwarte, daß jetzt die Schlacht um (Groß-)britannien beginnen wird.“''<ref>Walter Anger: ''Das Dritte Reich in Dokumenten. Sammlung Res publica''. Band 7. Europ. Verlagsanstalt, Frankfurt am Main 1957. S. 135.</ref> == Hintergrund == In den 1930er Jahren wurde die Rolle der Luftstreitkräfte in einem Krieg von Politikern ebenso wie von Militärs als entscheidend angesehen. Diese Meinung stützte sich auf die Erfolge der im [[Erster Weltkrieg|Ersten Weltkrieg]] von deutschen [[Luftschiff]]en und [[Bomber]]n auf Großbritannien durchgeführte Bombenangriffe, die trotz der geringen Zahl eingesetzter Luftfahrzeuge und der kleinen abgeworfenen Bombenlasten die britische Rüstungsproduktion spürbar geschädigt hatten. Der Schaden an zerstörtem Gerät und der Ausfall der getroffenen Betriebe wurde dabei weit übertroffen durch den Produktionsausfall, der dadurch verursacht wurde, dass Fabrikarbeiter aus Furcht vor weiteren Bombenangriffen nicht am Arbeitsplatz erschienen. Diese Beobachtung machte in der Planung des Luftkrieges die ''Moral'' der Bevölkerung zu einem wichtigen Faktor. Die Entwicklung der [[Luftfahrttechnik]] führte außerdem dazu, dass in den 1920er und 1930er Jahren größere und schnellere Bomber mit schwererer Bombenlast gebaut wurden, als sie im Ersten Weltkrieg existierten. Militärs und Politiker erwarteten daher, dass die Wirkung zukünftiger Bombenangriffe die im Ersten Weltkrieg beobachteten Effekte weit übertreffen würde. Durch den geringen Leistungsvorsprung der in der Zwischenkriegszeit gebauten [[Jagdflugzeug]]e gegenüber den Bombern und das Fehlen eines funktionsfähigen Luftraumüberwachungssystems ging man davon aus, dass es den feindlichen Jagdflugzeugen selten gelingen würde, die Bomber überhaupt abzufangen. Sollten die Jagdflugzeuge doch einmal in Schussposition gelangen, wurde erwartet, dass die Bomber aufgrund ihrer verbesserten Abwehrbewaffnung bei gegenseitiger Feuerunterstützung im engen Formationsflug alle Angriffe von Jagdflugzeugen abwehren könnten. Der einflussreiche britische Politiker [[Stanley Baldwin]] äußerte 1932: ''„Der Bomber wird immer <nowiki>[</nowiki>zum Ziel<nowiki>]</nowiki> durchkommen“'' und drückte die damals verbreitete Ansicht aus, ein zukünftiger Krieg würde durch Luftangriffe auf die Zivilbevölkerung entschieden werden. Gemäß der 1928 formulierten [[Trenchard-Doktrin]] ging man davon aus, dass Bombenangriffe auf ''„alle Objekte, die wirksam zur Zerstörung der gegnerischen Mittel des Angriffs beitragen und seine Entschlossenheit zum Kampf verringern“'' strategisch günstiger seien, als gegen feindliche Streitkräfte in direkter Feldschlacht vorzugehen, und begann bereits mit der Entwicklung der [[Stabbrandbombe]], der Hauptwaffe des späteren Bombenkrieges. Als 1934 ein Krieg gegen Deutschland absehbar war, formulierte die britische Regierung einen auf fünf Jahre angelegten Plan zur Erweiterung der britischen Luftstreitkräfte, der sowohl die Aufstellung einer starken Streitmacht von Bombern zum Angriff auf Deutschland, als auch die Schaffung eines Luftverteidigungssystems zur Abwehr deutscher Bombenangriffe vorsah. Dieser Plan wurde in wesentlichen Teilen entsprechend dem ursprünglichen Entwurf umgesetzt. Der Aufbau eines Netzes von [[Fliegerhorst]]en in Südengland und die Ausbildung eines Kaders von Piloten und Besatzungen hatten dabei Priorität. Die Ausrüstung der [[Royal Air Force]] mit modernen Kampfflugzeugen konnte dagegen erst gegen Ende des Planungszeitraums stattfinden. Das Fehlen einer einsatzbereiten Luftwaffe beeinflusste die britische Politik und wird häufig als einer der Gründe für [[Arthur Neville Chamberlain|Chamberlains]] [[Appeasement-Politik]] angesehen. Umgekehrt war sich das Deutsche Reich der von seiner neugeschaffenen Luftwaffe ausgehenden Drohwirkung voll bewusst und nutzte sie zur Unterstützung seiner expansiven Politik. Erst der Zweite Weltkrieg zeigte, dass die Erwartungen an die Kampfkraft von Bombern weit übertrieben gewesen waren. Bereits 1939 wurde durch britische Angriffe auf deutsche Kriegsschiffe und Marinestützpunkte an der Nordsee deutlich, dass durch [[Suchradar]] geführte Jagdflugzeuge die Bomber zum Kampf stellen und den Bomberformationen trotz ihrer Abwehrbewaffnung vernichtende Verluste zufügen konnten. Diese Erfahrung ließ das britische Luftverteidigungssystem als wesentlich wichtiger erscheinen, als man vor dem Krieg erwartet hatte. Gleichzeitig hatten sich die Bomber als weniger wirkungsvoll erwiesen als gedacht. Trotzdem hielten die Briten an der Erwartung fest, dass Bombenangriffe gegen die Zivilbevölkerung kriegsentscheidend sein würden. Auch die deutschen Luftangriffe während der darauffolgenden Luftschlacht um England richteten sich in der Endphase, von der die Entscheidung erwartet wurde, gegen den Großraum London und damit gegen die Zivilbevölkerung Großbritanniens. : ''Siehe auch: [[Luftkrieg]].'' == Ausgangssituation == [[Datei:Second world war europe 1940 map de.png|thumb|250px|Die Situation in Europa 1940]] Seitdem 1934 der Erweiterungsplan für die [[Royal Air Force]] (RAF) unter dem Namen ''Plan A'' verabschiedet worden war, arbeiteten die Briten systematisch am Aufbau einer modernen Luftwaffe. Die wichtigsten Schritte waren dabei der Ausbau eines Netzwerks von [[Fliegerhorst]]en, der Aufbau einer Basis von geschultem Bodenpersonal und eines Kaders von Piloten, und später – etwa in den zwei Jahren zwischen dem [[Münchner Abkommen]] und der Luftschlacht um England – die Ausrüstung der RAF mit modernen Bombern und Jagdflugzeugen. Am 1. September 1939 hatte das Deutsche Reich [[Polenfeldzug|Polen angegriffen]]. [[Frankreich]] und [[Vereinigtes Königreich|Großbritannien]] erklärten Deutschland daraufhin den Krieg, der [[Zweiter Weltkrieg|Zweite Weltkrieg in Europa]] hatte begonnen. In mehreren ''[[Blitzkrieg]]en'' konnte Deutschland 1940 den [[Alliierte]]n massive Verluste zufügen und während des [[Westfeldzug 1940|Westfeldzugs]] die [[Beneluxländer]] und weite Teile Frankreichs besetzen. Die britischen Truppen auf dem Festland wurden bei [[Dünkirchen]] in [[Frankreich]] eingekesselt und konnten in der [[Operation Dynamo]] gerade noch vor der Vernichtung gerettet werden. Die Rettung der Expeditionsarmee (ca. 240.000 Soldaten) und von 100.000 weiteren Soldaten verbündeter Staaten förderte sehr die britische Moral. Da die Soldaten bei der Evakuierung alle schweren Waffen zurücklassen mussten, war die erfolgreiche Verteidigung der britischen Inseln gegen eine deutsche Invasion noch nicht sicher. Der überragende Abwehrerfolg weniger Tage bildete aber die entscheidende Grundlage für Churchills kategorisches ''Nein'', mit dem Deutschen Reich Friedensverhandlungen aufzunehmen und war der frühzeitige Anfang vom Ende von Hitlers globaler Kriegsstrategie. Hitler entschloss sich für den Angriff auf die Sowjetunion, den ideologischen Hauptgegner, ohne vorher den Gegner im Westen besiegt zu haben oder mit ihm zu einem ''[[modus vivendi]]'' gekommen zu sein.<ref>Vgl. Ian Kershaw: ''Wendepunkte. Schlüsselentscheidungen im Zweiten Weltkrieg 1940/41.'' DVA, München 2. Aufl. 2008, ISBN 978-3-421-05806-5, S. 25 - 76: ''London, Frühjahr 1940. Großbritannien beschließt, weiterzukämpfen.''</ref> Am 22. Juni wurde zwischen der französischen Armee und der deutschen Wehrmacht ein [[Waffenstillstand von Compiègne|Waffenstillstand]] unterzeichnet, sehr zur Enttäuschung Großbritanniens und der [[Vereinigte Staaten|USA]]. Begründet durch den schnellen Sieg über alle Kriegsgegner außer Großbritannien wurden Signale erwartet, die den Wunsch auf Beendigung der Kampfhandlungen seitens der Briten ausdrückten. Tatsächlich gab es politische und populäre Strömungen, die dazu bereit waren. Doch [[Arthur Neville Chamberlain]], der bis dahin die [[Appeasement-Politik]] vertreten hatte, war am 10. Mai 1940 als Premierminister zurückgetreten; und der energische [[Winston Churchill]] trat an seine Stelle. Er stellte am 13. Mai klar, dass der ''„Krieg gegen eine monströse Tyrannei, wie sie nie übertroffen worden ist, im finsteren Katalog der Verbrechen der Menschheit“'' nur mit einem ''„Sieg um jeden Preis“'' beendet werden dürfe. Die Angriffe der britischen [[Royal Air Force|RAF]] auf deutsche Städte begannen mit dem Angriff auf Mönchengladbach am 11. Mai 1940 mit 35 Bombern. [[File:Bundesarchiv Bild 101I-342-0615-18, Im Westen, Flugzeugbombe.jpg|thumb|[[Deutsche Abwurfmunition des Zweiten Weltkrieges|Bombe]] mit der Aufschrift „Extra-Havanna für Churchill“, August 1940]] Am [[16. Juli]] 1940 gab Hitler den Befehl zur Vorbereitung der [[Operation Seelöwe]]. Um diesen Plan durchführen zu können, war sich der deutsche Generalstab sicher, müsse man erst die [[Luftherrschaft]] über England gewinnen. Hitlers Appell an die ''Vernunft'' Englands, es könne weiteres Blutvergießen vermieden werden, ausgesprochen in einer Rede vor dem [[Reichstag (Zeit des Nationalsozialismus)|Reichstag]] am 19. Juli, führte zu keiner Reaktion. Aus heutiger Sicht wird der Plan zur Landung in Großbritannien als unrealistisch angesehen. Weder die Ausrüstung der [[Marine]] noch des Heeres war für dieses Vorhaben geeignet. Es fehlten Transportmöglichkeiten für eine Invasionsarmee. An einen Eroberungskrieg gegen Großbritannien hatte man in der Aufrüstungsphase bis 1939 nicht gedacht. == Deutscher Operationsplan == Oberbefehlshaber der Luftwaffe war [[Generalfeldmarschall]] [[Hermann Göring]]. Er zeichnete sich stets durch seinen vorauseilenden Gehorsam gegenüber Hitler aus, der ihm am 19. Juli den eigens für ihn geschaffenen Rang [[Reichsmarschall|Reichsmarschall des Großdeutschen Reiches]] verlieh. Hitler sah sich nach dem siegreichen Krieg gegen Frankreich, von dem ihm der Stab des Oberkommandos der Wehrmacht eindringlich abgeraten hatte, als hervorragenden Feldherrn. Der einzig verbliebene Gegner im Westen war Großbritannien, und obwohl er noch Anfang 1939 versichert hatte, nie gegen England Krieg zu führen, schien ihm dies jetzt möglich. Göring konnte bei der [[Schlacht um Dünkirchen]] seine Ankündigung, das britische Expeditionskorps zu vernichten, nicht erfüllen. Dies ermöglichte den Alliierten in der [[Operation Dynamo]] die Verbände in großen Teilen zu retten. Gleichwohl sah Göring die Möglichkeit, die Kampfkraft der Luftwaffe, insbesondere die Wirkung strategischer Bombardements auf der britischen Insel, beweisen zu können. Die Deutsche Wehrmacht teilte ihre Luftstreitkräfte in insgesamt fünf Luftflotten auf. Drei davon wurden für den Angriff aufgeboten: ''Luftflotte 2'' unter [[Generalfeldmarschall]] [[Albert Kesselring]] mit dem Ziel, den Südosten und London anzugreifen; ''Luftflotte 3'' unter Generalfeldmarschall [[Hugo Sperrle]] mit dem Ziel den Westen, die Midlands und den Nordwesten anzugreifen; ''Luftflotte 5'' unter Generaloberst [[Hans-Jürgen Stumpff]] war in [[Norwegen]] und [[Dänemark]] stationiert und sollte den Norden Englands und Schottland angreifen. Gegen Ende der Luftschlacht griff auch eine Einheit der [[Italienische Luftwaffe|italienischen Luftwaffe]], das ''Corpo Aereo Italiano'', unter dem Kommando von [[Rino Corso Fougier]] in die Kämpfe ein. Einem Befehl Görings zufolge sollte die britische Luftraumüberwachung und die küstennahen Stützpunkte der [[Royal Air Force|RAF]] in vier Tagen ausgeschaltet werden. In einem weiteren Schritt sollten innerhalb von vier Wochen vor allem Produktionsanlagen für Jäger und andere Flugzeuge angegriffen werden. Doch die britische Verteidigung war stärker als erwartet, und die Befehlshaber der Luftflotten wollten die [[Strategie (Militär)|Strategie]] unterschiedlich umsetzen, wurden aber auf ein einheitliches Vorgehen festgelegt. Während Kesselring vor allem direkt London bombardieren lassen wollte, beabsichtigte Sperrle, zunächst die britischen Fliegerhorste angreifen zu lassen. Sperrles Plan wurde umgesetzt. Die Deutschen hatten kaum geheimdienstliche Informationen über die britische Luftverteidigung und schätzten die Stärke der Royal Air Force konstant als zu gering ein. == Britischer Operationsplan == [[Datei:UK Radar1940.JPG|thumb|180px|Britische Radarüberwachung; Großbritannien gewann die Luftschlacht um England unter anderem deshalb, weil es die gesamte Küste mit Radar überwachen konnte.]] Bis Oktober 1940 war der verantwortliche Oberbefehlshaber des Fighter Command Air Marshall [[Hugh Dowding, 1. Baron Dowding|Hugh Dowding]]. Auf ihn geht das ''[[Dowding-System]]'' – also das britische Luftverteidigungskonzept – zurück. Räumlich wurde die Luftverteidigung des britischen Luftraumes vier Gruppen zugeteilt: * Südwestengland und Wales: ''10 Fighter Group'', unter dem Kommando von Sir [[Christopher Quentin Brand]]; * Südostengland mit dem Großraum London: ''11 Fighter Group'', unter dem Kommando von Air Vice-Marshall [[Keith Park]]; * Mittelengland: ''12 Fighter Group'', unter dem Kommando von Air Vice-Marshall [[Trafford Leigh-Mallory]]; * Norden: ''13 Fighter Group'' unter dem Kommando von Air Vice-Marshall [[Richard Saul]]. Eine weitere Aufteilung erfolgte in Sektoren, die über jeweils zwei bis vier ''Squadrons'' verfügten. Die Befehlszentralen wurden [[Sector Stations]] genannt. Aufbauend auf dem im Ersten Weltkrieg zur Abwehr der strategischen deutschen Luftangriffe entwickelten Luftverteidigungssystem, hatten die Briten ein modernes System zur Identifizierung und Abwehr von Luftangriffen entwickelt, das auf einem von [[Radar]]besatzungen und Luftraumbeobachtern mit Meldungen über eigene und feindliche Flugbewegungen versorgten Informations- und Befehlsnetz beruhte. An der britischen Küste befanden sich zahlreiche Radarstationen ([[Chain Home]]), deren Reichweite sich von der britischen Küste bis zu den Luftwaffenstützpunkten in Frankreich erstreckte. Über dem Binnenland wurden Flugzeuge vom sogenannten Beobachter-Korps optisch verfolgt und telefonisch gemeldet. Die so gewonnenen Informationen wurden zunächst im [[Hauptquartier]] des Fighter Command der RAF, dem ''Bentley Priory'', einem Herrschaftshaus nahe [[Stanmore]], gesammelt und beurteilt. Die Feindbewegungen wurden auf großen Kartentischen dargestellt und die Informationen wurden an die ''Operation Rooms'' der ''Sector Stations'' weitergeleitet. Von dort aus erfolgte die Alarmierung und Leitung der Abfangjäger. Diese wurden dann mittels [[Sprechfunk]]-Anweisungen an den Feind herangeführt. Limitierend dabei war die [[Hochfrequenz]]-Technologie, welche die Kommunikation nur über eine geringe Reichweite ermöglichte und deshalb ab September 1940 durch Kurzwellen ersetzt wurde. Obwohl Deutschland bei der Erforschung und Entwicklung des [[Radar]]s (unter dem Namen ''Funkmessung'') einen technologischen Vorsprung hatte, war die einsatznahe Anwendung der vorhandenen Ausrüstung von der Ortung der feindlichen Flugzeuge bis hin zur Leitung der Abfangjäger höchst effektiv. Die Entzifferung des deutschen [[Enigma (Maschine)|Enigma]]-Codes in [[Bletchley Park]], als Unternehmen bekannt unter dem [[Kodename]]n ''Ultra'', lieferte auch wichtige Informationen über die Angriffe der Deutschen. Um dem Pilotenmangel zu begegnen, wurden Piloten aus dem [[Commonwealth]], Frankreich, den [[Vereinigte Staaten|USA]], [[Polen]] und der [[Tschechoslowakei]] unter dem Befehl der Royal Air Force eingesetzt. == Kräfteverhältnis zu Beginn der Luftschlacht == Bei einer als Abnutzungsschlacht geführten Auseinandersetzung kommt dem Zahlenverhältnis eine gewisse Bedeutung zu, wenn auch nicht die alleinige. Die Anzahl der für die Schlacht zur Verfügung stehenden Flugzeuge (wie in der Tabelle unten dargestellt) unterscheidet sich von den ''tatsächlich einsatzbereiten'' Maschinen um ungefähr 10 bis 25 %. Der Bestand an einsatzklar gemeldeten Maschinen variierte täglich. Die Produktion an einsitzigen Jagdflugzeugen betrug dank [[Max Aitken, 1. Baron Beaverbrook|Lord Beaverbrook]] (Minister für Flugzeugproduktion) in den Monaten Juli bis September bei der RAF durchschnittlich 440 Stück. Beaverbrook hatte die Produktion von Jagdflugzeugen auf Kosten jeder anderen Flugzeugart gesteigert und wurde von der Führung der RAF teils heftig dafür kritisiert, unter anderem weil die Herstellung von Schulflugzeugen für die Pilotenausbildung, die für die RAF von kritischer Bedeutung war, durch Beaverbrooks Maßnahmen beeinträchtigt wurde. Bei der Luftwaffe war der monatliche Ausstoß mit näherungsweise 230 Jagdflugzeugen durchschnittlich nur halb so groß,<ref name="">[[Rolf-Dieter Müller]]: ''[[Handbuch der deutschen Geschichte|Gebhardt, Handbuch der deutschen Geschichte]]''. 10. Auflage, Band 21: ''Der Zweite Weltkrieg, 1939–1945''. Herausgegeben von [[Wolfgang Benz]], Klett-Cotta, Stuttgart 2004. ISBN 3-608-60021-3. S.&nbsp;88. (Müller schreibt genau genommen von einer doppelt so großen britischen Produktionsfähigkeit mit 470 Jägern pro Monat.)</ref> verantwortlich dafür war Generalluftzeugmeister [[Ernst Udet]]. Während in Deutschland monatlich etwa 800 ausgebildete Piloten die Fliegerschulen verließen, kam die RAF nur auf knapp über 200. [[Datei:Battle of britain air observer.jpg|thumb|right|Britischer Luftraumbeobachter auf einem Hausdach in London]] Die Tabelle spart die 84 Messerschmitt Bf 109 E der Luftflotte V (Norwegen) aus, da sie aufgrund ihrer Reichweite keine Möglichkeit hatten, die britische Küste zu erreichen. Es standen außerdem eine beträchtliche Anzahl von Aufklärern und Verbindungsflugzeugen auf beiden Seiten zur Verfügung. Die Luftwaffe verfügte darüber hinaus über eine nennenswerte Zahl von Seenotrettungsflugzeugen, die in der Luftschlacht um England später eine wichtige Rolle spielten. Insgesamt nannte die RAF um diese Zeit in etwa 3000 Flugzeuge ihr eigen, die Luftwaffe dagegen um 4500, auf fünf Luftflotten verteilt. {| class="prettytable" | || Luftwaffe: Luftflotten II, III und V (20. Juli 1940)|| Royal Air Force (Juni 1940) |- | Bomber || 1576, davon 316 einmotorige [[Junkers Ju 87|Ju 87]] || ca. 500 |- | einmotorige Jäger ||809 [[Messerschmitt Bf 109|Bf 109 E]] || ca. 700, davon ca. 250 [[Supermarine Spitfire|Spitfires]] |- | zweimotorige Jäger ||300 [[Messerschmitt Bf 110|Bf 110]] || ca. 96 [[Bristol Blenheim|Bristol Blenheim IF]] |} == Verlauf der Luftschlacht == === Kanalkampf: 10. Juli–11. August 1940 === Obwohl bereits auch bei Tage Ziele an der englischen Küste angegriffen wurden, konzentrierten sich in dieser Phase die Angriffe der Luftwaffe auf [[Geleitschutz (Militär)|Konvoi]]s im [[Ärmelkanal]], in der [[Themse]]mündung sowie auf Marineeinrichtungen entlang der Küste. Bei Nacht wurden Ziele im Landesinneren bombardiert. Sowohl die Luftwaffe als auch die RAF nahmen diese Gelegenheit wahr, ihre Taktik und Kampfkraft zu vergleichen. Die Verluste bei den Konvois waren so hoch, dass Konvois im Ärmelkanal strengstens untersagt wurden. === Angriffe auf küstennahe Ziele: 12. August–23. August 1940 === Am 12. August kam es schließlich zu einem Großangriff durch die ''Erprobungsgruppe 210'' auf vier [[Radar]]stationen bei [[Isle of Portland|Portland]] und [[Dover]], bei dem über 200 Bomber beteiligt waren. Auch einige küstennahe Stützpunkte der britischen Abfangjäger wurden von Bombern und Jagdflugzeugen angegriffen. Die Radarstationen waren jedoch sechs Stunden nach dem Angriff wieder einsatzbereit. [[Bild:Bundesarchiv Bild 141-0678, Flugzeuge Heinkel He 111.jpg|thumb|right|200px|Formation He 111 über dem Ärmelkanal, 1940]] Mit dem 13. August, dem „Adlertag“, begann eine Serie von Großangriffen auf die Einrichtungen der RAF, im Speziellen die Stützpunkte der ''11 Fighter Group'' unter der Führung von Luftmarschall [[Keith Park]]. Auch küstennahe Radarstationen und Einrichtungen der Marine waren immer wieder das Ziel der Angriffe. Am 15. August griff die Luftflotte 5 im Norden Englands an, da man vermutete, dass die Luftverteidigung auf den Süden konzentriert sei. Dies erwies sich jedoch als ein fataler Fehler, und zahlreiche Bomber wurden abgeschossen. Daher wird der Tag auf britischer Seite auch als ''The Greatest Day'' (deutsch: ''Der großartigste Tag'') bezeichnet. Ein Grund für die hohen Verluste war auch der Mangel an Begleitjägern mit hoher Reichweite. Die zweimotorige [[Messerschmitt Bf 110]] (Me 110) besaß zwar die entsprechende Reichweite, war jedoch den einmotorigen Jägern unterlegen und hatte selbst hohe Verluste zu verzeichnen. Die Luftflotte 5 konnte sich während der gesamten Luftschlacht nicht mehr von den hohen Verlusten erholen. Der 18. August wird als ''The Hardest Day'' (deutsch: ''Der härteste Tag'') bezeichnet, da beide Seiten die höchsten Verluste der gesamten Schlacht hatten. Am Vortag stellte Oberst Schmidt, der für Geheimdienstaufgaben zuständiger Offizier des Luftwaffenoberkommandos, folgende Einsatzstärke der britischen Luftverteidigung fest: 430 Hurricanes, Spitfires und Defiants. Davon seien 70 % einsatzbereit, also etwa 300. Tatsächlich verteilten sich die Kräfte am 18. August wie folgt: [[File:Spitfires camera gun film shows tracer ammunition.jpg |thumb|Bordkamera einer Spitfire zeigt Leuchtspurmunition, die eine He 111 trifft, über England am 25. Sep. 1940]] {| class="prettytable" |''' Einsatzbereite Kräfte am Morgen des 18. August: '''|| Luftwaffe, Luftflotten I, II u. V. || RAF ''(Fighter Command)'' |- | Bomber || 1134, davon 276 einmotorige [[Junkers Ju 87|Ju 87]] &nbsp;|| |- | einmotorige Jäger ||780 [[Messerschmitt Bf 109|Bf 109 E]] ||826, davon 262 [[Supermarine Spitfire|Spitfires]] |- | zweimotorige Jäger ||214 [[Messerschmitt Bf 110|Bf 110]] || 51 [[Bristol Blenheim|Bristol Blenheim IF]] |- | '''Verluste bis Abend des 18. August:'''|| || |- | Flugzeuge zerstört oder schwer beschädigt|| 100 || 136, davon 60 am Boden zerstört |- | Piloten gefallen oder in Gefangenschaft||62, davon 17 in Gefangenschaft ||30 |} Unter den 60 am Boden zerstörten Maschinen der RAF befanden sich Schulungs- und Verbindungsflugzeuge, Aufklärer und Seerettungsflugzeuge, aber keine einzige Hurricane oder Spitfire. Diese wurden alle rechtzeitig zum Kampf in die Luft gebracht. Die Verteilung der Verluste dieses einzigen Tages ist symptomatisch für die gesamte Schlacht: Der Schwund unter den Piloten der Luftwaffe durch Verwundung, Gefangenschaft und Tod war stets deutlich höher als bei der RAF. Die britischen Piloten kämpften in der Regel über dem Heimatland und waren so nach einer Notlandung wieder einsatzbereit, während deutsche Piloten unter ähnlichen Umständen in Gefangenschaft gingen. Nach diesem Tag zog [[Hermann Göring|Göring]] das [[Sturzkampfflugzeug]] [[Junkers Ju 87|Ju 87 Stuka]] weitestgehend von der Luftschlacht ab. Dieses Flugzeug stand als Symbol für den Blitzkrieg, erwies sich jedoch in der Luftschlacht um England als zu stark gefährdet und die Verluste waren extrem hoch. Dadurch verlor die Luftwaffe aber ihr Potenzial an Präzisionsangriffen. Göring veranlasste ebenfalls, dass die Bf 110 nur dann eingesetzt werden sollte, wenn es absolut notwendig sei. Göring stoppte auch die Angriffe auf Radarstationen, da er die Angriffe als wirkungslos ansah. Dies erwies sich als strategischer Fehler, da in der Folge die britischen Verteidiger immer wussten, wann und wo sie auf die Deutschen treffen würden, eine Erleichterung für die Struktur der britischen Luftverteidigung. === Angriffe auf Flugplätze und Flugzeugwerke in Südengland: 24. August–6. September 1940 === Je mehr die Ziele ins Landesinnere rückten, desto schwieriger wurde die Situation für die Angreifer. Ein großes Handicap der deutschen [[Messerschmitt Bf 109]] war ihre für den Einsatz als Begleitschutzjäger unzureichende Eindringtiefe. Ab Erreichen der englischen Küste hatten die Piloten der Bf 109 noch einen Treibstoffvorrat für etwa 30 Minuten Kampfzeit. Mussten sie Bomber 15 Minuten (etwa 100 Kilometer) weit ins Landesinnere begleiten, blieb praktisch kein Treibstoff für einen Kampf gegen die britischen Jagdflugzeuge. [[Bild:Bundesarchiv Bild 146-1969-094-18, Dornier Do 17 und Supermarine Spitfire.jpg|thumb|Do 17 und Spitfire im Luftkampf über England, 1940]] Die eigentlich als Langstrecken-Begleitschutz vorgesehene zweimotorige Messerschmitt Bf 110 verfügte zwar über die nötige Eindringtiefe, erwies sich aber für diese Aufgabe als völlig ungeeignet und erlitt schwere Verluste. Dennoch kamen die Stützpunkte der ''11 Fighter Group'', zuständig für die Verteidigung Südenglands und [[London]], in schwere Bedrängnis. Jedoch waren die von der Luftwaffe angenommenen Verluste auf britischer Seite fehlerhaft und von der Propaganda verändert. Viele der als Totalverlust gezählten Flugzeuge der RAF waren tatsächlich nur beschädigt und die wichtigen Piloten konnten, sofern diese unverletzt blieben, noch am selben Tag mit neuen Flugzeugen wieder eingesetzt werden. Die deutsche Aufklärung versagte und die Auffassung seitens der deutschen Führung entstand, dass die RAF de facto nicht mehr einsatzfähig sei. Göring ließ verlauten, dass die RAF höchstens noch über 50 Spitfires verfügt, tatsächlich war der Bestand an täglich einsatzbereiten Jagdmaschinen zu keiner Zeit geringer als 650, [[Hawker Hurricane|Hurricanes]] und [[Supermarine Spitfire|Spitfires]] zusammengenommen. === Tagangriffe auf London: ab 7. September 1940 === Als Reaktion auf einen Nachtangriff der RAF am 25. August auf [[Berlin]] befahl Hitler am 4. September, von nun an London anzugreifen. Als die Bombardierung der südenglischen Jägerstützpunkte eingestellt wurde, konnte sich die britische Luftverteidigung erholen und in weiterer Folge voll gegen die unzureichend ausgerüsteten Verbände deutscher Bomber und Jagdbomber entfalten. Zur Verteidigung Londons wurde außerdem nun auch die ''12 Fighter Group'' unter Führung von Air Vice Marshall Leigh-Mallory hinzugezogen. Damit wurden erstmals zahlenmäßig starke Verbände britischer Jäger zum Einsatz gebracht. Während der Angriffe diente die [[London Underground#Zweiter Weltkrieg|Londoner U-Bahn]] als [[Bunker (Bauwerk)|Luftschutzbunker]]. In einem Stollen wurde eine Munitionsfabrik betrieben und eine Bahnstation wurde zum Teil für Kabinettssitzungen benutzt. Am Morgen des 17. Septembers verschob Hitler die Operation Seelöwe auf ''„unbestimmte Zeit“'', am 12. Oktober verlautbarte Generalfeldmarschall Keitel: {{Zitat|Der Führer hat beschlossen, daß ab heute bis zum Frühjahr die Vorbereitungen für Seelöwe (Landung in England) lediglich zu dem Zweck fortgeführt werden sollen, um Großbritannien politisch und militärisch weiterhin unter Druck zu setzen. Sollte die Landeoperation im Frühjahr oder im Frühsommer 1941 wieder in Erwägung gezogen werden, ergehen weitere Befehle […]<ref>Walter Anger: ''Das Dritte Reich in Dokumenten. Sammlung Res publica''. Band 7. Europ. Verlagsanstalt, Frankfurt am Main 1957. S. 138.</ref>}} Ab dem 29. Oktober 1940 wurden die Großangriffe auf London bei Tage eingestellt. Vereinzelte Angriffe mit Bombern und Jagdbombern wurden jedoch weiterhin geflogen. Die Nachtangriffe wurden bis Mai 1941 weitergeführt. Um auch effektive Nachtangriffe fliegen zu können, wurde das ''[[Knickebein (Funkfeuer)|Knickebein]]''-Funknavigationssystem entwickelt, bei dem einmal aus Norddeutschland und einmal aus Nordfrankreich Radiostrahlen gesendet wurden, die sich über dem Abwurfgebiet kreuzten. Die Briten nahmen die Geheimdienstberichte über dieses System zunächst nicht ernst. Als [[Secret Intelligence Service|MI6]]-Agent [[Reginald Victor Jones]] die Existenz der Strahlen nachweisen konnte, wurden jedoch erfolgreiche Gegenmaßnahmen eingeleitet. Dazu wurden [[Störsignal]]e und Strahlen gesendet, die das System unbrauchbar machten. [[Bild:Bundesarchiv Bild 101I-344-0741-30, Frankreich, notgelandete Me 109.jpg |thumb|Notgelandete Bf 109 am Ärmelkanal in Frankreich, 1940]] Die [[Luftangriffe auf Coventry|Angriffe auf die Stadt Coventry]] am 14. November 1940 und am 8. April 1941 waren die schwersten Bombenangriffe des Krieges bis dahin. Diese Angriffe prägte in der deutschen Propaganda den Begriff ''[[Coventrieren]]'', der das Vernichten einer Stadt bedeutet, um die Moral des Feindes zu brechen. Diese Formulierung war indes eine propagandistische Übertreibung, da sich die Angriffe in erster Linie gegen militärische Produktionsstätten richteten. Die Opfer unter der Zivilbevölkerung betrugen 1236 Tote. Außerdem wurden viele tausend Wohnungen und zirka 75 % der Fabriken zerstört, was jedoch nicht zu nennenswerten Produktionsrückgängen führte. Die [[Flächenbombardement]]s der Royal Air Force ab 1942, etwa gegen das Altstadtzentrum von Lübeck, galten anfangs als Rache für Coventry. == Ausländische Unterstützung == <!-- {| class="prettytable float-right" |+ Anzahl ausländischer Piloten in der RAF !Nation || Piloten |- | [[Polen]] || 145–147 |- | [[Neuseeland]] || 101–127 |- | [[Kanada]] || 94–112 |- | [[Tschechoslowakei]] || 87–89 |- | [[Belgien]] || 28–29 |- | [[Australien]] || 21–32 |- | [[Südafrika]] || 22–25 |- | [[Frankreich]] || 13–14 |- | [[Irland]] || 10 |- | [[Vereinigte Staaten|USA]] || 6 |- | [[Südrhodesien]] || 2–3 |- | [[Jamaika]] || 1 |- | [[Völkerbundsmandat für Palästina|Palästina]] || 1 |- | [[Barbados]] || 1 |} --> === Großbritannien === In der Royal Air Force flogen auch freiwillige Piloten fremder Nationen. Neben den freiwilligen Piloten stellten auch die Regierungen, die vor den deutschen Truppen nach Großbritannien geflohen waren, eigene Flugeinheiten auf, die unter dem Kommando der RAF an den Kämpfen teilnahmen. Besonders die tschechoslowakischen und [[Dywizjon 303|polnischen Piloten]] erwiesen sich als effektiv. So hatten die polnischen Piloten (5 %) etwa 12 % der Abschüsse zu verzeichnen. Polnischen Angaben zufolge soll der Anteil der Polen in der RAF ein Fünftel, der auf sie zurückgehenden Abschüsse sogar ein Drittel betragen haben. === Deutsches Reich === Die deutsche Luftwaffe wurde gegen Ende der Luftschlacht von einem italienischen Geschwader, dem ''Corpo Aereo Italiano'', unterstützt. Angeblich einer Bitte [[Benito Mussolini]]s folgend, wurden 80 [[Fiat BR.20]] Bomber, unterstützt durch eine unbestimmte Zahl von [[Fiat G.50]] und [[Fiat CR.42]] Jagdflugzeugen, in [[Belgien]] stationiert. Bei geringem eigenen Erfolg wurden dem Verband am [[11. November]] durch Hurricanes der RAF schwere Verluste zugefügt. == Ergebnis == ''Opfer unter der englischen Zivilbevölkerung bis April 1941:'' 27.450 Tote, 32.138 Verletzte. ''Verluste der RAF'' zwischen 10. Juli und 31. Oktober 1940: 544 Piloten gefallen, 1547 Flugzeuge zerstört, davon 915 im Luftkampf abgeschossen.<ref>Battle of Britain Historical Society: ''Battle of Britain''.</ref> ''Verluste der deutschen Luftwaffe'' im Luftkrieg gegen Großbritannien bis Mai 1941: 2000 Luftwaffenangehörige gefallen, 2600 Luftwaffenangehörige vermisst oder in Gefangenschaft, 2200 Flugzeuge zerstört, davon 1733 im Zeitraum vom 10. Juli bis 31. Oktober im Luftkampf abgeschossen.<ref>ZDF: ''Battle of Britain Historical Society''.</ref> Die Luftschlacht um England führte zu einer deutlichen Niederlage der deutschen Luftwaffe. Die Ursachen lagen unter anderem in verfehlten deutschen Vorstellungen über die Möglichkeiten eines strategischen [[Luftkrieg]]es, schlechter Einsatztaktik des deutschen Oberkommandos, Fehlen strategischer Bomber und Langstreckenbegleitjäger, mangelhafter Geheimdienstarbeit sowie im leistungsfähigen, radargestützten britischen Jägerleitsystem. Außerdem erlitt die deutsche Luftwaffe in der als Abnutzungskrieg geführten Luftschlacht größere Verluste, während die Briten ihre Verluste durch eine gesteigerte Produktion von Jagdflugzeugen, eine beschleunigte Pilotenausbildung und das Anwerben von Piloten aus fremden Nationen wettmachen konnten. Winston Churchill bemerkte über die Bedeutung der Schlacht: ''„Nie zuvor in der Geschichte des kriegerischen Konflikts verdankten so viele so wenigen so viel“''. Damit war der legendäre Ausdruck ''The Few'' (Deutsch: ''die Wenigen'') als Synonym für die Piloten der Royal Air Force geprägt. Er spielte damit auch auf die zu Beginn der Operation wahrgenommene Unterlegenheit in Hinsicht auf die Anzahl der einsatzbereiten Kampfflugzeuge an. Die britische Öffentlichkeit hatte über den Zeitraum von Herbst 1940 bis Frühjahr 1941 keine klare Wahrnehmung über das Ende der Schlacht und über ihren eigenen Sieg. Die Bedrohung aus der Luft war aufrechterhalten durch die Nachtangriffe, und die Bedrohung durch deutsche [[U-Boot]]e, die verstärkt gegen Versorgungskonvois vorgingen, war alarmierend. Erst nach Ende des Zweiten Weltkrieges wurde der Sieg in der (Luft)Schlacht um England bei einer großen Zeremonie in London gefeiert. Im Herbst 1940 kam es als Folge der [[Big-Wing-Kontroverse]] zur Ablösung Dowdings durch Charles Portal. Auch Keith Park wurde durch Trafford Leigh-Mallory abgelöst, der dann während der Invasion 1944 die gesamten alliierten Luftstreitkräfte leiten sollte. Hitler versuchte noch im Oktober 1940, mit [[Francisco Franco|Franco]] ([[Spanien]]) und [[Henri Philippe Pétain|Pétain]] ([[Vichy-Regime|Vichy-Frankreich]]) neue Verbündete im Kampf gegen Großbritannien zu gewinnen, scheiterte aber auch in diesem Ansinnen. Sogar mit der [[Sowjetunion]] wurden Verhandlungen über eine Anti-England-Koalition begonnen, die aber ebenfalls scheiterten. Die deutschen Jägerpiloten wurden in der Folge von ihrem Oberkommandeur [[Hermann Göring]] der Feigheit bezichtigt. Göring erneuerte diesen Vorwurf im weiteren Verlauf des Krieges verschiedene Male, um Niederlagen der Luftwaffe zu erklären und von seinem eigenen Versagen als Befehlshaber abzulenken. == Propaganda == Die [[Zensur (Informationskontrolle)|Zensur]] der privaten [[Post]] im Juni 1940 führte zu der Erkenntnis, dass unter der britischen Bevölkerung der Krieg nicht sehr „[[Popularität|populär]]“ sei. Sozial schwächere Schichten hielten den Krieg für eine Unterstützung der Interessen der Privilegierten. Die plötzliche Erkenntnis, dass Großbritannien ab dem Waffenstillstand Frankreichs alleine gegen Hitler (dieser war ein weit stärkeres [[Feindbild]] als das deutsche Volk an sich, sogar „die Franzosen“ waren wegen ihrer vermeintlichen Feigheit verhasster als „die Deutschen“) kämpfte, und die energischen Reden Churchills vor dem [[House of Commons (Großbritannien)|britischen Unterhaus]] (''„[…] verspreche ich euch [[Blut-Schweiß-und-Tränen-Rede|Blut, Schweiß und Tränen]] […]“'') änderten die Stimmung. Als die Bomben massive Opfer der Zivilbevölkerung forderten, erübrigte sich jede [[Propaganda]] zur Erzeugung eines Feindbildes. Nun war Durchhalten gefragt, weswegen die Abschusszahlen deutscher Flugzeuge bewusst überhöht angegeben wurden, und zwar bis zu einem Vierfachen der tatsächlichen deutschen Verluste. Filmmaterial wurde ganz im Gegensatz zu Deutschland nicht in großem Maßstab verbreitet. Plakate warnten vor gefährlicher Geschwätzigkeit und ermutigten zur Mitwirkung an Kriegsaktivitäten. Zum Schutz gegen die verheerenden nächtlichen Bombenangriffe wurde die baldige Einsatzreife von Geheimwaffen verkündet. Damit waren Luftminenfelder, mit Präzisionsradar ausgerüstete [[Nachtjäger]] und zielsuchende [[Boden-Luft-Rakete]]n gemeint. Keines dieser [[Projekt]]e erreichte während des Krieges Einsatzreife. Auf deutscher Seite konzentrierte man sich darauf, die Bevölkerung weiter auf die Person Adolf Hitlers einzuschwören. Die schnellen militärischen Erfolge im Westen, in Bild und Ton verbreitet durch „[[Die Deutsche Wochenschau]]“, dienten dazu hervorragend. Die regelmäßige und spektakuläre Darbietung von Filmmaterial von der Front zeigte Wirkung bei allen Altersgruppen. Der deutschen Bevölkerung war das Kriegsgeschehen am [[Ärmelkanal]] jedoch zu weit entfernt, um dafür eine besondere Leidenschaft zu entwickeln. Die zunehmenden Nachtangriffe durch britische Bomber wurden allerdings verwertet, um die Briten und vor allem Winston Churchill als Feindbild aufzubauen. Die Luftwaffe halbierte ihrerseits ihre Verluste gegenüber der Kriegsberichterstattung. Bis zum Angriff auf die Sowjetunion 1941 wurde die Invasiondrohung gegenüber Großbritannien aufrechterhalten, um von den Vorbereitungen bezüglich [[Unternehmen Barbarossa]] abzulenken. == Flugzeugtypen == Die wichtigsten eingesetzten Flugzeugtypen werden im Folgenden aufgelistet. === Luftwaffe === * Bomber: [[Junkers Ju 87]], [[Dornier Do 17]], [[Heinkel He 111]], [[Junkers Ju 88]] * Jäger: [[Messerschmitt Bf 109]], [[Messerschmitt Bf 110]] === Royal Air Force === * Jäger: [[Hawker Hurricane]], [[Supermarine Spitfire]], [[Boulton-Paul Defiant]], [[Bristol Blenheim]], [[Bristol Type 156 Beaufighter|Bristol Beaufighter]] == Siehe auch == * [[Luftkrieg]] * [[Liste von Schlachten]] * [[Schlacht]] == Literatur == * Stephen Bungay: ''The Most Dangerous Enemy: a History of the Battle of Britain''. Aurum Press, London 2001. ISBN 1-85410-801-8. * John Colville: ''Downing Street Tagebücher 1939–1945''. Goldmann, München 1991. ISBN 3-442-12811-0. * Len Deighton: ''Luftschlacht über England''. 2. Aufl. Heyne, München 1985. ISBN 3-453-01447-2. * Alfred Price: ''The Hardest Day, The Battle of Britain, 18 August 1940''. Cassell, London 1998. ISBN 0-304-35081-8. * Percy E. Schramm (Herausgeber): ''Kriegstagebuch des OKW (Oberkommando der Wehrmacht). Eine Dokumentation''. Weltbild, Augsburg 2005. ISBN 3-8289-0525-0. * Edward H. Sims: ''Jagdflieger – Die Großen Gegner von Einst''. 11. Aufl., Motorbuch, Stuttgart 1985. ISBN 3-87943-115-9. * Theo Weber: ''Die Luftschlacht um England''. Flugwelt-Verlag, Wiesbaden 1956. * Richard Collier: ''Adlertag – Die Luftschlacht um England''. Heyne, München 1978. ISBN 3-453-00189-3. == Filme == * [[Luftschlacht um England (Film)|Luftschlacht um England]], Großbritannien 1969 * [[Dark Blue World]], [http://www.darkblueworld.com Film] von Jan Sverak, Tschechien 2001 == Weblinks == {{Commons|Battle of Britain|Luftschlacht um England}} * [http://www.zdf.de/ZDFde/inhalt/25/0,1872,1017529,00.html ZDF-Zeitgeschichte zum Thema] * [http://www.battleofbritain1940.net Die Schlacht um England] (englisch) bei ''Battle of Britain Historical Society'' * [http://www.raf.mod.uk/bob1940/bobhome.html Tagesberichte (1940)] (englisch) der Royal Air Force (RAF) * [http://news.bbc.co.uk/1/hi/uk/4257084.stm Battle of Britain-Denkmal Eröffnung vom 18. September 2005] (englisch) bei BBC * [http://www.recollectionsofwwii.co.uk Recollections of WWII] (englisch), a directory of oral history collections in the UK == Einzelnachweise == <references/> {{Exzellent}} [[Kategorie:Schlacht des Zweiten Weltkriegs|England]] [[Kategorie:Luftkriegsoperation im Zweiten Weltkrieg|England]] [[Kategorie:Royal Air Force]] [[Kategorie:Luftwaffe (Wehrmacht)]] [[Kategorie:1940]] {{Link FA|sv}} [[ar:معركة بريطانيا]] [[bg:Битка за Британия]] [[bn:ব্রিটেনের যুদ্ধ]] [[bs:Bitka za Britaniju]] [[ca:Batalla d'Anglaterra]] [[ceb:Sangka sa Britanya]] [[cs:Bitva o Británii]] [[da:Slaget om England]] [[el:Μάχη της Αγγλίας]] [[en:Battle of Britain]] [[es:Batalla de Inglaterra]] [[fa:نبرد بریتانیا]] [[fi:Taistelu Britanniasta]] [[fr:Bataille d'Angleterre]] [[gl:Batalla de Inglaterra]] [[he:הקרב על בריטניה]] [[hr:Bitka za Britaniju]] [[hu:Angliai csata]] [[id:Pertempuran Britania]] [[it:Battaglia d'Inghilterra]] [[ja:バトル・オブ・ブリテン]] [[ko:영국 본토 항공전]] [[lt:Britanijos mūšis]] [[mr:बॅटल ऑफ ब्रिटन]] [[ms:Pertempuran Britain]] [[nl:Slag om Engeland]] [[no:Slaget om Storbritannia]] [[pl:Bitwa o Anglię]] [[pt:Batalha da Grã-Bretanha]] [[ro:Bătălia Angliei]] [[ru:Битва за Британию]] [[sh:Bitka za Britaniju]] [[sk:Bitka o Britániu (druhá svetová vojna)]] [[sl:Bitka za Britanijo]] [[sr:Битка за Британију]] [[sv:Slaget om Storbritannien]] [[th:ยุทธการแห่งบริเตน]] [[tr:Britanya Savaşı]] [[uk:Битва за Британію]] [[vi:Không chiến tại Anh Quốc]] [[zh:不列颠空战]] 57dbg813sku2uwwiug3ve9nnl727fwr wikitext text/x-wiki Luise von Mecklenburg-Strelitz 0 23873 26469 2010-05-09T15:30:40Z Jwnabd 0 wikify [[Datei:Luise Joseph Grassi 1802 min cropped.jpg|miniatur|hochkant=1.2|Königin Luise 1802]] [[Datei:Luise Unterschrift.jpg|miniatur|hochkant=1.2|Schriftzug der Königin]] '''Luise, Prinzessin zu Mecklenburg''' [-Strelitz], vollständiger Name ''Luise Auguste Wilhelmine Amalie, Herzogin zu Mecklenburg'' (* [[10. März]] [[1776]] in [[Hannover]]; † [[19. Juli]] [[1810]] auf [[Schloss Hohenzieritz]]) war als Gemahlin König [[Friedrich Wilhelm III. (Preußen)|Friedrich Wilhelms III.]] Königin von [[Preußen]]. Zeitgenossen beschrieben sie als schön und anmutig, ihre ungezwungenen Umgangsformen erschienen ihnen eher bürgerlich als [[Aristokratie|aristokratisch]]. Ihr Leben war eng verknüpft mit den dramatischen Ereignissen im Kampf Preußens gegen [[Napoléon Bonaparte]]. Da sie früh starb, blieb sie in der Vorstellung auch der nachfolgenden Generationen jung und schön. Schon zu Lebzeiten wurde sie zum Gegenstand beinahe kultischer Verehrung. Nach ihrem Tod setzte sich diese Tendenz verstärkt fort. Sie wurde zum Symbol für den Wiederaufstieg Preußens und für die Entwicklung hin zum [[Deutsches Kaiserreich|Deutschen Kaiserreich]]. So reichte ihre historische Bedeutung weit über den Einfluss hinaus, den sie als Königin von Preußen tatsächlich hatte. == Das Leben == === Elternhaus, Kindheit und Jugend === [[Datei:Luise Eltern.jpg|miniatur|Die Eltern]] [[Datei:Luise Prinzessin George.jpg|miniatur|Die Großmutter, [[Maria Luise Albertine zu Leiningen-Dagsburg-Falkenburg|"Prinzessin George"]]]] Luises Familienhintergrund war das Ergebnis von Zweckverbindungen des [[Hoher Adel|Hochadels]] über die Grenzen der deutschen Kleinstaaten hinweg. Ihr Vater [[Karl II. (Mecklenburg)|Herzog Karl zu Mecklenburg]] [-Strelitz] war ein nachgeborener Prinz aus dem Hause der [[Herzogtum|Herzöge]] von [[Mecklenburg-Strelitz]]. Nach Studium in [[Genf]] und einigen Reisen hatte er die repräsentative und gut bezahlte Aufgabe übernommen, das [[Kurfürstentum Braunschweig-Lüneburg|Kurfürstentum Hannover]] als Gouverneur für seinen Schwager, den britischen König [[Georg III. (Vereinigtes Königreich)|Georg III.]], zu verwalten; der war zwar in [[Königreich Großbritannien|Großbritannien]] geboren, stammte aber aus dem [[Haus Hannover]] und ließ sein deutsches Stammland von [[London]] aus regieren. 1768 heiratete Karl Ludwig in Hannover die 16-jährige Prinzessin [[Friederike Caroline Luise von Hessen-Darmstadt|Friederike von Hessen-Darmstadt]]. Fünf ihrer zehn Kinder starben früh, sie selbst überlebte die letzte Niederkunft nur um zwei Tage. Als sie im Alter von 29 Jahren starb, war ihre Tochter Luise, Prinzessin von Mecklenburg-Strelitz, erst sechs Jahre alt. Der Witwer heiratete die jüngere Schwester der Verstorbenen – Luise erhielt also ihre Tante zur Stiefmutter –, die aber nach nur 15 Monaten ebenfalls im Kindbett starb, nachdem sie ihren Sohn Karl zur Welt gebracht hatte. Wenig später wurden die sechs Kinder getrennt. Die beiden Söhne, Georg und Karl, blieben bei ihrem Vater in Hannover. Charlotte, die älteste der vier Töchter, war seit 1785 mit dem Regenten des kleinen Herzogtums [[Sachsen-Hildburghausen]] verheiratet. Die Schwestern Therese, Luise und Friederike wurden 1786 ihrer Großmutter in [[Darmstadt]] zur weiteren Erziehung anvertraut. Diese Großmutter, einst mit dem Bruder des regierenden [[Landgrafschaft Hessen-Darmstadt|Landgrafen von Hessen-Darmstadt]] verheiratet und nach dem Vornamen ihres verstorbenen Gatten volkstümlich [[Maria Luise Albertine zu Leiningen-Dagsburg-Falkenburg|"Prinzessin George"]] genannt, war eine resolute, kluge alte Dame, die ihren drei Enkelinnen im Alten Palais der kleinen [[Residenzschloss Darmstadt|Residenzstadt]] Darmstadt manche Freiheiten ließ. Luise, als Kind mit Beinamen wie „Jungfer Husch“ und „unsre tolle Luise“ bedacht, war noch als Jugendliche kindlich unbefangen und verspielt. Der Stadtpfarrer von Darmstadt gab den drei Schwestern [[Konfirmation|Konfirmandenunterricht]]. Für die unumgängliche Ausbildung in der [[Französische Sprache|französischen]] Sprache und in höfischer Etikette sorgte Mademoiselle [[Salomé de Gélieu]], die zuvor im damals preußischen [[Neuchâtel (Stadt)|Neuchâtel]] ein Mädchenpensionat geleitet und in England als Erzieherin in aristokratischen Familien gearbeitet hatte. Zusätzlich erhielten die Prinzessinnen Unterricht in Englisch, Geschichte und Deutsch sowie im Zeichnen und Malen und im Klavierspiel. Luise war keine eifrige Schülerin. Ihre französisch geschriebenen Briefe blieben lebenslang fehlerhaft und erst viel später, in Berlin, ging sie daran, einige der größten Bildungslücken zu schließen. Dort ließ sie sich über Geschichte und [[Philosophie]] informieren und bat Freundinnen wie Marie von Kleist und Caroline von Berg, sie bei der Auswahl ihrer Lektüre zu unterstützen. Frau von Berg (1760–1826), ihre Hofdame, Mentorin und Vertraute, führte einen literarischen Salon in ihrer Villa am [[Großer Tiergarten|Berliner Tiergarten]] und korrespondierte mit Berühmtheiten wie [[Johann Wolfgang von Goethe|Goethe]], [[Johann Gottfried Herder|Herder]], [[Jean Paul]] und dem [[Heinrich Friedrich Karl vom und zum Stein|Reichsfreiherrn vom Stein]]. Von ihr erhielt Luise Hinweise zur zeitgenössischen Literatur, von ihr erbat sie Texte ''„von denen Sie annehmen, daß sie mir gefallen und mir am meisten nützen“.'' In einem Brief an Marie von Kleist, die Cousine des Dichters [[Heinrich von Kleist]], werden ihre literarischen Neigungen deutlich: ''„Möge Gott mich davor bewahren, meinen Geist zu pflegen und mein Herz zu vernachlässigen“;'' sie würde eher ''„alle Bücher in die [[Havel]] werfen“,'' als den Verstand über das Gefühl zu stellen.<ref>Zitate nach Günter de Bruyn: ''Preußens Luise. Vom Entstehen und Vergehen einer Legende.'' Siedler Verlag, Berlin 2001, ISBN 3-88680-718-5, Seite 43.</ref> [[Datei:Prinzessin Luise und Friederike als Kinder im Schatten alter Bäume auf Schloß Broich.jpg|miniatur|Prinzessin Luise und ihre Schwester Friederike als Kinder auf [[Schloss Broich]]]] Das Leben der Prinzessinnen in Darmstadt wurde unterbrochen durch häufige Besuche bei den zahlreichen Verwandten aus hessischen und mecklenburgischen Adelshäusern, durch Reisen nach [[Straßburg]] und in die [[Niederlande]]. Oft hielt man sich in [[Frankfurt am Main]] auf, wo die ältere Schwester Therese seit 1787 mit dem damals noch nicht ganz standesgemäßen, aber sehr reichen späteren Fürsten von [[Thurn und Taxis]] verheiratet war. Mehrmals machten die 14-jährige Luise und ihre jüngere Schwester [[Friederike von Mecklenburg-Strelitz|Friederike]] Besuche im Hause der Frau Rat [[Catharina Elisabeth Goethe]], der Mutter des berühmten Dichters; Jahre später schrieb diese ihrem Sohn darüber nach [[Weimar]]: ''„Das Zusammentreffen mit der Prinzessin von Mecklenburg hat mich außerordentlich gefreut … von einer steifen Hofetikette waren sie da in voller Freyheit – tantzend – sangen und sprangen den gantzen Tag ...“'' <ref>Zitat nach ''Die Mark Brandenburg. Zeitschrift für die Mark und das Land Brandenburg.'' Heft 65. Marika Großer Verlag, Berlin 2007, {{ISSN|0939-3676}}, Seite 4.</ref> In Frankfurt war man auch 1792, aus Anlass der Krönungsfeierlichkeiten für [[Franz II. (HRR)|Franz II.]], den letzten Kaiser des [[Heiliges Römisches Reich|Heiligen Römischen Reiches]], der 1804 als Franz I. erster Kaiser [[Österreich]]s wurde. Den Festball in der [[Botschaft (Diplomatie)|Botschaft]] Österreichs eröffnete Luise gemeinsam mit dem jungen Reichsgrafen [[Klemens Wenzel Lothar von Metternich|Klemens von Metternich]], dem später berühmten Diplomaten und Staatsmann. Anfang März 1793 wurden die beiden Schwestern, jetzt 17 und 15 Jahre alt, in Frankfurt dem preußischen König [[Friedrich Wilhelm II. (Preußen)|Friedrich Wilhelm II.]] vorgestellt, der brieflich über diese Begegnung berichtete: ''„Wie ich die beiden Engel zum ersten Mal sah, es war am Eingang der Komödie, so war ich so frappirt von ihrer Schönheit, daß ich ganz außer mir war, als die Großmutter sie mir präsentirte. Ich wünschte sehr, daß meine Söhne sie sehen möchten und sich in sie verlieben […] Ich machte mein möglichstes, daß sie sich öfter sahen und sich recht kennen lernten. […] Sie gaben sich das Jawort und die Versprechung wird bald vor sich gehen, vermuthlich in Mannheim. Der älteste heirathet die älteste und der jüngste die jüngste.“'' <ref>Zitat nach {{ADB|19|816||Luise|Paul Bailleu|ADB:Luise (Königin von Preußen)}}</ref> Zum ersten Mal traf Luise den „ältesten“, den 22-jährigen Kronprinzen Friedrich Wilhelm am 14. März 1793, am 19. März machte er seinen persönlichen Heiratsantrag und am 24. April fand in Darmstadt die offizielle Verlobung statt. Im [[Ehevertrag]] wurde festgehalten, dass Luise eine bestimmte Summe „zu selbsteigener Disposition“ erhalten sollte, die sich bei der Geburt eines Sohnes deutlich erhöhen würde; für eine Tochter war nichts dergleichen vorgesehen. Inzwischen war auch Prinz Louis, der „jüngste“, mit Luises Schwester Friederike verlobt, widerwillig allerdings und nur aus Gründen der [[Staatsräson]] – er war schon anderweitig, aber unter seinem Stand verliebt. Die Doppelhochzeit wurde für die Weihnachtstage 1793 vereinbart. === Erste Ehejahre === ==== Die Kronprinzessin ==== [[Datei:Schadow-Prinzessinnen-Mutter Erde fec.jpg|miniatur|hochkant=0.85|links|Die „[[Prinzessinnengruppe]]“]] Am 22. Dezember trafen die Schwestern in der festlich geschmückten Stadt Berlin ein. Ein kleines, weißgekleidetes Mädchen begrüßte die Prinzessinnen mit einem Gedicht, Luise hob das Kind hoch, küsste es – und reagierte erkennbar verständnislos, als man ihr sagte, dass ein solches Verhalten ihrer hohen Stellung nicht angemessen sei. Dieser Vorfall, vielfach weitererzählt, gab den ersten Anstoß zur außerordentlichen Beliebtheit Luises bei der Berliner Bevölkerung. Am 24.&nbsp;Dezember 1793 wurde sie mit dem Kronprinzen nach altem Hofzeremoniell im Weißen Saal des [[Berliner Stadtschloss|Stadtschlosses]] getraut. Nach Berichten von Augenzeugen wirkte der Bräutigam, sonst eher schüchtern und introvertiert, an diesem Tag heiter und ausgelassen. Zwei Tage später heirateten Friederike und Prinz Louis. Die Paare bezogen zwei benachbarte Gebäude an der Straße [[Unter den Linden]], das [[Kronprinzenpalais (Berlin)|Kronprinzenpalais]] und das später so genannte [[Prinzessinnenpalais]]. Hier entstand 1795 die berühmte „[[Prinzessinnengruppe]]“ des Bildhauers [[Gottfried Schadow]], von König Friedrich Wilhelm&nbsp;II. in Auftrag gegeben. Der Künstler hatte vorübergehend einen Arbeitsraum im Kronprinzenpalais, sah die Schwestern häufig und durfte sogar „nach der Natur“ ihre Maße nehmen. Luises Mann, der Kronprinz, war allerdings mit der natürlichen, trotz reichlichen Faltenwurfs recht körperbetonten Darstellung unzufrieden. Zudem war die inzwischen jung verwitwete Friederike wegen ihres als skandalös geltenden Lebenswandels zur ''Unperson'' bei Hof geworden. Als Friedrich Wilhelm selbst König geworden war, verschwand die Skulptur daher für Jahrzehnte aus der Öffentlichkeit. [[Datei:Luise Oberhofmeisterin Voss.jpg|miniatur|[[Sophie Marie von Pannwitz|Gräfin Sophie Marie von Voß]]]] Das Leben am preußischen Hof verlangte von Luise ein hohes Maß an Anpassung an unbekannte Personen, Regeln und Pflichten. Ihr ungezwungenes Naturell stand dabei manches Mal im Wege. Als [[Hofmeister|Oberhofmeisterin]] wurde ihr eine erfahrene Hofdame zur Seite gestellt, die Gräfin [[Sophie Marie von Pannwitz|Sophie Marie von Voß]]. Sie war 64 Jahre alt, als Luise in Berlin eintraf und stand seit Jahrzehnten im Dienst des Königshauses. Nach anfänglichen Konflikten zwischen ihrer strengen Berufsauffassung und Luises Neigung zu unkonventionellem Verhalten war sie der Kronprinzessin und späteren Königin eine unentbehrliche Lehrmeisterin in höfischer Etikette und blieb ihr bis zuletzt eine vertraute Ratgeberin und Freundin. Hilfreich für Luises Eingewöhnung in die neue Situation war, dass Friedrich Wilhelm im privaten Bereich jede Art von hergebrachter Förmlichkeit ablehnte. Das Paar pflegte einfache, in diesen Kreisen ungewöhnliche Umgangsformen. Man duzte sich und sprach voneinander als von „meinem Mann“ und „meiner Frau“. Spaziergänge ohne Gefolge auf der Straße [[Unter den Linden]], Besuche von Volksbelustigungen wie dem Berliner Weihnachtsmarkt und dem „[[Berlin-Stralau|Stralauer]] Fischzug“ entsprachen offensichtlich ihren persönlichen Neigungen und wurden von der Bevölkerung beifällig zur Kenntnis genommen. Ihr Hang zur Einfachheit bestimmte auch die Auswahl der Wohnsitze. In Berlin zogen sie das Kronprinzenpalais dem Stadtschloss vor, die Sommermonate verbrachten sie vorzugsweise im ländlichen Herrenhaus [[Paretz]] nahe [[Potsdam]]. Das einfache Schloss, das wegen seiner Lage von Zeitgenossen den Beinamen „Schloss Still-im-Land“ erhielt, bot Friedrich Wilhelm Erholung von seinen Amtsgeschäften und Luise die Landluft und Ruhe, die sie besonders während ihrer zahlreichen Schwangerschaften schätzte. Als Mutter erfüllte Luise alle Erwartungen, die an sie gestellt wurden. In knapp 17 Ehejahren brachte sie zehn Kinder zur Welt, sieben von ihnen erreichten das Erwachsenenalter – eine für damalige medizinisch-hygienische Verhältnisse überdurchschnittlich hohe Quote –, einige gelangten in höchste Positionen. Ihr ältester Sohn [[Friedrich Wilhelm IV. (Preußen)|Friedrich Wilhelm]] (IV.) war von 1840 bis 1861 König von Preußen, der Nächstgeborene [[Wilhelm I. (Deutsches Reich)|Wilhelm]] (I.) folgte seinem Bruder auf dem Thron und wurde 1871 Deutscher Kaiser. Die Tochter Friederike Charlotte heiratete 1817 den Thronfolger [[Nikolaus I. (Russland)|Nikolaus (I.)]] von Russland und wurde so 1825 unter dem Namen Alexandra Feodorowna russische Zarin. Die Kinder waren immer in der Nähe der Eltern aufgewachsen. Obwohl ihre Bildung weitgehend angestellten Erziehern überlassen wurde und das Verhältnis des Königs zu den Kindern zuweilen als recht distanziert beschrieben wird, bot man doch das Bild einer kinderreichen, glücklichen Familie, ein Muster für die entstehende bürgerliche Gesellschaft des 19.&nbsp;Jahrhunderts. ==== Die junge Königin ==== [[Datei:Luise plus FW III Haas 1798.jpg|miniatur|hochkant=1.44|links|Das Königspaar 1798]] Am 16. November 1797 starb Friedrich Wilhelm II. Sein Tod wurde in Preußen nicht nur betrauert. Mit seiner unglücklichen Außenpolitik, mit [[Mätresse]]nwirtschaft und Verschwendungssucht hatte er das Land und dessen Ansehen stark beschädigt. Sein Sohn, Friedrich Wilhelm III., war bei Regierungsantritt erst 27 Jahre alt, schüchtern in der Öffentlichkeit und sprachlich wenig ausdrucksfähig, unschlüssig vor Entscheidungen und kaum darauf vorbereitet, ein problembeladenes Königreich in schwieriger Zeit zu regieren; an seiner Seite wurde Luise mit 21 Jahren Königin. Die letzte wichtige außenpolitische Handlung Friedrich Wilhelms II. war der separate [[Friede von Basel|Friedensschluss von Basel]] 1795 gewesen. Preußen verließ die Allianz, die sich im so genannten Ersten [[Koalitionskriege|Koalitionskrieg]] gegen Frankreich formiert hatte, die linksrheinischen Landesteile gingen verloren, das nördliche Deutschland wurde für neutral erklärt. Der auf diese Weise erkaufte Frieden verschaffte Preußen eine Reihe von „stillen Jahren“, wie sie im Rückblick genannt wurden. Die Innenpolitik des neuen Königs war bestimmt durch strikte Sparsamkeit, zu den überfälligen, grundlegenden Reformen in Verwaltung und Armee konnte er sich nicht entschließen. Nach außen setzte er auf Neutralität um beinahe jeden Preis. Sorgen bereitete Luises Schwester Friederike, zu der die Königin seit jeher ein besonders enges Verhältnis gehabt hatte. Prinzessin Louis, wie sie seit ihrer Heirat genannt wurde, war nach einer kurzen, lieblosen Ehe 1796 mit 18 Jahren Witwe geworden. In ihrem Witwensitz [[Schloss Schönhausen]] hatte sie zahlreiche Affären, ''„Sie weiß sich nur zu gut zu trösten“'' schrieb die Gräfin Voß in ihr Tagebuch <ref>Zitat nach Marlies Schnaibel: ''Luise, Königin von Preußen.'' Edition Rieger, Karwe bei Neuruppin 2003, ISBN 3-935231-33-4, Seite 17.</ref>. Schließlich kam es zum Eklat: Friederike erwartete ein uneheliches Kind. Luise erfuhr erst spät, kurz vor Weihnachten 1798 davon und war vor allem von dem Mangel an Vertrauen ihr gegenüber tief enttäuscht. Friederike musste eilig den Prinzen [[Solms (Adelsgeschlecht)|Solms-Braunfels]], den mutmaßlichen Kindsvater heiraten, sie verlor Titel und Hofstaat, das Paar hatte Berlin zu verlassen, die beiden Kinder aus erster Ehe blieben in der Hauptstadt. In einer dritten Ehe mit dem [[Ernst August I. (Hannover, König)|Herzog von Cumberland]] wurde Friederike schließlich 1837 Königin von Hannover. [[Datei:Luise Kritzelzeichnung.jpg|miniatur|Blatt mit Kritzeleien Luises]] Friedrich Wilhelm und Luise unternahmen mehrere so genannte Huldigungsreisen. Im Mai und Juni 1798 fuhren sie durch [[Pommern]], [[Ostpreußen]] und [[Schlesien]], von Mai bis Juli 1799 in die westlichen Landesteile, nach [[Franken (Region)|Franken]] und [[Thüringen]]. Im August 1800 wurde die [[Schneekoppe]] in Schlesien erstiegen, eine Exkursion, die von der Königin später als ein besonders glücklicher Moment ihres Lebens bezeichnet wurde. Die Bevölkerung zeigte sich auf allen diesen Reisen begeistert über die äußere Erscheinung und das Auftreten der Königin. Ähnliche Begeisterung rief sie auch in der Hauptstadt hervor, sogar unter den Angehörigen des [[Diplomatisches Corps|Diplomatischen Corps]]. Ein Sekretär der britischen [[Auslandsvertretung|Gesandtschaft]] schrieb seinen Schwestern: ''„In der Berliner Gesellschaft, besonders unter den jüngeren Leuten, herrscht ein Gefühl ritterlicher Ergebenheit gegen die Königin […] Wenige Frauen sind mit so viel Lieblichkeit begabt als sie […] Doch ich muß inne halten, oder ihr werdet denken, daß mir der Kopf verdreht ist, wie es schon so viele Köpfe sind, durch die Schönheit und Anmuth der Königin Luise von Preußen“'' <ref>Zitat nach {{ADB|19|818||Luise|Paul Bailleu|ADB:Luise (Königin von Preußen)}}</ref> Inzwischen hatte der Druck Napoleons auf Norddeutschland wieder zugenommen. Ein Bündnis Preußens mit Russland schien ein geeignetes Gegenmittel zu sein. Im Mai und Juni 1802 hielten sich Friedrich Wilhelm III. und Königin Luise in [[Klaipėda|Memel]] auf und trafen dort mit Zar [[Alexander I. (Russland)|Alexander I.]] von Russland zusammen. Die politisch recht bedeutungslose Begegnung hat dennoch in Luises Lebensbeschreibungen nachhaltige Spuren hinterlassen. Die Königin war höchst beeindruckt von dem jungen Zaren. In ihren Aufzeichnungen liest man: ''„Der Kaiser ist einer der seltenen Menschen, die alle liebenswürdigen Eigenschaften mit allen echten Vorzügen vereinigen [...] Er ist wunderbar gut gebaut und von sehr stattlicher Erscheinung. Er sieht aus wie ein junger [[Herakles|Herkules]].“'' <ref>Zitat nach Christian Graf von Krockow: ''Porträts berühmter deutscher Frauen von Königin Luise bis zur Gegenwart.'' List Taschenbuch, 2004, ISBN 3-548-60448-X, Seite 36.</ref>. Der Zar seinerseits war von Luise fasziniert. Friedrich Wilhelm III. reagierte nicht eifersüchtig, sondern stolz, wie immer, wenn seine Frau bewundert wurde. Mehrere Biografen deuten die Frage an, ob zwischen Luise und Alexander ein intimes Verhältnis bestanden haben könnte. Die Antwort ist immer: mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht. In den Jahren 1803 bis 1805 führten verschiedene Reisen das Königspaar in die fränkischen Besitzungen, nach Darmstadt, nach Thüringen und Schlesien. Vom 25. Oktober bis zum 4. November 1805 war Zar Alexander in Potsdam, um den König für ein neues Kriegsbündnis zu gewinnen, das Österreich und Russland gegen Napoleon geschlossen hatten. Friedrich Wilhelm III. zögerte, befahl aber vorsorglich die [[Mobilmachung]]. Im Dezember 1805 wurden Russen und Österreicher in der so genannten [[Schlacht bei Austerlitz|Dreikaiserschlacht]] bei Austerlitz geschlagen. Im Juni und Juli 1806 waren Friedrich Wilhelm und Luise zur Kur in [[Bad Pyrmont]] – spätestens hier endeten die „stillen Jahre“ in Preußen. === Krieg und Flucht === Am 12. Juli 1806 wurde in Paris der Vertrag über den [[Rheinbund]] geschlossen, Napoleon dehnte seinen Einflussbereich im deutschen Gebiet erheblich aus. Preußen fühlte sich provoziert, der König war jedoch noch immer unentschlossen; erst auf Drängen verschiedener Berater wie Minister Karl Freiherr vom Stein, Generalleutnant [[Ernst von Rüchel]] und Prinz [[Louis Ferdinand von Preußen (1772–1806)|Louis Ferdinand von Preußen]] sowie unter dem Einfluss seiner Frau, die in Napoleon ein „moralisches Ungeheuer“ sah, änderte er seine Meinung und erklärte Frankreich am 9.&nbsp;Oktober 1806 den Krieg. Als Mittelpunkt dieser so genannten „Kriegspartei“ erreichte Luise von Mecklenburg-Strelitz wohl den Höhepunkt ihres politischen Einflusses. Nur fünf Tage später erlitten die schlecht geführten, getrennt kämpfenden preußischen Truppen bei [[Schlacht bei Jena und Auerstedt|Jena und Auerstedt]] vernichtende Niederlagen, die Reservearmee wurde bei [[Halle (Saale)|Halle]] geschlagen und fast alle befestigten Städte ergaben sich kampflos. Am 27.&nbsp;Oktober 1806 zog Napoleon als Sieger in Berlin ein. [[Datei:Flucht.jpg|miniatur|hochkant=1.2|Flucht über die Kurische Nehrung]] Friedrich Wilhelm III. und Luise hatten sich in der Nähe des Kriegsschauplatzes aufgehalten, im Chaos des Zusammenbruchs mussten sie sich auf getrennten Wegen retten. Luise gelangte mit den Kindern, ihrem Leibarzt [[Christoph Wilhelm Hufeland]] und der Gräfin Voß über mehrere Zwischenstationen nach [[Königsberg (Preußen)|Königsberg]]. Dort erkrankte sie schwer am „Nervenfieber“, wie man damals den [[Typhus]] nannte. Noch während ihrer Krankheit drohte Napoleon mit seiner Armee Königsberg zu erreichen. Hufeland bot an, mit der Königin zurückzubleiben, sie lehnte ab: ''„Ich will lieber in die Hände Gottes fallen, als dieses Menschen“'' <ref>Zitat nach Christian Graf von Krockow: ''Porträts berühmter deutscher Frauen von Königin Luise bis zur Gegenwart.'' List Taschenbuch, 2004, ISBN 3-548-60448-X, Seite 40.</ref>. Als Fluchtort kam nur noch [[Klaipėda|Memel]] im äußersten Nordosten des Landes in Frage. Bei starkem Frost und Schneetreiben musste die Gruppe um die schwerkranke Luise den Weg über die Landzunge der [[Kurische Nehrung|Kurischen Nehrung]] zurücklegen, die im Winter kaum passierbar war. Nach drei anstrengenden Tagen und höchst unbequemen Nächten war das Ziel erreicht, und Hufeland stellte überrascht sogar eine gewisse Besserung im Befinden der Königin fest. Auch diese Episode gehört, mehr oder weniger dramatisch erzählt oder illustriert, zum festen Bestand aller Biografien und Legenden über Luise, ebenso wie ihr Zusammentreffen mit Napoleon. === Luise und Napoleon in Tilsit === [[Datei:Luise Napoleon 1807.jpg|miniatur|Luise und Napoleon in [[Tilsit]]. Illustration von 1896]] Friedrich Wilhelm III. gelangte auf anderen Wegen nach Memel, dort traf das Königspaar auch mit dem russischen Zaren zusammen, der seine unbedingte Unterstützung zusagte. Aber am 14. Juni 1807 besiegte Napoleon in der [[Schlacht bei Friedland]] die Armee Alexanders zusammen mit den letzten Resten der preußischen Truppen. Die anschließenden Friedensverhandlungen fanden in einem Prunkzelt auf einem Floß im Fluss [[Memel (Fluss)|Memel]] (Njemen) statt. Der preußische König war zunächst nur als Randfigur zugelassen, als Russland seinen Sonderfrieden mit Napoleon abschloss. Weil vorauszusehen war, wie rücksichtslos der französische Kaiser mit dem schon zuvor besiegten Preußen umgehen würde, unterbreitete der preußische Unterhändler Graf [[Friedrich Adolf von Kalckreuth|Kalckreuth]] dem König seine Ansicht ''„dass es von guter Wirkung sein würde, wenn Ihre Majestät die Königin hier sein könnten, und zwar je eher, je lieber“.'' Nun hatte aber Friedrich Wilhelm seiner Frau kurz zuvor nach Memel geschrieben, wie er Napoleon erlebt hatte: ''„Ich habe ihn gesehen, ich habe mit diesem von der Hölle ausgespienen Ungeheuer, das von Beelzebub gebildet wurde, um die Plage der Erde zu werden, gesprochen! […] Nein, niemals habe ich eine härtere Prüfung erfahren …“.'' Trotzdem leitete er den Vorschlag Kalckreuths weiter. Luise antwortete: ''„Ihr Brief mit der Beilage von K. erreichte mich gestern abend spät. Sein Inhalt hatte die Wirkung, die Sie vorausgesehen haben. Dennoch hat mein Entschluß im selben Augenblick festgestanden. Ich eile, ich fliege nach [[Sowjetsk (Kaliningrad)|Tilsit]], wenn Sie es wünschen.“'' <ref>Zitate nach Christian Graf von Krockow: ''Porträts berühmter deutscher Frauen von Königin Luise bis zur Gegenwart.'' List Taschenbuch, 2004, ISBN 3-548-60448-X, Seite 43.</ref> Die Begegnung mit Napoleon fand am 6. Juli 1807 im Haus des Justizkommissionsrats Ernst Ludwig Siehr in Tilsit, Deutsche Str. 24 statt, das Napoleon während der Friedensverhandlungen bewohnte.<ref>Siehr: ''Tagebuch des E.L. Siehr (1753–1816).'' Arnstadt 2007.</ref> Luise trug ein silberdurchwirktes weißes Kreppkleid und wirkte auf Augenzeugen, trotz ängstlichster Spannung, schöner als je zuvor. Der leitende Minister [[Karl August von Hardenberg]] hatte sie eingehend auf die Unterhaltung vorbereitet. Er hatte ihr geraten, liebenswürdig zu sein, vor allem als Ehefrau und Mutter zu sprechen und keinesfalls ein betont politisches Gespräch zu führen. Die Königin erlebte eine Überraschung. Statt des gefürchteten Ungeheuers stand ihr mit Napoleon ein beeindruckender, offensichtlich hochintelligenter, angenehm plaudernder Mann gegenüber. Luise bat um maßvolles Vorgehen bei den Friedensbedingungen, Napoleon blieb unbestimmt in seinen Antworten, machte der Königin jedoch Komplimente wegen ihrer Garderobe. Als er fragte, wie die Preußen so unvorsichtig sein konnten, ihn anzugreifen, gab Luise die oft zitierte Antwort: ''„Der Ruhm [[Friedrich II. (Preußen)|Friedrichs des Großen]] hat uns über unsere Mittel getäuscht“'' <ref>Zitat nach Marlies Schnaibel: ''Luise, Königin von Preußen.'' Edition Rieger, Karwe bei Neuruppin 2003, ISBN 3-935231-33-4, Seite 22.</ref>. Später äußerte sie sich positiv über ihre persönlichen Eindrücke bei der Unterredung. Und da auch der Kaiser sich beeindruckt zeigte, endete hier jedenfalls die Zeit gegenseitiger Beleidigungen – abgesehen von einer späteren Bemerkung Napoleons, wonach er geglaubt habe, ''„Hardenbergs Papagei“'' zu hören. Zuvor hatte Napoleon sich wiederholt und öffentlich sehr abfällig über Luise geäußert – sie trage Schuld am Ausbruch des Krieges, sei ''„eine Frau mit hübschen Zügen, aber wenig Geist … Schrecklich muss sie von Gewissensbissen geplagt werden wegen der Leiden, die sie über ihr Land gebracht hat“'' <ref>Zitat nach ''Die Mark Brandenburg. Zeitschrift für die Mark und das Land Brandenburg.'' Heft 65. Marika Großer Verlag, Berlin 2007, {{ISSN|0939-3676}}, Seite 17.</ref>; nach der Besetzung Berlins hatte er Teile ihrer dort aufgefundenen Privatkorrespondenz veröffentlichen lassen; Luise ihrerseits hatte aus ihrer tiefen Abneigung gegen Napoleon, aus ihrer Überzeugung von dessen Amoralität nie ein Geheimnis gemacht. Irgendwelche konkreten Zugeständnisse erreichte die Königin nicht. Über das etwa einstündige Gespräch unter vier Augen berichtete der Kaiser seiner Frau [[Joséphine de Beauharnais|Josephine]] nach Paris: ''„Die Königin von Preußen ist wirklich bezaubernd, sie ist voller Koketterie zu mir. Aber sei ja nicht eifersüchtig, ich bin eine Wachsleinwand, an der alles nur abgleiten kann. Es käme mir teuer zu stehen, den Galanten zu spielen“.'' <ref>Zitat nach Christian Graf von Krockow: ''Porträts berühmter deutscher Frauen von Königin Luise bis zur Gegenwart.'' List Taschenbuch, 2004, ISBN 3-548-60448-X, Seite 45.</ref> Tatsächlich waren die Bedingungen des [[Frieden von Tilsit|Friedens von Tilsit]] vom 9. Juli 1807 für Preußen überaus hart. Der Staat verlor die Hälfte seines Territoriums und seiner Bevölkerung – alle Gebiete westlich der Elbe und die polnischen Besitzungen. Ein französisches Besatzungsheer musste versorgt werden. Die Zahlungsverpflichtungen von 400 Millionen [[Taler]]n überstiegen bei weitem die Leistungsfähigkeit des Landes. Immerhin blieb Preußen als Staat erhalten – dank der Fürsprache des Zaren, dem sehr an einem Pufferstaat zwischen seinem Reich und Napoléon gelegen war. === Exil in Ostpreußen === Nach dem demütigenden Friedensschluss sah Luise ihre Hauptaufgabe darin, den König, der oft verzweifelt war und von Abdankung sprach, aufzurichten und ihm durch ein glückliches Familienleben Rückhalt zu geben. Sie selbst schwankte zwischen Niedergeschlagenheit und Hoffnung. Im April 1808 schrieb sie in einem Brief an ihren Vater: ''„Für mein Leben hoffe ich nichts mehr … Die göttliche Vorsehung leitet unverkennbar neue Weltzustände ein und es soll eine andere Ordnung der Dinge werden, da die alte sich überlebt hat … und zusammenstürzt. Wir sind eingeschlafen auf den Lorbeeren Friedrichs des Großen … Es kann nur gut werden in der Welt durch die Guten … deshalb bin ich der Hoffnung, dass auf die jetzige böse Zeit eine bessere folgen wird …“'' <ref>Zitat nach Christian Graf von Krockow: ''Porträts berühmter deutscher Frauen von Königin Luise bis zur Gegenwart.'' List Taschenbuch, 2004, ISBN 3-548-60448-X, Seite 46.</ref> Noch dauerte die „böse Zeit“ in Königsberg an. Luise entbehrte die Geselligkeit von Berlin und vertrug das raue, ostpreußische Klima nicht. Sie litt unter fiebrigen Erkältungen, Kopfschmerzen und Atemnot. In einem Brief an den Bruder klagte sie: ''„Das Klima Preußens ist … abscheulicher, als es sich ausdrücken lässt. … Meine Gesundheit ist völlig zerstört …“'' <ref>Zitat nach Christian Graf von Krockow: ''Porträts berühmter deutscher Frauen von Königin Luise bis zur Gegenwart.'' List Taschenbuch, 2004, ISBN 3-548-60448-X, Seite 48.</ref> Die Rückkehr nach Berlin war dem preußischen König und seiner Familie zunächst verwehrt. Die verbliebene Hälfte des Königreichs wurde von Königsberg aus regiert. Reichsfreiherr vom Stein brachte die ersten, dringenden [[Preußische Reformen|Reformen]] auf den Weg: 1807 die Bauernbefreiung, 1808 die Städtereform. [[Gerhard von Scharnhorst|Scharnhorst]], [[August Neidhardt von Gneisenau|Gneisenau]] und [[Hermann von Boyen|Boyen]] leiteten die [[Preußische Heeresreform]]. Luise war mit Einzelheiten dieser Neuerungen kaum befasst. Mit dem meist schroffen und cholerischen Stein hatte sie nur wenige Gemeinsamkeiten und notierte: ''„Er hält mich ohnehin für ein Weibchen, das sehr oberflächlich ist“'' <ref>Zitat nach Christian Graf von Krockow: ''Porträts berühmter deutscher Frauen von Königin Luise bis zur Gegenwart.'' List Taschenbuch, 2004, ISBN 3-548-60448-X, Seite 46.</ref>. Stein, der das eigene Gehalt und das seiner Beamten um die Hälfte kürzte, verlangte auch vom königlichen Haushalt kräftige Einsparungen. Bis auf den Schmuck der Königin wurde alles Entbehrliche verkauft. Im Winter 1808/09 unternahm das Königspaar auf Einladung des russischen Zaren eine achtwöchige Reise nach [[Sankt Petersburg]]. Stein hatte sich vergeblich gegen die Vergnügungsreise ausgesprochen und darauf hingewiesen, dass jeder verfügbare Geldbetrag im kriegszerstörten Ostpreußen dringend gebraucht würde. Luise genoss die Bälle, Diners und sonstigen gesellschaftlichen Veranstaltungen in der russischen Residenz. Sie konnte aber auch den Kontrast zu ihrer eigenen Situation nicht übersehen: ''„Es regnete Diamanten … Die Pracht jeder Art übersteigt alle Begriffe. Was es hier an Silberzeug, Bronzen, Spiegeln, Kristallen, Gemälden und Marmorstatuen gibt, ist enorm.“'' <ref>Zitat nach Christian Graf von Krockow: ''Porträts berühmter deutscher Frauen von Königin Luise bis zur Gegenwart.'' List Taschenbuch, 2004, ISBN 3-548-60448-X, Seite 51.</ref> Die Begegnungen Luises mit Zar Alexander I. verliefen, verglichen mit der gelösten Atmosphäre bei früheren Anlässen, recht kühl. === Rückkehr und Tod === [[Datei:Berlin Mausoleum Charlottenburg 08.JPG|miniatur|Das Mausoleum im [[Schlosspark Charlottenburg]]]] [[Datei:Luise Sarkophag Rauch 1 min.jpg|miniatur|Zweite Fassung der Grabskulptur von [[Christian Daniel Rauch]], Teilansicht]] [[Datei:Statue_of_Louise_of_Mecklenboug_Strelitz.jpg|miniatur|Büste von Königin Luise im Schlosspark Charlottenburg]] Nachdem Napoleon die Rückkehr nach Berlin gestattet hatte, traf die königliche Familie am 23. Dezember 1809 dort ein. Der Empfang durch die Berliner war überwältigend herzlich, sowohl bei der Ankunft am Schloss, als auch während einer abendlichen Spazierfahrt durch die festlich illuminierte Stadt. Eine Vielzahl von Empfängen und Festessen, von Theater- und Opernaufführungen schloss sich an. Erstmals wurden zu solchen Festen auch nicht adlige Offiziere und bürgerliche Familien eingeladen. In Hinblick auf die unverändert düstere politische Lage schrieb Luise am 27. Januar 1810 in einem Brief an Hardenberg: ''„Wir sind immer noch höchst unglücklich. Indessen ist das Leben hier in Berlin erträglicher als in Königsberg. Es ist wenigstens ein glänzendes Elend mit schönen Umgebungen, die einen zerstreuen, während es in Königsberg wirklich ein wirkliches Elend war.“'' <ref>Zitat nach Christian Graf von Krockow: ''Porträts berühmter deutscher Frauen von Königin Luise bis zur Gegenwart.'' List Taschenbuch, 2004, ISBN 3-548-60448-X, Seite 52.</ref> Luise beteiligte sich aktiv an den Bemühungen, Hardenberg wieder in den preußischen Staatsdienst zu stellen, den er auf Betreiben Napoleons nach dem Frieden von Tilsit hatte verlassen müssen. In ihm sah sie den Berater, den ihr häufig unschlüssiger Mann brauchte. Trotz weiter bestehender Vorbehalte stimmte Napoleon schließlich zu – nur Hardenberg traute er zu, die enormen [[Kontribution|Kriegskontributionen]] aufzubringen, mit denen er Preußen belastet hatte. Eine geplante Sommerreise nach Bad Pyrmont, wo Luise ihre Gesundheit wieder herzustellen hoffte, musste abgesagt werden, aus finanziellen wie aus politischen Gründen: Preußen war praktisch bankrott und in Pyrmont hielten sich damals zwei Brüder Napoleons auf. Statt dieser Reise wurde ein Ausflug nach [[Neustrelitz]] beschlossen, wo seit 1794 Luises Vater als Herzog residierte. Auch „Prinzessin George“, die Großmutter aus Darmstadt, lebte inzwischen dort. Die Gräfin Voß, schon über achtzig Jahre alt, nahm an der Exkursion teil. In einem Brief an den Vater wird deutlich, wie sehr Luise sich auf diesen Besuch freute: ''„Ich glühe vor Freude und schwitze wie ein Braten.“'' <ref>Zitat nach Christian Graf von Krockow: ''Porträts berühmter deutscher Frauen von Königin Luise bis zur Gegenwart.'' List Taschenbuch, 2004, ISBN 3-548-60448-X, Seite 53.</ref> Am 25. Juni 1810 kam sie in Neustrelitz an, der König wollte sich später einfinden. Nach kurzem Aufenthalt in der Residenzstadt zog man um nach [[Schloss Hohenzieritz]], in die herzogliche Sommerresidenz. Für den 30. Juni 1810 war ein Abstecher nach [[Rheinsberg]] beabsichtigt; die Fahrt musste jedoch ausfallen, Luise blieb fiebernd im Bett. Der örtliche Arzt diagnostizierte eine Lungenentzündung, die aber nicht lebensbedrohlich sei. Auch der aus Berlin herbeigerufene Leibarzt des Königs, [[Ernst Ludwig Heim]], fand keinen Anlass zu ernster Besorgnis. Am 16. Juli wurde er abermals konsultiert, weil sich die Symptome – Erstickungsanfälle und Kreislaufstörungen – heftig verschlimmert hatten. Mit Eilkurier ließ die Gräfin Voß den König in Berlin benachrichtigen, kurz vor fünf Uhr am Morgen des 19. Juli 1810 traf er mit seinen beiden ältesten Söhnen in Hohenzieritz ein. Vier Stunden später starb Luise. Bei der Obduktion ergab sich, dass ein Lungenflügel zerstört war, auch fand man eine Geschwulst im Herzen. Gräfin Voß schrieb dazu in ihr Tagebuch: ''„Die Ärzte sagen, der [[Polyp (Geschwulst)|Polyp]] im Herzen sei eine Folge zu großen und anhaltenden Kummers“.'' <ref>Zitat nach Günter de Bruyn: ''Preußens Luise. Vom Entstehen und Vergehen einer Legende.'' Siedler Verlag, Berlin 2001, ISBN 3-88680-718-5, Seite 48.</ref>. Unter großer Anteilnahme der Bevölkerung wurde der Leichnam nach Berlin überführt, drei Tage im Berliner Stadtschloss aufgebahrt und am 30. Juli im [[Berliner Dom]] beigesetzt. Fünf Monate später, am 23. Dezember 1810, fand Luise von Mecklenburg-Strelitz ihre letzte Ruhestätte in einem [[Mausoleum im Schlosspark Charlottenburg|Mausoleum]], das inzwischen von [[Heinrich Gentz]] unter Mitarbeit von Karl Friedrich Schinkel im Park des Schlosses Charlottenburg neu errichtet worden war. Die Grab[[skulptur]] der Königin, ein Meisterwerk der [[Berliner Bildhauerschule]], schuf [[Christian Daniel Rauch]] zwischen 1811 und 1814; Friedrich Wilhelm III. hatte den Entstehungsprozess mit vielen Wünschen und Vorschlägen intensiv begleitet. Er selbst wurde 1840 an gleicher Stelle beigesetzt. Das Mausoleum entwickelte sich zum nationalen [[Wallfahrt]]sort, zur wichtigsten Kultstätte der Luisen-Verehrung. <gallery> Datei:Sterbelager der Königin Luise in Hohenzieritz, von Carl Röchling.jpg|Luises Sterbelager, Illustration von 1896 Datei:Gransee_Luisendenkmal.jpg|Das Denkmal in [[Gransee]] Datei:Mausoleum Charlottenburg innen.jpg|Das Mausoleum, Innenansicht 1895 Datei:Luisen-orden I Kl M1865 obv.jpg|Der Luisen-Orden </gallery> === Erste Formen öffentlichen Gedenkens === [[Datei:Kreuzbergdenkmal2- Mutter Erde fec.jpg|miniatur|Luise als ''[[Genius|Genius/Juno]] des Friedens,'' 1820]] Schon am 29. Juli 1810 stellte die Bürgerschaft von [[Gransee]] den Antrag, ein Denkmal für Luise an jener Stelle zu errichten, wo der Leichenzug auf dem Wege nach Berlin in ihrem Ort nachts gehalten hatte. Der König stimmte zu, jedoch unter der Bedingung, dass nur freiwillige Beiträge, keine öffentlichen Gelder dafür verwendet werden sollten. Karl Friedrich Schinkel lieferte den Entwurf, die [[Königlich Preußische Eisengießerei]] in Berlin stellte das Denkmal her, die Einweihung fand am 19. Oktober 1811 statt. Bald darauf gab Friedrich Wilhelm III. den Anstoß zum Gedenken an die Verstorbene in offizieller Form. Bis zu diesem Zeitpunkt hatten sich Gesten der Verehrung eher spontan, aus der Zuneigung der Bevölkerung heraus entwickelt. 1813 stiftete der König das [[Eisernes Kreuz|Eiserne Kreuz]], als Stiftungsdatum bestimmte er rückwirkend den 10. März, den Geburtstag Luises. Er selbst fertigte einen Entwurf an, Schinkel führte ihn aus. 1814 wurde der [[Louisenorden|Luisen-Orden]] gestiftet, eine Auszeichnung, die für besondere Verdienste ausschließlich an Frauen verliehen wurde. == Der Mythos == === Die bürgerliche Königin === Die Geschichte der [[Mythos|mythischen]] Verklärung Luises ist auch eine Geschichte wechselnder Motive. Zu Beginn waren es neben ihrer Schönheit und Anmut vor allem die Anzeichen von Einfachheit und Herzlichkeit, die als bürgerliche Tugenden begriffen wurden und ihr Beifall und Verehrung einbrachten. Die besondere Intensität dieser Verehrung lässt sich verstehen vor dem Hintergrund der [[Französische Revolution|Französischen Revolution]] und ihres Verlaufs. Das aufgeschlossene Bürgertum in Deutschland hatte durchaus Sympathien für die anfänglichen Vorstellungen der Revolutionäre. Als deren Forderungen schließlich in Gewalt und Terror mündeten, schlug die Stimmung in Deutschland um. Man wollte Reformen, aber ohne Gewalt. Man wünschte sich die Anerkennung bürgerlicher Wertvorstellungen, aber „von oben“, im Rahmen einer [[Konstitutionelle Monarchie|konstitutionellen Monarchie]]. Für diese Hoffnungen schienen Luise und ihre Familie ideale Leitbilder zu sein. Bedeutende Dichter und Schriftsteller der Zeit – [[Novalis]], Kleist, [[Jean Paul]], [[August Wilhelm Schlegel]] und andere – huldigten der jungen Königin. Vor allem Novalis, eigentlich Georg Philipp Friedrich Freiherr von Hardenberg, erregte Aufsehen mit seinem programmatischen Aufsatz „Glaube und Liebe oder der König und die Königin“, der im Sommer 1798 in der neu gegründeten Monatszeitschrift „Jahrbücher der Preußischen Monarchie unter der Regierung von Friedrich Wilhelm III.“ erschien. Er hatte seinem Text eine Reihe von überschwänglichen Gedichten an das Königspaar vorangestellt. In den anschließenden Prosa-Fragmenten entwarf er das Bild einer Gesellschaft, in der Familie und Staat, Bürgertum und Monarchie durch Glaube und Liebe miteinander verbunden wären. Der König würde das Land reformieren, die Künste und die Wissenschaften fördern. Die Königin wäre in Schönheit, Sittlichkeit und häuslicher Tätigkeit das Identifikationsobjekt für alle Frauen, ihr Porträt sollte in allen Wohnzimmern hängen. Friedrich Wilhelm III. lehnte den Text ab. Sich selbst, seine Fähigkeiten und Absichten konnte er darin nicht wiedererkennen, Schmeicheleien mochte er nicht, und eine Monarchie auf [[Parlamentarismus|parlamentarischer]] Grundlage entsprach nicht seinen Vorstellungen. Die geplante Fortsetzung des Aufsatzes in den „Jahrbüchern…“ ließ er nicht zu. Dennoch blieben Luise und er Hoffnungsträger für die Wunschvorstellungen der Bürger Preußens. Im Vergleich der zahlreichen Bilder, die von Luise bis zu ihrem Tod 1810 gemalt wurden, wird deutlich, dass kaum ein Porträt dem anderen gleicht. Diese Besonderheit war auch Zeitgenossen aufgefallen. In den „[[Berliner Abendblätter]]n“ vom 6. Oktober 1810 fand man eine Erklärung: ''„Bey Lebzeiten Ihrer Majestät ist es keinem Mahler gelungen, ein nur einigermaßen ähnliches Bild von Ihr hervorzubringen. Wer hätte es auch wagen dürfen, diese erhabene und doch so heitere Schönheit … wiedergeben zu wollen?“'' Nach ihrem Tod, nachdem ''„die niederschlagende Vergleichung mit dem unerreichbaren Original nicht mehr stattfinden kann“,'' seien genauere Bilder möglich geworden.<ref>Zitate nach Günter de Bruyn: ''Preußens Luise. Vom Entstehen und Vergehen einer Legende.'' Siedler Verlag, Berlin 2001, ISBN 3-88680-718-5, Seite 74.</ref> Solchen späteren Darstellungen lagen häufig Kopien der Totenmaske Luises zugrunde, die der herzogliche Architekt und Hofbildhauer Christian Philipp Wolff in Hohenzieritz abgenommen hatte. <gallery> Datei:1776 Luise.jpg|Luise 1796 Datei:Luise Königin von Preußen 1796.jpg|Luise 1796 Datei:Tassaert-Luise.jpg|Luise 1797 Datei:Johann Heinrich Wilhelm Tischbein 005.jpg|Luise 1798 Datei:Lebr019.jpg|Luise 1801 </gallery> === Die Märtyrerin === [[Datei:Tilsit Denkmal01.jpg|miniatur|Standbild in [[Sowetsk (Kaliningrad)|Tilsit]] von [[Gustav Eberlein]], 1945 zerstört]] Mit der Niederlage Preußens gegen Napoleon trat ein neues Motiv in den Vordergrund des Luisen-Kults: die Bewährung in schwerer Zeit, die Verwandlung der anmutigen, lebensfrohen und bürgernahen Schönheit in eine anbetungswürdige Dulderin. Die Begriffe „Opfer“ und „Leiden“ waren zentrale Kategorien, die von Historikern und Künstlern jener Zeit benutzt wurden, um Luises Rolle auszudeuten: Nach dieser Auslegung nahm sie für ihr ganzes Land die Demütigungen auf sich, die von Frankreich ausgingen. In Tilsit trat sie mutig dem mächtigsten Mann Europas entgegen – entschiedener als ihr zögerlicher Mann –, und opferte sich für ihr Volk bei dem vergeblichen Bittgang zu einem Feind, den sie als moralisches Ungeheuer betrachtete. Sie erfuhr am eigenen Leibe die Härten des Krieges und starb schließlich, so die weit verbreitete Interpretation des medizinischen Befundes, an gebrochenem Herzen. In dieser Rolle wurde sie bald nach ihrem Tod zu einer Leitfigur der [[Befreiungskriege]], wurden die Kriege zum Rachefeldzug für eine patriotische [[Märtyrer]]in stilisiert. Die Dichter der Freiheitskriege äußerten sich ganz in diesem Sinn. [[Theodor Körner (Schriftsteller)|Theodor Körner]] wollte das Porträt Luises als ''„Heiligenbild für den gerechten Krieg“'' auf die Fahnen der Freiheitskrieger heften und reimte: ''„Luise sei der Schutzgeist deutscher Sache. Luise sei das Losungswort der Rache.“'' [[Friedrich de la Motte Fouqué]], wie Körner freiwilliger Kriegsteilnehmer und Dichter, beschrieb die unter den Soldaten verbreitete ''„holde Sage, Königin Luise lebe, ihr Tod sei nur eine Täuschung gewesen … Wer hätte dem zu widersprechen vermocht?“'' <ref>Zitate nach Günter de Bruyn: ''Preußens Luise. Vom Entstehen und Vergehen einer Legende.'' Siedler Verlag, Berlin 2001, ISBN 3-88680-718-5, Seite 67.</ref> Und einer populären Anekdote zufolge rief der preußische [[Marschall]] [[Gebhard Leberecht von Blücher]], als er nach der [[Schlacht bei Waterloo]], also nach dem endgültigen Sieg über Napoleon am 7. Juli 1815 Paris erreicht hatte, vom [[Montmartre]] herab: ''„Jetzt endlich ist Luise gerächt!“'' <ref>Zitat nach Christian Graf von Krockow: ''Porträts berühmter deutscher Frauen von Königin Luise bis zur Gegenwart.'' List Taschenbuch, 2004, ISBN 3-548-60448-X Seite 46.</ref> === Die preußische Madonna === Das Schulwesen war darauf abgestellt, das offiziell erwünschte Bild von Luise zu vermitteln und so für neue Generationen ständig zu reproduzieren. Der eigentliche Lernstoff wurde besonders in den Volksschulen auf das Notwendigste beschränkt, dafür Religion und Vaterländisches in den Vordergrund gestellt. Luise fand beinahe überall Erwähnung, als Lern-, Lese- und Erbauungsstoff in den Fächern Geschichte, Deutsch und Religion, aber auch in Mathematik und Geographie. Vaterländische Gedenktage vertieften die Bindung an das Vorbild Luise. Auf Anordnung der Schulbehörde fiel an ihrem 100. Geburtstag an allen Mädchenschulen der Unterricht aus, statt dessen hörten die Schülerinnen einen Vortrag über ''„das Lebensbild der erlauchten Frau …, welche in den Zeiten des tiefsten Leidens so opferfreudig an der Erhebung des Volkes mitgearbeitet und allen kommenden Geschlechtern ein hohes Beispiel gegeben hat.“'' <ref>Zitat nach Patricia Drewes: ''Königin Luise von Preußen – Geschichte im Spiegel des Mythos.'' [http://www.fes.de/fulltext/historiker/00671006.htm Seite 164 der Druckausgabe]</ref> [[Datei:Luise Lebensbild ca 1905.jpg|miniatur|„Königin Luise …“, Titelseite, um 1905]] Lexika und [[Enzyklopädie]]n stützten den Mythos. Sie traten mit dem Anspruch auf, objektives Wissen zu verbreiten, dienten aber auch der [[Legende]]nbildung. Schon in einem „Conversationslexicon“ von 1834 hieß es: ''„Früh schon war sie gewöhnt, alles Sichtbare, Irdische an ein Unsichtbares, Höheres und das Endliche an das Unendliche zu knüpfen“;'' und in einem „Damen Conversations Lexicon“ wurde Luise als ''„Engel des Friedens und der Milde“'' und ''„Mutter aller ihrer Unterthanen“'' beschrieben.<ref>Zitat nach Patricia Drewes: ''Königin Luise von Preußen – Geschichte im Spiegel des Mythos.'' [http://www.fes.de/fulltext/historiker/00671006.htm Seite 163 der Druckausgabe]</ref> Allmählich gewann der Aspekt des Mütterlichen in der Verehrung Luises immer größere Bedeutung, entsprechend dem Anteil ihrer Söhne am Wiederaufstieg Preußens und bei der Reichsgründung. König Friedrich Wilhelm IV., ihr ältester Sohn, hatte 1848 erklärt: ''“Die Einheit Deutschlands liegt mir am Herzen, sie ist ein Erbtheil meiner Mutter.“'' <ref> Zitat nach Patricia Drewes: ''Königin Luise von Preußen – Geschichte im Spiegel des Mythos.'' [http://www.fes.de/fulltext/historiker/00671006.htm Seite 175 der Druckausgabe]</ref> Im Triumph des zweitältesten Sohnes, Wilhelm I., erreichte dann die [[symbol]]ische Wirkung Luises ihren Höhepunkt: [[Napoleon III.]], der Neffe ihres großen Widersachers Napoleon Bonaparte, erklärte Preußen am 19. Juli 1870, also genau am 60. Jahrestag ihres Todes den Krieg; Wilhelm I. kniete, bevor er in den Krieg zog, am Sarkophag seiner Mutter nieder; anders als 1806 endete der Feldzug für Preußen siegreich, Wilhelm wurde im Jahr darauf in [[Versailles]] zum Kaiser ausgerufen; bei seiner Rückkehr am 17. März 1871 suchte er in Berlin wiederum das Grab der Mutter auf. Nach diesen symbolbeladenen, historischen Vorgängen gehörten Luises Leben und Wirken zu den unverzichtbaren und systematisch verbreiteten Gründungsmythen des Kaiserreichs, in der öffentlichen Darstellung führte eine direkte Linie von ihrem so genannten Opfertod zum Sieg über Napoleon und zur Reichsgründung. Nachdem ihr Sohn Wilhelm Kaiser geworden war, häuften sich bildliche Darstellungen der Königin Luise in ihrer Rolle als Mutter. Maler wie [[Gustav Richter (Maler)|Gustav Richter]] und [[Carl Steffeck]], Bildhauer wie [[Erdmann Encke]] und [[Emil Hundrieser]] lieferten Beiträge zur Luisen-Verehrung. Besondere Resonanz fand die Statue „Königin Luise mit dem Prinzen Wilhelm“ von [[Fritz Schaper]], ursprünglich 1897 als überlebensgroße [[Stuck]]figur für eine Feststraße geschaffen, dann auf Anweisung des Kaisers [[Wilhelm II. (Deutsches Reich)|Wilhelm II.]] in Marmor übertragen. Von dieser so genannten „Preußischen [[Marienbildnis|Madonna]]“ – Luise schreitet hoheitsvoll eine Treppe herunter und hält den künftigen Kaiser wie das Jesuskind im Arm – wurden zahlreiche Verkleinerungen aus Elfenbeinmasse, Gips oder Marmor für den privaten Gebrauch angefertigt. Das Original ist heute verschollen. Der Buchmarkt war überreichlich versorgt mit [[Trivialliteratur]] über Luise, meist für die weibliche Jugend bestimmt, oft süßlich illustriert. Man zählte 391 einschlägige Dichtungen, darunter als typisches Beispiel „Königin Luise. Ein Lebensbild. Der deutschen Jugend gewidmet“ von Marie von Felseneck. Das Werk dieser Autorin von mehr als 50 Mädchenbüchern schloss mit den Worten ''„Ja, ein Engel an Sanftmut und Milde, an Schönheit und Majestät war die Verewigte […] und so lange noch deutsche Zungen von deutschen Fürstentugenden berichten, so lange wird der Name Königin Luise strahlen in heller, hoher Herrlichkeit“.'' <ref>Zahlenangaben und Zitat nach Günter de Bruyn: ''Preußens Luise. Vom Entstehen und Vergehen einer Legende.'' Siedler Verlag, Berlin 2001, ISBN 3-88680-718-5, Seite 89.</ref> Qualitativ etwas anspruchsvoller und dabei höchst erfolgreich war der großformatige Bildband „Die Königin Luise. In 50 Bildern für Jung und Alt“ der Uniform- und Schlachtenmaler [[Carl Röchling (Maler)|Carl Röchling]] und [[Richard Knötel]], der 1896 erstmals erschien. <gallery caption="Illustrationen aus: „Die Königin Luise. In 50 Bildern für Jung und Alt“"> Datei:Luise Hochzeit 1793.jpg|Hochzeit, 1793. Datei:Luise in ihrem Heim.jpg|Luise in häuslicher Umgebung, ca. 1800 Datei:Luise Flucht 1807.jpg|Flucht nach Memel, 1807. Datei:Luise zuruck in Berlin 1809.jpg|Rückkehr nach Berlin, 1809 </gallery> Verschiedene Biografen und Historiker des 19. Jahrhunderts bemühten sich um eine differenziertere Betrachtungsweise, ohne dabei den staatlich vorgegebenen Mythos, den man als wertvoll für die Volksbildung gelten ließ, ernsthaft in Frage zu stellen. Der Schriftsteller [[Friedrich Wilhelm Adami]] verfasste eine Lebensbeschreibung, die auf Notizen der Caroline von Berg beruhte, 1851 erstmals erschien und 18 Neuauflagen erreichte. Der Autor ließ deutlich seine Verehrung für Luise erkennen, distanzierte sich aber auch von mancher legendenhaften Ausschmückung. 1876 hielt der Historiker [[Heinrich von Treitschke]] eine viel zitierte offizielle Festrede zum 100. Geburtstag Luises. Einleitend äußerte er zwar einige Vorbehalte gegenüber dem, was er ''„volkstümliche Überlieferung“'' nannte und erklärte, dass die Wissenschaft nicht einem Idealbild folgen dürfe, sondern die Grenzen auch edler Menschen zeigen müsse. Dann aber entfernte er sich kaum von den verbreiteten Lebensbeschreibungen, benutzte Wendungen wie die vom ''„verzehrenden Kummer über das Schicksal des Landes, (dem) ihr zarter Körper erlag“'' und betonte als besonderen Vorzug die weibliche Passivität der Königin: ''„… doch nie mit einem Schritte übertrat sie die Schranken, welche der alte deutsche Brauch ihrem Geschlechte setzt. Es ist der Prüfstein ihrer Frauenhoheit, dass sich so wenig sagen lässt von Taten“.'' <ref>Zitate nach Günter de Bruyn: ''Preußens Luise. Vom Entstehen und Vergehen einer Legende.'' Siedler Verlag, Berlin 2001, ISBN 3-88680-718-5, Seite 94.</ref> Generell fehlten dem verklärten Bild Luises alle Züge direkter politischer Wirksamkeit, obwohl es zahlreiche Zeugnisse gibt für ihre Anteilnahme an den Bestrebungen der preußischen Reformer – insbesondere für Hardenberg hatte sie sich ja entschieden eingesetzt – und dafür, dass sie den oft unentschlossenen König zu wichtigen Entscheidungen zu veranlassen suchte, so auch zum Krieg gegen Napoleon. Friedrich-Wilhelm III. selbst hatte sich in seinen Erinnerungen deutlich zu dieser Frage geäußert: ''„Viele Menschen haben in dem Wahn gestanden, als ob meine Frau einen bestimmten Einfluss auf die Regierungsgeschäfte gehabt hätte …“,'' tatsächlich sei dies aber absolut nicht der Fall gewesen. <ref>Zitat nach [http://www.koenigin-luise.com/Luise/Politikerin/politikerin.html Die Politikerin – Luise mischt sich ein]</ref> Luises tief empfundene Verbundenheit mit dem schweren Schicksal des Volkes wurde zwar immer wieder betont, jedoch auch die „weibliche“ Passivität ihrer Anteilnahme. ''„Früh hatte sie die Schranken eingesehen, welche sowohl die Natur als die menschlichen Verfassungen ihrem Geschlecht angewiesen haben“.'' Ihre Wirksamkeit, hieß es, habe vor allem darin bestanden, dass sie dem König ein glückliches familiäres Umfeld bescherte.<ref>Zitat nach Patricia Drewes: ''Königin Luise von Preußen – Geschichte im Spiegel des Mythos.'' [http://www.fes.de/fulltext/historiker/00671006.htm Seite 167 der Druckausgabe]</ref> Entsprechend standen als weiblich empfundene Elemente auch im Mittelpunkt verschiedener Institutionen, die sich auf Luise beriefen. Der Luisen-Orden wurde Frauen dafür verliehen, dass sie ''„den Männern unserer tapferen Heere … in pflegender Sorgfalt Labsal und Linderung“'' verschafften.<ref>Zitat nach Günter de Bruyn: ''Preußens Luise. Vom Entstehen und Vergehen einer Legende.'' Siedler Verlag, Berlin 2001, ISBN 3-88680-718-5, Seite 72.</ref> Neben mehreren Mädchenschulen trug ein Stift Luises Namen, das seit 1807 für ''„verwahrloste und verlassene Knaben“'' sorgte, ebenso eine Stiftung von 1811, in der deutsche Erzieherinnen ausgebildet wurden – sie sollten in vornehmen Familien statt der französischen [[Gouvernante]]n tätig werden. Im Spendenaufruf für diese Stiftung wurde in Hinblick auf Luise besonders hervorgehoben ''„Ihr Sinn für Häuslichkeit, Ihre treue Liebe zum Gemahl und zu Ihren Kindern, Ihr Gefühl für Alles, was gut und edel und groß ist“.'' <ref>Zitat nach ''Die Mark Brandenburg. Zeitschrift für die Mark und das Land Brandenburg.'' Heft 65. Marika Großer Verlag, Berlin 2007, {{ISSN|0939-3676}}, Seite 31.</ref> === Weimarer Republik und „Drittes Reich“ === In begrenztem Umfang diente Luise auch in der [[Weimarer Republik|ersten deutschen Republik]] noch als Identifikationsfigur, obwohl die Verehrung nicht mehr staatlich unterstützt wurde. Ihre Standhaftigkeit in schwerer Zeit ließ sich auf die schwierige Situation nach dem verlorenen [[Erster Weltkrieg|Ersten Weltkrieg]] übertragen. Als Leitbild wurde sie insbesondere von politischen Gruppierungen wie der [[Deutschnationale Volkspartei|Deutschnationalen Volkspartei]] und dem [[Königin-Luise-Bund]] in Anspruch genommen. Die DNVP war eine rechtskonservativ-monarchistische Partei, die 1933 geschlossen zur Einheitspartei des „[[Drittes Reich|Dritten Reiches]]“, der [[Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei|NSDAP]] übertrat; in ihren Wahlkämpfen hatte sie Plakate mit dem Bild der Königin Luise eingesetzt. Der Königin-Luise-Bund, eine monarchistische Frauenorganisation, existierte zwischen 1923 und 1934 und stand politisch dem demokratiefeindlichen Frontkämpferbund „[[Stahlhelm, Bund der Frontsoldaten|Stahlhelm]]“ nahe. Während der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft von 1933 bis 1945 verlor der Luisenkult weiter an Bedeutung. Man nahm es hin, wenn vereinzelt an Luise erinnert wurde, benutzte sie aber nicht für die eigene [[Propaganda]], nicht einmal bei der Werbung für den staatlich angestrebten Kinderreichtum. Das tradierte Bild der passiv leidenden Frau passte nicht in das [[Ideologie|ideologische]] Konzept von männlicher Kraft und Härte, wie es in jener Zeit propagiert wurde. === Ende des Mythos === Die Luisen-Verehrung in ihrer traditionellen Form endete spätestens nach dem [[Zweiter Weltkrieg|Zweiten Weltkrieg]]. 1947 lösten die siegreichen [[Alliierte]]n den Staat Preußen formell auf – eine Folge der Tatsache, dass zuvor die Nationalsozialisten sich zu dessen legitimen Erben ernannt und damit auch ihre Verbrechen mit dem Namen dieses Staates verknüpft hatten. In beiden deutschen Nachkriegsstaaten wurde das Wort ''Preußen'' zum Synonym für Militarismus und Untertanenmentalität. In der [[Deutschland|Bundesrepublik Deutschland]] begann erst gegen Ende der 1970er Jahre eine differenziertere Bewertung der preußischen Geschichte, noch später folgte darin die [[Deutsche Demokratische Republik|DDR]], in der man mit Relikten dieser Zeit besonders rigoros umgegangen war. Königin Luise war Mittelpunkt eines Mythos, der sich fast 150 Jahre lang mehr oder weniger direkt auf den „Erbfeind“ Frankreich bezogen hatte. In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts war dieser Bezug gegenstandslos geworden, ebenso das Frauenideal, das sie verkörpern sollte, die Personalunion von treusorgender Ehefrau, vielfacher Mutter und unerschütterlich dem Vaterlande dienender Dulderin. === Kritische Stimmen === Mehr als ein Jahrhundert lang bestimmten uneingeschränktes Lob, Verehrung, beinahe schon Anbetung das Bild Luises in der Öffentlichkeit. Es gab aber, sozusagen im Hintergrund, immer auch abweichende Stimmen – sie betrafen die Person der Königin ebenso, wie die zuweilen maßlose Verehrung, die ihr entgegengebracht wurde. Die kritische Einstellung des Freiherrn vom Stein ihr gegenüber hatte Luise selbst registriert. Ein anderer Kritiker aus eigenem Erleben war [[Friedrich August Ludwig von der Marwitz]]. Der General und erzkonservative Politiker, entschiedener Gegner der Stein-Hardenbergschen Reformen, hatte durch seine Frau Zugang zum preußischen Hof. An Luise beobachtete er den ''„Triumph der Schönheit und Anmut“,'' obwohl sie ''„nie in den Fall gekommen ist, Taten zu verrichten, die ihr eine so überschwängliche Liebe und Verehrung hätten zuwenden können …“''; auch sei sie kaum mit dem Volk in Berührung gekommen, außer ''„vielleicht durch einzelne Worte, die man von ihr hörte – und diese waren keineswegs geistreich …“.'' Zudem missfiel ihm ''„… ihre Eitelkeit. Sie war sich ihrer Schönheit bewusst […] und liebte den Putz mehr als nötig war.“'' <ref>Zitate nach Christian Graf von Krockow: ''Porträts berühmter deutscher Frauen von Königin Luise bis zur Gegenwart.'' List Taschenbuch, 2004, ISBN 3-548-60448-X, Seiten 20, 26.</ref> Von [[Alexander von Humboldt]] berichtete der Schriftsteller und Diplomat [[Karl August Varnhagen von Ense]], er sei durch die heftige Luisenverehrung dazu veranlasst worden, sich negativ über Luises Charakter zu äußern.<ref>Günter de Bruyn: ''Preußens Luise. Vom Entstehen und Vergehen einer Legende.'' Siedler Verlag, Berlin 2001, ISBN 3-88680-718-5, Seite 61.</ref> [[Theodor Fontane]] schätzte ''„Reinheit, Glanz und schuldloses Dulden“'' der Königin, lehnte aber entschieden ab, was offensichtlich nicht mit der historischen Wahrheit übereinstimmte. In den „[[Wanderungen durch die Mark Brandenburg]]“ schrieb er 1862: ''„Mehr als von der Verleumdung ihrer Feinde hat Luise von der [[Gemeinplatz|Phrase]]<nowiki />nhaftigkeit ihrer Verehrer zu leiden gehabt. Sie starb nicht am ‚Unglück ihres Vaterlandes’, das sie freilich bitter genug empfand. Übertreibungen, die dem Einzelnen seine Gefühlsregungen zuschreiben wollen, reizen nur zum Widerspruch.“'' <ref>Zitate nach Günter de Bruyn: ''Preußens Luise. Vom Entstehen und Vergehen einer Legende.'' Siedler Verlag, Berlin 2001, ISBN 3-88680-718-5, Seiten 58/59.</ref> Grundsätzlicher war die Kritik des [[Marxismus|marxistischen]] Historikers und [[Sozialdemokratie|Sozialdemokraten]] [[Franz Mehring]]. Er griff die Episode auf, in der vom Stein 1808 von der Reise nach Sankt Petersburg abgeraten hatte, unter Hinweis auf die hohen Kosten bei gleichzeitiger Notlage der Bevölkerung in Ostpreußen. Mehring sah darin ein typisches Beispiel für die soziale Verantwortungslosigkeit des Königshauses. Die Verehrung Luises nannte er einen ''„[[Byzantinismus|byzantinischen]] Schwindel“.'' <ref>Günter de Bruyn: ''Preußens Luise. Vom Entstehen und Vergehen einer Legende.'' Siedler Verlag, Berlin 2001, ISBN 3-88680-718-5, Seite 54.</ref> == Gegenwart == [[Datei:Stamps of Germany (Berlin) 1989, MiNr 845.jpg|miniatur|hochkant=0.7]] Eine mythisch verklärte Kultfigur ist Luise von Mecklenburg-Strelitz heute nicht mehr. Sie wird jedoch als interessante, auch emotional anrührende Persönlichkeit der deutschen Geschichte wahrgenommen. Historiker und Literaten beschäftigen sich mit ihr – mit dem Menschen und mit dem Mythos. Institutionen, Straßen und Plätze tragen ihren Namen. Ein Wert der Briefmarken-Dauerserie „[[Frauen der deutschen Geschichte]]“ der Deutschen Bundespost, 1989 herausgegeben, zeigt ihr Porträt. Souvenirhandel und Tourismus greifen auf sie zurück. Eine [[Königin-Luisen-Route|Königin-Luise-Route]], initiiert von der Verwaltung der Staatlichen Schlösser und Gärten [[Mecklenburg-Vorpommern]] und der [[Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg]], soll bis zum 200. Todestag Luises im Jahr 2010 fertiggestellt werden; 10 Stationen ihres Lebens zwischen Hohenzieritz im Norden und Paretz im Süden können auf dieser Strecke besichtigt werden. Bis 2010 soll auch die Sanierung des [[Mausoleum_im_Schlosspark_Charlottenburg|Mausoleums im Park des Schlosses Charlottenburg]] abgeschlossen sein, einschließlich des gärtnerischen Wiederherstellung des Umfeldes nach historischen Maßstäben. An ihrem [[Hohenzieritz|Sterbeort]], wo es eine [[Schloss Hohenzieritz|Gedenkstätte]] gibt, und in [[Neustrelitz]] finden alljährlich Veranstaltungen zum Thema Königin Luise statt. Im Gedenkjahr 2010 wurden in Berlin und Brandenburg verschiedene Ausstellungen zum Thema Luise durchgeführt. Im Berliner [[Schloss Charlottenburg]]: ''Luise. Leben und Mythos der Königin.'' Auf der [[Pfaueninsel]] in Berlin: ''Die Inselwelt der Königin'' und im Schloss [[Paretz]]: ''Die Kleider der Königin.'' Am 18. Juni 2009 wurde in Magdeburg ein in DDR-Zeiten abgerissenes Luisendenkmal wieder aufgestellt. == Abstammung == <center>{{Ahnentafel-compact4 |style=font-size: 90%; line-height: 130%; |border=1 |boxstyle=padding-top: 0; padding-bottom: 0; |boxstyle_1=background-color: #eee; |boxstyle_2=background-color: #eee; |boxstyle_3=background-color: #eee; |boxstyle_4=background-color: #eee; |1= '''Luise von Mecklenburg-Strelitz'''</br>* 10. März 1776; † 19. Juli 1810 |2= [[Karl II. (Mecklenburg)|Karl II. zu Mecklenburg]]</br>* 10. Oktober 1741; † 6. November 1816</br>∞ 18. September 1768 |3= [[Friederike Caroline Luise von Hessen-Darmstadt]]</br>* 20. August 1752; † 22. Mai 1782 |4= [[Karl zu Mecklenburg (1708–1752)|Karl Friedrich Ludwig zu Mecklenburg]]</br>* 23. Februar 1708; † 5. Juni 1752</br>∞ 5. Februar 1735 |5= [[Elisabeth Albertine von Sachsen-Hildburghausen]]</br>* 4. August 1713; † 29. Juni 1761 |6= [[Georg Wilhelm von Hessen-Darmstadt]]</br>* 11. Juli 1722; † 21. Juni 1782</br>∞ 16. März 1748 |7= [[Maria Luise Albertine zu Leiningen-Dagsburg-Falkenburg]]</br>* 16. März 1729; † 11. März 1818 |8= [[Adolf Friedrich II. (Mecklenburg)|Adolf Friedrich II. zu Mecklenburg]]</br>* 19. Oktober 1658; † 12. Mai 1708</br>∞ 10. Juni 1705 |9= [[Emilie von Schwarzburg-Sonderhausen]]</br>* 13. März 1681; † 1. November 1751 |10=[[Ernst Friedrich I. (Sachsen-Hildburghausen)|Ernst Friedrich I. von Sachsen-Hildburghausen]]</br>* 21. August 1681; † 9. März 1724</br>∞ 4. Februar 1704 |11=[[Sophia Albertine von Erbach]]</br>* 30. Juli 1683; † 4. September 1742 |12=[[Ludwig VIII. (Hessen-Darmstadt)|Ludwig VIII. Landgraf von Hessen-Darmstadt]]</br>* 5. April 1691; † 17. Oktober 1768</br>∞ 5. April 1717 |13=[[Charlotte Christine Magdalene Johanna von Hanau-Lichtenberg]]</br>* 2. Mai 1700; † 1. Juni 1726 |14=[[Christian Karl Reinhard (Leiningen-Dagsburg-Falkenburg)|Christian Karl Reinhard von Leiningen-Dagsburg]]</br>* 17. Juli 1695; † 17. November 1766</br>∞ 27. November 1726 |15=[[Katharina Polyxena von Solms-Rödelheim]]</br>* 1702; † 21. März 1765 }}</center> == Nachkommen == * Geburt einer toten Tochter (†* 7. Oktober 1794) * Kronprinz [[Friedrich Wilhelm IV. (Preußen)|Friedrich Wilhelm]] (* 15. Oktober 1795; † 2. Januar 1861), der spätere König Friedrich Wilhelm IV. * [[Wilhelm I. (Deutsches Reich)|Prinz Wilhelm]] (* 22. März 1797; † 9. März 1888), der spätere König und Deutsche Kaiser Wilhelm I. * Prinzessin [[Friederike Luise Charlotte Wilhelmine von Preußen|Charlotte]] (* 13. Juli 1798; † 1. November 1860), als ''Alexandra Fjodorowna'' ∞ 1817 [[Zar]] [[Nikolaus I. (Russland)|Nikolaus I. von Russland]] * Prinzessin Friederike (* 14. Oktober 1799; † 30. März 1800) * [[Karl von Preußen|Prinz Karl]] (* 29. Juni 1801; † 21. Januar 1883) * Prinzessin [[Alexandrine von Preußen (1803–1892)|Alexandrine]] (* 23. Februar 1803; † 21. April 1892) ∞ 1822 Großherzog [[Paul Friedrich (Mecklenburg)|Paul Friedrich von Mecklenburg-Schwerin]] * Prinz Ferdinand (* 13. Dezember 1804; † 1. April 1806) * Prinzessin [[Luise von Preußen (1808–1870)|Luise]] (* 1. Februar 1808; † 6. Dezember 1870) ∞ 1825 Prinz [[Wilhelm Friedrich Karl von Oranien-Nassau|Friedrich der Niederlande]] * [[Albrecht von Preußen (1809–1872)|Prinz Albrecht]] (* 4. Oktober 1809; † 14. Oktober 1872) == Stiftungen == Luise hatte selbst oder es wurden nach ihrem Tode in ihrem Namen oder zu ihrem Gedenken [[Stiftung]]en ins Leben gerufen. Dazu gehören folgende Stiftungen:<ref>Andreas Hentschel: ''Hilfe für verarmte Mädchen.'' In ''Brandenburger Blätter.'' (Beilage der [http://www.moz.de Märkischen Oderzeitung]), 9.&nbsp;April 2010, S.&nbsp;14.</ref> * 1807 war sie Namenspatronin des Luisenstifts, einer "[[Erziehung]]s-Anstalt für [[Armut|arme]] [[Knabe]]n". Sie gab auf Bestreben der [[Gesellschaft der Humanitätsfreunde]] nicht nur ihren Namen, sondern übernahm auch den [[Unterhalt]] für vier Jungen. * Nach ihrem Ableben wurde an ihrem ersten Todestag am 19.&nbsp;Juli 1811 die [[Königin-Luise-Stiftung|Luisen-Stiftung]] gegründet, eine "Anstalt zur [[Erziehung]] junger Mädchen". Diese Stiftung besteht als [[Privatschule]] heute noch. * Auf ihren Namen berief sich eine Stiftung, die jährlich an ihrem Todestag den armen und sogenannten [[Luisenbraut|Luisenbräuten]] einen Teil der oder die gesamte [[Aussteuer]] zahlte. == Filme == * 1913: Der Film von der Königin Luise. Regie: [[Franz Porten]], Darsteller: [[Hansi Arnstädt]] (Königin Luise) * 1927: ''Königin Luise. 1. Teil: Die Jugend der Königin Luise.'' Regie [[Karl Grune]] <ref>[http://www.filmportal.de/df/0f/Uebersicht,,,,,,,,60170ABCA1F54E149247801EE95B7130,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,.html ''Königin Luise. 1. Teil: Die Jugend der Königin Luise.''] auf filmportal.de. Abgerufen am 9. Mai 2010.</ref> * 1927/28: ''Königin Luise. 2. Teil.'' Regie [[Karl Grune]] <ref>[http://www.filmportal.de/df/f9/Uebersicht,,,,,,,,E239EADF07CD43728880F45517182B8F,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,.html ''Königin Luise. 2. Teil.''] auf filmportal.de. Abgerufen am 9. Mai 2010.</ref> * 1931: ''Luise, Königin von Preußen.'' Regie [[Carl Froelich]], Darstellerin: [[Henny Porten]] * 1957: ''Königin Luise.'' Regie: [[Wolfgang Liebeneiner]], Darstellerin: [[Ruth Leuwerik]] (Königin Luise) * 2005: ''Vivat – Königin Luise im Fichtelgebirge.'' Regie: Gerald Bäumler * 2010: ''Luise – Königin der Herzen.'' Dokumentarfilm von Georg Schiemann mit [[Luise Bähr]] als Königin Luise * Vgl. dazu: Rolf Parr: ''„Das ist unnatürlich, schlimmer: bürgerlich“ – Königin Luise im Film.'' In: ''Zeitdiskurse. Reflexionen zum 19. und 20. Jahrhundert als Festschrift für Wulf Wülfing.'' Hrsg. v. Roland Berbig / Martina Lauster / R. P. Heidelberg, Synchron 2004, (mit Abb. und Filmographie), ISBN 3-935025-55-6, S. 135–164. == Literatur == === Quellen === * [[Karl Griewank]] (Hrsg.): ''Königin Luise. Briefe und Aufzeichnungen.'' Bibliographisches Institut, Leipzig 1924. * Malve Rothkirch (Hrsg.): ''Königin Luise von Preußen. Briefe und Aufzeichnungen 1786–1810.'' Dt. Kunstverlag, München 1985, ISBN 3-422-00759-8. * Carsten Peter Thiede, Eckhard G. Franz: ''Jahre mit Luise von Mecklenburg-Strelitz. Aus Aufzeichnungen und Briefen der Salomé von Gélien (1742–1822).'' In: ''Archiv für hessische Geschichte und Altertumskunde.'' Band 43, Darmstadt 1985, {{ISSN|0066-636X}}, S.&nbsp;79–160. === Darstellungen === * {{ADB|19|815|825|Luise|[[Paul Bailleu]]|ADB:Luise (Königin von Preußen)}} * Hanne Bahra: ''Königin Luise. Von der Provinzprinzessin zum preußischen Mythos.'' Bruckmann-Vedrlag, München 2009, ISBN 978-3-7658-1825-7. * [[Franz Blei]]: ''Königin Luise von Preußen.'' In: Ders.: ''Gefährtinnen. Mit 20 Porträts.'' Reimar Hobbing, Berlin 1931. * [[Günter de Bruyn]]: ''Preußens Luise. Vom Entstehen und Vergehen einer Legende.'' Siedler, Berlin 2001, ISBN 3-88680-718-5 (mit Zitatennachweis, Bibliographie und Bildquellenverzeichnis). * Philipp Demandt: ''Luisenkult. Die Unsterblichkeit der Königin von Preußen.'' Böhlau, Köln u.a. 2003, ISBN 3-412-07403-9. * Karin Feuerstein-Praßer: ''Die Preußischen Königinnen.'' Pustet, Regensburg 2000, ISBN 3-7917-1681-6. Als Taschenbuch: Piper, München 2005, ISBN 3-492-23814-9 (''Serie Piper'' 3814). * Jan von Flocken: ''Luise. Eine Königin in Preußen. Biographie.'' Verlag Neues Leben, Berlin 1989, ISBN 3-355-00987-3. * Paul Gärtner und Paul Samuleit (Hrsg.): ''Luise.Königin von Preußen.'' Buchverlag der Hilfe, Berlin-Schöneberg 1910. * [[Claudia von Gélieu]], Christian von Gélieu: ''Die Erzieherin von Königin Luise. [[Salomé de Gélieu]].'' Pustet, Regensburg 2007, ISBN 978-3-7917-2043-2. * Dagmar von Gersdorff: ''Königin Luise und Friedrich Wilhelm&nbsp;III. Eine Liebe in Preußen.'' Rowohlt, Berlin 1996, ISBN 3-87134-221-1. Als Taschenbuch: Rowohlt, Reinbek bei Hamburg 1998, ISBN 3-499-22532-8 (''rororo'' 22615). * Heinrich Hartmann: ''Luise. Preußens große Königin.'' Verlag Türmer, Berg/Starnberger See 1985, ISBN 3-878-29088-8. * [[Christian Graf von Krockow]]: ''Porträts berühmter deutscher Frauen. Von Königin Luise bis zur Gegenwart.'' List Verlag, München 2001, ISBN 3-471-79447-6, S.&nbsp;11–57. * Friedrich Ludwig Müller, Beatrice Härig: ''Luise. Aufzeichnungen über eine preußische Königin.'' Hauptband mit Begeleitheft. Monumente-Publikation der Deutschen Stiftung Denkmalschutz. Bonn 2001, ISBN 3-935208-07-3. * [[Heinz Ohff]]: ''Ein Stern in Wetterwolken. Königin Luise von Preußen. Eine Biographie.'' Piper, München und Zürich 1989, ISBN 3-492-03198-6. Als Taschenbuch: 8. Auflage. Piper, München 2002, ISBN 3-492-21548-3 (''Serie Piper'' 1548). * [[Daniel Schönpflug]]: ''Luise von Preußen. Königin der Herzen.'' C.H. 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Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2005, ISBN 3-525-35581-5 (''Formen der Erinnerung,'' Bd. 23), S.&nbsp;145–174. === Belletristik === * Elisabeth Halden: ''Königin Luise.'' Verlag von Herm. J. Meidinger, Berlin 1910. * Sophie Hochstetter: ''Königin Luise.'' Rich. Bong, Berlin 1926. * Else von Hollander-Lossow: ''Die unsterbliche Königin.'' Easemann, Leipzig 1934. * Hermann Dreyhaus: ''Königin Luise.'' Union Deutsche Verlagsgesellschaft, Stuttgart-Berlin-Leipzig. * Egon Richter: ''Die letzte Fahrt der Königin Luise.'' Verlag der Nation, Berlin, Hauptstadt der DDR 1988. * Bettina Hennig: ''Luise Königin aus Liebe.'' Goldmann Verlag, München 2009, ISBN 978-3-442-46406-7. == Weblinks == {{Commons|Luise von Mecklenburg-Strelitz}} {{Commonscat|Die Königin Luise in 50 Bildern für Jung und Alt}} * {{DNB-Portal|118575155}} {{LBMV PPN|233261893}} {{BAM|Königin Luise von Preußen}} * [http://www.preussen.de/de/geschichte/1797_friedrich_wilhelm_iii./koenigin_luise.html Königin-Luise von Preußen auf der offiziellen Website des Hauses Hohenzollern] * [http://www.fes.de/fulltext/historiker/00671006.htm Patricia Drewes: ''Königin Luise von Preußen – Geschichte im Spiegel des Mythos'' in der Digitalen Bibliothek der Friedrich Ebert Stiftung] * {{FemBio|http://www.fembio.org/biographie.php/frau/biographie/luise-von-preussen/}} * [http://www.koenigin-luise.com/ Königin Luise von Preussen] – Hans Dieter Mueller. * [http://www.preussen-chronik.de/person.jsp?key=Person_Luise_von+Mecklenburg-Strelitz Luise von Mecklenburg-Strelitz „Königin der Herzen“] * [http://www.louisen-gedenkstaette.de Gedenkstätte am Sterbeort] * [http://www.hohenzieritz.de/Hi_luise.html Hohenzieritz] == Einzelnachweise == <references/> == Siehe auch == * [[Königin Luise (1913)]], Passagierschiff * [[Louisendorf]], Stadtteil von [[Bedburg-Hau]]. {{Exzellent}} {{Normdaten|PND=118575155}} [[Kategorie:Königin (Preußen)]] [[Kategorie:Haus Mecklenburg]] [[Kategorie:Geboren 1776]] [[Kategorie:Gestorben 1810]] [[Kategorie:Frau]] {{Personendaten |NAME=Luise von Mecklenburg-Strelitz |ALTERNATIVNAMEN=Luise Auguste Wilhelmine Amalie zu Mecklenburg |KURZBESCHREIBUNG=preußische Königin |GEBURTSDATUM=10. März 1776 |GEBURTSORT=[[Hannover]] |STERBEDATUM=19. Juli 1810 |STERBEORT=[[Schloss Hohenzieritz]] bei [[Neustrelitz]] }} [[bg:Луиза фон Мекленбург-Щрелиц]] [[ca:Lluïsa de Mecklenburg-Strelitz]] [[en:Louise of Mecklenburg-Strelitz]] [[eo:Luiza de Meklenburgo-Strelitz]] [[es:Louise von Mecklenburg-Strelitz]] [[fr:Louise de Mecklembourg-Strelitz]] [[it:Luisa di Meclemburgo-Strelitz]] [[ja:ルイーゼ・フォン・メクレンブルク=シュトレーリッツ]] [[lt:Luizė]] [[nl:Louise van Mecklenburg-Strelitz]] [[no:Louise av Mecklenburg-Strelitz]] [[pl:Luiza Pruska]] [[pt:Luísa de Mecklenburg-Strelitz]] [[ro:Louise de Mecklenburg-Strelitz]] [[ru:Луиза (королева Пруссии)]] [[sv:Louise av Mecklenburg-Strelitz]] kbg0o7hht214kemaai4av2efya4hfj0 wikitext text/x-wiki Lustschloss Favorite (Mainz) 0 23874 26470 2010-04-06T17:55:09Z Jergen 0 /* Figurenschmuck */ links Das '''Lustschloss Favorite''' (oft auch kurz nur die ''Favorite'' genannt) am Mainzer [[Rhein]]ufer war eine bedeutende [[Barock|barocke]] Anlage im kurfürstlichen [[Kurmainz|Mainz]] mit aufwändigen Gartenanlagen und Wasserspielen. Erbaut wurde die Favorite in mehreren Bauabschnitten, beginnend mit dem Jahr 1700. Fertiggestellt wurde sie im Wesentlichen um das Jahr 1722. Ihr Bauherr, [[Lothar Franz von Schönborn]] [[Kurfürst]] von Mainz, entstammte einer der bedeutendsten [[Franken (Region)|fränkisch]]-[[Mittelrhein|mittelrheinischen]] Adelsfamilien der damaligen Zeit und war Bauherr vieler barocker Gärten und Paläste. Das [[Lustschloss]] Favorite wurde während der [[Belagerung von Mainz (1793)|Belagerung von Mainz]] 1793 im Rahmen der [[Koalitionskriege]] vollständig zerstört. Vorbild der Anlage war das französische Lustschloss [[Schloss Marly-le-Roi|Marly-le-Roi]] von [[Ludwig XIV.]] Das Lustschloss Favorite gilt mit seiner Weiterentwicklung der formalistisch-frühbarocken Gartengestaltung im Stile von [[Schloss Versailles|Versailles]] als Vorbild für viele weitere, später entstandene, Gartenanlagen der nachfolgenden spätbarocken Epoche der [[Barockpark|Gartenkunst]].<ref>[[Dieter Hennebo]], Alfred Hoffmann: ''Geschichte der deutschen Gartenkunst, Band II: Der architektonische Garten – Renaissance und Barock''. S. 262</ref> [[Datei:Gesamtansicht Favorite.jpg|miniatur|450px|Gesamtansicht der Favorite, Stich von Kleiner 1726]] == Vorgeschichte == Das Gelände der Favorite lag direkt am Rheinufer gegenüber der [[Main]]<nowiki>mündung</nowiki> und südlich des mittelalterlichen Festungsrings vor den Toren von Mainz. Bereits im Mittelalter wurde es für Gartenanlagen genutzt. Hier befand sich der ältere Abts- sowie der Stiftsgarten des späteren Stiftes [[Stift St. Alban vor Mainz|St. Alban vor Mainz]]. St.&nbsp;Alban wurde am Abend des 28. August 1552 im [[Zweiter Markgrafenkrieg|Zweiten Markgrafenkrieg]] durch Markgraf [[Albrecht II. Alcibiades (Brandenburg-Kulmbach)|Albrecht Alcibiades von Brandenburg-Kulmbach]] ausgeplündert und vollständig zerstört. 1672 erwarb [[Christoph Rudolf von Stadion|Christoph Rudolf Reichsfreiherr von Stadion]] den Stiftsgarten. Nachdem er 1692 den angrenzenden Abtsgarten erwerben konnte, vereinigte er beide Gärten. Stadion war Ende des 17. Jahrhunderts eine bedeutende Persönlichkeit im kurfürstlichen Mainz: er war [[Hofrat]]spräsident, [[Propst|Dompropst]], Propst von St. Alban und selbst mehrfacher Kandidat für das Kurfürstenamt. Auch er wollte sich im Rahmen der damals aufkommenden Mode einen standesgemäßen [[Barockpark|barocken Lustgarten]] bauen. In der darauf folgenden Zeit entstand aus den nun zusammengelegten älteren Gartenanlagen ein fünf Hektar großer Nutz- und Lustgarten im Stil des Hochbarocks mit eingeschossigem Rheinschlösschen, Wirtschaftsgebäuden, Weinbergen sowie Obst- und Zierbäumen, der so genannte ''Stadionsche Garten''. Nach dem Tod Stadions im Jahr 1700 erwarb der erst sechs Jahre zuvor gewählte Kurfürst von Mainz, [[Lothar Franz von Schönborn]], das Anwesen von den Erben für 16.500 [[Reichstaler]]. Die ca. 400 m lange und 140 m breite Gartenanlage sollte das Kernstück für das von ihm geplante Lustschloss Favorite werden. == Baugeschichte == [[Datei:Kurfürst Lothar Franz von Schönborn.jpg|miniatur|Lothar Franz von Schönborn]] Als 1694 Lothar Franz von Schönborn zum Kurfürsten von Mainz gewählt wurde, begann für die Stadt Mainz nicht nur in städtebaulicher Hinsicht eine barocke Blütezeit. Schönborn, aus bedeutendem mittelrheinisch-fränkischem Adelsgeschlecht, entsprach dem Idealtypus eines [[Absolutismus|absolutistisch]] regierenden und Prunk liebenden Barockfürsten. Zugleich war er, wie er in gewisser Selbsterkenntnis feststellte, wie viele andere Mitglieder der Schönborn-Familie ''„vom Bauwurmb“'' besessen. In seiner in größerem Umfang erhalten gebliebenen Privatkorrespondenz ist dazu auch folgender Ausspruch von ihm überliefert: ''„Das Bauen ist eine Lust und kost viel Geld, einem jeden Narren seine eigene Kapp gefällt.“'' <ref>Die umfangreiche Privatkorrespondenz des Kurfürsten befindet sich heute als Korrespondenzarchiv im [http://www.gda.bayern.de/archive/wzb/107.php Staatsarchiv Würzburg]</ref> Als Kurfürst von Mainz plante er für seine Residenzstadt einen repräsentativen barocken Lustgarten. Vorbild für die Namensgebung war die habsburgische [[Öffentliches Gymnasium der Stiftung Theresianische Akademie|''Favorita'' bei Wien]], eine [[Reverenz]] des Kurfürsten und Erzkanzlers an das ihm politisch nahe stehende Herrscherhaus der [[Habsburger]]. Aus baulicher Sicht sollte das 1680 bis 1686 erbaute Marly-le-Roi als Vorbild dienen, so nannte Schönborn sein Lustschloss Favorite gerne ''le petit Marly'' (das kleine Marly). Aufgrund seiner umfangreichen Bautätigkeit und den oft parallel laufenden großen Bauprojekten in seinen geistlichen Fürstentümern konnte Schönborn beim Bau der Favorite auf eine Vielzahl von fähigen Baumeistern zurückgreifen. Diese nannte er scherzhaft-respektvoll ''„meine klugen Bau-Dirigierungsgötter.“'' Mit [[Maximilian von Welsch]], Ingenieuroffizier, Kurmainzer Oberbaudirektor und bekannter Festungsbauarchitekt, stand ihm ein solcher zur Verfügung. Dieser wiederum überließ die gärtnerischen Arbeiten dem leitenden Obergärtner Johann Kaspar Dietmann, dessen gärtnerische Sachkenntnis auch der Kurfürst sehr schätzte und auch anderen Ortes einsetzte. In künstlerisch-gestalterischen Fragen arbeitete Welsch eng mit dem „Hofkavalier-Architekten“ [[Philipp Christoph von und zu Erthal]], dem Erbauer des gleichnamigen Erthaler Hofes, zusammen. Ein dritter beteiligter Architekt war Freiherr von Rotenhan, als Obrist-Stallmeister ebenfalls in kurfürstlichen Diensten. In der späteren Bau- und Umbauphase (ab 1725) kamen bei der Ausgestaltung der Favorite zudem noch Einflüsse des als „Kavaliersarchitekten“ bezeichneten [[Anselm Franz Freiherr von Ritter zu Groenesteyn]] und&nbsp;– durch dessen Vermittlung&nbsp;– des Pariser Hofarchitekten [[Germain Boffrand]] hinzu. Für die komplizierten Wasserarbeiten gewann Schönborn 1724 den bekannten Baumeister Abraham Huber aus [[Salzburg]], den er respekt- wie humorvoll ''neptunum abrahamum'' nannte. === Erste Bauphase (1700 bis 1722) === Nach dem Erwerb des Stadionschen Gartens im Jahr 1700 begann Schönborn sofort mit dem Ausbau der Anlage. Seine Architekten folgten zuerst der Ausrichtung der Vorgängeranlage und orientierten sich längs des Rheins in Richtung Mainz. Die so genannte erste Anlage bestand aus einem Hauptgebäude, einem zweiflügeligen eingeschossigen Rheinschlösschen. Dieses lag mit seiner Schmalseite, wo sich auch der Haupteingang befand, direkt am Rhein, nur durch einen Fahrweg von ihm getrennt. Genutzt wurde dieses Gebäude als Konzert- und Speisesaal. [[Bild:Thetisgrotte.jpg|thumb|Erste Gartenanlage mit Broderieparterre und Wasserbecken und den Pavillons]] Daran schloss sich eine schmale Gartenanlage mit Skulpturenschmuck des Vorgängergartens an, deren Hauptachse ebenfalls Richtung Mainz wies. Die Anlage, die im Wesentlichen noch Form und Umfang des Stadionschen Gartens übernahm, bestand in dieser Form bis etwa 1705. Ab ca. 1708 (sicher nachgewiesen ab 1710) wurde der Kurfürstliche Festungsbaumeister Maximilian von Welsch dauerhaft zu dem Bauprojekt hinzugezogen. Bis 1714 gingen die weiteren Bauarbeiten nur schleppend voran. Der von 1701 bis 1714 stattfindende [[Spanischer Erbfolgekrieg|Spanische Erbfolgekrieg]] sorgte, wenn auch indirekt, für eine Bedrohung des kurfürstlichen Mainz durch die Franzosen, zumal die Anlage außerhalb des Festungsgürtels lag. Andererseits belastete diese Auseinandersetzung auch in nicht unwesentlichem Maße die Ressourcen des Kurfürstentums, so dass Lothar Franz von Schönborn sein wichtigstes Mainzer Bauprojekt teilweise zurückstellen musste. Allerdings ist aus noch vorhandenen Rechnungen auch bekannt, dass die Arbeiten an der Favorite Schönborn bis 1710 bereits 93.641 [[Gulden]] und 58 [[Kreuzer (Münze)|Kreuzer]] gekostet haben. Für die ersten Jahre wird auch von größeren Pflanzeneinkäufen berichtet. So weist die Jahresabrechnung von 1702 6000 [[Hainbuche]]n aus dem [[Spessart]], [[Eiben|Taxusbüsche]] und Kastanienbäume auf. Diese wurden für die Gestaltung des Boulingrin im nördlichsten Gartenteil verwendet, der damit zu den ältesten, unter Schönborn entstandenen Gartenteilen zählt.<ref>Bernd Blisch: ''Vom höfischen Vergnügen zur bürgerlichen Entspannung. Zur Geschichte der Favorite und des Stadtparks in Mainz.'' In: Hedwig Brüchert (Hrsg.): ''Vom kurfürstlichen Barockgarten zum Stadtpark. Die Mainzer Favorite im Wandel der Zeit.'' S.&nbsp;64 ff.</ref> Trotzdem konnten 1711/1712 die großen Wasserterrassen des unteren Parterres sowie des darüber liegenden Hauptparterres fertig gestellt werden. Ab 1717 folgte der Bau der eigentlichen Schlossanlage am oberen Ende des Hauptparterres, vom Rheinufer aus gesehen. Ursprünglich als zentrales Bauobjekt in der Anlage geplant, übernahm die Schlossanlage nun die Funktion einer prunkvollen Orangerie. Ebenfalls 1717/1718 baute Welsch das Hauptparterre mit seinen sechs halbkreisförmig angeordneten [[Kavaliershaus|Kavaliershäusern]] aus. Mit der figürlichen Ausgestaltung der einzelnen Anlagen beauftragte der Kurfürst seinen Hofbildhauer [[Franz Matthias Hiernle]]. Die sich rechts des Hauptparterres anschließenden beiden großen Gartenanlagen wurden bis 1722 angelegt. Um 1722 wurde das Lustschloss Favorite mit seinen Gebäuden, Wasserspielen und verschiedenen Gärten als zusammenhängende Anlage vorläufig fertig gestellt. Kurfürst Lothar Franz von Schönborn und seine Nachfolger nutzten die Favorite von da an für Repräsentationszwecke und für Feste des kurfürstlichen Hofstaates. Eine von 1723 bis 1726 von [[Salomon Kleiner]], einem kurfürstlichen Hofingenieur und begabten [[Kupferstecher (Beruf)|Kupferstecher]], angefertigte Serie von 14 Kupferstichen der Favorite (heute teilweise im Besitz des Landesmuseums Mainz) zeigt detailreich aber auch häufig perspektivisch übertreibend die Anlage mit ihren verschiedenen Aspekten nach ihrer Fertigstellung. Ein anonymer zeitgenössischer Bericht <ref>Anonym, nach Küster: ''Mainzer Gartenkunst - Die Westmark'', Nr. 6, Mainz 1921; zitiert in Norbert Schindler: ''Die Favorite zu Mainz und die neue Anlage.''</ref> beschreibt die beeindruckende Wirkung der festlichen Anlage auf den außenstehenden Betrachter: {{Zitat|''Die aufsteigende Anlage der Favorite erschien nie herrlicher als bei nächtlicher Beleuchtung. Wenn man bei solchen Festen von Kostheim kommend auf dem Rhein fuhr, so glaubte'' ''man'' ''ein leuchtendes Feenschloß vor sich zu sehen, was ein glänzendes Bild in tausendfachem Flimmern auf glattem Wasserspiegel abstrahlte. Die sechs sich zur Höhe der Albanschanze erhebenden Pavillons waren wie brennende Paläste. Die Altane und Fassaden schienen aus Brillanten gehauen; die Wasserkünste schleuderten glänzende Edelgesteine gegen den dunklen nächtlichen Himmel. Die Baumgruppen und Alleen warfen ein blendendes Grün zurück und zwischen allen diesen Herrlichkeiten drängten sich die frohen Menschen unter herrlicher Musik.''}} === Zweite Bauphase (1722 bis 1735) === [[Bild:Plan Kleiner 1726.jpg|thumb|Plan der Favorite von 1726, Kupferstich von Kleiner]] In der Regierungszeit des Kurfürsten [[Franz Ludwig von Pfalz-Neuburg]] (1729–1732) kam es zum letzten größeren Ausbau der Favorite. Der Nordteil der Favorite, das so genannte ''[[Bowling Green|Boulingrin]]'' mit seinen ausgedehnten Rosskastanien-Promenaden, wurde umgestaltet. Es entstand dort ein zum Rhein ausgerichtetes Gartenhaus, das so genannte ''Porzellanhaus''. Da zum Kurfürstentum Mainz ab 1746 auch die [[Höchster Porzellanmanufaktur|Porzellanmanufaktur in Höchst]] bei [[Frankfurt am Main]] gehörte, wurden das Porzellanhaus, sowie andere Gebäude der Favorite, in der Spätzeit der Anlage mit Erzeugnissen der Manufaktur ausgestattet. Auch sollen die Innenräume des Gebäudes selbst weiß-blau gekachelt gewesen sein. Der Baumeister war der in Paris ausgebildete Anselm Franz Freiherr von Ritter zu Groenesteyn (auch: zu Gruenstein). Höchstwahrscheinlich hatte aber bereits Lothar Franz von Schönborn diese Erweiterung geplant und vor seinem Tod 1729 bereits mit dem Bau beginnen lassen. === Weitere Aus- und Umbauten bis 1790 === [[Bild:Plan 1779.jpg|thumb|Plan der Favorite von 1779, Kupferstich von [[Georges Louis Le Rouge]]]] Nach der Umgestaltung des Nordteils der Favorite kam es zu keinen größeren bzw. bedeutenden Bauprojekten mehr. Aus praktischen Gründen wurden im westlichen rheinabgewandten Teil der Anlage weitere Stallungen und Wirtschaftsgebäude angebaut, die aber den künstlerischen Aspekt der Anlage nicht beeinflussten. Von größerer Bedeutung für die Außendarstellung der Favorite war allerdings der Ersatz zahlreicher Wasserbecken und -anlagen durch rein gärtnerische Anlagen. Wahrscheinlich waren die für die Wasseranlagen der Favorite angelegten Brunnen auf Dauer nicht in der Lage, die erforderliche Wassermenge zu liefern. 1746 arbeitete Anselm Franz Freiherr von Ritter zu Groenesteyn nochmals an der Orangerie. Die letzten gartengestalterischen Arbeiten an der Favorite wurden etwa 1788–1790 von dem bekannten Gartenarchitekten [[Friedrich Ludwig von Sckell]] mit Änderungen der nun erweiterten Anlage im neuen „[[Englischer Landschaftspark|englischen Stil]]“ vorgenommen.<ref>Heinrich Wohte (Hrsg.): ''Mainz – Ein Heimatbuch''. Band II, S. 182</ref> Sckell erhielt ursprünglich den Auftrag, ''„die Umgebung der Mainzer Favorite im natürlichen Geschmack auszugestalten.''“ Sckell respektierte aber weitghend den alten Gartenbestand. Nach seinen vorgenommenen Veränderungen, die de facto zu zwei stilistisch unterschiedlich geprägten beeinanderliegenden Gartenanlagen führten, zog er ein Resümee: ''„...so dass nun beide in der folge sich ihre Verdienste nicht werden streitig machen; ein jeder wird für sich alleine bestehen und bewundert werden ohne des anderen zuthun.“''<ref name="Karn17">Georg Peter Karn: ''Die Mainzer Favorite des Lothar Franz von Schönborn.'' In: Hedwig Brüchert (Hrsg.): ''Vom kurfürstlichen Barockgarten zum Stadtpark. Die Mainzer Favorite im Wandel der Zeit.'' S.&nbsp;17</ref> Die Arbeiten an den Gartenanlagen der Favorite kamen aber über ein frühes Anfangsstadium nicht hinaus. Sckells Pläne zur Umgestaltung beeinflussten allerdings in den 20er Jahren des 19. Jahrhunderts die Planungen der Neuen Anlage. Weiterreichende Pläne nach 1790, wie zum Beispiel der Ausbau des Rheinschlösschens oder die Erweiterung der Favorite nach dem Ankauf des Geländes der benachbarten [[Kartause]] (dort plante man einen 70&nbsp;m langen Gartensaal), wurden begonnen, aber aufgrund der politischen Lage nicht mehr beendet.<ref name="Karn17"/> [[Datei:Favorite.gif|Übersichtsplan Lustschloss Favorite Mainz]] == Gestaltung der Anlage == === Parkanlagen === [[Datei:Mittelparterre.jpg|miniatur|Mittlere Gartenanlage mit Cascaden und Bosquets]] In den Gartenanlagen des Lustschlosses Favorite fanden sich viele der zur damaligen Zeit verwendeten gartenarchitektonischen Gestaltungsmittel wieder. Bereits der Vorgängergarten wurde Ende des 17. Jahrhunderts in dem zu dieser Zeit vorherrschenden formalen Stil eines französischen Barockgartens gestaltet. So stammt das vor dem Rheinschlösschen liegende, durch ein vertieftes Wasserbecken unterteilte, [[Broderieparterre]] wahrscheinlich aus dem Vorgängergarten der Favorite. Das ''parterre de broderie'' ahmte mittels der Verwendung von [[Gewöhnlicher Buchsbaum|Buchs]] als Gestaltungspflanze sowie verschiedenfarbiger Kies- und Steinmaterialien eine Stickerei ({{frS|''broderie''}}) nach. Ihre Längsausrichtung hin zum Gebäude ließ noch die [[Sichtachse]]n<nowiki>planung</nowiki> des Vorgängergartens erkennen. Laubengänge zwischen den Kavalierpavillons und an der Orangerie rundeten die pflanzliche Gestaltung im oberen Gebäudebereich ab. [[Datei:Promenade2.jpg|miniatur|Die Große Promenade]] In der mittleren Anlage befanden sich kunstvoll geformte Heckenwände, welche für eine Unterteilung der Parkelemente sorgten. Wiederum durch ein rheinseitiges Wasserbecken getrennt, wurden zwei Boulingrins im unteren [[Parterre (Architektur)|Parterre]]<nowiki>bereich</nowiki> angeordnet. Dem schlossen sich nach oben, rheinabgewandt, zwei [[Boskett|Bosquets]] mit [[Cabinet (Garten)|Cabinet]]s (dichte, durch Schnitt geformte Hecken oder Wäldchen mit freigelassenen Zwischenräumen) an, die ein Rasenparterre mit Kübelbäumchen umrahmten. Die dritte und nördlichste Gartenanlage lag der Stadt Mainz am nächsten. Kleinere Springbrunnen und zahlreiche Teppichbeete lockerten den gesamten dritten Gartenteil auf. In dieser Gartenanlage wurden vornehmlich [[Rosskastanie]]n als Gestaltungselemente eingesetzt. Diese waren eine zur damaligen Zeit neuartige Pflanzenentdeckung, die als ''„Maronirn“'' bezeichnet, gerne und oft verwendet wurde. Großflächige Bosquets aus Rosskastanienbäumen und Hecken aus [[Hainbuche]]n umgaben wiederum ein eingetieftes Boulingrin mit Wasserbecken, eine so genannte ''Salle de verdure''.. Hier befand sich auch der Haupteingang der Anlage. Gepflegte Rasenwege, von Kleiner als „Communications-Stiegen“ bezeichnet, führten weiter nach oben zu weiteren Bosqueträumen und anschließend zu einem der markantesten Parkelemente in der gesamten Anlage, der ''Großen Promenade''. Diese bestand aus einer Rosskastanienallee, die ihr Vorbild in der von Ludwig XIV. in Versailles angelegten ''Salle aux Marronniers'' hatte. Sie stellte einen lang gezogenen, auf der Höhe der Favorite parallel zum Rhein verlaufenden, Wandelgang dar. Aufwändiger Figurenschmuck und Brunnenschalen, sowie wiederum kleinere Hainbuchenbosquets mit kleinen intimen Cabinets, vervollständigten die große Promenade. === Wasserspiele und Grotten === In den drei parallel angeordneten Gartenanlagen waren gleichmäßig Wasserspiele und -becken sowie <nowiki>Themen</nowiki>[[grotte]]n verteilt. Schönborn scheint großen Wert auf die Wasserspiele gelegt zu haben, die in großer Zahl als gestalterisches Element eingesetzt wurden. Für deren Betrieb fanden aufwändige Brunnenbohrungen und -anlagen am Hechtsheimer Berg statt. [[Datei:Thetisgrotte2.jpg|miniatur|Detailansicht Thetis-Grotte, Stich von Kleiner 1726]] In der südlichen Gartenanlage befand sich in dem unteren Broderieparterre ein großes vertieftes Wasserbecken mit verschiedenen Wasserspielen und Fontänen. Daran schloss sich, am Übergang zum Hauptparterre, die so genannte '''Thetis-Grotte''' an. Hinter einem Becken mit besonders hohen Fontänen war in einer Stützmauer eine halbkreisförmige Grotte eingebaut, deren Hauptmotiv eine Statue der [[Thetis (Mythologie)|Thetis]] war, die auf einer Muschel sitzend von Delphinen gezogen wurde. Zwei [[Atlant]]en flankierten die Figurengruppe. Im Hauptparterre der ersten Anlage, flankiert von den sechs Pavillons, befand sich wiederum ein dreistufiges Wasserbecken mit reichem Figurenschmuck, Fontänen und kaskadierenden Wasserspielen. Laut Kleiner stellte diese als ''„große und Wasserreiche Cascade“'' bezeichnete Anlage eine [[Allegorie]] von ''„beyde Fluß, den Rhein und Mayn vorstellend“'' dar. Dahinter erhob sich, durch einen schmalen Vorplatz getrennt, die Orangerie als abschließendes Element der Gestaltung. In diesem ersten Teilstück der Anlage bildete der Rhein bewusst den querliegenden natürlichen Abschluss der aus den Wasserelementen gebildeten Hauptsichtachse. [[Datei:Pluto_Proserpina.jpg|miniatur|Proserpina-Grotte mit vorliegender Kaskade, Stich von Kleiner 1726]] In der mittleren Gartenanlage, die als prächtigste der gesamten Favorite galt, waren über die gesamte Länge Wasserspiele und Grotten als zentrale Mittelachse angeordnet. Am rheinnahen Gartenende begann der ''„perspektivische Auffzug unterschiedlicher Cascaden und Fontainen“'' mit einer vom Rhein abgewandten Grotte, ausgestattet mit vielfältigem Figurenschmuck und Wasserfällen. Die Grotte war von den oberen Terrassen als Abschluss der durch die Wasserspiele gebildeten Sichtachse einsehbar. Es schloss sich ein großes Wasserbecken an, das von der – eine Terrassenstufe weiter oben gelegenen – so genannten '''Neptunskaskade''' gespeist wurde. Diese korrespondierte mit einer – wiederum weiter oben liegenden – Ringkaskade. Im Mittelparterre dieser Anlage befand sich erneut ein Wasserbecken mit Fontäne, weiter ansteigend folgten wieder über Stufen kaskadierende Wasserfälle. Den prunkvollen Abschluss der mittleren Gartenanlage bildete die halbkreisförmige Fontäne des [[Pluto (Mythologie)|Pluto]] und der [[Proserpina (Mythologie)|Proserpina]] mit der so genannten '''Proserpina-Grotte''', oft auch als ''chateau d’eau'' (Schloss des Wassers) bezeichnet. In einer antikisierenden Nische mit [[Giebel (Bauteil)|Stutzgiebeln]] stand die Figurengruppe auf einem inselartigen Podest im Wasserbassin, welches auf beiden Seiten von wasserführenden Treppen flankiert wurde. In der nördlichsten und letzten Gartenanlage wurden die Wasserspiele zugunsten der pflanzlichen Gestaltungselemente reduziert. So schloss am unteren Ende eine Hecke am Rhein ein Boulingrin ab. Hier befand sich also ein vertiefter, mit Rosskastanien bestandener Platz mit einem Wasserbassin als zentralem Gestaltungselement. Bei der am oberen Ende gelegenen großen Promenade aus querlaufenden Rosskastanienalleen kamen ebenfalls wieder Wasserspiele zum Einsatz. === Figurenschmuck === Bereits im Stadionschen Garten befand sich ein umfangreiches Figuren- und Skulpturenprogramm. Die erhalten gebliebene, akribisch geführte Inventarliste listet bei der Übergabe des Gartens an Schönborn folgende Posten auf: {{Zitat|''14 steinerne Urnen, 34 kleine Statuen, wovon dem Frölicher zu Frankfurt ein Stück ins andere 16 Thaler bezahlt worden, 15 große Statuen, eine ins andere 100 fl. gerechnet, so aber doch mehr kosten, denn 4 darunter, wo der Frölicher vom Stück 120 Thaler gehabt; der Neptunus mit 3 Meerpferdt; die 4 Säulen bei dem Weyher und das Portal von der Grotten haben 700 Thaler gekostet ohne die Steine...''<ref>nach Wilhelm Velke: ''Die ehemalige Favorite bei Mainz.'' In: Rheinische Chronik in Wort und Bild, Mainz 1894/1895 Heft 1 bis 3, zitiert in Rudolf Busch: ''Das Kurmainzer Lustschloss Favorite.''</ref>}} Der erwähnte ''Frölicher'' war der Schweizer Architekt und Bildhauer [[Johann Wolfgang Fröhlicher]], der ab 1692, aus [[Frankfurt am Main|Frankfurt ]] kommend (dort schuf er unter anderem zwischen 1680 und 1686 den [[Hochaltar]] der [[Katharinenkirche (Frankfurt)|Katharinenkirche]]), für Stadion arbeitete. Ihm wird auch die in der Favorite verwendete Figurengruppe der Neptunskaskade mit der großen Zentralfigur des Meeresgottes [[Neptun (Mythologie)|Neptun]] inmitten von drei [[Seepferd]]en zugeschrieben. Die weiter unten erwähnte, erhalten gebliebene Statue eines Flussgottes wird in älteren Literaturquellen als Flussgott „Rhenus“ (Rhein) und ebenfalls von Fröhlicher stammend bezeichnet, der sie vor 1700 geschaffen haben müsste. Weitaus größeren Anteil an der figürlichen Ausgestaltung der Favorite hatte aber Franz Matthias Hiernle. Ursprünglich aus [[Landshut]] in Bayern kommend, war er seit 1705 in kurfürstlichen Diensten und bekleidete das Hofamt des Hofbildhauers. Ihm werden die Statuen des [[Bakchos|Bacchus]], des [[Faunus]], des [[Jupiter (Mythologie)|Jupiter]] und der [[Iuno (Mythologie)|Juno]], der [[Ceres (Mythologie)|Ceres]] und [[Flora (Mythologie)|Flora]] sowie aller [[Nymphe|Nymphen]] und [[Genius|Genien]] aus der griechisch-römischen Mythologie zugeschrieben. Als besonders aufwändige Arbeit von Hiernle ist die Figurengruppe der Themenfontäne ''Plutos Raub der Proserpina'', welche die mittlere Gartenanlage krönte, zu erwähnen. Wie bei allen großen Wasseranlagen arbeitete Hiernle auch hier nach den Entwürfen Welschs und setzte diese entsprechend den bautechnischen Vorgaben künstlerisch um. Auch Hiernles Söhne, Sebastian und Kaspar Hiernle, haben wahrscheinlich als Bildhauer bei der Figurengestaltung der Favorite mitgearbeitet. Ebenfalls als Bildhauer mit der Favorite in Verbindung gebracht werden der kurfürstliche Bildhauer [[Burkhard Zamels]], [[Paul Curé]], der zu seiner Zeit als „Meister der Gartenplastik“ gerühmt wurde, sowie [[Paul Strudel|Paul von Strudel]]. Die beiden Letztgenannten standen ebenfalls in Diensten von Schönborn. === Gebäude === ==== Das Rheinschlösschen ==== [[Bild:Gartengebaeude.jpg|thumb|Vorderansicht des Rheinschlösschen]] Das zuerst errichtete Gebäude der Favorite war ein bereits im Stadionschen Lustgarten vorhandenes, direkt am Rheinufer liegendes Rheinschlösschen. Schönborn nutzte dieses weiter, ließ es aber später (wahrscheinlich nach 1705) aufwändig umgestalten. Auch ein weiteres Stockwerk wurde aufgesetzt <ref>In der Literatur (z.&nbsp;B. Busch: Das Kurmainzer Lustschloss Favorite) finden sich allerdings auch Hinweise auf ein eingeschossiges Gebäude mit einem [[Souterrain]]bau. Zeitgenössische Ansichten der Rheinfront lassen eher auf ein zweigeschossiges Gebäude schließen, Kleiners Wiedergabe der Gartenfront des „Garten-Gebäudes“ allerdings auf ein eingeschossiges Gebäude mit hoch aufgehendem Souterrain.</ref>. Architekt und Baumeister dieses Umbaus war sehr wahrscheinlich der Bamberger Hofbaumeister [[Leonhard Dientzenhofer|Johann Leonhard Dientzenhofer]], auf dessen Dienste Schönborn als Fürstbischof des [[Bistum Bamberg|Bistums Bamberg]] ebenfalls zurückgreifen konnte. Das Gebäude wies durch seine rechtwinklige Bauweise eine Rheinfront mit großem Einfahrtstor sowie eine Gartenfront mit Freitreppe auf. Die Gartenfront, als abschließender Teil der Längsachse der ersten Gartenanlage, war reich dekoriert. Zahlreiche, teils überlebensgroße Figuren, schmückten Aufgang und Eingangsportal. Die Treppenfront zeigte das Schönbornsche Wappen, flankiert von Musikemblemen. Zwei tanzende weibliche Figuren, ein immer wiederkehrendes Motiv auch an anderen Gebäuden der Anlage, bekrönten abschließend das Frontpodest. An den Ecken beider Gebäudefronten befanden sich vorspringende [[Risalit]]e. An der Westseite schloss sich ein kleinerer Flügel an. Im Plan von 1779 befinden sich hier eine schlichte Kapelle, sowie offensichtlich Wohnräume. [[Datei:Gartengebaeude2.jpg|miniatur|Die Galerie im Rheinschlösschen]] Für die erst spät (gegen 1721) angebrachte Fassadenverzierung in Form gemalter [[Scheinarchitektur]] in [[Fresko]]<nowiki>technik</nowiki> wurden Entwürfe des Italieners [[Giovanni Francesco Marchini]] verwendet. Marchini, aus [[Como]] in Italien stammend, wohnte in diesem Zeitraum in der Favorite und wurde später, am 16. Juni 1727, Mainzer Bürger. Zentraler und in der Gesamtanlage größter Innenraum des Gebäudes war ein prunkvoller, reich [[Stuck|stuckierter]] [[Gartensaal]] oder eine Galerie, ebenfalls mit gemalter Scheinarchitektur von Marchini im Stil des Frühbarock geschmückt. Wahrscheinlich wurde deshalb das Schlösschen bereits bei Kleiners Stichen 1726 als „Garten-Gebäude“ bezeichnet. Die Wandflächen des Gartensaals waren durch gemalte Säulen untergliedert. Nur eine Seite des Gartensaals wies Fenster auf, die gegenüberliegende Seite wurde von den Künstlern Marchini, [[Luca Antonio Columba]] und möglicherweise auch [[Johann Rudolf Byss]] mit gemalten Scheinfenstern versehen. Alle Wände trugen eine reiche Schein<nowiki></nowiki>[[Bosse|bossierung]], das heißt, Wandelemente waren durch visuelle Effekte der Malerei scheinbar plastisch hervorgehoben. Die bereits vorher ausgemalte Freskodecke wies in der Hallenmitte eine von Säulen getragene Kuppel auf und wurde von Melchior Seidl gestaltet. Zentrales Motiv war der [[Tempel der Artemis in Ephesos|Artemistempel in Ephesus]] als eines der sieben Weltwunder. Die Darstellung der anderen Weltwunder schloss sich jeweils rechts und links an. Ein weiteres, zu damaliger Zeit beliebtes Motiv für Gartengebäude scheint auf Kleiners Stichen die [[Diana (Mythologie)|''Toilette der Diana'']] zu sein. Zur Beleuchtung befanden sich schwere Kronleuchter an der Galeriedecke. ==== Die Orangerie ==== [[Datei:Orangerie Favorite.jpg|miniatur|Orangerie und „Große Cascade“]] Die [[Orangerie]] war das zentrale Gebäude der Anlage und wurde ab 1717 von Maximilian von Welsch erbaut. Das Hauptgebäude, ursprünglich wie das französische Vorbild als kleines aber dennoch prunkvolles Lustschloss geplant, wurde in dieser Form nie baulich verwirklicht, sondern in eine Orangerie mit Festsaal umgewandelt. Es ist anzunehmen, dass die Orangerie gemäß der in der Barockzeit üblichen Nutzung die Sammlung exotischer [[Kübelpflanze]]n, insbesondere der [[Zitruspflanzen]] des Kurfürsten aufnahm. Diese dürften dem Festsaal ein exotisches und repräsentatives Ambiente gegeben haben. Der Vorplatz der Orangerie vor der oberen Wasserkaskade, das so genannte ''Orangerie-Parterre'', diente dazu, die Kübelpflanzen im Sommer im Freien aufzustellen. Bei der Übernahme der Anlage im Jahr 1700 durch Schönborn wurden in der Inventarliste einige dieser Orangeriepflanzen aufgelistet: {{Zitat|''119 Bummerantzenbäume ([[Bitterorange|Pomeranze]]), 24 Granatbäume ([[Granatapfel]]), 21 Lorbeerbäume ([[Echter Lorbeer]]), 2 Bäume Lentiscus ([[Mastixstrauch]]), 8 Jucca gloriosa ([[Palmlilien|Yucca]]), 1 Stock Flospassionis ([[Passionsblumen|Passionsblume]])...''}} Die Orangerie war ein mit einem [[Mansarddach|Mansardwalmdach]] gedecktes, zweigeschossiges Bauwerk mit [[Souterrain]], [[Parterre (Architektur)|Hochparterre]] und [[Mezzanin]], welches Rundfenster aufwies. Die Fassade war mit Scheinarchitektur reich bemalt. Obwohl sie auch zentraler Blickpunkt einer der am aufwändigsten gestalteten Sichtachsen der gesamten Anlage war, hebt sich das Gebäude auf den zeitgenössischen Ansichten baulich nur wenig von den sie umgebenden sechs gestuften Pavillons ab. Die Gründe für die vergleichsweise bescheidene Ausführung des zentralen Gebäudes sind nicht bekannt. Schönborn ließ sich, wie beispielsweise bei der Anlage der Wasserspiele, auch bei der Orangerie während der Bauphasen über alle Details unterrichten. In einem Brief des Dompropstes Johann Philipp Franz an Schönborn vom 27. August 1718, berichtete dieser seinem kurfürstlichen Herrn: ''Sonsten kann E. chfl. Gn. ich nicht verhalten, daß bei Besichtigung der neuen Orangerie in der Favorite mir die Haupttür allzu klein erschienen, allermaßen ich versichern kann, daß kaum meine größte bäume ohn Verletzung der cron dadurch würden gebracht werden können...'' Die Orangerie stand am westlichen Ende auf dem oberen Hauptparterre und oberhalb der zweistufigen großen Wasseranlage, deren oberer Teil von Kleiner als ''„Prospect der großen und Wasserreichen Cascade, beyde Fluß, den Rhein und Mayn vorstellend“'' bezeichnet wird. Darunter befand sich die so genannte Thetis-Grotte. ==== Die Kavaliershäuser (Pavillons) ==== [[Datei:hauptparterre.jpg|miniatur|Hauptparterre der ersten Gartenanlage mit Orangerie und Pavillons]] 1717/1718 baute Welsch auf dem Hauptparterre sechs halbkreisförmig und terrassiert angeordnete Pavillons, die so genannten [[Kavaliershaus|Kavaliershäuser]]. Bei diesem Gestaltungselement hielt sich der Baumeister streng an das Lieblingsvorbild des Kurfürsten, Marly-le-Roi. Anscheinend legte der Kurfürst mehr Wert auf das künstlerische Gesamtensemble der Parkanlage als auf den Luxus der Baulichkeiten. Eines der Kavaliershäuser ließ er sich nach Fertigstellung kurzerhand zum Schlafgemach umbauen und berichtete darüber auch seinem Neffen, dem Reichsvizekanzler [[Friedrich Carl von Schönborn]] nach [[Wien]]. Ansonsten wurden die Gebäude für die Unterbringung von Gästen genutzt. Die sechs Pavillons wurden in Holz und nicht in Stein ausgeführt und wiesen jeweils vier Zimmer auf. Wie bei dem Vorbild Marly, der Orangerie und dem Rheinschlösschen der Favorite, waren auch hier die Fassaden mit einer Scheinarchitektur bemalt. ==== Das Porzellanhaus ==== Das so genannte Porzellanhaus war der letzte größere Neubau in der Favorite, gleichzeitig die erste der in den nächsten Jahrzehnten folgenden Umbaumaßnahmen. Begonnen wurde der Bau höchstwahrscheinlich noch zu Zeiten Schönborns, dessen Wappen das dem Bau vorgelagerte Wasserbecken zierte. Die Fertigstellung des Porzellanhauses fällt in die kurze Regierungszeit des auf Schönborn folgenden Kurfürsten Franz Ludwig von Pfalz-Neuburg. [[Datei:Porzellanhaus.jpg|miniatur|Zeichnung des Porzellanhauses von Groenesteyn, um 1730]] Für die Planung und Ausführung war Anselm Franz Freiherr von Ritter zu Groenesteyn zuständig. Er folgte Welsch als führender Architekt nach und wurde 1730 zum kurfürstlichen Oberbaudirektor ernannt. Groenesteyn, der die Pariser Architektenschule durchlaufen hatte, löste im Mainz des Hochbarock mit dem französisch geprägten [[Klassizistischer Barock|klassizistischen Stil]] den aus den Zeiten Welschs vorherrschenden italienisch-österreichisch sowie mainfränkisch-mittelrheinisch geprägten Barockstil ab.<ref>Wolfgang Balzer: ''Mainz : Persönlichkeiten der Stadtgeschichte''; Band 3, S. 180, Kapitel: Anselm Franz von Ritter zu Groenesteyn</ref> Eines der ersten Bauwerke in diesem neuen Stil sollte das Porzellanhaus werden. Das Porzellanhaus orientierte sich wieder an dem Vorbild Marly, diesmal an dem ''Trianon de Porcelaine de Marly''. Es lag im dritten und nördlichsten Gartenteil, am Übergang vom unteren, rheinnahen, zum oberen Alleen-Parterre. Dem rechteckigen Gebäude mit konvex geformter Dachzone an den Frontseiten, wurden Anbauten auf ovalem Grundriss mit [[Walmdach]] angegliedert. Eine [[Laterne (Architektur)|Laterne]] mit halb konvex, halb konkav geschwungenem Mansardwalmdach bekrönte die Mitte der Dachfläche. Zum Rhein und zur großen Rosskastanienallee öffneten sich je drei Fenstertüren, die durch paarweise angeordnete [[Pilaster]] voneinander getrennt waren. Die mittlere Tür wurde durch ein [[Tympanon (Architektur)|Tympanon]] betont. Zu einer Terrasse führte rheinwärts eine doppelläufige [[Freitreppe]] mit schmiedeeisernem Gitter oder [[Baluster|Säulenbaluster]] (erhaltene Pläne zeigen beide Varianten), die ein ovales figurengeschmücktes Wasserbassin mit Wasserspielen umschloss. Putten und Vasen zierten das [[Gesims]] über den Fenstertüren und die Laterne. Im Inneren dominierte ein rechteckiger Saal entlang der Längsachse mit einem zentralen Wasserbassin. Das Gebäudeinnere war möglicherweise mit einer dekorativen Porzellantäfelung geschmückt und mit Porzellanfiguren ausgestattet. Details zur Innenausstattung sind nicht erhalten geblieben. ==== Wirtschaftsgebäude ==== Diese dürften naturgemäß eher zweckmäßiger Natur gewesen sein und gehörten nicht zum repräsentativen Teil der Anlage. In der bereits erwähnten Inventurliste des Stadionschen Gartens werden Stallungen und Scheunen für acht Pferde und zwanzig Stück Rindvieh erwähnt. Auch die Gebäude für das Dienstpersonal befanden sich im oberen Gartenteil. In Kleiners Plan von 1726 wurden keinerlei Wirtschaftsgebäude wie Stallungen, Gerätehäuser, Treibhäuser, Anzuchtflächen, Wohnhäuser der Dienerschaft usw. dargestellt, wohl aus künstlerischen Gründen. In einem Stich von Le Rouge von 1779 wurden diese Gebäude allerdings aufgeführt. Sie befanden sich hinter der Orangerie und nahmen einen relativ großen Raum ein. == Die Favorite und die Politik: Der Fürstentag im Juli 1792 == [[Datei:Friedrich_Carl_von_Erthal.jpg|miniatur|Friedrich Karl Joseph von Erthal, Erzbischof und Kurfürst von Mainz]] Am 14. Juli 1792 fand in [[Frankfurt am Main]] die [[Krönung der römisch-deutschen Könige und Kaiser|Kaiserkrönung]] von Franz Joseph Karl von [[Habsburg]], [[Erzherzog]] von [[Österreich]] als [[Franz II. (HRR)|Franz II.]] statt. Der neu gekrönte Kaiser des [[Heiliges Römisches Reich|Heiligen Römischen Reichs deutscher Nation]] reiste kurz nach seiner Krönung nach Mainz weiter. Dort wurde im Lustschloss Favorite vom 19. bis 21. Juli 1792 ein prunkvoller Fürstentag abgehalten, zu dem neben den politischen Hauptakteuren Franz II. und König [[Friedrich Wilhelm II. (Preußen)|Friedrich Wilhelm II.]] von [[Preußen]] zahlreiche weitere deutsche Fürsten und Diplomaten gehörten. Gastgeber war der Kurfürst von Mainz, [[Friedrich Karl Joseph von Erthal]]. In politischer Hinsicht schrieb dieser Fürstentag, bei dem es um die Absprache der weiteren Vorgehensweise der anwesenden Fürsten gegen das revolutionäre Frankreich ging, Zeitgeschichte. Der ebenfalls anwesende Herzog [[Karl Wilhelm Ferdinand (Braunschweig)|Karl Wilhelm Ferdinand von Braunschweig]] hatte zu diesem Anlass ein gegenrevolutionäres [[Manifest des Herzogs von Braunschweig|Manifest]] ausgearbeitet, welches in der kurfürstlichen Buchdruckerei in Mainz gedruckt wurde. In diesem Manifest wurde zur Wiederherstellung der alten (monarchischen) Ordnung in Frankreich aufgerufen und andernfalls direkte militärische Maßnahmen angedroht. Wie sich zeigen sollte, führte der Fürstentag in der Favorite zu Mainz tatsächlich direkt zu dem [[Koalitionskriege|ersten Koalitionskrieg]] und letztendlich, unter anderem, zum Untergang des Kurfürstentums Mainz. Der dreitägige Fürstentag war die letzte und prachtvollste Inszenierung, die im kurfürstlichen Lustschloss Favorite stattfinden sollte. Bereits vorher gab der Kurfürst [[Immigrant]]en des französischen Hochadels, unter anderem dem [[Karl X. (Frankreich)|Grafen von Artois]] (dem späteren Karl X. von Frankreich) und dem [[Louis V. Joseph de Bourbon, prince de Condé|Prinzen Condé]], Feste und Hofbälle. Für den Fürstentag jedoch betrieb der Gastgeber, entsprechend den hochrangigen Gästen, einen wesentlich höheren Aufwand. Die Favorite und auf dem Rhein kreuzende Schiffe wurden illuminiert sowie Feuerwerke abgebrannt. Während Franz II. im Kurfürstlichen Schloss logierte, brachte man Friedrich Wilhelm II. und sein Gefolge in den Gebäuden der Favorite unter. Die anwesenden Gäste wurden mit einer festlichen Tafel im Freien bewirtet. Zu dem Fürstentag 1792 gibt es verschiedene Augenzeugenberichte, unter anderem von [[Georg Forster]], Naturforscher und kurfürstlicher Oberbibliothekar der [[Universität Mainz]]. Genauer schildern allerdings zwei Beiträge dieses Ereignis: die entsprechende Passage aus den Lebenserinnerungen des Weimarer Bibliotheksdieners Christoph Sachse von 1822 sowie der Brief eines anonymen Zeitzeugen der Festlichkeiten (beide in <ref>Mainzer Almanach (1961). Beitrag Helmut Pressler: ''„Ein deutscher Gil Blas in der Mainzer Favorite“''. S. 112–114 und Beitrag Carl Strigler, S.162–166</ref>). '''Anonymer Bericht über den Fürstentag, Brief vom 8. August 1792''' {{Zitat|''Mein lieber Herr Oberamtskeller! Ich will Dir in kurzem die Geschichte unserer Feierlichkeiten erzählen: Sie fingen sich an praeter propter wie die Fronleichnamsprozession, mit einem großen Zusammenlauf von Narren, Gescheiten, Weibern, Mädchen und einem großen Teil derer, die von beiden etwas gemein haben, mit Ausrückung des Militärs, der ganzen'' ''Bürgerschaft'' ''und der Schuljugend in weißen Schäferkleidern. In dieser Stellung erwarteten 300 Kanonen und die vielzüngigen Glocken der gesamten Klerisei die höchstbeglückte Ankunft der Kaiserl. Majestäten, um aus vollem Hals ihre untertänigste Devotion zu bezeigen […]''}} {{Zitat|''Den zweiten [Tag] hatten wir nichts zu sehen als den Hofball, auf welchem die Kaiserin sehr viel tanzte. Der Regel nach sollte auf diesen Tag die Illumination in der Favorite sein; allein das böse Wetter des vorhergehenden Tages hatte so viel Unheil angestiftet, daß es in einem Tag nicht konnte in integrum restituiert werden. Hierin und in den teuren Logis liegt auch die Ursach des Mißvergnügens so mancher Fremden: allein wer kann fürs Wetter und für einen kurzen Beutel?''}} {{Zitat|''Den dritten Tag endlich die erwartete Illumination vor sich; jedoch gelang der ganze Plan nicht so ganz, wie man wünschte, wegen einem zu heftigen Westwind. Man wollte nämlich nebst der Favorite, welche durch ihre Lage gedeckt war und sich wahrhaft paradiesisch ausnahm, auch die Kirchtürme von Hochheim samt der [[Dechanei]], den von Kostheim und Kastel samt der Rheinbrücke erleuchten; aber aller angewandten Mühe ungeachtet war's nicht zustand zu bringen, das Ganze litt also einen großen Stoß. Dafür entschädigten die Zuschauer neun Jachten, welche von Weisenau langsam herabschwammen und welche alle mit unendlich vielen Lichtern in halben Schoppengläsern erleuchtet waren, denen also'' ''der'' ''Wind nichts anhaben konnte; auf den Jachten türkische Musik und kleine Kanonen, die mit anderen Feldstücken, die man auf die Mainspitze stellte, unaufhörlich abwechselten. Durch die Zwischenräume der Jachten mußten stets 20 illumninierte Nachen hin und her kreuzen, welches dem Ganzen vieles Leben verschaffte.''}} {{Zitat|''Daß es der Wert war zu sehen, kannst Du aus dieser unvollständigen Beschreibung erraten; denn Du weißt, ich schmeichele nicht. Dies dauerte bis spät in die Nacht'' […]}} '''Georg Forster in: "Darstellung der Revolution in Mainz", 1793 in Paris:''' {{Zitat|''Nach der Krönung des Kaisers, Franz II. ist unser Mainz der Sammelplatz von allem, was in Deutschland teils wichtig ist, teils sich wichtig dünkt, von gekrönten Häuptern, Fürsten, Ministern, Gesandten und einem zahlreichen Adel gewesen. Man zählte gegen zehntausend Fremde in unseren Mauern. Alle Gasthöfe waren mit Prinzen besetzt, die in den kurfürstlichen Palästen nicht mehr Platz gefunden hatten, und alle Privathäuser beherbergten Gäste oder Freunde aus irgendeinem entfernten Winkel von Deutschland...Vom frühen Morgen an wimmelten die Straßen von wohlgekleideten Personen, und gegen Mittag war das Gefühl der Kutschen rauschend genug, um einer Hauptstadt den Rang streitig zu machen'' […]}} {{Zitat|''Bei Hofe folgten Feste, Schmäuse, Konzerte, Bälle, Erleuchtungen, Feuerwerke, verherrlicht durch den unnachahmlichen Zauber unserer Gegend und die majestätische Pracht des Rheins, mehrere Tage hindurch in ununterbrochener Reihe aufeinander…Vor allem trugen die Erleuchtungen den Beifall der Kenner davon. Die Gärten der Favorite, die Schiffbrücke, die Jachten auf dem Flusse, die Kirchtürme von Kostheim, Kastel und Hochheim in der Ferne zauberten im Dunkel der Nacht einen künstlichen Tag hervor und gewährten einen Anblick, den man weder in London noch in Paris je so schön gesehen hatte. Im unermeßlichen Spiegel des Rheins verdoppelten sich die brennenden Türme und die vom Ufer in die Lüfte steigenden Feuergarben…''[…]}} == Die Zerstörung == [[Datei:Goethe.png|miniatur|Johann Wolfgang von Goethe besichtigte die Favorite vor und nach ihrer Zerstörung]] Fast genau ein Jahr nach dem Fürstentag im Juli 1792 waren das Lustschloss Favorite&nbsp;– Orangerie und Pavillons, die Rabatten mit ihrem reichhaltigen Figurenschmuck, die Wasserspiele, das Gartenhaus sowie die Rosskastanienalleen&nbsp;– komplett zerstört. Ironischerweise war genau dieser Fürstentag die Ursache für die Zerstörung der Favorite. Die in Mainz zwischen Kaiser [[Franz II. (HRR)|Franz II.]] und König [[Friedrich Wilhelm II. (Preußen)|Friedrich Wilhelm II.]] abgesprochene Vorgehensweise der Koalitionstruppen, denen auch der letzte Mainzer Kurfürst [[Friedrich Karl Joseph von Erthal]] angehörte, führte zum [[Koalitionskriege|Ersten Koalitionskrieg]]. Nach dem Vordringen der [[Preußen|preußischen]] und österreichischen Truppen unter Führung des [[Karl Wilhelm Ferdinand (Braunschweig)|Herzogs von Braunschweig]] kam es am 20. September [[1792]] zu der [[Kanonade von Valmy]]. Diese endete mit einer Niederlage der Koalitionstruppen. Die französische Revolutionsarmee ging zum Gegenangriff über, drang unter General [[Adam-Philippe de Custine|Custine]] Ende September in die Pfalz ein und besetzte am 21. Oktober 1792 Mainz. Mitte April 1793 wurde die mittlerweile französische Stadt und [[Festung Mainz]] bei dem Gegenvorstoß der preußischen und österreichischen Koalitionstruppen eingeschlossen. Durch die kriegsbedingte Planierung des Vorfeldes der Festungsmauern kam es zu ersten Zerstörungen der Favorite; so wurden unter anderem die hölzernen Kavalierpavillons abgerissen und Bäume gefällt. Nach gescheiterten Übergabeverhandlungen begann in der Nacht zum 17. Juni 1793 das Bombardement auf die belagerte Stadt, die der Augenzeuge [[Johann Wolfgang von Goethe]] in seinem Werk ''Die Belagerung von Mainz'' literarisch festhielt. Bei der knapp vierwöchigen Dauer des Bombardements wurde die gesamte Anlage, welche direkt in der Frontlinie lag, vollständig zerstört. Aber nicht nur die Favorite sondern auch die Mainzer Liebfrauen- und die Jesuitenkirche, die Dompropstei und viele Bürgerhäuser und Adelspaläste gingen für immer verloren. Bereits am 25. Juni 1793 schrieb der Mainzer Kurfürst Friedrich Karl Joseph von Erthal in einem Brief: {{Zitat-fr|''La Favorite est détruite pour jamais, mes meubles dans les maisons, voitures, carosses, beaucoup de linge, tout est au diable. Ma bibliothèque est transportée, volée, pillée.'' |Übersetzung=Die Favorite ist für immer zerstört, meine Möbel in den Häusern, Fahrzeuge, Kutschen, viel Wäsche, alles ist zum Teufel. Meine Bibliothek wurde weggeschafft, gestohlen, geplündert.<ref>zitiert nach: Heinz Biehn: ''Mainz. Die alte Aurea Moguntia.''. Die Übersetzung übernahm dankenswerterweise [[Benutzer:Symposiarch|Symposiarch]]</ref>}} Goethe besuchte nach der Einnahme von Mainz am 23. Juli 1793 die zerstörte Favorite und schrieb über seine Eindrücke: {{Zitat|''Bei unserem folgenden Hin- und Herwandern wußten wir den Platz, wo die Favorite gestanden, kaum zu unterscheiden. Im August vorigen Jahres erhub sich hier noch ein prächtiger Gartensaal; Terrassen, Orangerie, Springwerke machten diesen unmittelbar am Rhein liegenden Lustort höchst vergnüglich. Hier grünten die Alleen, in welchen, wie der Gärtner mir erzählte, sein gnädigster Kurfürst die höchsten Häupter mit allem Gefolge an unübersehbaren Tafeln bewirtet; und was der gute alte Mann nicht alles von demastenen Gedecken, Silberzeug und Geschirr erzählen kann. Geknüpft an jene Erinnerung machte die Gegenwart nur noch einen unerträglichen Eindruck.''<ref>zitiert nach: Franz Dumont, Ferdinand Scherf, Friedrich Schütz (Hrsg.): ''Mainz – Die Geschichte der Stadt''. Beitrag Helmut Mathy: ''Die Residenz in Barock und Aufklärung (1648–1792)'', S. 313</ref>}} == Nach der Favorite: „Wüstenei“, Richtplatz und die „Neue Anlage“ == Das Gelände des Lustschlosses Favorite war für die nächsten 26 Jahre verwüstet. Nach dem [[Frieden von Campo Formio]] 1797 gehörte Mainz-Mayence wieder zu Frankreich. Vorhandenes Baumaterial, welches von der verwüsteten Favorite wieder verwendet werden konnte, wurde für den von den Franzosen betriebenen Festungsbau in [[Mainz-Kastel|Kastel]] benutzt. 1797 bezeichnete ein lokaler Geschichtsschreiber die Gegend als ''„Wüstenei“'', es bot sich dort „''ein Bild fürchterlicher Verwüstung''“. 1798 feierte die französische Administration ein „Fest des Ackerbaus“ auf dem Gelände der zerstörten Favorite; ein Ort, der mit ziemlicher Sicherheit auch politisch-ideologisch motiviert ausgewählt wurde. Dieses Fest war ein Teil der verschiedenen „Nationalfeste“, die im französischen [[Mainz|Mayence]] der nachrevolutionären Zeit zelebriert wurden. Außerdem wurde das Gelände von der französischen Justiz als Richtplatz verwendet. Prominentester Delinquent war 1803 [[Johannes Bückler]] alias Schinderhannes, der hier mit seinen Bandenmitgliedern auf dem Gelände der ehemaligen Favorite mit der [[Guillotine]] hingerichtet wurde. [[Bild:Stadtpark Mainz.jpg|thumb|Stadtpark Mainz]] Erst nach dem Ende der französischen Herrschaft 1814 und dem Anschluss von Mainz an das [[Großherzogtum Hessen|Großherzogtum Hessen-Darmstadt]] am 30. Juni 1816 wurde dem Gelände der ehemaligen kurfürstlichen Favorite wieder mehr Aufmerksamkeit geschenkt. 1816 wurde es der Stadt Mainz übergeben mit der Auflage, dort einen „[[Volksgarten]]“ zu errichten. Der in Versailles ausgebildete Mainzer [[Landschaftsarchitekt]] Peter Wolf entwarf für das Gelände eine so genannte ''Neue Anlage'' im typischen Stil eines [[Englischer Landschaftspark|englischen Landschaftsparks]]. Dieser wurde zwischen 1820 und 1825 gebaut. Ab der Mitte des 19. Jahrhunderts verwilderte allerdings die Anlage. Die Gebrüder [[Heinrich Siesmayer|Siesmayer]], bekannte Frankfurter Gartenarchitekten, wurden deshalb 1888 mit der Neugestaltung beauftragt. Der heutige [[Stadtpark Mainz|Stadtpark]] trägt im Wesentlichen ihre gestalterische Handschrift. == Heute sichtbare Überreste == [[Datei:Herkules Favorite.jpg|miniatur|Herkules-Statue]] Von der ganzen Anlage des Lustschlosses Favorite sind heute lediglich zwei Statuen erhalten. Die gut erhaltene rote Sandsteinfigur eines [[Herakles|Herkules]] wurde 1861 bei Bauarbeiten zur [[Hessische Ludwigsbahn|Hessischen Ludwigsbahn]] gefunden und von den Gebrüdern Siesmeyer im späteren Stadtpark aufgestellt. Dort befindet sich auch der unter gleichen Umständen gefundene [[Torso]] eines Flussgottes ([[Keltische Gottheiten#Weitere männliche Gottheiten|Rhenus?]]), der vielleicht figürlicher Bestandteil der großen Wasserkaskade vor der Orangerie war. Bei Grabungsarbeiten Ende 2009 am [[Mainz-Altstadt|Winterhafen]] wurden Reste der Einfriedungs- und Stützmauer des Rheinschlösschens sowie des mit Kieseln gepflasterten Promenadenwegs, der entlang des Rheins verlief, entdeckt.<ref>[http://www.allgemeine-zeitung.de/region/mainz/meldungen/7931962.htm Allgemeine Zeitung Mainz] - Meldung vom 26. November 2009, angerufen am 27. Dezember 2009</ref> Profanere Überreste des ehemaligen Lustschlosses sind die Straßenbezeichnung „An der Favorite“ und ein gleichnamiges Hotel im Stadtpark. Am stadtnahen nördlichen Eingang des Stadtparks weist zudem eine großformatige Hinweistafel der Stadt Mainz auf die ehemalige Anlage hin. == Lustschloss oder Barockgarten? == In der Literatur wird in der Regel der Begriff ''Lustschloss Favorite'' als Bezeichnung für die Gesamtanlage verwendet. Lustschlösser entstanden aus der mittelalterlichen Hofhaltung heraus und sollten den Fürsten des Barock und Rokoko als intime und luxuriöse Rückzugsrefugien abseits des aufwändigen Hofzeremoniells dienen. Ein wichtiges Merkmal der Lustschlösser war insbesondere der das Schloss umgebende Gartenpark. Vergleicht man die Gewichtung von Gebäude und Parkanlagen bei der Anlage des Lustschlosses Favorite, so fällt die im Gegensatz zur prachtvollen Gartengestaltung vergleichsweise bescheidene Gebäudegröße und –ausführung auf. Das kleine Rheinschlösschen bestand im Wesentlichen bereits vor dem Baubeginn der Favorite, das als eigentliches Lustschlösschen geplante zentrale Gebäude wurde in eine Orangerie umgewidmet, die kaum dem eigentlichen Bauziel entsprochen haben dürfte. Die Gebäudedekoration mittels Scheinarchitektur und Freskenmalerei steht ebenfalls im Gegensatz zu Schönborns Bauverständnis. Diese Diskrepanz fiel auch immer wieder Besuchern der Favorite auf, die, wie beispielsweise 1705 der englische Reisende Blainville, von eher ''„mittelmäßigen Gebäuden“'' sprachen, die Gartenanlagen allerdings sehr lobten. Deshalb müsste man bei den fehlenden beziehungsweise eher unzulänglichen Baulichkeiten eigentlich von einem Barockgarten Favorite sprechen, dessen Gebäude eher nachgeordnet und weniger bedeutend waren. Für die Beibehaltung der Einordnung der Anlage als Lustschloss mit Schwerpunkt bei den umgebenden Gartenanlagen sprechen allerdings zwei Fakten: So konnte Lothar Franz von Schönborn während seiner Zeit als Kurfürst auf das [[Kurfürstliches Schloss|Kurfürstliche Schloss]] als Hauptresidenz und als repräsentativen Ort für Hofzeremonielle und Staatsgeschäfte zurückgreifen. Dies war ein Bauwerk im Stil der Deutschen [[Renaissance]], an dem seit 1627 immer wieder gebaut wurde und das auch zu Schönborns Zeit nicht komplett fertig gestellt war. Es ist zwar bekannt, dass Schönborn das Kurfürstliche Schloss als zu altmodisch für sein Kunstempfinden ablehnte, benutzt haben dürfte er es jedoch auf jeden Fall. Somit kam dem Lustschloss Favorite vor den Toren der Stadt die klassische Rolle des intimen Rückzugsortes und der Sommerresidenz mit deutlichem Schwerpunkt bei den Gartenanlagen und Wasserspielen zu. Nach Hennebo und Hoffmann ist die Stellung des dominierenden Hauptgebäudes in den Anlagen des Hochbarocks gerade in Deutschland höchst uneinheitlich. Unter anderem wird hier die Unterordnung des Hauptgebäudes im Gesamtplan, die Delegierung gewisser Funktionen an Orangerie-, Fest- oder Gartengebäude genannt; etwas, was in genau dieser Form bei der Favorite ebenfalls zu finden war. Auch in der [[Residenz Ansbach]] übernahm eine (hier allerdings schlossähnlich ausgebaute) Orangerie die Funktion des zentralen Gebäudes. Auch ein „Ersatz“ von aufwändigen Gebäudemassen durch zierlichere Heckenbosquets aufgrund beengter Platzverhältnisse wird genannt und ist neben Mainz auch zum Beispiel in den [[Herrenhäuser Gärten]] oder sogar im [[Schloss Belvedere|Belvederegarten]] zu Wien zu finden.<ref>Dieter Hennebo, Alfred Hoffmann: Geschichte der deutschen Gartenkunst, Band II: Der architektonische Garten – Renaissance und Barock, S.&nbsp;159</ref> == Einordnung der Favorite in die zeitgenössische Gartenarchitektur == Das Lustschloss Favorite gilt neben seinem Vorbild Marly-le-Roi als erstes und richtungweisendes Beispiel für den Übergang vom formalen, französisch geprägten Barockgarten zu aufgelockerten Gestaltungsstrukturen mit parallel angelegten Einzelgartenanlagen. Ihre Weiterentwicklung und Vollendung sollte diese Entwicklungsrichtung der Gartenarchitektur im [[Sanssouci]] [[Friedrich II. (Preußen)|Friedrichs des Großen]] finden. Somit war die Favorite, welche die aus Frankreich, Wien und Italien kommenden Impulse der neuen Gartengestaltung aufgenommen und mit deutschen Gestaltungselementen des Barock belebt hatte, Vorbild für weitere, später einzuordnende Barock- und [[Rokoko]]<nowiki>gärten</nowiki>. Obwohl man sich bei der Planung des Lustschlosses samt Anlagen an dem französischen Vorbild orientierte, zeichneten die Favorite doch einige Besonderheiten aus, welche teilweise die zukünftige Gestaltungsmode in der Gartenarchitektur prägten. So war die Einteilung der Gesamtanlage in drei parallel nebeneinander und zum Rhein hin ausgerichteten Gartenanlagen fast revolutionär in der damaligen Gartenarchitektur. Jede der Anlagen wies andere gestalterische Schwerpunkte auf, die trotzdem mit der Gesamtanlage harmonierten. Hennebo und Hoffmann sprechen hier folgerichtig von einer ''„…zunehmend stärkeren Tendenz nach Auflösung der zwingenden, einheitlichen Achsenstruktur des Barockgartens, nach Durchbrechung seines [[Subordination]]s- und Einheitsgedankens …“''.<ref>Dieter Hennebo, Alfred Hoffmann: Geschichte der deutschen Gartenkunst, Band II: Der architektonische Garten – Renaissance und Barock, S. 262 ff.</ref> Auch die Sichtachsenführung, teils parallel zum Rhein, teils zum Rhein hinweisend, war zu damaliger Zeit neu. [[Marie Luise Gothein]] nennt dies eine dreifache Achsenentfaltung und bezeichnet die Favorite als den bedeutendsten der zahlreichen Gärten von Lothar Franz von Schönborn.<ref name="Gothein230">Marie Luise Gothein: ''Geschichte der Gartenkunst'', Zweiter Band: Von der Renaissance in Frankreich bis zur Gegenwart, S. 230</ref> Ebenfalls außergewöhnlich war die Einbindung der Flüsse Rhein und Main (und somit der umgebenden Natur) in das gestalterische Gesamtkonzept. An anderer Stelle wurde ja schon von der Vorliebe Schönborns für aufwändige Wasserspiele berichtet. Seine Architekten konzipierten die erste und zweite Gartenanlage deshalb so, dass die Sichtachsen, geführt von [[Kaskade (Wasserfall)|kaskadierenden]] Wasserspielen hin zum Rhein und zu der direkt gegenüberliegenden Mainmündung wiesen. Dem Rhein kam somit die Funktion eines abschließenden natürlichen Wasserkanals direkt am unteren Ende der Parterres zu <ref name="Gothein230"/> während der Main eine, wenn auch indirekte, Weiterführung der durch die Wasserläufe in der Anlage gebildeten Achse bedeutete. Die gelungene Inszenierung des Lustschlosses Favorite in Kombination mit der umgebenden Naturlandschaft, vor allem mit den beiden Flüssen und den typischen Weinbergsanlagen an den Hängen, wurde von vielen namhaften Besuchern gewürdigt, so auch z.&nbsp;B. von den Dichtern Goethe und Schiller. Man sieht hier bereits die ersten Anzeichen der am Ende des 18. und beginnenden 19. Jahrhunderts aufkommenden [[Rheinromantik]], die sich erstmals in Beschreibungen der Favorite nachweisen lassen. So schreibt bereits 1785 [[Christian Cay Lorenz Hirschfeld|Hirschfeld]] in seiner „Theorie der Gartenkunst“: ''„Die herrliche Lage der Favorite bei Mayntz erhält diesen vormals so berühmten Garten noch in einigem Ruf. Fast unter den Fenstern des Schlosses verbindet sich der Mayn mit dem Rhein, und beyde strömen in dem Gesichte des Gartens dahin, hinter welchem sich anmutige Weinberge erheben.“'' <ref>nach Christian Cay Lorenz Hirschfeld: ''Theorie der Gartenkunst'' Leipzig 1785, zitiert in Norbert Schindler: ''Die Favorite zu Mainz und die neue Anlage.''</ref> == Einzelnachweise und Anmerkungen == <references /> == Literatur == * Rudolf Busch: ''Das Kurmainzer Lustschloss Favorite.'' Sonderdruck: Rheinisches Kulturinstitut, 1951. Aus: Mainzer Zeitschrift, 44/45, 1949/50. *Paul-Georg Custodis (Bearb.): ''Das kurfürstliche Mainzer Lustschloss Favorite: Sonderausstellung Stadthistorisches Museum Mainz, 1. August bis 12. September 2004'', Mainz, 2004 * Hedwig Brüchert (Hrsg.): ''Vom kurfürstlichen Barockgarten zum Stadtpark. Die Mainzer Favorite im Wandel der Zeit.'' Förderverein Stadthistorisches Museum Mainz e.V., Mainz 2009. ISSN 1868-3177 * Norbert Schindler: ''Die Favorite zu Mainz und die neue Anlage.'' In: ''Das Gartenamt.'' 9/1962. S. 240–245 * Dieter Hennebo, Alfred Hoffmann: ''Geschichte der deutschen Gartenkunst, Band II: Der architektonische Garten – Renaissance und Barock''. Broschek Verlag, Hamburg 1965 * Marie Luise Gothein: ''Geschichte der Gartenkunst, Zweiter Band: Von der Renaissance in Frankreich bis zur Gegenwart''. Verlag Eugen Diederichs, Jena 1926; Nachdruck Verlag Georg Olms Hildesheim 1988. ISBN 3-487-09091-0 * Werner Wentzel: ''Die Gärten des Lothar Franz von Schönborn, 1655-1729.'' Gebr. Mann Verlag, Berlin 1970. ISBN 3-786-14033-2 * Uta Hasekamp: ''Die Schlösser und Gärten des Lothar Franz von Schönborn: das Stichwerk nach Salomon Kleiner'' (Grüne Reihe, 24). Wernersche Verlagsanstalt, Worms 2005. ISBN 3-88462-192-0 * Franz Dumont, Ferdinand Scherf, Friedrich Schütz (Hrsg.): ''Mainz – Die Geschichte der Stadt.'' von Zabern, Mainz 1999 (2.Aufl.). ISBN 3-805-32000-0 * Heinrich Wohte (Hrsg.): ''Mainz – Ein Heimatbuch''. Verlag Johann Falk Söhne, Mainz 1928 * Eduard Coudenhove-Erthal: ''Die Kunst am Hofe des letzten Kurfürsten von Mainz: Friedrich Carl Joseph Freiherr v. Erthal, 1774 - 1802''. In: Wiener Jahrbuch für Kunstgeschichte, Band 10. Rohrer, Baden bei Wien, 1935, S. 57 - 86 * Karl Lohmeyer: ''Südwestdeutsche Gärten des Barock und der Romantik im ihren in- und ausländischen Vorbildern: Nach dem Arbeitsmaterial der saarländischen und pfälzischen Hofgärtnerfamilie der Koellner''. Saarbrücker Abhandlungen zur südwestdeutschen Kunst und Kultur, Band 1. Saarbrücken: Buchgewerbehaus Aktiengesellschaft, 1937. == Weblinks == {{Commonscat|Schloss Favorite (Mainz)}} * [http://www.regionalgeschichte.net/rheinhessen/region/orte/orte-m/mainz/sehenswuerdigkeiten/favorite.html regionet rheinhessen] – Die Favorite in Mainz * [http://www.festung-mainz.de/bibliothek/aufsaetze/mainzer-stadtgeschichte/favorite.html Festung Mainz] – Das kurfürstliche Mainzer Lustschloss Favorite {{Coordinate |NS=49/59/22/N |EW=8/17/17/E |type=landmark |region=DE-RP}} {{Exzellent}} [[Kategorie:Geschichte (Mainz)]] [[Kategorie:Urbaner Freiraum in Mainz]] [[Kategorie:Barockbauwerk in Rheinland-Pfalz]] [[Kategorie:Schloss in Rheinland-Pfalz]] [[Kategorie:Erbaut in den 1720er Jahren]] [[fr:Château de La Favorite (Mayence)]] thrks86bzxsahe1ibrz5it1rgzmlshl wikitext text/x-wiki LZ 120 0 23875 26471 2009-11-17T17:30:52Z Hadhuey 0 /* Technik */ war nicht falsch -> präzisiert [[Datei:Airship Bodensee, Oct. 1919.jpg|thumb|LZ 120]] Der [[Zeppelin]] '''LZ&nbsp;120 „Bodensee“''' (später '''„Esperia“''') war ein [[Verkehrsluftschiff]] der Deutschen Luftschiffahrts AG ([[DELAG]]) zu Beginn der 1920er Jahre. LZ&nbsp;120 war das erste Luftschiff, das nach dem Ersten Weltkrieg in Deutschland gebaut wurde. == Entstehung == Nachdem die DELAG zu Beginn des [[Erster Weltkrieg|Ersten Weltkrieges]] ihre Aktivitäten einstellen und ihre verbliebenen Luftschiffe an das Militär abgeben musste, sollte die Passagierluftfahrt nach Ende des Krieges fortgesetzt werden. Zu diesem Zweck wurden der Zeppelin LZ&nbsp;120 „Bodensee“ und dessen Schwesterschiff [[LZ 121|LZ&nbsp;121 „Nordstern“]] gebaut. Die beiden Luftschiffe waren für den Passagierverkehr im innerdeutschen und innereuropäischen Raum gedacht. Die Zeppeliner hofften auch, dass die neuen Passagierluftschiffe die Öffentlichkeit für größere Projekte begeistern würden. Die Baunummer LZ&nbsp;120 für ein 20.000&nbsp;m³-Schiff wurde auf einer Besprechung am 12. Februar 1919 festgelegt. Die Pläne für LZ&nbsp;120 waren nach nur zwei Monaten fertiggestellt. Das Schiff wurde in [[Friedrichshafen]] gebaut. Dazu wurden zum Teil noch aus dem Krieg vorhandene Materialbestände der [[Militärluftschiff|Kriegszeppeline]] genutzt. Das Luftschiff startete bereits ein halbes Jahr später am 20. August 1919 unter Kapitän Bernhard Lau zu seiner Jungfernfahrt. Am nächsten Tag führte Lau eine weitere Testfahrt durch. Teil der Testfahrten war die Ermittlung der Höchstgeschwindigkeit. Man ermittelte 130&nbsp;km/h für alle vier Motoren, 112&nbsp;km/h für drei, 94&nbsp;km/h für zwei und immer noch beachtliche 74&nbsp;km/h für nur einen Heckmotor. Die beiden Probefahrten verliefen sehr zufriedenstellend. Danach war das Schiff bereit für den Passagierdienst. == Das Schiff == LZ&nbsp;120 war der erste vollständig [[Stromlinienform|stromlinienförmige]] Zeppelin. Bei ihm wurden die [[Aerodynamik|aerodynamischen]] Erkenntnisse des Zeppelin-Ingenieurs [[Paul Jaray]] umgesetzt. So besaß LZ&nbsp;120 kein zylindrisches Rumpfmittelteil mehr und hatte im Vergleich zu früheren Zeppelinen eine sehr geringe Streckung (Verhältnis Länge/Durchmesser) von nur 6,5. Die Gondel war direkt an den Rumpf angebunden und nicht mehr darunter aufgehängt. Die Form von LZ&nbsp;120 wurde von Jaray auch an einem 2,54&nbsp;m langen Modell (Maßstab 1:50) im [[Windkanal]] überprüft. Die bis zu 2,5&nbsp;m breite Gondel ähnelte einem luxuriösen Eisenbahnwaggon. Vorn befand sich die [[Kommandobrücke]], dahinter lagen die Passagierräume. Obwohl das Schiff eigentlich nur für 20 Passagiere entworfen war, fanden an Bord bis zu 30 Passagiere Platz, davon 20 auf festen, gepolsterten Sitzen und 10 weitere in Korbsesseln, die im Fahrgastabteil aufgestellt wurden. Auf der Kommandobrücke gab es einen weiteren Passagierplatz, für den jedoch der doppelte Fahrtpreis zu entrichten war. Es gab ein gesondertes Abteil für prominente Reisende, ein [[Büffet]]-Abteil mit Elektroherd und Kühlschrank sowie einen [[Steward]], der sich um die Gäste kümmerte. Toiletten waren ebenfalls vorhanden. Sie waren aber sehr eng und je nach den Luftbewegungen war der Aufenthalt darauf nicht immer angenehm. Die übliche Besatzung bestand aus 12 Mann. Der Strom für die Beleuchtung, die Küche und die [[Funkstation]], die erstmals auch [[Sprechfunk]] an Bord von Zeppelinen erlaubte, wurde von zwei [[Windgenerator]]en erzeugt. Die 80&nbsp;m lange [[Antenne (Technik)|Antenne]] wurde erst in ausreichender Höhe ausgebracht und hing dann unter dem Schiff. == Betrieb == Ab dem 24. August 1919 fuhr der LZ&nbsp;120 „Bodensee“ im Linienverkehr zwischen Friedrichshafen und [[Berlin-Staaken]], teilweise mit Zwischenlandung in [[München]] auf dem [[Oberwiesenfeld]], dem heutigen [[Olympiapark (München)|Olympiapark]]. Die DELAG arbeitete bei der Vermarktung und Abwicklung der Fahrten mit der [[Hamburg-Amerika-Linie]] (HAL, bzw. HAPAG) unter der Bezeichnung „DELAG-HAPAG-Luftschifflinie“ zusammen. Die erste Fahrt wurde unter dem Kommando von [[Hugo Eckener]] durchgeführt. Der Zeppelin benötigte für die 600&nbsp;Kilometer etwa sechs Stunden, die schnellste Fahrt dauerte vier Stunden. Mit der Eisenbahn benötigte man damals noch rund 24&nbsp;Stunden, was jedoch weniger an der Technik als an den chaotischen Nachkriegsverhältnissen in Deutschland lag. Bis zum 5. Dezember 1919 wurden 103 Passagierfahrten absolviert. Insgesamt war das Luftschiff dabei 532 Stunden in der Luft und bewährte sich auch bei schlechtem Wetter. Es war praktisch immer ausgebucht und beförderte insgesamt 4050 Personen, davon 2379 Passagiere, von denen 126 als geladene Gäste keinen Fahrpreis zu entrichten brauchten. LZ&nbsp;120 legte auf diesen Fahrten eine Gesamtstrecke von 51.258&nbsp;km zurück. Es wurden 4500&nbsp;kg Post und 30.000&nbsp;kg Fracht (inkl. Gepäck) befördert. 38 Mal stieg der Zeppelin in Friedrichshafen auf, um nach Berlin und zurück zu fahren, 15 Mal landete er dabei auch in München. Nur eine Fahrt musste nach dem Start in Berlin am 24. November wegen zu starkem Gegenwind abgebrochen werden. Sieben Mal führte LZ&nbsp;120 in Berlin Rundfahrten durch, einmal fuhr er von Berlin nach Stockholm und zurück. Eine „ungeplante“ Fahrt endete mit einer Notlandung in einem Wald in Sachsen-Anhalt (siehe unten). Nach dem Ende des Fahrgastbetriebs am 5. Dezember 1919 führte LZ&nbsp;120 am 9., 10. und 11. Dezember 1919 noch Testfahrten von Friedrichshafen aus durch, bei denen das Schiff und verschiedene Anlagen an Bord überprüft bzw. weiterentwickelt werden sollten. === Stockholmfahrt === Am 8. Oktober 1919 fuhr der „Bodensee“ mit 20 Passagieren an Bord von Berlin nach [[Stockholm]]. Er sollte die Durchführbarkeit einer regelmäßigen Verbindung nach Stockholm erkunden. Die Fahrt Berlin-Stockholm-Berlin war ein einmaliges Ereignis, das von der im gleichen Jahr gegründeten schwedischen Gesellschaft ''Svenska Lufttrafikaktiebolaget (SLA)'' angeregt worden war. Der nach LZ&nbsp;120 neu gebaute Zeppelin LZ&nbsp;121 „Nordstern“ war für den Dienst auf der Route Friedrichshafen-Berlin-Stockholm vorgesehen. Auf dem Rückweg zeigte sich der mitfahrende schwedische [[Starrflügel]]-Enthusiast Axel Petersson (1868–1925) allerdings nicht besonders beeindruckt. Er wurde später mit dem Kommentar zitiert: ''„Zeppeline sind Flugzeuge für Behinderte und Frauen.“''. === Notlandung bei Cröchern === Bis auf einen Zwischenfall verliefen alle Fahrten problemlos. Am 2. November 1919 wurde das Luftschiff bei der Landung in Berlin-Staaken durch mehrere [[Bö]]en auf den Boden und wieder in die Luft geworfen. Es schneite zu diesem Zeitpunkt. Die Steuergondel wurde beschädigt, die Heckluftschraube zerbrach, und die beiden anderen Motoren waren außer Betrieb. In Panik sprangen sieben Personen aus dem Schiff (davon zwei Passagiere). Das leichter gewordene Schiff stieg auf und drohte gegen die Halle zu stoßen, in die es gebracht werden sollte. Der Steuermann [[Albert Sammt]] befahl den Haltemannschaften, die das Schiff bis dahin an Seilen auf dem Boden hielten, das Schiff freizugeben. Es stieg bis über die Schneewolken auf und trieb antriebslos am Himmel. Auch der Sender des Funkgeräts war ausgefallen. Der Mannschaft gelang es jedoch, einen Motor wieder zum Laufen zu bringen und das Schiff vor Erreichen der [[Prallhöhe]] abzufangen. Später stand auch der zweite Motor wieder zur Verfügung. Der Wind war jedoch zu stark, um nach Berlin-Staaken zurückzukehren. Er drückte LZ&nbsp;120 mit dem Heck voran Richtung Westen. Da nur noch wenig Kraftstoff an Bord war, beschloss die Besatzung, ohne die Hilfe einer Bodenmannschaft zu landen. Kapitän [[Hans Flemming]] mit Albert Sammt am Höhensteuer und dem Zeppelin-Konstrukteur [[Ludwig Dürr]] am Seitensteuer setzte das Luftschiff bei [[Cröchern]]<ref>http://elbe-heide.verwaltungsportal.de/verzeichnis/objekt.php?mandat=5079</ref>, nördlich von [[Wolmirstedt]] in der Nähe von [[Magdeburg]], auf eine Kiefernschonung. Dort konnte es auch sofort verankert werden. Der Zwischenfall hatte ein Todesopfer gefordert: Ein Mitglied der Haltmannschaft in Berlin hatte das Schiff nicht rechtzeitig losgelassen und war aus 50&nbsp;m Höhe abgestürzt. Dies erfuhr die Mannschaft von LZ&nbsp;120 jedoch erst nach ihrer Notlandung. An Bord hatte es keine Verletzten gegeben. Die verbliebenen 29 Passagiere waren in die Besatzungsquartiere innerhalb der Hülle gebracht worden, da man befürchtete, dass die Gondel beim Aufsetzen beschädigt werden könnte. Sie wurden per Bus von Wolmirstedt nach Berlin gebracht, „wohlbehalten und bester Stimmung“, wie Zeitungen berichteten. Zwei Tage später, nachdem der Schneefall aufgehört hatte und die seitlichen Motoren instand gesetzt waren, fuhr das Luftschiff nach Berlin zurück. Unter anderem waren zwei defekte Motoren ausgebaut worden, um das Schiff leichter zu machen, die beiden anderen wurden repariert. Weitere drei Tage später nahm es seinen normalen Dienst wieder auf. === Übergabe an Italien === Alle großen Pläne für eine kommerzielle Luftschifffahrt wurden jedoch zerstört, als Deutschland gezwungen wurde, alle Luftschiffe an die Alliierten des Ersten Weltkriegs abzugeben. Der [[Vertrag von Versailles|Versailler Vertrag]] vom Juni 1919 forderte von Deutschland umfangreiche [[Deutsche Reparationen nach dem Ersten Weltkrieg|Reparationsleistungen]]. Dazu zählten auch die beiden Luftschiffe LZ&nbsp;120 „Bodensee“ und LZ&nbsp;121 „Nordstern“. So wurde Ende 1919 der Passagierbetrieb vorerst verboten. Die Schiffe wurden beschlagnahmt. Im Laufe des Jahres 1920 zeichnete sich ab, dass LZ&nbsp;120 an Italien abgegeben werden musste, während LZ&nbsp;121 an Frankreich ging. Sie sollten als Ersatz für die bei Kriegsende durch ihre Besatzungen zerstörten und damit den Siegermächten entgangenen Kriegszeppeline dienen. Der Namensvetter des „Bodensee“, LZ&nbsp;90, der die deutsche Heeresbezeichnung ''LZ&nbsp;120'' trug, wurde bereits Weihnachten 1920 von Hauptmann Pochhammer nach Rom überführt. Dabei handelte es sich um ein [[Militärluftschiff|Kriegsluftschiff]] aus dem Ersten Weltkrieg. Im Winter 1920/21 wurde der „Bodensee“ noch einmal um 10&nbsp;m verlängert und eine zusätzliche Gaszelle eingefügt. Er hatte danach die gleichen Dimensionen wie LZ&nbsp;121. Ferner wurde der vierte Motor wieder eingebaut; er war noch während des Betriebes 1919 ausgebaut worden, um die Nutzlast zu erhöhen. LZ&nbsp;120 „Bodensee“ stieg am 27. Juni 1921, zwei Wochen nach der Ablieferung von LZ&nbsp;121, zu einer letzten Fahrt innerhalb Deutschlands auf. Dabei waren insgesamt erstaunliche 54 Personen an Bord. Unter den 43 Passagieren, davon 10 Frauen, befanden sich auch viele verdiente Mitarbeiter von Zeppelin, denen die Ehre einer Abschiedsfahrt zuteil wurde. Die Fahrt dauerte 4 Stunden und 17 Minuten. Es wurden verschiedene Manöver- und Funkversuche sowie weitere Tests mit einem [[Ballastschöpfer]] durchgeführt, wie es schon bei LZ&nbsp;121 geschehen war. Am 3. Juli 1921 wurde das Luftschiff von Dr. [[Hugo Eckener]] eigenhändig ohne Zwischenlandung in einer 12,5-stündigen Fahrt über 1329&nbsp;km nach Italien gefahren und dort als deutsche Reparation abgeliefert. Die Route verlief über Zürich, Bern, Lausanne, die Rhône, Avignon, San Remo und Elba nach Campino. Außer der zwölfköpfigen deutschen Besatzung waren drei italienische Offiziere, ein Zivilist und ein [[blinder Passagier]] an Bord. Nachdem um 18:44 Uhr Rom überquert worden war, landete LZ&nbsp;120 um 19:12 Uhr in [[Ciampino]] bei [[Rom]], seiner zukünftigen Heimat. === Betrieb als ''Esperia'' === [[File:Bundesarchiv Bild 102-05517, Zeppelin-Luftschiff "Esperia".jpg|thumb|LZ 120 mit Esperia-Schriftzug]] Die deutsche Besatzung der Überführung blieb noch mehrere Wochen in Italien, um die neuen italienischen Besitzer auszubilden. Der erste Aufstieg dort, am 9. August 1921, war auch gleichzeitig die Abnahmefahrt mit deutscher und italienischer Besatzung. Am 2. September 1921 wurde der „Bodensee“ in einer feierlichen Übergabezeremonie in „Esperia“ umgetauft. Danach stieg der Zeppelin zu einer Demonstrationsfahrt auf. Mit Esperia (lat. Hesperia) bezeichneten die Griechen früher die westlichen Gebiete (heute Spanien bzw. Italien). Esperia wurde von lateinischen Dichtern in Italien gern verwendet, während Hesperia im spanischen Raum erhalten blieb. LZ&nbsp;120 war dem italienischen Heer unterstellt und diente neben der Ausbildung, Manövereinsätzen und Forschungsaufgaben vor allem der Repräsentation. Unter dem Namen „Esperia“ führte LZ&nbsp;120 insgesamt 142 Fahrten durch. 1922 stellte man Leckagen an den Gaszellen fest. Das Schiff wurde daraufhin stillgelegt. Die Reparaturen verzögerten sich vor allem durch organisatorische Schwierigkeiten. Die Überholung mit Unterstützung deutscher Zeppelin-Fachleute begann nach der Entleerung des Schiffes etwa im Mai 1923 und dauerte bis zum 20. August 1923. Bei der Abnahmefahrt, die der Probefahrt am nächsten Tag (21. August) folgte, war auch [[Umberto Nobile]] an Bord. Major Valle, der das Schiff danach übernehmen sollte, wurde für den ersten Teil der Testfahrt in die Kabine gesperrt, damit er sich nicht in die Schiffsführung einmischen konnte. In den Berichten über diese Fahrt zeigte man sich sehr zufrieden mit dem Schiff. Nach dieser 26. Fahrt führte LZ&nbsp;120 in den restlichen fünf Jahren seiner Dienstzeit noch weitere 116 Fahrten durch. Darunter waren auch mehrere „Paraden“, die ausschließlich der Repräsentation oder der Propaganda dienten, wie sie später auch die großen Zeppeline [[LZ 127]], [[LZ129]] und [[LZ 130]] durchführten. Immer wieder wurden auch [[Luftbild]]aufnahmen von LZ&nbsp;120 aus gemacht, so beispielsweise von den Ruinen von [[Ostia Antica|Ostia]] im November 1924, Neapel (Mai 1925), oder dem [[Vesuv]]-Krater im Februar 1928. 1925 führte die „Esperia“ zwei Fernfahrten durch. Gemeinsam mit der italienischen N1, der späteren „[[Norge]]“, fuhr sie Ende Mai zu einem Freundschaftsbesuch nach Spanien. Die beiden Schiffe trafen sich an der Nordspitze [[Korsika]]s und fuhren dann nach [[Barcelona]]. Bei der Landung kam es zu einer Schrecksekunde, als die für die Haltemannschaft abgestellten Matrosen bei der Ankunft des spanischen Königs in Habachtstellung gingen und die Halteseile losließen. Nach drei Stunden Aufenthalt fuhren die beiden Schiffe weiter nach [[Cuers-Pierrefou]] bei [[Toulon]]/Frankreich, um der Opfer des „[[LZ 114|Dixmude]]“-Unglücks zu gedenken. Zu dieser Zeit war übrigens auch das Schwesterschiff LZ&nbsp;121 „Méditerranée“ (vorher „Nordstern“) dort stationiert. Am nächsten Tag kehrten die beiden Schiffe dann zu ihren Stützpunkten in Italien zurück. Am 3.&nbsp;August 1925 führte LZ 120 eine weitere Fernfahrt durch. Sie führte mit 21 „hochgeschätzten illustren“ Passagieren nach [[Tripolis]] und am selben Tag wieder zurück nach Ciampino. Anfang 1927 wurde eine Reihe von Nachtfahrten durchgeführt. Im gleichen Jahr, Ende Juli 1927, nahm die Esperia an einem militärischen Manöver mit anschließender Luftparade zu Ehren [[Benito Mussolini|Mussolinis]] teil, der die Flotte besichtigte. Es gibt Aufzeichnungen über einige weitere Paraden, so beispielsweise zu Ehren des spanischen Königspaares am 20. November 1923 über [[Centocelle]], für den von einem Flug um die Welt zurückkehrenden [[Francesco de Pinedo]], für den afghanischen König im Februar 1928 oder zur Beisetzung des italienischen Generals Diaz am 3.&nbsp;März 1928. Anlässlich des Besuchs des italienischen Königspaares in Spanien Mitte 1924 geleitete die „Esperia“ eine ganze Gruppe von italienischen Kriegsschiffen und fuhr ihnen bei ihrer Rückkehr mit dem kommandierenden General der Luftfahrt an Bord entgegen. Daneben sind auch immer wieder Rundfahrten mit verschiedenen Gästen an Bord dokumentiert. Die letzte Fahrt fand am 28. Juli 1928 statt. Eigentlich hatte sie zur Erprobung eines Motors und der Überprüfung von instandgesetzten Gaszellen dienen sollen. Jedoch hatte das italienische Luftfahrtministerium bereits am 21. Juli schriftlich den Befehl zum Abbruch von LZ&nbsp;120 erteilt. Hintergrund war wahrscheinlich nicht zuletzt das Unglück der [[Italia (Luftschiff)|„Italia“]] in der Arktis. Gleich nach der letzten Fahrt begann die Abwrackung. Durch Fotos ist belegt, dass die Gerippeteile von LZ&nbsp;120 zu Rankgerüsten und [[Pergola|Pergolen]] verarbeitet wurden. == Technik == Das Gerippe war 17-eckig und bestand aus elf verspannten Hauptringen aus [[Duraluminium]] im Abstand von 10&nbsp;m. Zwischen den Hauptringen war jeweils ein unverspannter Hilfsring angeordnet. 20&nbsp;m vom Bug entfernt begann ein interner, zusätzlich versteifter Kiellaufgang, der bis 10&nbsp;m vor das Heck reichte. Die Hülle bestand aus Baumwolle und war mit [[Zellonlack]] getränkt. Der Lack war mit Aluminiumpartikeln versetzt, um die Sonne zu reflektieren, und verlieh dem Schiff ein silbergraues Äußeres. LZ&nbsp;120 war mit seinen vier [[Maybach-Motorenbau GmbH|Maybach]]-Reihen-Sechszylinder-Motoren [[Mb IVa]], die eine Leistung von je 176&nbsp;kW (240&nbsp;PS) besaßen, eigentlich übermotorisiert. Die Höchstgeschwindigkeit betrug 132,5&nbsp;km/h. Damit ist LZ&nbsp;120 das bis heute ([[2005]]) schnellste Passagierstarrluftschiff. Die Motoren waren für große Flughöhen ausgelegt und konnten unter 1800&nbsp;m nur gedrosselt betrieben werden, um ihre [[Nennleistung]] von 190&nbsp;kW nicht zu überschreiten. Die Triebwerke galten als robust, zuverlässig und langlebig. In der hinteren Motorgondel waren zwei Motoren nebeneinander eingebaut und lieferten ihre Leistung über ein Sammelgetriebe mit einer Übersetzung von etwa 2:1 an eine zweiflügelige Holzluftschraube mit 5,2&nbsp;m Durchmesser. In den seitlichen Motorgondeln befand sich je ein Motor mit Getriebe, das eine Drehrichtungsumkehr (Rückwärtsgang) erlaubte, und einer kleineren zweiflügeligen Holzluftschraube von 3,2&nbsp;m Durchmesser. * Länge: 120,8&nbsp;m (später 130,8&nbsp;m), in seiner Ursprungslänge das kürzeste je gebaute Starrluftschiff von Zeppelin * Größter Durchmesser: 18,71&nbsp;m * [[Traggas]]: 20.000&nbsp;m³ (später 22.550&nbsp;m³) [[Wasserstoff]] in 12 (später 13) Gaszellen * Reichweite: 1700&nbsp;km * Standardbesatzung: 12 Mann: Kommandant, „Steuermann“ bzw. Wachhabender (entspr. 1. Offizier), 1&nbsp;Höhensteuermann, 1&nbsp;Seitensteuermann, 1&nbsp;Funker, 1&nbsp;[[Steward]], 6&nbsp;Maschinisten * Leergewicht: 13.646&nbsp;kg (später 14.700&nbsp;kg) * Nutzlast: 9593&nbsp;kg (später 11.500&nbsp;kg) == Andere Luftschiffe mit dem Namen „Bodensee“ == * 1988, am 150. Geburtstag von [[Ferdinand Graf von Zeppelin]], wurde ein [[Heißluft-Luftschiff]] auf den Namen „Bodensee II“ getauft. Es führte verschiedene Postflüge zu Luftschiff-Jubiläen durch. * Mit dem [[Zeppelin NT]] SN&nbsp;02 wurde am 10. August 2001 ein neues Luftschiff der Zeppelin-Werke auf den Namen D-LZZR „Bodensee“ getauft. Er nahm fünf Tage später den Passagierflugbetrieb auf und wurde 2004 nach Japan verkauft. == Einzelnachweise == <references/> == Siehe auch == * [[Liste der Starrluftschiffe]] == Literatur == * Albert Sammt: ''Mein Leben für den Zeppelin'', Kapitel "Notlandung im tiefverschneiten Wald" (S. 45–53), Verlag Pestalozzi Kinderdorf Wahlwies 1981, ISBN 3-921583-02-0 * Peter Kleinheins: ''LZ&nbsp;120 „Bodensee“ und LZ&nbsp;121 „Nordstern“ - Luftschiffe im Schatten des Versailler Vertrages.'' Zeppelin-Museum Friedrichshafen, Friedrichshafen 1994, ISBN 3-926162-80-5 * Peter Kleinheins: ''Die Großen Zeppeline.'' Springer, Berlin 2005, ISBN 3-540-21170-5 {{Navigationsleiste Zeppeline}} {{Exzellent}} {{SORTIERUNG:Lz 120}} [[Kategorie:Zeppelin]] [[Kategorie:Luftschiff]] [[Kategorie:Luftpostfahrzeug]] [[nl:LZ120 "Bodensee"]] qs42ifkbec6f885wxk4d1ypxvg55v5x wikitext text/x-wiki LZ 126 0 23876 26472 2010-02-12T13:02:39Z Spuk968 0 Änderungen von [[Special:Beiträge/92.224.87.40|92.224.87.40]] rückgängig gemacht und letzte Version von Jutta234 wiederhergestellt [[Bild:ZR3 USS Los Angeles an Kriegsschiff.jpg|thumb|220px|Die USS Los Angeles ankert am umgerüsteten Tanker USS Patoka]] Der [[Zeppelin]] '''LZ 126''', später als '''ZR-3 „USS Los Angeles“''' im Dienst der [[United States Navy|US-Marine]], war ein Luftschiff, das in den Jahren 1923 bis 1924 in [[Friedrichshafen]] gebaut wurde und als das erfolgreichste US-amerikanische [[Starrluftschiff]] gilt. In Deutschland erhielt es den Beinamen „Amerikaluftschiff“ oder auch „Reparationsluftschiff“. == Entstehung und Bau == Nach dem Ende des [[Erster Weltkrieg|Ersten Weltkrieges]] begrenzten die Alliierten den deutschen Luftschiffbau auf kleine Luftschiffe und untersagten den Bau von [[Militärluftschiff]]en vollständig. Einzig die USA, die den [[Friedensvertrag von Versailles|Versailler Vertrag]] nicht ratifiziert hatten, waren weiterhin an einer Zusammenarbeit auf diesem Gebiet mit Deutschland interessiert. In den USA sahen sowohl das Heer als auch die Marine eine Zukunft für Starrluftschiffe als [[Militärische Aufklärung|Fernaufklärer]]. Es gelang Dr. [[Hugo Eckener]], dem Vorsitzenden der Zeppelin-Gesellschaft, den Auftrag der US-Regierung für den Bau eines großen [[Luftschiff]]es (ZR-3) nach Friedrichshafen zu holen. Zuvor war das in England in Auftrag gegebene Starrluftschiff [[R38 (Luftschiff)|R38]], welches als US-amerikanisches ZR-2-Marineluftschiff vorgesehen war, im August 1921 noch vor seiner Übergabe auf einer Versuchsfahrt verunglückt. Die Fertigung des Zeppelins wurde zudem im Rahmen der [[Reparationen|Reparationsleistungen]] für den Ersten Weltkrieg von [[Deutschland]] selbst finanziert. Die USA beanspruchten ursprünglich 3,2 Millionen Mark, da ihnen zwei Marineluftschiffe als Reparation entgangen waren, als diese durch ihre Mannschaften am 23. Juni 1919 selbst zerstört wurden. Der Auftrag über LZ&nbsp;126 wurde am 26. Juni 1922 an die [[Luftschiffbau Zeppelin GmbH]] vergeben. Die Zeppeliner bestanden unter anderem auf der Bedingung, dass das Luftschiff von einer deutschen Besatzung auf dem Luftweg nach Amerika zur Übergabe gebracht werden sollte. Um das alliierte Verbot für den Bau von Militärluftschiffen zu umgehen, erfolgte die Lieferung des Luftschiffes an die USA offiziell unter der Auflage einer ausschließlichen zivilen Nutzung. Dementsprechend wurde LZ&nbsp;126 vom Ingenieur [[Ludwig Dürr]] für den kommerziellen Einsatz ausgelegt und konnte neben der 30-köpfigen Besatzung auch bis zu 30 Passagiere aufnehmen. LZ&nbsp;126 war das erste Luftschiff überhaupt, das über Schlafmöglichkeiten für die Passagiere verfügte. Die Passagierabteile, die mit Zugabteilen vergleichbar waren, verfügten über herunterklappbare Liegen, wie sie aus Schlafwagen bekannt sind. Die Kiellegung erfolgte am 7. November 1922. Im August 1924 wurde LZ&nbsp;126 fertiggestellt. Die erste von mehreren Testfahrten innerhalb Deutschlands fand am 27. August 1924 von Friedrichshafen aus statt. Das Schiff war als erster Zeppelin mit einer Beschichtung versehen, die Aluminiumpartikel enthielt, um die Sonnenstrahlung zu reflektieren und so das Aufheizen des Traggases zu verringern. Sie ließ den gesamten Schiffskörper silbrig glänzen und so noch eleganter erscheinen. Zur Zeit seiner Fertigstellung war LZ&nbsp;126 das größte Luftschiff der Welt. == Überführung == [[Bild:LZ126 arriving at Lakehurst, NJ.jpg|thumb|220px|LZ 126 bei der Landung in Lakehurst]] Hugo Eckener startete am 12. Oktober 1924 persönlich zur Überführung des Luftschiffes nach [[Lakehurst]], nachdem ein Start am Vortag wegen schlechten Wetters abgebrochen werden musste. Außerdem hatte man beim Auswiegen [[Blinder Passagier|blinde Passagiere]] entdeckt. Ein Reporter vom ''International News Service'' und ein Fotograf vom ''International Newsreel'' hatten versucht, sich im Heck zu verstecken. Die Zeppelingesellschaft musste mit ihrem gesamten Vermögen für LZ&nbsp;126 haften, denn die Transatlantikfahrt galt als so großes Risiko, dass Eckener keine [[Versicherer|Versicherung]] für das Unternehmen gewinnen konnte. LZ&nbsp;126 war erst das zweite Luftschiff, das den Atlantik überquerte. Nur der englischen [[R34]] war bereits 1919 eine Hin- und Rückfahrt gelungen. Für die Fahrt hatte Eckener seine fähigsten Leute ausgewählt. Fünf der Wachoffiziere aus der insgesamt 27-köpfigen Besatzung besaßen ein Luftschifferpatent. Als Passagiere waren vier Offiziere der US-Marine und des Heeres an Bord, die später für den Einsatz des Schiffs in den USA verantwortlich sein sollten. Die Fahrt führte über die [[Gironde (Ästuar)|Girondemündung]], die Nordwestecke Spaniens und die [[Azoren]] bis zur Atlantikmitte. Dort traf das Luftschiff auf ein [[Tiefdruckgebiet]] mit starken Südwest-Gegenwinden, das Eckener veranlasste es nördlich zu umgehen. Östlich von [[Halifax (Nova Scotia)|Halifax]] stieß man dann auf Ostwinde, die das Schiff über die [[Neufundlandbank|Neufundlandbänke]] und um vier Uhr morgens über [[Boston]] schnell voranbrachten. Während der Überquerung kam es zu keinen größeren Zwischenfällen. Am 15. Oktober wurden die erfolgreichen Luftschiffer nach einer Fahrzeit von 81 Stunden und zwei Minuten und 8050 Kilometern bei der wohlbehaltenen Ankunft in Lakehurst von der US-amerikanischen Bevölkerung begeistert begrüßt. Als das Schiff kurz zuvor über dem New Yorker Hafen kreiste, ertönten sämtliche Schiffs- und Feuerwehrsirenen. Tausende Menschen hatten sich auch an der Luftschiffhalle eingefunden. Später wurden die Luftschiffer, für die auch eine Konfettiparade auf dem [[Broadway (Manhattan)|Broadway]] veranstaltet wurde, von Präsident [[Calvin Coolidge]] offiziell im [[Weißes Haus|Weißen Haus]] empfangen. Die Ablieferungsfahrt erhielt so nachträglich den Charakter einer Friedensmission im Sinne einer Wiederaussöhnung zwischen Deutschland und den USA nach dem Ersten Weltkrieg. == Taufe und Indienststellung bei der US-Marine == Das Schiff wurde am 15. November 1924 zum Marine-Luftstützpunkt [[Anacostia (Washington)|Anacostia]] (Washington D.C.) gebracht. Dort taufte die Präsidentengattin [[Grace Coolidge]], die mit den Worten ''„Weil es wie ein Friedensengel zu uns kam“'' (Quelle: „Der große Zeppelin“) zitiert wird, LZ&nbsp;126 in ZR-3 „USS Los Angeles“ um. ''ZR'' stand für das englische: '''Z'''eppelin '''r'''igid, zu deutsch: Zeppelin Starrluftschiff. Unter dieser Bezeichnung wurde LZ&nbsp;126 als drittes Starrluftschiff der US-Marine in Dienst gestellt. Das von den Zeppelin-Werken verwendete [[Wasserstoff]]-[[Traggas]] wurde gleich nach der Übernahme des Schiffes durch die Amerikaner gegen [[Helium]] ausgetauscht. Das Helium war zu diesem Zeitpunkt noch so rar und kostbar, dass das Luftschiff [[USS Shenandoah|ZR-1 „USS Shenandoah“]] einen Großteil der damaligen Weltreserven enthielt. Daher musste das ältere Starrluftschiff seine Füllung zunächst an die USS Los Angeles abgeben. Ein Kubikmeter Helium kostete die USA als damals einzigen Produzenten etwa 350 US$, ungefähr das Fünfzigfache im Vergleich zu Wasserstoff. Weiterhin wurde eine [[Auftriebsausgleich|Ballastwassergewinnungsanlage]] eingebaut, die Wasser durch Kondensation der Abgase gewinnen sollte. Die Heliumfüllung erhöhte zwar die Sicherheit des neuen Schiffes deutlich, reduzierte allerdings auf der anderen Seite zugleich seine [[Nutzlast]] und [[Reichweite (Transportwesen)|Reichweite]]. == Betrieb == [[Bild:LZ126-ZR-2-USSLosAngeles.jpg|thumb|left|220px|Lakehurst 1925]] Das neue Luftschiff wurde von der Marine als fliegendes [[Laboratorium]] sowie als Schul- und Versuchsluftschiff verwendet, um die kommerziellen und militärischen Möglichkeiten von Großluftschiffen auszuloten und neue Taktiken für Luft- und Seestreitkräfte zu erarbeiten. Am 24. Januar 1925 diente die USS Los Angeles als Sonnenobservatorium für eine Gruppe von Wissenschaftlern, die eine totale [[Sonnenfinsternis]] ohne Störeinfluss möglicher Wolken beobachten und fotografieren wollten. Schon in den ersten Monaten ihres Betriebs unternahm die USS Los Angeles mehrere Fahrten nach [[Bermuda]] (20. Februar – 22. Februar 1925) und [[Puerto Rico]] im Mai 1925. Ebenso gelang der Versuch, an einem sich auf dem Schiff [[USS Patoka (AO-9)|USS Patoka]] befindlichen Ankermast anzulegen. Insgesamt sollte ZR-3 44 Mal an der Patoka festmachen. Eine Fahrt nach [[Minneapolis]] am 6. Juni 1925 wurde aufgrund eines Motorschadens abgebrochen. Bei der folgenden Revision traten noch mehr Mängel zutage. Die Gaszellen waren bereits porös geworden und mussten ersetzt werden. Auch das Gerippe zeigte Schädigungen. Das im [[Kühlwasser]] der Motoren als [[Frostschutz]] verwendete [[Calciumchlorid]] verursachte [[Korrosion]] an den Aluminiumträgern. Das Schiff verblieb für die Umbauarbeiten im Hangar von Lakehurst und übergab sein Traggas vorübergehend wieder an die „USS Shenandoah“. Nach deren Verlust am 3. September verzögerte sich die Wiederaufnahme der Fahrten der „Los Angeles“ bis zum März 1926, da unter anderem die Heliumvorräte durch das Unglück knapp geworden waren. [[Bild:ZR3 USS Los Angeles upright.jpg|thumb|220px|Der unfreiwillige „Kopfstand“ der ZR-3]] Das Luftschiff wurde auch benutzt, um Mitte 1926 die damals neuen Funk-[[Kompass]]stationen an der Ostküste der USA zu [[kalibrieren]]. Sie sollten den Schiffen die Navigation beim Erreichen der nordamerikanischen Küste erleichtern. Am 25. August 1927 vollführte die „Los Angeles“ am 49 Meter hohen [[Ankermast]] in Lakehurst unfreiwillig ein in der Geschichte der Großluftschiffe einzigartiges „Kunststück“. Als aufkommender Wind das Heck des am Bug verankerten Schiffes etwas anhob, geriet es in eine kältere und dichtere Luftschicht und begann durch den Auftriebsgewinn unaufhaltsam weiter aufzusteigen. Obwohl die Mannschaft die Lage sofort durch Gewichtsverlagerung zu kompensieren versuchte, konnte das Schiff erst wieder ausbalanciert werden, nachdem es, fast senkrecht in der Luft stehend, einen regelrechten „[[Kopfstand]]“ vollführt hatte. Das Luftschiff wurde bemerkenswerterweise nur leicht beschädigt und es gab keine Verletzten. Es konnte bereits am nächsten Tag wieder in Betrieb gehen. Dieser Vorfall führte noch am selben Tag zu der Entscheidung der Abkehr vom Konzept des Hochmastes für Luftschiffe zugunsten niedrigerer Konstruktionen. Am 28. Januar 1928 wurde eine Landung auf dem Flugzeugträger [[USS Saratoga (CV-3)|USS Saratoga]] durchgeführt. Ein einmaliger Test, bei dem Passagiere, Kraftstoff und Wasser transferiert wurden. Am 20. Februar 1928 führte ZR-3 den ersten [[Nonstop-Flug]] über 3650 km von New York zum [[Panama-Kanal]] durch und kehrte einige Tage später mit Zwischenstopps in [[Kuba]] und an der USS Patoka zurück. [[Bild:ZR-3 on USS Saratoga.jpg|thumb|left|220px|ZR-3 landet auf der USS Saratoga]] Am 3. Juni 1929 gelang es der USS Los Angeles als erstem Luftschiff, ein Flugzeug im Fluge aufzunehmen und wieder abzusetzen. Ähnliche Versuche hatte es in Deutschland und England bereits zur Zeit des Ersten Weltkriegs gegeben. Dies geschah bei einer Geschwindigkeit von etwa 90&nbsp;km/h in einer Höhe von etwa 760&nbsp;m in der Nähe von Lakehurst. Das Flugzeug vom Typ [[UO-1]] hakte sich in ein unter dem Schiff befestigtes Trapez ein. Es wurden daraufhin noch weitere erfolgreiche Tests durchgeführt. Im Jahr darauf wurde ein [[Segelflugzeug]] mit der gleichen Technik von der „Los Angeles“ abgesetzt. Die Versuche dauerten noch bis in den Oktober 1931 hinein. Damit war bewiesen, dass Luftschiffe in der Lage waren, auch ohne selbst zu landen, Fracht und Passagiere von und an Bord zu bringen. Aus diesen Tests folgte auch der Bau von speziellen Kampfflugzeugen, mit denen die neuen Luftschiffe der US-Marine (ZRS-4 und 5) ausgerüstet wurden. Nachdem die alliierten Beschränkungen für militärische Luftschiffe aufgehoben worden waren, nahm die „Los Angeles“ ab dem Februar 1931 als erstes Luftschiff seit 1925 wieder an einem großen Manöver der Marine vor [[Panama]] teil. Sie durfte nun auch Waffen tragen und von Offizieren in Militäruniformen geführt werden. Später operierte sie eine Zeit lang zusammen mit dem neuen und größeren Starrluftschiff [[USS Akron|ZRS-4 „USS Akron“]]. == Außerdienststellung == ZR-3 wurde am 30. Juni 1932, obwohl voll einsatzfähig, aus wirtschaftlichen Gründen außer Dienst gestellt, jedoch weiterhin für Versuche am Boden verwendet. Zu diesem Zeitpunkt befand sich die [[USS Akron|ZRS-4 „USS Akron“]] bereits im Dienst und das Schwesterschiff, die [[USS Macon (ZRS-5)|ZRS-5 „USS Macon“]], im Bau. Das Schiff wurde anfangs so aufbewahrt, dass es innerhalb von 30 Tagen wieder lufttüchtig gemacht werden konnte. Am 6. Januar 1939 wurde beschlossen, das Schiff für weitere Tests, jedoch ausschließlich am Boden zu verwenden und es anschließend abzurüsten. Im Juni wurde ein Teil der Hülle entfernt, um Einblicke in das Innere zu ermöglichen und das Luftschiff zur Besichtigung freigegeben. Vom 20. Juni bis zum 8. September, als durch Präsident Roosevelt ein begrenzter nationaler Notstand (''limited national emergency'') ausgerufen worden war und alle Stützpunkte für Besucher geschlossen wurden, hatten sich bereits 44.871 Besucher in das [[Gästebuch]] eingetragen. Am 24. Oktober 1939 wurde ZR-3 „USS Los Angeles“ von der Liste der US-Marine-Schiffe gestrichen. Daraufhin begann umgehend die Verschrottung, die sich bis zum 15. Dezember hinzog. Insgesamt legte die USS Los Angeles in ihrer sieben Jahre und acht Monate dauernden Dienstzeit (der längsten eines US-Starrluftschiffes) bei 331 Fahrten in 4398 Flugstunden 345.000&nbsp;km zurück. Sie war das erfolgreichste Luftschiff der USA und das einzige der fünf US-amerikanischen Starrluftschiffe, dessen Einsatz nicht durch einen Unfall beendet wurde. == Technische Daten == {| |Länge ohne Mastfesselgeschirr || 200,00&nbsp;m |- |Größter Durchmesser || 27,64&nbsp;m |- |Nenngasinhalt (95&nbsp;%) || 70&nbsp;000&nbsp;m³ |- |Prallgasinhalt || 73&nbsp;680&nbsp;m³ |- |Gaszellenzahl || 14 |- |Antrieb || fünf [[Maybach-Motorenbau|Maybach]]-Motoren VL-1 zu je 294&nbsp;[[Watt (Einheit)|kW]]&nbsp;(400&nbsp;PS) |- |Höchstgeschwindigkeit || 127&nbsp;[[km/h]] |- |Marschgeschwindigkeit || 113&nbsp;km/h |- |Leermasse || 39&nbsp;690&nbsp;kg |- |Nutzmasse bei Normalbedingungen || 45&nbsp;780&nbsp;kg |- |Reichweite || 12&nbsp;500&nbsp;km |} (nach dem Stand von 1924) == Siehe auch == * [[Liste der Starrluftschiffe]] == Literatur == * Siegfried Borzutzki: ''LZ 126, ZR III "U.S.S. Los Angeles"''. W. EPPE, Bergatreute 1998, ISBN 3-89089-055-5 * Peter Kleinheins: ''"Die großen Zeppeline."'' VDI-Verlag, Düsseldorf 1985, ISBN 3-18-400687-5 (u.a. Nachdrucke von Publikationen Ludwig Dürrs) * A. Wittemann: ''Die Amerika-Fahrt des Z.R.III. Mit dem Luftschiff über den Atlantischen Ozean.'' Die Geschichte des gesamten Zeppelinbaues. Amsel, Wiesbaden 1925. * Pochhammer B. (hrsg.) ''Logbuch ZR&nbsp;III''. Theodor Fischer Verlag, Freiburg 1924. == Weblinks == {{Commons|ZR-3 USS Los Angeles (LZ 126)}} * [http://www.gzg.fn.bw.schule.de/bilder/zeppelin03/dias.htm Dia-Show des Graf-Zeppelin-Gymnasiums Friedrichshafen vom Bau] * [http://www.zeppelin-3d.de/LZ126/LZ126.htm 3D-Bilder von LZ 126] * [http://www.dhm.de/lemo/objekte/sound/zeppelin3/index.ram Bericht über die Atlantiküberquerung des LZ&nbsp;126,] eine Rede (7. September 1925) von Hugo Eckener * [http://www.history.navy.mil/photos/ac-usn22/z-types/zr3.htm ''ZR-3 „USS Los Angeles“'' auf den Seiten des U.S. Naval Historical Center] (englisch) * [http://www.nlhs.com/usslos.htm www.nlhs.com/usslos.htm] umfangreiche Bildersammlung (englisch) {{Navigationsleiste Amerikanische Starrluftschiffe}} {{Navigationsleiste Zeppeline}} {{Exzellent}} {{DEFAULTSORT:Lz 126}} [[Kategorie:Zeppelin]] [[Kategorie:Luftschiff]] [[Kategorie:Militärluftschifffahrt (Vereinigte Staaten)]] [[cs:Los Angeles (vzducholoď)]] [[en:USS Los Angeles (ZR-3)]] [[es:USS Los Angeles (ZR-3)]] [[fr:USS Los Angeles (ZR-3)]] [[it:ZR-3 USS Los Angeles (LZ 126)]] [[ja:ロサンゼルス (飛行船)]] [[nl:LZ126 'USS Los Angeles']] [[pl:USS Los Angeles (ZR-3)]] ihzh10vquaslxdm8pvh88fjpaqd8ueh wikitext text/x-wiki Lörrach 0 23877 28153 28152 2010-09-19T19:35:56Z Hoo man 425 Änderungen von [[Special:Contributions/89.13.71.81|89.13.71.81]] ([[User talk:89.13.71.81|Diskussion]]) rückgängig gemacht und letzte Version von [[User:Hoo man|Hoo man]] wiederhergestellt {{Infobox Gemeinde in Deutschland |Art = Stadt |Wappen = Loerrach wappen.svg |Breitengrad = 47/36/56/N |Längengrad = 07/39/41/E |Lageplan = Lörrach in LÖ.png |Lageplanbeschreibung = Lage der Kreisstadt Lörrach<br />im gleichnamigen Landkreis |Bundesland = Baden-Württemberg |Regierungsbezirk = Freiburg |Landkreis = Lörrach |Höhe = 294 |Fläche = 39.42 |PLZ = 79539–79541 |PLZ-alt = 7850 |Vorwahl = 07621 |Kfz = LÖ |Gemeindeschlüssel = 08336050 |Gliederung = [[Kernstadt]] sowie 3 Stadt- und 3 [[Ortsteil]]e |Adresse = Luisenstraße 16<br />79539 Lörrach |Website = [http://www.loerrach.de/ www.loerrach.de] |Bürgermeister = [[Gudrun Heute-Bluhm]] |Bürgermeistertitel= Oberbürgermeisterin |Partei = CDU }} [[Datei:Burg Roetteln.jpg|miniatur|295px|Wahrzeichen Lörrachs: [[Burg Rötteln]]]] '''Lörrach''' ist eine [[Kreisstadt]] im Südwesten [[Baden-Württemberg]]s. Sie ist die größte [[Stadt]] des gleichnamigen [[Landkreis Lörrach|Landkreises]] und seit dem 1. April 1956 [[Große Kreisstadt]]. In der näheren Umgebung liegen der [[Schwarzwald]], das [[Rhein]]tal sowie die Städte [[Weil am Rhein]] und [[Basel]]. Lörrach liegt weniger als fünf Kilometer vom [[Dreiländereck]] Deutschland – Frankreich – Schweiz entfernt, die [[Gemarkung]]sfläche grenzt unmittelbar an die Schweiz. Die Stadt ist Bestandteil des [[Trinationaler Eurodistrict Basel|Trinationalen Eurodistricts Basel]] (früherer Name: Trinationale Agglomeration Basel) mit rund 830.000 Einwohnern. Der erweiterte trinationale Ballungsraum wird, da er sich um das [[Rheinknie]] gebildet hat, auch ''[[RegioTriRhena]]'' genannt. Dieser Lebens- und Wirtschaftsraum umfasst die Gegend im äußersten Südwesten Baden-Württembergs, die [[Nordwestschweiz]] sowie das [[Haut-Rhin|Oberelsass]]. Er zählt etwa 2,3 Millionen Einwohner und über eine Million Erwerbstätige.<ref>[http://www.regiotrirhena.org/dn_DE-Chiffrescles/ Webseite der Regio TriRhena, Stand der Zahlen 2001]</ref> == Geographie == === Lage === Lörrach liegt im äußersten Südwesten [[Deutschland]]s an den Ausläufern des südlichen [[Schwarzwald]]es im Wiesental und an der Schweizer Grenze zu [[Riehen]], welches dem [[Basel-Stadt|Kanton Basel]] angehört. Längs der [[Wiesental|Wiese]], einem rechten Nebenfluss des Rheins, verläuft die sogenannte „[[Grüne Grenze]]“ zur Schweiz, ein Wanderweg für Fußgänger und Radfahrer. {{Nachbargemeinden | NORDWEST = [[Binzen]] | NORD = [[Rümmingen]] | NORDOST = [[Steinen (Baden)]] | WEST = [[Weil am Rhein]] | OST = [[Dinkelberg]] | SUEDWEST = [[Basel]] (CH) | SUED = [[Riehen]] (CH) | SUEDOST = [[Inzlingen]] }} <br style="clear:both" /> Lörrach wird manchmal als „Hauptstadt“ des [[Markgräflerland]]s bezeichnet und gehört dem trinationalen [[Eurodistrikt]] Basel und ''Regio TriRhena'' an. Die Landeshauptstadt [[Stuttgart]] liegt 260&nbsp;Kilometer von Lörrach entfernt, die Schweizer Großstädte [[Bern]] 102&nbsp;Kilometer und [[Zürich]] 90&nbsp;Kilometer, eine gute Autostunde. Die nächste französische Großstadt (49&nbsp;Kilometer) ist [[Mulhouse|Mülhausen]], die nächste deutsche Großstadt ist [[Freiburg im Breisgau]] (74&nbsp;Kilometer). Die Stadt Lörrach wird von vielen bewaldeten Erhebungen (Schädelberg, Homburg, Röttler Wald und [[Tüllinger Berg]]) entlang des Wiesentals umrahmt, wovon der Tüllinger Berg mit 460&nbsp;Meter ü. NN eine der höchsten bildet. Von dort aus hat man die beste Aussicht auf die umliegenden Städte [[Weil am Rhein]] und Basel sowie auf das [[Rheinknie]]. Auf dem Tüllinger Berg ist ein 657&nbsp;Hektar umfassendes [[Landschaftsschutzgebiet]] eingerichtet. Am Südwesthang des Berges wird die regional bedeutende [[Gutedel]]rebe angebaut und zu ''[[Markgräfler Wein]]'' verkeltert. Durch Lörrach, genauer gesagt, an der Burg Rötteln vorbei über den Tüllinger, führt die Schlussetappe der Variante A des [[Westweg#Zwölfte Etappe: Blauen–Basel (Streckenführung bis 2006)|Westweges]]. <div align="center"> [[Datei:Panorama Lörrach.jpg|750px]]<br /><small>Blick vom Tüllinger Berg auf Lörrach</small> </div> Lörrach liegt in einem sogenannten [[Zollgrenzbezirk]]<ref>dieser hat beispielsweise beschränkte Freimengen für Bewohner der grenznahen Gemeinde zur Folge</ref> mit Sitz eines [[Hauptzollamt]]es. Bisher führten sowohl der Schweizer wie der Deutsche Zoll Grenzkontrollen durch. Nach dem [[Schengener Abkommen]], dem die Schweiz am 16. Oktober 2004 beigetreten ist, sind ab dem 12. Dezember 2008 die Personenkontrollen weggefallen. Die Warenkontrollen werden zunächst weiterhin bestehen bleiben, da die Schweiz nicht der europäischen [[Zollunion]] beigetreten ist. Die Grenzlage Lörrachs brachte den Stadtbewohnern sowohl Vor- als auch Nachteile. Mit dem Fall der Grenzen innerhalb der [[Europäische Union|EU]] und den [[Bilaterale Verträge zwischen der Schweiz und der EU|Bilateralen Verträgen der EU mit der Schweiz]] gelangte die Region erstmals aus einer politischen Randlage heraus in eine europäische Zentrallage. Mittels gut ausgebauter Nord-Süd- und Ost-West-Verkehrsverbindungen ist Lörrach wirtschaftlich eingebunden und profitiert auch im [[Fremdenverkehr]]swesen als Regionalzentrum des südlichen Schwarzwaldes. Nachteilig wirkt sich die gestiegene [[Kriminalität]] durch den Grenzverkehr aus, dazu zählen insbesondere Straftaten im Bereich des [[Drogenschmuggel]]s. Der Landkreis Lörrach lag 2004 bei der Häufigkeitszahl an kriminellen Delikten mit 10.099 Fällen landesweit auf Platz sechs in Baden-Württemberg.<ref>Polizeiliche Kriminalstatistik Baden-Württemberg 2004, Seite 45</ref> === Geologie und Wasserversorgung === [[Datei:Grossraum Basel.png|miniatur|hochkant=1.7|Umgebung von Lörrach im Dreiländereck]] Lörrach liegt im südlichsten Abschnitt des [[Oberrheingraben]]s, eine der Hauptlinien des Oberrheinischen Grabenbruchs verläuft durch das Stadtgebiet. Die durch [[Tektonik|tektonische]] Bewegungen entstandene [[Senke (Geografie)|Senke]] macht den Raum Lörrach damit zu einer der erdbebengefährdetsten Regionen Deutschlands. Er wird mehrmals im Jahr von kleineren bis mittleren [[Erdbeben]] heimgesucht. Die Stadt selbst breitet sich auf einem Talboden aus der [[Quartär (Geologie)|Quartärzeit]] aus. Beidseitig des Tals ist Lörrach von Abhängen umgeben, welche den südlichen Teil des [[Wiesental]]s bilden. Der [[Wiese (Fluss)|Fluss Wiese]] aus dem [[Schwarzwald]] bahnt sich seinen Weg bis zur Mündung in den weiten Schotterflächen der [[Rhein]]ebene in Basel. Die Muschelkalke am Tüllinger Berg bildeten sich im [[Tertiär (Geologie)|Tertiär]] vor rund 30 Millionen Jahren. Zu dieser Zeit befand sich zwischen Schwarzwald und den [[Alpen]] der nordschweizerische [[Molasse]]-See. Die Sande, die sich dort ablagerten, bilden die heutige Unterlage des Tüllinger Berges. Die wechselnden Schichten am Tüllinger Berg entstanden durch fortwährende Verlandung und Befüllung des Sees. So bildeten sich wasserdurchlässige Kalkschichten und wasserundurchlässige Tone. Auf diesen Ton- und Mergelschichten sammeln sich Niederschläge, die bis zur Grundfläche der Kalkplatten wieder ins Erdreich sickern. Wasseraustritte am Tüllinger Berg führen zu Rutschungen, den sogenannten [[Schlipf]]en. Ein besonders großer Erdrutsch ereignete sich 1758, welcher sogar den Lauf der Wiese veränderte.<ref>Moehring: ''Kleine Geschichte der Stadt Lörrach'', Seite 15</ref> Geografische Daten der Stadtgemarkung Lörrachs: : Tiefster Punkt: 272 Meter ü. NN (der Fluss Wiese an der Landesgrenze zur Schweiz) : Höchster Punkt: 570 Meter ü. NN (Hochstand im Röttler Wald) Das bebaute Stadtgebiet Lörrachs misst in der größten Nord-Süd-Ausdehnung 6,0 Kilometer, in der Ost-West-Richtung sind es 4,6 Kilometer. Der Stadtraum Lörrach ist reich an [[Grundwasser]]quellen.<ref>[http://www.lgrb.uni-freiburg.de/lgrb/Produkte/karten/hgk_karten Hydrogeologische Karte von Baden-Württemberg 1:50.000, Blatt Markgräflerland, Weitenauer Vorberge, Wiesental mit Erläuterungen]</ref> An der Untergrenze der Hochterrassenschotter gegen stauende Blaue Letten (Melettaschichten) tritt Wasser auf der Talsohle zutage (z.&nbsp;B. Leuselhard, Buckweg). Oberhalb undurchlässiger [[Tonstein]]areale treten oft große Mengen Hangwasser aus, welche früher in zahlreichen Schachtbrunnen genutzt wurden. Örtlich auftretende Verwerfungs[[quelle]]n<ref>an der Grenze zwischen Keuper[[mergel]] gegen oberen [[Muschelkalk]]</ref> findet man beispielsweise östlich der Hartmatten. Der Tüllinger Berg wird kranzförmig auf etwa 400 Meter Höhe von einem [[Quellhorizont]] umgeben. Bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts wurde die Wasserversorgung Lörrachs durch laufende steinerne Brunnen bewerkstelligt. Im Jahr 1887 wurde am [[Hochgestade]] beim Schwimmbad ein [[Brunnen#Ziehbrunnen|Tiefbrunnen]] gebaut, der seitdem die Stadt über ein öffentliches Verteilernetz aus dem Grundwasser versorgt. Seit 1967 befindet sich das Versorgungszentrum im Landschaftspark Grütt.<ref>''Lörrach: Landschaft – Geschichte – Kultur'', Seite 19 f</ref> === Klima === Lörrach hat aufgrund seiner besonderen geografischen Lage ein ausgesprochen mildes, im Sommer sogar heißes [[Klima]]. Die Region des [[Markgräflerland]]s gilt als die wärmste Deutschlands, da aus dem [[Rhône]]tal über die [[Burgundische Pforte]] mediterrane Luft einströmt. Nach Erhebungen des [[Deutscher Wetterdienst|Deutschen Wetterdienstes]] für die Jahre 1961 bis 1990 beträgt die durchschnittliche Sonnenscheindauer rund 1700 Stunden im Jahr. Dieser Wert liegt im [[Sonnenschein#Sonnenscheindauer in Deutschland|bundesweiten Vergleich]] (Mittelwert für Deutschland liegt bei 1541 Stunden) im oberen Drittel.<ref>[http://imkhp8.physik.uni-karlsruhe.de/~lacunosa/Artikel/sonne.html Sonnenscheinkarte nach Datenquelle des Deutschen Wetterdienstes]</ref> Die überdurchschnittlich vielen Sonnentage haben der südwestlichen Region den Spitznamen „Die [[Toskana]] Deutschlands“ eingebracht. Im Winter liegt in Lörrach normalerweise keine oder nur eine sehr dünne Schneedecke. Am 5. März 2006 legte jedoch ein Rekordschneefall die Region rund um Lörrach und Basel lahm. In der Lörracher Innenstadt wurden gut 42 Zentimeter Neuschnee gemessen, so viel wie zuletzt 1962.<ref>Bürgel, Göckel, Lutz, Moehring: ''Jahrbuch Lörrach 2006'', ISBN 3-922107-71-0, Seite 117</ref> {{Klimatabelle | TABELLE = | DIAGRAMM TEMPERATUR = aktiviert | DIAGRAMM NIEDERSCHLAG = aktiviert | QUELLE = Niederschlag: [http://www.klimadiagramme.de/rrnn.html klimadiagramme.de Mittelwerte der Periode 1961 bis 1990],<br /> Durchschnittstemperatur: [http://www.klimadiagramme.de/Bawue/eimeldingen.html klimadiagramme.de, Eimeldingen], Min/Max-Temperatur: [http://weather.msn.com/local.aspx?wealocations=wc:19230 weather.msn.com] | Überschrift = Klimadaten Lörrachs | Ort = Lörrach | hmjan = 5 | hmfeb = 6 | hmmär = 12 | hmapr = 15 | hmmai = 20 | hmjun = 23 | hmjul = 25 | hmaug = 26 | hmsep = 21 | hmokt = 16 | hmnov = 9 | hmdez = 6 | lmjan = -1 | lmfeb = -1 | lmmär = 2 | lmapr = 4 | lmmai = 9 | lmjun = 12 | lmjul = 14 | lmaug = 14 | lmsep = 11 | lmokt = 7 | lmnov = 2 | lmdez = 0 | avjan = 0.9 | avfeb = 2.3 | avmär = 5.5 | avapr = 9.2 | avmai = 13.4 | avjun = 16.8 | avjul = 18.9 | avaug = 18.3 | avsep = 15.1 | avokt = 10.3 | avnov = 5.1 | avdez = 1.9 | nbjan = 63 | nbfeb = 59 | nbmär = 60 | nbapr = 72 | nbmai = 96 | nbjun = 95 | nbjul = 81 | nbaug = 99 | nbsep = 67 | nbokt = 60 | nbnov = 66 | nbdez = 63 }} === Stadtgliederung === [[Datei:Stadtgliederung Lörrach.png|thumb|upright=1.2|Stadtgliederung Lörrachs]] [[Datei:Umgebungskarte Lörrachs.png|thumb|upright=1.2|Lörrach und umliegende Städte und Gemeinden]] Die Stadt gliedert sich in die [[Kernstadt]] sowie drei Stadtteile und drei Ortsteile: {| class="prettytable" ! style="background:#efefef;" | Jahr ! style="background:#efefef;" | Eingemeindetes Gebiet |- | 1908 || Stadtteil [[Stetten (Lörrach)|Stetten]] |- | 1935 || Stadtteil [[Tumringen]] |- | 1935 || Stadtteil [[Tüllingen]]<ref> aus Ober- und Untertüllingen bestehend</ref> |- | 1974 || Ortsteil [[Haagen (Lörrach)|Haagen]] |- | 1975 || Ortsteil [[Brombach (Lörrach)|Brombach]] |- | 1975 || Ortsteil [[Hauingen]] |} Die drei Ortsteile verfügen über eine eigene Ortsverwaltung mit einem [[Ortsvorsteher]]. Der Lörrach vorstehende Ortschaftsrat wird alle fünf Jahre direkt von den Bürgern gewählt. 1963 wurde die [[Satellitenstadt]] [[Salzert]] erschlossen, welche östlich von Stetten liegt. Zu einigen Stadtteilen gehören teilweise weitere separat gelegene [[Wohnplatz|Wohnplätze]] mit eigenen Namen, die meist nur sehr wenige Einwohner haben (etwa ''Im Löhr'' in Brombach, Rötteln und Röttelnweiler bei Haagen oder Rechberg oberhalb von Hauingen) und dennoch von großer historischer Bedeutung sein können, wie zum Beispiel [[Rötteln]] oder Obertüllingen mit ihren Kirchengebäuden aus dem 8. Jahrhundert. Die Nachbargemeinde [[Inzlingen]] ist zwar eigenständig, die Stadt Lörrach bildet mit ihr jedoch eine [[Verwaltungsgemeinschaft]]. Die Gemarkungsfläche von Lörrach beträgt 39,43 km², die sich in folgende Nutzungsarten<ref>[http://www.statistik-bw.de/SRDB/Tabelle.asp?77005003GE336050 Statistisches Landesamt Baden-Württemberg, Stand der Zahlen: 2006] </ref> und Stadt- und Ortsteile<ref>Walter Jung, Gerhard Moehring (Hrsg.): ''Unser Lörrach 1993. Eine Grenzstadt im Spiegel der Zeit'', Lörrach-Tumringen: Kropf & Herz 1973, Seite 17</ref> aufteilen: {| width="70%" | {| class="prettytable" | bgcolor="#e3e3e3" | '''18,8 %&nbsp;Gebäude-&nbsp;und&nbsp;Freifläche''' <br /> 0,1 % Betriebsfläche <br /> 8,7 % Verkehrsfläche <br /> 2,1 % Erholungsfläche |- | '''27,2 % Landwirtschaftsfläche''' |- | bgcolor="#e3e3e3" | '''40,6 % Waldfläche''' |- | '''1,0 % Wasserfläche''' |- | bgcolor="#e3e3e3" | '''1,4 % übrige Nutzungsflächen''' |} | {| class="prettytable" ! style="background:#e3e3e3" |Stadtteile || align="center" style="background:#e3e3e3" |Fläche in km² |- | Kernstadt || align="center" | 7,5 |- | Stetten || align="center" | 4,6 |- | Tüllingen || align="center" | 2,1 |- | Tumringen || align="center" | 4,4 |- | Brombach || align="center" | 9,8 |- | Hauingen || align="center" | 7,4 |- | Haagen || align="center" | 3,6 |- | '''Gesamt''' || align="center" | '''39,4 ''' |} |} === Raumplanung === Lörrach bildet zusammen mit der Nachbarstadt Weil am Rhein eines der beiden [[Oberzentrum|Oberzentren]] der [[Region Hochrhein-Bodensee]] (das andere ist Konstanz). Ihm sind die [[Mittelzentrum|Mittelzentren]] Bad Säckingen, Rheinfelden (Baden), Schopfheim und Waldshut-Tiengen zugeordnet. Das Oberzentrum Lörrach/ Weil<ref>[http://www.loerrach.de/servlet/PB/menu/1161558/index.html Pressebericht der Stadt Lörrach zum Oberzentrum Lörrach/ Weil am Rhein]</ref> übernimmt für die Städte und Gemeinden [[Binzen]], [[Efringen-Kirchen]], [[Eimeldingen]], [[Fischingen (Baden)|Fischingen]], [[Inzlingen]], [[Kandern]], [[Malsburg-Marzell]], [[Rümmingen]], [[Schallbach]], [[Steinen (Baden)|Steinen]] und [[Wittlingen]] auch die Funktion des Mittelbereichs. Darüber hinaus gibt es grenzüberschreitende Verflechtungen mit den Kantonen [[Basel-Stadt]] und [[Basel-Landschaft]] in der [[Schweiz]] sowie mit dem südlichen [[Elsass]] in [[Frankreich]]. Aufgrund des stark anhaltenden Zuzugs ist nach dem Flächennutzungsplan 2022 vorgesehen, dass rund 53 Hektar neues Bruttowohnland erschlossen wird.<ref>[http://www.loerrach.de/servlet/PB/menu/1161560_l1/inhalt.html Pressebericht der Stadt Lörrach: ''Flächennutzungsplan 2022'']</ref> == Geschichte == → ''Hauptartikel: [[Geschichte Lörrachs]]'' === Erste Besiedlung und urkundliche Erwähnung === Die ältesten Spuren menschlicher Besiedlung im Raum Lörrach reichen bis in die ältere Steinzeit zurück. Funde in den Höhlen des [[Isteiner Klotz]]es aus der mittleren Steinzeit (vor etwa 6000 Jahren) weisen auf [[Bergbau]]aktivitäten und [[Ren]]tierjäger hin. Die Funde auf Lörracher Gemarkung beginnen mit der [[Jungsteinzeit]], einer Periode, in der sich mit dem Übergang zur Sesshaftigkeit dorfähnliche Siedlungen gebildet haben. [[Datei:Exponate Roemerzeit Loerrach-2.jpg|miniatur|Fundstücke aus der Römerzeit]] Nach der Ansiedlung von [[Kelten]] im 1. Jahrhundert v. Chr. war das Land von der Expansion des [[Römisches Reich|Römischen Reiches]] betroffen, die unter Kaiser [[Augustus]] mit der Besetzung des linken Rheinufers begann. Um etwa 70 n. Chr. wurde unter den [[Flavier]]n die Romanisierung über das rechtsrheinische Hoch- und Oberrheinland bis hin zum Limes fortgesetzt. Auffällig ist, dass im Gegensatz zum Raum Basel, zum südlichen Oberrheingebiet sowie zum Hochrheintal auf der Gemarkung Lörrach nur geringe Zeugnisse der römischen Zeit zu finden sind. Das vordere [[Wiesental]] sowie der [[Dinkelberg]] gehörten noch nicht zum Interessensbereich der römischen Eroberer. Spuren der Römerzeit findet man lediglich im heutigen [[Stetten (Lörrach)|Stetten]] und in [[Brombach (Lörrach)|Brombach]]. In Lörrach, wo der Romanisierungsprozess erst später einsetzte, findet man in landschaftlich bevorzugter Lage ein römisches Landgut, eine sogenannte ''Villa rustica''. Die ausgegrabenen und restaurierten Grundmauern dieser Villa sind bis dato das einzig entdeckte Zeugnis römischer Bauten. Die umliegenden Ortschaften Lörrachs wie beispielsweise Tumringen, Tüllingen oder das im Jahr 763 erstmals erwähnte Stetten sind zum Teil durch Schenkungsurkunden dokumentiert. Lörrach selbst fand vergleichsweise späte urkundliche Erwähnung. Eine Urkunde des [[Fürstabtei St. Gallen|Klosters St. Gallen]] vom 7. September 751 dokumentiert Lörrach erstmals.<ref>[http://www.ub.uni-konstanz.de/kops/volltexte/2003/1051/pdf/Landkirche.pdf#search=%22ebo%20rötteln%22 Landkirchen und Landklerus im Bistum Konstanz während des frühen und hohen Mittelalters, Seite 150]</ref><ref>[http://www.roetteln.de/geschichte.htm Kirchengeschichte der Gemeinde Rötteln]</ref> Erst im 12. und 13. Jahrhundert gewann das Dorf Lörrach an Bedeutung. erstmals wurde Lörrach im Jahr 1102 in einem Gründungsbericht des Klosters St. Alban erwähnt. Fortan war Lörrachs Geschichte stark mit den [[Markgräflerland#Die Herren von Rötteln|Herren von Rötteln]] verbunden. Diese beteiligten sich an den [[Kreuzzug|Kreuzzügen]] unter [[Friedrich I. (HRR)|Kaiser Barbarossa]]. Der Einfluss der Herren von [[Rötteln (Adelsgeschlecht)|Rötteln]] blieb nicht nur auf das Weltliche beschränkt. Im Jahr 1238 wurde Liutold I. von Rötteln zum Bischof von Basel ernannt. Nach ihm ist die 1259 urkundlich erwähnte [[Burg Rötteln]] benannt, welche später zum Stammsitz der Adelsfamilie wurde. Im 14. Jahrhundert wandelte sich das Herrschaftsverhältnis um und der Einfluss der Herren von Rötteln wich, so dass die Burg Rötteln in der Folgezeit viele unterschiedliche Besitzer hatte. === Lörrach erlangt das Stadtrecht, Reformation und Kriege === Am 26. Januar 1403 erteilt der deutsche [[Ruprecht I. (HRR)|König Ruprecht von der Pfalz]] dem Markgrafen Rudolf III. von Hachberg-Sausenberg dem Dorf Lörrach das Recht, einen [[Jahrmarkt]] und dazu einen Wochenmarkt am Mittwoch abzuhalten. Da Lörrach im Schnittpunkt wichtiger Handelsstraßen lag, war dieses Marktrecht von großer Bedeutung, welches 1452 von [[Friedrich III. (HRR)|Kaiser Friedrich III.]] bestätigt wurde.<ref name="marktrecht">[http://www.loerrach.de/servlet/PB/menu/1055726/index.html 600 Jahre Marktrecht in Lörrach]</ref> Die von [[Johannes Oekolampad]] 1529 in Basel eingeführte [[Reformation]] nahm auch in Lörrach Einfluss. 1556 hielt ein evangelischer Pfarrer die erste Predigt in deutscher Sprache statt im sonst üblichen Latein. [[Datei:Burg-Roetteln-1644.jpg|miniatur|Burg Rötteln in einer Darstellung von 1643]] Zur Zeit des [[Dreißigjähriger Krieg|Dreißigjährigen Krieges]] litt Lörrach zum einen an den Kriegsfolgen, zum anderen forderte die mehrere Jahre andauernde Pest viele Opfer. 1633 marschierten spanische Truppen durch das Land und wurden zur schweren Landplage. Während der [[Schlacht bei Rheinfelden]] 1638 hatte [[Bernhard von Sachsen-Weimar]] sein Hauptquartier in Brombach und hielt Rötteln besetzt. Erst der [[Friede von Münster]] 1648 brachte Lörrach Frieden. [[Friedrich VII. Magnus (Baden-Durlach)|Friedrich Magnus von Baden-Durlach]] verlieh am 18. November 1682 Lörrach das [[Stadtrecht]]. Dieses wurde allerdings infolge ständiger Kriegswirren nicht wirksam und geriet in Vergessenheit. So wurde am 3. Juni 1756 das Lörracher Stadtrecht durch [[Karl Friedrich (Baden)|Markgraf Karl Friedrich]] erneuert. Durch die Grenzlage Lörrachs zu Frankreich und wechselnde Bündnisse der Markgrafschaft wurde die Region um Lörrach in den nächsten 150 Jahren häufiger Schauplatz von Schlachten. Die Kriegsfolgen belasteten die Stadt und deren Entwicklung nachhaltig. 1702 fand westlich von Lörrach die [[Schlacht am Käferholz]] im Verlauf des [[Spanischer Erbfolgekrieg|Spanischen Erbfolgekrieges]] statt. Im [[Polnischer Thronfolgekrieg|Polnischen Erbfolgekrieg]] 1733 bis 1738 stießen im Jahr 1735 erneut französische Truppen bei Hüningen über den Rhein, verlangten von den Bewohnern des Wiesentals Proviant und erhoben eine Kriegssteuer für alle Gemeinden. Auch der von 1740 bis 1748 dauernde [[Österreichischer Erbfolgekrieg|Österreichische Erbfolgekrieg]] verschonte Lörrach nicht. Zwar kam es zu keinen Zerstörungen, jedoch mussten die Gemeinden des Markgräflerlandes Österreicher und Franzosen mit Proviant versorgen. Erst der [[Frieden von Aachen (1748)|Zweite Aachener Frieden]] brachte für einige Jahrzehnte Frieden ins Land. 1796 wurde Lörrach Schauplatz im ersten [[Koalitionskriege]]. Die Lörracher Bevölkerung wurde durch Leistung von [[Kontribution]]en und [[Frondienst]]en belastet. Während des zweiten Koalitionskrieges von 1799 bis 1802 wurde das untere Wiesental erneut von französischen Truppen überlaufen. Dafür profitierte Lörrach 1803 von der Erhebung des Landes Baden zum [[Kurfürstentum]] durch [[Napoléon Bonaparte|Napoléon]] und 1806 zum [[Großherzog]]tum. Während der zweiten Hälfte des 18. und der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts verkehrte der bedeutendste alemannische Mundartdichter, [[Johann Peter Hebel]], in Lörrach. Hebel war von 1783 bis 1791 Lehrer an der ehemaligen Lateinschule in Lörrach, dem sogenannten Pädagogium. === Industrialisierung und Badische Revolution === Lörrachs Weg in die Industrialisierung war von vielen Firmengründungen in der benachbarten Schweiz geprägt. Entlang des Wiesentals und in Lörrach selbst siedelten sich viele textilverarbeitende Betriebe an. Durch die sich entfaltende Wirtschaft wurde der Bau von Arbeiterwohnhäusern notwendig. Das Stadtbild begann sich rasant zu verändern. In der Zeit um 1800 entstanden viele klassizistische Bauwerke in Lörrach, darunter die Synagoge, die [[Evangelische Stadtkirche (Lörrach)|Stadtkirche]] im Zentrum und die [[St. Fridolin (Lörrach)|Fridolinskirche]] in Stetten. [[Datei:Freischärler Lörrach 1848.jpg|miniatur|Einzug der Freischärler in Lörrach, September 1848]] Unter dem Eindruck der [[Badische Revolution|Badischen Revolution]] von 1848/49 ging das Land Baden zum kommunalen Dreiklassen-Wahlrecht über, das nach dem Steueraufkommen gestaffelt war. Enttäuscht von den Frankfurter Demokraten, unternahmen [[Friedrich Hecker]] und [[Gustav Struve]] am 13. April 1848 von Konstanz aus einen bewaffneten Aufstand, der als [[Heckerzug]] in die Geschichte eingegangen ist. Ihr Ziel war [[Schliengen]], wo sich die damalige Endstation der Bahnlinie Mannheim-Basel befand. Am 20. April 1848 forderte Hecker die Stadt Lörrach auf, die revolutionäre Bewegung zu unterstützen. Der Gemeinderat weigerte sich jedoch. Heckers Truppen wurden im Gefecht auf der Scheideck bei [[Kandern]] geschlagen. Den zweiten Umsturzversuch unternahm Struve von Basel aus. Er zog nach Lörrach und proklamierte am 21. September 1848 im Lörracher Rathaus die Deutsche Republik. Allerdings wurde auch dieser Umsturzversuch durch Regierungstruppen beendet. So wurde Lörrach für vier Tage der Hauptort des Struve-Putsches, gewissermaßen der „Regierungssitz“. 1862 erhielt Lörrach mit der Eröffnung der [[Wiesentalbahn]], einem Zweig der [[Badische Hauptbahn|Badischen Hauptbahn]], Anschluss an das Eisenbahnnetz. 1867 wurde die katholische Kirche [[St. Bonifatius (Lörrach)|St. Bonifaz]] errichtet. Zu dieser Zeit hatte Lörrach rund 6000 Einwohner. === 20. Jahrhundert und Gegenwart === [[Datei:August Bauer Lörrach Gesamtansicht.jpg|miniatur|Gesamtansicht Lörrachs, Zeitgenössisches Gemälde von August Bauer, 1874]] Die fortschreitende Industrialisierung ließ die Bevölkerungszahl Lörrachs weiter steigen. Im Jahr 1900 erreichte sie die Marke von 10.000 Einwohnern. Das Dorf Stetten wurde am 1. April 1908 eingemeindet und erhöhte damit die Einwohnerzahl Lörrachs auf 15.000. Die Gemarkungsfläche war von 752 Hektar auf 1213 Hektar angewachsen. Lörrachs wirtschaftlicher Aufschwung wurde durch den [[Erster Weltkrieg|Ersten Weltkrieg]] beendet. Im Jahr 1915 hatte Lörrach durch feindliche [[Luftangriff]]e Tote zu beklagen. Auf dem Tüllinger Berg wurde eine ''[[Siegfriedstellung|Hindenburg-Linie]]'' zur Verteidigung der Stadt ausgebaut. 1916 wurde in der Realschule ein zusätzliches Lazarett eingerichtet. Während des Ersten Weltkriegs hatten Lörrach und die umliegenden Teilorte insgesamt 813 Gefallene zu beklagen.<ref>Gerhard Moehring: ''Kleine Geschichte der Stadt Lörrach'', Seite 88</ref> Nach Ende des Weltkrieges schädigte die Rohstoffknappheit besonders die textilverarbeitenden Industrien und führte zu einer erhöhten Arbeitslosigkeit. Die soziale Lage verschärfte sich weiter und ab August 1922 begann im Zuge der [[Hyperinflation]] der rasche Verfall der Währung. In dieser Zeit wurden in einem Teil der in Lörrach ansässigen Betriebe die Löhne in [[Schweizer Franken]] ausbezahlt.<ref>''Lörrach: Landschaft – Geschichte – Kultur'', Seite 326</ref> [[Datei:Loerrach um 1906.jpg|miniatur|Lörrach um 1906]] Zur Zeit der [[Weimarer Republik]] kam es verstärkt zu sozialen Unruhen in Lörrach mit dem Höhepunkt am 14. September 1923. Als Bilanz dieser Tage gab es drei Tote, viele Verletzte sowie mehrere Geisel-Misshandlungen.<ref>''Lörrach: Landschaft – Geschichte – Kultur'', Seite 327</ref><ref>Hubert Bernnat: ''125 Jahre Arbeiterbewegung im Dreiländereck.'', Lörrach 1993, Seite 140</ref> Die wirtschaftliche Schieflage führte auch dazu, dass die Behörden und die Verwaltung außer Stande waren, vordringliche Bauvorhaben durchzuführen. Die engen Spielräume führten dazu, dass die Amtszeit des Bürgermeisters Dr. Heinrich Graser (1927–1933) als Mängelverwaltung bewertet wird.<ref>''Lörrach: Landschaft – Geschichte – Kultur'', Seite 332</ref> Die Ortsgruppe der [[NSDAP]] in Lörrach bestand seit 1922. Diese tat sich allerdings während der 20er Jahre der Weimarer Republik eher schwer, Fuß zu fassen, obwohl es auch in Lörrach mit der deutschnational-völkischen Zeitschrift ''Der Markgräfler'' des Mundartdichters [[Hermann Burte]] antiparlamentarische Propaganda gab. Nach der nationalsozialistischen „[[Machtergreifung]]“ wurde [[Reinhard Boos]] 1933 als Bürgermeister von Lörrach eingesetzt. Boos, der in Lörrach mit großem Engagement die NSDAP aufbaute und stärkte, war in der Folge vor Ort zum Teil federführend an der Zerschlagung der Gewerkschaften sowie der oppositionellen Parteien beteiligt. Ab 1938 wirkte Boos wiederum leitend an den Aktionen gegen die Lörracher Juden mit. Während der [[Novemberpogrome 1938]] verschafften sich mehrere Männer Zutritt zur [[Synagoge]] und zerstörten diese. Das zerstörte Gotteshaus wurde anschließend abgerissen. Lörrach blieb, dank der geografischen Ferne zu den Kriegsfronten, während des [[Zweiter Weltkrieg|Zweiten Weltkrieges]] vergleichsweise unbeschädigt. Am 24. April 1945 beendeten französische Truppen in Lörrach die Kriegshandlungen. Die Nachkriegsjahre waren, bedingt durch die Ankunft der Flüchtlinge und Heimatvertriebenen, von einem überproportionalen Wachstum der Stadtbevölkerung gekennzeichnet. Die verhältnismäßig geringen Kriegsschäden im Raum Lörrach lockten zudem viele Arbeitssuchende an. Von rund 20.000 Einwohnern nach dem Krieg wuchs die Zahl auf über 30.000 bis ins Jahr 1960 an. Rund 7.500 davon waren Vertriebene und Flüchtlinge aus den deutschen Ostgebieten und der [[Sowjetische Besatzungszone|Sowjetischen Besatzungszone]] bzw. späteren [[Deutsche Demokratische Republik|DDR]]. In der stark wachsenden Stadt entstanden in den 1960er Jahren die Siedlung ''Salzert'' und in Brombach der ''Bühl''. Ein 1964 erarbeiteter Generalverkehrsplan war die Grundlage für weitere Stadtplanungen und den Aufbau eines neuen Verkehrskonzeptes durch eine Stadtumfahrung. In den 1970er Jahren wurde ein Teil der Innenstadt zur Fußgängerzone restrukturiert. Im Zuge der [[Gebietsreform#Baden-Württemberg|Gemeindegebietsreform in Baden-Württemberg]] wurde am 1. Januar 1975 die Stadt Lörrach durch Vereinigung der Stadt Lörrach mit den Gemeinden Hauingen und Brombach neu gebildet. Bereits am 1. Januar 1974 wurde Haagen nach Lörrach eingemeindet. Im Jahr 1976 weihte Oberbürgermeister Hugenschmidt das neue Rathaus ein. Das 17-stöckige, dunkelgrüne Hochhaus prägt seither die [[Skyline|Silhouette]] der Stadt. Der Bau der [[Wiesentalbrücke]] als Teilstück der [[Bundesautobahn 98|A&nbsp;98]] und die [[Landesgartenschau]] im Jahr 1983 waren zwei wichtige Projekte, welche die Stadt wesentlich weiter entwickelt haben. Die 1981 gegründete ''Berufsakademie Lörrach'', 2009 in [[DHBW Lörrach|Duale Hochschule Lörrach]] umbenannt, hat gegenwärtig über 1500 Studenten. Anfang der 1990er Jahre begannen umfangreiche Baumaßnahmen in der Lörracher Innenstadt, welche durch Stilllegung von Autostraßen die bisherige Fußgängerzone wesentlich erweitertet haben. == Bevölkerung == === Einwohnerentwicklung === Die Bevölkerungsentwicklung von Lörrach ist mit der politischen und ökonomischen Entwicklung der Stadt eng verbunden. Während der Industrialisierung im 19. Jahrhundert wuchs die Einwohnerzahl stetig. Die beiden [[Weltkrieg]]e sowie die [[Wirtschaftskrise]]n bewirkten eine Stagnation. Nach dem Zweiten Weltkrieg stieg die Bevölkerungszahl durch den Zuzug von Flüchtlingen und Heimatvertriebenen wieder rasch an. Diese Entwicklung wurde dadurch gefördert, dass die Kriegsschäden in Lörrach relativ gering waren und Arbeitsplätze in der benachbarten Schweiz lockten. Mit der Gemeindereform in den Jahren 1974 und 1975 vergrößerte sich die Bevölkerung durch die Eingemeindung der Vororte Haagen bzw. Brombach und Hauingen weiter. Seit Mitte der 1970er Jahre nahm die Bevölkerung allerdings ab, weil sich die Hauptwachstumszonen in die umliegenden Gemeinden verlagert hatten. Dieser Trend wurde seit dem [[Berliner Mauer#Mauerfall|Mauerfall]] wieder umgekehrt. Durch die bessere wirtschaftliche Situation und die damit niedrigere [[Arbeitslosenquote]] folgte die Bevölkerungsentwicklung dem bundesweiten Trend und so konnte Lörrach viele Neubürger gewinnen. Gegenwärtig wächst die Lörracher Einwohnerzahl<ref>Statistisches Landesamt Stuttgart, Statistischer Jahresbericht der Stadt Lörrach (nur [[Hauptwohnsitz]]e). [http://www.statistik-bw.de/SRDB/Tabelle.asp?01035050GE336050 Statistischen Landesamt Stuttgart]</ref> stetig weiter; eine Prognose sieht für das Jahr 2017 den Stand von 50.000 Einwohnern erreicht.<ref>[http://www.loerrach.de/servlet/PB/menu/1164914/inhalt.html Pressemitteilung der Stadt Lörrach (19. Dezember 2007)]</ref> Die Ausländerquote in Lörrach liegt bei 13,8 %.<ref>Stand 2006, siehe: Statistisches Landesamt-Baden-Württemberg.</ref> {| width="60%" | {| class="prettytable" ! Jahr ! Einwohner ! ! Jahr ! Einwohner |- align="right" | 1650 || 1995 || || 1973 || 33.885 |- align="right" | 1700 || 1535 || || 1974 || 36.231 |- align="right" | 1750 || 3140 || || 1975 || 44.179 |- align="right" | 1800 || 4180 || || 1981 || 40.064 |- align="right" | 1870 || 9.103 || || 1990 || 42.500 |- align="right" | 1890 || 11.475 || || 1992 || 43.976 |- align="right" | 1914 || 16.293 || || 1996 || 44.756 |- align="right" | 1938 || 20.041 || || 2000 || 45.679 |- align="right" | 1950 || 22.698 || || 2001 || 46.272 |- align="right" | 1960 || 30.546 || || 2004 || 46.754 |- align="right" | 1965 || 31.324 || || 2007 || 47.707 |} | [[Datei:Population Statistics Lörrach.png|miniatur|300px|Bevölkerungsentwicklung von 1870 bis 2004]] |} Der [[Demographischer Wandel|demographische Wandel]] durch Überalterung lässt sich auch an der Stadtbevölkerung Lörrachs feststellen. Von 1995 bis 2006 wuchs der Anteil der über 65-jährigen von 16,7 auf 19,8 % und liegt damit etwas über dem Landesdurchschnitt von 18,7 %. Für den 31. Dezember 2006 ergibt sich folgende Verteilung der Stadtbevölkerung nach Altersgruppen.<ref>[http://www.statistik.baden-wuerttemberg.de/SRDB/home.asp?H=BevoelkGebiet&U=02&T=01035071&R=LA Die Werte der Bevölkerungsentwicklung sind im Statistischen Landesamt Baden-Württemberg abrufbar]</ref> {| class="prettytable" ! Altersgruppe ! Insgesamt (%) ! Männlich (%) ! Weiblich (%) |- align="center" | unter 15 || 14,8 || 15,6 || 14,0 |- align="center" | 15–25 || 11,0 || 11,5 || 10,6 |- align="center" | 25–45 || 28,8 || 29,8 || 27,9 |- align="center" | 45–65 || 25,6 || 26,3 || 25,0 |- align="center" | über 65 || 19,8 || 16,9 || 22,5 |} === Religionen === Die Religionen verteilen sich in der Bevölkerung Lörrachs<ref>Statistischer Jahresbericht Stadt Lörrach der Jahre 1980 und 2001.</ref> wie folgt: {| class="prettytable" |- ! style="background:#e3e3e3" |Jahr ! style="background:#e3e3e3" |evangelisch ! style="background:#e3e3e3" |katholisch ! style="background:#e3e3e3" |andere oder keine |- align="center" | 1980 | 50,4 % | 38,2 % | 11,5 % |- align="center" | 2001 | 38,9 % | 31,8 % | 29,1 % <small>(*)</small> |} <br /> <small>(*) 29,1 % = 2,9 % sonstige Konfessionen und 26,2 % ohne Konfession</small> ==== Christentum ==== [[Datei:Fridolinkirche Loerrach.jpg|miniatur|St.-Fridolinskirche in [[Stetten (Lörrach)|Stetten]]]] Die Kirchen der Stadt gehörten anfangs zum [[Bistum Konstanz]] und war dem [[Archidiakonat]] Breisgau unterstellt. Somit bestand hier seit jeher eine kirchliche Grenze zum nur wenige Kilometer entfernten [[Bistum Basel]]. 1529 wurde die Lörracher Pfarrei von [[Basel]] aus besetzt, nachdem dort die [[Reformation]] eingeführt worden war. In der Stadt selbst wurde auf Veranlassung des Landesherrn die Reformation erst 1556 eingeführt. Danach war Lörrach über Jahrhunderte eine überwiegend protestantische Stadt. In Rötteln bestand seit Anfang des 15. Jahrhunderts ein Landkapitel, das Ende des 17. Jahrhunderts nach Lörrach verlegt wurde. Die evangelischen Pfarrer in Lörrach waren ab 1682 zugleich Spezialsuperintendenten der Diözese Rötteln. Hauptkirche Lörrachs ist die schon im 12. Jahrhundert erwähnte Stadtkirche. Neben dem lutherischen Bekenntnis gab es seit dem 17. Jahrhundert auch reformierte Gemeindeglieder, die aus der benachbarten Schweiz kamen. Aus der Superintendentur Lörrach entstand im 19. Jahrhundert der Kirchenbezirk Lörrach. Aus der Stadtkirchengemeinde (Johannespfarrei) entstanden im 20. Jahrhundert weitere Gemeinden und zwar die Pauluspfarrei (1906, danach nannte sich die Johannespfarrei zunächst ''Südpfarrei'') für die Nordstadt, die Matthäuspfarrei (1949) für die Oststadt (die auch Inzlingen mitversorgt), die Markuspfarrei (1956), die Salzertgemeinde (1969) und die Friedensgemeinde (1974) in der Homburgsiedlung. Für die Paulus- und Markuspfarrei wurde 1956 die Christuskirche erbaut. Die Johannespfarrei erhielt 1975 ein Gemeindezentrum an der Suttermattstraße. Auch in den Stadtteilen Brombach, Hauingen, Rötteln (mit Tumringen) und Tüllingen gibt es evangelische Kirchengemeinden, da diese Orte wie Lörrach früh zu Baden gehörten und von dort die Reformation eingeführt wurde. Haagen gehört kirchlich zu Rötteln. Auch diese Kirchengemeinden gehören zum Kirchenbezirk Lörrach der [[Evangelische Landeskirche in Baden|Evangelischen Landeskirche in Baden]]. <!--[[Datei:St. Peter Loerrach Lichtglaswand.jpg|miniatur|Lichtglaswand in der Kirche St. Peter]]--> Der Stadtteil Stetten stand bis 1803 unter [[vorderösterreich]]ischer Herrschaft. Daher gibt es hier eine katholische Tradition, obwohl im Ort zunächst auch die Reformation eingeführt wurde. Durch einen Vertrag mit Österreich wurde Stetten wieder katholisch. Die Gemeinde Stetten betreute zunächst auch die seit dem 18. Jahrhundert in Lörrach wieder ansässigen Katholiken. Sie feiert ihre Gottesdienste in der 1822 neu erbauten [[St. Fridolin (Lörrach)|Fridolinskirche]]. Der ursprüngliche Kirchenbau Stettens stammt aus dem 13. Jahrhundert. Zwischen 1864 und 1867 wurde in Lörrach wieder eine eigene Pfarrkirche ([[St. Bonifatius (Lörrach)|St. Bonifatius]]) gebaut, an der 1867 eine [[Quasipfarrei|Pfarrkuratie]] gegründet wurde, die 1882 zur Pfarrei erhoben wurde. Eine zweite katholische Kirche (St. Peter) wurde 1964 erbaut. Im Neumattgebiet, einem etwas ausgelagerten Teil von Stetten, wurde 1966 die Filialkirche zur Heiligen Familie der Gemeinde Stetten erbaut. In Brombach entstand bereits 1900 die St.-Josephskirche, die seit 1911 Pfarrei ist. Zur Gemeinde gehören auch Haagen und Hauingen. Alle katholischen Gemeinden Lörrachs bilden zusammen mit der Nachbargemeinde St. Peter und Paul in Inzlingen eine Seelsorgeeinheit innerhalb des Dekanats Wiesental des [[Erzbistum Freiburg|Erzbistums Freiburg]]. Gegenwärtig ist bei der Lörracher Stadtbevölkerung insgesamt ein leichtes Übergewicht der evangelischen Konfession festzustellen. Im Lörracher Zentrum und im Stadtteil Stetten besteht eine relative katholische Mehrheit. Neben den beiden großen Kirchen gibt es auch Gemeinden, die zu [[Freikirche]]n gehören, darunter die Freie evangelische Gemeinde (FeG Lörrach) mit ihrer Jugend ''Peter'', die Evangelisch Freikirchliche Baptistengemeinde, die Evangelische Chrischona-Gemeinde, die Evangelisch-Freikirchliche Gemeinde – Freie Christengemeinde Lörrach e.&nbsp;V., die Christliche Versammlung Lörrach und die Gemeinde der offenen Tür. In Lörrach gibt es zwei [[Neuapostolische Kirche|neuapostolische]] Gemeinden. ==== Judentum ==== [[Datei:Synagoge Loerrach.jpg|miniatur|Synagoge Lörrach]] →''Siehe auch: [[Geschichte Lörrachs#Judenverfolgung zur Zeit des Nationalsozialismus|Judenverfolgung in Lörrach während der NS-Zeit]]'' Lörrach hat eine [[Kehillah|jüdische Gemeinde]], die bis auf das Jahr 1660 zurückgeht. Anfangs waren die Juden vorwiegend im Viehhandel beschäftigt. Später gehörten zahlreiche Geschäfte und Unternehmen jüdischen Familien. Auch viele Handwerker und Akademiker fanden sich unter den jüdischen Einwohnern. Am politischen und kulturellen Leben Lörrachs nahmen sie regen Anteil, doch während der [[Novemberpogrome 1938|Novemberpogrome]] 1938 verwüsteten vor allem [[Sturmabteilung|SA]]-Leute die Lörracher [[Synagoge]] aus dem Jahr 1808 völlig. Diese befand sich unweit des Marktplatzes. Heute erinnert an dieser Stelle eine Gedenktafel aus dem Jahr 1976 an das jüdische Gebetshaus. Während der [[Zeit des Nationalsozialismus]] wurden mindestens 47 der 162 in Lörrach lebenden [[Juden]] ermordet.<ref>[http://www.alemannia-judaica.de/loerrach_synagoge_a.htm Geschichte der Juden Lörrachs]</ref> Im Jahr 1995 wurde in Lörrach die Israelitische Kultusgemeinde neu gegründet. Das Einzugsgebiet der neuen Gemeinde mit ca. 400 Mitgliedern im Jahr 2007 reicht von [[Badenweiler]] bis [[Waldshut]]. Viele der [[Jüdische Religion|Gläubigen]] sind aus Staaten der ehemaligen [[Sowjetunion]] zugewandert. Die Gemeinde wächst weiter. Am 28. Juni 2007 erfolgte die Grundsteinlegung einer neuen [[Synagoge Lörrach|Lörracher Synagoge]], die am 9. November 2008 – siebzig Jahre nach Zerstörung der alten Synagoge – offiziell eröffnet wurde.<ref name="BZ01">{{internetquelle |autor=dam |hrsg=Badische Zeitung |url=http://www.badische-zeitung.de/hoffen-auf-friedvollere-zukunft |format= |sprache= |titel=Hoffen auf friedvollere Zukunft |werk= |seiten= |datum=9. November 2008 17:27 |zugriff=7. Juni 2009}}</ref> == Politik == === Politische Verhältnisse === [[Datei:Loerracher Rathaus.jpg|miniatur|Lörracher Rathaus „Langer Egon“]] Der Lörracher [[Gemeinderat (Deutschland)|Gemeinderat]] besteht aus 32 ehrenamtlichen Stadträtinnen und Stadträten, deren Vorsitzende die Oberbürgermeisterin ist. Der für eine Periode von fünf Jahren gewählte Gemeinderat wird von der Bürgerschaft gewählt. Seit Juli 2006 besteht in Lörrach ein [[Jugendparlament]]. Es besteht aus 21 Jugendparlamentariern zwischen 14 und 21 Jahren und nimmt sich, als parteiunabhängiges Organ der Stadt, der Belange der Lörracher Jugend an. Die Gemeinderatswahl<ref>[http://www.statistik-bw.de/Wahlen/Kommunalwahlen_2009/Gem.asp?G=GE336050 Endgültiges amtliches Ergebnis der Gemeinderatswahlen 2009]</ref> vom 7. Juni 2009 hatte eine [[Wahlbeteiligung]] von 40,2 % und ergab die folgende Sitzverteilung<ref>[http://www.loerrach.de/wahldat/336050g.htm Endgültiges Wahlergebnis 2009 mit Sitzverteilung]</ref> im [[Lörrach#Zweckbauten|Lörracher Rathaus]]: {| class="prettytable" ! style="background:#e3e3e3" |Partei ! style="background:#e3e3e3" |Anteil ! style="background:#e3e3e3" |* ! style="background:#e3e3e3" |Sitze ! style="background:#e3e3e3" |* |- | [[Christlich Demokratische Union Deutschlands|CDU]] || align="center" | 29,0 % || align="center"| −4,3 % || align="right" | 10 || align="right" | −1 |- | [[Sozialdemokratische Partei Deutschlands|SPD]] || align="center" | 20,8 % || align="center" |−0,2 % || align="right" | 7 || align="right" |±0 |- | [[Freie Wähler]] || align="center" | 19,3 % || align="center" |+3,5 % || align="right" | 6 || align="right" |+1 |- | [[Bündnis 90/Die Grünen|GRÜNE]] || align="center" |20,0 % || align="center"| +4,3 % || align="right" | 6 || align="right"| +1 |- | [[Freie Demokratische Partei|FDP]] || align="center" | 10,9 % || align="center" |+2,9 % || align="right" | 3 || align="right"| +1 |- | '''Gesamt''' || align="center" |'''100 %''' || || align="right" | '''32''' || align="right" | |} <br /> <small>* Die Zahlen stellen die Veränderung zur Gemeinderatswahl 2004 dar.</small> === Stadtoberhäupter === →''Siehe auch: [[Liste der Stadtoberhäupter von Lörrach]]'' Die Lörracher [[Chronik]] berichtet von einem Johann von Schallbach im Jahr 1366 als erstem [[Vogt]]. Die Amtsbezeichnung des [[Bürgermeister]]s war den Ortsvorstehern von Städten vorbehalten. Als erster Lörracher Bürgermeister wird Marx Christoph Leibfried im Jahr der ersten Stadtrechtsverleihung 1682 genannt. Dieser wurde vom Markgrafen eingesetzt. Bis einschließlich 1756 benutzte man auch weiterhin die Bezeichnung Vogt bzw. Altvogt. Seit 1956 ist in Lörrach das Stadtoberhaupt der Oberbürgermeister, welcher direkt von den Bürgern gewählt wird. Die mit <small>*</small> gekennzeichneten Personen tragen oder trugen den Titel des Oberbürgermeisters. Arend Braye begann seine Amtszeit 1948 als Bürgermeister und wurde 1956 Oberbürgermeister. Reinhard Boos war der einzige nicht demokratisch gewählte Oberbürgermeister; er wurde 1933 als bisheriger Ortsgruppen- und Kreisleiter der [[NSDAP]] vom badischen Gauleiter als Kommissar bzw. Bürgermeister eingesetzt und 1945 von den französischen Truppen abgesetzt und verhaftet. {| class="prettytable" |- ! style="background:#e3e3e3" |Amtszeit ! style="background:#e3e3e3" |Name ! style="background:#e3e3e3" | ! style="background:#e3e3e3" |Amtszeit ! style="background:#e3e3e3" |Name |- | 1804–1807 || Johann Martin Strohmeier || || 1861–1863 || Karl Wenner |- | 1807–1810 || Johann Jakob Grether || || 1863–1869 || Paul Feldkirchner |- | 1810–1814 || Johann Kaspar Schöffel || || 1869–1871 || Karl Robert Gebhardt |- | 1814–1820 || Johann Georg Grether || || 1872–1906 || [[Johann Josef Grether]] |- | 1820–1826 || Jakob Rupp || || 1906–1927 || [[Erwin Gugelmeier]] <small>*</small> |- | 1826–1831 || Friedrich Hüglin || || 1927–1933 || [[Heinrich Graser]] <small>*</small> |- | 1831–1832 || Ernst Schultz || || 1933–1945 || [[Reinhard Boos]] <small>*</small> |- | 1832–1835 || Johann Georg Grether || || 1945–1948 || [[Joseph Pfeffer]] |- | 1835–1841 || Ernst Schultz || || 1948–1960 || [[Arend Braye]] |- | 1841–1844 || Friedrich Hüglin || || 1960–1984 || [[Egon Hugenschmidt]] <small>*</small> |- | 1844–1849 || Karl Wenner || || 1984–1995 || [[Rainer Offergeld]] <small>*</small> |- | 1849–1861 || Johann Ludwig Calame || || 1995– || [[Gudrun Heute-Bluhm]] <small>*</small> |} Quelle: <ref> ''Lörrach: Landschaft – Geschichte – Kultur'', Seite 683 f </ref> <br /> <small>* Oberbürgermeister</small> === Wappen === [[Datei:Wappen Lerche Loerrach.jpg|miniatur|Wappen Lörrachs an der Fassade des Pfarrhauses]] Das Wappen von Lörrach ist eine goldene nach links ([[Heraldik|heraldisch]] rechts) aufsteigende [[Lerchen|Lerche]] als [[gemeine Figur]] auf rotem Feld. Die Wappenfarben entsprechen jenen des [[Wappen Badens|badischen Wappens]]. Das Lörracher Wappen ist ein sogenanntes [[redendes Wappen]], das vom Stadtnamen abgeleitet ist. Urkundlich belegt ist es mit der Stadtrechtsurkunde aus dem Jahre 1756 (§ 9), wobei vermutet wird, dass dieses Motiv schon seit 1682 als Wappen verwendet wurde. Der älteste Beleg für das Wappen befindet sich auf einem Plan von 1643 im Staatsarchiv des Kantons Basel-Stadt.<ref>Gerhard Moehring: ''Kleine Geschichte der Stadt Lörrach'', Seite 162</ref> Das Wappentier ist allerdings gestalterisch schon mehrfach verändert worden. 1965 genehmigte das [[Generallandesarchiv Karlsruhe]] das Wappen, welches als stilisierte aufsteigende Lerche gedeutet wird.<ref>[http://www.loerrach.de/servlet/PB/menu/1151765/index.html Das Lörracher Wappen – Auszug aus dem Wappenbuch Landkreis Lörrach von Harald Huber]</ref> Am 11. November 1975 wurde im Zuge der Gemeindereform das Wappen für die durch Eingemeindungen neugebildete Stadt bestätigt. Das [[Dienstsiegel]] ist kreisrund, trägt in der Mitte das Stadtwappen, welches von der Umschrift „Stadt Lörrach“ gesäumt wird. Vor der Einführung des [[Euro-Kennzeichen]]s war das Wappen auch auf der Zulassungsplakette der [[Kfz-Kennzeichen (Deutschland)|Kennzeichen]] von Kraftfahrzeugen zu sehen, die im Landkreis Lörrach angemeldet wurden. Neben dem Wappen darf nach einem Beschluss des Innenministeriums des Landes Baden-Württemberg vom 11. November 1975 die Stadt eine [[Flagge]] mit den Farben „Rot-Gelb-Rot“ führen.<ref>''Lörrach: Landschaft – Geschichte – Kultur'', Seite X</ref> === Städte- und Kulturpartnerschaften === Lörrach unterhält folgende [[Städtepartnerschaft]]en: {| | [[Sens (Yonne)|Sens]], [[Frankreich]] || seit 1966<ref>[http://www.loerrach.de/servlet/PB/menu/1158988/index.html Städtepartnerschaft Lörrach-Sens]</ref> |- | [[Senigallia]], [[Italien]] || seit 1986<ref>[http://www.loerrach.de/servlet/PB/menu/1158989/index.html Städtepartnerschaft Lörrach-Senigallia]</ref> |- | [[Meerane]], [[Deutschland]] || seit 1990<ref>[http://www.loerrach.de/servlet/PB/menu/1158991/index.html Meerane und Lörrach – eine deutsch-deutsche Städtepartnerschaft]</ref> |- | [[Chester]], [[Vereinigtes Königreich|Großbritannien]] || seit 2002<ref>[http://www.loerrach.de/servlet/PB/menu/1158990/index.html Städtepartnerschaft Lörrach-Chester]</ref> |} Alle vier Städte sind untereinander gleichfalls Partnerstädte. Jährlich finden zahlreiche Begegnungen und Austausche sowohl zwischen Schulen und Vereinen als auch von Praktikanten aus Industrie und Handel statt. Lörrach wurde wegen des Engagements zur Förderung und Verbreitung des europäischen Gedankens 1979 durch den [[Europarat]] die ''Europafahne'', 1983 der ''Französisch-Deutsche Preis'' und die ''Ehrenplakette 1988 des Europarates'' verliehen.<ref>[http://www.loerrach.de/servlet/PB/menu/1014016/index.html Partnerstädte Lörrachs]</ref> Zu [[Wischgorod]] in der [[Ukraine]] besteht zudem seit 1999 eine freundschaftliche Verbindung. Im Jahr 2004 wurde Lörrach International, ein Verein zur Förderung der Städtepartnerschaften und Freundschaften e.&nbsp;V., gegründet. Ziel des Vereins ist, die bestehenden Städtepartnerschaften durch starkes bürgerschaftliches Engagement zu begleiten und weitere Partnerschaften aufzubauen. Im Jahr 2005 wurde von diesem Verein die Kulturpartnerschaft zu [[Edirne]] in der [[Türkei]] begründet. Mit dem EU-Erasmusprogramm werden die Dozenten- und Studentenaustausche internationaler Studiengänge der beiden Hochschulen ([[Trakya Üniversitesi]] und [[DHBW Lörrach]]) gefördert <ref>[http://basin.trakya.edu.tr/Haberler/2008/12_02_almanya.htm Erasmusvertragsunterzeichnung Edirne Lörrach]</ref>. Auch im Bereich Musik, bildende Kunst und berufliche Ausbildung findet ein reger Austausch mit Lörracher Schulen und Gymnasien statt<ref>[http://www.loerrach.de/servlet/PB/menu/1169581/inhalt.html Lehrer aus Edirne in Lörrach]</ref>. Auf Kreisebene wurde 1990 eine Partnerschaft mit der Kreisstadt [[Glauchau]] begründet, die im Rahmen der Kreisreform jetzt auf die neue Kreisstadt [[Zwickau]] überging. Darüberhinaus arbeitet der Lörracher Landkreis seit 1999 eng mit der polnischen Stadt [[Lubliniec]] in [[Oberschlesien]] zusammen und unterschrieb Mitte 2002 einen Partnerschaftsvertrag.<ref>[http://www.loerrach-landkreis.de/servlet/PB/menu/1220301_pcontent_l1/navigate1155568667230.html?pressID=213&showPressDetails=true&menuLanguage=1 Partnerschaft zwischen Landkreis Lubliniec und dem Landkreis Lörrach]</ref> Das Jubiläumsjahr 40 Jahre Partnerschaft mit Sens und 20 Jahre mit Senigallia stand unter dem Begriff ''Musica Jubila 2006''. Jugendliche Musiker aus allen Partnerstädten trafen sich zu Workshops und bildeten mehrere länder- und kulturübergreifende Ensembles. == Wirtschaft und Infrastruktur == [[Datei:Lörrach Bahnhof.jpg|miniatur|Lörracher Bahnhof]] Lörrach ist ein Industrie- und Dienstleistungsstandort. Etwa 30 % aller Arbeitsplätze stellen Unternehmen des produzierenden Gewerbes zur Verfügung, rund 22 % des Handels und des Gastgewerbes, außerdem über 45 % der Dienstleistungsbranche. Die große Kreisstadt bietet rund 18.300 Arbeitsplätze. Die Arbeitslosenquote im [[Landkreis Lörrach]] lag im Mai 2008 bei 3,9 %, in der Stadt bei 4,5- 5,5 %.<ref>[http://www.pub.arbeitsamt.de/hst/services/statistik/000000/html/start/karten/aloq_kreis_214.html Bundesagentur für Arbeit]</ref> Außerdem zeichnet sich Lörrach durch eine große Zahl an [[Grenzgänger]]n aus. Aus der Stadt Lörrach pendeln über 3.300 Berufstätige in die [[Schweiz]], aus dem gesamten Landkreis sind es über 14.000 (Stand April 2002).<ref>[http://www.loerrach.de/servlet/PB/menu/1014060/index.html Wirtschaftsdaten von Stadt und Kreis Lörrach]</ref> Einzelhändler haben im Jahr 2004 insgesamt einen Umsatz von 342,7 Millionen Euro erwirtschaftet, rund ein Fünftel dieses Umsatzes haben Schweizer Kunden beigetragen. === Verkehr === Die erste [[Postlinie]] wurde 1576 zwischen der unteren und oberen Markgrafschaft eröffnet. Seit der Zuerkennung der Stadtrechte bemühte sich Markgraf [[Friedrich VII. Magnus (Baden-Durlach)|Friedrich VII. Magnus]], die Linie weiter auszubauen. Zwischen [[Durlach]] und Lörrach verkehrte zweimal wöchentlich der Kurierdienst durch einen Mann zu Fuß oder zu Pferd. 1756 erhielt Lörrach eine [[Posthalter]]ei. Das Verkehrsnetz erweiterte sich bis zum Feldberg, nach Basel, Kandern und [[Beuggen]]. Die letzte [[Postkutsche]] fuhr bis 1840. Die reguläre Reisegeschwindigkeit zum 200 Kilometer entfernten Karlsruhe dauerte 30 Stunden, mit dem sechsspännigen Eilwagen nur zwölf Stunden. Nach 1900 hielt der Kraftfahrzeugverkehr Einzug in Lörrach. Waren es 1926 nur 400 Fahrzeuge, wuchsen die Zulassungen bis 1956 auf 4500 an.<ref>Moehring: ''Kleine Geschichte der Stadt Lörrach'', Seite 82</ref> Der internationale [[Flughafen Basel Mulhouse Freiburg|EuroAirport]] (Basel/Mulhouse/Freiburg) liegt 14 Kilometer westlich von Lörrach im [[Elsass]]. In den Jahren 1920/21 verfügte Lörrach in Tumringen über einen eigenen [[Flugplatz]] (→ [[Flugplatz Lörrach]]). ==== Fernstraßen ==== [[Datei:A98 in Loerrach.jpg|miniatur|A 98, im Hintergrund die Wiesentalbrücke]] Mit der direkt durch Lörrach verlaufenden [[Bundesautobahn 98]] sind die Rheintalautobahn [[Bundesautobahn 5|A&nbsp;5]], die französische [[Autoroute A&nbsp;35|A 35]], sowie die [[A2 (Schweiz)|A 2]] und [[A3 (Schweiz)|A 3]] auf Schweizer Seite angebunden. Die 1970 geplante A&nbsp;98 wurde am 12. April 1983 mit der Inbetriebnahme der 1211 Meter langen [[Wiesentalbrücke]] eröffnet. Seit März 2006 ist über die A&nbsp;98 eine durchgängige Fahrt von Lörrach bis [[Rheinfelden (Baden)|Rheinfelden]] möglich. Die von [[Titisee-Neustadt]] über den [[Feldberg im Schwarzwald|Feldberg]]-Pass führende [[Bundesstraße 317]] ist die Hauptverkehrsader der Stadt und folgt der Talachse. Die B&nbsp;317 ist durch das Staatsgebiet der Schweiz unterbrochen. Derzeit wird die [[Zollfreistrasse (Basel)|Zollfreie Straße]] gebaut, die diese Strecke vervollständigen soll. Seit dem 7. September 2007 verläuft durch Lörrach die neu eröffnete Kulturstraße ''[[Straße der Demokratie]]''.<ref>http://www.strasse-der-demokratie.de/loerrach/loerrach.php</ref> ==== Eisenbahn und ÖPNV ==== [[Datei:Basel - Regio-S-Bahn Basel - Netzplan (mit Hintergrund).jpg|miniatur|Das Netz der Regio S-Bahn]] Lörrach ist auf der Schiene über die [[Wiesentalbahn]] mit [[Basel]] und [[Zell im Wiesental]] sowie über die [[Bahnstrecke Weil am Rhein–Lörrach|Gartenbahn]] mit [[Weil am Rhein]] verbunden. Nach der Übernahme dieser Strecken durch die [[SBB GmbH|Schweizer Bundesbahnen]] im Dezember 2003 wurden die Strecken umfassend modernisiert, u.&nbsp;a. wurden in Lörrach zwei neue Haltepunkte (Schillerstraße und Dammstraße) erstellt. Gleichzeitig wurden die Strecken in die [[Regio S-Bahn Basel]] integriert; die Wiesentalbahn als S 6 (rote Linie) und die Gartenbahn als S 5 (rosarote Linie). Im Zuge der Regio S-Bahn wurde 2005 auch der Bahnhof Lörrach (seit Dezember 2009 offizieller Hauptbahnhof) teilrenoviert und behindertengerecht ausgebaut; eingesetzt werden seit 2005 die modernen [[SBB RABe 523|FLIRT]]-Züge der [[SBB GmbH]]. Daneben gibt es in Lörrach seit 1963 ein [[Autoreisezug]]-Terminal mit Verbindungen nach [[Hildesheim]], [[Bremen]], [[Hamburg]] und [[Berlin]]. Von 1919 bis 1939 sowie von 1947 bis 1967 verkehrte die [[Linie 6 (BVB)|Linie 6 der Basler Straßenbahn]] als ''Städtische [[Straßenbahn Lörrach]]''. Zurzeit wird diskutiert, diese Linie wieder bis nach Lörrach zu führen. Darüber hinaus verfügt Lörrach über einige lokale und regionale [[Buslinie|Busverbindungen]]. Sie gehören dem [[Regio Verkehrsverbund Lörrach]] an. === Behörden, Einrichtungen und Gerichte === [[Datei:Lörrach - Kreiskrankenhaus.jpg|thumb|Kreiskrankenhaus Lörrach]] Lörrach, als Kreisstadt des gleichnamigen Landkreises, beherbergt das [[Landratsamt]] und eine [[Straßenmeisterei]]. Lörrach hat mehrere Schulen sämtlicher Schultypen (siehe [[Lörrach#Bildungseinrichtungen|Bildungseinrichtungen]]), eine [[Volkshochschule]], die [[Stadtbibliothek Lörrach]] mit über 88.500 Medien, davon über 69.000 Bücher,<ref>[http://www2.loerrach.de/bibliothek/index.php?module=cGFnZXM=&load=MTMxOA==&subCategs=MTMyMA==,MTM0Mg==&catid=MTI1Nw== Stadtbibliothek Lörrach in Zahlen]</ref> zwei Stadtteilbibliotheken, seit 1985 die Wissenschaftliche [[Regionalbibliothek]]<ref>[http://www.foerderkreis-regionalbibliothek.de/wrb-geschichte.html Geschichte der Wissenschaftlichen Regionalbibliothek Lörrach]</ref> sowie eine Musikschule. Das zum Landgerichtsbezirk [[Freiburg im Breisgau]] gehörende [[Amtsgericht Lörrach]] ist für Städte und Gemeinden im Landkreis zuständig. Ferner gibt es in Lörrach ein [[Arbeitsgericht]], welches die Gerichtsbarkeit in erster Instanz für die Landkreise Lörrach und Waldshut ausübt. Dazu kommen noch weitere drei Kammern in [[Radolfzell]] am Bodensee. In der Stadtmitte, am Alten Markt, befindet sich eine Außenstelle des [[Staatliches Schulamt|Staatlichen Schulamtes]]. Die [[Deutsche Bundesbank]] unterhält in Lörrach eine Betriebsstelle. Dieser Standort steht nicht mehr dem Publikumsverkehr offen und dient der Bargeldversorgung. Im Zuge von Filialschließungen der Bundesbank hatte man in Lörrach von einer Schließung abgesehen; das Fortbestehen ist allerdings von weiteren ökonomischen Prüfungen abhängig.<ref>[http://www.bundesbank.de/download/presse/pressenotizen/2002/20021030bbk2.pdf Pressemitteilung der Deutschen Bundesbank vom 30. Oktober 2002, Seite 3]</ref> Lörrach hat weiterhin ein [[Finanzamt]], eine [[Agentur für Arbeit]], ein [[Hauptzollamt]] und eine [[Polizeidirektion]] mit den nachgeordneten Dienststellen der Verkehrs- und [[Kriminalpolizei (Deutschland)|Kriminalpolizei]] sowie einer Dienststelle der [[Autobahnpolizei]]. Ferner ist die Stadt Sitz des Kirchenbezirks Lörrach der [[Evangelische Landeskirche in Baden|Evangelischen Landeskirche in Baden]] und des Dekanats Wiesental innerhalb der Region Hochrhein des [[Erzbistum Freiburg|Erzbistums Freiburg]]. In Lörrach gibt es zwei Krankenhäuser: Das Kreiskrankenhaus Lörrach als Teil der [[Kliniken des Landkreises Lörrach GmbH]] in der Trägerschaft des Landkreises und das [[St. Elisabethen-Krankenhaus]], als [[gemeinnützige GmbH]] in der Trägerschaft des [[Barmherzige Schwestern vom hl. Vinzenz von Paul|Ordens der Barmherzigen Schwestern vom heiligen Vinzenz von Paul]] mit Sitz in Freiburg im Breisgau. Die drei Kreiskrankenhäuser Lörrach, [[Rheinfelden (Baden)|Rheinfelden]] und [[Schopfheim]] wurden am 1. Januar 1994 zu einer [[GmbH]] zusammengefasst. Das Lörracher Kreiskrankenhaus wurde am 1. Oktober 1845, damals als Städtisches Spital, eröffnet. Derzeit verfügt das Kreiskrankenhaus Lörrach über 282 Betten, an allen drei Standorten insgesamt über 517 Planbetten. Das St. Elisabethen-Krankenhaus, gegründet 1913 als Privatklinik Dr. Böhler, verfügt über 220 Betten. Die Fachdisziplinen sind zwischen beiden Lörracher Krankenhäusern aufgeteilt (Kreiskrankenhaus Lörrach: Innere Medizin und Chirurgie; St. Elisabethen-Krankenhaus: Kinderklinik, Gynäkologie und Geburtshilfe, HNO und Urologie). === Ansässige Unternehmen === [[Datei:KBC Loerrach.jpg|miniatur|hochkant=0.8|Charakteristischer Schornstein der KBC in Lörrach]] Größtes Unternehmen und größter Arbeitgeber in Lörrach ist der [[Schokolade]]nhersteller [[Kraft Foods]] Deutschland GmbH, unter anderem durch die Marken [[Milka (Marke)|Milka]] und Suchard bekannt. Bereits seit 1880 wird in Lörrach Schokolade hergestellt; es ist auch der größte Schokolade-Produktionsstandort der Firma Kraft Foods in Europa. Die moderne Produktionsanlage stellt bis zu drei Millionen Schokoladetafeln täglich her.<ref> [http://www.kraftfoods.de/kraft/page?siteid=kraft-prd&locale=dede1&PagecRef=2415&Mid=2415 Informationen zum Milka-Produktionsstandort Lörrach]</ref> Ebenfalls überregional bekannt ist das Pharmaunternehmen [[GABA-Gruppe|GABA]] ('''G'''oldene '''A'''potheke '''Ba'''sel) mit den Marken aronal, elmex und meridol. Die frühere Firma Wybert, welche wiederum eine Filiale der 1638 gegründeten Goldenen Apotheke Basel war, wurde 1921 in Tumringen gegründet. Im Jahr 2000 erfolgte die Umfirmierung der Wybert und sie trat auch nach außen als GABA-Gruppe auf. Seit 2004 gehört sie zur [[Colgate-Palmolive]]-Gruppe. Viele Lörracher Betriebe sind Schweizer Gründungen aufgrund des grenzüberschreitenden Verdichtungsraums Basel. Dieser wurde durch den Beitritt Badens zum [[Deutscher Zollverein|Deutschen Zollverein]] 1835 begünstigt. Im Zuge der Industrialisierung siedelten sich vor allem viele Textilunternehmen in Lörrach an. 1835 gründete der Basler Felix Sarasin-Heußler die Spinnerei Haagen, die zeitweise über 500 Arbeiter beschäftigte. Das traditionsreiche [[Textilveredelung]]sunternehmen [[KBC]] und der Abführtee-Hersteller Midro Lörrach GmbH haben in Lörrach ihren Sitz. Im Jahr 1995 eröffnete die schweizerische Lebensmittelkette [[Migros]] ein Warenhaus in der Lörracher Innenstadt; hier befindet sich auch die Migros-Deutschlandzentrale. In Lörrach ist die 1850 gegründete [[Privatbrauerei Lasser]] ansässig. Einer der großen Arbeitgeber der Region ist [[Jörg Hieber|Hieber's Frische Center]]. Ein Zweigwerk der [[A Raymond|A-Raymond]]-Gruppe ist ein bedeutender Zulieferer von Befestigungselementen in der Autoindustrie. Das zentrale europäische Distributionslager des internationalen Modeunternehmens [[Tally Weijl]] befindet sich seit 1999 im Lörracher Ortsteil Brombach auf dem Gelände des ehemaligen Logistikzentrums des Modeunternehmens Schöpflin. Der italienische Maschinenbauer [[Marchesini (Unternehmen)|Marchesini]] unterhält ebenfalls eine Filiale, von der aus die schweizerische Pharma- und Kosmetikindustrie mit Verpackungsmaschinen versorgt wird. Die 1887 von Julius Kaltenbach gegründete Maschinenfabrik Kaltenbach stellt unter anderem Drehbänke, Sägen und Fräsmaschinen her. Das Unternehmen gehört zur Kaltenbach-Gruppe mit dem Stammsitz in Lörrach. Es operiert mit 30 Vertretungen weltweit und hat neben Lörrach in den Niederlanden und in Frankreich Produktionsstandorte.<ref>[http://www.kaltenbach.de/de/kaltenbach_gruppe/ Geschichte zur Firma Kaltenbach]</ref> Das Logistikunternehmen [[Streck Transport]] hat seinen Sitz in Lörrach. === Medien === In Lörrach unterhalten die Tageszeitungen [[Badische Zeitung]] und [[Die Oberbadische]] jeweils eine Lokal[[redaktion]]. Die Oberbadische (bis September 2006 Oberbadisches Volksblatt) mit Verlagssitz in Lörrach ist die älteste Zeitung Lörrachs (seit 1885). Das Oberbadische Verlagshaus gibt außerdem die Weiler Zeitung und das Markgräfler Tagblatt heraus. Das monatlich erscheinende Stadtmagazin ''Puls'' berichtet über Veranstaltungen in und rund um Lörrach. Der Radiosender [[Südwestrundfunk]] unterhält seit dem Frühjahr 1982 in Lörrach ein Regionalbüro, in dem Teile des Radioprogramms (Hochrhein Radio) [[SWR4]] Baden-Württemberg produziert werden. === Bildungseinrichtungen === [[Datei:Duale Hochschule BW - Lörrach.jpg|thumb|upright=1.2|Neubautrakt der Dualen Hochschule Baden-Württemberg Lörrach]] In Lörrach ist die [[Duale Hochschule Baden-Württemberg Lörrach]] beheimatet, die 1981 als [[Berufsakademie]] gegründet wurde. Sie bietet neben den klassischen dreijährigen Studiengängen mit Bachelor-Abschluss auch teilweise länger dauernde trinationale Studiengänge mit Partnerhochschulen in Frankreich (Universität des Elsass in Mulhouse bzw. Colmar) und der Schweiz ([[Fachhochschule Nordwestschweiz]], FHNW) an. Den etwa 1400 Studenten werden in den beiden Studienrichtungen Wirtschaft und Technik derzeit elf verschiedene Studiengänge mit mehreren Vertiefungen angeboten. Ferner gibt es in Lörrach ein Staatliches Seminar für Didaktik und Lehrerbildung für Grund- und Hauptschulen. Lörrach verfügt über zwölf öffentliche [[Grundschule]]n bzw. Grund- und [[Hauptschule]]n (Albert-Schweitzer-Schule, Astrid-Lindgren-Grundschule Hauingen<ref>[http://www.spiegel.de/schulspiegel/0,1518,276054,00.html spiegel.de: Streit über Astrid-Lindgren-Schule ''Lörrachs Angst vor Pippis Anarcho-Image'']</ref>, Eichendorffschule, Fridolinschule, Grundschule Salzert, Grundschule Tumringen, Hebelschule, Hellberg-Grund-und Hauptschule Brombach, Neumatt-Grund- und Hauptschule mit Werkrealschule sowie Schloßberg-Grund- und Hauptschule) eine [[Realschule]] (Theodor-Heuss-Realschule), zwei [[Gymnasium|Gymnasien]] ([[Hans-Thoma-Gymnasium|Hans-Thoma-]] und [[Hebel-Gymnasium Lörrach|Hebel-Gymnasium]]) und eine [[Förderschule]] (Pestalozzi-Schule). Der Landkreis Lörrach ist Schulträger der Gewerbeschule (unter anderem mit Technischem Gymnasium, Bereiche Technik und Informatik), der Kaufmännischen Schule (unter anderem mit Wirtschaftsgymnasium) und der Hauswirtschaftlich-Landwirtschaftlichen und Sozialpädagogischen Schule (Mathilde-Planck-Schule; unter anderem mit Ernährungswissenschaftlichem Gymnasium und Biotechnischem Gymnasium). Gemeinsam mit der St. Elisabethen-Krankenhaus-Lörrach-[[Gemeinnützige GmbH|gGmbH]] ist der Landkreis Lörrach Träger der Schule für Gesundheits- und Krankenpflege und für Gesundheits- und Kinderkrankenpflege. Die Schule für kranke Kinder befindet sich im St. Elisabethen-Krankenhaus Lörrach. Mehrere [[Privatschule]]n, darunter die Altenpflegeschule des Diakonissen-Mutterhauses [[St. Chrischona]], die Freie Evangelische Schule (Grund-, Haupt-,Realschule und Gymnasium), die Freie [[Waldorfschule]] Lörrach, die Private Sprachschule Foerderer und die Private Schule für Erziehungshilfe am Evangelischen Kinderheim Tüllinger Höhe runden das schulische Angebot Lörrachs ab. == Kultur und Sehenswürdigkeiten == === Dialekt === In Südbaden wird ein [[Alemannische Dialekte|Alemannisch]] gesprochen, das als Übergang zwischen dem [[Schwäbisch]]en und dem Hoch- oder Südalemannischen gesehen werden kann. In diesem Grenzgebiet bezeichnet man den Dialekt als [[Niederalemannisch]]. Anzumerken ist, dass die alemannischen Dialekte regional sehr unterschiedlich klingen. In Lörrach (regionale [[Alemannische Dialekte|alemannische]] Aussprache: [{{IPA|ˈlœʀɑx}}]) wird [[Hochalemannisch]] gesprochen, welches dem [[Schweizerdeutsch]] ähnlich klingt und in Südwestdeutschland, dem [[Elsass]], der deutschsprachigen [[Schweiz]], im österreichischen Bundesland [[Vorarlberg]] sowie im Fürstentum [[Liechtenstein]] verbreitet ist. Besonders auffällig an diesem Dialekt ist die Verschiebung des germanischen ''k'' im Anlaut zu ''ch'': Kind und Kopf werden beispielsweise im Hochalemannisch ''Chind'' und ''Chopf'' ausgesprochen. In der jüngeren Vergangenheit verlieren sich vor allem durch Zuwanderung aus dem sächsisch sprechenden Raum im Landkreis zunehmend die hochalemannischen Besonderheiten. In diesem [[Dialektkontinuum]] kommt es zu einer Vermischung des [[Hochdeutsch]]en und einer dem Niederalemannischen nahen Sprache. So entsteht eine Sprachgrenze zwischen der Schweiz und dem hochalemannischen Baden. Im [[Hotzenwald]], dem Markgräflerland (außer der Grenzregion) und der Region um [[Jestetten]] ist das Hochalemannische besser bewahrt und klingt wie die Schweizer Dialekte.<ref>[http://reese.linguist.de/Laender/bw.html#suedbaden Staaten und Territorien der Erde und ihre Sprachen: Südbaden]</ref> →''Siehe den [[Alemannischer Beispielsatz#Lörrach (Südbaden, Markgräflerland)|alemannischen Beispielsatz für Lörrach]]'' === Gebäude und Architektur === Aufgrund der geschichtlichen Entwicklung ist Lörrach eine vergleichsweise junge Stadt. Das ist einer der Gründe, wieso Lörrach weder architektonisch außerordentlich bedeutsame oder prägnanten Gebäude aufzuweisen hat noch eine homogene Altstadt im Vergleich zu anderen Städten aufweisen kann.<ref>Bürgel, Göckel, Lutz, Moehring: ''Jahrbuch Lörrach 2007'', ISBN 978-3-922107-75-0, Seite 12</ref> Dennoch finden sich zu fast allen großen Epochen der Baukunst diverse Zeugnisse. Besondere Bedeutung hat in Lörrach der [[barock]]e Baustil. Ursächlich dafür ist die Zerstörung der Burg Rötteln 1678 und der daraus resultierenden Verlagerung der Verwaltung nach Lörrach. Das Stadtrecht aus dem Jahr 1682 bedingte, dass die Stadt zum Verwaltungszentrum ausgebaut wurde.<ref>Bürgel, Göckel, Lutz, Moehring: ''Jahrbuch Lörrach 2007'', ISBN 978-3-922107-75-0, Seite 19</ref> 1695 war eine Sommerresidenz, ein „fürstliches Landhaus zu Lörrach“, für [[Friedrich VII. Magnus (Baden-Durlach)|Friedrich Magnus]] geplant worden, die auch eine barocke Schlossanlage enthalten sollte.<ref>Bürgel, Göckel, Lutz, Moehring: ''Jahrbuch Lörrach 2007'', ISBN 978-3-922107-75-0, Seite 29 f</ref> ==== Alter Marktplatz und Fußgängerzone ==== [[Datei:Granit Rosa Porrino von Ulrich Rueckriem in Loerrach.jpg|miniatur|links|hochkant|Rückriem-Skulptur auf dem Alten Marktplatz]] Lörrachs Stadtkern ist durch eine 1991 eröffnete [[Fußgängerzone]] geprägt. Das Zentrum bildet dabei der Alte Marktplatz, auf den man von vier Seiten aus gelangen kann. Am Kreuzungspunkt befindet sich eine würfelförmige Skulptur (''Granit Rosa Porriño'' von [[Ulrich Rückriem]]). Die Innenstadt ist außerdem durch viele Wohn- und Geschäftshäuser geprägt, die Anfang des 20. Jahrhunderts erbaut wurden. Erwähnenswert sind etliche noch erhaltene „Modellhäuser“ (standardisierter Haustyp) aus der Zeit der zweiten Stadterhebung 1756, z.&nbsp;B. in der Kirchenstraße (Nähe Marktplatz). Zu Fuß lassen sich vom Zentrum an 22 Stationen verschiedene Brunnen und [[Plastik (Kunst)|Plastiken]] entlang des sogenannten [[Lörracher Skulpturenweg]]s erkunden.<ref>[http://www.zuzuku.de/msde/021.htm Informationen zum Lörracher Skulpturenweg]</ref> Neben der Pyramide am Burghof ist noch die ''Große Säulenfigur'' von [[Stephan Balkenhol]] auf dem Senser-Platz, nördlich des Alten Marktplatzes erwähnenswert. Wenige Meter vom Alten Marktplatz entfernt befindet sich das Alte Rathaus, in welchem sich seit 1998 nach Sanierung und Umbau die [[Volkshochschule]] untergebracht ist. Das aus dem Jahre 1870 stammende Gebäude enthält die alten Rathausglocken vom Vorgängerbau aus dem Jahr 1756. Vom alten Rathaus rief [[Gustav von Struve|Gustav Struve]] am 21. September 1848 die Deutsche Republik aus. Vier Tage lang war Lörrach Hauptort des Struve-Putsches und damit gewissermaßen Regierungssitz. ==== Neuer Marktplatz und Wochenmarkt ==== [[Datei:Markt Loerrach.JPG|miniatur|Lörracher Wochenmarkt]] Östlich des Alten Marktplatzes erstreckt sich der Neue Marktplatz, auf dem an drei Tagen der Woche ein großer [[Wochenmarkt]] stattfindet. Die abzweigende Synagogengasse erinnert daran, dass an diesem Platz die frühere Lörracher [[Synagoge]] stand, die im [[Drittes Reich|Dritten Reich]] zerstört wurde. Nach dem [[Zweiter Weltkrieg|Zweiten Weltkrieg]] wurde der Standort der Synagoge mit einem Büro- und Geschäftshaus überbaut. Während der Zeit des Nationalsozialismus wurde dieser Platz auch als Aufmarschplatz genutzt. Heute wird der Platz von einem Brunnen dominiert und dient als Verbindung vom Alten Markt zum Burghof. Die Brunnenskulptur ''Lebensbaum'' vom Künstler Michael Fischer stellt ein ineinander verschlungenes Liebespaar in der Krone eines Baumes dar. An Markttagen ist der Platz dicht mit Marktständen besetzt. Es ist ein Bauernmarkt, auf dem vorwiegend Produkte aus der Region, wie Gemüse, Obst, Brot, Kuchen, Schnaps, Wein und Blumen meist von den Erzeugern selbst zum Verkauf angeboten werden. Erst seit Ende der 1990er Jahre sind weitere Spezialitätenstände hinzugekommen, die am Rand des Marktplatzes Fleisch, Käse, Geflügel, Pasta, Pilze und Konfitüren anbieten. Meist handelt es sich dabei um regionale Produkte. Wegen des günstigen Klimas kommen in Lörrach z.&nbsp;B. auch einheimische Pfirsiche, Artischocken oder Auberginen auf den Markt, die andernorts importiert werden müssen. Der Lörracher Wochenmarkt, der seit über 600 Jahren existiert, gilt als einer der größten und schönsten der Region und zieht auch viele Kunden aus der Schweiz und dem Elsaß an. Er findet dreimal wöchentlich am Dienstag, Donnerstag und Samstag statt. Im Jahr 2003 feierte die Stadt das 600 Jahre bestehende Marktrecht. Dem Markgrafen Rudolf III. von Hachberg-Sausenberg wurde vom [[Ruprecht I. (HRR)|König Ruprecht III.]] von der Pfalz für sein Dorf Lörrach das Marktrecht verliehen. Die Marktrechtsurkunde wurde am 26. Januar 1403 in [[Regensburg]] unterzeichnet. Mit diesem Recht für einen Jahr- und Wochenmarkt wollte der Markgraf ein wirtschaftlich-politisches Gegengewicht zu Basel schaffen. 1452 bestätigte [[Friedrich III. (HRR)|Kaiser Friedrich III.]] das Marktrecht erneut.<ref name="marktrecht" /> ==== Burghof Lörrach ==== [[Datei:Burghof Loerrach.jpg|miniatur|links|Burghof Lörrach]] Am 6. November 1998 hat nach zweijähriger Bauzeit der [[Burghof Lörrach]] die alte Stadthalle in ihrer Funktion abgelöst und als neues Kultur- und Veranstaltungszentrum eröffnet. Der Name Burghof erinnert daran, dass der Bau auf historischer Stätte errichtet wurde. Hier stand die im Jahr 1638 zerstörte Lörracher Burg. Bei dieser handelte es sich um eine kleine Wasserschlossanlage, etwa vergleichbar dem ''Stettemer Schlössli'' oder dem Wasserschloss [[Inzlingen]]. Der Entwurf der Basler Architekten [[Katharina Steib]] und [[Wilfrid Steib]] wirkt wie ein schmales und hohes Schiff und ist eine Konstruktion aus Beton, rötlichem Klinkerstein, Stahl und Glas. Der Burghof misst 87 Meter in der Länge, 30 Meter in der maximalen Breite und 19 Meter in der Höhe. Der große und der kleine Saal, die [[Empore]] und die Seitengalerie bieten bis zu 885 bestuhlte Plätze. Die Anordnung der Stühle kann je nach Veranstaltung verändert werden; sie können auch ganz herausgenommen werden. Der Burghof wird multifunktional für Konferenzen, Theater-, Konzert- und Kulturveranstaltungen jeder Art verwendet. Im Burghof befindet sich das Lörracher Informationszentrum. [[Datei:Truncated Pyramid Room.jpg|miniatur|Skulptur ''Truncated Pyramid Room'']] Auf dem Platz vor dem Burghof direkt am Eingang steht die 11,40 Meter in der Basislänge und 7,5 Meter in senkrechter Höhe messende Metallskulptur ''Truncated Pyramid Room'' von [[Bruce Nauman]] in Form eines offenen, begehbaren Pyramidenstumpfs. Die mit schwarzem [[Bitumen]] angestrichene Figur aus Stahlbeton wird abends von innen mit gelbem Scheinwerferlicht beleuchtet. Diese Raum-Licht-Skulptur von Nauman existierte erst als Modell aus einer Werkgruppe, die im Jahr 1982 entstanden ist, und ist seine erste in Europa öffentlich ausgestellte Arbeit. ==== Museen ==== Die einstige Tabakfabrik wurde 1759 als Pädagogium umgebaut. Im [[Barock]]bau an der Basler Straße wirkte [[Johann Peter Hebel]] als Lehrer. Später wurde die Schule in Hebelgymnasium umbenannt, bevor sie nach einer umfangreichen Renovierung 1978 zum [[Museum am Burghof]] umgewandelt wurde. Über 100 Jahre alte Sammlungen umfassen mittelalterliche Holzbildwerke und ein Zinnoptikum. Es gibt Ausstellungen zu verschiedenen Themen wie beispielsweise Naturräume Rheinaue, Hügel- und Berglandschaft, Erdgeschichte und Erdbebengefahr, Siedlungsgeschichte von der Steinzeit bis zu den [[Alemannen]]. Die Exponate umfassen über 50.000 Objekte. Das Museum beherbergt außerdem eine wissenschaftliche Präsenzbibliothek mit über 10.000 Büchern und Zeitschriften, darunter etwa 1.000 besonders wertvolle Bücher ab dem 16. Jahrhundert. Neben regelmäßig wechselnden Sonderausstellungen wurde die Dauerausstellung ExpoTriRhena aufgebaut, welche Geschichte und Gegenwart der Drei-Länder-Region Deutschland, Frankreich und Schweiz darstellt. Auf dem Hügel Bühl im Stadtteil [[Brombach (Lörrach)|Brombach]] wurden 1981 die Grundmauern einer römischen [[Villa]] aus dem zweiten Jahrhundert ausgegraben und restauriert. Die im Stadtteil Brombach gelegene Bildhauer-Rudolf-Scheurer-Stiftung ist in einem zwölf Meter hohen Skulpturenturm untergebracht; dieser wird als Ausstellungsraum des Künstlers genutzt. Gezeigt werden Skulpturen, Reliefs und Grafiken aus der 40-jährigen Tätigkeit des Bildhauers Rudolf Scheurer. Seit dem 5. Mai 2009 stellt ein Kunstmuseum die rund 2500 Werke des Lörracher Malers [[Paul Ibenthaler]] in zwei jährlichen stattfindenden Ausstellungen aus. ==== Burg Rötteln ==== Einen weitläufigen Ausblick auf Lörrach, die umliegenden Gemeinden und die Stadt Basel erhält man von der ''[[Burg Rötteln]]'', dem Wahrzeichen der Stadt und einer der größten Burganlagen Südbadens. Die erste urkundliche Nennung der Burg stammt aus dem Jahr 1259; die ältesten Teile der Burg gehen vermutlich auf den Beginn des 11. Jahrhunderts zurück. Bis 1678 diente die zuletzt eher festungsartige Anlage als Verwaltungssitz für die Obere Markgrafschaft (''Oberland'', Teil von Baden-Durlach). Nach der Zerstörung verlegte man die Ämter in die Talsiedlung Lörrach, Rötteln wurde nicht wieder aufgebaut und verfiel – unter zeitweiliger Nutzung als Steinbruch – zu einer romantischen Ruine. [[Johann Peter Hebel]] verewigte die Burg in diesem Zustand in seinen Gedichten. Im 20. Jahrhundert erfolgte dann die bauliche Sicherung bzw. die Teilrekonstruktion durch private Initiative. Die langgezogene Burganlage verfügt über zwei besteigbare Türme. Von Mitte März bis Ende Oktober kann die Burg von innen besichtigt werden. <div align="center"> [[Datei:Burg Roetteln Gesamtansicht.jpg|700px]]<br /><small>Westseite der [[Burg Rötteln]]: Oberburg und Vorburg mit den Resten der Wehrmauer.</small> </div> ==== Schlösser und Kirchen ==== → ''Siehe auch:'' [[Liste der Sakralbauten in Lörrach]] Das im Lörracher Stadtteil [[Stetten (Lörrach)|Stetten]] gelegene ''Stettemer Schlössle'' ist der einzige Profanbau aus dem 17. Jahrhundert, der dem Stil der [[Renaissance]] zuzuordnen ist. Das damalige Herrenhaus mit dem markanten Treppenturm hat [[Spätgotik|spätgotische]] Bauelemente. [[Datei:Loerrach Stadtkirche pano2.jpg|miniatur|links|Inneres der Stadtkirche]] [[Datei:Stadtkirche und Museum am Burghof.jpg|miniatur|hochkant|Kirchturm der Stadtkirche und die Hofseite des Museums am Burghof]] [[Datei:St. Peter Lörrach.jpg|miniatur|hochkant|St. Peter]] [[Datei:Stadtkirche Loerrach 2.jpg|miniatur|hochkant|[[Evangelische Stadtkirche (Lörrach)|Stadtkirche]]]] Die erste Erwähnung des Brombacher Schlosses stammt aus dem Jahr 1294. Das kleine Schlösschen, dessen Besitzer Matthias [[Reich von Reichenstein]] war, galt mit seinen zwei Meter dicken Grundmauern als uneinnehmbar. Das [[Basler Erdbeben]] zerstörte das Bauwerk, welches wieder hergestellt wurde. Französische Truppen vernichteten 1676 bis 1678 das Brombacher Schloss völlig, doch 1880 wurde es vom Industriellen Großmann wieder aufgebaut. Rings um das Schloss schließt sich ein kleiner Park an. Zahlreiche Kirchen beider Konfessionen befinden sich in Lörrach. Das Kirchenschiff der [[Evangelische Stadtkirche (Lörrach)|evangelischen ''Stadtkirche'']] südlich vom Alten Marktplatz wurde 1815 bis 1817 nach den Plänen des [[Friedrich Weinbrenner|Weinbrenner]]-Schülers Wilhelm Frommel im [[klassizistisch]]en Stil erbaut. Dazu gehörte auch das emporhebende Podium. Der Kirchturm stammt aus dem Jahr 1514. Er fällt durch seine schmucklosen Portale und Mauerschlitze auf. Das [[Satteldach]] des Kirchturms wurde 1817 durch ein spitz zulaufendes [[Zeltdach]] mit goldener Kugel und Kreuz ersetzt. Die Kirche war 1556 der Ort, von dem aus durch eine Predigt des Basler Priesters U. Koch die [[Reformation]] in der Markgrafschaft Baden-Durlach eingeführt wurde.<ref>[http://www.badischewanderungen.de/L.oe.rrach-Kirche--k1-28-k2-.htm Lörrachs Stadtkirche im Weinbrenner-Stil auf badischewanderungen.de]</ref> Um die Kirche lag einst der Friedhof. Die evangelische ''Christuskirche'' wurde 1956 erbaut. 1975 entstand an der Suttermattstraße ein evangelisches Gemeindezentrum. Die katholische Hauptkirche Lörrachs ist die zwischen 1864 und 1867 erbaute ''[[St. Bonifatius (Lörrach)|Kirche St. Bonifatius]]''. Am 15. Juli 2007 wurde sie bei einem Großbrand erheblich beschädigt und wird derzeit wieder aufgebaut. Zu den jüngsten Kirchen in Lörrach gehört die [[Kurat]]iekirche ''St. Peter'' des Architekten Rudolf Dietsche in der Nordstadt am Rande des Grüttparks. Die zur katholischen Gemeinde gehörende Kirche steht auf einem 6 Meter hohen Plateaugelände. Der zylinderförmige Turm auf der Nordseite ist mit einem Flachbau verbunden. Markant ist, dass sich durch eine Stahlbetonkonstruktion das Flachdach zum 42 Meter hohen Turm hin verjüngt.<ref>[http://www.st.peter.seelsorgeeinheit-loerrach.de/wissen/inhalta.htm Informationen zur Peterskirche]</ref> Dieser bemerkenswerte Bau wurde von 1962 bis 1964 am Rande des Grüttparks erbaut und ist weithin sichtbar. Eine 220&nbsp;m² große Glaswand, entworfen von dem Künstler [[Wilfrid Perraudin]] (1912–2006), zeigt einen Bilderzyklus mit Motiven des Neuen Testaments und zum Kirchenpatron Petrus. Im Jahr der Realisierung 1963 war dies die größte Beton-Lichtwand der Welt.<ref>[http://www.kath-kirche-loerrach.de/html/unsere_kirche694.html Informationen zur Kirche St. Peter]</ref><ref>[http://kirchenkunst.perraudin-konzept.de/loerrach.html Pfarrkirche St. Peter, Lörrach: Das Werk: Beton-Lichtwand, 1964/65]</ref> Die katholische ''[[St. Fridolin (Lörrach)|Fridolinskirche]]'' in Stetten (1821 bis 1822) ist ein herausragendes Beispiel klassizistischer Kirchenbaukunst im deutschen Südwesten. Sie wurde nach Plänen von [[Christoph Arnold (Architekt)|Christoph Arnold]] errichtet. Die Frontfassade wird von zwei eher schlichten Kirchtürmen eingerahmt. Zur Gemeinde gehört auch die 1965/66 nach den Plänen des Architekten Wilhelm Frank erbaute Filialkirche ''Heilige Familie'' in der Gemarkung Neumatt im Westen Stettens. Die ''St. Gallus-Kirche Rötteln'' wurde 751 zum ersten Mal urkundlich erwähnt. Markgraf Rudolf III. ließ die Kirche umbauen. Sein Grabmal und das seiner Frau Anna werden in der Röttler Kirche aufbewahrt. Ihr Grab befindet sich in einer schönen, mit einem Gewölbe überspannten Kapelle hinter dem Chor. Die heutige Kirche stammt aus dem Jahr 1401. Die Röttler Kirche wie auch die [[Burg Rötteln]] werden abends angestrahlt. Die evangelische ''St-Germanus-Kirche'' in Brombach wurde um 1903/1904 im [[Neugotik|neugotischen Stil]] erbaut und hat für mehr als 800 Personen Platz. Der Turm stammt aus dem 13./14. Jahrhundert. Teile des Chors werden auf das Jahr 1479 datiert. Die große Glocke aus dem Jahr 1595 wurde von Sebaldt Hofmann aus Basel gegossen. Die ''St. Josephskirche'' in Brombach wurde 1900 erbaut. Die evangelische ''Kirche St. Nikolaus'' in [[Hauingen]] wurde 1102 erstmals erwähnt. Die heutige Kirche wurde 1768 erbaut, der Turm hat ältere Teile aus dem Jahr 1469. ==== Weitere Bauwerke ==== [[Datei:Hochhaus am Chesterplatz.jpg|miniatur|hochkant|Hochhaus am Chesterplatz]] [[Datei:Galleria Mendini.jpg|miniatur|Galleria Mendini]] Das heute als Polizeidirektion genutzte Gebäude in der Weinbrennerstraße wurde 1719 bis 1727 in mehreren Etappen als Salzmagazin mit Fruchtspeicher und Weinkeller errichtet. Der ausladende, repräsentative Flügelbau im Barockstil verfügt über ein großflächiges [[Walmdach]] mit flach hervorspringenden Dachluken. Das große Rundbogenportal erreicht man über eine nach außen geschwungene, breite Treppe. Das Lörracher Rathaus trägt den Spitznamen „Langer Egon“, nach dem ehemaligen Oberbürgermeister [[Egon Hugenschmidt]], in dessen Amtszeit es erbaut wurde. In der Nähe des Lörracher Bahnhofs steht das auffällige 17-stöckige Hochhaus, in welchem sich die Verwaltung und der Sitz des Oberbürgermeisters befinden. Das dunkelgrüne Gebäude wurde nach vierjähriger Bauzeit für 23,7 Millionen Mark 1976 fertiggestellt und ist mit 81 Metern das höchste Gebäude der Stadt. Architektonisch eigenwillig ist das Gebäude der Lörracher [[Jugendherberge]]. Der Bau liegt am Steinenweg zwischen dem Stadtteil Stetten und der Siedlung [[Salzert]] unmittelbar am Waldrand. Von der exponierten Lage des Gebäudes aus hat man einen guten Blick auf Basel und die umliegenden Ortschaften. Die Einweihung der Jugendherberge erfolgte am 26. April 1982 durch den damaligen Bundespräsidenten Professor [[Karl Carstens]]. Auf dem Grundstück eines ehemaligen Leichtathletik-Sportfeldes wurde von 1990 bis 1994 in der Nordstadt Lörrachs von den Architekten ''Wilhelm + Partner'' die ''Wohnanlage Stadion'' errichtet. Die komplexe architektonische Struktur der Anlage besteht aus oval angeordneten Einheiten und acht freistehenden Gebäuden in ihrem Inneren. Die acht Gebäude verteilen sich auf zwei Quadrate, die von einem 400-Meter-Laufring umschlossen werden. Der Wohnkomplex birgt insgesamt 220 Wohneinheiten in sich.<ref>[http://books.google.com/books?id=ynEEnXQ65cMC&pg=PA64&lpg=PA64&dq=wohnanlage+stadion&source=web&ots=QLpI5JK52C&sig=ADBJaMrOL3op-GVU_Vld9IXzlOI#PPA64,M1 Lutz Windhöfel: ''Architekturführer Basel 1980–2004''], Birkhäuser Basel 2004, ISBN 3-7643-7087-4</ref><ref>[http://thomasmayerarchive.de/categories.php?cat_id=480&l=english Bildergalerie zur ''Wohnanlage Stadion'']</ref> Seit dem Frühjahr 2005 prägt ein 41 Meter hohes Wohnhaus am Chesterplatz in der Innenstadt das Stadtbild. Ebenfalls am Chesterplatz befindet sich das Geschäftshaus ''Galleria Mendini'', ein Projekt des italienischen Architekten [[Alessandro Mendini]]. Die zum Platz zugewandte Fassade fällt durch seine auffällige Farbgebung auf. === Parkanlagen und Messestandort === Im Süden von Lörrach, westlich des Hünerbergs, liegt der Rosenfels-Park am Fuße der Villa Rosenfels (1876 erbaut). In dieser Parkanlage, die ursprünglich zum Landgut der Familie Koechlin gehörte und die erst seit 1925 für die Öffentlichkeit zugänglich ist, befindet sich ein kleiner Tierpark sowie eine [[Konzertmuschel]] aus dem Jahr 1965. Neben dem Alten Marktplatz dient die Konzertmuschel als Austragungsort für das [[Stimmen-Festival]]. [[Datei:Villa Aichele Loerrach.jpg|miniatur|links|Villa Aichele]] In der Stadtmitte befinden sich der Hebelpark mit einer überlebensgroßen Statue des alemannischen Heimatdichters [[Johann Peter Hebel]] und der Park Villa Aichele. Das Gebäude der Villa Aichele stammt aus dem Jahr 1861 und ist mit seinem barockisierenden Sockel dem [[Neobarock]] zuzuordnen.<ref>Bürgel, Göckel, Lutz, Moehring: ''Jahrbuch Lörrach 2007'', ISBN 978-3-922107-75-0, Seite 26</ref> Es diente dem Schweizer Textilfabrikanten Nicolas Koechlin als Wohnhaus. Die Erben von Koechlin haben die Villa 1901 an Maria Aichele verkauft, nach der die Villa benannt wurde. Nach dem [[Zweiter Weltkrieg|Zweiten Weltkrieg]] ging der Besitz an die Stadt über. Heutzutage finden in der Villa Aichele regelmäßig kulturelle Veranstaltungen wie Lesungen, [[Vernissage]]n oder standesamtliche Trauungen statt. Anlässlich der [[Landesgartenschau]] 1983 ist der Landschaftspark Grütt entstanden. Der Name Grütt leitet sich von dem Wort ''rütten'' ab, was soviel wie roden heißt. Diese größte Grünanlage Lörrachs besitzt einen kleinen See (Grütt-See) und einen Bach, der sich durch den ganzen Park zieht. Entlang des Promenadenweges befindet sich ein Rosengarten. Am Nordrand des Parks liegt das Regio-Freizeit- und Messezentrum mit einer Bruttogesamtfläche von 23.000 Quadratmetern. Hier befinden sich zwei feste Hallen mit insgesamt 7.200 Quadratmeter Ausstellungsfläche und elf weitere Hallen in Leichtbauweise. Auf einem Freigelände werden zusätzlich Sonderschauen veranstaltet. Das Messegelände hat 2005 einen neuen Messeparkplatz erhalten, um den Messestandort aufzuwerten. === Sport in Lörrach === Die Stadt Lörrach verfügt insgesamt über 60 [[Sportverein]]e, darunter mehrere Turnvereine, Tennisclubs, Skiclubs, Schützenvereine und Fußballvereine. Der [[TuS Lörrach-Stetten|Turn- und Sportverein Lörrach-Stetten]] war sowohl für [[Ottmar Hitzfeld]] wie für [[Sebastian Deisler]] Ausgangspunkt ihrer Karriere und war überdies besonders in den 1980er Jahren in der [[Verbandsliga Südbaden]] erfolgreich. Unter den Fußballclubs ist besonders der 1902 gegründete [[FV Lörrach]] zu nennen. In diesem Bezirksligaverein spielten Ottmar Hitzfeld und Sebastian Deisler in den Anfangsjahren ihrer Karriere Fußball. Zur Hundertjahrfeier des FV Lörrach spielte am 12. Juli 2002 im Lörracher Grüttpark-Stadion der [[FC Bayern München]] gegen den Lörracher Fußballverein und gewann überlegen mit 9:1. Dieses Spiel kam aufgrund der Kontakte von Hitzfeld zum Rekordmeister zustande und war ein Dankeschön an den Fußballverein seiner Jugendtage, ebenso als er zuvor schon seinen damaligen Verein Borussia Dortmund zu einem Freundschaftsspiel einladen konnte. Im Jahr 2000 führte die [[Tour de France 2000|87. Tour de France]] durch Lörrach, die von tausenden begeisterten Fans am Straßenrand begleitet wurde. Die 17. Etappe von [[Lausanne]] nach [[Freiburg im Breisgau]] führte durch die Lörracher Innenstadt hinauf zur Lucke, einem kleinen [[Gebirgspass|Pass]] in Richtung [[Kandern]]. Die jährlich stattfindende [[Rothaus Regio-Tour|Regio-Tour]] ist ein internationales [[Etappenrennen]] in der Dreiländerregion und führt häufig durch den Landkreis Lörrach. Von Mitte bis Ende September findet der ''[[Deutschlandlauf]]'' statt. Dieser [[Ultramarathon]]lauf, der in [[Kap Arkona]] auf der Insel [[Rügen]] gestartet wird, endet nach 17 Tagesetappen und rund 1200 Kilometern in der Lörracher Innenstadt. Sieger des Laufs im Jahr 2006 war der Finne Janne Kankaansyrja in einer Gesamtzeit von 110 Stunden und 6 Minuten. Insgesamt 21 Männer und vier Frauen beendeten diesen Lauf erfolgreich. === Fasnacht === <!-- Aufgrund der regionalen Eigenheit wird in Lörrach die Fastnacht ohne t geschrieben und im Artikelabschnitt deswegen so geschrieben. --> Die ersten Ursprünge der Lörracher Fasnacht lassen sich nicht mehr rekonstruieren. Der erste gesicherte Beleg dafür ist eine schriftliche Erwähnung aus dem Jahr 1620. Dieses Konzeptblatt diente als Vorlage für eine Urkunde aus den Akten des [[Oberamt (Baden)|Oberamts]] Rötteln. Sie beinhaltet Verhaltensvorschriften für die Bevölkerung während der Vorfastenzeit. Tänze werden beispielsweise in einem gewissen Rahmen erlaubt, „Mummereien“ (Verkleidungen) jedoch untersagt. Dieser Beleg enthält allerdings keine detaillierten Schilderungen zum Festablauf selbst. Erst wieder im 19. Jahrhundert liegen Belege für die Fasnacht vor, so dass keine kontinuierliche Tradition feststellbar ist. Die [[Reformation]] drängt das fasnächtliche Treiben zurück und die geringe Bedeutung Lörrachs im 17. und 18. Jahrhundert verhinderte eine ausgeprägte Fasnachtstradition. Erst die [[Industrialisierung]], der wirtschaftliche Aufschwung und die merklich steigende Anzahl der Bevölkerung bot neue Voraussetzungen für die Schaffung einer Lörracher Fasnacht. Der erste bildlich dokumentierte Maskenumzug fand in Lörrach am 11. Februar 1866 statt. Diese Anfangsjahre waren jedoch von weitgehender Unorganisiertheit geprägt. Von 1895 bis 1907 fanden keine Maskenumzug sondern lediglich Maskenbälle statt.<ref>Bürgel, Göckel, Lutz, Moehring: ''Jahrbuch Lörrach 2005'', ISBN 3-922107-69-9, Seite 99 ff</ref> Der Grundstein der heutigen Lörracher Fasnacht wird mit der 1930er Jahre gelegt. Der neu geschaffene Stil orientiert sich zwar an der [[Schwäbisch-alemannische Fastnacht|schwäbisch-alemannischen Fastnacht]], enthält anfangs allerdings auch Elemente aus dem Rheinland. 1936 findet die erste eigenständige Lörracher Fasnacht statt. Die ''Narrengilde Lörrach'' sowie einige Cliquen und wurde ebenfalls in diesem Jahr gegründet. In den Folgejahren gehen die Elemente des rheinischen Karnevals zurück und neben der schwäbisch-alemannischen Tradition etablieren sich Einflüsse der [[Basler Fasnacht]] in Form der Figur ''[[Waggis]]'' und der sogenannten [[Guggenmusik]]. Der Heimatmaler [[Adolf Glattacker]], der selbst aktiver Fasnächtler war, prägte durch seine Entwürfe für Plakatten und Embleme der Narrengilden maßgeblich mit. Neben den Umzügen gehört das Fasnachtsfeuer zum festen Bestandteil des Fasnachtsbrauchtums. Diese finden traditionell am Samstag bzw. Sonntag nach [[Rosenmontag]] statt und gehört nachweislich zu den ältesten Bestandteilen fasnächtlichen Brauchtums. Dazu werden mehrere Meter hohe Haufen aus Holz aufgetürmt und in Brand gesetzt. Auf der Spitze des Holzhaufens wird manchmal symbolhaft für die bösen Geister eine Puppe angebracht. Teilnehmer des Fasnachtsfeuers schleudern Wurfscheiben ''([[Scheibenschlagen]])'' in den brennenden Haufen. Jeder Lörracher Stadtteil veranstaltet sein eigenes Fasnachtsfeuer, so z.&nbsp;B. auf dem Tüllinger-Berg, auf dem Hünerberg oder auf dem Mainbühl in Stetten. Die Lörracher Fasnacht orientiert sich terminlich an die sogenannte „Herrenfasnacht“. Andere Stadtteile, wie beispielsweise Hauingen, orientieren sich an die „Bauernfasnacht“. Hier beginnt die Fasnachtszeit erst, wenn anderenorts die [[Fastenzeit]] begonnen hat. Die unterschiedlichen Zeitpunkte rühren von der Neuordnung durch die [[Synode von Benevent]] im Jahr 1091, in der die Fastenzeit um eine Woche nach vorne verschoben wurde. Trotz der vergleichsweise kurzen Fasnachtstradition gilt Lörrach durch die Aktivitäten der letzten 70 Jahre als eine Fasnachtshochburg in Baden-Württemberg.<ref>Bürgel, Göckel, Lutz, Moehring: ''Jahrbuch Lörrach 2005'', ISBN 3-922107-69-9, Seite 105</ref> 2007 nahmen 150 Fasnächtler aus Lörrach an der [[Steubenparade]] in [[New York City]] teil.<ref>Bürgel, Göckel, Lutz, Moehring: ''Jahrbuch Lörrach 2007'', ISBN 978-3-922107-75-0, Seite 130</ref> === Regelmäßige Veranstaltungen === [[Datei:Stimmen Festival Loerrach.jpg|miniatur|Bühne des Stimmen-Festivals]] {| class="prettytable" ! Zeit ! Veranstaltung |- | Samstag bzw. Sonntag nach [[Schwäbisch-alemannische Fastnacht|Fasnacht]] || diverse Fasnachtsveranstaltungen, unter anderem das sogenannte Fasnachtsfeuer in verschiedenen Stadtteilen Lörrachs |- | Frühjahr || ''Regio-Messe'' Lörrach, jährlich stattfindende Verbrauchermesse |- | Juni || Weindorf auf dem Alten Marktplatz |- | Juli || ''[[Stimmen-Festival]]'', jährlich stattfindende [[Freiluftkonzert]]e |- | Ende Juli || ''Schlossbergfest'' in Haagen |- | Juli/ August || [[Burgfestspiele Rötteln]] auf der [[Burg Rötteln]] |- | Sommer || ''Lörracher Stadtlauf'', jährlich in der Innenstadt abgehaltene Laufsportveranstaltung |- | Erstes Wochenende im September || ''Stroosefescht'' in Alt-Stetten, ein seit 1974 stattfindendes und gleichzeitig größtes Straßenfest in Lörrach |- | Ende September || ''Schlossgrabenfest'' in Brombach |- | Donnerstag vor dem zweiten Adventssonntag || Weihnachtsmarkt Lörrach, auf dem Alten Marktplatz und der Tumringerstraße |} == Persönlichkeiten == → ''Siehe auch: [[:Kategorie:Person (Lörrach)]]'' === Politik und Stadtgeschichte === [[Datei:Markus Pflueger 1824-1907.jpg|miniatur|hochkant|Markus Pflüger]] Der gebürtige Lörracher [[Markus Pflüger]] war als deutscher Revolutionär und Politiker der Wegbereiter für den badischen Revolutionär [[Gustav Struve]]. Pflüger war Hauptmann des 1. [[Fähnlein]]s der [[Volkswehr]] und ebnete damit Struve wesentlich den anfänglichen Erfolg des republikanischen Aufstandes in Lörrach während der [[Märzrevolution]]. Später war Pflüger (1858–1903) Mitglied im Lörracher Gemeinderat. Der 1895 in Lörrach geborene [[Walther Bringolf]] war ein schweizerischer Politiker und von 1953 bis 1962 Präsident der [[Sozialdemokratische Partei der Schweiz|Sozialdemokratischen Partei]]. 1961 war er Schweizer [[Nationalratspräsident (Schweiz)|Nationalratspräsident]]. Der 1899 in Lörrach geborene [[Friedrich Vortisch]] war Jurist und Politiker der FDP/DVP. Er war 1946/47 Mitglied der Beratenden Landesversammlung Badens und wurde anschließend in den Badischen Landtag gewählt, dem er bis 1952 angehörte. Von 1952 bis 1960 war er Mitglied des Baden-Württembergischen Landtages. Der 1937 geborene [[Rainer Offergeld]] war von 1984 bis 1995 Oberbürgermeister der Stadt Lörrach. Offergeld bekleidete davor in den 1970er Jahren mehrere politische Funktionen auf Bundesebene, unter anderem war er von 1978 bis 1982 [[Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung|Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit]]. Die Politikerin [[Marion Caspers-Merk]] vertrat von 1990-2009 als [[Mitglied des Deutschen Bundestages]] den Wahlkreises Lörrach-Müllheim als Abgeordnete. Im Bundeskabinett unter Gerhard Schröder war sie Drogenbeauftrage der Bundesregierung. Im [[Kabinett Merkel I|Kabinett Merkel]] war Caspers-Merk Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesministerium für Gesundheit. === Wissenschaft und Religion === 1764 wurde [[Gustav von Hugo]] in Lörrach geboren. Der Jurist, der an der [[Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg|Universität Halle]] promovierte, wurde an der [[Georg-August-Universität Göttingen|Universität Göttingen]] ordentlicher Professor. Neben seinen juristischen Beiträgen sind auch seine Briefwechsel mit den [[Brüder Grimm|Gebrüdern Grimm]] überliefert, zu denen er eine freundschaftliche Beziehung pflegte. [[Nelly Naumann]] wurde 1922 in Lörrach geboren und war eine deutsche [[Japanologie|Japanologin]]. Ihr Abhandlungen für die Japanforschung gelten als bedeutend, besonders ihre Analyse über die [[Japanische Mythologie|japanischen Mythen]] im Zusammenhang mit dem [[Shintō|Shintoismus]]. === Kunst und Kultur === [[Datei:Loerrach Hebeldenkmal.jpg|miniatur|hochkant|Denkmal des Dichters Johann Peter Hebel im gleichnamigen Lörracher Park in der Innenstadt]] Eine der bedeutendsten Persönlichkeiten, die mit Lörrach in Verbindung gebracht wird, ist der Heimatdichter, Theologe und Pädagoge [[Johann Peter Hebel]]. Hebels Geburtsort wird zwar offiziell mit Basel angegeben, allerdings gibt es Indizien dafür, dass er auch in Lörrach geboren sein könnte.<ref>Gerhard Moehring: ''Kleine Geschichte der Stadt Lörrach'', Seite 63</ref> Unabhängig vom Geburtsort ist Hebel in Lörrach allgegenwärtig. Diverse Straßen, Plätze und Schulen erinnern an ihn. Von 1783 bis 1791 war er Lehrer am sogenannten [[Pädagogium]] in Lörrach. [[Friedrich Kaiser (Maler)|Friedrich Kaiser]] wurde 1815 in Lörrach geboren und war ein deutscher [[Historienmaler|Historien- und Schlachtenmaler]] sowie [[Lithograph]]. Von Kaiser stammt die bekannte Darstellung ''Einzug der Freischärler in Lörrach'' des Struve-Aufstands im Laufe der Märzrevolution. 1864 wurde [[Max Laeuger]] in Lörrach geboren. Der bildende Künstler war von 1904 bis 1934 Professor für Figurenzeichnen und Dekoration an der Technischen Hochschule in [[Karlsruhe]]. Später lehrte er dort auch Architektur. Laeuger war Gründungsmitglied des [[Deutscher Werkbund|Deutschen Werkbundes]] und erschuf im Bereich der [[Gartenkunst]] bedeutsame Sehenswürdigkeiten.<ref>[http://www.loerrach.de/servlet/PB/menu/1096759_l1/inhalt.html Portrait: Der Lörracher Max Laeuger]</ref> Im Jahr 1870 ist in der damals eigenständigen Gemeinde Stetten der Maler und Grafiker [[Hermann Daur]] geboren. Daur besuchte in Lörrach das Gymnasium und studierte in Karlsruhe an der Kunstgewerbeschule. 1906 zog er nach Ötlingen und lebte dort als freier Maler. Sein künstlerischer Nachlass ist im Museum am Burghof zu besichtigen. Der 1878 in [[Wehr (Baden)|Wehr]] geborene Kunstmaler und Zeichner [[Adolf Glattacker]] gilt als einer der wichtigsten Heimatmaler des [[Markgräflerland]]es. Glattacker schuf zahlreiche Illustrationen zu Hebels Werken und wohnte zuletzt im Lörracher Ortsteil [[Tüllingen]]. Zeitgenosse und Freund von Glattacker war der 1879 geborene Dichter und Maler [[Hermann Burte]]. Burtes Wirken ist umstritten, da er schnell zum Verfechter völkischer [[Ideologie]] geworden war und schließlich ein eifriger Unterstützer des [[Nationalsozialismus]] war.<ref>Markgräfler Jahrbuch 1939, S. 102.</ref> Von 1924 bis 1932 trug Burte als Mitherausgeber und maßgeblicher Mitarbeiter der in Lörrach vierzehntäglich erscheinenden [[Deutschnationalismus|deutschnational]]-völkischen Zeitschrift ''Der Markgräfler'' zur Schwächung der [[Weimarer Republik]] und ihrer Institutionen bei. Die 1939 an Burte verliehene Ehrenbürgerschaft Lörrachs und die Verweigerung, sie ihm posthum abzuerkennen ist bis heute umstritten. [[Harald Hauser]] (1912–1994) war ein Schriftsteller, der als Verfasser von Romanen, Kinderbüchern, Theaterstücken, Fernsehdrehbüchern und Radio-Features bekannt geworden ist. Die bekannte schweizerische Schriftstellerin [[Ruth Schweikert]] wurde 1965 in Lörrach geboren. Sie wuchs allerdings in [[Aarau]] auf. Der gebürtige Lörracher [[Heinz Zuber]] (* 1941) ist seit 30 Jahren festes Mitglied des Wiener [[Burgtheater]]s. Zuber ist nicht nur in zahlreichen Theateraufführungen zu sehen sondern auch Fernsehsendungen wie zum Beispiel dem [[Tatort (Fernsehreihe)|Tatort]], wo er den Kommissar Schulz spielte. Der Jazzbassist und Musikjournalist [[Martin Kunzler]] wurde 1947 in Lörrach geboren. Er ist für sein im [[Rowohlt Verlag]] erschienes rororo Jazz-Lexikon bekannt, das gegenwärtig als deutschsprachiges Standardwerk dieser Musikrichtung gilt. Der Lörracher Physiker [[Hans Deyssenroth]] (* 1937) ist als Jazzpianist in der Schweizer Szene aktiv; er ist einer der Pioniere des Computerjazz. In Lörrach geboren und aufgewachsen sind die beiden Kabarettisten [[Volkmar Staub]] (* 1952) und [[Florian Schroeder]] (* 1979). === Sport und Gesellschaft === Mit Lörrach eng verbunden und „seelisch bereits eingemeindet“ fühlte sich der erste [[Bundespräsident (Deutschland)|Bundespräsident]] [[Theodor Heuss]]. Im Stadtteil Tumringen lebte seit 1946 sein einziger Sohn [[Ernst Ludwig Heuss]], Direktor der Wybert (heute: [[GABA-Gruppe]]), mit seiner Familie. Daher verbrachte Theodor Heuss oft seine Weihnachtsferien in Lörrach. In Erinnerung an den beliebten und volksnahen Bundespräsidenten wurden in Lörrach die Realschule und eine zentrale Straße in Tumringen nach Theodor Heuss benannt.<ref>[http://www.loerrach.de/servlet/PB/menu/1092687/index.html Portrait: Theodor Heuss und die Stadt Lörrach]</ref> [[Datei:Dr. Theodor Binder.jpg|miniatur|hochkant|thumb|Theodor Binder]] Der Arzt [[Theodor Binder]] wurde 1919 in Lörrach geboren. Binder, der Medizin, Philosophie und Ethnologie in Freiburg im Breisgau, Straßburg und Basel studierte, wurde stark humanistisch geprägt und pflegte beispielsweise Freundschaft zu [[Albert Schweitzer]] sowie den Philosophen [[Ludwig Klages]] und [[Martin Heidegger]]. Während des Zweiten Weltkrieges schloss er sich dem Widerstandskämpfer [[Carl Friedrich Goerdeler]] an. 1948 wanderte Binder nach Peru aus, wo er – ähnlich wie Albert Schweitzer in Afrika – als Arzt im Amazonasgebiet arbeitet. 1975 erhielt er zusammen mit [[Mutter Theresa]] für seine Arbeit den [[Albert-Schweitzer-Preis]] verliehen. Ende der 1980er Jahre kehrte er nach Deutschland zurück und eröffnete 1988 in Lörrach eine Praxis für biologische Medizin. Binder gründete die Organisation für Indianerhilfe und Tropenwaldschutz. Der 1949 in Lörrach geborene [[Ottmar Hitzfeld]] ist derzeitiger Trainer der [[Schweizer Fussballnationalmannschaft]] und ehemaliger Fußballspieler. In seiner Spieler- und Trainerlaufbahn wurde er insgesamt vier Mal [[Schweizer Meister (Fussball)|Schweizer]] und sieben Mal [[Deutsche Fußballmeisterschaft|Deutscher Fußballmeister]] und holte diverse andere Titel. Hitzfeld wurde 1997 und 2001 als „Welt-Trainer des Jahres“ gewürdigt.<ref>[http://www.loerrach.de/servlet/PB/menu/1092685_l1/inhalt.html Portrait: Der Lörracher Ottmar Hitzfeld]</ref> Die 1971 in [[Rheinfelden (Baden)|Rheinfelden]] geborene und in Lörrach aufgewachsene [[Monique Ludwigs]] (gebürtig: Monique Riesterer) ist eine ehemalige deutsche Gewichtheberin. Sie wurde elf Mal deutsche Meisterin im Gewichtheben und errang bei Europameisterschaften mehrere Bronze-, Silbermedaillen und eine Goldmedaille. Der ehemalige Fußballer [[Sebastian Deisler]] wurde 1980 in Lörrach geboren; hier begann seine Karriere als Fußballer, wo er für zwei Vereine spielte. Deisler gehörte fünf Jahre dem Verein FC Bayern München an und war an 36 Spielen der [[Deutsche Fußballnationalmannschaft|Deutschen Nationalmannschaft]] beteiligt. Die Fußballerin [[Melanie Behringer]] wurde 1985 in Lörrach geboren. Die Mittelfeldspielerin spielte von 2003 bis 2008 für den [[SC Freiburg]], wechselte dann zum [[FC Bayern München (Frauenfußball)|FC Bayern München]] und ist seit 2005 Mitglied der [[Deutsche Fußballnationalmannschaft der Frauen|Frauen Nationalmannschaft]], mit der sie 2007 Weltmeisterin wurde. Die 1967 in Brombach geborene [[Gabi Roth]] (geborene Lippe, * 1967) ist eine ehemalige deutsche Leichtathletin und Olympiateilnehmerin, die bei der Europameisterschaft 1990 die Silbermedaille mit der 4-mal-100-Meter-Staffel gewann und 1990 Deutsche Meisterin im 100-Meter-Hürdenlauf war. Der schweizerische Fernsehmoderator und Meteorologe [[Jörg Kachelmann]] wurde 1958 in Lörrach geboren. Er wuchs allerdings in [[Schaffhausen]] auf. === Ehrenbürger === ''→ Hauptartikel: [[Liste der Ehrenbürger von Lörrach]]'' Die Stadt Lörrach hat bisher 13 Bürgern das [[Ehrenbürger]]recht ausgesprochen, das erste Mal im Jahr 1818.<ref>[http://www.loerrach.de/servlet/PB/menu/1092686/index.html Ehrenbürger der Stadt Lörrach und der Ortsteile]</ref> Die bekanntesten Persönlichkeiten sind der ehemalige Oberbürgermeister [[Egon Hugenschmidt]], der Architekt und Künstler [[Max Laeuger]] und der Dichter und Maler [[Hermann Burte]]. Da Burte überzeugter Nationalsozialist und Verfechter der Ideologie des [[Deutsches Reich 1933 bis 1945|Hitler-Regimes]] war, gab es immer wieder Bestrebungen, ihm diese Auszeichnung postum abzuerkennen. Dies ist bis heute nicht geschehen. Wegen Burtes bestehender Ehrenbürgerschaft lehnte Theodor Heuss die ihm angetragene Ehrenbürgerschaft Lörrachs ab.<ref>[http://www.loerrach.de/servlet/PB/show/1161968/BURTE%20Flyer.pdf Hermann Burte und der Nationalsozialismus, Flyer zur Sonderausstellung im Museum am Burghof in Lörrach (pdf)]</ref> == Literatur == * Otto Wittmann et al., Stadt Lörrach (Hrsg.): ''Lörrach: Landschaft – Geschichte – Kultur''. Verlag Stadt Lörrach, Lörrach 1983, ISBN 3-9800841-0-8. * Gerhard Moehring: ''Kleine Geschichte der Stadt Lörrach''. DRW-Verlag Weinbrenner, Leinfelden-Echterdingen 2006, ISBN 3-7650-8347-X. * Rolf Frei: ''Lörrach. Eine Stadt in Bewegung''. Creavis-Verlag, Basel 2001, ISBN 3-9520698-7-6. * Wolfgang Göckel et al., Stadt Lörrach (Hrsg.): ''Burghof Lörrach. Das Haus. Das Programm. Die Vorgeschichte''. Verlag Waldemar Lutz, Lörrach 1999, ISBN 3-922107-46-X. * Gerhard Speigler u. Dieter K. Tscheulin: ''Lörrach. Die ‚goldenen‘ 50er Jahre''. 2. erw. Aufl., Wartberg-Verlag, Gudensberg-Gleichen 2004, ISBN 3-8313-1403-9. == Filme == * ''[[Eine Liebe in Deutschland]]'', Drama, Deutschland, 1983, 132 Min., Regie: [[Andrzej Wajda]] * ''„Fahr mal hin.“ Lörrach: Eine Stadt im Dreiländereck.'' Dokumentation, 30 Min., Produktion: [[SWR]], Erstsendung: 8. Mai 2007, [http://www.swr.de/fmh/archiv/2007/05/08/index.html Inhaltsangabe] des SWR * ''Das Verhör des Harry Wind'', Drama, Schweiz/Deutschland, 2008, Regie: Pascal Verdosci.<ref>{{IMDb Titel|tt1039613|Das Verhör des Harry Wind}}</ref> == Siehe auch == * [[Liste der Wappen im Landkreis Lörrach]] * [[Region Hochrhein-Bodensee]] == Weblinks == * {{commonscat}} * {{Wikinews|Kategorie:Lörrach}} * {{Wikisource|Seite:Badisches Sagenbuch 196.jpg|August Schnezler: Badisches Sagenbuch}} * [http://www.loerrach.de/ Internetpräsenz der Stadt Lörrach] * {{HLS|7080|Lörrach}} == Einzelnachweise und Anmerkungen == <references/> {{Navigationsleiste Städte und Gemeinden im Landkreis Lörrach}} {{Exzellent|30. Januar 2008|41847331}} [[Kategorie:Ort im Landkreis Lörrach|Lorrach]] [[Kategorie:Gemeinde in Baden-Württemberg|Lorrach]] [[Kategorie:Lörrach| ]] [[als:Lörrach]] [[en:Lörrach]] [[eo:Lörrach]] [[fi:Lörrach]] [[fr:Lörrach]] [[it:Lörrach]] [[nds:Lörrach]] [[nl:Lörrach (stad)]] [[no:Lörrach]] [[pl:Lörrach]] [[pt:Lörrach]] [[ro:Lörrach]] [[ru:Лёррах]] [[sv:Lörrach]] [[tr:Lörrach]] [[vo:Lörrach]] [[zh:罗拉赫]] 63v9jep10s4dyqvkz7m1xit384f2mjt wikitext text/x-wiki M1 Abrams 0 23878 27512 26474 2010-07-08T10:57:08Z Gruß Tom 304 c {{Infobox AFV | Name=M1 Abrams | Bild=[[File:M1A1 Abrams Tank in Camp Fallujah retouched.jpg|300px|M1A1 im Irak-Krieg]] | Beschreibung= M1A1 Abrams | Besatzung= 4 | Länge= 9,83 m | Breite= 3,66 m | Höhe= 2,86 m | Gewicht= 61,3 t | Panzerung= [[Chobham-Panzerung|Chobham]]-[[Verbundpanzerung]] | Hauptbewaffnung= [[Rheinmetall 120-mm-Glattrohrkanone#120-mm-Glattrohrkanone L/44|120-mm-Glattrohrkanone M256]] | Sekundärbewaffnung= 1 × .50-(12,7-mm)-[[Browning M2|BMG M2]],<br />2 × 7,62-mm-[[Maschinengewehr|MGs]] [[M240]] | Motor= [[Gasturbine]] ''AGT-1500''<br />Getriebe Allison DDA X-1100-3B | Leistung= 1119 kW (1500 hp, 1521 PS) | Federung= [[Drehstabfeder|Torsionsstab]] |Höchstgeschwindigkeit= 67 km/h | KGR= 17,8 kW/t (24,2 PS/t) | Reichweite= 426 km }} Der '''M1 Abrams''' ist seit den 1980er-Jahren der [[Kampfpanzer]] (englisch ''main battle tank'', MBT) der [[United States Army]] und des [[United States Marine Corps]]. Der M1 ersetzte den veralteten [[M60 (Kampfpanzer)|M60]]. Das erste Serienexemplar des M1 wurde am 28. Februar 1980 ausgeliefert.<ref>[http://www.globalsecurity.org/military/facility/lima.htm#prof Entwicklungsgeschichte des M1, Absatz 8] globalsecurity.org. Abgerufen am 22. Januar 2010.</ref> Er bildet das Rückgrat der Panzertruppe der [[Vereinigte Staaten|USA]], [[Ägypten]]s, [[Saudi-Arabien]]s, [[Kuwait]]s und [[Australien]]s. Bis heute wurden in den USA und Ägypten über 9.000 Exemplare gebaut.<ref>[http://www.globalsecurity.org/military/facility/lima.htm#prof Produktionszahlen, Abschnitt 16] Globalsecurity.org.</ref> Der M1 wurde mehrfach Kampfwertsteigerungen unterzogen, um ihn technologisch auf dem neuesten Stand zu halten und der seit seiner Einführung geänderten Bedrohungslage anzupassen. Er ist nach dem früheren [[Chief of Staff of the Army]], [[General]] [[Creighton W. Abrams]], benannt. Der Stückpreis für einen M1A2 betrug 1999 etwa 6,2 Millionen [[US-Dollar]].<ref>[http://www.globalsecurity.org/military/library/budget/fy1999/dot-e/army/99m1a2.html Durchschnittlicher Stückpreis] Globalsecurity.org.</ref> == Geschichte == [[Datei:M1 Abrams 1.jpg|miniatur|Ein XM1 von der Seite]] Im Dezember 1971, kurz nach dem Scheitern des [[Kampfpanzer 70|Kampfpanzer-70-Projekts]], wurde das '' XM1 Main Battle Tank Program'' ins Leben gerufen, um das Konzept für einen neuen Kampfpanzer als Nachfolger des M60 zu entwickeln. Die damit beauftragte Arbeitsgruppe legte im August 1972 ihren Bericht vor. Dieser wurde sodann einer nochmaligen Prüfung durch die Army unterzogen, um überflüssige Eigenschaften zu eliminieren und somit die Kosten zu minimieren, die letztendlich zum Scheitern des Projektes Kampfpanzer&nbsp;70 geführt hatten. Zu den weggefallenen Eigenschaften zählten unter anderem die Ladeautomatik, der Fahrerplatz im Turm und das hydropneumatische Fahrwerk. Zu diesem Zeitpunkt herrschte allerdings noch Uneinigkeit über das zu realisierende Schutzniveau. Die offizielle Gewichtsobergrenze für das Fahrzeug lag zu diesem Zeitpunkt bei 47,2&nbsp;t bei gleichzeitig hohem Schutzniveau. Diese Auflagen schienen nur schwer erfüllbar zu sein. Viele hohe Offiziere der Panzertruppe, die an der Entwicklung beteiligt waren, sprachen sich für eine Reduzierung der Panzerung und damit des Gewichts aus, um die Beweglichkeit des Fahrzeugs zu erhalten. Andere wiederum befürworteten das hohe Schutzniveau trotz des damit einhergehenden hohen Gewichts. Die endgültige Entscheidung darüber wurde vom Namensgeber Creighton Abrams gefällt, der ein hohes Schutzniveau für die wichtigste Eigenschaft eines Kampfpanzers hielt und gleichzeitig von der Verwendung der [[Chobham-Panzerung]] überzeugt war. Das aus diesen Überlegungen resultierende finale Konzept wurde im Januar 1973 vom stellvertretenden [[Verteidigungsminister]] [[Bill Clements]] bewilligt. [[Datei:US Army 52537 M-1 Abrams .jpg|miniatur|Ein XM1 von vorne]] [[Datei:M1 Schaubild.svg|thumb|Aufbaubeschreibung des M1]] Im Juni 1973 wurden Aufträge zur Fertigung von Prototypen an zwei Unternehmen vergeben. Dabei handelte es sich zum einen um die Chrysler Corporation (heute [[General Dynamics]] Land Systems), die schon den M60 entwickelt hatte, und zum anderen um die [[Detroit Diesel]] Allison Divison. Beide Unternehmen sollten jeweils einen [[Prototyp (Technik)|Fahrgestellprototyp]] für Fahrversuche, einen Turm und eine Wanne für Beschusstests sowie ein komplettes Exemplar liefern. 1974 wurde ein Vertrag zwischen den USA und der [[Bundesrepublik Deutschland]] geschlossen, in dem vereinbart wurde, dass die Army einen Prototyp des [[Leopard 2]] testen sollte. Das Ziel war, eine größtmögliche Standardisierung zwischen beiden Fahrzeugen zu erzielen. Die Versuche mit den Prototypen waren im Februar 1976 abgeschlossen und die Army übernahm die Prototypen beider Unternehmen für weitergehende Tests der Technik. Das Exemplar von General Motors wurde von einem Dieselmotor angetrieben, das von Chrysler verwendete eine Gasturbine. Im Juli wurde mit der britischen Regierung vereinbart, dass die bereits im M60 genutzte 105-mm-Kanone verwendet werden sollte. Dabei wurde festgehalten, dass das langfristige Ziel der Entwicklung die Ausrüstung mit einer 120-mm-Kanone war. Nach dieser ersten Testreihe sollte die Auswahl für eines der beiden Modelle erfolgen; Verteidigungsminister [[Donald Rumsfeld]] drängte jedoch darauf, dass bereits der Prototyp mit einer 120-mm-Kanone ausgerüstet werden sollte. Gleichzeitig sollte ein Vorserienexemplar des Leopard&nbsp;2 hinsichtlich der Eignung als neuer Kampfpanzer getestet werden. Trotz der Proteste seitens der Army, die eine Einstellung des Projekts aufgrund der absehbaren Verzögerungen fürchtete, begannen beide Unternehmen, ihre Entwürfe entsprechend zu ändern. Die Türme wurden modifiziert, um sowohl die 105-mm-Kanone als auch die 120-mm-Kanone aufnehmen zu können. Letztendlich erfolgte die Bewaffnung mit der 105-mm-Kanone M68. Das Exemplar des Leopard&nbsp;2 wurde modifiziert und ebenfalls mit der 105-mm-M68-Kanone ausgerüstet. Während der Tests zeigte sich, dass dieses Fahrzeug alle Forderungen der Army erfüllte oder übertraf. Aufgrund des höheren Gewichts und des höheren Preises erfolgte jedoch keine Übernahme des Leopard&nbsp;2 als Kampfpanzer. Im November wurde nach weitergehenden Tests die Version von Chrysler zum Sieger erklärt. Daraufhin wurde ein Auftrag zur Fertigung von elf Vorserienfahrzeugen und der entsprechenden Ersatzteile an das Unternehmen vergeben, die im Chrysler Detroit Arsenal Tank Plant bis Juli 1978 fertig gestellt wurden. Nach einer dritten ausgiebigen Testreihe wurde eine Kleinserie (LRIP – '''L'''ow '''R'''ate '''I'''nitial '''P'''roduction) von 110 Exemplaren in Auftrag gegeben, um weitere Tests durchzuführen. Diese Vorserie war innerhalb der Army sehr umstritten, da zu diesem Zeitpunkt die Zuverlässigkeit und Strapazierfähigkeit des Fahrzeugs noch zu wünschen übrig ließen. Nachdem einige Verbesserungsvorschläge seitens der Army umgesetzt wurden, konnten diese Probleme behoben werden. Der offizielle [[Rollout]] der ersten beiden Exemplare erfolgte im Februar 1980 im ''Lima Army Tank Plant'' in Ohio. Im Rahmen dieser Übergabezeremonie wurde der Panzer nach General Abrams benannt. Diese beiden Fahrzeuge wurden letzten technischen und taktischen Truppenversuchen unterzogen. Nach dem Abschluss Versuche wurde Anfang 1981 die Produktion von 7058 Fahrzeugen genehmigt. Gleichzeitig erfolgte die Klassifizierung als ''105mm Gun Full Tracked Combat Tank '''M1'''''. Die Serienproduktion erfolgte anfangs mit einer Rate von 30 Exemplaren pro Monat im Lima Army Tank Plant. Ab März 1981 wurden auch Fahrzeuge im Detroit Army Tank Plant gefertigt, so dass die Produktion auf 60 Exemplare pro Monat anstieg. Bis heute wurden über 9000 Exemplare des Panzers gebaut, darunter auch Fahrzeuge für andere Länder wie [[Ägypten]],[[ Saudi-Arabien]], [[Kuwait]] und [[Australien]].<ref>[http://www.globalsecurity.org/military/systems/ground/m1-intro.htm Entwicklungsgeschichte des M1] globalsecurity.org. Abgerufen am 27. September 2009.</ref><ref>Christopher Foss: Jane’s Armour & Artillery 2009–2010, S. 165</ref> Seit seiner Einführung wurde der M1 mehrfach verbessert. 1985 wurde eine erste große Kampfwertsteigerung durchgeführt, so dass eine neue Version, der M1A1, entstand. Seinen ersten Einsatz hatte der M1A1 im [[Zweiter Golfkrieg|zweiten Golfkrieg]] 1991. Seit der Operation „Desert Storm“, in der die 2000 eingesetzten M1A1 das Rückgrat der Alliierten Streitkräfte in Kuwait bildeten, werden alle neuen Abrams mit einer speziellen Panzerung aus abgereichertem [[Uran]] ausgerüstet. Der M1A2 ist ein verbesserter M1A1 mit zusätzlicher Infrarotsichtausrüstung, [[Global Positioning System|GPS]] und weiteren elektronischen Hilfsmitteln; er wird seit 1992 produziert. Mittlerweile wurden fast alle M1- und M1A1-Panzer zum M1A2 umgerüstet. Eine weitere Verbesserung des A2 mit dem Namen SEP (System Enhancement Program) wurde 1999 begonnen, jedoch mit dem Haushaltsjahr 2004 abgebrochen, noch bevor die geplanten 1150 Aufwertungen erfolgt waren. Für die nicht dem SEP unterzogenen M1A1 existiert ein weiterer Plan zur Kampfwertsteigerung, das M1A1-AIM-Programm (Abrams Integrated Management Overhaul Program). Seit 2005, zwei Jahre nach dem erklärten Ende des Irak-Krieges, werden einige Abrams mit dem TUSK-System ('''T'''ank '''U'''rban '''S'''urvival '''K'''it) ausgerüstet, das die Überlebensfähigkeit des Panzers bei Operationen in bebautem Gelände erhöhen soll. == Besatzung == Die Besatzung des M1 besteht, wie bei den meisten westlichen Kampfpanzern, aus vier Soldaten: dem Kommandanten, dem Fahrer, dem Richtschützen und dem Ladeschützen. Der Kommandant sitzt, in Fahrtrichtung gesehen, hinten rechts im Turm, der Richtschütze vor ihm. Der Ladeschütze hat seinen Platz auf der linken Seite des Turms. Der Fahrer sitzt vorne in der Wanne des Panzers in einer halb liegenden Position. Die Soldaten, die im Turm untergebracht sind, können über zwei Luken im Turm ein- und aussteigen; dem Fahrer steht eine eigene Luke in der Wanne zu Verfügung. == Technik == === Bewaffnung === [[Datei:M1-A1 Abrams Fire.jpg|thumb|Ein Abrams feuert]] [[Datei:M1 abrams loading the main gun-2.jpg|thumb|Ladeschütze mit Geschoss]] Die Bewaffnung des M1 bestand ursprünglich aus einer [[Royal Ordnance L7|105-mm-M68-Kanone]] mit gezogenem Rohr, die jedoch ab 1984 durch eine Lizenzfertigung der [[Rheinmetall 120-mm-Glattrohrkanone|120-mm-Glattrohrkanone]] von Rheinmetall, die auch in vergleichbaren westlichen Panzern im Einsatz ist, ersetzt wurde. Die Bezeichnung der US Army für diese Waffe ist M256. Die Hauptwaffe besitzt einen Richtbereich von 360° in der Horizontalen und –10° bis +20° in der Vertikalen. Waffe und Turm sind stabilisiert und werden nach den Vorgaben des stabilisierten Spiegels im Hauptzielfernrohr nachgeführt. Das Schwenken des Turms und das Richten der Waffenanlage erfolgt über einen kombinierten elektro-hydraulischen Antrieb, kann im Notfall jedoch auch manuell erfolgen. Das Schwenken des Turms um 360° dauert neun Sekunden. Der Arbeitsdruck der Hydraulikanlage beträgt 105 bis 119 bar. Zur Vermeidung von ungleichmäßiger Erwärmung bei Wind oder Regen ist das Rohr der Kanone mit einer Wärmeschutzhülle ummantelt. Ein [[Kollimator]]spiegel an der Rohrmündung ermöglicht Korrekturen, um Verwindungen in der Seelenachse des Rohres auszugleichen. Die Sekundärbewaffnung besteht aus einem [[koaxial (Schusswaffe)|koaxial]] zur Hauptwaffe montierten M240-Maschinengewehr (7,62 × 51&nbsp;mm), einem weiteren M240, das an der Ladeschützenluke auf einer Lafette montiert ist, und einem schweren Maschinengewehr M48 (12,7 × 99&nbsp;mm) an der Kommandantenluke. Das M48 ist ein modifiziertes [[Browning M2]]. Das M48 kann im M1A1 und M1A2 sowohl manuell als auch aus dem Inneren ferngesteuert abgefeuert werden. Kommandanten des M1A2&nbsp;SEP verfügen nur über die manuelle Möglichkeit. Der Schwenkbereich beträgt 360°, wird in der Praxis jedoch durch das M240 des Ladeschützen begrenzt. Ab der Version A2 wurde das M48 durch ein M2HB ('''H'''eavy '''B'''arrel) ersetzt. Weiterhin sind an den Seiten des Turms M250-Nebelmittelwurfanlagen mit jeweils sechs Rohren angebracht. Diese können jeweils drei [[Nebelwurfkörper]] gleichzeitig abschießen, um den Panzer hinter einer Nebelwand zu verbergen. Einige M1 wurden mit einer neuen Wurfanlage ausgestattet, deren Bezeichnung M6 lautet. Diese kann neben Nebelwurfkörpern auch [[Flare (Täuschkörper)|Flares]] abfeuern, um hitzesuchende Raketen abzuwehren. Alle M1 sind außerdem mit einem ''vehicle-engine-exhaust smoke system'' (VEESS) ausgestattet, das das Einnebeln durch die Einspritzung von Diesel in die Abgasanlage ermöglichen soll. Da der Treibstoff jedoch auf [[JP-8]] umgestellt wurde, ist die Anlage nicht mehr funktionsfähig.<ref>Michael Green/Greg Stewart: M1 Abrams at War, S. 105.</ref> === Munition === [[Datei:M829.jpg|miniatur|Aufbau einer M829-Patrone]] Aus der Kanone können mehrere Munitionssorten verschossen werden. Alle Munitionssorten verfügen über eine teilverbrennbare Hülse. Gegen stark gepanzerte Ziele wie feindliche Kampfpanzer kommt das [[Wuchtgeschoss]] [[M829|M829A3]] APFSDS-T'' &nbsp;('''A'''rmor '''P'''iercing '''F'''in-'''S'''tabilized '''D'''iscarding '''S'''abot-'''T'''racer)'' zum Einsatz. Es handelt sich hierbei um ein Wuchtgeschoss aus abgereichertem Uran. Für Schießübungen wird das Geschoss M865 TPCSDS-T ''('''T'''arget '''P'''ractice '''C'''one '''S'''tabilized '''D'''iscarding '''S'''abot - '''T'''racer)'' verwendet. Es handelt sich dabei um ein Übungsgeschoss aus Stahl, das anstatt von Flügeln von einem Lochkegelleitwerk stabilisiert wird. Auf den ersten Kilometern der Flugstrecke weist das Geschoss fast die gleiche Flugbahn wie das M829 auf, der Sicherheitsbereich verringert sich jedoch stark.<ref>Leland Ness/Anthony Williams: ''Jane´s Ammunition Handbook 2009–2010, S. 401</ref> Gegen schwach gepanzerte und weiche Ziele sowie Feldbefestigungen werden die M830 und M830A1 HEAT-MP-T ''('''H'''igh '''E'''xplosive '''A'''nti '''T'''ank '''M'''ulti '''P'''urpose – '''T'''racer)'' eingesetzt. Trotz der ähnlichen Namensgebung handelt es sich bei dem M830A1 nicht um eine Weiterentwicklung des M830, sondern um eine komplette Neuentwicklung. Das M830-Geschoss weist eine Mündungsgeschwindigkeit von 1140&nbsp;m/s auf und wiegt etwa 24,2&nbsp;kg. Der Zünder des Geschosses wird nach einer Flugstrecke von 30&nbsp;m scharf; unter dieser Distanz wirkt das Geschoss lediglich durch seinen Einschlag. Es wird vorzugsweise bei Kämpfen in urbanem Gelände eingesetzt, um Gegner hinter Deckungen und in Gebäuden zu bekämpfen. Das M830A1-Geschoss verfügt über einen einstellbaren Zünder, der die Detonation beim Einschlag oder bei der Annäherung erlaubt. Die Detonation bei der Annäherung wird zur Bekämpfung langsam fliegender Luftfahrzeuge verwendet. Das M830A1 verfügt im Gegensatz zum M830 über einen [[Treibspiegel]]. Der Einsatz in urbanem Gelände ist daher eingeschränkt, weil durch die abgelösten Teile des Treibspiegels Kollateralschäden möglich sind. Das M830A1 weist eine Mündungsgeschwindigkeit von 1410&nbsp;m/s auf und wiegt etwa 22,7&nbsp;kg. Zur Unterscheidung für den Ladeschützen wird das M830 als ''HEAT'' bezeichnet, das M830A1 als ''MPAT''.<ref>Michael Green/Greg Stewart: M1 Abrams at War, S. 70</ref> Um auch Infanterie effektiv bekämpfen zu können, wurde ab August 2002 die [[Kartätsche (Munition)|Kartätsche]] M1028 entwickelt, die 1100 Wolframkugeln enthält und damit wie [[Flintenmunition#Schrotpatrone|Schrotmunition]] wirkt.<ref>[http://www.globalsecurity.org/military/systems/munitions/m1028.htm M1028 Canister] globalsecurity.org. Abgerufen am 27. September 2009.</ref> Die etwa 9,5&nbsp;mm großen Wolframkugeln sind in einem Container untergebracht, der nach dem Verlassen des Rohres aufbricht und die Kugeln freigibt, die sich dann kegelförmig ausbreiten. Die Bekämpfung von Zielen hinter Wänden und das Beseitigen von leichten Straßensperren ist damit ebenfalls möglich. Die effektive Reichweite beträgt etwa 500&nbsp;m.<ref>[http://www.dtic.mil/ndia/2005garm/wednesday/macmillan.pdf Produktbeschreibung] General Dynamics. Abgerufen am 12. November 2009.</ref> Eine weitere Neuentwicklung ist das M908 HE-OR-T ''('''H'''igh '''E'''xplosive - '''O'''bstacle '''R'''educing - '''T'''racer)'', das die Beseitigung von Straßensperren ohne die Hilfe von Pionierpanzern möglich machen soll.<ref>[http://www.globalsecurity.org/military/systems/munitions/m908.htm ''HE-OR-T''] globalsecurity.org. Abgerufen am 27. September 2009</ref> Bei dem Geschoss handelt es sich um ein modifiziertes Hohlladungsgeschoss M830A1, das mit einer Stahlspitze und einem Verzögerungszünder versehen ist, um tief in ein Hindernis einzudringen und dann im Inneren zu detonieren. Die Munition wird im Heck des Panzers in einem Munitionsmagazin gelagert, das durch ein hydraulisch betriebenes Schott vom Kampfraum getrennt ist. Während des Nachladevorgangs betätigt der Ladeschütze mit seinem Knie einen Schalter, der das Schott öffnet. Nach der Entnahme der entsprechenden Munitionssorte lässt der Ladeschütze den Schalter los und das Schott schließt sich wieder. Laut den Vorschriften der US Army darf das Schott erst geöffnet werden, wenn der Verschluss der Kanone vollständig geöffnet ist. Während eines laufenden Schießvorgangs können sich nicht verbrannte Reste der Treibladung durch den plötzlichen Kontakt mit Sauerstoff, der durch den sich öffnenden Verschluss einströmt, wieder entzünden und in den Kampfraum eindringen (im Jargon der Army „Flashback“ genannt). Ist das Schott während eines solchen Flashbacks geöffnet, kann dieser die verbrennbare Hülse der Munition entzünden und so das Geschoss im Kampfraum zünden, was zum Tod der Besatzung führen würde.<ref>Michael Green/Greg Stewart: M1 Abrams at War, S. 63.</ref> Die Oberseite des Munitionsmagazins ist mit Sollbruchstellen versehen, um im Falle einer Munitionsexplosion die Energie nach oben abzuleiten und das Überleben der Besatzung zu ermöglichen. === Panzerung === Der M1 ist durch eine Kompositpanzerung geschützt, die dem [[Chobham-Panzerung|Chobham-Prinzip]] folgt. Sie besteht aus mehreren Schichten[[ Stahl]], [[Keramik]], Kunststoff und [[Kevlar]] und seit 1988 zusätzlich aus einer Schicht [[Abreicherung|abgereicherten]] [[Uran]]s.<ref>[http://www.fprado.com/armorsite/abrams.htm Main Battle Tank M1] fprado.com, Abschnitt 7, Armour Protection. Engl., abgerufen am 27. September 2009</ref> Treibstofftanks und Munitionsdepot sind in eigenen gepanzerten Bereichen untergebracht, um die Gefahr eines Treibstoffbrandes oder einer Munitionsexplosion zu verringern. Der Innenraum des Panzers ist mit einer Schicht Kevlar, dem sogenannten ''Liner'', ausgekleidet, um Splitterbildung vorzubeugen. Zusätzlich kann an den Kettenschürzen Reaktivpanzerung angebracht werden und am Heck ein [[Käfigpanzerung|Käfig]] (Slat Armor) zum Schutz gegen Panzerabwehrflugkörper. Die verschiedenen Ausführungen des M1 Abrams verfügen über folgenden Panzerschutz ([[RHA]]-Äquivalent) gegen [[High Explosive Anti Tank|HEAT]]- und [[Wuchtgeschoss|KE-Geschosse]]:<ref>[http://members.tripod.com/collinsj/protect.htm Tank Protection Levels (engl. eingesehen am 27. September 2009)]</ref> [[Datei:IrakKriegM1A1USA.jpg|thumb|Zerstörter M1 (5.&nbsp;April 2003)]] {| class="prettytable" |----- style="background:#ddb; text-align:center" ! Bauteil ! M1 Abrams ! M1A1 Abrams ! M1A1 HA Abrams ! M1A2 SEP Abrams |- | Wannenfront unten<br />KE-Geschosse: | 400 &nbsp;mm | 430–470 &nbsp;mm | 580–650 &nbsp;mm | 580–650 &nbsp;mm |- | Wannenfront unten<br />HEAT-Granaten: | 700 &nbsp;mm | 800–900 &nbsp;mm | 800–970&nbsp;mm | 800–970 &nbsp;mm |- | Wannenfront oben<br />KE-Geschosse: | 350 &nbsp;mm | 350–450 &nbsp;mm | 560–590 &nbsp;mm | 560–690 &nbsp;mm |- | Wannenfront oben<br />HEAT-Granaten: | 700 &nbsp;mm | 510–800 &nbsp;mm | 510–1050&nbsp;mm | 510–1050 &nbsp;mm |- | Turmfront<br />KE-Geschosse: | 400 &nbsp;mm | 450 &nbsp;mm | 880–900 &nbsp;mm | 940–960 &nbsp;mm |- | Turmfront<br />HEAT-Granaten: | 800 &nbsp;mm | 800–990 &nbsp;mm | 1310–1620 &nbsp;mm | 1320–1620 &nbsp;mm |} === Antrieb und Laufwerk === [[Datei:AGT1500 engine and M1 tank.JPEG|thumb|Triebwerkwechsel an einem M1A1. Die schwarze Öffnung an der Heckmitte ist das Ende des Abgaskanals, seitlich davon die Kühler]] [[Datei:DA-SD-06-06814.jpg|thumb|Überprüfung der Bordkanonenjustierung. Im Gefecht erfolgt dieses durch die Feldjustieranlage unter komplettem Panzerschutz]] Der M1 wird von einer [[Gasturbine]] des Typs ''Lycoming Textron AGT 1500'' angetrieben. Das Aggregat wurde in den 1970er-Jahren aus der PLT27-Gastubine entwickelt. Der Vorteil dieses Antriebskonzepts besteht darin, dass eine Gasturbine im Vergleich zu einem Dieselmotor gleicher Leistung wesentlich kleiner und leichter ist. So wiegt die Turbine lediglich 1134&nbsp;kg (2500 lb). Zudem ist für den Betrieb keine Kühlflüssigkeit notwendig, und es kann fast jede brennbare Flüssigkeit als [[Kraftstoff]] in beliebigen Mischungsverhältnissen verwendet werden. Aus praktischen Gründen kommen hierfür [[Motorenbenzin|Benzin]], [[Dieselkraftstoff|Diesel]] und [[Kerosin]] zum Einsatz. Die US-Armee verwendete bis zum Anfang der 1990er-Jahre Diesel als Treibstoff, danach wurde aus logistischen Gründen auf JP-8 umgestellt. Die [[Australian Army|australische Armee]] verwendet nach wie vor Diesel. Das komplette Antriebsaggregat besteht aus dem Luftfilter, der Zweiwellengasturbine mit [[Rekuperator]] und Untersetzergetriebe (10:1), dem hydromechanischen Schalt-, Wende- und Lenkgetriebe X-1100-3B der Firma [[Allison Transmission]] mit sechs Gängen (vier für die Vorwärts-, zwei für die Rückwärtsfahrt) und zwei Kühlern. Die [[Gasturbine]] ist längs und mittig im Heck des Panzers eingebaut und bildet mit dem Getriebe ein „T“. Links und rechts der Turbine befinden sich die Luftfilter, durch die Umgebungsluft für das Triebwerk und die ABC-Schutzanlage angesaugt wird. Die eingesaugte Luft wird dort von Verunreinigungen befreit und durch den [[Turbokompressor|Axialkompressor]] der Gasturbine verdichtet. Ein anschließend folgender Hochdruckverdichter verdichtet die Luft weiter auf einen Druck von 14–16 bar. Das Arbeitsgas strömt anschließend durch den Rekuperator im Heck der Turbine und von dort aus in die [[Brennkammer]]. Danach wird das Gas in der Hochdruck- und [[Turbine|Niederdruckturbine]] entspannt, das Abgas nach oben durch den Rekuperator geführt und über einen Abgaskanal oberhalb des Getriebes mittig am Heck ausgestoßen. Die Abgastemperatur beträgt etwa 500&nbsp;°C, da der Rekuperator die verdichtete Luft vor der Brennkammer möglichst stark erwärmen soll. Die Antriebsleistung der Turbine wird durch ein im Rekuperator eingebautes Untersetzungsgetriebe an das Hauptgetriebe abgegeben. Die offizielle Höchstgeschwindigkeit beträgt 72&nbsp;km/h (45&nbsp;mph) auf Straßen und 48&nbsp;km/h (30&nbsp;mph) im Gelände. Das komplette Aggregat kann innerhalb einer Stunde mit Hilfe eines Krans entfernt werden, 70&nbsp;% aller Teile können jedoch ausgebaut werden, ohne das komplette Aggregat zu entfernen. Bei einem vollständigen Ausbau werden Gasturbine, Getriebe und die beiden Kühler mit Hilfe eines Anschlaggeschirrs aus dem Panzer gehoben. Der Luftfilter verbleibt im Fahrzeug. Beim Wiedereinbau muss die Verbindung zwischen dem Luftfilter und der Gasturbine dicht sein, da sonst die Gefahr von [[Foreign Object Damage|Schaden durch Fremdkörper]] besteht, was in sandigen Gebieten ein Problem darstellen kann. Im zweiten Golfkrieg 1991 wurden viele M1 durch verstopfte Luftfilter außer Gefecht gesetzt, da diese in den staubigen Wüstengebieten schnell an ihre Grenzen stießen. Aufgrund dieser Erfahrungen wurde ein integriertes Luftfilter-Reinigungssystem entworfen, das den Lufteinlass zu einem Filter sperrt und diesen dann durch rückwärtig eingeblasene Luft reinigt, während die beiden anderen Luftfilter weiterarbeiten. Auf diese Weise können nacheinander alle Filter gereinigt werden, ohne die Turbine abzustellen. Der Drehmomentverlauf ist bei Gasturbinen prinzipbedingt flacher als bei Kolbenmaschinen. Damit steht auch bei „niedrigen“ Drehzahlen ein hohes Drehmoment zur Verfügung. Die Leistungskurve verläuft wie bei allen Turbomaschinen in etwa logarithmisch, bei etwa 90 % Drehzahl werden circa 50 % der Leistung bereitgestellt, bei voller Drehzahl 100 % Leistung. Im Gefechtseinsatz fährt die Turbine im ''Tactical-idle''-Modus. Dabei wird eine höhere Leerlaufdrehzahl gewählt und somit das Ansprech- und Beschleunigungsverhalten des Panzers verbessert. Dies führt allerdings im Vergleich mit Dieselmotoren zu einem höheren Treibstoffverbrauch. Der Kraftstoffvorrat des M1 beträgt insgesamt 1911 Liter, verteilt auf vier Tanks. Der M1A2 SEP hat lediglich eine Kapazität von 1680 Litern, da einer der Tanks entfernt wurde, um Platz für einen Generator zu schaffen. Deshalb wurden im [[Irakkrieg]] 2003 teilweise Gummiblasen (Collapsible Fuel Bags) mit einer Kapazität von 303 Litern an den Panzern mitgeführt, um den Kraftstoffvorrat zu erhöhen. Diese Maßnahme wurde jedoch nur in relativ sicheren Situation wie bei Truppenverlegungen durchgeführt, in Gefechtssituationen wurden die Blasen nicht verwendet.<ref>Michael Green/Greg Stewart: ''M1 Abrams at War'', S. 118.</ref> Während bei einem Kolbenmotor das Motorgeräusch durch die Abgasanlage austritt, entsteht das Betriebsgeräusch einer Turbine am Verdichter. Durch den notwendigen Luftfilter vor dem Verdichter wird das Geräusch reduziert – dies und die große Laufruhe brachten dem M1 Abrams bei seinem ersten [[REFORGER]]-Manöver den Spitznamen ''whispering death'' (dt: flüsternder Tod) ein. Die AGT-1500-Turbine sollte ursprünglich durch die LV100-5 ersetzt werden, die für die Panzerhaubitze [[XM2001 Crusader]] entwickelt wurde. Im Vergleich zur AGT-1500 konnte der Treibstoffverbrauch um 33&nbsp;% im Normalbetrieb und um 50&nbsp;% im Leerlauf gesenkt werden. Das Leistungsgewicht wurde ebenfalls verbessert. Nach dem Abbruch des XM2001-Programms wurde davon Abstand genommen. 2006 wurde das Unternehmen [[Honeywell International]] mit dem AGT-1500-TIGER-Programm beauftragt. Das Programm hat eine Steigerung der Betriebslebensdauer der teilweise 30&nbsp;Jahre alten Triebwerke von 700 auf 1400 Betriebsstunden zum Ziel. Die Federung des Panzers erfolgt über ein hydromechanisches Federungssystem, das aus sieben Schwingarmen auf jeder Seite besteht. Die Schwingarme sind mit Torsionsstäben aus hochfestem Stahl verbunden, die quer durch die Wanne laufen und an der gegenüberliegenden Seite fixiert sind. Der maximale Federweg für die Laufrollen beträgt 381&nbsp;mm. An jeder Seite befinden sich zusätzlich drei drehbare Stoßdämpfer, die mit der ersten, zweiten und siebten Laufrolle verbunden sind. An der Oberseite des Laufwerks befinden sich zwei Stützrollen auf jeder Seite, die das Durchhängen der Kette verhindern sollen. Das Laufwerk wird von den Seitenschürzen geschützt. Als Gleiskette dient eine „lebende“ [[Gleiskette (Panzer)#Typen von Kampfwagenketten|Verbinderkette]] des Unternehmens [[Diehl Stiftung|Diehl]] vom Typ 570&nbsp; N oder 570&nbsp; P3/P6. === Optik und Sensoren === [[Datei:M1A1 Abrams gunner’s primary sight.jpg|thumb|Richtschütze des USMC beim Blick durch das Hauptzielfernrohr eines M1A1.]] [[Datei:3rd ID M1A1 Abrams TC and Gunner 2008.jpg|thumb|Der Kommandant auf seinem Arbeitsplatz in einem M1A1. Vor ihm der Einblick in das Hauptzielfernrohr des Richtschützen. Rechts unterhalb der Winkelspiegel das Periskop für das 12,7-mm-Maschinengewehr.]] Dem Kommandanten stehen insgesamt sechs Winkelspiegel zur Verfügung, die ihm eine 360°-Rundumsicht ermöglichen, sowie eine dreifach vergrößernde Optik für das M2-Maschinengewehr. Weiterhin kann über eine optische Verbindung auf das Hauptzielfernrohr des Richtschützen zurückgegriffen werden. Ihm stehen dadurch alle Möglichkeiten der Feuerleitanlage für Bordkanone und Turm-MG zur Verfügung. In den Betriebsstufen ''Normal'' und ''Notbetrieb'' kann er den Richtschützen übersteuern. Ab der Version A2 steht dem Kommandanten zusätzlich ein eigenes unabhängiges Wärmebildgerät zur Verfügung, das die Bekämpfung von Zielen im [[Hunter/Killer]]-Verfahren ermöglicht. Dem Richtschützen steht mit dem Hauptzielfernrohr (Gunner’s Primary Sight – GPS) ein Tagsichtkanal und der Wärmebildkanal des Wärmebildgerätes (Thermal imaging sight – TIS) zur Verfügung, das zusammen mit dem Laserentfernungsmesser im gepanzerten Ausblickkopf auf der rechten Turmseite gebündelt wird. Der Tagsichtkanal wie auch das Wärmebildgerät besitzen eine dreifache und eine zehnfache Vergrößerung. Die Erfahrungen aus dem zweiten Golfkrieg zeigten, dass die effektive Reichweite der Hauptwaffe größer war als die Entfernung, auf die noch Ziele mit dem Wärmebildgerät ausgemacht werden konnten. Das TIS des M1A2&nbsp;SEP besitzt deshalb eine dreifach, sechsfach, 13-fach, 25-fach und 50-fach vergrößernde Optik. Das Strichbild im GPS wurde bis zum M1A2 zusätzlich in der horizontalen Achse nachstabilisiert, um die aus Kostengründen fehlende Vollstabilisierung des Sichtfeldes auszugleichen. Diese erfolgte lediglich durch den Turm. Das als ''Line of Sight Compensation'' bezeichnete System führt zu einem seitlichen Zittern des Strichbildes, was sich auf größere Entfernungen durch eine geringere Bildauflösung im Okular bemerkbar macht. Mit dem M1A2 erfolgte eine Stabilisierung der Sichtlinie in beiden Achsen. Beim Ausfall der Primäroptik steht dem Richtschützen noch ein Hilfszielfernrohr (Gunner’s Auxiliary Sight – GAS) mit einfacher oder achtfacher Vergrößerung zur Verfügung. Dieses ist nicht stabilisiert, der Ausgang befindet sich jedoch in der Kanonenblende unterhalb des achsparallelen Maschinengewehrs, so dass die Optik immer auf die Achse der Kanone ausgerichtet bleibt. Dem Ladeschützen steht als Beobachtungsmittel ein einzelner, um 360° Grad drehbarer Winkelspiegel mit einfacher Vergrößerung zur Verfügung. Der Fahrer verfügt über drei Winkelspiegel, die nach vorne, links vorne und rechts vorne gerichtet sind. === Feuerleitsystem === Das Feuerleitsystem besteht aus einem [[Nd:YAG-Laser|Nd:YAG]]-[[Abstandsmessung (optisch)|Laserentfernungsmesser]] der [[Raytheon|Raytheon Systems Company]], einem digitalen Feuerleitrechner der Firma General Dynamics Canada und den stabilisierten Optiken des Richtschützen. Der Laser misst Entfernungen bis 7990 Meter auf 10 Meter genau, wobei lediglich Entfernungen zwischen 200 und 4000 Metern vom Feuerleitrechner berücksichtigt werden. Zum Vermeiden von Mehrfachechos kann mit ''ARM 1ST RTN'' beziehungsweise ''ARM LAST RTN'' zwischen Erst- und Letztechoverwertung gewählt werden. Kampfpanzer des US Marine Corps sind dagegen mit dem augensicheren Laser-Entfernungsmesser (ELRF – eyesafe laser rangefinder) von Carl Zeiss Optronics ausgestattet. Bei einer Messgenauigkeit von 5 Metern beträgt die maximale Reichweite 9995 Meter.<ref>{{Internetquelle|url = http://www.zeiss.de/C12571300034F59C/0/24B991A4D0D5D6DAC1257315004C8125/$file/53_0880e_m1.pdf|titel = Eyesafe Laser Rangefinder for the M1 Abrams Main Battle Tank|hrsg=Carl Zeiss Optronics|zugriff=1. November 2009}}</ref> Die Stabilisierung erlaubt es dem Richtschützen, ein Ziel auch während der Fahrt präzise anzuvisieren und mit dem Laserentfernungsmesser die Entfernung zu bestimmen. Aus der ermittelten Entfernung, den Daten eines auf dem Turmdach installierten Querwindsensors, der Temperatur der Treibladung, eines Verkantungssensors und dem Kollimatorspiegel an der Rohrmündung wird dann die notwendige Rohrerhöhung und der Vorhaltewinkel berechnet und dem Richtschützen in seinem Display angezeigt. Diese Art der Datenermittlung zur Feuerleitung ermöglichen sowohl beim Kampf aus Stellungen als auch aus der Fahrt eine sehr hohe Erstschusstrefferwahrscheinlichkeit. Nach Angaben der US Army ist die Hauptwaffe auf Entfernungen von mehr als 1200 Metern präziser als ein Scharfschützengewehr.<ref>Michael Green/Greg Stewart: M1 Abrams at War, S. 77.</ref> == Einsatzprofil == [[Datei:U.S. Army M1A1 Abrams.jpg|thumb|M1A1 Abrams während einer Übung 2005]] Die ursprüngliche Hauptaufgabe des M1 bestand darin, im [[Gefecht der verbundenen Waffen]] im Zusammenwirken mit dem [[Schützenpanzer]] [[M2/M3 Bradley|M2 Bradley]] schnelle Vorstöße durchzuführen und feindliche Panzer zu vernichten. Während der Operation Desert Storm wurden Kampfbataillone aus zwei Kompanien M2 Bradley und zwei Kompanien M1 Abrams gebildet. Die M1 bildeten während des Angriffs aufgrund ihrer besseren Panzerung die Spitze, während die M2 den Flankenschutz übernahmen und beim Zusammentreffen mit gegnerischen Kräften Angriffe auf deren Flanken durchführen konnten.<ref>Steven Zaloga/Peter Sarson: M2/M3 Bradley - Infantry Fighting Vehicle 1983 - 1995, S. 34</ref> Seit dem Ende des Irakkriegs wird der M1 weiterhin von den dort stationierten Truppen eingesetzt. Sein Aufgabenschwerpunkt hat sich jedoch von der Bekämpfung feindlicher Panzer zur Unterstützung eigener Infanterie in bebautem Gelände verschoben. == Einsätze == Der M1 war seit seiner Indienststellung an allen großen Militäroperationen der USA beteiligt, unter anderem an der Operation [[Desert Storm]] und dem [[Irakkrieg]]. Zu Beginn des zweiten Golfkrieges befanden sich insgesamt 3113 Abrams in der Golfregion, wobei 2024 aktiven Einheiten zugeordnet waren und 1089 Panzer in [[Reserve (Militärwesen)|Reserve]] gehalten wurden. In den aktiven Einheiten waren 94% der Panzer vom Typ M1A1 und 6% vom Original-Typ M1. Allgemein zeichnete sich der Abrams durch seine hohe Verfügbarkeit (90% und mehr während der Bodengefechte), Mobilität und Feuerkraft aus, wobei das raue Klima der irakischen Wüste auch zu Problemen bei der Wartung führte. Insbesondere die [[Luftfilter]] und Kraftstoffpumpen erwiesen sich als fehleranfällig und mussten häufig ausgetauscht werden. Auch der hohe Treibstoffverbrauch bereitete Probleme beim Nachschub und reduzierte die operative Reichweite. Neben der sehr guten offensiven Leistung des Abrams wies auch dessen Panzerung und Sicherheitsdesign kaum Schwächen auf. Es wurden insgesamt neun Fahrzeuge zerstört, davon sieben durch den [[Friendly Fire|Beschuss eigener Truppen]] und zwei durch absichtliche Sprengung, um festgefahrene Panzer nicht dem Feind zu überlassen. Darüber hinaus wurden 14 Abrams durch Minen oder Feindfeuer beschädigt, wobei irakische T-72 mindestens sieben Volltreffer erzielten. Während der gesamten Operation wurde kein einziger Abrams durch feindliches Feuer zerstört, auch nicht bei Mehrfach-Treffern.<ref name="gao">[http://archive.gao.gov/d31t10/145879.pdf United States General Accounting Office - ''OPERATION DESERT STORM - Early Performance Assessment of Bradley and Abrams'']</ref> [[Datei:Fallujah 2004 M1A1 Abrams.jpg|miniatur|Ein M1A1 beschießt während der [[Operation Phantom Fury]] feindliche Kräfte in einem Gebäude]] Während des Konfliktes zeigte sich eine große Überlegenheit gegenüber dem [[T-72]] (in den Varianten T-72A und T-72M1), welcher den Kern der irakischen Panzerstreitkräfte bildete.<ref>[http://www.globalsecurity.org/military/systems/ground/m1-intro.htm M1 Main Battle Tank] globalsecurity.org, Abschnitt 20. Abgerufen am 27. September 2009</ref> Durch die leistungsfähigeren Wärmebildgeräte und Feuerleitanlage war der M1 in der Lage, die irakischen Panzer auch bei schlechten Sichtbedingungen, verursacht durch Nebel oder den Rauch der brennenden Ölquellen, auf Entfernungen über 3000&nbsp;m effektiv zu bekämpfen.<ref name="gao"/> Auch die eingesetzte Wuchtmunition vom Typ M829 erwies sich als effektiv bei der Durchdringung der T-72-Panzerung. So konnten zwei Panzer dieses Typs mit einem einzigen Schuss ausgeschaltet werden, da der Penetrator den ersten Panzer komplett durchschlug und dann noch einen zweiten dahinterstehenden Panzer ausschaltete (insgesamt wurde die T-72 Panzerung damit drei mal hintereinander durchdrungen).<ref name="dti">Defence Technology International - Dezember 2009, S. 14.</ref> In einem anderen Fall konnte auch eine 10 Meter dicke Sandbarriere den dahinter stehenden T-72 nicht vor der Zerstörung schützen.<ref name="dti"/> Aufgrund der hohen Leistung des M829-Geschosses bekam es den Spitznamen „Silver Bullet“ (dt. etwa „Silberkugel“). Aufgrund seines Einsatzes im Irak und der naturgemäßen Verwundbarkeit von Kampfpanzern in bebautem Gelände sind die Verlustzahlen durch [[Unkonventionelle Spreng- und Brandvorrichtung|IEDs]] und massiven Nahbereichsbeschuss durch [[RPG (Waffe)|RPG]]s mittlerweile deutlich angestiegen. Seit dem Beginn der [[Operation Iraqi Freedom]] wurden 80 M1 so stark beschädigt, dass sie in die Vereinigten Staaten zurückgebracht werden mussten. Von diesen 80 wurden 63 repariert und wieder in Dienst genommen; die restlichen 17 waren so stark beschädigt, dass eine Reparatur nicht mehr wirtschaftlich vertretbar war. == Varianten == [[Datei:060203-F-7823A-008_retouched.jpg|thumb|M1A2 des [[3. Gepanzertes US-Kavallerieregiment|3. gepanzerten US-Kavallerieregiments]] in [[Tal Afar]]/[[Irak]]. Auf der linken Turmseite vor dem Ladeschützen das unabhängige Wärmebildgerät des Kommandanten.]] === Improved M1 === Da die Konstruktion des M1 von Anfang an darauf ausgelegt war, die 120-mm-Glattrohrkanone aufzunehmen, entschied die Army sich 1981 dazu, 14 Panzer probeweise mit der neuen Waffe auszustatten. Daneben wurden weitere Modifikationen vorgenommen, diese umfassten unter anderem eine verbesserte Panzerung an Turm und Wanne, geänderte Munitionshalterungen für die neue Munition, den Einbau einer integrierten ABC-Schutzanlage mit neuen Luftfiltern, einen Staukasten am Turmheck und einen neuen Turmantrieb. Die Bezeichnung der Versuchsexemplare lautete M1E1. Während der Erprobung der Kanone entschied die Army, dass die bereits serienreifen Veränderungen in die laufende Produktion übernommen werden sollten. Aufgrund dessen wurden ab 1984 einige Änderungen an neu produzierten Fahrzeugen vorgenommen. Die Änderungen betrafen die Verbesserung der Panzerung und die Anbringung des Staukastens am Turmheck, um der Besatzung mehr Raum zur Unterbringung der persönlichen Ausrüstung zu geben. Insgesamt wurden 894 Exemplare gefertigt, bevor die Produktion auf das Modell A1 umgestellt wurde. Fahrzeuge dieser ersten Kampfwertsteigerung befinden sich heute nicht mehr im Dienst der US Army, einige wenige Exemplare waren noch bis 1997 bei der Nationalgarde in Gebrauch. Alle anderen Fahrzeuge wurden umgerüstet oder für spätere Umrüstungen eingelagert.<ref>Carl Schulze: ''M1A1/M1A2 SEP Abrams TUSK'', S. 4.</ref> === M1A1/M1A1D === Der erste M1A1 wurde im August 1985 hergestellt. Diese Variante enthält bereits die Änderungen des Improved M1. Die wesentlichen Neuerungen waren der Austausch der 105-mm-Kanone durch eine Lizenzfertigung der [[Rheinmetall 120-mm-Glattrohrkanone|120-mm-Glattrohrkanone von Rheinmetall]] und die Umsetzung des ''Product improvement program'' (PIP). Dieses umfasste den Einbau eines ABC-Schutzsystems, das gleichzeitig als Klimaanlage und Heizung fungiert. Weitere kleine Änderungen wurden an den Kettenschürzen des Laufwerkes, am Getriebe sowie an den Sitzen für Ladeschütze und Kommandant vorgenommen. Insgesamt wurden 2388 M1A1 neu hergestellt, bereits produzierte M1 wurden nachgerüstet. Die Produktion der M1A1-Serie endete 1993, nachdem insgesamt 4796 Fahrzeuge hergestellt oder umgerüstet wurden. Eine Variante des M1A1, die seit 2000 mit dem digitalen Führungs- und Informationssystem des M1A2 ausgestattet ist, wird als M1A1D bezeichnet. ==== M1A1 HA ==== 1988 stellte die Army die Forderung nach einer Version des M1A1 mit verbesserter Panzerung. Um innerhalb akzeptabler Gewichtsgrenzen zu bleiben, wurde abgereichertes Uran als Panzerungsmaterial ausgewählt. Dieses wird zwischen zwei Lagen aus Stahl in der Turmfront verbaut. Aufgrund dieser Bauweise und der niedrigen Strahlung des abgereicherten Urans wurde diese Art der Panzerung von der US Nuclear Regulatory Commission als unbedenklich eingestuft. Diese bis 1993 produzierte Variante wird als M1A1 HA ('''H'''eavy '''A'''rmour) bezeichnet, 1328 Exemplare wurden hergestellt. Weitere 834 Kampfpanzer trugen die Kennung HA+ und verfügten über eine erneut verbesserte uranhaltige Panzerung. Diese Versionen sind äußerlich nicht von einem Fahrzeug ohne Uranpanzerung zu unterscheiden. ==== M1A1 HC ==== Dieser Typ des Abrams war auf die Anforderungen des [[United States Marine Corps]] zugeschnitten und basierte auf dem M1A1 HA+. Die als ''Heavy Common'' bezeichnete Variante verfügte zudem über technische Änderungen, die für den Einsatzraum der Marineinfanterie erforderlich sind. So wurden die Kampfpanzer mit einer [[Wattiefe|Tiefwatausstattung]], einem Fahrzeugnavigationssystem und einem besseren Korrosionsschutz versehen. Insgesamt wurden durch General Dynamics 329 M1A1&nbsp;HC gefertigt. ==== M1A1 AIM ==== [[Datei:OCPA-2005-03-09-165522.jpg|thumb|M1A2 mit TUSK im Prototypstatus.]] Im Rahmen dieses Programms wurden M1A1-Panzer der U.S. Army komplett in ihre Einzelteile zerlegt und danach unter Verwendung generalüberholter Teile wieder zusammengesetzt.<ref>{{cite web | url = http://fprado.com/armorsite/abrams.htm | title = The Abrams Integrated Management (AIM) Overhaul Program bei fprado.com | accessdate = 2009-12-08| author = fprado.com | format = html | language = en | archiveurl = | archivedate = | quote = The Abrams Integrated Management (AIM) Overhaul Program is an innovative teaming of the prime contractor, GDLS, and Anniston Army Depot (ANAD) to refurbish the tank to a like-new condition. The AIM Overhaul is the Army's under-funded program to sustain the nearly 7,000 Abrams Tanks as part of the total recapitalization plan. AIM is funded at 135 tanks per year which translates into a 12-year rebuild cycle for the active component. }}</ref> Deshalb wurden diese Fahrzeuge mit null Betriebsstunden als „fabrikneu“ eingestuft. Das Ziel war es, den Konstruktionsstand der unterschiedlichen M1A1-Rüststände anzugleichen. Weiterhin wurden einige Neuerungen eingebaut, mit denen die Führbarkeit des Panzers verbessert werden sollte. Zu den Neuerungen gehörte der Einbau digitalisierter Kommunikationseinrichtungen (intern und extern) sowie neuer Bediengeräte für den Kommandanten. Ein Stromerzeugungsaggregat am Heck sollte den Treibstoffverbrauch im Stillstand verringern. Weiterhin wurde ein eigenes Wärmebildgerät zur Bedienung des schweren MGs des Kommandanten installiert. Für die Umrüstung wurden M1A1 älterer Baulose herangezogen. Ab 2000 wurden jedes Jahr 45 M1A1, später 135 auf den Stand M1A1&nbsp;AIM gebracht und den US-Streitkräften wieder zugeführt. Die Ausstattung eines Bataillons erfolgte immer komplett und beinhaltete 44 Kampfpanzer mit neuen Vorschriften, Ersatzteilen und Rüstsätzen. Panzer für den Export durchliefen ebenfalls das AIM-Programm.<ref name="M1 Abrams TUSK" /> === M1A2 === Ende 1988 wurde General Dynamics Land Systems mit einem weiteren Kampfwertsteigerungsprogramm betraut. Dabei sollten ein nochmals erhöhter Panzerschutz, eine erhöhte Überlebensfähigkeit und verbesserte Führbarkeit des Fahrzeugs im Vordergrund stehen. Aufgrund des auf 61,7 t angestiegenen Gewichts konnten nicht alle Wünsche der Army hinsichtlich zusätzlicher Panzerung umgesetzt werden. Zur Verbesserung der Führbarkeit wurde ein unabhängiges Wärmebildgerät für den Kommandanten eingebaut (Commander’s Independent Thermal Viewer – CITV), sämtliche vorhandenen Wärmebildgeräte wurden auf Exemplare der 2.&nbsp;Generation umgerüstet, die Elektronik wurde überarbeitet und ein ''Inter Vehicular Information Systems'' ''(IVIS)'' in das System integriert, das den Austausch von Lagedaten zwischen den einzelnen Fahrzeugen erlaubt. Das CITV erlaubt dem Kommandanten bei schlechter Sicht eine vom Wärmebildgerät des Schützen unabhängige Beobachtung. Weiterhin wurde die Waffenstation des Kommandanten verbessert und eine ''Hull Power Distribution Unit'' zur besseren Energieversorgung der elektrischen Systeme in die Wanne eingebaut. Um die Ausdauer des Fahrzeugs zu steigern, wurde ein Stromerzeugungsaggregat mit 6,2 kW Leistung am Heck angebracht. Vor dieser Maßnahme musste die Turbine im Leerlauf weiterlaufen, um die Stromversorgung sicherzustellen. Das Munitionsmagazin im Turmheck wurde ebenfalls überarbeitet, so dass zwei zusätzliche Patronen dort gelagert werden können. Die ersten Fahrzeuge des M1A2 wurden 1992 ausgeliefert; die Produktion endete 1996, nachdem Exportkunden wie Saudi-Arabien beliefert worden waren. Derzeit erfolgt noch die Umrüstung älterer Varianten auf das Modell A2.<ref>[http://www.globalsecurity.org/military/systems/ground/m1a2.htm M1A2 Main Battle Tank] Globalsecurity.org, Abschnitt 1–3. Abgerufen am 18. August 2009</ref> Der M1A2 unterscheidet sich äußerlich durch das CITV vor der Ladeschützenluke von den früheren Versionen. Nach Angaben der Army kann der M1A2 Ziele um 45&nbsp;% schneller aufklären, die Zielübergabe vom Kommandanten an den Schützen erfolgt um bis zu 70&nbsp;% schneller und die Positionsbestimmung von Zielen erfolgt bis zu 32&nbsp;% präziser als beim M1A1. === M1A2 SEP === Das SEP (System Enhancement Program) umfasst einige Punkte, die sowohl die Führbarkeit, die Ausdauer im Gefecht als auch die Kampfkraft verbessern sollen. Dazu wurde ein neues Wärmebildgerät der 2.&nbsp;Generation für den Kommandanten eingebaut, ein neuer augensicherer Laserentfernungsmesser installiert sowie digitalisierte Karten auf einem Farb-Display für den Kommandanten in das System integriert. Die Leistung des Computersystems wurde ebenfalls verbessert, der Speicher wurde erweitert und ein neues Betriebssystem mit Upgradepotential für zukünftige Kampfwertsteigerungen installiert. Die Panzerung an der Turmfront und an den Seiten wurde ein weiteres Mal erhöht. Laut Angaben der Army stieg die maximale Schussentfernung auf 4000 Meter. Im Kampfraum wurde eine Klimaanlage für die Elektronik und die Besatzung installiert.<ref>[http://www.globalsecurity.org/military/systems/ground/m1a2.htm M1A2 Main Battle Tank] Globalsecurity.org, Abschnitt 6–18. Abgerufen am 18. August 2009</ref> Der M1A2 verfügt über kein Stromerzeugeraggregat, jedoch besteht die Möglichkeit, ein solches im Heck unter Panzerschutz einzubauen. Um die Funktionsfähigkeit der elektrischen Systeme auch bei abgeschalteter Turbine sicherzustellen, wurden an dieser Stelle zusätzliche Hochleistungsbatterien eingebaut. === M1 TUSK === [[File:M1A1 Abrams tank equipped with tank urban survivability kit retouched.jpg|thumb|Turmansicht eines M1A1 mit dem TUSK-I-Rüstsatz. Zu sehen ist die CS/AMM-Lafette auf der Bordkanone, das RTS an der MG-Lafette des Kommandanten und das LAGS des Ladeschützen. An den Turmseiten die US-typische Nebelmittelwurfanlage.]] [[Datei:M1A1 Abrams with Integrated Management System new Tank Urban Survivability Kit Dec. 2007.jpg|thumb|Ein M1A1 mit Turmstellung auf 9 Uhr. Auf der Bordkanone die CS/AMM-Lafette mit Browning M2. An den Kettenschürzen sind die Aufstiegshilfen der ARAT-I-Reaktivpanzerung erkennbar.]] [[Datei:M1A1 Abrams with tank urban survivability kit .jpg|thumb|Die ARAT-I-Reaktivpanzerung von der Seite. Die CS/AMM-Lafette des M1A1 trägt keine Bewaffnung.]] Aufgrund der steigenden Ausfälle des Panzers im Irak beim Einsatz in bebautem Gelände wurde das TUSK-Programm ins Leben gerufen. TUSK steht für Tank Urban Survival Kit und ist ein Zurüstsatz für Kampfpanzer zur Steigerung der Überlebensfähigkeit bei Einsätzen in bebautem Gebiet. Der von [[General Dynamics|General Dynamics Landsysteme]] gefertigte Rüstsatz besteht zum Großteil aus eingeführten Komponenten bestehender Systeme. Im August 2006 wurden vom U.S. Army Tank-Automotive and Armaments Command (TACOM) in einem ersten Los 505 Rüstsätze für einen Gesamtpreis von 45 Millionen US-Dollar bestellt. Von Sommer 2007 bis April 2009 wurden damit die M1 Abrams im Irak nachgerüstet. Die Dauer der Montage des kompletten TUSK-I-Rüstsatzes beträgt zwölf Stunden.<ref name="M1 Abrams TUSK">Carl Schulze: ''M1A1/M1A2 SEP Abrams TUSK, American Special No 3009'', Tankograd Publishing - Verlag Jochen Vollert</ref> Wegen der unterschiedlich genutzten Varianten wurden ebenfalls unterschiedliche Rüstsätze eingeführt. Der als TUSK&nbsp;I bezeichnete Rüstsatz steht sowohl für den M1A1 als auch den M1A2&nbsp;SEP zur Verfügung und umfasst folgende Komponenten:<ref name="M1 Abrams TUSK" /> * Reaktivpanzerung ARAT&nbsp;I (Abrams Reactive Armor Tiles) :ARAT basiert auf der Reaktivpanzerung des M2/M3 Bradley und nutzt handhabungssicheren Sprengstoff. ARAT&nbsp;I besteht aus 64 Segmenten, die je Seite zu zwei Reihen mit je 16 Stück auf den Kettenschürzen angebracht werden. Die als XM19 bezeichneten Kacheln schützen gegen Hohlladungen. * Schutzschild an der Lafette des Ladeschützen (Loader′s Armor Gun Shield – LAGS) :Das aus einem 200 Millimeter hohen Ring und einem Schutzschild bestehende LAGS schützt den Ladeschützen beim Bedienen seines Maschinengewehres. Der um die Ladeschützenluke herumlaufende Ring und das Schild bestehen aus Panzerstahl und Panzerglas. * Wärmebildgerät für den Kommandanten (Remote Thermal Sight – RTS) :Das ungekühlte Wärmebildgerät (WBG) der 2.&nbsp;Generation ermöglicht dem Kommandanten des M1A1 erstmals, Ziele bei Nacht und bei jeder Wetterlage mit seinem Maschinengewehr zu bekämpfen. Das von dem WBG erzeugte Bild wird auf dem Monitor (DCM; Display Control Module) des Kommandanten angezeigt. Es ist achsparallel zum M2HB auf der Lafette montiert. * Wärmebildgerät für den Ladeschützen (Loader′s Thermal Weapon Sight – LTWS) [[Datei:AN-PAS-13B (V2) Thermal Weapon Sight (TWS).jpg|thumb|Wärmebildgerät AN/PAS&nbsp;13]] :Das Wärmebildgerät des Ladeschützen entstammt dem Land-Warrior-Programm der US-Armee. Das von Raython Network Centric Systems hergestellte AN/PAS&nbsp;13 wird auf der [[Picatinny-Schiene]] des M240B montiert. Das über ein Kabel an den Stromverteiler (PDB) angeschlossene Gerät erlaubt dem Ladeschützen, Ziele bis zu einer Entfernung von 550 Metern aufzuklären und zu bekämpfen. Ein Helmdisplay (Helmet Mounted Display – HMD) mit einer Auflösung von 800&nbsp;×&nbsp;600 Pixeln projiziert die Bilder vor das Auge des Benutzers. * Wärmebildgerät für den Fahrer (Driver′s Vision Enhancer – DVE) :Das DVE ermöglicht dem Fahrer eine bessere Sicht bei Nacht sowie bei Staub- und Rauchentwicklung. Das aus einem Sensormodul (SM) und einem Kontrollbildschirm (DCM) bestehende Wärmebildgerät verfügt über ein 10,4-Zoll-Display mit einer Auflösung von 800&nbsp;×&nbsp;600 Pixeln. Das Sensormodul besteht aus einem 640&nbsp;×&nbsp;480, 8–12-µm-[[Mikrobolometer]]-Detektor, mit dessen Hilfe Fahrzeuge bis auf Entfernungen von 1790 Metern erkannt werden können. Unter Gefechtsbedingungen kann eine Person bis auf 190 Meter erkannt werden. Das im Austausch zum mittleren Winkelspiegel genutzte DVE kann im Temperaturbereich von –37&nbsp;°C bis +49&nbsp;°C eingesetzt werden. * Außenbordsprechstelle (Tank Infantry Phone – TIP) :Das TIP ist eine Außenbordsprechstelle am rechten Fahrzeugheck des Abrams. Das in die Bordverständigungsanlage integrierte Gerät ist ein zusätzlicher Wahlschalter der Anlage und ermöglicht dem Benutzer, mit der Panzerbesatzung zu sprechen, den Funkverkehr mitzuhören oder selbst einen Funkspruch abzusetzen. * Stromverteilerkasten (Power Distribution Box – PDB) * MG-Lafette auf der Bordkanone (Counter Sniper/Anti Material Mount (CS/AMM) :Das Counter Sniper/Anti Material Mount ist eine schwere MG-Lafette für das [[Browning M2]]HB oder [[M240]]B. Die Lafette ermöglicht es, ein zweites MG koaxial zur Bordkanone auf deren Blende zu installieren und gegen Scharfschützen, Panzervernichtungstrupps und weitere Ziele im Nahbereich einzusetzen. Trägt die Lafette das M2HB, können Ziele bis auf Entfernungen von 2000 Metern bekämpft werden. Zum Richten und Zielen wird die Feuerleitanlage des Panzers genutzt, das Bedienen der Waffe erfolgt komplett unter Panzerschutz. Ebenfalls zur Ausstattung gehört ein Xenon-Suchscheinwerfer, der durch einen gepanzerten Kabelkanal mit dem Stromverteilerkasten verbunden ist. Das Blenden-MG sowie das CS/AMM-MG können gleichzeitig genutzt werden. * Minenschutz der Wanne (Abrams Belly Armor) :Die V-förmige Zusatzpanzerung verstärkt die Unterseite der Fahrzeugwanne gegen Minen und IED. Die 1360 Kilogramm schwere Zusatzpanzerung reduziert die Bodenfreiheit um 200 Millimeter. * minengeschützer Fahrersitz (Mine Resistand Driver Seat) :Der Sitz des Fahrers entspricht im Aufbau dem des deutschen [[Leopard 2]]A6M. Aufgehängt über vier Gurte an der Fahrzeugdecke und mit Retraktoren (Gurtaufroller) ausgestattet, kann der Fahrer seine individuelle Sitzhöhe (Augenpunkt) über und unter Luke nahezu stufenlos einstellen. Durch die Entkopplung des Fahrersitzes vom Wannenboden wird das Risiko einer Verletzung oder Tötung des Fahrers durch die elastische Verformung des Wannenbodens im Fall der Explosion einer Mine unter dem Panzer verringert. [[Datei:Abrams(rear) en.jpg|miniatur|Blick auf die Käfigpanzerung am Heck eines M1]] * RPUSA (Rear Protection Unit Slat Armour) :Die Slat Armor oder [[Käfigpanzerung]] am Fahrzeugheck wurde während der Entwicklung des TUSK-Programms für den Abrams vorgesehen und bereits 2004 im Irak eingesetzt. Gemäß den veröffentlichten Dokumenten des Programm Executive Office Ground Combat Systems (PEO GCS) ist sie seit 2007 nicht mehr Bestandteil der Umrüstung. TUSK&nbsp;II verbessert nochmals den Panzerschutz und den Schutz gegen projektilbildende Minen. Offiziell ist dieser auf den M1A2&nbsp;SEP beschränkt und besteht aus folgenden Komponenten:<ref name="M1 Abrams TUSK" /> *Reaktivpanzerung ARAT II :ARAT&nbsp;II verstärken die ARAT-I-Panzerung an den Seiten und werden im Bereich des Turmes direkt auf der Panzerung angebracht. Die als XM32 bezeichneten Segmente besitzen die Form eines Dachziegels und werden leicht abgewinkelt zum Boden angebracht. Sie verbessern den Schutz gegen [[Unkonventionelle Spreng- und Brandvorrichtung|unkonventionelle Spreng- und Brandvorrichtungen]] (IED) und [[Projektilbildende Ladung|projektilbildende Ladungen]]. * 360°-Schutzschild für den Kommandanten :Das Schutzschildsystem besteht aus Panzerstahl und Panzerglas und umschließt die Kommandantenkuppel. Es ermöglicht dem Kommandanten des M1A2&nbsp;SEP einen besseren Überblick über das Gefechtsfeld, ohne auf den Panzerschutz zu verzichten. Das nur im TUSK&nbsp;II vorgesehene System wurde ebenfalls leicht modifiziert an einigen M1A1 verbaut. * Rückfahrkamera für den Fahrer :Die Rückfahrkamera (Rear Camera) ermöglicht dem Fahrer das Rückwärtsfahren ohne Anweisungen des Kommandanten oder des Ladeschützen. Die von BAE Systems entwickelte Kamera verfügt über einen Tagsicht- und einen Wärmebildkanal. Die Darstellung des Bildes erfolgt auf einem Bildschirm des Fahrers und wahlweise auf der Anzeigetafel des Kommandanten. Neben den M1A2&nbsp;SEP werden auch die M1A1 damit ausgestattet. TUSK&nbsp;III ist wieder für den M1A1 und M1A2&nbsp;SEP geplant und beinhaltet das abstandsaktive Schutzsystem TRAPS (Tactical Rocket Propelled Airbag Protection System), eine minensichere Anordnung der Sitze und für den Kommandanten und Richtschützen eine separate fernbedienbare Waffenstation.<ref name="M1 Abrams TUSK" /> == Fahrzeuge auf Basis des M1 == === M1 Grizzly === [[Datei:M1 Grizzly 2.jpg|thumb|Pionierpanzer Grizzly im United States Army Ordnance Museum]] Der M1 Grizzly ist ein Pionierpanzer, der auf der Wanne des M1 aufgebaut ist. Er wurde nach dem zweiten Golfkrieg konstruiert, weil ersichtlich wurde, dass es der Army an Pionierpanzern mangelte, die den M1A1 im Angriff folgen konnten. Der 64 t schwere Grizzly verfügt über die gleiche Beweglichkeit wie der M1A1 und bietet Schutz gegen Splitter von Artilleriegeschossen. Seine Aufgabe ist das Öffnen von Minensperren und das Beseitigen von Hindernissen wie beispielsweise Gräben, Stacheldraht und Schutt. Dazu stehen ihm Hilfsmittel wie ein keilförmiger Minenpflug am Bug mit automatischer Tiefenkontrolle und ein drehbarer Teleskoparm mit [[Löffel (Anbaugerät)|Tieflöffel]] zur Verfügung der auch als Kran einsetzbar ist. Der Grizzly ist in der Lage, einen [[Panzergraben]] innerhalb von fünf Minuten für einen Panzer wieder überquerbar zu machen und eine 600&nbsp;m breite Minensperre innerhalb von 21&nbsp;Minuten zu öffnen. Die Besatzung besteht aus zwei Soldaten (Fahrer und Kommandant), die Bewaffnung aus einem fernbedienbaren M2-Maschinengewehr.<ref>[http://www.globalsecurity.org/military/systems/ground/grizzly.htm M1 Grizzly] Globalsecurity.org. Abgerufen am 4. November 2009</ref> Aufgrund fehlender Geldmittel wurde die Weiterentwicklung der zwei Prototypen im Jahr 2000 eingestellt.<ref name="M1 Abrams TUSK" /> === M1 Abrams Panther II === Der Panther II ist ein Minenräumpanzer, ähnlich dem [[Keiler (Panzer)|Keiler]] der Bundeswehr. Er besteht aus einem M1, dessen Turm zur Gewichtsreduzierung entfernt wurde, und einem am Bug angebrachten Minenräumsystem. Der Panzer benötigt aufgrund eines Fernsteuerungssystems keine Besatzung und kann bis zu einer Entfernung von 800 Metern ferngesteuert werden. Das Minenräumsystem besteht entweder aus einem Minenpflug oder aus einem Minenroller, der durch mehrere schwere Rollen einen höheren Bodendruck ausübt als der Panzer selbst und so Panzerabwehrminen, die in der Fahrbahn des Panzers liegen, zur Detonation bringt. Der Panther&nbsp;II kann ein 5000 m² großes Minenfeld innerhalb einer Stunde räumen. Der Minenräumpanzer wird bei den Streitkräften der [[KFOR]] genutzt und seit 2003 auch im Irak eingesetzt.<ref>[http://www.globalsecurity.org/military/systems/ground/panther.htm M1 Abrams Panther II] Globalsecurity.org. Abgerufen am 4. November 2009</ref> === M104 Wolverine === ''Hauptartikel:'' [[M104 Wolverine]] Der M104 Wolverine ist ein mit der deutschen [[Panzerschnellbrücke Leguan]] ausgerüsteter Brückenleger. Zwischen 1997 und 2003 wurden insgesamt 44 Exemplare von General Dynamics Landsysteme gebaut und eingeführt. Die ursprünglich geplante Gesamtstückzahl von 465 Fahrzeugen wurde nach einer Etatkürzung gestrichen. === Joint Assault Bridge === [[Datei:M1 Abrams Joint Assault Bridge.jpg|thumb|Prototyp der Joint Assault Bridge bei einer Vorführung im Anniston Army Depot.]] Das [[USMC]] begann 2005, das Titan-Brückensystem von [[BAE Systems]] auf der Wanne eines M1A1 zu verwenden. Nach einer umfangreichen Truppenerprobung und zwei Prototypen erhielt der Rüstungskonzern 2007 den Auftrag, sechs Brückenleger zu fertigen. Mit diesen Fahrzeugen ist es möglich, die Scherenbrücke des [[M60A1 Armored Vehicle Launched Bridge (AVLB)|Brückenlegers M60A1]] zu verlegen. === Assault Breacher Vehicle === [[Datei:M1 Assault Breacher Vehicle.jpg|thumb|Einsatz der Minenräumschnüre des ABV zum Schlagen von Minengassen.]] Der Pionierpanzer Assault Breacher (ABV) basiert auf dem M1A1 und ist eine Entwicklung für das USMC. Gemäß den Planungen ist er zum Räumen von Hindernissen und zum Schlagen von Minengassen vorgesehen. Für die neuen Aufgaben wurde der Kampfpanzerturm entfernt und durch eine neue Turmkonstruktion ersetzt, die mit einer Reaktivpanzerung versehen wurde. Zum Minenräumen verfügt der Panzer auf dem Turmdach über zwei mit [[C4 (Sprengstoff)|C4]]-Sprengstoff versehene „Minenräumschnüre“ (Mine Clearing Line Charges – MICLIC) sowie über verschiedene Anbaugeräte für die Wannenfront. Durch den Einsatz eines Schnellwechseladapters kann in kurzer Zeit ein Minenpflug für offen verlegte Minen (Surface Mine Plough), eine Räumschaufel (Combat Dozer Blade) oder ein Minenpflug für die gesamte Fahrzeugbreite (Full Width Mine Plough) montiert werden. Die geräumte Gasse wird für nachfolgende Fahrzeuge durch ein am Heck montiertes Markierungssystem (Clear Lane Marking System) gekennzeichnet. Wie beim Panther II besteht die Möglichkeit der Fernsteuerung. === Abrams RV90 Armoured Recovery Vehicle === Bei diesem Fahrzeug handelte es sich um einen Bergepanzer auf einem M1A1-Fahrgestell. Von General Dynamics wurde ein mit einem Kran auf der linken Wannenfront und einem Räumschild ausgestatteter Prototyp gefertigt. Nach einer erfolglosen Vergleichserprobung zwischen dem ARV und dem kampfwertgesteigerten [[M88A2 HERCULES]] wurde das Projekt Anfang 1990 eingestellt. == Zukunft == Die US-Army plant, ihre M1-Flotte mangels verfügbarer Alternativen noch weitere Jahre in Betrieb zu halten. Der M1A1 soll voraussichtlich noch bis ins Jahr 2021 im Dienst verbleiben, der M1A2 sogar noch bis über das Jahr 2050 hinaus. Der Bestand soll sich jedoch von ehemals knapp 8000 Fahrzeugen auf 2568 Exemplare verringern. Ein Einbau der neuen 120-mm-L/55-Glattrohrkanone wurde von der Army erwogen, jedoch nicht realisiert, da in absehbarer Zeit keine Bedrohung auftreten könnte, die sich nicht mit der L/44-Kanone und der Munition aus abgereichertem Uran bekämpfen ließe. Die Army plant, ab 2014 eine neue Version des M1, den M1A3 zu entwickeln. Dabei sollen Teile des TUSK integraler Bestandteil der Konstruktion sein, um den Schutz des Panzers und der Besatzung weiter zu verbessern, ohne das Gewicht drastisch anzuheben. Die Auslieferung soll ab 2017 erfolgen. Das Marine Corps steht dabei vor der Entscheidung, die bislang vorhandenen M1A1 weiter in Dienst zu halten, eine Kampfwertsteigerung auf die Version M1A2 SEP vorzunehmen, oder sich an der Entwicklung des M1A3 zu beteiligen. Das Marine Corps unternimmt darüber hinaus eigene Anstrengungen zur Weiterentwicklung des M1, da der Panzer, im Gegensatz zu den Exemplaren der Army, nicht hauptsächlich zum Kampf gegen andere Kampfpanzer vorgesehen ist, sondern zur Unterstützung von Infanterie. Dazu wurden 3000 Patronen der MPAT-Munition beschafft, um Einbruchsstellen für Infanteristen in Gebäuden zu schaffen. Zum Schutz gegen RPGs ist die Einführung eines [[Abstandsaktive Schutzmaßnahmen|abstandsaktiven Schutzsystems]] angedacht, das anfliegende Projektile vor dem Einschlag zerstören soll. Da derartige Schutzmaßnahmen jedoch eine erhebliche Gefährdung für die begleitende Infanterie darstellen, besteht noch Widerstand innerhalb des Marine Corps bezüglich der Einführung.<ref>[http://www.marinecorpstimes.com/news/2009/09/marine_abrams_092709w/ New Army tank could mean changes for M1A1 fleet] www.marinecorpstimes.com (Englisch, abgerufen am 21. Februar 2010).</ref> == Technische Daten == {| class="prettytable" |----- style="background:#ddb; text-align:center" ! Bezeichnung ! M1A2 Main Battle Tank |----- | Typ: || Kampfpanzer |----- | Besatzung: || 4 |----- | Motor: || Gasturbine Textron Lycoming AGT 1500 |----- | Leistung: || 1119 kW (1500 PS) bei 30.000 U/min |----- | Getriebe: || automatisches Lenk-Schalt-Getriebe Allison X-1100-3B |----- | Fahrwerk: || drehstabgefedertes Stützrollenlaufwerk |----- | Länge über alles: || 9830&nbsp;mm |----- | Breite über alles: || 3657&nbsp;mm |----- | Höhe über alles: || 2885&nbsp;mm |----- | Bodenfreiheit: || 483&nbsp;mm |----- | [[Wattiefe|Watfähigkeit]]: || 1219&nbsp;mm |----- | Grabenüberschreitfähigkeit: || 2743&nbsp;mm |----- | Kletterfähigkeit: || 1067&nbsp;mm |----- | [[Steigfähigkeit]]: || 60 % |----- | Querneigung: || 40 % |----- | Gefechtsgewicht: || 63.086&nbsp;kg |----- | Höchstgeschwindigkeit Straße: || 68&nbsp;km/h |----- | Höchstgeschwindigkeit Gelände: || 48&nbsp;km/h |----- | Kraftstoffmenge: || 1908 Liter |----- | Fahrbereich: || 426&nbsp;km |----- | Bewaffnung: || M256-Kanone, 2 × M240-MGs, 1 × M2-MG |----- | Munition: || 40 Patronen für die Kanone; 12.400 Patronen für die M240, 1000 Patronen für das M2 |} == Nutzerstaaten == [[Datei:M1 Abrams operators.png|miniatur|Weltweite Nutzung des ''M1 Abrams'']] [[Datei:M1-A1 Abrams Heck.jpg|miniatur|Heckansicht eines Abrams des USMC. In der Mitte ein Teil der Tiefwatausstattung.]] Neben den USA, die immer noch eine Flotte von 5970<ref>[http://www.globalsecurity.org/military/systems/ground/m1-specs.htm Zahlen von Globalsecurity.org]</ref> M1 in verschiedenen Versionen unterhalten, sind die nachstehenden Staaten ebenfalls Nutzer des M1, allerdings in wesentlich geringerem Umfang. Die relativ geringen Exportzahlen sind auf verschiedene Gründe zurückzuführen. Viele NATO-Staaten unterhalten eigene Kampfpanzerentwicklungen, so dass der Kauf von M1 nicht nötig ist. Vielfach gab auch der hohe Treibstoffverbrauch den Ausschlag gegen den Erwerb, da gleichzeitig die Logistikkapazitäten ausgebaut werden müssten. Aus diesem Grund wurde auch eine Variante des M1 entwickelt, die mit einem Dieselmotor von [[MTU Friedrichshafen]] ausgestattet ist.<ref>Christopher Foss: ''Jane’s Armour & Artillery 2009–2010'', S. 171</ref> Bislang fanden sich jedoch keine Käufer für diese Variante. Viele Staaten sehen aufgrund der hohen Kosten von einem Erwerb des M1 ab. === Australien === 2004 gab das australische Verteidigungsministerium bekannt, dass der Kauf von 59 M1A1 geplant sei, um den [[Leopard 1]] AS1 zu ersetzen. Dieser ist trotz der vielen Kampfwertsteigerungen technologisch nicht mehr konkurrenzfähig zu Kampfpanzern der dritten Generation. Die Lieferung der Fahrzeuge erfolgte bis 2007. Von den 59 erworbenen Fahrzeugen sind 41 im 1st Armoured Regiment eingesetzt, die restlichen sind für Übungs- und Trainingszwecke vorgesehen. Der Auftrag umfasste ein Volumen von 475 Millionen US-Dollar. Darin waren neben den Kampfpanzern noch Bergepanzer, Treibstoff-LKWs, Schwerlasttransporter und Ersatzteile enthalten. === Ägypten === Ägypten wurde 1989 von den USA in die Liste ihrer [[Major non-NATO ally|wichtigsten Verbündeten außerhalb der NATO]] aufgenommen. Damit bekam das Land bevorzugten Zugang zu ausgewählten Rüstungsprogrammen. Zudem wollte das Militär die vorwiegend sowjetische Ausrüstung ausmustern und durch modernere ersetzen. So wurde Ägypten zum ersten Exportkunden für den M1; bis 1998 wurden 555 M1A1 ausgeliefert. Die Endmontage erfolgte in Ägypten, wobei 35&nbsp;% aller Teile in Ägypten gefertigt wurden und der Rest aus den USA geliefert wurde. 2002 bekam General Dynamics den Auftrag, die ägyptische Rüstungsindustrie bei der Produktion eigener M1 zu unterstützen. Seitdem wurden weitere 325 Panzer in Ägypten gefertigt beziehungsweise endmontiert. Bis 2011 sollen weitere 125 Exemplare folgen, was den Bestand auf 1005 Fahrzeuge erweitert.<ref>[http://www.dsca.osd.mil/PressReleases/36-b/2007/Egypt_07-65.pdf Defense Security Cooperation Agency] Pressemitteilung</ref> Insgesamt plant Ägypten, seine M1-Flotte auf 1500 Fahrzeuge auszubauen. Die ägyptischen M1A1 sind fast identisch mit den in den USA gefertigten Exemplaren, verfügen jedoch nicht über die verbesserte Frontpanzerung.<ref name="Schulze7">Carl Schulze: ''M1A1/M1A2 SEP Abrams TUSK'', S. 7.</ref> === Irak === Da ein großer Teil der Panzerverbände während des Golfkriegs 1991 und des Irakkriegs vernichtet wurde und die vorhandenen Kampfpanzer veraltet sind, stellte der Irak 2008 einen Antrag auf Versorgung mit neuem Material, um die bislang schwache Panzerbekämpfungsfähigkeit zu erhöhen. Insgesamt sollen 140 M1A1 AIM an die irakischen Streitkräfte geliefert werden. Zusätzlich umfasst die Lieferung Bergepanzer, Versorgungs- und Sanitätsfahrzeuge, Schwerlasttransporter und Ersatzteile. Die Auslieferung soll im Dezember 2010 beginnen.<ref>Christopher Foss: ''Jane’s Armour & Artillery 2009–2010'', S. 166</ref> === Kuwait === Die Streitkräfte Kuwaits erlitten während der irakischen Invasion schwere Verluste. Nach der Befreiung wurden die Landstreitkräfte schnell wieder aufgebaut, wobei ein Schwerpunkt auf der Modernisierung der Panzertruppe lag. Aufgrund des Erfolgs des M1 entschied sich Kuwait dafür, 218 M1A2 aus amerikanischen Beständen zu erwerben. Diese wurden in drei Losen bis 1996 ausgeliefert. === Saudi-Arabien === [[Streitkräfte Saudi-Arabiens|Saudi-Arabien]] wollte nach der Beendigung des Golfkrieges ebenfalls seine Panzertruppe modernisieren, da sich die bis dahin genutzten Modelle als nicht mehr zeitgemäß erwiesen hatten. Neben dem M1 wurde auch der Leopard&nbsp;2 in die engere Wahl gezogen, konnte aber aufgrund von Exportbeschränkungen nicht erworben werden. Die Wahl fiel daher auf den M1A2, von dem zwischen 1994 und 1996 315 Exemplare der US Army erworben wurden. Die saudischen Panzer verfügen über eine andere Funkanlage und ein neues Fahrzeuginformationssystem, die Bezeichnung lautet M1A2S. Saudi Arabien plant, weitere 58 M1A2 zu erwerben.<ref name="Schulze7" /> Darüber hinaus wurde der Abrams von Schweden, Griechenland und anderen Staaten getestet, jedoch nicht als Kampfpanzer in die Truppen übernommen. == Siehe auch == * [[Liste der Panzermodelle nach 1945]] * [[XM1202 Mounted Combat System]] * Vergleichbare Panzer: [[Challenger 2]], [[Leclerc (Panzer)|Leclerc]], [[Leopard 2]], [[T-90]], [[Merkava]] == Literatur == * Christopher Foss: ''Jane’s Armour & Artillery 2009–2010'', Jane’s Information Group Inc, ISBN 9780710628824 * Michael Green/Greg Stewart: ''M1 Abrams at War'', Zenith Press, ISBN 978-0-7603-2153-9 * Rolf Hilmes: ''Kampfpanzer heute und morgen: Konzepte – Systeme – Technologien'', Motorbuch Verlag 2007, ISBN 978-3-613-02793-0 * Carl Schulze: Tankograd American Special No. 3009, ''M1A1/M1A2 SEP Abrams TUSK'', Tankograd Publishing - Verlag Jochen Vollert * Steven Zaloga: ''M1 Abrams vs. T-72 Ural'', Osprey Publishing, ISBN 978-1-84603-407-7 == Weblinks == {{Commons|M1 Abrams}} * [http://www.army.mil/factfiles/equipment/tracked/abrams.html US Army M1 Abrams Fact file] (englisch) * [http://www.gdls.com/programs/abrams.html Offizielle Seite des Herstellers] (englisch) * [http://www.globalsecurity.org/military/systems/ground/m1-intro.htm ''M1 Details'' – Ausführliche Seite zum M1] (englisch) * [http://fprado.com/armorsite/abrams.htm ''The Armor Site'' – Ausführliche Seite zum M1 ''Abrams''] (englisch) * [http://www.baseops.net/militarybooks/army_tanks.html Überblick über den Status des ''Abrams'' als Beschaffungsprogramm] == Einzelnachweise == <references/> {{SORTIERUNG:M0001 Abrams}} [[Kategorie:Kampfpanzer]] [[Kategorie:US-amerikanisches Militärfahrzeug]] [[Kategorie:Fahrzeug mit Gasturbinenantrieb]] [[Kategorie:Militärtechnik02]] {{Exzellent|26. Dezember 2009|68233738}} {{Link FA|hu}} [[ar:إم1 أبرامز]] [[be:Абрамс, танк]] [[bg:М1 Ейбрамс]] [[ca:M1 Abrams]] [[cs:M1 Abrams]] [[da:M1 Abrams]] [[en:M1 Abrams]] [[es:M1 Abrams]] [[fi:M1 Abrams]] [[fr:Char M1 Abrams]] [[he:M1 אברהמס]] [[hr:M1 Abrams]] [[hu:M1 Abrams]] [[id:M1 Abrams]] [[it:M1 Abrams]] [[ja:M1エイブラムス]] [[ka:M1 Abrams]] [[ko:M1 에이브람스]] [[lb:M1 Abrams]] [[lt:M1 Abrams]] [[mk:M1 Abrams]] [[ms:M1 Abrams]] [[nl:M1 Abrams]] [[no:M1 Abrams]] [[pl:M1 Abrams]] [[pnb:ایم 1 ایبرم]] [[pt:M1 Abrams]] [[ru:Абрамс (танк)]] [[simple:M1 Abrams]] [[sk:M1 Abrams]] [[sl:M1 Abrams]] [[sr:М1 Абрамс]] [[sv:M1 Abrams]] [[th:เอ็ม1 เอบรามส์]] [[tr:M1 Abrams]] [[vi:M1 Abrams]] [[zh:M1艾布蘭]] lcpx42dn4fyxvoxf4vu11rff11srurv wikitext text/x-wiki Alma Mahler-Werfel 0 23879 26475 2010-03-31T22:25:29Z Hannes Röst 0 gemaess quelle der ip [[Datei:Alma_1900.jpg|thumb|Alma Schindler, um 1900]] '''Alma Maria Mahler-Werfel''' (geb. Schindler, * [[31. August]] [[1879]] in [[Wien]]; † [[11. Dezember]] [[1964]] in [[New York City|New York]], [[New York (Bundesstaat)|N.Y.]]) war eine [[Salonière]] der Kunst-, Musik- und Literaturszene in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Bereits als Jugendliche war sie eine bekannte Schönheit und Gesellschaftsdame. Von ihrem eigenen musikalischen Schaffen sind nur einige Kunstlieder erhalten. Als Gastgeberin [[Literarischer Salon|künstlerischer Salons]] scharte sie in Wien wie New York Künstler und Prominente um sich. Mahler-Werfel wurde vielfach porträtiert und musikalisch verewigt. Als [[Femme Fatale]] beschrieben und begehrt, war sie Ehefrau des Komponisten [[Gustav Mahler]], des Architekten [[Walter Gropius]] und des Dichters [[Franz Werfel]] sowie Gefährtin des Malers [[Oskar Kokoschka]] und weiterer prominenter Männer. == Überblick == Alma Maria Mahler-Werfel selbst war nur in ihrer Jugend künstlerisch aktiv, von ihren Kompositionen sind nur siebzehn [[Lied]]er erhalten. Während ihres Lebens begleitete sie jedoch bedeutende Künstler auf deren Lebensweg und war einer Reihe von europäischen und US-amerikanischen Kunstschaffenden in Freundschaft verbunden, darunter [[Leonard Bernstein]], [[Benjamin Britten]], [[Franz Theodor Csokor]], [[Eugen d’Albert]], [[Lion Feuchtwanger]], [[Wilhelm Furtwängler]], [[Gerhart Hauptmann]], [[Hugo von Hofmannsthal]], [[Max Reinhardt]], [[Carl Zuckmayer]], [[Eugene Ormandy]], [[Maurice Ravel]], [[Otto Klemperer]], [[Hans Pfitzner]], [[Heinrich Mann]], [[Thomas Mann]], [[Alban Berg]], [[Erich Maria Remarque]], [[Franz Schreker]], [[Bruno Walter]], [[Richard Strauss]], [[Igor Strawinsky]] und [[Arnold Schönberg]]. Der Maler [[Gustav Klimt]] machte ihr den Hof, als sie erst 17 Jahre alt war. Mit dem [[Komponist]]en [[Alexander von Zemlinsky]] hatte sie eine Liebesaffäre, bis sie sich entschied, den wesentlich älteren Komponisten und [[Wiener Hofoper|Wiener Operndirektor]] [[Gustav Mahler]] zu heiraten. Noch zu Lebzeiten Mahlers hatte sie eine Affäre mit dem [[Bauhaus]]-Architekten [[Walter Gropius]], den sie nach Mahlers Tod und einer heftigen [[Liebesbeziehung|Liaison]] mit dem Maler [[Oskar Kokoschka]] heiratete. Nach der [[Scheidung]] von Gropius wurde sie die Ehefrau des [[Schriftsteller]]s [[Franz Werfel]], mit dem sie gemeinsam in die [[USA]] auswanderte. Ihr Leben hat sie in der [[Autobiografie]] ''Mein Leben'' geschildert. Das Urteil über ihre Persönlichkeit fällt sehr unterschiedlich aus. Sie selbst hat sich zur schöpferischen [[Muse (Beziehung)|Muse]] stilisiert, und einige ihrer Zeitgenossen teilen dieses Urteil. [[Klaus Mann]] verglich sie mit den intellektuellen Musen der deutschen [[Romantik]] und den ''stolzen und brillanten Damen des französischen grand siècle'' <ref name="Seeleb"> Klaus Mann in ''Der Wendepunkt'', 1949 zitiert nach Astrid Seele: ''Alma Mahler-Werfel, S. 140</ref>. Andere sehen in ihr eine herrschsüchtige, materialistische, antisemitische und sexbesessene [[Femme fatale]], die ihre prominenten Lebensgefährten ausnutzte. Die Schriftstellerin [[Gina Kaus]] erklärte, „''sie war der schlechteste Mensch, den ich gekannt habe''“, [[Claire Goll]] schrieb, „''wer Alma Mahler zur Frau hat, muss sterben''“ und Almas Freundin Marietta Torberg meinte: „''Sie war eine große Dame und gleichzeitig eine Kloake''.“ Der umstrittene Alma-Biograf [[Berndt W. Wessling]] bezeichnete sie als „''eine der exzentrischsten, weiblichsten, intelligentesten Frauen ihrer Zeit, eine Persönlichkeit von so komplexer Natur, dass sie zu einer symbolischen Gestalt in der Geschichte dieses Jahrhunderts wurde''“<ref name="Wessling">Berndt W. Wessling: ''Alma – Gefährtin von Gustav Mahler, Oskar Kokoschka, Walter Gropius, Franz Werfel'', S. 7 </ref>. == Leben == === Die frühen Jahre === [[Datei:Alma 1893 grete mutter.jpg|thumb|250px|right|Alma (links) mit ihrer Mutter und ihrer Halbschwester Grete (1893)]] Alma war die Tochter des Wiener Landschaftsmalers [[Emil Jakob Schindler]] und der zur Sängerin ausgebildeten Anna Sofie Schindler, geborene Bergen. Zum Zeitpunkt der Hochzeit am 4. Februar 1879 war Anna Schindler bereits im dritten Monat mit ihrer Tochter schwanger. Die Ehe begann in sehr beengten Verhältnissen. Das Ehepaar musste sich seine Wohnung mit Schindlers Künstlerkollegen [[Julius Victor Berger]] teilen, mit dem Anna Schindler nach der Geburt von Alma ein Verhältnis begann. Berger ist mit großer Wahrscheinlichkeit der Vater von Almas Schwester Margarethe Julie, die am 16. August 1880 zur Welt kam. Im Februar 1881 wurde Schindler mit einem Künstlerpreis ausgezeichnet, der die beengten finanziellen Verhältnisse der Familie beendete. Dem Preis folgten eine Reihe von Aufträgen und Bildverkäufen, so dass die Familie es sich erlauben konnte, das Landgut Schloss Plankenberg vor den Toren Wiens anzumieten. Die Familie zog im Frühjahr 1885 auf das Landgut um, zu dem neben dem aus 12 Zimmern bestehenden Haus auch ein 1.200 Hektar großer, verwahrloster Park gehörte. Durch einen Auftrag von [[Rudolf von Österreich-Ungarn|Kronprinz Rudolf]] im Jahre 1887 war Schindler mittlerweile einer der bedeutendsten Künstler der k.u.k.-Monarchie. Im selben Jahr wurde er zum [[Ehrenmitglied]] der [[Wien]]er [[Akademie der bildenden Künste Wien|Akademie der bildenden Künste]], weitere Preise und Auszeichnungen folgten. Almas Mutter hatte zwar die Liaison mit Berger beendet, nachdem Schindler diese entdeckt hatte. Sie begann jedoch ein neues Verhältnis mit [[Carl Moll]], einem Schüler und Assistenten ihres Mannes, das über mehrere Jahre bestand und das Schindler verborgen blieb. Almas [[Biografie|Biograf]] [[Oliver Hilmes]] sieht in diesem von Heimlichkeiten und Verleugnung geprägten Familienleben die Ursache für die [[Psyche|psychische]] Disposition der beiden Schindler-Töchter. Auch das besonders enge Verhältnis von Schindler zu seiner älteren Tochter sieht Hilmes hierin begründet <ref name="Hilmes">Oliver Hilmes: ''Witwe im Wahn‘‘, S. 34</ref>. Alma leistete ihrem Vater über Stunden im Atelier Gesellschaft. Schindler förderte sowohl ihre musikalische Begabung als auch ihr Interesse für Literatur. Eine formale Erziehung erhielten beide Töchter jedoch nicht. Im Winterhalbjahr besuchten sie in Wien die Schule, während des Sommers erteilte die Mutter oder ein Hauslehrer den Töchtern Unterricht. Schindler starb am 9. August 1892 an den Folgen einer verschleppten [[Blinddarmentzündung]]. Alma war zu diesem Zeitpunkt 13 Jahre alt. Das Verhältnis zwischen Carl Moll und Anna Sofie Schindler (née Bergen) bestand auch die nächsten Jahre heimlich fort. Sie heirateten erst am 3. November 1895. Alma empfand die Heirat als Verrat an ihrem verstorbenen Vater. Auch auf die Geburt ihrer Halbschwester Maria am 9. August 1899 reagierte sie mit starker Ablehnung – sie fühlte sich von ihrer Familie vernachlässigt<ref name="Seele">Seele: ''Alma Mahler-Werfel, S. 16 </ref>. ==== Die Wiener Sezession ==== [[Datei:Alma Schindler.jpg|thumb|Alma Schindler, um 1900]] Carl Moll gehörte der [[Wiener Sezession]] an. Viele Wiener Künstler verkehrten daher im Hause des Ehepaars Moll. Zu den Gästen der Familie zählten [[Schriftsteller]], [[Malerei|Maler]] und [[Architekt]]en wie [[Max Burckhard]], [[Gustav Klimt]], [[Joseph Maria Olbrich]], [[Josef Hoffmann (Architekt)|Josef Hoffmann]], [[Wilhelm List (Maler)|Wilhelm List]] und [[Koloman Moser]]. Alma lernte die meisten von ihnen gut kennen, weil sie zumindest an den Abendessen mit diesen berühmten Wienern teilnehmen durfte <ref name="Alma2">Alma Mahler-Werfel: ''Mein Leben'', S. 22 </ref>. Max Burckhard, Direktor des Wiener [[Burgtheater]]s, sandte ihr unter anderem Theaterkarten zu, besprach mit ihr einzelne Aufführungen und förderte wie früher ihr Vater ihr Interesse an der Literatur. Gustav Klimt war jedoch derjenige, der besonderes Gefallen an der damals Siebzehnjährigen fand. Wenn auch ihr Stiefvater und ihre Mutter sich bemühten, eine Beziehung zwischen den beiden zu verhindern, hielt das Interesse Klimts an ihr über mehrere Monate an <ref name="Alma">Alma Mahler-Werfel: ''Mein Leben'', S. 22</ref>. Als während einer gemeinsamen Reise der Familie nach Norditalien, an der auch Klimt teilnahm, Klimt sie küsste und ihr Stiefvater davon erfuhr, zwang er seinen Freund und Künstler-Kollegen zur Abreise. Klimt, der für seinen freizügigen Lebenswandel bekannt war und zum Zeitpunkt seines Todes Vater von mindestens vierzehn unehelichen Kindern war, versprach Moll, sich in Zukunft von Alma fern zu halten. Sie habe ihm halt gefallen, ''wie uns Malern eben ein schönes Kind gefällt'' <ref name="Hilmes1">Oliver Hilmes: ''Witwe im Wahn'', S. 42 </ref>. Während Alma Schindlers Schulausbildung eher unsystematisch war, erhielt sie eine gründliche musische Ausbildung. [[Adele Radnitzky-Mandlick]] unterrichtete sie im [[Klavier]]spiel; Alma Schindler erarbeitete sich ein umfangreiches und bemerkenswertes [[Repertoire]]. Zu den von ihr häufig gespielten Komponisten zählte [[Franz Schubert]] und der Lieblingskomponist ihres Vaters, [[Robert Schumann]]. Besonders vertraut war sie mit der Musik von [[Richard Wagner]]. Seit 1895 hatte sie außerdem Kompositionsunterricht bei dem blinden Wiener [[Organist]]en und Komponisten [[Josef Labor]] erhalten. ==== Alexander von Zemlinsky ==== [[Datei:Zemlinsky.jpg|thumb|[[Alexander von Zemlinsky]]]] Ab 1900 nahm Alma Schindler neben dem Unterricht bei Josef Labor Kompositionsunterricht von [[Alexander von Zemlinsky]]. Der damals 29-jährige war gerade Kapellmeister am Wiener [[Carltheater]] geworden und galt als eine der großen Hoffnungen der Wiener Musikszene. Er machte ihr unmissverständlich klar, wie wenig fortgeschritten sie auf diesem Gebiet war und teilte ihr angesichts der ersten vorgelegten Kompositionen mit, dass diese so viele Fehler enthielten, dass ihm der Kopf schmerze. Er machte ihr auch deutlich, wie viel konsequentes Arbeiten Komponieren bedeute: {{Zitat|Entweder Sie componieren oder Sie gehen in Gesellschaften – eines von beiden. Wählen Sie aber lieber das, was Ihnen näher liegt – gehen Sie in Gesellschaften.<ref name="Hilmes2"> zit. n. Oliver Hilmes: ''Witwe im Wahn'', S. 47</ref>}} Obwohl sie ihn anfänglich als physisch abstoßend empfand - sie bezeichnete ihn unter anderem als kleinen, hässlichen Gnom<ref name="Alma5">Alma Mahler-Werfel: ''Mein Leben'', S. 24 </ref> - , verliebte sie sich bald in den jungen Komponisten und er erwiderte ihre Gefühle. Die Familie und die Freunde der Familie fanden die Liaison mit dem aus einer jüdischen Familie stammenden Zemlinsky dagegen unpassend und versuchten, sie ihr auszureden <ref name="Alma1">Alma Mahler-Werfel: ''Mein Leben'', S. 25f </ref>. Alma selbst erlebte ein Wechselbad von Gefühlen. Pathetische Liebesbekundungen und teils bizarre Tagebucheintragungen (''Alex – mein Alex. Dein Weihebecken will ich sein. Gieß deinen Überfluß in mich'', Tagebuch vom 24. September 1901 <ref name="Hilmes3"> zit. nach Oliver Hilmes: ''Witwe im Wahn'', S. 51 </ref>) wechselten mit Demütigungen und Quälereien gegenüber Zemlinsky, der sich zum damaligen Zeitpunkt noch am Anfang seiner Karriere befand. Vor einer Ehe mit Zemlinsky schreckte sie jedoch auch zurück, weil sie nicht die Mutter von Kindern jüdischer Abstammung werden wollte. === Gustav Mahler === ==== Die Begegnung mit Mahler ==== [[Datei:Gustav Mahler 1909.jpg|thumb|right|[[Gustav Mahler]], 1909]] Bei einer Abendgesellschaft von [[Bertha Zuckerkandl]] am 7. November 1901 begegnete Alma Schindler dem Komponisten, gefeierten [[Dirigent]]en und Direktor der [[Wiener Hofoper]] [[Gustav Mahler]]. Mahler verliebte sich offenbar an diesem Abend in die sehr selbstsichere junge Frau, die ihm während des Abends unter anderem erläuterte, dass sie das von ihm zur Aufführung gebrachte [[Ballett]] von [[Josef Bayer (Komponist)|Josef Bayer]] für ein dümmliches Stück halte. Bereits am 28. November machte Mahler ihr einen Heiratsantrag, wies allerdings auch darauf hin, dass es nicht einfach sein würde, mit ihm verheiratet zu sein. Alma Schindlers Familie versuchte ihr auch diese Verbindung auszureden. Der neunzehn Jahre ältere Mahler sei zu alt für sie, er sei verarmt und unheilbar krank, hielt ihr unter anderem ihr Stiefvater Carl Moll vor. Klimt und Burckhard wiesen auf die jüdische Abstammung des zum [[Katholizismus]] übergetretenen Mahlers hin. Anders als bei Zemlinsky störte sie diese hier jedoch nicht. Alma Schindler war zu diesem Zeitpunkt noch mit Zemlinsky liiert. Die Aussprache mit Zemlinsky schob sie allerdings vor sich her. Erst am 12. Dezember schrieb sie an ihn, dass eine andere Liebe ihn verdrängt habe. Zur selben Zeit schickte ihr Mahler, der anlässlich der Aufführung seiner 4. Sinfonie in [[Berlin]] weilte, zärtliche Liebesbriefe. Ihre Tagebucheinträge aus dieser Zeit zeigen allerdings auch Unsicherheit. Sie störte der Geruch seines Körpers und sein Singen. Seine Musik war ihr unverständlich: {{Zitat|Er hält von meiner Kunst gar nichts – von seiner viel – und ich halte von seiner Kunst gar nichts und von meiner viel. So ist es! Nun spricht er [Mahler] fortwährend von dem Behüten seiner Kunst. Das kann ich nicht. Bei Zemlinsky wärs gegangen, denn dessen Kunst empfinde ich mit – das ist ein genialer Kerl. (Tagebuchsuiten, 19. Dezember 1901)}} Auch Mahler äußerte in den Briefen an seine Schwester Justine Zweifel, ob es richtig sei, eine so junge Frau an sich zu binden. Aus Dresden schrieb er seiner Braut einen zwanzigseitigen Brief, in dem er ihr darlegte, wie er sich ihr zukünftiges gemeinsames Leben vorstellte. {{Zitat|Wie stellst du dir so ein componierendes Ehepaar vor? Hast du eine Ahnung, wie lächerlich und später herabziehend vor uns selbst, so ein eigenthümliches Rivalitätsverhältnis werden muß? Wie ist es, wenn du gerade in ‚Stimmung‘ bist, und aber für mich das Haus, oder was ich gerade brauche, besorgen, wenn Du mir, wie Du schreibst, die Kleinigkeiten des Lebens abnehmen sollst? ... Aber dass Du so werden mußt, wie ich es brauche, wenn wir glücklich werden sollen, mein Eheweib und nicht mein College – das ist sicher! Bedeutet dies für Dich einen Abbruch Deines Lebens und glaubst Du auf einen Dir unentbehrlichen Höhpunkt des Seins verzichten zu müssen, wenn Du Deine Musik ganz aufgibst, um die Meine zu besitzen, und auch zu sein? (Brief vom 19. Dezember 1901)}} Er machte ihr auch deutlich, dass jetzt noch die Möglichkeit zur Umkehr bestünde, wenn sie sich das nicht zumuten könnte. Alma Schindlers damalige Reaktionen auf den Brief lassen sich nicht mehr rekonstruieren. Am 23. Dezember verlobten sie sich. Am 9. März 1902 heirateten sie in der Wiener [[Wiener Karlskirche|Karlskirche]]. Es war eine kleine Hochzeit, weil Mahler jeglichen gesellschaftlichen Aufwand vermeiden wollte. Anwesend waren außer dem Hochzeitspaar nur [[Carl Moll]] und [[Arnold Rosé]], der Schwager von Mahler, die als [[Trauzeuge]]n fungierten. ==== Die Ehejahre ==== [[Datei:Wien Opernhaus um 1900.jpg|thumb|250px|Wiener Hofoper um 1900|Intrigen an der Wiener Oper vertrieben Mahler nach New York]] Sowohl Mahlers Freunde als auch viele aus dem weiteren Bekanntenkreis reagierten verständnislos auf diese Eheschließung. [[Bruno Walter]], der damals Kapellmeister an der Wiener Hofoper war, schrieb in einem Brief an seine Eltern: {{Zitat|Er [Mahler] ist 41 und sie 22, sie eine gefeierte Schönheit, gewöhnt an ein glänzendes gesellschaftliches Leben, er so weltfern und einsamkeitsliebend; und so könnte man noch eine Menge von Bedenken anführen…'' <ref name="Seele1">Seele: ''Alma Mahler-Werfel'', S. 49 </ref>}} Tatsächlich war Alma wie viele ihrer Zeitgenossinnen aus dem gehobenen Bürgertum auf eine Ehe schlecht vorbereitet. Weder Haushaltsführung noch der Umgang mit Dienstboten waren der 22-Jährigen vertraut. Sie selber bezeichnete in ihren Erinnerungen ihre finanzielle Situation zu Beginn ihrer Ehe als beengt; sie habe allein einen Schuldenberg von 50.000 Kronen vorgefunden. Angesichts von Mahlers Jahresgehalt an der Wiener Hofoper von 26.000 Kronen (etwa 104.000 Euro Gegenwert im Jahre 2004), zu dem noch die Einnahmen aus Gastdirigaten und [[Tantieme]]n aus dem Verkauf seiner Werke hinzukamen, ist diese finanziell angespannte Situation schwer nachzuvollziehen. Zum Haushalt des Ehepaares gehörten unter anderem zwei Dienstmädchen und eine englische Gouvernante für die am 2. November 1902 geborene Tochter Maria. Für 1905 ist belegt, dass ihr Mahler ein monatliches Haushaltsgeld von 1.000 Kronen (etwa 4.000 Euro Gegenwert im Jahre 2004) zur Verfügung stellte. Oliver Hilmes hat in seiner Biografie deswegen die These aufgestellt, dass die angespannte finanzielle Lage zur Legendenbildung gehört, mit der Alma Mahler-Werfel gegenüber der Nachwelt begründen wollte, warum sie ihren Ehemann so häufig nicht auf seinen Konzertreisen begleitete. [[Datei:Alma 1906 anna maria.jpg|thumb|250px|Alma Mahler mit ihren beiden Töchtern Anna und Maria (1906)]] Das Zusammenleben mit Mahler verlief anders, als sie es von dem abwechslungsreichen und geselligen Leben in ihrem Elternhaus gewöhnt war. Mahler mied Gesellschaften und legte großen Wert auf einen sehr geregelten Tagesablauf, um sein großes Arbeitspensum zu bewältigen. Aus ihren Tagebucheinträgen wird deutlich, dass Alma Mahler sich in diesem Eheleben vereinsamt fühlte, sich langweilte und zur Haushälterin degradiert sah <ref name="Alma11">Alma Mahler-Werfel: ''Mein Leben'', S. 30 ff </ref>. Das Gefühl der inneren Leere änderte sich auch nicht mit der Geburt der zweiten Tochter [[Anna Mahler|Anna Justina]], die am 15. Juni 1904 zur Welt kam. Mit Wissen und Billigung von Gustav Mahler hatte Alma sich zumindest regelmäßig im Frühjahr 1904 mit Zemlinsky getroffen, um mit ihm gemeinsam zu musizieren. Allerdings hielt diese Zusammenarbeit nicht lange an. Im Frühjahr 1906 schrieb Zemlinsky ihr, wie sehr er das Musizieren mit ihr vermisse. Abgelehnt hatte er jedoch, ihr wieder Unterricht zu geben. Mahler vermisste in seiner Frau die Gefährtin, die mit ihm sein Leben teilte. Der Bruch mit ihr verstärkte sich, als sie sich auf einen heftigeren Flirt mit seinem Kollegen [[Hans Pfitzner]] einließ <ref name="Alma6">Alma Mahler-Werfel: ''Mein Leben'', S. 33 </ref>. Am Morgen des 12. Juli 1907 verstarb die älteste Tochter der Mahlers nach einem sehr heftigen Krankheitsverlauf an [[Diphtherie]]. Der Tod der kleinen Maria, der zeitlich mit einer Herzfehler-Diagnose bei Mahler zusammentraf, bedeutete in Mahlers Leben eine Zäsur und verstärkte außerdem den Bruch zwischen den Eheleuten. Um über den Tod ihrer Tochter hinwegzukommen, begab Alma Mahler sich zur Kur, während Mahler in [[Helsinki]] und [[Sankt Petersburg]] auf Konzertreise war. Seit Januar 1907 war Mahler in der Wiener Presse wiederholt heftig wegen seines Führungsstils als Leiter der Wiener Hofoper angegriffen worden. Dies führte zu einem Rückzug aus dem Wiener Musikleben und zu einer verstärkten Tätigkeit in den USA. Im Dezember 1907 begann für Mahler ein Engagement am Manhattan Opera House und Alma begleitete ihn für den viermonatigen Aufenthalt nach New York. Während Mahler mit der Aufführung von [[Richard Wagner]]s [[Tristan und Isolde (Oper)|Tristan und Isolde]] seinen ersten großen Erfolg in New York feierte, fühlte sie sich einsam und isoliert. Erst am Ende des Aufenthalts lernten sie [[Joseph Fraenkel]] kennen, der für sie beide zum engen Freund wurde. Die Freundschaft festigte sich während des zweiten Aufenthalts in New York, der von November 1908 bis April 1909 währte. In den 6 Monaten, die das Ehepaar in Europa verbrachte, befand sich Alma Mahler meistens in Kur und lebte von ihrem Mann getrennt. Aus den Briefen Gustav Mahlers kann man schließen, dass Alma in dieser Zeit mindestens eine Fehlgeburt erlitt oder eine [[Schwangerschaftsabbruch|Abtreibung]] vornehmen ließ. Nach dem dritten Aufenthalt in New York, der von November 1909 bis April 1910 währte, begab sie sich mit ihrer fünfjährigen Tochter und deren Gouvernante nach [[Tobelbad]], einem kleinen, in Mode gekommenen Kurort in der [[Steiermark]]. Auch [[Walter Gropius]], zu dem Zeitpunkt noch ein weitgehend unbekannter [[Architekt]], befand sich dort zur Kur. Im Juni 1910 begann sie mit ihm eine Affäre, hinter die Mahler bereits wenige Wochen später kam, als ihm ein Liebesbrief von Gropius in die Hände fiel. Gropius hatte den Brief an Gustav Mahler adressiert – aus Versehen, wie er später gegenüber dem Mahler-Forscher [[Henry-Louis de La Grange]] formulierte. [[Datei:Alma 1906 toblach maria.jpg|thumb|250px|Alma Mahler mit ihrer Tochter Maria in [[Toblach]] (1906)]] Als die Ehe nach der Begegnung mit Walter Gropius in eine Krise stürzte, wurde Mahler empfohlen, [[Sigmund Freud]] aufzusuchen, der ihn im August 1910 im niederländischen Kurbad [[Leiden (Stadt)|Leyden]] für vier Stunden empfing. Gegenüber seiner Schülerin [[Marie Bonaparte]] äußerte sich Freud zu seiner Diagnose: {{Zitat|Mahlers Frau Alma liebte ihren Vater Rudolf Schindler und konnte nur diesen Typus suchen und lieben. Mahlers Alter, das er so fürchtete, war gerade das, was ihn seiner Frau so anziehend machte. Mahler liebte seine Mutter und hat in jeder Frau deren Typus gesucht. Seine Mutter war vergrämt und leidend, und dies wollte er unterbewußt auch von seiner Frau Alma.<ref>http://www.alma-mahler.at/deutsch/almas_life/freud.html www.alma-mahler.at</ref>}} Mahler begann sich nun intensiv um die Zuneigung seiner Frau zu bemühen. Er widmete ihr seine 8. Sinfonie, die in dieser Zeit in München zur Uraufführung kam und sein größter musikalischer Triumph wurde. Fünf der von ihr komponierten Lieder ließ er noch im selben Jahr drucken und in Wien und in New York uraufführen. Kurz vor der erneuten Reise nach New York reiste Alma jedoch nach Paris, um sich dort noch einmal mit Gropius zu treffen, bevor sie ihren Mann für mehrere Monate in die USA begleiten würde. Auch aus New York versicherte sie Gropius brieflich immer wieder, wie sehr sie ihn liebe. Darin fand sie bei ihrer Mutter Anna Moll Unterstützung, die an Gropius warmherzige Briefe schrieb, ihn um Verständnis bat, dass Alma Gustav Mahler jetzt nicht verlassen könne und darauf hinwies, dass sowohl Alma als auch Gropius noch jung seien und warten könnten. Inwieweit bei der Familie von Alma Mahler angesichts des festgestellten Herzfehlers die Erwartung bestand, dass Mahler nicht mehr lange zu leben habe, ist heute nicht mehr zu rekonstruieren. Mahler erkrankte auf der letzten USA-Reise schwer. Am 21. Februar 1911 dirigierte er trotz Fiebers ein langes und anstrengendes Konzert mit Werken von Leone Sinigaglia, [[Felix Mendelssohn Bartholdy]], Giuseppe Martucci, Marco Bossi und Ferruccio Busoni. Als sich sein Zustand auch in den nächsten Tagen nicht besserte, stellten die Ärzte eine langsam fortschreitende [[Endokarditis|Herzinnenhautentzündung]] fest. Für diese gab es Anfang des 20. Jahrhunderts kaum Behandlungsmöglichkeiten. Um Spezialisten vom Pariser [[Institut Pasteur]] konsultieren zu können, reiste Alma Mahler gemeinsam mit ihrem Mann zurück nach Europa. Auch die französischen Ärzte konnten allerdings nur die Diagnose der amerikanischen Kollegen bestätigen. Ein aus Wien hinzugezogener Arzt empfahl Alma, ihren Mann noch nach Wien zurückzubringen. Am Abend des 12. Mai erreichte man Wien. Wenige Tage später, am 18. Mai 1911, erlag Gustav Mahler seiner Krankheit. ==== Trauerzeit ==== Obwohl nach dem Tod von Mahler nichts mehr dagegen gesprochen hätte, ihre Beziehung zu Gropius fortzusetzen und zu intensivieren, brach Alma Mahler die Beziehung zu Gropius ab. In seinen Briefen an sie hatte Walter Gropius sich schockiert darüber geäußert, dass es trotz der Treueschwüre ihm gegenüber zwischen Alma und Gustav Mahler kurz vor dessen Tode noch zu Geschlechtsverkehr gekommen war. Einem möglichen Wiedersehen im September 1911 ging er aus dem Weg. Bei einem Treffen im Dezember desselben Jahres kam es zu Spannungen zwischen den beiden, die ihre Beziehung noch weiter abkühlen ließen. In Wien wurde Alma, dank der Witwenpension und dem Erbe Mahlers eine wohlhabende Frau mit beträchtlichem Vermögen, heftig umworben. Im Herbst 1911 hatte sie ein kurzes Verhältnis mit dem Komponisten [[Franz Schreker]]<ref name="Alma7">Alma Mahler-Werfel: ''Mein Leben'', S. 47f </ref>. Auch Joseph Fraenkel, der in New York mit dem Ehepaar Mahler befreundet war, kam nach Wien und hielt um Almas Hand an. In ihrem Tagebuch bezeichnete sie ihn als armes, krankes, ältliches Männlein, das nur mit seiner schweren Darmkrankheit beschäftigt sei <ref name="Alma8">Alma Mahler-Werfel: ''Mein Leben'', 43</ref>. Sie lehnte den Heiratsantrag ab. Mehr Aufmerksamkeit brachte sie dem [[Biologe]]n [[Paul Kammerer]] entgegen, der Mahler sehr verehrt hatte und der es Alma Mahler zuschrieb, dass Gustav Mahler als Komponist so erfolgreich war. Er bot der in keiner Weise dafür ausgebildeten Alma Mahler eine Stellung als Assistentin in seinem Institut an. Nach ihren eigenen Angaben arbeitete Alma Mahler tatsächlich für mehrere Monate an seinen Experimenten an [[Gottesanbeterinnen]] und [[Geburtshelferkröte]]n mit. Die Verehrung, die der verheiratete Kammerer Alma Mahler entgegenbrachte, nahm allerdings immer exzentrischere Formen an. Kammerer drohte unter anderem, sich am Grabe Mahlers zu erschießen, wenn sie seine Liebe nicht erwidere. Im Frühjahr 1912 beendete sie ihre Mitarbeit im Institut <ref name="Alma9">Alma Mahler-Werfel: ''Mein Leben'', 45-47</ref>. Bei Almas Halbschwester Margarethe Julie – von Alma zu dieser Zeit noch als Tochter ihres Vaters [[Emil Jakob Schindler]] angesehen – wurde zur selben Zeit [[Dementia praecox]] diagnostiziert. Anna Moll redete ihrer Tochter ein, die [[Diphtherie]]erkrankung des Vaters sei die Ursache von Margarethe Julies Geisteskrankheit. Dies löste bei Alma Mahler über Jahre die Sorge aus, ebenfalls geisteskrank zu werden. Erst 1925 entdeckte sie, dass der Vater von Margarethe Julie Julius Victor Berger war. In Alma Mahlers Tagebüchern wird die erst 1942 in einem Sanatorium verstorbene Halbschwester danach nicht mehr erwähnt. === Die Affäre mit Oskar Kokoschka === [[Datei:Netherlands-Scheveningen-beach-1900.jpg|thumb|right|200px|Strand von [[Scheveningen]] um 1900 - Während ihrer Beziehung zu Oskar Kokoschka hielt sich Alma Mahler wiederholt in dem mondänen Badeort auf.]] Almas Stiefvater Carl Moll gehörte zu den Förderern des [[Expressionismus|expressionistischen]] Malers [[Oskar Kokoschka]]. Er beauftragte ihn unter anderem, ein Porträt seiner Stieftochter anzufertigen. Noch während des Abendessens am 12. April 1912, bei dem Carl Moll ihm Alma Mahler vorstellte, verliebte sich Kokoschka in die Witwe: {{Zitat|Wie schön sie war, wie verführerisch hinter ihrem Trauerschleier! Ich war verzaubert von ihr! Und ich hatte den Eindruck, dass ich ihr auch nicht ganz einerlei war. Nach dem Abendessen hat sie mich sogar beim Arm genommen und mich in ein Nebenzimmer gezogen, wo sie sich hinsetzte und mir den „Liebestod“ vorspielte.<ref name="Weidinger">Alfred Weidinger: ''Kokoschka und Alma Mahler'', S. 7</ref>}} Bereits zwei Tage später sandte Kokoschka ihr den ersten Liebesbrief, dem noch vierhundert weitere folgen sollten. Die Affäre zwischen den beiden war sehr stark von der [[Eifersucht]] Kokoschkas geprägt. Alma Mahler bezeichnete die Beziehung im Rückblick als dreijährigen Liebeskampf. (''Niemals zuvor habe ich so viel Krampf, so viel Hölle, so viel Paradies gekostet.'') Die Eifersucht Kokoschkas galt nicht nur den Männern, denen sie begegnete, sondern auch dem verstorbenen Gustav Mahler. In den Briefen, die Kokoschka Alma schrieb, während sie sich im Mai 1912 in [[Scheveningen]] aufhielt, beschwor er sie, all ihr Denken nur auf ihn zu richten. Wenn sie in Wien war, wachte er gelegentlich vor ihrer Wohnung, um sicherzustellen, dass sie keine männlichen Besucher empfing<ref name="Alma10">Alma Mahler-Werfel: ''Mein Leben'', S. 50</ref> . Nach ihrer zweiten Reise nach Scheveningen im Sommer 1912 verlangte er von ihr, sich gesellschaftlich völlig zurückzuziehen und einzig für ihn da zu sein. Ähnlich wie bei Mahler zuvor waren Kokoschkas Freunde von der Beziehung mit Alma wenig angetan. [[Adolf Loos]], der zum engen Freundeskreis Kokoschkas zählte, warnte ihn wiederholt vor ihrem schlechten Einfluss. Auch Kokoschkas Mutter war entschieden gegen die Verbindung. Kokoschka dagegen unternahm Anstrengungen, Alma Mahler zu einer Eheschließung zu überreden. Alma Mahler war vermutlich bereits im Juli 1912 von Kokoschka schwanger. Im Oktober ließ sie jedoch das Kind abtreiben. Den Schmerz, den Alma ihm mit der Abtreibung des gemeinsamen Kindes zufügte, verarbeitete er 1913 in den beiden Studien ''Alma Mahler mit Kind und Tod'' und ''Alma Mahler spinnt mit Kokoschkas Gedärmen'', die heute in der [[Sammlung Essl]] in [[Klosterneuburg]] zu sehen sind <ref name="Weidinger1">Alfred Weidinger: ''Kokoschka und Alma Mahler'' </ref> . Mit Walter Gropius stand Alma nach wie vor in Briefkontakt. Über ihr Verhältnis mit Kokoschka hatte sie ihn jedoch im Unklaren gelassen. Gropius sah jedoch 1913 Kokoschkas Gemälde ''Doppelbildnis Oskar Kokoschka und Alma Mahler'', das 1913 auf der 26. Ausstellung der [[Berliner Secession]] zu sehen war (heute [[Museum Folkwang]], [[Essen]]). Alma ist auf diesem Gemälde in einem roten Schlafanzug dargestellt und reicht Oskar Kokoschka die Hände wie zu einem Verlöbnis. Der Briefkontakt mit Gropius kam daraufhin im Laufe des Jahres 1913 vollständig zum Erliegen. Auch mit Kokoschka wurde das Verhältnis immer kühler. Den wiederholten Versuchen Kokoschkas, sie zur Heirat zu bewegen, entzog Alma sich regelmäßig durch lange Reisen in Begleitung von [[Lilly Lieser]], einer ihrer wenigen weiblichen Freunde. Kokoschka schuf jedoch noch gegen Ende 1913 und zu Anfang 1914 ein vier Meter breites [[Fresko]], das den Kamin in ihrem großzügig angelegten Sommerhaus in der kleinen österreichischen Gemeinde [[Breitenstein (Niederösterreich)|Breitenstein]] im [[Semmering-Pass|Semmeringgebiet]] schmückte. Wie in einigen Gemälden zuvor machte Kokoschka seine Beziehung zu Alma zum Thema des Freskos <ref name="Alma12">Alma Mahler-Werfel: ''Mein Leben'', S. 56</ref>. Gleichzeitig kühlte sich die Beziehung zwischen ihnen immer mehr ab. Kokoschka warf Alma in seinen Briefen Oberflächlichkeit und innere Leere vor. {{Zitat|Almi, man kann nicht nach Belieben einmal töricht und einmal weise sein. Man verliert sonst beide Glücksmöglichkeiten. Und Du wirst eine Sphinx, die nicht leben noch sterben kann, aber den Mann umbringt, der sie liebt und der zu moralisch ist, diese Liebe zurückzunehmen oder zu betrügen für sein Wohl (Brief vom 6. März 1914).<ref name="Hilmes10"> zit. n. Oliver Hilmes: ''Witwe im Wahn'', S. 146 </ref>}} Alma hielt im Mai desselben Jahres in ihrem Tagebuch fest, dass die Beziehung mit Kokoschka aus ihrer Sicht beendet sei. Zu den Männern, mit denen sie während der nächsten Monate engere Beziehungen hatte, zählten der Großindustrielle [[Carl Reininghaus]] und der Komponist [[Hans Pfitzner]]<ref name="Alma14">Alma Mahler-Werfel: ''Mein Leben'', S. 57ff.</ref>. Zu einem wirklichen Ende der Beziehung mit Kokoschka kam es jedoch erst im ersten Kriegsjahr des [[Erster Weltkrieg|Ersten Weltkrieges]]. Oskar Kokoschka meldete sich freiwillig und wurde durch Vermittlung seines Freundes Adolf Loos im [[Dragoner|Dragonerregiment Nr. 15]], dem vornehmsten Reiterregiment der österreichischen Monarchie, aufgenommen. Das Pferd, das er für den Eintritt in dieses Reiterregiment benötigte, erwarb er mit dem Geld, das er aus dem Verkauf des Gemäldes ''Die Windsbraut'' erhielt. Die Windsbraut stellt ein eng umschlungenes Liebespaar dar, das die Züge von Kokoschka und Alma trägt. Es befindet sich heute im [[Kunstmuseum Basel]].<ref name="Weidinger2">Alfred Weidinger: ''Kokoschka und Alma Mahler''</ref> === Walter Gropius === [[Datei:Walter Gropius Foto 1920.jpg|thumb|Walter Gropius 1920 <br /> Fotograf: [[Louis Held]]]] Noch während das Verhältnis mit Kokoschka bestand, nahm Alma wieder den Briefkontakt mit Gropius auf. Im Februar 1915 reiste sie in Begleitung von Lilly Lieser nach Berlin, um Gropius aufzusuchen. In ihrem Tagebuch hielt sie fest, dass es ihr erklärtes Ziel sei, sich den „bürgerlichen Musensohn wieder beizubiegen“. Die Wiederbegegnung zwischen den beiden verlief so stürmisch, dass Alma sich nach ihrer Rückkehr nach Wien Sorgen machte, wieder schwanger zu sein. In ihren Briefen an Gropius versicherte sie ihm ihre Liebe und beschwor ihren Wunsch, endlich seine Ehefrau werden zu wollen. Mit Kokoschka endete der Briefverkehr erst im April 1915, als er sich freiwillig zum Frontdienst meldete. Während Kokoschka und Gropius ihren Militärdienst ableisteten, begann Alma das gesellschaftliche Leben aufzunehmen, das ihren Ruf als künstlerische Muse begründete. Wie von ihrem Elternhaus gewöhnt, empfing sie im Salon ihrer Wiener Wohnung in der Elisabethstraße zahlreiche Kunstschaffende. [[Gerhart Hauptmann]], [[Julius Bittner]], [[Franz Schreker]], [[Johannes Itten]], [[Richard Specht]], [[Arthur Schnitzler]] und [[Siegfried Ochs]] sowie ihre alten Verehrer Paul Kammerer und Hans Pfitzner verkehrten dort regelmäßig. Gleichzeitig begann sie sich immer mehr als Bewahrerin des musikalischen Erbes ihres verstorbenen Mannes Gustav Mahler zu gerieren. Der [[Satire|Satiriker]] [[Peter Altenberg]] karikierte die ergriffene Teilnahme der in Trauerkleidung gehüllten Alma an einer Aufführung von Mahlers [[Kindertotenlieder (Mahler)|Kindertotenliedern]] so treffend als inszeniert, dass Alma auf Rache sann und dafür sowohl Kokoschka als auch Kammerer einspannen wollte. Der Verlag [[S. Fischer Verlag|S. Fischer]] verzichtete in späteren Ausgaben von Altenbergs Sammlung „Fechsung“ darauf, diese Satire weiterhin mit aufzunehmen. ==== Die Ehe mit Gropius ==== Die Eheschließung zwischen Walter Gropius und Alma fand am 18. August 1915 in Berlin statt. Gropius hatte dafür Sonderurlaub erhalten und musste bereits zwei Tage später wieder an die Front zurückkehren. Kokoschka wurde am 29. August an der Front schwer verwundet. In Wien ging man sogar von seinem Tod aus. Alma reagierte auf die fälschliche Todesnachricht, indem sie aus Kokoschkas Atelier die Briefe holte, die sie ihm geschrieben hatte, und dabei auch Skizzen und Zeichnungen an sich nahm. Oliver Hilmes hat in seiner Biografie über Alma Mahler-Werfel die Ehe zwischen Walter Gropius und Alma Mahler als eine von Beginn an zum Scheitern verurteilte Beziehung bezeichnet. Während er bei Gropius vermutet, dass er tatsächlich viel für Alma empfand und mit der Ehe möglicherweise auch versuchte, sein durch den Ersten Weltkrieg aus den Fugen geratenes Leben wieder zu normalisieren, sieht er bei Alma Mahler als Grund für die Eheschließung eine Mischung aus gesellschaftlicher Konvention, innerer Leere und Desorientierung. Die frisch Verheiratete setzte auch nach der Eheschließung mit Walter Gropius ihr Leben in Wien fort<ref name="Alma15">Alma Mahler-Werfel: ''Mein Leben'', S. 69ff </ref> und empfing in ihrem Wiener Salon zahlreiche Musiker, Dirigenten und Künstler, die ihr als Witwe Mahlers die Aufwartung machten. Vom Schriftsteller [[Albert von Trentini]] ließ sie sich sogar den Hof machen. Nach wie vor sah sie sich vor allem als Witwe Gustav Mahlers und empfand die Ehe mit Gropius als sozialen Abstieg. Obwohl ihr Nachname nun offiziell Gropius lautete, bezeichnete sie sich gelegentlich als Alma Gropius-Mahler oder Mahler-Gropius. In einem ihrer Briefe an Gropius schrieb sie: ''…dass die Thüren der ganzen Welt, die dem Namen Mahler offenstehen, zufliegen vor dem gänzlich unbekannten Namen Gropius.'' <ref name="Hilmes13">Oliver Hilmes: ''Witwe im Wahn'', S. 164 </ref>. Einigen Bekannten wie der Ehefrau von Gerhart Hauptmann teilte sie die Eheschließung erst mit, als man ihre Schwangerschaft nicht mehr übersehen konnte. Und als die Mutter von Gropius sich bei ihrem Sohn offensichtlich beschwerte, dass ihre Schwiegertochter sie nicht besucht habe, als sie anlässlich eines Mahlerkonzerts in Berlin weilte, ließ sie über Gropius ausrichten, dass die Schwiegermutter es rechtzeitig aus den Zeitungen erfahren hätte, hätte sie sich tatsächlich in Berlin aufgehalten. Gropius kämpfte zu dieser Zeit an der Vogesenfront und war wiederholt in Kämpfe verwickelt. Auch während der Geburt seiner Tochter [[Manon Gropius|Manon]] am 5. Oktober 1916 war er nicht anwesend, schenkte Alma aber [[Edvard Munch]]s [[Ölgemälde|Gemälde]] ''Sommernacht am Strand'' (auch: ''Mitternachtssonne'') als Dank für die anstrengende Geburt <ref name="Alma17">Alma Mahler-Werfel: ''Mein Leben'', S. 70 </ref> . Alma Mahler-Gropius' Briefe lassen nicht darauf schließen, dass sie sich im Klaren darüber war, welchen Gefahren ihr Mann an der Front ausgesetzt war. In ihren Briefen wechseln sich heftige Klagen, Berichte über Belanglosigkeiten und detaillierte erotische Fantasien ab. Schockiert war sie, als ihr Mann als [[Regimentsadjutant]] an eine Heeresschule für Nachrichtenwesen versetzt wurde und dort unter anderem für die Ausbildung von Hunden verantwortlich war, die als Sanitäts- und Meldehunde an der Front eingesetzt wurden. In einem ihrer Briefe an ihn nannte sie diese Aufgabe subaltern und unwürdig, als hässlich für ihn und sie. ''Mein Mann muss erstrangig sein.'' <ref name="Hilmes19">Oliver Hilmes: ''Witwe im Wahn'', S. 172 </ref> schrieb sie ihm. ==== Trennung ==== Der Schriftsteller [[Franz Blei]] brachte am 14. November 1917 den erst 27-jährigen [[Franz Werfel]] zu einer der Abendgesellschaften in Almas Salon mit. Alma hatte zwar zwei Jahre zuvor dessen Gedicht ''Der Erkennende'' vertont <ref name="Alma16">Alma Mahler-Werfel: ''Mein Leben'', S. 69</ref>, war dem bis dahin vor allem als [[Lyriker]] bekannten Werfel jedoch noch nicht persönlich begegnet. Sie fand Werfel zunächst physisch wenig attraktiv und störte sich daran, dass er Jude war: ''„Werfel ist ein O-beiniger, fetter Jude mit wülstigen Lippen und schwimmenden Schlitzaugen! Aber er gewinnt, je mehr er sich gibt.“'' Anders als bei Gropius, der sich für Musik wenig interessierte, teilte Werfel Almas Interesse an Musik. Er besuchte sie in den folgenden Wochen häufiger, um gemeinsam mit ihr zu musizieren, und allmählich begann sie sich für ihn zu interessieren. Als Gropius am 15. Dezember anlässlich seines Weihnachtsurlaubes zurückkehrte, reagierte sie ablehnend und kühl auf ihn. Zwischen beiden kam es sehr schnell zu heftigen Auseinandersetzungen. Gropius' Urlaub endete am 30. Dezember und sie reagierte erleichtert auf seine Abreise.<ref name="Alma20">Alma Mahler-Werfel: ''Mein Leben'', S. 75f.</ref> Das Liebesverhältnis mit Werfel begann vermutlich schon Ende 1917, denn als Alma Mahler-Gropius Anfang 1918 feststellen musste, dass sie schwanger war, war sie davon überzeugt, dass Werfel der Vater sei. Der Sohn Martin Carl Johannes kam am 2. August als Frühgeburt zur Welt, die durch zügellosen Geschlechtsverkehr mit Werfel ausgelöst wurde <ref name="Alma18">Alma Mahler-Werfel: ''Mein Leben'', S. 98ff </ref>. Gropius, der kurz nach der Geburt Heimaturlaub erhielt, musste feststellen, dass er wohl nicht der Vater des Kindes sei, als er zufällig Ohrenzeuge eines Telefonats zwischen seiner Ehefrau und Werfel wurde <ref name="Alma19">Alma Mahler-Werfel: ''Mein Leben'', S. 99 </ref>. Der Sohn, der offenbar an einer [[Hydrocephalus|Gehirnwassersucht]] litt, starb am 15. Mai 1919. Werfel litt unter dem Tod, da er sich für die zu frühe Geburt verantwortlich machte. Die Ehe zwischen Gropius und Alma Mahler wurde am 16. Oktober 1920 geschieden<ref> Deutsches Geschlechterbuch Band 160, 3. Brandenburger Band , Seite 252</ref>. Strittig war lange Zeit zwischen den beiden Ehepartnern das Sorgerecht für die gemeinsame Tochter Manon. Nüchtern konstatiert Gropius in einem Brief an seine Noch-Ehefrau, den er ihr am 18. Juli 1919 schrieb: {{Zitat|Unsere Ehe war niemals eine Ehe. Die Frau fehlte in ihr. Eine kurze Zeit warst Du mir herrliche Geliebte und dann gingst Du fort, ohne die Krankheit meiner Kriegsverdorrung mit Liebe und Milde und Vertrauen überdauern zu können - das wäre eine Ehe gewesen.<ref name="Seelea">zitiert nach Astrid Seele: ''Alma Mahler-Werfel, S. 91</ref>}} Obwohl das Verhältnis zwischen Werfel und Alma Mahler zu dem Zeitpunkt bereits öffentlich bekannt war, nahm Gropius die Schuld für das Scheitern der Ehe auf sich. In einer theaterreifen [[Farce (Theater)|Farce]] ließ er sich in flagranti mit einer [[Prostitution|Prostituierten]] in einem Hotelzimmer ertappen, um so eine schnelle Scheidung zu erwirken <ref name="Hilmesa">Oliver Hilmes: ''Witwe im Wahn'', S. 192f </ref>. === Franz Werfel === [[Datei:Emil Orlik Portrait Max Reinhardt.jpg|thumb|[[Max Reinhardt]], gezeichnet von [[Emil Orlik]] - Reinhardt förderte Werfels Arbeit durch Lesungen und Aufführungen]] Von 1919 an lebte Alma mit Werfel zusammen. Öffentlich wurde die Beziehung zu dem Schriftsteller, als [[Max Reinhardt]], damals [[Intendant]] des [[Deutsches Theater Berlin|Deutschen Theaters]] in Berlin, Werfel einlud, Mitte April 1920 aus seiner neuen Verstrilogie ''Spiegelmensch'' vorzulesen. Für Werfel war dies eine große Auszeichnung. Alma Mahler begleitete den Schriftsteller nach Berlin und war ständig an seiner Seite zu sehen. Werfel war elf Jahre jünger als seine Lebensgefährtin und zu Beginn ihrer Beziehung ein bekannter [[Expressionismus|expressionistischer]] Lyriker. Ihm fehlte aber die Energie, als Schriftsteller großer Romane hervorzutreten. Bekannt war er für seine regen Beziehungen zu den Künstlerkreisen Wiens, mit deren Vertretern er nächtelang durch die Bars und Cafés der österreichischen Hauptstadt zog. Durch das Verhältnis mit Alma Mahler änderte sich dies. Werfel selber bezeichnete seine Geliebte und spätere Ehefrau einmal als ''Hüterin des Feuers'', die von ihm ein tägliches Zeilenpensum verlangte und ihn unter Druck setzte, seine zahlreichen kreativen Ideen umzusetzen, für deren Realisierung ihm bislang die Energie gefehlt hatte. Als Arbeitsdomizil stellte sie ihm ihr abgelegen liegendes Haus in Breitenstein am Semmering zur Verfügung. War Alma Mahler verreist, fiel Werfel in seine alten Lebensgewohnheiten zurück und zog mit [[Ernst Polak]], [[Alfred Polgar]] oder [[Robert Musil]] nachts durch Wien. [[Anna Mahler]], die Tochter aus der ersten Ehe mit [[Gustav Mahler]], hatte bereits siebzehnjährig den Dirigenten [[Rupert Koller]] geheiratet, ihn aber wenige Monate später verlassen. 1922 begann sie eine Beziehung zu dem Komponisten [[Ernst Krenek]], der in seinen Erinnerungen ''Im Atem der Zeit'' ein kritisches Bild von Alma Mahler zeichnet. Der einstmals gefeierten Wiener Schönheit begegnete Krenek das erste Mal, als sie Anfang Vierzig war. Er bezeichnete Alma Mahler als ein etwas korpulentes ''prächtig aufgetakeltes Schlachtschiff''<ref name="Krenek">Ernst Krenek: ''Im Atem der Zeit – Erinnerungen an die Moderne'', S. 340 </ref> und schrieb: ''Sie war es gewohnt, lange, fließende Gewänder zu tragen, um ihre Beine nicht zu zeigen, die vielleicht ein weniger bemerkenswertes Detail ihres Körperbaus waren. Ihr Stil war der von Wagners Brünhilde, transportiert in die Atmosphäre der Fledermaus.'' <ref name="Krenek1">Ernst Krenek: ''Im Atem der Zeit – Erinnerungen an die Moderne'', S. 342</ref> Beeindruckt war Krenek dagegen von ihrer aus seiner Sicht unerschöpflichen und scheinbar unzerstörbaren Vitalität. Essen und Trinken stellten, wie er fand, die Grundelemente ihres Vorgehens dar, um Menschen an sich zu binden. Nur selten sei er mit ihr zusammengetroffen, ohne ''raffinierte, komplizierte und sichtlich teure Speisen und vor allem reichlich schwere Getränke''<ref name="Krenek2">Ernst Krenek: ''Im Atem der Zeit – Erinnerungen an die Moderne'', S. 341 </ref> serviert bekommen zu haben. Irritiert war er dagegen über die sexuell aufgeladene Atmosphäre im Hause Mahler-Werfel: ''Sex war das Hauptgesprächsthema, und meistens wurden lärmend die sexuellen Gewohnheiten von Freunden und Feinden analysiert, wobei Werfel eine ernste und intellektuelle Note einzubringen versuchte, indem er sich feierlich über die Weltrevolution verbreitete.''<ref name="Krenek3">Ernst Krenek: ''Im Atem der Zeit – Erinnerungen an die Moderne'', S. 365</ref> ==== Geldbeschaffung ==== Anfang der 1920er Jahre erwarb Alma Mahler zusätzlich zu der Wohnung in der Wiener Elisabethstraße und dem Haus auf dem [[Semmering-Pass|Semmering]] einen dritten Wohnsitz. Es war ein kleiner, zweistöckiger [[Palast|Palazzo]] unweit der Frari Kirche in [[Venedig]]. Von Gustav Mahlers Vermögen war jedoch kaum etwas übrig geblieben, da Alma Mahler einen großen Teil davon 1914 in [[Kriegsanleihe]]n angelegt hatte. Der verbleibende Rest wurde von der Inflation in den 1920er Jahren aufgezehrt. Da Mahlers Sinfonien außerdem in diesen Jahren nur gelegentlich gespielt wurden, waren auch die [[Tantieme]]neinnahmen gering. Der üppige Lebensstil, den Alma Mahler zu Beginn der 1920er Jahre führte, war daraus nicht zu finanzieren. Um Geld zu beschaffen, beauftragte Alma Mahler unter anderem ihren Schwiegersohn [[Ernst Krenek]] damit, das Fragment von [[Gustav Mahler]]s [[10. Sinfonie (Mahler)|10. Sinfonie]] in ein abgeschlossenes Werk zu transkribieren. Krenek lehnte dies auf Grund seines Respekts vor dem Werk Mahlers ab, edierte jedoch die fast vollständig vorliegenden Sätze ''Adagio'' und ''Purgatorio'', die am 12. Oktober 1924 unter Leitung von [[Franz Schalk]] in der Wiener Staatsoper uraufgeführt wurden. Almas Freund [[Willem Mengelberg]] brachte diese Sinfoniebruchstücke in [[Amsterdam]] und [[New York City|New York]] zur Aufführung und Alma Mahler legte Wert darauf, die jeweiligen Tantiemen in US-Dollar zu erhalten. Parallel zu der Uraufführung in Wien ließ Alma Mahler über den neugegründeten [[Paul Zsolnay Verlag]], mit dessen Besitzerfamilie sie befreundet war, eine von ihr edierte Sammlung von Mahler-Briefen herausgeben sowie ein Faksimile der 10. Sinfonie veröffentlichen. Letzteres ist bis heute immer wieder kritisiert worden. Mahler hatte an der Sinfonie noch auf seinem Totenbett gearbeitet und die Notenblätter tragen zahlreiche sehr persönliche Notizen, die unter anderem auch seine Verzweiflung über Alma Mahlers Seitensprung mit Gropius widerspiegeln („Für dich leben, für dich sterben! Almschi!“). Neben Krenek hatte auch [[Bruno Walter]] Alma Mahler von der [[postum]]en Veröffentlichung unter anderem auch deshalb abgeraten. Parallel zu der Veröffentlichung der Mahler-Briefe publizierte Alma Mahler auch eigene Kompositionen. Im österreichischen Verlag Weinberger erschienen fünf ihrer bislang nicht veröffentlichten ''Gesänge'' und die Universal Edition brachte die bereits 1915 mit Unterstützung von Gustav Mahler veröffentlichten ''Vier Lieder'' in einer zweiten, wenn auch kleinen, Auflage heraus. [[Datei:G Hauptmann.jpg|thumb|Der [[Dramatiker]] [[Gerhart Hauptmann|Hauptmann]] war ein Freund des Ehepaars Werfel und ein Verehrer Alma Mahlers]] Zum Großverdiener im Hause Mahler-Werfel wurde jedoch Franz Werfel herangezogen. Sein 1923 veröffentlichtes Trauerspiel ''Schweiger'' wurde zwar von den [[Kritiker]]n abgelehnt und auch Freunde Werfels, wie etwa [[Franz Kafka]], standen dem Stück ablehnend gegenüber. Aber sowohl die Uraufführung in [[Prag]] als auch die deutsche Erstaufführung in [[Stuttgart]] waren ein großer Publikumserfolg. Im April 1924 erschien der erste Roman Werfels im [[Zsolnay Verlag]] und begründete seinen Ruhm als Romanschriftsteller. ''[[Verdi. Roman der Oper|Verdi - Roman der Oper]]'' wurde innerhalb weniger Monate 20.000 Mal verkauft. Alma Mahler hatte Werfel in der Arbeit wesentlich unterstützt und seine Arbeiten kritisch begleitet. Wie Alma Mahlers zeitweiliger Schwiegersohn Ernst Krenek kritisch anmerkte, war ihr wohl klar, dass mit einem Roman mehr Geld zu verdienen sei als mit den Gedichten, Dramen und Novellen, die Werfel bislang veröffentlicht hatte: {{Zitat|Mit wahrhaft bewundernswertem Weitblick muss sie Franz Werfels Potential für das erkannt haben, was sie aus ihm machen wollte, und mit ebenso erstaunlicher Energie beschloß sie, sich auf ihre Geisteskräfte zu verlassen, um den gewünschten Wandel herbeizuführen... Ich erinnere mich nicht, ob es während meines ersten oder zweiten Sommers in Breitenstein war, daß er seinen Verdi-Roman fertigstellte.... Alma machte ihre wohlüberlegten Bemerkungen, die darauf hinausliefen, dass das Buch so gut sein müsse, wie nur irgendeiner von „diesen Klassikern“, sich aber zugleich zum Verkauf an den Zeitungsständern der Bahnhöfe eignen solle. Und Werfel erwies sich als fabelhaft anpassungsfähig. Dahin waren die himmelsstürmerischen Bemühungen des Expressionisten...<ref name="Krenek9">Ernst Krenek: ''Im Atem der Zeit – Erinnerungen an die Moderne'', S. 357</ref>}} Diese Geldbeschaffungsmaßnahmen erwiesen sich sehr schnell als erfolgreich. Bereits 1925 konnte sie [[Alban Berg]] bei der Drucklegung seiner [[Oper]] [[Wozzeck (Berg)|Wozzeck]] finanziell unterstützen. Alban Berg widmete ihr aus Dankbarkeit diese Oper. 1926 wurde Werfel von der [[Österreichische Akademie der Wissenschaften|Österreichischen Akademie der Wissenschaften]] mit dem [[Grillparzer-Preis]] ausgezeichnet und Max Reinhardt führte in Berlin mit großem Erfolg sein Stück ''Juarez und Maximilian'' am Deutschen Theater in Berlin auf. 1929, als Alma Mahler dem Drängen von Werfel endlich nachgab und mit ihm am 6. Juli die Ehe schloss, war Werfel ein arrivierter Schriftsteller, der zu den meistgelesenen der deutschen Sprache zählte. ==== Radikalisierung ==== Alma Mahler und Franz Werfel heirateten 1929, obwohl bereits in den zwanziger Jahren immer wieder massive Krisen in ihrer Beziehung aufgetreten waren. Bereits am 22. Januar 1924 hatte Alma Mahler in ihrem Tagebuch festgehalten: {{Zitat|Ich liebe ihn nicht mehr. Mein Leben hängt innerlich nicht mehr mit dem seinen zusammen. Er ist wieder zusammengeschrumpft zu dem kleinen, hässlichen, verfetteten Juden des ersten Eindrucks.''<ref name="Hilmes20">Oliver Hilmes: ''Witwe im Wahn'', S. 208</ref>}} Solche Tagebucheintragungen sind für die emotionale Unausgeglichenheit Alma Mahlers nicht untypisch und mögen wenige Tage später nicht mehr die Bedeutung gehabt haben, die in ihnen anklingt. Oliver Hilmes vermutet in der Eheschließung auch eine Reaktion Alma Mahlers auf ihr zunehmendes Alter und ihren körperlichen Verfall, den sie gleichfalls in ihren Tagebüchern mehrfach anspricht. Sie hatte seit ihrer Jugend nicht mehr allein gelebt und mag Sorge gehabt haben, keinen adäquaten Lebenspartner mehr zu finden. Typisch für die Ehejahre bis zur Emigration im Jahre 1938 ist jedoch ein allmähliches Auseinanderdriften der beiden Lebenspartner. Beide verbrachten lange Zeiten getrennt. Alma Mahler entzog sich vor allem Treffen mit Werfels Familie, indem sie alleine nach Venedig reiste, und Franz Werfel verbrachte viel Zeit im Haus auf dem Semmering oder in [[Santa Margherita Ligure]] in der [[Provinz Genua]], um dort, in einem Hotel lebend, an seinen Romanen weiterzuarbeiten. Dazu mag allerdings auch beigetragen haben, dass Franz Werfel sich in der pompösen Villa, die Alma Mahler 1931 in Wiens Nobelviertel [[Hohe Warte (Wien)|Hohe Warte]] erworben hatte, nicht wohl fühlte. Zu der wachsenden Kluft zwischen den beiden Partnern trugen auch die unterschiedlichen politischen Meinungen bei. Im Klima zunehmender politischer Radikalisierung verstärkte sich der bei Alma Mahler schon immer vorhandene [[Antisemitismus]] weiter. Sie hatte es zur Bedingung gemacht, dass Werfel vor der Hochzeit aus der jüdischen Religionsgemeinschaft austreten müsse. Werfel war diesem Wunsch gefolgt, trat jedoch wenige Monate später, nämlich am 5. November 1929, ohne Wissen Almas wieder zum Judentum über. Auch der spätere [[Literaturnobelpreis]]träger [[Elias Canetti]], der als Verehrer der Mahler-Tochter Anna in der Villa auf der Hohen Warte verkehrte, erzählt in seiner [[Autobiografie]] ''Das Augenspiel'', wie Alma Mahler selbst Gustav Mahler verächtlich als ''kleinen Juden'' bezeichnete <ref name="Canetti">Elias Canette: ''Das Augenspiel - Lebensgeschichte 1931 - 1937'', S. 62 </ref>. Den [[Nationalsozialismus|deutschen Nationalsozialisten]] stand Alma Mahler positiv gegenüber. Die politischen Auseinandersetzungen nahm sie nicht als Kampf zwischen politischen Ideologien wahr, sondern als Auseinandersetzungen zwischen Juden und Christen. Auch im [[Österreichischer Bürgerkrieg|Österreichischen Bürgerkrieg]] nach der Parlamentsausschaltung durch [[Engelbert Dollfuß]] im Jahre 1934 stand sie eindeutig auf der Seite der [[Austrofaschismus|Austrofaschisten]]. Der [[Spanischer Bürgerkrieg|Spanische Bürgerkrieg]] war ein weiterer Streitpunkt zwischen den Ehepartnern. Alma Mahler-Werfel vertrat die Seite der [[Franquismus|Franquisten]], während Franz Werfel sich auf die republikanische Seite stellte. In der Wiener Villa verkehrten seit Anfang der 1930er Jahre zunehmend Gäste, die Alma Mahler-Werfels politischer Richtung entsprachen. Neben [[Kurt von Schuschnigg]] verkehrten dort der frühere Bundeskanzler [[Rudolf Ramek]] und der Leiter des österreichischen Kriegsarchivs [[Edmund Glaise von Horstenau]]. Der engen Freundschaft, die sich Anfang der 1930er Jahre zwischen dem österreichischen Politiker [[Anton Rintelen]] und Alma Mahler-Werfel entwickelte, stand Franz Werfel, der sich noch 1918 für die Idee des [[Kommunismus]] eingesetzt hatte, verständnislos gegenüber. Daneben verkehrten in ihrem Haus bekannte Kirchenvertreter, wie der [[Domorganist]] [[Karl Josel Walter]] und der Kirchenmusikreferent [[Franz Andreas Weißenbäck]]. In den 37-jährigen [[Theologie]]professor und [[Ordenspriester]] [[Johannes Hollnsteiner]], Beichtvater [[Schuschnigg]]s, der in [[Adolf Hitler|Hitler]] eine Art neuen [[Martin Luther|Luther]] sah, verliebte sich die Fünfzigjährige und zwischen den beiden kam es zu einer Affäre. Um die Entdeckung der Liaison zu vermeiden, mietete Alma Mahler-Werfel sogar eine kleine Wohnung, um sich dort möglichst unentdeckt mit ihm treffen zu können. Franz Werfel kam zu dem Zeitpunkt dahinter, als man seine Bücher in Deutschland in der von [[Joseph Goebbels]] angeordneten ''Aktion wider den undeutschen Geist'' [[Bücherverbrennung|verbrannte]]. 1935 starb die erst 19-jährige [[Manon Gropius]], die Tochter von Alma Mahler-Werfel mit Walter Gropius, an [[Kinderlähmung]]. Alma Mahler-Werfel hatte die auch von anderen Zeitgenossen verbürgte Anmut und Schönheit des jungen Mädchens auf die Tatsache zurückgeführt, dass sie dieses Kind als einziges mit einem „[[Arier]]“ gezeugt habe. [[Claire Goll]] gegenüber bezeichnete sie ihre anderen Kinder später einmal verächtlich als ''Mischlinge''<ref name="Goll">Claire Goll: ''Ich verzeihe keinem'', S. 228 </ref>. Die Beerdigung der jungen Manon Gropius war in Wien ein gesellschaftliches Großereignis. Johannes Hollnsteiner, der Geliebte der Mutter, hielt die Leichenrede, in der er vom Heimgang eines Engels sprach. [[Alban Berg]] widmete ihr sein [[Violinkonzert (Berg)|Konzert für Violine und Orchester]], das er ''Dem Andenken eines Engels'' nannte. [[Ludwig Karpath]] schrieb in seinem [[Nekrolog]] in der ''Wiener Sonn- und Montags-Zeitung'' von einem wunderbaren Geschöpf an Reinheit und Keuschheit der Empfindung. Werfels politische Haltung in diesen Jahren ist teilweise schwierig zu deuten. Politische Naivität, persönliche Verpflichtungen und der Einfluss seiner Frau mögen eine Rolle dabei gespielt haben, wenn der von den [[Faschismus|Faschisten]] in Deutschland längst verbotene [[Schriftsteller]] gemeinsam mit dem Ehepaar [[Kurt Schuschnigg|Schuschnigg]] und seiner Frau 1935 in einer von [[Benito Mussolini]] zur Verfügung gestellten [[Limousine]] Ausflüge unternahm. Als Kurt von Schuschniggs Ehefrau bei einem Autounfall 1935 ums Leben kam, schrieb Werfel ihren Nachruf, in dem er Schuschnigg als außerordentlichen Menschen bezeichnete. {{Zitat|Menschen hungern in Kerkern, die Werfels aber fressen aus der Krippe und lecken die Hand. Die Verkörperung der menschlichen Dreckseele'' <ref name="Hilmes21"> zit. nach Oliver Hilmes: ''Witwe im Wahn'', S. 278 </ref>}} kommentierte dies die in [[Brünn]] erscheinende [[Arbeiterzeitung]]. Anders als im nationalsozialistischen Deutschland waren Juden zu diesem Zeitpunkt nicht vom öffentlichen Leben ausgeschlossen. Der österreichische [[Ständestaat (Österreich)|Ständestaat]] unter Schuschniggs Regierung war zwar ab 1937 antisemitisch unterlegt, gerierte sich aber gerade in Abgrenzung zu Nazideutschland als tolerant und weltoffen. Gustav Mahlers 25. Todestag beging man zwischen dem 26. April und dem 24. Mai 1936 feierlich, indem die [[Wiener Philharmoniker]] und die [[Wiener Symphoniker]] eine Reihe seiner Werke aufführten und Bruno Walter – wie Mahler gleichfalls Jude – dirigierte. Alma Mahler-Werfel lud zu den Veranstaltungen, die laut Programmzettel ''unter dem Ehrenschutze des Herrn Bundeskanzlers Dr. Kurt v. Schuschnigg'' stattfanden, auch das [[Diplomatisches Corps|diplomatische Corps]] der [[Niederlande]], [[Schweden]]s, [[Belgien]]s, [[Polen]]s, [[Ungarn]]s und [[Frankreich]]s ein. 1937 wurde Franz Werfel mit dem „Österreichischen Verdienstkreuz für Kunst und Wissenschaft“ ausgezeichnet. ==== Emigration ==== Die Villa auf der Hohen Warte, in der [[Manon Gropius]] gestorben war, wurde von Alma Mahler-Werfel zunehmend als Unglückshaus empfunden. Franz Werfel lebte nur noch selten dort und zog es vor - vielleicht auch wegen des hohen Alkoholkonsums seiner Frau - in Hotelzimmern außerhalb von Wien zu arbeiten. Alma Mahler wollte daher die Villa vermieten. Am 12. Juni 1937 gab sie ein letztes Abschiedsfest in der Villa mit den 20 Räumen, bei der erneut ein großer Teil der Wiener Gesellschaft und vor allem viele Kulturschaffende anwesend waren. Unter den Gästen befanden sich neben [[Bruno Walter]] und Almas erstem Geliebten [[Alexander von Zemlinsky]] Künstler wie [[Ida Roland]], [[Carl Zuckmayer]], [[Egon Wellesz]], [[Ödön von Horváth]], [[Siegfried Trebitsch]], [[Arnold Rosé]], [[Karl Schönherr]] und [[Franz Theodor Csokor]] <ref name="Hilmesd">Oliver Hilmes: ''Witwe im Wahn'', S. 287f </ref>. [[Datei:Wohnung von Franz Werfel und Alma Mahler-Werfel in Sanary.JPG|thumb|right|200px|Moulin Gris, der Wohnturm von [[Franz Werfel]] und Alma Mahler in [[Sanary-sur-Mer]]]] Obwohl sich die Beziehung zwischen Franz Werfel und Alma Mahler-Werfel noch nicht wieder gefestigt hatte, brachen sie am 29. Dezember 1937 zu einer Reise auf, die sie zunächst nach [[Mailand]] und dann über [[Neapel]] auf die Insel [[Capri]] führte. Dort erfuhren sie, dass der Bundeskanzler [[Kurt von Schuschnigg]] am 12. Februar 1938 mit Nazideutschland das sogenannte [[Berchtesgadener Abkommen]] unterzeichnet hatte, das - für das Ehepaar wahrscheinlich zu dem Zeitpunkt noch nicht völlig absehbar - das Ende von [[Österreich]] als selbstständigem Staat einleitete. Ende Februar reiste Alma Mahler-Werfel allein und inkognito nach Wien zurück, wo sie alle Bankkonten auflöste und das Geld durch die langjährige Vertraute [[Ida Gebauer]] in einem Geldgürtel in die Schweiz schmuggeln ließ. Am 12. März 1938, dem Tag, an dem der so genannte [[Anschluss (Österreich)|Anschluss]] Österreichs an das Deutsche Reich vollzogen wurde, verabschiedete sie sich von ihrer Mutter und reiste gemeinsam mit ihrer Tochter, die als Halbjüdin nun bedroht war, über [[Prag]] und [[Budapest]] nach [[Mailand]], wo Franz Werfel auf sie wartete <ref name="Hilmese">Oliver Hilmes: ''Witwe im Wahn'', S. 293f </ref>. Die Spannungen zwischen den beiden Ehepartnern hielten an. In ihrem Tagebuch schrieb Alma Mahler-Werfel von zwei Menschen, die nach zwanzig Jahren Zusammensein zwei unterschiedliche Sprachen sprechen und deren „Rassenfremdheit“ unüberbrückbar war.<ref name="Hilmesf">Oliver Hilmes: ''Witwe im Wahn'', S. 295 </ref> Werfels Sorge um seine Familie fand sie übertrieben. Trotzdem ließen sich beide gemeinsam in dem [[Südfrankreich|südfranzösischen]] Fischerdorf [[Sanary-sur-Mer]] unweit von [[Marseille]] nieder, wo sich bis 1940 auch andere deutsche Emigranten wie [[Thomas Mann|Thomas]] und [[Heinrich Mann]], [[Lion Feuchtwanger]], [[Bertolt Brecht]], [[Ludwig Marcuse]], [[Franz Hessel]] und [[Ernst Bloch]] zeitweise aufhielten. Zumindest zu diesem Zeitpunkt erwog Alma Mahler-Werfel die Scheidung von Werfel und ließ über das [[Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda|Reichspropagandaamt]] vorfühlen, ob sie in Österreich willkommen sei <ref name="Hilmesk">Oliver Hilmes: ''Witwe im Wahn'', S. 300f </ref>. Warum sie sich letztlich doch entschied, ihrem Mann in das Exil in die USA zu folgen, lässt sich nicht mehr nachvollziehen. Ihr Biograf Hilmes hat darin die Angst der mittlerweile fast 60-Jährigen vor der Einsamkeit vermutet, denn ihr letzter Geliebter Johannes Hollnsteiner - von den Nazis als Unterstützer der Schuschnigg-Regierung noch im März 1938 in das [[Konzentrationslager Dachau]] eingeliefert - war keine Alternative. Die Emigration in die USA gestaltete sich sehr schwierig. Als sie Sanary-sur-Mer im Juni 1940 verließen, hatte die [[Wehrmacht]] bereits Paris besetzt. Das Ehepaar Mahler-Werfel besaß keine Visa für die Ausreise in die USA und musste unter anderem im [[Wallfahrtsort]] [[Lourdes]] fünf Wochen warten, um eine Reisegenehmigung bis nach [[Marseille]] zu erhalten. In Marseille trafen sie auf [[Heinrich Mann]], seine Frau Nelly und seinen Neffen [[Golo Mann]], mit denen sie bis zu ihrer Ankunft in den USA zusammenblieben. Dass ihnen die Ausreise gelang, verdankten sie dem amerikanischen Journalisten und [[Quäker]] [[Varian Fry]]. Fry gehörte dem ''[[Emergency Rescue Committee]]'' an, das vor allem Intellektuelle bei ihrer Flucht aus Frankreich unterstützte. Er brachte die fünfköpfige Gruppe zur französisch-spanischen Grenze. Dort mussten sie zu Fuß einen Gebirgszug überqueren, was vor allem den fast 70-jährigen [[Heinrich Mann]] und den übergewichtigen Franz Werfel an ihre physische Leistungsgrenze brachte. {{Zitat|Ich habe das Gefühl, dass Franz ohne sie [Alma Mahler-Werfel] einfach liegen geblieben und zu Grunde gegangen wäre'' <ref name="Hilmesj"> zitiert nach Oliver Hilmes: ''Witwe im Wahn'', S. 314</ref>}} schrieb [[Carl Zuckmayer]] an einen Freund, nachdem er die Details der Flucht erfuhr. In [[Barcelona]] organisierte Fry Flugtickets nach [[Lissabon]], von wo aus sie mit einem Ozeandampfer nach New York übersetzten. Am 13. Oktober 1940 kamen sie dort an. ==== Exil in Kalifornien ==== Das Ehepaar Mahler-Werfel ließ sich in [[Los Angeles]] nieder, wo zahlreiche deutsche und österreichische Emigranten lebten. Neben Thomas Mann, Max Reinhardt, [[Alfred Döblin]], [[Arnold Schönberg]] und [[Erich Wolfgang Korngold]] lebte hier unter anderem [[Friedrich Torberg]], der über die kommenden Jahre ein besonders enges Verhältnis sowohl zu Franz Werfel als auch Alma Mahler-Werfel entwickelte. [[Datei:Werfel.jpg|thumb|right|200px|Franz Werfel am 14. Dezember 1940, fotografiert von [[Carl van Vechten]]]] Ihre finanziellen Mittel waren ausreichend, um sich zunächst in einem Villenviertel oberhalb der Stadt niederzulassen und einen Hausangestellten zu engagieren, der gleichzeitig als [[Kammerdiener]] für Werfel sowie als Chauffeur und Gärtner fungierte. Ähnlich wie in Europa verkehrten auch in Los Angeles viele Persönlichkeiten des Kulturlebens in ihrem Haus. Insbesondere Thomas Mann und seine Frau [[Katia Mann|Katia]] waren regelmäßig Gäste. Werfel arbeitete in dieser Zeit intensiv an seinem Roman über [[Bernadette Soubirous]]. Dabei unterstützte ihn als Sekretär Albrecht Joseph, der ein für das Zusammenleben von Werfel und Alma Mahler-Werfel bezeichnendes Erlebnis berichtete: {{Zitat|Man stritt sich über die Nachrichten, die wie immer ziemlich schlecht waren. Alma vertrat den Standpunkt, dass es gar nicht anders sein könnte, da die Alliierten - Amerika war noch nicht in den Krieg eingetreten - degenerierte Schwächlinge wären, und die Deutschen, inklusive Hitler, Supermänner. Werfel ließ diesen Unsinn nicht gelten, aber Alma gab nicht nach. Der sinnlose Streit dauerte ungefähr zehn Minuten, dann klopfte Werfel mir auf die Schulter und sagte: 'Lass uns nach unten gehen und arbeiten.' Mitten auf der engen Wendeltreppe blieb er stehen, drehte sich zu mir und sagte: 'Was soll man mit so einer Frau nur machen?' Er schüttelte den Kopf: 'Man darf nicht vergessen, dass sie eine alte Frau ist.'<ref name="Hilmesm">Oliver Hilmes: ''Witwe im Wahn'', S. 326</ref>}} Werfels auf ein Gelübde zurückgehender Roman ''Das Lied der Bernadette'' über [[Bernadette Soubirous]] wurde zu einem US-Bestseller, von dem innerhalb weniger Monate 400.000 Exemplare verkauft wurden. [[Twentieth Century Fox]] erwarb die [[Filmrecht]]e. Rezensionen erschienen in zahlreichen US-Tageszeitungen und Radio-Interviews mit Werfel wurden landesweit ausgestrahlt. Die mit dem schriftstellerischen Erfolg einhergehende Verbesserung ihrer finanziellen Lage ermöglichte dem Ehepaar, in [[Beverly Hills]] eine komfortablere Villa zu erwerben. Zum Schreiben zog sich Werfel allerdings nach [[Santa Barbara (Kalifornien)|Santa Barbara]] zurück. Oliver Hilmes vermutet, dass nur diese räumliche Trennung es dem Ehepaar ermöglichte, trotz großer Differenzen immer wieder zusammenzufinden und ihre Beziehung über 25 Jahre stabil zu halten. Unweit der neuen Villa lebten nicht nur [[Friedrich Torberg]], sondern auch [[Ernst Deutsch]], ein Jugendfreund Werfels, das Ehepaar Schönberg sowie das Ehepaar Feuchtwanger. [[Erich Maria Remarque]] wurde dort zu Alma Mahler-Werfels neuem Zechkumpan, der ihr nach der ersten durchfeierten Nacht eine Flasche russischen Wodka in einen riesigen Blumenstrauß gehüllt schenkte. Franz Werfel erlitt in der Nacht des 13. September 1943 einen schweren Herzinfarkt, von dem er sich erst in der ersten Jahreshälfte 1944 langsam erholte. Zu der [[Entourage]] des Ehepaars zählte nun auch ein von Alma Mahler-Werfel engagierter Leibarzt. Im Sommer 1945, Werfel hatte gerade seinen [[Utopie|utopischen]] Roman ''Stern der Ungeborenen'' vollendet, verschlechterte sich sein Gesundheitszustand jedoch wieder. Am 26. August 1945 erlag er einem weiteren schweren Herzinfarkt. Bei der Trauerfeier am 29. August übernahmen Bruno Walter und die Sängerin [[Lotte Lehmann]] die musikalische Gestaltung. Alma Mahler-Werfel selbst nahm nicht an der Beisetzung teil. Die Trauerrede hielt der Pater Georg Moenius, mit dem sich Werfel während seiner Arbeit an ''Das Lied der Bernadette'' über theologische Fragen ausgetauscht hatte. Er ging in seiner Rede auf die [[Taufe|Taufriten]] der [[Katholizismus|katholischen Kirche]] ein, was zu Spekulationen geführt hat, dass Alma Mahler-Werfel an Werfel noch die [[Nottaufe]] vollzogen habe, als sie ihren sterbenden Mann fand. Werfel hatte zwar generell Sympathien gegenüber dem katholischen Glauben bekundet, sich aber mehrfach zum [[Judentum]] bekannt und unter anderem 1942 in einem Brief an den Erzbischof von New Orleans festgehalten, dass es ihm angesichts der Judenverfolgung widerstrebe ''mich in dieser Stunde aus den Reihen der Verfolgten fortzuschleichen'' <ref name="Hilmesn">zitiert nach Oliver Hilmes: ''Witwe im Wahn'', S. 352. Hilmes beschäftigt sich sehr ausführlich mit der Frage, ob Werfel von Alma Mahler Werfel notgetauft wurde, siehe S. 351 - 356 </ref>. === Die große Witwe === Als ''La grande veuve'', als die große Witwe Gustav Mahlers und Franz Werfels, bezeichnete Thomas Mann Alma Mahler-Werfel in ihren letzten 19 Lebensjahren. Boshafter fiel das Urteil von [[Claire Goll]] über die Witwe aus, die nach Golls Meinung nach Werfels Tod ihr Auge auf Bruno Walter geworfen hatte. Sie verglich Alma Mahler, deren Figur ihre Vorliebe für [[Champagner]] und [[Bénédictine]] nicht bekommen war, mit einer auseinanderquellenden Germania und schrieb über sie: {{Zitat|Um ihre welkenden Reize aufzufrischen, trug sie gigantische Hüte mit Straußenfedern; man wußte nicht, ob sie als Trauerpferd vor einem Leichenwagen oder als neuer d'Artagnan aufzutreten wünschte. Dazu war sie gepudert, geschminkt, parfümiert und volltrunken. Diese aufgequollene Walküre trank wie ein Loch.<ref name="Goll1">Claire Goll: ''Ich verzeihe keinem'', S. 229 </ref>}} Ihre alte Heimatstadt Wien besuchte Alma Mahler-Werfel nur noch einmal kurz im Jahre 1947. Ihre Mutter war im Herbst 1938 gestorben; ihr Stiefvater Carl Moll, ihre Halbschwester Maria und Richard Eberstaller, die beide langjährige NSDAP-Mitglieder gewesen waren, hatten im April 1945 Selbstmord begangen. Bei ihrem Besuch ging es ihr überwiegend um die Regelung von Vermögensfragen. Mit dem österreichischen Staat verwickelte sie sich in gerichtliche Auseinandersetzungen um [[Edvard Munch]]s Gemälde ''Sommernacht am Strand'', das ihr Walter Gropius einst anlässlich der Geburt ihrer gemeinsamen Tochter geschenkt hatte und das Carl Moll nach Alma Mahler-Werfels Emigration in die USA im April 1940 an die heutige [[Österreichische Galerie Belvedere]] verkauft hatte. Alma Mahler-Werfel verlor den Prozess, weil sie nicht glaubwürdig belegen konnte, dass ihr Stiefvater dies ohne ihr Einverständnis getan hatte. Der Verkaufserlös des Bildes war außerdem verwendet worden, um notwendige Reparaturen an ihrem Haus am Semmering vorzunehmen. Eine persönliche Bereicherung Molls hatte nicht stattgefunden. Bis in die 1960er Jahre bemühte sie sich um die Herausgabe des Bildes und weigerte sich, österreichischen Boden noch einmal zu betreten. Zur Sprache kam in der Gerichtsverhandlung auch, dass Alma Mahler-Werfel Ende der Dreißiger Jahre über ihren Schwager versucht hatte, [[Anton Bruckner|Bruckners]] handschriftliche [[Partitur]] der ersten drei Sätze seiner [[3. Sinfonie (Bruckner)|3. Sinfonie]] an die Nazis zu verkaufen <ref name="Hilmesi">Oliver Hilmes: ''Witwe im Wahn'', S. 302 - 304 </ref>. [[Datei:Arnold Schoenberg la 1948.jpg|thumb|[[Arnold Schönberg]] - zum 70. Geburtstag komponierte er für Alma Mahler-Werfel einen Geburtskanon]] Zu ihrem siebzigsten Geburtstag erhielt Alma Mahler-Werfel ein ungewöhnliches Geschenk, das auch dokumentiert, wie sehr sie der Kulturszene verbunden war. Ein befreundetes Ehepaar hatte Monate vor dem Geburtstag Bekannte und Freunde von Alma Mahler-Werfel angeschrieben und sie gebeten, jeweils ein Blatt Papier zu gestalten. Zu den 77 Gratulanten, die auf diese Weise ihre Glückwünsche überbrachten, zählten unter anderem ihr ehemaliger Ehemann [[Walter Gropius]], [[Oskar Kokoschka]], [[Heinrich Mann|Heinrich]] und [[Thomas Mann]], [[Carl Zuckmayer]], [[Franz Theodor Csokor]], [[Lion Feuchtwanger]], [[Fritz von Unruh]], [[Willy Haas]], [[Benjamin Britten]], ihr ehemaliger Schwiegersohn [[Ernst Krenek]], [[Darius Milhaud]], [[Igor Strawinsky]], [[Ernst Toch]], die Dirigenten [[Erich Kleiber]], [[Eugene Ormandy]], [[Fritz Stiedry]], [[Leopold Stokowski]] sowie der ehemalige österreichische Bundeskanzler [[Kurt von Schuschnigg]]. [[Arnold Schönberg]], der wegen eines vorherigen Zerwürfnisses mit Alma Mahler-Werfel nicht eingeladen worden war, sich an dem Buch zu beteiligen, widmete ihr einen Geburtstagskanon mit dem Text: {{Zitat|Gravitationszentrum eigenen Sonnensystems, von strahlenden Satelliten umkreist, so stellt dem Bewunderer dein Leben sich dar.<ref name="Hilmesl"> zitiert nach Oliver Hilmes: ''Witwe im Wahn'', S. 384</ref>}} ==== Die Autobiografie ''Mein Leben'' ==== 1951 übersiedelte Alma Mahler-Werfel nach New York, wo sie vier kleine Eigentumswohnungen in einem Haus in der Upper East Side erworben hatte. Sie selber lebte in der dritten Etage und nutzte eine Wohnung als Wohnraum, die zweite als Schlafraum. Die in der Etage darüber liegenden zwei Wohnungen wurden von August Hess, dem ehemaligen Kammerdiener von Werfel, und von ihren Gästen genutzt. Seit längerer Zeit arbeitete sie bereits an einer Autobiografie ihres Lebens, die auf ihren Tagebüchern basierte. Als [[Ghost Writer]] unterstützte sie zuerst [[Paul Frischauer]], mit dem sie sich aber bereits 1947 zerstritten hatte, als er ihre zahlreichen antisemitischen Ausfälle monierte. In den 1950er Jahren arbeitete sie mit [[E. B. Ashton]] zusammen. Auch er sah wegen ihrer antisemitischen Äußerungen und den zahlreichen Angriffen auf noch lebende Personen die Notwendigkeit, ihre Tagebücher zu zensieren. 1958 erschien in englischer Sprache ''And the bridge is love''. Die Reaktionen auf diese englische Ausgabe waren verhalten. Verärgert reagierte insbesondere Walter Gropius, der auf die Darstellung ihrer frühen Liebesbeziehung verletzt reagierte <ref name="Hilmes30">Oliver Hilmes: ''Witwe im Wahn'', S. 398 </ref>. Die Reaktionen auch von anderen Freunden und Bekannten, wie etwa [[Paul Zsolnay Verlag|Paul Zsolnay]], machten Alma Mahler-Werfel deutlich, dass eine deutschsprachige Ausgabe, über die bereits nachgedacht wurde, nicht ohne weitergehende Veränderungen veröffentlicht werden sollte. [[Willy Haas]] wurde die Aufgabe übertragen, die Fassung für den deutschsprachigen Markt vorzubereiten, bei der er erneute weitere Glättungen des ursprünglichen Textes vornehmen sollte. Bereits ihre vorherigen Ghost Writer hatten ihr nahegelegt, ihre rassenpolitischen Äußerungen doch zu streichen. Erst die Reaktionen auf die englische Ausgabe ließen sie umdenken: {{Zitat|Lasse bitte die ganze Judenfrage in der Versenkung verschwinden'' <ref name="Hilmes31">Oliver Hilmes: ''Witwe im Wahn'', S. 401</ref>}} schrieb sie Willy Haas. Ihre deutschsprachige Biografie ''Mein Leben'' fand keineswegs die von ihr erwartete positive Aufnahme. Das Buch galt als „schlüpfrig“, zweideutig, widersprüchlich und reizte in seiner ichbezogenen Darstellungsweise zur Karikatur. Langjährige Wegbegleiter wie Carl Zuckmayer und Thomas Mann hatten sich bereits nach der Veröffentlichung der englischen Version von ihr zurückgezogen. {{Zitat|[Sie ist mir], bei allem Spass, den man an der Buntheit, Farbigkeit, Lebensbegabung, sogar an der Hemmungslosigkeit und Gewalttätigkeit dieser Natur haben konnte, durch dieses allzu hemmungslose Memoirenbuch, (dem allerdings etwas Gigantisches, nämlich an Taktlosigkeit und Verfälschungen, innewohnt), recht zuwider geworden...<ref name="Hilmes40"> zit. nach Oliver Hilmes: ''Witwe im Wahn'', S. 412 </ref>}} schrieb Zuckmayer nach ihrem Tod. Scharf fällt auch das Urteil ihrer Biografin Astrid Seele aus: {{Zitat|Ihre autobiographisch behauptete Identifikation mit ihrer Musenrolle stellt nur einen letzten verzweifelten Versuch dar, selbst an ihre ganz persönliche Lebenslüge zu glauben und damit ihr Leben vor sich selbst zu rechtfertigen.<ref name="Seele3"> Astrid Seele: ''Alma Mahler-Werfel, S. 126</ref>}} ==== Tod ==== [[Datei:Grinzinger Friedhof - Alma Mahler-Werfel.jpg|thumb|Grabmal von Alma Mahler-Werfel auf dem Grinzinger Friedhof]] Alma Mahler-Werfel starb am 11. Dezember 1964 im Alter von 85 Jahren in ihrem New Yorker Appartement. Die erste Trauerfeier fand zwei Tage später statt. [[Soma Morgenstern]] hielt die [[Grabrede]]. Beigesetzt wurde Alma Mahler-Werfel allerdings erst am 8. Februar 1965 neben dem Grab ihrer Tochter Manon auf dem [[Grinzinger Friedhof]] (Gruppe 6, Reihe 6, Nummer 7) in Wien in einem [[Liste gewidmeter Gräber der Stadt Wien|ehrenhalber gewidmeten Grab]]. Die Nachrufe, die nach ihrem Tod erschienen, bezogen sich unter dem Eindruck ihrer Autobiografie meist auf ihre Ehen und Liebesaffären. Die Mischung aus Anziehung, Bewunderung und Abneigung, die sie bei vielen auslöste, kommt auch in einem Gedicht zum Ausdruck, das der [[Liedermacher]] und [[Satire|Satiriker]] [[Tom Lehrer]] spontan nach ihrem Tod schrieb und veröffentlichte (''siehe Weblinks: „Liedtext“''). [[Friedrich Torberg]]s Nachruf auf Alma Mahler-Werfel, der 1964 erschien, dagegen erklärt nachvollziehbarer, warum so viele Kulturschaffende von dieser Frau fasziniert waren: {{Zitat|Wenn sie von jemandes Talent überzeugt war, ließ sie für dessen Inhaber – mit einer oft an Brutalität grenzenden Energie – gar keinen anderen Weg mehr offen als den der Erfüllung. Dazu war er dann sich und ihr und der Welt gegenüber verpflichtet und sie empfand es als persönlichen Affront, wenn eine von ihr erkannte oder gar geförderte Begabung nicht allgemein anerkannt wurde. Das geschah übrigens nur wenigen, und denen blieb sie rührend treu. Erfolg betörte sie, aber Erfolglosigkeit beirrte sie nicht. Ihre Einsatzfreude, ihre Hingabe, ihre Aufopferungsfähigkeit kannte keine Grenzen und mußte schon deshalb faszinierend und aneifernd wirken, weil sie nichts von kritikloser Vergötterung an sich hatte, weil ihre Urteilskraft sich durch nichts vernebeln ließ.}} {{Zitat|Daran lag es wohl auch, daß so viele schöpferische Männer an ihr hängen blieben. Hier setzte ihre eigene Produktivität sich fort und um [...]. Sie hatte eine Art, zu arrangieren und zu dirigieren, die ihr mit geometrischer Zwangsläufigkeit den Mittelpunkt zuwies, und alle waren dessen froh: denn dieser Mittelpunkt stand fest und setzte die andern in Szene, nicht sich [...]. Am Morgen pflegte sie um 6 Uhr aufzustehen, trank eine Flasche Champagner leer und spielte eine Stunde lang das 'Wohltemperierte Klavier'. Ich berichte das aus Erfahrung. Denn ich war meiner Gewohnheit, die zur Deckung des Lebensunterhalts erforderlichen Schreibarbeiten des Nachts zu erledigen, auch in Los Angeles treu geblieben, und es geschah nicht selten, daß im Morgengrauen das Telephon ging, dem dann ohne weitere Formalitäten ihre Stimme entklang: 'Bist noch wach? Komm frühstücken!' Und da gab es keinen Widerspruch.'' <ref name="Seele10"> Friedrich Torberg, Nachruf auf Alma, 1964, zitiert nach Seele: ''Alma Mahler-Werfel, S. 140f.</ref>}} == Die Komponistin Alma Mahler-Werfel == Während ihrer künstlerisch aktiven Zeit komponierte und entwarf Alma Schindler-Mahler-Werfel etwas mehr als hundert Lieder, verschiedene Instrumentalstücke und den Anfang einer Oper. Von ihrem [[Gesamtwerk|Œuvre]] sind nur siebzehn Lieder erhalten geblieben. Die übrigen Kompositionen gingen während des [[Zweiter Weltkrieg|Zweiten Weltkrieges]] verloren oder wurden von ihr selbst vernichtet. Überliefert sind die im Jahr 1910 erschienenen Lieder, die zwischen 1900 und 1901 komponiert wurden: [[Datei:R-dehmel 1905.jpg|thumb|Richard Dehmel, 1905. Alma Mahler-Werfel vertonte mehrfach Gedichte des Lyrikers]] * ''Die stille Stadt'', Text von [[Richard Dehmel]] * ''In meines Vaters Garten'', Text von [[Otto Erich Hartleben]] * ''Laue Sommernacht'', Text '''nicht''' von Gustav Falke, sondern von [[Otto Julius Bierbaum]] * ''Bei dir ist es traut'', Text von [[Rainer Maria Rilke]] * ''Ich wandle unter Blumen'', Text von [[Heinrich Heine]] Im Jahr 1915 veröffentlichte Alma Mahler-Werfel vier weitere Lieder, die 1901 beziehungsweise 1911 von ihr komponiert worden waren: * ''Licht in der Nacht'', Text von [[Otto Julius Bierbaum]] * ''Waldseligkeit'', Text von [[Richard Dehmel]] * ''Ansturm'', Text von [[Richard Dehmel]] * ''Erntelied'', Text von [[Gustav Falke]] Im Jahr 1924 wurden fünf weitere ihrer Lieder veröffentlicht, deren Entstehungszeitpunkt - bis auf den eines Liedes - jedoch jeweils nicht bekannt ist: * ''Hymne'', Text von [[Novalis]] * ''Ekstase'', Text von [[Otto Julius Bierbaum]] * ''Der Erkennende'', Text von [[Franz Werfel]] – komponiert im Sommer 1915 * ''Lobgesang'', Text von [[Richard Dehmel]] * ''Hymne an die Nacht'', Text von [[Novalis]] Im Jahr 2000 schließlich wurden noch zwei nachgelassene Lieder publiziert (herausgegeben von Susan M. Filler, Hildegard Publishing Company, Bryn Mawr, USA): * ''Kennst du meine Nächte'', Textdichter unbekannt (angeblich Rilke) * ''Leise weht ein erstes Blühn'', Text von [[Rainer Maria Rilke]] Danielle Roster hat in ihrem 1995 veröffentlichten Aufsatz über Alma Mahler-Werfel darauf hingewiesen, dass in ihr gewidmeten Artikeln und Büchern Alma Mahler-Werfel als Komponistin nur selten wahrgenommen wird. Selbst die Musikkritikerin [[Karen Monsson]], die sich ausführlicher mit Alma Mahler-Werfels Konflikt um die künstlerische Selbstentfaltung beschäftigt, widmet den Kompositionen Alma Mahler-Werfels nur wenige Zeilen. Eine ausführlichere Auseinandersetzung mit dem Schaffen Alma Mahler-Werfels erfolgte durch den österreichischen [[Musikwissenschaftler]] und Komponisten [[Robert Schollum]]. Er weist darauf hin, dass sich die Tonsprache ihrer Arbeiten stark von der ihres Mannes Gustav Mahler unterscheidet. Ähnlichkeit besteht dagegen zu dem Werk von [[Alexander von Zemlinsky]], ihrem Kompositionslehrer, und zu [[Richard Wagner]] und [[Johannes Brahms]]. Schollum spricht ihr eine melodische Begabung zu und bezeichnet ihre Komposition als kühn und originell. Er vergleicht die Werke Alma Mahler-Werfels, der er eine musikalische Hochbegabung zuspricht, mit den frühen Kompositionen von [[Alban Berg]], den ''Gurreliedern'' von [[Arnold Schönberg]], den Arbeiten von [[Franz Schreker]] und den nach 1909 entstandenen Kompositionen von [[Joseph Marx]]<!-- ??? -->. In jedem Fall hatte Alma Mahler-Werfel Zweifel daran, wie weit es einer Frau anstünde, zu komponieren. Die heute als Komponistinnen geschätzten [[Clara Schumann]] und [[Fanny Hensel]] wurden gegen Ende des 19. Jahrhunderts als solche nicht gewürdigt, so dass es Alma Mahler-Werfel an entsprechenden weiblichen Vorbildern fehlte. Das Leben ihrer als Komponistin erfolgreichen Zeitgenossin [[Ethel Smyth]] zeigt auch, wie viel Entschiedenheit angesichts der gesellschaftlichen Konventionen dazu gehörte, sich als Komponistin durchzusetzen. Auch andere Zeitgenossinnen, wie die Malerin [[Paula Modersohn-Becker]] oder die Schriftstellerin und Übersetzerin [[F. Gräfin zu Reventlow|Franziska Gräfin zu Reventlow]], haben ihren Anspruch auf eine künstlerische Selbstentfaltung nur mit sehr viel Kraft und Energie umsetzen können. == Rezeptionsgeschichte == === Alma in Werken anderer Komponisten === * Das ''Adagietto'' in [[Gustav Mahler]]s [[5. Sinfonie (Mahler)|5. Sinfonie]] ist nach Angaben des Dirigenten [[Willem Mengelberg]] eine Liebeserklärung an Alma. * In der [[6. Sinfonie (Mahler)|6. Sinfonie]] hat Gustav Mahler 1906 versucht, Alma musikalisch zu porträtieren. Dazu macht Alma folgende Angaben: ''„Nachdem er den ersten Satz entworfen hatte, war Mahler aus dem Walde herunter gekommen und hatte gesagt: ‚Ich habe versucht, dich in einem Thema festzuhalten – ob es mir gelungen ist, weiß ich nicht. Du mußt dirs schon gefallen lassen.‘ Es ist das große, schwungvolle Thema des I. Satzes.“ * Gustav Mahlers [[8. Sinfonie (Mahler)|8. Sinfonie]] ist seiner Frau Alma gewidmet. Die Uraufführung der Symphonie fiel in die Zeit einer schweren Ehekrise. Mahler versuchte mit den größten Liebesbezeugungen, einschließlich der Widmung der 8. Sinfonie, seine Frau wieder für sich zu gewinnen. * In Gustav Mahlers [[10. Sinfonie (Mahler)|10. Sinfonie]] spiegelt sich die Ehekrise des Jahres 1910 wider. Das Manuskript weist eine Fülle intimer Eintragungen auf, die dokumentieren, dass Mahler damals die schwerste existentielle Krise seines Lebens durchmachte. Die tief bewegenden Ausrufe lassen erkennen, dass die Adressatin dieser Eintragungen Alma war: ''„Du allein weißt, was es bedeutet. Ach! Ach! Ach! Leb’ wol mein Saitenspiel! Lebe wol, Leb wol. Leb wol.“'' (Am Ende des vierten Satzes) - ''„Für dich leben! Für dich sterben! Almschi!“'' (am Schluss des Finales). Alma machte später in Ihrer Wohnung die Skizzen in einer Vitrine für ihre Gäste zugänglich, was [[Elias Canetti]] beklemmend als „Gedenkkapelle“ beschrieben hat. * Gustav Mahlers Lied ''„Liebst Du um Schönheit“'' (1902), die Vertonung eines [[Rückert-Lieder|Rückert]]-Gedichtes, ist ein „''Privatissimum''“ an Alma. * [[Alexander Zemlinsky]]s ''Fünf Lieder op. 7'', 1899 sind Alma gewidmet. Sie wird auch in Bezug auf Zemlinskys Oper „Der Zwerg“ (1922), nach [[Oscar Wilde]]s Märchen ''[[Der Geburtstag der Infantin]]'' oft genannt, in der eine schöne Prinzessin einen hässlichen Zwerg als Geburtstagsgeschenk bekommt, der sich noch nie selbst im Spiegel gesehen hat. Der Gnom verliebt sich in sie und glaubt auf Gegenliebe zu stoßen, nachdem die Prinzessin ihm als Spaß eine Rose zuwirft. Am Ende wird er über das böse Spiel aufgeklärt, erkennt im Spiegel seine Hässlichkeit - und stirbt. Dies lässt sich unschwer als Paraphrase auf das Verhältnis zwischen Alma und Zemlisky erkennen. * [[Hans Pfitzner]] widmete Alma sein ''Streichquartett D-Dur op. 13'' (1902/03, uraufgeführt 1903 in Wien). * [[Ernst Krenek]] komponierte 1923 ''Orpheus und Eurydike'', eine Oper in drei Akten op. 21 (UA 1926), nach einem Libretto von [[Oskar Kokoschka]], wobei [[Orpheus]] für Kokoschka selbst steht, [[Eurydike (Nymphe)|Eurydike]] für Alma, [[Psyche]] für ihre Tochter [[Anna Mahler]] und [[Pluto (Mythologie)|Pluto]], der Gott der Unterwelt, für Gustav Mahler. * [[Alban Berg]] widmete Alma seine Oper ''[[Wozzeck (Berg)|Wozzeck]]'' (1915–21, UA 1925), aus Dankbarkeit für vielfältige (auch finanzielle) Unterstützung seiner Arbeit. * In Erinnerung an Almas Tochter [[Manon Gropius]] komponierte Alban Berg 1935 sein ''Violinkonzert'' und widmete es ''„dem Andenken eines Engels“''. * [[Erich Wolfgang Korngold]]s ''Konzert für Violine und Orchester D-dur op. 35'' von 1945 ist Alma Mahler-Werfel gewidmet, die eine langjährige Freundin der Familie war und mit zum Künstlerkreis im kalifornischen Exil gehörte. * [[Arnold Schönberg]] widmete Alma Mahler-Werfel zum 70. Geburtstag am 31. August 1949 einen vierstimmigen Kanon. * [[Benjamin Britten]] widmete Alma Mahler in Anerkennung dessen, was er Gustav Mahler zu verdanken hatte, 1958 sein ''Nocturne, Op. 60 (for tenor, seven obbligato instruments, and string orchestra)''. Es wurde noch im Jahre seines Entstehens, beim Leeds Centenary Festival uraufgeführt. * [[Tom Lehrer]] veröffentlichte 1965 die Ballade „Alma“, einen satirischen Beitrag zu ihrem beziehungsreichen Leben. (siehe: Weblinks) === Alma im Werk Oskar Kokoschkas === * Alma Mahler, 1912, Öl auf Leinwand, The National Museum of Modern Art, [[Tokio]] :''In den ersten Tagen ihrer Bekanntschaft ließ Kokoschka Alma als neue [[Gioconda]] posieren und gab ihr Züge wie [[Leonardo da Vinci|Leonardo]] seiner [[Mona Lisa]]. Alma selber sah sich in diesem Porträt als [[Lucrezia Borgia]].'' * Alma Mahler und Oskar Kokoschka, 1913, Kohle und weiße Kreide, [[Leopold Museum]], Wien * Doppelbildnis Oskar Kokoschka und Alma Mahler, 1912/1913, Öl auf Leinwand, [[Museum Folkwang]], [[Essen]] * Sieben [[Fächer]] für Alma Mahler, 1912/1913, Tusche und Aquarell auf ungegerbter Ziegenhaut, [[Museum für Kunst und Gewerbe]], [[Hamburg]] :''Kokoschka bezeichnete die sieben Fächer, die er Alma zwischen 1912 und 1914 schenkte, als „Liebesbriefe in Bildersprache“. Der erste Fächer entstand zu Alma Mahlers Geburtstag 1912. Der dritte Fächer illustrierte die gemeinsame Italienreise 1913 und bildete die Vorlage zum späteren Gemälde „Die Windsbraut“. Nur sechs Fächer haben überlebt, einen warf Almas Ehemann [[Walter Gropius]] aus Eifersucht ins Feuer.'' * Die Windsbraut, 1913, Öl auf Leinwand, [[Kunstmuseum Basel]], [[Basel]] :''Das Gemälde hieß zuerst „[[Tristan und Isolde (Oper)|Tristan und Isolde]]“, der Titel jener Oper [[Richard Wagner]]s, die die erste Begegnung der beiden begleitete. Als Kokoschka das Bild malte, war der österreichische Dichter [[Georg Trakl]] fast täglich um ihn und hat dem Gemälde seinen Namen gegeben: „Golden lodern die Feuer der Völker rings. Über schwärzliche Klippen stürzt todestrunken die erglühende Windsbraut, die blaue Woge des Gletschers und es dröhnt gewaltig die Glocke im Tal: Flammen, Flüche und die dunklen Spiele der Wollust stürmt den Himmel ein versteinertes Haupt.“'' * Fresko für Alma Mahlers Haus in Breitenstein, 1913 :''Bevor Alma ihr neues Haus in Breitenstein am Semmering im Dezember 1913 bezog, malte Kokoschka ein vier Meter breites Fresko über den Kamin, als Fortsetzung der Flammen und Alma darstellend, wie sie „in gespensterhafter Helligkeit zum Himmel weise, während er in der Hölle stehend von Tod und Schlangen umwuchert schien.“'' Das Fresko galt lange als verschollen und wurde erst 1988 wieder entdeckt. * Alma Mahler, 1913, Kreide, [[Scottish National Gallery of Modern Art]], [[Edinburgh]] * Alma Mahler mit Kind und Tod, 1913, Kreide, Sammlung Essl, [[Klosterneuburg]] : ''Kokoschka zeigt Alma mit dem Fötus eines Kindes, in Anspielung auf die für ihn so schmerzhaften Abtreibung im Oktober 1912.'' * Alma Mahler spinnt mit Kokoschkas Gedärmen, 1913, Kreide, Sammlung Essl Klosterneuburg : ''Kokoschka veranschaulicht hier die Schmerzen, die ihm Alma durch die Abtreibung zugefügt hatte. Er verwendet die „Marter des hl. Erasmus von Formio“, wobei er die Winde gegen ein Spinnrad austauscht, auf das Alma seine aus dem Bauch hervorquellenden Gedärme aufspult.'' * Alma Mahler von Verehrern bedrängt, 1913, [[Lithografie]], [[Graphische Sammlung Albertina]], Wien : ''Alma wird in einem Sakralraum von sechs Verehrern (darunter der Komponist [[Hans Pfitzner]]) bedrängt und scheint dies zu geniessen.'' * Allos Makar, 1913, Lithografiezyklus (5 Bll.) :''Aus den Buchstaben der Namen Alma und Oskar formte Kokoschka den Titel eines Gedichtes Allos Makar (griechisch für „Anders ist glücklich“), das er durch diesen Grafikzyklus illustrierte'' * Stillleben mit Putto und Kaninchen, 1914 : ''In dem Bild gestaltete Kokoschka in einem Gleichnis das Zerbrechen seines Liebesverhältnis mit Alma: ''“Man darf aus Lässigkeit das Werden eines Menschenlebens nicht absichtlich verhindern. Es war ein Eingriff auch in meine Entwicklung, das ist doch einleuchtend.“'' Mit dem Eingriff, den Kokoschka hier erwähnt, spricht er das von Alma erwartete gemeinsame Kind an, das sie 1914 abtreiben ließ.'' Oskar Kokoschkas Leben und Schaffen war auch nach der Beendigung des Liebesverhältnisses mit Alma Mahler noch lange von dieser Beziehung geprägt. Sein Drama ''Orpheus und Eurydike'', das er 1918 vollendete, spiegelt im Mythos dieser antiken Liebesgeschichte das Scheitern seiner Liebe zu Alma Mahler. Es wurde von Almas Schwiegersohn [[Ernst Krenek]] vertont. Zu den bizarreren Anekdoten der Kunstgeschichte gehört, dass Kokoschka zum Jahresende 1918 sich von der [[Puppe (Spielzeug)|Puppenmacherin]] Hermine Moos einen lebensgroßen [[Fetisch|Puppen-Fetisch]] nach Almas Modell fertigen ließ. In zahlreichen Briefen schrieb Kokoschka eine Gebrauchsanweisung für die Puppenmacherin, etwa: ''„Sehr neugierig bin ich auf die Wattierung, auf meiner Zeichnung habe ich die mir wichtigen Flächen, entstehenden Gruben, Falten etwas schematisch angedeutet, durch die Haut - auf deren Erfindung und stofflichen, dem Charakter der Körperpartien entsprechenden, verschiedenen Ausdruck ich wirklich höchst gespannt bin - wird alles reicher, zärtlicher, menschlicher werden?“'' Als die Puppe bei Kokoschka in Dresden eintraf, war die Enttäuschung groß, vergeblich versuchte er in dem Gegenstand aus Stoff und Holzwolle seine geliebte Alma zu erkennen. Er verewigte „Die stille Frau“, wie die misslungene Kopie nun hieß, in zahlreichen Tuschzeichnungen und Gemälden. Er kleidete sie in teure Kostüme und Dessous aus den besten Pariser Modesalons und ließ über seine Kammerzofe das Gerücht verbreiten, er habe einen Fiaker gemietet, „um sie an sonnigen Tagen ins Freie zu fahren, und eine Loge in der Oper, um sie herzuzeigen.“ Kokoschka zerstörte diesen Fetisch schließlich selbst, indem er nach einer durchfeierten Nacht die Puppe mit Wein übergoss und ihr den Kopf abschlug. Das trug ihm den Besuch der Polizei ein, da Nachbarn die im Garten liegenden Puppenbestandteile für eine [[Leiche]] hielten. * Stehender weiblicher Akt - Alma Mahler, 1918 :''Diese lebensgroße Aktskizze von Alma Mahler wurde von Kokoschka als Vorlage für die Alma-Puppe für Hermine Moos angefertigt.'' * Der Puppenfetisch mit Katze, 1919, Grüne Kreide, [[Solomon R. Guggenheim Museum]], New York * Frau in Blau, 1919 :''Das Gemälde zeigt die Puppe, wurde mehrfach überarbeitet und in etwa zwanzig Studien vorbereitet.'' * Maler mit Puppe, Öl auf Leinwand, [[Neue Nationalgalerie]], [[Berlin]] * Selbstbildnis mit Puppe, 1920/21 === Alma Mahler auf der Bühne und im Film === 1996 wurde anlässlich der [[Wiener Festwochen]] das ungewöhnliche Theaterstück „''[[Alma (Theaterstück)|Alma – A Show biz ans Ende]]''“ von [[Joshua Sobol]] unter der Regie von [[Paulus Manker]] im ehemaligen [[Sanatorium Purkersdorf]] uraufgeführt. Das Sanatorium in der Nähe von Wien ist ein Bauwerk des Jugendstil-Architekten [[Josef Hoffmann (Architekt)|Josef Hoffmann]], Freund von Almas Stiefvater [[Carl Moll]] und Architekt von Alma Mahlers Villa auf der [[Hohe Warte (Wien)|Hohen Warte]]. Die Atmosphäre des Bauwerks und die Möglichkeit für die Zuschauer, in verschiedenen Räumen der theatralischen Inszenierung von Alma Mahler-Werfels Leben gleichsam wie einer ihrer zeitgenössischen Gäste interaktiv teilzuhaben, bescherten dem „Polydrama“ in den Jahren 1996 bis 2001 140 ausverkaufte Vorstellungen. Das Stück wurde zum Kult und wurde 1999 von [[Paulus Manker]] verfilmt. Es folgten mehrsprachige Neuproduktionen der Wiener Aufführung an Almas Lebensorten: 2002 in [[Venedig]] (Palazzo Zenobio), 2003 in [[Lissabon]] (Convento dos Inglesinhos), 2004 in [[Los Angeles]] (Los Angeles Theatre), 2005 im [[Schloss Petronell]] bei Wien, 2006 in [[Berlin]] ([[Kronprinzenpalais (Berlin)|Kronprinzenpalais]]), 2007 am [[Semmering (Niederösterreich)|Semmering]] ([[Kurhaus Semmering|Kurhaus]]) unweit von Alma Mahlers Sommerhaus in [[Breitenstein (Niederösterreich)|Breitenstein]], 2008 in [[Wien]] (k.k. Post- und Telegrafenamt) und 2009 in [[Jerusalem]] (Zentralgefängnis der britischen Mandatsverwaltung). 1974 drehte der englische Regisseur [[Ken Russell]] seinen Film ''Mahler'', in dem Alma Mahler ihren todkranken Mann [[Gustav Mahler]] auf seiner letzten Reise nach [[Wien]] begleitet. Der Film schildert in Rückblenden Erinnerungen und gemeinsames Erleben sowie entsprechende Paraphrasen Ken Russels. 2001 wurde unter der Regie des [[Australien|australischen]] [[Regisseur]]s [[Bruce Beresford]] ein weiterer [[Film]] über das Leben Alma Mahler-Werfels gedreht. Der Titel der englisch-deutsch-österreichischen Koproduktion, ''[[Die Windsbraut]]'' (''Bride of the Wind''), ist der Titel eines Gemäldes, das Oskar Kokoschka 1913 während seiner Beziehung zu Alma Mahler gemalt hatte (siehe oben). 1994 verfasste der österreichische Schriftsteller [[Alexander Widner]] das Stück ''Dichter, Flucht und Alma. Ein Bergstück.'', das in [[Reichenau an der Rax|Reichenau]] uraufgeführt wurde. 1999 kam in Zagreb am Teatar &TD das kroatische Stück ''Alma Mahler'' von Maja Gregl und Ivica Boban zur Uraufführung. Der Amerikaner Martin Chervin († 1993) schrieb die one-woman-show ''Myself, Alma Mahler''. Der Amerikaner Gary Kern verfasste 1986 das Stück ''The Mad Kokoschka'', die Französin Francoise Lalande schrieb den Monolog ''Alma Mahler'', der 1987 am Théatre du Cheval Fou à Avignon uraufgeführt wurde. Der Israeli Adi Etzion schrieb 2005 das "Konzert-Drama" ''Alma Mahler – Memories of a Muse''. Die Australierin Wendy Beckett collagierte 2006 in ''For The Love of Alma Mahler'' Almas Geschichte mit der Musik von Gustav Mahler. An der Washington University in Saint Louis entstand 2006 das Stück ''Kokoschka: A Love Story'' von Henry I. Schvey. Der umstrittene Alma-Biograf [[Berndt W. Wessling]] verfasste einen Einakter über Alma Mahler-Werfel, ''Die Windsbraut'', der bislang nicht aufgeführt wurde. 1998 entstand am Tanztheater des Tiroler Landestheaters das Ballett ''Alma - Die Suche nach dem Ich''. (Choreografie: Maria Luise Jaska). 2005 wurde Almas Beziehung zu [[Oskar Kokoschka]] Thema des [[Ballett]]s ''Die Windsbraut'', das am Theater in [[Krefeld]] zur Uraufführung kam (Choreografie: Heidrun Schwarz) und Musik von [[Gustav Mahler]], [[Jean Sibelius]], [[Richard Wagner]], [[Aram Chatschaturjan]] und [[Uri Caine]] verwendete. 1999 schufen [[Anne-Kathrin Klatt]] und Jutta Schubert das mehrfach ausgezeichnete [[Figurentheater]]-Projekt ''Mona Alma - die stumme Geliebte'' über [[Oskar Kokoschka]]s Vision der perfekten Frau. 2005 kam beim Ravinia Festival in [[Chicago]] das Musical ''Doll'' (Musik: Scott Frankel, Text: Michael Korie) heraus, das ebenfalls Kokoschkas Beziehung zu Alma Mahler und die Alma-Puppe zum Thema hatte. Der US-amerikanische Chansonnier [[Tom Lehrer]] widmete ihr in den frühen 1960ern sein bewunderndes Spottlied „Alma“, in der er von der Eifersucht aller Frauen auf dieses selten erreichte Vorbild im „Angeln“ berühmter Männer eingegangen wird. == Zitate über Alma Mahler-Werfel == Albrecht Joseph, Almas Schwiegersohn, (aus: „Alma Mahler-Werfel, Kokoschka, der Schauspieler George“, unveröffentlichtes Originalmanuskript im Besitz und mit Genehmigung des Weidle-Verlages Bonn) {{Zitat|Wenn sie aufgebracht war, konnte sie die unnahbare große Dame sein. Aber für gewöhnlich war sie heiter, gutgelaunt, freundlich lächelnd, eine gute Zuhörerin, amüsiert auch durch bescheidene Scherze, dem Alkohol zugetan (sie rauchte nicht), und gerne plaudernd. Das Gespräch mußte leicht sein, plätschern, mühelos dahinfließen. Es war nie sehr tief oder speziell. Sie bevorzugte Allgemeinheiten und ließ sich ungern auf Details ein, wo sie sich nicht recht auskannte und die sie langweilten. Ein unerschöpfliches Thema war Liebe. Liebe als Quelle von Macht. Sie wollte geliebt werden, um Macht über ihre Verehrer zu gewinnen. Das hatte nichts oder fast nicht zu tun mit physischer Liebe. Sie wollte angebetet werden, von allen und jedem. Ihr Geschenk für den Liebenden war Verständnis, falls er dessen würdig war, andernfalls Lächeln und Küsse, die sie verschwenderisch austeilte. Geliebt zu werden hielt sie für ihr natürliches Recht wie das Anrecht auf Luft und Wasser. Wo sie es nicht erhielt, wurde sie ärgerlich, deprimiert, gehässig.}} {{Zitat|Liebe als Macht, die Macht der Halbgöttin, deren Huld den Sterblichen beglückt und ihm genügen muß. Sie strebte nicht nach greifbarer Macht, offizieller Stellung, war nicht einmal geldgierig und hatte wohl viel weniger Affären, als gemeinhin angenommen wird. Sie wollte nur, daß die, denen sie gnädig war, Wachs in ihren Händen wurden. Zuckmayer, der für gewöhnlich nicht Wachs in irgend jemandes Hand war, verkündete mir an einem Nachmittag, daß wir zum Abendessen zu Alma gehen werden. Mir paßte das nicht. Ich hatte mir für den Abend etwas anderes vorgenommen, und er übrigens auch. Er lächelte nur und sagte: “Wenn Alma will, geht man.” Er mochte sie, da sie ihn für einen genialen Dichter auf dem Weg zur Weltberühmtheit hielt, aber Werfel stand ihm viel näher, und er war keineswegs in sie verliebt und keiner ihrer Sklaven. Unter Freunden machte er sich über sie lustig. Aber als guter Menschenkenner wußte er, daß eine Einladung abzulehnen ein ernsthafter Verstoß gewesen wäre und daß es besser war, ihren Zorn nicht herauszufordern. Auch in solch kleinen Dingen durfte ihre Macht nicht angezweifelt werden.}} {{Zitat|Solange sie Mahlers Frau war, kann sie nicht viel Gelegenheit gehabt haben, ihre Machtgier zu befriedigen. Es kann kein Zweifel sein, daß er sie beherrschte. Er verlangte, daß sie Nietzsches Bücher aus dem Haus schaffte und aufhöre, Musik zu komponieren. “Ein Komponist in der Familie genügt”, sagte er. Sie gehorchte, denn sie liebte ihn und erkannte seine Überlegenheit an, aber sie vergab ihm nie.}} {{Zitat|Später, nach einer Krise ihrer Ehe, die sie in ihrem Buch über ihr Leben mit Mahler beschreibt, bereute er und half sogar, einige ihrer Lieder drucken und veröffentlichen zu lassen Sie war eine gründlich ausgebildete Musikerin, eine vorzügliche Pianistin, und anscheinend hatte sie wirkliches Talent für Komposition. Sie hatte bei Alexander von Zemlinsky studiert, und er hielt sie für außergewöhnlich begabt. All das und besonders ihre Rolle als Mahlers Gattin machte sie zu einer Autorität in musikalischen Fragen und nach ihrer allgemein bekannten Liebesgeschichte mit Kokoschka war sie eine Autorität für bildende Kunst und während ihrer Ehe mit Werfel dasselbe für Literatur.}} {{Zitat|Diese Männer, und Gropius und einige andere, liebte sie wirklich. Wenn auch Liebe für sie in den meisten Fällen Anbetung bedeutete, passives Geliebtwerden, konnte sie bei seltenen, bedeutenden Anlässen selbst lieben, geben. Sie schrieb und sagte, physische Liebe habe ihr nicht viel bedeutet, wenn es ihr auch nicht an Erfahrung gefehlt haben kann. Sie gebar vier Kinder und hatte elf Abtreibungen. Wenn sie liebte, gab sie sich ganz hin. Was sie an einem Mann liebte, war das Schöpferische, ein heute viel mißbrauchtes Wort, aber wenn sie es benutzte, war es klar, daß sie seinen Sinn ganz verstand und etwas Wirkliches damit meinte. Sie war immer auf der Suche nach einem neuen Genius. Das klingt lächerlich, und manchmal war es das auch, aber es war ihre echte Leidenschaft. Das kleinste Anzeichen von schöpferischer Begabung erregte sie, auch erotisch, geradezu wie ein Fetisch. Gegen Ende der vierziger Jahre, nach Werfels Tod, sagte sie mir in ihrem Haus in Beverly Hills, daß sie ihrem Hausdiener befohlen habe, Nietzsche und Shakespeare zu lesen, und daß sie ihn dazu bringen wolle, ein Stück zu schreiben. Ich lächelte bei dieser Vorstellung. August, der Diener, war bei einer in Amerika reisenden deutschen Schmiere Operettentenor gewesen, ehe die Truppe Bankrott machte, Sie schüttelte den Kopf und sagte: “Ich kann einfach nicht in demselben Haus mit jemand leben, der nicht schöpferisch ist.”}} == Literatur == === Werke von Alma Mahler-Werfel === ;Kompositionen * ''Sämtliche Lieder für mittlere Stimme und Klavier''. Universal Edition Wien Nr. 18 016. * ''Fünf Gesänge''. Musikverlag Josef Weinberger. * ''„Die stille Stadt“, „Ich wandle unter Blumen“''. In: E. Rieger (Hrsg.): ''Frauen komponieren. 25 Lieder für Singstimme und Klavier''. Edition Schott Wiesbaden 7810. ;Biografisches * Alma Mahler: ''And the Bridge is Love.'' In collaboration with E. B. Ashton. Harcourt, Brace & Co., New York 1958. * Alma Mahler: ''Mein Leben''. Frankfurt am Main 1963. ISBN 3-596-20545-X * Alma Mahler: ''Gustav Mahler. Erinnerungen und Briefe.'' [[Allert de Lange]], Amsterdam 1940. ** Alma Mahler: ''Erinnerungen an Gustav Mahler''. Hrsg. v. Donald Mitchell. Frankfurt am Main 1971. ** Alma Mahler: ''Gustav Mahler, Memories and Letters.'' Übers. v. Basil Creighton, erweit. v. Knud Martner u. Donald Mitchell. University of Washington Press, Seattle 1975. ISBN 0-7195-2950-6 * ''Tagebuch-Suiten 1898–1902''. Hrsg. v. Antony Beaumont und Susanne Rode-Breymann. Frankfurt am Main 1997. ISBN 3-596-15220-8 ;Briefe * ''Gustav Mahler. Briefe 1879-1911.'' Hrsg. von Alma Maria Mahler. Wien 1925. * ''Ein Glück ohne Ruh'. Die Briefe Gustav Mahlers an Alma.'' Erste Gesamtausgabe. Hrsg. v. Henry-Louis de La Grange, Günter Weiss & Knud Martner. Siedler Verlag, Berlin 1995, Btb Goldmann, München 1997. ISBN 3-88680-577-8 * [[Friedrich Torberg]]: ''Liebste Freundin und Alma. Briefwechsel mit Alma Mahler-Werfel''. Hrsg. von David Axmann u. Marietta Torberg. Langen Müller, München 1987. ISBN 3-7844-2157-1 === Sekundärliteratur === * [[Hilde Berger (Schauspielerin)|Hilde Berger]]: ''Ob es Hass ist solche Liebe. Oskar Kokoschka und Alma Mahler''. Boehlau, Wien 1999. ISBN 3-205-99103-6 : (Biografischer Roman. Anhand von Oskar Kokoschkas Bildern und Texten (Theaterstücke, Briefe und Prosa) nachgezeichnete "amour fou" zwischen Alma Mahler und Oskar Kokoschka. Neben zahlreichen Abbildungen und Fotos enthält der Band Kurzbiografien und Literaturverzeichnis (APA-Text)) * [[Oliver Hilmes]]: ''Witwe im Wahn. Das Leben der Alma Mahler-Werfel''. Siedler, München 2004. ISBN 3-88680-797-5 : (Hilmes verarbeitet erstmalig Mahler-Werfels bis dahin unzugängliche autobiografische Aufzeichnungen, in denen sie von sich selbst ein höchst unvorteilhaftes egomanisches, mitunter hysterisch überspanntes und zudem mit rassistischen Zügen durchsetztes Bild entwirft) * Oliver Hilmes: ''Witwe im Wahn''. Spuren – Menschen die uns bewegen. [[Hörbuch]], gelesen von [[Paulus Manker]]. RandomHouse Audio, 2006. * Max Phillips: ''The artist's wife.'' New York 2002. ISBN 0-8050-6670-5 * Max Phillips: ''Ich nehme jeden, der mir gefällt. Das leidenschaftliche Leben der Alma Mahler.'' Lübbe, Bergisch Gladbach 2002, 2005 (Deutsch). ISBN 3-404-92182-8 : (Biografischer Roman, der auf den Fakten der anderen Biografien beruht und keine eigene Sichtweise bietet) * Astrid Seele: ''Alma Mahler-Werfel''. Rowohlt Taschenbuch, Reinbek bei Hamburg 2001. ISBN 3-499-50628-9 : (Mit einer Charakterisierung Alma Mahlers und einer ausführlichen Berücksichtigung des Briefwechsels Almas mit Friedrich Torberg) * [[Joshua Sobol]]: ''Alma – A Show Biz ans Ende (Polydrama).'' Hrsg. von Paulus Manker, mit unveröffentlichten Photos aus Alma Mahlers Besitz. Wien 1998. : (Ein Simultandrama in dreißig Szenen aus Almas Leben, ergänzt mit unveröffentlichten Fotos aus Privatbesitz) * Susanne Keegan: ''The Bride of the Wind. The Life and Times of Alma Mahler-Werfel.'' Viking Press, New York 1992. ISBN 0-436-23274-X * ''Alma Schindler, Gattin des Gustav Mahler.'' in: Francoise Xenakis: ''Frau Freud ist wieder mal vergessen worden!'' Knaur, München 1988. ISBN 3-463-40037-5 : (Fiktive Biografie der Zeit mit Gustav Mahler, basierend auf und ergänzt durch Originalbriefe und Tagebucheintragungen) * Karen Monson: ''Alma Mahler-Werfel. Die unbezähmbare Muse.'' München 1985. ISBN 3-453-55130-3 * [[Francoise Giroud]]: ''Alma Mahler oder die Kunst, geliebt zu werden.'' München 1988, Wien 1990. ISBN 3-552-04114-1 * [[Francoise Giroud]]: ''Alma Mahler, ou l'art d'être aimée.'' Robert Laffont, Paris 1985 (franz. Orig.). ISBN 2-221-05455-5 * [[Francoise Giroud]]: ''Alma Mahler or the Art of Being Loved.'' Oxford University Press, Oxford 1991 (Engl.). ISBN 0-19-816156-5 : (Giroud sieht Alma Mahler-Werfel vor allem als frühe Feministin) * [[Berndt W. Wessling]]: ''Alma – Gefährtin von Gustav Mahler, Oskar Kokoschka, Walter Gropius, Franz Werfel.'' List Taschenbuch, Düsseldorf 1983. ISBN 3-612-65095-5 : (Die Biografie gilt als wenig objektiv und solide. Wessling wurde 1989 im „Spiegel“ als Fälscher entlarvt (in: ''[[Der Spiegel]]'' Hamburg 1989,38, S. 220-230). Treffen und Interviews mit Alma Mahler, die er in seinem Buch zitiert, hatten nie stattgefunden)<!--=== Warum wird sie dann hier im Rahmen einer Enzy. überhaupt erwähnt? ===--> ;Aufsätze: * Susanne Rode-Breymann: ''Die Komponistin Alma Mahler-Werfel.'' Hannover 1999. ISBN 3-931266-06-0 * Danielle Roster: ''Alma Mahler-Schindler''. In: Danielle Roster: ''Die großen Komponistinnen''. Insel Verlag, Frankfurt am Main 1998, S.267–291 (Mit Bibliografie und Diskografie in Auswahl). ISBN 3-458-33816-0 * Robert Schollum: ''Die Lieder von Alma Schindler-Mahler''. In: ''Österreichische Musikzeitschrift.'' Wien 1979,8, S.544-551. {{ISSN|0029-9316}} ;Gustav Mahler: * Henry-Louis de La Grange: ''Gustav Mahler. Chronique d’une vie''. Fayart, Paris 1979-1984. # ''1860-1900''. Paris 1979, 2006. ISBN 2-213-00661-X # ''L'âge d’or de Vienne 1900-1907''. Paris 1983. ISBN 2-213-01281-4 # ''Le génie foudroyé 1907-1911''. Paris 1984. ISBN 2-213-01468-X * [[Kurt Blaukopf]]: ''Gustav Mahler oder Der Zeitgenosse der Zukunft''. Dtv, München 1980. ISBN 3-423-00950-0 * Henry-Louis de la Grange, Günther Weiß, Knud Martner: ''Ein Glück ohne Ruh'. Die Briefe Gustav Mahlers an Alma.'' Erste Gesamtausgabe. Siedler, Berlin 1995. ISBN 3-88680-577-8 * Jens M. Fischer: ''Gustav Mahler. Der fremde Vertraute''. Zsolnay, Wien 2003. ISBN 3-552-05273-9 (ausführliche Darstellung der Ehe zwischen Gustav Mahler und Alma Mahler-Werfel). * [[Oliver Hilmes]]: ''Im Fadenkreuz. Politische Gustav-Mahler-Rezeption 1919-1945. Eine Studie über den Zusammenhang von Antisemitismus und Kritik an der Moderne''. P. Lang, Frankfurt/M. 2003. ISBN 3-631-51041-1 ;Walter Gropius: * Reginald B. Isaacs: ''Walter Gropius. Der Mensch und sein Werk''. Ullstein, Frankfurt/M. 1985ff. # Frankfurt 1985. ISBN 3-548-27544-3 # Frankfurt 1986. ISBN 3-548-27548-6 ;Oskar Kokoschka: * Oskar Kokoschka: ''Mein Leben''. Bruckmann, München 1971. * Oskar Kokoschka: ''Briefe''. Claassen, Düsseldorf 1984ff. # ''1905-1919''. Düsseldorf 1984. ISBN 3-546-45580-0 # ''1919-1934''. Düsseldorf 1985. ISBN 3-546-45582-7 # ''1934-1953''. Düsseldorf 1986. ISBN 3-546-45584-3 # ''1953-1976''. Düsseldorf 1988. ISBN 3-546-45586-X * Alfred Weidinger: ''Kokoschka und Alma Mahler. Dokumente einer leidenschaftlichen Begegnung''. Prestel, München 1996. ISBN 3-7913-1711-3 * [[Hilde Berger (Schauspielerin)|Hilde Berger]]: ''Ob es Haß ist, solche Liebe? Oskar Kokoschka und Alma Mahler''. Herder, Freiburg/B. 2001. ISBN 3-451-05103-6 ;Franz Werfel: * [[Peter Stephan Jungk]]: ''Franz Werfel. Eine Lebensgeschichte''. Fischerg, Frankfurt/M. 2001. ISBN 3-596-14975-4 * Norbert Abels: ''Franz Werfel. Mit Selbstzeugnissen und Bilddokumenten''. Rowohlt, Reinbek 2002. ISBN 3-499-50472-3 * Lore B. Foltin: ''Franz Werfel''. Metzler, Stuttgart 1972. ISBN 3-476-10115-0 ;Johannes Hollnsteiner: * [[Friedrich Buchmayr]]: ''Der Priester in Almas Salon. Johannes Hollnsteiners Weg von der Elite des Ständestaates zum NS-Bibliothekar''. Verlag der Bibliothek der Provinz, Weitra 2003. ISBN 3-85252-461-X ;Zeitzeugen: Alma Mahler-Werfel, die mit vielen europäischen Kulturschaffenden des 20. Jahrhunderts bekannt war, wird außerdem in zahlreichen Biografien charakterisiert: * [[Elias Canetti]]: ''Das Augenspiel. Lebensgeschichte 1931 - 1937''. Fischer, Frankfurt/M. 1997. ISBN 3-596-29140-2 * [[Milan Dubrovic]]: ''Veruntreute Geschichte. Die Wiener Salons und Literatencafes''. Aufbau-Verlag, Berlin 2001. ISBN 3-7466-1703-0 * [[Claire Goll]]: ''Ich verzeihe keinem. Eine literarische Chronique scandaleuse unserer Zeit''. Droemer Knaur, München 1999. ISBN 3-426-72223-2 * [[Gina Kaus]]: ''Von Wien nach Hollywood. Erinnerungen''. Suhrkamp, Frankfurt/M. 1990. ISBN 3-518-38257-8 * [[Ernst Krenek]]: ''Im Atem der Zeit''. Hoffmann und Campe, Hamburg 1998. ISBN 3-455-11170-X * [[Katia Mann]]: ''Meine ungeschriebenen Memoiren''. Fischer, Frankfurt/M. 2004. ISBN 3-596-14673-9 * [[Klaus Mann]]: ''Der Wendepunkt. Ein Lebensbericht''. Rowohlt, Reinbek 2006. ISBN 3-499-24409-8 * [[Gottfried Reinhardt]]: ''Der Liebhaber. Erinnerungen seines Sohnes Gottfried Reinhardt an Max Reinhardt''. Droemer Knaur, München 1975. ISBN 3-426-00414-3 * [[Walter Slezak]]: ''Wann geht der nächste Schwan?'' Piper, München 1989. ISBN 3-492-10769-9 * [[Bruno Walter]]: ''Thema und Variationen. Erinnerungen und Gedanken''. Fischer, Frankfurt/M. 1988. ISBN 3-10-390502-5 * [[Berta Zuckerkandl]]: ''Österreich intim. Erinnerungen 1892-1942''. Ullstein, Frankfurt/M. 1988. ISBN 3-548-20985-8 * [[Carl Zuckmayer]]: ''Als wär’s ein Stück von mir. Horen der Freundschaft''. Fischer, Frankfurt/M. 2006. ISBN 3-10-034112-0 == Weblinks == {{commons}} {{Wikiquote|Alma Mahler-Werfel}} * [http://www.alma-mahler.com/deutsch/presscorner/soundfiles.html Originalstimme Alma Mahler-Werfel] * {{DNB-Portal|11857633X}} * {{DM|11857633X}} * [http://www.alma-mahler.at/deutsch/almas_life/almas_life.html Biografie von Alma Mahler-Werfel mit Abbildungen] * {{FemBio|http://www.fembio.org/biographie.php/frau/biographie/alma-mahler-werfel}} * [http://www.alma-mahler.at/text_deutsch/lines.html Liedtext] von [[Tom Lehrer]]s Ballade „Alma“, inspiriert von ihrer Todesanzeige * [http://www.alma-mahler.at/images/movies/tom_lehrer.mp3 Lied als mp3-file] auf www.alma-mahler.at * [http://www.alma-mahler.com/deutsch/sobol/sobol_interview3.html A Monster of our Century - Interview über Alma Mahler] (englisch) *{{IMDb Titel|tt0252121|Alma – A Show biz ans Ende}} *{{IMDb Titel|tt0333071|Alma Mahler von Tomislav Zaja, 2001}} *{{IMDb Rolle|0034826|Alma Mahler als Rolle in verschiedenen Filmen}} == Einzelnachweise == <references /> {{Exzellent}} {{Normdaten|PND=11857633X|LCCN=n/50/2491|VIAF=34578412}} {{DEFAULTSORT:Mahler-Werfel, Alma}} [[Kategorie:Österreichischer Komponist]] [[Kategorie:Österreichischer Emigrant zur Zeit des Nationalsozialismus]] [[Kategorie:Komponist (20. Jahrhundert)]] [[Kategorie:Ehepartner einer berühmten Person]] [[Kategorie:Person (Wien)]] [[Kategorie:Franz Werfel]] [[Kategorie:Geboren 1879]] [[Kategorie:Gestorben 1964]] [[Kategorie:Frau]] {{Personendaten |NAME=Mahler-Werfel, Alma |ALTERNATIVNAMEN=Schindler, Alma Maria (Geburtsname); Mahler, Alma (1. Ehe); Gropius, Alma (2. Ehe) |KURZBESCHREIBUNG=österreichische Komponistin |GEBURTSDATUM=31. August 1879 |GEBURTSORT=[[Wien]] |STERBEDATUM=11. Dezember 1964 |STERBEORT=[[New York City|New York]], [[New York (Bundesstaat)|N.Y.]] }} [[ca:Alma Mahler]] [[cs:Alma Mahlerová]] [[da:Alma Maria Schindler]] [[el:Άλμα Μάλερ]] [[en:Alma Mahler-Werfel]] [[eo:Alma Mahler]] [[es:Alma Mahler]] [[fi:Alma Mahler]] [[fr:Alma Mahler]] [[he:אלמה מאהלר]] [[hu:Alma Maria Mahler-Werfel]] [[it:Alma Mahler Schindler]] [[ja:アルマ・マーラー]] [[la:Alma Mahler-Werfel]] [[lb:Alma Mahler-Werfel]] [[nl:Alma Mahler]] [[no:Alma Mahler]] [[pl:Alma Mahler-Werfel]] [[pt:Alma Mahler-Werfel]] [[ru:Малер-Верфель, Альма]] [[sk:Alma Mahlerová]] [[sv:Alma Mahler]] r79on33psagurqr2qwlcpu4ke9hpsz5 wikitext text/x-wiki Main 0 23880 27909 26476 2010-07-17T18:25:20Z Túrelio 288 image replaced by dupe {{Begriffsklärungshinweis}} {{Infobox Fluss | LAGE= [[Deutschland]] | GKZ= DE/24 | FLUSSSYSTEM= [[Rhein]] | ABFLUSSWEG= Rhein//Nordsee | EINZUGSGEBIET= 27292 | NACHWEIS-EINZUGSGEBIET= | LÄNGE= 524 | NACHWEIS-LÄNGE= <ref>Nach Angaben der Wasser- und Schifffahrtsdirektion Süd beträgt die Länge des Mains 524&nbsp;km http://www.wsd-sued.wsv.de/wasserstrassen/bundeswasserstrassen/main/index.html</ref> | ABFLUSS-MNQ= | ABFLUSS-MQ= 225 | ABFLUSS-MHQ= | ABFLUSS-HHQ= | ABFLUSS-HHQ-JAHR= | BEZEICHNUNG-QUELLE= | QUELLE= [[Fichtelgebirge]] ([[Weißer Main]]), [[Fränkische Alb]] ([[Roter Main]]) | QUELLHÖHE-PREFIX= | QUELLHÖHE= 887 | HÖHENBEZUG-QUELLE= DE-NN | QUELLHÖHE-SUFFIX= (Weißer&nbsp;Main), <br />{{Höhe|580|DE-NN}} (Roter&nbsp;Main) | QUELLE_LAT_GRAD= | QUELLE_LONG_GRAD= | QUELLE_REGION= | QUELLE_AUFLÖSUNG= | BEZEICHNUNG-MÜNDUNG= | MÜNDUNG= bei [[Mainz-Kostheim]] in den [[Rhein]] | MÜNDUNGSHÖHE-PREFIX= ca. | MÜNDUNGSHÖHE= 82 | HÖHENBEZUG-MÜNDUNG= DE-NN | MÜNDUNGSHÖHE-SUFFIX= | MÜNDUNG_LAT_GRAD= 49/59/40/N | MÜNDUNG_LONG_GRAD= 8/17/36/E | MÜNDUNG_REGION= DE-HE | MÜNDUNG_AUFLÖSUNG= 1000 | HÖHENUNTERSCHIED= | LINKE NEBENFLÜSSE= [[Regnitz]], [[Tauber]] | RECHTE NEBENFLÜSSE= [[Fränkische Saale]], [[Kinzig (Hessen)|Kinzig]], [[Nidda (Fluss)|Nidda]] | SEEN= | STAUSEEN= | EINWOHNER IM EINZUGSGEBIET= | GROSSSTÄDTE= [[Würzburg]], [[Offenbach am Main]], [[Frankfurt am Main|Frankfurt]], [[Wiesbaden]] | MITTELSTÄDTE= [[Bayreuth]], [[Kulmbach]], [[Lichtenfels (Oberfranken)|Lichtenfels]], [[Bamberg]], [[Schweinfurt]], [[Aschaffenburg]], [[Seligenstadt]], [[Hanau]], [[Maintal]], [[Rüsselsheim]] | KLEINSTÄDTE= | GEMEINDEN= | HÄFEN= In allen größeren und mittleren Städten ab Bamberg. | BEKANNTE BRÜCKEN= [[Alte Mainbrücke]] in Würzburg, [[Alte Mainbrücke Kitzingen|Alte Mainbrücke in Kitzingen]], [[Alte Brücke (Frankfurt)|Alte Brücke]] und [[Eiserner Steg]] in Frankfurt. | SCHIFFBAR= 388 km<ref>Laut Website der Wasser- und Schifffahrtsdirektion Süd sind von 524&nbsp;km Mainlänge 388&nbsp;km Wasserstraße http://www.wsd-sued.wsv.de/wasserstrassen/bundeswasserstrassen/main/index.html</ref> (ab Bamberg) | ANMERKUNGEN= | BILD= Skyline Frankfurt am Main.jpg | BILD-BREITE= | BILDBESCHREIBUNG= Der Main vor der beleuchteten Frankfurter Skyline | KARTE= Main_river.png | KARTE-BREITE= | KARTE-BESCHREIBUNG= Karte des Mainverlaufs }} Der '''Main''' ist mit 524&nbsp;Kilometer Fließstrecke der längste rechte [[Nebenfluss]] des [[Rhein]]s. Der Flusslauf führt, für mitteleuropäische Flüsse ungewöhnlich, von Osten nach Westen und verläuft dabei entlang mehrerer [[Franken (Region)|fränkischer]] [[Mittelgebirge]], historischer Kleinstädte, der markanten [[Skyline|Silhouette]] [[Würzburg]]s und durch das fränkische [[Franken (Weinbaugebiet)|Weinbaugebiet]]. Kurz oberhalb der [[Mündung (Gewässer)|Mündung]] verläuft der Main durch die mit zahlreichen [[Brücke]]n verbundene Innenstadt [[Frankfurt am Main|Frankfurts]]. Gegenüber der [[Mainz]]er Altstadt –&nbsp;zwischen [[Ginsheim-Gustavsburg]] und dem [[Wiesbaden]]er Stadtteil [[Mainz-Kostheim]]&nbsp;– mündet er schließlich in den [[Rhein]]. Von der Mündung in den Rhein (Kilometer&nbsp;0) bis zur Eisenbahnbrücke bei [[Hallstadt]] (Kilometer&nbsp;387,69) ist der Main [[Bundeswasserstraße]]. == Daten == Der Main verläuft durch die Bundesländer [[Bayern]] und [[Hessen]]. Im Bereich der Stadt [[Wertheim]] bildet er auf rund 25&nbsp;Kilometer Länge die Grenze zwischen Bayern und [[Baden-Württemberg]]. Er mündet bei dem [[Wiesbaden]]er Stadtteil [[Mainz-Kostheim]] in den Rhein. Rechnet man die [[Regnitz]] mit [[Pegnitz (Fluss)|Pegnitz]] als Quellfluss, ergibt sich eine Gesamtlänge von 567&nbsp;Kilometer Fließstrecke, womit der Main der Rhein-Nebenfluss mit der längsten Fließstrecke wäre. Das Attribut „Längster innerdeutscher Fluss“ trifft nur bei einer sehr verengten Betrachtungsweise zu, tatsächlich ist die [[Weser]] einschließlich des längeren der beiden Quellflüsse, der [[Werra]], mit 744&nbsp;Kilometern deutlich länger als der Main. Nur wenn man erst den Zusammenfluss von [[Fulda (Fluss)|Fulda]] und Werra als Startpunkt der Weser ansieht, ist diese mit 452&nbsp;Kilometern kürzer als der Main. Die Weser ist an ihrer „Quelle“ jedoch bereits ein stattlicher Fluss. Vor der Wiedervereinigung war der Main jedoch der längste Fluss, der ausschließlich in der Bundesrepublik floss. Die anderen deutschen Flüsse, die länger als der Main sind ([[Donau]], [[Rhein]], [[Elbe]], [[Oder]] und [[Mosel]]) entspringen oder münden im Ausland und sind damit keine rein innerdeutschen Flüsse. Neben der [[Warthe]] und ihrem Nebenfluss [[Netze]] ist der Main der einzige große Fluss in Mitteleuropa, der von Osten nach Westen fließt. Die meisten mitteleuropäischen Ströme fließen nach Norden, nur die Donau nach Osten. Das [[Einzugsgebiet (Hydrologie)|Einzugsgebiet]] des Mains und seiner Nebenflüsse umfasst 27.292&nbsp;Quadratkilometer und erstreckt sich über den größten Teil [[Franken (Region)|Frankens]], den nordöstlichsten Teil [[Baden (Land)|Badens]] und Südhessen. Es grenzt im Süden an das Einzugsgebiet der Donau; die Grenze zwischen beiden ist Teil der [[Wasserscheide#Europäische Wasserscheide|Europäischen Hauptwasserscheide]]. Wenige hundert Meter südlich der Weißmainquelle liegt die Quelle der [[Fichtelnaab]], die über die [[Naab]] in die Donau mündet und damit ins [[Schwarzes Meer|Schwarze Meer]] abfließt. Der Main ist mit einem mittleren Abfluss von 225&nbsp;Kubikmetern pro Sekunde an der Mündung in den Rhein nach [[Aare]] (590&nbsp;Kubikmeter pro Sekunde) und [[Mosel]] (315&nbsp;Kubikmeter pro Sekunde) der drittwasserreichste Nebenfluss des [[Rhein]]s. Der Main ist auf 388 Kilometer (ab [[Bamberg]]) schiffbar und seit 1992 über den [[Main-Donau-Kanal]] mit der Donau verbunden. Vor allem im Ballungsraum [[Rhein-Main-Gebiet|Rhein-Main]] um Frankfurt befinden sich mehrere große [[Binnenschifffahrt|Binnenhäfen]]. Entlang des Mains verlaufen der Mainwanderweg und der [[Main-Radweg]]. ''Siehe auch:'' [[Liste von Städten und Orten am Main]] == Name == Der Name ''Main'' ist [[Kelten|keltischen]] Ursprungs: Sie nannten den Fluss ''Moin'' oder ''Mogin.'' Als die [[Römisches Reich|Römer]] im 1. Jahrhundert v. Chr. in das Gebiet kamen, latinisierten sie den Namen in ''Moenus,'' so z. B. bei [[Plinius der Ältere|Plinius]] (''naturalis historia'') oder [[Cornelius Tacitus|Tacitus]] (''[[Germania (Tacitus)|Germania]]''). Flüsse ähnlichen Namens gibt es in Irland (''Maoin'') und Britannien (''Meon,'' lat. ''maionus''). Für den Ursprung des Namens gibt es mehrere Erklärungen. Einige Autoren führen ihn auf ein [[Indogermanische Sprache|indogermanisches]] Wort ''mei'' mit der Bedeutung ''Wasser'' zurück (vgl. [[Lettische Sprache|lettisch]] ''maina'' oder [[Litauische Sprache|litauisch]] ''maiva:'' ''Sumpf''), andere auf eine Mauer oder einen Zaun (vgl. lat. ''moenia:'' Ringmauer). Im Mittelalter wurde der Fluss zumeist als ''Moyn'' oder ''Moyne'' überliefert, der Name ''Meyn'' erschien erstmals im [[14. Jahrhundert]]. In den am Main gesprochenen Mundarten führt der Fluss folgende Namen: * ''Maa'' in Oberfranken, * ''Mee'' im östlichen Unterfranken, * ''Maa'' (lokal teils [[Nasalvokal|nasalisiert]], teils verdumpft) am Bayerischen Untermain * ''Mää'' in der Aschaffenburger Gegend, * ''Maa'' (nasalisiert) im Raum Frankfurt. == Flusslauf == Der Main fließt, in weiten Bögen, in ost-westlicher Richtung durch [[Oberfranken]], [[Unterfranken]] und [[Südhessen]] und durch Städte wie [[Bayreuth]] (Roter Main), [[Kulmbach]], [[Bamberg]], [[Schweinfurt]], [[Würzburg]], [[Aschaffenburg]] und [[Frankfurt am Main]], und mündet an der Mainspitze bei Mainz in den Rhein. Während der Fluss vor allem im unterfränkischen Abschnitt durch siedlungsarmes Gebiet verläuft, ist die [[Untermainebene]] von Aschaffenburg bis zur Mündung fast ganz durch die Siedlungsflächen und Verkehrswege der [[Rhein-Main-Gebiet|Rhein-Main-Region]] geprägt. === Quellflüsse === [[Datei:FranconianSwitzerland.png|miniatur|left|Main als nördliche Begrenzung der [[Fränkische Schweiz|Fränkischen Schweiz]]]] Der Main hat zwei kurze Quellflüsse, den ''Weißen'' und den ''Roten Main.'' [[Datei:Weißmainquelle.jpg|miniatur|[[Weißmainquelle]]]] {{Hauptartikel|Weißer Main}} [[Datei:Rotmainquelle.jpg|miniatur|[[Rotmainquelle]]]] [[Datei:MainzKostheimMaaraueMainspitzeKilometerNull.JPG|miniatur|Kilometerstein Null an der Mainmündung auf der Maaraue in Mainz-Kostheim]] Der 41 km lange ''Weiße Main'' ist der rechte und nördliche Quellfluss des Mains. Er entspringt im [[Fichtelgebirge]] – 20 km Luftlinie nordöstlich von [[Bayreuth]], nordwestlich von [[Fichtelberg (Oberfranken)|Fichtelberg]]. Seine in Granit gefasste Quelle liegt auf 887&nbsp;m&nbsp;ü.&nbsp;NN am Osthang des 1024&nbsp;m hohen [[Ochsenkopf (Fichtelgebirge)|Ochsenkopfs]].<ref name="WWA Hof-Weiß">[http://www.wwa-ho.bayern.de/wasser_erleben/quellen/weissmainquelle/index.htm Wasserwirtschaftsamt Hof - Weißmainquelle]</ref> Das 679 Meter hoch gelegene [[Bischofsgrün]] ist die erste Gemeinde, die der Weiße Main durchfließt. Das noch sehr junge Fließgewässer durchquert das Heilbad [[Bad Berneck im Fichtelgebirge|Berneck]] und das durch sein [[Kloster Himmelkron|Zisterzienserinnenkloster]] bekannte [[Himmelkron]] und schließlich nördlich der [[Plassenburg]] die Bierstadt [[Kulmbach]]. Hier verläuft er bereits in einer in den 1930er Jahren angelegten Flutmulde, die die jährlichen Überflutungen eindämmen sollte. Der Weiße Main verdankt seinen Namen dem hellen Granitgestein seines Quellgebiets, das das Wasser weißlich erscheinen lässt. {{Hauptartikel|Roter Main}} Der 73 Kilometer lange ''Rote Main'' ist der linke und südliche Quellfluss des Mains. Er entspringt in der [[Fränkische Alb|Fränkischen Alb]] – zehn Kilometer südlich von [[Bayreuth]], fünf Kilometer westlich von [[Creußen]]. Seine ungefasste Quelle (hölzernes Rohr) liegt im [[Lindenhardt]]er Forst knapp zwei Kilometer nordwestlich von [[Hörlasreuth]].<ref name="WWA Hof-Rot">[http://www.wwa-ho.bayern.de/wasser_erleben/quellen/rotmainquelle/index.htm Wasserwirtschaftsamt Hof - Rotmainquelle]</ref> Das aus dem lehmigen Grund des Quellgebiets stammende [[Fluviatiles Sediment|Sediment]], das der junge Fluss mitführt, gibt ihm eine rötliche Farbe und damit auch den Namen. Hörlasreuth ist das erste kleine Dorf, das der Rote Main berührt, das Städtchen Creußen der erste etwas größere Ort. Der Rote Main fließt weiter in nördlicher Richtung bis Bayreuth. Der Fluss fließt in zahlreichen [[Mäander (Flussschlinge)|Mäandern]] weiter in nordwestlicher Richtung durch ein weites Tal. Die beiden Quellflüsse vereinigen sich am westlichen Stadtrand von Kulmbach bei [[Schloss Steinenhausen]]. Diese Stelle bildet den Ursprung des Mains ({{Coordinate|text=DMS|NS=50.086914|EW=11.397843|type=landmark|region=DE-BY|name=Mainursprung}}). Wie bei den meisten Flüssen (eine prominente Ausnahme ist zum Beispiel der [[Rhein]]) beginnt die Zählung der Flusskilometer jedoch nicht an dieser Stelle, sondern sie endet hier. Die Mainkilometer werden rückwärts, also an der Mündung beginnend, gezählt. === Der Main in Oberfranken === [[Datei:Vierzehnheiligen I.JPG|miniatur|Die Basilika Vierzehnheiligen hoch über dem Maintal]] Das Gebiet von den Quellflüssen bis zur Höhe Bambergs wird als [[Obermainland]] bezeichnet. Vom Zusammenfluss der beiden Quellflüsse in [[Kulmbach]] am [[Schloss Steinenhausen]] fließt der junge Main westwärts durch ein weites Tal am Nordrand der Fränkischen Alb. In seinem Lauf durchfließt er die ersten beiden (die an den Quellflüssen liegenden Städte Bayreuth und Kulmbach einmal ausgenommen) von zahlreichen Kleinstädten mit gut erhaltenem historischem Stadtbild: Das aus einer karolingischen Burg hervorgegangene [[Burgkunstadt]] sowie [[Lichtenfels (Oberfranken)|Lichtenfels]] mit seiner teilweise erhaltenen Stadtbefestigung. In Burgkunstadt mündet ein linker Nebenfluss namens [[Weismain (Fluss)|Wei'''''s'''''main]], nicht zu verwechseln mit dem Weißen Main, der auch Wei'''''ß'''''main genannt wird. Zwischen Lichtenfels und der flussabwärts folgenden Kleinstadt [[Bad Staffelstein]] steht eines der bedeutendsten Bauwerke des deutschen [[Barock]]s auf einem Berg über dem linken Mainufer, die nach Plänen von [[Balthasar Neumann]] erbaute Wallfahrtskirche [[Basilika Vierzehnheiligen|Vierzehnheiligen]]. Neumanns Werke sind im weiteren Verlauf des Mains noch öfter vertreten, vor allem in der Region um Würzburg. Vierzehnheiligen direkt gegenüber, über dem rechten Mainufer, steht das im 11. Jahrhundert gegründete [[Kloster Banz|Benediktinerkloster Banz]], ebenfalls ein prächtiger Barockbau. [[Datei:Staffelbergfelsen III.JPG|miniatur|left|Der Staffelberg, Bad Staffelstein und das Maintal]] Oberhalb von [[Bad Staffelstein]], das außer seiner kulturell äußerst reichen Umgebung auch ein sehenswertes historisches Stadtbild und ein großes Fachwerkrathaus aus dem 17. Jahrhundert vorweisen kann, liegt der 540&nbsp;m hohe [[Staffelberg]], dessen felsiges Gipfelplateau seit der Steinzeit besiedelt war. Hier befand sich aller Wahrscheinlichkeit nach die im [[2. Jahrhundert v. Chr.|2.&nbsp;Jahrhundert vor Christus]] vom griechischen Geographen [[Claudius Ptolemäus]] erwähnte [[Kelten|keltische]] [[Oppidum (Kelten)|Stadt]] [[Menosgada]], die um [[30 v. Chr.|30&nbsp;v.&nbsp;Chr.]] aufgegeben wurde. Unterhalb von Bad Staffelstein wendet sich der Flusslauf in südliche Richtung. In zahlreichen Flussschlingen durchfließt der Main eine [[Auenlandschaft]], nimmt bei [[Breitengüßbach]] von rechts die [[Itz]] auf und erreicht nach einigen weiteren Kilometern einen der unbestrittenen kulturellen Höhepunkte des Maintals, die Stadt [[Bamberg]]. [[Datei:Bamberger Dom BW 6.JPG|miniatur|right|Bamberg]] Die Stadt mit dem größten unversehrt erhaltenen historischen Stadtkern in Deutschland wurde 1993 von der [[UNESCO]] als [[Weltkulturerbe]] anerkannt. Überragt vom riesigen romanischen [[Bamberger Dom|Kaiserdom]] erstreckt sich die aus mehreren Kernen entstandene Stadt auf beiden Ufern sowie einigen Inseln der [[Regnitz]], die am Stadtrand in den Main mündet. Das im 15. Jahrhundert erbaute [[Altes Rathaus (Bamberg)|Alte Rathaus]] steht sogar mitten in der Regnitz. Der Main fließt nicht durch den Stadtkern, sondern am nördlichen Stadtrand entlang. Bamberg ist für den Main jedoch nicht nur aus geschichtlichen und kulturellen Gründen bedeutend, sondern vor allem, weil sich hier das nördliche Ende des [[Main-Donau-Kanal]]s befindet. Der Kanal folgt über viele Kilometer der Regnitz und mündet gemeinsam mit ihr bei [[Bischberg]] in den Main. In der Nähe der Mündung befindet sich der erste neuzeitliche [[Binnenhafen]] des Mainlaufs. Bereits 1846 wurde der [[Ludwig-Donau-Main-Kanal]] zwischen Main und Donau eröffnet. Auch er traf in Bamberg auf den Main, an seinen Ufern befanden sich [[Treidelpfad]]e, auf denen Pferde die Schiffe auf dem schmalen Kanal vorwärts zogen. Der technisch veraltete und im Zweiten Weltkrieg beschädigte Kanal wurde 1950 aufgegeben. Pläne für einen modernen Neubau gab es bereits seit den 1920er Jahren. 1960 wurde in Bamberg mit dem Bau begonnen, das erste Teilstück bis [[Nürnberg]] 1972 eröffnet. Damit war die eine Million Einwohner zählende Industrieregion um Nürnberg an das Binnenschifffahrtssystem des Mains angeschlossen, eine spürbare Verbesserung der Verkehrsverhältnisse. 1992 wurde der Kanal bis [[Kelheim]] an der Donau fertig gestellt und die Verbindung zwischen beiden Flüssen eröffnet. Unterhalb von Bamberg fließt der nun schiffbare Main in westliche Richtung. Bis Schweinfurt verläuft er für seine Verhältnisse relativ geradlinig, doch auch hier begleiten romantische Kleinstädte wie die Burgstadt [[Eltmann]], [[Zeil am Main|Zeil]] mit seinem Fachwerk-Marktplatz oder [[Haßfurt]] mit der herrlichen gotischen "Ritterkapelle" und dem Kloster [[Mariaburghausen]] den Fluss. In [[Maria Limbach|Limbach]] und Zeil gibt es bekannte Wallfahrtskirchen. Rechts des Mains liegen die [[Haßberge]], links der [[Steigerwald]]. Nach rund 20 Kilometern wird Schweinfurt erreicht und damit der Bereich des so genannten ''Maindreiecks.'' === Maindreieck === [[Datei:Maindreieck.jpg|right|miniatur|Das Maindreieck und die Mainschleife bei Volkach]] Der Lauf des Mains bildet in [[Unterfranken]] zwei auffällige Landschaftsformen, das ''Maindreieck'' und das ''Mainviereck.'' Das so genannte ''Maindreieck'' bildet der Main zwischen [[Schweinfurt]], [[Ochsenfurt]] und [[Gemünden am Main|Gemünden]]. Auf der Landkarte erscheint dieser Bereich als auf der Spitze stehendes, nach oben offenes Dreieck. Bei Schweinfurt ändert der Main seine Fließrichtung von Ost-West nach Nord-Süd. Der südlichste Punkt des Dreiecks ist zwischen [[Marktbreit]] und Ochsenfurt, dort fließt der Main wenige Kilometer nach Westen, wendet sich dann aber wieder nach Norden, fast entgegengesetzt zur vorherigen Richtung. Ab Gemünden fließt der Main wieder in Richtung Westen weiter. Das Maindreieck ist vor allem durch den [[Weinbau]] bekannt. Ein großer Teil der Anbaufläche des [[Franken (Weinbaugebiet)|Weinbaugebietes Franken]] befindet sich unmittelbar am oder um das Maindreieck. Das Maindreieck beginnt in [[Schweinfurt]], ehemalige [[Freie Reichsstadt]] und späterer Schwerpunkt der Kugellagerindustrie. Wegen letzterer wurde die Stadt im Zweiten Weltkrieg Ziel verheerender [[Luftangriff]]e (der sog. [[Operation Double Strike]]). Zu den größten Kunstschätzen Schweinfurts gehört das Alte Rathaus (1572), eines der schönsten Bauwerke der süddeutschen Renaissance. Wenige Kilometer unterhalb von Schweinfurt steht am linken Mainufer das [[Kernkraftwerk Grafenrheinfeld]], dessen zwei jeweils 143&nbsp;m hohe und mit Mainwasser betriebene Kühltürme kilometerweit das Landschaftsbild beherrschen. [[Datei:Ochsenfurt Alte Mainbrücke 1939.jpg|left|miniatur|Alte Mainbrücke in Ochsenfurt, 1945 zerstört]][[Datei:Marienberg wuerzburg.jpg|right|miniatur|Alte Mainbrücke und Festung Marienberg in Würzburg]][[Datei:Main von neuer Mainbrücke.JPG|right|miniatur|Der Main von der [[Neue Mainbrücke Karlstadt|neuen Mainbrücke bei Karlburg]] nahe [[Karlstadt]]]] Nach rund 20&nbsp;km folgt die ''Mainschleife,'' an deren Scheitelpunkt die Stadt [[Volkach]] liegt, bekannt für den Weinbau und die außerhalb des Städtchens gelegene Wallfahrtskirche [[Maria im Weingarten]]. Der Main fließt bei Volkach in weitem Bogen um einen Berg herum, auf dem die [[Vogelsburg]] in früheren Zeiten den Schiffsverkehr auf dem Fluss kontrollieren konnte. Ein Teil der Mainschleife wurde von 1950 bis 1957 im Rahmen der „Notstandsmaßnahme der wertschaffenden Arbeitslosenfürsorge“ von 750 Arbeitern durch einen 6&nbsp;km langen und 30&nbsp;m breiten [[Kanal (Wasserbau)|Kanal]] für die Schifffahrt abgeschnitten. Dadurch bildet sich die sogenannte ''[[Weininsel]]''. Rund zehn Kilometer flussabwärts liegt auf dem linken Ufer das noch heute seinem ursprünglichen Zweck dienende Benediktinerkloster [[Abtei Münsterschwarzach|Münsterschwarzach]] mit seiner monumentalen Abteikirche. Kurz darauf folgt auf dem rechten Ufer das einschließlich der Stadtbefestigung in seinem mittelalterlichen Erscheinungsbild erhaltene Weinstädtchen [[Dettelbach]]. Die historische Weinhandelsstadt [[Kitzingen]] (mittelalterliche Mainbrücke, Falterturm), das kleine [[Marktbreit]] (Renaissancerathaus, barocke Weinhandelshäuser) und das prächtige [[Ochsenfurt]] (gotisches Rathaus und teilweise erhaltene Mainbrücke von 1519) liegen an der südlichen Spitze des Maindreiecks und am südlichsten Punkt des Flusslaufs überhaupt. Kurz unterhalb des Wendepunkts des Maindreiecks, nach [[Winterhausen]], [[Sommerhausen]], [[Eibelstadt]] und [[Randersacker]], liegt [[Würzburg]], die zweitgrößte Stadt Frankens mit ihrem historischen Stadtbild, das Monumente von internationaler baukünstlerischer Bedeutung wie den romanischen [[Würzburger Dom|Dom]], die [[Marienberg (Würzburg)|Festung Marienberg]] und im Besonderen die zum [[Weltkulturerbe|Weltkulturerbe der Menschheit]] zählende barocke [[Würzburger Residenz|Residenz]] umfasst. Im Nachbarort [[Veitshöchheim]] liegt die bekannte Rokoko-Gartenanlage zusammen mit der [[Schloss Veitshöchheim|Sommerresidenz]] der Würzburger Fürstbischöfe. Die beiden letztgenannten Schlossbauten sind wiederum Werke des bereits erwähnten Balthasar Neumann. Der westliche Schenkel des Maindreiecks ist weniger dicht besiedelt, zwischen Würzburg und dem nordwestlichen Eckpunkt liegt mit [[Karlstadt]] nur eine einzige Kleinstadt. Bei [[Gemünden am Main|Gemünden]] geht das Maindreieck in das ''Mainviereck'' über. Im [[Frühmittelalter]] entsprach das Maindreieck dem östlichen [[Waldsassengau]]. === Mainviereck === [[Datei:Klingenberg am Main.jpg|miniatur|left|Klingenberg am Main]] [[Datei:Carl Anton Joseph Rottmann 003.jpg|miniatur|Der Main bei Wertheim, 1822]] Das ''Mainviereck'' schließt sich unmittelbar an das Maindreieck an. Als Eckpunkte des nach Norden offenen Vierecks kann man die Städte [[Gemünden am Main|Gemünden]], [[Wertheim]], [[Miltenberg]] und Aschaffenburg ansehen. Der Lauf des Mains umschließt in diesem Bereich den südlichen Teil des [[Spessart]]s und beträgt circa 100&nbsp;km. Bereits in Gemünden versperrt der Spessart dem Main den Lauf nach Westen, und er fließt in südwestliche Richtung weiter. Bei [[Lohr am Main]] wendet er sich nach der Aufnahme der [[Lohr (Fluss)|Lohr]] nun direkt nach Süden und fließt durch ein enges, waldreiches und siedlungsarmes Tal. 8 km südlich von Lohr liegt auf der rechten Seite [[Neustadt am Main]]. Das ehemalige Benediktinerkloster Neustadt kann auf eine über 1250 Jahre Vergangenheit zurückblicken. Von ihm ging, zusammen mit Würzburg, die Christianisierung Ostfrankens im 8. Jhd aus. Über eine Fußgängerbrücke gelangt man zum Ortsteil Erlach, eine ehemalige Schiffersiedlung. Das winzige [[Rothenfels]] unterhalb der gleichnamigen romanischen Burg ist mit etwa 1000 Einwohnern die kleinste Stadt Bayerns. Erst am südöstlichen Eckpunkt des Mainvierecks folgen mit [[Marktheidenfeld]] und [[Wertheim]] wieder zwei Kleinstädte. Zwischen diesen beiden Städten umfließt der Main einen Bergrücken und bildet dadurch eine neun Kilometer lange Schleife, deren Anfangs- und Endpunkte in der Luftlinie nur einige hundert Meter auseinanderliegen. Diese Schleife heißt „das Himmelreich“. [[Datei:Freudenberg am Main.jpg|miniatur|Freudenberg]] In Wertheim mündet die [[Tauber]] in den Main. Die Stadt gehört mit ihrem mittelalterlichen Stadtbild und ihrer [[Burg Wertheim|Burgruine]] zu den schönsten des an romantischen Kleinstädten ohnehin reich gesegneten Maintals. Ab Wertheim fließt der Main dann in mehreren Mäandern nach Westen, wobei der Fluss die Grenze zwischen den Ländern Baden-Württemberg und Bayern bildet. Während Wertheim am linken Mainufer zu [[Baden (Land)|Baden]] gehört, ist das rechtsmainische [[Kreuzwertheim]] bayerisch und wesentlich älter als sein badisches Gegenüber.<br /> [[Datei:Aschaffenburg Schloss Johannisburg.jpg|miniatur|right|Schloss Johannisburg, Aschaffenburg]] Das Landschaftsbild ähnelt dem der östlichen Seite des Vierecks. Außer den zwei winzigen, von Burgen bekrönten Städtchen [[Stadtprozelten]] und [[Freudenberg (Baden)|Freudenberg]] sowie der ältesten Siedlung der Gegend, [[Dorfprozelten]], gibt es nur wenige menschliche Siedlungen, dafür viele bewaldete Berge des südlichen Spessart, durch die sich der Fluss mühsam schlängeln muss. Das südwestliche Eck des Mainvierecks ist [[Miltenberg]] an der Mündung der [[Mud (Fluss)|Mud]]. Die historische Kleinstadt wurde für ihre Steinbrüche bekannt. Viele der großen mittelalterlichen Kirchen in Frankfurt und Mainz wurden aus Miltenberger [[Buntsandstein]] errichtet, der mit dem Mainschiff vom Steinbruch zur Baustelle transportiert wurde. Unterhalb der Stadt setzt der Fluss seinen Lauf in nördlicher Richtung fort, nach wie vor in ein enges Tal eingezwängt, rechts vom [[Spessart]], links vom [[Odenwald]] begleitet. Es folgen weitere Kleinstädte mit gut erhaltenen Ortskernen, wie [[Klingenberg am Main|Klingenberg]] und [[Obernburg am Main|Obernburg]]. Die Siedlungsdichte entlang des Mains nimmt nun deutlich zu. Der Flusslauf nähert sich dem Ballungsraum [[Rhein-Main-Gebiet|Rhein-Main]]. Dieser ist spätestens in Aschaffenburg erreicht: die ehemalige [[kurmainz]]ische Residenzstadt ist bereits Teil der zweitgrößten deutschen [[Metropolregion]] rund um Frankfurt am Main. Das Wahrzeichen Aschaffenburgs, das Renaissanceschloss [[Schloss Johannisburg|Johannisburg]], thront hoch über dem Main. === Der Untermain === [[Datei:Seligestadt.jpg|miniatur|left|Vereister Main bei [[Seligenstadt]]]] Von Seligenstadt bis zur Mündung, also in seinem ganzen hessischen Abschnitt, fließt der Main durch eine dicht bebaute Großstadtlandschaft. Nur an sehr wenigen Stellen befindet sich hier noch mehrere Kilometer durchgängig unbebautes Flussufer. Unterhalb des Aschaffenburger Mainbogens fließt der Main in großen Bögen in nordwestliche Richtung weiter. Das Bundesland [[Hessen]] beginnt zunächst auf dem linken Ufer mit der uralten Stadt [[Seligenstadt]] mit ihrer karolingischen [[Einhard-Basilika (Seligenstadt)|Einhard-Basilika]]. Das gegenüberliegende [[Karlstein am Main|Karlstein]] gehört noch zu Bayern. Die Altstadt und die staufische [[Pfalz (Palatium)|Kaiserpfalz]] Seligenstadts liegen direkt am Mainufer. Aus wesentlich jüngerer Zeit stammt dagegen das markanteste Bauwerk der nächsten Gemeinde auf dem rechten Mainufer: In [[Kahl am Main]] entstand 1961 das erste [[Kernkraftwerk Kahl|Atomkraftwerk]] der Bundesrepublik. Der Versuchsreaktor wurde jedoch 1985 stillgelegt und bis Ende des Jahres 2008 komplett abgebaut. In Kahl mündet außerdem das gleichnamige [[Kahl (Fluss)|Flüsschen]] in den Main. [[Datei:Friedenskirche-hanau001.jpg|miniatur|Friedenskirche, Hanau]] Kahl ist die letzte Gemeinde auf bayerischem Territorium, die Landesgrenze verläuft mitten durch bebautes Gebiet. Die erste hessische Gemeinde auf dem rechten Mainufer ist [[Großkrotzenburg]] mit dem weithin sichtbaren [[Kraftwerk Staudinger Großkrotzenburg|Großkraftwerk Staudinger]]. Auf dem gegenüberliegenden Ufer liegt [[Hainburg]]. Nach wenigen Kilometern folgt die hessische Stadt [[Hanau]]. Auf dem linken Mainufer erscheint zunächst [[Steinheim (Hanau)|Steinheim]], heute ein Stadtteil von Hanau, rechts der Mainhafen. Die knapp 90.000 Einwohner zählende Industriestadt besitzt einen der größten Binnenhäfen am Main. Auf dem rechten Ufer liegt der historische Kern der ehemaligen Residenz- und Garnisonsstadt. Er wurde 1945 bei mehreren [[Bombenkrieg|Luftangriffen]] fast ganz zerstört. Zur [[Geschichte der Stadt Hanau#Philipp Ludwig II. von Hanau-Münzenberg|Neustadt Hanau]] führte der historische [[Mainkanal (Hanau)|Mainkanal]], dessen flussnächsten Abschnitt heute noch das [[Wasser- und Schifffahrtsamt Aschaffenburg|Wasser- und Schifffahrtsamtes Aschaffenburg]] als Diensthafen nutzt. Zwischen der Neustadt Hanau und dem [[barock]]en [[Schloss Philippsruhe]] läuft parallel zum Fluss die [[Philippsruher Allee]], zugleich ein Maindamm. Sie wurde in der Mitte des 18. Jahrhunderts errichtet. Unterbrochen wird sie von der [[Kinzig (Hessen)|Kinzigmündung]]. Die Kinzig umfließt in einem weiten Bogen fast die gesamte Hanauer Altstadt, bevor sie hier in den Main mündet. Kurz vor dem Schloss ist auf dem erhöhten Ufer prominent die [[Neugotik|neugotische]] [[Friedenskirche (Hanau)|Friedenskirche]] platziert. [[Datei:Hafen Offenbach am Main.JPG|miniatur|left|upright=1.5|Der Main bei Offenbach am Main mit dem Offenbacher Hafen]] Ab Hanau fließt der Main wieder nach Westen und erreicht kurz darauf den [[Mainbogen]]. Hier liegen im südlichen Ufer des Mainbogens liegen die Offenbacher Stadtteile [[Offenbach-Rumpenheim]] mit dem Rumpenheimer Schloss und [[Offenbach-Bürgel]]. Dazwischen liegt das Naturschutzgebiet [[Schultheisweiher]]. Zwischen Offenbach-Rumpenheim und Maintal verkehrt eine Autofähre. Auf der vom Main umflossenen Halbinsel liegt der Frankfurter Stadtteil [[Frankfurt-Fechenheim|Fechenheim]], ihm gegenüber die 120.000 Einwohner zählende Industrie- und [[Lederwaren]]stadt [[Offenbach am Main]]. Das markanteste Bauwerk an der Offenbacher Mainfront ist das [[Isenburger Schloss]]. Hier tritt der Main in eines der größten zusammenhängenden Gewerbegebiete Deutschlands ein, es reicht vom Frankfurter Stadtteil [[Bergen-Enkheim]] über Fechenheim und das [[Frankfurt-Ostend|Ostend]] bis auf die südliche Mainseite nach Offenbach. In ihm befinden sich drei Mainhäfen: der [[Offenbacher Hafen|Hafen Offenbach]], der [[Frankfurter Oberhafen]] und der [[Frankfurter Osthafen|Osthafen]], mit insgesamt fünf großen [[Hafenbecken]]. Der Strukturwandel der letzten Jahre hat dazu geführt, dass ein Teil der Hafenanlagen stillgelegt wurde. Auf der Mole des Offenbacher Hafens ist ein Beach Club entstanden. Kurz hinter der [[Staustufe Offenbach]] liegt auf dem linken Ufer die Frankfurter [[Gerbermühle]], ein beliebter Ausflugsort. Hier trafen sich im September 1815 [[Johann Wolfgang von Goethe]] und [[Marianne von Willemer]] zum [[Tête-à-tête]]. [[Datei:Frankfurter Mainbruecken.jpg|miniatur|Frankfurter Mainbrücken: [[Deutschherrnbrücke]], [[Flößerbrücke]], [[Ignatz-Bubis-Brücke]], [[Alte Brücke (Frankfurt)|Alte Brücke]], [[Eiserner Steg]]]] Der nun folgende Flussabschnitt in der Frankfurter Innenstadt, etwa von der [[Deutschherrnbrücke]] bis zur Main-Neckar-Brücke, gehört zu den beeindruckendsten metropolitanen Stadtbildern in Deutschland. Ein großer Fluss im Zentrum der Stadt, mit breiten, großstädtischen Uferpromenaden, ist eine seltene Konstellation und in Deutschland in ähnlicher Form nur noch in [[Dresden]] im [[Weltkulturerbe Dresdner Elbtal|Elbtal]] zu finden, als städtebauliche Inszenierung von Wasser inmitten der Großstadt können noch die Rheinufer in [[Düsseldorf]] und [[Köln]] sowie die [[Hamburg]]er [[Binnenalster]] genannt werden. → [[Flüsse in Frankfurt am Main#Der Main|Der Main in Frankfurt]] Neun Brücken überspannen auf diesen Kilometern den Fluss, zwei unterirdische Strecken der Frankfurter [[S-Bahn Rhein-Main|S-]] und [[U-Bahn]] unterqueren ihn, es sind die einzigen Maintunnel überhaupt. Bei Annäherung von Osten bietet sich das aus den Medien bekannte Bild mit den Türmen des [[Kaiserdom St. Bartholomäus|Kaiserdoms]] und der Altstadtkirchen im Vorder- und den Hochhäusern der [[Liste der Hochhäuser in Frankfurt am Main|Skyline]] im Hintergrund. Auf dem rechten Ufer liegt die [[Frankfurt-Altstadt|Altstadt]], auf dem linken der Bezirk [[Frankfurt-Sachsenhausen|Sachsenhausen]] mit dem [[Museumsufer]]. In Höhe der historischen [[Alte Brücke (Frankfurt)|Alten Brücke]] liegt eine Insel im Main; zwischen dem [[Saalhof]] am [[Römerberg (Frankfurt)|Römerberg]] und der Sachsenhäuser [[Dreikönigskirche (Frankfurt)|Dreikönigskirche]] kreuzt der [[Eiserner Steg|Eiserne Steg]] den Main. Kurz vor Ende des Innenstadtabschnitts liegt auf der rechten Seite das inzwischen als Yachthafen dienende Becken des stillgelegten [[Frankfurter Westhafen]]s. Auf dem ehemaligen Hafengelände entstand ein neues Wohn- und Gewerbegebiet. Einige Kilometer unterhalb der Innenstadt, an der Mündung der [[Nidda (Fluss)|Nidda]], liegt die alte Stadt [[Frankfurt-Höchst|Höchst]], heute ein Frankfurter Stadtteil, hoch über dem rechten Mainufer. Der Renaissanceturm des erzbischöflichen [[Höchster Schloß|Schlosses]], die karolingische [[Justinuskirche (Höchst)|Justinuskirche]] und die erhaltene Stadtbefestigung sind weithin sichtbar. Unmittelbar westlich der Höchster Altstadt folgt beiderseits des Mains der vier Quadratkilometer große [[Industriepark Höchst]], das ehemalige Stammwerk des Chemiekonzerns [[Hoechst AG]], auf deren Gelände sich der „Trimodalport“, ein Gewerbehafen mit Containerumschlag und Bahnanschluss befindet. Auf der rechten Seite erscheint der Frankfurter Stadtteil [[Frankfurt-Sindlingen|Sindlingen]], nach einer langgezogenen Linkskurve kommt Kelsterbach auf der linken Seite (Schiffanleger). [[Datei:Hoechster Mainpanorama August 2007.jpg|miniatur|center|upright=4.1|Panorama des Mainufers in Höchst]] In einem Bogen geht es rechts weiter an [[Kelsterbach]] entlang des Kelsterbachers Ölhafens (genutzt u.a. für den [[Rhein-Main-Flughafen|Frankfurter Flughafen]]). Nach dem Ölhafen befinden sich auf linksmainischer Seite einige Anlagestellen für Frachtschiffe. Auf der rechten Uferseite erscheint [[Hattersheim]]-[[Okriftel]] mit einem kleinen Fähranleger (Okriftel nach Kelsterbach, fährt nur im Sommer und bietet Personen und Fahrrädern eine Überfahrt) an der alten Fährrampe (Slipstelle zum Trailern von Booten). [[Datei:Mainufer Kelsterbach.jpg|miniatur|Das Kelsterbacher Mainufer]] Auf rechter Uferseite erscheint die ehemalige Fabrik Phrix, heute Teil der [[Route der Industriekultur Rhein-Main]], sowie die Kies- und Sandverladestelle, gefolgt von einer weiteren NATO-Rampe. Nach Okriftel kommt der Hattersheimer Stadtteil [[Eddersheim]] und die gleichnamige Staustufe. Nach Unterquerung der Brücke der [[Bundesautobahn 3|A&nbsp;3]] und der DB [[Schnellfahrstrecke Köln–Rhein/Main|Neubaustrecke Frankfurt-Köln]] befindet sich links der Ölhafen der Firma Shell Oil GmbH. Nun wird die Landschaft wieder ein wenig natürlicher; zu beiden Seiten des Ufers befinden sich Bäume und teilweise Strand, an dem an warmen Tagen Leute schwimmen gehen. Links des Mains geht es an Raunheim entlang, parallel zur [[Bundesstraße 43|B&nbsp;43]]. Die ehemalige Staustufe Raunheim ist heute Quartier des Yachtclub Untermain und beherbergt dessen Hafen. An der Einfahrt zum Hafen befinden sich Schiffsanleger. In der Literatur finden sich Hinweise auf einen alten Mainarm, der sich zwischen Raunheim und Rüsselsheim vom Hauptarm trennte, entlang der Rüsselsheimer Stadtteile [[Haßloch]] und [[Königstädten]] floß und schließlich, mit dem Neckar vereint, bei Ginsheim in den Rhein mündete. Der heutige Horlachgraben, östlich und südlich von Haßloch, lässt dies noch heute erahnen.<ref>Karl Dittmarsch: ''Der Main von seinem Ursprung bis zur Mündung''. Zabern, 1843. S.&nbsp;412. [http://books.google.com/books?id=xnIAAAAAcAAJ&printsec=titlepage&hl=de#PPA412,M1 Google Books]</ref> Rechts des Mains kommt nun die Stadt [[Flörsheim am Main|Flörsheim]] mit Schiffsanleger und Bootshaus des Ruderclubs sowie einem Hafen für Kiesumschlag und dem Hafen des Shell-Tanklagers. Links des Maines befindet sich [[Rüsselsheim]] mit dem Stammwerk der [[Opel|Adam Opel GmbH]]. [[Datei:Mainspitze fg01.JPG|miniatur|left|Die Mainmündung]] Kurz vor der Mündung, bei [[Hochheim am Main|Hochheim]], tauchen auf dem rechten Ufer [[Weinberg]]e auf. Die bekannten Hochheimer Weine zählen bereits zum Weinbaugebiet [[Rheingau (Weinbaugebiet)|Rheingau]], gefolgt von der letzten Staustufe Kostheim. Die letzten Orte am Main sind [[Mainz-Kostheim|Kostheim]] auf dem rechten und ''Gustavsburg'' auf dem linken Ufer, beide bis 1945 Stadtteile von [[Mainz]]. Seit der Abtrennung dieser Stadt von Hessen ist Kostheim ein Stadtteil von [[Wiesbaden]], Gustavsburg gehört heute zur Gemeinde [[Ginsheim-Gustavsburg]]. Zwischen Gustavsburg und Hochheim überquert die [[Hochheimer Brücke]] den Main. Die Mündung in den Rhein, die [[Mainspitze]], liegt gegenüber der [[Zitadelle Mainz|Mainzer Zitadelle]], ein weiterer ehemaliger Mündungsarm dient heute als Kostheimer Floßhafen, die dazwischen liegende Insel ist die [[Maaraue]]. <br clear="all"> == Geomorphologie und Hydrologie == === Geologie === [[Datei:Offenbach Mainbogen.jpg|miniatur|Einer der zahlreichen Mäander des Mains, der [[Mainbogen]] zwischen Offenbach und Fechenheim]] Der älteste Vorläufer des Mains existierte schon im frühen [[Oligozän]] vor rund 35 Millionen Jahren. Der Urmain floss allerdings damals nur bis Bamberg wie der heutige Main von Osten nach Westen, von da ab jedoch im heutigen Regnitz/Rednitz-Tal nach Süden und mündete etwa bei [[Augsburg]] in das zu jener Zeit im Alpenvorland sich ausbreitende Meer, einen Rest der [[Tethys (Ozean)|Tethys]]. Vor etwa 14,7 Millionen Jahren wurde der Urmain durch Trümmermassen eines [[Ries-Ereignis|Meteoriteneinschlags]] ([[Nördlinger Ries]]) nördlich von [[Treuchtlingen]] zu einem riesigen See aufgestaut, der später wieder auslief. Noch gegen Ende des [[Tertiär (Geologie)|Tertiärs]] vor etwa zwei Millionen Jahren wurde das Maingebiet durch mehrere Flussläufe nach Süden zur [[Donau]] hin entwässert. Erst mit der Entstehung des [[Oberrheingraben]]s verschob sich die [[Wasserscheide]] nach Südosten. Dementsprechend kehrte zunächst der Untermain seine Fließrichtung nach Westen um, später auch der Mittelmain. Der Obermain durchbrach dagegen erst in der [[Interglazial|Donau/Günz-Interglazialzeit]] die Haßfurter [[Keuper]]stufe und floss von da an ebenfalls nach Westen. Zu Beginn des [[Pleistozän]]s entsprach das Flusssystem des Mains im großen und ganzen dem heutigen Zustand. Seither konnten sich die heutigen Talformen ausbilden. Dabei schnitt sich der Main in relativ kurzer Zeit um mehr als 100 m ein. Durch den Wechsel zwischen [[Warmzeit]]en und [[Kaltzeit]]en entstanden zunächst relativ breite und flache Täler, die später enger und tiefer eingeschnitten wurden. In den Kaltzeiten lagerten sich durch Frostverwitterung große Mengen Schutt ab, die in den Warmzeiten wieder ausgeräumt wurden. Durch den mehrfachen Wechsel von Klima und Wasserführung bildeten sich in den Tälern meist mehrere [[Flussterrasse|Terrassenstufen]]. Innerhalb dieser Terrassenstufen ist das Phänomen der [[Talverschüttung]] zu beobachten.<ref>KÖRBER 1962 - Die Entwicklung des Maintals</ref> Gegen Ende des [[Altpleistozän]]s schüttete der Main sein Tal mit bis zu 60&nbsp;m mächtigen Sedimenten zu. Die Ursache ist bis heute nicht eindeutig geklärt. Die Phase dieser Akkumulation hielt über mehrere Kalt-Warm-Wechsel an und gegen Ende des [[Mittelpleistozän]] (wahrscheinlich Cromer III) begann der Main wieder zu erodieren bis er sein heutiges Talniveau erreicht. <ref>DIETZ, K. (1981): Zur Reliefentwicklung im Main-Tauber-Bereich. – Rhein-Main. Forsch., 93; Frankfurt a. M.</ref><ref>KURZ, R.W. (1988): Untersuchungen zur ältest- bis mittelpleistozänen Terrassen- und Sedimententwicklung im Mittelmaintal – Würzb. Geogr. Arb., 72; Würzburg</ref> Charakteristisch für den Main sind die ''[[Mäander (Flussschlinge)|Talmäander]],'' die sich dort bildeten, wo der Main durch [[Muschelkalk]] und [[Buntsandstein]] fließt. Mehrfach kam es dabei zu Mäanderdurchbrüchen und zur Entstehung von sogenannten ''Umlaufbergen,'' z. B. bei Lohr und bei Marktheidenfeld. Die Mainschleife von Volkach ist ein Beispiel eines noch nicht vollständig durchbrochenen Mäanders. === Wasserführung === Die mittlere Wasserführung des Mains beträgt in Schweinfurt 112 m³/s, in Würzburg 120 m³/s, in Aschaffenburg 155 m³/s, in Frankfurt 200 m³/s und an der Mündung in den Rhein ca. 225 m³/s. Die Wasserführung unterliegt im Jahresverlauf starken Schwankungen. Die Höchstabflüsse werden für gewöhnlich im Frühjahr erzielt, zwischen Januar und März, die niedrigsten gegen Ende des Sommerhalbjahres. Seit den 1970er-Jahren bis ins Jahr 2000 wurde in Bayern an der sogenannten ''[[Altmühlüberleiter|Überleitung]]'' gebaut. Dabei wird die Niedrigwasserführung der Regnitz um bis zu 15 m³/s erhöht, indem Wasser aus der [[Altmühl]] und über den [[Main-Donau-Kanal]] in das Einzugsgebiet des Mains geleitet wird. Über das [[Fränkisches Seenland|Fränkische Seenland]] gelangen so etwa 150 Millionen m³ Wasser pro Jahr in das wasserarme Franken und in den Main. Die Überleitung ist das größte wasserwirtschaftliche Projekt des Freistaates Bayern. Es wurde 1970 einstimmig im Bayerischen Landtag beschlossen, doch werden von Kritikern ökologische Bedenken geäußert. Die Überleitung erheblicher Wassermengen über die europäische [[Wasserscheide]] aus dem Einzugsgebiet der Donau in das des Rheins bedeutet für sie einen unzulässigen Eingriff in den natürlichen Wasserhaushalt. Die Befürworter des Projektes argumentieren dagegen, dass durch das Projekt die Ökologie des Mainsystems verbessert wird (durch Verbesserung der Wasserqualität in den Sommermonaten), während im Altmühltal und an der Donau die Gefahr sommerlicher Hochwässer vermindert wird. === Wassergüte === Bis ins 20. Jahrhundert war der Main einer der fischreichsten Flüsse Mitteleuropas. Mit der zunehmenden Industrialisierung und dem Bevölkerungswachstum verschlechterte sich die Wasserqualität zunehmend. Auch der Bau von [[Kläranlage]]n, in Frankfurt z.&nbsp;B. seit 1882, änderte daran nichts. Nach dem Zweiten Weltkrieg mussten die Strandbäder nach und nach geschlossen werden. Seit den 1960er Jahren traten vermehrte Fischsterben auf und in den 1970er Jahren lag die Wasserqualität des Untermain in [[Gewässergüteklasse]] ''III-IV'' (sehr stark verschmutzt) oder ''IV'' (übermäßig verschmutzt). Der Höhepunkt der Verschmutzung des Untermains war im besonders heißen Sommer 1976 erreicht. Erhebliches Aufsehen erregte damals ein Experiment, das Frankfurter Schüler angestellt hatten. Die Projektgruppe hatte [[Goldfisch]]e in Wasserproben gesetzt, die an verschiedenen Stellen im Frankfurter Stadtgebiet dem Fluss entnommen worden waren. Einer der Goldfische, dessen Aquarium mit Wasser gefüllt worden war, das aus einer Stelle unterhalb des Werkes Höchst stammte, hatte das Experiment nicht überlebt. Der Aus- und Neubau von kommunalen und industriellen Kläranlagen sowie Verfahrensverbesserungen der Industrie sorgten dafür, dass sich die Wasserqualität allmählich wieder verbesserte. Nach dem aktuellen Bericht zur ''Biologischen Gewässergüte der Fließgewässer in Hessen'' entsprach die Wasserqualität des Mains im Jahr 2000 im gesamten hessischen Abschnitt der Güteklasse ''II'' (mäßig belastet). Die verbleibende Wasserbelastung ist zu einem erheblichen Teil auf Oberflächenabflüsse, z. B. nach starken Regenfällen, oder auf Belastungen aus der [[Landwirtschaft]] zurückzuführen und nur schwer weiter zu verringern. Es wird trotzdem weiterhin davon abgeraten, im Main zu baden, da mikrobielle Verunreinigungen nicht ausgeschlossen werden können. Im Jahr 2004 wurde diskutiert, die Wasserqualität auf dem Flussabschnitt zwischen den Staustufen Offenbach und Griesheim durch Einleitung von mehreren 100.000 m³ Trinkwasser zeitweise so zu verbessern, dass der Schwimmwettbewerb des [[Triathlon]] [[Ironman Germany]] im Main ausgetragen werden kann, statt wie bisher im [[Langener Waldsee]]. Die Pläne waren jedoch in der Öffentlichkeit umstritten und konnten bislang nicht realisiert werden. == Flora und Fauna == Noch im 19. Jahrhundert gehörte der Main zu den artenreichsten Gewässern Deutschlands. An vielen Orten gab es seit dem Mittelalter bestehende Fischerzünfte, in Frankfurt am Main z. B. seit dem Jahr 945.<ref>[http://www.frankfurter-fischerzunft.de/start.htm Frankfurter Fischerzunft von 945 e.V.]</ref> Die Flussregulierung, verbunden mit den wegen der Schifffahrt erforderlichen Gewässerstrukturveränderungen (z. B. Uferbefestigungen), führte zusammen mit der bereits erwähnten Wasserverschmutzung zu einem drastischen Rückgang der Fischarten, am Untermain beispielsweise von ca. 30 bis 35 auf vier. Die gewerbliche [[Fischerei]] kam zum Erliegen. Mittlerweile ist der größte Teil der ursprünglich heimischen Arten wieder zurückgekehrt, allerdings können die Bestände vieler Arten sich nicht von selbst erhalten, sondern nur durch gezielten Besatz mit Jungfischen.<ref>Siehe beispielhaft [http://www.frankfurt.de/sixcms/media.php/738/Fisch%C3%B6kologie%20Main2002.pdf Die fischökologische Situation des Untermains] von Egbert Korte, [[Forschungsinstitut Senckenberg]], 2002</ref> [[Datei:Barbus barbus.jpg|miniatur|Flussbarbe]] Fischökologisch gehört der größte Teil des Mains zur [[Brachsenregion]] oder zur [[Barbenregion]]. Zu den beobachteten Arten gehören [[Europäischer Aal|Aal]], [[Barbe]], [[Brachse]], [[Döbel]], [[Flussbarsch]], [[Güster (Fisch)|Güster]], [[Hasel (Fisch)|Hasel]], [[Hechte (Familie)|Hecht]], [[Karpfen]], [[Nase (Fisch)|Nase]], [[Rapfen]], [[Rotauge]], [[Rotfeder]], [[Schleie]], [[Ukelei]], [[Wels (Fisch)|Wels]] und [[Zander]]. Noch nicht wieder heimisch geworden sind insbesondere [[Atlantischer Lachs|Lachs]] und [[Störe|Stör]]. Im Rahmen des Projektes ''Lachs 2020'' wird angestrebt, bis 2020 im Flusssystem des Rheins wieder Lebensbedingungen für den Lachs zu schaffen. Dabei sollen durch Aktivierung von denaturierten [[Flussaue]]n und Verbesserungen der Gewässerstruktur, z.&nbsp;B. Anschluss von Altarmen und Schutz von Kiesstrecken, geeignete Laichplätze eingerichtet werden. Im Einzugsgebiet des Mains kommen dafür einige Nebenflüsse in Frage, in denen bereits früher Lachse heimisch waren, z.&nbsp;B. Rodach und Kinzig. Seit der Eröffnung des [[Main-Donau-Kanal]]s 1992 sind ca. 20 Arten aus dem Donauraum in den Main zugewandert, darunter [[Blaubandbärbling]] (''Pseudorasbora parva''), [[Marmorierte Grundel]] (''Proterorhinus marmoratus''), [[Rapfen]] (''Aspius aspius''), [[Zährte]] (''Vimba vimba'') und [[Zobel (Fisch)|Zobel]] (''Abramis sapa''). [[Datei:Luscinia svecica tom (Marek Szczepanek) small.jpg|miniatur|links|Das Blaukehlchen]] Die Auen des Obermains sind ein Lebensraum für seltene Tiere wie [[Eisvogel]], [[Flussregenpfeifer]], [[Blaukehlchen]], [[Rohrweihe]] und [[Prachtlibelle]]. Durch Renaturierung des Flusslaufes, Anschluss ehemaliger Kiesgruben und andere Maßnahmen wird versucht, die überregional bedeutenden Vorkommen zu schützen. Nach der europäischen [[Richtlinie_92/43/EWG_(Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie)|Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie]] von 1992 sind die Bundesländer verpflichtet, Gebiete zum Schutz bestimmter Lebensraumtypen sowie [[Habitat]]e von gefährdeten Tier- und Pflanzenarten nach [[Europäische Union|Brüssel]] zu melden. Ausgewählte Gebiete aus den nationalen Vorschlägen sollen dann zusammen mit den nach der EU-Vogelschutzrichtlinie gemeldeten [[Vogelschutzgebiet]]en das europaweite Schutzgebietssystem ''[[Natura 2000]]'' bilden. Im Rahmen dieses Projektes wurden durch das Land Bayern auch verschiedene Gebiete am Main gemeldet, in Oberfranken z.&nbsp;B. die Mainaue und Muschelkalkhänge zwischen Kauerndorf und Trebgast, das Maintal von Theisenau bis Lichtenfels sowie von Staffelstein bis Hallstadt und die Mainaue zwischen Eltmann und Haßfurt. Im Regierungsbezirk Unterfranken wurden ebenfalls Mainauen gemeldet, aber auch z.&nbsp;B. Trockenhänge am Kallmuth und an den Weinbergen des Maindreiecks. <br clear="all" style="clear:both;" /> == Hochwasser und Eisgang am Main == === Hochwasserereignisse === [[Datei:Hochwasser wuerzburg 022005.jpg|miniatur|links|Hochwasser in Würzburg]] [[Datei:Pegel Eiserner Steg 1.jpg|miniatur|Hochwassermarken am Eisernen Steg in Frankfurt]] Im Laufe der Jahrhunderte sind zahlreiche Überschwemmungen des Mains dokumentiert, die große Schäden anrichteten oder Menschenleben forderten. Die Mainbrücken in Würzburg und Frankfurt wurden etliche Male durch [[Hochwasser]] zerstört. Während aus dem [[Mittelalter]] nur vereinzelte Berichte vorliegen, gibt es seit dem 17. Jahrhundert schriftliche Aufzeichnungen und Messwerte über alle herausragenden Hochwasserereignisse. In Würzburg liegen seit dem 14. Jahrhundert Informationen über die wichtigsten [[Hochwasser in Würzburg]] vor. Der Schadensverlauf eines Hochwassers kann entlang des Mains sehr unterschiedlich sein. So lag zum Beispiel der [[Pegel Würzburg]] beim Januarhochwasser 2003 um ca. 30&nbsp;cm über dem von Januar 1995, während es in Frankfurt genau umgekehrt war. Die folgenden Ausführungen beziehen sich auf den Pegel Frankfurt. Bei Mittelwasser beträgt der Pegelstand in Frankfurt am Main 177&nbsp;cm, bezogen auf den Pegelnullpunkt (+90,64m&nbsp;ü. NN). Steigt der Pegel auf über 300&nbsp;cm, wird die Schifffahrt eingeschränkt, bei 3,70&nbsp;m ist kein Schiffsverkehr mehr möglich. Dann kommt es auch zu ersten Ausuferungen. Solche Überschwemmungen ereignen sich im Mittel etwa alle drei Jahre. Seit 1826 werden die Pegelstände in Frankfurt regelmäßig gemessen, zunächst durch den [[Physikalischer Verein|Physikalischen Verein]], seit 1845 durch das Stadtvermessungsamt. Im 19. Jahrhundert traten in 40 Jahren Überschwemmungen auf, darunter in mehreren Jahren zweimal und 1845 sogar dreimal. Die höchsten Pegelstände waren: * März 1845: ca. 6,40&nbsp;m * 27. November 1882: 6,33&nbsp;m * 31. Dezember 1882: 5,70&nbsp;m * 21. Februar 1896: 6,20&nbsp;m Im 20. und 21. Jahrhundert gab es in 35 Jahren Hochwasser mit folgenden Höchstständen: * 16. Januar 1920: 6,18&nbsp;m * Februar 1909: 5,96&nbsp;m * 30. Januar 1995: 5,47&nbsp;m * 27. Februar 1970: 5,40&nbsp;m Insgesamt ist seit der Regulierung des Mains und der damit verbundenen Vertiefung des Flusses ein deutlicher Rückgang der Höchststände zu beobachten. Aus früheren Jahrhunderten sind weitaus größere Hochwasserpegel überliefert. Das schlimmste je registrierte Hochwasser ereignete sich im Juli [[1342]], das so genannte [[Magdalenenhochwasser]]. Damals stand das Wasser in der [[Weißfrauenkirche]] ''sieben Schuh'' hoch, das sind ca. 1,71&nbsp;m.<ref>Diese Höhe wurde auf einer lateinischen Inschrift an der im Zweiten Weltkrieg zerstörten Kirche angegeben. Eine entsprechende Hochwassermarke ist heute noch am Eisernen Steg zu sehen.</ref> Dies entspricht aus heutiger Sicht einem Pegelstand von etwa 7,85&nbsp;m. Weitere historische Hochwasserstände wurden erreicht am * 17. Januar 1682 mit ca. 6,90&nbsp;m * 27. Januar bis 4. März 1784 mit ca. 6,59&nbsp;m ([[Hochwasser 1784]]) Mainhochwässer treten fast ausschließlich im Winterhalbjahr auf, häufig nach einer Niederschlagsperiode in Verbindung mit der Schneeschmelze. In früheren Jahrhunderten waren besonders hohe Schäden zu verzeichnen, wenn das [[Hochwasser]] mit [[Eisgang]] einherging, so z.&nbsp;B. 1306, 1784 und 1882. === Eisgang === [[Datei:Eisgang auf dem Main im Februar 2006.JPG|miniatur|Eis auf dem Main bei Karlburg am 5. Februar 2006. Deutlich zu erkennen ist die Durchbruchslinie des [[Eisbrecher]]s]] Bis Ende des 19. Jahrhunderts fror der Main etwa in jedem zweiten Jahr über seinen gesamten Lauf zu, frühestens im November (1513 am 13. November) und spätestens im Januar. Das Eis brach im allgemeinen zwischen Ende Januar und Ende März (spätester Termin: 25. März 1845). Der Eisgang richtete oft verheerende Schäden an Brücken und Ufern an. Die längste Vereisung im Jahr 1768 dauerte 79 Tage (vom 3. Januar bis zum 22. März). Somit war der Fluss zu [[Ostern]] fast immer ''vom Eise befreit'', wie von [[Johann Wolfgang Goethe]] im ''Osterspaziergang'' beschrieben ([[Faust. Eine Tragödie|''Faust. Der Tragödie erster Teil. Vor dem Tor'']]). Im 20. Jahrhundert führten die Flussregulierung, verbunden mit der Aufheizung durch Kraftwerke und Industrieanlagen, dazu, dass sich auf dem Fluss selbst in strengen Wintern immer seltener eine geschlossene Eisdecke bildete. In Frankfurt fror der Main zum letzten Mal im Winter 1962/1963 zu. Am Oberlauf kam es besonders in den strengen Wintern 1984/1985 und 1995/1996 noch zu starken Vereisungen, so dass die Schifffahrt eingestellt werden musste. Zuletzt kam es im Januar 2002, Januar und Februar 2006 sowie im Januar 2009 nach längeren Kälteperioden zu Behinderungen der Schifffahrt wegen Eisgang. == Mainschifffahrt == === Von der Antike bis ins 19. Jahrhundert === [[Datei:Klingenberg am Main De Merian Hassiae.jpg|miniatur|Mainschifffahrt bei Klingenberg um 1650]] [[Datei:Frankfurt Alte Brücke 1850.jpg|miniatur|Mainschifffahrt in Frankfurt um 1850]] Bereits die [[Römisches Reich|Römer]] nutzten den Main als Wasserstraße. Im Zuge der Expansion des Römischen Reichs unter [[Augustus]] und [[Tiberius]] war der Main neben der [[Lippe (Fluss)|Lippe]] in Norddeutschland einer der beiden Haupteinfallwege in das freie [[Magna Germania|Germanien]]. Auch die Gründung des [[Mogontiacum|römischen Mainz]] gegenüber der Mainmündung in den Rhein war maßgeblich auf die strategische Lage in Bezug auf die beiden Flüsse zurückzuführen. In der römischen Siedlung [[Frankfurt-Heddernheim|Nida]] an dem kleinen Nebenfluss [[Nidda (Fluss)|Nidda]] wurde bei Ausgrabungen ein Bootshafen entdeckt. Über die Nidda und den Main konnten auf diese Weise Güter zwischen der rechtsrheinischen ''civitas taunensium'' und dem römischen Mainz transportiert werden. Auch Funde und Urkunden aus dem Mittelalter zeigen die hohe Bedeutung der Mainschifffahrt. Zahlreiche Siedlungen verdanken ihre Entwicklung entweder der Rolle als Umschlagplätze oder als Zollstationen. [[Karl der Große]] verfolgte als erster das Projekt eines Kanals zwischen Main und Donau. Die Pläne scheiterten jedoch an für die damalige Zeit unüberwindbaren technischen Schwierigkeiten. Reste dieser [[Fossa Carolina]] sind heute noch bei [[Treuchtlingen]] zu finden. Die Schiffe des Mittelalters konnten bei einer Ladefähigkeit von 10 bis 20 Tonnen flussabwärts ca. 100 Kilometer pro Tag zurücklegen. Flussaufwärts mussten die Schiffe gestakt oder [[Treideln|getreidelt]] werden. Auf diese Weise schaffte man Tagesetappen von über 30 Kilometern. Nachts durften die Schiffe nicht fahren, und die Schiffsleute mussten an Bord bleiben. Seit dem 12. Jahrhundert gab es eine regelmäßige Verbindung zwischen Frankfurt und Mainz, das ''Marktschiff.'' Seit dem 14. Jahrhundert verkehrten zwei Schiffe im täglichen Wechsel, das eine zu Berg und das andere zu Tal. Die Schiffe dienten dem Personen- und Gütertransport, aber auch der Postbeförderung. Die Abfahrt in Frankfurt erfolgte täglich um 10 Uhr vom [[Saalhof|Fahrtor]] aus. Die Fahrzeit nach Mainz betrug etwa sieben bis neun Stunden. 1391 verlieh der [[Römisch-deutscher König|römisch-deutsche König]] [[Wenzel (HRR)|Wenzel]] die Gerichtsbarkeit über die Marktschiffe der [[Freie Stadt Mainz|Freien Stadt Mainz]]. 1474 eignete sich der [[Kurmainz|Kurfürst von Mainz]] die [[Hoheit (Staatsrecht)|Hoheit]] über das Marktschiff an. Die Stadt Frankfurt verlor ihre bis dahin bestehende Gerichtsbarkeit. Gegenüber den regulären Marktschiffen war die ''freie'' Schifffahrt eher unbedeutend. Nach 1337 gab es in Frankfurt keine Schifferzunft mehr, sondern die wenigen eingeschriebenen Schiffsleute waren zugleicht Obst- und Fruchthändler. Zwischen Frühjahr (''[[Lätare]]'') und Herbst (''[[29. September|Michaelis]]'') pendelte nach der Gründung der Neustadt Hanau seit 1602 mehrfach wöchentlich auch ein Marktschiff von Hanau nach Frankfurt, das unter der (von Kurmainz bestrittenen) [[Hoheit (Staatsrecht)|Hoheit]] des [[Grafschaft Hanau-Münzenberg|Grafen von Hanau-Münzenberg]] stand. Der Verkehr wurde erst nach Eröffnung der [[Frankfurt-Hanauer Eisenbahn]] 1848 aufgegeben. === Die Mainschifffahrt im Industriezeitalter === [[Datei:Frankfurt Eröffnung Westhafen 1886.jpg|miniatur|Plakat zur Eröffnung der Mainkanalisierung und des Frankfurter Westhafens, 1886]] Das Aufkommen der [[Eisenbahn]] im 19. Jahrhundert bedeutete zunächst einen Niedergang der Mainschifffahrt. Trotz Einführung der Dampfschifffahrt in den 1830er Jahren konnten nur kleine Schiffe bis zu einer Tragfähigkeit von 1000&nbsp;[[Zentner]]n (50 Tonnen) den Main befahren, während auf dem Rhein Mitte des 19.&nbsp;Jahrhunderts schon Schiffe mit bis zu 16.000&nbsp;Zentnern (800 Tonnen) verkehrten. Infolgedessen musste die für den Main bestimmte Fracht in Mainz oder Gustavsburg umgeschlagen werden. Überdies war die Schifffahrt durch die zunehmende Versandung der Mainmündung und die jahreszeitlich oft geringe Wasserführung beeinträchtigt. Mit dem Bau der [[Taunus-Eisenbahn]] nach Wiesbaden (1839), der Frankfurt-Hanauer Eisenbahn (1848) und der [[Mainbahn]] nach Mainz (1863) ging das Frachtaufkommen auf dem Main von früher über 200.000 Tonnen jährlich daher drastisch zurück und erreichte 1879 einen Tiefpunkt mit rund 93.400&nbsp;Tonnen jährlich. Der Eisenbahn-Frachtverkehr in Frankfurt erreichte demgegenüber im gleichen Jahr rund 1,4&nbsp;Millionen&nbsp;Tonnen. Auf Initiative des Frankfurter Oberbürgermeisters [[Daniel Heinrich Mumm von Schwarzenstein|Mumm von Schwarzenstein]] wurde deshalb ab 1868 der Bau eines 36&nbsp;km langen Main-Seitenkanals zwischen Mainz und Frankfurt geplant. Die Pläne wurden allerdings mehrfach geändert, und 1875 wurde beschlossen, den Fluss selbst zu kanalisieren und den Wasserstand von bisher durchschnittlich einem halben Meter auf 2,20 m anzuheben, sodass er für die großen Mainschiffe ausreichte. 1882 bis 1885 wurden am Unterlauf des Mains zwischen Mainz und Frankfurt fünf [[Staustufe]]n mit [[Nadelwehr]]en errichtet ([[Mainz-Kostheim|Kostheim]], [[Flörsheim am Main|Flörsheim]], [[Hattersheim am Main|Okriftel]], [[Frankfurt-Höchst|Höchst]] und [[Frankfurt-Niederrad|Niederrad]]) und am nördlichen Mainufer wurde ein neuer großer Hafen gebaut, der [[Frankfurter Westhafen|Westhafen]], der 1886 eröffnet werden konnte. Gleichzeitig entstand am gegenüberliegenden Ufer der ''Kohlehafen,'' der bis 1912 betrieben wurde. Bis 1905 stieg der Umschlag des Westhafens auf 1.565.000&nbsp;Tonnen, zur Hälfte [[Kohle]] und [[Koks]] aus dem [[Ruhrgebiet]], darüber hinaus Getreide, Sand und Kies. Bereits zehn Jahre nach seiner Einweihung waren die Kapazitäten des Westhafens überlastet, und 1912 wurde der neue, deutlich größere [[Frankfurter Osthafen|Osthafen]] eröffnet. In den 1920er Jahren konnten die fünf Nadelwehre mit ihren Schleusenanlagen das gestiegene Verkehrsaufkommen auf dem Main nicht mehr bewältigen. Daher wurden ab 1927 die Nadelwehre durch drei leistungsfähigere [[Walzenwehr]]e mit größeren Schleusenanlagen in Kostheim, [[Hattersheim am Main|Eddersheim]] und [[Frankfurt-Griesheim|Griesheim]] ([[Staustufe Griesheim]]) ersetzt. === Die Kettenschifffahrt auf dem Main === {{Hauptartikel|Kettenschifffahrt auf dem Main}} [[Datei:Frankfurt_Mainkuh.jpg|miniatur|Die ''Mainkuh'' vor Frankfurt]] Nach dem Bau des Westhafens erfolgte 90 % des Verkehrs über den Rhein, nur 10 % auf dem noch nicht kanalisierten Obermain. Zur Verbesserung der geringen Transportkapazität war von Mainzer Bürgern und dem Königreich Bayern die Aktiengesellschaft ''Mainkette'' gegründet worden, um die auf [[Elbe]] und [[Neckar]] bereits bewährte [[Kettenschiff]]fahrt auch auf dem Main einzuführen. Dabei wurde im Fluss eine Kette verlegt, an der sich ein Dampfschlepper entlanghangeln konnte. Am 7. August 1886 wurde die Kette zwischen Mainz und Aschaffenburg in Betrieb genommen. 1891 verkehrten bereits drei Kettenschlepper auf dem Main. In den Folgejahren wurde die Kette immer weiter verlängert: 1893 bis Miltenberg, 1903 bis Kitzingen und 1908 bis Bamberg. Die [[Kettenschifffahrt]] blieb gleichwohl eine Episode: Sie wurde bereits in den 1920er Jahren wieder eingestellt. Bis 1938 blieb die Kette noch in der Flussmitte liegen. === Der Ausbau zur Großschifffahrtsstraße === [[Datei:Schleuse-of-038.jpg|miniatur|links|Mainschifffahrt 2008]] [[Datei:Constanta-Rotterdam DE.PNG|miniatur|Die Schiffahrtsroute [[Rotterdam]]-[[Constanţa]] ist die kürzeste Wasserverbindung zwischen der [[Nordsee]] und dem [[Schwarzes Meer|Schwarzen Meer]] über dem [[Rhein]], Main, [[Main-Donau-Kanal]], die [[Donau]] und dem [[Donau-Schwarzmeer-Kanal]]]] [[Datei:Main Stadtprozelten.JPG|miniatur|Lastkahn vor Stadtprozelten]] [[Datei:Freudenberg Main.jpg|miniatur|Schubverband vor Freudenberg]] Parallel zur Einführung der Kettenschifffahrt wurde die Kanalisierung des Mains durch den Bau von Staustufen vorangetrieben. Der Ausbau erfolgte in mehreren Schritten flussaufwärts: 1901 wurde die Strecke von Frankfurt bis zum Offenbacher Hafen ausgebaut, gleichzeitig mit dem Bau des Osthafens in Frankfurt begonnen. Dessen Inbetriebnahme erfolgte&nbsp;1912. 1921 wurde der Abschnitt bis Aschaffenburg kanalisiert, 1942 die Strecke bis Würzburg ausgebaut. 1949 begann der Ausbau des Obermains zwischen Würzburg und Bamberg. Dabei wurden die Erfahrungen der Vorkriegszeit genutzt, so dass die neue Strecke von vorneherein leistungsfähiger wurde. Eine besondere Herausforderung war der Bau der Würzburger Schleuse, um die Wasserstraße vor der historischen [[Alte Mainbrücke|Mainbrücke]] und der [[Festung Marienberg]] entlang zu führen. Am 29. Mai 1962 war der Ausbau bis Bamberg vollendet. In Bamberg beginnt der [[Main-Donau-Kanal]], der die [[Wasserstraße]]n Westeuropas mit der Donau verbindet. Zwischen Viereth bei Bamberg und der Main-Mündung liegen heute 34&nbsp;[[Staustufe]]n, die auf 388&nbsp;km zusammen einen Höhenunterschied von 147&nbsp;m überwinden. Die Länge der Stauhaltungen liegt zwischen 5&nbsp;und 9&nbsp;km. Die [[Schiffsschleuse|Schleusenkammern]] sind jeweils 300&nbsp;m lang und 12&nbsp;m breit. Lediglich die vier Schleusen Kostheim, Eddersheim, Griesheim und Offenbach haben jeweils zwei Kammern von ca. 340&nbsp;m Länge, von denen die eine 12&nbsp;m und die andere 15&nbsp;m breit&nbsp;ist. Alle Staustufen sind mit [[Fischtreppe]]n als Aufstiegshilfe ausgestattet. Außer Viereth und Würzburg verfügen alle Staustufen über eine Bootsschleuse. Die Gesamtausbauleistung der [[Wasserkraft]]werke beträgt 172,55&nbsp;MW. === Staustufen === {{Hauptartikel|Liste der Mainstaustufen}} Die folgende Tabelle enthält eine Übersicht aller Staustufen im Bereich der Bundeswasserstraße:<ref>http://www.wsd-sued.wsv.de/wasserstrassen/bundeswasserstrassen/daten_und_fakten/index.html</ref> {| align = "right" |- [[Datei:Verlaufskarte Main.gif|miniatur|Staustufen am Main]] |- [[Datei:Kitzingen Stadtbild.jpg|miniatur|Der Main bei Kitzingen]] |- [[Datei:Würzburg - Blick mainabwärts.jpg|miniatur|Blick mainabwärts von der Alten Mainbrücke in Würzburg]] |- [[Datei:Offenbach 4.jpg|miniatur|Der Main in [[Offenbach am Main]]]] |- [[Datei:Stausstufe Griesheim.jpg|miniatur|Die [[Staustufe Griesheim]]]] |- [[Datei:Main erste Schleuse 060720.jpg|miniatur|Schleuse [[Mainz-Kostheim|Kostheim]]]] |} {| class="wikitable" |- class="hintergrundfarbe5" ! !Staustufe !Lage (Main km) !Länge der Stauhaltung !Oberwasser NN +m !Fallhöhe !Kraftwerk- leistung kW |- |1 |[[Viereth-Trunstadt|Viereth]] |380,70 |0 |230,86 |6,00 |6.200 |- |2 |[[Eltmann|Limbach]] |367,18 |13,52 |224,86 |5,36 |3.700 |- |3 |[[Knetzgau]] |359,78 |7,39 |219,50 |4,24 |2.900 |- |4 |[[Gädheim|Ottendorf]] |345,26 |14,52 |215,26 |7,59 |6.300 |- |5 |[[Schweinfurt]] |332,04 |13,23 |207,67 |4,67 |3.800 |- |6 |[[Bergrheinfeld|Garstadt]] |323,50 |8,53 |203,00 |4,69 |3.900 |- |7 |[[Wipfeld]] |316,29 |7,21 |198,31 |4,31 |2.900 |- |8 |[[Schwarzach am Main|Gerlachshausen]] |300,51 |15,78 |194,00 |6,30 |3.900 |- |9 |[[Dettelbach]] |295,40 |5,11 |187,70 |5,50 |4.200 |- |10 |[[Kitzingen]] |283,96 |11,42 |182,20 |3,66 |3.000 |- |11 |[[Marktbreit]] |275,78 |8,30 |178,54 |3,31 |2.100 |- |12 |[[Goßmannsdorf]] |269,03 |6,65 |175,23 |3,40 |2.000 |- |13 |[[Randersacker]] |258,89 |10,14 |171,83 |3,30 |2.000 |- |14 |[[Würzburg]] |252,51 |6,37 |168,53 |2,75 |900 |- |15 |[[Erlabrunn]] |241,20 |11,31 |165,78 |4,15 |2.700 |- |16 |[[Himmelstadt]] |232,29 |8,91 |161,63 |4,30 |2.500 |- |17 |[[Gemünden am Main|Harrbach]] |219,47 |12,82 |157,33 |4,90 |3.000 |- |18 |[[Lohr am Main|Steinbach]] |200,67 |18,79 |152,43 |5,14 |4.200 |- |19 |[[Rothenfels]] |185,89 |14,79 |147,29 |5,26 |4.200 |- |20 |[[Triefenstein|Lengfurt]] |174,51 |11,38 |142,03 |3,99 |2.600 |- |21 |[[Wertheim|Eichel]] |160,47 |14,04 |138,04 |4,50 |3.100 |- |22 |[[Faulbach]] |147,07 |13,40 |133,54 |4,51 |4.100 |- |23 |[[Freudenberg (Baden)|Freudenberg]] |133,95 |13,12 |129,03 |4,51 |4.300 |- |24 |[[Großheubach|Heubach]] |122,36 |11,59 |124,52 |4,00 |3.400 |- |25 |[[Klingenberg am Main|Klingenberg]] |113,05 |9,31 |120,52 |4,00 |3.000 |- |26 |[[Kleinwallstadt|Wallstadt]] |101,20 |11,85 |116,52 |4,00 |3.400 |- |27 |[[Aschaffenburg|Obernau]] |92,91 |8,29 |112,52 |4,01 |3.200 |- |28 |[[Kleinostheim]] |77,91 |15,00 |108,51 |6,80 |9.700 |- |29 |[[Hainburg|Krotzenburg]] |63,85 |14,06 |101,71 |2,74 | --- |- |30 |[[Mühlheim am Main|Mühlheim]] |53,19 |10,39 |98,97 |3,77 |4.800 |- |31 |[[Staustufe Offenbach|Offenbach]] |38,51 |14,67 |95,20 |3,18 |4.100 |- |32 |[[Staustufe Griesheim|Griesheim]] |28,69 |9,83 |92,02 |4,49 |4.900 |- |33 |[[Eddersheim]] |15,55 |13,14 |87,53 |3,61 |3.640 |- |34 |[[Mainz-Kostheim|Kostheim]] |3,21 |12,34 |83,92 |(Rhein) | --- |- |} Zwischen der Mündung und der Schleuse Lengfurt bei [[Triefenstein]] ist die [[Fahrrinne]] ganzjährig mindestens 2,90&nbsp;m tief. Der Main ist auf diesem Abschnitt für Schiffe bis 110&nbsp;m Länge und [[Schubverband|Schubverbände]] bis 185&nbsp;m Länge und 11,45&nbsp;m Breite befahrbar. Er ist dort in die europäische [[Wasserstraßenklasse]] ''Vb'' eingeordnet. Zwischen der Mainmündung und der Schleuse Offenbach dürfen Einzelfahrer bis 135&nbsp;m Länge ohne Sondergenehmigung fahren, darüber hinaus nur mit Sondergenehmigung. Die Strecke zwischen Würzburg und Main-Donau-Kanal soll bis zum Jahr 2010 von 2,50&nbsp;m auf 2,90&nbsp;m Fahrrinnentiefe ausgebaut werden. Bis dahin entspricht dieser Abschnitt der Wasserstraßenklasse ''Va'' (Schiffe bis 110&nbsp;m Länge). Zusätzlich gibt es bei [[Volkach]] eine Staustufe, die für den notwendigen Wasserstand im Kanal nach Gerlachshausen sorgt. Über die Staustufe wird eine Restwassermenge an den „Altmain“ abgegeben. == Verkehrswege im Maintal == Wie an den meisten Flüssen entstanden auch am Main früh Uferwege, die für die Treidelschifffahrt genutzt wurden. Aufgrund der in Flussnähe üblicherweise höheren Siedlungsdichte und der bergigen Topographie der Umgebung diente das Maintal auch als Trasse neuzeitlicher Verkehrswege, also für [[Eisenbahn]]en und moderne [[Straße]]n. === Eisenbahnen im Maintal === Die Eisenbahn nutzt den größten Teil des Maintals zur Schaffung von Ost-West-Verbindungen. Lediglich im Bereich des Maindrei- und -vierecks kürzen die Hauptstrecken etwas ab, zum Teil wird der Flusslauf dann über Nebenstrecken erschlossen. {| class="wikitable" |- class="hintergrundfarbe5" |'''Strecke''' |'''Verlauf''' |- |[[Kursbuchstrecke|KBS]] 860 |(Nürnberg–)Creußen–Bayreuth |- |KBS 852 |Bayreuth–Neuenmarkt-Wirsberg |- |[[Ludwig-Süd-Nord-Bahn]] ([[Kursbuchstrecke|KBS]] 850) |(Hof–[[Schiefe Ebene (Eisenbahnstrecke)|Schiefe Ebene]]–)Neuenmarkt-Wirsberg–Kulmbach–Lichtenfels |- |KBS 820 |Lichtenfels–Bamberg |- |KBS 810 |Bamberg–Schweinfurt–[[Würzburg Hauptbahnhof|Würzburg Hbf]] |- |[[Main-Spessart-Bahn]] (Ludwigs-Westbahn, KBS 800, rechtsmainisch) |[[Würzburg Hauptbahnhof|Würzburg Hbf]]–Karlstadt–Gemünden–Lohr, von dort direkt durch die Täler von [[Lohr (Fluss)|Lohr]] und [[Aschaff]] nach Aschaffenburg - Hanau |- |KBS 920 |(Ansbach–)Marktbreit–Ochsenfurt–[[Würzburg Hauptbahnhof|Würzburg Hbf]] |- |[[Maintalbahn]] (KBS 781,) |Wertheim–Miltenberg–Aschaffenburg |- |[[Frankfurt-Hanauer Eisenbahn]] (KBS 640, rechtsmainisch) |Hanau–[[Bahnhof Frankfurt (Main) Ost|Frankfurt-Ostbahnhof]] |- |[[Bebraer Bahn]] (linksmainisch) |Hanau–Offenbach–[[Frankfurt (Main) Südbahnhof|Frankfurt-Südbahnhof]]–[[Frankfurt (Main) Hauptbahnhof|Frankfurt Hbf]] |- |[[Mainbahn]] (linksmainisch) |[[Frankfurt (Main) Hauptbahnhof|Frankfurt Hbf]]–Rüsselsheim–[[Mainz Hauptbahnhof|Mainz Hbf]] |- |[[Taunusbahn (Wiesbaden)|Taunusbahn]] (rechtsmainisch) |[[Frankfurt (Main) Hauptbahnhof|Frankfurt Hbf]]–[[Bahnhof Frankfurt-Höchst|Höchst]]–Mainz-Kastel(–[[Wiesbaden Hauptbahnhof|Wiesbaden]]) |} === Straßenverkehr === [[Datei:A70-Mainbruecke-Eltmann1.jpg|miniatur|BAB A70 [[Mainbrücke Eltmann]]]] Der Mainlauf wird fast auf ganzer Länge von [[Bundesstraße]]n begleitet. Dies betrifft sogar die beiden Quellflüsse. Den Roten Main begleitet ab [[Creußen]] über [[Bayreuth]] bis [[Kulmbach]] die [[Bundesstraße 85]]. Der Weiße Main trifft bereits wenige 100 Meter nach seiner Quelle auf die [[Bundesstraße 303]], die ihn bis [[Untersteinach]] begleitet. Ab dort folgt ihm die [[Bundesstraße 289|B&nbsp;289]] bis Kulmbach. Diese Straße begleitet den ''vereinigten'' Main bis [[Lichtenfels (Oberfranken)]], ab dort verläuft die [[Bundesautobahn 73|BAB&nbsp;73]] auf dem linken Ufer bis [[Bamberg]]. Von dort bis [[Schweinfurt]] führt die [[Bundesstraße 26|B&nbsp;26]], die in [[Eltmann]] vom linken auf das rechte Ufer wechselt. In meist größerem Abstand folgt auch die [[Bundesautobahn 70]], die sogenannte ''Maintalautobahn'', von Bamberg bis Schweinfurt dem Verlauf des Maines, den sie bei Bamberg, Eltmann und Schweinfurt quert. Unterhalb von Schweinfurt fließt der Main stellenweise ohne begleitende Straße. Die B&nbsp;26 nimmt den direkten Weg nach [[Karlstadt]] ohne den Umweg über das Maindreieck, die [[Bundesstraße 19|B&nbsp;19]] führt durch dessen Inneres direkt nach [[Würzburg]]. Von [[Ochsenfurt]] bis Würzburg verläuft wieder eine Bundesstraße auf dem rechten Mainufer, die [[Bundesstraße 13|B&nbsp;13]], bis Karlstadt die [[Bundesstraße 27|B&nbsp;27]], bis [[Lohr am Main|Lohr]] dann wieder die B&nbsp;26. Die dünn besiedelte Ost- und Südseite des Mainvierecks wird durch flussbegleitende [[Landesstraße]]n erschlossen. Von [[Miltenberg]] bis Aschaffenburg verläuft mit der [[Bundesstraße 469|B&nbsp;469]] wieder eine Bundesstraße auf dem linken Mainufer. Von Aschaffenburg über [[Hanau]], die Frankfurter Innenstadt bis [[Frankfurt-Höchst]] verläuft die [[Bundesstraße 8|B&nbsp;8]] auf der rechten Mainseite, teilweise jedoch etwas abseits des Flusses. Ebenso verlässt die [[Bundesstraße 43|B&nbsp;43]] auf ihrem Weg von Hanau über [[Offenbach am Main]] und Rüsselsheim nach [[Mainz]] gelegentlich das Blickfeld des linken Ufers, vor allem zwischen [[Frankfurt-Sachsenhausen]] und [[Kelsterbach]]. Auf dem rechten Mainufer begleitet in einigem Abstand zum Fluss die [[Bundesstraße 40]] die letzten Kilometer des Mains von [[Hattersheim]] bis Mainz. === Mainfähren === [[Datei:Mainfaehre maintal doernigheim.jpg|miniatur|Mit Hochseil geführte Mainfähre Dörnigheim–Mühlheim vor Dörnigheim]] [[Datei:Mainfaehre.jpg|right|miniatur|Mainfähre Albertshofen–Mainstockheim]] [[Datei:Höchster Fähre.jpg|miniatur|[[Mainfähre Höchst|Mainfähre „Walter Kolb“]] in Frankfurt-Höchst]] Nach wie vor werden am Main zwölf [[Fähre]]n betrieben, obwohl in den letzten 40 Jahren bereits viele wegen Unrentabilität stillgelegt werden mussten. Die Fähren werden in der Regel von den Kommunen an die Fährleute verpachtet, belasten aber wegen der erforderlichen Zuschüsse die kommunalen Haushalte erheblich. Die Mehrzahl der Fähren ist für den Transport von Personenwagen und Lastkraftwagen bis zu einem bestimmten Gesamtgewicht eingerichtet, einige nur für Personen und Fahrräder. Ein Teil der Fähren ist freifahrend, die anderen am Hochseil geführt, aber mit eigenem Antrieb. Verkehrlich haben die Fähren nach wie vor eine wesentliche Bedeutung. Vor allem der Landwirtschaft bringen sie einen erheblichen Zeitvorteil, da sie einen Umweg von bis zu 20 km ersparen. Die Fähre von Nordheim nach Escherndorf liegt an einem von der Bundeswasserstraße Main durch einen Kanal abgeschnittenen Abschnitt des Mains. {| class="wikitable" |- class="hintergrundfarbe5" ! !Lage (Main km) !Typ !Von !Nach |- |1 |&nbsp;17,82 |freifahrende Personenfähre |[[Hattersheim|Okriftel]] |[[Kelsterbach]] - [[Bundesstraße 43|B 43]] |- |2 |&nbsp;24,82 |freifahrende Personenfähre |[[Frankfurt-Höchst|Höchst]] |[[Frankfurt-Schwanheim|Schwanheim]] |- |3 |&nbsp;48,06 |Wagenfähre |[[Offenbach-Rumpenheim|Rumpenheim]] |[[Bischofsheim (Maintal)|Bischofsheim]] |- |4 |&nbsp;50,63 |seilgeführte Wagenfähre |[[Dörnigheim]] |[[Mühlheim am Main|Mühlheim]] |- |5 |&nbsp;69,60 |freifahrende Wagenfähre |[[Seligenstadt#Die Mainfähre|Seligenstadt]] |[[Karlstein am Main|Groß-Welzheim]] |- |6 |144,60 |Wagenfähre |[[Stadtprozelten]] |[[Mondfeld]] |- |7 |290,61 |Wagenfähre |[[Mainstockheim]] |[[Albertshofen]] |- |8 |294,36 |Wagenfähre |[[Mainsondheim]] |[[Dettelbach]] |- |9 |307,30 |seilgeführte Wagenfähre |[[Nordheim am Main]] |[[Volkach|Escherndorf]] |- |10 |311,15 |Wagenfähre |[[Volkach|Fahr]] |[[Eisenheim|Kaltenhausen]] |- |11 |313,45 |Wagenfähre |[[Eisenheim|Obereisenheim]] |[[Kolitzheim|Stammheim]] |- |12 |317,20 |Wagenfähre |[[Wipfeld]] |[[Kolitzheim|Lindach]]/[[Röthlein|Hirschfeld]] |} == Nebenflüsse == [[Datei:Nuremberg hl geist pegnitz f w.jpg|miniatur|Die Pegnitz in der Nürnberger Altstadt]] Die längsten [[Nebenfluss|Nebenflüsse]] des Mains sind die [[Fränkische Saale]] (rechts, 125&nbsp;km), die [[Tauber]] (links, 114&nbsp;km), die [[Nidda (Fluss)|Nidda]] (rechts, 90&nbsp;km), die [[Kinzig (Hessen)|Kinzig]] (rechts, 86&nbsp;km) und die [[Regnitz]] (links, 59&nbsp;km). Zusammen mit ihrem Quellfluss [[Pegnitz (Fluss)|Pegnitz]] ist die Regnitz allerdings 162&nbsp;km lang und damit der längste Nebenfluss. Zudem führt die Regnitz an der Mündung deutlich mehr Wasser (51,2&nbsp;m³/s) als der Main (42,1&nbsp;m³/s), so dass sie hydrographisch sogar als der Hauptfluss des Mainsystems gelten kann <ref>[[Renate Gerlach|Gerlach, Renate]]: Flußdynamik des Mains unter dem Einfluß des Menschen seit dem Spätmittelalter. Trier 1990 (Forschungen zur deutschen Landeskunde 234), S. 23 f.</ref>. An der Pegnitz liegt außerdem die mit Abstand größte Stadt an einem Main-Zufluss, [[Nürnberg]]. ;Grafik der Quell- und Nebenflüsse mit über 40 Kilometer Länge <small>(je mit Quellflüssen)</small> <timeline> TimeAxis = orientation:horizontal format:xxxx ImageSize = width:750 height:auto barincrement:25 PlotArea = left:10 right:10 top:10 bottom:70 AlignBars = justify Colors = id:canvas value:rgb(0.97,0.97,0.97) id:lightgrey value:gray(0.8) id:darkgrey value:gray(0.3) BackgroundColors = canvas:canvas Period = from:0 till:170 ScaleMajor = unit:year increment:30 start:0 gridcolor:darkgrey ScaleMinor = unit:year increment:15 start:0 gridcolor:lightgrey BarData= barset:Flusslänge Define $left = textcolor:white color:oceanblue Define $right = textcolor:black color:skyblue PlotData= width:18 fontsize:M textcolor:black color:skyblue shift:(20,-6) anchor:from barset:Flusslänge from:start till:45.3 $right text:Weißer Main (45,3 km) from:start till:55.1 $left text:Roter Main (55,1 km) from:start till:47.7 $right text:Rodach (47,7 km) from:start till:65.1 $right text:Itz (65,1 km) from:start till:53.9 $right text:Baunach (53,9 km) from:start till:162.1 $left text:Regnitz (162,1 km) from:start till:63.5 $right text:Wern (63,5 km) from:start till:135.0 $right text:Fränkische Saale (135,0 km) from:start till:130.6 $left text:Tauber (130,6 km) from:start till:49.7 $left text:Mümling (49,7 km) from:start till:62.2 $right text:Gersprenz (62,2 km) from:start till:86.0 $right text:Kinzig (86,0 km) from:start till:89.7 $right text:Nidda (89,7 km) TextData= fontsize:M pos:(10,50) text:km pos:(10,30) text:"Rechte Nebenflüsse: Hellblau" pos:(10,10) text:"Linke Nebenflüsse: Dunkelblau" </timeline> ;Liste der Quell- und Nebenflüsse →''[[Liste der Nebenflüsse des Mains|zur kompletten Liste]]'' Im Folgenden sind die Nebenflüsse des Mains mit mehr als 20 km Länge aufgelistet.<br /> <small>(Zur besseren Übersicht und zur Sortierung flussabwärts sind in die [[Fließgewässerkennziffer|DGKZ]]-Ziffern nach der 24 - ''Main'' - Bindestriche eingefügt!)</small>: {| class="wikitable sortable" |- style="background-color:#CEDAF2" ! Name<br /> || Lage<br /> || Länge<br />[km]<br /> || Einzugs-<br />gebiet<br />[km²]<br /> || Abfluss<br />(MQ) [m²/s]<br /> || Mündung<br />auf<br />Main-km<br /> || Mündungs-<br />höhe<br />[m. ü. NN]<br /> ||Mündungs-<br />ort|| Ab-<br />schnitt<br /> || [[Fließgewässerkennziffer|DGKZ]] |- | [[Weißer Main]] | rechts | align="right" | 45,3 | align="right" | 570<ref name="Keller">Reiner Keller; ''Der mittlere Niederschlag in den Flußgebieten der Bundesrepublik Deutschland'' - Bundesanstalt für Landeskunde 1958</ref><ref name="unvollständig">Zahl umfasst nicht das komplette Einzugsgebiet</ref> | align="right" | | align="right" | 464,0 | align="right" | 293 |[[Kulmbach]]-[[Melkendorf (Kulmbach)|Melkendorf]] | QF | | 24 |- | [[Roter Main]] | links | align="right" | 55,1 | align="right" | 500,4<ref name="unvollständig" /> | align="right" | 4,7 | align="right" | 464,0 | align="right" | 293 | Kulmbach-Melkendorf | QF | | 24-12 |- | [[Rodach (Main)|Rodach]] | rechts | align="right" | 47,7 | align="right" | 1011,2 | align="right" | 10,4 | align="right" | 440,1 | align="right" | 269 | [[Marktzeuln]] | OM | | 24-14 |- | [[Itz]] | rechts | align="right" | 65,1 | align="right" | 1029,0 | align="right" | 9,3 | align="right" | | align="right" | 238 | [[Baunach]] | OM | | 24-16 |- | [[Baunach (Fluss)|Baunach]] | rechts | align="right" | 53,9 | align="right" | 426,2 | align="right" | 2,2 | align="right" | | align="right" | 236 | Baunach | OM | | 24-18 |- | [[Leitenbach]] <br>(mit ''Ellernbach'') | links | align="right" | 22,3 | align="right" | | align="right" | | align="right" | | align="right" | 234 | [[Hallstadt]] | OM | | 24-192 |- | [[Regnitz]]<br> (mit ''[[Rednitz]]'') | links | align="right" | 162,1 | align="right" | 7523,3 | align="right" | 51,3 | align="right" | 384 | align="right" | 232 | [[Bamberg]]/[[Bischberg]] | OM | | 24-2 |- | [[Nassach (Main)|Nassach]] <br> (mit ''Höllschwärzgraben'') | rechts | align="right" | 23,9 | align="right" | 140,5 | align="right" | | align="right" | | align="right" | 216 | [[Haßfurt]] | OM | | 24-32 |- | [[Unkenbach (Main)|Unkenbach]] | links | align="right" | 25,7 | align="right" | 135,2<ref>[http://www.heideschule-schwebheim.de/Unkenbach.html Heide-Schule]</ref> | align="right" | | align="right" | | align="right" | 200 | [[Röthlein]]-Hirschfeld | MD | | 24-334 |- | [[Volkach (Fluss)|Volkach]] <br> (mit ''Aubach'') | links | align="right" | 26,6 | align="right" | 127,8<ref>[http://www.fischereiverband-unterfranken.de/gewaesser/volkach.htm Fischereiverband Unterfranken]</ref> | align="right" | | align="right" | | align="right" | 191 | [[Volkach]] | MD | | 24-336 |- | [[Schwarzach (Main)|Schwarzach]] | links | align="right" | 21,4 | align="right" | | align="right" | | align="right" | | align="right" | 188 | [[Schwarzach am Main]] | MD | | 24-34 |- | [[Pleichach]] | rechts | align="right" | 32,4 | align="right" | 132,0<ref name=wuerzburg>[http://www.wuerzburg.de/de/umwelt-verkehr/wasserrechtgewaesserschutzwasserwirtschaft/oberflaechengewaesser/2791.Die_Fliessgewaesser_in_Wuerzburg.html www.wuerzburg.de]</ref> | align="right" | | align="right" | | align="right" | 167 | Würzburg | MD | | 24-376 |- | [[Wern]] | rechts | align="right" | 63,5 | align="right" | 601,7 | align="right" | | align="right" | | align="right" | 153 | [[Gemünden am Main]]-[[Wernfeld]] | MD | | 24-38 |- | [[Fränkische Saale]] | rechts | align="right" | 135,0 | align="right" | 2764,8 | align="right" | 16,6 | align="right" | | align="right" | 153 | Gemünden am Main | MV | | 24-4 |- | [[Lohr (Fluss)|Lohr]] <br>(mit ''Lohrbach'') | rechts | align="right" | 20,6 | align="right" | 217,2 | align="right" | 3,1 | align="right" | | align="right" | 148 | Lohr am Main | MV | | 24-52 |- | [[Hafenlohr (Fluss)|Hafenlohr]] | rechts | align="right" | 24,8 | align="right" | 147,4 | align="right" | 1,7 | align="right" | | align="right" | 143 | [[Hafenlohr]] | MV | | 24-56 |- | [[Aalbach (Main)|Aalbach]]<br> (mit ''Franzosengraben'') | links | align="right" | 26,1 | align="right" | 119,9<ref>[http://www.hnd.bayern.de/pegel/gebietsdaten/pegel_gebietsdaten.php?pgnr=24585006&standalone=1 Pegel im Maingebiet: Wüstenzell / Aalbach]</ref> | align="right" | | align="right" | | align="right" | 139 | [[Wertheim]]-Bettingen | MV | | 24-58 |- | [[Tauber]] | links | align="right" | 130,6 | align="right" | 1809,5 | align="right" | 9,9 | align="right" | | align="right" | 136 | Wertheim | MV | | 24-6 |- | [[Erf (Fluss)|Erf]] | links | align="right" | 38,3 | align="right" |254,7<ref>[http://www.hnd.bayern.de/pegel/stammdaten/pegel_stammdaten.php?pgnr=24719102 Pegel im Maingebiet: Bürgstadt / Erf]</ref> | align="right" | 0,8 | align="right" | | align="right" | 125 | [[Bürgstadt]] | MV | | 24-712 |- | [[Mud (Fluss)|Mud]] | links | align="right" | 23,8 | align="right" | 402,1 | align="right" | 3,4 | align="right" | | align="right" | 125 | [[Miltenberg]] | MV | | 24-72 |- | [[Mümling]] | links | align="right" | 49,7 | align="right" | 377,4 | align="right" | 3,7 | align="right" | | align="right" | 117 | [[Obernburg am Main]] | MV | | 24-74 |- | [[Elsava]] <br> (mit ''Kaltenbach'') | rechts | align="right" | 24,7 | align="right" | 156,5 | align="right" | 1,2 | align="right" | | align="right" | 116 | [[Elsenfeld]] | MV | | 24-752 |- | [[Aschaff]] <br> (mit ''Kleinaschaff'') | rechts | align="right" | 21,5 | align="right" | 167,9 | align="right" | 1,4 | align="right" | | align="right" | | Aschaffenburg | UM | | 24-754 |- | [[Gersprenz]]<br> (mit '' Mergbach'') | rechts | align="right" | 62,2 | align="right" | 513,0 | align="right" | 3,2 | align="right" | | align="right" | 105 | [[Kleinostheim]] | UM | | 24-76 |- | [[Kahl (Fluss)|Kahl]] | rechts | align="right" | 32,4 | align="right" | 198,4 | align="right" | 1,9 | align="right" | | align="right" | 101 | [[Kahl am Main]] | UM | | 24-772 |- | [[Kinzig (Hessen)|Kinzig]] | rechts | align="right" | 86,0 | align="right" | 1058,3 | align="right" | 10,8 | align="right" | | align="right" | 99 | Hanau | UM | | 24-78 |- | [[Rodau (Main)|Rodau]] | links | align="right" | 27,6 | align="right" | 163,9 | align="right" | 0,6 | align="right" | | align="right" | | [[Mühlheim am Main]] | UM | | 24-792 |- | [[Nidda (Fluss)|Nidda]] | rechts | align="right" | 89,7 | align="right" | 1942,4 | align="right" | 13,1 | align="right" | | align="right" | 95 | Frankfurt-[[Frankfurt-Höchst|Höchst]] | UM | | 24-8 |- | [[Liederbach (Main)|Liederbach]] <br> (mit ''[[Reichenbach (Liederbach)|Reichenbach]]'') | rechts | align="right" | 20,9 | align="right" | 37,5 | align="right" | 0,3 | align="right" | | align="right" | 93 | Frankfurt-Höchst | UM | | 24-92 |- | [[Schwarzbach (Main)|Schwarzbach]] <br> (mit ''Dattenbach'') | rechts | align="right" | 31,4 | align="right" | 134,8 | align="right" | 1,1 | align="right" | | align="right" | | [[Hattersheim]] | UM | | 24-96 |- | [[Wickerbach]] | rechts | align="right" | 23,8 | align="right" | 64,9 | align="right" | 0,4 | align="right" | | align="right" | 83 | [[Wiesbaden]]-[[Naurod]] | UM | | 24-98 |- |} == Der Main in der Kunst == [[Datei:Courbet Frankfurt.jpg|miniatur|[[Gustave Courbet]]: Blick auf Frankfurt, 1858]] Anders als Rhein und Mosel wurde der Main eher selten besungen. Dennoch entstanden im Laufe der Zeit eine Reihe von teils sehr bekannten Gedichten über den Main. Hierzu zählen: *Die zehnstrophige [[Ode]] ''Der Main'' von [[Friedrich Hölderlin]], 1799 entstanden als Hölderlin Hauslehrer in Frankfurt war, *''Fuhren wir hinab den Main'' von [[Friedrich Rückert]] (1788 in Schweinfurt geboren), *''Die Wanderfahrt'' von [[Joseph Victor von Scheffel]], ein 1859 entstandenes Gedicht, das in der Vertonung von [[Valentin Eduard Becker|Valentin Becker]] zur [[Frankenlied|Frankenhymne]] wurde, *''Rückkehr nach Frankfurt'' von [[Marie Luise Kaschnitz]], unter dem Eindruck der [[Bombenkrieg|Kriegszerstörung]] geschrieben und 1947 veröffentlicht. *''Es führt über den Main eine Brücke von Stein'', ein alter Volksliedtext, 1952 ergänzt und vertont von [[Felicitas Kukuck]] (1914-2001). Es ist das bekannteste Lied der Komponistin. Prosatexte über den Main sind dagegen sehr zahlreich, vor allem Reisebeschreibungen und [[Feuilleton]]s. Eine Reihe von [[Metapher]]n entstanden über den Main, z. B. ''[[Weißwurstäquator]]'' (um die kulturelle Grenze zwischen [[Norddeutschland|Nord-]] und [[Süddeutschland]] zu charakterisieren), ''[[Germersheimer Linie|Mainlinie]]'' (Die Sprachgrenze zwischen [[Mitteldeutsche Sprachen und Dialekte|mitteldeutschen]] und [[Oberdeutsche Sprachen|oberdeutschen]] [[Dialekt]]en) oder ''Pfaffengasse des Deutschen Reiches'' (wegen der zahlreichen Bistümer, bischöflichen Residenzen und Klöster am Main). Zu den Schriftstellern, die Prosatexte über den Main hinterlassen haben, zählen: [[Wilhelm Heinrich Wackenroder]], [[Ludwig Tieck]], [[Heinrich von Kleist]] (in Briefen an seine Braut), [[Clemens Brentano]], [[Friedrich Stoltze]], [[Rudolf G. Binding]], [[Alfons Paquet]] und [[Eva Demski]]. Zahlreiche Maler haben den Fluss in ihren Werken dargestellt, u. a. [[Conrad Faber]], [[Matthäus Merian]], [[Domenico Quaglio]], [[Gustave Courbet]] und [[Max Beckmann]]. Unter den frühen Fotografen des Mains ist [[Carl Friedrich Mylius]] hervorzuheben. == Literatur == *Eckhard Meise: ''Beginn der Dampfschiffahrt''. In: Stadtzeit (1998). Geschichtsmagazin anlässlich des Jubiläums 150 Jahre Revolution und Turnerbewegung Hanau 1848 – 1998, S. 195f. *Eckhard Meise: ''Das Ende des Hanauer Marktschiffs''. In: Stadtzeit (1998). Geschichtsmagazin anlässlich des Jubiläums 150 Jahre Revolution und Turnerbewegung Hanau 1848 – 1998, S. 193f. *Eckhard Meise: ''Die Schifferfamilie Bein und das Ende des Hanauer Marktschiffs''. In: Hanauer Geschichtsblätter 31 (1993), S. 213ff. * Erwin Rutte: ''Rhein – Main – Donau. Eine geologische Geschichte.'' Thorbecke-Verlag, Sigmaringen 1987, ISBN 3-7995-7045-4 * J. Albrecht Cropp, Carlheinz Gräter: ''Der Main. Weisser Main, Roter Main, Europa-Kanal. Von den Quellen bis zur Mündung.'' Stürtz-Verlag, Würzburg 1985, ISBN 3-8003-0255-1 * ''Stadt am Fluß<!--sic!--> – Frankfurt und der Main.'' Archiv für Frankfurts Geschichte und Kunst (AFGK). Bd 70. Verlag Waldemar Kramer, Frankfurt am Main 2004, ISBN 3-7829-0559-8 == Siehe auch == * [[Rhein#Nebenflüsse|Nebenflüsse des Rheins]] == Weblinks == {{Commons|Main|Main}} {{wiktionary|Main}} * [http://www.hnd.bayern.de/ Wasserstände bayerischer Flüsse] * [http://www.wsd-sued.wsv.de/wasserstrassen/bundeswasserstrassen/main/index.html Wasser- und Schifffahrtsdirektion Süd] * [http://www.mainradweg.com/ Mainradweg] <!--* [http://www.weyer-neustadt.de/content/DesktopDefault.aspx?tabid=114/ Leinreiter, Mainausbau, Hochwasser, Schleuse Rothenfels]--> == Einzelnachweise == <references/> {{Navigationsleiste Bundeswasserstraßen}}{{Exzellent}} [[Kategorie:Main| ]] [[Kategorie:Flusssystem Main|!Main]] [[Kategorie:Bundeswasserstraße]] [[Kategorie:Fluss in Baden-Württemberg]] [[Kategorie:Fluss in Bayern]] [[Kategorie:Fluss in Hessen]] [[Kategorie:Fluss in Europa]] [[Kategorie:Gewässer in Frankfurt am Main]] [[Kategorie:Gewässer in Offenbach am Main]] [[Kategorie:Gewässer (Aschaffenburg)]] [[Kategorie:Gewässer (Rhein-Main)]] [[ar:ماين (نهر)]] [[bar:Main]] [[bg:Майн]] [[br:Main]] [[ca:Main]] [[cs:Mohan]] [[cv:Майн (юханшыв)]] [[cy:Afon Main]] [[da:Main]] [[el:Μάιν]] [[en:Main]] [[eo:Majno (rivero)]] [[es:Río Meno]] [[et:Main]] [[fi:Main]] [[fr:Main (rivière)]] [[gl:Río Main]] [[he:מיין (נהר)]] [[hr:Majna]] [[hu:Majna]] [[hy:Մայն]] [[id:Sungai Main]] [[it:Meno (fiume)]] [[ja:マイン川]] [[ko:마인 강]] [[ksh:Main (Floß)]] [[la:Moenus]] [[lb:Main]] [[lmo:Mèn]] [[lt:Mainas]] [[lv:Maina]] [[mr:माइन नदी]] [[nds:Main]] [[nl:Main]] [[nn:Main]] [[no:Main]] [[pl:Men]] [[pt:Rio Meno]] [[ro:Main]] [[ru:Майн (приток Рейна)]] [[simple:Main]] [[sk:Mohan]] [[sq:Main]] [[sr:Мајна]] [[sv:Main]] [[tr:Main (nehir)]] [[uk:Майн]] [[zh:美因河]] env4gb8a2dmkbccjcob96aptd5xrbiw wikitext text/x-wiki Mainz 0 23881 26477 2010-05-09T18:09:45Z TXiKiBoT 0 Bot: Ergänze: [[scn:Magonza]] {{Dieser Artikel|befasst sich mit der Stadt Mainz; zu weiteren Bedeutungen siehe [[Mainz (Begriffsklärung)]].}} {{Infobox Gemeinde in Deutschland |Art =Stadt |Name =Mainz |Wappen =Coat of arms of Mainz-2008 new.svg |Breitengrad =50/0/0/N |Längengrad =08/16/16/E |Lageplan = Rhineland-Palatinate MZ.svg |Lageplanbeschreibung =Lage von Mainz in Rheinland-Pfalz |Bundesland =Rheinland-Pfalz |Kreis =Kreisfreie Stadt |Höhe =82-245 |Fläche =97.76 |PLZ =55116–55131 |Vorwahl =06131<br>06136 (Mainz-Ebersheim) |Kfz =MZ |Gemeindeschlüssel =07315000 |NUTS = |LOCODE = |Gliederung =7 Planungsbereiche<br />15 Stadtteile<br />65 Stadtbezirke<br />183 Statistische Bezirke (=&nbsp;Wahlbezirke) |Straße = |Adresse =[[Jockel-Fuchs-Platz]] 1<br />55116 Mainz |Adresse-Verband = |Website =[http://www.mainz.de/ www.mainz.de] |Bürgermeister =[[Jens Beutel]] |Bürgermeistertitel =Oberbürgermeister |Partei =SPD }} [[Datei:Mainz BlickzumRhein 1890.jpg|330px|miniatur|right|Stadtansicht von Mainz um 1900]] '''Mainz''', gegenüber der Mündung des [[Main]]s am [[Rhein]] gelegen, ist Landeshauptstadt und zugleich die größte Stadt in [[Rheinland-Pfalz]]. Mainz ist Sitz einer [[Johannes Gutenberg-Universität Mainz|Universität]], eines römisch-katholischen [[Bistum Mainz|Bistums]] sowie mehrerer [[Fernsehen|Fernseh-]] und [[Rundfunk]]anstalten, wie des [[SWR|Südwestrundfunks]] und [[ZDF|Zweiten Deutschen Fernsehens]], und versteht sich als eine Hochburg der rheinischen [[Mainzer Fastnacht|Fastnacht]]. Die größte Nachbarstadt ist [[Wiesbaden]]. Im etwas größeren Umkreis liegen die Großstädte und -räume [[Frankfurt am Main]], [[Darmstadt]], [[Ludwigshafen]] und [[Mannheim]]. Mainz ist eines der fünf [[Oberzentrum|Oberzentren]] des Landes Rheinland-Pfalz und bildet mit Wiesbaden ein länderübergreifendes [[Doppelzentrum]]. Die Einwohnerzahl der Stadt Mainz überschritt im ersten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts die Grenze von 100.000, wodurch die Stadt zur [[Großstadt]] wurde. == Name und Wappen der Stadt == === Entwicklung des Stadtnamens === [[Datei:Wappen mainz napoleon.png|miniatur|120px|Stadtwappen von Mainz unter [[Napoleon]]]] Im Laufe der Geschichte veränderte sich der Name der Stadt mehrmals, von einer verbindlichen Schreibweise kann erst seit dem 18. Jahrhundert gesprochen werden. Der römische Name „[[Mogontiacum]]“ lässt sich von der [[Keltische Gottheiten|keltischen Gottheit]] [[Mogon]] ableiten (''Mogont-i-acum'': „Land des Mogon“) und hatte in dieser erstmals von [[Publius Cornelius Tacitus|Tacitus]] in seinen ''Historien'' erwähnten Form<ref>Tacitus: ''historiae'', [http://www.thelatinlibrary.com/tacitus/tac.hist4.shtml#15 4, 15]</ref> mehrere Jahrhunderte Bestand. Auch Abkürzungen und abweichende Schreibweisen waren zu Zeiten der römischen Herrschaft bereits geläufig: „Moguntiacum“ oder verkürzt als „Moguntiaco“ in der [[Tabula Peutingeriana]]. Nach Einsetzen der Hinwendung zum Mittellateinischen, das sich jenseits der Alpen rasch entwickelte, wurde das Wort ab dem 6. Jahrhundert verkürzt und fortan „Moguntia“ bzw. „Magantia“ geschrieben und ausgesprochen. Im 7. Jahrhundert firmiert der Stadtname als „Mogancia“, „Magancia urbis“ bzw. „Maguntia“, im 8. Jahrhundert als „Magontia“. Im 11. Jahrhundert war der Name wieder bei „Moguntiacum“ bzw. „Moguntie“ angekommen. Überhaupt war der Stadtname häufig nicht von wirklicher Sprachentwicklung (wie etwa der Lautverschiebung bei Borbetomagus – Worms), sondern von der jeweils herrschenden „Mode“ der Aussprache beeinflusst. Das 12. Jahrhundert bezeichnete die Stadt als „Magonta“, „Maguntia“, „Magontie“, und „Maguntiam“. Eine arabische Weltkarte aus gleicher Zeit nennt sie „maiansa“. Von 13./14. bis zum 15. Jahrhundert wandelte sich der Name von „Meginze“ zu „Menze“, wobei dies die Namensentwicklung in lateinischen Quellen ist. Deutschsprachige Quellen sprechen 1315 von „Meynce“, 1320 von „Meintz“, 1322 von „Maentze“, 1342 von „Meintze“ und 1357 wieder von „Meintz“. Im 15. Jahrhundert taucht zum ersten Mal „Maintz“ auf, häufiger sind aber weiterhin die Bezeichnungen „Menz“, „Mentze“, „Maynz“, „Meintz“ oder „Meyntz“ im Gebrauch. Die Namensformen mit ''ai'' finden sich erstmals im 16. Jahrhundert und setzten sich in der Barockzeit endgültig durch. Seit dem 18. Jahrhundert gibt es dann auch kaum noch Änderungen des Stadtnamens. Eine Ausnahme bildet die französische „Umtaufung“ in ''Mayence'' während der französischen Besetzung 1792/93 und 1798-1814.<ref>Rita Heuser: ''Die Schreibung des Stadtnamens von der Antike bis zur Neuzeit.'' In: Dombauverein Mainz e.&nbsp;V.: ''Domblätter. Forum des Dombauvereins Mainz e.&nbsp;V.'' Ausgabe 6/2004. Verlag Philipp von Zabern, Mainz 2004. S.&nbsp;43 bis 45.</ref> === Entwicklung des Stadtwappens === [[Datei:Wappen-Mainz.svg|miniatur|120px|Stadtwappen der Stadt Mainz vor 1992]] Das Wappen der Stadt Mainz zeigt zwei durch ein silbernes Kreuz verbundene, schräg gestellte, sechsspeichige, silberne Räder auf rotem Untergrund. Die Stadtfarben sind Rot-Weiß. Ursprünglich zeigte das Wappen den Patron der Stadt, den Heiligen [[Martin von Tours|Martin]]. Das Ratssiegel der Stadt von 1300 zeigte diesen erstmals in Verbindung mit dem Rad (zur genauen Entstehungsgeschichte siehe den Artikel [[Mainzer Rad]]). Der Erzbischof von Mainz, der zugleich auch Fürst des [[Kurmainz|Kurstaates]] war, übernahm das Rad auch in das Territorialwappen. Zur Unterscheidung dazu führte die Stadt nun allein das Doppelrad als Wappen, wobei ab dem 16. Jahrhundert das Rad schräg gestellt wurde. Während der Zugehörigkeit der linksrheinischen Gebiete zu Frankreich wurden zunächst alle Wappen in den besetzten Gebieten verboten. Das Siegel der neugeschaffenen Mairie – dem französischen Bürgermeisteramt – zeigte die Freiheitsgöttin mit der Jakobinermütze. Nach der Kaiserkrönung [[Napoléon Bonaparte|Napoleons I.]] 1804 beinhaltete das Stadtsiegel den französischen Kaiseradler. Am 13. Juni 1811 wurde das Mainzer Rad wieder zugelassen. Dem Wappen wurden oben in einem Balken die [[Biene (Wappentier)|drei Bienen des Hauses Napoleon]] hinzugefügt. Die Farben allerdings waren vertauscht. Zwischen 1835 und 1915 trug das Wappen noch ein besonderes Schildhaupt. Damit sollte Mainz als Bundesfestung abgebildet werden. Im Laufe der Geschichte der Stadt änderte sich auch die Gestalt des Rades mehrmals. Es kamen Speichen hinzu, Zusätze wurden angefügt oder auch wieder entfernt. Seit dem 12. Juni 1915 hat das Wappen seine heutige Form, die 1992 lediglich durch eine moderne stilisierte Darstellung ersetzt wurde. Im Mai 2008 wurde diese mit einem leichten Bogen am oberen Wappenschild, im Rahmen der Neugestaltung der Vorlagen, versehen<ref>[http://www.mainz.de/WGAPublisher/online/html/default/ekog-7enm9y Pressemitteilung der Stadt Mainz] vom 15. Mai 2008</ref> == Geographie == [[Datei:50 Breitengrad.jpg|miniatur|links|hochkant|50. Breitengrad auf dem Gutenbergplatz]] [[Datei:Mainz aerial photograph.jpg|miniatur|Luftbild von Mainz (links) und Wiesbaden (rechts)]] Mainz liegt am westlichen (linken) Ufer des Rheins, der die östliche Stadtgrenze bildet. Im Süden und Westen wird die Stadt im [[Mainzer Becken]] vom Rande der [[Rheinhessen|rheinhessischen]] Hochfläche begrenzt und im Norden dehnt sich ein vom Rhein zurückgewichenes Ufervorland aus. Durch Mainz hindurch läuft der 50. [[Geographische Breite|Breitengrad]] nördlicher Breite. === Nachbargemeinden === Folgende [[Stadt|Städte]] und [[Gemeinde (Deutschland)|Gemeinde]]n grenzen an die Stadt Mainz, sie werden im [[Drehrichtung#Uhrzeigersinn|Uhrzeigersinn]] beginnend im Norden genannt: *''Rechtsrheinisch'' ([[Hessen]]):<br />Landeshauptstadt [[Wiesbaden]] ([[kreisfreie Stadt]], einschließlich der ehemaligen Mainzer Stadtteile [[Mainz-Kastel]], [[Mainz-Kostheim]] und [[Mainz-Amöneburg]] (siehe hierzu auch [[AKK-Konflikt]]) sowie die ehemaligen Mainzer Stadtteile ''Ginsheim'' und ''Gustavsburg'', die nunmehr die hessische Gemeinde [[Ginsheim-Gustavsburg]] bilden ([[Kreis Groß-Gerau]]). *''Linksrheinisch'' die zum [[Landkreis Mainz-Bingen]] gehörigen Gemeinden:<br />[[Bodenheim]], [[Gau-Bischofsheim]] und [[Harxheim]] ([[Verbandsgemeinde Bodenheim]]), [[Zornheim]], [[Nieder-Olm]], [[Ober-Olm]], [[Klein-Winternheim]] und [[Essenheim]] (alle [[Verbandsgemeinde Nieder-Olm]]), [[Wackernheim]] und [[Heidesheim am Rhein]] ([[Verbandsgemeinde Heidesheim am Rhein]]) und [[Budenheim]] (verbandsfreie Gemeinde). === Stadtgliederung === [[Datei:Mainz altstadt.jpg|miniatur|Mainzer Altstadt von der Zitadelle aus gesehen, 2003]] Das Stadtgebiet von Mainz ist in 15 Ortsbezirke aufgeteilt. Jeder Ortsbezirk hat einen aus jeweils 13 direkt gewählten Mitgliedern bestehenden [[Ortsbeirat]] und einen ebenfalls direkt gewählten [[Ortsvorsteher]], der Vorsitzender des Ortsbeirats ist. Der Ortsbeirat ist zu allen wichtigen Fragen, die den Ortsbezirk berühren, zu hören. Die endgültige Entscheidung über eine Maßnahme obliegt dann jedoch dem Gemeinderat der Gesamtstadt Mainz. Daneben gibt es sieben Planungsbereiche, 65 Stadtbezirke sowie 183 Statistische Bezirke, die gleichzeitig den Stimmbezirken entsprechen.<ref>[http://www.mainz.de/WGAPublisher/online/html/default/hthn-5xljl5.de.html?ServiceID=031017-34377-SH-99998:34377 Räumliche Gliederung des Stadtgebietes]</ref> ==== Stadtteile ==== {| |- valign="top" | * [[Mainz-Altstadt|Altstadt]] * [[Mainz-Bretzenheim|Bretzenheim]] * [[Mainz-Drais|Drais]] * [[Mainz-Ebersheim|Ebersheim]] * [[Mainz-Finthen|Finthen]] | * [[Mainz-Gonsenheim|Gonsenheim]] * [[Hartenberg-Münchfeld]] * [[Mainz-Hechtsheim|Hechtsheim]] * [[Mainz-Laubenheim|Laubenheim]] * [[Mainz-Lerchenberg|Lerchenberg]] | * [[Mainz-Marienborn|Marienborn]] * [[Mainz-Mombach|Mombach]] * [[Mainz-Neustadt|Neustadt]] * [[Mainz-Oberstadt|Oberstadt]] * [[Mainz-Weisenau|Weisenau]] |} ==== Eingemeindungen ==== Ehemals selbständige Gemeinden und Gemarkungen, die in die Stadt Mainz eingegliedert wurden. Die einzelnen Eingemeindungen sind in der Tabelle unter diesem Abschnitt nachvollziehbar. Die Abtretung der rechtsrheinischen Vororte nach dem Zweiten Weltkrieg wurde durch weitere Eingemeindungen von 1969 wieder ausgeglichen. Ab 1962 entstand mit dem Lerchenberg sogar ein völlig neuer Stadtteil. {| class="wikitable" |- class="hintergrundfarbe5" ! Jahr !! Orte !! Zuwachs in ha |- | 13. Jahrhundert | [[Selenhofen (Mainz)|Selenhofen]] | align="right" | ? |- | 1294 || [[Vilzbach (Mainz)|Vilzbach]] || align="right" | ? |- | 23. Mai 1805 || [[Zahlbach (Mainz)|Zahlbach]] || align="right" | 120 |- | 1. April 1907 || Mombach || align="right" | 608 |- | 1. April 1908 || Kastel und Amöneburg <sup>1</sup> | align="right" | 1.332 |- | 1. Januar 1913 || Kostheim <sup>1</sup> || align="right" | 953 |- | 1. Januar 1930 || Bretzenheim || align="right" | 1.343 |- | 1. Januar 1930 || Weisenau || align="right" | 390 |- | 1. Januar 1930 || Bischofsheim <sup>2</sup> || align="right" | 930 |- | 1. Januar 1930 || Ginsheim-Gustavsburg <sup>2</sup> | align="right" | 1.477 |- | 1. April 1938 || Gonsenheim || align="right" | 1.058 |- | 7. Juni 1969 | Drais, Ebersheim, Finthen, Hechtsheim, Laubenheim, Marienborn | align="right" | 4.778 |} <sup>1</sup> ''seit September 1945 treuhänderisch durch die Stadt Wiesbaden verwaltet'' <br /> <sup>2</sup> ''seit September 1945 eigenständige Gemeinden im Kreis Groß-Gerau'' === Klima === [[Datei:MAINZ nieder.svg|thumb|Schwankungen der Niederschläge in Mainz]] Der [[Niederschlag|Jahresniederschlag]] beträgt 613&nbsp;mm und liegt damit im unteren Viertel der in Deutschland erfassten [[Niederschlagsdiagramm (Deutschland)|Werte]]. Der trockenste Monat ist der Februar, die meisten Niederschläge fallen im Juni. Im Juni fallen 1,7-mal mehr Niederschläge als im Februar. Die Niederschläge variieren kaum und sind gleichmäßig übers Jahr verteilt. == Geschichte == {{Hauptartikel|Geschichte der Stadt Mainz}} === Vorgeschichte und römische Zeit === {{Hauptartikel|Mogontiacum}} [[Datei:Roemersteine.jpg|miniatur|Relikte aus der römischen Zeit: Die Römersteine, Reste der alten Wasserversorgung]] Das Stadtgebiet des heutigen Mainz war schon zur letzten [[Eiszeitalter|Eiszeit]] vor 20.000 bis 25.000 Jahren eine Raststätte für Jäger, wovon bei Ausgrabungen im Jahr 1921 entdeckte Relikte zeugen. Erste dauerhafte Ansiedelungen im Mainzer Stadtgebiet sind jedoch keltischen Ursprungs. Die [[Kelten]] waren in der zweiten Hälfte des ersten Jahrtausends v.&nbsp;Chr. die dominierende Kraft am Rhein. Aus diesen keltischen Siedlungen und der mit ihnen im Zusammenhang stehenden keltischen Gottheit [[Mogon]] (in etwa vergleichbar dem griechisch-römischen [[Apollon]]) leiteten die nach dem [[Gallischer Krieg|gallischen Krieg]] (52 v.&nbsp;Chr.) am Rhein eintreffenden [[Römisches Imperium|Römer]] die Bezeichnung „[[Mogontiacum]]“ für ihr neues [[Römische Militärlager#Legionslager|Legionslager]] ab. Lange Zeit wurde angenommen, dass dieses Lager um 38 v.&nbsp;Chr. gegründet wurde. Neuere Forschungen haben jedoch ergeben, dass die Gründung des Lagers und damit letztlich der Stadt Mainz erst später, nämlich 13/12 v.&nbsp;Chr. durch [[Drusus]] erfolgte. Nachdem das Legionslager Mogontiacum gegründet worden war, wurde das Lager, das im Bereich des heutigen Kästrichs liegt, sehr schnell von einzelnen Ansiedelungen (lat. cannabae) umgeben. Die Legionen brauchten Handwerker und Gewerbetreibende zur Aufrechterhaltung ihrer Einsatzfähigkeit. Diese Ansiedlungen sind der Ausgangspunkt der urbanen Entwicklung von Mainz. Die Stadt gehörte anschließend über 500 Jahre lang zum römischen Reich und war ab 89 n.&nbsp;Chr. Hauptstadt der [[Römische Provinz|Provinz]] [[Germania Superior]] und, ab dem 4. Jahrhundert, [[Germania Prima]]. === Die mittelalterliche Bischofsstadt === Spätestens ab der Mitte des 4. Jahrhunderts bestand in der Stadt eine [[Christentum|christliche Gemeinde]], vermutlich unter Leitung eines Bischofs. Um 408 wurde Mainz von Vandalen, Alanen und Sueben erobert und geplündert. Nach der [[Völkerwanderungszeit]] begann allmählich der Aufstieg der Stadt. Die Funktion als Umschlagplatz für Handelsgüter aller Art (später vor allem Messewaren, die für Frankfurt bestimmt waren) beschleunigte die Stadtentwicklung. Städtisch besiedelt blieb vor allem der Raum zwischen dem alten Römerlager und dem Rhein. Am Ende dieser Entwicklung stand eine herausragende Bedeutung auf kultureller, religiöser und politischer Ebene. Ab Mitte des 8. Jahrhunderts wurde von Mainz aus durch Erzbischof [[Bonifatius]] aktiv die Christianisierung des Ostens, vor allem der Sachsen, betrieben. 782 wurde Mainz zum [[Bistum Mainz|Erzbistum]] erhoben. Die [[Kirchenprovinz]] entwickelte sich in der Folge zur größten diesseits der [[Alpen]]. Im neunten und zehnten Jahrhundert erwarb sich Mainz den Titel ''Aurea Moguntia''. Der Einfluss der Mainzer Erzbischöfe ließ diese zu [[Erzamt|Reichserzkanzler]]n, Landesherren des [[Kurmainz|kurmainzischen Territoriums]] und Königswählern ([[Kurfürst]]en) aufsteigen. Erzbischof [[Willigis]] (975–1011) ließ den [[Mainzer Dom]] als Zeichen seiner Macht errichten und war zeitweise als [[Reichsverweser]] der bestimmende Mann im Reich. Im Zuge dieses Aufstieges der geistlichen Macht in weltlichen Angelegenheiten war die Stadt Mainz selber unter die Kontrolle ihres Erzbischofs gefallen. Das Hochmittelalter brachte für die Bürger erstmals besondere Privilegien, die ihnen von Erzbischof [[Adalbert I. von Saarbrücken]] (1110–1137) verliehen wurden. Sie beinhalteten vor allem Steuerfreiheiten und das Recht, sich nur innerhalb der Stadt vor Gericht verantworten zu müssen. Nach der Ermordung des Erzbischofs [[Arnold von Selenhofen]] im Jahr 1160 wurden diese Privilegien jedoch wieder rückgängig gemacht. Zudem wurden die Stadtmauern auf Befehl Kaiser [[Friedrich I. (HRR)|Friedrich Barbarossas]] [[Schleifung|geschleift]]. Obgleich derart gezeichnet, war Mainz schon bald wieder Zentrum der Reichspolitik. Friedrich Barbarossa lud schon 1184 die Elite des Reiches zu einem [[Mainzer Hoftag von 1184|Hoftag]] anlässlich der [[Schwertleite (Ritterpromotion)|Schwertleite]] seiner Söhne nach Mainz, der einigen Chronisten als größtes Fest des Mittelalters gilt. Schon 1188 kam er erneut nach Mainz, um dort auf dem „Hoftag Jesu Christi“ zum [[Dritter Kreuzzug|Dritten Kreuzzug]] aufzubrechen. Neben [[Speyer]] und [[Worms]] galt Mainz als eine der [[SCHUM-Städte]] und als Geburtsstätte der [[Aschkenasim|aschkenasischen]] Kultur. 1212 krönte [[Siegfried II. von Eppstein]] den Stauferkaiser [[Friedrich II. (HRR)|Friedrich II.]] im Mainzer Dom zum König. Friedrich II. kehrte 1235 nach Mainz zurück, um dort einen [[Reichstag (HRR)|Reichstag]] abzuhalten. Auf diesem wurde am 15. August der [[Mainzer Landfrieden|„Mainzer Landfriede“]] erlassen. === Freie Stadt Mainz === [[Datei:Mainzer Freiheitsprivileg.jpg|miniatur|hochkant|links|Das Freiheitsprivileg Siegfrieds von Eppstein]] In den Auseinandersetzungen, die zwischen den [[Staufer]]n und ihren Gegnern in den 1240er-Jahren immer heftiger wurden, ließen sich die Mainzer Bürger von beiden Seiten umwerben. Die Folge dieser Politik war, dass die Bürger als Preis für ihre Unterstützung 1244 von Erzbischof [[Siegfried III. von Eppstein]] ein umfassendes Stadtprivileg erhielten. Der Erzbischof war danach nur noch formal Oberhaupt der Stadt, die Selbstverwaltung, Gerichtsbarkeit und die Entscheidungsgewalt über neue Steuern ging auf die Bürgerschaft bzw. den 24-köpfigen Stadtrat über. Außerdem entband das Privileg die Bürger von ihrem Gefolgszwang in allen kriegerischen Auseinandersetzungen, die nicht die Stadtverteidigung betrafen. Von diesem Zeitpunkt an war Mainz eine [[Freie Stadt Mainz|„Freie Stadt“]]. Die Zeit als Freie Stadt (bis 1462) gilt als Höhepunkt der Stadtgeschichte. Der politische Einfluss der Bürgerschaft erreichte während dieser Zeit die höchste kommunale und überregionale Bedeutung, wovon die Gründung des [[Rheinischer Städtebund|Rheinischen Städtebundes]] 1254 ein deutliches Zeugnis ablegt. Handel und Gewerbe konnten in dieser Zeit nicht zuletzt unter dem Schutz des Städtebunds und der Garantie des Mainzer Landfriedens von 1235 florieren. Mainz stieg zu einem wichtigen Wirtschaftsstandort auf. Ab 1328 begann durch Konflikte mit dem Erzbischof der Niedergang des freien Bürgertums und seiner Privilegien. In der [[Mainzer Stiftsfehde]] schlugen sich die Bürger auf die Seite des Erzbischofs [[Diether von Isenburg]], der sich sowohl Kaiser als auch Papst zum Gegner gemacht hatte. Die Stadt wurde 1462 durch [[Adolf II. von Nassau|Adolf II.]], den Konkurrenten Diethers um das Erzbischofsamt, eingenommen. Adolf II. ließ sich von den Mainzer Bürgern daraufhin alle Privilegien aushändigen und beendete die Zeit der Freien Stadt. Mainz wurde kurfürstliche Residenzstadt und entwickelte sich in der Folge zur Adelsmetropole ohne eigene politische Bedeutung. <br style="clear: left;" /> === Kurfürstliche Residenzstadt === [[Datei:JohannesGutenbergDenkmalMainz.JPG|miniatur|rechts|Johannes-Gutenberg-Denkmal vor dem [[Gutenberg-Museum]]]] Als seinen Nachfolger empfahl Adolf II. dem immer mächtiger werdenden [[Mainzer Domkapitel]] ausgerechnet wieder Diether von Isenburg. Dieser gründete 1477 die schon von Adolf II. geplante Universität. Die 1517 begonnene [[Reformation]] hatte zunächst gute Aussichten in Mainz. Der dort um 1450 von [[Johannes Gutenberg]] erfundene Buchdruck mit beweglichen Lettern ermöglichte eine rasche Ausbreitung der reformatorischen Schriften und der Mainzer Erzbischof und Kardinal [[Albrecht (Brandenburg)|Albrecht von Brandenburg]] stand ihren Ideen zunächst aufgeschlossen gegenüber. Letztendlich konnte sie sich aber in Mainz nicht durchsetzen. Zweimal wählte das Domkapitel mit knapper Mehrheit katholische Erzbischöfe.<!--Das Domkapitel wählte durch die ganze Geschichte katholische Erzbischöfe, nicht nur zweimal--vielleicht den Satz umstellen etwa in "Zweimal unterlagen protestantische Kandidaten nur knapp" oder so?--> Mit Ausnahme von Garnisonsgemeinden durfte sich bis 1802 keine evangelische Gemeinde in der Stadt bilden. [[Datei:Mainz 2 De Merian Hassiae.jpg|miniatur|rechts|Mainz – Auszug aus der [[Topographia Germaniae|Topographia Hassiae]] von [[Matthäus Merian der Jüngere|Matthäus Merian dem Jüngeren]] 1655]] Die mittelalterliche Stadtbefestigung war ab der Mitte des 16. Jahrhunderts einer moderneren [[Festung Mainz|Festung]]sanlage gewichen, die schließlich die ganze Stadt umfasste. Außerhalb dieser Festung durften keine Steinbauten entstehen, um anrückenden Truppen keinen Schutz bieten zu können. So konnte sich die Stadt nur in den innerhalb der Mauern verbliebenen Freiflächen entwickeln, was das Wachstum der Stadt bis in das 20. Jahrhundert hinein stark begrenzte. Trotz dieser Festung wurde Mainz im [[Dreißigjähriger Krieg|Dreißigjährigen Krieg]] von der schwedischen Armee kampflos eingenommen. Maßgeblich zur Beendigung des Krieges trug [[Johann Philipp von Schönborn]] bei, der 1647 Erzbischof von Mainz wurde und unter dessen Pontifikat die Stadt sich schnell wieder von den Verheerungen des Krieges erholen konnte. In der nun aufkommenden [[Barock]]zeit entstanden glanzvolle Bauten in der Stadt, die auch heute noch zum Stadtbild gehören. Mit der Amtszeit des Kurfürsten [[Emmerich Joseph von Breidbach zu Bürresheim]] (1763–1774) erhielt die Aufklärung auch auf politischer Ebene Einzug in die „Stadt des Adels“. === Das Ende der alten Ordnung === Die Ideen der Aufklärung führten in Frankreich schließlich zur [[Französische Revolution|Revolution]]. Nachdem Frankreich in den [[Koalitionskriege]]n 1792 die linksrheinischen Gebiete des Reiches einschließlich Mainz erobert hatte, musste Fürstbischof [[Friedrich Karl Joseph von Erthal]] aus der Stadt fliehen. Die Besatzungsmacht veranlasste 1793 die Gründung der „[[Mainzer Republik]]“ und ließ erste freie Wahlen abhalten, doch diese endete bereits im Juli nach der [[Belagerung von Mainz (1793)|preußischen Belagerung und Beschießung der Stadt]] und dem Abzug der Franzosen. Die Koalitionskriege aber gingen weiter und führten 1797 zur nächsten Besetzung der Stadt. Der Adel verschwand aus Mainz und ließ die Stadt bürgerlich werden. Wie alle linksrheinischen Gebiete wurde auch Mainz von Frankreich annektiert und als ''Mayence'' Hauptstadt des französischen Départements du Mont-Tonnerre ([[Département Donnersberg|Donnersberg]]) unter Verwaltung des französischen Präfekten [[Jeanbon St. André]]. === Mainz im Großherzogtum Hessen === [[Datei:Mainz um 1844 lehnhardt.jpg|miniatur|Bundesfestung Mainz um 1844. Lithografie von J. Lehnhardt]] Durch den Verlust ihrer Residenzfunktion provinzialisierte die seit 1816 zum [[Großherzogtum Hessen]] gehörende Stadt im 19. Jahrhundert sehr stark. Bedeutende Ereignisse sind in der Stadtgeschichte zu dieser Zeit daher kaum zu finden. Allerdings war Mainz zu dieser Zeit Sitz der [[Mainzer Zentraluntersuchungskommission]] im Rahmen der ''Demagogenverfolgung'' infolge der [[Karlsbader Beschlüsse]]. Von nachwirkender Bedeutung ist die sich ab 1837 entwickelnde [[Mainzer Fastnacht]]. Die Festungsfunktion (nun [[Bundesfestung]] des [[Deutscher Bund|Deutschen Bundes]]) behinderte außerdem die Ausdehnung der Stadt und die [[Einwohnerentwicklung von Mainz|Entwicklung der Einwohnerzahlen]]. Bis zum Ende der Festung hatte die Stadt fast nie mehr als 30.000 Einwohner. Bei Mainz lagen um 1856 siebzehn [[Schiffsmühle|Rheinmühlen]] zusammengekettet und an den Pfeilerresten einer Römerbrücke verankert. Als ab den 1850er-Jahren die letzten freien Räume innerhalb der Festung, wie z.&nbsp;B. der [[Kästrich]], bebaut und das Rheinufer in den 1880er-Jahren erweitert wurde, konnte die Einwohnerzahl innerhalb der Altstadt nennenswert ansteigen. Jedoch konnte die Stadt aufgrund der Festungsfunktion lange nicht so wachsen wie beispielsweise Wiesbaden.<ref>Michael Kläger: ''Mainz auf dem Weg zur Großstadt (1866–1914)''. In: ''Mainz: Die Geschichte der Stadt''. Verlag von Zabern, Mainz 1998, S. 434</ref> Die bedeutendste Entwicklung der Stadt geschah jedoch durch die Einverleibung des „Gartenfelds“ bzw. der [[Mainz-Neustadt|Neustadt]]. Diese neu errichtete Stadtmauererweiterung löste ab 1872 einen Bauboom und Bevölkerungszuwachs in der [[Gründerzeit]] aus, der allerdings durch den Börsenkrach 1873 vorerst ausgebremst wurde.<ref>Michael Kläger: ''Mainz auf dem Weg zur Großstadt (1866–1914)''. In: ''Mainz: Die Geschichte der Stadt''. Verlag von Zabern, Mainz 1998, S. 452</ref> Möglich gemacht wurde diese Erweiterung nicht zuletzt durch den Bedeutungsverlust der Festung (von da an diente die [[Festung Metz]] als Bollwerk des Deutschen Reiches gegenüber Frankreich) nach dem [[Deutsch-Französischer Krieg|deutsch-französischen Krieg]] von 1870/71.Ab 1886 setzte sich dann zunehmend die Bautätigkeit in der Neustadt (und mit Verlegung des Hauptbahnhofs weg vom Rheinufer auch in dieser Zeit im Lauterenviertel) fort. Erst kurz vor dem Ersten Weltkrieg wurde die Festung endgültig abgerissen, sodass die Stadt nun auch außerhalb der alten Mauern expandieren konnte.<ref>Kaiserlicher Erlaß zur Aufhebung der Befestigung datiert vom 18. März 1908 – ''Stadt Mainz: Stadterweiterungen des 19. und frühen 20. Jahrhunderts'' in der Reihe ''Kulturdenkmäler in Rheinland-Pfalz'' (Band 2.1), Landesamt für Denkmalpflege, Hg., (Wernersche Verlagsgesellschaft, Worms, 1986), S. 29</ref> Die dadurch und durch die umfangreichen Eingemeindungen ausgelöste Expansion der Stadt führte zu weiterem Bevölkerungswachstum, sodass die Stadt mit einer Einwohnerzahl von über 100.000 im Jahr 1908 den Status einer Großstadt erreichte. === Modernes Mainz === Der [[Erster Weltkrieg|Erste Weltkrieg]] beendete den durch die Schleifung der Stadtmauern ausgelösten kurzen Aufschwung. Nach dem Krieg gingen die ''[[Goldene Zwanziger|Goldenen Zwanziger]]'' am erneut von den Franzosen besetzten Mainz fast vollständig vorbei. Nach dem Ende der Besatzungszeit 1930 kam es erneut zu umfangreichen Eingemeindungen (siehe [[#Eingemeindungen|Tabelle oben]]), die das Stadtgebiet verdoppelten. Am 1. November 1938 wurde Mainz wie auch [[Offenbach am Main]], [[Gießen]], [[Darmstadt]] und [[Worms]] [[kreisfreie Stadt]]. Der [[Nationalsozialismus]] konnte in Mainz zunächst nicht Fuß fassen. Noch zur Machtergreifung am 30. Januar 1933 demonstrierten mehr Menschen gegen das neue System als dafür. Dennoch wurden die 3000 Mitglieder umfassende jüdische Gemeinde von Mainz fast vollständig deportiert. Die Stadt blieb vom [[Zweiter Weltkrieg|Zweiten Weltkrieg]] verschont bis 1942 die [[Luftangriffe auf Mainz|ersten schwereren Bombenangriffe]] stattfanden. Der schlimmste Angriff ereignete sich am 27. Februar 1945, als Mainz durch britische Bomber fast völlig zerstört wurde und ca. 1200 Menschen getötet wurden. Durch Brandbomben war ein [[Feuersturm]] entfacht worden. Am Ende des Krieges war die Stadt zu 80 % zerstört. Nach dem Krieg wurde Mainz erneut von den Franzosen besetzt. Die Grenze der französischen und amerikanischen Besatzungszone bildete auf der Höhe von Mainz der Rhein, weswegen die [[Rechtsrheinische Stadtteile von Mainz|rechtsrheinischen Stadtteile]] nördlich der Mainmündung, [[Mainz-Amöneburg|Amöneburg]], [[Mainz-Kastel|Kastel]] und [[Mainz-Kostheim|Kostheim]], der Stadt Wiesbaden zugeordnet wurden, was ein Grund für die heutige [[AKK-Konflikt|Rivalität zwischen beiden Städten]] ist. Die rechtsrheinischen Stadtteile südlich des Mains, [[Bischofsheim (Mainspitze)|Bischofsheim]], [[Ginsheim-Gustavsburg|Ginsheim]] und [[Ginsheim-Gustavsburg|Gustavsburg]], wurden wieder selbständige Gemeinden im [[Kreis Groß-Gerau|Landkreis Groß-Gerau]]. Die Neugründung der Länder [[Hessen]] und [[Rheinland-Pfalz]] zementierte diese Teilung. Schon 1946 wurde die 1798 aufgehobene Universität wieder errichtet. Mainz wurde 1950 anstelle des bisherigen Regierungssitzes [[Koblenz]] Hauptstadt des neu gegründeten Landes Rheinland-Pfalz und konnte so den fast 150-jährigen Prozess der Provinzialisierung beenden. Nach dem Zweiten Weltkrieg war die Einwohnerzahl wieder auf etwa 76.000 gefallen. Erst Mitte der 1960er-Jahre erreichte sie wieder den Vorkriegswert. [[Datei:Mainz Luftbild Panorama der modernen Landeshaupt- und Universitätsstadt Mainz Foto 2008 Wolfgang Pehlemann Wiesbaden IMG 0063.jpg|miniatur|zentriert|800px|Panorama der modernen Landeshaupt- und Universitätsstadt Mainz (Foto 2008)]] 1962 beging die Stadt ihre 2000-Jahr-Feier, die auf der damaligen (falschen) Auffassung beruhte, dass die Römer unter [[Marcus Vipsanius Agrippa|Agrippa]] bereits 38 v.&nbsp;Chr. ein Militärlager am Zusammenfluss von Rhein und Main gründeten. Die Entstehung von Mainz-Lerchenberg als neuer Stadtteil nach 1962 sowie großflächige Eingemeindungen rund um Mainz 1969 beendeten die durch den Zweiten Weltkrieg entstandene Stagnation in der Stadtentwicklung und boten umfassende Ausbau- und Entwicklungsmöglichkeiten für die Stadt. Mit der Ansiedlung des ZDF auf dem Lerchenberg begann ab 1976 der Ausbau zur Medienstadt Mainz. Eine Tendenz, die noch durch das mit zahlreichen Aktivitäten gefeierte Gutenbergjahr im Jahr 2000 verstärkt wurde. Neben anderen städtebaulichen Programmen wie beispielsweise der Altstadtsanierung ist man seit dem Jahr 2000 am Bund-Länder-Programm „Soziale Stadt“ in Mainz beteiligt. Gegenwärtig hat die Stadt über 196.000 Einwohner mit Hauptwohnsitz in Mainz. ''Siehe auch'': [[Einwohnerentwicklung von Mainz]] == Politik == [[Datei:Staatskanzlei-landtag-mz001.jpg|miniatur|Staatskanzlei und Landtag von Rheinland-Pfalz]] Die Stadt Mainz ist eine kreisfreie Stadt gemäß der Kommunalordnung des Landes Rheinland-Pfalz. Der Oberbürgermeister wird direkt gewählt. Von 2002-2009 wurde Mainz zusammen mit dem Großteil des benachbarten Landkreises Mainz-Bingen im [[Deutscher Bundestag|Bundestag]] durch den 2005 direkt gewählten [[Michael Hartmann (Politiker)|Michael Hartmann]] (SPD) vertreten, bei der Bundestagswahl 2009 errang [[Ute Granold]] von der CDU das Direktmandat. Aus dem [[Bundestagswahlkreis Mainz]] gehören neben Granold nach wie vor Hartmann sowie [[Rainer Brüderle]] (FDP) und seit 2009 auch [[Tabea Rößner]], Bündnis 90/Die Grünen, die letzten drei jeweils über die Landeslisten gewählt, dem Bundestag an. Zur historischen Entwicklung von der Erzbischöflichen Metropole (1011 bis 1244) über die Freie Stadt (1244 bis 1462), die Zeit als Residenzstadt unter der Verwaltung des Kurfürsten (bis 1798) und die Zeit von 1798 bis 1814 unter einer französischen Munizipalverfassung bis zum heutigen Status als kreisfreie Stadt siehe die Erläuterungen in den Artikeln über die [[Geschichte der Stadt Mainz]]. ''Siehe auch'': [[Liste der Oberbürgermeister von Mainz]] === Stadtrat === Der [[Stadtrat]] von Mainz besteht aus 60 [[ehrenamt]]lichen Ratsmitgliedern, die bei der [[Kommunalwahlen in Rheinland-Pfalz 2009|Kommunalwahl]] am 7. Juni 2009 gewählt wurden, und dem [[hauptamt]]lichen [[Oberbürgermeister]] als Vorsitzenden. Im Dezember 2009 wurde erstmals in Mainz eine [[Ampelkoalition]] gebildet.<ref>[http://gruene-mainz.de/osts/gruenes-cms.de/httpdocs/userspace/RP/sv_mainz/Diverse/Koalitionsvereinbarung_E._06.12.2009_final.pdf vollständiger Koalitionsvertrag der Ampelkoalition]</ref> Sitzverteilung im gewählten Stadtrat:<ref>[http://wahlen.rlp.de/kw/wahlen/2009/kreistagswahlen/ergebnisse/3150000000.html Kommunalwahl Rheinland-Pfalz 2009, Stadtratswahlen der kreisfreien Städte]</ref> {| class="wikitable" |- class="hintergrundfarbe5" ! !! [[Sozialdemokratische Partei Deutschlands|SPD]] !! [[Christlich Demokratische Union Deutschlands|CDU]] !! [[Freie Demokratische Partei|FDP]] !! [[Bündnis 90/Die Grünen|Grüne]] !! [[Die Linke|Linke]] !! [[Ökologisch-Demokratische Partei|ödp]] !! [[Die Republikaner|REP]] !! Gesamt |- align="right" | 2009 || 14 || 18 || 6 || 13 || 2 || 4 || 3 || 60 |- align="right" | 2004 || 17 || 23 || 5 || 9 || – || 2 || 4 || 60 |- align="right" | 1999 || 22 || 26 || 4 || 6 || – || 0 || 2 || 60 |} → ''[[Ergebnisse der Kommunalwahlen in Mainz]]'' == Religionen == [[Datei:Mainz Luftbild Mainzer Dom - der bischöfliche Hohe Dom zu Mainz am Höfchen Foto 2008 Wolfgang Pehlemann Wiesbaden IMG 0085.jpg|miniatur|Luftbild von Süden: der Hohe Dom zu Mainz in der Altstadt am Höfchen]] [[Datei:Mainzer Dom sw.jpg|miniatur|hochkant|Der [[Mainzer Dom]] heute]] Jahrhundertelang war die Stadt als Sitz eines der höchsten (katholischen) Reichsfürsten immer katholisch geprägt. Mainz verfügt über den einzigen „[[Heiliger Stuhl|Heiligen Stuhl]]“ (sancta sedes Moguntia) außerhalb von Rom. Eine frühchristliche Gemeinde bestand vielleicht schon seit der Spätantike, vielleicht auch bischöflich verfasst. 780/782 wurde Mainz zum Erzbistum erhoben. Erster [[Liste der Bischöfe von Mainz|Erzbischof von Mainz]] wurde [[Lullus (Lul)|Lullus]], der bereits im Jahr 754 Nachfolger von Bonifatius (der als Missionsbischof nur den persönlichen Titel Erzbischof führte) geworden war. Mainz wurde in der Folge Hauptort des größten [[Kirchenprovinz|Metropolitanverbandes]] jenseits der Alpen (siehe [[Bistum Mainz]]). In dem sich im 13. Jahrhundert endgültig konstituierenden Kollegium der sieben [[Kurfürst]]en (Königswähler) nahm der Erzbischof von Mainz die führende Stellung ein (siehe auch: [[Geschichte des Bistums Mainz]]). Die Ursprünge der Jüdischen Gemeinde sind nicht restlos geklärt. Für die These, die Juden seien mit den Römern nach Mainz gekommen, spricht sehr viel, ein Beweis ist jedoch bisher nicht gelungen. Die erste sichere Aufzeichnung stammt aus der zweiten Hälfte des 10. Jahrhunderts und ist eine hebräische Überlieferung rabbinischer Rechtsgutachten, die sich mit einer bereits blühenden jüdischen Gemeinde befassen. Indikator für die Entwicklung war wohl der Status der Stadt als wichtiger Handelsort der damaligen Zeit. Die bedeutende [[Kalonymiden|Familie Kalonymos]] lebte hier. Bedeutend war auch das Wirken [[Gerschom ben Jehuda]]s, welcher einer der wichtigsten Gelehrten jener Zeit überhaupt war. Auf dem jüdischen Friedhof vom Mainz finden sich Grabsteine aus dem 11. Jahrhundert. Die Gemeinde wurde mehrmals (siehe oben) durch [[Gezerot Tatnu|Pogrome]] während der Zeit der [[Kreuzzug|Kreuzzüge]] und der Pestepidemien dezimiert. Am [[Rosch ha-Schana|jüdischen Neujahrsfest]] wird in jeder Synagoge das [[Unetaneh tokef]] gesprochen, das an die erschlagenen Mainzer Juden von 1096 erinnert. 1435 wurden die Juden für Jahrhunderte aus Mainz vertrieben.<ref>[http://www.welt.de/welt_print/article1167657/Mainzer_Fund_juedischer_Graeber_Baustopp_droht.html welt.de zur Geschichte der jüdischen Gemeinde in Mainz]</ref> Vor 1933 hatte die Gemeinde bis zu 3000 Mitglieder, 1946 gerade noch 59. 1997 gab es 203 Mitglieder, was etwa 0,1 % der Gesamtbevölkerung ausmacht. Die Anfang des 20. Jahrhunderts errichtete Mainzer Synagoge in der Neustadt wurde während der Zeit des Nationalsozialismus vollständig abgebrannt und zerstört. An der ursprünglichen Stelle wurden einige Säulen als Mahnmal wieder errichtet. 1999 wurde ein Wettbewerb für den [[Neue Synagoge Mainz|Neubau einer Synagoge]] und eines Jüdischen Gemeindezentrums an dem Ort der alten Mainzer Synagoge durchgeführt, der von dem Architekten Manuel Herz gewonnen wurde. Derzeit laufen Bauarbeiten zur Errichtung der neuen Synagoge. Die Synagoge in Weisenau überstand den Krieg unbeschadet. Sie wurde Ende der 1990er-Jahre restauriert und der jüdischen Gemeinde wieder als Gotteshaus übergeben. Obwohl einiges dafür sprach, wurde Mainz kein Zentrum der Reformation. Zwar war der damalige Erzbischof Albrecht von Brandenburg den Ideen des Protestantismus nicht abgeneigt, zugleich war er aber vom [[Ablass]]handel abhängig, den [[Martin Luther|Luther]] gerade in heftiger Weise kritisierte. Zu ersten Berührungen mit dem Protestantismus kam es so erst mit dem [[Schmalkaldischer Krieg|Schmalkaldischen Krieg]] und dessen Auswirkungen auf die Stadt 1552 und im 30-jährigen Krieg mit der Besetzung durch schwedische Truppen. Durchsetzen konnte sich die neue Konfession damals aber nicht. Nach dem Zusammenbruch der schwedischen Herrschaft noch während des Dreißigjährigen Krieges gewann wieder der Katholizismus die Oberhand. Einwohnern mit evangelischem Bekenntnis wurden die Bürgerrechte verweigert. Seit 1715 gab es in Mainz eine kleine lutherische Garnisonsgemeinde. In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts wurden vermehrt die inzwischen in die Stadt zugezogenen Protestanten nicht nur geduldet. Der vom Geist der Aufklärung erfasste [[Kurfürst]] [[Emmerich Joseph von Breidbach zu Bürresheim]] sowie der Großhofmeister [[Anton Heinrich Friedrich von Stadion]] beschäftigten sogar protestantische Offiziere und Kammerherren am Hof. Unter Kurfürst [[Friedrich Karl Joseph von Erthal]] erhielten sie auch Einfluss auf das Bildungswesen. Eigene Kirchen erhielten sie jedoch zunächst nicht. Erst 1802 nach dem faktischen Zusammenbruch des Kurstaates wurde die erste evangelische Kirchengemeinde als „unierte“ gegründet, das heißt sie hatte sowohl lutherische als auch reformierte Gemeindemitglieder. Sie galt als Vorbild für die 1822 durchgeführte Union beider Konfessionen in Rheinhessen. Als fördernd erwies sich auch, dass Mainz als Bundesfestung eine teilweise preußische (und damit protestantische) Besatzung hatte. Durch den einsetzenden Boom und das Wachstum der Stadt durch Zuzug von Außen wuchs die Mainzer Gemeinde rasch. Gab es 1849 27.633 Katholiken und 5.037 Protestanten, waren es 1901 49.408 Katholiken, aber schon 31.151 Protestanten. 1930 gab es in der Stadt 78.500 Katholiken und 48.500 Protestanten. Im Jahr 1997 lebten in Mainz 87.367 Katholiken, 53.254 Protestanten und 203 Juden. Das katholische Bistum, 1803 aufgelöst und unter Napoleon neu umschrieben, wurde 1821 in seinen heutigen Grenzen festgeschrieben und umfasst im wesentlichen die Grenzen des Großherzogtums Hessen, zu dem Mainz damals gehörte. [[Datei:Mainz Luftbild Christuskirche zu Mainz auf der Kaiserstraße Foto 2008 Wolfgang Pehlemann Wiesbaden IMG 0077.jpg|miniatur|Luftbild der Christuskirche zu Mainz am Rhein]] 1832 wurde Rheinhessen auch kirchlich Bestandteil der evangelischen Kirche im Großherzogtum Hessen, wo Rheinhessen eine eigene Superintendentur bildete. Nach vorübergehender Verlegung des Sitzes der [[Kirchenkreis|Superintendentur]] nach Darmstadt 1882 wurde Mainz 1925 erneut Sitz derselben. 1934 wurde aus der Superintendentur die Propstei Rheinhessen, in der nunmehr mit Nassau vereinigten Kirche. Die Kirchengemeinden der Stadt gehören seither – sofern sie nicht einer Freikirche angehören – zum Dekanat Mainz (Propstei Rheinhessen) der [[Evangelische Kirche in Hessen und Nassau|Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau]]. Seit 1847 besteht die [[Freireligiöse Gemeinde Mainz]]. Sie hat ihr Gemeindezentrum in der Gartenfeldstraße in der Mainzer Neustadt. Das alte Gemeindezentrum in der Großen Bleiche 53 wurde beim Bombenangriff am 27. Februar 1945 total zerstört. Auch andere christliche Religionsgemeinschaften sind in Mainz vertreten (in zeitlicher Reihenfolge, soweit ein Datum bekannt ist): Die [[Baptisten]] (im [[Bund Evangelisch-Freikirchlicher Gemeinden]], seit 1862), die [[Altkatholische Kirche]] (seit 1876), die [[Neuapostolische Kirche]] (seit etwa 1895), die [[Evangelisch-methodistische Kirche]] (seit 1906), die [[Siebenten-Tags-Adventisten|Freikirche der Siebenten-Tags-Adventisten]] (seit 1907), [[Die Christengemeinschaft]] (seit Ende der 1920er), die Bibelgemeinde Mainz (seit 1978), das pfingstlich-charismatische „Christliche Zentrum DER FELS“ (im [[Bund Freikirchlicher Pfingstgemeinden]]) (seit 1981), die [[Bund Freier evangelischer Gemeinden in Deutschland|Freie evangelische Gemeinde]] (seit 1982), die [[Orthodoxe Kirchen|Orthodoxe Kirche]] (seit 1992), die EnChristo Mainz (im [[Freikirchliches Evangelisches Gemeindewerk|Freikirchlichen Evangelischen Gemeindewerk]] (FEGW)) (seit 1995), das Christliche Familienzentrum Freikirchliche Gemeinde (seit 1998), die [[Kirche des Nazareners]] (seit 2008), die [[Pfingstbewegung|Pfingstgemeinde]] „Die BASIS – Gemeinde für diese Generation“, Freie Baptisten-Gemeinde Mombach sowie die [[Zeugen Jehovas]]. Gemeindemitglieder aus verschiedenen christlichen Konfessionen haben sich zu einer örtlichen [[Evangelische Allianz|Evangelischen Allianz]] zusammengeschlossen. Der Großteil der christlichen Kirchen und Gemeinden arbeitet seit 1997 in der örtlichen [[Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen in Deutschland|Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen]] zusammen.<ref>Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Mainz (Hg.): ACK. Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Mainz, Mainz o. J. [2007].</ref> Vor allem durch Einwanderung und Einbürgerung hinzugekommen sind [[Islam|muslimische]] Gemeinschaften. Im Jahr 2002 wurde die Zahl der Moslems auf ca. 15.000 beziffert, gleichzeitig gab es 15 [[Moscheeverein]]e.<ref>http://www.philippus-mainz.de/forum/petri2.html</ref> ''Siehe auch:'' [[Konfessionsverteilung der Einwohner der Stadt Mainz]] (Auflistung seit 1800) == Stadtbild == [[Datei:Fachwerk Kirschgarten Mainz.jpg|miniatur|links|hochkant|Altstadt: Fachwerkhäuser im Kirschgarten]] Die Stadt Mainz ist in ihrem weiteren Innenstadtbereich sowie in einzelnen Vororten (vor allem Mombach und Weisenau) zunehmend großstädtisch geprägt. Bei anderen Vororten (z.&nbsp;B. Drais oder Finthen) blieb der dörfliche Charakter weitgehend bestehen. In der Innenstadt selbst sind jedoch auch viele andere Elemente des Städtebaus erhalten geblieben. Noch klar an das mittelalterliche und frühneuzeitliche Stadtbild erinnert die heutige „Altstadt“ mit ihren verwinkelten Straßen und Gassen um die Augustinerstraße. Dort finden sich auch bis heute noch [[Fachwerkhaus|Fachwerkhäuser]]. Große Teile der historischen Altstadt, vor allem nördlich der [[Ludwigsstraße (Mainz)|Ludwigsstraße]], wurden durch die britischen Luftangriffe auf Mainz im Zweiten Weltkrieg beschädigt, später abgerissen und modern überbaut. <!--Bischofspalais hätte gerettet werden können, ist aber zum Parkhaus geworden--> Die von Stadtbaumeister [[Eduard Kreyßig]] entworfene Neustadt war eines der größten Stadterweiterungsprojekte seiner Zeit, in dem die Stadtfläche sich fast verdoppelte. Die Neustadt entstand in der [[Gründerzeit]] um 1900, in der sich Mainz von der provinziell geprägten Festungsstadt zur Großstadt entwickelte. Das Panorama der Stadt von der Rheinseite wird heute vor allem von Bauten zweier unterschiedlicher Bauepochen geprägt: Dem [[Rathaus (Mainz)|Rathauskomplex]] (von [[Arne Jacobsen]] und [[Otto Weitling]]) mit Hilton-Hotel und [[Rheingoldhalle (Mainz)|Rheingoldhalle]] aus der [[Moderne]] und dem Barock- bzw. Renaissance-Ensemble bestehend aus dem [[Neues Zeughaus Mainz|Neuen Zeughaus]] (heute Staatskanzlei), dem [[Deutschhaus Mainz|Deutschhaus]] (heute Landtag) und dem [[Kurfürstliches Schloss Mainz|Kurfürstlichen Schloss]]. Nachdem die Umsetzung einer ambitionierten Neuplanung der im Zweiten Weltkrieg weitgehend zerstörten Innenstadt durch [[Marcel Lods]] scheiterte, wurden nur die wichtigsten Gebäude wiedererrichtet. Dazu gehören die vielen barocken Adelspaläste, die sich vor allem am [[Schillerplatz (Mainz)|Schillerplatz]] befinden. Ansonsten wurden in Mainz zunächst überwiegend neue Wohnhäuser, beispielsweise die Siedlung Am Fort Elisabeth, gebaut. Bedingt durch den erst späten Aufschwung zu Beginn der 60er-Jahre sind diese Gebäude vor allem in dem Stil jener Dekade gehalten, was damals wie heute von Städtebauern kritisiert wurde. Auch viele Wohnsiedlungen im Umkreis der Stadt sind im Stil der 60er entstanden. Zu den bedeutendsten heute noch bestehenden Bauten des 19. Jahrhunderts in Mainz zählen die evangelische [[Christuskirche (Mainz)|Christuskirche]], der [[Mainz Hauptbahnhof|Hauptbahnhof]], die [[Theodor-Heuss-Brücke (Mainz–Wiesbaden)|Rheinbrücke]], Teile des von [[Georg Moller]] errichteten [[Staatstheater Mainz|Staatstheaters]] und die Festungsanlagen bzw. deren Reste. Die noch heute häufig im Stadtbild deutlich sichtbaren sonstigen Bau-Zeugnisse jener Zeit sind fast ausschließlich Wohnhäuser mit oder ohne Geschäftszeile. Von den bedeutenderen Bau-Epochen in Mainz, Romanik, Gotik, Renaissance (in Ansätzen) und vor allem Barock sind jedoch noch mannigfaltigere Beispiele erhalten geblieben. === Romanik und Gotik in Mainz === [[Datei:St Stephan zu Mainz.jpg|miniatur|hochkant|Die ehemalige Stiftskirche St. Stephan]] Auch heute sind in der Stadt Mainz viele Zeugnisse historischer Baukultur der [[Romanik]] und [[Gotik]] erhalten, die das Stadtbild prägen. Bedeutendstes Bauwerk der Romanik in Mainz ist der Mainzer Dom, den Erzbischof Willigis zwischen 975 und 1009 errichten ließ. Da er bereits am Tag seiner Weihe weitgehend abbrannte, wurde er in den Folgejahren immer größer aufgebaut, denn auch 1081 und 1137 brannte der Dom. Er wurde von Erzbischof [[Bardo (Mainz)|Bardo]], Kaiser [[Heinrich IV. (HRR)|Heinrich IV.]], Erzbischof [[Konrad von Wittelsbach|Konrad I. von Wittelsbach]] und Erzbischof Siegfried III. von Eppstein durch alle Bauepochen der Romanik weitergeführt. Zu Beginn der Epoche der Gotik wurden auch am Dom gotische Elemente verwirklicht. Unter anderem wirkte der als [[Naumburger Meister]] bekannt gewordene Künstler am Dom. Westlich des Doms liegt die [[St.-Johannis-Kirche (Mainz)|St.-Johannis-Kirche]], die vermutlich über dem ersten Dom errichtet wurde und wohl selbst auch einmal Domkirche des Bistums war. Sie wurde 910 von Erzbischof Hatto geweiht und in spätkarolingischen Formen errichtet. Durch Umbauten und nach Zerstörungen vor allem im Zweiten Weltkrieg ist sie jedoch mehrfach überformt worden. Zusammen mit dem Dom und der 1793 zerstörten, dem Dom östlich vorgelagerten Liebfrauenkirche bildete die Johanniskirche einst eine zusammenhängende Einheit und mit den umliegenden Plätzen („Höfchen“) die erzbischöfliche Pfalz. Nicht erhalten ist das historische [[Stift St. Alban vor Mainz]], das in seiner Größe im 8. und 9. Jahrhundert wichtigste Kirche und geistiges Zentrum des Bistums war. Die Kirche verfiel schon im Hochmittelalter. Die Reste wurden im [[Zweiter Markgrafenkrieg|Markgräflerkrieg]] zerstört. Ebenfalls von Willigis gegründet ist die Stiftskirche [[St. Stephan (Mainz)|St. Stephan]], die jedoch bald durch einen gotischen Bau ersetzt wurde. Sie ist heute die größte gotische Kirche in Mainz. Aus der Stilepoche der Gotik stammen auch die Pfarrkirchen St. Emmeran und [[St. Quintin (Mainz)|St. Quintin]] (gleichzeitig Pfarrkirche der ältesten Pfarrei von Mainz/Vorgängerbau schon im 8. Jahrhundert). Die im Zweiten Weltkrieg zerstörte gotische Kirche [[St. Christoph (Mainz)|St. Christoph]] ist heute das Kriegsmahnmal der Stadt. === Renaissance === [[Datei:Zeughaus und Deutschhaus Mainz.jpg|miniatur|Neues Zeughaus (vorne) und Deutschhaus prägen das Rheinpanorama der Stadt. Ganz rechts am Bildrand ist das Kurfürstliche Schloss zu sehen]] Bedeutendstes Bauwerk der [[Renaissance]] in Mainz ist das [[Kurfürstliches Schloss Mainz|Kurfürstliche Schloss]]. Stilistisch gehört es zur sogenannten „Deutschen Renaissance“, deren spätestes Zeugnis dieser Bau ist. Ebenfalls aus der Stilepoche der Renaissance stammt das Haus ''Zum Römischen Kaiser'', das heute das [[Gutenberg-Museum]] beherbergt. Der von Erzbischof Albrecht gestiftete ''Marktbrunnen'' gehört zu den prächtigsten Renaissancebrunnen Deutschlands. Als weiteres Zeugnis, freilich schon am Übergang zum Barock stehend, kann die ab 1615 in der Nähe des heutigen Gutenbergplatzes errichtete ''Domus Universitatis'' angesehen werden, welche für Jahrhunderte höchster Profanbau der Stadt war. === Barock und Rokoko === Die Barockzeit ließ die Stadt vor allem während des Episkopats [[Lothar Franz von Schönborn|Lothar Franz’ von Schönborn]] einen beispiellosen Bauboom erleben, dessen Ergebnisse noch heute im Stadtbild zu sehen sind und dieses zum Teil sogar prägen. Am Schillerplatz, an der [[Bleichenviertel|Großen Bleiche]], in der Klarastraße sowie am Rhein finden sich heute etliche Höfe des ehemaligen Mainzer Adels, beginnend mit der Errichtung des [[Schönborner Hof (Mainz)|Schönborner Hofes]] (ab 1668) am Schillerplatz. Auch einige Kirchen finden sich noch, obwohl viele aus dieser Zeit in den Wirren der Geschichte wieder zerstört wurden. Bedeutende Kirchen sind die [[Augustinerkirche (Mainz)|Augustinerkirche]] in der gleichnamigen Altstadtstraße und die in den Formen des Rokoko errichtete [[St. Peter (Mainz)|Peterskirche]] an der Großen Bleiche. Die ebenfalls zu jener Zeit errichtete [[St. Ignaz (Mainz)|Ignazkirche]] (ab 1763) wie auch der [[Erthaler Hof]] (ab 1743) sind jedoch schon frühe Beispiele des [[Klassizismus]]. === Festungsbauten === [[Datei:Mainz Kaponniere am Rheinufer und Feldbergplatz Festungsbauten Uferpromenade Foto 2007 Wolfgang Pehlemann Wiesbaden DSCN4707.jpg|miniatur|Die [[Kaponniere]] zwischen Feldbergplatz und Rheinufer]] Aus der Festungszeit der Stadt sind etliche Relikte vorhanden, die aus verschiedenen Epochen stammen. Exponiertes Beispiel des Barocks ist dabei das Palais des Festungskommandanten, welches mit der [[Zitadelle Mainz|Zitadelle]] über der Stadt thront. Doch auch frühere Teile der alten römischen und mittelalterlichen Stadtbefestigung sind noch vorhanden und zumindest in ihrem Mauerwerk noch original. Am Rhein erheben sich der [[Holzturm (Mainz)|Holzturm]] und der [[Eisenturm (Mainz)|Eisenturm]], die ihre Torfunktion jedoch durch die Aufschüttung des Rheinufers im 19. Jahrhundert und die dadurch bedingte Straßenniveauhebung verloren haben. Der Holzturm war der Kerker des Räuberhauptmanns [[Johannes Bückler|Schinderhannes]]. Spätere Zeugen des Festungsbaus sind das Fort Malakoff im Süden der Stadt sowie das große, im Krieg nicht zerstörte, [[Proviant-Magazin]] in der Schillerstraße gegenüber dem Erthaler Hof. === Seit 1945 === Die Stadt zeichnet sich heute durch eine Durchmischung verschiedener Bauepochen aus. Die französische Militäradministration berief in den späten 1940er Jahren den berühmten französischen Städteplaner [[Marcel Lods]], einen neuen Stadtplan auszuarbeiten. Dieser wurde damals als ''Mainz, modernste Stadt der Welt'' sehr bekannt. Der radikale Plan ist nie umgesetzt worden, die Akzeptanz war gering, aber auch das Geld ist nicht vorhanden gewesen. Es blieb bei einer evolutionären und behutsamen Änderung des alten Plans. Allgemein wurden die Zerstörungen des Zweiten Weltkrieges von den Kommunalpolitikern der 1960er-Jahre auch als Chance begriffen, alte Fehler bei Bauten und der Generalanlage (Straßennetz, übrige Infrastruktur) der Stadt zu beheben. === Sehenswürdigkeiten === [[Datei:Landtag RLP.JPG|miniatur|Das Landtagsgebäude und ehemalige Deutschordenshaus, eines der vielen Beispiele für Mainzer Barockarchitektur]] [[Datei:Mainzer Dom nw.jpg|miniatur|Der noch fast vollständig umbaute Mainzer Dom ragt von vielen Standpunkten aus dem Häusermeer der Stadt hervor. Hier eine Ansicht von Nordwesten.]] {| border="0" |+ Bedeutende Sehenswürdigkeiten der Stadt |- class="hintergrundfarbe5" ! Kirchen !! Profanbauten !! Plätze und Sonstiges |----- valign="top" | * [[Mainzer Dom|Dom St. Martin und St. Stefan]] * [[St. Stephan (Mainz)|St. Stephan]] <small>([[Chagallfenster]])</small> * [[St. Quintin (Mainz)|St. Quintin]] * [[Augustinerkirche (Mainz)|Augustinerkirche]] * [[St. Peter (Mainz)|St. Peter]] * [[St. Ignaz (Mainz)|St. Ignaz]] * [[Christuskirche (Mainz)|Christuskirche]] * [[St.-Johannis-Kirche (Mainz)|Johanniskirche]] * [[Antoniterkapelle (Mainz)|Antoniterkapelle]] * [[Karmeliterkirche (Mainz)|Karmeliterkirche]] * [[St. Emmeran (Mainz)|St. Emmeran]] * [[Abtei Altmünster (Mainz)|Altmünsterkirche]] | * [[Kurfürstliches Schloss Mainz|Kurfürstliches Schloss]] * [[Deutschhaus Mainz|Deutschhaus]] <small>(heute [[Rheinland-Pfälzischer Landtag|Landtag]])</small> * [[Neues Zeughaus Mainz|Neues Zeughaus]] <small>(heute Staatskanzlei)</small> * [[Erthaler Hof]] * [[Osteiner Hof]] * [[Bassenheimer Hof]] * [[Zitadelle Mainz|Zitadelle]] * [[Älterer Dalberger Hof]] * [[Jüngerer Dalberger Hof]] * [[Gästehaus des Bentzelschen Hofs]] * [[Algesheimer Hof]] * [[Eisenturm (Mainz)|Eisenturm]] * [[Holzturm (Mainz)|Holzturm]] * [[Zum Römischen Kaiser]] * [[Rathaus (Mainz)|Rathaus]] | * [[Schillerplatz (Mainz)|Schillerplatz]] * [[Kirschgarten (Mainz)|Kirschgarten]] * [[Römersteine]] * [[Kupferberg (Sekt)|Sektkellerei Kupferberg]] * [[Stadtpark Mainz|Stadtpark]] * [[Lennebergwald]] * [[Großer Sand (Mainz)|Naturschutzgebiet Mainzer Sand]] * [[Botanischer Garten Mainz|Botanischer Garten]] * [[Hauptfriedhof Mainz]] * [[Römisches Theater Mainz]] <small>(Ausgrabungen)</small> * [[St. Christoph (Mainz)|Kriegsmahnmal St. Christoph]] * [[Fastnachtsbrunnen (Mainz)|Fastnachtsbrunnen]] * [[Gutenberg-Denkmal (Mainz)|Gutenberg-Denkmal]] * [[Große Mainzer Jupitersäule]] * [[Dativius-Victor-Bogen]] * [[Theodor-Heuss-Brücke (Mainz–Wiesbaden)|Theodor-Heuss-Brücke]] |} == Wirtschaft und Infrastruktur == [[Datei:Mainz Luftbild Industrie Wirtschaft Mainz-Neustadt Mombach Zollhafen Industriehafen Binnenhafen Rhein Foto 2008 Wolfgang Pehlemann Wiesbaden IMG 0103.jpg|miniatur|Aufgrund günstiger Infrastruktur haben sich auch zwischen Zollhafen (Bildmitte) nahe der Neustadt und dem Industriehafen in Mainz-Mombach verschiedene Wirtschaftszweige angesiedelt]] === Allgemeine Informationen === Wirtschaft und Infrastruktur sind in Mainz von der Zugehörigkeit zum Ballungsraum Frankfurt-Rhein-Main geprägt. Bei [[Rangordnung|Ranking]]s, die sich an der Wirtschaftsleistung der Städte orientieren, belegte die Stadt in den letzten Jahren vordere Plätze. So erreichte Mainz in einer Studie der [[WirtschaftsWoche]] im Jahr 2005 im Vergleich von 50 deutschen Städten den vierten Rang, bei der Wiederholung im Jahr 2006 den fünften Rang. Geprüft wurden innerhalb der Studie ökonomische und strukturelle Indikatoren wie Produktivität, Bruttoeinkommen und Investitionen. Mit einer Kaufkraft von 19.676&nbsp;€/ Einwohner (2005) liegt die Stadt um 15 % über dem Bundesdurchschnitt. Das Arbeitseinkommen je Einwohner betrug in Mainz 2005 15.254 Euro und lag damit deutlich über dem Durchschnitt aller untersuchten Städte von 11.678 Euro. Mainz erreicht damit Platz 3. Auch bei den Gewerbeanmeldungen im Verhältnis zu den Gewerbeabmeldungen belegte Mainz in der Studie, die am 30. Juni 2006 veröffentlicht wurde, einen sehr guten 3. Platz. 2002 erwirtschafteten 147.500 Erwerbstätige ein [[Bruttoinlandsprodukt]] von je 55.890&nbsp;€. Nähere Informationen zur wirtschaftlichen Situation, Gewerbegrundstücken usw. finden sich auf der Homepage der Mainzer Wirtschaftsförderung. === Verkehrsinfrastruktur === ==== Fernstraßenverkehr ==== [[Datei:Karte Mainzer Ring.svg|miniatur|Karte des Mainzer Rings]] Ein [[Mainzer Ring|Autobahnhalbring]], auf dem sich zwei Autobahnbrücken über den Rhein nach Hessen befinden, trennt die äußeren (Finthen, Drais, Lerchenberg, Marienborn, Hechtsheim, Ebersheim und Laubenheim) von den inneren Stadtteilen und dem Stadtkern. Dabei durchquert in West-Ost-Richtung die [[Bundesautobahn 60]] vom Dreieck Nahetal zum Rüsselsheimer Dreieck. Nach [[Wiesbaden]] zweigt die [[Bundesautobahn 643|A 643]] ab. Richtung Süden führt die [[Bundesautobahn 63|A 63]] über [[Alzey]] nach [[Kaiserslautern]]. Ferner führen die [[Bundesstraße]]n [[Bundesstraße 9|9]] und [[Bundesstraße 40|40]] durch das Stadtgebiet. ==== Straßenschilder in Mainz ==== [[Datei:MainzStrSchilder.jpg|miniatur|[[Straßenschild#Mainz|rote und blaue Straßenschilder in Mainz]]]] Eine Besonderheit des Mainzer Stadtbilds sind seit 1853 die [[Straßenschild#Mainz|Straßenschilder]]: „Rote“ Straßen verlaufen vorwiegend senkrecht zum Rhein (in den südlichen Stadtteilen und in der Innenstadt ist das die West-Ost-Richtung, in Mombach aufgrund des nach Westen biegenden Flussverlaufs dann schon eher Süd-Nord), während Straßen parallel zum Rhein mit „blauen“ Straßenschildern versehen werden. Dabei steigen die Hausnummern in den Straßen mit roten Schildern in Richtung Rhein, in den Straßen mit blauen Schildern mit der Flussrichtung des Rheins, jeweils gerade Zahlen links und ungerade rechts. Die Anregung dazu gab bereits 1849 Josef Anschel durch einen Antrag auf ''Umänderung der Häusernummern'', bei der er ebenfalls den einheitlichen Verlauf der Hausnummern vorschlug <ref>[http://www.mainz.de/WGAPublisher/online/html/default/akah-6b2dfc.de.html Mainz Online: Straßenschilder]</ref>. Kleinere Straßen, insbesondere in den vom Rhein weiter entfernt liegenden Ortsteilen, sind mit weißen Schildern versehen. ==== Eisenbahnfernverkehr ==== Am [[Mainz Hauptbahnhof|Mainzer Hauptbahnhof]] halten täglich 104 Fernverkehrszüge. Dabei wird er täglich von 55.000 Personen genutzt.<ref>[http://www.bahnhof.de/site/bahnhoefe/de/sued/mainz__hbf/daten__und__fakten/daten__und__fakten__.html Angabe Deutsche Bahn AG]</ref> Mainz ist an das [[InterCity]]- und [[EuroCity]]-Netz sowie das [[InterCityExpress|ICE]]-Netz der [[Deutsche Bahn|Deutschen Bahn]] angebunden. Fernzüge erreichen die Stadt dabei aus Nordwest vornehmlich über die [[Linke Rheinstrecke|linksrheinische Strecke]] aus Richtung [[Koblenz]] und vereinzelt über den [[Bahnstrecke Abzweig Breckenheim–Wiesbaden|Wiesbadener Abzweig]] der [[Schnellfahrstrecke Köln–Rhein/Main|Hochgeschwindigkeits-Neubaustrecke Köln–Frankfurt]]. Nach Süden fahren die Fernzüge über [[Mannheim]] bis [[Basel]] und [[Interlaken]] über die [[Bahnstrecke Mainz–Ludwigshafen]] und über [[Frankfurt (Main) Flughafen Fernbahnhof|Frankfurt Flughafen]] nach [[Frankfurt (Main) Hauptbahnhof|Frankfurt Hauptbahnhof]]. Seit Dezember 2005 existiert eine zweistündliche ICE-Anbindung von Wiesbaden über Mainz nach [[Dresden]] über Frankfurt Flughafen, [[Fulda]], [[Erfurt]] und [[Leipzig]]. ==== Öffentlicher Personennahverkehr ==== Rückgrat des [[Öffentlicher Personennahverkehr|Öffentlichen Personennahverkehrs]] sind drei [[Mainzer Straßenbahn|Straßenbahnlinien]], mit einer Liniennetzlänge von 19&nbsp;km, und 29 Buslinien der [[Mainzer Verkehrsgesellschaft]] mbH (MVG), Verkehrsbetriebe der Stadtwerke Mainz AG, sowie anderer Verkehrsunternehmen, wie [[ESWE Verkehrsgesellschaft]] und [[Omnibusverkehr Rhein-Nahe]]. Die MVG besitzt über 26 Straßenbahn-Linienfahrzeuge und 124 Omnibusse wobei sie mit ihrem Wiesbadener Kooperationspartner, der [[ESWE Verkehrsgesellschaft|ESWE]], ein gemeinsames Netz mit fortlaufenden Liniennummern bildet. Wiesbadener Buslinien beschränken sich auf den Bereich bis einschließlich 49, Mainzer Bus- und Straßenbahnlinien werden mit Zahlen ab 50 nummeriert. Um die Kooperation beider Verkehrsbetriebe besser zu organisieren, wurde der [[Verkehrsverbund Mainz-Wiesbaden]] gegründet. Mit den Bussen und Bahnen der MVG werden täglich bis zu 165.000 Fahrgäste befördert <ref>[http://www.mvg-mainz.de/die_mvg.html Die MVG - Mainzer Verkehrsgesellschaft mbH - Ein junges Unternehmen mit langer Tradition]</ref>. Alle Linien im Mainzer und Wiesbadener Stadtgebiet sind zu einheitlichen Preisen innerhalb des [[Rhein-Main-Verkehrsverbund|Rhein-Main-Verkehrsverbunds (RMV)]] zu benutzen wobei die Stadt Mainz dem RMV angeschlossen ist und mit Wiesbaden eine Tarifzone bildet. Der Landkreis Mainz-Bingen gehört zum [[Rhein-Nahe-Nahverkehrsverbund|Rhein-Nahe-Nahverkehrsverbund (RNN)]]. Für Verbindungen aus dem und in das Gebiet des [[Rhein-Nahe-Nahverkehrsverbund]]s (RNN) kann auch dieser Tarif bis Mainz und Wiesbaden angewendet werden. Zwischen beiden Verbünden gibt es Übergangstarife, die in allen Bussen und Straßenbahnen der MVG, in allen Bussen der [[ESWE Verkehrsgesellschaft]] und der [[Omnibusverkehr Rhein-Nahe|ORN]] und in allen Nahverkehrszügen (RE, RB, S-Bahn) von [[DB Regio]] gelten. Im reinen Binnenverkehr der Stadt Mainz bzw. der Stadt Wiesbaden, bei Fahrten zwischen Mainz und Wiesbaden (bzw. umgekehrt) sowie bei Fahrten zwischen Mainz bzw. Wiesbaden und dem übrigen [[Rhein-Main-Verkehrsverbund|RMV-Gebiet]] gilt ausschließlich der Tarif des RMV. Der [[Mainzer Hauptbahnhof]] wird täglich von 311 Nahverkehrszügen angefahren. Regionale Züge fahren nach [[Bahnstrecke Alzey–Mainz|Alzey]], Frankfurt, Wiesbaden, Koblenz über Bingen, Saarbrücken (entlang der [[Nahe (Rhein)|Nahe]]), Mannheim über Worms, [[Aschaffenburg]] (über [[Groß-Gerau]] und [[Darmstadt]]). Ferner ist die Stadt an das Netz der [[S-Bahn Rhein-Main]] angeschlossen, die neben dem Hauptbahnhof auch noch die Bahnhöfe Mainz-Nord und [[Bahnhof Mainz Römisches Theater|Mainz Römisches Theater]] bedient. Diese Bahnhöfe werden von der S-Bahn Linie S 8 aus Richtung Hanau, über Offenbach und Frankfurt, sowie Wiesbaden in einem 30-Minuten-Takt bedient. Weitere Bahnhöfe im Mainzer Stadtgebiet sind Mainz-Mombach, Mainz-Waggonfabrik, Mainz-Gonsenheim, Mainz-Marienborn und Mainz-Laubenheim. Das Mainzer Rheinufer in der Innenstadt ist über die Theodor-Heuss-Brücke vom Bahnhof Mainz-Kastel aus am schnellsten erreichbar. ==== Binnenschiffs- und Flugverkehr ==== Mainz war von 1886 bis 1936 Endpunkt der [[Kettenschifffahrt auf dem Main]]. Der [[Zoll- und Binnenhafen Mainz|Mainzer Zoll- und Binnenhafen]] hat heute eine Fläche von 30&nbsp;ha, einen Güterumschlag von 1,3 Mio.&nbsp;t und wird jährlich von 2.200 Schiffen angefahren (2003). Außerdem verfügt Mainz im Stadtteil Finthen über einen ganzjährig geöffneten [[Flugplatz Mainz-Finthen|Verkehrslandeplatz]] mit 1000&nbsp;m Asphaltbahn ([[International Civil Aviation Organization|ICAO]]-Code EDFZ), das ehemalige US Airfield Finthen. Zum 25&nbsp;km entfernten [[Flughafen Frankfurt]] fahren mehrmals in der Stunde Züge des Fern- und Nahverkehrs. Der [[Flughafen Hahn]], der etwas über 80&nbsp;km von Mainz entfernt liegt, wird mit einer direkten Busverbindung angefahren. [[Datei:Blick-auf-mainz-aus-richtung-der-schiersteiner-bruecke.jpg|miniatur|zentriert|800px|Blick auf den Zollhafen, 2007]] ==== Rheinbrücken ==== [[Datei:Mainz-Theodor-Heuss-Bruecke-2005-05-16a.jpg|miniatur|rechts|Theodor-Heuss-Brücke]] Im Mainzer Raum überqueren fünf Brücken den Rhein: zwei [[Straßenbrücke|Autobahnbrücke]]n ([[Weisenauer Brücke]] A 60 und [[Schiersteiner Brücke]] A 643), zwei Eisenbahnbrücken (die [[Südbrücke (Mainz)|Südbrücke]] Richtung Frankfurt Flughafen und die [[Kaiserbrücke (Mainz)|Kaiserbrücke]] Richtung Wiesbaden) sowie als Straßenbrücke die [[Theodor-Heuss-Brücke (Mainz–Wiesbaden)|Theodor-Heuss-Brücke]] (zwischen der Mainzer Innenstadt und Mainz-Kastel), in deren unmittelbarer Nähe auch die alte [[Römerbrücke (Mainz)|Römerbrücke]] gestanden hatte. Die nächste Rheinbrücke im Unterlauf ist die Koblenzer [[Südbrücke (Koblenz)|Südbrücke]] und im Oberlauf die [[Nibelungenbrücke Worms]]. An die den Rhein überspannende Schiersteiner Brücke schließt sich die 950&nbsp;m lange [[Hochstraße Lenneberg]] an, ein Brückenbauwerk aus [[Spannbeton]] mit 31 Feldern, das das Mombacher Oberfeld seit 1964 überspannt und die Rheinbrücke mit der Hochterrasse am Lenneberg verbindet. === Industrie === In Mainz gab es 2003 74 Betriebe des verarbeitenden Gewerbes, in denen je Betrieb mindestens 20 Angestellte arbeiten. Insgesamt arbeiten in den Betrieben über 11.000 Beschäftigte, die einen Gesamtumsatz von über 2,2 Mrd. € erwirtschaften. Dazu gab es in der Stadt 2002 79 kleinere Betriebe mit je weniger als 20 Angestellten. Industrielle Ansiedelungen finden sich vor allem zwischen der Innenstadt und dem Stadtteil Mombach.<!--Gewerbepark Hechtsheim irgendwo erwähnen?--> Größere dort angesiedelte Unternehmen sind das Mainzer Traditionsunternehmen [[Werner & Mertz]] („Erdal“), die [[Schott AG|SCHOTT AG]] und [[Cargill#Das Cargill-Werk in Mainz|Cargill]]. Die [[Wepa Papierfabrik]] hat 2006 das hier gelegene einstige [[Hakle]]-Werk von dem amerikanischen Hersteller Kimberly-Clark Corporation übernommen und fertigt am Standort Mainz Hygienepapiere. Die Schott AG (früher: Schott Glaswerke) hat ihren Hauptsitz in Mainz seit der Umsiedlung von [[Jena]] nach dem Zweiten Weltkrieg. In der Mainzer Neustadt steht seit den 1950er-Jahren das Hauptwerk. 1988 wurde in Mainz-Marienborn das Schott Forschungszentrum in Betrieb genommen. 2002 wurde in der Nähe des Hauptwerks in Mainz-Mombach ein weiterer Zweigbetrieb mit Schwerpunkt [[Ceran]] fertig gestellt. Derzeit arbeiten 2.400 der 17.000 Schott-Angestellten weltweit am Standort Mainz. Im Jahr 1965 begann [[IBM]] in Mainz-Hechtsheim ein Werk für Speichersysteme zu errichten. Später wurden hier vor allem [[Festplatte]]n hergestellt. 2002 wurde mit dem Verkauf des Festplattengeschäfts an [[Hitachi (Unternehmen)|Hitachi]] das Mainzer Werk geschlossen. An dem IBM-Standort arbeiten aber weiterhin etwa 1700 Mitarbeiter im Bereich der Unternehmensberatung und Softwareentwicklung. Als weiteres Unternehmen im Bereich der Hochtechnologie ist das [[Pharmaunternehmen]] [[Novo Nordisk]] seit 1958 in der Stadt ansässig. Anfang 2008 arbeiteten dort ca. 450 Menschen.<ref>[http://www.novonordisk.de/media/Presse/PM_50J_NN.pdf Novo Nordisk feiert 50-jähriges Jubiläum in Deutschland]</ref> Auf ältere Wurzeln kann die Niederlassung von [[Siemens]] zurückblicken. Sie entstand schon nach der Übernahme des ersten in Mainz errichteten Elektrizitätswerks (erbaut 1898) im Jahr 1903. Ebenfalls im Jahr 1903 wurde die Gewürzmühle [[Moguntia (Gewürzwerk)|Moguntia]] gegründet. [[Datei:Magirus Deutz SH110 Vestische Straßenbahn.jpg|thumb|In Mainz produzierter Omnibus von Magirus-Deutz]] In Mombach gab es die [[Waggonfabrik Gebrüder Gastell]], in der später [[Straßenbahn]]en von [[Westwaggon]] und [[Omnibus]]se von [[Magirus-Deutz]] und [[Iveco]] gebaut wurden; heute befindet sich dort noch die Vertriebsorganisation der Iveco-Omnibustochter [[Irisbus]]. In Weisenau befindet sich neben der Autobahnbrücke über den Rhein ein mittlerweile stillgelegtes Werk der [[HeidelbergCement]]. Daneben befindet sich eine Anlage der [[Archer Daniels Midland|ADM Mainz GmbH]] (früher: ADM Soya Mainz) mit [[Biodiesel]]-Herstellung. Im Jahr 1919 wurde in Mainz die [[Brezelbäckerei Ditsch]] gegründet, die heute trotz ihrer Wurzeln als traditionelles Mainzer Familienunternehmen weltweit tätig ist. === Weinhauptstadt Mainz/Rheinhessen === Seit Mai 2008 sind [[Weinbau in Mainz|Mainz]] und [[Rheinhessen (Weinbaugebiet)|Rheinhessen]] Mitglied im ''Great Wine Capitals Global Network'' (''GWC'')<ref>[http://www.mainz.de/WGAPublisher/online/html/default/ekog-7esl4r.de.html Pressemitteilung der Stadt Mainz vom 19. Mai 2008]</ref> - einem Zusammenschluss der bekanntesten Weinbaustädte weltweit. Neben Mainz befinden sich in diesem Verbund Städte und Regionen wie Bilbao: [[Rioja (Wein)|Rioja]], Bordeaux: [[Bordeaux (Weinbaugebiet)]], Florenz: [[Weinbau in Italien#Toskana|Toskana]], Kapstadt: [[Weinbau in Südafrika|Cape-Winelands]], Mendoza: [[Weinbau in Argentinien#Mendoza|Mendoza]], [[Melbourne]]/Region Melbourne, Porto: [[Portwein|Dourotal]] sowie San Francisco: [[Napa Valley AVA|Napa Valley]]. === Energieversorgung === Mainz bezieht seinen Strom vor allem von den [[Kraftwerke Mainz-Wiesbaden|Kraftwerken Mainz-Wiesbaden]] (KMW), die ein [[GuD-Kraftwerk]] auf der Ingelheimer Aue betreiben. Das Unternehmen plant dort mit der [[Siemens AG]] als Generalunternehmer den Bau eines neuen [[Kohlekraftwerk|Kohleheizkraftwerks]] (KHKW) mit einer elektrischen Bruttoleistung von 820 [[Watt (Einheit)|Megawatt]] (MW). Die geschätzten Kosten für die Gesamtanlage liegen zwischen 940 Mio. und 1,2 Mrd. Euro.<ref>[http://www.kmw-ag.de/04_01mitteilungen.htm Pressemitteilungen KMW AG]</ref> Der Bau des Kraftwerks wurde zuerst von den Mainzer und Wiesbadener Stadtparlamenten mehrheitlich befürwortet. Inzwischen hat sich aber in beiden Stadtparlamenten eine politische Mehrheit gegen das Projekt gefunden.<ref>[http://www.mainz.de/C1256D6E003D3E93/files/KHKW_Abstimmungsergebnis.pdf/%24FILE/KHKW_Abstimmungsergebnis.pdf Kohleheizkraftwerk: Abstimmungsergebnis Stadtrat vom 23. April 2008]</ref> Hauptgrund dafür ist eine öffentlich auf breiter Basis geführte Diskussion über die Auswirkungen der [[Emission (Umwelt)|Emissionen]] des Kohlekraftwerks auf Umwelt und Bevölkerung und dessen wirtschaftlichen Nutzen für die Mainzer Bevölkerung.<ref>[http://www.kohlefreies-mainz.de/download/factsheet.pdf Information der Initiative Kohlefreies Mainz]</ref> Bei den erneuerbaren Energien ist Mainz mit verschiedenen Technologien vertreten. Neben einigen [[Windkraftanlage|Windenergieanlage]]n bei Ebersheim, Hechtsheim und Marienborn werden immer mehr [[Photovoltaikanlage]]n errichtet. Beispiele sind das Staatstheater, das Abgeordnetenhaus, das [[Stadion am Bruchweg]] oder Aussiedlerhöfe bei Bretzenheim. Zukünftig will sich die Stadt, die auf Platz 15 unter den Großstädten in der [[Solarbundesliga]] liegt, noch stärker als bisher als Solarstadt profilieren.<ref>[http://www.solarbundesliga.de/?content=grossstaedte Solarbundesliga: Kategorie Großstädte, Stand: 26.04.2010]</ref> === Medien === [[Datei:Zentrale des ZDF in Mainz.jpg|miniatur|ZDF-Zentrale in Mainz-Lerchenberg]] Die Stadt Mainz ist Sitz des [[ZDF|Zweiten Deutschen Fernsehens]] (ZDF), des Landesfunkhauses Rheinland-Pfalz des [[Südwestrundfunk]]s (SWR), des Sendezentrums des Fernsehsenders [[3sat]] sowie des Studios Rhein-Main der privaten Rheinland-Pfälzischen Rundfunk GmbH & Co KG [[Radio RPR|RPR]] und des Regionalstudios der privaten Radio Rockland Pfalz GmbH & Co. KG. An regionalen Fernsehangeboten gibt es neben einem [[Offener Kanal|Offenen Kanal]] auch den regionalen Kultursender [[K3 Kulturkanal]], der seinen Sitz in Mainz hat. Weitere Medienunternehmen sind die BFE Studio und Medien Systeme GmbH, die komplette Studioeinrichtungen und Einrichtungen für Übertragungswagen produziert, und die [[Verlagsgruppe Rhein-Main]], die mit 21 täglich erscheinenden Druckerzeugnissen jeden Tag eine halbe Million Leser in Rheinland-Pfalz und Hessen erreicht. Als [[Tageszeitung]]en erscheinen die „[[Allgemeine Zeitung (Mainz)|Allgemeine Zeitung Mainz]]“ sowie als Ableger der [[Koblenz]]er „[[Rhein-Zeitung]]“ die „Mainzer Rhein-Zeitung“. Weitere Printmedien sind die „Mainzer Vierteljahreshefte“ für Kultur, Politik, Wirtschaft und Geschichte (mittlerweile im 24. Jahrgang) sowie verschiedene Citymagazine wie z.&nbsp;B. die „[[STUZ]]“ oder „Der Mainzer“. Mainz ist auch Sitz des traditionsreichen Verlages [[Verlag Philipp von Zabern|Philipp von Zabern]]. 1802 in Mainz gegründet ist der Zabern-Verlag international auf den Gebieten der Archäologie, Geschichte und Kunstgeschichte führend. Mainz ist ferner Sitz des Musikverlags [[Schott Music]]. Seit 2001 findet in Mainz mit dem [[FILMZ|FILMZ - Festival des deutschen Kinos]] das erste Langfilmfestival des Landes Rheinland-Pfalz statt. Die Medienunternehmen gehören zu den größten Arbeitgebern der Stadt. Allein das ZDF beschäftigte 2004 rund 3.600 Menschen, die Verlagsgruppe Rhein-Main immerhin 1.200 (2005). === Sonstige Dienstleistungsunternehmen === Neben Hotels wie dem [[Hilton (Hotel)|Hilton]], dem [[Hyatt]], dem Atrium Hotel Mainz und dem Favorite Parkhotel ist unter den Dienstleistungsanbietern in Mainz auch das Unternehmen [[G.L. Kayser]] Spedition zu nennen, das mit einem Gründungsjahr von 1787 das zweitälteste noch bestehende Familienunternehmen in Deutschland bildet. Mainz verfügt als [[Weinbau in Mainz|Weinstadt]] über bedeutende Selbsthilfeeinrichtungen der Weinwirtschaft und auch sonst spielt Wein als Wirtschaftsfaktor und Tourismusattraktion eine große Rolle in der Stadt. Die [[Mainzer Volksbank]] ist die größte rheinland-pfälzische Volksbank. Die [[Berufsgenossenschaft Metall Nord Süd]] hat ihre Hauptverwaltung in Mainz-Weisenau. Die [[Lederindustrie-Berufsgenossenschaft]] hat ihre Hauptverwaltung ebenfalls in Mainz. In Mainz-Hechtsheim befindet sich zudem die Niederlassung Mainz von [[Kühne + Nagel]]. === Organisationen === Mainz ist Sitz des [[THW Länderverband Hessen, Rheinland-Pfalz, Saarland|THW Länderverbandes Hessen, Rheinland-Pfalz und Saarland]] der [[Bundesanstalt Technisches Hilfswerk]]. Die [[Bundesnetzagentur|Bundesnetzagentur für Elektrizität, Gas, Telekommunikation, Post und Eisenbahnen]] hat einen Dienstsitz in Mainz. Mainz verfügt über eine [[Feuerwehr Mainz|Berufsfeuerwehr]]. === Bildung und Forschung === [[Datei:Domus Universitatis Mainz.jpg|miniatur|Domus Universitatis]] Mainz war schon in früher Zeit eine Stadt der Bildung. Erstes Zentrum war das [[Stift St. Alban vor Mainz]], dessen Ruhm als Klosterschule auf den [[Alkuin]]-Schüler und Mainzer Erzbischof [[Rabanus Maurus]] († 856) zurückgeht. 1477 wurde Mainz Universitätsstadt. Nach Aufhebung Ende des 18. Jahrhunderts nahm die neue [[Johannes Gutenberg-Universität Mainz]] am 15. Mai 1946 wieder ihren Lehrbetrieb auf. Für die Studienrichtung [[Medizin]] ist die Medizinische Fakultät der Johannes Gutenberg-Universität die einzige Studienmöglichkeit in Rheinland-Pfalz. Ihr steht das [[Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz|Universitätsklinikum Mainz]] zur Verfügung, das ebenfalls die einzige Einrichtung dieser Art in Rheinland Pfalz ist. Einmalig in der bundesdeutschen Hochschullandschaft ist die Integration der [[Hochschule für Musik Mainz|Hochschule für Musik]], der [[Akademie für Bildende Künste Mainz|Akademie der Bildenden Künste]] und des Sports in die Universität. Die Johannes Gutenberg-Universität und das Klinikum gehören mit 7600 Beschäftigten zu den größten Arbeitgebern der Stadt. In Kooperation mit der Universität stehen das [[Max-Planck-Institut für Chemie]] (Otto-Hahn Institut) und das [[Max-Planck-Institut für Polymerforschung]]. 1971 wurde die [[Fachhochschule Mainz]] als Teil der Fachhochschule Rheinland Pfalz gegründet, die sich über mehrere Standorte verteilt. Vorgängereinrichtungen der Fachhochschule Mainz waren unter anderem Bildungseinrichtungen für Bauingenieure, Kunsthandwerker und Künstler. 1996 wurde sie als eigenständige Fachhochschule mit drei Fachbereichen neu gegründet (Architektur, Bauingenieurwesen, Geoinformatik und Vermessung; Gestaltung; Wirtschaftswissenschaften). Ein Jahr später wurde die [[Katholische Fachhochschule Mainz|Katholische Fachhochschule]] (KFH) für Sozialarbeit, Sozialpädagogik und Praktische Theologie gegründet. Sie wird von den Bistümern [[Bistum Mainz|Mainz]], [[Bistum Limburg|Limburg]], [[Bistum Fulda|Fulda]], [[Bistum Speyer|Speyer]], [[Bistum Trier|Trier]] und [[Erzbistum Köln|Köln]] getragen. Das [[Peter-Cornelius-Konservatorium der Stadt Mainz|Peter-Cornelius-Konservatorium]] bietet Musikstudium (Orchesterfach, Künstlerische Reife, Diplom, auch in Kooperation mit der Hochschule für Musik der Universität) sowie eine umfangreiche Musikschulabteilung. Daneben gibt es in Mainz noch die [[Akademie der Wissenschaften und der Literatur]], die hier 1949 gegründet wurde, das vom Land Rheinland-Pfalz getragene [[Institut für Europäische Geschichte (Mainz)|Institut für Europäische Geschichte]] (Mitglied der [[Arbeitsgemeinschaft historischer Forschungseinrichtungen in der Bundesrepublik Deutschland|AHF]]) und die Volkshochschule Mainz, die auch eine [[Volkssternwarte Mainz|Sternwarte]] betreibt. Mit dem Thema „Zeit Reise“ gehört Mainz zu den zehn deutschen Städten zum [[Treffpunkt der Wissenschaft]] im Wissenschaftsjahr 2009. === Bundeswehr === [[Bild:Osteiner-Hof.jpg|thumb|Der Osteiner Hof, Sitz des Befehlshabers des WBK II und des Offizierkasinos]] [[Bild:Geloebnis mainz 2008.jpg|thumb|Feierliches Gelöbnis vor dem Landtag, 2008]] Mainz ist seit 1956 Standort der [[Bundeswehr]] und beherbergt insbesondere das [[Wehrbereichskommando]] II. Auf dem Stadtgebiet befinden sich vier Liegenschaften der Bundeswehr, in denen insgesamt 970 Soldaten und zivile Mitarbeiter beschäftigt sind<ref>[http://www.faz.net/s/Rub8D05117E1AC946F5BB438374CCC294CC/Doc~E505CB4E64A33462887857348CE0BB7C6~ATpl~Ecommon~Scontent.html Bundeswehr baut den Standort Mainz um] auf www.faz.net, abgerufen am 21. August 2009]</ref>. Der größte Standort ist die Kurmainz-Kaserne (KMK) in Hechtsheim, gefolgt von der Generalfeldzeugmeister-Kaserne (GFZ) in der Oberstadt. In den Kasernen sind zahlreiche Dienststellen stationiert, unter anderem Teile des [[Feldjäger]]bataillons 251, des WBK II, des [[Zentrales Institut des Sanitätsdienstes der Bundeswehr|Zentralen Instituts des Sanitätsdienstes der Bundeswehr]] und eine [[Sanitätsstaffel]] sowie die Reservistenkameradschaft Kurmainz. Mainz ist außerdem Standort einer [[Sportfördergruppe]] sowie der [[Militärischer Abschirmdienst|MAD-Stelle]] 41<ref>[http://www.mad.bundeswehr.de/portal/a/mad/dienstst/madstel Außenstellen des Militärischen Abschirmdienstes] auf www.mad.bundeswehr.de, abgerufen am 21. August 2009</ref>. In der ehemaligen [[Neues Proviantamt (Mainz)|Militärbrotbäckerei]] in der Rheinallee befinden sich Teile des [[Bundeswehr-Dienstleistungszentrum]]s (BwDLZ) Mainz. Der prominenteste Standort in Mainz ist der [[Osteiner Hof]], von dessen Balkon alljährlich die Fastnacht ausgerufen wird. In dem historischen Gebäude am Schillerplatz befindet sich der Dienstsitz des Befehlshabers des Wehrbereichskommandos II sowie das [[Offizierkasino]]. Dieses wird - gelegentlich auch von der [[Landesregierung von Rheinland-Pfalz]] - für Empfänge genutzt. Aus Kosten- und Effizienzgründen soll der Standort Mainz umstrukturiert werden: Alle Truppenteile aus der Generalfeldzeugmeister-Kaserne sollen bis 2010 in die bis dahin erweiterte Kurmainz-Kaserne umziehen. Der Standort Osteiner Hof ist seit langem in der Diskussion, da der Unterhalt des denkmalgeschützten Gebäudes teuer ist. Nach Willen der Bundeswehr und auch der Stadt Mainz soll der Osteiner Hof aber eine Bundeswehrliegenschaft bleiben. Laut Oberbürgermeister Beutel wolle Mainz „die Bundeswehr im Herzen unserer Stadt behalten“, denn der Osteiner Hof „stehe auch für die traditionelle enge Verbundenheit der Landeshauptstadt mit der Bundeswehr“<ref>[http://www.mainz.de/WGAPublisher/online/html/default/smeh-6nlkhb.de.html Pressemitteilung: Osteiner Hof soll Bundeswehrstandort bleiben] www.mainz.de, abgerufen am 21. August 2009]</ref>. Aktuell ist die Zukunft des Gebäudes ungewiss, nachdem sich trotz des Verkaufsangebots durch die [[Bundesanstalt für Immobilienaufgaben]] für 9 Millionen Euro (bei einem geschätzten Sanierungsbedarf von weiteren 10 Mio. Euro)<ref>[http://www.faz.net/s/Rub8D05117E1AC946F5BB438374CCC294CC/Doc~E0909213C7A5F4E03A656499D4F9C33CE~ATpl~Ecommon~Scontent.html Adelspalais für neun Millionen Euro] auf www.faz.net, abgerufen am 21. August 2009]</ref> kein Käufer gefunden hatte. Die Verbundenheit der Stadt zur Bundeswehr sollte auch durch ein öffentliches [[Feierliches Gelöbnis]] am 27. Mai 2008 gezeigt werden. Obwohl in Mainz selbst keine Grundausbildung durchgeführt wird, legten 130 Rekruten des Feldjägerbataillons 251 am 176. Jahrestag des [[Hambacher Fest]]s vor dem [[Deutschhaus Mainz|Deutschhaus]], dem Sitz des [[Rheinland-Pfälzischer Landtag|Rheinland-Pfälzischen Landtags]] ihr Gelöbnis ab<ref>[http://www.landtag.rlp.de/Internet-DE/nav/f16/broker.jsp?uCon=9f96550f-2d5a-a113-3e2d-c86d35f8f46a&uBasVariantCon=11111111-1111-1111-1111-111111111111 130 Rekruten legten feierliches Gelöbnis ab] auf www.landtag.rlp.de, abgerufen am 21. August 2009]</ref>. Bereits 2000 fand in Mainz ein öffentliches Gelöbnis statt. [[Datei:LKdo Rheinland-Pfalz.gif|miniatur|links|50px|]] In Mainz gibt es vier [[Reservistenkameradschaft]]en (RK), die ''RK Mainz'', die ''RK Kurmainz'', ''RK Fürst Blücher'' und die ''RK Finthen'' mit zusammen rund 450 Mitgliedern. Mainz ist auch Sitz der ''Kreisgruppe Rheinhessen'' und des [[Landeskommando]]s Rheinland-Pfalz. 2005 kam bei der Explosion eines Labors in der Kurmainz-Kaserne eine Soldatin ums Leben<ref>[http://www.spiegel.de/panorama/0,1518,340817,00.html Soldatin stirbt bei Explosion in Bundeswehrkaserne, Spiegel Online, abgerufen am 21. August 2009, 19.00 Uhr]</ref>. <br style="clear: left;" /> == Kultur == Als Stadt in der [[Großregion]] nahm Mainz am Programm des [[Kulturhauptstadt Europas|Europäischen Kulturhauptstadtjahres 2007]] teil. === Film === Mit dem [[FILMZ|FILMZ – Festival des deutschen Kinos]] wurde im Jahr 2001 das erste Langfilmfestival in Rheinland-Pfalz gegründet. Das Festival gibt einen Überblick über die aktuellen deutschsprachigen Produktionen und die Bandbreite der jungen Filmentwicklung. Anfang Dezember jeden Jahres verleiht FILMZ Preise für Lang- und Kurzfilme. Die Regisseure, Schauspieler und weitere Teammitglieder der Filme sind als Gäste anwesend. Neben dem [[Max-Ophüls-Preis]] in [[Saarbrücken]], den [[Internationale Hofer Filmtage|Hofer Filmtagen]] und dem [[Festival des deutschen Films]] in [[Ludwigshafen]] ist das Mainzer [[FILMZ]] eines der wichtigsten Festivals, das die aktuelle Entwicklung des jungen deutschen Films verfolgt. === Theater === [[Datei:Theater mainz.jpg|miniatur|[[Staatstheater Mainz]] nach der Renovierung]] In Mainz gibt es mehrere Bühnen, auf denen Theateraufführungen und Konzerte stattfinden. Das größte und das Stadtbild am meisten prägende Theater ist das [[Staatstheater Mainz|Staatstheater]] am Gutenbergplatz. Das Staatstheater ist unterteilt in das Große Haus (siehe Bild), das Kleine Haus und das TIC (Theater im City), dessen Namen sich aus dem dort ehemals ansässigen City-Kino herleitet. Der nicht nur als Theater fungierende „Frankfurter Hof“ existiert bereits seit 1800 und kann auf eine bewegte Geschichte zurückblicken. Ursprünglich handelte es sich um ein Gasthaus mit Festsaal. Ab 1842 fanden hier die ersten [[Mainzer Fastnacht|Fastnachtssitzungen]] der gerade entstehenden Fastnacht statt. Während der Revolution von 1848 trafen sich hier die Demokraten der Stadt und bereiteten die Wahlen zur Nationalversammlung vor. Danach wurde der Hof mehrmals Schauplatz kirchlicher Veranstaltungen wie z.&nbsp;B. der Katholikentage von 1851 und 1871. 1944 wurde in den Sälen ein Kino eingerichtet. 1972 kaufte die Stadt das mittlerweile weitgehend ungenutzte und verfallene Gebäude. Nach einer Initiative zur Rettung des Hofes wurde er 1991 als „Kulturelles Zentrum“ renoviert und seiner heutigen Bestimmung zugeführt. Neben diesen größeren Häusern gibt es mehrere kleinere Häuser wie die „[[Mainzer Kammerspiele]]“, das Mainzer Forumtheater „[[unterhaus – Mainzer Forum-Theater|unterhaus]]“ (mit dem „unterhaus im unterhaus“) oder das „Theater im Loft“ des Tournéetheaters „Teatro d’Arte Scarello“ sowie die 2005 gegründete Showbühne Mainz. In ihnen findet auch Kabarett, Comedy und Boulevardtheater statt. Auch wird hier jungen und unbekannten Künstlern eine Bühne geboten. === Orchester === * Das Philharmonische Staatsorchester Mainz, gegründet 1876, hat seinen festen Sitz im Theatergebäude. Hauptaufgabe des Orchesters ist die musikalische Begleitung von Musiktheaterstücken wie Opern und Operetten am Theater. Daneben bildet die Aufführung von Sinfoniekonzerten einen weiteren wichtigen Bereich. * Mainzer Kammerorchester * Bläser-Ensemble Mainz – Das Ensemble wurde 1967 von Klaus Rainer Schöll gegründet und widmet sich der Musik von [[Giovanni Gabrieli|Gabrieli]] bis zur Moderne. * Akkordeon-Orchester Mainz * Sinfonisches Blasorchester des Peter-Cornelius-Konservatoriums, 1991 gegründet von [[Gerhard Fischer-Münster]] * Bläserensemble des Peter-Cornelius-Konservatoriums, 1981 gegründet von Gerhard Fischer-Münster * [[Sinfonietta Mainz]] * Rheinische Orchesterakademie Mainz e.&nbsp;V. (ROAM) === Chöre === * Der Mainzer Domchor geht auf eine Gründung des Bischofs [[Wilhelm Emmanuel von Ketteler]] im Jahr 1866 zurück. Er bildet sich aus Knaben- und Männerstimmen und umfasst über 160 Mitglieder. Hauptaufgabe des Chores ist die Begleitung der Stifts- und [[Pontifikalamt|Pontifikalämter]] im Mainzer Dom. * Die [[Domkantorei St. Martin]] ist ein 1987 gegründeter gemischter Chor. Neben der Begleitung der Domgottesdienste tritt er auch zu regulären Konzerten auf. * Der [[Mädchenchor am Dom]] und St. Quintin, Mainz wurde 1994 gegründet. Hauptaufgabe des Chores ist die musikalische Gestaltung der Gottesdienste im Hohen Dom zu Mainz und in der Pfarrkirche St. Quintin. *[[Bachchor Mainz]] * Der [[Mainzer Figuralchor]] wurde 1979 von [[Stefan Weiler]] gegründet und führt geistliche und weltliche a Capella-Werke aller Stil-Epochen sowie oratorische Kompositionen auf. Ein besonderer Akzent liegt auf den Werken [[Johann Sebastian Bach]]s und zeitgenössischer Komponisten. * Johanniskantorei Mainz * Chor [[voces cantantes]] * [[Mainzer Singakademie]] * [[Colours of Gospel]] sind ein 1998 von Hans-Jörg Fiehl gegründeter und geleiteter Gospelchor * Ensemble Vocale Mainz * convivium musicum mainz (Junger Chor des Musikwissenschaftlichen Instituts der Johannes Gutenberg-Universität Mainz) * Capella Moguntina ist ein im Jahr 2006 gegründetes junges Ensemble für Kirchenmusik an der St. Quintin. Der Chor besteht derzeit aus 20 Mitgliedern, die sich Studium und Aufführung geistlicher Vokalmusik der Renaissance und des Barocks zur Aufgabe gemacht haben. Das Repertoire ist sowohl in die Liturgie an der Pfarrkirche St. Quintin als auch in verschiedene Konzerte eingebettet. * Die Kinder- und Jugendkantorei St. Alban (http://www.kantorei-st-alban.de), welche 1971 von ihrem Chorleiter Heinz Lamby gegründet wurde, zählt heute rund 60 Mitglieder. === Museen === [[Datei:Golden-Ross-Kaserne Mainz.jpg|miniatur|rechts|Landesmuseum Mainz in der Golden-Ross Kaserne]] Die Mainzer Museenlandschaft ist von historischen Museen geprägt. Das bereits 1852 gegründete [[Römisch-Germanisches Zentralmuseum|Römisch-Germanische Zentralmuseum]] ist im [[Kurfürstliches Schloss Mainz|Kurfürstlichen Schloss]] untergebracht. Neben Sammlungen zur Vor- und Frühgeschichte, zur römischen Geschichte und zum frühen Mittelalter besitzt das Museum umfangreiche Restaurationswerkstätten. Diese gehören zu den weltweit größten Einrichtungen dieser Art und genießen internationalen Ruf. Sie werden oft mit der Konservierung und Restaurierung weltweit bedeutender archäologischer Funde wie z.&nbsp;B. des [[Ötzi|Gletschermanns aus dem Südtirol]] oder des Goldschatzes von Sipán (Grabbeigaben eines vorinkazeitlichen Fürsten aus Peru) beauftragt. Eine breiter angelegte Sammlung von der Steinzeit bis in die Moderne bietet das [[Landesmuseum Mainz]]. Das Landesmuseum Mainz wurde 1803 gegründet und ist somit eines der ältesten Museen in Deutschland. Es ist im Zentrum von Mainz in der Großen Bleiche im ehemaligen kurfürstlichen [[Marstall]], der „Golden-Ross-Kaserne“, beheimatet und beherbergt die bedeutendste Kunstsammlung des Landes Rheinland-Pfalz. Aus der Zeit des römischen [[Mogontiacum]] wird eine Vielzahl von Exponaten ausgestellt. Beeindruckend sind vor allem die z.&nbsp;T. monumentalen Steindenkmäler in der sogenannten ''Steinhalle'', unter anderem auch die Originalfunde der [[Große Mainzer Jupitersäule]] und des [[Dativius-Victor-Bogen]]s. Ebenfalls bedeutend sind der „Mainzer Römerkopf“, das qualitativ hochwertige Porträt eines Angehörigen des Julisch-Claudischen Kaiserhauses und der Bronzekopf einer Frau, möglicherweise der Kopf der keltischen Göttin [[Rosmerta]]. Die umfangreiche Gemäldesammlung des Museums geht auf eine Schenkung von 36 Bildern durch Napoleon zurück, die auch Anlass der Gründung des Museums war. Einen weiteren tiefen Einblick in die Geschichte des römischen Mainz ermöglicht das [[Museum für antike Schifffahrt]], in dem die [[Mainzer Römerschiffe|Römerschiffe]] ausgestellt sind, die 1980/81 bei den Bauarbeiten für einen Hotelkomplex am Rheinufer gefunden wurden, sowie das [[Heiligtum der Isis und Mater Magna (Mainz)|Heiligtum der Isis und Mater Magna]], das ebenfalls bei Bauarbeiten entdeckt wurde und im Untergeschoss der heutigen Römerpassage zu besichtigen ist. Die im Heiligen Bereich gemachten Funde werden dort zusammen mit den baulichen Überresten seit 2003 in einer nach modernsten museumspädagogischen Aspekten multimedial inszenierten Ausstellung gezeigt. [[Datei:GutenbergmuseumMainz.JPG|miniatur|rechts|Neubau des Gutenbergmuseums in Mainz]] Im weltweit einmaligen Museum für Druckkunst, dem [[Gutenberg-Museum]], erhält man einen Einblick in die von Johannes Gutenberg in Mainz erfundene Drucktechnik. Das Museum verfügt zudem über eine der 48 erhaltenen Gutenbergbibeln. Umfangreiche Exponate zur Geschichte der Drucktechnik, der Typographie und des mechanischen Drucks ergänzen die Sammlungen des Museums. Das [[Dom- und Diözesanmuseum (Mainz)|Bischöfliche Dom- und Diözesanmuseum]] im Kreuzgang des [[Mainzer Dom]]s informiert über die Geschichte der romanischen Bischofskirche und des Bistums Mainz. Der närrischen Historie der Stadt ist das [[Mainzer Fastnachtsmuseum]] gewidmet. Daneben gibt es für einen allgemeinen Überblick auch noch das [[Stadthistorisches Museum von Mainz|Stadthistorische Museum]] auf dem Gelände der [[Zitadelle Mainz]]. Das [[Naturhistorisches Museum (Mainz)|Naturhistorische Museum]] ist das größte seiner Art in Rheinland-Pfalz. Schwerpunkte der Museumsarbeit liegen in den Bio- und Geowissenschaften. Das [[Mainzer Garnisonsmuseum]] ist stilgerecht auf der Zitadelle in drei [[Kasematte]]n zwischen dem Kommandantenbau und der Bastion [[Germanicus]] untergebracht und zeigt die über 2000-jährige Geschichte der Festungsstadt Mainz. === Bibliotheken === Mainz kann als Geburtsstadt der Druckkunst auf eine lange Tradition von Bibliotheken und Büchersammlungen zurückblicken. Den Anfang machte die ''Bibliotheca Universitatis Moguntinae'' der 1477 gegründeten Kurfürstlichen Universität. Diese bildete 1805 den Grundstock für die auf direkte Anordnung des französischen Innenministers [[Jean-Baptiste Nompère de Champagny|Champagny]] gegründete [[Stadtbibliothek Mainz|Mainzer Stadtbibliothek]]. Weitere bis heute erhaltene Altbestände an Büchern der nunmehr städtische Bibliothek resultieren aus den Büchersammlungen der Ende des 18. Jahrhunderts aufgelösten Klöster wie z.&nbsp;B. [[Liste der Kartäuserklöster#Deutschland|Kartause]], [[Naturhistorisches Museum (Mainz)#Das Benediktinerinnenkloster St. Klara|Reichklara]] und [[Abtei Altmünster (Mainz)|Altmünster]] sowie der 1773 aufgelösten Niederlassung der Jesuiten in Mainz. Zu Beginn des 20. Jahrhundert fand die Mainzer Stadtbibliothek ihre dauerhafte Bleibe in einem neu errichteten Jugendstilgebäude an der Mainzer Rheinallee in direkter Nachbarschaft zum Kurfürstlichen Schloss. Die Mainzer Stadtbibliothek gliedert sich heute in die Wissenschaftliche Stadtbibliothek und in die für breitere Bevölkerungsschichten zugängliche Öffentliche Bücherei. Diese fand Anfang der 80er-Jahre des 20. Jahrhunderts als „Öffentliche Bücherei Anna Seghers“ ihren dauerhaften Platz in einem der beiden Hochhaustürme am Bonifaziusplatz in der Nähe des Mainzer Hauptbahnhofs. Teile der Öffentlichen Bücherei sind in Form von fünf Stadtteilbüchereien ausgelagert. Die [[Martinus-Bibliothek]] im Arnsburger Hof in der Mainzer Altstadt ist die wissenschaftliche Diözesanbibliothek des Bistums Mainz. Sie ist mit etwa 300.000 Bänden und 200 dauernd gehaltenen Zeitschriften ausgestattet. Dazu kommen 900 Inkunabeln und 120 Handschriften, die bis ins 9.&nbsp;Jahrhundert zurückreichen. Sie ist eine der größten öffentlichen Spezialbibliotheken für Philosophie und Theologie. === Literatur === Durch die besondere Verbindung der Stadt Mainz mit dem Wirken Gutenbergs widmet sich die Stadt im kulturellen Bereich intensiv der Literatur und der dazu gehörenden Druckkunst. Die nach dem Zweiten Weltkrieg ins Leben gerufene [[Johannisnacht (Mainz)|Mainzer Johannisnacht]] (drittes Wochenende im Juni) widmet sich im kulturellen Programmbereich mit zahlreichen Aktivitäten der Literatur und dem Andenken Gutenbergs. Der [[Mainzer Stadtschreiber]] ist ein 1984 gestifteter Literaturpreis der Fernsehsender [[ZDF]] und [[3sat]] sowie der Stadt Mainz. Namhafte Autorinnen bzw. Autoren werden für ein Jahr zur Mainzer Stadtschreiberin bzw. zum Mainzer Stadtschreiber mit Wohnsitz im Stadtschreiberdomizil des Gutenberg-Museums in Mainz ernannt. Unter den Mainzer Stadtschreiberinnen und Stadtschreiber finden sich bekannte Autoren wie z.&nbsp;B. [[Sarah Kirsch]] (1988), [[Horst Bienek]] (1989), [[Peter Härtling]] (1995) oder [[Urs Widmer]] (2003). Zusätzlich vergibt die Stadt Mainz den [[Literaturförderpreis der Stadt Mainz]]. Dieser Preis wird alle zwei Jahre vergeben. Preisträger sind junge Mainzer Autorinnen und Autoren. Die Organisation obliegt dem LiteraturBüro Mainz. Die [[Mainzer Minipressen-Messe]] (MMPM) ist die größte Buchmesse der Kleinverlage und künstlerischen Handpressen in Europa. Sie findet seit 1970 alle zwei Jahre am Mainzer Rheinufer statt. Im Rahmen dieser Messe vergibt die Stadt Mainz seit 1979 zu Ehren von [[Victor Otto Stomps]] den V.O. Stomps-Preis für „herausragende kleinverlegerische Leistungen“. Im November findet das Literaturjahr in Mainz mit der [[Mainzer Büchermesse]] im [[Rathaus (Mainz)|Rathaus]] seinen Ausklang. Diese Buchmesse wird seit 2001 in der heutigen Form von der Arbeitsgemeinschaft Mainzer Verlage organisiert, die dort ihre Werke vorstellen. Die Buchmesse steht jedes Jahr unter einem anderen Thema, welches in Form von Vorträgen, Lesungen, Workshops usw. dem interessierten Publikum dargeboten wird. === Clubs und Diskotheken === Für Interessierte ist nicht nur am Wochenende was los: Jeden Mittwoch ist in Mainz „Club- und Diskotag“. Mittwochs ist der Eintritt in den Clubs vielerorts frei oder ziemlich günstig. Viele Besucher locken Clubs wie das ''Zero'', der ''Starclub'', das ''50°'', das ''Red Cat'', das ''KUZ'' (Kulturzentrum Mainz), der ''Kumiklub'' oder auch das ''Caveau'' an. === Regelmäßige Veranstaltungen === [[Datei:Mainzer Rosenmontag.jpg|miniatur|Rosenmontagsumzug – Zugmarschall-Wagen]] * Januar/Februar: [[Mainzer Fastnacht]] mit zahlreichen [[Prunksitzung]]en (darunter „[[Mainz bleibt Mainz, wie es singt und lacht]]“), [[Mainzer Rosenmontagszug]] und Fastnachtsbällen (z.&nbsp;B. der „Prinzengardenball“) * Februar: Verleihung des [[Deutscher Kleinkunstpreis|deutschen Kleinkunstpreises]] im [[Unterhaus - Mainzer Forum-Theater|unterhaus]] * März: [[Rheinland-Pfalz Ausstellung]] bis 2004 im Volkspark, ab 2005 im Gewerbepark Hechtsheim-Süd * Mai: [[Minipressen-Messe|Mainzer Minipressen-Messe]]; [[Gutenberg-Marathon]] * Mai/Juni: [[OpenOhr Festival|Open-Ohr-Festival]] in der [[Zitadelle Mainz|Zitadelle]] * Mai bis September: Kulturprogramm „[[Mainz lebt auf seinen Plätzen]]“ * Juni: [[Johannisnacht (Mainz)|Johannisnacht]] (Volksfest) * Juni: Run for children - Benefiz-Veranstaltung für Kinderhilfsprojekte * Juli: [[Bierbörse (Mainz)|Bierbörse]] * Letzter Samstag im Juli: [[Sommerschwüle]] -- lesbisch-schwules Fest mit überregionalem Publikum (jährlich seit 1993; bis 2003 in der Alten Ziegelei, ab 2004 im KUZ) * Juli-August: [[Skatenight|Skate Nights]] * August/September: [[Weinmarkt (Mainz)|Mainzer Weinmarkt]] * September: Interkulturelle Woche; [[Mainzer Museumsnacht]] * Oktober: Mainzer Oktoberfest * November/Dezember: [[FILMZ|FILMZ – Festival des deutschen Kinos]], [[Mainzer Büchermesse]]; [[Mainzer Weihnachtsmarkt|Weihnachtsmarkt]]; zweijährig [[AKUT-Festival]] für Jazz === Kulinarische Spezialitäten === Mainz ist sowohl aufgrund der Historie wie auch der geografischen Lage eng mit dem [[Weinbau in Mainz|Weinanbau]] verbunden. Im Stadtgebiet von Mainz gibt es verschiedene Weinlagen, aus denen hochprämierter Mainzer Wein gewonnen wird. Der Wein wird dabei meist in der [[Mainzer Stange]] als „Schoppen“ serviert. Aus der Weinkultur stammen auch einige der traditionellen Gerichte, die im Mainzer Raum seit langem nachzuweisen sind: [[Spundekäs]], [[Handkäs mit Musik]] und der [[Mainzer Käse]] sind Gerichte, die in Weinstuben zum Wein gereicht werden. Auch die Kombination von [[Pellkartoffel]]n (im Dialekt ''Quellmänner''), [[Butter]], [[Leberwurst]] und [[Speisesalz|Salz]] hat als früheres Mainzer Gericht für arme Bevölkerungsschichten noch überlebt. Auch [[Niere (Lebensmittel)|Nierenspieße]] oder [[Saure Nieren|Nierenragout]] sind in der Mainzer Küche zu finden. Ebenfalls als typisches Mainzer Gericht gilt in dieser Kombination auch [[Weck, Worscht un Woi]]. Die Nähe zu Rheinhessen sorgt dafür, dass auch die [[Rheinhessen#Rheinhessische Spezialitäten|kulinarischen Spezialitäten des Umlandes]] gerne genossen werden und eine echte Abgrenzung nicht existiert. Durch die lange Tradition der Mainzer jüdischen Gemeinde haben sich auch Spezialitäten aschkenasischer Juden (miminhagei jehudei ashkenas) erhalten, die erstmals von [[Jakob ben Moses haLevi Molin]] beschrieben wurden. Hierzu zählt beispielsweise die [[Grüne Sauce]]. Zu den bekanntesten Sektkellereien gehört die [[Kupferberg (Sekt)|Kupferberg-Sektkellerei]]. Aber auch Bier wurde früher in Mainz gebraut. Bis zu Anfang des 20. Jahrhunderts gab es in Mainz zahlreiche Gasthaus- und Großbrauereien. Zu den bekanntesten Brauereien zählte die nicht mehr existierende [[Mainzer Aktien Bierbrauerei]]. Heute wird Bier in Mainz nur noch im kleinen Stil in [[Gasthausbrauerei]]en gebraut. [[Datei:Salzstangerl.jpg|miniatur|rechts|Kümmelstange (in Österreich Salzstangerl)]] Das „Dom-Café“ wurde 1792 als erstes [[Kaffeehaus]] in Mainz und eines der ältesten überhaupt im heutigen Deutschland eröffnet. Franz-Anton Aliski erhielt vom [[Mainzer Domkapitel]] im Frühjahr 1792 die Konzession, in einem der gerade von Franz Neumann geschaffenen Domhäuser am Marktportal des Domes ein Kaffeehaus mit handwerklich produzierten Torten, Kuchen, Pralinés, Petit Fours, Speiseeis und Pâtisserie nach Wiener Art einzurichten. Mainz war zu diesem Zeitpunkt ein Zentrum der Konterrevolutionäre und beherbergte viele heimatlose Adelige. Die spätere österreichische Garnison nahm dieses heimatliche Angebot gerne an. Seither besteht in Mainz eine florierende Kaffeehausszene. Aus dieser Tradition heraus stammt auch noch die Beliebtheit von [[Brezel]]n und [[Brötchen#Regionale Varianten|Salz-/Kümmelstangen]]. Der [[Mainzer Schinken]] war eine Spezialität der Mainzer Metzger. Bis zum Ersten Weltkrieg exportierte Mainz die Delikatesse in die Markthallen von Paris. Von François Rabelais wird diese Spezialität in seinem mehrbändigen humoristischen Romanzyklus um die beiden Riesen Gargantua und Pantagruel mit dem Bayonner Schinken qualitativ gleichgestellt. In Frankreich wird der ''Jambon des Mayence'' nach wie vor besungen und wird im heutigen Mainz gerade wiederentdeckt. == Sport == [[Datei:Mainzer Sportstätten naher der Universität Mainz Foto 2008 Wolfgang Pehlemann Wiesbaden IMG 0066.jpg|miniatur|hochkant 1.25|Mainz verfügt über viele Sportstätten: hier Sportanlagen nahe der Universität und am Dr.-Martin-Luther-King-Weg]] Der ''Mainzer Turnverein von 1817'' ist der zweitälteste noch existierende [[Sportverein]] Deutschlands. Der MTV besteht aus den Sparten [[Turnen]]-[[Gymnastik]], [[Badminton]], [[Basketball]], [[Fechten]], [[Fußball]], [[Handball]], [[Kegeln]], [[Modern Sports Karate]], [[Ski]], [[Tennis]] und [[Volleyball]]. Seit 2000 findet in Mainz alljährlich der [[Gutenberg-Marathon]] statt. Zu den [[Chess Classic Mainz]] trifft sich jährlich die Weltelite des [[Schach]]s in der [[Rheingoldhalle (Mainz)|Rheingoldhalle]]. Außerdem ist in Mainz der ''MGC Mainz'' ansässig, ein erfolgreicher [[Minigolf]]verein, der zurzeit in der ersten Bundesliga spielt und mit vielen Nationalspielern besetzt ist. === Mannschaftssport === Mainz weist im sportlichen Bereich vor allem in den Stadtteilen und Vororten eine Vielfalt von Vereinen auf, so auch im [[Fußball]]. Der erfolgreichste Fußballverein der Stadt Mainz ist der [[1. FSV Mainz 05]]. Die erste Mannschaft spielte seit ihrer Gründung nie tiefer als in der dritthöchsten Liga. Von 2004 bis 2007 gehörte sie der ersten [[Bundesliga (Fußball)|Bundesliga]] an, in die sie 2009 wieder aufstieg. 2005 konnte sie sich zwar sportlich nicht für einen europäischen Wettbewerb qualifizieren, nahm aber über die Fairplay-Wertung und ein Losverfahren am [[UEFA-Cup]] teil. Die zweite Mannschaft spielt derzeit in der [[Fußball-Regionalliga#Staffeleinteilung 2008/09|Regionalliga West]]. In der Saison 2004/05 spielten alle Mannschaften der 05er in der höchstmöglichen Spielklasse. Die erste Damenmannschaft des [[Basketball]]vereins [[ASC Theresianum Mainz]] spielte schon ein Jahr nach ihrer Gründung in der ersten Bundesliga, nun wieder in der zweiten Bundesliga, während die erste Herrenmannschaft in der neu formierten ersten Regionalliga spielt. Die unteren Mannschaften spielen unter anderem in der Regionalliga, Oberliga (Damen) und Landes- und Bezirksliga (Herren). Auch im Jugendbereich ist der ASC einer der erfolgreichsten Vereine in Rheinland-Pfalz. Die [[Mainz Athletics]] zählen zu den süddeutschen Spitzenmannschaften des [[Baseball]]s. Seit 1994 sind sie jedes Jahr in der Playoff-Runde um die Deutsche Meisterschaft vertreten. 2007 wurden sie Deutscher Meister. Die [[American Football]]er vom [[TSV Schott Mainz Golden Eagles]] errangen 2007 den Gewinn der Oberliga, und spielen seither in der Regionalliga Mitte. Auch die Jugendmannschaften der Golden Eagles zeigten einige Erfolge, unter anderem die Qualifikation für die Deutschen Meisterschaften im Hallen-Flag-Football. Der Rugby-Club Mainz ist seit 2007 in der Zweiten [[Rugby]] Bundesliga-Süd vertreten. Das SPORT-Netz Mainz e.&nbsp;V., Abteilung [[Lacrosse]] (Mainz Musketeers), ist seit 2007 in der Westdeutschen Lacrosse-Liga [[WDLL]], jetzt 1. Bundesliga West, vertreten. === Sonstige Sportarten === Der [[USC Mainz]] stellte bereits mehrere Teilnehmer an [[Olympische Spiele|Olympischen Spielen]], darunter [[Ingrid Mickler-Becker]], Olympiasiegerin mit der 4×100-m-Staffel 1972, [[Lars Riedel]], [[Diskuswurf|Diskus]]-Olympiasieger 1996, [[Marion Wagner]] und [[Florence Ekpo-Umoh]]. Die 1. Herrenmannschaft der Schachabteilung des TSV Schott Mainz spielt in der 2. Bundesliga, Gruppe West. Der 1. Damenmannschaft gelang in der Saison 2006/2007 der Aufstieg in die 1. Bundesliga, die 2. Damenmannschaft stieg in die 2. Bundesliga auf. Der [[ASV Mainz 1888]] errang in den Jahren 1973 und 1977 den Titel „Deutscher Mannschaftsmeister“, 1975 war er Vizemeister und 1969 Pokalsieger. Durch das Erreichen der Meisterschaft in der 2. Ringer-Bundesliga West 2006/07 tritt der Verein in der Saison 2007 wieder in der 1. Ringer-Bundesliga an. Der [[Mainzer Ruder-Verein]] (MRV) von 1878 ist seit 1912 im internationalen Spitzensport vertreten und ist einer der erfolgreichsten deutschen Rudervereine. Nach der Anzahl der Mitglieder (ca. 600) gehört er seit Jahren zu den größten deutschen Rudervereinen. Seit 2003 ist das Bootshaus des MRV am Winterhafen Sitz eines Landesleistungszentrums des Landesruderverbandes Rheinland-Pfalz. Die [[SG EWR Rheinhessen-Mainz]] ist ein Zusammenschluss aus insgesamt sechs Schwimmvereinen. Die 1. Herrenmannschaft schwimmt seit der Saison 2006/07 in der 1. Bundesliga, die Damenauswahl in der 2. Bundesliga Süd. Darüber hinaus starten regelmäßig Sportler der Startgemeinschaft bei Europa- und Weltmeisterschaften sowie Olympischen Spielen. Bekannte Sportler der Trainingsgruppe von Nikolai Evseev sind [[Christian Hein]], [[Angela Maurer]] und [[Johanna Manz]]. Der [[Tanz-Club Rot-Weiss Casino Mainz]] wurde im Jahr 1949 gegründet. Er gehört zu den zehn größten Tanzsportclubs in Deutschland und ist der zweitgrößte Tanzsportverein in Rheinland-Pfalz nach dem Tanzclub Rot-Weiss Kaiserslautern. Aushängeschilder des Clubs sind das Ehepaar Kiefer, amtierender Weltmeister der Senioren II Standard Klasse, und die [[Standardformation]]en, von denen das A-Team seit sechs Jahren in der ersten Bundesliga tanzt. Als einziger Verein in Deutschland hatte der Club in der Saison 2006/2007 drei Standardmannschaften am Start. Die 1. Mannschaft des [[RSV Mainspitze]] spielt seit nunmehr 20 Jahren im [[Rollhockey]] in der Regionalliga-Süd eine gute Rolle. Es gelang ihnen in den 90 Jahren sogar, sich während drei Jahren in der 2. Liga-Süd zu beweisen. Die größten Erfolge sind Meister der Oberliga-Süd 1989 und die erfolgreichen Ausführungen des internationalen Rollhockeyturniers. Gespielt wird rechtsrheinisch auf der Rollschuhbahn in Gustavsburg auf dem Sportgelände. Die 1. Herrenmannschaft der Hockeyabteilung des TSV Schott Mainz spielt in der 2. Bundesliga, Gruppe Süd. === Weitere Sportvereine === * TSV Schott Mainz e.&nbsp;V. (u.&nbsp;a. Fußball, Handball, Hockey, Schach, Football, Tennis, Eishockey) * DLRG Mainz e.&nbsp;V. * [[Deutscher Alpenverein]] Sektion Mainz – [[Bergsteigen]], [[Klettern]], [[Wandern]], [[Hochtour]]en, [[Expedition]]en, [[Skisport]] * Luftfahrtverein Mainz e.&nbsp;V. * Budo-Sportclub Mainz 92 e.&nbsp;V. * MGC Mainz. Minigolf-Verein * [[Polizei-Sportverein Mainz]] e.&nbsp;V. * Postsportverein Mainz e.&nbsp;V. * Rugby Club Mainz 1997 e.&nbsp;V. * Schachfreunde Mainz 1928 e.&nbsp;V. * SVW Mainz e.&nbsp;V. * TCEC Mainz: Triathlon-Verein * TC Manta Mainz e.&nbsp;V. - Tauchclub * YCM Yacht-Club Mainz e.&nbsp;V. * SC Moguntia 1896 e.&nbsp;V. * Handballclub-Gonsenheim e.&nbsp;V. * Taekwon-Do Armare Mainz e.V. == Namenspatenschaften == [[File:LH d-aihk mz.jpg|miniatur|Airbus 340-600 der Lufthansa, die ''Mainz'']] Die Stadt Mainz war in der Geschichte schon mehrfach Namenspate: * Die [[SMS Mainz]] war ein [[Kleiner Kreuzer]] der deutschen Kaiserlichen Marine, der im Ersten Weltkrieg zum Einsatz kam. * Der [[Mainzer Schinken]] war eine Bezeichnung der Metzger in und um Mainz für einen nach einem bestimmten Rezept hergestellten Schinken. * Als [[Lohnkostenzuschuss#Mainzer Modell|Mainzer Modell]] bezeichnet man eine Form des Lohnkostenzuschusses. * Die [[Lufthansa]] hat einen [[Airbus A340-600]] (Kennung D-AIHK) nach der Stadt benannt. * Die Deutsche Bahn hat seit Herbst 2006 einen [[ICE T]] der Baureihe 411 Tz 1182 mit Schweizerzulassung nach der Stadt benannt. Zuvor gab es seit dem 17. Januar 2003 ebenfalls einen ICE T allerdings aus der Baureihe 415, Tz 1582, der den Namen der Stadt trug. * Der hochalpine [[Mainzer Höhenweg]] in den Ötztaler Alpen wird von der [[Deutscher Alpenverein|DAV]] Sektion Mainz betreut. Um die Stadt Mainz herum befindet sich der ''Kleine Mainzer Höhenweg''. == Partnerstädte == * {{GBR|Watford|Watford}} ([[Vereinigtes Königreich]]), seit 1956 * {{FRA|Dijon|Dijon}} ([[Frankreich]]), seit 1957 * {{FRA|Longchamp (Côte-d’Or)|Longchamp}} ([[Frankreich]]), seit 1966 mit dem heutigen Mainzer Stadtteil Laubenheim * {{CRO|Zagreb|Zagreb}} ([[Kroatien]]), seit 1967 * {{ITA|Rodeneck|Rodeneck}} ([[Italien]], [[Südtirol]]), seit 1977 mit Mainz-Finthen * {{ESP|Valencia|Valencia}} ([[Spanien]]), seit 1978 * {{AZE|Baku|Baku}} ([[Aserbaidschan]]), seit 1984 * {{ISR|Haifa|Haifa}} ([[Israel]]), seit 1987 * {{DEU|Erfurt|Erfurt}} ([[Deutschland]], [[Thüringen]]), seit 1988 * {{USA|Louisville (Kentucky)|Louisville}} ([[Vereinigte Staaten]], [[Kentucky]]), seit 1994 == Persönlichkeiten == Zu Personen, die in Mainz geboren sind oder in dieser Stadt gewirkt haben, siehe: * [[Liste Mainzer Persönlichkeiten]] * [[Liste der Söhne und Töchter der Stadt Mainz]] * [[Liste der Ehrenbürger von Mainz]] * [[Liste der Bischöfe von Mainz]] * [[Liste der Mainzer Weihbischöfe]] * [[Liste der Oberbürgermeister von Mainz]] * [[Liste der Gouverneure der Festung Mainz]] == Literatur == * ''Städtebuch Rheinland-Pfalz und Saarland.'' Bd. 4,3. Deutsches Städtebuch. Handbuch städtischer Geschichte. Teilband. Im Auftrage der Arbeitsgemeinschaft der historischen Kommissionen und mit Unterstützung des Deutschen Städtetages, des Deutschen Städtebundes und des Deutschen Gemeindetages, hrsg. von Erich Keyser. Kohlhammer, Stuttgart 1964. * [[Franz Dumont]] (Hrsg.), Ferdinand Scherf, Friedrich Schütz: ''Mainz – Die Geschichte der Stadt.'' Zabern, Mainz 1999 (2. Aufl.), ISBN 3-8053-2000-0 * Peter C. Hartmann: ''Kleine Mainzer Stadtgeschichte.'' Pustet, Regensburg 2005, ISBN 978-3-7917-1970-2 * Wilhelm Huber: ''Das Mainz-Lexikon.'' Hermann Schmidt, Mainz 2002, ISBN 3-87439-600-2 * Friedhelm Jürgensmeier: ''Das Bistum Mainz.'' Knecht, Frankfurt/Main 1988, ISBN 3-7820-0570-8 * Michael Matheus (Hrsg.): ''Lebenswelten Johannes Gutenbergs'' (Mainzer Vorträge 10). Franz Steiner, Stuttgart 2005, ISBN 3-515-07728-6. * Michael Matheus / Walter G. Rödel (Hrsg.): ''Bausteine zur Mainzer Stadtgeschichte. Mainzer Kolloquium 2000'' (Geschichtliche Landeskunde 55). Franz Steiner, Stuttgart 2002, ISBN 3-515-08176-3. * Ernst Stephan: ''Das Bürgerhaus in Mainz.'' Das deutsche Bürgerhaus. Bd. 18. Wasmuth, Tübingen 1974, 1982, ISBN 3-8030-0020-3 * [[Günther Gillessen]] (Hrsg.): ''Wenn Steine reden könnten – Mainzer Gebäude und ihre Geschichten.'' Philipp von Zabern, Mainz 1991, ISBN 3-8053-1206-7 * Wolfgang Balzer: ''Mainz, Persönlichkeiten der Stadtgeschichte.'' Kügler, Ingelheim 1985–1993. ** Bd. 1: Mainzer Ehrenbürger, Mainzer Kirchenfürsten, militärische Persönlichkeiten, Mainzer Bürgermeister. ISBN 3-924124-01-9 ** Bd. 2: Personen des religiösen Lebens, Personen des politischen Lebens, Personen des allgemein kulturellen Lebens, Wissenschaftler, Literaten, Künstler, Musiker. ISBN 3-924124-03-5 ** Bd. 3: Geschäftsleute, epochale Wegbereiter, Baumeister, Fastnachter, Sonderlinge, Originale. ISBN 3-924124-05-1 * Claus Wolf: ''Die Mainzer Stadtteile.'' Emons, Köln 2004, ISBN 3-89705-361-6 * Hedwig Brüchert (Hrsg.): ''Die Neustadt gestern und heute.'' Festschrift 125 Jahre Mainzer Stadterweiterung. Sonderheft der Mainzer Geschichtsblätter. Veröffentlichungen des Vereins für Sozialgeschichte, Mainz 1997. * ''Vierteljahreshefte für Kultur, Politik, Wirtschaft, Geschichte.'' Hrsg. v. d. Stadt Mainz. Krach, Mainz 1981ff. {{ISSN|0720-5945}} * Jörg Schweigard: ''Die Liebe zur Freiheit ruft uns an den Rhein – Aufklärung, Reform und Revolution in Mainz.'' Casimir Katz, Gernsbach 2005, ISBN 3-925825-89-4 == Siehe auch == {{Portal|Mainz}}<br /> {{Portal|Frankfurt Rhein-Main}}<br /> {{Portal|Rheinhessen}} == Weblinks == {{Commons|Mainz}} {{Wikisource|Topographia Hassiae (Hessen): Meyntz|{{PAGENAME}} in Merians Topographia Hassiae}} {{Wiktionary|Mainz}} * [http://www.mainz.de/ Offizielle Website der Stadt Mainz] * [http://www.bistummainz.de/pfarreien/dekanat-mainz-stadt/dekanat_uebersicht/oekumene/ack.html Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen Mainz] * [http://www.wirtschaft-mainz.de/ Wirtschaftsförderung der Stadt Mainz] * [http://www.dilibri.de/content/pageview/3133 Alte Stadtansichten von Mainz aus J.F. Dielmann, A. Fay, J. Becker (Zeichner): F.C. Vogels Panorama des Rheins, Bilder des rechten und linken Rheinufers, Lithographische Anstalt F.C. Vogel, Frankfurt 1833] * {{HLS|6633}} * {{GKD|2018680-0}} {{dmoz|World/Deutsch/Regional/Europa/Deutschland/Rheinland-Pfalz/St%c3%a4dte_und_Gemeinden/M/Mainz|Mainz}} == Einzelnachweise == <references/> {{NaviBlock |Navigationsleiste Deutsche Landeshauptstädte |Navigationsleiste Landkreise und kreisfreie Städte in Rheinland-Pfalz }} {{Exzellent}} [[Kategorie:Ort in Rheinland-Pfalz]] [[Kategorie:Mainz| ]] [[Kategorie:Kreisfreie Stadt in Rheinland-Pfalz]] [[Kategorie:Gemeinde in Rheinland-Pfalz]] [[Kategorie:Deutsche Landeshauptstadt]] [[Kategorie:Ort mit Binnenhafen]] [[Kategorie:Mitglied des Rheinischen Städtebundes]] [[Kategorie:Rheinhessen]] [[Kategorie:Hessische Geschichte]]<!-- wg. 130 Jahre Geschichte bis 1946 --> [[Kategorie:Weinort in Rheinland-Pfalz]] [[Kategorie:Deutsche Universitätsstadt]] [[af:Mainz]] [[an:Maganza]] [[ar:ماينتس]] [[az:Mayns]] [[bg:Майнц]] [[br:Mainz]] [[bs:Mainz]] [[ca:Magúncia]] [[cs:Mohuč]] [[cy:Mainz]] [[da:Mainz]] [[el:Μάιντς]] [[en:Mainz]] [[eo:Majenco]] [[es:Maguncia]] [[et:Mainz]] [[eu:Mainz]] [[fa:ماینتز]] [[fi:Mainz]] [[fj:Mainz]] [[fr:Mayence]] [[fy:Mainz]] [[he:מיינץ]] [[hr:Mainz]] [[hu:Mainz]] [[id:Mainz]] [[io:Mainz]] [[is:Mainz]] [[it:Magonza]] [[ja:マインツ]] [[ka:მაინცი]] [[kk:Майнц]] [[ko:마인츠]] [[ku:Mainz]] [[kw:Mainz]] [[la:Moguntiacum]] [[lij:Mainz]] [[lt:Maincas]] [[lv:Mainca]] [[ms:Mainz]] [[nah:Mainz]] [[nds:Mainz]] [[nl:Mainz]] [[nn:Mainz]] [[no:Mainz]] [[oc:Maiança]] [[pdc:Meenz]] [[pl:Moguncja]] [[pt:Mainz]] [[rm:Magonza]] [[ro:Mainz]] [[ru:Майнц]] [[scn:Magonza]] [[sh:Mainz]] [[simple:Mainz]] [[sk:Mainz]] [[sq:Majnci]] [[sr:Мајнц]] [[sv:Mainz]] [[th:ไมนซ์]] [[tl:Mainz]] [[tr:Mainz]] [[uk:Майнц]] [[uz:Mainz]] [[vi:Mainz]] [[vo:Mainz]] [[war:Mainz]] [[yi:מיינץ]] [[yo:Mainz]] [[zh:美因茨]] [[zh-min-nan:Mainz]] q41we1glr22oan57o0z204uwexpz8yv wikitext text/x-wiki Mainzer Dom 0 23882 26478 2010-04-11T15:43:19Z 77.20.151.243 /* Gotik am Mainzer Dom */ [[Datei:MainzerDom sw neu.jpg|miniatur|320px|Der Mainzer Dom von Südwesten. Blick auf den Westturm mit der barocken Haube des Franz Michael Neumann. Links die beiden Treppentürmchen, die den Chor einrahmen. Zwischen den Türmen das Reiterstandbild des Heiligen Martin.]] [[Datei:Mainz Luftbild Mainzer Dom - der bischöfliche Hohe Dom zu Mainz am Höfchen Foto 2008 Wolfgang Pehlemann Wiesbaden IMG 0085.jpg|miniatur|320px|Luftbild von Süden: der Hohe Dom zu Mainz in der Altstadt am Höfchen]] [[Datei:MzDomGrundriss.jpg|miniatur|320px|Grundriss des Mainzer Doms. Orientierung: „Oben“ ist Süden. Deutlich zu erkennen ist die Konzeption als Doppelchoranlage. Dort wo der Kreuzgang im Westen wieder an die Kathedrale angrenzt, befindet sich die Memorienkapelle. Um den Westchor ist die um 1240 errichtete und mehrfach erweiterte Sakristei herumgebaut. Ganz unten im Norden ist der Grundriss der Gotthardkapelle miteingezeichnet.]] Der '''Hohe [[Kathedrale|Dom]] zu [[Mainz]]''' ist die Bischofskirche der [[Römisch-katholische Kirche|römisch-katholischen]] [[Bistum Mainz|Diözese Mainz]] und steht unter dem [[Patrozinium]] des heiligen [[Martin von Tours]]. Der [[Chor (Architektur)|Ostchor]] ist dem [[Stephanus|Hl. Stephan]] geweiht. Der zu den [[Kaiserdom]]en zählende Bau ist in seiner heutigen Form eine dreischiffige [[Romanik|romanische]] [[Basilika|Säulenbasilika]], die in ihren Anbauten sowohl [[Romanik|romanische]] als auch [[Gotik|gotische]] und [[barock]]e Elemente aufweist. == Architektur und bauhistorische Entwicklung == ''Siehe auch:'' [[Liste der Künstler am Mainzer Dom]] === Der Willigis-Bardo-Bau === ==== Motivation ==== Vermutlich kurz nach 975 veranlasste der damalige [[Erzbischof]] [[Willigis]] (zugleich [[Kanzler|Erzkanzler]] des Reiches) den Bau eines neuen Domes in [[Vorromanik|ottonischen]] Formen. Möglicherweise begann Willigis den Bau auch erst gegen 998 mit dem Motiv, sich das Krönungsrecht für den [[Römisch-deutscher König|Römisch-deutschen König]] zu erhalten. Gesichert ist dies jedoch nicht. Gegen diese Theorie spricht die extrem kurze Zeit bis zur Vollendung des Baus. Auch wenn diese Theorie nicht mehr bewiesen werden kann, so kann jedoch mit Sicherheit gesagt werden, dass [[pastoral]]e Erwägungen dem Dombau nicht zugrunde lagen. Zur Amtszeit des Willigis, der zuvor am Hofe [[Otto I. (HRR)|Ottos I.]] gedient hatte und der neben seiner Funktion als Erzbischof auch [[Erzamt|Reichserzkanzler]] des [[Heiliges Römisches Reich|Heiligen Römischen Reiches]] war, prosperierte die [[Geschichte der Stadt Mainz|Stadt Mainz]] wegen ihrer neuen Bedeutung als Residenz des wichtigsten Reichsfürsten und Politikers und hatte einige tausend Einwohner. Für diese gab es in Mainz allerdings mehr als ausreichend Kirchen. Der neue Dom war als Gemeindekirche unnötig, er sollte also nicht in erster Linie den Gläubigen dienen, sondern ''Staatsdom'' und damit architektonisches Symbol des Imperiums im sich langsam endgültig konstituierenden Reich sein. Er sollte die Bedeutung der Mainzer Kirche als ''„zweites Rom“'' erkennbar machen. Entsprechend lehnte sich die Ausführung des Baus auch an die alte [[Petersdom|Peterskirche]] in Rom an. Auch die Funktion des Erzbischofs als Königskröner erforderte einen repräsentativen Dombau. ==== Standort des neuen Doms ==== Willigis ließ seinen Dom auf eine Brache vor dem damaligen Stadtkern bauen. In [[Mogontiacum|römischer Zeit]] hatte sich dort noch eine Besiedlung befunden, die in fränkischer Zeit aber vermutlich aufgegeben worden war. Unter dem Dom sind Mauerreste aus [[Römisches Reich|römischer]] Zeit nachweisbar.<ref>Ludwig Becker, Johannes Sartorius: Baugeschichte der Frühzeit des Domes zu Mainz; Tafel III</ref> Lange Zeit wurde vermutet, dass sich der Dom auf den Resten römischer Tempelanlagen befinden würde. Die archäologische Befunde widerlegen diese Ansicht jedoch.<ref>Karl Heinz Esser, Der Dom des Willigis, in: Willigis und sein Dom. Festschrift zur Tausendjahrfeier, S. 138</ref> Der neue Dom löste einen Vorgängerbau ab, der sich offenbar in unmittelbarer Nähe befand. Möglicherweise war der Vorgängerbau die auch weiterhin als Alter Dom („Aldedum“) bezeichnete [[St.-Johannis-Kirche (Mainz)|Johanniskirche]]. Endgültig geklärt ist die Funktion der Johanniskirche bzw. deren Vorgängerbauten als Kathedralkirche jedoch nicht.<ref>vgl.: Mainz zwischen Rom und Aachen. Erzbischof Willigis und der Bau des Mainzer Doms, in: Jahrbuch für westdeutsche Landesgeschichte 30 (2004), S. 22. [http://www.regionalgeschichte.net/fileadmin/Mittelrheinportal/Teilnehmer/burckhardt/Willigs_Dom002.pdf online-Version]</ref> Ohnehin war die vor der Stadt gelegene und bereits aus spätrömischer Zeit stammende [[Stift St. Alban vor Mainz|Klosterkirche St. Alban]] zu diesem Zeitpunkt bereits seit fast zwei Jahrhunderten die bedeutendste Kirche des Erzbistums. Dort fanden, da die Kirche mit etwa 75&nbsp;m Länge für die damalige Zeit erstaunlich groß war, alle wichtigen [[Konzil|Synoden]] und Versammlungen statt. Auch die Mainzer Erzbischöfe wurden damals zumeist dort begraben. ==== Ausführung ==== Die Rekonstruktion des Willigisdoms ist heute von der Schwierigkeit geprägt, dass der Bau erstens nur sehr kurz in seinem Urzustand existierte und zweitens archäologische Untersuchungen nur in unzureichendem Maße vorgenommen worden sind.<ref>Karl Heinz Esser, Der Dom des Willigis, S. 136.</ref> Gleichwohl haben Ausgrabungen auf dem Liebfrauenplatz und Erkenntnisse während der großen Domsanierung 1925–28 ausgereicht, um den Bau des Willigis in seinen Grundzügen beschreiben zu können. ===== Vorkirche im Osten ===== [[Datei:Basilica di San Pietro 1450.jpg|miniatur|Alt St. Peter in Rom. Deutlich zu erkennen die vor dem Dom gelegene Vorkirche sowie die Kolonnadengänge zum eigentlichen Dombau]] Im Osten erhob sich eine Vorkirche, die mit dem eigentlichen Dombauwerk verbunden war. Der Umfang dieses Vorbaus lässt sich durch die bei Ausgrabungen vorgefundenen Fundamente recht gut bestimmen. Ganz im Osten befand sich demnach ein rechteckiger etwa 13,50&nbsp;m breiter Turm, der eine halbkreisförmige [[Apsis]] umschloss. Dahinter schloss sich ein rund 31&nbsp;m breiter, 11 bis 12&nbsp;m langer Querbau an. Dieses Ensemble bildete wohl die eigentliche Vorkirche. Mit dem Dom war es durch zwei niedrige 41&nbsp;m lange [[Kolonnade]]ngänge verbunden, die im Grundriss wie eine Verlängerung der Seitenschiffe des Doms wirken. Hier tritt die Ähnlichkeit zu Alt-St.&nbsp;Peter in [[Rom]] besonders stark zu Tage. Die Kolonnaden und auch die Vorkirche wurden bei der Brandkatastrophe von 1009 zerstört, an der Idee einer dem Dom vorgelagerten Kirche jedoch festgehalten. Hier entstand später die große [[Stift (Kirche)|Stiftskirche]] [[St. Maria ad Gradus (Mainz)|St. Maria ad Gradus]] (Liebfrauenkirche). ===== Ostwerk und Ostchor ===== Das Ostwerk bestand aus einem Querbau, der im Norden und Süden von je einem Treppenturm begrenzt wurde. Das Motiv der Treppentürme übernahm Willigis vermutlich von der [[Aachener Dom|Pfalzkapelle in Aachen]].<ref>Esser, Der Dom des Willigis, S. 179</ref> Es findet sich an der nach 1000 begonnenen [[St. Michael (Hildesheim)|Michaelskirche]] in [[Hildesheim]] wieder, die auch sonst viele Ähnlichkeiten zum Willigisdom aufweist. Strittig ist die Frage, ob der Dombau des Willigis bereits eine Ostapsis besaß. Die unterschiedlichen Auffassungen hinsichtlich des Aussehens ergeben sich daraus, dass aus jener Zeit keine Fundamente einer Ostapsis erhalten sind. Der Dom müsste demnach einen flachen Abschluss im Osten besessen haben, möglicherweise mit einem Mittelportal und einem rechteckigen Mittelturm. Die Gegenmeinung schließt aus bauhistorischen Erwägungen und schriftlichen Überlieferungen auf ein Vorhandensein einer Ostapsis bereits im Urbau des Willigis. Die Fundamente könnten bei den späteren Umbauten ersetzt worden sein.<ref>Arens, Der Dom zu Mainz, S. 20; anderer Ansicht: Esser, Der Dom des Willigis, S. 144.</ref> Der Sinn beziehungsweise die Idee, die hinter der Bauform des Domes mit Doppelchor steckt, ist bisweilen umstritten. Früher wurde häufig angenommen, die beiden gegenüberliegenden Chöre dienten der Versinnbildlichung von ''sacerdotium'' im Westen und ''imperium'' im Osten, also geistlicher (verkörpert durch den Bischof) und weltlicher (verkörpert durch den König) Gewalt. Diese These ist jedoch nicht belegbar. In neueren Schriften wird daher angenommen, dass die Konzeption der Doppelchoranlage [[Liturgie|liturgische]] Gründe hatte. Sie ermöglichte feierliche [[Prozession]]en zwischen den beiden Chören. Zunächst wurden beide Chöre gleichwertig nebeneinander genutzt. Später diente der Ostchor meist als Ort für die Messen der Dompfarrei, der Westchor (Hauptchor) als Bischofschor für die [[Pontifikalamt|Pontifikalämter]] oder für die Gottesdienste des Domstifts. Mit der Verlegung aller großen Gottesdienste in den Westchor verlor der Ostchor an Bedeutung. Heute finden dort die [[Stundengebet]]e des [[Domkapitel]]s statt. ===== Langhaus ===== [[Datei:Mainzer Dom Wandaufriss.jpg|miniatur|links|Wandaufriss des Langhauses. Blick auf die vorderen drei Joche. Deutlich zu erkennen sind die Blendarkaden, deren Bögen nicht über die Fenster ragen wie in Speyer, sondern unterhalb der Fenster enden. In den Bögen die Darstellung der Lebensgeschichte Jesu im Stil der [[Nazarener (Kunst)|Nazarener]] zw. 1859 und 1864 von [[Philipp Veit]] gefertigt.]] Das Langhaus des Willigisdoms war als dreischiffige [[basilika]]le Anlage ausgeführt. Die Wände des Mittelschiffes wurden wohl von Säulen getragen. Aufgrund der erhaltenen Fundamente kann präzise auf eine lichte Länge von 57,60&nbsp;m geschlossen werden. Das Mittelschiff maß 13,60&nbsp;m, die beiden Seitenschiffe je 7,70&nbsp;m.<ref>Karl Heinz Esser, Der Dom des Willigis, S. 146. (Esser beschäftigt sich auf den folgenden Seiten intensiv mit den vermuteten Längenmaßen des Doms)</ref> Im Westen öffnete sich das Langhaus zu einem ungewöhnlich weit ausladendem Querhaus. Die Fundamente sind dort nicht mehr erhalten, wohl aber Teile des nördlichen Gebäudeabschlusses, die heute die Südwand der Gotthardkapelle bilden. Sie sind dort die einzigen oberirdischen Reste des Willigisdoms. Aus der so zu ermittelnden Breite des Querhauses ergibt sich, dass der Bau nicht wie üblich ein Querhaus aus drei Quadraten mit der Seitenlänge der Mittelschiffbreite (also 13,60&nbsp;m) besaß, sondern vier.<ref>Arens, Der Dom zu Mainz, S. 20.</ref> Das Querhaus besaß damit in etwa dieselbe Breite wie das Langhaus lang war, nämlich 200 römische Fuß. Die Fluchten der Mittelschiffswände setzten sich bis zur Westwand des Querhauses fort und gliederten es durch die Säulen in ein Quadrat und zwei Rechtecke (so genannte „ausgeschiedene Vierung“). ===== Hauptchor im Westen ===== Im Gegensatz zu den meisten Kirchenbauten jener Zeit, deren Hauptchor stets gen Osten gerichtet war, ließ Willigis seinen Dombau westwärts gerichtet erbauen, wie dies auch bei den großen Kathedralen Roms der Fall war. Über den Westbau des Willigis kann am wenigsten ausgesagt werden, da die Fundamente dort beim Neubau des Westwerks im 13. Jahrhundert entfernt wurden. Jedoch kann davon ausgegangen werden, dass sich dem Querhaus ein weiteres [[Chor (Architektur)|Chorquadrat]] anschloss, an das sich dann eine Apsis anfügte. Dies legt die Bauweise des Querhauses und der Standort des Altars im Bardobau nahe.<ref>Karl Heinz Esser, Der Dom des Willigis, S. 149.</ref> Insgesamt maß der eigentliche Dombau um 105&nbsp;m, die Gesamtanlage kam auf 167&nbsp;m (570 römische Fuß).<ref>Esser, Der Dom des Willigis, S. 161.</ref> ===== Zerstörung und Wiederaufbau ===== Am 29. August 1009, dem Tag der Weihe (andere Quellen sprechen vom 28. August), wurde der Bau durch einen Brand zerstört. Ursächlich war vermutlich die Festillumination des Domes anlässlich des Weihetages. Zu solchen Anlässen wurden Kirchen im [[Mittelalter]] häufig mit [[Fackel]]n beleuchtet. Unter den beiden unmittelbaren Nachfolgern des Willigis, [[Erkanbald]] und [[Aribo (Mainz)|Aribo]], blieb der ruinierte Dom eine Baustelle. Erst unter Erzbischof [[Bardo (Mainz)|Bardo]] (1031–1051) wurde der Bau erneut vollendet, so dass der Dom am 10. November 1036 in Gegenwart von Kaiser [[Konrad II. (HRR)|Konrad II.]] eingeweiht wurde. Der Dom war nun als Pfeilerbasilika ausgeführt und besaß spätestens zu diesem Zeitpunkt eine Apsis im Osten.<ref>1071 in einem Synodenprotokoll erwähnt, s. Arens, Der Dom zu Mainz, S. 20.</ref> Nicht wieder aufgebaut wurden die zur Vorkirche führenden offenen Säulengänge, sowie zunächst auch die Vorkirche an sich. Dafür entstanden der [[Kreuzgang]] und die [[Stift (Kirche)|Stiftsgebäude]] um den Dom herum. Aribo war der erste im Mainzer Dom begrabene Erzbischof, sein [[Grab]] fand er im Westchor des noch nicht vollendeten Domes. Vor dem Dombau hatten die Erzbischöfe die damals überregional bedeutende große Klosterkirche St. Alban vor den Toren der Stadt als Grablege bevorzugt. Willigis war in seinem zweiten Kirchenbau, der [[St. Stephan (Mainz)|Stephanskirche]], begraben worden. ===== Farbliche Gestaltung des Bardo-Baus ===== Die farbliche Gestaltung des Domes zu jener Zeit ist auch heute noch ein großes Forschungsgebiet des jeweiligen [[Konservator|Domkonservators]]. Erst bei der Renovierung des Ostbaus, der heute noch viele Bestandteile der ursprünglichen Baus enthält, wurden 2002 Funde gemacht, die auf das Aussehen des Domes vor den Umbauten Kaiser [[Heinrich IV. (HRR)|Heinrichs IV.]] schließen lassen. Danach war der Dom damals außen weiß verputzt, wobei [[Lisene]]n und [[Gesims]]e aus rotem und gelben [[Sandstein]] nicht verputzt waren. Das Innere wurde vermutlich in der Mitte des 11. Jahrhunderts unter Erzbischof Bardo geweißt. Das damalige Innere entspricht jedoch zumeist nicht mehr dem heutigen Baubestand (siehe unten). Über die Farbgestaltung im [[Spätmittelalter]] kann nur spekuliert werden. Es ist jedoch möglich, dass während weiteren Sanierungsarbeiten im Rahmen der 2001 begonnenen Domrenovierung Nachweise gefunden werden. Genauer bekannt ist erst wieder die Farbgestaltung des Barock und des 19. Jahrhundert (siehe dort). Vom gesamten Willigis-Bardo-Bau stehen überirdisch heute nur noch die [[Treppenturm|Treppentürme]] im Osten sowie wenige Mauerreste unter anderem an der Südwand der Gotthardkapelle. Der übrige Bau wurde in den weiteren Jahrhunderten schrittweise durch Neubauten ersetzt. === Der Ostchor Kaiser Heinrichs IV. === [[Datei:Mainzer Dom Ostfassade.jpg|miniatur|Ostchor und Ostquerhaus des Mainzer Doms. Dreiturmfassade wie in Worms, Speyer und [[Abtei Maria Laach|Maria Laach]]. Der Mittelturm stammt aus dem Jahr 1875. Die unteren vier Geschosse der Flankentürme sind Reste des Willigis-Baus.]] Von großer Bedeutung für die Baugeschichte des Mainzer Doms ist die Förderung durch Kaiser [[Heinrich IV. (HRR)|Heinrich IV.]] Anlass war der Brand von 1081, bei dem der Dom abermals schwer beschädigt wurde. Heinrich IV., der zuvor auch schon den [[Speyerer Dom|Dom zu Speyer]] hatte umbauen lassen, begann um 1100 mit dem Aufbau des zerstörten Domes in vom [[Lombardischer Baustil|lombardischen Stil]] geprägten Formen. Er ersetzte den alten Abschluss des Ostwerks<ref>Dazu näheres [[Mainzer Dom#Ostwerk und Ostchor|oben]].</ref> durch eine [[Apsis]] mit großen [[Arkade|Blendarkaden]] und einer Zwerggalerie. Ein solches Element findet sich erstmals am Speyerer Dom, die Ostapsis des Mainzer Dom ist das zweite Exemplar. Darüber findet sich ein [[Giebel]] mit fünf von rechts und links ansteigend angeordneten [[Mauernische|Nischen]]. Auch dieses Motiv wurde vermutlich vom Speyerer Dom übernommen.<ref>Arens, Der Dom zu Mainz, S. 24.</ref> Daneben ersetzte Heinrich den vermutlich quadratischen [[Turm (Bauwerk)|Turm]] des Willigis-Bardo Baus durch eine achteckige Kuppel. Dieser mittlere Ostturm wurde im Laufe der Zeit mehrfach erheblich umgestaltet. Die heutige Fassung ist eine Schöpfung von [[P. J. H. Cuypers]] aus dem Jahr 1875 (s.u.). Unter den neuen Ostchor ließ der Kaiser eine dreischiffige Hallenkrypta beginnen, die sich vom Stil her vermutlich ebenfalls an die [[Krypta]] des Speyerer Doms anlehnte. Diese wurde jedoch wohl schon während der Bauphase zugunsten eines durchgängigen Bodenniveaus wieder abgebrochen.<ref name="Arens34">Arens, Der Dom zu Mainz, S. 34.</ref> Außerdem wurde unter Kaiser Heinrich IV. das östliche Querschiff erhöht und neben die Apsis zwei große [[Säulenstufenportal]]e eingebaut, die zu den ältesten ihrer Art gehören.<ref>Arens, Der Dom zu Mainz, S. 25</ref> Sie führten in die Seitenschiffe. Über dem Eingangsbereich der Portale lagen zwei weitere Geschosse, die den Ostchor flankieren. Der Verwendungszweck der Räume ist nicht restlos geklärt. Die unteren könnten Abstellräume gewesen sein, die oberen Kapellenräume, wie man sie vergleichbar in Stiftskirche [[Stiftskirche St. Gertrud (Nivelles)|St. Gertrud]] in [[Nivelles]], am [[Essener Münster]] und am [[Eichstätter Dom]] findet.<ref>Arens, Der Dom zu Mainz, S. 26.</ref> Der Tod des kaiserlichen Förderers 1106 bedeutete einen tiefen Einschnitt in die Bauarbeiten. Angefangenes wurde eilig fertiggestellt, anderes ruhte erst einmal oder wurde völlig eingestellt, weil die Ausführenden [[Magistri Comacini]] – Steinmetze aus der [[Lombardei]] – weiterzogen. Der Tod des Kaisers verleitete seinen Biographen zu prosaischen Wehklagen, die deutlich machen, was des Kaisers Ableben für den Mainzer Dom bedeutete („Heu Mogontia, quantum decus perdidisti, quae ad reparandam monasterii tui ruinam talem artificem amisisti! Si superstes esset, dum operi monasterii tui, quod inceperat, extremam manum imponeret, nimirum illud illi famoso Spirensi monatreio contenderet“ – Wehe Mainz, welche Zierde, welchen Künstler zur Wiederherstellung deiner ruinösen Münsterkirche hast du verloren! Wenn er so lange am Leben geblieben wäre, bis er letzte Hand an den von ihm begonnen Dombau gelegt hätte, so hätte dieser unstreitig mit dem berühmten Speyerer Dom wetteifern können). Weil mit Heinrich IV. ein Kaiser am Dombau gewirkt hatte, gehört der Mainzer Dom zusammen mit dem [[Wormser Dom]] und dem Dom zu Speyer zu den drei rheinischen [[Kaiserdom]]en. Wann die Arbeiten weitergeführt wurden, ist Gegenstand vieler Untersuchungen gewesen.<ref>Arens, Der Dom zu Mainz, S.28ff.</ref> Anhaltspunkt hierbei ist die reichlich zu findende Bauplastik an der Zwerggalerie der Apsis und den Portalen. Danach wird von einer Entstehungszeit der unvollendeten Teile des Querhauses und der Portale um 1125 bis 1130 ausgegangen.<ref>Arens, Der Dom zu Mainz, S. 32.</ref> === Die Entstehung des heutigen Langhauses === [[Datei:Mainzer Dom Hauptschiff nach Westen.jpg|miniatur|links|Blick ins Hauptschiff und den Westchor]] Die weiteren Bauarbeiten am Dom wurden wahrscheinlich unmittelbar nach Vollendung des Ostteils fortgesetzt.<ref name="Arens35">Arens, Der Dom zu Mainz, S. 35.</ref> Dabei wurde das alte Langhaus des Willigis-Bardo Baus mit Ausnahme der Fundamente Schritt für Schritt ersetzt. Das Ausbleiben der kaiserlichen Förderung bewirkte jedoch, dass das [[Langhaus (Kirche)|Langhaus]] nicht die Qualität erreichte wie der Ostchor. Für diesen hatte der Kaiser hochwertigen Sandstein aus dem [[Spessart]] und dem Haardttal heranschaffen lassen, der auch für den Speyerer Dom und die Klosterkirche Limburg an der Haardt verwendet worden war. Nun wurde auf [[Muschelkalk]] aus den nahegelegenen Weisenauer Steinbrüchen zurückgegriffen. Bei der Konzeption des Langhauses orientierten sich die Baumeister wiederum am Dom zu Speyer, welcher als erster Großgewölbebau jenseits der [[Alpen]] das Vorbild für romanische Architektur in [[Deutschland]] bildete. Eine exakte Kopie konnte das Mittelschiff jedoch nicht werden, weil man sich beim Bau an den Vorgaben des einzubeziehenden Ostchors bezüglich der Höhe richten musste. Das [[Kirchenschiff|Mittelschiff]] wurde daher im Vergleich zum Vorbild des Speyerer Doms erheblich niedriger ausgeführt, nämlich mit 28&nbsp;m statt 33&nbsp;m, nun aber als ''Pfeilerbasilika''. Die Fenster des [[Obergaden]]s wurden paarweise zusammengerückt, was darauf schließen lässt, dass – im Gegensatz zu Speyer I – von vorneherein eine Einwölbung des Mittelschiffs geplant war. Daher fehlen in Mainz auch die Halbsäulen an jedem Pfeiler, der von einem Gewölbe überspannt wird. Blendbögen über die Fenster wie in Speyer konnten im Mainzer Mittelschiff wegen der zusammengerückten Fenster nicht ausgeführt werden. Sie enden daher unterhalb der Fenster und schaffen so einen dreizonigen Wandaufriss, was damals ein Novum war. Wann die Einwölbung vorgenommen wurde ist bislang nicht geklärt. Eine sofort erfolgende Einwölbung wird als eher unwahrscheinlich angesehen.<ref name="Arens35" /> Die von Erzbischof [[Adalbert I. von Saarbrücken]] (1110–1137) direkt neben dem Dom errichtete Palastkapelle St. Gotthard, [[Godehard von Hildesheim]] gewidmet, weist Gewölbeformen auf, die denen des Langhauses ähneln. Daher ist es möglich, dass Adalbert auch mit dem neuen Langhaus begann, das das Langhaus des Willigis ersetzte. Die Quellen sprechen diesbezüglich von einem prachtvollen „tectum“, wobei dies Gewölbe oder Dach bedeuten kann. Sicher ist daher nur, dass der Dom um 1200 eingewölbt war, dann jedoch schon mit für die Romanik eher ungewöhnlichen [[Gewölbe#Kreuzgewölbe|Kreuzrippengewölben]] statt eines [[Kreuzgewölbe|Kreuzgratgewölbes]]. Insgesamt wurde das gesamte Langhaus in eher schlichter Weise ausgeführt. Auf großartige Bauzier wie in Speyer wurde verzichtet. Die Außenmauern des alten Willigis-Bardo-Baus blieben bis zu Einwölbung der Seitenschiffe um 1200 bestehen. Die dann aufgerichteten Mauern verschwanden fast vollständig, nachdem ab 1279 gotische Seitenkapellen im Norden und Süden an das Langhaus angefügt wurden. Die Bauarbeiten am Langhaus wurden durch etlich Brände und einen Aufstand 1159 erschwert.<ref>Arens, Der Dom zu Mainz, S. 41.</ref> === Der Westbau === [[Datei:Escalier.cathedrale.Mayence.png|miniatur|Treppenanlage im Mainzer Dom aus dem 13. Jahrhundert ([[Eugène Viollet-le-Duc]]: Handbuch der französischen Architektur des 11. bis 16. Jahrhunderts (1856)]] Erst während dieser letzten Phase entschloss man sich auch offenbar, den alten Westbau des Willigis zu ersetzen. Die Ausführung erfolgte von 1200 bis 1239 weitgehend im Stile der niederrheinischen [[Romanik|Spätromanik]] und ist gleichzeitig eines der hervorragendsten Zeugnisse dieser Bauepoche. Zu erkennen ist dies vor allem an den sehr fein gestalteten und künstlerisch weit entwickelten Kapitellen und einer reicheren Verwendung von Baudekor, die im Laufe der Zeit den strengen Formen der Hochromanik Platz gemacht hatte. Während dieser Bauphase hatte in Frankreich längst das Zeitalter der [[Gotik]] begonnen. Als frühgotische Elemente finden sich am Westbau des Mainzer Doms Strebepfeiler, einige Spitzbögen und für die Romanik eher ungewöhnlich lange Fenster im Westchor. ==== Ausführung ==== Der Baumeister des Westbaus ging auf Nummer sicher und entfernte zunächst alle Fundamentreste des Vorgängerbaus. Daher ist der Willigisbau an dieser Stelle auch nicht mehr sicher rekonstruierbar. Möglich auch, dass damals schon absehbar war, dass die alten Fundamente auf dem schwierigen Untergrund nicht genug Last tragen konnten.<ref>Arens, Der Dom zu Mainz, S. 42.</ref> Dann wurde zunächst das neue Querhaus aufgerichtet. Damit die Gewölbe einigermaßen quadratisch ausgeführt werden konnten, wurde es gegenüber dem Vorgängerbau nach Norden und Süden erheblich verkürzt. Die alten Mauern wurden niedergelegt, mit Ausnahme jener Teile im Norden, an die sich mittlerweile die 1137 vollendete Gotthardkapelle (dazu unten) anschloss. Die neue Vierung wurde mit einer großen achteckigen Kuppel gekrönt, die innen reich durch umlaufende Blendarkaden, Rundbogenfriese und Säulenkapitelle geschmückt ist. An die Vierung schließt sich ein Chorquadrat an, also ein weiteres [[Joch (Architektur)|Joch]] mit der Seitenlänge der Vierung. Es ist als [[Trikonchos]] ausgeführt, also mit drei [[Apsis|Apsidien]] an den äußeren Seiten. Um ein rippengewölbtes Quadrat schließen sich an den drei verbleibenden Seiten drei kleine [[Apsis|Apsiden]] an, die jedoch nicht rund, sondern durch doppelte Brechung dreiseitig ausgeführt sind. Dabei sind die beiden westlichen Pfeiler des Quadrats massiv gemauert, um die beiden achteckigen Flankentürmchen tragen zu können. ==== Das Äußere des Westbaus ==== Das Äußere des Westbaus bietet reichsten Bauschmuck, jedenfalls was die oberen Abschlüsse der Mauern angeht. Da der Dom immer umbaut war, hatte man in den unteren Bereichen an übermäßiger Bauzier kein Interesse. Die oberen Abschlüsse sind jedoch dafür umso reicher verziert. Die Fenster der Querhäuser sind mit Säulen gerahmt, die von qualitativ hochwertigen Kapitellen bekrönt werden. Die Giebel sind reich mit [[Bogenfries|Rundbogenfriesen]] geschmückt, der Giebel der reicher geschmückten Nordwand (diese wandte sich zur erzbischöflichen Pfalz hin) noch dazu mit [[Blendarkade]]n. Das Chorquadrat ist nach allen drei offenen Seiten hin mit Giebeln bekrönt, die an ihren Seiten wiederum mit prächtigen Speichenrosen geschmückt sind, die zu den ältesten ihrer Art in Deutschland gehören<ref>Arens, Der Dom zu Mainz, S. 49</ref>. Dort, wo sich über dem Westchor die Giebel kreuzen, thront seit 1769 (1928 durch eine Kopie ersetzt) eine Statue des Hauptpatrons des Domes und des Bistums, des [[Martin von Tours|Hl. Martins]]. Die Apsiden selbst werden von einer säulengeschmückten Zwerggalerie umlaufen. Der große Westturm wurde im Laufe der Zeit mehrfach umgebaut. Zur Zeit der Romanik war er wesentlich niedriger als heute. Aus dieser Zeit stammen heute noch die unteren sichtbaren Geschosse mit ihren Rundbogen. Vor 1490 wurde das gotische Geschoss aufgesetzt und auch ein entsprechender Turmhelm geschaffen, der jedoch 1767 abbrannte. Daraufhin entschied man sich zu der heutigen steinernen Ausführung, die von [[Franz Ignaz Michael Neumann]] geschaffen wurde (dazu genaueres unten). Nach Beendigung der Bauarbeiten wurde der Dom am 4. Juli 1239 von Erzbischof [[Siegfried III. von Eppstein]] eingeweiht. Das Datum gilt bis heute als offizielles Domkirchweihfest. === Gotik am Mainzer Dom === [[Datei:Gotisches Maßwerkfenster.jpg|miniatur|Die gotischen Maßwerkfenster der 1278 angebauten Kapellreihen. Die Verglasung ist nicht mittelalterlich, sondern nach dem Zweiten Weltkrieg entworfen und ausgeführt worden. Im unteren Teil der Fenster sind die idealisierten Portraits bzw. die Wappen der [[Liste der Bischöfe von Mainz|Mainzer (Erz-)bischöfe]] von Willigis bis Karl Kardinal Lehmann dargestellt.]] Zur Zeit der Entstehung des spätromanischen Westbaus erschuf der [[Naumburger Meister]] einen nun schon [[Gotik|gotischen]] West[[lettner]], der eine Weltgerichtsdarstellung zeigte. 1682 wurde er in Folge der liturgischen Reformen des [[Konzil von Trient|Trienter Konzils]] abgebrochen. Die beiden Wendeltreppen, die sich innerhalb des Lettners befunden hatten, wurden in die 1687 errichteten Tribünen integriert, die die Vierung bis heute nach Norden und Süden abgrenzen. Von den Kunstwerken des Westlettners sind ansonsten nur Bruchstücke vorhanden. Einige, darunter der berühmte ''Kopf mit Binde'', sind heute im [[Dom- und Diözesanmuseum (Mainz)|Dom- und Diözesanmuseum]] aufbewahrt. Ein anderes, der [[Bassenheimer Reiter]], ein Martinus-Relief, befindet sich in der [[Bassenheim]]er Pfarrkirche bei [[Koblenz]]. Ab 1279 wurden an die Langhausseiten des Domes nach und nach [[Gotik|gotische]] Seitenkapellen mit großen Maßwerkfenstern angebaut. Erzbischof [[Johann II. von Nassau]] ließ ab 1418 vor dem Ostchor eine zweigeschossige, frei im [[Mittelschiff]] stehende Grabkapelle errichten, von der heute noch der unterirdische Teil (die ''Nassauer (Unter-)Kapelle'') erhalten ist. Gotisch ausgestaltet wurde bis ins 15. Jahrhundert auch das Domäußere: Von 1390 bis 1410 wurde der doppelgeschossige ''[[Kreuzgang]]'' neu errichtet. Es wird vermutet, dass [[Madern Gerthener]] am Bau der Nassauer Kapelle und des Kreuzganges mitgewirkt hat. Von ihm stammt auf jeden Fall das Portal der Memorienkapelle am Übergang zum westlichen Kreuzgangflügel.<ref>[http://www.rheinhessen.de/fileadmin/www.rheinhessen.de/images/kultur/gotik/rh_broschure_liebfrauenland.pdf Liebfrauenland]: Kulturführer [[:Kategorie:Gotisches Bauwerk in Rheinhessen|Gotik in Rheinhessen]].</ref> Die Vierungstürme im Osten (ab 1361) und Westen (ab 1418) wurden mit gotischen [[Glocke#Aufhängung und Läuten|Glockenstuben]] aufgestockt und erhielten steile gotische [[Turmhelm]]e. Diese Arbeiten waren erst 1482 abgeschlossen. Der steile Turmhelm des Ostturms wurde bereits 1579 durch eine flachere achtseitige Spitze ersetzt. Wegen des enormen Gewichts der östlichen Glockenstube musste in den Ostchor nach 1430 ein gotischer Stützpfeiler eingefügt werden, der erst mit dem Abbruch des Glockengeschosses 1871 wieder entfernt wurde. Auch die Treppentürmchen und sogar die Gotthardkapelle erhielten gotische Türmchen bzw. [[Dachreiter]]. Gänzlich neu errichtet wurde die dem Dom vorgelagerte Stiftskirche St. Mariagreden (Liebfrauen). Nach dem Ende der gotischen Baumaßnahmen wurden bis 1767 am Bauwerk selbst keine wesentlichen Veränderungen, sondern nur einige Sanierungsmaßnahmen vorgenommen. Lediglich die Ausstattung (siehe dort) veränderte sich. [[Datei:Mainzer Dom Gudenus.jpg|miniatur|links|Grundriss des Mainzer Doms 1747. Auffällig sind vor allem der [[Narthex]] neben dem Westchor, der 1767 abbrannte, der Pfeiler vor dem Ostchor, die noch vorhandenen Treppen zur Nassauer Kapelle und die Vielzahl der Altäre.]] === Barocke Kunst === Der durch Blitzeinschlag am 22. Mai 1767 wie das übrige Dach abgebrannte große westliche Vierungsturmhelm wurde von [[Franz Ignaz Michael Neumann]], dem Sohn des berühmten [[Balthasar Neumann]], 1769 mit einem mehrstöckigen steinernen Turmhelm versehen, dem der Mainzer Dom bis heute sein charakteristisches Bild zu verdanken hat. Neumann ließ auch sämtliche Dächer des Westbaus in Stein ausführen, um sie brandsicher zu machen. Dabei gestaltete er auch die westlichen Flankentürmchen neu. Neumann arbeitete in barocken Formen, bezog in sein Werk aber auch die am Dom schon vorhandenen Stilelemente der Spätgotik und der Romanik mit ein. Des Weiteren verschwanden die gotischen Giebel der Seitenkapellen, ihre [[Fiale]]n wurden durch Urnen ersetzt. Auch der heutige [[Windrichtungsgeber|Wetterhahn]] des Westturms, der so genannte „Domsgickel“, der Stoff zahlreicher literarischer Betrachtungen von Mainzer Dichtern und Fastnachtern war und ist, stammt in seinem Grundbestand aus der Zeit des damaligen Umbaus. Die Barockzeit brachte auch Veränderungen in der ''Farbgestaltung'' des Domes mit sich. Wie viele Barockneubauten wurde der Dom 1758 innen weiß angestrichen und erhielt außerdem farblose Fenster. Es kann daher vermutet werden, dass der Dom zuvor nicht wie noch der Willigis-Bardo Bau geweißt war. === Der Dom und die Umbauten des 19. Jahrhunderts === [[Datei:Mainzer Dom Merian 1633.jpg|miniatur|Der Mainzer Dom in einer Stadtansicht von Merian 1633. Vor dem Dom die eintürmige Liebfrauenkirche, die 1803 nach Kriegsbeschädigungen abgetragen wurde. Der Dom ist noch mit den alten Dächern aus der gotischen Epoche zu sehen.]] Der Untergang des alten Erzbistums und die damit verbundenen Wirren gingen auch am Mainzer Dom nicht spurlos vorüber. Bei der Beschießung der Stadt durch die [[Preußen]] 1793 wurde der Dom schwer getroffen. Insbesondere die Ostgruppe und der Kreuzgang waren stark in Mitleidenschaft gezogen. Die gotische Liebfrauenkirche [[St. Maria ad Gradus (Mainz)|St. Maria ad Gradus]] wurde ebenfalls schwer beschädigt und 1803 sogar abgebrochen, obwohl dies nicht unbedingt nötig gewesen wäre. In den Zeiten nach der [[Mainzer Republik]] diente der Dom als [[Heerlager]] bzw. Magazin, die Ausstattung wurde verkauft. Schließlich war der Dom selbst vom Abbruch bedroht. Dieses Schicksal wendete Bischof [[Joseph Ludwig Colmar]] mit Hilfe [[Napoléon Bonaparte|Napoleons]] jedoch ab. Colmar führte den Dom wieder seiner ursprünglichen Bestimmung zu. Dies beinhaltete auch umfangreiche Restaurierungsarbeiten, die sich bis 1831 hinzogen. Zunächst wurden das Innere wieder benutzbar gemacht und die Dächer instandgesetzt. Unterbrochen wurden diese Arbeiten von der abermaligen Beschlagnahme durch die französische Armee 1813, die den Dom nach der Niederlage der [[Grande Armée]] als Schweinestall und als Lazarett für 6.000, zum Teil an [[Typhus]] erkrankte Soldaten benutzte. Dabei wurde der größte Teil der verbliebenen hölzernen Ausstattung verheizt. Schon die Nutzung als Heerlager 1803 hatte den Verlust etlicher hölzerner Ausstattungsstücke zur Folge gehabt. Erst im November 1814 wurde der Dom wieder als Kirche benutzt. Dann folgte die Neugestaltung der Dächer und des zerstörten östlichen Hauptturms durch den Regierungsbaumeister [[Georg Moller]]. Moller setzte der alten gotischen Glockenstube 1828 eine spitzbogige [[Puddelverfahren|schmiedeeiserne]] [[Kuppel]] auf. [[Datei:Dom mollerkuppel 1868.jpg|miniatur|Der Mainzer Dom 1868 mit dem „Mollerschen Ei“]] Diese wurde schon 1870 zusammen mit der gotischen Glockenstube wieder abgebrochen, da man aufgrund von Mauerwerksrissen ein zu hohes Gewicht des Turmhelms vermutete – wohl auch, weil die Eisenkuppel keine Akzeptanz in der Öffentlichkeit fand. 1875 wurde von [[Petrus Josephus Hubertus Cuypers|P. J. H. Cuypers]] der heutige neu-romanische östliche Vierungsturm geschaffen. [[Datei:Mainzer Dom 1890-1900.jpg|miniatur|Der Mainzer Dom vor über 100 Jahren (1890–1900)]] Das Werk Cuypers' ist der Abschluss dieser längeren Bauphase am Ostwerk. Da dem Vierungsturm nunmehr das schwere Glockengeschoss fehlte, wurde der alte gotische Stützpfeiler im Inneren abgerissen. Außerdem wurde die Ostchorkrypta wiedererrichtet, wobei man auf die ursprüngliche Höhe der Krypta des Heinrich IV.-Baus verzichtete. Historische [[Fotografie]]n aus der Spätzeit des 19. Jahrhunderts zeigen außerdem, dass der Dom nun entgegen der barocken Farbgestaltung bunt ausgemalt war. Bei der Ausmalung handelt es sich um Werke aus der [[Nazarener (Kunst)|Nazarener]]schule, die vor allem von [[Philipp Veit]] zwischen 1859 und 1864 ausgeführt wurden. Von ihnen sind heute nur noch die [[Neues Testament|neutestamentlichen]] Bibelszenen in den Wandbögen des Mittelschiffs erhalten. === Restaurierungsmaßnahmen im 20. Jahrhundert === Im 20. Jahrhundert wurde am Dom vor allem unter dem Gesichtspunkt der Bewahrung gebaut. Die erste Maßnahme wurde nötig, nachdem die hölzernen Pfahlroste unter den Domfundamenten durch das Absinken des Grundwasserspiegels und den Anbau von Regenrinnen zu faulen begannen. Das Absinken war ein Ergebnis der [[Rheinbegradigung|Rheinuferaufschüttung]] gegen Ende des 19. Jahrhunderts. Die Arbeiten begannen 1909. Als sie zum Ende des Ersten Weltkriegs vorläufig eingestellt wurden, nahmen die durch das instabile Fundament ausgelösten Mauerschäden so zu, dass schließlich der Bestand des Domes an sich gefährdet war. Der Dom wurde daher von 1924 bis 1928 auf Betonfundamente gestellt. Die Gewölbe und Turmaufbauten wurden mit Beton und Stahlankern gesichert, die Obergadenwand mit einer tragenden [[Spritzbeton]]schicht verstärkt (durch dieses „Torkretieren“ wurden die noch zahlreich vorhandenen historische Rüstlöcher verschlossen, was heute die Datierung des Mittelschiffs erschwert). Außerdem wurden im Inneren der heutige rötliche Marmorfußboden eingezogen und die meisten Ausmalungen von Philipp Veit entfernt. Der Architekt [[Paul Meyer-Speer]] entwickelte stattdessen aus den unterschiedlichen Eigenfarben der Sandsteine ein System, bei dem er die Steine im Inneren nach genau vorherbestimmter Abstufung einfärbte. Nachvollziehen kann man diese Art der Farbgestaltung noch heute am Mittelschiff des [[Speyerer Dom]]s. 1959 verschwand diese Farbgebung und ist heute nur noch schwach zu erkennen. Allerdings gibt es Pläne, auf die Farbgestaltung Meyer-Speers im Zuge der Domsanierung zurückzukommen. Im Zweiten Weltkrieg war Mainz mehrmals Ziel größerer [[Luftangriffe auf Mainz|Luftangriffe]]. Im August 1942 erhielt der Dom mehrere Treffer. Dabei wurde das Obergeschoss des Kreuzgangs zerstört, außerdem brannten die meisten Dächer des Doms ab. Das Gewölbe jedoch überstand alle Bombardements. Die äußeren Restaurierungsarbeiten nach dem Krieg, bei denen auch Verwitterungsschäden beseitigt wurden, zogen sich bis in die 1970er-Jahre hin, ebenso wie die Arbeiten an der Innenraumgestaltung, insbesondere der neuen Verglasung. Abschließend wurde der Dom außen mit [[Mineralfarbe]]n rot eingefärbt, maßgeblich war hier Diözesankonservator [[Wilhelm Jung (Historiker)|Wilhelm Jung]]. Zuvor war der Dom nicht vollständig verputzt gewesen und hatte ein rein sandsteinfarbenes Erscheinungsbild. Mit der Rotfärbung glich man ihn in der Farbgebung den meisten historischen Mainzer Gebäuden (zum Beispiel dem [[Kurfürstliches Schloss Mainz|Kurfürstlichen Schloss]]) an. Nach Abschluss der Sanierung beging man 1975 feierlich die Tausendjahrfeier. === Restaurierungsmaßnahmen im 21. Jahrhundert === 2001 begann erneut eine Sanierung des Domes, deren Dauer zu Beginn der Baumaßnahmen auf zehn bis 15 Jahre veranschlagt wurde. Umfasst werden alle Teile des Domes, sowohl innen als auch außen. Während die äußere Farbgebung wegen der Einheitlichkeit im Stadtbild nicht zur Disposition steht, wird im Inneren über eine Rückbesinnung auf die Farbgebung nach der Sanierung von 1928 nachgedacht (siehe oben). Die Arbeiten an der Ostgruppe sind inzwischen beendet worden, ebenso die Neufassung der Obergaden des Langhauses. Derzeit wird die Westgruppe saniert. Im Innern wurde die Sakramentskapelle nach einer umfassenden Sanierung am 11. September 2007 von [[Karl Lehmann|Karl Kardinal Lehmann]] wiedereröffnet. Bei der Sanierung erhielten die beiden Fenster der Sakramentskapelle eine neue Verglasung, die von [[Johannes Schreiter]] gestaltet wurden. Der Altar wurde restauriert und ein Altarbild des „[[Neue Wilde|Neuen Wilden]]“ [[Bernd Zimmer]] angebracht.<ref>[http://www.bistummainz.de/bm/dcms/sites/bistum/bistum/ordinariat/dezernate/dezernat_Z/pressestelle/mbn/mbn_2007/mbn_070912.html#1 Sakramentskapelle des Mainzer Doms wiedereröffnet]</ref> Als nächstes steht die Sanierung der Gotthardtkapelle an, die im August 2008 begonnen hat. == Königskrönungen im Dom == Im Laufe des Mittelalters fanden in Mainz mehrere Königskrönungen statt. Im Hoch- und Spätmittelalter war Aachen der durch Tradition legitimierte Krönungsort, eine Krönung in Mainz wurde von den politischen Gegnern als Formfehler betrachtet, der die Krönung ungültig machte. Nicht alle Krönungen wurden im Mainzer Dom selbst vorgenommen, da dieser, wie beschrieben, im Laufe des Mittelalters einige Male durch Brände beschädigt wurde. Im Dom vorgenommen wurden die Krönungen von * [[Agnes von Poitou]] 1043 durch Erzbischof [[Bardo von Mainz|Bardo]]; * [[Rudolf von Rheinfelden]] (auch: Rudolf von Schwaben; Gegenkönig zu Heinrich IV.) am 26. März oder 7. April 1077 durch [[Siegfried I. von Mainz|Siegfried I. von Eppstein]]; * [[Mathilde von England (Kaiserin)|Mathilde]] (spätere Frau [[Heinrich V. (HRR)|Heinrichs V.]]) durch den Kölner Erzbischof [[Friedrich I. von Schwarzenburg]] am 25. Juli 1110; * [[Philipp von Schwaben]] (8. September 1198) durch Bischof [[Aimo von Tarantaise]]; * [[Friedrich II. (HRR)|Friedrich II.]] am 9. Dezember 1212 durch [[Siegfried II. von Eppstein]]; * [[Heinrich Raspe IV.|Heinrich Raspe]] am 22. Mai 1246 durch [[Siegfried III. von Eppstein]]. Die Krönungen von * [[Heinrich II. (HRR)|Heinrich II.]] (6. Juni 1002) durch Erzbischof [[Willigis]] und * [[Konrad II. (HRR)|Konrad II.]] (8. September 1024) durch Erzbischof [[Aribo von Mainz|Aribo]] fanden vermutlich im alten Dom, der benachbarten [[St.-Johannis-Kirche (Mainz)|Johanniskirche]], statt. == Die Ausstattung == Im Mainzer Dom ist – obwohl er im Laufe der Zeit große Teile seiner Ausstattung verloren hat – eine der reichsten Kirchenausstattungen der Christenheit zu finden. Bedeutendste Stücke sind die Altäre und die Grabdenkmäler der Erzbischöfe und einiger [[Prälat]]en. === Die Ausstattung zur Zeit des Willigis === [[Datei:Mainzer Dom Marktportal.jpg|miniatur|Das romanische Marktportal mit den Bronzetüren des Willigis]] Das frühste Ausstattungsstück, dessen Entstehung und Verlust bekannt ist, ist das so genannte ''Benna-Kreuz''. Dieses [[Triumphkreuz]] bestand aus mit Goldplatten beschlagenem [[Holz]] mit einer überlebensgroßen [[Jesus Christus|Christusfigur]] aus purem [[Gold]]. Erzbischof Willigis hatte sie mit Tributeinnahmen von den [[Langobarden]] finanziert. Noch im Laufe des [[Hochmittelalter]]s wurde das [[Kreuz (Christentum)|Kreuz]] zwischen 1141 und 1160 stückweise von den Erzbischöfen zur Finanzierung ihrer Amtsgeschäfte eingeschmolzen und verkauft. Erhalten blieben dagegen die großen [[Bronzetür]]en, die Meister Berenger in Willigis' Auftrag fertigte. Diese Türen waren laut Inschrift ''die ersten aus Metall gefertigten Türen seit [[Karl der Große|Karl dem Großen]]'', was von Vertretern der Theorie, wonach Willigis mit seinem Dombau Aachen als Krönungsort ablösen wollte, als weitere Demonstration seines Anspruchs angesehen wird. Die Türen waren ursprünglich in der dem Dom vorgelagerten Liebfrauenkirche eingebaut. Diese erstreckte sich nämlich zum Rhein hin und empfing so nach dem Zeremoniell den per Schiff ankommenden König bzw. Kaiser. 1135 ließ Erzbischof [[Adalbert I. von Saarbrücken]] in den oberen Teil der Türen das von ihm gewährte [[Freie Stadt Mainz|Stadtprivileg]] eingravieren. Nach dem Abbruch der Liebfrauenkirche 1803 kamen die Türen an den Dom und bilden dort heute das ''Marktportal''. Über die sonstige Ausstattung des Willigis-Domes ist nicht viel bekannt. Da der Bau schon am Weihetag (oder am Tag zuvor) abbrannte, ist es möglicherweise niemals zu einer reicheren Ausstattung gekommen. Aufgrund der häufigen Baumaßnahmen und Umgestaltungen des Doms sind heute abgesehen von der Bausubstanz und einigen Grabfunden keine Elemente der [[Romanik]] mehr am Dom vorhanden. Eine Ausnahme bildet das so genannte [[Udenheimer Kruzifix]], welches aber nicht zur ursprünglichen Ausstattung gehört, sondern erst 1962 aus der Kirche von [[Udenheim]] angekauft wurde. Die genaue Entstehungszeit dieses Kreuzes ist umstritten, teilweise wird es bis ins 8. Jahrhundert zurückdatiert, meist wird eine Zeit zwischen 1070 und 1140 angenommen. === Gotische Ausstattungsgegenstände === [[Datei:Mainz Cathedral St.Martin Polyptych.JPG|miniatur|Marienaltar (Aufbauten aus dem 19. Jahrhundert)]] Erst mit Anbruch der Gotik wuchs der Reichtum der Ausstattung beständig an. In die ab 1278 angebauten Seitenkapellen wurden gotische [[Altar|Altäre]] eingebaut, die mit Anbruch der Barockzeit nach und nach ersetzt wurden. Bedeutendster noch erhaltener Altar ist der Marienaltar mit der spätgotischen „Schönen Mainzerin“ flankiert von den Heiligen Martin und Bonifatius (um 1510). Der Altarschrein selbst stammt jedoch aus dem Jahre 1875. Ebenfalls aus spätgotischer Zeit stammt auch die große [[Kanzel]] im Mittelschiff, die allerdings 1834 so gründlich erneuert wurde, dass nur noch geringe Teile des ursprünglichen Werks vorhanden sind.<ref>Arens, Der Dom zu Mainz, S. 99.</ref> Weitere heute im Dom befindliche gotische Ausstattungsstücke beherbergte ursprünglich die Liebfrauenkirche. Dazu gehört insbesondere das große [[Taufbecken]] im nördlichen Querhaus, das aus dem Jahr 1328 stammt und einer der größten – wenn nicht der größte – jemals aus [[Zinn]] gegossene Gegenstand ist. Das Taufbecken stand in der Liebfrauenkirche, weil diese als Taufkirche der Dompfarrei diente. Im Dom selbst wurde damals nicht getauft. In die Übergangsphase von der Spätgotik zur Renaissance ist die Grablegungsszene des so genannten [[Adalbert-Meister]]s zu datieren, die sich heute in einer Seitenkapelle des Doms befindet. Nur in Fragmenten erhalten ist dagegen der Westlettner des [[Naumburger Meister]]s. Die Reste finden sich heute größtenteils im Dom- und Diözesanmuseum. === Die Ausstattung zur Zeit des Barock und Rokoko === [[Datei:Wenzel Hollar Mainzer Dom 1632.jpg|miniatur|[[Wenzel Hollar]], Federzeichnung von 1632]] 1631 wurde Mainz von den [[Schweden]] besetzt, die den Dom teilweise plündern ließen. Noch heute befinden sich daher in Museen in [[Uppsala]] Teile des ehemaligen Mainzer Domschatzes. Da die Stadt Mainz nach dem [[Dreißigjähriger Krieg|Dreißigjährigen Krieg]] während der Zeit des [[Barock]] vor allem unter den Erzbischöfen [[Johann Philipp von Schönborn]] (1647–1673) und [[Lothar Franz von Schönborn]] (1695–1729) eine neue Blütezeit erlebte, die mit reger Bautätigkeit einherging, fehlt es auch im Dom nicht an barocken Ausstattungsgegenständen. Viele der gotischen Altäre wurden durch barocke ersetzt, weitere Altäre wurden hinzugefügt, wie etwa der Nassauer Altar von 1601, der sich im nördlichen Querhaus befindet. Ein Jahr später wurde auch das obere Geschoss der Nassauer Kapelle, das mitten in das Mittelschiff des Domes ragte, abgerissen. Das Untergeschoss ist bis heute erhalten. 1687 wurden zwischen die nördlichen und südlichen Vierungspfeiler barocken Tribünen (Choretten) gebaut, auf denen während den Messen die Musiker standen, später wurde dort auch eine Orgel aufgestellt. Das größte und wichtigste Kunstwerk jener Zeit ist jedoch das schon dem [[Rokoko]] zugehörige große [[Chorgestühl]] des Westchors. Es wurde zwischen 1760 und 1765 von [[Franz Anton Hermann]] geschaffen. Die Verzierungen des Chorgestühls, das von einem Standbild des [[Martin von Tours|Hl. Martin]] über dem Baldachin des Bischofs bekrönt wird, stellt keinen Bibelzyklus dar, sondern bildet die Wappen des Erzstiftes und seiner Dignitäten ab und sollte so wohl einen Eindruck von Macht und Herrlichkeit der alten Mainzer Kirche erzeugen. Das Chorgestühl des Ostchors ist wesentlich schlichter ausgeführt und stammt aus der in napoleonischer Zeit abgerissenen Schlosskirche St. Gangolph. === Die spätere Ausstattung === Im 19. Jahrhundert widmete man sich vor allem dem Bauwerk. An Ausstattung kam dagegen mit Ausnahme der Grabdenkmäler für die Bischöfe dieses Jahrhunderts und dem Schrein für die Figurengruppe des Marienaltars wenig Erwähnenswertes hinzu. Aus dem 20. Jahrhunderts ist vor allem das große, an historische Vorbilder erinnernde Kreuz aus [[Bronze]] in der Westvierung zu erwähnen, das zum tausendjährigen Domjubiläum geschaffen wurde. Bedeutend ist auch der „Schrein der Mainzer Heiligen“ in der Ostkrypta des Domes, der 1960 gestiftet worden ist. === Die Grabdenkmäler === [[Datei:Grabdenkmal Erzbischof Albrecht 2-enhanced-hnf-392x896.jpg|miniatur|Grabdenkmal Erzbischof Albrechts von Brandenburg]] Bedeutend für die Kunstgeschichte sind die [[Grabdenkmal|Grabdenkmäler]]. Der Mainzer Dom beherbergt die umfangreichste Sammlung solcher Kunstwerke auf dem Gebiet des ehemaligen Heiligen Römischen Reiches. Die Grabdenkmäler sind der Ausdruck des Selbstverständnisses der Mainzer Erzbischöfe, die damals nicht nur der größten Kirchenprovinz jenseits der Alpen vorstanden, sondern auch ranghöchste Reichsfürsten und lange Zeit Vertreter des Papstes und [[Primas Germaniae]] waren. Mit der Errichtung eines Grabdenkmales für den jeweiligen Vorgänger ordnete sich der Amtsinhaber in die Reihe der Mainzer Erzbischöfe ein und beanspruchte so die ihnen seit Generationen zustehenden Privilegien. Aber nicht nur Erzbischöfe, sondern auch Mitglieder des [[Mainzer Domkapitel]]s ließen sich Grabdenkmäler im Dom errichten. Stilistisch sind in den Grabdenkmälern alle Epochen der europäischen Kunstgeschichte vertreten, von der Gotik über den [[Barock]] bis hin zu den sich wieder am Mittelalter orientierenden Denkmälern den 19. Jahrhunderts. Auf figürliche Darstellung begann man gegen Ende des 19. Jahrhunderts zu verzichten. Das älteste dieser Denkmäler ist das des Erzbischofs [[Siegfried III. von Eppstein]] († 1249). Es zeigt ihn – wie auch später beim Denkmal [[Peter von Aspelt|Peters von Aspelt]] zu sehen – als Königskröner und war ursprünglich noch als Grabplatte gedacht, was man am gemeißelten Kissen unter dem Kopf des Erzbischofs erkennen kann. Erst später wurde es senkrecht an einem Pfeiler des Mittelschiffs angebracht, 1834 wurde es mit Ölfarbe angemalt. Das erste direkt an der Wand angebrachte Grabdenkmal war das von Erzbischof [[Konrad II. von Weinsberg]] († 1396). Die Denkmäler seiner Nachfolger im 15. Jahrhundert gehören zu den qualitativ hochwertigsten. Zu nennen sind vor allem die Grabdenkmäler der Erzbischöfe [[Johann II. von Nassau]] und [[Konrad III. von Dhaun]]. Am Übergang von der ''Spätgotik'' zu [[Renaissance]] sind zunächst die Grabdenkmäler des Erzbischofs [[Berthold von Henneberg]] bemerkenswert, der sich als erster vermutlich schon zu Lebzeiten gleich zwei Denkmäler hatte anfertigen lassen. Die Grabplatte besteht aus damals überaus teurem roten [[Marmor]] und wurde mit einer sich von anderen Grabdenkmälern abhebenden Qualität angefertigt. Bemerkenswert ist auch das Denkmal Erzbischof [[Uriel von Gemmingen|Uriels von Gemmingen]]. Es ist gänzlich anders gestaltet als alle anderen Grabdenkmäler, da es den Erzbischof nicht in herrischer Pose, sondern demütig unter einem Kreuz kniend darstellt. Endgültig zur ''Renaissance'' zählt das Grabdenkmal des Erzbischofs und Kardinals [[Albrecht (Brandenburg)|Albrecht von Brandenburg]]. Albrecht war gleichzeitig Erzbischof von Mainz und von Magdeburg, weswegen er auf seinem Grabdenkmal zwei [[Pallium|Pallien]] trägt. Auch Albrecht hatte sich neben dem Denkmal noch eine Grabplatte anfertigen lassen, welche heute in unmittelbarer Nähe des Denkmals hängt. Als einzige ihrer Art im Mainzer Dom ist ihre Inschrift in deutscher Sprache verfasst. Die Formensprache und Farbgebung des Albrecht-Monuments findet sich auch – da vom selben Künstler stammend – beim Denkmal seines Nachfolgers [[Sebastian von Heusenstamm]]. Das letzte dieser Denkmäler, die den Verstorbenen als Statue zeigen, ist das von Erzbischof [[Damian Hartard von der Leyen]]. Danach werden auf den Denkmälern – falls sie noch aus einer figürlichen Darstellung bestehen – nur noch Szenerien dargestellt. So zeigt zum Beispiel das einzige Denkmal eines Laien den 1689 gefallenen Reichsgrafen Karl Adam von Lamberg, wie er aus dem [[Sarg]] zur [[Auferstehung]] steigt. Aus dieser Epoche, die dem [[Barock]] bzw. dem [[Rokoko]] zuzuordnen ist, stammt auch das mit 8,33&nbsp;m größte Grabdenkmal das Domes, welches den Dompropst [[Heinrich Ferdinand von der Leyen zu Nickenich|Heinrich Ferdinand von der Leyen]] darstellt. Um 1800 begann man dann, sich wieder auf mittelalterliche Vorbilder zurückzubesinnen. Die Grabdenkmäler wurden nun auch wieder als Tumben mit [[Relief (Kunst)|Reliefs]] gestaltet, wie das des bedeutenden Mainzer Bischofs [[Wilhelm Emmanuel von Ketteler]]. Ab 1925 wurden alle Bischöfe in Grabnischen in der dafür neu geschaffenen Westkrypta begraben. == Anbauten und Krypten == === Ostkrypta === [[Datei:MainzOstkrypta.jpg|miniatur|Ostkrypta im Mainzer Dom]] Eine Ostkrypta sah schon die Bauplanung zur Zeit des Kaisers [[Heinrich IV. (HRR)|Heinrich IV.]] vor. Heinrich legte den Grund für eine dreischiffige Hallenkrypta, die aber wohl nie vollendet wurde.<ref name="Arens34" /> Nach dem Tod des Kaisers 1106 ruhten die Arbeiten am Ostbau bis etwa 1125. In den neueren Planungen war jedoch keine Krypta mehr vorgesehen, weswegen die vorhandenen Teile mit Schutt aufgefüllt wurden.<ref name="Arens34" /> Die Krypta wurde 1872 bis 1876 wiedererrichtet. Dabei konnte man die alte Anlage aufgrund der archäologischen Befunde weitgehend rekonstruieren. Man fand sowohl die Sockelplatten der freistehenden Säulen als auch Stufen der ehemaligen Treppenanlage. Auch die Wandgliederung hatte sich erhalten und gab Auskunft über die unter Heinrich IV. geplante Form. Aufgrund der Ähnlichkeit zur Krypta des Speyerer Doms wurde bei den übrigen Baumaßnahmen, insbesondere bei der Gestaltung der [[Kapitell]]e, auf das Speyerer Vorbild zurückgegriffen. Die Ostkrypta ist daher heute eine dreischiffige Halle mit einer Länge von fünf Jochen. Sie ist von den beiden Seitenschiffen aus über Treppen erreichbar. Im Inneren befindet sich ein 1960 geschaffener Schrein, der [[Reliquie]]n der Mainzer Heiligen aufbewahrt. An [[Allerheiligen]] ist die Krypta daher Ziel einer Prozession zum Abschluss der [[Vesper (Liturgie)|Vesper]]. === Westkrypta === [[Datei:MainzWestkrypta.jpg|miniatur|Westkrypta im Mainzer Dom]] Die nach dem ersten Mainzer Erzbischof benannte [[Lullus (Lul)|Lullus]] Krypta wurde erst 1927/28 während der großen Domrenovierung unter der Westvierung erbaut. Es handelt sich um einen rechteckigen Raum mit einer flachen Decke, die durch vier Säulen gestützt ist. Im Westen ist ein steinerner Altar aufgebaut. Die Krypta dient als Grablege der Mainzer Bischöfe und Weihbischöfe seit jener Zeit. Dort liegen daher [[Ludwig Maria Hugo]] († 1935), [[Albert Stohr]] († 1961), Weihbischof [[Josef Maria Reuss]] († 1985), [[Hermann Volk|Hermann Kardinal Volk]] († 1988) und Weihbischof [[Wolfgang Rolly]] († 2008). Die Krypta ist durch Treppen im Nord- und Südquerhaus zugänglich. === Nassauer Unterkapelle === Die Nassauer Unterkapelle befindet sich unter dem Mittelschiff des Doms Richtung Osten (zweites Mittelschiffsjoch von Osten aus, vgl. auch den [[Mainzer Dom#Barocke Kunst|Grundriss von Gudenus]]). Sie bildet ein Rechteck mit den Seitenlängen 7,50&nbsp;m x 6,60&nbsp;m. Zehn kleine Säulen bilden ein Achteck und tragen ein kleines gotisches Gewölbe. Früher befanden sich, wie auf dem Grundriss von Gudenus ebenfalls zu sehen ist, im Langhaus zwei schmale Treppen, die zu der unterirdischen Kapelle hinabführten. Heute ist die Kapelle nur noch durch einen kleinen Gang erreichbar, der sich gegenüber dem unterirdischen Eingang zur Ostkrypta befindet. Die ehemaligen Treppenaufgänge führen heute in Stollen, die sich unter dem Dom befinden. Über der Unterkapelle befand sich ein [[Baldachin]] mit einem Martinsaltar, den Erzbischof [[Johann II. von Nassau]] 1417 oder 1418 gestiftet hatte. Ein Altar an dieser Stelle ist schon 1051 nachweisbar.<ref>Arens, Die Raumaufteilung des Mainzer Domes und seiner Stiftsgebäude bis zum 13. Jahrhundert, in: Willigis und sein Dom, S. 220.</ref> Erzbischof Bardo wurde dort vor einem Altar begraben, über dem sich das Hauptkreuz des Domes befand, woraus sich die Bezeichnung „Kreuzaltar“ ableitete. Ähnliche Altäre gab es zu jener Zeit häufig, unter anderem auch in [[Fulda]], [[St. Aposteln]] in [[Köln]] und im [[Fürstabtei St. Gallen|Kloster St. Gallen]]. Zur Zeit des Erzbischofs Bardo dürfte der Kreuzaltar der Standort des so genannten Benna-Kreuzes gewesen sein, das Erzbischof Willigis gestiftet hatte.<ref>Arens, Die Raumaufteilung des Mainzer Domes und seiner Stiftsgebäude bis zum 13. Jahrhundert, in: Willigis und sein Dom, S. 222.</ref> Der Altar Johanns II. wurde 1683 abgebrochen. Die Unterkapelle findet heute noch ihre Verwendung in der [[Karwoche]]nliturgie, da sich dort eine Grablegeszene ([[Heiliges Grab (Nachbildung)|Heiliges Grab]]) befindet. Ansonsten ist sie geschlossen. === Sakristei === Die heutige [[Sakristei]] entstand in drei Bauphasen. Der erste Teil, die heutige Pfarrsakristei, entstand vermutlich kurz nach der Errichtung des Westchors 1239.<ref>Arens, Der Dom zu Mainz, S. 61.</ref> Er ist in seinem Stil enger an gotische Formen angelehnt als der Westbau. Die erste Erweiterung geschah 1501 unter Erzbischof [[Berthold von Henneberg]] (1484–1504), der dort einen Teil des Domschatzes unterbrachte. Die zweite Erweiterung erfolgte 1540 durch [[Albrecht von Brandenburg]] (1514–1545), der die Räumlichkeiten für die Aufnahme des so genannten [[Hallesches Heiltum|Halleschen Heiltums]] benötigte, das er nach Mainz hatte bringen lassen. === Gotthardkapelle === Die Gotthardkapelle wurde bis 1137 von Erzbischof [[Adalbert I. von Saarbrücken]] neben dem Nordquerhaus als Palastkapelle errichtet. Im 12. Jahrhundert befand sich die Residenz des Erzbischofs noch unmittelbar am Dom. Sie befand sich westlich der Kapelle und war mit dieser durch einen Zugang verbunden, dessen Wandöffnung heute noch sichtbar ist. Die quadratische Gotthardkapelle ist als [[Doppelkapelle]] ausgeführt. Vier Pfeiler unterteilen den Raum in neun Quadratjoche. Das mittlere blieb ohne Gewölbe, so konnte in der Oberkapelle der Erzbischof (wenn er nicht selbst zelebrierte) und sein Hofstaat der Messe folgen, die Unterkapelle war für die Dienerschaft und das Volk vorgesehen.<ref name="Arens39">Arens, Der Dom zu Mainz, S. 39.</ref> Die Gotthardkapelle ist eine der ältesten erhaltenen Bauten dieser Art.<ref name="Arens39" /> Mit Ausnahme der [[Kapitell]]e der Zwerggalerie, die sich außen um die sichtbaren Seiten des Baus erstreckt, ist die Kapelle arm an Bauschmuck. Ihren Mittelturm, der im Laufe der Zeit dem jeweiligen Geschmack angepasst wurde, hat sie verloren. Nachdem die erzbischöfliche Pfalz im 15. Jahrhundert vom Dom ans Rheinufer zur [[Martinsburg (Burg)|Martinsburg]] verlegt worden war, verlor die Kapelle an Bedeutung. Das mittlere Joch wurde später eingewölbt, da die ursprüngliche Funktion der Öffnung nun nicht mehr gegeben war. Die Kapelle besitzt eine weiter herausgeschobene Apsis in der Mitte nach Osten hin und zwei kleinere rechts und links davon. Früher stand in jeder von ihnen ein Altar, der mittlere diente bis ins 20. Jahrhundert als Sakramentsaltar des Doms. Heute ist die Deckenöffnung in der Mitte der Kapelle wiederhergestellt. Im Obergeschoss wurde eine [[Orgel]] aufgestellt. Die mittlere Apsis wurde in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts neu gestaltet. An die Stirnseite kam 1962 das so genannte Udenheimer Kruzifix, das aus dem Hochmittelalter stammt. Die Kapelle wird für die Werktagsmessen des Domstifts benutzt. === Kreuzgang === [[Datei:Kreuzgang Mainzer Dom.jpg|250 px|miniatur|Blick über den Domfriedhof auf Süd- und Westflügel des Kreuzgangs]] Zum Bau eines Kreuzgangs ist es am Willigis-Dom nicht mehr gekommen. Der erste Kreuzgang des Doms wurde von den Nachfolgern erbaut, jedoch ist dieser – vermutlich mehrfach erneuerte – Kreuzgang nicht mehr erhalten. Der heutige [[Kreuzgang]] wurde zwischen 1400 und 1410 im Stil der Gotik an der Südseite des Doms errichtet. Er besitzt wohl die Größe seines Vorgängerbaus, von dem auch noch Mauerreste und ein Kellerraum aus dem frühen 13. Jahrhundert erhalten ist. Der im gotischen Stil ausgeführte Bau ist dreiflügelig und doppelstöckig.<ref>Arens, Der Dom zu Mainz, S. 135.</ref> Damit weist er gleich in zweifacher Weise Besonderheiten auf. Offenbar hatte der Kreuzgang nur drei anstatt vier Flügel, weil ein vierter Flügel die großen Maßwerkfenster der gotischen Seitenkapellen verdeckt hätte, die im 14. Jahrhundert an das Langhaus des Domes angebaut worden waren. Doppelstöckig wurde der Kreuzgang ausgeführt, weil man im Obergeschoss die große Dombibliothek aufbewahren wollte. Der Kreuzgang besteht aus 24 [[Joch (Architektur)|Jochen]], die von einem einfachen Kreuzrippengewölbe überspannt sind. Er diente wie alle Kreuzgänge als Verbindungsgang zwischen den um ihn errichteten Stiftsgebäuden und daneben vor allem als Beerdigungsstätte für Mitglieder des Domstifts. 1793 wurde er bei der Beschießung der Stadt schwer getroffen und im 19. und 20. Jahrhundert stark restauriert. 1942 brannte der Kreuzgang nach Bombentreffern aus. Von 1952 bis 1969 wurde er anschließend schrittweise wieder restauriert. Im Obergeschoss befindet sich heute das [[Dom- und Diözesanmuseum (Mainz)|Dom- und Diözesanmuseum]]. Das Untergeschoss wird heute noch als Prozessionsweg benutzt, außerdem finden sich dort noch etliche Grabdenkmäler und Ausgrabungsfunde. Das vom Kreuzgang umschlossene Gelände wird heute als Domfriedhof genutzt. [[Datei:Mainzer Dom Memorie aussen.JPG|miniatur|links|Ägidius-Chor der Mainzer Memorie]] === Memorie === Die so genannte Memorie ist an das Südquerhaus im Westen angebaut. Sie entstand in der spätromanischen Bauphase von 1210 bis 1230. Bei der Memorie handelt es sich um den ehemaligen [[Kapitelsaal]] des Domkapitels. Da den Kapitularen das Recht zustand, sich dort begraben zu lassen, wurde der Kapitelsaal wie auch in anderen Dombauten (Bamberg, Eichstätt, Würzburg) allmählich zum [[Mausoleum]]. Die Sitzungen des Kapitels fanden daher später in Räumlichkeiten am Südflügel des Kreuzgangs statt, die im Gegensatz zur Memorie zum Teil auch beheizbar waren. Der alte Saal diente dann vor allem dem Totengedenken, woraus sich auch der heutige Name ableitet. Von der Funktion als Kapitelsaal zeugt jedoch noch heute der steinerne Thron an der Westseite des Anbaus und die umlaufende Steinbank an den Wänden. Die Memorie ist ein quadratischer Raum mit einer Seitenlänge von 12,20&nbsp;m, der von einem einzigen [[Gewölbe]] (Kreuzrippengewölbe) überspannt ist und in sofern von der damals üblichen Form abweicht, nach der Kapitelsäle in neun Gewölbejoche unterteilt waren. Der Baumeister deutete jedoch eine solche Unterteilung an, indem er die West- und Südwand in drei Bogen unterteilte. Auffällig ist auch, dass der Kreuzgang nicht wie sonst am Kapitelsaal vorbeiläuft, sondern von diesem unterbrochen wird. Im Westen ist der Kreuzgang daher nur durch die Memorie betretbar. Im Osten besaß die Memorie von Anfang an eine kleine Apsis, in der auch ein Altar aufgestellt war. Der romanische Bogen über der Maueröffnung ist heute noch erhalten. Die Apsis wurde dagegen abgebrochen und 1486 durch einen gotischen Bau ersetzt. Der ursprüngliche Zugang zum südlichen Seitenschiff, ein romanisches Portal über dem der Hl. Martin thront, wurde später zugemauert und durch ein gotisches Portal ersetzt. === Nikolauskapelle === Die Nikolauskapelle grenzt direkt an Kreuzgang und Memorie an. Eine Kapelle mit diesem [[Patrozinium]] ist schon 1085 bezeugt,<ref>Arens, Die Raumaufteilung des Mainzer Domes und seiner Stiftsgebäude bis zum 13. Jahrhundert, in: Willigis und sein Dom, S. 207.</ref> der heutige Bau entstand vor 1382, also noch vor der Errichtung des jetzigen Kreuzgangs. Die Kapelle bildet ein aus drei Jochen bestehendes Rechteck, wobei die inzwischen nicht mehr vorhandene Apsis mit dem Altar wegen der Ostung an einer Längsseite angebracht war. Das Patrozinium lässt auf eine Verbindung der Kapelle mit der Domschule schließen, da [[Nikolaus von Myra]] als Schutzpatron der Kinder angesehen wird. Gleichwohl diente die heutige Kapelle vor allem als Erweiterung der Memorie.<ref>Arens, Die Raumaufteilung des Mainzer Domes und seiner Stiftsgebäude bis zum 13. Jahrhundert, in: Willigis und sein Dom, S. 208.</ref> Zwischen der Memorie und der Nikolauskapelle befindet sich eine doppelläufige Wendeltreppe. Derartige Anlagen sind nur selten anzutreffen.<ref>Arens, Der Dom zu Mainz, S. 138.</ref> Die beiden Spiralen laufen übereinander her, so dass die Anlage von Memorie oder Nikolauskapelle aus zum Aufstieg oder Abstieg aus dem oberen Geschoss des Kreuzgangs benutzt werden kann, ohne dass man sich dabei begegnen würde. In der Nikolauskapelle ist heute der Domschatz ausgestellt. === Stiftsgebäude === Die Baugeschichte der Stiftsgebäude am Kreuzgang ist unzureichend erforscht.<ref>Arens, Der Dom zu Mainz, S. 147.</ref> Ursprünglich dienten diese Gebäude dem gemeinsamen Zusammenleben (vita communis) der Stiftsangehörigen ähnlich wie in den Klöstern. Das Zusammenleben des Domstifts hörte jedoch schon in der Mitte des 13. Jahrhunderts auf, die Mitglieder wohnten nun in eigenen Häusern. Die ehemaligen Speise- und Schlafsäle, die Wärmestuben und sonstigen Räumlichkeiten wurden danach anderen Bestimmungen zugeführt, möglicherweise auch der Domschule.<ref>Arens, Die Raumaufteilung des Mainzer Domes und seiner Stiftsgebäude bis zum 13. Jahrhundert, in: Willigis und sein Dom, S. 216.</ref> Am Südflügel existiert heute noch ein ehemals 51&nbsp;m langer Bau, der zweigeteilt ist. In seiner heutigen Form entstammt er dem 14. Jahrhundert. Nachdem die Memorie als Kapitelsaal weggefallen war, fanden die Kapitelsitzungen in Räumlichkeiten im Südflügel statt. Dort befanden sich beheizbare Räume. 1489 wurde noch eine kleine Kapitelstube angebaut, die heute noch besteht. Die meisten ehemaligen Stiftsgebäude werden heute vom [[Dom- und Diözesanmuseum (Mainz)|Dom- und Diözesanmuseum]] belegt. == Orgel == === Überblick über frühere Orgelbauten === Die ersten Zeugnisse über eine im Dom vorhandene [[Orgel]] stammen aus dem Jahr 1334. Sie geben aber keinen Aufschluss über den Orgelbau an sich, sondern lediglich über die Verwendung der Orgel im Gottesdienst. 1468 ist eine Orgel auf dem Ostlettner bezeugt, die dort zur Chorbegleitung eingesetzt wurde. Diese Orgel könnte von [[Hans Tugi]] (auch: Hans von Basel) stammen, der vermutlich 1514 die erste nachweisbare Langhausorgel im Mainzer Dom erbaute. Andere Quellen sprechen allerdings davon, dass diese Orgel bereits 1501 gebaut wurde und Hans Tugi 1514 lediglich Veränderungen am bereits vorhandenen Orgelbau vornahm. 1545/46 folgte bereits die erste gründliche Restaurierung der Domorgeln. Grundsätzlich geben die Quellen darüber Auskunft, dass die Domorgeln in relativ kurzen Zeitintervallen gewartet bzw. restauriert werden mussten, was vermutlich mit den klimatischen Verhältnissen innerhalb der Basilika zusammenhing. 1547 baute man auf den Westlettner eine weitere Orgel, die bereits 1560 zusammen mit der Langhausorgel restauriert werden musste. Die Arbeiten wurden von [[Veit ten Bent]] ausgeführt, der im Anschluss daran 1563 gleich eine ganz neue Orgel für das Langhaus baute. Diese Orgel bestand aus Hauptwerk, Rückpositiv und Pedal und wurde als so genannte „Schwalbennestorgel“ im Mittelschiff gegenüber der Kanzel aufgehängt. Der Dekan des Johannesstiftes, Johann Ludwig Güntzer, stiftete 1702 eine neue Orgel für den nunmehr barocken Westlettner, die nach ihm benannte Güntzersche Chorettenorgel. Sie wurde 1792 abgerissen und zum Teil in andere Orgelbauten in [[Hochheim am Main|Hochheim]] und [[Miltenberg]] ausgelagert. 1793 beschossen die Preußen das [[Geschichte der Stadt Mainz|französisch besetzte Mainz]] und zerstörten dabei auch die Langhausorgel Veit ten Bents. Nach dem Wiederaufbau des Domes 1803 wurde zumindest aus den Resten der Güntzerschen Orgel eine neue Orgel – diesmal auf der nördlichen Chorette des Westlettners – aufgestellt. 1866 wurde in den Westchor eine neue Chororgel eingebaut, die über 10 Register verteilt auf je ein [[Klaviatur|Manual]] und Pedal. 1899 wurde dieser Orgel ein weiteres Manual hinzugefügt. Die Orgel wurde auf der Südseite des Westchores hinter das Chorgestühl verlegt, wobei der [[Spieltisch (Orgel)|Spieltisch]] zwischen die Sitzreihen verlegt wurde, wo sich auch heute noch der Spieltisch der Westchororgel befindet. Während den Sanierungsarbeiten im Dom in den 20er-Jahren des 20. Jahrhunderts wurde die Schlimbach-Orgel so stark beschädigt, dass ein Neubau beschlossen wurde, den die Fa. [[Johannes Klais Orgelbau|Klais]] durchführte. Diese Orgel verfügte über 75 Register auf vier [[Klaviatur|Manualen]] und Pedal. Sie hatte [[Kegellade]]n und [[Tonkanzelle|Registerkanzellen]] mit einer elektro-pneumatischen [[Traktur]]. Sie wurde aus Denkmalschutzgründen komplett hinter dem Chorgestühl aufgestellt, was akustisch sehr ungünstig war. Schon 1960 entschied man sich daher zum Umbau. === Die heutige Orgelanlage === Der Mainzer Dom verfügt heute über eine der kompliziertesten [[Orgel]]anlagen. Dem Denkmalschutz Rechnung tragend, wurden die Orgelwerke möglichst unscheinbar in den Kirchenraum eingefügt. Die Orgeln des Mainzer Doms haben 114 Register mit 7984 Pfeifen. In der Glöcknerstube des Mainzer Doms, die sich hoch oben im nördlichen Querhaus befindet, wurde 2003 ein Register mit so genannten ''[[Spanische Trompete|Spanischen Trompeten]]'' eingebaut. Die vom Volksmund ''Kardinalstrompeten'' genannten Pfeifen begrüßen den Bischof an hohen Feiertagen. Bedingt durch die schwierige Akustik im Dom, welche sich durch die vielen Anbauten (vor allem der gotischen Kapellenreihen, s. o. Geschichte) ergibt, ist das Orgelspiel im Dom eine größere Herausforderung. Der Nachhall jedes angespielten Tones beträgt über sechs Sekunden, die im Osten angespielten Töne hört der Organist vom Zentralspieltisch aus nur mit kleiner Zeitverzögerung. Auch wegen der akustischen Schwierigkeiten wurde immer wieder über eine neue Langhausorgel ([[Schwalbennestorgel]]) nachgedacht<ref>http://www.orgelmagazin.com/pfeifensplitter/einzelansicht/seite/7/artikel/dom-orgel-klangraum.html</ref>. Diese Pläne werden jedoch in naher Zukunft nicht umgesetzt werden. ==== Westchor-Orgel ==== Bei der Domrestaurierung 1960 wurden Teile der alten [[Orgelmanufaktur Klais|Klais]]-Orgel von 1928 durch die Fa. [[Kemper (Orgelbauer)|Kemper]] umgestaltet und als zweiteiliges Werk links und rechts hinter das Westchorgestühl gesetzt. Die Orgel besitzt einen eigenen [[Spieltisch (Orgel)|Spieltisch]] im Westchor. Von dort aus kann auch die Nordwandorgel angespielt werden. {| border="0" cellspacing="0" cellpadding="10" style="border-collapse:collapse;" | style="vertical-align:top" | {| border="0" | colspan=2 | '''I Manual (III)''' C–a<sup>3</sup> ---- |- |Prinzipal || 16' |- |Prinzipal || 8' |- |Offenflöte || 8' |- |Schweizerpfeife || 8' |- |Nachthorngedackt || 8' |- |Oktav || 4' |- |Nachthorn || 4' |- |Quinte || 2<sup>2</sup>/<sub>3</sub>' |- |Oktave || 2' |- |Mixtur IV-VI |- |Zymbel VI || 1’ |- |Bombarde || 16' |- |Trompete || 8' |} | style="vertical-align:top" | {| border="0" | colspan=2 | '''II Manual (IV)<br />(schwellbar)''' C–a<sup>3</sup> ---- |- |Spitzflöte || 8' |- |Lieblich Gedackt || 8' |- |Unda maris || 8' |- |Prinzipal || 4' |- |Blockflöte || 4' |- |Nachthorn || 2' |- |Nasat || 1<sup>1</sup>/<sub>3</sub>' |- |Sifflöte || 1’ |- |Sesquialter II || 2<sup>2</sup>/<sub>3</sub>' |- |Scharff IV |- |Krummhorn || 8' |- |Clairon || 4' |- | |- |''Tremulant'' |} | style="vertical-align:top" | {| border="0" | colspan=2 | '''Pedal''' C–f<sup>1</sup> ---- |- |Untersatz || 32' |- |Prinzipalbaß || 16' |- |Subbaß || 16' |- |Oktavbaß || 8' |- |Flötbaß || 8' |- |Pedaloktav || 4' |- |Rauschpfeife IV || 4' |- |Posaune || 16' |- |Schalmey || 4' |- |Cornett || 2' |} |} * ''[[Koppel (Orgel)|Koppeln]]:'' III/I, II/I, III/II, III/P, II/P, I/P. * ''[[Spielhilfen]]:'' 3 freie Kombinationen, 2 freie Pedalkombinationen, Handregister zu Kombination, Tutti, Zungen ab, 16' ab, 32' ab, Registerschweller, Walze ab, Koppeln in Walze ab. ==== Südemporen-Orgel ==== Der Mainzer Dom verfügt in seiner Vierung über zwei sog. Choretten, die die Vierung nach Norden und Süden ähnlich einem Lettner abtrennen. Auf der Südchorette befindet sich die Südemporenorgel, das Leitwerk der Orgelanlage. Im Wesentlichen besteht diese ebenfalls aus Teilen der alten [[Orgelmanufaktur Klais|Klais]]-Orgel von 1928. Dort befindet sich außerdem der ''Zentralspieltisch'' mit sechs [[Klaviatur|Manualen]], von dem alle Pfeifen der gesamten Orgelanlage einzeln angespielt werden können. {| border="0" cellspacing="0" cellpadding="10" style="border-collapse:collapse;" | style="vertical-align:top" | {| border="0" | colspan=2 | '''I Manual (I)''' C–a<sup>3</sup> ---- |- |Quintade || 16' |- |Prinzipal || 8' |- |Gedackt || 8' |- |Gemshorn || 8' |- |Oktav || 4' |- |Querflöte || 4' |- |Quintade || 4' |- |Nasat || 2<sup>2</sup>/<sub>3</sub>' |- |Oktav || 2' |- |Waldflöte || 2' |- |Mixtur VI || 1<sup>1</sup>/<sub>3</sub>' |- |Zimbel III || <sup>1</sup>/<sub>2</sub>' |- |Oboe || 8' |- |Helltrompete || 4' |- | |- |''Tremulant'' |} | style="vertical-align:top" | {| border="0" | colspan=2 | '''Pedal''' C–f<sup>1</sup> ---- |- |Subbass || 16' |- |Flötbass || 8' |- |Choralbass || 4' |- |Trompete || 8' |} |} ==== Nordwand-Orgel ==== Nordwandorgel: Auch diese Orgel besteht im Wesentlichen aus der alten viermanualigen [[Orgelmanufaktur Klais|Klais]]-Orgel. Zusammen mit dem Führungswerk auf der Chorette stellt sie das Hauptwerk dar. {| border="0" cellspacing="0" cellpadding="10" style="border-collapse:collapse;" | style="vertical-align:top" | {| border="0" | colspan=2 | '''III Manual (II)<br />(schwellbar) ''' C–a<sup>3</sup> ---- |- |Gedackt || 16' |- |Prinzipal || 8' |- |Hohlflöte || 8' |- |Quintade || 8' |- |Salicional || 8' |- |Oktav || 4' |- |Rohrflöte || 4' |- |Blockflöte || 2' |- |Terzflöte ''(ab c<sup>0</sup>)'' || 1<sup>3</sup>/<sub>5</sub>' |- |None || <sup>8</sup>/<sub>9</sub>' |- |Oktävlein || <sup>1</sup>/<sub>2</sub>' |- |Rauschpfeife II || 2<sup>2</sup>/<sub>3</sub>' |- |Mixtur V || 1' |- |Rankett || 16' |- |Kardinalstrompete || 8' |- |Trompete ged. || 8' |- |Geigenregal || 4' |- | |- |''Tremulant'' |} | style="vertical-align:top" | {| border="0" | colspan=2 | '''Pedal''' C–f<sup>1</sup> ---- |- |Prinzipalbass || 16' |- |''Gedacktbass (III)'' || ''16''' |- |Oktavbass || 8' |- |''Quintade (III)'' || ''8''' |- |Pedaloktav || 4' |- |Nachthorn || 2' |- |Rauschpfeife IV |- |Posaune || 16' |- |Trompete || 4' |} |} ==== Ostchor-Orgel ==== Die Ostchororgel der Fa. [[Kemper (Orgelbauer)|Kemper]] ist eine komplett neu geschaffene Orgel von 1960. Eingebaut ist sie aus Denkmalschutzgründen nicht in die [[Konche (Architektur)|Konche]], also den Scheitelpunkt der Ostapsis, sondern seitlich oben links und rechts in die so genannten Kaiserlogen. Die Ostchororgel, die ebenfalls einen eigenen Spieltisch hat, dient vor allem der Führung des Gemeindegesanges und der Begleitung des [[Stundengebet]]s im Ostchor. {| border="0" cellspacing="0" cellpadding="10" style="border-collapse:collapse;" | style="vertical-align:top" | {| border="0" | colspan=2 | '''I Hauptwerk (V)''' C–a<sup>3</sup> ---- |- |Pommer || 16' |- |Prinzipal || 8' |- |Holzflöte || 8' |- |Spitzgambe || 8' |- |Oktave || 4' |- |Quintade || 4' |- |Gedackt || 4' |- |Quinte || 2<sup>2</sup>/<sub>3</sub>' |- |Rauschpfeife III |- |Scharff IV |- |Mixtur VIII |- |Spanische Fanfare (horizontal) || 16' |- |Spanische Trompete (horizontal) || 8' |- | |- |''Tremulant'' |} | style="vertical-align:top" | {| border="0" | colspan=2 | '''II Schwellwerk (VI)''' C–g<sup>3</sup> ---- |- |''Schwellbar:'' |- |Spitzgedackt || 8' |- |Quintade || 8' |- |Lochflöte || 4' |- |Strichflöte || 4' |- |Prinzipal || 2' |- |Waldflöte || 2' |- |Nonensesquialter III |- |Zwergzymbel V |- |Spanische Trompete (horizontal) || 8' |- |Spanische Fanfare (horizontal) || 4' |- | |- |''Nicht schwellbar:'' |- |Salizet || 8' |- | |- |''Tremulant'' |} | style="vertical-align:top" | {| border="0" | colspan=2 | '''Pedal''' C–f<sup>1</sup> ---- |- |Pommer || 16' |- |Subbass || 16' |- |Oktavbass || 8' |- |Gedecktbass || 8' |- |Choralbass || 4' |- |Quintade || 2' |- |Rauschpfeife V |- |Fanfare (horizontal) || 16' |- |Trompete (horizontal) || 8' |- |Trompete (horizontal) || 4' |} |} ==== Hauptspieltisch ==== Vom 6-manualigen Hauptspieltisch (vgl. Manualangaben in Klammern) können alle Teilorgeln gespielt werden. * ''[[Koppel (Orgel)|Koppeln]]:'' II/I, III/I, IV/I, V/I, VI/I, III/II, IV/II, V/II, VI/II, IV/III, VI/V, I/P, II/P, III/P, IV/P, V/P, VI/P. * ''[[Spielhilfen]]:'' 4 freie Kombinationen, 2 freie Pedalkombinationen, 3 Schwelltritte, Crescendowalze. == Glocken == → ''Hauptartikel:'' [[Liste der Glocken des Mainzer Doms]] === Geschichte === Quellen aus der Frühzeit der [[Glocke]]n am Mainzer Dom stehen nicht zur Verfügung.<ref name="Glocken">Ludwig Link: ''Die Glocken des Mainzer Doms''. Mainzer Almanach Jg. 1959, S. 60–83.</ref> Eine Quelle aus dem Jahr 1705 nennt 25 Glocken auf dem Westturm, eine weitere Auflistung von 1727 nennt jedoch nur 13 Glocken, vier im Westturm, neun im Ostturm. Nur diese Quelle enthält auch eine genauere Auflistung der einzelnen Glocken. Vor der Zerstörung des Ostturms bei der Beschießung 1793 hingen die Pfarrglocken im Ostturm, die Stiftsglocken im Westen. Eine präzise gefasste [[Läuteordnung]], die im Sakristeibuch Albrechts von Brandenburg überliefert ist, bestimmte, wann welche Glocken zu läuten waren.<ref>Franz-Rudolf Weinert: ''Mainzer Domliturgie zu Beginn des 16.&nbsp;Jahrhunderts – Der liber ordinarius der Mainzer Domkirche''. A. Francke-Verlag, Tübingen/Basel 2008.</ref> Bei der Brandkatastrophe von 1767 wurden die Glocken des Westturms vernichtet. Das [[Mainzer Domkapitel]] gab umgehend den Guss von vier neuen Glocken in Auftrag. 1774 wurden sie in den Westturm gehoben. Schon 1793 geriet der Dom in Folge der Beschießung der damals von den Franzosen besetzten Stadt durch Reichstruppen erneut in Brand. Das Feuer vernichtete den gesamten Glockenbestand des Doms mit Ausnahme der ''Bonifatiusglocke'', die auf das Gewölbe stürzte und dabei riss. 16 Jahre hatte der Dom keine Glocken. === Heutiges Geläut === {| class="wikitable sortable" align="right" | style="background-color:#dddddd;" | '''Nr.'''<br />&nbsp; | style="background-color:#dddddd;" | '''Name'''<br />&nbsp; | style="background-color:#dddddd;" | '''Gussjahr'''<br />&nbsp; | style="background-color:#dddddd;" | '''Gießer, Gussort'''<br />&nbsp; | style="background-color:#dddddd;" | '''Gewicht''' <br />(kg) | style="background-color:#dddddd;" | '''[[Nominal (Glocke)|Nominal]]'''<br />([[Halbton|HT]]-<sup>1</sup>/<sub>16</sub>) |- | 1 || [[Martin von Tours|Martinus]] || align="center"|1809 || Josef Zechbauer, Mainz || align="right"|3550 || '''b<sup>0'''</sup> –3 |- | 2 || [[Maria (Mutter Jesu)|Maria]] || align="center"|1809 || Josef Zechbauer, Mainz || align="right"|2000 || '''c<sup>1'''</sup> –3 |- | 3 || [[Albertus Magnus|Albertus]] || align="center"|1960 || F.&nbsp;W.&nbsp;Schilling, Heidelberg || align="right"|1994 || '''d<sup>1'''</sup> –3 |- | 4 || [[Willigis]] || align="center"|1960 || F.&nbsp;W.&nbsp;Schilling, Heidelberg || align="right"|1607 || '''es<sup>1'''</sup> –3 |- | 5 || [[Joseph von Nazareth|Joseph]] || align="center"|1809 || Josef Zechbauer, Mainz || align="right"|1050 || '''f<sup>1'''</sup> –3 |- | 6 || [[Bonifatius]] || align="center"|1809 || Josef Zechbauer, Mainz || align="right"|550 || '''g<sup>1'''</sup> –3 |- | 7 || [[Bilhildis von Altmünster|Bilhildis]] || align="center"|1960 || F.&nbsp;W.&nbsp;Schilling, Heidelberg || align="right"|548 || '''b<sup>1'''</sup> –3 |- | 8 || [[Heiliger Geist]] || align="center"|2002 || Ars Liturgica, Maria Laach || align="right"|274 || '''d<sup>2'''</sup> –1 |- | 9 || [[Lioba von Tauberbischofsheim|Lioba]] || align="center"|1960 || F.&nbsp;W.&nbsp;Schilling, Heidelberg || align="right"|147 || '''f<sup>2'''</sup> –3 |} Die Grundlage des heutigen Domgeläuts bildet das vierstimmige Ensemble des Mainzer Glockengießers Josef Zechbauer (b<sup>0</sup>–c<sup>1</sup>–e<sup>1</sup>–g<sup>1</sup>). Nach langen Verhandlungen gelang des dem Mainzer Bischof [[Joseph Ludwig Colmar]] 1809, das Material für den Guss neuer Glocken zu beschaffen. Napoleon überließ ihm dafür 20 Zentner Bronze, die aus erbeuteten preußischen Kanonen stammten. Ursprünglich hatte Colmar die Herstellung von drei Glocken mit 100, 80 und 60 Zentnern Gewicht geplant.<ref name="Glocken" /> Schließlich entschied man sich für den Guss von vier neuen Glocken. Sie wurden im September 1809 im Kreuzgang des Doms gegossen. Für den neu zu konstruierenden Glockenstuhl stiftete der letzte Mainzer Kurfürst [[Karl Theodor von Dalberg]] 70 Spessarteichen.<ref>Link, Die Glocken des Mainzer Doms, S. 66</ref> Der Glockenstuhl ist erhalten geblieben. Nicht geklärt ist, woher die beiden Glocken stammten, die 1917 bei der Erfassung der Domglocken im Laufe des [[Erster Weltkrieg|Ersten Weltkriegs]] benannt wurden und wann sie in den Domturm gelangt sind.<ref name="Glocken" /> Eine der Glocken ging im Ersten, die andere im [[Zweiter Weltkrieg|Zweiten Weltkrieg]] verloren. 1960 entschloss man sich zur Anschaffung von vier weiteren Glocken um das Domgeläut zu ergänzen. Der Heidelberger Gießermeister [[Friedrich Wilhelm Schilling]] wurde mit der Aufgabe betraut. Außerdem klangkorrigierte er drei Glocken des Zechbauer-Geläuts; die ehemalige e<sup>1</sup>-Glocke stimmte er einen [[Halbton]] höher auf f<sup>1</sup> um. Der Glockenstuhl von 1809 musste zur Aufnahme der neuen Glocken erweitert werden, wobei die alten Glocken in ihren historischen Holzjochen verblieben. 2002 wurde <!-- anstelle einer Eisenhartgussglocke von 1917 /// Quelle? -->eine neue Bronzeglocke in Schilling'scher Rippe von Ars Liturgica im Kloster Maria Laach nachgegossen. Das Domgeläut ist heute das umfangreichste Geläut des Bistums. === Läuteordnung === Die [[Läuteordnung]] des Domes umfasst zwölf verschiedene Kombinationen.<ref>[http://downloads.bistummainz.de/4/339/1/60000132130013492077.pdf Läuteordnung der Kathedrale im Kalendarium des Domkapitels, S. 12.]</ref> Bei [[Pontifikalamt|Pontifikalämtern]] und an [[Hochfest]]en läuten alle neun Glocken. Bei [[Requiem|Pontifikalrequien]] läuten die ersten acht Glocken, bei [[Vesper (Liturgie)|Pontifkalvespern]] die Glocken 1, 3, 5, 6, 7 und 8. Die anderen liturgischen Feiern, Stiftsämter, Stiftsvespern, Pfarrmessen und weitere Anlässe haben ein entsprechend abgestuftes kleineres Geläut, das zum Teil noch hinsichtlich der jeweiligen Zeit im Kirchenjahr (Advent, Fastenzeit, Osterzeit, Jahreskreis) variiert. Zum [[Angelusläuten|Angelus]] läutet in der Regel die Glocke 4 ''(Willigis)'', woran sich am Abend Glocke 8 ''(Heiliger Geist)'' zum Gedächtnis an die Verstorbenen anschließt. An den höchsten Festen des Kirchenjahres läutet mittags die größte Glocke ''(Martinus)'' zum Angelus. == Die Maße des Domes == * Länge über alles: 109&nbsp;m innen, 116&nbsp;m außen * Länge des Mittelschiffs: 53&nbsp;m * Breite des Mittelschiffs: 13,60&nbsp;m * Höhe des Mittelschiffs: 28&nbsp;m * Breite des Langhauses (ohne Kapellen): 31,55&nbsp;m * Breite der Seitenschiffe (licht): 6,51&nbsp;m – 6,56&nbsp;m * Durchmesser des Trikonchos im Westen (von Norden nach Süden): 24,25&nbsp;m * Höhe des Westturms: 83,50&nbsp;m (mit Wetterhahn) * Lichte Höhe der Ostkuppel: 38&nbsp;m * Lichte Höhe der Westkuppel: 44&nbsp;m == Sonstiges == [[Datei:BM-MainzerDom2009+Stempel.jpg|miniatur|[[Briefmarken-Jahrgang 2009 der Bundesrepublik Deutschland|Sonderbriefmarke]] zu 1000 Jahre des Weihetages 2009 mit Ersttag-Sonderstempel aus Mainz]] * 1184 feierte Kaiser [[Friedrich I. (HRR)|Barbarossa]] am Pfingstfest die [[Ritterschlag|Schwertleite]] seiner Söhne im Mainzer Dom. Das dazu [[Mainzer Hoftag von 1184|gegebene Fest]] ging als größtes Fest des [[Mittelalter]]s in die Geschichte ein. * Am 1. Februar 2009 begannen mit einem Festgottesdienst die offiziellen Feierlichkeiten zum 1000-jährigen Jubiläum der Einweihung des Domes. Die Predigt hielt der Mainzer Bischof Karl Kardinal Lehmann. Die Feierlichkeiten endeten am 15. November mit einem Pontifikalamt. *Anlässlich der 1000-Jahrfeier gab es auch mehrere Sondersendungen im Fernsehen. Darunter beispielsweise eine Gesprächsrunde der ZDF-Sendung [[nachtstudio]] am 1. November 2009 im Altarraum des Domes, unter der Leitung von [[Volker Panzer]] Gesprächspartner waren [[Karl Lehmann|Karl Kardinal Lehmann]], [[Étienne François]], [[Michael Matheus]] und [[Stefan Weinfurter]].<ref>[http://www.zdf.de/ZDFde/inhalt/24/0,1872,7912504,00.html 1000 Jahre Mainzer Dom - 1000 Jahre deutsche Geschichte] Sendung am 1. November 2009</ref> == Siehe auch == * [[Liste von Kathedralen und Domen]] * [[Liste bekannter Kirchengebäude]] * [[Liste der Bischöfe von Mainz]] == Literatur == * [[Fritz Arens]]: ''Der Dom zu Mainz'', Neubearbeitet und ergänzt von [[Günther Binding]], 2. Auflage Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt, 1998 ISBN 3-534-13729-9 * Josef Heinzelmann: ''Mainz zwischen Rom und Aachen. Erzbischof Willigis und der Bau des Mainzer Doms.'' In: ''Jahrbuch für westdeutsche Landesgeschichte.'' Koblenz 30.2004, S.7–32. * [[Franz Dumont]], [[Ferdinand Scherf]], Friedrich Schütz (Hrsg.): ''Mainz. Die Geschichte der Stadt''. 2. Auflage. Philipp von Zabern, Mainz 1999, ISBN 3-8053-2679-3 * Friedhelm Jürgensmeier (Hrsg.): ''Die Bischofskirche St. Martin zu Mainz''. Knecht, Frankfurt am Main 1986, ISBN 3-7820-0534-1 * [[Barbara Nichtweiß]] (Hrsg.): ''Lebendiger Dom. St. Martin zu Mainz in Geschichte und Gegenwart''. Philipp von Zabern, Mainz 1998, ISBN 3-8053-2511-8 * [[Friedrich Schneider (Geistlicher)|Friedrich Schneider]]: ''[http://dlib.bg.pwr.wroc.pl/publication/1160 Der Dom zu Mainz – Geschichte und Beschreibung des Baues und seiner Wiederherstellung.]'' Ernst und Korn, Berlin 1886. * August Schuchert, [[Wilhelm Jung (Historiker)|Wilhelm Jung]]: ''Der Dom zu Mainz. Ein Handbuch''. 3. Auflage. Verlag Druckhaus Schmidt & Bödige, Mainz 1984. * Bernhard Schütz, Wolfgang Müller: ''Deutsche Romanik. Die Kirchenbauten der Kaiser, Bischöfe und Klöster''. Herder, Freiburg i. Br. 1989, ISBN 3-451-21175-0 (Sonderausgabe: Komet, Frechen 2002, ISBN 3-89836-212-4) * [[Rudolf Kautzsch]]:''Der Mainzer Dom und seine Denkmäler'', Frankfurt am Main 1925 * [[Anton Philipp Brück]] (Hg.): ''Willigis und sein Dom. Festschrift zur Jahrtausendfeier des Mainzer Doms'', Selbstverlag der Gesellschaft für Mittelrheinische Kirchengeschichte, Mainz 1975 <!-- keine ISBN --> * Ludwig Link: ''Die Glocken des Mainzer Doms'' in: ''Mainzer Almanach, Beiträge aus Vergangenheit und Gegenwart'', Verlag Druckhaus Schmidt & Co Mainz, 1959 == Einzelnachweise == <references/> == Weblinks == {{Commonscat|Mainz Cathedral}} {{Commonscat|Bishops of Mainz in heraldry}} * [http://www.mainzer-dom.de/ Homepage zum Mainzer Dom] *[http://www.dom-mainz.de/ 1000 Jahre Mainzer Dom] Seite der Stiftung Hoher Dom zu Mainz * [http://www.mainz.de/WGAPublisher/online/html/default/mkuz-5v9eue.de.html Dom St. Martin - 1000 Jahre Stadtgeschichte] * [http://www.mainzer-domchor.de/ Musica Sacra am Hohen Dom zu Mainz] * [http://www.dombauverein-mainz.de/ Dombauverein Mainz] * [http://www.dompfarrei-mainz.de/ Dompfarrei St. Martin] * [http://iprod.fh-mainz.de/projekte/forschung/Mainzer%20Dom/Dom1.htm Bauforschung am Mainzer Dom] * [http://downloads.bistummainz.de/4/339/1/60000132130013492077.pdf Kalendarium des Domkapitels mit weitergehenden Informationen (z.B. Läuteordnung)] (PDF-Datei; 201 kB) * [http://www.mainzerdom.zdf.de Online-Rundgang (ZDF)] * [http://www.1000-jahre-mainzer-dom.de Themenseite zum Mainzer Dom] ([[Institut für Geschichtliche Landeskunde an der Universität Mainz]]) {{Coordinate |NS=49/59/56/N |EW=8/16/27/E |type=landmark |region=DE-RP}} [[Kategorie:Mainzer Dom|!Mainzer Dom]] [[Kategorie:Kirchengebäude in Mainz|Dom]] [[Kategorie:Kirchengebäude im Bistum Mainz]] [[Kategorie:Romanisches Bauwerk in Rheinland-Pfalz]] [[Kategorie:Kaiserdom]] [[Kategorie:Katholische Bischofskirche (Deutschland)]] [[Kategorie:Martinskirche|Mainz]] [[Kategorie:Kulturdenkmal in Mainz]] [[Kategorie:Disposition einer Orgel|Mainz, Mainzer Dom]] [[Kategorie:Erbaut im 10. Jahrhundert]] [[Kategorie:Erbaut im 11. Jahrhundert]] {{Exzellent}} [[cs:Mainzer Dom]] [[en:Mainz Cathedral]] [[es:Catedral de Maguncia]] [[eu:Mainzeko Katedrala]] [[fr:Cathédrale Saint-Martin de Mayence]] [[it:Duomo di Magonza]] [[ka:მაინცის საკათედრო ტაძარი]] [[nl:Dom van Mainz]] [[pl:Katedra w Moguncji]] [[pt:Catedral de Mainz]] [[ru:Майнцский собор]] [[sk:Dóm svätého Martina (Mainz)]] ozd60aqjxatmy2935jq9b0dzhno9nqb wikitext text/x-wiki Malaria 0 23883 26479 2010-05-08T11:27:20Z 89.247.125.134 /* Genetische Mutationen und Bedeutung der Malaria in der Menschheitsgeschichte */ typo {{Dieser Artikel|erläutert die Krankheit Malaria; für die deutsche Band siehe [[Malaria!]].}} {{Infobox ICD | 01-CODE = B50 | 01-BEZEICHNUNG = Malaria tropica durch ''Plasmodium falciparum'' | 02-CODE = B51 | 02-BEZEICHNUNG = Malaria tertiana durch ''Plasmodium vivax'' | 03-CODE = B52 | 03-BEZEICHNUNG = Malaria quartana durch ''Plasmodium malariae'' | 04-CODE = B53 | 04-BEZEICHNUNG = Sonstige parasitologisch bestätigte Malaria | 05-CODE = B54 | 05-BEZEICHNUNG = Malaria, nicht näher bezeichnet }} '''Malaria''' (aus dem italienischen ''mala aria'' oder ''mal'aria'' „schlechte Luft“, die insbesondere aus den Sümpfen steigt) – auch '''Sumpffieber''' oder '''Wechselfieber''' genannt – ist eine nichtnamentlich [[Meldepflichtige Krankheit|meldepflichtige]] [[Tropenkrankheit]], die von einzelligen [[Parasit]]en der Gattung ''[[Plasmodium]]'' hervorgerufen wird. Die Krankheit wird in den [[Tropen]] und [[Subtropen]] durch den Stich einer weiblichen [[Stechmücken|Stechmücke]] (Moskito) der Gattung ''[[Anopheles]]'' übertragen. Außerhalb dieser Gebiete lösen gelegentlich durch Flugreisende eingeschleppte Moskitos die sogenannte „Flughafen-Malaria“ aus. Hierbei sind alle Personen im direkten Umfeld von [[Flughafen|Flughäfen]] gefährdet, z.&nbsp;B. Flughafenbedienstete oder Anwohner. Bis auf eine Übertragung durch [[Bluttransfusion]] und Laborunfälle ist eine Mensch-zu-Mensch-Ansteckung nur gelegentlich von der Mutter auf das ungeborene Kind möglich, wenn die [[Plazenta]] (besonders während der Geburt) verletzt wird. Der Mensch und die Anopheles-Mücken stellen das einzige nennenswerte Erregerreservoir [[humanpathogen]]er Plasmodien dar. Bislang galten nur vier Erreger als humanpathogen: ''[[Plasmodium falciparum]]'', ''[[Plasmodium vivax]]'', ''[[Plasmodium ovale]]'' und ''[[Plasmodium malariae]]''. Neueste Forschungsergebnisse deuten jedoch darauf hin, dass ein weiterer Stamm, der bislang hauptsächlich als für Affen gefährlich galt, auch in größerer Zahl als bislang angenommen den Menschen infizieren kann: ''[[Plasmodium knowlesi]]'' <ref>Trust Sanger Institute und ''Pain A Böhme U, Berry AE et al.(2008) The genome of the simian and human malaria parasite Plasmodium knowlesi. Nature 455: 751-756'' [http://www.sanger.ac.uk/Info/Press/2008/081008.shtml]</ref> Hinsichtlich ihres Krankheitsverlaufes und ihrer geographischen Verbreitung unterscheiden sie sich erheblich. ''Plasmodium falciparum'' ist der klinisch bedeutsamste und bedrohlichste Erreger. Die [[Symptom]]e der Malaria sind hohes, wiederkehrendes bis periodisches [[Fieber]], [[Schüttelfrost]], Beschwerden des [[Magen-Darm-Trakt]]s und [[Krampf|Krämpfe]]. Besonders bei Kindern kann die Krankheit rasch zu [[Koma]] und [[Tod]] führen. [[Datei:Anopheles gambiae mosquito feeding 1354.p lores.jpg|240px|thumb|Die Stechmücke Anopheles bei der Blutmahlzeit]] == Epidemiologie == === Geographische Verteilung === Die geographische Verteilung der Malaria (siehe Karte 2005 - aktuelle Karte bei der DTG, Weblinks!) ähnelt der Temperaturverteilung der Erde. Die als [[Vektor (Biologie)|Überträger]] geeigneten [[Anopheles]]arten kommen praktisch auf allen Kontinenten vor, wobei das Verbreitungsgebiet der [[Anopheles]]-Mücke auf niedrige Meereshöhen (unter 2.500 m am [[Äquator]] und unter 1.500 m in den restlichen Regionen) begrenzt ist. Durch die zunehmende [[Globale Erwärmung|Klimaerwärmung]] wird die polwärtsgerichtete Ausbreitung der Malaria wahrscheinlicher, da sich die Reifungsgeschwindigkeit der Erreger und die Geburtenrate der Mücken mit der Temperatur erhöhen. In Mitteleuropa wurde die Malaria durch die zunehmende Trockenlegung von Sumpfgebieten und die Verstädterung der Lebensweise (und damit das Ausdünnen der Mückenpopulation) ausgerottet. Insbesondere die [[Renaturierung]] von [[Auen]] und Sumpfgebieten erhöht daher das Risiko für die Wiederkehr der früher als „[[Marschenfieber]]“ (Norddeutschland) oder „[[Sumpffieber]]“ (Süddeutschland) gefürchteten Krankheit nach [[Deutschland]]. Das Risiko in den einzelnen [[Endemie]]gebieten ist sehr unterschiedlich, was auch saisonale und geographische Gründe hat. Im [[Sahara|subsaharischen]] [[Afrika]] überwiegt ''Plasmodium falciparum'' deutlich vor allen anderen Plasmodienarten. [[Datei:Malaria distribution (de).png|thumb|center|500px|Malariarisikogebiete mit Chemoprophylaxeempfehlungen der DTG]] === Genetische Mutationen und Bedeutung der Malaria in der Menschheitsgeschichte === [[Datei:Spreading homo sapiens.jpg|thumb|[[Ausbreitung des Menschen|Ausbreitung des ''Homo sapiens'']] in den letzten 200.000 Jahren.]] Der moderne [[Mensch]] (''Homo sapiens'') war während des größten Teils der Menschheitsgeschichte der Bedrohung durch Malaria-Infektionen ausgesetzt. Man schätzt, dass die ersten Vertreter der Gattung ''Homo sapiens'' vor ungefähr 200.000 Jahren in Ostafrika auftraten. Von dort breiteten sie sich allmählich über die ganze Erde aus. Die klimatisch kalten und Malaria-freien Regionen der Welt wurden erst in den letzten 20-30.000 Jahren durch moderne Menschen besiedelt. Im Laufe der Zeit sind in der menschlichen Population Mutationen aufgetreten, die eine gewisse Resistenz gegen die schweren Verlaufsformen der Malaria bieten. Diese Mutationen betreffen die [[Erythrozyten]] (roten Blutkörperchen), in denen sich der Malaria-Parasit entwickelt. In erster Linie handelt es sich um [[Mutation]]en in den [[Gen]]en des Hämoglobins ([[Hämoglobinopathie]]n) aber auch um Mutationen im Stoffwechsel der Erythrozyten: * Bildung von Hämoglobin-Mutanten: ** [[Sichelzellenanämie]] (Bildung von Hämoglobin S, im tropischen Afrika) ** Hämoglobin C (in Westafrika) ** Hämoglobin E (in Südostasien) ** Hämoglobin D (in Indien) * Verminderte Synthese des Hämoglobins: ** α-/β-[[Thalassämie]] (im Mittelmeerraum, ganz Südasien, Nordafrika) * [[Enzym]]defekte im Erythrozytenstoffwechsel: ** [[Glucose-6-Phosphat-Dehydrogenase-Mangel|Glucose-6-Phosphat-Dehydrogenase (G6PDH)-Mangel]] [[Heterozygot]]e Anlageträger (mit nur einem mutierten [[Allel]]) können an Malaria erkranken, sind jedoch gegenüber den schweren Verlaufsformen geschützt, da sich die Malariaparasiten nicht so gut in den Erythrozyten vermehren können. [[Homozygot]]e Anlageträger (beide Allele mutiert) haben unbehandelt häufig eine deutlich verkürzte Lebenserwartung (z. B. bei Sichelzellanämie), da die Funktion der Erythrozyten gestört ist. Weltweit gesehen sind etwa 8% der heutigen Weltbevölkerung von einer der obigen Mutationen betroffen. Die Hämoglobinopathien sind damit die bei weitem häufigsten menschlichen Erbkrankheiten. In manchen Regionen der Welt (Gebiet um die ostafrikanischen Seen, Teile Südostasiens) sind bis zu 50% der dortigen Bevölkerung Anlageträger. Die Tatsache, dass sich derartige Mutationen, die größtenteils erhebliche Nachteile vor allem in homozygoter Form für den jeweiligen Träger mit sich bringen, in der menschlichen Population haben halten können, ist ein eindrucksvoller Beleg dafür, welchen großen genetischen Druck die Malaria auf die Menschheitsentwicklung ausgeübt hat. In Nicht-Malaria-Gebieten (Nordeuropa, Nordasien) sind die o.g. Mutationen bei der einheimischen Bevölkerung nicht zu finden, sie sind durch den Selektionsdruck innerhalb einiger Tausend Jahre eliminiert worden. === Jährliche Opfer und Inzidenz === Nach Angaben der [[Weltgesundheitsorganisation|Weltgesundheitsorganisation (WHO)]] sterben weltweit jährlich knapp eine Million Menschen an Malaria, etwa die Hälfte von ihnen sind Kinder unter fünf Jahren. 90 % der Erkrankten leben auf dem afrikanischen Kontinent. Die Zahl der jährlichen Neuerkrankungen wird auf 300.000–500.000 Fälle geschätzt. Insgesamt gab es 2006 247 Millionen Infizierte.<ref>WHO 2006: [http://apps.who.int/malaria/wmr2008/MAL2008-SumKey-EN.pdf]</ref> In Deutschland werden jährlich ca. 900 Erkrankte gemeldet, von denen 3–8 sterben (0,3–0,9 %). Der Großteil der Patienten ist in afrikanischen [[Endemie]]gebieten unterwegs gewesen (ca. 87 %). {| class="prettytable" style="background:#EEEEEE;" !Jahr |1980 |1981 |1982 |1983 |1984 |1985 |1996 |1998 |1999 |2000 |2001 |2002 |2003 |2004 |2005 |2006 |- !Gemeldete Fälle<br />in Deutschland<sup>*</sup> |573 |393 |514 |447 |481 |530 |> 1.000 |1.008 |931 |800 |1.049 |860 |820 |708 |628 |568 |- |} :<small>* vor 1990 nur für die BRD und Westberlin Quelle <ref>(für Fallzahlen ab 2001): Robert Koch Institute: [http://www3.rki.de/SurvStat SurvStat]</ref>, Datenstand: 1. August 2007 </small> == Erreger == === Liste humanpathogener Erreger === {| align=right border=0 | {| border="2" cellspacing="0" cellpadding="4“ rules="all" style="margin:0; border:solid 1px #AAAAAA; border-collapse:collapse; background-color:#F9F9F9; font-size:95%; empty-cells:show;" ! Plasmodium!! Inkubationszeit!! Malariaform!! Teilungsdauer/Fieberanfälle |- | ''P. falciparum'' || 7–30 Tage (90 %)<br />länger (10 %)* || Malaria tropica || unregelmäßig |- | ''P. malariae'' || 16–50 Tage || Malaria quartana || 72 Stunden |- | ''P. ovale'' || 12–18 Tage<br />länger (10 %)* || Malaria tertiana || 48 Stunden |- | ''P. vivax'' || 12–18 Tage<br />länger (10 %)* || Malaria tertiana || 48 Stunden |- |} |- | <small>(* bei unzureichender Malariaprophylaxe)<small> |} Für den Menschen gefährlich sind die Erreger ''Plasmodium falciparum'', ''Plasmodium vivax'', ''Plasmodium ovale'', ''Plasmodium malariae'' und ''Plasmodium knowlesi'', die verschiedene Formen der Malaria auslösen können. Darüber hinaus kann auch ''Plasmodium semiovale'' Malaria auslösen. Bei Mehrfachinfektionen mit gleichen oder verschiedenen Plasmodien können die Fieberanfälle auch unregelmäßig sein. Das sonst typische Wechselfieber bleibt aus, es herrscht konstantes Fieber. === Lebenszyklus === [[Datei:Plasmodium zyklus.png|thumb|400px|Lebenszyklus der Plasmodien]] Im Laufe ihres [[Lebenszyklus (Biologie)|Lebenszyklus]] vollziehen die Erreger der Malaria, die Plasmodien, einen [[Wirtswechsel]]. Der Mensch dient dabei als [[Zwischenwirt]]. Als [[Endwirt]] dienen Stechmücken, insbesondere der Gattung Anopheles. In ihnen findet die Vermehrung der Plasmodien statt. ==== Im Menschen (asexuelle Phase / ''Schizogonie'') ==== Nachdem der Mensch von einer infizierten Anopheles-Mücke gestochen wurde, sondert sie mit ihrem [[Speichel]], welcher [[Antikoagulation|Gerinnungshemmer]] enthält, ca 10–15 [[Sporozoit]]en ab. Diese werden mit dem Blutstrom zur [[Leber]] getragen, wo sie in die Zellen des Lebergewebes eindringen und darin zum ''Leberschizont'' heranreifen. Dort findet eine Vermehrung (Teilung) statt, die ''exoerythrozytäre [[Schizogonie]]'' genannt wird. Dadurch entstehen bis zu 30.000 [[Merozoit]]en. Der [[Schizont]] platzt, und die ''Merozoiten'' gelangen in die Blutbahn. Bei ''Plasmodium vivax'' und ''Plasmodium ovale'' verbleiben [[Hypnozoit]]en ungeteilt im Lebergewebe. In diesem Ruhezustand können sie über Monate bis Jahre verbleiben. Durch einen unbekannten Stimulus reifen sie zu Schizonten heran, was zu charakteristischen Rückfällen der Malaria tertiana führt. Die ''Merozoiten'' gehen in den [[Blutkreislauf]] über und befallen sodann [[Erythrozyten|rote Blutkörperchen]]. Sie dringen in diese ein und verwandeln sich dort in Ringformen, die zu einem [[Trophozoit]] heranreifen. Dieser verwandelt sich wiederum in einen Schizonten und kann im Durchschnitt acht bis zwölf ''Merozoiten'' freisetzen; bei ''Plasmodium falciparum'' sogar bis zu 32. Eine geringe Zahl von ''Merozoiten'' entwickeln sich zu Geschlechtsformen, ''Gametozyten''. Diese befinden sich nach meist einer Woche in geringer Anzahl im Blut, weshalb sie in der Routinediagnostik kaum entdeckt werden. Die männlichen [[Gametozyt]]en werden ''Mikrogametozyten'' und die weiblichen ''Makrogametozyten'' genannt. ==== In der Mücke (sexuelle Phase / ''Sporogonie'') ==== Beim erneuten Stich einer Mücke werden die ''Gametozyten'' in die Mücke aufgenommen. Sie entwickeln sich in ihrem [[Darm]] zu ''[[Gamet]]en''. Der ''Mikrogamet'' penetriert den ''Makrogameten'', und es entsteht eine ''[[Zygote]]''. Diese verändert sich, nimmt eine längliche Form an und wird ''motil'' (= beweglich), diese Zelle heißt nun [[Ookinet]]. Er lagert sich zwischen den Gewebeschichten des Mückendarms an und verwandelt sich dort zur [[Oozyste]]. In ihr entstehen bis zu 1.000 neue ''Sporozoiten''. Nach ihrer Freisetzung wandern sie in die Speicheldrüsen der Mücke und stehen nun zur Neuinfektion bereit. Der Zyklus in der [[Anopheles]] dauert abhängig von der Außentemperatur zwischen 8–16 Tagen. Dabei ist eine Mindesttemperatur von 15&nbsp;°C erforderlich. Unterhalb dieser [[Temperatur]] kommt kein Zyklus mehr zustande. == Pathogenese == [[Datei:Malaria.jpg|thumb|Plasmodium im Zytoplasma einer befallenen Zelle ([[Elektronenmikroskop|EM-Aufnahme]] in Falschfarben)]] [[Datei:Plasmodium falciparum rings form parasites4885 lores.jpg|thumb|''Plasmodium falciparum – Ringformen]] Die mit ''Plasmodien'' infizierten, reifenden und platzenden roten Blutkörperchen setzen mit den ''Merozoiten'' [[Toxin]]e (z.&nbsp;B. [[Phospholipid]]e) frei, welche wiederum zur Freisetzung von [[Zytokin]]en führen. Die Zytokine sind hauptsächlich für den Fieberanstieg und einer beobachteten Absenkung des Blutzuckerspiegels ([[Hypoglykämie]]) verantwortlich. Die mit einer [[Laktatazidose]] verbundene Hypoglykämie wird nicht nur durch die Wirkung der Zytokine hervorgerufen, sondern ist auch eine Folge des [[Stoffwechsel]]s der [[Parasit]]en. Ebenso kommt es bei hoher Parasitenanzahl im Blut durch Auflösung ([[Lyse (Biologie)|Lyse]]) der roten Blutkörperchen, Abbau von befallenen roten Blutkörperchen in der [[Milz]] und Dämpfung der [[Erythropoese]] im [[Knochenmark]] durch die Zytokinfreisetzung (insbesondere durch den [[Tumornekrosefaktor]]-Alpha) zu einer [[Anämie]]. Darüber hinaus bestehen zwischen ''Plasmodium falciparum'' und den anderen Malariaerregern wichtige [[Pathogenese|pathogenetische]] Unterschiede. === ''Plasmodium falciparum'' === In den roten Blutkörperchen produziert der ''Trophozoit'' [[Protein]]e, wie zum Beispiel ''Pf''EMP1 (''Plasmodium falciparum infected erythrocyte membrane protein 1''), welches eine Bindung der infizierten Blutkörperchen an das [[Endothel]] der [[Blutgefäß]]e bewirkt. Die damit verbundenen [[Mikrozirkulation]]sstörungen erklären zumindest teilweise den deutlich schwereren Verlauf der durch ''Plasmodium falciparum'' hervorgerufenen Malaria tropica. Die Anhaftung der roten Blutkörperchen am Endothel und die mangelnde Verformbarkeit der befallenen [[Zelle (Biologie)|Zellen]], führt zu einer Verlegung der [[Kapillare (Anatomie)|Kapillaren]] und somit zu einer Störung der [[Sauerstoff]]- und Nährstoffversorgung der Umgebung. Dies hat im [[Zentrales Nervensystem|zentralen Nervensystem]] besonders dramatische Auswirkungen und die häufigen zentralen Komplikationen der Malaria tropica zur Folge. Besonders kleine Kinder können in ein lebensbedrohliches [[Koma]] verfallen (cerebrale Malaria). === Übrige Plasmodien === Die übrigen Plasmodienarten sind nicht in der Lage am Endothel zu haften, womit auch die geringere Anzahl an [[Durchblutungsstörung]]en und somit die geringe Gefährlichkeit zu erklären ist. ''Plasmodium malariae'' unterscheidet sich von den anderen humanpathogenen Plasmodien dadurch, dass es vereinzelt auch andere höhere Primaten befällt. == Klinik == Aufgrund des unterschiedlichen Verlaufs der Erkrankung kann zwischen der ''Malaria tropica'', der ''Malaria tertiana'' und der ''Malaria quartana'' unterschieden werden. Die ''Malaria tropica'' ist dabei die schwerste Verlaufsform der Malaria. === Malaria tropica === Die ''Malaria tropica'' wird durch den Erreger ''Plasmodium falciparum'' verursacht. Charakteristisch für die ''Malaria tropica'' sind die hohe [[Parasitämie]], die teils ausgeprägte Anämie und die häufig vorkommenden [[Neurologie|neurologischen]] [[Komplikation]]en. Es kann ein rhythmischer Fieberverlauf vorliegen. Ein Fehlen der Fieberrhythmik ist jedoch kein Ausschlusskriterium einer ''Malaria tropica''. ==== Inkubationszeit ==== Zwischen dem Stich der Anopheles-Mücke und dem Krankheitsausbruch liegen im Mittel zwölf Tage. Erheblich kürzere Zeitintervalle treten bei einer Infektion mit erregerhaltigem Blut auf. Längere [[Inkubationszeit]]en sind unter Einnahme einer unzureichenden [[Chemoprophylaxe]] möglich. ==== Fieber ==== Das typische wechselnde Fieber mit [[Schüttelfrost]] beim Fieberanstieg und Schweißausbrüchen bei Entfieberung, wie es bei anderen Malariaformen auftritt, wird bei der ''Malaria tropica'' in der Regel nicht beobachtet. Daher kann man eine Malaria, eine ''Malaria tropica'' insbesondere, nicht allein aufgrund der Tatsache ausschließen, dass keine typische Fieberrhythmik vorliegt. Ein hohes Fieber über 39,5&nbsp;°C tritt häufig bei Kindern auf und ist als prognostisch ungünstig zu beurteilen. Häufig kommt es zu zentralen Komplikationen und [[Koma]]. ==== Neurologische Komplikationen ==== [[Bewusstseinsstörung]]en, die bis zum Koma reichen können, stellen eine typische Komplikation der ''Malaria tropica'' dar. Dabei sind plötzliche Wechsel der Bewusstseinslage ohne Vorzeichen durchaus möglich. Es kann auch zu einer langsamen Eintrübung des Patienten kommen. Im Rahmen einer [[zerebral]]en Malaria können auch neurologische [[Herdsymptom]]e wie Lähmungen und [[Krampfanfall|Krampfanfälle]] auftreten. Die normale neurologische Diagnostik führt hier kaum zu einer adäquaten Diagnose. Eine hohe Parasitenzahl im Blut dient als entscheidender Hinweis. Bei Schwangeren und Kindern können [[Hypoglykämie]]n auftreten, die allein oder mit der zentralen Problematik zum Koma führen. ==== Anämie ==== [[Anämie]]n treten häufig bei schweren Infektionen auf. Eine besondere Risikogruppe für schwere Anämien stellen Säuglinge und Kleinkinder dar. Meist handelt es sich um eine [[hämolytische Anämie]] durch Zerstörung roter Blutkörperchen. Wie oben erwähnt besitzt auch die Hemmung der [[Erythropoese]] eine gewisse Bedeutung. Die Schwere der Anämie korreliert stark mit dem Ausmaß des Parasitenbefalls. ==== Hämoglobinurie ==== Der durch die massive [[Hämolyse]] angestiegene [[Hämoglobin]]-Spiegel im Blut führt zu einer [[Hämoglobinurie]] (daher die frühere Bezeichnung ''Schwarzwasserfieber''), dem Ausscheiden von Hämoglobin über die [[Niere]]n. Diese Hämoglobinurie kann zu einem [[Akutes Nierenversagen|akuten Nierenversagen]] führen. ==== Veränderungen anderer Organsysteme ==== [[Datei:Plasmodium falciparum nephrosis edema PHIL 3894 lores.jpg|thumb|Kind mit massiven Ödemen ([[Anasarka]]) aufgrund malariabedingter Niereninsuffizienz]] Im Laufe der Erkrankung kann es zu einer Vergrößerung der [[Milz]] ([[Splenomegalie]]) kommen, bedingt durch die große Zahl dort abzubauender Trümmer roter Blutkörperchen. In seltenen Fällen führt das Gewebswachstum zu einer Spannung der Kapsel, so dass diese leicht einreißen kann ([[Milzruptur]]). Den Magen-Darm-Trakt betreffende Symptome wie Durchfälle sind häufig und [[Differentialdiagnose|differentialdiagnostisch]] von Bedeutung, da sie bei fehlendem oder schwach ausgeprägtem Fieber zur falschen [[Diagnose]] [[Bakterium|bakterielle]] [[Enteritis]] führen können. In bis zu zehn Prozent der Fälle kann eine [[Lunge]]nbeteiligung auftreten, die von leichten Symptomen bis zu einem [[Lungenödem]] reichen kann. Nicht selten kommt es durch eine Durchblutungsstörung der [[Niere]] zu einem akuten [[Nierenversagen]]. Nach ausgeheilter Infektion erholt sich die Niere meist. === Malaria tertiana === Die ''Malaria tertiana'' wird durch die Erreger ''Plasmodium vivax'' oder ''Plasmodium ovale'' verursacht. Sie ist eine der gutartigen Verlaufsformen der Malariaerkrankung. Es treten im Vergleich zur ''Malaria tropica'' kaum Komplikationen auf. Das Hauptproblem besteht darin, die unspezifischen Vorsymptome von der bösartigen ''Malaria tropica'' abzugrenzen. Dies gelingt meist nur in der mikroskopischen Diagnostik. ==== Inkubationszeit ==== Die Inkubationszeit beträgt zwischen 12 und 18 Tagen, kann aber auch mehrere Monate dauern, wenn der Verlauf der Infektion durch die [[Chemoprophylaxe]] verlangsamt wird. ==== Fieber ==== Nach einer unspezifischen [[Prodromalphase]] von wenigen Tagen stellt sich normalerweise die typische Dreitagesrhythmik ein, die der ''Malaria tertiana'' ihren Namen gab: Tag 1 mit Fieber, Tag 2 ohne Fieber und Tag 3 wieder mit Fieber. Die Fieberattacken gehorchen meist folgendem Schema: * '''Froststadium''' (1 Stunde): Der Patient leidet unter Schüttelfrost und dem subjektivem Gefühl starker Kälte. In dieser Phase steigt die Temperatur steil an. * '''Hitzestadium''' (4 Stunden): Die Haut brennt häufig quälend. Es treten schwere [[Übelkeit]], [[Erbrechen]] und Mattigkeit auf. Die Temperatur kann über 40&nbsp;°C betragen, die Haut ist im Gegensatz zum nächsten Stadium meist trocken. * '''Schweißstadium''' (3 Stunden): Unter starkem Schwitzen sinkt die Temperatur bis zum Normalwert von 37&nbsp;°C, Nachlassen der Mattigkeit noch vor Entfieberung. Wie bei allen anderen Malariaformen gilt auch hier, dass das Fehlen der Fieberrhythmik keineswegs ausreicht, um die Krankheit auszuschließen. === Malaria quartana === Die ''Malaria quartana'' wird durch den Erreger ''Plasmodium malariae'' verursacht. Auch hier handelt es sich um eine gutartige Form der Malaria. Eine charakteristische [[Komplikation]] ist das [[Nephrotisches Syndrom|nephrotische Syndrom]]. Besonders an dieser Form ist, dass es selbst nach einer sehr langen Zeit (> 50 Jahre) noch zu [[Rezidiv]]en kommen kann. Auch ist die [[Inkubationszeit]] erheblich länger als bei den beiden anderen Formen. ==== Inkubationszeit ==== Die Inkubationszeit beträgt zwischen 16 und 50 Tagen. Somit ist sie erheblich länger als bei den übrigen Krankheitsformen. ==== Fieber ==== Die Prodromalphase ist genauso unspezifisch wie die der ''Malaria tertiana''. Schon nach wenigen Tagen stellt sich die Vier-Tages-Rhythmik ein. Nach einem Tag mit Fieber sind zwei fieberfreie Tage zu beobachten, ehe wieder ein Tag mit Fieber folgt. Die Stadienabfolge (Frost-Hitze-Schweiß) am Fiebertag entspricht der ''Malaria tertiana''. Auch hier gilt: fehlende Fieberrhythmik schließt die Diagnose Malaria nicht aus. ==== Nierenbeteiligung ==== Im Verlauf der ''Malaria quartana'' kann es zu einer schweren Nierenbeteiligung kommen. Diese wird unter anderem als ''Malarianephrose'' bezeichnet. Es handelt sich hierbei um ein nephrotisches Syndrom mit folgenden Symptomen: * niedriges Serumeiweiß [[Albumin]] (im Blutkreislauf mitverantwortlich für die Regulation des Wasserhaushalts) * Wasseransammlung im Bindegewebe ([[Ödem]]e) und der Bauchhöhle ([[Aszites]]) durch den Albuminmangel * erhöhtes Serum[[cholesterin]] [[Epidemiologie|Epidemiologische]] Studien haben gezeigt, dass diese [[Komplikation]] gehäuft bei Kindern zwischen zwei und zehn Jahren im tropischen [[Afrika]] auftritt. === Rezidive === Wie schon oben erwähnt, bilden sich im Lebenszyklus von ''Plasmodium vivax'' und ''Plasmodium ovale'' Ruheformen, die sogenannten ''Hypnozoiten'', aus. Sie können der Anlass dafür sein, dass es nach einer Ruhephase von Monaten bis Jahren zum erneuten Ausbruch der Krankheit kommt. Diesem muss nicht unbedingt eine [[Anamnese (Medizin)|anamnestisch]] bekannte Malariaerkrankung vorausgehen. Die [[Rezidiv]]e sind besonders tückisch, da oft weder vom Patient noch vom Arzt ein Zusammenhang zur Malaria hergestellt wird. Das Besondere an ''Plasmodium malariae'' sind die Rezidive nach besonders langem krankheitsfreiem Intervall (mehrere Jahre). Rezidive nach Krankheitsfreiheit von mehr als 50 Jahren wurden beschrieben. Die Rezidive kommen aber hier nicht durch Hypnozoiten in der Leber zustande (es gibt keine Hypnozoitformen des ''Plasmodium malariae''), sondern durch einen fortdauernden Parasitenbefall des Blutes. Dieser ist so gering, dass er mikroskopisch meist nicht nachgewiesen werden kann. Dies ist besonders in der [[Transfusionsmedizin]] in [[Endemie]]gebieten von großer klinischer Bedeutung, da es auch bei negativ getestetem Spender zu einer Malariaübertragung kommen kann, wenn Frischblut eingesetzt wird. Blutkonserven werden hingegen gekühlt gelagert, was Malaria-Erreger abtötet.<ref>[http://e-learning.studmed.unibe.ch/Malaria/html/m4_4_2.htm?1 Transfusions-Malaria]</ref> Rezidive können jedoch in der Regel durch medikamentöse Maßnahmen (in erster Linie unter Einsatz von [[Primaquin]]) langfristig unterbunden werden. == Diagnostik == Die Diagnose Malaria sollte mit Hilfe labordiagnostischer Methoden abgesichert werden. Die in der Praxis wichtigste und kostengünstigste Methode bei Malariaverdacht ist die [[mikroskop]]ische Untersuchung von normalen [[Blutausstrich]]en (''Dünner Tropfen'') und dem bis zu 10-fach angereicherten [[Dicker Tropfen|''Dicken Tropfen'']] unter Verwendung der [[Giemsa-Färbung]] auf Plasmodien. Eine Differenzierung der vier Plasmodien ist anhand [[Morphologie (Biologie)|morphologischer]] Kriterien möglich (siehe [[Maurersche Fleckung]] oder [[Schüffnersche Tüpfelung]]). Die ermittelte Parasiten- und [[Leukozyt]]enzahl ist ein Maß der Schwere der Erkrankung. Ein negatives Ergebnis der mikroskopischen Untersuchung kann aufgrund der geringen Sensitivität dieser Methode eine Malaria jedoch nicht ausschließen. Alternativ können die Erreger der Malaria [[Immunologie|immunologisch]] und [[Molekularbiologie|molekularbiologisch]] nachgewiesen werden. Die zur Verfügung stehenden Malaria-Schnelltests (z.&nbsp;B. ICT Malaria P.F.<sup>®</sup>-Test, OptiMal<sup>®</sup>-Test) beruhen auf Nachweis parasitenspezifischer [[Antigen]]e. Ein negatives Ergebnis kann jedoch auch bei diesen Tests eine Malaria nicht ausschließen. Das mit Abstand sensitivste Verfahren für die Malaria-Diagnostik ist die [[Polymerasekettenreaktion]] (PCR). Sie ist jedoch aufgrund des hohen Material- und Zeitaufwands für den Akutfall wenig geeignet. == Vorbeugung und Behandlung == Da kein hundertprozentiger Schutz gegen Malaria besteht (fehlender [[Impfung|Impfschutz]] gegen Malaria), sollte das Risiko einer Malariaerkrankung gesenkt werden. Der wirksamste Schutz ist der Verzicht auf Reisen in Gebiete, in denen Malaria übertragen wird ([[Endemie]]gebiete). Da dies nicht immer möglich ist, ist die Vermeidung von Insektenstichen (Expositionsprophylaxe) das wichtigste Element der Malariavorbeugung. Zusätzlich sollte durch vorbeugende Einnahme ([[Chemoprophylaxe]]) oder Mitführen (Stand-by-Therapie) von Malaria-Medikamenten das Risiko verringert werden, an einer schweren Malaria zu erkranken.<ref>[http://www.dtg.org/1.0.html Empfehlungen der Deutsche Gesellschaft für Tropenmedizin und Internationale Gesundheit e. &nbsp;V.]</ref> Unabhängig davon, ob eine Chemoprophylaxe oder eine Stand-by-Therapie gewählt wurde, muss bei jedem unklaren Fieber in den Tropen und auch lange Zeit nach der Rückkehr umgehend ein Arzt aufgesucht werden. Dieser sollte mittels eines geeigneten Bluttests den Malariaverdacht schnellstmöglich bestätigen oder ausschließen, da eine nicht rechtzeitig behandelte Malaria Tropica tödlich sein kann. === Impfung === Zurzeit steht noch kein [[Impfung|Impfstoff]] zu Verfügung. Auf diesem Gebiet wird zwar seit Jahren geforscht, mit der kurzfristigen Einführung eines wirksamen Impfstoffes ist derzeit nicht zu rechnen. [[GlaxoSmithKline]] hat einen potentiellen Impfstoff „RTS,S“, der seit 1987 in Entwicklung ist, 2010 in die dritte und letzte Phase der Testzyklen gebracht.<ref>Marcus Theurer: [http://www.faz.net/s/RubD16E1F55D21144C4AE3F9DDF52B6E1D9/Doc~E623686860F884A9CA68E7696DA7BD32E~ATpl~Ecommon~Scontent.html ''Hoffnung im Kampf gegen Malaria'']. FAZ.net vom 15. Januar 2010</ref> === Insektenschutz === Der Insektenschutz ist der wichtigste Bestandteil der Malariavorbeugung. Dazu zählt das Tragen heller, hautbedeckender, langer Kleidung, der Aufenthalt in mückensicheren Räumen (insbesondere nachts; Klimaanlage, Fliegengitter, [[Moskitonetz]]) sowie die Behandlung von Haut und Kleidung mit moskitoabweisenden Mitteln, sog. [[Repellent]]s (z.&nbsp;B. [[Icaridin]] oder [[DEET]]). Die zusätzliche Verwendung von [[Insektizid]]en in Sprays (allen voran [[Pyrethroid]]e), Verdampfern, Räucherspiralen („mosquito coils“) und ähnlichem kann zusätzlichen Schutz bieten. Nach wie vor schützen sich jedoch viele Reisende nicht konsequent gegen Mücken. So ergab eine im April 2006 veröffentlichte Untersuchung aus Frankreich, dass weniger als 10 % der an Malaria erkrankten Patienten Maßnahmen zur Abwehr von Insekten verwendet hatten. === Chemoprophylaxe und Therapie === Für viele Reiseziele reicht es aus, für den tatsächlichen Krankheitsfall ein Medikament zur notfallmäßigen Eigenbehandlung (Stand-by-Therapie) mitzuführen. Dennoch wird eine [[Chemoprophylaxe]] unter Beachtung möglicher [[Nebenwirkungen|Arzneimittelnebenwirkungen]] und unter Berücksichtigung der persönlichen Gesundheitssituation (Vorerkrankungen, Immunstatus, …) bei Reisen in Malariagebiete mit hohem Infektionsrisiko häufig empfohlen. Seit dem [[17. Jahrhundert]] wird die [[Chinarinde]] und das daraus gewonnene [[Chinin]] zur Therapie der Malaria verwendet – die Legende besagt, dass britische Kolonialisten daher regelmäßig stark chininhaltiges [[Tonic Water]] tranken und, um den damals sehr bitteren Geschmack zu verbessern, oft dieses mit [[Gin]] mischten und so den [[Gin Tonic]] erfanden. Seit Mitte des [[20. Jahrhundert]]s haben sich die Therapiemöglichkeiten vervielfacht, und es besteht die Möglichkeit einer medikamentösen Vorbeugung (Chemoprophylaxe). Das größte Problem bei der medikamentösen Vorbeugung und Behandlung ist eine zunehmende [[Resistenz]] des Erregers. Die Deutsche Gesellschaft für Tropenmedizin und Internationale Gesundheit e.&nbsp;V. empfiehlt derzeit (Stand 2009)<ref>http://www.dtg.org/uploads/media/Empfehlungen_2009_01.pdf</ref>: * in Gebieten mit hohem Malariarisiko und bekannter [[Chloroquin]]- und [[Mefloquin]]-Resistenz (z.&nbsp;B. [[Goldenes Dreieck]]): keine Prophylaxe, bei Erkrankung Notfalltherapie mit [[Artemether]]-[[Lumefantrin]] oder [[Atovaquon-Proguanil]]. * in Gebieten mit hohem Malariarisiko und bekannter Chloroquinresistenz (z.&nbsp;B. Hochrisikogebiete [[Afrika]]s, [[Papua-Neuguinea]], [[Salomonen]], [[Brasilien]] (Bundesstaaten [[Rondônia]], [[Roraima]] und [[Amapá]])): Prophylaxe mit Atovaquon-Proguanil, [[Doxycyclin]] oder Mefloquin. Eine systematische Analyse vorhandener Studien konnte die bessere Verträglichkeit von Atovaquon-Proguanil und Doxycyclin im Vergleich zu Mefloquin belegen.<ref>Jacquerioz FA, Croft AM: ''Drugs for preventing malaria in travellers''. Cochrane Database Syst Rev. 2009 Oct 7;(4):CD006491. PMID 19821371</ref> * in Gebieten mit geringem Malariarisiko und bekannter Chloroquin- und Mefloquinresistenz (z.&nbsp;B. Südost-Asien ohne Hochrisikogebiete): keine Prophylaxe, bei Erkrankung Notfalltherapie mit Artemether-Lumefantrin oder Atovaquon-Proguanil. * in Gebieten mit geringem Malariarisiko und bekannter Chloroquinresistenz (z.&nbsp;B. Brasilien ohne Aufenthalt in den Hochrisikogebieten, [[Volksrepublik China]], [[Taiwan]], [[Vanuatu]], [[Arabische Halbinsel]], [[Indien]], [[Irak]], [[Iran]], [[Afghanistan]], [[Pakistan]], [[Bangladesch]], [[Sri Lanka]], [[Indonesien]] ohne Aufenthalt in Hochrisikogebieten, [[Philippinen]]): keine Prophylaxe, bei Erkrankung Notfalltherapie mit Artemether-Lumefantrin, Atovaquon-Proguanil oder Mefloquin * in Gebieten mit geringem Malariarisiko ohne bekannte Resistenzen (z.&nbsp;B. [[Mittelamerika]], [[Haiti]], [[Dominikanische Republik]]): keine Prophylaxe, bei Erkrankung Notfalltherapie mit Chloroquin Des Weiteren stehen Chinin (zur Therapie, insbesondere bei der komplizierten Malaria tropica), [[Primaquin]] (Therapie der Malaria tertiana oder Malaria quartana; beugt Rezidiven vor; Verwendung zur Prophylaxe nur in Ausnahmefällen) und [[Proguanil]] (Prophylaxe; meist in Kombination mit Chloroquin; Verwendung nur noch in Ausnahmefällen) zur Verfügung. Vor allem in China, Südostasien und Afrika werden [[Artemisinin]]-haltige Präparate (einschließlich deren Abkömmlinge Artemether, [[Artesunat]], [[Arteflene]], [[Artemotil]], [[Dihydroartemisinin]] und [[Arteether]]) eingesetzt. Diese im Rahmen einer Kombinationstherapie ([[Artemisinin-based combination therapy]]) eingesetzten Präparate werden von der WHO als Mittel der ersten Wahl für die Akutbehandlung der Malaria empfohlen. Artesunat wird seit neuestem auch von der AG Malaria der Paul-Ehrlich-Gesellschaft als Mittel der ersten Wahl zur Therapie der komplizierten Malaria tropica empfohlen. Die Stand-by-Therapeutika [[Halofantrin]] und [[Amodiaquin]] wurden in Europa wegen schwerer Nebenwirkungen mittlerweile vom Markt genommen, sind jedoch noch vereinzelt in Malariagebieten als Notfallmedikamente verfügbar. Halofantrin wurde mit [[Herzrhythmusstörung]]en in Verbindung gebracht, während unter der Therapie mit Amodiaquin vermehrt Leberschäden und Blutbildschäden ([[Agranulozytose]], [[aplastische Anämie]]) auftraten. Insbesondere in Endemiegebieten ist die Kombination von [[Sulfadoxin]]-[[Pyrimethamin]], die sowohl zur Therapie als auch zur Prophylaxe für einheimische schwangere Frauen in Endemiegebieten als „intermittent Preventive Treatment“ (IPT) angewendet wird, verfügbar. Diese Arzneistoffkombination wurde jedoch in Deutschland aufgrund schwerer Hautreaktionen ([[Stevens-Johnson-Syndrom]]) vom Markt genommen. In jedem Falle ist es wichtig und sinnvoll, sich rechtzeitig vor jeder Reise über die aktuelle Risiko- und Resistenzsituation zu informieren und mit einem tropenmedizinisch erfahrenen Arzt die persönliche Vorsorge zu planen. === Vektorkontrolle === Als Vektorkontrolle (Bekämpfung des Überträgers) bezeichnet man den Versuch, Neuinfektionen durch gezielte Bekämpfung der Anopheles-Mücke zu verhindern. Zu diesem Zweck werden Insektizide in den Wohnstätten der Menschen versprüht, oder es wird die Verwendung von insektizidimprägnierten Bettnetzen (IIB) propagiert. In den 1950er und 1960er Jahren wurde unter Federführung der [[Weltgesundheitsorganisation|WHO]] versucht, die Malaria auszurotten. Ein wichtiger Bestandteil der Kampagne war das Besprühen der Innenwände aller Wohnungen und Häuser mit [[DDT]]. Nach anfänglichen Erfolgen wurde das Projekt Anfang der 1970er Jahre eingestellt, unter anderem weil durch die Selektion nur noch DDT-[[Resistenz|resistente]] Anopheles-Mücken überlebten und sich rasch vermehrten. Der Einsatz von DDT in Wohnhäusern wird auch heute noch für vertretbar erachtet, da es dem Menschen sicher weniger schadet als eine Malaria-Infektion. Negative Auswirkungen auf die Umwelt sind wegen der im Vergleich zur Landwirtschaft geringen Aufwandmengen nicht zu befürchten. Vor einem Einsatz von DDT oder anderen Insektiziden sollte immer die Resistenzsituation der Anopheles-Mücken im betreffenden Gebiet geprüft werden. Heute ist die Herstellung und Verwendung von DDT weltweit nur noch zum Zwecke der Bekämpfung von Krankheitsüberträgern zugelassen. == Forschung == Die Basensequenzen in den [[Genom]]en von ''Plasmodium falciparum'' und ''Anopheles gambiae'' wurden im Herbst 2002 vollständig entschlüsselt. Etwa zeitgleich wurden neue Malariatherapeutika, wie z.&nbsp;B. Atovaquon, Lumefantrin und die vom Naturstoff [[Artemisinin]] abgeleiteten [[Artesunat]] und Artemether, auf den Markt gebracht. Erste Erfolg versprechende Ergebnisse der Behandlung Malariakranker mit [[Tafenoquin]] und dem [[Antibiotikum]] [[Fosmidomycin]] wurden ebenso vorgestellt. So blockiert beispielsweise Fosmidomycin den MEP-Weg, ein Stoffwechselweg zum [[Dimethylallylpyrophosphat]] (DMAPP). Dadurch können in der Folge wichtige, vom DMAPP ausgehende zelluläre Grundbausteine wie Zellwände und Zellanker nicht mehr synthetisiert werden. Versuche, einen weltweit wirkenden [[Impfstoff]] gegen die Malaria zu entwickeln, schlugen trotz einiger anfänglicher Erfolge jedoch bisher fehl. Das größte Problem bei der Entwicklung eines wirksamen Impfstoffes ist die hohe Variabilität der Malaria-[[Antigen]]e. Eine neue Hoffnung versprechen entschärfte lebende Erreger, denen das [[Gen]] UIS3 eliminiert wurde. Diese Sporozoiten wurden Mäusen gespritzt, wobei keinerlei [[Plasmodien]]formen entstanden, die von dem symptomlosen Leberstadium in die roten [[Blutkörperchen]] wechseln konnten. Das Ergebnis der Immunreaktion war eindrucksvoll. Keine einzige geimpfte Maus steckte sich nach einer Infektion mit normalen Plasmodien an, während in der Kontrollgruppe alle erkrankten.<ref>''[[Spektrum der Wissenschaft]]''. 5/2005, S. 20 ff.: „Neue Hoffnung auf Malaria-Impfstoff“</ref> Ein weiterer aussichtsreicher Kandidat ist [[RTS,S]], der aus dem Hepatitis B Impfstoff [[Hepatitis-B-Virus]] (S) besteht, welcher zusätzlich das Oberflächenprotein der ''Plasmodium falciparum'' Sporozoiten (das Circumsporozoite Protein) trägt (RTS). Dadurch wird eine Immunantwort ausgelöst, die die Plasmodien in einem frühen Stadium, noch bevor sie die Leber infizieren, bekämpft. Zusätzlich wird ein Impfschutz gegen das Hepatitis B Virus induziert.<ref>''[[The FEBS Journal]]''. 274 (2007), S. 4680 ff.: „Vaccines against malaria-an update“</ref> Für einen vollständigen Immunschutz ist geplant, den Impfstoff mit weiteren Antigenen des Malaria-Erregers zu kombinieren.<ref>''[[Spektrum der Wissenschaft]]''. 1/2006, S. 10: „Endlich ein Malaria-Impfstoff?“</ref> Ein interessanter alternativer Therapieansatz dürfte die Verwendung eines [[Antikörper]]s gegen Plasmodien sein. Ein weiterer Ansatz aktueller Forschung ist es, die Vermehrung der Plasmodien zu verhindern. Untersuchungen an Mäusen zeigten, dass es prinzipiell möglich ist, über einen Impfstoff die Verschmelzung weiblicher und männlicher Keimzellen des Plasmodium zu blockieren und somit die Weitergabe des Erregers einzudämmen.<ref>wissenschaft.de: [http://www.wissenschaft.de/wissenschaft/news/289798 ''Eingeimpfter Fortpflanzungsstopp''] vom 26. März 2008</ref> Eine weitere Möglichkeit der Bekämpfung der Malaria ist das Unterbrechen der Infektionskette durch Bekämpfen der Anopheles-Mücke. Ein entsprechender Versuch zur Ausrottung der Malaria mit Hilfe von DDT scheiterte in den 1960er Jahren. Mit Hilfe von Insektiziden konnten nur örtlich und zeitlich begrenzte Teilerfolge erreicht werden. Ein hoffnungsvoller neuer Ansatz ist der Einsatz des biogenen Insektizids [[Bacillus thuringiensis israelensis]] bestehend aus dem ''[[Bacillus thuringiensis israeliensis]]''. Dieses biologische Präparat, das über Züchtung millionenfach im Labor hergestellt werden kann, ist gegenüber Stechmücken ein erprobtes, hochwirksames Präparat, das bei richtiger Anwendung „Nicht-Ziel-Organismen“ weitgehend schont. Bti wird in kristalliner Form in die aquatilen Lebensräume von Stechmücken ausgebracht. Die Anopheles-Larven nehmen die Bakterien bei der Nahrungsaufnahme in ihren Körper auf. Im Darm der Mücken schlüpfen die Bakterien aus ihrer schützenden Eiweißhülle und zerstören in kurzer Zeit durch die Bildung von [[Delta-Endotoxinen]] das Darmlumen und die Darmwände ihrer Wirtstiere. Die Stechmückenlarven stellen daraufhin ihre Nahrungsaufnahme ein und gehen noch im Larvalstadium zugrunde. Bti wird kommerziell angeboten. Das Insektizid ist in flüssiger, Tabletten-, Pulver- und in Granulatform erhältlich. Für den großflächigen Einsatz im Freiland hat sich die Verwendung von Granulat bewährt. Bei starker Durchseuchung der Gewässer wird die Ausbringung des Granulats durch Hubschrauber praktiziert. Außerdem forscht die gemeinsame Abteilung der [[IAEO]] und [[Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation|FAO]] an einer neuartigen Methode zur Bekämpfung der Anopheles-Mücke. In diesem Zusammenhang wird die Aussetzung steriler oder genetisch modifizierter Anopheles-Mücken diskutiert ([[Sterile Insect Technology]]). In Zusammenarbeit mit der WHO erarbeiten gegenwärtig das [[Kenya Medical Research Institute]] und die britische [[Universität Oxford]] im Internet verfügbare Weltkarten, auf denen das gesamte Wissen über die Verbreitung der Malaria zusammengetragen wird (z.&nbsp;B. Infektionsrate ''Plasmodium falciparum'', ''Plasmodium vivax''). Dieses ''Malaria Atlas Projekt'' genannte Unterfangen wird vom englischen [[Wellcome Trust]] finanziert und ständig erweitert.<ref>[http://www.map.ox.ac.uk Malaria Atlas Projekt]</ref> Aufgrund der zunehmenden Resistenz gegen modernere Wirkstoffe rückt seit 2002 auch wieder der historische Wirkstoff [[Methylenblau]] in Kombination mit Chloroquin ins Blickfeld der Forschung. <ref>[http://www.uni-protokolle.de/nachrichten/id/8337/ "Neue Perspektive für den Kampf gegen die Malaria"]</ref><ref>[http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/14962363 R. H. Schirmer ez al.: ''Methylene blue as an antimalarial agent.'' Redox report, 2003, Vol. 8(5), S. 272-5, PMID 14962363</ref> == Armutsbedingte Krankheit == Die Malaria wird auch als ''armutsbedingte Krankheit'' bezeichnet. Hinter dieser Bezeichnung steht das Kalkül, dass von der Krankheit hauptsächlich arme Menschen betroffen sind, die über wenig Kaufkraft verfügen und folglich keinen attraktiven Markt bilden. Für Pharmaunternehmen ist es daher ökonomisch sinnvoller, Mittel gegen medizinisch weniger „dringende“ Krankheiten zu erforschen, deren Betroffene kaufkräftiger sind. [[Norbert Blüm]] schreibt dazu in der [[Süddeutsche Zeitung|Süddeutschen Zeitung]] vom 7. Oktober 2003: „Die Pharmaindustrie gibt weltweit doppelt so viel Forschungsmittel im Kampf gegen Haarausfall und Erektionsschwächen aus wie gegen Malaria, [[Gelbfieber]] und [[Bilharziose]]. Das ist marktwirtschaftlich konsequent, denn die Kunden mit Erektionsschwächen und Haarausfall haben in der Regel mehr Kaufkraft als die Malaria- und Gelbfieberkranken.“<ref>[http://www.sueddeutsche.de/deutschland/artikel/188/19169/ Artikel] in der ''[[Süddeutsche Zeitung|Süddeutschen Zeitung]]''</ref> Die [[Europäische Union]] will als Reaktion auf diesen Mechanismus die Entwicklung von Mitteln gegen armutsbedingte Krankheiten mit 600 Millionen Euro fördern.<ref>[http://europa.eu/rapid/pressReleasesAction.do?reference=IP/03/1138&format=HTML&aged=0&language=DE&guiLanguage=en Pressemitteilung der EU-Kommission vom 31. Juli 2003]</ref> Andererseits ist es fraglich, ob gerade für Regionen, in denen die Malaria wie die Armut verbreitet sind, die Bekämpfung der Malaria durch Entwicklung eines Impfstoffes im Vordergrund stehen sollte. Der Parasitologe Paul Prociv weist darauf hin, dass Erwachsene in Malariagebieten durch ständige Reinfektion praktisch immun gegen die Krankheit sind. Vorrang hätte die Hebung der allgemeinen Gesundheitsfürsorge und Lebensumstände. Von einem Malariaimpfstoff würden hauptsächlich westliche Besucher der Tropen profitieren, die die Nebenwirkungen der herkömmlichen Malariavorsorge scheuen.<ref>[http://www.indian-skeptic.org/tmp/malaria.html Indian-Skeptic]</ref> Aufgrund der mangelnden finanziellen Unterstützung gab [[Bill Gates]] Ende Oktober 2005 bekannt, dass er zur Förderung der Malariaforschung eine Summe von 258,3 Millionen Dollar zur Verfügung stellen werde. Seiner Meinung nach stelle „es für die Welt eine Schande dar, dass sich in den letzten 20 Jahren jene durch Malaria hervorgerufenen Todesfälle verdoppelten, zumal gegen jene Krankheit sehr stark vorgegangen werden könnte.“<ref>[http://www.stock-world.de/news/article.m?news_id=1900758 News]</ref> == Volkswirtschaftliche Auswirkung == Nach [[Jeffrey Sachs]] sind [[Tropenkrankheit|tropische Krankheiten]], insbesondere aber Malaria, eine Hauptursache für die wirtschaftliche Misere der ärmsten Länder der Erde: Wo diese Krankheit auftritt, also vor allem in den [[Tropen]] und [[Subtropen]], herrscht auch [[Armut]]. So hatten Mitte der 1990er-Jahre von Malaria heimgesuchte Länder ein durchschnittliches [[Volkseinkommen]] von rund 1.500 Dollar pro Kopf, während nicht betroffene Länder mit durchschnittlich 8.200 Dollar über mehr als das Fünffache verfügten. [[Volkswirtschaft]]en mit Malaria sind zwischen 1965 und 1990 durchschnittlich nur um 0,4 Prozent im Jahr gewachsen, die anderen dagegen um 2,3 Prozent<ref>J. Sachs, P. Malaney: ''The economic and social burden of malaria.'' in: ''[[Nature]].'' London 415.2002, 680–685. doi:10.1038/415680a. PMID 11832956. {{ISSN|0028-0836}}</ref>. Der durch die Krankheit verursachte volkswirtschaftliche Schaden für [[Afrika]] allein wird umgerechnet auf rund 9,54 Milliarden Euro pro Jahr geschätzt. Nach Studien liegt die durch Malaria verursachte Lähmung der Volkswirtschaften der betroffenen Länder nicht nur an den direkten Kosten für Medikamente und medizinische Behandlung. Malaria hat eine negative Auswirkung auf die Arbeitsproduktivität und somit auf das [[Bruttoinlandsprodukt]] des Landes, womit nötige Investitionen, wie beispielsweise in [[Bildung]], ausbleiben. Zudem meiden ausländische [[Anleger (Kapital)|Investoren]] solche Länder ebenso wie [[Tourismus|Touristen]] und Handelsunternehmen<ref>B.M.Greenwood, K.Bojang, C.J.Whitty, G.A.Targett: ''Malaria.'' in: ''[[The Lancet]].'' London 365.2005, 1487–1498. doi:10.1016/S0140-6736(05)66420-3. PMID 15850634 {{ISSN|0023-7507}}</ref>. Mittlerweile hat [[AIDS]] die ungünstige Situation für diese Länder noch dramatisch verschlimmert. == Geschichte == Die frühesten Berichte von Malariaepidemien sind uns von den [[Altes Ägypten|Alten Ägyptern]] (u.a. aus dem [[Papyrus Ebers]]) erhalten. Die ältesten DNA-Funde wurden neuerdings dann auch von Münchener Pathologen um Andreas Nerlich in zwei ägyptischen Mumien aus Theben gefunden, die ca. 3500 Jahre alt sind<ref>''Malaria bei den Alten Ägyptern.'' in: ''[[Epoc]].'' Spektrum, Heidelberg 2009,1, 10. {{ISSN|1865-5718}}, nach: [http://www.cdc.gov/EID/content/14/8/1317.htm Discovery chanal 8.2008]</ref>. Aber auch in rund 3000 Jahre alten indischen Schriften taucht das Wechselfieber auf. Die Chinesen hatten vor über 2000 Jahren sogar schon ein Gegenmittel. Sie nutzten die Pflanze [[Qinghao]], ein [[Beifuß]]-Gewächs. In der Neuzeit konnten Forscher tatsächlich einen wirksamen Stoff aus dieser Pflanze isolieren: das [[Artemisinin]]. In der [[Antike]] verbreitete sich die Malaria rund um das [[Mittelmeer]]. [[Hippokrates von Kós|Hippokrates]] erkannte, dass Menschen aus Sumpfgebieten besonders häufig betroffen waren, jedoch vermutete er, dass das Trinken von abgestandenem Sumpfwasser die Körpersäfte (vgl. [[Humoralpathologie]]) in ein Ungleichgewicht bringt. Von unsichtbaren Krankheitserregern wusste man damals noch nichts. Auch das [[Römisches Reich|Römische Reich]] wurde regelmäßig von schweren Malariaepidemien heimgesucht. Einige Historiker gehen sogar davon aus, dass sie einen der entscheidenden Faktoren für den Untergang des Römischen Reiches darstellen. Erst unlängst wurde bei Rom ein Kindermassengrab mit über 50 Leichen entdeckt, das auf das Jahr [[50]] datiert wurde. Aus den Knochenresten dieser Kinderskelette konnte die [[Desoxyribonukleinsäure|DNA]] von ''Plasmodium falciparum'' isoliert werden. [[Datei:Duerer malaria spleen.jpg|thumb|150px|Aus einem Brief Dürers an seinen Arzt]] Im [[Mittelalter]] bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts war die Malaria nicht nur in [[Südeuropa|Süd-]], sondern auch in [[Mitteleuropa]] verbreitet. Zum Beispiel war es in Norddeutschland als ''[[Marschenfieber]]'' bekannt. Berühmte europäische Malariapatienten waren [[Albrecht Dürer]], [[Oliver Cromwell]] und [[Friedrich Schiller]]. Erst durch die Trockenlegung von Sumpfgebieten und durch den systematischen Einsatz von Insektiziden konnte die Malaria in den 1960er Jahren in Europa ausgerottet werden. Aus Nord- und Südamerika sind die ersten Malariafälle erst im 16. Jahrhundert dokumentiert. Man geht heute davon aus, dass sie durch die Europäer bzw. durch den von ihnen organisierten [[Sklavenhandel]] dort eingeschleppt worden ist. Doch ausgerechnet von dort kam ein Heilmittel, das heute noch Verwendung findet. [[Datei:Cinchona.calisaya02.jpg|thumb|150px|Chinarinde ''(Chinchona sp.)'']] [[Peru]]anische Arbeiter bekämpften Fieber erfolgreich mit der Rinde eines Baumes aus der Familie der [[Rötegewächse]], zu denen auch die [[Kaffee]]pflanze gehört. Mitglieder des [[Jesuitenorden]]s beobachteten diese Wirkung und brachten das Mittel in Pulverform erstmals [[1640]] nach Europa, wo es auch „Jesuitenpulver“ genannt wurde. Der Baum wurde später als „[[Chinarinde]]“ (Cinchonia) bekannt, das Medikament als „[[Chinin]]“. Chinin hat einen äußerst bitteren Geschmack und ist hellbraun bis beige. Es wird als Aromastoff für [[Tonic]]water und [[Bitter Lemon]] verwendet. Bis heute hält sich die Legende, regelmäßiges Trinken von [[Gin Tonic]] schütze vor Malaria. Jedoch ist heutzutage die Chininkonzentration in einem Gin-Tonic-Drink viel zu gering. Der Malariaerreger wurde am 6. November 1880 vom Franzosen [[Alphonse Laveran]] entdeckt, der in [[Constantine (Algerien)|Constantine]] ([[Algerien]]) am Militärkrankenhaus arbeitete. Er erhielt dafür 1907 den [[Nobelpreis für Medizin]]. [[Datei:Ronald Ross.jpg|thumb|150px|Ronald Ross]] [[Ronald Ross]], [[Chirurg]] und General aus England, fand 17 Jahre später bei seiner Arbeit während des Baus des [[Sueskanal]]s den Zusammenhang zwischen dem Malariaerreger und dem Stich der Anophelesmücke heraus und erhielt dafür nicht ganz unumstritten den [[Nobelpreis für Medizin]] 1902. Den Zusammenhang zwischen Mücken und Malaria hatten im übrigen schon die alten Ägypter 3000 v. Ch. erkannt. Sie wurde als Fluch der Götter bzw. des [[Nil]]s angesehen. [[Julius Wagner-Jauregg]] infizierte 1917 einige seiner Patienten gezielt mit Malaria, um mit den auftretenden Fieberschüben die [[progressive Paralyse]] zu behandeln. Diese sogenannte [[Malariatherapie]] erwies sich als erfolgreich und wurde bis zum Aufkommen von [[Antibiotika]] praktiziert, 1927 erhielt Wagner-Jauregg dafür den Medizin-Nobelpreis. Wegen der damit verbundenen Risiken gilt der Einsatz von Malaria als Therapeutikum heute jedoch als nicht mehr vertretbar. In den 1950er-Jahren begann die [[Weltgesundheitsorganisation|WHO]] das [[Global Eradication of Malaria Program]]. Neuansteckungen durch Mückenstiche sollten durch Besprühen der Innenwände der Häuser mit [[DDT]]-Lösung verhindert werden. Parallel dazu sollten die bereits Erkrankten mit [[Chloroquin]] behandelt werden, um auch die eigentlichen Erreger, die [[Plasmodien]], zu bekämpfen. Die Kampagne war nur teilweise erfolgreich. In Holland, Italien, Polen, Ungarn, Portugal, Spanien, Bulgarien, Rumänien und Jugoslawien wurde Malaria bis Ende der 1960er Jahre dauerhaft ausgerottet. Auch in vielen Ländern Asiens sowie Süd- und Mittelamerikas konnte die Zahl der Neuansteckungen mit Malaria drastisch gesenkt werden. Hier wurden häufig nach ersten Erfolgen Geld und medizinisches Personal aus den Anti-Malaria-Kampagnen abgezogen und anderweitig eingesetzt. Dadurch blieben neue Malariafälle unentdeckt oder konnten nicht ausreichend behandelt werden. Im Lauf der Jahre traten DDT-[[Resistenz]]en bei verschiedenen Arten der Anophelesmücke auf. Zudem waren auch die Plasmodien teilweise gegen Chloroquin resistent geworden. Die WHO stellte ihr Programm zur Ausrottung der Malaria 1972 offiziell als gescheitert ein. 2007 beschloss die WHO den [[Weltmalariatag]] (World Malaria Day), ein Aktionstag der jährlich zum 25. April stattfindet. == Siehe auch == * ''Erreger/Überträger:'' [[Parasiten des Menschen]], [[Sporozoen]], [[Protozoeninfektion]] * ''Bekämpfung:'' [[Moskitonetz]], [[Zimtöl]], [[DDT]], [[Heptachlor]] ** ''Pflanzliche Heilmittel:'' [[Sauerdorngewächse]], [[Artemisia (Pflanze)]] bzw. [[Einjähriger Beifuß]] ([[Artemisinin]]), ''auch:'' [[Blauer Eisenhut]], [[Gelber Enzian]], [[Hanf|Cannabis]], [[Schwarzdorn-Akazie]], [[Gewöhnlicher Buchsbaum]], [[Afrikanischer Affenbrotbaum]] ** ''Medikamente:'' [[Primaquin]], [[Sulfonamid]], [[Tetracycline]] * ''Immunität:'' [[Sichelzellenanämie]] ([[Erythrozyt]]), [[Favismus]] ([[G6PD-Mangel]]), [[Immunität (Medizin)]] == Literatur == === Deutsche Werke === * [[Jürgen Knobloch]]: ''Malaria - Grundlagen und klinische Praxis''. Uni-Med-Verlag, Bremen 2002. ISBN 3-89599-623-8 * Waldemar Malinowski: ''Impfungen für Auslandsreisende und Malariaprophylaxe. Vademecum für niedergelassene Ärzte''. Facultas-Verlag, Wien 2001. ISBN 3-85076-538-5 === Englische Werke === * Joel G. Breman, Martin S. Alilio, Anne Mills: ''[http://www.ncbi.nlm.nih.gov/books/bv.fcgi?call=bv.View..ShowTOC&rid=malaria.TOC&depth=2 The intolerable burden of Malaria II.]'' The American journal of tropical medicine and hygiene. Bd 71, Nr. 2, Supplement. American Society of Tropical Medicine and Hygiene, Northbrook 2004. {{ISSN|0002-9637}} * Peter Perlmann, Marita Troye-Blomberg: ''Malaria Immunology''. Karger, Basel 2002. ISBN 3-8055-7376-6 * David Sullivan, Sanjeev Krishna (Hrsg.): ''Malaria. Drugs, disease and post-genomic biology''. Springer, Berlin 2005. ISBN 3-540-25363-7 * David A. Warrell, Herbert M. Gilles: ''Essential Malariology''. Arnold, London 2002. ISBN 0-340-74064-7 === Wissenschaftliche Publikationen === * B.&nbsp;M. Greenwood, K. Bojang, C.&nbsp;J.&nbsp;M. Whitty, G.&nbsp;A.&nbsp;T. Targett: ''[http://www.sciencedirect.com/science/article/B6T1B-4G10642-12/2/2e8c1b2c5ea13407881eb54198fd5979 Malaria.]'' in: ''The Lancet.'' Elsevier, London 365.2005, S. 1487–1498. {{ISSN|0023-7507}} * Giacomo Maria Paganotti, Claudia Palladino, Mario Coluzzi: ''Der Ursprung der Malaria.'' in: ''[[Spektrum der Wissenschaft]].'' Heidelberg 2004,3, S.&nbsp;82–89. {{ISSN|0170-2971}} * August Stich, Katja Fischer, Michael Lanzer: ''Eine Seuche auf dem Vormarsch - Die Überlebensstrategie des Malariaerregers.'' in: ''Biologie in unserer Zeit.'' 30.2000,4, S.&nbsp;194–201. {{ISSN|0045-205X}} * Jochen Wiesner, Regina Ortmann, Hassan Jomaa, Martin Schlitzer: ''Neue Antimalaria-Wirkstoffe.'' in: ''[[Angewandte Chemie (Zeitschrift)|Angewandte Chemie]].'' 115.2003,43, S. 5432–5451. {{ISSN|0044-8249}} * I. Stock: ''Therapie der Malaria.'' in: ''Medizinische Monatsschrift für Pharmazeuten.'' 27.2004,8, S.&nbsp;260–272. {{ISSN|0342-9601}} * H. Idel: ''Malaria. Prophylaxe und reisemedizinische Bedeutung.'' in: ''Bundesgesundheitsblatt.'' Springer, Berlin 42.1999,5, S.&nbsp;402–407. {{ISSN|1436-9990}} * Helge Kampen: ''Vektor-übertragene Infektionskrankheiten auf dem Vormarsch? Wie Umweltveränderungen Krankheitsüberträgern und -erregern den Weg bereiten.'' in: ''Naturwissenschaftliche Rundschau.'' 58.2005,4, S.&nbsp;181–189. {{ISSN|0028-1050}} * Margot Kathrin Dalitz: ''[http://sundoc.bibliothek.uni-halle.de/diss-online/05/05H123/ Autochthone Malaria im mitteldeutschen Raum.]'' Dissertation Martin-Luther-Universität, Halle-Wittenberg 2005. == Weblinks == {{Commons|Category:Malaria|Malaria}} {{Wiktionary}} {{RKI|http://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/M/Malaria/Malaria.html}} * [http://www.dtg.org/malaria.html Empfehlungen zur Malariaprophylaxe der Deutschen Gesellschaft für Tropenmedizin und Internationale Gesundheit e.&nbsp;V.] (DTG) * [http://www.dtg.org/uploads/media/Malariakarte_2010.JPG Aktuelle Malariakarte der DTG 2009] (DTG) * Diagnostik und Therapie der Malaria: ** [http://www.3sat.de/3sat.php?http://www.3sat.de/nano/news/15139/index.html Triclosan im Kamp gegen Malaria] ** [http://www.uni-duesseldorf.de/AWMF/ll/042-001p.htm Kurzfassung für Patienten.] (nicht aktualisiert), **[http://www.uni-duesseldorf.de/AWMF/ll/042-001.htm Ausführliche Fassung für Ärzte ohne die Zusatzbezeichnung Tropenmedizin]. Deutsche Gesellschaft für Tropenmedizin und Internationale Gesundheit e.&nbsp;V. (DTG) * [http://rbm.who.int/wmr2005/ WHO World Malaria Report 2005] (englisch) * [http://www.who.int/malaria/docs/TreatmentGuidelines2006.pdf WHO-Empfehlungen für die Behandlung der Malaria] WHO, Februar 2006 (englisch) * [http://www.sueddeutsche.de/wissen/artikel/92/45047 Süddeutschen Zeitung über ein „Neues altes Mittel gegen Malaria – die Pflanze [[Artemisia annua]]“] * [http://www.nature.com/nature/malaria/index.html Erbgutsequenz von Plasmodium falciparum ist entschlüsselt.] (Nature) * [http://www.oew.org/de/spendenartikel.php?id=437 Malaria – eine bekannte Krankheit?] ([[Organisation für eine solidarische Welt|OEW]]) * Matthias Giger: ''[http://www.gigers.com/matthias/malaria/history.htm „Rückblick in die Geschichte der Malaria und historische Behandlungsmethoden.“ 1999]'' * [http://www.xs4all.nl/~ottoknot/werk/Malaria.html Geschichte der Malaria in den Nordseemarschen] (englisch) * D. Sägesser, B. Thoet: [http://e-learning.studmed.unibe.ch/Malaria/index.htm ''Lernprogramm für Studierende der Medizin.''] Dissertation Universität Bern, Abteilung für Unterrichtsmedien (AUM). Bern 1999, 2005. * [http://www3.rki.de/SurvStat Interaktive Abfrage von Fallzahlen und Inzidenzen meldepflichtiger Infektionskrankheiten in Deutschland.] * [http://www.mara.org.za MARA/ARMA Project] Malaria-Risikokarten für ganz Afrika zum herunterladen. * [http://www.map.ox.ac.uk Malaria-Atlas-Projekt ] finanziert durch den Wellcome Trust (englisch) * [http://www.zambezi-expedition.org Expedition gegen Malaria auf dem Sambesi (engl.)] == Einzelnachweise == <references /> {{Gesundheitshinweis}} {{Exzellent}} <!-- Suche: Andere Bezeichnungen: Wechselfieber, Kaltes Fieber, Sumpffieber, Paludismus, paludisme (franz.), fièvre palustre (franz.), Ague, Intermittent fever, febbre intermettente, Koorts --> [[Kategorie:Parasitose des Menschen]] [[Kategorie:Meldepflichtige Krankheit]] [[Kategorie:Tropenkrankheit]] {{Link GA|ru}} {{Link FA|hi}} {{Link FA|uk}} [[af:Malaria]] [[an:Malaria]] [[ar:ملاريا]] [[arz:مالاريا]] [[bat-smg:Maliarėjė]] [[bg:Малария]] [[bn:ম্যালেরিয়া]] [[bs:Malarija]] [[ca:Malària]] [[cs:Malárie]] [[cy:Malaria]] [[da:Malaria]] [[dv:މެލޭރިޔާ]] [[el:Ελονοσία]] [[en:Malaria]] [[eo:Malario]] [[es:Malaria]] [[et:Malaaria]] [[eu:Malaria]] [[fa:مالاریا]] [[fi:Malaria]] [[fiu-vro:Malaaria]] [[fo:Malaria]] [[fr:Paludisme]] [[gl:Malaria]] [[gn:Akanundu ro'y]] [[he:מלריה]] [[hi:मलेरिया]] [[hr:Malarija]] [[hu:Malária]] [[ia:Malaria]] [[id:Malaria]] [[is:Malaría]] [[it:Malaria]] [[ja:マラリア]] [[jv:Malaria]] [[ka:მალარია]] [[kk:Безгек]] [[kn:ಮಲೇರಿಯಾ]] [[ko:말라리아]] [[la:Malaria]] [[lt:Maliarija]] [[lv:Malārija]] [[mk:Маларија]] [[ml:മലമ്പനി]] [[mr:मलेरिया]] [[ms:Malaria]] [[mt:Malarja]] [[ne:मलेरिया]] [[new:अउल]] [[nl:Malaria]] [[nn:Malaria]] [[no:Malaria]] [[oc:Malària]] [[om:Malaria]] [[pl:Malaria]] [[pnb:ملیریا]] [[ps:ملاريا]] [[pt:Malária]] [[qu:Chukchu]] [[ro:Malarie]] [[ru:Малярия]] [[scn:Malaria]] [[sh:Malarija]] [[simple:Malaria]] [[sk:Malária]] [[sl:Malarija]] [[sr:Маларија]] [[su:Malaria]] [[sv:Malaria]] [[sw:Malaria]] [[ta:மலேரியா]] [[te:మలేరియా]] [[th:มาลาเรีย]] [[tl:Malarya]] [[tr:Sıtma]] [[uk:Малярія]] [[vi:Sốt rét]] [[war:Malaryá]] [[yi:מאלאריע]] [[zh:疟疾]] [[zh-min-nan:Ma-lá-lí-á]] hz4gjla49grinzpw5cvby1z5pfjwf8j wikitext text/x-wiki Man Ray 0 23884 26480 2010-05-02T12:59:46Z Hlamerz 0 kat [[Datei:Man Ray 1934.jpg|miniatur|hochkant=1.8|Man Ray, 16. Juni 1934 in [[Paris]], fotografiert von [[Carl van Vechten]]<br /> [[Datei:Man Ray signature.svg|center|150px|Signatur Man Ray]]]] '''Man Ray''' [{{IPA|mæn reɪ}}] (* [[27. August]] [[1890]] in [[Philadelphia]], [[Pennsylvania]]; † [[18. November]] [[1976]] in [[Paris]]; eigentlich ''Emmanuel Rudnitzky'' oder ''Emmanuel Radnitzky'') war ein [[Vereinigte Staaten|US-amerikanischer]] [[Fotografie|Fotograf]], [[Filmregisseur]], [[Malerei|Maler]] und [[Objektkunst|Objektkünstler]]. Man Ray zählt zu den bedeutenden Künstlern des [[Dadaismus]] und [[Surrealismus]], wird aber aufgrund der Vielschichtigkeit seines Werkes allgemein der [[Moderne#Kunstgeschichte|Moderne]] zugeordnet und gilt als wichtiger Impulsgeber für die moderne [[Fotografie]] und [[Filmgeschichte]] bis hin zum [[Experimentalfilm]]. Seine zahlreichen [[Porträtfotografie]]n zeitgenössischer Künstler dokumentieren die Hochphase des kulturellen Lebens im Paris der 1920er Jahre. == Leben und Werk == === Kindheit und frühe Jahre === Man Ray wurde als erstes von vier Kindern [[Juden in Russland|russisch-jüdischer]] Eltern, Max und Manya Rudnitzky, in Philadelphia geboren. Auf seiner Geburtsurkunde wurde der Junge als „Michael Rudnitzky“ eingetragen, doch nach Aussage seiner Schwester Dorothy wurde er von der Familie „Emmanuel“ bzw. „Manny“ genannt. Die Familie nannte sich später „Ray“, um ihren Namen zu [[Amerikanisierung|amerikanisieren]]. Auch Man Ray selbst zeigte sich in späteren Jahren sehr bedeckt, was seine Herkunft betraf.<ref>Man Rays Original-Geburtsurkunde ist bei einem Feuer zerstört worden. Die Frage nach dem genauen Familiennamen ist ungeklärt. In einigen Quellen wird der Name mit „R'''a'''dnitzky“ bzw. als „Radinsky“ angegeben; vermutlich amerikanisierte die Familie den Namen erst 1911/12 in „Ray“ (Francis Nauman: ''Man Ray – Sein Gesamtwerk'', Edition Stemmle, Zürich 1989, S. 52)</ref> Zusammen mit seinen Geschwistern erhielt der junge Emmanuel eine strenge Erziehung. Der Vater arbeitete zu Hause als Schneider, und die Kinder wurden in die Arbeit mit einbezogen; schon früh lernten sie nähen und sticken und das Zusammenfügen unterschiedlichster Stoffe in [[Patchwork]]-Technik. Diese Erfahrung sollte sich später in Man Rays Werk widerspiegeln: Der spielerische Umgang mit verschiedenen Materialien findet sich in vielen seiner [[Assemblage]]n, [[Collage]]n und anderen Bildern, überdies zitierte er gern Utensilien aus dem Schneiderhandwerk, zum Beispiel Nadeln oder Garnspulen, in seiner Bildsprache. 1897 zog Man Rays Familie nach [[Williamsburg (Brooklyn)|Williamsburg]], [[Brooklyn]]. Dort begann der eigensinnige Junge mit sieben Jahren erste Buntstiftzeichnungen anzufertigen, was von den Eltern nicht für gut befunden wurde, so dass er seine künstlerischen Neigungen lange geheim halten musste. ''„Ich werde von nun an die Dinge tun, die ich nicht tun soll“'' wurde sein früher Leitsatz, dem er lebenslang folgen sollte.<ref>Interview mit Arturo Schwarz: ''Arts 51'', Nr.9, Mai 1977</ref> Im höheren Schulalter durfte er jedoch Kurse in Kunst und [[Technisches Zeichnen|Technischem Zeichnen]] belegen und beschaffte sich bald das Rüstzeug für seine Künstlerlaufbahn. Nach dem Abschluss der High-School wurde Emmanuel ein Stipendium für ein Architekturstudium angeboten, das er allerdings trotz Zuredens seiner Eltern ablehnte, da eine technische Ausbildung seinem festen Entschluss, Künstler zu werden, zuwiderlief. Zunächst versuchte er sich, eher unbefriedigend, in Porträt- und Landschaftsmalereien; schließlich schrieb er sich 1908 an der ''[[National Academy of Design]]'' und der ''[[Art Students League of New York|Art Students League]]'' in [[Manhattan]], New York, ein. Wie er später einmal sagte, belegte er die Kurse für [[Aktmalerei]] eigentlich nur, weil er „eine nackte Frau sehen wollte“.<ref name="nauman">Francis Nauman: ''Man Ray – Sein Gesamtwerk'', 1989, S.52–55</ref> Der didaktisch konservative, zeitintensive und ermüdende Unterricht war nichts für den ungeduldigen Studenten. Auf Anraten seiner Lehrer gab er das Studium alsbald auf und versuchte, selbstständig zu arbeiten. === New York 1911–1921 === [[Datei:Modern school.jpg|miniatur|left|Die Modern School in New York, ca. 1911/12]] Im Herbst 1911 trug sich Man Ray an der ''[[Escuela Moderna|Modern School of New Yorks Ferrer Center]]'', einer [[Liberalismus|liberal]]-[[Anarchismus|anarchisch]] orientierten Kunstschule ein; dort wurde er im Folgejahr aufgenommen. Am Ferrer Center konnte er dank der unkonventionellen Lehrmethoden endlich frei und spontan arbeiten. Die teilweise radikalen, von freiheitlichen Idealen geprägten Überzeugungen seiner Lehrer sollten entscheidenden Einfluss auf seinen späteren künstlerischen Werdegang, u.&nbsp;a. seine Zuwendung zum Dada, haben. In der Folgezeit arbeitete der Künstler, er hatte mittlerweile seinen Vor- und Nachnamen auf „Man Ray“ simplifiziert, als [[Kalligraph]] und Landkartenzeichner für einen Verlag in Manhattan. In [[Alfred Stieglitz]]’ bekannter „[[Galerie 291]]“ kam er zum ersten Mal mit Werken von [[Auguste Rodin|Rodin]], [[Paul Cézanne|Cézanne]], [[Constantin Brâncuşi|Brâncuşi]] sowie Zeichnungen und Collagen von [[Pablo Picasso|Picasso]] in Berührung und fühlte sich diesen europäischen Künstlern auf Anhieb stärker verbunden als ihren amerikanischen Zeitgenossen. Über Alfred Stieglitz fand Man Ray schnell Zugang zu dem völlig neuen Kunstgedanken der europäischen [[Avantgarde]]. Er erprobte in kürzester Abfolge wie besessen verschiedene Malstile: Beginnend mit den [[Impressionismus|Impressionisten]], gelangte er bald zu [[Expressionismus|expressiven]] Landschaften, die einem [[Wassily Kandinsky|Kandinsky]] ähnelten (kurz bevor dieser den Schritt zur [[Abstrakte Malerei|Abstraktion]] vollzog), um schließlich zu einer eigenen [[Futurismus|futuristisch]]-[[Kubismus|kubistischen]] Figuration zu finden, die er abgewandelt sein Leben lang beibehielt. Einen nachhaltigen Eindruck bei ihm hinterließ die [[Armory Show]], eine umfangreiche Kunstausstellung, die Anfang 1913 in New York stattfand. Schon allein die Größe der europäischen Gemälde überwältigte ihn. Man Ray sagte später dazu: ''„Ich habe sechs Monate nichts getan – so lange habe ich gebraucht, um zu verdauen, was ich gesehen hatte.“'' Bei der, in seinen Augen „zweidimensionalen“ Kunst seines Geburtslandes hingegen ''„[…] habe er geradezu eine Abneigung gegenüber Gemälden gehabt, bei denen kein Raum für eigene Überlegungen blieb.“''<ref name="nauman" /> Ebenfalls im Frühjahr 1913 verließ Man Ray sein Elternhaus und zog in eine [[Künstlerkolonie]] in [[Ridgefield (New Jersey)|Ridgefield]], [[New Jersey]], wo er der belgischen Dichterin Adon Lacroix, bürgerlich ''Donna Lecoeur'', begegnete; im Mai 1913 heirateten die beiden. Etwa 1914/15 kaufte sich Man Ray einen Fotoapparat, um seine eigenen Werke reproduzieren zu können. Am 31. März 1915 veröffentlichte er eine Ausgabe von ''The Ridgefield Gazook'', einem von ihm selbst entworfenen anarchisch-satirischen [[Pamphlet]], das bereits Grundzüge der späteren Dadazeitschriften aufwies, sowie ''A Book of Diverse Writings'' mit Texten von Donna und Illustrationen von ihm. Im Herbst 1915 hatte Man Ray seine erste Einzelausstellung in der New Yorker Daniel Gallery, bei der er sechs Gemälde verkaufte. Vermutlich traf er dort auf [[Marcel Duchamp]], der in Amerika gerade durch sein Aufsehen erregendes Bild ''[[Akt, eine Treppe herabsteigend Nr. 2]]'', das er in der Armory Show gezeigt hatte, bekannt geworden war. Es waren vor allem Duchamps revolutionäre Ideen und Theorien, die Man Ray unvermittelt, aber nachhaltig beeindruckten. Duchamp und Man Ray wurden bald gute Freunde. ==== Entwicklung des eigenen Stils ==== [[Datei:Francis Picabia.jpg|miniatur|Francis Picabia]] Man Ray war fasziniert von Duchamps Werk, insbesondere von dessen Darstellungen simpler, technisch „absurder“ unlogischer Maschinen mit ihren pseudomechanischen Formen, die eine scheinbare „geheimnisvolle“ Funktion vortäuschten, ebenso wie von Duchamps Manier, einfache Alltagsgegenstände als ''[[objet trouvé]]s'' zu Kunstobjekten zu erklären, die er ''Readymades'' nannte. Ein weiterer wichtiger Impulsgeber war [[Francis Picabia]] mit seinem Gedankengang zur „Überhöhung der Maschine“: ''„Die Maschine ist zu mehr geworden als nur zu einer Beigabe des Lebens […] sie ist wirklich ein Teil des menschlichen Lebens – vielleicht sogar seine Seele.“''<ref>''Francis Picabia – His Art, Life and Times'', Princeton University Press, 1979, S.71–100</ref> Vermutlich gegen Ende des Jahres 1915 begann auch Man Ray, mit solchen Objekten zu experimentieren und vollzog langsam den Schritt von der zweidimensionalen zur dreidimensionalen Kunst. Alsbald schuf Man Ray erste [[Assemblage]]n aus Fundstücken, so z.&nbsp;B. das ''Self Portrait'' von 1916, das aus zwei Klingeln, einem Handabdruck und einem Klingelknopf ein Gesicht bildete. Nun begann Man Ray sich auch regelmäßig an Ausstellungen zu beteiligen; so wurde der Sammler [[Ferdinand Howles]] auf den Nachwuchskünstler aufmerksam und begann, ihn mehrere Jahre als [[Mäzen]] zu fördern. Auf Marcel Duchamps Anregung hin befasste sich Man Ray sehr bald auch intensiv mit [[Fotografie]] und [[Film]]. Gemeinsam mit Duchamp, dessen Werk Man Ray in etlichen Fotografien dokumentierte, entstanden in New York zahlreiche Foto- und Filmexperimente. Um 1920 erfanden Marcel Duchamp und Man Ray das Kunstgeschöpf ''Rose Sélavy''. Der Name war ein [[Wortspiel]] aus „Eros c’est la vie“, Eros ist das Leben. Rose Sélavy war der als Frau verkleidete Duchamp selbst, der unter diesem Namen Werke signierte, während ihn Man Ray dabei fotografierte. Zunehmend interessierte sich der Künstler für das Unbewusste, Scheinbare und das angedeutet Mystische, welches hinter dem Dargestellten und „Nicht-Dargestellten“ verborgen schien. Im Verlauf des Jahres 1917 experimentierte er mit allen verfügbaren Materialien und Techniken und entdeckte neben dem [[Glasklischeedruck]] (Cliché verre) die ''Aerographie'', eine frühe [[Airbrush]]technik, für sich, indem er Fotopapier mit Farbe, respektive mit Fotochemie, besprühte. Eine frühe Aerographie nannte er ''Suicide'' (1917), eine Thematik, mit der sich Man Ray – wie viele andere Dadaisten und Surrealisten aus seinem Bekanntenkreis auch – oft beschäftigte (vgl. [[Jacques Rigaut]]<ref name="rigaut">Der französische Schriftsteller Jacques Rigaut beschäftigte sich in seinem knappen Lebenswerk ausnahmslos mit dem [[Suizid]]gedanken. Rigaut verübte 1929 Selbstmord.</ref>). Man Ray machte sich schnell mit den Techniken in der [[Dunkelkammer (Fotografie)|Dunkelkammer]] vertraut. Geschah dies anfangs noch aus dem einfachen Beweggrund, seine Gemälde zu reproduzieren, fand er im fotografischen Vergrößerungsprozess bald eine Ähnlichkeit zur Aerographie und entdeckte die kreativen Möglichkeiten dieser „Lichtmalerei“. ==== Die „Rayographie“ ==== [[Datei:Fotogramm.jpg|miniatur|Beispiel für ein Fotogramm (Urheber: Oliver Spalt)]] Einhergehend mit der Arbeit in der Dunkelkammer experimentierte Man Ray um 1919/20 mit [[Fotogramm]]en. Wie er sagte, habe er bei der Entdeckung der Technik „vollkommen mechanisch und intuitiv“ gehandelt. Das „Fotografieren ohne Kamera“ entsprach ganz seinem Wunsch, die [[Metaphysik]], die er bereits in seinen Malereien und Objekten suchte, „automatisch und wie eine Maschine einfangen und reproduzieren zu können“.<ref>Foresta: ''Man Ray – Sein Gesamtwerk'', 1989, S.29f</ref> In einem Brief an Katherine Dreier schrieb er: ''„Ich versuche meine Fotografie zu automatisieren, meine Kamera so zu benutzen, wie ich eine Schreibmaschine benützen würde – mit der Zeit werde ich das erreichen.“''<ref>Brief an Katherine Dreier, 20. Februar 1921</ref> Dieser Gedanke geht mit der Methode des „[[Automatisches Schreiben|Automatischen Schreibens]]“, die André Breton für den Surrealismus adaptierte, einher. Obwohl die Idee Gegenstände auf lichtempfindlichem Papier zu arrangieren und zu belichten so alt ist wie die [[Geschichte der Fotografie]] selbst –&nbsp;bereits [[William Fox Talbot|Fox Talbot]] hatte 1835 erste Fotogramme geschaffen&nbsp;–, belegte Man Ray das von ihm weiterentwickelte Verfahren sofort mit dem Begriff ''[[Rayographie]]''. In der Folgezeit produzierte er etliche solcher „Rayographien“ wie am Fließband: Fast die Hälfte seines gesamten Œuvres an Rayographien beziehungsweise „Rayogrammen“ entstand in den ersten drei Jahren nach der Entdeckung „seiner Erfindung“. Bereits Anfang 1922 hatte er alle technischen Möglichkeiten der damaligen Zeit am Fotogramm ausprobiert.<ref name="neusüss1">Floris M. Neusüss: ''Das Fotogramm in der Kunst des 20. Jahrhunderts'', DuMont, Köln, 1990, S.68f</ref> Später, in Paris, veröffentlichte er Ende 1922 eine limitierte Auflage mit zwölf Rayographien unter dem Titel ''Les Champs délicieux'' (Die köstlichen Felder); das Vorwort dazu schrieb [[Tristan Tzara]], der darin noch einmal deutlich auf den [[Neologismus]] „Rayographie“ hinwies. Die Zeitschrift [[Vanity Fair (Magazin)|Vanity Fair]] griff diese „neue“ Art der Fotokunst in einem ganzseitigen Beitrag auf.<ref>''Vanity Fair'', November 1922</ref> Von diesem Moment an sollten Man Rays fotografische Arbeiten die Runde in sämtlichen europäischen Avantgarde-Zeitschriften machen. So kam es zu zahlreichen Reproduktionen der ''[[Cliché verre]]'' – Arbeiten Man Rays aus dessen New Yorker Zeit (die Originale hatte Man Ray auf 18&nbsp;× 24&nbsp;cm² großen Glasnegativen angefertigt).<ref name="neusüss1" /> Man Ray legte sich in seiner gesamten Künstlerlaufbahn nie auf ein bestimmtes Medium fest: ''„Ich fotografiere, was ich nicht malen möchte, und ich male, was ich nicht fotografieren kann“'', sagte er einmal.<ref>Susan Sontag: ''Über Fotografie'', Frankfurt 1989, S. 176</ref> Durch die vielfältigen Möglichkeiten der Fotografie hatte die Malerei zwar vorerst ihren künstlerischen Zweck für ihn erfüllt. Er zog damit seinem Vorbild Duchamp gleich, der bereits 1918 sein letztes Gemälde anfertigte; letztlich durchzog aber das ewige [[Vexier]]spiel aus Malerei und Fotografie Man Rays Gesamtwerk. Er selbst erklärte dazu widersprüchlich: ''„Vielleicht war ich nicht so sehr an der Malerei interessiert, wie an der Entwicklung von Ideen.“''<ref name="nauman" /> ==== Vom „Foto-Objekt“ zum „Objekt-Foto“ ==== {| style="background-color:#f9f9f9; border:1px solid #aaa; float:right; margin:6px 0 6px 15px; padding:0.2em 0.4em; width:265px;" | '''Objekt-Fotografien 1918–20<br /><small>Auswahl externer Weblinks'''{{FN|!}}</small> * [http://www.fotopolis.pl/obrazki/womans.jpg Man (1918)] * [http://www.hit.ac.il/staff/ShlomoA/Photography/theory-new/photographyTheory_files/image021.jpg Woman (1918)] * [http://www.doctorhugo.org/synaesthesia/art/gift.jpg Cadeau/The Gift (1921)] * [http://www.24hourmuseum.org.uk/content/images/2007_1229.jpg Cadeau/The Gift (1974)] * [http://www.nga.gov.au/International/Catalogue/Images/LRG/43741.jpg The Riddle/The Enigma of Isidore Ducasse (1920)] |} In den Jahren 1918–1921 entdeckte Man Ray, dass ihm Foto- und Objektkunst vorläufig als beste Mittel dienten, seine Ideen zu formulieren. Tatsächlich hatte Man Ray 1921 die traditionelle Malerei vorübergehend ganz aufgegeben und experimentierte ausschließlich mit den Möglichkeiten des Arrangierens und „De-Arrangierens“ von Gegenständen. Im Unterschied zu Duchamp tat er dies durch die bewusste „Zweckentfremdung“ von Gegenständen oder durch die Darstellung eines bekannten Gegenstands in einem anderen Zusammenhang. Meistens fotografierte er diese Objekte und versah sie mit Titeln, die bewusst andere Assoziationen hervorriefen; so beispielsweise die kontrastreiche Fotografie eines Schneebesens mit dem Titel ''Man'' und analog dazu ''Woman'' (beide 1918), bestehend aus zwei Reflektoren, die als Brüste gesehen werden können und einer mit sechs Wäscheklammern versehenen Glasscheibe als „Rückgrat“. Eines der bekanntesten Objekte in Anlehnung an Duchamps Ready-mades war das spätere ''Cadeau'' (1921): Ein mit Reißnägeln gespicktes Bügeleisen, das als humorvolles „Geschenk“ für den Musiker [[Erik Satie]] gedacht war, den Man Ray bei einer Ausstellung in Paris in der Buchhandlung und Galerie ''Librairie Six'' kennenlernen sollte. Auch wenn die Ehe mit Adon Lacroix, die ihn mit französischer Literatur und Werken von [[Baudelaire]], [[Arthur Rimbaud|Rimbaud]] oder [[Apollinaire]] bekannt gemacht hatte, nur von kurzer Dauer war – die Ehe wurde 1919 geschieden –, befasste sich der Künstler weiterhin mit französischer Literatur. Der Einfluss wird in Man Rays Fotografie ''The Riddle'' oder ''The Enigma of Isidore Ducasse'' von 1920 besonders deutlich, die ein mit Sackleinen verschnürtes Paket zeigt, dessen Inhalt dem Betrachter jedoch verborgen bleibt. Die Lösung des Rätsels konnte nur über die Kenntnis der Schriften des französischen Autors [[Isidore Ducasse]], der auch als ''Comte de Lautréamont'' bekannt war, erfolgen. Man Ray nahm jene berühmt gewordene Stelle aus dem 6. Gesang der „[[Die Gesänge des Maldoror|Gesänge des Maldoror]]“ als Ausgangspunkt, in der Lautréamont als Metapher für die Schönheit eines Jünglings ''„das zufällige Zusammentreffen einer Nähmaschine und eines Regenschirms auf einem Seziertisch“'' beschrieben hatte. Das Interesse der Dadaisten an dem 50 Jahre zuvor verstorbenen Ducasse war durch [[André Breton]] geweckt worden, der in den Schriften frühes dadaistisch-surreales Gedankengut sah. Das Sujet des in Stoff gehüllten Gegenstandes kann indes auch als Reflexion Man Rays auf seine Kindheit in der Schneiderwerkstatt des Vaters interpretiert werden; das Objekt „an sich“ hatte Man Ray nur zum Zweck der Fotografie geschaffen.<ref>Die Fotografie ''The Enigma of Isidore Ducasse'' wurde am 1. Dezember 1924 in ''[[La Révolution surréaliste]]'', Nr.1 veröffentlicht</ref> ==== Société Anonyme Inc. & New York Dada ==== Am 29. April 1920 gründete Man Ray zusammen mit Marcel Duchamp und der Künstlerin [[Katherine Dreier]] die ''[[Société Anonyme Inc.]]'' als Vereinigung zur Förderung moderner Kunst in Amerika.<ref>Die ''Société Anonyme Inc.'' wurde am 30. April 1950 zum 30-jährigen Jubiläum ihrer ersten Ausstellung von Duchamp und Dreier bei einem Abendessen aufgelöst.</ref> Kurz danach erfolgte die Veröffentlichung von ''New York Dada'' zusammen mit Duchamp und Picabia. In New York galt Man Ray mittlerweile als Hauptvertreter des wenig beachteten amerikanischen Dadaismus; wann genau er mit der europäischen Dada-Bewegung in Berührung gekommen war, ist unbekannt, vermutlich entstand um 1919/20 ein brieflicher „Dreiecks-Kontakt“ zwischen Marcel Duchamp, der allerdings nie aktiv im Dada tätig war, und [[Tristan Tzara]], dem Wortführer und Mitbegründer der Bewegung. In einem Brief an Tzara klagte Man Ray über die Ignoranz der New Yorker Kunstszene:''„… Dada kann nicht in New York leben. New York ''ist'' Dada und wird keinen Rivalen dulden […] es ist wahr: Alle Anstrengungen es publik zu machen wurden getan, aber da ist niemand der uns unterstützt.“''.<ref>Man Ray: Brief an Tristan Tzara im Juni 1921</ref> Man Ray konstatierte später, ''„es habe nie so etwas wie New York-Dada gegeben, weil die Idee des Skandals und der Provokation als eines der Prinzipien von Dada dem amerikanischen Geist völlig fremd gewesen sei.“''<ref name="Die Zeit">[http://www.zeit.de/1974/02/Dada-in-NewYork Helmut Schneider: ''Dada in New York''], in ''[[Die Zeit]]'' 02/1974</ref> Man Rays Ambivalenz zu Amerika und seine Begeisterung für Frankreich, sowie der drängende Wunsch, endlich der progressiven europäischen Kunstwelt anzugehören, gipfelten schließlich im Juli 1921 in dem Entschluss des Künstlers, seinen Freunden Marcel Duchamp und Francis Picabia nach Frankreich zu folgen. === Die Pariser Jahre 1921–1940 === [[Datei:Passage de l'Opéra.jpg|miniatur|upright=.8|Die ''Passage de l’Opéra'' – Ein beliebter Treffpunkt der Pariser Dadaisten<br /><small>Foto um 1909</small>]] Man Ray kam am 22. Juli 1921<ref>Abweichende Quellen datieren seine Ankunft ''in Paris'' auf den [[Nationalfeiertag (Frankreich)|französischen Nationalfeiertag]], 14. Juli (''Man Ray Photograph'', Schirmer/Mosel München, 1982, S.253)</ref> in Frankreich an. Duchamp machte ihn in Paris im beliebten Dadaistentreff ''Café Certa'' in der ''Passage de l’Opéra'' sogleich mit André Breton, [[Louis Aragon]], [[Paul Éluard]] und dessen Frau [[Gala Éluard Dalí|Gala]] (die spätere Muse und Geliebte des spanischen Künstlers [[Salvador Dalí]]) und Jacques Rigaut bekannt. Die Europäer akzeptierten Man Ray, der bald fließend französisch sprach, schnell als einen der Ihren. Man Ray verbrachte anfangs viel Zeit damit, die Metropole Paris zu erkunden, konzentrierte sich aber schon bald auf das Zentrum der Pariser Kunstszene: [[Montparnasse]]. In den Cafés der ''[[Rive Gauche]]'', am Boulevard du Montparnasse, traf er auf die unterschiedlichsten Künstler: [[Henri Matisse|Matisse]], [[Diego Rivera]], [[Piet Mondrian]], [[Salvador Dalí]], [[Max Ernst]], [[Yves Tanguy]], [[Joan Miró]] und viele andere mehr. Die meisten von ihnen fanden später als Porträts Einzug in Man Rays fotografisches Werk. Gegen Ende des Jahres zog Man Ray in das berühmte Künstlerhotel ''Hôtel des Ecoles'' am Montparnasse. Anfang November nahm Man Ray zusammen mit Max Ernst, [[Hans Arp]] und Marcel Duchamp an einer Sammelausstellung in der Galerie des Kunsthändlers [[Alfred Flechtheim]] in [[Berlin]] teil. Man Ray, der nicht selbst nach Berlin reiste, schickte dafür ein Bild von Tristan Tzara mit einer Axt über dem Kopf und auf einer Leiter sitzend, neben ihm das übergroße Bildnis eines Frauenaktes (Porträt Tristan Tzara/Tzara und die Axt, 1921). Auf Bestreben Tzaras, der den neuen Dada-Künstler aus Amerika für „seine Bewegung“ etablieren wollte, fand noch im Dezember des Jahres in der ''Librairie Six'' die erste Ausstellung Man Rays in Paris statt. [[Datei:André Breton 1924.jpg|miniatur|links|upright=.5|Anonym: ''André Breton'', 1924]] Um die gleiche Zeit entstand Man Rays „offizielle Photographie“ der mittlerweile untereinander zerstrittenen Dadaisten. In der von Egozentrikern durchsetzten Dada-Gruppe, die sich in exzessiven Ausschweifungen erging, fand Man Ray längst nicht die Unterstützung, die er sich erhoffte, zumal bildende Künstler in dieser von Literaten beherrschten Szene wenig Beachtung fanden. Die Dadaisten hatten Dada in ihrer Absurdität bereits lakonisch-scherzhaft für tot erklärt: ''„Man liest überall in den Zeitschriften, dass Dada schon lange tot ist […] es wird sich zeigen ob Dada wahrhaftig tot ist oder nur die Taktik geändert hat;“'' und so wurde Man Rays erste Ausstellung mit den Dadaisten eher zu einer Farce; auch der Mangel an Verkäufen machten dem Künstler insgeheim zu schaffen. Verursacht durch eine Kontroverse, die der rebellische André Breton in Vorbereitung seiner „Surrealistischen Manifeste“ entfacht hatte, und einem damit verbundenen Disput Bretons mit Tzara, Satie, Eluard und weiteren Dadaisten kam es am 17. Februar 1922 mit einem Zensurbeschluss gegen Breton zur Spaltung zwischen Dadaisten und Surrealisten. Unter den 40 Unterzeichnern des Beschlusses befand sich auch Man Ray. Dies war das erste und letzte Mal, dass Man Ray Stellung zu einer künstlerischen Doktrin bezog.<ref name="ray2">Klüver, Martin: ''Man Ray – Sein Gesamtwerk'', S.102ff</ref> ==== Die Fotografie ==== {| style="background-color:#f9f9f9; border:1px solid #aaa; float:right; margin:6px 0 6px 15px; padding:0.2em 0.4em; width:265px;" | '''Fotografien 1922–26<br /><small>Auswahl externer Weblinks'''{{FN|!}}</small> * [http://www.atelier-augarten.at/ausstellungen_en/ulysses/kuenstler/manray_01.jpg James Joyce (1922)] * [http://jwa.org/node/3048 Gertrude Stein und Alice B. Toklas (1923)] * [http://www.getty.edu/art/collections/images/m/05333301.jpg Marcel Proust auf dem Totenbett (1922)] * [http://www.tate.org.uk/modern/exhibitions/duchampmanraypicabia/images/manray_marquise-cassati.jpg Marquise Casati (1922)] * [http://amadeo.blog.com/repository/192540/2261527.jpg Kiki (1922)] * [http://www.doctorhugo.org/synaesthesia/art/man-ray.jpg Le Violon d’Ingres (1924)] * [http://daraho.files.wordpress.com/2007/05/man_ray_noire_et_blanche.jpg Noir et blanche (Kiki) (1926)] * [http://www.athabascau.ca/html/courses/engl/373/woolf.jpg Virginia Woolf, um 1926] |} Erfolglos in der Malerei fasste Man Ray Anfang 1922 den Entschluss, sich ernsthaft der Fotografie zu widmen. Obwohl er seit seiner Ankunft in Paris schon zahlreiche Porträts von Picabia, Tzara, Cocteau und vielen anderen Protagonisten der Pariser Kunstszene angefertigt hatte, wollte er sich nun die Porträtfotografie als Einnahmequelle sichern und gezielt Auftraggeber suchen. ''„Ich habe jetzt meine Aufmerksamkeit darauf gerichtet, ein Atelier zu mieten und es einzurichten, damit ich effizienter arbeiten kann. Ich wollte ja Geld machen – nicht auf Anerkennung warten, die vielleicht kommt oder sich vielleicht nie einstellt.“''<ref name="ray2">Klüver, Martin: ''Man Ray – Sein Gesamtwerk'', S.108ff</ref> Dieser Entschluss ging mit dem drängenden Wunsch einher, sich von der bisherigen belastenden Situation „im Wettkampf mit den anderen Malern“ zu befreien. Seine ersten Auftragsarbeiten kamen selbstverständlich aus der Kunstszene: Picasso, [[Georges Braque]], [[Juan Gris]], Henri Matisse und viele andere ließen sich im Frühjahr/Sommer 1922 von ihm ablichten. Noch immer lebte und arbeitete Man Ray in einem Hotelzimmer und so beklagte er in einem Brief an seinen Freund und Förderer Ferdinand Howald: ''„Ich lebe und arbeite immer noch in einem Hotelzimmer, das sehr eng und teuer ist. Aber die Ateliers hier sind unmöglich – ohne Wasser oder Licht für die Nacht, wenn man nicht einen sehr hohen Preis zahlen kann, und auch dann muss man erst eines finden.“<ref>Brief an Ferdinand Howald, 28. Mai 1922</ref> Im Juli 1922 fand Man Ray schließlich ein geeignetes Wohnatelier mit Küche und Bad in der ''Rue Campagne Première 31''. Schnell wurde sein neues Studio zu einem beliebten Treffpunkt der Maler und Schriftsteller. Eine weitere wichtige Auftragsquelle wurden die angloamerikanischen Emigranten und so entstanden im Laufe der Zeit zahlreiche Porträts durchreisender Künstler, vornehmlich Schriftsteller wie [[James Joyce]] oder [[Ernest Hemingway|Hemingway]], die sich u.&nbsp;a. in [[Literarischer Salon|literarischen Salons]], wie dem von [[Gertrude Stein]] und [[Alice B. Toklas]], oder in [[Sylvia Beach]]s renommierter Buchhandlung ''[[Shakespeare and Company]]'' trafen. Zwar war dies die etablierte Pariser Literaturszene, jedoch hat Man Ray mit Ausnahme von [[Marcel Proust]] auf dem Totenbett, den er auf ausdrücklichen Wunsch Cocteaus fotografierte, keinen der führenden französischen Schriftsteller verewigt. Bald wurden auch die Pariser Aristokraten auf den ungewöhnlichen Amerikaner aufmerksam: Das verwackelte Porträt der exzentrischen Marquise Casati, einer früheren Geliebten des italienischen Dichters [[Gabriele d’Annunzio]], das die Marquise mit drei Augenpaaren zeigt, wurde trotz der Bewegungsunschärfe zu einer der signifikantesten Fotografien Man Rays. Die Marquise war ob des verwackelten Fotos so begeistert, dass sie gleich Dutzende von Abzügen bestellte, die sie an ihren Bekanntenkreis verschickte. Zu dieser Zeit entdeckte Man Ray die [[Aktfotografie]] für sich und fand in [[Kiki de Montparnasse]], bürgerlich ''Alice Prin'', einem beliebten Modell der Pariser Maler, seine Muse und Geliebte. Kiki, die Man Ray im Dezember 1922 in einem Café kennen gelernt hatte und die bis 1926 seine Lebensgefährtin war, avancierte schnell zum Lieblingsmodell des Fotografen; in den 1920er Jahren entstanden unzählige Fotografien von ihr, darunter eine der berühmtesten von Man Ray: Das surrealistisch-humorvolle Foto ''Le Violon d’Ingres'' (1924)<ref>Die Fotografie wurde im Juni 1924 erstmals in der Ausgabe Nr. 13 der Zeitschrift ''Littérature'' veröffentlicht</ref>, das den nackten Rücken einer Frau (Kiki) mit Turban zeigt, auf dem sich die beiden aufgemalten f-förmigen Öffnungen eines [[Violoncello]]s befinden. Die Fotografie wurde zu einer der am meisten publizierten und reproduzierten Arbeiten Man Rays. Den Titel ''Le Violon d’Ingres'' (Die Violine von Ingres) als französisches [[Idiom]] für „Hobby“ oder „Steckenpferd“ wählte Man Ray mutmaßlich in doppeldeutiger Anspielung auf den Maler [[Jean-Auguste-Dominique Ingres]], der sich bevorzugt dem Violinenspiel und der Aktmalerei gewidmet hatte. Ingres’ Gemälde ''La Grande Baigneuse'' (Das Türkische Bad) war offenkundig Vorlage für Man Rays geistreiches Fotorätsel.<ref>Man Ray: ''Le Violon d’Ingres'' in der Sammlung des [[Getty Museum]]s [http://www.getty.edu/art/gettyguide/artObjectDetails?artobj=61240]</ref> ==== Der Film ==== Man Ray hatte bereits in New York zusammen mit Marcel Duchamp einige experimentelle Kurzfilme gedreht, so zeigte der „anrüchigste“ Streifen eine Schamhaarrasur der exzentrischen Dadakünstlerin [[Elsa von Freytag-Loringhoven|Baronin Elsa von Freytag-Loringhoven]]. Später in Paris brachte ihn Tristan Tzara sofort mit diesem Film in Verbindung und stellte Man Ray bei einem Dada-Ereignis, das sich sinnigerweise ''Soirée du cœur à barbe'' (Der Abend des Bartherzens) nannte, prahlerisch als „prominenten amerikanischen Filmemacher“ vor. An diesem Abend im Juli 1923 führte Man Ray seinen ersten [[35-mm-Film]] in „Spielfilmlänge“ vor: den dreiminütigen schwarzweißen [[Stummfilm]] ''Retour à la raison'' (Rückkehr zum Grund), eine Auftragsarbeit von Tzara. Der Film zeigt stakkatoartig animierte Rayographien: Tanzende Nadeln, Salzkörner, eine Reißzwecke und andere Gegenstände, die Man Ray auf dem Filmstreifen verteilt und dann belichtet hatte, und schließlich Schriftfragmente, sich drehende Papierrollen und Eierkartons. Der Film endet mit dem sich drehenden [[Torso]] von Kiki de Montparnasse, auf dem sich ein Fensterkreuz als Lichterspiel abzeichnet.<ref name="ray3">Elisabeth Hutton-Turner: ''Man Ray – Sein Gesamtwerk'', 1989, S.152ff</ref> Der [[Experimentalfilm]] fand viel Beachtung und Man Rays Studio in der Rue Campagne Première 31 wurde bald Anlaufstelle für viele Filmenthusiasten und Rat suchende Jungfilmer. 1924 trat Man Ray selbst als „Darsteller“ auf: In den Filmen ''[[Entracte|Entr‘acte]]'' und ''Cinè-sketch'' von [[René Clair]] spielte er an der Seite von Duchamp, Picabia, Eric Satie und Bronia Perlmutter, Clairs späterer Frau. 1926 kam endlich ein finanzieller Erfolg für Man Ray: Der amerikanische Börsenspekulant Arthur S. Wheeler und dessen Frau Rose traten mit der Absicht, ins Filmgeschäft einzusteigen, an den Künstler heran. Die Wheelers wollten Man Rays Filmprojekte „ohne Auflagen“ fördern, nur sollte ein Film innerhalb eines Jahres fertiggestellt sein. Arthur Wheeler sicherte Man Ray eine Summe von 10.000 Dollar zu. Kurzum übergab Man Ray alle kommerziellen Aufträge an seine neue Assistentin [[Berenice Abbott]]<ref>Berenice Abbott (1898–1991), die später durch ihre Schwarzweißfotografien von New York bekannt wurde, erlernte das Fotohandwerk als Studentin bei Man Ray</ref> und konzentrierte sich ob der neugewonnenen künstlerischen Freiheit völlig auf das neue Filmprojekt. Im Mai 1926 begann Man Ray mit den Dreharbeiten in [[Biarritz]]. Im Herbst kam schließlich der fast zwanzigminütige mit Jazzmusik von [[Django Reinhardt]] unterlegte Film ''[[Emak Bakia]]'' in Paris zur Aufführung; die Premiere in New York fand im darauf folgenden Frühjahr statt. Man Ray skizzierte sein Werk als „Pause für Reflexionen über den gegenwärtigen Zustand des Kinos.“<ref name="ray3" /> ''Emak Bakia'' basierte ohne bestimmte Handlung auf Improvisationen, die mit Rhythmik, Geschwindigkeit und Licht spielen und somit auf das Medium Film an sich reflektieren. Der Film sollte ein ''cinepoeme'', eine „visuelle Poesie“ sein, wie Man Ray auch im Untertitel betonte. Der Film wurde ambivalent aufgenommen. Man Ray, der zumeist alles genau einplante, hatte für mögliche Kritiker bereits eine passende Erklärung: ''„Man kann sich auch mit der Übersetzung des Titels ‚Emak Bakia‘ befassen: Das ist ein hübscher alter [[Baskische Sprache|baskischer]] Ausdruck und bedeutet: Gib uns eine Pause.“'' Die Kritiker gewährten Man Ray diese Pause und ignorierten den Film. Das Medium Film galt zu der Zeit nicht als Kunst und so blieb ''Emak Bakia'' außerhalb der New Yorker Avantgarde unbekannt.<ref name="ray4">Elisabeth Hutton-Turner: ''Man Ray – Sein Gesamtwerk'', S.164</ref> Etwa einen Monat nach seinem enttäuschenden New Yorker Filmdebüt kehrte Man Ray nach Paris zurück. Mit seinem Assistenten [[Jacques-André Boiffard]] produzierte er noch zwei weitere surreale Filme ähnlicher Art: ''L’etoile de meer'' (1928) und ''Le Mystère du château de dés'' (1929). Mit Einführung des [[Tonfilm]]s und des Aufsehen erregenden Erfolges von [[Luis Buñuel|Buñuels]] und [[Dalí]]s ''[[Das goldene Zeitalter|L’Age d’Or (Das goldene Zeitalter)]]'' verlor Man Ray jedoch weitgehend das Interesse an dem Medium. 1932 verkaufte er seine Filmkamera. Während seiner „Exilzeit“ in [[Hollywood]] Anfang der 1940er sollte er sich noch ein letztes Mal kurz dem Film zuwenden. Anfang der 1930er Jahre widmete sich Man Ray fast ausschließlich der Fotokunst, nachdem er der Malerei wieder einmal eine klare Absage erteilt hatte: ''„Malerei ist tot, vorbei […] ich male nur noch manchmal um mich gänzlich von der Nichtigkeit der Malerei zu überzeugen.“''.<ref name="ray5">Sandra S. Phillips: ''Man Ray – Sein Gesamtwerk'', S.179</ref> Die Rayographie – er verwandte den Begriff mittlerweile für sein gesamtes fotografisches Œuvre – kam für Man Ray mittlerweile der Malerei gleich. Vergleichsweise ähnlich arbeiteten zu der Zeit nur [[Raoul Hausmann]], [[El Lissitzky]], [[László Moholy-Nagy|Moholy-Nagy]] und [[Christian Schad]]. ==== Modefotografie, Solarisation, Farbe ==== {| style="background-color:#f9f9f9; border:1px solid #aaa; float:right; margin:6px 0 6px 15px; padding:0.2em 0.4em; width:265px;" | '''Fotografien 1930–36<br /><small>Auswahl externer Weblinks'''{{FN|!}}</small> * [http://www.doctorhugo.org/synaesthesia/art/electricity.jpg electricité (Lee Miller) (1931)] * [http://www.ideofact.com/archives/Erotique%20Voilee.jpg Érotique voilée (Meret Oppenheim) (1934/35)] * [http://www.deleusejewelers.com/DeleuseBlog/gallery/1/IMG.jpg Coco Chanel (1935)] * [http://www.museum-folkwang.de/typo3temp/pics/7a3ff12d32.jpg Dora Maar (1936)] |} Neben progressiven Publikationen wie ''[[VU (Illustrierte)|VU]]'' oder ''[[Life (Magazin)|Life]]'', die sich vornehmlich der künstlerischen Fotografie widmeten und große Bildstrecken veröffentlichten, wurden bald auch Modezeitschriften wie ''[[Vogue (Zeitschrift)|Vogue]]'' oder ''[[Harper’s Bazaar]]'' auf den erfindungsreichen Fotokünstler aufmerksam. Bereits 1922 hatte Man Ray Modefotografien für den Modeschöpfer [[Paul Poiret]] angefertigt. Ab 1930 machte er schließlich regelmäßig Modeaufnahmen für Vogue und Harper’s. Bekannte Aufnahmen aus der Zeit zeigen beispielsweise die Modeschöpferinnen [[Coco Chanel]] oder [[Elsa Schiaparelli]] (ca. 1934/35). Im Zuge der „realen“ Modefotografie verließ Man Ray dabei den rein abstrakten Fotogramm-Stil und konzentrierte sich auf surreal-traumhafte Arrangements, die er mit experimentellen Techniken mischte: so arbeitete er in der Zeit oft mit Spiegelungen und [[Doppelbelichtung]]en. Eine bekannte Serie war das Portfolio ''electricité'' (1931) als edle Werbepublikation für die Pariser Elektrizitätswerke CPDE. Die Mappe entstand in Zusammenarbeit mit [[Lee Miller]], einer jungen, gut aussehenden ambitionierten und ehrgeizigen Amerikanerin, die fest entschlossen war, Man Rays Schülerin zu werden. Miller war im Februar 1929 auf ein Empfehlungsschreiben von [[Edward Steichen]] nach Paris gekommen und arbeitete bald mit Man Ray vor und hinter der Kamera zusammen. Mit ihr perfektionierte Man Ray seine bis dato streng geheim gehaltene Technik der [[Solarisation (Fotografie)|Solarisation]] und [[Pseudo-Solarisation]] (Sabattier-Effekt) und erreichte durch die scharfe kontrastreiche Trennung des Effektes völlig neue Möglichkeiten in der Bildsprache. Lee Miller überzeugte auch als Modell vor der Kamera: Die eleganten Akte und Modefotos mit der schönen, unterkühlt wirkenden Blondine glichen durch die neue akzentuierende, aber nicht völlig abstrahierende Solarisationstechnik anatomischen Studien. Zu dieser Zeit experimentierte Man Ray auch mit der [[Farbfotografie]], dabei entdeckte er eines der ersten Verfahren, um druckfähige Papierabzüge von Farbnegativen herzustellen. 1933/34 veröffentlichte das surrealistische Künstlermagazin ''[[Minotaure]]'' ein Farbbild Man Rays, 2 Jahre bevor der erste [[Kodak Kodachrome|Kodachrome]]-Film auf den Markt kam.<ref>{{internetquelle|autor=Nicole Heinicke|hrsg=stern|url=http://www.stern.de/presse/stern/:09.03.2004-%0A%09%09stern-FOTOGRAFIE-Nr.-35-Man-Ray-Werkschau-Unikaten-Foto-Pioniers.-Neue-Ausgabe-Foto-Edition-9.-M%E4rz-2004%0A%09%09%09/521269.html|format=|sprache=|titel=stern spezial FOTOGRAFIE Nr. 35 „Man Ray“|werk=|datum=9. März 2004|zugriff=6. April 2008|zitat=}}</ref> In ''Minotaure'' hatte Man Ray zuvor ''Les Larmes'' als schwarzweiße Bildstrecke veröffentlicht. {| style="background-color:#f9f9f9; border:1px solid #aaa; float:right; margin:6px 0 6px 15px; padding:0.2em 0.4em; width:265px;" | '''Externe Weblinks'''{{FN|!}} * [http://www.tate.org.uk/images/cms/13768w_manrayindestructibleobject.jpg Objet indestructible (1923–72, Replik)]<ref name="metronom" /> * [http://www.geocities.jp/manrayist/image9.gif A l'heure de l'observatoire –<br />Les Amoureux (1932)] |} ==== Lee Miller ==== Die Zusammenarbeit mit Lee Miller hatte eine irritierende Wirkung auf Man Ray. Im Gegensatz zu seinen früheren Modellen und Geliebten, wie der unbefangenen Kiki, war Miller sexuell unabhängig, intelligent und sehr kreativ. Aus der Faszination für Lee entwickelte sich bald eine merkwürdig obsessiv-destruktive Liebesbeziehung, die sich auch in Man Rays Werk niederschlug. Seine Sujets drehten sich zunehmend um [[Sadomasochismus|sadomasochistische]] Phantasien, bekamen [[Sexueller Fetischismus|sexualfetischistischen]] Charakter und spielten mit dem Gedanken der weiblichen [[Devot|Unterwerfung]], angedeutet bereits in seinem berühmten ''Object of Destruction'' (1932)<ref name="metronom">Das oft reproduzierte und unterschiedlich betitelte Metronom-Objekt hieß in der Urfassung ''The Object to Be Destroyed'' (1923) und wurde tatsächlich von einem Ausstellungsbesucher zerstört; in den Neufassungen hieß es dann ''Object of Destruction'' (1932), ''Lost Object'' (1945), ''Indestructible Object'' (1958/64), ''Last Object'' (1966) und schließlich ''Perpetual Motif'' (1972)</ref>, einem [[Metronom]], das in seiner bekanntesten Version mit einer Fotografie von Lee Millers Auge versehen war und im Original in Stücke geschlagen wurde, bis hin zu seinem bekanntesten Ölbild ''A l'heure de l'observatoire – Les Amoureux'' (Die Sternwartenstunde – Die Liebenden, 1932–34), das mutmaßlich Lees Lippen zeigt, aber die Assoziation mit einer überdimensionalen Vagina weckt, die über einer Landschaft schwebt. Der Künstler zerstört „sein“ Modell, reduziert oder idealisiert es, wie schon in früheren Arbeiten, zum Objekt seiner Begierde. Man Ray war zunehmend fasziniert von den Schriften des [[Donatien Alphonse François de Sade|Marquis de Sade]]; einige seiner Arbeiten weisen direkt auf de Sades Gedankengut hin, so z.&nbsp;B. ein Porträt von Lee Miller mit einem Drahtkäfig über dem Kopf, ein Frauenkopf unter einer Glasglocke oder Fotografien mit gefesselten, entpersonalisierten Frauenkörpern.<ref name="ray5">Sandra S. Phillips: ''Man Ray – Sein Gesamtwerk'', 1989, S. 212–220</ref> Letztlich scheiterte die künstlerische wie private Beziehung zwischen Man Ray und Lee Miller, 1932 kehrte Miller nach New York zurück. Sie wurde später eine berühmte [[Kriegsfotograf]]in. ==== Das Ende der Pariser Jahre ==== [[Datei:Man Ray Salvador Dali.jpg|miniatur|Salvador Dalí und Man Ray, 16. Juni 1934 in Paris<br /><small>Fotograf: [[Carl van Vechten]]</small>]] Mit dem Weggang Lee Millers vollzog sich ein kreativer Einbruch in Man Rays Schaffen. In den Folgejahren bis zu seiner Flucht nach Amerika 1940 machte er eher durch Ausstellungen, die sein internationales Renommee als Künstler festigten, als durch stilistische Innovationen auf sich aufmerksam. Seine kommerziellen Modefotografien waren zwar perfekt und routiniert in Szene gesetzt, dennoch lieferten sie keine wirklichen neuen kreativen Impulse. Neben dem aufkommenden modernen [[Fotojournalismus]] mit seinen „neuen“ innovativen Fotografen wie [[Henri Cartier-Bresson]], [[Chim]] und [[Robert Capa]] in ihrer politischen Emotionalität wirkten Man Rays kühle Studioproduktionen mittlerweile „statisch“ und überkommen. Bald verdrängten lebendige Straßenreportagen, wie die des sehr viel jüngeren [[Robert Doisneau]] oder die eines [[Brassaï]], der anfangs ebenso surrealistische Ansätze verfolgt hatte, Man Rays Kunstfotografie aus den Magazinen. Der Surrealist [[Louis Aragon]] zog auf einem Pariser Kultursymposium 1936 einen direkten Vergleich zwischen dem „Schnappschußfotografen“ Henri Cartier-Bressons und dem Studiofotografen Man Ray:''„…&nbsp;er (Man Ray) verkörpert das Klassische in der Fotografie […] eine Atelierkunst mit allem was dieser Begriff bedeutet: vor allem der statische Charakter der Fotografie […] im Unterschied dazu die Fotografien meines Freundes Cartier, die im Gegensatz zu der friedlichen Nachkriegszeit steht und wirklich durch ihren beschleunigten Rhythmus zu dieser Zeit der Kriege und Revolutionen gehört.“<ref name="ray6">zitiert nach Aragon: ''Painting and Reality – A Discussion'', 1936</ref> Man Ray beobachtete diese Entwicklung ebenso wie Aragon, schloss sich aber dem „neuen“ Trend der schnelllebigen realistischen Fotografie letztlich nicht an; vielmehr zog er sich noch mehr in seine eigene Traumwelt zurück. Zeitweise gab er die Fotografie – mit Ausnahme einiger kommerzieller Modefotos – sogar völlig auf und wandte sich wieder der Malerei zu. Er fühlte sich in der Entscheidung bestätigt, als ''A l’heure de l’observatoire – Les Amoureux'' bei einer großen [[Retrospektive]] surrealistischer Kunst im New Yorker [[Museum of Modern Art]] großen Anklang fand. Das Gemälde war Man Ray so wichtig, dass er es immer wieder in zahlreichen Fotografien einbrachte: Modefotos, Selbstporträts und Aktaufnahmen. Der Bildhauer [[Alberto Giacometti]] machte Man Ray um 1934 mit der jungen Künstlerin [[Meret Oppenheim]] bekannt. Oppenheim stand ihm Modell in der Fotoserie ''Érotique voilée'' (1934). Die berühmteste Aufnahme zeigt Oppenheim nackt, mit von Druckerschwärze beschmierter Hand vor einer Kupferstichpresse.<ref>Veröffentlicht in ''Minotaure'', Nr. 5, 1934–35, S. 15</ref> Ungefähr zu dieser Zeit entstanden auch zwei weitere wichtige Arbeiten: Die Bücher ''Facile'' (1935) und ''La Photographie n’est pas l’art'' (1937). ''Facile'' entstand mit Man Rays altem Freund [[Paul Éluard]] und dessen zweiter Frau [[Nusch Éluard|Nusch]]. Das Buch bestach durch feinste, teils solarisierte teils [[Invertieren|invertierte]] oder doppelbelichtete Aktfotografien von Nusch Eluard und ein neuartiges Layout, welches, ausgewogen zwischen Text und Bild, viel meditative Weißfläche ließ, um das Gefühl von Unendlichkeit zu evozieren. Neben Nusch Eluard ist nur ein Paar Handschuhe abgebildet. Das andere Werk ''La Photographie n'est pas l'art'' war eher eine Mappe, die in der Zusammenarbeit mit Breton entstand. Es sollte eine fotografische [[Antithese]] zu Man Rays Fotografien der 1920er Jahre werden: Zeichneten sich diese durch die Abbildung „schöner“ Dinge aus, so lieferte ''La Photographie n’est pas l’art'' mit harten, teilweise abstoßenden und verstörenden Sujets eine sarkastische Antwort auf die durch Krieg und Zerfall bedrohte Gesellschaft der ausgehenden 1930er Jahre.<ref>Sandra S. Phillips: ''Man Ray – Sein Gesamtwerk'', S.221ff</ref> {| style="background-color:#f9f9f9; border:1px solid #aaa; float:right; margin:6px 0 6px 15px; padding:0.2em 0.4em; width:265px;" | '''Gemälde 1938/39<br /><small>Auswahl externer Weblinks'''{{FN|!}}</small> * [http://www.askart.com/AskART/photos/SOL20060207_4888/60.jpg La Fortune (1938)] * [http://www.sade-ecrivain.com/images/saderay.jpg Portrait imaginaire de Sade (1938)] * [http://www.chess-theory.com/images1/70205_man_ray_beau_temps.jpg Le Beau Temps (1939)] |} Die fatalen Auswirkungen des [[Drittes Reich|Dritten Reiches]] zeigten sich bald in Paris. Spätestens ab 1938 hatte sich die Situation in der einstmals gastfreundlichen Metropole drastisch verändert; die Diskriminierung und Verfolgung der jüdischen Bevölkerung eskalierte in Gewalttaten gegenüber allem „Ausländischen“. Für Man Ray, den Einwanderer mit jüdischen Vorfahren, war dies nicht mehr der Ort, an dem er noch vor fast zwanzig Jahren so freundlich empfangen wurde. Das Ende seiner Pariser Zeit war gekommen. Den letzten großen Auftritt, bevor er nach Amerika ging, hatte er 1938 bei der „Internationalen Surrealistischen Ausstellung“ in der Galerie der [[École nationale supérieure des beaux-arts de Paris|Beaux Arts]] in Paris, die für ihn den ganz persönlichen Höhepunkt des Surrealismus markierte. Von nun an wurde Man Rays Bildsprache zunehmend düsterer und pessimistischer. Ein wichtiges malerisches Resümee auf seine „schönen Pariser Zeiten“ sollte das Gemälde ''Le Beau Temps'' werden, das 1939 kurz vor Beginn des [[Zweiter Weltkrieg|Zweiten Weltkrieges]] und seiner Abreise nach Amerika entstand. Es ist sowohl autobiografische Bilanz wie künstlerische Situationsbeschreibung. Das Bild hat einen ähnlichen Aufbau wie viele Werke der ''[[Pittura metafisica]]'': <blockquote> Eine [[Harlekin]]ade zweier hervorstechend farbiger, geometrischer Figuren vor einer von zerstörtem Mauerwerk abgegrenzten alptraumhaft düsteren Landschaft. Die linke offenbar männliche Figur, deren Kopf eine Laterne bildet, steht vor spitzen forkenartigen [[Spalier]]en; neben dem Harlekin liegen ein aufgeschlagenes Buch mit geometrischen Studien, sowie zwei gemusterte Steine. Der Harlekin dreht an dem Türknauf einer offenbar unbeweglichen Tür, die eher einem [[Paravent]] ähnelt, während aus dem Schlüsselloch eine Blutspur zu Boden rinnt. Auf den vier Feldern der Paraventtür sind zarte Akte in verschiedenen Stellungen angedeutet. Hinter der Tür lugt ein überdimensionaler Stecknadelkopf hervor. Auf der rechten Seite der Tür steht eine weibliche Figur mit einem buntem Rock, der einem bunten Zirkuszelt ähnelt; die Figur besitzt einen mechanischen Körper, der an eine Garnspule mit Propeller erinnert; im Hintergrund zitiert Man Ray sein zuvor entstandenes Gemälde ''La Fortune'' (1938): drei Kugeln, die einer gewellten Schlangenlinie folgend wie auf einem [[Carambolage]]-Tisch oder einer [[Boule-Spiel|Boule]]-Bahn liegen, die schließlich an einem erleuchteten Gebäude endet, das vermutlich Man Rays ehemaliges Landhaus sein soll; in dem Haus sind eine Staffelei und der Schattenriss eines Liebespaar zu erkennen, während auf dem Dach des Hauses ein [[Minotauros|Minotaurus]] dargestellt ist, der ein Reptil beim Liebesakt verschlingt. </blockquote> Das Bild ist nicht nur eine Bilanz seines bisherigen Œuvres, sondern es weist auch zugleich etliche autobiografische Elemente auf; der Minotaurus ist beispielsweise ein stilistischer Fingerzeig auf Picasso, mit dem Man Ray befreundet war und den er zeitlebens bewunderte. Mit Picasso, [[Dora Maar]], den Eluards, sowie Lee Miller und Roland Penrose hatte Man Ray zusammen mit seiner damaligen Geliebten Adrienne viele glückliche Stunden im Süden Frankreichs verbracht. Die Tür schließlich ist eine Anspielung auf André Breton, der Auseinandersetzung mit dem Surrealismus und dessen Verklausulierung einer „Tür zur Realität“.<ref>Breton hatte 1929 in einem Streitgespräch mit [[René Magritte]] die Frage aufgeworfen, ''wo'' sich die Tür zwischen Realität und Traum befindet. (René Passeron: ''Lexikon des Surrealismus – René Magritte'', Paris, 1978)</ref> Für Man Ray schien sie den schmerzhaften Eintritt in eine neue Realität zu bedeuten oder ein Symbol für „Die–Tür–hinter–sich–schließen“. Sehr bald nach Fertigstellung des Werkes sollte eine Odyssee quer durch Europa beginnen. Nach einer fehlgeschlagenen Flucht aus Paris per Flugzeug gelangte er schließlich per Zug über Spanien nach Portugal. Am 8. August 1940 schiffte er sich in [[Lissabon]] an Bord der ''Excambion'' nach New York ein. === Im Exil in Amerika 1940–1951 === Im Spätsommer 1940 kam Man Ray im Hafen von New York an. Obwohl noch amerikanischer Staatsbürger, war er in seinem Geburtsland ein Fremder. Er ließ nicht nur seine Freunde und seinen Status als Künstler in Paris zurück, sondern auch seine wichtigsten Werke der letzten zwanzig Jahre: Fotografien, Negative, Objekte und zahlreiche Gemälde, einschließlich seines Meisterwerkes ''A l’heure de l’observatoire – Les Amoureux''. Die meisten Arbeiten hatte er wohl bei Freunden versteckt, dennoch sind zahlreiche Arbeiten im Krieg zerstört worden oder verschollen. Bei seiner Ankunft wurde Man Ray von einer tiefen Depression erfasst. Überdies erregte sein Reisegefährte und Freund, der exaltierte [[Salvador Dalí]], sofort die Aufmerksamkeit der Fotoreporter, während er in Bedeutungslosigkeit versank. Dalí hatte es die ganzen Jahre zuvor verstanden, seinen Namen und seine Kunst auch in Übersee publik zu machen, wohingegen sich Man Ray fast ausschließlich in Europa aufhielt; so war es nicht verwunderlich, dass die Amerikaner so gut wie nichts über ihn wussten. Bei einer Ausstellungsbeteiligung im Museum of Modern Art im Dezember 1940 wurden lediglich drei alte Fotoarbeiten aus den 1920er Jahren von ihm gezeigt, die neben einer Vielzahl neuerer Arbeiten der „Daheimgebliebenen“ [[Edward Weston]] und [[Alfred Stieglitz]] wenig Beachtung fanden. Ungeachtet des fehlenden künstlerischen Ruhms fand Man Ray zwar schnell Aufträge als kommerzieller Fotograf, der Kampf indes, als Künstler jemals wieder Anerkennung zu finden, sollte Man Ray für den Rest seines Lebens beschäftigen. Ohne Förderer oder respektable Galerie sah die Situation für ihn als Künstler in New York schlecht aus und so hielt ihn dort nichts. Hatte der frankophile Man Ray zunächst [[New Orleans]] in Erwägung gezogen, folgte er wohl dem allgemeinen Ruf, dem damals viele Europäer folgten, nach [[Hollywood]] zu gehen. Während des Krieges unterstützte [[Los Angeles]], vor allem aufgrund der ansässigen Filmstudios, mehr als jede andere US-amerikanische Stadt die Kunstszene. Bereits im November 1940 traf Man Ray in Hollywood ein. Da dort bereits einstige Kollegen von ihm wie [[Luis Buñuel]] und [[Fritz Lang]] erfolgreich arbeiteten, hoffte auch er wieder im Filmgeschäft Fuß zu fassen; doch dies sollte sich als Irrtum erweisen: an „Kunst“ in Man Rays Sinne waren die kommerziell orientierten Studiobosse nicht interessiert. Seine Karriere beim Film sah er damit bald beendet. Enttäuscht rekapitulierte Man Ray später in seiner Autobiografie, dass er ''„…&nbsp;die Kamera in dem Wissen beiseite legte, dass sein Ansatz beim Filmen ein vollkommen anderer war als das, was die Industrie und die Öffentlichkeit von ihm erwartete“''.<ref>Foresta, Man Ray: ''Self Portrait'', Neuauflage 1999, S.345</ref> Dennoch blieb er elf Jahre in Hollywood und arbeitete als inoffizieller Berater bei Filmprojekten mit oder steuerte Objekte oder Gemälde als Requisiten bei. Sein einziger erwähnenswerter Beitrag blieb ''Ruth, Roses and Revolvers'' (1945), eine Drehbuch-Episode für den zwei Jahre später fertig gestellten Film ''Dreams That Money Can't Buy'' von [[Hans Richter (Dadaist)|Hans Richter]], an dem auch [[Alexander Calder]], Marcel Duchamp, Max Ernst und [[Fernand Léger]] mitwirkten. Man Ray widmete sich in diesen Jahren wieder verstärkt der Malerei, nur gelegentlich griff er noch zum Fotoapparat und wenn, dann war seine zweite Frau Juliet das Hauptmotiv. Juliet Browner, die Man Ray 1940 in Hollywood kennen gelernt hatte, war jung und lebendig und inspirierte ihn stets zu neuen Ideen. Von Juliet entstanden zahlreiche Porträtserien, die er sein Leben lang ergänzte. Einen ähnlich starken Einfluss auf den Künstler hatten zuvor nur seine erste Frau Adon Lacroix, Kiki de Montparnasse und Lee Miller. Mitte der 1940er Jahre begann Man Ray vereinzelt Vorlesungen über Dadaismus und Surrealismus zu halten. In der Zeit entstanden zahlreiche Objekte, die Man Ray ''Objects Of My Affection'' nannte. Zehn dieser Objekte stellte er 1946 bei der Ausstellung ''Pioneers of Modern Art in America'' im New Yorker [[Whitney Museum of American Art|Whitney-Museum]] aus. Die neuen Arbeiten zeugten von Humor und einer gewissen Selbstironie, so bezeichnete Man Ray das Object ''Silent Harp'' (1944), das aus einem Geigenhals bestand, als „Violon d’Ingres eines frustrierten Musikers. Er kann Farbe so selbstverständlich hören, wie er Töne sehen kann.“.<ref>Merry Foresta: ''Man Ray – Sein Gesamtwerk'', 1989, S.297</ref> Am 24. Oktober 1946 heirateten er und Juliet Browner in einer Doppelhochzeit zusammen mit Max Ernst und [[Dorothea Tanning]] in [[Beverly Hills]]. Um 1947 erhielt Man Ray die frohe Botschaft aus Paris, dass sein Haus in [[Saint-Germain-en-Laye]] und zahlreiche seiner Arbeiten vom Krieg verschont worden waren. Zusammen mit Juliet machte er sich im Sommer auf den Weg nach Paris um den Fundus zu sichten. Bis auf das Gemälde ''Le Beau Temps'' verschiffte Man Ray alle Arbeiten nach Hollywood. Im Herbst desselben Jahres kehrte er nach Amerika zurück. 1948 kombinierte er die aus Paris überführten Arbeiten mit dem neuen abstrakt-geometrischen Gemäldezyklus ''Equations for Shakespeare'' für eine Ausstellung unter dem Titel ''Paintings Repatriated from Paris'' in der [[William Copley|William Copley Gallery]] in Los Angeles. Genau genommen waren die ''Equations for Shakespeare'' eine Neuaufnahme einer bereits vor zehn Jahren in Paris begonnenen Serie. Für die Ausstellung in der Copley Gallery entstand der aufwendige Katalog ''To Be Continued Unnoticed'' der als ungebundene Mappe nebst Ausstellungsverzeichnis auch zahlreiche Reproduktionen von Werkzeichnungen, Objekten und Fotoarbeiten sowie Ausstellungskritiken früherer Jahre im charakteristischen Nonsens-Stil der damaligen Dada-Zeitschriften in einem konzeptionellen Kontext zusammenfasste. Die Ausstellungseröffnung am 13. Dezember 1948 war ein großes Ereignis und ließ noch einmal an die „guten“ Pariser Jahre erinnern. Zahlreiche internationale bildende Künstler, Schriftsteller und Filmemacher zählten zu den Gästen des ''Café Man Ray'', wie die Vernissage in Anspielung auf die Pariser Kaffeehäuser genannt wurde. Man Rays Ausstellung war zugleich Höhepunkt und Abschluss seines Schaffens in Los Angeles. Ungeachtet des respektablen Erfolgs an der Westküste empfand Man Ray die Resonanz des Publikums in den USA als zu gering und so lag es nahe, dass er 1951 wieder nach Paris zurückkehrte. [[Datei:Man Ray by Wolleh.jpg|miniatur|Man Ray porträtiert von [[Lothar Wolleh]], Paris 1975]] [[Datei:Man Ray - Tombe - Cimetière du Montparnasse.jpg|miniatur|Grab von Man Ray und Juliet Man Ray auf dem Cimetière du Montparnasse]] === Rückkehr nach Paris 1951–1976 === Im Mai 1951 bezog Man Ray mit seiner Frau Juliet eine Pariser Studiowohnung in der ''Rue Frou'', die er bis zu seinem Lebensende bewohnte. In den Folgejahren wurde es trotz intensiver Ausstellungsbeteiligungen in Europa und Übersee ruhiger um den Künstler, der sich nun bevorzugt der abstrakten Variationen respektive der Reproduktion früherer Arbeiten (unter anderem ''Cadeau'', Reproduktion 1974)<ref name="Vanity Fair Online">[http://www.vanityfair.de/gallery/surrealismus_galerie/1053/G/1.html surrealismus_ausstellung – VANITY FAIR ONLINE<!-- Automatisch generierter titel -->] (abgerufen 28. Februar 2008)</ref> widmete und gelegentlich mit der [[Farbfotografie]] experimentierte. Auch die Porträtfotografie verfolgte er weiterhin; so entstanden in den 1950er/1960er Jahren u.&nbsp;a. Fotografien von [[Juliette Greco]], [[Catherine Deneuve]] und anderen Künstlerkollegen. Zu dieser Zeit entstanden auch Arbeiten in [[Acrylmalerei|Acryl]], wie die so genannten ''Natural Paintings'' zwischen 1957 und 1965, in denen er mit zufälligen Anordnungen pastoser Acrylaufstriche experimentierte (''Decembre ou le clown'', ''Othello II'', 1963). 1958 nahm er an der Ausstellung ''Dada, Dokumente einer Bewegung'' im [[Kunstverein für die Rheinlande und Westfalen|Kunstverein Düsseldorf]] und an einer Dada-Ausstellung im [[Stedelijk Museum]] in [[Amsterdam]] teil. Im Folgejahr 1959 arbeitete er als kinematografischer Berater an der kurzen filmischen Dokumentation ''Paris la belle'' von [[Pierre Prévert]] mit. 1960 war er auf der [[Photokina]] in [[Köln]] vertreten; auf der [[Biennale di Venezia|Biennale von Venedig]] erhielt er 1961 die Goldmedaille für Fotografie. 1963 legte Man Ray in [[London]] seine Autobiografie ''Self-Portrait'' vor. Zum fünfzigsten Jubiläum des Dadaismus 1966 nahm Man Ray an einer großen Dada-Retrospektive teil, die in Paris im [[Musée National d’Art Moderne]], im [[Kunsthaus Zürich]] und im [[Civico Museo d’Arte Contemporanea]] in [[Mailand]] gezeigt wurde. 1966 erhielt Man Ray seine erste große [[Retrospektive]] im [[Los Angeles County Museum of Art]]. Anlässlich seines 85. Geburtstages fand 1974 eine von [[Roland Penrose]] und [[Mario Amaya]] organisierte Einzelausstellung mit 224 Werken unter dem Motto ''Man Ray Inventor-Painter-Poet'' im [[New York Cultural Center]] statt, die anschließend 1975 im [[Institute of Contemporary Arts]] in London, der ''[[Alexander Iolas|Alexander Iolas Gallery]]'' in [[Athen]] und schließlich im [[Palazzo delle Esposizioni]] in [[Rom]] gezeigt wurde. Man Ray starb am 18. November 1976 in Paris. Er wurde auf dem [[Friedhof Montparnasse|Cimetière Montparnasse]] beigesetzt. Die Inschrift seines Grabsteins lautet: ''“unconcerned, but not indifferent”'' (unbekümmert, aber nicht gleichgültig). Seine Frau Juliet Browner Man Ray kümmerte sich bis zu ihrem Tod 1991 um den Nachlass von Man Ray und spendete zahlreiche seiner Arbeiten an Museen. Sie gründete die Stiftung „Man Ray Trust“. Die Stiftung besitzt eine große Sammlung von Originalarbeiten und hält die [[Urheberrecht]]e des Künstlers. Juliet wurde neben Man Ray beigesetzt. == Werke == === Fotografien === * ''Man'' – ''Woman'', 1918 * ''Dust Raising'', 1920 * ''The Enigma of Isidore Ducasse (The Riddle)'', 1920 * ''Larmes (Glass Tears)'', versch. Versionen, 1920–1933 * ''KEEP SMILING – dadaphoto'', 1921 * ''Marquise Casati'', 1922 * ''Kiki im Café'', etwa 1923 * ''Le Violon d'Ingres'', 1924 * ''Noire et blanche'', 1926 * ''Mr and Mrs Woodman'', 1927–1945 * ''La Prière'', 1930 * ''L'œuf et le coquillage'', 1931 * ''Érotique voilée'', 1934 * ''Dora Maar'', 1936 * ''Space Writings'', 1937<ref>Die Idee der „Lichtmalerei“ ([[Light Painting]]), d.h. in einem abgedunkelten Raum mit einer kleinen Taschenlampe Figuren „in die Luft“ zu zeichnen und diese auf Film zu bannen oder mit einem Fotoapparat mit [[Langzeitbelichtung]] festzuhalten, hatte später auch Pablo Picasso aufgegriffen und 1949 von dem Fotografen [[Gjon Mili]] im Bild fixieren lassen.</ref> * ''Selfportrait'', 1963 * ''La Télévision'', 1975 <small>''Ferner:'' * Diverse Porträtfotografien (-serien) berühmter Personen aus Kunst und Kultur, die größtenteils in den 1920er Jahren entstanden sind * Zahlreiche, teilweise unbetitelte Fotoserien, die das Bild ''A l'heure de l'observatoire – Les Amoureux'' im Hintergrund zeigen</small> === Malerei === * ''Ramapo Hills'',1914/15 * ''Arrangement of Forms, No. 1'', 1915 * ''The Revolving Doors'', 1916/17, zehn [[Serigrafie]]n * ''La Volière (Aviary)'', 1919 * ''Une nuit à Saint-Jean-de-Luz'', 1929 * ''A l'heure de l'observatoire – Les Amoureux'', 1932–34 * ''La Fortune'', 1938 * ''Le Rebus'', 1938 * ''Imaginary Portrait of D.A.F. de Sade'' 1938 * ''Le Beau Temps'', 1939 * ''Juliet'' 1943 === Objekte === * ''Lampshade'', 1919 * ''Obstruction'', 1920 * ''Schachspiel (Chessboard)'', 1920 (Neufassung 1945) * ''The Object to be Destroyed'', 1921 (''Object of Destruction'', 1932, ''Lost Object'' 1945; ''Indestructible Object'', 1958; ''Last Object'', 1966; ''Perpetual Motif'', 1972) * ''Catherine Barometer'', 1920 * ''Cadeau'', 1921, Bügeleisen mit Reißnägeln (Neufassung 1971) * ''Table for Two, 1944, Holztisch * ''Silent Harp'', 1944, Geigenhals, Spiegel und Gitter mit Pferdehaaren * ''Optical Hopes and Illusions'', 1945, hölzerner Banjorahmen mit Ball und Spiegel <small>Viele Objekte Man Rays entstanden einzig zu dem Zweck fotografiert zu werden und wurden anschließend zerstört</small> === Filme === * ''Anémic cinéma'', 1921, Regie zusammen mit Marcel Duchamp, fertiggestellt 1926 * ''Retour à la raison'', 1923, Regie und Produzent * ''Ballet mécanique'', 1924, von [[Fernand Leger]]; technischer Berater * ''Emak Bakia'', 1926, Regie und Produzent * ''Étoile de mer, L''', 1928, Regie und Produzent * ''Le Mystères du château de Dé, Les'', 1929, Regie und Produzent * ''Essai de simulation de délire cinématographique'', 1935, Regie * ''Paris la belle'', 1959/60, von [[Pierre Prévert]], Kamera == Rezeption == {{Zitat-fr|J'ai toujours envié ceux pour qui une oeuvre est un mystère.|Übersetzung=Ich habe immer jene beneidet, für die ein Werk ein Geheimnis ist.|Man Ray}} Man Ray blieb vielen Menschen rätselhaft, schwer zugänglich und fand erst spät Beachtung. Allein der Umfang seines vielschichtigen Gesamtwerks erschwert eine [[Formalerschließung|formale Erschließung]] und somit die [[Kategorisierung]] in bestimmte Stile. Er vereinigte nahezu sämtliche Richtungen der [[Moderne Kunst|modernen Kunst]] des beginnenden [[20. Jahrhundert]]s, weshalb er oft verallgemeinernd als „Modernist“ oder „Erneuerer des Modernismus“ bezeichnet wurde.<ref>Francis Nauman, Gail Stavitsky: ''Conversion to Modernism: The Early Work of Man Ray'' [http://www.tfaoi.com/aa/4aa/4aa145.htm]</ref> Man Ray war neben Marcel Duchamp und Francis Picabia zwar die treibende Kraft des New York Dada, stand aber schon dort deutlich an der Schwelle zum Surrealismus. André Breton bezeichnete Man Ray als einen „Prä-Surrealisten“, weil viele seiner Werke richtungsweisend für die spätere Bewegung waren. Obwohl Man Ray zeitlebens viele Schriftstücke mit kunsttheoretischen Ansätzen und Betrachtungen verfasste, war er selbst nie wirklich an einer Manifestation respektive am dogmatischen Überbau einer bestimmten Kunstrichtung interessiert oder beteiligt. Mit dieser teilweise aus der Not geborenen „Außenseiterposition“ und dem drängenden Wunsch, sich ständig neu zu erfinden, folgte er wahrscheinlich seinem Freund und Mentor Duchamp.<ref name="foresta einführung">Merry Foresta: ''Man Ray – Sein Gesamtwerk'', 1989, Einführung</ref> Der französische Museumsdirektor und Ausstellungsmacher [[Jean-Hubert Martin]]<ref>Jean-Hubert Martin (* 1944) war u.&nbsp;a. Museumsdirektor des [[Centre Georges Pompidou]] und des [[Museum kunst palast|Museums Kunst Palast]] in Düsseldorf</ref> skizzierte Man Ray als ''„einen unermüdlichen Wanderer im grenzenlosen Reich der Kreativität. […] In der Fotografie hat er alles ausprobiert ohne sich jemals in Konventionen einschließen zu lassen. Sein Werk ist unglaublich vielfältig und quantitativ bis heute nicht voll erfasst. […] Seine zahlreichen Objekt-Assemblagen, die aus allem möglichen zusammengesetzt sind, wirken anregend für die Phantasie.“''<ref>Vorwort von Jean-Hubert Martin in ''Man Ray Photographer'', 1982, S. 9</ref> Typisch für Man Rays Werk ist die Idee der ständigen mechanischen Wiederholung und Reproduktion, auch in kommerzieller Hinsicht, womit er ein grundlegendes Prinzip [[Andy Warhol]]s sowie der [[Pop-Art]] im Allgemeinen vorwegnimmt. Mit Warhol hat Man Ray auch biographische Gemeinsamkeiten: beide stammten aus armen Immigrantenfamilien und verkehrten später in höheren Gesellschaftskreisen, von denen sie zumeist ihre Aufträge bezogen, waren aber im wesentlichen Einzelgänger.<ref>Klüver, Marin: ''Man Ray – Sein Gesamtwerk'', 1989, S. 134</ref> === Bedeutung für die Fotografie === Man Ray kam von der Malerei zur Fotografie und hob dabei die Grenzen zwischen der „dokumentarisch-[[Utilitarismus|utilitaristischen]]“ und der „kreativen“ Fotografie auf: Zum einen lieferte er als Zeitzeuge wichtige Fotodokumente aus den „Kinderjahren“ der modernen zeitgenössischen Kunst des 20. Jahrhunderts, zum anderen erweiterte er durch seine Experimentierfreude das Spektrum der damaligen „Lichtbildnerei“, in einer Zeit, als man glaubte, „alles sei schon durchfotografiert worden.“<ref>Herbert Molderings in ''Man Ray Photograph'', 1982, S.15f</ref> Er porträtierte fast sämtliche bedeutenden Personen des kulturellen Zeitgeschehens im kreativen Zenit des Paris der 1920er Jahre und schuf damit ein Œuvre wie vor ihm nur [[Nadar]]. Man Ray löste mit seiner Vielfalt der Techniken, der Fotocollage, dem Rayogramm – respektive der Solarisation – einen wichtigen Impuls für den Surrealismus aus. Indem er die gewöhnliche Bedeutung der Objekte aufhob und ihnen eine traumhaft-sinnliche, sogar erotische Komponente zukommen ließ, unterschied er sich von seinen europäischen Zeitgenossen wie Moholy-Nagy oder [[El Lissitzky|Lissitzky]], die, ganz dem Gedanken des [[Bauhaus]] und des [[Konstruktivismus (Kunst)|Konstruktivismus]] folgend, das nüchterne gegenstandslose Abbild suchten.<ref>Floris M. Neusüss: ''Das Fotogramm'', 1990, S.14/15</ref> Der Kunsttheoretiker [[Karel Teige]] bezeichnete ihn hingegen als „zweitrangigen kubistischen Maler, der dank der Mode jener Zeit zum Dadaisten wurde, aufhörte zu malen und begann, metamechanische Konstruktionen – den [[Suprematismus|suprematischen]] Konstruktionen der Russen [[Alexander Michailowitsch Rodtschenko|Rodtschenko]] und Lissitzky ähnlich – zu konstruieren um sie schließlich mit genauer Kenntnis des fotografischen Handwerks zu fotografieren.“.<ref>Karel Teige: ''Der Fall Man Ray'' aus Neusüss: ''Das Fotogramm'', S.76</ref> Womit Man Rays Dilemma, dass die Fotografie lange nicht als „Kunst“ angesehen wurde, deutlich wird: Die von Literaten beherrschten Dadaisten schätzen ihn als Freund und Dokumentaristen, die künstlerische Anerkennung als Maler und Fotograf verwehrten sie ihm jedoch.<ref>Sandra S. Phillips: ''Man Ray – Sein Gesamtwerk'', 1989, S. 177ff</ref> Während ihn die meisten zeitgenössischen amerikanischen Künstlerkollegen und Kritiker wie [[Thomas Hart Benton (Maler)|Thomas Hart Benton]] eher distanziert-abwertend als „Handwerker“ betrachteten – da ja die Fotografie „untrennbar“ mit der Mechanik verbunden sei und allenfalls Stieglitz, [[Paul Strand]] und [[Edward Steichen]] anerkannten – war einzig [[Georgia O’Keeffe]], die sich selbst mit den Möglichkeiten der Fotografie befasste, bereit ihn als ''„jungen Maler mit ultramodernen Tendenzen“'' hervorzuheben.<ref name="foresta einführung" /> Der Kritiker [[Henry McBride]] nannte ihn anlässlich einer Ausstellung in der Vallentine Gallery in New York ''„…&nbsp;einen Ursprungs-Dadaisten und den einzigen von Bedeutung, den Amerika produziert hat.“''<ref name="foresta einführung" >Merry Foresta: ''Man Ray – Sein Gesamtwerk'', 1989, Einführung</ref> Für viele Fotografen und Filmemacher war Man Ray Berater, Entdecker, Lehrmeister und ''[[spiritus rector]]'' zugleich: unter ihnen finden sich bekannte Namen wie [[Eugène Atget]], [[Berenice Abbott]], [[Bill Brandt]] oder [[Lee Miller]]. === Bedeutung für den Film === Man Ray produzierte nur vier kurze Filme in den 1920ern, die, neben [[Luis Buñuel|Buñuels]] und [[Salvador Dalí]]s Aufsehen erregenden Werken ''[[Ein andalusischer Hund]]'' (1928) und ''[[Das goldene Zeitalter|L’Age d’Or (Das goldene Zeitalter)]]'', als Pionierarbeiten des poetisch-surrealistischen [[Experimentalfilm]]s gelten. Darüber hinaus wirkte er zumeist beratend bei anderen Filmproduktionen mit. Durch seine Bekanntschaften mit [[René Clair]], [[Jean Cocteau]] und anderen Filmschaffenden Anfang der 1930er Jahre hat sich Man Ray auch mit dem [[Poetischer Realismus (Film)|poetischen Realismus]] des französischen Films auseinandergesetzt. Der stilistische Einfluss Man Rays auf die [[Kinematographie]] findet sich in zahlreichen Kunstfilmen wieder; so unter anderem bei [[Marcel Carné]], [[Jean Genet]] oder [[Jean Renoir]] oder in den [[Undergroundfilm]]en der Nachkriegszeit von beispielsweise [[Kenneth Anger]], [[Jonas Mekas]] oder Andy Warhol.<ref>Brett Kashmere: ''Underground Film, Into the Light – Two Sides of the Projected Image in American Art, 1945–1975'' [http://www.synoptique.ca/core/en/articles/kashmere_underground]</ref> === Bedeutung für die Malerei === In der Malerei rekapitulierte und ''reproduzierte'' Man Ray innerhalb kürzester Zeit, explizit von 1911 bis 1917, fast sämtliche Stile seiner Zeitgenossen: Angefangen beim Impressionismus führte ihn die fast zwanghafte Suche nach einer eigenen [[Ikonografie]] zu futurokubistischen Stilelementen, die sich teilweise auch in [[Francis Picabia|Picabias]] Werken wiederfinden. Man Ray stand damit malerisch an einen Scheideweg, der kennzeichnend für den beginnenden [[Präzisionismus]] als erste „eigene“ amerikanische Kunstrichtung und als Trennung vom europäischen Modernismus zugleich war. Man Ray beschritt jedoch nicht den tradierten Weg des [[Tafelbild (Malerei)|Tafelbildes]]. Der Prozess seiner Bildfindung glich eher einem ''seriellen'' Prozess, der getrieben war von der Suche „nach einem System, das den Pinsel ersetzen, ihn sogar übertreffen könnte.“<ref>aus dem einleitenden Essay von Janus zu ''Man Ray Photograph.'' Schirmer/Mosel, München 1982, S.29</ref> Zwischen 1917 und 1919 führte Man Ray mit Hilfe von Spritzpistolen und Schablonen die von ihm weiterentwickelte ''Aerographie'' als „maschinelles“ multifunktionales Stilmittel in die Malerei ein. Damit nahm er das Konzept der Warholschen Serigrafien und ihrer beliebigen Reproduzierbarkeit vorweg. In dem lyrisch abstrahierten kubistischen Werk ''Revolving Doors'' (1916/17) zeigt Man Ray in Collagen aus transparenten Papieren chromatische Überlagerungen, die einem konstruktivistischen Prinzip folgen und scheinbare „Standbilder“ eines [[Kinetische Kunst|kinetischen Kunst]]-Apparates sind, wie er später, 1930, unabhängig von Man Ray im [[Bauhaus]] als „Licht-Raum-Modulator“ bei [[László Moholy-Nagy|Moholy-Nagy]] zu finden ist. Die ''Revolving Doors'' legte Man Ray 1926 als Serie auf. Im Gegensatz zu seinen signifikanten Fotografien und Objekten wirkt Man Rays malerisches Werk weniger „verspielt“ und unzugänglicher und gipfelt letztlich in seinem surrealen Meisterstück ''A l'heure de l'observatoire – Les Amoureux'' (1932–34), von dem Man Ray so angetan war, dass er es selbst immer wieder rezipierte. Seine späteren Werke schöpfen aus dem synthetischen [[Kubismus]], greifen Ideen seiner New Yorker Jahre auf oder lehnen sich in Bildern wie ''La Fortune II'' an [[René Magritte]]s verschlüsselte Tautologien und die bühnenhaften Kompositionen der [[Pittura metafisica]] an. An die malerischen Tendenzen der Moderne nach 1945 konnte Man Ray indes nicht anknüpfen. Kritiker wie der Surrealismusexperte René Passeron stuften Man Rays Bedeutung für die Malerei gleichwohl als weniger relevant ein: ''„Wäre Man Ray nur Maler gewesen, so würde er bestimmt nicht zu den wichtigsten bildenden Künstlern des Surrealismus gehören.“''<ref>[http://www.g26.ch/art_ray.html René Passeron: ''Lexikon des Surrealismus''] auf [http://www.g26.ch/ g26.ch] (abgerufen 28. Februar 2008)</ref> == Literatur == === Schriften von Man Ray (Auswahl) === * ''Alphabet for Adults'', Copley Gallery, Beverly Hills, 1948 * ''Analphabet'', Nadada Editions, New York, 1974 * ''Les Champs délicieux'', Société Generale d'Imprimerie, 1922 * ''New York Dada'', im Eigenverlag mit Marcel Duchamp, New York, 1921 * ''A Note on the Shakespearean Equations'', Copley Gallery, Beverly Hills, 1948 * ''La Photographie n'est pas l'art'', GLM, Paris, 1937 * ''Man Ray, Selbstportrait. Eine illustrierte Autobiographie'', Schirmer/Mosel, München, Neuauflage 1998, ISBN 978-3-88814-149-2 === Monografien === * Merry Foresta, Stephen C. Foster, Billy Klüver, Julie Martin, Francis Naumann, Sandra S. Phillips, Roger Shattuck und Elisabeth Hutton Turner: ''Man Ray 1890–1976. Sein Gesamtwerk.'' Edition Stemmle, Schaffhausen, 1989, ISBN 978-3-7231-0388-3 * ''Man Ray Photograph.'' Neuauflage 1997, Schirmer/Mosel, München, ISBN 978-3-88814-187-4 * Patterson Sims (Vorwort), Francis M. Naumann: ''Conversion to Modernism: The Early Works of Man Ray.'' Rutgers University Press, 2003, ISBN 978-0-8135-3148-9 * Herbert R. Lottman: ''Man Ray’s Montparnasse.'' Verlag Harry N. Abrams, Inc., 2001, ISBN 978-0-8109-4333-9 (englisch) * Man Ray, Manfred Heiting, Emmanuell de l’Ecotais: ''Man Ray 1890–1976.'' Neuauflage 2004, Taschen Verlag, ISBN 978-3-8228-3483-1 * stern Spezial Fotografie: ''Man Ray.'' teNeues Verlag, 2004, ISBN 978-3-570-19444-7 == Weblinks == * {{Commonscat|Man Ray}} * {{BAM|Man Ray}} * {{Kunstaspekte|1294}} * {{DNB-Portal|118598694}} * {{IMDb Name|ID=0712915|NAME=Man Ray}} * [http://www.manraytrust.com Man Ray Trust – Official Site] (englisch) * [http://www.manray-photo.com Man Ray Photo] (französisch/englisch) * [http://www.artcyclopedia.com/artists/man_ray.html artcyclopedia.com – Linkssammlung] * [http://www.ieeff.org/ny.html Dada in New York] (englisch) * [http://www.ubu.com/film/ray.html Man Ray Filme auf ubu.com] (englisch) == Anmerkungen, Einzelnachweise und Quellen == <small>Soweit nicht anders vermerkt, basiert der Hauptartikel auf den chronologisch voneinander abweichenden Monografien und Werkbetrachtungen von Merry Foresta, Stephen C. Foster, Billy Klüver, Julie Martin, Francis Naumann, Sandra S. Phillips, [[Roger Shattuck]] und Elisabeth Hutton Turner, die teilweise in gekürzter Fassung in der englischsprachigen Originalausgabe ''Perpetual Motif: The Art of Man Ray'' erschienen sind (deutsche Ausgabe: ''Man Ray – Sein Gesamtwerk''), Edition Stemmle, Zürich, 1989, ISBN 3-7231-0388-X. Anmerkungen zur Technik basieren auf [[Floris M. Neusüss]]: ''Das Fotogramm in der Kunst des 20. Jahrhunderts'', DuMont, Köln, 1990, ISBN 3-7701-1767-0.</small> <references /> {{FNBox| {{FNZ|!|Extern verlinktes Bildmaterial ist durch ein Copyright geschützt und unterliegt nicht der [[GNU-Lizenz für freie Dokumentation|GNU FDL]]}} }} {{Normdaten|PND=118598694|LCCN=n/80/19625|VIAF=7396101}} {{SORTIERUNG:Man Ray}} [[Kategorie:Aktfotograf]] [[Kategorie:Künstler des Dadaismus]] [[Kategorie:Surrealismus]] [[Kategorie:Filmregisseur]] [[Kategorie:Fotokünstler]] [[Kategorie:Fotograf]] [[Kategorie:Maler des Surrealismus]] [[Kategorie:Pataphysik]] [[Kategorie:Person (Paris)]] [[Kategorie:US-amerikanischer Maler]] [[Kategorie:Geboren 1890]] [[Kategorie:Gestorben 1976]] [[Kategorie:Mann]] {{Personendaten |NAME=Man Ray |ALTERNATIVNAMEN=Rudnitzky, Emmanuel; Radnitzky, Emmanuel (abweichende Schreibweise) |KURZBESCHREIBUNG=US-amerikanischer Maler und Fotograf |GEBURTSDATUM=27. August 1890 |GEBURTSORT=[[Philadelphia]], Pennsylvania |STERBEDATUM=18. November 1976 |STERBEORT=[[Paris]] }} {{Exzellent}} [[af:Man Ray]] [[bg:Ман Рей]] [[br:Man Ray]] [[ca:Man Ray]] [[cs:Man Ray]] [[cy:Man Ray]] [[el:Μαν Ραίη]] [[en:Man Ray]] [[eo:Man Ray]] [[es:Man Ray]] [[et:Man Ray]] [[fa:من ری]] [[fi:Man Ray]] [[fr:Man Ray]] [[he:מאן ריי]] [[hr:Man Ray]] [[hu:Man Ray]] [[id:Man Ray]] [[it:Man Ray]] [[ja:マン・レイ]] [[ka:მან რეი]] [[nl:Man Ray]] [[no:Man Ray]] [[pl:Man Ray]] [[pt:Man Ray]] [[ru:Рэй, Ман]] [[sr:Ман Реј]] [[sv:Man Ray]] [[tr:Man Ray]] [[uk:Ман Рей]] [[vi:Man Ray]] 6uxg9fangtx7oaeamhbsrx1qk8l56ha wikitext text/x-wiki Erika Mann 0 23885 26481 2010-04-11T03:33:25Z Telrúnya 0 Änderungen von [[Special:Contributions/134.76.63.97|134.76.63.97]] ([[User talk:134.76.63.97|Diskussion]]) rückgängig gemacht und letzte Version von [[User:Sebbot|Sebbot]] wiederhergestellt {{Dieser Artikel|behandelt die Schauspielerin und Schriftstellerin Erika Mann. Der Eintrag zur 1950 geborenen Abgeordneten des Europäischen Parlaments findet sich unter [[Erika Mann (Politikerin)]].}} '''Erika Julia Hedwig Mann''' (* [[9. November]] [[1905]] in [[München]]; † [[27. August]] [[1969]] in [[Zürich]]) war eine deutsche [[Schauspieler]]in, [[Kabarett]]istin, [[Schriftsteller]]in und [[Verlagslektor|Lektorin]]. Sie begründete 1933 das politische [[Kabarett]] ''[[Die Pfeffermühle]]'' und arbeitete mit Vorträgen – als Schriftstellerin und [[Journalist]]in auch nach ihrer [[Auswanderung|Emigration]] in die [[Vereinigte Staaten|Vereinigten Staaten]] – gegen den [[Nationalsozialismus]]. Neben ihrer Tätigkeit als Nachlassverwalterin ihres Vaters [[Thomas Mann|Thomas]] sowie ihres Bruders [[Klaus Mann]] hat sie ein umfangreiches Werk aus politischen Essays, Reportagen, Reiseberichten und Kinderbüchern hinterlassen. [[Datei:Erika Mann NYWTS.jpg|thumb|200px|Erika Mann, um 1938]] == Leben == Erika Mann war die erstgeborene Tochter des Schriftstellers und späteren [[Nobelpreis|Literaturnobelpreisträgers]] Thomas Mann und dessen Ehefrau [[Katia Mann|Katia]], geborene [[Pringsheim]], Tochter einer deutschen Intellektuellenfamilie jüdischer Abstammung. Sie wurde nach Katia Manns früh verstorbenem Bruder Erik, Thomas Manns Schwester [[Julia Löhr|Julia Mann]] und ihrer Großmutter [[Hedwig Dohm]] benannt und wie schon ihre Mutter evangelisch getauft. [[Datei:Thomas Mann 1937.jpg|thumb|upright=0.75|left|Thomas Mann, 1937. Foto von [[Carl van Vechten]]]] Thomas Mann äußerte sich in einem Brief an seinen Bruder [[Heinrich Mann]] enttäuscht über die Geburt des ersten Kindes: : ''„Es ist also ein Mädchen; eine Enttäuschung für mich, wie ich unter uns zugeben will, denn ich hatte mir sehr einen Sohn gewünscht und höre nicht auf, es zu thun. […] Ich empfinde einen Sohn als poesievoller, mehr als Fortsetzung und Wiederbeginn meinerselbst unter neuen Bedingungen.“''&nbsp;<ref>Thomas Mann/Heinrich Mann: ''Briefwechsel 1900–1949'', S.&nbsp;109</ref> Später bekannte er jedoch in seinen Tagebuchaufzeichnungen freimütig, dass er ''„von den Sechsen drei, die beiden Ältesten [Erika und Klaus] und [[Elisabeth Mann Borgese|Elisabethchen]], mit seltsamer Entschiedenheit bevorzuge.“''&nbsp;<ref> Thomas Mann: ''Tagebücher 1918–1921'', Eintrag vom 10. März 1920</ref> Zu Erika hatte er ein besonderes Vertrauensverhältnis, was sich später darin zeigte, dass sie auf die wichtigen Entscheidungen ihres Vater einen unmittelbaren Einfluss ausübte.&nbsp;<ref>Marcel Reich-Ranicki: Thomas Mann und die Seinen, S.&nbsp;184</ref> Ihre besondere Rolle war auch den Geschwistern bewusst, so erinnert sich ihr Bruder [[Golo Mann]]: ''„Die Eri muß die Suppe salzen“''&nbsp;.<ref>Golo Mann: ''Meine Schwester Erika''. In Erika Mann, Briefe&nbsp;II, S.&nbsp;241</ref> Dieser Spruch über die Zwölfjährige aus dem Jahr 1917 wurde zu einer oft gebrauchten Redewendung der Familie Mann. Nach Erika folgte der Bruder Klaus, mit dem sie zeitlebens eng verbunden war – sie traten ''„wie Zwillinge“'' auf, und Klaus Mann beschrieb ihre Zusammengehörigkeit mit den Worten ''„unsere Solidarität war absolut und ohne Vorbehalt“''&nbsp;.<ref>Klaus Mann: ''Der Wendepunkt'', S.&nbsp;102</ref> Die vier jüngeren Geschwister waren Golo, [[Monika Mann|Monika]], Elisabeth und [[Michael Mann (Literaturwissenschaftler)|Michael Mann]]. Die Kinder wuchsen in München auf. Ihre Familie mütterlicherseits gehörte zum einflussreichen Großbürgertum der Stadt, der Vater stammte aus der [[Lübeck]]er Kaufmannsfamilie [[Mann (Familie)|Mann]] und hatte 1901 bereits erfolgreich den Roman [[Buddenbrooks]] veröffentlicht. === Schulzeit und erste Theatererfahrungen === [[Datei:Mann villa 1.jpg|thumb|Kulisse der Mann-Villa ''Poschi'', ein Nachbau auf dem Bavaria-Filmgelände in München]] Die Familie Mann bezog 1914 ihre bekannte Villa in der Poschingerstraße 1 in [[Bogenhausen]], die in der Familie ''Poschi'' genannt wurde. Von 1912 bis 1914 besuchte Erika Mann mit ihrem Bruder Klaus eine Privatschule, anschließend für ein Jahr die Bogenhausener Volksschule, und von 1915 bis 1920 absolvierte sie die Höhere Mädchenschule am St. Annaplatz. Im Mai 1921 wechselte sie zum Münchner [[Städtisches Luisengymnasium München|Luisengymnasium]]. Zusammen mit ihrem Bruder Klaus Mann und befreundeten Nachbarskindern, zu denen auch die Töchter [[Bruno Walter]]s, Gretel und Lotte Walter, sowie [[Ricki Hallgarten]], Sohn einer [[Juden|jüdischen]] Intellektuellenfamilie, gehörten, gründete sie 1919 eine ambitionierte Schauspieltruppe, den ''Laienbund Deutscher Mimiker''. Noch als Schülerin am Münchner Luisengymnasium stand sie nach einem Engagement von [[Max Reinhardt]] das erste Mal auf der Bühne des Deutschen Theaters in [[Berlin]]. Die zum Teil boshaften Streiche, die sie in der sogenannten „Herzogpark-Bande“ mit Klaus und befreundeten Nachbarskindern anstellte, veranlassten die Eltern, sie und ihren Bruder Klaus in einem Internat der [[Reformpädagogik]], der [[Bergschule Hochwaldhausen]] im [[Vogelsberg|hohen Vogelsberg]] in [[Oberhessen]], unterrichten zu lassen. Von April bis Juli 1922 dauerte dieses Intermezzo; anschließend kehrte Erika Mann an das Luisengymnasium zurück. 1924 bestand sie ihr Abitur, allerdings mit schlechten Noten, und begann in Berlin mit dem Schauspielstudium, das sie wegen der zahlreichen Bühnenverpflichtungen unter anderem in [[Hamburg]], München und Berlin aber wieder abbrach. === Schauspielerin und Schriftstellerin === 1925 stellte Erika Mann im ersten öffentlich inszenierten Theaterstück ihres Bruders Klaus, ''[[Anja und Esther]]'', mit [[Pamela Wedekind]] ein lesbisches Paar dar. Das Stück unter der Regie und Mitwirkung von [[Gustaf Gründgens]] wurde in den [[Hamburger Kammerspiele]]n aufgeführt. Klaus Mann war zu der Zeit mit Pamela Wedekind verlobt und Erika Mann nicht nur in der Rolle in sie verliebt. Durch den Auftritt der sogenannten ''„Dichterkinder“'' des berühmten Thomas Mann wurde das Stück zu einem großen Publikumserfolg, von den Kritikern inhaltlich und dramaturgisch jedoch verrissen, sowie die Darstellung gleichgeschlechtlicher Liebe als Skandal gewertet. [[Datei:Bundesarchiv Bild 183-S01144, Berlin, Gustav Gründgens als "Hamlet".jpg|thumb|upright|left|Gustaf Gründgens, 1936 als Hamlet]] Am 24. Juli 1926 ging sie mit dem Regisseur und Schauspielkollegen Gustaf Gründgens eine Ehe ein, die jedoch am 9. Januar 1929 wieder geschieden wurde. Im Jahr 1927 spielte sie in Klaus Manns Stück ''[[Revue zu Vieren]]'' am [[Schauspiel Leipzig|Leipziger Schauspielhaus]] erneut unter der Regie von Gustaf Gründgens und in gleicher Besetzung wie ''Anja und Esther'' und ging anschließend mit Klaus und Pamela Wedekind auf Tournee. Auch ''Revue zu Vieren'' bekam schlechte Kritiken. Gründgens weigerte sich daher, wie auch Pamela Wedekind, in weiteren Vorstellungen des Stücks aufzutreten bzw. Regie zu führen. Pamela Wedekind löste 1928 die Verlobung mit Klaus Mann und heiratete im April 1930 [[Carl Sternheim]], den Vater der gemeinsamen Freundin von Erika und Klaus Mann, Dorothea Sternheim, genannt „Mopsa“, die Bühnenbild und Kostüme von ''Revue zu Vieren'' entworfen hatte. [[Datei:Hollywood.jpg|thumb|Das [[Hollywood Sign]], entstanden 1923. Foto aus dem Jahr 2001]] In einer Art von Flucht brachen Erika und Klaus Mann am 7. Oktober 1927 von Rotterdam aus zu einer mehrmonatigen Weltreise bis Juli 1928 auf, die beide über die USA, [[Japan]], [[Korea]], China und die [[Sowjetunion]] rund um den Globus führte. Durch ihre internationalen Bekanntschaften und die Berühmtheit ihres Vaters lernten sie viele Prominente des amerikanischen Kulturbetriebs kennen, wie beispielsweise [[Emil Jannings]], [[Greta Garbo]] und [[Upton Sinclair]]. Mit dem Namen ''The Literary Mann Twins'' präsentierten die Geschwister sich als Zwillinge, um damit weitere Aufmerksamkeit zu erregen. Ein Schwerpunkt ihrer Reise war [[Hollywood]], doch ihre Hoffnung, dort als künftiger Filmstar oder Drehbuchautor entdeckt zu werden, erfüllte sich nicht.&nbsp;<ref>Erika und Klaus Mann: ''Rundherum''. Nachwort von Uwe Naumann, S.&nbsp;146</ref> Ihren Unterhalt versuchten sie durch Vorträge zu finanzieren, doch die Erträge waren zu gering, und nach der Reise hatten sie hohe Schulden, die Thomas Mann beglich, nachdem er 1929 den [[Nobelpreis für Literatur]] erhalten hatte. Klaus Mann machte seiner Schwester den Vorschlag, sich auch schreibend zu betätigen, was Erika zunächst ablehnte. In seiner zweiten Autobiografie ''[[Der Wendepunkt]]'' gab er Erikas Meinung wieder: ''„Es gebe schon genug Schriftsteller in der Familie, behauptete sie eigensinnig, und sie sei nun mal Actrice von Beruf“''. Aber der ''„Familienfluch“''&nbsp;<ref>Klaus Mann: ''Der Wendepunkt'', S.&nbsp;262</ref> der Schriftstellerei erfasste auch sie und fand 1929 in dem gemeinsamen Bericht über die Reise unter dem Titel ''Rundherum. Das Abenteuer einer Weltreise'', der im [[S. Fischer Verlag]] veröffentlicht wurde, seinen Niederschlag. Nach der Reise kehrte sie nicht zu ihrem Ehemann Gustaf Gründgens zurück. Wie ihr Bruder Klaus Mann wählte sie zukünftig keinen eigenen festen Wohnsitz mehr, sondern wohnte in Hotels oder fand Unterschlupf bei ihren Eltern. Ihre Reiseerfahrungen legte sie auch in ihrem ersten Bühnenstück ''Hotels'' nieder, es entstand 1929 und gilt als verschollen. Im Sommer 1930 unternahmen Erika und Klaus Mann eine Reise nach Nordafrika. In der Stadt [[Fès|Fez]] in Marokko hatten beide erstmals durch ihren Fremdenführer Kontakt mit dem „Zauberkräutlein Haschisch.“&nbsp;<ref>''Der Wendepunkt'', S.&nbsp;331&nbsp;f</ref> Es sollte für die Geschwister zum „Horrortrip“ werden, den Klaus Mann später in seiner zweiten Autobiografie ''[[Der Wendepunkt]]'' ausführlich beschrieb. Anfang der 1930er Jahre bekam Erika Mann nach wechselnden Engagements an verschiedenen Bühnen – 1929 spielte sie in München die Königin Elisabeth in [[Friedrich Schiller|Schillers]] ''[[Don Karlos (Schiller)|Don Carlos]]'' – erste kleine Filmrollen in „[[Mädchen in Uniform (1931)|Mädchen in Uniform]]“ und „[[Peter Voß, der Millionendieb]]“. 1931 gewann die begeisterte Autofahrerin zusammen mit ihrem Jugendfreund Ricki Hallgarten eine 10.000 Kilometer lange Rallye quer durch Europa. Sie verfasste die Komödie ''Plagiat'' unter Mitwirkung von Klaus Mann und schrieb ''Das Buch von der Riviera. Was nicht im Baedeker steht'' gemeinsam mit ihrem Bruder. Im journalistischen Bereich debütierte Erika Mann mit kleineren Beiträgen und Glossen für das Berliner Magazin ''Tempo''. Im Jahr 1932 erschien ihr erstes Kinderbuch, ''[[Stoffel fliegt übers Meer]]'', mit Illustrationen von Ricki Hallgarten, und ihr gemeinsam mit Hallgarten verfasstes Weihnachtsspiel ''Jan’s Wunderhündchen. Ein Kinderstück in sieben Bildern'' wurde in Darmstadt uraufgeführt. Ricki Hallgarten erlebte das Erscheinen des ''Stoffel'' nicht mehr, er nahm sich am 5.&nbsp;Mai&nbsp;1932 das Leben. Erikas Manns Bemühungen, den Freund von seinem Suizid abzubringen, hatten keinen Erfolg. Ihren Lebensunterhalt verdiente Erika Mann mit ihren Film- und Theaterrollen sowie mit schriftstellerischen Werken ungeachtet der kritischen weltpolitischen Lage aufgrund der [[Weltwirtschaftskrise]] im Jahr 1929. Wenn das Geld einmal nicht reichte, erhielt sie, ebenso wie ihr Bruder Klaus, die notwendige finanzielle Unterstützung durch das Elternhaus. Doch das Aufkommen des [[Nationalsozialismus]] in Deutschland beendete Erika Manns sorgloses, unpolitisches und abenteuerliches Leben; erstmals zeigte sie politisches Engagement, dem sie auch in zahlreichen Zeitungsartikeln Ausdruck verlieh. Im Januar 1932 trat sie als Rezitatorin bei einer von [[Constanze Hallgarten]] – Mutter ihres Freundes Ricki – geleiteten pazifistischen Frauenversammlung auf, die durch rechte Gruppierungen gestört wurde. Durch ihren Auftritt geriet sie – wie auch ihre Familie – ins Kreuzfeuer der nationalsozialistischen Presse. Constanze Hallgarten und Erika Mann erhoben mit Erfolg Klage wegen Beleidigung gegen zwei der Blätter, deren Schriftleiter zu 1500 Reichsmark Geldstrafe verurteilt wurden. Dies war aber nur ein Anfangserfolg, denn ihre Konfrontation mit den Nationalsozialisten sollte das Ende ihrer Laufbahn am Theater bedeuten. Zu dieser Zeit war sie bereits alkohol- und drogenabhängig, was in den folgenden Jahren regelmäßige Entzugs- und Erholungskuren nötig machte. === Kabarettistin im Schweizer Exil === [[Datei:Rittner Therese Giehse 1966.jpg|thumb|upright=0.75|left|Therese Giehse in späteren Jahren in der Rolle der Mutter Courage, <br />Porträt von [[Günter Rittner]] 1966]] Zusammen mit Klaus und ihrer Freundin und Geliebten [[Therese Giehse]]&nbsp;<ref name="OUT1">Axel Schock & Karen-Susan Fessel: ''OUT! – 800 berühmte Lesben, Schwule und Bisexuelle'', Querverlag, Berlin 2004, ISBN 3-89656-111-1, Eintrag ''Giehse Therese'', S.&nbsp;114</ref> sowie dem Pianisten und Komponisten [[Magnus Henning]] und einigen weiteren Freunden begründete sie am 1.&nbsp;Januar 1933 das politisch-literarische Kabarett ''[[Die Pfeffermühle]]'' in der ''Bonbonniere'' in München. Das Kabarett debütierte mit Texten von Erika und Klaus Mann sowie von [[Walter Mehring]], die Vorstellungen waren ausverkauft. Das Folgeprogramm hatte am 1.&nbsp;Februar 1933 Premiere, bildete jedoch bereits das Finale in Deutschland, denn nach dem [[Reichstagsbrand]] im Februar in Berlin erfolgte Anfang März die nationalsozialistische Machtübernahme in [[Geschichte Bayerns|Bayern]]. In München herrschte nun der Nationalsozialist [[Franz Ritter von Epp|Franz von Epp]] als [[Reichskommissar]] für Bayern. Um einer Verhaftung zu entgehen, mussten die Ensemblemitglieder untertauchen. Erika und Klaus Mann warnten ihre Eltern, die sich im März 1933 auf einer Erholungsreise in [[Arosa]] befanden, brieflich und telefonisch vor einer Rückkehr nach Deutschland. Klaus Mann fuhr am 13.&nbsp;März nach Paris, während Erika die [[Joseph und seine Brüder|Joseph]]-Manuskripte ihres Vaters zusammenraffte und in die [[Schweiz]] abreiste, wo sie Thomas Mann die aus dem Elternhaus in München geretteten Manuskripte übergab.&nbsp;<ref>Irmela von der Lühe: ''Erika Mann'', S.&nbsp;102–104</ref> Als Exil wählte die Familie Mann im Juni 1933 [[Sanary-sur-Mer]] in [[Frankreich]], im September kehrten sie in die Schweiz zurück und ließen sich in [[Küsnacht ZH|Küsnacht]] nieder. Die ''Pfeffermühle'' wurde am 30.&nbsp;September von Erika und Klaus Mann sowie Therese Giehse im ''Hotel Hirschen'' in [[Zürich]] wieder eröffnet. Von November bis Dezember 1933 folgte eine erfolgreiche Tournee durch fünf Schweizer Städte und mit neuem Programm eine zweite Tournee von Mai bis Juni 1934. Das dritte Programm vom Herbst 1934 wurde von der Schweizer Presse verrissen und löste Krawalle aus. Das Ensemble wich daher auf die [[Tschechoslowakei]], [[Belgien]], [[Holland]] und [[Luxemburg]] aus. Erst Ende 1935 gastierte ''Die Pfeffermühle'' wieder in der Schweiz. [[Datei:Isherwood and Auden by Carl van Vechten, 1939.jpg|thumb|upright|Christopher Isherwood und W. H. Auden (rechts) 1939]]Die schlechte Presse des dritten Programms lastete Erika Mann der Mutter ihrer Freundin [[Annemarie Schwarzenbach]] an, Renée Schwarzenbach-Wille, Tochter des Generals [[Ulrich Wille]], die ihr einen schlechten Einfluss auf Annemarie unterstellte und die zudem mit dem Nationalsozialismus sympathisierte.&nbsp;<ref name="Möller">Hildegard Möller: ''Die Frauen der Familie Mann'', Piper, München 2005, S.&nbsp;175</ref> Das Projekt wurde mittlerweile von den deutschen Behörden als ''deutschfeindlich'' klassifiziert und Erika Mann als dessen „geistige Urheberin“ angesehen. Daraufhin wurde ihr am 11.&nbsp;Juni 1935 die deutsche [[Staatsbürgerschaft]] entzogen. Auf der Ausbürgerungsliste dieses Tages standen außer Erika Mann unter anderen die Namen [[Bertolt Brecht]] und [[Walter Mehring]].&nbsp;<ref>Irmela von der Lühe: ''Erika Mann'', S.&nbsp;122</ref> Abhilfe war schnell gefunden, denn am 15.&nbsp;Juni 1935 heiratete sie auf Vermittlung von [[Christopher Isherwood]], einem Freund Klaus Manns, in zweiter Ehe den ihr unbekannten homosexuellen englischen Literaten [[Wystan Hugh Auden]] und erlangte damit die britische Staatsbürgerschaft. ''Die Pfeffermühle'' wurde bis Mai 1936 in der Schweiz und den [[Benelux-Staaten]] weiter aufgeführt und erreichte insgesamt 1034 Auftritte. Ihr politisches Engagement, das sich in ihren Kabarettstücken zeigte, fand Anerkennung: : ''„Sie machen zehnmal mehr gegen die Barbarei als wir alle Schriftsteller zusammen“'', schrieb [[Joseph Roth]] im Frühjahr 1935 an Erika Mann.<ref name="Lühe">Irmela von der Lühe: ''Erika Mann'', S.&nbsp;129</ref> === Amerikanisches Exil === ==== Vortragsreisen in den USA als ''lecturer'' ==== [[Datei:Manhattan_1931.jpg|thumb|left|Der New Yorker Stadtteil Manhattan, um 1931]] Im September 1936 reisten Erika und Klaus Mann sowie Therese Giehse, Magnus Henning, [[Lotte Goslar]] und [[Sybille Schloß]] in die USA, um dort für ihr Kabarett, das in Europa nur noch unter strengen Auflagen aufgeführt werden konnte, einen neuen Spielort zu finden. Die Premiere der ''Peppermill'' fand am 5.&nbsp;Januar 1937 in [[New York City|New York]] statt. Erika Mann wohnte im Hotel Bedford in [[Manhattan]], in dem sie wie auch ihr Bruder Klaus oft Quartier nehmen sollte. Die Aufführungen der ''Peppermill'' scheiterten jedoch am mangelnden Interesse der Amerikaner, die eine solche Kunstform nicht kannten. Aus diesem Grund setzte Erika ihre Arbeit gegen den Nationalsozialismus auf andere Weise fort, publizierte in Zeitungen und unternahm als ''lecturer''&nbsp;<ref>Klaus Mann beschreibt in seinem ''Wendepunkt'' auf Seite&nbsp;491 einen ''lecturer'' als einen gut dotierten, durch Agenten vermittelten Vortragsreisenden, der sowohl Romancier, Tennisspieler als auch Polarforscher sein konnte und vor verschiedenen Gruppen und Vereinen über sein Thema plauderte. Sowohl Klaus als auch Erika Mann hatten keinen akademischen Grad.&nbsp;</ref> Vortragsreisen, auf denen sie vor verschiedenen Gruppen und Vereinen referierte. Im März 1937 sprach sie unter anderem auf einer Massenveranstaltung des ''American Jewish Congress''. Mit ihren Vorträgen hatte sie in den ersten Jahren großen Erfolg und übte diese Tätigkeit bis 1948 aus. Klaus Mann äußert sich in seiner Autobiografie ''Der Wendepunkt'' zu ihrer Tätigkeit als ''lecturer'': : ''„Die Profession des ‚lecturers‘ – in anderen Erdteilen so gut wie unbekannt – gehört zu den Besonderheiten des amerikanischen Lebens. […] Erika konnte eine der begehrtesten ‚lecturers‘ des Kontinents werden, weil sie Hörenswertes zu sagen hat (‚She has a message!‘) und weil sie das Hörenswerte mit liebenswürdiger Intensität zu Gehör bringt (‚She has personality‘).“''&nbsp;<ref>Klaus Mann: ''Der Wendepunkt'' S.&nbsp;491&nbsp;f.</ref> Ab 1937, ihrem offiziellen Einwanderungsjahr, lebte Erika Mann zeitweise mit dem Arzt und Schriftsteller [[Martin Gumpert]] zusammen, der sie heiraten und von ihrer unsteten Lebensweise sowie dem Drogenkonsum abbringen wollte. Sie beharrte jedoch auf ihrer Art der Lebensführung; ihre Liebe für ihn kenne keine Forderungen, und umgekehrt wolle sie es auch so.&nbsp;<ref>Irmela von der Lühe: ''Erika Mann'' S.&nbsp;179&nbsp;f.</ref> Nach eindringlichen Appellen und Forderungen seiner Tochter Erika hatte sich Thomas Mann in einem offenen Brief vom 3.&nbsp;Februar 1936 an Eduard Korrodi, der am 26.&nbsp;Januar 1936 in der ''[[Neue Zürcher Zeitung|Neuen Zürcher Zeitung]]'' gegen die Emigrantenliteratur polemisiert hatte, eindeutig zur Emigration und [[Exilliteratur]] bekannt und damit seinen endgültigen Bruch mit dem Nationalsozialismus öffentlich gemacht. Der seit 1933 schwelende Konflikt zwischen Thomas Mann und seinen ältesten Kindern um dieses Bekenntnis war damit bereinigt. Erika hatte sich beispielsweise im August 1933 in einem Brief an Klaus bitter geäußert: ''„Uns ist bei unserer Jugend eine große Verantwortung aufgeladen in Gestalt unseres unmündigen Vaters.“''&nbsp;<ref>Erika Mann: ''Briefe I'', S.&nbsp;74</ref> Als Konsequenz seiner solidarischen Stellungnahme wurde auch Thomas Mann die deutsche Staatsangehörigkeit aberkannt. Noch vor Ausbruch des [[Zweiter Weltkrieg|Zweiten Weltkriegs]] emigrierte das Ehepaar Mann 1938 in die USA, wo Thomas Mann eine Gastprofessur an der Universität von [[Princeton (New Jersey)|Princeton]] erhalten hatte. In den USA begleitete Erika Mann neben ihren eigenen Verpflichtungen ihren Vater auf seinen Vortragsreisen und leistete ihm aufgrund ihrer guten Sprachkenntnisse wertvolle Dienste, wenn er nach den Vorträgen in der Diskussion mit den Zuhörern um treffsichere Formulierungen und Argumente rang, die sie dann für ihn vortrug. Erika redigierte und kürzte seine Manuskripte und übersetzte seine Texte ins Englische. Auch die Haushaltsauflösung in Zürich war bei ihr in guten Händen. ==== Politisch motivierte Buchprojekte ==== Ebenfalls 1938 bereisten Erika und Klaus Mann [[Spanien]], um gemeinsam Reportagen vom [[Spanischer Bürgerkrieg|Spanischen Bürgerkrieg]] zu erstellen, die unter dem Titel ''Back from Spain'' veröffentlicht wurden. Im September erschien Erika Manns erster Dokumentarbericht ''School for Barbarians. Education under the Nazis'', der sehr erfolgreich mit 40.000 Exemplaren innerhalb von drei Monaten in Amerika verkauft wurde. Die deutsche Ausgabe ''[[Zehn Millionen Kinder. Die Erziehung der Jugend im Dritten Reich]]'' veröffentlichte der Freund und Verleger [[Fritz Helmut Landshoff|Fritz H. Landshoff]] im selben Jahr in seinem Exil-Verlag [[Querido Verlag|Querido]] in Amsterdam. Landshoff hatte um Erika geworben; sie bevorzugte ein freundschaftliches Verhältnis, bemühte sich aber intensiv, ihn von seiner Drogensucht abzubringen, obwohl sie selbst Drogen konsumierte. In ihrer Rolle als „psychische Pflegerin“ versuchte sie, die Folgen seiner depressiven Schübe zu lindern. Sie schlug Landshoff im Jahr 1939 sogar die Ehe vor, die dieser zu ihrer Erleichterung ablehnte.&nbsp;<ref>(Irmela von der Lühe: ''Erika Mann'', S.&nbsp;214&nbsp;ff.)</ref> Gemeinsam mit ihrem Bruder Klaus gab Erika Mann im Jahr 1939 ''[[Escape to Life. Deutsche Kultur im Exil]]'' und 1940 ''The Other Germany'' heraus. Im selben Jahr wurde ihr mit Illustrationen versehenes zweites „politisches Lehrbuch“, wie sie ihre Dokumentarberichte nannte, ''The Lights Go Down'' ''([[Wenn die Lichter ausgehen. Geschichten aus dem Dritten Reich|Wenn die Lichter ausgehen]])'' mit dem Thema „Alltag unterm Hakenkreuz“ in London und New York veröffentlicht. ==== Aufgaben als Kriegskorrespondentin ==== [[Datei:LondonBombedWWII full.jpg|thumb|Bei einem Luftangriff zerstörte Londoner Häuser während des „Blitzkriegs“]] Von Oktober bis August 1940 und Juni bis September 1941 arbeitete Erika Mann als Korrespondentin für die britische [[British Broadcasting Corporation|BBC]] in [[London]] an Propagandasendungen, die nach Deutschland ausgestrahlt wurden. Während der deutschen [[The Blitz|Bombenangriffe]] „The Blitz“ im September 1940 sendete sie Aufrufe an die Deutschen, erklärte ihnen die Sinnlosigkeit dieses Krieges und prophezeite, dass sie ihn mit Sicherheit verlieren würden. Erika Mann war selbst von der Ausbombung betroffen, Manuskripte und ihre Schreibmaschine wurden zerstört. An die Amerikaner appellierte sie, in den Krieg einzutreten, da Hitler auch die amerikanische Nation bedrohe. Zwischen den Londoner Aufenthalten war sie in den USA auf Vortragsreisen unterwegs.&nbsp;<ref>Irmela von der Lühe: ''Erika Mann'', S.&nbsp;244&nbsp;f</ref> Ab 1942 war Erika Mann für die US-Propagandabehörde [[United States Office of War Information|Office of War Information]] in New York tätig; im selben Jahr erschien im L.&nbsp;B.&nbsp;Fischer Verlag, New York, ihr Kinderbuch ''A Gang of Ten'' (dt. ''Zehn jagen Mr.&nbsp;X''). Das Thema des Buches hatte einen traurigen Hintergrund: Das Schiff, die ''[[City of Benares]]'', das ihre Schwester Monika Mann und ihren Mann Jenö Lányi nach Kanada bringen sollte, wurde am 18.&nbsp;September 1940 mitten im Nordatlantik von einem deutschen U-Boot versenkt. Die Schwester konnte knapp gerettet werden, der Schwager kam ums Leben; von den 90 Kindern an Bord des Schiffes überlebten nur 13 die Katastrophe. Erika Mann setzte ihnen mit ''A Gang of Ten'' ein Denkmal. Sie schildert in dem Buch die Geschichte von zehn Kindern unterschiedlicher Nation, die Mister X, einem Agenten Hitlers, das Handwerk legen.&nbsp;<ref>Irmela von der Lühe: ''Erika Mann'', S.&nbsp;247</ref> [[Datei:Bruno Walter Wien 1912.jpg|thumb|left|upright=0.75|Bruno Walter im Jahr 1912]] Von 1943 bis 1945 war Erika Mann Kriegsberichterstatterin für diverse Zeitungen und war dabei in Status und Bezahlung einem US-Offizier im Range eines [[Hauptmann (Offizier)#US Army oder British Army|Captain]] gleichgestellt.&nbsp;<ref>Irmela von der Lühe: ''Erika Mann'', S.&nbsp;260</ref> So war sie als Kriegskorrespondentin mit der Ninth Army der amerikanischen Streitkräfte unterwegs und hielt sich unter anderem in Ägypten, Belgien, Frankreich und Palästina auf. Ebenfalls im Jahr 1943 begann sie mit der Niederschrift ihrer Autobiografie mit dem Titel ''I Of All People'' (dt. ''Ausgerechnet Ich''), die jedoch Fragment bleiben sollte. In ihrer Funktion als Kriegsberichterstatterin war sie auch vor Ort, als am [[D-Day|6.&nbsp;Juni 1944]] die Westalliierten in der [[Normandie]] landeten. Nach der [[Zweiter Weltkrieg|Kapitulation]] Deutschlands im Mai 1945 war sie in ihrer alten Heimat und sah die zerstörten Städte. Konfrontiert mit Tätern und Mitläufern, verfasste sie einen Erfahrungsbericht, ''Alien Homeland'', den sie jedoch nicht vollendete. In unversöhnlicher Härte verurteilt sie darin die larmoyante Haltung mancher Landsleute, die sich in Selbstmitleid flüchteten und von gemeinschaftlicher Verantwortung nichts wissen wollten.&nbsp;<ref>Uwe Naumann (Hrsg.) ''''Die Kinder der Manns'', S.&nbsp;200</ref> Während ihrer Militärzeit lernte sie Betty Knox kennen, die wie sie als Kriegsberichterstatterin arbeitete, und hatte mit ihr eine Affäre, während sie zeitgleich eine heimliche und unglückliche [[Liebesbeziehung|Liaison]] mit dem dreißig Jahre älteren [[Bruno Walter]], dem Vater ihrer Jugendfreundinnen Lotte und Gretel Walter, führte. Im Jahr 1945 schrieb Erika Mann für den Londoner ''[[Evening Standard]]'' über den ersten [[Nürnberger Prozesse|Nürnberger Kriegsverbrecherprozess]] und verschaffte sich Zutritt zum [[Camp Ashcan|Gefängnis]] in [[Bad Mondorf|Mondorf-les-Bains]], [[Luxemburg]], wo die Repräsentanten des Nazi-Regimes einsaßen. Wie Mann in einem Brief berichtete, sei es bisher noch keiner Frau gelungen, diesen Ort zu betreten. Sie sah leibhaftig unter anderen [[Hermann Göring]], [[Alfred Rosenberg]] und [[Julius Streicher]], mit denen sie zwar nicht sprechen durfte, sodass sie später Vernehmungsbeamte zu ihnen schickte und den Gefangenen ihre Identität mitteilen ließ. Besonders Göring zeigte sich geschockt und erklärte, dass, hätte ''er'' den Fall Mann bearbeitet, die Sache anders gehandhabt worden wäre: ''‚Ein Deutscher von T.&nbsp;M.s Format hätte dem Dritten Reich sicherlich angepaßt werden können‘. Ich kabelte all dies und vieles mehr an den ''London Evening Standard'', der es auf der Titelseite groß herausbrachte.“'' Ein ganzes Jahr reiste Erika Mann durch Deutschland, ihr „alien homeland“, und schrieb Reportagen über bekannte und unbekannte Deutsche. Bei Ilse Heß, der Frau von [[Rudolf Heß]], trat sie als „Mildred“ auf, als scheinbar harmlose neugierige Journalistin.&nbsp;<ref>Irmela von der Lühe: ''Erika Mann'', S.&nbsp;278&nbsp;f, Erika Mann: ''Briefe I'', S.&nbsp;206&nbsp;f</ref> Ab 1946 musste Erika Mann wegen ihres schlechten Gesundheitszustandes durch den jahrelangen Alkohol- und Drogenmissbrauch regelmäßig ihre Arbeit zu Kuren in verschiedenen Sanatorien und Kurkliniken unterbrechen. ==== Thomas Manns „Tochter-Adjutantin“ ==== [[Datei:Klaus Mann.jpg|thumb|upright|Klaus Mann als US-Sergeant in Italien, 1944.]] Von Mai bis August 1947 begleitete sie Thomas Mann auf seiner ersten Europareise nach dem Krieg. Nach Deutschland führte diese Reise jedoch noch nicht. Nach Kriegsende hatte sie zunehmend begonnen, für Thomas Mann als ''„Sekretärin, Biographin, Nachlaßhüterin, Tochter-Adjutantin“''&nbsp;<ref>Thomas Mann: ''Tagebücher 1946–1948'', S.&nbsp;219</ref> zu arbeiten, wie er in seinem Tagebuch schrieb. Diese Rolle hatte sicherlich zu einer Entfremdung zwischen ihr und ihrem Bruder beigetragen: Denn anders als Klaus Mann, der darunter litt, der Sohn eines weltberühmten Vaters zu sein, fühlte sich die selbstbewusste Erika vom väterlichen Ruhm nicht erdrückt, sondern fand Gefallen an ihrer Arbeit für ihn. Ende 1948 stellte sie auf einer Podiumsdiskussion in Stockton, Kalifornien, die Demokratiefähigkeit der Deutschen in Frage. Die westdeutsche Presse reagierte empört, vor allem die Münchner Zeitung ''Echo der Woche'' beschimpfte sie als „kommunistische Agentin“ und bezeichnete sie mit ihrem Bruder Klaus als „[[Josef Stalin|Stalin]]s [[Fünfte Kolonne|5. Kolonne]]“.<ref>Irmela von der Lühe: ''Erika Mann'' S.&nbsp;269&nbsp;f.</ref> Erika versuchte, Gegendarstellungen zu erwirken und Verleumdungsklagen einzureichen. Nach anderthalb Jahren musste sie jedoch verbittert aufgeben. Auf der gemeinsamen Europareise 1949, die Thomas Mann erstmals nach Kriegsende auch nach Deutschland führte, weigerte sie sich entschieden, deutschen Boden zu betreten. Thomas Mann, der sich als Vermittler zwischen Ost und West in der Zeit des [[Kalter Krieg|Kalten Krieges]] sah, nahm den [[Goethepreis der Stadt Frankfurt|Goethe-Preis]] der Städte Frankfurt am Main und Weimar deshalb ohne Erika Mann entgegen. ==== Klaus Manns Freitod ==== Der Freitod ihres Bruders Klaus am 21. Mai 1949 in [[Cannes]] erschütterte Erika Mann tief, hatte sie doch lange Zeit versucht, seinem Todeswunsch entgegenzuwirken. Der Verlust des geliebten Bruders stellte einen tiefen Einschnitt in ihr Leben dar. Die Freundschaft mit Pamela Wedekind war zwar nach deren Heirat mit Carl Sternheim zerbrochen, doch nach vielen Jahren des Schweigens schrieb Erika Mann am 16. Juni Pamela Wedekind einen Brief, in dem sie ihre Trauer ausdrückte: : ''„ […] Er liegt in Cannes begraben – ich komme eben von dort zurück. Zur Beerdigung – von Stockholm aus – konnte ich nicht fahren, – der Eltern wegen, oder doch unserer Mutter wegen, und so ging ich erst jetzt. […] Wie ich leben soll, weiß ich noch nicht, weiß nur, daß ich muß; und bin doch gar nicht zu denken, ohne ihn.“''&nbsp;<ref>Erika Mann: ''Briefe und Antworten Bd.&nbsp;1'', S.&nbsp;260 f.</ref> Im Jahr 1950 erschien, von ihr herausgegeben, das Erinnerungsbuch ''Klaus Mann zum Gedächtnis'' mit einem Vorwort des Vaters und Beiträgen von Freunden wie [[Hermann Kesten]] und Upton Sinclair im Querido Verlag. Sie hatte den letzten Essay ihres Bruders, ''Die Heimsuchung des europäischen Geistes'', übersetzt und in das Buch aufgenommen; ihre Übersetzung und Herausgeberschaft wurde auf der Titelseite jedoch nicht genannt.&nbsp;<ref>Irmela von der Lühe: ''Erika Mann'', S.&nbsp;300</ref> ==== Folgen der McCarthy-Ära ==== Erika Mann und ihr Bruder Klaus standen wie nahezu alle deutschen Exilanten seit Juni 1940 unter Beobachtung des [[Federal Bureau of Investigation|FBI]], dem sie selbst ihre Mitarbeit „zur Enttarnung [[Faschismus|faschistischer]] Spione und Saboteure“ angeboten hatte, nachdem Thomas Mann und sie pronationalsozialistische Briefe und anonyme Drohungen erhalten hatten. Erika Mann hatte vermutlich persönlich den Justizminister General Francis Briddle kontaktiert. In dem fast 200 Seiten umfassenden Dossier über Erika Mann wurde sie unter anderem als „sexuell pervers“ und „als aktiver Agent der [[Komintern]]“ bezeichnet.&nbsp;<ref name="Lühe">Irmela von der Lühe: ''Erika Mann'', S.&nbsp;207&nbsp;f</ref> Erika Mann erfuhr erst 1948 von der Überwachung und versuchte, die Anschuldigungen zu entkräften. Während des Kalten Krieges in der [[McCarthy-Ära]] verschärfte sich jedoch in den USA das politische Klima, und das betraf die ganze Familie Mann. Hatte Erika Mann im Jahr 1946 ihre erfolgreichsten Tourneen mit 92 Terminen als „lecturer“, bekam sie im folgenden Jahr nur noch 20 Termine angeboten; zwischen 1949 und 1950 machte ihr Agent Zusagen rückgängig: Erika Mann galt als gefährlich und unamerikanisch.&nbsp;<ref>Irmela von der Lühe: ''Erika Mann'', S.&nbsp;304</ref> Im Dezember 1950 zog Erika Mann ihren 1947 gestellten und immer noch nicht bewilligten Antrag auf die amerikanische Staatsangehörigkeit mit einem Beschwerdebrief an die zuständige Behörde zurück: : ''„[…] Der Nazismus vertrieb mich aus meinem Geburtsland Deutschland, wo ich ziemlich erfolgreich gewesen war; Hitlers wachsender Einfluß in Europa veranlaßte mich, den Kontinent zu verlassen; […] und jetzt sehe ich mich – ohne eigenes Verschulden – ruiniert in einem Land, das ich liebe und dessen Staatsbürgerin zu werden ich gehofft hatte.“''&nbsp;.<ref name="Lühe">Irmela von der Lühe: ''Erika Mann'', S.&nbsp;322&nbsp;f.</ref> === Rückkehr in die Schweiz === ==== Film- und Buchprojekte ==== Erika Mann verließ mit ihren Eltern 1952 die USA. Als neue Heimat wählten sie wie 1933 die Schweiz, denn eine Rückkehr nach Deutschland kam wegen der zum großen Teil uneinsichtigen Haltung der Landsleute bezüglich der Aufarbeitung des Nationalsozialismus nicht in Frage. Da Bruno Walter 1948 erneut geheiratet hatte, ihre Liaison damit beendet war und Erika Mann keine weitere feste Bindung eingehen wollte, entschloss sie sich dazu, bei den Eltern zu wohnen. Familie Mann hatte bis zum Jahr 1954 ihren Wohnsitz in [[Erlenbach ZH|Erlenbach]] bei Zürich. Erika widmete sich wieder dem Schreiben von Kinderbüchern, so erschien 1952 als Neuausgabe ihr Kinderbuch ''Unser Zauberonkel Muck'' (Originaltitel ''Muck, der Zauberonkel'', 1934); es folgten 1953 ''Christoph fliegt nach Amerika'', eine Neuausgabe des ''[[Stoffel fliegt übers Meer|Stoffel]]'', und die ersten Folgen der vierteiligen ''Zugvögel''-Serie (bis 1956). Zudem arbeitete sie an den Drehbüchern für die Verfilmungen von Thomas Manns Romanen ''[[Königliche Hoheit]]'' (1953), später ''[[Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull]]'' (1957) und ''[[Buddenbrooks (1959)|Buddenbrooks]]'' (1959) maßgeblich mit. Ihr größtes Anliegen war die werkgetreue Umsetzung der filmischen Darstellungen; andere Ansichten wurden von ihr nicht toleriert. Auch auf die Besetzung der Filmrollen nahm sie Einfluss. In den beiden ersten Filmen spielte sie in Nebenrollen mit: In ''Königliche Hoheit'' gab sie die Oberschwester Amalie und in [[Kurt Hoffmann]]s ''Felix Krull'' eine Gouvernante. 1954 zog Erika Mann zusammen mit den Eltern nach [[Kilchberg ZH|Kilchberg]] am [[Zürichsee]], in die Villa an der Alten Landstraße 39, Thomas Manns (und auch ihre) „letzte Adresse“. In einem gleichnamigen Artikel beschrieb sie später die Lebensorte der Familie Mann. Anders als noch 1949 begleitete sie ihren Vater im Jahr 1955 auf seinen letzten Reisen nach Deutschland, unter anderem nach [[Stuttgart]] und nach [[Weimar]] in der [[Deutsche Demokratische Republik|DDR]], wo er anlässlich des 150.&nbsp;Todestages von [[Friedrich Schiller]] seinen Vortrag [[Versuch über Schiller]] hielt, und nach [[Lübeck]] zur Verleihung der Ehrenbürgerschaft. ==== Arbeit am Nachlass von Klaus und Thomas Mann ==== [[Datei:Bundesarchiv Bild 183-32373-0003, Schweiz, Beisetzung Thomas Mann.jpg|thumb|Familie Mann (vorn: Elisabeth, Katia und Erika Mann) anlässlich der Beisetzung Thomas Manns vor der Kilchberger Kirche]] Die späten Jahre widmete sie der Aufarbeitung des Nachlasses ihres Vaters Thomas Mann, der am 12.&nbsp;August&nbsp;1955 wenige Monate nach seinem 80.&nbsp;Geburtstag starb. 1956 veröffentlichte sie ''Das letzte Jahr. Bericht über meinen Vater'', in dem sie Thomas Manns letztes Lebensjahr referierte mit allen Ehrungen und Ereignissen. Ein gleichzeitig erschienenes Erinnerungsbuch ihrer Schwester Monika Mann mit dem Titel ''Vergangenes und Gegenwärtiges'', das eher skeptisch über den Vater berichtete, führte zu Spannungen zwischen den Geschwistern, da Erika ihr das Recht absprach, objektiv über die Familiengeschichte berichten zu können. Die Presse bewertete beide Bücher, und beide Veröffentlichungen wurden positiv aufgenommen, wobei [[Gustav Hillard]] Monikas Erinnerungen mit dem Hinweis favorisierte, dass „Monikas Buch einen völlig eigenen Ton, der seinen entschiedenen Reiz, aber auch seine Gefahr hat“, unter anderem, weil es ein realistisches Bild von Thomas Mann zeige. Von 1961 bis 1965 gab Erika Mann eine dreibändige Ausgabe ausgewählter Briefe Thomas Manns heraus. Auch die Werke ihres Bruders Klaus wurden von ihr betreut. So fand sie in [[Berthold Spangenberg]] den Verleger und in [[Martin Gregor-Dellin]] den Herausgeber für die Neuveröffentlichung der ersten Klaus-Mann-Werkausgabe in Einzelausgaben in der Nymphenburger Verlagshandlung ab 1963. Ihr Bruder sollte als bedeutender und nur durch die restaurative Einstellung des Nachkriegsdeutschlands missachteter Schriftsteller wieder entdeckt werden. Bis zu ihrem Tod war sie mit den [[Mephisto-Entscheidung|juristischen Auseinandersetzungen]] um die Neuausgabe seines ''[[Mephisto (Roman)|Mephisto]]'' befasst. Im Frühjahr 1958 hatte sie sich auf einer Treppe des Kilchberger Hauses einen komplizierten Bruch des linken Mittelfußknochens zugezogen und im September 1960 einen Oberschenkelhalsbruch; die Folge war eine Einschränkung der Beweglichkeit durch eine progressive [[Atrophie]]. Ihr Gesundheitszustand verschlechterte sich zunehmend.&nbsp;<ref>Irmela von der Lühe: ''Erika Mann'', S.&nbsp;350</ref> Gern hätte sie ein Buch über die ''Pfeffermühle'' geschrieben. ''„Aber läßt man mich denn“'', schrieb sie am 13.&nbsp;September&nbsp;1963 einem Freund. ''„Ich bin ein bleicher Nachlaßschatten und darf hienieden nichts mehr tun, als Briefbände, Anthologien und dergleichen meiner lieben Toten herausgeben.“''&nbsp;<ref>Helga Keiser-Hayne: ''Erika Mann und ihr politisches Kabarett „Die Pfeffermühle“ 1933–1937'' S.&nbsp;196</ref> ==== Die letzten Jahre ==== [[Datei:KircheKilchberg.JPG|thumb|left|Die Kirche von Kilchberg]] Durch ihre Prozessierlust und aggressiven Streitereien in den späten Jahren verspielte sie viele Sympathien. ''„Aus der Amazone wurde eine [[Erinnyen|Erinnye]]“'', schrieb der Literaturkritiker [[Marcel Reich-Ranicki]] in seinem Buch ''Thomas Mann und die Seinen''.“&nbsp;<ref>Reich-Ranicki: ''Thomas Mann und die Seinen'', S.&nbsp;183</ref> Das Verhältnis zur Mutter und zu den Geschwistern war zunehmend gespannt. So beklagte sich Katia Mann am 5.&nbsp;August&nbsp;1961 in einem Brief an ihren Zwillingsbruder [[Klaus Pringsheim senior|Klaus Pringsheim]]: : ''„Was mir meine alten Tage […] vergällt, ist das mehr als unfreundliche Verhältnis meiner sämtlichen Kinder zur guten dicken Ältesten […]. Auf der anderen Seite ist [Erika] maßlos empfindlich und mißtrauisch, hängt dabei in übertriebenem Maß selbst an mir, was mir gar nicht recht ist, da ich beständig Rücksicht auf sie nehmen muß.“''&nbsp;<ref>Walter Jens: ''Frau Thomas Mann'', S.&nbsp;282&nbsp;f.</ref> [[Datei:IMG 1446.JPG|thumb|Gedenkplatte auf dem Kilchberger Familiengrab]] Im Januar 1968 gab sie dem Schriftsteller und Essayisten [[Fritz J. Raddatz]] ein Fernsehinterview, das der [[Westdeutscher Rundfunk Köln|WDR]] ausstrahlte. Auf dessen Frage, weshalb sie seit 1952 ihre Aufklärung mit spitzer Feder nicht mehr fortgeführt habe, obgleich sie doch mit ihrer Integrität und Artikulationsfähigkeit dafür prädestiniert sei, sich zur Weltpolitik und zu den Studentenunruhen zu äußern, antwortete sie freimütig: ''„Ich bin ein sehr gebranntes Kind“''.&nbsp;<ref>Irmela von der Lühe: ''Erika Mann'', S.&nbsp;359&nbsp;f. Wortlaut des Interviews im Erika-Mann-Archiv der Monacensia, München</ref> Nach den Erfahrungen in Deutschland, dann im europäischen Exil, anschließend im amerikanischen Exil mit dem Schock der McCarthy-Ära habe sie nicht noch ein viertes Mal anfangen wollen. Das sei ''„die traurige Wahrheit“'', inzwischen sei ihr Platz ''„zwischen allen Stühlen“'', aber der Platz sei vielleicht gar nicht so schlecht. Wenn man sie jedoch riefe, würde sie sich nicht weigern. Erika Mann verstarb am 27.&nbsp;August 1969 im Kantonsspital Zürich an einem [[Gehirntumor]]. Sie wurde im Familiengrab auf dem Friedhof in Kilchberg beigesetzt. Während der Trauerfeier am 30.&nbsp;August&nbsp;1969 hielt [[Albrecht Goes]] die Trauerrede und zitierte [[Heinrich Heine]]s „Guten Tambour“, dessen „heilige Unruhe“ die Leute aus dem Schlaf trommelt.&nbsp;<ref>Irmela von der Lühe: ''Erika Mann'', S.&nbsp;366</ref> == Das schriftstellerische Werk == === Journalistisches und literarisches Frühwerk === {{Zitat|''Die nächste Station war ''Boston'', wo die ‚alte amerikanische Kultur‘ zu finden sein soll. Boston ist die allereuropäischste Stadt der Vereinigten Staaten, seine Atmosphäre ist englisch. Nichts kann unamerikanischer sein als diese stillen Straßen mit den niedrigen Häusern, wo die feinen und zurückgezogenen Bürger wohnen. Manche Partien der Stadt erinnern geradezu an Bremen.|Erika und Klaus Mann: ''Rundherum'', Seite 59}} Erika Manns schriftstellerisches Werk begann 1928 mit journalistischen Veröffentlichungen, vor allem verfasste sie Glossen in der Berliner Tageszeitung ''[[Tempo (Zeitung)|Tempo]]'', hinzu kamen Gelegenheitstexte für ''Ford im Bild'', das Werbemagazin des Automobilkonzerns [[Ford]], die erst vor wenigen Jahren wiedergefunden wurden.&nbsp;<ref>S. Björn Weyand: ''Launige Schilderungen der Erlebnisse mit dem getreuen Ford''. Vier Texte Erika Manns für die Zeitschrift ''Ford im Bild'' (Dokumentation und Kommentar). In: ''Berliner Hefte zur Geschichte des literarischen Lebens'' 5 (2003), S. 130–147</ref> Es setzte sich 1929 fort mit dem heiteren Reisebuch ''Rundherum'', in dem sie, zusammen mit ihrem Bruder Klaus, die Erlebnisse aus der gemeinsamen Weltreise verarbeitete. In einer Anzeige im [[Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel]] vom 19.&nbsp;Januar 1929 warb der Fischer Verlag für das Buch der Geschwister Mann: ''„In ihrem Reisebuch stellen sie keine kritischen Bemerkungen, keine Reflexionen über Länder und Menschen an. Mit neugierigen jungen Augen blicken sie um sich und erzählen einfach und lebendig, was sie sahen und was ihnen begegnete.“''&nbsp;<ref>Erika und Klaus Mann: ''Rundherum'', S.149</ref>'' Ein weiteres gemeinsames Reisebuch der frühen Zeit ist ''Das Buch von der Riviera'' von 1931. An Erika Manns Theaterstück ''Plagiat, eine Komödie in fünf Bildern'' – es stammt ebenfalls aus dem Jahr 1931 – hat der Bruder mitgeschrieben. Das Manuskript von ''Plagiat'', mit Szenen aus dem Berliner Theater- und Intellektuellenmilieu, galt lange Zeit als verschollen. Es wurde erst Anfang der 1990er Jahre im Nachlass eines Klaus-Mann-Sammlers aufgefunden. Eine Lesung dieses Stückes fand anlässlich Erika Manns 100.&nbsp;Geburtstags am 14. Februar 2005 im [[Ernst Deutsch Theater]] in [[Hamburg]] statt. Das mit Ricki Hallgarten gemeinsam verfasste Weihnachtsspiel ''Jan’s Wunderhündchen. Ein Kinderstück in sieben Bildern'' erlebte 1932 in Darmstadt seine Premiere, es wurde später jedoch nicht mehr aufgeführt. === ''Die Pfeffermühle'' === {{Zitat|'' […] schon im Januar 33 in München konnte man ja nicht mehr direkt [sein] – also wir waren indirekt. Wir haben alles gemacht mit Märchen, Parabeln und Gleichnissen aller Art – wir haben nie einen Namen genannt, nie ein Land genannt, wir waren indirekt, völlig eindeutig für unser Publikum.| Erika Mann im Gespräch mit F.&nbsp;J.&nbsp;Raddatz in einer Sendung des WDR, 1969<ref>http://archives.arte.tv/de/archive_36853.html</ref>}} Mit der Gründung der ''[[Die Pfeffermühle|Pfeffermühle]]'' Anfang 1933 versuchte Erika Mann sich erfolgreich als Texterin, Vortragende und Conférencière in der kleinen Kunstform des Kabarettbeitrags. Hier konnte sie ihr schauspielerisches mit dem schriftstellerischen und organisatorischen Talent vereinen. ''Die Pfeffermühle'' war eine „Kleinkunstbühne“, deren Texte dem Vorbild von [[Klabund]], [[Christian Morgenstern]] und [[Joachim Ringelnatz]] nachempfunden waren. Thomas Mann war der Namensgeber für das Kabarett. Etwa 85 Prozent der Texte stammten von Erika Mann selbst. Nach einem sehr erfolgreichen Beginn verhinderten die politischen Umstände weitere Aufführungen in Deutschland. Auf eine im „Pariser Tageblatt“ vom Januar 1934 veröffentlichte Kritik von [[Ludwig Marcuse]], der bereits in [[Paris]] im Exil lebte, die ''Pfeffermühle'' sei in ihrem Auftreten zu „mild“, schrieb Erika Mann in einem Brief an Klaus erbost: ''„Wer wird denn ausgewiesen, er oder wir, wenn wir mehr pfeffern?“''&nbsp;<ref>Irmela von der Lühe: ''Erika Mann'', S.&nbsp;385</ref> Nach insgesamt 1034 Vorstellungen im europäischen Exil scheiterte die ''Peppermill'' Anfang 1937 in New York am mangelnden Interesse des amerikanischen Publikums. === Kinderbücher === {{Zitat| ''Für Medi und Bibi, weil sie meine Geschwister sind, und weil sie es gerne wollten''|Widmung Erika Manns für ihre Geschwister Elisabeth und Michael im ''Stoffel''}} Erika Manns erstes Kinderbuch ''[[Stoffel fliegt übers Meer]]'' aus dem Jahr 1932 hatte großen Erfolg, es erlebte innerhalb kurzer Zeit zehn Auflagen und wurde in viele Sprachen übersetzt. Es folgte 1934 ''Muck, der Zauberonkel''; mit beiden Büchern erreichte sie einen größeren Bekanntheitsgrad beim deutschen Lesepublikum, doch blieb sie hinter der Popularität ihres Vaters und ihres Bruders zurück. Ein Freund der Familie Mann, der Anglist Hans Reisiger, lobte in der „BZ am Mittag“ vom 12.&nbsp;Dezember 1932, der ''Stoffel'' sei ''„das schönste, reichste und wärmste Kinderbuch, das ich seit [[Erich Kästner]]s [[Emil und die Detektive]] und [[Rudyard Kipling|Kiplings]] Fischerjunge gelesen habe.“''&nbsp;<ref>Erika Mann: ''Stoffel fliegt übers Meer'', Nachwort der Neuausgabe 2005, S.&nbsp;123</ref> === Im amerikanischen Exil entstandene Arbeiten === {{Zitat| ''Eine Welt – eine einzige, mäßig große, die Raum hat für alle, doch nicht für alles. Und wofür nun einmal gewiss nicht? Das Wort ist flach, und wir vermieden es lieber. Es ist unvermeidlich. Was hinter ihm steht, hat die Erde in Rauch und Flammen gehüllt und muß verfemt sein, nach den Gesetzen der neuen Welt. Es heißt: Nationalismus!''|Erika Mann: ''Gedanken im Tee-Salon'', 28.&nbsp;Mai 1943''&nbsp;<ref>Irmela von der Lühe: ''Erika Mann'', S.&nbsp;11, 371. In: ''Die Zeitung''</ref> }} Der Großteil der Werke Erika Manns gehört zur [[Exilliteratur]], darunter das von ihr so genannte politische Lehrbuch ''[[Zehn Millionen Kinder. Die Erziehung der Jugend im Dritten Reich]]'' ''(School for Barbarians. Education under the Nazis)'' im Jahr 1938; mit diesem Werk gelang ihr in den USA ein großes Maß an Aufklärung über die politische Situation in Deutschland. Erstmals fand sie ihren eigenen Erzählstil, indem sie dokumentarisches Material mit selbst erlebten Geschichten mischte. Ein Jahr später folgte ''[[Escape to Life]]'', eine Art [[Who’s Who]] der Exilierten, das Erika Mann in Kooperation mit ihrem Bruder Klaus schrieb. 1940 entstand die Publikation ''The Other Germany'', in dem sich die Geschwister Mann kritisch mit ihrem Geburtsland auseinandersetzten. Im selben Jahr verfasste Erika Mann ihr zweites politisches Lehrbuch ''The Lights Go Down''. Eine deutsche Rückübersetzung aus dem Englischen, da das deutsche Manuskript als verloren gelten muss, erschien erst im Jahr 2005 unter dem Titel ''[[Wenn die Lichter ausgehen. Geschichten aus dem Dritten Reich]]'' anlässlich ihres 100.&nbsp;Geburtstags. Darüber hinaus entstanden in ihrer Eigenschaft als „lecturer“ und Kriegskorrespondentin zahlreiche Essays, Statements und Kommentare für Zeitungen und Magazine. === Das Spätwerk, postume Veröffentlichungen === {{Zitat|''Deine Beziehung zu Doktor Bermann und seinem Haus ist unverwüstlich, – Du scheinst bereit, ihr alle Opfer zu bringen. Falls es ein Opfer für Dich bedeutet, daß ich Dir mählich, aber sicher, abhanden komme, –: leg es zu dem übrigen. Für mich ist es traurig und schrecklich. Ich bin Dein Kind E.| Schlusssatz von Erika Manns Brief vom 19.&nbsp;Januar 1936 zum Thema „Emigration“ an Thomas Mann&nbsp;<ref>Erika Mann: ''Mein Vater, der Zauberer'', S.&nbsp;93</ref>}} In der Nachkriegszeit schrieb Erika Mann ''Das letzte Jahr. Bericht über meinen Vater'' (1956) und ''Die Zugvögel''- Kinderbuchreihe (1953 bis 1956), zu der die Titel ''Till bei den Zugvögeln'', ''Die Zugvögel auf Europa-Fahrt'' und ''Die Zugvögel singen in Paris und Rom'', gehören. Weiterhin wurden die Kinderbücher ''Stoffel fliegt übers Meer'' und ''Muck, der Zauberonkel'' – unter den Titeln ''Christoph fliegt nach Amerika'' (1952) und ''Unser Zauberonkel Muck'' (1953) – in Neuausgaben bei [[Franz Schneider Verlag|Franz Schneider]] in München, herausgegeben. 1959 veröffentlichte der Alfred Scherz Verlag in Bern ihr letztes Kinderbuch ''Die Zugvögel. Sängerknaben auf abenteuerlicher Fahrt''. Im Jahr 1996 kam unter dem Titel ''Mein Vater, der Zauberer'' postum eine Brief- und Essaysammlung Erika Manns heraus, die unter anderem den mühsamen Weg nachzeichnet, mit dem die Autorin Thomas Mann brieflich zwischen 1933 und 1936 zur endgültigen Absage an das nationalsozialistische Regime bewog. Eine weitere postume Essaysammlung ist ''Blitze überm Ozean'', die im Jahr 2000 erschien, in der auch ihre fragmentarische Autobiographie ''Ausgerechnet Ich'' veröffentlicht wurde. Zum ersten Mal wurden darin ihre wichtigsten journalistischen Arbeiten, viele davon bisher ungedruckt, in einem Buch versammelt. == Rezeption == {{Zitat|'' […] „Warum sind wir so kalt? / Warum, – das tut doch weh! / Warum? Wir werden bald / Wie lauter Eis und Schnee! / Beteiligt Euch, – es geht um Eure Erde! / Und Ihr allein, Ihr habt die ganze Macht! / Seht zu, daß es ein wenig wärmer werde / In unserer schlimmen, kalten Winternacht!'' |Erika Manns Song aus ''Kälte'', 2.&nbsp;Folge des Exilprogramms der „Pfeffermühle“ am 1.&nbsp;Januar 1934<ref>Helga Keiser-Hayne: ''Erika Mann und ihr politisches Kabarett „Die Pfeffermühle“ 1933–1937'', S.&nbsp;108 </ref>}} === Wirkung zu Lebzeiten === Nach der pazifistischen Frauenversammlung in München am 13. Januar 1932, auf der Erika Mann zu Beginn ihrer politischen Arbeit als Rednerin aufgetreten war, attackierte das nationalsozialistische Kampfblatt, der [[Völkischer Beobachter|Völkische Beobachter]], drei Tage später auf der Titelseite die Vortragende mit den hämischen Worten: ''„[…] Ein besonders widerliches Kapitel stellte das Auftreten Erika Manns dar, die […] ihre ‚Kunst‘ dem Heil des Friedens widmete. In Haltung und Gebärde ein blasierter Lebejüngling, brachte sie ihren blühenden Unsinn über die ‚deutsche Zukunft‘ vor.“'' Es folgte eine unverhohlene Drohung auch gegen Erika Manns Angehörige: ''„Das Kapitel ‚Familie Mann‘ erweitert sich nachgerade zu einem Münchener Skandal, der auch zu gegebener Zeit seine Liquidierung finden muß.“''&nbsp;<ref>Irmela von der Lühe: ''Erika Mann'', S.&nbsp;88</ref> Zur Gründung der ''Pfeffermühle'' am 1. Januar 1933 beschrieb Klaus Mann in seiner Autobiographie ''Der Wendepunkt'' den hohen Anteil, den seine Schwester am Gelingen des literarisch-politischen Kabarettprogramms hatte: ''„Die Texte der meisten Nummern – [[Chanson]]s, Rezitationen, [[Sketch]]e – waren von Erika (einige auch von mir); Erika war Conférencier ''[sic]'', Direktor, Organisator; Erika sang, agierte, inspirierte, kurz, war die Seele des Ganzen.&nbsp;<ref>''Der Wendepunkt'', S.&nbsp;385</ref> Erika Manns vielseitige antifaschistische Arbeit im Exil und nach Kriegsende erwähnt ihr Neffe [[Frido Mann]], der selbst in Kalifornien aufgewachsen war, aus eigener Anschauung und nicht ohne Bewunderung: ''„ […] Sie wirkte wie eine vom Sieg über die Nazibarbarei gestählte Amazone, die ich mir noch lange in ihrer englischen Uniform genau vorstellen konnte und von deren Abenteuerberichten aus dem Londoner Blitzkrieg, den Kampfhandlungen im teilweise noch besetzten Frankreich und dann von ihren geradezu apokalyptischen Begegnungen mit den in Nürnberg verurteilten Nazi-Kriegsverbrechern ich nie genug hören konnte.''“ Doch die Folgen ihrer auf zwei Kontinenten geführten Feldzüge, beginnend mit dem politisch-literarischen Kabarett ''Die Pfeffermühle'' und fortgesetzt mit ihrer Tätigkeit als Kriegskorrespondentin waren offensichtlich, sie kamen ''„erst nach der Rückkehr nach Europa in den fünfziger Jahren zum Vorschein und beschleunigten ihre zunehmende Zerrüttung und Erkrankung vor allem nach dem Tod ihres Vaters.“''&nbsp;<ref>Uwe Naumann: ''Die Kinder der Manns. Ein Familienalbum'', S.&nbsp; 10 (Einleitung von Frido Mann)</ref> Zu ihrer persönlichen Ausstrahlung schreibt Frido Mann in seiner Biographie ''Achterbahn'': ''„Sie ist bei ihrem Eintreten für demokratische und humanistische Werte immer auch von Kopf bis Fuß Schauspielerin. Ihre Mimik, jede Bewegung ihres Körpers, ihre Wortwahl und Artikulation erscheinen wie einstudiertes Theaterspiel, ohne jedoch künstlich oder affektiert zu sein.“'' Er fährt fort mit der Vermutung der Familie, Erika Mann ''„trüge in ihrem Auftreten und in ihrer ganzen Persönlichkeit besonders das kreolisch-brasilianische Erbe ihrer Großmutter [[Julia da Silva-Bruhns|Julia]] in sich.“''&nbsp;<ref>Frido Mann: ''Achterbahn'', S.&nbsp;23&nbsp;f</ref> In den späten Lebensjahren in Kilchberg kamen die problematischen, eigenwilligen Seiten Erika Manns jedoch besonders zum Ausbruch. In Tagebüchern und Briefen ist belegt, dass die Familienmitglieder unter ihrer rechthaberischen, herrschsüchtigen Art litten; so hat der jüngste Bruder, Michael Mann, kurz nach Erikas Tod bei einem Besuch im Kilchberger Haus befreit die Bemerkung fallen lassen: ''„Jetzt ist es eigentlich ganz gemütlich hier.“''&nbsp;<ref>Uwe Naumann (Hrsg.): ''Die Kinder der Manns'', S.&nbsp;16</ref> Und Erika Manns jüngste Schwester Elisabeth Mann Borgese äußert sich in [[Heinrich Breloer|Breloers]] Doku-Drama [[Die Manns – Ein Jahrhundertroman]] mit einer gewissen Ratlosigkeit über den Verlauf von Erikas Manns Leben: ''„Erika war ganz ungeheuer begabt – als Schauspielerin, als Schriftstellerin, als Journalistin, als Unternehmerin, als alles … Und sie besaß einen Charme, wie ihn wenige haben. Also, was will man mehr im Leben? Aber sie hat sich eben ihr Leben sehr zerstört, und ist doch eigentlich sehr traurig verendet. Und man fragt sich immer: warum, wieso?“''&nbsp;<ref>Breloer/Königstein: ''Die Manns'', S.&nbsp;424</ref> === Stimmen zum Werk === Erika Manns Nachlasstätigkeit für Thomas Mann und Klaus Mann rief später Kritik hervor, da sie bei der Bearbeitung der Texte für die geplanten Editionen vor Streichungen nicht zurückschreckte. Der Klaus-Mann-Experte [[Fredric Kroll]] weist in seinem Nachwort zur Neuausgabe des ''[[Der Wendepunkt|Wendepunkt]]'' 2006 darauf hin, dass im konservativen Deutschland der 1950er Jahre selbst Thomas Mann ein umstrittener Autor war. Daher wurden in der Auswahlausgabe von Thomas Manns Briefen Stellen getilgt, die sich auf dessen Neigung zur Homosexualität bezogen, und in Klaus Manns ''Der Wendepunkt'' schwächte Erika Mann in Zusammenarbeit mit einem Fischer-Lektor (1950 waren die Verlagsrechte an Klaus Manns Werken von Querido auf den Fischer-Verlag übergegangen) unter anderem Passagen ab, die sich mit Gustaf Gründgens auseinandersetzten oder sich auf Klaus Manns Homosexualität, Rauschgiftsucht und Todesgedanken bezogen. Es mag ein Grund gewesen sein, die Autoren in einem möglichst günstigen Licht erscheinen zu lassen, und die Furcht vor Prozessen wegen Beleidigung wird auch eine Rolle gespielt haben.<ref>Klaus Mann: ''Der Wendepunkt'', Nachwort von Fredric Kroll, S.&nbsp;874&nbsp;ff</ref> Marcel Reich-Ranicki resümiert am 18. Januar 1986 in der [[Frankfurter Allgemeine Zeitung|FAZ]]: ''„Wenn der Eindruck nicht trügt, war es dieser hochbegabten und überaus temperamentvollen Frau nicht gegeben, in Frieden mit sich selber zu leben: Die man einst aus Deutschland vertrieben hatte, ist eine Getriebene geblieben. Überdies wurden ihr vermutlich tiefe persönliche Enttäuschungen nicht erspart“.'' Diese durchaus kritische Formulierung über die Persönlichkeit Erika Manns zeigt die [[Ambivalenz]] auf, die ihr Leben und Werk ausweist, denn Reich-Ranicki führt weiter in seinem Buch ''Thomas Mann und die Seinen'' aus: ''„Sie verfaßte rasche Reportagen und kühne Korrespondentenberichte, sie war eine politische Publizistin, der man Unabhängigkeit und Entschiedenheit auch dann bescheinigen mußte, wenn man ihre Ansichten nicht teilen konnte“.''&nbsp;<ref>Marcel Reich-Ranicki: ''Thomas Mann und die Seinen'', S.&nbsp;180</ref> Im Nachwort von ''Blitze überm Ozean'', einer Erstveröffentlichung ihrer fragmentarischen Autobiografie ''Ausgerechnet Ich'' und zahlreicher Aufsätze, Reden, Reportagen (so der Untertitel) aus dem Jahr 2000, beschreiben die Herausgeber Irmela von der Lühe und Uwe Naumann Erika Manns schriftstellerische Intentionen: ''„ […] Das Material für die Bücher sammelte sie auf ihren Reisen und während ihrer Tätigkeit als Kriegskorrespondentin; es wurde meist auch für Vorträge und öffentliche Auftritte verwendet. Auf Originalität kam es dabei weniger an als auf Authentizität; nicht für die Ewigkeit und ihren Nachruhm, sondern für den Augenblick, für die Aufklärung über die Gegenwart waren Bücher und Vorträge, Aufsätze und Rundfunkberichte gedacht. […]“'' === Würdigung === Die Journalistin Margrit Gerste äußert sich im Jahr 2000 begeistert in der ''[[Die Zeit|Zeit]]'' über ''Blitze überm Ozean'' und erklärt die späte Veröffentlichung von Erika Manns Texten in Deutschland mit den Folgen des Kalten Krieges: : ''Sie hatte alles, was eine große Reporterin und Publizistin ausmacht: ein scharfes Auge, den untrüglichen Sinn für das Wesentliche, einen unabhängigen Geist und natürlich eine kraftvolle Sprache. Obendrein besaß sie Humor und Temperament. Sie war eine vehemente Wahrheitssucherin und Moralistin in den Zeiten der Lüge und Verkommenheit zwischen 1933 und 1945 und des widerwärtigen Freund-Feind-Denkens im Kalten Krieg. […] Warum Erika Mann im Nachkriegsdeutschland nicht zur gefragten Publizistin wurde, hat viel mit dem Kalten Krieg zu tun, der so manchen freien Geist zermalmte, den Nazis aber sehr zupass kam.''&nbsp;<ref>Margrit Gerste: ''Ausgerechnet ich – Endlich: Die Publizistin Erika Mann ist auf Deutsch zu lesen'' [http://www.zeit.de/2000/43/Ausgerechnet_ich?page=all Online verfügbar] (abgerufen am 22. Juli 2008)</ref> === Pro und Contra zu ''Erika Mann. Eine jüdische Tochter'' === Erika Manns Biografin Irmela von der Lühe und auch bekannte Mann-Experten wie Inge und [[Walter Jens]] oder Heinrich Breloer verfolgen die Auswirkung der jüdischen Abstammung Katia Manns und ihrer Kinder in ihren Werken nicht ausreichend, so behauptet es wenigstens die Schriftstellerin [[Viola Roggenkamp]]. Die amerikanische Schriftstellerin [[Ruth Klüger]] rezensiert unter dem Titel ''Verleugnetes [[Judentum]]'' in der [[Welt]] 2005 Roggenkamps Buch ''Erika Mann. Eine jüdische Tochter. Über Erlesenes und Verleugnetes in der Familie Mann-Pringsheim'', das eine neue, wenn auch vielleicht zu einseitige Sichtweise der Familie Mann aufzeigt: : ''[…] Laut Roggenkamp hat Erika Mann ihre jüdische Herkunft mütterlicherseits konsequent verleugnet, im Sinne, dass sie sich nie als Jüdin einstufte, und diese Verleugnung, so folgert sie, kam einer psychologischen Verdrängung im [[Sigmund Freud|Freud]]'schen Sinne gleich, die sich in Erikas Leben, Schreiben und Denken ungut, oder zumindest belastend, auswirkte. Man kann dieses oder jenes Detail in dem zügig geschriebenen und polemisch angelegten Buch anzweifeln, doch die Autorin hat gewiss recht, wenn sie meint, es müsse doch stutzig machen, wenn eine Tochter aus prominenter und nur teils assimilierter Familie (Katia Manns Mutter war getauft, der alte Pringsheim war es nicht) während der großen Judenverfolgung, der sie in Deutschland zum Opfer gefallen wäre, sich nicht mit ihrem jüdischen Erbe auseinandersetzt, sondern konsequent so tut, als gäbe es das gar nicht. […] So wurde diese hochbegabte Frau nach und nach Thomas Manns Tochter und weiter nichts. Die allzu enge Bindung an einen extrem ichbezogenen Vater verstellte ihr den Weg ins eigene Leben.''&nbsp;<ref>http://www.welt.de/print-welt/article187395/Verleugnetes_Judentum.html Ruth Klügers Buchbesprechung in der ''Welt'' über Viola Roggenkamps ''Erika Mann. Eine jüdische Tochter'' (abgerufen am 22. Juli 2008)</ref> Manfred Koch sieht Roggenkamps Buch weniger positiv und weist in seiner Rezension in der [[Neue Zürcher Zeitung|Neuen Zürcher Zeitung]] im Jahr 2005 auf Erika Manns antifaschistische Arbeit hin, die sie im Kontext mit ihrer Überzeugung und nicht um ihrer jüdischen Wurzeln willen geleistet hat: : ''[…] Man staunt über die grossrichterliche Attitüde der Verfasserin, die sich nicht scheut, gleich zu Beginn mögliche Kritiker ihres Verfahrens vorsorglich unter Antisemitismus-Verdacht zu stellen. Roggenkamp huldigt einem diffusen Essenzialismus des „Jüdischseins“, der sie von genaueren historischen Überlegungen entlastet. […] Zu Beginn des Kaiserreichs zählten bereits fast zwei Drittel der deutschen Juden zur wirtschaftlichen und kulturellen Elite des Landes; die religiösen Bindungen und Lebensformen der Vergangenheit waren ihnen fern gerückt. […] Das Desinteresse der Pringsheims und vieler anderer an ihrem jüdischen Erbe hat deshalb nichts von pathologischer Verdrängung oder gar Verrat. Erika Mann hat den Antisemitismus bekämpft, wo immer er ihr begegnete. Dass sie es ihrem Selbstverständnis nach nicht als Jüdin, sondern als demokratische Humanistin tat – wer darf ihr das verübeln?''&nbsp;<ref>http://www.nzz.ch/2005/11/05/li/articleD9CHX.html Manfred Kochs Rezension in der ''Neuen Zürcher Zeitung'' vom 5. November 2005 (abgerufen am 22. Juli 2008)</ref> == Sonstiges == [[Datei:Erika-Mann-Bogen.jpg|thumb|upright|Zusätzliches Straßenschild in [[Hamburg]] mit einer kurzen Einführung.]] Eine Grundschule in Berlin, die sich für soziale Gleichbehandlung einsetzt, trägt seit dem 8.&nbsp;November 1999 ihren Namen. Die gleichnamige Politikerin [[Erika Mann (Politikerin)|Erika Mann]] ist Patin der Schule. In München wurde im Jahr 2004 anlässlich ihres 100.&nbsp;Geburtstags 2005 die „Erika-Mann-Straße“ nach ihr benannt. Und mit Beschluss vom 18.&nbsp;Dezember 2006 benannte der Senat der Freien und Hansestadt Hamburg eine im Stadtteil [[Hamburg-Barmbek-Süd|Barmbek-Süd]] liegende Straße mit „Erika-Mann-Bogen“, sie ist eine von zwei neu angelegten Straßen in einem Neubaugebiet auf dem ehemaligen Gelände des [[Krankenhaus Eilbek|Krankenhauses Eilbek]], deren Namensgebung auf Antrag der [[Grün-Alternative Liste|GAL]] den Kriterien „Verfolgte des Nationalsozialismus“ und „Frau“ entsprechen sollten. == Literatur von Erika Mann in deutschen Ausgaben <small>(Auswahl)</small> == * '' Zehn jagen Mr. X''. Kinderbuch Verlag GmbH, Berlin 1990, ISBN 3-358-01562-9 * ''Zehn Millionen Kinder. Die Erziehung der Jugend im Dritten Reich''. Rowohlt, Reinbek 1997, ISBN 3-499-22169-1 * '' Mein Vater, der Zauberer''. Rowohlt, Reinbek 1998, ISBN 3-499-22282-5 (enthält den Briefwechsel mit Thomas und Katia Mann von 1919–1955 sowie Essays, Statements, Kommentare und ''Das letzte Jahr. Bericht über meinen Vater'') * ''Briefe und Antworten'', hrsg. von Anna Zanco-Prestel. Neuausgabe Rowohlt, Reinbek 1998, ISBN 3-498-04420-6 * ''Blitze überm Ozean, Aufsätze, Reden, Reportagen''. Rowohlt, Reinbek 2001, ISBN 3-499-23107-7 (enthält die fragmentarische Autobiografie ''Ausgerechnet Ich'' und ihre wichtigsten, zum Teil bisher unveröffentlichten journalistischen Arbeiten) * ''Stoffel fliegt übers Meer. Mit Bildern von Richard Hallgarten, Nachwort von Dirk Heißerer''. Rowohlt, Reinbek 2005, ISBN 3-499-21331-1 * ''Jan's Wunderhündchen. Ein Kinderstück in sieben Bildern'' (zusammen mit Richard Hallgarten). Mit einer Erklärung von Erika Mann. Hrsg. und mit einem Nachwort von Dirk Heißerer. Thomas-Mann-Schriftenreihe, Fundstücke 1. peniope – Anja Gärtig Verlag 2005, ISBN 3-936609-20-9 * ''Ausgerechnet Ich. Ein Lesebuch''. Rowohlt, Reinbek 2005, ISBN 3-499-24158-7 * ''Das letzte Jahr. Bericht über meinen Vater''. Neuausgabe Fischer, Frankfurt/Main 2005, ISBN 3-596-16637-3 * ''Wenn die Lichter ausgehen. Geschichten aus dem Dritten Reich''. Rowohlt, Reinbek 2006, ISBN 3-499-24413-6 Zusammen mit Klaus Mann: * ''Rundherum. Abenteuer einer Weltreise''. Rowohlt, Reinbek 1996, ISBN 3-499-13931-6 * ''Escape to Life. Deutsche Literatur im Exil'', Essays. Rowohlt, Reinbek 1996, ISBN 3-499-13992-8 * ''Das Buch von der Riviera. Was nicht im Baedeker steht''. Rowohlt, Reinbek 2003, ISBN 3-499-23667-2 == Literatur über Erika Mann (und Familie) == * [[Heinrich Breloer]] und [[Horst Königstein]]: ''Die Manns. Ein Jahrhundertroman.'' Frankfurt/Main 2003, Fischer ISBN 3-596-15380-8 * Helga Keiser-Hayne: ''Erika Mann und ihr politisches Kabarett „Die Pfeffermühle“ 1933–1937, Texte, Bilder, Hintergründe''. Erweiterte Neuausgabe. Rowohlt, Reinbek 1995, ISBN 3-499-13656-2 * Ute Kröger: ''„Wie ich leben soll, weiss ich noch nicht“. Erika Mann zwischen „Pfeffermühle“ und „Firma Mann“. Ein Porträt''. Limmat, Zürich 2005, ISBN 3-85791-484-X * Marianne Krüll: ''Im Netz der Zauberer. Eine andere Geschichte der Familie Mann.'' Überarbeitete Ausgabe Fischer Verlag, Frankfurt/Main 1999, ISBN 3-596-11381-4; durchgesehene und ergänzte Neuauflage Fischer Verlag, Frankfurt 2005, ISBN 3-100-42030-6 * Irmela von der Lühe: ''Erika Mann: Eine Biographie''. Fischer Verlag, Frankfurt/Main, 5.&nbsp;Aufl.&nbsp;2001, ISBN 3-596-12598-7; ''Erika Mann: Eine Lebensgeschichte''. Rowohlt, Reinbek 2009, ISBN 978-3-499-62535-0 * Hildegard Möller: ''Die Frauen der Familie Mann''. Piper, München 2005, ISBN 3-492-24576-5 * Frido Mann: ''Achterbahn. Ein Lebensweg''. Rowohlt, Reinbek 2008, ISBN 978-3-498-04510-4 * Klaus Mann: ''Der Wendepunkt. Ein Lebensbericht.'' Erweiterte Neuausgabe, mit Textvariationen und Entwürfen im Anhang herausgegeben und mit einem Nachwort von [[Fredric Kroll]]. Rowohlt, Reinbek 2006, ISBN 3-499-24409-8 * Barbara Murken: ''Gedanken zum Kinder- und Jugendbuchwerk von Erika Mann. Ein biographisches Puzzle''. Antiquariat Geisenheyner, Münster 1995, ISBN 3-9804674-0-6 * Uwe Naumann: ''Die Kinder der Manns. Ein Familienalbum''. Rowohlt, Reinbek 2005, ISBN 3-498-04688-8 * Marcel Reich-Ranicki: ''Thomas Mann und die Seinen'', Fischer, Frankfurt/Main 1990, ISBN 3-596-26951-2 * Viola Roggenkamp: ''Erika Mann. Eine jüdische Tochter. Über Erlesenes und Verleugnetes in der Familie Mann-Pringsheim''. Arche, Zürich 2005, ISBN 3-7160-2344-2 * Andrea Weiss: ''Flucht ins Leben. Die Erika und Klaus Mann-Story''. Rowohlt, Reinbek 2000, ISBN 3-499-22671-5 == Film == * ''Escape to Life – The Erika and Klaus Mann Story'', Dokumentarfilm von Andrea Weiss und [[Wieland Speck]] mit [[Maren Kroymann]] und [[Cora Frost]], 2000 (enthält das Interview aus dem Jahr 1968 mit Fritz J. Raddatz) * [[Die Manns – Ein Jahrhundertroman]]. Mehrteilige Fernsehverfilmung der Familiengeschichte von [[Heinrich Breloer]] und [[Horst Königstein]], 2001 == Weblinks == {{Wikiquote|Erika Mann}} * {{DNB-Portal|118747436}} * {{IMDb Name|ID=0542750|NAME=Erika Mann}} * [http://www.dhm.de/lemo/html/biografien/MannErika/ Biografie des Deutschen Historischen Museums] * [http://www.br-online.de/bayern2/radiokultur/die-kinder-der-manns-DID1188596732/kinder-der-manns-erika-mann-komoediantisch-ID661188596698.xml Erika Mann Dossier des Bayerischen Rundfunks über die Kinder von Thomas Mann] * [http://deposit.ddb.de/cgi-bin/dokserv?idn=972269290&dok_var=d1&dok_ext=pdf&filename=972269290.pdf Erika Mann – Einblicke in ihr Leben] Dissertation von Anja Maria Dohrmann, 2003 * [http://www.fu-berlin.de/presse/publikationen/tsp/2005/ts_20050205/ts_20050205_23.html Freie Universität Berlin: Irmela von der Lühe über Erika Mann] * [http://www.nzz.ch/2005/11/05/li/articleD8DZ0.html Die [[Neue Zürcher Zeitung]] 2005 zu Protestkampagnen gegen die ''Pfeffermühle'' 1934 in der Schweiz] * [http://theodor-frey.de/index.24.jpg Foto um 1925: Erika und Klaus Mann mit Pamela Wedekind und Gustaf Gründgens] * [http://www.rolfs-reisen.de/hpbimg/klaus-erika.jpg Die „Mann twins“, Werbefoto aus den USA, 1927] * [http://www.literarische.de/05-2/Erika-Mann-200-297.jpg Ein Vortrag Erika Manns in der ''Pfeffermühle'', Foto, 1933] == Quellen == <references/> {{Exzellent}} {{Normdaten|PND=118747436|LCCN=n/85/12436|VIAF=46777706}} {{SORTIERUNG:Mann, Erika}} [[Kategorie:Autobiografie]] [[Kategorie:Autor]] [[Kategorie:Biografie]] [[Kategorie:Deutschsprachiger Emigrant zur Zeit des Nationalsozialismus]] [[Kategorie:Drehbuchautor]] [[Kategorie:Erzählung]] [[Kategorie:Essay]] [[Kategorie:Homosexualität in der Literatur]] [[Kategorie:Kabarettist]] [[Kategorie:Kinder- und Jugendliteratur]] [[Kategorie:Literatur (20. Jahrhundert)]] [[Kategorie:Literatur (Deutsch)]] [[Kategorie:Literatur (Englisch)]] [[Kategorie:NS-Opfer]] [[Kategorie:Künstler (München)]] [[Kategorie:Politische Literatur]] [[Kategorie:Reiseliteratur]] [[Kategorie:Roman, Epik]] [[Kategorie:Schauspieler]] [[Kategorie:Person im Spanischen Bürgerkrieg]] [[Kategorie:Deutscher]] [[Kategorie:Brite]] [[Kategorie:Geboren 1905]] [[Kategorie:Gestorben 1969]] [[Kategorie:Frau]] {{Personendaten |NAME=Mann, Erika |ALTERNATIVNAMEN=Mann, Erika Julia Hedwig |KURZBESCHREIBUNG=deutsche Schauspielerin, Kabarettistin und Schriftstellerin |GEBURTSDATUM=9. November 1905 |GEBURTSORT=[[München]] |STERBEDATUM=27. August 1969 |STERBEORT=[[Zürich]] }} {{Vorlage:Navigationsleiste Mitglieder der Familie Mann}} [[br:Erika Mann]] [[en:Erika Mann]] [[eo:Erika Mann]] [[es:Erika Mann]] [[fr:Erika Mann]] [[he:אריקה מאן]] [[it:Erika Mann]] [[nl:Erika Mann]] [[pl:Erika Mann]] [[pt:Erika Mann]] [[ru:Манн, Эрика]] [[sv:Erika Mann]] rccdvpcnnpxz9muo0wndwh1ploo3gmb wikitext text/x-wiki Golo Mann 0 23886 26482 2010-04-18T22:04:35Z ChristophDemmer 0 /* Studium und Beruf */ [[Datei:Golo-mann-1978.jpg|miniatur|Golo Mann im Jahr 1978 bei einer Tagung der [[Konrad-Adenauer-Stiftung]]]] '''Golo Mann''' (* [[27. März]] [[1909]] in [[München]]; † [[7. April]] [[1994]] in [[Leverkusen]]; eigentlich ''Angelus Gottfried Thomas Mann'') war ein deutsch-schweizerischer [[Historiker]], [[Publizist]] und [[Schriftsteller]]. Golo Mann war ein Sohn des Literaturnobelpreisträgers [[Thomas Mann]]. Nach der [[Machtergreifung]] der [[Nationalsozialismus|Nationalsozialisten]] emigrierte er über [[Frankreich]] und die [[Schweiz]] in die [[Vereinigte Staaten|USA]]. Mitte der 1950er-Jahre kehrte er nach Deutschland zurück und übersiedelte später in die Schweiz. Nach einer Tätigkeit als Professor für Politikwissenschaft in Stuttgart arbeitete er als freier Publizist und einflussreicher Kommentator des [[Zeitgeschehen]]s. Er verkehrte mit Politikern wie [[Konrad Adenauer]] und [[Willy Brandt]], für den er sich zunächst als Berater einsetzte und dessen Ostpolitik er unterstützte. Ablehnend verhielt er sich zur [[68er-Bewegung|Studentenbewegung]]; 1980 engagierte er sich für den Wahlkampf von [[Franz Josef Strauß]]. Zu seinen bekanntesten Schriften gehören die 1958 erschienene ''Deutsche Geschichte des 19. und 20.&nbsp;Jahrhunderts'', die als historisches Standardwerk eine Millionenauflage erreicht hat und in neun Sprachen übersetzt worden ist, sowie seine 1971 veröffentlichte [[Wallenstein. Sein Leben erzählt von Golo Mann|Wallenstein-Biographie]]. Als konservativer Historiker stellte er den Menschen in den Mittelpunkt seiner erzählend formulierten Werke und zog damit die Kritik mancher Berufskollegen auf sich, die gesellschaftspolitische Theorien bevorzugten. == Leben == === Kindheit und Ausbildung === [[File:FamMann.jpg|miniatur|Golo Mann als Baby mit seinen Eltern vor dem Sommerhaus in [[Bad Tölz]] 1909; links Klaus und Erika Mann.]] Angelus Gottfried Thomas Mann, der als Kleinkind seinen verkürzten Vornamen „Gelus“ nicht aussprechen konnte und sich Golo nannte, kam als drittes Kind des Schriftstellers [[Thomas Mann]] und seiner Frau [[Katia Mann|Katia]], geborene [[Pringsheim]], in München zur Welt. Dieser Kindername begleitete ihn sein Leben lang. Er hatte zwei ältere Geschwister, [[Erika Mann|Erika]] und [[Klaus Mann|Klaus]], und drei jüngere, [[Monika Mann|Monika]], [[Elisabeth Mann Borgese|Elisabeth]] und [[Michael Mann (Literaturwissenschaftler)|Michael]]. [[Datei:mann villa 1.jpg|miniatur|links|Rekonstruktion des in der Poschingerstraße 1 gelegenen Elternhauses am [[Bogenhausen|Herzogpark]] in München, das im Zweiten Weltkrieg schwer beschädigt und später abgerissen wurde. Die Villa wurde auf dem Bavaria-Filmgelände für Dreharbeiten zu dem Dokumentarfilm über die [[Mann (Familie)|Familie Mann]], ''[[Die Manns – Ein Jahrhundertroman]]'', nachgebildet.]] Die Mutter beschrieb Golo in ihrem Tagebuch als sensibel, nervös und schreckhaft.<ref>Golo Mann: ''Erinnerungen und Gedanken'', S. 10 f</ref> Der Vater verhehlte seine Enttäuschung kaum und erwähnte den Sohn in seinem Tagebuch nur selten. Golo Mann beschrieb ihn rückblickend: „Wohl konnte er noch Güte ausstrahlen, überwiegend aber Schweigen, Strenge, Nervosität oder Zorn“.<ref>Golo Mann: ''Erinnerungen und Gedanken'', S. 41</ref> Unter den Geschwistern fühlte er sich seinem Bruder Klaus besonders nah verbunden, während er zeitlebens Schwierigkeiten mit den radikalen Ansichten seiner Schwester Erika hatte.<ref>Urs Bitterli: ''Golo Mann'', S. 620</ref> Klaus Mann beschrieb den Bruder als Kind in seiner ersten Biografie ''[[Kind dieser Zeit]]'' wie folgt: „Golo [aber] repräsentierte unter uns das groteske Element. Von skurriler Ernsthaftigkeit, konnte er sowohl tückisch als auch unterwürfig sein. Er war diensteifrig und heimlich aggressiv; dabei würdevoll wie ein Gnomenkönig. Ich vertrug mich ausgezeichnet mit ihm, während er sich mit Erika viel zankte.“<ref>Klaus Mann: ''Kind dieser Zeit'', S. 19</ref> Golo besuchte ab September 1918 das humanistische [[Wilhelmsgymnasium München|Wilhelmsgymnasium]] in München mit mittelmäßigen Leistungen, wobei seine Stärken in Geschichte, Latein und insbesondere in der Rezitation von Gedichten lagen, letzteres eine lebenslange Leidenschaft.<ref>Golo Mann: ''Erinnerungen und Gedanken'', S. 25</ref> Golo war Mitglied des von den Geschwistern Klaus und Erika sowie [[Richard Hallgarten|Ricki Hallgarten]] im Jahr 1919 gegründeten „Laienbunds Deutscher Mimiker“. Weitere Mitspieler waren neben Monika Mann befreundete Nachbarskinder. Die Gruppe existierte drei Jahre lang und inszenierte acht Vorstellungen in Privatwohnungen. Eine Abwechslung zu Elternhaus und Schule bot ihm in einer Art „Ausbruchsversuch“ im Frühjahr 1921 der Eintritt in eine [[Pfadfinder]]-Vereinigung, mit der er mehrtägige Übungen und ausgedehnte Fahrten in den Sommerferien nach Franken und Tirol unternahm. Die Gemeinschaft mit Gleichaltrigen machte ihm Spaß, jedoch gab es irritierende Erfahrungen: So wies er eine homoerotische Annäherung ab und litt unter der als Zwang empfundenen [[Paramilitär|paramilitärischen]] Disziplin.<ref>Golo Mann: ''Erinnerungen und Gedanken'', S.&nbsp;113 f</ref> [[Datei:Salem Schloss Suedseite-LF.jpg|miniatur|Schloss Salem (Südansicht)]] Neue Horizonte taten sich 1923 auf, als Golo Mann an die [[Schule Schloss Salem|Internatsschule Schloss Salem]] wechselte, die er als Befreiung und lebenslange Bereicherung ansah. Der Leiter der Schule, [[Kurt Hahn]], wurde eine prägende Persönlichkeit in seiner Jugend. In Salem sollte eine geistige Elite ausgebildet werden, die nicht nur individuelle Begabungen förderte, sondern auch das verantwortungsvolle Handeln für die Gemeinschaft. Daher gab es einen freien Umgang mit den Lehrern und einen hohen Grad von Selbstverwaltung in der Schülergemeinschaft. Der Dienst für die demokratischen Gesellschaft sollte die Richtung seines zukünftigen Handelns bestimmen. Im fachlichen Bereich intensivierte er die Beschäftigung mit der von Hahn unterrichteten lateinische Sprache, was ihn im Alter dazu befähigte, über [[Publius Cornelius Tacitus|Tacitus]] zu schreiben und [[Horaz]] zu übersetzen. In der Bodenseelandschaft bildete sich zudem eine ebenso dauerhafte Leidenschaft für Bergwanderungen aus, obgleich ihn eine beim Hochsprung erlittene Knieverletzung für den Rest seines Lebens plagen sollte. Im Rückblick, in seiner Biografie ''Erinnerungen und Gedanken'', kam jedoch neben der Schilderung von Hahns faszinierender Persönlichkeit dessen moralische [[Rigidität]] zur Sprache, die die [[Sexualität]] völlig ausklammerte. Der Grund sei Hahns homoerotische Neigung gewesen, die dieser missbilligt und unterdrückt habe. Golo Mann selbst hatte in Salem seine eigene homoerotische Prägung entdeckt.<ref>Urs Bitterli: ''Golo Mann'', S.&nbsp;17–19</ref> Anfang 1925 litt Golo Mann unter einer schweren [[Depression]], die ihn episodisch lebenslang begleitete: „Damals trat der Zweifel ein oder richtiger, brach mit unerhörter Gewalt ein […] Ich wurde von der schwärzesten Melancholie ergriffen.“<ref>Golo Mann: ''Erinnerungen und Gedanken'', S.193–197</ref> Im März 1927 bestand er als „Externer“ wie seine Salemer Mitschüler das [[Abitur]] an einem Gymnasium in [[Konstanz]] mit der Gesamtwertung „ziemlich gut“. Die Leistungen in Deutsch und Geschichte waren mit „sehr gut“ benotet. Im April 1927 spielte Golo Mann bei einer Theateraufführung in Salem die Rolle des [[Wallenstein]] in [[Friedrich Schiller|Schiller]]s ''[[Wallensteins Tod]]''&nbsp;– einer Thematik, die ihn fortan immer wieder beschäftigen sollte.<ref>Uwe Naumann: ''Die Kinder der Manns'', S.&nbsp;82&nbsp;f</ref> === Studium und Beruf === Nach der Reifeprüfung begann Golo Mann im Sommersemester 1927 offenbar lustlos ein [[Rechtswissenschaft|Jura]]-Studium in [[München]], das er in seinen ''Erinnerungen'' nur knapp erwähnte. Die Hochschule erschien ihm als „kalte, anonyme Maschinerie“, unter den anderen Studenten fühlte er sich fremd. Im selben Jahr setzte er seine Studien in [[Berlin]] in den Fächern [[Geschichte]] und [[Philosophie]] fort. Dort lebten sein Onkel [[Heinrich Mann]], Thomas Manns Verleger [[Samuel Fischer (Verleger)|Samuel Fischer]] sowie der Familienfreund [[Bruno Walter]]. Den hektischen Kulturbetrieb und die Vergnügungsstätten der Großstadt mied er jedoch. Er traf dort die Dichterin und Historikerin [[Ricarda Huch]], die sein späteres Werk beeinflussen sollte.<ref>Urs Bitterli: ''Golo Mann'', S.&nbsp;23&nbsp;ff</ref> Den Sommer 1928 nutzte er zu einem Sprachaufenthalt in [[Paris]] und sechs Wochen „echter“ Arbeit im Braunkohlebergwerk Schipkau in der [[Niederlausitz]], die aufgrund neuer Kniebeschwerden ein abruptes Ende fand.<ref>Golo Mann: ''Erinnerungen und Gedanken'', S. 265–278</ref> [[Datei:Karl Jaspers-BA.jpg|miniatur|hochkant=0.75|links|Karl Jaspers]] Schließlich wechselte Golo Mann im Frühjahr 1929 an die [[Universität Heidelberg]], wo er dem Rat seines akademischen Lehrers [[Karl Jaspers]] folgte, in [[Philosophie]] zu promovieren und parallel Geschichte und [[Latein]] auf Lehramt zu studieren. Ab Herbst 1930 engagierte er sich zudem politisch in der sozialistischen Studentengruppe. Im Mai 1932 kam es zur Vorlage der Dissertation mit dem Thema ''Zum Begriff des Einzelnen, des Ich und des Individuellen bei [[Georg Wilhelm Friedrich Hegel|Hegel]]'', die von Jaspers mit dem Prädikat ''[[Promotion_(Doktor)#Bewertung|cum laude]]'' bewertet wurde.<ref>Golo Mann: ''Erinnerungen und Gedanken'', S.430, 462 ff</ref> Im Jahr 1933 kam [[Adolf Hitler]] an die [[Machtergreifung|Macht]]. Für Thomas Mann, der keinen Hehl aus seiner Abneigung gegen den [[Nationalsozialismus]] gemacht hatte, und insbesondere für seine Kinder Klaus und Erika Mann war dies der Zeitpunkt zur Emigration. Während die Eltern sich auf einer Vortragsreise im Ausland aufhielten, von der sie nicht zurückkehrten, kümmerte sich Golo Mann im April 1933 um das Münchner Haus, organisierte die Ausreise der drei jüngeren Geschwister und brachte das Bankguthaben der Eltern in Sicherheit.<ref>Urs Bitterli: ''Golo Mann'', S. 39 f</ref> Er veranlasste den Versand der Tagebücher seines Vaters in die Schweiz, da Thomas Mann deren Auswertung durch die Nationalsozialisten fürchtete. Der Koffer wurde zwar nach dem Hinweis eines Denunzianten im Hause Mann in Konstanz vom Zoll abgefangen, gleichwohl letztlich dennoch weitergeleitet. [[Datei:Gedenktafel für die deutschen u. österreichischen Flüchtline am Fremdenverkehrsbüro in Sanary-sur-Mer1.JPG|miniatur|hochkant|Gedenktafel für die deutschen und österreichischen Flüchtlinge in Sanary, unter ihnen Familie Mann]] Die Arbeit für das [[Staatsexamen]] in Geschichte mit einem Wallenstein-Thema war bereits eingereicht; zur Prüfung kam es nicht mehr, denn Golo Mann verließ am 31. Mai 1933 Deutschland in Richtung [[Bandol]], wo sich seine Eltern kurzzeitig aufhielten. Für die Sommermonate kam er nach einem Aufenthalt in einer Pension als Untermieter in der Villa des US-Schriftstellers [[William Buehler Seabrook|William Seabrook]] bei [[Sanary-sur-Mer]] unter, weitere sechs Wochen lebte er in der neuen elterlichen Wohnung in [[Küsnacht ZH|Küsnacht]] bei [[Zürich]]. Schließlich kehrte er nach Frankreich zurück. Ab November begannen für ihn zwei „intensive, lehrreiche Jahre“<ref>Golo Mann: ''Erinnerungen und Gedanken'', S. 129</ref> als Lektor für deutsche Sprache an der École Normale Supérieure in [[Saint-Cloud]] bei [[Paris]]. Gleichzeitig arbeitete er an der Exilzeitschrift ''[[Die Sammlung]]'' seines Bruders Klaus mit. [[Datei:Thomas Mann 1937.jpg|miniatur|hochkant=0.75|links|Thomas Mann im Jahr 1937, Foto von [[Carl van Vechten]]]] Im November 1935 übernahm Golo Mann ein halbjähriges [[Lektorat]] für deutsche Sprache und Literatur an der Universität in [[Rennes]]. Häufige Aufenthalte in der [[Schweiz]] sind ein Indiz dafür, dass sich das schwierige Verhältnis zum Vater entspannt hatte, der den politischen Sachverstand des Sohnes zunehmend zu schätzen gelernt hatte. Dass der Sohn in den Augen des Vaters an Wertschätzung gewonnen hatte, wurde ihm aber erst in vollem Umfang bewusst, als er im Alter an der Herausgabe von dessen Tagebüchern mitwirkte und sich freundlich dargestellt fand.<ref>Urs Bitterli: ''Golo Mann'', S. 436</ref> Die kollektive Aberkennung der deutschen [[Staatsbürgerschaft]] sorgte 1936 für zusätzliche Probleme in der Literatenfamilie. Erst der tschechische Textilfabrikant Rudolf Fleischmann, ein Bewunderer von Thomas Mann, ermöglichte diesem und dessen Familie – mit Ausnahme von Erika Mann, die durch die Ehe mit [[W. H. Auden]] britische Staatsbürgerin geworden war – die Einbürgerung in seine böhmische Gemeinde Proseč und damit die Verleihung der tschechischen [[Staatsbürgerschaft]]. In [[Prag]] lernte Golo Mann an der Universität Tschechisch und veröffentlichte Beiträge in der ''[[Die Weltbühne|Neuen Weltbühne]]''.<ref>Uwe Naumann: ''Die Kinder der Manns'', S.&nbsp;137</ref> In seinem Tagebuch schilderte er Begegnungen mit [[Max Brod]] und [[Ernst Bloch]]; mit letzterem war eine Verständigung unmöglich, da sich Golo Mann angesichts der stalinistischen Schauprozesse, die ab 1935 stattfanden, vom [[Marxismus]] distanziert hatte. Im Frühling 1937 verließ er Prag und zog nach Zürich.<ref>Urs Bitterli: ''Golo Mann'', S. 55 f</ref> === Emigration – Als Soldat in der US Army === [[Datei:Mass_und_Wert.jpg|miniatur|hochkant||''Maß und Wert'', Ausgabe vom November/Dezember 1938. Golo Mann ist dort bereits unter „Kritik“ erwähnt. ]] Anfang 1939 emigrierte Golo nach [[Princeton (New Jersey)|Princeton]], [[New Jersey]], wo sein Vater eine Gastprofessur übernommen hatte. Nach einigem Zögern kehrte er trotz des sich anbahnenden Kriegsausbruches im August des Jahres nach Zürich zurück, um nach zahlreichen Beiträgen als Mitarbeiter auf Wunsch seines Vaters die Redaktion der [[Exilpresse#Maß und Wert|Exilzeitschrift ''Maß und Wert'']], herausgegeben von Thomas Mann und Konrad Falke, übernehmen zu können. ''Maß und Wert. Zweimonatsschrift für freie deutsche Kultur'' erschien von Herbst 1937 bis September 1940 unter Golo Manns Herausgebertätigkeit. [[Datei:Les Milles, Gebäude des Lagers.JPG|miniatur|links|hochkant|Lagergebäude Les Milles]] Adolf Hitlers Feldzug gegen Frankreich im Mai 1940 bewirkte in Golo Mann den Entschluss, sich als Kriegsfreiwilliger einer in [[Frankreich]] weilenden tschechischen Einheit anzuschließen und gegen die deutschen Invasoren zu kämpfen. Doch unmittelbar nach Grenzübertritt wurde er bei [[Annecy]] festgenommen und Anfang Juni ins Internierungslager [[Les Milles]] bei [[Aix-en-Provence]] überführt. Erst Anfang August kam er auf Intervention der US-Hilfsorganisation „Emergency Rescue Committee“ frei, die Thomas Mann kontaktiert hatte. Es war gelungen, Golo und seinen Onkel [[Heinrich Mann]] sowie [[Franz Werfel]] auf eine Prominentenliste zu setzen, deren Emigrationsgesuche bevorzugt behandelt wurden. Am 13.&nbsp;September unternahm er mit seinem Onkel Heinrich, dessen Ehefrau [[Nelly Mann|Nelly]] sowie [[Alma Mahler-Werfel]] und [[Franz Werfel]] die waghalsige Flucht von [[Perpignan]] über die [[Pyrenäen]] nach [[Spanien]], die in Heinrich Manns Memoiren ''[[Ein Zeitalter wird besichtigt]]'' beschrieben wird. Nach der Überfahrt von [[Lissabon]] aus kamen sie mit vielen anderen Exilanten, unter ihnen auch [[Alfred Polgar]], an Bord des griechischen Dampfers ''Nea Hellas'' am 13.&nbsp;Oktober in [[New York City|New York]] an. Thomas und Katia Mann waren in den Hafen von [[Hoboken (New Jersey)|Hoboken]] gekommen, um die Familienmitglieder zu begrüßen.<ref>Urs Bitterli: ''Golo Mann'', S.&nbsp;70−72</ref> [[Datei:Klaus_Mann.jpg|miniatur|hochkant||Klaus Mann als US-Sergeant in Italien, 1944]] In der ''Neuen Welt'' wohnte Golo Mann zunächst im elterlichen Haus in Princeton, danach im ungeliebten New York, bevor er im Juli 1941 mit den Eltern in das kalifornische [[Pacific Palisades]] umzog. Ab Herbst 1942 ergab sich eine zehnmonatige Lehrtätigkeit für [[Geschichte]] am Olivet College in [[Olivet (Michigan)|Olivet]], [[Michigan]]. Seinem Bruder Klaus nacheifernd, trat Golo Mann 1943 in die [[United States Army|US Army]] ein. Ab August unterzog er sich der Grundausbildung in Fort McClellan, [[Alabama]]; im Dezember übernahm er als neuer US-Staatsbürger eine [[nachrichtendienst]]liche Tätigkeit im [[Office of Strategic Services]] in [[Washington D.C.]] Es war seine Aufgabe, militärisch wertvolle Informationen zu sammeln und zu übersetzen. Im April 1944 wurde Golo Mann nach [[London]] entsandt, wo er Radio-Kommentare bei der deutschen Abteilung der gerade gegründeten „American Broadcasting Station“<ref>„American Broadcasting Station“ in (Philip M. Taylor: ''British propaganda in the 20th century: selling democracy''. Edinburgh University Press 1999, S.&nbsp;196)</ref> sprach. In den letzten Kriegsmonaten wechselte er in gleicher Funktion zum militärischen [[Sender 1212|Geheimsender 1212]] – ausgestrahlt von [[Radio Luxemburg]] – bevor er im Spätherbst 1945 nach [[Bad Nauheim]] versetzt wurde, um beim Aufbau von [[Hessischer Rundfunk#Nach dem Krieg: von Radio Frankfurt zum hr|Radio Frankfurt]] mitzuwirken. Bei seinen Reisen durch [[Deutschland]] zeigte er sich entsetzt über das Ausmaß der Zerstörung, die insbesondere das alliierte [[Bombardement]] hervorgerufen hatte. Aus Abscheu über „die Taten dieses Siegergesindels“<ref>Brief an [[Manuel Gasser]], zitiert nach Bitterli: ''Golo Mann'', S. 137</ref> verließ er im Januar 1946 auf eigenen Wunsch die Army. Er behielt jedoch vorerst seine zivile Tätigkeit als Kontrolloffizier bei, in der er unter anderem am [[Nürnberger Prozess gegen die Hauptkriegsverbrecher |Nürnberger Kriegsverbrecherprozess]] teilnahm. Ende 1946 kehrte er in die USA zurück. <ref>Uwe Naumann: ''Die Kinder der Manns'', S.&nbsp;202</ref> === Nachkriegsjahre in den USA und Rückkehr nach Deutschland === ==== Buchautor und Publizist – Professor in Claremont und Münster ==== Im Jahr 1946 erschien Golo Manns erstes größeres Werk, die englischsprachige Biografie ''Secretary of Europe. The Life of Friedrich Gentz'', die 1947 auch auf Deutsch unter dem Titel ''[[Friedrich von Gentz|Friedrich v. Gentz]]. Geschichte eines europäischen Staatsmannes'' veröffentlicht wurde. Von 1947 bis zum Jahr 1958 übernahm Golo Mann eine Assistenzprofessur für [[Geschichte]] am ''Men’s College'' in [[Claremont (Kalifornien)|Claremont]], [[Kalifornien]]. Im Nachhinein zählte er diese Lehrtätigkeit „zu den glücklichsten meines Lebens“, andererseits klagte er: „Auch sind meine Studenten so höhnisch, unfreundlich und saudumm, wie sie noch nie waren“.<ref>Urs Bitterli:''Golo Mann'', S.&nbsp;140 f</ref> Ab 1952 schrieb Golo Mann Leitartikel für die Zürcher ''[[Die Weltwoche|Weltwoche]]'', deren Feuilletonredakteur und Mitbegründer [[Manuel Gasser]] war, bekennender Homosexueller, ein enger Freund, den er seit 1933 kannte und der zudem mit Manns Geschwistern Erika und Klaus befreundet war. Er sah in Gasser eine glücklicher veranlagte Ausgabe seiner selbst und bewunderte dessen Lebensmut und Unabhängigkeit. Gassers Tod im Jahr 1979 bedeutete einen schweren Verlust für ihn.<ref>Urs Bitterli: ''Golo Mann'', S.&nbsp;502&nbsp;f, 687</ref> 1954 veröffentlichte Golo Mann sein zweites Buch, ''Vom Geist Amerikas''. Zum Schreiben dieses Werks unterbrach er seinen Aufenthalt in [[Kalifornien]] und hielt sich in der Schweiz und in [[Österreich]] auf. Am 12.&nbsp;August des folgenden Jahres starb sein Vater Thomas Mann in Kilchberg. Golo Mann schrieb später in einem vertraulichen Brief an [[Marcel Reich-Ranicki]]: „Unvermeidlich musste ich seinen Tod wünschen; war aber während seines Sterbens und danach völlig gebrochen; es dauerte Monate, bis ich mich einigermaßen von diesem Verlust erholte. Solche Nester voller Widersprüche sind wir nun einmal ...“<ref>Volker Hage: ''Enthusiasten der Literatur'', S.&nbsp;111. In: Urs Bitterli: ''Golo Mann'', S.&nbsp;437</ref> Ranicki hat in seiner Autobiografie das Leiden Golo Manns und seiner Brüder Klaus und Michael an der väterlichen Dominanz thematisiert. In den Jahren 1956 und 1957 verbrachte er viele Wochen im Gasthaus ''Zur Krone'' in [[Altnau]] am [[Bodensee]], um dort seine ''[[Deutsche Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts|Deutsche Geschichte des IXX. und XX. Jahrhunderts]]'' niederzuschreiben. Sie erschien im Juli 1958 als zweibändiges Werk und wurde sofort ein Bestseller. In diesem Jahr kehrte er endgültig nach [[Europa]] zurück und wurde Gastprofessor an der [[Westfälische Wilhelms-Universität|Westfälischen Wilhelms-Universität]] in [[Münster (Westfalen)|Münster]]. ==== Ordentlicher Professor in Stuttgart ==== Im Herbst 1960 wechselte Golo Mann als ordentlicher Professor für Politische Wissenschaften an die Technische Hochschule Stuttgart, aus der die [[Universität Stuttgart]] hervorgegangen ist. Die Tätigkeit im Universitätsbetrieb empfand er als unbefriedigend, die Distanz zu den Studenten konnte er nicht überwinden; sie führte schließlich zu einer Depression, die klinisch behandelt werden musste. Zusätzliche Arbeitsbelastung brachte in jenen Jahren die Tätigkeit als Mitherausgeber der vielbeachteten Neufassung der ''[[Propyläen Weltgeschichte]]''.<ref>Urs Bitterli: ''Golo Mann'', S.&nbsp;161–167</ref> 1961 ließ er sich ein Ferienhaus in [[Berzona (Valle Onsernone)|Berzona]] im [[Kanton Tessin|Tessin]] bauen, wohin er sich oft zum Schreiben und Wandern zurückzog; er war dort Nachbar von [[Alfred Andersch]] und [[Max Frisch]]. ==== Rezension über Hannah Arendts ''Eichmann in Jerusalem'' ==== Wie Golo Mann war [[Hannah Arendt]] Schülerin von [[Karl Jaspers]] gewesen. Ihr Bericht im ''[[The New Yorker|New Yorker]]'' aus dem Jahr 1963, ''[[Eichmann in Jerusalem]]'', über den [[Adolf Eichmann|Eichmann-Prozess]], der 1961 in [[Jerusalem]] stattgefunden hatte, löste eine Kontroverse zur Thematik des Nationalsozialismus aus. Golo Mann gehörte zu den ersten europäischen Kritikern; seine Rezension erschien unmittelbar vor der Veröffentlichung der deutschen Fassung in der ''[[Neue Rundschau|Neuen Rundschau]]'' im selben Jahr. Nach Arendts Auffassung war Eichmann kein Ungeheuer und fanatischer Judenhasser, sondern ein gewöhnlicher Mensch mit Organisationstalent, der ehrgeizig und gehorsam, gleichzeitig unbeholfen und dumm, im Verhör den Eindruck eines „Hanswursts“ gemacht habe. Ihre Einschätzung der Persönlichkeit Eichmanns, die These von der Mitschuld der Juden am eigenen Untergang sowie die Beurteilung des Widerstands gegen Hitler lösten bei Golo Mann Empörung aus. Die Kontroverse führte zur endgültigen Entfremdung von seinem Doktorvater Jaspers, der mit Arendt befreundet war.<ref>Urs Bitterli: ''Golo Mann'', S.&nbsp;216&nbsp;ff</ref> ==== Die Adorno/Horkheimer-Kontroverse ==== [[Datei:AdornoHorkheimerHabermasbyJeremyJShapiro2.png|miniatur|[[Max Horkheimer]] (links), [[Theodor W. Adorno]] (rechts) und [[Jürgen Habermas]] (im Hintergrund rechts) im April 1964 in [[Heidelberg]]]] Im Jahr 1963 wurde Golo Manns geplante Berufung als ordentlicher Professor an die sozialwissenschaftliche Fakultät der [[Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main|Universität Frankfurt am Main]] durch die Kollegen [[Max Horkheimer]] und [[Theodor W. Adorno]] verhindert. Die Professorenstelle erhielt stattdessen der Marxismus-Spezialist [[Iring Fetscher]]. In einem Fernsehinterview, das anlässlich seines 80.&nbsp;Geburtstags im Jahr 1989 geführt wurde, bezeichnete Golo Mann beide als „Lumpen“. Daraufhin protestierten viele deutsche Soziologen, Philosophen und Historiker öffentlich. Golo Mann begründete seine Attacke in der ''[[Frankfurter Allgemeine Zeitung|Frankfurter Allgemeinen Zeitung]]'' damit, Adorno und Horkheimer hätten ihn als „heimlichen Antisemiten“ beim damaligen hessischen Kultusminister angeschwärzt, nachdem er sich um den Lehrstuhl an der Universität Frankfurt am Main beworben hatte. Eine Schilderung der Vorgänge gab der Historiker [[Joachim Fest]] in seiner Publikation ''Begegnungen'', in der er außer dem schon genannten [[Judenfeindlichkeit#Antisemitismus|Antisemitismus]]verdacht zudem den Hinweis in einem Brief Horkheimers auf Golo Manns [[Homosexualität]] und die darauf beruhenden Gefährdung der akademischen Jugend erwähnt. [[Herbert Heckmann]] habe auf seinen „Eid genommen“, den Brief gesehen zu haben, einen Beweis für den Brief gibt es jedoch nicht.<ref>Joachim Fest: ''Begegnungen'', S. 226 f</ref> Tilman Lahme hat die Kontroverse und deren Vorgeschichte, die bereits im amerikanischen Exil begonnen hatte, für seine 2009 erschienene Biografie ausführlich recherchiert. Golo Mann hatte im Juni 1960 im Düsseldorfer [[Rhein-Ruhr-Club]] einen Vortrag „Über Antisemitismus“ gehalten, der gekürzt am 2. Juli in der ''[[Deutsche Zeitung mit Wirtschaftszeitung]]'' erschien. Der Soziologe [[Clemens Albrecht]] hat Golo Manns Vortrag untersucht und die sachlichen Differenzen hinsichtlich der „Vergangenheitsbewältigung“ (Albrecht) zwischen Mann und der [[Neomarxismus|neomarxistischen]] [[Frankfurter Schule]], vertreten durch Adorno und Horkheimer, herausgestellt. Die gegensätzlichen Auffassungen lägen im Ansatz einer pessimistischen Anthropologie sowie in einer aufklärerischen Systemtheorie.<ref name=Albrecht>[[Clemens Albrecht]]: Warum Horkheimer Golo Mann einen »heimlichen Antisemiten« nannte: Der Streit um die richtige Vergangenheitsbewältigung, in: Clemens Albrecht, [[Günter C. Behrmann]], [[Michael Bock (Kriminologe)|Michael Bock]], Harald Homann, [[Friedrich H. Tenbruck]]: ''Die intellektuelle Gründung der Bundesrepublik. Eine Wirkungsgeschichte der Frankfurter Schule'', Campus Verlag, 2000 (1999<sup>1</sup>), ISBN 3-593-36638-X, Seite 189 - 202</ref> In den Jahren 1963 bis 1979 war Golo Mann Mitherausgeber und Autor der Literaturzeitschrift ''[[Neue Rundschau]]'', die im [[S. Fischer Verlag]] erscheint. Die Zusammenarbeit mit dem Verlag, in dem die meisten seiner Werke publiziert wurden, begann bereits im Jahr 1957 mit seinem Beitrag über Außenpolik im ''Fischer-Lexikon''. === Freier Historiker und Publizist === ==== Umzug in die Schweiz ==== [[Datei:Kilchberg.JPG|miniatur|Kilchberg]] 1965 legte Golo Mann die Lehrtätigkeit an der Technischen Hochschule in [[Stuttgart]] nieder, um als freischaffender Historiker und Publizist zu arbeiten. Seinen festen Wohnsitz nahm er im Elternhaus in [[Kilchberg ZH|Kilchberg]] in der Alten Landstrasse 39 am [[Zürichsee]], wo er bis 1993 lebte – zunächst noch gemeinsam mit der im Alter dement gewordenen Mutter Katia und seiner Schwester Erika Mann. 1968 nahm er die Schweizer Staatsbürgerschaft an. Die charakterlichen und politischen Unterschiede zu Erika waren beträchtlich; sie wurden gemildert durch zahlreiche Reisen, die die Geschwister unternahmen, sodass das Elternhaus mehr als Stützpunkt diente. Erika Mann starb im August 1969 und setzte ihren Bruder als Erben ein. Der Vater war in Kilchberg noch immer gegenwärtig. Golo Mann konnte dem Haus erst nach und nach eine eigene Note geben. Ein naher Freund, [[Hanno Helbling]], resümierte: „Man sah ihn leiden in Kilchberg, woran nicht die Ortschaft schuld war […]. Die Schatten gingen um in dem Haus. […] Das Arbeitszimmer des Vaters halb und halb noch erkennbar, von dem Sohn halb und halb übernommen […] Der Salon dagegen in seiner Bürgerlichkeit erhalten unter dem damals noch wachen Auge der Mutter“.<ref>Hanno Helbling: ''Golo Mann – ein Hausherr?'', in: Sprecher/Gutbrodt: ''Die Familie Mann in Kilchberg'', S.&nbsp;120. In: Urs Bitterli: ''Golo Mann'', S.&nbsp;493&nbsp;f, 499</ref> In [[Cadenabbia]], einem Ferienort, den [[Konrad Adenauer]] oft besuchte, kam es im April 1966 zur Begegnung mit dem [[Altbundeskanzler]], dessen Kurs der Westintegration und der Aussöhnung mit [[Israel]] Golo Mann öfter lobte. Bereits 1963 warf er Adenauer jedoch in der Frage der [[Deutsche Wiedervereinigung|Wiedervereinigung]] Unehrlichkeit vor, da dieser oft von ihr gesprochen, aber nie für sie etwas getan habe. Diesbezüglich schrieb er: „Seine Politik war die gradlinigste, offenste, treueste auch nicht. Franzosen und Amerikaner hat er nie betrogen; viel eher das eigene Volk“.<ref>Golo Mann: ''''Der Staatsmann und sein Werk'', S.&nbsp;106. In: Urs Bitterli: ''Golo Mann'', S.&nbsp;305</ref> Ab 1969 unterstützte er [[Willy Brandt]] und dessen neue Ost- und [[Entspannungspolitik]]. Er betätigte sich außerdem gelegentlich als [[Ghostwriter]] für Brandt.<ref>Urs Bitterli: ''Golo Mann'', S.&nbsp;304&nbsp;f, 347</ref> Wie sein Doktorvater Karl Jaspers und die ''[[Die Zeit|Zeit]]''-Chefredakteurin [[Marion Gräfin Dönhoff]], mit der er freundschaftlich verbunden war, trat er für einen Dialog zwischen Ost und West ein, um zu den Völkern Osteuropas „Brücken zu schlagen“. [[Datei:Albrecht Wallenstein.jpeg|miniatur|hochkant=0.50|links|Feldmarschall Wallenstein]] Das Aufkommen und Erstarken der [[Deutsche Studentenbewegung der 1960er-Jahre|Studentenbewegung]] empfand er hingegen trotz punktueller Übereinstimmungen als schwerwiegende Bedrohung der [[Demokratie]]: „Hört auf, [[Lenin]] zu spielen!“<ref>Uwe Naumann: ''Die Kinder der Manns'', S.&nbsp;270</ref> überschrieb er im April 1968 einen Artikel in der [[Die Zeit|''Zeit'']]. In diesem Sinn wandte er sich 1973 allmählich von Willy Brandt ab, dem er Passivität gegenüber einer kommunistischen Infiltration seiner Partei vorwarf. Die bereits 50 Jahre lang währende Passion für den böhmischen [[Generalfeldmarschall|Feldmarschall]] ''[[Wallenstein]]'' mündete 1971 in das Erscheinen der monumentalen Biografie ''[[Wallenstein. Sein Leben erzählt von Golo Mann]]'', die über 1000 Seiten umfasst. Sie gilt wegen ihrer bildhaften Sprache und ihrer literarischen Qualität als Meisterwerk der erzählenden Geschichtsschreibung. Im Jahr 1974 leitete er als Nachfolger von [[Günter Gaus]] seine eigene Fernsehsendung mit dem Titel ''Golo Mann im Gespräch mit …''. 1976 nahm er zusätzlich zur schweizerischen die deutsche Staatsangehörigkeit an, die ihm unter der nationalsozialistischen Herrschaft aberkannt worden war. ==== Deutscher Herbst 1977 ==== Nach der Ermordung des Generalbundesanwalts [[Siegfried Buback]] im April des Jahres 1977 und des Bankiers [[Jürgen Ponto]] im Juli erreichte der [[Terrorismus]] in Deutschland seinen Höhepunkt. Golo Mann verfolgte die den Rechtsstaat bedrohenden Aktivitäten mit großer Sorge. Er warf der Regierung unter [[Helmut Schmidt]] eine Verharmlosung der terroristischen Gefahr vor. Großes Aufsehen erregte er mit seinem emotionalen Beitrag „Quo usque tandem?“ in der ''[[Die Welt|Welt]]'' vom 7.&nbsp;September 1977, also in der Zeit des [[Deutscher Herbst|Deutschen Herbstes]], in dem er die Möglichkeit der Hinrichtung von Terroristen im Zusammenhang mit der Entführung [[Schleyer-Entführung|Hanns Martin Schleyers]] am 5.&nbsp;September 1977 ansprach. Er definierte den Kampf gegen Terroristen als Krieg und forderte neue Antiterrormaßnahmen.<ref>Urs Bitterli: ''Golo Mann'', S.&nbsp;382</ref> Der Titel war [[Marcus Tullius Cicero|Ciceros]] Rede gegen [[Reden gegen Catilina|Catilina]] und seine Anhänger entlehnt, die hingerichtet wurden. Sie lautete in den Eingangsworten: „Quo usque tandem abutere, Catilina, patientia nostra? (Wie lange noch, Catilina, wirst du unsere Geduld missbrauchen?).“ Dieser Artikel Manns löste unterschiedliche Reaktionen aus. Die kritische Stellungnahme fand Zustimmung beim „Mann auf der Straße“, während viele Intellektuelle im Umkreis der [[Außerparlamentarische Opposition|Außerparlamentarischen Opposition]] Verständnis für die Taten der Terroristen empfanden und Golo Mann als Reaktionär und militanten Rechtskonservativen scholten. Rechte Oppositionsmitglieder wie beispielsweise [[Franz Josef Strauß]] bekundeten ihren Beifall. Nach der erfolgreichen Aktion gegen die Entführung der [[Entführung des Flugzeugs Landshut|Landshut]] in [[Mogadischu]] im Oktober 1977 nahm Golo Mann seine Kritik an der Bundesregierung zurück und bedankte sich für ihren Einsatz für Recht und Gesetz. Anhaltend weigerte er sich in den folgenden Jahren, den Terrorismus aus gesellschaftlichen und politischen Hintergründen zu erklären und führte ihn vehement auf eine dem Menschen innewohnende „Dämonie des Bösen“ zurück. Mit der mehrfach wiederholten Äußerung, Deutschland befände sich im Ausnahme- oder Kriegszustand, spielte er den Terroristen in die Hände, die sich als legitime Kriegspartei verstanden wissen wollten.<ref>Urs Bitterli: ''Golo Mann'', S.&nbsp;384&nbsp;ff</ref> Nicht zuletzt, um der Befehlsgewalt und dem Altersstarrsinn der [[demenz]]kranken Mutter zu entgehen, erwarb Golo Mann 1979 ein Haus in [[Icking]] bei München. Er beendete den „Heimatversuch“ allerdings schon zwei Jahre später, um nach dem Tod der Mutter, die im Jahr 1980 verstarb, nach Kilchberg zurückzukehren.<ref>Urs Bitterli: ''Golo Mann'', S.&nbsp;232&nbsp;f</ref> ==== Einsatz für Franz Josef Strauß ==== [[Datei:Franz Josef Strauß 1982.jpg|miniatur|hochkant=0.75|Franz Josef Strauß, 1982]] Golo Mann, der sich nach den [[Ostpolitik#Ostverträge|Ostverträgen]] von Willy Brandt gelöst hatte, begann sich aufgrund der Studentenunruhen und terroristischen Attentate in Deutschland zunehmend [[Franz Josef Strauß]] anzunähern, den er für den Politiker hielt, der die linksradikale Bewegung eindämmen könnte. Bereits 1976 war es zu einem längeren Gespräch anlässlich einer Gedenkfeier zu Adenauers 100.&nbsp;Geburtstag in [[Bad Honnef]] gekommen. Ab Juli 1979 betätigte er sich als Wahlhelfer für den Kanzlerkandidaten, indem er Aufrufe unterschrieb, an Veranstaltungen teilnahm, Interviews gab und im Fernsehen auftrat. Gegenüber dem damaligen Generalsekretär der CSU, [[Edmund Stoiber]], hatte er jedoch Vorbehalte, die sich auf dessen Gleichsetzung von [[Sozialismus]] und [[Nationalsozialismus]] im Wahlkampf der [[Christlich-Soziale Union in Bayern|CSU]] gründeten. Die Kritik ließ nicht lange auf sich warten. Briefe von Freunden und Bekannten trafen ein, die ihre Verwunderung ausdrückten, so von [[Hans-Jochen Vogel]], [[Harry Pross]], [[Ernst Klett]] und [[Arnulf Baring]]. An letzteren schickte Golo Mann die Begründung, Strauß sei für die deutsche Intelligentsia ein „underdog“ und bemerkte: „Ich war immer, Zeit meines Lebens, für die „underdogs“; darum war ich für die Sozialdemokraten, leidenschaftlich 1929–1933, und darum war ich auch in den fünfziger Jahren für sie, als [[Konrad Adenauer|Adenauer]] sie recht hässlich behandelte“. Für den Auftritt in einer Fernsehsendung im Januar 1980 erhielt Mann ein negatives Pressecho. So schrieb der ''Stern'' unter dem Titel „Mannomann“: „In einer peinlichen Fernsehsendung ließ er sich sogar als Strauß-Stichwortgeber und Kopfnicker vorführen“.<ref>Urs Bitterli: ''Golo Mann'', S.&nbsp;408–418</ref> Die satirische Zeitschrift [[Titanic (Magazin)|''Titanic'']] erklärte ihn zur „Pfeife des Jahres“,<ref>Uwe Naumann: ''Die Kinder der Manns'', S.&nbsp;292</ref> nachdem er im Jahr davor zum [[Pfeifenraucher des Jahres]] gewählt worden war. Golo Mann notierte im Tagebuch unter dem Datum 5.&nbsp;Februar 1980: „Das Ganze wird mir bekommen wie die „[[Daily-Telegraph-Affäre]]“ dem Kaiser Wilhelm“.<ref>Urs Bitterli: ''Golo Mann'', S.&nbsp;427</ref> ==== Tod des Freundes Hans Beck – Besuch der DDR ==== Im Jahr 1986 starb ein enger Freund Golo Manns, Hans Beck-Mann&nbsp;– ein Apotheker bei der [[Bayer AG]] in [[Leverkusen]]&nbsp;–, den er 1955 kennengelernt und finanziell beim Studium unterstützt hatte, an [[Porphyrie]]. An dieser schweren Stoffwechselerkrankung hatte Hans Beck-Martin jahrelang gelitten.<ref>Urs Bitterli: Golo Mann'', S.&nbsp;512</ref> Im Jahr 1964, so berichtet Manns Biograf Tilmann Lahme, „erklärte ihm Hans Beck, er werde Vater und wolle seine Freundin heiraten … Ein schwerer Schock für Golo Mann“. Der Historiker adoptierte Hans Beck-Mann im Jahr 1972. Damit wurde ein Arrangement geschlossen, mit dem Golo Mann sich eine Familie schuf.<ref>{{internetquelle|autor=Hans Georg Lützenkirchen|hrsg=literaturkritik.de, 5. Mai 2009|url=http://www.literaturkritik.de/public/rezension.php?rez_id=12989&ausgabe=200905|titel=Mit eigenwilliger Beharrlichkeit|zugriff=6. September 2009}}</ref> Unterdessen hob die [[Deutsche Demokratische Republik|DDR]] Anfang 1989 die jahrelange Ächtung Golo Manns auf, da seine ''Deutsche Geschichte'' als gezielt antimarxistisch beurteilt worden war.<ref>Vgl. etwa Arnold Reisberg: Besprechung der ''Deutschen Geschichte'', in: ''Zeitschrift für Geschichtswissenschaft'', Nr. 7 (1961), S.&nbsp;1647–1651. In: Urs Bitterli: ''Golo Mann'', S.&nbsp;616</ref> Bücher, die er in die DDR gesandt hatte, waren regelmäßig retourniert worden. Aus Anlass der Erstveröffentlichung des ''Wallenstein'' in der DDR hielt er im April 1989 auf Einladung des SED-Kulturministers erste Lesungen.<ref>Urs Bitterli: ''Golo Mann'', S.&nbsp;268, 548</ref> Als die Zeichen der Zeit nur ein Jahr später auf [[Deutsche Wiedervereinigung|Wiedervereinigung]] standen, reagierte er distanziert: „Keine Freude an der deutschen Einheit. Sie werden wieder Unsinn machen, wenngleich ich es nicht erlebe.“<ref>Golo Mann: ''Tagebuch'', 21.&nbsp; Juni 1990. In: Urs Bitterli: ''Golo Mann'', S.&nbsp;554</ref> === Letzte Jahre === [[Datei:Golo Mann Grabstätte.JPG|miniatur|hochkant|Die Grabstätte Golo Manns auf dem Friedhof in Kilchberg]] Im März 1990 erlitt Golo Mann nach einem Vortrag einen [[Myokardinfarkt|Herzinfarkt]] und bekam einen [[Herzschrittmacher|Schrittmacher]] eingesetzt. Im selben Jahr diagnostizierten die Ärzte bei ihm [[Prostatakrebs]]. Aufgrund seiner angegriffenen Gesundheit übersiedelte er 1992 nach [[Leverkusen]], wo er von seiner Schwiegertochter Ingrid Beck-Mann (einer ausgebildeten Krankenschwester) betreut und gepflegt wurde. Wenige Tage vor seinem Tod bekannte er sich in einem [[Interview]] gegenüber dem Reporter [[Wolfgang Korruhn]] zu seiner [[Homosexualität]], die er jedoch aus Angst vor Repressalien nie nennenswert ausgelebt habe. :„Ich hab’ mich nicht oft verliebt. Ich hab' es sehr oft für mich behalten, das war vielleicht ein Fehler. Es war ja auch verboten, selbst in Amerika, und man musste schon ein bisschen achtgeben.“<ref name=OUT>Axel Schock & Karen-Susan Fessel: ''OUT! — 800 berühmte Lesben, Schwule und Bisexuelle'', Querverlag, Berlin 2004, ISBN 3-89656-111-1</ref> Nach Tilman Lahmes Biografie hat Golo Mann seine Homosexualität zwar weniger offen ausgelebt als sein Bruder Klaus, hatte jedoch seit seiner Studentenzeit Liebesbeziehungen. Im New Yorker Exil lebte er einige Zeit in Wohngemeinschaft mit [[W. H. Auden]], [[Benjamin Britten]], [[Paul Bowles|Paul]] und [[Jane Bowles]] sowie dem Tenor [[Peter Pears]].<ref name="Luebeck.de-100 Geburtstag">{{internetquelle|autor=|hrsg=www.luebeck.de|url=http://www.luebeck.de/aktuelles/presse/pressedienst/view/090569R/|titel=Golo Mann zum 100.&nbsp;Geburtstag|zugriff=5. September 2009}}</ref> Golo Mann starb kurz nach seinem 85.&nbsp;Geburtstag am 7.&nbsp;April 1994 in [[Leverkusen]]. Die Urnenbeisetzung fand zwar auf dem Friedhof in Kilchberg statt, auf Wunsch des Verstorbenen jedoch abseits des Familiengrabes. An der Trauerfeier nahmen gegen den Willen des Verstorbenen, der keine Beteiligung von Blutsverwandten an seiner Beisetzung gewünscht hatte, seine Schwester [[Elisabeth Mann Borgese]] sowie seine Neffen [[Frido Mann|Frido]] und Antony Mann teil. Golo Mann hatte sich aufgrund eines Prozesses um das Erbe von Monika Mann, die wie er von Ingrid Beck-Mann in ihrem Haus aufgenommen worden war, mit seiner Familie zerstritten.<ref>Frido Mann: ''Achterbahn''. S.&nbsp;315&nbsp;f</ref> == Beziehung zum Vater, Persönlichkeit == {{Zitat|Golo Mann was born as a ‚son‘; did not like it; could not help it.|Golo Mann im Exil zu Beginn der Niederschrift seines Lebenslaufs<ref>{{internetquelle|autor=|hrsg=br-online, 20. März 2009|url=http://www.br-online.de/bayern2/diwan/golo-mann-tilmann-lahme--literatur-ID1237534248458.xml|titel=Golo Mann zum 100.|zugriff=18. September 2009}}</ref>|Übersetzung=Golo Mann wurde als ‚Sohn‘ geboren; mochte es nicht; konnte es nicht ändern.}} Golo Mann litt von Kindheit an wie seine Geschwister mit Ausnahme von [[Elisabeth Mann Borgese|Elisabeth]] unter der autoritären Haltung und der Berühmtheit des Vaters. Manns Biograf [[Urs Bitterli]] zitiert aus Golo Manns Tagebuch unter anderem die Textstellen „Was hatten wir doch für eine elende Kindheit“ und aus der Einleitung zu ''Vom Geist Amerikas'' „Insbesondere leugne ich nicht, dass ich gewisser Seiten meiner deutschen Kindheit und Jugend mich heute nur mit Grausen erinnern kann“. Das väterliche Arbeitszimmer durfte von den Kindern nicht betreten werden, bei Tisch schwiegen sie meistens. Besonders in der Zeit des [[Erster Weltkrieg|Ersten Weltkriegs]], als Thomas Mann mit der Niederschrift seines Werks ''[[Betrachtungen eines Unpolitischen]]'' beschäftigt war, reagierte er empfindlich und gereizt. In seinem Tagebuch von 1920 notierte Thomas Mann: „Golo, mehr und mehr problematischer Natur, verlogen, unreinlich und hysterisch, reizt K. [Katia] sehr und war mittags und abends in Strafe.“ Erst in den 1930er-Jahren entspannte sich das Verhältnis, als Thomas Mann die Mitarbeit seines Sohns an der Exilzeitschrift ''Maß und Wert'' zu schätzen lernte.<ref>Urs Bitterli: ''Golo Mann'', S.&nbsp;10–14</ref> Nach dem Tod des Vaters im Jahr 1955 versuchte Golo Mann, mit der 1958 veröffentlichten ''Deutschen Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts'' aus dessen Schatten herauszutreten. Dies gelang ihm besser als seinen Brüdern. Der Thomas-Mann-Forscher [[Hans Wysling]] resümierte allerdings anlässlich Golo Manns 80.&nbsp;Geburtstags: „[…] Da war er nun Herr Professor Dr.&nbsp;Golo Mann, und doch nannten ihn alle, die von ihm sprachen, Golo. Er war ein berühmter alter Mann und war doch Sohn geblieben“. So sah es auch der Historiker selber, er haderte noch im hohen Alter mit seinem Schicksal, das ihn zum Sohn Thomas Manns gemacht hatte, wie aus seiner privaten Korrespondenz hervorgeht.<ref>Urs Bitterli: ''Golo Mann'', S.&nbsp;442&nbsp;f</ref> Der Herausgeber des Werkes ''Die Kinder der Familie Mann'', Uwe Naumann, beschreibt in seinem Vorwort, dass Golo Manns Wesen von seinen Mitmenschen als düster und melancholisch empfunden wurde, seine Haltung als konservativ und pessimistisch. Er habe sich nicht wie seine Geschwister Erika und Klaus am Widerstand gegen Hitler aktiv beteiligt, obgleich er unter dem Zeitgeschehen wie sie gelitten habe. Golo Mann habe betont, wie er von den Ereignissen des 20.&nbsp;Jahrhunderts geprägt worden sei: „Wer die dreißiger und vierziger Jahre als Deutscher durchlebt hat, der kann seiner Nation nie mehr völlig trauen […] Der wird, wie sehr er sich auch Mühe geben mag und soll, in tiefster Seele traurig bleiben, bis er stirbt.“<ref>Uwe Naumann (Hrsg.): ''Die Kinder der Manns'', S.&nbsp;18</ref> Hans Woller schrieb eine [[Rezension]] zu Tilmann Lahmes Biografie und zitiert daraus unter anderem Golo Manns Leiden am übermächtigen, steril-kalten Vater und an der maskulin-herrischen Mutter sowie die Ängste, [[Phobische Störung|Phobien]] und [[Depression]]en, die ihn periodisch lähmten und die er zeitweise durch Alkohol und Tabletten einzudämmen versuchte. Lahme habe in seinem Buch auch neue Erkenntnisse über Golo Mann als „homo politicus“ und engagierter Zeitgenosse gebracht. So habe dieser sich schon als Schüler in Salem für Politik und gesellschaftliche Fragen interessiert und sich später als eigenständiger politischer Kopf vor allem in der Auseinandersetzung mit Hitler und dem Nationalsozialismus um ein eigenes Urteil bemüht. Als junger Mann sei er weit nach links gedriftet und habe sich einer linksradikalen Studentengruppe angeschlossen; die demokratische Läuterung, die nach 1933 einsetzte, habe jedoch rasch zum vollständigen Bruch mit Marx geführt. Golo Mann habe sich früh für eine neue Ostpolitik und eine Aussöhnung mit [[Polen]] eingesetzt und sich nicht gescheut, unbequeme Forderungen zu erheben. Doch habe er sich zudem von Ressentiments und Stimmungen leiten lassen. Als Beispiele seien seine wohlwollenden Urteile über [[Francisco Franco|Franco]]s Spanien, sein Eintreten für [[Hans Filbinger]] im [[Filbinger-Affäre|Marinerichterskandal]] und sein stark kritisiertes Engagement für [[Franz Josef Strauß]] im Wahlkampf genannt.<ref>{{internetquelle|autor=Hans Woller|hrsg=sehepunkte 9 (2009), Nr. 5, 15. Mai 2009|url=http://www.sehepunkte.de/2009/05/16095.html|titel=Tilmann Lahme: ''Golo Mann. Biographie'', Frankfurt a. M.: S. Fischer 2009|zugriff=18. September 2009}}</ref> == Nachlass == === Verkauf des Kilchberger Hauses === Golo Manns im Jahr 1992 verstorbene Schwester [[Monika Mann|Monika]] hatte ebenfalls ihr letztes Jahr in Leverkusen, im Haus von Golo Manns Schwiegertochter, Ingrid Beck-Mann, verlebt, der Frau seines verstorbenen Liebhabers und Adoptivsohns Hans Beck-Mann. Ingrid Beck-Mann wurde Erbin des Besitzes ihres Adoptiv-Schwiegervaters und erhielt durch eine [[Testament|testamentarische]] Verfügung zusätzlich das Vermögen von Monika Mann. Sie verkaufte 1995 das Haus in Kilchberg, das 40 Jahre im Besitz der Familie Mann gewesen war, mitsamt dem Inventar, ohne Rücksprache mit den Familienangehörigen gehalten zu haben.<ref>{{internetquelle|autor=Marianne Krüll|hrsg=|url=http://www.mariannekruell.de/schriftstellerin/vt-mann.htm|titel=Die Frauen im Schatten von Thomas und Heinrich Mann|zugriff=3.&nbsp;September 2009}}</ref> Zum Inventar gehörten beispielsweise drei Gemälde [[Franz von Lenbach]]s: Porträts von [[Katia Mann|Katia Pringsheim]], die spätere Mutter Golo Manns, ihrer 1942 in Zürich verstorbene Mutter [[Hedwig Pringsheim]] sowie ihrer Großmutter, der Frauenrechtlerin [[Hedwig Dohm]]. Die Gemälde wurden im Jahr 2006 vom [[Thomas-Mann-Archiv der ETH]], Zürich, erworben.<ref>{{internetquelle|autor=|hrsg=nzz.ch, 6. November 2006|url=http://www.nzz.ch/2006/11/06/fe/articleEMSA8.html|titel=''Heimkehr''|zugriff=3. September 2009}}</ref> === Nachlass im Schweizerischen Literaturarchiv === Golo Manns Nachlass wird im [[Schweizerisches Literaturarchiv|Schweizerischen Literaturarchiv]] in [[Bern]] aufbewahrt. Er umfasst unter anderem Manuskripte, Briefe, Beiträge in Büchern, Zeitungen, Zeitschriften, Radio und Fernsehen und Vorträge sowie Objekte, wie beispielsweise Gemälde, Schreibmaschine und Koffer.<ref>{{internetquelle|autor=|hrsg=Schweizerisches Literaturarchiv, Bern|url=http://ead.nb.admin.ch/html/mann_E.html|titel=Golo Mann: Inventar seines Nachlasses|zugriff=4. September 2009}}</ref> == Werke (Auswahl) == {{Zitat|Daß ich im Grunde ja doch zum Schriftsteller bestimmt war, sei es auch nur zum historisierenden, ein wenig philosophierenden, verbarg ich mir manche Zeit; unbewußt wohl darum, weil ich meinem Bruder Klaus nicht ins Gehege kommen und weil ich den Tod meines Vaters abwarten wollte. |Golo Mann in seiner Autobiografie ''Erinnerungen und Gedanken'' <ref>{{internetquelle|autor=Urs Bitterli|hrsg=weltwoche.ch|url=http://www.weltwoche.ch/ausgaben/2009-12/artikel-2009-12-geschichte-seismografische-empfindlichkeit.html|titel=Seismographische Empfindlichkeit|zugriff=25.&nbsp;November 2009}}</ref> }} Golo Mann wäre gern Schriftsteller wie sein Vater Thomas und sein Bruder Klaus geworden. Er entschied sich jedoch dazu, hauptsächlich Themen aus dem geschichtlichen Bereich zu wählen und wurde als „literarischer Historiker“ einer der populärsten deutschen Schriftsteller in diesem Genre; die Gesamtauflage seiner Bücher beträgt über zwei Millionen Exemplare. Unter dem [[Pseudonym]] Michael Ney beschrieb er in der Erzählung ''Vom Leben des Studenten Raimund'' in autobiografischen Bezügen seine erste [[Depression]] und die nicht erwiderte Liebe zu Raimunds Freund Jerome. Die Erzählung erschien 1928 in der ''Anthologie jüngster Prosa'', die Klaus Mann als Mitherausgeber betreute. Tilman Lahme hat diese Erzählung während der Arbeit an seiner Biografie wiederentdeckt und sie in einem zusätzlichen Band mit dem Titel ''Man muss über sich selbst schreiben'' im Jahr 2009 veröffentlicht. Weiterhin enthält der Band neben der historischen Novelle ''Lavalette'' Radioansprachen an die Deutschen für den US-Rundfunk (1944–1945), Manns Positionen zur deutschen Ostpolitik und Porträts über seine Familienmitglieder, über [[John F. Kennedy]], Willy Brandt sowie [[Charles de Gaulle]].<ref>{{internetquelle|autor=H.-Georg Lützenkirchen|hrsg=literaturkritik.de|url=http://www.literaturkritik.de/public/rezension.php?rez_id=12989&ausgabe=200905|titel=''Mit eigenwilligger Beharrlichkeit''|zugriff=6. November 2009}}</ref> Sein Erstlingswerk als Buchautor war das historische Werk ''Secretary of Europe. The Life of Friedrich Gentz'', das Golo zunächst in deutscher Sprache verfasst hatte und dann im Jahr 1946 in den USA ins Englische übersetzt veröffentlicht wurde. Ein Jahr später folgte die deutsche Ausgabe im Europa Verlag von [[Emil Oprecht]] in Zürich unter dem Titel ''[[Friedrich von Gentz|Friedrich v. Gentz.]] Geschichte eines europäischen Staatsmannes''. Golo Mann lässt in seinem ersten Buch über den Berater [[Klemens Wenzel Lothar von Metternich|Metternich]]s Grundzüge einer pessimistischen Geschichtsphilosophie erkennen, die an eine [[Evolution]] im Verlauf der Geschichte nicht glaubt. Menschliche Unzulänglichkeit wiederhole sich in der Politik immer wieder, der Einfluss des Einzelnen auf die Macht sei begrenzt. Das Erstlingswerk ist, so der Autor, wie sein späterer ''Wallenstein'' „[…] eine Geschichte vom Elend der Politik, vom Scheitern des politischen Menschen.“<ref>Uwe Naumann: ''Die Kinder der Manns'', S.&nbsp;204</ref> Als zweites Werk erschien im Jahr 1954 ''Vom Geist Amerikas'' als Urban-Taschenbuch im [[Kohlhammer Verlag]], das eine Schilderung der Vereinigten Staaten aus europäischer Sicht bietet. Die „Einführung in amerikanisches Denken und Handeln im zwanzigsten Jahrhundert“ bringt in [[Essay|essayistischer Form]] einen geschichtlichen Abriss der Innen- und Außenpolitik sowie eine Auseinandersetzung mit der Philosophie des Landes, die sich kritisch mit der [[McCarthy-Ära]] auseinandersetzt. Golo Mann schildert in seinem Buch die USA als ein Land voller Widersprüche. Er resümiert: „Noch immer sehe ich Amerika mit den Augen des Europäers. Umgekehrt aber sehe ich Europa mit amerikanischen Augen und vieles, was mir hier ehedem natürlich erschien, erscheint mir heute eng, künstlich und unerträglich.“ Er führt aus, dass er sich an gewisse Seiten seiner deutschen Kindheit und Jugend „nur mit Grausen“ erinnert.<ref>Uwe Naumann (Hrsg.): ''Die Kinder der Manns'', S.&nbsp;226</ref> Golo Manns bekanntestes Werk ist die von der [[Büchergilde Gutenberg]] 1953 in Auftrag gegebene ''[[Deutsche Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts|Deutsche Geschichte des IXX. und XX. Jahrhunderts]]'', an der er in den Jahren 1956/57 arbeitete und die als zweibändige Buchausgabe mit über 1000 Seiten im Jahr 1958 erstmalig veröffentlicht wurde. Es enthält eine in zwölf Kapitel gegliederte Übersicht über die Geschichte Deutschlands, beginnend mit der Zeit der [[Französische Revolution|Französischen Revolution]] und knüpft an [[Ricarda Huch]]s dreibändiges Werk zur deutschen Geschichte an, das in den Jahren zwischen 1934 und 1949 erschienen war. Golo Mann stellte die Geschichte Deutschlands in den Zusammenhang der europäischen Geschichte bis hin zur Gegenwart und unterbrach damit die damalige Historikertradition, die aufgrund der „mangelnden Distanz“ der Zeitgeschichte auszuweichen pflegte. Es ist vor allem eine Geschichte des deutschen Geistes. Innen- und Wirtschaftspolitik und die Untersuchung gesellschaftlicher Strukturen treten darin zurück. Der Historiker brachte die großen Philosophen wie [[Immanuel Kant]], Dichter wie [[Heinrich Heine]] und politische Persönlichkeiten wie [[Karl Marx]] und [[Otto von Bismarck]] in den Kontext der großen Umwälzungen des 19. und 20.&nbsp;Jahrhunderts. Das Werk entwickelte sich zum historischen Standardwerk und erscheint bis in die Gegenwart in Neuausgaben.<ref>Urs Bitterli: ''Golo Mann'', S.&nbsp;168–175</ref> In den Jahren 1960 bis 1964 war Golo Mann Mitherausgeber der ''[[Propyläen Weltgeschichte|Propyläen Weltgeschichte. Eine Universalgeschichte von den Anfängen bis zur Nachkriegszeit]]'' zusammen mit [[Alfred Heuß]] und [[August Nitschke]]. In dieser Zeit erschienen zehn Bände im Propyläen Verlag. Er betreute neben der Geschichte des Mittelalters hauptsächlich die Geschichte der Neuzeit. Die Veröffentlichung der historischen Biografie ''[[Wallenstein. Sein Leben erzählt von Golo Mann]]'' im Jahr 1971 geriet zu einem der größten Bucherfolge in der zweiten Hälfte des 20.&nbsp;Jahrhunderts in Deutschland. [[Hanno Helbling]] betitelte seine Rezension über das umfangreiche Werk in der ''[[Neue Zürcher Zeitung|Neuen Zürcher Zeitung]]'' mit „Meisterwerk der Geschichtsschreibung“; der Übersetzer und Thomas-Mann-Kenner [[Peter de Mendelssohn]] erklärte, das Werk sei von einer „geradezu hexerischen Identität von Biographie und Historiographie“,<ref>Urs Bitterli: ''Golo Mann'', S.&nbsp;253</ref> während Golo Mann eine Anerkennung als Schriftsteller wünschte und es als „nur allzu wahren Roman“ verstanden wissen wollte. Begonnen hatte seine Beschäftigung mit dem Protagonisten bereits als Schüler; als Abiturient verkörperte er die Hauptrolle in Schillers [[Wallensteins Tod]], und seine abgeschlossene Staatsexamensarbeit in [[Geschichtswissenschaft|Geschichte]], die wegen seiner [[Auswanderung|Emigration]] aus Deutschland nicht mehr zum Examen führte, beschäftigte sich ebenfalls mit diesem Thema. Neben Schillers Drama lieferte Ricarda Huchs ''Wallenstein – Eine Charakterstudie'' Anregungen für dieses Hauptwerk. Golo Mann arbeitete fünf Jahre daran.<ref>Uwe Naumann: ''Die Kinder der Manns'', S.&nbsp;278</ref> Unvollendet blieb eine Biografie über [[Alfried Krupp von Bohlen und Halbach]], mit der ihn das Krupp‘sche Familienkuratorium 1976 beauftragt hatte. Er reagierte erleichtert, als er nach vierjähriger Arbeit von der Aufgabe entbunden wurde. Die genauen Gründe dafür sind unklar; möglicherweise störte man sich im Hause Krupp am Duktus der Arbeit und an der Offenlegung der Familiengeschichte. Die [[Biografie]] wurde nur zu zwei Dritteln fertig und nur in einem Auszug veröffentlicht. Im November 1986 erschienen die ''[[Erinnerungen und Gedanken. Eine Jugend in Deutschland]]''. Golo Mann schildert das vom Vater bestimmte Elternhaus, das Leben mit den Geschwistern, kulturelle Einflüsse wie Literatur, Musik, Theaterspiel, die Schul- und Studienzeit. Das Buch endet mit dem Beginn des „Dritten Reiches“ im Jahr 1933. Es wurde ein großer Erfolg, auch wenn sich einige Kritiker über den Titel wunderten, der wie ein [[Plagiat]] von [[Otto von Bismarck| Bismarcks]] Autobiografie ''[[Gedanken und Erinnerungen]]'' klang. Gleich nach der Veröffentlichung nahm er die Fortsetzung ''Erinnerungen und Gedanken. Lehrjahre in Frankreich'', die die Zeit des französischen Exils von 1933 bis 1940 umfasst, in Angriff. Drei Jahre vor seinem Tod brach Golo Mann die Arbeit daran ab; diese autobiografische Arbeit wurde als [[Fragment (Literatur)|Fragment]] im Jahr 1999 [[postum]] veröffentlicht.<ref>Urs Bitterli: ''Golo Mann'', S.&nbsp;530</ref> == Rezeption == === Der Historiker – Erfolg und Kritik === {{Zitat|Ich glaube an die ganze Theoriebedürftigkeit der Geschichte nicht. Die Historie ist eine Kunst, die auf Kenntnissen beruht, und weiter ist sie gar nichts.|Golo Mann: ''Plädoyer für die historische Erzählung'' <ref>''Plädoyer für die historische Erzählung'' in ''Theorie und Erzählung in der Geschichte''. dtv, München 1979, S.&nbsp;53. In: Hans Wißkirchen: ''Die Familie Mann'', S.&nbsp;137; </ref> }} Golo Manns ''Deutsche Geschichte des IXX. und XX. Jahrhunderts'' aus dem Jahr 1958 machte ihn als Historiker bekannt und erreichte viele Leser. Er erhielt bedeutende Preise, beispielsweise 1968 den [[Georg-Büchner-Preis]]. Viele Historikerkollegen teilten die Euphorie nicht, da Mann seine Werke essayistisch formulierte und auf einen Anmerkungsapparat verzichtete, so im 1971 erschienenen umfangreichen Werk ''[[Wallenstein. Sein Leben erzählt von Golo Mann|Wallenstein]]'', in das er sogar einen fiktiven inneren [[Monolog]] des Feldherrn einfügte. Die Fakten im ''Wallenstein'' waren nachprüfbar, doch versah die Fachwelt das Werk mit dem Spott-Titel ''Lotte in Eger'', der auf Thomas Manns Roman ''Lotte in Weimar'' anspielte, und der Historiker [[Hans-Ulrich Wehler]] nannte Golo Mann in den 1980er-Jahren einen „Goldrähmchenerzähler“.<ref>{{internetquelle|autor=|hrsg=br-online, 16.&nbsp;September 2008|url=http://www.br-online.de/bayern2/bayerisches-feuilleton/die-kinder-der-manns-DID1188596732/kinder-der-manns-golo-mann-usa-ID661188596712.xml|titel=Später Ruhm|zugriff=7. September 2009}}</ref><ref>{{internetquelle|autor=Gustav Seibt|hrsg=berlinonline.de, 12. Dezember 1998|url=http://www.berlinonline.de/berliner-zeitung/archiv/.bin/dump.fcgi/1998/1212/feuilleton/0010/index.html|titel=Kritisches Goldrähmchen|zugriff=24. November 2009}}</ref> Golo Mann legte in der Tat in seinem Stil Wert auf Verständlichkeit und Bildhaftigkeit, den Fachjargon lehnte er ab. Manns Freund, der Sprachwissenschaftler [[Hans-Martin Gauger]], betonte in seinem Beitrag ''Zum Stil Golo Manns''<ref>In: Hartmut Hentig/August Nitschke Hrsg.): ''Was die Wirklichkeit lehrt'', S.&nbsp;328 </ref>, dass dieser die direkte Behandlung der Themen liebte und auf gelehrte Umständlichkeit verzichtete. Floskeln wie beispielsweise „Daraus erhellt“ oder „Es erhebt sich die Frage“ vermied er.<ref>Urs Bitterli: ''Golo Mann''. S.&nbsp;256</ref> Hans-Ulrich Wehler und Golo Mann trafen im Jahr 1978 auf einer Historikertagung zusammen und hielten Referate, die unterschiedliche Standorte vertraten und eine Einigung nicht zuließen. Während Wehler auf die [[narrativ]]e Darstellung historischer Themen nicht einging und Mann eine überlebte Geschichtsauffassung vorwarf, erklärte Mann, Wehler leugne die narrativen Möglichkeiten zur Veranschaulichung, sodass es seiner Schule an der aus menschlicher Erfahrung gewonnenen Sympathie fehle, die den Gestalten der Geschichte entgegenzubringen sei. Es gab zudem keinen [[Konsens]] mit den Mitgliedern der 1930 gegründeten, marxistisch orientierten [[Frankfurter Schule]] wie [[Theodor W. Adorno]], [[Max Horkheimer]], [[Herbert Marcuse]] und [[Jürgen Habermas]], denen viele Historiker nahe standen. Diese machten den [[Kapitalismus]] für [[Faschismus]] und [[Nationalsozialismus]] verantwortlich und sahen in einer kritischen Analyse des gesellschaftlichen Zustands ein Vorbeugungsmittel gegen solche [[Ideologie]]n. Golo Mann teilte die optimistischen Tendenzen und den Glauben an die Emanzipationsfähigkeit des Menschen nur sehr bedingt, da er das Schwergewicht seiner Geschichtsdeutung auf das [[Individuum]] und nicht auf die Gesellschaft legte.<ref>Urs Bitterli: ''Golo Mann'', S.&nbsp;270&nbsp;ff</ref> === Briefwechsel Rolf Hochhuth – Golo Mann (1963–1987) === [[Datei:Rolf Hochhuth David Irving.jpg|miniatur|hochkant||Rolf Hochhuth (rechts) und [[David Irving]], 1966]] Das [[Schweizerisches Literaturarchiv|Schweizerische Literaturarchiv]] (SLA) in [[Bern]] betreut den Nachlass Golo Manns und das Archiv [[Rolf Hochhuth]]s, sodass dieser umfangreiche Briefwechsel vollständig erhalten ist. Er umfasst den ersten Dankesbrief Hochhuths an Golo Mann im Zusammenhang mit der ''[[Stellvertreter]]''-Kontroverse 1963 bis zum letzten Brief im Jahr 1988.<ref>{{internetquelle|autor=T.&nbsp;Feitknecht, K.&nbsp;Lüssi|hrsg=fpp.co.uk|url=http://www.fpp.co.uk/docs/Irving/Hochhuth/Bund240301.html|titel=''Ein spannungsreiches Vierteljahrhundert. Der Briefwechsel Golo Mann/Rolf Hochhuth''|zugriff=2.&nbsp;Dezember 2009}}</ref> Nachdem Golo Mann den Dramatiker Rolf Hochhuth nach der Uraufführung des ''Stellvertreters'' neben den Professoren [[Karl Jaspers]], [[Karl Barth]] und [[Walter Muschg]] stark unterstützt und ihn bewundert hatte, entwickelte sich ein langjähriger Briefkontakt. Die nächsten Stücke Hochhuths, ''Soldaten'', ''Guerillas'' und ''Die Hebamme'' fanden jedoch nicht die ungeteilte Zustimmung Golo Manns. Hochhuths Freundschaft mit dem [[Holocaustleugnung|Holocaustleugner]] [[David Irving]] verschlechterte die Beziehung zunehmend. Im Fall [[Hans Filbinger]], der Hochhuth zu dem Drama ''Juristen'' (1980) inspiriert hatte, nahm Golo Mann nach dem Erscheinen von Filbingers Verteidigungsbuch ''Die geschmähte Generation'' in der ''[[Welt am Sonntag]]'' 1987 für diesen Stellung, indem er für eine Versöhnung mit der Generation eintrat, die den Krieg überlebt hatte. Hochhuth warf ihm daraufhin vor, er verstieße damit gegen seine eigene Geschichtsbetrachtung und spielte auf den [[Historikerstreit]] an. Dabei sei er, Golo Mann, der Lehrer seiner Generation gewesen. Golo Mann entgegnete, er sei am Historikerstreit nie beteiligt gewesen, und Hochhuth möge sich, anstatt ihn als Neonazi zu verleumden, mit der Darstellung Filbingers intensiv auseinandersetzen. Den letzten Brief Hochhuths ließ Golo Mann ungeöffnet zurückgehen.<ref>Urs Bitterli: ''Golo Mann'', S.211–216</ref> === Filme mit Bezug auf Golo Mann und Familie === In den dritten Programmen von [[Norddeutscher Rundfunk|NDR]], [[Sender Freies Berlin|SFB]] und [[Radio Bremen]] lief Ende Oktober 1983 ein zweistündiger Fernsehfilm von [[Heinrich Breloer]], der das Leben seines Bruders [[Klaus Mann]] dokumentierte. Der Titel lautete nach einem [[Treffpunkt im Unendlichen|Roman]] von Klaus Mann ''Treffpunkt im Unendlichen''. Golo und [[Monika Mann]] gehörten zu den Interviewpartnern Breloers. Golo Mann wurde in einer Szene gezeigt, wie er erstmals ein bisher unbekanntes [[Federal Bureau of Investigation|FBI]]-Protokoll über seinen Bruder las, der als Kommunistenfreund und Homosexueller verdächtigt wurde.<ref>{{internetquelle|autor=|hrsg=Der Spiegel/43 vom 24. Oktober 1983|url=http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-14024148.html|titel=Der Sohn|zugriff=26. November 2009}}</ref> Breloer war es auch, der den erfolgreichen dreiteiligen Dokumentarfilm ''[[Die Manns – Ein Jahrhundertroman]]'' konzipiert und gedreht hat. Er wurde im Jahr 2001 erstmals im Fernsehen ausgestrahlt. [[Philipp Hochmair]] interpretierte die Rolle des Golo Mann. [[Elisabeth Mann Borgese]] als letzte Überlebende der Literatenfamilie Mann war Interviewpartnerin Breloers. === Ausstellungen zum 100.&nbsp;Geburtstag === [[File:DPAG 2009 Golo Mann.jpg|miniatur|hochkant|[[Briefmarken-Jahrgang 2009 der Bundesrepublik Deutschland|Deutsche Briefmarke von 2009]] zum 100.&nbsp;Geburtstag]] ''Der Geschichtserzähler. Golo Mann zum 100.&nbsp;Geburtstag'', unter diesem Titel fand eine Ausstellung im [[Buddenbrookhaus]], [[Lübeck]], vom 6.&nbsp;September bis zum 22.&nbsp;November 2009 statt. Der Leiter des Buddenbrookhauses, Holger Pils, erklärte zum Ansatz der Ausstellung, dass für Golo Mann die biografische Erzählung eine bevorzugte Form gewesen sei. Daher solle die Ausstellung biografisch erzählen und zugleich ein Stück erlebter Geschichte aufzeigen. Pils hat die Ausstellung gemeinsam mit dem Golo-Mann-Biografen Tilmann Lahme konzipiert.<ref name="Luebeck.de-100 Geburtstag"/> Eine weitere Ausstellung fand 2009 anlässlich des Geburtstags im Tessin statt, wo Golo Mann in [[Berzona (Valle Onsernone)|Berzona]] ein Ferienhaus besaß. Das „Museo Onsernonese“ in [[Isorno TI|Loco]] erinnerte an den Historiker und Schriftsteller.<ref>{{internetquelle|autor=|hrsg=swissinfo.ch|url=http://www.swissinfo.ch/ger/startseite.html?siteSect=105&sid=11134030&ttsautostart=y|titel=Mit Wallenstein-Literatur im Rucksack|zugriff=7. September 2009}}</ref> ''Zwischen allen Stühlen – wie es sich gehört'' war das Motto der Ausstellung im [[Schwules Museum|Schwulen Museum]] Berlin zum 100.&nbsp;Geburtstag im März 2009. Eine Rauminszenierung stellte Golo Manns Jugend und das familiäre Umfeld dar. Nachgebildet war sein Kinderzimmer in der Münchner Mann-Villa in der Poschingerstraße 1 mit Laufstall und Schulschreibtisch. Eine Wand war mit Thomas-Mann-Bildern und seinen Tagebuchauszügen bestückt. Weiterer Bestandteil der Ausstellung waren eine Klaus-Mann-Vitrine und eine Heinrich-Mann-Büste.<ref>{{internetquelle|autor=|hrsg=tagesspiegel.de, 27. März 2009|url=http://www.tagesspiegel.de/kultur/Golo-Mann;art772,2760424|titel=Außenseiter, Spitzenreiter|zugriff=7. September 2009}}</ref> == Auszeichnungen und Ehrungen (Auswahl) == * 1964: [[Schillerpreis der Stadt Mannheim]] * 1968: [[Georg-Büchner-Preis]] * 1969: [[ Gottfried-Keller-Preis]] * 1972: [[Lessing-Ring]] mit dem ''Literaturpreis der deutschen Freimaurer'' und [[Verdienstorden der Bundesrepublik Deutschland|Großes Bundesverdienstkreuz]] * 1973: [[Ehrendoktor]]würde der Universität Nantes/Frankreich und Orden [[Pour le Mérite]] * 1977: [[Schiller-Gedächtnispreis]] * 1979: [[Pfeifenraucher des Jahres]] * 1980: [[Kultureller Ehrenpreis der Landeshauptstadt München]] * 1981: [[Bayerischer Maximiliansorden für Wissenschaft und Kunst]] * 1982: Jakob-Fugger-Medaille * 1984: [[Ernst-Robert-Curtius-Preis|Ernst-Robert-Curtius-Preis für Essayistik]] * 1985: [[Goethepreis der Stadt Frankfurt]]; [[Friedrich-Schiedel-Literaturpreis]] * 1987: [[Bodensee-Literaturpreis]] und Ehrendoktorwürde der [[University of Bath]]/England * 1991: [[Wolfskehl-Preis]] für [[Exilliteratur]] == Schriften (Auswahl) == * 1947: ''Friedrich von Gentz.'' Ullstein, Berlin 1982. ISBN 3-548-02935-3 * 1954: ''Vom Geist Amerikas.'' Kohlhammer, Stuttgart. 2. Aufl. 1955 * 1958: ''Deutsche Geschichte des IXX. und XX. Jahrhunderts'', Neuausgabe ''[[Deutsche Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts]].'' Fischer, Frankfurt/Main 2009, ISBN 978-3-100-47920-4 * 1960–1964: Mitherausgeber Golo Mann: ''[[Propyläen Weltgeschichte]]. Eine Universalgeschichte von den Anfängen bis zur Nachkriegszeit''. Zehn Bände, Propyläen Verlag Berlin 1960 bis 1964, ISBN 978-3-549-05840-4 * 1964: ''Wilhelm II. Archiv der Weltgeschichte.'' Scherz-Verlag, München-Bern-Wien 1964 * 1970: ''Von Weimar nach Bonn. Fünfzig Jahre deutsche Republik.'' Fromm Druckhaus A 1982. ISBN 3-772-95003-5 * 1971: ''[[Wallenstein. Sein Leben erzählt von Golo Mann]]''. Fischer, Frankfurt/Main 1997. ISBN 3-596-13654-7 * 1986: ''Erinnerungen und Gedanken. Eine Jugend in Deutschland.'' Fischer, Frankfurt/Main 1991. ISBN 3-596-10714-8 * 1989: ''Wir alle sind, was wir gelesen.'' Verlag der Nation. ISBN 3-373-00435-7 * 1989: ''Ludwig I., König von Bayern''. Oreos, Schaftlach; Fischer, Frankfurt 2006, ISBN 3-596-14491-4 * 1992: ''Wissen und Trauer. Historische Portraits und Skizzen''. Reclam, Leipzig. Überab. Neuaufl. 1995. ISBN 3-379-01548-2 * 1994: Vorwort zum Buch Rudolf Heß: ''Ich bereue nichts'' Hg. von [[Wolf Rüdiger Heß]]. Leopold Stocker Verlag, Graz, Stuttgart 1994. ISBN 3-702-00682-6 * 1999: ''Erinnerungen und Gedanken. Lehrjahre in Frankreich''. Frankfurt/Main, postum erschienen. Als Taschenbuch 2000: ISBN 3-596-14952-5 * 2006: ''Briefe 1932–1992''. Herausgegeben von Tilmann Lahme und Kathrin Lüssi. Wallstein Verlag, Göttingen 2006. ISBN 3-835-30003-2 * 2009: ''Man muss über sich selber schreiben.'' Erzählungen, Familienporträts, Essays. Herausgegeben von Tilmann Lahme, mit einem Nachwort von Hans-Martin Gauger. S. Fischer, Frankfurt 2009, ISBN 978-3-100-47915-0 == Sekundärliteratur == * [[Urs Bitterli]]: ''Golo Mann – Instanz und Außenseiter. Eine Biographie'', zugleich Verlag NZZ Zürich und Kindler Berlin 2004, ISBN 3-463-40460-5; auch: Rowohlt, Reinbek 2005, ISBN 3-499-24078-5 * [[Joachim Fest]]: ''Begegnungen'', darin ein sehr persönliches Kapitel Golo Mann. Rowohlt, Reinbek 2006, ISBN 3-499-62082-0 * Jeroen Koch: ''Golo Mann und die deutsche Geschichte. Eine intellektuelle Biographie''. Schöningh, Paderborn 1998, ISBN 3-506-74662-6 * Tilmann Lahme: ''Golo Mann''. S. Fischer, Frankfurt/Main 2009, ISBN 978-3-10-043200-1. * Klaus Mann: ''Kind dieser Zeit''. Erweiterte Neuausgabe, Rowohlt, Reinbek 2000, ISBN 3-499-22703-7 * Uwe Naumann: ''Die Kinder der Manns. Ein Familienalbum''. Rowohlt, Reinbek 2005, ISBN 3-498-04688-8 * [[Frido Mann]]: ''Achterbahn. Ein Lebensweg''. Rowohlt, Reinbek 2009, ISBN 978-3-499-62392-9 * Klaus Mann: ''Der Wendepunkt. Ein Lebensbericht.'' Erweiterte Neuausgabe, mit Textvariationen und Entwürfen im Anhang herausgegeben und mit einem Nachwort von [[Fredric Kroll]]. Rowohlt, Reinbek 2006, ISBN 3-49924409-8 * Klaus W. Jonas/Holger Stunz: ''Golo Mann. Leben und Werk''. Chronik und Bibliographie (1929–2003). Harrassowitz, Wiesbaden 2004, ISBN 3-447-05053-5 * Thomas Sprecher/Fritz Gutbrodt: ''Die Familie Mann in Kilchberg''. Wilhelm Fink, München 2000, ISBN 978-3-770-53528-6 '''Interview''' * „Ich hasse alles Extreme“ (4. März 1965) Günter Gaus im Interview mit Golo Mann. In: Günter Gaus: ''„Was bleibt, sind Fragen.“ Die klassischen Interviews.'' Das Neue Berlin, Berlin 2000 == Weblinks == {{Commonscat|Golo Mann}} {{Wikiquote|Golo Mann}} * {{DNB-Portal|118577123}} *[http://www.br-online.de/bayern2/radiokultur/die-kinder-der-manns-DID1188596732/kinder-der-manns-golo-mann-thomas-mann-ID661188596708.xml Golo Mann] Dossier des Bayerischen Rundfunks über die Kinder von Thomas Mann *[http://www.wikiservice.at/buecher/wiki.cgi?GoloMann Golo Mann] im Verzeichnis des Bücher-Wiki * [http://www.faz.net/s/RubD3A1C56FC2F14794AA21336F72054101/Doc~ECBBE7EFD35DF4CEFAE5A572BC8FF1EED~ATpl~Ecommon~Scontent.html Die Kontroverse Adorno/Horkheimer gegen Golo Mann] Tilmann Lahme in faz.net, März 2009 * [http://www.faz.net/s/Rub117C535CDF414415BB243B181B8B60AE/Doc~E546B109D9CB444A1BB51E0D831152681~ATpl~Ecommon~Scontent.html Lübecker Ausstellung über Golo Mann] Patrick Bahners im faz.net, 29. Oktober 2009 == Einzelnachweise == <references/> {{Navigationsleiste Mitglieder der Familie Mann}} {{Exzellent|14. Dezember 2009|67983666}} {{Normdaten|PND=118577123|LCCN=n/81/28081|VIAF=22145306}} {{DEFAULTSORT:Mann, Golo}} [[Kategorie:Autor]] [[Kategorie:Deutschsprachiger Emigrant zur Zeit des Nationalsozialismus]] [[Kategorie:Person (Office of Strategic Services)]] [[Kategorie:Person (München)]] [[Kategorie:Historiker]] [[Kategorie:Hochschullehrer (Stuttgart)]] [[Kategorie:Träger des Großen Bundesverdienstkreuzes]] [[Kategorie:Träger des Bayerischen Maximiliansordens für Wissenschaft und Kunst]] [[Kategorie:Mitglied der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung]] [[Kategorie:Deutscher]] [[Kategorie:Schweizer]] [[Kategorie:Geboren 1909]] [[Kategorie:Gestorben 1994]] [[Kategorie:Mann]] {{Personendaten |NAME=Mann, Golo |ALTERNATIVNAMEN=Mann, Angelus Gottfried Thomas |KURZBESCHREIBUNG=deutsch-schweizerischer Historiker und Schriftsteller |GEBURTSDATUM=27. März 1909 |GEBURTSORT=[[München]] |STERBEDATUM=7. April 1994 |STERBEORT=[[Leverkusen]] }} [[en:Golo Mann]] [[eo:Golo Mann]] [[es:Golo Mann]] [[fr:Golo Mann]] [[io:Golo Mann]] [[it:Golo Mann]] [[la:Golo Mann]] [[lb:Golo Mann]] [[nds:Golo Mann]] [[nl:Golo Mann]] [[no:Golo Mann]] [[ru:Манн, Голо]] [[sv:Golo Mann]] [[zh:戈洛·曼]] jzsvv0hagoslj06zindfgit3atnpn1s wikitext text/x-wiki Klaus Mann 0 23887 26483 2010-03-25T09:45:57Z Alinea 0 /* Kindheit und Jugend */ [[Datei:Klaus_Mann.jpg|miniatur|Klaus Mann als US-Sergeant in Italien, 1944. An der Wand hängen Flugblätter, die zum Teil von ihm verfasst sind.]]'''Klaus Heinrich Thomas Mann''' (* [[18. November]] [[1906]] in [[München]]; † [[21. Mai]] [[1949]] in [[Cannes]], [[Frankreich]]) war ein [[Liste deutschsprachiger Schriftsteller|deutschsprachiger Schriftsteller]]. Der Sohn von [[Thomas Mann]] begann seine literarische Laufbahn in der Zeit der [[Weimarer Republik]] als Außenseiter, da er in seinem frühen Werk Themen verarbeitete, die zur damaligen Zeit als [[Tabu]]bruch galten. Nach seiner Emigration aus Deutschland im Jahr 1933 fand eine wesentliche Neuorientierung in der Thematik seiner Werke statt: Klaus Mann wurde zum kämpferischen Literaten gegen den [[Nationalsozialismus]]. Als [[Exil|Exilant]] nahm er 1943 die [[Vereinigte Staaten|US-amerikanische]] Staatsbürgerschaft an. Die Neuentdeckung seines Werkes in Deutschland fand erst viele Jahre nach seinem Tod statt. Klaus Mann gilt heute als einer der wichtigsten Repräsentanten der deutschsprachigen [[Exilliteratur]] nach 1933. == Leben == Klaus Mann wurde als zweites Kind und ältester Sohn von Thomas Mann und dessen Ehefrau [[Katia Mann|Katia]] in großbürgerlichen Verhältnissen in München geboren. Sein Vater hatte die einzige Tochter der vermögende Münchner Familie [[Pringsheim]] geheiratet und mit seinem Roman [[Buddenbrooks]] bereits große schriftstellerische Anerkennung erzielt. In der [[Mann (Familie)|Familie Mann ]] wurde Klaus Mann „Eissi“ genannt, ursprünglich ein Kosename seiner älteren Schwester [[Erika Mann|Erika]] für Klaus, der später auch in Briefwechseln und dem Tagebuch Thomas Manns Anwendung fand. [[Datei:Thomas Mann 1937.jpg|miniatur|links|hochkant|Thomas Mann, 1937. Foto von [[Carl van Vechten]]]] Seine Abstammung bezeichnete Klaus Mann als ''„die bitterste Problematik meines Lebens“'', da seine Arbeit als Schriftsteller zeitlebens an dem Werk des berühmten Vaters gemessen wurde, dessen Popularität andererseits bewirkte, ''„daß mein Name und der Ruhm meines Vaters, den man mitmeint, wenn man ihn denkt, mir den ersten Start erleichtert haben. […] Ich habe meinen unvoreingenommenen Leser noch nicht gefunden.“ ''<ref>''Kind dieser Zeit'', S.&nbsp;251.</ref> Seine erste Veröffentlichung im Alter von 18 Jahren im Jahr 1924 in der Wochenzeitschrift ''[[Die Weltbühne]]'' hatte Klaus Mann allerdings unter Pseudonym eingereicht. Die Beziehung zu seinem distanziert wirkenden Vater war stets [[Ambivalenz|ambivalent]]. Früh beklagte er in seinem Tagebuch ''„Z.’s'' [Thomas Manns] ''völlige Kälte, mir gegenüber.“''<ref>''Tagebuch&nbsp;3'', S.&nbsp;110.</ref> Thomas Mann, der in der Familie „Zauberer“ genannt wurde, formulierte jedoch kurz nach dem Tode von Klaus: :''„Wie viele Raschheiten und Leichtigkeiten seinem Werk abträglich sein mögen, ich glaube ernstlich, daß er zu den Begabtesten seiner Generation gehörte, vielleicht der Allerbegabteste war.“''<ref>Vorwort zu ''Klaus Mann zum Gedächtnis''.</ref> Mit seiner Mutter Katia Mann, „Mielein“ genannt, und besonders zu seiner Schwester Erika („Eri“), mit der er [[Zwilling|zwillingshaft]] verbunden war, hatte er hingegen ein enges Vertrauensverhältnis, was sich an den zahlreichen Briefen zeigt, die er bis zu seinem Tod an sie geschrieben hat. === Kindheit und Jugend === [[Datei:mann villa 1.jpg|miniatur|Nachbau der ehemaligen Villa Mann (''Poschi'') im Münchner Stadtteil Herzogpark]] Klaus Mann wurde im Münchner Stadtteil [[Schwabing]] geboren, ab 1910 lebte die Familie in der Mauerkircher Straße&nbsp;13 in [[Bogenhausen]] in zwei miteinander verbundenen Vierzimmer-Wohnungen, um die inzwischen sechsköpfige Familie mit den Geschwistern Erika, Klaus, [[Golo Mann|Golo]] und [[Monika Mann|Monika]], sowie das Hauspersonal zu beherbergen. 1914 zog die Familie in das ''Poschi'' genannte Haus in der Poschingerstraße 1 am Herzogpark. Die Sommermonate verbrachte die Familie überwiegend in dem 1908 erbauten Landhaus bei [[Bad Tölz]]. Das Tölzer Sommerhaus verkaufte sein Vater im [[Erster Weltkrieg|Kriegsjahr]] 1917 jedoch zu Gunsten einer Kriegsanleihe. Im April 1918 kam [[Elisabeth Mann Borgese|Elisabeth]] („Medi“) zur Welt und ein Jahr darauf das sechste Kind der Familie Mann, [[Michael Mann (Literaturwissenschaftler)|Michael]] („Bibi“). Den jüngsten Familienzuwachs beschrieb Klaus Mann in seiner zweiten Autobiografie: ''„Angesichts der winzigen Kreaturen kamen wir uns recht würdig und überlegen vor, fast wie Onkel und Tante.“''<ref>''Der Wendepunkt'', S.&nbsp;101.</ref> In Klaus Manns Elternhaus gab es vielfältige kulturelle Anregungen. Schriftsteller wie [[Bruno Frank]], [[Hugo von Hofmannsthal]], [[Jakob Wassermann]] und [[Gerhart Hauptmann]] waren Gäste, ebenso wie der Verleger Thomas Manns, [[Samuel Fischer (Verleger)|Samuel Fischer]]. Nachbar [[Bruno Walter]] war Generalmusikdirektor von München und brachte Klaus und seinen Geschwistern klassische Musik und die [[Oper]] nahe. Ihre Eltern lasen ihnen aus der Weltliteratur vor, später rezitierte der Vater aus seinen eigenen Werken. Mit zwölf Jahren las Klaus Mann nach eigenen Zeugnissen jeden Tag ein Buch. Seine Lieblingsautoren als Sechzehnjähriger waren bereits anspruchsvolle Literaten: [[Datei:Stefan George 1910 Foto Jakob Hilsdorf.jpg|miniatur|hochkant=0.7|Stefan George, 1910. Fotografie von [[Jacob Hilsdorf]]]] :''„In unverminderter Glorie strahlt das Vierergestirn, das um diese Zeit meinen Himmel beherrschte und dem ich mich noch heute gerne anvertraue: [[Sokrates]], [[Nietzsche]], [[Novalis]] und [[Walt Whitman]].“''<ref>''Der Wendepunkt'', S.&nbsp;144&nbsp;f.</ref> [[Datei:Bild183-R98911.jpg|miniatur|links|hochkant=0.7|Heinrich Mann im Jahr 1906]] Dem Dichter [[Stefan George]] fühlte er sich ebenfalls verbunden: ''„Meine Jugend verehrte in Stefan George den Templer, dessen Sendung und Tat er im Gedicht beschreibt. Da die schwarze Woge des Nihilismus unsere Kultur zu verschlingen droht, […] tritt er auf den Plan – der militante Seher und inspirierte Ritter.“'' Später lehnte er jedoch den nationalistischen Kult ab, der um den Dichter getrieben wurde.<ref>''Der Wendepunkt'', S.&nbsp;158&nbsp;f.</ref> Die Werke seines Vaters und die seines Onkels [[Heinrich Mann]], der zu einem seiner literarischen und politischen Vorbilder werden sollte, hatten ebenfalls einen starken Einfluss auf seine spätere schriftstellerische Tätigkeit. Von 1912 bis 1914 besuchte Klaus Mann mit seiner Schwester Erika eine Privatschule, das Institut von Ernestine Ebermayer, anschließend für zwei Jahre die Bogenhausener Volksschule. Zusammen mit seiner Schwester und [[Ricki Hallgarten]], dem Sohn einer [[Jude|jüdischen]] Intellektuellenfamilie aus der Nachbarschaft, gründete er 1919 ein Ensemble, das sich den Namen ''Laienbund Deutscher Mimiker'' gab. Weitere Mitspieler waren neben den jüngeren Geschwistern Golo und Monika auch befreundete Nachbarskinder. Die Gruppe existierte drei Jahre lang und inszenierte acht Vorstellungen, darunter Klaus Manns Stück ''Ritter [[Blaubart]]'' aus dem Jahr 1921. Die Vorführungen fanden in privatem Rahmen statt; die Beteiligten legten viel Wert auf Professionalität, so ließen sie sich beispielsweise von einem [[Maskenbildner]] schminken. Zu dieser Zeit wollte er Schauspieler werden und beschrieb viele Schulhefte mit Theaterstücken und Versen. Seinem Tagebuch vertraute er an: ''„Ich muß, muß, muß berühmt werden.''“<ref>''Der Wendepunkt,'' S.&nbsp;112.</ref> [[Datei:Katja Mann mit ihren sechs Kindern um 1925.jpg|miniatur|links|Katia Mann mit ihren sechs Kindern, 1919. Klaus ist der zweite von rechts.]] Nach der Volksschule wechselte Klaus Mann auf das [[Wilhelmsgymnasium München|Wilhelmsgymnasium]] in München. Er war ein mittelmäßiger bis schlechter Schüler und zeigte nur beim Verfassen von Aufsätzen sehr gute Leistungen. Er empfand die Schule als ''„stumpfsinnig und bedeutungslos – eine lästige Notwendigkeit.“''<ref>''Der Wendepunkt'', S.&nbsp;102.</ref> Außerhalb der Schule fiel er durch ambitionierte und zum Teil bösartige Streiche als Kopf der im Wohnviertel berüchtigten „Herzogpark-Bande“ auf. Sie bestand aus den ursprünglichen Mitgliedern der ''Mimiker'', zu denen außer Ricki Hallgarten auch Gretel und Lotte Walter, Töchter von Bruno Walter, gehörten. Seine Eltern beschlossen daraufhin eine [[Internat|Internatserziehung]]. Ab April bis Juli 1922 besuchte er zusammen mit seiner Schwester Erika die [[Bergschule Hochwaldhausen]], eine [[Reformschule]] im [[Vogelsberg|hohen Vogelsberg]] in [[Oberhessen]]. Da die oberen Klassen wegen des „anarchistischen“ Ungehorsams der älteren Schüler aufgelöst wurden,<ref>Nicole Schaenzler: ''Klaus Mann'', S.&nbsp;30.</ref> kehrte Erika Mann nach München zurück, während Klaus sich in [[Schule Schloss Salem|Salem]] vorstellte. Dort machte er den Eindruck eines „selbstgefälligen, frühzeitig gereiften und fähigen Jungen“, und seinen Eltern wurde die freie Schulgemeinde der [[Odenwaldschule]] in [[Ober-Hambach]] des [[Reformpädagogik|Reformpädagogen]] [[Paul Geheeb]] empfohlen. [[Datei:OdenwaldschuleGoethehaus.jpg|thumb|Das Goethehaus in der Odenwaldschule mit Speisesaal Bibliothek und Musikzimmer (zu Manns Zeiten)]] Die Odenwaldschule besuchte er von September 1922 bis Juni 1923 und verließ sie auf eigenen Wunsch trotz vieler positiver Erlebnisse und neuer Freundschaften, beispielsweise die mit [[Oda Schottmüller]]. Einiges deutet darauf hin, dass er an diesem Ort seine ersten homoerotischen Begegnungen hatte. In seiner zweiten Autobiografie schrieb er, dass er sich an der Odenwaldschule in den Mitschüler Uto Gartmann verliebte: ''„Seine Stirne war glatt und kühl. Er war einsam und ahnungslos, wie die Tiere es sind und die Engel. Ich schrieb auf einen Fetzen Papier: 'Ich liebe dich'.“''<ref>''Der Wendepunkt'', S.&nbsp;166.</ref> In der Odenwaldschule entwickelte er das Selbstverständnis eines Künstlers und emotionalen Außenseiters. Dieses Gefühl kommt zum Beispiel in seinem Brief an den geschätzten Gründer und Schulleiter Paul Geheeb zum Ausdruck, dem er zum Abschied schrieb: ''„Überall werde ich – Fremdling sein. Ein Mensch meiner Art ist stets und allüberall einsam.“''<ref>''Briefe und Antworten'', S.&nbsp;15.</ref> Der Odenwaldschule und ihrem Leiter blieb er trotz seines plötzlichen Abgangs verbunden. Er kehrte zunächst ins Elternhaus zurück und erhielt Privatunterricht zur Vorbereitung auf das Abitur, den er Anfang 1924 jedoch abbrach. Während der wirtschaftlichen und politischen Krisenzeit des [[Inflation]]sjahrs 1923 hatte die junge Generation das Gefühl, den Boden unter den Füßen zu verlieren, die Werte der Väter hatten keine Bedeutung mehr. Um das Gefühl zu verdrängen, einer „verlorenen Generation“ anzugehören, hielt sich Klaus Mann oft in [[Berlin]] und München in [[Kabarett]]s und [[Bar (Lokal)|Bar]]s auf und schilderte seine Erlebnisse in seinem Tagebuch: [[Datei:Abtei_Neuburg.jpg|miniatur|Stift Neuburg]] :''„Da die Schwabinger Kneipen und Ateliers uns nicht attraktiv erschienen, bildeten wir unsere eigene kleine [[Boheme]], einen flotten, wenngleich etwas kindlichen Zirkel. Ein junger Mann namens Theo [Theo Lücke, ein junger Börsenspekulant] finanzierte unsere Eskapaden; er war es, der uns in die teuren Restaurants und Dancings einführte, die wir bis dahin nur von außen sehnsüchtig betrachtet hatten. […] Theo arrangierte Maskenbälle, nächtliche Schlittenfahrten, luxuriöse Weekends in Garmisch oder am Tegernsee.“''<ref>''Der Wendepunkt'', S.&nbsp;177&nbsp;ff.</ref> Ab Ostern 1924 verbrachte Klaus Mann mehrere Wochen bei [[Alexander von Bernus]], einem Freund seines Vaters, im [[Stift Neuburg]] bei [[Heidelberg]], wo er an dem Novellenband ''Vor dem Leben'', an [[Kabarett]]liedern und Gedichten arbeitete. Anfang September folgte Klaus Mann seiner Schwester Erika nach Berlin. Mit 18 Jahren erhielt er dort eine erste feste Anstellung als [[Theaterkritik|Theaterkritiker]] beim ''12 Uhr Blatt'', er blieb jedoch nur wenige Monate. Er lebte fortan als freier Schriftsteller und zeitlebens ohne festen Wohnort. === Erste Erfolge === Im Juni 1924 verlobte sich Klaus Mann mit seiner Jugendfreundin [[Pamela Wedekind]], der älteren Tochter des Dramatikers [[Frank Wedekind]], die auch ein enges Verhältnis zu seiner Schwester Erika hatte. Die Verlobung wurde im Januar 1928 aufgelöst. Pamela Wedekind heiratete im Jahr 1930 [[Carl Sternheim]], den Vater der gemeinsamen Freundin Dorothea Sternheim, genannt „Mopsa“. [[Datei:Bundesarchiv Bild 183-S01144, Berlin, Gustav Gründgens als "Hamlet".jpg|miniatur|links|hochkant|Gustaf Gründgens, 1936 als Hamlet]] Sein erstes Theaterstück ''[[Anja und Esther]]'', in dem er Themen seiner Internatszeit verarbeitet hatte, wurde am 20.&nbsp;Oktober 1925 in München und am 22. Oktober an den [[Hamburger Kammerspiele]]n uraufgeführt. In Hamburg traten in den Hauptrollen Klaus und Erika Mann, Pamela Wedekind sowie [[Gustaf Gründgens]] auf. ''„Von den Gestaden der Nordsee bis nach Wien, Prag und Budapest gab es ein groß Gerausche im Blätterwald: Dichterkinder spielen Theater!“''<ref name="dw224">''Der Wendepunkt'', S.&nbsp;224.</ref> Das Stück wurde von der Öffentlichkeit als [[Skandal]] gewertet, da es die [[Lesbe|lesbische]] Liebe zweier Frauen thematisierte. Trotz aller Kritik spielten ''„die Dichterkinder vor vollen Häusern.“''<ref name="dw224"/> Klaus Manns erste Buchpublikation war im Jahr 1925 der Novellenband ''Vor dem Leben'', der im Gebrüder Enoch Verlag erschien. Im gleichen Jahr bekannte er sich öffentlich zu seiner [[Homosexualität]], als er den Roman ''[[Der fromme Tanz (Roman)|Der fromme Tanz]]'' veröffentlichte, der als einer der ersten sogenannten Homosexuellen-Romane in der deutschen Literatur gilt. Er entstand nach seiner ersten großen Auslandsreise im Frühjahr 1925, die ihn nach England, [[Paris]], [[Marseille]], [[Tunesien]] und zurück über [[Palermo]], [[Neapel]] und [[Rom]] geführt hatte. Sein Vater veröffentlichte im selben Jahr den Essay ''Über die Ehe'', der die Homoerotik als „Widersinn“ und „Fluch“ bezeichnete. Thomas Mann bezog sich hierbei auf seine eigenen homosexuellen Neigungen, die er sich nicht auszuleben gestattete und zu Lebzeiten nicht öffentlich machte. Die offen gelebten homosexuellen Beziehungen seiner Kinder wurden von ihm jedoch toleriert, so war es unter anderem üblich, dass Klaus Mann seine Partner ins Elternhaus mitbrachte. [[Datei:André Gide01.jpg|miniatur|hochkant|André Gide auf einem Gemälde [[Théo van Rysselberghe]]s. Ausschnitt, 1901]] [[Datei:Modigliani, Amedeo (1884-1920) - Ritratto di Jean Cocteau (1889-1963) - 1916.jpg|miniatur|links|hochkant|Jean Cocteau, Porträt von [[Amedeo Modigliani]], 1919.]] Klaus Mann führte ein rastloses Leben ohne Lebensmittelpunkt. Im Jahr 1925 hielt er sich häufig in Paris auf, wo er viele französische Schriftsteller kennenlernte wie [[Jean Cocteau]], dessen Werk ''Les Enfants terribles'' er 1930 unter dem Titel ''Geschwister'' dramatisierte. Der Dichter [[André Gide]], den er als eine Art Übervater sah, wurde sein intellektuelles und moralisches Vorbild; die ihm entgegengebrachte emotionale Nähe wurde von diesem jedoch nicht erwidert. [[René Crevel]], ein [[Surrealismus|surrealistischer]] Schriftsteller, wurde sein Freund, und durch Crevel lernte Klaus Mann den Kreis der Pariser Surrealisten kennen. Aus anfänglicher Sympathie für die künstlerische Bewegung wurde Abneigung, die sich in den Essays ''Die Avantgarde – gestern und heute'' (1941) sowie ''Surrealistischer Zirkus'' (1943) niederschlug; hauptsächliche Gründe dafür waren die verbissene kommunistische Politisierung und der „Führerkult“ um [[André Breton]], mit dem Klaus Mann den Selbstmord von Crevel im Jahr 1935 in Verbindung brachte.<ref>Armin Strohmeyr: ''Klaus Mann'', S.&nbsp;130&nbsp;ff.</ref> Erika Mann heiratete Gründgens am 24.&nbsp;Juli 1926. Im Jahr 1927 brachte Klaus Mann am [[Schauspiel Leipzig|Leipziger Schauspielhaus]] unter der Regie von Gustaf Gründgens und in gleicher Besetzung wie ''Anja und Esther'' sein Stück ''[[Revue zu Vieren]]'' zur Uraufführung und ging anschließend mit Erika und Pamela Wedekind auf Tournee. Aufgrund der schlechten Kritiken fürchtete Gustaf Gründgens um seinen Ruf, spielte außer in der Uraufführung noch in Hamburg und Berlin mit, schloss sich der Tournee von [[Cottbus]] bis [[Kopenhagen]] jedoch nicht mehr an. Daraufhin begann die Entfremdung zwischen Klaus Mann und Gründgens. Im [[Essay]] ''Heute und Morgen. Zur Situation des jungen geistigen Europas'', der 1927 erschien, beschrieb Klaus Mann seine Überzeugung, dass Europa seine friedlichen und sozialen Verpflichtungen gemeinsam erfüllen müsse. Nach seinen erotischen Themen, in denen er „die Liebe zum Körper“ zum Ausdruck gebracht hatte, kamen erstmals selbstkritische Äußerungen, dass er die „soziale Verpflichtung“ bisher zu wenig verfolgt habe. Er rief zu einer Verständigungspolitik auf, denn dies sei die Lehre aus dem bitteren „Irrtum“ von 1914, als die meisten „Geistigen“ dem „triumphierenden Wahnsinn verfielen, anstatt seiner zu fluchen.“<ref>''Die neuen Eltern'', S.&nbsp;139.</ref> Er bezog sich in seinem Essay auf Heinrich Manns ''Diktatur der Vernunft'', [[Richard Nikolaus Graf von Coudenhove-Kalergi|Graf Coudenhove-Calergi]]s [[Paneuropa-Union|Paneuropa-Konzept]] und [[Ernst Bloch]]s sozialistische Vorstellungen vom ''Geist der Utopie''. Zusammen mit seiner Schwester Erika brach Klaus Mann am 7.&nbsp;Oktober 1927 zu einer mehrmonatigen Weltreise bis Juli 1928 auf, die beide über die USA einschließlich [[Hawaii]], [[Japan]], [[Korea]] und die [[Sowjetunion]] rund um den Globus führte. Durch ihre internationalen Bekanntschaften und die Berühmtheit ihres Vaters erhielten sie Zutritt bei vielen Prominenten des Kulturbetriebs wie [[Emil Jannings]] und [[Upton Sinclair]]. Zudem gaben sie sich das [[Pseudonym]] ''The Literary Mann Twins'', präsentierten sich als Zwillinge, um damit weitere Aufmerksamkeit zu erregen. Ihren Unterhalt versuchten Klaus und Erika Mann durch Vorträge zu finanzieren, aber die Erträge waren zu gering, und nach der Reise hatten sie hohe Schulden, die von Thomas Mann beglichen wurden, nachdem er 1929 den [[Nobelpreis]] erhalten hatte. Der gemeinsame Bericht über die Weltreise wurde unter dem Titel ''Rundherum'' im Jahr 1929 veröffentlicht. Im Jahr 1929 erschien Klaus Manns ''[[Alexander. Roman der Utopie]]'', in dem er die Lebensgeschichte [[Alexander der Große|Alexanders des Großen]] nachzeichnete. Im Vergleich zu seinem ersten Roman ''Der fromme Tanz'' erscheint die Sprache funktionaler, knapper. Jedoch blieb Klaus Mann ein Vertreter des herkömmlichen, ausführlich erzählenden Schreibstils. Obwohl er sich zu einer „Verlorenen Generation“ zählte, nahm er sich kein Beispiel an den amerikanischen Literaten der „[[Lost Generation]]“ wie [[Gertrude Stein]], [[Sherwood Anderson]] und [[Ernest Hemingway]], die sich in kurzen, einfach formulierten Sätzen ausdrückten. Die Künstlerehe von Erika Mann und Gustaf Gründgens hatte keinen Bestand; am 9.&nbsp;Januar 1929 erfolgte die [[Scheidung]]. Klaus Mann nahm Gründgens später zur Vorlage für seinen Roman [[Mephisto (Roman)|''Mephisto'']], der 1936 in Amsterdam erschien und 1971 durch das Verbot der Neuveröffentlichung, die sogenannte [[Mephisto-Entscheidung]], zu einem Literaturskandal in der Bundesrepublik Deutschland führte. Anfang 1930 unternahmen Klaus und Erika Mann eine Reise nach Nordafrika. In der Stadt [[Fès|Fez]] in Marokko hatten beide erstmals durch ihren Fremdenführer Kontakt mit dem „Zauberkräutlein Haschisch.“<ref>''Der Wendepunkt'', S.&nbsp;331&nbsp;f.</ref> Es sollte für die Geschwister zum „Horrortrip“ werden, den Klaus Mann später in seiner zweiten Autobiografie ausführlich beschrieb. Sein Drogenkonsum, von dem er zeitlebens nicht mehr freikommen sollte, begann jedoch schon Ende 1929. Er nahm [[Morphin]], wie er seiner Schwester gegenüber äußerte. Es wird vermutet, dass ihn Mopsa Sternheims Freund und späterer Ehemann Rudolf von Ripper mit Rauschgift bekannt gemacht hatte.<ref>Fredric Kroll: ''Klaus Mann-Schriftenreihe Bd.&nbsp;3'', S.&nbsp;81.</ref> === Vorboten des Dritten Reichs === Die Weltwirtschaftskrise von 1929 verhalf der [[Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei|NSDAP]] zum Durchbruch; bei den [[Reichstagswahl 1930|Reichstagswahlen]] vom 14.&nbsp;September 1930 erhielt die Partei einen gewaltigen Stimmenzuwachs und konnte ihre Mandate im Parlament von 12 auf 107 erhöhen. Klaus Mann nahm daraufhin in einem Vortrag vor dem Wiener Kulturbund im Herbst 1930 zum ersten Mal öffentlich zur Tagespolitik Stellung: ''„Wer in politics bis gestern noch apathisch war, den hat das Resultat unserer Reichstagswahlen aufgerüttelt.“''<ref>Nicole Schaenzler: ''Klaus Mann''. S.&nbsp;184.</ref> Im Frühjahr 1932 erschien seine erste [[Autobiografie]] mit dem Titel ''[[Kind dieser Zeit]]'', Ricki Hallgarten gewidmet, sie umspannt die Jahre 1906 bis 1924. In den wenigen Monaten bis zu [[Adolf Hitler|Hitlers]] [[Machtergreifung]] fand das Buch eine breite Leserschaft, da das literarische Selbstporträt eines berühmten Sohnes aus prominenter Familie mit seinen Anekdoten und Enthüllungen die Neugierde des Lesepublikums befriedigte.<ref>Nicole Schaenzler: ''Klaus Mann. Eine Biographie'', S.&nbsp;211.</ref> ''Kind dieser Zeit'' wurde 1933 verboten. Ebenfalls im Jahr 1932 wurde der Roman ''[[Treffpunkt im Unendlichen]]'' veröffentlicht, er schildert das Leben junger Künstler und Intellektueller in Berlin und Paris unmittelbar vor Hitlers Machtergreifung. Der Protagonist Gregor Gregori ist in der stilisierten Figur des Karrieristen weitgehend identisch mit der des Hendrik Höfgen in Manns späterem Roman ''Mephisto''.<ref>Fredric Kroll im Nachwort zu ''Treffpunkt im Unendlichen'', Reinbek 1999, S.&nbsp;314.</ref> Klaus und Erika Mann, Ricki Hallgarten und die gemeinsame Freundin [[Annemarie Schwarzenbach]] hatten im gleichen Jahr eine [[Iran|Persien]]reise mit dem Auto geplant. Am Vorabend der Reise, am 5.&nbsp;Mai 1932, erschoss sich Ricki Hallgarten in seinem Haus in [[Utting am Ammersee|Utting]] am [[Ammersee]]. Klaus Mann verfasste für seinen Jugendfreund wenig später sein literarisches Denkmal, den einfühlsamen Essay ''Ricki Hallgarten – Radikalismus des Herzens.'' === Europäisches Exil === [[Datei:Reinigt Eure Büchereien.jpg|miniatur|hochkant|Aufruf zur [[Bücherverbrennung 1933 in Deutschland|Bücherverbrennung]]: Flugblatt vom April 1933.]] Mit Ernennung [[Adolf Hitler|Hitlers]] zum Reichskanzler wurde Klaus Mann zum aktiven Gegner des [[Nationalsozialismus]] und engagierte sich in dem Anfang 1933 von Erika gegründeten [[Kabarett]] [[Die Pfeffermühle]], das mit seinem politisch-satirischen Programm gegen den [[Faschismus]] agierte. Um einer Verhaftung zu entgehen, verließ er am 13.&nbsp;März 1933 Deutschland und flüchtete nach Paris ins [[Exil]]. Für ihn und seine Geschwister wurde der vorübergehende elterliche Wohnsitz in [[Sanary-sur-Mer]] zum Treffpunkt mit anderen deutschsprachigen Emigranten, wie zum Beispiel [[Hermann Kesten]] und [[Franz Werfel|Franz]] und [[Alma Mahler-Werfel|Alma Werfel]]. Weitere Orte der ersten Emigrationsphase waren Amsterdam und [[Küsnacht ZH|Küsnacht]] bei Zürich, wo die Eltern ein Haus gemietet hatten. [[Datei:Gottfried Benn by Tobias Falberg 26-11-05.JPG|miniatur|links|hochkant|Gottfried Benn um 1951, Zeichnung von [[Tobias Falberg]].]] Am 9.&nbsp;Mai 1933 schrieb er an den einst verehrten Schriftsteller [[Gottfried Benn]] einen Brief, in dem er dessen positive Haltung zum Nationalsozialismus anprangerte. Er warf Benn vor, seinen Namen, einst Inbegriff höchsten Niveaus, denen zur Verfügung zu stellen, ''„deren Niveaulosigkeit absolut beispiellos in der europäischen Geschichte ist und vor deren moralischer Unreinheit sich die Welt in Abscheu abwendet."''<ref>{{internetquelle|autor=Hanjo Kesting|hrsg=Frankfurter Hefte|url=http://www.frankfurter-hefte.de/ausschnitt/kultur_06_11.html|titel=Jugendzauber und Todeslust – Klaus Mann zum 100.&nbsp;Geburtstag|datum=November 2006|zugriff=11.&nbsp;Mai 2008}}</ref> Benn konterte mit einer offenen „Antwort an die literarischen Emigranten“, die vom Berliner Rundfunk gesendet und anschließend am 25.&nbsp;Mai von der „Deutschen Allgemeinen Zeitung“ gedruckt wurde, in der er den Emigranten das Recht absprach, die Lage in Deutschland zutreffend zu beurteilen. Später gestand Benn seinen Irrweg ein und schrieb in seinem 1950 erschienenen Buch ''Doppelleben'' über den damals Siebenundzwanzigjährigen, er habe ''„die Situation richtiger beurteilt, die Entwicklung der Dinge genau vorausgesehen, er war klarerdenkend als ich.“''<ref>Uwe Naumann: ''Ruhe gibt es nicht, bis zum Schluß.'' S.&nbsp;145.</ref> Manns Roman ''Der fromme Tanz'' gehörte wie andere seiner Werke zu den Büchern, die zwischen dem 10.&nbsp;Mai und 21.&nbsp;Juni 1933 von den Nationalsozialisten öffentlich verbrannt wurden. Er nahm in seinem Tagebuch am 11.&nbsp;Mai fast zynisch Stellung: ''„Gestern also sind auch meine Bücher in allen deutschen Städten öffentlich verbrannt worden; in München auf dem Königsplatz. Die Barbarei bis ins Infantile. Ehrt mich aber.“''<ref>Nicole Schaenzler: ''Klaus Mann.'' S.&nbsp;234.</ref> Klaus Mann besuchte im August 1934 als Gast den 1.&nbsp;Allunionskongress der Sowjetschriftsteller in Moskau, stand aber als einziger eingeladener Literat der sozialistischen Lehre eher distanziert gegenüber, anders als beispielsweise [[Willi Bredel]], [[Oskar Maria Graf]] und [[Ernst Toller]].<ref>Nicole Schaenzler: ''Klaus Mann'', S.&nbsp;302.</ref> Im September 1934 unterzeichnete er einen Aufruf gegen die Rückgliederung des autonomen [[Geschichte_des_Saarlandes#Das_autonome_Saargebiet_von_1920_bis_1935|Saarland]]es an das [[Deutsches Reich|Deutsche Reich]]. Daraufhin wurde er Anfang November [[Ausbürgerung|ausgebürgert]] und musste zunächst mit einem holländischen Fremdenpass als Staatenloser reisen. Mann erinnert sich, dass gleichzeitig mit ihm die Schriftsteller [[Leonhard Frank]], [[Otto Strasser]] und der Regisseur [[Erwin Piscator]] ausgebürgert wurden.<ref>Der Wendepunkt,'' S.&nbsp;406.</ref> [[Datei:Die-Sammlung.jpg|miniatur|hochkant|''Die Sammlung.'' Erstes Heft&nbsp;/&nbsp;September 1933]] Bereits ab September 1933 brachte Klaus Mann die literarische Monatszeitschrift ''[[Die Sammlung]]'' im ''[[Querido Verlag]]'' in Amsterdam heraus. Sein Freund [[Fritz Helmut Landshoff|Fritz H. Landshoff]] leitete die neugegründete deutschsprachige Abteilung des holländischen Verlagshauses, in dem viele deutsche Exilanten ihre Bücher verlegen ließen. Landshoff war nach Manns Aussage nach dem Tod von Ricki Hallgarten ''„die schönste menschliche Beziehung, die ich diesen ersten Jahren des Exils verdanke.“''<ref>Der Wendepunkt,'' S.&nbsp;420.</ref> Beiträge in der Zeitschrift ''Die Sammlung'' verfassten unter anderen sein Onkel [[Heinrich Mann]], [[Oskar Maria Graf]], André Gide, [[Aldous Huxley]], [[Heinrich Eduard Jacob]] und [[Else Lasker-Schüler]]. Im August 1935 musste die ''Die Sammlung'' wegen zu geringer Abonnentenzahlen eingestellt werden trotz finanzieller Unterstützung durch Annemarie Schwarzenbach und Fritz Landshoff; Klaus Mann arbeitete monatelang ohne Bezahlung. Einige Autoren wie [[Stefan Zweig]], [[Robert Musil]], [[Alfred Döblin]] und sein Vater Thomas Mann hatten die Mithilfe verweigert oder distanzierten sich nachträglich von der Zeitschrift, weil ihnen die Texte zu politisch erschienen und sie aus diesem Grund Nachteile für ihr eigenes Werk in Deutschland befürchteten. Der Verleger Gottfried Bermann Fischer argumentierte beispielsweise, wer weiterhin seine Bücher in Deutschland veröffentlicht sehen wolle, dürfe nicht an einer im Reich verbotenen Zeitschrift wie der ''Sammlung'' mitarbeiten.<ref>Uwe Naumann: ''Ruhe gibt es nicht, bis zum Schluß'', S.&nbsp;154&nbsp;f.</ref> In den folgenden Jahren führte Klaus Mann ein [[Emigration|Emigrantenleben]] mit wechselnden Aufenthalten in Amsterdam und Paris, der [[Schweiz]], der [[Tschechoslowakei]], [[Ungarn]] und den USA. Während dieser Zeit erschienen drei seiner bedeutendsten Werke: ''[[Flucht in den Norden]]'' (1934), der Tschaikowsky-Roman ''[[Symphonie Pathétique]]'' (1935) und ''[[Mephisto (Roman)|Mephisto]]'' (1936). Die Wandlung seines früheren Schwagers Gustaf Gründgens zum Karrieristen als Protegé [[Hermann Göring]]s und kulturellen Repräsentanten des Dritten Reiches hatte ihn entsetzt und inspirierte ihn zu seinem wohl bekanntesten Werk. Der [[Protagonist]] Hendrik Höfgen als [[Mitläufer]] ähnelt Diederich Heßling aus Heinrich Manns Werk ''[[Der Untertan]]'', einer 1918 erschienenen Satire auf die [[Wilhelminische Epoche]]. Klaus Mann hatte diesen Roman während der Niederschrift des ''Mephisto'' erneut gelesen und erkannte die erschreckende, prophetische Aktualität des Werkes. Nach Aberkennung der deutschen [[Staatsbürgerschaft]] wurde er – ebenso wie andere Mitglieder der Familie Mann – 1937 Staatsbürger der Tschechoslowakei. Erika Mann hatte schon 1935 in zweiter Ehe den Literaten [[Wystan Hugh Auden]] geheiratet und damit die britische Staatsbürgerschaft erlangt. In Budapest lernte Klaus Mann im Sommer 1937 kurz vor seinem ersten [[Opiat]]e-Entzug seinen mehrjährigen amerikanischen Lebensgefährten, den Film- und Literaturkritiker [[Thomas Quinn Curtiss]] kennen, dem er im gleichen Jahr ''Vergittertes Fenster'' widmete, eine Novelle um König [[Ludwig II. (Bayern)|Ludwig II.]] von Bayern. Sein zweiter Entzugsversuch fand im April 1938 in Zürich statt. Im [[Spanischer Bürgerkrieg|Spanischen Bürgerkrieg]] war er im Juni und Juli 1938 als Reporter vor Ort für die ''Pariser Tageszeitung'' tätig. === Amerikanisches Exil === [[Datei:Erika Mann NYWTS.jpg|miniatur|hochkant|Erika Mann, um 1938]] Ein Jahr vor dem [[Zweiter Weltkrieg|Zweiten Weltkrieg]] emigrierte er im September 1938 – wie seine Eltern – in die USA, die seine Schwester Erika Mann schon 1937 als Exil gewählt hatte. Es entstanden [[Inzest]]gerüchte über die Geschwister und [[Denunziation]]en seiner homosexuellen Beziehungen. Ab 1940 wurden Klaus und Erika Manns telefonische und postalische Kontakte von Beamten des [[FBI]] überwacht, da beide unter dem Verdacht standen, Anhänger des [[Kommunismus]] zu sein. Erst 1948 wurde bekannt, dass das FBI über sie Akten führte. Klaus Mann war häufig zu Gast im Elternhaus in [[Princeton (New Jersey)|Princeton]], oft wohnte er wie Erika und andere Exilierte im „Hotel Bedford“ in [[Manhattan]], [[New York City|New York]]. Bis zum Jahr 1941 unternahm er wie Erika hauptsächlich Vortragsreisen als „lecturer“ in verschiedenen US-amerikanischen Städten, um auf die Geschehnisse im nationalsozialistischen Deutschland aufmerksam zu machen. 1939 erschien ''[[Escape to Life. Deutsche Kultur im Exil]]'' über Persönlichkeiten der deutschen Kultur- und Intellektuellenszene im Exil wie beispielsweise [[Albert Einstein]], dessen Foto auf dem [[Rockefeller Center]] das [[Frontispiz]] bildete. Der Titel wurde ein großer publizistischer Erfolg. Er ist ebenso wie das im Jahr 1940 erschienene Werk ''The Other Germany'' aus einer Zusammenarbeit mit Erika Mann entstanden. Das erste Manuskript, das er komplett auf Englisch schrieb und im August 1940 abschloss, war ''Distinguished Visitors''; bekannte europäische Persönlichkeiten wie [[François-René de Chateaubriand|Chateaubriand]], [[Sarah Bernhardt]], [[Antonín Dvořák]], [[Eleonora Duse]] und [[Georges Clemenceau]] porträtierte er und berichtete über deren Erfahrungen mit dem Kontinent Amerika. Das Werk fand zu Lebzeiten keinen Verleger und wurde erst im Jahr 1992 in einer deutschen Übersetzung veröffentlicht.<ref>Armin Strohmeyr: ''Klaus Mann'', S.&nbsp;117&nbsp;f.</ref> [[Datei:Manhattan_1931.jpg|miniatur|links|Der New Yorker Stadtteil Manhattan im Jahr 1931]] Klaus Mann war von Januar 1941 bis Februar 1942 Herausgeber der [[Antifaschismus|antifaschistischen]] Zeitschrift ''Decision. A Review of Free Culture''. Es gab jedoch für ''Decision'' erneut zu wenig Abonnenten, und die Zeitschrift musste trotz intensiver Bemühungen nach einem Jahr eingestellt werden. Er empfand den Misserfolg seines Projektes als bittere Niederlage. Im Sommer 1941 unternahm er erstmals einen Suizidversuch, den der Redakteur der ''Decision'', Christopher Lazare, verhindern konnte. Erika Mann arbeitete inzwischen recht erfolgreich bei der [[British Broadcasting Corporation|BBC]] und lebte mit dem Arzt und Schriftsteller [[Martin Gumpert]] zusammen. Klaus Mann hat Gumpert in seinem Roman aus dem Jahr 1939, ''[[Der Vulkan|Der Vulkan. Roman unter Emigranten]]'', als Professor Abel ein Andenken gesetzt. 1942 erschien seine zweite Autobiografie ''The Turning Point'' (dt. ''[[Der Wendepunkt]]''), die er auf Englisch schrieb und später für eine deutsche Ausgabe übersetzte. Das deutsche Manuskript hat Klaus Mann kurz vor seinem Tod im April 1949 noch abschließen können. Die Autobiografie ''Der Wendepunkt'' ist jedoch nach eigenen Angaben in der Nachbemerkung der deutschen Ausgabe nicht identisch mit der amerikanischen Ausgabe; ''Der Wendepunkt'' ist umfangreicher und endet mit einem Brief vom 28.&nbsp;September 1945, während ''The Turning Point'' mit einer Tagebuchnotiz aus dem Juni 1942 abschließt. Einige Details aus der amerikanischen Ausgabe sind im ''Wendepunkt'' nicht enthalten, die für den deutschen Leser nach Einschätzung des Autors entbehrlich waren. Nach dem Erscheinen des ''Turning Point'' begann Klaus Mann mit einer Studie über André Gide, ''André Gide and the Crisis of Modern Thought'' (dt. ''André Gide und die Krise des modernen Denkens''). Es folgte zusammen mit Hermann Kesten die Arbeit an ''Heart of Europe'', einer [[Anthologie]] europäischer Literatur. Beide Titel wurden 1943 veröffentlicht === In der US Army === Ende 1941 trat Klaus Mann in die ''[[United States Army|US Army]]'' ein, um damit seine persönliche Krise und Depressionen zu überwinden, Schulden abzubauen und noch aktiver gegen den Faschismus zu kämpfen. Die Einberufung nach seiner freiwilligen Meldung verzögerte sich jedoch wegen einer nicht ausgeheilten [[Syphilis]] und Ermittlungen des FBI gegen ihn bis zum 14.&nbsp;Dezember 1942. Mit Entsetzen lernte er den [[Rassismus]] in der amerikanischen Armee im Umgang mit ihren farbigen Soldaten kennen, denn sie wurden als ''[[Nigger|nigger]]'' bezeichnet und lebten in einem besonderem Distrikt des Lagers, „einer Art von schwarzem Ghetto.“<ref>''Der Wendepunkt'', S.&nbsp;609.</ref> Er war im Frühjahr 1943 für etwa einen Monat im [[Camp Ritchie]] stationiert und wurde zum [[Staff Sergeant]] befördert; er traf dort unter anderem auf [[Hans Habe]] und seinen Freund Thomas Quinn Curtiss. Mann durfte dann nicht wie seine Kameraden mit dem Truppentransport im Mai 1943 zur Landung auf Sizilien ([[Operation Husky]]) auslaufen, weil ihm zu diesem Zeitpunkt die amerikanische Staatsbürgerschaft noch nicht zuerkannt worden war.<ref>''Der Wendepunkt'', S.&nbsp;623–631</ref> Die „naturalization“ erhielt er am 25.&nbsp;September 1943, somit war Klaus Mann Staatsbürger der USA und reiste am 24.&nbsp;Dezember 1943 mit einem Truppentransport der [[5. US-Armee|5.&nbsp;US-Armee]] ab. Er war zunächst in [[Nordafrika]] stationiert, dann in [[Italien]]. Dort verfasste er unter anderem Propagandatexte für die alliierten Streitkräfte. Sein Antrag auf Entlassung aus der Army im August 1944, um als Zivilist von der ''Psychological Warfare Division'', einer Untereinheit des Nachrichtendienstes [[Office of Strategic Services|OSS]], in einem befreiten Nachkriegsdeutschland eingesetzt werden zu können, wurde jedoch abgelehnt, die aktuelle Kriegslage gestattete keine Versetzung in den zivilen Stand. Als deutschsprachiger Soldat der US Army gehörte es zu seinen Aufgaben, deutsche Kriegsgefangene zu verhören, zu denen sowohl hartgesottene SS-Offiziere gehörten als auch skrupellose, opportunistische oder verängstigte junge Männer in Wehrmachtsuniform; viele von ihnen hielten noch am militärischen Tugendkatalog fest. Anschließend wertete er die Gesprächsprotokolle aus, um die richtigen Argumente für seine Aufklärungsarbeit zu finden. Ermutigend war es für Klaus Mann, wenn er auf einen Gefangenen traf wie den Münchner Schauspieler [[Hans Reiser (Schauspieler)|Hans Reiser]], den er für einen „Anti-Nazi“ hielt und mit dem er nach dem Krieg einen herzlichen Briefwechsel führte.<ref>Nicole Schaenzler: ''Klaus Mann. Eine Biographie,'' S.&nbsp;475&nbsp;f.</ref> Ab 1945 erschienen wöchentlich Artikel von ihm in der römischen Ausgabe der amerikanischen Armeezeitung ''The [[Stars and Stripes (Zeitung)|Stars and Stripes]]''. [[Datei:Edvard_Beneš.jpg|miniatur|links|hochkant|Edvard Beneš, um 1942]] Klaus Mann wurde nach Kriegsende Sonderberichterstatter der ''Stars and Stripes'' in Deutschland. In dieser Eigenschaft besuchte er Anfang Mai 1945 München, wo er das zerbombte Elternhaus besichtigte und dort erfuhr, dass die [[Schutzstaffel|SS]] in der Villa ein Heim des [[Lebensborn]]s eingerichtet hatte. In Augsburg interviewte er zusammen mit anderen Journalisten den seinen Prozess erwartenden nationalsozialistischen Politiker [[Hermann Göring]]. Er besuchte und befragte die nicht emigrierten Komponisten [[Franz Lehár]] und [[Richard Strauss]], den Philosophen [[Karl Jaspers]] sowie den ihm noch aus der Vorkriegszeit bekannten Schauspieler [[Emil Jannings]] und führte in [[Bayreuth]] ein Interview mit [[Winifred Wagner]]. In Prag interviewte er den tschechoslowakischen Staatspräsidenten [[Edvard Beneš]], den er ebenfalls noch aus früherer Zeit kannte; Beneš hatte der Familie Mann nach deren Ausbürgerung die tschechische Staatsbürgerschaft verliehen.<ref>''Der Wendepunkt'', S.&nbsp;413&nbsp;f.</ref> Am 28.&nbsp;September wurde er aus dem amerikanischen Armeedienst in Ehren entlassen. Es folgten wechselnde Aufenthalte in Rom, Amsterdam, New York und Kalifornien. Im Herbst 1945 war sein erstes Projekt nach dem Krieg als freier Schriftsteller die Mitarbeit am Drehbuch von [[Roberto Rossellini]]s neorealistischem Film ''[[Paisà]]''. Die von ihm geschriebene Episode ''The Chaplain'' wurde jedoch stark verändert umgesetzt und im Vorspann des Films sein Name nicht genannt. 1945/46 entstand das Drama ''Der siebente Engel'', ein Stück, das Geisterglauben und Spiritismus kritisierte, das jedoch nie aufgeführt wurde. === Nachkriegszeit und Tod === In Deutschland konnte Klaus Mann nicht mehr heimisch werden; er erkannte früh die dort herrschende Atmosphäre der Verdrängung. In einem englischsprachigen Vortrag im Jahr 1947 formulierte er resigniert: „''Yes, I felt a stranger in my former fatherland. There was an abyss which separated me of those who used to be my countrymen. Wherever I went in Germany, the […] nostalgic Leitmotiv followed me: ‚You can’t go home again!‘“''<ref>Armin Strohmeyr: ''Klaus Mann'', S.&nbsp;140.</ref> – ''„Ja, ich fühlte mich wie ein Fremder in meinem Vaterland. Ein Abgrund trennte mich von meinen früheren Landsleuten. Wo auch immer ich in Deutschland war, begleitete mich das […] nostalgische Leitmotiv: ‚Es gibt keine Rückkehr!‘“'' Ab 1948 lebte Klaus Mann erneut längere Zeit in [[Pacific Palisades]], Kalifornien, im Haus des Vaters, von dem er finanziell abhängig war. Am 11.&nbsp;Juli unternahm er einen Suizidversuch, von dem die Öffentlichkeit erfuhr. Er verließ das Elternhaus und wohnte bei verschiedenen Freunden. Im August verschaffte ihm sein Freund Fritz Landshoff eine Anstellung als Lektor in dem 1948 fusionierten ''[[Gottfried Bermann Fischer|Bermann-Fischer/Querido Verlag]]'' in Amsterdam, wo er jedoch nur wenige Monate blieb. Zunehmend hatte er Schreibschwierigkeiten. Wie er seinem Freund Herbert Schlüter mitteilte, fiele ihm das Schreiben ''„schwerer als in den flotten Kindertagen. Damals hatte ich ‚eine‘ Sprache, in der ich mich recht flink auszudrücken vermochte; jetzt stocke ich in zwei Zungen. Im Englischen werde ich wohl nie ‚ganz‘ so zuhause sein, wie ich es im Deutschen ‚war‘ – aber wohl nicht mehr ‚bin‘ …“''<ref>''Briefe und Antworten 1922–1949'', S.&nbsp;603.</ref> Er befürchtete, als Autor nicht mehr gefragt zu sein. So entmutigte ihn die Absage von Georg Jacobi, Geschäftsführer des [[Langenscheidt Verlag]]s, eine bereits vertraglich vereinbarte Neuausgabe des ''Mephisto'' zu veröffentlichen, mit der Begründung: ''„denn Herr Gründgens spielt hier eine bereits sehr bedeutende Rolle.“''<ref>''Briefe und Antworten'', S.&nbsp;798.</ref> Sein Tagebuch des Jahres 1949 hatte er mit den Worten begonnen: ''„I am not going to continue these notes. I do not wish to survive this year“'' – ''„Ich werde diese Notizen nicht weiterführen. Ich wünsche nicht, dieses Jahr zu überleben.“''<ref>Uwe Naumann: ''Klaus Mann'', Reinbek 2006, S.&nbsp;149.</ref> Eine weitere schwere Enttäuschung hatte er im Frühjahr erlitten, denn zur Veröffentlichung der gerade fertig gestellten überarbeiteten und erweiterten Fassung des ''Wendepunkts'' in deutscher Sprache erhielt er vom Querido Verlag, der nach der Fusion unter Gottfried Bermann Fischers Leitung stand, nur ausweichende Briefe. Tatsächlich erschien ''Der Wendepunkt'' postum erst auf Drängen von Thomas Mann im Jahr 1952 in Deutschland. Anfang April zog er in die Pension Pavillon Madrid in Cannes, um an seinem letzten, unvollendeten Roman ''The Last Day'' zu arbeiten, der das Thema Suizid als Reaktion auf eine unvollkommene Welt behandelt. Vom 5.&nbsp;bis zum 15.&nbsp;Mai verbrachte er einige Tage zu einer Entgiftungskur in einer Klinik in [[Nizza]]. Am 21.&nbsp;Mai 1949 starb er nach einer [[Überdosis]] [[Schlaftablette]]n in Cannes. Tags zuvor hatte er noch Briefe an [[Hermann Kesten]] und an seine Mutter und Schwester geschrieben, in denen er von Schreibschwierigkeiten, Geldproblemen und deprimierendem Regenwetter berichtete. Gleichzeitig erwähnte er geplante Aktivitäten für den Sommer. Ein Zusammenspiel verschiedener Umstände und Ursachen wie der latent vorhandene Todeswunsch, politische und persönliche Enttäuschungen und aktuelle äußere Umstände trieb Klaus Mann in den Freitod.<ref>Uwe Naumann: ''Ruhe gibt es nicht, bis zum Schluß'', S.&nbsp;326.</ref> Klaus Mann wurde in Cannes auf dem [[Cimetière du Grand Jas]] beigesetzt. Als einziger aus der Familie nahm sein Bruder Michael an der Beerdigung teil. Er spielte am Grab auf seiner Bratsche ein ''Largo'' von [[Benedetto Marcello]].<ref>Nicole Schaenzler: ''Klaus Mann''. S.&nbsp;520.</ref> Seine Eltern und Erika befanden sich auf einer europäischen Vortragsreise in Stockholm, als die Todesnachricht sie erreichte. Sie beschlossen gemeinsam, die Reise nicht abzubrechen, aber gesellschaftlichen Anlässen fernzubleiben. In seinen Grabstein ließ Erika Mann – in englischer Sprache – ein Zitat aus dem [[Lukas-Evangelium]] meißeln: ''„For Whosoever Will Save His Life Shall Lose It. But Whosoever Will Lose His Life […] The Same Shall Find It.“'' – ''„Denn wer sein Leben erhalten will, der wird es verlieren; wer aber sein Leben verliert […], der wird’s erhalten.“''<ref>Kap.&nbsp;9, Vers&nbsp;24.</ref> Diese Worte hatte Klaus Mann als Motto seines letzten und nur als Fragment vorhandenen Romans ''The Last Day'' gewählt. Ein Jahr später erschien, von Erika Mann herausgegeben, das Buch ''Klaus Mann zum Gedächtnis'' mit einem Vorwort des Vaters und Beiträgen von Freunden, unter ihnen [[Max Brod]], [[Lion Feuchtwanger]] und Hermann Kesten. == Zum Werk == Klaus Manns Biograf und Chronist Uwe Naumann bemerkt im Vorwort seines Bild- und Dokumentarbandes ''Ruhe gibt es nicht, bis zum Schluß'' zu Klaus Manns gegensätzlichen Facetten: „In mancher Hinsicht war er seiner Zeit voraus, indem er Konventionen brach und Regeln verletzte. […] So modern und aktuell er auf der einen Seite wirkt – so stark war er doch auch vielen Traditionen verhaftet. In mancher Hinsicht war und blieb Klaus Mann ein Abkömmling des 19.&nbsp;Jahrhunderts. […] Die stilistischen Mittel zum Beispiel, deren sich Klaus Mann in seinen literarischen Werken bediente, waren oft erstaunlich konventionell; und das wortreiche Pathos, das sich in vielen seiner Schriften findet, ist uns Nachgeborenen mittlerweile eher fremd. Es war nicht seine Sache, lakonisch zu formulieren; und es wäre ihm wohl nicht einmal in den Sinn gekommen, darin etwas Unzeitgemäßes zu sehen“. Naumann weist darauf hin, dass die gedruckten Schriften Klaus Manns über 9000 Druckseiten umfassen.<ref> ''Ruhe gibt es nicht, bis zum Schluß'', S.&nbsp;15–17.</ref> === Die Theaterstücke === Bereits die Theateraufführungen des „Laienbundes deutscher Mimiker“ ab 1919 zeugen von Klaus Manns Theaterbegeisterung und seiner Freude an der Selbstdarstellung vor dem Publikum. Theater faszinierte ihn, da er einen engen Zusammenhang sah zwischen Exhibitionismus und der künstlerischen Begabung, „die tiefe Lust jedes artistischen Menschen am Skandal, an der Selbstenthüllung; die Manie zu beichten,“ wie er in ''Kind dieser Zeit'' schrieb. Insgesamt hat Klaus Mann sechs Theaterstücke geschrieben, die allerdings selten oder nie aufgeführt wurden. Sein Roman ''Mephisto'', der ein Theaterthema kritisch betrachtet, wurde jedoch sehr bekannt. Zu Manns ersten veröffentlichten literarischen Arbeiten zählen die Stücke ''[[Anja und Esther]]'' (1925) sowie ''Revue zu Vieren'' (1926); beide Stücke zeigen Pubertätsprobleme auf und die verzweifelte Suche nach Orientierung. Die Aufführungen erregten großes öffentliches Aufsehen und führten zu Skandalen, da die Darstellung von homosexuellen und anderen ungewöhnlichen Liebesbeziehungen die konservative Öffentlichkeit provozierte. Den schlechten Kritiken zum Trotz war Klaus Mann der Presserummel „als Reklame willkommen“. Sowohl ''Anja und Esther'' als auch ''Revue zu Vieren'' weisen eine pathetische Ausdrucksweise und eine nicht ausgereifte Dramaturgie auf. ''Anja und Esther'' wurde noch als Kuriosität belächelt, während ''Revue zu Vieren'' scharf kritisiert wurde.<ref>Klaus Mann: ''Der siebente Engel'', Nachwort, S.&nbsp;419&nbsp;ff.</ref> ''Gegenüber von China'', sein drittes Theaterstück, das 1930 in Bochum Premiere hatte, spielt in einem amerikanischen College und verarbeitete Reiseeindrücke aus ''Rundherum''. Das vierte Stück, ''Geschwister'', ist eine Dramatisierung nach Motiven des Romans ''Les Enfants terribles'' von Cocteau. ''Geschwister'', das ein [[Inzest]]thema zum Inhalt hat, erwies sich als gelungene Adaption des Cocteau-Romans; jedoch geriet auch diese Aufführung zum Skandal. Tenor der Kritik: Das Stück sei „eine privatim sicherlich echt empfundene Arbeit“, aber es stelle einen „extravaganten Einzelfall“ dar, nicht ein gesellschaftliches Symptom.<ref>''Der siebente Engel'', Nachwort, S.&nbsp;427–430.</ref> Das Bühnenmanuskript von ''Athen'', geschrieben unter dem Pseudonym Vincenz Hofer, lag Ende 1932 als Bühnenmanuskript vor, wurde aber kurz vor der Machtergreifung nicht mehr aufgeführt. Zehn Jahre später konzipierte Mann sein letztes Theaterstück unter dem Titel ''The Dead Don’t Care''; er überarbeitete es im Jahr 1946 und gab ihm den Titel ''Der siebente Engel''. Es wurde ebenfalls nie aufgeführt, wurde aber anlässlich Manns 100.&nbsp;Geburtstag Anfang 2007 in einer Urlesung in Hamburg vorgetragen. === Romane, Autobiografien, Erzählungen === [[Datei:Klaus Mann Mephisto verkauft.jpg|miniatur|hochkant|Verlagseinband der Erstausgabe von ''Mephisto'' im [[Querido Verlag]], Amsterdam 1936]] Klaus Mann verfasste sieben Romane und zwei Autobiografien. Von Hermann Kesten stammt die treffende Bemerkung, Klaus Mann habe in seinen Romanen oft mehr von sich enthüllt als in seinen Autobiografien. In der Tat sind die Autobiografien ''Kind dieser Zeit'' und ''Der Wendepunkt'' […] in erster Linie als literarische Texte zu lesen. […] Das Schlusskapitel des ''Wendepunkts'' zum Beispiel […] enthält keineswegs echte Briefschaften, sondern fiktive Korrespondenz: literarisch überformte Texte, die erst Jahre nach den angegebenen Briefdaten entstanden sind.<ref>''Ruhe gibt es nicht, bis zum Schluß'', S.&nbsp;15.</ref> Die erste Buchpublikation, die 1925 erschien, war der Titel ''Vor dem Leben'', ein Band mit Erzählungen. Im gleichen Jahr folgte ''Der fromme Tanz'', einer der ersten Romane mit autobiographisch geprägten homosexuellen Verweisen. Nach dem gemeinsam mit Erika Mann verfassten Reisebuch ''Rundherum'' im Jahr 1929 wurde im gleichen Jahr ''Alexander. Roman der Utopie'' veröffentlicht, beide erschienen erstmals im [[S. Fischer Verlag]], dem Verlag seines Vaters Thomas Mann. 1932 erschien ''Treffpunkt im Unendlichen'', ein Roman, in dem er erstmals die Technik des [[Bewusstseinsstrom]]s anwendet, inspiriert von [[James Joyce]] und [[Virginia Woolf]]. Der erste im Exil bei Querido, Amsterdam, veröffentlichte Roman war 1934 ''Flucht in den Norden'', gefolgt von dem Tschaikowsky-Roman ''Symphonie Pathetique'' (1935). Sein bekanntester Roman ''Mephisto. Roman einer Karriere'' folgte ein Jahr später. Zugleich mit ''Escape to Life'' wurde 1939 sein letzter Roman veröffentlicht, der Emigrantenroman ''Der Vulkan''. Die Erzählungen wie ''Vor dem Leben'' sind heute in dem Sammelband ''Maskenscherz. Die frühen Erzählungen'' enthalten, die späten, in denen beispielsweise ''Vergittertes Fenster'' aufgenommen wurde, finden sich in ''Speed. Die Erzählungen aus dem Exil''. === Essays === Die Essays aus den literarischen Zeitschriften ''Die Sammlung'' und ''Decision'' sowie Reden und Kritiken als auch bisher unveröffentlichte Texte wurden ab 1992 in den Sammelbänden ''Die neuen Eltern'', ''Zahnärzte und Künstler'', ''Das Wunder von Madrid'', ''Zweimal Deutschland'' und ''Auf verlorenem Posten'' zusammengefasst. Die Themen reichen weit gefasst von literarischen Porträts, antifaschistischen Texten bis hin zu politischen und ästhetischen Auseinandersetzungen. Sein letzter Essay ''Europe’s Search for a New Credo'' erschien wenige Wochen nach seinem Tod Mitte Juni in der New Yorker Zeitschrift „Tomorrow“, einen Monat später in Erika Manns Übersetzung unter dem Titel ''Die Heimsuchung des europäischen Geistes'' in der Zürcher „Neuen Rundschau“. Er konstatierte dort die „Dauerkrise des Jahrhunderts“, die die Zivilisation in ihren Grundfesten erschüttere und rief die Intellektuellen und Künstler zum gemeinsamen Freitod auf: {{Zitat|Hunderte, ja Tausende von Intellektuellen sollten tun, was [[Virginia Woolf]], [[Ernst Toller]], [[Stefan Zweig]], [[Jan Masaryk]] getan haben. Eine Selbstmordwelle, der die hervorragendsten, gefeiertsten Geister zum Opfer fielen, würde die Völker aufschrecken aus ihrer Lethargie, so daß sie den tödlichen Ernst der Heimsuchung begriffen, die der Mensch über sich gebracht hat durch seine Dummheit und Selbstsucht[.]<ref>Nicole Schaenzler: ''Klaus Mann'', S.&nbsp;515&nbsp;ff.</ref>}} === Tagebücher, Briefe === Die Existenz seiner Tagebücher wurde erst im Jahr 1989 bekannt. Seit 1991 liegt die von Eberhard Spangenberg erstmals in Auszügen veröffentlichte und vom Rowohlt Verlag übernommene sechsbändige Ausgabe geschlossen vor. Sie bietet nicht nur aufschlussreiche Informationen über Klaus Mann, sondern legt auch Zeugnis ab über die Literatur- und Zeitgeschichte bis zur Mitte des 20.&nbsp;Jahrhunderts. In den Tagebüchern – anders als in seinen Autobiografien – notierte Klaus Mann die Eindrücke von Menschen, Büchern und Ereignissen offen und schonungslos, sie stellen daher einen großen dokumentarischen Wert dar. Sie geben auch unverstellt Auskunft über sein Liebesleben, die Drogensucht, den kaum zu beherrschenden Todeswunsch, seine Hoffnungen, Träume und Alpträume und die schwierige Beziehung zum Vater. Die Tagebücher selbst bleiben bis 2010 für die Öffentlichkeit gesperrt.<ref>Uwe Naumann (Hrsg.): ''Ruhe gibt es nicht, bis zum Schluß'', S.&nbsp;14&nbsp;f.</ref> In der Veröffentlichung von ''Klaus Mann – Briefe und Antworten 1922–1949'' dokumentieren 362 Briefe von Klaus Mann und 99 Antworten in der Korrespondenz mit der Familie und Freunden Klaus Mann im Kontext seiner Zeit und Persönlichkeit; ein Beispiel ist der Briefwechsel mit anderen Schriftstellern wie [[Lion Feuchtwanger]], [[Hermann Hesse]] und Stefan Zweig. Das Herzstück des Briefwechsels ist jedoch die Korrespondenz mit dem Vater, Thomas Mann. == Rezeption == {{Zitat|''Du weißt doch, Papa, Genies haben niemals geniale Söhne, also bist du kein Genie.''|[[Thomas Theodor Heine|Th. Th. Heine]]|Bildlegende zu einer Karikatur von Klaus und Thomas Mann im [[Simplicissimus]] vom 9.&nbsp;November 1925.<ref>Uwe Naumann: Ruhe gibt es nicht, bis zum Schluß, S.&nbsp;72.</ref>}} === Wirkung zu Lebzeiten === Als die Freundschaft zu Klaus Mann noch bestand, schrieb Gustaf Gründgens um 1925 in ''Der Freihafen'': „Die jüngere Generation hat in Klaus Mann ihren Dichter gefunden. Dies sei vor allem festgestellt. […] Lieben muß man vor allem den Dichter dieser Menschen, der seine Gestalten so beseelt und leidvoll durch das erregende Stück [''Anja und Esther''] sendet und sie nicht – wie die meisten Propheten heute – mitten im Schlamassel sitzen läßt, sondern mit hilfreicher Hand zur Klarheit führt. Und das ist das Wesentliche an Klaus Mann: Er ist nicht nur ein Schilderer der neuen Jugend, er ist vielleicht berufen, ihr Wegweiser zu werden.“<ref>Uwe Naumann: Klaus Mann'', S.&nbsp;166.</ref> Literarische Zeitgenossen in Deutschland sparten nicht mit Kritik an Klaus Manns frühen Werken, in denen er sich als Sprecher der Jugend darstellen wollte: „Ein Drama von [[Arnolt Bronnen|Bronnen]], ein Roman von Klaus Mann – das gleicht einander wie ein geplatztes Kloakenrohr dem anderen“, stichelte ''Die Schöne Literatur''. [[Axel Eggebrecht]] bezeichnete ihn als Führer einer „Gruppe von impotenten, aber arroganten Knaben“ und gab den Rat, „uns […] fünf Jahre lang in Ruhe zu lassen.“ [[Bertolt Brecht]] nannte „Kläuschen“ Mann ein „stilles Kind, das wieder im Mastdarm des seligen Opapa spielt“, und [[Kurt Tucholsky]] äußerte: „Klaus Mann hat sich bei der Verfassung seiner hundertsten Reklamenotiz den Arm verstaucht und ist daher für die nächsten Wochen am Reden verhindert.“ Selbst als Klaus Mann als einer der ersten den antifaschistischen Weg beschritt, verstummten die kritischen Stimmen nicht. Bisher wenig in Selbstkritik geübt, nahm Mann sich einige Vorwürfe zu Herzen und lernte in den nächsten Jahren konsequenter und theoretisch fundierter zu formulieren.<ref>Nicole Schaenzler: ''Klaus Mann'', S.&nbsp;108&nbsp;ff.</ref> Klaus Manns erste Autobiografie aus dem Frühjahr 1932, ''Kind dieser Zeit'' – der Autor war gerade 25 Jahre alt – schildert die Zeit von 1906 bis 1926. In diesem Werk wird ein Schritt zur Wandlung des Autors vom jungen [[Dandy]] zum gesellschaftskritischen Schriftsteller vollzogen. Der ebenfalls 1932 erschienene Roman ''Treffpunkt im Unendlichen'' war von diesem neuen Ansatz geprägt. Der Einfluss moderner Romane wie die von [[James Joyce]], André Gide und [[Virginia Woolf]] beeinflussten Mann, diesen Roman mit verschiedenen parallel verlaufenden Handlungssträngen anzulegen. Er ist damit einer der ersten modernen Bildungs- und Entwicklungsromane im deutschsprachigem Raum neben [[Alfred Döblin]]s ''[[Berlin Alexanderplatz (Roman)|Berlin Alexanderplatz]]'' (1929) und [[Hans Henny Jahnn]]s ''[[Perrudja]]'' (1929).<ref>Armin Strohmeyr: ''Klaus Mann'', S.&nbsp;55&nbsp;f.</ref> Der Schriftsteller [[Oskar Maria Graf]] traf Klaus Mann 1934 auf dem 1.&nbsp;Allunionskongress in Moskau und beschrieb ihn in seinem Werk ''Reise in die Sowjetunion 1934'': „Sauber, wie aus dem Ei gepellt, lässig, elegant gekleidet, schlank und rank sozusagen, mit einem gescheiten, rassigen Gesicht, mit nervösen Bewegungen und einer auffallend schnellen Aussprache. Alles an ihm schien ein bißchen manieriert, aber es wurde abgedämpft durch einen klug witternden Geschmack. Der ganze Mensch hatte etwas Ruheloses, überhitzt Intellektuelles und vor allem etwas merkwürdig Unjugendliches.“ Zu den Werken Manns äußerte er sich eher kritisch: „Was ich bisher von ihm gelesen hatte, verriet die unverarbeitete Stiltradition, die er vom Vater und teilweise von Heinrich Mann übernommen hatte, alles war noch wenig eigen, zwar untadelhaft, aber kernlos. Nur in dem leichthingeschriebenen Reisebuch ''Rundherum'' fand ich bis jetzt eine angedeutete Selbstständigkeit“.<ref>Nicole Schaenzler: ''Klaus Mann'', S.&nbsp;307.</ref> Zur Veröffentlichung von Manns Roman ''Der Vulkan. Roman unter Emigranten'' im Jahr 1939, den der Autor für sein bestes Buch hielt, schrieb [[Stefan Zweig]], der ebenfalls im Exil lebte: „Lieber Klaus Mann, ich habe noch ein persönliches Gefühl bei diesem Buch – als ob Sie sich dabei und dadurch selbst immunisiert und gerettet hätten. Lese ich richtig, so haben Sie es gegen ein früheres Selbst, gegen innere Unsicherheiten, Verzweiflungen, Gefährdungen geschrieben: So erklärt sich mir seine Gewalt. Es ist eben kein beobachtetes Buch, […] sondern ein erlittenes. Man spürt das.“<ref>Briefe und Antworten 1922–1949. S.&nbsp;385&nbsp;f.</ref> Klaus Mann war einer der wenigen deutschen Emigranten, die im Exil größere Werke in englischer Sprache schrieben. Seine ersten englischen Erzählungen wurden noch von seinem Freund [[Christopher Isherwood]] sprachlich und stilistisch überarbeitet. Nach dem zu Lebzeiten nicht veröffentlichten Werk ''Distinguished Visitors'' verfasste er seine zweite Autobiografie ''The Turning Point'' komplett auf Englisch. Der Titel bezieht sich auf Manns Ansicht, jeder Mensch habe an bestimmten Lebenspunkten die Möglichkeit, sich für das eine oder andere zu entscheiden und damit seinem Leben eine bestimmende Wendung zu geben. In seinem Leben war das die Wandlung vom ästhetisch-verspielten zum politisch engagierten Autor.<ref>Armin Strohmeyr: ''Klaus Mann'', S.&nbsp;127.</ref> Die amerikanische Presse nahm den ''Turning Point'' wohlwollend auf, so schrieb [[New York Tribune|The New York Herald Tribune]] im Oktober 1942: „Fiele nicht gelegentlich eine unangebrachte umgangssprachliche Wendung in die geschliffene Prosa, schmeckte man nicht einen deutschen Hauch in seinem [[Transzendentalismus]], hätte ''The Turning Point'' durchaus von einem amerikanischen Schriftsteller geschrieben worden sein können, der die zwanziger Jahre in Paris verbracht hatte, um zum sozialen Bewußtsein und zur Front gegen den Faschismus nach Hause zurückzukehren. Das ist eine Art Zeugnis für die internationale Sehweise, die Überwindung der nationalen Grenzen, die der Autor in den Schlussseiten des Buches für das einzige Ziel erklärt, das zählt.“ Die Verkaufszahlen entsprachen jedoch nicht den glänzenden Kritiken, sie konnten „keine Käufer für das Buch gewinnen,“ wie Thomas Mann bedauernd an [[Curt Riess]] schrieb.<ref>Nachwort in ''Der Wendepunkt'', S.&nbsp;865&nbsp;f.</ref> === Klaus Mann – ein moderner Autor === Aufgrund starker Einflussnahme von Thomas Mann auf Gottfried Bermann Fischer, Thomas Manns Verleger, erschien ''Der Wendepunkt'' postum im Jahr 1952 erstmals im [[S. Fischer Verlag]]. Diese Autobiografie ist ein wichtiges Zeitdokument über die Literatur- und Kunstszene im Deutschland der 1920er Jahre und das Leben der deutschen Intellektuellen während des Exils im Zweiten Weltkrieg. Die Neuentdeckung Klaus Manns nach dem Zweiten Weltkrieg ist jedoch seiner Schwester Erika zu verdanken. Sie fand in [[Berthold Spangenberg]] den Verleger und in [[Martin Gregor-Dellin]] den Herausgeber für die Neuveröffentlichung der ersten Klaus-Mann-Werkausgabe in Einzelausgaben in der ''Nymphenburger Verlagshandlung'', ab 1974 in der ''edition spangenberg'' im ''[[Verlag Heinrich Ellermann]]''. Die Neuausgaben erschienen zwischen 1963 und 1992. Als erster Band erschien im Herbst&nbsp;1963 und damit 34&nbsp;Jahre nach der Erstveröffentlichung ''Alexander. Roman der Utopie''. Später setzte der [[Rowohlt Verlag]] diese Aufgabe fort. Die öffentliche Anerkennung seiner Leistungen erfolgte erst nach 1981, als ''Mephisto'' in Westdeutschland trotz des hier noch bestehenden Druckverbots in einer Neuausgabe erschien und innerhalb von zwei Jahren eine halbe Million Exemplare gedruckt wurden. Heute gehört der Roman zur klassischen Schullektüre. Der erfolgreichen Neuausgabe vorausgegangen war 1979 die dramatisierte Fassung von [[Ariane Mnouchkine]] im Pariser ''Théâtre du Soleil'', und es folgte 1981 die Verfilmung des [[Mephisto (Film)|Mephisto]] von [[István Szabó]]; beide [[Adaption (Literatur)|Adaptionen]] waren sehr erfolgreich. Inzwischen sind Klaus Manns gesamte schriftstellerische Arbeiten und nahezu umfassend die private Korrespondenz sowie die persönlichen Aufzeichnungen publiziert worden. Uwe Naumann, Herausgeber zahlreicher Erstveröffentlichungen aus dem Nachlass Klaus Manns und Biograf, schrieb zum 100.&nbsp;Geburtstag des Autors in der [[Die Zeit|Zeit]] am 16.&nbsp;November 2006: „Als sich Klaus Mann im Frühjahr 1949 verbittert und vereinsamt das Leben nahm, hätte er sich kaum träumen lassen, dass er Jahrzehnte später geradezu eine Kultfigur werden würde, vor allem für junge Menschen. Woher rührt die Faszination? Über eine seiner Romanfiguren, die Schauspielerin Sonja in ''Treffpunkt im Unendlichen'' (1932), hat Klaus Mann einmal gesagt, sie sei ''dazu verurteilt, hautlos durch dieses Treiben zu gehen'', durch das zugleich grauenhafte und verlockende Leben der großen Städte. Die Charakterisierung passt auch auf ihn selbst: Seltsam unbehaust und ungeschützt hat er sein Leben gelebt, ständig unterwegs und ruhelos schweifend. ''Der Wendepunkt'' endet mit den Sätzen: ''Ruhe gibt es nicht, bis zum Schluß. Und dann? Auch am Schluß steht noch ein Fragezeichen.'' Vielleicht macht gerade die Zerrissenheit und Fragilität seiner Existenz seine verblüffende Modernität aus.“ Unter der Überschrift „Was bleibt von Klaus Mann“ resümierte der Medienwissenschaftler und Autor Heribert Hoven anlässlich Klaus Manns 100.&nbsp;Geburtstags: […] „Wie nur wenige repräsentiert er den typischen Intellektuellen der ersten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts. Bis heute fehlen seine Erfahrungen schmerzlich. Sie sind indes einholbar in seinem nachgelassenen Werk, das im Rowohlt Verlag vorzüglich ediert vorliegt. Wir haben seine Stimme vermisst beim demokratischen Neuanfang im Nachkriegsdeutschland. Mit Sicherheit hätte er in [[Konrad Adenauer|Adenauers]] Greisenstaat und darüber hinaus noch einmal seine Kämpfernatur gegen die Spießbürgeridylle und für ein Bürgertum entfaltet, das in der Welt zuhause ist. Erst recht in den 60er-Jahren hat er gefehlt, als eine idealistische Jugend erneut Tabubruch und Weltrevolution auf die Tagesordnung setzte.“<ref>{{internetquelle|autor=Heribert Hoven|hrsg=literaturkritik.de|url=http://www.literaturkritik.de/public/rezension.php?rez_id=10117&ausgabe=200611|titel=Lebenskünstler mit Hang zum Tod – Klaus Mann zum hundertsten Geburtstag|datum=November 2006|zugriff=11. Mai 2008}}</ref> === Kritik === Klaus Mann wurde häufig wegen seines hohen Schreibtempos kritisiert. So entstanden zahlreiche Flüchtigkeitsfehler in manchen Werken. Beispielsweise war es ein Kritikpunkt [[Hermann Hesse]]s an dem Roman ''[[Treffpunkt im Unendlichen]]'', dass der Protagonist Sebastian im Hotelzimmer Nummer Elf wohne, kurz darauf sei es die Nummer Zwölf gewesen.<ref> ''Neue Rundschau, Mai 1933 (Jg.&nbsp;64, H.&nbsp;5, S.&nbsp;698–700)</ref> Thomas Mann äußerte zu dem Schreibtempo seines Sohnes, er habe „zu leicht und zu rasch“ gearbeitet, „was die mancherlei Flecken und Nachlässigkeiten in seinen Büchern erklärt“.<ref>Thomas Mann: ''Briefe 1948–1955 und Nachlese'', S.&nbsp;91&nbsp;f.</ref> In seinem Werk, als dessen Mittelpunkt seine Romane ''Symphonie Pathétique'', ''Mephisto'' und ''Der Vulkan'' gelten, finden sich häufig autobiografische Bezüge, was ihm den Vorwurf des [[Exhibitionismus]] einbrachte. [[Marcel Reich-Ranicki]] schrieb dazu: „In allem, was Klaus Mann geschrieben hat, fällt auf, wie stark von früher Jugend an sein Bedürfnis war, Bekenntnisse und Geständnisse abzulegen, wie sehr er sich immer wieder zur Selbstbeobachtung, Selbstanalyse und Selbstdarstellung gedrängt fühlte. […] Fast alle seine Romane und Novellen enthalten deutliche und in der Regel nur flüchtig getarnte Beiträge zu seinen Autoporträts. […] er hatte offenbar nie Hemmungen, seine eigenen Sorgen und Komplexe ganz ohne Umschweife in die Figuren seiner Helden zu projizieren“.<ref>Marcel Reich-Ranicki: ''Thomas Mann und die Seinen'', S.&nbsp;192&nbsp;f.</ref> Nicole Schaenzler hebt in ihrer Biografie über Klaus Mann seine Bindungsängste hervor: „Die vielen gescheiterten (Liebes-)Beziehungen und offensichtlichen Partnerverfehlungen auf der einen, die hingebungsvolle, teils mit großem Kraftaufwand betriebene Beschäftigung mit Personen, die ihn wie André Gide, René Crevel und – besonders gravierend – wie der eigene Vater konsequent auf Abstand hielten, auf der anderen Seite – dahinter verbirgt sich auch das Drama eines zutiefst bindungsängstlichen Menschen, der Zuneigung und Liebe vor allem ex negativo erlebt hat. Wer sich in einem solchen Teufelskreis der widerstreitenden Gefühle von Sehnsucht und Abwehr befindet, wer die Preisgabe seines Innersten so sehr fürchtet, dass er sich lieber gar nicht erst auf eine tiefere Beziehung einläßt, der wird über kurz oder lang die Vermeidung eines echten emotionalen Engagements zur einzig möglichen (Lebens-)Strategie erheben. Dabei erwächst dieses Verhaltensmuster zweifellos aus der – unbewussten – Furcht, verkannt, verletzt und verraten zu werden. […] Gut möglich, dass diese (selbst-)zerstörerische Vermeidungsstrategie nicht zuletzt die Konsequenz frühkindlicher Erfahrungen und einer schwierigen Eltern-Sohn-Konstellation war.“<ref>Nicole Schaenzler: ''Klaus Mann'', S.&nbsp;144&nbsp;f.</ref> === Klaus Manns Suizid === Seit frühester Jugend wurde Klaus Mann von dem Gefühl der Einsamkeit und von Todessehnsucht beherrscht. Der Tod wurde von ihm in privaten Aufzeichnungen und in seiner Arbeit ästhetisiert und zugleich glorifiziert. Reich-Ranicki führt dies auf persönliche Umstände zurück, denn „[e]r war homosexuell. Er war süchtig. Er war der Sohn Thomas Manns. Also war er dreifach geschlagen.“<ref>''Thomas Mann und die Seinen'', S.&nbsp;202.</ref> Andere Erklärungsversuche sehen Klaus Manns Todessehnsucht und damit seinen Freitod besonders in äußeren Umständen begründet, so schrieb [[Kurt Sontheimer]] am 11.&nbsp;August 1990 in der ''[[Die Welt|Welt]]'': „Klaus Mann hat sich durch seinen Freitod von den geistigen Kämpfen seiner Zeit verabschiedet – zu früh. Aber er hat gerade mit seiner Person ein großes Beispiel für den Glauben an den europäischen Geist gegeben, das uns heute ein Vorbild sein kann.“ Heinrich Mann resümierte gleichermaßen, sein Neffe Klaus sei „von dieser Epoche getötet“ worden,<ref>Heinrich Mann: ''Briefe an Karl Lemke und Klaus Pinkus'', Hamburg o.&nbsp;J.</ref> und Thomas Manns Fazit lautete: „Er starb gewiß auf eigene Hand und nicht um als Opfer der Zeit zu posieren. Aber er war es in hohem Grade.“<ref>Thomas Mann: ''Reden und Aufsätze 3'', S.&nbsp;514.</ref> Golo Mann betonte den latent vorhandenen Todeswunsch des Bruders in seinen ''Erinnerungen an meinen Bruder Klaus'': „Eine Reihe heterogener Ursachen, Kummer über Politik und Gesellschaft, Geldnot, Mangel an Echo, Drogenmissbrauch addieren sich, aber summieren sich nicht zu dem Ganzen, welches hier der Tod war. Die Neigung zum Tod war in ihm gewesen von Anfang an, er hatte nie alt werden können oder wollen, er war am Ende; günstigere Bedingungen im Moment hätten sein Leben verlängert, jedoch nur um ein geringes Stück. Damit wird nichts erklärt, nur etwas festgestellt.“<ref>{{internetquelle|autor=Helmut Söring|hrsg=Hamburger Abendblatt|url=http://www.abendblatt.de/daten/2006/11/15/639587.html|titel=Klaus Mann – die Tragödie eines Sohnes|datum=15. November 2006|zugriff=11. Mai 2008}}</ref> == Werke == === Romane === * ''[[Der fromme Tanz]]. Das Abenteuerbuch einer Jugend.'' Enoch Verlag, Hamburg 1925, erw. Neuausgabe Rowohlt Verlag, Reinbek 2004, ISBN 3-499-23687-7 * ''[[Alexander. Roman der Utopie]]''. S.&nbsp;Fischer Verlag, Berlin 1929, erw. Neuausgabe Rowohlt Verlag, Reinbek 2006, ISBN 3-499-24412-8 * ''[[Treffpunkt im Unendlichen]]''. S.&nbsp;Fischer Verlag, Berlin 1932, Neuausgabe Rowohlt Verlag, Reinbek 1998, ISBN 3-499-22377-5 * ''[[Flucht in den Norden]]''. Querido Verlag, Amsterdam 1934, erw. Neuausgabe Rowohlt Verlag, Reinbek 2003, ISBN 3-499-23451-3 * ''[[Symphonie Pathétique]]. Ein Tschaikowsky-Roman''. Querido Verlag, Amsterdam 1935, erw. Neuausgabe Rowohlt Verlag, Reinbek 1999, ISBN 3-499-22478-x * ''[[Mephisto (Roman)|Mephisto]], Roman einer Karriere''. Querido Verlag, Amsterdam 1936, Neuausgabe Rowohlt Verlag, Reinbek 1981, überarbeitete Neuausgabe 2007, ISBN 978-3-499-22748-6 * ''[[Der Vulkan]], Roman unter Emigranten''. Querido Verlag, Amsterdam 1939, überarbeitete und erw. Neuausgabe Rowohlt Verlag, Reinbek 1999, ISBN 3-499-22591-3 * ''[[The Last Day]]''. 1949 (Unveröffentlichtes Fragment) === Erzählungen, Berichte, Aufsätze === * ''Vor dem Leben'', Erzählungen. Enoch Verlag, Hamburg 1925, (heute enthalten in ''Maskenscherz. Die frühen Erzählungen'') * ''Kindernovelle'', Erzählung. Enoch Verlag, Hamburg 1926, (ebd.) * ''Rundherum. Ein heiteres Reisebuch''. (Mit Erika Mann). S.&nbsp;Fischer Verlag, Berlin 1929. Neuausgabe Rowohlt Verlag, Reinbek 1996, ISBN 3-499-13931-6 * ''Abenteuer'', Novellen. Reclam Verlag, Leipzig 1929 * ''Auf der Suche nach einem Weg'', Aufsätze. Transmare Verlag, Berlin 1931 * ''Das Buch von der Riviera oder was nicht im Baedeker steht.'' (Mit Erika Mann). Piper Verlag, München 1931. Neuausgabe Rowohlt Verlag, Reinbek 2003, ISBN 3-499-23667-2 * ''Die Sammlung. Literarische Monatsschrift.'' (Unter dem Patronat von André Gide, Aldous Huxley, Heinrich Mann herausgegeben von Klaus Mann.) Querido Verlag, Amsterdam. September 1933 – August 1935. Neuausgabe Rogner und Bernhard Verlag, München 1986 bei Zweitausendeins. Zwei Bände. ISBN 3-807-70222-9) * ''Vergittertes Fenster'', Novelle (über die letzten Tage von Ludwig II. von Bayern). Querido Verlag, Amsterdam 1937, (heute enthalten in ''Speed. Die Erzählungen aus dem Exil''). * ''Escape to Life.'' (Zusammen mit Erika Mann). Houghton Mifflin, Boston 1939. Neuausgabe Rowohlt Verlag, Reinbek 1991, ISBN 3-499-13992-8 * ''The Other Germany.'' (Zusammen mit Erika Mann), Modern Age, New York 1940 (online im ''Internet Archive'': [http://www.archive.org/details/othergermany012296mbp]) * ''Decision. A Review of Free Culture''. Ed. by Klaus Mann. New York, Januar 1941 – Februar 1942 * ''André Gide and the Crisis of Modern Thought.'' Creative Age, New York 1943, (dt.: ''Andre Gide und die Krise des modernen Denkens''). Neuausgabe Rowohlt Verlag, Reinbek 1995, ISBN 3-499-15378-5 * ''Heart of Europe. An Anthology of Creative Writing in Europe 1920–1940''. Ed. by Hermann Kesten and Klaus Mann. L.&nbsp;B.&nbsp;Fischer, New York 1943 * ''André Gide: Die Geschichte eines Europäers.'' Steinberg Verlag, Zürich 1948 * ''Die Heimsuchung des europäischen Geistes'', Essay 1948. Neuausgabe bei Transit Buchverlag 1993, ISBN 3-887-47082-6, (auch enthalten in ''Auf verlorenem Posten'', S. 523–542). === Postum veröffentlichte Erzählungen, Aufsätze, Reden und Kritiken === * Uwe Naumann (Hrsg.): ''Maskenscherz. Die frühen Erzählungen.'' Rowohlt Verlag, Reinbek 1990, ISBN 3-499-12745-8 * Uwe Naumann (Hrsg.): ''Speed. Die Erzählungen aus dem Exil.'' Rowohlt Verlag, Reinbek 1990, ISBN 3-499-12746-6. Erste vollständige Sammlung von Klaus Manns teils bislang unveröffentlichten Erzählungen aus den Jahren 1933 bis 1943. * Uwe Naumann und [[Michael Töteberg]] (Hrsg.): ''Die neuen Eltern. Aufsätze, Reden, Kritiken 1924−933.'' Rowohlt Verlag, Reinbek 1992, ISBN 3-499-12741-5. Darin enthalten ''Ricki Hallgarten – Radikalismus de Herzens'' * Uwe Naumann und Michael Töteberg (Hrsg.): ''Zahnärzte und Künstler. Aufsätze, Reden, Kritiken 1933–1936.'' Rowohlt Verlag, Reinbek 1993, ISBN 3-499-12742-3 * Uwe Naumann und Michael Töteberg (Hrsg.): ''Das Wunder von Madrid. Aufsätze, Reden, Kritiken 1936–1938.'' Rowohlt Verlag, Reinbek 1993, ISBN 3-499-12744-X * Uwe Naumann und Michael Töteberg (Hrsg.): ''Zweimal Deutschland. Aufsätze, Reden, Kritiken 1938–1942.'' Rowohlt Verlag, Reinbek 1994, ISBN 3-499-12743-1 * Uwe Naumann und Michael Töteberg (Hrsg.): ''Auf verlorenem Posten. Aufsätze, Reden, Kritiken 1942–1949.'' Rowohlt Verlag, Reinbek 1994, ISBN 3-499-12751-2 * Klaus Mann: ''Distinguished Visitors. Der amerikanische Traum'' (Erstausgabe bei der edition spangenberg 1992). Aus dem Englischen übersetzt von Monika Gripenberg, Rowohlt Verlag, Reinbek 1996, ISBN 3-499-13739-9 * Klaus Mann: ''Das zwölfhundertste Hotelzimmer. Ein Lesebuch.'' Rowohlt Verlag, Reinbek 2006, ISBN 3-499-24411-x === Theaterstücke === * ''[[Anja und Esther]].'' Theaterstück, 1925, ISBN 3-936-61809-7, (auch enthalten in ''Der siebente Engel. Die Theaterstücke'') * ''Revue zu Vieren.'' Theaterstück, 1926, (ebd.) * ''Gegenüber von China.'' Theaterstück, 1929 gedruckt, 1930 uraufgeführt, (ebd.) * ''Geschwister.'' Theaterstück nach Cocteau 1930, (ebd.) * ''Athen.'' Theaterstück, 1932, geschrieben unter dem Pseudonym Vincenz Hofer, (ebd.) * ''Der siebente Engel.'' Drama, Zürich 1946, (ebd.) Am 21.&nbsp;Januar 2007 wurde im [[Ernst Deutsch Theater]] in Hamburg ''Der siebente Engel'' in einer inszenierten (Ur-)Lesung dem Publikum vorgestellt. Dieses Stück wurde noch nie aufgeführt. * Uwe Naumann und Michael Töteberg (Hrsg.): ''Der siebente Engel. Die Theaterstücke.'' Rowohlt Verlag, Reinbek 1989, ISBN 3-499-12594-3 === Autobiografien, Tagebücher, Briefe === * ''[[Kind dieser Zeit]].'' Autobiografie. Transmare Verlag, Berlin 1932. Erweiterte Neuausgabe, Rowohlt Verlag, Reinbek 2000, ISBN 3-499-22703-7 * ''The Turning Point.'' Autobiografie. L.&nbsp;B.&nbsp;Fischer, New York 1942 (dt.: ''[[Der Wendepunkt]],'' 1952). ''Der Wendepunkt. Ein Lebensbericht.'' Erweiterte Neuausgabe, mit Textvariationen und Entwürfen im Anhang herausgegeben und mit einem Nachwort von [[Fredric Kroll]]. Rowohlt Verlag, Reinbek 2006, ISBN 3-49924409-8 * Joachim Heimannsberg (Hrsg.): ''Tagebücher 1931–1949'' (Auszüge). Rowohlt Verlag, Reinbek 1990, ISBN 3-499-13237-0. (Die Tagebücher werden im Klaus Mann Archiv der [[Monacensia]], München aufbewahrt und dürfen laut Verfügung der Familie erst ab 2010 komplett veröffentlicht werden, sind aber für die Forschung nun freigegeben.) * Golo Mann, Martin Gregor-Dellin (Hrsg.): ''Briefe und Antworten 1922–1949.'' Rowohlt Verlag, Reinbek 1991, ISBN 3-499-12784-9 === Gedichte und Chansons === ''Gedichte und Chansons''. Herausgegeben von Uwe Naumann und Fredric Kroll. Mit Radierungen von Inge Jastram. Edition Frank Albrecht, Schriesheim, 1999, ISBN 3-926-36015-1 (Erstmals werden in diesem Band sämtliche lyrische Arbeiten versammelt, darunter zahlreiche bisher unveröffentlichte Texte aus dem Nachlass; die Spannbreite reicht von den ersten Kindheitsgedichten bis hin zu den Satiren für das Kabarett „Die Pfeffermühle“ seiner Schwester Erika.) == Verfilmungen == * ''[[Mephisto (Film)|Mephisto]]'', Verfilmung von [[István Szabó]] mit [[Klaus Maria Brandauer]], 1980 * ''Treffpunkt im Unendlichen – Die Lebensreise des Klaus Mann'', Dokumentarfilm von [[Heinrich Breloer]] und [[Horst Königstein]], 1983 * ''Flucht in den Norden'', Verfilmung von Ingemo Engström, 1985/86 * ''Der Vulkan'', Verfilmung von [[Ottokar Runze]] mit [[Nina Hoss]], 1998 * ''Escape to Life – The Erika and Klaus Mann Story'', Dokumentarfilm von Andrea Weiss und [[Wieland Speck]] mit [[Maren Kroymann]] und [[Cora Frost]], 2000 * [[Die Manns – Ein Jahrhundertroman]]. Mehrteilige Fernsehverfilmung der Familiengeschichte von Heinrich Breloer und Horst Königstein, 2001 == Literatur == * Eva Chrambach und Ursula Hummel: ''Klaus und Erika Mann. Bilder und Dokumente.'' München, 1990. * Nadine Heckner und Michael Walter: ''Klaus Mann. Mephisto. Roman einer Karriere.'' Hollfeld, 2005. (''Reihe Königs Erläuterungen.'' Band 437). ISBN 3-8044-1823-6 * [[Fredric Kroll]] (Hrsg.): ''Klaus-Mann-Schriftenreihe''. 6 Bände. Blahak, Wiesbaden 1976–1996:<br />Bd. 1: Klaus Blahak (Vorrede); Fredric Kroll (Vorrede); ''Bibliographie''. 1976, 211 S.<br />Bd. 2: ''1906–1927, Unordnung und früher Ruhm''. 2006, 201 S.<br />Bd. 3: ''1927–1933, Vor der Sintflut''. 1979, 250 S.<br />Bd. 4, 1: ''1933–1937, Sammlung der Kräfte''. 1992, 389 S.<br />Bd. 4, 2: ''1933–1937, Repräsentant des Exils. 1935–1937, Im Zeichen der Volksfront''. 2006, 1093 S.<br />Bd. 5: ''1937–1942, Trauma Amerika.1985, 493 S.<br />Bd. 6: ''1943–1949, Der Tod in Cannes''. 1996, 815 S.<br />(Neuausgabe alle sechs Bände im MännerschwarmSkript Verlag, Hamburg 2006). * Uwe Naumann: ''Klaus Mann''. Überarbeitete Neuausgabe, Rowohlt Verlag, Reinbek 2006, ISBN 3-499-50695-5 * Uwe Naumann (Hrsg.): ''Ruhe gibt es nicht, bis zum Schluß. Klaus Mann (1906-1949) Bilder und Dokumente.'' Rowohlt Verlag, Reinbek, 2001, ISBN 3-499-23106-9 * Uwe Naumann: ''Die Kinder der Manns. Ein Familienalbum.'' Rowohlt Verlag, Reinbek 2005, ISBN 3-498-04688-8 * Nicole Schaenzler: ''Klaus Mann. Eine Biographie.'' Campus Verlag, Frankfurt – New York 1999, ISBN 3-593-36068-3 * [[Alexander Stephan (Germanist)|Alexander Stephan]]: ''Im Visier des FBI. Deutsche Exilschriftsteller in den Akten amerikanischer Geheimdienste.'' Metzler Verlag, Stuttgart, Weimar 1995 * Armin Strohmeyr: ''Klaus Mann.'' Deutscher Taschenbuch Verlag, München 2000, ISBN 3-423-31031-6 * Armin Strohmeyr: ''Klaus und Erika Mann. Eine Biografie.'' Reclam Verlag, Leipzig 2004, ISBN 3-379-20113-8 * Sabine Walter (Hrsg.): ''Wir sind so jung – so sonderbar (Klaus Mann und die Hamburger Kammerspiele).'' Hamburg 1999 * Bernd A. Weil: ''Klaus Mann: Leben und literarisches Werk im Exil.'' Frankfurt 1995 * Andrea Weiss: ''Flucht ins Leben. Die Erika und Klaus Mann-Story.'' Rowohlt Verlag, Reinbek 2000, ISBN 3-499-22671-5 * Rong Yang: ''Ich kann einfach das Leben nicht mehr ertragen: Studien zu den Tagebüchern von Klaus Mann 1931–1949.'' Marburg, Tectum-Verlag 1996; zugl.: Saarbrücken, Univ., Diss., 1995, (Sämtliche Freundschaften und Verhältnisse Klaus Manns, soweit aus den veröffentlichten Teilen der Tagebücher ersichtlich, werden in dieser Arbeit registriert, analysiert und kommentiert) * [[Marcel Reich-Ranicki]]: ''Thomas Mann und die Seinen.'' Fischer Verlag, Frankfurt 1990, ISBN 3-596-26951-2 *[[Carola Stern]]: ''Auf den Wassern des Lebens. Gustaf Gründgens und [[Marianne Hoppe]].'' Rowohlt Verlag, Reinbek 2007, ISBN 978-3-499-62178-9 * ''Klaus Mann zum Gedächtnis.'' Neuausgabe mit einem Nachwort von Fredric Kroll, MännerschwarmSkript Verlag, Hamburg 2003, ISBN 3-935-59620-0 * James Robert Keller: ''The Role of Political and Sexual Identity in the Works of Klaus Mann.'' Peter Lang, New York 2001, ISBN 0-820-44906-7 == Weblinks == {{commons|Klaus Mann}} {{Wikiquote|Klaus Mann}} * {{DNB-Portal|118577158}} * [http://www.initiative-literatur.de/bilder/36-Paris.jpg Foto von Klaus Mann aus dem Jahr 1936 in Paris] * [http://www.rolfs-reisen.de/hpbimg/klaus-erika.jpg Die „Mann twins“, Werbefoto aus den USA, 1927] * [http://www.br-online.de/bayern2/radiokultur/die-kinder-der-manns-DID1188596732/kinder-der-manns-klaus-mann-tragisch-ID661188596704.xml Klaus Mann] Dossier des Bayerischen Rundfunks über die Kinder von Thomas Mann * [http://www.ub.fu-berlin.de/service_neu/internetquellen/fachinformation/germanistik/autoren/autorm/kmann.html ub.fu-berlin.de] Linksammlung der [[Universitätsbibliothek der Freien Universität Berlin]] * [http://www.dhm.de/lemo/html/biografien/MannKlaus/index.html www.dhm.de] Biografie im Deutschen Historischen Museum * {{IMDb Name|0542843}} * [http://www.zeit.de/2006/47/L-Klaus-Mann?page=1 Beitrag von Uwe Naumann zum 100. Geburtstag von Klaus Mann] in der ''Zeit'' * [http://www.csgkoeln.de/Pics/AusKariMannK.JPG Karikatur von Klaus und Thomas Mann von Th. Th. Heine im Simplizissimus, 1925] == Einzelnachweise == <references/> {{Normdaten|PND=118577158|LCCN=n/81/125649|VIAF=56613409}} {{DEFAULTSORT:Mann, Klaus}} [[Kategorie:Autor]] [[Kategorie:Literatur (20. Jahrhundert)]] [[Kategorie:Literatur (Deutsch)]] [[Kategorie:Literatur (Englisch)]] [[Kategorie:Übersetzung (Literatur)]] [[Kategorie:Roman, Epik]] [[Kategorie:Erzählung]] [[Kategorie:Novelle]] [[Kategorie:Essay]] [[Kategorie:Drama]] [[Kategorie:Biografie]] [[Kategorie:Autobiografie]] [[Kategorie:Tagebuch]] [[Kategorie:Exilliteratur]] [[Kategorie:Politische Literatur]] [[Kategorie:Homosexualität in der Literatur]] [[Kategorie:Homosexualität in der Kunst (Person)]] [[Kategorie:Person im Spanischen Bürgerkrieg]] [[Kategorie:NS-Opfer]] [[Kategorie:Deutschsprachiger Emigrant zur Zeit des Nationalsozialismus]] [[Kategorie:Person (München)]] [[Kategorie:Deutscher]] [[Kategorie:US-Amerikaner]] [[Kategorie:Tscheche]] [[Kategorie:Geboren 1906]] [[Kategorie:Gestorben 1949]] [[Kategorie:Mann]] {{Personendaten |NAME=Mann, Klaus |ALTERNATIVNAMEN=Klaus Heinrich Thomas Mann |KURZBESCHREIBUNG=deutscher Schriftsteller |GEBURTSDATUM=18. November 1906 |GEBURTSORT=[[München]] |STERBEDATUM=21. Mai 1949 |STERBEORT=[[Cannes]] }} {{Vorlage:Navigationsleiste Mitglieder der Familie Mann}} {{Exzellent}} [[br:Klaus Mann]] [[cs:Klaus Mann]] [[da:Klaus Mann]] [[en:Klaus Mann]] [[eo:Klaus Mann]] [[es:Klaus Mann]] [[et:Klaus Mann]] [[fi:Klaus Mann]] [[fr:Klaus Mann]] [[he:קלאוס מאן]] [[hu:Klaus Mann]] [[io:Klaus Mann]] [[it:Klaus Mann]] [[ja:クラウス・マン]] [[lt:Klaus Mann]] [[nl:Klaus Mann]] [[no:Klaus Mann]] [[pl:Klaus Mann]] [[pt:Klaus Mann]] [[ro:Klaus Mann]] [[ru:Манн, Клаус]] [[sk:Klaus Mann]] [[sv:Klaus Mann]] [[tr:Klaus Mann]] c5alo6px4sfokr26wuazuw994uu82us wikitext text/x-wiki Marburger Schloss 0 23888 26484 2010-04-08T10:55:53Z Spuk968 0 Änderungen von [[Special:Beiträge/137.248.1.25|137.248.1.25]] rückgängig gemacht und letzte Version von LaaknorBot wiederhergestellt Das '''Marburger Schloss''' gehört zu den prägnantesten Bauwerken in der Stadt [[Marburg]]. Es wurde als [[Burg]] im 11. Jahrhundert angelegt und ist neben seiner historischen Bedeutung als erste Residenz der Landgrafschaft Hessen von großem kunst- bzw. bauhistorischem Interesse. [[Bild:Marburger_Schloss_017.jpg|thumb|220px|Marburger Schloss von Südosten]] [[Bild:Marburger_Schloss_024.jpg|thumb|220px|Gesamtansicht von Süden]] == Lage und bauliche Situation == [[Bild:MarburgGrabungsflächen.png|thumb|250px|Grundriss des Marburger Schlosses mit Eintrag der archäologisch untersuchten Bereiche (schraffiert) bis 1993 (nach Meiborg, Saalgeschoßhaus 11)]] Weithin sichtbar erhebt sich das Marburger Schloss westlich über der Stadt und dem in nord-südlicher Richtung verlaufenden [[Lahn]]tal. Der Schlossberg hat eine Höhe von 287 [[Normalnull|m ü. NN]] und bildet einen Ausläufer des [[Marburger Rücken]]s – einem [[Buntsandstein]]-Hochland. Durch die relativ steilen Talflanken bestand hier eine sehr gute fortifikatorische Ausgangslage für die Errichtung einer [[mittelalter]]lichen [[Burg]], die in der Folgezeit und bis in die Gegenwart zahlreiche bauliche Veränderungen erfuhr. Den Kern des Schlosses bildet eine nach Osten offene, hufeisenförmige Anlage um einen schmalen Innenhof. Man unterscheidet den sog. Landgrafenbau mit der Schlosskapelle im Süden und den ''Frauenbau'' oder die ''[[Kemenate]]'' im Westen. Im Norden stehen der ''Saal''- bzw. ''Fürstenbau'' und das jüngere ''Leute-Haus'' oder ''Küchenhaus''. Eine Verbindung zwischen der Schlosskapelle und dem Leutehaus stellt die Sakristei über dem Osttor her. == Bedeutung und heutige Nutzung der Anlage == Neben seiner historischen Bedeutung als erste Residenz der [[Landgrafschaft Hessen]] ist das Schloss von großem kunst- bzw. bauhistorischem Interesse. Dies betrifft neben den Bauteilen aus dem 11./12. Jahrhundert vor allem die Burg aus der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts, die noch heute den Gesamteindruck der Anlage wesentlich bestimmt. Die Schlosskapelle und der Saalbau mit dem ''Großen Saal'' bzw. ''Fürstensaal'', der zu den größten und qualitätvollsten profanen gotischen Sälen in Mitteleuropa gehört, sind herausragende Leistungen der europäischen Burgenarchitektur. Heute wird das Schloss in Teilen vom [[Marburger Universitätsmuseum]] für Kulturgeschichte im Wilhelmsbau und für kulturelle Veranstaltungen genutzt. Eine Besichtigung der Anlage ist möglich. Die Nebengebäude Marstall, Zeughaus sowie die ehemalige Schmiede beherbergen seit 1946 das Collegium Philippinum der [[Hessische Stipendiatenanstalt|Hessischen Stipendiatenanstalt]]. == Geschichte von Burg/Schloss, Stadt und Umland == === Die Region um Marburg im frühen und hohen Mittelalter === [[Bild:SchlossMarburg.jpg|thumb|220px|Der sog. Landgrafenbau mit der Schlosskapelle von Süden]] [[Bild:marburg_schloss_north.jpg|thumb|220px|Nordseite von Nordwesten]] In der zweiten Hälfte des 9. bis Mitte des 10. Jahrhunderts waren die [[Konradiner]] das mächtigste Geschlecht der Region, dem Oberlahngau. Ihr bedeutendster Vertreter [[Konrad I. (Ostfrankenreich)|Konrad I. der Jüngere]] wurde 911 zum [[Ostfrankenreich|ostfränkischen]] [[König]] gewählt. Bereits in der Mitte des 10. Jahrhunderts -- in Folge des Niedergangs der [[Konradiner]] während der Regierungszeit von Kaiser [[Otto I. (HRR)|Otto dem Großen]] -- fielen die unweit Marburgs gelegenen Reichsgüter wie [[Wetter (Hessen)]] nördlich von Marburg an das [[Heiliges Römisches Reich|Reich]] zurück. Die Anfänge der Burg Marburg wurden und werden häufig mit den Konradinern in Verbindung gebracht, wofür es jedoch zumindest in den schriftlichen Quellen keine Hinweise gibt. König [[Konrad II. (HRR)|Konrad II.]] belehnte den aus [[Schwaben]] stammenden [[Graf]]en [[Werner (Adelsgeschlecht)|Werner]] mit der im 10. Jahrhunderts entstandenen [[Grafschaft]] [[Grafschaft Maden|Maden]] im Raum Kassel-Fritzlar-Homberg-Melsungen, aus der im Laufe der folgenden zwei Jahrhunderte die Grafschaft Hessen wurde. Die Grafen Werner starben 1121 aus und ihre Grafschaft wurde anschließend an das Geschlecht der [[Gisonen]] vergeben, ein zu diesem Zeitpunkt bedeutendes Adelsgeschlecht im Gebiet des heutigen Mittelhessen. Ihre Stammburg [[Burg Hollende|Hollende]] lag westlich von Wetter bei Treisbach. Sie waren Reichsvögte des um 1015 gegründeten königlichen Kanonissenstifts Wetter und als solche mit königlichen Gütern unweit von Marburg belehnt. Bereits ein Jahr nach der Vergabe des Werner’schen Erbes an [[Giso IV.]] starb dieser, und mit dem Tod seines Sohnes [[Giso V.]] erlosch 1137 auch dieses Geschlecht in der männlichen Linie. Wohl noch vor 1122 hatte Giso IV. seine Tochter [[Hedwig von Gudensberg|Hedwig]] mit [[Ludwig I. (Thüringen)|Ludwig I.]], dem Sohn des Grafen [[Ludwig der Springer|Ludwig des Springers]] von Thüringen, verheiratet. Nach dem Tod Gisos IV. heiratete dessen Witwe [[Kunigunde von Bilstein]] noch 1122 den Bruder Ludwigs, [[Heinrich Raspe I.]] Damit bzw. endgültig nach dem Tod [[Giso V.|Gisos V.]], des letzten Gisonen, fiel deren Erbe an die [[Ludowinger]], die Grafen bzw. ab 1131 Landgrafen von Thüringen, die damit ihre Herrschaft weiter auf das heutige [[Oberhessen|Ober-]] und [[Niederhessen]] ausdehnen konnten. Wer im 11. Jahrhundert und in der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts vor den Ludowingern die Herren über Marburg und das Umland waren, geht aus dem Quellen nicht eindeutig hervor. Im Allgemeinen wird davon ausgegangen, dass die Gisonen Gründer der Burg und auch des Ortes waren. Aufgrund neuerer historischer Untersuchungen sollen jedoch nicht die Gisonen, sondern die [[Grafschaft Gleiberg|Grafen von Gleiberg]] aus dem mittleren Lahntal in der zweiten Hälfte des 11. Jahrhunderts die Herren der Marburg gewesen sein. === Marburg unter den Thüringer Landgrafen === In der ersten urkundlichen Nennung Marburgs 1138/39 erscheint unter anderem ein ''Lu˚dewicus de Marburg'' zusammen mit weiteren [[Ministeriale]]n des Landgrafen [[Ludwig I. (Thüringen)|Ludwig I. von Thüringen]]. Spätestens um 1140 existierte in Marburg eine erste [[Münzprägeanstalt|Münze]], die eine Marktsiedlung voraussetzt. Offenbar geht die Aufwertung des Ortes zum Markt auf Landgraf Ludwig I. zurück. Mit ihr werden wohl auch Baumaßnahmen in der Burg verbunden gewesen sein. Unter Graf [[Heinrich Raspe II.]] (1140–1154/55) wurden mit großer Wahrscheinlichkeit auch die Burgen Marburg, [[Gudensberg]] und [[Kassel]] erneuert und ausgebaut. In einer Urkunde Kaiser [[Friedrich I. (HRR)|Friedrichs I.]] wird 1174 ein ''Conradus de Marburg'' genannt. In der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts urkundeten die Landgrafen von Thüringen mehrfach in der Burg oder Stadt Marburg. Hier saßen die wichtigsten ludowingischen [[Ministeriale]]n in Oberhessen, die späteren [[Schenck zu Schweinsberg|Schencken zu Schweinsberg]]. === Marburg als Teil der Landgrafschaft Hessen === Nach dem Aussterben der Landgrafen von Thüringen 1247 sollte die Landgrafschaft zunächst an die [[Wettiner]] fallen, doch machte [[Sophie von Brabant]] (1223–1275), eine Tochter der Hl. [[Elisabeth von Thüringen]] (1207–1231), ab 1248 ebenfalls Erbansprüche für ihren Sohn Heinrich geltend. Als Ergebnis des hessisch-thüringischen Erbfolgestreits 1247–63 wurde der hessische Teil der Landgrafschaft abgespalten und so eine neue Landgrafschaft Hessen geschaffen, deren erster Herrscher [[Heinrich I. (Hessen)|Heinrich I.]] (1256–1308) war. 1292 wurde er von König [[Adolf von Nassau]] in den erblichen [[Reichsfürst]]enstand erhoben und die [[Landgrafschaft Hessen]] damit offiziell reichsrechtlich anerkannt. Die Bemühungen um Anerkennung und letztendlich der Erfolg spiegeln sich entsprechend auch in umfangreichen Baumaßnahmen, die den Anspruch des Landgrafen auch nach Außen dokumentieren sollten. Heinrichs Sohn [[Otto I. (Hessen)|Otto]] (1308–1328) verlegte schon 1308 den landgräflichen Sitz nach [[Kassel]] und Marburg verlor entsprechend an Bedeutung. Zwischen 1458 und 1500 residierte hier noch einmal eine Nebenlinie unter [[Heinrich III. (Hessen)|Heinrich III.]] (1458–1483) und [[Wilhelm III. (Hessen)|Wilhelm III.]] (1483–1500). Eine stärkere Rolle in der politischen Entwicklung spielte das Marburger Schloss jedoch erst wieder unter Landgraf [[Philipp I. (Hessen)|Philipp dem Großmütigen]] (1518–1567), dem eine Einigung Hessens gelang, der 1526 hier die [[Reformation]] einführte und die erste [[Protestanten|protestantische]] [[Universität Marburg|Universität]] gründete. Im Schloss fanden im Oktober 1529 die [[Marburger Religionsgespräche]] zwischen [[Martin Luther]] und [[Ulrich Zwingli]] statt. Nach Philipps Tod 1567 wurde Marburg unter [[Ludwig IV. (Hessen-Marburg)|Ludwig IV.]] von [[Hessen-Marburg]] (1567–1604) zum dritten Mal Residenz einer der vier Teilgrafschaften. === Die Geschichte Marburgs seit dem Dreißigjährigen Krieg === Im [[Dreißigjähriger Krieg|Dreißigjährigen Krieg]] kam es 1623 zur Einnahme der Stadt und [[Festung]] Marburg durch die Truppen [[Johann t’Serclaes von Tilly|Tillys]]. Nach dem [[Hessenkrieg]] wurden sie 1648 von der Linie [[Landgrafschaft Hessen-Darmstadt|Hessen-Darmstadt]] an [[Hessen-Kassel]] zurückgegeben. Marburgs Bedeutung sank zunehmend, es spielte nur noch eine Rolle als Verwaltungssitz und militärischer Stützpunkt. In der Folgezeit, besonders zwischen ca. 1700 und 1740, kam es zu einem umfangreichen Festungsbau. Bereits im [[Siebenjähriger Krieg|Siebenjährigen Krieg]] 1756–63 wurde Marburg wiederum mehrfach erobert, wobei sich zeigte, dass die [[Festung]] den militärischen Entwicklungen nicht mehr entsprach. Ab 1770 wurde deshalb damit begonnen, die Festungsanlagen zu schleifen. Endgültig aufgegeben und gesprengt wurde die Festung 1807 nach der Besetzung durch die Truppen [[Napoléon Bonaparte|Napoleons]]. Ab 1809 wurde das Schloss als Gefängnis genutzt, das erst 1869 nach Kassel verlegt werden konnte. 1866 war [[Kurhessen]] durch [[Preußen]] annektiert worden, was gleichzeitig das Ende des Kurfürstentums Hessens bedeutete. 1869/70 zog das Preußische Staatsarchiv in das Schloss ein und blieb der Hauptnutzer, bis es 1938 einen Neubau in der Stadt bezog. Während des [[Zweiter Weltkrieg|Zweiten Weltkrieges]] stand das Schloss zum großen Teil leer. 1946 gelangte es in den Besitz der [[Philipps-Universität Marburg]] und 1976 begann der inzwischen abgeschlossene Umbau zum heutigen Museum. == Die bauliche Entwicklung von Schloss Marburg == Besonders die fünf mittelalterlichen Hauptbauphasen, die fast immer unmittelbar mit politischen Ereignissen im Zusammenhang stehen, aber auch die weitere Bauentwicklung spiegeln deutlich die gesellschaftlichen Veränderungen nach der Reformation, zwischen Dreißigjährigem Krieg und Napoleonischen Krieg, im Kaiserreich und 20.&nbsp;Jahrhundert bis in die Gegenwart wieder. === Phase 1 – die erste Burg des hohen Mittelalters === [[Bild:MarburgFruehzeit.png|right|thumb|300px|Bauphase 1 (nach Meiborg, Frühzeit 157 Abb. 11)]] Kern der Anlage ist ein rechteckiger Bau (16&nbsp;mal&nbsp;9,5&nbsp;Meter), der 1989/90 unter dem heutigen Westflügel ausgegraben werden konnte. Erhalten ist ein großer Teil der Westwand bis in eine Höhe von vier Metern. Das als „wehrhaftes Saalgeschosshaus“ bezeichnete Gebäude wurde von der [[Archäologie|Archäologin]] Christa Meiborg zunächst mit der Burg der [[Konradiner]] verbunden und in [[Karolinger|spätkarolingisch]]-[[Ottonen|ottonische]] Zeit (9./10.&nbsp;Jahrhundert) datiert. Unter Berücksichtigung neuerer Ergebnisse beispielsweise aus der [[Burg Querfurt]] setzte sie im Jahr 2003 das langrechteckige Steingebäude, das sie „typologisch wohl als sogenanntes [[Festes Haus]]“ anspricht, in die Zeit um 1000. Allerdings ist eine Entstehung des nur allgemein als Wohnbau zu bezeichnenden Gebäudes auch noch im 11.&nbsp;Jahrhundert oder frühen 12.&nbsp;Jahrhundert möglich. Zweifel sind ebenso an der Besiedlung des Burgplateaus bereits in karolingischer Zeit und an der Existenz einer ersten Burganlage, möglicherweise in Holzbauweise, schon im 9. und beginnenden 10.&nbsp;Jahrhundert angebracht. Zumindest stehen eindeutige Nachweise bisher noch aus. Weder die Konradiner oder die Grafen Werner noch die [[Gisonen]] können mit einiger Sicherheit als Gründer der Burg angenommen werden. Beim derzeitigen Forschungs- und Publikationsstand muss die Frage nach den Gründern bzw. Besitzern der Burg vor den Ludowingern offen bleiben. === Phase 2 – der Ausbau unter den Thüringer Landgrafen um 1140 === [[Bild:MarburgFruehzeit2.png|right|thumb|300px|Bauphase 2 (nach Meiborg, Frühzeit 156 Abb. 10)]] [[Bild:MarburgStrickhausen.png|right|thumb|300px|Bauphase 3 (nach Strickhausen, Burgen der Ludowinger 144 a)]] In einer zweiten Bauphase wurde der Nordteil des Rechteckbaus zu einem quadratischen [[Turm (Bauwerk)|Turm]] mit 9,50 Meter Seitenlänge umgebaut. Die Südwestecke mit sorgfältiger Eckquaderung und die Westwand des Turms sind im Inneren des Westflügels bis zu acht Meter hoch erhalten. Im Westen, Süden und Norden des Turms ist an mehreren Stellen eine bis in dieselbe Höhe erhaltene [[Ringmauer]] nachgewiesen worden, deren Mauerwerk dem des Turmes entspricht. Der Bereich zwischen Ringmauer und Turm war mit mächtigen Lagen aus rotem Sand aufgefüllt. Damit wurde die Hauptangriffseite im Westen verstärkt und der Turm sozusagen teilweise „[[Motte (Burg)|eingemottet]]“, wohl um die hinterfüllte Ringmauer vor der Zerstörung mit [[Belagerung]]sgerät zu schützen. Weitere Reste dieser Ringmauer haben sich im Südflügel erhalten bzw. konnten im und beim Leutehaus zusammen mit zugehörigen Quermauern ergraben werden. Es handelt sich demnach um den Typ einer Burg mit Turm und Einzelbauten in Randhauslage auf bzw. an der Ringmauer. Die Datierung ist wiederum umstritten. Christa Meiborg geht vom Umbau zu einer typisch [[salier]]zeitlichen Wohnturmburg um 1100 aus. Die Steinbearbeitung und ein im Bereich des Saalbaus geborgenes Holz aus der Zeit 1140/41 [[Dendrochronologie|(d)]] sprechen jedoch eher für eine Datierung der Baumaßnahmen in die erste Hälfte oder gegen die Mitte des 12. Jahrhunderts. Die umfangreichen Baumaßnahmen lassen sich daher mit der Übernahme der Burg durch die Ludowinger und dem Ausbau zu einem Herrschaftsmittelpunkt verbinden. Sie können höchstwahrscheinlich in die Zeit um 1140 datiert werden, als [[Heinrich Raspe II.]] auch [[Kassel]] und vermutlich [[Gudensberg]] ausbauen ließ. Etwas jüngere Baumaßnahmen aus der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts lassen sich nur über einige ältere Bauteile wie einen mit Flechtband verzierten Stein fassen, die in der spätmittelalterlichen Burganlage sekundär vermauert worden sind (so genannte [[Spolie]]n). Der Umfang und das Aussehen dieses Ausbaus, der wohl unter Landgraf [[Ludwig II. (Thüringen)|Ludwig II.]] erfolgte, können jedoch nicht bestimmt werden. Veränderungen im unmittelbaren Umfeld der Burg wurden durch den Bau einer ersten [[Stadtmauer]] der erheblich nach Westen erweiterten Marktsiedlung um 1180/90 notwendig. An zwei Stellen im Westflügel und unter dem Keller des Wilhelmsbaus wurde bei Ausgrabungen der Anschluss der Stadtmauer an die Ringmauer der Burg erfasst. === Phase 3 – der Ausbau in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts === [[Bild:MarburgRekonstruktion1.jpg|right|thumb|220px|Rekonstruktion der Burg am Ende des 12. Jh./Beginn des 13. Jh. (Bauphase 3), Zeichnung: E. Altwasser (nach Großmann, Schloß Marburg 4)]] In der Südwestecke des heutigen Leutehauses im Nordosten der Anlage stand um 1220 [[Dendrochronologie|(d)]] ein schlanker Turm, der jünger als die Ringmauer ist. Der neue [[Bergfried]] (1372: ''nuwe bergfrid by der Kuchene'') sollte den Ostteil der Burg und hier besonders den Torbereich und den Anschluss der Stadtbefestigung sichern. Der quadratische Turm im Westen wurde umgebaut und auf den südlichen Teil der Ringmauer um 1250 [[Dendrochronologie|(d)]] ein zweigeschossiger Saalbau aufgesetzt. In der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts wurde außerdem die Bebauung des Schlossberges nach Osten bis unter den heutigen Wilhelmsbau erweitert oder eine bereits bestehende Vorburg an dieser Stelle erneuert. An die nördliche Stadtmauer angebaut entstand hier ein mindestens zweigeschossiger Massivbau unbekannter Funktion. Um 1230/40 wurde die Stadt nach Westen erweitert, wobei die dabei angelegte jüngste Stadtmauer wiederum Anschluss an den Westflügel der Burg finden musste. Ein Tor mit der Außenseite im Norden, das vermutlich zu einer Vorburg gehörte, ist an der Rückseite des [[Renaissance]]tors zur Nordterrasse erhalten. Der Hauptzugang zum Schloss muss also von Westen kommend an der Südseite entlang geführt haben, um dann durch das Osttor die Hauptburg zu erreichen. === Phase 4 – der Ausbau zur hessischen Residenz im späten 13. Jahrhundert === [[Bild:Marburger_Schloss_034.jpg|thumb|220px|Stützmauer mit Bogensegmenten von Süden]] Die heutige Baugestalt des Schlosses wird im Wesentlichen durch den aufwändigen Umbau zur hessischen Residenz im späten 13. Jahrhundert bestimmt. Mit der Errichtung großartiger Einzelbauten sollte der hohe Anspruch und der 1292 neugewonnene landgräfliche Rang des Bauherrn unterstrichen werden. Marburg gehört zu den noch wenigen gut bekannten Fürstenburgen aus der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts und dem frühen 14. Jahrhundert, die oft noch dem „klassischen“ [[Burg]]konzept der [[Staufer|staufischen]] Zeit folgten. Der östliche Abschluss des Südflügels wird durch die 1288 geweihte Schlosskapelle gebildet. Der daran anschließende viergeschossige Landgrafenbau zeigt zwei Bauabschnitte. Das zweite Obergeschoss wurde im späten 13. Jahrhunderts auf dem erhaltenen Teil der romanischen [[Wehrmauer]] errichtet. Der Frauenbau im Westen ist an den Landgrafenbau angebaut, doch ist seine Gestalt in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts noch weitgehend unbekannt. [[Bild:MarburgRekonstruktion2.png|left|thumb|220px|Rekonstruktion der Burg am Ende des 13. Jh. (Bauphase 4), Zeichnung: E. Altwasser (nach Großmann, Schloß Marburg 8)]] Im Norden der Kernburg, auf der Schauseite, erhebt sich der rechteckige, dreigeschossige Saalbau. Er war in der Zeit um 1292/1300 fertiggestellt (1296 ±8 [[Dendrochronologie|(d)]]). Der ''Große Saal'' oder ''Fürstensaal'', oft fälschlich noch ''[[Ritter]]saal'' genannt, im Obergeschoss mit einer Fläche von 482 m² ist zweifellos der bedeutendste und wichtigste Raum des gesamten Schlosses. Er wurde vom Hof aus durch einen äußeren Treppenvorbau erschlossen. Der Nische im mittleren [[Risalit]] an der Nordseite, die lange Zeit als [[Thron]]nische angesprochen wurde, kam eine zentrale Position bei herrschaftlichen Banketten zu. Im 14. Jahrhundert war hier der Standort eines Büffets oder der Theke, an der das Bier gezapft wurde. Das östlich an den Saalbau anschließende Leutehaus zeigt außen kaum Spuren älteren Mauerwerks und stammt im wesentlichen erst aus dem 15. und 16. Jahrhundert. Das Tor zum Hochschloss liegt zwischen Schlosskapelle und Leutehaus. Die darüber befindliche Sakristei stammt wohl aus dem späten 13. Jahrhundert und fungierte gleichzeitig als Brücke zwischen beiden Bauteilen. Das Tor besaß offenbar keine besonderen Verteidigungseinrichtungen. Mit den Baumaßnahmen in der Kernburg stehen die Anlage eines [[Zwinger (Architektur)|Zwingers]] und möglicherweise auch der Bau/Ausbau der westlichen [[Vorburg]] in Verbindung. Im Süden wurde eine aufwändige Stützmauer aus Bogensegmenten errichtet und das Schloss auf einen Sockel gestellt, der es erhöht und zugleich die monumentale und repräsentative Wirkung der Schlossbauten steigert. === Phase 5 – spätgotische Umbauten === [[Bild:Marburg_Hexenturm_02.jpg|left|thumb|220px|Hexenturm auf der Nordseite]] [[Bild:MarburgPhasenplan.png|thumb|220px|Bauphasenplan (nach Großmann, Schloß Marburg 3. Umschlagseite)]] [[Bild:Marburger_Schloss_Willhelsmbau.jpg|thumb|220px|Wilhelmsbau von Südwesten]] [[Bild:Marburger_Schloss_036.jpg|thumb|220px|Übergang zum Wilhelmsbau von Süden]] [[Bild:Marburger_Schloss_004.jpg|thumb|220px|Rentkammer von Süden]] Zu beträchtlichen Umbauten kam es im 14. und 15. Jahrhundert, besonders in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts unter [[Wilhelm III. (Hessen)|Wilhelm III.]] Der Westflügel wurde von 1471 bis 1486 zum so genannten Frauenbau, dem Wohntrakt der Landgräfin Anna, ausgebaut und erhielt sein heutiges Aussehen. Weitere Umbauten betrafen den Südflügel 1481 bzw. 1486, die Kapelle, den Saal- und den Küchenbau sowie den Ausbau der westlichen Vorburg. Im Norden der Anlage wurde der [[Marstall]] errichtet. Sowohl das Westtor als auch das Südtor wurden erweitert. Bereits ab 1478 wurde der dreigeschossige Hexenturm oder Weiße Turm nordwestlich des Schlosses am Halsgraben errichtet, um den neuen Anforderungen der Kriegstechnik gerecht zu werden. Die wichtigste Baumaßnahme dieser Zeit ist jedoch die Errichtung des Wilhelmsbaus 1493–97. Als Erweiterung der Burg nach Osten entstand ein moderner, dreigeschossiger Saal- und Wohnbau, der die bogenförmige Stützmauer teilweise überlagert. Die Umbauten dieser Phase wurden im Wesentlichen durch den landgräflichen Hofbaumeister [[Hans Jakob von Ettlingen]] ausgeführt, der unter anderem auch die Burgen [[Burg Hauneck|Hauneck]] und [[Burg Herzberg|Herzberg]] neu errichtete und die [[Wasserburg Friedewald]] umbaute. === Phase 6 – Bauten der Renaissancezeit === In der [[Renaissance]]zeit erfuhr das Schloss unter dem politisch bedeutenden Landgraf [[Philipp I. (Hessen)|Philipp dem Großmütigen]] und seinem Sohn [[Ludwig IV. (Hessen-Marburg)|Ludwig IV.]] kaum wesentliche Veränderungen. Im Hochschloss wurden lediglich neue Geschossdecken eingezogen und Fenster eingefügt. 1572 errichtete [[Ebert Baldewein]] südlich vor der Kapelle die [[Rentkammer]], die das Wappen Landgraf Ludwigs IV. von Hessen trägt. Baldewein erneuerte auch das Zeughaus und 1575 den Marstall in der Vorburg. Wohl um 1580 erfolgten Umgestaltungen des Südtores. An der Südwestecke der Vorburg war 1521–23 ein großer Batterieturm (Rondell) errichtet worden, der aber bereits am Ende des 16. Jahrhunderts bis auf geringe Reste wieder beseitigt wurde. === Phase 7 – das 17. und 18. Jahrhundert === Auch im 17. und 18. Jahrhundert waren kleinere Umbauten im Oberschloss, besonders am Frauen- und Küchenbau, notwendig. Ansonsten beschränkten sich die Baumaßnahmen im Schloss weitgehend auf die Wirtschaftsbauten, wie den Umbau der ehemaligen Schmiede 1605/06 zu einem Kommandantenhaus und des kleinen Marstalls 1631. Die Verblendung der beiden Obergeschosse des Marstalls mit Sandsteinfassaden an drei Seiten erfolgte 1628–30 im Zusammenhang mit der Beseitigung von Kriegsschäden im [[Dreißigjähriger Krieg|Dreißigjährigen Krieg]]. Wesentliche Veränderungen der Gesamtanlage erbrachte die Errichtung der [[Festung]]sanlagen, die besonders zwischen 1700 und 1740 erfolgte. Erhalten sind unter anderem Reste der 1701 erbauten großen [[Bastion]]. Das Südtor wurde noch im 17. Jahrhunderts nach Westen erweitert und davor bergseitig eine kleine Bastion angelegt. === Phase 8 – das 19. und 20. Jahrhundert === Bereits kurz vor 1800 setzte schon wieder die Schleifung der Festungsbauten ein. Einige Umbauten wie die mehrfache Veränderung der [[Geschosshöhe]]n stehen mit der Nutzung des Schlosses als Gefängnis ab 1809 in Verbindung. Insbesondere im Wilhelmsbau und im Frauenbau wurden neue, feuersichere Raumdecken mit preußischen Kappengewölben eingezogen. 1890 wechselte man sämtliche Dachwerke und Dächer aus und setzte Stahldächer auf. Neben dem Hochschloss erfuhren auch die Vorburgbereiche kleinere Veränderungen. Zu erneuten Umbauten kam es in den Jahren 1924–32 und infolge des Einbaus des Marburger Universitätsmuseums ab 1976. Damit in Verbindung standen umfangreiche Bauuntersuchungen und archäologische Ausgrabungen, die zahlreiche neue Ergebnisse zur Baugeschichte der Anlage erbrachten. Doch sind jedoch auch in dieser Zeit noch beträchtliche Verluste mittelalterlicher Bausubstanz zu verzeichnen wie etwa die Beseitigung einer spätmittelalterlichen Küche. == Literatur == * Elmar Brohl, Waltraud Brohl: ''Geschützturm – Barbakane – Rondell – Ravelin''. In: ''Burgenforschung in Hessen.'' Begleitband zur Ausstellung im Marburger Landgrafenschloß vom 1. November 1996 – 2. Februar 1997. Kleine Schriften aus dem Vorgeschichtlichen Seminar Marburg. Bd 46. Marburg 1996, S. 183–201, ISBN 3-8185-0219-6 * Elmar Brohl: ''Sicherungs- und Wiederherstellungsmaßnahmen an der Festung Marburg''. in: ''Denkmalpflege und Kulturgeschichte.'' Wiesbaden 1999,2, S. 2–9. {{ISSN|1436-168X}} * Dieter Großmann: ''Das Schloß zu Marburg an der Lahn.'' Mit Ergänzungen von G. Ulrich Großmann. DKV-Kunstführer Nr. 366/9, 4., veränderte Auflage, Deutscher Kunstverlag, München, Berlin [1999], (keine ISBN). * G. Ulrich Grossmann: ''Schloss Marburg''. Burgen, Schlösser und Wehrbauten in Mitteleuropa. Bd 3. Regensburg 1999, ISBN 3-7954-1218-8 * G. Ulrich Großmann: ''Der Saalbau im Marburger Schloß''. In: ''Burgenbau im 13. Jahrhundert.'' Forschungen zu Burgen und Schlössern. Bd 7. München-Berlin 2002, S. 241-254, ISBN 3-422-06361-7 * Walter Heinemeyer: ''Das Marburger Landgrafenschloß und die Wartburg – Marburg und Eisenach''. In: ''Hessen und Thüringen – Von den Anfängen bis zur Reformation.'' Eine Ausstellung des Landes Hessen. Marburg-Wiesbaden 1992, S. 39–46, ISBN 3-89258-018-9 * Karl Justi: ''Das Marburger Schloß. Baugeschichte einer deutschen Burg.'' Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Hessen und Waldeck. Bd 21. Marburg 1942. * Hubert Kolling: ''Hinweise zu einem bisher kaum beachteten Abschnitt in der Geschichte des Marburger Landgrafenschlosses''. in: ''Burgen und Schlösser in Deutschland.'' Umschau, Frankfurt 40.1999, S. 41–43 (Zur Nutzung des Schlosses als Gefängnis im 19. Jh.) * Barbara Kras, Gerd Strickhausen: ''Zur Baugeschichte des Marburger Schlosses vor 1300''. In: ''Burgenforschung in Hessen.'' Begleitband zur Ausstellung im Marburger Landgrafenschloß vom 1. November 1996-2. Februar 1997. Kleine Schriften aus dem Vorgeschichtlichen Seminar Marburg. Bd 46. Marburg 1996, S. 177–182. ISBN 3-8185-0219-6 * Christa Meiborg, Helmut Roth, Claus Dobiat: ''Suche nach dem Gisonenfels – Grabungen im Marburger Schloß''. in: ''[[Archäologie in Deutschland]].'' Theiss, Stuttgart 7.1991, 4, S. 6–11. {{ISSN|0176-8522}} * Christa Meiborg: ''Suche nach dem „Gisonenfelsen“. Die baugeschichtliche Entwicklung des Schlosses in Marburg.'' In: ''25 Jahre Denkmalpflege in Hessen.'' Wiederspahn, Wiesbaden 1999, S. 40 f. * Christa Meiborg: ''Erfolgreiche Suche nach der ältesten Marburg. Experten bestätigen Besiedlung des Burgplateaus in karolingischer Zeit.'' in ''Hessen-Archäologie.'' Theiss, Stuttgart 1.2002, S. 131–133, {{ISSN|1610-0190}} * Christa Meiborg: ''Neue Forschungen zur Frühzeit des Marburger Schlosses''. In: H. W. Böhme, O. Volk (Hrsg.): ''Burgen als Geschichtsquelle.'' 1. Marburger Mittelaltertagung der Arbeitsgruppe „Marburger Mittelalterzentrum (MMZ)“. 11. und 12. Oktober 2002. Kleine Schriften aus dem Vorgeschichtlichen Seminar Marburg. Bd 54. Marburg 2003, S. 151–159, ISBN 3-8185-0378-8 * Jürgen Michler: ''Zur Farbfassung der Marburger Schloßkapelle. Raumfarbigkeit als Quelle zur Geschichte von Kunst und Denkmalpflege''. in: ''Deutsche Kunst und Denkmalpflege.'' Dt. Kunstverl. , München 36.1978, S. 37–52. {{ISSN|0012-0375}} * Gerd Strickhausen: ''Burgen der Ludowinger in Thüringen, Hessen und dem Rheinland. Studien zur Architektur und Landesherrschaft im Hochmittelalter.'' Quellen u. Forsch. zur hessischen Gesch. Bd 109. Darmstadt, Marburg 1998, ISBN 3-88443-061-0 * Alexander Thon, Stefan Ulrich, Jens Friedhoff: ''„Mit starken eisernen Ketten und Riegeln beschlossen ...“. Burgen an der Lahn''. Schnell & Steiner, Regensburg 2008, ISBN 978-3-7954-2000-0, S. 108-115. == Weblinks == {{Commons|Marburger Schloss}} {{BAM|Marburger|Schloss}} * [http://www.burgenwelt.de/marburg/marburg.htm Burg Marburg bei burgenwelt.de] * [http://www.burgen-und-schloesser.net/454/home.htm Schloss Marburg bei burgen-und-schloesser.net] (touristische Informationen und Chronik) * [http://www.uni-marburg.de/stipe/historie/gebaeude Historie der Nebengebäude] * [http://www.pixelpano.de/marburg Landgrafenschloss Marburg im Panoramadurchgang] {{Sketchup|4e9db2d4514f0bb03c25f607d17ceae2|Das Marburger Schloss}} {{Navigationsleiste Burgen und Schlösser an der Lahn}} {{Exzellent}} {{Coordinate |NS=50/48/36.8/N |EW=8/46/1.26/E |type=landmark |region=DE-HE}} [[Kategorie:Schloss (Mittelhessen)|Marburg]] [[Kategorie:Burg (Mittelhessen)]] [[Kategorie:Festung in Hessen]] [[Kategorie:Bauwerk in Marburg|Schloss]] [[da:Marburger Schloss]] [[fr:Château de Marbourg]] [[is:Marbach-kastalinn í Marburg]] [[no:Marburger Schloss]] kxx27vfm3xiv1mez0k9f9tj8ot3vfuc wikitext text/x-wiki Francesco di Marco Datini 0 23889 26485 2010-03-23T08:52:21Z Hans-Jürgen Hübner 0 /* Wiederentdeckung */ [[Datei:Francesco di Marco Datini.JPG|thumb|upright|Statue Francesco Datinis vor dem Palazzo Pretorio in Prato (Antonio Garella, 1896)]] '''Francesco di Marco Datini''' (* [[1335]] in [[Prato (Toskana)|Prato]]; † [[16. August]] [[1410]] ebenda) war ein [[Toskana|toskanischer]] Fernhändler, Bankier, Wollproduzent und Spekulant. Die von ihm gegründete und über Jahrzehnte ausgebaute Gesellschaft agierte vor allem im westlichen Mittelmeer, aber auch in England, [[Flandern]] und auf der [[Krim]], und führte in einer Art [[Holding]] zahlreiche weitere Gesellschaften. Diese Struktur bevorzugten vor allem die toskanischen Großhändler, aber nur wenige wagten sich auf das Gebiet der Banken oder gar der Spekulation auf [[Wechsel (Urkunde)|Wechsel]]. Berühmt wurde Datini jedoch zum einen durch eine Stiftung für die Armen Pratos, die bis heute existiert, zum anderen dadurch, dass fast seine gesamte [[Korrespondenz]] erhalten geblieben ist – insgesamt rund 150.000 Schreiben, davon allein 11.000 Privatbriefe. Sie ist die Basis für eines der bedeutendsten wissenschaftlichen Institute zur [[Wirtschaftsgeschichte]] des [[Spätmittelalter]]s – und sie ermöglicht tiefe Einblicke in den Alltag. == Leben == Francesco di Marco Datini wurde 1335 als eines der vier Kinder des Schankwirts Marco di Datino und der Monna Vermiglia im toskanischen Prato geboren. Kaum 13-jährig machte ihn die [[Schwarzer Tod|Große Pest]] zur Vollwaise. Zusammen mit seinem jüngeren Bruder Stefano wurde er zunächst für dreizehn Monate bei einer Verwandten aufgenommen. Sie kamen unter die Vormundschaft des Piero di Giunta del Rosso, die eigentliche, in der Erinnerung Francescos liebevolle Aufnahme fanden die Brüder bei Piera di Pratese Boschetti. Dann ging er als Lehrling ins benachbarte [[Florenz]], wo Francesco in zwei Läden arbeitete. === Avignon === Schon als 15-Jähriger ging er nach [[Avignon]] und arbeitete dort zunächst als Botenjunge, leitete aber bald als [[Faktorei|Faktor]] eine Filiale. Datini machte mit Luxuswaren und Waffen gute Geschäfte, bei deren Abwicklung ihm die Anwesenheit einer großen florentinischen Händlerkolonie sehr zustatten kam. 1358 holte er seinen jüngeren Bruder Stefano nach, wobei er das 138 Lire umfassende Erbe seines Vaters antrat. Ab 1361 war er, zusammen mit Niccolò di Bernardo, einem Neffen seiner Ziehmutter und einem weiteren Toskaner, im Waffengeschäft zwischen [[Mailand]] und Avignon tätig. Wenige Jahre später mietete er eine erste ''bottega''. Fünf Jahre später war er bereits zum ''Sozius'' in verschiedenen Handelskompanien aufgestiegen. So gründete er im Oktober 1367 mit dem Florentiner Toro di Berto eine Gesellschaft, die bis 1373 bestand – und die besonders dann florierte, wenn der [[Papst]] in Avignon war. Diese ''Datini-di-Berto-Gesellschaft'' ist die erste Gesellschaft des Mittelalters, deren Buchhaltung fast vollständig erhalten geblieben ist.<ref>Auf diesem Bestand liegt der Schwerpunkt der Arbeit von Franz Arlinghaus, ''Von der Notiz zur Bilanz'', die teilweise publiziert worden ist, allerdings unter anderem Titel (s. Literatur).</ref> Im März 1373 übernahm er die Leitung einer eigenen Firma<ref>La firma ist im Italienischen heute die Unterschrift. Diese ist im kaufmännischen Bereich aus dem Händlerzeichen, meist in Verbindung mit einem Kreuz, hervorgegangen. Eine allgemeine Bezeichnung für ein Unternehmen gab es noch nicht, doch ist die Bezeichnung „Firma“, die die Rolle des Kopfes des Unternehmens betont, in der Forschung gebräuchlich. Die moderne Bezeichnung „Unternehmen“ täuscht eine überpersonale Kontinuität vor, die es so nur äußerst selten gab. Wenn es sie gab, wie etwa Familiengesellschaften in Venedig (s. [[Wirtschaftsgeschichte der Republik Venedig]]), dann auf der Grundlage der engen Verwandtschaft unter Brüdern, die ohne Vertrag als Gesellschafter galten.</ref>, die ohne das Kapital anderer auskam. Ab 1376 wurde die Situation der über tausendköpfigen italienischen Händlerkolonie in Avignon äußerst schwierig. Das hing mit der Absicht des dort residierenden Papstes zusammen, nach [[Rom]] zurückzukehren, was bald zu Konflikten in Italien führte, in die auch Florenz verstrickt wurde. Obwohl sich die Florentiner Kolonie in Avignon bis 1381 auflöste, zögerte Datini angesichts des Krieges, nach Prato zurückzukehren. Dieser Krieg kostete die Florentiner allein zwei Millionen [[Florin (Goldmünze)|Florin]] und brachte ihnen den päpstlichen [[Bann (Recht)|Bann]] ein – eine Katastrophe für den Handel der Stadt, der damit fast lahmgelegt wurde. Nur zwei Tage nach dem teuer erkauften Friedensschluss brach am 24. Juni 1378 ein Aufstand der von Kriegsabgaben überforderten unteren Volksschichten los. Bis zum 31. August herrschten die [[Ciompi-Aufstand|Ciompi]], die Wollkämmer; sie forderten zusammen mit anderen Handwerkern der Tuchindustrie zu einem Viertel die Beteiligung an der Regierung und die Bildung neuer Zünfte. Als keine unmittelbare Verbesserung ihrer Lebensbedingungen erreicht wurde, die Tuchproduktion sich nicht, wie erhofft, erhöhen ließ und die Bewegung auseinander fiel, brach der Aufstand zusammen. Datini, der 1376 Margherita di Domenico Bandini geheiratet hatte, eine 19-jährige Florentinerin aus niederem Adel, konnte nicht unberührt von diesen Vorgängen bleiben. Ihr Vater, Domenico Bandini, war schließlich 1360 als Aufstandsführer hingerichtet worden. Auch dies dürfte die Rückkehr der Datini verzögert haben. Noch 1382 gründete Datini eine bis 1400 bestehende Handelskompanie in Avignon und übernahm deren Leitung. Gewinn und Verlust wurden in diesen Gesellschaften entsprechend der Einlage von Geldanteilen und der geleisteten Arbeit aufgeteilt. Die Dauerhaftigkeit dieses und anderer Zusammenschlüsse sollte kennzeichnend für seine Geschäftstätigkeit werden, wie im übrigen für die toskanischen Gesellschaften insgesamt. === Prato === Im zu Florenz gehörenden Prato, wohin der inzwischen wohlhabende Mann im Januar 1383 zurückkehrte, wurde er Mitglied der ''Arte della Lana'', der Wollzunft. Erst mit dieser Mitgliedschaft durfte er einem entsprechenden Gewerbe nachgehen und konnte zugleich seine Interessen in der Stadtregierung vertreten. Zusammen mit seinem ehemaligen Vormund, dem Tuchweber Piero di Giunta und einem entfernten Verwandten, stieg er als Gesellschafter in zwei Fernhandelsfirmen in [[Pisa]] und Florenz ein. Die eine stellte eine Familienhandelsfirma dar, die andere eine Alleininhaberfirma.<ref>Eine Vorstellung von den Dokumenten gibt das [http://www.istitutodatini.it/schede/archivio/did/cont1a.htm Staatsarchiv Pisa].</ref> 1384 erfolgte die Gründung einer bescheidenen Kompanie für Wolle in Prato, zusammen mit Piero di Giunta del Rosso (einem Färbermeister) und seinem Sohn Niccolò, innerhalb der ''Arte della Tinta'', der Färberzunft. 1394, beim Tod Pieros, nahm er Agnolo, den Sohn Niccolòs als Partner auf. Diese Verbindung von Verwandtschaft und Teilhaberschaft unter persönlicher Mitarbeit blieb typisch für Datinis Handelsorganisationen, die im Ausland, insbesondere in [[England]], unveredeltes Wolltuch einkauften, um es in Prato veredeln zu lassen. Zu dieser Kompanie kam bald eine Firma für Schleierstoffe. [[Datei:Palazzo Datini.JPG|thumb|Der Stadtpalast der Datini und Sitz des Datini-Archivs]] Um seiner Stellung in der Stadt angemessenen Ausdruck zu verleihen, ließen die Datini zwischen 1383 und 1399 zwischen der Via Rinaldesca und der Via del Porcellatico einen Stadtpalast errichten. Berühmte Maler der Zeit, wie Niccolò di Piero Gerini (um 1340–1414)<ref>Gut erhalten ist der [http://www.istitutodatini.it/schede/palazzo/did/p-dat4.htm Hl. Christophorus], aber auch [http://www.istitutodatini.it/schede/palazzo/did/p-dat3.htm „Speranza e Prudenza“]. </ref>, Agnolo di Taddeo Gaddi und Bartolomeo di Bertozzo schmückten ihn aus. Vor dem Haus befand sich ein Garten mit Rosen und Violen. Vor dem heutigen Eingang befand sich ein weiteres Gebäude, so dass der damalige Besitz den heutigen Palast hinsichtlich der Ausdehnung noch bei weitem übertraf.<ref>Hier findet sich ein [http://www.istitutodatini.it/schede/palazzo/htm/pianta.htm Grundriss der Gebäude].</ref> Piero di Giunta del Rosso hatte das Grundstück bereits 1354 erworben. Das erste, noch sehr bescheidene Gebäude kostete nur 63 lire, 6 soldi. Nach und nach kaufte man weitere angrenzende Gebäude hinzu. Datini kalkulierte den Gesamtaufwand 1399 mit etwa 6000 Florin.<ref>1910 kam man bei der Rekonstruktion der äußeren Erscheinung des Palasts zu folgendem [http://www.archiviodistato.prato.it/gener/ted/catani3.htm Ergebnis].</ref> === Florenz === Da sein Geschäftsrahmen längst das kleine Prato sprengte, zog Datini nach Florenz um und gründete mit Stoldo di Lorenzo und einem weiteren Gesellschafter eine Kompanie in Florenz, 1388 eine weitere mit Domenico di Cambio, die bis zu seinem Tod fortbestand. Im selben Jahr wurde er Mitglied in der Seidenmachergilde.<ref>Um 1390 entstand ein Gemälde, das Datini darstellt. Es stammt von Tommaso di Piero del Trombetto. Eine Abbildung findet sich [http://www.istitutodatini.it/schede/datini/did/f-dat2.htm hier].</ref> 1392 beteiligte sich die Florentiner Kompanie an einer [[Genua|Genueser]] Firma, in der die drei örtlichen Gesellschafter zu Leitern wurden: „Francesco di Marco, Andrea di Bonanno & Co“. Zugleich machte Datini aus seiner Pisaner Firma eine Kompanie, in der die Florentiner Kompanie ebenfalls die meisten Anteile besaß. Diese Pisaner Kompanie konnte wiederum ihr Kapital anderen Unternehmen zur Verfügung stellen: ein weiterer Schritt zu engerer Verflechtung. Im folgenden Jahr gründete die Genueser Firma Zweigniederlassungen in [[Barcelona]], [[Valencia]] und auf [[Mallorca]]. Luca del Sera – er sollte zu Datinis Testamentsvollstreckern zählen – ging nun nach Barcelona. 1394 erfolgte die Gründung dreier weiterer Firmen in Barcelona, Valencia und auf Mallorca, mit Agenturen auf [[Ibiza]] und in San Matteo, einem Dorf in [[Katalonien]]. Während San Matteo zum wichtigen Wollsammelpunkt wurde, war Ibiza für sein Salz berühmt. Die dortige Filiale wurde von Florentinern geleitet. Überhaupt umgab sich Datini fast nur mit Toskanern, möglichst aus den ihm bekannten Städten, besser noch aus der näheren und weiteren Verwandtschaft. 1395 wurde Datini Mitglied in der Florentiner Färberzunft. Ein Jahr später gründete er die Katalanische Handelskompanie mit Sitz in Barcelona bzw. Valencia. Die Florentiner Firma war dabei wieder mehrheitlich am Kapital beteiligt, ihre drei Gesellschafter leiteten wiederum die drei Teilunternehmen. Daneben bestand dort seine Alleininhaberfirma weiter, die eine leitende Rolle in seinem Firmensystem übernahm. Eine solche Verflechtung von Einlageanteilen sollte typisch für Datinis Gesellschaft werden, deren Fäden in Florenz zusammenliefen. Die einzelnen Kompanien waren einzig und allein durch seine Person untereinander verbunden, bzw. durch sein Kapital, das ihm die Entscheidungsgewalt gab. === Margherita === Datinis Frau, Margherita, wurde 1357 geboren und heiratete Francesco im Alter von 19 Jahren in Avignon. Die Ehe blieb kinderlos. 1380 schrieb Monte Angiolini an Datini, dass diese Tatsache nach vier Jahren eine große Belastung darstellte, am 21. Juni 1381 entschuldigte er sich bei Margherita für seine Einmischung. Die Distanz zwischen den Eheleuten nahm deutlich zu, eine der Ursachen, warum es zu einer umfangreichen Korrespondenz zwischen den beiden kam. Mit Francesco ging sie 1383 nach Prato, wechselte hin und wieder nach Florenz, als Francesco seine Geschäfte dorthin verlagerte. Von dort erreichten sie allein 132 der erhaltenen 182 Briefe ihres Mannes – weitere 44 erreichten sie aus Prato und 6 aus [[Pisa]].<ref>Dies und das Folgende überwiegend nach Elena Cecchi: ''Le lettere''. Zur Historiographie vgl. Joseph Patrik Byrne: ''Crafting the Merchant's Wife's Tale: Historians and the domestic rhetoric in the correspondence of Margherita Datini'', in: Journal of the Georgia Association of Historians (1996).</ref> Margherita lebte zunehmend in Prato und sorgte für den Ausbau des Hauses und der Ländereien, sowie für die Tagesabläufe in ihrem riesigen Haushalt. Bei ihrem Briefwechsel wurden zahlreiche Grundsätze des kaufmännischen Briefwechsels beherzigt, wie z. B. die Angabe des Ausstellungsdatums, des beauftragten Boten, des Bezugs auf den letzten Brief, auch der stundengenaue Termin der Annahme oder der Vermerk „beantwortet am...“. Daher wissen wir, dass mindestens 61 Briefe Francescos und 24 Briefe Margheritas<ref>Den Brief vom 16. Januar 1386 stellte das Datini-Institut [http://www.istitutodatini.it/schede/archivio/did_en/let-mar.htm online].</ref> verloren gegangen sind, von denen wir insgesamt 248 kennen. Zeitliche Lücken entstanden vor allem dadurch, dass die beiden zusammen in einem Haus wohnten, wie 1393, als sie vor der Pest nach [[Pistoia]] flohen, oder 1400–1401, als sie aus demselben Grund nach [[Bologna]] gingen. Die meisten Briefe stammen aus den Jahren 1394–1395 und 1397–1399, eine Phase, in der bis zu drei Briefe am Tag geschrieben wurden. Datini diktierte gelegentlich seine Briefe, ließ sie sogar manchmal in seinem Sinne schreiben, Margherita musste sie diktieren, da sie zunächst nicht schreiben konnte. Außerdem verweisen beide, wenn es zu persönlich wurde, darauf, dass der Rest „a bocca“, also mündlich, besprochen werden sollte, zum anderen sprechen sich die beiden mit „tu“, also „Du“ an, wenn sie selbst diktiert, bzw. geschrieben haben. Von den 182 Briefen Francescos hat er nur 48 erkennbar mit eigener Hand geschrieben. Die übrigen Briefe stammen von 18 verschiedenen Händen (insgesamt hat Datini rund 7.000 Briefe geschrieben). Dabei erteilte Datini zahllose Aufträge, tadelte sie und erteilte ihr Anweisungen, diskutierte mit Margherita Projekte – und dennoch wuchs ihr nach und nach die Rolle einer Vertrauten und Beraterin zu. Dies war keineswegs selbstverständlich, denn Datini hatte 1387 einen illegitimen Sohn namens Francesco von seiner Sklavin Ghirigora, ein Kind, das bereits 1388 verstarb. Wohl schon um 1375 hatte er einen Sohn gezeugt, der aber ebenfalls früh starb. Die Mutter wurde eilig, noch während der Schwangerschaft, verheiratet. Margherita war empört, fühlte sich gedemütigt. 1392 wurde darüber hinaus Ginevra geboren, ebenfalls Tochter einer Sklavin. Margheritas Schwester Francesca, die selbst mehrfache Mutter war, empfahl ihr sogar 1393 den Besuch eines Scharlatans, um doch noch ein Kind bekommen zu können. Gleichzeitig litt Margherita offenbar unter sehr starken Blutungen und [[Menstruationsbeschwerden|Regelschmerzen]]. Margherita akzeptierte das Kind jedoch nach anfänglicher Ablehnung und kümmerte sich bald liebevoll um Ginevra. So sorgte sie für die Auswahl einer [[Amme]], die Ausstattung, Erziehung und Ausbildung, was sich z. B. auf die Beschaffung geeigneter Spielsachen und Musikinstrumente erstreckte. Sie nahm sie beinahe als eigene Tochter an. Die Mutter, Lucia, wurde befreit, und Datini verheiratete sie an einen seiner Mitarbeiter. Sie lebte weiterhin im Haushalt der Margherita und die beiden freundeten sich sogar an. Francesco, der seine Frau ständig zu kontrollieren und zu dirigieren versuchte – was einen erheblichen Teil der Korrespondenz ausmacht -, unterschätzte lange Zeit seine Frau, die über Jahrzehnte eine riesige Baustelle und eine große Familie führte, und zahlreiche Gäste empfing und bewirtete, z. B. [[Francesco I. Gonzaga|Francesco Gonzaga]]<!-- müsste laut http://monnamargherita.wordpress.com/about/margherita-di-domenico-bandini-fact-sheet/ der richtige sein --[[Benutzer:Flominator]]-->. Auch ihre Nichten kamen ins Haus und wohnten dort immer wieder über längere Zeit, wie Tina, um deren Ausbildung sich Margherita kümmerte – und sie sollte lesen lernen. Zwar konnte Margherita nur einfache Briefe lesen, aber sie war in der Lage, sehr komplizierte Sachverhalte darzustellen und zu diktieren – eine Fähigkeit, die Francesco erst ab 1386 anerkannte. Margherita selbst versuchte sich im Schreiben – ein erster Brief in unsicherer Schrift stammt von 1387 – und 1396 staunte Ser Lapo Mazzei über ihre Fortschritte. Ab 1399 brachte sie seinem Sohn das Schreiben bei. In diesem Jahr schrieb sie auch die Briefe an Francesco überwiegend selbst. Als sei dies zum Beweis ihrer Fertigkeit genug, schrieb sie von da an nur noch einen einzigen Brief mit eigener Hand. Um diese Zeit lebten Francesco und Margherita noch distanzierter als bisher. Als Francesca, Margheritas Schwester, 1401 verstarb, forderten Francescos Freunde ihn dringend auf, seiner Frau wenigstens Trost zu spenden. === Bankgründung und Spekulation === 1399 ging Francesco Datini nach Florenz und wagte sich dort an die Gründung einer Bank, zusammen mit einem Prateser. Solche Bankhäuser hatten zwar mit den einfachen Pfandleihern, den ''Lombardi'', nur noch wenig gemein, aber auch sie verliehen Geld und gerieten damit in Verdacht, [[Wucher]] zu betreiben. Datinis Gesellschafter Domenico di Cambio meinte: „Francesco di Marco will seinen Ruf verlieren ... um Geldwechsler zu werden, unter denen doch keiner ist, der nicht Wucher treibt“. Datini wurde am 4. März 1399 Mitglied in der ''Arte del Cambio'', der Wechslerzunft. Dennoch vermied er es, sich in Kreditgeschäfte mit großen kirchlichen und weltlichen Herren hineinziehen zu lassen. In seiner Kindheit waren dadurch viel größere Banken zusammengebrochen, wie die der florentinischen Bankhäuser der Bardi und [[Peruzzi (Bankhaus)|Peruzzi]]. Doch Datini war längst – in den Augen der Zeitgenossen – auf viel rufschädigenderes Terrain vorgestoßen. Er hatte Spekulationsgeschäfte begonnen, bei denen er mittels Wechseln (insgesamt 5000) auf Kursschwankungen verschiedener Währungen, vor allem zwischen [[Flandern]], Barcelona und Italien setzte. Domenico di Cambio war hier der Ansicht, er wolle „lieber 12 % an Warengeschäften verdienen, als 18 % an Wechselgeschäften“. Der Aufstieg wurde im Jahre 1400 durch eine Katastrophe beinahe zunichte gemacht. Eine erneute Pestwelle tötete fast alle seine Gesellschafter, so dass er seine Firmen in Pisa und [[Genua]] schließen musste. Auch die Bank in Florenz wurde geschlossen und die Produktion von Wolle und Seidentüchern in Prato eingestellt. Als Datini nach einem Jahr aus Bologna zurückkehrte, wohin er wegen der Pest geflohen war, klagte er am 20. September 1401 über den Verlust seiner besten Mitarbeiter, wie den Bankspezialisten Bartolomeo Cambioni, Niccolò di Piero, der sich auf die Produktionstechniken verstand, Manno d'Albizzo und Andrea di Bonanno, die die Geschäfte im Raum Pisa bzw. Genua geführt hatten. Datini erholte sich zwar binnen weniger Jahre weitgehend von diesem schweren Schlag, dachte aber immer häufiger – dies äußerte er in Briefen an seinen Freund Ser Lapo Mazzei aus Florenz – über die Gründung einer wohltätigen Stiftung nach. Dies war insofern naheliegend, als sich die Gesellschaften verpflichtet sahen, Gott einen Anteil des Gewinns zukommen zu lassen, ja, ihm ein eigenes Konto, für „Messer Domeneddio“, einzurichten. Es stand für die Armen und wurde bei der Auflösung einer Gesellschaft als erstes ausbezahlt. === Aufstieg in die Calimala === [[Datei:Fiorino 1340.jpg|thumb|Goldflorin, Florenz um 1340]] 1404, im Alter von fast 70 Jahren, gelang ihm die Aufnahme in die bedeutendste Florentiner Gilde, die Tuchveredlergilde ''(Arte di Calimala)''. Ihr gehörten jene Tuchhändler an, denen der Handel mit Tüchern höchster Qualität vorbehalten war. Handelskontakte verbanden ihn nun mit mehr als vierzig italienischen und mindestens zehn französischen Städten, mit [[Brügge]] und einigen anderen Orten im [[Heiliges Römisches Reich|Reich]], aber auch mit [[Marokko]], [[Algerien]], [[Tunesien]] und der [[Levante]] – insgesamt mit 267 Orten. Allein 1634 Briefe von 63 verschiedenen Absendern erreichten ihn z. B. aus Rom. === Testament === Nach Datinis Tod am 17. Juli 1410 wurden seine Frau Margherita<ref>Auch von ihr ist ein Portrait von Piero und Antonio Miniati [http://www.istitutodatini.it/schede/datini/did/margh2.htm überliefert].</ref> – sie starb zehn Jahre später – und sein Gesellschafter Luca del Sera als Testamentsvollstrecker eingesetzt. Die beträchtliche Summe von genau abgezählten 72.039 Florin, 9 Soldi und 4 Denaren ging nach Datinis Wunsch an eine fromme Stiftung. Dazu kam Immobilienbesitz in der geschätzten Höhe von 11.245 Florin. Seine Frau veranlasste alles Notwendige, wie die Bestellung eines Grabsteins bei Niccolò di Piero Lamberti (um 1370–1451), der sich noch heute im Dom befindet. Sie selbst beschied sich mit einem geringen Anteil des Vermögens, der ihr aber ein auskömmliches Leben im Haus des Verstorbenen gestattete. [[Datei:Filippo Lippi Madonna del Ceppo.jpg|thumb|Madonna del Ceppo von [[Filippo Lippi]], Öl auf Holz, 117 x 173 cm, ca. 1452–1453. Das Gemälde hing ursprünglich in der Datini-Stiftung. Es zeigt Datini, wie er die vier Leiter der Stiftung der Obhut der Heiligen Maria überantwortet.]] Die Stiftung ''Ceppo de'poveri''<ref>''Ceppo'' wurde ein Stumpf genannt, in den die Kirchenbesucher ihre Spenden für die Armen warfen.</ref> feiert im Jahr 2010 ihr sechshundertjähriges Bestehen. Die Kommune Prato ernennt bis heute ein fünfköpfiges Leitungskomitee, sowie vier Honoratioren, von denen jeder ein Stadtviertel repräsentiert. Diese Stiftung verwaltet seitdem nicht nur das Vermögen Datinis zugunsten der Armen Pratos, sondern auch sein Haus und seine gesamte Korrespondenz. Schon vor Datinis Gründung gab es seit 1282 einen ''Ceppo vecchio'', so dass Datinis Gründung bald ''Ceppo nuovo'' hieß. Durch die Plünderung Pratos 1512 wurden die Institutionen mit einem Schuldenberg belastet, so dass sie 1537 geschlossen werden mussten. Die beiden Stiftungen wurden jedoch am 13. Juni 1545 von [[Cosimo I. de’ Medici|Cosimo I.]] de' Medici vereinigt und nahmen ihre Funktion unter dem Namen ''Casa Pia de' Ceppi'' wieder auf. Seitdem kümmert sie sich zum einen um die Armen der Stadt, besonders um Kinder, zum anderen fördert sie Kunst und Kunsterhaltung, besonders in der Kirche San Francesco, die Datini am Herzen lag. Datini hätte diese Stiftung vermutlich nicht eingerichtet, wenn ihn nicht sein Freund Ser Lapo Mazzei davon überzeugt hätte. Vermutlich ist dieser Erfolg ebenso Margherita Datini zu verdanken, die auch dafür sorgte, dass sein Werk in diesem Sinne fortgeführt wurde. Sie sorgte dafür, dass an den Außenwänden des Hauses Malereien angebracht wurden, die das Leben des Verstorbenen ins Gedächtnis riefen. Ein Teil der Häuser diente der Stiftung noch lange Zeit als [[Hospital|Hospiz]]. Schon 1399 hatte Francesco an der Wallfahrt der Bianchi (der Weißen) teilgenommen, die barfuß und nur mit weißem Leinen bekleidet von Stadt zu Stadt zogen, beteten, und versuchten, die Feinde zu versöhnen.<ref>Joseph P. Byrne: ''The Merchant as Penitent: Francesco Datini and the Bianchi Movement of 1399'', in: Viator 20 (1989) 219-231.</ref> Datini war im übrigen Besitzer eines Exemplars von [[Dante Alighieri|Dantes]] ''[[Göttliche Komödie|Göttlicher Komödie]]''. == Das Handelsimperium == Datinis Firmensystem<ref>Wie weit sein Handlungsrahmen reichte, zeigt der räumliche Umfang seiner Korrespondenz auf einer [http://www.istitutodatini.it/schede/archivio/htm/area.htm Karte des Datini-Instituts], bzw. das alphabetische [http://www.istitutodatini.it/schede/archivio/htm/local1.htm Verzeichnis der Orte].</ref> erreichte 1399 seine vorläufig größte Ausdehnung. Es umfasste Handelsgesellschaften, Banken und Produktionsbetriebe, insbesondere für die Weiterverarbeitung von halbfertigen Tuchprodukten. Zwar tätigte er auch Geschäfte im östlichen Mittelmeerraum, konzentrierte seine Unternehmungen aber, wie viele seiner Zeitgenossen, weitgehend im westlichen. Bei dieser Entscheidung für den Westen spielte die Möglichkeit, bargeldlos Geldmittel zu bewegen, eine entscheidende Rolle. Datini gründete im westlichen Mittelmeerraum sowohl Alleininhaberfirmen als auch Kompanien. Dabei hatte entweder er selbst den Mehrheitsanteil am Kapital der jeweiligen Kompanie, wie in Avignon, in beiden Produktionsbetrieben und in der Bank, oder aber die Kompanie in Florenz verfügte über die Kapitalmehrheit, wie im Fall der Firmen in Pisa, Genua und Katalonien. Da diese Kompanien nur Teile ihres Kapitals in andere Firmen investierten und nur durch Personalunion miteinander verbunden waren, konnten sie sich nicht mehr gegenseitig in einen [[Bankrott]] hineinziehen. Datini leitete diesen Komplex in Form einer Art [[Holding]], in der die Kompanie in Florenz, ohne selbst zu produzieren, in den von ihr geführten Unternehmen einen großen Kapitalanteil innehatte. Eine Organisationsform, die die [[Medici]] des 15. Jahrhunderts voll entwickelten. Als ''Maggiore'' – so wurde Datini genannt – lenkte er persönlich das Gesamtunternehmen, repräsentiert durch sein Händlerzeichen. Mit Unterstützung der Mitarbeiter aus der Florentiner Unternehmung regierte er bis in die unbedeutendsten Personalfragen hinein, traf seine Auswahl, sorgte für Ausbildung und Kontrolle, ließ sich von jedermann berichten und gab selbst unentwegt schriftliche Anweisungen. Dabei griff er im Schnitt täglich fünfzig Mal zur Feder. Der Organisationsform nach führte Datini also zwei Unternehmen allein, nämlich in Florenz und in Prato, dazu Gemeinschaftsfirmen in Avignon, Genua, Barcelona – mit Filialen in Valencia und auf Mallorca –, in Pisa, dazu zwei Firmen in Prato und zwei in Florenz. Dabei handelte es sich um insgesamt sechs Handelsgesellschaften, von denen er eine allein führte, zwei Produktionsfirmen (''Compagnia della Lana'' für Wolle und ''Compagnia della Tinta'' für Färberei), eine Bank, dazu das von ihm persönlich geleitete Mischunternehmen in Prato. Allein dies bedingte eine umfangreiche Korrespondenz, zu der sich in zahlreichen Orten weitere Adressaten gesellten. [[Federigo Melis]] hat 1962 dieses umfangreiche Korrespondenzwerk den rund 280 in den Briefen vermerkten Orten der Absender und Adressaten zugeordnet.<ref>Federigo Melis, Aspetti della vita economica medievale (studi nell'Archivio Datini di Prato), Siena 1962, prospetto III, inzwischen digital: [http://www.istitutodatini.it/schede/archivio/htm/local1.htm Carteggio Datini - Località mittenti e destinatarie].</ref> In allen Gesellschaften erledigten die Partner, vor allem aber Datini persönlich, einen Großteil der Arbeiten. Dessen ungeachtet hatte jede seiner Firmen auch noch fest angestellte Faktoren, [[Notar]]e, [[Buchhalter]] oder Kassierer, Boten und Lehrlinge, die im Gegensatz zu den ''Compagni'', den Gesellschaftern, nicht am Gewinn beteiligt waren. Im Datini-Archiv findet sich ein Vertrag mit Berto di Giovanni, einem jungen Mann aus Prato, der drei Jahre lang für Datini arbeiten, im ersten Jahr 15 Florin, im zweiten dann 20 und im dritten 25 erhalten und darüber hinaus alle Spesen ersetzt bekommen sollte. Auch existiert eine Empfangsbestätigung über den Lohn eines jungen Buchhalters, der zwölf Florin im Jahr erhielt. Aus Datinis Besitz sind rund 600 Rechnungsbücher ''(Libri contabili)'' von ganz verschiedener Art erhalten. Sie spiegeln die Geschäftspraxis jener Zeit umfassend wider. Es gab die ''Quadernacci di Ricordanze'', die nichts weiter sind als Notizbücher, in denen täglich Einnahmen und Ausgaben, so, wie sie gerade anfielen, festgehalten wurden. Dazu kamen allerlei Notizen, sogar stichwortartig die neuesten Nachrichten vom Tage. In den ''Memoriali'' wurden dann die Einträge aus den ''[[Ricordanze]]'' systematisch zusammengestellt. Die ''Libri grandi'' schließlich, die jede Gesellschaft führte, und zwar (seit 1382 in der Zentrale und seit 1397 in Avignon) in doppelter Buchführung, waren bei Francesco prachtvoll in Pergament oder in Leder gebunden, trugen seine Handelsmarke und waren fortlaufend mit den Buchstaben des Alphabets versehen. Nach damaligem Brauch war die Vorderseite des ersten Blattes fast immer mit einer religiösen [[Sentenz]] überschrieben wie: „Im Namen Gottes und der Heiligen Jungfrau Maria“ oder „Im Namen Gottes und des Geschäfts“. Außerdem wurden noch Ein- und Ausgangsbücher (''libri d'entrata e d'uscita'') geführt, auch Schuldner- und Kreditgeberbücher ''(libri dei debitori e creditori)'' genannt, in denen der Ein- und Ausgang von Bargeld eingetragen wurde, der dann wiederum in den ''Libri d'Entrata e d'Uscita della Cassa grande'' zusammengefasst wurde. In Avignon standen im Handelshaus Geldkassetten für das Bargeld, die allabendlich abgerechnet und danach in die ''Cassa grande'' entleert wurden, zu der Francesco Datini als einziger den Schlüssel besaß. Dann führte auch noch jedes einzelne Handelshaus seine Bücher, in denen Inventarlisten, Quittungen und Frachtbriefe etc. enthalten waren; die Partner und Faktoren im Ausland führten ebenfalls Buch, und außerdem gab es noch Immobilienregister, Lohnlisten, dazu die zwölf Handlungsbücher des Tuchbetriebs in Prato. Schließlich führte Datini auch privat Buch und hielt in den Kontobüchern „di Francesco proprio“ seine persönlichen Ausgaben und die Ausgaben für seinen Haushalt fest, während er Partnerschaftsverträge, Abrechnungen, die über den jeweiligen Kapitalstand eines jeden Firmenmitglieds Aufschluss gaben, sowie Bilanzen vor allem in einem ''Libro segreto'', einem geheimen Buch, niederlegte. Das Recht des Kaufmanns, diese Bücher öffentlicher Prüfung zu verschließen, war so fest verankert, dass ein Freund Datinis, als die Steuerbeamten der Stadtkommune von Florenz 1401 verlangten, sämtliche Bücher einzusehen, dazu schrieb: „Die finanzielle Notlage der Kommune zwingt sie, diese Schamlosigkeit zu begehen.“ == Datinis Archiv == Datini begann bereits ab 1364 in Avignon, seine Papiere aufzubewahren. Die meisten Dokumente stammen aus den Jahren 1382 bis 1410, also der zweiten Hälfte seines Kaufmannslebens. Das Datini-Archiv ist mit Abstand das umfangreichste erhaltene Kaufmannsarchiv des Mittelalters. Es umfasst rund 150.000 „Stücke“ in 592 Mappen, davon mehr als 125.000 Geschäftsbriefe, rund 11.000 Privatbriefe und weitere 15.802 Dokumente sonstiger Art. Allein die 574 Rechnungsbücher mitsamt der Hauptbücher bilden einen gewaltigen Fundus. Des Weiteren finden sich rund 300 Partnerschaftsverträge, meist Verträge anderer Firmen, die mit Datinis Firma in Geschäftsverbindung standen. Schließlich enthält das Archiv neben einer Vielzahl weiterer Dokumente etwa 5.000 Wechsel. 1422 bricht die Überlieferung ab. Alle diese Dokumente befinden sich bis heute im ehemaligen Haus des Francesco und der Margherita Datini in Prato in der Via ''Lapo Mazzei'' – ein Name, der für Datini große Bedeutung hatte, denn er war ein enger Freund und vertrauenswürdiger Berater. Das Obergeschoss befindet sich noch weitgehend im ursprünglichen Zustand. Kurz nach 1410 wurden heute stark verblasste Malereien durch die Stiftung angebracht. Die Fenster im Erdgeschoss sind erst im 17. Jahrhundert im Rahmen einer Renovierung verändert worden. Als im 17. Jahrhundert die gesamte Einrichtung aus dem Haus entfernt wurde, um das Haus zu renovieren, riss man auch die „Papiere“ Datinis aus den Schränken und deponierte sie unter einer Treppe des Hauses. Dort blieben sie bis 1870 vergessen. == Wiederentdeckung == Eigentlicher Wiederentdecker der Papiere war der Prateser [[Diakon|Erzdiakon]] Don Martino Benelli, der 1870 mit Hilfe von Don Livio Livi die in Säcken eingenähten Dokumente sortierte. Zunächst wanderten die Bestände während der Restaurierung des Datini-Hauses in die Bischofsresidenz. Erst 1958, anlässlich einer internationalen Ausstellung unter Beteiligung [[Sowjetunion|sowjetischer]] Wissenschaftler – schließlich hatten Datinis Handelsbeziehungen bis zur [[Krim]] gereicht, die damals noch sowjetisch war – und unter Vorsitz des späteren [[Staatspräsident (Italien)|Staatspräsidenten]] [[Luigi Einaudi]], kam man überein, die Bestände wieder an ihren ursprünglichen Ort zurückzubringen. Das Innenministerium, dem in Italien alle Archive unterstehen, ordnete an, dass eine Dépendance des Florentiner Staatsarchivs eingerichtet werden sollte, die bald autonom wurde. [[Federigo Melis]] und Armando Sapori, die sich über die Bedeutung der Datini'schen Holding uneins waren, bewirkten, dass zahlreiche, zunächst vor allem italienische Wissenschaftler, die Archivalien mit Blick auf ihre Forschungsgebiete durchsuchten. So tauchten die Bestände nicht nur in stadtgeschichtlichen Untersuchungen auf, sondern auch in thematisch stärker fokussierten Arbeiten, wie Raymond de Roovers Geschichte von Geld, Bank und Kredit. Inzwischen gibt es kaum noch eine Fragestellung zur mittelalterlichen Wirtschaftsgeschichte, in der nicht Prateser Archivalien eine Rolle spielen. Der Bogen spannt sich dabei von mentalitätsgeschichtlichen Fragestellungen bis zu minutiösen Detailstudien zum internen Funktionieren eines solchen Unternehmens. Doch sind die Fragestellungen inzwischen weit darüber hinausgewachsen, und berühren auch nicht unmittelbar wirtschaftsgeschichtliche Arbeitsfelder, wie die der Schriftlichkeit, der Geschichte der Geschlechter, des Ordnungsverhaltens usw. Darüber hinaus wurde der Bestand zum Anlass genommen, ein eigenes Forschungsinstitut zu gründen, das ''Istituto di storia economica „Francesco Datini“'', das alljährlich Vortrags- und Diskussionswochen zu wechselnden Themen veranstaltet und Forschungen am Bestand großzügig fördert. Dabei ist das Institut in der Via L. Muzzi 38 nicht nur wissenschaftlich stark verankert, sondern auch in der Stadt Prato selbst.<ref>So beging die Stadt am 17. August 2007 in einer großen Feier den 597. Todestag Datinis. Der ''Gonfalone del Comune'' legte einen Kranz an seinem Denkmal nieder. So hatte Datini es in seinem Testament bestimmt, dass am Tag nach seinem Ableben eine Messe stattfinden sollte, dazu eine öffentliche Ehrung.</ref> Herausragende populärwissenschaftliche Arbeiten, vor allem die von Iris Origo, haben Datini und den Kaufmannsgeist seiner Zeit auch über Fachkreise hinaus bekannt gemacht. == 600-Jahr-Feier == Für das Jahr 2010, den 600. Todestag Datinis, sind umfangreiche Gedenkfeiern vorgesehen. Die italienische Post gibt eine Sonderbriefmarke heraus. Die XLII. ''Settimana di Studio'', eine Forschungs- und Studienwoche, die im Jahr 2010 vom 18. bis 22. April in Prato stattfinden wird, wird sich der Frage widmen, wohin sich die [[Wirtschaftsgeschichte]] entwickelt. == Literatur == * Franz-Josef Arlinghaus: ''‘Io’, ‘noi’ und ‘noi insieme’. Transpersonale Konzepte in den Verträgen einer italienischen Handelsgesellschaft des 14. Jahrhunderts'' ([http://www.franzarlinghaus.de/Arlinghaus%20Io%20noi%20noi%20insieme.rtf Online-RTF]) * Franz-Josef Arlinghaus: ''Zwischen Notiz und Bilanz. Zur Eigendynamik des Schriftgebrauchs in der kaufmännischen Buchführung am Beispiel der Datini/di Berto-Handlungsgesellschaft in Avignon (1367–1373)'', Diss. masch. Münster 1996, Frankfurt 2000 ([http://www.uni-muenster.de/Geschichte/MittelalterSchriftlichkeit/ProjektA/datini.htm partiell online]). * Enrico Bensa: ''Francesco di Marcho da Prato'', 1928. * Robert Brun: ''A Fourteenth-Century Marchant of Italy: Francesco Datini of Prato, in: Journal of Economic Business History'' (1930) 451–466. * Joseph Patrik Byrne: ''Francesco Datini, „father of many“: piety, charity and patronage in early modern Tuscany'', Diss. 1989, Indiana University, Bloomington 1995. * Joseph Patrik Byrne/Eleanor A. Congdon: ''Mothering in Casa Datini'', in: ''Journal of Medieval History'' 25/1 (1999) 35–56. * Michele Cassandro: ''Il Libro giallo di Ginevra della compagnia fiorentina di Antonio della Casa e Simone Guadagni. 1453–1454'', Florenz 1976. * Elena Cecchi: ''Le lettere di Francesco Datini alla moglie Margherita (1385–1410)'', Prato 1990. * Elena Cecchi Aste: ''Il carteggio di Gaeta nell’archivio del mercante pratese Francesco di Marco Datini, 1387–1405'', Gaeta 1997. * Gaetano Corsani: ''I fondaci e i banchi di un mercante pratese del Trecento'', 1922. * Ann Crabb: ''Ne pas être mère: l’autodéfense d’une Florentine vers 1400'', in: ''Clio. Histoire, Femmes et Sociétés'' 21 (2005), publ. im Juni 2007. ([http://clio.revues.org/document1457.html Online, aufgesucht am 20. August 2009]) * Markus A. Denzel: ''La Practica della Cambiatura. Europäischer Zahlungsverkehr vom 14. bis zum 17. 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Rassegna bibliografica sulle origini del capitalismo in Italia'', in: ''Nuova Rivista Storica'' (1966) 666–681. * Armando Sapori: ''Cambiamenti di mentalità del grande operatore economico tra la seconda metà del Trecento e i primi del Quattrocento'', in: ''Studi di Storia economica'' (1967) 357–485. * Diana Toccafondi/Giovanni Tartaglione (Hrsg.): ''Per la tua Margherita… Lettere di una donna del ’300 al marito mercante. Margherita Datini e Francesco di Marco 1384–1401'', CD-ROM, Archivio di Stato di Prato, Prato 2002. * Christiane Villain-Gandossi: ''Les salins de Peccais au XIVe siècle, d'après les comptes du sel de Francensco Datini'', in: ''Annales du Midi'' 80 (1968) 328–336. == Weblinks == * [http://www.istitutodatini.it/ Institut für Wirtschaftsgeschichte „Francesco Datini“ in Prato] * [http://www.istitutodatini.it/schede/datini/eng/fdat1.htm Biographie Datinis auf der Institutsseite] * [http://www.archiviodistato.prato.it/home_d.htm Website des Staatsarchivs Prato – deutsch] * [http://www.thefreelibrary.com/%22If+I+could+write%22:+Margherita+Datini+and+letter+writing,+1385-1410.-a0172398204 Ann Crabb: ''„If I could write“: Margherita Datini and letter writing, 1385-1410'', Renaissance Quarterly, 22. Dezember 2007] * [http://campus.belmont.edu/honors/datwill.html ''The Wills and Codicils of Marco (1348) and Francesco di Marco (1410) Datini'', ins Englische übersetzt von Joseph Patrik Byrne] * {{DNB-Portal|118761145}} == Einzelnachweise == <references /> {{Normdaten|PND=118761145|LCCN=n/85/265604|VIAF=7515586}} {{DEFAULTSORT:Marco Datini, Francesco di}} [[Kategorie:Unternehmer (14. Jahrhundert)]] [[Kategorie:Unternehmer (15. Jahrhundert)]] [[Kategorie:Florentiner]] [[Kategorie:Italiener]] [[Kategorie:Geboren 1335]] [[Kategorie:Gestorben 1410]] [[Kategorie:Mann]] {{Personendaten |NAME=Marco Datini, Francesco di |ALTERNATIVNAMEN=Datini, Francesco |KURZBESCHREIBUNG=italienischer Kaufmann |GEBURTSDATUM=1335 |GEBURTSORT=[[Prato (Toskana)]], Italien |STERBEDATUM=16. August 1410 |STERBEORT=[[Prato (Toskana)]] }} {{Exzellent}} [[en:Francesco di Marco Datini]] [[fr:Francesco di Marco Datini]] [[it:Francesco Datini]] [[ja:フランチェスコ・ディ・マルコ・ダティーニ]] [[nl:Francesco di Marco Datini]] [[ru:Датини, Франческо]] s215hle45w7ej3hr1ptrhy7e11xzfrp wikitext text/x-wiki Maria I. (England) 0 23890 26486 2010-05-02T16:53:03Z Luckas-bot 0 Bot: Ergänze: [[ms:Mary I dari England]] [[Datei:Mary I of England.jpg|thumb|Maria I. (Porträt von [[Anthonis Mor]]) 1554]] '''Maria I. Tudor''' (eng. Mary Tudor) (* [[18. Februar]] [[1516]] in [[Greenwich (London)|Greenwich]]; † [[17. November]] [[1558]] im [[St. James's Palace]]) war von 1553 bis 1558 Königin von [[England]] und [[Irland]]. Die erste Monarchin und vierte Person in der Königsliste aus dem [[Haus Tudor]] regierte in einer Zeit großer religiöser Spannungen. Sie war die Tochter von König [[Heinrich VIII. (England)|Heinrich VIII.]] und seiner ersten Frau [[Katharina von Aragon]]. Heinrich VIII. hatte die [[Anglikanische Kirche|englische Kirche]] von der [[Römisch-katholische Kirche|römisch-katholischen]] getrennt. Maria hingegen versuchte in Anlehnung an ihre Mutter den [[Katholizismus]] erneut als Staatsreligion zu etablieren. Dabei kam es zur Hinrichtung von fast dreihundert [[Protestantismus|Protestanten]]. Die Nachwelt bezeichnete sie daher, je nach religiösem Standpunkt, mit den [[Beiname]]n ''„die Katholische“'' oder ''„die Blutige“'' (engl. ''„Bloody Mary“''). Marias protestantische Halbschwester und Nachfolgerin [[Elisabeth I. (England)|Elisabeth I.]] machte ihre religionspolitischen Maßnahmen wieder rückgängig. Mary Tudor ist nicht zu verwechseln mit ihrer Tante [[Maria Tudor (Frankreich)|Maria Tudor]], der Schwester ihres Vaters. == Leben == === Frühe Jahre === [[Datei:Wolsey.jpg|thumb|Kardinal [[Thomas Wolsey]] ]] Maria Tudor wurde am 18. Februar 1516 als fünftes Kind König Heinrichs VIII. und seiner ersten Frau [[Katharina von Aragon]] im [[Palace of Placentia]] bei [[Greenwich (London)|Greenwich]] geboren. Anders als die übrigen Kinder Katharinas überstand sie die ersten Lebensmonate. Ihr Taufpate wurde der einflussreiche Kardinal [[Thomas Wolsey]], ihre Namenspatronin war ihre Tante Maria. ==== Kindheit und Jugend ==== In ihren frühen Jahren galt Maria als kränkliches Kind und litt unter einer Sehschwäche, Stimmungsschwankungen und schweren Kopfschmerzen. Unter manchen Historikern wird vermutet, dass ihre schwache Konstitution auf eine [[Syphilis]]erkrankung ihres Vaters Heinrich zurückzuführen ist, mit der ihre Mutter sie womöglich schon bei der Geburt infiziert hatte. Als Prinzessin genoss Maria eine fundierte Ausbildung unter der Leitung ihrer Erzieherin [[Margaret Pole, 8. Countess of Salisbury]]. Neben ihrer Muttersprache [[Englische Sprache|(Englisch)]] lernte sie [[Latein]], [[Französische Sprache|Französisch]] und [[Italienische Sprache|Italienisch]]. Außerdem wurde die junge Maria in [[Musik]] unterrichtet und durch [[Wissenschaft|Gelehrte]] wie [[Erasmus von Rotterdam]] mit den [[Wissenschaft]]en vertraut gemacht. Großen Anteil an ihrer frühen Erziehung hatte ihre Mutter, die sie persönlich in Latein unterrichtete und der es gelang, den spanischen [[Humanismus|Humanisten]] [[Juan Luís Vives]] an den englischen Hof zu holen. Der König gewährte Maria das [[Privileg]] eines eigenen Hofstaats im Schloss [[Ludlow]] im Fürstentum [[Wales]]. Ein weiteres Privileg war ihre Ernennung zur [[Prince of Wales|Fürstin von Wales]]. Der Hof in Ludlow war das Machtzentrum des Fürstentums und diente daher meist den jeweiligen Thronfolgern, den Fürsten [engl. „Prince“] von Wales, als Regierungssitz. Obwohl Heinrich Maria im Alter von neun Jahren zur Fürstin von Wales ernannte, hatte er sie noch nicht als offizielle Thronfolgerin vorgesehen. Vielmehr erhoffte er sich noch immer einen legitimen männlichen Thronfolger. Dennoch war Marias Ernennung ein erster Schritt auf ihrem Weg zur Macht. Zunächst aber verfolgte Heinrich andere Pläne mit Maria: Wie damals üblich sollte seine Tochter eine Ehe eingehen, um die politischen Bündnisse ihres Vaters zu festigen. So wurde sie im Alter von zwei Jahren dem [[Dauphin (Adel)|Dauphin]] Franz versprochen, dem Sohn des französischen Königs [[Franz I. (Frankreich)|Franz I.]]. Nach drei Jahren wurde die Verbindung jedoch wieder gelöst. Schon im Jahr 1522 schmiedete Heinrich VIII. mit dem [[Vertrag von Windsor (1522)|Vertrag von Windsor]] ein zweites Ehebündnis. Marias neuer Ehemann in spe war ihr Cousin ersten Grades und Kaiser des [[Heiliges Römisches Reich|Heiligen Römischen Reichs]] [[Karl V. (HRR)|Karl V]]. Auch dieses Eheversprechen verlor wenige Jahre später seine Bedeutung. Als Maria 1526 in Wales einem Konzil vorstand, wurde der Vorschlag unterbreitet, die Prinzessin nicht mit dem Dauphin zu verheiraten, sondern mit dessen Vater, dem König Franz I. von Frankreich. Eine solche Verbindung sollte in einer Allianz beider Länder münden. Ein neues Eheversprechen wurde unterzeichnet, welches eine Heirat Marias mit Franz I. oder dessen zweitem Sohn [[Heinrich II. (Frankreich)|Heinrich]], dem [[Herzog von Orléans]], vorsah. Kardinal Wolsey, Chefunterhändler Heinrichs VIII., konnte England jedoch die Allianz mit Frankreich ohne eine derartige Heirat sichern, da der französische König das Bündnis mit England um jeden Preis eingehen wollte. ==== Verlust der Thronfolge ==== Maria kehrte 1527 an den englischen Hof zurück, wo die Ehe ihrer Eltern gerade zerbrach. Da Katharina von Aragon und König Heinrich keinen männlichen Thronerben hatten, strebte Heinrich eine Annullierung seiner Ehe an und trennte sich schließlich im Juli 1531 von seiner ersten Frau. Unter dem Einfluss von Katharinas Neffen, Kaiser Karls V., lehnte [[Papst]] [[Clemens VII. (Papst)|Clemens VII.]] die Nichtigkeitserklärung der Ehe jedoch strikt ab. Heinrich VIII. erkannte daraufhin die [[Suprematie]] des Papstes über die englische Kirche nicht länger an und erklärte sich mit Zustimmung des Parlaments selbst zum Oberhaupt der [[Anglikanische Kirche|Anglikanischen Staatskirche]]. Der [[Erzbischof von Canterbury]], [[Thomas Cranmer]], stellte nach einer Anhörung die Ungültigkeit der Ehe zwischen Heinrich VIII. und Katharina von Aragon fest. Im Januar 1533 heiratete der König seine langjährige Geliebte [[Anne Boleyn]]. [[Datei:H8family.jpg|thumb|left|Heinrich VIII. und seine Familie, links und rechts allegorische Gestalten]] Nachdem seine erste Ehe für nichtig erklärt worden war, erkannte Heinrich VIII. Maria nicht mehr als legitime Tochter an. Sie verlor folglich ihren Status als Prinzessin von Wales und trug als [[Bastard]] des Königs nur noch den Titel einer Lady. Außerdem wurde sie des königlichen Hofes verwiesen und gezwungen, als Hofdame unter Lady Shelton, einer Tante der neuen Königin Anne, zu dienen, um ihre neugeborene Halbschwester [[Elisabeth I. (England)|Elisabeth]] zu versorgen. Maria musste nach [[Hatfield (Hertfordshire)|Hatfield]] umziehen. Obwohl es ihr streng untersagt war, unterhielt sie eine geheime Korrespondenz mit ihrer Mutter. Als diese 1536 starb, durfte Maria nicht an ihrem Begräbnis teilnehmen. Die Bevölkerung schrieb diese Behandlung dem Einfluss der unpopulären Königin Anne zu. Die schlechte Behandlung der früheren Prinzessin durch König und Königin brachte Maria Sympathien unter den einfachen Menschen, die in ihr weiterhin die legitime Thronerbin sahen. Als 1536 auch Anne Boleyn die Gunst des Königs verlor, hoffte Maria auf eine Verbesserung ihrer Lage. Allerdings ging es nun ihrer Halbschwester Elisabeth ähnlich wie ihr wenige Jahre zuvor: Sie verlor ihren Platz in der Thronfolge und wurde zur Lady herabgestuft. Dies machte deutlich, dass Marias schwierige Lage vor allem von ihrem Vater und nicht allein von Königin Anne herbeigeführt worden war. ==== Ausgleich mit Heinrich VIII. ==== Um die Gunst Heinrichs VIII. wiederzuerlangen, war Maria zu Zugeständnissen bereit: Sie schwor, dem König „treu zu dienen“, wie es ihr Gewissen erlaubte, weigerte sich aber, den [[Eid]] auf ihn als Oberhaupt der [[Kirche von England]] zu leisten. Als sie darüber informiert wurde, dass der König plante, sie der [[Ketzerei]] anzuklagen und hinrichten zu lassen, falls sie sich weiter widersetzen würde, plante sie zunächst eine Flucht auf den Kontinent. Schließlich akzeptierte sie Heinrich jedoch als Oberhaupt der Kirche, obwohl dies ihrem Glauben widersprach und gegen die [[Papst|päpstliche]] Autorität verstieß. Außerdem erkannte sie die [[Annullierung]] der Ehe ihrer Mutter Katharina als rechtmäßig an, wodurch sie ihren eigenen illegitimen Status bestätigte. Die unter Zwang erfolgte Verleugnung ihrer katholischen Überzeugungen ließ sie während ihrer eigenen Herrschaft umso konsequenter für die katholische Sache eintreten. Heinrich VIII. heiratete noch 1536 die ehemalige Hofdame [[Jane Seymour]], die ihm mit [[Eduard VI. (England)|Eduard]] schließlich den lang ersehnten männlichen Thronfolger schenkte. Jane Seymour versuchte, Maria mit ihrem Vater zu versöhnen. Deren Zugeständnisse ließen diesen schließlich einlenken. Maria durfte Patin ihres Halbbruders Eduard werden und wieder in den königlichen Palästen wohnen. Königin Jane verstarb jedoch bald darauf an Komplikationen in Folge der Geburt. Maria wurde die Ehre zuteil, als Hauptleidtragende auf einem schwarzen Pferd dem [[Trauerzug]] voran zu reiten. Von seiner vierten Ehefrau, [[Anna von Kleve]], ließ sich ihr Vater schon nach kurzer Zeit wieder scheiden; die fünfte, [[Catherine Howard]], endete 1542 wie zuvor Anne Boleyn auf dem Schafott. [[Catherine Parr]], die sechste und letzte Frau Heinrichs, verbesserte Marias Lage am Hof weiter und führte Vater und Tochter enger zusammen. Der [[Act of Parliament]] von 1544 setzte beide Töchter Heinrichs VIII. wieder in ihre Rechte als Prinzessinnen ein – an zweiter und dritter Stelle der Thronfolge nach Eduard –, obwohl sie offiziell illegitim blieben. ==== Maria unter Eduard VI. ==== [[Datei:Mary I by Master John.jpg|thumb|Maria I. (1544)]] Nachdem König Heinrich VIII. am 28. Januar 1547 gestorben war, erbte sein noch minderjähriger Sohn Eduard den Thron. In den ersten Jahren seiner Kindheit hatten sich Eduard und seine Halbschwestern sehr nahe gestanden, dies änderte sich mit Eduards Thronbesteigung. Der erst neun Jahre alte König stand unter dem Einfluss seines [[Vormund]]s [[Edward Seymour, 1. Herzog von Somerset|Edward Seymour]], der einen strikt protestantischen Kurs verfolgte. Maria erkannte, dass neue Gesetze es ihr als überzeugter Katholikin unmöglich machten, am königlichen Hof zu bleiben. Daher zog sie nach [[Kenninghall]], wo sie eine eigene Kapelle unterhielt und versuchte, nach den Regeln des katholischen Glaubens zu leben. Von Seymour dazu gedrängt, verbot Eduard VI. Maria die privaten Messen. Daraufhin wandte sie sich mit Erfolg an ihren Cousin Kaiser Karl V., der England mit Krieg drohte, falls Maria an der Ausübung ihrer Religion gehindert würde. So konnte sie weiter an ihren religiösen Praktiken festhalten. [[Thomas Seymour]], der Bruder des Vormunds des Königs, wurde 1549 im [[Tower of London|Tower]] hingerichtet, nachdem sein Plan, den jungen König mit [[Maria I. (Schottland)|Maria von Schottland]] zu verheiraten, gescheitert war. Infolgedessen verlor Edward Seymour zunehmend seinen Einfluss und wurde schließlich untragbar für den König. Als neuer Vormund erlangte der machthungrige [[John Dudley, 1. Herzog von Northumberland]], entscheidenden Einfluss auf den König. Auch Dudley war Maria, die ihn als politischen Gegner fürchtete, nicht wohlgesinnt. === Die Thronbesteigung === Wie berechtigt Marias Vorbehalte gegen Dudley waren, zeigte sich, als ihr Halbbruder am 6. Juli 1553 im Alter von nicht einmal 16 Jahren starb. Unter dem Einfluss des Herzogs hatte Eduard VI. unter Bruch des ''Act of Parliament'' von 1544 Maria und Elisabeth testamentarisch wieder von der Thronfolge ausgeschlossen. Um eine protestantische Thronfolge zu sichern, sollte die Krone nach dem letzten Willen Eduards auf Lady [[Jane Grey]] übergehen. Sie stammte von der Schwester Heinrichs VIII., [[Maria Tudor (Frankreich)|Mary Tudor]], der [[Herzog von Suffolk|Herzogin von Suffolk]], ab und war die Schwiegertochter des Herzogs von Northumberland. Noch am Todestag Eduards wurde Jane Grey widerrechtlich zur Königin Johanna proklamiert. Dudley versuchte Maria, die sich zum Zeitpunkt von König Eduards Tod in [[Suffolk]] aufhielt, in seine Gewalt zu bringen. Truppen wurden ausgesandt, um sie gefangen zu nehmen oder zu töten. Maria konnte sich dem Zugriff des Herzogs durch eine Flucht nach [[Norfolk]] entziehen, wo sich ihre Anhänger um sie versammelten. Für die Mehrheit der Bevölkerung war Maria ungeachtet der religiösen Bedenken die rechtmäßige Thronerbin. Obwohl der Herzog von Northumberland gewaltsam gegen Unruhen vorgehen ließ, unterstützte die Bevölkerung Maria. Das Regime des Herzogs von Northumberland brach großteils am 18. Juli zusammen. Der Staatsrat in [[London]] stürzte John Dudley trotz der zahlreichen im Rat sitzenden Günstlinge des Herzogs. Die Ratsmitglieder wollten sich rechtzeitig auf die Seite von Maria schlagen, deren Zuspruch in der Bevölkerung stetig anstieg. Am 19. Juli schwand der Zuspruch für den Herzog gänzlich und es gelang Maria, sich endgültig gegen Jane Grey durchzusetzen. Die frühere [[Proklamation]] wurde aufgehoben und Maria zur Königin von England und Irland ausgerufen. Am 3. August zog sie zusammen mit ihrer Schwester [[Elisabeth I. (England)|Elisabeth]], die ihren Thronanspruch unterstützt hatte, triumphierend in [[London]] ein. Maria regierte aufgrund der Thronfolgeregelung von 1544 [[de jure]] vom 6. Juli an, [[de facto]] aber erst seit dem 19. Juli. Maria wurde am 1. Oktober 1553 zur Königin gekrönt. === Herrschaft === Nach ihrer Thronbesteigung ließ Maria als erstes die Ehe ihres Vaters Heinrich VIII. mit Katharina von Aragón wieder für gültig erklären. Außerdem begnadigte sie zahlreiche im [[Tower of London]] inhaftierte Katholiken, unter anderem [[Thomas Howard, 3. Herzog von Norfolk]], und [[Stephen Gardiner]]; letzteren ernannte sie zu ihrem [[Lordkanzler]]. Jane Grey, deren Vater [[Henry Grey, 1. Herzog von Suffolk]], sowie Schwiegervater John Dudley wurden verhaftet. Da Maria sich aber überzeugen ließ, dass Lady Jane die Krone nur auf Druck Dudleys angenommen hatte, begnadigte sie ihre Großkusine und deren Vater zunächst. Der Herzog von Northumberland dagegen wurde des [[Hochverrat]]s angeklagt und hingerichtet. ==== Aufstand der Protestanten ==== [[Datei:Elizabeth1England.jpg|miniatur|[[Elisabeth I. (England)|Elisabeth I.]] auf einem zeitgenössischen Gemälde von [[William Segar]]]] Um eine erneute protestantische Thronfolge durch ihre Halbschwester Elisabeth zu verhindern, suchte Maria nach einem katholischen Ehemann. Nachdem sie [[Edward Courtenay]], den [[Earl of Devon]], zurückgewiesen hatte, fiel ihre Wahl auf den spanischen Kronprinzen [[Philipp II. (Spanien)|Philipp]], den sein Vater, der römisch-deutsche Kaiser Karl V., ihr vorgeschlagen hatte. Der Bräutigam stieß bei den Engländern auf große Ablehnung. Sogar Marias eigener Lordkanzler Gardiner und das [[House of Commons (Großbritannien)|House of Commons]] fürchteten, dass England unter starken spanischen Einfluss geraten könnte. Da Maria jedoch an ihrer Wahl festhielt, brachen Revolten aus. Der Herzog von Suffolk, Henry Grey, verkündete, seine Tochter Jane sei die eigentliche Königin von England. Sir [[Thomas Wyatt]] versammelte Anfang 1554 eine Streitmacht bei [[Kent]], um gegen die Königin zu kämpfen, der er selbst auf den Thron verholfen hatte. Die königliche Armee besiegte Wyatts Truppen erst vor den Toren [[London]]s, und der Aufstand wurde gänzlich niedergeschlagen. [[Henry Grey, 1. Herzog von Suffolk|Henry Grey]] und seine Tochter Jane, die am Aufstand nicht beteiligt war, wurden des Hochverrats für schuldig befunden und enthauptet. Maria sah ihre Pläne auch durch ihre Schwester Elisabeth und deren protestantischen Glauben bedroht; daher nutzte sie den Aufstand für ihre Zwecke. Sie beschuldigte ihre Schwester Elisabeth, die Revolte gegen sie unterstützt zu haben, und ließ sie in den Tower von London sperren. Erst als sich die inhaftierte Elisabeth offen zum Katholizismus bekannte, ließ Maria Gnade walten und wandelte die Strafe nach zwei Monaten in einen Hausarrest um. ==== Marias Religionspolitik ==== [[Datei:Reginald Pole cardinal.jpg|thumb|left|Reginald Pole, Porträt von [[Sebastiano del Piombo]], 1540]] Maria hatte die Entscheidung ihres Vaters, die englische Kirche von der römisch-katholischen abzuspalten, immer abgelehnt. Als Königin widmete sie sich daher vor allem der Religionspolitik. Ihr wichtigster Berater wurde Kardinal [[Reginald Pole]], der Sohn ihrer Erzieherin Margaret Pole, der zur Zeit ihrer Thronbesteigung in Rom weilte, 1554 aber nach England zurückkehrte. Ihn ernannte sie zum Erzbischof von [[Canterbury]]. Mit Poles Hilfe versuchte Maria, England zu rekatholisieren, die von ihrem Vater geschaffene [[Anglikanische Kirche|anglikanische Staatskirche]] wieder mit der [[Römisch-katholische Kirche|römisch-katholischen]] zu vereinigen und sie erneut der Autorität des Papstes zu unterstellen. Dabei stieß sie jedoch auf den wachsenden Widerstand des Parlaments. Zwar schaffte es die stark vom Protestantismus geprägten Religionsgesetze aus der Zeit Eduards VI. wieder ab. Aber es verweigerte die Rückgabe des beschlagnahmten Kirchenguts, insbesondere der Ländereien, die in den Besitz des niederen Adels, der [[Gentry]], übergegangen war, aus dem die meisten Parlamentarier stammten. So gab Maria zunächst die von Heinrich VIII. beschlagnahmten klösterlichen Ländereien, die sich noch im Besitz der Krone befanden, an [[Franziskaner (OFM)|Franziskaner]] und [[Dominikaner]] zurück. Nach dem Aufstand Wyatts fürchtete Maria weitere protestantische Aufstände, die sie mit allen Mitteln zu verhindern suchte. Die ersten Protestanten wurden wegen Ketzerei verurteilt und verbrannt. Einige der protestantischen Bischöfe, die nicht ins Ausland geflohen waren, fanden ihr Ende auf dem Scheiterhaufen, allen voran Erzbischof [[Thomas Cranmer]]. Zu den weiteren Opfern der Verfolgung gehörten unter anderem der verheiratete Priester John Rogers und der Bischof von [[Gloucester]], [[John Hooper]]. Der überwiegende Teil der Verurteilten waren einfache Menschen aus dem Volk. Die mit den öffentlichen Verbrennungen bezweckte Abschreckung setzte jedoch nicht ein. Stattdessen empfand die Bevölkerung zunehmend Sympathie für die ''protestantischen Märtyrer'', deren Verfolgung über drei Jahre anhielt. Die Zahl der Verbrennungen stieg nach einem Jahr noch an, nachdem die Königin das Recht auf Widerruf nach einer Verurteilung abgeschafft hatte. Innerhalb wie außerhalb Englands wuchs die Zahl der Gegner Marias. Die Gewalt, mit der sie gegen Anhänger des Protestantismus vorging, brachte ihr schließlich den Beinamen ''Bloody Mary'' ein. In Irland dagegen stieß die Rekatholisierung auf weit weniger Gegenwehr als in England. ==== Heirats- und Außenpolitik ==== [[Datei:King PhilipII of Spain.jpg|thumb|König Philipp II. von Spanien (Porträt von [[Anthonis Mor]])]] Die Königin setzte die [[Außenpolitik]] ihrer Vorgänger fort. Die Tudorkönige strebten eine Annäherung Englands an [[Spanien]] an, um so ein starkes Gegengewicht gegen [[Frankreich]] aufzubauen. Der Plan Marias, den spanischen Thronfolger zu heiraten, ging vielen Engländern dennoch zu weit. Die Königin ließ sich jedoch nicht beirren und heiratete schließlich auf Geheiß ihres Vetters [[Karl V. (HRR)|Karl V.]], den sie sehr verehrte und als ihren Retter und Unterstützer ansah, am 25. Juli 1554 dessen Sohn [[Philipp II. (Spanien)|Philipp II.]] von Spanien in der [[Winchester Cathedral|Kathedrale von Winchester]]. Philipp erhielt durch den Ehevertrag auch den Titel „König von England“. Alle Dokumente und Abkommen des Parlaments mussten fortan von beiden Ehepartnern unterzeichnet werden. Die reale Macht Philipps war jedoch eher begrenzt auf die Funktionen eines [[Prinzgemahl]]s. Zudem sicherte eine Klausel im Ehevertrag England gegen mögliche Forderungen zur [[Heerfolge]] oder [[Subsidien]]zahlungen gegenüber Philipps Vater Karl V. ab. [[Datei:PhilippZweiteMariaTudor.jpg|thumb|left|König Philipp II. von Spanien und Maria Tudor]] Der Wunsch Marias nach einem männlichen Erben, der die katholische Thronfolge in England gesichert hätte, blieb unerfüllt. Philipp fand seine Frau unattraktiv und sah seine Ehe als reines dynastisches Bündnis an. Bereits vierzehn Monate nach der Hochzeit, im September 1555, verließ er daher England unter Angabe falscher Gründe, während Maria unter einer von mehreren [[Scheinschwangerschaft|Phantomschwangerschaften]] litt. Im März des Jahres 1557 kehrte Philipp II., mittlerweile nach der [[Abdikation|Abdankung]] [[Karl V. (HRR)|Karls]] König von Spanien, zu seiner Ehefrau Maria nach England zurück. Er blieb bis Juli und überredete Maria, [[Spanien]] im Krieg gegen [[Frankreich]] beizustehen. Maria sicherte den katholischen Spaniern gegen den Willen der englischen Bevölkerung ihre Unterstützung zu. In Folge der im Juni 1557 begonnenen Mobilmachungen kam es daher zu vereinzelten Ausschreitungen. Zahlreiche protestantische Splittergruppen sorgten für Unruhe und die Bevölkerung wurde durch [[Pamphlet]]e gegen die Spanier aufgebracht. Selbst Papst [[Paul IV.]] stellte sich gegen Maria auf die Seite der Franzosen. Der Krieg endete für England in einem Desaster und die Stadt [[Calais]], Englands letzte Bastion auf dem Festland, fiel im Januar 1558 an Frankreich. ''„Wenn ich tot bin, werdet ihr Calais in meinem Herzen finden,“'' soll Maria nach diesem schweren Schlag für England gesagt haben. ==== Wirtschaftspolitik ==== Innenpolitisch hatte Maria mit einer ernsten Wirtschaftskrise zu kämpfen. Ein Überangebot an [[Wolle]] hatte zu einem massiven Preisverfall geführt, der England schwer zu schaffen machte. Da der [[Export]]handel des Königreiches zu einem großen Teil aus Wollwaren bestand, brach eine wichtige Einnahmequelle des Landes weg. Der Wertverlust des Geldes, der bereits in den letzten Jahren der Regierungszeit Heinrichs VIII. begonnen hatte, begünstigte die Krise noch. Die [[Inflation]] wurde von Heinrichs Finanzier [[Thomas Gresham]] nicht entschieden bekämpft und verschärfte sich unter Eduard VI. noch. Maria versuchte, durch eine Währungsreform dem dramatischen Wertverlust des Geldes entgegenzuwirken. Die Maßnahmen erwiesen sich aber als ungeeignet. Erst Elisabeth I. konnte während ihrer Herrschaft die [[wirtschaft]]liche Katastrophe abwenden. Die Wirtschaftskrise nahm bedrohliche Ausmaße an, als zu der Inflation in Marias Herrschaft einige Missernten kamen und die Bevölkerung von einer schweren Grippewelle geplagt wurde. Aufgrund ihrer tiefen christlichen Überzeugung versuchte Maria, durch soziale [[Reform]]en das Leid unter den Armen zu lindern, jedoch blieben die Maßnahmen weitestgehend erfolglos. Maria verbesserte die Verwaltung richtungsweisend und führte neue [[Zoll (Abgabe)|Zollregelungen]] zur Verbesserung der königlichen Finanzlage ein. Ihre Nachfolgerin Elisabeth profitierte nachhaltig von den begonnenen Finanz- und Verwaltungsreformen. === Tod und Nachfolge === [[Datei:St james palace.jpg|thumb|Haupttor des [[St. James's Palace]] ]] Während ihrer Herrschaft musste Maria mehrere [[Scheinschwangerschaft]]en durchstehen, die ihre ohnehin angeschlagene Gesundheit weiter schwächten. Sie hoffte weiterhin, einen männlichen Nachkommen zur Welt zu bringen. Eine erneute Scheinschwangerschaft veranlasste sie 1558 in ihrem Testament, ihren Mann Philipp als Regenten für ihr minderjähriges Kind einzusetzen. Als ihr Bauch schließlich anschwoll, dachte man, dass sie nun gebären würde, doch sie war nicht schwanger, sondern litt vielmehr an einer unheilbaren Krankheit – höchstwahrscheinlich an [[Ovarialkarzinom|Eierstockkrebs]]. Maria starb am 17. November 1558 im [[St. James's Palace]] mit zweiundvierzig Jahren wahrscheinlich an einer [[Influenza]] sowie an den Folgen der Krebserkrankung. Zeitlebens wollte Maria verhindern, dass ihre protestantische Halbschwester Elisabeth ihre Nachfolge antrat, um eine katholische Thronfolge in England zu gewährleisten. Da Marias Ehe mit dem spanischen König aber kinderlos blieb, bestieg ihre Schwester als [[Elisabeth I. (England)|Elisabeth I.]] den englischen Thron und herrschte bis ins Jahr 1603. Königin Maria ist neben ihrer Schwester Elisabeth in [[Westminster Abbey]] begraben. Die Bestattung fand ohne den sonst üblichen Aufwand statt, weder ihr Gemahl noch ihre Halbschwester Elisabeth nahmen daran teil. Einige wenige ihrer Allergetreuesten folgten dem Sarg. Der Bischof von Winchester, der sie und Philipp getraut hatte, hielt einen warmherzigen Nachruf über ihre Stärken und Verdienste, ihre Tapferkeit in kritischen Situationen und ihr soziales Gewissen den Benachteiligten gegenüber. Elisabeth I. ließ den Bischof am nächsten Tag unter Hausarrest stellen. Die Übersetzung der lateinischen Inschrift auf ihren Grabsteinen lautet: ::: „''Partner beide in Thron und Grab, ::: ''hier ruhen wir die beiden Schwestern,'' ::: ''Elisabeth und Maria,'' ::: ''in der Hoffnung auf eine Auferstehung.''“ == Persönlichkeit == [[Datei:Mary Tudor sig.jpg|thumb|Signatur Marias]] Maria Tudor war eine Prinzessin, wie es sich für die damalige Zeit schickte. Sie hatte Freude an den Annehmlichkeiten ihres Standes, so machte sie leidenschaftlich gerne [[Musik]] und las Bücher. Außerdem war sie eine begnadete Reiterin und ging gerne mit auf die Jagd, des Weiteren war sie sprachbegabt und hatte ein Talent für Handarbeiten, besonders gut konnte sie sticken und nähen. Marias Wesen wurde stark durch die Erlebnisse der Kindheit sowie der frühen Jugendjahre geprägt. Ihre spätere Härte gegen den [[Protestanten|protestantischen Glauben]] hat ohne Zweifel dort ihren Ursprung. Der Wunsch Heinrichs VIII., einen männlichen Thronfolger zu zeugen, führte zur Spaltung mit der römischen Kirche, in deren Folge Maria zum Bastard wurde und ihr zudem noch der Kontakt zur Mutter verwehrt wurde. Sie lehnte den protestantischen Glauben entschieden ab. Sie galt als starrköpfig und besaß großes Durchsetzungsvermögen. Einst sah sie sich gezwungen, ihre religiösen Überzeugungen zu verraten, um ihr Leben zu retten, konnte sich diesen Schritt aber nie verzeihen. Kompromisse waren daher für sie ein Zeichen der Schwäche, und sie regierte während ihrer Herrschaft dementsprechend mit harter Hand. Maria war eine zutiefst religiöse Frau. Der Ursprung dieser Einstellung lag in der katholischen Erziehung ihrer spanischen Mutter Katharina. Ihr Beiname ''die Katholische'' zeugt von diesem starken Glauben sowie von ihrer konfliktgeladenen Religionspolitik. Neben dem Beinamen ''die Blutige'', der aus ihrer Brutalität gegen die Protestanten resultierte, wurde sie auch ''die spanische Maria'' genannt. Schließlich war Maria Halbspanierin und Ehefrau des spanischen Königs. Das englische Volk blieb ihr dagegen zeitlebens fremd. == Bedeutung == [[Datei:Mary1 by Eworth.jpg|thumb|left|Maria I. 1554, Porträt von Hans Eworth]] Mit ihrem Namen ist fast ausschließlich die brutale Verfolgung der Protestanten verbunden. Während der fünf Jahre ihrer Herrschaft fanden fast 300 Menschen den Tod auf dem Scheiterhaufen. Im marianischen England des 16. Jahrhunderts waren Verfolgungen keine Seltenheit; unter Eduard VI. sowie Elisabeth I. wurden Katholiken verfolgt und hingerichtet, während es in den ersten Jahren Heinrichs VIII. Protestanten waren. Kein [[Monarchie|Monarch]] ging aber mit der Härte Marias vor. Obwohl Maria nicht ganz allein für die Verbrennungen der Ketzer verantwortlich gemacht werden kann – massiv unterstützt wurde sie unter anderem von Reginald Pole, dem Lordkanzler Stephen Gardiner und dem [[Bischof]] von [[London]], [[Edmund Bonner]] – wird die Schuld ausschließlich ihr zugeschrieben. Dies spiegelt sich auch in dem Namen ''Blutige Maria (Bloody Mary)'' wider, den Marias Nachfolgerin Elisabeth prägte und der bis heute geläufig geblieben ist. In einer Phase des religiösen Umbruchs verfolgte Maria eine rein katholische Politik. Marias Ziel, die ''alte Religion'' wieder einzuführen, scheiterte, denn ihre Härte gegen Protestanten beschleunigte die Abkehr vom Katholizismus nur noch mehr. {{HausTudor}} Die Königin verspielte die Sympathien der Untertanen zusehends und verlor sie gänzlich, nachdem sie den spanischen Kronprinzen Philipp geheiratet hatte. Eine Heirat mit einem [[Habsburg]]er sollte England vom Rand der europäischen Politik in deren Zentrum rücken, doch Philipp verfolgte eigene Ziele. Für ihn war England nur ein politischer und militärischer Verbündeter. Der Tiefpunkt in Marias Herrschaft war der Kriegseintritt auf Seiten der Spanier gegen die Franzosen, der mit dem Verlust Calais' an Frankreich endete. Der Verlust Englands letzter [[Bastion]] auf dem Festland versetzte dem aufkeimenden Nationalgefühl einen gehörigen Rückschlag, von dem sich die Engländer erst spät wieder erholen sollten. Marias Herrschaft scheiterte in weiten Teilen ihrer Politik, jedoch hat auch diese Periode England geprägt und verändert. Der [[Katholizismus]] wurde nicht völlig ausgelöscht, und der englische [[Protestantismus]] entwickelte sich zum [[Puritanismus]] weiter. Mit Marias Tod war die katholische [[Restauration (Geschichte)|Restauration]] beendet, und Elisabeth I. machte sie in weiten Teilen wieder rückgängig. Die englische Geschichtsschreibung sieht die größte Bedeutung Marias darin, dass sie mit ihrem Scheitern erst das elisabethanische Zeitalter ermöglichte. == Abstammung == {{Ahnentafel-compact4 |1 =Mary Tudor (1516–1558) |2 =[[Heinrich VIII. (England)|Heinrich VIII.]] (1491–1547) |3 =[[Katharina von Aragón]] (1485–1536) |4 =[[Heinrich VII. (England)|Heinrich VII.]] (1457–1509) |5 =[[Elizabeth of York (1466–1503)|Elizabeth von York]] (1466–1503) |6 =[[Ferdinand II. (Aragón)|Ferdinand II.]] (1452–1516) |7 =[[Isabella I. (Kastilien)|Isabella I.]] (1451–1504) |8 =[[Edmund Tudor]] (1430–1456) |9 =[[Margaret Beaufort (1443–1509)|Margaret Beaufort]] (1443–1509) |10 =[[Eduard IV. (England)|Eduard IV.]] (1442–1483) |11 =[[Elizabeth Woodville]] (1437–1492) |12 =[[Johann II. (Aragón)|Johann II. von Aragón]] (1397–1479) |13 =[[Juana Enríquez]] (1425–1468) |14 =[[Johann II. (Kastilien)|Johann II. von Kastilien]](1405–1454) |15 =[[Isabella von Portugal (1428–1496)|Isabella von Portugal]] (1428–1496) }} == Maria in Kunst und Literatur == '''Literatur''' Die historische Figur Maria, Königin von England, ist Gegenstand historischer, englischer Romane, von denen einige auch ins Deutsche übersetzt wurden: * Philippa Gregory: ''The Queen’s Fool'' (2003) * Jean Plaidys: ''The Shadow of the Crown (Mary Tudor)'' (1988), (dt. Im Schatten der Krone) * Carolyn Meyer: ''Mary, Bloody Mary'' (1999), (dt. Das Gift der Königin; 2001) '''Theater und Oper''' Im 19. Jahrhundert diente das Leben von Maria Tudor als Vorlage für [[Victor Hugo]]s Theaterstück ''Mary Tudor'', welches von [[Rudolf Wagner-Régeny]] unter dem Titel ''Der Günstling'' vertont und 1935 in Dresden uraufgeführt wurde (Libretto von [[Caspar Neher]] unter Verwendung der Übersetzung von [[Georg Büchner]]). Das Stück ''Queen Mary'' von [[Alfred Tennyson]] entstand annähernd zur selben Zeit. [[Giovanni Pacini]] schrieb eine Oper über die Königin Maria im Jahre 1847 mit dem Titel ''Maria Regina d'Inghilterra''. '''Film und Fernsehen''' Die Person Maria Tudor tritt in zahlreichen Filmen auf, zu den bekanntesten zählen unter anderem die Filme ''[[Elizabeth (Film)|Elizabeth]]'' von 1998 oder ''[[Lady Jane – Königin für neun Tage|Lady Jane]]'' von 1985. Die [[BBC]] zeigte 1971 die sechsteilige Serie ''Die Frauen von Heinrich VIII''. '''Goldmedaille''' Im Jahre 1554 vergab der spätere Philipp II. den Auftrag an den [[Medailleur]] [[Jacopo Nizzola da Trezzo]], eine Goldmedaille von Maria anzufertigen. Die Medaille hatte einen Durchmesser von 6,7 Zentimetern und eine Masse von 183 Gramm. Das Bild der Maria war auf der Vorderseite der Medaille, wo sie in einem Gewand mit einem großen Perlenanhäger an einer Kette abgebildet ist. Dieser Perlenanhänger wurde ihr von Philipp geschenkt. Auf der Rückseite wird Maria als eine Gestalt dargestellt, die Waffen verbrennt. Diese Seite der Medaille trägt die Umschrift ''CECIS VISUS - TIMIDIS QUIES'' (deutsch: den Blinden die Sehkraft - den Ängstlichen die Ruhe). Ein Exemplar dieser Medaille befindet sich im [[British Museum]], ein anderes Exemplar ist in privater Hand in den USA (Stand: Januar 2010).<ref>[Lisa Zeitz,Goldene Medaille für die blutige Königin,in: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 2. Januar 2010]</ref> == Titel == Mit der Thronbesteigung wurde Maria mit demselben Titel zur Königin proklamiert wie ihre direkten Vorgänger Heinrich VIII. und Eduard VI:<br />''Maria, durch Gottes Gnaden, Königin von [[England]], [[Frankreich]] und [[Irland]], Bewahrer des Glaubens und Oberhaupt der [[Kirche von England]] und Irland.'' Nach der Heirat mit [[Philipp II. (Spanien)|Philipp von Spanien]] wurde das Ehepaar mit König und Königin betitelt. Der offizielle Name lautete:<br />''Maria und Philipp, durch Gottes Gnaden, König und Königin von England, Frankreich, [[Neapel]], [[Jerusalem]] und Irland, Bewahrer des Glaubens, Prinzen von [[Spanien]] und [[Sizilien]], Erzherzöge von [[Österreich]], Herzöge von [[Mailand]] und [[Herzogtum Brabant|Brabant]], Grafen von [[Habsburg]], [[Flandern]] und [[Tirol]].'' Mit der Thronbesteigung Philipps änderte sich der Titel erneut:<br />''Maria und Philipp, durch Gottes Gnaden, König und Königin von England, Spanien, Frankreich, [[Königreich beider Sizilien|Beider Sizilien]], [[Jerusalem]] und Irland, Bewahrer des Glaubens, Erzherzöge von [[Österreich]], Herzöge von [[Mailand]] und [[Herzogtum Brabant|Brabant]], Grafen von [[Habsburg]], [[Flandern]] und [[Tirol]].'' == Literatur == * Marie von Bunsen: ''Maria Tudor. Das Lebensschicksal einer englischen Königin (1516–1558)''. Berlin 1941 * Jane Dunn: ''Elizabeth and Mary. Cousins, Rivals, Queens''. London 2003, ISBN 0-00-257150-1 * Raingard Eßer: ''Die Tudors und die Stuarts (1485–1714)''. Kohlhammer, Stuttgart 2004, ISBN 3-17-015488-5 * David Michael Loades: ''Maria Tudor (1516–1558). England unter Maria der Katholischen''. München 1982, ISBN 3-7667-0638-1 * Peter Marshall: ''Reformation England 1480–1642''. London 2003, ISBN 0-340-70623-6 (englisch) * [[H. F. M. Prescott]]: ''Maria Tudor, die Blutige''. Kohlhammer, Stuttgart 1966 * Peter Wende (Hrsg.): ''Englische Könige und Königinnen. Von Heinrich VII. bis Elisabeth II.'' Beck, München 1998, ISBN 3-406-43391-X == Weblinks == {{Wikiquote|Maria I. von England}} {{Commons|Mary I of England|Maria I.}} * {{DNB-Portal|118640917}} * [http://www.mittelalter-genealogie.de/mittelalter/koenige/england/maria_1_tudor_koenigin_von_england_+_1558.html genealogie-mittelalter.de] * {{BBKL|m/maria_i_k_v_e}} * [http://www.royal.gov.uk/HistoryoftheMonarchy/KingsandQueensofEngland/TheTudors/MaryI.aspx Maria auf der offiziellen Seite des Königshauses] * [http://home.earthlink.net/~elisale/ Maria Tudor Seite] (englisch) * [http://englishhistory.net/tudor/monarchs/mary1.html Maria bei englishhistory.net] == Einzelnachweise == <references/> {{Folgenleiste multi|VORGÄNGER=[[Jane Grey]]|NACHFOLGER=[[Elisabeth I. (England)|Elisabeth I.]]|AMT=[[Liste der britischen Monarchen|Königin von England]]|ZEIT=1553–1558 |VORGÄNGER2=[[Jane Grey]]|NACHFOLGER2=[[Elisabeth I. (England)|Elisabeth I.]]|AMT2=Königin von Irland|ZEIT2=1553–1558}} {{Exzellent}} {{Normdaten|PND=118640917|LCCN=n/50/43642|VIAF=57408108}} {{SORTIERUNG:Maria 01 #(England)}} [[Kategorie:Monarch (England und Irland)]] [[Kategorie:Geschichte Englands in der Frühen Neuzeit]] [[Kategorie:Geschichte Irlands in der Frühen Neuzeit]] [[Kategorie:Haus Tudor]] [[Kategorie:Person (London)]] [[Kategorie:Geboren 1516]] [[Kategorie:Gestorben 1558]] [[Kategorie:Frau]] {{Personendaten |NAME=Maria I. |ALTERNATIVNAMEN=Maria I. Tudor; Mary Tudor (englisch); die Blutige (Beiname); die Katholische (Beiname); Bloody Mary; spanische Maria |KURZBESCHREIBUNG=Königin von England und Irland |GEBURTSDATUM=18. Februar 1516 |GEBURTSORT=[[Greenwich (London)|Greenwich]], [[England]] |STERBEDATUM=17. November 1558 |STERBEORT=[[St. James's Palace]], [[London]] }} [[af:Maria I van Engeland]] [[ang:Maria I Engla Cwēn]] [[ar:ماري الأولى ملكة إنجلترا]] [[be-x-old:Марыя І]] [[bg:Мария I Тюдор]] [[bs:Marija I, kraljica Engleske]] [[ca:Maria I d'Anglaterra]] [[cs:Marie I. Tudorovna]] [[cy:Mari I, brenhines Lloegr]] [[da:Maria 1. af England]] [[el:Μαρία Α΄ της Αγγλίας]] [[en:Mary I of England]] [[eo:Maria la 1-a (Anglio)]] [[es:María I de Inglaterra]] [[et:Mary I]] [[fa:ماری اول انگلستان]] [[fi:Maria I (Englanti)]] [[fr:Marie Ire d'Angleterre]] [[fy:Maria I fan Ingelân]] [[ga:Máire I Shasana]] [[gl:María I de Inglaterra]] [[he:מרי הראשונה, מלכת אנגליה]] [[hr:Marija Tudor]] [[hu:I. Mária angol királynő]] [[id:Maria I dari Inggris]] [[is:María 1. Englandsdrottning]] [[it:Maria I d'Inghilterra]] [[ja:メアリー1世 (イングランド女王)]] [[ka:მერი I (ინგლისი)]] [[ko:메리 1세 (잉글랜드)]] [[kw:Maria I a Bow Sows]] [[la:Maria I (regina Angliae)]] [[lv:Marija Tjudora]] [[mk:Мери I]] [[ms:Mary I dari England]] [[nl:Maria I van Engeland]] [[nn:Maria I av England]] [[no:Maria I av England]] [[pl:Maria I Tudor]] [[pt:Maria I de Inglaterra]] [[ro:Maria I a Angliei]] [[ru:Мария I (королева Англии)]] [[simple:Mary I of England]] [[sk:Mária I. (Anglicko)]] [[sl:Marija I. Angleška]] [[sr:Мери I Тјудор]] [[sv:Maria I av England]] [[th:สมเด็จพระราชินีนาถแมรีที่ 1 แห่งอังกฤษ]] [[tl:Maria I ng Inglatera]] [[tr:I. Mary]] [[uk:Марія I Тюдор]] [[zh:玛丽一世 (英格兰)]] [[zh-min-nan:Mary 1-sè (Eng-tē)]] n9a7qngfbnpti3qwyqbkyqkhugvl5wx wikitext text/x-wiki Maria-Magdalenen-Gymnasium 0 23891 26487 2010-04-30T14:13:54Z Corn-Fakes 0 ADB-Link-Korrektur Das '''Maria-Magdalenen-Gymnasium''' (offizieller Name: ''Gymnasium zu St. Maria Magdalena'') in [[Breslau]] gehörte bis zur Einstellung des Schulbetriebs 1945 zu den [[Liste der ältesten Schulen im deutschen Sprachraum|traditionsreichsten deutschsprachigen Gymnasien]]. Es wurde 1267 als [[Lateinschule]] gegründet. 1946 wurde am selben Standort ein [[Polen|polnisches]] ''Liceum'' eröffnet. Das „Magdalenäum“ war weit über die Grenzen [[Schlesien]]s hinaus bekannt und hatte über viele Generationen hinweg bedeutende Lehrer und Schüler. == Geschichte == === Gründung als Lateinschule 1267 === [[Bild:GründungsurkundeMMG.jpg|thumb|right|Gründungsurkunde 1267 von Kardinal Guido]] [[Bild:GründungssiegelMMG.jpg|thumb|right|Siegel der Gründungsurkunde]] Im Jahre 1242 wurde Breslau nach [[Magdeburger Stadtrecht]] neu gegründet, nachdem die Stadt zuvor durch den [[Schlacht bei Wahlstatt|Mongolensturm]] im Jahre 1241 schwer gelitten hatte. Es dauerte 25 Jahre, bis die Breslauer Bürger eine eigene Lateinschule erhielten, die Gründungsurkunde stammt vom 12.&nbsp;Februar 1267. Darin wurde auf Antrag von [[Stadtrat|Rat]] und [[Bürgerschaft]] der Stadt Breslau die Schaffung der Schule bei der Kirche [[Magdalenenkirche (Breslau)|St. Maria Magdalena]] (um 1230 als Pfarrkirche gegründet) vom päpstlichen [[Kardinal]][[Legat (Botschafter)|legaten]] Guido zugesichert: ''infra muros civitatis Vratislaviensis juxta ecclesiam sancte Maria Magdalene scole fiant…'' (deutsch: ''Sie können innerhalb der Breslauer Stadtmauern neben der Kirche St. Maria Magdalena eine Schule errichten…''). Die Bedeutung dieser Schule nahm auch mit dem Wachstum der Stadtbevölkerung zu. Bereits 1293 wurde an der Kirche St.&nbsp;Elisabeth eine zweite Lateinschule gegründet. Ab Mitte des 15. Jahrhunderts gewann der [[Humanismus]] an den Breslauer Schulen an Boden. Die Lektüre klassischer Autoren trat an die Stelle [[Scholastik|scholastischen]] Grammatikbetriebes. Im 16. Jahrhundert kam die [[Reformation]] hinzu. Die Ratsherren Breslaus wählten eigenmächtig [[Johann Heß]] zum Pfarrer an der Magdalenenkirche. Ihm verdankt Breslau den moderaten Prozess in der Auseinandersetzung der beiden Religionsrichtungen. Hess, der regen Kontakt mit [[Philipp Melanchthon|Melanchthon]] hatte, war auch der „Umgestalter“ des Schulwesens an der Schule zu Maria Magdalena. Neuer Schulmeister wurde [[Ambrosius Moibanus]]. Sein Einfluss auf die Gestaltung des Unterrichts zeigte sich auf allen Gebieten. Aus seiner neuen Schulordnung von 1528 wird auch ersichtlich, dass von nun an der Rat der Stadt Breslau den [[Rektor]] und die Lehrer der Schule wählte. Im Mittelpunkt des Unterrichts stand weiterhin die lateinische Sprache. [[Jahrgangsstufe|Primaner und Sekundaner]] durften in der Schule nur lateinisch sprechen. [[Bild:Landkarte von Schlesien.jpg|thumb|right|Martin Helwig: Erste Landkarte von Schlesien (1561), Ausschnitt]] Nachfolger von Moibanus wurde 1552 [[Martin Helwig (Geograph)|Martin Helwig]], der aus [[Nysa|Neiße]] stammte. Er zeichnete sich nicht nur durch gründliche Kenntnis der alten Sprachen und der [[Mathematik]] aus. Helwig gab 1561 auch die erste Landkarte von Schlesien heraus, die der schlesische Historiker ''Christian Runge'' noch 1738 „die Mutter aller andern Schlesischen Land-Charten“ nannte. Die neue Schulordnung von 1570 schrieb [[Petrus Vincentius]]<ref>{{ADB|39|735|736|Vincentius, Petrus|Adolf Schimmelpfennig|ADB:Vincentius, Petrus}}</ref> auf Anordnung des Rates der Stadt in deutscher Sprache. Zeitgenossen bezeichneten sie als die beste des 16. Jahrhunderts. Wegen seiner Fähigkeiten besonders gerühmt wurde ''Johannes von Höckelshoven''<ref>Vgl. ''Grosses vollständiges Universal-Lexicon Aller Wissenschafften und Künste'', Band 13 (1739), Sp. 351f. [http://www.zedler-lexikon.de/blaettern/einzelseite.html?zedlerseite=ze130189&bandnummer=13&seitenzahl=0189&dateiformat=1&supplement=0 Text]</ref>, der ab 1598 Rektor der Magdalenenschule war. Und wohl seinetwegen wurde [[Martin Opitz]] 1614 von seinen Eltern nach Breslau geschickt. Unter der Leitung des Rektors ''Jeremias Poll'' (1617–1621) reichte der gute Ruf der Schule weit über Breslau hinaus. Die Zahl der Schüler wuchs auf annähernd 800. Im Jahre 1625 musste die Schule wegen der [[Pest]] für ein halbes Jahr geschlossen werden und 1633 für einen noch längeren Zeitraum. 1637 übernahm ''Heinrich Klose''<ref>{{ADB|16|226|226|Klose, Heinrich|l. u.|ADB:Klose, Heinrich}}</ref> die Leitung der Schule. === Erhebung zum Gymnasium 1643 === Unter Klose wurde die Schule im April 1643 mit der Genehmigung des [[Kaiser]]s [[Ferdinand III. (HRR)|Ferdinand III.]] zum Gymnasium erhoben. Heinrich Klose blieb noch acht Jahre dessen Leiter. Die Anzahl der Schüler von 840 im Jahre 1643 nahm ständig zu. Es gab öffentliche Redeübungen über Themen des [[Christentum]]s, der [[Antike]] und auch der eigenen Stadtgeschichte. In der Gesellschaft wuchs das Verlangen nach dramatischer Darstellung. Entsprechende öffentliche Aufführungen wurden daher ein wichtiger Bestandteil des Schulbetriebs. Die Helden der Dramen, die vom Magdalenen-Gymnasium aufgeführt wurden, gehörten der Weltgeschichte an. In einem gedruckten Programm wurden auch die auftretenden Schüler und ihre Namen genannt. [[Johann Christian Hallmann]] und [[Daniel Caspar von Lohenstein]] waren Schüler des Magdalenen-Gymnasiums. ''... im Maria-Magdalenen-Gymnasium gab es ein berühmtes [[barock]]es Schultheater, das sich stets in edlem Wettstreit mit der Bühne des Elisabethgymnasiums befand. Hier wurden die Stücke des Breslauer Barockdramatikers Johann Christian Hallmann sowie einige Lohenstein-Dramen uraufgeführt. Lohenstein und Hallmann, die sich auch als Schauspieler hervortaten, verfassten etliche ihrer Märtyrer- und Tyrannenstücke direkt für die Breslauer Schulbühne. Mit aufwendiger Bühnentechnik und zahlreichen musikalischen Einlagen versuchte Hallmann durch seine effektvollen Dramen das barocke Ideal des Gesamtkunstwerks zu verwirklichen.''<ref>Roswitha Schieb, ''Literarischer Reiseführer Breslau. Sieben Stadtspaziergänge'', Potsdam 2004, ISBN 3936168083</ref> Von 1686 bis 1706 leitete [[Christian Gryphius]], Sohn des Barockdichters [[Andreas Gryphius]], das Gymnasium. Schüler zu seiner Zeit war von 1688 bis 1699 auch der [[Philosoph]] [[Christian von Wolff|Christian Wolff]], in dessen Lebensbeschreibung es heißt:<ref>H. Wuttke, Hrsg., ''Christian Wolffs eigene Lebensbeschreibung'', Leipzig 1841</ref> ''Unter meinen Praeceptoribus (Lehrern) bin ich den meisten Dank schuldig dem Herrn Pohl ...'' und weiter: ''Gryphius habe ich auch etwas besonderes zu danken ...'' und: ''Herr Pohl und der Inspektor Herr [[Kaspar Neumann]] machten mir Lust zur Philosophie des [[Cartesius]] und der Mathematik und [[Algebra]] immer mehr.'' ''Christian Stieff''<ref>{{ADB|36|174|176|Stieff, Christian|Hermann Markgraf|ADB:Stieff}}</ref> war ein besonderer Zögling von Christian Gryphius gewesen. Er stammte aus [[Legnica|Liegnitz]], wo sein Vater Bäckermeister war. 1706 kam Christian Stieff nach dem Studium in [[Leipzig]] als Lehrer an das Magdalenengymnasium zurück und wurde dort im Jahre 1717 Rektor (bis 1734). Er betrieb [[Urgeschichte|urgeschichtliche]] Studien, begründete in Breslau eine prähistorische und naturwissenschaftliche Sammlung und hatte mit vielen Wissenschaftlern im In- und Ausland Kontakt. Die [[Preußische Akademie der Wissenschaften|Berliner Akademie]] ernannte ihn zum auswärtigen Mitglied. [[Bild:Maria-Magdalenen-Gymnasium_1710.jpg|thumb|right|Das 1710 neu gebaute Maria-Magdalenen-Gymnasium nach [[Friedrich Bernhard Werner]]]] [[Bild:MedailleNeubauMMG1710 Vorders.jpg|thumb|left|Medaille zum Neubau des MMG 1710, Vorderseite]][[Bild:MedailleNeubauMMG1710_Rücks.jpg|left|thumb|Medaille zum Neubau des MMG 1710, Rückseite]] Viele Jahre lang hatten die Rektoren bei der Stadt für ein neues Schulgebäude des Gymnasiums geworben. 1710 konnte es an der Südseite der Magdalenenkirche bezogen werden. Auch nach dem 1736 erlassenen neuen Lehrplan des Rates der Stadt war der Gebrauch der deutschen Sprache in den Oberklassen nur gestattet, wenn es zur Verständigung nötig war. 1766 trug man neuen Strömungen und Anforderungen Rechnung: In einer angegliederten [[Realschule]] wurden unter anderem „außer der reinen Teutschen Sprache“ vier lebende Fremdsprachen, praktische Mathematik, [[Geografie]] und sogar Landwirtschaft und [[Buchhaltung]] angeboten. Daneben konnte man auch Glasschleifen, Tanzen und Fechten lernen. Und auch ein [[Internat]] für auswärtige Schüler wurde angegliedert. [[Friedrich von Gentz]] besuchte in dieser Zeit die Schule. Nach einem anfänglichen Aufschwung durch die Neuerungen gab es bald Uneinigkeit unter den Lehrern wegen Zuständigkeiten aufgrund verbreiter Disziplinlosigkeit unter den Schülern. === Entwicklung der Schule im 19. Jahrhundert === 1790 wurde ''[[Johann Kaspar Friedrich Manso]]'' (1760–1826) aus [[Gotha]] als Prorektor an das Magdalenengymnasium berufen. Er fand die Schule in einem trostlosen Zustand vor. 1793 wurde er Rektor des Gymnasiums und lenkte dessen Geschicke 33 Jahre – bis zu seinem Tod. Als anerkannter [[Historiker]], als Literaturhistoriker, Übersetzer und kritischer Geist seiner Gegenwartsliteratur ([[Xenien (Literatur)|Xenien]]kampf mit [[Goethe]] und [[Friedrich Schiller|Schiller]]) genoss Manso unter Gelehrten, besonders in Breslau, hohes Ansehen. Der Einfluss auf seine Schüler, die ihn verehrten, war bedeutsam. Erwähnt seien hier der [[Philologe]] und Sekretär [[Johann Wolfgang von Goethe|Goethe]]s [[Friedrich Wilhelm Riemer]], der [[Schriftsteller]] [[Karl von Holtei]], der [[Physiologe]] [[Gabriel Gustav Valentin]], der [[Malerei|Maler]] und Schriftsteller [[August Kopisch]] und der [[Theologe]] [[August Tholuck]]. Mansos Unterricht war mit Vorlesungen an der Universität zu vergleichen: ''Ganz besonders berühmt waren aber seine Lehrstunden auf dem Gebiet der deutschen Literaturgeschichte, Rhetorik und Ästhetik in solchem Maße, dass vielfach Studierende der seit 1806 hier neu gegründeten Hochschule sich die Erlaubnis zur Teilnahme an diesen Stunden auswirkten.''<ref name="manso">{{ADB|20|246|248|Manso, Johann Kaspar Friedrich|Colmar Grünhagen|ADB:Manso, Johann Kaspar Friedrich}}</ref> Zu diesen Gaststudenten gehörte auch der Autor [[Joseph von Eichendorff]].<ref>{{Meyers Online|5|358|spezialkapitel=Eichendorff|kapiteltext=Eichendorff, Joseph, Freiherr von}} </ref> [[Bild:AlbertWoelfl.jpg|thumb|right|St. Maria Magdalenen<br/>Gemälde von A. Woelfl, 1867<br/>links das Gymnasium]] Unter Mansos Nachfolgern ist besonders ''Karl Schönborn'' (1803–1869)<ref>{{ADB|32|281|282|Schönborn, Karl Gottlob|Hermann Markgraf|ADB:Schönborn, Karl Gottlob}}</ref> zu erwähnen, der mit 31 Jahren 1834 die Schulleitung übernahm. In seine 35-jährige Amtszeit fiel das 200-jährige Bestehen des Gymnasiums. Schönborn errang das Vertrauen der Eltern und die Zuneigung seiner Schüler. Auch in der Öffentlichkeit genoss er großes Ansehen. Seine Erfolge und seine Beliebtheit führten zu weiter steigenden Schülerzahlen. 1866 zählte das Gymnasium 1063 Schüler in 21 Klassen und 33 Lehrer. Wieder wurde ein neues Schulgebäude errichtet, weil die schlechten Lichtverhältnisse in den Klassenräumen dies erforderten. 1869 konnte der Neubau bezogen werden, der nach den Plänen des Stadtbaurats [[Carl Johann Christian Zimmermann]]<ref>Daria Dorota Pikulska, ''Carl Johann Christian Zimmermann'', Breslau 2005, ISBN 83-89262-21-5, S. 21, 57-60</ref> erbaut wurde. Unter Schönborns Schülern waren der Begründer der [[Immunologie|Immunologe]] [[Paul Ehrlich]], der Mathematiker, [[Physiker]] und [[Astronom]] [[Wilhelm Foerster]], der [[Mineralogie|Mineraloge]] [[Carl Hintze]], der [[Admiral]] [[Curt von Prittwitz und Gaffron]] und [[Ferdinand Cohn]]. Cohn, der später ein international anerkannter [[Bakteriologie|Bakteriologe]] wurde, schrieb zum Abschluss seiner Schulzeit ein Gedicht, in dem es heißt:<ref>''Blätter der Erinnerung'', zusammengestellt von Cohns Ehefrau, Breslau 1901</ref> {{Zitat|Ihr, meine Lehrer, die mit edler Güte<br/> mir aufgetan des Wissens Heiligtume<br/> und Nahrung dargeboten dem Gemüte,<br/> es keime euch zur Freude, euch zum Ruhme,<br/> jedweder Same, den ihr ausgestreut<br/> und sprieße reich und blühe auf zur Blume,<br/> die Müh’ vergeltend, die ihr ihm geweiht. |Ferdinand Cohn}} Wilhelm Foerster schrieb 1911 in seinen „Lebenserinnerungen und Lebenshoffnungen“: ''Die Seele jener Breslauer Gymnasialzeit war der Direktor Schönborn zusammen mit einigen ausgezeichneten Lehrern der Sprachen und Mathematik. Die Schüler der oberen Klassen wurden mit stetigem Ernst unterwiesen und erzogen, aber jegliche disziplinarische Not einer beiderseitigen Erniedrigung wurde aufs glücklichste vermieden.'' Unter den Direktoren ''Otto Heine'' (1869–1883) und ''Adolf Möller'' (1883–1906) fielen die Gymnasialzeiten des [[Volkswirtschaftslehre|Nationalökonomen]] [[Eberhard Gothein]], des [[Dermatologe]]n [[Albert Neisser]], des [[Neurologe]]n [[Otfrid Foerster]], des Schauspielers [[Friedrich Kayssler]], des [[Pharmakologe]]n [[Oscar Troplowitz]], des Physikers [[Georg Graf von Arco]], des Politikers [[Georg Snay]] und des Dichters [[Christian Morgenstern]]. Gothein äußerte sich über Rektor Heine: ''Es ist doch nicht wenig, was er mir seinerzeit gegeben hat...'' <ref>Maria-Luise Gothein: ''Eberhard Gothein, Ein Lebensbild, seinen Briefen nacherzählt'', Stuttgart 1931</ref> Bereits der Vorschlag von Rektor Manso, die Anzahl der Schüler je Klasse auf höchstens dreißig zu begrenzen, war vom Ministerium abgelehnt worden. Nun waren die Klassen auch im neuen Gebäude schon wieder überfüllt. Das wurde durch die Eröffnung des Johannes-Gymnasiums im Jahre 1872 gemildert. Das Magdalenengymnasium gab fast 300 Schüler ab, hatte aber 1875 schon wieder über 800. Bis 1910 hielt sich die Anzahl der Schüler auf beachtlicher Höhe. Der Jahresbericht von 1912 jedoch verzeichnete nur noch 433 Schüler. An den Lehrern und der Schulleitung hat es nicht gelegen, es war die Neuorientierung des Schulwesens und der Lernenden. Im Jahre 1912 gab es in Breslau bereits zwei Realgymnasien, eine Oberrealschule und drei Realschulen, deren Ausbau zur Vollanstalt vorgesehen war. Ein Vorstoß des Direktors ''Maximilian Consbruch'', das Magdalenengymnasium diesem Trend anzupassen, wurde aber im Februar 1914 vom Ministerium abgelehnt. Der Nachfolger, ''Friedrich Staats'', übernahm daher 1914 kein leichtes Amt. Er war der Direktor, der die Schule während des [[Erster Weltkrieg|Ersten Weltkrieges]] und der schwierigen Nachkriegs- und [[Inflation]]szeit leitete. 1926 wurde er pensioniert. == Umzug und die Zeit bis Kriegsende == [[Bild:II.LO.Wroclaw.jpg|thumb|360px|Der Neubau des Gymnasiums aus dem Jahr 1929]] [[File:LuftbildMMG.JPG|thumb|360px|Der Neubau des Gymnasiums aus dem Jahr 1929]] [[Bild:SporttrikotMMG.jpg|thumb|right|Sporttrikot-Aufnäher des MMG in den 1930er Jahren]] Die Schule war noch in dem 1869 errichteten Gebäude neben der Magdalenenkirche untergebracht. Aber es gab schon seit langem Pläne für einen großzügigen Neubau in einem grünen Wohnviertel Breslaus. Der seit 1926 amtierende Schulleiter [[Konrad Linder]], der bereits von 1910 bis 1924 Lehrer am St. Maria-Magdalenen-Gymnasium gewesen war, schaffte es gegen erhebliche Widerstände, dass diese moderne Schule gebaut werden konnte. Schon im September 1929 fand der Umzug statt. Das neue MMG – so die gebräuchliche Abkürzung der letzten Schülergenerationen für ihre „[[Pennal|Penne]]“ – war so großzügig, fortschrittlich und zweckmäßig, dass noch 75 Jahre nach der Eröffnung des Gebäudes lobende Worte darüber –&nbsp;jetzt von Polen&nbsp;– zu hören waren. Der Sprachwissenschaftler [[Peter Gaeffke]], der Mediziner und Hochschullehrer [[Hans-Georg Boenninghaus]], der katholische Theologe [[Peter Lengsfeld]] und der Bühnenbildner [[Christof Heyduck]] haben als Schüler vor 1945 noch davon profitiert. Während ''Linders'' Schulleitung entstand 1928 im [[Riesengebirge]] (in Hartenberg) ein neues [[Schullandheim|Landheim]], in dem jede Klasse etwa zwei Wochen im Jahr zubrachte. Der ehemalige Studienrat ''Karl Kolde'' berichtete<ref>Bericht aus dem Jahr 1985</ref>: ''„So herrschte 1932 am MMG ein reges pädagogisches Leben, aus dem vor allem die bildungswilligen Schüler manchen Gewinn zogen. In den politischen Anschauungen bot das Kollegium“ (gemeint sind die fest angestellten Lehrer) „ein einigermaßen einheitliches Bild. Extreme politische Überzeugungen waren nicht vertreten.“'' <ref>O. Eitner (Hrsg.): ''Das Gymnasium St. Maria Magdalena zu Breslau'', Bad Honnef 2003</ref> ''Kolde'' zufolge wurden bis ins Jahr 1945 humanistische und christliche Werte besser erhalten als an anderen Schulen: ''„[..] hat das Magdalenen-Gymnasium in der Zeit, in der in Deutschland der [[Nationalsozialismus]] herrschte, seinen ursprünglichen Auftrag als evangelisches und dem humanistischen Bildungsideal eines [[Wilhelm von Humboldt]] verpflichtetes Gymnasium offensichtlich besser und wirkungsvoller dienen können als manche anderen Höheren Schulen in Deutschland.“'' Der Historiker [[Fritz Stern]] besuchte die Schule von der Sexta im Jahre 1936 bis zu seiner Emigration 1938. Stern, der evangelisch getaufter Jude war, berichtet in seinen Erinnerungen von einigen übermäßig „angepassten“ Lehrern und solchen „von untadeliger Korrektheit“; antisemitische Äußerungen eines Mathematiklehrers sind ihm in unangenehmer Erinnerung geblieben. Gelegentlich wurde Stern Zielscheibe verbaler und auch körperlicher Angriffe von Mitschülern, von denen sich viele „sichtlich erfreut“ zeigten, als er 1938 als letzter Jude die Schule verließ. Schulleiter Linder versicherte ihm beim Abschied: „Ich hoffe, Sie wissen, dass ich immer versucht habe, Ihr Leben hier so gut zu gestalten wie möglich“. Sterns Antwort: „Nein, das habe ich nicht gemerkt.“&nbsp;<ref> Fritz Richard Stern: ''Fünf Deutschland und ein Leben: Erinnerungen''. Beck, München 2007, ISBN 978-3-406-55811-5, S. 151f, Zitat S. 163</ref> Der ehemalige Schüler und spätere [[Prior]] des [[Kloster Metten|Klosters Metten]], [[Adalbert Seipolt]], berichtet, dass im Vergleich zu den damals geltenden [[Erziehung im Nationalsozialismus|Bestimmungen]] der Einfluss der [[Hitlerjugend]] gering blieb. Unter ''Konrad Linder'', der selbst Mitglied der [[NSDAP]] war, wurden bis 1944 der evangelische wie auch der katholische Religionsunterricht immer noch in den jeweiligen Klassenräumen – also nicht extern - erteilt. Dies war eine bemerkenswerte Ausnahme in Breslau. <ref>Adalbert Seipolt: ''Jahre im Gegenwind. Meine Kindheit und Jugend im Dritten Reich'', Würzburg 2003, ISBN 3429025478</ref> [[Michael Graf von Matuschka]] meldete seine beiden Söhne, die vorher auf dem ehedem katholischen St. Matthias-Gymnasium waren, noch 1944 auf dem Maria-Magdalenen-Gymnasium an. Im gleichen Jahr wurde er als [[Widerstand gegen den Nationalsozialismus|Gegner des NS-Regimes]] hingerichtet. Einer der Söhne, Mario Graf von Matuschka, erinnert sich, „ daß Linder, der von uns alles wußte, sehr gütig mit uns war; und so war meine Mutter beruhigt, uns dort zu wissen.“ Die Stadt Breslau war am Ende des [[Zweiter Weltkrieg|Zweiten Weltkrieges]] zur [[Festung Breslau]] erklärt worden. Am 22. Januar 1945 musste die „nicht wehrtaugliche Bevölkerung“ die Stadt verlassen, der Schulbetrieb wurde eingestellt. Die meisten noch im Schuldienst tätigen Lehrer und die Schüler ab dem 16. Lebensjahr mussten sich beim [[Volkssturm]] melden. In den Schulräumen des Maria-Magdalenen-Gymnasiums wurden eine Sanitätsstelle und ein [[Lazarett]] der [[Luftschutz]]polizei eingerichtet.<ref> Horst Gleiss: ''Breslauer Apokalypse 1945'', Wedel 1987</ref> Im Jahre 1957 übernahm das [[Heinrich-von-Gagern-Gymnasium]] in [[Frankfurt am Main]] die Patenschaft über das Breslauer Magdalenen-Gymnasium. Und 1967 veranstaltete die Frankfurter Patenschule für die ehemaligen Schüler und Lehrer des Magdalenäums eine Feier ''aus Anlass der Gründung des Gymnasiums zu St. Maria Magdalena zu Breslau vor 700 Jahren'', zu der eine Gedenkschrift erschien.<ref>Gedenkschrift aus Anlaß der Gründung des Gymnasiums St. Maria Magdalena zu Breslau vor 700 Jahren, Frankfurt 1967</ref> == Seit 1946 ''Liceum Ogólnokształcące im. Piastów Śląskich'' == Das Gebäude des Maria-Magdalenen-Gymnasiums ist von den Zerstörungen, die die Stadt in der ''Schlacht um Breslau'' im Frühjahr 1945 erlitt, weitgehend verschont geblieben. Seit 1946 trägt die Schule den Namen der schlesischen [[Piasten]]: II. Liceum Ogólnokształcące im. Piastów Śląskich. Bis 1990 unterlag diese Schule den Weisungen des sozialistisch gelenkten polnischen Staates. Humanistische Werte standen in dieser Zeit nicht auf dem Programm. Unterrichtsschwerpunkte, die auch heute noch bestehen, waren Sport, Technik und Naturwissenschaften. Eine Absolventin dieses polnischen Liceums war [[Wanda Rutkiewicz]]. Auf dem Schulgelände erinnert ein Gedenkstein an die bekannte Bergsteigerin und Elektroingenieurin. Das alte Schulgebäude, neben der Maria-Magdalenen-Kirche erbaut im Jahr 1869, wurde 1945 zerstört und seine Ruinen abgetragen. Erst 1998 wurde das Grundstück mit dem modernen Handelshaus ''Howell'' wiederbebaut. Das Magdalenäum hat das geistige Leben Breslaus und Schlesiens mit bestimmt. Viele Rektoren und Lehrer waren als Gelehrte anerkannt und haben als solche nachhaltig gewirkt. Zahlreiche prominente Persönlichkeiten sind aus der Schule hervorgegangen: Wissenschaftler aller [[Fakultät (Hochschule)|Fakultäten]], Pädagogen, Unternehmer und Personen des öffentlichen Lebens. Nur wenige Schulen konnten auf eine so lange und denkwürdige geschichtliche Vergangenheit zurückblicken wie das ''Gymnasium St.&nbsp;Maria Magdalena zu Breslau''. Von wenigen Ausnahmen abgesehen, blieb es über 650 Jahre seinen christlichen und humanistischen Wurzeln treu. == Bekannte Schüler und Lehrer == ''Siehe Hauptartikel:'' [[Liste bedeutender Schüler und Lehrer des Magdalenäum Breslau]] == Einzelnachweise == <references/> == Literatur == *O. Eitner (Hg.): ''Das Gymnasium St. Maria-Magdalena zu Breslau'', Bad Honnef 2003 *''Festschrift zur 250-jährigen Jubelfeier d. Gymnasiums St. Maria Magdalena zu Breslau'', Breslau 1893 *''Gedenkschrift aus Anlass der Gründung d. Gymnasiums St. Maria Magdalena zu Breslau vor 700 Jahren'', Frankfurt 1967 *E. F. Glockner: ''Rede zum Andenken Dr. Joh. Caspar Friedrich Mansos, vormaligen Rektors und ersten Professors am Magdalenen-Gymnasium in Breslau, . . . nebst einem Anhang zweyer Gedichte und einem chronologischen Verzeichnisse d. Schriften Mansos,'' Breslau 1826 *''Jahresberichte des Gymnasiums zu St. Maria Magdalena Breslau, später städt. ev. Gymnasium zu St. Maria Magdalena in Breslau'' von 1865, 1868, 1869, 1873, 1876, 1889, 1890, 1891, 1895, 1908, 1910, Breslau *[http://www.breslau-wroclaw.de/de/breslau/history/rundbriefe/ K. Linder in ''Rundschreiben für ehemalige Breslauer Magdalenäer''] im Nordostdeutschen Archiv beim Institut Nordostdeutsches Kulturwerk, Lüneburg Inventar Nr. As 96/1, Signatur P0/988 *''Magdalenäum, Monatszeitschriftschrift f. d. Schüler d. Gymnasiums zu St. Maria Magdalena,'' Breslau, 1. 1931/32 – 5. 1936/37 *C. Schönborn: ''Beiträge zur Geschichte d. Schule und des Gymnasiums zu St. Maria Magdalena in Breslau'', I.–IV., Breslau 1844–1848 == Weblinks == * [http://wroclaw.hydral.com.pl/002119,foto.html Foto des neuen Schulgebäudes von 1929] * [http://wroclaw.hydral.com.pl/28113,foto.html historische Aufnahme des Gebäudes (1869 bis 1929) bei der Magdalenenkirche] * [http://www.lo2.wroc.pl Webseite des II Liceum Ogólnokształcące] {{Coordinate |NS=51/06/43/N |EW=17/04/20/E |type=landmark |region=PL-DS}} {{Exzellent|12. Januar 2007|26297413}} [[Kategorie:Schlesien]] [[Kategorie:Historische Schule]] [[la:Maria-Magdalenen-Gymnasium Breslau]] [[pl:II Liceum Ogólnokształcące im. Piastów Śląskich we Wrocławiu]] fl6r5u0r3p9ygbyq5lfc42iwvj8usc6 wikitext text/x-wiki Mariazellerbahn 0 23892 26488 2010-05-02T18:42:47Z 90.152.163.240 /* Weblinks */ {| class="wikitable float-right" {{BS-header|<big>Mariazellerbahn</big><br />St. Pölten–Mariazell (–Gußwerk)}} {{BS-daten |AT-KBS=115 |STRECKENNR=[[Eisenbahnstrecken der Österreichischen Bundesbahnen|153 01]] |LÄNGE=84 km – ehemals 91 |SPURWEITE=760 |STROMW=6,5&nbsp;kV / 25&nbsp;Hz |ZAHNSTANGE= |NEIGUNG=28 |RADIUS=78 |V-MAX=60 |BILDPFAD_FOTO=Mariazellerbahn 01.jpg |PIXEL_FOTO=300px |TEXT_FOTO=Wallfahrersonderzug bei Kirchberg an der Pielach |BILDPFAD_KARTE= |PIXEL_KARTE= }} {{BS-table}} {{BS|STR|||[[Westbahn (Österreich)|Westbahn]] von [[Wien Westbahnhof|Wien Westbf]]}} {{BS|BHF|-0,038|[[St. Pölten Hauptbahnhof|St. Pölten Hbf]]||5={{Höhe|273|AT|link=true}}}} {{BS|ABZrf|||Westbahn nach [[Salzburg Hauptbahnhof|Salzburg Hbf]]}} {{BS|TUNNEL1|||Kleiner Eisbergtunnel (138 m)}} {{BS|TUNNEL1|||Großer Eisbergtunnel (274 m)}} {{BS|BHF|1,980|[[St. Pölten]] Alpenbahnhof|([[Heizhaus]])}} {{BS|BHF|5,796|[[Schwadorf (Gemeinde St. Pölten)|Schwadorf]]||5={{Höhe|314|AT}}}} {{BS|BRÜCKE2|||Matzendorfer Brücke (31 m)}} {{BS|WBRÜCKE2|||[[Pielach]]}} {{BSe|HST||[[Völlerndorf]]|1996 aufgelassen|5={{Höhe|274|AT}}}} {{BS|BHF|11,955|[[Ober-Grafendorf]]|(Heizhaus)}} {{BS|ABZrf|||nach [[Wieselburg]]}} {{BS|BHF|15,550|[[Weinburg (Niederösterreich)|Klangen]]||5={{Höhe|300|AT}}}} {{BS|HST|16,572|[[Weinburg (Niederösterreich)]]}} {{BS|HST|17,542|[[Kammerhof]]}} {{BS|BHF|19,519|[[Hofstetten-Grünau]]||5={{Höhe|318|AT}}}} {{BS|HST|22,876|[[Hofstetten-Grünau|Mainburg]]||5={{Höhe|335|AT}}}} {{BS|BHF|25,003|[[Rabenstein an der Pielach]]||5={{Höhe|341|AT}}}} {{BS|WBRÜCKE2||||Pielach|}} {{BS|HST|27,374|Steinklamm||5={{Höhe|367|AT}}}} {{BS|HST|28,939|Steinschal-Tradigist||5={{Höhe|363|AT}}}} {{BS|BHF|31,316|[[Kirchberg an der Pielach]]||5={{Höhe|372|AT}}}} {{BS|HST|33,948|Schwerbach||5={{Höhe|391|AT}}}} {{BS|BHF|35,294|[[Loich]]||5={{Höhe|400|AT}}}} {{BS|TUNNEL2|||Weißenburgtunnel (98 m)}} {{BS|BHF|39,313|[[Schwarzenbach an der Pielach]]||5={{Höhe|429|AT}}}} {{BS|TUNNEL2|||Schönautunnel (61 m)}} {{BS|WBRÜCKE2|||Pielach}} {{BS|TUNNEL2|||Natterstunnel (30 m)}} {{BS|BHF|43,043|[[Frankenfels]]||5={{Höhe|462|AT}}}} {{BS|HST|46,469|Boding||5={{Höhe|508|AT}}}} {{BS|BHF|48,317|Laubenbachmühle|Heizhaus (Depot)|5={{Höhe|535|AT}}}} {{BS|HST|50,320|Unter Buchberg||5={{Höhe|571|AT}}}} {{BS|TUNNEL2|||Kerlsteintunnel (93 m)}} {{BS|TUNNEL2|||Steinbachtunnel (49 m)}} {{BS|TUNNEL2|||Meierlbergtunnel (89 m)}} {{BS|TUNNEL2|||Stettenriegeltunnel (43 m)}} {{BS|BHF|57,116|[[St. Anton an der Jeßnitz|Winterbach]]}} {{BS|HST|60,988|[[Puchenstuben]]||5={{Höhe|804|AT}}}} {{BS|TUNNEL1|||Beinriegeltunnel (121 m)}} {{BS|TUNNEL2|||Florkogeltunnel (77 m)}} {{BS|TUNNEL1|||Gösingtunnel (2369 m)}} {{BS|BHF|66,985|[[Gösing an der Mariazellerbahn|Gösing]]||5={{Höhe|891|AT}}}} {{BS|TUNNEL2|||Ameiskogel-Tunnel (46 m)}} {{BS|TUNNEL1|||Großer Klausgrabentunnel (102 m)}} {{BS|TUNNEL2|||Kleiner Klausgrabentunnel (35 m)}} {{BS|TUNNEL2|||Reithmauertunnel (35 m)}} {{BS|BRÜCKE|||Saugrabenviadukt (116 m)}} {{BS|BHF|71,287|[[Annaberg (Niederösterreich)|Annaberg]]|vormals Annaberg-Reith|5={{Höhe|806|AT}}}} {{BS|WBRÜCKE2|||Lassingstausee|}} {{BS|HST|72,862|Wienerbruck-[[Josefsberg]]||5={{Höhe|795|AT}}}} {{BS|WBRÜCKE2|||Lassingbach}} {{BS|TUNNEL1|||Raingrabentunnel (269 m)}} {{BS|BRÜCKE2|||Raingrabenbrücke (40 m)}} {{BS|TUNNEL1|||Kienbachtunnel (375 m)}} {{BS|TUNNEL2|||Kleiner Zinkentunnel (59 m)}} {{BS|TUNNEL2|||Großer Zinkentunnel (68 m)}} {{BS|TUNNEL1|||Erlaufklausetunnel (111 m)}} {{BS|HST|77,237|Erlaufklause||5={{Höhe|815|AT}}}} {{BS|BRÜCKE|||Kuhgrabenviadukt (68 m)}} {{BS|BHF|80,347|[[Mitterbach am Erlaufsee|Mitterbach]]||5={{Höhe|799|AT}}}} {{BS|muxABZlg|||[[Museumstramway Mariazell-Erlaufsee]] (normalspurig)}} {{BS|KBHFxe|84,230|[[Mariazell]]|Heizhaus (Depot)|5={{Höhe|849|AT}}}} {{BSe|xHST|87,7{{0}}{{0}}|Rasing-[[Sankt Sebastian (Steiermark)|St. Sebastian]]||5={{Höhe|768|AT}}}} {{BSe|xHST|89,2{{0}}{{0}}|Sigmundsberg||5={{Höhe|758|AT}}}} {{BSe|xKBHFe|91,3{{0}}{{0}}|[[Gußwerk]]||5={{Höhe|739|AT}}}} |} |} Die '''Mariazellerbahn''' ist eine elektrisch betriebene [[Schmalspurbahn]] in einer [[Spurweite (Eisenbahn)|Spurweite]] von 760&nbsp;mm ([[bosnische Spurweite]]) in [[Österreich]]. Sie verbindet die [[niederösterreich]]ische Landeshauptstadt [[St. Pölten]] mit dem [[Steiermark|steirischen]] [[Wallfahrtsort]] [[Mariazell]]. Eigentümer und Betreiber sind die [[ÖBB|Österreichischen Bundesbahnen]] (ÖBB). == Strecke == === Die Talstrecke === [[Datei:Mariazellerbahn 06.jpg|thumb|left|Am [[Eisenbahnsignal|Flügelsignal]] bei [[Rabenstein an der Pielach|Rabenstein]]]] Die 84&nbsp;km lange Strecke beginnt am [[St. Pölten Hauptbahnhof|Hauptbahnhof von St. Pölten]]. Gleich nach Verlassen des Bahnhofs wird in den ersten beiden [[Tunnel]]s die [[Leobersdorfer Bahn]] unterquert, der darauf folgende St. Pöltner ''Alpenbahnhof'' ist das betriebliche Zentrum der Mariazellerbahn. Hier befinden sich Fahrzeughallen, die Werkstätte und die umfangreichen Anlagen des inzwischen eingestellten Güterverkehrs. Im Anschluss daran verlässt die Bahn rasch das Stadtgebiet. Auf den ersten Kilometern quert sie hauptsächlich landwirtschaftlich genutztes Hügelland und wechselt südlich von St. Pölten vom Tal der [[Traisen (Fluss)|Traisen]] in das Tal der [[Pielach]]. Rasch erreicht man mit [[Ober-Grafendorf]] den größten Bahnhof an der Strecke – hier befindet sich der Ausgangspunkt der nicht [[Elektrifizierung|elektrifizierten]] Zweiglinie. Wenige Minuten später findet in [[Klangen]] bereits die erste Zugkreuzung statt, da bis Laubenbachmühle in etwa im Stundentakt gefahren wird. Die ''Stammstrecke'' folgt dem Tal der Pielach über [[Hofstetten-Grünau]], [[Rabenstein an der Pielach]] und den Hauptort der Talschaft, [[Kirchberg an der Pielach]] mit der zweiten Zugbegegnung, bis zur Station [[Loich]], welche für den Güterverkehr von besonderer Bedeutung war: Hier endete der Güterverkehr mit [[Rollbock|Rollböcken]] bzw. später mit [[Rollwagen]], da das [[Lichtraumprofil]] der folgenden Tunnels nur für Schmalspurfahrzeuge angelegt ist. Ab hier verengt sich das Tal der Pielach zusehends und kurz vor dem nächsten Bahnhof, [[Schwarzenbach an der Pielach]], passiert die Bahn den Weißenburgtunnel und verlässt sogleich das Pielachtal und folgt dem sich schluchtartig verengenden Tal des Nattersbaches über [[Frankenfels]] bis zum Bahnhof Laubenbachmühle. Der ab hier folgende Abschnitt wird als ''Bergstrecke'' der Mariazellerbahn bezeichnet. === Die Bergstrecke === [[Datei:Mariazellerbahn 02.jpg|left|thumb|Bahnhof Gösing, Panorama mit [[Ötscher]]]] Die Strecke gewinnt in einer lang gezogenen doppelten Kehrschleife ([[Serpentine]]) im oberen Abschnitt des Natterstales an Höhe. Über die Stationen Winterbach und [[Puchenstuben]] wird der Gösingtunnel, in dem mit {{Höhe|891.6|AT|link=true}} der höchste Punkt der Strecke liegt, erreicht. An dieser Stelle wechselt die Linienführung ins [[Erlauf (Fluss)|Erlauftal]], dem sie bis kurz vor dem Endpunkt folgen wird. Im Anschluss an den Tunnel folgt der Bahnhof Gösing, ca. 350&nbsp;m oberhalb der Ortschaft Erlaufboden. Hier bietet sich dem Fahrgast zum ersten Mal der Anblick des 1.893&nbsp;m hohen [[Ötscher]]s. Dieses Panorama und die gute Erreichbarkeit mit der damals neu gebauten Bahn führten schon zur Zeit der Bahneröffnung zum Bau eines Gasthofes gegenüber dem Bahnhof. Dieser Gasthof wurde 1922 zum [[Alpenhotel Gösing]] ausgebaut und später erweitert. [[Datei:Mariazellerbahn 03.jpg|thumb|left|Winter am Heugrabenviadukt]] [[Datei:Mariazellerbahn 04.jpg|thumb|left|Der Saugrabenviadukt]] [[Datei:Mariazellerbahn map1.png|thumb|left|Streckenverlauf der Mariazellerbahn von St. Pölten nach Mariazell]] [[Bild:Mariazeller Bahnhof.jpg|thumb|Mariazell: Hier endet die Mariazellerbahn]] Die Bahn folgt nun in leichtem Gefälle einer steilen, bewaldeten Berglehne, passiert mit dem Saugrabenviadukt den höchsten [[Viadukt]] der Mariazellerbahn und erreicht am Reithsattel den Bahnhof [[Annaberg (Niederösterreich)|Annaberg]]. Dem Lassingstausee, der das [[Kraftwerk Wienerbruck]] speist, folgt rasch die Station Wienerbruck-[[Josefsberg]], ein beliebter Ausgangspunkt für Wanderungen in die [[Ötschergräben]]. Nach einer weiteren Kehre um den See wendet sich die Strecke der Erlauf zu. Dieser Abschnitt gilt als das wildromantische Highlight der Mariazellerbahn: Zwischen einer Reihe kurzer Tunnels bieten sich mehrmals Einblick in die „Zinken“, wie hier die zerklüftete Schlucht der Erlauf genannt wird. Nach der Haltestelle Erlaufklause wird mit [[Mitterbach am Erlaufsee]] der letzte Halt in Niederösterreich erreicht, kurz darauf erreicht die Schmalspurbahn mit dem Wallfahrtsort Mariazell in der Steiermark ihren Endpunkt. Die weitere Strecke von ca. 7&nbsp;km Länge bis [[Gußwerk]], die vor allem dem Güterverkehr zu einem großen Sägewerk diente, ist seit 1988 stillgelegt und wurde 2003 abgetragen. Die ([[normalspur]]ige) [[Museumstramway Mariazell-Erlaufsee]] ist seit 2008 aktiv, einen kurzen Abschnitt der Trasse für das Projekt einer [[Straßenbahn]]strecke vom Bahnhof ins Ortsgebiet von Mariazell zu adaptieren. == Die Zweiglinie == {{Hauptartikel|Lokalbahn Ober-Grafendorf–Gresten}} In Ober-Grafendorf zweigt die so genannte „Krumpe“ ab, ein nicht elektrifizierter Ast, der durch das [[Alpenvorland]] in annähernd westlicher Richtung über [[Mank]] und [[Ruprechtshofen]] nach [[Wieselburg|Wieselburg an der Erlauf]] führt, wo er auf die normalspurige [[Erlauftalbahn]] nach [[Scheibbs]] und [[Gaming|Kienberg-Gaming]] trifft. Die ehemals schmalspurige Fortsetzung von Wieselburg nach [[Gresten]] wurde 1998 wegen des umfangreichen [[Güterverkehr]]s auf Normalspur umgebaut. Betrieb gibt es seit 2003 nur noch zwischen Ober-Grafendorf und Mank. Das Streckennetz der Mariazellerbahn ist Teil des [[Verkehrsverbund Niederösterreich-Burgenland|Verkehrsverbundes Niederösterreich-Burgenland]]. Der südliche Abschnitt zwischen Mitterbach und Mariazell ist auch in den [[Steirischer Verkehrsverbund|Steirischen Verkehrsverbund]] integriert. == Geschichte == [[Datei:1900 Bahnhof Frankenfels.jpg|thumb|left|Dampfzug im Bahnhof Frankenfels um 1900]] [[Datei:Mariazellerbahn gueterzug kiental ca 1907.jpg|thumb|Güterzug auf der Erlauf-Kienbach-Brücke, wahrscheinlich noch vor der Eröffnung 1907]] [[Datei:Mariazellerbahn nordrampe ca 1907.jpg|thumb|upright|Zug auf Bergfahrt, mittlere Ebene der Nordrampe]] [[Datei:Mariazellerbahn saugrabenviadukt 1908.jpg|thumb|left|Zug mit Lok der Reihe Uv auf dem Saugrabenviadukt, 1908]] Der Wallfahrtsort Mariazell war im 19. Jahrhundert einer der am stärksten besuchten [[Fremdenverkehr]]sorte [[Österreich-Ungarn]]s. Überlegungen zur Errichtung einer Bahn von St. Pölten nach Mariazell gab es daher schon seit Eröffnung der Westbahn im Jahr 1858. Mehrere Varianten als Verlängerung einer der normalspurigen Strecken im niederösterreichischen Alpenvorland wurden in den folgenden Jahrzehnten ins Auge gefasst. Der Bau einer Bahn von St. Pölten ins Pielachtal wurde zunächst unabhängig davon angestrebt. <ref name="Felsinger S. 18">H. Felsinger: ''Die Mariazellerbahn'', S. 18, Verlag P. Pospischil, Wien 2002</ref> === Bau und Dampfbetrieb === Diese Pielachtalbahn einschließlich einer Zweigstrecke von Ober-Grafendorf nach Mank wurde jedoch erst nach dem Niederösterreichischen Landeseisenbahngesetz von 1895 beschlossen, es wurde nun aber auch eine Verlängerung nach Mariazell berücksichtigt. Wegen des schwierigen Terrains sollte die Bahn als Schmalspurbahn zur Ausführung gelangen. Die Spurweite von 760&nbsp;mm war, wie bei allen Schmalspurbahnprojekten in der Donaumonarchie von der Militärverwaltung vorgegeben, da bei Bedarf Fahrzeuge zum Kriegsdienst auf den Bahnen in [[Bosnien-Herzegowina]] eingezogen werden sollten. Auch war bereits eine Verbindung zur [[Thörlerbahn|Schmalspurbahn Kapfenberg–Au-Seewiesen]] in der Steiermark als weiterer Ausbau geplant. Im Juli 1896 wurde die Konzession für die formell eigenständige Aktiengesellschaft der Lokalbahn St. Pölten–Kirchberg an der Pielach−Mank erteilt. Im selben Jahr wurde mit dem Bau durch das Niederösterreichische Landeseisenbahnamt, die späteren [[Niederösterreichische Landesbahnen|Niederösterreichischen Landesbahnen]] begonnen, die Planung oblag dabei dem stellvertretendem Direktor Ing. [[Josef Fogowitz]]. Die Stammstrecke von St. Pölten nach Kirchberg und die Zweigstrecke nach Mank wurden am 4. Juli 1898 eröffnet, Betriebsführer beider Strecken war das Landeseisenbahnamt selbst. Ab 1902 wurde der Bau fortgesetzt und 1905 wurden die Pielachtalstrecke bis Laubenbachmühle und die Verlängerung der Zweiglinie nach Ruprechtshofen fertiggestellt. Für die weitere Fortsetzung nach Mariazell wurde aus drei Trassenvarianten, die in die engere Auswahl gekommen waren, jene gewählt, die durch geologisch günstigeres Gelände führte und die kürzesten Tunnellängen aufwies. 1906 war auch die Bergstrecke so weit vollendet, dass der Güterverkehr bis Mariazell aufgenommen werden konnte. Am 2. Mai 1907 nahm der Personenverkehr bis Mariazell den Betrieb auf und im Sommer desselben Jahres wurde die Strecke bis Gußwerk eröffnet. Jene Strecke von Mariazell nach Gußwerk wurde auf Drängen des Landes Steiermark errichtet, das seine finanzielle Beteiligung an der Alpenbahn davon abhängig machte. Die ''Niederösterreichisch-Steirische Alpenbahn'', wie die Mariazellerbahn im amtlichen Sprachgebrauch hieß, war damit fertiggestellt. Die weit fortgeschrittenen Planungen für die Verlängerung über den steirischen Seeberg als Verbindung mit der Kapfenberger Landesbahn und damit dem steirischen Eisenbahnnetz wurden wegen des Ausbruchs des [[Erster Weltkrieg|Ersten Weltkrieges]] nicht mehr verwirklicht. Ebenso unterblieb der Bau einer Verbindung zur [[Ybbstalbahn]], für die mehrere Trassenvorschläge ausgearbeitet wurden. <ref name="Schiendl S. 43">W. Schiendl: ''Mit Sack und Pack nach Pfaffenschlag – Die Geschichte der Schmalspurbahn Kienberg-Gaming – Lunz am See'' S. 43–48, Verlag Kenning, 1995</ref> Auf der Bergstrecke wurde der Betrieb vorerst mit den eigens für diese Strecke entwickelten [[Dampflokomotive]]n der Reihen Mh und Mv abgewickelt, was sich aber rasch als unzureichend erwies. Der Andrang an Fahrgästen war so groß, dass zeitweise jegliche Werbung für die rasch populär gewordene Alpenbahn unterlassen wurde. <ref name="Felsinger S. 55">H. Felsinger: ''Die Mariazellerbahn'', S. 55, Verlag P. Pospischil, Wien 2002</ref> Im Güterverkehr wurde neben landwirtschaftlichen Produkten und Erzen aus lokalen [[Bergbau]]betrieben vor allem Holz aus der waldreichen Bergregion abtransportiert. Das Holz blieb bis zur Einstellung des Güterverkehrs das bedeutendste Frachtgut der Mariazellerbahn. Bereits ab 1909 wurden, so weit es das [[Lichtraumprofil]] erlaubte, Normalspurgüterwagen auf Rollböcken befördert. <ref>W. Krobot, J. O. Slezak, H. Sternhart: ''Schmalspurig durch Österreich'', S. 227, Slezak, Wien 1991</ref> === Elektrifizierung === [[Datei:NoeLB E1 1911.jpg|thumb|Elektrolok E.1 im Auslieferungszustand am Alpenbahnhof in St. Pölten, 1911]] Mehrere Szenarien der Leistungssteigerung wurden erwogen, darunter der zweigleisige Ausbau und die Anschaffung einer noch stärkeren Dampfloktype. In dieser Zeit brachte der amtierende Direktor des Landeseisenbahnamtes, Ing. [[Eduard Engelmann jr.]], den Vorschlag ein, die Mariazellerbahn mit [[Einphasenwechselstrom]] zu elektrifizieren. Dieser Vorschlag galt als revolutionär. Noch nie war eine Bahnstrecke dieser Länge, auf der hauptbahnähnlicher Verkehr stattfinden sollte, elektrisch betrieben worden. Man kannte in dieser Epoche die elektrische Traktion erst von [[Straßenbahn]]en und leichten, durchwegs mit [[Gleichstrom]] niedriger Spannung betriebenen [[Sekundärbahn|Lokalbahnen]]. Nur die 1904 erbaute [[Stubaitalbahn]] war auch schon mit Wechselstrom betrieben. Trotz heftiger Widerstände konnte Engelmann seine Visionen durchsetzen. In den Jahren 1907 bis 1911 wurden die Arbeiten durchgeführt, die reichlich vorhandene Wasserkraft der Bergregion zur Energiegewinnung herangezogen und die noch heute verwendeten [[Lokomotive]]n der Reihe E (heute [[ÖBB 1099|1099]]) angeschafft. Bei der Umsetzung des Vorhabens wurden zahlreiche Konzepte verwirklicht, für die es bis dahin kein Vorbild gab. Die bei der Elektrifizierung der Mariazellerbahn gewonnenen Erfahrungen erwiesen sich als richtungsweisend für spätere Projekte zur [[Chronik der Elektrifizierung von Eisenbahnstrecken in Österreich|Elektrifizierung des österreichischen Streckennetzes]]. Anders als bei Straßenbahnen wurde die Fahrleitung mittels massiver Tragwerke und Stahlmasten ausgeführt, die Ausführung der Lokomotiven mit zwei separat angetriebenen [[Drehgestell]]en entspricht der auch heute noch üblichen Bauweise. Die zur Energieversorgung notwendigen und unter schwierigsten Bedingungen in der Gebirgslandschaft errichteten [[Kraftwerk]]e wurden zugleich zur Versorgung der Region mit elektrischem Strom herangezogen und bildeten den Grundstein für die niederösterreichische Landesenergiegesellschaft NEWAG, die heutige [[EVN AG]]. <ref name="Felsinger S. 63–84">H. Felsinger: ''Die Mariazellerbahn'', S. 63–84, Verlag P. Pospischil, Wien 2002</ref> === Vom Ersten Weltkrieg bis 1945 === Während des [[Erster Weltkrieg|Ersten Weltkriegs]] wurden mehrere Dampfloks und eine Vielzahl von Waggons zeitweise zum Kriegseinsatz eingezogen, darunter die Lokomotiven Mh.1 bis Mh.5. Letztere kehrte erst 1920 aus [[Sarajevo]] zurück. <ref name="Felsinger S. 45">H. Felsinger: ''Die Mariazellerbahn'', S. 45, Verlag P. Pospischil, Wien 2002</ref> Die „Krumpe“ von Ober-Grafendorf bis Ruprechtshofen wurde, nachdem die Bauarbeiten durch den Krieg unterbrochen worden waren, erst 1927 bis Gresten verlängert, aber nicht elektrifiziert. Alle anderen Erweiterungsprojekte wurden, obwohl zum Teil auch noch nach 1945 immer wieder ins Gespräch gebracht, nie verwirklicht. 1922 übernahmen die [[Österreichische Bundesbahnen|ÖBB]] die Mariazellerbahn von den Niederösterreichischen Landesbahnen, die in finanzielle Bedrängnis geraten waren. Nach dem [[Anschluss (Österreich)|„Anschluss“]] 1938 wurden die Schmalspurbahnen, wie alle österreichischen Bahnen, in die [[Deutsche Reichsbahn]] eingegliedert. Während der Kriegsjahre 1944 und 1945 kam es insbesondere im Nahbereich von St. Pölten an mehreren Stellen zu Zerstörungen und Schäden durch Kriegshandlungen. === Nach 1945 === [[Datei:2095004 gresten 1991.jpg|thumb|left|Rollwagen-Güterzug in Gresten, 1991]] [[Bild:Mariazeller Bahn OberGrafendorf.jpg|thumb|left|Neu (ÖBB 4090) und Alt (ÖBB 1099) in Ober Grafendorf]] Nach dem [[Zweiter Weltkrieg|Zweiten Weltkrieg]] verblieben die ehemaligen Landesbahnstrecken bei den ÖBB, die Fahrzeuge wurden ab 1953 in das neue Nummernschema übernommen. In den folgenden Jahren wurden an der Strecke mehrmals kleinere Trassenkorrekturen vorgenommen. Zwischen 1954 und 1957 wurden auf den Untergestellen der Personenwagen neue stählerne Aufbauten in einheitlicher Bauweise aufgesetzt. In den 1960er-Jahren wurden noch einige Wagen durch das Einschweißen von Zwischenstücken verlängert. <ref>W. Krobot, J. O. Slezak, H. Sternhart: ''Schmalspurig durch Österreich'', S. 80, Slezak, Wien 1991</ref> Dieser Umbau des Fuhrparks sowie die Umstellung der Zweiglinie auf [[Diesellokomotive|Dieselbetrieb]] waren die umfangreichsten Modernisierungsmaßnahmen. 1984 wurden die letzten Rollböcke durch Rollwagen ersetzt. <ref name="Felsinger S. 139">H. Felsinger: ''Die Mariazellerbahn'', S. 139, Verlag P. Pospischil, Wien 2002</ref> Von der Nebenbahn-Einstellungswelle des Jahres 1988 in Niederösterreich war auch die Mariazellerbahn betroffen. Der Güterverkehr mit Schmalspurwagen auf der Bergstrecke wurde komplett aufgegeben, die kurze Strecke von Mariazell nach Gußwerk eingestellt. Lediglich bis Schwarzenbach an der Pielach erfolgten nach Einstellung des Güterverkehrs nach Mariazell noch für einige Jahre Holztransporte auf Schmalspurwaggons. Mit 1. Jänner 1999 stellten die ÖBB auch den Güterverkehr mit Rollwagen auf der Talstrecke und dem verbliebenen schmalspurigen Abschnitt der Nebenlinie ein. === Seit 2000 === Ab circa 2000 gab es Überlegungen der ÖBB, die Mariazellerbahn zu verkaufen oder einzustellen. Derzeit wird die Bahn jedoch im Auftrag und auf Kosten des Landes Niederösterreich weiterhin von den ÖBB betrieben. <ref name="noevog infra">[http://www.noevog.at/schmalspurbahnen_uebersicht_infravertrag.html Infrastrukturvertrag für die Niederösterreichischen Schmalspurbahnen]</ref> Im Herbst 2003 wurde als eines von mehreren Zukunftsszenarien die Umspurung der für den [[Pendler]]- und Schülerverkehr wichtigen Talstrecke zwischen St. Pölten und Kirchberg an der Pielach auf Normalspur in Erwägung gezogen, für die verbleibende Schmalspurstrecke wären stärker touristisch orientierte Vermarktungskonzepte angestrebt worden. Seit umfangreichen Sanierungsarbeiten an den bestehenden schmalspurigen Gleisanlagen zwischen St. Pölten und Ober Grafendorf im Frühjahr 2007 ist dieses Projekt jedoch nicht mehr im Gespräch. Zur Förderung des touristischen Verkehrs wurde 2007 eine sanierte Zugsgarnitur in neuem Design auf die Strecke geschickt. Dieser Zug kommt täglich unter dem Namen „Ötscherbär“ auf der Gesamtstrecke zum Einsatz und wird von einer nun in Anlehnung an die ursprüngliche Farbgebung der elektrischen Lokomotiven braun lackierten 1099 gezogen. Seit Dezember 2008 ist eine Übernahme der Mariazellerbahn durch das Land Niederösterreich im Gespräch, nach dem Vorbild der Übernahme der [[Pinzgauer Lokalbahn]] durch das Bundesland Salzburg. <ref name="nön52/2008">''Land: Wollen die Bahn unbedingt erhalten!'' [[Niederösterreichische Nachrichten]], Ausgabe Pielachtal 52/2008, S.&nbsp;35</ref>. Im Januar 2010 wurde die Übernahme durch das Land Niederösterreich mit Januar 2011 vereinbart. Derzeit denkt das Land daran nur die Talstrecke der Mariazellerbahn im planmäßigen Betrieb und mit neuen Fahrzeugen fahren zu lasen, die berühmte Mariazellerbahn-Bergstrecke dagegen nur mehr touristischem Betrieb weiterzubetreiben. Genauere Informationen dazu sind aber noch nicht vorhanden. Ob die Zweigstrecke der Mariazellerbahn, die [[Krumpe]], weiterfahren wird, ist derzeit noch ungewiss. (Stand: April 2010) == Fahrplan == Der Fahrplan orientiert sich seit Dezember 2007 an der in Mitteleuropa üblichen [[Symmetrieminute|Symmetriezeit]]. Die Zugkreuzungen des angenäherten Stundentaktes bis Laubenbachmühle an Werktagen finden zeitlich etwas schwankend vor allem nachmittags bis zu sieben Minuten später statt. Als Folge hiervon gibt es in St. Pölten in manchen Fällen keine symmetrischen Anschlüsse. Die Umsteigezeit ''von'' den Zügen der Westbahn ist dann etwa 10 Minuten länger als in der Gegenrichtung. == Fahrzeuge == [[Datei:Oebb1099 01.jpg|thumb|Eine Lokomotive der [[ÖBB 1099|Reihe 1099]] im Bahnhof Mariazell]] Zur Eröffnung der ersten Streckenabschnitte 1898 beschafften die NÖLB vier Lokomotiven der bereits von der [[Murtalbahn]] bewährten [[KkStB U|Reihe U]], die zusammen mit den damals üblichen zweiachsigen Reisezug- und Güterwaggons die Grundausstattung des Streckennetzes bildeten. Ergänzt wurde der Fuhrpark ab 1903 durch von Komarek in [[Wien]] gebaute zweiachsige, leichte [[Triebwagen|Dampftriebwagen]], die die Führung schwächer besetzter Züge übernahmen. Zur Eröffnung des nächsten Teilstückes zwischen Kirchberg und Laubenbachmühle im Jahr 1905 und bereits in Hinblick auf die Bergstrecke nach Mariazell wurden eine [[Verbundwirkung|Verbundlokomotive]] ([[NÖLB Uv]]) und eine [[Heißdampf]]<span />lokomotive ([[NÖLB Uh]]) als Weiterentwicklungen der U bestellt. [[Datei:Steyrtalbahn 02.jpg|thumb|Eine der Lokomotiven der [[KkStB U|Reihe U]] der Mariazellerbahn fährt heute auf der [[Steyrtalbahn]]]] [[Datei:Austria narrow gauge mh6.jpg|thumb|Museumslokomotive Mh.6 mit Touristikzug]] [[Datei:ÖBB 4090_Annaberg.jpg|thumb|Ein moderner Triebwagenzug der [[ÖBB 4090|Reihe 4090]] im Bahnhof Annaberg]] [[Datei:ÖBB 2095.jpg|thumb|Eine Diesellokomotive der [[ÖBB 2095|Reihe 2095]] am St. Pöltner Alpenbahnhof]] Für die Verlängerung nach Mariazell wurde eine besonders leistungsstarke Maschine benötigt. Die Lokomotivfabrik [[Krauss-Maffei|Krauss]] in Linz legte den Entwurf einer Lok mit vier angetriebenen Achsen und [[Stütztenderlokomotive|Stütztender]] vor, der 1906 mit vier Exemplaren mit Heißdampfantrieb verwirklicht wurde. Die Lokomotiven erhielten die Typenbezeichnung [[NÖLB Mh|Mh]] (bei den ÖBB Reihe 399). 1907 folgten zwei Loks mit Verbundantrieb, als [[NÖLB Mv|Mv]] bezeichnet. Da sich diese aber nicht so gut bewährten, erfolgte die Anschlusslieferung von zwei weiteren Maschinen 1908 wieder als Heißdampflok. Um die erwarteten Fahrgastzahlen befördern zu können, wurde eine Vielzahl vierachsiger Reisezugwagen angeschafft, welche in Ausstattung und Komfort mit zeitgenössischen Normalspurfahrzeugen vergleichbar waren. Ebenfalls 1906 wurden drei größere Dampftriebwagen geliefert, die auch mit mehreren Wagen verstärkt eingesetzt werden konnten. Als Bauzug- und Stationslokomotive wurde 1904 die [[NÖLB P]].1 beschafft, wahrscheinlich für ähnliche Zwecke ergänzte 1907 die [[NÖLB R]].1 den Fuhrpark, welche offiziell aber nicht zum Bestand der Landesbahnen zählte und 1913 wieder verkauft wurde. <ref name="Felsinger S. 44">H. Felsinger: ''Die Mariazellerbahn'', S. 44, Verlag P. Pospischil, Wien 2002</ref> Für den 1911 eröffneten elektrischen Betrieb wurden zwischen 1911 und 1914 insgesamt 16 Lokomotiven der Reihe [[NÖLB E|E]] geliefert. Damit endete der Dampfbetrieb auf der Stammstrecke bereits nach nur fünf Jahren. Sämtliche Dampftriebwagen wurden verkauft, die meisten Dampfloks verblieben auf der Zweiglinie, einige Maschinen wurden zu den [[Waldviertler Schmalspurbahnen]] umstationiert. Mit der Verlängerung der Zweiglinie bis Gresten kamen neue Dampflokomotiven der [[KkStB P|Reihen P]] und [[BBÖ Uh|Uh]] auf das St. Pöltner Schmalspurnetz, in den 1930er-Jahren wurden die ersten Diesellokomotiven erprobt. Diese als [[BBÖ 2040/s|2040/s]] (ÖBB 2190) bezeichnete Type war jedoch nur zur Führung leichter Personenzüge geeignet, die kurz darauf eingeführten Gepäcktriebwagen [[BBÖ 2041/s|2041]] (ÖBB 2091) waren geringfügig leistungsstärker. Ab 1960 erhielten die Elektrolokomotiven, nun als Reihe 1099 bezeichnet, neue [[Wagenkasten|Fahrzeugkästen]], die Reisezugwagen wurden ebenfalls mit neuen vereinheitlichten Stahlkästen versehen („Spantenwagen“). Ab 1962 wurden die Dampflokomotiven von den neuen Dieselloks der [[ÖBB 2095|Reihe 2095]] abgelöst. Die Loks der Baureihe 399 kamen ins Waldviertel, die anderen wurden ausgemustert. Der Fahrbetrieb auf der Stammstrecke wird heute immer noch hauptsächlich von den fast 100 Jahre alten Elektrolokomotiven der Reihe 1099 zusammen mit den praktisch gleich alten Reisezugwagen bewältigt. Die 1099 ist somit auch die älteste elektrische Lokomotive der Welt, die immer noch im täglichen Einsatz auf jener Strecke steht, für die sie ursprünglich gebaut wurde. <ref name="FdMzB 1099">[http://www.mariazellerbahn.at/betrieb/e1099.php E-Lok Reihe 1099 – Die Weltrekordlok]</ref> Seit 1994 kommen auf der Stammstrecke nach Mariazell zusätzlich drei neu entwickelte, jedoch nicht in größerer Stückzahl produzierte elektrische Triebwagenzüge der [[ÖBB 4090|Reihe 4090]] zum Einsatz. Für schwächer besetzte Kurse werden Dieseltriebwagen der [[ÖBB 5090|Reihe 5090]] eingesetzt, ebenso auf der Zweiglinie, wo auch Diesellokomotiven der Reihe 2095 zum Einsatz kommen. Für Nostalgiezüge wurde bis zu ihrer vorläufigen Abstellung wegen eines Kesselschadens im Mai 2007 die in Ober-Grafendorf stationierte Dampflokomotive ''Mh.6'' herangezogen, eine in den 1990er-Jahren auf private Initiative einiger Eisenbahner auf die Mariazellerbahn zurückgeholte und wieder in den Originalzustand rückversetzte Originalmaschine der Bergstrecke. Zu besonderen Anlässen, wie etwa dem alle zwei Jahre (in den ungeradzahligen Jahren) stattfindenden Schmalspurfestivals in Ober-Grafendorf und anderen Gemeinden des Pielachtales oder Jubiläumsfeiern kommen auch Gastlokomotiven anderer Schmalspurbahnen zum Einsatz. Zu diesen Gästen zählten unter anderem die [[JDŽ 83|83-076]] des [[Club 760]], die [[KkStB Yv|Yv.2]] der [[Ybbstalbahn]] oder die [[ÖBB 699|699.103]] der [[Steyrtalbahn]]. == Stromversorgung == Die Mariazellerbahn ist die einzige elektrifizierte Schmalspurbahn der Österreichischen Bundesbahnen und wird historisch bedingt mit Einphasenwechselspannung von 6,5 [[Volt|kV]] und einer [[Frequenz]] von 25 [[Hertz (Einheit)|Hz]] betrieben. Da Wechselstrom dieser Frequenz weder dem [[Bahnstromnetz]] noch dem öffentlichen [[Stromnetz]] entnommen werden kann, verfügt die Mariazellerbahn über ein eigenes [[Bahnstromnetz]], für das nicht die ÖBB selbst zuständig sind (obwohl ihnen die Bahn seit 1922 gehört), sondern das [[Energieversorgungsunternehmen]] EVN. Basis dafür ist ein noch heute gültiger Vertrag aus dem Jahr 1908 zwischen dem Land Niederösterreich und der Aktiengesellschaft der Bahn bzw. deren Rechtsnachfolgern. <ref name="vollerzug11">DI Eckmaier, EVN: ''Stromversorgung der Mariazellerbahn'', Voller Zug! Nr. 11, Mitgliederzeitung d. Vereins Freunde der Mariazellerbahn, Nov. 2002 [http://www.mariazellerbahn.at/zeitung/inhalt11_07.htm]</ref> Für die Stromversorgung der gesamten Mariazellerbahn und der Region entlang der Strecke mit 25 Hz-Industriestrom dienten ursprünglich vier 25 Hz-[[Drehstromgenerator]]en im Kraftwerk Wienerbruck mit einer [[Scheinleistung|Gesamtscheinleistung]] von 6.600 [[Voltampere|kVA]]. Hiervon betrug die einphasige Scheinleistung für die Bahnversorgung 4.500 kVA. Die Maschinensätze wurden und werden vom Wasser der Lassing und der Erlauf angetrieben. Der von den [[Generator]]en im Kraftwerk Wienerbruck erzeugte Bahnstrom mit 6,5&nbsp;kV wurde teilweise direkt in die Fahrleitung in der Nähe des Kraftwerkes eingespeist und auch zum Teil für die Übertragung zu den Unterwerken in Kirchberg und Ober-Grafendorf auf 27&nbsp;kV hochtransformiert. Als Ausfallsicherung wurde am Alpenbahnhof in St. Pölten eine Kraftstation mit zwei Dieselgeneratoren zu je 420kVA einphasiger Scheinleistung errichtet. <ref name="Pawlik-Technik S. 25">H. P. Pawlik: ''Technik der Mariazellerbahn'', S. 25, Slezak, Wien 2001</ref> Schon von Beginn an wurden sowohl die Leiterseile der Stromleitungen für die öffentliche Versorgung als auch die für die Versorgung der Bahn auf Traversen oberhalb der Oberleitungen auf den Oberleitungsmasten montiert. Auch heute noch sind – nach Umstellung der öffentlichen Versorgung auf [[Drehstrom]] mit einer Frequenz von 50 Hertz – ca. 21&nbsp;km Gemeinschaftsleitungen in Betrieb. Allerdings wurde in den 1970er- und 1980er-Jahren von dem für die öffentliche Stromversorgung in diesem Gebiet zuständigen Energieversorger EVN eine separate 20 kV-Leitung zwischen Loich und Frankenfels gebaut, so dass in diesem Bereich nur mehr die 27 kV-Leitung zur Versorgung der Mariazellerbahn und die Oberleitung selbst an den Oberleitungsmasten der Mariazellerbahn installiert sind. 1923 wurde unterhalb des Kraftwerks Wienerbruck der Ausgleichsweiher Stierwaschboden und das [[Kraftwerk Erlaufboden]] mit drei Maschinensätzen errichtet. In der zweiten Hälfte der 1960er-Jahre wurden die veralteten Kraftwerks- und Verteilanlagen erneuert. Den Bahnstrom erzeugt jetzt normalerweise der 2,8 MVA-Maschinensatz im Kraftwerk Erlaufboden. Er besteht aus je einer [[Synchronmaschine]] für 25 Hz-Einphasenwechselstrom, 50 Hz-Drehstrom und einer [[Francis-Turbine]]. Ein alter, kleinerer [[Umformer]]satz in Erlaufboden und zwei alte 25 Hz-Maschinensätze im Kraftwerk Wienerbruck dienen als Reserve für die Bahn. Zwei weitere Generatoren in Wienerbruck und drei in Erlaufboden mit zusammen 11,5 MVA erzeugen Drehstrom mit 50&nbsp;Hz. Das Rückgrat des Bahnnetzes bildet heute die 27 kV-Ringleitung zwischen den beiden Kraftwerken und dem neu gebauten Unterwerk Gösing sowie die Übertragungsleitung vom Unterwerk Gösing zum neu gebauten Unterwerk Rabenstein. Nach Fertigstellung dieser Anlagen wurden die direkte Fahrdrahtspeisung bei Wienerbruck und die Unterwerke Kirchberg an der Pielach und Ober-Grafendorf stillgelegt. Hierdurch wurde die Stromversorgung des Gebirgsabschnitts wesentlich verbessert. Heute werden von der Schaltwarte im Kraftwerk Erlaufboden neben den eigenen Maschinen auch die Maschinensätze des Kraftwerks Wienerbruck ferngesteuert, die Zwischenumspannwerke Gösing und Rabenstein werden vom System-Operator der EVN in [[Maria Enzersdorf]] fernüberwacht und -gesteuert. Lage der Stromversorgungsanlagen: [[Liste von Bahnstromanlagen in Österreich#Mariazellerbahn]] == Einzelnachweise == <references /> == Literatur == * Horst Felsinger, Walter Schober: ''Die Mariazellerbahn''. Verlag Pospischil, Wien 1971, 1973, 1979, 2002. [http://www.mariazellerbahn.at/freunde/felsinger.htm] * Hans P. Pawlik: ''Technik der Mariazellerbahn''. Slezak, Wien 2001, ISBN 3-85416-189-1 * Hans P. Pawlik: ''Mariazellerbahn in der Landschaft''. Slezak, Wien 2000, ISBN 3-85416-188-3 * Walter Krobot, J.O.Slezak, H.Sternhart: ''Schmalspurig durch Österreich''. Slezak, Wien <sup>4</sup>1991, ISBN 3-85416-095-X * Joseph O. Slezak, Hans Sternhart: ''Renaissance der Schmalspurbahn in Österreich''. Slezak, Wien 1986, ISBN 3-85416-097-6 * Markus Strässle: ''Schmalspurbahn-Aktivitäten in Österreich''. Slezak, Wien 1997, ISBN 3-85416-184-0 * Wolfdieter Hufnagl: ''Die Niederösterreichischen Landesbahnen''. Transpress, Stuttgart 2003, ISBN 3-613-71214-8 * Peter Wegenstein: ''Mariazellerbahn und „Krumpe“'', Bahn im Bild Band 204, Verlag Pospischil, Wien 1999 == Film == * SWR: ''[[Eisenbahn-Romantik]] – Die Mariazellerbahn'' (Folge 323) * Bahn im Film: Die Mariazellerbahn (Folge 37) [http://www.bahn-im-film.at/oscommerce2006/catalog/product_info.php?cPath=21&products_id=64] * 3 SAT: "Die Mariazeller Bahn - Die Entdeckung der Langsamkeit" [http://www.3sat.de/dokumentationen/136523/index.html] == Weblinks == * {{Commonscat|Mariazellerbahn}} * [http://www.mariazellerbahn.at/ Freunde der Mariazellerbahn] * [http://www.promariazellerbahn.at/ IG pro Mariazellerbahn] * [http://www.mh6.at Club Mh.6, Ober Grafendorf] * [http://www.mariazellerbahn.at/zeitung/inhalt11_07.htm Artikel zur Stromversorgung der Mariazellerbahn] * [http://www.mariazellerbahn.at/zeitung/inhalt13_06.htm Artikel zur Oberleitung der Mariazellerbahn] * [http://www.eisenbahnen.at/bilderalben/mariazellerbahn.shtml Fotoseiten zur Mariazellerbahn in der Naturlandschaft] * [http://www.ebepe.com/html/mariazell_d.html Bilddokumentation der Mariazellerbahn in mehreren Teilen] * [http://bergstrecke.npage.de/ Ausführlicher Bilderbogen über die Bergstrecke der Mariazellerbahn] {{Exzellent}} [[Kategorie:Bahnstrecke in Niederösterreich]] [[Kategorie:Bahnstrecke in der Steiermark]] [[Kategorie:Spurweite 760 mm]] [[Kategorie:Bezirk Bruck an der Mur]] [[Kategorie:Bezirk Lilienfeld]] [[Kategorie:Bezirk Sankt Pölten-Land]] [[Kategorie:Bezirk Scheibbs]] [[en:Mariazellerbahn]] [[eo:Mariazeller-fervojo]] [[no:Mariazellerbahn]] ee3d980434hl5sgkhof167jkm9ffrbj wikitext text/x-wiki Marienglashöhle 0 23893 26489 2010-03-10T12:23:50Z Schelm 0 Kandidatenstatus entfernt {{Infobox Höhle |BILD = Marienglashoehle friedrichroda.jpg |BILDBESCHREIBUNG = |LAGE = [[Thüringen]], [[Deutschland]] |HÖHE = 450 |HÖHE-BEZUG = DE-NN |BREITENGRAD=50.857778 |LÄNGENGRAD=10.554722 |REGION-ISO=DE-TH |GEOLOGIE = [[Muschelkalk]] |TYP = Große Gipskristalldruse |ENTDECKUNG = 1775/1784 |SCHAUHÖHLE = 1903 |BELEUCHTUNG = elektrisch (seit 1929) |GESAMTLÄNGE = |LÄNGE DES SCHAUHÖHLENBEREICHES = 300 Meter <br />(mit Zugangsstollen) |BESUCHER PRO JAHR =[[:Datei:Besucherzahlen Marienglashöhle.PNG|74.400]] (2004–2008) |BESONDERHEITEN = Große Gipskristalldruse im ehemaligen Bergwerk |WEBSITE = [http://www.friedrichroda.info/tourismus/ausfluege-sehenswertes/marienglashoehle.html Offizielle Seite] }} Die '''Marienglashöhle''' ist eine [[Schauhöhle]] im [[Thüringer Wald]]. Sie ist zum größten Teil keine Naturhöhle, sondern besteht überwiegend aus Hohlräumen, die durch den [[Bergbau]] entstanden. Deshalb wird sie auch als [[Schaubergwerk]] geführt. Die als geologisches [[Naturdenkmal]] eingetragene [[Höhle]] liegt in der Mitte zwischen den beiden Ortschaften [[Friedrichroda]] und [[Tabarz/Thüringer Wald|Tabarz]]. In ihrer Nähe befindet sich an der [[Bundesstraße 88]] ein großer Parkplatz und eine nach ihr benannte Haltestelle der [[Thüringerwaldbahn]]. Die Höhle ist im Rahmen von Führungen zugänglich und hat jährlich etwa 75.000&nbsp;Besucher. 1775 wurde mit dem Bau des Eingangsstollens mit der Absicht begonnen, [[Kupfer]] abzubauen. [[Kupferschiefer]] wurde nicht gefunden, jedoch im Jahre 1778 eine [[Gips]]-[[Lagerstätte]]. Gips wurde bis in das Jahr 1903 im [[Untertagebau]] abgebaut. 1784 entdeckte man eine der größten und schönsten [[Druse (Mineralogie)|Gipskristalldrusen]] Europas. Mit einem Durchmesser von etwa zehn Metern war sie beinahe vollständig mit farblosen und durchsichtigen Gipskristallen, [[Marienglas]] genannt, ausgekleidet. Marienglas aus der Marienglashöhle wurde bis 1848 in Kirchen und Klöstern zur Verzierung von [[Altar|Altären]], [[Kronleuchter]]n und [[Gemälde]]n verwendet. Nach der Stilllegung des [[Bergwerk]]s im Jahre 1903 wurde die Schauanlage eröffnet. Kriegsbedingt kam es zu einer zweimaligen Schließung der Höhle. Nach umfangreichen Sanierungsarbeiten ist die Marienglashöhle seit dem 30.&nbsp;November 1968 wieder zugänglich. == Geologie == Die Höhle befindet sich am Nordostrand des Thüringer Waldes, am Übergang zum [[Thüringer Becken]]. [[Tektonik|Bruchtektonische]] Vorgänge im Zusammenhang mit der Heraushebung des Thüringer Waldes bewirkten eine Schleppung der dort im Übergangsbereich von [[Trias (Geologie)|Trias]] und [[Zechstein]] anstehenden Sedimentgesteine in eine Schräg- bis Steilstellung mit Neigungen von 70&nbsp;Grad.<ref name="Thüringen Untertage, Seite 82" /> Die Gesteine wurden dadurch tektonisch stark beansprucht. Die Marienglashöhle verläuft durch die steil nach Nordosten einfallenden Schichten des [[Buntsandstein]]s und des Zechsteins.<ref name="Thüringen Untertage, Seite 82" /> Ein großer Teil der Höhle besteht aus durch den Bergbau geschaffenen künstlichen Hohlräumen. Im Eingangsstollen steht zunächst Buntsandstein an. Danach folgt der [[Dolomit (Gestein)|Dolomit]] des oberen Zechsteins, zuletzt der Gips des unteren Zechsteins. Die Gesteinsfolgen sind durch fünf mehrere Meter breite geologische Sichtfenster, die bei der Ausmauerung des Eingangsstollens, des ''Herzog-Ernst-Stollens'', offengelassen wurden, sichtbar.<ref name="Höhlen, Grotten, Schaubergwerke in Thüringen, Seite 39" /> Die untere Sohle hat eine Grundfläche von etwa 80 mal 30&nbsp;Metern und ist etwa vier Meter hoch. Die obere Sohle hat eine Ausdehnung von 120 mal 40&nbsp;Metern und ist vier bis sechs Meter hoch.<ref name="Stadt Friedrichroda"/> [[Datei:Marienglas in hoehle.jpg|thumb|Marienglas in der Kristallgrotte]] Nur die ''Kristallgrotte'' ist natürlichen Ursprungs. Der sieben mal zehn Meter große und bis zu zehn Meter hohe Hohlraum, eine sogenannte ''Schlotte'', ist durch [[Auslaugung]] entstanden.<ref name="Verborgene Welten" /> Er ist mit großen, farblosen bis durchscheinend weißen Gipsspatkristallen ausgekleidet, die aus einer mit dem [[Sickerwasser|Sicker-]] und [[Grundwasser]] eingedrungenen wässrigen Lösung von [[Gips|Calciumsulfat]], die im Verlauf von Jahrmillionen entstanden sind. Im Gegensatz zu den meisten anderen Hohlräumen in Gipsgestein war der Gips in dem völlig mit Kristallen ausgefüllten Hohlraum kristallisiert.<ref name="Thüringen Untertage, Seite 82" /> Die Kristalle, ''Marienglas'' genannt, bestehen aus Calciumsulfat, mineralogisch werden sie als Gips bezeichnet, in dieser besonderen Kristallform auch als ''Selenit''.<ref name="Thüringen Untertage, Seite 45" /> Zu sehen sind in der Kristallgrotte Gipskristalle mit zwei bis acht Zentimeter Dicke<ref name="Schauhöhlen in Deutschland"/> und einer Länge von bis zu 90&nbsp;Zentimetern.<ref name="HB Bildatlas" /> Es handelt sich um eine der größten und schönsten Kristallgrotten Europas. Natürliche Gipshöhlen gibt es auch im [[Karst|Gipskarstgebiet]] am südlichen [[Harz (Mittelgebirge)|Harzrand]], zum Beispiel die [[Heimkehle]].<ref name="Höhlen, Grotten, Schaubergwerke in Thüringen, Seite 39" /> == Geschichte == === Bergbau === In Friedrichroda ist der Abbau von [[Eisenerz]], zunächst in der Grube ''Bau auf Gott'', ab 1538 urkundlich belegt. 1775 wurde am Fuß des 697&nbsp;Meter hohen Abtsberges mit dem Bau eines Erkundungsstollens, des ''Herzog-Ernst-Stollens'', begonnen. Gesucht wurde [[Kupferschiefer]], der jedoch nicht gefunden wurde.<ref name="Thüringen Untertage, Seite 82" /> Im Jahre 1778 traf man auf die vom [[Tagebau]] bekannte [[Gips]]lagerstätte. Angefahren wurde ein mächtiges Gipslager mit dem vergipsten Werra-[[Anhydrit]], der von diesem Jahr an abgebaut wurde.<ref name="Thüringen Untertage, Seite 82" /> Der Gipsabbau konnte wegen der schlechten [[Bewetterung]] durch den Zugangsstollen immer nur mit maximal vier [[Bergmann|Bergleuten]] gleichzeitig durchgeführt werden. Sie benutzten als Beleuchtung [[Pflanzenöle|Pflanzenöllampen]], die etwa die Helligkeit einer Kerzenflamme hatten und die Höhlenluft belasteten. Dabei entstanden die Hohlräume der Marienglashöhle. Der Abbau wurde nach einem Jahr, als der Stollen eine Länge von ungefähr 75&nbsp;Meter hatte, vermutlich wegen der zu geringen Ergiebigkeit zunächst eingestellt. Die Landesregierung von [[Sachsen-Gotha]] verpachtete den Stollen 1778 an den aus Friedrichroda stammenden Johann Buschmann, [[Orgelbau]]er und Vater von [[Christian Friedrich Ludwig Buschmann]]. Er ließ ein Wirtschaftsgebäude, ein Fachwerkwohnhaus und vor dem [[Mundloch|Stollenmundloch]] einen [[Brennofen]] errichten. Dort wurde der Gips gebrannt und als [[Stuck]]gips verkauft. [[Johann Wolfgang von Goethe]], [[Geheimer Rat]] und Minister aus [[Weimar]], besuchte am 10.&nbsp;Mai 1782, begleitet von [[Bergvogt|Bergrat]] Carl Friedrich Baum aus Friedrichroda den Herzog-Ernst-Stollen.<ref name="Schaubergwerke"/><ref name="Höhlen, Grotten, Schaubergwerke in Thüringen, Seiten 36–43"/> === Entdeckung der Kristallgrotte === Im Jahre 1784, nach anderer Quelle 1787<ref name="Schauhöhlen in Deutschland"/>, wurde beim Gipsabbau ein großer, durch Auslaugung entstandener Hohlraum angefahren, der vollständig mit Gipskristallen ausgekleidet war und deshalb ''Kristallgrotte'' genannt wurde. Nach der Entdeckung wurde mit dem Abbau der Kristalle begonnen. Abnehmer waren hauptsächlich Kirchen und Klöster. Die Kristalle ließen sich aufgrund des geringen [[Härte]]grades von zwei auf der [[Friedrich Mohs|Mohs]]-Skala (mit Fingernagel ritzbar) leicht spalten, waren völlig durchsichtig und reflektierten durch den Perlmuttglanz auf den Spaltflächen das einfallende Licht. Das Material eignete sich gut zur Verzierung von [[Altar|Altären]], [[Kronleuchter]]n und [[Gemälde]]n, die von Kerzen beleuchtet wurden. Auch wurde es als Glasersatz für Gemälde der [[Maria (Mutter Jesu)|Mutter Maria]] und für [[Reliquie]]nbehälter verwendet. Deshalb erhielten die Gipskristalle aus Friedrichroda den Namen [[Marienglas]]. Die Blättchen waren im Gegensatz zum damaligen Glas blasenfrei und gleichmäßig dünn. Früher wurde das Material als Anspielung auf die Reinheit und Jungfräulichkeit einer Frau auch ''Fraueneis'' genannt.<ref name="Schaubergwerke"/><ref name="Höhlen, Grotten, Schaubergwerke in Thüringen, Seiten 36–43"/> === Schau- und Bergwerksbetrieb === Am 16.&nbsp;September 1845 gab der Bergmeister [[Heinrich Credner]] die erste wissenschaftliche Beschreibung der Höhle heraus. Die Gipskristalle wurden bis 1848 abgebaut, danach wurde der weitere Abbau untersagt. Der Gipsabbau wurde zunächst fortgesetzt. Wegen der steigenden Besucherzahlen wurde die Höhle ab etwa 1850 an Sonntagen mit Kerzen ausgeleuchtet. Bereits im Jahre 1854 wurde die Marienglashöhle in einem thüringischen Reiseführer beschrieben. Nach Beendigung des Pachtverhältnisses übergab am 16.&nbsp;August 1871 das [[Schloss Tenneberg|Amt Tenneberg]] das Bergwerk dem [[Oberförster]] Julius Trebsdorf und dem „Waldmiethcorporationsvorsteher“ Rost zur Betreuung. Damals arbeiteten noch zwei Bergleute, Johannes Steiding und Heinrich Holdschuh, im Bergwerk, die in den Sommermonaten als Führer für die zahlreichen Gäste eingesetzt waren. Trebsdorf erhielt nach einer Kontrollbefahrung im November 1871 Auflagen, wie die Neuverzimmerung des Stollens, das Einbringen neuer Laufbohlen, die Absicherung des Tagebruchs südlich des Stolleneinganges und der alten Tagebauten von 1730 mit Zäunen, die Sanierung des baufälligen Aufenthaltsraums der Bergleute und die Errichtung eines Unterkunftsgebäudes. Mit der Aufsicht unter Tage wurde der erfahrene, zum [[Steiger (Bergbau)|Obersteiger]] beförderte Bergmann Heinrich Holdschuh beauftragt. Er übernahm am 2.&nbsp;März 1876 die Leitung der Marienglashöhle. Um ihre Attraktivität zu steigern, wurden in den besucherschwachen Zeiten ein Springbrunnen und optisch ansprechendere Stützpfeiler eingebaut. Am 1.&nbsp;April 1888 wurde Fritz Kobstädt Nachfolger von Holdschuh. Ab April 1901 traten die beiden Friedrichrodaer Karl Brühl und Heinrich Steinbach an seine Stelle.<ref name="Schaubergwerke"/><ref name="Höhlen, Grotten, Schaubergwerke in Thüringen, Seiten 36–43"/> === Schauhöhle === Im Jahre 1903 wurde der Gipsabbau eingestellt. Von der Entdeckung der Lagerstätte 1778 an bis 1903 wurden etwa 20.000&nbsp;Tonnen abgebaut.<ref name="Schauhöhlen in Deutschland"/> Die Höhle stand von da an nur für die Touristen zur Verfügung. Es fand ein regelmäßiger Besucherverkehr statt, was als offizieller Beginn des Schauhöhlenbetriebes anzusehen ist. Die Schauhöhle bestand aus dem Eingangsstollen und der durch neun Pfeiler gestützten oberen Sohle, der ''großen Halle''.<ref name="Schauhöhlen in Deutschland"/> Darunter befindet sich die untere Sohle mit der Kristallgrotte. Die beiden Pächter ließen im Jahre 1904 für 1600&nbsp;Mark eine Gasbeleuchtung einbauen, die die Ausleuchtung mittels Kerzen ersetzte. Im ''Neuen Reiseführer von Friedrichroda und Umgebung'' des Jahres 1906 steht, dass die Höhle sonntags mit 400&nbsp;Kerzen zusätzlich ausgeleuchtet wurde, um die Attraktivität weiter zu erhöhen. Damals kostete ein Rundgang durch die obere und untere Sohle bei einer Dauer von 20&nbsp;Minuten 50&nbsp;Pfennige, für Kinder die Hälfte. Im Jahre 1907 wurde ein Verkaufskiosk mit Mineralien und Andenken eingerichtet. Im selben Jahr wurde auch eine neue Pumpanlage installiert. Im Jahre 1910 wurden die Stollenwände bis zu vier Meter Tiefe mit Bruchsteinmauerwerk befestigt. Im [[Erster Weltkrieg|Ersten Weltkrieg]] wurden [[Gas]] und [[Leichtbenzin|Gasolin]], selbst Kerzen, zur Ausleuchtung der Höhle immer knapper. Ab 1914 hatten die Höhlenbetreiber mit Wassereinbrüchen zu kämpfen. Im Juni 1917 musste die Höhle geschlossen werden. Im Jahre 1920 übergab die Landesvermögensverwaltung in [[Gotha]] die inzwischen arg ramponierte Höhle der Kurverwaltung Friedrichroda zur kostenfreien Nutzung mit der Auflage, die dringend erforderlichen Reparaturmaßnahmen durchzuführen. Für etwa 12.000 Reichsmark baute der Klempnermeister Windau eine 230&nbsp;Meter lange Saugheberleitung zur Entwässerung ein, um das immer wieder eindringende Sickerwasser aufnehmen zu können. Nach umfangreichen Sanierungs- und Sicherungsarbeiten wurde die Höhle wieder geöffnet. Im Jahre 1929 wurde eine elektrische Leitung verlegt, mit der die Schauobjekte beleuchtet werden konnten. Die [[Thüringerwaldbahn]], deren Strecke im Jahre 1929 an der Höhle vorbeigeführt wurde, richtete unterhalb der Höhle eine [[Haltestelle]] ein.<ref name="Schaubergwerke"/><ref name="Höhlen, Grotten, Schaubergwerke in Thüringen, Seiten 36–43"/> Während des [[Zweiter Weltkrieg|Zweiten Weltkriegs]] befand sich ein Teil der Produktionsstätte der [[Gothaer Waggonfabrik]] in der Höhle. Dort wurden auf einer Fläche von 5000&nbsp;Quadratmetern Teile für das Jagdflugzeug [[Focke-Wulf Ta 152]] hergestellt.<ref name="Hans Walter Wichert" /> Zu Beginn des Krieges konnte die Höhle noch besichtigt werden. Im Frühjahr 1943 wurde sie jedoch geschlossen, weil für ihre Unterhaltung kein Geld mehr vorhanden war. Nach dem Krieg wurden keine Instandhaltungsmaßnahmen durchgeführt. Alle Hohlräume liefen mit Wasser voll, da das Abpumpen unterblieb, und der Zugangsstollen stürzte ein. === Neueröffnung === In den Jahren 1952 und 1953 suchten Bergleute vom [[Volkseigener Betrieb|VEB]] [[Schachtbau Nordhausen]] in der verwahrlosten Anlage nach Kupfermulm, lockeres, mit anderen Metallen durchsetztes Kupfererz, das als Farbstoff Verwendung fand. Da das Vorkommen für einen Abbau nicht mächtig genug war, wurde nach einem Gesamtvortrieb von 312&nbsp;Metern die Suche eingestellt. 1964 begannen im Auftrag des Rates der Stadt Friedrichroda die Vorarbeiten zur Wiederinbetriebnahme der Marienglashöhle. 1965 drangen Bergleute des VEB Thüringer Spat- und Eisenerzgruben in [[Schmalkalden]] in den eingestürzten Stollen ein und bis zur Höhle vor. Die Feuerwehr Friedrichroda legte die Höhle mit leistungsstarken Pumpen trocken. Eine umfassende Restaurierung erfolgte in den Jahren 1967 und 1968 und dauerte insgesamt 16&nbsp;Monate. Dabei wurde ein künstlicher Wasserfall angelegt, dessen Wasser vom Höhlensee in der unteren Sohle hochgepumpt wird. Es wurde auch ein Ausgangsstollen angelegt, so dass der Besucher einen Rundweg begehen kann. Der Eingangsstollen, der Herzog-Ernst-Stollen, wurde neu gemauert und mit fünf sogenannten ''geologischen Fenstern'' versehen, in dem die Besucher einen Eindruck vom geologischen Aufbau erhalten. Im gleichen Jahr wurde die Kristallgrotte als geologisches [[Naturdenkmal]] unter Schutz gestellt. Am 30.&nbsp;November 1968 konnte das Schau- und Lehrobjekt wieder für Besucher geöffnet werden. 1974 wurde ein weiterer, aus dem 18.&nbsp;Jahrhundert stammender Stollen freigelegt. Die Höhlenanlage wurde ständig verbessert und den Bedürfnissen der Besucher angepasst.<ref name="Schaubergwerke"/><ref name="Höhlen, Grotten, Schaubergwerke in Thüringen, Seiten 36–43"/> == Schauhöhle oder Schaubergwerk == Die Schauanlage kann als Schauhöhle oder Schaubergwerk bezeichnet werden. Der größte Teil der Höhle, die begehbare obere und untere [[Sohle (Bergbau)|Sohle]], ist in einem Zeitraum von etwa 100&nbsp;Jahren durch den Bergbau entstanden. Die Kristallgrotte, der einzige natürliche Hohlraum, wurde dabei entdeckt.<ref name="Thüringen Untertage, Seite 49" /> Der Schauhöhlenbetreiber bezeichnet die Anlage als Schaubergwerk.<ref name="Schaubergwerk" /> Auch die ausgestellten Exponate deuten darauf hin. Der hohe Besucherzuspruch der Schauanlage ist jedoch auf die natürliche ''Kristallgrotte'' zurückzuführen. In der Fachliteratur wird die Schauanlage sowohl als Bergwerk<ref name="Schaubergwerke" /> als auch als Schauhöhle<ref name="Schauhöhlen in Deutschland" /><ref name="HB Bildatlas" /><ref name="Verborgene Welten" /><ref name="Höhlen, Grotten, Schaubergwerke in Thüringen, Seiten 36–43" /> geführt. Der [[Verband der deutschen Höhlen- und Karstforscher]] bezeichnet die Marienglashöhle als Schauhöhle.<ref name="Schauhöhlen" /> Auch die ''Thüringische Anstalt für Umwelt und Geologie'' mit Sitz in Jena rechnet die Schauanlage den Schauhöhlen zu.<ref name="Thüringen Untertage" /> Der von der ''Höhlenforschergruppe Dresden'' (Roland H.&nbsp;Winkelhöfer) geführte ''Höhlenkastaster Mitteldeutschlands'' (veröffentlicht auch als ''Register DDR-Höhlen'') zählt das Objekt wegen seiner Entstehung durch menschliche Tätigkeit (einschließlich des Abbaus von Gips) nicht zu den Höhlen. == Beschreibung == [[Datei:Marienglashoehle Friedrichroda.jpg|thumb|Kristallgrotte]] Die Höhlenführung beginnt im 110&nbsp;Meter langen Herzog-Ernst-Stollen mit Erläuterungen zur Geschichte der Schauanlage und zur Entstehung des Thüringer Waldes. Rechts und links in der Stollenwand befinden sich geologische Fenster, wo ein Blick auf die Gesteinsschichten und deren steile Lage möglich ist. Links am Endpunkt des Stollens in der oberen Sohle schaltet der Führer für etwa eine Minute einen künstlichen Wasserfall ein. Danach folgt ein Weitungsbau als Verlängerung des Eingangsstollens. Dort befindet sich der [[Türstock (Bergbau)|Türstock]]. Der Stollen setzt sich noch weitere 100&nbsp;Meter in den Berg fort, dieser Teil wird jedoch bei Führungen nicht begangen. In diesem Stollen –&nbsp;ein Stück davon ist ohne [[Grubenausbau|Ausbau]]&nbsp;– konnten keine abbauwürdigen [[Erz]]e gefunden werden. In der Mitte des großen, durch [[Abbau (Bergbau)|Abbau]] entstandenen Hohlraumes befindet sich eine [[Haspel]] am [[Gesenk (Bergbau)|Gesenk]], dem ehemaligen Arbeitsplatz. Am Gesenkpfeiler sind in einem Schaukasten [[Gezähe]], Werkzeuge der Bergleute von 1795 zu sehen. Mit Haspel und [[Förderkorb]] wurde an dieser Stelle das gebrochene Gipsgestein von der unteren zur oberen Sohle gefördert. <ref name="Schaubergwerke"/><ref name="Höhlen, Grotten, Schaubergwerke in Thüringen, Seiten 36–43"/> Über Treppen geht es abwärts zur Kristallgrotte. Diese hat [[Geologie|geologisch]] und [[Mineralogie|mineralogisch]] eine große Bedeutung. Darin befinden sich bis zu 90&nbsp;Zentimeter lange Gipskristalle, aber auch schnellwüchsige [[Tropfstein]]e, [[Stalagmit]]en und [[Stalaktit]]en aus Calciumsulfat. Ein Teil der Wand ist mit [[Sinter]] verkrustet, dessen bräunliche Färbung auf Eisenerze zurückzuführen ist. Mit einem 70&nbsp;Meter langen künstlich angelegten Steg ist der Höhlensee überbrückt, dann führen 35&nbsp;Stufen zum Westteil der Schauhöhle auf die obere Sohle. Zu sehen sind auf dem Weg dorthin Tropfsteine jüngeren Datums, die nach dem Ausbau der Höhle 1967/1968 entstanden sind. Sie bestehen aus Kalk, der aus den Betonsäulen gelöst wurde. Hier ist auch sekundär gebildeter Fasergips zwischen [[Ton (Bodenart)|Ton-]] und [[Letten (Gestein)|Lettenschichten]] zu sehen. [[Mineral]]ien, [[Gestein]]e und [[Fossil]]ien sind in Schaukästen ausgestellt. Über den Ausgangsstollen gelangt der Besucher wieder ins Freie. <ref name="Schaubergwerke"/><ref name="Höhlen, Grotten, Schaubergwerke in Thüringen, Seiten 36–43"/> == Flora und Fauna == In den Stollen des Höhlenein- und -ausgangs leben an der Decke verschiedene [[Höhlenspinnen|Spinnenarten]] (Nesticidae). In der Höhle gibt es vereinzelt [[Feuersalamander]] (''Salamandra salamandra''), die über die Zugangsstollen hineingelangten, da es sich nicht um ''Höhlenfreunde'' ([[Troglophil]]e) handelt. In der Marienglashöhle hat sich wie bei anderen untertägigen Schauobjekten mit elektrischer Beleuchtung im Bereich der Lampen eine ausgeprägte, als ''[[Lampenflora]]'' bezeichnete [[Phytozoenose|Pflanzengemeinschaft]] entwickelt. Im Bereich der einzelnen Lichtquellen konnten sich vor allem [[Alge]]n, [[Moose]], [[Pilze]] und [[Farne|Farnpflanzen]] ansiedeln. Dabei handelt es sich meistens um Kümmerformen, die ohne künstliche Beleuchtung in der absoluten Dunkelheit nicht überleben könnten. Diese Pflanzen sind nicht gleichmäßig verteilt. Es hängt davon ab, welche [[Spore]]n mit dem [[Sickerwasser]] von der Erdoberfläche durch [[Kluft (Geologie)|Klüfte]] in die Höhle gelangen oder durch die Höhlenbesucher eingeschleppt wurden. In manchen Höhlenbereichen konnte sich aufgrund der Trockenheit keine oder nur eine geringe Lampenflora ausbilden. <ref name="Höhlen, Grotten, Schaubergwerke in Thüringen, Seiten 36–43" /><ref name="Thüringen Untertage" /> == Tourismus == === Führungen === Die Höhle ist nur im Rahmen der geregelten Führungen, die ganzjährig täglich stattfinden, oder bei Sonderführungen und Konzerten zugänglich. Zu erreichen ist sie von einem großen Parkplatz an der [[Bundesstraße 88]] Friedrichroda–[[Tabarz/Thüringer Wald|Tabarz]]. Von dort führt ein 150&nbsp;Meter langer Fußweg in etwa fünf Minuten zur Höhle. Gehbehinderte Personen können mit dem Kraftfahrzeug bis zur Höhle fahren. Die Führungen gehen über gut gangbare Wege und Treppen in die einzelnen Höhlenabteilungen. In der Höhle herrscht ständig eine Temperatur von etwa acht bis zehn [[Grad Celsius]] bei einer [[Luftfeuchtigkeit]] von über 80&nbsp;Prozent. Eine Führung dauert circa 45&nbsp;Minuten. Der etwa 300&nbsp;Meter lange Weg führt über insgesamt etwa 100 Treppenstufen. Die Höhle ist in der oberen Sohle für Rollstuhlfahrer mit Sicht auf die Kristallgrotte befahrbar. Es werden auch Sonderführungen mit einem erweiterten Leistungsangebot, sowie Führungen in englischer und französischer Sprache angeboten. Mehrmals im Jahr finden in der Marienglashöhle Konzerte statt, wobei sie mit mehreren hundert Kerzen beleuchtet wird. === Besucherzahlen === [[Bild:Besucherzahlen Marienglashöhle.PNG|thumb|Besucherzahlen]] 1969, im ersten Jahr nach der Wiedereröffnung im November 1968, kamen 216.773&nbsp;Besucher. Die höchsten Besucherzahlen waren in den 1970er-Jahren mit jährlich über 200.000 zu verzeichnen. Das Spitzenjahr war 1978 mit 237.750&nbsp;Besuchern. Diese Werte wurden nur von wenigen Schauhöhlen in Deutschland jemals erreicht. In den 1980er Jahren schwankten die Besucherzahlen zwischen 175.847 im Jahre 1982 und 221.460 1988. Nach der [[Deutsche Wiedervereinigung|Wiedervereinigung]] fielen die Besucherzahl im Jahre 1991 mit 92.132 erstmals unter die Hunderttausender-Grenze. Nach einem zwischenzeitlichen Höchstwert im Jahre 1995 mit 146.918 Besuchern unterschritten die Zahlen ab dem Jahre 2003 ständig die Grenze von 100.000. 2006 war mit 71.961&nbsp;Besuchern der absolute Tiefpunkt. Im Jahre 2008 besuchten 72.208&nbsp;Personen die Höhle. Seit der Wiedereröffnung besuchten sie bis zum Jahresende 2008 insgesamt 6,38&nbsp;Millionen. <ref name="Stadt Friedrichroda"/> In den Jahren 2004 bis 2008 lag die durchschnittliche Besucherzahl bei 74.436.<ref name="Stadt Friedrichroda"/> Mit diesem Wert liegt die Schauhöhle im oberen Bereich der Schauhöhlen in Deutschland. Übertroffen werden die jährlichen Besucherzahlen von fünf der etwa [[Liste der Schauhöhlen in Deutschland|50 deutschen Schauhöhlen]]. Namentlich sind das die [[Atta-Höhle]] mit mehr als 200.000, die [[Teufelshöhle bei Pottenstein]] mit [[:Datei:Besucherzahlen Teufelshöhle.PNG|161.500]], die [[Bärenhöhle]] mit [[:Datei:Besucherzahlen Bärenhöhle.PNG|98.500]] und die beiden [[Rübeland|Rübeländer]] Höhlen, die [[Baumannshöhle|Baumanns-]] und die [[Hermannshöhle (Harz)|Hermannshöhle]], mit je [[:Datei:Besucherzahlen Rübeland.PNG|89.000]] Besuchern im Jahr. == Literatur == * {{Literatur | Herausgeber=Kur- und Tourismus GmbH Friedrichroda | Titel=Marienglashöhle Friedrichroda – Unter Tage im Thüringer Wald | Verlag= | Ort=Friedrichroda | Jahr= | ISBN= | Seiten= }} * {{Literatur | Herausgeber=Stadtbetriebe Friedrichroda | Titel=Marienglashöhle Friedrichroda – Schaubergwerk mit einer der schönsten Kristallgrotten Europas | Verlag= | Ort=Friedrichroda | Jahr= | ISBN= | Seiten= }} * {{Literatur | Autor=Ulrich Völkel | Titel=Höhlen, Grotten, Schaubergwerke in Thüringen: Eine Wanderung unter Tage, über Tage, aber nicht alltäglich | Verlag=RhinoVerlag | Ort=Ilmenau | Jahr=2007 | ISBN=978-3-939399-03-2 | Seiten=36–43}} * {{Literatur | Autor=Redaktion Ina Pustal, Textbeitrag Ronald Bellstedt ''et al.'' | Herausgeber=Thüringer Landesanstalt für Umwelt und Geologie, Jena | Titel=Thüringen Untertage: Ein Exkurs zu Schauhöhlen, Besucherbergwerken und GeoMuseen | Verlag=Druckhaus Gera | Ort=Gera | Jahr=2005 | ISBN=3-9806811-4-9 |Seiten=81–84 }} * {{Literatur | Autor=Heinz Walter Wild | Titel=Schau- und Besucherbergwerke in Europa | Verlag=Bode Verlag GmbH | Ort=Haltern | Jahr=1998 | ISBN=3-925094-38-5 | Seiten=146–147 }} * {{Literatur | Autor=Hans Binder, Anke Lutz, Hans Martin Lutz | Sammelwerk= | Titel=Schauhöhlen in Deutschland | Jahr=1993| Verlag=Aegis Verlag | Ort=Ulm | ISBN=3-87005-040-3 | Seiten=48}} * {{Literatur | Autor= | Herausgeber=Stephan Kempe, Wilfried Rosendahl | Sammelwerk= | Titel=Höhlen – Verborgene Welten | Jahr=2008 | Verlag=Primus Verlag | Ort=Stuttgart | ISBN=978-3-89678-611-1 | Seiten=153}} * {{Literatur | Autor= | Herausgeber=Stephan Kempe | Sammelwerk=HB Bildatlas Sonderausgabe 17 | Titel=Welt voller Geheimnisse – Höhlen | Jahr=1997 | Verlag=HB Verlags- und Vertriebs-Gesellschaft | Ort=Hamburg| ISBN=3-616-06739-1 | Seiten=95}} == Weblinks == {{commons|Category:Friedrichroda|Marienglashöhle}} * [http://www.friedrichroda.info/tourismus/ausfluege-sehenswertes/marienglashoehle.html Marienglashöhle] bei Friedrichroda.de * [http://www.tabarz.dawarenwir.de/html/marienglashohle.html Marienglashöhle] bei Tabarz.de * [http://www.showcaves.com/german/de/mines/Marienglas.html Marienglashöhle] bei Showcaves.de * [http://www.mineralienatlas.de/lexikon/index.php/Deutschland/Th%FCringen/Th%FCringer%20Wald/Friedrichroda/Marienglash%F6hle Marienglashöhle] bei Mineralienatlas.de * [http://www.thueringen-tourismus.de/cps/rde/xchg/thueringen-tourismus/hs.xsl/Hoehle_104555.html Marienglashöhle] bei Thüringen Tourismus == Einzelnachweise == <references> <ref name="Stadt Friedrichroda">''Kur- und Tourismusamt Friedrichroda.'' Stadt Friedrichroda, 2009.</ref> <ref name="Schauhöhlen in Deutschland">{{Literatur | Autor=Hans Binder, Anke Lutz, Hans Martin Lutz | Sammelwerk= | Titel=Schauhöhlen in Deutschland | Jahr=1993| Verlag=Aegis Verlag | Ort=Ulm | ISBN=3-87005-040-3 | Seiten=48}}</ref> <ref name="HB Bildatlas">{{Literatur | Autor= | Herausgeber=Stephan Kempe | Sammelwerk=HB Bildatlas Sonderausgabe 17 | Titel=Welt voller Geheimnisse – Höhlen | Jahr=1997 | Verlag=HB Verlags- und Vertriebs-Gesellschaft | Ort=Hamburg| ISBN=3-616-06739-1 | Seiten=95}}</ref> <ref name="Verborgene Welten">{{Literatur | Autor= | Herausgeber=Stephan Kempe, Wilfried Rosendahl | Sammelwerk= | Titel=Höhlen – Verborgene Welten | Jahr=2008 | Verlag=Primus Verlag | Ort=Stuttgart | ISBN=978-3-89678-611-1 | Seiten=153}}</ref> <ref name="Schauhöhlen">{{Internetquelle |url=http://www.vdhk.de/schau.html |titel=Schauhöhlen |hrsg=Verband der deutschen Höhlen- und Karstforscher e. V. |zugriff=2009-11-14}}</ref> <ref name="Thüringen Untertage, Seite 45">{{Literatur | Autor=Redaktion Ina Pustal, Textbeitrag Ronald Bellstedt ''et al.'' | Herausgeber=Thüringer Landesanstalt für Umwelt und Geologie, Jena | Titel=Thüringen Untertage: Ein Exkurs zu Schauhöhlen, Besucherbergwerken und GeoMuseen | Verlag=Druckhaus Gera | Ort=Gera | Jahr=2005 | ISBN=3-9806811-4-9 |Seiten=45 }}</ref> <ref name="Thüringen Untertage, Seite 49">{{Literatur | Autor=Redaktion Ina Pustal, Textbeitrag Ronald Bellstedt ''et al.'' | Herausgeber=Thüringer Landesanstalt für Umwelt und Geologie, Jena | Titel=Thüringen Untertage: Ein Exkurs zu Schauhöhlen, Besucherbergwerken und GeoMuseen | Verlag=Druckhaus Gera | Ort=Gera | Jahr=2005 | ISBN=3-9806811-4-9 |Seiten=49 }}</ref> <ref name="Thüringen Untertage">{{Literatur | Autor=Redaktion Ina Pustal, Textbeitrag Ronald Bellstedt ''et al.'' | Herausgeber=Thüringer Landesanstalt für Umwelt und Geologie, Jena | Titel=Thüringen Untertage: Ein Exkurs zu Schauhöhlen, Besucherbergwerken und GeoMuseen | Verlag=Druckhaus Gera | Ort=Gera | Jahr=2005 | ISBN=3-9806811-4-9 |Seiten=81–84 }}</ref> <ref name="Thüringen Untertage, Seite 82">{{Literatur | Autor=Redaktion Ina Pustal, Textbeitrag Ronald Bellstedt ''et al.'' | Herausgeber=Thüringer Landesanstalt für Umwelt und Geologie, Jena | Titel=Thüringen Untertage: Ein Exkurs zu Schauhöhlen, Besucherbergwerken und GeoMuseen | Verlag=Druckhaus Gera | Ort=Gera | Jahr=2005 | ISBN=3-9806811-4-9 |Seiten=82 }}</ref> <ref name="Schaubergwerke">{{Literatur | Autor=Heinz Walter Wild | Titel=Schau- und Besucherbergwerke in Europa | Verlag=Bode Verlag GmbH | Ort=Haltern | Jahr=1998 | ISBN=3-925094-38-5 | Seiten=146–147 }}</ref> <ref name="Höhlen, Grotten, Schaubergwerke in Thüringen, Seiten 36–43">{{Literatur | Autor=Ulrich Völkel | Titel=Höhlen, Grotten, Schaubergwerke in Thüringen: Eine Wanderung unter Tage, über Tage, aber nicht alltäglich | Verlag=RhinoVerlag | Ort=Ilmenau | Jahr=2007 | ISBN=978-3-939399-03-2 | Seiten=36–43}}</ref> <ref name="Höhlen, Grotten, Schaubergwerke in Thüringen, Seite 39">{{Literatur | Autor=Ulrich Völkel | Titel=Höhlen, Grotten, Schaubergwerke in Thüringen: Eine Wanderung unter Tage, über Tage, aber nicht alltäglich | Verlag=RhinoVerlag | Ort=Ilmenau | Jahr=2007 | ISBN=978-3-939399-03-2 | Seiten=39}}</ref> <ref name="Schaubergwerk">{{Literatur | Herausgeber=Stadtbetriebe Friedrichroda | Titel=Marienglashöhle Friedrichroda – Schaubergwerk mit einer der schönsten Kristallgrotten Europas | Verlag= | Ort=Friedrichroda | Jahr= | ISBN= | Seiten= }}</ref> <ref name="Hans Walter Wichert">{{Literatur | Herausgeber=Hans Walter Wichert | Titel=Decknamenverzeichnis deutscher unterirdischer Bauten, Ubootbunker, Ölanlagen, chemischer Anlagen und WIFO-Anlagen des zweiten Weltkrieges | Verlag=Druckerei Schulte | Ort=Marsberg| Jahr=1993 | ISBN=3-9803271-4-0 | Seiten= }}</ref> </references> {{Coordinate|article=/|NS=50/51/28/N|EW=10/33/17/E|type=landmark|region=DE-TH}} {{Navigationsleiste Schauhöhlen in Deutschland}} [[Kategorie:Schauhöhle]] [[Kategorie:Schaubergwerk]] [[Kategorie:Höhle in Europa]] [[Kategorie:Höhle in Thüringen]] [[Kategorie:Friedrichroda]] [[Kategorie:Landkreis Gotha]] [[Kategorie:Thüringer Wald]] {{Exzellent|24. Februar 2010|71111985}} 6xj72o09mn4fwipdqlkj9ghryx2goli wikitext text/x-wiki Marienkäfer 0 23894 26490 2010-05-04T20:16:15Z Prianteltix 0 /* Wanderzüge */ <!-- Für Informationen zum Umgang mit dieser Tabelle siehe bitte [[Wikipedia:Taxoboxen]]. --> {{Taxobox | Taxon_Name = Marienkäfer | Taxon_WissName = Coccinellidae | Taxon_Rang = Familie | Taxon_Autor = [[Pierre André Latreille|Latreille]], 1807 | Taxon2_WissName = Cucujoidea | Taxon2_Rang = Überfamilie | Taxon3_WissName = Cucujiformia | Taxon3_Rang = Teilordnung | Taxon4_WissName = Polyphaga | Taxon4_Rang = Unterordnung | Taxon5_Name = Käfer | Taxon5_WissName = Coleoptera | Taxon5_Rang = Ordnung | Taxon6_Name = Insekten | Taxon6_WissName = Insecta | Taxon6_Rang = Klasse | Bild = Ladybird.jpg | Bildbeschreibung = [[Siebenpunkt-Marienkäfer]] (''Coccinella septempunctata'') }} [[File:Marienkäfer Hyazinthe CLP.jpg|thumb|Marienkäfer auf einer [[Hyazinthe]]]] [[File:Ladybird_01_(MK).jpg|thumb|Siebenpunkt-Marienkäfer beim Start von einer Pflanze]] [[File:Marienkaefer Blattlaeuse.jpg|thumb|Marienkäfer macht Jagd auf [[Blattläuse]]]] [[File:Marinkäfer Anatomie.svg|thumb|Körperbau des Marienkäfers]] Die '''Marienkäfer''' (Coccinellidae) sind eine weltweit verbreitete [[Familie (Biologie)|Familie]] halbkugeliger, flugfähiger [[Käfer]], deren [[Flügeldecken|Deckflügel]] meist eine unterschiedliche Anzahl von auffälligen Punkten aufweisen. Viele Arten ernähren sich von [[Blattlaus|Blatt-]] und [[Schildlaus|Schildläusen]]. Die Marienkäfer sind bei der Bevölkerung beliebt und tragen die unterschiedlichsten Namen in der jeweiligen lokalen Umgangssprache. Die Beliebtheit begründet sich unter anderem darin, dass sie im Gartenbau und der Landwirtschaft nützlich sind, da sie allein in ihrer [[Larve]]nzeit je nach Art bis zu 3.000 [[Pflanzenläuse]] oder [[Rote Spinne|Spinnmilben]] fressen. Sie sind in ihrem Aussehen variabel, was ihre Bestimmung erschwert. Dieselbe Art kann in dutzenden Mustervarianten auftreten. Manche, wie etwa der [[Luzerne-Marienkäfer]], erreichen sogar über 4.000 gezählte Varianten. Früher wurden diese Varianten innerhalb derselben Art mit eigenen Namen belegt, beispielsweise beim [[Zweipunkt-Marienkäfer]] (''Adalia bipunctata'') mit über 150 Bezeichnungen, die allerdings heute nicht mehr verwendet werden und wissenschaftlich bedeutungslos sind. Bei manchen Untergruppen – etwa innerhalb der Unterfamilie Scymninae – kann eine Bestimmung schwierig sein und zuverlässig nur aufgrund einer Untersuchung der [[Genitalorgan]]e erfolgen. Neben den Genitalien sind die Kopfkapsel, der Kopfschild und die Fühleransätze oft zuverlässige Unterscheidungsmerkmale ähnlicher Arten. Die Käfer können gut fliegen und erreichen 75 bis 91 Flügelschläge pro Sekunde. Manche Arten wie der [[Licht-Marienkäfer]] (''Calvia decemguttata'') werden in der Nacht durch künstliches Licht angelockt. Das lässt auf nächtliche Ausbreitungsflüge schließen. == Merkmale == [[Bild:Psyllobora.vigintiduopunctata.6920.jpg|thumb|Es gibt auch [[Zweiundzwanzigpunkt-Marienkäfer|gelb gefärbte Marienkäfer]].]] Die Körpergröße der stark gewölbten, kurzen, halbkugelförmigen oder ovalen Käfer variiert von 1 bis 12 Millimetern. Der Kopf, die Brust sowie die Unterseite sind meist schwarz gefärbt. Es gibt aber auch Käfer mit hellbraunen oder rostbraunen Unterseiten. Die Farbe des Kopfes richtet sich meist nach der Farbe des restlichen Körpers und kann sehr unterschiedlich sein. Die [[Fühler (Biologie)|Fühler]] sind relativ lang, meist elfgliedrig und am Ende keulenförmig verdickt. Bei einigen Artengruppen ist die Anzahl der Fühlerglieder reduziert. So haben etwa die Antennen der Chilocorini nur acht oder neun Glieder und sind deswegen kürzer. Die Enden der Kiefertaster [[Mitteleuropa|mitteleuropäischer]] Arten sind beilförmig. Die [[Mandibel]]n sind aber allgemein zwischen den verschiedenen Arten äußerst unterschiedlich, da die Tiere sich an die jeweilige Nahrung angepasst haben. Einige Arten haben einen behaarten Körper, doch die [[Flügeldecken]] der bekanntesten Arten sind ohne Struktur und völlig glatt. Bei manchen Arten (beispielsweise Chilocorini) ist der Rand der Flügeldecken mehr oder weniger stark nach oben gebogen. Die Beine sind im Bau nicht viel anders als die anderer Käfer. Die [[Tarsus (Gliederfüßer)|Tarsen]] bestehen ebenfalls aus vier Gliedern, von denen aber das zweite stark gelappt und das dritte oft klein ausgeprägt ist. Nur bei wenigen Arten gibt es eine Reduktion auf drei Tarsenglieder. === Färbung === [[File:Ladybug red.jpg|thumb|Marienkäfer ohne Punkte]] [[Datei:Subcoccinella vigintiquatuorpunctata 1.jpg|thumb|[[Vierundzwanzigpunkt-Marienkäfer]] (''Subcoccinella vigintiquatuorpunctata'')]] Die Körperfarbe kann von hellbeige über gelb, orange, alle Brauntöne, rosa, rot bis zu schwarz variieren. Die bekanntesten Vertreter der Marienkäfer haben rote, gelbe, schwarze oder braune Flügeldecken. Der in [[Deutschland]] bekannteste Marienkäfer, der [[Siebenpunkt-Marienkäfer]] (''Coccinella septempunctata''), verdankt seine Farbe [[Lycopin]], das auch die [[Tomate]]n rot färbt und [[Carotine|α- und β-Carotin]], die auch für die Farbgebung der meisten anderen Arten wichtig sind. Die schwarze Farbe wird durch ein [[Melanin]] erzeugt. Bei frisch geschlüpften Tieren zeigt sich ihre Färbung erst nach einigen Stunden. Sie sind am Anfang fast weiß oder gelblich und das Chitin ist noch nicht ausgehärtet. Bei der Art ''Sospia vigintiguttata'' sind die Käfer im ersten Jahr braun und färben sich erst während der Überwinterung schwarz. Umwelteinflüsse beeinträchtigen die Verfärbung. Ab Temperaturen unter 20&nbsp;°C kann sie auftreten und wird durch hohe [[Luftfeuchtigkeit]] beschleunigt und durch starke Lichteinstrahlung verringert. Bei manchen Arten kommen auch verschiedene Färbungen innerhalb der Art vor, so gibt es den Zweipunkt rot mit schwarzen Punkten, aber auch seltener umgekehrt als schwarzen Käfer mit roten Punkten ([[Melanismus]]). In [[maritim (Adjektiv)|maritimen]], feuchten Gegenden und in großen [[Ballungszentrum|Ballungszentren]] mit ausgeprägter [[Industrie]] entwickeln sich deutlich mehr schwarze Formen. Das lässt auch auf die Beeinflussung durch die Umwelt schließen. Die schwarzen Formen sind dominanter als die roten, und bringen deswegen auch mehr dunkle Nachkommen zur Welt. Die rote Form des Zweipunkt hat eine höhere Überlebenschance während der Überwinterung, die schwarzen vermehren sich dafür umso besser und gleichen die Verluste aus. Der Grund hierfür ist, dass die Käfer, wie alle Insekten, [[Wechselwarmes Tier|poikilotherm]] sind. Das heißt, dass sich ihre Körpertemperatur nach der Umgebungstemperatur richtet. Schwarz gefärbte Körperteile absorbieren stärker als rot gefärbte Körperteile. Bei Beleuchtung liegt die Körpertemperatur der schwarzen Variante ca. 5,5&nbsp;°C, die der roten Variante ca. 3&nbsp;°C über der Umgebungstemperatur von 18&nbsp;°C. Das beschleunigt auch die Stoffwechselaktivität der Tiere. Im Winter ist das aber wegen der großen Temperaturschwankungen von Nachteil. Ihr liegt die höhere Mortalität zugrunde. Die auffällige Färbung dient als [[Warnsignal]] an Fressfeinde. Zusätzlich haben sie einen unangenehmen, bitteren Geschmack, der sie unattraktiv macht. Sie können bei Gefahr auch eine gelbliche Flüssigkeit aus einer Öffnung in den Gelenkhäuten absondern ([[Reflexbluten]]), die zum einen durch ihren unangenehmen Geruch Feinde vertreibt, zum anderen giftige [[Alkaloide]] (z.&nbsp;B. [[Coccinellin]]) enthält. Gleichzeitig stellen sie sich dabei tot ([[Thanatose]]) und ziehen ihre Beine in kleine Vertiefungen (Kehlungen) an der Körperunterseite ein. Bei bestimmten Arten der Epilachnini wird die gelbe Flüssigkeit aus speziellen [[Drüse|Dermaldrüsen]] ausgesondert. === Punkte === Das Charakteristische an den Marienkäfern sind die symmetrisch angeordneten Punkte auf ihren [[Deckflügel]]n. Sie sind meist schwarz, es gibt aber auch Käfer, die helle, rote oder braune Punkte tragen, wobei Arten mit 2, 4, 5, 7, 10, 11, 13, 14, 16, 17, 18, 19, 22 und 24 Punkten vorkommen. Innerhalb einzelner Arten können die Punkte auch variieren. Entweder haben die Käfer keine, oder die Punkte verschmelzen miteinander so, dass fast der ganze Körper schwarz ist. Die Anzahl der Punkte gibt entgegen einem weit verbreiteten Irrtum nicht das Alter des Käfers an, vielmehr ist die Zahl der Punkte charakteristisch für jede Art und ändert sich während des Lebens des Käfers nicht. Innerhalb der nahen Verwandtschaft einzelner Arten (z.&nbsp;B. in der Gattung ''Coccinella'') ähneln sich die Punktvariationen. === Larven === [[Datei:Psyllobora.vigintiduopunctata.6921.larva.jpg|thumb|Larve des [[Zweiundzwanzigpunkt]] (''Psyllobora.vigintiduopunctata'')]] Das Erscheinungsbild der [[Larve]]n ist je nach Art sehr vielfältig. Die meisten sind langgestreckt und plump. Ihre Länge variiert zwischen 1,5 und 15 Millimetern. Die meisten sind blaugrau, braun oder gelb gefärbt und haben gelbe, orangefarbene oder rote Flecken. Sie haben schwarze oder rote [[Warze]]n auf dem Körper verteilt, aus denen borstige Haare oder Dornen entspringen. Oft lässt sich von ihrer Färbung auf den ausgewachsenen Käfer schließen. So ist etwa die Larve des 22-Punkts wie der Käfer gelb und schwarz gepunktet. Sie sind bis auf die ''Stethorini'' mit einer [[Wachs]]schicht überzogen, die sie unter anderem vor [[Ameisen]] schützt. Die Larven einiger Arten (etwa die des Siebenpunkts) haben verhältnismäßig lange Beine und sehen [[Libellen]]larven ähnlich. === Sexualdimorphismus === Bei den meisten Marienkäferarten unterscheiden sich die Geschlechter nur sehr wenig. Die Männchen sind grundsätzlich etwas kleiner und leichter als die Weibchen, doch die Werte liegen zu eng beieinander und variieren so stark, dass auf diese Weise keine Bestimmung erfolgen kann. Das fünfte Hinterleibsglied ([[Sternum (Gliederfüßer)|Sternit]]) der Weibchen ist etwas spitzer zulaufend geformt als jenes der Männchen, es gibt aber auch Arten, wo nicht nur der Körperbau, sondern auch die Färbung unterschiedlich ist. Das ist z.&nbsp;B. bei vielen Arten der Gattung ''Scymnus'' oder beim [[Vierzehnpunkt-Marienkäfer]] (''Propylaea quatuordecimpunctata'') der Fall. Auch beim [[Nadelbaum-Marienkäfer]] (''Aphidecta obliterata'') gibt es farbliche Unterschiede. Die Männchen sind einfarbig braun, nur die Weibchen bilden unterschiedlich stark ausgeprägte dunkle Partien an den Flügeldecken aus. == Ernährung == [[Datei:P-14 lady beetle.jpg|thumb|[[Vierzehnpunkt-Marienkäfer]] (''Propylaea quatuordecimpunctata'') beim Fressen einer Laus]] [[Datei:Marienlarve.jpg|thumb|Larve beim Fressen]] Die Hauptnahrung vieler Marienkäferarten und ihrer Larven sind [[Blattläuse|Blatt-]] und/oder [[Schildläuse]]. Bei genügend großem Angebot fressen sie bis zu 50 Stück pro Tag und mehrere tausend während ihres gesamten Lebens. Die Käfer werden daher zu den [[Nützling]]en gezählt und für die [[biologische Schädlingsbekämpfung]] gezüchtet. Es gibt jedoch auch Arten, die sich pflanzlich (Unterfamilie Epilachninae) oder von [[Mehltau]]- oder [[Schimmelpilz]]en (Tribus ''Halyziini'' und ''Psylloborini'', darunter der [[Sechzehnfleckiger Marienkäfer|Sechzehnfleckige Marienkäfer]] und der [[Zweiundzwanzigpunkt-Marienkäfer|Zweiundzwanzigpunkt]]) ernähren. Zur Nahrung der Marienkäfer zählen aber auch [[Spinnmilben]], [[Wanzen]], [[Fransenflügler]], [[Käfer]]- [[Blattwespen]]- und gelegentlich sogar [[Schmetterlinge|Schmetterlingslarven]]. Wenn Nahrung knapp ist, greifen an sich räuberische Arten manchmal auch auf pflanzliche Nahrung zurück. Das sind oft Früchte, aber auch [[Pollen]]. Die Larven der ''Bulaea lichatschovi'' ernähren sich ausschließlich von Pollen. Im letzten Larvenstadium vertilgen die Larven die meiste Nahrung. Dieses Stadium wird durch eine hohe Umgebungstemperatur beschleunigt. Dadurch werden sie, insbesondere die der Gattung ''Coccinella'', gefräßiger, vertilgen aber insgesamt weniger Läuse, obwohl diese sich dann wegen der für sie besseren Bedingungen ohnehin stärker vermehren. Andererseits können bei schlechten „Blattlausbedingungen“ die ''Coccinella'' zum völligen Verschwinden der Läuse beitragen. Die Anzahl der Jäger und der Beute reguliert sich aber von selbst. Da die Marienkäferlarven bei Nahrungsmangel sehr empfindlich reagieren, treten nach einem Jahr mit vielen Läusen und den daraus resultierenden vielen Käfern im folgenden Jahr wenige Käfer auf, da zu wenig Beute vorhanden ist, um die Entwicklung aller neuen Larven zu gewährleisten. Die Marienkäfer und vor allem ihre Larven sind auch [[Kannibalismus|Kannibalen]]. Besonders bei Massenauftreten fressen sich die Tiere gegenseitig. Die zuerst schlüpfenden Larven fressen auch regelmäßig ihre noch nicht geschlüpften Artgenossen, wodurch oft über die Hälfte der Eier verloren gehen. == Vorkommen == Marienkäfer sind weltweit verbreitet, sie kommen aber hauptsächlich in den [[Subtropen]] und [[Tropen]] bzw. in [[Afrika]], [[Asien]], [[Amerika]], [[Australien]] und verschiedenen tropischen Inseln vor. In den kälteren Gebieten Amerikas und Asiens und auch in [[Europa]] sind sie eher artenarm vertreten, da sie warmes Klima bevorzugen. Das sieht man auch am verhältnismäßig artenreichen Süden Europas, im Vergleich zum Norden. == Verbreitung == Sie besiedeln unter anderem [[Wald|Wälder]], [[Wiese (Grünland)|Wiesen]], [[Trockenrasen]], [[Moor]]e und [[Heide (Landschaft)|Heiden]], aber auch Parks und Gärten. Ihre Lebensräume hängen oft stark von den benötigten Pflanzen und der dort vorhandenen Nahrung ab. Die [[Heidekraut-Marienkäfer]] (''Coccinella hieroglyphica'') können nur dort leben, wo [[Heidekraut]] wächst. Die Vierzehnpunkt-Marienkäfer dagegen können sich an viele verschiedene Lebensräume anpassen. Grundsätzlich gibt es drei Habitattypen pro Art: den der Entwicklung der Larven, die bestimmte Nahrung auf bestimmten Pflanzen benötigen, den der Entwicklung der Imagines, der oft mit dem der Larven übereinstimmt, aber bei Pollen fressenden Arten verschieden ist, und den der Überwinterung, der oft weit vom Habitat der Entwicklung entfernt ist. In Europa finden sich auch verschiedene Arten, die dort normalerweise keine idealen Bedingungen vorfinden, da sie entweder an kälteres oder warmes Klima gewöhnt sind. Diese Arten treten dann nur lokal an warmen, sonnigen Plätzen (z.&nbsp;B. ''Scymnus subvillosus'') oder aber an kühlen Stellen wie um Moore (z.&nbsp;B. [[Siebenpunktiger Flach-Marienkäfer]] (''Hippodamia septemmaculata'')) auf. Andere Arten, wie etwa ''Rhyzobius chrysomeloides'', der in [[Osteuropa]], [[Spanien]] und [[Italien]] vorkommt, und der [[Einfarbiger Marienkäfer|Einfarbige Marienkäfer]] (''Rhyzobius litura''), der in [[Westeuropa]] und [[Griechenland]] beheimatet ist, schließen sich in ihrem Vorkommen aus ([[Vikarianz]]). === Wanderzüge === [[Datei:Lady beetle taking flight.jpg|thumb|Flügel eines [[Asiatischer Marienkäfer|Asiatischen Marienkäfer]] (''Harmonia axyridis'')]] [[Datei:Marienkäfer an der Ostsee August 2009.JPG|thumb|Erneuter Ansturm von Marienkäfern an der Ostsee August 2009]] Die Käfer unternehmen verschiedene Arten von Flügen. Einerseits sind das kurze während der Nahrungssuche, andererseits auch solche, die sich über sehr große Distanzen erstrecken, um die Überwinterungsplätze anzufliegen. Sie unternehmen auch Flüge in großen Schwärmen, wenn sie nicht genügend Nahrung in einem bestimmten Gebiet finden. Während ihrer Langstreckenflüge sind sie auf den Wind angewiesen und können dadurch selbst nur in geringem Maße die Flugrichtung beeinflussen. Sie orientieren sich einerseits optisch oder andererseits durch klimatische Faktoren. In Europa kann man nur selten solche Wanderzüge beobachten. Sie finden meistens an der Küste statt. Manche Arten (etwa ''[[Spiladelpha barovskii]]'') können gar nicht fliegen. Es gibt auch europäische Arten, wie etwa ''[[Rhyzobius litura]]'', bei denen nur ein geringer Teil (ca. 7 %) voll funktionstüchtige Flügel entwickelt. Die Entwicklung ist abhängig vom Lebensraum der Tiere. In [[Vereinigtes Königreich|Großbritannien]] beispielsweise sind die Flügel der [[Vierundzwanzigpunkt-Marienkäfer]] deutlich schlechter entwickelt als jene der süd- und osteuropäischen Tiere. Eine Ursache hierfür ist die unterschiedlich große Gefahr des Parasitenbefalls. Die Käfer können durch den Luftraum unter den Flügeldecken gut passiv schwimmen und werden manchmal durch Hochwässer (vor allem im Winter) weit verdriftet. Auch können sie, wenn sie durch den Wind auf die offene See geweht werden und danach im Wasser landen, in großen Scharen an die Strände zurückgespült werden. Das kann durchaus beeindruckende Maße erreichen. Zu hoher Wellengang lässt den Tieren allerdings keine Chance, von denen ohnedies nur ein geringer Teil die Gefahren des Wassers, der Brandung, des Sandes und der Süßwasserknappheit überlebt. Im Jahr 1989 wurde an der [[Ostsee]] ein riesiger Schwarm von [[Siebenpunkt-Marienkäfer]]n durch den Wind an Land geweht. Da sie allesamt helle Farben zeigten, war zu erkennen, dass sie gerade erst geschlüpft waren. Sie starteten wahrscheinlich vom ca. 40&nbsp;km entfernten [[Dänemark]]. Innerhalb von drei Stunden wurden ca. 27 bis 78 Millionen Individuen geschätzt. Diese setzten sich dann in großen Zahlen von über 1.100 Tieren pro m² auf markanten Plätzen ab. Mehrere Tage später waren noch immer geschätzte 10 bis 20 Millionen Tiere in Strandnähe zu finden. Sie waren am Verhungern und Verdursten und begannen sich auch gegenseitig aufzufressen. Sie vertrieben durch ihr Zwicken in die Haut sogar die Badegäste. Zu einer ähnlich starken Marienkäferinvasion kam es Ende Juli/Anfang August 2009 an der Ostsee.<ref>[http://www.zeit.de/online/2009/32/insekten-plage-marienkaefer-tsp Vgl. Roland Knauer: ''Die Glücksbringer beißen zu'' in: Die Zeit online]. Abgerufen am 19. August 2009</ref> == Fortpflanzung und Entwicklung == [[Datei:Marienkaefer.ogg‎|thumb|Marienkäfer bei der Paarung (1 Minute 16 Sekunden, 4,72&nbsp;MB)]] [[Datei:Coccinella septempunctata couple (aka).jpg|thumb|[[Siebenpunkt-Marienkäfer]] bei der Paarung]] [[Datei:Eiablage-marienkaefer.jpg|thumb|Marienkäfer bei der Eiablage]] [[Datei:Marienkäferlarve (Coccinellidae) 1.jpg|thumb|Marienkäferlarve]] [[Datei:MarienkäferEier 03.JPG|thumb|Eigröße im Vergleich zu einem [[Streichholz]]]] === Kopulation === Direkt nach der Überwinterung beginnen die Marienkäferpaare mit der [[Begattung|Kopulation]]. Diese kann oft mehrere Stunden (0,5 bis 18) beanspruchen, vollzieht sich aber wenig spektakulär. Mit der Spitze der Penisführungsrinne wird in das weibliche achte und neunte Sternit eingehakt, um die letzten Sternite auseinanderzudrücken. Dadurch kann der [[Penis]] des Männchens eindringen. Das Paar ist dabei sehr stark aneinandergeklammert. Es werden drei [[Spermatophoren]] übertragen, was für Käfer ungewöhnlich ist. Nach der Paarung wird das Männchen entweder mit den Hinterbeinen oder durch seitliches Abrollen vom Weibchen gelöst. Zwar genügt eine Paarung, um das Weibchen dauerhaft zu begatten, doch werden oft bis zu 20 weitere vollzogen ([[Promiskuität]]). Bei den meisten Arten werden die [[Spermium|Spermien]] vom Weibchen in einer Spermatheca ([[Receptaculum seminis]]) aufbewahrt. Bei ''[[Stethorus punctillum]]'' z. B. fehlt diese, weswegen über die gesamte fruchtbare Zeit neue Partner zur weiteren Befruchtung der nachreifenden Eier notwendig sind. Dadurch, dass die Käfer viele verschiedene Geschlechtspartner haben, ist die Gefahr der Übertragung von [[Geschlechtskrankheit]]en groß. Diese können zur Unfruchtbarkeit führen. Hohe Temperaturen wirken sich auf das Paarungsverhalten bestimmter Arten aus: Die Gattung ''Aphidecta'' z.&nbsp;B. vermehrt sich dann explosionsartig. === Eier === Die Marienkäfer sind im Vergleich zu anderen [[Insekten]] nicht sehr vermehrungspotent. Ende April bis Anfang Mai werden von den Marienkäfer-Weibchen bis zu 400 Eier, je nach Art in Portionen von 10 bis 60 Stück oder einzeln, an Pflanzen nahe geeigneter Nahrung abgelegt. Das geschieht meistens an der Blattunterseite bzw. gereiht an Nadeln oder in Ritzen von [[Rinde]]. Die Farbe und Form der Eier ist je nach Art sehr unterschiedlich. Die Länge variiert zwischen 0,4 und 2 Millimetern und die Form ist entweder schlank, normal oder gedrungen. Die ''Epilachna argus'' weichen mit ihren langen, spitzen Eiern ab. Die Eier sind bis auf jene der Epilachninae sämtlich ohne Struktur. Ihre Färbung ist normalerweise hellgelb bis orange, beim Schwarzen Kugelmarienkäfer (''[[Stethorus punctillum]]'') weißgrau. Ihre Entwicklung ist unter anderem abhängig von der Temperatur und Luftfeuchtigkeit und ist etwa nach fünf bis acht Tagen abgeschlossen. Wenn die Temperatur unter den Toleranzwert sinkt (bei ''Stethorus punctillum'' ca. 12&nbsp;°C) tritt ein Stillstand im Wachstum ein. Kurz vor dem Schlüpfen kann man die Larve durch die dünne Eihaut ([[Chorion]]) erkennen. Um sich aus dem Ei zu befreien, sind die Larven vieler Arten mit Eizähnen am Kopf, Rücken und [[Prothorax]] ausgestattet, die erst bei der ersten Häutung abgeworfen werden. Sie benötigen ca. eine Stunde, um das Ei zu öffnen, und eine weitere, um sich davon endgültig zu befreien. === Entwicklung der Larve === Die geschlüpften Larven entwickeln sich innerhalb von 30 bis 60 Tagen. Während ihrer Entwicklung häuten sie sich je nach Art drei- bis viermal. Ihr Wachstum gestaltet sich je nach Körperteil unterschiedlich, und auch die Beborstung und Färbung ist in den verschiedenen Stadien unterschiedlich. Wenn sie ausgewachsen sind, kleben sie den Hinterleib mit Hilfe eines [[Sekret]]s an Blättern, Zweigen, Stämmen oder Rinde fest. Sie häuten sich danach noch einmal und schieben die Haut bis zum Befestigungspunkt an der Pflanze zurück. Sie verpuppen sich in einer Mumienpuppe, was untypisch für Käfer ist. Ihre Gliedmaßen und Fühler liegen nicht frei, sondern sind an den Körper geklebt. Die Farbe der Puppe variiert zwischen dunkel-, hell-, rotbraun oder grau und ist von der Umgebungstemperatur beeinflusst. Die frisch gehäutete Puppe beginnt sich in ihrer weiteren Entwicklung einzurollen und in der Farbe kräftiger zu werden, bevor aus ihr nach sechs bis neun Tagen der fertige Käfer schlüpft. Auch hier ist die Entwicklung von der Temperatur und Luftfeuchtigkeit abhängig. Anfänglich sind die frisch geschlüpften Käfer noch hell gefärbt, erlangen aber schon nach ein paar Stunden ihre eigentliche Farbe. Von der Larve bis zum fertig ausgebildeten Marienkäfer kann bis zu einem Jahr verstreichen. [[Datei:Verwandlung Punktemaenner.jpg|thumb|Marienkäfer in verschiedenen Stadien]] Die Larven leben allesamt auf [[Pflanzen]] und stellen ihrer Beute (vor allem [[Pflanzenläuse]]n) nach oder fressen Mehltau- oder Schimmelpilze. === Vermehrung und Lebenserwartung === Die Marienkäfer vermehren sich normalerweise zweimal im Jahr (beim [[Siebenpunkt]]-Marienkäfer gibt es nur eine Generation pro Jahr), sodass die zweite Generation im Juli oder August schlüpft und überwintert, bevor sie wiederum im Frühjahr ihre Eier ablegt. Für gewöhnlich leben die Marienkäfer Mitteleuropas ein Jahr lang und überwintern nur ein einziges Mal. Bei [[Vierzehnpunkt-Marienkäfer]]n und [[Asiatischer Marienkäfer|Asiatischen Marienkäfern]] wurden auch schon zwei Überwinterungen beobachtet. === Überwinterung === [[Datei:MarienkaeferWinter.jpg|thumb|Marienkäferaggregation zur Überwinterung im Fensterrahmen]] Die Käfer überwintern gerne in großen Gruppen ([[Aggregation (Biologie)|Aggregation]]) und können so vor allem zwischen Doppelfenstern sehr lästig werden. Normalerweise sammeln sie sich an Hügeln, unter Berggipfeln oder auf Ebenen und weiten Tälern. Vor allem lausfressende Arten, deren Beute nur kurz auftritt, bilden große Aggregationen, auch um die Nahrungsknappheit bzw. heiße Sommer mit der [[Dormanz]] zu überbrücken. Vor ihrem Schlaf sammeln sie [[Fett]], [[Lipoide]] und [[Glykogen]] in ihrem Körper an, um davon während des Ruhens zu zehren. In [[Kalifornien]] wurden schon einmal an einem Überwinterungsplatz geschätzte 42 Millionen Tiere der Art ''Hippodamia convergens'' gesichtet. Das sind allerdings Einzelfälle. Einzeln überwintern sie nur selten. Meist geschieht das in der oben beschriebenen Aggregation oder in kleinen Gruppen am Boden, unter Steinen, Rinde oder Laub, in Moos oder im Gras. === Hybridisierung === Manchmal kommt es vor, dass sich nahe verwandte Arten untereinander kreuzen. Das kommt etwa in [[Zentralasien]] nahe [[Taschkent]] vor, wo sich die Verbreitungsgebiete des [[Strichfleckiger Marienkäfer|Strichfleckigen Marienkäfers]] ''Chilocorus bipustulatus'' und ''Ch. geminus'' überschneiden. Grundsätzlich sind die gekreuzten Nachkommen, wenn sie sich überhaupt entwickeln und lebensfähig sind, steril und können selbst keine Nachkommen zeugen. Sie weisen oft eine eigenartige Zeichnung auf, die mehr oder weniger den beiden gemischten Arten ähnelt. === Voltinismus === Bei den Marienkäfern gibt es vier verschiedene Möglichkeiten der Generationenfolge ([[Voltinismus]]): * univoltine Arten: Ihre Fortpflanzung findet im Sommer statt, nach einer eventuellen Sommerruhe überwintern die Tiere. Zu ihnen gehören die meisten mitteleuropäischen Arten. * bivoltine Arten: Sie haben zwei Generationen pro Jahr, deren zweite entweder knapp nach der ersten Generation oder erst nach der Sommerruhe schlüpft. In Europa sind das zeitweise z.&nbsp;B. ''Adalia bipunctata'' oder ''Coccinella septempunctata''. * polyvoltine Arten mit Diapause: Hier treten viele Generationen pro Jahr auf, die anschließend überwintern. Sie kommen in warmen Gebieten vor, in denen es Winter gibt. * polyvoltine Arten: Sie bringen ununterbrochen neue Generationen dort hervor, wo es keine Jahreszeiten gibt. Sie leben in den Tropen und warmen Gebieten wie z.&nbsp;B. in [[Indien]], [[Florida]] und auf [[Hawaii]]. == Natürliche Feinde == Neben anderen [[Insekten]] (vor allem [[Laufkäfer]] und [[Raubwanzen]]), [[Vögel]]n, [[Eidechsen]], [[Spitzmäuse]]n und [[Frösche]]n haben einige Arten der Marienkäfer einen besonderen, nur auf sie spezialisierten Feind, die [[Marienkäfer-Brackwespe]] (''Dinocampus coccinellae''). Mit ihrem Legeapparat legt die Brackwespe dem Käfer ein Ei unter die Deckflügel. Die geschlüpfte Larve ernährt sich von den Körpersäften und vom [[Fettgewebe]] des Käfers, um in ihm [[Parasit|parasitär]] heranzuwachsen. Sie überwintert sogar mit ihm und tötet ihn erst im darauf folgenden Frühling, indem sie seine lebenswichtigen Organe frisst. Danach bricht sie durch die Hülle und verpuppt sich unter dem verendeten Käfer. Auch [[Hautflügler]] der Familie der Encyrtidae, vor allem aus deren Gattung ''Homalotylus'', setzen den Käfern parasitisch zu. Die Larven können sich nicht verpuppen und vertrocknen, von innen aufgefressen. Andere Parasiten wie z.&nbsp;B. [[Milben]] und [[Fadenwürmer]] schwächen die Käfer nur oder verwenden sie lediglich als Transportwirte. Ameisen versuchen die Käfer von den von ihnen gepflegten Blattlauskolonien zu vertreiben. Die Käfer und Larven sind zwar durch ihre Wachsschicht, träges Verhalten und Dornen bzw. ihre flachen und glatten Körper weitgehend geschützt, doch werden sie mitunter von den Blättern gestoßen oder manchmal sogar getötet. Am verwundbarsten sind aber ihre Eier, die den Feinden schutzlos ausgeliefert sind. Die Käfer können sich auch mit [[Viren]], [[Bakterien]] und [[Pilze]]n infizieren. Das tötet oft viele während der Winterruhe. == Der Marienkäfer und der Mensch == Der Marienkäfer wird wegen seiner Nützlichkeit geschätzt und gilt als Glückssymbol. Deshalb ist er ein beliebtes Motiv auf Glückwunschkarten und [[Briefmarke]]n und in der Kunst. Auch der Name ''Marienkäfer'' weist hierauf hin: Wegen ihrer Nützlichkeit für die [[Landwirtschaft]] glaubten die Bauern, dass die Käfer ein Geschenk der [[Maria (Mutter Jesu)]] seien und benannten sie nach dieser. Der Siebenpunkt-Marienkäfer wird in [[Schweden]] „Marias Schlüsselmagd“ genannt. Die sieben Punkte sollen sich auf die sieben Tugenden der heiligen Maria beziehen. Es gab und gibt wahre Marienkäferkulte, die vor allem religiös begründet waren. Heute steht das Glückssymbol im Vordergrund. In der [[Provence]] steht einem Mann die Heirat bevor, sollte ein Käfer auf ihm landen. Sind die Frauen ungeduldig, setzen sie einen Käfer auf den Zeigefinger und zählen die Sekunden bis zum Abflug. Jede Sekunde bedeutet ein Jahr warten bis zur Hochzeit. [[Datei:DDR-1968-003.jpg|thumb|[[Deutsche Demokratische Republik|DDR]]-Briefmarke]] Die Gründe, warum der Siebenpunkt-Marienkäfer die bekannteste und beliebteste Käferart ist, reichen über seine Häufigkeit innerhalb eines über tausende Jahre reichenden Zeitraums, seine auffällige Färbung, seine Flugfreudigkeit und Erhöhung der Beweglichkeit auf der warmen Menschenhaut, die Zahl sieben als heiliges Symbol und die Assoziation der Farbe Rot mit Liebe. Es gibt über 1.500 regionale Bezeichnungen für den Marienkäfer, wobei meistens der Siebenpunkt gemeint ist. Im Folgenden einige Beispiele: * Mariechenkäfer ist die Berlinische Variante des Namens * Motschekiebchen, Mutschekiebchen oder Motscheküpchen (eigentlich „Kuhkälbchen“); auch Mufferküpchen ([[Thüringen]]) oder Muhküfchen ([[Nordhessen]]), Marienkälbchen, Gotteskälbchen, Herrgottsöchslein für Bezüge zum Haustier [[Hausrind|Kuh]] * Himmelmiezel, Himmelmietzchen ([[Sachsen]], [[Erzgebirge]]; der Name spielt wahrscheinlich auf die Nützlichkeit vergleichbar mit Katzen an.) * Herrgottskäfer, Gotteskäfer, Herrgottswürmchen für Bezüge zu Gott * Herrgottssöönken, Muttergotteskindchen, Jesus-Chäferli für Bezüge zu [[Jesus Christus]] * Junikäfer (nicht zu verwechseln mit den als [[Gerippter Brachkäfer|Junikäfer]] bezeichneten Blatthornkäfern) * Frauenkäfer (im britischen Englisch heißt der Käfer ''ladybird'' (ursprünglich ''ladybird beetle'') und im amerikanischen Englisch ''ladybug''); dabei meinen ''Frau'' und ''lady'' ebenfalls Maria * Leußfresser, Blattlauskäfer, Huppawermel (Hopfenwürmlein) für Bezüge zur Ernährung mit Blattläusen * Maikäfer (nicht zu verwechseln mit dem eigentlichen [[Maikäfer]]; mitteldeutscher Raum) * Rotkalbl, Bluthienla, Gelbhänschen, Goldschäfchen, Graupelmiezchen, Sprinzerl-Spranzerl für Bezüge zur Färbung und zu den Flecken * Glückskäferle, Brautmaneke (Brautmännchen), Olichsvöjelche (Ölvögelchen, wegen des [[Reflexbluten]]s) * Sonnenkäfer Häufig ist auch die fälschliche Bezeichnung „Mari(e)nenkäfer“. Die lateinische Bezeichnung Coccinellidae leitet sich von „scharlachfarben“ (''coccineus'') beziehungsweise „in Scharlach gekleidet“ (''coccinatus'') ab. Der lateinische Ursprung des Namens findet sich auch im französischen „coccinelle“ und im italienisch „coccinella“ wieder. Den wohl ältesten Beleg als Glückssymbol bietet ein ca. 20.000 Jahre alter, 1,5&nbsp;cm großer aus Mammut[[elfenbein]] geschnitzter Marienkäfer, der durch eine Bohrung wahrscheinlich mit einer Schnur um den Hals getragen wurde. Er wurde in [[Laugerie-Basse]] in der [[Dordogne (Département)|Dordogne]] ([[Frankreich]]) gefunden. Der Siebenpunkt-Marienkäfer ist das [[Insekt des Jahres]] 2006. === Marienkäfer in der Dichtung === Zahlreiche Dichter verfassten schon Texte mit oder über Marienkäfer. Sehr bekannt ist das Gedicht „Marienwürmchen“ aus „[[Des Knaben Wunderhorn]]“ von [[Achim von Arnim]] und [[Clemens Brentano]]: ''Marienwürmchen setze dich''<br /> ''Auf meine Hand,''<br /> ''Ich tu dir nichts zu Leide.''<br /> ''Es soll dir nichts zu Leid gescheh’n,''<br /> ''Will nur deine bunten Flügel seh’n,''<br /> ''Bunte Flügel meine Freunde.''<br /> ''Marienwürmchen fliege weg,''<br /> ''Dein Häusschen brennt,''<br /> ''Die Kinder schrei’n so sehre.'' ''Die böse Spinne spinnt sie ein,''<br /> ''Marienwürmchen, flieg’ hinein,''<br /> ''Deine Kinder schreien sehre.''<br /> ''Marienwürmchen, fliege hin''<br /> ''Zu Nachbars Kind’,''<br /> ''Sie tun dir nichts zu Leide.''<br /> ''Es soll dir da kein Leid gescheh’n,''<br /> ''Sie wollen deine bunten Flügel seh’n,''<br /> ''Und grüß’ sie alle beide.'' Auch die [[Brüder Grimm]] schrieben über die „Marienwürmchen“: ''Viel stätige Sitte ist noch in anderen Vergnügungen der Kinder. Das schöne, bunt punktierte Marienwürmchen setzen sie sich auf die Fingerspitzen und lassen es auf- und abkriechen, bis es fortfliegt. Dabei singen sie:'' ''Marienwürmchen, fliege weg, fliege weg!''<br /> ''dein Häuschen brennt! die Kinder schrein!'' === Der Schädlingsbekämpfer === Die Marienkäfer waren schon immer als [[Schädling]]sbekämpfer gerne gesehen. Deswegen wurden sie auch aus verschiedenen Erdteilen importiert, um wiederum andere ungewollt eingeschleppte Arten zu bekämpfen. 1889 importierte man den [[Australien|australischen]] Marienkäfer ''[[Rodolia cardinalis]]'' nach [[Kalifornien]], um die ebenfalls aus Australien stammende [[Schildläuse|Schildlaus]] ''[[Icerya purchasi]]'', die in [[Zitrusfrucht|Zitrusplantagen]] wütete, zu bekämpfen. Das war der erste Erfolg für die biologische Schädlingsbekämpfung. Bis heute wurden über 500 Millionen Marienkäfer dieser Art in Kalifornien gezüchtet und freigelassen. Auch der Siebenpunkt wurde 1973 in die [[USA]] eingeschleppt und ist jetzt dort nahezu überall verbreitet. In Europa wurde der [[Asiatischer Marienkäfer|Asiatische Marienkäfer]] (''Harmonia axyridis'') ebenfalls zur Schädlingsbekämpfung eingeführt. Das geschah auch in den USA und [[Kanada]]. Die Einschleppung von Arten in ihnen fremde [[Ökosystem]]e bringt oft Probleme mit sich, die im Voraus nicht absehbar sind. Es ist auch unvorhersehbar, welche Folgen es hat, die Käfer in [[Gewächshaus|Gewächshäusern]] einzusetzen, da diese nicht hermetisch dicht sind und Käfer aus ihnen entweichen können. Ein Problem ergibt sich auch durch das Abwandern der Käfer bei zu geringer Beutetierdichte. Die Plantagen und Felder, auf denen die Tiere eingesetzt werden, müssen stark befallen sein, damit die Käfer ein Interesse am Bleiben haben. === Der Käfer als Schädling === Von den drei Pflanzen fressenden Arten Mitteleuropas kann nur der [[Vierundzwanzigpunkt-Marienkäfer]] gelegentlich als Schädling auftreten. Meistens werden die Schäden in südlichen, warmen Ländern verzeichnet, in denen die Käfer bis zu drei Generationen pro Jahr hervorbringen. Sie schädigen besonders [[Luzerne]]n und [[Zuckerrübe]]n, unter anderem aber auch [[Klee]], [[Kartoffel]]n, [[Nelken]] und [[Dahlie]]n. Besonders bei gezüchteten Blüten können Fraßspuren den Verkauf der Pflanzen vereiteln. ''[[Epilachna varivestis]]'' ist in [[Mexiko]] ein gefürchteter Schädling an [[Bohnen]]kulturen. Man konnte die Art durch Gifte und auch durch Parasiten nicht eindämmen, nur die Verwendung von [[Chemosterilantie]]n, die die Männchen unfruchtbar machen, zeigte Erfolg. == Gefährdung und Schutz == Einige Marienkäferarten, vor allem jene, die auf spezielle Lebensräume angewiesen sind, sind stark gefährdet. Der Grund ist nicht allein, dass ihr Lebensraum sukzessive verbaut wird, sie reagieren auch viel empfindlicher auf [[Gift]]e, als es beispielsweise Blattläuse tun, die Populationen durch ihre rasante Vermehrung schnell wieder ausgleichen können. Das ist deshalb so, weil sie eine große Anzahl von vergifteten Beutetieren zu sich nehmen und dadurch einer viel höheren Dosis ausgesetzt sind. Vor allem Arten, die entweder Wärmeinseln oder Moore und Heiden besiedeln, sind mitsamt ihren Habitaten gefährdet. Dadurch, dass viele Arten auf bestimmte Lebensräume und Umweltbedingungen spezialisiert sind, sind sie auch gute [[Bioindikator]]en, die anzeigen, ob bestimmte Habitate (wie z.&nbsp;B. Heiden, Trockenrasen und Moore) in einem ökologisch guten Zustand sind. Der [[Fichten-Kugelmarienkäfer]] z.&nbsp;B. zählt in einigen Bundesländern zu den gefährdeten Arten. Er wird zusammen mit 20 anderen von insgesamt 65 in [[Sachsen-Anhalt]] lebenden Marienkäferarten in der Roten Liste dieses Bundeslandes geführt.<ref name="RL SA">{{Internetquelle|autor=Werner Witsack, Bernhard Klausnitzer, Karla Schneider|datum=Februar 2004|titel=Rote Liste der Marienkäfer (Coleoptera: Coccinellidae) des Landes Sachsen-Anhalt (pdf)|zugriff=23.01.2008|url=http://www.mu.sachsen-anhalt.de/start/fachbereich04/artenschutz/files/308-310_2004_rl_sachs_anh_marienkaefer.pdf}}</ref> In [[Bayern]] stehen auch ca. 20 Arten auf der Roten Liste.<ref name="RL Bayern">{{Internetquelle|autor=Jürgen Schmidl, Jens Esser|titel=Rote Liste gefährdeter Cucujoidea (Coleoptera: "Clavicornia") Bayerns|zugriff=23.01.2008|url=http://www.lfu.bayern.de/natur/daten/rote_liste_tiere/doc/tiere/cucujoidea.pdf}}</ref> Im Bundesland [[Burgenland]] ([[Österreich]]) sind es derzeit 18. == Systematik == [[Datei:Propylea quatuordecimpunctata01.jpg|thumb|[[Vierzehnpunkt-Marienkäfer]] mit variabler Färbung]] === Verhältnis zu anderen Käferfamilien === Innerhalb der [[Überfamilie]] Cucujoidea ist die Familie der Marienkäfer (Coccinellidae) am nächsten mit den [[Faulholzkäfer]]n (Corylophidae) verwandt. Mit ihnen verbinden sie nicht nur Gleichheiten im Habitus, sondern auch in der Entwicklung der Larven. Weiterhin sind sie verwandt mit den [[Stäublingskäfer]]n (Endomychidae). Das wesentliche Unterscheidungsmerkmal zwischen diesen beiden Familien ist der schlauchförmig verlängerte, gekrümmte Teil des männlichen Geschlechtsorgans ([[Sipho]]) und das Fehlen der Brücke des [[Tentorium (Wirbellose)|Tentoriums]], einer Skelettstruktur im Kopf. === Unterschiede zwischen den Unterfamilien === Die Epilachninae sind durch ihre [[Apomorphie|apomorphe]] Ausbildung verschiedener Partien (Mandibeln der Käfer und Larven, Augen, Verlängerung des zweiten Antennengliedes) als [[monophyletisch]]e Gruppe ausgewiesen. Sie stellen eine Schwestergruppe aller anderen Coccinellidae dar. Auch ist die Ernährung der Epilachninae, die phytophag ist, ein krasser Unterschied zu den [[Fleischfresser|carnivoren]] Arten der anderen Unterfamilien. Die Sticholotidinae heben sich ebenfalls von den verbleibenden Unterfamilien ab. Sie werden auch als eigene monophyletische Gruppe ausgewiesen, da die Käfer eine rüsselartige Verlängerung des Kopfes aufweisen. Die Larven tragen am [[Tibiotarsus]] (dem Beinabschnitt nach dem Schenkel) ein Paar flache Borsten und haben auf der Innenseite des Oberkiefers einen zahnartigen Fortsatz. Die Käfer weisen auf der Unterlippe stark verschmälerte Gelenke zwischen [[Mentum]] (Mittelteil der Unterlippe) und [[Submentum]] (basaler Mittelteil der Unterlippe) auf. Ein weiteres Schwestergruppenverhältnis besteht zwischen den Scymninae und Chilocorinae einerseits und den Coccidulinae und Coccinellinae andererseits. Die Ersteren haben ihren Kopf weit unter den [[Prothorax]] (Halsschild) zurückgezogen und ihre Fühler sind anders gebaut und haben eine reduzierte Anzahl an Gliedern. Die zweite Gruppe weist beilförmige Endglieder der Unterkiefertaster ([[Maxillarpalpen]]) und schmale Gelenke zwischen [[Mesosternum|Meso-]] und [[Metasternum]] auf. Die Larven der Scymninae haben als Besonderheit Wachsausscheidungen, mit denen sie sich einhüllen. Die Chilocorinae haben seitlich stark erweiterte Stirnplatten ([[Clypeus]]) und dadurch Veränderungen am Kopf. Zwischen Coccidulinae und Coccinellinae gibt es auch ein Schwestergruppenverhältnis. Die zuletzt genannten sind unbehaart, die Augen sind sehr fein facettiert und der Fortsatz auf der Innenseite des Oberkiefers der Larven ist ebenfalls modifiziert. Die Coccidulinae sind dicht behaart und haben eigen geformte [[Tarsus (Gliederfüßer)|Tarsen]]. Aus diesen Schwesternverhältnissen leitet sich folgendes [[Kladogramm]] ab: Marienkäfer ├── Epilachninae └── N.N. ├── Sticholotidinae └── N.N. ├── N.N. │ ├── Scymninae │ └── Chilocorinae │ └── N.N. ├── Coccidulinae └── Coccinellinae Die Unterfamilie der Ortaliinae ist noch nicht eingebunden, da ihre Verwandtschaftsverhältnisse zu den anderen Unterfamilien noch nicht klar sind. === Taxonomie der Familie der Marienkäfer === Der [[Artenreichtum]] europäischer Marienkäfer ist enorm und umfasst 75 Gattungen, mit über 250 Arten und Unterarten. Weltweit sind die Coccinellidae sogar mit über 5500 [[Art (Biologie)|Arten]] in 490 [[Gattung (Biologie)|Gattungen]] vertreten.<ref name="Fauna">{{Internetquelle|hrsg=Fauna Europaea, Version 1.3, 19.04.2007|titel=Coccinellidae|zugriff=24.01.2008|url={{FaunaEuropaea|ID=11062|WissName=Coccinellidae|Rang=Familie|Linktext=nein}}}}</ref> Diese Auflistung umfasst sämtliche Unterfamilien und Tribus die weltweit vorkommen und beispielhaft einige Arten: ==== Unterfamilie Coccidulinae ==== * Lithophilini * Monocorynini * Coccidulini ** [[Glänzender Schlankmarienkäfer]] (''Coccidula rufa'') ** [[Länglichovaler Marienkäfer]] (''Rhyzobius chrysomeloides'') ** [[Einfarbiger Marienkäfer]] (''Rhyzobius litura'') * Noviini * Poriini * Exoplectrini * Azyini * Cranophorini * Oryssomini ==== Unterfamilie Coccinellinae ==== * Singhikalini * Coccinellini ** [[Achtzehnfleckiger Marienkäfer]] oder Kiefernwipfel-Marienkäfer (''Myrrha octodecimguttata'') ** [[Ameisen-Siebenpunkt-Marienkäfer]] (''Coccinella magnifica'') ** [[Asiatischer Marienkäfer]] (''Harmonia axyridis'') ** [[Augenmarienkäfer]] oder Augenfleck-Marienkäfer (''Anatis ocellata'') ** [[Berg-Marienkäfer]] (''Hippodamia notata'') ** [[Dreizehnpunkt-Marienkäfer]] oder Dreizehnpunktiger Sumpfmarienkäfer (''Hippodamia tredecimpunctata'') ** [[Elfpunkt-Marienkäfer]] (''Coccinella undecimpunctata'') ** [[Fünfpunkt-Marienkäfer]] (''Coccinella quinquepunctata'') ** [[Heidekraut-Marienkäfer]] (''Coccinella hieroglyphica'') ** ''[[Coccinella transversalis]]'' ** [[Kugeliger Marienkäfer]] oder Pappelmarienkäfer (''Oenopia conglobata'') ** [[Längsfleckiger Marienkäfer]] oder Gestreifter Marienkäfer (''Myzia oblongoguttata'') ** [[Licht-Marienkäfer]] oder Zehnflecken-Marienkäfer (''Calvia decemguttata'') ** [[Nadelbaum-Marienkäfer]] (''Aphidecta obliterata'') ** [[Schöner Marienkäfer]] (''Sospita vigintiguttata'') ** [[Siebenpunkt-Marienkäfer]] (''Coccinella septempunctata'') ** [[Siebenpunktiger Flach-Marienkäfer]] (''Hippodamia septemmaculata'') ** [[Neunzehnpunkt-Marienkäfer]] oder Teich-Marienkäfer (''Anisosticta novemdecimpunctata'') ** [[Trockenrasen-Marienkäfer]] (''Coccinula quatuordecimpustulata'') ** [[Ungefleckter Marienkäfer]] (''Oenopia impustulata'') ** [[Variabler Flach-Marienkäfer]] (''Adonia variegata'') ** [[Vierpunkt-Marienkäfer]] (''Harmonia quadripunctata'') ** [[Vierzehnpunkt-Marienkäfer]] oder Schachbrett-Marienkäfer (''Propylaea quatuordecimpunctata'') ** [[Vierzehntropfiger Marienkäfer]] oder Blattfloh-Marienkäfer (''Calvia quatuordecimguttata'') ** [[Zehnpunkt-Marienkäfer]] (''Adalia decempunctata'') ** [[Zweipunkt-Marienkäfer]] (''Adalia bipunctata'') * Psylloborini ** [[Sechzehnfleckiger Marienkäfer]] oder Sechzehnfleckiger Pilz-Marienkäfer (''Halyzia sedecimguttata'') ** [[Zweiundzwanzigpunkt-Marienkäfer]] oder Gemeiner Pilz-Marienkäfer (''Psyllobora (Thea) vigintiduopunctata'') * Tytthaspidini ** [[Sechzehnpunkt-Marienkäfer]] (''Tytthaspis sedecimpunctata'') * Discotomini ==== Unterfamilie Scymninae ==== * Aspidimerini * Stethorini ** [[Schwarzer Kugelmarienkäfer]] (''Stethorus punctillum'') * Scymnini ** [[Bogen-Zwergmarienkäfer]] (''Clitostethus arcuatus'') ** ''[[Sasajiscymnus tsugae]]'' ** [[Fichten-Kugelmarienkäfer]] (''Scymnus abietis'') ** [[Schrägbinden-Zwergmarienkäfer]] (''Scymnus subvillosus'') ** [[Schwarzer Kugelkäfer]] (''Scymnus nigrinus'') * Diomini * Scymnillini * Selvadiini * Hyperaspidini ** [[Reppener Kugelkäfer]] (''Hyperaspis reppensis'') * Brachiacanthini * Pentiliini * Cryptognathini ==== Unterfamilie Ortaliinae ==== * Ortaliini ==== Unterfamilie Chilocorinae ==== * Telsimiini * Platynaspidini ** [[Rainfarn-Marienkäfer]] (''Platynaspis luteorubra'') * Chilocorini ** [[Nierenfleckiger Kugelmarienkäfer]] oder Rundfleckiger Schildlaus-Marienkäfer (''Chilocorus renipustulatus'') ** [[Strichfleckiger Marienkäfer]] oder Strichfleckiger Schildlaus-Marienkäfer (''Chilocorus bipustulatus'') ** [[Schwarzer Schildlaus-Marienkäfer]] (''Exochomus nigromaculatus'') ** [[Vierfleckiger Kugelmarienkäfer]] oder Vierfleckiger Schildlaus-Marienkäfer (''Exochomus quadripustulatus'') ==== Unterfamilie Sticholotidinae ==== * Sukunahikonini * Cephaloscymnini * Microweiseini * Carinodulini * Serangiini * Shirozuellini * Plotinini * Sticholotidini * Limnichopharini * Argentipilosini ==== Unterfamilie Epilachninae ==== * Epilachnini ** [[Mexikanischer Bohnenkäfer]] (''Epilachna varivestis'') ** [[Vierundzwanzigpunkt-Marienkäfer]] oder Luzerne-Marienkäfer (''Subcoccinella vigintiquatuorpunctata '') ** [[Zaunrüben-Marienkäfer]] (''Henosepilachna argus'') * Epivertini * Cynegetini ** [[Gras-Marienkäfer]] (''Cynegetis impunctata'') * Eremochilini == Quellen == === Einzelnachweise === <references /> === Literatur === * Heinz Freude, K. W. Harde, G. A. Lohse: ''Käfer Mitteleuropas.'' Bd 1–15. Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg 1979, ISBN 3-8274-0680-3 * [[Bernhard Klausnitzer]], Hertha Klausnitzer: ''Marienkäfer (Coccinellidae).'' Westarp Wissenschaften, Magdeburg 1997, ISBN 3-89432-812-6 * Volker Nötzold: ''Marienkäfer, Bestimmungsschlüssel''. Jugendbund für Naturbeobachtung, Hamburg 1997, ISBN 3-923376-20-0 == Weblinks == {{Wiktionary|Marienkäfer}} {{Commons|Category:Coccinellidae|Marienkäfer}} * [http://www.stippen.nl/artikelen.php?art=LHBTRE ein Überblick über die verschiedenen Arten der Marienkäfer] (niederländisch) * [http://www.rutkies.de/kaefer/ verschiedene Bilder] * [http://www.wissenschaft.de/wissen/news/258584.html Munterer Partnertausch beim Marienkäfer] – Als Folge der [[Promiskuität]] wüten [[Geschlechtskrankheit]]en {{Exzellent}} {{DEFAULTSORT:Marienkafer}} [[Kategorie:Marienkäfer| ]] [[Kategorie:Wikipedia:Artikel mit Video]] [[af:Lieweheersbesie]] [[an:Coccinellidae]] [[ar:دعسوقة]] [[az:Parabüzən]] [[bg:Калинки]] [[br:Buoc'hig-Doue]] [[ca:Marieta]] [[cs:Slunéčkovití]] [[cy:Coccinellidae]] [[da:Mariehøne]] [[en:Coccinellidae]] [[eo:Kokcinelo]] [[es:Coccinellidae]] [[et:Lepatriinulased]] [[fa:کفشدوزک]] [[fi:Leppäkertut]] [[fo:Mariuhønur]] [[fr:Coccinellidae]] [[gl:Maruxiña]] [[he:מושיתיים]] [[hr:Bubamare]] [[hsb:Coccinellidae]] [[hu:Katicabogarak]] [[io:Kocinelo]] [[it:Coccinellidae]] [[ja:テントウムシ]] [[ka:ჭიამაიასებრნი]] [[ko:무당벌레과]] [[kv:Енгаг]] [[la:Coccinellidae]] [[lb:Himmelsdéiercher]] [[li:Sjmoutwörmke]] [[lt:Boružės]] [[lv:Mārīšu dzimta]] [[mn:Шүрэн цох]] [[mt:Coccinellidae]] [[nds:Sünnenküken]] [[nl:Lieveheersbeestjes]] [[nn:Marihøne]] [[no:Marihøner]] [[nv:Chʼosh łitsxooí]] [[pl:Biedronkowate]] [[pnb:بیر بہوٹی]] [[pt:Joaninha]] [[qu:K'uslulu]] [[ru:Божьи коровки]] [[sco:Clock leddy]] [[sh:Bubamare]] [[simple:Coccinellidae]] [[sk:Lienkovité]] [[sl:Polonice]] [[sq:Mollëkuqja]] [[sr:Бубамара]] [[stq:Goddeshankene]] [[su:Kukuyaan]] [[sv:Nyckelpigor]] [[th:แมลงเต่าทอง]] [[tr:Uğur böceği]] [[uk:Сонечка]] [[vi:Bọ rùa]] [[zh:瓢蟲]] 91v730zdun29egcodkhp6hwhru6bhy5 wikitext text/x-wiki Marienkirche (Rostock) 0 23895 26491 2010-04-13T10:00:25Z Schiwago 0 /* Glocken */ Monkehagen Link + fix [[Datei:Marienkirche in Rostock.jpg|thumb|Westwerk der Marienkirche von der Langen Straße aus gesehen, links das nördliche Querhaus.]] Die '''Marienkirche''' ist die Hauptkirche [[Rostock]]s und ein Hauptwerk der norddeutschen [[Backsteingotik]]. 1232 wurde eine frühgotische Vorgängerkirche erstmals urkundlich erwähnt, der Bau der heutigen [[Kirchenschiff|dreischiffigen]] [[Basilika]] begann um 1290 und war um die Mitte des 15. Jahrhunderts abgeschlossen. Der gedrungene Baukörper der Marienkirche wird durch das große [[Kirchenschiff#Querschiff|Querhaus]] und das mächtige [[Westwerk]] mit einem Turmmassiv geprägt – eine ursprünglich geplante Doppelturmanlage wurde nicht ausgeführt. Der Innenraum hat den Charakter eines [[Zentralbau]]s, da das Querhaus das [[Langhaus (Kirche)|Langhaus]] genau in der Mitte der Kirche durchdringt und ebenso lang ist, wie der Bau in seiner west-östlichen Ausdehnung. [[Datei:AstroClockRostock.ogg|Astronomische Uhr von 1472 (4643 kB)|thumb]] St. Marien weist eine besonders reiche Ausstattung auf. Bedeutend sind vor allem der Hauptaltar, die Predigtkanzel, die Orgel, ein Bronzetaufbecken und eine astronomische Uhr. Vorreformatorische Kunst des Mittelalters ist wegen des [[Reformatorischer Bildersturm|Bildersturms]] zur Zeit der [[Reformation]] nur in geringen Resten überliefert. == Geschichte der Pfarrgemeinde == [[Datei:Panorama Rostock Franz Hogenberg 1597.jpg|thumb|Blick von Norden über die Warnow auf die Stadt Rostock: Links die Altstadt mit der [[Petrikirche (Rostock)|Petrikirche]] und der [[Nikolaikirche (Rostock)|Nikolaikirche]], im Zentrum die mittelstädtische Marienkirche, im Westen (rechts) die Neustadt mit der [[Jakobikirche (Rostock)|Jakobikirche]]. Kolorierter Kupferstich von [[Frans Hogenberg]] (1597).]] [[Datei:Hollar-Rostock.jpg|thumb|Vogelschau von Norden aus gesehen: Links unten die Altstadt mit Petrikirche und [[Alter Markt (Rostock)|Altem Markt]], links oben die Nikolaikirche, in der Mitte die Marienkirche der Mittelstadt, darüber der [[Neuer Markt (Rostock)|Neue Markt]], rechts die Jakobikirche im Westen der Stadt. Radierung von [[Wenzel Hollar]] (1624/25).]] Die [[Geschichte Rostocks|Geschichte der Stadt Rostock]] begann um die Wende vom 12. zum 13. Jahrhundert mit einer Siedlung an der [[Warnow (Fluss)|Warnow]] um die Petrikirche, der nach der Verleihung des [[Lübisches Recht|lübischen Stadtrechts]] durch [[Heinrich Borwin I. (Mecklenburg)|Heinrich Borwin I.]] 1218 eine Erweiterung nach Süden mit der [[Nikolaikirche (Rostock)|Nikolaikirche]] als Mittelpunkt folgte. Die Marienkirche wird erstmals in einer Urkunde von 1232 als Pfarrkirche einer selbständigen Siedlung erwähnt,<ref>Baier, S. 2.</ref> die sich westlich an die ältere Stadt anschloss und über einen eigenen Markt und ein Rathaus verfügte. Nach weiterer Ausdehnung in Richtung Westen entstand 1252 die Neustadt als vierte eigenständige Siedlung, deren Mittelpunkt die [[Jakobikirche (Rostock)|Jakobikirche]] war. Als sich die Stadtzellen in den Jahren 1262 bis 1265 vereinigten, wurde der mittlere Siedlungskern zum Verwaltungszentrum der Stadt, so dass sich die Marienkirche zur zentralen Rats- und Hauptpfarrkirche Rostocks entwickelte. Im Gegensatz zu vergleichbaren Kirchen [[Marienkirche (Lübeck)|in Lübeck]] oder [[Nikolaikirche (Stralsund)|in Stralsund]] bildet die Rostocker Marienkirche kein Ensemble mit dem [[Rostocker Rathaus|Rathaus]] am zentralen Platz der Stadt, sondern liegt nordwestlich ein wenig abseits des [[Neuer Markt (Rostock)|Neuen Marktes]] zwischen der [[Kröpeliner Straße|Kröpeliner]] und der [[Lange Straße (Rostock)|Langen Straße]]. Seit 1260 war St. Marien eine [[Lateinschule]] angegliedert, deren Patronat beim Rat der Stadt lag. Das [[Kirchenpatronat]] lag dagegen bis zur [[Reformation]] beim Landesherrn, dem [[Mecklenburg-Schwerin|mecklenburgischen Fürstenhaus]], die Kirchenaufsicht wurde jedoch ebenfalls von der Stadt ausgeübt.<ref>Dehio, S. 466.</ref> Der für Rostock zuständige Bischof hatte seinen Sitz in [[Bistum Schwerin|Schwerin]]. Finanziert wurde die Pfarrei aus dem Kirchen[[zehnt]], [[Stolgeld]]ern (Gebühren für priesterliche Amtshandlungen), [[Oblation (Opfer)|Oblationen]] (Spenden wie der [[Gotteskasten|Opferstock]]), [[Vermächtnis|Legaten]] und [[Stiftung]]en. Von diesen Geldern wurde unter anderem eine „[[Fabrikgut|Kirchenfabrik]]“ getragen, die faktisch die selbstverwaltete Bauaufsicht der Kirchengemeinde möglich machte. Neben dem Pfarrer übten diese Aufsicht [[Laie (Religion)|Laien]], zumeist Ratsmitglieder, aus dem Pfarrbezirk aus. Am 12. November 1419 wurde die [[Universität Rostock|Universität]] feierlich in St. Marien eröffnet<ref name="Förderverein 14">''St.-Marien-Kirche in Rostock.'' Broschüre, herausgegeben vom Förderverein Stiftung St.-Marien-Kirche zu Rostock e.V., veröffentlicht von der Kulturstiftung der Länder, 2005, S. 14.</ref> und blieb ihr lange eng verbunden. Noch heute weist das „Professorengestühl“ unterhalb der Fürstenloge darauf hin, dass die Marienkirche bis zur Jahrhundertwende um 1900 die Funktion einer Universitäts- und Ratskirche hatte. 1531 wurde in Rostock die Reformation eingeführt, die von der Petrikirche ausging, wo [[Joachim Slüter]] wirkte. Besonders in der nachreformatorischen Zeit wirkten bedeutende Theologen als [[Hauptpastor]]en an der Marienkirche, darunter [[Valentin Curtius]], [[Georg von Venediger]] und [[Lucas Bacmeister der Ältere]], [[Archidiakon (evangelische Kirchen)|Archidiakone]] waren [[Johann Quistorp der Ältere]] und [[Heinrich Müller (Theologe)|Heinrich Müller]]. [[Johannes Saliger]] (1568/69) und die nach ihm benannten ''Beatiner'' sorgten vorübergehend für Unruhe in der Gemeinde. Besonders im 17. Jahrhundert wirkten in St. Marien auch bekannte Kirchenmusiker, darunter die [[Kantor]]en [[Daniel Friderici]] und [[Erasmus Sartorius]] sowie der [[Organist]] [[Nicolaus Hasse]]. Seit 2007 übt [[Karl-Bernhardin Kropf]] die Funktion als Organist und Kantor aus. Während der [[Wende (DDR)|Umbruchszeit 1989]] war die Marienkirche, wie auch andere Rostocker Kirchen, Anlaufstelle oppositioneller Kräfte, die sich zu Friedensgebeten und Mahngottesdiensten unter der Leitung von Pastor [[Joachim Gauck]] versammelten. Von der Kirche gingen ab dem 19. Oktober 1989, immer am Donnerstag, die [[Montagsdemonstrationen 1989/1990 in der DDR|Demonstrationen gegen das SED-Regime]] aus, an denen bis zu 40.000 Rostocker teilnahmen. 1998 wurden die im Stadtkern gelegenen Kirchengemeinden St. Jakobi, St. Marien und St.Petri/St. Nikolai vereinigt. Die Gemeinde heißt seither „Evangelisch-Lutherische Innenstadtgemeinde Rostock“. == Baugeschichte == [[Datei:Marienkirche-Chor.jpg|thumb|Choranlage und südliches Querhaus (links). Die älteren Bauteile sind in rotem Backstein gehalten, die jüngeren in schichtweise verlegten farbigen Ziegeln gemauert. Auffällig ist das Fehlen von Strebepfeilern, das den Bau besonders kompakt erscheinen lässt.]][[Datei:Marienkirche-Pfeiler.jpg|thumb|Blick aus dem nördlichen Querhaus mit dem verstärkten Vierungspfeiler.]] Nach dem Zusammenschluss der vier Kernsiedlungen 1265 genügte der alte Kirchenbau dem Repräsentationsbedürfnis der aufstrebenden [[Hanse]]stadt nicht mehr, so dass bis etwa 1279 eine dreischiffige größere [[Hallenkirche]] aus [[Backstein]] errichtet wurde.<ref name="Dehio 467">Dehio, S. 467.</ref> Von dieser Vorgängerkirche ist heute noch das [[Sockelgeschoss]] mit abschließendem [[Bogen (Architektur)|Kleeblattbogen]] und der [[Giebel (Bauteil)|Giebelwand]] am Westbau erhalten. Nach westfälischem Vorbild hatte der Bau ein breites [[Kirchenschiff|Mittelschiff und schmale Seitenschiffe]] und wahrscheinlich einen chorlosen Ostabschluss. Bereits um 1290 begann man mit dem Umbau und der Vergrößerung zur dreischiffigen [[Basilika]] mit [[Umgangschor]].<ref name="Dehio 467" /> Als Vorbild und Maßstab diente die [[Marienkirche (Lübeck)|Lübecker Marienkirche]], mit der Rostock konkurrieren wollte. Fast gleichzeitig begannen die Arbeiten am [[Schweriner Dom]] und am nahegelegenen [[Doberaner Münster]] des dortigen [[Kloster Doberan|Zisterzienserklosters]]. [[Hauptwerke der Backsteingotik|Andere Hansestädte]] hatten kurze Zeit vorher mit dem Bau großer Kirchen begonnen oder zogen bald darauf nach. Die Umbauarbeiten begannen an der Ostseite der Kirche. Mitte des 14. Jahrhunderts wurde die ältere Hallenkirche abgebrochen, nachdem die neuen Außenwände fertiggestellt waren. Der ältere Turmbau wurde übernommen und erweitert, die geplante Doppelturmanlage aber nicht ausgeführt, nachdem sich das südliche Turmmauerwerk während der Bauarbeiten ein wenig nach Osten geneigt hatte.<ref name="Förderverein 14" /> Zu dieser Zeit wurden auch die mächtigen verstärkten [[Vierung]]spfeiler errichtet, die in größerem Abstand zueinander stehen als die [[Pfeiler]] der übrigen [[Joch (Architektur)|Joche]]. Dies deutet darauf hin, dass der Bau des einschiffigen [[Querhaus]]es frühzeitig geplant war. Ein Einsturz des Langhausgewölbes 1398 und eine anschließende Neukonzeption mit der Errichtung des Querhauses, von dem eine Inschrift neben dem südlichen Querschiffportal berichtet, wird in der Forschung heute angezweifelt, da alles auf eine kontinuierliche Bauentwicklung um 1398 hindeute.<ref>So Soffner, S. 3f.; Dehio, S. 467, und Kiesow, S. 165, gehen jedoch weiterhin von einer Bauunterbrechung 1398 aus.</ref> Charakteristisch für die Bauphase um 1400 ist die Verwendung schichtweise verlegter lehmgelber und grün [[Glasur (Keramik)|glasierter]] Ziegel, während in älteren Bauteilen durchwegs roter Backstein vermauert wurde. 1420 ist in Urkunden von Altären in den Seitenschiffen die Rede,<ref name="Soffner, S. 6">Soffner, S. 6</ref> was deren damalige Fertigstellung voraussetzt. Um 1440 wurde das Turmmassiv um ein Stockwerk erhöht, 1454 wurden die [[Gewölbe]] vollendet und die Kirche damit nach oben geschlossen. In nachreformatorischer Zeit wurde der Innenraum von St. Marien dem protestantischen Ritus angepasst. Von den vierzig Altären, die für die Zeit um 1500 bezeugt sind,<ref>Soffner, S. 19.</ref> blieben mit dem Rochusaltar und einem Flügel des Marienaltars nur noch zwei erhalten. 1723/24 wurden die Wände des Innenraumes erstmals weiß gekalkt.<ref name="Soffner, S. 6" /> Von der einstigen Ausmalung hat sich ein Rankenfries aus dem 14. Jahrhundert in der mittleren Turmhalle erhalten. Weitere Wandmalereien wurden 2005 bei Sanierungsarbeiten gefunden und freigelegt.<ref>''St.-Marien-Kirche in Rostock.'' Broschüre, herausgegeben vom Förderverein Stiftung St.-Marien-Kirche zu Rostock e.V., veröffentlicht von der Kulturstiftung der Länder, 2005, S. 30.</ref> Die heutige Turmspitze und der [[Dachreiter]] der Vierung stammen von 1796, auf Stichen des 16. Jahrhunderts sind jedoch bereits ähnliche Dachkonstruktionen zu sehen. In den Jahren 1901/02 wurden die Kupferdächer noch einmal saniert. Im [[Zweiter Weltkrieg|Zweiten Weltkrieg]] überstand St. Marien als einzige der Rostocker Stadtkirchen die schweren [[Bombenangriff]]e von 1942 und 1944 inmitten der weitgehend vernichteten Altstadt vergleichsweise glimpflich. Eine Reihe von Brand- und Phosphorbomben trafen die Kirche bei insgesamt drei Luftangriffen: die Turmlaterne, der Dachstuhl und die beiden kleinen Türme brannten. Diese Brände konnten dank schnellen Eingreifens unter Lebensgefahr durch den damaligen Küster Friedrich Bombowski, seine Tochter, weitere beherzte Bürger und Brandwachen der [[Wehrmacht]] gelöscht werden. Sie machten auch eingeschlagene Phosphorbomben unschädlich, bevor diese zu stärkeren Bränden führten. Die Tochter erlitt 1942 eine schwere Rauchgasvergiftung. Sie verstarb im Mai 1945 im Alter von 24 Jahren.<ref>Friedrich Bombowski:"Bericht über die Brände der Marienkirche zu Rostock bei den Bombenangriffen im April und Oktober 1942 und im Februar 1944". In "St. Marien Rostock. Die Rettung der Kirche im Jahre 1942". Hrsg Ev.-Lutherische Pfarre St. Marien, Rostock</ref> Notdürftig instandgesetzt, konnte die Kirche in den Nachkriegsjahrzehnten ihrer Bestimmung gemäß genutzt werden. Der Verschleiß durch Undichtigkeiten und Alterung setzte sich aber fort und macht eine umfassende Gesamtrestaurierung nötig. Rund 200.000 Touristen pro Jahr<ref name="Förderverein 14">''St.-Marien-Kirche in Rostock.'' Broschüre, herausgegeben vom Förderverein Stiftung St.-Marien-Kirche zu Rostock e.V., veröffentlicht von der Kulturstiftung der Länder, 2005, S. 8.</ref> belasten den Innenraum der Marienkirche zusätzlich. == Baubeschreibung == === Grundriss === [[Datei:Dehio 448 Rostock 2.png|thumb|180px|Grundriss der Marienkirche.]] St. Marien ist eine [[Kirchenschiff|dreischiffige]] Basilika. Das [[Joch (Architektur)|zweijochige]] [[Langhaus (Kirche)|Langhaus]] und das Querhaus treffen sich in der quadratischen zentralen [[Vierung]] und bilden einen kreuzförmigen [[Grundriss]], der dem Bau den Charakter eines [[Zentralbau]]s gibt. Das Querhaus ist mit 73 Metern fast ebenso lang wie der 76 Meter messende Kirchenbau in seiner gesamten West-Ost-Ausdehnung einschließlich des [[Westwerk]]s und der östlichen [[Chor (Architektur)|Choranlage]]. Der Chor umfasst zwei rechteckige Joche und einen polygonalen 5/8-Abschluss. Die Verlängerungen der Seitenschiffe bilden den [[Chorumgang]] mit fünf radial angelegten [[Kapelle (Kirchenbau)|Kapellen]]. Die [[Seitenschiff]]e sind in allen vier Jochen um jeweils zwei Kapellen an der Nord- und Südfassade erweitert. Die [[Mittelschiff]]breite beträgt 11&nbsp;Meter, die Raumhöhe 31,5&nbsp;Meter. Damit ist der Innenraum von St. Marien nach der Lübecker Marienkirche (38&nbsp;m), den Wismarer Kirchen [[Nikolaikirche (Wismar)|St. Nikolai]] (37&nbsp;m), [[Georgenkirche (Wismar)|St. Georgen]] (35&nbsp;m) und [[Marienkirche (Wismar)|St. Marien]] (32&nbsp;m) sowie der [[Marienkirche (Stralsund)|Stralsunder Marienkirche]] (32,4&nbsp;m) der sechsthöchste unter den großen Kirchen der Backsteingotik.<ref>Kiesow, S. 189.</ref> Das südliche Ende des Querhauses mit drei querrechteckigen Jochen schließt mit einer Schaufront ab, die das [[Portal (Architektur)|Kirchenportal]] bildet, während das nördliche Ende des Querhauses einen fünfseitigen Abschluss erhielt. === Außenbau === [[Datei:Rostock St. Marien Kirche 4.jpg|thumb|180px|Westwerk der Marienkirche. Links das nördliche Querhaus.]] Das mächtige Westwerk ragt mit seinem Turmmassiv kaum über den übrigen Baukörper hinaus, der vom Querhaus dominiert wird. Der in rotem Backstein ausgeführte blockhafte Westbau besteht im unteren Teil noch aus dem Sockelgeschoss des frühgotischen Vorgängerbaus, der oben von einem [[Bogenfries|Kleeblattbogenfries]] abgeschlossen wird. Die drei [[Spitzbogen|spitzbogigen]] [[Portal (Architektur)|Gewändeportale]], von denen das größte in der Mitte zugemauert ist, werden von einer rechteckigen Portalrahmung umfasst, die noch typisch [[Romanik|romanisch]] ist. Die teilweise vermauerten Spitzbogen- und Rundfenster haben [[Frühgotik|frühgotische]] Formen. Über diesem ältesten Teil der Kirche erheben sich drei einheitlich gestaltete Stockwerke, die in drei Blöcke untergliedert sind: Neben dem Mittelteil sind die seitlichen Blöcke durch streifenförmige Steinverlegung hervorgehoben. Diese Untergliederung wird als Hinweis auf eine ursprünglich geplante Doppelturmfassade gewertet. Jedes Stockwerk hat im Mittelteil ein, in den Außenteilen jeweils zwei, auf der Nord- und Südseite je drei spitzbogige [[Blende (Architektur)|Blendfenster]] und wird von einem [[Fries (Architektur)|Spitzbogenfries]] abgeschlossen. Die Turmecken sind durch aufgesetzte [[Lisene]]n abgesetzt. [[Datei:Rostock Marienkirche Turmfries3.jpg|thumb|left|Flachrelief aus dem 13. Jahrhundert am Westwerk]] Der Mittelteil überragt die Seiten um ein Stockwerk mit spitzbogigen Fenstern als Schalllöcher für die Glocken und weist oberhalb des dritten Geschosses als Besonderheit einen älteren Fries mit einfach gestalteten [[Relief (Kunst)|Flachreliefs]] auf. Die glasierten Tonfiguren aus dem 13.&nbsp;Jahrhundert stellen wahrscheinlich die [[Apostel]], [[Jesus]] und [[Maria (Mutter Jesu)|Maria]] dar sowie [[Propheten]] in den [[Zwickel (Architektur)|Arkadenzwickeln]]. Möglicherweise stammt der Fries vom [[Lettner]] der Vorgängerkirche.<ref>Soffner, S. 8; ''Die Bau- und Kunstdenkmale in der mecklenburgischen Küstenregion'', S. 383.</ref> Statt der nicht ausgeführten Doppelturmanlage erhebt sich über dem Westwerk ein [[Zeltdach]], das von einer zierlichen [[Laterne (Architektur)|Laterne]] bekrönt wird. [[Datei:Rostock St. Marien Kirche 5.jpg|thumb|Blick auf das Querhaus und den Chor (vorne) von Osten aus.]] Das nach 1290 gebaute Langhaus hebt sich durch den schichtweisen Wechsel von gelbem Backstein und grün [[Lasur|lasierten]] Ziegeln vom Westwerk ab. Eine Ausnahme davon macht der östliche [[Kapellenkranz]] aus dem frühen 15.&nbsp;Jahrhundert, bei dem ebenfalls rote Backsteine verwendet wurden. Die fünf Kapellen schließen den [[Chor (Architektur)|Chor]] polygonal ab. Zwischen den dreiteiligen Spitzbogenfenstern der Kapellen befinden sich [[Strebepfeiler]] mit [[Fiale|Fialtürmchen]], die erkennbar geplanten [[Strebebogen|Strebebögen]] wurden jedoch nicht ausgeführt, wodurch der Kirchenbau einen sehr kompakten Charakter hat. Die Kapellen des Chorumgangs werden lediglich unter dem Dachabschluss durch einen Kleeblattbogenfries geschmückt. Das nach 1398 errichtete Querhaus ist in der gleichen Schichtung gelber und grün lasierter Backsteine gemauert, wie das Langhaus und fast ebenso lang wie dieses. Die Südfassade des Querhauses ist mit großem fünfteiligem Mittelfenster und [[Blende (Architektur)|blendengeschmücktem]] Giebel als Schaufront gestaltet und bildet den Haupteingang der Kirche. Im [[Tympanon (Architektur)|Tympanon]] befinden sich [[barock]]e Figuren der [[Christliche Tugend|christlichen Tugenden]] aus der Mitte des 18.&nbsp;Jahrhunderts. Über der zentralen Vierung erhebt sich ein barocker Dachreiter mit Spitzhelm und Laterne. === Innenraum === [[Datei:Marienkirche-Gewölbe.jpg|thumb|Sterngewölbe der Marienkirche vom Chor aus gesehen mit der zentralen größeren Vierung, an die sich rechts das nördliche Querhaus anschließt.]] Der Innenraum der Marienkirche wird durch das Portal des südlichen Querhauses in Höhe des dritten Jochs betreten. Der Blick durch das gesamte Querhaus bis zu den drei hohen Spitzbogenfenstern im Norden ist unverstellt. Die Vierung bildet als Schnittstelle von Quer- und Langhaus fast genau die Mitte des Kirchenbaus von St. Marien. Lediglich das östliche Langhaus ist durch den Chor, der durch drei Stufen erhöht und somit hervorgehoben ist, länger als die drei übrigen Gebäudeteile. Das westliche Langhaus wirkt durch den Einbau des massiven Orgelprospekts dagegen verkürzt. Massige, gedrungen wirkende Pfeiler tragen über mehrfach [[Kehle|gekehlte]] Bögen als oberen Raumabschluss ein [[Sterngewölbe]], in den Seitenschiffen einfachere [[Kreuzrippengewölbe]]. Die sechs Pfeiler der [[Apsis|Chorapsis]] stammen noch aus der Zeit vor Errichtung des Querhauses. Vorgelegte [[Dienst (Architektur)|Dienste]] nehmen die Gewölberippen auf und leiten sie zum Boden. Die Stelle des üblichen [[Kapitell]]kranzes nimmt hier umlaufendes [[Laubwerk]]ornament ein. Inschriften zufolge stammt das Blattwerk der übrigen Pfeiler von 1723/24. Während das dem Eingangsportal gegenüberliegende nördliche Querhaus und der Chorumgang recht hell wirken, dringt vergleichsweise wenig Licht in den Chorraum und den Raum unterhalb der Orgelempore, da die Seitenschiffdächer sehr hoch angesetzt sind. Die Glasmalereien der Fenster des südlichen Querhauses reduzieren den Lichteinfall zusätzlich. === Bauzustand und Sanierung === Seit 1992 konnte durch die Arbeit eines Fördervereins, die finanzielle Unterstützung von Bürgern, Bund und Land Mecklenburg-Vorpommern, der Stadt Rostock, der [[Deutsche Stiftung Denkmalschutz|Deutschen Stiftung Denkmalschutz]] und anderer Stiftungen eine umfassende Sanierung St. Mariens in Angriff genommen werden. Im Zeitraum zwischen 1992 und 2005 konnten so 5,5 Millionen Euro aufgebracht werden.<ref>''St.-Marien-Kirche in Rostock.'' Broschüre, herausgegeben vom Förderverein Stiftung St.-Marien-Kirche zu Rostock e.V., veröffentlicht von der Kulturstiftung der Länder, 2005, S. 16.</ref> Seit 2004 sind die Kirchendächer wieder abgedichtet, Mauerwerk gesichert und Gewölbe restauriert worden. Für weitere notwendige Arbeiten, insbesondere die Sicherung von Chor- und Langhaus, die Erneuerung einsturzgefährdeter Fenster, die Reparatur des Westturms sowie der Orgel ist im Augenblick ein Zeitraum bis 2012 vorgesehen. Aktuell wird das Westwerk saniert, dessen Blenden auf der Südseite stark verwittert sind. <small>(Stand: August 2008)</small> == Ausstattung == Die Marienkirche weist neben der [[Nikolaikirche (Stralsund)|Nikolaikirche Stralsund]] die reichste erhaltene Ausstattung im Ostseegebiet auf, obwohl große Teile davon dem [[Bildersturm]] der Reformationszeit zum Opfer fielen. === Hauptaltar === [[Datei:HPIM0012.JPG|thumb|Der Hauptaltar.]] Der [[Altar|Hochaltar]] mit zweigeschossigem [[barock]]em Architekturaufbau aus Holz wurde 1720/21 von Baudirektor Christian Rudolph Stoldt aus Berlin entworfen und von Berliner Künstlern ausgeführt: dem Maler Andreas Weißhut, dem Bildhauer Hinrich Schaffer und dem Tischler Friedrich Möller. Der Altar ist grauoliv gefasst, die plastischen Figuren sind weiß, goldene Ornamente akzentuieren die Komposition. Der geschwungene Grundriss steht im Scheitel des Chorraumes und passt sich dem Chorschluss an. Links und rechts schließen sich [[Beichtstuhl|Beichtstühle]] an den Altar an, die von den beiden alttestamentlichen Königen und reuigen Sündern [[David (Israel)|David]] und [[Manasse (König)|Manasse]] bekrönt werden. Motiv des gemalten Hauptfeldes ist die [[Auferstehung Jesu Christi]], eingefasst von zwei Skulpturen, die die [[Gesetzestafeln]], ein Buch, Sonne und Mond tragen. Außen wird diese Etage von den Personifikationen der [[Christliche Tugend|christlichen Tugenden]] – Glaube, Liebe und Hoffnung – sowie der Stärke umrahmt. In der Sockelzone darunter ist das [[Abendmahl]] dargestellt. Eine geschnitzte, von [[Putte]]n getragene [[Kartusche (Kunst)|Kartusche]] mit einer Darstellung des Auferstandenen als [[Salvator Mundi]] bildet den Übergang vom Hauptfeld zu einem oberen Stockwerk des Altares. Auch dieses Gemälde, dessen Motiv die Herabkunft des [[Heiliger Geist|Heiligen Geistes]] während des [[Pfingstfest]]es ist, wird von vier plastischen Personifikationen der Tugenden umrahmt. An der Spitze des Altars befindet sich das in einem ausladenden Strahlenkranz ruhende [[Auge der Vorsehung|Auge Gottes]]. === Kanzel === [[Datei:Altar Marienkirche Rostock.JPG|thumb|Die Kanzel am südwestlichen Vierungspfeiler.]] Die [[Kanzel|Predigtkanzel]] befindet sich in ungewöhnlich großer Entfernung zum Altar am südwestlichen Vierungspfeiler. Der Grund dafür dürfte die relativ schlechte Akustik der Marienkirche gewesen sein, die eine größtmögliche Nähe zum Kirchenvolk nötig machte. Die [[Renaissance]]-Holzkanzel von 1574 stammt angeblich von dem aus [[Antwerpen]] stammenden, aber in Rostock ansässigen Bildhauer Rudolf Stockmann († 1622). Da Stockmann, der auch die Kanzeln der Petri- und der Jakobikirche sowie zahlreiche [[Epitaph (Grabinschrift)|Epitaphien]] schuf, erst ab 1577 in Rostock nachweisbar ist, ist diese Zuschreibung nicht unumstritten.<ref>Soffner, S. 16.</ref> Auf die Kanzel gelangt man über einen um den Pfeiler geschwungenen Aufgang, der von einem Eingangsportal abgeschlossen wird. Dieses ist im Aufbau der Architektur eines [[Triumphbogen]]s mit seitlichen [[Korinthische Ordnung|korinthischen Säulen]] und einem Bogenfeld über der Tür nachgebildet. Auf dieses ist ein Relief mit der Darstellung des [[Barmherziger Samariter|Barmherzigen Samariters]] zwischen [[Mose]]s und [[Johannes der Täufer|Johannes dem Täufer]] eingefügt, darüber ringt [[Jakob (Patriarch)|Jakob]] mit den Engeln. Das Geländer der Treppe ist zeittypisch mit reichen, vergoldeten Reliefs und Ornamenten geschmückt. Diese werden am Kanzelkorb in noch prächtigerer Form und vollplastisch mit Darstellungen der Passion und Auferstehung Christi fortgesetzt. Ihr [[Ikonographie|ikonographisches]] Programm ist charakteristisch für die norddeutsche Kunst der Reformationszeit.<ref>''Die Bau- und Kunstdenkmale in der mecklenburgischen Küstenregion'', S. 386.</ref> Der [[Schalldeckel]] wurde 1723 von dem Tischler Friedrich Möller und dem Bildhauer Dittrich Hartig aus Rostock gefertigt. Er ist dem Dekor der Spätrenaissance des älteren Korbs angepasst und stellt Szenen der [[Apokalypse des Johannes]] dar. === Orgel === [[Datei:Marienkirche-Orgel.jpg|thumb|Die Orgel. Die Predigtkanzel am südwestlichen Vierungspfeiler (links) wegen Bauarbeiten verdeckt. Die Fürstenloge befindet sich direkt unterhalb der Orgel.]] Der bis zum Gewölbe ansteigende prachtvolle [[Orgelprospekt]] (1766 bis 1769) mit unterbauter älterer Fürstenempore (1749–1751) und Ratsgestühl im westlichen Abschluss des Langhauses wurde von mehreren Rostocker Künstlern geschaffen: den Bildhauern J. A. Klingmann und J. G. Bergmann, dem Tischler Kählert und den Malern Hohhenschildt, Marggraf und Brochmann. Wie die beiden anderen raumbeherrschenden Elemente, Altar und Kanzel, ist auch die Orgel in grauoliv mit goldenen Ornamenten gefasst. Die Fürstenloge im Stil des [[Rokoko]] wird von zwei verglasten Balkonen flankiert und von einem [[Baldachin]] mit dem Wappen des [[Mecklenburg-Schwerin|Hauses Mecklenburg-Schwerin]] und den Initialen [[Christian Ludwig II. (Mecklenburg)|Christian Ludwigs II.]] gekrönt. Über der Empore ragt der Orgelprospekt auf, der deutlich später, aber in Zusammenarbeit derselben Künstler entstand. Die Fassade der [[Orgel]] ist ein Werk des Rostocker Orgelbauers [[Paul Schmidt (Orgelbauer)|Paul Schmidt]]. Da sein Orgelwerk „windsüchtig“ war, wie die Inschriften auf der Orgelempore berichten, wurde 1791 ein Umbau nötig, den [[Ernst Julius Marx]] bis 1793 ausführte. Im Inneren der Orgel ist von Schmidts Instrument nahezu nichts mehr erhalten. Nach weiteren Veränderungen wurde die Orgel zuletzt 1938 von der Orgelbauanstalt [[Wilhelm Sauer (Orgelbauer)|Firma Sauer]] (Frankfurt/Oder) umgebaut. Das Konzept für diesen neobarocken Umbau wurde vom [[Berliner Dom]]organisten Prof. [[Fritz Heitmann]] entworfen. Über 30 Register stammen aber noch aus der Zeit vor 1938, zudem wurde ein großer Teil der Windladen von Marx beibehalten. 1983 wurde das Instrument generalüberholt und 2007 von Einwirkungen der Gewölberestaurierung gereinigt. Es handelt sich um eine [[Klaviatur|viermanualige]] [[Schleiflade]]n-Orgel mit elektropneumatischer [[Traktur]] und 83 klingenden [[Register (Orgel)|Registern]] mit vier freien Kombinationen und folgender Disposition:<ref>http://www.st-marien-kantorei-rostock.de/orgeln.html</ref> {| border="0" cellspacing="0" cellpadding="10" style="border-collapse:collapse;" | style="vertical-align:top" | {| border="0" | colspan=2 | '''I Kronwerk''' C–f<sup>3</sup> ---- |- |Holzprinzipal || 8′ |- |Pommer || 4′ |- |Nasard || 2<sup>2</sup>/<sub>3</sub>′ |- |Nachthorn || 2′ |- |Sifflöte || 1′ |- |Sesquialter II || |- |Mixtur III–IV || |} <br /> {| border="0" | colspan=2 | '''I Positiv''' C–f<sup>3</sup> ---- |- |Gedackt || 8′ |- |Quintatön || 8′ |- |Oktave || 4′ |- |Blockflöte || 4′ |- |Prinzipal || 2′ |- |Terz || 1<sup>3</sup>/<sub>5</sub>′ |- |Quinte || 1<sup>1</sup>/<sub>3</sub>′ |- |Cymbel III || |- |Dulcian || 16′ |- |Krummhorn || 8′ |- |Regal || 4′ |- | |- |''Tremolo'' |} | style="vertical-align:top" | {| border="0" | colspan=2 | '''II Hauptwerk''' C–f<sup>3</sup> ---- |- |Prinzipal || 16′ |- |Quintade || 16′ |- |Oktave || 8′ |- |Holzflöte || 8′ |- |Gemshorn || 8′ |- |Oktave || 4′ |- |Rohrflöte || 4′ |- |Quinte || 2<sup>2</sup>/<sub>3</sub>′ |- |Oktave || 2′ |- |Mixtur V–VII || |- |Scharff IV || |- |Fagott || 16′ |- |Trompete || 8′ |- |Trompete || 4′ |} <br /> {| border="0" | colspan=2 | '''III Oberwerk''' C–f<sup>3</sup> ---- |- |Liebl. Gedackt || 16′ |- |Prinzipal || 8′ |- |Spitzflöte || 8′ |- |Gedackt || 8′ |- |Oktave || 4′ |- |Fugara || 4′ |- |Gedackt || 4′ |- |Quinte || 2<sup>2</sup>/<sub>3</sub>′ |- |Oktave || 2′ |- |Mixtur IV || |- |Trompete || 8′ |- |Oboe || 8′ |- |Schalmey || 4′ |} | style="vertical-align:top" | {| border="0" | colspan=2 | '''IV Schwellwerk''' C–f<sup>3</sup> ---- |- |Bourdon || 16′ |- |Prinzipal || 8′ |- |Hohlflöte || 8′ |- |Gedackt || 8′ |- |Salicet || 8′ |- |Vox-celestis || 8′ |- |Oktave || 4′ |- |Zartflöte || 4′ |- |Violine || 4′ |- |Quinte || 2<sup>2</sup>/<sub>3</sub>′ |- |Waldflöte || 2′ |- |Progressio III–IV || |- |Scharff IV || |- |Fagott || 16′ |- |Trompete || 8′ |- |Hautbois || 8′ |- | |- |''Tremolo'' |} | style="vertical-align:top" | {| border="0" | colspan=2 | '''Pedal''' C–f<sup>1</sup> ---- |- |Prinzipalbass || 32′ |- |Prinzipal || 16′ |- |Violon || 16′ |- |Subbass || 16′ |- |Gedacktbass || 16′ |- |Quinte || 10<sup>2</sup>/<sub>3</sub>′ |- |Oktavbass || 8′ |- |Violoncello || 8′ |- |Gedacktbass || 8′ |- |Oktave || 4′ |- |Nachthorn || 4' |- |Rauschpfeife II || |- |Flachflöte || 2′ |- |Großmixtur V || |- |Hohe Mixtur III || |- |Posaune || 32′ |- |Posaune || 16′ |- |Stillposaune || 16′ |- |Trompete || 8′ |- |Sordun || 8′ |- |Clairon || 4′ |- |Sing. Cornett || 2′ |} |} * ''[[Koppel (Orgel)|Koppeln]]:'' KW/III, I/II, III/II, IV/II, IV/I, IV/III, I/P, II/P, III/P, IV/P, Generalkoppel. * ''[[Spielhilfen]]:'' 4 freie Kombinationen. === Bronzefünte === [[Datei:Marienkirche-Bronzetaufe.jpg|thumb|Die Bronzefünte, dahinter Blick in den Chorumgang.]] Das [[Gotische Plastik|gotische]] Taufbecken (hier eine „[[Fünte|Bronzefünte]]“) in der nördlichsten Chorkapelle wurde wahrscheinlich von niedersächsischen Künstlern in Rostock gegossen und ist die bedeutendste und größte mittelalterliche Erztaufe im Ostsee-Küstengebiet. Auf die niedersächsische Herkunft der Künstler weisen Ähnlichkeiten etwa mit dem Taufbecken im [[Hildesheimer Dom]]. Kessel und Deckel sind stilistisch deutlich unterschieden und stammen von verschiedenen Meistern. Eine Inschrift datiert den Guss oder die Weihe des Taufkessels auf Ostern 1290, damit ist die Fünte das älteste Ausstattungsstück der Marienkirche. Der runde, sich konisch nach unten verjüngende Kessel wird von vier Männerfiguren mit großen Amphoren getragen, die als [[Allegorie]]n der [[Vier-Elemente-Lehre|vier Elemente]] bezeichnet sind, üblicherweise aber als die vier [[Garten Eden|Paradiesströme]] identifiziert werden. Zwei Streifenzonen auf dem Becken und drei auf dem Deckel – jeweils durch Schriftbänder voneinander getrennt, die in gotischen [[Majuskel]]n verkürzte Formen des [[Ave Maria]] und des [[Salve Regina]] mitteilen – sind mit reichem Figurenschmuck bedeckt. Anders als die Reliefs des Kessels sind die Figuren des spitzkegeligen Deckels nicht mitgegossen, sondern nachträglich aufgenietet worden. Die Szenen der beiden Reihen auf dem Kessel stellen unter Kleeblattarkaden und durch Säulen voneinander getrennt Leben und [[Passion]] Christi dar. Der unterste Streifen des Deckels zeigt [[Taufe Jesu|Taufe]] und [[Christi Himmelfahrt|Himmelfahrt]] Jesu. Begleitfiguren verkörpern die Einheit der Kirche. Der mittlere Deckelstreifen ist mit den [[Gleichnis von den klugen und törichten Jungfrauen|klugen und törichten Jungfrauen]] besetzt, ganz oben sind drei weibliche Heilige dargestellt. Ein sich in die Lüfte emporschwingender Adler auf einem achtteiligen Knauf krönt die insgesamt 2,95 Meter hohe Fünte. Die monumentale Größe rührt von der bis ins 15./16. Jahrhundert üblichen Sitte, Täuflinge mit dem ganzen Körper in das Wasser einzutauchen. Ursprünglich war die Fünte im mittleren Turmuntergeschoss aufgestellt. Während des Zweiten Weltkrieges war die Fünte zum Schutz in der Nähe der [[Dorfkirche Belitz]] vergraben worden und kehrte 1951 nach St. Marien zurück.<ref name="Förderverein 16">''St.-Marien-Kirche in Rostock.'' Broschüre, herausgegeben vom Förderverein Stiftung St.-Marien-Kirche zu Rostock e.V., veröffentlicht von der Kulturstiftung der Länder, 2005, S. 16.</ref> Dadurch hat das Metall teilweise Schaden genommen, die Flügel des Adlers mussten nach dem Krieg durch Holzflügel ersetzt werden und konnten erst 1998 gegen bronzene ausgetauscht werden.<ref name="Förderverein 16" /> === Astronomische Uhr === [[Datei:Astrologische Uhr Marienkirche zu Rostock.jpg|thumb|Die Astronomische Uhr.]] Im Chorumgang füllt hinter dem Hochaltar die elf Meter hohe [[astronomische Uhr]] den gesamten Raum zwischen zwei Pfeilern aus. Sie ist die älteste des hanseatischen Typs und die einzige deutsche Monumentaluhr mit noch funktionsfähigem mittelalterlichem Uhrwerk, das aus dem Jahr 1379 stammt. 1472 wurde die Uhr von Hans Düringer aus Nürnberg umgebaut und 1641 bis 1643 von Andreas Brandenburg und Michael Grote instandgesetzt. Die geschnitzten figürlichen [[Tierkreis]]ringe und [[Monatsbilder|Monatspersonifikationen]] aus dem 15. Jahrhundert wurden bei dieser Instandsetzung um eine architektonische Einfassung im Stil der Spätrenaissance erweitert. Gleichzeitig erhielt die Uhr ein Musik- und Schlagwerk. Das [[Glockenspiel (Spieluhr)|Glockenspiel]], dessen Melodien über eine Walze mit veränderbaren Stiften frei programmiert werden können, ertönt zu jeder vollen Stunde, der Figurenumzug erscheint nur zur 12. und 24. Stunde. Das große Zifferblatt im mittleren Teil hat eine 24-Stundenteilung. Außerdem werden neben der Mondphase die Stellung von Mond und Sonne im Tierkreis und noch ein sogenannter [[Bauernkalender]] angezeigt. Im unteren Kalendarium sind das Datum, der Wochentag, der Monat, der Sonnenaufgang, die Länge von Tag und Nacht und weitere antike Kalenderdaten, wie [[Römerzinszahl]], oder christliche, wie [[Osterdatum|Ostertermin]], Intervall zwischen Weihnachten und [[Fastenzeit]], Name des [[Namenstag|Tagesheiligen]] ablesbar. Auftraggeber der ursprünglichen Uhr war die [[Marientiden]]-Bruderschaft, der so genannte „Herren-[[Kaland]]“, in dessen Besitz sich die Kapelle befand. Mitglieder dieser Bruderschaft waren ausschließlich die Spitzen der Rostocker Gesellschaft, darunter der Bürgermeister, Universitätsprofessoren, Mitglieder des Fürstenhauses und der Adel der Region.<ref>M. Schukowski, S. 16.</ref> Gegenüber der Uhr, stand der Marienaltar der Bruderschaft mit einem bedeutenden Marien-[[Gnadenbild]]. Die Instandsetzung des 15. Jahrhunderts wurde unter anderem mit Ablassgeldern bezahlt.<ref>Abdruck der lateinischen Ablass-Urkunde bei M. Schukowski, S. 49.</ref> 1943 wurde die Uhr zum Schutz gegen Bombenangriffe eingemauert und erst 1951 wieder freigelegt. 1974/77 wurden die aus insgesamt 2.000 Einzelteilen bestehenden fünf Werke restauriert.<ref>''St.-Marien-Kirche in Rostock.'' Broschüre, herausgegeben vom Förderverein Stiftung St.-Marien-Kirche zu Rostock e.V., veröffentlicht von der Kulturstiftung der Länder, 2005, S. 18.</ref> === Rochusaltar === [[Datei:HPIM0024.JPG|thumb|Der Rochusaltar.]] Der zwischen Spätgotik und Frührenaissance stehende Rochusaltar aus der Zeit um 1530, der sich in der südöstlichen Chorkapelle befindet, ist eine Stiftung der [[Zunft]] der [[Barbier]]e und [[Wundarzt|Wundärzte]], deren [[Schutzheiliger|Schutzheilige]] [[Cosmas und Damian (Heilige)|Cosmas und Damian]] den linken Flügel des [[Triptychon]]s ausfüllen. Im Zentrum der [[Retabel|Schnitzretabeln]] stehen die beinahe lebensgroßen, fast vollplastischen Figuren der Heiligen [[Rochus von Montpellier|Rochus]], [[Sebastian (Heiliger)|Sebastian]] und [[Antonius der Große|Antonius]]. Während Rochus und Sebastian Schutzheilige gegen [[Pest]] und Seuchen sind, wurde Antonius zum Schutz vor [[Mutterkorn]]vergiftungen und Tierseuchen angerufen. Im rechten Altarflügel sind [[Christophorus]] und der heilige Bischof [[Hugo von Rouen]] dargestellt. Im [[Gesprenge]] vervollständigen Maria und vier weibliche Heilige das gestalterische Programm: [[Katharina von Alexandrien]], [[Barbara von Nikomedien|Barbara]] und [[Margareta von Antiochia|Margarethe]], die wie Christophorus zu den [[Vierzehn Nothelfer]]n zählen, und [[Dorothea (Heilige)|Dorothea]]. Der Schnitzaltar mit den für den norddeutschen Raum untypischen großen Vollplastiken ist wohl importiert worden oder setzt zumindest die Kenntnis süddeutscher Vorbilder voraus. Als Herkunftsregion kommt besonders der [[Niederrhein (Region)|Niederrhein]] in Betracht. Darauf weisen Formelemente wie [[Kielbogen]]abschlüsse und das Gesprenge hin. Vergleichbares gibt es jedoch auch in der Lübecker Werkstatt des [[Benedikt Dreyer]].<ref>Peter Palme, Kunstschätze, Rostocker Hefte 12, o. J., S. 13.</ref> === Weitere Ausstattung === [[Datei:MarienaltarRostock.jpg|thumb|Flügel des Marienaltars (um 1430/40).]] [[Datei:Marienkirche-Altar-Querhaus.jpg|thumb|Ehemaliger Hochaltar der Nikolaikirche im nördlichen Querhaus.]] Ein Flügel des sogenannten „Marienaltares“ befindet sich im südlichen Querhausarm. Er zeigt auf beiden Seiten acht Szenen von der Geburt bis zur Passion Christi. Aus stilistischen Gründen wird er um 1430/40 datiert und in den Umkreis des Hamburgers [[Meister Francke]] eingeordnet. Dem Künstler werden neben dem Marienaltar die Malereien der Hauptaltäre der [[Georgenkirche (Wismar)|Wismarer Georgenkirche]] und der [[St. Johanniskirche (Malchin)|Johanniskirche]] in [[Malchin]] zugeschrieben,<ref>[[Alfred Stange]]: ''Deutsche Malerei der Gotik.'' 1938, S. 202 ff.</ref> nach dem der Maler den [[Notname]]n [[Meister des Malchiner Altars]] erhielt. Gegenüber dem Eingangsportal, im nördlichen Querhaus, steht der ehemalige Hochaltar der Nikolaikirche. Der Altar stammt aus einer Rostocker Werkstatt und wurde im dritten Viertel des 15. Jahrhunderts geschnitzt. Die gleiche Werkstatt schuf den Altar in der [[Kloster zum Heiligen Kreuz|Heiligkreuzkirche]]. In der westlich daran angrenzenden Kapelle, der sogenannten „Brökerkapelle“, befindet sich eine spätgotische [[Mondsichelmadonna]], die wahrscheinlich aus dem ersten Viertel des 16. Jahrhunderts stammt. An der nördlichen Wand der Kapelle hängt ein [[Wandteppich|Teppich]] mit [[Applike|Applikationsarbeiten]] aus der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts. Die dargestellten Motive lassen auf eine liturgische Bestimmung des Wandteppichs zum [[Verkündigung des Herrn|Fest der Verkündigung des Herrn]] schließen. In das Fenster darüber sind die einzigen spärlichen Reste mittelalterlicher [[Glasmalerei]] der Marienkirche eingearbeitet. An der linken Wand der Kapelle hängt ein weißes Leinentuch mit bunter Seidenstickerei, das sogenannte „Hochzeitstuch“, aus dem 16. Jahrhundert, auf dem über einem Wappen ein Paar dargestellt ist. Tiere, ein Dudelsackspieler, Ranken- und Blütenornamentik füllen den Rest des gut drei Meter langen und knapp 70 Zentimeter breiten Tuches aus. An Pfeilern und Wänden finden sich zahlreiche Tafelbilder, darunter zwei [[Lazarus]]darstellungen des 17. Jahrhunderts, und mehrere Porträts von Pastoren aus dem 17. und 18. Jahrhundert. Von den einstigen Glasmalereien haben sich wegen der Kriegsschäden nur Reste erhalten. Die Darstellung des [[Jüngstes Gericht|Jüngsten Gerichts]] im südlichen Querhaus stammt aus dem Jahre 1906 und wurde von einer Innsbrucker Werkstatt geschaffen. Im Chorumgang hängt ein Schiffsmodell des [[Fregatte|Fregattseglers]] „Carl Friedrich“ von 1840. === Grabkapellen und Epitaphe === [[Datei:Marienkirche-Epitaphien.jpg|thumb|Von Heinensche und Mann'sche Grabkapelle.]] Die Seitenschiffkapellen am Langhaus und am Chor dienten früher als [[Gruft|Grüfte]] und wurden mit aufwändigen hölzernen Architekturschauwänden versehen. Drei dieser Grüfte sind heute noch im südwestlichen Seitenschiff des Langhauses vorhanden. Die erste Langhauskapelle in der Ecke neben dem Eingangsbereich ist das Meerheimbsche Erbbegräbnis von 1820 mit einer Schauwand in Form einer Tempelfront. Zwei [[Epitaph (Grabinschrift)|Epitaphe]] der Spätrenaissance für die Familien von Kosse und von Lehnsten füllen den Zwischenraum zur nächsten Kapelle aus, dem Erbbegräbnis der Familie von Heinen, das heute als einzige Grabkapelle noch drei [[Sarkophag|Sandsteinsarkophage]] enthält. Die Kriegswaffen über der Eingangstür weisen auf die militärische Karriere Albrecht Christopher von Heinens hin, zentral ist ein liegendes Skelett dargestellt. Daneben liegt die frühere „Schusterkapelle“, später „Vorsteherstube“, die Begräbnisstätte für den Rostocker Zweig der [[Mann (Familie)|Schriftstellerfamilie Mann]] war. Wie die meisten Sarkophage aus der Marienkirche wurden auch diese auf Friedhöfe umgebettet. Die Fenster über der Kapelle wurden 1896 von August Friedrich Mann gestiftet und zeigen Bildnisse mehrerer Familienmitglieder. Zwischen beiden Kapellen hängt das Gulesche Epitaph aus dem frühen 17. Jahrhundert. Weitere Epitaphe und zahlreiche Grabsteine sind über den ganzen Kirchenraum verteilt. === Glocken === [[Datei:Glocken Marienkirche Rostock.JPG|miniatur|''Bürgerglocke'' (links) und ''Große Glocke'' in der nordöstlichen Kapelle des Chorumgangs]] In der nordöstlichen Kapelle des Chorumgangs stehen die beiden ältesten [[Glocke]]n der Marienkirche, die beide gesprungen sind. Um 1300 wurde die ''Bürgerglocke'' (~2.960&nbsp;kg, Ø&nbsp;170&nbsp;cm) gegossen; die ''Große Glocke'' (~3.960&nbsp;kg, Ø&nbsp;175&nbsp;cm) goss [[Rickert de Monkehagen]] im Jahre 1409. Beide wurden 1950 geschweißt, die Risse brachen aber beim Probeläuten wieder auf; die Kronen fehlen ganz. Nahezu unbeschädigt ist die ''Bleichermädchen'' genannte Glocke (~600&nbsp;kg, Ø&nbsp;100&nbsp;cm, [[Nominal (Glocke)|Schlagton]]&nbsp;b<sup>1</sup>), die seit 1980 an der Ecke von Langhaus und südlichem Querschiff steht. Diese Glocke stammt ebenfalls aus der Gießerwerkstatt Monkehagen und wurde 1450 gegossen.<ref name="Glockenprojekt">[http://www.st-marien-kantorei-rostock.de/glocken.html Glockenprojekt an St. Marien zu Rostock]</ref> Im Turm hängen vier Glocken. Die älteste wurde 1545 von Peter Matze gegossen (~1.250&nbsp;kg, Ø&nbsp;130&nbsp;cm, Schlagton e<sup>1</sup>) und gelangte 1942 nach der Zerstörung der [[Petrikirche (Rostock)|Petrikirche]] auf den Turm der Marienkirche. 1979 ergänzte [[Glockengießerei (Apolda)|Peter Schilling aus Apolda]] zwei Glocken (3.456&nbsp;kg, Ø&nbsp;171&nbsp;cm, Schlagton&nbsp;h<sup>0</sup> und 1.948&nbsp;kg, Ø&nbsp;140&nbsp;cm, Schlagton&nbsp;d<sup>1</sup>). In der Turmlaterne hängt starr die ''Stundenschlagglocke'' (Schlagton&nbsp;h<sup>0</sup>) von 1379, die ebenfalls aus der Werkstatt Monkehagen stammt und seit Dezember 2009 wieder über einen [[Uhrschlag]]-Hammer verfügt.<ref name="Glockenprojekt"/> Im Zuge eines Glockenprojekts sollen die abgestellten Glocken der Marienkirche restauriert und wieder läutbar gemacht werden. Die Petrikirche wird im Gegenzug ihre alte Glocke von 1545 sowie die beiden Schilling-Glocken aus St. Marien erhalten, um das dortige, notdürftige Eisenhartguss-Geläut im Glockenträger vor der Kirche zu ersetzen.<ref>[http://www.youtube.com/watch?v=ye1SolSlV3g Videoaufnahme des Eisenhartguss-Geläuts (YouTube, 3′22″)]</ref> Die dort wiederum im Kirchenschiff abgestellte, 1554 von Hans Lavenpris gegossene ''Wächterglocke'' (~1.200&nbsp;kg, Ø&nbsp;140&nbsp;cm, Schlagton&nbsp;f<sup>1</sup>) gehörte ursprünglich zu St.&nbsp;Marien. Sie soll ebenfalls restauriert und wieder zurückgeführt werden.<ref name="Glockenprojekt"/> == Literatur == *Gerd Baier: ''Die Marienkirche zu Rostock''. In: ''Das christliche Denkmal''. 3., verbesserte Auflage. Heft 6, Union-Verlag, Berlin 1988 (1. Auflage 1972), ISBN 3-372-00126-5. * Gerd Baier, Heinrich Trost: ''Die Bau- und Kunstdenkmale in der mecklenburgischen Küstenregion''. Herausgegeben von der Arbeitsstelle Schwerin des Instituts für Denkmalpflege. Henschel, Berlin 1990, ISBN 3-362-00523-3, S. 380–394. * Georg Dehio, Gerd Baier: ''Handbuch der Deutschen Kunstdenkmäler. Mecklenburg-Vorpommern.'' Neubearbeitung durch Hans-Christian Feldmann. Deutscher Kunstverlag, München / Berlin 2000, ISBN 3-422-03081-6, S. 466 ff. * Tilman Jeremias (Hrsg.): ''… die thronende Marienkirche - eine Gottesburg''. Aus der Geschichte von St. Marien Rostock. KSZ-Verl. & Medien, Rostock 2007, ISBN 978-3-930845-75-0. * Gottfried Kiesow: ''Wege zur Backsteingotik''. 2. Auflage. Deutsche Stiftung Denkmalschutz, Monumente-Publikationen, Bonn 2007, ISBN 3-936942-34-X. * Ulrich Nath: ''Die Glocken von St. Marien'', Eigenverlag Innenstadtgemeinde Rostock, Rostock, 2002 * Ulrich Nath; Joachim Vetter: ''Die Orgel der St.-Marien-Kirche zu Rostock''. Stiftung der St.-Marien-Kirche zu Rostock e.V., 2004 * Ulrich Nath: ''Die Kanzel der St.-Marien-Kirche zu Rostock''. Ev-luth Kirchgemeinde St.-Marien-Kirche, 2004 * Manfred Schukowski unter Mitarbeit von Wolfgang Erdmann u. Kristina Hegner: ''Die Astronomische Uhr in St. Marien zu Rostock''. Langewiesche Nachf., Königstein im Taunus 1992, ISBN 3-7845-1235-6. * Monika Soffner: ''St.-Marien-Kirche zu Rostock''. 4. Auflage. Kunstverlag Peda, Passau 2005, ISBN 3-89643-628-7. == Weblinks == {{Commons|Category:Marienkirche (Rostock)|Marienkirche}} * [http://www.marienkirche-rostock.de Marienkirche Rostock] * [http://www.mv-terra-incognita.de/beitraege/denkmale/b/marien/marien.htm Historische Rostocker Bauwerke – Die St.-Marien-Kirche] * [http://www.rettet-st-marien-rostock.de Stiftung St.-Marien-Kirche zu Rostock e. V.] * [http://www.st-marien-kantorei-rostock.de Marien-Kantorei Rostock] * [http://www.innenstadtgemeinde.de Website der Kirchengemeinde] == Einzelnachweise == <references/> {{Navigationsleiste Die früheren Rostocker Hauptpfarrkirchen}} [[Kategorie:Kirchengebäude in Rostock]] [[Kategorie:Baudenkmal in Rostock]] [[Kategorie:Marienkirche in Mecklenburg-Vorpommern|Rostock, Maria]] [[Kategorie:Backsteingotik in Rostock|Marienkirche]] [[Kategorie:Disposition einer Orgel|Rostock, Marienkirche (Rostock)]] [[Kategorie:Kirchengebäude des Kirchenkreises Rostock|Rostock, Marien]] {{Coordinate |NS=54/5/22.37/N |EW=12/8/18.96/E |type=landmark |region=DE-MV}} {{Exzellent}} [[en:St. Mary's Church, Rostock]] [[is:Maríukirkjan í Rostock]] [[nl:Marienkirche (Rostock)]] [[pl:Kościół Mariacki w Rostocku]] j8loto70pc3devwko8diwsqfywk0wrz wikitext text/x-wiki Markthalle III 0 23896 26492 2009-11-09T18:11:24Z Beek100 0 Kat-Präzisierung [[Bild:Berlin - Markthalle III - Front.jpg|thumb|Das renovierte Vordergebäude der Markthalle III an der Zimmerstraße]] Die '''Markthalle III''' in der [[Berlin]]er [[Berlin-Friedrichstadt|Friedrichstadt]] entstand in der ersten Phase des kommunalen Bauprogramms für die Berliner [[Markthalle]]n zwischen 1884 und 1886. Die Kleinmarkthalle sollte im Zusammenspiel mit der [[Zentralmarkthalle]] am Alexanderplatz und den anderen Kleinmarkthallen die ausreichende Versorgung der ständig wachsenden Bevölkerung Berlins mit günstigen und unverdorbenen Lebensmitteln sicherstellen und die Straßen und Plätze von den zunehmend als unhygienisch und als Verkehrshindernis empfundenen [[Wochenmarkt|Wochenmärkten]] befreien. Die Halle schloss 1910 wegen Unrentabilität und beheimatete anschließend das Berliner '''Konzerthaus Clou''', in dem [[Adolf Hitler]] am 1.&nbsp;Mai 1927 erstmals als Redner in Berlin auftrat. Zum Ende des [[Zweiter Weltkrieg|Zweiten Weltkriegs]] wurde das Bauensemble weitgehend zerstört. Das noch vorhandene Vorderhaus steht heute unter [[Baudenkmal|Denkmalschutz]] und wurde 2006 umfassend restauriert. == Überblick == Die Markthalle III lag an der Zimmerstraße 90–91 und der Mauerstraße 82 in der Friedrichstadt; das heute noch vorhandene Vorderhaus steht an der Zimmerstraße. Das Gebäude gehörte zum Bauprogramm der insgesamt 14 Berliner Markthallen, die zwischen 1884 und 1892 in drei Bauphasen entstanden. Stadtbaurat [[Hermann Blankenstein]] und sein Büro zeichneten wie für alle weiteren Hallen die Pläne für die von 1884 bis 1886 in der ersten Phase errichtete Markthalle. Der Wandel der Friedrichstadt vom Wohn- zum Geschäftsviertel und die damit verbundene Abnahme der Wohnbevölkerung ließ den Betrieb der Markthalle unrentabel werden. So schloss der Berliner [[Magistrat]] die Markthalle und verpachtete sie am 1.&nbsp;April 1910 vorerst für 15 Jahre an das Gastronomieunternehmen [[Hoffmann & Retschlag]], das sie 1910 durch den Architekten [[Johannes Kraaz]] zum ''Berliner Konzerthaus Clou'' umbauen ließ. Das seinerzeit größte Vergnügungslokal Berlins diente neben Konzerten auch für politische Veranstaltungen wie dem erwähnten Hitlerauftritt. Nach Aufteilung und Verkauf des Grundstücks Ende der 30er Jahre an den ehemaligen Pächter Hoffmann & Retschlag und an den [[Franz-Eher-Verlag]], der an der Zimmerstraße seine Berliner Niederlassung einrichtete, zogen Redaktionen und Druckerei verschiedener nationalsozialistischer Propagandazeitschriften in das Vorderhaus an der Zimmerstraße ein. Das kriegsbedingt geschlossene Vergnügungslokal diente im Februar 1942 während der [[Fabrikaktion]] als Sammellager für verhaftete Juden vor der [[Deportation deutscher Juden|Deportation]]. Am Ende des Zweiten Weltkrieg wurde der Markthallenkomplex bis auf das Vorderhaus an der Zimmerstraße zerstört. Der unter [[Denkmalschutz]] stehende Überrest der einst ausgedehnten Markthallenanlage erinnert heute an die Anstrengungen zur Lebensmittelversorgung der Berliner Bevölkerung im 19.&nbsp;Jahrhundert, an das Nachtleben und die Vergnügungskultur vor dem Zweiten Weltkrieg, aber auch an das dunkle Kapitel deutscher Geschichte im [[Nationalsozialismus]]. == Bauphase und Eröffnung == [[Bild:Berlin Markthalle III Lageplan.jpg|thumb|upright=1.9|Die Markthalle III (durch den blauen Kreis markiert) mit ihrem Umfeld auf einem Stadtplan von 1896]] Die geplante [[Markthalle II]] an der Lindenstraße/Friedrichstraße allein konnte den Bedarf der bevölkerungsreichen Friedrichstadt nicht decken. Für den Bau der zweiten Markthalle der Friedrichstadt erwarb die Stadt Berlin im Mai 1883 die Grundstücke Mauerstraße 82 und Zimmerstraße 89–91 für 850.600&nbsp;[[Goldmark]]. Nach der Zustimmung der [[Berliner Stadtverordnetenversammlung|Stadtverordnetenversammlung]] am 21.&nbsp;Mai 1884 zu den vom Magistrat vorgelegten Plänen für die Markthalle III begannen die Bauarbeiten bereits am 23.&nbsp;Juli 1884. Im Oktober 1884 gerieten die Vorbereitungen durch einen Konflikt zwischen dem Magistrat und dem [[Der Polizeipräsident in Berlin|königlichen Polizeipräsidium]] jedoch ins Stocken. Das Präsidium forderte für alle Markthallen die Einteilung der Holzbedachung durch vier Meter breite, unbrennbare Streifen in Segmente von maximal 1600 Quadratmeter Größe und die Verbreiterung der Durchfahrten durch die Vorgebäude und Portale auf neun Meter. Die Verbreiterung der Durchfahrten war zumindest für die Durchfahrt an der Mauerstraße jedoch nicht möglich, da das Grundstück an der Straße eine zu geringe Breite aufwies. Die am 20.&nbsp;Oktober 1884 eingestellten Arbeiten ruhten bis zum Entscheid des Ministers des Innern am 22.&nbsp;April 1885, der mehrheitlich zugunsten des Magistrats ausfiel. Die Markthalle III wurde am 3.&nbsp;Mai 1886 ihrer Bestimmung übergeben und gleichzeitig mit der Zentralmarkthalle am Alexanderplatz und den anderen Kleinmarkthallen der ersten Bauphase eröffnet. Die Markthalle III ersetzte die Wochenmärkte auf dem [[Gendarmenmarkt]], dem [[Dönhoffplatz]] und dem [[Potsdamer Platz]], die geschlossen wurden. Die Bau- und Einrichtungskosten für die Markthalle und das Vorderhaus an der Mauerstraße summierten sich auf 644.267&nbsp;Mark&nbsp;<ref name="Lindemann"> August Lindemann: ''Die Markthallen Berlins.'' Verlag Springer, Berlin 1899</ref>. Die Kosten für das Vordergebäude an der Zimmerstraße trug die Städtische Sparkasse, die darin ihre Geschäftsräumlichkeiten einrichtete. <br style="clear:right;" /> == Die Bauparzelle == [[Bild:Markthalle III Grundriss.jpg|thumb|upright=1.9|Die unregelmäßig geformte Parzelle mit dem Grundriss des Erdgeschosses]] Die unregelmäßig geformte Bauparzelle setzte sich zusammen aus einem [[Rechteck]] von 37,31&nbsp;mal&nbsp;46,14&nbsp;Metern entlang der Zimmerstraße. Die im nebenstehenden Grundriss als „verkaufter Bauplatz“ bezeichnete Parzelle von 13,0&nbsp;Meter Länge an der Straßenfront und 37,24&nbsp;Meter Tiefe trennte die Stadt Berlin an der östlichen Seite vom ursprünglich gekauften Grundstück ab und verkaufte sie als Zimmerstraße 89. So reduzierten sich die Grundstückskosten im teuren Bereich der Innenstadt und entlasteten das angespannte Budget für das Markthallenbauprogramm. Für die auf dem Hinterland der Parzelle errichtete Markthalle stellte dies keine Einschränkung dar, da die verbleibende Breite an der Straße bei weitem für das Vorderhaus und die Durchfahrt reichten. Daran schloss sich ein Rechteck von 59,60&nbsp;mal&nbsp;98,45&nbsp;Metern mit „abgeschnittener“ Ecke an. Diese Grenzlinie, ungefähr von der Mitte der nördlichen zur Mitte der östlichen Seite, folgte annähernd dem Verlauf der Mauerstraße. In der Mitte dieser schrägen Grenzlinie fügte sich das schmale, 45,95&nbsp;Meter tiefe [[keil]]förmige Grundstück Mauerstraße&nbsp;82 an, das an der hinteren Grundstücksgrenze 16,9&nbsp;Meter breit war und dessen Breite an der Straße von 5,13&nbsp;Metern gerade noch für die anzulegende Durchfahrt genügte. <br style="clear:right;" /> == Der Markthallenkomplex == Der Markthallenkomplex zeigt mit der Markthalle im Grundstücksinnern und den beiden Vordergebäuden mit den Durchfahrten die typischen Elemente der Hallen des kommunalen Bauprogramms, die nicht als freistehende Hallen errichtet wurden. Hermann Blankenstein plante die Vorderhäuser vielfach als gemischte Wohn- und Geschäftshäuser mit Ladengeschäften im Erdgeschoss und Wohnungen in den oberen Etagen. Bei der Markthalle III ließ sich als Besonderheit mit der Filiale der Städtischen Sparkasse im Vordergebäude an der Zimmerstraße neben der Markthalle eine weitere städtische Bauaufgabe erledigen. === Das Vordergebäude an der Zimmerstraße === ==== Haus, Hof, Seitenflügel und Durchfahrt ==== [[Bild:Zimmerhalle3 Berlin.JPG|thumb|upright=1.5|Die Durchfahrt mit den Kreuzrippengewölben gestaltet mit hellgelben und hellroten Klinkern und Formsteinen]] Auf dem Grundstück an der Zimmerstraße 90–91 entstand ''auf Kosten der städtischen Sparkasse''<ref name="Lindemann"/> ein viergeschossiges, 13,8&nbsp;Meter tiefes Vorderhaus mit zwei Seitenflügeln von 8,87&nbsp;Meter an der westlichen und 9,08&nbsp;Meter Tiefe an der östlichen Grundstücksgrenze. Es enthält neben der 3,6&nbsp;Meter breiten Durchfahrt zur Markthalle links und rechts je einen 1,6&nbsp;Meter breiten Durchgang für Fußgänger. Fahrrinnen aus Granit in der Durchfahrt, wie im angrenzenden Hof, lenkten den Wagenverkehr. Zwischen den Fahrrinnen war sie mit Eisenklinkern gepflastert, die übrige Hoffläche war [[asphalt]]iert. Eiserne Pfosten mit dazwischen gespannten Ketten trennten den Wagen- vom Fußgängerverkehr. Die mit hellroten Klinkern und Formsteinen ausgeführten Pfeiler, Gurte und [[Kreuzrippe]]n der 6,0&nbsp;Meter hohen Durchfahrt kontrastieren mit den hellgelb verblendeten Gewölben und Wandflächen, belebt durch Streifen eingelegter blaugrün glasierter Ziegel. Bei Dunkelheit erhellten zwei [[Kohlebogenlampe|Bogenlampen]] von 9&nbsp;[[Ampère]] die Durchfahrt bei Bedarf. Die Geschäftsräume der Städtischen Sparkasse im Erdgeschoss der linken Haushälfte und des zugehörigen Seitenflügels waren gegen die Durchfahrt und den anschließenden Hof orientiert. Die Kunden betraten die Filiale durch ein Portal in der Durchfahrt. Die ungefähr 1&nbsp;Meter über Straßenniveau liegenden Räume umfassten das Zimmer des Rechnungsführers (im Plan als ''[[Rendant]]'' bezeichnet) mit dahinterliegendem [[Tresor]]raum, der Halle für den Publikumsverkehr, einem Sitzungszimmer für das [[Kuratorium]] und [[Toilette|Abort]]anlagen. Eine [[Wendeltreppe]] im Sitzungszimmer führte zur [[Registratur (Akten)|Registratur]] der Sparkasse im Obergeschoss des Seitenflügels. Im Erdgeschoss des rechten Flügels, nur wenige Zentimeter über Straßenniveau, befanden sich ein großer und ein kleiner Laden sowie das Haupttreppenhaus des Wohnhauses. Der rechte Seitenflügel war ursprünglich als Wohnung für den Mieter des größeren Ladens geplant. Das auf Ebene der Markthalle liegende Erdgeschoss musste jedoch als Planungsänderung dem [[Trichinenschau|Fleischschau]]<nowiki>amt</nowiki> zugewiesen werden und die darunter liegenden Kellerräume beanspruchte die Marktpolizei zur Lagerung [[Konfiskation|konfiszierten]] Fleisches und anderer beanstandeter Marktwaren. Nur das darüberliegende 2,5&nbsp;Meter hohe Zwischengeschoss konnte wie geplant vermietet werden. In den drei oberen Geschossen des Vorderhauses vermietete die Stadt Berlin je zwei große Wohnungen, die das Vorderhaus und je einen Seitenflügel umfassten und eine kleine Wohnung im östlichen Seitenflügel. ==== Die Fassade ==== {|align = left cellspacing="10" |[[Bild:Berlin - Markthalle III - Detail 6.jpg|100px]] |- |[[Bild:Berlin - Markthalle III - Detail 5.jpg|100px]] |- |[[Bild:Berlin - Markthalle III - Detail 3.jpg|100px]] |- |[[Bild:Berlin - Markthalle III - Detail 7.jpg|100px]] |} [[Bild:Berlin Markthalle III Front Zimmerstrasse.jpg|thumb|upright=1.9|Die spätklassizistische Fassade an der Zimmerstraße]] Die [[Klassizismus|spätklassizistische]] Fassade steht in der Tradition der [[Schinkelschule]]. Blankenstein verwendete eine Kombination von Sandstein und Backstein in Form von Klinkern, Formsteinen und [[Terrakotta|Terrakotten]] in hellgelben und hellroten Farbtönen. Der 10,2&nbsp;Meter breite, dreiachsige [[Risalit|Mittelrisalit]] tritt gegen die beiden ebenfalls dreiachsigen Seitenfassaden um 25&nbsp;Zentimeter leicht vor die Gebäudeflucht und betont den Zugang zur Markthalle. Das ungefähr 5,8&nbsp;Meter hohe Rundbogenportal der breiten Durchfahrt in der Mittelachse wird links und rechts von den zwei 3,3&nbsp;Meter hohen Rundbogenportalen der Fußgängerdurchgänge flankiert. Mit reich verzierten schmiedeeisernen Gittern ließen sich diese Öffnungen verschließen. Über dem Scheitel des Mittelbogens nannte eine heute nicht mehr vorhandene Inschrift ''Markthalle III'' die Bestimmung des Gebäudes. Zwei quadratisch umrahmte [[Medaillon (Ornament)|Sandsteinmedaillons]] über den Fußgängerdurchgängen illustrieren die Funktion der Markthalle bildlich. Im rechten Medaillon steht der von zwei Schlangen umschlungene [[Hermesstab]] als allgemeines Symbol für Handel und Wirtschaft. Der Stab ist gleichzeitig die Achse einer [[Balkenwaage]], die auf den in der Markthalle unzählige Male pro Tag stattfindenden Wiegevorgang verweist. Als Waage [[Iustitia (Mythologie)|Iustitias]] gedeutet, symbolisiert sie das ''gerechte'', staatlich kontrollierte Wiegen in den Markthallen. [[Obst]] in Form von Trauben, Äpfeln und Birnen in den Waagschalen, zeigen angebotene Waren der Markthalle. Im linken Medaillon findet sich mit dem geflügeltem Helm des [[Hermes (Mythologie)|Hermes]] ein zweites allgemeines Symbol für Handel und Wirtschaft. Der [[Dreizack]] des [[Poseidon]], gekreuzt mit einem [[Beil|Schlächterbeil]], von den Zacken des Dreizacks hängende Fische und Krebse, die Blumen und das am Schlächterbeil hängende [[Gemüse]]bündel erzählen von den weiteren Marktangeboten und ihrer Herkunft. Je drei aneinander gereihte große Rundbögen gestalten das Erdgeschoss im linken und rechten Flügel. Der sparsame bauplastische Schmuck beschränkt sich auf die [[Kapitell]]e und [[Rosette (Ornamentik)|Rosetten]] zwischen den Bögen. Das gesamte Erdgeschoss ist über dem 30&nbsp;Zentimeter hohen Granitsockel mit [[Powiat Bolesławiecki|Warthau]]er Sandstein verblendet. Die mit Rosetten verzierten Terrakottarahmungen der Segmentbogenfenster im ersten und zweiten Obergeschoss und ihre mit einem [[Kyma]] profilierten [[Verdachung (Architektur)|Verdachungen]], sind im gleichen hellgelben Farbton wie die gesamte Fassade. Der in beiden Geschossen auf Sturzhöhe der Segmentbogenfenster durchlaufende [[Mäander (Ornamentik)|Mäanderfries]] hebt sich dagegen mit seinem hellen Rot wirkungsvoll ab und betont die Horizontale. Die großen Terrakottaplatten zwischen den Fenstern des Mittelrisaliten im ersten und zweiten Obergeschoss, zeigen Rank- und Blattmuster in [[Renaissance]]formen. Im ersten Obergeschoss halten weibliche Figuren vor diesem Hintergrund Tafeln mit den Jahreszahlen 1884 und 1886 – Beginn und Ende der Bauzeit. Ein hellroter Blatt- und Rosettenfries unter dem [[Gesims|Fenstergesims]] trennt das zweite und dritte Obergeschoss. An die Stelle der Segmentbogenfenster in den unteren Geschossen treten in den seitlichen Flügeln zwei gekuppelte, kleinere Segmentbogenfenster. An den Ecken des Mittelrisaliten prangen als Hoheitszeichen links das [[Wappen Berlins]] mit dem [[Berliner Bär]]en und rechts das Wappen [[Preußen]]s mit dem Adler. Aufgesetzte Terrakottaplatten mit Ranken- und Blattornamenten zwischen den Fenstern des Mittelrisaliten sowie an den Enden der Flügel fassen die Fenster des dritten Geschosses zu einem Band zusammen. Ein von [[Konsole (Architektur)|Konsolen]] getragener, vorkragender Rundbogenfries leitet über zum Dachgesims, das nach einem [[Zahnschnitt]] die Fassade mit der [[Akanthus (Ornament)|Akanthus]] verzierten [[Rinnleiste]] und den [[Antefix]]en in Form von [[Palmette]]n nach oben abschließt. Das sehr flach geneigte [[Satteldach]] ist von der Straße her nicht zu erkennen. === Das Vordergebäude an der Mauerstraße 82 === [[Bild:Berlin Markthalle III Portal Mauerstrasse.jpg|thumb|Die Fassade an der Mauerstraße 82]] Die geringe Breite von 5,13&nbsp;Metern an der Mauerstraße war gerade noch ausreichend für die anzulegende Durchfahrt. So dominierte die 3,6&nbsp;Meter breite und 6,0&nbsp;Meter hohe, am Anfang und am Ende mit [[Gewölbe|Tonnengewölben]] und dazwischen mit [[Gotik|gotisch]] anmutenden [[Gewölbe|Kreuzrippengewölben]] überdeckte Durchfahrt das Erdgeschoss des zweigeschossigen Baus. Die farbliche Gestaltung mit hellgelben und hellroten Klinkern und Formsteinen sowie blaugrün glasierten Ziegeln entsprach der Durchfahrt an der Zimmerstraße. Für die Leitung des Wagenverkehrs sorgten Fahrrinnen aus [[Granit]]. In der hinteren Gurtbogenöffnung des Vordergebäudes war die Eisen-Glas-Konstruktion des 3,6&nbsp;Meter breiten und 3,4&nbsp;Meter hohen zweiflügeligen Tores eingelassen. Damit das große Tor nicht die ganze Marktöffnungszeit offen gehalten werden musste, war in jedem Torflügel zusätzlich je eine 1,0&nbsp;Meter breite und 2,18&nbsp;Meter hohe Tür für die Fußgänger eingelassen. Die restliche Fläche des Erdgeschosses des Vorderbaus teilten sich zwei schmale, durch Wellblechjalousien verschließbare Verkaufsstände und das Treppenhaus, das zur kleinen Dienstwohnung im Obergeschoss führte. Im hinteren Teil des Grundstücks nahm die als überdeckte Halle fortgesetzte Durchfahrt ungefähr die Hälfte des Grundstücks ein. Ein gegen die Mittellinie des Grundstücks geneigtes [[Pultdach]] bedeckte die Durchfahrt. Zahlreiche eingelassene Oberlichter erhellten die Durchfahrt bei Tag. Bei Dunkelheit ließ sich die Durchfahrt durch zwei Bogenlampen von je 9&nbsp;Ampère beleuchten. Auf der anderen Hälfte schloss sich nach dem Vorderhaus ein Licht- und Wirtschaftshof an, gefolgt von drei, von der Durchfahrt her zugängliche Räume für die Verwaltung der Markthalle. An der Markthallenwand und nur von der Markthalle her zugänglich, lagen weitere Abortanlagen. Ein gegen die Durchfahrt geneigtes Pultdach mit Oberlichtern bedeckte diese Bauten. Das Rundbogenportal, verschließbar durch ein reich geschmücktes zweiflügeliges Gittertor, prägte die mit hellroten und hellgelben [[Klinker]]n, Formsteinen und [[Terrakotta|Terrakotten]] verblendete Fassade. Mit Bändern verflochtene [[Lorbeerkranz|Lorbeerkränze]] schmückten die [[Zwickel (Architektur)|Zwickel]] des mit gebündelten Rundstäben verzierten Rundbogens. Unterhalb des Fenstergesimses des Obergeschosses verkündete eine Terrakottaplatte mit der Inschrift ''Markthalle III'' die Bestimmung des Gebäudes. Drei gekoppelte, durch Säulen getrennte Rundbogenfenster erhellten das einzige Zimmer der Dienstwohnung gegen die Straße. Vier hellgelbe Klinkerschichten wechselten in diesem Bereich mit einer hellroten Schicht. Nach einem Fries aus Terrakottaplatten folgte das von [[Konsole (Architektur)|Konsolen]] getragene vorkragende [[Gesims]] mit einem Rundbogenfries. Die mit einem Segmentbogen und zwei Palmetten bekrönte [[Attika (Architektur)|Attika]] verwies in der Mittelachse auf einer Terrakottatafel mit dem Wappen Berlins auf die Bauherrin. Zwei weitere Tafeln zeigten rechts mit 1884 und links mit 1885 Beginn und Ende der Bauzeit. Die falsche Angabe 1885 statt 1886 könnte mit dem Konflikt zwischen Magistrat und Polizeipräsidium zusammenhängen, der zu einer Verzögerung von einem halben Jahr geführt hatte. Vermutlich waren die Terrakotten bereits hergestellt und eine nachträgliche Änderung zu kostspielig. Eine andere Erklärung besteht darin, dass nur die Pläne nicht nachgeführt wurden. === Die Markthalle === [[Bild:Portal Hof Zimmerstrasse Markthalle III.jpg|thumb|upright=1.5|Das Portal im Hof an der Zimmerstraße]] [[Bild:Berlin Markthalle III Schnitt.jpg|thumb|upright=1.5|Schnitt durch die Halle mit achteckigem Raum und der Laterne am Ende der Markthalle]] Die eigentliche Markthalle trat nach außen nur am nördlichen Ende des Hofes des Sparkassengebäudes als Schildwand des Mittelschiffes durch ein 8,5&nbsp;Meter breites und 11,6&nbsp;Meter hohes Rundbogenportal in Erscheinung. Eine Eisen-Glas-Konstruktion verschloss die Halle gegen den Hof. In der Mittelachse war ein zweiflügeliges Tor von 4,0&nbsp;Meter Breite und 4,5&nbsp;Meter Höhe, überschrieben mit ''Markthalle III'', eingelassen. Dieses Tor war nur in den frühen Morgenstunden vor dem Marktbetrieb und dann wieder nach dem Marktbetrieb geöffnet. Die Kunden betraten die Halle durch die zwei seitlichen 2,0&nbsp;Meter breiten und 2,8&nbsp;Meter hohen Eingangstüren, die mit ''Eingang'' und ''Ausgang'' überschrieben waren. Zur Vermeidung von [[Durchzug|Zug]] wurden nachträglich für diese Türen Windfänge eingebaut. Die elektrische Uhr, mit einem von innen und von außen sichtbaren Zifferblatt in der Mitte des Bogens, besaß ein Gegenstück an der gegenüberliegenden inneren Hallenwand. Die Fassade aus hellgelben und hellroten Klinkern schmückten einige Formsteine und zwei Rosetten neben dem Rundbogen. Ein Akroter auf dem Giebel zeigte einmal mehr das Wappen Berlins als Hoheitszeichen. Umgeben von der südlichen Hallenwand und den Seitenflügeln des Vorderhauses an der Zimmerstraße befanden sich auf Kellerniveau zwei 6,6&nbsp;Meter breite Lichthöfe, die auch zur Belüftung des Kellers dienten. Zwei niedrige, eingeschossige Bauten an der westlichen und östlichen Grundstücksgrenze mit Abortanlagen für Frauen und Männer schlossen sich an. In Fortsetzung der Mittelachse des Sparkassengebäudes lag das 9,0&nbsp;Meter breite und rund 11,0&nbsp;Meter hohe Hauptschiff der Markthalle, das die niedrigeren Seitenschiffe überragte. Am Ende der Halle wurde das Mittelschiff im Schnittpunkt mit der Durchfahrt von der Mauerstraße durch eine [[Laterne (Architektur)|Laterne]] in Form eines unregelmäßigen Achtecks mit einem Durchmesser von 16,6&nbsp;Meter bekrönt. Dieser achteckige Raum überragte mit seinem [[Zeltdach]] selbst das Hauptschiff der Markthalle und sorgte mit seiner umlaufenden Fensterwand von ungefähr 3&nbsp;Meter Höhe für genügend Licht im hinteren Teil der Markthalle. Zehn 6&nbsp;Meter hohe [[Gusseisen|gusseiserne]] Säulen im Abstand von 6&nbsp;Metern trugen auf beiden Seiten das Mittelschiff. Auf ihnen wurden viereckige, 4,5&nbsp;Meter hohe Eisenpfosten eingesetzt, zwischen denen die schmiedeeisernen Bogenbinder des Mittelschiffes eingespannt waren, deren Obergurte der flachen Neigung des Satteldachs folgten, während die Untergurte als Rundbögen ausgebildet waren. Die Versteifungsringe von 1,0&nbsp;Meter Durchmesser in den Bogenzwickeln dienten der statischen Aussteifung dieser Trägerkonstruktion. Als [[Pfette]]n zwischen diesen Bogenbindern befestigte [[Stahlprofil|I-Profil-Eisen]] trugen die [[Sparren|Holzsparren]] des [[Satteldach]]es. In Höhe der Bogenbinder trat das Mittelschiff gegen außen als 2,4&nbsp;Meter hohe Fensterwand in Erscheinung. Kippflügel, gelochte Bleche und Glasjalousien dienten der Lüftung. Je drei 7,6&nbsp;Meter breite Seitenschiffe begleiteten links und rechts das Mittelschiff. 6,0&nbsp;Meter hohe Gusseisensäulen und 1,84&nbsp;Meter lange Zungenmauern an den Außenmauern trugen die für die Beleuchtung und Belüftung günstigen [[Sheddach|Sheddächer]]. Die Außenwände im Innern der Markthalle gestaltete Blankenstein wiederum mit den bereits von den Durchfahrten bekannten hellgelben und hellroten Klinkern und glasierten Ziegeln. Über einem 31&nbsp;Zentimeter hohen Granitsockel folgten im unteren Viertel der Wand hellrote Verblendersteine. Die oberen, hellgelb verblendeten Wandflächen trennte ein mit hellroten Formsteinen ausgeführtes Gesims. Das Mittelschiff mit der Durchfahrt war mit 6&nbsp;Zentimeter starken Eisenklinkern gepflastert, die Gänge und Inseln mit den Marktständen mit rutschfesten, gerippten [[Sinzing]]er Fliesen. Bei Dunkelheit erleuchteten vier lichtstarke Bogenlampen von 15&nbsp;Ampère im Abstand von 18&nbsp;Metern im Hauptschiff und 22 schwächere Bogenlampen von 6&nbsp;Ampère in den Seitenschiffen die Markthalle. Die dazu erforderliche Elektrizität lieferte ein mit [[Stadtgas|Gas]] betriebener [[Elektrischer Generator|elektrischer Generator]] von 30&nbsp;[[Pferdestärke|PS]] Leistung im Keller. Nachdem die Berliner Elektrizitätswerke 1889 unmittelbar an der Nordgrenze der Parzelle, an der Mauerstraße 80, ihre Zentralstation II errichtet hatten, schloss sich die Markthalle an das öffentliche Elektrizitätsnetz an. Die Markthalle verfügte zum Zeitpunkt der Eröffnung über eine nutzbare Grundfläche von 3233&nbsp;Quadratmetern mit 353 fest eingerichteten Ständen. Sieben Stände boten Seefische und Krebse und bei elf Verkaufständen schwammen lebende Flussfische in den insgesamt 32 Becken mit Frischwasser. An 173 Verkaufsständen konnten sich die Hausfrauen mit Butter, Käse und Gemüse eindecken, 24 Stände versorgten mit Mehl, Brot und Vorkost (Vorspeisen) und beachtliche 138 Stände verkauften Fleisch und Wild. 170&nbsp;Quadratmeter der Halle war ohne feste Standeinrichtung für den Handel mit Holz vorgesehen und direkt daneben ließen sich mit Vögeln und Blumen auch nicht unmittelbar dem täglichen Bedarf zuzurechnende Bedürfnisse abdecken. In den ausgedehnten Kelleranlagen der Markthalle, die sich unter der ganzen Halle hinzogen, stand ausreichend Platz zur Lagerung nicht unmittelbar verkaufter Waren zur Verfügung. Drei Treppen an den Wänden, zwei Treppen im Halleninnern und ein Lift verbanden den Keller mit der Halle. Auf dem 16,33&nbsp;Meter tiefen Streifen zwischen der nördlichen Hallenwand und der Grundstücksgrenze, wurde eine Speisewirtschaft mit einem eigenen Wirtschaftshof eingerichtet. Das zweigeschossige, L−förmige Gebäude enthielt im Erdgeschoss die Küche, den Gastraum der Speisewirtschaft und die eigenen Abortanlagen. Der von der Halle her zugängliche Aufenthaltsraum für die Markthallenarbeiter gehörte zur Infrastruktur der Halle. Ein Lichtgraben entlang des Gebäudes ließ etwas Licht in den Keller der Markthalle gelangen. Im Obergeschoss wohnte der Wirt, die Schlafräume seiner Angestellten lagen auf dem Dachboden. Die Spülküche der Speisewirtschaft in einem eingeschossigen, als Eisenfachwerk ausgeführten Anbau, stieß an den Wirtschaftshof. Auf Verlangen der Baupolizei erhielt der Wirtschaftshof eine eigene Durchfahrt, die entlang der östlichen Grundstücksgrenze gelegt wurde. Durch diese Durchfahrt und einen durch eine Gitterwand abtrennbaren Verbindungsgang im achteckigen Raum am Ende der Markthalle gelangten die Gäste über einen Nebeneingang neben den Aborten in die Speisewirtschaft, wenn die Markthalle geschlossen war. == Weitere Geschichte == === Umbau zum Berliner Konzerthaus Clou === [[Bild:Berlin Konzerthaus Clou.jpg|thumb|Innenansicht des Konzerthauses Clou um 1911]] Die Friedrichstadt entwickelte sich nach dem Bau der Markthalle durch den Abbruch von Wohnbauten und Neubau von Geschäftsbauten von einem Wohn- zu einem Geschäftsviertel. Durch die ständige Abnahme der Wohnbevölkerung wurde der Betrieb der Markthalle III unrentabel und sie wurde 1910 geschlossen. Die Stadt Berlin verpachtete die Markthalle ab dem 1. April 1910 vorerst für 15 Jahre an das Gastronomieunternehmen [[Hoffmann & Retschlag]]. Das Vordergebäude an der Zimmerstraße blieb in städtischer Nutzung durch die Sparkassenfiliale. Im Jahr 1910 passte der Architekt [[Johannes Kraaz]] die Markthalle den Bedürfnissen des Vergnügungslokales an. Die durch Zungenmauern abgetrennten ehemaligen Verkaufsstände für Fisch und Fleisch entlang der Längswände verwandelte er in Rundbogennischen mit [[Kassettendecke]]n, die runden Gusseisensäulen verschwanden hinter einer rechteckigen Ummantelung. Eine untergezogene Decke in den Seitenschiffen verbarg die Sheddächer. Das ehemalige Hauptschiff verwandelte sich in eine breite Mittelpromenade, die in Richtung Mauerstraße in einem großen kuppelgewölbten Raum unter der ehemaligen achteckigen [[Laterne (Architektur)|Laterne]] der Markthalle endete. In seiner Mitte plätscherte als Attraktion ein Springbrunnen mit erleuchteter Fontäne. Die [[Estrade]] über den Eingängen zur Zimmerstraße bot mit ihren 140&nbsp;Quadratmetern Raum auch für die größten Orchester. Mit 4000&nbsp;Quadratmetern Fläche und 3000 Sitzplätzen entstand damit das seinerzeit größte Vergnügungslokal Berlins. In die ausgedehnten Keller der ehemaligen Markthalle zog das Weinlager der Weingroßhandlung von Hoffmann & Retschlag. Maßgeblich an der Umgestaltung zum Konzerthaus war der Maler [[Albert Maennchen]] (1873–1935) beteiligt, ein Berliner Spezialist für dekorative und monumentale Malerei, der sich in den Jahren zuvor einen Namen u. a. auf dem Gebiet der künstlerischen Gestaltung von Ausstellungsarchitektur gemacht hatte. Maennchen entwarf ein figürliches Bildprogramm für den Kuppelraum des Clou, bestehend aus einem [[Triptychon]] mit [[Amor (Mythologie)|Amor]] als Weltregenten und sechs Bildfeldern mit einzelnen stehenden Figuren. Die Wand-, Pfeiler- und Deckenflächen der Schiffe und Nischen hingegen wurden in einer fein abgestimmten Farbgestaltung mit Ornamentfeldern, Farbflächen und linearen Ornamenten bemalt. In der Eröffnungsphase des Konzerthauses entwarf Maennchen auch die Werbegrafik für das Konzerthaus, einschließlich des Clou-Logos mit der bärenreitenden [[Muse (Mythologie)|Muse]], das auf Reklamekarten und -Marken, als Plakatmotiv und in der Pressewerbung Verwendung fand. Das Konzerthaus Clou war der größte einheitlich gestaltete Innenraum des späten Jugendstils. Bei der ersten größeren Veränderung des Clou im Jahr 1913 ersetzte Maennchen das Triptychon durch ein großes Gemälde mit einer durch die freie Natur schreitenden Figurengruppe. Der Führer ''Berlin für Kenner'' schrieb 1912 ''Clou, ein Riesenlokal, eine ehemalige Markthalle. Eingänge Mauerstr.&nbsp;82 und Zimmerstr.&nbsp;90/91. Ein Lokal, in dem sich nachm. zum, Promenadenkonzert` (freier Eintritt) das kleinbürgerliche Berlin mit Strickstrumpf und Häkelarbeit versammelt. Im großen Mittelgang ist der Korso der jungen Welt. Abends ebenfalls viel Familienpublikum, doch schon gemischter. Nachm. bis 7 Uhr spielt meist eine Militärkapelle, abends eine Kostümkapelle wie Tegernseer, Zigeuner usw. Eintritt nach 7 Uhr 50 Pf. Bier und Speisen zu billigen Preisen.'' Die Funktion des Hauses ist mit ''Berliner Konzerthaus'' nur teilweise beschrieben. Neben Konzertveranstaltungen fanden auch politische Veranstaltungen statt. So hielt am 1. Mai 1927 Adolf Hitler in einer Mitgliederversammlung der [[NSDAP]] seine erste Rede in Berlin. Die Versammlung war nicht öffentlich, da 1925 in Preußen gegen ihn ein [[Redeverbot]] erlassen wurde. === Umbau und Verkauf des Grundstücks Ende der 30er Jahre === Ein erneuter Umbau 1934 passte das Lokal dem gewandelten Zeitgeschmack an. Bei der Umgestaltung im sachlich-modernen Stil verschwanden die bisher im Mittelschiff noch sichtbaren Binderkonstruktionen der Markthalle unter der auf der gleichen Höhe wie die Seitenschiffe abgehängten Decke. Die neuen, rund ummantelten Säulen wurden wie die Wände mit horizontalen Streifen bemalt und indirekt beleuchtet, wodurch die Decke mit den eingelassenen farbigen Glasoberlichtern beinahe zu schweben schien. Mit dem Umbau wechselte das Programm. Schwerpunkt bildeten nun Tanztees und Bälle, für die eine Tanzfläche von 400&nbsp;Quadratmeter zur Verfügung stand. Oft begleitete ein artistisches Rahmenprogramm die Veranstaltungen mit den Titeln wie ''Revue der Weine'' oder ''Ein Abend am Rhein''. Ende der 30er Jahre teilte die Stadt Berlin das Grundstück und verkaufte die ehemalige Markthalle und das Vorderhaus an der Mauerstraße dem bisherigen Pächter Hoffmann & Retschlag. Das Vorderhaus an der Zimmerstraße kam in den Besitz des Zentralverlages der NSDAP, der [[Franz-Eher-Verlag|Franz Eher Nachfolger GmbH]]&nbsp;<ref> ''Berliner Adressbuch: unter Benutzung amtlicher Quellen.'' Verlag Scherl, Berlin. Für das Grundstück an der Mauerstraße nennt erstmals das Adressbuch 1940 den neuen Besitzer, für das Grundstück an der Zimmerstraße bereits das Adressbuch 1939</ref>. Hier und in den ebenfalls erworbenen Nachbarhäusern Zimmerstraße 87–89 richtete der Verlag seine Berliner Niederlassung ein. Die Redakteure zogen in das ehemalige Sparkassengebäude und betreuten neben anderen Propaganda–Zeitschriften der Partei [[Das Schwarze Korps]] oder die Berliner Ausgabe des [[Völkischer Beobachter|Völkischen Beobachters]]. Die Druckmaschinen standen in den Nachbarhäusern Zimmerstraße 87–89. Das kriegsbedingt bereits geschlossene Konzerthaus kam zu einer traurigen Rolle im Vernichtungsprogramm des Nationalsozialismus. 1943 diente es als eines der Sammellager bei der sogenannten [[Fabrikaktion]], der Verhaftung der bis dahin von der [[Deportation deutscher Juden|Deportation]] verschonten letzten Juden, die bis zum 27. Februar 1943 noch in Berliner Rüstungsbetrieben zwangsbeschäftigt waren. === Nachkriegszeit und Gegenwart === [[Bild:Berlin - Markthalle III - Gedenktafel.jpg|thumb|Die Gedenktafel am Vordergebäude]] Gegen Ende des Zweiten Weltkrieges zerstörten Fliegerbomben die Anlagen der ehemaligen Markthalle bis auf das Vordergebäude und dessen westlichen Seitenflügel an der Zimmerstraße. Nach dem Bau der [[Berliner Mauer]] 1961 unmittelbar vor dem Haus lag es bis 1989 im nicht zugänglichen Grenzbezirk. Im Gebäude wurden noch bis 1992 Maschinen produziert. Nach einer Mitte 2006 abgeschlossenen Sanierung zeigen sich die Straßen- und die rückwärtige Fassade sowie die Durchfahrt im neuen Glanz und eine neu angebrachte Gedenktafel informiert über die Geschichte des Hauses. Im Gebäude sind heute vor allem Kunstgalerien eingemietet. == Quellenangaben == <references/> == Literatur == * Jochen Boberg (Hrsg.): ''Exerzierfeld der Moderne. Industriekultur in Berlin im 19. Jahrhundert.'' C.H. Beck, München 1984, S. 106–113, 166–168. ISBN 3406302017 * August Lindemann: ''Die Markthallen Berlins.'' Springer, Berlin 1899, S. 39–41, Tafeln 15, 16. * Alfred Meurer: ''Der Berliner Maler Albert Maennchen. Das dekorative Werk 1895–1918.'' VDG, Weimar 1996, S. 185–198, Farbabb. S. 265–274. ISBN 3897395320 * Knud Wolfram: ''Tanzdielen und Vergnügungspaläste: Berliner Nachtleben in den dreißiger und vierziger Jahren; von der Friedrichstraße bis Berlin W, vom Moka Efti bis zum Delphi.'' Edition Hentrich, Berlin 1992, S. 106–108. ISBN 3894680474 == Weblinks == {{Commons|Market halls in Berlin#Markthalle III, Zimmerhalle (Mitte)|Markthallen in Berlin: Markthalle III}} * {{LDLBerlin|09095956|ja}} * [http://www.luise-berlin.de/Lexikon/Mitte/m/Markthalle_III.htm Markthalle III bei www.luise-berlin.de] * [http://bpkgate.picturemaxx.com/preview.php?IMGID=40004784 Ansicht der Markthalle III 1890 in der Kartenabteilung der Staatsbibliothek zu Berlin] * [http://www.andreas-praefcke.de/carthalia/germany/berlin_clou.htm zwei Ansichtskarten des Inneren des Konzerthauses Clou] {{Coordinate |NS=52/30/29/N |EW=13/23/17/E |type=landmark |region=DE-BE}} [[Kategorie:Baudenkmal (Berlin)]] [[Kategorie:Bauwerk in Berlin]] [[Kategorie:Essen und Trinken (Berlin)]] [[Kategorie:Markthalle]] {{Exzellent}} 6i4smmu6c3vthujdgi1fvb4gu4x7y4l wikitext text/x-wiki Markthalle IV 0 23897 26493 2009-06-12T06:14:56Z Beek100 0 /* Presse- und Informationsamt der Bundesregierung */ anderes Foto [[Bild:Berlin Markthalle IV Ansicht Dorotheenstrasse.jpg|thumb|Das Vorderhaus an der Dorotheenstraße 29 um 1890, hinter der Durchfahrt ist der Eingang der Markthalle zu erkennen]] Die 1886 eröffnete '''Markthalle IV''' an der Dorotheenstraße 84 und dem Reichstagufer 12–14 in der [[Berlin]]er [[Berlin-Dorotheenstadt|Dorotheenstadt]] entstand in der ersten Phase des kommunalen Bauprogramms für die Berliner Markthallen. Dieses von 1883 bis 1892 dauernde Programm sollte die ausreichende Versorgung der ständig wachsenden Bevölkerung Berlins mit günstigen Lebensmitteln sicherstellen und die Straßen und Plätze von den zunehmend als unhygienisch und als Verkehrshindernis empfundenen [[Wochenmarkt|Wochenmärkten]] befreien. Der [[Berliner Magistrat]] schloss die Markthalle 1913 wegen Unrentabilität und verkaufte das Grundstück an die [[Reichspost]], die Teile der ehemaligen Markthalle in den Neubau des '''Berliner Postscheckamtes''' integrierte. Über das Postscheckamt, noch verschiedentlich erweitert und umgebaut, lief ein bedeutender Teil des [[Postscheckverkehr]]s des Deutschen Reiches und später der DDR. 1996 endete die Nutzung durch die Post, und seit einer Gesamterneuerung Ende der 1990er Jahre dient der unter [[Denkmalschutz]] stehende Gebäudekomplex als Berliner Sitz des [[Presse- und Informationsamt der Bundesregierung|Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung]]. == Überblick == Die heute verschwundene Markthalle IV lag im Parzelleninneren der Grundstücke Dorotheenstraße 84 (nach der bis 1912 gültigen Nummerierung Dorotheenstraße 29) und Reichstagufer 12–14 in der Dorotheenstadt. Das ehemalige Vorderhaus an der Dorotheenstraße 84 steht unter Denkmalschutz, und am Spreeufer hat sich mit dem zugemauerten Versorgungstunnel der ehemaligen Markthalle ein weiteres Baudenkmal erhalten, das die Markthalle IV vor den anderen Kleinmarkthallen Berlins auszeichnete. Der Markthallenkomplex gehörte zum Bauprogramm der insgesamt 14 Berliner Kleinmarkthallen, die zwischen 1883 und 1892 in drei Bauphasen entstanden. Stadtbaurat [[Hermann Blankenstein]] und sein Büro zeichneten wie für die anderen Hallen die Pläne für die von 1884 bis 1886 in der ersten Phase errichtete Markthalle. Der Wandel der Dorotheenstadt und der [[Friedrich-Wilhelm-Stadt]] vom Wohn- zum Geschäftsviertel und die damit verbundene Abnahme der Wohnbevölkerung ließ den Betrieb der Markthalle nach der Jahrhundertwende zusehends unrentabel werden. So schloss der Berliner Magistrat die Markthalle 1913 und verkaufte das Grundstück gewinnbringend an die [[Reichspost]] für den Bau des Berliner Postscheckamtes. Regierungsbaumeister [[Alfred Lempp]] integrierte das Vordergebäude an der Dorotheenstraße und den in solider Bauweise errichteten Keller in den von 1913 bis 1917 errichteten Neubau des Postscheckamtes, den die Reichspost anstelle der abgetragenen Markthalle errichten ließ. Ein ebenfalls nach Plänen von Alfred Lempp zwischen 1920 und 1923 ausgeführter Erweiterungsbau trug dem stetig wachsenden Postscheckverkehr Rechnung. Das Berliner Postscheckamt führte 1917 mit 34.400 von insgesamt 181.300 Konten rund ein Fünftel der Postscheckkonten im Deutschen Reich.<ref name="André Franik">[http://www.luise-berlin.de/bms/bmstxt00/0001nova.htm André Franik: ''Das Postscheckamt Dorotheenstraße/Reichstagsufer wird eröffnet.'']</ref> 1934 führte die Reichspost bereits über eine Million Konten, davon 169.000 im Postscheckamt Berlin – der Zentrale des deutschen Postscheckverkehrs.<ref name="André Franik"/> Nach den Kriegsbeschädigungen im Zweiten Weltkrieg vereinfacht wieder aufgebaut und [[Entstuckung|purifiziert]], nutzte die [[Deutsche Post der DDR]] das Postscheckamt weiter, zuletzt umgebaut zum [[Rechenzentrum]]. Die nach der [[Wende (DDR)|Wende]] mit der Deutschen Post der DDR zusammengeführte [[Deutsche Bundespost]] verlagerte den Postscheckverkehr auf andere Zentren und so endete 1996 nach beinahe achtzig Jahren die Nutzung durch die Post. Seit einer im Jahr 2000 abgeschlossenen Gesamterneuerung mit Rekonstruktion der nach dem Zweiten Weltkrieg abgeschlagenen Fassade des Vorderhauses und ergänzenden Neubauten dient der Komplex heute als Berliner Sitz des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung. == Bauphase und Eröffnung == [[Bild:Berlin Markthalle IV Lageplan.jpg|thumb|upright=2.0|Die Markthalle IV (durch den blauen Kreis markiert) mit ihrem Umfeld auf einem Stadtplan von 1896]] Die für die Dorotheenstadt geplante Markthalle sollte neben der Dorotheenstadt auch die am gegenüberliegenden Ufer der Spree gelegene [[Friedrich-Wilhelm-Stadt]] versorgen. Allerdings mussten ihre Bewohner in den ersten Jahren nach der Eröffnung 1886 einen Umweg über die [[Weidendammer Brücke]] oder die [[Marschallbrücke]] nehmen, bis der 1890 eröffnete [[Schlütersteg]] eine direkte Fußgängerverbindung zur Markthalle ermöglichte.<ref name="BusB">Architektenverein zu Berlin und Vereinigung Berliner Architekten [Herausgeber]: ''Berlin und seine Bauten'', I. Band, Verlag Wilhelm Ernst & Sohn, Berlin 1896, Seite 151</ref> Die [[Berliner Stadtverordnetenversammlung|Stadtverordnetenversammlung]] genehmigte in ihrer Sitzung vom 17.&nbsp;Januar 1884 den Erwerb der Grundstücke Dorotheenstraße 28−30 und Reichstagufer 12−14 für 1.250.000&nbsp;[[Goldmark]]. Nach der Zustimmung der Stadtverordneten am 21.&nbsp;Mai 1884 zu den vom Magistrat vorgelegten Plänen für die Kleinmarkthallen der ersten Phase des Bauprogramms, darunter der Markthalle IV, begannen die Bauarbeiten bereits am 1.&nbsp;Juli 1884. Im Oktober 1884 gerieten die Arbeiten durch einen Konflikt zwischen dem Magistrat und dem [[Der Polizeipräsident in Berlin|königlichen Polizeipräsidium]] ins Stocken. Das Präsidium forderte für alle Markthallen die Einteilung der Holzbedachung durch vier Meter breite, unbrennbare Streifen in Segmente von maximal 1600 Quadratmeter Größe und die Verbreiterung der Durchfahrten durch die Vorgebäude und Portale auf neun Meter. Die am 20.&nbsp;Oktober 1884 eingestellten Arbeiten ruhten bis zum Entscheid des Ministers des Innern am 22.&nbsp;April 1885, der in der Mehrzahl der Streitpunkte zugunsten des Magistrats ausfiel. Die Markthalle IV eröffnete am 3.&nbsp;Mai 1886 mit der [[Zentralmarkthalle I|Zentralmarkthalle]] am [[Alexanderplatz]] und den anderen zwei Kleinmarkthallen der ersten Bauphase, der [[Markthalle II]] und der [[Markthalle III]]. Gleichzeitig schlossen die durch die Markthalle IV ersetzten Wochenmärkte auf dem [[Karlplatz]] und auf dem Platz vor dem [[Oranienburger Tor]]. Die Bau- und Einrichtungskosten für die Markthalle und die Vorderhäuser an der Dorotheenstraße und am Reichstagufer summierten sich auf 782.259&nbsp;Mark.<ref name="Lindemann">August Lindemann: ''Die Markthallen Berlins.'' Verlag Springer, Berlin 1899, Seiten 41–43 und Tafeln 17 und 18</ref> == Die Bauparzelle == [[Bild:Berlin Markthalle IV Grundriss Erdgeschoss.jpg|thumb|upright=2.0|Die Bauparzelle mit dem Grundriss des Erdgeschosses]] Das angekaufte Grundstück an der Dorotheenstraße bildete mit den später abgetrennten und weiterverkauften Parzellen ein [[Trapez (Geometrie)|Trapez]] mit einer 51,91&nbsp;Meter langen Front an der Dorotheenstraße und seitlichen Grenzlinien von 111,86 und 135,52&nbsp;Metern Länge. Die hintere Grundstücksbegrenzung im Norden bildete zum Zeitpunkt des Kaufs die [[Spree]]. Die Uferstraße ''Reichstagufer'' war jedoch bereits geplant und zum Zeitpunkt der Eröffnung der Markthalle zwischenzeitlich angelegt. Um die hohen Grundstückskosten von 1.250.0000&nbsp;[[Goldmark|Mark]] zu reduzieren, legte Hermann Blankenstein die Markthalle ins Innere des Grundstücks und beschränkte die Vorderhäuser an der Dorotheenstraße und am Reichstagufer auf ein Minimum. Die sich ergebenden Restgrundstücke versuchte der Magistrat weiterzuveräußern − an der Dorotheenstraße mit Erfolg. Die beiden Parzellen am Reichstagufer blieben jedoch bis 1917 unbebaut. Der Magistrat vermietete diese Grundstücke mit einfacher Infrastruktur − Klinkerpflasterung und je drei [[Kandelaber]] als Beleuchtung − „sehr günstig“<ref name="Lindemann"/> dem Verein der Obstzüchter aus [[Werder (Havel)|Werder]] als Verkaufsplätze für Obst. Die unmittelbare Lage an der Spree ermöglichte den direkten Transport des Obstes von den Obstplantagen in Kähnen zur Markthalle. An den drei Ladebühnen an der Ufermauer konnten die [[Tiene]]n bequem und schnell entladen und durch den die Uferstraße unterquerenden Versorgungstunnel direkt in den Keller der Markthalle gebracht werden. Die Markthalle IV übernahm mit dieser für die Kleinmarkthallen einmaligen Einrichtung einen Teil des Großhandels für Obst und entlastete damit die Zentralmarkthalle am Alexanderplatz. Die Anbindung an eine Wasserstraße findet sich erst wieder in den Projekten für eine neue Großmarkthalle aus der Vor- und Zwischenkriegszeit, die auf einem Gelände zwischen dem [[Bahnhof Berlin Beusselstraße|Bahnhof Beusselstraße]] und dem [[Berlin-Spandauer Schifffahrtskanal]] entstehen sollte. == Der Markthallenkomplex == Der Markthallenkomplex zeigte mit der Markthalle im Grundstücksinnern und den beiden Vorderhäusern mit ihren Durchfahrten die typischen Elemente der Hallen des kommunalen Bauprogramms, die nicht wie die [[Markthalle V]] oder die [[Moabiter Markthalle|Markthalle X]] als freistehende Hallen errichtet wurden. Hermann Blankenstein plante die Vorderhäuser jeweils als gemischte Wohn- und Geschäftshäuser mit Ladengeschäften im Erdgeschoss und Wohnungen in den oberen Etagen. === Das Vordergebäude an der Dorotheenstraße === {|align="left" |[[Bild:Berlin Markthalle IV Geflügel.jpg|45px]]&nbsp;&nbsp;<!--Abstandshack --> |- |[[Bild:Berlin Markthalle IV Fruechte und Gemuese.jpg|45px]] |- |[[Bild:Berlin Markthalle IV Fisch.jpg|45px]] |} [[Bild:Berlin Markthalle IV Fassade Dorotheenstrasse.jpg|thumb|Fassade Dorotheenstraße]] [[Bild:Berlin Markthalle IV Dachgesims.jpg|thumb|Detail des Dachgesimses]] Die 18&nbsp;Meter breite Front des erhaltenen Vordergebäudes an der Dorotheenstraße liegt genau in der Achse der dort einmündenden [[Schadowstraße (Berlin)|Schadowstraße]] und verlängerte diese gewissermaßen durch das Portal bis in die Markthalle hinein. Das 14,87&nbsp;Meter tiefe Vorderhaus war als Mietshaus angelegt und umschloss ursprünglich mit zwei 9&nbsp;Meter langen und 5,25&nbsp;Meter tiefen Seitenflügeln einen 7,5&nbsp;Meter breiten, unterkellerten Hof, in den die Durchfahrt von der Dorotheenstraße her mündete. In den sechs Läden im Vorderhaus und den Seitenflügeln etablierten sich eine Butterhandlung, zwei [[Delikatesse|Delikatess]]<nowiki>warenhandlungen</nowiki> und ein Kaffeegeschäft.<ref name="Berliner Adressbuch 1887">''Berliner Adressbuch: unter Benutzung amtlicher Quellen.'' Verlag Scherl, Berlin. 1887</ref> Zwei einfachere Wohnungen, darunter die Wohnung des Markthalleninspektors, befanden sich im durch die Höhe der Durchfahrt bedingten Halbgeschoss. Die herrschaftlichen Wohnungen im ersten und zweiten Geschoss nahmen die gesamte Etage ein. Die [[Klassizismus|spätklassizistische]] Fassade steht in der Tradition der [[Schinkelschule]]. Das Portal der Durchfahrt und die Fenstereinfassungen ließ Hermann Blankenstein in [[Sandstein]] ausführen und die Flächen mit gelbroten [[Klinker]]n verblenden. Als Hoheitszeichen verweist das [[Wappen Berlins]] in den [[Zwickel (Architektur)|Bogenzwickeln]] des Portals der Durchfahrt auf die Bauherrin. Die Füllungen zwischen den Fenstern im ersten und zweiten Geschoss sowie den [[Fries (Architektur)|Fries]] unter dem Haupt[[gesims]] bedecken [[sgraffito]]artig in rot und hellgrau ausgeführte Rankenmuster und Ornamente in [[Renaissance]]formen. Im ersten Stock illustrieren darin eingelassene Terrakotta-Medaillons das Marktangebot − ''Geflügel'' links, ''Gemüse und Obst'' in der Mitte und ''Fische und Krebse'' rechts. In der ursprünglichen Gestaltung verwies auch die Inschrift ''Markthalle IV'' über dem ehemals mit einem schmiedeeisernen Gittertor verschließbaren Portal auf den Zweck des Gebäudes als Markthalle. Vor dem Umbau zum Postscheckamt 1917 überdeckten [[Kreuzrippengewölbe|Kreuzrippe]]n- und [[Tonnengewölbe]], wie sie sich beim Vorderhaus der [[Markthalle III]] erhalten haben, die 4,5&nbsp;Meter breite und 7,3&nbsp;Meter hohe Durchfahrt. Die mit gelblichen Klinkern und Formsteinen ausgeführten [[Pfeiler]], Gurte und [[Kreuzrippe]]n gliederten Wand- und Gewölbeflächen. Die Hoffassade erhielt nur eine einfache Verblendung aus geblichen Klinkern. Fahrrinnen aus Granit in der Durchfahrt und im angrenzenden Hof lenkten den Verkehr der Marktwagen. Bei Dunkelheit beleuchtete eine [[Kohlebogenlampe|Bogenlampe]] von 9&nbsp;[[Ampère]] die Durchfahrt. <br style="clear:left;" /> === Das Vordergebäude am Reichstagufer === [[Bild:Berlin Markthalle IV Fassade Reichstagsufer.jpg|thumb|left|Fassade am Reichstagufer]] Das beim Umbau zum Postscheckamt abgebrochene Vordergebäude am Reichstagufer war mit 12&nbsp;Meter Breite beschränkt auf das Portal der 4,5&nbsp;Meter breiten Durchfahrt, begleitet von zwei Durchgängen für Fußgänger – alle verschließbar durch schmiedeeiserne Gitter. Diese an einen römischen [[Triumphbogen]] erinnernde Gestaltung betonte die öffentliche Bedeutung des Gebäudes und hätte den schmalen Eingang zur Markthalle auch nach (der nie stattgefundenen) Bebauung der Nachbargrundstücke in der Straßenflucht hervorgehoben. Auf den [[Terrakotta]]reliefs über den Fußgänger-Durchgängen zeigten [[Putte|Putti]] das Angebot der Markthallen und die Inschrift ''Markthalle IV'' über dem Mittelportal nannte nochmals die Funktion des Baus. Fünf gereihte [[Rundbogen]]fenster im ersten Geschoss erhellten das Wartezimmer des fotografischen Ateliers, das Blankenstein in den oberen Geschossen des dreigeschossigen Vorderhauses vorgesehen hatte. Ihm erschien „bei der Lage der Gebäudefront gegen Norden die Anlage eines photographischen Ateliers besonders geeignet.“<ref name="Lindemann"/> Über der Fensterzone folgte das von [[Konsole (Architektur)|Konsolen]] getragene vorkragende Gesims mit einem [[Rundbogenfries]]. Das Dach war gegen das Reichstagufer wegen des fotografischen Ateliers im Dachgeschoss vollständig verglast. Offenbar fand sich aber nur mit Schwierigkeiten ein Fotograf als Mieter für das Atelier, denn erst das Berliner Adressbuch von 1897 verzeichnet das ''Photographische Atelier R. Gentsch'' als Mieter.<ref name="Berliner Adressbuch 1898">''Berliner Adressbuch: unter Benutzung amtlicher Quellen.'' Verlag Scherl, Berlin 1898</ref> Ob wegen der schlechten Vermietbarkeit oder aus anderen Gründen: Das Atelier im Vorderhaus der Markthalle IV blieb ein Einzelfall unter den Nutzungen der Markthallen-Vorderhäuser. Wie an der Dorotheenstraße überwölbten Kreuzrippengewölbe die Durchfahrt und ein von einem [[Sterngewölbe]] überdeckter siebeneckiger Raum vermittelte zwischen der Achse Markthalle – immer noch in der Verlängerung der [[Schadowstraße (Berlin)|Schadowstraße]] – und der sie schräg schneidenden Achse der Ausfahrt nach dem Reichstagufer. Auch die übrige Gestaltung – Gliederung der Wände und Gewölbe mit Pfeilern, Gurten und Kreuzrippen aus Formsteinen, Verblendung der Wand- und Gewölbeflächen mit gelblichen Klinkern – orientierte sich am anderen Vorderhaus. Links und rechts der Durchfahrt lagen fünf kleinere Läden, in denen sich eine Obstwarenhandlung und andere, nicht direkt mit der Lebensmittelversorgung, aber mit der Haushaltsführung verbundene Geschäfte wie eine Küchengerätehandlung, eine Porzellanwarenhandlung und eine Seifenhandlung ansiedelten.<ref name="Berliner Adressbuch 1898"/> Im mittleren Gewölbe befand sich der Eingang zur Speisewirtschaft für die Zeiten, in denen die Markthalle geschlossen und damit der übliche Zugang von der Halle her nicht möglich war. Der Wagenverkehr rollte wiederum auf Granitfahrrinnen und die Einfahrt ließ sich durch eine 9-Ampère-Bogenlampe erhellen. === Die Markthalle === [[Bild:Berlin Markthalle IV Querschnitt Halle.jpg|thumb|upright=2.0|Querschnitt der Halle Blick Richtung Reichstagufer: auf der rechten Seite im Erdgeschoss mit eingezeichneten Standeinrichtungen und der Eingang zur Speisewirtschaft]] Der Grundriss der Markthalle bildete ein beinahe [[Quadrat (Geometrie)|quadratisches]] Rechteck von 55,02 mal 54,34&nbsp;Metern. Das Mittelschiff lag in der Achse der Schadowstraße und richtete die Halle nach Norden aus. Mit 13&nbsp;Metern war es etwas breiter als bei den anderen Kleinmarkthallen der ersten Bauphase, aber, bedingt durch eine flachere Dachneigung, nur unwesentlich höher. Acht 6,77&nbsp;Meter hohe [[Gusseisen|gusseiserne]] Säulen im Abstand von 6&nbsp;Metern trugen auf beiden Seiten das Mittelschiff. Auf ihnen wurden viereckige, 5,7&nbsp;Meter hohe Eisenpfosten eingesetzt, zwischen denen die schmiedeeisernen [[Binder (Tragwerk)|Bogenbinder]] des Mittelschiffes eingespannt waren. Ihre Obergurte folgten der flachen Neigung des Satteldachs, während die Untergurte als Rundbögen ausgebildet waren. Ein großer Versteifungsring von 1,7&nbsp;Metern und zwei kleinere von 85&nbsp;Zentimetern Durchmesser in den Bogenzwickeln dienten der statischen Aussteifung dieser Trägerkonstruktion. Als [[Pfette]]n zwischen diesen Bogenbindern befestigte [[Stahlprofil|I-Profil-Eisen]] trugen die [[Sparren|Holzsparren]] des [[Satteldach]]es. In Höhe der Bogenbinder trat das Mittelschiff nach außen als ungefähr drei&nbsp;Meter hohe Fensterwand in Erscheinung. Kippflügel, gelochte Bleche und Glasjalousien dienten der Lüftung. Je drei 6,2&nbsp;Meter breite Seitenschiffe begleiteten links und rechts das Mittelschiff, das sie um fünf Meter überragte. 6,77&nbsp;Meter hohe Gusseisensäulen sowie an der linken Längswand 2,29&nbsp;Meter und an der rechten Längswand 1,84&nbsp;Meter lange Zungenmauern an den Außenmauern trugen die für die Beleuchtung und Belüftung günstigen [[Sheddach|Sheddächer]] mit ihren nach Norden ausgerichteten Fensterflächen. Auf der Seite der Speisewirtschaft am rechten nördlichen Ende der Halle ersetzten drei 2&nbsp;Meter breite und 4&nbsp;Meter lange Oberlichter das Sheddach. [[Bild:Berlin Markthalle IV Schnitt Laengsrichtung Halle.jpg|thumb|upright=2.0|Längsschnitt der Halle: Sheddächer und Wandgestaltung mit verschiedenfarbigen Ziegeln]] Die fensterlosen Längswände der Markthalle gestaltete Blankenstein wiederum mit dem bereits von den Durchfahrten bekannten Wechsel von hellgelben und hellroten Klinkern sowie glasierten Ziegeln. Über einem 31&nbsp;Zentimeter hohen Granitsockel folgten im unteren Viertel der Wand hellrote Verblendersteine. Darüber schloss ein mit hellroten Formsteinen ausgeführtes Gesims die Sockelzone ab und leitete zu den oberen, hellgelb verblendeten Wandflächen über. Mit farbig glasierten Ziegeln abgesetzte Rechtecke gliederten diese Fläche im Rhythmus der Säulen. Ein [[Rosette (Ornamentik)|Rosetten]]<nowiki>fries</nowiki> mit einem einfachen Gesims korrespondierte mit den [[Kapitell]]en der Gusseisensäulen und bildete den oberen Wandabschluss. Die Querwände dominierten die durch eine Eisen-Glas-Konstruktion verschlossenen Rundbogenportale des Mittelschiffes. Das Portal zum Hof an der Dorotheenstraße war etwas größer und besaß neben dem Tor für die Wagen in der Mitte links und rechts separate Türen für die Fußgänger. Das schmalere Portal am Reichstagufer, nur mit einer gemeinsamen Öffnung für Wagen und Fußgänger, begleiteten zwei Blendbögen. Eine in die Eisen-Glas-Konstruktion eingelassene Uhr zeigte den Marktbesuchern an beiden Enden des Mittelschiffes die Zeit. Die obere Wandzone, abgetrennt durch ein Gesims ungefähr auf der Höhe der Seitenschiffe, belebten drei gekoppelte Rundbogenfenster in der Mittelachse und je ein kleineres Rundbogenfenster links und rechts davon. Die Wandflächen an den Enden der Seitenschiffe erhielten neben der bereits von den Längswänden bekannten Gliederung mit verschiedenfarbigen Ziegeln zwei gekoppelte Rundbogenöffnungen. Je nach Bedarf wurden sie als Fenster oder Türen ausgebildet und führten dann zu Nebenräumen der Markthalle wie beispielsweise den [[Toilette|Aborten]]. Speziell ausgezeichnet war der Zugang zur Speisewirtschaft – diese Wandfläche erhielt als einzige ein Rundbogenportal anstelle der gekoppelten Rundbogenöffnungen und war so im Marktgewimmel für die Besucher leichter zu finden. Das Mittelschiff verengte sich im Bereich der Durchfahrt auf 9&nbsp;Meter durch hineingezogene Marktstände und war mit 6&nbsp;Zentimeter starken Eisenklinkern gepflastert. Die Gänge und Inseln mit den Marktständen bedeckten rutschfeste, gerippte [[Sinzing]]er Fliesen. Zwanzig elektrische [[Kohlebogenlampe|Bogenlampen]] von je 6&nbsp;Ampère in den Seitenhallen und zwei von 15&nbsp;Ampère in der Mittelhalle beleuchteten die Markthalle in den frühen Morgenstunden. ==== Nutzung der Standflächen in den 1890er Jahren ==== Betraten die Besucher in den 1890er Jahren die Markthalle von der Dorotheenstraße aus, fanden sie zur Rechten sechs Stände für Seefische und zur Linken 24 Verkaufsstände für Flussfische und Krebse. Den Rest der Verkaufsfläche auf der rechten Seite nahmen hauptsächlich die 140 Stände für Butter, Käse, Delikatessen, Obst und ''Grünkram'' ein. Gegen das Speiserestaurant am Ende der Halle folgte eine Verkaufsfläche ohne feste Standeinrichtungen für Holz und an der nördlichen Hallenwand boten die Marktfrauen Vögel und Blumen an. In den Gängen auf der linken Hallenseite fanden die Marktbesucher an 110 Ständen ein reiches Angebot an Fleisch und Wild. Die 22 Verkaufsstände der letzten Standinsel verkauften Brot, Mehl und Vorkost (Vorspeisen) und an der Hallenwand standen wiederum Vögel und Blumen im Angebot. ==== Keller und Verbindungstunnel ==== [[Bild:Berlin Markthalle IV Grundriss Kellergeschoss.jpg|thumb|upright=2.0|Grundriss des Kellergeschosses, rechts der Anschluss an den Versorgungstunnel zur Spree]] Der gesamte Markthallenkomplex mit Ausnahme der Flächen unter der Durchfahrt an der Dorotheenstraße und der Lichthöfe war unterkellert. Die nahe Spree verursachte einen hohen Grundwasserstand, weshalb sich die Kellersohle nur 94&nbsp;Zentimeter unter dem höchsten beobachteten Grundwasserspiegel absenken ließ. Die Kellergewölbe waren als Folge mit 2,10&nbsp;Metern unter dem Mittelschiff und 2,26&nbsp;Metern unter den Seitenschiffen eher niedrig. Zudem war eine aufwändige Grundwasserabdichtung erforderlich. Dazu wurden die Fundamente der Säulen und Pfeiler, welche die Kellerdecke stützen, durch 0,5&nbsp;Meter starke Mauern aus gestampftem Zementbeton verbunden. Diese Mauern dienten als Widerlager für umgekehrte [[Tonnengewölbe]], durch eine 2&nbsp;Zentimeter dicke Zementschicht gegen das Grundwasser abgedichtet. Der gesamte Keller erhielt bis auf die Höhe des maximalen Grundwasserspiegels einen wasserdichten Zementputz. Der Keller diente hauptsächlich als Warenlager für die Händler. Vier Treppen in den Ecken und zwei in der Mitte des Hauptschiffes der Markthallen sowie zwei Aufzüge verbanden das Lager mit der Halle. Eine weitere Treppe führte zum westlicheren Verkaufsplatz der Obsthändler am Reichstagufer. Zwei [[Eiskeller]] erlaubten die Lagerung von besonders verderblichen Lebensmitteln und für konfiszierte Waren standen der Marktpolizei eigene, vom Lager der Markthalle durch Mauern getrennte Räumlichkeiten, zur Verfügung. Eher etwas düster war wohl der bei dieser Markthalle in den Keller verlegte Aufenthaltsraum für die Markthallenarbeiter, der aber zumindest einen direkten Zugang zum Lichthof im Erdgeschoss besaß. Im Maschinenraum in der südwestlichen Ecke produzierte ein mit Gas betriebener [[Elektrischer Generator|Generator]] anfangs die Elektrizität für die Beleuchtung der Markthalle und der Ladengeschäfte. Nach Anschluss an das öffentliche Stromnetz wurde er abgebaut. Um die auf dem Wasserweg angelieferten Waren direkt einlagern zu können, war der Keller durch einen Tunnel unter der Straße am Reichstagufer mit den Ladebühnen an der Spree verbunden. An der Ufermauer der Spree war der Tunnel durch eine 2,5&nbsp;Meter breite, zweiflügelige Tür aus schmiedeeisernen Flachschienen abgeschlossen, die gleichzeitig die Lüftung des Markthallenkellers sicherstellte. Ein engmaschiges Drahtnetz verhinderte das Eindringen von Ratten. Da der Hochwasserstand höher lag als die Kellersohle, war hinter der Tür ein 13&nbsp;Zentimeter breiter und 13&nbsp;Zentimeter tiefer Falz angebracht, in dem sich bei Bedarf [[Dammbalken]] als Stütze einer wasserdichten Schüttung einbringen ließen. Der zugemauerte ehemalige Versorgungstunnel der Markthalle ist noch heute gut erkennbar in der Ufermauer des Reichstagufers und steht unter Denkmalschutz. ==== Nebengebäude ==== Zwischen der südlichen Außenmauer der Markthalle und der Grundstücksgrenze zu den ausgeschiedenen Bauplätzen an der Dorotheenstraße lagen sechs Meter breite Lichthöfe. Daran stießen als niedrige Markthallenanbauten die Aborte für Männer und Frauen sowie die Räumlichkeiten für die Marktpolizei. An der Nordmauer der Halle lagen gegen Westen mit dem Raum für den Halleninspektor, den Marktaufseher und den Fleischbeschauer weitere Verwaltungsräume, getrennt durch einen Lichthof. Die Nordmauer gegen Osten nahm der zweigeschossige Bau der Speisewirtschaft ein, die einen eigenen, vom Verkaufsplatz der Obstzüchter durch eine Mauer getrennten Wirtschaftshof mit anliegender Küche und Spülküche besaß. Das Obergeschoss der Speisewirtschaft nahm die Wohnung des Wirtes auf. == Unrentabilität und Verkauf an die Reichspost == Zum 1. Januar 1909 hatte das Deutsche Reich den [[Postscheckverkehr]] eingeführt. Für Berlin übernahm zunächst das 1906 erbaute Postamt NW&nbsp;7 an der Dorotheenstraße 23–24, in der seit 1912 gültigen Nummerierung Dorotheenstraße 62–66, die Abwicklung des Postscheckverkehrs. Das neue Zahlungssystem war beliebt und die rasch anwachsende Zahl von Teilnehmern erforderte eine Erweiterung, die sich nicht mehr am bisherigen Standort verwirklichen ließ. Die Reichspost suchte daher dringend ein Grundstück in zentraler Lage und fand im Berliner Magistrat einen Verkäufer, der eine Lösung für die unrentabel gewordene Markthalle IV suchte. Seit dem Bau der Markthalle hatte sich die Dorotheenstadt wegen der zentralen Lage vom Wohn- zum Geschäftsviertel entwickelt. Moderne Geschäftsbauten verdrängten zunehmend die Wohnhäuser und der damit verbundene Verlust an Wohnbevölkerung ließ die Kunden der Markthalle und damit auch die Händler ausbleiben. Die Besetzung der Verkaufsstände sank nach der Jahrhundertwende von 53,1&nbsp;Prozent im Jahr 1901 auf 32,7&nbsp;Prozent im Jahr 1911.<ref name="Rindt">Erich Rindt: ''Die Markthallen als Faktor des Berliner Wirtschaftslebens.''Vergin, Berlin 1928, Seite 31</ref> So verkaufte der Magistrat die Markthalle IV gewinnbringend für 3.811.740&nbsp;Mark an die Reichspost zum Neubau des Postscheckamtes. Im Verkaufsvertrag verpflichtete er sich, die Markthalle bis zum 31. März 1913 zu schließen. Die beiden Verkaufsplätze der Werderschen Obstzüchter sollten nicht vor dem 1. Juli 1915 geschlossen werden, verblieben dann aber wegen Verzögerungen der Bauarbeiten infolge des Ausbruchs des [[Erster Weltkrieg|Ersten Weltkrieges]] bis in den Dezember 1917. == Berliner Postscheckamt == Die Planungen für den Um- und Neubau führte der Regierungsbaumeister [[Alfred Lempp]] durch. Mit dem Vorgängerbau übernahm er dessen eingebaute Lage im Inneren der Parzelle, die zumindest an der Dorotheenstraße wenig Raum für eine repräsentative Fassade bot. Wohl auch deshalb blieben das Vorderhaus an der Dorotheenstraße und die Keller der Markthallen erhalten, während die eigentliche Markthalle und das Vorderhaus am Reichstagufer 1913 abgebrochen wurden. Der viergeschossige Neubau des Postscheckamtes, teilweise mit ausgebautem Dachgeschoss, entstand im Grundstücksinnern über den Grundmauern der abgetragenen Markthalle. === Neubau des Postscheckamtes === [[Bild:Berlin Markthalle IV Schnitt Postcheckamt im Hof.jpg|thumb|upright=2.0|Schnitt durch den Neubau des Postscheckamtes; rechts der neu gestaltete Durchgang mit der Kassettendecke, anschließend der Vorhof mit dem Haupteingang, die Treppenhalle und die Kassenhalle mit der Glaskuppel]] [[Bild:Berlin Markthalle IV Grundriss Erdgeschoss Postcheckamt im Hof.jpg|thumb|upright=2.0|Grundriss des Neubaus des Postscheckamtes mit dem integrierten Vorderhaus]] Mit seinen schmalen Seitenflügeln an den Grundstücksgrenzen und einem breiteren Trakt ungefähr in der Mitte des Grundstücks umschloss das neue Postscheckamt einen Hof, den Lempp größtenteils mit der repräsentativen Kassenhalle überbaute. Die Verkürzung der Seitenflügel des Vorderhauses schuf Platz für einen kleinen Vorplatz vor dem Neubau. Die Durchfahrt, nun Durchgang zum Haupteingang des Postscheckamtes, erhielt eine heute noch erhaltene neue Wandgestaltung mit neuer Decke. Anstelle von Blankensteins wechselnden Kreuz- und Tonnengewölben trat ein schlichtes Tonnengewölbe, dessen Fläche sich kreuzende Rippen aus Stuck in [[Kassettendecke|Kassetten]] gliedern. Der Bildhauer [[Hermann Feuerhahn]] gestaltete unterstützt von der Firma ''Christoph Hasselwander'' die Werksteineinfassungen der Fenster der neuen Hinterfassade und weitere Bauplastik in [[Neoklassizismus (Kunst)|neoklassizistischen]] Formen mit [[Jugendstil]]anklängen. Die Wandflächen erhielten einen schlichten Edelputz und über dem [[Schlussstein]] des Durchgangs thronte neu eine Merkurstatue. Zwei Kugelleuchten in Bronzewandhalterungen an der Hinterfassade sowie zwei Leuchter im Durchgang beleuchteten Durchfahrt und Hof. Eine Streifenquaderung bis auf die Höhe des Kämpfers des Durchfahrtbogens setzte sich an den Querwänden des Hofes fort und fand ihre Entsprechung in der Fassade des Postscheckamtes. Zwei Treppen mit flachen Stufen leiteten die Kunden durch den Vorhof zum Haupteingang des Postscheckamtes. Die Restflächen des Hofes links und rechts waren mit Rasen bepflanzt. Zwei [[Dorische Ordnung|dorische]] Doppelsäulen fassten den als einstöckigen Vorbau vor die geschwungene Fassade des Mittelbaues tretenden Haupteingang. Dahinter gelangten die Besucher in die über drei Geschosse reichende Eingangshalle mit einer doppelläufigen Treppenanlage links und rechts. Die repräsentative Treppenanlage mit den Pfeiler[[arkade]]n und den kunstvoll geschmiedeten Brüstungen der Firma [[Eduard Puls]]<ref name="Berliner Architekturwelt">''Berliner Architekturwelt: Zeitschr. für Baukunst, Malerei, Plastik und Kunstgewerbe der Gegenwart'', Heft 20, 1918, S. 257−276 (Abbildungen 368−389)</ref>, die massiven Holztüren mit ihren reich profilierten Rahmen, die mit farbigen Gläsern eingesetzten Fenster, die ovale, mit [[Stuckatur]]en und Malereien verzierte Decke mit dem großen Leuchter zeugten vom Selbstbewusstsein des größten der 13 Postscheckämter des Deutschen Reiches. Sie stand nicht hinter der Pracht der Geschäftsräume der Banken zurück, die im Gegensatz zu den Postscheckämtern nur ausgewählte, kapitalkräftige Kunden bedienten. Das Herz des Gebäudes, die anschließende Kassenhalle, war ein quadratischer Raum vom 18&nbsp;Metern Seitenlänge, den eine mit farbigen Gläsern eingelegte Glaskuppel mit einem großen [[Reichsadler]] zierte. Die Glaserarbeiten führte die Firma ''Moerike&nbsp;& Reich'' in [[Berlin-Lichterfelde|Groß-Lichterfelde]] aus, die Kunstschmiedearbeiten erledigte wie im Treppenhaus die Firma ''Eduard Puls'' in [[Berlin-Tempelhof]].<ref name="Berliner Architekturwelt"/> Schwere Eichenholzmöbel vermittelten den Kunden, die an 20 Zahlstellen und zwei Scheckannahmestellen am Ende der Schalterhalle bedient wurden, das Gefühl von Solidität und Vertrauen. Im dahinterliegenden Raum des Mitteltraktes – nicht mehr für die Kunden zugänglich – befand sich die Geldannahme mit dem Tresorraum. Das Erdgeschoss im östlichen Seitenflügel nahm die Schriftwechselstelle ein, während im westlichen Trakt die Druckerei und die Drucksachenverwaltung untergebracht waren. Der Warenverkehr erfolgte über den kleinen Hof, der über eine Durchfahrt im Erdgeschoss des Mitteltraktes mit dem Reichstagufer verbunden war. In den oberen Geschossen reihten sich entlang der Gänge in den Seitentrakten die Büros für den Postdirektor, die Postinspektoren, den Personaldienst und verschiedene Räume für die Kanzlei, während die Scheckstelle als großer Saal die gesamte Fläche des Mittelbaues bedeckte. Im zweiten Obergeschoss arbeiteten die Angestellten der Kontostelle in großen Arbeitssälen. Die am Ende der Seitentrakte nach dem Mittelbau angesetzten Treppenhäuser markierten bereits die angedachte und später auch durchgeführte Erweiterung des Gebäudes zu einer Doppelhofanlage bis zum Reichstagufer. Die Bauarbeiten für das Postscheckamt begannen am 17.&nbsp;Juli 1913, dreieinhalb Monate nach Schließung der Markthalle. Am 29.&nbsp;Januar 1917 öffnete das Postscheckamt Dorotheenstraße nach vierjähriger Bauzeit seine Tore für die Kundschaft. === Die Hausrohrpostanlage === Die seinerzeit modernste Technik unterstützte die Scheckverarbeitung.<ref>''Archiv für Post- und Telegraphie'', 45 (1918), S. 134−145</ref> Von den beiden Annahmestellen in der Kassenhalle gelangten die Schecks über einen Bandaufzug, eine Art vertikales Förderband, in die direkt darüber liegende Scheckstelle. Nach Eintrag in einem Merkbuch beförderte die [[Rohrpost|Hausrohrpostanlage]] die Schecks innerhalb des Geschosses von der Kontrollstelle auf Verteilstellen, wo sie Büroboten zu den Arbeitsplätzen der Angestellten brachten. Nach Prüfung des Schecks gelangten diese über den gleichen Weg wieder zurück zur Kontrollstelle. Ein weiterer Bandaufzug beförderte sie nun ins zweite Obergeschoss zur Verbuchung durch die Kontostelle – auch hier übernahm die Rohrpost die Feinverteilung innerhalb des Stockwerks. In Stößen gebündelt gelangten die Schecks schließlich wieder in Fallschächten ins Erdgeschoss und über Rohrpost an die 20 Zahlstellen. Jede Zahlstelle verfügte über einen eigenen Rohrpostanschluss, aber während in den oberen Geschossen die Rohre der Rohrpost offen unter der Decke geführt wurden, verlegte die Reichspost die Rohre aus Rücksicht auf die architektonische Gestaltung der Halle an die Decke des darunterliegenden Kellergeschosses. === Erweiterungsbau am Reichstagufer === [[Bild:Berlin Markthalle IV Ansicht Postscheckamt Spree.jpg|thumb|upright=1.6|Spreefassade des Erweiterungsbaues von 1923, die Treppen in der Ufermauer führen zum zugemauerten Versorgungskanal]] Die Bebauung des restlichen Grundstücks am Reichstagufer verzögerte sich durch den weitgehenden Baustopp während des Ersten Weltkriegs. In der Zeitschrift ''Berliner Architekturwelt'' veröffentlichte Lempp 1918 zusammen mit dem Bericht über den Neubau bereits einen Grundriss für den Erweiterungsbau, der erst später und verändert zur Ausführung kam. Die Bauarbeiten begannen Ende 1920 und kamen im Oktober 1923 zum Abschluss. Der Erweiterungsbau aus einem fünf-, im Mittelteil sechsgeschossigen Gebäudetrakt entlang der Spree verbindet sich mit seinen zwei Seitentrakten entlang der Grundstücksgrenzen mit dem Bau von 1917 und umschließt den mit einer Durchfahrt erschlossenen Hof. Auch bei dieser Erweiterung nutzte die Reichspost den Keller der ehemaligen Markthalle und erweiterte ihn unter die ehemaligen Verkaufsflächen der Obsthändler. Der Erweiterungsbau umfasste keine Räume für den Publikumsverkehr. Die Geschosse, auch die beiden ausgebauten Dachgeschosse, erhielten keine weiteren Unterteilungen durch Trennwände, sondern wurden als große Arbeitssäle eingerichtet. Die Fassade des Neubaus von 1917 war mit 18&nbsp;Metern recht schmal und versteckte sich im engen Innenhof hinter dem Vorderhaus der ehemaligen Markthalle an der Dorotheenstraße. Mit der 57&nbsp;Meter langen Fassade am Reichstagufer konnte das Postscheckamt nun auch nach außen würdig in Erscheinung treten. Der Mittelteil mit sieben Fensterachsen enthält im Erdgeschoss in den mittleren drei Achsen die Durchfahrten zum Hof. Er tritt neben den beiden dreiachsigen Seitenfassaden leicht vor. Die Streifenquaderung verleiht dem Erdgeschoss die notwendige Schwere als „Sockel“ für die darüberliegenden Geschosse. Acht Säulen mit [[Ionische Ordnung|ionischen Kapitellen]] verklammern die vier Obergeschosse des Mittelteils und tragen das Hauptgesims. Darüber wechselt im fünften Obergeschoss des Mittelteils die rechteckige Form der Fenster zu Rundbogenfenstern. Beim Bau der Erweiterung erhielt auch der Mittelflügel des Postscheckamtes ein fünftes Geschoss, und 1925 integrierte die Reichspost das ehemalige Hotel Prinz-Heinrich an der Dorotheenstraße 22, das sie bereits 1915/16 zusammen mit dem Gebäude Dorotheenstraße 25 erworben hatte. === Zweiter Weltkrieg und Nachkriegszeit === Im Zweiten Weltkrieg beschädigten Bomben im Januar 1944 das Dach des ehemaligen Vordergebäudes an der Dorotheenstraße und zerstörten die Glaskuppel der Halle. Die Schäden am Postscheckamt waren aber nicht schwer, sodass der am Ende des Krieges völlig zusammengebrochene Postscheckverkehr bereits am 25.&nbsp;Juli 1945 wieder aufgenommen werden konnte. Durch die [[Währungsreform]] am 20.&nbsp;Juni 1948 mit der Einführung der [[Deutsche Mark|Deutschen Mark]] in den westlichen Sektoren und der anschließenden [[Berlin-Blockade]] verlor das Postscheckamt seine Bedeutung für Gesamt-Berlin. Die Wochenschau [[Welt im Film]] der britischen und amerikanischen Besatzungsmächte berichtete am 20.&nbsp;August 1948 von der Eröffnung eines eigenen Postscheckamtes für West-Berlin.<ref>Welt im Film (WIF) 169 vom 20.&nbsp;August 1948, ''Neues Postscheckamt und Ernährungsamt in den Westsektoren nach Verlegung aus dem sowjetischen Sektor''</ref> Anlässlich der 1951 in Ost-Berlin stattfindenden [[Weltfestspiele der Jugend und Studenten]] erhielt das Postscheckamt eine zeitgemäße Modernisierung des äußeren Erscheinungsbildes. Beim Vorderhaus an der Dorotheenstraße wurden die Terrakotten, Formsteine, Sandsteingliederungen und Sgraffito-Felder für eine einfache Kratzputzfassade abgeschlagen, einzig belebt durch den großen Schriftzug POSTSCHECKAMT über dem Portal und die Ladenschilder der [[Handelsorganisation|HO]]-Filiale, die ins Vorderhaus gezogen war. In der Schalterhalle verschwand der letzte Stuck, der nach den Zerstörungen des Krieges verblieben war. Seit Anbeginn begleitete die Automatisierung den [[Postscheckverkehr]] als Voraussetzung zur Bewältigung der stetig wachsenden Aufträge. Ab Beginn der 1970er Jahre verdrängten elektronische Buchungsverfahren die bisherigen mechanischen und elektromechanischen [[Rechenmaschine|Rechen]]- und Buchungsmaschinen. Die [[Deutsche Post der DDR]] ließ in der ehemaligen Schalterhalle ihr Rechenzentrum mit Anlagen zur [[Elektronische Datenverarbeitung|elektronischen Datenverarbeitung]] installieren. Diese Umbauten waren mit dem Verlust letzter Überreste der historischen Schalterhalle von 1917 verbunden und führten zu schwerwiegenden Eingriffen in der Eingangshalle und im Treppenhaus. Mit der [[Deutsche Wiedervereinigung|Deutschen Wiedervereinigung]] 1990 vereinigten sich auch die Deutsche Post der DDR und die [[Deutsche Bundespost]]. Das Rechenzentrum wurde nicht mehr benötigt und so endete die Nutzung des Gebäudes durch die Post nach beinahe 80 Jahren 1996. == Presse- und Informationsamt der Bundesregierung == {|align="left" |[[Datei:Berlin Markthalle IV 1886.jpg|45px]]&nbsp;&nbsp;<!--Abstandshack --> |- |[[Datei:Berlin Markthalle IV 1917.jpg|45px]] |- |[[Datei:Berlin Markthalle IV 1999.jpg|45px]] |} [[Datei:Berlin, ehemalige Markthalle IV, Presse- und Informationsamt der Bundesregierung.jpg|thumb|Presse- und Informationsamt der Bundesregierung: rekonstruierte Fassade des Vorderhauses der Markthalle IV]] Nach dem Umzug von [[Bonn]] nach Berlin sollte das [[Presse- und Informationsamt der Bundesregierung]] möglichst nahe der Regierungszentrale Platz finden. Ein Beschluss des [[Bundeskabinett]]s bestimmte dafür den Straßenblock zwischen Dorotheenstraße und Reichstagufer: insgesamt acht Parzellen mit Bebauung vom letzten Viertel des 19.&nbsp;Jahrhunderts bis zu [[Plattenbau]]ten aus DDR-Zeiten, darunter das Vorderhaus der Markthalle und die Gebäude des Postscheckamtes. Die Entwurfsaufgabe des 1995 ausgeschriebenen Wettbewerbs forderte neben Büros für die rund 550 Mitarbeiter Infrastrukturen für Pressekonferenzen und andere Veranstaltungen sowie Räume für die Bibliothek und das Archiv mit 8 Millionen Zeitungsausschnitten und 1,5 Millionen Fotografien. Die Realisierung des Siegerprojektes des Architekturbüros [[KSP Engel und Zimmermann]] zerfiel in drei Bauabschnitte, die im Oktober 1997, Oktober 1998 und August 2000 vollendet wurden. Im dritten Bauabschnitt befreiten die Architekten die ehemalige Kassenhalle des Postscheckamtes von späteren Einbauten und ersetzten die im Zweiten Weltkrieg verlorene Glaskuppel durch eine moderne Stahl-Glas-Konstruktion. Der runde, repräsentative Saal, benannt nach dem Widerstandskämpfer [[Theodor Haubach]], dient Pressegesprächen und weiteren besonderen Veranstaltungen des Presse- und Informationsamtes. Ein überraschend aufgefundener Katalog der Firma ''[[Ernst March]]'' mit Fotografien der Terrakottaplatten und Formsteine sowie historisches Bildmaterial erlaubte die Rekonstruktion der Fassade an der Dorotheenstraße in der ursprünglichen, von Blankenstein entworfenen Gestalt. Nur die Jahreszahlen im zweiten Obergeschoss wurden verändert − mit 1886 dem Jahr der Eröffnung der Markthalle, 1917 dem Jahr der Eröffnung des Postscheckamtes und 1999 dem Jahr der Generalsanierung nennen sie die prägenden Eckdaten in der Geschichte des Gebäudekomplexes. <br style="clear:left;" /> == Literatur == * ''Berliner Architekturwelt: Zeitschr. für Baukunst, Malerei, Plastik und Kunstgewerbe der Gegenwart'', Heft 20, 1918, S. 257−276 (Abbildungen 368−389), [http://opus.kobv.de/zlb/volltexte/2006/538/ Heft in der Elektronischen Zeitschriftenbibliothek der Zentral- und Landesbibliothek Berlin] * Jochen Boberg (Hrsg.): ''Exerzierfeld der Moderne. Industriekultur in Berlin im 19. Jahrhundert.'' Verlag C.H. Beck, 1984, Seiten 106–113 und 166–168, ISBN 3-406-30201-7 * August Lindemann: ''Die Markthallen Berlins.'' Verlag Springer, Berlin 1899, Seiten 41–43 sowie Tafeln 17 und 18 * Thorsten Knoll: ''Berliner Markthallen.'' Haude und Spener, Berlin 1994, ISBN 3-7759-0392-5 == Einzelnachweise == <references/> == Weblinks == {{Commons|Market halls in Berlin|Markthallen in Berlin}} * Einträge in der Berliner Landesdenkmalliste: {{LDLBerlin|09080399|für das Gesamtensemble}}, {{LDLBerlin|09080401|für das Postscheckamt}} und {{LDLBerlin|09085087|für den Verbindungstunnel der ehemaligen Markthalle IV}} * [http://www.bmvbs.de/Bauwesen/Bauherr-Bund-,1512.904320/bpa.htm Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung] * [http://architekturmuseum.ub.tu-berlin.de/index.php?set=1&p=79&Daten=160391 Bild des Inneren der Markthalle 1886 im Architekturmuseum Berlin] * [http://www.bildindex.de/bilder/MI03644c03a.jpg Bild des Vorderhauses Dorotheenstraße nach der Umnutzung zum Postscheckamt, um 1930/40] * [http://www.bildindex.de/bilder/MI09240e13a.jpg Nachkriegsbild des Vorderhauses Dorotheenstraße aus den 1950er Jahren mit der vereinfachten Fassade] * [http://www.restaurierung-am-oberbaum.de/files/bundespresseamt.pdf Zur Rekonstruktion der Terrakotten] (PDF-Datei; 918 kB) {{Coordinate |NS=52/31/9/N |EW=13/23/1/E |type=landmark |region=DE-BE}} {{Exzellent}} [[Kategorie:Kulturdenkmal (Berlin)]] [[Kategorie:Bauwerk in Berlin]] [[Kategorie:Essen und Trinken (Berlin)]] [[Kategorie:Markthalle]] cmisdbvs7y3m24j5947x27q8rs1v93a wikitext text/x-wiki Markuelia 0 23898 26494 2008-12-06T21:42:32Z Cymothoa exigua 0 linkfix Vielzeller <!-- Für Informationen zum Umgang mit dieser Tabelle siehe bitte [[Wikipedia:Paläoboxen]] --> {| class="palaeobox" ! ''Markuelia'' |- | class="taxo-bild"|<!-- [[bild:Ammonit2.jpg|250px|thumb|Lebendes Ammonitentier, historische Rekonstruktion. Problematisch ist die Deutung der Arme als Cirren und der Anaptychen als Gehäusedeckel.]] --> |- ! [[Erdzeitalter|Zeitraum]] |- | class="taxo-zeit" |Mittleres [[Kambrium]] |- ! [[Fossil]]fundorte |- | class="taxo-ort" align="center"| * [[China]], [[Sibirien]] |- ! {{Taxonomy}} |- | {| |- | [[Vielzellige Tiere]] (Metazoa) |- | [[Gewebetiere]] (Eumetazoa) |- | [[Bilateria]] |- | [[Urmünder]] (Protostomia) |- | [[Häutungstiere]] (Ecdysozoa) |} |- ! [[Nomenklatur (Biologie)|Wissenschaftlicher Name]] |- | class="taxo-name" |''Markuelia'' |- | class="Person" | |- |} '''''Markuelia''''' ist eine aus der erdgeschichtlichen Periode des [[Tommotium]] im mittleren [[Kambrium]] erhaltene [[Gattung (Biologie)|Gattung]] [[Fossilien|fossiler]] [[Würmer]]. Es gibt zwei bekannte [[Art (Biologie)|Arten]], die vermutlich die engsten bekannten Verwandten der drei modernen [[Stamm (Biologie)|Tierstämme]] der [[Korsetttierchen]] (Loricifera), [[Hakenrüssler]] (Kinorhyncha) und [[Priapswürmer]] (Priapulida) darstellen. In der [[Hunan]]-Provinz Südchinas wurden Embryos von ''Markuelia hunanensis'', in [[Sibirien|Ostsibirien]] solche von ''Markuelia secunda'' gefunden. Erstere haben sich aus nahezu allen Entwicklungsstadien von den ersten Zellteilungen bis zum Zeitpunkt des Schlüpfens erhalten und geben einen einmaligen Einblick nicht nur in die Embryonalentwicklung dieser Tiere, sondern auch in die Stammesgeschichte der gesamten, als Scalidophora bekannten, Gruppe. == Die Fossilien == Die Konservierung weichkörperiger Tiere als Fossilien ist bereits äußerst ungewöhnlich, die Möglichkeit einer Erhaltung embryonaler Lebensstadien wurde hingegen lange Zeit praktisch völlig ausgeschlossen. Aus diesem Grund sind die vorliegenden Funde von hohem wissenschaftlichen Wert. Bei beiden Arten wurde eine Konservierung in [[Kalkstein]] durch feinkörniges [[Calciumphosphat]] ermöglicht, das die Weichgewebe entweder durch komplette Ersetzung oder durch einen feinen Filmüberzug vor dem Verfall bewahrt hat. Da dieser Vorgang nach dem Eintritt des Todes sehr schnell abgelaufen sein muss, nimmt man an, dass die Einwirkung von [[Bakterien]] dabei eine Rolle spielte. [[Sedimentation|Sedimentäre]] Phosphatablagerungen und die damit verbundenen außergewöhnlichen Erhaltungsbedingungen finden sich in der Übergangszeit vom [[Ediacarium]] zum Kambrium vergleichsweise häufig – warum dies ausgerechnet in diesen frühen erdgeschichtlichen Epochen der Fall war, ist jedoch noch nahezu unverstanden – möglicherweise war diese Frühzeit des [[Paläozoikum|Erdaltertums]] durch eine ganz andere Ozeanchemie als heute geprägt. === Markuelia hunanensis === Die fossilen Embryos von ''Markuelia hunanensis'' stammen aus der [[Bitiao-Formation]] [[Wangcun]]s in der [[Hunan]]-Provinz Südchinas – von letzterer leitet sich auch der zweite Bestandteil, das Epithet, des wissenschaftlichen Namens ab. Der Erhaltungsgrad der Fossilien ist sehr unterschiedlich; im besten Fall lassen sich aber noch Strukturen in einer Größenordnung von etwa 0,3 Mikrometern ausmachen. Von den Tieren liegen unterschiedliche Entwicklungsstadien vor, deren Abmessungen zwischen etwa 240 und 410 Mikrometern liegen. Das früheste Stadium zeigt den Embryo im [[Blastula]]-Stadium, die Teilungsfurchen zwischen den einzelnen Zellen, den [[Blastomer]]en, deren Zahl auf 485 geschätzt wird, sind dabei gut zu erkennen. In späteren, aber immer noch kugelförmigen Stadien lassen sich differenziertes Embryogewebe und undifferenzierte Oberflächenteile unterscheiden, die vermutlich Dotter darstellen. Der Embryo hat nun bereits ein wurmähnliches Aussehen und ist so auf der Oberfläche der mutmaßlichen Dotterkugel zusammengerollt, das Kopf und Schwanz nebeneinander zu liegen kommen. Der Rumpf verbindet beide durch eine Doppelschleife in der Form eines umgekehrten S. Er ist außen von mehr als hundert etwa 180 bis 190 Mikrometer breiten und 20 bis 25 Mikrometer langen Ringen bedeckt, die sich, wie in aufgebrochenen Exemplaren erkennbar ist, nach innen hin fortsetzen, also keine Oberflächenmerkmale darstellen. Senkrecht zu den Ringen ist der Körper durch feine, nur etwa 0,3 bis 0,5 Mikrometer breite Bänder gezeichnet. In der Schwanzregion sind die Ringe weitaus schwächer ausgeprägt; hier befinden sich stattdessen sechs gekrümmte, 50 bis 90 Mikrometer lange Stacheln, die bei den lebenden Tieren wahrscheinlich ringförmig um eine den Schwanz abschließende Mulde angeordnet waren, die sich als Körperöffnung, zum Beispiel als After, interpretieren lässt. Der Kopf ist nur bei einem Exemplar in einem aussagekräftigen Erhaltungszustand. Wie auch auf dem Schwanz sind die Ringe hier nur sehr unauffällig; stattdessen finden sich wie dort zahlreiche, allerdings mit etwa 30 Mikrometern etwas kürzere Stacheln. Sie sind in drei ringförmigen, einander überlappenden Reihen angeordnet und weisen in die mundabgewandte Richtung. Abgeflacht und mit einer glatten Oberfläche waren sie vermutlich von einer Außenhaut ([[Cuticula]]) umgeben, lassen sich aber nach Angaben der entdeckenden Wissenschaftler nicht als starre Fortsätze der Körperwand ansehen. An der Spitze des Kopfes liegt der abschließende Mund, für den ein Durchmesser von 46 Mikrometern gemessen wurde. Die Entdecker schätzen, dass der Embryo zum Zeitpunkt der Fossilisierung eine Länge von etwa drei Millimetern erreicht hatte - er war damit bereits größer als die meisten erwachsenen Tiere der modernen Scalidophora. Es kann als sehr wahrscheinlich gelten, dass es sich um direkt entwickelnde Tiere handelte, also kein zwischengeschaltetes Larvenstadium existierte. Der [[Holotyp]] der Art befindet sich heute im Geologischen Museum der [[Universität Peking]]. === Markuelia secunda === Die Fossilien von ''Markuelia secunda'' wurden zuerst in den 1980er Jahren von russischen Paläontologen in der [[Sibirien|ostsibirischen]] [[Pestrotsvet-Formation]] am Fluss [[Aldan (Fluss)|Aldan]] in [[Sacha|Süd-Jakutien]] gefunden, jedoch erst spät als Embryos erkannt. Auch sie stammen zeitlich aus der erdgeschichtlichen Periode des Tommotien. Die kugelförmigen Fossilien mit einem Durchmesser von etwa einem halben Millimeter ähneln stark ''Markuelia hunanensis'', befinden sich aber in schlechterem Erhaltungszustand. Auch hier sind die Embryos von wurmförmigem, außen geringtem Aussehen und schleifenförmig um die Kugeloberfläche gewickelt. Wie bei ''Marcuelia hunanensis'' ist der Rumpf in Form eines umgekehrten S angeordnet, so dass die etwas verbreiterten Kopf- und Schwanzregionen auf einer Hemisphäre nebeneinander zu liegen kommen. Die Gesamtlänge des Embryos wird mit 3, die Breite mit 0,2 bis 0,4 Millimetern angegeben, während die Länge der etwa 75 Ringe auf etwa 30 bis 50 Mikrometer geschätzt wird. Das Kopfende von ''Markuelia secunda'' ist nicht gut erhalten; dafür lassen sich in der Schwanzregion insgesamt vier in zwei spiegelsymmetrischen Paaren angeordnete stachelartige Strukturen ausmachen. Gleichzeitig wiederholen sich auf jedem dritten Segment in ungefähr gleicher Position kegelförmige, spitz zulaufende Vorsprünge. Im Körperinneren lassen sich bei aufgebrochenen Exemplaren feine stabähnliche Objekte erkennen, die jeweils genau einem Ring zugeordnet werden können, aber vermutlich nicht Teil der Körperwandung sind – dies spräche für eine interne Segmentierung der Tiere. Ob es sich um innere Organe handelt, und wenn ja, um welche, ist allerdings nur sehr schwer zu entscheiden, da die Phosphatablagerungen die ursprünglichen Abmessungen der Strukturen verfälscht haben könnten. Auch bei ''Markuelia secunda'' war die Entwicklung vermutlich direkt und der Embryo spiegelt bereits die grundlegende Körperform des erwachsenen Tieres wider. Unter anderem wegen der eher spiegelsymmetrischen, zangenartigen statt radialen Anordnung der Stacheln wird ''Markuelia secunda'' von ''Markuelia hunanensis'' unterschieden; ihre Ähnlichkeiten schienen den Entdeckern letzterer Art allerdings hinreichend, um beide in dieselbe Gattung zu stellen. Exemplare von ''Markuelia secunda'' befinden sich heute im Schwedischen Museum für Naturgeschichte in Stockholm. == Stammesgeschichtlicher Verwandtschaftskreis == Für ''Markuelia secunda'' wurden bis zur Entdeckung von ''Markuelia hunanensis'' verschiedene moderne und ausgestorbene Tiergruppen als engere Verwandtschaftsgruppe in Betracht gezogen, darunter besonders die [[Stummelfüßer]] (Onychophora), die [[Ringelwürmer]] (Annelida) und die ebenfalls segmentierten [[Halkieriiden]] (Halkieriida). Letztere sind eine [[Kladistik|paraphyletische]] Gruppe ausgestorbener Arten, die systematisch vermutlich auf der Stammlinie von Ringelwürmern und [[Weichtiere]]n (Mollusca) liegen. Da man annehmen kann, dass die meisten Merkmale von ''Markuelia hunanensis'' für die Gattung charakteristisch sind, machten diese eine Revision der oben angeführten älteren Vorstellungen notwendig: So lässt sich das Fehlen jeglicher Form von Körperanhängen selbst in späten Entwicklungsstadien der Embryos nur schwer mit einer engeren Verwandtschaft mit Ringelwürmern oder Stummelfüßern in Einklang bringen. Schon in der wissenschaftlichen Literatur zu ''Marcuelia secunda'', also vor dem Fund der zweiten, besser erhaltenen Art, wird zudem auf das Fehlen transversaler, also quer zur Körperachse angeordneter Querwände (''Septa'') aufmerksam gemacht und eine evolutionäre Entsprechung der vorgefundenen stachelförmigen Strukturen mit den Körperanhängen (''Parapodien'') der Ringelwürmer in Frage gestellt. Demgegenüber ist bei den Halkieriden die Orientierung der Stacheln verschieden angelegt und der Mund anders positioniert, nicht wie bei ''Markuelia'' den Körper nach vorne abschließend (''terminal''), sondern dahinter (''subterminal''). Auch die direkte Entwicklung von ''Markuelia'', also ohne zwischengeschaltetes [[Larve]]nstadium, widerspricht einer allzu engen Verwandtschaft mit den oben genannten Tiergruppen. Stattdessen sprechen Aufbau, Anordnung und Orientierung der Kopfstacheln für eine enge Verwandtschaft mit den Scalidophora, einer natürlichen Verwandtschaftsgruppe aus [[Hakenrüssler]]n (Kinorhyncha), [[Priapswürmer]]n (Priapulida) und [[Korsetttierchen]] (Loricifera); die Position des Mundes ist für ein weiter gefasstes Taxon namens Cyclioneuralia charakteristisch, das zusätzlich noch [[Fadenwürmer|Faden-]] (Nematoda) und [[Saitenwürmer]] (Nematomorpha) umfasst. Eine [[Kladistik|kladistische]] Analyse ergab die folgende systematische Einordnung der beiden ''Markuelia''-Arten: Cycloneuralia ├─Nematoida │ ├─Fadenwürmer (Nematoda) │ └─Saitenwürmer (Nematomorpha) │ └─Scalidophora ├─†''Markuelia'' │ ├─†''M. hunanensis'' │ └─†''M. secunda'' │ └─N. N. ├─Hakenrüssler (Kinorhyncha) └─Vinctiplicata ├─Korsetttierchen (Loricifera) └─Priapswürmer (Priapulida) == Auswirkungen für Embryologie und Systematik == Die Fossilienfunde bestätigen einerseits Vorhersagen der vergleichenden [[Embryologie]] und unterstreichen damit die Bedeutung, die embryologischen Studien für ein Verständnis der stammesgeschichtlichen Verwandtschaftsverhältnisse von [[Taxon|Taxa]] (systematisch benannten Gruppen von Lebewesen) zukommt. Andererseits vermehren sie das Wissen um die embryonale Entwicklung der Scalidophora selber – die frühe Lebensgeschichte der mehr als 500 Millionen Jahre alten ''Markuelia''-Arten ist ironischerweise besser bekannt als die ihrer meisten modernen Verwandten. Sie haben zudem direkte Relevanz für die moderne [[Systematik (Biologie)|Systematik]] und erlauben daneben erstmals den historischen Vergleich und damit einen Einblick in die evolutionäre Entwicklung [[Ontogenese|ontogenetischer]], also lebensgeschichtlicher Vorgänge. Die Vorhersage der vergleichenden Embryologie, dass sich bereits die ersten Scalidophora direkt, also ohne Umweg über ein planktonlebendes Larvenstadium zum erwachsenen Tier entwickelten, wurde durch die ''Markuelia''-Funde als richtig erkannt; es scheint also möglich zu sein, aus der Lebensgeschichte der modernen Taxa vergleichend auf den ursprünglichen Verlauf bei ihren ausgestorbenen Vorgängern zu schließen. Durch ein detailliertes Studium der lebensgeschichtlichen Entwicklung der ''Markuelia''-Arten lassen sich zudem von der vergleichenden Embryologie vorgebrachte Hypothesen zur Evolution einzelner Merkmale bzw. Merkmalskombinationen erstmals wissenschaftlich testen. Eine wichtige systematische Konsequenz der Funde liegt darin, dass die Larvenstadien von Priapswürmern und Korsetttierchen als abgeleitete Merkmale ([[Kladistik|Apomorphien]]) gedeutet werden müssen und vielleicht sogar als gemeinsame abgeleitete Merkmale ([[Kladistik|Synapomorphien]]) interpretiert werden können. In letzterem Fall würde die Kontroverse um die stammesgeschichtlichen Beziehungen der drei Scalidophora-[[Taxon|Taxa]] zueinander im Sinne eines Schwestertaxonverhältnis zwischen Priapswürmern und Korsetttierchen aufgelöst. Eine [[Konvergente Evolution|konvergente Entwicklung]], also das unabhängige Auftreten strukturell ähnlicher (''analoger''), aber nicht auf eine gemeinsame Vorgängerstruktur zurückführbarer (''homologer'') Merkmale, ist allerdings derzeit noch nicht auszuschließen. Auch auf die stammesgeschichtlichen Beziehungen der Scalidophora selber werfen die ''Markuelia''-Funde ein neues Licht, da zahlreiche vermutete [[Homologie (Biologie)|Homologie]]n zwischen den Scalidophora und ihrer mutmaßlichen Schwestergruppe, den Nematoida (Faden- und Saitenwürmer), nun schon von der Stammlinie der Scalidophora her bekannt sind, also keine abgeleiteten Merkmale der modernen Taxa darstellen. Dies führt gleichzeitig zu der Frage, welche der Charaktere der Scalidophora als abgeleitet und welche als ursprünglich anzusehen sind, oder mit anderen Worten, wie stark die Scalidophora vom gemeinsamen Grundbauplan aller Cycloneuralia (der Zusammenfassung von Scalidophora und Nematoida) abgewichen sind. Da zahlreiche Merkmale möglicherweise als evolutionäre [[Homologie (Biologie)|Homologie]]n auch in der Außengruppe der [[Bauchhärlinge]] (Gastrotricha) zu finden sind, können die Scalidophora wohl als eine vergleichsweise konservative Gruppe der Cycloneuralia und eventuell sogar des umfassenderen [[Taxon]]s der [[Häutungstiere]] (Ecdysozoa) angesehen werden, so dass einer ihrer frühen Vertreter wie ''Markuelia'' eine Vorstellung von den Charakteristika der Stammart vermitteln könnte. Damit verbunden ist die evolutionsgeschichtlich interessante Frage, ob die Segmentierung des Körpers, die zum Beispiel bei den [[Gliederfüßer]]n (Arthropoda), zu denen man etwa die [[Insekten]] (Insecta), [[Webspinnen|Spinnen]] (Araneae) oder [[Krebstiere]] (Crustacea) zählt, deutlich erkennbar ist, ein ursprüngliches oder ein abgeleitetes Merkmal der Häutungstiere darstellt. Lange Zeit wurden zum Beispiel die Zonite genannten Körperabschnitte der wurmartigen Hakenrüssler als konvergent entstanden angesehen. Sollten sich die paläontologischen Befunde hinsichtlich der sich tief in den Körper fortsetzenden Ringe von ''Markuelia'' bestätigen, könnte es sein, dass diese Ansicht noch einmal überdacht werden muss. Paläontologisch beweist ''Markuelia'' die Existenz der Scalidophora-Gruppe im mittleren [[Kambrium]], eine Tatsache, die bisher aus der Kenntnis von kambrischen Gliederfüßern (Arthropoda), die den anderen Zweig der Häutungstiere bilden, indirekt erschlossen werden konnte, die jetzt aber unabhängig davon bestätigt ist. Sie verstärkt zudem die Vorhersage, dass auch die Stammlinie der Nematoida zu diesem Zeitpunkt bereits etabliert war, deren paläontologischer Nachweis aus kambrischen Schichten im Jahre 2004 aber noch aussteht. Die Funde von ''Markuelia'' liefern somit ein gutes Beispiel dafür, wie die Verschränkung paläontologischer, embryologischer und paläoembryologischer Forschungsergebnisse in Wechselwirkung mit den Erkenntnissen der modernen Systematik zu einem vertieften Verständnis evolutionärer Vorgänge führen können - sowohl auf der Ebene des Einzelorganismus und seiner [[Ontogenese]], also lebensgeschichtlichen Entwicklung, als auch auf der Ebene der Abstammungsgemeinschaft und ihrer [[Phylogenese]], also stammesgeschichtlichen Entwicklung. == Literatur == * S. Bengtson, Z. Yue: ''Fossilized metazoan embryos from the earliest Cambrian.'' In: ''[[Science]]''. Washington DC 277.1997, S. 1645. {{ISSN|0096-3771}} * S. Conway-Morris: ''Eggs and embryos of the Cambrian.'' In: ''Bioessays.'' Cambridge University Press, Cambridge 20.1998, S. 678. {{ISSN|0265-9247}} * X-P. Dong, P. C. J. Donoguhe, H. Cheng, J. B. Liu: ''Fossil embryos from the Middle and Late Cambrian period of Hunan, south China.'' In: ''[[Nature]].'' Macmillan Journals, London 427.2004, S. 237. {{ISSN|0028-0836}} == Weblinks == * [http://www.nature.com/nature/journal/v427/n6971/fig_tab/nature02215_F1.html Fotos von ''Markuelia hunanensis''] (Englisch) * [http://www.sciencemag.org/content/vol277/issue5332/images/large/se3575650002.jpeg Fotos von ''Markuelia secunda''] {{Exzellent}} [[Kategorie:Vielzellige Tiere]] [[Kategorie:Metazoa]] [[Kategorie:Ausgestorbenes Tier]] [[en:Markuelia]] [[pt:Markuelia]] 164hi9wjypibcusd04spcr40ab0b5k1 wikitext text/x-wiki Mars (Planet) 0 23899 26495 2010-05-06T06:07:39Z Klingon83 0 linkfix {{Infobox Planet | Name = Mars&nbsp;&nbsp;[[Datei:Mars symbol.svg|15px|Astronomisches Symbol des Mars.]] | Bild = [[Datei:Mars Hubble.jpg|280px|Mars in natürlichen Farben, aufgenommen mit dem Hubble-Weltraumteleskop.]] | Bildtext = Mars in natürlichen Farben, aufgenommen am 26. Juni 2001 mit dem [[Hubble-Weltraumteleskop]]. | Farbe = SandyBrown | Große_Halbachse = 1.524 | Perihel = 1,381 | Aphel = 1,666 | Exzentrizität = 0,0935 | Bahnneigung = 1,850 | Umlaufdauer = 686,980 [[Tag|d]] | Oppositionsintervall = 779,94 d | Umlaufgeschwindigkeit = 24,13 | Kleinster_Abstand = 0,372 | Größter_Abstand = 2,683 | ref-o = <ref name="daten_nasa">{{internetquelle | hrsg=NASA | autor=David R. Williams | url=http://nssdc.gsfc.nasa.gov/planetary/factsheet/marsfact.html | sprache=Englisch | titel=Mars Fact Sheet | datum=29. November 2007 | zugriff=18. September 2009}}</ref> | Äquatordurchmesser = 6.792,4 | Poldurchmesser = 6.752,4 | Masse = 6,419&nbsp;·&nbsp;10<sup>23</sup> | Dichte = 3,933 | Fallbeschleunigung = 3,69 | Fluchtgeschwindigkeit = 5,03 | Rotationsperiode = 24&nbsp;h 37&nbsp;min 22&nbsp;s | Achsenneigung = 25,19 | Albedo = 0,15 | MaxScheinbareHelligkeit = −2,91 | ref-p = <ref name="daten_nasa"/> | Druck = 6&nbsp;·&nbsp;10<sup>−3</sup> | Temperatur = 140 [[Kelvin|K]]&nbsp;(–133&nbsp;[[Celsius|°C]])<br />218&nbsp;K&nbsp;(−55&nbsp;°C)<br />300&nbsp;K&nbsp;(+27&nbsp;°C)<ref name="neunplaneten">{{internetquelle | autor=Bill Arnett |url=http://www.neunplaneten.de/nineplanets/mars.html | titel=Mars | datum=8. September 2009 <!-- zuletzt ergänzt --> |werk=[[The Nine Planets|Die Neun Planeten]] | zugriff=18. September 2009}}</ref> | Atmosphärenhauptbestandteile = * [[Kohlenstoffdioxid]]: 95,32 % * [[Stickstoff]]: 2,7 % * [[Argon]]: 1,6 % * [[Sauerstoff]]: 0,13 % * [[Kohlenstoffmonoxid]]: 0,08 % * [[Wasser]]: 0,02 % | Vergleichbild = [[Datei:Mars Earth Comparison.png|200px]] | Vergleichtext = Größenvergleich zwischen Erde (links) und Mars. | Monde = 2 }} Der '''Mars''' ist, von der [[Sonne]] aus gesehen, der vierte [[Planet]] in unserem [[Sonnensystem]] und der äußere Nachbar der [[Erde]]. Er zählt zu den [[Erdähnlicher Planet|erdähnlichen (terrestrischen) Planeten]]. Der Mars ist mit einem Durchmesser von knapp 6800&nbsp;km etwa halb so groß wie die Erde und nach [[Merkur (Planet)|Merkur]] der zweitkleinste Planet des Sonnensystems. Mit einer durchschnittlichen Entfernung von knapp 228&nbsp;Millionen km ist er rund 1,5 mal so weit von der Sonne entfernt wie die Erde. Wegen seiner orange- bis blutroten Farbe wurde er nach dem römischen Kriegsgott [[Mars (Mythologie)|Mars]] benannt und wird oft auch als ''der Rote Planet'' bezeichnet. Diese Färbung geht auf [[Eisen(III)-oxid]]-Staub ([[Rost]]) zurück, der sich auf der Oberfläche und in der [[Atmosphäre]] verteilt hat. Er besitzt zwei kleine, unregelmäßig geformte [[Satellit (Astronomie)|Monde]]: [[Phobos (Mond)|Phobos]] und [[Deimos (Mond)|Deimos]] (griechisch für ''Furcht'' und ''Schrecken''). Das [[Astronomisches Symbol|astronomische Symbol]] des Mars ist: [[Marssymbol|♂]]. == Umlauf und Rotation == === Umlaufbahn === Der Mars bewegt sich in einem Abstand von 206,62 bis 249,23&nbsp;Millionen Kilometern (1,38&nbsp;[[Astronomische Einheit|AE]] bis 1,67&nbsp;AE) in knapp 687 Tagen (etwa 1,9 [[Jahr]]e) auf einer [[Ellipse|elliptischen]] [[Umlaufbahn]] um die Sonne. Die [[Bahnebene]] ist 1,85° gegen die [[Ekliptik|Erdbahnebene]] geneigt. Seine [[Geschwindigkeit|Bahngeschwindigkeit]] schwankt mit dem Sonnenabstand zwischen 26,50&nbsp;km/s und 21,97&nbsp;km/s und beträgt im Mittel 24,13&nbsp;km/s. Die [[Bahnexzentrizität]] beträgt 0,0935. Nach der Umlaufbahn des [[Merkur (Planet)|Merkurs]] ist das die zweitgrößte Abweichung von der Kreisform unter allen [[Planetenbahn]]en des Sonnensystems. Es ist jedoch bekannt, dass der Mars in der Vergangenheit im Gegensatz zu heute eine viel kreisförmigere Umlaufbahn hatte. Vor 1,35 Millionen Jahren betrug die Exzentrizität nur etwa 0,002. Das ist viel weniger als die der Erde heutzutage.<ref name="unina">{{internetquelle | hrsg=Universita' degli Studi di Napoli Federico II | autor=Aldo Vitagliano | url=http://main.chemistry.unina.it/~alvitagl/solex/MarsDist.html | sprache=Englisch | titel=Mars' Orbital eccentricity over time | zugriff=18. September 2009}}</ref> Die Periode der Exzentrizität des Mars beträgt etwa 96.000 Jahre, verglichen mit der der Erde von 100.000 Jahren.<ref name="Meeus2003">{{internetquelle | hrsg=International Planetarium Society | autor=Jean Meeus | url=http://www.ips-planetarium.org/planetarian/articles/whenmars.html | sprache=Englisch | titel=When Was Mars Last This Close? | datum=20. Juni 2006 | zugriff=18. September 2009}}</ref> Mars hat jedoch mit 2,2 Mio. Jahren noch einen längeren Zyklus der Exzentrizität, der die Periode mit den der 96.000 Jahre überlagert. In den letzten 35.000 Jahren wurde die Umlaufbahn aufgrund der [[Gravitation|gravitativen]] Kräfte der anderen Planeten geringfügig exzentrischer. Die minimale Distanz zwischen Erde und Mars wird in den nächsten 25.000 Jahren noch ein wenig geringer werden.<ref name="Baalke2003">{{internetquelle | hrsg=meteorite-list | autor=Ron Baalke | url=http://www.mail-archive.com/meteorite-list@meteoritecentral.com/msg14044.html | sprache=Englisch | titel=Mars Makes Closest Approach In Nearly 60,000 Years | datum=22. August 2003 | zugriff=18. September 2009}}</ref> [[Asteroid]]en, die auf der Bahn des Planeten Mars laufen, gehören zur Gruppe der [[Mars-Trojaner]]. Sie befinden sich auf der Umlaufbahn des Planeten, wobei sie dem Planeten um 60° vorauseilen oder nachfolgen. Bei diesen beiden Positionen handelt es sich um die [[Lagrange-Punkt|Lagrangepunkte]] L<sub>4</sub> und L<sub>5</sub>. === Rotation === Mars rotiert in rund 24&nbsp;Stunden und 37&nbsp;Minuten einmal um die eigene Achse. In Bezug auf seinen Lauf um die Sonne ergibt sich daraus ein Marstag von knapp 24&nbsp;Stunden und 40&nbsp;Minuten, der auch [[Sol (Marstag)|Sol]] genannt wird. Da die [[Rotationsachse]] des Planeten um 25°&nbsp;12′ gegen die [[Bahnebene]] geneigt ist, gibt es, wie auf der Erde, [[Jahreszeit]]en. Sie haben jedoch fast die doppelte Dauer der irdischen Jahreszeiten, da ihnen das Marsjahr mit 687&nbsp;Tagen zugrunde liegt. Zudem sind sie unterschiedlich lang, da die Bahn des Mars um die Sonne elliptischer ist als die der Erde; so hat der Herbst der Nordhemisphäre etwa 143 Tage, der Winter etwa 154, der Frühling etwa 194 und der Winter etwa 178 Tage (bei angenommenen 669 Tagen, berechnet für das Jahr 2027 <ref>Kim Stanley Robinson, ''[[Marstrilogie|Red Mars]]'' Bantam 1993. S.121</ref> <!-- ref bitte ggf. an WP-Normen anpassen oder durch bessere Quelle ersetzen; es handelt sich um einen Science-Fiction-Roman. Bei K.S. Robinsons Anspruch darf allerdings bezweifelt werden, dass die Science in seinen Romanen, was derart elementare Dinge betrifft, auch fiktional wäre -->). Die Rotationsachse weist zudem eine [[Präzession]]sbewegung mit einer Periode von 170.000&nbsp;Jahren auf. Aus diesem Wert, der mit Hilfe der [[Mars Pathfinder|Pathfinder]] Mission festgestellt wurde, können die Wissenschaftler auf die Massenkonzentration im Inneren des Planeten schließen.<ref name="astronews1">{{internetquelle | autor=Stefan Deiters | hrsg=astronews | url=http://www.astronews.com/news/artikel/2003/03/0303-006.shtml | titel=Mars: Roter Planet hat Kern aus flüssigem Eisen | datum=10. März 2003 | zugriff=18. September 2009}}</ref> Der marsianische [[Polarstern]] des Nordens ist [[Deneb]] (obwohl der eigentliche Pol etwas in die Richtung von [[Alderamin|Alpha Cephei]] zeigt).<!-- <ref name="burgess">{{internetquelle | autor=E. Burgess, G. Singh | hrsg=Columbia University Press 1978 | url=http://adsabs.harvard.edu/full/1993Ap&SS.201 | titel=To the Red Planet | daum= | zugriff=15. Januar 2009 | Sprache=Englisch}}</ref> (Seite nicht verfügbar) --> == Physikalische und chemische Eigenschaften == [[Datei:Mars atmosphere.jpg|miniatur|Über dem Marshorizont ist die Atmosphäre als dunstiger Schleier erkennbar. Links ist der einem Smiley ähnelnde Krater [[Galle (Krater)|Galle]] zu sehen. Viking, 1976]] Der Äquatordurchmesser des Mars von 6792&nbsp;km ist etwa doppelt so groß wie der des [[Mond|Erdmonds]] und halb so groß wie der der [[Erde]]. Seine Oberfläche beträgt etwa ein Viertel der Erdoberfläche, seine Masse ein Zehntel der Erdmasse. Die Oberfläche des Mars entspricht mit 144&nbsp;Mio.&nbsp;km<sup>2</sup> ungefähr der Gesamtoberfläche aller [[Kontinent]]e der Erde (149 Mio.&nbsp;km<sup>2</sup>). Die [[Schwerebeschleunigung|Fallbeschleunigung]] auf seiner Oberfläche beträgt 3,71&nbsp;m/s², dies entspricht etwa 38 % der irdischen. Mit einer Dichte von 3,9&nbsp;g/cm³ weist der Mars den geringsten Wert der terrestrischen Planeten auf. Deshalb ist die [[Schwerkraft]] auf ihm sogar geringfügig niedriger als auf dem kleineren, jedoch dichteren Merkur. Der Mars besitzt eine sehr dünne [[Atmosphäre]]. Dadurch ist der Atmosphärendrucks sehr niedrig und Wasser kann nicht in flüssiger Form auf der Marsoberfläche existieren, ausgenommen kurzzeitig in den tiefstgelegenen Gebieten. === Atmosphäre und Klima === Da die dünne Marsatmosphäre nur wenig Sonnenwärme speichern kann, sind die Temperaturunterschiede auf der Oberfläche sehr groß. Die [[Temperatur]]en erreichen in [[Äquator]]<b/>nähe etwa 20&nbsp;°C am Tag und sinken bis auf −85&nbsp;°C in der Nacht. Die mittlere Temperatur des Planeten liegt bei etwa −55&nbsp;°C. ==== Atmosphäre ==== ===== Zusammensetzung ===== Die Marsatmosphäre besteht zu 95,3 % aus [[Kohlendioxid]]. Außerdem kommen noch 2,7 % [[Stickstoff]], 1,6 % [[Argon]], geringe Anteile an [[Sauerstoff]] (1300&nbsp;[[Parts per million|ppm]]) und [[Kohlenmonoxid]] (800&nbsp;ppm) sowie Spuren von [[Wasserdampf]] (210&nbsp;ppm) und anderen Verbindungen oder Elementen vor. Die Atmosphäre ist ziemlich staubig. Sie enthält Partikeln mit etwa 1,5&nbsp;[[µm]] im Durchmesser, die den Himmel über dem Mars in einem blassen gelb- bis orange-braunen Farbton erscheinen lassen. Der atmosphärische [[Druck (Physik)|Druck]] beträgt auf der Oberfläche des Mars im Schnitt nur 6,36&nbsp;[[hPa]] (Hektopascal). Im Vergleich zu durchschnittlich 1013&nbsp;hPa auf der Erde sind dies nur 0,75 % und entspricht dem Luftdruck der Erdatmosphäre in 35&nbsp;Kilometern Höhe. Die Atmosphäre wurde wahrscheinlich im Laufe der Zeit vom [[Sonnenwind]] regelrecht abgetragen und in den Weltraum mitgerissen. Dies wurde durch die geringe [[Schwerkraft]] des Planeten und sein schwaches [[Magnetfeld]] begünstigt, das kaum Schutz vor den hochenergetischen Partikeln der Sonne bietet. Da die Atmosphäre des Mars sehr viel dünner als die irdische ist, beträgt die Distanz der Moleküle zueinander das 120-fache. Auf der Erde ist ein durchschnittlicher Schrei, je nach Bedingungen, etwa 1,2&nbsp;km weit zu hören. Am Mars ist er jedoch kaum mehr als 16 m zu hören, vorausgesetzt man könnte die Luft aus Kohlendioxid atmen. Weil sich der Schall in der Marsatmosphäre langsamer als in unserer Atmosphäre ausbreitet, würde die eigene Stimme auch deutlich tiefer klingen.<ref name="space.com">{{internetquelle | hrsg=Space | autor=Bjorn Carey | url=http://www.space.com/scienceastronomy/060615_mars_sound.html | sprache=Englisch | titel=The Slow Sound of a Scream on Mars | zugriff=18. September 2009 | datum=15. Juni 2006}}</ref> ===== Methanvorkommen ===== [[Datei:Martian Methane Map.jpg|miniatur|Spuren von Methankonzentrationen in der Atmosphäre des Mars während des nördlichen Sommers - [[National Aeronautics and Space Administration|NASA]].]] Im Jahre 2003 konnten mittels erdgestützter [[Teleskop]]e und 2004 durch den Planetary Fourier Spectrometer (PFS) am Mars Express Spuren von [[Methan]] nachgewiesen werden (etwa 10 [[Parts per billion|ppb]]) und [[Formaldehyd]] (130 ppb).<ref name="methane">{{internetquelle | datum=30. März 2004 | titel=Mars Express confirms methane in the Martian atmosphere | hrsg=ESA | url=http://www.esa.int/esaMI/Mars_Express/SEMZ0B57ESD_0.html | zugriff = 18. September 2009 | sprache=Englisch}}</ref> Methan verbleibt etwa 340 Jahre in der Atmosphäre des Mars, Formaldehyd nur 7,5 Stunden. Methan wird durch [[ultraviolette Strahlung]] abgebaut, da die dünne Atmosphäre des Mars nicht vor dieser Strahlung schützt. Dabei oxydiert Methan zu Wasser und Kohlendioxid. Um die Menge des Methans in der Atmosphäre zu erklären, genügt eine Produktion von 150 Tonnen pro Jahr. Bei der Umsetzung zu Formaldehyd müssten jedoch 2,5 Millionen Tonnen aus „Methanquellen“ stammen.<!-- <ref name="americanscientist">{{internetquelle | autor=Martin Baucom | titel=Life on Mars? | hrsg=American Scientist | url=http://www.americanscientist.org/template/AssetDetail/assetid/49613 | zugriff = 26. Februar 2007 | sprache = Englisch }}</ref> (Seite nicht gefunden) --> Als Quellen kommen aktiver [[Vulkanismus]], [[Komet]]eneinschläge oder sogar methanproduzierende [[Mikroorganismus|Mikroorganismen]] in Betracht. Es könnte aber auch durch eine geothermische Reaktion, der Serpentinisation (dabei beteiligte Elemente sind Wasser, Kohlendioxid und das Mineral [[Olivingruppe|Olivin]], das häufig auf dem Mars vorkommt), entstehen. Formaldehyd kann durch Höhenstrahlung, aus Gasen und Eis entstehen. Es wird jedoch angezweifelt, dass ein abiotischer Prozess so viel Methan erzeugen kann, da es hier Regionen mit hoher geologischer Aktivität bedarf. Das Methan ist nicht gleichmäßig verteilt, sondern weist ein Muster etwas erhöhter Konzentrationen auf. Offensichtlich wird oder wurde der Nachschub an Methan kurzfristig unterbrochen, bevor es sich gleichmäßig in der Atmosphäre verteilen konnte. Bei der biologischen Erzeugung von Methan auf der Erde, die für etwa 90 bis 95 % des gesamten Methanvorkommens verantwortlich ist, entsteht fast immer [[Ethan]] als Begleitgas. Im Gegensatz dazu wird während einer vulkanischen Entstehung [[Schwefeldioxid]] freigesetzt. Die Messung dieser Gase in der Marsatmosphäre könnte eine Klärung bringen. Dies könnte durch das [[Mars Science Laboratory]] erfolgen. 2009 wurde über Methaneruptionen auf dem Mars berichtet.<ref name="scienceSeidelmann2007">{{internetquelle | autor=Michael J. Mumma | titel=Strong Release of Methane on Mars in Northern Summer 2003 | hrsg=Science | url=http://www.americanscientist.org/template/AssetDetail/assetid/49613 | zugriff=18. September 2009 | doi=10.1126/science.1165243 | sprache = Englisch }}</ref> ==== Klima und Wetter ==== [[Datei:Iceclouds on Mars.jpg|miniatur|Eiswolken über Mars, aufgenommen von [[Mars Pathfinder]].]] Abhängig von den Jahreszeiten und der Intensität der Sonneneinstrahlung finden in der Atmosphäre dynamische Vorgänge statt. Die vereisten [[Polare Eiskappen|Polkappen]] verdunsten im Sommer teilweise, und [[Sublimation (Physik)|sublimierter]] Wasserdampf bildet ausgedehnte [[Zirruswolke]]n. Die Polkappen selbst bestehen aus Kohlendioxideis und Wassereis. 2008 haben mit Hilfe der Raumsonde Mars Express die Wissenschaftler der Universität von Versailles Wolken aus gefrorenem Kohlendioxid entdeckt. Sie befinden sich in bis zu 80 Kilometern Höhe. Gleichzeitig sind mit einer horizontalen Ausdehnung von bis zu 100&nbsp;km auch sehr großflächig. Die CO2-Eispartikel in den Wolken sind mit bis zu einem Mikrometer Durchmesser relativ groß. Die Wolken absorbieren bis zu 40 % des einstrahlenden Sonnenlichts und können damit die Temperatur der Oberfläche um bis zu 10&nbsp;°C verringern.<ref name="raumfahrer">{{internetquelle | autor=Daniel Schiller | url=http://www.raumfahrer.net/news/astronomie/17012008172043.shtml | sprache= | titel=Mars - Wolken aus Kohlendioxideis entdeckt | hrsg=Raumfahrer.net | datum=17. Januar 2008 | zugriff=25. November 2009}}</ref> Mit Hilfe des Lasers LIDAR der Raumsonde [[Phoenix (Raumsonde)|Phoenix]] wurde 2009 entdeckt, dass in der zweiten Nachthälfte fünfzig Tage nach der Sonnenwende winzige Eiskristalle aus dünnen Zirruswolken auf den Marsboden fielen.<ref name="astronews2">{{internetquelle | autor=Rainer Kayser | datum=6. Juli 2009 | url=http://www.astronews.com/news/artikel/2009/07/0907-008.shtml | titel=Schneefall auf dem roten Planeten | hrsg=astronews | datum=6. Juli 2009 | zugriff=18. September 2009}}</ref> ===== Jahreszeiten ===== Hätte Mars eine erdähnliche Umlaufbahn, würden die Jahreszeiten aufgrund der Achsenneigung ähnlich denen der Erde sein. Jedoch führt die vergleichsweise große Exzentrizität seines Orbits zu einer beträchtlichen Auswirkung auf die Jahreszeiten. Der Mars befindet sich während des Sommers in der Südhalbkugel und des Winters in der nördlichen Hemisphäre nahe dem [[Perihel]] seiner Bahn. Nahe dem [[Aphel]] ist in der südlichen Hemisphäre Winter und in der nördlichen Sommer. Das hat zur Folge, dass die Jahreszeiten in der südlichen Hemisphäre viel deutlicher ausgeprägt sind als in der nördlichen, wo das Klima milder ist, als es sonst der Fall wäre. Die Sommertemperaturen im Süden können bis zu 30&nbsp;°C höher sein als die vergleichbaren Temperaturen im Sommer des Nordens.<ref name="mit">{{internetquelle | autor=Jason C. Goodman | url=http://www.mit.edu/people/goodmanj/terraforming/terraforming.html | sprache=Englisch | titel=The Past, Present, and Possible Future of Martian Climate | hrsg=[[Massachusetts Institute of Technology|MIT]] | datum=22. September 1997 | zugriff=18. September 2009}}</ref> Die Jahreszeiten sind aufgrund der Exzentrizität der Umlaufbahn des Mars unterschiedlich lange. Auf der Nordhalbkugel dauert der Frühling 199,6, der Sommer 181,7, der Herbst 145,6 und der Winter 160,1 irdische Tage.<ref name="astronomie.de">{{internetquelle | autor=Rudolf Idler | hrsg=Astronomie.de | url=http://www.astronomie.de/bibliothek/artikel/mars/marsbeobachtung/index.htm | titel= Marsbeobachtung | datum=April 2003 | zugriff=18. September 2009}}</ref> ===== Stürme ===== [[Datei:Staubsturm Mars.jpg|miniatur|Staubsturm in der Syria-Region. Fotografiert von [[Mars Global Surveyor]] im Mai 2003.]] Während des Marsfrühjahrs können in den ausgedehnten flachen Ebenen heftige Staubstürme auftreten, die mitunter große Teile der Marsoberfläche verhüllen. Die Aufnahmen von Marssonden zeigen mitunter [[Windhose]]n, die über die Marsebenen ziehen und auf dem Boden dunkle Spuren hinterlassen. Staubstürme treten gewöhnlich während des Perihels auf, da der Planet zu diesem Zeitpunkt 40 Prozent mehr Sonnenlicht empfängt als während des Aphels. Während des Aphels bilden sich in der Atmosphäre Wolken aus Wassereis, die ihrerseits mit den Staubpartikeln interagieren und so die Temperatur auf dem Planeten beeinflussen.<ref name="whfreeman">{{internetquelle | sprache=Englisch | titel=Duststorms on Mars | hrsg=whfreeman.com | url=http://www.whfreeman.com/ENVIRONMENTALGEOLOGY/EXMOD36/F3614.HTM | zugriff=18. September 2009 | Sprache=Englisch}}</ref> Die Windgeschwindigkeiten können bis zu 650&nbsp;km/h erreichen. <br style="clear:both;" /> === Oberfläche === [[Datei:Mars rocks.jpg|miniatur|Typisches Felsengestein auf der Marsoberfläche (aufgenommen von Mars Pathfinder).]] Wegen seiner mysteriösen roten Färbung hat der Mars schon immer die Menschen fasziniert. Die Farbe verdankt der Planet dem [[Eisen(III)-oxid|Eisenoxid]]-Staub, der sich auf der Oberfläche und in der Atmosphäre verteilt hat. Somit ist der Rote Planet ein „rostiger Planet“. An den Landestellen der Marssonden sind Gesteinsbrocken, sandige Böden und Dünen sichtbar. Die [[Marsgestein]]e weisen an der Oberfläche eine blasenartige Struktur auf. Sie ähneln in ihrer Zusammensetzung irdischen [[Basalt]]en. Die Böden sind offensichtlich durch die Verwitterung von eisenhaltigen, vulkanischen Basalten entstanden. ==== Areologie ==== Die kartografische Darstellung und Beschreibung der Marsoberfläche ist die ''Areografie,'' von ''[[Ares]]'' (Άρης, [[Griechische Sprache|griechisch]] für ''Mars'') und ''graphein'' (γράφειν, griechisch für ''beschreiben''). Die „[[Geologie]]“ des Mars wird mitunter dementsprechend als ''Areologie'' bezeichnet. <br style="clear:both;" /> ==== Topografische Hemisphären ==== [[Datei:MarsTopoMap-PIA02031 modest.jpg|miniatur|Topografische Karte des Mars. Die blauen Regionen befinden sich unterhalb des festgelegten [[Nullniveau]]s, die roten oberhalb.]] Auffallend ist die [[Dichotomie]], die „Zweiteilung“, des Mars. Die nördliche und die südliche [[Äquatoriales Koordinatensystem|Hemisphäre]] unterscheiden sich deutlich, wobei man von den Tiefebenen des Nordens und den Hochländern des Südens sprechen kann. Der mittlere Großkreis, der die topografischen Hemisphären voneinander trennt, ist rund 40° gegen den Äquator geneigt. Der [[Massenmittelpunkt]] des Mars ist gegenüber dem geometrischen Mittelpunkt um etwa drei Kilometer in Richtung der nördlichen Tiefebenen versetzt. Auf der nördlichen Halbkugel sind flache, sand- und staubbedeckte Ebenen vorherrschend, die Namen wie ''[[Utopia Planitia]]'' oder ''[[Amazonis Planitia]]'' erhielten. Dunkle Oberflächenmerkmale, die in Teleskopen sichtbar sind, wurden einst für Meere gehalten und erhielten Namen wie Mare Erythraeum, Mare Sirenum oder Aurorae Sinus. Diese Namen werden heute nicht mehr verwendet. Die ausgedehnteste dunkle Struktur, die von der Erde aus gesehen werden kann, ist ''[[Syrtis Major]]'', die „große Syrte“. Die südliche Halbkugel ist durchschnittlich sechs&nbsp;Kilometer höher als die nördliche und besteht aus geologisch älteren Formationen. Die Südhalbkugel ist zudem stärker verkratert, wie zum Beispiel in der Hochlandregion ''[[Arabia Terra]]''. Unter den zahlreichen [[Einschlagkrater|Impaktkratern]] der Südhalbkugel befindet sich auch der größte [[Marskrater]], ''[[Hellas Planitia]]'', – die Hellas-Tiefebene. Das Becken misst im Durchmesser bis zu 2100&nbsp;km. In seinem Innern hat [[Mars Global Surveyor]] {{Höhe|-8180|MARS|link=true}} – unter dem Durchschnittsniveau des Mars – den tiefsten Punkt auf dem Planeten gemessen. Der zweitgrößte Einschlagkrater des Mars, ''[[Chryse Planitia]]'', liegt im Randbereich der nördlichen Tiefländer. [[Datei:marsmapneu.jpg|miniatur|Übersichtskarte des Mars mit den größten Regionen.]] Die deutlichen Unterschiede der Topografie können durch innere Prozesse oder aber ein [[Impakt]]ereignis verursacht worden sein. In letzterem Fall könnte in der Frühzeit der Marsentstehung ein größerer Himmelskörper, etwa ein [[Asteroid]], auf der Nordhalbkugel eingeschlagen sein und die silikatische Kruste durchschlagen haben. Aus dem Innern könnte Lava ausgetreten sein und das Einschlagbecken ausgefüllt haben. Wie sich gezeigt hat, weist die Marskruste unter den nördlichen Tiefebenen eine Dicke von etwa 40&nbsp;km auf und nimmt, im Gegensatz zum stufenartigen Übergang an der Oberfläche, nur langsam auf 70&nbsp;km bis zum Südpol hin zu. Dies könnte ein Indiz für innere Ursachen der Zweiteilung sein. ==== Oberflächenstrukturen ==== '''Gräben''' [[Datei:Mars Valles Marineris.jpeg|miniatur|In der Bildmitte liegt das System der [[Valles Marineris|Mariner-Täler]]. Ganz links die [[Tharsis-Region|Tharsis-Vulkane]] (Bildmosaik von Viking 1 Orbiter, 1980).]] Südlich am Äquator und fast parallel zu ihm verlaufen die ''[[Valles Marineris]]'' (die Mariner-Täler), das größte bekannte [[Grabensystem]] des Sonnensystems. Es erstreckt sich über 4000&nbsp;km und ist teilweise bis zu 700&nbsp;km breit und bis zu 7&nbsp;km tief. Es handelt sich um einen gewaltigen [[Tektonik|tektonischen]] [[Bruchlinie|Bruch]]. In seinem westlichen Teil, dem ''[[Noctis Labyrinthus]]'', verästelt er sich zu einem chaotisch anmutenden Gewirr zahlreicher Schluchten und Täler, die bis zu 20&nbsp;km breit und bis zu 5&nbsp;km tief sind. Noctis Labyrinthus liegt auf der östlichen Flanke des ''[[Tharsis-Region|Tharsis-Rückens]]'', einer gewaltiger Wulst der Mars-[[Lithosphäre]] quer über dem Äquator, mit einer Ausdehnung von etwa 4000 mal 3000 Kilometern und einer Höhe von bis zu rund 10&nbsp;km über dem nördlichen Tiefland. Die Aufwölbung ist entlang einer offenbar zentralen Bruchlinie von drei sehr hohen, erloschenen [[Vulkan|Schildvulkanen]] besetzt: ''[[Ascraeus Mons]]'', ''[[Pavonis Mons]]'' und ''[[Arsia Mons]]''. Der Tharsis-Rücken und die Mariner-Täler dürften in ursächlichem Zusammenhang stehen. Wahrscheinlich haben vulkanische Kräfte die Oberfläche des Planeten in dieser Region empor gedrückt, wobei die Kruste im Bereich des Grabensystems regelrecht aufgerissen wurde. Eine Vermutung besagt, dass diese vulkanische Tätigkeit durch ein Impaktereignis ausgelöst wurde, dessen Einschlagstelle das ''Hellas-Becken'' auf der gegenüberliegenden Seite des Mars sei. 2007 wurden im Nordosten von Arsia Mons sieben tiefere Schächte mit je 100 bis 250 m Durchmesser entdeckt. '''Vulkane''' [[Datei:Olympus Mons.jpeg|miniatur|120px|[[Olympus Mons]], der mit 27 km höchste Berg im Sonnensystem.]] Dem Hellas-Becken exakt gegenüber befindet sich der Vulkanriese ''[[Alba Patera]]''. Er ragt unmittelbar am Nordrand des Tharsis-Rückens rund 6&nbsp;km über das umgebende Tiefland und ist mit einem Basisdurchmesser von über 1200&nbsp;km der flächengrößte Vulkan im Sonnensystem. ''Patera'' ist die Bezeichnung für unregelmäßig begrenzte Vulkane mit flachem Relief. Alba Patera ist anscheinend einmal durch einen Kollaps in sich zusammengefallen. Unmittelbar westlich neben dem Tharsis-Rücken und südwestlich von Alba Patera ragt der höchste Vulkan, ''[[Olympus Mons]]'', 26,4&nbsp;km über die Umgebung des nördlichen Tieflands. Mit einer Gipfelhöhe von etwa 21,3&nbsp;km über dem mittleren Null-Niveau ist er die höchste bekannte Erhebung im Sonnensystem. Ein weiteres, wenn auch weniger ausgedehntes, vulkanisches Gebiet ist die ''[[Elysium-Region]]'' nördlich des Äquators, mit den Schildvulkanen ''[[Elysium Mons]]'', ''[[Hecates Tholus]]'' und ''[[Albor-Tholus]]''. '''Stromtäler''' [[Datei:Kasei Vallis.jpg|miniatur|[[Kasei Vallis]], das größte Stromtal des Mars.]] Auf der Marsoberfläche verlaufen Stromtäler, die mehrere hundert Kilometer lang und mehrere Kilometer breit sein können. Die heutigen [[Trockental|Trockentäler]] beginnen ziemlich abrupt und haben keine Zuflüsse. Die meisten entspringen an den Enden der Mariner-Täler und laufen nördlich im ''Chryse-Becken'' zusammen. In den Tälern erheben sich mitunter stromlinienförmige Inseln. Sie weisen auf eine vergangene [[Überflutung|Flutperiode]] hin, bei der über einen geologisch relativ kurzen Zeitraum große Mengen Wasser geflossen sein müssen. Es könnte sich um Wassereis gehandelt haben, das sich unter der Marsoberfläche befand, danach durch vulkanische Prozesse geschmolzen wurde und dann abgeflossen ist. Darüber hinaus finden sich an Abhängen und Kraterrändern Spuren von [[Erosion (Geologie)|Erosionen]], die möglicherweise ebenfalls durch flüssiges Wasser verursacht wurden. Am 6. Dezember 2006 hatte die NASA eine Pressekonferenz einberufen, da man von einem ''einzigartigen Fund'' sprach: Auf einigen NASA-Fotografien, die im Abstand von sieben Jahren vom Mars gemacht wurden, lassen sich Veränderungen auf der Marsoberfläche erkennen, die eine gewisse Ähnlichkeit mit Veränderungen durch fließendes Wasser haben. Innerhalb der NASA wird nun diskutiert, ob es neben Wassereis auch flüssiges Wasser geben könnte.<ref name="heise"/> '''Delta-Strukturen''' In alten Marslandschaften, z.B. im ''[[Eberswalde (Marskrater)|Eberswalde]]-Krater'' auf der Südhalbkugel oder in der äquatornahen Hochebene ''Xanthe Terra'', finden sich typische Ablagerungen einstiger Fluss-Deltas. [[Datei:Tharsis Tholus block.JPG|miniatur|Tharsis Tholus Streifen, aufgenommen der Hirise Kamera des [[Mars Reconnaissance Orbiter]]s. Der Streifen ist links in der Mitte zu sehen. Rechts sind die Ausläufer von [[Tharsis Tholus]].]] Seit längerem vermutet man, dass die tief eingeschnittenen Täler in Xanthe Terra einst durch Flüsse geformt wurden. Wenn ein solcher Fluss in ein größeres Becken, beispielsweise einen Krater, mündete, lagerte er erodiertes Gesteinsmaterial als Sedimente ab. Die Art der Ablagerung hängt dabei von der Natur dieses Beckens ab: Ist es mit dem Wasser eines Sees gefüllt, so bildet sich ein Delta. Ist das Becken jedoch trocken, so verliert der Fluss an Geschwindigkeit und versickert langsam. Es bildet sich ein sogenannter Schwemmkegel, der sich deutlich vom Delta unterscheidet. Jüngste Analysen von Sedimentkörpern auf Basis von Orbiter-Fotos weisen an zahlreichen Stellen in Xanthe Terra auf Deltas hin - Flüsse und Seen waren in der Marsfrühzeit also recht verbreitet.<ref name="nzz1">{{internetquelle | autor=Thorsten Dambeck | hrsg=NZZ Online | url=http://www.nzz.ch/nachrichten/forschung_und_technik/seen_auf_dem_fruehen_mars_1.975678.html | titel=Seen auf dem frühen Mars | kommentar= | datum=1. Oktober 2008 | zugriff=18. September 2009}}</ref> '''Dark Slope Streaks''' Dunkle Streifen, die an Hängen vorkommen, sind auf Mars häufig zu sehen. Sie treten bei steilen Hängen von Kratern, Mulden und Tälern auf. Zu beginn sind diese Streifen sehr dunkel, werden jedoch mit zunehmenden Alter immer heller. Manchmal beginnen sie in einem kleinen punktförmigen Bereich und werden dann zunehmend breiter. Man hat beobachtet, dass sie sich um Hindernisse, wie Mulden, weiterbewegen. Es wird angenommen, dass die Farbe von dunklen darunterliegenden Schichten stammt, die durch Lawinen von hellen Staub freigelegt werden. Es wurden jedoch auch andere Hypothesen aufgestellt, wie Wasser oder sogar der Wuchs von Organismen. Das interessanteste an diesen dunklen Streifen (engl. ''Dark Slope Streaks'') ist, dass sie sich auch heute noch bilden.<ref name="space.com2">{{internetquelle | autor= Robert Roy Britt | hrsg=SPACE.com | url=http://www.space.com/scienceastronomy/streaks_mars_021211.html | titel=Dark Streaks on Mars Suggest Running Water Still Present | datum=11. Dezember 2002 | zugriff=18. September 2009 | sprache=Englisch}}</ref> '''Chaotische Gebiete''' Es sind auf dem Mars zahlreiche Regionen mit einer Häufung von unterschiedlich großen Gesteinsbrocken und tafelbergähnlichen Erhebungen vorhanden. Sie werden auch „chaotische Gebiete“ genannt. ''Ariadnes Colles'' ist mit einer Fläche von etwa 29.000&nbsp;km² so ein Gebiet. Es liegt im ''Terra Sirenum'', einem südlichen Hochland des Mars. Dabei haben die Blöcke Ausmaße von einem bis zu zehn Kilometern Ausdehnung. Die größeren Blöcke ähneln Tafelbergen mit Erhebungen von bis zu 300 m. Es treten hierbei riefenartige Strukturen und „Runzelrücken“ (engl. ''wrinkle ridges'') auf. Die Ursachen dafür sind vulkanisch-tektonische Bewegungen.<ref name="astronews3">{{internetquelle | autor=Pressemitteilung des DLR | hrsg=astronews | url=http://www.astronews.com/news/artikel/2009/04/0904-032.shtml | titel=Chaotisches Gebiet und großer Krater | datum=24. April 2009 | zugriff=18. September 2009}}</ref> ==== Gesteinsschichten und Ablagerungen ==== '''Salzlager''' Mit Hilfe der Sonde [[Mars Odyssey]] hat die NASA ein umfangreiches Salzlager in den Hochebenen der Südhalbkugel des Mars nachgewiesen. Vermutlich sind diese Ablagerungen durch Oberflächenwasser vor etwa 3,5 bis 3,9 Milliarden Jahren entstanden.<ref name ="diepresse">{{internetquelle | autor=Austria Presse Agentur | hrsg=Die Presse | url=http://diepresse.com/home/panorama/welt/371379/index.do | titel = Astronauten testeten Reparatur von Hitzeschild | werk= | datum= 21. März 2008 | zugriff=18. September 2009 | zitat=}}</ref> '''Carbonatvorkommen''' Mit Hilfe der Compact Reconnaissance Imaging Spectrometer for Mars (CRISM) an Bord der NASA-Sonde Mars Reconnaissance Orbiter haben Wissenschaftler [[Carbonat]]-Verbindungen in Gesteinsschichten rund um das knapp 1500 Kilometer große ''Isidis-Einschlagbecken'' nachweisen können. Demnach wäre das vor mehr als 3,6 Milliarden Jahren existierende Wasser hier nicht sauer, sondern eher alkalisch oder neutral gewesen. Carbonatgestein entsteht, wenn Wasser und Kohlendioxid mit [[Kalzium]], Eisen oder [[Magnesium]] in vulkanischem Gestein reagiert. Bei diesem Vorgang wird Kohlendioxid aus der Atmosphäre in dem Gestein eingelagert. Dies könnte bedeuten, dass der Mars früher eine dichte kohlendioxidreiche Atmosphäre hatte, wodurch ein wärmeres Klima möglich wurde, in dem es auch flüssiges Wasser gab.<ref name="astronews4">{{internetquelle | autor=Stefan Deiters | hrsg=astronews | url=http://www.astronews.com/news/artikel/2008/12/0812-027.shtml | titel=Teilweise lebensfreundlicher als gedacht? | datum=19. Dezember 2008 | zugriff=18. September 2009}}</ref> '''Hämatitkügelchen''' [[Datei:Mars BerryBowl.jpg|miniatur|Hämatitkügelchen auf dem Felsen „Berry Bowl“.]] Die Marssonde [[Opportunity]] fand im Gebiet des ''[[Meridiani Planum]]'' millimetergroße Kügelchen des Eisenminerals [[Hämatit]]. Diese könnten sich vor Milliarden Jahren unter Einwirkung von Wasser abgelagert haben. Darüber hinaus wurden Minerale vorgefunden, die aus [[Schwefel]]-, [[Eisen]]- oder [[Brom]]verbindungen aufgebaut sind, wie zum Beispiel [[Jarosit]]. Auf der entgegengesetzten Hemisphäre des Mars fand die Sonde [[Spirit (Raumsonde)|Spirit]] in den „Columbia Hills“ das Mineral [[Goethit]], das ausschließlich unter dem Einfluss von Wasser gebildet werden kann. <br style="clear:both;" /> ==== Polkappen ==== [[Datei:Martian north polar cap.jpg|miniatur|Die Nordpolregion, aufgenommen von Mars Global Surveyor.]] Der Mars besitzt zwei auffällige Polkappen, die zum größten Teil aus gefrorenem Kohlendioxid ([[Trockeneis]]) sowie einem geringen Anteil an Wassereis zusammengesetzt sind. Die nördliche Polkappe hat während des nördlichen Marssommers einen Durchmesser von rund 1000&nbsp;Kilometern. Ihre Dicke wird auf 5&nbsp;km geschätzt. Die südliche Polkappe ist mit 350&nbsp;km Durchmesser und einer Dicke von 1½&nbsp;km weniger ausgedehnt. Die Polarkappen zeigen spiralförmige Einschnitte, deren Entstehung bislang nicht geklärt ist. Wenn im Sommer die jeweiligen Polkappen teilweise abschmelzen, werden darunter geschichtete Ablagerungen sichtbar, die möglicherweise abwechselnd aus Staub und Eis zusammengesetzt sind. Im Marswinter nimmt der Durchmesser der dann jeweils der Sonne abgewandten Polkappe durch ausfrierendes Kohlendioxid wieder zu. Da ein größerer, stabilisierender Mond fehlt, taumelt der Mars mit einer Periode von etwa 5 Millionen Jahren. Die Polarregionen werden daher immer wieder soweit erwärmt, dass das Wasser schmilzt. Durch das abfließende Wasser entstehen die Riemen und Streifen an den Polkappen. ==== Wasservorkommen ==== Der Mars erscheint uns heute als trockener Wüstenplanet. Die bislang vorliegenden Ergebnisse der Marsmissionen lassen jedoch den Schluss zu, dass die Marsatmosphäre in der Vergangenheit (vor Milliarden Jahren) wesentlich dichter war und auf der Oberfläche des Planeten reichlich flüssiges Wasser vorhanden war. '''Eisvorkommen an den Polen''' [[Datei:Martian south polar cap.jpg|miniatur|Die Südpolregion, aufgenommen von [[Viking]] Orbiter.]] Durch Radarmessungen mit der Sonde [[Mars Express]] wurden in der Südpolarregion, dem [[Planum Australe]], Ablagerungsschichten mit eingelagertem Wassereis entdeckt, die weit größer und tiefreichender sind, als die hauptsächlich aus Kohlendioxideis bestehende Südpolkappe. Die Wassereisschichten bedecken eine Fläche, die fast der Größe [[Europa]]s entspricht und reichen in eine Tiefe von bis zu 3,7 Kilometer. Das in ihnen gespeicherte Wasservolumen wird auf bis zu 1,6 Millionen Kubikkilometer geschätzt – circa zwei Drittel des irdischen [[Grönland]]eispanzers – was ausreichen würde, um die Marsoberfläche mit einer etwa 11 Meter dicken Wasserschicht zu bedecken.<ref name="esa">{{internetquelle | autor= | hrsg=ESA | url=http://www.esa.int/esaCP/SEM80OQ08ZE_Germany_0.html | titel=Mars Express-Radar misst Wassermenge am Marssüdpol | datum=15. März 2007 | zugriff=18. September 2009}}</ref> '''Weitere Eisvorkommen''' [[Datei:Wasser auf dem Mars.jpg|miniatur|Beobachtete Veränderungen könnten Anzeichen für fließendes Wasser innerhalb der letzten Jahre sein.<ref name="heise">{{internetquelle | autor=Florian Rötzer | hrsg=[[Heise online]] | url=http://www.heise.de/newsticker/meldung/82150 | titel=Fließendes Wasser auf dem Mars? | datum=6. Dezember 2006 | zugriff=18. September 2009}}</ref>]] Die schon lange gehegte Vermutung, dass sich unter der Oberfläche des Mars Wassereis befinden könnte, erwies sich 2005 durch Entdeckungen der [[ESA]]-Sonde [[Mars-Express]] als richtig. Geologen gehen von wiederkehrenden Vereisungsperioden auf dem Mars aus, ähnlich irdischen Eiszeiten. Dabei sollen Gletscher bis in subtropische Breiten vorgestoßen sein. Die Forscher schließen dies einerseits aus Orbiter-Fotos, die Spuren einstiger Gletscher in diesen äquatornahen Gebieten zeigen. Zusätzlich stützen auch Radarmessungen aus der Umlaufbahn die Existenz beträchtlicher Mengen an Bodeneis in eben diesen Gebieten. Diese Bodeneisvorkommen werden als Reste solcher „Mars-Eiszeiten“ gedeutet.<ref name="spiegel1">{{internetquelle | titel=Geologen staunen über Mars-Gletscher | autor=Thorsten Dambeck | hrsg=Spiegel Online | url=http://www.spiegel.de/wissenschaft/weltall/0,1518,549702,00.html | datum=28. April 2008 | zugriff=18. September 2009}}</ref> Auf der Europäischen Planetologen Konferenz EPSC im September 2008 in [[Münster (Westfalen)|Münster]] wurden hochauflösende Bilder des [[Mars Reconnaissance Orbiter]]s der [[National Aeronautics and Space Administration|Nasa]] vorgestellt, die jüngste Einschlagkrater zeigen. Wegen der sehr dünnen Atmosphäre stürzen die Meteoriten praktisch ohne Verglühen auf die Marsoberfläche. Die fünf neuen Krater, die nur drei bis sechs Meter Durchmesser und eine Tiefe von 30 bis 60&nbsp;cm aufweisen, wurden in mittleren nördlichen Breiten gefunden. Sie zeigen an ihrem Boden ein gleißend weißes Material. Wenige Monate später waren die weißen Flecken durch Sublimation verschwunden. Damit erhärten sich die Hinweise, dass auch weit außerhalb der Polgebiete Wassereis dicht unter der Marsoberfläche begraben ist.<ref name="nzz2">{{internetquelle | autor=Thorsten Dambeck | hrsg=NZZ Online | url=http://www.nzz.ch/nachrichten/wissenschaft/europas_planetenforschung_etabliert_sich_1.1185619.html | titel=Europas Planetenforschung etabliert sich | kommentar=Bericht von der EPSC-Konferenz in Münster | datum=29. Oktober 2008 | zugriff=18. September 2009}}</ref><ref name="astronews5">{{internetquelle | autor=Rainer Kayser | hrsg=astronews | url=http://www.astronews.com/news/artikel/2009/04/0904-002.shtml | titel=Frisches Eis auf dem Mars | datum=1. April 2009 | zugriff=18. September 2009}}</ref> '''Flüssiges Wasser''' Da der Druck der Marsatmosphäre so gering ist, kann „normales“ Wasser an der Oberfläche nicht für längere Zeiträume existieren. Außerdem ist es auf der Oberfläche zu kalt dafür. Es gibt Hinweise, dass die Raumsonde Phoenix Wassertropfen auf der Oberfläche entdeckt habe. Dabei könnte das Salz Perchlorat als Frostschutz wirken. Das Salz hat die Eigenschaft, Wasser anzuziehen. Dies kann auch Wasserdampf aus der Atmosphäre sein. Bei ausreichender Beimischung würde Wasser sogar bis −70&nbsp;°C flüssig bleiben. Durch eine Durchmischung mit Perchlorat könnte Wasser auch unter der Oberfläche in flüssigem Zustand vorhanden sein.<ref name="astronews6">{{internetquelle | titel=Flüssiges Wasser auf dem Mars entdeckt? | autor=Rainer Kayser | hrsg=astronews | url=http://www.astronews.com/news/artikel/2009/02/0902-025.shtml | datum=18. Februar 2009 | zugriff=18. September 2009}}</ref> 2010 haben Forscher der [[Westfälische Wilhelms-Universität|Westfälischen Wilhelms-Universität]] starke Belege dafür gefunden, dass zumindest im Frühjahr und in Kratern wie dem Russell-Krater flüssiges Wasser auf der Marsoberfläche existiert. Auf Fotos, die vom Mars Reconnaissance Orbiter aufgenommen wurden, haben sie Erosionsrinnen entdeckt, die sich zwischen November 2006 und Mai 2009 verlängert haben. Die Rinnen führen hangabwärts; dass sie nach unten dünner werden, werten die Forscher als Hinweis auf versickerndes flüssiges Wasser als Auslöser der Erosion.<ref>[http://astronews.com/news/artikel/2010/04/1004-036.shtml Astronews: ''Flüssiges Wasser auf der Oberfläche?'']</ref> Es werden ebenfalls große Wassermengen unter der [[Kryosphäre]] des Mars vermutet. <br style="clear:both;" /> === Innerer Aufbau === [[Datei:Mars interior.jpg|miniatur|Illustration des vermuteten Marsaufbaus.]] Über den inneren Aufbau des Mars ist nur wenig bekannt, da bislang nur begrenzt [[Seismik|seismische]] Messungen vorgenommen werden konnten. Sein Inneres gliedert sich ähnlich dem [[Schalenaufbau]] der Erde in eine Kruste, einen Gesteinsmantel und einen Kern, der überwiegend aus Eisen und zu etwa 14 bis 17 Prozent zu Schwefel besteht. Der Kern beinhaltet etwa doppelt so viele leichte Elemente wie der Erdkern. Deshalb ist die Dichte des Kerns niedriger, als es bei einem reinen Eisenkern der Fall wäre.<ref name="aps">{{internetquelle | autor=Dave Jacqué | hrsg=Argonne National Laboratory | url=http://www.anl.gov/Media_Center/News/2003/030926mars.htm | titel=APS X-rays reveal secrets of Mars' core | datum=26. September 2003 | zugriff=18. September 2009 | sprache=Englisch }}</ref> Laut neueren experimentellen Simulationen der Bedingungen in der Übergangszone zwischen Mantel und Kern (Messungen des [[Mars Global Surveyor]] ergaben eine Temperatur von 1500 Grad Celsius und einen Druck von 23 Gigapascal) hat der Kern des Mars im Unterschied zu dem der Erde keinen inneren festen Bereich, sondern ist vollständig flüssig.<ref name="suw">{{internetquelle | autor= | hrsg=Sterne und Weltraum | url=http://www.suw-online.de/artikel/876031&_z=798889 | titel=Ein Kriegsgott mit einem "weichen Kern" | datum=6. Juni 2007 | zugriff=18. September 2009}}</ref> Dies belegt auch die Analyse der Bahndaten des Mars Global Surveyor. Dabei konnte nachgewiesen werden, dass der Mars einen flüssigen Kern mit einem Radius zwischen 1520 und 1840&nbsp;km besitzt und damit eine höhere Temperatur aufweist, als zuvor angenommen wurde. Der Kern ist von einem Mantel aus [[Silicate]]n umgeben, der viele der tektonischen und vulkanischen Merkmale des Planeten formte, nun aber inaktiv zu sein scheint. Die durchschnittliche Dicke der Planetenkruste beträgt etwa 50&nbsp;km, mit einem Maximum von 125&nbsp;km.<ref name="aps"/> Im Vergleich dazu ist die Erdkruste mit einer Dicke von durchschnittlich 40&nbsp;km nur etwa ein Drittel so dick, wenn man die relative Größe der beiden Planeten berücksichtigt. === Magnetfeld === [[Datei:Marsmag gsfc big.jpg|miniatur|Magnetisierung des Mars (rot und blau kennzeichnen entgegengesetzte Richtungen des Magnetfelds).]] Anders als die [[Erde]] und der [[Merkur (Planet)|Merkur]] besitzt der Mars kein [[Magnetosphäre|globales Magnetfeld]] mehr, sondern hat es ca. 500 Millionen Jahre nach seiner Entstehung verloren. Vermutlich ist es erloschen, als der Zerfall radioaktiver Elemente nicht mehr genügend Wärmeenergie produzierte, um im flüssigen Kern Konvektionsströmungen anzutreiben, denn da der Mars keinen festen inneren Kern besitzt, konnte er den [[Dynamo-Effekt]] nicht auf die gleiche Art aufbauen wie die Erde. Dennoch ergaben Messungen einzelne und sehr schwache lokale Magnetfelder. Die Messung des Magnetfeldes wird erschwert durch die Magnetisierung der Kruste mit Feldstärken von bis zu 220&nbsp;[[Tesla (Einheit)|Nanotesla]] und durch externe Magnetfelder mit Stärken zwischen wenigen Nanotesla und bis zu 100&nbsp;Nanotesla, die durch die Wechselwirkung des [[Sonnenwind]]es mit der Marsatmosphäre entstehen und zeitlich sehr stark variieren. Nach den Analysen der Daten des Mars Global Surveyor konnte die Stärke des Magnetfeldes trotzdem sehr genau bestimmt werden – sie liegt bei weniger als 0,5&nbsp;Nanotesla, gegenüber 30 bis 60&nbsp;Mikrotesla des [[Erdmagnetfeld]]es. Messungen von [[Magnetismus|Magnetfeldlinien]] durch Mars Global Surveyor ergaben, dass Teile der planetaren Kruste durch das einstige Magnetfeld stark magnetisiert sind, aber mit unterschiedlicher Orientierung, wobei gleichgerichtete Bänder von etwa 1000&nbsp;km Länge und 150&nbsp;km Breite auftreten. Ihre Größe und Verteilung erinnert an streifenförmigen Magnetanomalien auf den Ozeanböden der Erde. Durch sie wurde die Theorie der [[Plattentektonik]] gestützt, weshalb 1991 auch eine ähnliche Theorie für den Mars entwickelt wurde. Magnetische Beobachtungen auf dem Mars sind jedoch noch nicht detailliert genug, um stichhaltige Schlussfolgerungen zu erlauben oder gar die Theorie zu bestätigen. Möglicherweise werden bei der mit der Zeit zwangsläufigen Abkühlung des Marskerns durch die damit einsetzende Auskristallisation des Eisens und die freigesetzte Kristallisationswärme wieder Konvektionen einsetzen, die ausreichen, dass der Planet in ein paar Milliarden Jahren wieder über ein globales Magnetfeld in alter Stärke verfügt.<ref name="suw"/> == Monde == [[Datei:Phobos deimos diff.jpg|miniatur|hochkant| Phobos (oben) und Deimos (unten) im Größenvergleich.]] Zwei kleine Monde, [[Phobos (Mond)|Phobos]] und [[Deimos (Mond)|Deimos]] (griech. Furcht und Schrecken) umkreisen den Mars. Sie wurden 1877 von dem US-amerikanischen Astronomen [[Asaph Hall]] entdeckt und nach den in der [[Ilias]] überlieferten beiden Begleitern, die den Wagen des Kriegsgottes [[Ares]] (lat. Mars) ziehen, benannt. Phobos (Durchmesser 26,8 × 22,4 × 18,4&nbsp;km) und Deimos (Durchmesser 15,0 × 12,2 × 10,4&nbsp;km) sind zwei unregelmäßig geformte Felsbrocken. Möglicherweise handelt es sich um [[Asteroid]]en, die vom Mars eingefangen wurden. Phobos große [[Halbachsen der Ellipse|Halbachse]] beträgt 9.376&nbsp;km, diejenige von Deimos 23.459&nbsp;km. Phobos ist damit kaum mehr als 6.000&nbsp;km von der Oberfläche des Mars entfernt und damit ist die Distanz geringer als der Durchmesser des Planeten. Die periodischen Umlaufbewegungen der beiden Monde befinden sich mit der Größe von 0,31891 (Phobos) und 1,262 Tagen (Deimos) zueinander in einer 1:4-[[Bahnresonanz]]. Die Umlaufzeit von Phobos ist kürzer als die Rotationszeit von Mars. Der Mond kommt dem Planeten durch die [[Gezeitenkraft|Gezeitenwechselwirkung]] auf einer Spiralbahn langsam immer näher und wird schließlich auf diesen stürzen oder durch die Gezeitenkräfte auseinander gerissen werden, so dass er für kurze Zeit als [[Ringsystem|Marsring]] enden wird. Für ihn berechneten [[Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt|DLR]]-Forscher, basierend auf neueren Daten der europäischen Raumsonde [[Mars Express]], dass dies in ca. 50&nbsp;Millionen Jahren geschehen wird. Deimos wird dagegen in einer noch ferneren Zukunft dem Mars entfliehen. Er driftet durch die Gezeitenwechselwirkung langsam nach außen, wie alle Monde, die langsamer (und nicht retrograd) um einen Planeten kreisen, als dieser rotiert. Ihre Existenz war schon lange vorher mehrmals beschrieben worden, zuletzt von [[Voltaire]], der in seiner 1750 erschienenen Geschichte ''[[Micromégas]]'' über zwei Marsmonde schreibt. Es ist wahrscheinlich, dass Voltaire diese Idee von [[Jonathan Swift]] übernommen hat, dessen Buch ''[[Gullivers Reisen]]'' 1726 erschienen war. Darin wird im dritten Teil beschrieben, die [[Astronom]]en des Landes Laputa hätten ''„ebenfalls zwei kleinere Sterne oder Satelliten entdeckt, die um den Mars kreisen, wovon der innere vom Zentrum des Hauptplaneten genau drei seiner Durchmesser entfernt ist und der äußere fünf.“'' Damit hat er das Bahnverhalten der Monde für die damalige Zeit erstaunlich gut vorhergesagt. Es wird vermutet, dass Swift von einer Fehlinterpretation [[Johannes Kepler]]s gehört hatte. Dieser hatte das [[Anagramm]], das [[Galileo Galilei]] 1609 an ihn schickte, um ihm die Entdeckung der Phasen der [[Venus (Planet)|Venus]] mitzuteilen, als die Entdeckung zweier Marsmonde aufgefasst. == Entstehungsgeschichte == Anhand der [[Astrogeologie|astrogeologischen]] Formationenvielfalt und der Verteilung von Einschlagskratern kann ein Großteil der [[Planetengeschichte|Geschichte des Planeten]] abgeleitet werden. Der Mars entstand, wie die übrigen Planeten des [[Sonnensystem]]s, vor etwa 4,5&nbsp;Milliarden Jahren durch Zusammenballung kleinerer Körper, den [[Planetesimal]]en, innerhalb der [[Protoplanetare Scheibe|protoplanetaren Scheibe]] zu einem [[Protoplanet]]en. Vor 4&nbsp;Milliarden Jahren bildete der im Innern noch glutflüssige planetare Körper eine feste Gesteinskruste aus, die einem heftigen Bombardement von [[Asteroid]]en und [[Komet]]en ausgesetzt war. '''Noachische Periode''' Die ältesten der heute noch vorhandenen Formationen, wie das Hellas-Becken, und die verkraterten Hochländer, wie [[Noachis Terra]], wurden vor 3,8 bis 3,5&nbsp;Milliarden Jahren, in der so genannten ''Noachischen Periode'' gebildet. In dieser Periode setzte die Zweiteilung der Marsoberfläche ein, wobei die nördlichen Tiefländer gebildet wurden. Durch starke vulkanische Eruptionen wurden weite Teile des Planeten von Ablagerungen vulkanischer [[Lava|Laven]] und Aschen bedeckt. Diese wurden an vielen Stellen wieder durch Wind und Wasser abgetragen und ließen ein Netzwerk von Tälern zurück. '''Hesperianische Periode''' Das geologische „Mittelalter“ des Mars wird als ''Hesperianische Periode'' bezeichnet. Sie umfasst den Zeitraum vor 3,5 bis 1,8&nbsp;Milliarden Jahren. In dieser Periode ergossen sich riesige Lavamengen aus ausgedehnten Spalten in der Marskruste und bildeten weite Ebenen, wie [[Hesperia Planum]]. Es entstanden auch die ältesten Vulkane der Tharsis- und der Elysium-Region, wobei die Gesteinskruste stark verformt wurde und sich das Grabensystem der Mariner-Täler öffnete. Es bildeten sich die gewaltigen Stromtäler, in denen große Wassermengen flossen und sich stellenweise aufstauten. Es entwickelte sich auf dem Mars ein Wasserkreislauf. Im Unterschied zur Erde gab es jedoch keinen Wetterzyklus mit Verdunstung, Wolkenbildung und anschließendem Niederschlag. Das Wasser versickerte im Untergrund und wurde später wieder durch hydrothermale Prozesse an die Oberfläche getrieben. Da jedoch der Planet immer weiter abkühlte, endete dieser Prozess vor etwa 1,5 Milliarden Jahren und es hielten sich nur noch Gletscher an der Oberfläche. Zeichen dieser Aktivität sind vor kurzem entdeckte Moränen am Olympus Mons.<ref name="focus">{{internetquelle | autor=Michael Odenwald | hrsg=focus | url=http://www.focus.de/wissen/wissenschaft/planetologie-lebenssignal-vom-mars_aid_203337.html | titel=Lebenssignal vom Mars | datum= 29. November 2004 | zugriff=18. September 2009}}</ref> '''Amazonische Periode''' Das jüngste geologische Zeitalter des Mars wird als ''Amazonische Periode'' bezeichnet und begann vor 1,8&nbsp;Milliarden Jahren. In dieser Phase bildeten sich die jüngeren Vulkane der Tharsis- und der Elysium-Region, aus denen große Lavamassen flossen und weite Ebenen, wie [[Amazonis Planitia]], ausbildeten. 2008 fanden Forscher Hinweise auf [[Geysir]]e auf dem Mars, die vor einigen Millionen Jahren aktiv gewesen sein dürften. Dabei hätten sie Fontänen von kohlensäurehaltigem Wasser einige Kilometer weit in die Höhe geschossen. Darauf deuten auch die Formen von Ablagerungen hin, die britische Forscher in der Nähe zweier ausgedehnter Grabensysteme entdeckt haben. Wahrscheinlich wurden diese Eruptionen durch Blasen aus [[Kohlenstoffdioxid|Kohlendioxid]] ausgelöst. Dadurch wurde das Wasser aus einer Tiefe von bis zu vier Kilometern durch Spalten im Marsboden an die Oberfläche gedrückt. Die Fontänen müssen dabei so mit so einem großen Druck herausgepresst worden sein, dass das schlammige Wasser erst in einer Entfernung von mehreren Kilometern von der Austrittsstelle wieder auf den Boden regnete, oder, bedingt durch die tiefen Temperaturen, als Hagel niederging.<ref name="bildderwissenschaft">{{internetquelle | autor=Ilka Lehnen-Beyel | hrsg=bild der wissenschaft | url=http://www.wissenschaft.de/wissenschaft/news/289609.html | titel=Fontänen auf dem Mars | datum= 19. März 2008 | zugriff=25. September 2009}}</ref> Gegenwärtig wird die Oberfläche des Mars hauptsächlich durch Winderosion und [[Erdrutsch|Hangrutschung]] geformt. == Erforschung == Durch seine große Helligkeit war der Planet Mars schon im Altertum bekannt. === Vor dem Raumfahrtzeitalter === [[Tycho Brahe]] (1546–1601) vermaß die Planetenpositionen des Mars mit bis dahin nicht gekannter Genauigkeit und ermöglichte es so [[Johannes Kepler]] (1571–1630) mit Brahes Aufzeichnungen die [[Ellipse|elliptische]] Bahn des Planeten zu berechnen und die drei [[Keplersche Gesetze|Keplerschen Gesetze]] abzuleiten. [[Christiaan Huygens]] (1629–1695) entdeckte eine dunkle, dreieckige Zone ([[Syrtis Major]]) auf der Marsoberfläche. Aus deren Positionsveränderungen errechnete er die Eigenrotation des Mars von rund 24,5&nbsp;Stunden (heutiger Wert: 24,623&nbsp;h). [[Giovanni Domenico Cassini]] beschrieb 1666 die weißen Polkappen des Mars. [[Wilhelm Herschel]] (1738–1822) bestimmte 1784 die Neigung der Rotationsachse gegenüber der Umlaufbahn. [[Wilhelm Beer]] fertigte 1830 die erste Marskarte an. 1869 veröffentlichte [[Richard Proctor]] eine detaillierte Marskarte, die er aus Zeichnungen von [[William Rutter Dawes]] erstellte. [[Datei:Karte Mars Schiaparelli MKL1888.png|miniatur|Marsoberfläche nach Schiaparelli (1888).]] [[Giovanni Schiaparelli]] (1835–1910) nahm 1877 auf der Marsoberfläche linienartige Strukturen wahr, die er „Canali“ (italienisch: Graben) nannte und in einer detaillierten Karte einzeichnete. Schiaparelli machte zunächst keine Angaben über den Ursprung der Strukturen, doch wurden diese als „Kanäle“ fehlerhaft interpretiert und somit als Werk intelligenter Marsbewohner interpretiert. Auf älteren Marskarten sind die Kanäle, die zudem Namen erhielten, eingezeichnet. Während weitere Astronomen seine Beobachtungen bestätigten, wurde die Existenz der Kanäle von anderen Astronomen angezweifelt. Erst der Vorbeiflug der amerikanischen Mariner-Sonden beendete die Spekulationen. Fotos der Marsoberfläche zeigten keine Anzeichen von Kanälen, diese waren offensichtlich das Ergebnis von optischen Täuschungen. Siehe Hauptartikel: [[Marskanäle]] Ebenfalls 1877 entdeckt [[Asaph Hall]] die beiden Marsmonde Phobos und Deimos. === Im Raumfahrtzeitalter === ==== Abgeschlossene Missionen ==== [[Datei:Mars (Mariner 4).jpg|miniatur|Die erste Nahaufnahme vom Mars, aufgenommen von Mariner&nbsp;4.]] Viele unbemannte [[Raumsonde]]n sind schon zum Mars geschickt worden, von denen einige sehr erfolgreich waren und andere nicht. Im Unterschied zur Erkundung des [[Mond|Erdmondes]] gibt es bis heute keine Gesteinsproben, die vom Mars geholt wurden, so dass [[Marsmeteorit]]en die einzige Möglichkeit sind, Material vom Mars in irdischen Laboratorien zu erforschen. ''Vollständige Übersicht aller gestarteten und geplanten Marssonden: [[Chronologie der Mars-Missionen]]'' '''1960er-Jahre''' Die beiden [[UdSSR|sowjetischen]] [[Raumsonde|Sonden]] Marsnik 1 und 2 wurden im Oktober 1960 gestartet, um am Mars vorbeizufliegen, erreichten aber noch nicht einmal die [[Umlaufbahn|Erdumlaufbahn]]. 1962 versagten drei weitere sowjetische Sonden (Sputnik 22, Mars 1 und Sputnik 24), zwei von ihnen blieben im Erdorbit, die dritte verlor auf dem Weg zum Mars den Kontakt mit der Erde. Auch ein weiterer Versuch im Jahre 1964 schlug fehl. Zwischen 1962 und 1973 wurden 10 [[Mariner]]-Raumsonden vom [[Jet Propulsion Laboratory]] der [[National Aeronautics and Space Administration|NASA]] entwickelt und gebaut, um das innere Sonnensystem zu erforschen. Es waren relativ kleine Sonden, die meistens nicht einmal eine halbe Tonne wogen. [[Mariner#Mariner 3 und 4|Mariner&nbsp;3 und Mariner&nbsp;4]] waren identische Raumsonden, die am Mars vorbeifliegen sollten. Mariner&nbsp;3 wurde am 5.&nbsp;November 1964 gestartet, aber die Transportverkleidung löste sich nicht richtig und die Sonde erreichte den Mars nicht. Drei Wochen später, am 28.&nbsp;November 1964, wurde Mariner&nbsp;4 erfolgreich auf eine achtmonatige Reise zum Roten Planeten geschickt. Am 14.&nbsp;Juli 1965 flog die Sonde am Mars vorbei und lieferte die ersten Nahaufnahmen – insgesamt 22 Fotos – des Planeten. Die Bilder zeigten mondähnliche Krater, von denen einige mit [[Reif (Niederschlag)|Reif]] bedeckt zu sein scheinen. 1969 folgten [[Mariner#Mariner 6 und 7|Mariner&nbsp;6 und Mariner&nbsp;7]] und lieferten insgesamt 200 Fotos. [[Datei:Mars canyons mariner9.jpg|miniatur|Ein Teil von Noctis Labyrinthus, aufgenommen von Mariner&nbsp;9.]] '''1970er-Jahre''' 1971 missglückte der Start von [[Mariner#Mariner 8 und 9|Mariner&nbsp;8]], dafür erhielt die NASA im gleichen Jahr von [[Mariner#Mariner 8 und 9|Mariner&nbsp;9]] mehrere tausend Bilder. Ebenfalls 1971 landete mit der sowjetischen Mars&nbsp;3 die erste Sonde weich auf dem Mars, nachdem Mars&nbsp;2 wenige Tage zuvor gescheitert war; der Funkkontakt brach jedoch 20&nbsp;Sekunden nach der Landung ab, mögliche Ursache war ein gerade tobender, heftiger globaler Staubsturm, der den Lander umgeworfen haben könnte. [[Datei:Mars Viking 11h016.png|miniatur|Bild von Viking&nbsp;1. Der große Felsen links von der Mitte ist etwa zwei Meter breit. Er wurde „Big Joe“ getauft.]] In den 1970er-Jahren landeten die [[Viking]]-Sonden erfolgreich auf dem Mars und lieferten die ersten Farbbilder sowie Daten von Bodenproben: Viking&nbsp;1 schaffte am 20.&nbsp;Juni 1976 als erste US-amerikanische Sonde eine weiche Landung. Die Sowjetunion versuchte noch weitere Landungen auf dem Mars, scheiterte jedoch. '''1980er-Jahre''' Die einzigen Raumsonden, die in den 1980er-Jahren zum Mars flogen, waren die beiden sowjetischen [[Fobos]]-Sonden. Sie wurden 1988 von [[Baiqongyr|Baikonur]] aus gestartet und sollten den Mars und seinen Mond Phobos untersuchen. Dafür waren sie im Rahmen einer internationalen Kooperation neben sowjetischen auch mit zahlreichen westlichen Instrumenten bestückt. Der Kontakt zu Fobos-1 brach jedoch schon auf dem Weg zum Mars ab, so dass nur Fobos-2 eine Marsumlaufbahn erreichte. Bereits nach einem Monat Operationszeit brach der Kontakt zu Fobos-2 wegen eines falschen Ingenieur-Kommandos ebenfalls ab. '''1990er-Jahre''' 1992 wurde die US-Sonde [[Mars Observer]] gestartet. Sie ging 1993 kurz vor dem Einschwenken in die Umlaufbahn verloren. 1996 sollte [[Mars 96|Mars&nbsp;96]], die erste russische Raumsonde seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion, starten. Doch versagte am 16.&nbsp;November 1996 die [[Proton (Rakete)|Proton]]-Trägerrakete, so dass Mars&nbsp;96 nach nur einem Tag in einer niedrigen Erdumlaufbahn wieder in die Erdatmosphäre eintrat und verglühte. [[Datei:Pathfinder01.jpg|miniatur|Der Marsrover Sojourner.]] Besonderes Aufsehen erregte 1997 der [[Mars Pathfinder]], bei dem zum ersten Mal ein kleines Marsmobil – der [[Rover (Raumfahrt)|Rover]] Sojourner – 16.000&nbsp;Bilder von der Umgebung der Landestelle machen konnte. Er landete publikumswirksam am 4.&nbsp;Juli, dem amerikanischen [[Unabhängigkeitstag (USA)|Unabhängigkeitstag]], und lieferte viele Aufnahmen, die von der NASA zum ersten Mal sofort im Internet veröffentlicht wurden. Eine weitere erfolgreiche Mission war 1997 der [[Mars Global Surveyor]], bei der die Marsoberfläche in einer hohen Auflösung kartografiert wird; am 2. November 2006 – fünf Tage vor dem 10-jährigen Jubiläum seines Starts – brach der Kontakt mit dem Satellit ab. Das Scheitern der Marssonden [[Mars Climate Orbiter]] (ging wegen eines groben [[Programmierfehler]]s in der Navigation verloren) und [[Mars Polar Lander]], wahrscheinlich wegen eines fehlerhaften Sensors bei der [[Landung]] aus größerer Höhe abgestürzt, stellte 1999 einen herben Rückschlag für die Marsforschung dar. Auch die 1998 gestartete [[japan]]ische Raumsonde [[Nozomi]] konnte den Mars nicht erreichen. '''2000er-Jahre''' Seit dem 24.&nbsp;Oktober 2001 umkreist außer dem Global Surveyor noch [[2001 Mars Odyssey]] den roten Planeten, der spezielle Instrumente zur [[Fernerkundung]] von Wasservorkommen an Bord hat. Von den bis 2002 insgesamt 33 Missionen zum Mars waren nur acht erfolgreich, allesamt US-amerikanisch. Am 2.&nbsp;Juni 2003 startete im Rahmen der ersten europäischen Mars-Mission die [[ESA]]-[[Raumsonde]] [[Mars Express]] mit dem Landegerät [[Beagle 2|Beagle&nbsp;2]] erfolgreich zum Mars. Beagle&nbsp;2 landete am 25.&nbsp;Dezember 2003 auf der Marsoberfläche, allerdings konnte der Kontakt niemals aufgebaut werden, so dass angenommen wird, dass Beagle&nbsp;2 bei der Landung auf der Oberfläche zerschellte. Mars Express arbeitet jedoch erfolgreich in der Marsumlaufbahn und konnte unter anderem viele Aufnahmen von Formationen machen, von denen man annimmt, dass sie ausgetrocknete oder ausgefrorene Flusstäler sind. [[Datei:Opportunity PIA03240.jpg|miniatur|Marsrover Opportunity (MER-B).]] Am 10.&nbsp;Juni 2003 wurde die US-amerikanische Marssonde [[Spirit (Raumsonde)|Spirit]] (MER-A) zum Mars gestartet. An Bord befand sich ein Rover, der nach der Landung drei Monate lang Gesteinsproben entnehmen und nach Spuren von ehemals vorhandenem Wasser suchen sollte. Die Landung erfolgte am 4.&nbsp;Januar 2004 im Krater [[Gusev-Krater|Gusev]], in den das [[Ma'adim Vallis]] mündet; seitdem arbeitet die Sonde länger als erwartet erfolgreich auf der Marsoberfläche (Stand: Januar 2009). Am 8.&nbsp;Juli 2003 wurde die baugleiche Sonde [[Opportunity]] (MER-B) mit einer [[Delta (Rakete)|Delta II]]-Rakete gestartet. Opportunity ist die Schwestersonde von Spirit und gehört ebenfalls zur ''Mars Exploration Rovers Mission'' (MER). Sie landete am 25.&nbsp;Januar 2004&nbsp;um 6.05&nbsp;Uhr (MEZ) in der ''[[Meridiani Planum]]'' Tiefebene. Beide Sonden befinden sich auf den jeweils zueinander komplementären Marshemisphären. Die vom Rover [[Opportunity]] gesammelten Beweise, dass der Mars einst warm und feucht war, wurden im Jahresrückblick der Fachzeitschrift [[Science]] mit der Wahl zum „Durchbruch des Jahres 2004“ gewürdigt. Auch Opportunity ist noch immer aktiv (Stand: April 2010). [[Datei:Victoria Crater, Cape Verde-Mars.jpg|miniatur|center|upright=3.3|Dieses Bild (annähernd in Echtfarben) wurde von MER Opportunity während eines Zeitraums von vier Wochen (vom 6. Oktober bis 6. November 2006) aufgenommen. Es zeigt den [[Victoria (Krater)|Victoria Krater]] vom Cap Verde.]] Am 12.&nbsp;August 2005 wurde die US-Sonde [[Mars Reconnaissance Orbiter]] mit einer [[Atlas V (Rakete)|Atlas-V]]-Rakete auf die Reise geschickt und erreichte am 10.&nbsp;März 2006 den Orbit des Planeten. Sie soll den Mars mit ihren hochauflösenden Kameras kartografieren, um unter anderem nach geeigneten Landestellen für spätere Rover-Missionen zu suchen. Außerdem soll die Sonde für die Hochgeschwindigkeitskommunikation zwischen zukünftigen Raumsonden auf der Marsoberfläche und der Erde dienen. Am 30.&nbsp;November 2005 fand die ESA-Sonde [[Mars Express]] unter der Ebene Chryse Planitia ein Eisfeld mit 250&nbsp;km Durchmesser. [[Datei:MarsSunset.jpg|miniatur|Sonnenuntergang auf dem Mars beim [[Gusev-Krater|Gusev Krater]] ([[Spirit (Raumsonde)|Spirit]] am 19.&nbsp;Mai 2005).]] 2007 machte der Mars Reconnaissance Orbiter Aufnahmen von 7 rätselhaften fast kreisrunden schwarzen und strukturlosen Flecken, die im Nordosten des Marsvulkans Arsia Mons liegen.<!-- <ref name="extrasolar-planets">{{internetquelle | autor= | hrsg=extrasolar-planets.com | url=http://www.extrasolar-planets.com/de/news/2007052702.php | titel= "Schwarze Löcher" auf dem Mars | datum=27. Mai 2007 | zugriff=9. November 2008}}</ref> (Seite nicht verfügbar) --> Der größte mit dem Namen Jeanne hat einen Durchmesser von etwa 150 Metern. Durch eine Schrägaufnahme im August 2007 konnte aus der sonnenbeschienenen Seitenwand ermittelt werden, dass es sich bei Jeanne um einen mindestens 78 m tiefen senkrechten Schacht handeln muss. Diese Strukturen sind daher sehr wahrscheinlich vulkanischer Natur und durch den Einbruch einer nicht mehr tragfähigen Deckschicht entstanden.<ref name="faz">{{internetquelle | autor=Günter Paul | hrsg=FAZ | url=http://www.faz.net/s/Doc~EA5A38BFFED5D49C59BF2C50C899861E0~ATpl~Ecommon~Scontent.html | titel=Das Loch Jeanne – Tiefe Schächte auf dem Mars | datum=30. August 2007 | zugriff=18. September 2009}}</ref> Mittels der Sonde [[Mars Odyssey]] hat die NASA im März 2008 ein umfangreiches Salzlager in den Hochebenen der Südhalbkugel des Mars nachgewiesen. Den Wissenschaftlern am JPL in Pasadena nach haben sich die Salzablagerungen wahrscheinlich vor 3,5 bis 3,9 Milliarden Jahren gebildet. Vermutlich entstanden die Salze durch mineralienreiches Grundwasser, das an die Oberfläche gelangte und dabei verdunstete. Die Bilder von „Mars Odyssey“ zeigen kanalähnliche Strukturen, die in den Salzbecken enden.<ref name ="diepresse"/> Insgesamt wurden mehr als 200 Gebiete mit Salzvorkommen, die jeweils zwischen 1 und 25&nbsp;km² groß sind, ausgemacht. Die Entdeckung deutet möglicherweise darauf hin, dass auf dem Mars vor langer Zeit einmal ein wärmeres und deutlich feuchteres Klima geherrscht haben muss.<ref name="universetoday">{{internetquelle | autor=Fraser Cain | hrsg=Universe Today | url=http://www.universetoday.com/2008/03/20/salt-deposits-on-mars-might-be-the-right-place-to-search-for-life/ | sprache=Englisch | titel=Salt Deposits on Mars Might Be the Right Place to Search for Life | datum=20. März 2008 | zugriff=18. September 2009}}</ref> [[Datei:226782main 5296.jpg|miniatur|Die Orte der sechs geglückten Marslandungen.]] Am 26. Mai 2008 landete die Sonde [[Phoenix (Raumsonde)|Phoenix]] im nördlichen Polargebiet des Planeten. Dort suchte sie bis November 2008 im Marsboden nach Wassereis und „habitablen Zonen“, also für primitive Organismen bewohnbare Umgebungen. Dafür trug sie einen Roboterarm mit sich, der Proben aus etwa 50&nbsp;cm Tiefe holen konnte, um diese dann in einem Minilabor zu analysieren. Phoenix entdeckte bei einer Grabung weiße Klümpchen, die nach einigen Tagen verschwanden. Wissenschaftler vermuteten, dass es sich dabei um Wassereis handelt,<ref name="spiegel2">{{internetquelle | autor=Thorsten Dambeck | hrsg=Spiegel Online | url=http://www.spiegel.de/wissenschaft/weltall/0,1518,561021,00.html | titel=Phoenix entdeckt Eis auf dem Mars | datum=20. Juni 2008 | zugriff=18. September 2009}}</ref> was am 31. Juli bestätigt wurde – beim Erhitzen einer Gesteinsprobe trat Wasserdampf aus.<ref name="nasa"> {{internetquelle | autor= | hrsg=NASA | url=http://www.nasa.gov/mission_pages/phoenix/news/phoenix-20080731.html | sprache=Englisch | titel=NASA Spacecraft Confirms Martian Water, Mission Extended | datum=31. Juli 2008 | zugriff=18. September 2009}}</ref> Mit dem nasschemischen Labor (MECA), das die wasserlöslichen Ionen im Marsboden bestimmte, konnten erhebliche Mengen an [[Perchlorate]]n detektiert werden. Auf der Erde kommen Perchlorate in den ariden Wüstengebieten vor. Das Perchlorat wird durch Oxidation von [[Natriumchlorid]] in der [[Atmosphäre]] erzeugt und dann mit dem Staub abgelagert. ==== Geplante Missionen ==== <!-- Mars Telecommunications Orbiter gestrichen Im Jahr 2009 soll der erste reine Kommunikationssatellit [[Mars Telecommunications Orbiter]] in den Marsorbit einschwenken und etwa zehn Jahre lang zur Übertragung von wissenschaftlichen Daten anderer Missionen zur Erde dienen. --> In den Jahren 2011 und 2016 sollen zwei große Rover-Missionen zum Mars starten: Das [[Mars Science Laboratory]] der NASA und [[ExoMars]] der Europäischen Weltraumbehörde ESA. Beide Rover sollen weite Strecken zurücklegen und umfassende Untersuchungen eines großen Umkreises durchführen können. Dabei soll Mars Science Laboratory in erster Linie für geologische Untersuchungen ausgelegt sein und ExoMars speziell nach Spuren von Leben suchen. Nach gegenwärtigen Planungen soll 2011 auch die seit 1996 erste russische Raumsonde [[Fobos-Grunt]] zum Marsmond Phobos fliegen, dort Proben entnehmen und sie zur Erde bringen. Weitere Pläne der NASA und ESA zur Marserforschung enthalten unter anderem das Aussetzen von kleineren Flugzeugen in der Atmosphäre und –&nbsp;nach 2020&nbsp;– die Rückführung von Marsproben zur Erde. [[Datei:PIA01466.jpg|miniatur|center|upright=3.3|Panoramabild der Marsoberfläche, aufgenommen von der Sonde Pathfinder.]] Im Januar 2004 kündigte der US-amerikanische Präsident [[George W. Bush]] Anstrengungen der USA für eine [[Bemannter Marsflug|bemannte Marsmission]] an. Im Rahmen des Raumfahrtprogramms [[Constellation (Programm)|Constellation]] plant die NASA diese Flüge für die Zeit nach 2020. Der ehemalige NASA-Direktor [[Michael Griffin]] nannte die Zeit bis 2037. Auch das langfristig angelegte europäische Raumfahrtprogramm [[Aurora (ESA)|Aurora]] strebt insbesondere die Landung eines Menschen auf dem Mars an und plant sie für das Jahr 2033. Darüber hinaus existieren im Rahmen der Visionen einer Marskolonisation Vorstellungen, den Mars durch [[Terraforming]] in weiter Zukunft in einen für den Menschen lebensfreundlicheren Planeten umzuwandeln. == Möglichkeit von Leben == [[Datei:Habitable zone-de.svg|miniatur|Der Mars liegt knapp außerhalb der habitablen Zone des Sonnensystems.]] Die Ökosphäre (oder [[habitable Zone]]) reicht in unserem Sonnensystem von 0,95 bis 1,37 AE Abstand zur Sonne. In unserem Sonnensystem befindet sich nur die Erde innerhalb dieses Gürtels um die Sonne und der Mars liegt knapp außerhalb. Höheres oder gar intelligentes Leben scheint es auf dem Mars also nicht zu geben, Wissenschaftler halten jedoch primitive Lebensformen ([[Mikrobe]]n), tiefer im Boden, um vor UV-Strahlen geschützt zu sein, für denkbar. '''Vermutungen vor dem Raumzeitalter:''' [[Datei:Karte Mars Lohse MKL1888.png|miniatur|Marsoberfläche nach [[Oswald Lohse]] (1888). Auf der Karte ist das Kanalsystem Schiaparellis nicht eingezeichnet. Die von Lohse gewählten Namen für die „Seen“ und „Ozeane“ sind heute nicht mehr gebräuchlich.]] Der Gedanke an die Möglichkeit von [[Leben]] auf dem Mars hat oft die Fantasie der Menschen beflügelt. Im 18. Jahrhundert beobachtete man, dass die dunklen Flecken auf der Marsoberfläche ihre Farbe änderten und wuchsen oder schrumpften. Man hielt sie für ausgedehnte [[Vegetation]]szonen, deren Ausdehnung sich mit den Jahreszeiten änderten. Durch Schiaparellis „Entdeckung“ der [[Marskanäle]] wurden die Spekulationen um intelligentes Leben auf dem Mars angefacht. So entstanden zahlreiche Legenden um vermeintliche [[Zivilisation]]en auf dem Mars. Die Diskussionen um die „[[Marsianer|Marsmenschen]]“ hielten etwa ein Jahrhundert an. Der US-Amerikaner [[Percival Lowell]], einer der heftigsten Verfechter der Marskanäle-Theorie, gründete sogar eine eigene Sternwarte, um die Marsbewohner zu erforschen. Für ihn waren die Kanäle das Produkt außerirdischer [[Ingenieur]]e, die geschaffen wurden, um die Marszivilisation vor einer großen Trockenheit zu retten. Lowell beschrieb seine Vorstellungen der Marswelt in zahlreichen Publikationen, die weite Verbreitung fanden. Obwohl nicht alle [[Astronom]]en die Kanäle sehen konnten und keine Fotos existierten, hielt sich die Theorie, begleitet von einer heftigen Debatte. Die Vorstellung von [[Außerirdischer|außerirdischem Leben]] übt bis heute eine Faszination auf die Menschen aus, die mit wissenschaftlichem Interesse alleine oft nicht erklärt werden kann. Erst die Ergebnisse der unbemannten Marsmissionen beendeten den Streit um die Kanäle. '''Untersuchungen durch Viking:''' [[Datei:Martian face viking cropped.jpg|miniatur|Das ''[[Marsgesicht]]'' in der Cydonia-Region; Aufnahme des Orbiters von [[Viking]] 1, 1976.]] Als im Juli 1976 der Orbiter&nbsp;1 der [[Viking]]-Mission Bilder der [[Cydonia-Region]] machte und diese zur Erde schickte, wurde der Mars in der Öffentlichkeit wieder zum Gesprächsthema. Eine der Aufnahmen zeigte eine Formation auf der Marsoberfläche, die einem menschlichen Gesicht ähnelte, das gen Himmel blickt. In der unmittelbaren Nähe wurden außerdem [[Struktur]]en entdeckt, die [[Pyramide (Bauwerk)|Pyramiden]] auf der Erde ähnelten sowie rechteckige Strukturen (von den Wissenschaftlern „Inka-Stadt“ getauft). Erst die Mission [[Mars Global Surveyor]] der NASA brachte im April 1998 für viele die Ernüchterung: Alle entdeckten Strukturen waren das Ergebnis natürlicher [[Erosion (Geologie)|Erosion]]. Durch neue Bilder mit wesentlich höherer Auflösung wurde deutlich, dass auf dem Mars keine künstlichen Strukturen außerirdischer Intelligenz vorhanden sind. [[Viking]]&nbsp;1 und 2 hatten unter anderem die Aufgabe, der Frage nach dem Leben auf dem Mars nachzugehen. Dabei wurde ein chemisches und drei biologische [[Experiment]]e durchgeführt. In dem chemischen Experiment wurde versucht, [[Organische Chemie|organische Substanzen]] im Marsboden nachzuweisen. Dazu wurde eine am [[Massachusetts Institute of Technology|MIT]] entwickelte [[GC/MS]]-Einheit (Kopplung eines [[Gaschromatographie|Gaschromatographen]] mit einem [[Massenspektrometer]]) benutzt. Es konnten allerdings keine auf [[Kohlenstoff]] aufbauenden organischen Substanzen nachgewiesen werden. Das erste biologische Experiment beruhte auf [[Stoffwechsel]]aktivitäten von Organismen. Eine Bodenprobe wurde mit einer [[Nährlösung]] benetzt und entstehende Gase registriert. Der Marsboden reagierte auf das [[Experiment]] mit Abgabe großer Mengen [[Sauerstoff]]. Im zweiten Experiment wurde eine Nährlösung mit [[Radioaktivität|radioaktiven]] Kohlenstoffatomen versehen und auf eine Probe gegeben. Als Ergebnis eines Stoffwechsels hätten sie unter den ausgeschiedenen Gasen nachgewiesen werden müssen. Tatsächlich wurden radioaktive Kohlenstoffatome nachgewiesen. Das dritte Experiment war ein [[Photosynthese]]-Experiment. Radioaktiv markiertes [[Kohlendioxid]] wurde dem Marsboden zugesetzt. Dieses Kohlendioxid hätte assimiliert werden und später nachgewiesen werden müssen. Auch dieses Ergebnis war positiv. Obwohl die Ergebnisse der biologischen Experimente positiv waren, gaben sie aufgrund des negativen Ergebnisses des GC/MS-Versuchs keinen schlüssigen Beweis für die Existenz oder Nichtexistenz von Leben auf dem Mars. '''1990er und 2000er Jahre''': [[Datei:Mars face.png|miniatur|''Marsgesicht,'' Aufnahme von [[Mars Global Surveyor]], 2001.]] Im Jahr 1996 fanden David S. McKay und seine Mitarbeiter Strukturen im [[Marsmeteorit]]en [[ALH 84001 (Meteorit)|ALH 84001]], die sie als Spuren von fossilen Bakterien deuteten. Das in diesem Meteoriten gefundene, kettenartig angeordnete [[Magnetit]] ähnelt morphologisch dem bakteriellen Magnetit aus [[Magnetospirillum magnetotacticum]]. Allerdings wird die Beweiskraft der gefundenen Strukturen von vielen Wissenschaftlern angezweifelt, da diese auch auf rein chemischem Wege entstehen konnten. Am 23.&nbsp;Januar 2004 entdeckte die europäische Marssonde [[Mars Express]] am Südpol des Mars große Mengen gefrorenen Wassers, Ende Juli 2005 auch in einem nahe dem Nordpol gelegenen Krater. Ende März 2004 wurde bekannt, dass Forscher der NASA und der ESA unabhängig voneinander [[Methan]] in der [[Atmosphäre|Marsatmosphäre]] nachgewiesen haben. Ob das Methan geologischen Ursprungs ist oder etwa durch den Stoffwechsel von Mikroorganismen gebildet wurde, sollen weitere Untersuchungen zeigen. Ebenfalls Anfang 2004 entdeckte die Marssonde Opportunity Gesteine, die in offenstehendem Wasser abgelagert worden sein müssen und viele regelmäßig verteilte kugelige, bis 1&nbsp;cm große [[Hämatit]]-Konkretionen enthalten. Solche Konkretionen kommen auch auf der Erde vor. Unter irdischen Bedingungen ist es wahrscheinlich, dass bei ihrer Entstehung [[Bakterie]]n beteiligt sind. Ob dies auch für den Mars gilt, könnten nur Laboruntersuchungen auf der Erde zeigen. Weitere Mikrostrukturen, welche die Rover Spirit und Opportunity 2004 entdeckt hatten und in denen ein Teil der interessierten Öffentlichkeit Hinweise auf Leben hatte sehen wollen, erwiesen sich bei näherer Untersuchung als abiotisch oder künstlich, so zum Beispiel Schleifspuren auf durch die Instrumente bearbeiteten Gesteinsoberflächen oder [[Faser|Filamente]], die sich als Textilfasern der Lande-[[Airbag]]s herausstellten. Forschungsergebnisse auf der [[Erde]] bestätigen, dass es Leben auch in extremen Bedingungen geben kann. Bei Bohrungen im [[Grönland|grönländischen]] Eis entdeckten Forscher der [[University of California, Berkeley]] im Jahre 2005 in drei Kilometer Tiefe eine auffallende Menge Methan. Dieses Gas produzierten methanogene [[Bakterien]], welche trotz unwirtlicher Lebensbedingungen wie Kälte, Dunkelheit und Nährstoffmangel im Eis überleben. Dabei erhalten sie sich nur mühsam am Leben – sie reparieren Erbgutschäden, vermehren jedoch nicht nennenswert ihre Population. Methanogene [[Mikroben]] sind eine Untergruppe der [[Archaebakterien]], welche sich auf Extremstandorte spezialisiert haben. So fanden sich 2002 Mikroben in einer 15.000&nbsp;Jahre alten heißen Quelle in [[Idaho]]. Die Bakterien zählen, wie schon der Name besagt, zu den ältesten Mikroorganismen der Erde. Die Wissenschaftler schätzen das Alter der in Grönland entdeckten Bakterienkolonie auf 100.000&nbsp;Jahre und vermuten, dass das in der Atmosphäre des Roten Planeten nachgewiesene Methan nicht nur von chemischen Prozessen, sondern von solchen Mikroben stammen könnte. '''Zukünftige Missionen''': Das geplante [[Mars Science Laboratory]] soll neue Aufschlüsse liefern. Es ist fraglich, ob der Mars-Rover tief genug bohren kann, um Leben oder zumindest Lebensreste zu finden. Aber eine Isotopenanalyse des Methans kann bereits weitere Aufschlüsse geben. Leben, wie es auf der Erde bekannt ist, bevorzugt leichtere Wasserstoffisotope. == Beobachtung == === Stellung zur Erde und Bahneigenschaften === [[Datei:Apparent retrograde motion of Mars in 2003.gif|miniatur|Planetenschleife des Mars im Sternbild [[Wassermann (Sternbild)|Wassermann]] im Jahr 2003.]] Aufgrund der Bahneigenschaften der Planeten „überholt“ die Erde den Mars durchschnittlich alle 779&nbsp;Tage auf ihrer inneren Bahn. Diesen Zeitraum, der zwischen 764 und 811&nbsp;Tagen schwankt, nennt man [[synodische Periode]]. Befinden sich Sonne, Erde und Mars in einer Linie, so steht der Mars von der Erde aus gesehen in [[Opposition (Astronomie)|Opposition]] zur Sonne. Zu diesem Zeitpunkt ist Mars besonders gut zu beobachten, er steht dann als rötlicher „Stern“ auffallend hell am Nachthimmel. Beobachtet man den Mars regelmäßig, kann man feststellen, dass er vor und nach einer Opposition am Himmel eine Schleifenbewegung vollführt. Diese [[Planetenschleife]] (Oppositionsschleife) ergibt sich aus den Sichtwinkeln, die Mars bietet, während er von der Erde überholt wird. [[Datei:Mars oppositions 2003-2018.png|miniatur|Marsoppositionen von 2003 bis 2018. Relative Bewegung des Mars zur Erde, mit der Erde im Zentrum. Ansicht auf die Ekliptikebene.]] Da die Planeten keine idealen Kreisbahnen aufweisen, sondern sich auf mehr oder weniger stark ausgeprägten elliptischen Bahnen bewegen, weisen Erde und Mars zum Zeitpunkt der Oppositionen unterschiedliche Entfernungen voneinander auf. Diese können zwischen 55,6 und 101,3&nbsp;Millionen Kilometer bzw. 0,37 und 0,68&nbsp;AE betragen. Bei einer geringen Oppositionsentfernung spricht man von einer ''Perihelopposition,'' bei einer großen von einer ''Aphelopposition.'' [[Datei:Min-dist-earth-mars.svg|miniatur|Abstand Erde-Mars, Hervorhebung der Opposition.]] Die alle 15 bis 17 Jahre stattfindenden Periheloppositionen bieten die besten Gelegenheiten, den Mars von der Erde aus mittels [[Teleskop]] zu beobachten. Der Planet hat dann einen scheinbaren Durchmesser bis zu 25,8&nbsp;[[Bogensekunde]]n. Bei einer Aphelopposition ist er mit 14,1&nbsp;Bogensekunden nur etwa halb so groß. Besonders erdnahe Oppositionen fanden im Abstand von jeweils 79 Jahren zum Beispiel in den Jahren 1766, 1845, 1924 und 2003 statt. Am 28.&nbsp;August 2003 betrug die Distanz Erde–Mars 55,76&nbsp;Mio.&nbsp;km. Dies war die geringste Distanz seit etwa 60.000&nbsp;Jahren.<ref>{{internetquelle |autor= |hrsg=astro!nfo |url=http://news.astronomie.info/ai.php/200308045 |titel=Mars in Jahrtausend-Erdnähe |werk=news |seiten= |datum=3. September 2003 |zugriff=18. September 2009 |kommentar=mit weiterführenden Links }}</ref><ref>{{Literatur | Autor= | Herausgeber=Astronomische Informationen für Mitglieder und Freunde des Astronomischen Arbeitskreises Salzkammergut/[[Sternwarte Gahberg]] | Titel=Der Planet Mars rückt immer näher größte Erdnähe seit fast 60.000 Jahren| Sammelwerk=Astro Info | Nummer=174 | Verlag= | Ort= | Jahr=2003 | Monat=August | Seiten= | ISSN= | Kommentar= | Online=[http://www.astronomie.at/ai/ai174/ai174.htm Webdokument], link auf pdf, astronomie.at | Zugriff=18. September 2009}}</ref> Erst im Jahre 2287 wird der Mars der Erde noch näher kommen, der Abstand beträgt dann 55,69&nbsp;Mio.&nbsp;km. Im Teleskop erscheint Mars zunächst als rötliches Scheibchen. Bei höherer Vergrößerung können die Polkappen sowie dunkle Oberflächenmerkmale, wie die ''Große Syrte,'' ausgemacht werden. Treten auf dem Mars größere Staubstürme auf, verblassen die Merkmale, da die Oberfläche von einer rötlichen Dunstschicht eingehüllt wird, die sich mitunter über Wochen halten kann. Durch den Einsatz von [[CCD-Sensor|CCD]]-Kameras sind mittlerweile auch [[Amateurastronom]]en in der Lage, detailreiche Aufnahmen der Marsoberfläche zu erzielen, wie sie vor etwa 10&nbsp;Jahren nur von den leistungsfähigsten Großteleskopen erstellt werden konnten. Ereignisse (Jahreszeitenbeginn gilt für die Nordhalbkugel):<ref name="waa">{{internetquelle | hrsg=Wiener Arbeitsgemeinschaft für Astronomie | autor=Alexander Pikhard | url=http://www.waa.at/hotspots/planeten/mars-2009-2010/index.html | sprache= | titel=Planeten in Bewegung Mars 2009-2010: Tanz um die Praesepe | zugriff=18. September 2009}}</ref><ref name="calsky">{{internetquelle | hrsg=CalSKY | autor=Alexander Pikhard | url=http://www.calsky.com/cs.cgi | sprache= | titel=Willkommen beim Himmelskalender | zugriff=18. September 2009}}</ref> {| class="prettytable" style=" font-size: 90%;" |- bgcolor=SandyBrown ! Ereignis <!-- ! Sommerbeginn --> <!-- ! Herbstbeginn --> ! Perihel ! Winterbeginn ! Frühlingsbeginn ! Opposition ! Aphel ! Sommerbeginn |- | Datum <!-- | 25. Juni 2008 --> <!-- | 25. Dezember 2008 --> | 21. April 2009 | 21. Mai 2009 | 26. Oktober 2009 | 29. Jänner 2010 | 31. März 2010 | 13. Mai 2010 |} === Sichtbarkeiten === [[Datei:Mars-19-09-2003 crop.jpg|miniatur|Amateurastronomische Aufnahme des Mars im September 2003.]] ''Hauptartikel: [[Marspositionen]] bis 2017'' Wegen der Exzentrizität der Marsbahn kann der erdnächste Punkt bis zu einer Woche vor oder nach der Opposition erreicht werden und die [[scheinbare Helligkeit]] während der Opposition sowie der Erdabstand und der scheinbare Durchmesser während der [[Erdnähe]] können recht unterschiedlich ausfallen. Eine Opposition findet etwa alle zwei Jahre (779,94 Tage) statt. Dabei kann bei einer Perihelopposition die maximale scheinbare Helligkeit bis zu −2,91<sup>m</sup> erreichen. Zu diesem Zeitpunkt ist nur noch die [[Sonne]], der [[Mond|Erdmond]], die [[Venus (Planet)|Venus]] und in seltenen Fällen [[Jupiter (Planet)|Jupiter]] (bis zu −2,94<sup>m</sup>) noch heller. Bei [[Konjunktion (Astronomie)|Konjunktion]] hingegen erscheint Mars nur mehr mit einer Helligkeit von +1,8<sup>m</sup>.<ref name="daten_nasa"/> <br style="clear:both;" /> == Kulturgeschichte == === Beschäftigung mit dem Mars von Antike bis in die Neuzeit === [[Datei:The Seven Planets - Mars.jpg|miniatur|hochkant|[[Allegorie|Allegorische]] Darstellung des Mars als Herrscher der [[Tierkreiszeichen]] Widder und Skorpion, von [[Hans Sebald Beham]], 16.&nbsp;Jahrhundert.]] Der Mars bewegte die Menschheit von alters her besonders. Im alten [[Ägypten]] wurde Mars als „Horus der Rote“ bezeichnet. Da der Planet sich während seiner Oppositionsschleife (Planetenschleife) zeitweise rückläufig bewegt, sprachen die Ägypter davon, dass Mars rückwärts wandere. Der Name der ägyptischen Hauptstadt „[[Kairo]]“ leitet sich von „Al Qahira“ ab, dem alt[[Arabische Sprache|arabischen]] Namen für den Planeten Mars. Im indischen [[Sanskrit]] wird der Mars als „Mangal“ (verheißungsvoll), „Angaraka“ (Glühende Kohle) und „Kuja“ (der Blonde) bezeichnet. Er repräsentiert kraftvolle Aktion, Vertrauen und Zuversicht. Aufgrund seiner (blut)roten Färbung wurde der Mars in verschiedenen Kulturen mit den Gottheiten des Krieges in Verbindung gebracht. Die [[Babylon]]ier sahen in ihm [[Nergal]], den Gott der Unterwelt, des Todes und des Krieges. Für die Griechen und Römer der [[Antike]] repräsentierte er deren Kriegsgötter [[Ares]] beziehungsweise [[Mars (Mythologie)|Mars]]. In der [[Nordische Mythologie|nordischen Mythologie]] steht er für [[Tyr]], den Gott des Rechts und des Krieges. Die [[Azteken]] nannten ihn [[Huitzilopochtli]], der Zerstörer von Menschen und Städten. Für die Chinesen war er Huoxing (chin. Huŏxīng, 火星), Stern des Feuers. In der [[Astrologie]] ist Mars unter anderem das [[Symbol]] der Triebkraft. Es wird dem [[Vier-Elemente-Lehre|Element]] Feuer, dem [[Planetenmetalle|Planetenmetall]] [[Eisen]], den [[Tierkreiszeichen]] Widder und Skorpion sowie dem 1. Haus zugeordnet. === Rezeption in Literatur, Film und Musik === Der Mars und seine fiktiven Bewohner sind auch Thema zahlreicher Romane und Verfilmungen. Ein Beispiel des 18. Jahrhunderts ist Carl Ignaz Geigers Roman ''Reise eines Erdbewohners in den Mars'' von 1790. Die klassische Figur des kleinen grünen Männchens mit Antennen auf dem Kopf erschien erstmals 1913 in einem [[Comic]] und ist seitdem [[Klischee]]. Vor allem durch Percival Lowells Veröffentlichungen wurde der Mars weithin als eine sterbende Welt angesehen, in deren kalten Wüstenregionen alte und weit entwickelte Zivilisationen ums Überleben kämpften. [[Kurd Laßwitz]] brachte 1897 seinen sehr umfangreichen Roman ''Auf zwei Planeten'' über einen Besuch bei den Marsbewohnern heraus. [[Datei:War-of-the-worlds-tripod.jpg|miniatur|Angriff der Marsianer in ''Krieg der Welten'' von H.G. Wells. Buchillustration der französischen Ausgabe von Alvim Corréa von 1906.]] In [[H. G. Wells]]’ bekanntem Roman ''[[Krieg der Welten]],'' der 1898 erschien, verlassen die [[Marsianer]] ihre Heimatwelt, um die lebensfreundlichere Erde zu erobern. Die Menschheit, die den hochtechnisierten kriegerischen Marsianern hoffnungslos unterlegen ist, entgeht ihrer Auslöschung nur dadurch, dass die Invasoren von für uns harmlosen, irdischen Mikroben dahingerafft werden. [[Orson Welles]] verwendete den Stoff im Jahre 1938 in einem [[Hörspiel]], wobei er die Marsianer in [[New Jersey]] landen ließ. Das Hörspiel wurde im Stil einer realistischen Reportage ausgestrahlt. Hörer, die sich später einschalteten, hielten die Invasion der Marsianer für Realität. Wells’ Romanvorlage wurde 1952 verfilmt, wobei die Handlung wiederum in die USA der Gegenwart verlegt wurde. Der Film erhielt für die damals bahnbrechenden Spezialeffekte einen [[Academy Awards|Oscar]]. Im Jahr 1978 entstand der Film ''[[Unternehmen Capricorn]].'' Er griff das Thema der [[Verschwörungstheorien zur Mondlandung]] auf, indem er es in sehr zugespitzter Form auf eine im Filmstudio vorgetäuschte Marsexpedition übertrug. Der 1996 entstandene Film ''[[Mars Attacks]]'' setzt sich ironisch mit dem Thema Marsinvasion auseinander, wobei den Marsianern amerikanische Schnulzenmusik aus den 1950er-Jahren zum Verhängnis wird. Unter der Regie von [[Brian de Palma]] wurden im Jahr 2000 mit dem Film ''[[Mission to Mars]]'' die Spekulationen um das Marsgesichts der Cydonia-Region als hinterlassenes Bauwerk dramatisch weitgehend thematisiert. [[Steven Spielberg]]s 2005 entstandenes Remake von ''Krieg der Welten'' nahm noch einmal das Thema auf und zeigte die Invasion von [[Außerirdischer|Außerirdischen]] auf der Erde aus der Sicht eines Familienvaters aus den USA. Weitere bekannte [[Sciencefiction-Film]]e, die auf dem Mars handeln, sind ''[[Red Planet]]'' und ''[[Die totale Erinnerung – Total Recall]].'' [[Edgar Rice Burroughs]], der Autor von ''[[Tarzan]],'' schrieb von 1917 bis 1943 die elfbändige Saga ''[[John Carter vom Mars]],'' in der sich der irdische Held in marsianische Prinzessinnen verliebt, gegen Luftpiraten, grünhäutige Unholde, weiße Riesenaffen und andere Untiere kämpft. ''[[Die Mars-Chroniken]],'' eine stimmungsvolle Sammlung von Erzählungen des Schriftstellers [[Ray Bradbury]], sind ebenfalls auf dem Mars angesiedelt. Große Beachtung erhielt die ''[[Marstrilogie]],'' eine von [[Kim Stanley Robinson]] in den frühen 1990er-Jahren verfasste Romanserie über die Besiedelung unseres Nachbarplaneten. Der besondere Ansatz dieser Geschichten liegt in der vorwiegend technischen Schilderung unter vollständigem Verzicht phantastischer Elemente. Der wohl prominenteste Auftritt des Mars in der Musik dürfte der erste Satz von [[Gustav Holst]]s Orchestersuite ''[[Die Planeten]]'' (1914–1916) sein, deren erster Satz ''Mars, the Bringer of War'' mit seinem drohend-martialischen Charakter die mythologische Gestalt Mars eindrucksvoll porträtiert. Bestsellerautor [[Andreas Eschbach]] verfasst von 2005 bis 2008 die Pentalogie ''[[Das Marsprojekt (Roman)|Das Marsprojekt]]''. Helga Abret und Lucian Boa geben in ihrem Buch ''Das Jahrhundert der Marsianer'' einen literarischen Überblick über Erzählungen und Romane über den Mars und seine fiktiven Bewohner. Von der Beschreibung einer „ekstatischen Reise“ zum Mars (''Itinerarium exstaticum coeleste,'' 1656) des Jesuitenpaters [[Athanasius Kircher]] bis hin zu Science-Fiction-Erzählungen des 20. Jahrhunderts reicht die Bandbreite der kommentierten Werke, mit denen die Autoren aufzeigen, dass „sich aus dem Zusammenwirken von Naturwissenschaften und Literatur ein moderner Mythos“ entwickelte. == Siehe auch == * [[Chasma]], [[Fossa (Geologie)|Fossa]] * [[Darischer Kalender]] * [[Liste der besuchten Körper im Sonnensystem#Mars|Liste der besuchten Körper im Sonnensystem]] * [[Liste der Marskrater]] * [[Sol (Marstag)]] * [[Bemannter Marsflug]] == Literatur (chronologisch geordnet) == * [[Robert Henseling]]: ''Mars. Seine Rätsel und seine Geschichte.'' Kosmos Gesellschaft der Naturfreunde. Franckh’sche Verlagsbuchhandlung, Stuttgart 1925 (das Buch ist von historischem Interesse). * Roland Wielen: ''Planeten und ihre Monde.'' Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg-Berlin-Oxford 1988, ISBN 3-922508-46-4 * Hans R. Jenemann, Arno M. Basedow, Erich Robens: ''Die Entwicklung der Makro-Vakuumwaage.'' Wirtschaftsverlag NW, Bremerhaven 1992, ISBN 3-89429-214-8 * David Morrison: ''Planetenwelten.'' Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg-Berlin-Oxford 1995, ISBN 3-86025-127-9 * Rolf Sauermost, Arthur Baumann: ''Lexikon der Astronomie – die große Enzyklopädie der Weltraumforschung.'' 2 Bde. Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg-Berlin-Oxford 1995, ISBN 3-86150-145-7 * William Sheehan: ''The Planet Mars – A History of Observation and Discovery.'' Univercity of Arizona Press, Tucson 1996, 1997, ISBN 0-8165-1641-3 * Holger Heuseler, Jaumann, [[Gerhard Neukum|Neukum]]: ''Die Mars Mission.'' BLV Verlagsgesellschaft, München 1998, ISBN 3-405-15461-8 * David McNab, James Younger: ''Die Planeten.'' C. Bertelsmann, München 1999, ISBN 3-570-00350-7 * Paul Raeburn: ''Mars – Die Geheimnisse des roten Planeten.'' Steiger, Augsburg 2000, ISBN 3-89652-168-3 * Ronald Greeley: ''Der NASA-Atlas des Sonnensystems.'' Knaur, München 2002, ISBN 3-426-66454-2 * Hans-Ulrich Keller: ''Das Kosmos Himmelsjahr 2003.'' Franckh-Kosmos Verlags-GmbH, Stuttgart 2002, ISBN 3-440-09094-9 * Dirk H. Lorenzen: ''Mission: Mars.'' Franckh-Kosmos Verlags-GmbH, Auflage: 1 (2004), ISBN 978-3-440-09840-0 * Robert Markley: ''Dying Planet: Mars in Science and the Imagination.'' Duke University Press 2005, ISBN 0-8223-3638-3 * Thorsten Dambeck: ''Wasserreiche Frühzeit des Mars.'' Spektrum der Wissenschaft, Mai 2006, S. 14–16, {{ISSN|0170-2971}} * Ernst Hauber: ''Wasser auf dem Mars.'' Physik in unserer Zeit 38(1), S. 12–20 (2007), {{ISSN|0031-9252}} * [http://www.scirus.com/topics/water_on_mars.htm Water on Mars], [[Scirus]] topic overview * Jim Bell: ''The Martian surface - composition, mineralogy and physical properties.'' Cambridge Univ. Press, Cambridge 2008, ISBN 978-0-521-86698-9 * Nadine Barlow: ''Mars - an introduction to its interior, surface and atmosphere.'' Cambridge Univ. Press, Cambridge 2008, ISBN 978-0-521-85226-5 * Donald Rapp: ''Human missions to Mars - enabling technologies for exploring the red planet.'' Springer, Berlin 2008, ISBN 978-3-540-72938-9 == Weblinks == {{Commonscat|Mars|Mars}} {{Wiktionary|Mars}} {{Wikibooks|Einführung in die Astronomie: Planeten: Mars|Mars}} * Matthias Böhm: [http://www.uni-bonn.de/~uzsrcj/index/Geologie/Arbeiten/Mars/Mars-Referat.htm Die Geologie des Mars] (Referat), www.uni-bonn.de, 30. Januar 2002 * [http://mars.jpl.nasa.gov/ NASA Mars Exploration] (englisch) * [[Gottfried Gerstbach]]: [http://www.g.gerstbach.at/papers/MarsChannel-AstroYu73.pdf Mars Channel Observations 1877–90, Compared with Modern Orbiter Data] ([[PDF]]), TU Wien (englisch) * [http://www.esa.int/SPECIALS/Mars_Express/index.html Offizielle Internetpräsenz der ESA-Mission] (englisch) * [http://www.dlr.de/mars/ DLR Mars Express: neueste Bilder (u.a. perspektivische Ansichten) mit Erläuterungen] * [[Freie Universität Berlin|FU Berlin]]: [http://www.geoinf.fu-berlin.de/mex/ Projektseiten der HRSC-Kamera auf Mars Express] (spektakuläre und hochaufgelöste Bilder der Marsoberfläche) * [[Mars Society|Mars Society Deutschland e. V.]]: [http://www.marssociety.de/ Offizieller Internetauftritt der Mars Society] mit aktuellen Nachrichten über den Mars * [[Universität Stuttgart]]: [http://www.geologie.uni-stuttgart.de/lehre/pdf/mars.pdf Mars Aufbau, Atmosphäre und Klima, Mineralogie] (pdf, 20MB) === Videos === {{Alpha Centauri|mars-1998-ID1209475741316|Warum fasziniert uns der Mars?}} {{Alpha Centauri|marsgesicht-1998-ID1209475656588|Was ist dran am Marsgesicht?}} {{Alpha Centauri|mars-2002-ID1208354789898|Was sollen wir auf dem Mars?}} * [http://video.google.com/videoplay?docid=-1746706928639180990 Planet Mars (halbstündiger Dokumentationsfilm der [[National Aeronautics and Space Administration|NASA]] aus dem Jahr 1979)] === Karten === * [http://ralphaeschliman.com/id30.htm Mars-Online-Atlas (Karten als pdfs)] (englisch) * [http://www.msss.com/mars_images/moc/moc_atlas/ Mars Atlas Revisited: Mars Global Surveyor Mars Orbiter Camera] (englisch) * [http://marsoweb.nas.nasa.gov/globalData/datamaps.html Thematische Karten (Wärme, Höhen, Geologie)] (englisch) * [http://www.google.com/mars/ Google Mars] (englisch) * [worldwind://goto/world=Mars Mars-Globus mit World Wind] ([[NASA World Wind]] Software wird benötigt) == Einzelnachweise == <references/> {{Navigationsleiste Sonnensystem}} {{Exzellent|24. Februar 2005|4650089}} [[Kategorie:Mars (Planet)| ]] {{Link GA|fr}} {{Link FA|af}} {{Link FA|bg}} {{Link FA|cs}} {{Link FA|en}} {{Link FA|es}} {{Link FA|hr}} {{Link FA|kn}} {{Link FA|nl}} {{Link FA|pl}} {{Link FA|sk}} {{Link FA|sv}} {{Link FA|tr}} {{Link FA|yi}} [[af:Mars (planeet)]] [[als:Mars (Planet)]] [[am:ማርስ]] [[an:Marte (planeta)]] [[ang:Tīƿ (tungol)]] [[ar:المريخ]] [[arz:مريخ]] [[ast:Marte (planeta)]] [[az:Mars (planet)]] [[bar:Mars]] [[bat-smg:Marsos]] [[be:Планета Марс]] [[be-x-old:Марс (плянэта)]] [[bg:Марс (планета)]] [[bn:মঙ্গল গ্রহ]] [[bo:མིག་དམར།]] [[br:Meurzh (planedenn)]] [[bs:Mars]] [[ca:Mart (planeta)]] [[ceb:Mars]] [[ckb:مەریخ]] [[co:Marte]] [[cs:Mars (planeta)]] [[csb:Mars]] [[cv:Марс (планета)]] [[cy:Mawrth (planed)]] [[da:Mars (planet)]] [[diq:Mars]] [[el:Άρης (πλανήτης)]] [[en:Mars]] [[eo:Marso (planedo)]] [[es:Marte (planeta)]] [[et:Marss]] [[eu:Marte]] [[fa:بهرام (سیاره)]] [[fi:Mars]] [[fiu-vro:Marss]] [[fo:Mars (planet)]] [[fr:Mars (planète)]] [[frp:Mârs (planèta)]] [[fy:Mars]] [[ga:Mars (pláinéad)]] [[gan:火星]] [[gd:Corg]] [[gl:Marte]] [[gu:મંગળ (ગ્રહ)]] [[gv:Mart (planaid)]] [[hak:Fó-sên]] [[haw:Hōkū‘ula]] [[he:מאדים]] [[hi:मंगल ग्रह]] [[hif:Mangalgrah]] [[hr:Mars (planet)]] [[ht:Mas (planèt)]] [[hu:Mars]] [[hy:Հրատ]] [[ia:Marte (planeta)]] [[id:Mars]] [[ie:Mars]] [[ilo:Mars (planeta)]] [[io:Marso]] [[is:Mars (reikistjarna)]] [[it:Marte (astronomia)]] [[ja:火星]] [[jbo:mars]] [[jv:Mars]] [[ka:მარსი (პლანეტა)]] [[kk:Қызылжұлдыз]] [[kn:ಮಂಗಳ (ಗ್ರಹ)]] [[ko:화성]] [[ksh:Mars (Planet)]] [[ku:Behram (gerstêrk)]] [[kw:Meurth (planet)]] [[la:Mars (planeta)]] [[lb:Mars (Planéit)]] [[li:Mars (planeet)]] [[lij:Marte (astronomia)]] [[lt:Marsas (planeta)]] [[lv:Marss (planēta)]] [[mg:Mars (fajiry)]] [[mk:Марс (планета)]] [[ml:ചൊവ്വ (ഗ്രഹം)]] [[mn:Ангараг]] [[mr:मंगळ ग्रह]] [[ms:Marikh]] [[mt:Marte (pjaneta)]] [[mwl:Marte]] [[my:အင်္ဂါဂြိုဟ်]] [[mzn:مریخ]] [[nah:Chīchīlcītlalli]] [[nds:Mars (Planet)]] [[ne:मंगलग्रह]] [[nl:Mars (planeet)]] [[nn:Planeten Mars]] [[no:Mars (planet)]] [[nov:Mars (planete)]] [[nv:Máaz]] [[oc:Mart (planeta)]] [[om:Mars]] [[os:Марс (планетæ)]] [[pa:ਮੰਗਲ ਗ੍ਰਹਿ]] [[pam:Mars]] [[pl:Mars]] [[pms:Mart (pianeta)]] [[pt:Marte (planeta)]] [[qu:Awqakuq]] [[rm:Mars (planet)]] [[ro:Marte (planetă)]] [[ru:Марс (планета)]] [[sah:Марс]] [[scn:Marti (pianeta)]] [[sco:Maurs]] [[se:Mars]] [[sh:Mars]] [[si:අඟහරු-භූගර්භ විද්‍යාව]] [[simple:Mars]] [[sk:Mars]] [[sl:Mars]] [[sq:Marsi]] [[sr:Марс]] [[stq:Mars]] [[su:Mars]] [[sv:Mars (planet)]] [[sw:Mirihi]] [[szl:Mars]] [[ta:செவ்வாய் (கோள்)]] [[te:అంగారకుడు]] [[tg:Миррих]] [[th:ดาวอังคาร]] [[tl:Marte]] [[tr:Mars (gezegen)]] [[ug:مارس]] [[uk:Марс (планета)]] [[ur:مریخ]] [[uz:Mars]] [[vi:Sao Hỏa]] [[wa:Måss (planete)]] [[war:Mars]] [[wuu:火星]] [[xal:Мигмр]] [[yi:מאדים]] [[zh:火星]] [[zh-classical:火星]] [[zh-min-nan:Hoé-chheⁿ]] [[zh-yue:火星]] jzo2cydtqhr93fucks0tjcnu3jmw7ru wikitext text/x-wiki Mars Reconnaissance Orbiter 0 23900 26496 2010-04-29T16:57:32Z Happolati 0 /* Primärmission */ linkfix [[Datei:Mars Reconnaissance Orbiter.jpg|thumb|200px|Mars Reconnaissance Orbiter in einem Mars-Orbit (künstlerische Darstellung)]] [[Datei:Mars Reconnaissance Orbiter fully assembled.jpg|thumb|200px|MRO in der Montagehalle kurz vor dem Start, eingewickelt in [[Multilayer Insulation|MLI-Folie]] ]] Der '''Mars Reconnaissance Orbiter''' (engl. für „Mars-Erkundungssatellit“), abgekürzt '''MRO''', ist eine [[NASA]]-[[Raumsonde]] zur Erforschung des Planeten [[Mars (Planet)|Mars]], die am 12. August 2005 zum Roten Planeten aufgebrochen war und am 10. März 2006 ihr Ziel erreichte. Dies ist vorerst der letzte [[Orbiter (Raumfahrt)|Orbiter]], der zum Mars geschickt wurde, da die Mars-Missionen der nächsten Jahre alle auf der Planetenoberfläche landen werden. Die Sonde ist von [[Lockheed Martin]] gebaut worden; die meisten Instrumente stammen vom [[Jet Propulsion Laboratory|Jet Propulsion Laboratory (JPL)]]. Die Sonde ist seit den [[Viking]]-Sonden von 1975 die schwerste US-amerikanische Mars-Sonde, die zudem über eine sehr umfangreiche Instrumentierung verfügt. Beim Start wog sie (mit Antrieb und Treibstoff) über 2&nbsp;Tonnen. Die Gesamtkosten der Mission betragen etwa 720 Millionen US-Dollar, davon entfallen 450 Millionen auf die Entwicklung und die Herstellung der Sonde und ihrer Instrumente, 90 Millionen auf die Trägerrakete sowie 180 Millionen auf die Missionsdurchführung der 5,5 Jahre lang dauernden Primärmission. Mit MROs Ankunft am Mars waren dort zusammen mit [[Mars Global Surveyor]], [[2001 Mars Odyssey|Mars Odyssey]] und [[Mars Express]] erstmals vier Orbiter gleichzeitig aktiv. == Missionsziele == Das primäre Ziel der Sonde ist die Kartografierung der Mars-Oberfläche: Der Mars Reconnaissance Orbiter bringt die bisher hochauflösendste Kamera in eine Mars-Umlaufbahn. Sie erreicht eine verbesserte horizontale Bildauflösung von einem Meter pro [[Pixel]], während frühere Aufnahmen noch mehrere Meter pro Pixel hatten. Wegen der Begrenzung der Datenmenge, die zur Erde übermittelt werden kann, können nur ausgewählte Teile des Planeten mit der höchsten Auflösung erfasst werden. Die Aufnahmen sollen auch kleinere geologische Strukturen erkennen lassen, z.&nbsp;B. [[Heiße Quelle|hydrothermale Quellen]], in deren Nähe ([[Fossil|fossiles]]) Leben vermutet wird. Sie ermöglichen damit auch eine gezieltere Auswahl interessanter Landestellen für weitere Mars-Missionen, wie für die am 25. Mai 2008 am Mars angekommene [[Phoenix (Raumsonde)|Phoenix]]-Sonde und das [[Mars Science Laboratory]] im Jahr 2010. Weiterhin sucht der MRO mit [[Radar]] nach dicht unter der Mars-Oberfläche vorhandenem Wasser und Eis, insbesondere auch an den Polkappen. Schließlich soll die Sonde für zukünftige Landemissionen als [[Relaisstation]] dienen. == Technik == [[Datei:MRO Diagramm.png|650px|Diagramm des Mars Reconnaissance Orbiters]] Ursprünglich sollte der Mars Reconnaissance Orbiter mit einer [[Atlas (Rakete)|Atlas-III]]-Rakete gestartet werden und eine Startmasse von 1.975&nbsp;kg haben.<ref>NASA: [http://marsprogram.jpl.nasa.gov/newsroom/pressreleases/20020611a.html ATLAS III CHOSEN TO LAUNCH MARS RECONNAISSANCE ORBITER], 11. Juni 2002</ref> Doch nachdem die neuere [[Atlas V (Rakete)|Atlas-V]]-Rakete 2002 ihren Erstflug erfolgreich absolviert hatte, entschied man sich dafür, die Sonde mit ihr zu starten, da sie zum Preis einer Atlas&nbsp;III mehr [[Nutzlast]] erlaubt. Dadurch stieg die [[Startgewicht|Startmasse]] der Sonde auf 2.180&nbsp;kg, wobei die Leermasse der Sonde 1.031&nbsp;kg beträgt (davon sind 139&nbsp;kg Instrumente) und 1.149&nbsp;kg auf den mitzuführenden [[Treibstoff]] entfallen. Die tragende Struktur der Sonde ohne jegliche Geräte wiegt 220&nbsp;kg und besteht aus leichten aber festen Werkstoffen wie [[Titan (Element)|Titan]], [[Kohlenstofffaser|Kohlenstofffaser-Verbundwerkstoffen]] und [[Aluminium]] in [[Honeycomb|Honigwabenbauweise]]. Die Struktur muss Startbeschleunigungen von 5&nbsp;[[Erdschwerebeschleunigung|g]] standhalten können, was dem fünffachen Eigengewicht der Sonde (also 10.900&nbsp;kg) entspricht. === Energieversorgung === [[Datei:Mars Reconnaissance Orbiter solar panel.jpg|thumb|Solarkollektoren des MRO in der Montagehalle]] Die Stromversorgung des Orbiters erfolgt allein durch zwei jeweils 5,35&nbsp;m lange und 2,53&nbsp;m breite Solarkollektoren. Die Solarkollektoren können unabhängig voneinander sowohl auf- und abwärts bewegt, als auch um die eigene Achse rotiert werden. Auf der Vorderseite jedes Kollektors sind 9,5&nbsp;m<sup>2</sup> Fläche jeweils mit 3.744 einzelnen [[Solarzelle]]n bedeckt. Die sehr effizienten ''triple-junction''-Solarzellen haben einen Wirkungsgrad von 26 %, d.&nbsp;h. sie können 26 % der Energie des einfallenden Sonnenlichts in Elektrizität umwandeln. Die Solarzellen sind so angeschlossen, dass sie eine konstante Spannung von 32&nbsp;V liefern, auf die die Instrumente der Sonde ausgelegt sind. Die gesamte Energieausbeute der beiden Solarkollektoren im Mars-Orbit beträgt rund 2.000&nbsp;Watt (im Erdorbit läge die Energieausbeute aufgrund der geringeren Distanz zur Sonne bei 6.000&nbsp;Watt). Der Mars Reconnaissance Orbiter führt zwei wiederaufladbare [[Nickel-Metallhydrid-Akku]]mulatoren mit einer Kapazität von je 50 Amperestunden an Bord. Die Akkumulatoren werden zur Stromversorgung während der Flugphasen genutzt, in welchen die Solarkollektoren keine elektrische Energie liefern. Dies geschieht beispielsweise beim Start, beim Einschwenken in die Marsumlaufbahn, bei den [[Atmosphärenbremsung|Aerobraking-Manövern]] oder wenn die Sonde in den Mars-Schatten eintritt. Da die zur Verfügung stehende Spannung mit dem fortschreitenden Entladen der Akkumulatoren fällt und sich der Bordcomputer bei einem Absinken der Spannung auf etwa 20&nbsp;V abschaltet, kann die Sonde nur etwa 40 % der Akkukapazität nutzen. === Elektronik === Das Herz des MRO-Bordcomputers ist ein 133&nbsp;MHz schneller, aus 10,4 Millionen [[Transistor]]en bestehender, 32-bit-[[RAD-750]]-[[Prozessor (Hardware)|Prozessor]]. Der Prozessor ist im Grunde ein gegen [[Strahlung]] gehärteter [[PowerPC G3|PowerPC-750 G3]] und ist der Nachfolger des [[RAD6000]]-Prozessors, der beispielsweise in den Mars-Rovern ''[[Spirit (Raumsonde)|Spirit]]'' und ''[[Opportunity]]'' Verwendung findet. Obgleich die Geschwindigkeit des Prozessors mit 133&nbsp;MHz im Vergleich zu heutigen Home-PCs als sehr niedrig erscheint, ist das zur Zeit der schnellste Prozessor, der – fernab des Schutzes des [[Magnetfeld]]es und der Atmosphäre der Erde – noch zuverlässig arbeiten kann. Zur Datenspeicherung verfügt der MRO über 20&nbsp;GByte, die auf mehr als 700 einzelne [[Flash-Speicher]]chips mit einer Kapazität von je 256&nbsp;Mbit (= 32 MByte) verteilt sind. Die Speicherkapazität der Sonde ist im Vergleich zu einem Bild der HiRISE-Kamera, das bis zu 3,5&nbsp;Gbyte groß sein kann, nicht besonders hoch. Der Bordcomputer setzt ein [[VxWorks]]-[[Echtzeitbetriebssystem]] ein, das für seine Schnelligkeit und Zuverlässigkeit bekannt ist und bereits in vielen Raumfahrtmissionen, wie z.&nbsp;B. in ''Spirit'' und ''Opportunity'', zum Einsatz kam. === Kommunikation === [[Datei:Mars Reconnaissance Orbiter HGA.jpg|left|thumb|170px|Richtantenne des MRO]] Zur Kommunikation mit der Erde verfügt der MRO über eine [[Richtantenne]] (High-Gain-Antenna – HGA) mit einem Durchmesser von drei Metern, mit der Datenübertragungsraten von bis zu 6&nbsp;MBit/s erreicht werden können. Die Antenne ist beweglich und kann punktgenau auf die Erde ausgerichtet werden. Die Sonde sendet im [[Frequenzband|X-Band]] auf einer [[Frequenz]] von 8&nbsp;GHz mit einer Leistung von 100&nbsp;Watt, außerdem ist eine experimentelle Kommunikation im [[Frequenzband|Ka-Band]] mit 32&nbsp;GHz und 35&nbsp;Watt geplant. Mit der höheren Sendefrequenz kann eine höhere Datenübertragungsrate erreicht werden. Sollte sich die Kommunikation im Ka-Band bewähren, werden zukünftige Raumsonden mit der neuen Übertragungstechnologie ausgestattet. Die Sonde verfügt über zwei [[Verstärker (Technik)|Verstärker]] für das X-Band (der zweite ist für den Fall, dass der erste versagt) und einen Verstärker für das Ka-Band. Nach dem Ende der primären Mission sollen mit der Antenne etwa 34&nbsp;Terabit an wissenschaftlichen Daten zur Erde übertragen worden sein (dies ist mehr, als die Datenmenge aller bisherigen planetaren Raumsonden zusammen), wobei pro Tag rund 10-11 Stunden lang Datenübertragung mit einer durchschnittlichen Datenrate von 0,6 bis 5&nbsp;Mbit/s (abhängig von der Entfernung Erde-Mars) stattfindet. Der Empfänger auf der Erde ist eine 34-m-[[Deep Space Network|DSN]]-Antenne. Zum Vergleich: Die Sender auf MGS und Odyssey hatten/haben eine elektrische Leistung von 25/15W und eine [[Datenübertragungsrate]] von 20-80/14-120 kbit/s - mehr als eine Größenordnung weniger als MRO. [[Datei:MRO data.jpg|thumb|Datenmenge des MRO im Vergleich zu früheren NASA-Raumsonden]] Für den Fall, dass die Richtstrahlantenne nicht eingesetzt werden kann, verfügt der MRO über zwei Niedrigverstärkungsantennen (Low-Gain-Antenna – LGA). Die Antennen befinden sich auf der HGA-Schüssel, eine auf der Vorderseite und eine auf der Rückseite. Um mit der Erde zu kommunizieren, brauchen die Niedrigverstärkungsantennen nicht darauf ausgerichtet zu werden, erreichen dafür aber auch nur niedrige Datenraten. Da die Sonde über zwei dieser Antennen verfügt (jeweils eine deckt eine volle Halbkugel ab), kann sie aus einer beliebigen Lage Signale sowohl senden als auch empfangen. Die Antennen werden während des Starts und beim Eintreten in die Marsumlaufbahn verwendet, dienen aber auch einer Absicherung der Kommunikation in einem Notfall. Außerdem verfügt der MRO über eine ''Electra''-[[Dezimeterwelle|UHF]]-Kommunikationsanlage, mit deren Hilfe die Sonde mit anderen Marssonden kommunizieren kann, wie mit dem Phoenix-Lander auch 2010 mit dem Mars Science Laboratory. Dadurch können die Daten der Landemissionen durch den MRO zur Erde weitergeleitet werden. Außerdem kann durch die Messung von Signallaufzeiten die genaue Position der Lander auf der Marsoberfläche bestimmt werden.<ref>NASA: [http://marsprogram.jpl.nasa.gov/mro/mission/sc_instru_electra.html Spacecraft Parts - Electra]</ref> === Antriebssystem === Der MRO verwendet ein Antriebssystem, das katalytisch zersetztes [[Hydrazin]] als einzigen [[Raketentreibstoff|Treibstoff]] verbrennt und daher keinen [[Oxidator]] mitführt. Der aus [[Titan (Element)|Titan]] bestehende Tank der Sonde mit einem Volumen von 1.175&nbsp;Liter kann maximal 1.187&nbsp;kg Treibstoff aufnehmen, wobei jedoch nur 1.149&nbsp;kg Treibstoff mitgeführt werden, um die maximale Nutzlast der Trägerrakete nicht zu überschreiten. Diese Treibstoffmenge würde ausreichen, um die Geschwindigkeit der Sonde um 1.551&nbsp;m/s zu ändern. Über 70 % des Treibstoffs wurden beim Einschwenken in die Marsumlaufbahn verbraucht, da hier die Sonde stark abgebremst werden musste, um von der Anziehungskraft des Mars eingefangen zu werden. Um den Treibstoff unter Druck zu setzen, wird [[Helium]]-Gas verwendet, das in einem separaten, unter Hochdruck stehenden Tank gelagert wird. Das Antriebssystem der Sonde besteht aus 20 Triebwerken, in drei verschiedenen Größen: * Sechs große MR-107N-Triebwerke, die jeweils 170&nbsp;N Schub erzeugen (insgesamt 1.020&nbsp;N). Diese Triebwerke werden für das erste Kurskorrekturmanöver sowie für den Einschuss in die Marsumlaufbahn verwendet. * Sechs mittelgroße MR-106E-Triebwerke, die jeweils 22&nbsp;N Schub erzeugen. Diese Triebwerke werden zur Korrektur der Flugbahn eingesetzt und um die Sonde beim Einschuss in die Marsumlaufbahn auf dem richtigen Kurs zu halten. * Acht kleine MR-103D-Triebwerke, die jeweils 0,9&nbsp;N Schub erzeugen. Sie werden für die [[Stabilisation (Raumfahrt)|Lageregelung]] des MRO sowohl während der normalen Operationszeit, als auch während des Eintritts in die Marsumlaufbahn und während der Flugbahnkorrekturen eingesetzt. Außerdem werden zur präzisen Lageregelung vier [[Gyroskop (Raumflugtechnik)|Drallräder]] eingesetzt, insbesondere bei hochauflösenden Aufnahmen, wo bereits die kleinste Bewegung eine Unschärfe in dem Bild verursacht. Jedes Rad wird für jeweils eine Bewegungsachse verwendet, das vierte Rad gilt als Reserve, sollte eins der übrigen drei ausfallen. Ein einzelnes Drallrad wiegt 10&nbsp;kg und kann mit bis zu 6.000 Umdrehungen pro Minute rotieren. === Navigationssystem === Navigationssysteme und Sensoren liefern Informationen zur Position, Kurs und Ausrichtung der Sonde während des Flugs. Diese Daten sind entscheidend, um genaue Manöver auf dem Weg zum Mars ausführen zu können, um die Solarkollektoren auf die Sonne und um die Antenne auf die Erde ausgerichtet zu halten. Außerdem muss die Lage der Sonde sehr genau kontrolliert werden, um unverschwommene hochauflösende Aufnahmen der Marsoberfläche machen zu können. Für diese Zwecke verfügt das Navigationssystem über mehrere Sensoren und Instrumente: * 16 Sonnensensoren (acht davon sind als Reserve gedacht) sind auf allen Seiten der Sonde angeordnet. Die Sensoren sind sehr einfach aufgebaut und liefern als Antwort nur, ob sie die Sonne sehen oder nicht. Aus den Daten einzelner Sensoren errechnet der Computer dann die ungefähre Position der Sonne. Sollte die Sonde die Orientierung verlieren, sind diese Sensoren ausreichend, um die Solarkollektoren auf die Sonne auszurichten und damit die Stromversorgung zu gewährleisten. Allerdings können sie nicht zu einer genauen Ausrichtung der Sonde auf die Erde und auf den Mars genutzt werden. * Zwei ''Star Tracker'' (einer dient als Reserve) der Marke A-STR von [[Galileo Avionica]]<ref name="G&CS">American Astronautical Society: [http://trs-new.jpl.nasa.gov/dspace/bitstream/2014/37230/1/03-0246.pdf Mars Reconnaissance Orbiter Design Approach for High-Resolution Surface Imaging (PDF)], 2003</ref> zur genauen Ausrichtung sowohl auf die Sonne, als auch auf die Erde und den Mars. Ein ''Star Tracker'' ist eine kleine Kamera, die Digitalbilder der Sterne aufnimmt. Diese Bilder werden mit den im Bordcomputer gespeicherten Daten tausender von Sternen verglichen. Hat der ''Star Tracker'' die Sterne auf dem Bild identifiziert, weiß der Computer sehr genau, wo und in welcher Ausrichtung sich die Sonde befindet. Der ''Star Tracker'' nimmt zehn Bilder pro Sekunde auf. * Zwei ''[[Inertial Measurement Unit|Miniature Inertial Measurement Units (MIMU)]]'' (eins dient als Reserve) von [[Honeywell]]<ref name="G&CS" />, bestehend aus jeweils drei [[Gyroskop]]en und drei [[Beschleunigungsmesser]]n. Dabei wird je ein Gyroskop und ein Beschleunigungsmesser pro Bewegungsachse verwendet. Die Gyroskope werden zur Messung der Drehgeschwindigkeit der Sonde eingesetzt (z.&nbsp;B. bei der Drehung zur Lageregelung) und die Beschleunigungsmesser zur Messung der Beschleunigung (z.&nbsp;B. beim Feuern von Triebwerken). Zudem wird bei dem Experiment ''Atmospheric Structure Investigation Accelerometers'' mit Hilfe der Beschleunigungsmesser die Bremswirkung der oberen Atmosphärenschichten während des [[Atmosphärenbremsung|Aerobrakings]] gemessen. Dies gibt Aufschluss über die Dichte und Struktur der oberen Atmosphäre. Außerdem verfügt der MRO mit der ''Optical Navigation Camera'' über ein Experiment zur optischen Navigation für einen genaueren Einschuss in die Marsumlaufbahn. Dazu werden die Mars-Monde [[Phobos (Mond)|Phobos]] und [[Deimos (Mond)|Deimos]] 30 bis zwei Tage vor der Ankunft der Sonde am Mars fotografiert, um so die genaue Position der Sonde festzustellen. Die ''Optical Navigation Camera'' ist zum sicheren Eintreten des MRO in die Umlaufbahn nicht notwendig. Sollte dieses Experiment jedoch positive Ergebnisse liefern, wird diese Art von Navigation bei zukünftigen Landemissionen eingesetzt, die mit einer sehr hohen Präzision am Mars ankommen müssen, um die sehr genau festgelegten Landestellen nicht zu verpassen.<ref>NASA: [http://marsprogram.jpl.nasa.gov/mro/mission/sc_instru_optical.html Spacecraft Parts - Optical Navigation Camera]</ref> == Instrumente == [[Datei:A sonda MOR e a acao de seus instrumentos.jpg|thumb|Instrumente des MRO und deren Anwendungsgebiete]] [[Datei:MRO HiRISE.jpg|thumb|HiRISE-Kamera bei den Startvorbereitungen]] [[Datei:MRO HiRISE comparison.jpg|thumb|Vergleich der HiRISE-Kamera mit der MOC-Kamera des [[Mars Global Surveyor]]s]] An Bord des MRO befinden sich sowohl sechs wissenschaftliche Instrumente als auch einige technische Experimente, wie die Ka-Band-Kommunikation, die Electra-Kommunikationsanlage und die optische Navigationskamera. Die technischen Experimente wurden in dem Abschnitt ''Technik'' beschrieben, hier werden die wissenschaftlichen Instrumente vorgestellt. ;High Resolution Imaging Science Experiment (HiRISE): Das größte und wichtigste Instrument an Bord von Mars Reconnaissance Orbiter ist das HiRISE, das aus einer hochauflösenden Fotokamera mit einem [[Cassegrain-Teleskop]] von 1,40&nbsp;m Länge und einem Durchmesser von 50&nbsp;cm besteht. HiRISE ist nach [[HRSC]] von Mars Express die zweite hochauflösende Stereokamera einer Mars-Sonde. Das Teleskop enthält drei Spiegel und verfügt über ein Sichtfeld von 1,14° × 0,18°. Die Kamera wiegt etwa 65&nbsp;kg und vermag aus 300&nbsp;km Höhe Aufnahmen mit einer maximalen vertikalen Auflösung von 20-30&nbsp;cm pro Pixel zu erzeugen. Für die Aufnahmen stehen drei Spektralbänder zur Verfügung: Blau-Grün BG (400-600&nbsp;nm), Rot (550-850&nbsp;nm) und Nah-Infrarot NIR (800-1.000&nbsp;nm). Im BG-Band wird ein 6&nbsp;km breiter Streifen erfasst, in Rot und NIR jeweils 1,2&nbsp;km breit. Die Länge des erfassten Bildes beträgt dabei etwa das Doppelte seiner Breite. Zur Erfassung des einfallenden Lichtes enthält HiRISE insgesamt 14 ''detector-chip-assemblies'' (DCA), die jeweils ein [[CCD-Sensor|CCD]]-Modul mit der dazugehörenden Steuerelektronik beherbergen. Jedes CCD-Modul besteht dabei aus jeweils 2.048 12 × 12&nbsp;µm großen Pixeln quer zur Flugrichtung sowie 128 TDI-Elementen entlang der Flugrichtung. Die TDI-Elemente (Time Delay and Integration) werden zur Verbesserung des Signal-Stör-Verhältnisses verwendet. Für das BG und NIR Band stehen jeweils zwei DCAs mit insgesamt 4.048 Pixel für jedes Band zur Verfügung. Für das Rot-Band sind es zehn DCAs mit insgesamt 20.264 Pixeln. Zur Echtzeitdatenkompression kann eine [[Lookup-Tabelle]] verwendet werden, die mit der Kamera aufgenommene 14-Bit Signale in 8-Bit Signale transformiert. Zusätzlich steht eine verlustfreie 2:1-Kompressionsmethode zur Verfügung. Ein typisches hochauflösendes Bild der HiRISE-Kamera ist 20.000 × 40.000 Pixel groß (d. h. ca. 800 Megapixel), zur Übertragung zur Erde werden in Abhängigkeit von der Erde-Mars-Entfernung und des Kompressionsfaktors 4 bis 48 Stunden benötigt. Die Kamera verfügt über einen internen 28&nbsp;GBit Speicher, um die Aufnahmen zwischenzuspeichern, bevor sie an den Bordcomputer weitergegeben werden. Die Entwicklungskosten für HiRISE lagen bei etwa 35 Millionen Dollar. Das Instrument wurde von [[Ball Aerospace]] im Auftrag der [[University of Arizona]] gebaut.<ref>[http://marsoweb.nas.nasa.gov/HiRISE/ HiRISE Homepage]</ref><ref>Sixth International Conference on Mars (2003): [http://www.lpi.usra.edu/meetings/sixthmars2003/pdf/3287.pdf HiRISE: Instrument Development] (PDF)</ref> ;Context Imager (CTX): CTX ist ebenfalls eine Kamera, die Graustufenbilder im sichtbaren Licht mit einer Wellenlänge von 500 bis 800&nbsp;nm erzeugt und mit einer geringeren Auflösung von etwa sechs Metern arbeitet. Sie soll dazu dienen, Teile vom Mars zu kartografieren, vor allem aber, die Daten der hochauflösenden HiRISE-Kamera und des CRISM-Spektrometers richtig in den globalen Kontext einfügen zu können. CTX verfügt über ein [[Maksutov-Teleskop]] mit 35&nbsp;cm Brennweite und 6° Sichtfeld, zur Aufnahme dient ein aus 5064 Pixeln bestehendes [[CCD-Sensor|CCD]] Zeilenarray. Ein typisches Bild ist etwa 30&nbsp;km weit. Das Instrument besitzt einen 256&nbsp;MB großen [[Dynamisches RAM|DRAM]]-Speicher, was ausreichend ist, um ein 160&nbsp;km langes Bild intern abzuspeichern, bevor es in den Hauptspeicher der Sonde übertragen wird. Gebaut wurde das Instrument bei [[Malin Space Science Systems]].<ref>Malin Space Science Systems: [http://www.msss.com/mro/ctx/ Context Imager (CTX)]</ref><ref>NASA: [http://marsprogram.jpl.nasa.gov/mro/mission/sc_instru_ctx.html Spacecraft Parts - Context Imager (CTX)]</ref> [[Datei:MRO MARCI experiment.jpg|thumb|Mars Color Imager]] ;Mars Color Imager (MARCI): MARCI besteht aus einer Weitwinkelkamera und einer Telekamera, die überwiegend zur Untersuchung der Mars-Atmosphäre eingesetzt werden. MARCI ist eine Kopie der mit dem [[Mars Climate Orbiter]] [[1999]] verloren gegangenen Kamera, lediglich das Objektiv der Kamera wurde durch ein größeres [[Fischaugenobjektiv]] mit 180° Blickwinkel ersetzt, um Rollbewegungen der Raumsonde zu kompensieren, die zum Betrieb anderer Instrumente nötig sind. Die Kameras sind an gemeinsame Elektronik angeschlossen und verfügen über sieben Spektralkanäle, davon fünf im sichtbaren Licht bei [[Wellenlänge]]n von 425, 550, 600, 650 und 725 Nanometern und zwei im [[Ultraviolettstrahlung|UV]]-Licht bei 250 und 320 Nanometern. Mit dem Instrument sollen Oberflächenänderungen wie Sandbewegungen oder die sich ändernde Ausmaße der Polkappen registriert werden, zudem soll die Atmosphäre nach verschiedenen Elementen, so z.B. nach [[Ozon]], durchsucht werden. Außerdem wird MARCI eingesetzt, um tägliche Wetterberichte vom gesamten Planeten zu liefern. Gebaut wurde das Instrument bei Malin Space Science Systems.<ref>Malin Space Science Systems: [http://www.msss.com/mro/marci/index.html Mars Color Imager (MARCI)]</ref> [[Datei:MRO CRISM prelaunch 2.jpg|thumb|CRISM Experiment (NASA)]] ;Compact Reconnaissance Imaging Spectrometer for Mars (CRISM): CRISM ist ein [[Spektrometer]], mit dem die komplette Mars-Oberfläche nach Vorkommen von unterschiedlichen [[Mineral]]ien gescannt wird. Dafür verfügt CRISM über 544 verschiedene Spektralkanäle, womit gezielt nach bestimmten Mineralien gesucht werden kann. Dabei geht es vor allem um die Mineralien, die bei einem Kontakt mit [[Wasser]] entstehen können, wie z.&nbsp;B. [[Hämatit]]. CRISM soll zunächst die gesamte Mars-Oberfläche mit einer Auflösung von 100-200&nbsp;m und in etwa 70 Spektralkanälen scannen, um dann Gebiete auswählen zu können, die mit einer höheren Auflösung erfasst werden (maximal bis 18&nbsp;m). Der Spektrometer verfügt über einen Teleskop mit einer 10-cm-[[Apertur (Optik)|Apertur]] und 2° Sichtfeld, mit dem Bilder der Marsoberfläche mit einer Breite von etwa 10&nbsp;km aufgenommen werden. Das Instrument zeichnet die Lichtintensitäten im Spektralband bei Wellenlängen von 370 bis 3.940&nbsp;nm auf, wobei dieses Band in 6,55&nbsp;nm breite Streifen aufgeteilt wird. Die Entwicklungskosten für dieses Instrument betrugen 17,6 Millionen Dollar. Das Instrument wurde vom [[Applied Physics Laboratory]] der [[Johns Hopkins University]] entwickelt.<ref>APL: [http://crism.jhuapl.edu/index.html Compact Reconnaissance Imaging Spectrometer for Mars (CRISM)]</ref> ;Mars Climate Sounder (MCS): MCS ist ein Experiment zur Untersuchung der Mars-Atmosphäre und dient als Ersatz für bei den Missionen [[Mars Observer]] und [[Mars Climate Orbiter]] verlorengegangene Instrumente mit ähnlicher Zielsetzung. MCS verfügt über zwei Teleskope mit Aperturen von 4&nbsp;cm. Im Gegensatz zu anderen Instrumenten, die alle senkrecht nach unten schauen, sind die Teleskope des MCS im Normalbetrieb auf den Horizont ausgerichtet, können jedoch auch in andere Richtungen gedreht werden. MCS verfügt über neun Spektralkanäle und soll die Verteilung von Staub und Wasserdampf in der Atmosphäre studieren. Außerdem wird die Veränderung der Lufttemperatur und des Luftdrucks erfasst. Einer der neun Kanäle umfasst die Frequenzen des sichtbaren und des nah-infraroten Lichts bei einer Wellenlänge von 300 bis 3.000&nbsp;nm. Die übrigen acht Kanäle befinden sich im thermischen infraroten Bereich des [[Elektromagnetisches Spektrum|elektromagnetischen Spektrums]] bei Wellenlängen von 12 bis 50&nbsp;µm. Aus den Daten des MCS soll eine dreidimensionale Karte der Mars-Atmosphäre mit Staub, Wasserdampf, Druck und Temperaturverteilungen bis in 80-100&nbsp;km Höhe entstehen. Das Instrument wurde vom [[Jet Propulsion Laboratory]] entwickelt.<ref>NASA: [http://marsprogram.jpl.nasa.gov/mro/mission/sc_instru_mcs.html Spacecraft Parts - Mars Climate Sounder (MCS)]</ref> [[Datei:MRO using SHARAD.jpg|thumb|Künstlerische Darstellung der SHARAD-Arbeitsweise]] ;Shallow Radar (SHARAD): Das SHARAD-Experiment soll mit Hilfe eines [[Bodenradar]]s nach unter der Marsoberfläche auftretenden Wasser- und/oder Eisvorkommen suchen. SHARAD ist der Nachfolger des auf der 2003 gestarteten europäischen [[Mars Express|Mars-Express]]-Raumsonde eingesetzten MARSIS-Experimentes. Da es jedoch mit Frequenzen von 15–25&nbsp;MHz in einem etwas anderen Frequenzbereich arbeitet, können sich die Ergebnisse beider Geräte gegenseitig ergänzen. SHARAD kann von 100 Metern bis zu einem Kilometer tief in die Marskruste eindringen, hat eine horizontale Auflösung von 0,3–1&nbsp;km entlang der Flugrichtung und 3–7&nbsp;km quer zu der Flugrichtung sowie eine vertikale Auflösung von 7&nbsp;m. Das bedeutet, dass das Objekt mindestens diese Dimensionen haben muss, um beobachtbar zu sein. Mit SHARAD sollen sich Wasservorkommen unter der Marsoberfläche bis in 100&nbsp;m Tiefe finden lassen. Das Instrument wurde von [[Alenia Spazio]] im Auftrag der [[Italienische Raumfahrtagentur|Italienischen Raumfahrtagentur]] (ASI) entwickelt.<ref>[http://www.sharad.org/ SHARAD Homepage]</ref><ref>Planetary and Space Science: [http://geodynamics.wustl.edu/phillips/rjp_home/Seu_SHARAD.pdf SHARAD: The MRO 2005 shallow radar] (PDF)</ref> == Ablauf der Mission == [[Datei:MRO Liftoff.jpeg|thumb|Start des Mars Reconnaissance Orbiters]] Die ersten Vorschläge, einen mit einer leistungsfähigen Kamera ausgestatteten Orbiter 2003 zum Mars zu schicken, tauchten bei der NASA im Jahr 1999 auf. Die Raumsonde mit der vorläufigen Bezeichnung ''Mars Surveyor Orbiter'' sollte sowohl die vom verlorengegangenen [[Mars Climate Orbiter]] erwarteten wissenschaftlichen Daten gewinnen als auch zusätzlich nach Spuren von Wasser auf dem Mars suchen. Die Sonde sollte etwa die Größe des 1996 gestarteten [[Mars Global Surveyor]]s erreichen und hätte somit relativ günstig hergestellt und gestartet werden können.<ref>NASA: [http://www.jpl.nasa.gov/releases/2000/mars2003.html NASA IDENTIFIES TWO OPTIONS FOR 2003 MARS MISSIONS; DECISION IN JULY], 20. Mai 2000</ref> Für das gleiche Startfenster visierte man auch den Start eines größeren Marsrovers. Im Juli 2000 entschied die NASA schließlich, dem Rover-Projekt Vorzug zu gewähren und den Rover 2003 zum Mars zu schicken<ref>NASA: [http://www.jpl.nasa.gov/releases/2000/mars03rover.html NASA GOES BACK TO THE FUTURE WITH PLANS FOR A MARS ROVER IN 2003], 27. Juli 2000</ref> (später wurde die Doppelmission der beiden Rover [[Spirit (Raumsonde)|Spirit]] und [[Opportunity]] daraus). Der Start des Orbiters wurde daraufhin um zwei Jahre auf 2005 verschoben und seine Mission erweitert: es sollte nun ein größerer und entsprechend teurer Orbiter, bestückt mit leistungsfähigen Instrumenten, entwickelt werden. Im Herbst 2000 startete das neue Projekt unter der Bezeichnung Mars Reconnaissance Orbiter.<ref>Space.com: [http://www.space.com/scienceastronomy/solarsystem/mars_2005_mars_001026.html NASA Unveils Plans for 21st Century Mars Campaign], 26. Oktober 2000</ref> Im Oktober 2001 erhielt Lockheed Martin den Auftrag der NASA zum Bau der Sonde.<ref>Space.com: [http://www.space.com/scienceastronomy/solarsystem/mro_lockheed_011003.html NASA Picks Lockheed Martin to Build 2005 Mars Craft], 3. Oktober 2001</ref> === Start === Der Mars Reconnaissance Orbiter sollte am 10. August 2005 mit einer [[Atlas V (Rakete)|Atlas-V(401)]]-Rakete von [[Cape Canaveral Air Force Station|Cape Canaveral]] aus gestartet werden. Aufgrund technischer Probleme mit der Trägerrakete wurde der Start zunächst auf den 11. August verschoben. Auch dieser Starttermin konnte aufgrund von Problemen mit der [[Centaur (Rakete)|Centaur]]-Oberstufe nicht gehalten werden. Der Start erfolgte dann beim dritten Versuch am 12. August um 11:43 Uhr [[Koordinierte Weltzeit|UTC]]. Die Raumsonde wurde 57 Minuten und 54 Sekunden nach dem Start von der [[Centaur (Rakete)|Centaur]]-Oberstufe abgetrennt, drei Minuten später konnte über eine japanische Antenne im [[Uchinoura Space Center]] der Kontakt zu der Sonde hergestellt werden. 14 Minuten nach dem Abtrennen wurde das Ausfahren der großen Solarkollektoren erfolgreich beendet.<ref>NASA: [http://mars.jpl.nasa.gov/mro/newsroom/pressreleases/20050812a.html NASA's Multipurpose Mars Mission Successfully Launched], 12. August 2005</ref> === Flugphase === [[Datei:MRO Transfer Orbit 2.png|250px|thumb|left|Erde-Mars-Transferbahn der Sonde]] Nach dem erfolgreichen Start und Aktivierung wurde die Sonde in den „cruise mode“ überführt, in dem sie sich bis ungefähr zwei Monate vor der Ankunft am Mars befand. Diese Phase der Mission beinhaltete tägliche Überwachung der Teilsysteme der Sonde, Bestimmung und Korrektur der Flugbahn sowie Tests und Kalibrierung der Instrumente. Am 15. August wurde das MARCI-Instrument getestet, wofür Aufnahmen der Erde und des Mondes angefertigt wurden. Am 8. September folgten Tests der HiRISE, CTX und Optical Navigation Camera, wofür die Instrumente auf den mittlerweile 10 Millionen Kilometer entfernten Mond zurückblickten. Alle Tests verliefen erfolgreich. Die etwa 500 Millionen Kilometer lange Reise zum Mars dauerte ungefähr sieben Monate. Um die Raumsonde auf ihrem Weg zu steuern, waren fünf Kurskorrekturmanöver geplant. Das erste 15 Sekunden lange Manöver (TCM-1) erfolgte am 27. August 2005 unter Verwendung aller sechs großen 170&nbsp;N Triebwerke. Zuvor feuerten sechs kleinere Triebwerke für 30 Sekunden, um den Treibstoff in dem Tank für einen besseren Durchfluss zu positionieren. Bei dem Manöver wurde eine Geschwindigkeitsänderung von 7,8&nbsp;m/s erzielt. Die restlichen Kurskorrekturen nutzen die kleineren 22&nbsp;N Triebwerke, wobei das 20 Sekunden lange zweite Kurskorrekturmanöver (TCM-2) am 17. November erfolgte und eine Geschwindigkeitsänderung von 0,75&nbsp;m/s erzielte. Das dritte Kurskorrekturmanöver (TCM-3) sollte 40 Tage vor der Ankunft stattfinden, wurde jedoch abgesagt, da die Sonde sich bereits auf einem optimalen Kurs befand. Das vierte Kurskorrekturmanöver (TCM-4) war für den 28. Februar geplant, wurde jedoch aus demselben Grund ebenfalls abgesagt. Auch das optionale fünfte Manöver (TCM-5), welches 24 bis sechs Stunden vor dem Eintritt in die Marsumlaufbahn erfolgen sollte, wurde abgesagt. === Ankunft === [[Datei:MRO-First Image-crop.jpg|thumb|right|Ausschnitt eines der ersten Bilder von MRO]] Um in die Marsumlaufbahn einzuschwenken (MOI - Mars Orbit Insertion), sollten am 10. März 2006 die großen Triebwerke der Sonde von 21:24 Uhr bis 21:51 Uhr [[Koordinierte Weltzeit|UTC]] für etwa 26,8 Minuten (1.606 Sekunden) gezündet werden. Aufgrund einer unerwartet geringeren Leistung der Triebwerke musste der Computer des MRO den Brennvorgang jedoch um 35 Sekunden verlängern. Da die Raumsonde sich zum Ende des Bremsmanövers hinter dem Mars befand und daher nicht mit der Erde kommunizieren konnte, gab es erst um 23:16 Uhr ein Signal von der Sonde sowie einige Minuten später die Bestätigung des erfolgreichen Eintritts in die Marsumlaufbahn. Bei dem Bremsmanöver wurde die Geschwindigkeit der Sonde um 1000,48 m/s (circa 18 % der Anfluggeschwindigkeit) – geplant waren 1000,36&nbsp;m/s – reduziert, so dass sie von der Anziehungskraft des Mars eingefangen wurde und in einen elliptischen 426 × 43.500 Kilometer Orbit<ref name="aerobracking_gestartet">NASA: [http://www.nasa.gov/mission_pages/MRO/news/mro-20060331.html NASA's Mars Reconnaissance Craft Begins Adjusting Orbit], 31. März 2006</ref> eintrat. Die ersten Testbilder der HiRISE-Kamera der Raumsonde wurden am 24. März empfangen. Die Erwartungen wurden absolut erfüllt. Aus einer Distanz von 2.489 km, die weit über der späteren Arbeitsentfernung liegt, wurden Bilder mit einer Auflösung von 2,5 m pro Pixel gewonnen.<ref>NASA: [http://www.nasa.gov/mission_pages/MRO/news/mro-20060324.html NASA's New Mars Orbiter Returns Test Images], 24. März 2006</ref> Nach weiteren Testbildern am 25. März wurde die Kamera bis zum Beginn der wissenschaftlichen Arbeiten im November 2006 abgeschaltet. Zugleich wurden auch der Context Imager und der Mars Color Imager getestet, wobei die gewonnenen Bilder jedoch erst später veröffentlicht wurden.<ref>NASA: [http://www.nasa.gov/mission_pages/MRO/news/mro-20060413.html Mars Cameras Debut as NASA Craft Adjusts Orbit], 13. April 2006</ref> === Eintritt in den Zielorbit === [[Datei:MRO Aerobrake.jpg|thumb|MRO während des Aerobraking-Manövers (künstlerische Darstellung)]] Am 30. März 2006 wurde mit den [[Atmosphärenbremsung|Aerobraking]]-Manövern in der Mars-[[Atmosphäre]] begonnen, wobei die Umlaufbahn sukzessiv zu einer etwa 255&nbsp;×&nbsp;320&nbsp;km hohen nahezu polaren [[Satellitenorbit#Sonnensynchroner Orbit (SSO)|sonnensynchronen]] Bahn mit einer Umlaufszeit von 112 Minuten reduziert werden sollte. Dazu wurden zunächst die MR-106E-Triebwerke der Sonde für 58 Sekunden gezündet, womit der marsnächste Punkt der Umlaufbahn auf 333&nbsp;km reduziert wurde.<ref name="aerobracking_gestartet"/> Durch weitere Bremsmanöver brachte man den niedrigsten Punkt der Umlaufbahn innerhalb der sehr dünnen oberen Marsatmosphäre, die eine weitere Bremswirkung auf den Orbiter ausübte. Dabei wurden die beiden großen Solarpaneele des MRO in eine Position gebracht, in der sie einen höheren Luftwiderstand erzeugten. Um die Raumsonde durch die aufgrund von Luftreibung entstehende Hitze nicht zu gefährden, durfte jeder einzelne Eintauchvorgang nur eine begrenzte Zeit dauern und somit nur einen Bruchteil der Fluggeschwindigkeit reduzieren. Daher schätzte man am Anfang der Mission die Anzahl der benötigten Eintauchvorgänge auf circa 500. Durch das Aerobraking konnten etwa 600&nbsp;kg Treibstoff gespart werden, die MRO sonst mitführen müsste, um allein mit Hilfe seiner Triebwerke dieselbe Zielumlaufbahn zu erreichen. [[Datei:MarsVictoriaCrater2.jpg|thumb|left|170px|Aufnahme des Victoria-Kraters mit dem sich in der Nähe befindenden Opportunity-Rover]] Die Aerobraking-Manöver konnten am 30. August 2006 nach 426<ref name="12.09.2006">NASA: [http://www.nasa.gov/mission_pages/MRO/news/mro-20060912.html NASA Mars Reconnaissance Orbiter Reaches Planned Flight Path], 12. September 2006</ref> Eintauchvorgängen in der Atmosphäre erfolgreich abgeschlossen werden. An diesem Tag feuerte die Raumsonde ihre MR-106E-Triebwerke sechs Minuten lang und brachte damit den marsnächsten Punkt der Umlaufbahn in 210&nbsp;km Höhe, was deutlich über der Obergrenze der Atmosphäre liegt (während des Aerobrakings lag er im Mittel bei 98 bis 105&nbsp;km).<ref>NASA: [http://www.nasa.gov/mission_pages/MRO/news/mrof-20060830.html Mars Reconnaissance Orbiter Successfully Concludes Aerobraking], 30. August 2006</ref> Am 11. September folgte ein weiteres – und mit 12,5&nbsp;min Brennzeit das nach Mars Orbit Insertion längste – Bahnkorrekturmanöver, welches die Bahnhöhe auf 250&nbsp;×&nbsp;316&nbsp;km brachte und den niedrigsten Punkt der Umlaufbahn in die Nähe des Südpols sowie den höchsten in die Nähe des Nordpols platzierte.<ref name="12.09.2006"/> Am 16. September 2006 wurde die 10&nbsp;m lange Antenne des SHARAD-Radars entfaltet (eine ähnliche Operation bereitete bei der europäischen Raumsonde [[Mars Express]] zahlreiche Probleme).<ref>JPL/NASA: [http://www.jpl.nasa.gov/news/news.cfm?release=2006-109 Ground-Piercing Radar on NASA Mars Orbiter Ready for Work], 19. September 2006</ref> Am 27. September folgte das Entfernen der Schutzabdeckung und die Kalibrierung des CRISM-Instruments.<ref>APL: [http://www.jhuapl.edu/newscenter/pressreleases/2006/060927.asp APL-Built Mineral-Mapping Imager Begins Mission at Mars], 27. September 2006</ref> Am 3. Oktober fertigte die HiRISE-Kamera Aufnahmen vom [[Victoria (Krater)|Victoria]]-Krater, an dessen Rand sich zu dem Zeitpunkt der [[Opportunity]]-Rover befand. Die hochauflösenden Aufnahmen lassen deutlich den Rover sowie seine Spuren im Marsboden erkennen, selbst der Schatten des Rover-Kameramastes ist sichtbar.<ref>NASA: [http://www.nasa.gov/mission_pages/MRO/news/mro-20061006.html NASA's Mars Rover and Orbiter Team Examines Victoria Crater], 6. Oktober 2006</ref> Vom 7. Oktober bis zum 8. November 2006 befand sich der Planet Mars in einer [[Konjunktion (Astronomie)|Sonnenkonjunktion]]. In diesem Zeitraum war die Sonne direkt zwischen dem Mars und der Erde, so dass nur eine eingeschränkte Kommunikation des Orbiters mit der Erde stattfinden konnte. Nach der Sonnenkonjunktion wurde der Mars Reconnaissance Orbiter weiteren kleineren Funktionstests unterzogen und steht seit November 2006 für wissenschaftliche Arbeiten zur Verfügung. === Primärmission === [[Datei:Avalanche on North Polar Scarp by MRO.JPG|thumb|170px|[[Lawine]] auf dem Mars, aufgenommen von der HiRISE-Kamera]] Die primäre Mission der Sonde am Mars dauert vier Jahre, davon wurde während der ersten zwei Jahre von November 2006 bis Dezember 2008 der Mars sowohl mit der HiRISE-Kamera kartografiert, als auch mit den übrigen Instrumenten untersucht. Für die darauf folgenden zwei Jahre wurde vorgesehen, dass der Orbiter als eine Plattform zur Kommunikation zwischen zukünftigen Landemissionen und der Erde dient. Aufnahmen von einer Erosionsrinne am Dünenhang des so genannten Russell-Kraters, die zwischen November 2006 und Mai 2009 entstanden, erbrachten nach Auffassung von Forschern des Instituts für Planetologie der [[Westfälische Wilhelms-Universität|Universität Münster]] den Beweis, dass es auf dem Mars zu bestimmten Jahreszeiten flüssiges Wasser gibt.<ref>Scinexx.de: [http://www.scinexx.de/wissen-aktuell-11584-2010-04-29.html Flüssiges Wasser auf dem Mars], 29. April 2010</ref> Im August 2009 versetzte der Orbiter sich nach Problemen mit der Software in einen Sicherheitsmodus. Am 8. Dezember 2009 gelang es dann der NASA, die Sonde nach einem in mehreren Etappen stattfindenden Update der Software wieder in den normalen Betriebszustand zurück zu versetzen.<ref>FlugRevue Februar 2010, S.74, MRO ist wieder gesund</ref> Die Primärmission endet am 31. Dezember 2010. Sollte die NASA die Sonde nach dem Ende der Primärmission weiter einsetzen wollen, so sollte der bordeigene Treibstoff ausreichen, um MRO mindestens weitere fünf Jahre als Kommunikationsplattform betreiben zu können. Da der eigens für diesen Zweck geplante Mars-Kommunikationssatellit [[Mars Telecommunications Orbiter]], der nach seiner vorgesehenen Ankunft am Mars 2010 erheblich mehr Daten als MRO hätte übertragen können, im Juli 2005 aus Budgetgründen gestrichen wurde, erscheint es nun als wahrscheinlich, dass der MRO als Kommunikationsplattform über seine primäre Missionszeit weiter betrieben wird. == Siehe auch == * [[Hohmannbahn]] * [[Liste der unbemannten Raumfahrtmissionen]] * [[Chronologie der Mars-Missionen]] == Weblinks == {{Commons|Category:Mars Reconnaissance Orbiter|Mars Reconnaissance Orbiter}} * [http://marsprogram.jpl.nasa.gov/mro/ NASA's Mars Reconnaissance Orbiter Website] (englisch) * [http://www.nasa.gov/pdf/123074main_mro-launch.pdf MRO launch press kit] (PDF, englisch) * [http://marsoweb.nas.nasa.gov/HiRISE/ Website der HiRISE-Kamera] (englisch) * [http://www.bernd-leitenberger.de/mro.shtml Mars Reconnaissance Orbiter von Bernd Leitenberger] * [http://www.astris.de/raumfahrt/mars_reconnaissance_orbiter.html extrasolar-planets.com – Mars Reconnaissance Orbiter] * [http://www.spiegel.de/wissenschaft/weltall/0,1518,443033,00.html Spiegel-ONLINE: Mars-Matsch entzückt Forscher] == Einzelnachweise == <div class="references-small" style="-moz-column-count:2; column-count:2;"> <references /></div> {{Vorlage:Navigationsleiste Marssonden}} {{Exzellent}} [[Kategorie:Marssonde]] [[Kategorie:NASA]] {{Link GA|en}} [[ar:مارس ريكونيسانس أوربيتر]] [[bg:Марс Риконъсънс Орбитър]] [[br:Mars Reconnaissance Orbiter]] [[ca:Mars Reconnaissance Orbiter]] [[cs:Mars Reconnaissance Orbiter]] [[da:Mars Reconnaissance Orbiter]] [[en:Mars Reconnaissance Orbiter]] [[eo:Mars Reconnaissance Orbiter]] [[es:Mars Reconnaissance Orbiter]] [[fi:Mars Reconnaissance Orbiter]] [[fr:Mars Reconnaissance Orbiter]] [[he:MRO]] [[hr:Mars Reconnaissance Orbiter]] [[hu:Mars Reconnaissance Orbiter]] [[id:Mars Reconnaissance Orbiter]] [[it:Mars Reconnaissance Orbiter]] [[ja:マーズ・リコネッサンス・オービター]] [[ko:화성 정찰위성]] [[lt:Mars Reconnaissance Orbiter]] [[lv:Mars Reconnaissance Orbiter]] [[ms:Mars Reconnaissance Orbiter]] [[nl:Mars Reconnaissance Orbiter]] [[nn:Mars Reconnaissance Orbiter]] [[no:Mars Reconnaissance Orbiter]] [[pl:Mars Reconnaissance Orbiter]] [[pt:Mars Reconnaissance Orbiter]] [[ro:Mars Reconnaissance Orbiter]] [[ru:Mars Reconnaissance Orbiter]] [[sco:Maurs Reconnaissance Orbiter]] [[sk:Mars Reconnaissance Orbiter]] [[sv:Mars Reconnaissance Orbiter]] [[th:ยานมาร์สรีคอนเนสเซนซ์ออร์บิเตอร์]] [[vi:Mars Reconnaissance Orbiter]] [[zh:火星侦察轨道器]] [[zh-min-nan:Hóe-chheⁿ Cheng-chhat Kúi-tō-ki]] fbp72g32vnre3karoma4npmpxfa3q9y wikitext text/x-wiki Friedrich Fromhold Martens 0 23901 26497 2010-04-08T13:11:37Z UW 0 /* Rechtsphilosophische und politische Ansichten */ {{Dieser Artikel|behandelt den russischen Diplomaten und Völkerrechtsexperten '''Friedrich Fromhold Martens''', dessen Name gelegentlich auch in der nobilitierten Form '''Friedrich von Martens''' zu finden ist. Für den deutschen Juristen und Diplomaten '''Georg Friedrich von Martens''' (1756–1821), siehe [[Georg Friedrich von Martens]].}} [[Bild:Friedrich Fromhold Martens (1845-1909).jpg|thumb|Friedrich Fromhold Martens, um 1900]] '''Friedrich Fromhold Martens''' (*&nbsp;{{JULGREGDATUM|27|8|1845|Link="true"}} in [[Pärnu]]; †&nbsp;{{JULGREGDATUM|20|6|1909|Link="true"}} in [[Walk (Stadt)|Walk]]; zum Sterbeort siehe Literatur, zur Namensschreibweise und -varianten siehe Abschnitt „Persönliche Lebensumstände und Tod“) war ein [[Russland|russischer]] [[Diplomat]] und [[Jurist]]. Er wirkte insbesondere im Bereich des [[Völkerrecht]]s und war Unterhändler Russlands bei den Verhandlungen zu einer Reihe von internationalen Abkommen. Darüber hinaus war er mehrfach erfolgreich als Vermittler in Konflikten zwischen verschiedenen Ländern tätig. Während der [[Haager Friedenskonferenzen|Ersten Haager Friedenskonferenz]] im Jahr 1899 schlug er die später nach ihm benannte [[Martens’sche Klausel]] vor, die bis in die Gegenwart als wichtiger Grundsatz des [[Humanitäres Völkerrecht|humanitären Völkerrechts]] angesehen wird. Sie besagt, dass in allen Situationen während eines [[Krieg]]es, die nicht durch [[Völkerrechtlicher Vertrag|geschriebenes internationales Recht]] geregelt sind, die allgemein üblichen [[Brauchtum|Gebräuche]], die Grundsätze der [[Menschlichkeit]] und die Forderungen des öffentlichen [[Gewissen]]s das Handeln bestimmen sollen. Darüber hinaus wurde während der Konferenz sein Entwurf für eine Konvention zu den Regeln und Gebräuchen des Krieges, den er bereits ein Vierteljahrhundert zuvor für die [[Brüsseler Konferenz von 1874]] ausgearbeitet hatte, als [[Haager Landkriegsordnung]] angenommen. Friedrich Fromhold Martens gilt damit als Begründer der [[Haager Abkommen|Haager Traditionen]] des humanitären Völkerrechts und als einer der einflussreichsten Völkerrechtsexperten seiner Zeit. Für seine vielfältigen Vermittlungsbemühungen sowie für seine Rolle bei den Haager Friedenskonferenzen und seinen Einsatz für die Etablierung der [[Internationale Schiedsgerichtsbarkeit|internationalen Schiedgerichtsbarkeit]] wurde er vielfach geehrt und in den Jahren von 1901 bis 1908 für den [[Friedensnobelpreis]] nominiert. Er kam mehrfach in die engere Auswahl des Nobelpreiskomitees und wurde in einigen älteren Werken fälschlicherweise als Preisträger des Jahres 1902 genannt. == Leben == === Jugend und Ausbildung === [[Bild:Veröffentlichung Friedrich Fromhold Martens St. Petersburg 1869.gif|thumb|right|Martens' Magisterarbeit, 1869]] Friedrich Fromhold Martens wurde als jüngstes Kind seiner Eltern 1845 in der Stadt Pernau (heute [[Pärnu]] in [[Estland]]) geboren, die zur damaligen Zeit als Teil der Provinz [[Livland]] zu Russland gehörte. Die Nationalität seiner Eltern ist umstritten. Während in einigen älteren deutschsprachigen Veröffentlichungen diesbezüglich eine [[Deutsch-Balten|deutsch-baltische]] Abstammung angegeben wird, unterstützen vor allem russische und estnische Quellen die Annahme, dass die Eltern von Friedrich Fromhold Martens [[Esten|estnischer]] Herkunft waren. Dies wird insbesondere damit begründet, dass die Baltendeutschen in der damaligen Zeit in der Regel zu den sozial besser gestellten Schichten der Gesellschaft zählten. Der Vater von Martens hingegen war Schneider, die Familie lebte in einfachen Verhältnissen. Seine Erziehung und Bildung erfolgte [[Deutsche Sprache|deutschsprachig]], was aufgrund der kulturellen Bedeutung der deutschen Sprache in der Region Livland auch für deren estnischstämmige Einwohner nicht ungewöhnlich war. So war Deutsch bis 1893 die Lehrsprache an der estnischen [[Universität Dorpat]], bevor sie im Rahmen der [[Russifizierung]] durch die [[russische Sprache]] abgelöst wurde. Über die Kindheit und Jugend von Martens ist wenig bekannt. Im Alter von fünf Jahren verlor er seinen Vater und vier Jahre später auch seine Mutter. Kurz danach gelangte er in ein [[Evangelisch-Lutherische Kirchen|evangelisch-lutherisches]] [[Waisenhaus]] in [[Sankt Petersburg]]. Hier beendete er an einer deutschsprachigen Schule seine Ausbildung und begann 1863 ein Studium an der Juristischen Fakultät der [[Staatliche Universität Sankt Petersburg|Universität von Sankt Petersburg]]. Aufgrund seiner sehr guten Studienleistungen und seiner Fähigkeiten wurde er durch den Dekan der Fakultät gefördert. Darüber hinaus gab er Nachhilfestunden für andere Studenten und Privatunterricht für Kinder aus wohlhabenden Familien, um seine finanzielle Situation aufzubessern. Im Jahr 1867 schloss er sein Studium als Kandidat der Rechte ab. Zum Ende des folgenden Jahres reichte er eine Magisterarbeit mit dem Titel „Über das Recht des Privateigentums im Krieg“ ein, die er im Oktober 1869 erfolgreich verteidigte. Durch nachfolgende Studienaufenthalte an den Universitäten in [[Universität Wien|Wien]], [[Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg|Heidelberg]] und [[Universität Leipzig|Leipzig]] wurde er von Völker- und Staatsrechtsexperten der damaligen Zeit beeinflusst, unter ihnen [[Lorenz von Stein]] in Wien und [[Johann Caspar Bluntschli]] in Heidelberg. === Akademisches Wirken === [[Bild:Veröffentlichung Friedrich Fromhold Martens St. Petersburg 1873.jpg|thumb|right|Dissertation von Martens, 1873]] Nachdem der Lehrstuhl für internationales Recht an der Universität von Sankt Petersburg 1870 vakant geworden war, kehrte Friedrich Fromhold Martens von seinen Studien im Ausland zurück und übernahm mit Beginn des Jahres 1871 einen entsprechenden Lehrauftrag als Dozent. Ein Jahr später wurde er Professor für öffentliches Recht am [[Lyzeum Zarskoje Selo]] im heutigen [[Puschkin (Stadt)|Puschkin]] und an der kaiserlichen Rechtsschule. 1873 [[Promotion (Doktor)|promovierte]] er mit einer [[Dissertation]] zur [[Konsulargerichtsbarkeit|konsularischen Rechtsprechung]] im [[Naher Osten|Nahen]] und [[Ferner Osten|Fernen Osten]]. Im gleichen Jahr folgte die Ernennung zum außerordentlichen Professor und drei Jahre später zum ordentlichen Professor an der Universität von Sankt Petersburg, eine Position, die er bis 1905 inne hatte. Bereits seine [[Magisterarbeit]] und seine Dissertationsschrift erlangten fachliche Aufmerksamkeit und Anerkennung. Durch weitere Veröffentlichungen, die in verschiedene Sprachen übersetzt wurden und auch in anderen Ländern erschienen, wurde er international bekannt und trug zum Ansehen seines Landes im Bereich des [[Völkerrecht]]s bei. Diese Rechtsdisziplin entwickelte sich in dieser Zeit in Russland zu einem eigenständigen Fach, was unter anderem in der Gründung von entsprechenden [[Fakultät (Hochschule)|Fakultäten]] für internationales Recht an mehreren traditionsreichen [[:Kategorie:Universität in Russland|russischen Universitäten]] zum Ausdruck kam. Zu den bekanntesten Werken, die Martens in den folgenden Jahren veröffentlichte, zählte das 1881/1882 in zwei Bänden veröffentlichte Buch „Völkerrecht. Das internationale Recht der civilisierten Nationen“<!-- Die Schreibweise entspricht der damaligen Rechtschreibung! -->, in welchem er seine [[Rechtstheorie|Theorie]] des internationalen Rechts darlegte. Es erschien 1883 auf Deutsch und wurde in insgesamt sieben Sprachen übersetzt. Von 1874 bis 1909 erarbeitete er, parallel in Russisch und Französisch, unter dem Titel „Recueil des traités et conventions conclus par la Russie“ eine Sammlung von 15 Bänden zu den [[Völkerrechtlicher Vertrag|Verträgen]], die Russland mit anderen Staaten abgeschlossen hatte. Durch die darin enthaltenen Abhandlungen zu den einzelnen Abkommen und ihrer jeweiligen Entstehungsgeschichte trägt dieses Werk den Charakter einer [[Enzyklopädie]] der russischen [[Außenpolitik|Außenbeziehungen]] seiner Zeit. 1880 initiierte er die Gründung der Russischen Gesellschaft für internationales Recht, als deren Sekretär er fungierte. Neben seinem juristischen Wirken war Martens auch Mitglied der Russischen Kaiserlichen Historischen Gesellschaft und verfasste eine Reihe von [[Essay]]s zur [[europäische Geschichte|europäischen Geschichte]], die ebenfalls international Beachtung fanden und in verschiedene Sprachen übersetzt wurden. === Staatsdienst und diplomatische Karriere === [[Bild:Friedrich Fromhold Martens 1878-huge.jpg|thumb|right|Friedrich Fromhold Martens, um 1878]] Im Jahr 1868 trat Friedrich Fromhold Martens für das russische Außenministerium in den Staatsdienst ein. Sechs Jahre später wurde er zum [[Attaché]] für besondere Aufträge des russischen Kanzlers und Außenministers [[Alexander Michailowitsch Gortschakow]] ernannt. Während der folgenden fast vier Jahrzehnte war er für drei verschiedenen [[Zar]]en als Diplomat tätig: bis 1881 für [[Alexander II. (Russland)|Alexander II.]], bis 1894 für [[Alexander III. (Russland)|Alexander III.]] und anschließend bis zu seinem Tod für [[Nikolaus II. (Russland)|Nikolaus II.]], der später durch die [[Februarrevolution 1917]] gestürzt wurde. Er vertrat Russland auf fast allen internationalen Konferenzen, an denen das Land in dieser Zeit beteiligt war, so beispielsweise dem Brüsseler Kongress von 1889 zum [[Handelsrecht|Handels-]] und [[Seerecht]], der Antisklavereikonferenz von 1889/1890 in Brüssel und den ersten vier Sitzungen der [[Haager Konferenz für Internationales Privatrecht]] in den Jahren 1893, 1894, 1900 und 1904. Darüber hinaus nahm er von 1884 bis zu seinem Tod an nahezu allen internationalen Rotkreuz-Konferenzen teil. Er war aktives Mitglied des 1873 im belgischen [[Gent]] gegründeten [[Institut de Droit international]] (Institut für Völkerrecht), unter anderem 1885 und 1894 als Vizepräsident, und beteiligte sich in vielfältiger Weise in dessen Aktivitäten, so beispielsweise an der Ausarbeitung der Konferenzdokumente für die von November 1884 bis Februar 1885 in Berlin stattfindende [[Kongokonferenz]]. In mehreren internationalen Streitfällen wirkte er erfolgreich als Vermittler. Dies betraf beispielsweise 1891 die Auseinandersetzung zwischen [[Frankreich]] und [[Vereinigtes Königreich|Großbritannien]] um französische Fischereirechte an der Küste [[Neufundland]]s sowie um einen entsprechenden französischen Stützpunkt am Nordufer der Insel. 1899 war er Präsident eines Vermittlungstribunals zur Beilegung von Grenzstreitigkeiten zwischen [[Venezuela]] und dem Vereinigten Königreich in der damaligen britischen [[Kronkolonie]] [[Britisch-Guayana]]. Die von ihm vorgeschlagene Linie stellt bis in die Gegenwart die Grenze zwischen Venezuela und [[Guyana]] dar. Im Disput zwischen [[Mexiko]] und den [[Vereinigte Staaten|USA]] im Jahr 1902, dem ersten vom [[Ständiger Schiedshof|Ständigen Schiedshof]] in [[Den Haag]] verhandeltem Fall, wurde Friedrich Fromhold Martens von den Vereinigten Staaten als Vermittler ausgewählt. Anlass der Auseinandersetzungen waren die Aktivitäten des ''Pious Fund of California'', eines auf Spenden basierenden mexikanischen Fonds zur Finanzierung [[Katholizismus|katholischer]] [[Mission (Christentum)|Missionsarbeit]] in [[Kalifornien]]. Bei den Verhandlungen zwischen [[Russland]] und [[Japan]], die im August 1905 zum [[Vertrag von Portsmouth]] und damit dem Ende des [[Russisch-Japanischer Krieg|Russisch-Japanischen Krieges]] führten, gehörte Friedrich Fromhold Martens zur russischen Delegation. Seine vielfältigen Aktivitäten als Vermittler brachten ihm die Beinamen ''Lord Chancellor of Europe'' („Lordkanzler Europas“, im Sinne von „Oberhaupt der europäischen Justiz“) sowie ''Chief Justice of Christendom'' („Oberster Richter der christlichen Welt“) ein. Als begünstigend für seinen Erfolg als Diplomat und Vermittler wurde die Tatsache angesehen, dass er mit [[Englische Sprache|Englisch]], [[Französische Sprache|Französisch]] und [[Deutsche Sprache|Deutsch]] drei in der internationalen Politik wichtige Sprachen fließend beherrschte. Hinsichtlich seiner Fähigkeiten galt er nicht vorrangig als einfallsreicher Ideengeber und Initiator, sondern vor allem als beharrlicher, energischer und ehrgeiziger Praktiker. Sein Charakter war Überlieferungen zufolge allerdings auch durch eine ausgeprägte [[Humor]]losigkeit sowie einen Mangel an [[Ironie|Selbstironie]] geprägt. === Die Haager Friedenskonferenzen === [[Bild:Russian delegation at the Hague Peace Conference 1899.jpg|thumb|right|Die russische Delegation zur Haager Friedenskonferenz 1899 (Martens: sitzend, 2. von links)]] Im Gegensatz zur [[Friedensbewegung]], die in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts an Popularität gewann, hielt Friedrich Fromhold Martens die völlige Beseitigung von Kriegen in der näheren oder fernen Zukunft für eine Utopie. Als realisierbar sah er hingegen die Verminderung des durch Krieg verursachten Leidens durch klar definierte Regeln an. Für die von Zar [[Alexander II. (Russland)|Alexander II.]] initiierte [[Brüsseler Konferenz von 1874]] arbeitete er deshalb einen Entwurf für eine Konvention zu den Regeln und Gebräuchen des Krieges aus. Diese wurde zwar von den Teilnehmern der Konferenz mit einigen Änderungen angenommen, erlangte jedoch mangels späteren [[Ratifikation]]en nie völkerrechtlich verbindenden Charakter. Hauptgrund war vor allem bei kleineren Ländern die Befürchtung, dass die in der Deklaration von Brüssel formulierten Grundsätze vor allem im Interesse der Großmächte seien. Eine wichtige Rolle spielte Friedrich Fromhold Martens bei den auf Initiative von Zar [[Nikolaus II. (Russland)|Nikolaus II.]] in den Jahren 1899 und 1907 stattfindenden [[Haager Friedenskonferenzen|Friedenskonferenzen]] in [[Den Haag]]. Während der von ihm mitorganisierten ersten Konferenz im Jahr 1899, auf der sein Entwurf von 1874 als [[Haager Landkriegsordnung|Haager Konvention&nbsp;II]] angenommen wurde, war er Generalbevollmächtigter Russlands und Präsident des Komitees zu den Regeln und Gebräuchen des Krieges. Er war im Laufe der Konferenz unter anderem an der Ausarbeitung der [[Kriegsgefangener|Kriegsgefangenen-Definition]] sowie der Konvention „betreffend die Anwendung der Grundsätze der Genfer Konvention vom 22. August 1864 auf den Seekrieg“ und des Haager Abkommens „zur friedlichen Beilegung internationaler Streitfälle“ wesentlich beteiligt. Zur Schlichtung eines Streits um die Behandlung von Zivilpersonen, die sich in einem Krieg an Kampfhandlungen beteiligt hätten, schlug er dabei die später nach ihm benannte [[Martens’sche Klausel]] vor. Diese gibt für Situationen, die nicht ausdrücklich durch geschriebenes internationales Recht geregelt sind, die allgemein üblichen Gebräuche, die Grundsätze der Menschlichkeit und die Forderungen des öffentlichen Gewissens als Handlungsrichtlinie vor. Die Klausel ist Bestandteil der Präambel der [[Haager Landkriegsordnung]] und wurde 1977 in den Artikel 1 des Zusatzprotokolls I zu den [[Genfer Konventionen|Genfer Abkommen]] von 1949 aufgenommen. Sie stellt noch heute einen wichtigen Grundsatz des humanitären Völkerrechts dar. Die Haager Konferenz von 1899, deren Ausrichtung sich aufgrund der Aktivitäten von Martens von reinen Abrüstungsverhandlungen ausweitete auf den Bereich der Etablierung von friedenssichernden Maßnahmen und Institutionen, gilt im Allgemeinen als vollständiger Erfolg der diplomatischen Bemühungen Russlands. Neben seinen Aktivitäten vor Ort reiste er während der Konferenz mehrfach nach Paris, um das dort stattfindende Vermittlungsverfahren zwischen Venezuela und dem Vereinigten Königreich in der Auseinandersetzung um Britisch-Guayana zu leiten. Auch die Errichtung des [[Friedenspalast]]es in Den Haag als Sitz des Ständigen Schiedshofes, dessen Bau im Wesentlichen durch den amerikanischen Industriellen [[Andrew Carnegie]] finanziert wurde, basierte auf einem Vorschlag von Friedrich Fromhold Martens, der auch an der Grundsteinlegung im Jahr 1907 teilnahm. Während der im gleichen Jahr stattfindenden zweiten Friedenskonferenz leitete er das Komitee zum [[Seerecht]], dessen Themen er aufgrund der aufkommenden Rivalität zwischen Großbritannien und dem Deutschen Reich im Bereich der maritimen Aufrüstung als besonders schwierig ansah. In Vorbereitung zu dieser Konferenz besuchte er zum Beginn des Jahres 1907 eine Reihe von europäischen Ländern. Er traf sich dabei unter anderem in Berlin mit dem deutschen Kaiser [[Wilhelm II. (Deutsches Reich)|Wilhelm II.]], in Paris mit dem französischen Präsidenten [[Armand Fallières]], in London mit dem britischen König [[Eduard VII. (Vereinigtes Königreich)|Edward VII.]], in Italien mit König [[Viktor Emanuel III. (Italien)|Viktor Emanuel III.]], in Österreich mit Kaiser [[Franz Joseph I. (Österreich-Ungarn)|Franz Joseph I.]] und in Den Haag mit der gesamten königlichen Familie. An der Ausarbeitung der Revision der Genfer Konvention, die ein Jahr zuvor beschlossen wurde, wirkte er ebenfalls mit. Mit dem Ausgang der Konferenz von 1907 war er allerdings weniger zufrieden als mit den Ergebnissen von 1899. === Persönliche Lebensumstände und Tod === [[Bild:MartensDeathNotice1909.jpg|thumb|right|Meldung zum Tod von Martens in der estnischen Zeitung [[Postimees]]]] Friedrich Fromhold Martens heiratete am 22.&nbsp;Dezember 1879 in [[Baden-Baden]] die 1861 in Sankt Petersburg geborene Katarina Maria Luisa Tuhr. Gemeinsam hatten sie einen Sohn und drei Töchter. Sein Sohn Nikolai wurde ebenfalls Diplomat und war unter anderem als Sekretär der russischen [[Auslandsvertretung|Gesandtschaft]] in [[Sofia]] tätig. Durch seine vielfältigen beruflichen Tätigkeiten erreichte Martens ein Leben in Wohlstand und finanzieller Unabhängigkeit, womit er die Verhältnisse seiner familiären Herkunft weit hinter sich ließ. Allein sein Jahresgehalt aus dem Dienst für das russische Außenministerium, das anfangs 2000 [[Rubel]] betrug und später auf 4500 sowie anlässlich seines 60.&nbsp;Geburtstages auf 6000 Rubel erhöht wurde, betrug ein Vielfaches des Einkommens eines einfachen [[Landarbeiter]]s in Russland, der zur damaligen Zeit durchschnittlich rund 90 Rubel pro Jahr verdiente. Hinzu kamen die Einkünfte aus seiner universitären Lehrtätigkeit und [[Tantieme]]n aufgrund seiner Veröffentlichungen. Sein gesellschaftlicher und sozialer Aufstieg ermöglichte es ihm in seinem späteren Leben, das Anwesen in Pärnu zu erwerben, auf dem seine Eltern gelebt hatten und das er vorwiegend als Sommerresidenz für sich und seine Familie nutzte. Er starb 1909, vier Jahre vor dem Tod seiner Frau, während einer Reise bei einem Aufenthalt im Bahnhof der [[Livland|livländischen]] Stadt [[Walk (Stadt)|Walk]], und wurde in Sankt Petersburg beigesetzt. Je nach Sprache und historischem Kontext sind für Martens in verschiedenen Veröffentlichungen unterschiedliche Schreibweisen und Formen seines Namens zu finden. Der deutschsprachige Geburtsname lautete „Friedrich Fromhold Martens“, gelegentlich ist auch die Schreibweise „Friedrich Frommhold Martens“ zu finden. Er nahm später den [[Russische Sprache|russischen]] Namen „{{lang|ru-Cyrl|Фёдор Фёдорович Мартенс}}“ an, dessen wissenschaftliche [[Transliteration]] „{{lang|ru-Latn|Fёdor Fёdorovič Martens}}“ ist. Basierend auf den Konventionen zur [[Transkription (Schreibung)|Transkription]] russischer Namen in die deutsche Sprache ergibt sich daraus die Schreibweise „Fjodor Fjodorowitsch Martens“, entsprechende Transkriptionen in die [[englische Sprache]] sind „Fedor Fedorovich Martens“ und „Fyodor Fyodorovich Martens“. Darüber hinaus hat Martens selbst seinen Namen seit den frühen 1870er Jahren in seinen Schriften als „Friedrich von Martens“ beziehungsweise in der [[Französische Sprache|französischen Form]] „Frederic de Martens“ angegeben. Hintergrund war wahrscheinlich die mit einer bestimmten Rangstufe in der russischen Staatsverwaltung automatisch verbundene Erhebung in den persönlichen beziehungsweise erblichen [[Adel]]sstand, die er infolge seines Aufstiegs im Außenministerium erreichte. Auch die Form „Friedrich Freiherr von Martens“ wird gelegentlich verwendet, ebenso wie beispielsweise in der deutschen Übersetzung seiner Dissertation die Schreibweise „Friedrich Fromholz von Martens“. Der [[Freiherr|Freiherren-Titel]] wurde allerdings anders als der [[Graf|Grafen-Titel]] im russischen Zarenreich an Neunobilitierte nicht verliehen, sondern blieb auf die ältere Aristokratie deutschbaltischer oder schwedisch-finnischer Kreise beschränkt. Die [[Nobilitierung]] könnte Martens aber auch durch einen hohen russischen [[Ritterorden]] verliehen worden sein, allerdings ist sein Name in den [[Matrikel]]n der Livländischen Ritterschaft oder der anderen in der Region aktiven Orden nicht verzeichnet. == Rezeption und Nachwirkung == === Rechtsphilosophische und politische Ansichten === [[Bild:Friedrich Fromhold Martens TUL2 derbe gross.jpg|thumb|right|Friedrich Fromhold Martens, um 1880]] Die Rechtsphilosophie von Martens, wie sie insbesondere in seinem Buch „Völkerrecht. Das internationale Recht der civilisierten Nationen“ zum Ausdruck kam, war traditionalistisch geprägt. So behandelte er in diesem Werk auf rund 150 Seiten die [[Rechtsgeschichte|Geschichte]] des internationalen Rechts. Die Triebkraft bei dessen Entwicklung war seiner Meinung die Ausgestaltung der [[Internationale Beziehungen|internationalen Beziehungen]]. Dabei sah er gemäß dem Motto „ubi societas ibi jus est“ („Wo eine Gesellschaft besteht, existiert auch Recht“) jedes unabhängige Land als Mitglied der internationalen Gemeinschaft und damit als Teil eines einheitlichen und durch eine Rechtsordnung geregeltem Ganzen, verbunden mit den anderen Ländern durch gemeinsame Interessen, Rechte und Bedürfnisse. Das Völkerrecht war für ihn aber nicht nur Ausdruck des Standes der internationalen Beziehungen, sondern auch eine Manifestation der [[Moral|moralischen Werte]] der menschlichen Gesellschaft. Zu den Grundsätzen, die er diesbezüglich in seinem Werk formulierte, zählten die Annahme einer [[Progressivismus|progressiven]] Entwicklung der Menschheit sowie die Achtung des [[Leben]]s, der [[Ehre]] und der [[Menschenwürde|Würde]] jedes Menschen. Der Umgang mit einem bestimmten Land im Rahmen der internationalen Beziehungen sei demzufolge ebenso wie dessen Rolle in der Staatengemeinschaft daran auszurichten, welche Bedeutung es im innenpolitischen Bereich den [[Grundrechte]]n und der [[Freiheit]] seiner Bürger beimessen würde. Als Geltungsbereich des Völkerrechts sah er allerdings nur die „zivilisierten Völker“, zu denen er diejenigen Länder zählte, welche die Grundsätze der europäischen Kultur anerkennen. Die ausschließliche Geltung des [[Koran]]s in [[Islam|moslemisch]] geprägten Staaten sei seiner Meinung nach [[Christentum|Christen]] gegenüber feindlich und würde damit keine Möglichkeit zur Anwendung des Völkerrechts in den Beziehungen mit diesen Ländern bieten. Ausdruck seiner rechtsphilosophischen Ansichten ist die ihm zugeschriebene Aussage, dass man die [[Zehn Gebote|zehn biblischen Geboten]] in Steintafeln meißeln, in Bronze gießen oder in Stahlplatten prägen könne, sie aber trotzdem keine Bedeutung hätten, solange sie nicht Teil des Rechtsbewusstseins der Gesellschaft seien. Das alleinige Primat des Rechts über staatlicher [[Souveränität]], politischem Gleichgewicht oder [[Nationalismus|nationalistisch]] motivierten Bestrebungen war nach seiner Auffassung die Grundvoraussetzung für ein geordnetes Miteinander von Menschen und Ländern ohne Krieg und Gewalt. Als wesentlich erachtete er deshalb eine [[Kodifikation]] des Völkerrechts in Form von Abkommen, wenngleich er die bestehenden [[Völkerrechtlicher Vertrag|völkerrechtlichen Verträge]] kritisch betrachtete, da sie seiner Meinung nach zu allgemein und unspezifisch formuliert seien. Darüber hinaus sah er eine Organisation der internationalen Staatenwelt als unbedingt notwendig an und regte diesbezüglich die Unterordnung aller selbstständigen Staaten unter eine höherstehende Macht an. Für diese schlug er zwei Möglichkeiten vor, und zwar entweder eine Universalmonarchie oder eine von ihm bereits als [[Völkerbund]] bezeichnete repräsentative Gemeinschaft. Er zählte damit zu den ersten Diplomaten, die von der Notwendigkeit und dem Nutzen internationaler Rechts- und Verwaltungsstrukturen ausgingen, und führte den Begriff der „internationalen Verwaltung“ in das völkerrechtliche Schrifttum ein. Die Expansionsbestrebungen verschiedener Staaten einschließlich seines Heimatlandes Russland sah er kritisch, da sie seiner Meinung nach den Keim für zukünftige Konflikte darstellen würden. Ebenfalls ablehnend bewertete er militärische [[Aufrüstung]] sowie die [[Kolonialismus|kolonialpolitische Praxis]] der europäischen [[Großmacht|Großmächte]]. Er war aber nicht grundsätzlich gegen die „Inbesitznahme von freiem Land“, sondern wollte durch die Festlegung von Regeln für die Kolonialisierung, wie beispielsweise im Rahmen der Kongokonferenz, vor allem Konflikte zwischen den „zivilisierten Völkern“ verhindern. Einige Autoren wie der deutsch-amerikanische Jurist und Rechtshistoriker [[Arthur Nussbaum]] waren allerdings bei der Bewertung der Ansichten und des Wirkens von Martens auch der Meinung, dass er zum Teil aus berechnender Zweckmäßigkeit handelte und das Völkerrecht lediglich als ein Mittel der Diplomatie betrachtete. Als Vertreter der [[Zarismus|zaristischen Monarchie]] und als Diplomat Russlands habe er dieser Sichtweise zufolge vorrangig die Interessen seines Landes verfolgt. Kritik an der russischen Außenpolitik und Aussagen zu innenpolitischen Themen äußerte er aufgrund der [[Loyalität]]sverpflichtungen, die sich aus seiner Position ergaben, nur äußerst selten öffentlich. Den während des 17.&nbsp;Jahrhunderts wirkenden Philosophen und Rechtsgelehrten [[Hugo Grotius]] bezeichnete Friedrich Fromhold Martens als „Vater des Völkerrechts“. Als prägende Persönlichkeiten im Völkerrecht nannte er in seinem Werk insbesondere den in der Mitte des 18.&nbsp;Jahrhunderts geborenen deutschen Völkerrechtsexperten [[Georg Friedrich von Martens]], einen mit ihm nicht verwandten Namensvetter, sowie mit dem in [[Heidelberg]] wirkenden Schweizer Juristen [[Johann Caspar Bluntschli]] einen seiner früheren Lehrer. Seine Ansichten sowohl zur Notwendigkeit einer internationalen Rechtsordnung als auch zum Krieg wurden darüber hinaus auch von den Vorstellungen des französischen Soziologen [[Pierre Joseph Proudhon]] beeinflusst. Dieser bewertete Kriege zwar kritisch, schrieb ihnen jedoch auch eine „schöpferische Rolle bei der Entstehung von Staaten“ zu und betrachtete sie als etwas „Göttliches“ sowie als die „dauerhafteste und geheimnisvollste Tatsache der Geschichte“ (''La Guerre et la Paix'', 1861). In ähnlicher Weise versuchte Martens auf der einen Seite durch sein diplomatisches Wirken, Kriege zu verhindern beziehungsweise in ihren Auswirkungen abzumildern. Andererseits war er gleichwohl nicht nur der Meinung, dass Kriege unvermeidlich seien. Er sah sie darüber hinaus unter bestimmten Umständen als nützlich an oder sogar, wie beispielsweise den [[Russisch-Osmanischer Krieg (1877–1878)|Russisch-Türkischen Krieg]] von 1877/1878, aus humanitären Gründen als geboten und aus völkerrechtlicher Sicht als gerechtfertigt. === Lebenswerk === [[Bild:Verhandlungen zum Vertrag von Portsmouth 1905 - Empfang der Delegierten.jpg|thumb|right|Empfang der Delegierten zu den Verhandlungen von Portsmouth 1905 (Martens: vorderste Reihe, 6.&nbsp;von links)]] Friedrich Fromhold Martens zählte aufgrund seiner vielfältigen Aktivitäten zu den wichtigsten Völkerrechtsexperten und Diplomaten seiner Zeit. In den über drei Jahrzehnten seines Karriere wirkte er führend an der [[Kodifikation]] des [[Humanitäres Völkerrecht|humanitären Völkerrechts]] mit und hatte damit neben dem Schweizer [[Gustave Moynier]] wesentlichen Einfluss auf die Weiterentwicklung dieses Zweiges des internationalen Rechts. Einer seiner wichtigsten Beiträge in diesem Bereich, neben der nach ihm benannten und bis in die Gegenwart in verschiedenen Konventionen enthaltenen [[Martens’sche Klausel|Martens’schen Klausel]], war die [[Haager Landkriegsordnung]]. Mit diesem Vertrag wurden grundlegend neue Konzepte wie die Definition von [[Kriegsgefangener|Kriegsgefangenen]] und Regeln zu deren Behandlung sowie zur Verschonung von Gebäuden und Einrichtungen mit religiöser, kultureller, wissenschaftlicher, sozialer und medizinischer Bedeutung in das humanitäre Völkerrecht eingeführt. Darüber hinaus wurden mit der Haager Landkriegsordnung eine Reihe von wichtigen gewohnheitsrechtlichen Prinzipien erstmals vertraglich fixiert. Hierzu zählten unter anderem das Verbot des Einsatzes [[gift]]iger Substanzen zur Kriegsführung und des Befehls, kein [[Pardon (Militärjargon)|Pardon]] zu geben. Die Prinzipien der Haager Landkriegsordnung, die eines der wichtigsten Abkommen in der Entwicklung des humanitären Völkerrechts darstellt, sind bis in die Gegenwart gültig und wurden in einer Reihe von späteren Verträgen präzisiert und erweitert. Die Aktivitäten des [[Institut de Droit international]], das seit seiner Gründung im Jahr 1873 eine zunehmend wichtige Position bei der Verbreitung und Weiterentwicklung des Völkerrechts eingenommen hatte und noch zu Lebzeiten von Martens mit dem [[Friedensnobelpreis]] ausgezeichnet wurde, prägte er als Vizepräsident und als Berichterstatter verschiedener Komitees in vielfältiger Weise entscheidend mit. Seine Werke „Recueil des traités et conventions conclus par la Russie“ und „Völkerrecht. Das internationale Recht der civilisierten Nationen“ fanden weitreichende internationale Verbreitung und zählten zum Zeitpunkt ihres Erscheinens zu den wichtigsten Veröffentlichungen im Bereich der [[Systematik (Recht)|Systematik]] und [[Rechtstheorie|Theorie]] des internationalen Rechts. Darüber hinaus profilierte sich Friedrich Fromhold Martens als einer der herausragendsten Experten der damaligen Zeit für die friedliche Beilegung von internationalen Konflikten. Hierzu leistete er sowohl durch seine eigene Tätigkeit als Vermittler als auch durch seine Rolle bei den [[Haager Friedenskonferenzen]] sowie der Entstehung des [[Ständiger Schiedshof|Ständigen Schiedshofs]] und der [[Internationale Schiedsgerichtsbarkeit|internationalen Schiedgerichtsbarkeit]] wichtige Beiträge. Als Diplomat vertrat er [[Russland]] auf einer Reihe wichtiger Konferenzen zu verschiedenen Themen wie dem [[Handelsrecht|Handels-]] und [[Seerecht]] sowie dem [[Internationales Privatrecht|internationalen Privatrecht]]. === Auszeichnungen und Würdigung === [[Bild:Friedrich Fromhold Martens TUL derbe gross.jpg|thumb|right|Friedrich Fromhold Martens, um 1880]] Zu den Auszeichnungen, die Friedrich Fromhold Martens für sein Wirken erhielt, zählten unter anderem [[Ehrendoktor]]ate der Universitäten von [[Universität Oxford|Oxford]], [[Universität Cambridge|Cambridge]], [[Universität Edinburgh|Edinburgh]] und [[Yale University|Yale]]. Darüber hinaus war er Mitglied der [[Russische Akademie der Wissenschaften|Petersburger Akademie der Wissenschaften]], der [[British Academy]], des [[Institut de France]] und der [[Königliche Akademie der Wissenschaften und Schönen Künste von Belgien|Königlichen Akademie der Wissenschaften und Schönen Künste von Belgien]]. Innerhalb der [[Rangtabelle|Laufbahnenklassen der russischen Staatsverwaltung]] erreichte er den zivilen Rang eines [[Geheimer Rat|Geheimen Rates]] ([[Russische Sprache|russisch]] Тайный советник) und damit die dritthöchste von 14 Rangklassen. Er erhielt neben einer Vielzahl anderer staatlicher Auszeichnungen mit dem [[Alexander-Newski-Orden]] und dem [[Orden vom Weißen Adler]] den zweit- beziehungsweise dritthöchsten russischen [[Orden und Ehrenzeichen|Orden]] sowie ausländische Ehrungen wie den österreichischen [[Orden der Eisernen Krone]], den griechischen [[Erlöser-Orden]] und den [[Orden der Krone von Italien]]. In allen Jahren von 1901 bis 1908 nominierten ihn verschiedene Persönlichkeiten für den [[Friedensnobelpreis]]. Er kam dabei mehrfach in die engere Auswahl des Nobelkomitees, unter anderem bereits 1901 bei der erstmaligen Verleihung des Preises, und galt insbesondere 1902 als Mitfavorit für die Auszeichnung. In mehreren Veröffentlichungen der damaligen Zeit, so beispielsweise in einem 1909 im „Journal of the Society of Comparative Legislation“ veröffentlichten Nachruf und in der 1911 erschienenen elften Ausgabe der [[Encyclopædia Britannica]], wurde er diesbezüglich fälschlicherweise als Preisträger genannt. Friedrich Fromhold Martens war bereits zu Lebzeiten beziehungsweise kurz nach seinem Tod sowohl in der vor der [[Oktoberrevolution]] erschienenen russischen Enzyklopädie [[Brockhaus-Efron]] als auch in mehreren führenden fremdsprachigen Enzyklopädien verzeichnet, neben der Encyclopædia Britannica unter anderem in den deutschsprachigen Werken [[Meyers Konversations-Lexikon]] und [[Brockhaus Enzyklopädie|Brockhaus’ Konversationslexikon]] sowie dem [[Schwedische Sprache|schwedischen]] [[Nordisk familjebok]] und der [[Finnische Sprache|finnischen]] [[Tietosanakirja|Pieni Tietosanakirja]]. Bereits 1910 und damit nur ein Jahr nach seinem Tod erschien mit der vom deutschen Juristen [[Hans Wehberg]] in der „Zeitschrift für internationales Recht“ veröffentlichten Arbeit „Friedrich v. Martens und die Haager Friedenskonferenzen“ eine Publikation zum Wirken von Martens. Die ersten umfassenden biographischen Abhandlungen verfasste [[Michael von Taube]], der bei Martens promoviert hatte und dessen Nachfolger an der Universität von Sankt Petersburg wurde. Zu einer Würdigung im Bewusstsein der russischen Öffentlichkeit kam es allerdings erst viele Jahrzehnte später. In der historischen Wahrnehmung während der Zeit der [[Sowjetunion]] galt Friedrich Fromhold Martens als „Reaktionär“ und „zaristischer Helfershelfer“. In Nachschlagewerken dieser Epoche wie der [[Große Sowjetische Enzyklopädie|Großen Sowjetischen Enzyklopädie]] wurde er nicht erwähnt, und erst 1993 erschien die erste Abhandlung über ihn in russischer Sprache. Seit 1995 verleiht die [[Russische Akademie der Wissenschaften]] den Martens-Preis für herausragende wissenschaftliche Leistungen im Bereich des Völkerrechts und der [[Internationale Beziehungen|internationalen Beziehungen]]. Ein Jahr später wurde eine Neuauflage seines Werkes „Völkerrecht. Das internationale Recht der civilisierten Nationen“ in russischer Sprache veröffentlicht. Im Friedenspalast in Den Haag befindet sich seit 1999 eine von der russischen Regierung gestiftete Bronzebüste von Martens. === Literarische Darstellung === Friedrich Fromhold Martens ist die Hauptfigur des 1984 veröffentlichten [[Historischer Roman|historischen Romans]] „Professor Martensi ärasõit“ („Professor Martens' Abreise“) des estnischen Autoren [[Jaan Kross]], von dem Übersetzungen in zehn verschiedene Sprachen erschienen sind, darunter Englisch, Französisch, Spanisch, Deutsch und Russisch. In diesem Buch wird aus der [[Erzählperspektive|Ich-Perspektive]] von Martens dargestellt, wie er zum Beginn des 20. Jahrhunderts während einer Bahnfahrt auf sein Leben zurückblickt. Die Richtung der Reise von Pärnu nach Sankt Petersburg symbolisiert dabei seinen beruflichen und privaten Aufstieg. Die Rückblicke an seine nach außen hin überragend erscheinende diplomatische Karriere, in Form von imaginären Gesprächen mit seiner nicht anwesenden Frau, sind geprägt vom Konflikt zwischen den persönlichen Ansprüchen an sein Wirken und der Anpassung an politische Zwänge, sowie seiner inneren Zerrissenheit zwischen Loyalität für das zaristische Russland und seiner eigenen estnischen Abstammung. Darüber hinaus stellt Jaan Kross einige Parallelen zwischen den Lebenläufen von Friedrich Fromhold Martens und von [[Georg Friedrich von Martens]] in Form von traumartigen Erinnerungen von Martens an ein früheres Leben dar. Eine dokumentarische Biographie wurde 1993 vom Wladimir Wassiljewitsch Pustogarow veröffentlicht, der zur damaligen Zeit als leitender Mitarbeiter am Institut für Rechts- und Staatswissenschaften der [[Russische Akademie der Wissenschaften|Russischen Akademie der Wissenschaften]] tätig war. Im Jahr 2000 erschien von diesem Werk eine englischsprachige Übersetzung. Die in Form von Notizen erhaltenen Lebenserinnerungen von Martens' 1886 geborener Tochter Edith Natalie, die ab 1906 mit dem russischen Adligen Alexander Sollohub verheiratet gewesen war, wurden von ihrem jüngsten Sohn bearbeitet und 2009 unter dem Titel „The Russian Countess: Escaping Revolutionary Russia“ herausgegeben. == Werke (Auswahl) == <!-- Die Schreibweise entspricht der damaligen Rechtschreibung, deshalb bitte nicht korrigieren! --> * ''Über das Recht des Privateigentums im Krieg.'' Sankt Petersburg 1869; russischer Originaltitel: ''О праве частной собственности во время войны.'' * ''Das Consularwesen und die Consularjurisdiction im Orient.'' Sankt Petersburg 1873 (russisch), Berlin 1874 (deutsch); russischer Originaltitel: ''О консулах и консульской юрисдикции на Востоке.'' * ''Recueil des traités et conventions conclus par la Russie.'' 1874–1909 * ''Die Brüsseler Konferenz und der orientalische Krieg von 1877–1878.'' Sankt Petersburg 1878 * ''La Russie et l'Angleterre en Asie centrale.'' Brüssel 1879 * ''La question égyptienne.'' Brüssel 1882 * ''Völkerrecht. Das internationale Recht der civilisierten Nationen.'' 1881/1882 (russisch), Berlin 1884/1885 (deutsch), Paris 1887/1888 (französisch) * ''La conférence africaine de Berlin et la politique coloniale des Etats modernes.'' Brüssel 1887 == Literatur == Der Artikel beruht vollständig auf den im Folgenden genannten Veröffentlichungen. Die Einträge in den zeitgenössischen Ausgaben von Meyers Konversationslexikon und Brockhaus-Konversationslexikon dienten dabei vor allem zur Erstellung der Liste der Werke. Sie waren des Weiteren die Quelle für grundlegende biografische Daten, die dann in den entsprechenden Abschnitten durch Informationen aus den Artikeln von Wladimir Wassiljewitsch Pustogarow, Dieter Fleck und Henn-Jüri Uibopuu ergänzt wurden. Der Publikation von Fleck entstammen darüber hinaus die Angaben im Abschnitt „Persönliche Lebensumstände und Tod“ zu den Umständen der Erhebung von Martens in den Adelsstand. Die Ausführungen zu den rechtsphilosophischen und politischen Ansichten von Friedrich Fromhold Martens sowie zur Wahrnehmung seiner Person in der Sowjetunion und zu seinen Sprachkenntnissen basieren auf der in den Monatsheften für Osteuropäisches Recht erschienenen Arbeit von Henn-Jüri Uibopuu, die Angaben zur Bewertung des Krieges durch Martens zum Teil auch auf der Veröffentlichung von [[Martti Koskenniemi]]. Quelle für die ergänzenden Informationen zur kontroversen Bewertung seines Wirkens durch einige Autoren ist der Beitrag von Peter Macalister-Smith. Die Angaben zu seinen Charaktereigenschaften entstammen, ebenso wie die auf einer sinngemäßen Übersetzung aus dem Englischen basierende Aussage zur Rolle der zehn Gebote für das Rechtsbewusstsein, dem Kapitel über Martens im Buch von Arthur Eyffinger. Als Sterbeort wird in der im Abschnitt „Weiterführende Veröffentlichungen“ genannten Martens-Biographie von Wladimir Wassiljewitsch Pustogarow auf Seite 338 die Stadt Walk genannt, während Dieter Fleck davon abweichend Sankt Petersburg angibt. Für die Darstellung im Artikel wurde im Bezug auf diese Diskrepanz die Angabe von Pustogarow übernommen, die auch durch die in der estnischen Zeitung [[Postimees]] (Nr.&nbsp;124 vom 8.&nbsp;Juni 1909, S.&nbsp;3) sowie in der [[The New York Times|New York Times]] (Ausgabe vom 21.&nbsp;Juni 1909, S.&nbsp;7) erschienenen Todesnachrichten bestätigt wird. Dem in der Zeitschrift „International Review of the Red Cross“ erschienenem Artikel von Pustogarow entstammt auch die Information zum Ort der Beisetzung. Ebenfalls auf der Biographie von Pustogarow beruhen die Ausführungen zur Abstammung der Eltern von Friedrich Fromhold Martens (S.&nbsp;12/13) und zu den Lebensverhältnissen in seinem späteren Leben (S.&nbsp;332). * {{Meyers Online|17|559|kapiteltext=Martens, Friedrich von|spezialkapitel=Martens|bemerkung=Ergänzungsband}} * {{Brockhaus Online|11|636||kapiteltext=Martens, Friedr. Frommhold von|spezialkapitel=Martens}} * ''[http://www.1911encyclopedia.org/Frederic_Frommhold_de_Martens Martens, Frédéric Frommhold de]''. Artikel in: ''[[Encyclopædia Britannica]]'', 11.&nbsp;Auflage 1910–1911, Bd.&nbsp;17, S.&nbsp;786 * Wladimir Wassiljewitsch Pustogarow: [http://www.icrc.org/Web/Eng/siteeng0.nsf/html/57JN52 ''Fyodor Fyodorovich Martens (1845–1909) - a humanist of modern times.''] In: ''International Review of the Red Cross.'' 312/1996. IKRK, S.&nbsp;300–314, {{ISSN|1560-7755}} * Dieter Fleck: [http://www.bdcol.ee/fileadmin/docs/bdreview/bdr-2003-10-section2-article1.pdf ''Friedrich von Martens: A Great International Lawyer from Pärnu.''] In: ''Baltic Defence Review.'' 2.2003, Baltic Defence College, Heft&nbsp;10, S.&nbsp;19–26, {{ISSN|1736-1257}} * Henn-Jüri Uibopuu: ''Friedrich Freiherr v. Martens Jurist, Politiker, Humanist.'' In: ''Monatshefte für Osteuropäisches Recht.'' 48(1)/2006. LIT-Verlag, S.&nbsp;19–36, {{ISSN|0042-9678}} * Peter Macalister-Smith: ''A Note on F.F. Martens (1845–1909).'' In: ''Baltic Yearbook of International Law.'' Volume&nbsp;5. Martinus Nijhoff Publishers, Den Haag und New York 2005, ISBN 90-04-14788-8, S.&nbsp;159–164 * Martti Koskenniemi: ''International Law in Europe: Between Tradition and Renewal.'' In: ''European Journal of International Law.'' 16(1)/2005. Oxford University Press & European Society of International Law, S. 113–124, {{ISSN|0938-5428}} * ''Feodor Fedorovich Martens.'' In: Arthur Eyffinger: ''The First Hague Peace Conference of 1899: The Parliament of Man, the Federation of the World.'' Kluwer Law International, Den Haag 1999, ISBN 90-411-1192-1, S.&nbsp;177–179 == Weiterführende Veröffentlichungen == * Wladimir Wassiljewitsch Pustogarow, William Elliott Butler (Übers.): ''Our Martens. F.F. Martens: International Lawyer and Architect of Peace.'' Kluwer Law International, Alphen aan den Rijn 2000, ISBN 90-411-9602-1 == Weblinks == * [http://www.martens.ee/index.php?lang=en The Martens Society] Website der Estnischen Martens-Gesellschaft (englisch) * [http://dic.academic.ru/dic.nsf/brokgauz/13330 Eintrag „Мартенс (Федор Федорович)“ in der vorrevolutionären russischen Enzyklopädie Brockhaus-Efron] (russisch) {{Normdaten|PND=119050897}} {{DEFAULTSORT:Martens, Friedrich Fromhold}} [[Kategorie:Rechtswissenschaftler (19. Jahrhundert)]] [[Kategorie:Rechtswissenschaftler (20. Jahrhundert)]] [[Kategorie:Rechtsphilosoph]] [[Kategorie:Diplomat]] [[Kategorie:Hochschullehrer (Sankt Petersburg)]] [[Kategorie:Mitglied des Institut de Droit international]] [[Kategorie:Russe]] [[Kategorie:Geboren 1845]] [[Kategorie:Gestorben 1909]] [[Kategorie:Mann]] {{Personendaten |NAME=Martens, Friedrich Fromhold |ALTERNATIVNAMEN=Martens, Fjodor Fjodorowitsch; de Martens, Frederic |KURZBESCHREIBUNG=russischer Diplomat und Jurist estnischer Herkunft |GEBURTSDATUM=27. August 1845 |GEBURTSORT=[[Pärnu]] |STERBEDATUM=20. Juni 1909 |STERBEORT=[[Sankt Petersburg]] }} {{Exzellent}} [[en:Friedrich Martens]] [[es:Fiódor Martens]] [[et:Friedrich Fromhold Martens]] [[fr:Frederic Fromhold Martens]] [[it:Friedrich Fromhold Martens]] [[ru:Мартенс, Фёдор Фёдорович]] [[sv:Friedrich Martens]] d8uu5rnc1kfy57p3s7kx3xppffb6xyi wikitext text/x-wiki Deutsche Revolution 1848/49 0 23902 26498 2010-05-10T21:46:47Z Otberg 0 /* Ungarn */ wikilink [[Datei:Maerz1848 berlin.jpg|thumb|Jubelnde Revolutionäre nach Barrikadenkämpfen am 18. März 1848 in Berlin<!-- Wer ist hier der Künstler? -->]] Als '''Deutsche Revolution von 1848/49''' – bezogen auf die erste Revolutionsphase des Jahres 1848 auch '''Märzrevolution''' – wird das revolutionäre Geschehen bezeichnet, das sich zwischen März 1848 und Spätsommer 1849 im [[Deutscher Bund|Deutschen Bund]] ereignete. Von den Erhebungen betroffen waren auch Provinzen und Länder außerhalb des Bundes, die unter der Herrschaft dessen mächtigster Staaten [[Geschichte Österreichs|Österreich]] und [[Preußen]] standen, so etwa [[Ungarn]], [[Oberitalien]] oder [[Provinz Posen|Posen]]. Die damit verbundenen Ereignisse waren Teil der [[Bürgertum|bürgerlich]]-[[Demokratie|demokratischen]] und nationalen Einheits- und Unabhängigkeitserhebungen gegen die [[Restauration (Geschichte)|Restaurationsbestrebungen]] der in der ''[[Heilige Allianz|Heiligen Allianz]]'' verbündeten Herrscherhäuser in weiten Teilen [[Mitteleuropa]]s (vgl. [[Revolutionen von 1848/49]]). Bereits im Januar 1848 hatten sich italienische Revolutionäre gegen die Herrschaft der österreichischen [[Habsburger]] im Norden der [[Apenninen]]-Halbinsel und der spanischen [[Bourbonen]] im Süden erhoben. Nach Beginn der [[Frankreich|französischen]] [[Februarrevolution 1848|Februarrevolution]] wurden auch die deutschen Länder Teil dieser Erhebungen gegen die herrschenden Mächte der [[Restauration (Geschichte)|Restauration]]. In den deutschen [[Fürstentum|Fürstentümern]] nahm die [[Revolution]] ihren Anfang im [[Großherzogtum]] [[Baden (Land)|Baden]] und griff innerhalb weniger Wochen auf die übrigen Staaten des Bundes über. Sie erzwang von [[Berlin]] bis [[Wien]] die Berufung [[Liberalismus|liberaler]] Regierungen in den Einzelstaaten (die so genannten [[Märzkabinett]]e) und die Durchführung von Wahlen zu einer [[Frankfurter Nationalversammlung|verfassungsgebenden Nationalversammlung]], die in der [[Frankfurter Paulskirche|Paulskirche]] in der damals [[Freie Stadt Frankfurt|''Freien Stadt'' Frankfurt am Main]] zusammentrat. Nach den mit den ''Märzerrungenschaften'' relativ rasch erkämpften Erfolgen, wie zum Beispiel Aufhebung der [[Pressezensur]] oder [[Bauernbefreiung]], geriet die revolutionäre Bewegung ab Mitte 1848 zunehmend in die Defensive. Auch die vor allem im Herbst 1848 und bei der [[Reichsverfassungskampagne]] im Mai 1849 neu aufflammenden Höhepunkte der Erhebungen, die regional teilweise [[bürgerkrieg]]sähnliche Ausmaße annahmen, konnten das letztliche Scheitern der Revolution in Bezug auf ihre wesentliche Kernforderung nicht mehr aufhalten. Bis Juli 1849 wurde der erste Versuch, einen demokratisch verfassten, einheitlichen deutschen [[Nationalstaat]] zu schaffen, von überwiegend preußischen und österreichischen Truppen gewaltsam niedergeschlagen. == Interessengruppen, historische Einordnung und Bedeutung für Mitteleuropa == [[Datei:Deutscher Bund.png|thumb|Politische Landkarte des Deutschen Bundes (1815 bis 1866) mit bis zu 41 Staaten]] Die Revolutionäre in den deutschen Staaten strebten politische [[Freiheit]]en im Sinne [[Demokratie|demokratischer Reformen]] und die nationale Einigung der Fürstentümer des Deutschen Bundes an. Sie vertraten vor allem die Ideen des [[Liberalismus]]. Dieser spaltete sich jedoch im weiteren Revolutionsverlauf und danach zunehmend in verschiedene Richtungen auf, die in wesentlichen Themenbereichen unterschiedliche Prioritäten setzten und teilweise gegeneinander opponierten (u.a. in der Haltung zum Stellenwert der Nation, der sozialen Frage, der ökonomischen Entfaltung, der Bürgerrechte, als auch zur Revolution selbst). Stark an den revolutionären Aktivitäten und Aufständen vor Ort beteiligt waren auch Kreise mit radikaldemokratischen, sozialrevolutionären, [[Frühsozialismus|frühsozialistischen]] bis hin zu [[Anarchismus|anarchistischen]] Zielvorstellungen. Diese wirkten vorwiegend außerparlamentarisch, in den [[Parlament]]en waren sie unterrepräsentiert oder gar nicht vertreten. In den bestimmenden Gremien der Revolution konnten sie sich daher nicht durchsetzen. Außerhalb des Deutschen Bundes strebten Länder und Regionen, die dem [[Habsburgerreich]] [[Österreich]] angegliedert waren, die [[Unabhängigkeit (Politik)|Unabhängigkeit]] von dessen Vorherrschaft an. Dazu gehörten [[Ungarn]], die [[Polen|polnischen]] Provinzen sowie die oberitalienischen Fürstentümer. Zudem setzten sich die Revolutionäre im überwiegend von Polen bewohnten Teil [[Posen]]s für die Loslösung von der preußischen Herrschaft ein. In den meisten dieser Staaten wurde die Revolution spätestens 1849 niedergeschlagen. In [[Frankreich]] hielt sich die [[Republik]] bis 1851/1852. Nur in den Königreichen [[Dänemark]] und [[Sardinien-Piemont]] überdauerten Revolutionserfolge längere Zeit. So hielten sich dort beispielsweise die durchgesetzten [[Verfassung]]sänderungen in [[konstitutionelle Monarchie]]n auch bis in das 20. Jahrhundert hinein. Die Verfassung [[Sardinien-Piemont]]s wurde zur Grundlage für das 1861 durchgesetzte Königreich [[Italien]] (vgl. [[Risorgimento]]). Ein dauerhaftes Ergebnis der bürgerlich-demokratischen Bestrebungen in Mitteleuropa seit den 1830er Jahren war die Umwandlung der [[Schweiz]] von einem losen und politisch sehr heterogenen [[Staatenbund]] in einen liberalen [[Bundesstaat]]. Die durch den [[Sonderbundskrieg]] von 1847 ermöglichte neue Bundesverfassung von 1848 bestimmt ihre staatlichen und gesellschaftlichen Grundstrukturen bis heute. [[Datei:Rundgemälde Europa 1849.jpg|thumb|Karikatur von [[Ferdinand Schröder]] zur Niederlage der [[Revolution von 1848/49|Revolutionen in Europa]] 1849. Zuerst erschienen in: ''Düsseldorfer Monatshefte'', 1849 unter dem Titel ''Rundgemälde von Europa im August MDCCCXLIX'']] Von den mächtigen europäischen Staaten blieben durch diese Ereignisse nur [[England]], [[Spanien]] und [[Russland]] unberührt. Bei letzterem abgesehen von der Beteiligung russischen Militärs an der Niederschlagung des ungarischen Unabhängigkeitsaufstands gegen das Kaiserreich Österreich 1849. Obwohl insbesondere die nationalstaatliche Zielsetzung der Märzrevolution mit ihren grundsätzlichen Veränderungsanliegen scheiterte und in eine Periode der politischen [[Reaktionsära|Reaktion]] mündete, setzte sich mit ihr in der historischen Betrachtung das wohlhabende [[Bürgertum]] durch und wurde endgültig zu einem politisch und wirtschaftlich einflussreichen Machtfaktor neben der [[Aristokratie]]. Spätestens ab 1848 wurde die [[Bourgeoisie]], im engeren Sinn das [[Großbürgertum]], zur ökonomisch herrschenden [[Soziale Klasse|Klasse]] der Gesellschaften [[Mitteleuropa]]s. Begonnen hatte dieser Aufstieg mit den politischen und sozialen Kämpfen seit der [[Französische Revolution|französischen Revolution]] von 1789. Die Revolutionen von 1848/1849 prägten die politische Kultur und das pluralistische [[Demokratie]]verständnis der meisten Staaten Mitteleuropas in der [[Moderne]] langfristig und nachhaltig. Wie in der [[Bundesrepublik Deutschland]], deren [[Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland|Grundgesetz]] auf dem 1848/1849 in der Frankfurter Paulskirche ausgearbeitetem Verfassungsentwurf basiert, [[Österreich]], [[Frankreich]], [[Italien]], [[Ungarn]], [[Polen]], [[Dänemark]], der [[Tschechoslowakei]] bzw. im heutigen [[Tschechien]] und der [[Slowakei]]. Mit den Ereignissen von 1848/1849 wurde der Siegeszug der bürgerlichen Demokratie in die Wege geleitet, der auf lange Sicht die spätere historische, politische und soziale Entwicklung fast ganz [[Europa]]s bestimmte. Die Märzrevolution gab in zwischenstaatlichen Grundzügen zusätzlich zu vorherigen, in der Aufklärung begründeten Entwicklungen einige ideelle Impulse für die Entwicklung der [[Europäische Union|Europäischen Union]] (EU) im späten 20. Jahrhundert. So vertrat der italienische Revolutionär [[Giuseppe Mazzini]] schon vor den revolutionären Wirren um 1848 ein [[Europa der Völker]]. Er stellte diese [[Utopie]] gegen das Europa der autoritären Fürstentümer und nahm damit eine politisch-soziale Grundidee der EU vorweg. Mazzinis entsprechende Ideen waren bereits 1834 von einigen [[Idealismus (Philosophie)|idealistischen]] republikanisch eingestellten Deutschen, unter ihnen [[Carl Theodor Barth]], im [[Geheimbund]] [[Junges Deutschland (Geheimbund)|Junges Deutschland]] aufgegriffen worden. Zusammen mit Mazzinis [[Junges Italien|Jungem Italien]] und dem von polnischen Emigranten gegründeten [[Junges Polen (Geheimbund)|Jungen Polen]] bildeten sie im schweizerischen Bern ebenfalls 1834 den übernationalen Geheimbund [[Junges Europa]]. Von deren Idealen war oft auch die Aufbruchsstimmung zu Beginn der Märzrevolution geprägt, als vielerorts bei der revolutionären Basis von einem [[Völkerfrühling|Internationalen Völkerfrühling]] die Rede war. == Vorgeschichte und Ursachen == === Wirtschaftliche und soziale Hintergründe === :''Hauptartikel: [[Industrielle Revolution in Deutschland]]'' Ein unmittelbarer Vorbote der Märzrevolutionen im damaligen Mitteleuropa war das Krisenjahr 1847, dem eine schwere [[Missernte]] 1846 vorausging. In den deutschen Staaten bedeutete dies eine Verteuerung der Lebensmittel, daraus folgend Hungersnöte und [[Hungerrevolte]]n in fast allen deutschen Staaten und Regionen. Viele auch ärmere, vom [[Pauperismus]] (vorindustrielle Massenarmut) betroffene Bevölkerungsschichten wie Arbeiter, verarmte Handwerker, Landarbeiter usw. schlossen sich, bedingt durch ihre soziale Not, daraufhin zunehmend den Forderungen demokratisch und liberal gesinnter Kreise an. Eine weitere Folge der Krise war außerdem die Abnahme der [[Kaufkraft (Währung)|Kaufkraft]] bei Industrieprodukten, hier besonders Textilwaren, und daraus resultierend unter anderem ein Niedergang des noch stark handwerklich dominierten [[Textilindustrie|Textilgewerbes]]. [[Datei:Weber1846.jpg|thumb|''Die schlesischen Weber'' (Gemälde von [[Carl Wilhelm Hübner]], 1846)]] Der Niedergang des Textilgewerbes, das in den deutschen Ländern noch von minimal bezahlter [[Heimarbeit]] vieler Familien für wenige reiche Unternehmer und Grundbesitzer geprägt war, und allgemein die Krise des [[Handwerk]]s war auch bedingt durch die fortschreitende [[industrielle Revolution]] in Europa, die schon seit Mitte des 18. Jahrhunderts durch neue technische [[Erfindung]]en und Entwicklungen von England ausgehend nach und nach die sozialen, wirtschaftlichen und industriellen Verhältnisse auf dem ganzen Kontinent grundlegend veränderte. Hinzu kam ein derartiger Bevölkerungszuwachs, dass die produktiver werdende Agrarwirtschaft auf dem Land und die Industrie der Städte die Masse an entstandener Arbeitskraft nicht mehr aufnehmen konnte. Die Folge war Massenarbeitslosigkeit. Die überschüssigen Arbeitskräfte bildeten eine „[[industrielle Reservearmee]]“. Immer mehr Menschen suchten in den schnell wachsenden Städten [[Arbeit (Sozialwissenschaften)|Arbeit]] in [[Manufaktur]]en und den neu entstehenden [[Fabrik]]en, wo durch rationellere [[Massenproduktion]] viele Produkte billiger hergestellt werden konnten. [[Datei:Zollschranken.jpg|thumb|''Das Lichten eines Hochwaldes'' (Karikatur gegen die deutsche Kleinstaaterei und ihre Zollschranken, erste Hälfte des 19. Jahrhunderts)]] Eine neue Bevölkerungsschicht, das [[Proletariat]] (die abhängig beschäftigte [[Arbeiterklasse]]), wuchs rasch an. Die Arbeits- und Lebensbedingungen in den Industriebetrieben und deren Umfeld waren im 19. Jahrhundert in der Regel katastrophal. Die meisten [[Arbeiter]] lebten in den [[Ghetto]]s und [[Slum]]s der Städte am Rande des [[Existenzminimum]]s oder oft auch darunter, von [[Arbeitslosigkeit]] bedroht und ohne soziale Absicherung. Schon Jahre vor der Märzrevolution war es immer wieder auch zu kleineren, regional begrenzten Aufständen gegen Industriebarone gekommen. So war etwa der [[Weberaufstand]] vom Juni 1844 in [[Schlesien]], eine [[Hungerrevolte]] der Weber aus [[Langenbielau]] und [[Peterswaldau]], der erste in der überregionalen Öffentlichkeit bedeutsame Aufstand des deutschen Proletariats infolge der sozialen Not, die durch die [[Industrialisierung]] verursacht war. Der Aufstand wurde jedoch schon nach wenigen Tagen durch preußisches [[Militär]] niedergeschlagen. Auch das wohlhabendere [[Bürgertum]] sah sich zunehmend in seiner wirtschaftlichen Entwicklung eingeschränkt. Durch die [[Zoll (Abgabe)|Zollpolitik]] der Fürstentümer waren die Möglichkeiten des freien [[Handel]]s stark begrenzt. Forderungen nach einer [[Liberalisierung]] der [[Wirtschaft]] und des Handels waren in den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts auch in den deutschen Staaten immer lauter geworden. Am 22. März 1833 wurde der [[Deutscher Zollverein|Deutsche Zollverein]] gegründet, wodurch der Handel in den deutschen Ländern vereinfacht wurde. Es war daraufhin Ende der 1830er Jahre auch insgesamt zu einem gewissen wirtschaftlichen Aufschwung gekommen. Jedoch veränderte sich an der sozialen Not der ärmeren Bevölkerungsschichten kaum etwas. === Politische Hintergründe === [[Datei:Hw-metternich.jpg|thumb|Fürst [[Klemens Wenzel Lothar von Metternich|Metternich]] (1773–1859)]] Ein wesentliches Ziel der Märzrevolution war die Überwindung der [[Restauration (Geschichte)|Restaurationspolitik]], die die Zeit seit dem [[Wiener Kongress]] 1815 geprägt hatte. Einer der bedeutendsten Verfechter der politischen Restauration war der reaktionäre österreichische [[Diplomat]] und Staatskanzler [[Klemens Wenzel Lothar Nepomuk von Metternich|Fürst Klemens Wenzel von Metternich]]. Die Politik der Restauration, die auf dem Wiener Kongress am 9.&nbsp;Juni 1815 – noch unmittelbar vor der endgültigen Niederlage [[Napoléon Bonaparte]]s bei der [[Schlacht von Waterloo]] (18.&nbsp;Juni 1815) – von den meisten europäischen Staaten beschlossen wurde, sollte innenpolitisch und zwischenstaatlich die politischen Machtverhältnisse des „[[Ancien Régime]]“ in Europa wiederherstellen, wie sie vor der [[Französische Revolution|Französischen Revolution]] von 1789 geherrscht hatten. Dies bedeutete die Vorherrschaft des [[Adel]]s und die Wiederherstellung seiner Privilegien. Weiterhin sollte die napoleonische Neuordnung Europas, die mit dem [[Code Civil]] auch bürgerliche Rechte etabliert hatte, rückgängig gemacht werden. Innenpolitisch wurden im Zuge der Restauration Forderungen nach liberalen Reformen oder nach nationaler Einigung unterdrückt, [[Zensur (Informationskontrolle)|Zensurmaßnahmen]] verschärft und die [[Pressefreiheit]] stark eingeschränkt. Die Werke des literarischen [[Junges Deutschland (Literatur)|Jungen Deutschland]], einer Gruppe junger revolutionär eingestellter Schriftsteller, wurden zensiert oder verboten. Auch andere gesellschaftskritische oder [[Nationalismus|nationalistische]] Dichter waren von der Zensur betroffen, so dass sie teilweise ins Exil – vor allem nach Frankreich oder die Schweiz – ausweichen mussten. Bekannte Beispiele sind [[Heinrich Heine]], [[Georg Herwegh]], [[Georg Büchner]] (der mit der Flugschrift ''[[Der Hessische Landbote]]'' die aus der Zeit der Französischen Revolution stammende Parole „''Friede den Hütten, Krieg den Palästen!''“ verbreitete) oder [[August Heinrich Hoffmann von Fallersleben|Heinrich Hoffmann von Fallersleben]] (der Dichter des [[Deutschlandlied]]s). Die studentischen [[Burschenschaft]]en waren zu dieser Zeit vor allem Träger der Forderung nach nationaler Einigung und [[Demokratie|demokratischen]] Bürgerrechten. Bereits im Oktober 1817 hatten sie bei einer größeren Demonstration aus Anlass des vierten Jahrestags der [[Völkerschlacht bei Leipzig]] und des 300. Jahrestags der Lutherischen [[Reformation]] in der Nähe der Wartburg, dem so genannten [[Wartburgfest]], vehement die Forderung nach der Deutschen Einheit vertreten. Dabei kam es auch zu einer öffentlichen [[Bücherverbrennung]], als eine Minderheit der Demonstranten Werke so genannter „undeutscher“, als reaktionär bezeichneter Schriftsteller verbrannte, darunter zum Beispiel [[August von Kotzebue]]s ''Deutsche Geschichte'' sowie auch einige Werke von jüdischen Autoren wie zum Beispiel [[Saul Ascher]]s ''Germanomanie'', eine Verurteilung von Nationalismus und Deutschtümelei. Heinrich Heine, selbst ein demokratisch gesinnter, dem oft völkischen [[Nationalismus]] der Burschenschaften jedoch zunehmend reserviert gegenüberstehender Dichter des Vormärz, sprach in jener Zeit seine berühmt gewordene Prophezeiung aus: „Dies war ein Vorspiel nur; dort, wo man Bücher verbrennt, verbrennt man auch am Ende Menschen“. Diese bezog sich zwar auf einen anderen Zusammenhang, die [[Reconquista]] in Spanien, wurde von Heine, der sich stets als zeitkritischer Dichter verstand, jedoch unter dem Eindruck der zeitgenössischen Erfahrung geprägt. [[Datei:Ermordung August von Kotzebues.jpg|thumb|Darstellung von Kotzebues Ermordung 1819, die der Anlass für die Repressionen durch die Karlsbader Beschlüsse war (kolorierter zeitgenössischer Kupferstich)]] Entsprechende vom [[Wartburgfest]] inspirierte Aktivitäten machten die staatlichen Behörden auf die Burschenschaften aufmerksam, die darauf zunehmenden [[Unterdrückung|Repressionen]] ausgesetzt waren. Gesetzesform erhielten diese Repressionen 1819 als [[Karlsbader Beschlüsse]], die eine Reaktion auf die Ermordung des Dichters [[August von Kotzebue]] durch den radikaldemokratischen und als fanatisch nationalistisch geltenden Burschenschafter [[Karl Ludwig Sand]] waren. Trotz Verbot und Verfolgung blieben Mitglieder der Burschenschaften oft im [[Untergrundbewegung|Untergrund]] aktiv. Teilweise wurden scheinbar unpolitische Tarnorganisationen auf- und ausgebaut wie etwa die [[Turnerbewegung]] des „[[Friedrich Ludwig Jahn|Turnvater Jahn]]“, wo weiterhin kulturell von der [[Romantik]] geprägte liberale und nationale Ideen gepflegt wurden, die jedoch auch schon antiemanzipatorische und antiaufklärerische Züge in sich trugen. So gab es in diesen Gruppierungen wie in den Burschenschaften insgesamt auch einen stark verbreiteten [[Antijudaismus]], der bereits die [[Rassismus|rassistisch]]-biologisch geprägten [[Vorurteil]]e des Ende der 1870er Jahre geprägten [[Antisemitismus]]-Begriffs enthielt, zu denen sich beispielsweise Jahn selbst offen bekannte. Ein Ausdruck dieses Judenhasses während des Vormärz waren beispielsweise die sich in fast allen deutschen Staaten verbreitenden, von [[Würzburg]] ausgehenden [[Hep-Hep-Unruhen]] des Jahres 1819, die vielerorts [[pogrom]]artig eskalierten und sich gegen die [[Judenemanzipation]] im Allgemeinen bzw. gegen die wirtschaftliche Gleichstellung der Juden im Besonderen richteten. Die [[Julirevolution von 1830]] in Frankreich, in der das reaktionäre Königshaus der [[Bourbonen]] unter [[Karl X. (Frankreich)|Karl&nbsp;X.]] gestürzt worden war und die bürgerlich-liberalen Kräfte den „Bürgerkönig“ [[Ludwig Philipp (Frankreich)|Louis Philippe von Orleans]] eingesetzt hatten, gab auch den liberalen Kräften in Deutschland und anderen Regionen Europas neuen Auftrieb. So war es in verschiedenen deutschen Fürstentümern schon 1830 zu regional begrenzten Aufständen gekommen, wie zum Beispiel in [[Braunschweig]], [[Kurhessen]], im [[Königreich Sachsen]] und in [[Hannover]], die teilweise zu [[Verfassung]]en in den jeweiligen Staaten geführt hatten. [[Datei:Hambacher Fest 1832.jpg|thumb|left|Hambacher Fest 1832: Der Zug zum Hambacher Schloss]] Auch in den italienischen Staaten sowie den polnischen Provinzen Österreichs, Preußens und Russlands ([[Kongresspolen]]) hatte es 1830 Aufstände mit dem Ziel einer nationalstaatlichen [[Autonomie]] gegeben. Im [[Vereinigtes Königreich der Niederlande|Vereinigten Königreich der Niederlande]] führte die [[Belgische Revolution]] zur Abspaltung der südlichen Provinzen und zur Gründung eines unabhängigen [[Belgien|belgischen Staates]] als [[Parlamentarische Monarchie|parlamentarischer Monarchie]]. Insgesamt blieb das metternichsche System jedoch zunächst erhalten, auch wenn sich überall Risse zeigten. So war es auch nach den Karlsbader Beschlüssen trotz der „[[Demagogenverfolgung]]“ zu weiteren, dem Wartburgfest ähnlichen, spektakulären Versammlungen gekommen, wie etwa dem [[Hambacher Fest]] 1832, bei dem – wie schon beim Wartburgfest 1817 – demonstrativ die verbotenen republikanischen [[Schwarz-Rot-Gold|schwarz-rot-goldenen]] Fahnen gezeigt wurden. [[Datei:FRA Wachensturm 1833.jpg|thumb|''Insurrection de Francfort'', zeitgenössischer Kupferstich von [[François Georgin]] zum Frankfurter Wachensturm]] Der [[Frankfurter Wachensturm]] am 3.&nbsp;April 1833 bildete bereits einen ersten Versuch von etwa 50 Studenten, eine gesamtdeutsche Revolution auszulösen. Die Aktion hatte sich gegen den Sitz des deutschen [[Bundestag (Deutscher Bund)|Bundestags]] gerichtet, der von den [[Demokratische Bewegung (Deutschland)|Demokraten]] als Instrument der Restaurationspolitik betrachtet wurde. Nach der Erstürmung der beiden Frankfurter Polizeiwachen wollten die Aufständischen die Gesandten der Fürsten im Bundestag gefangen nehmen und damit das Fanal zu einer gesamtdeutschen Erhebung setzen. Die Aktion, die schon im Vorfeld verraten worden war, scheiterte jedoch schon im Ansatz nach einem Schusswechsel, bei dem es einige Tote und Verletzte gegeben hatte. == Verlauf == === Einführung === Ein wesentlich auslösender Faktor für die Märzrevolutionen war der Erfolg der [[Februarrevolution 1848]] in Frankreich, von wo aus der revolutionäre Funke schnell auf die angrenzenden deutschen Staaten übersprang. Die Ereignisse in Frankreich, wo es gelang, den inzwischen vom [[Liberalismus]] zusehends abgekommenen Bürgerkönig Louis Philippe abzusetzen und schließlich die [[Zweite Französische Republik|Zweite Republik]] auszurufen, setzten revolutionäre Umwälzungen in Gang, deren Wirren den Kontinent über eineinhalb Jahre hinweg in Atem hielten. Die wichtigsten Zentren der Revolution nach Frankreich waren [[Baden (Land)|Baden]], [[Preußen]], [[Österreich]], [[Oberitalien]], [[Ungarn]], [[Königreich Bayern|Bayern]] und [[Sachsen]]. Aber auch in anderen Staaten und Fürstentümern kam es zu Aufständen und [[Volksversammlung]]en, bei denen die revolutionären Forderungen artikuliert wurden. Ausgehend von der [[Mannheimer Volksversammlung]] am 27. Februar 1848, auf der die „[[Märzforderungen]]“ erstmals formuliert wurden, lauteten die Kernforderungen der Revolution in Deutschland: „1. Volksbewaffnung mit freien Wahlen der Offiziere, 2. unbedingte Preßfreiheit, 3. Schwurgerichte nach dem Vorbild Englands, 4. sofortige Herstellung eines deutschen Parlaments.“ (Siemann 1985, S. 61) Im Königreich [[Dänemark]] führten die revolutionären Ereignisse 1849 zu einer neuen [[Verfassung]], in der die [[konstitutionelle Monarchie]] und ein Zwei-Kammer-[[Parlament]] mit allgemeinem [[Wahlrecht]] eingeführt wurden. In manchen Ländern des Deutschen Bundes, zum Beispiel in den Königreichen [[Königreich Württemberg|Württemberg]] und [[Königreich Hannover|Hannover]], oder in [[Großherzogtum Hessen|Hessen-Darmstadt]], lenkten die Fürsten rasch ein. Dort kam es bald zur Errichtung von liberalen „[[Märzregierung|Märzministerien]]“, die teilweise den Forderungen der Revolutionäre nachkamen, beispielsweise durch Einrichtung von [[Schwurgericht]]en, Abschaffung der [[Pressezensur]] und [[Bauernbefreiung]]. Oftmals blieb es jedoch bei bloßen Versprechungen. In diesen Ländern nahm die Revolution wegen der frühen Zugeständnisse einen einigermaßen friedlichen Verlauf. Bereits ab Mai/Juni 1848 setzten verstärkt restaurative Aktivitäten der herrschenden Fürstenhäuser ein, die die Aufständischen in den Staaten des Deutschen Bundes zunehmend in die [[Defensive]] drängten. Dabei bildete die Niederschlagung des Pariser [[Februarrevolution 1848#Juniaufstand und Konterrevolution|Juniaufstands]] im weiteren Verlauf der französischen Februarrevolution ein entscheidendes Ereignis für das Einsetzen der [[Konterrevolution]] („[[Reaktion (Politik)|Reaktion]]“) auch in den anderen europäischen Staaten. Der Juniaufstand der Pariser Arbeiter gilt historisch auch als Markierungspunkt für die Spaltung zwischen revolutionärem [[Proletariat]] und [[Bourgeoisie|Bürgertum]]. Ein chronologischer Verlauf der [[Revolution]] in ihrer Gesamtheit ist schwer zu erfassen, da die Ereignisse sich nicht immer eindeutig aufeinander beziehen lassen, Entscheidungen auf unterschiedlichen Ebenen und an unterschiedlichen Orten mal nahezu zeitgleich, mal zu verschiedenen Zeitpunkten getroffen und wieder revidiert wurden. === Zeittafel === [[Datei:Wiener kongress.jpg|thumb|Abgesandte beim Wiener Kongress, Kupferstich nach einer Zeichnung von Jean Baptiste Isabey, 1819]] [[Datei:Göttinger Sieben-RZ.jpg|thumb|Die Göttinger Sieben, Lithographie von Carl Rohde, 1837]] ==== Vorrevolutionäre Entwicklung ==== * 18. September 1814 bis 9. Juni 1815: [[Wiener Kongress]]. Die beschlossene „Neuordnung“ Europas leitet die [[Restauration (Geschichte)|Restaurationspolitik]] ein. Damit beginnt die Phase des politischen „[[Vormärz]]“. * 18. Oktober 1817: Auf dem [[Wartburgfest]] wird die deutsche Einheit gefordert. * Spätsommer–Herbst 1819: In den meisten Staaten des Deutschen Bundes kommt es mit den [[Hep-Hep-Unruhen]] zu antijüdischen Krawallen, die sich gegen die Judenemanzipation richten und mancherorts pogromartig eskalieren. * 20. September 1819: Als Folge der Ermordung des Dichters [[August von Kotzebue]] werden mit den [[Karlsbader Beschlüsse]]n gesetzliche Grundlagen für Repressionen gegen demokratische und nationale Bestrebungen der [[Burschenschaft]]en und anderer [[Opposition (Politik)|oppositioneller]] Kreise geschaffen, z.&nbsp;B. durch Verbote demokratischer Gruppen und Vereine, Pressezensur u.&nbsp;a. * Juli 1830: Die [[Julirevolution (Frankreich)|Julirevolution]] in Frankreich löst auch in den Staaten des Deutschen Bundes einige regional begrenzte Aufstände aus. * 27. Mai 1832: Auf dem [[Hambacher Fest]] werden erneut Forderungen nach einem geeinten Deutschland und nach demokratischen Rechten erhoben. * 3. April 1833: Beim [[Frankfurter Wachensturm]] scheitert der Versuch einer gesamtdeutschen revolutionären Erhebung. * 1834: In [[Bern]] vereinigen sich die von exilierten Demokraten gebildeten Geheimbünde ''Junges Italien'', ''Junges Deutschland'' und ''Junges Polen'' auf Initiative des italienischen Revolutionärs [[Giuseppe Mazzini]] zum übernationalen Geheimbund ''Junges Europa''. * 1834: [[Georg Büchner]] und [[Friedrich Ludwig Weidig]] verbreiten im [[Großherzogtum Hessen]] aus dem Untergrund die sozialrevolutionäre Flugschrift ''[[Der Hessische Landbote]]'' mit dem Motto „''Friede den Hütten, Krieg den Palästen!''“. * 1837: Die Protestproklamation der ''[[Göttinger Sieben]]'' (einer Gruppe von namhaften liberalen Universitätsprofessoren, darunter auch die [[Brüder Grimm]]) gegen die Aufhebung der Verfassung im [[Königreich Hannover]], findet im ganzen Deutschen Bund Verbreitung. Die Gelehrten werden entlassen und einige von ihnen des Landes verwiesen. * Juni 1844: In einer Region Schlesiens erheben sich die Weber infolge zunehmender sozialer Not ([[Weberaufstand#Schlesischer Weberaufstand 1844|Weberaufstand]]). * 12. September 1847: Bei der [[Offenburger Versammlung 1847|Offenburger Versammlung]] werden von radikal-demokratischen badischen Politikern mit den „Forderungen des Volkes“ Grundrechte eingefordert und der als Bedrohung wahrgenommenen Industrialisierung frühsozialistische Ideen entgegengesetzt. * 10. Oktober 1847: Bei der [[Heppenheimer Tagung]] wird das politische Programm der gemäßigten Liberalen formuliert. ==== Übergangsphase zur Märzrevolution ab Januar 1848 ==== * Januar 1848: Nationalrevolutionäre Aufstände gegen die Herrschaft der spanischen Bourbonen in Süditalien ([[Sizilien]]) und gegen die der Österreicher in Norditalien ([[Mailand]], [[Padua]] und [[Brescia]]) leiten die gesamteuropäische Phase der Revolutionen von 1848/49 ein. * 24. Februar 1848: Beginn der [[Februarrevolution 1848]] in Frankreich. Ausrufung der [[Zweite Französische Republik|Zweiten Republik]]. Ministerpräsident [[François Guizot]] tritt zurück. Bürgerkönig [[Ludwig Philipp (Frankreich)|Louis Philippe]] dankt ab und geht ins Exil nach England. ==== Revolutionäre Entwicklung 1848 ==== * 27. Februar 1848: Inspiriert von der Februarrevolution in Frankreich formuliert die [[Mannheimer Volksversammlung]] eine Petition an die Regierung in [[Karlsruhe]] mit sogenannten [[Märzforderungen]] und wird so zum Fanal der Märzrevolution in den Staaten des Deutschen Bundes. * 1. März: Beginn der Märzrevolution in [[Baden (Land)|Baden]] mit der Besetzung des Ständehauses des [[Badische Ständeversammlung|badischen Landtags]] in Karlsruhe * 4. März: Beginn der Märzrevolution in [[Königreich Bayern|Bayern]] mit Aufständen in [[München]] * 5. März: Die [[Heidelberger Versammlung]] lädt zum [[Vorparlament]]. * 6. März: Beginn der Märzrevolution in [[Preußen]] mit ersten Unruhen in [[Berlin]] * 13. März: Beginn der Märzrevolution in [[Wien]] mit dem Sturm auf das Ständehaus; Rücktritt des Staatskanzlers [[Klemens Wenzel Lothar von Metternich|Fürst Metternich]], der nach England emigriert. * 15. März: Pest (heute [[Budapest]]): Der Stadthalterbeirat, das oberste Verwaltungsorgan des ungarischen Teils des [[Kaisertum Österreich]], bewilligt, eingeschüchtert von 20 000 Demonstranten, die in „Zwölf Punkten“ formulierten Forderungen radikaler ungarischer Intellektueller um [[Sandor Petöfi]] (u.a. ein von Wien unabhängiges Ministerium und eigenständiges ungarisches Parlament, Abzug aller österreichischen Truppen aus Ungarn, den Aufbau einer ungarischen Nationalarmee und die Schaffung einer Nationalbank) und macht das [[Königreich Ungarn]] damit faktisch zu einem selbständigen Staat. * 17. März: [[Mailand]] erklärt die Loslösung der [[Lombardei]] von Österreich und ihren Anschluss ans Königreich [[Sardinien-Piemont]]. [[Datei:Adolf Friedrich Erdmann von Menzel 005.jpg|thumb|''[[Aufbahrung der Märzgefallenen]]'', Ölbild von [[Adolph Menzel]], 1848]] * 18. März: Bei der Verlesung eines königlichen Patents zu [[Reform]]en in Preußen kommt es in Berlin zu bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen protestierenden Bürgern und Militär. Die genaue Ursache dieses Konflikts ist historisch nicht zu klären. Während der Verlesung des Patents werden nach anfänglich friedlicher Stimmung sozialrevolutionäre Parolen laut. Zwei Schüsse lösen sich, ob beabsichtigt oder aus einem Missverständnis bleibt unklar. Es folgt ein Umschlagen der zuvor mehrheitlich positiven Stimmung der Demonstranten und der gezielte Einsatz des Militärs. Heftige Straßen- und Barrikadenkämpfe schließen sich an und fordern mehrere hundert Tote, nach Behördenangaben 303 Menschen, darunter 11 Frauen und 4 Kinder (Siemann 1985, S. 68f.). * 19. März: König [[Friedrich Wilhelm IV.]] lässt die „Märzgefallenen“ auf dem Schlossplatz aufbahren und bekundet ihnen seine ehrende Anteilnahme. * 20. März: [[Abdikation|Abdankung]] des bayerischen Königs [[Ludwig I. (Bayern)|Ludwig I.]] zugunsten seines Sohnes [[Maximilian II. Joseph (Bayern)|Maximilian II.]] infolge der Unruhen in München und anderen Städten Bayerns * 18.-22. März: Der Volksaufstand in Mailand gegen die Herrschaft Österreichs in der [[Lombardei]] führt zum ersten [[Italienische Unabhängigkeitskriege|italienischen Unabhängigkeitskrieg]] zwischen Österreich und [[Sardinien-Piemont]], dessen Truppen die oberitalienischen Revolutionäre unterstützen. * 23. März: Revolution in [[Venedig]] – [[Daniele Manin]] ruft die Unabhängigkeit von Österreich aus und erklärt die Stadt zur Republik (vgl. [[Repubblica di San Marco]]). * 31. März bis 3. April: Das [[Vorparlament]] tagt in [[Frankfurt am Main]]. * Anfang April: Beginn des [[Schleswig-Holsteinischer Krieg (1848–1851)|ersten preußisch-dänischen Krieges]] infolge der nationaldeutschen Aufstände in den Herzogtümern [[Herzogtum Schleswig|Schleswig]] und [[Herzogtum Holstein|Holstein]]. Sowohl deutsche als auch dänische Nationalliberale beanspruchten das Herzogtum Schleswig, welches formal noch als königlich-dänisches Lehen in Personalunion mit [[Dänemark]] stand. * 12. April bis 20. April: Der republikanisch motivierte [[Heckerzug]] in [[Baden (Land)|Baden]] wird am 20. April bei Kandern im Schwarzwald niedergeschlagen. [[Friedrich Hecker]] geht ins [[Exil]]. * April–Mai: Aufstand der [[Posen]]er Polen gegen die preußische Vorherrschaft unter Führung von [[Ludwik Mieroslawski]] * 15. Mai: Zweiter Wiener Aufstand * 17. Mai: Kaiser [[Ferdinand I. (Österreich)|Ferdinand I.]] flieht unter dem Druck der revolutionären Unruhen aus Wien nach Innsbruck. * 18. Mai: Eröffnung der [[Frankfurter Nationalversammlung]] in der [[Frankfurter Paulskirche|Paulskirche]], des ersten gesamtdeutschen demokratisch gewählten Parlaments; es soll die deutsche Einheit vorbereiten und eine [[Verfassung]] für den neuen Einheitsstaat ausarbeiten. * 2. Juni–12. Juni: Der [[Slawenkongress]] tagt in Prag und fordert die Umwandlung der Donaumonarchie Österreich „in einen Bund von gleichberechtigten Völkern“. * 16. Juni: Niederschlagung des [[Prag]]er [[Pfingstaufstand]]es durch österreichische Truppen * 24. Juni: Niederschlagung des französischen [[Juniaufstand 1848|Juniaufstands]] in Paris. Danach erstarkt auch in den Staaten des Deutschen Bundes die [[Konterrevolution]] und zwingt die Revolutionäre zunehmend in die Defensive. * 25. Juli: Die norditalienischen Aufständischen unter Führung von Sardinien-Piemont unterliegen den österreichischen Truppen in der [[Schlacht bei Custozza (1848)|Schlacht bei Custozza]]. * 9. August: Waffenstillstand zwischen Österreich und Sardinien-Piemont * 26. August: Waffenstillstand zwischen Preußen und Dänemark. Die Nationalversammlung muss dem [[Vertrag von Malmö (1848)|Vertrag von Malmö]] letztlich am 16. September zustimmen und offenbart so ihre eigene Machtlosigkeit. Die Krise führt zu neuen Unruhen in Frankfurt am Main ([[Septemberrevolution 1848|Septemberrevolution]]) und weiteren deutschen Städten. * 12. September: Der republikanische Nationalistenführer [[Lajos Kossuth]] wird Ministerpräsident in Ungarn. Dem österreichischen Kaiser wird der Titel „König von Ungarn“ verwehrt. Es kommt zu nationalrevolutionären Unruhen gegen die Vorherrschaft Österreichs. * 18. September: Barrikadenkämpfe gegen preußische und österreichische Truppen in Frankfurt: [[Septemberrevolution 1848|Septemberrevolution]] * 21.–25. September: 2. badischer Aufstand in [[Lörrach]]; [[Gustav Struve]], der am 21. September die ''deutsche Republik'' proklamiert, wird im Anschluss daran verhaftet. * 6.–31. Oktober: Der [[Wiener Oktoberaufstand 1848|Wiener Oktoberaufstand]] wird nach knapp vier Wochen von kaiserlichen Truppen unter [[Alfred I. zu Windisch-Graetz|Fürst Windischgrätz]] blutig niedergeschlagen. * 9. November: [[Robert Blum]], Abgeordneter der Frankfurter Nationalversammlung, wird im Zuge der Vergeltungsmaßnahmen gegen die österreichischen Revolutionäre in Wien unter demonstrativer Missachtung der parlamentarischen Immunität standrechtlich erschossen. * 21. November: Konstituierung des [[Centralmärzverein]]s als deutschlandweite republikanische Organisation durch Abgeordnete verschiedener Fraktionen der demokratischen [[Politische Linke|Linken]] in der Frankfurter Nationalversammlung * 2. Dezember: Der österreichische Kaiser Ferdinand I. dankt ab und überlässt den Thron seinem Neffen [[Franz Joseph I. (Österreich-Ungarn)|Franz Joseph I.]]. * 27. Dezember: Die Nationalversammlung in Frankfurt verabschiedet die [[Grundrechte]]. ==== Revolutionäre Entwicklung 1849 ==== * Februar–März: Neue Aufstände in einigen österreichischen Gebieten Oberitaliens, insbesondere der revolutionäre Putsch gegen Großherzog [[Leopold II. (Toskana)|Leopold II.]] in der Toskana, führen zu einem weiteren Krieg zwischen Österreich und Sardinien-Piemont. * 23. März: Erneute Niederlage der oberitalienischen Revolutionäre und Sardinien-Piemonts gegen die österreichische Armee in der [[Schlacht bei Novara (1849)|Schlacht bei Novara]] * 28. März: Die Nationalversammlung verabschiedet nach vielen kontroversen Debatten die [[Paulskirchenverfassung]]. * 3. April: Der preußische König [[Friedrich Wilhelm IV.]] lehnt die ihm von der Nationalversammlung ([[Kaiserdeputation]]) angebotene Kaiserkrone ab. Damit sind deutsche Einheit und Reichsverfassung gescheitert. * 14. April: Ungarn erklärt seine Unabhängigkeit von Österreich und ruft die Republik aus. Darauf kommt es zum ungarischen Unabhängigkeitskrieg gegen Österreich. [[Datei:Rumpfparlament.jpg|thumb|Auflösung des ''Rumpfparlaments'' am 18. Juni 1849 in Stuttgart: Württembergische Dragoner treiben die Demonstration der ausgesperrten Abgeordneten auseinander (Buchillustration von 1893).]] * Mai: In den Maiaufständen beginnt die [[Reichsverfassungskampagne]] mit dem Versuch, die Verfassung in einigen Staaten und Regionen des Deutschen Bundes doch noch durchzusetzen – und darüber hinaus einzelne Republiken zu installieren. Die Konfrontation zwischen Revolution und Reaktion führt in einigen Staaten zu einer [[bürgerkrieg]]sähnlichen Eskalation. Neben Sachsen und Baden sind beispielsweise auch die preußische [[Rheinprovinz]] und die angrenzende [[Provinz Westfalen]] (→[[Iserlohner Aufstand von 1849]] und [[Provinz Westfalen#Revolution von 1848/49 in Westfalen|Revolution von 1848/49 in Westfalen]]) sowie die bayerische [[Rheinkreis|Rheinpfalz]] ([[Pfälzischer Aufstand]]) Zentren entsprechender Aufstände. ** 3.–9. Mai: Die Ausrufung einer sächsischen Republik scheitert im [[Dresdner Maiaufstand]], der von preußischen Truppen niedergeschlagen wird. ** 11. Mai: [[Meuterei]] der badischen Garnison in [[Rastatt]]: Beginn des Badischen Maiaufstands. * 1. Juni: In Baden wird die Republik ausgerufen. [[Lorenz Brentano]] übernimmt den Vorsitz der provisorischen Regierung. Preußische Truppen beginnen, gegen Baden vorzurücken. * 6.–18. Juni: Das [[Rumpfparlament (Deutschland)|Rumpfparlament]] als verbliebener Rest der Nationalversammlung tagt in [[Stuttgart]], es wird am 18. Juni von [[Württembergische Armee|württembergischen Truppen]] aufgelöst. * 23. Juli: Einnahme Rastatts durch preußische Truppen, Ende der [[Badische Revolution|Badischen Revolution]] und symbolischer Endpunkt der Deutschen Revolution 1848/49 ==== Nachwirkungen bis Oktober 1849 ==== * 6. August: Mailänder Friedensvertrag zwischen Österreich und Sardinien-Piemont * 23. August: Österreichische Truppen schlagen die revolutionäre Republik Venedig nieder. Oberitalien ist wieder in österreichischer Hand. * 3. Oktober: Die letzten ungarischen Revolutionäre kapitulieren gegenüber den Österreichern in der Festung [[Komorn]]. == Entwicklungen in den Ländern == === Baden === [[Datei:Friedrich Hecker.png|thumb|Verklärende Darstellung [[Friedrich Hecker]]s (1811–1881)]] Schon am 27. Februar 1848 war es in [[Mannheim]] zu einer [[Volksversammlung]] gekommen, bei der grundlegende Forderungen der Revolution vorweg genommen wurden. Die badischen Revolutionäre, insbesondere ihr stark vertretener [[Demokratie|radikaldemokratischer]] Flügel, verlangten die weitestgehenden Veränderungen. Unter Führung der [[Advokat]]en [[Friedrich Hecker]] und [[Gustav von Struve|Gustav Struve]] forderten sie unter anderem die Schaffung einer tatsächlichen [[Volkssouveränität]], Abschaffung der [[Adelsprivilegien]], [[Volksbewaffnung]] und eine [[Steuerprogression|progressive Einkommensteuer]]. Damit stellten sie auch schon sozialrevolutionäre und sozialistische Forderungen auf. Struve und Hecker hatten als Vertreter des linken Flügels im Frankfurter [[Vorparlament]], das die Wahl zu einer verfassunggebenden Nationalversammlung vorbereiten sollte, eine föderative deutsche [[Republik]] mit nicht nur politischen, sondern auch sozialen Veränderungen gefordert. Ein entsprechendes von Struve veröffentlichtes Programm wurde aber von der Mehrheit des Vorparlaments abgelehnt. [[Datei:Schlacht bei Kandern 1848.jpg|thumb|Zeitgenössische Lithographie des Gefechts bei Kandern aus der Perspektive der Revolutionäre am 20. April 1848, bei der der Heckeraufstand niedergeschlagen wurde]] Daraufhin versuchten Hecker, Struve und deren Anhänger ihre Vorstellungen auf eigenem Weg, von [[Südwestdeutschland]] ausgehend, beim so genannten „''[[Heckerzug|Heckeraufstand]]''“ durchzusetzen. In [[Konstanz]] riefen sie angeblich am 12.&nbsp;April 1848 gemeinsam mit dem [[Bonn]]er Hochschullehrer [[Gottfried Kinkel]] und anderen die Republik aus; allerdings erwähnt dies keine der drei [[Konstanz]]er Zeitungen in ihren Berichten über die betreffende Rede. Der [[Heckerzug]] machte sich mit etwa 1200 Mann Richtung [[Rheinebene]] auf, wo er sich mit einem Zug unter Führung des linksrevolutionären Dichters [[Georg Herwegh]] und dessen als Kundschafterin eingesetzter Frau [[Emma Herwegh|Emma]], der aus Frankreich kommenden „[[Deutsche Demokratische Legion|Deutschen Demokratischen Legion]]“, vereinigen und in die badische Hauptstadt [[Karlsruhe]] marschieren wollte, um von dort aus die Republik in ganz Baden durchzusetzen. Beide Gruppen wurden aber in kurzer Zeit von regulärem Militär besiegt und aufgerieben: Heckers Freischar am 20. April 1848 in einem Gefecht bei [[Kandern]] im [[Schwarzwald]], Herweghs Freischar eine Woche später bei [[Schwörstadt#Dossenbach|Dossenbach]]. Hecker konnte ins [[Exil]] entkommen, das ihn über die [[Schweiz]] letztlich in die [[USA]] führte. Seine Niederlage nahm der Heidelberger Dichter [[Karl Gottfried Nadler]] zum Anlass für seine Spottballade „''Guckkastenlied vom großen Hecker''“. [[Datei:Gustav struve.jpg|thumb|[[Gustav Struve]] (1805–1870)]] Ein weiterer Aufstand Struves im September 1848 in [[Lörrach]], wo er mit seinen Anhängern am 21. September die Republik ausgerufen hatte, scheiterte ebenfalls. Struve wurde gefangen genommen und bei einem [[Hochverrat]]sprozess in Freiburg mit einigen anderen Revolutionären zu einer Haftstrafe verurteilt, bis er bei den Maiunruhen 1849 wieder befreit wurde. Die weitere revolutionäre Entwicklung Badens beschränkte sich danach im Wesentlichen zunächst auf die Auseinandersetzungen in der [[Frankfurter Nationalversammlung]]. Im Mai 1849 kam es, nachdem die Nationalversammlung in Frankfurt gescheitert war, neben anderen deutschen Staaten auch in Baden zu weiteren Aufständen, den so genannten [[Maiaufstände]]n im Rahmen der [[Reichsverfassungskampagne]]. Die Demokraten wollten dabei die Anerkennung ihrer jeweiligen Regierungen in einer Reichsverfassung erzwingen. In der Bundesfestung [[Rastatt]] meuterte am 11. Mai die badische Garnison. Wenige Tage später floh [[Großherzog]] [[Leopold (Baden)|Leopold]] von Baden nach [[Koblenz]]. Am 1. Juni 1849 übernahm eine provisorische Regierung unter dem liberalen [[Politiker]] [[Lorenz Brentano]] die Regierungsgewalt. Es kam zu Kämpfen gegen [[Bundesheer (Deutscher Bund)|Bundestruppen]] und die [[preußische Armee]] unter Führung des „Kartätschenprinzen“ [[Wilhelm I. (Deutsches Reich)|Wilhelm von Preußen]], des späteren deutschen Kaisers Wilhelm I. Die badische [[Revolutionsarmee]] konnte dem Druck der Übermacht der preußischen Truppen nicht standhalten. Die badischen Revolutionäre standen im Juni 1849 unter der Führung des polnischen Revolutions[[general]]s [[Ludwik Mieroslawski]]. Mieroslawski war ein taktisch geschickter und erfahrener [[Soldat]] der Revolution. Er hatte im Zuge der Märzrevolution auch schon den Aufstand der Posener [[Polen]] 1848 gegen die preußische Vorherrschaft und andere vorausgegangene polnische Aufstände angeführt (siehe Unterartikel '''Posen, Polen'''). Mieroslawski trat jedoch bereits am 1. Juli 1849 als Befehlshaber der badischen Revolutionstruppen zurück; er war resigniert von der zögerlichen Haltung der Regierung Brentanos, der auf Verhandlungen setzte und eine von den Radikalen geforderte allgemeine Volksbewaffnung hinauszögerte. Des Weiteren war die [[Moral]] der Truppe zurückgegangen, sodass Mieroslawski letztlich die militärische Lage für einen Erfolg der badischen Republik als aussichtslos betrachtete. Die Unentschlossenheit Brentanos hatte noch Ende Juni 1849 zu dessen Sturz durch Gustav Struve und seine Anhänger geführt. Aber dieser Schritt konnte den Auflösungsprozess der Revolutionstruppen nicht aufhalten. Ohne einheitliche militärische Führung waren die noch übrigen überzeugten Freischärler nahezu chancenlos. Der Niedergang der badischen Revolution war im Grunde besiegelt. Auf Seiten der badischen Revolutionäre war auch der Sozialist [[Friedrich Engels]] aktiv an den Kämpfen beteiligt. Engels war 1848/49 Redakteur der von [[Karl Marx]] herausgegebenen [[Neue Rheinische Zeitung|Neuen Rheinischen Zeitung]] und kritisch-sympathisierender Beobachter der Revolution. Ein Jahr zuvor, im Februar 1848, hatte Engels zusammen mit [[Karl Marx]] im Auftrag des [[Bund der Kommunisten|Bundes der Kommunisten]] ''[[Das Kommunistische Manifest]]'' herausgegeben. Auch der zu der Zeit noch relativ unbekannte [[Wilhelm Liebknecht]], der spätere Mitbegründer der [[Sozialdemokratische Arbeiterpartei (Deutschland)|Sozialdemokratischen Arbeiterpartei]] (SDAP), der Vorläuferpartei der [[Sozialdemokratische Partei Deutschlands|SPD]], war unter anderem als Adjutant Gustav Struves auf der Seite der Revolutionäre aktiv. Als am 23. Juli 1849 nach dreiwöchiger [[Belagerung]] die [[Festung]] Rastatt fiel, war die [[badische Revolution]] endgültig gescheitert. 23 Revolutionäre wurden hingerichtet, einige andere wie [[Gustav Struve]], [[Carl Schurz]] und [[Lorenz Brentano]] konnten sich ins [[Exil]] absetzen. Insgesamt verließen nach der Revolution etwa 80.000 Badener ihr Land. Das waren etwa 5 % der Bevölkerung. Einige der prominenten Revolutionäre setzten später in den USA ihr politisches [[Engagement]] für demokratische Ziele fort und machten dort politische Karriere. Carl Schurz wurde 1877 [[Innenminister]] der USA und war bis 1881 in diesem Amt. Kennzeichnend für die badische Revolution im Unterschied zu den anderen Aufständen im [[Deutscher Bund|Deutschen Bund]] war, dass die Forderung nach einer [[Demokratie|demokratischen]] [[Republik]] am konsequentesten vertreten wurde. Dagegen wurde in den [[Gremium|Gremien]] und Revolutionsparlamenten der anderen [[Fürstentum|Fürstentümer]] des Deutschen Bundes mehrheitlich eine [[konstitutionelle Monarchie]] mit Erbkaisertum favorisiert. === Preußen, Posen, Polen === ==== Preußen ==== [[Datei:1848 berlin barrikaden.jpg|thumb|Jugendliche Barrikadenkämpfer 1848 in Berlin]] Unter dem Druck der revolutionären Ereignisse in [[Berlin]] seit dem 6. März 1848 gab der preußische König [[Friedrich Wilhelm IV.]] zunächst nach und machte Zugeständnisse. Er willigte ein, den [[Preußischer Landtag|Landtag]] einzuberufen, die [[Pressefreiheit]] einzuführen, die [[Zollschranke]]n zu beseitigen und den [[Deutscher Bund|Deutschen Bund]] zu reformieren. Nach der Verlesung des entsprechenden [[Patent]]s am 18. März fielen zwei Schüsse aus Militärgewehren und vertrieben Tausende der auf dem Schlossplatz versammelten Bürger. Daraufhin kam es in [[Berlin]] zum [[Barrikadenaufstand]] und zu Straßenkämpfen der Revolutionäre gegen die regulären preußischen [[Truppe]]n, bei denen sich die Aufständischen vorerst durchsetzen konnten. Am 19. März wurden die Truppen auf Befehl des Königs aus Berlin abgezogen. Mehrere Hundert Tote und über Tausend Verletzte auf beiden Seiten waren die Folge dieser Kämpfe. [[Datei:FdM.JPG|thumb|left|Friedhof der Märzgefallenen, Berlin-Friedrichshain]] Der König sah sich gezwungen, den getöteten Revolutionären seine Achtung zu erweisen. Er verneigte sich am 19. März vor den aufgebahrten „[[Märzgefallene]]n“, bevor sie am 22. März auf dem bis heute so genannten „[[Friedhof der Märzgefallenen]]“ beerdigt wurden, und zeigte sich öffentlich mit einer Binde in den Farben der Revolution ([[Schwarz-Rot-Gold]]). Am Tag darauf schrieb er insgeheim seinem Bruder, dem Prinzen Wilhelm: „Die Reichsfarben musste ich gestern freiwillig aufstecken, um Alles zu retten. Ist der Wurf gelungen …, so lege ich sie wieder ab!“ In einem Aufruf an „Mein Volk und die deutsche Nation“ versprach er das Aufgehen Preußens in Deutschland. Am 29. März 1848 wurde ein liberales [[Märzregierung|Märzministerium]] eingesetzt, das sich aber nicht gegen [[Adel]] und Militär durchsetzen konnte. Am 20. Juni 1848 wurde es wieder abgeschafft. [[Datei:Zeughaussturm1.jpg|thumb|Karikatur zum Berliner Zeughaussturm]] Als Ende Mai 1848 die Ereignisse sich etwas beruhigt hatten, vollzog der König eine reaktionäre Kehrtwendung. Mit dem [[Berliner Zeughaussturm]] kam es am 14. Juni erneut zu einem revolutionären Aufwallen. Das Volk bewaffnete sich aus dem Waffenarsenal. Am 2. November 1848 wurde General [[Friedrich Wilhelm Graf von Brandenburg]] zum Ministerpräsidenten von Preußen ernannt. Eine Woche später kehrten die königlichen Truppen nach Berlin zurück. An der folgenden [[Konterrevolution]] in Preußen war auch der konservative Abgeordnete [[Otto von Bismarck]] beteiligt, der später preußischer [[Ministerpräsident]] und schließlich [[Reichskanzler]] des 1871 gegründeten Deutschen Reiches wurde. Die seit dem 22. Mai stattfindenden Verhandlungen der [[Preußische Nationalversammlung|preußischen Nationalversammlung]] über eine [[Verfassung]], die seit 1815 von Friedrich Wilhelm IV. und seinem Vorgänger immer wieder zugesagt, aber nie verwirklicht worden war, blieben letztlich erfolglos. Der im Juli 1848 vorgelegte Verfassungsentwurf, die [[Charte Waldeck|„Charte Waldeck“]], die einige liberaldemokratische Reformen vorsah, wurde sowohl von den [[Konservatismus|konservativen]] Abgeordneten als auch vom König abgelehnt. [[Datei:Aufloesung-preussische-nv.jpg|thumb|Auflösung der preußischen Nationalversammlung, zeitgenössische Darstellung, November 1848]] Am 15. November 1848 ließ der König die preußische Nationalversammlung auflösen und oktroyierte am 5. Dezember selbst eine Verfassung, die weit hinter den Forderungen der Märzrevolution zurückblieb. Die Machtposition des Königs blieb dabei unangetastet. Dieser behielt sich das [[Vetorecht]] gegen alle Beschlüsse des preußischen Landtags vor, sowie das Recht, das Parlament jederzeit auflösen zu können. Das Staatsministerium – die preußische Regierung – war nicht dem [[Parlament]], sondern nur dem König gegenüber rechenschaftspflichtig. Dennoch enthielt die oktroyierte Verfassung zunächst noch einige aus der „Charte Waldeck“ übernommene liberale Zugeständnisse, die allerdings in den Folgemonaten modifiziert wurden. Ende Mai 1849 wurde die Nationalversammlung durch das preußische [[Preußisches Abgeordnetenhaus|Abgeordnetenhaus]], [[zweite Kammer]], ersetzt. Es wurde ein [[Dreiklassenwahlrecht]] eingeführt, um die [[Vorherrschaft]] der Besitzenden zu sichern. Dieses undemokratische [[Wahlrecht]] blieb in Preußen bis 1918 in Kraft. Diese Reaktion führte vor allem in den westlichen Provinzen Preußens zu Gegenbewegungen. In ehemals liberal oder katholisch dominierten Wahlkreisen Rheinlands und der [[Provinz Westfalen]] wurden bei den Neuwahlen zum preußischen Abgeordnetenhaus vielfach demokratische Abgeordnete gewählt. Die Truppen des Königs hatten jedoch spätestens im Mai 1849 mit dem Scheitern des [[Iserlohner Aufstand von 1849|Iserlohner Aufstands]] in Westfalen und des [[Prümer Zeughaussturm]]s im Rheinland die Überhand über die Revolution gewonnen. ==== Posen, Polen ==== [[Datei:Karte kongresspolen.png|thumb|Karte des dreigeteilten Polen nach dem Wiener Kongress]] Das überwiegend von Polen bewohnte [[Großherzogtum Posen]] war 1848 eine [[Preußen#Verwaltungsgliederung|preußische Provinz]]. Der ehemalige litauisch-polnische Staat war schon im 18. Jahrhundert ein politischer Spielball der europäischen Großmächte. Nach mehreren [[Teilungen Polens|Teilungen]] unter Russland, Preußen und Österreich hörte der Staat 1795 auf zu bestehen. Anfang des 19. Jahrhunderts gab es nur von 1807 bis 1815 einen unter napoleonischem Schutz stehenden polnischen [[Vasall]]enstaat, das [[Herzogtum Warschau]] unter Herzog [[Friedrich August I. (Sachsen)|Friedrich August I.]] von Sachsen, der auch König von Sachsen war. Nach dem Sieg der Teilungsmächte über Napoleon wurde das Herzogtum Warschau auf dem [[Wiener Kongress]] im Jahr 1815 zwischen Russland und Preußen geteilt, wobei eine Verpflichtung zur Sicherung des polnischen Volkstums der Bewohner anerkannt wurde. In der Folgezeit bildeten sich in den polnischen Gebieten Russlands, Preußens und Österreichs immer wieder Verschwörungen mit dem Ziel, ein eigenständiges Polen neu zu errichten. Im Gefolge der französischen [[Julirevolution (Frankreich)|Julirevolution]] 1830 kam es dadurch im russischen Teilgebiet zu einem schließlich erfolglosen Aufstand. [[Datei:LudwikMieroslawski.png|thumb|left|[[Ludwik Mieroslawski]] (1814-1878)]] 1846 war zuletzt ein geheim geplanter polnischer Aufstand im Großherzogtum Posen aufgedeckt und schon im Keim niedergeschlagen worden. Dessen Anführer, der polnische Revolutionär [[Ludwik Mieroslawski]], wurde gefangen genommen, im Dezember 1847 in Berlin zum Tode verurteilt, dann aber mit sieben anderen am 11. März 1848 zu lebenslänglicher Haft begnadigt. Nach den Kämpfen am 18. und 19. März 1848 in Berlin wurden 90 polnische Revolutionäre, unter ihnen auch Mieroslawski und Carol Libelt, aus dem Gefängnis in Moabit entlassen. Im Anfangsstadium der Märzrevolution, die in Europa als [[Völkerfrühling]] empfunden wurde, herrschte unter den Revolutionären noch eine polenfreundliche Haltung vor, die den folgenden Aufstand in Posen zunächst begrüßte und begünstigte. Ludwik Mieroslawski stellte sich kurz nach seiner Befreiung im April und Mai 1848 an die Spitze des Aufstands der Posener Polen gegen die preußische Herrschaft, die nun als ''deutsch'' empfunden wurde. Der Aufstand richtete sich gegen die Einbeziehung überwiegend polnischer Gebiete in die Wahlen zur [[Frankfurter Nationalversammlung]] und damit gegen die Inkorporation eines Teils von Polen in einen deutschen Nationalstaat. Ferneres Ziel war eine Vereinigung ganz Polens. Insofern zielte die Revolution in Posen auch auf die Befreiung des Königreichs Polen, des so genannten „[[Kongresspolen]]s“, das seit 1831 nach dem Verlust der Autonomie, als Provinz unter direkter russischer Herrschaft stand. Im Zuge des Revolutionsverlaufs in Preußen, wo zunehmend wieder konservative Kräfte die Lage zu bestimmen begonnen hatten, war auch die anfängliche Polenbegeisterung einer nationalistischeren Haltung in Preußen gewichen. Außerdem wollte der preußische König Friedrich Wilhelm IV. wegen des Posener Aufstands keinen Krieg mit Russland riskieren. Am 9. Mai 1848 wurde der Aufstand der Posener Polen von einer Übermacht preußischer Truppen niedergeschlagen und Mieroslawski erneut verhaftet. Auf Intervention des revolutionären Frankreichs wurde er nach kurzer Zeit begnadigt und nach Frankreich ausgewiesen - bis er im Juni 1849 von den badischen Revolutionären gerufen wurde, die ihn an die Spitze ihres Revolutionsheeres setzten (siehe Unterartikel '''[[Deutsche Revolution 1848/49#Baden|Baden]]'''). Nach der Revolution von 1848 hatten die Polen in Preußen erkannt, dass eine gewaltsame Erhebung zu keinem Erfolg führen wird. Als Methode zur Erhaltung des nationalen Zusammenhalts und zur Abwehr der preußischen [[Germanisierung]]spolitik gewann die ''[[organische Arbeit]]'' in dem nunmehr konstitutionellen preußischen Staat immer größere Bedeutung. === Österreich, Böhmen, Ungarn, Italien und erster italienischer Unabhängigkeitskrieg === :''Hauptartikel: [[Revolution von 1848/49 im Kaisertum Österreich]]'' ==== Österreich ==== Im [[Habsburger]]reich und [[Vielvölkerstaat]] [[Kaisertum Österreich|Österreich]] wurde die [[Monarchie]] nicht nur von heftigen Aufständen im Kernland Österreich selbst, sondern auch von weiteren revolutionären Unruhen bedroht, so etwa in Böhmen, in Ungarn, und in [[Oberitalien]]. Das Königreich [[Sardinien-Piemont]] unterstützte die Revolutionäre militärisch. Während die ungarischen, böhmischen und italienischen Erhebungen unter anderem die [[Unabhängigkeit (Politik)|Unabhängigkeit]] von der österreichischen Vorherrschaft anstrebten, hatte die Revolution im [[Kernland]] Österreich ähnlich wie in den anderen Staaten des deutschen Bundes eine liberale und demokratische Veränderung der Regierungspolitik und das Ende der Restauration zum Ziel. [[Datei:Fluchtkarikatur-metternich.jpg|thumb|Zeitgenössische Karikatur zur Flucht Metternichs (März 1848)]] [[Datei:József Heicke23.jpg|thumb|Barrikadenbau der Revolutionäre in Wien, Mai 1848]] [[Datei:Maerzrevolution.JPG|thumb|Verfassungsversprechen Ferdinands I. vom 15. März 1848]] Auch in Österreich war es 1847/1848 zu einem Hungerwinter gekommen. Die wirtschaftliche Not traf die benachteiligten Bevölkerungsgruppen am härtesten. Auch in der Arbeiterschaft war nun die Wut auf das überkommene politische System kurz vor dem Überlaufen. Werke wie [[Alfred Meissner]]s ''Neue Sklaven'' oder [[Karl Isidor Beck|Karl Beck]]s Gedicht ''Warum wir arm sind'' geben ein anschauliches Bild von der Wut und Verzweiflung, die unter der Bevölkerung herrschte. Schließlich kam es am 13. März 1848 in [[Wien]] mit dem Sturm auf das [[Ständehaus]] und Anschlägen von [[Sozialrevolutionäre]]n gegen Läden und Fabriken in den Vorstädten zum Ausbruch der Revolution in Österreich. Das Lied ''Was kommt dort von der Höh'', wobei sich die „Höh'“ auf die Polizei und die Kasernen bezog, wurde zum Lied der Revolution. Es wird heute noch von diversen Studentenverbindungen gesungen, um der Beteiligung der Akademischen Legion zu gedenken. Vor dem Sturm auf das Ständehaus wurden in einer schon am 3. März 1848 vom ungarischen [[Nationalist]]enführer [[Lajos Kossuth]] verfassten Rede der Unmut gegen das politische System und die Forderungen der Revolutionäre nach einer konstitutionellen Umwandlung der Monarchie und nach Verfassungen für die österreichischen Länder ausgedrückt. Diese Rede wurde in der Ständeversammlung von [[Adolf Fischhof]] verlesen. Der Versuch, eine [[Petition]] an Kaiser Ferdinand zu überbringen, entwickelte sich zu einem regelrechten Demonstrationszug, sodass [[Albrecht Friedrich von Österreich|Erzherzog Albrecht]] den Befehl zum Feuern gab und es zu den ersten Todesopfern kam. Am Abend desselben Tages trat der inzwischen 78-jährige [[Staatskanzler (Österreich)|Staatskanzler]] Fürst [[Klemens Wenzel Lothar Nepomuk von Metternich|Metternich]], die verhasste Symbolfigur der Restauration, zurück und floh nach [[England]]. Dieses Ereignis wurde zum Beispiel durch [[Hermann Rollett]]s Gedicht ''Metternichs Linde'' thematisiert. Am 14. März machte Kaiser [[Ferdinand I. (Österreich)|Ferdinand I.]] erste Zugeständnisse: Er billigte die Errichtung einer [[Nationalgarde]] und hob die [[Zensur (Informationskontrolle)|Zensur]] auf. Am folgenden Tag präzisierte er dies dahingehend, dass er „''vollkommene [[Pressefreiheit|Preßfreiheit]] gewährt''“ habe und versprach zugleich den Erlass einer Verfassung (das so genannte Verfassungsversprechen vom 15. März 1848, siehe Bild nebenan). Am 17. März wurde die erste verantwortliche Regierung gebildet; deren Innenminister [[Franz von Pillersdorf]] entwarf die nach ihm so benannte [[Pillersdorfsche Verfassung]], welche zum Geburtstagsfest des Kaisers am 25. April 1848 kundgemacht wurde. Diese Verfassung hatte [[Konstitutionalismus|frühkonstitutionellen Charakter]]; vor allem das [[Zweikammernsystem]] und die am 9. Mai veröffentlichte Reichstags-Wahlordnung sorgten für Empörung, worauf es zu neuerlichen Unruhen kam („Mairevolution“). Aufgrund der „Sturmpetition“ vom 15. Mai wurde die Verfassung dahin abgeändert, dass der Reichstag nur aus einer Kammer bestehen sollte und überdies „konstituierend“ erklärt wurde, das heißt, sie hatte den Auftrag, eine definitive Verfassung erst zu erstellen; die Pillersdorfsche Verfassung blieb als Provisorium in Geltung. Der überforderte führungsschwache Kaiser brachte sich am 17. Mai 1848 durch seine Flucht nach [[Innsbruck]] vor den sich verstärkenden Unruhen in Sicherheit. Am 16. Juni schlugen österreichische Truppen unter [[Alfred I. zu Windisch-Graetz|Alfred Fürst zu Windischgrätz]] den Prager [[Pfingstaufstand]] nieder. Am 22. Juli 1848 wurde der konstituierende österreichische [[Reichstag (Österreich)|Reichstag]] mit 383 Delegierten aus Österreich und den slawischen Ländern von [[Erzherzog Johann]] eröffnet. Unter anderem wurde dort Anfang September die [[Bauernbefreiung]] von der [[Erbuntertänigkeit]] beschlossen. Als Folge der Ereignisse in Ungarn seit dem 12. September 1848, bei denen unter Führung von [[Lajos Kossuth]] der ungarische Aufstand in eine kriegerische Auseinandersetzung gegen die kaiserlichen Truppen mündete, und infolge der Ermordung des österreichischen [[Kriegsminister]]s [[Theodor Baillet von Latour|Theodor Graf Baillet von Latour]] am 6. Oktober, kam es in Wien zur 3. Phase der österreichischen Revolution, der so genannten Wiener „[[Wiener Oktoberaufstand 1848|Oktoberrevolution]]“. In deren Verlauf gelang es den Wiener Bürgern, Studenten und Arbeitern, die Hauptstadt in ihre Gewalt zu bringen, nachdem die Regierungstruppen geflohen waren. Aber die Revolutionäre konnten sich nur kurze Zeit halten. Am 23. Oktober wurde Wien von [[konterrevolution]]ären Truppen aus [[Kroatien]] unter dem [[Banus]] [[Joseph Jelačić von Bužim|Joseph Jellačić]] und aus dem böhmischen [[Prag]] unter [[Marschall|Feldmarschall]] [[Alfred I. zu Windisch-Graetz|Alfred Fürst zu Windischgrätz]] eingeschlossen. Trotz des heftigen, aber aussichtslosen Widerstands der Wiener Bevölkerung, wurde die Stadt nach einer Woche von den kaiserlichen Truppen wieder eingenommen. Um die 2000 Aufständische waren gefallen. Weitere Anführer der Wiener Oktoberrevolution wurden zum Tode oder zu langen [[Haftstrafe]]n verurteilt. [[Datei:RB-Hinrichtung.jpeg|thumb|Hinrichtung Robert Blums; Gemälde von [[Carl Steffeck]], 1848/49]] Unter den [[standrecht]]lich erschossenen Opfern war neben anderen auch der [[Popularität|populäre]] linksliberal-republikanische Abgeordnete der [[Frankfurter Nationalversammlung]] [[Robert Blum]], der am 9. November 1848 trotz seiner parlamentarischen [[Politische Immunität|Immunität]] hingerichtet wurde und damit zu einem [[Märtyrer]] der Revolution wurde. Literarisch wurde dieses Ereignis im (Volks-)''„Lied von Robert Blum“'' verarbeitet, welches aber vorwiegend in den deutschen Staaten außerhalb Österreichs gesungen wurde. Am 2. Dezember 1848 kam es in Österreich zum [[Thronwechsel]]. Die revolutionären Ereignisse hatten die Führungsschwäche von Kaiser Ferdinand I. verdeutlicht. Auf Initiative des österreichischen Ministerpräsidenten, [[Feldmarschallleutnant]] [[Felix zu Schwarzenberg|Felix Fürst zu Schwarzenberg]] dankte Ferdinand ab und überließ den [[Thron]] seinem 18-jährigen Neffen Franz, der den Kaisernamen [[Franz Joseph I. (Österreich-Ungarn)|Franz Joseph I.]] annahm. Mit diesem Namen lehnte er sich bewusst an seinen Urgroßonkel [[Joseph II. (HRR)|Joseph II.]] (1741–1790) an, dessen Politik für [[Reform]]freudigkeit gestanden hatte. Damit war die Revolution in Österreich niedergeschlagen. Die im März ausgearbeitete Verfassung trat nie in Kraft. Allerdings blieben die Ereignisse in Ungarn und Italien zunächst noch ein Hindernis für Franz Joseph I., seinen Machtanspruch im ganzen Habsburgerreich durchzusetzen. Kulturell war das Jahr 1848 durch die kurzfristige Aufhebung der Zensur geprägt. Dies hatte zur Folge, dass eine Vielzahl von Werken veröffentlicht wurde, Zeitschriften aus dem Boden schossen und wieder verschwanden und sich die Schreibkultur grundlegend wandelte. [[Friedrich Gerhard]]s ''„Die Presse frei!“'', [[M. G. Saphir]]s ''„Der tote Zensor“'', das ''Zensorlied'' oder [[Ferdinand Sauter]]s ''„Geheime Polizei“'' geben ein Bild von der Aufbruchsstimmung. Es wurde auch scharfe Kritik am bestehenden System geübt. Beispiele dafür finden sich in [[Johann Nestroy]]s ''[[Freiheit in Krähwinkel]]'', ''Skizzen zu [[Höllenangst]]'', ''[[Lady und Schneider]]'' oder ''[[Die Lieben Anverwandten]]'' (1848), in den politischen Gedichte von [[Anastasius Grün]] sowie in den Schriften von [[Franz Grillparzer]]: ''„Dem Vaterlande“'' und ''„Gedanken zur Politik“''. ==== Böhmen ==== [[Datei:Praha Barricades 1848.jpg|thumb|Zeitgenössische Bilderreihe mit Szenen des Prager Pfingstaufstandes]] Im Juni 1848 kam es in Böhmen zum [[Prager Pfingstaufstand]]. Dem Aufstand ging der ebenfalls in Prag vom 2. bis 12. Juni abgehaltene [[Slawenkongress]] voraus, an dem neben [[Posen]]er [[Polen]] und slawischen Österreichern als einziger Russe auch der Anarchist [[Michail Bakunin]] teilnahm. Die Teilnehmer des Kongresses verlangten die Umwandlung der Donaumonarchie in einen Bund gleichberechtigter Völker. Ausdrücklich verworfen wurde die Forderung nach einem tschechischen Nationalstaat, stattdessen wurden lediglich Autonomierechte gegenüber der österreichischen Zentralregierung angestrebt. Der österreichische Kaiser Franz [[Ferdinand I. (Österreich)|Ferdinand I.]] lehnte diese Forderungen strikt ab. Darauf begannen tschechische Revolutionäre den Pfingstaufstand gegen die österreichische Herrschaft. Der Aufstand wurde am 16. Juni 1848 von österreichischen Truppen unter [[Alfred I. Fürst zu Windisch-Graetz|Alfred Fürst von Windisch-Grätz]] niedergeschlagen. ==== Ungarn ==== In Ungarn, wo am 12. September 1848 [[Lajos Kossuth]], bis dahin [[Finanzminister]] und Vorsitzender des [[Verteidigungsausschuss]]es, den liberalen [[Ministerpräsident]]en [[Lajos Batthyány]] ablöste, wurde dem österreichischen Kaiser Ferdinand I. als Folge der revolutionären Ereignisse in Österreich die Anerkennung als [[Liste der ungarischen Herrscher|König von Ungarn]] verwehrt. Der kaiserliche Erlass der [[Oktroyierte Märzverfassung|Oktroyierten Märzverfassung]] führte am 7. März 1849 zum Unabhängigkeitsaufstand. Um den Aufstand niederzuschlagen, marschierte eine kaiserliche Armee unter [[Alfred I. Fürst zu Windisch-Graetz|Alfred Fürst zu Windischgrätz]] in Ungarn ein. Diese musste sich jedoch am 10. April 1849 vor dem mit [[Freischar]]en und polnischen Emigranten verstärkten Revolutionsheer zunächst zurückziehen. [[Datei:KossuthLitho.JPG|thumb|[[Lajos Kossuth]] (1802–1894), Lithographie von Jacott]] Am 14. April 1849 erklärte der [[Reichstag (Ungarn)|ungarische Reichstag]] seine [[Unabhängigkeit (Politik)|Unabhängigkeit]] vom Hause [[Habsburg-Lothringen]] und rief die [[Republik]] aus. Kossuth wurde daraufhin zum ungarischen [[Reichsverweser]] erklärt. Er hatte als solcher [[Diktatur|diktatorische]] Vollmachten. Die anderen europäischen Staaten erkannten jedoch die Unabhängigkeit nicht an. Daher leisteten [[Russland|russische]] Truppen der österreichischen Armee Beistand, und schlugen schließlich gemeinsam die ungarische Revolution nieder. Am 3. Oktober 1849 kam es in der Festung [[Komorn|Komárom]] zur [[Kapitulation]] der letzten ungarischen Einheiten. In den darauf folgenden Tagen und Wochen wurden über hundert Anführer des ungarischen Aufstands in [[Arad (Rumänien)|Arad]] hingerichtet. Am 6. Oktober 1849, dem ersten Jahrestag des Wiener Oktoberaufstands, folgte die [[Hinrichtung]] des ehemaligen Ministerpräsidenten Batthyány in [[Pest (Stadt)|Pest]]. Lajos Kossuth, der politisch bedeutendste Vertreter der ungarischen [[Freiheitsbewegung]], konnte sich im August 1849 ins [[Exil]] absetzen. Bis zu seinem Tod 1894 in [[Turin]] trat er für die Unabhängigkeit Ungarns ein. :''Siehe auch'': [[Ungarische Revolution 1848/1849]], [[Slowakischer Aufstand]] ==== Italienische Provinzen und Staaten ==== [[Datei:Giuseppe Mazzini.jpg|thumb|Giuseppe Mazzini (1805–1872)]] [[Datei:Garibaldi.jpg|thumb|[[Giuseppe Garibaldi]] (1807–1882)]] [[Datei:Sanesi - La proclamazione della Repubblica di San Marco, Marzo 1848 - litografia - ca. 1850.jpg|thumb|Ausrufung der Repubblica di San Marco in der Lagune von Venedig vor dem [[Dogenpalast]] am 23. März 1848 (Lithografie von Sanesi, ca. 1850)]] [[Italien]] bestand im 19. Jahrhundert, nach der militärischen Beendigung der napoleonischen [[Hegemonie]] in [[Europa]] und auch in den italienischen Fürstentümern, aus verschiedenen Einzelstaaten. Die oberitalienischen Gebiete ([[Lombardei]], [[Venetien]], die [[Toskana]] und [[Modena]]) standen unter österreichischer Oberhoheit. Spätestens seit den 1820er Jahren war es zu den Aufständen des [[Risorgimento]] („Wiedererstehung“) gekommen, die einen italienischen Einheitsstaat anstrebten, und sich damit auch gegen die österreichische Herrschaft in [[Oberitalien]] richteten. Aus dem Untergrund besonders aktiv waren dabei die Gruppen um die radikaldemokratischen [[Nationalrevolutionär]]e [[Giuseppe Mazzini]] und [[Giuseppe Garibaldi]] in den 1830er Jahren, als sie in verschiedenen Regionen Italiens im Gefolge der französischen Julirevolution mehrere Aufstände initiierten, die jedoch alle scheiterten. Auch in der Zeit der Märzrevolution spielten diese Revolutionäre in Italien eine wichtige Rolle. Mazzinis Thesen von einem geeinten freien Italien in einem von den monarchischen [[Dynastie]]n befreiten Europa der Völker, die in der verbotenen Zeitung ''Giovine Italia'' („[[Junges Italien]]“) verbreitet wurden, hatten nicht nur Einfluss auf die Revolutionen in den italienischen Staaten, sondern waren auch bedeutsam für die radikaldemokratischen Strömungen in vielen anderen Regionen Europas. Die revolutionären Ereignisse von 1848 fanden nicht nur in Norditalien, sondern auch in anderen Provinzen Italiens starken Widerhall. Schon im Januar 1848 war es in [[Sizilien]], in [[Mailand]], [[Brescia]] und [[Padua]] zu ersten Erhebungen italienischer [[Freiheitskämpfer]] gegen die Vorherrschaft der Bourbonen im Süden und die der Österreicher im Norden gekommen, die sich am 17. März 1848 in [[Venedig]] und [[Mailand]] verstärkten. In Mailand erklärten die Revolutionäre die Unabhängigkeit der [[Lombardei]] von Österreich und den Anschluss ans Königreich [[Sardinien-Piemont]]. Diese Situation führte schließlich zum Krieg zwischen [[Sardinien-Piemont]] und Österreich (vgl. [[Italienische Unabhängigkeitskriege#Erster Unabhängigkeitskrieg|Erster Italienischer Unabhängigkeitskrieg]]). König [[Carlo Alberto I.|Karl Albert]] von Sardinien-Piemont, der schon am 4. März 1848 in seinem Staat eine an Frankreich orientierte [[Repräsentativverfassung]] erlassen hatte, mit der er eine [[konstitutionelle Monarchie]] einführte, wollte die revolutionäre Stimmung nutzen, um Italien unter seiner Führung zu einen. Nach anfänglichen Erfolgen Karl Alberts wurden jedoch am 25. Juli 1848 bei der [[Schlacht bei Custozza (1848)|Schlacht von Custozza]] in der Nähe des [[Gardasee]]s die Truppen des Königs von den Österreichern unter Feldmarschall [[Josef Wenzel Graf Radetzky von Radetz|Johann Wenzel Radetzky]] geschlagen. Im [[Waffenstillstand]] vom 9. August musste die Lombardei an Österreich abgetreten werden. Nur Venedig blieb vorläufig unbesetzt. Italienische Revolutionäre hatten am 23. März 1848 die Stadt für unabhängig erklärt und die [[Repubblica di San Marco]] unter Führung von [[Daniele Manin]] ausgerufen. Als schließlich im Februar 1849 Aufständische gegen den Großherzog [[Leopold II. (Toskana)|Leopold II.]] von [[Habsburg]] in der Toskana putschten, kam es erneut zum Krieg. Dieser wurde wieder zugunsten der kaiserlichen Österreicher unter Radetzky bei ihrem Sieg am 23. März 1849 in der [[Schlacht bei Novara (1849)|Schlacht bei Novara]] gegen die 100.000 Mann starke Armee Sardiniens entschieden. Damit war die [[Risorgimento|italienische Einigungsbewegung]] vorerst zerschlagen und die österreichische Vorherrschaft in Oberitalien im Wesentlichen wieder hergestellt. König Karl Albert von Sardinien-Piemont dankte zugunsten seines Sohnes [[Viktor Emanuel II.]] ab und ging nach [[Portugal]] ins Exil. Der neue König schloss am 6. August in Mailand einen [[Friedensvertrag]] mit Österreich. Als letzte [[Bastion]] der oberitalienischen Aufstände von 1848/49 wurde am 24. August 1849 die revolutionäre Republik von Venedig niedergeschlagen. Radetzky erhielt vom Kaiser das Amt des General-, Zivil- und Militär[[gouverneur]]s von [[Königreich Lombardo-Venetien|Lombardo-Venetien]]. Auch in vielen nicht-österreichischen Gebieten Italiens kam es 1848/49 zu revolutionären Unruhen, beispielsweise im Königreich [[Neapel]]-[[Sizilien]], auch [[Königreich beider Sizilien]] genannt, wo es schon im Januar 1848 zu Aufständen gekommen war, worauf König [[Ferdinand II. (Sizilien)|Ferdinand II.]] von [[Königreich beider Sizilien|Neapel-Sizilien]] eine Verfassung erließ. [[Papst]] [[Pius IX.]] floh vor den sich zuspitzenden Unruhen im November 1848 aus [[Rom]] und verließ den [[Kirchenstaat]]. Er setzte sich nach [[Gaeta]] an der Küste Neapel-Siziliens ab. Am 9. Februar 1849 riefen die römischen Revolutionäre unter [[Giuseppe Mazzini]] die [[Römische Republik (1849)|Republik im Kirchenstaat]] aus. Am 3. Juli 1849 wurde die römische Revolution von französischen und spanischen Truppen niedergeschlagen, was teilweise in Frankreich selbst zu Protesten, etwa in [[Lyon]], geführt hatte. Nach der Zerschlagung des Aufstands wurde die Macht von einem [[Exekutivkomitee]] aus Kardinälen übernommen. Erst 1850 kehrte der Papst zurück, machte einen Großteil seiner 1846 eingeführten Reformen rückgängig und etablierte [[polizeistaat]]liche Verhältnisse. === Bayern === In [[Königreich Bayern|Bayern]] kam es seit dem 4. März 1848 zunehmend zu demokratisch und liberal motivierten Unruhen und Aufständen. Der bayrische König [[Ludwig I. (Bayern)|Ludwig I.]] gab am 6. März einigen Forderungen der Revolutionäre nach und berief ein liberaleres Kabinett ein. Allerdings steckte der König auch anderweitig wegen seines nicht standesgemäßen Verhältnisses zu der vermeintlichen spanischen Tänzerin [[Lola Montez]], dem er die Staatsgeschäfte teilweise unterordnete, in einer Krise. Diese Affäre brachte Ludwig auch Kritik aus dem [[Konservatismus|konservativ]]-katholischen Lager ein. Am 11. März 1848 wurde Lola Montez aus [[München]] verbannt. Zu neuen Unruhen kam es, als es hieß, die Tänzerin sei wieder zurückgekehrt. Daraufhin dankte der König schließlich zugunsten seines Sohnes, [[Maximilian II. Joseph (Bayern)|Maximilian II.]], ab. Nach dem Scheitern der [[Paulskirchenverfassung]] kam es im Rahmen der [[Reichsverfassungskampagne]] wie in einigen anderen Regionen Deutschlands auch, in der damals zu Bayern gehörenden [[Rheinpfalz]] im Mai 1849 zum [[Pfälzischer Aufstand|Pfälzischen Aufstand]]. Im Verlauf dieses Aufstands wurde die Rheinpfalz kurzzeitig von der bayerischen Herrschaft abgespalten. Der Aufstand wurde jedoch schnell von [[Preußische Armee|preußischen Truppen]] niedergeschlagen. === Sachsen === [[Datei:Bakunin.png|thumb|[[Michail Bakunin]] (1815–1876)]] Im [[Königreich Sachsen]] kam es im Zuge der revolutionären Ereignisse im März 1848 zu einem Ministerwechsel und zu einigen liberalen [[Reform]]en. Nach der Ablehnung der ein Jahr später, am 28. März 1849 in Frankfurt verabschiedeten Reichsverfassung durch den sächsischen König kam es am 3. Mai zum [[Dresdner Maiaufstand]]. Zentrale Figur dieser Erhebung von etwa 12.000 Aufständischen, unter denen sich auch der damalige Hofkapellmeister [[Richard Wagner]] befand, war der russische Anarchist [[Michail Bakunin]]. Das Ziel des Aufstands war die Durchsetzung der Reichsverfassung („Reichsverfassungskampagne“) und die Erringung demokratischer Rechte. Der Kampf der Radikalen, organisiert in den Märzvereinen, bezweckte aber weniger die Anerkennung der Verfassung selbst, sondern die Durchsetzung und Anerkennung einer sächsischen Republik in der Reichsverfassung. Die Revolutionäre bildeten eine provisorische Regierung, nachdem der König aus der Stadt in die [[Festung Königstein]] geflohen war, die Kammern aufgelöst und die Minister zurückgetreten waren. Die sächsischen Truppen standen größtenteils in Holstein. Die geflohene sächsische Regierung wandte sich an Preußen um Hilfe. Die preußischen Truppen schlugen zusammen mit den verbliebenen regulären Militäreinheiten Sachsens den Aufruhr am 9. Mai 1849 nach erbitterten Straßenkämpfen nieder. === Holstein, Schleswig; Erster deutsch-dänischer Krieg === Ende März 1848 kam es in den nördlichen Herzogtümern [[Herzogtum Schleswig|Schleswig]] und [[Herzogtum Holstein|Holstein]] zu einem nationaldeutschen Aufstand, nachdem der dänische König [[Friedrich VII. (Dänemark)|Friedrich VII.]] unter Einfluss dänischer Nationalliberaler eine gemeinsame Verfassung für das Königreich Dänemark und die beiden Herzogtümer Schleswig und Holstein ([[Dänischer Gesamtstaat|Gesamtstaatsverfassung]]) durchsetzen wollte. Die Herzogtümer unterstanden damals dem dänischen König in seiner Eigenschaft als [[Herzog]]. Holstein war jedoch als deutsches Lehen Mitglied des [[Heiliges Römisches Reich|Heiligen Römischen Reiches]] bzw. ab 1815 des [[Deutscher Bund|Deutschen Bundes]], während Schleswig ein königlich-dänisches Lehen war. Deutsche Nationalliberale fürchteten die Einverleibung Schleswigs in Dänemark und bildeten eine provisorische Regierung. Die Regierung wurde noch vor der Eröffnung der [[Frankfurter Nationalversammlung]] vom [[Bundestag (Deutscher Bund)|Bundestag]] des deutschen Bundes in [[Frankfurt am Main]] anerkannt, allerdings wurde die formelle Aufnahme Schleswigs in den Bund vermieden. Daraufhin begann der erste deutsch-dänische Krieg. Preußische Truppen stießen im Auftrag des Bundes unter Generalfeldmarschall [[Friedrich von Wrangel]] bis [[Jütland]] vor. [[Datei:Frankfurt am Main Barrikade 1848.jpg|thumb|Erstürmung der Barrikade an der Konstablerwache in Frankfurt am Main am 18. September 1848 durch preußisches Militär, Lithographie von E. G. May nach einer Zeichnung von Jean Nicolas Ventadour]] Dieses Vorgehen führte zum diplomatischen Druck auf Preußen durch [[Russland]] und [[England]], die drohten, Dänemark militärisch beizustehen. Preußen lenkte ein, und König Wilhelm IV. schloss am 26. August 1848 einen [[Waffenstillstand]] mit Dänemark ([[Waffenstillstand von Malmö]]). Darin waren der Rückzug der Bundestruppen aus Schleswig und Holstein sowie die Auflösung der provisorischen Regierung in [[Kiel]] vorgesehen. Dieses eigenmächtige Vorgehen Preußens führte in der inzwischen tagenden Nationalversammlung in Frankfurt zu einer Krise. Es wurde deutlich, wie geringfügig die Mittel und der Einfluss der Nationalversammlung waren. Sie war letztlich hilflos dem Gutdünken der mächtigen Einzelstaaten Preußen und Österreich ausgeliefert. Da die Nationalversammlung über keine eigenen Machtmittel verfügte, um den Krieg gegen Dänemark ohne Preußen weiter zu führen, sah sie sich am 16. September 1848 gezwungen, der Waffenstillstandsvereinbarung zuzustimmen. Die Folge dieser Zustimmung waren erneute Unruhen in ganz Deutschland und besonders in Frankfurt am Main (vgl. [[Septemberunruhen]]). Darauf wurden preußische und österreichische Truppen nach Frankfurt befohlen, gegen die es am 18. September zu Barrikadenkämpfen kam. Bei diesen Kämpfen ging es den Aufständischen nicht einmal mehr so sehr um die Schleswig-Holstein-Frage, sondern nun zunehmend um die Verteidigung der Revolution selbst. :''Siehe auch:'' [[Schleswig-Holsteinischer Krieg (1848–1851)]] == Frankfurter Nationalversammlung == [[Datei:Nationalversammlung.jpg|thumb|Die Frankfurter Nationalversammlung in der Paulskirche]] [[Datei:Frankfurt Nationalversammlung 1848.jpg|thumb|Debatte in der Frankfurter Nationalversammlung während einer Rede [[Robert Blum]]s; Gemälde von [[Ludwig von Elliott]], Juni 1848]] [[Datei:Karikatur reichsschneiderei1849.jpg|thumb|Karikatur auf die Schaffung eines deutschen Nationalstaats. Von links: [[Heinrich von Gagern]], [[Alexander von Soiron]], [[Carl Theodor Welcker]] und [[Friedrich Daniel Bassermann]].]] [[Datei:Paulskirchenverfasung 1849.svg|thumb|upright=1.7|Schema der geplanten Staatsstruktur eines einheitlichen Deutschland in der Paulskirchenverfassung von 1849]] :''Hauptartikel: [[Frankfurter Nationalversammlung]]'' Nachdem [[Friedrich Daniel Bassermann]] in der badischen Ständeversammlung am 12. Februar 1848 eine Volksvertretung beim Deutschen Bundestag gefordert hatte, gewann diese Forderung ein außerparlamentarisches Eigenleben, die [[Heidelberger Versammlung]] am 5. März endete mit der Einladung zu einem [[Vorparlament]] als Konstituante. Nachdem der Bundestag am 3. März mit der Freigabe der Pressefreiheit auf den Druck der Öffentlichkeit reagiert hatte, versuchte er auch auf dem Feld der Verfassung und der parlamentarischen Vertretung die Hoheit zurückzugewinnen durch das Eingeständnis der Notwendigkeit einer Revision der [[Bundesakte]] und die Einsetzung eines [[Siebzehnerausschuss]]es zur Erarbeitung einer neuen Verfassungsgrundlage für ein einiges Deutschland. Das Vorparlament, in dem die Liberalen gegen die radikale Linke die Oberhand behielten, beschloss in den ersten Apriltagen, mit dem Deutschen Bund zusammenzuarbeiten und im Sinne einer Verrechtlichung der Bewegung gemeinsam die Wahlen zu einer konstituierenden Nationalversammlung anzugehen. Zur Repräsentation der revolutionären Bewegung gegenüber dem Bundestag wurde der [[Fünfzigerausschuss]] eingerichtet, der Bundestag rief die Staaten des Deutschen Bundes zur Durchführung der Wahl zur Nationalversammlung auf. Diese trat am 18. Mai 1848 in der [[Frankfurter Paulskirche|Paulskirche]] in [[Frankfurt am Main]] erstmals zusammen und wählte den gemäßigten Liberalen [[Heinrich von Gagern]] zu ihrem Präsidenten. Die Nationalversammlung stellte eine [[provisorische Zentralgewalt]] als Exekutive auf, die die Staatsgewalt vom Bundestag übernahm. An der Spitze der Zentralgewalt stand der österreichische [[Erzherzog Johann]] als [[Reichsverweser]], Fürst [[Karl zu Leiningen]] fungierte als [[Ministerpräsident]] des neu geschaffenen „Reichsministeriums“. Die Frankfurter Nationalversammlung sollte die [[deutsche Einheit]] vorbereiten und eine gesamtdeutsche Reichsverfassung ausarbeiten. In der Nationalversammlung waren vornehmlich die Schichten des [[Bürgertum]]s vertreten, Männer von Besitz und Bildung, hohe Beamte, [[Professor]]en, [[Offizier]]e, [[Richter]], Staatsanwälte, [[Advokat]]en usw. Aufgrund der Häufung des gehobenen Bürgertums wurde die Nationalversammlung vom [[Volk]] teilweise abschätzig spöttelnd als „[[Honoratiorenparlament]]“ oder „Professorenparlament“ bezeichnet. Im Rahmen der parlamentarischen Arbeit bildeten sich bald unterschiedliche Gruppierungen und [[Fraktion (Politik)|Fraktionen]] heraus, die sich nach den Lokalen benannten, in denen sie sich nach oder zwischen den Sitzungen trafen, um ihre Anträge und Vorstellungen abzustimmen. Außer einer großen Gruppe nicht den – ohnehin Verschiebungen unterworfenen – Fraktionen angehörenden Abgeordneten entstanden im Wesentlichen zwei ideologische Flügel und zwei Mittelparteien: <!--folgende Fraktionseinteilung und Daten der Zusammenschlüsse nach W. Siemann 1985, S. 128 und 196.--> # Die ''demokratische Linke'' – im Sprachgebrauch der damaligen Zeit auch als die ''Ganzen'' bezeichnet, bestehend aus den Fraktionen [[Deutscher Hof]], [[Donnersberg (Fraktion)|Donnersberg]] (linksaußen), ab November auch [[Nürnberger Hof (Fraktion)|Nürnberger Hof]] – seit Anfang 1849 übergreifend unter dem Dach des [[Centralmärzverein]]s vereinigt, aus dem vor allem das „[[Rumpfparlament (Deutschland)|Rumpfparlament]]“ erwuchs. # Das ''parlamentarisch-liberale linke Zentrum'' – bestehend aus [[Württemberger Hof]] und [[Westendhall]], ab September auch [[Augsburger Hof]], ab Februar 1849 mit dem rechten Zentrum zur „Weidenbusch“-Gruppe vereinigt. # Das ''konstitutionell-liberale rechte Zentrum'' – geprägt von der größten Fraktion [[Casino (Fraktion)|Casino]], ab August mit der Abspaltung [[Landsberg (Fraktion)|Landsberg]] – zusammen mit dem linken Zentrum bildeten sie die ''liberale Mitte'', die sogenannten ''Halben''. Anfang 1849 schloss sich ein Teil des Casinos mit den Rechten zum [[Pariser Hof]] zusammen. # Die ''konservative Rechte'' – meist protestantische Konservative, tagten zuerst im [[Steinernes Haus (Frankfurt)|Steinernen Haus]], ab September bekannt als [[Café Milani]]. Die Vorstellungen der Fraktionen reichten von der von den ''Ganzen'' vertretenen „[[Radikaldemokratie|radikaldemokratischen]]“ [[Minderheit]]sposition der Errichtung einer parlamentarischen gesamtdeutschen demokratischen Republik, über eine von den ''Halben'' vertretene [[konstitutionelle Monarchie]] mit [[Erbkaisertum]] als so genannte [[Kleindeutsche Lösung]] (ohne Österreich) oder als so genannte [[großdeutsch]]e Lösung (mit Österreich), bis hin zum Erhalt des [[Status quo]]. Zu der lähmenden Uneinigkeit der Abgeordneten kam das Fehlen einer handlungsfähigen [[Exekutive]], um die Beschlüsse des Parlaments durchzusetzen, die u. a. oft an österreichischen oder preußischen Alleingängen scheiterten. Dies führte zu mehreren [[Krise]]n, so etwa in der schleswig-holsteinischen Frage bezüglich eines Krieges gegen Dänemark (→ oben: ''[[#Holstein, Schleswig; Erster preußisch-dänischer Krieg|Holstein, Schleswig; Erster preußisch-dänischer Krieg]]''). Trotz allem wurde am 28. März 1849 mit einer Mehrheit von 42 Stimmen die [[Paulskirchenverfassung]] verabschiedet, die eine kleindeutsche Lösung unter preußischer Führung vorsah. Der [[König von Preußen]] war als Kaiser vorgesehen. Als am 3. April König [[Friedrich Wilhelm IV. (Preußen)|Friedrich Wilhelm IV. von Preußen]] die ihm durch die [[Kaiserdeputation]] angetragene Kaiserwürde ablehnte, war die Frankfurter Nationalversammlung faktisch gescheitert. Von den deutschen Mittelstaaten stimmten 29 der [[Verfassung]] zu. Österreich, Bayern, Preußen, Sachsen und Hannover lehnten sie ab. Die preußischen und österreichischen Abgeordneten verließen die Nationalversammlung, als sie von ihren Regierungen illegal abberufen wurden. Um trotz des Erstarkens der Gegenrevolution die Verfassung dennoch in den einzelnen Ländern durchzusetzen, kam es im Mai 1849 in einigen Revolutionszentren zu den so genannten [[Maiaufstände]]n im Rahmen der [[Reichsverfassungskampagne]]. Diese Aufstände bildeten einen zweiten, radikalisierten Revolutionsschub, der in einigen Gebieten des Bundes wie etwa in Baden und Sachsen [[bürgerkrieg]]sähnliche Ausmaße annahm. Die Frankfurter Nationalversammlung verlor durch die Abberufungen und weitere Austritte den Großteil ihrer Mitglieder und zog als „[[Rumpfparlament (Deutschland)|Rumpfparlament]]“ ohne die preußischen und österreichischen Abgeordneten am 30. Mai 1849 nach [[Stuttgart]] um. Am 18. Juni 1849 wurde dieses Rumpfparlament von [[württemberg]]ischen Truppen gewaltsam aufgelöst. Mit der Niederschlagung der letzten revolutionären Kämpfe am 23. Juli in [[Rastatt]] war die ''Deutsche Revolution 1848/49'' endgültig gescheitert. == Auswirkungen und Folgen in Deutschland == Die Niederschlagung der Revolution und der Sieg der Reaktion hatten einen spezifisch deutschen Dualismus zwischen den Ideen von [[Nation]] (→[[Patriotismus]], [[Nationalismus]]) und [[Demokratie]] geschaffen, der die [[Geschichte Deutschlands]] langfristig prägte und der bis in die Gegenwart spürbar ist. Anders als beispielsweise in [[Frankreich]], den [[Vereinigte Staaten|Vereinigten Staaten]] und anderen Ländern, in denen „Nation“ und „Demokratie“ nach erfolgreichen Revolutionen traditionell eher als Einheit gesehen werden und ein Bekenntnis zur Nation in der Regel auch ein Bekenntnis zur Demokratie mit einschließt, ist das Nation-Demokratie-Verhältnis in Deutschland bis heute Gegenstand [[Polarisierung|polarisierend]]-[[kontroverse]]r und oft sehr [[emotion]]al geführter [[Debatte]]n (→[[Deutscher Sonderweg]]). Nach dem Scheitern der Revolution setzte sich eine reaktionäre [[Konterrevolution]] durch. In der als [[Reaktionsära]] bezeichneten Periode des auf 1848 folgenden Jahrzehnts kam es erneut zu einer gewissen Restauration der alten Verhältnisse, die jedoch nicht mehr ganz die Ausmaße der Metternichschen Repression während des [[Vormärz]] annahm. Das offensichtliche Scheitern der nationalstaatlichen Ziele der Revolution von 1848/49 lenkt oft den Blick ab von den bleibenden Erfolgen und nachhaltigen [[Fortschritt]]en, die in den Revolutionsjahren erzielt wurden, und die von der siegreichen Gegenrevolution nicht revidiert werden konnten. An erster Stelle wird hierzu meist die endgültige Auflösung der [[Feudalismus|feudalen Ordnung]] genannt. Die Forderung nach Aufhebung der [[Erbuntertänigkeit]] und Aufhebung der feudalen Lasten konnte von weiten Teilen der ländlichen und bäuerlichen Bevölkerung als eine der ihren verstanden werden und führte sie zur Beteiligung an den Bewegungen des März 1848. Sie gaben der Revolution die Massenbasis und waren damit maßgeblich für den Erfolg der Märzrevolutionen verantwortlich. [[Bauernkrieg]]sfurcht und Angst vor der sozialen Revolution hatten wesentlich zum schnellen Zurückweichen und Einlenken der Machthaber beigetragen. Die Vorstellung, nach der sich die Bauern nach Erfüllung ihrer Forderungen von der Revolution zurückziehen, ihr so die Massenbasis nehmen und so zu einem Grund des Scheiterns werden, wurde von dem Kulturwissenschaftler [[Wilhelm Heinrich Riehl]], einem Zeitgenossen der Revolution, geprägt. Sie wurde in der neueren Historiographie relativiert: Alltags- und kulturhistorische Forschungen zeigen, dass die Beteiligung ländlicher Bevölkerungsteile an den revolutionären Ereignissen der Jahre 1848/1849 weitaus stärker war, als man lange Zeit einräumen wollte. Insbesondere die Reichsverfassungskampagne war von einer breiten Mobilisierung im ländlichen Bereich, auch bei bäuerlichen Bevölkerungsteilen, getragen worden. Ein weiterer bleibender Erfolg der Revolutionsjahre war die Abschaffung der geheimen Inquisitionsjustiz der Restaurations- und Vormärzzeit. Die Forderung nach Öffentlichkeit der Strafgerichtsbarkeit, nach öffentlichen [[Geschworenengericht]]en, hatte zu den fundamentalen Märzforderungen gehört. Ihre Durchsetzung führte zu einer nachhaltigen Verbesserung der Rechtssicherheit. [[Datei:Kladderadatsch.jpg|thumb|Erstausgabe der Satirezeitschrift ''Kladderadatsch'' (Mai 1848)]] Zudem entstand während der Revolution nach Auflockerung der Pressezensur eine mehr oder weniger pluralistische [[Presse (Medien)|Presselandschaft]]. Neue Zeitungen nahmen von links bis rechts Einfluss auf das politische Zeitgeschehen. Auf der Linken war dies etwa die von [[Karl Marx]] herausgegebene ''[[Neue Rheinische Zeitung]]'', die 1849 verboten wurde. Die gemäßigte Mitte wurde unter anderem von der ''[[Deutsche Zeitung (1847–1850)|Deutschen Zeitung]]'' vertreten, die Rechte wurde von der ''[[Neue Preußische Zeitung|Neuen Preußischen Zeitung]]'' (''[[Kreuzzeitung]]''), an deren Gründung [[Otto von Bismarck]] beteiligt war, repräsentiert. Mit dem ''[[Kladderadatsch]]'' wurde am 7. Mai 1848 auch eine der ersten bedeutenden satirischen [[Zeitschrift]]en Deutschlands ins Leben gerufen. Die nationale Idee einer kleindeutschen Einigung (→[[Unionspolitik]]) wurde – nach ihrem vorläufigen Scheitern in der [[Olmützer Punktation]] 1850 – schließlich von den herrschenden konservativen Kräften unter preußischer Führung, besonders unter Otto von Bismarck als preußischem Ministerpräsidenten seit 1862, nach den drei „[[Deutsche Einigungskriege|deutschen Einigungskriegen]]“ Preußens [[Deutsch-Dänischer Krieg|gegen Dänemark]], [[Deutsch-Österreichischer Krieg|gegen Österreich]] und [[Deutsch-Französischer Krieg|gegen Frankreich]] von oben durch- und umgesetzt. 1871 wurde nach Preußens Sieg über Frankreich in [[Versailles]] König Wilhelm von Preußen als [[Wilhelm I. (Deutsches Reich)|Wilhelm I.]] zum ersten deutschen Kaiser gekrönt und das [[Deutsches Kaiserreich|Deutsche Reich]] ausgerufen, dessen Politik bis 1890 wesentlich durch den [[Reichskanzler]] Bismarck geprägt war. Die im Lauf der Jahrzehnte zunehmende ideologische [[Überhöhung]] und [[Verklärung]] des deutschen Nationalismus und [[Militarismus]], die mit einer gleichzeitigen [[Diskreditierung]] demokratischer Ideale durch die politisch herrschenden Gesellschaftsschichten einher ging, beförderte mittel- bis langfristig in immer stärkeren Maße auch [[Antisemitismus|antisemitische]] [[Ressentiment]]s und das verstärkte Aufkommen rechtsextremer, im damaligen Sprachgebrauch „völkisch“-nationalistischer Gruppen und Parteien (→[[Völkische Bewegung]]). Diese Entwicklungen trugen schließlich mit zu den [[Krieg]]en und politischen [[Katastrophe]]n des 20. Jahrhunderts bei – [[Erster Weltkrieg]], [[Zeit des Nationalsozialismus]], [[Zweiter Weltkrieg]] und [[Holocaust]]. Erst mit der Gründung der [[Bundesrepublik Deutschland]] 1949, hundert Jahre nach dem Scheitern der Revolution, konnten die ursprünglichen demokratischen [[Ideal (Philosophie)|Ideale]] der Revolution wieder in den Vordergrund gestellt werden. Sowohl in die [[Weimarer Verfassung]] als auch ins [[Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland]] waren, beispielsweise mit den [[Grundrechte]]n, wesentliche Elemente der 1849 gescheiterten [[Paulskirchenverfassung]] aufgenommen worden. Auch die [[Deutsche Demokratische Republik]] berief sich, allerdings mit anderer Ausrichtung, auf die von 1848 ausgegangenen Impulse. === Entwicklung der revolutionären Interessengruppen === Neue [[Emanzipation]]sbewegungen, besonders die [[Arbeiterbewegung]] und die [[Frauenbewegung]], konnten die Revolution in ihren Ergebnissen nicht entscheidend bestimmen. Sie waren parlamentarisch nicht vertreten, waren auf die Mitvertretung ihrer Interessen durch die bürgerlich-liberaldemokratische Linke in den Parlamenten angewiesen. Die Revolution beförderte allerdings nachhaltig ihre Organisation. Es wurden Strukturen und Institutionen geschaffen, die Repression und Unterdrückung der Reaktionszeit überdauerten: Zum Beispiel wurde am 3. September 1848 in Berlin die ''[[Allgemeine Deutsche Arbeiterverbrüderung]]'' auf Initiative des [[Schriftsetzer]]s [[Stephan Born]] gegründet. Sie gilt als erste überregionale Organisation der deutschen Arbeiterschaft und leitete die Entwicklung der Gewerkschaften ein. Am 12. Mai 1849 rief die Journalistin und frühe Frauenrechtlerin Louise Otto, nach ihrer späteren Heirat als [[Louise Otto-Peters]] bekannt, die neue politisch motivierte ''[[Frauenzeitung]]'' ins Leben, in der sie unter anderem den Zusammenschluss von Arbeiterinnen nach dem Vorbild der Assoziationen männlicher Gesellen forderte. Die liberalen Kräfte sammelten sich 1861 in der ersten [[Politische Partei|politischen Partei]] im modernen Sinn, der [[Deutsche Fortschrittspartei|Deutschen Fortschrittspartei]]. Diese spaltete sich jedoch infolge des [[Preußischer Verfassungskonflikt|Preußischen Verfassungskonflikts]] zwischen 1866 und 1868 in verschiedene Richtungen auf, wie sie sich schon in der [[Fraktion (Politik)|Fraktionsbildung]] der [[Frankfurter Nationalversammlung]] angedeutet hatten: [[Nationalliberalismus|Nationalliberale]] (→[[Nationalliberale Partei]]), Freisinnige (→[[Deutsche Freisinnige Partei]]) bis hin zu den [[Linksliberalismus|linksliberalen]] bzw. [[sozialliberal]]en Strömungen (→[[Deutsche Volkspartei (Deutsches Kaiserreich)|Deutsche Volkspartei]] und [[Sächsische Volkspartei]]). In der Zersplitterung des deutschen [[Liberalismus]] und der weiteren Entwicklung der aus ihm hervorgegangenen Parteien zeigt sich die [[Polarität (Politik)|Polarität]] zwischen den unterschiedlichen Ideen von „Nation“ und „Demokratie“ besonders deutlich. Die radikal-„libertäre“, staatsverneinende Strömung des [[Anarchismus]] entwickelte sich noch stärker in eine fundamental-sozialistische Richtung. In den 1870er Jahren kam es in der [[Internationale Arbeiterassoziation|Internationalen Arbeiterassoziation]], der „[[Erste Internationale|Ersten Internationale]]“, zum offenen Konflikt zwischen den anarchistischen Verfechtern des Sozialismus um [[Michail Bakunin]] und dessen [[Marxismus|marxistischen]] Verfechtern um [[Karl Marx]]. Der Konflikt führte zum Bruch zwischen Anarchismus und Kommunismus und letztendlich zur Auflösung der Internationale bis 1876. Viele [[Radikaldemokratie|radikale Demokraten]] waren, wenn sie nicht inhaftiert oder hingerichtet worden waren, während und nach der Revolution ins [[Exil]] geflohen. Nach 1848/49 gab es eine beispiellose Auswanderungswelle, vor allem in die USA. Dort gibt es eine spezifische Bezeichnung für die deutschen Immigranten, die infolge der Märzrevolution ins Land kamen: „The [[Forty-Eighters]]“ („Die Achtundvierziger“). Viele der „Forty-Eighters“ zeichneten sich auch in den USA durch ihr demokratisches politisches Engagement aus. Beispielsweise setzten sie sich 1860 für die Wahl [[Abraham Lincoln]]s zum US-Präsidenten ein, bekämpften die [[Sklaverei]] oder beteiligten sich auf der Seite der [[Nordstaaten]] am [[Sezessionskrieg]] von 1861 bis 1865. Einige, wie etwa [[Lorenz Brentano]] oder [[Carl Schurz]], machten in den USA auch eine politische Karriere. Schurz war von 1877 bis 1881 US-Innenminister. Manch andere radikale Demokraten, die in Deutschland geblieben oder nach der [[Amnestie]] von 1862 wieder zurückgekehrt waren, schlossen sich der aufkommenden und ab den 1860er Jahren rasch wachsenden [[Arbeiterbewegung]] und der im 19. Jahrhundert marxistisch orientierten [[Sozialdemokratie]] an, aus deren verschiedenen Parteien sich zwischen 1863 und 1890 die [[Sozialdemokratische Partei Deutschlands|SPD]] entwickelte (→[[Kommunismus]], [[Sozialismus]], [[Kommunistische Partei]]). Die in [[Corps]] und seit Beginn des 19. Jahrhunderts auch in [[Burschenschaft]]en organisierte „Bewegung“ der [[Studentenverbindung]]en, ursprünglich wegbereitend für die Märzrevolution, verlor zunächst an Bedeutung. Mit der Zeit verkümmerten deren liberale und demokratische Ideale zusehends zugunsten eines sich verstärkenden, rechtsorientierten autoritären [[Nationalismus]], der mit einem zunehmend auch [[Rassismus|rassistisch]] definierten [[Antisemitismus]] einherging. Aus den derart ausgerichteten Verbindungen, insbesondere den so genannten [[Schlagende Verbindung|schlagenden Verbindungen]], bildete sich ein Teil der späteren intellektuellen Eliten des [[Deutsches Kaiserreich|Kaiserreichs]] und des [[Zeit des Nationalsozialismus|Nationalsozialismus]] heraus. Nahezu alle im 20. Jahrhundert relevanten gesellschaftspolitischen Strömungen Deutschlands und Europas – von der radikalen Linken über bürgerliche Demokraten bis zur nationalistischen Rechten – können sich auf politische Ideen, Persönlichkeiten und Entwicklungen berufen, die in den Revolutionsjahren 1848/49 ihre fundamentale Prägung erfahren hatten. === Resümee Georg Herweghs === [[Datei:Herwegh, Georg.jpg|thumb|[[Georg Herwegh]] (1817–1875)]] Ein eher bitteres und vorläufiges [[Resümee]] der Märzrevolution stammt vom sozialistisch-revolutionären Dichter [[Georg Herwegh]], der 1848 selbst an den revolutionären Ereignissen in Baden beteiligt war. 1873, zwei Jahre vor seinem Tod, schrieb er unter dem Titel „''Achtzehnter März''“ zum 25-jährigen Jubiläum des Revolutionsbeginns in Preußen unter dem Eindruck des noch jungen deutschen Kaiserreichs, folgendes Gedicht:<ref>Siehe auch im Internet unter Projekt Gutenberg: [http://web.archive.org/web/20031116013903/http://gutenberg.spiegel.de/herwegh/gedichte/kontrev/maerz18.htm ''Georg Herwegh: Achtzehnter März (März 1873)''].</ref> <poem style="margin-left:2em;"> Achtzehnhundert vierzig und acht, Als im Lenze das Eis gekracht. Tage des Februar, Tage des Märzen, Waren es nicht Proletarierherzen. Die voll Hoffnung zuerst erwacht, Achtzehnhundert vierzig und acht? Achtzehnhundert vierzig und acht, Als du dich lange genug bedacht, Mutter Germania, glücklich verpreußte, Waren es nicht Proletarierfäuste, Die sich ans Werk der Befreiung gemacht Achtzehnhundert vierzig und acht? Achtzehnhundert vierzig und acht, Als du geruht von der nächtlichen Schlacht, Waren es nicht Proletarierleichen, Die du, Berlin, vor den zitternden, bleichen Barhaupt grüßenden Cäsar gebracht Achtzehnhundert vierzig und acht? Achtzehnhundert siebzig und drei, Reich der Reichen, da stehst du, juchhei! Aber wir Armen, verkauft und verraten, Denken der Proletariertaten – Noch sind nicht alle Märze vorbei, Achtzehnhundert siebzig und drei. </poem> == Siehe auch == * [[Europäische Revolutionen von 1848]] ''Die 1848/49er Revolution im engeren Sinn:'' * [[Badische Revolution]], [[Centralmärzverein]], [[Charte Waldeck]], [[Dresdner Maiaufstand]], [[Elberfelder Aufstand]], [[Februarrevolution 1848]], [[Forty-Eighters]], [[Frankfurter Nationalversammlung]], [[Heckerzug]], [[Iserlohner Aufstand von 1849]], [[Kaiserdeputation]], [[Neue Rheinische Zeitung]], [[Paulskirchenverfassung]], [[Pfälzischer Aufstand]], [[Prager Pfingstaufstand]], [[Preußische Nationalversammlung]], [[Reichsverfassungskampagne]], [[Revolution von 1848/49 im Kaisertum Österreich]], [[Rumpfparlament (Deutschland)]], [[Sonderbundskrieg|Sonderbundskrieg 1847 in der Schweiz]], [[Vorparlament]], [[Provinz Westfalen#Revolution von 1848/49 in Westfalen|Westfalen in der Revolution von 1848/49]], [[Wiener Oktoberaufstand 1848]] ''Die Revolution im weiteren Sinn und anderen Zusammenhängen:'' * [[Literatur der Restaurationsepoche]], [[Geschichte Deutschlands]], [[Geschichte Österreichs]], [[Industrielle Revolution]], [[Liberalismus]], [[Nationalismus]], [[Restauration (Geschichte)]], [[Risorgimento]], [[Vormärz]], [[Wiener Kongress]] ''Auswahl von für die Revolution aktiven Persönlichkeiten (Nachnamen in alphabetischer Reihenfolge)'' * [[Michail Bakunin]], [[Friedrich Daniel Bassermann]], [[Robert Blum]], [[Hermann Theodor Breithaupt]], [[Lorenz Brentano]], [[Friedrich Christoph Dahlmann]], [[Karl Friedrich Christian Ludwig Freiherr Drais von Sauerbronn]], [[Friedrich Engels]], [[Heinrich von Gagern]], [[Giuseppe Garibaldi]], [[Georg Gottfried Gervinus]], [[Friedrich Hecker]], [[Georg Herwegh]] und [[Emma Herwegh]], [[Gottfried Kinkel]] und [[Johanna Kinkel]], [[Lajos Kossuth]], [[Ferdinand Lassalle]], [[Wilhelm Liebknecht]], [[Giuseppe Mazzini]], [[Ludwik Mieroslawski]], [[Carl Joseph Anton Mittermaier|Carl Mittermaier]], [[Joseph Maximilian Moll]], [[Ludwig Pfau]], [[Franz Raveaux]], [[Karl Schapper (Arbeiterführer)|Karl Schapper]], [[Carl Schurz]], [[Franz Sigel]], [[Eduard von Simson|Eduard Simson]], [[Valentin Streuber]], [[Gustav von Struve|Gustav Struve]] und [[Amalie Struve]], [[Carl Vogt]], [[Franz Leo Benedikt Waldeck]] == Einzelnachweise == <references /> == Literatur == * Helmut Bleiber, Walter Schmidt, Sabine Schötz (Hrsg.): ''Akteure eines Umbruchs. 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ISBN 3-88679-301-X <small>(ausführlichste Darstellung, Klassiker)</small> [http://books.google.de/books?id=BfYAAAAAMAAJ&printsec=titlepage&client=firefox-a&source=gbs_summary_r&cad=0 Digitalisat auf google books] * Heinz Rieder: ''Die Völker läuten Sturm - Die europäische Revolution 1848/49''. Casimir Catz, Gernsbach 1997. ISBN 3-925825-45-2 * Christian Jansen; Thomas Mergel (Hrsg.): ''Die Revolutionen von 1848/49. Erfahrung - Verarbeitung - Deutung'". Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1998. ISBN 3-525-01364-7 * Horst Stuke; Wilfried Forstmann (Hrsg.): ''Die europäischen Revolutionen von 1848''. Athenäum-Hain-Scriptor-Hanstein, Königstein/Ts. 1979 (Neue wiss.Bibl; 103 : Geschichte). ISBN 3-445-01894-4 bzw. ISBN 3-445-11894-9 <small>(europäische Perspektive)</small> * Dieter Langewiesche (Hrsg.): ''Die deutsche Revolution von 1848/49''. Wiss.Buchges., Darmstadt 1983 (Wege der Forschung; 164). ISBN 3-534-08404-7 <small>(historiographisch bedeutsame Aufsätze)</small> * Walter Grab (Hrsg.):''Die Revolution von 1848/49. Eine Dokumentation''. Nymphenburger, München 1980. Neuausgabe: Reclam, Stuttgart 1998 (Universal-Bibliothek; 9699). ISBN 3-15-009699-5 * Helmut Bleiber, Rolf Dlubek, Walter Schmidt (Hrsg.): ''Demokratie und Arbeiterbewegung in der deutschen Revolution von 1848/49''. Beiträge eines Kolloquiums zum 150. Jahrestag der Revolution von 1848/49 am 6./7. Juni 1998 in Berlin”, Gesellschaft – Geschichte – Gegenwart Band 22, trafo verlag Berlin, 2000, ISBN 3-89626-226-2 ([http://www.trafoberlin.de/3-89626-226-2.htm Inhaltsverzeichnis und Vorwort-Auszug online]) == Filme == * ''Feuer.'' Fernsehfilm. Revolutionsdrama zur Märzrevolution in Österreich. Österreich 1979, 90 Min., Regie: [[Reinhard Schwabenitzky]] * ''Lenz oder die Freiheit.'' 4-teiliger Fernsehfilm. Revolutionsdrama zur badischen Revolution 1849. Nach der gleichnamigen Übersetzung des ursprünglich in englisch geschriebenen historischen Romans von [[Stefan Heym]] („The Lenz papers“). Bundesrepublik Deutschland 1986, 4 x 90 Min., Regie: [[Dieter Berner]] * ''Der Traum von der Freiheit - Die deutsche Revolution von 1848/49.'' Szenische Dokumentation zur Märzrevolution. Deutschland 1997, 95 Min. == Weblinks == {{wiktionary|Märzrevolution}} {{commonscat|March Revolution}} {{wikisource|Revolution von 1848}} '''Quellen (E-Texte und Digitalisate)''' * [http://1848.ub.uni-frankfurt.de/ ''1848 – Flugschriften im Netz''] der Stadt- und Universitätsbibliothek Frankfurt am Main. * [http://www.zlb.de/aktivitaeten/digitalisierung/friedlaender ''Die Flugschriften der Sammlung „Friedlaender“''], Gemeinschaftsprojekt der Universitätsbibliothek Lodz und der Zentral- und Landesbibliothek Berlin. * Karl Marx/Friedrich Engels: [http://web.archive.org/web/20070507073115/http://gutenberg.spiegel.de/marx/nrz/me_nrhz.htm ''Artikel aus der „Neuen Rheinischen Zeitung“''] vom 1. Juni 1848 bis 19. Mai 1849. * [http://www.lwl.org/westfaelische-geschichte/que/normal/que835.pdf ''Verfassung des Deutschen Reiches''] („Paulskirchen-Verfassung“) vom 28. März 1849 im Volltext ([[PDF]], 1,7 MB); weitere Dokumente zur Märzrevolution, speziell aus Westfalen, siehe das [http://www.lwl.org/westfaelische-geschichte/portal/Internet/ku.php?tab=que&ID=835 ''Internetportal „Westfälische Geschichte“'']. * [http://www.ub.uni-heidelberg.de/helios/fachinfo/fachref/gesch/blic1848.htm ''Fachbezogene Informationen Geschichte: Revolution 1848/49''], ausführliche Linkliste der Universität Heidelberg mit Literatur und Quellen zur Märzrevolution. '''Weitere Links''' * [http://lisa.mmz.uni-duesseldorf.de/~histsem/revolution/lexreg.htm Themenüberblick/Register (Links) zu weiterführenden quellenbasierten Einträgen über die europäischen Revolutionen der Jahre 1848/49 und deren Vorgeschichte - Revolutionslexikon des historischen Seminars der Universität Düsseldorf] - Unterseite von [http://lisa.mmz.uni-duesseldorf.de/~histsem/revolution/] * {{aeiou|m/m280254}} * [http://www.bpb.de/publikationen/01541471548432576123093477837078,,0,Revolution_von_1848.html Heft der Bundeszentrale für politische Bildung zur Revolution von 1848] (unter ''Inhalt'' die Links zu den einzelnen Kapiteln) * [http://www.bundestag.de/geschichte/parlhist/streifzug/g1848/index.html Informationsseite des Deutschen Bundestages mit Links zu Vormärz, Märzrevolution, Frankfurter Nationalversammlung und zum Scheitern der Revolution] (u. a. für ausführlichere Informationen) * [http://www.preussen-chronik.de/episoden/006320.jsp Revolution in Preußen] * [http://www.bad-bad.de/gesch/revo_01.htm Revolution in Baden] * [http://www1.karlsruhe.de/Kultur/Projekte/Kaiser-Wilhelm/freiheit1.htm Kurzbiographien badiescher Freiheitskämpfer] * [http://www.zlb.de/projekte/1848 Geschichten aus der Berliner Märzrevolution] * [http://www.politischebildung.com/pdfs/sb_1.pdf Schwerpunkt: Revolution in den österreichischen Ländern: "''1848: Revolution''"] Auszug aus: ''Wendepunkte und Kontinuitäten. Zäsuren der demokratischen Entwicklung in der österreichischen Geschichte'', Hg. vom Forum Politische Bildung, Innsbruck, Wien, 1998. Sonderband der Informationen zur Politischen Bildung; Onlinequelle: www.politischebildung.com (pdf-Datei) * [http://geschichtsverein-koengen.de/Revolution1848.htm Überblick zu den Revolutionen von 1848/49 mit anschaulicher Struktur] * [http://www.demokratiegeschichte.eu Seite des Instituts für Geschichtliche Landeskunde an der Universität Mainz über das Hambacher Fest und die Märzrevolution] * [http://web.archive.org/web/20040919133324/http://www.radiobremen.de/online/1848/buchtips.shtml Kurzrezensionen einiger grundlegender Bücher und Zeitschriften zu den Revolutionen von 1848/49, erschienen oder neu aufgelegt 1998, dem 150. Jubiläumsjahr des Revolutionsbeginns] * [[Udo Leuschner]]: ''Zur Geschichte des deutschen Liberalismus'', Kapitel 1: [http://www.udo-leuschner.de/liberalismus/liberalismus1.htm ''„Ganze“ und „Halbe“ – Der deutsche Liberalismus von der französischen Revolution bis zum Vormärz'']; Kapitel 2: [http://www.udo-leuschner.de/liberalismus/liberalismus1a.htm ''Die offene Spaltung der deutschen Liberalen in der Revolution von 1848/49'']. * [[Max Beer (Publizist)|Max Beer]]: [http://www.trend.infopartisan.net/trd0607/t030607.html ''Die zweite deutsche Revolution (1848—1849)'']. Aus: ''Allgemeine Geschichte des Sozialismus und der sozialen Kämpfe'', mit Ergänzungen von Dr. [[Hermann Duncker]], Erlangen 1971, S. 554–562. * Arnd Bauerkämper: [http://www.europa.clio-online.de/2006/Article=104 ''Die Revolution von 1848/49. Gemeinsames Erleben und Scheitern in Europa?''] In: Themenportal Europäische Geschichte (2006) auf clio.online. *[http://www.bayern-in-europa.de/download.asp?DownloadFileID=a18f7e23f72cd109a8866665db990be5 ''Europäische Dimension der Revolution von 1848/49''] (PDF-Datei) - einleitendes Essay von [[Wolfram Siemann]], gefolgt von Beurteilungen der Revolutionen von 1848/49 durch verschiedene moderne deutschsprachige Historiker ([[Dieter Hein]] zum ''Stellenwert der nationalen Idee''; danach Beurteilungen von [[Walter Grab]], [[Heinrich August Winkler]], [[Hans-Ulrich Wehler]]) {{Exzellent}} {{DEFAULTSORT:Marzrevolution}} [[Kategorie:Revolution von 1848/49| ]] [[Kategorie:Deutsche Geschichte (19. Jahrhundert)]] [[Kategorie:Verfassungsgeschichte]] [[Kategorie:Politikgeschichte]] [[Kategorie:Österreichische Geschichte]] [[Kategorie:Frankfurter Nationalversammlung|!Deutsche Revolution]] [[als:1848er-Revolution in den deutschen Staaten]] [[bg:Германска революция 1848/49]] [[cs:Revoluce roku 1848 v Německu]] [[da:Martsrevolutionen]] [[el:Γερμανικές επαναστάσεις 1848-1849]] [[en:Revolutions of 1848 in the German states]] [[eo:Revolucio de 1848 en Germanio]] [[es:Revolución alemana de 1848-1849]] [[fr:Révolution de Mars]] [[id:Revolusi Jerman 1848]] [[ko:1848년 독일 혁명]] [[nl:Maartrevolutie]] [[pl:Rewolucja marcowa]] [[ru:Революция 1848—1849 годов в Германии]] [[simple:Revolutions of 1848 in the German states]] [[zh:德意志1848年革命]] ipq501c217xys88qb2koxrpvsoaafvu wikitext text/x-wiki Masern 0 23903 26499 2010-04-08T01:00:07Z Xqbot 0 Bot: Entferne: [[gl:Sarampelo]]; kosmetische Änderungen {{Infobox ICD | 01-CODE = '''B05''' | 01-BEZEICHNUNG = '''Masern''' | 02-CODE = B05.0 | 02-BEZEICHNUNG = Masern, kompliziert durch [[Enzephalitis]] | 03-CODE = B05.1 | 03-BEZEICHNUNG = Masern, kompliziert durch [[Meningitis]] | 04-CODE = B05.2 | 04-BEZEICHNUNG = Masern, kompliziert durch [[Pneumonie]] | 05-CODE = B05.3 | 05-BEZEICHNUNG = Masern, kompliziert durch [[Akute Mittelohrentzündung|Otitis media]] | 06-CODE = B05.4 | 06-BEZEICHNUNG = Masern mit Darmkomplikationen | 07-CODE = B05.8 | 07-BEZEICHNUNG = Masern mit sonstigen Komplikationen | 08-CODE = B05.9 | 08-BEZEICHNUNG = Masern ohne Komplikation }} Die Krankheit '''Masern''' ([[Latein|lat.]] ''Morbilli'', [[Diminutiv]] von ''Morbus'' – Krankheit, [[Englische Sprache|englisch]] ''measles'') ist eine durch das [[Masernvirus]] hervorgerufene, hoch ansteckende [[Infektionskrankheit]], die vor allem [[Kinderkrankheit|Kinder betrifft]]. Neben den typischen roten Hautflecken (Masern-[[Exanthem]]) ruft die Erkrankung Fieber und einen erheblich geschwächten Allgemeinzustand hervor. Es können außerdem in manchen Fällen lebensbedrohliche Komplikationen wie [[Lungenentzündung|Lungen-]] und [[Meningoenzephalitis|Hirnentzündungen]] auftreten. Die Diagnose erfolgt durch das klinische Bild und einen Antikörpernachweis im Blut. Eine spezifische Therapie existiert nicht, der Erkrankung und somit auch den Komplikationen kann jedoch durch [[Impfung]] ab dem zwölften Lebensmonat vorgebeugt werden. Durch diese konnte die Zahl der Erkrankungen in der Vergangenheit stark reduziert werden. In den meisten Ländern ist die Erkrankung [[Meldepflicht|meldepflichtig]]. [[Datei:Measles in African Child 3.JPG|thumb|300px|Masern-Ausschlag bei einem nigerianischen Mädchen. Der Großteil der weltweit auftretenden Krankheitsfälle betrifft den afrikanischen Kontinent.]] == Epidemiologie == === Weltweite Situation === {| align="right" cellpadding="5" style="margin-left:1em" |+ style="margin-left:1em;" | Gemeldete Krankheitsfälle, Statistik der WHO <ref name=whosummary>WHO: [http://www.who.int/immunization_monitoring/diseases/measles/en/ Global summary on measles], 2006 </ref> |- bgcolor="#DDDDDD" ! <span style="font-weight:normal;">WHO-Region</span> ! <span style="font-weight:normal;">1980</span> ! <span style="font-weight:normal;">1990</span> ! <span style="font-weight:normal;">2000</span> ! <span style="font-weight:normal;">2005</span> |- bgcolor="#EEEEEE" | align="left" | Afrika || 1.240.993 || 481.204 || 520.102 || 316.224 |- bgcolor="#EEEEEE" | align="left" | Amerika || 257.790 || 218.579 || 1.755 || 19 |- bgcolor="#EEEEEE" | align="left" | Östliches Mittelmeer || 341.624 || 59.058 || 38.592 || 15.069 |- bgcolor="#EEEEEE" | align="left" | Europa || 851.849 || 234.827 || 37.421 || 37.332 |- bgcolor="#EEEEEE" | align="left" | Südostasien || 199.535 || 224.925 || 61.975 || 83.627 |- bgcolor="#EEEEEE" | align="left" | Westlicher Pazifik || 1.319.640 || 155.490 || 176.493 || 128.016 |- bgcolor="#EEEEEE" | align="left" | Weltweit || 4.211.431 || 1.374.083 || 836.338 || 580.287 |} Das Masernvirus kommt weltweit vor, wobei die Krankheitshäufigkeit stark variiert. Insbesondere in Entwicklungsländern kommt es immer wieder zu lokalen [[Epidemie|Masernepidemien]] mit hohen Krankheits- und [[Mortalität|Sterblichkeitszahlen]].<ref>Eine Übersicht bietet ''Measles History'', [http://web.archive.org/web/20050111083611/http://www.cdc.gov/NIP/diseases/measles/history.htm Website des Center for Disease Control and Prevention (CDC), englisch. Archiv-Version]</ref><ref> Moss WJ :''[http://medicine.plosjournals.org/perlserv/?request=get-document&doi=10.1371/journal.pmed.0040024#journal-pmed-0040024-b004 Measles Still Has a Devastating Impact in Unvaccinated Populations]'' PLoS Medicine Vol. 4, No. 1. PMID 17199409</ref> Die Masern gehören dort zu den häufigsten Infektionskrankheiten. Laut Schätzung der [[Weltgesundheitsorganisation|WHO]] haben sie im Jahr 2000 fast die Hälfte der 1,7&nbsp;Millionen, durch [[Impfung]] vermeidbaren Todesfälle bei Kindern verursacht, bei geschätzten 30 bis 40 Millionen Krankheitsfällen in jenem Jahr.<ref name="who-measles"> ''WHO-UNICEF joint statement on strategies to reduce measles mortality worldwide''. Weekly epidemiological record 27, 77:221–228 (2002) PMID 12125242 [http://www.who.int/docstore/wer/pdf/2002/wer7727.pdf PDF, 158 kB]</ref> Die Zahl der gemeldeten Erkrankungen liegt aufgrund der hohen Dunkelziffer weit unter diesen geschätzten Werten (siehe Tabelle). Auf der anderen Seite konnte das Virus durch groß angelegte Impfkampagnen in verschiedenen anderen Regionen, so dem gesamten amerikanischen Doppelkontinent, bereits weitgehend eliminiert werden, was dadurch möglich ist, dass der Mensch der einzige Wirt des Masernvirus ist. 2001 legten die WHO und [[UNICEF]] einen Plan vor mit dem Ziel, die Sterblichkeitsrate bei Kindern durch weltweite Impfprogramme bis zum Jahr 2005 zu halbieren. Während genaue Daten noch ausstehen, zeigen verschiedene Berichte, dass dieses Ziel zu einem großen Teil erreicht wurde. Von 1999 bis 2003 gelang eine weltweite Reduktion der Masern-Sterblichkeit um 39 %, wobei weiterhin hohe Sterblichkeitsraten in Afrika und Südostasien bestehen.<ref>Muller CP, Kremer JR, Best JM, Dourado I, Triki H, Reef S; WHO Steering Committee for Measles and Rubella.: ''Reducing global disease burden of measles and rubella: report of the WHO Steering Committee on research related to measles and rubella vaccines and vaccination, 2005.'' Vaccine. 2007 Jan 2;25(1):1-9. PMID 17262908</ref> 2005 adaptierte die '' World Health Assembly'' der WHO diese Pläne und formulierte für das Jahr 2010 das Ziel einer 90-prozentigen Reduktion der weltweiten Sterblichkeit.<ref name=Uptodate-epid>Barinaga Jorge, Skolnik Paul: ''Epidemiology and transmission of measles.'' Review, UpToDate v15.1, 2007</ref> Im Jahr 2008 wurde vom U.S.-amerikanischen [[Centers for Disease Control and Prevention|CDC]] auf einen Ausbruch von Masern in Israel hingewiesen, wo mehr als 900 Fälle bekanntgeworden sind, 700 davon in Jerusalem und Beit Shemesh.<ref>[http://www.medicalnewstoday.com/articles/103960.php Medical News Today: CDC Urges Travelers To Israel To Protect Themselves From Measles]</ref> === Europa === Die Gesamtzahl der erfassten Erkrankungen in Europa ging von 1990 bis 2004 trotz verbesserter Überwachungs- und Meldesysteme deutlich zurück.<ref name=Uptodate-epid/> Die Häufigkeit der Fälle ist, bedingt durch variierende Impfraten, sehr unterschiedlich. Während sie in einigen Regionen, wie den skandinavischen Ländern, sehr niedrig ist –&nbsp;in [[Finnland]] traten seit 1996 lediglich vier importierte Fälle auf<ref>Robert Koch-Institut: Epidemiologisches Bulletin 05/2003 [http://www.rki.de/cln_048/nn_197444/sid_B3BCA21B45C7FE86ACAC8C546EA85AD9/DE/Content/Infekt/EpidBull/Archiv/2003/05__03.html?__nnn=true PDF, 98 KB]</ref>&nbsp;– ist das in Mittel- und Osteuropa oft noch nicht der Fall. Dort kommt es aufgrund von Impflücken immer wieder zu lokalen Krankheitsausbrüchen. Trotz Meldepflicht in den meisten Ländern existiert wahrscheinlich eine hohe Dunkelziffer und die Zahl der tatsächlichen Krankheitsfälle liegt wesentlich höher als die der gemeldeten. {| align="right" cellpadding="5" style="margin-left:1em" |+ style="margin-left:1em;" | Masernfälle in Deutschland <ref>Robert Koch-Institut: [http://www3.rki.de/SurvStat SurvStat] (abgerufen 01/2009)</ref> |- bgcolor="#DDDDDD" ! ! <span style="font-weight:normal;">2001</span> ! <span style="font-weight:normal;">2002</span> ! <span style="font-weight:normal;">2003</span> ! <span style="font-weight:normal;">2004</span> ! <span style="font-weight:normal;">2005</span> ! <span style="font-weight:normal;">2006</span> ! <span style="font-weight:normal;">2007</span> ! <span style="font-weight:normal;">2008</span> |- bgcolor="#EEEEEE" | align="left" | Fälle || 6037 || 4656 || 777 || 122 || 781 || 2308 || 566 || 915 |} 2005 kam es in [[Deutschland]] zu zwei größeren Masernausbrüchen, im Februar in Hessen mit einem Todesfall bei 223 Erkrankungsfällen und im Mai in Oberbayern mit 110 Erkrankungen. 2006 wurden Masernhäufungen in Baden-Württemberg sowie in Nordrhein-Westfalen gemeldet. Dies war die größte Masernepidemie seit Einführung der Masern-Meldepflicht im Jahr 2001.<ref>''Masern: Situationsbericht 2005, Ausbrüche in Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen im 1. Halbjahr 2006.'' Epidemiologisches Bulletin 27 / 2006 des RKI, 7. Juli 2006, [http://www.rki.de/nn_225576/DE/Content/Infekt/EpidBull/Archiv/2006/27__06,templateId=raw,property=publicationFile.pdf/27_06 PDF, 140 kB]</ref> Im Jahr 2007 kam es in Nordrhein-Westfalen sowie in Niederbayern erneut zu zwei Masernausbrüchen, insgesamt ging aber die Zahl der Erkrankungen deutlich zurück. In [[Österreich]] wurde vor der Einführung der Masern-Meldepflicht 2001 vom Institut für Virologie (Wien) ein freiwilliges Meldesystem betrieben, das etwa 8 % der österreichischen Bevölkerung abdeckte. Somit konnten für den Zeitraum von 1993 bis 1997 etwa 28.000 bis 30.000 Masernfälle für ganz Österreich hochgerechnet werden, wobei besonders 1996 und 1997 ein gehäuftes Auftreten von Masernerkrankungen zu verzeichnen war. Die Zahl der jährlichen Fälle lag zwischen 2003 und 2007 jeweils unter 100 pro Jahr.<ref name=whosummary/> Im März 2008 kam es zu einem größeren Ausbruch im Raum [[Salzburg]] mit bislang etwa 180 gemeldeten Fällen, davon 69 in Salzburg-Stadt, 85 in anderen Bezirken, 7 in [[Oberösterreich]] und 21 in den angrenzenden bayerischen Landkreisen [[Landkreis Traunstein|Traunstein]] und [[Landkreis Berchtesgadener Land|Berchtesgadener Land]] (Stand 4. April 2008). In der [[Schweiz]] kam es 1997 zu einer Epidemie mit 6400 Erkrankungen. Die Daten der Schweiz basieren auf dem ''Sentinella-Meldesystem''.<ref>Bundesamt für Gesundheit, Abteilung Epidemiologie und Infektionskrankheiten: ''Sentinellameldungen Juni 1986–April 2003: Masern.'' Bulletin 23, Juni 2003, [http://www.bag-anw.admin.ch/sentinella/publikationen/2003%20Masern%20Sentinella%20Meldungen%20Juni%201986-April%202003_d.pdf PDF, 50 kB]</ref> Nach 574 Fällen im Jahr 2003 wurde 2004 mit 39 Fällen und 2005 mit 60 Fällen wesentlich niedrigere Erkrankungsraten gemeldet.<ref name=whosummary/> Seit November 2006 breitet sich eine neue Epidemie aus. Bis Ende 2007 wurden mehr als 1100 Erkrankungen gemeldet, der Schwerpunkt lag dabei im [[Kanton Luzern]].<ref>[http://www.bag.admin.ch/themen/medizin/00682/00684/01087/index.html?lang=de Bundesamt für Gesundheit: Masern]</ref> Anfang 2008 verschärfte sich die Lage vor allem in der Nordwest- und Ostschweiz, bis Mitte März gab es schon 734 neue Masernfälle. Verschiedene Kantonsärzte empfahlen daher vorbeugende Masernimpfungen.<ref>[[Tages-Anzeiger]]: ''[http://www.tagesanzeiger.ch/dyn/news/schweiz/854553.html Masern weiter auf dem Vormarsch]'' vom 25. März 2008</ref> In den [[Niederlande]]n wird aufgrund einer orthodox-protestantischen Bevölkerungsgruppe ''(Orthodox gereformeerde kerken)'', die aus religiösen Gründen eine Impfung ablehnt, ein epidemisches Auftreten der Masern in regelmäßigen Abständen beobachtet. 1999 kam es zu einem Ausbruch mit 2961 Erkrankungen und drei Todesfällen.<ref>Centers for Disease Control and Prevention (CDC): ''Measles outbreak – Netherlands, April 1999 – January 2000.'' MMWR Morb Mortal Wkly Rep. 2000 Apr 14;49(14):299-303. PMID 10825086</ref> 2002 kam es in der Region [[Kampanien]] im südlichen [[Italien]] zu einer weiteren lokalen Epidemie mit 1571 Krankheitsfällen, von denen drei zum Tode führten.<ref> Centers for Disease Control and Prevention (CDC): ''[http://www.cdc.gov/mmwr/preview/mmwrhtml/mm5243a4.htm Measles Epidemic Attributed to Inadequate Vaccination Coverage – Campania, Italy, 2002]'', MMWR Morb Mortal Wkly Rep. 2003 Oct 31;52(43):1044-7. PMID 14586297</ref> In [[Rumänien]] erkrankten 2005 über 3600 Personen an den Masern, zehn Kinder starben daran. === Amerika === [[Datei:Masern-Faelle USA.png|thumb|right|300px|Die Zahl der Masernerkrankungen in den USA verringerte sich nach Einführung der Impfung 1962 drastisch]] Bis 1994 führten nahezu alle Staaten der UN-Region [[Amerika]] Impfprogramme für Kinder ein. Dadurch verringerte sich die durchschnittliche Zahl der Neuerkrankungen von 250.000 auf etwa 100 Fälle pro Jahr, die Masern gelten damit als faktisch ausgerottet. Regional treten noch vereinzelte Krankheitsausbrüche auf, die nahezu alle importiert sind oder auf importierte Masern zurückgeführt werden können.<ref name=Uptodate-epid/><ref>De Quadros CA, Izurieta H, Carrasco P, Brana M, Tambini G: ''Progress toward measles eradication in the region of the Americas.'' J Infect Dis. 2003 May 15;187 Suppl 1:S102-10. PMID 12721900</ref> Amerika ist somit ein Beispiel dafür, dass die Masern durch Impfprogramme weltweit beherrscht werden können.<ref>de Quadros CA.: ''Can measles be eradicated globally?'' Bull World Health Organ. 2004 Feb;82(2):134-8. PMID 15042236</ref> Die Anzahl der Masernerkrankungen in den [[Vereinigte Staaten|USA]] sank nach der Einführung des Impfstoffes 1963 von über 500.000 auf einige wenige Fälle im Jahr. Einen starken Anstieg der Fälle gab es jedoch von 1989 bis 1991. In diesen drei Jahren wurden über 50.000 Erkrankungsfälle berichtet, von denen 123 tödlich endeten. Hauptsächlich waren Kleinkinder aus hispanoamerikanischen und afroamerikanischen Familien betroffen, bei denen die Rate ungeimpfter Kinder deutlich höher war als bei der Gesamtbevölkerung. Mittlerweile treten genuine, also nicht importierte, Masernerkrankungen in den Staaten Nord- und Südamerikas mit Einschluss der Karibik kaum noch auf.<ref>Atkinson WL, Orenstein WA, Krugman S.: ''The resurgence of measles in the United States, 1989–1990.'' Annu Rev Med. 1992;43:451-63 PMID 1580601</ref> Die ''[[Centers for Disease Control and Prevention]]'' sehen die Masern in den USA nicht mehr als [[Endemie|endemische]] Krankheit an.<ref name=Uptodate-epid/> == Erreger == === Eigenschaften === [[Datei:Measles_virus.JPG|thumb|200px|Masernvirus in der Transmissions-Elektronen- Mikroskopie (TEM)]] Das [[Masernvirus]] ist ein ausschließlich im Menschen vorkommendes ([[humanpathogen]]es), etwa 120–140&nbsp;[[Meter|Nanometer]] großes einzelsträngiges [[RNA]]-Virus aus der Familie der [[Paramyxoviridae|Paramyxoviren]] (Genus Morbillivirus). Die [[Virushülle|Hülle]] des Masernvirus enthält die Oberflächenproteine [[Hämagglutinin (Influenzavirus A)|Hämagglutinin]] (H-Protein) und Fusionsprotein (F-Protein) sowie ein [[Matrixprotein]] (M-Protein). H- und F-Protein sind für die Fusion mit der [[Wirt (Biologie)|Wirtszelle]] und die Aufnahme durch diese verantwortlich. Die [[Rezeptor|Zellrezeptoren]], über deren Hilfe das Virus in die menschlichen Zellen aufgenommen wird, sind [[Cluster of differentiation|CD]]46 und CD150. Die von der Impfung hervorgerufenen (induzierten) [[Antikörper]] richten sich gegen die Oberflächenproteine des Masernvirus, insbesondere gegen das H-Protein.<ref>Yanagi Y, Takeda M, Ohno S, Seki F: ''[http://vir.sgmjournals.org/cgi/content/full/87/10/2767 Measles virus receptors and tropism.]'' Jpn J Infect Dis. 2006 Feb;59(1):1-5. PMID 16495625</ref> Die [[Weltgesundheitsorganisation|WHO]] definiert 23 bisher bekannte [[Genotyp]]en (Variationen der genetischen Informationen) in acht Gruppen (A–H).<ref name="who">WHO: ''Nomenclature for describing the genetic characteristics of wild-type measles viruses (update)''. WER 2001; 32: 242–247 and 33: 249–251 PMID 11515240 [http://www.who.int/docstore/wer/pdf/2001/wer7632.pdf PDF, 137 kB]</ref> Die Mutationsrate der Genome ist vergleichsweise gering, wodurch weltweite (geografische) Infektionswege nachvollzogen werden können.<ref>Bellini WJ, Rota PA.: ''Genetic diversity of wild-type measles viruses: implications for global measles elimination programs.'' Emerg Infect Dis. 1998 4(1):29-35. PMID 9452396</ref> In Mitteleuropa kommen vor allem die Genotypen C2, D6 und D7 vor. Die Masernausbrüche in der Schweiz und in Niederbayern 2006/2007 waren hingegen durch den aus Thailand oder Kambodscha stammenden Genotyp D5 verursacht.<ref name="epidbull">Robert Koch-Institut: ''[http://www.rki.de/nn_494538/DE/Content/Infekt/EpidBull/Archiv/2007/37__07.html Epidemiologisches Bulletin 37/2007]''</ref> Dies ermöglichte den Nachweis einer Infektkette von der Schweiz nach Niederbayern und von dort weiter nach Österreich und Hannover, da der Genotyp D5 in Mitteleuropa sonst nur in Einzelfällen auftritt. Weiterhin existiert nur ein stabiler [[Serotyp]] (Kombination von Oberflächenmerkmalen des Erregers), weshalb ein gut wirksamer [[Impfstoff]] hergestellt werden konnte. Das Virus ist sehr empfindlich gegenüber äußeren Einflüssen wie erhöhten [[Temperatur]]en, [[Ultraviolettstrahlung]] (Licht), sowie aufgrund seiner [[Virushülle]] gegenüber Fettlöse- und [[Desinfektionsmittel]]n. An der Luft bleibt das Virus lediglich zwei Stunden infektiös. === Übertragung und Körperabwehr === Die Übertragung des Masernvirus erfolgt durch direkten Kontakt oder durch [[Tröpfcheninfektion]]. Die Infektiosität der Masern besteht drei bis fünf Tage vor dem Ausbruch des Hautausschlags bis vier Tage danach. Das Masernvirus dringt über die [[Epithel]]zellen der [[Schleimhaut]] des [[Atemtrakt]]s oder seltener über die [[Bindehaut]] der Augen in den Körper ein. Das Virus führt dabei durch die hohe Ansteckungsfähigkeit schon nach kurzer [[Exposition (Medizin)|Exposition]] zu einer Infektion ([[Kontagionsindex]] von fast 1). Die Viren vermehren sich in den regionalen [[Lymphknoten]] und breiten sich nach etwa 48&nbsp;Stunden über die Blutbahn in das [[Retikuloendotheliales System|retikuloendotheliale System]] aus. Dies geht einher mit einem meist kurzen Auftreten des Virus im Blut ([[Virämie]]). Nach etwa 5–7 Tagen kommt es zu einer zweiten Virämie mit anschließender [[Infektion]] der Haut und des Atemtrakts. Dadurch werden der charakteristische Hautausschlag (Masernexanthem) und die schnupfenartigen Symptome, Husten und [[akute Bronchitis]] ausgelöst. Durch die [[Vektor (Biologie)|Invasion]] des Virus in [[T-Lymphozyt]]en sowie erhöhte Spiegel von Botenstoffen ([[Zytokine]]n), insbesondere [[Interleukin#Interleukin-4|Interleukin-4]], wird eine vorübergehende Schwäche der Körperabwehr verursacht. Während dieser Phase, die etwa vier bis sechs Wochen dauert, kann es dadurch zu weiteren (sekundären) Infektionen kommen.<ref name=Koehler>Köhler et al.: ''Medizinische Mikrobiologie'', S. 641-644.</ref> Die Körperabwehr beruht vor Beginn des Exanthems vor allem auf dem zellulären [[Immunsystem]] (zytotoxische T-Lymphozyten, [[NK-Zelle|natürliche Killerzellen]]). Patienten mit einer verminderten [[Immunität (Medizin)|Immunität]], die auf einer Schwächung dieses Teils des Immunsystems beruht, haben ein hohes Risiko für eine Maserninfektion, die einen schweren Verlauf nehmen kann. Eine [[Immunschwäche]], die sich auf den Bereich des [[Immunsystem#Humorale Bestandteile|humoralen Immunsystems]] beschränkt, führt hingegen nicht zu einem erhöhten Erkrankungsrisiko. Für die Entwicklung der typischen Rachenrötung (Enanthem, Koplik-Flecken) sowie Hautrötung (Exanthem, s.&nbsp;u.) spielen Immunreaktionen in kleinen Blutgefäßen ([[Kapillare (Anatomie)|Kapillaren]]) eine wichtige Rolle. Daher können diese Zeichen bei immungeschwächten Patienten fehlen ''(weiße Masern)'', obwohl ein schwerer Krankheitsverlauf vorliegt. Mit Beginn des Exanthems setzt die Bildung von [[Antikörper]]n ein, zuerst der Klasse [[Immunglobulin M|IgM]], später auch von [[Immunglobulin G|IgG]].<ref name=Koehler/> == Krankheitsbild == === Symptome und Krankheitsverlauf === [[Datei:Koplik spots, measles 6111 lores.jpg|thumb|Koplik-Flecken an der Wangeninnenseite]] [[Datei:Measles enanthema.jpg|thumb|Rötung des Rachens (Enanthem)]] Typisch für die Masern ist ein zweiphasiger Krankheitsverlauf: Auf die [[Inkubationszeit]] von 10&nbsp;bis 14&nbsp;Tagen folgt das drei bis vier Tage dauernde, uncharakteristische ''Prodromalstadium'', auch ''Initialstadium'' genannt. Dieses äußert sich durch eine [[Entzündung]] der [[Schleimhaut|Schleimhäute]] des oberen ([[Katarrh]] mit [[Rhinitis]]), teilweise auch des mittleren [[Atemtrakt]]es als trockene [[Akute Bronchitis|Bronchitis]], sowie der [[Bindehaut|Augenbindehäute]] ([[Conjunctivitis|Konjunktivitis]]). Das Beschwerdebild in diesem Krankheitsstadium wird daher auch mit den Worten „verrotzt, verheult, verschwollen“ beschrieben. Dazu kann es zu [[Fieber]] bis 41&nbsp;°C, Übelkeit, Halsschmerzen und [[Kopfschmerz]]en kommen. Die nur bei Masern vorkommenden ''Koplikflecken'' an der Wangenschleimhaut gegenüber den vorderen Backenzähnen ([[Prämolar]]en) sind eher selten zu beobachten und werden von manchen Autoren zu den atypischen Zeichen einer Maserninfektion gezählt.<ref>Cherry JD: ''Textbook of pediatric infectious diseases'', 5. Auflage, Philadelphia (WB. Saunders) 2004, S. 2292–2293</ref> Diese weißen, kalkspritzerartigen Flecken auf gerötetem Untergrund sind 1–2&nbsp;mm groß und treten kurz vor dem Erscheinen des späteren Ausschlags auf. [[Datei:RougeoleDP.jpg|thumb|Typische Hauterscheinungen bei Masern]] Am 12. bis 13. Tag geht die Krankheit in das typische ''Exanthemstadium'' über, das oft mit einer typischen Schleimhautrötung ([[Enanthem]]) am weichen [[Gaumen]] beginnt. Am 14. bis 15. Tag breitet sich ein fleckig-knotiger ([[Effloreszenz|makulo-papulöser]]), zum Teil konfluierender, großfleckiger Ausschlag ([[Exanthem]]) – typischerweise hinter den Ohren (retroaurikulär) beginnend&nbsp;– innerhalb von 24 Stunden über den ganzen Körper aus. Nach weiteren vier bis fünf Tagen bilden sich die Symptome in der Regel zurück. Als Überbleibsel des Exanthems kann eine kleieförmige Schuppung für kurze Zeit bestehen bleiben. Begleitend treten häufig Lymphknotenschwellungen ([[Lymphadenopathie]]) auf. Bei Erwachsenen verläuft die Krankheit oft schwerer als bei Kindern. Der Fieberverlauf der Erkrankung ist häufig zweigipflig, wobei der erste Gipfel während des Prodromal-, der zweite während des späteren Exanthemstadiums auftritt. Dazwischen kommt es oft zu einer kurzen Entfieberung. In unkomplizierten Fällen folgt eine rasche Erholung und eine lebenslang anhaltende [[Immunität (Medizin)|Immunität]].<ref name=Harrsion>''Harrisons Innere Medizin'' (2005), S. 1232–1235.</ref><ref name=Uptodate-clin-diag>Barinaga Jorge, Skolnik Paul: ''Clinical presentation and diagnosis of measles.'' Review, UpToDate v15.1, 2007</ref> === Untypische Verlaufsbilder === Untypische Verläufe kommen in verschiedenen Situationen vor. Säuglinge mit [[Leihimmunität]] durch mütterliche [[Antikörper]] oder Patienten, die Antikörperpräparate erhalten haben, erkranken an einer abgeschwächten Form der Erkrankung ''(mitigierte Masern)''. Bei Personen mit [[Immundefekt|Immunschwäche]] kann der Verlauf sehr unterschiedlich sein, so kann beispielsweise hier der typische Hautausschlag fehlen ''(weiße Masern)''. Zu dieser Gruppe zählen Patienten mit angeborenen Defekten des zellulären Immunsystems, [[Humanes Immundefizienz-Virus|HIV]]-Infektionen, [[Krebs (Medizin)|bösartigen Tumoren]] oder [[Immunsuppression|immunsuppressiver Therapie]]. Sie haben ein hohes Risiko, an einem schweren und langwierigen Verlauf der Masern mit erhöhter Komplikations- und Sterblichkeitsrate zu erkranken. Unter ''atypischen Masern'' versteht man eine schwere Verlaufsform, die bei Patienten nach der Impfung mit einem formalininaktivierten Impfstoff auftrat, wenn sie später mit einem Wildtyp-Masernvirus konfrontiert wurden. Diese Impfstoffe wurden in den USA und Kanada in den 1960er Jahren benutzt. Neben der sehr ausgeprägten Symptomatik, die meist nicht in der typischen Reihenfolge verlief, traten [[Pleuraerguss|Pleuraergüsse]], [[Hepatitis|Leberentzündungen]] und [[Ödem]]e der Arme und Beine auf. Trotz der Schwere des Krankheitsbildes war die Prognose gut, die Patienten erholten sich vollständig.<ref name=Harrsion/> === Komplikationen === Während der Großteil der Erkrankungen unkompliziert verläuft, treten bei etwa 20–30 % der Fälle zusätzliche Begleiterscheinungen und Komplikationen auf, wobei [[Durchfall]] (in 8 % der Krankheitsfälle), [[Akute Mittelohrentzündung|Mittelohrentzündungen]] (7 %) und [[Lungenentzündung]]en (6 %) die häufigsten sind.<ref Name="PinkBook">''Measles''. In: ''Epidemiology & Prevention of Vaccine-Preventable Diseases – „The Pink Book“'', 9te Edition, Public Health Foundation, S. 131-144 [http://www.cdc.gov/vaccines/pubs/pinkbook/downloads/meas.pdf PDF, 830 kB]</ref> Daneben gibt es eine Vielzahl weiterer Komplikationen. Über die [[Letalität|Sterblichkeitsrate]] gibt es verschiedene Angaben. Während das [[Robert-Koch-Institut]] diese mit 1:10.000 bis 1:20.000 angibt<ref name="Merkblatt-rki"/>, gehen die US-amerikanischen ''Centers for Disease Control and Prevention'' von einer Sterblichkeit von 1:500 bis 1:1000 aus.<ref name="surv">Website des CDC: [http://www.cdc.gov/measles/about/overview.html Overview of Measles Disease]</ref>In Entwicklungsländern liegt die Todesrate wesentlich höher, teilweise bei bis zu 25 %.<ref name=Uptodate-epid/> Zum Tode führende Komplikationen sind meist die Entzündungen von Gehirn oder Lunge. ==== Masernpneumonie ==== [[Datei:Morbillo.jpg|thumb|Riesenzelle bei Masernpneumonie im feingeweblichen Schnitt]] Unter einer ''primären Masernpneumonie'' wird eine Lungenentzündung mit dem Verlaufsbild einer [[Pneumonie#Typische und atypische Pneumonien|interstitiellen Pneumonie]] mit Entzündung der kleinen Bronchien ([[Bronchiolitis]]) verstanden, die sich hauptsächlich als Atemstörung ([[Dyspnoe]]) äußert. Mittels körperlicher Untersuchung ist sie schwer zu diagnostizieren, so dass eine [[Röntgen]]aufnahme erforderlich ist. Das Epithel des respiratorischen Systems wird durch das Masernvirus direkt geschädigt, dabei wird ein Verlust von Flimmerhärchen ([[Cilie]]n) beobachtet. Diese Schäden stellen eine Prädisposition für bakterielle Infekte dar (bakterielle [[Superinfektion]]en). Eine solche Infektion tritt, insbesondere nach oder bei einer gleichzeitigen interstitiellen Viruspneumonie, als [[Pneumonie#Typische und atypische Pneumonien|Bronchopneumonie]] auf. Sie ist aber durch die masernbedingte Abwehrschwäche (s.&nbsp;o.) auch isoliert möglich. Eine seltene Form der viralen Pneumonie ist die ''Riesenzellpneumonie'' mit vielkernigen, von den [[Lunge|Alveolarepithelien]] abstammenden [[Riesenzelle]]n ''(Hecht-Riesenzellen)'', die typisch für Masern und [[Keuchhusten]] ist, selten jedoch auch bei [[Diphtherie]] oder [[Grippe]] vorkommt. Sie tritt vor allem bei geschwächten Patienten auf und hat eine schlechte Prognose. ==== Meningoenzephalitis ==== Die Entzündung des [[Gehirn]]s und seiner [[Hirnhäute|Häute]] ([[Meningoenzephalitis]]) ist selten (bei 0,1 % der Erkrankungen), verläuft jedoch in 15–20 % der Fälle tödlich. In weiteren 20–40 % bleiben dauerhafte Schädigungen des Gehirns zurück.<ref name="Merkblatt-rki"/> Die Meningoenzephalitis kann sich drei bis elf Tage nach Exanthembeginn entwickeln, bei Patienten über sechs Jahren häufiger als bei Kleinkindern. Sie manifestiert sich mit Fieber, Kopfschmerz, meningealer Reizung (Nackensteifigkeit, Erbrechen) sowie Bewusstseinsstörungen bis zum [[Koma]]. Schwere Verlaufsformen äußern sich in [[Epilepsie|epileptischen Anfällen]] und anderen neurologischen Funktionsstörungen. Bei der [[Lumbalpunktion]] zeigt das gewonnene [[Liquor cerebrospinalis|Hirnwasser]] eine Zellvermehrung ([[Pleozytose]]) und eine erhöhte Proteinkonzentration. Nach Einführung der Masernimpfung sank das Vorkommen der durch Masern ausgelösten Meningoenzephalitis kontinuierlich und liegt in Deutschland bei weniger als zehn Fällen im Jahr. Bei Kindern mit angeborenen oder erworbenen [[Immundefekt]]en kann es in seltenen Fällen zu einer besonderen Form der Gehirnentzündung durch Masernviren kommen („Einschlusskörperchenenzephalitis“,'' measles inclusion-body encephalitis'', MIBE). Diese Komplikation manifestiert sich meist innerhalb eines Jahres nach Maserninfektion mit schwer behandelbaren fokalen [[Epilepsie#Partieller .28fokaler.29 Krampfanfall|Krampfanfällen]] und endet in der Regel innerhalb von wenigen Monaten tödlich.<ref>Freeman AF et al.: ''A new complication of stem cell transplantation: measles inclusion body encephalitis.'' Pediatrics. 2004 114(5):e657-60. PMID 15520095. {{ISSN|0031-4005}} [http://pediatrics.aappublications.org/cgi/reprint/114/5/e657 PDF, 157 kB]</ref> Die Diagnose kann durch eine Gewebeprobeentnahme aus dem Gehirn ([[Biopsie]]) gestellt werden. Es sind auch Fälle beschrieben worden, die durch das Impfvirus verursacht wurden.<ref>Bitnun A et al.: ''Measles inclusion-body encephalitis caused by the vaccine strain of measles virus.'' Clin Infect Dis. 1999 29(4):855-61. PMID 10589903. {{ISSN|1058-4838}}</ref> Menschen mit einem schweren angeborenen oder erworbenen Immundefekt dürfen daher nicht gegen Masern geimpft werden. ==== Subakute sklerosierende Panenzephalitis ==== Die ''subakute sklerosierende Panenzephalitis'' (SSPE) ist eine Spätkomplikation nach Maserninfektion, die eine generalisierte Entzündung des Gehirns mit Nerven-Entmarkung ([[Demyelinisation|Demyelinisierung]]) und schwersten Schäden nach sich zieht und immer tödlich endet. Die Entstehung der SSPE ist nicht vollständig geklärt. Eine Rolle scheinen dabei Mutationen der Proteine der Virushülle zu spielen, insbesondere des M-Proteins.<ref name=Uptodate-clin-diag/><ref>Hotta H, Jiang DP, Nagano-Fujii M: ''SSPE virus and pathogenesis''. Nippon Rinsho. 2007 Aug;65(8):1475–80. PMID 17695286</ref> Die Erkrankung tritt Monate bis zehn Jahre nach einer Maserninfektion auf, im Durchschnitt nach sieben Jahren. Der Verlauf ist langsam [[Progredienz|progredient]] über ein bis drei Jahre&nbsp;– die SSPE zählt zu den sog. ''Slow Virus Infections''. In jeweils 10 % der Fälle tritt ein akuter, schnellerer (3 bis 6 Monate) oder ein langsamerer Verlauf (länger als drei Jahre) auf. Es lassen sich drei Stadien der SSPE abgrenzen. Das erste Stadium ist durch psychische Störungen und [[Demenz]] gekennzeichnet, das zweite durch Muskelkrämpfe ([[Myoklonie]]n) und [[Epilepsie|epileptische Anfälle]]. Im dritten Stadium kommt es zum [[Dezerebrationssyndrom]], bei dem das Großhirn stark geschädigt ist. Im [[Elektroenzephalografie|EEG]] finden sich typische Veränderungen, die wegweisend für die SSPE sind ([[Radermecker-Komplex]]). Die Häufigkeit der SSPE wurde früher mit 5 bis 10 pro 1 Million Masernfällen angegeben. Die neuere Literatur geht jedoch von einer Häufigkeit von etwa 1:10.000 Infizierten aus.<ref name="Merkblatt-rki"/><ref>Bellini WJ et al.: ''Subacute sclerosing panencephalitis: more cases of this fatal disease are prevented by measles immunization than was previously recognized.'' J Infect Dis. 2005 192(10):1686–93. PMID 16235165</ref> Die absolute Häufigkeit der SSPE ist durch die Masernimpfung seit den 1980er Jahren deutlich reduziert worden. Die SSPE tritt in den meisten Fällen bei Kindern oder Jugendlichen auf, die vor ihrem zweiten Lebensjahr die Masern durchgemacht hatten. Da Kinder erst ab dem 12. Lebensmonat gegen Masern geimpft werden können, sind sie nur geschützt, wenn sie sich aufgrund einer durchgeimpften Umgebung nicht anstecken. ==== Weitere Komplikationen ==== Durch eine [[Kehlkopfentzündung]] mit Schwellung der Schleimhaut kommt es zu Heiserkeit und Atemnot bereits im Vorstadium (vgl. [[Pseudokrupp]]), dies wird als Masernkrupp bezeichnet. Auch eine Entzündung der [[Kornea|Hornhaut]] ([[Keratitis]]) mit multiplen, punktförmigen, epithelialen [[Läsion]]en kann als Komplikation der Maserninfektion auftreten. In Entwicklungsländern sind die Masern eine der häufigsten Ursachen für Erblindungen von Kindern, besonders im Zusammenhang mit [[Vitamin A#Hypovitaminose|Vitamin-A-Mangel]]. Weitere Komplikationen sind die Wurmfortsatzentzündung ([[Appendizitis]]), Leberentzündung ([[Hepatitis]]) oder generalisierte Lymphknotenschwellung ([[Lymphadenitis]]). Selten sind eine Herzmuskelentzündung ([[Myokarditis]]), Nierenentzündung ([[Glomerulonephritis]]) oder ein Abfall der Blutplättchen ([[thrombozytopenische Purpura]]).<ref name=Uptodate-clin-diag/> == Diagnose == Die klinische Diagnose anhand des Krankheitsbildes, insbesondere des „typischen“ Masernexanthems, ist aufgrund des zunehmend selteneren Vorkommens und untypischer Verlaufsbilder mit einer großen Fehlerhäufigkeit behaftet,<ref name="Merkblatt-rki"/> so dass zusätzliche Untersuchungen notwendig sind, um die Krankheit sicher diagnostizieren zu können. Im Epidemiefall kann die Diagnose dennoch häufig klinisch gestellt werden, insbesondere von erfahrenen Untersuchern.<ref>Ferson MJ, Young LC, Robertson PW, Whybin LR.: ''Difficulties in clinical diagnosis of measles: proposal for modified clinical case definition.'' Med J Aust. 1995 Oct 2;163(7):364-6. PMID 7565261</ref><ref> Oliveira SA et al.: ''Assessment of the performance of a definition of a suspected measles case: implications for measles surveillance.'' Rev Panam Salud Publica. 2006 Apr;19(4):229-35. PMID 16723063</ref> Am sichersten ist die Diagnose über den [[Serologie|serologischen]] Nachweis von IgM-[[Antikörper]]n zu führen. Dies wird heute methodisch meist mit Hilfe eines Enzymimmunoassay ([[Enzyme-linked Immunosorbent Assay|ELISA]]) erreicht, in manchen Labors wird auch noch die [[Komplementbindungsreaktion]] (KBR) oder der [[Virologische Diagnostik#Verfahren zum Antikörpernachweis|Hämagglutinationshemmtest]] (HHT) durchgeführt. Bei der Bestimmung der IgM-Antikörper können falsch-positive und falsch-negative Ergebnisse auftreten. Ein mindestens vierfacher Anstieg des Masern-IgG-[[Titer (Medizin)|Titers]] innerhalb etwa einer Woche oder das Neuauftreten der IgG-Antikörper ist jedoch ein valider Hinweis auf eine frische Infektion. Eine erhöhte Sicherheit bietet die kombinierte Bestimmung von IgM- und IgG-Antikörpern. Der Nachweis von IgM ist im Allgemeinen mit dem Ausbruch des Exanthems positiv, kann in den ersten Tagen jedoch auch negativ ausfallen. Vom dritten Tag bis etwa 4–6 Wochen nach Auftreten des Exanthems sind die IgM-Antikörper meist nachweisbar, so dass ein rückwirkender Nachweis einer Erkrankung möglich ist. IgG-Antikörper sind meist nicht vor dem 7. Tag nach dem Ausbruch des Exanthems festzustellen.<ref name="Merkblatt-rki">''Masern.'' RKI-Ratgeber Infektionskrankheiten – Merkblätter für Ärzte. Robert-Koch-Institut. Stand 08/2006 – [http://www.rki.de/cln_048/nn_196658/DE/Content/Infekt/EpidBull/Merkblaetter/Ratgeber__Mbl__Masern.html online]</ref><ref name=Uptodate-clin-diag/><ref>Bellini, WJ, Helfand, RF: ''The challenges and strategies for laboratory diagnosis of measles in an international setting.'' J Infect Dis 2003; 187 Suppl 1:S283 PMID 12721927</ref> Der direkte Erregernachweis (Vermehrung von Virus-RNA mittels [[RT-PCR]] oder Virusanzucht in [[Zellkultur]]en) ist aufwändiger als der indirekte (Antikörpernachweis) und nur bei speziellen Fragestellungen sinnvoll. Er bietet aber den Vorteil, dass der Erreger genetisch typisiert werden kann, so dass Übertragungsketten der Infektion im Detail nachvollzogen werden können. Der Erregernachweis im Liquor kommt nur bei Verdacht auf eine Masern-Enzephalitis in Frage; aufgrund der Instabilität der Virus-RNA im Liquor schließt ein negativer PCR-Befund die Masernenzephalitis nicht aus. Bei Verdacht auf eine SSPE ist meist nicht der direkte Erregernachweis erfolgreich, sondern der Nachweis von Masern-IgM im Liquor. Neben der spezifischen Virusdiagnostik der Masern fallen bei Blutuntersuchungen (Labordiagnostik) eine Verminderung der [[Leukozyt|weißen Blutkörperchen]] ([[Leukopenie]]), insbesondere der [[Lymphozyt]]en ([[Lymphopenie]]) und der [[Eosinophiler Granulozyt|eosinophilen Granulozyten]] ([[Eosinopenie]]), sowie eine vorübergehende Verminderung der [[Thrombozyt|Blutplättchen]] ([[Thrombozytopenie]]) auf. Bei Infektionen des Gehirns findet man eine erhöhte Eiweißkonzentration sowie vermehrt [[Lymphozyt]]en (lymphozytäre [[Pleozytose]]) im Hirnwasser ([[Liquor cerebrospinalis|Liquor]]). === Differenzialdiagnose === [[Diagnose#Differenzialdiagnose|Differenzialdiagnostisch]] kommen bei der klinischen Diagnose am ehesten [[Scharlach (Krankheit)|Scharlach]] und [[Röteln]] in Betracht. Bei Scharlach beginnt der eher feinfleckige Ausschlag in der Leisten- oder Achselregion und steigt von dort zum Kopf auf, wo er das Mund-Kinn-Dreieck auslässt. Typisch ist auch die sogenannte Himbeerzunge und eine [[Pharyngitis]] (Rachenentzündung). Die Röteln zeigen meist ein nur mildes Krankheitsbild mit mäßigem Fieber und einem schwachen, nichtkonfluierenden Exanthem an Hals und Brust. Hier ist eine starke Schwellung der im Nacken gelegenen [[Lymphknoten]] typisch. Neben diesen Erkrankungen kommen auch ein [[Pfeiffer-Drüsenfieber]], [[Toxoplasmose]], Infektionen mit [[Mykoplasmen]], das [[Kawasaki-Syndrom]] und Arzneimittelallergien in Frage. Durch den Nachweis spezifischer Antikörper lassen sich diese Krankheiten ausschließen. === Meldepflicht === In Deutschland sind durch das 2001 in Kraft getretene [[Infektionsschutzgesetz]] Krankheitsverdacht, Erkrankung und Tod ebenso wie der direkte oder indirekte Nachweis des Masernvirus [[Meldepflicht|meldepflichtig]] geworden (§6 IfSG). Leiter von Gemeinschaftseinrichtungen sind bei Kenntnis von Erkrankungsfällen zur Meldung an das Gesundheitsamt verpflichtet.<ref name="IfSG6">''Gesetz zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen.'' § 6: Meldepflichtige Krankheiten, [http://bundesrecht.juris.de/ifsg/__6.html online]</ref> Bei Krankheitsverdacht oder Erkrankung besteht Tätigkeits- und Aufenthaltsverbot in Gemeinschaftseinrichtungen. In Österreich besteht Meldepflicht seit Dezember 2001 (BGBl. II Nr. 456/2001 Verordnung: Anzeigepflichtige übertragbare Krankheiten), in der Schweiz seit März 1999 (Melde-Verordnung, SR 818.141.1). == Therapie == Eine spezifische antivirale Therapie, die gegen das Masernvirus gerichtet ist, existiert nicht. In der akuten Krankheitsphase soll Bettruhe eingehalten werden. Als symptomatische Therapie können fiebersenkende Medikamente ([[Antipyretika]]) und Hustenmittel ([[Antitussiva]]) eingesetzt werden. Da der Körper bei [[Fieber]] einen erhöhten Flüssigkeitsbedarf hat, sollte unbedingt viel getrunken werden. Bakterielle [[Superinfektion]]en wie eine [[Akute Mittelohrentzündung|Mittelohr-]] (Otitis media) oder [[Lungenentzündung]] (Pneumonie) werden mit [[Antibiotika]] behandelt. Verschiedene Studien in Entwicklungsländern zeigten einen günstigen Effekt der Gabe von [[Vitamin A]] auf die Komplikationsrate und Sterblichkeit.<ref>Huiming Y, Chaomin W, Meng M: ''Vitamin A for treating measles in children.'' Cochrane Database Syst Rev. 2005 Oct 19;(4):CD001479. PMID 16235283</ref> Der Mechanismus der Wirkung ist dabei unklar. Die WHO empfiehlt die Vitamin A-Gabe im Krankheitsfall in Regionen, in denen ein Vitamin-Mangel angenommen werden kann oder in denen die Sterblichkeitsrate über einem Prozent liegt. Untersuchungen über eine Vitamin-A-Therapie in westlichen Industrieländern existieren nicht. Die Empfehlungen des Robert-Koch-Institutes enthalten keine Vitamin-Gabe.<ref name=Merkblatt-rki/><ref name=uptodate-treat/> Das Virostatikum [[Ribavirin]] ist ''[[in vitro]]'' gegen das Masernvirus wirksam; Studien zur Anwendung beim Menschen fehlen, es liegen nur einzelne Fallberichte vor, in denen eine Ribaviringabe von Nutzen war.<ref name=uptodate-treat/><ref>Forni, AL, Schluger, NW, Roberts, RB. Severe measles pneumonitis in adults: Evaluation of clinical characteristics and therapy with intravenous ribavirin. Clin Infect Dis 1994; 19:454. PMID 7811865</ref> Die [[Deutsche Gesellschaft für pädiatrische Infektiologie]] gibt an, dass bei Immunsupprimierten mit schwerem Krankheitsverlauf in Einzelfällen eine antivirale Therapie mit Ribavirin in Kombination mit [[Immunglobulin]]en erwägenswert sei. Gemeinschaftseinrichtungen dürfen während der Erkrankung nicht besucht werden (s.&nbsp;u.). Durch die passive oder aktive Impfung nach Exposition kann die Krankheit unter Umständen gemildert oder verhindert werden ([[Postexpositionsprophylaxe]], s.&nbsp;u.). == Vorbeugung == === Quarantäne === Nach dem deutschen [[Infektionsschutzgesetz]] (IfSG) aus dem Jahr 2001 dürfen infizierte Kinder solange keine Gemeinschaftseinrichtungen besuchen, bis sie nach Abklingen der Erkrankung keine Viren mehr ausscheiden und keine weiteren Personen mehr infizieren können. Unter Gemeinschaftseinrichtungen werden dabei Institutionen verstanden, in denen überwiegend Säuglinge, Kinder oder Jugendliche betreut werden, wie Kinderkrippen, Kindergärten, Kindertagesstätten, Kinderhorte, Schulen oder sonstige Ausbildungseinrichtungen, außerdem Heime und Ferienlager. Dieselbe Regelung gilt auch für die Beschäftigten dieser Einrichtungen.<ref name="IfSG34">''Gesetz zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen.'' § 34, [http://bundesrecht.juris.de/ifsg/__34.html online]</ref> In anderen Ländern bestehen vergleichbare Regelungen. Sogenannte „[[Masernparty]]s“<ref>{{cite news |author= Dillner L |title= The return of the measles party |work= Guardian |date=2001-07-26 |accessdate=2007-08-13|url=http://lifeandhealth.guardian.co.uk/health/story/0,,1610704,00.html}}</ref> – organisierte Treffen, bei denen nicht gegen Masern geimpfte Kinder sich bei Kindern, die akut an Masern erkrankt sind, anstecken sollen – sind strafrechtlich relevant.<ref>Nicole Schaenzler, Brigitte Strasser-Vogel: ''300 Fragen zum Impfen.'' 1.Auflage. Graefe und Unzer Verlag, München 2008, S.149. ISBN 978-3-8338-1145-6.</ref> === Impfung === ''Hauptartikel: [[MMR-Impfstoff]]'' [[Datei:Measles vaccination worldwide.png|thumb|350px|right|Die Situation der weltweiten Masern-Impfraten]] Die [[Impfung]] gegen Masern wird als Masern-Mumps-Röteln-Impfung oder Masern-Mumps-Röteln-Windpocken-Impfung mit einem Kombinationsimpfstoff ([[MMR-Impfstoff]] oder MMRV-Impfstoff) durchgeführt. Es handelt sich dabei um eine Lebendimpfung mit einem abgeschwächten ([[Attenuierung|attenuierten]]) [[Lebendimpfstoff]], der nach einmaliger Impfung bei 95 % der Kinder einen ausreichenden Schutz gegen Masern bewirkt. Da bei einer Durchimpfungsrate von weniger als 95 % mit sporadischen Masernepidemien in mehrjährigen Abständen zu rechnen ist, müssen mit einer zweiten Impfung, frühestens vier Wochen nach der ersten, Impflücken geschlossen werden, um „Impfversagern“ den entsprechenden Impfschutz zu gewähren. Nach einer zweifachen MMR-Impfung entwickeln über 99 % eine lebenslange Immunität, die durch einen Titer-unabhängigen Nachweis von Masern-IgG festgestellt werden kann. Die MMR-Impfung kann mit weiteren Impfungen kombiniert werden. [[Kontraindikation|Gegenanzeigen]] zu einer Impfung sind akute Erkrankungen, [[Humanes Immundefizienz-Virus|HIV]]-positive und andere immungeschwächte Patienten ([[Kortikosteroid]]-Therapie, [[Leukämie]]), Schwangerschaft, sowie Allergien gegen Gelatine oder ein Abfall der Blutplättchen ([[Thrombozytopenie]]) in der Vergangenheit. Im Fall einer Erkrankung bei diesen Gegenanzeigen werden Immunglobuline als Postexpositionsprophylaxe verabreicht.<ref name=uptodate-treat/> Nach dem [[Impfkalender]] der [[Ständige Impfkommission|Ständigen Impfkommission]] am [[Robert-Koch-Institut]] ist die erste MMR-Impfung bei allen Kindern zwischen dem vollendeten 11. und 14. Lebensmonat, die zweite im Alter von 15 bis 23 Monaten vorgesehen. Seit dem Sommer 2006 ist außerdem ein Kombinationsimpfstoff zugelassen, der zusätzlich eine Windpockenkomponente enthält und damit den Impfplan weiter vereinfacht. Auch dieser Impfstoff wird zu denselben Zeiten zweimalig verabreicht.<ref name="stiko"> Impfempfehlungen der Ständigen Impfkommission (STIKO), Robert-Koch-Institut, Berlin 2006, [http://www.rki.de/cln_048/nn_195844/DE/Content/Infekt/EpidBull/Archiv/2006/30__06,templateId=raw,property=publicationFile.pdf/30_06.pdf PDF, 164 kB]</ref> Die Maserndurchimpfung zum Schuleintritt lag in Deutschland 2006 bei 94 % für die erste und 77 % für die zweite Impfdosis.<ref name=who-impf/><br /> In [[Österreich]] werden zwei Teilimpfungen im zweiten Lebensjahr mit einem Mindestabstand von einem Monat empfohlen. Wiederholungen der Impfung werden bei Schuleintritt im siebten Lebensjahr und im 13. Lebensjahr vom öffentlichen Gesundheitsdienst kostenlos angeboten.<ref name="impfaustria">Österreichischer Impfplan 2006</ref> Die Rate der Masernimpfung in Österreich wurde für 2006 von der WHO auf 80 % für die Erst- und 61 % für die Zweitimpfung geschätzt.<ref name=who-impf>WHO: ''[http://www.who.int/immunization_monitoring/en/globalsummary/timeseries/tscoveragemcv.htm Reported estimates of MCV coverage]''</ref><br /> Die Empfehlungen des Bundesamtes für Gesundheit und der [[Schweiz]]erischen Kommission für Impffragen sehen zwei MMR-Impfungen im Alter von 12 und 15–24 Monaten vor.<ref>''Prävention von Masern, Mumps und Röteln''. Empfehlungen des Bundesamtes für Gesundheit (BAG) und der Schweizerischen Kommission für Impffragen (SKIF), [http://www.bag.admin.ch/themen/medizin/00682/00685/02114/index.html?lang=de&download=M3wBUQCu/8ulmKDu36WenojQ1NTTjaXZnqWfVpzLhmfhnapmmc7Zi6rZnqCkkIR8gHqDbKbXrZ2lhtTN34al3p6YrY7P1oah162apo3X1cjYh2+hoJVn6w== PDF, 232 kB]</ref> Die WHO schätzt die Impfrate in der Schweiz für 2006 auf 86 % für die Erstimpfung und 70 % für die Zweitimpfung.<ref name=who-impf/> Steht bei einem Kind die Aufnahme in eine Kindereinrichtung an, kann die MMR-Impfung auch vor dem zwölften Lebensmonat, jedoch nicht vor dem neunten Lebensmonat erfolgen, da im ersten Lebensjahr im Blut des Säuglings noch vorhandene mütterliche Antikörper die Impfviren neutralisieren können. Auch wenn von Eltern oder Impflingen angegeben wird, dass eine Masern-, Mumps- oder Rötelnerkrankung bereits durchgemacht wurde, wird die Durchführung der MMR-Impfung empfohlen. [[Anamnese (Medizin)|Anamnestische]] Angaben über eine Masern- oder Rötelnerkrankung sind ohne mikrobiologisch-serologische Dokumentation der Erkrankungen unzuverlässig und nicht verwertbar. Eine serologische Untersuchung auf masernspezifische IgG-Antikörper vor der zweiten Impfung und der Verzicht auf dieselbe bei ausreichendem Titer ist möglich, alle aktuellen Impfempfehlungen sehen allerdings eine routinemäßige zweite Impfung ohne vorherige Diagnostik vor. Die Eliminierung der Masern ist ein erklärtes Ziel der deutschen Gesundheitspolitik. „Es ist dafür Sorge zu tragen, dass die zweite MMR-Impfung so früh wie möglich, spätestens jedoch bis zum vollendeten 18. Lebensjahr nachgeholt wird; bei Mädchen wird damit auch der unverzichtbare Schutz vor einer [[Rötelnembryopathie]] gesichert.“<ref name="stiko"/> Die Impfung schützt nicht nur den größten Teil der Geimpften, sondern durch die „Herdenimmunität“ auch Neugeborene und Säuglinge vor der ersten Impfung, Impfversager und Immunsupprimierte, die nicht geimpft werden können. Die Impfung dient also nicht nur dem individuellen Schutz, sondern hat auch eine soziale Dimension. ==== Impfreaktionen und -komplikationen ==== {| align="right" style="margin-left:1em" |+ style="margin-left:1em;" | Gegenüberstellung der Komplikationen von Erkrankung mit Masern und nach Impfung gegen Masern, Mumps und Röteln (MMR).<ref name="Merkblatt-rki"/><ref name=uptodate-treat>Bekhor David, Barinaga Jorge, Skolnik Paul: ''Prevention and treatment of measles.'' Review, UpToDate v15.1, 2007</ref><ref name="Chen1999">Chen RT: ''Vaccine risks: real perceived and unknown.'' Vaccine 17/1999. S. 41–46 PMID 10559533</ref> |- bgcolor="#DDDDDD" ! <span style="font-weight:normal;">Symptom/Erkrankung</span> ! <span style="font-weight:normal;">Komplikationsrate<br />bei Masern-Erkrankung</span> ! <span style="font-weight:normal;">Komplikationsrate<br />nach MMR-Impfung</span> |- bgcolor="#EEEEEE" | [[Exanthem]] | 98 % || 5 %, abgeschwächt |- bgcolor="#EEEEEE" | [[Fieber]]&nbsp; &nbsp; || 98 % || 3 bis 15 % |- bgcolor="#EEEEEE" | [[Thrombozytopenie|Abfall der Blutplättchen]] || 1/3000 || 1/30.000 bis 1/50.000 |- bgcolor="#EEEEEE" | [[Enzephalitis]] || 1/1000 || <&nbsp;1/1.000.000 (unsicher) |- bgcolor="#EEEEEE" | [[Letalität]] || 1/1000 bis 1/20.000 || 0 |} Fieber, Abgeschlagenheit, Kopfschmerzen und lokale Impfreaktionen wie Rötung, Schmerzen und Schwellungen an der Injektionsstelle können wie bei allen Impfungen vorkommen und stellen harmlose Nebenwirkungen dar. Schwerwiegendere Impfkomplikationen wie ausgeprägte allergische Reaktionen sind sehr selten. Bei der Durchführung der Impfung sollte jedoch Personal und Ausrüstung vorhanden sein, um auch eine solche [[Anaphylaxie]] behandeln zu können. Das Auftreten einer Gehirnentzündung (Enzephalitis), oder [[Thrombozytopenie]] (Abfall der Blutplättchenzahl) ist extrem selten, der Zusammenhang der beobachteten Fälle mit der Impfung wird zudem kontrovers diskutiert.<ref name=uptodate-treat/> Das Risiko des Auftretens von [[Fieberkrampf|Fieberkrämpfen]] ist nach der Impfung leicht erhöht, jedoch ohne langfristige Schädigungen.<ref>Vestergaard M et al.: ''MMR vaccination and febrile seizures: evaluation of susceptible subgroups and long-term prognosis. JAMA. 2004 Jul 21;292(3):351-7. 15265850 PMID 15265850 </ref> Da es sich bei der Masernimpfung um eine Impfung mit einem abgeschwächten [[Lebendimpfstoff]] handelt, können in 3–5 % der Fälle so genannte ''Impfmasern'' auftreten. Diese stellen eine milde Form der Masern dar und können die typischen Symptome zeigen, diese treten meistens in abgeschwächter Form auf. Die Impfmasern sind nicht infektiös.<ref name=Merkblatt-rki/> Weitere mögliche Nebenwirkungen wurden immer wieder kontrovers diskutiert. Nach dem heutigen Kenntnisstand löst die MMR-Impfung keine Erkrankungen wie [[Allergie]]n, [[Asthma]], [[Diabetes mellitus]] oder [[Morbus Crohn]] aus. 1998 stellte der britische Chirurg [[Andrew Wakefield]] einen Zusammenhang zwischen der MMR-Impfung und dem Auftreten von [[Autismus]] auf. Es stellte sich jedoch heraus, dass Wakefield von Angehörigen Autismus-Betroffener Geld erhalten hatte und die Veröffentlichung gilt als methodisch mangelhaft. Dem postulierten Zusammenhang ist in der Zwischenzeit in einer Vielzahl von Studien als sehr unwahrscheinlich widersprochen worden.<ref name=Demicheli/><ref>Madsen KM, Hviid A, Vestergaard M, Schendel D, Wohlfahrt J, Thorsen P, Olsen J, Melbye M: ''A population-based study of measles, mumps, and rubella vaccination and autism.'' N Engl J Med. 2002 Nov 7;347(19):1477–82. PMID 12421889</ref><ref>T Jefferson: ''Unintended events following immunization with MMR: a systematic review''. Vaccine. 2003 Sep 8;21(25-26), S. 3954-60 PMID 12922131 </ref> Obwohl die Impfung gegen Masern als notwendig und sicher angesehen wird, wird in verschiedenen Publikationen kritisiert, dass die Studien zur Untersuchung der Nebenwirkungen der MMR-Impfung nicht ausführlich genug und bezüglich des Studiendesigns teilweise inadäquat seien.<ref name=Demicheli>Demicheli V, Jefferson T, Rivetti A, Price D: ''Vaccines for measles, mumps and rubella in children.'' Cochrane Database Syst Rev. 2005 Oct 19;(4):CD004407. Review. PMID 16235361</ref> === Postexpositionsprophylaxe === Bei abwehrgeschwächten Patienten kann der Ausbruch durch eine passive Immunisierung mit humanem [[Immunglobulin]] innerhalb von drei Tagen eventuell verhindert oder abgeschwächt werden (mitigierter Verlauf). Bei immungesunden ungeimpften oder nur einmal geimpften Kontaktpersonen ohne Antikörpernachweis (seronegativ) ist innerhalb desselben Zeitraumes die aktive Immunisierung wie oben beschrieben angezeigt. Durch diese sogenannte Riegelungsimpfung soll das weitere Ausbreiten im Epidemiefall verhindert werden.<ref name=Merkblatt-rki/> == Masern und Schwangerschaft == Der Kenntnisstand über mögliche Schäden einer Maserninfektion während einer [[Schwangerschaft]] ist nur unzureichend. Möglicherweise erhöht die Erkrankung die Rate der Komplikationen bei der Mutter, ein fruchtschädigender Einfluss der Masern kann im Moment weder bewiesen noch ausgeschlossen werden, wird jedoch im Falle des Bestehens für sehr klein gehalten. Ein typisches Fehlbildungsmuster wie bei den [[Röteln]] besteht nicht. Es kann zu einer [[Frühgeburt]] oder einem [[Spontanabort]] kommen. Eine Erkrankung während der Geburt muss nicht notwendigerweise eine Infektion des Neugeborenen verursachen. Solche [[perinatal]] (in der Geburtsphase) erworbene Masern gehen beim Kind jedoch mit erhöhten Komplikationsraten einher.<ref name=Uptodate-clin-diag/> Schwangere, die an Masern erkrankt sind, sollten medizinisch beobachtet werden, eine invasive [[Pränataldiagnostik|pränatale Diagnostik]] ist nicht empfohlen. Die Behandlung erfolgt symptomorientiert. Unter Umständen kann eine Immunglobulin-Gabe indiziert sein (s.&nbsp;o.). Die MMR-Impfung wird mit einem Lebendimpfstoff durchgeführt und ist deshalb in der Schwangerschaft nicht angezeigt ([[Kontraindikation|kontraindiziert]]). Drei Monate nach einer Impfung sollte ein Konzeptionsschutz erfolgen. Eine versehentliche Impfung mit MMR in einer Schwangerschaft stellt jedoch keinen Grund zum [[Schwangerschaftsabbruch]] dar.<ref>[http://www.rki.de/nn_199630/DE/Content/Infekt/Impfen/FAQ/MMR/faq__ges.html?__nnn=true Online-Informationen] des Robert-Koch-Instituts</ref> == Geschichte == Erste Berichte über die Masern gehen auf das 7. Jahrhundert zurück und werden dem jüdischen Arzt [[Al-Yehudi]] zugeschrieben. Die erste bekannte ausführliche Beschreibung der Masern erfolgte durch den persischen Arzt [[Abu Bakr Mohammad Ibn Zakariya al-Razi]] (Rhazes), der Anfang des 10. Jahrhunderts angab, sie wären „mehr gefürchtet als die [[Pocken]]“.<ref name=PinkBook/> Im [[Mittelalter]] forderten die Masern aufgrund ausgedehnter Epidemien viele Todesopfer. Nach der Entdeckung [[Amerika]]s starb ein großer Teil der einheimischen Bevölkerung an den aus Europa importierten Krankheiten wie Masern, [[Pocken]], [[Keuchhusten]] und [[Typhus]]. Der Grund dafür war, dass die einheimischen Populationen keinerlei Immunität gegen diese Erreger aufwiesen.<ref>Bianchine PJ, Russo TA.: ''The role of epidemic infectious diseases in the discovery of America.'' Allergy Proc. 1992 Sep-Oct;13(5):225-32. PMID 1483570</ref> So kam es in [[Santo Domingo]] (1519), [[Guatemala]] (1523) und [[Mexiko]] (1531) zu verheerenden Masernepidemien. Im Jahre 1529 kam es zu einer sich über [[Honduras]] und [[Mittelamerika]] ausbreitenden Masernepidemie, die zwei Drittel der Überlebenden der zuvor ausgebrochenen Pockenepidemie das Leben kostete.<ref>Roy Porter: ''Die Kunst des Heilens: Eine medizinische Geschichte der Menschheit''. Heidelberg, Berlin (Spektrum) 2003 (ISBN 3-8274-1454-7) S. 166</ref> Das Phänomen, dass das Masernvirus dann eine hohe Letalität zeigt, wenn es auf eine zuvor unberührte, nicht-immune Bevölkerung trifft, findet sich mehrfach auch im 19. Jahrhundert. So starben 40.000 der 148.000 Einwohner von [[Hawaii (Insel)|Hawaii]] im Jahre 1848 und etwa ein Viertel der Bevölkerung der [[Fidschi]]-Inseln 1874.<ref>ebd. S. 24</ref> [[Datei:Sydenham.jpg|thumb|Thomas Sydenham]] Der dänische Arzt [[Peter Panum]] stellte 1846 auf den [[Färöer]]-Inseln fest, dass nachdem 65 Jahre seit 1781 keine Masernerkrankung mehr aufgetreten war, 6.100 der 7.864 Einwohner von einer Masernepidemie befallen waren. 99,5 % jener Personen, die während des letzten Ausbruchs 1781 noch nicht geboren waren, waren an Masern erkrankt. Alle 98 bereits 1781 lebenden Einwohner waren immun, so dass die lebenslange Immunität erstmals bewiesen wurde.<ref>Peter L. Panum: ''Observations Made During the Epidemic of Measles on the Faroe Islands in the Year 1846'' American Public Health Association, New York 1940;(ders. ''Beobachtungen über das Maserncontagium'', in: Archiv für Pathologische Anatomie und Physiologie und für Klinische Medizin, Berlin, Bd. 1, 1847, S. 492-512</ref> Im 17. Jahrhundert war es das Verdienst [[Thomas Sydenham]]s, während einer großen Epidemie in London die Masern als eigenständige Krankheit vom [[Scharlach (Krankheit)|Scharlach]] und anderen fieberhaften ansteckenden Krankheiten abzugrenzen.<ref name="igdm"> J.-Ch. Sournia, J. Poulet, M: Martiny (Hrsg.): ''Illustrierte Geschichte der Medizin.'' Directmedia, Berlin 2004 </ref> 1882 veröffentlichte der französische Arzt [[Antoine Louis Gustave Béclère]] seine Aufsehen erregende Arbeit „Die Ansteckung mit Masern“. Er und weitere französische Kliniker erreichten, dass die Masern im 19. Jahrhundert endgültig als eigenständige Krankheitseinheit gegenüber den anderen Erkrankungen mit Hautausschlägen wie den [[Röteln]] abgegrenzt wurden. 1911 gelang es erstmals, Affen mit Masern zu infizieren. 1954 wurde das Virus von Enders und Peebles erstmalig isoliert.<ref name="enders">Enders JF, Peebles TC.: ''Propagation in tissue cultures of cytopathogenic agents from patients with measles.'' Proc Soc Exp Biol Med. 2:277-86. (1954) PMID 13177653 </ref> Dies führte 1958 zur Entwicklung des ersten Impfstoffes, der ab 1963 allgemein erhältlich war. == Belege == === Literatur === * ''[http://www.rki.de/cln_048/nn_196658/DE/Content/Infekt/EpidBull/Merkblaetter/Ratgeber__Mbl__Masern.html Masern.]'' RKI-Ratgeber Infektionskrankheiten – Merkblätter für Ärzte. Robert-Koch-Institut. Stand 08/2006 * ''Measles''. In: ''Epidemiology & Prevention of Vaccine-Preventable Diseases&nbsp;– “The Pink Book”'', 9th Edition, Public Health Foundation, S. 129–148 – [http://www.cdc.gov/vaccines/pubs/pinkbook/downloads/meas.pdf PDF (englisch), 522 kB] * M. Dietel, N. Suttorp, M. Zeitz, T. R. Harrison: ''Harrisons Innere Medizin''. Abw Wissenschaftsverlag; 16. Auflage 2005, ISBN 3-936072-29-9 * W. Köhler et al.: ''Medizinische Mikrobiologie''. Urban & Fischer-Verlag München/Jena 2001, 8. Auflage, ISBN 3-437-41640-5 === Einzelnachweise === <references/> == Weblinks == {{Commons|Measles}} {{Wiktionary|Masern|{{PAGENAME}}}} {{RKI|http://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/M/Masern/Masern.html}} * Die [http://www.agmv.de/ Arbeitsgemeinschaft Masern] (AGM) ist ein bundesweites Masern-Sentinel-System. * [http://www.who.int/topics/measles/en/ Weiterführende Informationen der WHO] (englisch) {{Wikinews|Masernepidemie in Salzburg}} * kindergesundheit-info.de – [http://www.kindergesundheit-info.de/602.0.html Masern, Schutzimpfung, Behandlung]: Unabhängiges Informationsangebot der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) {{Gesundheitshinweis}} {{Exzellent}} [[Kategorie:Virale Infektionskrankheit des Menschen]] [[Kategorie:Meldepflichtige Krankheit]] [[Kategorie:Krankheitsbild in der Kinderheilkunde]] {{Link FA|te}} [[af:Masels]] [[ar:حصبة]] [[ay:Piyampiya usu]] [[bn:হাম]] [[ca:Xarampió]] [[cs:Spalničky]] [[da:Mæslinger]] [[en:Measles]] [[eo:Morbilo]] [[es:Sarampión]] [[et:Leetrid]] [[eu:Elgorri]] [[fa:سرخک]] [[fi:Tuhkarokko]] [[fr:Rougeole]] [[gn:Sarapĩu]] [[he:חצבת]] [[hi:खसरा]] [[hu:Kanyaró]] [[id:Campak]] [[is:Mislingar]] [[it:Morbillo]] [[ja:麻疹]] [[ka:წითელა]] [[ko:홍역]] [[ku:Sorik (nexweşî)]] [[la:Morbillus]] [[lb:Riedelen]] [[nl:Mazelen]] [[no:Meslinger]] [[pl:Odra (choroba)]] [[pt:Sarampo]] [[ro:Rujeolă]] [[ru:Корь]] [[simple:Measles]] [[sk:Osýpky]] [[sl:Ošpice]] [[sv:Mässling]] [[te:తట్టు]] [[th:โรคหัด]] [[tr:Kızamık]] [[uk:Кір]] [[vi:Sởi]] [[zh:痲疹]] 9s512bd6my4wcqj1nzupm0hbfi0x98w wikitext text/x-wiki Massaker von Srebrenica 0 23904 26500 2010-04-24T17:21:56Z Atomiccocktail 0 [[Datei:HuseinovicSadik.jpg|thumb|Grabstein eines getöteten Jungen 2007]] [[Datei:Srebrenica2007.jpg|thumb|Begräbnis von 465 identifizierten Massakeropfern 2007]] Das '''Massaker von Srebrenica''' war ein [[Kriegsverbrechen]] während des [[Bosnienkrieg]]s, das durch UN-Gerichte als [[Völkermord]] klassifiziert worden ist.<ref>Sofern nicht anders angegeben, stützen sich die Aussagen dieses Artikels auf das erstinstanzliche Gerichtsurteil des UN-Kriegsverbrechertribunals gegen Radislav Krstić, die auszugsweise in Deutsch vorliegenden Prozessprotokolle dazu (siehe Bogoeva und Fetscher), den UN-Bericht zu Srebrenica von 1999, das Buch von D. Rohde (der für seine Berichte zum Thema den Pulitzerpreis erhielt) und in Teilen auch auf die NIOD-Untersuchung.</ref> In der Gegend von [[Srebrenica]] wurden im Juli 1995 bis zu 8000 [[Bosniaken]] – vor allem Männer und Jungen zwischen 12 und 77 Jahren – getötet.<ref>[http://www.icty.org/x/cases/krstic/tjug/en/krs-tj010802e.pdf Erstinstanzliches Urteil gegen Krstić], S. 27 (Papierzählung). Siehe ferner die [http://www.potocarimc.ba/memorijalni_eng/favorite.htm ''Preliminary List of missing persons from Srebrenica '95''].</ref> Das [[Massaker]] wurde unter der Führung von [[Ratko Mladić]] von der [[Vojska Republike Srpske|Armee der Republika Srpska]] (Vojska Republike Srpske, VRS), der Polizei und serbischen [[Paramilitär]]s trotz Anwesenheit von [[Blauhelm]]soldaten verübt. Es zog sich über mehrere Tage hin und verteilte sich auf eine Vielzahl von Tatorten in der Nähe von Srebrenica. Die Täter vergruben tausende Leichen in [[Massengrab|Massengräbern]]. Mehrfache Umbettungen in den darauf folgenden Wochen sollten die Taten verschleiern. Die Ereignisse vom Juli 1995 gelten als das schlimmste Massaker in Europa seit dem Ende des [[Zweiter Weltkrieg|Zweiten Weltkriegs]]. Bereits abgeschlossene Prozesse vor internationalen Gerichten haben gezeigt, dass die Verbrechen nicht spontan erfolgten, sondern systematisch geplant und durchgeführt wurden. Der [[Internationaler Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien|Internationale Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien]] (UN-Kriegsverbrechertribunal) in [[Den Haag]] bezeichnete das Massaker in den Urteilen gegen [[Radislav Krstić]]<ref>[http://www.trial-ch.org/de/trial-watch/profil/db/legal-procedures/radislav_krstic_97.html Bericht von TRIAL über das Verfahren gegen Krstić]</ref><ref>[http://www.icty.org/x/cases/krstic/tjug/en/krs-tj010802e.pdf Erstinstanzliches Urteil gegen Krstić]</ref><ref>[http://www.icty.org/x/cases/krstic/acjug/en/krs-aj040419e.pdf Urteil im Berufungsverfahren gegen Krstić]</ref> sowie gegen [[Vidoje Blagojević]] und [[Dragan Jokić]]<ref>[http://www.trial-ch.org/de/trial-watch/profile/db/facts/vidoje_blagojevic_307.html Bericht von TRIAL über Blagojević]</ref><ref>[http://www.trial-ch.org/de/trial-watch/profil/db/facts/dragan_jokic_308.html Bericht von TRIAL über Jokić]</ref><ref>[http://www.icty.org/x/cases/blagojevic_jokic/tjug/en/bla-050117e.pdf Erstinstanzliches Urteil gegen Blagojević und Jokić]</ref> als Völkermord. Ende Februar 2007 bewertete der [[Internationaler Gerichtshof|Internationale Gerichtshof]] das Massaker ebenfalls als [[Genozid]].<ref>[http://www.zeit.de/online/2007/09/IGH-Srebrenica?page=all ''Völkermord in Srebrenica'', ZEIT online, 26. Februar 2007]</ref> == Vorgeschichte == === Militärische Auseinandersetzungen bis April 1993 === {{Positionskarte|Bosnien und Herzegowina|label=Srebrenica|label_size=120|marksize=10|lat=44.101|long=19.294|region=BA-SRP|position=left|width=250|caption=Lage von Srebrenica in Bosnien und Herzegowina}} Im [[Bosnienkrieg]] fanden in der Region Ostbosnien, zu der auch die Stadt Srebrenica gehört, militärische Auseinandersetzungen zwischen den bewaffneten Einheiten der bosnischen [[Serben]] und der Bosniaken statt. Zusammen mit Paramilitärs gelang es dem bosnisch-serbischen Militär im Frühjahr 1992 erstmals, die Kontrolle über Srebrenica zu gewinnen, deren Bevölkerung sich zu fast drei Vierteln aus Bosniaken zusammensetzte. Die Herrschaft der bosnischen Serben dauerte nur einige Wochen. Bosniakische Militäreinheiten unter der Führung von [[Naser Orić]] eroberten die Stadt Anfang Mai 1992 zurück. Die umliegenden Regionen blieben in der Hand der bosnischen Serben, die Srebrenica erneut belagerten. Die bosniakischen Einheiten starteten aus der Stadt heraus Gegenoffensiven und Überfälle auf umliegende serbische Dörfer, die als Stützpunkte der Belagerer dienten. Es gelang den Bosniaken hierbei bis Januar 1993, das bosniakisch kontrollierte Gebiet um Srebrenica herum auf ein Maximum von ca. 900 Quadratkilometern auszudehnen. Die Belagerung konnten sie dadurch jedoch nicht durchbrechen. Insbesondere Truppen unter Naser Orić werden mit Bezug auf die Überfälle und Gegenoffensiven für Kriegsgräuel gegen bosnische Serben verantwortlich gemacht. Die Angaben über die Opferzahlen von 1992 bis 1995 schwanken dabei. In den letzten Jahren wurde in serbischen Medien von 1000 bis 3000 Opfern gesprochen. Die Dokumentation des niederländischen Instituts für Kriegsdokumentation geht von mindestens 1000 serbischen Zivilisten aus. Das Research and Documentation Center in [[Sarajevo]] nennt eine Zahl von 424 bzw. 446 serbischen Soldaten und 119 serbischen Zivilisten.<ref>[http://www.idc.org.ba/project/the_myth_of_bratunac.html Reasearch and Documentation Center Sarajevo zu den Opferzahlen unter den Serben in der Region Bratunac/Srebrenica zwischen April 1992 and Dezember 1995]</ref> [[Datei:Evstafiev-ratko-mladic-1993-w.jpg|thumb|Ratko Mladić]] Im Frühjahr 1993 reorganisierte sich das bosnisch-serbische Militär unter Ratko Mladić. Seine erfolgreichen Offensiven reduzierten den Einflussbereich der Bosniaken bis März 1993 wieder auf ca. 150 Quadratkilometer. Bosniaken aus der Region um Srebrenica flüchteten im Zuge dieser Kampfhandlungen in die Stadt, deren Einwohnerzahl dadurch auf 50.000 bis 60.000 anstieg – 1991 hatte diese Zahl bei zirka 6000 gelegen. General [[Philippe Morillon]], [[Kommandant]] der [[UNPROFOR]] in Bosnien, besuchte die von Flüchtlingen überfüllte Stadt vom 11. bis 13. März 1993. Die Lebensbedingungen in Srebrenica waren zu diesem Zeitpunkt kritisch: Die Trinkwasser- und Stromversorgung war weitgehend zusammengebrochen, Vorräte an Nahrung und Medikamenten waren sehr knapp, genauso wie Wohnraum. Vor seiner Abreise versprach Morillon den Einwohnern öffentlich, Srebrenica werde unter den Schutz der [[Vereinte Nationen|Vereinten Nationen]] gestellt; die UNO werde Srebrenica und seine Einwohner nicht im Stich lassen. Im März und April 1993 wurden unter der Aufsicht des [[UNHCR]] Tausende Bosniaken aus Srebrenica evakuiert. Die bosnische Regierung in Sarajevo protestierte gegen diese Evakuierungen, weil diese Maßnahmen aus ihrer Sicht die Politik der [[Ethnische Säuberung|ethnischen Säuberungen]] in Ostbosnien begünstigte. Am 13. April 1993 teilten die bosnisch-serbischen Militärs Vertretern des UNHCR mit, sie würden Srebrenica angreifen, falls sich die Bosniaken nicht innerhalb von zwei Tagen ergeben würden. === Einrichtung der Schutzzone === [[Datei:UN security council 2005.jpg|thumb|UN-Sicherheitsrat]] Als Reaktion auf diese Bedrohungslage verabschiedete der [[Sicherheitsrat der Vereinten Nationen]] am 16. April 1993 die Resolution 819. Sie forderte von allen Parteien, Srebrenica und die umliegende Region als ''safe area,'' als [[UN-Schutzzone|Schutzzone]], zu betrachten. Jeder Angriff auf Srebrenica und jeder andere „unfreundliche Akt“ gegenüber dieser Schutzzone müsse unterbleiben. Am 18. April rückten die ersten 170 UNPROFOR-Soldaten, hauptsächlich [[Kanada|Kanadier]], in Srebrenica ein. Der Sicherheitsrat unterstrich den Status Srebrenicas als Sicherheitszone am 6. Mai 1993 durch Resolution 824 und am 4. Juni 1993 durch Resolution 836. Letztere gestattete dabei die Anwendung von Waffengewalt durch UNPROFOR-Soldaten für Zwecke der Selbstverteidigung. Das erste [[Niederlande|niederländische]] Bataillon, [[Dutchbat]] I, erreichte die Schutzzone Srebrenica im März 1994. Im Juli desselben Jahres wurde es von Dutchbat II abgelöst, dem im Januar 1995 Dutchbat III folgte. Das Mandat und damit auch die Bewaffnung der [[Friedenstruppen der Vereinten Nationen|Blauhelme]] blieben grundsätzlich umstritten. Staaten, die UNO-Truppen für Bosnien und für die Schutzzonen stellten, lehnten die Anwendung von militärischer Gewalt gegen die bosnischen Serben ab. Sie fürchteten um die Sicherheit ihrer Soldaten. Staaten, die keine Truppen vor Ort hatten, favorisierten zunehmend eine Erweiterung des Mandats; auch die Anwendung von militärischer Gewalt gegen die VRS sollte aus ihrer Sicht erwogen werden.<ref>[http://www.un.org/Docs/journal/asp/ws.asp?m=A/54/549 UNO-Bericht zum Fall der Schutzzone und zum Massaker von Srebrenica, Abschnitt 43]</ref> Das Mandat und die nur leichte Bewaffnung der UNPROFOR-Soldaten orientierten sich schließlich an klassischen friedenserhaltenden Missionen, nicht an Einsätzen, die den Frieden auch gegen eine Partei erzwingen. Auf die Einrichtung der Schutzzone Srebrenica folgte eine Phase der relativen Stabilität. Anzahl und Schwere der Gefechte gingen zurück. Dennoch wurden die Befriedung der Schutzzone und ein Schutz ihrer Bewohner nicht vollständig erreicht. Nach Blauhelm-Angaben gelang die geforderte [[Demilitarisierung]] der bosniakischen Einheiten innerhalb der [[Enklave]] weitgehend. Die Bosniaken widersetzten sich aber einer vollständigen Entwaffnung. Während schweres Militärgerät bis auf einige Hubschrauber und wenige Minenwerfer abgeliefert wurde, weigerten sich viele Bosniaken, leichte Waffen herauszugeben. Die bosnisch-serbischen Einheiten verblieben ihrerseits in ihren Stellungen, von denen sie die Schutzzone fortgesetzt mit schweren Waffen bedrohten; sie verweigerten die Demilitarisierungsbestimmungen vollständig. Immer wieder beschwerten sich Bosniaken über Angriffe der bosnischen Serben. Die bosnisch-serbische Armee erschwerte und blockierte außerdem Hilfskonvois, die für Srebrenica vorgesehen waren. Die Lage der Bevölkerung in der Schutzzone blieb trotz der relativen Stabilität kritisch. Am 14. Juni 1993 forderte UNO-Generalsekretär [[Boutros Boutros-Ghali]] 34.000 UNO-Soldaten für die Sicherung der Schutzzonen. Der Sicherheitsrat bewilligte vier Tage später allerdings nur eine Erweiterung der Truppen um 7600 Mann. Diese Aufstockung der Truppen war erst im Sommer 1994 abgeschlossen.<ref>[http://www.un.org/Docs/secu94.htm Siehe Dokument S/1994/1389 1 December 1994, Report of the Secretary-General on Bosnia and Herzegovina, Abs. 2]</ref> Widerstand gegen die Bereitstellung weiterer Truppenkontingente resultierte aus spezifischen Sorgen um die Sicherheit der UNO-Blauhelme und aus allgemeinen Überlegungen zur Eindämmung von Kosten für solche Friedensmissionen. Im Frühjahr 1995 verschlechterte sich die prekäre Lage für die Flüchtlinge und die Blauhelmsoldaten erneut deutlich. Immer mehr Hilfskonvois für Srebrenica wurden durch bosnisch-serbische Verbände blockiert. Davon waren sowohl die eingeschlossenen Flüchtlinge als auch die UN-Soldaten betroffen, deren Vorräte sich ebenfalls stark reduzierten. Wenn Angehörige der UNPROFOR die Schutzzone Srebrenica verließen, um Material- und Lebensmittelnachschub für ihre Truppe zu organisieren, wurde ihnen anschließend die Rückkehr in die Schutzzone durch bosnisch-serbische Einheiten verweigert. Auf diese Weise sank die Zahl der niederländischen Blauhelme in der Schutzzone von anfänglich 600 auf ca. 450 bis 400. Die Bereitschaft der Entsendestaaten, weitere Truppen für den Einsatz in Bosnien und den Schutzzonen zu stellen, war in Anbetracht dieser Situation gering. Auch Luftangriffe auf Stellungen der VRS erschienen der UNO und den Truppen stellenden Staaten nicht opportun. Die UNO-Führung ging davon aus, dass die bosnisch-serbischen Einheiten NATO-Luftangriffe als Kriegshandlung der UNO gegen die VRS deuten würden. Man fürchtete eine Eskalation, aus der es für die Weltorganisation keinen einfachen Ausweg gäbe. Für jede [[Friedensmission]] sei solch eine Situation fatal. Auch humanitäre Hilfslieferungen für die Zivilbevölkerung seien dann kaum mehr durchführbar. Die UNO-Spitze befürchtete überdies weitere Angriffe auf die UNPROFOR-Einheiten, deren Sicherheit für die UNO und die Truppen stellenden Staaten von entscheidender Bedeutung war.<ref>[http://www.un.org/Docs/journal/asp/ws.asp?m=A/54/549 UNO-Bericht zum Fall der Schutzzone und zum Massaker von Srebrenica, Abschnitt 482 f]</ref> [[Datei:Evstafiev-Radovan Karadzic 3MAR94.jpg|thumb|Radovan Karadžić]] [[Radovan Karadžić]] erließ Anfang März 1995 an die bosnisch-serbische Armee die „Direktive 7“. In ihr forderte der Präsident der [[Republika Srpska]], durch gut geplante und durchdachte Militäroperationen eine unerträgliche Lage völliger Unsicherheit in der Schutzzone Srebrenica herbeizuführen. Den Eingeschlossenen sollte keine Hoffnung auf Überleben oder Leben in der Schutzzone gelassen werden. Mehrere drängende Appelle der Eingeschlossenen, einen Korridor für Hilfslieferungen zu öffnen, blieben erfolglos. Anfang Juli starben Einwohner Srebrenicas an Hunger und Entkräftung. Bereits seit März 1995 registrierten Blauhelme Vorbereitungen der bosnisch-serbischen Armee für Angriffe auf UN-Beobachtungsposten am Rand der Schutzzone. === Einmarsch der bosnisch-serbischen Einheiten in die Schutzzone === Die bosnisch-serbische Armee und die Paramilitärs marschierten im Juli 1995 aus südlicher Richtung in die Schutzzone ein. Am 9. Juli waren sie nur noch einen Kilometer von der Stadtgrenze entfernt. Widerstand von bosniakischen Truppen oder UNPROFOR-Einheiten blieb fast völlig aus. Das ermunterte Karadžić, den bosnisch-serbischen Verbänden die Erlaubnis zur Einnahme der Stadt zu erteilen. In Anbetracht dieser Eskalation forderte der Kommandant der Blauhelme, [[Thomas Karremans]], mehrfach [[NATO]]-Luftunterstützung an. Umfassende Luftunterstützung blieb jedoch aus. Zwei Flugzeuge der NATO bombardierten einen Panzer der bosnischen Serben und setzten diesen außer Gefecht. Sofort darauf drohten die bosnischen Serben, bei Fortsetzung von NATO-Luftangriffen würden sie die UNPROFOR-Soldaten, die sie bereits als Geiseln interniert hatten, ermorden. Ferner würden sie die zusammengedrängten Flüchtlingsmassen gezielt unter Beschuss nehmen. Daraufhin wurden alle Bemühungen eingestellt, die eindringenden bosnisch-serbischen Truppen durch Luftangriffe zu stoppen. == Das Massaker == === Flucht der Bosniaken nach Potočari === [[Datei:Srebrenica zepa july 1995 german.jpg|thumb|upright=1.4|Karte der militärischen Aktivitäten während des Massakers von Srebrenica]] Nachdem die bosnisch-serbischen Einheiten die Kontrolle in Srebrenica übernommen hatten, flohen tausende der [[Bosniaken|bosniakischen]] Einwohner nach [[Potočari]], einen nördlichen Nachbarort noch innerhalb der Schutzzone, um dort auf dem Gelände der Blauhelme Schutz zu suchen. Am Abend des 11. Juli 1995 befanden sich in Potočari ca. 20.000 bis 25.000 bosniakische [[Flüchtling]]e. Mehrere Tausend drängten sich auf dem Blauhelm-Gelände, während der Rest sich auf benachbarte Fabriken und umliegende Felder verteilte. Obwohl die überwältigende Mehrheit Frauen, Kinder, Behinderte oder ältere Personen waren, schätzten Augenzeugen im Prozess gegen Krstić, dass auch ca. 300 Männer auf dem UN-Gelände und ca. 600 bis 900 weitere Männer in seiner unmittelbaren Nachbarschaft Schutz gesucht hatten.<ref>[http://www.icty.org/x/cases/krstic/tjug/en/krs-tj010802e.pdf Zum Ablauf des Massakers siehe: Erstinstanzliches Urteil gegen Krstić, S. 12–27]</ref> === Die humanitäre Krise in Potočari === Die Bedingungen in Potočari waren chaotisch. Am 12. Juli herrschte eine stickige Juli-Hitze. Nahrung und Wasser waren kaum vorhanden. Bosnisch-serbische Einheiten schossen auf Häuser in Sicht- und Hörweite der Flüchtlinge, sie feuerten ebenfalls gezielt auf die Menschenmenge in Potočari. Unter den Flüchtlingen breitete sich Angst, Entsetzen und Panik aus. In der Dämmerung spitzte sich diese Lage zu, weil bosnisch-serbische Soldaten Häuser und Felder in Brand setzten. Bereits am Nachmittag hatten sich einzelne bosnisch-serbische Soldaten unter die Flüchtlinge gemischt, um diese mit massiven Drohungen und Gewalt unter Druck zu setzen. Zeugen im Verfahren gegen Krstić berichteten von vereinzelten Morden, die bereits am 12. Juli verübt wurden. In den Abendstunden und in der Nacht intensivierte sich der [[Terror]]. Schüsse, Schreie und unheimliche Geräusche machten Schlaf unmöglich. Eine Reihe von Frauen und Mädchen wurde vergewaltigt. Bosnische Serben griffen einzelne Flüchtlinge aus der Menge heraus und führten sie ab. Manche tauchten danach nie wieder auf. Einige Flüchtlinge begingen angesichts dieser Situation Selbstmord. In der Nacht vom 12. auf den 13. Juli sowie am nächsten Morgen breiteten sich die Schreckensnachrichten über Vergewaltigungen und Morde in der Menge der Flüchtlinge aus. === Abtransport der Frauen, Kinder und Alten === Am 12. und 13. Juli wurden die Frauen, Kinder und Alten in zum Teil völlig überfüllten und überhitzten Bussen, die von bosnisch-serbischen Soldaten kontrolliert wurden, von Potočari auf bosniakisch kontrolliertes Gebiet in der Nähe von Kladanj verbracht. Obwohl viele nicht wussten, wohin die Busse fuhren, waren sie froh, den Zuständen in Potočari entkommen zu können. Nach dem Ende der Busfahrt mussten die Flüchtlinge zu Fuß noch einige Kilometer durch das Niemandsland zwischen den Linien gehen, bis sie Kladanj schließlich erreichten. Die niederländischen Blauhelm-Soldaten versuchten, die Busse zu eskortieren, was ihnen nur beim ersten Konvoi gelang. Bosnisch-serbische Einheiten hinderten sie bei den nachfolgenden Konvois daran. Die Fahrzeuge wurden den UN-Soldaten mit Waffengewalt abgenommen. Am Abend des 13. Juli befand sich kein Bosniake mehr in Potočari. Am 14. Juli entdeckten die UN-Soldaten auf ihren Erkundungsgängen in der Stadt Srebrenica nicht einen lebenden Bosniaken. === Aussonderung der männlichen Bosniaken === Seit den Morgenstunden des 12. Juli begannen die bosnisch-serbischen Kräfte damit, Männer aus der Masse der Flüchtlinge auszusondern und an separaten Plätzen – eine Zink-Fabrik und ein Gebäude mit dem Namen „Weißes Haus“ – festzuhalten. Später wurden diese Männer mit Lastwagen und gesonderten Bussen von dort abtransportiert. Bosnisch-serbische Soldaten verwehrten männlichen Flüchtlingen im wehrfähigen Alter, gelegentlich auch Jüngeren und Älteren, das Besteigen der Busse. Die Art und Weise, wie die Selektionen durchgeführt wurden, war für die betroffenen Familien [[Trauma (Psychologie)|traumatisch]], wie Zeugen im Krstić-Prozess in Den Haag berichteten. Die Busse, die die Frauen, Kinder und Älteren nach Kladanj transportierten, wurden auf dem Weg dorthin von bosnisch-serbischem Militär gestoppt und nach Männern durchsucht. Wurden dabei welche entdeckt, wurden diese abgeführt. Durch die Selektion, die Internierung und den späteren Abtransport wurden die Ausgesonderten jedem Schutz durch UNPROFOR entzogen. Auf Fragen von Blauhelm-Soldaten nach dem Grund für die Selektionen antworteten bosnisch-serbische Soldaten mit dem Vorwand, man suche nach Personen, die Kriegsverbrechen begangen haben.<ref>David Rohde: ''Die letzten Tage von Srebrenica. Was geschah und wie es möglich wurde.'' Rowohlt, Reinbek bei Hamburg 1997, S. 237</ref> Am 12. und 13. Juli wurden UN-Soldaten in Potočari Zeugen von Morden an Bosniaken. Diese Morde verübten bosnische Serben in und hinter dem „Weißen Haus“. === Die Marschkolonne === Bereits angesichts der Flüchtlingskrise in Potočari vom Abend des 11. Juli kamen unter den Bosniaken Überlegungen auf, einen gemeinsamen Fluchtversuch zu unternehmen. Dazu sollten sich die körperlich geeigneten Männer sammeln und zusammen mit Mitgliedern der 28. [[Division (Militär)|Division]] der [[Armija Republike Bosne i Hercegovine|Armee Bosnien-Herzegowinas]] (ABiH) eine Kolonne formen. Diese sollte versuchen, nordwestlich durch die Wälder in Richtung [[Tuzla]] bzw. bosniakisch kontrolliertes Gebiet durchzubrechen. Insbesondere die jüngeren Männer fürchteten ihre Ermordung, würden sie den bosnisch-serbischen Kräften in Potočari in die Hände fallen. Der Zug formierte sich in der Nähe der Ortschaften Jaglici und Šušnjari. Zeugen schätzten seine Größe auf 10.000 bis 15.000 Mann. Rund ein Drittel bestand aus Mitgliedern der 28. Division. Nicht alle dieser Mitglieder waren bewaffnet. Waffen, militärische Disziplin und militärisches Training dieser Division waren ungenügend.<ref>[http://www.un.org/Docs/journal/asp/ws.asp?m=A/54/549 UNO-Bericht zum Fall der Schutzzone und zum Massaker von Srebrenica, Abschnitt 476]</ref> Einheiten der 28. Division bildeten die Spitze der Kolonne. Daran schlossen sich Zivilisten an, durchmischt mit Soldaten. Den Schluss bildete das Unabhängige Bataillon der 28. Division. Wenige Frauen, Kinder und Alte gehörten ebenfalls zum Treck. Wenn sie später von bosnisch-serbischen Kräften gefangen wurden, wurden sie ebenfalls den Bussen zugeführt, die von Potočari in Richtung Kladanj unterwegs waren. In der Nacht vom 11. auf den 12. Juli, gegen Mitternacht, setzte sich die Kolonne in Marsch. Am 12. Juli starteten bosnisch-serbische Militäreinheiten einen schweren [[Artillerie]]-Angriff auf die Flüchtenden, als diese versuchten, eine Asphaltstraße in der Nähe von Nova Kasaba zu überqueren. Die Kolonne wurde dadurch gespalten. Nur ca. einem Drittel gelang die Überquerung. Während des ganzen Tages und in der Nacht nahmen bosnisch-serbische Einheiten den blockierten Teil des Zuges unter Feuer. Überlebende aus diesem hinteren Teil bezeichneten diese Attacken als „Menschenjagd“. Am Nachmittag und Frühabend des 12. Juli machten die bosnisch-serbischen Einheiten eine große Anzahl von Gefangenen unter denjenigen, die zum hinteren Teil des Flüchtlingszuges gehörten. Dazu nutzten sie unterschiedliche Taktiken. Zum Teil errichteten sie [[Hinterhalt]]e. Oft feuerten die bosnisch-serbischen Einheiten mit [[Luftabwehr]]-Waffen und anderem schweren Gerät in die Wälder. In anderen Fällen riefen sie in den Wald und drängten die Bosniaken zur [[Kapitulation]]; als Gefangene würden diese gemäß der [[Genfer Konventionen]] behandelt werden. Auch wurden gestohlene UNPROFOR-Materialien und -Gerätschaften (Fahrzeuge, Helme, Westen etc.) verwendet, um den Bosniaken zu suggerieren, UN-Soldaten oder das Rote Kreuz seien vor Ort, um die adäquate Behandlung von Gefangenen zu überwachen. Tatsächlich stahlen die bosnischen Serben die persönlichen Habseligkeiten ihrer bosniakischen Gefangenen, in einigen Fällen wurden Gefangene an Ort und Stelle ermordet. Die meisten Gefangenen machten die bosnisch-serbischen Einheiten am 13. Juli. Mehrere Tausend wurden auf einem Feld in der Nähe von Sandici sowie auf dem Fußballplatz von Nova Kasaba festgehalten. Die Spitze der Marschkolonne, die die Straße überqueren konnte, wartete zunächst, was mit dem Rest des Trecks passieren würde. Der schwere Beschuss der blockierten zweiten Gruppe dauerte am 12. Juli bis in die Nacht, so dass in der Kolonnenspitze die Hoffnung sank, der Rest könne aufschließen. Am 13. Juli setzte die Spitze des Flüchtlingstrecks ihren Marsch in nordwestlicher Richtung fort. Auch sie geriet dabei in Hinterhalte und erlitt schwere Verluste. Am 15. Juli scheiterte der erste Versuch, auf bosniakisch kontrolliertes Gebiet durchzubrechen. Dies gelang erst am darauf folgenden Tag und mit Unterstützung von Einheiten der ABiH, die aus Richtung Tuzla herangeführt wurden, um einen Korridor für die auftauchenden Flüchtlinge freizukämpfen. === Exekutionen === Die bosniakischen Männer, die in Potočari von den Frauen, Kindern und Älteren getrennt worden waren, wurden nach [[Bratunac]] transportiert. Später kamen zu dieser Gruppe auch Männer, die mit der Kolonne den kollektiven Fluchtversuch durch die Wälder unternommen hatten, von den bosnischen Serben jedoch gefangen genommen worden waren. Bei der Internierung in Bratunac gab es keine Versuche, diese beiden Personengruppen voneinander getrennt zu halten. Die bosnisch-serbischen Sicherheitskräfte nutzten für die Internierung verschiedene Gebäude, zum Beispiel ein verlassenes Warenhaus und eine alte Schule, aber auch die Busse und Lastwagen, mit denen sie die Gefangenen nach Bratunac beförderten. In der Nacht wurden einzelne Gefangene herausgerufen. Zeugen hörten Schmerzensschreie und Gewehrfeuer. Nach einem Zwischenaufenthalt in Bratunac von ein bis drei Tagen wurden die Bosniaken an andere Orte gebracht, als die Busse zur Verfügung standen, mit denen zuvor die Frauen, Kinder und Alten in Richtung des bosniakisch kontrollierten Gebiets gefahren worden waren. Fast alle bosniakischen Gefangenen wurden getötet. Manche wurden einzeln ermordet, andere in kleinen Gruppen bei ihrer Gefangennahme, wieder andere wurden an den Orten ihrer Internierung umgebracht. Die meisten wurden in sorgfältig geplanten und durchgeführten Massenexekutionen getötet, die am 13. Juli in der Region nördlich von Srebrenica begannen. Gefangene, die am 13. Juli nicht getötet wurden, wurden an Exekutionsstätten nördlich von Bratunac transportiert. Die umfangreichen Massenexekutionen im Norden fanden zwischen dem 14. und 17. Juli statt. Die meisten Massenexekutionen folgten einem einheitlichen Muster. Zunächst wurden die Opfer in leerstehenden Schulgebäuden oder Lagerhäusern interniert. Dort wurden ihnen Nahrung und Getränke verweigert. Nach einigen Stunden fuhren Busse oder Lastwagen vor und beförderten die Gefangenen an einen zur Exekution bestimmten, üblicherweise abgelegenen Platz. In einigen Fällen wurden zusätzlich Maßnahmen ergriffen, um mögliche Widerstände zu minimieren. Dazu gehörten das Verbinden der Augen und das Fesseln der Handgelenke hinter dem Rücken. Als die Busse oder Lastwagen an den Exekutionsstätten ankamen, mussten die Gefangenen sich aufreihen und wurden erschossen. Diejenigen, die die Salven überlebten, wurden mit weiteren Schüssen getötet. Schweres Erdräumgerät zum Vergraben der Leichen fuhr sofort im Anschluss an die Exekutionen auf, manchmal sogar schon während der Erschießungen. Die Massengräber wurden entweder direkt dort ausgehoben, wo die Erschossenen lagen, oder in unmittelbarer Nähe. === Primäre und sekundäre Massengräber === Bis 2001 identifizierten [[Forensik|forensische]] Experten insgesamt 21 Massengräber, in denen sich nachweislich Opfer des Massakers von Srebrenica befanden. 14 von diesen Massengräbern sind so genannte primäre Massengräber, in denen die Getöteten direkt nach der Exekution vergraben wurden. Von diesen 14 wurden acht später zerstört. Die Leichen wurden dabei entfernt und an anderer Stelle erneut vergraben. Oft lagen diese so genannten sekundären Massengräber – bis 2001 wurden sieben entdeckt – in weiter entfernten Gegenden. Die Umbettungen erfolgten, weil die bosnisch-serbischen Täter die Massenmorde vertuschen wollten. Im Urteil gegen Krstić werden 18 weitere Massengräber erwähnt, die mit dem Massaker in Verbindung stehen, bis zum Ende des Prozesses gegen Krstić jedoch noch nicht untersucht werden konnten. Die Überreste von zirka 8000 Opfern wurden seit Ende des Bosnienkrieges exhumiert. Etwa 6200 Leichen konnten bislang namentlich zugeordnet werden.<ref>International Commission on Missing Persons: [http://www.ic-mp.org/press-releases/dna-results-of-the-international-commission-on-missing-persons-reveal-the-identity-of-6186-srebrenica-victims-dnk-izvjestaji-medunarodne-komisije-za-nestale-osobe-icmp-otkrili-identitete-6186-sreb/ ''DNA Results of the International Commission on Missing Persons Reveal the Identity of 6,186 Srebrenica Victims''], Pressemitteilung vom 9. Juli 2009.</ref> == Folgen == === Politische Reaktionen === Unmittelbar nach dem Fall der Schutzzone Srebrenica kritisierte die [[Türkei]] mit scharfen Worten die UNO und ihren Sicherheitsrat. Der Einmarsch sei ein Schlag ins Gesicht des Sicherheitsrats, die UNO habe durch dieses Ereignis ihr Prestige verloren.<ref>[http://www.hri.org/news/turkey/trkpr/1995/95-07-14.trkpr.html#02 Überblick über Meldungen in der türkischen Presse vom 14. Juli 1995]</ref> In den Wochen nach dem Einmarsch der bosnisch-serbischen Truppen gab es auch in der türkischen Öffentlichkeit Proteste: Demonstrationen, Geldsammlungen für Flüchtlinge und kritische Zeitungsberichte gehörten zu dieser Reaktion. Wenige Tage nachdem die bosnisch-serbischen Einheiten Srebrenica eingenommen hatten, forderte [[Jacques Chirac]] die Wiedereroberung der Schutzzone. International wurde diese Forderung jedoch nur als eine symbolische Geste nachträglicher Entschlossenheit eingestuft, Verbündete für diese Idee fand der neu gewählte französische Präsident nicht. Am 24. Juli 1995 schloss der UN-Menschenrechtsbeauftragte [[Tadeusz Mazowiecki]] eine einwöchige Untersuchung zum Fall Srebrenica ab. Er erklärte, von 40.000 Einwohnern der Enklave seien 7.000 offenbar „verschwunden“. Nachdem auch die Schutzzone [[Žepa]] gefallen war, trat er am 27. Juli von seinem Amt zurück. In der zweiten Juli-Hälfte kamen erste Gerüchte über das Massaker auf. Diese Nachrichten verdichteten sich, als die wenigen Überlebenden des Massakers erste Zeugenaussagen machten, nachdem sie bosniakisch kontrolliertes Territorium erreicht hatten. Aussagen niederländischer Blauhelm-Soldaten wirkten in die gleiche Richtung. Am 10. August legte die amerikanische UN-Botschafterin [[Madeleine Albright]] dem UNO-Sicherheitsrat Satellitenaufnahmen vor, die auf Gräueltaten bosnischer Serben in der Umgegend von Srebrenica schließen ließen. Zirka drei Monate später, am 18. November 1995, wurde am UN-Kriegsverbrechertribunal Anklage gegen Mladić und Karadžić wegen der Verbrechen von Srebrenica erhoben. Diese Klage war die zweite gegen die beiden, am 25. Juli 1995 waren sie bereits wegen Verbrechen angeklagt worden, die zeitlich vor dem Massaker von Srebrenica stattgefunden hatten. Im Dezember 1995 verurteilte die Außenministerkonferenz der islamischen Staaten die Handlungen der bosnischen Serben und sprach von Völkermord.<ref>[http://www.oicun.org/23th%20icfm%20final%20communique.html Schlusskommunikee der 23. Außenministerkonferenz islamischer Staaten (9. bis 12. Dezember 1995)]</ref> Im April 1996 untersuchte eine größere Ermittlungskommission des Haager Gerichts erstmals vor Ort Exekutionsorte und Massengräber. Die erste Öffnung eines Massengrabs erfolgte im Juli 1996. Die forensischen Untersuchungen ziehen sich aufgrund der Vielzahl der Ermordeten, der Tatorte und der Massengräber bis heute hin. Überdies erschweren die 1995 durchgeführten, groß angelegten Vertuschungsversuche die Arbeit der Kriminalisten und Gerichtsmediziner.<ref>[http://zeus.zeit.de/text/2002/52/N-Totengr_8aberin Siehe dazu „DIE ZEIT“, 52/2002]</ref> [[Datei:Kofi Annan.jpg|thumb|Kofi Annan]] Am 15. November 1999 legte [[Kofi Annan]] als amtierender [[Generalsekretär der Vereinten Nationen|UNO-Generalsekretär]] einen Bericht zum Fall der Schutzzone Srebrenica vor. Dieser Bericht kritisierte unter anderem die Fehlleistungen der UN-Institutionen deutlich. Zusammen mit den selbstkritischen Bewertungen zum Agieren der UNO im Angesicht des [[Völkermord in Ruanda|Völkermords in Ruanda]] (April bis Juli 1994) sollte dieser Bericht mit zu einer Neuausrichtung von UN-Friedensmissionen beitragen. Im Juni 2004 räumten Vertreter der [[Republika Srpska]] erstmals offiziell die Verantwortung bosnisch-serbischer Sicherheitskräfte für das Massaker von Srebrenica ein.<ref>[http://www.netzeitung.de/qt/290689.html Bosnische Serben anerkennen Srebrenica-Massaker], netzeitung.de, 11. Juni 2004</ref> Dabei offenbarten sie weitere, bis dahin unbekannte Massengräber, die in Zusammenhang mit dem Massaker stehen.<ref>[http://www.nzz.ch/2004/06/14/al/article9NVJ5.html Serbische Schuldanerkennung in Srebrenica], Neue Zürcher Zeitung, 14. Juni 2004</ref> Im November 2004 folgte erstmals eine offizielle Entschuldigung durch die Regierung der Republika Srpska bei den Hinterbliebenen der Opfer.<ref>[http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,327571,00.html Entschuldigung nach Jahren des Leugnens], Spiegel Online, 12. November 2004</ref> Ende März 2005 übergab eine bosnisch-serbische Untersuchungskommission der Staatsanwaltschaft eine Liste mit 892 Namen von mutmaßlichen Tätern.<ref>[http://srebrenicamassacregenocidemassgraves.wordpress.com/2006/11/22/srebrenica-timeline-siege-and-massacre-of-bosnian-muslims/ Srebrenica timeline siege and massacre of Bosnian muslims]</ref> Am 2. Juni 2005 zeigte der Anklagevertreter im Prozess gegen den früheren jugoslawischen Staatspräsidenten [[Slobodan Milošević]] ein Videoband, das die Erschießung von vier männlichen Jugendlichen und zwei jungen Männern zeigt.<ref> [http://www.domovina.net/tribunal/ictytv/050601_milosevic_eng.ram Mitschnitt des Prozesstages, Srebrenica-Video beginnt bei 2:35:37]</ref> Sie sollen aus Srebrenica stammen, die Täter sind offenbar Angehörige der serbischen Sondereinheit [[Skorpijoni|„Skorpione“]]. Kurz darauf strahlten verschiedene serbische Fernsehsender diese Aufnahmen aus. Sie führten in der serbischen Öffentlichkeit zu einer intensiven Diskussion über das Verbrechen, das zuvor kaum thematisiert wurde. Der serbische Premierminister [[Vojislav Koštunica]] sprach von einem „brutalen, gnadenlosen und beschämenden Verbrechen“ an Zivilisten.<ref>[http://www.faz.net/s/RubDDBDABB9457A437BAA85A49C26FB23A0/Doc~E855201F0231246D190AA02E9BCE89D77~ATpl~Ecommon~Scontent.html Frankfurter Allgemeine Zeitung, 6. Juni 2005]</ref> Rasch nach der Ausstrahlung verhaftete die Polizei einige der mutmaßlichen Täter.<ref>[http://www.heute.de/ZDFheute/inhalt/15/0,3672,2321775,00.html ZDF heute-Sendung vom 13. Juni 2005]</ref> Auch in westlichen Medien wurde über dieses Video und die Reaktionen in Serbien berichtet.<ref>[http://www.tagesschau.de/aktuell/meldungen/0,1185,OID4410112_NAV_BAB,00.html Susanne Glass, ARD-Hörfunkkorrespondentin: Hinrichtungs-Video von Srebrenica im TV, Video stößt Debatte über Kriegsverbrechen an]</ref> Am 10. April 2007 verhängte ein serbisches Gericht gegen vier Tatbeteiligte langjährige Haftstrafen, ein fünfter Angeklagter wurde freigesprochen.<ref>[http://www.tagesschau.de/aktuell/meldungen/0,1185,OID6609570_TYP6_THE_NAV_REF1_BAB,00.html 58 Jahre Haft für die "Skorpione", Meldung auf tagesschau.de 10. April 2007]</ref> In gegenteiligen Darstellungen werden die Erschießung und der Zusammenhang der Filmszenen mit dem Massaker bestritten. Anfang Oktober 2005 legte eine Sonderarbeitsgruppe der bosnisch-serbischen Regierung dem UN-Kriegsverbrechertribunal eine Liste von etwa 19.500 Personen vor, die sich an dem Massaker auf die eine oder andere Art direkt beteiligt haben sollen.<ref>[http://www.welt.de/data/2005/10/06/784979.html „Die Welt“, 06. Oktober 2005, ''19.500 Beteiligte am Massaker von Srebrenica'']</ref> Ende März 2010 entschuldigte sich das Parlament Serbiens für das Massaker von Srebrenica, den Begriff „Völkermord“ vermied es in seiner Resolution jedoch.<ref>[http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,686587,00.html „Serbien entschuldigt sich für Srebrenica-Massaker“], [[Spiegel Online]], 31. März 2010 (Abruf am 31. März 2010). Den Text des Parlamentsbeschlusses, der nach 13stündiger Debatte mit deutlicher Mehrheit (127 Ja, 21 Nein bei einer Enthaltung) beschlossen wurde, kann man in englischer Fassung [http://www.parlament.gov.rs/files/eng/pdf/2010/deklaracija%20ENG1.pdf hier] nachlesen. Die serbischsprachige Fassung (lateinische Schrift) findet sich [http://www.parlament.gov.rs/content/lat/akta/akta_detalji.asp?Id=477&t=O hier].</ref> === Debatte zur Rolle der Blauhelm-Soldaten === [[Datei:Srebrenica Dutchbat.JPG|thumb|Gelände des früheren niederländischen Bataillons ''(Dutchbat)'' in Potočari, gelegen unmittelbar gegenüber dem Sammelplatz der Einwohner von Srebrenica am 11./12.Juli 2005]] Das Agieren der Blauhelme ist international eingehend erörtert worden. Beispielsweise findet sich im UN-Bericht zu den Ereignissen von Srebrenica ein Abschnitt zu diesem Thema.<ref>[http://www.un.org/Docs/journal/asp/ws.asp?m=A/54/549 UNO-Bericht zum Fall der Schutzzone und zum Massaker von Srebrenica, Abschnitt 470–474]</ref> Auch das französische Parlament richtete fünfeinhalb Jahre nach dem Fall der Enklave einen Untersuchungsausschuss ein, der im November 2001 seinen Abschlussbericht zu diesen Vorgängen vorlegte.<ref>[http://www.msf.fr/documents/srebrenica/Rapport_i3413_01.pdf Srebrenica-Untersuchungsausschuss des französischen Parlaments, Abschlussbericht (französisch)]</ref> Vor allem wird in den Niederlanden eine bis heute nicht abgeschlossene Diskussion darüber geführt, ob die UN-Soldaten vor Ort Handlungsalternativen gehabt haben. Diese Debatte stützt sich inzwischen auf die Erkenntnisse einer Reihe größerer Untersuchungen, die zum Fall der Schutzzone und zum Verhalten von Dutchbat entstanden sind. Die Einschätzungen sind sehr unterschiedlich. Kritiker werfen den niederländischen Blauhelmen vor, sie hätten Teile des Massakers mitbekommen und durch Nicht-Einschreiten geduldet. In diesem Zusammenhang wird auch von Beihilfe zu einem Kriegsverbrechen gesprochen. Diese Kritiker konstatieren ein Versagen des niederländischen Bataillons, dem sich gezielte Vertuschungsversuche niederländischer Militärs und Politiker anschlossen.<ref>[http://www.zeit.de/2005/28/Holland?page=all Siehe dazu „DIE ZEIT“, 7. Juli 2005, „Abwiegeln in Den Haag“]</ref> Andere Stellungnahmen betonen dagegen, dass die Soldaten vor Ort kaum Kenntnis von den Gräueln gehabt haben, weil sie an entsprechenden Beobachtungen von den Einheiten der bosnischen Serben systematisch gehindert wurden. Außerdem seien sie im Stich gelassen worden, obwohl sie mehrfach eindringlich Luftunterstützung zum Schutz der Enklave und zu ihrer eigenen Sicherheit angefordert hatten. Dutchbat sei ferner durch die niederländische und internationale Politik mit dem Schutz der Bosniaken betraut worden, ohne dass ihnen dazu jemals adäquate Mittel zur Verfügung gestanden hätten. Die Aufgabe sei eine „mission impossible“ gewesen.<ref>[http://www.srebrenica.nl/en/a_index.htm Siehe dazu die Dokumentation des Niederländischen Instituts für Kriegsdokumentation]</ref> Die Lage für die UNO-Soldaten vor Ort wurde auch dadurch verschärft, dass der kommandierende französische General Bernard Janvier jegliche Luftunterstützung verweigerte. In einem Brief des damaligen UN-Sonderbeauftragten für Bosnien, [[Yasushi Akashi]], an das UN-Hauptquartier in New York schrieb Akashi, dass ihn der serbische Präsident Milošević bereits am 17. Juni 1995 in einem Gespräch mitgeteilt habe, dass der französische Staatspräsident Jacques Chirac Milošević zugesagt habe, es werde ohne Zustimmung aus Paris keine NATO-Luftangriffe geben.<ref>[http://www.welt.de/print-welt/article648823/Bremste_Chirac_Nato_Luftangriffe.html „Die Welt“, 31. Mai 1996, ''Bremste Chirac Nato-Luftangriffe?'']</ref> Die Franzosen fürchteten die Ermordung von UNPROFOR-Geiseln, zu denen viele Franzosen zählten. Handlungen, Unterlassungen und Schlussfolgerungen sind mittlerweile in symbolträchtigen Bildern verdichtet. Dazu gehört das bekannte Foto, das Ratko Mladić und Thomas Karremans am Abend des 12. Juli 1995 bei einem gemeinsamen Trinkspruch festhält. Dazu zählen die Videoaufnahmen von feiernden und tanzenden Dutchbat-Soldaten in [[Zagreb]], unmittelbar nach ihrem Abzug aus Srebrenica. Auch der Rücktritt der [[Kabinett Kok II|niederländischen Regierung]] unter [[Wim Kok]] am 16. April 2002, wenige Tage nach Veröffentlichung der umfangreichen Srebrenica-Studie des [[Nederlands Instituut voor Oorlogsdocumentatie|Niederländischen Instituts für Kriegsdokumentation]] (NIOD), wurde als Symbol interpretiert, sieben Jahre nach den Ereignissen politische Verantwortung zu übernehmen. Begleitet von Protesten von Srebrenica-Überlebenden ehrte am 4. Dezember 2006 die niederländische Regierung demonstrativ ungefähr 500 Soldaten. Sie hätten seinerzeit einen „außerordentlich schwierigen Auftrag“ gehabt, so der niederländische Verteidigungsminister [[Henk Kamp]]. Nach 1995 seien sie jahrelang falschen Anschuldigungen ausgesetzt gewesen, jedoch mittlerweile durch offizielle Untersuchungen entlastet. [[Bosnien und Herzegowina]] protestierte auf diplomatischer Ebene gegen diese Ehrung. Angehörige von Massaker-Opfern und Überlebende aus Srebrenica sprachen bei Protestkundgebungen von einem „Genozid-Orden“. An der Demonstration in Sarajevo gegen die Auszeichnung der Soldaten beteiligte sich die [[Gesellschaft für bedrohte Völker]] (GfbV) und forderte in einem offenen Brief an Kamp und Ministerpräsident [[Jan Peter Balkenende]] eine Entschuldigung bei den Überlebenden von Srebrenica.<ref>[http://www.n-tv.de/740519.html Ehrung fürs Wegschauen, n-tv, 05. Dezember 2006]</ref><ref>[http://www.tagesspiegel.de/politik/archiv/06.12.2006/2946430.asp Caroline Fetscher: ''Den Haag will den Ruf der Soldaten von Srebrenica wiederherstellen – und löst Proteste in Bosnien aus,'' in: „Der Tagesspiegel“ vom 06. Dezember 2006]</ref><ref>[http://www.n24.de/politik/article.php?articleId=86812&teaserId=87300 Ehrung für Srebrenica-Blauhelme in Den Haag, n-tv, 04. Dezember 2006]</ref> === Strafverfahren === [[Datei:ICTY 2006-01-16.jpg|thumb|[[ICTY|Internationaler Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien]], Gebäude in Den Haag, („UN-Kriegsverbrechertribunal“)]] ==== Verfahren vor dem UN-Kriegsverbrechertribunal ==== Eine Reihe von Personen ist vor dem kurz ''UN-Kriegsverbrechertribunal'' genannten internationalen Strafgerichtshof wegen des Massakers von Srebrenica angeklagt worden. Die Verfahren gegen [[Dražen Erdemović]], Radislav Krstić und [[Dragan Obrenović]] sind abgeschlossen. Die Angeklagten wurden verurteilt. Die Verfahren gegen Vidoje Blagojević, Dragan Jokić und [[Momir Nikolić]] befinden sich vor der Berufungsinstanz. Gegen neun weitere hohe bosnisch-serbische Militärs und Polizeiangehörige stehen die Verfahren am Anfang. Einer der bekanntesten Angeklagten, Mladić, ist immer noch flüchtig.<ref>[http://www.un.org/icty/cases-e/srebrenica/srebreindex-e.htm Übersicht des ICTY zu den Srebrenica-Prozessen]</ref> [[Zdravko Tolimir]] wurde am 31. Mai 2007 festgenommen.<ref>[http://www.dw-world.de/dw/article/0,2144,2571713,00.html Bericht auf der Website der Deutschen Welle über die Festnahme Tolimirs.]</ref> Karadžić wurde nach jahrelanger Flucht am 18. Juli 2008 gefasst <ref>[http://www.tagesschau.de/ausland/karadzic102.html Tagesschau.de: "Kriegsverbrecher Karadzic gefasst"]</ref>. In den Urteilen gegen Krstić sowie gegen Blagojević und Jokić wird das Geschehen als ''Völkermord'' klassifiziert. ==== Verfahren gegen Serbien vor dem Internationalen Gerichtshof ==== Bereits im Jahr 1993 reichte [[Bosnien-Herzegowina]] beim [[Internationaler Gerichtshof|Internationalen Gerichtshof (IGH)]] eine Klage gegen die [[Jugoslawien|Bundesrepublik Jugoslawien]] ein. Die Organe der'' Republik Serbien'' seien für Völkermord in Bosnien-Herzegowina verantwortlich und müssten deshalb [[Entschädigung]]szahlungen leisten. Der IGH erklärte 1996 die Klage für zulässig. Das Urteil des IGH Ende Februar 2007 bezog sich auf Serbien als Rechtsnachfolger Jugoslawiens: dabei kam der Gerichtshof zu dem Ergebnis, dass Serbien keine direkte Verantwortung trage für die Verbrechen, die im Bosnienkrieg begangen wurden. Aus diesem Grund könne es nicht zu Entschädigungszahlungen herangezogen werden. In seinem Urteil bewertete der Gerichtshof das Massaker von Srebrenica jedoch als Völkermord und bestätigte in dieser Hinsicht die Urteile des Kriegsverbrechertribunals. Serbien müsse sich nach dem Urteil des Gerichtshofs zudem eine indirekte Mitverantwortung für die Geschehnisse zurechnen lassen, denn es habe nicht alle seine Möglichkeiten genutzt, um Kriegsverbrechen und Völkermord zu unterbinden. Auf dem Balkan fiel die Reaktion auf das Urteil unterschiedlich aus, insbesondere auf die Entscheidung, mit Ausnahme des Massakers von Srebrenica liege kein Fall von Völkermord vor.<ref>[http://www.voelkerstrafrecht.org/aktuelles/igh26022007 Entscheidung des Internationalen Gerichtshofes in Sachen Bosnien-Herzegowina ./. Serbien]</ref><ref>[http://www.kas.de/wf/doc/kas_10295-544-1-30.pdf Entscheidung im Völkermord-Prozess gegen Serbien], Kurzbericht der Konrad-Adenauer-Stiftung vom Februar 2007</ref><ref>[http://www.zeit.de/online/2007/09/IGH-Srebrenica?page=all ''Völkermord in Srebrenica''], ZEIT online, 26. Februar 2007</ref> ==== Klagen von Hinterbliebenen ==== Beinahe 8.000 Hinterbliebene der Opfer des Massakers haben sich zu einer Gruppe zusammengeschlossen, die unter dem Namen ''Mütter von Srebrenica'' bekannt ist. Dieser Opferverband reichte am 4.&nbsp;Juni 2007 beim [[Landgericht]] in Den Haag eine Klage gegen die Vereinten Nationen ein.<ref>Vgl. [[Hoher_Rat_der_Niederlande|zu der Zuständigkeit von ''Gerechtshof'' (Obergericht) und ''Hohem Rat'']] in den Niederlanden</ref> Nach Auffassung der Hinterbliebenen hatten die Vereinten Nationen keine ausreichende Maßnahmen für den Schutz der Menschen in der UN-Schutzzone ergriffen.<ref>[http://www.tagesschau.de/aktuell/meldungen/0,1185,OID6869660_REF3,00.html Meldung der Tagesschau vom 4.&nbsp;Juni 2007.]</ref> In seinem Urteil am 10. Juli 2008 billigte das Gericht den Vereinten Nationen jedoch [[Politische Immunität|Immunität]] zu. Dieser Schutz vor jeder gerichtlichen Verfolgung ergebe sich aus völkerrechtlichen Bestimmungen. Staatliche Gerichte könnten sich daher nicht mit Klagen gegen die UN befassen. Die Anwälte der ''Mütter von Srebrenica'' kündigten Berufung gegen die Entscheidung an.<ref>[http://www.dw-world.de/dw/article/0,2144,3475281,00.html Völkermord-Klage gegen UN abgewiesen, Deutsche Welle, 10. Juli 2008]</ref> Im September 2008 lehnte das Gericht eine weitere Klage von Hinterbliebenen gegen den niederländischen Staat ab. Dieser könne nicht für Taten verklagt werden, die niederländische Soldaten begangen oder unterlassen hätten, als diese unter UN-Befehlen standen. Die Hinterbliebenen haben auch gegen dieses Urteil Revision angekündigt.<ref>[http://www.welt.de/welt_print/article2426432/Ueberlebende-von-Srebrenica-scheitern-mit-Klage.html Karen Kleinwort: ''Überlebende von Srebrenica scheitern mit Klage'', welt-online.de, 11. September 2008.]</ref> ==== Ermittlungen zur Beteiligung griechischer Söldner ==== 2005 begannen in Griechenland staatsanwaltschaftliche Untersuchungen zur Frage, welche griechischen [[Söldner]] am Einmarsch der bosnisch-serbischen Truppen in Srebrenica teilnahmen und ob sie an den Massakern beteiligt waren. Es besteht der Verdacht, dass sie Teil des Drina-Korps gewesen sind. Greifbare Ergebnisse dazu liegen bislang jedoch nicht vor.<ref>[http://www.faz.net/s/RubDDBDABB9457A437BAA85A49C26FB23A0/Doc~E987BF1FC283542CCACB20AC92CD94C86~ATpl~Ecommon~Scontent.html Michael Martens: „Unerwünschtes Stochern in alten Geschichten“, in: „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ vom 4. Januar 2007]</ref> === Zweifel, Relativierung und Bestreiten des Massakers === Lange Zeit wurde in vielen serbischen Medien das Massaker von Srebrenica geleugnet. Auch in westlichen Print- oder Onlinepublikationen wurde gelegentlich die Behauptung aufgestellt, die Ereignisse hätten nicht stattgefunden oder seien in den Medien grob falsch und verzerrt dargestellt worden. Im deutschsprachigen Raum relativierte vor allem [[Jürgen Elsässer]] in der Tageszeitung [[Junge Welt]] das Massaker, unter anderem durch Berufung auf serbische Kriegsopfer.<ref>Jürgen Elsässer: „3287 Tote klagen an“, in: „Junge Welt“, 11. Juli 2005, S. 3</ref> Die Klassifizierung des Geschehens als Völkermord nennt Elsässer eine „Lüge“<ref>Jürgen Elsässer: “''Die Rampe von Srebrenica“,'' in: Derselbe: ''Kriegsverbrechen. Die tödlichen Lügen der Bundesregierung und ihre Opfer im Kosovo-Konflikt,'' Hamburg 2000, S. 14–36, hier S. 14.</ref> und einen „Mythos“.<ref>Jürgen Elsässer: „Neuer Streit um Srebrenica. Zwei Gerichtsurteile passen nicht ins Bild der westlichen Propaganda“, in: „Junge Welt“, 11. April 2007.</ref> Er behauptet, eine Reihe von muslimischen Toten seien im Sommer 1995 Opfer von Liquidationen geworden, die andere Muslime um Naser Orić verübt hätten.<ref>[http://www.juergen-elsaesser.de/de/artikel/template_artikel.php?nr=317 Jürgen Elsässer: „Serbenmörder vor Gericht“, in: junge Welt, 16.und 17. April 2003.]</ref> Dem Haager Kriegsverbrechertribunal wirft Elsässer unter Bezugnahme auf dessen Urteil gegen Orić vor, es urteile einseitig zuungunsten serbischer Angeklagter.<ref>[http://www.juergen-elsaesser.de/de/artikel/template_artikel.php?nr=729 Jürgen Elsässer: „Serbenmörder auf freiem Fuß“, in: junge Welt, 3.7..2006]</ref> George Pumphrey leugnet in der Zeitschrift [[Konkret (Zeitschrift)|konkret]] das Geschehen.<ref>[http://www.arbeiterfotografie.de/srebrenica/index-srebrenica-0004.html George Pumphrey: Srebrenica, in: „konkret“, 08/1999]</ref> In der Wochenzeitung [[Junge Freiheit]] zweifelt der serbsiche Schriftsteller und Journalist Nikola Živković die Zahl der Todesopfer an.<ref>[http://web.archive.org/web/20070929132828/http://www.jf-archiv.de/archiv05/getdata.asp?FILE=200531072926.htm&S1 Nikola Živković: „Die ganze Wahrheit muß ans Licht“, in: „Junge Freiheit“, 31/32 (2005)]</ref> Auch im englischsprachigen Raum werden die Geschehnisse gelegentlich sowohl von einigen Publizisten der Linken<ref>[http://srebrenica-genocide.blogspot.com/2006/02/guardian-noam-chomsky-and-milosevic.html Siehe hierzu Marko Attila Hoare: The Guardian, Noam Chomsky and the Milosevic Lobby]</ref> als auch von Autoren aus dem konservativen Lager relativiert<ref>[http://128.121.186.47/ISSA/reports/Balkan/Sep1903.htm Siehe zum Beispiel den zweifelnden Bericht der US-amerikanischen International Strategic Studies Association]</ref>. Der Begriff Völkermord zur Bezeichnung des Geschehens wird abgelehnt, denn nur männliche Personen seien dem Massaker zum Opfer gefallen, keinesfalls alle bosniakischen Flüchtlinge. Im Gerichtsurteil gegen Radislav Krstić wird allerdings betont, dass die systematischen Morde an der männlichen Bevölkerung einen katastrophalen Einfluss auf die stark patriarchalisch strukturierten Familien der Bosniaken Srebrenicas hatten und damit diese ethnische Gruppe zerstörten.<ref>[http://www.icty.org/x/cases/krstic/tjug/en/krs-tj010802e.pdf Erstinstanzliches Urteil gegen Krstić, Seite 29–31.]</ref> Häufig wird die Gesamtzahl der ermordeten Bosniaken relativiert. Die Zweifler betonen, die hohen offiziellen Opferzahlen hätten den Zweck, die serbische Seite zu dämonisieren und von Verbrechen gegen Serben abzulenken, in der Region Srebrenica selbst oder zu anderen Gelegenheiten, wie etwa während der „[[Militäroperation Oluja|Operation Sturm]]“. Statt von 7000 bis 8000 Opfern des Massakers von Srebrenica sei von einer deutlich niedrigeren Zahl auszugehen. Gestützt wird dies unter anderem mit der Behauptung, 1996 seien in Wählerverzeichnissen zu Wahlen in Bosnien-Herzegowina 3000 Vermisste und angeblich Tote wieder aufgetaucht.<ref>[http://www.srebrenica-report.com/numbers.htm Siehe zum Beispiel den zweifelnden Bericht der „Srebrenica Research Group“]</ref> Im Gerichtsverfahren gegen Radislav Krstić wies der norwegische [[Demographie|Bevölkerungswissenschaftler]] Helge Brunborg nach, dass diese Behauptung, die im Jahr 1997 bereits von Radovan Karadžić gebraucht wurde<ref> [http://www.sueddeutsche.de/ausland/artikel/296/5291/ Interview von Thomas Deichmann mit Radovan Karadžić, in: „Süddeutsche Zeitung“, 8. August 1997]</ref>, nicht den Tatsachen entspricht.<ref>Aussage von Helge Brunborg über die Anzahl der nach dem Massaker von Srebrenica vermissten Personen und über Wählerlisten, [http://www.un.org/icty/transe33/000601ed.htm Transkript der Aussage vom 1. Juni 2000] vor dem ICTY; insbesondere Seiten 4076-4083. Auf Seite 4082 stellt Brunborg fest, {{lang|en|''„[b]ut 7.475 should be considered a minimum number, a conservative number. The actual number is probably higher.“''}}. Gefunden in englischer Sprache auf der Website der Vereinten Nationen am 5. September 2008.</ref> In einer Studie zur Zahl der Vermissten und Toten zeigte ein Team um Brunborg ferner, dass nicht 3000, sondern bestenfalls neun Überlebende in diesen Listen eingetragen waren. Es habe keine großangelegte Kampagne gegeben, Lebende als vermisst zu registrieren oder Identitäten von Toten und Vermissten bei Wahlen zu missbrauchen.<ref>Helge Brunborg, Torkild Hovde Lyngstad and Henrik Urdal: ''Accounting for Genocide. How Many Were Killed in Srebrenica?'', in: ''European Journal of Population'', 19 (2003), S. 229–248. hier S. 236.</ref> Einige der zweifelnden Autoren streiten vereinzelte Massaker nicht ab, betonen jedoch, dass diese nicht gezielt und systematisch vorgenommen worden seien. Die Taten seien allein ''„von marodierenden serbischen Einheiten zu verantworten. Viele der Soldaten kamen aus der Region um Srebrenica und wollten den Tod von Angehörigen rächen, die zuvor bei moslemischen Überfällen getötet worden waren.“''<ref>Jürgen Elsässer, [http://www.juergen-elsaesser.de/de/artikel/template_artikel.php?nr=677 Mladićs letzter Kampf. Falsche Vorwürfe wegen der Eroberung Srebrenicas 1995], in „junge Welt“, 23. Februar 2006</ref> Die Beweise für die systematische Planung und Durchführung der Verbrechen sind jedoch in den Prozessen vor dem UN-Kriegsverbrechertribunal aktenkundig. Zweifel an der etablierten Darstellung der Ereignisse werden auch vorgebracht, weil seit Juli 1995 Tausende von Leichen nicht gefunden bzw. exhumiert wurden. Von den Exhumierten wiederum sind bislang viele nicht identifiziert. Entgegen gehalten werden muss solchen Zweifeln die bewusste Vertuschung der Tat durch mehrfache Umbettungen von Leichen. Die forensischen Untersuchungen sind dadurch komplex und zeitraubend.<ref>[http://www.welt.de/data/2005/07/11/744029.html „Die Welt“, 11. Juli 2005 über die Schwierigkeiten forensischer Untersuchungen in Bosnien-Herzegowina]</ref> In vielen Fällen gehen Zweifel, Relativierung und Bestreiten des Massakers von Srebrenica mit Annahmen über eine groß angelegte politische und mediale Kampagne gegen Serben einher. == Literatur == * [[Hasan Nuhanovic]], ''Under The UN Flag: The International Community and the Srebrenica Genocide'', DES Sarajevo, 2007 ISBN 978-9958-728-87-7 * Julija Bogoeva, Caroline Fetscher: ''Srebrenica. Dokumente aus dem Verfahren gegen General Radislav Krstić vor dem Internationalen Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien in Den Haag.'' Suhrkamp, Frankfurt am Main 2002, ISBN 3-7718-1075-2 * Eric Stover, Gilles Peress: ''Die Gräber − Srebrenica und Vukovar'' Scalo, Zürich 1998, ISBN 3-931141-75-6 * [[David Rohde]]: ''Die letzten Tage von Srebrenica. Was geschah und wie es möglich wurde.'' Rowohlt, Reinbek bei Hamburg 1997, ISBN 3-499-22122-5 * Jan Willem Honig, Norbert Both: ''Srebrenica: der größte Massenmord in Europa nach dem Zweiten Weltkrieg.'' Lichtenberg, München 1997, ISBN 3-7852-8409-8 == Weblinks == {{Commons|Srebrenica massacre|Massaker von Srebrenica}} * [http://www.srebrenica.nl/en/a_index.htm Dokumentation des „Nederlands Instituut voor Oorlogsdocumentatie“ (Niederländisches Institut für Kriegsdokumentation)] (englisch) * [http://www.un.org/Docs/journal/asp/ws.asp?m=A/54/549 UNO-Bericht zum Fall der Schutzzone und zum Massaker von Srebrenica, in fünf Sprachen zur Auswahl] * [http://www.un.org/icty/indictment/english/kar-ii951116e.htm ICTY Anklage gegen Karadžić und Mladić] (englisch) * [http://www.domovina.net/archive/2000/20000516_manning.pdf Zusammenfassung der forensischen Untersuchungen über Exekutionsstätten und Massengräber zum Massaker von Srebrenica („Manning Report“)] (englisch; PDF-Datei; 3,74 MB) * [http://www.zeit.de/2005/28/Serbien Dossier der Wochenzeitschrift „DIE ZEIT“] * [http://podster.de/episode/534095/download/2008_02_21_10_32_50_podcast_radiowissen_wm_220208__a.mp3 Audiofeature über die UNO-Schutzzone Srebrenica auf Bayern2Radio – radioWissen (MP3)] == Einzelnachweise == <references /> {{Exzellent}} [[Kategorie:Bosnienkrieg]] [[Kategorie:Kriegsverbrechen|Srebrenica]] [[Kategorie:Massaker|Srebrenica]] [[Kategorie:1995]] [[Kategorie:Völkermord]] {{Link FA|bs}} {{Link GA|no}} [[ar:مذبحة سربرنيتشا]] [[az:Srebrenitsa qətliamı]] [[bg:Клане в Сребреница]] [[bs:Genocid u Srebrenici]] [[ca:Matança de Srebrenica]] [[cs:Srebrenický masakr]] [[da:Srebrenica-massakren]] [[el:Σφαγή της Σρεμπρένιτσα]] [[en:Srebrenica massacre]] [[eo:Masakro de Srebrenico]] [[es:Masacre de Srebrenica]] [[eu:Srebrenicako sarraskia]] [[fa:کشتار سربرنیتسا]] [[fr:Massacre de Srebrenica]] [[gl:Masacre de Srebrenica]] [[he:טבח סרברניצה]] [[hr:Genocid u Srebrenici]] [[hu:Srebrenicai mészárlás]] [[id:Pembantaian Srebrenica]] [[it:Massacro di Srebrenica]] [[ja:スレブレニツァの虐殺]] [[lt:Srebrenicos žudynės]] [[mk:Масакрот во Сребреница]] [[ms:Pembunuhan Srebrenica]] [[nl:Val van Srebrenica]] [[no:Srebrenica-massakren]] [[pl:Masakra w Srebrenicy]] [[pt:Massacre de Srebrenica]] [[rm:Mazzacra da Srebrenica]] [[ro:Masacrul de la Srebrenica]] [[ru:Расправа в Сребренице]] [[sh:Masakr u Srebrenici]] [[sl:Srebreniški pokol]] [[sq:Gjenocidi në Srebrenicë]] [[sr:Масакр у Сребреници]] [[sv:Srebrenicamassakern]] [[tr:Srebrenitza katliamı]] [[ur:سریبرینیتسا کا قتل عام]] [[zh:斯雷布雷尼察屠杀]] ez7rw298zacbq6hstnaz3ep1ojs1t0t wikitext text/x-wiki Materialismusstreit 0 23905 26501 2010-04-28T17:51:58Z Giftmischer 0 /* Ignoramus et ignorabimus */ Datum Der '''Materialismusstreit''' war eine in der Mitte des 19. Jahrhunderts geführte Kontroverse um die [[Weltanschauung|weltanschaulichen]] Konsequenzen der [[Naturwissenschaft]]en. Beeinflusst durch die [[Methodologie|methodologische]] Erneuerung der Biologie und den Niedergang der [[Idealismus (Philosophie)|idealistischen Philosophie]] wurde in den 1840er Jahren ein [[Materialismus]] formuliert, der den [[Mensch]]en naturwissenschaftlich zu erklären beanspruchte. Im Zentrum der Kontroversen stand die Frage, ob die Ergebnisse der Naturwissenschaften mit dem Konzept einer immateriellen [[Seele]], eines personalen [[Gott]]es und eines [[Freier Wille|freien Willens]] vereinbar sind. Zudem konzentrierte sich die Debatte auf die [[Erkenntnistheorie|erkenntnistheoretischen]] Voraussetzungen einer materialistischen Weltanschauung. In den ''[[Physiologie|Physiologischen]] Briefen'' aus dem Jahre 1846 erklärte der Zoologe [[Carl Vogt]], dass „die Gedanken in demselben Verhältnis etwa zu dem Gehirn stehen, wie die Galle zu der Leber oder der Urin zu den Nieren.“<ref>''Physiologische Briefe'', S.323.</ref> Vogts polemisches Bekenntnis zum Materialismus griff 1854 der Physiologe [[Rudolf Wagner (Mediziner)|Rudolf Wagner]] in einer Rede vor der Göttinger Naturforscherversammlung kritisch auf. Wagner argumentierte, dass der christliche Glauben und die Naturforschung zwei voneinander weitgehend unabhängige Sphären bildeten. Die Naturwissenschaften könnten daher nichts zu den Fragen nach der Existenz Gottes, der immateriellen Seele oder des freien Willens beitragen. {{Zitat|Man darf es nicht immer hingehen lassen, wenn dies frivole Gesindel die Nation um die theuersten von unseren Vätern ererbten Güter betrügen will und schamlos aus dem gährenden Inhalte seiner Eingeweide den stinkenden Athem dem Volke entgegenbläst und diesem weiss machen will, es sei eitel Wohlgeruch.|ref=<ref>''Ueber Wissen und Glauben'', S.IV.</ref>}} Wagners Attacken riefen ebenso scharfe Reaktionen Vogts hervor, wobei der materialistische Standpunkt in den folgenden Jahren ebenfalls von dem Physiologen [[Jakob Moleschott]] und dem Arzt [[Ludwig Büchner]], einem Bruder des bekannten Schriftstellers [[Georg Büchner]] verteidigt wurde. Die Materialisten präsentierten sich als Vorkämpfer gegen die philosophische, religiöse und politische [[Reaktion (Politik)|Reaktion]] und konnten auf eine breite Unterstützung im [[Bürgertum]] zählen. Das Versprechen einer naturwissenschaftlichen Weltanschauung entwickelte sich zu einem prägenden Element der kulturellen Konflikte des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts. == Entwicklung des naturwissenschaftlichen Materialismus == === Emanzipation der Biologie === [[Datei:Virchow-cell.jpg|miniatur|Illustration der Zelltheorie in der ersten Ausgabe von Virchows ''Archiv für Pathologische Anatomie und Physiologie'', 1847]] Die Entstehung eines populären Materialismus wurde durch eine „nach 1830 zum Gemeinplatz werdende Polemik gegen die [[Romantik|romantisch]]-idealistische [[Naturphilosophie]]“<ref>Herbert Schnädelbach: ''Philosophie in Deutschland 1831–1933'', Suhrkamp, Frankfurt a.M. 1883, S.100</ref> begünstigt, die sich gleichermaßen auf Naturwissenschaft, Philosophie und Politik auswirkte. Aus [[Wissenschaftsgeschichte|wissenschaftshistorischer]] Perspektive erwies sich insbesondere die durch [[Matthias Jacob Schleiden]] begründete [[Zelltheorie]] als folgenreich. In den 1838 erschienenen ''Beiträgen zur Phytogenesis'' erklärte Schleiden die [[Zelle (Biologie)|Zelle]] zum Grundbaustein aller Pflanzen und identifizierte zudem den 1831 entdeckten [[Zellkern]] als wesentlichen Faktor des Pflanzenwachstums.<ref>Matthias Jacob Schleiden: „Beiträge zur Phytogenesis“ in: ''Archiv für Anatomie'', 1838, S. 137–176.</ref> Die zelluläre Theorie des Aufbaus pflanzlicher Organismen bedeutete eine inhaltliche Neuausrichtung der [[Botanik]], die sich bis dahin wesentlich durch die makroskopische Beschreibung von Formen ausgezeichnet hatte. Zugleich verknüpfte Schleiden seine Theorie über den Aufbau der Pflanzen mit einer [[Methodologie|methodologischen]] Attacke auf die idealistische Naturphilosophie. Die Zelltheorie basiere auf der empirisch überprüfbaren [[Beobachtung]], denn „über die Gegenstände der körperlichen Naturwissenschaften beherrscht Einer gerade nur so viel Thatsachen, als er selbst beobachtet hat.“ Die Spekulationen der Naturphilosophen seien demgegenüber nicht in der strengen Beobachtung gegründet und folglich müsse alles „Systeme- und Theorieschmieden bei Seite geworfen“ werden.<ref> Schleiden, zitiert nach: Annette Wittkau-Horgby: ''Materialismus. Entstehung und Wirkung in den Wissenschaften des 19. Jahrhunderts'', Vandehoeck & Ruprecht, Göttingen 1996, S.54f.</ref> Schleidens Programm einer methodisch erneuerten Botanik wurde in den folgenden Jahren auf andere biologische Disziplinen übertragen. Bereits 1839 publizierte [[Theodor Schwann]] seine ''Mikroskopischen Untersuchungen über die Uebereinstimmung in der Struktur und dem Wachsthum der Thiere und Pflanzen''. Schwann erklärte, dass die Zelltheorie das allgemeine Prinzip des [[Leben]]s aufdecke. Alle Lebewesen seien vollständig aus Zellen aufgebaut, zudem könne die Bildung von Organen durch Wachstum und Vermehrung der Zellen erklärt werden. [[Rudolf Virchow]] proklamierte in diesem Zusammenhang: „Leben ist seinem Wesen nach Zellentätigkeit.“<ref>Rudolf Virchow: „Über das Bedürfnis und die Richtigkeit einer Medizin vom mechanischen Standpunkt“ in: ''Virchows Archiv für pathologische Anatomie und Physiologie und für klinische Medizin'', Heft 1, 1907 (1845) S.8.</ref> Die Zelltheorie eröffnete somit die Perspektive einer naturwissenschaftlichen Theorie des Lebens, auf der die Materialisten wenige Jahre später aufbauen konnten. === Abwendung von der idealistischen Philosophie === [[Datei:Feuerbach Ludwig.jpg|miniatur|Ludwig Feuerbach, Stich von August Weger]] Parallel zur methodologischen Neuausrichtung der biologischen Disziplinen entwickelte sich im intellektuellen Klima des [[Vormärz]] eine allgemeine Kritik am konservativen Erbe des [[Deutscher Idealismus|deutschen Idealismus]].<ref>Walter Jaeschke: ''Philosophie und Literatur im Vormärz. Der Streit um die Romantik (1820–1854)'', Meiner, Hamburg 1998.</ref> Die Ablehnung der [[Naturphilosophie|naturphilosophischen]] Methodologie in den Naturwissenschaften war weltanschaulich moderat, viele Biologen blieben entschiedene Antimaterialisten. Demgegenüber entstanden nur wenige Jahre nach [[Georg Wilhelm Friedrich Hegel|Hegels]] Tod 1831 philosophische Bewegungen, die auch weltanschaulich radikal mit dem deutschen Idealismus brachen. Von besonderer Bedeutung und gesellschaftlicher Brisanz war die [[Religionskritik]], wie sie [[Ludwig Feuerbach]] in der Schrift ''[[Das Wesen des Christentums (Feuerbach)|Das Wesen des Christentums]]'' formulierte.<ref>Vgl. ''Scientific Materialism in Nineteenth Century Germany'', S. 13–28.</ref> Feuerbach hatte ab 1824 bei Hegel in Berlin studiert, über zwei Jahre jede seiner Vorlesungen besucht und bis in die 1830er Jahre traditionell idealistische Texte geschrieben. Dennoch entwickelten sich bei Feuerbach und vielen anderen jungen Hegelschülern Zweifel. Den [[Junghegelianer]]n war nicht nur der politische Konservatismus des deutschen Idealismus suspekt, zugleich schien ihnen die von [[Empirie|empirischen]] Beobachtungen losgelöste Systemphilosophie zunehmend verfehlt. 1839 war Feuerbach schließlich zu einer Grundsatzkritik an seinem Lehrer bereit. Hegels idealistisches System möge [[Kohärenztheorie|kohärent]] und schlüssig sein, es habe sich jedoch von der sinnlichen Natur auf unzulässige Weise entfernt. Die [[Philosophie]] müsse im sinnlich Gegebenen gründen, nur so könne sie zu einer Erkenntnis von Natur und Wirklichkeit gelangen. „Eitelkeit ist daher alle Spekulation, die über die Natur und den Menschen hinaus will.“<ref>Ludwig Feuerbach: „Zur Kritik der Hegelschen Philosophie“, in: ''Gesammelte Werke'', Band III, Akademie Verlag, Berlin, 1967–2007, S.52.</ref> Die Idee einer von der Spekulation emanzipierten Naturbetrachtung wurde von Feuerbach und den neuen biologischen Bewegungen geteilt. Doch Feuerbachs Ziel war eine [[Anthropologie|anthropologische]] und keine naturwissenschaftliche Theorie des Menschen. Welchen Zündstoff Feuerbachs Anthropologie enthielt, wurde in seiner [[Religionsphilosophie]] deutlich. Die idealistische Philosophie habe den Fehler gemacht, die [[Wahrheit]] der theologischen Lehren in abstrakten Argumentationen zu beweisen. In Wirklichkeit sei [[Religion]] jedoch keine [[Metaphysik|metaphysische]] Wahrheit, sondern Ausdruck menschlicher [[Bedürfnis]]se. [[Theologie|Theologen]] und Philosophen könnten die Existenz Gottes nicht beweisen, da Gott eine Erfindung sei, die sich aus der „Natur des Menschen“ ergebe. Feuerbachs Argumentation war nicht gegen Religionen im allgemeinen gewendet, für den religiösen [[Glaube]]n gebe es durchaus gute Gründe. Diese Gründe seien jedoch [[Psychologie|psychologischer]] Art, Religionen befriedigten reale menschliche Bedürfnisse. Philosophisch-theologische [[Gottesbeweis|Beweise der Existenz Gottes]] seien demgegenüber spekulative Phantasien. Feuerbachs Religionskritik wurde als radikaler Angriff auf das kulturelle Establishment aufgenommen, Mitte der 1840er Jahre war er zum Zentrum der philosophischen Erneuerungsbewegungen geworden. === Carl Vogt und die politische Opposition === [[Datei:Vogt, Carl (1817-1895).jpg|miniatur|Carl Vogt]] Die ab 1847 publizierten materialistischen Thesen des Physiologen [[Carl Vogt]] boten den äußeren Anlass des Materialismusstreits. Vogts Wendung zum Materialismus war wesentlich durch die naturwissenschaftlichen und kulturellen Erneuerungsbewegungen geprägt, eine mindestens genauso große Rolle spielte jedoch seine politische Entwicklung.<ref>Vgl. hierzu: Hermann Misteli: ''Carl Vogt: seine Entwicklung vom angehenden naturwissenschaftlichen Materialisten zum idealen Politiker der [[Paulskirche]] (1817–1849)'', Gebr. Leemann, Zürich 1938.</ref> 1817 in [[Gießen]] geboren, wuchs Vogt in einer Familie auf, die naturwissenschaftliche und [[sozialrevolutionär]]e Tendenzen miteinander verband. Carls Vater [[Philipp Friedrich Wilhelm Vogt]] war Medizinprofessor in Gießen, bis er 1834 aufgrund drohender politischer Verfolgung eine Professur in [[Bern]] annahm. Die politischen Verwicklungen standen in der Tradition der Familie mütterlicherseits, die drei Brüder Louise Follens wurden allesamt aufgrund ihrer nationalistischen und [[Demokratie|demokratischen]] Aktivitäten in die Emigration gedrängt.<ref>Wolfgang Hardtwig: ''Deutsche Geschichte der neuesten Zeit. [[Vormärz]]. Der monarchische Staat und das Bürgertum'', dtv, München 1997, S.13ff.</ref> [[Adolf Follen]] verfasste 1817 die ''Grundzüge für eine künftige Reichsverfassung'' und wurde zwei Jahre später wegen „deutscher Umtriebe“ verhaftet. Das [[Schweiz]]er Exil bewahrte ihn vor einer 10-jährigen Festungshaft. [[Karl Follen]] verteidigte in einem Flugblatt den [[Tyrannenmord]] und galt daher als geistiger Urheber des Attentats auf den Schriftsteller [[August von Kotzebue]]. Ihm gelang die Flucht in die [[Vereinigte Staaten|Vereinigten Staaten]], wo er sich ab 1825 als Professor für deutsche Sprache an der[[ Harvard University]] etablierte. [[Paul Follen]], der jüngste der Brüder, gründete 1833 mit [[Friedrich Münch]] die [[Gießener Auswanderungsgesellschaft]]. Das Ziel einer deutschen [[Republik]] in den Vereinigten Staaten scheiterte, Paul Follen ließ sich als Farmer in [[Missouri]] nieder. Carl Vogt begann 1833 in Gießen Medizin zu studieren, wandte sich jedoch bald der Chemie bei [[Justus Liebig]] zu. Liebigs [[experiment]]elle Methoden standen in explizitem Kontrast zur idealistischen Naturphilosophie. Als Mitbegründer der [[Organische Chemie|organischen Chemie]] lehnte Liebig eine Trennung zwischen lebenden Prozessen und toter Materie ab und bot Vogt somit eine gedankliche Voraussetzung des später entwickelten Materialismus.<ref>Liebig lehnte den Materialismus jedoch vehement ab: Wilhelm Brock: ''Justus von Liebig'', Vieweg, Wiesbaden 1999, S.250.</ref> 1835 machten jedoch politische Umstände eine Fortsetzung des Studiums in Gießen unmöglich. Nachrichten, dass er einem politisch verfolgten Studenten zur Flucht verholfen habe, ließen ihn selbst zum Ziel der Polizei werden. Vogt wanderte darauf hin in die [[Geschichte der Schweiz|Schweiz]] aus, wo er 1839 sein [[Studium der Medizin|Studium an der medizinischen Fakultät]] abschloss. In den frühen 1840er Jahren war Vogt mit der [[Vormärz|politischen Opposition]] und den neuen naturwissenschaftlichen Bewegungen in Kontakt gekommen, hatte jedoch noch nicht seinen weltanschaulichen Materialismus entwickelt. Dies änderte sich während seines dreijährigen Aufenthalts in Paris, der wesentlich zu Vogts politischer und weltanschaulicher [[Radikalismus|Radikalisierung]] beitrug. Die Bekanntschaft mit den [[Anarchismus|Anarchisten]] [[Michael Bakunin]] und [[Pierre-Joseph Proudhon]] prägte Vogts politisches Denken nachhaltig. Ab 1845 begann er zudem seine ''Physiologischen Briefe'' zu veröffentlichen, mit denen er in Anlehnung an Liebigs ''Chemische Briefe'' eine allgemeinverständliche Darstellung der [[Physiologie]] veröffentlichte. Die ersten Briefe enthielten noch keine Hinweise auf Vogts Materialismus, erst in dem 1846 erschienenen Brief über ''[[Nerven]]kraft und Seelenthätigkeit'' erklärte Vogt, „dass der Sitz des [[Bewußtsein]]s, des [[Wille]]ns, des [[Denken]]s endlich einzig und allein in dem [[Gehirn]]e gesucht werden muss“.<ref>''Physiologische Briefe'', S.322.</ref> [[Datei:Frankfurt Nationalversammlung 1848.jpg|miniatur|Sitzung der Nationalversammlung 1848; zeitgenössisches Gemälde von Ludwig von Elliott]] Zunächst hatte jedoch die politische Praxis Vorrang gegenüber der materialistischen Theorie. Vogt war gerade durch Einflussnahme Liebigs und [[Alexander von Humboldt]]s zum Professor für Zoologie in Gießen berufen worden, als im März [[1848]] die [[Deutsche Revolution 1848/49|Deutsche Revolution]] begann und sich in verschiedenen Teilen Deutschlands demokratische Kräfte gegen die sogenannte [[Reaktion (Politik)|Reaktion]] erhoben. Als diese ''Märzrevolution'' auch die kleine Universtätsstadt Gießen erreichte, ließ sich Vogt zum Befehlshaber der [[Bürgerwehr]] ernennen und vertrat schließlich den 6. Wahlkreis Hessen-Darmstadt in der [[Frankfurter Nationalversammlung]] 1848 bis 1849. Nachdem der preußische König [[Friedrich Wilhelm IV.]] die ihm angetragene Kaiserwürde abgelehnt hatte und politische Niederlagen zum Auseinanderbrechen der Nationalversammlung führten, zog Vogt mit den verbliebenden 158 Abgeordneten nach Stuttgart, um dort Anfang Juni 1849 das schon nach wenigen Wochen zwangsweise aufgelöste sogenannte [[Rumpfparlament (Deutschland)|Rumpfparlament]] zu bilden. Von diesem Restparlament zu einem der „fünf Reichsregenten“ ernannt, fand sich Vogt im Zentrum der politischen Opposition wieder. Bereits am 18. Juni des Jahres besetzten [[Württemberg|württembergische Truppen]] den Tagungsort. Vogt [[Emigration|emigrierte]] in die Schweiz und nahm im Haus seiner Eltern Zuflucht. In den politischen Ambitionen gescheitert und seiner akademischen Karriere beraubt, konzentrierte er sich wieder auf [[Biologie|biologische]] Studien, die er nun radikal weltanschaulich deutete. == Verlauf == === Materialismusstreit bis 1854 === Ohne klare akademische Perspektiven begab sich Vogt 1850 nach [[Nizza]], um sich dort zoologischen Studien zu widmen. Seine im folgenden Jahr publizierten ''Untersuchungen über Thierstaaten'' verknüpften die [[Zoologie]] mit einer bitteren Abrechnung mit den deutschen Verhältnissen. Politisch war das Buch ein Plädoyer für den Anarchismus, „jede Staatsform, jedes Gesetz [ist] ein Zeichen der mangelnden Vollendung unseres [[Naturzustand]]es“.<ref>Carl Vogt: ''Untersuchungen über Thierstaaten'', Literarische Anstalt, Frankfurt a.M. 1851, S.23.</ref> Vogts [[Biologismus|biologistische]] Argumentation für den Anarchismus beruhte auf der Überzeugung, dass Tier- und Menschenstaaten in Kontinuität zueinander stünden, da auch Menschen natürliche und vollständig materielle Organismen seien. Nach Ansicht Vogts implizierte die Biologie gleichermaßen den Materialismus und die [[Subversion]] der herrschenden Ordnung. In seinem Buch bezog er sich unmissverständlich auf die [[Geschichte Deutschlands|deutschen Verhältnisse]]: {{Zitat|So gehe denn hin, du kleines Büchlein, als alte Wahrheit in neuem Gewande. Pilgere umher in jenem unseligen Lande, dessen Sprache Du spricht, dessen Sinn Dir aber schwerlich entgegenkommen wird.|ref=<ref>Ebenda, S.IX</ref>}} Tatsächlich gelang es Vogt, mit seinen populären und [[Polemik|polemischen]] Attacken das Interesse der deutschen Öffentlichkeit zu wecken. 1852 erschienen die ''Bilder aus dem Thierleben'', in denen Vogt nicht nur eine ausführliche Darstellung des Materialismus bot, sondern zugleich die deutschen Universitätsgelehrten scharf angriff. Jeder klar denkende Biologe müsse die Wahrheit des Materialismus erkennen, da die Abhängigkeit der Seelenfunktionen von den [[Gehirn]]funktionen offensichtlich sei. Diese Abhängigkeit zeige sich am deutlichsten in Tierversuchen, so können „wir der Taube Stück für Stück die geistigen Funktionen abschneiden, indem wir Stück für Stück das Gehirn abtragen“.<ref>Carl Vogt: ''Bilder aus dem Thierleben'', Literarische Anstalt, Frankfurt a.M. 1852, S.443.</ref> Doch wenn die Seelenfunktionen auf diese Weise vom Gehirn abhingen, so könne die Seele auch nicht den [[Tod]] des Körpers überstehen. Und wenn die Gehirnfunktionen durch die Naturgesetze [[Determinismus|determiniert]] seien, so müsse das Gleiche auch auf die Seele zutreffen. {{Zitat|So wäre dem einfachen Materialismus Thür und Tor geöffnet – der Mensch so gut wie das Thier nur eine Maschine, sein Denken das Resultat einer bestimmten Organisation – der freie Wille demnach aufgehoben? […] Wahrlich, so ist’s. Es ist wirklich so.|ref=<ref>Ebenda S.445.</ref>}} Wer diesen Ausführungen nicht zustimmen wollte, hatte nach Ansicht Vogts nicht die notwendigen Konsequenzen der physiologischen Forschung verstanden. Dies betraf besonders den [[Anatomie|Anatomen]] und Physiologen [[Rudolf Wagner (Mediziner)|Rudolf Wagner]] aus [[Göttingen]], der 1851 in der ''[[Augsburger Allgemeine Zeitung|Augsburger Allgemeinen Zeitung]]'' Vogt dafür kritisiert hatte, Gott durch eine „blinde, unbewusste Notwendigkeit“ zu ersetzen.<ref> Wagner zitiert nach: Andreas Daum, ''Wissenschaftspopularisierung im 19. Jahrhundert. Bürgerliche Kultur, naturwissenschaftliche Bildung und die deutsche Öffentlichkeit 1848–1914'', Oldenbourg Wissenschaftsverlag, München 1998, S. 295.</ref> Zugleich hatte er Überlegungen angestellt, nach denen die Seele eines Kindes sich zu gleichen Teilen aus der Seele der Mutter und des Vaters zusammensetze. Dieser Gedanke bot Vogt eine willkommene Vorlage. Eine zusammengesetzte Kinderseele widerspreche nicht nur der theologischen Auffassung der [[Unteilbarkeit der Seele]], sondern sei zugleich physiologischer Unsinn. Körperliche Merkmale wie Gesichtzüge werden von den Eltern auf natürlichem Wege an die Kinder [[Vererbung (Biologie)|vererbt]]. Das Gleiche gelte für das Gehirn, weswegen die [[Vererbung (Biologie)|Vererbung]] von Charaktermerkmalen leicht materialistisch erklärt werden könne.<ref>''Physiologische Briefe'', S.452f.</ref> === Göttinger Naturforscherversammlung === [[Datei:Rudolf Wagner.jpg|miniatur|Rudolf Wagner]] Im Sommer 1854 bot die 31. [[Naturforscherversammlung]] in Göttingen Wagner die Gelegenheit zu einer öffentlichkeitswirksamen Replik. In seinem Vortrag über ''Menschenschöpfung und Seelensubstanz'' warf Wagner den Materialisten vor, durch die Leugnung der Willensfreiheit die sittlichen Grundlagen der gesellschaftlichen Ordnung zu untergraben. {{Zitat|Wir, die wir hier versammelt sind, wie verschieden sich auch in jedem Einzelnen von uns unsere Weltanschauung gestaltet haben mag, wir, die wir das Ringen unserer [[Nation]] in seinen letzten Kämpfen mitgesehen, mitgefühlt, zum großen Theile selbsttheilnehmend mit durchgemacht haben, wir haben uns auch die Frage nahe zu legen, welches werden die Resultate unserer Forschung für die Bildung und die Zukunft unsres großen Volkes sein.|ref=<ref>''Menschenschöpfung und Seelensubstanz'', S.25.</ref>}} Der Materialismus Vogts stehe der [[moral]]ischen Verantwortung des Forschers entgegen, da er aus dem Menschen blinde und unverantwortliche Maschinen mache. Noch im selben Jahr erschien eine zweite Schrift Wagners, in der er die moralischen Vorwürfe um eine allgemeine Argumentation zum Verhältnis von [[Wissen]] und Glauben ergänzte. Nach Wagner bilden diese zwei weitgehend unabhängige Bereiche, kein naturwissenschaftliches Wissen könne den religiösen Glauben folglich beweisen oder widerlegen. Physiologen würden den inneren Aufbau und die Funktion der körperlichen Organe beschreiben, Materialisten diese Beschreibungen interpretieren, indem sie die körperlichen und seelischen Funktionen miteinander identifizierten. [[Dualismus (Philosophie)|Dualisten]] gingen demgegenüber davon aus, dass die körperlichen Funktionen auf eine immaterielle Seele wirkten. Keine der beiden Interpretationen ergebe sich aus der physiologischen Beschreibung, weswegen die Naturwissenschaften die Seelenfrage nicht entscheiden könnten. „Es findet sich in der [[Bibel|biblischen]] Seelenlehre […] kein einziger Punkt, welcher mit irgend einem Lehrsatze der modernen Physiologie und Naturwissenschaft im Widerspruch wäre.“<ref>''Ueber Wissen und Glauben'', S.30.</ref> === Köhlerglaube und Wissenschaft === Wagners öffentlichkeitswirksame Streitschriften hatten die seit einigen Jahren schwelende Materialismusdebatte endgültig ins Zentrum des öffentlichen Interesses gerückt. Vogt reagierte prompt mit dem [[Pamphlet]] ''Köhlerglaube und Wissenschaft. Eine Streitschrift gegen Hofrath Rudolph Wagner in Göttingen.'' Der Text ist in der ersten Hälfte wesentlich durch drastische [[Argumentum ad hominem|ad-hominem]]-Attacken gegen Wagner geprägt. Dieser sei kein seriöser und produktiver Wissenschaftler, sondern schmücke sich als [[Herausgeber]] zahlloser Werke lediglich mit der Forschungsarbeit anderer. Zudem habe er versucht, seine materialistischen Kritiker mit Hilfe der Staatsgewalt zu unterdrücken. Den besonderen Zorn Vogts erregte Wagners Behauptung, dass die materialistische Leugnung der Willensfreiheit angesichts der [[Märzrevolution|politischen Ereignisse von 1848]] gesellschaftlich unverantwortlich sei: {{Zitat|Erbärmlicher Wicht! Wo hast Du denn mitgerungen, mitgefühlt, mit Theil genommen auf der einen oder anderen Seite? […] Wir haben Dich nicht gesehen, weder in den Reihen unserer Feinde, noch in denjeningen unser Freunde, und wir können Dir mit dem Dichter zurufen: ‚Pfui über Dich Buben hinter dem Ofen.‘|ref=<ref>''Köhlerglaube und Wissenschaft'', S.10.</ref>}} Im zweiten Teil der Arbeit argumentierte Vogt systematischer gegen Wagners These der Vereinbarkeit von „naivem Köhlerglauben“ und naturwissenschaftlicher Erkenntnis. Wer die Seele in einen Bereich jenseits jeder empirischen [[Verifikation|Überprüfbarkeit]] setze, könne zwar nicht mehr direkt durch die Physiologie widerlegt werden, mache jedoch eine vollkommen unnütze und letztlich sogar unverständliche Annahme. Die Abhängigkeit der Seelenfunktionen von den Gehirnfunktionen spreche eindeutig für eine [[Identität]] von Körper und Seele und könne nicht durch das [[Postulat]] einer immateriellen Seele ignoriert werden. Dies werde bei allen Organen bis auf das Gehirn auch von Wagner akzeptiert. Auch Wagner behaupte nicht, dass zusätzlich zu den biologischen Prozessen in den [[Muskel]]n noch eine Muskelseele komme, die erst die [[Muskelkontraktion]] verursache. Ebensowenig würde er behaupten, zusätzlich zu den biologischen Prozessen in der [[Niere]] komme noch eine Nierenseele, die erst die Ausscheidung der [[Stoffwechselprodukt]]e verursache. „Nur bei dem Gehirne will man dies nicht anerkennen; nur bei diesem will man eine specielle, für die anderen Organe nicht gültige unlogische Schlußfolgerung eintreten lassen“.<ref>''Köhlerglaube und Wissenschaft'', S.111.</ref> === Nahrungsmittel, Kraft und Stoff === [[Datei:Jakob Moleschott.jpg|miniatur|Jakob Moleschott]] [[Datei:Ludwig Büchner.jpg|miniatur|Ludwig Büchner]] Vogts polemisch vorgetragene Thesen mochten im akademischen und politischen Umfeld auf starke Widerstände stoßen, dennoch hatte sich der Materialismus 1855 längst zu einer einflussreichen Bewegung entwickelt. Unterstützung erhielt Vogt von zwei jüngeren Wissenschaftlern, [[Jakob Moleschott]] und [[Ludwig Büchner]], die ihre materialistischen Thesen ebenfalls in [[populärwissenschaft]]lichen Publikationen in die Öffentlichkeit trugen. Jakob Moleschott, 1822 im niederländischen [[’s-Hertogenbosch]] geboren, war früh mit der Philosophie Hegels in Kontakt gekommen, entschloss sich jedoch schließlich zu einem Studium der Medizin in [[Heidelberg]].<ref>Vgl. Jacob Moleschotts autobiographische Schrift: ''Für meine Freunde. Lebenserinnerungen'', Emil Roth, Gießen 1895.</ref> Stark durch die Philosophie Feuerbachs beeinflusst, beschäftigte er sich mit Fragen des [[Stoffwechsel]]s und der [[Diätetik|Diätik]]. Nahrungsmittel erschienen entsprechend Moleschotts materialistischer Überzeugungen gleichermaßen als Grundbausteine der körperlichen und geistigen Funktionen. In seiner Schrift ''Die Lehre der Nahrungsmittel: Für das Volk'' bemühte sich Moleschott um eine populäre Anwendung seiner Studien und legte detaillierte Ernährungspläne für die verarmten Bevölkerungsschichten vor. Der Materialismus sollte nicht nur negativ die Existenz einer immateriellen Seele und Gottes leugnen, er sollte positiv die Menschen zu einem besseren Leben führen. Moleschott schickte 1850 ein Exemplar seines Werkes an Feuerbach, der noch im gleichen Jahr eine einflussreiche Rezension unter dem Titel ''Die Naturwissenschaft und die [[Revolution]]'' veröffentlichte. In den 1840er Jahren hatte Feuerbach seine Philosophie noch jenseits von Idealismus und Materialismus definiert, nun bezog er explizit für die Materialisten Stellung. Während die Philosophen weiter auf unfruchtbare Weise über das Verhältnis von Körper und Seele stritten, hätten die Naturwissenschaften bereits längst die Antwort gefunden: {{Zitat|Die Speisen werden zu Blut, das Blut zu Herz und Hirn, zu Gedanken und Gesinnungsstoff. Menschliche Kost ist die Grundlage menschlicher Bildung und Gesinnung. Wollt ihr das Volk bessern, so gebt ihm statt Deklamationen gegen die Sünde bessere Speisen. Der Mensch ist was er isst.|ref=<ref>Ludwig Feuerbach: „Die Naturwissenschaft und die Revolution“, in:'' Gesammelte Werke'', Band X Akademie Verlag, Berlin, 1967–2007, S.22.</ref>}} Noch einflussreicher als Moleschotts Bündnis mit Feuerbach erwies sich Büchners Bündnis mit der Öffentlichkeit.<ref>Zu Büchner, vgl.: Michael Heidelberger: „Büchner, Friedrich Karl Christian Ludwig (Louis) (1824–99)“, in: Edward Craig (Hrsg.): ''Routledge Encyclopedia of Philosophy'', Routledge, London/ New York 1998, S. 48–51.</ref> Büchner, 1824 in [[Darmstadt]] geboren, war bereits als Student mit Vogt in Kontakt gekommen und 1848 Mitglied der von Vogt geleiteten Bürgerwehr geworden. Nach einigen unglücklichen Jahren als Assistent an der medizinischen Fakultät [[Tübingen]]s entschloss sich Büchner zur Publikation einer eingängigen Zusammenfassung der materialistischen Weltanschauung. ''Kraft und Stoff'' entwickelte sich zu einem Bestseller, in den ersten 17 Jahren erschienen 12 Auflagen, das Buch wurde in 16 Sprachen übersetzt. Im Gegensatz zu Vogt und Moleschott präsentierte Büchner den Materialismus nicht im Kontext eigener Forschungen, sondern bot eine Zusammenfassung der Erkenntnisse, die auch ohne philosophische oder naturwissenschaftliche Vorkenntnisse verständlich waren. Den Ausgangspunkt bot die bereits von Moleschott betonte Einheit von [[Kraft]] und [[Materie|Stoff]]. Kein Stoff könne ohne innewohnende Kräfte, keine Kraft ohne Stoff als Träger existieren. Aus dieser Einheit folge unmittelbar die Unmöglichkeit immaterieller Seelen, da diese ohne einen stofflichen Träger existieren müssten. == Reaktionen im 19. Jahrhundert == === Philosophie des Neukantianismus === Der Materialismus wurde von Naturwissenschaftlern wie Vogt, Moleschott und Büchner getragen, die ihre Thesen als Konsequenzen der [[Empirie|empirischen]] Forschung präsentierten. Die [[Universitätsphilosophie]] schien mit dem Zusammenbruch des deutschen Idealismus als haltlose Spekulation diskreditiert. Selbst der Philosoph Feuerbach traute den Naturwissenschaften nun die Auflösung der philosophischen Frage nach dem Verhältnis von Seele und Körper zu. Erst in den 1860er Jahren entwickelte sich mit dem [[Neukantianismus]] eine einflussreiche philosophische Kritik des Materialismus. 1865 hatte [[Otto Liebmann]] in seiner Schrift ''[[Immanuel Kant|Kant]] und die [[Epigone]]n'' die philosophischen Ansätze vom deutschen Idealismus bis zu [[Arthur Schopenhauer|Schopenhauer]] scharf kritisiert und jedes Kapitel mit der Feststellung „Also muss auf Kant zurückgegangen werden!“ geschlossen.<ref>Otto Liebmann: ''Kant und die Epigonen. Eine kritische Abhandlung''. C. Schobe, Stuttgart 1865.</ref> Dieser Position entsprechend veröffentlichte der Philosoph [[Friedrich Albert Lange]] im folgenden Jahr seine ''Geschichte des Materialismus''. Unter Bezug auf Kant warf Lange den Materialisten „philosophischen Dilettantismus“ vor, der wesentliche Erkenntnisse der [[Immanuel Kant|kantischen Philosophie]] ignoriere.<ref>Friedrich Albert Lange: ''Die Geschichte des Materialismus und Kritik seiner Bedeutung in der Gegenwart''. Deutsche Bibliothek, Berlin 1920, S. 31.</ref> Das zentrale Thema der ''[[Kritik der reinen Vernunft]]'' war die Frage nach den Bedingungen jeder möglichen – also auch der naturwissenschaftlichen – Erkenntnis. Kant hatte argumentiert, dass die menschliche Erkenntnis die Welt nicht [[Abbild|abbildet]], wie sie [[Wirklichkeit|wirklich]] ist. Jede Erkenntnis sei bereits durch Kategorien wie „Ursache und Wirkung“ oder „Einheit und Vielheit“ geprägt. Dabei seien diese Kategorien nicht Eigenschaften der [[Ding an sich|Dinge an sich]], sondern von dem Menschen an die Dinge herangetragen. Auf gleiche Weise hätten auch [[Raum und Zeit]] keine absolute Realität, sondern seien Anschauungsformen des Menschen. Da jede Erkenntnis bereits durch die Kategorien und die Anschauungsformen geprägt sei, könne der Mensch niemals die Dinge an sich erkennen. Daher seien Antworten auf die Fragen nach einer immateriellen Seele, einem personalen Gott und einem freien Willen nicht wissenschaftlich beweisbar. Der zentrale Fehler der Materialisten war nach Ansicht Langes ihre Ignoranz gegenüber Kant. Der Materialismus behaupte, dass es in Wirklichkeit nur Materie gebe, und übersehe dabei, dass auch die naturwissenschaftliche Beschreibung der Materie keinesfalls eine Beschreibung der absoluten [[Realität]] sei. Die naturwissenschaftliche Beschreibung setze bereits die Kategorien und Anschauungsformen voraus und könne daher keinesfalls als eine Beschreibung der Dinge an sich gelten.<ref>Friedrich Albert Lange: ''Die Geschichte des Materialismus und Kritik seiner Bedeutung in der Gegenwart''. Deutsche Bibliothek, Berlin 1920, S. 56.</ref> Unterstützung erhielt Lange in dieser Argumentation ausgerechnet von dem Naturwissenschaftler [[Hermann von Helmholtz]], der seine [[Sinnesphysiologie|sinnesphysiologischen]] Arbeiten in den 1850er Jahren als eine empirische Bestätigung der Arbeiten Kants präsentiert hatte. In dem 1855 gehaltenen Vortrag ''Ueber das Sehen des Menschen'', beschrieb Helmholtz zunächst die physiologischen Grundlagen der visuellen Wahrnehmung und erklärte im Folgenden, dass das Sehen keine naturgetreue Abbildung der Außenwelt darstelle. Ganz im Sinne Kants sei jede [[Wahrnehmung]] der Außenwelt bereits durch menschliche Interpretationsleistungen geprägt, ein Zugang zu den Dingen an sich folglich unmöglich: {{Zitat|Wie es aber mit dem Auge ist, so ist es auch mit den anderen Sinnen; wir nehmen nie die Gegenstände der Außenwelt unmittelbar wahr, sondern wir nehmen nur Wirkungen dieser Gegenstände auf unseren Nervenapparat wahr.|ref=<ref>Hermann Helmholtz: ''Ueber das Sehen des Menschen''. In: Hermann Helmholtz: ''Gesammelte Schrifen''. Band I, Olms, Hildesheim 2003, S. 115.</ref>}} === Ignoramus et ignorabimus === [[Datei:Bois-Reymond.jpg|miniatur|Emil Heinrich du Bois-Reymond]] Die naturwissenschaftlichen Materialisten sahen im Verweis auf Kant lediglich eine weitere, spekulative Attacke auf die Ergebnisse der Naturwissenschaften und setzten sich daher nicht systematisch mit den Argumenten der Neukantianer auseinander. Gefährlicher erschien die Kritik des Physiologen [[Emil Heinrich Du Bois-Reymond]], der 1872 in seinem Vortrag ''Ueber die Grenzen des Naturerkennens'' das [[Bewusstsein]] zu einer grundsätzlichen Grenze der Naturwissenschaften erklärte. Mit seinem Diktum [[Ignoramus et ignorabimus]] (lat. „Wir wissen es nicht und wir werden es niemals wissen“) löste er eine lang anhaltende Kontroverse um die Idee einer naturwissenschaftlichen Weltanschauung aus. Der sogenannte Ignorabimusstreit wurde mit einer ähnlichen Heftigkeit ausgefochten wie 20 Jahre zuvor die Debatte zwischen Vogt und Wagner. Diesmal waren jedoch die Materialisten in der Defensive. Das wesentliche Problem der Materialisten war nach Ansicht du Bois-Reymonds ihre unzureichende Argumentation für die Einheit von Gehirn und Seele. Vogt, Moleschott und Büchner hatten sich darauf beschränkt, die Abhängigkeit der Seelenfunktionen von den Gehirnfunktionen zu betonen. Eine Schädigung des Gehirns führe zu einer Beeinträchtigung der seelischen Funktionen, wie man experimentell in [[Tierversuch]]en nachweisen könne. Diese Abhängigkeit mache jedoch die Idee einer immateriellen Seele unplausibel und folglich sei der Materialismus die einzig akzeptable Konsequenz. Es sei daher auch gar nicht notwendig, zu erklären, wie das Gehirn letztlich Bewusstsein erzeuge: {{Zitat|Uebrigens kann es für den Zweck dieser Untersuchung ziemlich gleichgültig erscheinen, ob und auf welche Weise eine Vorstellung darüber möglich ist, wie die seelischen Erscheinungen aus materiellen Verknüpfungen oder Thätigkeiten der Gehirnsubstanz hervorgehen, oder wie stoffliche Bewegung in geistige umschlägt. Es genügt zu wissen, daß materielle Bewegungen durch Vermittlung der Sinnesorgane auf den [[Geist]] wirken.|ref=<ref>''Kraft und Stoff'', S.181.</ref>}} Du Bois-Reymond argumentierte hingegen, dass der Nachweis von Abhängigkeitsbeziehungen keinesfalls ausreichend für den Materialismus sei. Wer das Bewusstsein auf das Gehirn reduzieren wolle, müsse das Bewusstsein auch durch Gehirnfunktionen erklären. Eine solche Erklärung könnten die Materialisten aber nicht anbieten: „Welche denkbare Verbindung besteht zwischen bestimmten Bewegungen bestimmter [[Atom]]e in meinem Gehirn einerseits, andererseits den für mich ursprünglichen, nicht weiter definierbaren, nicht wegzuleugnenden Tatsachen 'Ich fühle Schmerz, fühle Lust; ich schmecke Süßes, rieche Rosenduft, höre Orgelton, sehe Roth.'“<ref>Emil du Bois-Reymond: Über die Grenzen des Naturerkennens, 1872, Nachdruck u.a. in: Emil du Bois-Reymond: Vorträge über Philosophie und Gesellschaft, Hamburg, Meiner, 1974, S.464</ref> Nach Ansicht du Bois-Reymonds gibt es keine denkbare Verbindung zwischen den objektiv beschriebenen Fakten der Körperwelt und den subjektiv bestimmten Fakten des [[Qualia|bewussten Erlebens]]. Das Bewusstsein beschreibe daher eine grundsätzliche Schranke des Naturerkennens. Du Bois-Reymonds Ignorabimus-Rede schien auf eine grundlegende Schwäche des wissenschaftlichen Materialismus hinzuweisen. Während Vogt, Moleschott und Büchner die Materialität des Bewusstseins behaupteten, gaben sie offen zu, das Bewusstsein nicht durch Gehirnfunktionen erklären zu können. Nicht zuletzt unter dem Eindruck dieses Problems entwickelte sich das Konzept einer naturwissenschaftlichen Weltanschauung gegen Ende des 19. Jahrhunderts vom Materialismus zum [[Monismus]]. [[Ernst Haeckel]], der bekannteste Vertreter einer „monistischen Weltanschauung“, stimmte mit den Materialisten in der Ablehnung von Dualismus, Idealismus und der Idee einer unsterblichen Seele überein. {{Zitat|Der Monismus hingegen […] erkennt im Universum nur eine einzige Substanz, die Gott und Natur zugleich ist; Körper und Geist (oder Materie und Energie) sind für sie untrennbar verbunden.|ref=<ref>Ernst Haeckel: ''Die Welträthsel'', Kröner, Leipzig 1908, S.13</ref>}} Haeckels Monismus unterscheidet sich jedoch vom Materialismus, da er der Materie keine Vorrangstellung zuerkennt, Körper und Geist sind untrennbare und gleichermaßen grundlegende Aspekte einer [[Substanz]]. Ein derartiger Monismus schien du Bois-Reymonds Problem zu umgehen. Wenn Materie und Geist gleichermaßen grundlegende Aspekte einer Substanz sind, dann muss der Geist auch nicht mehr durch die Materie erklärt werden. Auch Büchner sah in einem solchen Monismus die richtige Reaktion auf die philosophische Kritik am Materialismus. In einem Brief an Haeckel aus dem Jahre 1875 schreibt er: {{Zitat|Ich […] habe daher die Bezeichnung ‚Materialismus‘, welche eine ganz einseitige Vorstellung weckt, nie für meine Richtung gebraucht und sie nur nothgedrungen später hier und da acceptiert, weil das große Publikum kein anderes Wort für die ganze Richtung kannte […]. Die von Ihnen vorgeschlagene Bezeichnung ‚Monismus‘ ist zwar an sich sehr gut; es fragt sich aber sehr, ob sie bei dem großen Publikum dauern Eingang gewinnen wird.|ref=<ref>Büchner an Haeckel, 30. März 1875, in: Christoph Knockerbeck (Hrsg.): ''Carl Vogt, Jacob Moleschott, Ludwig Büchner, Erst Haeckel. Briefwechsel'', Basiliken Presse, Marburg 1999, S.145</ref>}} === Politische und weltanschauliche Wirkung === Die Materialisten mochten zu großer Popularität in der Bevölkerung gelangen, politisch waren sie weit weniger erfolgreich. Das Eintreten für den Materialismus kostete Vogt, Moleschott und Büchner ihre berufliche Laufbahn an den deutschen Universitäten. Der von Vogt propagierte revolutionäre Gehalt des Materialismus konnte sich in der [[Reaktionsära]] nach 1848 nicht durchsetzen. In den politischen Bewegungen der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts blieb der naturwissenschaftliche Materialismus ebenfalls ohne wesentlichen Einfluss, auch aufgrund von Differenzen mit [[Karl Marx]] und [[Friedrich Engels]]. Vogt wurde von Marx als „kleinuniversitätischer Bierpolterer und verfehlter Reichs[[Ferdinand Barrot|barrot]]“ bezeichnet<ref>Karl Marx: ''[[Herr Vogt]]'', in: ''Marx-Engels-Werke'', Band 14, Dietz, Berlin 1961, S.463</ref> und die Konflikte eskalierten zunehmend in persönlichen Denunziationen. So wurde etwa Vogt aus dem Umfeld von Marx mit dem Vorwurf konfrontiert, als französischer Spion gearbeitet zu haben.<ref>Vgl. hierzu: Frederick Gregory: „Scientific versus Dialectical Materialism: A Clash of Ideologies in Nineteenth-Century German Radicalism“, in: ''ISIS'', 68 (2), 1977, S. 206–223.</ref> Die veränderte politische Lage wird auch in dem Werk Ernst Haeckels deutlich, der von den Materialisten die Idee einer naturwissenschaftlichen Weltanschauung übernahm, ihr jedoch eine neue politische Richtung gab. Haeckel, 17 Jahre jünger als Vogt, etablierte sich in den 1860er Jahren als Repräsentant des [[Darwinismus]] in Deutschland. In seiner polemischen Ablehnung von „Kirchen-Weisheit und […] After-Philosophie“<ref>Ernst Haeckel: ''Anthropogenie'', Wilhelm Engelmann, Leipzig 1874, S.IX.</ref> ähnelte Haeckel den naturwissenschaftlichen Materialisten durchaus. Vogt hatte in der Physiologie den Beginn einer naturwissenschaftlichen Weltanschauung gesehen. Haeckel beanspruchte mit Bezug auf [[Charles Darwin]] das Gleiche: {{Zitat|In diesem Geistes-Kampfe, der jetzt die ganze denkende Menschheit bewegt und der ein menschenwürdiges Dasein in der Zukunft vorbereitet, stehen auf der einen Seite unter dem lichten Banner der Wissenschaft: Geistesfreiheit und Wahrheit, Vernunft und Cultur, Entwickelung und [[Fortschritt]]; auf der anderen Seite unter der schwarzen Fahne der Hierarchie: Geistesknechtschaft und Lüge, Unvernunft und Rohheit, Aberglauben und Rückschritt.|ref=<ref>Ernst Haeckel: ''Anthropogenie'', Wilhelm Engelmann, Leipzig 1874, S.XII.</ref>}} Doch „Fortschritt“ war bei Haeckel wesentlich [[Antiklerikalismus|antiklerikal]] in Opposition zur Kirche und nicht politisch in Opposition zum Staat gedacht. [[Otto von Bismarck|Bismarcks]] 1871 beginnender [[Kulturkampf]] gegen die katholische Kirche bot Haeckel sogar die Gelegenheit, den antiklerikalen Monismus mit der Politik [[Preußen]]s zu verknüpfen. Im Vorfeld des [[Erster Weltkrieg|Ersten Weltkriegs]] wurden Haeckels Äußerungen zunehmend [[Nationalismus|nationalistisch]], [[Rassentheorien]] und [[Eugenik]] boten eine scheinbar naturwissenschaftlich begründete Rechtfertigung chauvinistischer Politik. Vogts Ideal einer politisch revolutionären Naturwissenschaft war damit endgültig gescheitert. == Rezeption im 20. Jahrhundert == Der wissenschaftliche Materialismus hatte die weltanschaulichen Kontroversen im 19. Jahrhundert wesentlich geprägt. In den 1860er Jahren drängten sich die Debatten um Darwins [[Evolutionstheorie]] und Haeckels Monismus zunehmend in den Vordergrund. Die Frage nach einer naturwissenschaftlichen Weltanschauung wurde jedoch weiter kontrovers diskutiert, Büchners ''Kraft und Stoff'' blieb ein Bestseller. Einen Einschnitt bedeuteten der [[Erster Weltkrieg|Erste Weltkrieg]] und der Tod Haeckels 1919. In der [[Weimarer Republik]] schienen die Debatten der 1850er Jahre nicht mehr zeitgemäß, die philosophischen Strömungen der [[Zwischenkriegszeit]] waren bei allen inhaltlichen Unterschieden durchweg materialismuskritisch. Dies trifft auch auf den [[Logischer Empirismus|Logischen Positivismus]] zu, der zwar an der Idee einer wissenschaftlichen Weltanschauung festhielt, sie jedoch konsequent [[Metaphysikkritik|antimetaphysisch]] deutete.<ref>Einen Überblick bietet: Michael Heidelberger: „Wie das Leib-Seele-Problem in den logischen Empirismus kam“, in: Michael Pauen und Achim Stephan. (Hrsg.) ''Phänomenales Bewusstsein – Rückkehr zur Identitätstheorie?'', Mentis, Paderborn 2002, S. 43–70.</ref> Dem [[Sinnkriterium]] der logischen Positivisten zufolge war eine Aussage nur dann verständlich, wenn sie sich empirisch überprüfen ließ. Materialismus und Monismus scheiterten an diesem Kriterium genauso wie der Idealismus und Dualismus. All diese Positionen erschienen somit als verfehlte Phantasien einer vergangenen, spekulativen Epoche der Philosophie. Materialistische Theorien des Bewusstseins wurden erst in den 1950er Jahren in der angelsächsischen Philosophie wieder aufgegriffen. In dieser Zeit waren die naturwissenschaftlichen Materialisten des 19. Jahrhunderts jedoch endgültig in Vergessenheit geraten. In keinem dieser Texte wird auf Vogt, Moleschott oder Büchner verwiesen, die Materialisten der Nachkriegszeit konzentrierten sich vielmehr auf die zeitgenössischen [[Neurowissenschaft]]en.<ref>Ullin Place: „Is Consciousness a Brain Process?“ in: ''British Journal of Psychology'' 47, 1956, S. 44–50 und John J.C. Smart: „Sensations and Brain Processes“ in: ''The Philosophical Review'' 68, 1959. S. 141–156.</ref> Auch [[Wissenschaftsgeschichte|wissenschafts]]- und [[Geschichte der Philosophie|philosophiehistorisch]] wurde der naturwissenschaftliche Materialismus bis in die 1970er weitgehend ignoriert.<ref>Eine Ausnahme bietet Hermann Lübbe: ''Politische Philosophie in Deutschland. Studien zu ihrer Geschichte'', Schwabe, Basel 1963.</ref> Relativ früh begann die Rezeption in der [[Deutsche Demokratische Republik|DDR]] unter dem Einfluss [[Dieter Wittich]]s, der 1960 mit einer Arbeit über die wissenschaftlichen Materialisten promoviert wurde<ref>Dieter Wittich: ''Der deutsche kleinbürgerliche Materialismus der Reaktionsjahre nach 1848/49'', Dissertation, unveröffentlicht, Berlin 1960.</ref> und 1971 im [[Akademie Verlag]] eine Textsammlung unter dem Titel ''Vogt, Moleschott, Büchner: Schriften zum [[Kleinbürgertum|kleinbürgerlichen Materialismus]] in Deutschland'' herausgab. Wittich, Inhaber des einzigen Lehrstuhls für [[Erkenntnistheorie]] in der DDR, würdigte in seiner ausführlichen Einleitung das politische, wissenschaftliche und religionskritische Wirken der Materialisten. Zugleich betonte er jedoch ihre philosophischen Mängel, die „kleinbürgerlichen Materialisten“ seien „Vulgärmaterialisten, weil sie zu einer Zeit auf dem metaphysischen Materialismus beharrten, als der dialektische Materialismus nicht nur Möglichkeit, sondern auch Wirklichkeit geworden war.“<ref>''Vogt, Moleschott, Büchner: Schriften zum kleinbürgerlichen Materialismus in Deutschland'', S.LXIV</ref> 1977 erschien die Monographie ''Scientific Materialism in Nineteenth Century Germany'' des amerikanischen Wissenschaftshistorikers [[Fredrick Gregory]], die bis heute als Standardwerk gilt. Nach Gregory ist die Bedeutung Vogts, Moleschotts und Büchners weniger in ihrer spezifischen Ausarbeitung des Materialismus zu suchen. Entscheidender sei die gesellschaftliche Wirkung ihrer naturwissenschaftlich motivierten Kritik an Religion, Philosophie und Politik gewesen. „Das herausragende Merkmal des wissenschaftlichen Materialisten war aus historischer Perspektive nicht ihr Materialismus, sondern ihr [[Atheismus]] oder angemessener ihre [[Humanismus|humanistische]] Religion.“<ref>''Scientific Materialism in Nineteenth Century Germany'', S.213.</ref> Gregorys Urteil entsprechend wird in der gegenwärtigen Forschungsliteratur die Bedeutung der Materialisten im [[Säkularisierung]]sprozess des 19. Jahrhunderts allgemein anerkannt, während ihre philosophischen Positionen zum Teil weiter heftiger Kritik ausgesetzt sind. So erklärt etwa [[Renate Wahsner]]: „Es kann der in der Literatur vertretenen Auffassung nicht widersprochen werden, die allen dreien Schärfe und Tiefe im Denken abspricht“.<ref>Renate Wahsner: „Der Materialismusbegriff in der Mitte des 19. Jahrhunderts“, in: Kurt Bayertz, Walter Jaeschke, Myriam Gerhard (Hrsg.): ''Weltanschauung, Philosophie und Naturwissenschaft im 19. Jahrhundert: Der Materialismusstreit'', Band 1. Meiner, Hamburg 2007, S.73</ref> Nicht alle Autoren teilen diese negative Einschätzung, so verteidigt etwa [[Kurt Bayertz]] die Aktualität der naturwissenschaftlichen Materialisten, da diese „die erste voll ausgeprägte Form des [[Moderne|modernen]] Materialismus“ erarbeitet hätten. „Wir haben es bei der von Vogt, Moleschott und Büchner erarbeiteten Form des Materialismus zwar nur mit einer Form des Materialismus zu tun, aber mit der für die Moderne typischen und in der Gegenwart einflußreichsten und wirksamsten Form.“<ref>Kurt Bayertz: „Was ist moderner Materialismus?“, in: Kurt Bayertz, Walter Jaeschke, Myriam Gerhard (Hrsg.): ''Weltanschauung, Philosophie und Naturwissenschaft im 19. Jahrhundert: Der Materialismusstreit'', Band 1. Meiner, Hamburg 2007, S.55</ref> Eine Auseinandersetzung mit aktuellen Materialismuskontroversen müsse daher im 19. Jahrhundert ansetzen. == Literatur == === Primärliteratur === * Ludwig Büchner: Kraft und Stoff, Theodor Thomas, Leipzig 1894 (Erste Auflage: 1855). * Friedrich Albert Lange: Die Geschichte des Materialismus und Kritik seiner Bedeutung in der Gegenwart, Deutsche Bibliothek, Berlin 1920 (Erste Auflage: 1866). * Jakob Moleschott: Der Kreislauf des Lebens, Zabern, Mainz 1852. * Carl Vogt: Physiologische Briefe, Rickersche Buchhandlung, Gießen 1854. (Erste Auflage: 1845–1847) * Carl Vogt: Köhlerglaube und Wissenschaft, Rickersche Buchhandlung, Gießen 1855. * Rudolf Wagner: Ueber Wissen und Glauben, G.H. Wigand, Göttingen 1854. * Rudolf Wagner: Menschenschöpfung und Seelensubstanz, G.H. Wigand, Göttingen 1854. * Dieter Wittich: Vogt, Moleschott, Büchner: Schriften zum kleinbürgerlichen Materialismus in Deutschland, Akademie, Berlin 1971. (Einzig verfügbare Textsammlung zum Materialismus des 19. Jahrhunderts), ASIN B002KDP24O === Sekundärliteratur === * Andreas Arndt, Walter Jaeschke (Hrsg.): Materialismus und Spiritualismus: Philosophie und Wissenschaften nach 1848, Meiner, Hamburg 2000, ISBN 3787315489 * Kurt Bayertz, Walter Jaeschke, Myriam Gerhard (Hrsg.): Weltanschauung, Philosophie und Naturwissenschaft im 19. Jahrhundert: Der Materialismusstreit: Band 1. Meiner, Hamburg 2007, ISBN 3787317775 * Annette Wittkau-Horgby: ''Materialismus: Entstehung und Wirkung in den Wissenschaften des 19. Jahrhunderts''. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1998, ISBN 3525013752. Zugl.: Hannover, Univ., Habil.-Schr., 1997. * Fredrick Gregory: Scientific Materialism in Nineteenth Century Germany, Springer, Berlin u.a. 1977, ISBN 902770760X * Fredrick Gregory: „Scientific versus Dialectical Materialism: A Clash of Ideologies in Nineteenth-Century German Radicalism“, in: Isis 68 (2), 1977, S. 206–223. * Theobald Ziegler: Die geistigen und sozialen Strömungen des neunzehnten Jahrhunderts, Bondi, Berlin 1899, Kapitel 11. == Einzelnachweise == <references /> == Weblinks == * [http://www.archive.org/search.php?query=%22Carl%20Vogt%22%20OR%20%22Jacob%20Moleschott%22%20OR%20%22Ludwig%20B%C3%BCchner%22AND%20mediatype%3Atexts Digitalisierte Werke der naturwissenschaftlichen Materialisten im Internet Archive] * {{ADB|40|181|189|Vogt, Carl|Ernst Krause|ADB:Vogt, Carl}} * [http://www.zeno.org/Eisler-1904/A/Materialismus?hl=materialismusstreit Artikel „Materialismus“ in Eislers Wörterbuch der philosophischen Begriffe, 1904] * [http://www.aerzteblatt.de/v4/archiv/artikel.asp?id=50344 Artikel zum Materialismusstreit im deutschen Ärzteblatt, 2006] {{Exzellent|3. Dezember 2009|67533300}} [[Kategorie:Wissenschaftliche Kontroverse]] [[Kategorie:Philosophie des 19. Jahrhunderts]] [[Kategorie:Wissenschaftstheorie der Biologie]] [[da:Materialismestriden]] 87d20z77ijwjyu8pb7es35iz6dfmyl6 wikitext text/x-wiki Mathilde II. (Essen) 0 23906 26502 2010-05-04T14:33:06Z Docfeelgood3 0 [[Kategorie:Stift Essen]] entfernt (mit [[Wikipedia:Helferlein/HotCat|HotCat]]) [[Datei:Otton Mathilde croix.jpg|thumb|Mathilde mit ihrem Bruder [[Otto I. (Schwaben)|Otto]] auf der [[Stifterbild|Stifterplatte]] des [[Otto-Mathilden-Kreuz]]es]] '''Mathilde II.''' (* [[949]]; † [[5. November]] [[1011]]) war Äbtissin des [[Stift Essen|Stifts Essen]]. Die Enkeltochter [[Kaiser]] [[Otto I. (HRR)|Ottos des Großen]] aus dem Geschlecht der [[Liudolfinger]] gilt als die bedeutendste Äbtissin der [[Essen]]er Geschichte. Die Kunstwerke, die sie dem [[Essener Domschatz]] hinzufügte, sind in ihrer Bedeutung einzigartig. In der unzuverlässigen Essener Äbtissinnenliste von 1672 wird sie als die zweite Äbtissin dieses Namens geführt. [[Mathilde I. (Essen)|Mathilde I.]], über die sonst nichts bekannt ist, soll von 907 bis 910 Äbtissin gewesen sein. == Quellenlage == Schriftliche Quellen zu Mathildes Leben und besonders zu ihrem Wirken sind selten. Aus der Frühzeit des Essener Stifts (ca. 845–1150) existieren insgesamt nur rund 20 Urkunden, jedoch keine zeitgenössische Chronik oder Lebensbeschreibung. Während Mathildes Lebensdaten aufgrund ihrer Zugehörigkeit zur Familie der Liudolfinger bekannt sind, kann ihr Wirken lediglich an spärlichen Erwähnungen in anderen Chroniken und an erhaltenen Urkunden festgemacht werden. Erst in jüngerer Zeit wird versucht, aus den ihr zuzuordnenden Kunstwerken und Bauten Rückschlüsse auf die Person Mathildes zu ziehen. == Familie und Jugend == Mathilde entstammte der ersten Familie des [[Heiliges Römisches Reich|Reichs]]. Ihr Vater [[Liudolf (Schwaben)|Liudolf]] war der älteste eheliche Sohn Kaiser Ottos des Großen, ihre Mutter Ida entstammte dem Geschlecht der [[Konradiner]]. Ihr Bruder [[Otto I. (Schwaben)|Otto]] wurde 973 Herzog von Schwaben und zusätzlich 976 [[Liste der bayerischen Herrscher|Herzog von Bayern]], starb aber bereits 982. Ein Teil der Forschung, die sich mit den Ahnen der frühmittelalterlichen Konradiner beschäftigt, schreibt ihr auch eine weitere Schwester namens Richlind zu, die in einer Quelle als Enkelin Ottos I. bezeichnet wird. Eine Filiatur Richlinds zu Liudolf wird jedoch überwiegend als konstruiert abgelehnt. Obwohl Liudolfs Leben einschließlich der Geburten Mathildes und Ottos von Schwabens gut belegt ist, gibt es keinen einzigen Beleg für ein weiteres Kind Liudolfs. Auch die Quellen zu Mathilde und Otto erwähnen keine Schwester. Nicht zuletzt wäre Richlind, wenn sie Liudolfs Tochter gewesen wäre, näher mit ihrem Ehemann blutsverwandt gewesen, als es das Kirchenrecht ohne Dispens zuließ. Mathilde wurde vermutlich bereits 953 in das [[Stift Essen]] zur Erziehung und Ausbildung gegeben. Das Stift Essen, um 845 von [[Altfrid]], Bischof von Hildesheim, und Gerswid, der ersten überlieferten Äbtissin, gegründet, war seit seiner Gründung den [[Liudolfinger]]n verbunden. 947 hatte die Äbtissin [[Hathwig (Essen)|Hathwig]] nach einem Brand, der sämtliche Urkunden über die Frühzeit des Stifts vernichtet hatte, von Kaiser Otto I. die alten Rechte des Stifts bestätigen lassen und zugleich die [[Kirchliche Immunität|Immunität]] und [[Exemtion]] erwirkt, so dass das Stift weltlich [[Reichsunmittelbarkeit|reichsunmittelbar]] war und geistlich nur dem [[Papst]] unterstand. Die Übergabe einer Prinzessin zur Erziehung wertete das Stift weiter auf, es stand damit gleichrangig neben den Stiften von [[Stift Gandersheim|Gandersheim]] und [[Stift Quedlinburg|Quedlinburg]] als liudolfingisches [[Hauskloster]]. Möglicherweise war bereits zu diesem Zeitpunkt entschieden, dass Mathilde später Äbtissin werden solle, spätestens fiel diese Entscheidung 966, als Otto I. den Sanctimonialen des Stifts den Hof Ehrenzell schenkte, was vermutlich ein Geschenk anlässlich Mathildes Eintritt in die Gemeinschaft war. Mathilde erhielt eine umfassende, ihrem Stand angemessene Bildung. Zu den in Essen vorhandenen Büchern gehörten neben [[Evangeliar]]en auch die religiösen Schriftsteller [[Prudentius]], [[Boethius]] wie auch [[Alkuin]], aber auch weltliche Bücher wie [[Terenz]] und andere Klassiker, die nicht nur der Lektüre, sondern auch der Schulbildung der dem Stift übergebenen Mädchen dienten. Mathilde war auf ihr Amt daher bestens vorbereitet. Aus den überlieferten Inschriften des Marsus-Schreines wird geschlossen, dass sie auf [[Latein]] dichten konnte und auch etwas [[Altgriechische Sprache|Griechisch]] beherrschte. == Mathilde als Äbtissin == 973 wird Mathilde erstmals in einer Urkunde als Äbtissin von Essen genannt. Ausgefertigt am 23. Juli 973 in [[Aachen]] heißt es: <ref>Urkunde Nr. 40 in: {{MGH|DD|13|58|59}}</ref> {{Zitat|Otto bestätigt dem von Bischof Altfried gegründeten Kloster Essen über Bitte der Äbtissin Mathilde und nach dem Rat des Erzbischofs Gero und seines Verwandten Otto gleich seinen Vorgängern die freie Wahl der Äbtissin, die von den früheren Herrschern und anderen Getreuen gemachten Schenkungen, die namentlich aufgezählt werden und deren Besitztitel beim Brand des Klosters zugrunde gegangen sind, und die Immunität mit dem Recht des von der Äbtissin gewählten Vogtes, die Klosterleute im Bedarfsfall vor Gericht zu rufen.}} In dieser Urkunde ist Otto König [[Otto II. (HRR)|Otto II.]], [[Gero von Köln|Gero]] als der bedeutende Bischof von Köln, dem auch das [[Gerokreuz]] seinen Namen verdankt, und der Verwandte Otto als Mathildes Bruder [[Otto I. (Schwaben)|Otto von Schwaben]] zu lesen. Mathilde war zu diesem Zeitpunkt ungefähr 24 Jahre und damit noch unterhalb des Alters, in dem sie eigentlich die Berufung zur Äbtissin hätte erhalten können. Mathilde war keine Äbtissin, die abgeschieden in klösterlicher Stille wirkte. Neben der Reise nach Aachen 973 sind weitere Reisen nach [[Aschaffenburg]] 982, nach [[Heilbad Heiligenstadt|Heiligenstadt]] 990 sowie 997 nach [[Dortmund]] und [[Thorr]] belegt. Anzunehmen ist auch eine Reise nach [[Mainz]] 986 zum Begräbnis ihrer Mutter. Darüber hinaus muss sie ein weit gespanntes Netz von Kontakten unterhalten haben. Kunsthistorische Gemeinsamkeiten deuten auf Kontakte nach [[Hildesheim]], [[Trier]] und [[Köln]]. In [[Koblenz]] ([[Florinus von Remüs|Hl. Florinus]]) und [[Lyon]] ([[Marsus (Heiliger)|Hl. Marsus]]) erwarb sie [[Reliquie]]n. Dem [[Kloster Einsiedeln]] übereignete sie Landbesitz aus dem Besitz ihrer Mutter. Dort wurde sie als Wohltäterin verzeichnet und mit dem Titel ''ducissa'', also Herzogin, geehrt. Der [[Angelsachsen|angelsächsische]] Earl [[Æthelweard (Geschichtsschreiber)|Æthelweard]], mit dem sie korrespondierte, verfasste für sie seine Chronik, die im Wesentlichen eine Übersetzung der [[Angelsächsische Chronik|Angelsächsischen Chronik]] in das [[Latein]]ische ist. Sämtliche überlieferten Aktivitäten Mathildes dienten vor allem dazu, den Zweck ihres Klosters zu erfüllen, nämlich für das Seelenheil der verstorbenen Familienmitglieder zu sorgen ([[Memorialwesen|Memoria]]). Dieses wird in der Æthelwardschen Chronik besonders deutlich, in der Æthelward besonderen Wert auf genealogische Zusammenhänge legt, wobei er schon in der Einleitung auf seine und Mathildes gemeinsame Abstammung von König [[Ethelwulf|Athelwulf]] von [[Wessex]] hinweist. === Die Politikerin === Das [[Stift Essen]] war eine [[Reichsabtei]] wie [[Stift Gandersheim|Gandersheim]] oder [[Stift Quedlinburg|Quedlinburg]]; die Äbtissin selbst stammte aus der kaiserlichen Familie. Belege dafür, dass sie wie ihre gleichnamige Tante, die Äbtissin Mathilde von Quedlinburg, und ihr jüngerer Bruder Otto am Italienzug ihres mit ihrem Bruder gleichaltrigen Onkels Otto II. teilnahm, fehlen. Belegt ist jedoch ihre Teilnahme am Begräbnis ihres in Italien verstorbenen Bruders in der von diesem begründeten [[Stiftskirche St. Peter und Alexander]] in [[Aschaffenburg]]. Der Italienzug Ottos II., auf dem sowohl er als auch [[Otto I. (Schwaben)|Otto von Schwaben]] verstarben, war ein Wendepunkt in Mathildes Leben. Zum einen war sie durch den Tod Ottos von Schwaben das letzte Mitglied des schwäbischen Zweigs der Liudolfinger, wodurch sie Verwalterin der Hausgüter dieses Familienzweigs wurde. Zum anderen katapultierten sie die Todesfälle mitten in die Reichspolitik, da dem Erben Ottos II., dem dreijährigen [[Otto III. (HRR)|Otto III.]], das Recht auf die Regentschaft von [[Heinrich II. (Bayern)|Heinrich dem Zänker]] streitig gemacht wurde, jenem Verwandten, der 976 sein Herzogtum Bayern an Mathildes Bruder Otto verloren hatte. Traditionell wird auf die fehlenden schriftlichen Nachweise eines Wirkens Mathildes die Annahme gestützt, sie habe nach dem Tod ihres Bruders keinen politischen Einfluss mehr ausgeübt. Gegen diese These spricht, dass Mathilde sicher nicht in der Gunst Heinrichs des Zänkers stand, und ein Erfolg Heinrichs zu einer Minderung herrschaftlicher Zuwendung und damit zu einem Bedeutungsverlust des Stifts Essen geführt hätte. Es erscheint deshalb plausibel anzunehmen, dass Mathilde in dieser Situation in das Geschehen eingriff. Auf dem [[Stifterbild]] des um 983 entstandenen [[Otto-Mathilden-Kreuz]]es ist sie, entgegen üblichen Stifterdarstellungen, in aufrecht stehender Haltung und in der Kleidung einer Hochadeligen, nicht in der einer Sanctimonialen, abgebildet. Daraus wird geschlossen, dass Mathilde ein ausgeprägtes Selbstbewusstsein hatte und sich nicht mit der Rolle einer Klosterfrau begnügte. Was genau Mathilde, die auch Erzieherin der Schwester Ottos III. [[Mathilde (Lothringen)|Mathilde]] war, in der Phase unternahm, in der [[Theophanu (HRR)|Theophanu]], die Witwe Ottos II., zusammen mit [[Adelheid von Burgund (HRR)|Adelheid]], der Witwe Ottos des Großen, mit Heinrich dem Zänker um die Regierungsgewalt rang, ist nicht belegt. Allerdings gelangte in dieser Zeit die [[Goldene Madonna]], die als Spiegelung von Theophanus Machtanspruch gedeutet werden kann, nach Essen. 993 stattete dann Otto III. dem Stift Essen einen Besuch ab, bei dem er ihm möglicherweise die [[Kinderkrone Ottos III.|Krone]] übergab, mit der er als kleines Kind 983 zum König gekrönt worden war. Außerdem stiftete Otto ein schlachterprobtes [[Schwert]] aus [[Damaszenerstahl]], das, mit einer goldenen Umhüllung versehen, zunächst als [[Zeremonialschwert (Essen)|Zeremonialschwert]] der Essener Äbtissinnen diente und in der Essener Überlieferung später zum Richtschwert der [[Märtyrer]] [[Cosmas und Damian (Heilige)|Cosmas und Damian]] wurde. Wem dieses Schwert tatsächlich, möglicherweise in der [[Schlacht auf dem Lechfeld]], so gedient hatte, dass es zum königlichen Geschenk wurde, ist unbekannt. Diese Schenkung von Herrschaftsinsignien, zu denen es für diese Zeit keine vergleichbaren Vorgänge etwa in anderen Klöstern gibt, lässt den Schluss zu, dass Otto damit seinen Dank für Mathildes Einfluss zur Sicherung seiner Macht abstattete. Mathilde hatte den König bereits 990 getroffen. Am 20. Januar dieses Jahres erneuerte Otto in Heiligenstadt auf ihre Bitte und auf Vorschlag des Kanzlers [[Willigis]] eine Stiftung von Mathildes Mutter: <ref>Urkunde Nr. 59 in: {{MGH|DD|13|464|465}}</ref> {{Zitat|Otto erneuert auf Intervention des Erzbischofs Willigis und auf Bitte der Äbtissin Mathilde von Essen dem Kanonissenstift Hilwartshausen die Schenkung des Ortes Rhöda, die Ida, eine vornehme Frau, vorgenommen hat.}} Besuche Ottos III. in Essen werden für 984 und 986 angenommen, in beiden Jahren besteht eine zeitliche Lücke zwischen Beurkundungen in [[Dortmund]] und [[Duisburg]]. Im April 997 reiste Mathilde zu einem Hoftag Ottos nach Dortmund, wo Otto dem Stift Essen nochmals Königsgüter an der oberen [[Leine (Fluss)|Leine]] übertrug. Es ist möglich, dass sie sich in diesem Jahr längere Zeit im Gefolge Ottos aufgehalten hat, da sie auch an einer Beurkundung im September in [[Bergheim|Thorr]] mitwirkte. Otto vermittelte auch die Übertragung vom Reliquien, besonders des Heiligen [[Marsus (Heiliger)|Marsus]], an das Stift Essen, das eine bedeutende Rolle im Memorialgedenken seines Vaters erfüllte. === Die Kunststifterin === Die Übernahme der Verwaltung der Hausgüter ihrer Familie, wozu insbesondere das Erbe ihrer Großmutter [[Edgitha]] und nach 986 auch das ihrer Mutter Ida gehörte, versetzte Mathilde in die Lage, über ein erhebliches Vermögen frei zu verfügen. Aus diesem Vermögen finanzierte Mathilde Kunstschätze, die das Andenken an ihre Verwandten und an sie selbst sichern sollten. Dem Andenken an die angelsächsischen Vorfahren Edgithas diente die Chronik, die der angelsächsische Geschichtsschreiber Æthelweard Mathilde widmete. Es wird angenommen, dass er sein Werk in ihrem Auftrag verfasste. Möglicherweise bedankte sich Mathilde bei Æthelweard mit einer in der Schreibstube des Stifts entstandenen Abschrift des Werkes ''De re militari'' des [[Flavius Vegetius Renatus|Vegetius]], die sehr früh nach England gelangte und dort erhalten ist. [[Datei:Otto Mathilden Kreuz.jpg|thumb|Das [[Otto-Mathilden-Kreuz]], eine Stiftung Mathildes]] Bekannt ist Mathilde vor allem durch die Werke der [[Goldschmiedekunst]], die in ihrem Auftrag angefertigt oder durch sie an das Stift Essen gegeben wurden. Zu diesen Schätzen gehören zwei kostbare [[Vortragekreuz]]e für das Essener Stift. Das ältere von diesen ist das [[Otto-Mathilden-Kreuz]], welches sie entweder gemeinsam mit ihrem Bruder Otto oder wahrscheinlicher zu seinem Angedenken anfertigen ließ, das jüngere war ein Gemmenkreuz, das ihre Nachfolgerin zum [[Kreuz mit den großen Senkschmelzen]] umgestalten ließ. Gesichert ist außerdem die Stiftung eines großen, ursprünglich vergoldeten [[Siebenarmiger Leuchter (Essen)|siebenarmigen Bronzeleuchters]], der noch heute im [[Essener Münster]] steht. Ein kostbarer [[Reliquienschrein]], eine [[Memorialwesen|Memorialstiftung]] Kaiserin [[Theophanu (HRR)|Theophanus]] für [[Otto II. (HRR)|Otto II.]], den Mathilde fertigen ließ, soll in seiner Pracht selbst die Schätze der Kölner Kirchen übertroffen haben. Die Zuordnung zu Mathilde ist aufgrund der überlieferten, in daktylischen [[Hexameter]]n abgefassten Weihe-Inschrift gesichert: :''Hoc opus eximium gemmis auroque decorum / Mechtildis vovit, quae Theophanum quoque solvit / Abbatissa bona Mechthildis chrisea dona / Regi dans regum, quae rex deposcit in aevum / Spiritus ottonis pascit caelestibus oris'' („Dieses erhabene Werk, mit Gold und Gemmen verziert, hat Mathilde gestiftet, wie sie dieses Theophanu versprochen hat. Die gute Äbtissin Mathilde gibt dies prächtige Geschenk dem König der Könige, damit der König, der geborgen ist in Ewigkeit, die Seele Ottos, ruhen wird an himmlischen Ufern“). Dieses später nach der wichtigsten darin aufbewahrten [[Reliquie]] als Marsus-Schrein bezeichnete Sammelreliquiar war der älteste Reliquienschrein im Reich und Vorläufer der rheinischen Reliquienschreine, deren bekanntester der [[Dreikönigenschrein]] in [[Köln]] ist. Der Marsus-Schrein, aus Gold gefertigt und mit zahlreichen [[Email|Goldemails]], von denen das größte, ein Bild Kaisers Otto II. auf der Stirnseite angebracht war, und Gemmen besetzt, wurde durch Unverstand des mit der Flüchtung beauftragten Stiftsbediensteten im Jahr 1794 zerstört, als er vor französischen Plünderern in Sicherheit gebracht werden sollte, und die Reste eingeschmolzen, wodurch ein Hauptwerk der ottonischen Goldschmiedekunst, dessen Bedeutung weit über Essen hinaus ging, unwiederbringlich verloren ging. Mathilde ist wahrscheinlich auch die Stifterin des [[Triumphkreuz (Aschaffenburg)|überlebensgroßen ottonischen Holzkreuzes]] in der Aschaffenburger [[Stiftskirche St. Peter und Alexander]], dessen gemalter Rahmen der Kantengestaltung des Otto-Mathilden-Kreuzes entspricht. Da Mathildes Bruder Otto in dieser Kirche beigesetzt wurde, war dieses Kreuz vermutlich Teil dessen Gedenkstiftung. === Mathildes Bautätigkeit === [[Datei:Dehio 213 Essen.jpg|thumb|Vermutetes Aussehen des Westwerks zur Erbauung]] Bereits [[Georg Humann]], der sich als einer der ersten kunsthistorisch mit den Bauten und Schätzen des Stifts Essen befasste, hatte durch Stilvergleiche das [[Westwerk]] des [[Essener Münster]]s Mathilde zugeschrieben. Zu dieser Erkenntnis ist die Forschung inzwischen zurückgekehrt; Mathilde wird aufgrund der Arbeiten von Lange wieder als Auftraggeberin des [[Westwerk]]s angesehen, welches seit den Ausgrabung eines Vorgängerbaus 1955 durch Zimmermann meist der von 1039 bis 1058 regierenden Äbtissin [[Theophanu (Essen)|Theophanu]] zugeschrieben wurde. Mathilde ist damit auch die Bauherrin der ersten in Essen nachgewiesenen Wasserleitung, die in einem in einer Steinbettung verlegten Bleirohr quer unter dem Westwerk hindurch in die Stiftsgebäude führte. Eine solche Wasserleitung, die im frühen Mittelalter unüblich war und nur in Prachtbauten vorkam, zeugte von Prestigedenken der Bauherrin. Die Frage, ob dieses Mathilde oder Theophanu war, war sehr strittig: Es handelt sich zwar nur um eine zeitliche Differenz von 50 Jahren, in diese fiel jedoch ein Wechsel im Baustil. Wäre das Essener Westwerk – ein Höhepunkt ottonischer Baukunst – erst unter Theophanu entstanden, wäre es später entstanden als einer der Höhepunkte der eigentlich späteren [[Romanik]], [[St. Maria im Kapitol]] in [[Köln]] (deren Bauherrin Theophanus Schwester [[Ida (St. Maria im Kapitol)|Ida]] war). Andererseits wird in der Brauweiler Familienchronik der [[Ezzonen]] – zu dieser Sippe zählte Theophanu – Theophanu als Wiedererbauerin des Essener Klosters gerühmt. Auf diesen Eintrag stützte sich die meist vorgenommene Datierung, die auch annahm, dass erst 965 der von Zimmermann ergrabene Vorgängerbau fertig gestellt worden sei. Mathilde hätte in diesem Fall faktisch einen Neubau durch einen anderen ersetzen lassen. Lange wies auf das Bauprogramm hin, das in der Anlage des Westwerks zu erkennen ist. Das [[Oktogon (Architektur)|Oktagon]] nimmt deutlich Bezug auf den [[Aachener Dom]] und die [[Renovatio imperii|renovatio-imperii]]-Idee Ottos III.. In der Epoche Theophanus hätte dieses Bauprogramm keinen Sinn mehr enthalten. Die Stelle der Brauweiler Chronik interpretiert diese Auffassung dahin, dass Theophanu die Stiftsgebäude erneuern ließ, möglicherweise auch nur als Bild einer von Theophanu eingeleiteten geistigen Erneuerung der Gemeinschaft. Ein gesichertes Datum, wann das Westwerk des Vorgängerbaus entstand, existiert nicht. Die Anhänger einer Frühdatierung des vorhandenen Baus datieren daher auch den Vorgänger früher, da Westwerke von Klosterkirchen meist direkt nach Erlangung der Immunität in Angriff genommen seien, für Essen also möglicherweise schon vor 920. Das Vorgängerwestwerk war dann beim Baubeginn unter Mathilde auch kein Neubau mehr. Die Theorie Langes ist von der Forschung angenommen worden, offen ist noch, ob der Westbau auch noch von Mathilde fertig gestellt wurde, oder ob die Fertigstellung erst unter Theophanu erfolgte. Möglich ist auch, dass beide Äbtissinnen am Westwerk des Essener Domes gebaut haben, da es Anzeichen gibt, dass es eine längere Bauunterbrechung gab. In diesem Fall wäre die Angabe der Brauweiler Chronik dahin zu interpretieren, dass Theophanu einen von Mathilde begonnen Bau fertigstellen ließ. === Theorien zur Gründung des Stiftes Rellinghausen === Mathilde wird außerdem als Gründerin des Stiftes [[Essen-Rellinghausen]] bezeichnet, da sich in der dortigen Stiftskirche eine Grabinschrift befunden haben soll, wonach sie das Stift 998 gegründet habe und nach ihrem Wunsch dort beigesetzt worden sei. Die Gründung Rellinghausens durch sie wird in der neueren Forschung angezweifelt, da direkte Belege fehlen und die Grabinschrift als Fälschung der frühen Neuzeit erkannt wurde. Allerdings wird das Stift Rellinghausen im Testament der Äbtissin Theophanu von 1058 behandelt, als sei es bereits von einer ihrer Vorgängerinnen gegründet worden. Die zwischen Mathilde und Theophanu amtierende Äbtissin [[Sophia (Gandersheim)|Sophia]], eine Schwester Ottos III., die zugleich Äbtissin in Gandersheim war, ist als Gründerin von Rellinghausen wenig wahrscheinlich. Sophia residierte überwiegend in Gandersheim und hinterließ in Essen nur sehr geringe Spuren. Da Gründungen von Filialklöstern für Gandersheim in den 40er Jahren des 10. Jahrhunderts wahrscheinlich und für Quedlinburg für 986 belegt sind, ist eine Gründung des Filialklosters Rellinghausen vor dem Jahr 971, in dem Mathilde Äbtissin wurde, eher auszuschließen. Eine Gründung des Stiftes Rellinghausen durch Mathilde kann zwar nicht mehr als erwiesen angesehen werden, ausgeschlossen ist sie jedoch nicht. == Letzte Jahre, Tod und Begräbnis == [[Datei:SiebenarmigerLeuchter2 bearb.jpg|thumb|Den [[Siebenarmiger Leuchter (Essen)|Siebenarmigen Leuchter]] stiftete Mathilde zur Förderung ihres Gebetsgedenkens]] Der Tod Ottos III., der das Essener Stift stark gefördert hatte, stellte wahrscheinlich für Mathilde eine erneute Zäsur dar. Der Nachfolger Ottos wurde ausgerechnet der Sohn Heinrichs des Zänkers, [[Heinrich II. (HRR)|Heinrich II.]] aus der bayrischen Linie der Ottonen. Heinrich bestätigte 1003 zwar in einer Urkunde die Privilegien des Stifts Essen, möglicherweise entstanden jedoch Streitigkeiten um den persönlichen Besitz Mathildes aus dem Erbe ihres Bruders und ihrer Mutter. Keines der durch Mathilde zum Essener Domschatz beigesteuerten Werke kann sicher auf die Zeit nach 1002 datiert werden. Anzeichen am Westbau deuten auf einen Baustopp, so dass angenommen wird, dass sich Mathildes Einkünfte aus den Mitteln der schwäbisch-ottonischen Linie nach der Thronbesteigung Heinrichs plötzlich verringerten. In diesem Fall hätte Heinrich sich das Erbe, das ihm nach dem Tod Mathildes als letzter dieser Familienlinie ohnehin zustand, vorzeitig angeeignet, und Mathilde damit in die Reihen der Opposition getrieben, die am Niederrhein besonders stark war. Anführer dieser Oppositionsbewegung waren der Kölner Erzbischof [[Heribert von Köln|Heribert]] und besonders der [[Pfalzgraf]] [[Ezzo (Lothringen)|Ezzo]], der die in Essen erzogene Schwester Ottos III. geheiratet hatte und möglicherweise Thronansprüche für seine Kinder erhoben hatte. Ezzo befand sich in einer Mathilde vergleichbaren Situation, da ihm aufgrund der Ehe mit einer Schwester des kinderlos verstorbenen Otto III. das Hauserbe der ottonischen Hauptlinie zustand, dessen Herausgabe Heinrich verweigerte. Dieser Erbstreit dauerte bis [[1011]], dann musste Heinrich nach einer verlorenen Schlacht einlenken. Falls auch Mathilde ihre Erbgüter zurückerhielt, war dieses für eine Fortsetzung der von ihr angefangenen Projekte zu spät. Mathilde, unter der das Stift Essen seine Blütezeit erlebte, starb am 5. November 1011 in Essen. In den [[Quedlinburger Annalen|Annalen]] des Frauenstifts [[Quedlinburg]], einer Gründung von Mathildes Großvater Otto dem Großen, ist vermerkt: :''mors abstulit de regali stemmate gemmam Machtildam abbatissam Liudolfi filiam'' („Der Tod raubte einen Edelstein aus dem Stamm des Königshauses hinweg, die Äbtissin Mathilde, die Tochter Liudolfs“). Da sich das Begräbnis Mathildes in Rellinghausen als Fälschung erwiesen hat, wurde sie wahrscheinlich an prominenter Stelle in der Krypta der Essener Stiftskirche beigesetzt. 1952 wurde bei Ausgrabungen in der Kirche ein Grab vor dem Hauptaltar der Krypta entdeckt, einem Platz, an dem oft bedeutende Personen beigesetzt wurden. Damals wurde dieses Grab als das der 1085 verstorbenen Äbtissin [[Suanhild (Essen)|Suanhild]] angesehen, von der bekannt war, dass sie vor diesem Altar bestatten worden war. Allerdings sollten die Stiftsdamen nach spätmittelalterlichen Aufzeichnungen dort zwei Äbtissinnen gedenken, von denen eine nicht namentlich benannt war. Dieses wird inzwischen dahin interpretiert, dass Svanhild sich über Mathildes Grab in einem [[Hochgrab]] beisetzen ließ und so Mathildes Begräbnisort in Vergessenheit geriet. == Nachfolge == [[Datei:JuengeresMathildenkreuz.jpg|thumb|Das jüngere Mathildenkreuz, das Äbtissin Theophanu zum Gedenken an Mathilde fertigen ließ]] Mathildes direkte Nachfolgerin wurde [[Sophia (Gandersheim)|Sophia]], die älteste Tochter Ottos II.. Diese war wahrscheinlich eine Ersatzlösung, da deren in Essen erzogene Schwester [[Mathilde (Lothringen)|Mathilde]] mit Ezzo verheiratet worden war und damit als Äbtissin ausfiel, und möglicherweise zugleich eine politische Entscheidung, da Sophia in Gandersheim von der Schwester Heinrich des Zänkers erzogen worden und eine Parteigängerin [[Heinrich II. (HRR)|Heinrichs II.]] war. Heinrich II. sicherte sich so die politische Kontrolle über das Stift Essen gegenüber seiner rheinischen Opposition. Da Sophia bereits seit 1002 in Gandersheim Äbtissin war und dieses Stift auch bevorzugte, blieben die von Mathilde begonnenen Projekte zunächst unvollendet. Erst Sophies Nachfolgerin [[Theophanu (Essen)|Theophanu]], die Tochter Ezzos und der als Äbtissin ausgefallenen Mathilde, vollendete die Pläne der bedeutendsten Essener Äbtissin. Das sogenannte jüngere Mathildenkreuz des Essener Domschatzes, auf dessen Stifterbild Mathilde als Sanctimoniale zu Füßen der thronenden Maria abgebildet ist, ist vermutlich eine Stiftung Theophanus zu Mathildes Memoria. == Rezeption == Mathilde ist durch die Kunstwerke des Essener Domschatzes zwar die bekannteste Essener Äbtissin, im Einzelnen ist vieles jedoch noch unerforscht. Erst die jüngere Forschung erkennt den Umstand an, dass im Stift Essen die Macht tatsächlich in Frauenhand war und insbesondere Mathilde keine zwar kunstsinnige, aber hinter Klostermauern einflusslose Enkelin aus kaiserlichem Geschlecht war. Exemplarisch hierfür ist die Wandlung der Deutung des Otto-Mathilden-Kreuzes, das zuerst als Ottokreuz und Stiftung Ottos von Schwaben für das Kloster seiner Schwester bezeichnet wurde. Weitgehend wird es als gemeinsame Stiftung der Geschwister angesehen, gleichzeitig mit der Änderung der Deutung begann sich die Bezeichnung Otto-Mathilden-Kreuz durchzusetzen. Inzwischen wird mit überzeugenden Argumenten vertreten, dass das Kreuz von Mathilde allein zum Gedenken an Otto gestiftet wurde. Insoweit ist Mathilde exemplarisch für die unterschätzte Bedeutung der Frau im Mittelalter. == Quellenangaben == <references/> == Literatur == * [[Klaus Gereon Beuckers]]: ''Das Otto-Mathildenkreuz im Essener Münsterschatz.'' in: ''Herrschaft, Liturgie und Raum – Studien zur mittelalterlichen Geschichte des Frauenstifts Essen.'' Klartext Verlag, Essen 2002, ISBN 3-89861-133-7. * Katrinette Bodarwé: ''Sanctimoniales litteratae.'' in: ''Herrschaft, Bildung und Gebet.'' Klartext Verlag, Essen 2000, ISBN 3-88474-907-2. * [[Paul Derks]]: ''Gerswid und Altfried. Zur Überlieferung der Gründung des Stiftes Essen.'' in: ''Essener Beiträge. Beiträge zur Geschichte von Stadt und Stift Essen.'' Essen 107.1995. {{ISSN|1432-6531}} * Edgar Freise: ''Mathilde II.'' in: ''[[Neue Deutsche Biographie]].'' Bd 16. Duncker und Humblot, Berlin 1990, 371f. ISBN 3-428-00197-4 * Elisabeth van Houts: ''Woman and the writing of history in the early Middle Ages, the case of Abbess Mathilda of Essen and Aethelweard.'' in: ''Early Medieval Europe.'' Blackwell, Oxford 1992, S.53 ff. {{ISSN|0963-9462}} * [[Ludger Körntgen]]: ''Zwischen Herrschern und Heiligen.'' in: ''Herrschaft, Liturgie und Raum – Studien zur mittelalterlichen Geschichte des Frauenstifts Essen.'' Klartext Verlag, Essen 2002, ISBN 3-89861-133-7. * Klaus Lange: ''Die Krypta der Essener Stiftskirche.'' in: ''Essen und die sächsischen Frauenstifte im Frühmittelalter.'' Klartext Verlag, Essen 2003, ISBN 3-89861-238-4. * Klaus Lange: ''St. Cosmas und Damian zu Essen. Ein Plädoyer für eine neue Sicht der älteren Baugeschichte.'' in: ''Herrschaft, Bildung und Gebet.'' Klartext Verlag, Essen 2000, ISBN 3-88474-907-2. * [[Hedwig Röckelein]]: ''Der Kult des Hl. Florinus im Stift Essen.'' in: ''Essen und die sächsischen Frauenstifte im Frühmittelalter.'' Klartext Verlag, Essen 2003, ISBN 3-89861-238-4. == Weblinks == * {{BBKL|m/mathilde_a_d_s_e}} (teilweise veraltete Informationen) * [http://www.genealogie-mittelalter.de/liudolfinger_ottonen/ottonen/mathilde_aebtissin_von_essen_1001_liudolfinger/mathilde_von_schwaben_aebtissin_von_essen_+_1011.html Mathilde bei Genealogie-Mittelalter] {{Exzellent}} {{Normdaten|PND=130930571}} {{Personendaten |NAME=Mathilde |ALTERNATIVNAMEN= |KURZBESCHREIBUNG=Äbtissin im [[Stift Essen|Essen]] |GEBURTSDATUM=949 |GEBURTSORT= |STERBEDATUM=5. November 1011 |STERBEORT=[[Essen]] }} [[Kategorie:Liudolfinger]] [[Kategorie:Äbtissin (Essen)]] [[Kategorie:Person (Essen)]] [[Kategorie:Geboren 949]] [[Kategorie:Gestorben 1011]] [[Kategorie:Frau]] {{Link GA|pl}} [[fr:Mathilde II d'Essen]] [[pl:Matylda (opatka w Essen)]] 1owvmb2kjxdjxnfp5o6p5mn7ksihsyi wikitext text/x-wiki Henri Matisse 0 23907 26503 2010-05-06T17:09:17Z Alinea 0 Änderungen von [[Special:Contributions/94.221.142.60|94.221.142.60]] ([[User talk:94.221.142.60|Diskussion]]) rückgängig gemacht und letzte Version von [[User:Fecchi|Fecchi]] wiederhergestellt [[Datei:Portrait of Henri Matisse 1933 May 20.jpg|miniatur|Henri Matisse im Mai 1933, Fotografie von [[Carl van Vechten]]]] [[Datei:Matisse autograph.png|rechts|200px|Unterschrift von Henri Matisse]] '''Henri Matisse''' (* [[31. Dezember]] [[1869]] in [[Le Cateau-Cambrésis]], [[Nord (Département)|Nord]], [[Frankreich]]; † [[3. November]] [[1954]] in [[Cimiez]], heute ein Vorort von [[Nizza]]), vollständig ''Henri Émile Benoît Matisse'', war ein [[Frankreich|französischer]] [[Malerei|Maler]], [[Grafiker]], [[Zeichnung (Kunst)|Zeichner]] und [[Bildhauerei|Bildhauer]]. Er zählt mit [[Pablo Picasso]] zu den bedeutendsten Künstlern der [[Moderne#Kunstgeschichte|Moderne]]. Neben [[André Derain]] gilt er als Wegbereiter und Hauptvertreter des [[Fauvismus]], der die Loslösung vom [[Impressionismus]] propagierte und eine künstlerische Revolution des 20.&nbsp;Jahrhunderts darstellt.<ref>Bucerius Kunst Forum: Matisse. Menschen, Masken, Modelle, Ausstellung in Hamburg, 2009</ref> Matisse fand seinen eigenen künstlerischen Stil durch die Anwendung der reinen Farbe für die räumliche Wirkung. In seinen Gemälden sind die Farbgebung, der spielerische Bildaufbau und die Leichtigkeit seiner Bildthemen das Ergebnis langer Studien.<ref>Lawrence Gowing: ''Matisse'', Umschlagrückseite</ref> Mit seinen in den 1940er Jahren entstandenen [[Scherenschnitt]]en ''(gouaches'' ''découpées)'', ein Beispiel ist das [[Künstlerbuch]] ''[[Jazz (Henri Matisse)|Jazz]]'', schuf Matisse ein Spätwerk, das seine Reduktionsbestrebungen zum Abschluss bringt und die ersehnte Synthese von Linie und Farbe erfüllt.<ref>{{internetquelle|autor=|hrsg=frankfurtlounge, 2002|url=http://www.frankfurtlounge.de/highlightsMatisse.htm|titel=Henri Matisse – Mit der Schere zeichnen|zugriff=7.&nbsp;Mai 2009}}</ref> Die von ihm geplante und ausgestattete [[Chapelle du Rosaire de Vence|Rosenkranzkapelle]] in [[Vence]], eingeweiht im Jahr 1951, hielt der Künstler selbst für sein Meisterwerk.<ref>Henri Matisse: ''Farbe und Gleichnis'', S.&nbsp;110</ref> Seine stilistischen Neuerungen beeinflussten die [[Moderne Kunst]]. So geht unter anderem die Entstehung des [[Abstrakter Expressionismus|abstrakten Expressionismus]] in den [[Vereinigte Staaten|USA]] mit auf seinen Einfluss zurück. == Leben == === Kindheit und Ausbildung === Henri Matisse, Sohn des Émile Matisse und dessen Ehefrau Héloïse, geborene Gérard, wurde auf dem Hof der Großeltern in Le Cateau-Cambrésis geboren. Seine Eltern betrieben in Bohain-en-Vermandois eine Drogerie und einen Samenhandel; hier wuchs Matisse auf. 1872 wurde sein Bruder Émile Auguste geboren. Der Vater wünschte, dass sein ältester Sohn das elterliche Geschäft übernehmen möge. Henri entschied sich jedoch nach dem Besuch des humanistischen Henri-Martin-Gymnasiums in [[Saint-Quentin]] in den Jahren 1882 bis 1887 für das Studium der Rechtswissenschaft in [[Paris]], das er zwei Jahre lang absolvierte. Während einer kurzen Tätigkeit als Anwaltsgehilfe 1889 in Saint-Quentin belegte Matisse in den Morgenstunden Zeichenkurse an der École Quentin de la Cour. Im Jahr 1890 begann er nach einer Blinddarmoperation, deren Folgen ihn ein Jahr lang ans Bett fesselten, mit der Malerei. Er gab 1891 seine juristische Karriere auf, kehrte nach Paris zurück und trat in die [[Académie Julian]] ein, an der unter anderem der Salonmaler [[William Adolphe Bouguereau]] unterrichtete, um sich auf die Aufnahmeprüfung an der [[École nationale supérieure des beaux-arts de Paris|École des Beaux-Arts]] vorzubereiten. Dabei scheiterte er im ersten Anlauf.<ref>Volkmar Essers: ''Matisse'', S.&nbsp;7, 92</ref> Matisse besuchte ebenfalls die [[École des Arts décoratifs]] (Kunstgewerbeschule), an der er [[Albert Marquet]] kennenlernte, mit dem ihn eine lange Freundschaft verband. Im Jahr 1895 wurden beide nach bestandener Aufnahmeprüfung der École des Beaux-Arts Schüler des [[Symbolismus (Bildende Kunst)|symbolistischen]] Malers [[Gustave Moreau]], in dessen Klasse sie bereits 1893 als Gastschüler aufgenommen worden waren. Matisse wurde 1894 Vater einer Tochter, Marguerite († 1982), die Mutter war Camille (Caroline) Joblaud, eine Frau, die er als [[Modell (Kunst)|Modell]] beschäftigte und die seine Geliebte war. Während eines Aufenthalts in der [[Bretagne]] im Jahr 1896 lernte Matisse durch seinen Reisebegleiter, den Maler Émile Wéry, seinen Pariser Nachbarn vom Quai Saint-Michel 19, die [[Impressionismus|impressionistische]] Farbpalette kennen. In dieser Zeit begann er, klassische Werke im [[Louvre]] zu kopieren und stellte erstmals fünf Gemälde im Salon der [[Société Nationale des Beaux Arts]] aus.<ref>[http://www.cosmopolis.ch/english/cosmo2/matisse.htm Henri and Pierre Matisse], ''Cosmopolis'', No 2, January 1999</ref> In den Jahren 1897 und 1898 besuchte er den Maler [[John Peter Russell]] auf [[Belle-Île]], einer Insel vor der Küste der [[Bretagne]]. Russell führte ihn in die impressionistische Malweise ein und machte ihn mit dem Werk von [[Vincent van Gogh]] bekannt. Matisse’ Malstil veränderte sich grundlegend, und später führte er aus: „Russell war mein Lehrer, und Russell erklärte mir die [[Farbenlehre|Farbtheorie]]“.<ref>{{internetquelle|autor=Jill Kitson|hrsg=abc.net|url=http://www.abc.net.au/rn/arts/booktalk/stories/s1430343.htm|titel=Über Hilary Spurlings ''The Unknown Matisse''|zugriff=3. April 2009}}</ref> [[Datei:Paul Cézanne 057.jpg|miniatur|Paul Cézanne: ''Les trois baigneuses'' ''(Die drei Badenden)'', 1879–82. Dieses Bild kaufte Matisse 1899 bei Ambroise Vollard. Heute ist es im Petit-Palais, Paris, ausgestellt.]] 1898 heiratete Matisse Amélie Noellie Parayre. Auf den Rat [[Camille Pissarro]]s reiste er nach London, um dort die Arbeiten [[William Turner|Turners]] zu studieren; gleichzeitig verbrachte er dort die Flitterwochen. Aus der Ehe gingen zwei Söhne, Jean (* 1899) und [[Pierre Matisse|Pierre]] (* 1900) hervor.<ref>Volkmar Essers: ''Matisse'', S.&nbsp;92</ref> Marguerite wurde in die Familie aufgenommen; Matisse liebte seine Tochter sehr und [[Porträt|porträtierte]] sie häufig. Sie heiratete später den Kunstkritiker und Philosophen Georges Duthuit; kurz vor ihrem Tod gab sie mit ihrem Sohn Claude Duthuit das Werkverzeichnis der Druckgrafik ihres Vaters heraus.<ref>{{internetquelle|autor=|hrsg=New York Times, 3. April 1982|url=http://www.nytimes.com/1982/04/03/obituaries/marguerite-duthuit-model-art-matisse-her-father-marguerite-duthuit-model-art.html|titel=Obituaries: Marguerite Duthuit|zugriff=23. März 2009}}</ref> Als sein Lehrer Gustave Moreau starb, verließ Matisse 1899 die École des Beaux Arts, da es Differenzen mit Moreaus Nachfolger [[Fernand Cormon]] gab. Nach einem erneuten kurzen Studium an der [[Académie Julian]] belegte er Kurse bei Eugéne Carrière, der ein Freund des Bildhauers [[Auguste Rodin]] war. Matisse lernte hier seine späteren Weggefährten [[André Derain]] und dessen Freund [[Maurice de Vlaminck]] kennen. Er malte mit [[Albert Marquet]] im [[Jardin du Luxembourg]] und besuchte in den Abendstunden Kurse für [[Skulptur]].<ref>Volkmar Essers: ''Matisse'', S.&nbsp;92</ref> Noch im selben Jahr kaufte er bei [[Ambroise Vollard|Vollard]] das Gemälde ''Drei Badende'' von [[Paul Cézanne]]. Trotz schwerer finanzieller Sorgen behielt er das Werk, das einen weitreichenden Einfluss auf sein Denken und Schaffen ausübte, bis zum Jahr 1936. In diesem Jahr übergab er das Gemälde als Geschenk an das Museum der schönen Künste im [[Petit Palais]] in Paris.<ref>{{internetquelle|autor=|hrsg=Kulturportal Paris|url=http://www.paris.fr/portail/culture/portal.lut?page_id=6229&document_type_id=4&document_id=14627&portlet_id=14052&multileveldocument_sheet_id=1239|titel=Paris 1900|zugriff=20. März 2009}}</ref> === Krisenjahre === [[Datei:The Grand Palace, Exposition Universal, 1900, Paris, France.jpg|miniatur|Grand Palais, Paris, [[Photochromdruck|Photochrom]], um 1900]] An der Académie [[Auguste Rodin|Rodin]] besuchte Matisse im Jahr 1900 Abendkurse und arbeitete unter der Leitung des Bildhauers [[Antoine Bourdelle]] mit anfangs geringem Erfolg.<ref>Lawrence Gowing: ''Matisse'', S.&nbsp;63</ref> Aufgrund mangelnder Einnahmen – das Modistengeschäft seiner Frau warf zum Lebensunterhalt nicht genug Einnahmen ab und die Kinder mussten oft den Großeltern überlassen werden – geriet er in eine schwere finanzielle Krise und nahm Arbeit als Dekorationsmaler an. Gemeinsam mit Albert Marquet malte Matisse Girlanden und Rahmenschmuck für die Ausstattung der [[Weltausstellung]] 1900, die im Pariser [[Grand Palais]] stattfand. Die Arbeit war anstrengend, deshalb kehrte er erschöpft nach Bohain zurück, um sich zu erholen. In jenen Tagen war Matisse derart entmutigt, dass er daran dachte, die Malerei aufzugeben. Nachdem er seine Krise überwunden hatte, bemühte er sich um Kunstsammler und Ausstellungsmöglichkeiten. Eine erste Einzelausstellung seiner Arbeiten fand 1904 bei dem französischen Kunsthändler [[Ambroise Vollard]] statt. Im Sommer desselben Jahres reiste Matisse auf Veranlassung von [[Paul Signac]] nach [[Saint-Tropez]] und begann, Bilder im Stil des [[Neoimpressionismus]] zu malen.<ref>Volkmar Essers: ''Matisse'', S.&nbsp;11&nbsp;ff</ref> === Entstehung des Fauvismus === [[Datei:Coll800.jpg|miniatur|links|Collioure, Foto aus dem Jahr 2006]] Den Sommer des Jahres 1905 verbrachte Matisse mit [[André Derain]] und zeitweise mit [[Maurice de Vlaminck]] in [[Collioure]], einem Fischerdorf am Mittelmeer. Dieser Aufenthalt wurde zu einem bedeutsamen Wendepunkt in seinem Schaffen. So kristallisierte sich in dieser Zeit in Zusammenarbeit mit Derain ein Stil heraus, der unter dem Namen [[Fauvismus]] in die Kunstgeschichte einging. Die Bewegung erhielt ihren Namen, als die kleine Gruppe gleichgesinnter Maler, bestehend aus Matisse, André Derain und Maurice de Vlaminck, zum ersten Mal in einer Ausstellung des [[Salon d’Automne]] in Paris im Herbst 1905 ihre Bilder zeigte und Empörung bei Publikum und Kunstkritikern erntete.<ref>Volkmar Essers: ''Matisse'', S.&nbsp;14</ref> [[Datei:Salon d'Automne (1905).jpg|miniatur|Ausstellung des Salon d’Automne in Paris, 1905. Die Skulptur in der Mitte provozierte Vauxcelles’ Bemerkung „Donatello au milieu des fauves“.]] Der Kritiker [[Louis Vauxcelles]] bezeichnete die Künstler als „Fauves“ („Die wilden Tiere“). Sein Kommentar „[[Donatello]] au milieu des fauves!“ wurde am 17.&nbsp;Oktober 1905 in der Zeitung ''Gil Blas'' veröffentlicht und erlangte Eingang in den allgemeinen Sprachgebrauch.<ref> John Elderfield: The ''Wild Beasts Fauvism and Its Affinities,'' 1976, [[Museum of Modern Art]], S.&nbsp;43, ISBN 0-87070-638-1. Übersetzung: (Eine Skulptur von) „Donatello inmitten der Wilden“</ref> Im Mittelpunkt der Kritik stand das starkfarbige Gemälde ''Femme au chapeau'' (''[[Frau mit Hut (Henri Matisse)|Frau mit Hut]]'') von Matisse. [[Leo Stein]], ein Bruder von [[Gertrude Stein]], kaufte das Bild für 500 Franc. <ref>Stefana Sabin: ''Gertrude Stein''. Rowohlt, Reinbek 1996, ISBN 3-499-50530-4, S.&nbsp;36</ref> Dieser „Skandalerfolg“ trieb Matisse’ Marktwert in die Höhe. Die Steins gehörten ebenfalls in der Zukunft zu seinen Förderern.<ref>Volkmar Essers: ''Matisse'', S.&nbsp;14</ref> Die Gruppe der Fauvisten löste sich bereits 1907 wieder auf. === Bekanntschaft mit Picasso === Am 20.&nbsp;März 1906 zeigte Matisse im Salon des Indépendants sein neues Werk ''Bonheur de vivre'' ''(Lebensfreude)''. Kritiker und akademische Maler reagierten gereizt; [[Paul Signac]], Vizepräsident der Indépendants, reihte sich in die Kritik ein und nahm Matisse die durch das Gemälde deutlich gewordene Absage an den [[Post-Impressionismus|Nachimpressionismus]] übel. [[Leo Stein (Kunstsammler)|Leo Stein]] empfand es jedoch „als das wichtigste Bild unserer Zeit“ und erwarb es für den gemeinsam mit seiner Schwester Gertrude geführten Salon. Im selben Jahr lernte Matisse [[Pablo Picasso]] kennen; ihr erstes Zusammentreffen fand im Salon der Steins statt, in dem Matisse seit einem Jahr regelmäßig verkehrte. Mit Picasso verband ihn seit dieser Zeit eine rivalisierende Freundschaft, die von gegenseitigem Respekt getragen wurde.<ref>Volkmar Essers: ''Matisse'', S.&nbsp;19</ref> Gertrude Steins amerikanische Freunde aus [[Baltimore]], [[Schwestern Cone|Clarabel und Etta Cone]], wurden ebenfalls Förderer von Matisse und Picasso. In der Gegenwart ist die Cone Collection im [[Baltimore Museum of Art]] ausgestellt.<ref>{{internetquelle|autor=|hrsg=Baltimore Museum of Art|url=http://www.artbma.org/collection/overview/cone.html |titel=The Cone Collection|zugriff=30.&nbsp;März 2009}}</ref> === Reise nach Algerien === Im Mai 1906 reiste Matisse nach [[Algerien]] und besuchte die Oase [[Biskra]]. Während der Reise malte er nicht; erst nach der Rückkehr entstand das Gemälde ''[[Blauer Akt (Erinnerung an Biskra)]]'' und nach der Vollendung des Gemäldes eine [[Skulptur]] ''Liegender Akt I (Aurora)'', die eine ähnliche Körperhaltung aufweist. Von der zweiwöchigen Reise brachte er Gebrauchsgegenstände wie Keramiken und Stoffe mit, die er häufig als Motive für seine Bilder verwendete. Matisse entnahm der orientalischen Keramik die reine, flächig aufgetragene Farbe, die Reduktion der Zeichnung auf eine [[Arabeske (Ornament)|arabeskenhafte]] Linie sowie die flächige Anordnung des Bildraums. Orientalische Teppiche erschienen auf seinen Gemälden wie bei keinem anderen Maler der Moderne. Ein Beispiel ist das Stillleben '' Orientalische Teppiche'', das er nach der Rückkehr malte.<ref>Volkmar Essers: ''Matisse'', S.&nbsp;21–23</ref> === Die Académie Matisse === Auf Betreiben und mit Unterstützung seiner Bewunderer, Michael, Sarah, Gertrude und Leo Stein sowie [[Hans Purrmann]], [[Marg Moll|Marg]] und [[Oskar Moll]] und anderer gründete er eine private Malschule, die seinen Namen erhielt: „Académie Matisse“. Dort unterrichtete er von Januar 1908 bis 1911 und hatte schließlich 100 Schüler aus dem In- und Ausland. Purrmann war für Organisation und Verwaltung zuständig.<ref>{{internetquelle|autor=Eric Gelber|hrsg=artnet.com, 2001|url=http://www.artnet.com/Magazine/reviews/gelber/gelber11-13-01.asp|titel=The Academie Matisse|zugriff=2. April 2009}}</ref> [[Datei:Matisse und seine Studenten.jpg|miniatur|Matisse und seine Studenten im Atelier, 1909]] Der Unterricht fand zunächst in den Räumen des [[Couvent des Oiseaux]] an der Rue de Sèvres statt. In diesem leerstehenden Kloster hatte Matisse bereits seit 1905 neben seinem ursprünglichen Atelier am Quai St.-Michel einen weiteren Atelierraum angemietet. Nachdem die Gründung der Privatakademie feststand, mietete Stein im Couvent einen weiteren Raum für den Unterricht. Allerdings musste der Klosterkomplex schon nach wenigen Wochen geräumt werden. Die Schule zog deshalb in den Couvent de Sacré-Cœur auf dem Boulevard des Invalides an der Ecke der Rue de Babylon um. Durch ihren nicht-kommerziellen Charakter hob sich die Académie Matisse von vergleichbaren Meisterateliers ab. Matisse legte viel Wert auf eine klassische Grundausbildung der jungen Künstler. Einmal in der Woche stand ein gemeinsamer Museumsbesuch auf dem Lehrplan. Das Arbeiten nach einem Modell kam erst nach der Mühe des Kopierens. Für die damalige Zeit war der Frauenanteil innerhalb der Schülerschaft überraschend hoch. Unter den insgesamt 18 deutschen Schülern, beispielsweise [[Friedrich Ahlers-Hestermann]] und [[Franz Nölken]], waren acht Künstlerinnen, unter anderem [[Mathilde Vollmoeller-Purrmann|Mathilde Vollmoeller]]. Mit Purrmann unternahm Matisse 1908 seine erste Reise nach Deutschland. Dort lernte er die Werke deutscher [[Expressionismus|Expressionisten]] kennen. Im selben Jahr fand seine erste amerikanische Ausstellung in [[Alfred Stieglitz]]’ [[Galerie 291]] statt. Seine kunsttheoretische Schrift ''Notes d’un Peintre'' ''(Notizen eines Malers)'' erschien am 25.&nbsp;Dezember 1908 in der ''Grande Revue''.<ref>{{internetquelle|autor=Sandra Orienti|hrsg=g26.ch/art|url=http://www.g26.ch/art_matisse.html|titel=Henri Matisse|zugriff=2.&nbsp;April 2009}}</ref> === Umzug nach Issy-les-Moulineaux und Kriegsjahre === [[Datei:ArmoryShow poster.jpg|miniatur|links|hochkant|Ausstellungsplakat der ''Armory Show'', New York 1913]] Der russische Mäzen [[Sergei Iwanowitsch Schtschukin|Sergei Schtschukin]] war auf Matisse’ Werk aufmerksam geworden und erteilte ihm den Auftrag zu zwei großen Gemälden: ''[[Der Tanz (Gemälde)|Der Tanz]]'' und ''Die Musik''. Die Krisenjahre waren überwunden, und die finanziell gefestigte Position ermöglichte es Matisse, 1909 den Wohnsitz am Quai Saint-Michel in Paris zu verlassen und nach [[Issy-les-Moulineaux]] zu ziehen, wo er ein Haus kaufte und auf dem Grundstück sein Atelier errichten ließ. Für lange Zeit standen ihm die Familienmitglieder kostenlos Modell und kamen seinen Wünschen verständnisvoll entgegen. Sie richteten sich nach den Bedürfnissen des Künstlers, beispielsweise mussten die Kinder beim Essen schweigen, um die Konzentration des Vaters nicht zu stören.<ref>Volkmar Essers: ''Matisse'', S.&nbsp;28–39</ref> Nach der Teilnahme an der von [[Roger Fry]] im Jahr 1910 zusammengestellten Ausstellung ''[[Édouard Manet|Manet]] and the Postimpressionists'' in [[London]] wurden Matisse’ Skulpturen erstmals 1912 in [[Alfred Stieglitz]]’ [[Galerie 291#Cézanne, Picasso, Matisse und die Neudefinition von Ästhetik 1911–1913|Galerie 291]] in [[New York City|New York]] ausgestellt.<ref>{{internetquelle|autor=Melissa Seckora|hrsg=nationalreview.com, 3./4.&nbsp;Februar 2001|url=http://www.nationalreview.com/weekend/art/art-seckora020301.shtml|titel=''Modern Champions''|zugriff=12. August 2009}}</ref> Ein Jahr später, 1913, nahmen einige seiner Gemälde an der bedeutenden Ausstellung [[Armory Show]], New York, teil, die das konservative amerikanische Publikum jedoch mit ätzender Kritik bedachte. Neben seinen Aufenthalten in [[Sevilla]] (1910/1911) und [[Tanger]] (1911/1912 und 1912/1913) weilte Matisse im Sommer 1914 in Berlin. Zu Beginn des [[Erster Weltkrieg|Ersten Weltkriegs]] im August 1914 hielt sich Matisse in Paris auf. Er meldete sich zum Militärdienst, sein Gesuch wurde jedoch abgelehnt. Nachdem das Gehöft der Familie bei einem deutschen Angriff zerstört worden war, erhielt Matisse keine Nachricht mehr von seiner Mutter und von seinem Bruder, der wie die anderen Männer des Dorfes von deutschem Militär als Kriegsgefangener mitgenommen worden war. Kurz vor der [[Erste Schlacht an der Marne|Marne-Schlacht]] verließ er Paris und fuhr mit [[Albert Marquet|Marquet]] nach Collioure. Die Schrecken jener Zeit führte [[Fauvismus|Fauvisten]] und [[Kubismus|Kubisten]], die bisher durch künstlerische Konflikte zerstritten waren, wieder näher zusammen, so wohnte [[Juan Gris]] bei dem Lehrer der Kinder von Matisse. Dessen kubistischer Einfluss verstärkte Matisse’ Neigung zu geometrischer Vereinfachung. Die Söhne Jean und Pierre mussten ab dem Sommer 1917 Militärdienst leisten.<ref>Volkmar Essers: ''Matisse'', S.&nbsp;42–48</ref> === In Nizza === [[Datei:WoonhuisMatisseNicewkped04.JPG|miniatur|hochkant|Ehemaliger Wohnsitz von Matisse in Nizza, No.&nbsp;1, Place Charles-Félix (Mitte)]] Matisse hielt sich 1916 auf ärztliches Anraten in [[Menton]] an der [[Côte d’Azur]] auf, da er unter [[Bronchitis]] litt und mietete 1916/1917 in [[Nizza]] im Hôtel Beau-Rivage ein Zimmer. Diese Stadt sollte für die weiteren Jahre zu seinem Domizil werden. Nachdem er zwischenzeitlich im Hôtel Méditerranée gewohnt hatte, bezog er in den zwanziger Jahren eine zweistöckige Wohnung am Place Charles-Félix in Nizza. In den Monaten Mai bis September kehrte er regelmäßig nach Issy-les-Moulineaux zurück und arbeitete dort in seinem Atelier.<ref>Volkmar Essers: ''Matisse'', S.&nbsp;51–54,&nbsp;94</ref> 1918 fand in der Galerie Guillaume die Ausstellung ''Matisse – Picasso'' statt, die in gewissem Maße ein Beweis für die führende Rolle dieser Maler in der zeitgenössischen Kunst war.<ref>''Französische Malerei'' der zweiten Hälfte des 19.&nbsp;Jahrhunderts und Anfang des 20.&nbsp;Jahrhunderts, Ermitage Leningrad, Aurora-Kunstverlag, Leningrad, 1987</ref> Matisse zeigte einige seiner Bilder [[Pierre-Auguste Renoir|Renoir]], den er in dieser Zeit oft besuchte; ebenso verkehrte er mit [[Pierre Bonnard|Bonnard]] in [[Antibes]]. Im Jahr 1920 wurde [[Sergei Pawlowitsch Djagilew|Djagilews]] Ballett ''Le Chant du Rossignol'' in Paris uraufgeführt, für das Matisse die Kostüme und das Bühnenbild entworfen hatte. Er widmete sich erneut der Arbeit an [[Skulptur]]en, die er in den vorhergehenden Jahren vernachlässigt hatte. 1927 organisierte sein Sohn [[Pierre Matisse]], der Galerist geworden war, eine Ausstellung für ihn in seiner New Yorker Galerie; im selben Jahr erhielt er den Preis für Malerei der [[Carnegie International Exhibition]] in [[Pittsburgh]]. Zur Entspannung unternahm Matisse viele Reisen, so 1921 nach [[Étretat]], 1925 nach [[Italien]] und 1930 über [[New York City|New York]] und [[San Francisco]] nach [[Tahiti]].<ref>{{internetquelle|autor=|hrsg=Enzyklopädia Britannica|url=http://www.britannica.com/EBchecked/topic/369401/Henri-Matisse|titel=Henry Matisse|zugriff=24. März 2009}}</ref> Auf der Rückreise im September 1930 besuchte er seinen wichtigen Sammler [[Albert C. Barnes]] in Merion (USA), der ihn um ein Wandbild mit dem Thema ''Tanz'' für sein [[Barnes Foundation|Privatmuseum]] bat. Werke von [[Georges Seurat]], [[Paul Cézanne|Cézanne]], [[Pierre-Auguste Renoir|Auguste Renoir]] füllten dort bereits die Wände. Matisse nahm die Herausforderung an und konnte die Arbeit 1932 fertigstellen. Im Jahr 1933 wurde sein Enkel [[Paul Matisse]] in New York geboren. In den folgenden Jahren entstanden Projekte für Tapisserien und Buchillustrationen. Er radierte Szenen aus der ''[[Odyssee]]'' als Illustrationen zum ''[[Ulysses]]'' von [[James Joyce]]. Im November 1931 gab das [[Museum of Modern Art]] Matisse die Gelegenheit zu seiner ersten großen amerikanischen Einzelausstellung in New York. Vorausgegangen war eine bedeutende Ausstellung in der Berliner [[Heinrich Thannhauser|Galerie Thannhauser]] im Spätsommer 1930. So brachten die Jahre 1930 bis 1931 viele von Matisse’ persönlichen Plänen zur Reife und festigten seinen bereits wachsenden internationalen Ruf. Im Oktober erschien das erste von Matisse illustrierte Buch, die [[Albert Skira|Skira]]-Ausgabe der ''Poésie de [[Stéphane Mallarmé]]''. 1937 wurde Matisse von [[Léonide Massine]] gebeten, Dekorationen und Kostüme für ''Rouge et noir'' zu entwerfen, ein Ballett mit der Musik von [[Dmitri Dmitrijewitsch Schostakowitsch|Schostakowitsch]] und der Choreographie von Massine. Ein Jahr später übersiedelte er nach Cimiez in das frühere Hotel Régina, mit Blick auf Nizza. Für die gewaltige Aufgabe von Barnes’ Wandgemälde hatte Matisse die 22-jährige russische Emigrantin Lydia Delectorskaya (1910–1998) als Assistentin angestellt, die ihm außerdem Modell saß. Daraufhin wurde er von seiner Frau Amélie vor die Alternative gestellt: „Ich oder sie.“ Lydia Delectorskaya wurde entlassen, trotzdem forderte Amélie die Scheidung und verließ ihn nach 31 Jahren Ehe. Matisse wurde sehr krank und stellte Delectorskaya wieder ein. Nach einem Parisaufenthalt bei Ausbruch des [[Zweiter Weltkrieg|Zweiten Weltkriegs]] kehrte er nach Nizza zurück.<ref>{{internetquelle|autor=Phyllis Tuchman|hrsg=The Washington Post, 25. September 2005|url=http://www.washingtonpost.com/wp-dyn/content/article/2005/09/22/AR2005092200996.html|titel=''Matisse the Master'' von Hilary Spurling|zugriff=26. März 2009}}</ref> === Schwere Krankheit – Arbeit an ''Jazz'' === [[Datei:Le musée Matisse à Nice.jpg|miniatur|Im Vordergrund das Musée Matisse in Cimiez, Nizza, im Hintergrund das Hotel ''Régina'', in dem Matisse im Alter wohnte]] 1941 musste sich Matisse in Lyon einer schweren Darmoperation unterziehen. Fast drei Monate blieb er in der Klinik, danach zwei Monate mit Grippe im Hotel. Er litt an einem Zwölffingerdarmkrebs und zwei nachfolgenden [[Lungenembolie|Lungenembolien]]. Im Mai kehrte er wieder nach Cimiez zurück. Die Operation und die darauffolgende Krankheit setzten ihm ernstlich zu, sodass er sich nur noch beschränkte Zeit aufrecht halten konnte. Während seiner Rekonvaleszenz begann er von neuem zu arbeiten, er malte und zeichnete im Bett, so unter anderem an den Illustrationen für die Fabiani-Ausgabe von [[Henry de Montherlant]]s ''Pasiphaé'' und die Skira-Ausgabe der ''Florilége des amours de Ronsard''. [[Datei:Baou des blancs depuis Vence avec Nuage derrière.jpg|miniatur|hochkant|links|Montagne du Baou]] In seinem nach einem Luftangriff auf Cimiez im Jahr 1943 bezogenen Atelier zu Füßen des [[Montagne du Baou]] in der Villa ''Le Rêve'', zwei Kilometer vom Hauptplatz des [[Provence|provenzalischen]] Dorfes [[Vence]] entfernt, begann Matisse an seinen Schnitt- und Klebekompositionen für sein Buch ''[[Jazz (Henri Matisse)|Jazz]]'' zu arbeiten. 1944 wurde seine geschiedene Frau verhaftet und Tochter Marguerite wegen Beteiligung an der [[Résistance]] deportiert und zu einer sechsmonatigen Haft verurteilt.<ref>Volkmar Essers: ''Matisse'', S.&nbsp;95</ref> ''Le Rêve'' blieb bis 1948 sein Wohnsitz, dann kehrte er nach Nizza in das Hotel ''Régina'' zurück. Im Frühsommer 1945 reiste Matisse nach Paris, wo 37 Werke im [[Salon d’Automne]] in einer [[Retrospektive]] gezeigt wurden. Im selben Jahr stellte er mit [[Pablo Picasso|Picasso]] zusammen im [[Victoria and Albert Museum|Victoria und Albert Museum]] in London aus. 1946 erhielt Matisse erstmals Besuch von Picasso und dessen Lebensgefährtin [[Françoise Gilot]] in Vence; die beiden Künstler trafen sich bis 1954 noch mehrmals.<ref>{{internetquelle|autor=|hrsg=Schirn Kunsthalle (PDF)|url=http://www.schirn-kunsthalle.de/data/tutorials/1083243122_matisse_unterrichtsmaterial.doc|titel=Henri Matisse: ''Mit der Schere zeichnen''|zugriff=5.&nbsp;April 2009}}</ref> === Letzte Jahre – Die Kapelle in Vence === [[Datei:chapelledurosaire-2.jpg|miniatur|Außenansicht der Kapelle]] Im Jahr 1947 wurde Matisse in den Rang eines Kommandeurs der [[Ehrenlegion]] erhoben. Im selben Jahr begann er mit Entwürfen für eine Kapelle der [[Dominikaner]]innen, die [[Chapelle du Rosaire de Vence|Rosenkranzkapelle]] in Vence, die ihn während der nächsten Jahre fast ausschließlich beschäftigen sollten. Das Projekt war das Ergebnis einer engen Freundschaft zwischen Matisse und Schwester Jacques-Marie alias Monique Bourgeois. Er hatte sie 1941 als Pflegerin und Modell angestellt; 1946 trat sie in ein Dominikanerkloster in Vence ein und erhielt den Namen Jacques-Marie. Als sie sich dort wiedersahen, bat sie ihn um Rat für die Errichtung einer Kapelle für das Kloster. Im Dezember 1949 wurde der Grundstein für die Kapelle gelegt, und am 25.&nbsp;Juni 1951 erfolgte die Einweihung durch den Bischof von Nizza. Im selben Jahr erhielt Matisse den ersten Preis für Malerei auf der [[Biennale di Venezia|Biennale in Venedig]]. Im Zusammenhang mit seinen 1951 in den USA ausgestellten Werken gab der amerikanische Kunsthistoriker [[Alfred Barr|Alfred H. Barr]] ''Matisse: his Art and his Public'' heraus, das bis in die heutige Zeit ein bedeutendes Buch über den Künstler darstellt. Im Jahr 1952 eröffnete das Musée Henri Matisse in seiner Heimatstadt Le Cateau-Cambrésis seine Pforten. Ein Jahr später folgten Ausstellungen der ''papiers découpés'' in Paris und seiner Skulpturen in London. Matisse arbeitete in den letzten Tagen seines Lebens an der ''Rockefeller Rose'', die sein letztes Werk werden sollte, ein Glasfenster für die Union Church of Pocantico Hills, das er im Auftrag der Familie [[Nelson A. Rockefeller|Nelson Rockefeller]] zur Erinnerung an Abby Aldrich Rockefeller gestaltete. Die Kirche enthält neben Matisse’ Werk auch Fenster von [[Marc Chagall]].<ref>{{internetquelle|autor=David Rockefeller|hrsg=|url=http://www.hudsonvalley.org/content/view/80/145/|titel=Union Church of Pocantico Hills|zugriff=1.&nbsp;April 2009}}</ref> [[Datei:Nice-Cimiez-MATISSE tombe1.jpg|miniatur|Grabstein auf dem Friedhof von Cimiez]] Matisse starb am 3.&nbsp;November 1954 in Nizza an einem Herzanfall. Sein Grab – der Gedenkstein ist ihm und seiner früheren Ehefrau gewidmet – liegt auf dem höchsten Punkt des Friedhofs von Cimiez; es ist ein Geschenk der Stadt Nizza. Am 5.&nbsp;Januar 1963 wurde ein weiteres Museum, das Musée Matisse, in Nizza gegründet. Der Künstler selbst schenkte bereits vor der Gründung am 21.&nbsp;Oktober 1953 das Gemälde ''Stillleben mit Granatapfel'' (1947), vier Zeichnungen aus den Jahren 1941/42, den Scherenschnitt ''Die kreolische Tänzerin'' (1950) sowie die zwei Seidendrucke, ''Ozeanien – Das Meer'' und ''Ozeanien – Der Himmel'', beide aus dem Jahr 1947. Weitere Schenkungen der Erben folgten zwischen den Jahren 1960 und 1978.<ref>Quelle Musée Matisse, Cimiez, Nizza, siehe Weblink</ref> == Das malerische Werk == {{Zitat|Die Lehrer an der Beaux-Arts pflegten zu sagen: ‚Haltet Euch stur an die Natur!‘. Während meiner ganzen Laufbahn habe ich mich gegen diese Einstellung aufgelehnt, der ich mich nicht unterwerfen konnte. Diese Auseinandersetzung hatte verschiedene Wendungen in meinem Wege zur Folge, der ein ständiges Suchen nach Ausdrucksmöglichkeit jenseits des naturgetreuen Abklatsches war; solche Wendungen waren zum Beispiel der [[Pointillismus|Divisionismus]] und der [[Fauvismus]].|Henri Matisse, 1951<ref>Henri Matisse: ''Farbe und Gleichnis'', S.&nbsp;105. Aus: ''Chapelle du Rosaire de Vence, 1951</ref>}} === Matisse’ Bildauffassung === In Matisse’ Bildwelt erhält die Farbe durch flächig-dekorativen und ornamentalen Einsatz unter Auslassung ihrer räumlichen Gestaltungsaspekte autonomen Charakter. Die Farbgebung wird hierbei weder der [[Lokalfarbe]] noch der Beschreibung von Oberflächenstrukturen unterworfen. Matisse setzt sie vielmehr als Mittel ein, die ''farblichen Empfindungen'', die durch den Eindruck des Motivs im Maler ausgelöst werden, wiederzugeben. Auf seinem Weg über den Fauvismus schuf er eine Bildwelt, in der dem Gegenstand nicht mehr Bedeutung beigemessen wird als dem Binnenraum, das heißt dem Raum zwischen den Gegenständen. Keine dieser ''Formen'' ist einer anderen bei der Verwirklichung der '' ‚expression‘ '' ''( ‚Ausdruck und Aussage‘ )'' als Gestaltungselement über- respektive untergeordnet. Die '' ‚expression‘ '' kann nach dieser Auffassung nur durch die Anordnung und den Zusammenhang der ''Farbformen'' – ''Farbe und Form sind eins'' – untereinander realisiert werden. Durch diese Sichtweise wird Naturbeobachtung (Objekt) nicht nur zum Anlass der ''farblichen Empfindungen'' (Subjekt), sondern in ihrem wechselseitigen Miteinander auch zu einem Korrektiv innerhalb des Schaffensprozesses erhoben. In diesem Sinne sah sich Matisse der ''Tradition'' verbunden. So hat Matisse – wie auch [[Pablo Picasso|Picasso]] – nie den Schritt zur völligen [[Abstrakte Malerei|Abstraktion]] vollzogen, da auf diese Weise, wie er betonte, die Abstraktion nur imitiert werde.<ref> André Verdet, ''Entretiens avec Henri Matisse'', in: ''Prestige de Matisse'', Paris 1952, S.&nbsp;37–76</ref> Charakteristisch für Matisse’ Bildaufbau ist des Weiteren, dass er die ''Objekte linearisiert''. Die räumlichen Beziehungen zwischen den ''Objekten'' treten in den Hintergrund, werden aufgelöst, ohne jedoch ihre Raumbezüge völlig zu negieren. So hob er hervor, dass durch die Gleichstellung der ''Formen'' – ''Gegenstand'' und ''Binnenraum'' – sowie durch die Autonomie der Farbe eine ''Linearisierung'' der Bildelemente notwendig sei und umgekehrt. Das in jenen Tagen immer stärker aufkommende Bedürfnis nach ''Originalität'' und ''Individualität'' einerseits und die Abneigung gegenüber den aus der Sicht ihrer Gegner „degenerierten“ Sichtweisen der immer noch etablierten Akademien andererseits führten dazu, dass viele Maler eine eigene Position beziehen wollten.<ref> ''Matisse – Über Kunst'', Diogenes Verlag, Zürich, 1982, S.&nbsp;11–12</ref> So fand Matisse zwar in [[Paul Cézanne|Cézanne]] die Figur des [[spiritus rector]]<ref>Escholier, 1937, S.&nbsp;17; idem, 1956, S.&nbsp;50</ref>, jedoch intendierte er nicht, Cézannes Werk weiterzuführen. === Das Frühwerk bis 1900 === Matisse entschied sich erst spät für eine künstlerische Laufbahn. Als 20-jähriger Anwaltsgehilfe in St.-Quentin begann er, Kunstunterricht zu nehmen. Seine ersten Bilder entsprachen dem bürgerlichen [[Naturalismus (Kunst)|Naturalismus]], den die französische Schule von den [[Niederlande#Kultur|Niederländern]] übernommen hatte. Ein bekanntes Bild aus dieser Zeit ist ''Die Lesende'' aus dem Jahr 1894, das sich heute im [[Musée National d’Art Moderne]] in Paris befindet. In seinen Bildthemen werden Frauen vom Früh- bis zum Spätwerk in den 1950-er Jahren seine Kunst dominieren, dargestellt in Matisse’ verschiedenen Phasen. Das ''Stillleben mit Selbstbildnis'' in ähnlichen braun-grünen Farben folgte 1895. Es weist in seiner Ästhetik eine Ähnlichkeit zu [[Paul Cézanne|Cézannes]] zwanzig Jahre älteren Stillleben auf, ohne deren Raffinesse zu haben. Bekannte Gemälde aus dem Jahr 1897 sind ''Der gedeckte Tisch'' und das ''Seestück, Belle Île''; in letzterem finden sich Annäherungen an [[Claude Monet]]s ''Sturm in Belle Île'' aus dem Jahr 1896, das die [[Impressionismus|impressionistischen]] Einflüsse durch Monet und [[John Peter Russell]] in der [[Bretagne]] widerspiegelt.<ref>Lawrence Gowing: ''Matisse'', S.&nbsp;9–18</ref> Das Hauptwerk des Künstlers lässt sich in die folgenden fünf Perioden einteilen:<ref>''Matisse – Über Kunst''. S.&nbsp;25</ref> === Fauve-Periode (1900–1908) === : ''Hauptartikel: [[Fauvismus]]'' [[Datei:Paul Cézanne 072.jpg|miniatur|[[Paul Cézanne]]: ''Haus in der Provence'', 1882–1885]] [[Datei:Georges Seurat - Un dimanche après-midi à l'Île de la Grande Jatte.jpg|miniatur|[[Georges Seurat]]: ''[[Ein Sonntagnachmittag auf der Insel La Grande Jatte]]'', 1884–1886]] <!--[[Datei:Signac2.jpg|miniatur|[[Paul Signac]]: ''Das Frühstück'', 1886–1887]]--> Im Jahr 1900 begann Matisse in einer Art zu malen, die als „Proto-Fauve“ bezeichnet wurde. Er wollte seine Formen nicht in Licht aufgelöst sehen, sondern als ein vollständiges Ganzes auffassen, und so entfernte er sich vom „orthodoxen“ [[Impressionismus]]. Es waren neben den Arbeiten [[Paul Cézanne]]s die [[Pointillismus|divisionistischen]] Arbeiten [[Georges Seurat|Seurats]], denen er seine Aufmerksamkeit widmete. Georges Seurat und die [[Neoimpressionismus|Neoimpressionisten]] schufen ihre Werke nach der theoretischen Lehre, die auf der Farbtheorie [[Eugène Chevreul]]s basierte. Neben Seurat waren es [[Vincent van Gogh]] und [[Paul Gauguin]], die Matisse’ Farbempfinden steigerten; die Imitation der Natur wollte er überwinden.<ref>{{internetquelle|autor=|hrsg=National Gallery of Art, 2009|url=http://www.nga.gov/education/schoolarts/matisse.shtm|titel=''Matisse: Color and Light''|zugriff=28. April 2009}}</ref> Matisse’ Figurenkomposition ''Luxus, Stille und Begierde'' (1904/05) entstand beispielsweise nach divisionistischen Regeln. Wenig später erkannte er, dass die divisionistische Bildauffassung nicht dazu geeignet war, den Bildwerken Festigkeit zu verleihen und die farblichen Empfindungen des Malers wiederzugeben, daher wandte er sich, wie es Cézanne schon Jahre vor ihm getan hatte, von der impressionistischen Richtung ab.<ref>Lawrence Gowing: ''Matisse'', S.&nbsp;47&nbsp;f</ref> Das Ergebnis seiner Arbeit während seiner [[Fauvismus|fauvistischen]] Phase stellte eine Lösung bezogen auf die flächige Farbbehandlung dar, die dem „Zerfließen“ impressionistischer Bilder entgegensteht. Seine neue Farbpalette wies die Hauptfarben Rot und Grün auf, während die Impressionisten Gelb, Violett, Orange und Blau bevorzugten, um die Illusion von Licht und Schatten und die Vorstellung von Atmosphäre und Raum zu erzielen. Rot und Grün dagegen löscht die Tiefe und betont die bemalte Fläche. Beispiele sind ''Offenes Fenster in Colliure'' und ''[[Frau mit Hut (Henri Matisse)|Frau mit Hut]]'', beide aus dem Jahr 1905, die auf der Ausstellung im Salon Empörung hervorriefen und damit zum Begriff Fauvismus führten. In seinem Gemälde ''Der grüne Streifen. Bildnis Madame Matisse'', ebenfalls aus dem Jahr 1905, bildet das Grün eine feste Größe. Der auf den ersten Blick unnatürlich wirkende Streifen über dem Gesicht ist nicht willkürlich gesetzt, sondern dient als Grenze zwischen Licht- und Schattenzone.<ref>Lawrence Gowing: ''Matisse'', S.&nbsp;50&nbsp;ff</ref><ref>Volkmar Essers: ''Matisse'', S.&nbsp;16&nbsp;f</ref> Matisse zeigte auf, dass durch die Autonomie der Farbe in Verbindung mit ihrem flächenhaften Auftrag, die „Objekte“ untereinander zu „linearisieren“ sind, ihre räumlichen Zusammenhänge somit in den Hintergrund treten müssen. Die Werke der Folgejahre stellen in erster Linie Variationen dieser grundlegenden Erkenntnis dar. Nach eigener Aussage begann sein Lebenswerk mit dem Gemälde ''Die Lebensfreude'', das er 1906 im Salon des Indépendants ausstellte, wo es heftige Kritik hervorrief. Nach der Algerienreise 1906 entstand ''Blauer Akt (Erinnerung an Biskra)'', die Palmen im Hintergrund reflektieren die Reise. Der weibliche Akt lastet schwer auf dem Boden und wirft einen Schatten. Die dominante Figur und die flächige Umgebung gibt Matisse’ Auffassung wieder: „Gerade die Figur und nicht das Stillleben oder die Landschaft interessiert mich am meisten. An ihr kann ich am besten, man könnte sagen, das mir stets eigene religiöse Gefühl dem Leben gegenüber zum Ausdruck bringen.“<ref>Volkmar Essers: ''Matisse''. S.&nbsp;18&nbsp;ff</ref> === Experimentelle Periode (1908–1917) === {{Zitat|Die Bilder der Impressionisten sind voll widersprechender Eindrücke. Wir wollen etwas anderes, wir wollen innere Ausgeglichenheit durch Vereinfachung der Ideen und gestaltenden Formen erreichen.|Henri Matisse, 1909<ref>{{internetquelle|autor=|hrsg=kunstzitate.de|url=http://www.kunstzitate.de/bildendekunst/manifeste/matisse1.htm|titel=Henri Matisse|zugriff=15.&nbsp;April 2009}}</ref> }} Matisse’ experimentelle Periode, in der er sehr produktiv war, wird in zwei Phasen unterteilt: Von 1908 bis 1910 herrschen organisch-flüssige und [[Arabeske (Ornament)|arabeske]] Formen vor, während die zweite Phase von 1911 bis 1917, geprägt von Matisse’ Auseinandersetzung mit dem [[Kubismus]], von [[Geometrie|geometrischen]] Formen dominiert wird. Matisse hat seine Malerei niemals einer einheitlichen Stilistik untergeordnet, sondern er vollzog häufig Positionswechsel, von dekorativen zu realistischeren Perioden.<ref>{{internetquelle|autor=Pia Müller Tamm|hrsg=Kunstaspekte|url=http://www.kunstaspekte.de/index.php?tid=8465&action=termin|titel=Henri Matisse: ''Figur Farbe Raum'' (Ausstellungen 2005/06)|zugriff=26.&nbsp;März 2009}}</ref> Im Jahr 1909 gab der russische Kunstmäzen Schtschukin zwei große Werke in Auftrag, ''La Danse'' (''[[Der Tanz (Gemälde)|Der Tanz]]'') und ''La Musique'' ''(Die Musik)'', die zum Schmuck des Treppenhauses seines Moskauer Domizils dienen sollten. Vom ''Tanz'' entstanden zwei Fassungen in unterschiedlichen Farbtönungen. Inspiriert hatte Matisse der [[Provence|provenzalische]] Rundtanz [[Farandole]]. Die jeweils aus fünf Körpern vor einem starkfarbigen Hintergrund bestehenden Bilder vermitteln Lebensfreude, der [[Verzierung|dekorative]] Stil verbindet sich mit der menschlichen Figur. Ihre Monumentalität folgt aus der Vereinfachung der malerischen Mittel: wenige Farben sind in großen homogenen Flächen aufgetragen, die Zeichnung wird zur reinen Linie, die die Formen bildet. ''Der Tanz'' gehört zu Matisse’ bekanntesten Werken. Bestimmt durch die Vereinfachung der Formen wird auch das Gemälde ''Blumenstrauß und Keramikteller'' aus dem Jahr 1911. Im [[Erster Weltkrieg|Ersten Weltkrieg]] wird seine Farbskala dunkler, die Reduktion auf geometrische Formen in Anlehnung an den Kubismus erreichte 1914 mit dem Bild ''Ansicht von Notre Dame'' ihren Höhepunkt und setzte sich bis 1918 fort. Die Farbe Schwarz spielt in den Kriegsjahren eine große Rolle, ein Beispiel ist das ''Türfenster in Colliure'', 1914.<ref>Volkmar Essers: ''Matisse'', S.&nbsp;32–44</ref> === Nizza-Periode (1917–1929) === Matisse widmete sich unter anderem dem Malen von [[Odaliske]]n in verschiedenen Positionen. Auch [[Porträt]]s, lichtdurchflutete Interieurs, [[Stillleben]], Landschaften standen im Zentrum seines Darstellungsinteresses. Seine Werke wiesen mehr naturalistische Züge auf als jemals zuvor. Indem Matisse seine fantasievolle Vorstellung real gestaltete, bewies er damit seinen Glauben an die Malerei als „Quelle ungetrübter Freude“.<ref>Lawrence Gowing: ''Matisse''. S.&nbsp;142&nbsp;f</ref> Die Liebe zur Farbe und zum Detail wird durch den oft außergewöhnlichen „[[Ornament (Bildende Kunst)|ornamentalen]] Hintergrund“ deutlich. Das Gemälde ''Dekorative Figur vor ornamentalem Hintergrund'' (1925/26) weist besonders die [[Emblematik|emblematischen]] Attribute seiner Malerei auf: eine Frau, Blumen und bunte Stoffe im Hintergrund. Es zählt zu den bedeutendste Werken der „Nizza-Periode“. Sein [[Modell (Kunst)|Modell]] war zu dieser Zeit Henriette Darricarrère. In Nizza dekorierte er sein Atelier mit Stoffbahnen, Teppichen und Vorhängen. Der mit Blumen übersäte Stoff erscheint noch bei weiteren Werken, beispielsweise in ''Zwei Odalisken'' (1927/28) und ''Odaliske mit Lehnstuhl'' (1928).<ref>{{internetquelle|autor=Karin Ego-Gaal|hrsg=Portal Kunstgeschichte.14. Mai 2006|url=http://www.portalkunstgeschichte.de/kunstgeschehen/?now=y&print=yes&id=1957|titel=Henri Matisse – Figur Farbe Raum|zugriff=18.&nbsp;März 2009}}</ref> === Periode erneuter Einfachheit (1929–1940) === Der Nizza-Periode folgte eine Periode erneuter Einfachheit. Matisse’ künstlerisches Streben konzentrierte sich auf die [[Harmonie]] zwischen der maximalen Entfaltungsmöglichkeit der Farbe und einer fortschreitenden [[Abstrakte Kunst|Abstraktion]] der gegenständlichen Form. Im Jahr 1929 reiste er in die USA und war dort Jurymitglied der 29.&nbsp;Carnegie International. Ein Jahr später reiste er nach [[Tahiti]], New York und [[Baltimore]], Maryland sowie nach Merion in [[Pennsylvania]]. [[Albert C. Barnes]] aus Merion, ein bedeutender Kunstsammler moderner Kunst, der bereits die größte Matisse-Sammlung Amerikas besaß, beauftragte den Künstler, ein großes Wandbild für die Kunstgalerie seines Wohnhauses anzufertigen. Matisse wählte ein Tanzthema, das ihn bereits seit seiner fauvistischen Phase eingenommen hatte. Das Wandbild ''[[Der Tanz (Gemälde)#Wandbild Der Tanz|Der Tanz]]'' existiert in zwei Versionen aufgrund eines Irrtums in den Maßangaben; es wurde im Mai 1933 installiert und wird gegenwärtig bei der [[Barnes Foundation]] ausgestellt. Die Komposition zeigt in ihrer Einfachheit tanzende Frauen in überaus starker Bewegung vor einem abstrakten, fast geometrischen Hintergrund. Bei den Vorarbeiten zum Wandbild wandte Matisse ein neues Verfahren an, indem er die Komposition aus ausgeschnittenen Teilen kolorierten Papiers zusammenfügte. Ab 1940 wurden die [[Scherenschnitt]]e zu Matisse’ bevorzugtem Ausdrucksmittel, eine Technik, die er bis zum Lebensende beibehielt.<ref>{{internetquelle|autor=Magdalena Dabrowski|hrsg=MoMA|url=http://www.metmuseum.org/toah/hd/mati/hd_mati.htm|titel=Henri Matisse|zugriff=18.&nbsp;März 2009}}</ref> === Periode der Beschränkung auf das Wesentliche (1940–1954) === Die Reduktion der Form bis hin zur [[Abstrakte Kunst|Abstraktion]] führte Matisse zur Betonung des dynamischen Elements. Um 1943 wurde wegen seiner schweren Erkrankung der [[Scherenschnitt]] zu einem Hauptausdrucksmittel in der Arbeit des Künstlers; um 1948 schloss Matisse ganz mit der Malerei ab. Er ließ von Assistenten Papierbögen mit [[monochrom]]er [[Gouache]]farbe bemalen, aus denen er seine Figuren und freien Formen ausschneiden konnte (gouaches découpées). Matisse nannte diese Technik „mit der Schere zeichnen“. Sie bot die Möglichkeit, Linie und Farbe zu verbinden und war daher die von ihm lange erstrebte Lösung seines Anliegens. In der Zeichnung konnte er einen Eindruck in wenigen Umrisslinien darstellen, wenn auch ohne Farbe. In der Malerei fehlte diese Spontanität. Wenn die Schere den Pinsel ersetzt und direkt in die Farbe einzeichnet, wird der Gegensatz von Farbe und Linie überwunden. Das Ergebnis – der Schnitt – ist schärfer als der gezeichnete Strich, hat also einen anderen Charakter.<ref>Juliane Bardt: ''Kunst aus Papier''. Olms, Hildesheim 2006, ISBN 978-3-487-13093-4, S.&nbsp;120</ref> 1947 wurde eine Folge von Scherenschnitten aus den Jahren 1943 bis 1944 als [[Künstlerbuch]] unter dem Titel ''[[Jazz (Henri Matisse)|Jazz]]'' veröffentlicht, die im Schablonendruck vervielfältigt worden waren. Der Titel spielt auf die Spontanität und Improvisation des Musikstils [[Jazz]] an. Zum Gebrauch der Linien schrieb Matisse in diesem Buch: {{Zitat|Das Lot bestimmt die vertikale Richtung und bildet zusammen mit seiner Gegenspielerin, der Horizontalen, den Kompaß des Zeichners. […] Um diese angenommene Linie entwickelt sich die „[[Arabeske (Ornament)|Arabeske]]“. Ich zog aus dem Gebrauch des Lots dauernden Nutzen. Die Vertikale ist in meinem Geist eingezeichnet, sie hilft mir, die Richtung meiner Linien genau zu bestimmen, und auch in meinen rasch hingeworfenene Zeichnungen ist keine Linie […] ohne Beziehung zur Vertikalen entstanden. – Meine Linien sind nicht verrückt.|Henri Matisse<ref>Henri Matisse: ''Farbe und Gleichnis'', S.&nbsp;96</ref>}} Hinzu kamen Entwürfe für Wandteppiche wie ''Polynesien – Der Himmel'' und ''Polynesien – Das Meer'', 1946. Die Ausgestaltung einer Kapelle, der [[Chapelle du Rosaire de Vence|Rosenkranzkapelle]], (auch Chapelle Matisse genannt), in [[Vence]], eingeweiht 1951, deren Glasfenster er ebenfalls in Scherenschnitten vorbereitet hatte, zeigt die erste [[Glasmalerei]] des Künstlers. Ein weiteres Beispiel ist die Serie ''[[Blauer Akt]]'' aus dem Jahr 1952; sie ist ausschließlich in Blau und Weiß gehalten und hat in seiner Abstraktion eine skulpturale Wirkung. == Das grafische Werk – Buchillustrationen == Matisse schuf Zeichnungen, Studien zu seinen Werken, in großer Anzahl. Sein Interesse an [[Grafik|grafischen]] Arbeiten begann um 1900, als er probeweise anfing zu [[Radierung|radieren]]. Das von seiner Tochter Marguerite Duthuit und seinem Enkel Claude Duthuit herausgegebene Werkverzeichnis der Druckgrafik beschreibt etwa 800 Arbeiten, wobei die zwischen 1908 und 1948 entstandenen rund 300 Radierungen und 300 [[Lithografie]]n aus den Jahren 1906 bis 1952 den Schwerpunkt bilden. Außerdem schuf er 62 Werke in [[Aquatinta]], 68 [[Monotypie]]n, 70 [[Linolschnitt]]e und aus der Frühzeit 1906/07 vier [[Holzschnitt]]e. Im Gegensatz zu Picasso verzichtete Matisse auf die Erprobung neuer Materialien und Techniken.<ref>{{internetquelle|autor=Gisela Fischer|hrsg=Galerie Boiserée, 200|url=http://www.boisseree.com/images/artists/Matisse/Katalog_Matisse.pdf|titel=Henri Matisse, Anmerkungen zum grafischen Werk|zugriff=19. April 2009}}</ref> Nach Ausbruch des [[Zweiter Weltkrieg|Zweiten Weltkriegs]] nahm Matisse’ grafische Arbeit einen größeren Raum ein, so entwarf er Illustrationen zu [[Henry de Montherlant]]s ''Pasiphaé'' (1944), [[Pierre Reverdy]]s ''Visages'' (1946), [[Soror Mariana Alcoforado|Mariana Alcaforados]] ''Lettres portugaises'' (1946), [[Charles Baudelaire]]s [[Les Fleurs du Mal]] (1947), [[Pierre de Ronsard]]s ''Florilège des Amours'' (1948) und [[Charles de Valois, duc d’Orléans|Charles d’Orléans]]’ ''Poèmes'' (1950). Diese Bücher waren meistens mit schwarz-weißen Illustrationen ausgestattet; im Unterschied hierzu versah er sein bekanntes Künstlerbuch ''[[Jazz (Henri Matisse)|Jazz]]'' aus dem Jahr 1947, in dem er seine Reflexionen über die Kunst und das Leben niederschrieb, mit farbigen Illustrationen.<ref>{{internetquelle|autor=|hrsg=Enzyklopädia Britannica|url=http://www.britannica.com/EBchecked/topic/369401/Henri-Matisse|titel=Henry Matisse|zugriff=24.&nbsp;März 2009}}</ref> == Das plastische Werk == [[Datei:1855 tigre de Barye.jpg|miniatur|Antoine-Louis Barye: ''Tiger, einen [[Gaviale|Gavial]] verschlingend'', 1855, [[Louvre]] ]] Mehr als die Hälfte von Matisse’ [[Skulptur]]en entstanden in den Jahren zwischen 1900 bis 1910. Er arbeitete oft in Serien, wobei er die Form über Jahre hinweg vereinfachte. Die erste dreidimensionale Arbeit von insgesamt 82, ''Jaguar, einen Hasen verschlingend'', entstand während seiner [[Bildhauerei|bildhauerischen]] Studien ab dem Jahr 1899. Sie weist nicht nur auf den Einfluss von [[Auguste Rodin]] hin, sondern ebenfalls auf [[Antoine-Louis Barye]], einen bekannten französischen Bildhauer, der für seine Tierskulpturen bekannt war. Matisse modellierte nach dessen Tiger-Bronze die ''Jaguar''-Skulptur, an der er von 1899 bis 1901 arbeitete. Die Skulptur ''Der Knecht'' entstand wie das gleichnamige Gemälde im Jahr 1900 und wurde 1903 beendet. Als Modell diente ihm der Italiener Bevilaqua, der schon für Rodin in dessen Werk ''Johannes der Täufer'' (1878) und ''Gehender Mann'' (1900) Modell gestanden hatte.<ref>{{internetquelle|autor=|hrsg=Baltimore Museum of Art|url=http://www.artbma.org/press/documents/MatisseSculptureFacts-WEB.pdf|titel=Henry Matisse Sculpture Facts|zugriff=6.&nbsp;April 2009}}</ref> Matisse setzte oft Motive seiner Plastiken in Gemälde um oder umgekehrt. Die Größe seiner Skulpturen entsprachen nicht wie bei traditionellen Bildhauern der Lebensgröße, sondern sie wurden in kleinerem Format angelegt. Im Jahr 1907 begann seine Arbeit am ''Liegenden Akt'', den er aus dem Gemälde ''Luxus, Stille und Begierde'' (1904–05) weiter entwickelt hatte. Das [[Sujet]] sollte ihn 30&nbsp; Jahre lang beschäftigen. Die Skulptur ''Zwei Negerinnen'' aus dem Jahr 1908 findet sich wieder auf seinem Stillleben von 1910, ''Bronze mit Früchten''. Cézannes Gemälde, ''Die drei Badenden'', 1899 erworben, diente Matisse zum Vorbild in Werken, die den Körper monumental abbilden, so wie beispielsweise in der [[Relief (Kunst)|Reliefserie]] der Rückenakte, die Matisse in den Jahren 1909 bis 1929 schuf. Die Inspiration zu der Serie ''Jeannette I&nbsp;–&nbsp;V'' von 1910 bis 1913 war ein früheres impressionistisches Gemälde, der Kopf der Jeanette wurde in den Fassungen mehr und mehr verfremdet. ''Jeanette V'' bildet eine Vorstufe zur körperlichen Abstraktion, die sich später, ab den 1930-er Jahren, in der Kunst ausbreitete. Die Anregungen durch die [[Primitivismus (Kunst)|primitive Kunst]] schlugen sich nicht wie bei Picasso in seinen Gemälden nieder, sondern seine Transformationen blieben in dieser Hinsicht auf das plastische Werk beschränkt.<ref>Lawrence Gowing: ''Matisse'', S.&nbsp;18&nbsp;f, 34, 72, 79&nbsp;f, 88&nbsp;f, 102</ref> Fast alle seine Skulpturen bestanden aus einer Edition von zehn Exemplaren, mit einer Ausnahme: Der ''Kleine dünne [[Torso]]'' aus dem Jahr 1929 existiert nur in drei Exemplaren. Matisse benutzte als [[Gießen (Verfahren)|Gusstechnik]] das Sand- und das [[Wachsausschmelzverfahren]]. Die meisten seiner [[Plastik (Kunst)|plastischen]] Werke wurden in späteren Jahren gegossen, als eine größere Zahl von Sammlern sich dafür interessierte. Die ''Rückenakte I&nbsp;–&nbsp;IV'', die zu den wichtigsten Matisse-Skulpturen gehören, wurden erst nach Matisse’ Tod auf Veranlassung seiner Erben gegossen. In den 1990-er Jahren ließen die Erben die meisten Originalformen vernichten, um weitere Editionen zu verhindern.<ref>Siehe Weblink matisse.net unter „Sculptures''</ref> == Kunsttheoretische Schriften == Unter den vier größten französischen Malern der ersten Hälfte des 20.&nbsp;Jahrhunderts – Matisse, Picasso, [[André Derain|Derain]] und [[Georges Braque|Braque]] – war Matisse der erste Theoretiker. Seine Schrift aus dem Jahr 1908, ''Notes d’un peintre'' ''(Notizen eines Malers)'', ging den publizierten Aussagen von [[Georges Braque|Braque]] und Picasso mit zeitlichem Abstand voraus. Obwohl Braques frühestes Interview (1908) im Jahr 1910 veröffentlicht wurde,<ref>Gelett Burgess: ''The Wild Men of Paris'', Architectural Record, Mai 1910, S.&nbsp;400–414</ref> kamen seine Texte erst im Jahr 1917 heraus.<ref>''Pensées et réflections sur la peinture''. Nord-Sud, Dezember 1917, S.&nbsp;3–5</ref> Picassos erste theoretische Aussage, ''Picasso speaks'',<ref>''Picasso speaks''. The Arts, Mai 1923, S.&nbsp;315–326</ref> kam im Mai 1923 heraus. In den ''Notizen eines Malers'' verdeutlichte Matisse die Hauptanliegen seiner Kunst: „Expression“ („Ausdruck und Aussage“), geistige Verarbeitung von Naturformen, Klarheit und Farbe. Ferner bekennt er in diesem Artikel seinen Glauben an die Kunst als Ausdruck der Persönlichkeit. Sie ist für ihn weder Darstellung einer „Imagination“ noch Mittler literarischer Vorstellungen, sondern er begründet sie auf der [[Intuition|intuitiven]] Synthese von Natureindrücken. In dieser Schrift lautet eine zentrale, oft zitierte Passage: {{Zitat|Ich träume von einer Kunst des Gleichgewichts, der Reinheit, der Ruhe, ohne beunruhigende und sich aufdrängende Gegenstände, von einer Kunst, die für jeden Geistesarbeiter, für den Geschäftsmann so gut wie für den Literaten, ein Beruhigungsmittel ist, eine Erholung für das Gehirn, so etwas wie ein guter Lehnstuhl, in dem man sich von physischen Anstrengungen erholen kann.|''Matisse – Über Kunst''. S.&nbsp;75}} Der zweite theoretische Text ''Notes d’un peintre sur son dessin'' ''(Notizen eines Malers über das Zeichnen)'' erschien im Jahr 1939 in ''Le Point''. In den Jahren nach 1930 schuf er viele Strichzeichnungen, die mit Bleistift oder Feder ausgeführt wurden; die Federzeichnungen entstanden, wie Matisse definierte, „erst nach Hunderten von Zeichnungen, nach Versuchen, Erkenntnissen, und Formdefinitionen; dann zeichnete ich sie mit geschlossenen Augen.“<ref>Volmar Essers: ''Matisse'', S.&nbsp;70</ref> == Rezeption == === Zeugnisse von Zeitgenossen === Der um sechs Jahre ältere Malerkollege [[Paul Signac]] kaufte im Jahr 1905 das von Matisse im [[Société des Artistes Indépendants|Salon des Indépendants]] ausgestellte Bild ''Luxus, Stille und Wollust''. Ein Jahr später mokierte sich der [[Neoimpressionismus|Neoimpressionist]] über Matisse’ im Salon ausgestelltes Werk ''Die Lebensfreude'': {{Zitat|Matisse, dessen Versuche ich bisher schätzte, scheint mir auf einen völlig falschen Weg geraten zu sein. Auf einem zweieinhalb Meter langen Bild hat er sonderbare Gestalten mit einer daumenstarken Linie umrissen. Dann hat er das Ganze mit glanzlosen, deutlich umgrenzten Farbtönen bedeckt, die, so rein sie sind, widerlich aussehen. Ah, diese hellrosa Töne. Das erinnert […] an den abscheulichsten ‚[[Cloisonismus]]‘ des seligen [[Louis Anquetin|Anquetin]] und an die bunten Ladenschilder der Eisen- und Kurzwarenhändler.|[[Paul Signac]]<ref>Volkmar Essers: ''Matisse'', S.&nbsp;19</ref>}} [[Gertrude Stein]], Matisse’ Förderin, beschrieb sein Gemälde aus dem Jahr 1907 ''[[Blauer Akt (Erinnerung an Biskra)]]'' und seine Intention folgendermaßen: {{Zitat|In diesem Bild führt Matisse zum erstenmal seine Absicht bewußt durch, die Linien des menschlichen Körpers zu verzeichnen, um dadurch den malerischen Wert der ungemischten Farben zu harmonisieren und zu vereinfachen, die er nur in Verbindung mit Weiß verwendete. Er benutzt diese systematisch verdrehte Zeichnung genau so, wie man in der Musik [[Dissonanz]]en, in der Küche Essig oder Zitrone benutzt […].|[[Gertrude Stein]]<ref>Volkmar Essers: ''Matisse'', S.&nbsp;20</ref>}} Matisse’ Schüler und Freund, der deutsche Maler [[Hans Purrmann]], organisierte im Jahr 1908 eine Ausstellung in Berlin in der Galerie von [[Paul Cassirer]]. Die Ausstellung stieß auf Kritik. Bei einem gemeinsamen Treffen mit [[Max Liebermann]] in der Galerie fürchtete dieser beim Anblick der Bilder „der Jugend Verderben“ und beschäftigte sich lieber mit seinem Dackel. „Pfefferkuchen-Malerei“ und „Tapete“ lauteten die Schlagworte jener Zeit über Matisse’ Malerei.<ref>Henri Matisse: ''Farbe und Gleichnis'', S.&nbsp; 137. Aus: ''Die Erinnerungen von Hans Purrmann'', in ''Werk'', 1946</ref> Wenige Jahre vor Matisse’ Tod äußerte sich Purrmann über dessen späte Lebensumstände: {{Zitat|[…] In geruhsamer, fast tragisch-mönchischer Einsamkeit verläuft sein Leben. Selbst über Mangel an Freunden hörte ich ihn klagen. Ihm fehlt die Unruhe, die anderen Menschen anhaftet, und doch ist er innerlich beständig im Kampf mit sich selbst. Einmal fand ich ihn beim Abschreiben von Gedichten in Zierschrift. Ich nahm an, er wolle die Gedichte illustrieren – nein. Er tat es, wie sein Geistlicher sein Brevier liest.|[[Hans Purrmann]]<ref>Henri Matisse: ''Farbe und Gleichnis'', S.&nbsp;154. Aus: ''Die Erinnerungen von Hans Purrmann'', in ''Werk'', 1946</ref>}} === Matisse und seine Modelle === Über Leben und Arbeit von Matisse gibt es zahlreiche Vorurteile – zum Beispiel, dass er mit seinen weiblichen [[Modell (Kunst)|Modellen]] Affären gehabt haben soll. [[Hilary Spurling]], die britische Matisse-Biografin, hat diese Vermutung ins Reich der Legende verwiesen. Sie schreibt, dass sich aus Briefen, Tagebucheinträgen und Berichten seiner Weggefährten ein anderes Bild ergäbe: „Sie alle beschrieben ein System mönchischer Strenge und Disziplin, und alle waren von Matisse’ unmenschlicher Norm der Selbstkasteiung bis an die Grenzen des Erträglichen getrieben worden“. Spurling hat mit allen noch lebenden Modellen ausführliche Gespräche geführt.<ref>{{internetquelle|autor=Katja Engler|hrsg=Welt am Sonntag Online, 25. Januar 2009|url=http://www.welt.de/wams_print/article3086241/Matisse-und-das-Geheimnis-der-Frau.html|titel=Matisse und das Geheimnis der Frauen|zugriff=4. April 2009}}</ref> === Beziehung zu Picasso === [[Datei:Pablo picasso 1.jpg|miniatur|hochkant|Pablo Picasso im Jahr 1962]] Matisse war der einzige zeitgenössische Künstler, den [[Pablo Picasso|Picasso]] als ebenbürtig ansah. Die respektvolle, doch auch von Rivalität geprägte künstlerische Beziehung zwischen diesen beiden Maßstäbe setzenden Künstlern des 20.&nbsp;Jahrhunderts wird von [[Françoise Gilot]] in ihrem Buch ''Matisse und Picasso &nbsp;–&nbsp; Eine Künstlerfreundschaft'' ausführlich gewürdigt. Matisse und Picasso – von Kunstkritikern oft als [[Antipode]]n bezeichnet – gingen in hochachtungsvoller Anerkennung miteinander um. „Im Grunde gibt es nichts als Matisse“, sagte Picasso. „Nur Picasso kann sich alles erlauben. Er kann alles verwirren. Entstellen, verstümmeln, zerstückeln. Er ist immer, er bleibt immer im Recht“, sagte Matisse. „Deshalb allein zum Beispiel ist Matisse Matisse: weil er die Sonne im Leib hat“, sagte Picasso.<ref>{{internetquelle|autor=Petra Kipphoff|hrsg=zeit.de, 5.&nbsp;November 2002|url=http://www.zeit.de/1982/45/Die-Sonne-im-Leib|titel=Die Sonne im Leib|zugriff=4.&nbsp;Mai 1982}}</ref> Ihre Gegensätzlichkeit zeigte sich in den grundlegenden Fragen nach dem Charakter des Bildes und nach dem Sinn der Kunst. Picasso wollte das dissonante, Matisse das harmonische Bild.<ref>{{internetquelle|autor=Uwe M. Schneede|hrsg=C. H. Beck, München 2001, ISBN 978-3-406-48197-0|url=http://books.google.de/books?id=yxprwMgfh2kC&pg=PA114&lpg=PA114&dq=Antipode+Picasso+Matisse&source=bl&ots=oP6_6WiCo_&sig=AObvqqIOtrAGE8czMJxEiZgS_Zk&hl=de&ei=piX8SbupGMmNsAblz6i5BA&sa=X&oi=book_result&ct=result&resnum=9|titel=''Die Geschichte der Kunst des 20. Jahrhunderts''|zugriff=8. Mai 2009}}</ref> Ihre Gegensätze treten in den folgenden Zitaten scharf hervor: „Die Malerei ist nicht dazu da, Wohnungen zu schmücken. Sie ist eine Angriffs- und Verteidigungswaffe“, sagte Picasso 1945 in einem Interview in „Lettres Françaises“. „Ein Gemälde an der Wand sollte wie ein Blumenstrauß im Zimmer sein“, äußerte Matisse sich wenige Monate später in derselben Zeitschrift. <ref>{{internetquelle|autor=Petra Kipphoff|hrsg=Zeit Online 10/93|url=http://www.zeit.de/1993/10/Odaliske-mit-Kapuzinerkresse?page=1|titel=Odaliske mit Kapuzinerkresse?|zugriff=28. März 2009}}</ref> Wird in diesem Zusammenhang die Vorgehensweise beider Künstler in ihren frühen Werken verglichen, so tritt ein fundamentaler Unterschied zutage. Picasso unterwarf das „Motiv“ seinem Gestaltungswillen, seiner gestalterischen Idee, dies drückte sich im [[Kubismus]] aus. Bei Matisse hingegen entsprang das Gestaltungskonzept der „Naturbeobachtung“, welche die „Gemütsbewegung“ auslöst, was sich im Fauvismus widerspiegelte. Andererseits wiederum stellt das Werk [[Paul Cézanne|Cézannes]] das beide verbindende Element dar. Picasso hatte dessen Gemälde studiert und äußerte später gegenüber dem Fotografen [[Brassaï]]: „Cézanne! Er war unser aller Vater!“<ref>{{internetquelle|autor=Bernard Grom|hrsg=Beckmann Verlag|url=http://books.google.com/books?id=_4SRBkDsaMkC&pg=PA173&lpg=PA173&dq=unser+aller+vater++picasso+cezanne&source=bl&ots=HisytqMkcm&sig=BPOkmOn4EfiTNxNXdWiWGWqkysI&hl=de&sa=X&oi=book_result&resnum=1&ct=result|titel=Menschen- und Weltbilder moderner Malerei S. 173|zugriff=6.&nbsp;November 2008}}</ref> Matisse hat in diesem Zusammenhang mit Cézanne, dessen Briefe er studierte, den Forscherinstinkt gemein, der danach strebt, ein voll und ganz „realisiertes“ Bild hervorzubringen. Dieses Suchen und Forschen, das die Schriften von Matisse wie ein roter Faden durchzieht, findet sich ganz ausgeprägt bei Cézanne.<ref>Matisse – Über Kunst, Hrsg. und Einleitungstext: Jack D. Flam, Diogenes Verlag, Zürich 1982</ref> === Einfluss auf den Abstrakten Expressionismus in den USA === Nachdem [[Mark Rothko]], ein Vertreter des [[Abstrakter Expressionismus|Abstrakten Expressionismus]], Ende der 1940-er Jahre im [[New York City|New Yorker]] [[Museum of Modern Art]] Matisse’ ''Red Studio'' (''Das rote Atelier'', 1911) gesehen hatte, war er vom Schaffen des französischen Künstlers sehr beeindruckt, und es beeinflusste wesentlich sein eigenes Werk. Wie Rothko einmal erzählte, habe er „Stunden um Stunden“ vor dem Gemälde sitzend verbracht. Im Todesjahr von Matisse, 1954, malte Rothko ''Homage to Matisse''; dieses Werk erzielte im November 2005 bei einer Auktion über 22 Millionen Dollar.<ref>{{internetquelle|autor=Carter B. Horsley|hrsg=thecityreview.com|url=http://www.thecityreview.com/f05cpw1.html|titel=Auctions Christies: Post-War and Contemporary Art, Mark Rothko|zugriff=14. April 2009}}</ref> Die amerikanischen Maler des Abstrakten Expressionismus wie [[Robert Motherwell]], [[Sam Francis]] sowie [[Frank Stella]] und der Farbfeldmaler [[Ellsworth Kelly]] sind ebenfalls vom Werk Matisse’ beeinflusst worden.<ref>{{internetquelle|autor=|hrsg=Zeit Online, 5.&nbsp;März 1993|url=http://www.zeit.de/1993/10/Das-Paradies-bei-Matisse-erklaert-sich-nicht-aus?page=1|titel=Das Paradies bei Matisse|zugriff=6.&nbsp;Mai 2009}}</ref> === Filme über Matisse === Der Schriftsteller [[Louis Aragon]] hatte Henri Matisse im Winter des Jahres 1941 kennengelernt, als er mit [[Elsa Triolet]] aus dem besetzten Teil Frankreichs nach Nizza geflohen war, um dort die gemeinsame Arbeit in der [[Résistance]] fortzusetzen. Es entstand eine tiefe Freundschaft, aus der heraus Aragons Buch über Matisse, ''Henri Matisse, roman'' entstand, das jedoch erst kurz nach Elsas Tod im Jahr 1971 vollendet werden konnte. Aragons Werk bildete mit der Mischung aus Autobiografie und Kunstkritik sowie Aufsätzen und Gedichten die Vorlage für den Filmemacher [[Richard Dindo]], der bereits Dokumentarfilme, unter anderem über [[Max Frisch]] und [[Arthur Rimbaud]], gedreht hatte. Dindo schildert in dem 52-minütigen Farbfilm ''Aragon, le roman de Matisse'' die Rückkehr an die Orte, wo Matisse gewohnt hatte. Eine gelungene Montage verdichtet Bilder und Töne zu einer filmischen Lektüre von Gemälden, Buch und authentischen Schauplätzen. Produktion: Lea Produktion, Zürich 2003, Regie Richard Dindo.<ref>{{internetquelle|autor=Marcy Goldberg|hrsg=Cinema, 4. Juni 2006|url=http://www.cinemabuch.ch/selection-cinema/aragon-le-roman-de-matisse-richard-dindo.html|titel=Aragon, le roman de Matisse|zugriff=15. April 2009}}</ref> Ferner wurden Filme gedreht, die als [[Videotechnik|Videofilme]] erhältlich sind und von verschiedenen Fernsehsendern ausgestrahlt wurden: [[Gero von Boehm]] drehte ''Henri Matisse – die Jahre in Nizza'', Fernsehmitschnitt: ARD, 4.&nbsp;Oktober 1988. ''Matisse – Picasso, eine unwahrscheinliche Freundschaft'' von Philippe Kohly aus dem Jahr 2002 ist ein französischer Filmbericht, Fernsehmitschnitt: 3sat, 20.&nbsp;Juli 2003. ''Henri Matisse – eine filmische Reise'' ''(Henri Matisse – un voyage en peinture)'', ein Filmporträt, wurde von Heinz Peter Schwerfel bearbeitet, Deutschland/Frankreich 2005, Fernsehmitschnitt: Arte, 10.&nbsp;Dezember 2005. Der anderthalbstündige Fernsehfilm ''Matisse & Picasso: A Gentle Rivalry'' entstand im Jahr 2000; er befasst sich mit den Porträts der zwei „Giganten“ in der Kunst des 20.&nbsp;Jahrhunderts. Er zeigt unter anderem selten veröffentlichte Fotografien ihrer Gemälde und Skulpturen sowie Fotos und Filme der beiden Künstler aus Archiven, die sie bei der Arbeit zeigen. [[Geneviève Bujold]] ist die Stimme von [[Françoise Gilot]], [[Robert Clary]] ist Matisse und [[Miguel Ferrer]] Picasso. Die mit einem nationalen [[Emmy]] ausgestattete Produktion stammt von KERA-Dallas/Fort Worth/Denton in Zusammenarbeit mit dem [[Kimbell Art Museum]], Fort Worth, [[Texas]].<ref>Quelle: siehe Weblink Film ''Matisse & Picasso''</ref> === Matisse auf dem Kunstmarkt === Matisse’ Werke erzielen oft Spitzenpreise bei [[Auktion]]en. Beispiele aus den letzten Jahren sind das Gemälde ''Geranium'' (1910), das 2007 bei [[Sotheby’s]] in New York für 9,5 Millionen Dollar versteigert wurde<ref>{{internetquelle|autor=|hrsg=Sotheby’s, 8. Mai 2007|url=http://www.sothebys.com/app/live/lot/LotDetail.jsp?lot_id=159457222|titel=Auction|zugriff=18. April 2009}}</ref> sowie das Gemälde aus dem Jahr 1911, ''Les coucous, tapis bleu et rose'', das im Februar 2009 auf der Versteigerung der Kunstsammlung des Modeschöpfers [[Yves Saint Laurent]] durch [[Christie’s]] in Paris den Rekordpreis für ein Matisse-Gemälde erzielte. Der Hammer fiel bei 35.905.000&nbsp;Euro.<ref>{{internetquelle|autor=|hrsg= Christie’s|url=http://mailchristies.com/LotFinder/lot_details.aspx?intObjectID=5157380|titel=Auction February 2009|zugriff=15. April 2009}}</ref> Unter den aktuell [[Gemälde#Auktionsrekorde bei Gemälden|zwölf teuersten Gemälden der Welt]] sind seine Werke im Gegensatz zu Arbeiten Picassos jedoch nicht zu finden. === Matisse in Alltag und Wissenschaft === Die Werke des Künstlers sind in der Gegenwart so beliebt, dass sowohl viele [[Poster]] mit Abbildungen seiner Werke angeboten werden als auch [[Puzzle]]s, beispielsweise das 1000-teilige Puzzle mit dem Werk ''[[Der Tanz (Gemälde)|Der Tanz]]''. Der Autohersteller [[Citroën]] stellt nicht nur ein Auto mit dem Namen seine Freundes und Antipoden ''Picasso'' her, sondern seit dem Jahr 2006 auch den ''C Matisse''. Matisse’ Name ist ebenfalls in der Musikszene vertreten: Im Jahr 1999 nannte sich eine alternative griechische [[Rockband]] in [[Athen]] Matisse, und in [[Troisdorf]] gibt es eine Musikkneipe gleichen Namens. Auf dem Planeten [[Merkur (Planet)|Merkur]] werden Krater nach verstorbenen bekannten Persönlichkeiten benannt, beispielsweise nach Künstlern, Malern, Schriftstellern und Musikern. Der Matisse-Krater ist nach Henri Matisse benannt; er hat einen Durchmesser von rund 210 Kilometern und liegt auf der Südhalbkugel des Merkur.<ref>{{internetquelle|autor=Stefan Deiters|hrsg=astronews, 24.&nbsp;Januar 2008|url=http://www.astronews.com/news/artikel/2008/01/0801-033.shtml|titel=Ein Matisse, der die Glocken klingen lässt|zugriff=2.&nbsp;Mai 2009}}</ref> == Ausstellungen, Museen (Auswahl) == [[Datei:Musée Matisse002.jpg|miniatur|hochkant|Das Musée Matisse in Le Cateau-Cambrésis]] [[Datei:Musée Matisse Nice.JPG|miniatur|hochkant|Das Musée Matisse in Nizza]] * Werke von Henri Matisse wurden in der [[Galerie 291]] (1908, 1910, 1912), der [[Armory Show]] (1913), auf der [[documenta 1]] (1955), der [[documenta II]] (1959) und der [[documenta III]] (1964) in [[Kassel]] gezeigt. * 1904: Erste Einzelausstellung bei [[Ambroise Vollard]], Paris * 1905: Gemeinschaftsausstellung im [[Salon d’Automne]], der Begriff [[Fauvismus]] wurde hier geprägt * 1910: Erste Ausstellung bei [[Bernheim-Jeune]], Paris * 1919/1920: Ausstellungen bei Bernheim-Jeune, Paris * 1931–1933: [[Retrospektive]]n in Berlin, Paris, Basel, New York * 1934/35: Mehrere Ausstellungen in der New Yorker Galerie seines Sohnes [[Pierre Matisse]] * 1945: Retrospektive im Salon d’Automne; gemeinsame Ausstellung mit Picasso in London * 1949: Ausstellung von Scherenschnitten und anderen neuen Werken im [[Musée National d’Art Moderne]], Paris * 1952: Eröffnung des Musée Matisse in seiner Heimatstadt Le Cateau-Cambrésis * 1953: Ausstellung der Scherenschnitte in der [[Heinz Berggruen|Galerie Berggruen]], Paris und der Skulpturen in London * 1963: Eröffnung des Musée Matisse in Nizza * 2002: ''Matisse – Picasso''. Tate Modern, London; Les Galeries Nationales du Grand Palais, Paris; Museum of Modern Art, New York * 2008/2009: ''Matisse – Menschen&nbsp;Masken&nbsp;Modelle'': Ausstellung in der [[Staatsgalerie Stuttgart]] und im [[Bucerius Kunst Forum]], Hamburg * 2009/2010: ''Matisse – Rodin, une rencontre entre deux maîtres de l’art moderne''. 12.&nbsp;Juni – 23.&nbsp;September 2009 im Musée Matisse, Nizza; 15.&nbsp;Oktober 2009 – 15.&nbsp;Februar 2010 im [[Musée Rodin]], Paris == Werke (Auswahl) == === Gemälde und Scherenschnitte, grafisches Werk === * 1894: ''Die Lesende'', Öl auf Leinwand, 61,5&nbsp;×&nbsp;47,9&nbsp;cm, [[Musée National d’Art Moderne]], [[Paris]] [http://www.daria.no/skole/doc/html/2518.doc-filer/image002.jpg Abb.] * 1897: ''Der gedeckte Tisch'', Öl auf Leinwand, 100&nbsp;×&nbsp;131&nbsp;cm, Sammlung [[Stavros Niarchos]] [http://www.henri-matisse.net/img_lightbox/dinner.jpg Abb.] * 1900: ''Der Knecht'', Öl auf Leinwand, 99,3&nbsp;×&nbsp;72,7&nbsp;cm, [[Museum of Modern Art]], [[New York City|New York]] [http://www.moma.org/explore/collection/provenance/items/images/377.75.jpg Abb.] * 1904/05: ''Luxus, Stille und Begierde'', Öl auf Leinwand, 94&nbsp;×&nbsp;117&nbsp;cm, Privatbesitz [http://www.mcs.csuhayward.edu/~malek/Matisse/matisse26.jpg Abb.] * 1905: ''Lebensfreude'', [[Barnes Foundation]], Merion [http://dl.lib.brown.edu/mjp/images/matisse/matisse.bonheur-vivre.06.jpg Abb.] * 1905: ''Frau mit Hut'', Öl auf Leinwand, 81&nbsp;×&nbsp;65&nbsp;cm, Privatbesitz [http://upload.wikimedia.org/wikipedia/en/f/fb/Matisse-Woman-with-a-Hat.jpg Abb.] * 1905: ''Offenes Fenster in Colliure'', Öl auf Leinwand, 52,7&nbsp;×&nbsp;46&nbsp;cm, Privatbesitz [http://www.almaleh.com/ecriture/signatures/matisse.jpg Abb.] * 1905: ''Der grüne Streifen. Bildnis Madame Matisse'', Öl auf Leinwand, 40&nbsp;×&nbsp;32,5&nbsp;cm, Statens Museum for Kunst, Kopenhagen [http://www.chess-theory.com/images1/01521_henri_matisse.jpg Abb.] * 1906: ''Orientalische Teppiche'', Öl auf Leinwand, 89&nbsp;×&nbsp;116,5&nbsp;cm, Musée de Peinture et de Sculpture, [[Grenoble]] [http://www.chess-theory.com/images1/08308_henri_matisse.jpg Abb.] * 1907: ''[[Blauer Akt (Erinnerung an Biskra)]]'', Öl auf Leinwand, 92&nbsp;×&nbsp;140&nbsp;cm, [[Baltimore Museum of Art]], [[Baltimore]] * 1907: ''Luxus I'', Öl auf Leinwand, 210&nbsp;×&nbsp;138&nbsp;cm, Musée National d’Art Moderne, Paris [http://www.chess-theory.com/images1/08315_henri_matisse.jpg Abb.] * 1908: ''Rote Harmonie'', Öl auf Leinwand, 180&nbsp;×&nbsp;200&nbsp;cm, [[Eremitage (Sankt Petersburg)|Eremitage]], [[Sankt Petersburg]] [http://www.chess-theory.com/images1/01531_henri_matisse.jpg Abb.] * 1909: ''Spanierin mit Tamburin'', [[Puschkin-Museum]], [[Moskau]] * 1909/10: ''[[Der Tanz (Gemälde)|Der Tanz]] (I und II)'', [[Museum of Modern Art]], New York und Eremitage, Sankt Petersburg * 1910: ''Bronze mit Früchten'', Öl auf Leinwand, 90&nbsp;×&nbsp;115&nbsp;cm, Puschkin-Museum, Moskau [http://www.morozov-shchukin.com/photos/matisse_bronze_et_fruits_copie.jpg Abb.] * 1911: ''Familienbildnis'', Öl auf Leinwand, 143&nbsp;×&nbsp;194&nbsp;cm, Eremitage, Sankt Petersburg [http://2.bp.blogspot.com/_99TmI8-qpfs/STfE-e7PpoI/AAAAAAAAHPI/sJlN32GhMOQ/s400/matisse.jpg Abb.] * 1911: ''Das rote Atelier'', Öl auf Leinwand, 181&nbsp;×&nbsp;219&nbsp;cm, Museum of Modern Art, New York [http://www.artchive.com/artchive/m/matisse/matisse_red_studio.jpg Abb.] * 1911: ''Blumenstrauß und Keramikteller'', Öl auf Leinwand, 93,3&nbsp;×&nbsp;82,5&nbsp;cm, [[Städel]]sches Kunstinstitut, [[Frankfurt am Main|Frankfurt a.M.]] [http://www.staedelmuseum.de/admin/ImageServer.php?ID=792@sm& Abb.] * 1914: ''Ansicht von Notre Dame'', Öl auf Leinwand, 147,3&nbsp;×&nbsp;94,2&nbsp;cm, Museum of Modern Art, New York [http://2.bp.blogspot.com/_CNDYYG6QySY/SaF6toJQFBI/AAAAAAAAA6A/v6_9b7s_kug/s400/300px-Henri_Matisse_-_View_of_Notre_Dame._Paris,_quai_Saint-Michel,_spring_1914.jpg Abb.] * 1917: ''Kopf Laurettes mit Kaffeetasse'', Öl auf Leinwand, 92&nbsp;×&nbsp;73&nbsp;cm, Kunstmuseum Solothurn, Dübi-Müller-Stiftung [http://presse.stuttgart-tourist.de/media/matisse_rdax_rdax_290x338.jpg Abb.] * 1919: ''Die Teestunde'', Öl auf Leinwand, 140&nbsp;×&nbsp;211,1&nbsp;cm, [[Los Angeles County Museum of Art]], [[Los Angeles]] * 1928: ''Odaliske mit Lehnstuhl'', Öl auf Leinwand, 60&nbsp;×&nbsp;73&nbsp;cm, Musée Nationale d’Art Moderne, Paris [http://wwwdelivery.superstock.com/WI/223/1158/PreviewComp/SuperStock_1158-1561.jpg Abb.] * 1932: ''[[Der Tanz (Gemälde)#Wandbild Der Tanz|Der Tanz]]'', Öl auf Leinwand, 356,8&nbsp;×&nbsp;1432,5&nbsp;cm, Wanddekoration für die Barnes Foundation in Merion * 1937: ''Dame in Blau'', Öl auf Leinwand, 93&nbsp;×&nbsp;73,6&nbsp;cm, [[Philadelphia Museum of Art]], [[Philadelphia]] * 1940: ''Der Traum'', Öl auf Leinwand, 80,9&nbsp;×&nbsp;64,7, Privatbesitz * 1946: ''Polynesien – Das Meer'', Scherenschnitt, 200&nbsp;×&nbsp;314&nbsp;cm, Musée National d’Art Moderne, Paris [http://www.greatmodernpictures.com/matisse04lg.jpg Abb.] * 1950: ''Zulma'', Scherenschnitt, 238,1&nbsp;×&nbsp;133&nbsp;cm, [[Staatliches Kunstmuseum Kopenhagen|Statens Museum for Kunst]], [[Kopenhagen]] * 1952: ''[[Blauer Akt]], Serie, Scherenschnitte * 1952: ''Der Papagei und die Sirene'', Scherenschnitt, 337 × 773&nbsp;cm, [[Stedelijk Museum]], [[Amsterdam]] * 1953: ''Die Schnecke'', Scherenschnitt, 286,3&nbsp;×&nbsp;287&nbsp;cm, [[Tate Gallery]], [[London]] * 1953: ''Die Trauer des Königs'', Scherenschnitt, 292&nbsp;×&nbsp;386&nbsp;cm, Musée National d’ Art Moderne, Paris * 1953: ''Die Schnecke'', Papierschnitt, 286,3&nbsp;×&nbsp;287&nbsp;cm, [[Tate Gallery]], London [http://www.tate.org.uk/adventcalendar/2007/artworks/T00540_henrimatisse.jpg Abb.] * '''Das zeichnerische und grafische Werk''' in einer Auswahl als PDF: [http://www.boisseree.com/images/artists/Matisse/Katalog_Matisse.pdf Galerie Boisserée] === Das bildhauerische Werk === * 1899–1901: ''Jaguar, einen Hasen verschlingend'', Bronze, 22,8&nbsp;×&nbsp;57,1&nbsp;cm, Privatbesitz [http://www.henri-matisse.net/img_lightbox/jaguar.jpg Abb.] * 1900–1903: ''Der Knecht'', Bronze, Höhe 92,3 cm, Sockel 33&nbsp;×&nbsp;30,5&nbsp;cm, Baltimore Museum of Art, Cone Collection [http://graphics8.nytimes.com/images/2007/12/20/arts/21126487.JPG Abb.] * 1906: ''Stehender Akt'', Bronze, Höhe 48,2&nbsp;cm, Privatbesitz * um 1909, 1914, 1916, 1930: ''Rückenakt I–IV'', Bronze, alle im Museum of Modern Art, New York [http://www.maviustun.com/images/matisse/800px-Matisse_-_left_to_right_%27The_Back_I%27,_1908-09,_%27The_Back_II%27,_1913,_%27The_Back_III%27_1916,_%27The_Back_IV%27,_c._1931,_bronze,_Museum_of_Modern_Art_(New_York_City).jpg Abb.] * 1910–1913: ''Jeanette I – V''. ''Jeanette V'': Bronze, Höhe 58,4&nbsp;cm, [[Art Gallery of Ontario]], [[Toronto]] [http://www.ago.net/assets/images/assets/artwork_detail/AGO__49-45.jpg Abb.] === Buchillustrationen === * 1932: [[Stéphane Mallarmé]]: ''Poésies'' Albert Skira, Lausanne * 1935: [[James Joyce]]: [[Ulysses]]. Macy, New York * 1944: [[Henry de Montherlant]]: ''Pasiphaé. Chant de Minos''. Fabiani, Paris * 1946: [[Tristan Tzara]]: ''Le signe de vie''. Bordas, Paris * 1947: [[Charles Baudelaire]]: ''[[Les Fleurs du Mal]]''. Bibliothèque française, Paris * 1947: Henri Matisse: ''[[Jazz (Henri Matisse)|Jazz]]''. Tériade, Paris. Deutsche Ausgabe: Hrsg. Katrin Wiethege; Neuausgabe von Prestel, München 2009, ISBN 978-3-7913-4278-8 * 1948: [[Pierre de Ronsard]]: ''Florilège des amours''. Albert Skira, Genf * 1950: Charles d’Orléans: ''Poèmes''. Verve, Paris == Literatur == === Primärliteratur === * {{Literatur|Autor=Henri Matisse|Titel=Farbe und Gleichnis|TitelErg=Gesammelte Schriften|Herausgeber=Peter Schifferli|Verlag=[[Fischer]]|Ort=Frankfurt am Main|Jahr=1960}} * {{Literatur|Autor=Henri Matisse|Titel=Über Kunst|Herausgeber=Jack D. Flam|Übersetzer=Elisabeth Hammer-Kraft|Originaltitel=On Art|Verlag=[[Diogenes Verlag|Diogenes]]|Sammelwerk=detebe 26077|Ort=Zürich|Jahr=1982|ISBN=978-3-257-21457-4|Kommentar=aktuelle Neuausgabe als ''«Diogenes Taschenbuch»'' 21457, Zürich 2005}} ** englische Originalausgabe: {{Literatur|Titel=Matisse on Art|Verlag=Phaidon|Ort=New York NY|Jahr=1973|ISBN=0-520-20032-2|Kommentar=Revided Edition in «Documents of Twentieth-century Art» by [[University of California Press]], Bercley CA 1993}} * {{Literatur|Autor=Henri Matisse|Titel=Zeichnungen und Gouaches découpées|Herausgeber=[[Staatsgalerie Stuttgart#Sammlung|Graphische Sammlung Staatsgalerie Stuttgart]], Stuttgarter Galerieverein|TitelErg=Text von Lydia Delectorskaya, Ortrud Dreyer, Ulrike Gauss|Übersetzer=Birgit Herbst, Françoise Joly|Verlag=Hatje Cantz|Ort=[[Ostfildern]]|Jahr=1993|ISBN=978-3-7757-0445-8|Kommentar=Ausstellungskatalog «Stuttgart 11. Dezember 1993 - 20. Februar 1994» deutsch / französisch / englisch}} * {{Literatur|Autor=Henri Matisse|Titel=Scherenschnitte|TitelErg=Text von Gilles Néret|Verlag=[[Taschen]]|Ort=Köln / London / Los Angeles / Madrid / Paris / Tokyo|Jahr=1994|ISBN=3-8228-8412-X}} * {{Literatur|Autor=Henri Matisse|Titel=Scherenschnitte|TitelErg=Text von Ralf Schiebler|Verlag=[[Schirmer/Mosel Verlag|Schirmer/Mosel]]|Ort=München|Jahr=1994|ISBN=3-88814-359-4}} * {{Literatur|Autor=Henri Matisse|Titel=Matisse Portfolio|Ort=Köln / London / Los Angeles / Madrid / Paris / Tokyo|Verlag=Taschen|Jahr=2003|ISBN=3-8228-2982-X}} * {{Literatur|Autor=Henri Matisse|Titel=Jazz|Herausgeber=Katrin Wiethege|Verlag=Prestel|Ort=München|Jahr=2005|ISBN=978-3-7913-3508-7}} === Sekundärliteratur === '''Biografische Gesamtdarstellungen''' * Volkmar Essers: ''Matisse''. Taschen, Köln 2006, ISBN 978-3-8228-6365-7 * Lawrence Gowing: ''Matisse'', Lichtenberg, München 1997, ISBN 3-7852-8406-3 * Gabriele Grepaldi: ''Henri Matisse'', DuMont, Köln 1998, ISBN 3-7701-4541-0 * Gilles Néret: ''Henri Matisse'', Taschen, Köln 1997, ISBN 3-8228-8217-8 * John Russell: ''Matisse, Father & Son.'' Harry N. Abrams, New York 1999, ISBN 0-8109-4378-6 * Pierre Schneider: ''Matisse.'' Rizzoli, New York 1984, ISBN 0-8478-0546-8 * Hilary Spurling: ''Matisse. Leben und Werk''. DuMont: ** einbändige Ausgabe: 700 S., 150&nbsp;s/w. Abb., 300 farb. Abb. Köln 2006 ISBN 978-3-8321-7704-1 ** zweibändige Ausgabe: im Schuber, zus. 1096 S., 320&nbsp;s/w. Abb., 60 farb. Abb. Köln 2007, ISBN 978-3-8321-7774-4 '''Lebensabschnitte''' * 1916–1930: Jack Cowart/Dominique Fourcade: ''Henri Matisse. The Early Years in Nice 1916–1930'', Ausstellungskatalog (2. November 1986–29. März 1987) der National Gallery of Art (Washington), Harry N. Abrams, New York 1986, ISBN 0-89468-097-8 * 1943–1948: Marie-France Boyer/Hélène Adant: ''Matisse in der Villa Le Rêve. (1943–1948)''. Benteli, Bern 2005, ISBN 3-7165-1390-3 * 1943–1954: Francoise Gilot: ''Matisse und Picasso. Eine Künstlerfreundschaft'', Kindler, München 1990, ISBN 3-463-40139-8 '''Augenzeugenberichte''' * Hans Purrmann: ''Über Henri Matisse''. In: Henri Matisse ''Farbe und Gleichnis. Gesammelte Schriften'', Hrsg. Peter Schifferli, Fischer Bücherei Nr.324, Fischer Bücherei KG, Frankfurt a.&nbsp;M. 1960, o. ISBN, S.&nbsp;121–154 '''Einzelaspekte des Werkes''' * Oliver Berggruen/Max Hollein (Hrsg.): ''Henri Matisse. Mit der Schere zeichnen. Meisterwerke der letzten Jahre'', Ausstellungskatalog, Prestel, München 2002 ISBN 3-7913-2798-4 * Xavier Girard/Sandor Kuthy: ''Henri Matisse 1869–1954 – Skulpturen und Druckgraphik – Sculptures et gravures'', Ausstellungskatalog (30. November 1990 – 10. Februar 1991), Kunstmuseum Bern/Musée des beaux-arts de Berne, Bern 1990, ISBN 3-7165-0768-7 * Ernst-Gerhard Güse (Hrsg.): ''Henri Matisse. Zeichnungen und Skulpturen'', Ausstellungskatalog zur Ausstellung im Saarland Museum Saarbrücken (12. Mai – 7. Juli 1991), Prestel, München 1991, ISBN 3-7913-1124-7 * Gotthard Jedlicka: ''Die Matisse Kapelle in Vence – Rosenkranzkapelle der Dominikanerinnen''. Suhrkamp, Frankfurt a.&nbsp;M. 1955 * Beatrice Lavarini: ''Henri Matisse: JAZZ (1943–1947). Ein Malerbuch als Selbstbekenntnis'', scaneg 2000 ISBN 3-89235-079-5. * Thomas Levy und Carl-Jürgen Tohmfor: ''Das Café du Dôme und die Académie Matisse''. Schimper, Schwetzingen 1988, ISBN 978-3-87742-033-1 * Annette Ludwig: ''Zauberfest des Lichts. Matisse in Marokko: Gemälde und Zeichnungen''. Insel Verlag, Frankfurt a.&nbsp;M. 2007 ISBN 978-3-458-19226-8 * Markus Müller (Hrsg.): ''Matisse – Picasso. Ihr künstlerischer Dialog im buchillustrativen Schaffen'', Ausstellungskatalog zur Ausstellung im [[Graphikmuseum Pablo Picasso Münster]] (18. Februar – 25. Mai 2005), Münster 2005 * Pia Müller-Tamm (Hrsg.): ''Henri Matisse. Figur/Farbe/Raum'', Ausstellungskatalog zur Ausstellung der Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen (29. Oktober 2005 – 19. Februar 2006), Hatje Cantz, Ostfildern-Ruit 2005, ISBN 3-7757-1600-9 * Henri Matisse/Nina Hollein/[[Max Hollein]]: ''Schnipp, Schnapp, Matisse''. Prestel 2002, ISBN 3-7913-2753-4. * Otfried Schütz: ''Henri Matisse. Die blauen Akte''. Insel, Frankfurt a.&nbsp;M. 1996, ISBN 3-458-33495-5 * Dania Thomas: ''Henri Matisse. ‚Der Tanz‘ und ‚Die Musik‘''. VDM-Verlag, Saarbrücken 2008, ISBN 978-3-8364-9561-5 * Ortrud Westheider: ''Matisse: Menschen Masken Modelle'', Hirmer, München 2008, ISBN 978-3-7774-4385-0 '''Wirkung und Rezeption''' * [[Alfred Barr|Alfred H. Barr]]: ''Matisse. His Art and his Public''. Erstausgabe 1951. Little, Brown & Co, Boston 1974, ISBN 0-87070-469-9 * ''Die große Inspiration. Deutsche Künstler in der Académie Matisse, Teil III'', Ausstellungskatalog, Kunst-Museum Ahlen 2004/05 '''Werkverzeichnis''' * Claude Duthuit/Marguerite Duthuit-Matisse (Hrsg.): ''Henri Matisse. Catalogue Raisonné de l’Œuvre Gravé''. Zwei Bände. Paris, 1983 * Claude Duthuit (Hrsg.): ''Henri Matisse. Catalogue Raisonné des Ouvrages illustrées''. Paris, 1988 * Claude Duthuit (Hrsg.): ''Henri Matisse. Catalogue Raisonné de l’Œuvre Sculpté''. Duthuit, Paris 1997, ISBN 2-904852-04-2 * Pierre Schneider/Massimo Carrà: ''Tout l’Œuvre peint de Matisse 1904–1928'', Paris 1982 == Weblinks == {{Commons|Henri Matisse}} * {{DNB-Portal|118578847}} * {{Kunstaspekte|690}} * {{BAM|Henri Matisse}} * [http://www.henri-matisse.net/ henri-matisse.net: Umfassende Webseite mit Biografie, Werk und Fotografien] (englisch) * [http://www.artcyclopedia.com/artists/matisse_henri.html Museen und Biografie] artcyclopädia (englisch) * [http://www.ibiblio.org/wm/paint/auth/matisse/ Matisse im Webmuseum Paris] * [http://www.musee-matisse-nice.org/ Musée Matisse, Nizza] * [http://www.xomreviews.com/matisse-picasso.com Film ''Matisse & Picasso'', 2000] == Einzelnachweise == <references /> {{Bildrechtshinweis}} {{Exzellent|5. September 2009|http://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Henri_Matisse&oldid=64019145}} {{Normdaten|PND=118578847|LCCN=n/79/54729|VIAF=42630086}} {{DEFAULTSORT:Matisse, Henri}} [[Kategorie:Henri Matisse| ]] [[Kategorie:Französischer Maler]] [[Kategorie:Französischer Grafiker]] [[Kategorie:Zeichner]] [[Kategorie:Künstler des Fauvismus]] [[Kategorie:Künstler (documenta)]] [[Kategorie:Geboren 1869]] [[Kategorie:Gestorben 1954]] [[Kategorie:Mann]] [[Kategorie:Person (Nizza)]] {{Personendaten |NAME=Matisse, Henri |ALTERNATIVNAMEN=Matisse, Henri Émile Benoît (vollständiger Name) |KURZBESCHREIBUNG=französischer Maler und Bildhauer |GEBURTSDATUM=31. Dezember 1869 |GEBURTSORT=[[Le Cateau]], Frankreich |STERBEDATUM=3. November 1954 |STERBEORT=[[Nizza]], Frankreich }} {{Link FA|ca}} [[an:Henri Matisse]] [[ar:هنري ماتيس]] [[arz:هينرى ماتيس]] [[az:Anri Matiss]] [[bat-smg:Henri Matisse]] [[be:Анры Маціс]] [[be-x-old:Анры Матыс]] [[bg:Анри Матис]] [[bn:অঁরি মাতিস]] [[bpy:অঁরি মাতিস]] [[br:Henri Matisse]] [[bs:Henri Matisse]] [[ca:Henri Matisse]] [[cs:Henri Matisse]] [[cy:Henri Matisse]] [[da:Henri Matisse]] [[el:Ανρί Ματίς]] [[en:Henri Matisse]] [[eo:Henri Matisse]] [[es:Henri Matisse]] [[et:Henri Matisse]] [[eu:Henri Matisse]] [[fa:هانری ماتیس]] [[fi:Henri Matisse]] [[fr:Henri Matisse]] [[fy:Henri Matisse]] [[gl:Henri Matisse]] [[he:אנרי מאטיס]] [[hif:Henri Matisse]] [[hr:Henri Matisse]] [[hu:Henri Matisse]] [[ia:Henri Matisse]] [[id:Henri Matisse]] [[io:Henri Matisse]] [[is:Henri Matisse]] [[it:Henri Matisse]] [[ja:アンリ・マティス]] [[ka:ანრი მატისი]] [[ko:앙리 마티스]] [[la:Henricus Matisse]] [[lad:Henri Matisse]] [[lb:Henri Matisse]] [[li:Henri Matisse]] [[lt:Henri Matisse]] [[lv:Anrī Matiss]] [[mk:Анри Матис]] [[ml:ഹെൻ‌റി മറ്റീസ്]] [[mn:Анри Матисс]] [[mwl:Henri Matisse]] [[new:हेन्री मतिसे]] [[nl:Henri Matisse]] [[nn:Henri Matisse]] [[no:Henri Matisse]] [[oc:Henri Matisse]] [[pag:Henri Matisse]] [[pam:Henri Matisse]] [[pl:Henri Matisse]] [[pms:Henri Matisse]] [[pt:Henri Matisse]] [[ro:Henri Matisse]] [[ru:Матисс, Анри]] [[sah:Анри Матисс]] [[scn:Henri Matisse]] [[sh:Henri Matisse]] [[simple:Henri Matisse]] [[sk:Henri Matisse]] [[sl:Henri Matisse]] [[sr:Анри Матис]] [[sv:Henri Matisse]] [[sw:Henri Matisse]] [[ta:ஹென்றி மட்டீஸ்]] [[th:อองรี มาตีส]] [[tr:Henri Matisse]] [[uk:Анрі Матісс]] [[uz:Henri Matisse]] [[vi:Henri Matisse]] [[vo:Henri Matisse]] [[war:Henri Matisse]] [[zh:亨利·马蒂斯]] [[zh-min-nan:Henri Matisse]] [[zh-yue:馬蒂斯]] nv7zw2kth54f83g1af98cw6kmqll7fp wikitext text/x-wiki Matrei in Osttirol 0 23908 26504 2010-05-04T21:40:09Z Herzi Pinki 0 einwohner geht automatisch {{Infobox Gemeinde in Österreich |Art = Marktgemeinde |Name = Matrei in Osttirol |Wappen = Wappen at matrei in osttirol.png |lat_deg = 47 | lat_min = 00 | lat_sec = 00 |lon_deg = 12 | lon_min = 32 | lon_sec = 24 |Lageplan = Matrei in Osttirol im Bezirk LZ.png |Lageplanbeschreibung = Karte: Lage Matreis im Bezirk Lienz |Bundesland = Tirol |Bezirk = Lienz |Höhe = 975 |Fläche = 277.8 |PLZ = 9971 |Vorwahl = 04875 |Kfz = LZ |Gemeindekennzahl = 70717 |NUTS = AT333 |Adresse = Rauterplatz 1<br/>9971 Matrei i.O. |Website = [http://www.matrei-ost.tirol.gv.at www.matrei-ost.tirol.gv.at] |Bürgermeister = [[Andreas Köll]] |Partei = <!-- [[Österreichische Volkspartei|ÖVP]] oder kurz ÖVP --> |Gemeinderatanzahl = 17 |Gemeinderat = 9<small> Gemeinsam für Matrei ([[ÖVP]])</small>, </br>8 <small>Matreier Liste-Oswald Steiner</small> |Wahljahr = 2010 |Bild1 = <!-- Hauptplatz.png (Bild wird innerhalb der Info-Box unter dem Abschnitt Politik angezeigt --> |Bildbeschreibung1 = <!-- Dieses Bild zeigt xxx von oben --> }} '''Matrei in Osttirol''' (bis ins 20. Jahrhundert: ''Windisch-Matrei'') ist eine [[Gemeinde (Österreich)|Marktgemeinde]] mit {{EWZ|AT|70717}} Einwohnern (Stand {{EWD|AT|70717}}) im [[Bezirk Lienz]] ([[Österreich]]) und mit einer Größe von 277,8&nbsp;[[Quadratkilometer|km²]] die zweitgrößte Gemeinde [[Tirol (Bundesland)|Tirols]]. Das Gemeindegebiet erstreckt sich über das gesamte [[Tauerntal]] und Teile des oberen [[Iseltal]]s. Der Markt Matrei selbst liegt etwa 29 km nördlich von [[Lienz]] an der Einmündung des [[Tauernbach]]es in die [[Iseltal|Isel]] und ist der wirtschaftliche, soziale, touristische sowie medizinische Mittelpunkt für den nördlichen Teil des Bezirks [[Lienz]]. Wirtschaftlich nimmt in der Gemeinde der Tourismus eine herausragende Stellung ein, wobei sich hier im Gegensatz zu großen Teilen Osttirols auch ein bedeutenderer Wintertourismus etablieren konnte. Des Weiteren ist die Bevölkerung insbesondere in Klein- und Mittelbetrieben oder der Landwirtschaft beschäftigt. ==Geografie== ===Lage === Matrei ist die größte Gemeinde Osttirols und liegt im Norden des Bezirkes Lienz. Das Gemeindegebiet umfasst die Hochgebirgslandschaft der [[Hohe Tauern|Hohen Tauern]] mit dem [[Tauerntal]] und dessen Nebentälern ([[Frosnitztal]], [[Landeggtal]], [[Gschlößtal]]) sowie das obere [[Iseltal]]. Zum Gemeindegebiet gehören Teile der [[Venedigergruppe]] und der [[Granatspitzgruppe]] mit einer Vielzahl von Bergen über 3000 m Höhe. Höchster Punkt des Gemeindegebietes ist der [[Großvenediger]] (3674 m über [[Meter über Adria|m&nbsp;ü.&nbsp;A.]]), der tiefste Punkt der Gemeinde befindet sich mit 814 m über [[Meter über Adria|m&nbsp;ü.&nbsp;A.]] in der Ortschaft Huben. === Gemeindegliederung === Die Gemeinde Matrei in Osttirol besteht aus zwei [[Katastralgemeinde]]n, der Katastralgemeinde ''Matrei in Osttirol Markt'' mit dem Ort Matrei selbst und der Katastralgemeinde ''Matrei in Osttirol Land''. ''Matrei in Osttirol Land'' umfasst hierbei: * im oberen [[Iseltal]] (von Nord nach Süd) die Ortschaften [[Kienburg (Gemeinde Matrei in Osttirol)|Kienburg]], [[Huben (Osttirol)|Huben]], [[Moos (Gemeinde Matrei in Osttirol)|Moos]], Feld, [[Mattersberg]], [[Klausen (Osttirol)|Klausen]], [[Seblas]] * im Umkreis vom Matrei (ausgehend von Nordosten im Uhrzeigersinn) die Ortschaften [[Glanz (Gemeinde Matrei in Osttirol)|Glanz]], [[Hinterburg (Gemeinde Matrei in Osttirol)|Hinterburg]], [[Klaunz]], [[Bichl (Gemeinde Matrei in Osttirol)|Bichl]], [[Waier (Gemeinde Matrei in Osttirol)|Waier]] und [[Ganz (Gemeinde Matrei in Osttirol)|Ganz]] * im unteren [[Virgental]] die Ortschaft [[Zedlach]] * und im [[Tauerntal]] (von Süden nach Norden) die Ortschaften [[Kaltenhaus]] (mit dem Weiler Stein), [[Prossegg]], [[Hinteregg (Gemeinde Matrei in Osttirol|Hinteregg]], [[Gruben (Gemeinde Matrei in Osttirol)|Gruben]], [[Berg (Gemeinde Matrei in Osttirol)|Berg]], Raneburg und Tauer === Flächennutzung === {| border="1" cellpadding="2" cellspacing="0" align="right" style="margin-left:1em;" |---- bgcolor="#CCCCCC" ! colspan="4" | Flächen- und Bodennutzung |---- bgcolor="#CCCCCC" |Bodenart||Größe (ha)|| % |---- bgcolor="#FFFFFF" |Ödland||12.300||43,9 |---- bgcolor="#FFFFFF" |Almen und Bergmähder||7.500||26,8 |---- bgcolor="#FFFFFF" |Wald||5.200||18,6 |---- bgcolor="#FFFFFF" |Wiesen und Ackerland||1.200||04,3 |---- bgcolor="#FFFFFF" |Ungenutztes Grünland||1.000||03,6 |---- bgcolor="#FFFFFF" |Weiden||500 ||01,8 |---- bgcolor="#FFFFFF" |Gewässer||160||00,6 |---- bgcolor="#FFFFFF" |Verkehrsflächen||140||00,5 |} Das Gemeindegebiet von Matrei in Osttirol umfasst etwa 27.800 Hektar. Durch die hochalpine Lage und den starken Anteil an den [[Hohe Tauern|Hohen Tauern]] können jedoch große Teile des Gebietes nicht genutzt werden, weshalb rund 44 Prozent des Gemeindegebiets [[Ödland]] sind. An zweiter Stelle rangieren [[Alm (Bergweide)|Almen]] und Bergmähder, die etwa 27 Prozent des Gemeindegebietes ausmachen. Auch [[Wald|Wälder]] spielen auf dem Gemeindegebiet von Matrei eine wichtige Rolle. Mit rund 19 Prozent liegt diese Nutzungsart an dritter Stelle. Alle anderen Flächenformen spielen anteilsmäßig eine relativ geringe Rolle. Wiesen umfassen 4,3 Prozent, ungenutztes [[Grünland]] 3,6 Prozent und Weiden 1,8 Prozent des Gemeindegebietes. Mit lediglich 0,6 Prozent bzw. 0,5 Prozent schlagen Gewässer und Verkehrsflächen zu Buche. === Nachbargemeinden === {{Nachbargemeinden | NORDWEST = [[Neukirchen am Großvenediger]] | NORD = [[Bramberg am Wildkogel|Bramberg]] /</br> [[Hollersbach im Pinzgau|Hollersbach]] | NORDOST = [[Mittersill]] /</br>[[Uttendorf (Salzburg)|Uttendorf]] | WEST = [[Prägraten am Großvenediger|Prägraten]] /</br> [[Virgen]] | OST = [[Kals am Großglockner]] | SUEDWEST = [[Sankt Veit in Defereggen]] | SUED = [[Hopfgarten in Defereggen]] | SUEDOST = [[Sankt Johann im Walde]] }} === Geologie === [[Bild:matrei_i_o.jpg|thumb|right|250px|Blick auf Matrei i.O.]] Matrei liegt an der Innenseite des [[Alpen|Alpenbogens]] bzw. Südseite der [[Hohe Tauern|Hohen Tauern]], wodurch das Hauptgestein der Matreier Gebirgslandschaft hauptsächlich aus [[Gneis]] und verschiefertem [[Granit]] besteht. Der Kamm und der Kern der Gebirge werden vom [[Tauernfenster]] gebildet. Der Zentralgneis des Tauernfensters wird dabei von einer Schieferhülle umhüllt. Diese Schieferhülle wird im nördlichen Gemeindegebiet im unteren Bereich von [[Kalkstein|kalkarmen]] oder kalkfreien Gesteinen, insbesondere [[Glimmerschiefer]] mit [[Granat]]en, dunklen [[Phyllit]]en, hellen [[Quarzit]]en, weißen [[Marmor]]zügen und dunklen [[Amphibol|Hornblenden]] gebildet. Südlich davon schließt an diese untere Hülle eine mehrere Kilometer breite obere bzw. äußere Hülle an, die sich von [[Raneburg]] im [[Tauerntal]] bis gegen Matrei erstreckt. Sie besteht aus kalkhaltigem Gestein wie gelblich und braun angewittertem Kalkglimmerschiefer und Kalkphylliten, die in der [[Bretterwandspitze|Bretterwand]] und am [[Ochsenbug]] als steil aufgestellte Platten („Bretter“) auftreten. Matrei selbst liegt in der sogenannten [[Matreier Zone]], einer schmalen Serie verschiedener Gesteine, die östlich von [[Kals am Großglockner|Kals]] bis durch das [[Virgental]] nach Westen reicht. Die Zone besteht dabei aus phyllitischen Steinen, [[Gips]], Quarzit, hellem [[Dolomit (Gestein)|Dolomit]] und dunklem [[Kalkstein|Kalk]], gelblich-braunem [[Rauhwacke]]n, [[Brekzie]]n sowie Gneisen und Grünschiefer. Südlich von Matrei schließt sich im [[Iseltal]] schließlich eine Zone des Altkristallins aus Hellglimmergneisen und –schiefer mit Übergangszonen zu Schiefergneisen und Phylliten an ([[Zunig]], Roter Kogel). === Berge === Durch die Lage innerhalb der Hohen Tauern ist das Gemeindegebiet Matreis von den zahlreichen Bergen geprägt. Die höchsten Erhebungen befinden sich im Matreier Anteil an der [[Venedigergruppe]]. Höchste Erhebung ist der [[Großvenediger]] (3.674&nbsp;m), gefolgt von der im Osten liegenden Gebirgskette mit dem [[Rainerhorn]] (3.559&nbsp;m), der [[Schwarze Wand (Venedigergruppe)|Schwarze Wand]] (3.506&nbsp;m), dem Hohen Zaun (3.451&nbsp;m) und der Kristallwand (3.310&nbsp;m) sowie im Süden folgend die Weißspitze (3.000&nbsp;m) und der [[Hoher Eichham|Hohe Eichham]] (3.371&nbsp;m). Die Venedigergruppe ist im Matreier Gemeindegebiet auch teilweise stark vergletschert. So befindet sich im Talschluss des [[Gschlößtal]]s mit dem Schlatenkees der größte Gletscher der Venedigergruppe. Das Gemeindegebiet Matreis umfasst neben der Venedigergruppe auch etwa die Hälfte der [[Granatspitzgruppe]] und einen kleinen Anteil an den [[Villgratner Berge]]n. Höchste Erhebungen der beiden Gebirgsgruppen sind auf Matreier Gemeindegebiet der [[Muntanitz|Große Muntanitz]] (3.232&nbsp;m) und der [[Zunig|Große Zunig]] (2.776&nbsp;m). Letzterer gilt auch als ein Hausberg der Matreier, weitere wichtige Hausberge der Matreier sind der Kristallkopf bzw. Ochsenbug (3.007&nbsp;m) und die [[Bretterwandspitze]] (2.868&nbsp;m). {{Großes Bild|Panorama Lasoerling.jpg|1024|Panorama vom Lasörling auf die [[Venedigergruppe]]}} === Flüsse === [[Image:Tauernbach bei Prossegg.jpg|250px|thumb|Tauernbach bei Proßegg unterhalb der Proßeggklamm]] Bestimmendstes Gewässer auf dem Gemeindegebiet ist der 18 Kilometer lange [[Tauernbach]] im [[Tauerntal]]. Hinzu kommen seine wichtigsten Zuflüsse im Oberlauf, der [[Gschlößbach]] im [[Gschlößtal]], der Landeggbach und der Frosnitzbach. Im Unterlauf nimmt der Tauernbach den Steiner Bach (mit dem bekannten Steiner Wasserfall) auf und durchfließt dann die Proseggklamm, die zu Beginn des 20. Jahrhunderts durch einen Wanderweg erschlossen wurde. Bestimmendster Fluss für den Markt Matrei selbst ist der [[Bretterwandbach]]. 1346 zerstörte er den Ort vollständig und verwüstete ihn später noch mehrmals. Er galt daher lange Zeit als einer der gefährlichsten Wildbäche Österreichs. Durch massive Verbauungen wurde er jedoch mittlerweile entschärft. Unterhalb von Matrei mündet der Tauernbach in die [[Isel]], die das südliche Gemeindegebiet prägt. Das Flusstal weist hier abwechslungsreiche Formationen auf und wird von der Iseltalstraße und einem Radweg begleitet. ==Geschichte== ''Hauptartikel:'' [[Geschichte Matreis in Osttirol]] === Matrei bis zum Mittelalter === Erste archäologische Funde auf dem Gebiet Matreis sind aus der frühen und mittleren [[Bronzezeit]] (um 22. bis 13. Jahrhundert v. Chr.) nachgewiesen. Am Matreier Klaunzerberg befand sich ein Schmelzplatz der Bronzezeit, an dem Keramikfunde gemacht wurden. Spätere Funde gibt es auch aus der jüngeren [[Eisenzeit]], wo typische Keramiken jener Zeit mit seicht eingestrichenen oder gestempelten Mustern bei Matrei (Weißenstein) ausgegraben wurden. Um 100 v. Chr. fiel der Osttiroler Raum an die [[Kelten]], mit denen das [[Römisches Reich|Römische Reich]] einen staatlichen Freundschaftsvertrag schloss. Als Osttirol mit Matrei schließlich an das Römische Reich fiel, spielte der Ort insbesondere als Ausgangspunkt in das kupferreiche Virgental und als Kreuzungspunkt des [[Saumpfad|Saumweg]]s über den Felber Tauern eine gewichtige Rolle. === Matrei im Mittelalter === [[Bild:Matrei St._Nikolaus.jpg|thumb|250px|St. Nikolauskirche (Matrei) aus dem späten 12. Jahrhundert]] Nach dem Untergang des Römischen Reiches wurde der Matreier Raum von den Alpenslawen besiedelt und in das slawische Reich [[Karantanien]] eingegliedert. Im 8. Jahrhundert geriet jedoch das slawische Reich an das [[Herzogtum Bayern]] und wurde von bairischen Kolonisten besiedelt und [[Christianisierung|christianisiert]]. 811 setzte sich das [[Erzbistum Salzburg]] als Diözesanherr durch, politisch gehörte Matrei im Mittelalter zunächst aber zum Kärntner [[Lurngau]]. Nach einer Phase als gräflicher Grundherrschaft erlangte 1212 das Salzburger Erzbistum die Herrschaft über das Matreier Gebiet. Durch die Zugehörigkeit zu Salzburg wurde Matrei jedoch in eine Randposition gedrängt, da es von den umliegenden Gebieten isoliert worden war. Spätestens in der zweiten Hälfte des [[13. Jahrhundert]]s erhielt Matrei auch das Marktrecht und Salzburg errichtete in Matrei eine Salzburger [[Urpfarre]]. Salzburg stellte in der Folge auch den größten Grundbesitzer in Matrei. Mitte des [[13. Jahrhundert]]s führte ein Streit zwischen [[Philipp von Spanheim]], Erzbischof von Salzburg, und Graf [[Meinhard I.|Meinhard III.]] von Görz, mehrmals zu Verheerungen des Matreier Gebietes, [[1252]] wurde der Konflikt durch den [[Friede von Lieserhofen|Frieden von Lieserhofen]] beigelegt. === Matrei in der frühen Neuzeit === [[Datei:Schloss Weissenstein.jpg|thumb|250px|Schloss Weißenstein]] Um 1616 gab es 30 Bürgerhäuser im Markt Matrei und die Lebensgrundlage des Marktortes blieb auch in der frühen Neuzeit die [[Landwirtschaft]]. 1592 gab es im Ort lediglich 18 [[Handwerk]]er und Gewerbetreibende, die [[Zunft|zunftmäßig]] organisiert waren. Weitere Verdienstmöglichkeiten waren der Erzbau, das Transportwesen und die Saisonarbeit im Sommer. Ausgelöst von massiven Steuererhöhungen Anfang des 16. Jahrhunderts kam es in Tirol und Salzburg zu [[Deutscher Bauernkrieg|Bauernaufständen]], an denen sich auch die Matreier 1525 beteiligten. Dadurch fiel Matrei kurzfristig an Tirol. Ab der Mitte des 16. Jahrhunderts wurde Matrei auch immer wieder von starken Ausbrüchen der [[Pest]] und anderen [[Epidemie]]n erschüttert. Willkürliche Steuererhöhungen sorgten zudem im 17. Jahrhundert immer wieder für Aufstände. Zum größten Aufstand kam es jedoch zur Zeit des [[Spanischer Erbfolgekrieg|Spanischen Erbfolgekriegs]]. Die [[Kleine Eiszeit]], der Niedergang des Erzabbaus sowie die Vermurung des Ortes sorgten für die Verarmung der Bevölkerung. Dadurch kam es 1703 auch zum Streit mit dem Salzburger [[Dompropst]], da sich die Matreier Bürger außerstande sahen die geforderten Steuern zu zahlen. === Matrei im 18. und 19. Jahrhundert === [[Image:Matrei_1826.jpg|thumb|250px|Matrei 1826 nach einem Aquarell des Gerichtsbeamten und Freizeitmalers Franz Burgschwaiger]] Wichtigstes Ereignis für die Matreier ab der Mitte des 18. Jahrhunderts war der Neubau des Pfarrhofs und der [[Matreier Pfarrkirche|Pfarrkirche St. Alban]]. Im Zuge der [[Koalitionskriege|napoleonischen Kriege]] beteiligten sich die Matreier 1797 an der Tiroler Abwehr des Franzoseneinfalls. Als 1805 Salzburg an das neue Kaiserreich Österreich fiel, wurde Matrei Teil Österreichs. Tirol war hingegen 1805 bayrisch geworden und 1809 fiel auch Salzburg nach der Niederlage Österreichs an Bayern. Nach der Niederlage der Tiroler am [[Bergisel]] drangen die Franzosen auch nach Osttirol vor, besetzten am 24. Dezember Matrei und sprachen es [[1811]] den neu geschaffenen [[Illyrische Provinzen|illyrischen Provinzen]] zu. 1813 endete die Herrschaft der Franzosen und [[Kaiser von Österreich|Kaiser]] [[Franz II. (HRR)|Franz I.]] ordnete daraufhin die Vereinigung Windisch-Matreis mit Tirol an. Die Angliederung Matreis an Tirol bewirkte insbesondere eine allmähliche Befreiung der Bauern und 1817 folgte eine Neueinteilung der Gemeinden, die im Wesentlichen den heutigen Zustand widerspiegelt. Allerdings wurden die neu geschaffenen Gemeinden Windisch-Matrei-Markt sowie Windisch-Matrei-Land erst 1938 zusammengelegt. Um 1860 basierte die Lebensgrundlage der Matreier Bevölkerung noch fast ausschließlich auf der Landwirtschaft. Wenig später kam der Tourismus als Erwerbsquelle hinzu. Insgesamt hatten sich die wirtschaftlichen Verhältnisse in der zweiten Hälfte des [[19. Jahrhundert]]s aber nicht wesentlich verändert. Zur alltäglichen Not kamen Ende des 19. Jahrhunderts aber auch schwere Katastrophen. Zunächst brannte die 1895 die Ortschaft Bichl nieder, noch im selben Jahr verwüstete der [[Bretterwandbach]] Matrei. [[1897]] wurde zudem fast der ganze Markt ein Raub der Flammen. === Matrei ab dem 20. Jahrhundert === [[Image:Matrei Ortskern.jpg|thumb|250px|Der Hintermarkt (Ortskern) in Matrei 2005]] Da eine Bahnlinie durch den Felbertauern zugunsten des Bahnprojekts [[Mallnitz]]-[[Bad Gastein]] ([[Tauernbahn]]) sowie eine Lokalbahn ab Lienz verworfen wurden, forcierte man zur Förderung des Tourismus den Straßenbau. Im politischen Bereich blieb die Dominanz konservativer Parteien nach dem [[Erster Weltkrieg|Ersten Weltkrieg]] erhalten, die [[Sozialdemokratische Partei Österreichs|Sozialdemokraten]] konnten hingegen in Matrei nicht Fuß fassen. Zu Beginn der 30er Jahre konnten jedoch die [[Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei|Nationalsozialisten]] einigen Zulauf erreichen. Wirtschaftlich gesehen wurde in der Zwischenkriegszeit der Tourismus immer wichtiger, ein weiterer Aufschwung blieb jedoch durch die fehlende Felbertauernstraße und die [[Tausendmarksperre]] aus. Nach dem Einmarsch [[Adolf Hitler|Hitlers]] übernahmen illegale Nationalsozialisten sowie neue Parteimitglieder die Macht. Die bereits geplante Zusammenlegung der Marktgemeinde mit der Landgemeinde wurde [[1938]] beschlossen, Osttirol kam jedoch gleichzeitig an den Gau Kärnten. Nach der Kapitulation erreichten die ersten alliierten Soldaten am [[8. Mai]] [[1945]] den Ort. Seit 1945 dominiert politisch die [[Österreichische Volkspartei|ÖVP]]. Die Angliederung Osttirols an Kärnten wurde 1947 rückgängig gemacht. Der Tourismus erlebte bereits 1948 einen Boom und in den 50er Jahren gelang es erstmals auch, den Wintertourismus in Matrei zu verstärken. Durch den Bau der [[Felbertauernstraße]] und den allgemeinen Tourismusboom steigerte sich die Bedeutung des Tourismus weiter, nach der Eröffnung des Goldried-Skigebietes konnten auch im Wintertourismus nachhaltige Erfolge erzielt werden. Durch die Gründung des [[Nationalpark Hohe Tauern|Nationalparks Hohe Tauern]] lenkte man die Zielrichtung hin zum sanften Tourismus, der jedoch durch das geplante [[Pumpspeicherkraftwerk Matrei-Raneburg]] gefährdet ist. Neben der lokalen Bevölkerung, die sich in einer Bürgerinitiative organisiert hat, sprechen sich von den Bezirksparteien [[Die Grünen (Österreich)|Grüne]], die [[Sozialdemokratische Partei Österreichs|SPÖ]] und die [[Freiheitliche Partei Österreichs|FPÖ]] gegen das geplante Kraftwerk aus. ==Bevölkerung== {| border="1" cellpadding="2" cellspacing="0" align="right" textalign="right" style="margin-left:1em;" |---- bgcolor="#CCCCCC" ! colspan="6" align="center" | Bevölkerungsverteilung 2001 |---- bgcolor="#CCCCCC" ! colspan="2" align="center" |'''Ortschaften <br />über 100 EW''' ||colspan="2" align="center" |'''Ortschaften <br />unter 100 EW''' |---- bgcolor="#FFFFFF" | Matrei (Markt) || 2.466 || [[Glanz (Gemeinde Matrei in Osttirol)|Glanz]]||96 |---- bgcolor="#FFFFFF" | [[Waier (Gemeinde Matrei in Osttirol)|Waier]] || 248 ||[[Mattersberg]] ||92 |---- bgcolor="#FFFFFF" | [[Hinterburg (Gemeinde Matrei in Osttirol)|Hinterburg]] || 242||[[Kienburg (Gemeinde Matrei in Osttirol)|Kienburg]]||90 |---- bgcolor="#FFFFFF" | [[Bichl (Gemeinde Matrei in Osttirol)|Bichl]] || 227|| [[Feld (Gemeinde Matrei in Osttirol)|Feld]]||78 |---- bgcolor="#FFFFFF" | [[Huben (Gemeinde Matrei in Osttirol)|Huben]] ||180|| [[Klausen (Gemeinde Matrei in Osttirol)|Klausen]]||58 |---- bgcolor="#FFFFFF" | [[Klaunz]]||166|| [[Berg (Gemeinde Matrei in Osttirol)|Berg]] ||54 |---- bgcolor="#FFFFFF" | [[Prossegg]]||159|| Gruben||36 |---- bgcolor="#FFFFFF" | [[Zedlach]] ||155 ||Raneburg || 18 |---- bgcolor="#FFFFFF" | [[Moos (Gemeinde Matrei in Osttirol)|Moos]] ||147 || Hinteregg||14 |---- bgcolor="#FFFFFF" | [[Ganz (Gemeinde Matrei in Osttirol)|Ganz]] ||132||Tauer ||10 |---- bgcolor="#FFFFFF" |[[Kaltenhaus]] ||126 || &nbsp;||&nbsp; |---- bgcolor="#FFFFFF" | [[Seblas]]||109 || &nbsp;||&nbsp; |} {| border="1" cellpadding="2" cellspacing="0" align="right" textalign="right" style="margin-left:1em;" |---- bgcolor="#CCCCCC" ! colspan="4" | Bevölkerungsentwicklung 1869 bis 2001 |---- bgcolor="#FFFFFF" |'''Jahr'''||align="center" |'''Bevölkerung'''||'''Jahr'''||align="center" |'''Bevölkerung''' |---- bgcolor="#FFFFFF" |1869||align="center" |2.372||1951||align="center" |3.104 |---- bgcolor="#FFFFFF" |1880||align="center" |2.328||1961||align="center" |3.430 |---- bgcolor="#FFFFFF" |1890||align="center" |2.297||1971||align="center" |4.003 |---- bgcolor="#FFFFFF" |1910||align="center" |2.310||1981||align="center" |4.293 |---- bgcolor="#FFFFFF" |1923||align="center" |2.301||1991||align="center" |4.521 |---- bgcolor="#FFFFFF" |1939||align="center" |2.650||2001||align="center" |4.903 |} ===Bevölkerungsentwicklung=== Von [[1869]] bis in die [[1920er|20er Jahre]] des [[20. Jahrhundert]]s nahm die Bevölkerung ab oder stagnierte. Seit der [[Volkszählung]] [[1923]] sind stetige Zuwächse zu verzeichnen, so auch zwischen den letzten beiden Volkszählungen [[1991]] und [[2001]] um 8,4 %. Eine leicht negative [[Wanderungsbilanz]] wird durch eine positive [[Geburtenbilanz]] wettgemacht. Bis [[2003]] erfolgte ein weiterer Zuwachs auf 4913 Einwohner. === Bevölkerungsstruktur === Die Verteilung zwischen der weiblichen und der männlichen Bevölkerung in der Gemeinde Matrei ist nahezu ausgewogen. Im Vergleich mit [[Tirol (Bundesland)|Gesamttirol]] liegt damit der Anteil der männlichen Bevölkerung deutlich höher, da im Bundesland der Anteil der weiblichen Bevölkerung insgesamt um 2,5&nbsp;% höher liegt als der männliche. Im Vergleich mit dem Bundesland Tirol hat sowohl die jüngere, als auch die ältere Bevölkerung Matreis einen höheren Anteil, möglicherweise ein Hinweis auf das berufliche [[Pendler|Auspendeln]] zahlreicher Matreier. [[Ausländer]] gibt es auf dem Gemeindegebiet kaum, rund 98&nbsp;% der Bevölkerung sind [[Österreichische Staatsbürgerschaft|österreichische Staatsbürger]]. Rund 2&nbsp;% kommen aus einem [[Europäische Union|EU]]-Land (EU-15). Auch eingebürgerte Menschen gibt es in der Gemeinde nur wenige, so wurden fast 97&nbsp;% der Wohnbevölkerung in Österreich geboren. Die Bevölkerung von Matrei i. O. ist mit rund 97&nbsp;% fast ausschließlich [[Römisch-katholische Kirche|römisch-katholisch]], weitere 1,6&nbsp;% sind [[Evangelische Kirche|evangelischen]] Glaubens. ==Politik== [[Bild:Gemeindeamt Matrei.jpg|thumb|Das Gemeindeamt Matreis]] Bei den Gemeinderatswahlen 2004 erreichte die der [[ÖVP]] nahestehende Liste „Gemeinsam für Matrei“ unter [[Bürgermeister]] [[Andreas Köll]] 54,6&nbsp;% der Stimmen (10 Mandate). Den zweiten Platz bei den Wahlen errang die „Liste für Arbeit und Wirtschaft“ mit 17,7&nbsp;% (3 Mandate) vor der „Unabhängigen Gemeinschaftsliste Matrei“ (UGM) mit 13,7&nbsp;% (2 Mandate). Jeweils ein Mandat errangen weiters die „[[Die Grünen (Österreich)|Grüne]] und unabhängige Liste Matrei“ (GUM) mit 8,7&nbsp;% und die Liste „[[Freiheitliche Partei Österreichs|FPÖ]] und Unabhängige für Matrei“ mit 5,3&nbsp;%. Gegenüber den Gemeinderatswahlen von 1998 konnte die Liste des Bürgermeisters um rund 6&nbsp;% zulegen, die UGM verlor hingegen die Hälfte ihres Stimmanteils, während die FPÖ-Liste nur noch ein Drittel ihres Stimmanteils erringen konnte. Alle anderen waren zum ersten Mal angetreten. Wie stark die ÖVP in Matrei verankert ist, zeigt ein Blick auf die Landtagswahlen von 2003, wo sie 73,99&nbsp;% der Stimmen erreichte. == Wappen == Das Gemeindewappen Matreis wurde bereits 1691 durch den Salzburger Dompropst verliehen. Dargestellt wird auf gelbem Grund ein [[Märtyrer]], der in seiner linken Hand ein Schwert, in der rechten seinen abgeschlagenen Kopf hält. Fälschlicherweise wird auf dem Gemeindewappen jedoch [[Alban von England]] (erkenntlich an seiner römischen Soldatenbekleidung) und nicht [[Alban von Mainz]] dargestellt. Alban von Mainz ist der tatsächliche Namenspatron der Pfarrkirche. == Wirtschaft und Infrastruktur == ''Zur Wirtschaftsgeschichte und der Geschichte des Schulwesens siehe:'' [[Geschichte Matreis in Osttirol]] === Tourismus === [[Image:Rauterplatz Matrei.jpg|right|thumb|250px|Der Rauterplatz mit dem gleichnamigen Hotel]] Der Tourismus wurde in Matrei insbesondere nach dem Zweiten Weltkrieg zu einem bedeutenden Wirtschaftsfaktor. Im Gegensatz zu vielen anderen Teilen Osttirols verfügt die Gemeinde aber durch das Anfang der 80er Jahre erschlossene Skigebiet [[Goldried]] über einen bedeutenden Anteil an Winternächtigungen. Hier wurde 1998 auch in eine neue [[Einseilumlaufbahn]] investiert. Wichtigstes Standbein ist jedoch der Sommertourismus, der mit der Gründung des Nationalparks „Hohe Tauern“ in eine sanfte Richtung gelenkt wurde. Neben dem Wandern (über 150 Dreitausender), ist Matrei auch bei Fliegenfischern ([[Isel]], [[Tauernbach]]) und Radfahrern (Iseltal-Radweg) beliebt. Matrei verfügt darüber hinaus über ein [[Freibad]], eine Reit- und Tennishalle, eine [[Minigolf]]anlage und ein regionales Kletterzentrum mit Kletterhalle. Derzeit werden circa 260.000 bis 300.000 Übernachtungen pro Jahr gezählt. === Industrie, Handel und Gewerbe === Innerhalb des Marktgebietes von Matrei liegen zahlreiche Handwerks- und Handelsbetrieben, vier Banken sowie ein Industriebetrieb mit mehr als 200 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Der Lebensmittelhandel hat sich hingegen vom Ortszentrum auf Grund der Parkplatzsituation an den Ortsrand verlagert. In der Katastralgemeinde Matrei-Land, insbesondere im Gewerbe- und Industriegebiet Seblas haben sich weitere Unternehmen angesiedelt. Darunter befindet sich eine Metallwarenfabrik (Tschojer Stahl), ein Heizungssystemerzeuger sowie Transportunternehmen, Seilbahnbauer, eine Zimmerei und weitere Betriebe. In den Ortschaften, Fraktionen und Weilern befinden sich daneben noch weitere Klein- und Mittelbetriebe. === Landwirtschaft === Nach dem Zweiten Weltkrieg erfuhr die Landwirtschaft Matreis einen tiefgehenden Wandel. Zwischen 1961 und 1977 sank der Anteil der bäuerlichen Bevölkerung von 40,1&nbsp;% auf 19,8&nbsp;%. Der Getreideanbau wurde praktisch aufgegeben. Während die Schweine-, Geflügel- und Ziegenhaltung seit dem frühen 19. Jahrhundert kontinuierlich zurückgingen, wurde die Rinderhaltung, insbesondere durch wachsende Betriebsgrößen, gesteigert. Ein Auf und Ab erlebte hingegen die Schafzucht, die nach einem starken Rückgang Mitte des 20. Jahrhunderts wieder Zuwächse verzeichnet. 1995 bestanden in Matrei noch 66 Vollerwerbsbetriebe, 75 Zuerwerbsbetriebe und 165 Nebenerwerbsbetriebe, wobei die wichtigste Wirtschaftsform die Viehzucht war und die Almwirtschaft im nördlichen Gemeindegebiet eine bedeutende Rolle spielt. Die Betriebsgröße der landwirtschaftlichen Betriebe liegte heute im Durchschnitt bei 10 bis 15 Stück Großvieh. === Bildung === Die Marktgemeinde Matrei ist ein wichtiges Schulzentrum für die nördlich Region Osttirols. Neben den drei Volksschulen in Matrei, Huben und [[Zedlach]] verfügt die Gemeinde über eine Hauptschule, eine Allgemeine Sonderschule mit Sonderpädagogischem Zentrum sowie eine Polytechnische Schule mit Werkstätten für „Metall“ und „Mechatronik". Auch die Landesmusikschule „Matrei-Iseltal“ befindet sich im Ort. === Verkehr und Infrastruktur === [[Bild:Felbertauern-gr.jpg|thumb|right|250px|Eingangsportal des [[Felbertauerntunnel]]s auf Matreier Seite]] Die wichtigste Verkehrsanbindung für die Gemeinde Matrei stellt die [[Felbertauernstraße]] (B 108) dar, die Matrei nach Norden über den mautpflichtigen [[Felbertauerntunnel]] mit [[Mittersill]] (Salzburg) sowie in Richtung Südwesten mit Lienz verbindet. Über den Felbertauerntunnel gelangen im Jahresschnitt täglich etwa 3.500 Kraftfahrzeuge in das Gemeindegebiet. Die Felbertauernstraße bildet auch die wichtigste Verbindung in die Nachbartäler, mit denen Matrei durch die Anschlüsse zur [[Virgental]]-Landesstraße (L 24), [[Defereggentalstraße]] (L 25) und die [[Kalser Straße]] verbunden ist. Öffentlich ist Matrei nur mit den [[Postbus (Österreich)|Postbussen]] erreichbar. Die Linie 4412 bindet die Gemeinde täglich bis zu elf Mal an die Bezirkshauptstadt Lienz an und wird weiter ins Virgental bis nach [[Prägraten am Großvenediger]] geführt. Die Linie 4414 wird ebenfalls von Lienz über die Felbertauernstraße in Richtung Matrei geführt, zweigt jedoch bei [[Huben (Osttirol)|Huben]] ins Defereggental ab und erreicht bis zu achtmal täglich den Ort [[Sankt Jakob in Defereggen|St. Jakob]]. Weiters wird die Linie 4408 von Lienz aus über Huben bis [[Kals am Großglockner]] geführt. Neben der verkehrstechnischen Infrastruktur führen auch zwei wichtige Energieversorgungsleitungen durch das Gemeindegebiet. Auf der einen Seite ist dies die [[Transalpine Ölleitung]] (TAL) [[Triest]]-[[Ingolstadt]], auf der anderen Seite eine 380-kV-Hochspannungsleitung. Beide werden über das Tauerntal nach Salzburg geführt. == Kultur und Sehenswürdigkeiten == === Sehenswürdigkeiten === Die wichtigsten Sehenswürdigkeiten stellen im Gemeindegebiet von Matrei die zahlreichen Kirchen und Kapellen dar. Wichtigste Vertreter sind dabei die klassizistische [[Matreier Pfarrkirche]], die romanische [[St. Nikolaus (Matrei)|St. Nikolauskirche]] und die ungewöhnliche Felsenkapelle im [[Gschlößtal]]. Auch der Ort [[Huben (Osttirol)|Huben]] verfügt mit der [[Herz Jesu Kirche (Huben)|Herz Jesu Kirche]] über einen größeren Kirchenbau. Insgesamt befinden sich auf dem Gemeindegebiet 41 Kirchen, Kapellen und [[Bildstock|Bildstöcke]]. Mit dem Museum „Medaria“ verfügt Matrei auch über ein eigenes Heimatmuseum mit einer Ausstellung zu kulturgeschichtlichen Gebrauchsgegenständen und einer Mineraliensammlung. === Bildende Kunst === [[Bild:Denkmal-Matrei.jpg|thumb|200px|Denkmal [[Virgil Rainer]]s vor dem Matreier Friedhof]] In Matrei wurden einige bedeutende Bildhauer geboren, die auch teilweise hier wirkten. [[Johann Patterer]] etwa stellte eine Figur für die Matreier Pfarrkirche her, [[Joseph Mattersberger]] wirkte hingegen vor allem im Ausland. Auch [[Jakob Wibmer]] stellte einige Skulpturen her, erlangte seine künstlerische Bedeutung jedoch ebenso wie [[Franz Burger (Maler)|Franz Burger]] durch die Malerei. Bekanntester bildender Künstler Matreis wurde jedoch der als Sohn des Mesners der St.-Nikolaus-Kirche geborene [[Virgil Rainer]], der durch seine Großplastiken bekannt wurde. Rainer schuf auch religiöse Werke für zahlreiche Tiroler Kirchen und Kriegerdenkmäler für die Jahre 1809 und 1918. Darunter befindet sich auch das Denkmal für die Freiheitskämpfer Panzl und Wallner vor dem Matreier Ortsfriedhof. Weitere Kunstwerke Rainers in Matrei sind der „Betende Heiland“ am Grab seines Vaters, das Gipsrelief „Tod des hl. Josefs“ in der Altersheimkapelle, sowie in der Pfarrkirche das Relief „Theresia von Lisieux“ und die Prozessionsfiguren „St. Antonius“, „St. Notburga“, „St. Alban“ und „Fatima-Muttergottes“. Auch der Matreier [[Fritz Tiefenthaler]] wurde durch verschiedene Werke bekannt. Er arbeitete mit [[Clemens Holzmeister]] zusammen und entwarf neben Denkmälern und Kirchen auch einige Münzen für die [[Münze Österreich]]. In Matrei selbst verewigte sich Tiefenthaler unter anderem mit einer Reliefwand am Schulgebäude, einem Denkmal an der Felbertauernstraße und einer Keramikarbeit an der Sparkasse. === Musik === In Matrei dominieren insbesondere die [[Volksmusik]] und [[Volkstümlicher Schlager|Volkstümliche Musik]]. Über Matrei hinaus bekannt wurde dabei insbesondere das Goldried-Quintett und der Matreier Viergesang. Darüber hinaus verfügt die Gemeinde auch über zwei Musikkapellen in Matrei und Huben, wobei die beiden Musikkapellen während der Sommermonate mehrmals Platzkonzerte für Einheimische und Touristen veranstalten. === Sport=== Mit der Sportunion Matrei verfügt die Gemeinde über einen großen Verein mit den Sektionen Fußball, Tennis, Judo, [[Ranggeln]], Schi, Stockschießen, Turnen und Laufen. Der Fußballverein Union Matrei spielt derzeit in der Unterliga West und trägt seine Heimspiele im örtlichen, neu erbauten Tauernstadion aus. Höchste je erreichte Spielklasse war die Kärntner Landesliga. Das Tauernstadion bietet 1000 überdachte Sitzplätze, eine Videowall, sowie einen Kunstrasentrainingsplatz. Neben dem alten Tauernstadion befindet sich auch eine Reit- und Tennishalle. Die Sektion Ski veranstaltete in den 90er Jahren auch [[Fédération Internationale de Ski|FIS]]-Rennen. Auch der Ort Huben verfügt mit der Sportunion Huben über einen eigenen Sportverein mit den Sektionen Fußball, Tennis, Turnen, Rodeln sowie Ski alpin und nordisch. Besonderes Augenmerk wird jedoch auf den Eishockeyverein UECR Huben gelegt welcher zurzeit in der Carinthian Hockey League aktiv ist (die Kärntner Landesliga und die Kärntner Eliteliga wurden kombiniert). In der Saison 2005/2006 wurde der Vizemeister-Titel in der Kärntner Landesliga erreicht. Die Höchste je erreichte Spielklasse war die Kärntner Eliteliga, welche in der Saison 1999/2000 gewonnen wurde. Eishockeyspiele werden auf der ortseigenen Kunsteisanlage in Huben bestritten. === Sonstiges Vereinswesen === Matrei verfügt neben den bereits genannten Vereinen über ein breites Spektrum des Vereinswesens. Wichtigste Vereine sind die [[Tiroler Schützen|Nationalschützenkompanie]], die [[Freiwillige Feuerwehr]] in Matrei und Huben, die Sektion Matrei in Osttirol des [[Österreichischer Alpenverein|Alpenverein]]s, [[Bergrettungsdienst]], [[Rotes Kreuz]], der Heimatkundliche Verein Medaria sowie zahlreiche weitere Chöre, Musik- und Tanzgruppen. == Persönlichkeiten == * [[Alois Mattersberger]] (Fernsehkoch) * [[Joseph Mattersberger]] (Bildhauer) * [[Virgil Rainer]] (Bildhauer) * [[Simon Stampfer]] (Mathematiker) * [[Anton Wallner]] und [[Johann Panzl]] (Freiheitskämpfer) * [[Tiefenthaler Fritz]] (Bildhauer) ==Literatur== * Michael Forcher (Red.): ''Matrei in Osttirol. Ein Gemeindebuch zum 700-Jahr-Jubiläum der ersten Erwähnung als Markt 1280-1980.'' Matrei 1980, 1996. * Katholischer Tiroler Lehrerverein (Hrsg.): ''Bezirkskunde Osttirol.'' Innsbruck 2001. ISBN 3-7066-2267-X == Weblinks == * {{Commons|Matrei in Osttirol}} * {{StatistikAustria|70717}} *[http://homepage.uibk.ac.at/~c62013/chronik/matrei/matrei.html LFU Innsbruck Matrei] {{Navigationsleiste Städte und Gemeinden im Bezirk Lienz}} {{Exzellent}} [[Kategorie:Osttirol]] [[Kategorie:Matrei in Osttirol]] [[bar:Matrei in Osttirol]] [[en:Matrei in Osttirol]] [[it:Matrei in Osttirol]] [[nl:Matrei in Osttirol]] [[ro:Matrei in Osttirol]] [[ru:Матрай (Восточный Тироль)]] [[sk:Matrei in Osttirol]] [[vo:Matrei in Osttirol]] smt4pxn9k28qjeq6qw7mfnilqiq6bnv wikitext text/x-wiki Agneta Matthes 0 23909 26505 2010-03-26T12:27:14Z Hoo man 0 [[Datei:Marken matthes agneta 1880.jpg|miniatur|Agneta Matthes um 1880]] '''Agneta Matthes''', mit vollem Namen: '''Agneta Wilhelmina Johanna van Marken-Matthes''' (* [[4. Oktober]] [[1847]] in [[Amsterdam]]; † [[5. Oktober]] [[1909]] in [[Delft]]), war eine [[Niederlande|niederländische]] [[Unternehmer]]in. Zusammen mit ihrem Mann [[Jacob van Marken]] (1845–1906) gehört sie als Anhängerin der [[Genossenschaftsbewegung]] zu den Personen in den Niederlanden, die frühzeitig die [[Soziale Frage]] thematisierten und in der Arbeiterfürsorge eine Möglichkeit sahen, [[Konfliktsoziologie|soziale Konflikte]] abzubauen. Nach ihr benannt ist der von den Eheleuten gestiftete [[Agnetapark]], eine gartenstadtähnliche [[Delft]]er Wohnsiedlung, die als herausragendste ihrer Art und ihrer Zeit in den Niederlanden gilt. == Leben == === Familie und Kindheit === Agneta Matthes war die Tochter des selbständigen Seeversicherungsagenten Jan Willem Frederik Matthes und seiner aus wohlhabendem Elternhaus stammenden Ehefrau Sara Hendrina ter Meulen. Sie hatte eine Schwester, Elisabeth Sara (1849–1902). Die beiden Mädchen wuchsen in großbürgerlichen Verhältnissen in Amsterdam auf und genossen die Erziehung „[[Höhere Tochter|höherer Töchter]]“, die sie auf ein Leben als Ehefrau und Mutter in der gehobenen niederländischen Gesellschaft vorbereitete. Agneta wurde von Privatlehrern unterrichtet und verbrachte die Jahre 1862 bis 1864 in einem [[Utrecht]]er [[Mädchenpensionat]]. Zurück in Amsterdam erhielt sie Klavier-, Tanz- und Zeichenunterricht und nahm Religionsunterricht, um ihrem eigenen Wunsch gemäß Aufnahme in die ''Waalse kerk'' („Wallonische Kirche“) zu finden.<ref name="inghist">[http://www.inghist.nl/Onderzoek/Projecten/BWN/lemmata/bwn4/matthes Biografisch Woordenboek van Nederland: ''Matthes, Agneta Wilhelmina Johanna (1847-1909)''].</ref> Ihre Schwester, die Nora gerufen wurde, heiratete 1876 den [[Zionismus|Zionisten]] und Politiker [[Arnold Kerdijk]] (1846–1907), Mitbegründer der linksliberalen niederländischen Partei [[Vrijzinnig Democratische Bond]] und von 1887 bis 1901 Mitglied der [[Tweede Kamer|Zweiten Kammer]] im niederländischen Parlament, der ähnlich progressiv-liberale Ideen vertrat wie Agneta und ihr späterer Ehemann.<ref>[http://www.jodeninnederland.nl/id/P-638 Joods Biografisch Woordenboek: ''Arnoldus Kerdijk''].</ref> Elisabeth Sara und Arnold wohnten an der Spoorsingel in Delft und hatten vier Kinder. Agneta pflegte zeitlebens ein enges Verhältnis zu ihnen; Nora nannte ihre erstgeborene Tochter nach ihrer Schwester „Agnita“. === Heirat und Ehe === [[Datei:Marken matthes echtpaar 1890.jpg|miniatur|Die Eheleute van Marken um 1890]] Bei einer [[Soirée]] lernte Agneta 1865 den zwei Jahre älteren Jacob Cornelis van Marken, genannt ''Jacques'', kennen, der in Delft an der Polytechnischen Schule, der Vorläuferin der [[Technische Universität Delft|Technischen Universität Delft]], [[Technologie]] und [[Soziologie]] studierte. Van Marken kam aus keinem elitären oder wohlhabenden, aber doch gut bürgerlichen Elternhaus; sein Vater war evangelischer [[Geistlicher]] in [[Dordrecht]] und später [[Amsterdam]]. Nachdem Agnetas Eltern ihr Einverständnis gegeben hatten, verlobte sich das Paar 1866. Nach Abschluss seines Studiums 1867 trat van Marken in die Dienste der ''Photogenischen Gasfabriek'' in [[Amsterdam]], träumte indes von einem eigenen Unternehmen.<ref name="inghist">[http://www.inghist.nl/Onderzoek/Projecten/BWN/lemmata/bwn4/matthes Biografisch Woordenboek van Nederland: ''Matthes, Agneta Wilhelmina Johanna (1847-1909)''].</ref> Während seines Studiums hatte er eine Studienreise nach [[Österreich-Ungarn]] unternommen und eine neue Methode zur Herstellung von [[Backhefe]] kennen gelernt, die ihn faszinierte. Als er in Delft Klagen eines Bäckers über die wechselnde Qualität und schlechte Verfügbarkeit der in den Niederlanden erhältlichen Hefe hörte, erinnerte er sich dieser Methode und beschloss, Backhefe industriell und in gleichbleibend hoher Qualität herzustellen. In jener Zeit stellte die Hefeproduktion in den Niederlanden eine Nebenaktivität [[Schiedam]]er [[Genever]]-Brennereien dar, die am Ende des Gärungsprozesses unregelmäßig und in unterschiedlicher Beschaffenheit anfiel, was die Bäcker in ihrer Backwaren-Produktion behinderte. Van Marken reiste erneut nach Wien, wo er sich über die später als „Wiener Verfahren“ bezeichnete neuartige Herstellungsweise kundig machte und im Verlauf seiner Untersuchungen feststellte, dass die Stämme der ''[[Saccharomyces cerevisiae]]'' für seine geplanten Zwecke am besten geeignet waren.<ref name="inghist">[http://www.inghist.nl/Onderzoek/Projecten/BWN/lemmata/bwn4/matthes Biografisch Woordenboek van Nederland: ''Matthes, Agneta Wilhelmina Johanna (1847-1909)''].</ref> In dieser Zeit seiner Abwesenheit führten die Verlobten einen intensiven Briefwechsel, der neben allgemeinem privatem Informationsaustausch und gegenseitigen Sympathiebekundungen auch unternehmerische und soziale Fragen beinhaltete, zum Beispiel, wie man sich in das Verhältnis Arbeitgeber zu Arbeiter hineindenken könne (wörtlich: „hoe zij zich de verhouding patroon werkman indenken“<ref>[http://www.gb-plange.com/content/view/6/529/ Wörtlich aus einem Brief Agnetas an ihren Verlobten].</ref>), was das Interesse des Paares an der damals neuen Wissenschaft der [[Soziologie]] und Agnetas Beteiligung an den unternehmerischen Aktivitäten ihres späteren Ehemannes von Anfang an zeigte.<ref name="gist">[http://www.gb-plange.com/content/view/6/529/ Archiv der ''Nederlandsche Gist- & Spiritusfabriek NV'' von Gist Brocades NV in Delft].</ref> Agneta begann, Privatunterricht in Betriebs- und Volkswirtschaft, Unternehmensführung und Soziologie zu nehmen und beteiligte sich intensiv an den Vorbereitungen zur Betriebsgründung sowie der Festlegung des künftigen Arbeitsablaufs.<ref name="gemeentedelft">[http://wwwnew.gemeentedelft.info/gvscriptvk/dspage.asp?pageid=19&objectid=8280 Gemeinde Delft: ''Agneta W.J. Matthes''].</ref> Am 7.&nbsp;Oktober 1869 heiratete das Paar, kurz bevor die erste Hefefabrik der Niederlande, die ''Nederlandsche Gist- & Spiritusfabriek NV'', die heute Teil des international tätigen chemischen Konzerns [[Koninklijke DSM]] ist, mit der finanziellen Unterstützung von van Markens Vater und einem Darlehen des Bankhauses Mees & Zoonen (heute zur [[Fortis (Unternehmen)|Fortis-Gruppe]] gehörig) gegründet werden und ihre Produktion in Delft aufnehmen konnte. Mit dem Produktionskonzept dieser Fabrik wird Jacques von Marken heute zu den niederländischen Pionieren der Entwicklung industrieller Nahrungsmittelproduktion gezählt.<ref name="inghist">[http://www.inghist.nl/Onderzoek/Projecten/BWN/lemmata/bwn4/matthes Biografisch Woordenboek van Nederland: ''Matthes, Agneta Wilhelmina Johanna (1847-1909)''].</ref> Die Eheleute Jacques van Marken und Agneta van Marken-Matthes wurden am 10.&nbsp;November 1869 in das Delfter Bevölkerungsregister eingetragen. Ihre erste gemeinsame Wohnung war das bescheidene [[Gracht]]enhaus an der Oude Delft&nbsp;106. In der Folge zogen sie in kurzen Abständen in jeweils bessere Wohnhäuser um, 1871 nach Noordeinde&nbsp;30, kurz darauf (das Datum dieses Umzugs ist im Bevölkerungsregister nicht vermerkt) in die Phoenixstraat&nbsp;52, am 21.&nbsp;Mai 1880 in das Nachbarhaus mit der Hausnummer&nbsp;54. Alle Häuser stehen noch und unterliegen heute dem [[Denkmalschutz]]. Am 3.&nbsp;Juni 1885 zog das Paar ein letztes Mal um, in ihre eigene großzügige Villa im [[Agnetapark]] in der Gemeinde Hof van Delft.<ref name="gemeentedelft">[http://wwwnew.gemeentedelft.info/gvscriptvk/dspage.asp?pageid=19&objectid=8280 Gemeinde Delft: Agneta W.J. Matthes].</ref> Nachdem die junge Ehefrau wenig später erfahren hatte, dass ihre Ehe kinderlos bleiben würde (die genauen medizinischen Umstände sind nicht überliefert), entschied sie, ihr Leben dem Geschäft und der Karriere ihres Mannes zu widmen und beteiligte sich noch aktiver am Aufbau und der Leitung des Betriebes. Sie begleitete ihren Mann täglich in die Firma, wo sie ihr eigenes Büro hatte und mit dem Unterricht bei ihrem Privatlehrer fortfuhr. Neben der Erledigung von Verwaltungstätigkeiten lag ihr Hauptinteresse auf personalpolitischen Fragen. Sie pflegte einen intensiven Kontakt zu den Arbeitern und Angestellten der Fabrik und deren Familien. Dabei appellierte sie an deren Gemeinschaftsgefühl und versuchte sie zu überzeugen, Teil „eines großen Ganzen“ zu sein.<ref name="hofland">Hofland: ''Van Marken en de Delftsche Nijverheid.'' S. 63.</ref> Agneta Matthes teilte die Fortschrittsgläubigkeit ihres Mannes, ebenso, wie beide von der persönlichen Entwicklungsfähigkeit ihrer Mitarbeiter überzeugt und diese zu fördern bestrebt waren.<ref name="hofland">Hofland: ''Van Marken en de Delftsche Nijverheid.'' S. 63.</ref> === Mätresse und Kinder Ihres Mannes === [[Datei:Marken en Eringaard familie 1904 .jpg|miniatur|links|300px|Das Ehepaar van Marken 1904 mit den unehelichen Kindern Jacques van Markens. Von li. n. re.: Jacob Cornelis Eringaard (Sohn), Clara Eringaard (Tochter) mit Ehemann, E.J.W. Johanknegt (Ehefrau von Cornelis), Erry Anna Eringaard (Tochter), Agneta van Marken-Matthes, Jacques van Marken und eine namentlich unbekannte Kinderfrau]] Als Jacques van Marken 1886 in Frankreich zur Kur war und Agneta Matthes seine Geschäfts- und Privatpost öffnete, fand sie einen Brief einer Maria Eringaard, die die fälligen [[Alimente]] für ihre Kinder anmahnte. Agneta Matthes fand heraus, dass ihr Mann 1871 mit der damals 15-jährigen Maria Eringaard aus Rotterdam eine außereheliche Verbindung eingegangen war, die bis dato anhielt und aus der bislang vier Kinder hervorgegangen waren. Agneta Matthes sorgte diskret für eine Lösung der finanziellen Problematik und verschwieg ihrem Mann ihre Kenntnis, bis 1889 sowohl die 36-jährige Kindesmutter, die inzwischen ein fünftes Kind geboren hatte, als auch zwei ihrer Kinder an [[Tuberkulose]] erkrankten und bald darauf starben. Van Marken war nun mit dem Problem konfrontiert, was mit seinen drei überlebenden Kindern geschehen sollte. Sohn Cornelis und Tochter Clara waren bereits Jugendliche, die weitere Tochter Erry Anna aber noch ein Kleinkind. Agneta Matthes bot ihrem Mann an, die Kinder aufzunehmen und zu erziehen, was auch geschah. Offiziell handelte es sich um Pflegekinder, die das Paar zu sich genommen hatte. Die Vaterschaft van Markens war allerdings ein offenes Geheimnis in der holländischen Gesellschaft.<ref name="inghist">[http://www.inghist.nl/Onderzoek/Projecten/BWN/lemmata/bwn4/matthes Biografisch Woordenboek van Nederland: ''Matthes, Agneta Wilhelmina Johanna (1847-1909)''].</ref> Eine Adoption der Kinder, die van Marken mit dem Einverständnis seiner Frau anstrebte, scheiterte an dem [[Veto]] seines religiösen Vaters, der –&nbsp;trotz der engen Bindung, die er zu seinem Sohn unterhielt&nbsp;– dessen außereheliche Verbindung scharf verurteilte und seine damals erforderliche rechtliche Zustimmung verweigerte.<ref name="gemeentedelft">[http://wwwnew.gemeentedelft.info/gvscriptvk/dspage.asp?pageid=19&objectid=8280 Gemeinde Delft: Agneta W.J. Matthes].</ref>,<ref>Eine staatsrechtlich gültige Adoption war in den Niederlanden von 1838 bis 1956 nicht vorgesehen. Nach der Abschaffung des 1818 bis 1838 gültigen [[Code civil|Code Napoléon]] konnte nur [[Kirchenrecht]] angewendet werden, bis 1956 ein Adoptionsgesetz ''(adoptiewet)'' eingeführt wurde. </ref> Jacob Cornelis Eringaard, van Markens ältester unehelicher Sohn, der später die Gist- & Spiritusfabriek leitete, verfolgte auch die sozialen Interessen seines Vaters und dessen Frau weiter. Er verfasste eine Reihe einschlägiger Abhandlungen, zum Beispiel J.C. Eringaard: ''Holländische Musterstätten persönlicher Fürsorge von Arbeitgebern'' (Delft 1896). Im ''Utrechts Nieuwsblad'' vom 9.&nbsp;Januar 1899<ref>[http://www.hetutrechtsarchief.nl/collectie/kranten/un/1899/0109 Archiv Gemeinde Utrecht: Utrechts Nieuwsblad vom 9. Januar 1899].</ref> war zu lesen, dass auf seine Initiative ein ''Bureau voor Sociale Adviezen'' gegründet worden sei. Die jüngste Tochter, Erry Anna Eringaard, heiratete 1932 den [[Diplomat]]en und Herausgeber Daniel Johannes von Balluseck (1895-1976).<ref>[http://www.inghist.nl/Onderzoek/Projecten/BWN/lemmata/bwn3/balluseck Instituut voor Nederlandse Geschiedenis:''Daniel Johannes von Ballusek (1895-1976)''].</ref> == Arbeit und Leistungen == [[Datei:Marken matthes agneta 1900 2.jpg|thumb|Agneta van Marken-Matthes um 1900]] === Rechtliche Situation und Quellenlage === Agneta Matthes war, wie alle Frauen ihrer Zeit, in ihren rechtlichen Handlungsmöglichkeiten als Geschäftsfrau und [[Gewerbetreibender|Gewerbetreibende]] stark eingeschränkt. In fast allen westlichen Ländern waren Frauen als selbständige Unternehmerinnen strikter, meist gesetzlich verankerter männlicher Kontrolle und deren Autoritätsrechten ausgesetzt; im Fall einer Heirat stand die Erwerbstätigkeit der Ehefrau unter dem Vorbehalt der Zustimmung durch ihren Ehemann. So verloren Frauen in den Niederlanden bis zu einer Gesetzesänderung von 1956 mit der Eheschließung gar ihre [[Geschäftsfähigkeit]], was eine selbständige und eigenverantwortliche berufliche Tätigkeit praktisch ausschloss.<ref>M J C Koens, Jacob Hans Nieuwenhuis, A P M J Vonken: ''Personen- en familierecht.'' Kluwer, 2006. ISBN 9013030424. S.&nbsp;2063ff.</ref> Aus diesen Gründen trat Agneta Matthes – was in dieser Zeit ebenfalls nicht ungewöhnlich war – bei Rechtsgeschäften nicht im eigenen Namen auf, sondern handelte „namens und im Auftrag“ ihres Mannes. Das ist auch der Grund, warum es zwar umfangreiche Aufzeichnungen über die geschäftlichen Unternehmungen und die Karriere von Jacques van der Marken gibt, während nur wenige Quellen die unternehmerischen Verdienste speziell von Agneta Matthes erwähnen oder würdigen. Es lässt sich heutzutage nicht mehr vollständig klären, welche Ideen und Tätigkeiten in welcher Ausprägung auf Agneta zurück gingen und welche auf ihren Mann. Unzweifelhaft ist indes, dass ihr die alleinige Betriebsleitung der Parfumfabrik ''Maison Neuve'' oblag, sie eine umfangreiche [[Empirie|empirische]] Untersuchung der Wohnbedürfnisse von 48 Arbeiterfamilien führte, Gestalt und Ausstattung des Agnetaparks maßgeblich beeinflusste und zumindest in den ersten Jahren aktiv in der Betriebsführung der anderen Unternehmen ihres Mannes tätig war, wo sie insbesondere für die Personalangelegenheiten verantwortlich war.<ref name="gist">[http://www.gb-plange.com/content/view/6/529/ Archiv der ''Nederlandsche Gist- & Spiritusfabriek NV'' von Gist Brocades NV in Delft].</ref> === Unternehmensgründungen === [[Datei:Hofvandelft.gif|miniatur|Hof van Delft, heute ein Stadtteil Delfts]] [[Datei:DSM Gist 21juni2006.jpg|miniatur|Haupthaus der Nederlandsche Gist- & Spiritusfabriek NV]] [[Datei:Marken oliefabriek.jpg|miniatur|Nederlandsche Oliefabriek NV, Werbeaufkleber von 1886]] Van Marken, von Zeitgenossen auch „Wohlfahrtsingenieur“ genannt<ref>Michel: ''Von der Fabrikzeitung zum Führungsmittel.'' S. 29.</ref>, entwickelte zusammen mit Agneta Matthes für die Fabrikarbeiter seiner 1869 gegründeten Nederlandsche Gist- & Spiritusfabriek NV ein Prämienlohnsystem, nach dem alle Mitarbeiter neben einem Grundlohn Zuschläge „für gute Arbeit und wegen Diensteifers“ von zwei bis 20 Prozent ihres Lohnes erhalten konnten. Weiterhin zahlte das Unternehmen bis zu zehn Prozent des Geschäftsgewinnes als Gewinnanteil an seine Mitarbeiter aus. Die „Neuesten Mittheilungen“ der Amtspresse Preußens informierten in ihrer Ausgabe von April 1894 über dieses „Sozialpolitisches Prämienlohnsystem mit Gewinnbetheiligung“<ref>[http://amtspresse.staatsbibliothek-berlin.de/vollanzeige.php?file=11614109/1894/1894-04-03.xml&s=3 Amtspresse Preußen: ''Neueste Mittheilungen, April 1894''].</ref>, „das die Beachtung weiterer Kreise“ verdiene. Nachdem Agneta Matthes in der Gründungszeit des Unternehmens die Personalfragen erledigt hatte, wurde 1880 eine Abteilung Personalangelegenheiten ''(Belangen van het Personeel)'' aufgebaut - damals eine Neuheit -, die von dem Ingenieur Gerhard Knuttel, einem Großneffen van Markens, geleitet wurde. Knuttel gilt als der erste Personalchef der Niederlande.<ref name="knuttel">[http://www.inghist.nl/Onderzoek/Projecten/BWN/lemmata/bwn3/knuttel Instituut voor Nederlandse Geschiedenis: ''Gerhardus Knuttel (1851-1932)''].</ref> 1885 wurde [[Martinus Willem Beijerinck]] (1851–1931) Direktor eines eigenen, neu eingerichteten Labors der Fabrik. Aufgrund der sich verschärfenden gesundheitlichen Probleme Jacques van Markens und der arbeitsmäßigen Überlastung der Eheleute wurde 1886 François Gerard Waller, ein Neffe von Jacques van Marken, mit der Geschäftsleitung betraut. Bereits 1873 hatte Agneta Matthes zusätzlich ihr eigenes Unternehmen, die Delfter Parfümfabrik ''Maison Neuve'', gegründet, bei dem ihr Mann wegen der rechtlichen Problematik pro forma als Inhaber fungierte.<ref name="gist">[http://www.gb-plange.com/content/view/6/529/ Archiv der ''Nederlandsche Gist- & Spiritusfabriek NV'' von Gist Brocades NV in Delft].</ref> Der Vorteil dieser Unternehmung war die Möglichkeit, das bei der Hefeproduktion der ''Gist- & Spiritusfabriek'' anfallende [[Ethanol]] (früher auch Spiritus genannt) zu verwenden. Agneta konzentrierte sich in den darauf folgenden Jahren weitgehend auf ihr Unternehmen. Sie arbeitete mit der renommierten Delfter [[Porzellanmanufaktur]] [[De Porceleyne Fles]] zusammen, die [[Fayence]]-[[Flacon]]s für die Parfüm-Kreationen nach ihren Entwürfen herstellte. Sie nahm an internationalen Ausstellungen teil, wo sie mit ihrer Parfummarke PMN (Parfumerie Maison Neuve) mehrere Preise und Auszeichnungen gewann und ihr Unternehmen bekannt machte. So gewann sie 1878 auf der Pariser [[Weltausstellung]] die Bronzemedaille, in [[Australien]] holte sie im selben Jahr auf der internationalen Parfum-Messe den ersten Preis für [[Duftwasser|Duftwässer]].<ref name="gist">[http://www.gb-plange.com/content/view/6/529/ Archiv der ''Nederlandsche Gist- & Spiritusfabriek NV'' von Gist Brocades NV in Delft].</ref> Sie verkaufte den Betrieb Ende 1886 mit hohem Gewinn und konzentrierte sich wieder auf ihre vielfältigen anderen Tätigkeiten und Verpflichtungen.<ref name="gemeentedelft">[http://wwwnew.gemeentedelft.info/gvscriptvk/dspage.asp?pageid=19&objectid=8280 Gemeinde Delft: Agneta W.J. Matthes].</ref> Die Eheleute hatten nämlich 1883 begonnen, sich für die in den Niederlanden noch junge [[Margarine]]-Industrie zu interessieren. Mit eigenem Kapital und einer Beteiligung von Agnetas Mutter wurde im selben Jahr die ''Nederlandsche Oliefabriek NV'' gegründet, deren Fabrikgebäude neben der Hefefabrik Platz fand. Wenig später, 1885, übernahmen die Eheleute noch die ''Delftse Lijm- & Gelatinefabriek NV''. Auch hier fungierte Jacques van Marken offiziell als alleiniger Geschäftsführer. Zum Betrieb einer Einkaufsgenossenschaft im Agnetapark gründeten sie 1873 die ''Delftsche Coöperatieve Winkelvereeniging''. 1892 wurde noch eine Druckerei gegründet (die sich heute im Besitz der ''Koninklijke drukkerij G.J. Thieme'' befindet). Auch hinsichtlich dieser Unternehmen war Agneta bei Entscheidungen, Planungen und organisatorischen Vorarbeiten maßgeblich beteiligt. In allen Unternehmen führten die Eheleute dieselbe Personalpolitik ein, wie in der Gist- & Spiritusfabriek. 1878 richtete van Marken den ersten [[Betriebsrat]] der Niederlande ein, „de kern“ (Kern) genannt. Auf dem Höhepunkt ihres Erfolges, um 1885, als sie mehr als 1.250 Mitarbeiter beschäftigten, wurden ihre Unternehmen von der Öffentlichkeit zusammenfassend ''Delftsche Nijverheid'' (Delfter Industrie) genannt.<ref name="hofland2">Hofland: ''Van Marken en de Delftsche Nijverheid.'' S. 4.</ref> == Werkzeitschrift „Fabrieksbode“ == Am 24.&nbsp;Juni 1882 erschien der „Fabrieksbode“ (Fabrikbote) zum ersten Mal, die älteste Werkszeitschrift der Welt<ref name="kb">[http://www.kb.nl/nieuws/2001/fabrieksbode.html Koninklijke Bibliotheek - Nationale bibliotheek van Nederland: ''KB ontvangt complete editie oudste bedrijfsblad ter wereld''].</ref> und eine Vorläuferin der [[Mitarbeiterzeitschrift]] - eine Idee, die Agneta Matthes federführend entwickelt hatte und deren Zweck in der ersten Ausgabe wie folgt beschrieben wurde: {{Zitat|… een voertuig zijn voor ideeën en beslissingen van de directie, inzicht verschaffen in strategische keuzes en de achtergronden hiervan, ideeën en problemen van de medewerkers zichtbaar maken en zorgen voor een band tussen medewerkers en organisatie.|Übersetzung=… ein Vehikel zum Transport der Ideen und Beschlüsse der Direktion zu sein, Einsicht in strategische Ausrichtungen und deren Hintergründe zu verschaffen, Ideen und Probleme der Mitarbeiter sichtbar zu machen und ein Band zwischen Mitarbeitern und Organisation zu knüpfen.|Fabrieksbode<ref>Piet Bakker: ''Communicatiekaart van Nederland: overzicht van media en communicatie.'' Kluwer, 2007, ISBN 9013046584, S. 281.</ref>}} Vor allem in deutschen Wirtschaftskreisen wurde dieses „zeitgemäße Bindungsmittel“ begeistert aufgenommen, van Marken das „Erfindungspatent“ eingeräumt und die Idee vielfältig kopiert.<ref>Michel: ''Von der Fabrikzeitung zum Führungsmittel.'' S. 29/30.</ref> Van Marken verwendete die Werkszeitung als Sprachrohr und zur Kommunikation seiner sozial-ökonomischen Ideen. Auch Agneta veröffentlichte regelmäßig kleinere Artikel, die sie mit ''A.'' oder ''AvM'' signierte. Der Fabrieksbode erschien zunächst wöchentlich, später vierzehntäglich und in den letzten Jahren monatlich. Erst 2001, als damals älteste Betriebszeitung der Welt, stellte der Fabrieksbode sein Erscheinen ein.<ref name="kb">[http://www.kb.nl/nieuws/2001/fabrieksbode.html Koninklijke Bibliotheek - Nationale bibliotheek van Nederland: KB ontvangt complete editie oudste bedrijfsblad ter wereld (Die Königliche Bibliothek erhält die komplette Edition der ältesten Werkzeitschrift der Welt.)]</ref> Agneta war ihrem Mann auch bei dessen anderen Veröffentlichungen behilflich. 1881 erschien sein Buch ''La question ouvrière à la fabrique Neerlandaise de levure et d'alcool. Essai de solution pratique.'' (Die Arbeiterfrage in der niederländischen Hefe- und Alkoholfabrik. Versuch einer praktischen Lösung.) und 1894 ''L'Organisation sociale dans l'industrie'' (Die Gesellschaftsordnung in der Industrie), das in zwei Auflagen gedruckt und ins Deutsche und Englische übersetzt wurde. Das Ausmaß der inhaltlichen Mitarbeit Agnetas ist nicht mehr festzustellen; es gilt jedoch als sicher, dass sie mindestens die Übersetzungen federführend besorgte. == Sozialfürsorge == === Agnetapark === [[Datei:Marken agnetapark 1884.jpg|miniatur|Grundriss des Agnetaparks, Entwurf: Zocher]] [[Datei:Marken agnetapark koninginnen 1892.jpg|miniatur|Besuch von Königin [[Emma von Waldeck-Pyrmont|Emma]] und [[Wilhelmina|Prinzessin Wilhelmina]] der Niederlande im [[Agnetapark]] in Delft am 22. April 1892. Die Kutsche befindet sich auf dem Zocherweg an der Villa van Marken.]] [[Datei:Rust Roest 1903.jpg|miniatur|''Villa Rust Roest'' im Agnetapark]] [[Datei:Agnetapark delft 001.jpg|miniatur|Der Agnetapark heute]] 1881 hatten die van Markens als Anhänger von [[Robert Owen]] und [[Charles Fourier]] nach einer Besichtigung der von [[Jean-Baptiste André Godin]] gegründeten [[Genossenschaft|genossenschaftlichen]] Gemeinschaftswohnanlage [[Familistère (Guise)|Familistère Godin]] damit begonnen, {{Zitat|een lievelingsidee te verwezenlijken en daarmee hun levenstaak te voltooien|Übersetzung=eine Lieblingsidee zu verwirklichen und damit ihre Lebensaufgabe zu vollenden.|Van Marken|Quelle=Levensidealen<ref>Van Marken: ''Levensidealen '', S.&nbsp;139.</ref>}} nämlich einen gartenstadtähnlichen Wohnpark für ihre Mitarbeiter zu planen und zu erbauen. Hiermit wollten sie einen Beitrag zur Verbesserung der in der Zeit der [[Industrialisierung]] sehr schwierigen Wohnverhältnisse leisten. Zusammen mit Marie Kruseman, einer Mitarbeiterin aus der Personalabteilung der Spiritusfabrik untersuchte Agneta Matthes die Wohnbedürfnisse von 48 Arbeiterfamilien, um den Bauplan des zukünftigen Wohnparks zu gestalten.<ref name="inghist">[http://www.inghist.nl/Onderzoek/Projecten/BWN/lemmata/bwn4/matthes Biografisch Woordenboek van Nederland: ''Matthes, Agneta Wilhelmina Johanna (1847-1909)''].</ref> 1881 erwarb das Ehepaar, erneut mit finanzieller Unterstützung von Agnetas Mutter, in Hof van Delft hinter dem Fabrikgelände ein 4 [[Hektar]] großes Grundstück zu einem Preis von 16.000 Gulden.<ref>[http://www.delft.nl/dsc?c=getobject&s=obj&objectid=41105 Wijkkrant Hof van Delft, Mai 2007].</ref> Hof van Delft war damals eine eigene, ländlich-bäuerliche und nur dünn besiedelte Gemeinde, die weit außerhalb der Delfter Stadtgrenzen lag. Dort entstand zwischen 1882 und 1884 nach den Plänen des Landschaftsarchitekten [[Louis Paul Zocher]] (einem Sohn von [[Jan David Zocher]]) ein weitläufiger, von Wasserläufen durchzogener und im Stil eines [[Englischer Landschaftsgarten|Englischen Gartens]] angelegter Park, in dem von dem Architekten [[Eugen Gugel]] 48&nbsp;Reihenhäuser, Doppelhaushälften und Vierspänner nebst Gemeinschaftshäusern und der Villa der Stifter platziert wurden. Die Anlage wurde nach Agneta Matthes [[Agnetapark]] benannt. Neu war an diesem Wohnpark im Gegensatz zu anderen zeitgenössischen Arbeiterwohnungen, dass es sich um abgeschlossene, mehrstöckige Wohnungen mit eigenem Eingang, eigenem Sanitärbereich und eigenen Gartenanteil handelte. Diese Wohnungsform war von England ausgegangen, wo schon Anfang des 19.&nbsp;Jahrhunderts die ersten Arbeitersiedlungen in Form von Reihenhäusern entstanden waren. Die Architekten des Agnetaparks gingen noch einen bedeutenden Schritt weiter, indem diese Wohnungen, ganz im Stil der heutigen Doppelhaushälften und Vierspänner, großzügig und abwechslungsreich in einem Erholung und Entspannung bietenden Park verteilt waren, der viel Freiraum bot und über zahlreiche Gemeinschaftseinrichtungen verfügte. Außerdem verfügte jede Wohnung über fließendes Wasser, einen Sanitärraum mit WC und Waschbecken - etwas ganz und gar Außergewöhnliches für Arbeitersiedlungen jener Zeit. Die Villa der Gründer lag inmitten der Siedlung und wurde von ihnen ''Rust Roest'' (wörtlich: „Die Ruhe rostet“, frei übersetzt: „Wer rastet, der rostet“) genannt. Einzigartig war die Kostenverteilung der Anlage. Die Stifter gründeten eine [[Kapitalgesellschaft]] zur Entwicklung der Siedlung und übergaben den Park 1870 ihren Mitarbeitern nach dem [[Genossenschaft]]sprinzip als gemeinschaftliches Eigentum, um Spekulationen zu verhindern. Zum großen Erstaunen der Stifter waren die Mitarbeiter von der Wohnsiedlung bei weitem nicht so begeistert, wie sie es selbstverständlich vorausgesetzt hatten.<ref name="vm207">Van Marken: ''Levensidealen '', S.&nbsp;207.</ref> Einerseits lag die Anlage fern jeglicher städtischer Infrastruktur und war sehr verkehrsungünstig gelegen. Diese Nachteile sollten durch eine Verbesserung der Gemeinschaftseinrichtungen ausgeglichen werden. Zur Verfügung standen drei Gebäude: ''De Gemeenschap'' (die Gemeinschaft), ein großes Haus, das einen Kindergarten und eine Grundschule beherbergte, als Versammlungsort diente sowie über einen Esssaal, einen Turnsaal und einen Billardclub verfügte; ''de Tent'' (das Zelt), ein Musik- und Veranstaltungspavillon und das Gebäude der Agnetapark-[[Einkaufsgenossenschaft]], in dem ein [[Kolonialwaren]]geschäft und eine Bäckerei, später auch ein Bekleidungsgeschäft untergebracht waren. Schließlich wurden im Park ein Kinderspielplatz, eine Kegelbahn, eine Schießanlage und ein Bootsschuppen mit Ruderbootverleih angelegt. Auch das Vereinswesen wurde gefördert; es entstanden unter anderem eine [[Freiwillige Feuerwehr]], ein [[Schützenverein]], ein [[Kegelclub]], ein Fahrradclub und eine Musikkapelle. Den Mitarbeitern gefiel es jedoch nicht, in der Nähe ihres Arbeitgebers zu leben. Sie fühlten sich seiner direkten Kontrolle ausgesetzt. Es erzeugte Unwillen, täglich, auch in der Freizeit, in Tuchfühlung mit dem obersten Chef und dessen Familie zu geraten und kaum andere Gesichter zu sehen, als Arbeitskollegen und Vorgesetzte. Auch klagten die Beschäftigten weiterhin über die Entfernung zur Stadt und darüber, dass es keinerlei Verkehrsverbindungen gab. Auch die Miethöhen und die zu leistenden Rücklagen, die die meisten Arbeiter überforderten, riefen Kritik hervor.<ref name="kritiek">[http://www.iisg.nl/collections/vanmarken/intro-nl.php Internationaal Instituut voor Sociale Geschiedenis: ''J.C. van Marken''], Abschnitt: „Kritiek“.</ref> Erst nach dem Tod der van Markens entwickelte sich der Park schrittweise zu einem begehrten Wohngebiet mit in den Niederlanden traditionell vergleichsweise selten zur Miete angebotenen Wohnhäusern. 1931 wurde die Villa ''Rust Roest'', die lange leer gestanden hatte, in eine Haushaltsschule umgebaut, 1981 wurde das Gebäude abgerissen. Seit 1989 steht der Agnetapark unter [[Denkmalschutz]]. === Gesellschaftliches Engagement === Nachdem van Marken 1871 zum Sekretär der ''Vereeniging tot bevordering van het Volksonderwijs'' (Vereinigung zur Förderung der Volksbildung) berufen wurde, besuchte Agneta regelmäßig Delfter Armenschulen und engagierte sich in der Verbesserung der dortigen Verhältnisse. Der Winter 1879/80 war in den Niederlanden streng und besonders lang. Dauerfrost bei Temperaturen bis minus 16&nbsp;Grad führten zu Not unter den Delfter Bürgern. Kurz entschlossen gründete Agneta Matthes die ''Vereeniging voor Armenzorg'', die Bedürftige ungeachtet ihrer religiösen oder politischen Überzeugungen unterstützte und veranlasste ihren Mann, eine ''Wintersnood-Commissie'' ins Leben zu rufen, die von ihm, seinem Schwager Arnold Kerdijk und seinem späteren Geschäftsführer Gerhardus Knuttel geleitet wurde.<ref name="knuttel">[http://www.inghist.nl/Onderzoek/Projecten/BWN/lemmata/bwn3/knuttel Instituut voor Nederlandse Geschiedenis: ''Gerhardus Knuttel (1851-1932)''].</ref> 1880 gründete das Ehepaar van Marken eine [[Krankenversicherung]] für Bäckergesellen.<ref>[http://www.hetutrechtsarchief.nl/collectie/kranten/un/1895/1107 ''Utrechts Nieuwsblad'' vom 7.&nbsp;November 1895].</ref> Diese Versicherung war zugleich ein erster Schritt in Richtung einer geregelten [[Pension (Altersversorgung)|Altersversorgung]]. Eine [[Private Unfallversicherung|Unfallversicherung]] für das eigene Personal wurde schließlich 1884 eingerichtet.<ref name="bwsa">[http://www.iisg.nl/bwsa/bios/marken.html Biografisch Woordenboek van het Socialisme en de Arbeidersbeweging in Nederland (BWSA): van Marken, Jacob Cornelis].</ref> === Kritik === Van Marken galt als niederländischer „sozialer Unternehmer“ und Vorreiter seiner Zeit in der „[[Soziale Frage|sozialen Frage]]“. Im Ausland, insbesondere in Deutschland, überwiegend gefeiert, wurde er aber auch –&nbsp;zeitlebens insbesondere von seinen Landsleuten&nbsp;– als „radikal-liberaler Weltverbesserer“ kritisiert, der zwar „viel für seine Arbeiter getan“ habe, „sie selbst aber nur wenig tun und entscheiden lasse“.<ref>P. Werkman, Paul E Werkman Rolf E van der Woude, R. van der Woude: ''Geloof in eigen Zaak.'' Uitgeverij Verloren, 2006. ISBN 9065509100. S. 141.</ref> Diese Kritik betraf, wenn auch dem Zeitgeist entsprechend selten explizit erwähnt, ebenso Agneta Matthes und ihre Leistungen und Überzeugungen. Als Nachruf veröffentlichte der Journalist Frank van der Goes 1906 in ''[[Het Vrije Volk|Het Volk]]'', dem Organ der sozialdemokratischen Arbeiterbewegung des Landes, zwei kritische Artikel unter der Überschrift „Een levensleugen“ (eine Lebenslüge)<ref>[http://www.iisg.nl/archives/nl/files/g/10749556full.php Frank van der Goes-Archiv beim Internationaal Instituut voor Sociale Geschiedenis].</ref> und unterstellte van Marken Hintergedanken seines zweifellos sozialen Engagements. Durch die Versorgung seiner Arbeiter habe er sich Loyalität erkaufen und soziale Kontrolle ausüben wollen, während die Mitarbeiter von ihm über Gebühr abhängig gewesen seien, beispielsweise kaum mehr den Arbeitsplatz wechseln konnten, wenn sie einmal ein Haus im Agnetapark bezogen hatten. In seinem Buch ''Der Arbeiterschutz'' hatte sich der [[Nationalökonom]] und Autor Kuno Frankenstein 1896 sachlich-positiv geäußert:<ref>[http://books.google.de/books?id=a_BJKre_1CEC&pg=PA281&lpg=PA281&dq=%22van+marken%22+delft&source=web&ots=ZxLXBmgi1j&sig=RRlN1-N3m_tu2SvSDGMnZpYz4iM&hl=de&sa=X&oi=book_result&resnum=19&ct=result#PPA281,M1 Kuno Frankenstein: ''Der Arbeiterschutz.''].</ref> {{Zitat|Eigenartig ist nun die Aufbringung und Verteilung der Kosten der ganzen Anlage, die durch die Bewohner der Kolonie selbst geschieht. Dies vollzieht sich weder in der Weise, daß einfach als Äquivalent für die gewährte Wohnung eine Miete gezahlt wird, noch in der, daß die einzelnen kleinen Häuschen von den Bewohnern durch längere Zeit fortgesetzte höhere Zahlungen zu Eigentum erworben werden. Das Ganze ist und bleibt vielmehr Eigentum der Gemeinschaft der Kolonie, jeder einzelne Bewohner erwirbt sich aber durch eine bestimmte Dauer seiner Zahlungen einen Anteil an dieser Gemeinschaft, den er später frei veräußern und vererben kann … Die Berechnungen sind dabei so gestellt worden, daß nach Verlauf von etwa dreißig Jahren die gesamten Kosten der ersten Anlage gedeckt sein werden, und daß dann der Park mit seinen sämtlichen Gebäuden im Eigentume der Gesellschaft nach Maßgabe der ausgegebenen und erworbenen Anteilscheine steht, oder mit anderen Worten, der gemeinsame Besitz der Bewohner des Parkes ist.}} Die tatsächliche Entwicklung verlief indes anders, als die Berechnungen versprachen und die Eheleute es erhofft hatten.<ref name="vm207"/> Die monatlichen Zahlungen der Bewohner waren weitaus zu niedrig, um nach den geplanten dreißig Jahren zum kollektiven Eigentum des Parks führen zu können, und dennoch waren sie für viele interessierte Mitarbeiter noch zu hoch. Van Markens Motto ''Allen voor de fabriek, de fabriek voor allen'' („Alle für die Fabrik, die Fabrik für alle“), das er von dem zum [[Solidarität|Solidarprinzip]] gewordenen Wahlspruch der [[Die drei Musketiere|Drei Musketiere]] ''Einer für alle, alle für einen'' abgeleitet hatte, bedeutete für die meisten seiner Mitarbeiter sicherlich eine deutliche Verbesserung ihrer persönlichen Lebensumstände, doch sie fühlten sich zu stark unter Druck gesetzt.<ref name="kritiek">[http://www.iisg.nl/collections/vanmarken/intro-nl.php Internationaal Instituut voor Sociale Geschiedenis: ''J.C. van Marken''], Abschnitt: „Kritiek“.</ref> Trotz dieser Enttäuschungen und zeitweiliger Leerstände wurde der Agnetapark zu einem wichtigen Vorbild für die Entwicklung genossenschaftlicher Bauvorhaben und von Gartenstädten für Arbeiter und Angestellte. Der Park gilt als der erste soziale Wohnungsbau, bei dem insbesondere auf hygienische Lebensbedingungen in einer grünen, lebenswerten Umgebung geachtet wurde. == Letzte Jahre == Jacques van Marken litt ab den 1880er Jahren unter chronischen Nervenschmerzen, vermutlich einer [[Polyneuropathie]], dessen Grunderkrankung nicht erkannt oder nicht überliefert ist und die ihn immer wieder zu beruflichen Pausen und zu regelmäßiger ärztlicher Behandlung und [[Kur]]en, meist in Frankreich, veranlasste. 1886 lag er mehrere Monate arbeitsunfähig in einer Kuranstalt in Frankreich, so dass Agneta ihren Mann vertreten musste und zur Entlastung François Gerard Waller als Geschäftsführer einstellte. Ab 1890 war es um die Gesundheit ihres Mannes besorgniserregend bestellt. Herkömmliche Therapien wirkten nicht mehr; ein französischer Arzt hatte ihm zu [[Morphin|Morphium]] geraten, und bald verfiel er zusehends der [[Sucht|Abhängigkeit]].<ref name="bwsa">[http://www.iisg.nl/bwsa/bios/marken.html Biografisch Woordenboek van het Socialisme en de Arbeidersbeweging in Nederland (BWSA): van Marken, Jacob Cornelis].</ref> Nachdem Waller als Geschäftsführer eingearbeitet war, begleitete Agneta ihren Mann auf dessen oft mehrmonatigen Kuraufenthalten. 1905 legte van Marken auch offiziell fast alle Funktionen nieder, womit auch Agnetas berufliche Tätigkeiten ein weitgehendes Ende fanden. Als van Marken am 8.&nbsp;Januar 1906 mit 60 Jahren starb, schrieb Agneta eine Biografie über das Leben ihres Mannes, die 215 Seiten umfasste und 1907 unter dem Titel ''Levensidealen. Herinneringen uit het leven van J.C. van Marken'' (Lebensideale. Erinnerungen an das Leben von J.C. van Marken.) erschien. Weiterhin stellte sie alle unter seinem Namen im ''Fabrieksbode'' zwischen 1882 und 1905 erschienenen Artikel zusammen, die unter dem Titel ''Uit het fabrieksleven. Delft 1869–1905'' (Aus einem Fabriksleben. Delft 1869–1905), die 1908 in drei Teilen erschienen. Im April 1906 zog ihre Mutter zu ihr; auch eine Nichte, Elisabeth Kerdijk, wohnte rund zwei Jahre bei ihr in der Villa ''Rust Roest''. Agneta van Marken-Matthes starb am 5.&nbsp;Oktober 1909, einen Monat nach ihrer Mutter. Sie ist auf dem ''Friedhof Jaffa'' in Delft neben ihrem Mann begraben. Ihr Vermögen hatte sie [[testament]]arisch dem Personal ihrer gemeinschaftlichen Betriebe und einer Ferienkolonie für Delfter Kinder vermacht. == Literatur == * H.M. Bonebakker-Westermann et al.: ''Delftse vrouwen van vroeger door Delftse vrouwen van nu.'' Delftse Vrouwenraad 1975 (niederländisch) * P.J. Hofland: ''Van Marken en de Delftsche Nijverheid'', Lespakket CD mit Textordner. Gemeente Musea Delft 2004 (niederländisch) * G. Knuttel: ''Mevrouw Van Marken'', in: De Fabrieksbode vom 9. Oktober 1909 (niederländisch) * A. van Marken-Matthes: ''Levensidealen. Herinneringen uit het leven van J.C. van Marken.'' Delft 1907 (niederländisch) * A. van Marken-Matthes: ''Uit het fabrieksleven. Delft 1869–1905. Hoofdartikelen uit De Fabrieksbode van J.C. van Marken (1882–1905)''. 3 Hefte, Delft 1908 (niederländisch) * A. Michel: ''Von der Fabrikzeitung zum Führungsmittel: Werkzeitschriften industrieller Großunternehmen von 1890 bis 1945.'' Franz Steiner Verlag 1997. ISBN 3515072101 (deutsch) == Einzelnachweise == <references /> == Weblinks == * Biografie von Agneta Matthes im [http://www.inghist.nl/Onderzoek/Projecten/BWN/lemmata/bwn4/matthes Biografisch Woordenboek van Nederland] (Biografisches Wörterbuch der Niederlande, niederländisch) * Personenblatt über Agneta Matthes im [http://www.inghist.nl/Onderzoek/Projecten/Socialezekerheid/instellingen_en_personen/show_long/MatthesAWJ Archiv des Instituts für niederländische Geschichte] zum Dossier „Sociale Zekerheid 1890-1967“ (Soziale Sicherheit 1890-1967, niederländisch) * Biografie von Agneta Matthes der [http://wwwnew.gemeentedelft.info/gvscriptvk/dspage.asp?pageid=19&objectid=8280 Gemeinde Delft, niederländisch] {{DEFAULTSORT:Matthes, Agneta}} [[Kategorie:Unternehmer (19. Jahrhundert)]] [[Kategorie:Niederländer]] [[Kategorie:Geboren 1847]] [[Kategorie:Gestorben 1909]] [[Kategorie:Frau]] {{Personendaten |NAME=Matthes, Agneta |ALTERNATIVNAMEN=Marken-Matthes, Agneta Wilhelmina Johanna |KURZBESCHREIBUNG=niederländische Unternehmerin |GEBURTSDATUM=4. Oktober 1847 |GEBURTSORT=[[Amsterdam]] |STERBEDATUM=5. Oktober 1909 |STERBEORT=[[Delft]] }} [[nl:Agneta Matthes]] {{Exzellent}} inhiiu0j9phv15d3sa78cio5mmh186p wikitext text/x-wiki Mauerläufer 0 23910 26506 2010-03-06T22:41:27Z Penarc 0 /* Weblinks */ wikt {{Dieser Artikel|behandelt den Vogel „Mauerläufer“; der Friedensaktivist [[John Runnings]], welcher 1986 die Berliner Mauer bestieg, wurde ebenfalls „Mauerläufer“ genannt.}} <!-- Für Informationen zum Umgang mit dieser Tabelle siehe bitte [[Wikipedia:Taxoboxen]]. --> {{Taxobox | Taxon_Name = Mauerläufer | Taxon_WissName = Tichodroma muraria | Taxon_Rang = Art | Taxon_Autor = ([[Carl von Linné|Linnaeus]], 1766) | Taxon2_Name = Mauerläufer | Taxon2_WissName = Tichodroma | Taxon2_LinkName = nein | Taxon2_Rang = Gattung | Taxon3_Name = Mauerläufer | Taxon3_LinkName = nein | Taxon3_WissName = Tichodromadinae | Taxon3_Rang = Unterfamilie | Taxon4_Name = Kleiber | Taxon4_LinkName = Kleiber (Familie) | Taxon4_WissName = Sittidae | Taxon4_Rang = Familie | Taxon5_Name = Sperlingsvögel | Taxon5_WissName = Passeriformes | Taxon5_Rang = Ordnung | Bild = Tichodroma muraria NAUMANN.jpg | Bildbeschreibung = Mauerläufer (''Tichodroma muraria'') | Subtaxa_Rang = Unterart | Subtaxa = * ''Tichodroma muraria muraria'' * ''Tichodroma muraria nepalensis'' }} Der '''Mauerläufer''' (''Tichodroma muraria'') ist ein Vogel aus der [[Familie (Biologie)|Familie]] der [[Kleiber (Familie)|Kleiberartigen]]. Er bewohnt Felswände und Schluchten in Gebirgen, die Mehrzahl seiner Brutplätze liegt in der alpinen Stufe. Die systematische Einordnung dieser Art, die sowohl Merkmale der Sittidae ([[Kleiber (Familie)|Kleiber]]) als auch der Certhiidae ([[Baumläufer]]) aufweist, ist schwierig und wird in der Wissenschaft diskutiert. Neben der hier gewählten systematischen Stellung ist die Zuordnung zu einer eigenständigen Familie Tichodromadidae ebenfalls gebräuchlich. Von der Nominatform ''T. m. muraria'' wird die offenbar ausschließlich auf hochalpine Lagen spezialisierte Unterart ''T. m. nepalensis'' unterschieden. == Aussehen == [[Datei:Tichodroma muraria Pyrenees.jpg|thumb|Männlicher Mauerläufer im [[Prachtkleid]]]] [[Datei:Tichodroma muraria02.jpg|thumb|Mauerläufer im [[Juvenil|Jugendkleid]]]] Der Mauerläufer ist wegen seines Vorkommens in steilen Felswänden und Felsgebieten sowie Schluchten und [[Klamm]]en, seines bunten Aussehens und seiner besonderen Bewegungsweise unverwechselbar. Feldornithologisch auffälligste Kennzeichen sind der lange, nach unten gebogene, schwarze Stocherschnabel, die auffallend breiten Flügel mit den dunkelziegelroten, weiß punktierten Deckfedern der Arm- und Handschwingen sowie die im Prachtkleid tiefschwarze Kehle des Männchens. Im Flug erinnert der Mauerläufer an einen sehr kleinen, etwas seltsam gefärbten [[Wiedehopf]] oder an einen sehr großen Schmetterling. Im Sitzen wirkt der Vogel mausähnlich, sogar mausgleich sind seine huschenden Bewegungen; nur die rote Umrandung der Flügel sticht aus der insgesamt schiefergrauen Erscheinung deutlich hervor. In dieser Position fallen auch die sehr kurzen Beine mit den überlangen Zehen auf. Während der Nahrungssuche ist der Mauerläufer am auffälligsten. Im steilen Felsgelände hüpft oder fliegt er kletternd unter dauerndem Flügelzucken und Flügelausbreiten meist seitwärts nach oben, wobei die roten und weißen Flügelabzeichen sichtbar werden. Beide Geschlechter ähneln einander sehr. Im Prachtkleid ist die Kehle des Weibchens eher grau gefärbt, nicht tiefschwarz wie beim Männchen. Die Vorderbrust, die beim Männchen dunkelgrau bis schwarz ist, geht beim Weibchen in helle, fast reinweiße Töne über. Im [[Schlichtkleid]] sind die Geschlechter nur schwer zu unterscheiden, die Färbung entspricht dann in etwa dem [[Feder#Gefieder|Gefieder]] des Weibchens im Prachtkleid. Die Unterart ''T. m. nepalensis'' ist etwas größer und etwas dunkler gefärbt als die Nominatform. Die weißen Farbabzeichen insbesondere auf den Schwanzfedern sind größer. Die Unterschiede zur Nominatform sind insgesamt allerdings sehr gering und zudem variabel, sodass ''Tichodroma muraria'' vielfach auch als [[monotypisch]]e Art behandelt wird. == Stimme == Der Gesang des Männchens besteht aus dünnen, reinen Pfeiftönen, die in der Höhe ansteigen; oft werden sie mit einem helleren und lauteren Kurzelement abgeschlossen. Vier bis fünf solcher Flötentöne reiht das Männchen zu einer Strophe. Der letzte Pfiff ist meist etwas dunkler. Der Gesang ist in der rauen Gebirgsumgebung seines Lebensraumes nur schwer zu vernehmen, oft kann man bloß die hellsten Töne hören. Das Weibchen singt ähnlich, jedoch sind bei ihm die Strophen noch kürzer und etwas leiser. Neben diesem Gesang ist noch ein wie ''zuii'' klingender Kontaktruf des insgesamt wenig ruffreudigen Vogels bekannt. Bei Rivalenkämpfen ist relativ lautes [[Schnabelknappen]] zu hören. === Stimmbeispiel === [http://www.vogelwarte.ch/home.php?lang=d&cap=voegel&file=uebersicht.php&wKeyword=Mauerl%E4ufer Schweizerische Vogelwarte Sempach: Kurzporträt und Stimmbeispiel der Art.] == Verbreitung == [[Datei:Mauerläufer1.png|thumb|270px|Verbreitungsgebiet des Mauerläufers]] Der Mauerläufer ist in seinem gesamten Verbreitungsgebiet nirgendwo häufig. Allerdings ist die Art auf Grund ihres hochalpinen Lebensraums auch schwer erfassbar. === ''Tichodroma muraria muraria'' === Die Vorkommen der Nominatform (''Tichodroma muraria muraria'') erstrecken sich in einem weiten Bogen von Westeuropa über den Mittleren Osten bis in den Westiran. Die meisten Hochgebirge in dieser geografischen Region sind besiedelt. Die wichtigsten Gebirgszüge von West nach Ost sind: [[Kantabrisches Gebirge]] – [[Pyrenäen]] – französisches [[Zentralmassiv]] – [[Schweizer Jura]] – der gesamte Alpenbogen inklusive der Südalpen – [[Apennin]], stellenweise bis zu den [[Abruzzen]] – der [[Balkangebirge|Balkan]] mit dem [[Dinarisches Gebirge|Dinarischen Gebirge]], dem [[Pindos]] und dem [[Olymp]] – die [[Karpaten]], [[Beskiden]] sowie das Bergland in [[Siebenbürgen|Westsiebenbürgen]] – die [[Rhodopen]] und schließlich das [[Taurusgebirge]] und der [[Kaukasus]]. Ungeklärt sind Meldungen aus Südspanien ([[Sierra Nevada (Spanien)|Sierra Nevada]]), dem [[Krimgebirge]] sowie dem [[Pontisches Gebirge|Pontischen Gebirge]]. Auf Zypern, im Libanon und in Syrien bestehen möglicherweise Brutvorkommen. === ''Tichodroma muraria nepalensis'' === Die Verbreitung der Art in Asien ist noch weniger erforscht als jene in Europa. Sicher kommt ''Tichodroma muraria nepalensis'' in allen südwest- und zentralasiatischen Hochgebirgen, wie [[Elburs]], [[Hindukusch]], [[Altai]] und [[Pamir (Gebirge)|Pamir]] und deren Nebengebirgen vor. Auch im [[Tianshan]] und dem [[Kunlun Shan]] ist der Mauerläufer ein verbreiteter Brutvogel. Ostwärts ziehen sich sehr vereinzelte Brutvorkommen bis in die Gebirgslagen südwestlich von [[Peking]]. == Lebensraum == [[Datei:Rappenlochschlucht2.jpg|thumb|left|280px|Bruthabitat der Art in einem Klammgebiet in Vorarlberg]] Die Bruthabitate der Art sind im Allgemeinen unzugängliche, zerklüftete und spaltenreiche montane bis hochalpine Felsgebiete. Bevorzugt werden Kalkgesteine sowie [[Gneis]]e und kristalline [[Schiefer]]. Wichtig sind eine unterschiedliche Besonnung während des Tagesablaufes, eingelagerte Graspolster oder sonstiger Bewuchs sowie die Nähe zu Wasseraustritten oder Wasserfällen. Die Höhe der Felsen spielt keine große Rolle, so wurden Brutplätze in über 1.000 Meter hohen Wänden ebenso entdeckt wie solche in Steinbrüchen mit weniger als 40 Metern. Zusätzlich besiedelt die Art relativ feuchte Felsschluchten und im Mittelmeerraum Felsgebiete mit vereinzeltem Bewuchs mit [[Zypressenwacholder]] (''Juniperus phoenicea'') und [[Rosmarin]] (''Rosmarinus officinalis''). Stark windexponierte Lagen werden nur selten besiedelt. Die vertikale Verteilung der Brutplätze liegt in Europa etwa zwischen 400 Metern und über 2.500 Metern über [[Normalnull|NN]]. Vor allem östlich des ornithologisch sehr gut erfassten [[Vorarlberg]]er Rheintales fällt eine Häufung von Tieflagenbruten auf, namentlich im Raum [[Dornbirn]] und [[Hohenems]]. Aber auch diese Lebensräume stehen in Verbindung zu Gebirgsstöcken und Hochgebirgslagen, in die die Vögel nach Abschluss des Brutgeschäftes während der verbleibenden temperaturmäßig günstigen Monate meist verstreichen. Außerhalb Europas sind Brutplätze aus über 4.000 Metern bekannt; bei der Nahrungssuche wurden Mauerläufer in Felswänden in Höhen von über 6.000 Metern beobachtet. Sofern die Vögel während der Wintermonate im Brutgebiet verharren, suchen sie in der Regel bedeutend tiefer gelegene Bereiche auf. Sie können dann vereinzelt auch in urbanen Gebieten beobachtet werden, wie zum Beispiel ziemlich regelmäßig am [[Berner Münster]]. == Verhalten == === Allgemein === Mauerläufer sind das gesamte Jahr über territorial. Sie verteidigen ihre Brut- und ihre Winterreviere. Das territoriale Aggressionsverhalten beider Geschlechter nimmt im Winterhalbjahr zu. Artfremde Vögel, wie etwa der [[Hausrotschwanz]], werden meist geduldet, artgleiche Rivalen versucht der Revierinhaber energisch zu vertreiben. Die fliegend ausgetragenen Kämpfe der Kontrahenten können heftig sein und zu schweren Verletzungen führen. Außerhalb der Brutsaison lebt die Art ausgenommen von kleinen temporären [[Mauser (Vögel)|Mausergruppen]] solitär. Die Balz und die Paarbildung beginnen oft im Winterquartier. === Aktivität === Die tagaktiven Vögel verlassen ihre Schlafhöhle mit Tagesbeginn, bei Sonnenuntergang suchen sie sie wieder auf. Im Winter beginnt die Aktivitätsphase deutlich später und endet früher. Die Aktivitätsphase wird häufig durch Ruhe- und Putzphasen unterbrochen, die in der Regel aber nur sehr kurz dauern. === Komfortverhalten === Sonnenbaden gehört zu den häufig praktizierten [[Komfortverhalten]]sweisen. Dabei liegt der Vogel entweder mit breit ausgefächerten Flügel- und Schwanzfedern auf einem flachen, sonnenexponierten Felsband oder er nimmt eine quasi sitzende Stellung ein, wobei er Bauch, Brust und Kehle der Sonne darbietet. Der Kopf ist in dieser Stellung nach hinten überstreckt, der Schwanz dient als Stütze. Auch ausgiebiges [[Sandbad]]en und Baden, meist in kleinen, von oben herabrieselnden Rinnsalen, sind für die Körperhygiene des Mauerläufers sehr wesentlich. === Fortbewegung === Auffälligste Fortbewegungsart ist ein beidbeiniges Hüpfen in senkrechter Felswand. Der Schwanz wird nicht als Stützschwanz eingesetzt, sondern der dicht an den Felsen gedrückte Körper allein durch die Füße und deren lange Zehen in Balance gehalten. Bei größeren Abständen von Felsvorsprung zu Felsvorsprung werden die Flügel zu Hilfe genommen. Während des Kletterns entfaltet der Vogel dauernd die Federn der Handschwingen und zeigt deren rote und weiße Abzeichen; dieses Verhalten hat offenbar territoriale Signalwirkung. Größere, vorsprungslose Stellen im Fels werden mit einigem Abstand zum Fels in einem spiraligen Flatterflug überwunden. Die sehr großen und breiten Flügel verhelfen dem Mauerläufer zu äußerst gewandten Flugmanövern sowie zu sehr schnellen Höhengewinnen auf [[Thermik]]liften entlang der Felswände. Die Abwärtsbewegung erfolgt in einem rasend schnellen Sturzflug mit eng angelegten Flügeln. Erst kurz vor dem Landen geht dieser in einen Bremsflug mit breit ausgefächerten Flügeln und breit gefächertem Schwanz über. Häufig, besonders wenn der Vogel mit Beute zum Nest zurückkehrt, wird ein fallschirmartiges Abwärtsgleiten mit ausgebreiteten Flügeln beobachtet. === Feindverhalten === Bei Bedrohung durch Raubsäuger zuckt der Mauerläufer sehr schnell mit den Handschwingen; beim Erscheinen von Greifvögeln verharrt er regungslos. === Wanderungen === Wenn es die Witterungsbedingungen erlauben, verbleiben die meisten Mauerläufer in ihrem Brutgebiet. Allerdings führen sie sowohl vertikale Wanderungen als auch [[Wetterflucht|Ausgleichsflüge]] durch. Präferenzen einer bestimmten Zugrichtung wurden insgesamt nicht beobachtet, doch können einzelne Populationen offenbar durchaus Zugtraditionen über einige 100 Kilometer entwickeln. So ziehen einige der in der nördlichen Ostschweiz, in Vorarlberg sowie im bayrischen [[Allgäu]] brütenden Vögel regelmäßig in das nördliche [[Bodensee]]gebiet, in das obere [[Neckar]]tal sowie in geeignete Habitate des südlichen [[Schwarzwald]]es. Zum Teil konnten in diesen Gebieten dieselben Überwinterer über mehrere Winterhalbjahre festgestellt werden. Die Verweildauer kann bis zu sechs Monate betragen. == Nahrung und Nahrungserwerb == Der Mauerläufer ernährt seine Brut ausschließlich mit [[Wirbellose]]n. Die Nahrungszusammensetzung ist auf Grund der schweren Beobachtbarkeit des Vogels nicht in allen Einzelheiten erforscht. Sie besteht vor allem aus kleinsten bis mittelgroßen Insekten; [[Webspinnen|Spinnen]] und [[Weberknechte]] scheinen ebenfalls eine wichtige Rolle zu spielen. Die Beutetiere werden durch Stochern aus Ritzen geholt, oder vom Boden aufgelesen. Das ständige Flügelzucken wird offenbar zum Aufschrecken der Insektennahrung eingesetzt. Kurze Verfolgungsflüge in der Art von [[Fliegenschnäpper]]n nach Fluginsekten wurden beobachtet, scheinen aber oft erfolglos zu enden. Bei der Nahrungssuche werden Steinchen umgedreht, Hindernisse werden durch Hämmern beseitigt. Kleine Insekten werden mit der spitzen Zunge durchbohrt und in den Rachen gezogen, größere durch Zerschlagen getötet und dann verschluckt. Mauerläufer trinken bevorzugt, indem sie Wassertropfen von oben direkt in den geöffneten Schnabel rinnen lassen. == Brutbiologie == Die Brutbiologie der Art ist auf Grund ihrer schweren Beobachtbarkeit nicht ausreichend erforscht. Mauerläufer schreiten wohl schon gegen Ende ihres ersten Lebensjahres zu ihrer ersten Brut. Wahrscheinlich führen sie eine [[Monogamie|monogame]] Saisonehe. Einiges deutet darauf hin, dass sich einige Partner auf Grund ihrer großen Brutorttreue über Jahre hinaus wiederverpaaren. In isolierten Populationen wurden auch Verpaarungen und erfolgreiche Bruten enger Verwandter beobachtet. Die Paarbildung erfolgt schon im Winterquartier. === Neststandort === Nach Ankunft in der Brutregion, die selten vor Mitte März erfolgt, suchen die Partner einen Niststandort in Spalten und Höhlen. Oft herrscht über die endgültige Wahl Uneinigkeit, die erst durch intensives Höhlenzeigen, das beide Geschlechter durchführen, beseitigt werden kann. Hauptaugenmerk wird auf Sicherheit vor Nesträubern ([[Hermelin]], [[Steinmarder]]) gelegt. Das voluminöse Nest wird weich mit [[Moose]]n, [[Flechte]]n oder, wenn verfügbar, mit Schafwolle ausgepolstert. Es wird ausschließlich vom Weibchen errichtet, das Männchen leistet nur Assistenzdienste. Der Nestbau wird sorgfältig und gewissenhaft durchgeführt und dauert entsprechend lang (10–20 Tage). Die meisten Bruthöhlen haben eine Tiefe von über einem halben Meter und das Nest befindet sich im letzten Drittel der Höhle. Halbflügge Junge sind häufig am Höhleneingang zu sehen, oder sie kommen beim Füttern den anfliegenden Eltern entgegen. === Brut === Die Brutperiode beginnt selten vor Mitte Mai. Das Gelege besteht aus drei bis fünf spitzovalen weißen Eiern, die meist am breiteren Ende tiefrote bis schwarze Punkte und Spritzer aufweisen. Die Bebrütung des Geleges beginnt nach der Ablage des vorletzten Eis, entsprechend schlüpfen die Jungen innerhalb von vierundzwanzig Stunden. Die Brutdauer und die Fütterungszeit sind witterungsabhängig, Mittelwerte sind 20 beziehungsweise 30 Tage. Es erfolgt offenbar nur eine Jahresbrut, auch bei Gelegeverlust schreiten die Eltern, wohl vor allem aus Zeitgründen, zu keiner Zweitbrut. Die flüggen Jungen verbleiben einige Wochen nach dem Ausfliegen in einem losen Familienverband, bevor sie oft in relativ weit entfernte Gebiete abstreichen. Die Altvögel steigen nach Beendigung des Brutgeschäftes meist in größere Höhen auf, bevor sie ihre Winterquartiere in tieferen Lagen aufsuchen. == Bestand und Bestandsentwicklung == Der Mauerläufer gehört zu den äußerst schwer erfassbaren Vogelarten, sodass über Bestandszahlen und Bestandsentwicklungen insbesondere in den außereuropäischen Verbreitungsgebieten nur unzureichende Informationen vorliegen. Wie Berichte von Bergsteigern und Trekkingtouristen jedoch nahelegen, scheint die Art häufiger und weiter verbreitet zu sein, als bisher angenommen. Viele regelmäßig besetzte Brutplätze wurden erst in den letzten Jahren entdeckt. Zwar taucht die Art in einigen nationalen [[Rote Liste gefährdeter Arten|Roten Listen]] auf, doch gilt der Gesamtbestand als gesichert (''S'' – ''secure''). Ernsthafte Gefährdungsfaktoren stellen vor allem der zunehmende Kletter- und Trekkingtourismus dar. == Namensherleitung == Der wissenschaftliche Gattungsname ist wie bei einigen anderen Gattungsnamen [[Pleonasmus|pleonastisch]]. ''Tichodroma'' setzt sich aus dem altgr. Nomen ''tò teīchos'' = ''die Mauer'' und (wahrscheinlich) ''dromás'' = ''laufend'' zusammen. ''muraria'' ist ein von dem [[Lateinische Sprache|lateinischen]] Wort ''murus, -i m.'' = ''Mauer'' abgeleitetes Adjektiv. Unter ''Mauer'' ist aber durchaus die Felswand zu verstehen, so wie auch heute im alpinistischen Sprachgebrauch steile Felswände als Mauern bezeichnet werden. == Literatur == * [[Hans Löhrl]]: ''Der Mauerläufer, Tichodroma muraria''. Die Neue Brehm-Bücherei Bd. 498, 2004. ISBN 3-89432-837-1 – Unveränderter Reprint der Auflage vom 1. Januar 1976 * [[Handbuch der Vögel Mitteleuropas]]. Bd. 13/II. S. 880–918, AULA Wiesbaden 1993 * Hans Günther Bauer & Peter Berthold: ''Die Brutvögel Mitteleuropas. Bestand und Gefährdung''. Aula, Wiesbaden 1997. S. 423. ISBN 3-89104-613-8 * Ulrich Brendel: ''Vögel der Alpen''. Ulmer, Stuttgart 1998, S. 120-121. ISBN 3-8001-3502-7 * Viktor Wember: ''Die Namen der Vögel Europas''. Aula, Wiesbaden 2005, ISBN 3-89104-678-2 * Jochen Hölzinger et al.: ''Die Vögel Baden-Württembergs''. Bd 3.2; Ulmer, Stuttgart 1997: S 189–196. ISBN 3-8001-3483-7 * Miroslav Saniga: ''Foraging habits of the Wallcreeper'' (''Tichodroma muraria''). Vogelwelt 123; 2002: S. 161–164. == Weblinks == {{Commons|Tichodroma muraria|Mauerläufer (''Tichodroma muraria'')}} * [http://www.birdlife.org/datazone/species/BirdsInEuropeII/BiE2004Sp6904.pdf Datenblatt von BirdLife International 2004] (PDF; 259 kB) * {{IUCN |Year=2008 |ID=147745 |ScientificName=Tichodroma muraria |YearAssessed=2008 |Assessor=BirdLife International |Download=31. Januar 2009 }} * {{IBC|ID=wallcreeper-tichodroma-muraria|Titel=Tichodroma muraria}} {{Wiktionary|Mauerläufer }} {{Exzellent}} {{DEFAULTSORT:Mauerlaufer}} [[Kategorie:Kleiber]] [[Kategorie:Alpenfauna]] {{Link FA|pl}} [[bg:Скалолазка]] [[br:Kraponig-moger]] [[ca:Pela-roques]] [[cs:Zedníček skalní]] [[en:Wallcreeper]] [[eo:Tikodromedoj]] [[es:Tichodroma muraria]] [[fa:دیوارخزک]] [[fi:Kalliokiipijä]] [[fr:Tichodrome échelette]] [[hu:Hajnalmadár]] [[it:Tichodroma muraria]] [[ja:カベバシリ]] [[ka:წითელფრთიანი კლდეცოცია]] [[nl:Rotskruiper]] [[pl:Pomurnik]] [[pt:Trepadeira-dos-muros]] [[ru:Краснокрылый стенолаз]] [[sk:Murárik červenokrídly]] [[sv:Murkrypare]] [[tr:Bayağı duvartırmaşık kuşu]] [[uk:Червонокрилий стінолаз]] [[zh:红翅旋壁雀]] r4mvwmvhohmx1qypxgg1fxbd0irm56g wikitext text/x-wiki Mauersegler 0 23911 26507 2010-04-13T15:05:55Z Accipiter 0 rev., die Quelle ist für eine solche Aussage nicht ausreichend <!-- Für Informationen zum Umgang mit dieser Tabelle siehe bitte [[Wikipedia:Taxoboxen]]. --> {{Taxobox | Taxon_Name = Mauersegler | Taxon_WissName = Apus apus | Taxon_Rang = Art | Taxon_Autor = [[Carl von Linné|Linnaeus]], 1758 | Taxon2_WissName = Apus | Taxon2_LinkName = Apus (Gattung) | Taxon2_Rang = Gattung | Taxon3_Name = Segler | Taxon3_LinkName = Segler (Vögel) | Taxon3_WissName = Apodidae | Taxon3_Rang = Familie | Taxon4_Name = Seglervögel | Taxon4_WissName = Apodiformes | Taxon4_Rang = Ordnung | Taxon5_Name = Vögel | Taxon5_WissName = Aves | Taxon5_Rang = Klasse | Bild = Apus apus flock flying 1.jpg | Bildbeschreibung = Mauersegler (''Apus apus'') | Subtaxa_Rang = Unterart | Subtaxa = *''Apus apus apus'' <small>(LINNEAUS, 1758)</small> *''Apus apus pekinensis'' <small>([[Robert Swinhoe|SWINHOE]], 1870)</small> }} Der '''Mauersegler''' (''Apus apus'') ist eine [[Vögel|Vogelart]] aus der Familie der [[Segler (Vögel)|Segler]]. Er ähnelt den [[Schwalben]], ist aber mit diesen nicht näher verwandt; die Ähnlichkeiten beruhen auf [[Konvergenz (Biologie)|konvergenter Evolution]]. Der Mauersegler ist ein [[Langstreckenzieher]], er hält sich hauptsächlich von Anfang Mai bis Anfang August zur Brutzeit in [[Mitteleuropa]] auf, seine Winterquartiere liegen in Afrika, vor allem südlich des Äquators. Mauersegler sind extrem an ein Leben in der Luft angepasst. Außerhalb der Brutzeit halten sie sich über mehrere Monate höchstwahrscheinlich ohne Unterbrechung in der Luft auf.<ref name="HbvAaaWanderungen">HBV Band 9; A. a. apus; ''Wanderungen''; S. 680–686; siehe Literatur</ref> Im Hochsommer sind die geselligen Vögel im Luftraum über den Städten mit ihren schrillen Rufen sehr auffällig. Bei ihren Flugmanövern können sie im Sturzflug Geschwindigkeiten von mehr als 200&nbsp;km/h erreichen.<ref name="HbvAaaVerhBewegung"/> == Aussehen und Merkmale == [[Datei:ApusApusKlausRoggel03.jpg|thumb|Mauersegler von vorn]] Die Gestalt ist schwalbenähnlich, jedoch ist der Mauersegler etwas größer als die europäischen Schwalben. Die Flügel sind im Vergleich zum Körper lang und ihre Sichelform ist im Gleitflug gut zu erkennen, der Schwanz ist relativ kurz und gegabelt. Männchen und Weibchen sind äußerlich nicht zu unterscheiden. Das Gefieder ist ruß- bis bräunlichschwarz, mit Ausnahme des grauweißen Kehlflecks, der im Flug allerdings schwer zu erkennen ist. Das Gesicht wirkt von vorn gesehen rundlich, die Augen sind relativ groß und die [[Iris (Auge)|Iris]] ist tiefbraun. Der kleine, schwarze Schnabel ist leicht abwärts gebogen. Die kurzen Füße sind schwärzlich fleischfarben, die vier Zehen enden in scharfen Krallen; sie sind wie bei allen [[Segler (Vögel)|Seglern]] nach vorn gerichtet. [[Datei:ApusApusKlausRoggel02.jpg|thumb|left|[[Akinese]] bei einem gegriffenen Jungvogel ]] Erwachsene Mauersegler wiegen im Mittel etwa 40 Gramm, das Gewicht variiert allerdings recht stark mit dem Ernährungszustand; Nichtbrüter und soeben am Nistplatz eingetroffene Mauersegler sind meist etwas schwerer als Brutvögel. Die Rumpflänge beträgt durchschnittlich 17 Zentimeter, beim Anlegen der Flügel kreuzen sich diese und überragen den Schwanz um etwa vier Zentimeter. Die Flügelspannweite liegt zwischen 40 und 44&nbsp;Zentimetern. Dabei sind die [[Handschwinge]]n im Vergleich zu anderen Vogelarten stark verlängert, Ober- und Unterarm sind kurz und kompakt. Das Jugendkleid ist dunkler und weniger glänzend, das Weiß der Kehle ist ausgedehnter und reiner als bei [[adult]]en Vögeln. Zudem unterscheiden sich Jungvögel durch die weißen Federsäume von den Altvögeln, die an den Achselfedern, den Flügeldecken, dem Großgefieder und vor allem an der Stirn am auffallendsten sind. Nur die Säume der Stirnfedern erhalten sich bis zur Jugendmauser, während die anderen weißen Säume durch Abnutzung recht bald verschwinden. Einjährige sehen wie adulte Mauersegler aus, sie sind am besten noch am abgetragen juvenilen Großgefieder zu erkennen, bei dem vor allem die Enden der Schwanzfedern stärker gerundet sind.<ref name="HbvAaaBschreibung">HBV Band 9; A. a. apus; ''Feldkennzeichen, Beschreibung''; S. 671–676; siehe Literatur</ref><ref name="ChantlerDriessens2000CommonSwift"/><ref name="Bosch2005Kap3"/> [[Datei:Handschwingen Mauersegler.jpg|thumb|upright|Handschwingen eines Mauerseglers]] === Mauser === Die Jugendmauser erfolgt im afrikanischen Winterquartier und ist eine Teilmauser, es bleiben die [[Schwungfeder|Schwung-]] und ein Teil der mittleren Schwanzfedern erhalten. Die zehn [[Handschwinge]]n, die die wesentliche tragende Fläche des Flügels bilden, werden erstmals während der nächsten Jahresmauser gewechselt und haben dann schon zwei Reisen nach Afrika hinter sich. Die Jahresmauser adulter Vögel ist eine [[Mauser (Vögel)|Vollmauser]] und kann schon im Juli mit dem Wechsel des Kleingefieders beginnen. Die Mauser der Schwingen beginnt Mitte August oder Anfang September und zieht sich schrittweise und auf beiden Seiten synchron über 6 bis 7&nbsp;Monate hin, so dass die Flugfähigkeit immer gewährleistet bleibt. Zuletzt fällt bei normaler Mausersequenz die 10. Handschwinge aus.<ref name="HbvAaaMauser">HBV Band 9; A. a. apus; ''Mauser''; S. 676f; siehe Literatur</ref><ref name="HbvAaaBschreibung"/><ref name="Bosch2005Kap5"> Stefan Bosch: ''Segler am Sommerhimmel''; S. 22f; siehe Literatur</ref> === Flug === [[Datei:ApusApusAerobatic.jpg|thumb|upright|Flugmanöver an einem Wohnhaus]] Der Körperbau des Mauerseglers ermöglicht einen schnellen, wendigen Gleitflug, bei dem die Flügel fast horizontal gestreckt werden und nur leicht abwärts gebogen sind. Bei starker [[Thermik]] können Mauersegler auch segeln, normalerweise wechseln aber Schlag- mit Gleitphasen jeweils unterschiedlicher Länge. Charakteristisch ist zudem ein häufiges Kippen um die Längsachse, das in Gleitphasen stellenweise eingestreut wird. In Verbindung mit den ebenfalls typischen Wendungen kann das den Eindruck vermitteln, der Flügelschlag erfolge asynchron.<ref name="HbvAaaVerhBewegung"/> Auch bei engen Flugkurven halten Mauersegler ihren Kopf horizontal, so dass sie ihre Umgebung stets umfassend in gleichbleibender Orientierung wahrnehmen können.<ref>[http://www.nature.com/nature/journal/v446/n7139/index.html Titelblatt] und [http://www.nature.com/nature/journal/v446/n7139/edsumm/e070426-01.html Vorwort] von [[Nature]] vom 26. April 2007</ref> Um größere Höhenverluste zu vermeiden, werden während des Gleitflugs Schlagphasen eingestreut, die von 0,5 bis 22&nbsp;Sekunden andauern können, die mittlere Dauer beträgt ungefähr 4&nbsp;Sekunden. Die Schlagfrequenz liegt meist zwischen 7 und 8&nbsp;Schlägen pro Sekunde. Im Gleitflug werden gewöhnlich 20 bis 50&nbsp;km/h, im [[Kraftflug]] 40 bis 100&nbsp;km/h erreicht, bei Flugspielen sind über 200&nbsp;km/h möglich. In der Luft übernachtende Tiere fliegen durchschnittlich mit 23&nbsp;km/h, das beste Verhältnis zwischen Energieaufwand und zurückgelegter Strecke liegt für ziehende Vögel bei einer Durchschnittsgeschwindigkeit von ungefähr 32&nbsp;km/h.<ref name="HbvAaaVerhBewegung">HBV Band 9; A. a. apus; ''Verhalten; Bewegung''; S. 697ff; siehe Literatur</ref> Mauersegler passen die Form der Flügel entsprechend der Flugbedingungen an. Voll ausgestreckte Flügel ermöglichen dabei den besten langsamen Gleitflug und um bis zu 60 Prozent mehr Distanz als in der Grundstellung. Zurückgezogene Flügel dienen dem Flug bei hohem Tempo und schnellen Kehren, bei anderer [[Pfeilung|Stellung der Flügel]] würden diese sonst dem Winddruck nicht standhalten.<ref>David Lentink et al.: ''How swifts control their glide performance with morphing wings.'' In: ''[[Nature]]'' 446, 1082–1085, April 2007 ({{DOI|10.1038/nature05733}})</ref> === Stimme === Vor allem in Gesellschaft und bei Kämpfen sind Mauersegler außerordentlich ruffreudig. Am auffallendsten ist das hohe, schrille, oft gereiht vorgetragene „srieh srieh“, mit dem die Vögel auch den Verkehrslärm in Städten übertönen können. Daneben äußern Mauersegler einige weitere ein- oder zweisilbige Rufe wie „sprieh“ oder „sriiü“. Die Rufe werden verschieden gedehnt, manchmal höher oder zweisilbig vorgetragen. Einander jagende Vögel geben ein individuelles und nach Höhe und Länge unterschiedliches „sirrr“ oder ein [[stakkato]]artiges „sisisisi“ von sich. Die Frequenz ihrer Rufe liegt zwischen 4000 und 7000 [[Hertz (Einheit)|Hertz]], in einem hohen, aber für das menschliche Gehör gut wahrnehmbaren Frequenzbereich.<ref name="HbvAaaStimme">HBV Band 9; A. a. apus; ''Stimme''; S. 677f; siehe Literatur</ref><ref name="Bosch2005Kap11"> Stefan Bosch: ''Segler am Sommerhimmel''; S. 61–66; siehe Literatur</ref> Eine besondere Bedeutung hat auch das sogenannte „Duettieren“ am Brutplatz. Ein Mauerseglerpaar ruft dort gemeinschaftlich „swii-rii“; dabei stammt das hellere „swii“ vom Weibchen und das etwas tiefere „rii“ vom Männchen. Dieses Verhalten stellt die beste Möglichkeit zur Unterscheidung der Geschlechter dar. Daneben hat dieses [[Duett]] für die Vögel selbst eine noch bedeutendere Funktion, denn es dient einem effizienten Aufteilungsverfahren der oft knappen geeigneten Brutnischen. Schon lange kennt man in diesem Zusammenhang das sogenannte „Banging“, bei dem einzelne Vögel kurz die Eingänge möglicher Nistplätze touchieren und sich so bemerkbar machen. Oft verharren die Vögel dabei nur kurz, um ohne ein Inspizieren der Bruthöhle wieder weiterzufliegen. Falls ein einzelner Vogel bereits die im Inneren meist dunkle Bruthöhle besetzt hält, macht sich dieser durch seinen geschlechtsspezifischen Ruf bemerkbar und der anfliegende Vogel erfährt so schnell, ob er ein potentieller Kandidat zur Gründung einer Familie sein kann.<ref name="HbvAaaStimme"/><ref name="Bosch2005Kap11"/><ref name="Kaiser2003">Erich Kaiser: '' Faszinierende Forschung an einem Hausvogel''; Falke 50: 10–15; 2003; {{ISSN|0323-357X}}</ref> === Unterscheidung von Mauerseglern und Schwalben === {| border="0" align=right style="border-collapse:collapse; background-color:transparent;" cellpadding="0" |[[Datei:HirundoRusticaFlight1.jpg|thumb|upright|Rauchschwalbe]] |[[Datei:Apus apus 01.jpg|thumb|upright|Mauersegler]] |} In Mitteleuropa jagen vor allem [[Rauchschwalbe|Rauch-]] und [[Mehlschwalbe]]n in ähnlicher Weise wie der etwas größere Mauersegler in der Luft nach Insekten, manchmal kommen auch gemischte Gruppen vor. Beste Unterscheidungskriterien der verschiedenen Arten sind folgende:<ref name="Bosch2005Kap3"> Stefan Bosch: ''Segler am Sommerhimmel''; S. 8–15; siehe Literatur</ref><ref name="Baumung2002">Sven Baumung: ''Der Mauersegler. Vogel des Jahres 2003'', siehe Literatur</ref> *Die schrillen Schreie des Mauerseglers unterscheiden sich deutlich vom eher unauffälligen „Schwätzen“ der Schwalben. *Die schmalen, sichelförmigen Flügel des Mauerseglers sind im Vergleich zum schlanken Körper länger, die Flugsilhouette gleicht der Form eines Ankers. *Beim Mauersegler wechseln schnelle, tiefe Flügelschläge und längere Gleitphasen einander ab. Der Flug der Schwalben dagegen wirkt flattriger und tänzelnd, sie schlagen die Flügel zudem etwas nach hinten. *Die Unterseite des Mauersegler ist bis auf den kaum zu sehenden Kehlfleck glänzend schwarzbraun. Schwalben dagegen zeigen eine beige-weiße Unterseite, Rauchschwalben zudem eine von unten erkennbare rötliche Kehlfarbe. Außerdem sind Rauchschwalben an den langen, tief gegabelten Schwanzspießen gut zu unterscheiden. === Verwechselbare verwandte Arten === Innerhalb der Familie der [[Segler (Vögel)|Segler]] überschneiden sich die Brutgebiete von Mauersegler und [[Alpensegler]] am weiträumigsten, doch ist der Alpensegler erheblich größer und durch die weiße Kehle und Bauchseite sehr gut gekennzeichnet. Erheblich schwieriger ist die Unterscheidung vom gleich großen [[Fahlsegler]] im [[Mittelmeerraum]] und im [[Mittlerer Osten|Mittleren Osten]], wo sich die Brutgebiete überschneiden und die Vögel oft gemeinsam auf Insektenjagd sind. Der Mauersegler wirkt dabei im Vergleich „schnittiger“<!--rakish-->, der Körper ist schlanker, die Flügelenden sind stärker gespitzt und der Schwanz ist etwas tiefer gegabelt. Das Gefieder des Fahlseglers ist etwas heller und eher olivbraun im Vergleich zum Schwarzbraun des Mauerseglers. Am größten ist die Gefahr einer Verwechslung zwischen der dunkelsten Unterart des Fahlseglers (''A. pallidus illyricus'') und der im Vergleich zur [[Nominatform]] etwas helleren Subspezies ''A. a. pekinensis'' des Mauerseglers, die einander auf dem Zug und im Winterquartier begegnen. Vor allem während des Weg- und Heimzugs stellt auch der auf [[Madeira]] und den [[Kanarische Inseln|Kanarischen Inseln]] vorkommende [[Einfarbsegler]] eine Verwechslungsmöglichkeit dar, auch gibt es im afrikanischen Winterquartier mit [[Maussegler]], [[Schouteden-Segler]], [[Kapsegler]], [[Sokotrasegler]], [[Damarasegler]] und [[Braunsegler]] eine Reihe afrikanischer Seglerarten, die nicht immer leicht vom Mauersegler zu unterscheiden sind.<ref name="ChantlerDriessens2000CommonSwift"/> == Verbreitung, Lebensraum und Wanderungen == [[Datei:ApusApusDistribution.png|upright=1.5|thumb|Verbreitungsgebiet des Mauerseglers, grün&nbsp;=&nbsp;Brutgebiet, gelb&nbsp;=&nbsp;Winterquartier]] === Verbreitung === Das Brutgebiet erstreckt sich über große Teile der [[Paläarktische Region|paläarktischen Region]]. Auf den Inseln des [[Mittelmeer]]s und in Europa brütet der Mauersegler überall außer in den nördlichsten Gebieten – [[Island]], dem Norden [[Skandinavien]]s und den [[Tundra|Tundren]] [[Russland]]s. Er fehlt auch im nördlichsten Teil [[Schottland]]s, auf den [[Färöer|Färöer-Inseln]], in den südlichen Gebirgsregionen Skandinaviens und Teilen der [[Alpen]] und des [[Balkanhalbinsel|Balkans]]. Ganz im Nordwesten Afrikas brütet der Mauersegler nahe der Mittelmeerküste und kürzlich wurden einigen Berichten zufolge verschiedene [[Kanaren|kanarischen Inseln]] besiedelt und markieren nun den südwestlichen Endpunkt des Brutgebietes. Im [[Naher Osten|Nahen Osten]] kommt der Mauersegler in [[Kleinasien]], an der Mittelmeerküste und vereinzelt in [[Syrien]] als Brutvogel vor. In Asien reicht das Brutgebiet im Norden bis zum 60. Breitengrad. Die östliche Grenze des Gebiets bilden der Fluss [[Oljokma]] in [[Sibirien]], der [[Großer Chingan|Großen Chingan]] im Nordosten der [[Innere Mongolei|Inneren Mongolei]] sowie die chinesischen Provinzen [[Liaoning]] und [[Shandong]]. Die südliche Grenze des asiatischen Brutgebiets verläuft ungefähr entlang des 35. Breitengrads, allerdings fehlt der Mauersegler im [[Zentralasien|zentralasiatischen]] Steppengürtel.<ref name="ChantlerDriessens2000CommonSwift"/><ref name="HbvAaVerbreitung">HBV Band 9; A. apus; ''Verbreitung der Art''; S. 671; siehe Literatur</ref><ref name="HbvAaaBrutgebiet">HBV Band 9; A. a. apus; ''Brutgebiet, Verbreitung in Mitteleuropa''; S. 678f; siehe Literatur</ref> Während des Winters auf der Nordhalbkugel „übersommert“ der Mauersegler zwischen [[Äquatorialafrika|Äquatorial]]- und [[Südafrika]], von der Nordgrenze der tropischen Tiefland-[[Tropischer Regenwald|Regenwälder]] und dem Äquator in Ostafrika bis zum Südrand des [[Oranje (Fluss)|Orange-River]]-Beckens in Südafrika.<ref name="HbvAaaWanderungen"/> === Lebensraum === [[Datei:Schwaebisch hall 04.jpg|thumb|left|upright=1.4|Die Altstadt [[Schwäbisch Hall]]s mit dem alles überragenden sogenannten „Neubau“ aus dem Jahre 1527, der über 100 Mauerseglerpaaren Nistplätze bietet.<ref name="HölzingerMahler">Hölzinger, Mahler: ''Die Vögel Baden-Württembergs'', siehe Literatur</ref>]] In Mitteleuropa brütet der Mauersegler hauptsächlich an mehrgeschossigen Steinbauten, darunter Wohnhäuser, Kirchtürme, Fabrikgebäude oder Bahnhöfe. An solchen Gebäuden werden vielerlei Hohlräume unter Dächern und [[Dachtraufe|Traufen]] genutzt, beispielsweise Rollladenkästen oder schief sitzende Ziegel. Neubauten mit glatter Fassade werden kaum genutzt. Bedingt durch die Verfügbarkeit geeigneter Brutmöglichkeiten siedelt der Mauersegler häufig nur an wenigen Stellen, etwa in Ortszentren, Industrie- oder Hafenanlagen, in Kleinstädten oft ausschließlich an Kirchen oder anderen historischen Gebäuden.<ref name="HbvAaaBiotop">HBV Band 9; A. a. apus; ''Biotop''; S. 686f; siehe Literatur</ref> Der Mauersegler war ursprünglich hauptsächlich Felsbrüter, heute sind diese in Mitteleuropa selten und nur aus wenigen Regionen bekannt, wie beispielsweise dem [[Elbsandsteingebirge]]. Es wird vermutet, dass sich der Übergang vom Fels- zum Gebäudebrüter im [[Mittelalter]] vollzogen hat, möglicherweise stellten in den Fels gebaute Burgen das Bindeglied dar, über das sich die Vögel menschlichen Bauwerken annäherten und zum [[Kulturfolger]] wurden.<ref name="HbvAaaBiotop"/><ref name="Bosch2005Kap9"> Stefan Bosch: ''Segler am Sommerhimmel''; S. 41–51; siehe Literatur</ref> Der Mauersegler ist auch Baumbrüter, in Mitteleuropa allerdings nur vereinzelt, in Deutschland trifft dies beispielsweise nur auf ein Prozent der Brutpaare zu. Davon finden sich einige im [[Harz (Mittelgebirge)|Harz]], wo die ökologischen Zusammenhänge gut erforscht wurden. Solche „Baumsegler“ benötigen über 100&nbsp;Jahre alte Baumbestände, um dort verlassene [[Spechte|Specht]]<nowiki/>höhlen zu Seglerhöhlen weiterentwickeln zu können. Im Norden [[Fennoskandinavien]]s sowie in manchen Gegenden [[Russland]]s meidet der Mauersegler Ortschaften und bewohnt die Wälder der Umgebung.<ref name="HbvAaaBiotop"/><ref name="Bosch2005Kap10"> Stefan Bosch: ''Segler am Sommerhimmel''; S. 53–60; siehe Literatur</ref> Sowohl im Brutgebiet als auch im Winterquartier kommt der Mauersegler dabei in allen Höhenbereichen vor, in denen die klimatischen Verhältnisse ein ausreichendes Angebot an Insekten gewährleisten. Die höchsten Brutplätze finden sich im Verbreitungsgebiet der Unterart ''A. a. pekinensis'' zwischen 1.500 und 3.300&nbsp;Metern, solche Vögel wurden in mehr als 4.000&nbsp;Metern bei der Nahrungssuche beobachtet, die höchsten beobachteten ziehenden Vögel befanden sich auf einer Höhe von 5.700&nbsp;Metern bei [[Ladakh]].<ref name="ChantlerDriessens2000CommonSwift"/> === Wanderungen === [[Datei:Apus apus cm01.jpg|thumb|upright=1.5|Mauerseglerschwarm]] Mauersegler verbringen sowohl im Brutgebiet als auch im südafrikanischen Winterquartier nicht mehr als 3 bis 3½&nbsp;Monate, die restliche Zeit des Jahres beansprucht der Weg- und Heimzug. Der Wegzug erfolgt kurz nach dem Ausfliegen der Jungvögel, in Mitteleuropa meist in der zweiten Julihälfte oder Anfang August. Erfolglose Brutvögel, Jungvögel und die noch nicht geschlechtsreifen Einjährigen wandern gewöhnlich zuerst ab, danach verpaarte Männchen und zuletzt die Brutpartnerinnen. Der längere Aufenthalt der Weibchen am Brutplatz dient dem Wiederaufbau der Fettreserven. Der Zeitpunkt des Aufbruchs ist offenbar [[Photoperiodismus|photoperiodisch]] determiniert und beginnt bei Unterschreitung einer Tageslänge von ungefähr 17&nbsp;Stunden. Deshalb brechen weiter nördlich brütende Vögel später auf, beispielsweise in Finnland erst in der zweiten Augusthälfte. Diese Nachzügler werden dann durch die rapide sinkende Tageslänge förmlich durch Mitteleuropa „gehetzt“ und deshalb feld[[Ornithologie|ornithologisch]] kaum bemerkt. Die vorherrschende Zugrichtung von Mitteleuropa aus ist Südwest bis Süd, die Alpen bilden dabei keine Barriere. Vor allem bei schlechtem Wetter folgen die Mauersegler Flussläufen, an denen ein besseres Nahrungsangebot zu finden ist. Die west- und mitteleuropäischen Populationen ziehen vorwiegend über die [[Iberische Halbinsel]] und Nordwestafrika. Am beträchtlichen Durchzug im östlichen [[Mittelmeer]]raum sind hauptsächlich Vögel aus Südosteuropa und Russland beteiligt, die Lage der Zugscheide und des Mischgebiets ist unklar. Weiter folgen die westlich ziehenden Segler größtenteils der nordwestafrikanischen [[Atlantik]]<nowiki/>küste, teilweise wird die [[Sahara]] auch direkt überflogen. In den [[Feuchtsavanne]]n Afrikas angekommen, scheint sich die Zugrichtung nach Südosten zu ändern, bis die Hauptüberwinterungsgebiete erreicht werden.<ref name="HbvAaaWanderungen"/> Während des „Übersommerns“ in Afrika folgt offensichtlich eine große Zahl von Mauerseglern ständig der [[Innertropische Konvergenzzone|Innertropischen Konvergenzzone]] (ITCZ), die dem Gebiet des Sonnenhöchststands mit einmonatiger Verzögerung nachfolgt. In den dortigen Trockengebieten bewirken diese saisonalen Niederschläge vorübergehend ein reichhaltiges Angebot an Insekten, das die sich während dieser Zeit vermutlich ununterbrochen in der Luft befindlichen Mauersegler konsequent nutzen.<ref name="HbvAaaWanderungen"/><ref name="Kaiser2003"/> Einige Mauersegler, wahrscheinlich ein Teil der einjährigen Vögel, verbleiben in Afrika. Der Großteil der heimziehenden Vögel zieht nun nordwärts durch Afrika, wobei die Zugrichtung etwas östlicher verläuft als beim Wegzug.<ref name="ChantlerDriessens2000CommonSwift"/> Auch ziehen die Vögel beim Heimzug bevorzugt auf der Vorderseite von [[Tiefdruckgebiet]]en, um die südwestliche Strömung im [[Warmsektor]] des Tiefs auszunutzen. Im Gegensatz dazu nutzen sie während des Wegzugs die nordöstlichen Winde auf der [[Tiefdruckgebiet#Vorder- und Rückseite|Rückseite]] eines Tiefs.<ref name="HbvAaaWanderungen"/><ref name="Bruderer1977">[http://infonet.vogelwarte.ch/upload/51153417.pdf Bruno Bruderer: ''Beitrag der Radar-Ornithologie zu Fragen der Orientierung, der Zugphysiologie und der Umweltabhängigkeit des Vogelzuges''; 1977] </ref> In Mitteleuropa treffen die Mauersegler in der Hauptsache in der zweiten Hälfte des April und im ersten Maidrittel ein, und zwar in Niederungen und Gewässernähe eher als in höheren Lagen. Auch in nördlicheren Gebieten treffen die Vögel später ein. Das Wetter während des Zuges hat großen Einfluss auf die Zugdauer, so dass der Ankunftszeitpunkt auch lokal innerhalb eines Bereiches von etwa drei Wochen variiert.<ref name="HbvAaaWanderungen"/> === Wetterflucht === Aufkommendem Regenwetter begegnen Mauersegler durch so genannte zyklonale Wetterflüge. Bei Annäherung eines [[Tiefdruckgebiet]]s, auch Zyklon genannt, ziehen viele Mauersegler vor dessen Wetterfronten her. Sie starten in vielen Fällen bereits, wenn die Kaltfront noch 500 bis 600&nbsp;km entfernt ist. Die Vögel bilden rasch Trupps, die zunächst in den [[Warmsektor]] des Tiefs ziehen, wo sie selbst bei Regen noch genügend Nahrung finden. Später fliegen sie gegen den Wind durch die Kaltfront des Tiefdruckgebiets hindurch und sind so die kürzestmögliche Zeit den stärksten Regenfällen ausgesetzt. Meist umwandern die Mauersegler dabei das Zentrum des Tiefs im Uhrzeigersinn und kehren oft erst nach 1000 bis 2000&nbsp;Kilometern wieder zum Ausgangspunkt zurück. Regelmäßig vermischen sich durch solche [[Wetterflucht]]en aber auch die Individuen verschiedener Regionen vorübergehend. An den Wetterflügen nehmen besonders die nicht brütenden Vögel teil, also vor allem die Einjährigen. Aber auch die Brutvögel beteiligen sich oft an den Wetterfluchten. Die Jungvögel überdauern die Abwesenheit der Eltern meist in einer Art Hungerschlaf (siehe [[#Hungerstarre|Hungerstarre]]).<ref name="HbvAaaWanderungen"/> == Nahrung und Nahrungserwerb == Mauersegler ernähren sich als Luftjäger ausschließlich von [[Insekten]] und [[Spinnentiere|Spinnen]]. Die regionale Häufigkeit bestimmter Beute im Luftraum und das Nahrungsspektrum der dortigen Vögel stimmen weitestgehend überein, so dass davon auszugehen ist, dass Mauersegler nicht wählerisch sind und alle erreichbaren Objekte geeigneter Größe verwerten. In Europa sind über 500 Arten als Beute nachgewiesen, wobei von einer wesentlich höheren Zahl auszugehen ist, da die bisherigen diesbezüglichen Untersuchungen sich nur auf recht wenige Standorte beschränken. Hauptbeute sind wohl [[Blattläuse]], [[Hautflügler]], [[Käfer]] und [[Zweiflügler]], häufig spielen auch fliegende [[Ameisen]]<nowiki/>stadien und in Afrika zudem [[Termiten]] eine wichtige Rolle. Bei Wahlmöglichkeit werden Beutetiere mit einer Körperlänge von mehr als 5&nbsp;Millimetern bevorzugt, zu den größten als Beutetier nachgewiesenen Tieren zählt die [[Hausmutter]], ein [[Eulenfalter]] mit einer Körperlänge von 26 bis 29&nbsp;Millimetern.<ref name="HbvAaaNahrung">HBV Band 9; A. a. apus; ''Nahrung''; S. 709f; siehe Literatur</ref> [[Datei:ApusApusKlausRoggel05.jpg|thumb|left|upright|Mauersegler im Flug]] Der Nahrungserwerb erfolgt praktisch ausschließlich in der Luft, ein Ablesen von Nahrung an Dachrinnen, Vordächern oder Ähnlichem ist selten. Je nach Wetter und Verteilung des Angebots jagen Mauersegler in wechselnden Gebieten und Höhen, bei niedrigen Temperaturen oft in geringem Abstand zur Vegetation. Normalerweise liegt die Flughöhe zwischen 6 und 50&nbsp;Metern, an warmen Tagen oft aber auch über 100&nbsp;Meter über dem Boden. Der vermutlich größte Jagderfolg ergibt sich bei windstiller und warmer Witterung. Die Nahrungssuche erfolgt im Wechsel zwischen [[Schlagflug|Schlag]]- und [[Gleitflug]] mit raschen Richtungsänderungen, dabei wird der Schnabel erst beim Zuschnappen geöffnet. Allerdings erreichen Mauersegler nicht die extreme Wendigkeit der [[Schwalben]], die zudem auch gezielt größere Insekten als Mauersegler ergreifen, die Luftjagd der Schwalben gilt als wesentlich effektiver. Bei der Nahrungssuche halten voneinander entfernt fliegende Vögel optisch Kontakt, so dass sich bei Aufsteigen [[Ameisen#Hochzeitsflug|schwärmender Ameisen]] oft binnen weniger Minuten Hunderte von Mauerseglern einfinden.<ref name="HbvAaaHbvAaaVerhNahrungserw">HBV Band 9; A. a. apus; ''Verhalten; Nahrungserwerb''; S. 701f; siehe Literatur</ref><ref name="Bosch2005Kap7"> Stefan Bosch: ''Segler am Sommerhimmel''; S. 29–35; siehe Literatur</ref><ref name="HbvAaaVerhSozial"/> Die Nestlingsnahrung unterscheidet sich nicht wesentlich vom sonstigen Beutespektrum der Altvögel, sie besteht fast ausschließlich aus Objekten von 2 bis 10&nbsp;Millimetern Länge. Brutvögel sammeln die Nahrung dabei im Kehlsack, bis eine definierte Menge beisammen ist, was bei gutem Wetter bereits in knapp 40&nbsp;Minuten erledigt sein kann, bei schlechter Witterung aber erheblich länger dauert. Ein fütterndes Brutpaar kann bei guten Bedingungen an einem Tag 50&nbsp;Gramm Futter herbeischaffen, was mehr als 20.000 Insekten oder Spinnentieren entspricht.<ref name="HbvAaaNahrung"/><ref name="Bosch2005Kap7"/> Das Trinken erfolgt in einem schnellen, geraden Gleitflug, wobei der Körper einen Winkel von etwa 20 bis 35&nbsp;Grad zur Wasseroberfläche bildet. Die Flügel werden dabei in V-Stellung gehalten. Der Schnabel taucht auf einer Strecke von ungefähr einem halben Meter ein und nahezu gleichzeitig mit dem Öffnen des Schnabels werden die Schwanzfedern abwärts gedrückt.<ref name="HbvAaaHbvAaaVerhNahrungserw"/> === Hungerstarre === Ältere, befiederte Nestlinge können durch Schlechtwetterperioden und Wetterflucht der Altvögel verursachten Nahrungsmangel überstehen, indem sie [[Torpor|torpide]] werden. Dabei werden alle Körperfunktionen auf ein Minimum heruntergefahren, Herzschlag und Atmung verlangsamen sich. Die Körpertemperatur sinkt vom ungefähr bei 39&nbsp;°C liegenden Normalwert nach einer Weile nachts bis knapp über die Umgebungstemperatur ab. Zunächst werden die Fettreserven verbraucht, zuletzt auch Körpergewebe angegriffen, vor allem die [[Muskulatur]] oder die [[Leber]]. Auf diese Art können die Nestlinge ein bis zwei Wochen ohne Nahrung überdauern. Wenn die Körpertemperatur 20&nbsp;°C unterschreitet, tritt in der Regel der Tod ein.<ref name="HbvAaaVerhRuhePutzen"/> Auch Altvögel können in beschränktem Maße torpide werden, aber dabei nur drei bis vier Tage ohne Nahrung überstehen. Wenn die Tiere bei einer Wetterflucht nicht in Gegenden mit besseren Bedingungen gelangen, sammeln sie sich dicht gedrängt und bewegungslos an Mauern und Felswänden. Beobachten kann man die Mauersegler in diesem Zustand kaum, da sie sich in geschützte Nischen zurückziehen, weil sie aufgrund stark reduzierter [[Reflex]]e sonst Feinden hilflos ausgeliefert wären.<ref name="HbvAaaVerhRuhePutzen"/><ref name="HbvAaaVerhSozial"/> == Fortpflanzung und Lebenserwartung == [[Datei:ApusApusCircleOfYear.png|thumb|upright=2.6|Jahreszyklus bezogen auf [[Baden-Württemberg]] (48°&nbsp;30′&nbsp;N)<ref name="HölzingerMahler"/>]] Mauersegler werden frühestens am Ende des zweiten Lebensjahres [[Geschlechtsreife|geschlechtsreif]], die einjährigen Vögel verbringen also nach der Rückkehr aus Afrika die erste Saison im Brutgebiet noch ohne Reproduktion. Teilweise werden aber schon Bruthöhlen inspiziert und auch besetzt. Adulte Mauersegler führen eine monogame Ehe zumindest für eine Saison, in der Regel aber über viele Jahre. Die partnerschaftliche Treue basiert auf einer ausgeprägten Nistplatzbindung, die Partner treffen auch nicht gemeinsam, sondern meist im Abstand von etwa 10 Tagen im Brutgebiet ein.<ref name="HbvAaaFortpflanzung">HBV Band 9; A. a. apus; ''Fortpflanzung''; S. 688–693; siehe Literatur</ref> Die nur etwa dreimonatige Brutperiode ermöglicht nur eine Jahresbrut, Ersatzbruten bei Gelegeverlust gibt es dennoch häufig, meist im selben Nest. Der Bruterfolg ist stark wetterabhängig, wegen der hohen Lebenserwartung des Mauerseglers beeinflussen jedoch selbst Jahre ohne Nachwuchs den Bestand kaum.<ref name="HbvAaaFortpflanzung"/> <ref name="HbvAaaBestand">HBV Band 9; A. a. apus; ''Bestand, Bestandsentwicklung''; S. 679; siehe Literatur</ref> === Neststandort und Nest === [[Datei:ApusApusKlausRoggel01.jpg|thumb|upright=0.9|Bremsender Mauersegler beim Anflug des Nests]] Die gesellig in Kolonien brütenden Mauersegler bevorzugen Neststandorte in dunklen, größtenteils horizontalen Hohlräumen mit der Möglichkeit eines direkten Anflugs. Die meist 6 bis 30 Meter hoch gelegenen Höhleneingänge werden mittels einer sogenannten Unterfliegungslandung angeflogen, bei der ein erheblicher Teil des Schwungs durch einen kurzen Steigflug vor der Landung abgebremst wird. Das Nest befindet sich im Regelfall in der hinteren Höhlenecke, möglichst weit vom Eingang entfernt. Zwischen Höhleneingang und Nest können gegebenenfalls Röhren mit mindestens 10&nbsp;Zentimetern Durchmesser und einer Länge von bis zu 70&nbsp;Zentimetern kriechend bewältigt werden. Im Gegensatz zum [[Alpensegler]], bei dem sich mehrere Paare einen Eingang teilen können, beansprucht jedes Mauerseglerpaar normalerweise einen separaten Eingang. Der Nestbau erfolgt durch beide Partner und kann schon einen Tag nach der [[Paarbildung (Biologie)|Verpaarung]] beginnen. Das Sammeln von Nistmaterial erfolgt dabei im Flug, mit gelegentlichen Unterbrechungen aufgrund der Windabhängigkeit. Die Objekte, die [[Aerodynamik|aerodynamisch]] keinen allzu großen Widerstand leisten dürfen, werden meist im Schnabel transportiert, seltener im Kehlsack oder mit den Füßen. Je nach Angebot werden so Halme, Blätter, Knospenschuppen, Samen, Fasern, Haare, Federn, Textil- und Papierfetzen verbaut. Das Nest bildet eine unordentliche, flache Schale mit einer zentralen Vertiefung, die mit klebrigem, rasch erhärtenden [[Speichel]] überzogen wird. Häufig wird ein Nest viele Brutperioden nacheinander benutzt und alljährlich nur ergänzt und neu eingespeichelt, wobei der Durchmesser von 9&nbsp;Zentimetern bei Neuanlage auf 15 Zentimeter anwachsen kann. Vorgefundene Bauten anderer Höhlenbrüter wie [[Star (Art)|Star]], [[Haussperling]] oder [[Hausrotschwanz]] werden gelegentlich gewaltsam übernommen und überbaut, manchmal samt Eiern oder Jungvögeln. Überbaute Nester verursachen so mitunter erheblichen Gestank, was die Mauersegler offensichtlich nicht stört.<ref name="HbvAaaFortpflanzung"/><ref name="Bosch2005Kap10"/> === Balz und Paarung === Die Flugbalz beginnt bei gutem Wetter unmittelbar nach Ankunft im Brutgebiet, kann aber auch bereits im Winterquartier ab Anfang November beginnen. Beim Balzflug verfolgen sich zwei Segler im Abstand von einem bis zehn Meter, vermutlich handelt es sich beim Verfolger um das Männchen, das mit einer typischen V-Stellung der Flügel überfallartig versucht, das Weibchen zu erreichen. Dieses Balzfliegen wirkt animierend, so dass weitere Vögel sich anschließen oder die Jagd auf einen anderen Vogel eröffnen. Häufig geht eine solche kollektive Flugbalz recht unvermittelt in die Nahrungssuche über.<ref name="HbvAaaVerhSex">HBV Band 9; A. a. apus; ''Verhalten; Sexualverhalten''; S. 704f; siehe Literatur</ref> Manchmal kommt es auch zur Paarbildung am Nistplatz, insbesondere das Zusammenfinden früherer Partner erfolgt oft in der Bruthöhle. Der Eindringende wird dabei zunächst vom Höhlenbesitzer mit lauten Schreien und heftigen Drohgesten empfangen. Die sehr erregten Tiere richten sich mehrfach auf, was als Beschwichtigungsgeste zu interpretieren ist, nur langsam entspannt sich die Situation und eine gegenseitige Gefiederpflege schließt sich an. Handelt es sich beim Ankömmling um den Partner aus dem Vorjahr, sind die Drohgesten schwächer und der Übergang zum gegenseitigen Putzen erfolgt erheblich schneller.<ref name="HbvAaaVerhSex"/> [[Begattung|Kopulationen]] erfolgen sowohl in der Bruthöhle als auch in der Luft. Bei der Vereinigung am Nistplatz hält sich das Männchen mit dem Schnabel im Genick und mit den Füßen im Gefieder der ruhig liegenden Partnerin fest. Während das Weibchen den Schwanz hebt, windet das Männchen seinen Hinterleib abwärts. Gewöhnlich folgen drei bis vier Begattungen aufeinander. Die offenbar nur bei gutem Wetter vollzogenen Flugkopulationen beginnen in einer Höhe von etwa 80&nbsp;Metern und erinnern an die Flugbalz. Das zunächst ruhig geradeaus fliegende Weibchen beginnt mit den Flügeln zu vibrieren und verliert an Fahrt. Das folgende Männchen steigert sein Tempo, schwebt schräg von oben auf die Partnerin und verkrallt sich im Rückengefieder. Während der Begattung bleiben die Flügel ruhig. Bei der Kopulation verliert das Paar an Höhe und Geschwindigkeit und trennt sich im Normalfall nach zwei bis vier Sekunden wieder.<ref name="HbvAaaVerhSex"/> Die [[Evolution|evolutionäre]] Bedeutung solcher Begattungen „on the wing“ ist schwer zu erklären, da es nachgewiesenermaßen auch zu Kopulationen in der Bruthöhle kommt und sich die Frage stellt, welchen Grund es haben kann, dass sich die Vögel dabei einem solchen Risiko aussetzen. Aber die Flugkopulationen sind durch zahlreiche wissenschaftliche Quellen belegt, auch bei anderen Seglerarten.<ref name="ChantlerDriessens2000MateSelection">Chantler, Driessens: ''A Guide to the Swifts and Tree Swifts of the World''; S. 27; siehe Literatur</ref> Die Vermutung, dass Flugkopulationen für das Weibchen eine Möglichkeit der [[Sexuelle Selektion|sexuellen Selektion]] darstellen könnten, ist nicht haltbar, da die Häufigkeit einer außerpartnerschaftlichen Vaterschaft bei Mauerseglern selbst für einen „normalen“ Koloniebrüter ausgesprochen niedrig zu sein scheint.<ref name="Martins2002">Thais L. F. Martins: ''Low incidence of extra-pair paternity in the colonially-nesting swift (Apus apus) revealed by DNA fingerprinting''; Journal of Avian Biology 33:441–446; [http://www.ex.ac.uk/cornwall/academic_departments/biosciences/research/downloads/Martins_JAB_2002.pdf Uncorrected Proof]</ref><ref name="Bosch2005Kap10"/> === Gelege und Brut === [[Datei:ApusApusKlausRoggel06.jpg|thumb|Eier des Mauerseglers, unten [[Puppe (Insekt)|Puppen]] der [[Mauerseglerlausfliege]]]] Die Eier sind länglich elliptisch, aber ungleichhälftig. Sie messen 25&nbsp;×&nbsp;16&nbsp;Millimeter, die Schale ist weiß und glanzlos, die grauen Flecken stammen vom Kot der [[Mauerseglerlausfliege|Seglerlausfliege]]. In mehr als 90&nbsp;Prozent der Fälle besteht das Gelege aus 2 bis 3 Eiern, gelegentlich aus nur einem Ei und sehr selten aus 4 Eiern. Üblicherweise erfolgt die Eiablage in Mitteleuropa in der zweiten Maihälfte, meist während des Vormittags. Sowohl die Gelegegröße als auch die im Durchschnitt 19&nbsp;Tage dauernde Bebrütungszeit sind stark witterungsabhängig, die Brutdauer kann zwischen 18 und 27&nbsp;Tagen liegen. Eine solche zeitliche Variabilität und Länge stellt eine Besonderheit bei einem Vogel dieser Größe dar. Die Partner wechseln sich beim Brüten ab und brüten offenbar zu annähernd gleichen Teilen, bei witterungsbedingten Brutpausen sind die Eier gegen Auskühlung resistent.<ref name="HbvAaaFortpflanzung"/><ref name="HbvAaaVerhBrutpflege">HBV Band 9; A. a. apus; ''Verhalten; Brutpflege, Aufzucht und Verhalten der Jungen''; S. 707ff; siehe Literatur</ref><ref name="Bosch2005Kap10"/> === Entwicklung der Jungen === Geschwister schlüpfen meist innerhalb von zwei Tagen, sie sind dabei blind und völlig nackt. Die [[Nestling]]szeit ist wie die Brutdauer stark witterungsabhängig und kann zwischen 38 und 56&nbsp;Tagen liegen, meist sind es knapp über 40&nbsp;Tage. In den ersten 2 bis 7&nbsp;Tagen [[hudern]] die Altvögel nahezu ständig, später bei günstiger Witterung nur noch nachts. Die Nahrung wird von den Eltern im Kehlsack gesammelt und mit Speichel zu einer haselnussgroßen Kugel geformt, in der viele Kleintiere noch am Leben sind. Nur in den ersten Tagen wird der Ballen in Portionen an die Nestlinge verteilt, später als Ganzes an die rufend mit Schnabelschwenken bettelnden Jungen übergeben. Frische Exkremente werden von den Altvögeln anfangs verschluckt, später im Kehlsack fortgetragen.<ref name="HbvAaaFortpflanzung"/><ref name="HbvAaaVerhBrutpflege"/> [[Datei:ApusApusKlausRoggel07.jpg|thumb|left|Jungvogel]] Nach 2 bis 3&nbsp;Wochen hopsen die Jungen in der Brutnische flatternd umher, wobei sie sich anfänglich nach wenigen Sekunden wieder ausruhen. Mit etwa einem Monat stemmen sie mit gestreckten Flügeln ihren Körper hoch, so dass die Füße abheben, diese Stellung können sie vor dem Ausfliegen 10 oder mehr Sekunden halten. Auch nachts vollführen Nestlinge typische Flugbewegungen.<ref name="HbvAaaVerhBrutpflege"/> Unter optimalen Bedingungen können Nestlinge, die beim Schlüpfen ungefähr drei Gramm wiegen, ihr Höchstgewicht von bis zu 60&nbsp;Gramm in nicht einmal drei Wochen erreichen, sie wiegen dann das Anderthalbfache eines Altvogels. Erst ein paar Tage bevor sie flügge werden, stellen sie das Betteln ein und magern auf das optimale Fluggewicht von etwa 40&nbsp;Gramm ab. Untersuchungen haben ergeben, dass selbst auf den Rücken geklebte Zusatzgewichte oder gestutzte Flügelspitzen nicht die Fähigkeit der Jungvögel beeinträchtigen, ihr Gewicht optimal auf den Tag des Ausfliegens abzustimmen. Man geht davon aus, dass die oben beschriebenen „Liegestütze“ in diesem Zusammenhang auch die Bestimmung des Verhältnisses von Körpergewicht und Flügelfläche ermöglichen.<ref name="Gory2005"/> <ref name="Wright2006">[http://www.pubmedcentral.nih.gov/articlerender.fcgi?artid=1634777 J. Wright et. al.: ''Facultative adjustment of pre-fledging mass loss by nestling swifts preparing for flight''; in: Proc. R. Soc. Biol. Sc.; doi:10.1098/rsbp.2006.3533]</ref> Am Tag des Ausfliegens verbringen die Nestlinge den größten Teil des Tages am Flugloch. Es vergehen oft viele Stunden, in denen der Vogel mit gespreizten Flügeln und ausgebreitetem Schwanz immer wieder den Kopf hinausstreckt. Die Eltern sind beim Ausfliegen nicht zugegen, bei Spätbruten befinden sie sich unter Umständen bereits auf der Reise ins Winterquartier. Vermutlich zum Schutz vor [[Prädator|Beutegreifern]] erfolgt das Ausfliegen meist in den Abendstunden. Die Jungvögel sind sofort selbstständig und verbringen gleich die erste Nacht in der Luft, wie mit [[Telemetrie]]sendern nachgewiesen wurde.<ref name="HbvAaaVerhBrutpflege"/><ref name="HbvAaaFortpflanzung"/><ref name="Kaiser2003"/> === Lebenserwartung === Mauersegler weisen eine hohe Lebenserwartung und eine unter Vögeln ungewöhnliche Altersstruktur auf, in denen höhere Lebensalter noch gut vertreten sind. Die jährliche Sterberate adulter Vögel wird im Mittel auf 20&nbsp;Prozent geschätzt. Die mittlere Lebenserwartung erwachsener Vögel liegt zwischen 4,3 und 6,2&nbsp;Jahren, für flügge Jungvögel liegt sie bei ungefähr 2,4&nbsp;Jahren. Ein Alter von 10 und mehr Jahren ist keine Seltenheit, einige Male konnte durch [[Vogelberingung|Beringung]] schon ein Alter von mehr als 20&nbsp;Jahren nachgewiesen werden. Der direkte oder indirekte Einfluss des Wetters auf die Lebenserwartung ist erheblich. Bei anhaltend nasskaltem Wetter mit Temperaturen tagsüber unter 10 bis 12&nbsp;Grad ist die Existenz ganzer Populationen bedroht, wenn eine solche Wetterlage zudem großräumig ist oder eine weitere [[#Wetterflucht|Wetterflucht]] durch Barrieren verhindert wird. Ein solches Massensterben adulter Tiere kann eine Population nachhaltig dezimieren, wohingegen ein einjähriger Brutausfall in Folgejahren normalerweise kompensiert werden kann.<ref name="HbvAaaBrutSterbAlt">HBV Band 9; A. a. apus; ''Bruterfolg, Sterblichkeit, Alter''; S. 693–696; siehe Literatur</ref><ref name="Bosch2005Kap6"> Stefan Bosch: ''Segler am Sommerhimmel''; S. 25–28; siehe Literatur</ref> == Feinde und Parasiten == === Feinde === Die natürlichen Feinde des Mauerseglers sind in Mitteleuropa vor allem [[Baumfalke]] und [[Wanderfalke]], die den Mauersegler auch häufig im freien Luftraum erbeuten. Für einige andere Greifvogelarten wie [[Turmfalke]] und [[Sperber (Art)|Sperber]] sowie für [[Eulen]] sind Mauersegler eher eine seltenere Gelegenheitsbeute, vor allem wenn die Tiere aufgrund anhaltend nasskalter Witterung durch Nahrungsmangel geschwächt sind. Bei schlechtem Wetter gelingt es auch [[Hauskatze]]n mitunter, die dann niedrig fliegenden Vögel zu ergreifen. In der Bruthöhle stellen [[Steinmarder]] und [[Wiesel]] gelegentlich eine Bedrohung dar.<ref name="HbvAaaBrutSterbAlt"/> === Parasiten === [[Datei:CrataerinaPallidaKlausRoggel01.jpg|thumb|Vollgesogene Lausfliege]] Besonders hervorzuheben ist die [[Mauerseglerlausfliege]] (''Crataerina pallida''), ein auf diese Art spezialisierter [[Parasit]]. Der Lebenszyklus der Lausfliegen ist mit dem der Segler synchronisiert, die in der Bruthöhle abgelegten Larven schlüpfen mit den Vogelnestlingen. Die bevorzugt an Hals und Bauch Blut saugenden, 6 bis 10&nbsp;Millimeter großen Parasiten können Jungvögel schwächen, ob hierdurch die Sterblichkeit des Mauerseglers beeinflusst wird, ist nicht bekannt. Bis zu 12 Lausfliegen können sich im Gefieder eines Nestlings befinden, bei einem Altvogel können es bis zu 20 sein. Die Parasiten werden, wenn sie erreichbar sind, offenbar nur entfernt, aber nicht gefressen. Die Mauerseglerlausfliegen können selbst nicht mehr aktiv fliegen, sondern nur noch segeln.<ref name="HbvAaaBrutSterbAlt"/><ref name="Bosch2005Kap6"/><ref name="HbvAaaVerhRuhePutzen"/> Neben Lausfliegen kommen auch andere Parasiten wie [[Bandwürmer]], [[Milben]], [[Wanzen]] und [[Tierläuse|Läuse]] vor. Ihr Einfluss auf die Sterblichkeit und Lebenserwartung ist unklar.<ref name="Bosch2005Kap6"/> == Verhalten == === Aktivität === Der Beginn der Aktivität ist stark wetterabhängig. Die im Nest nächtigenden Brutvögel verlassen dieses im Juni am mitten durch Deutschland verlaufenden 50. [[Breitengrad]] durchschnittlich 15&nbsp;Minuten vor Sonnenaufgang; am 60. Breitengrad, der durch Süd[[finnland]] verläuft, hingegen eine Stunde vor Sonnenaufgang aufgrund der längeren [[Dämmerung]]<nowiki/>. Bei Bewölkung, stärkerem Wind und niedriger Temperatur begeben sich die Vögel oft wesentlich später und erst bei weit größerer Helligkeit in die Luft, bei sehr schlechter Witterung unternehmen sie keine oder nur unregelmäßige, sporadische Ausflüge. Das Aktivitätsende ist hingegen weit weniger vom Wetter beeinflusst und liegt beispielsweise am 50. Breitengrad im Juni bei klarem Wetter ungefähr bei einer halben Stunden nach Sonnenuntergang. Zur besseren Ausnutzung des Tageslichts erfolgen Nahrungsflüge auch über Anhöhen, während die in den Tälern liegenden Brutplätze noch oder schon im Dunkeln liegen.<ref name="HbvAaaVerhAktivität">HBV Band 9; A. a. apus; ''Verhalten; Aktivität''; S. 696f; siehe Literatur</ref> === Übernachtung in der Luft === Bereits im 18. Jahrhundert war von [[Lazzaro Spallanzani]] vermutet worden, dass Mauersegler in der Luft nächtigen, da er oft abends beobachten konnte, wie sie sich immer höher schraubten. Zunächst durch Verfolgung mit Sportflugzeugen, später mit [[Radar]]<nowiki/>ortungen wurde dieser Verdacht bestätigt und mittlerweile ist unumstritten, dass Mauersegler, insbesondere die nicht brütenden Vögel, häufig fliegend übernachten. Der Mauersegler ist derzeit die einzige [[Segler (Vögel)|Segler]]<nowiki/>art<ref name="ChantlerDriessens2000Roosting">Chantler, Driessens: ''A Guide to the Swifts and Tree Swifts of the World''; S. 30f; siehe Literatur</ref>, von der sicher bekannt ist, dass sie die Nacht auf diese Weise verbringt. Für andere Arten dieser Familie hält man dies jedoch ebenfalls für wahrscheinlich, manche wurden auch beim abendlichen Aufstiegskreisen beobachtet.<ref name="HbvAaaVerhRuhePutzen">HBV Band 9; A. a. apus; ''Verhalten; Ruhe, Putzen''; S. 699ff; siehe Literatur</ref><ref name="Bosch2005Kap16"> Stefan Bosch: ''Segler am Sommerhimmel''; S. 81–88; siehe Literatur</ref> Vorwiegend bei schönem Wetter erfolgt das abendliche, gesellige Aufsteigen unter Ausnutzung von Aufwinden über den wärmeren Luftschichten. Die Nacht verbringen die Segler in Höhen zwischen 400 und 3.600&nbsp;Metern, einzeln oder in Schwärmen und sind meist stumm. Dabei schlagen sie gelegentlich mit den Flügeln, allerdings in langsamerer Frequenz als tagsüber. Offenbar versuchen die Vögel möglichst stationär zu bleiben und fliegen vergleichsweise langsam gegen den Wind, so dass sie bei stärkeren Winden sogar rückwärtig abgetrieben werden und morgens zurückfliegen müssen, um wieder zum Ausgangspunkt zu gelangen. Unklar ist, wie sich Mauersegler nachts erholen, da die Miniaturisierung der zur diesbezüglichen Forschung erforderlichen [[Telemetrie]]<nowiki/>ausrüstung noch nicht ausreichend ist, um sie für Vögel dieser Größe zu verwenden. Man vermutet einen Halbschlaf ähnlich dem bei [[Wale]]n oder [[Delfine]]n.<ref name="HbvAaaVerhRuhePutzen"/><ref name="Bosch2005Kap16"/><ref name="Kaiser2003"/><ref name="HbvAaaVerhBewegung"/> Über die [[Evolution|evolutionären]] Vorteile des Nächtigens in der Luft wird viel spekuliert und diskutiert. Selbst für einen so gut an das Leben in der Luft angepassten Vogel stellt die Übernachtung im Flug einen beträchtlichen energetischen Mehraufwand gegenüber der Nächtigung am Boden dar. Sicher ist, dass die Vögel nicht zur nächtlichen Insektenjagd in der Luft verbleiben, da sie hierfür nicht ausreichend sehen können. Ein Erklärungsversuch unterstellt als Ausgangspunkt einen Mangel an geeigneten Schlafgelegenheiten, insbesondere im afrikanischen Winterquartier, wo geeignete Nist- und Schlafplätze bereits durch 20 andere dort brütende einheimische Seglerarten beansprucht werden. Dieser Theorie zufolge hat der Mauersegler im übertragenen Sinn aus der Not eine Tugend gemacht, denn mit dem Verzicht auf eine bodengebundene Schlafmöglichkeit ist es ihm möglich, dem sich verlagernden größten Nahrungsangebot in der [[Innertropische Konvergenzzone|innertropischen Konvergenzzone]] (siehe auch [[#Wanderungen|Wanderungen]]) konsequent zu folgen.<ref name="Bosch2005Kap16"/><ref name="Kaiser2003"/> === Sozialverhalten === Mauersegler sind das ganze Jahr über gesellig und leben zur Brutzeit im Regelfall in Kolonien, in denen viele Aktivitäten synchron sind. Besonders auffallend sind die nur bei gutem Wetter vorwiegend abends zu sehenden sozialen Flugspiele, die sogenannten „Screaming Parties“, die von lauten Rufen begleitet sind. Dabei bilden die Vögel einen mehr oder weniger geschlossenen Schwarm, der zeitweilig in großer Höhe kreist und wiederholt mit rasanter Geschwindigkeit dicht an den Nistplätzen vorbeifliegt. Daran beteiligen sich alle Vögel der Kolonie, auch die Brutvögel und im Spätsommer die flüggen Jungen. Bei diesen Flugspielen sind sehr komplexe Flugmanöver zu sehen, teilweise erinnern diese an die Balzflüge. Auf die „Screaming Parties“ folgt oft unmittelbar das Aufsteigen zur Nächtigung in der Luft. Besonders intensiv sind die Flugspiele kurz vor dem Wegzug, möglicherweise dienen sie der sozialen Synchronisation.<ref name="HbvAaaVerhSozial">HBV Band 9; A. a. apus; ''Verhalten; Sozialverhalten''; S. 702ff; siehe Literatur</ref> === Bewegung === Ein Aspekt der extremen Anpassung des Mauerseglers an den Luftraum (siehe [[#Flug|Flug]]) sind auch die kleinen Füße, die für Bodenlandungen und die Fortbewegung am Boden nicht sonderlich geeignet sind. Am Boden steht er auf den Krallen und Fersengelenken, mit leicht gesenktem Kopf und weit ausholender Bewegung der etwas gespreizten Füße vermag der Mauersegler [[eidechsen]]artig zu laufen, was einen recht unbeholfenen Eindruck macht. Mittels der vier nach vorn gerichteten Krallen vermögen erwachsene Vögel ausgezeichnet zu klettern. An Zweigen oder Stangen können Mauersegler hängen, nicht aber darauf sitzen. Auch wenn Mauersegler nicht ohne Not auf flachem Boden landen, können gesunde Tiere entgegen anders lautender Behauptungen mühelos vom Boden starten, sofern eine ausreichende freie Strecke für den Start vorhanden ist. Mit den Füßen kann sich der Vogel dabei 30 bis 50 Zentimeter vom Boden hochkatapultieren oder sich nach einem Sprunglauf von 3 bis 5 Schritten in die Luft erheben. Obwohl die Spitzen der Handschwingen bei einem solchen Start den Boden berühren, stößt sich der Mauersegler nie mit den Flügeln vom Untergrund ab. Insbesondere geschwächte Tieren klettern auch Wände und Bäume empor, um sich von dort in den Luftraum fallen lassen zu können.<ref name="HbvAaaVerhBewegung"/> === Komfortverhalten === [[Datei:CrataerhinaPallida.jpg|thumb|Mauerseglerlausfliege (''Crataerina pallida'')]] Zur Gefiederpflege werden Brust und Schultern sowie die Flügeldecken bis zur Handmitte im Flug mit dem Schnabel bearbeitet, nötigenfalls wird der betreffende Flügel kurz angelegt. Das Reinigen der mit dem Schnabel nicht erreichbaren Gefiederteile und das Ordnen der Schwungfedern geschieht durch rasches, alternierendes Vor- und Zurückziehen der Schwingen entlang der Flanken. Auch der sogenannte „Flattersturz“, bei dem der Vogel mit den Flügeln schlagend abwärts wirbelt, ist offenbar eine Reaktion auf störende Reize im Gefieder, wahrscheinlich dient es auch dem Abschütteln von [[Lausfliegen]]. In der Höhle sitzende Tiere verbringen die meiste Zeit mit Putzhandlungen. Dank der enormen Drehbarkeit des Kopfs werden sämtliche Körperzonen erreicht, wirklich alle Gefiederteile erreichen Mauersegler aber nur hängend.<ref name="HbvAaaVerhRuhePutzen"/><ref name="Bosch2005Kap6"/> === Aggressions- und Feindverhalten === Gegenüber unbekannten Artgenossen verhalten sich Mauersegler in der Bruthöhle sehr aggressiv. Der Höhlenbesitzer bewegt sich drohend mit gestreckten und angehobenen Flügeln auf den Eindringling zu und stellt zudem durch Anheben des zugewandten Flügels und Seitwärtskippen des Körpers seine Füße als „Waffen“ zur Schau. Reagiert der eindringende Vogel mit dem gleichen Verhalten, kämpfen die Vögel ineinander verkrallt mit Flügelschlägen und Schnabelhieben. Solche heftigen von lauten Rufen begleiteten Auseinandersetzungen dauern inklusive gelegentlicher Unterbrechungen häufig über 20&nbsp;Minuten, manchmal sogar 2 bis 5&nbsp;Stunden. Die Auseinandersetzungen mit artfremden Nistplatzkonkurrenten wie [[Star (Art)|Star]] oder [[Haussperling]] ähneln intraspezifischen Auseinandersetzungen, nur wird der Gegner in diesem Fall nicht selten verletzt oder getötet.<ref name="HbvAaaVerhAggrFeind">HBV Band 9; A. a. apus; ''Verhalten; Aggressivverhalten, Feindverhalten''; S. 705ff; siehe Literatur</ref> Bei Erscheinen eines [[Baumfalke]]n und anderer größerer [[Greifvögel]] bilden Mauersegler einen Schwarm, oft auch gemeinsam mit [[Schwalben]]. Sie kreisen dann gemeinschaftlich über und hinter dem Angreifer und schrauben sich wie dieser in die Höhe. Gelegentlich erfolgen vermutlich auch Scheinangriffe. Entfernt sich der Feind, wird er noch eine Weile verfolgt. Unter normalen Bedingungen gelingt es Greifvögeln wohl nur in Ausnahmefällen, einen Mauersegler aus dem Schwarm zu erbeuten.<ref name="HbvAaaVerhAggrFeind"/> == Bestand und Bestandsentwicklung == [[Datei:ApusApusKlausRoggel04.jpg|thumb|Vogel des Jahres 2003]] Obwohl der Mauersegler derzeit nicht in seinem Bestand bedroht ist, wurde die Art im Jahr 2003 vom [[Naturschutzbund Deutschland|NABU]] zum [[Vogel des Jahres (Deutschland)|Vogel des Jahres]] gewählt. Der Mauersegler sollte dabei als Sympathieträger auf die Probleme seines Lebensraums aufmerksam machen, stellvertretend auch für andere gebäudebrütende Arten.<ref name="Bosch2005Kap9"/> Der europäische Bestand wird auf 4,0 bis 4,9 Millionen Vögel geschätzt<ref>E. J. M. Hagemeijer und M. J. Blair (eds.): ''The EBCC Atlas of European Breeding Birds: Their Distribution and Abundance''; T & AD Poyser; London 1997</ref>, die weltweite Population soll aus ungefähr 25 Millionen Individuen bestehen. Bei diesen Bestandszahlen handelt es sich aber nur um grobe Schätzwerte, da diese in den einzelnen Gebieten meist aus der maximalen Zahl fliegender Individuen abgeleitet werden und verlässliche Angaben für größere Gebiete kaum vorliegen. Dies zeigt sich auch daran, dass die von [[BirdLife International]] veröffentlichten Zahlen für den europäischen Bestand mehr als drei mal so hoch<ref>[http://www.birdlife.org/datazone/species/BirdsInEuropeII/BiE2004Sp1776.pdf BirdLife International, ''Birds in Europe, Apus apus'']</ref> sind wie die oben genannten, die 1997 von Boano und Delov veröffentlicht wurden.<ref name="ChantlerDriessens2000CommonSwift">Chantler, Driessens: ''A Guide to the Swifts and Tree Swifts of the World''; S. 221–224; siehe Literatur</ref><ref name="HbvAaaSiedlungsdichte">HBV Band 9; A. a. apus; ''Siedlungsdichte''; S. 687f; siehe Literatur</ref> Obwohl hierzu keine genauen Zahlen vorliegen, ist von einer Zunahme der Populationen im 20. Jahrhundert auszugehen, weil der Mauersegler von der Urbanisierung und den zu jener Zeit vorherrschenden Baustilen profitiert hat. Heutige Gebäude und modernisierte Fassaden bieten jedoch weit weniger als Brutplätze geeignete Nischen als ältere Gebäude, möglicherweise wirkt sich die Brutorttreue des Mauerseglers hier noch zusätzlich nachteilig aus, denn aus dem Winterquartier zurückkehrende Segler stehen nach einer Modernisierung oft „vor verschlossener Tür“. In den letzten Jahren scheint sich so trotz der für den Mauersegler eigentlich günstigen klimatischen Entwicklung in Mitteleuropa ein leichter Bestandsrückgang abzuzeichnen. Ein weiterer beobachteter Effekt ist das Verschwinden aus den Zentren von Großstädten wie [[London]]. Hier geht man davon aus, dass nicht die Verunreinigung der Luft ursächlich ist, sondern die zunehmende Entfernung zu den Freiflächen und Gewässern des Umlands.<ref name="HbvAaaBestand"/><ref name="Bosch2005Kap9"/><ref name="ChantlerDriessens2000CommonSwift"/> == Systematik == Von den weltweit über 90 [[Segler (Vögel)|Segler]]<nowiki/>arten ist der Mauersegler die einzige, die in Mitteleuropa eine ausgedehnte Verbreitung aufweist. Die meisten anderen Seglerarten sind in den tropischen Regionen beheimatet.<ref name="Bosch2005Kap4"> Stefan Bosch: ''Segler am Sommerhimmel''; S. 17–21; siehe Literatur</ref> Für den Mauersegler werden zwei [[Unterart]]en unterschieden, neben der [[Nominatform]] ''Apus apus apus'' ist dies ''Apus apus pekinensis''. Letztere unterscheidet sich von der Nominatform vor allem durch ein bräunlicheres Gefieder, die Flügel und besonders die Armschwingen wirken zudem graubraun. Die Stirn ist bräunlichgrau und von der übrigen Oberseite deutlich abgesetzt, das Weiß der Kehle ist reiner und ausgedehnter. ''A. a. pekinensis'' besiedelt vom [[Iran]] ausgehend die östlichen Teile des Verbreitungsgebiets, das Winterquartier liegt in der und um die [[Kalahari|Kalahari-Wüste]].<ref name="HbvAaRassen">HBV Band 9; A. apus; ''Rassengliederung''; S. 671; siehe Literatur</ref> == Mauersegler und Mensch == === Etymologie und Benennung === Der Name „Mauersegler“ ist auf das Verhalten der Vögel zurückzuführen, entlang oder in der Nähe von Mauern zu segeln. Das entsprechende [[Adjektiv]] zur englischen Bezeichnung „swift“ bedeutet soviel wie „flink“ oder „eilig“ und passt sehr gut zur Flugweise der Segler.<ref name="Baumung2002"/><ref name="Bosch2005Kap3"/> Im [[Volksmund]] werden sie in Deutschland auch „Spirschwalbe“, im [[Mittelhochdeutsch]]en wie in der [[Schweiz]], im [[Elsass]] oder in [[Tirol]] auch „Spire“ oder „Spyr“ genannt. [[Etymologie|Etymologen]] sind sich uneinig darüber, ob diese Bezeichnung die langen spitzen Flügel der Vögel oder die bevorzugt bewohnte Turmspitze meint. Wiederum andere deuten es lautmalerisch bezogen auf die charakteristischen lauten Rufe. Aus vielen weiteren regional üblichen Bezeichnungen wie „Turmschwalbe“, „Mauerschwalbe“, „Kirchschwalbe“ oder „Quieckschwalbe“ wird deutlich, dass man früher Mauersegler den Schwalben zurechnete.<ref name="Bosch2005Kap3"/><ref>[http://commonswift.org/2782Suolahti.html Hugo Suolahti: Die deutschen Vogelnamen; Eine wortgeschichtliche Untersuchung; 1909; Auszug]</ref> In der ''[[Naturalis historia]]'' werden die Segler „''Apoda''“ genannt. Diese und auch die durch [[Carl von Linné]] für die Gattung und Art eingeführte [[Nomenklatur (Biologie)|wissenschaftliche Bezeichnung]] „''Apus''“ leitet sich aus dem Griechischen her: άπους, ''ápus'' bedeutet „ohne Füße“ – tatsächlich sind die Beine sehr kurz und während des Fluges tief im Gefieder verborgen und nicht zu sehen.<ref name="Gory2005">Gérard Gory: ''Mauersegler – Leben im Flug'', siehe Literatur</ref> === Legenden === Obwohl Mauersegler in Städten und kleinen Ortschaften schon lange Zeit zu Hause sind, haben sie keine besondere Aufmerksamkeit seitens der Bevölkerung erhalten; es gibt vergleichsweise wenige Hinweise auf [[Mythologie|mythologische]] Eigenschaften dieser Vögel. In einigen Gegenden Englands standen die Mauersegler im Ruf, „Teufelsvögel“ zu sein („devil birds“ oder „screech devils“). Ihr plötzliches Auftreten zu Beginn des Sommers, zusammen mit dem schwarzen Gefieder und dem lauten Geschrei, war den Menschen unheimlich. Im Gegensatz dazu bewerteten die [[Tirol]]er die Mauersegler positiv, denn dort galten sie als Glücksbringer und schlüpften in die Rolle, die in Deutschland Rauch- und Mehlschwalben zugedacht war. Von [[Plinius der Ältere|Plinius]] ist auch eine Nutzanwendung aus der [[Volksmedizin]] überliefert<ref>[[Plinius der Ältere]]: ''[[Naturalis historia]]'', [[s:la:Naturalis Historia - Liber XXX#LY.|Liber XXX, LX]]</ref>, und zwar sollte [[Schmerz#Bauchschmerzen|Bauchgrimmen]] mit in Wein eingelegten Mauerseglern therapiert werden können.<ref name="Bosch2005Kap3"/><ref>Klaus Offenburg: [http://web.archive.org/web/20060312111735/http://www.forst.nrw.de/down/mitarbeit01_03.pdf ''Mauersegler, Vogel des Jahres 2003'']; In: Landesforstveratlung NRW: Die Zeitung für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Landesforstverwaltung; Ausgabe 1/2003</ref> == Literatur == * U. N. Glutz von Blotzheim, K. M. Bauer: ''[[Handbuch der Vögel Mitteleuropas]]'' (HBV); Band 9; Columbiformes – Piciformes; AULA-Verlag 1994; ISBN 3-89104-562-X * Phil Chantler, Gerald Driessens: ''A Guide to the Swifts and Tree Swifts of the World''; Pica Press; Mountfield 2000; ISBN 1-873403-83-6 * Stefan Bosch: ''Segler am Sommerhimmel: Bemerkungen über Mauersegler''; Niebühl 2003; ISBN 3-89906-463-1 * [[David Lack]]: ''Swifts in a Tower''; Chapman & Hall 1973; ISBN 0-412-12170-0 * Jochen Hölzinger, Ulrich Mahler: ''Die Vögel Baden-Württembergs: Nicht-Singvögel''; Band 3; Ulmer Verlag; Stuttgart 2001; S. 305–318; ISBN 3-8001-3908-1 * Emil Weitnauer: ''Mein Vogel: Aus dem Leben des Mauerseglers Apus apus''; 1980; 6. Auflage 2005 * Gérard Gory: ''Mauersegler: Leben im Flug''; Spektrum der Wissenschaft; April 2005; S. 28–32; {{ISSN|0170-2971}} * Sven Baumung: ''Der Mauersegler: Vogel des Jahres 2003'', NABU Deutschland (Hrsg.); Bonn 2002 == Einzelnachweise == <references/> == Weblinks == {{Commons|Apus apus|Mauersegler}} {{Wiktionary|Mauersegler}} *[http://commonswift.org/mauersegler.html Internationale Homepage über den Mauersegler] *[http://www.apusapus.net/ Deutsche Gesellschaft für Mauersegler] *[http://www.mauersegler.klausroggel.de/ Private Mauerseglerseite aus Berlin] *[http://www.martingrund.de/apus/ Mauersegler-Seite mit Webcam] *[http://infonet.vogelwarte.ch/home.php?siteLoad=nih&siteAction=mer&hkg=2&nkg=102&lang=de Bau und Montage von Segler-Nistkästen] *[http://www.schulen.regensburg.de/hhgs/projekte/mauersegler/mauerseglercam/ Nistkastenkamera der Hans-Herrmann-Grundschule in Regensburg] *[http://www.mauersegler-leipzig.de/ Private Mauerseglerseite aus Leipzig] * {{IUCN |Year=2008 |ID=142798 |ScientificName=Apus apus |YearAssessed=2008 |Assessor=BirdLife International |Download=31. Januar 2009 }} * {{IBC|ID=common-swift-apus-apus|Titel=Apus apus}} {{Exzellent}} [[Kategorie:Segler (Vögel)]] [[Kategorie:Kulturfolger]] {{Link FA|sv}} [[bg:Черен бързолет]] [[br:Glaouer du]] [[ca:Falciot negre]] [[cs:Rorýs obecný]] [[csb:Jaskùlc]] [[cv:Хура вĕршĕн]] [[cy:Gwennol Ddu]] [[da:Mursejler]] [[el:Μαυροσταχτάρα]] [[en:Common Swift]] [[eo:Komuna apuso]] [[es:Apus apus]] [[eu:Sorbeltz arrunt]] [[fi:Tervapääsky]] [[fr:Martinet noir]] [[fy:Toerswel]] [[gl:Cirrio común]] [[he:סיס החומות]] [[hr:Crna čiopa]] [[hu:Sarlósfecske]] [[is:Múrsvölungur]] [[it:Apus apus]] [[ja:ヨーロッパアマツバメ]] [[la:Apus apus]] [[lt:Čiurlys]] [[nl:Gierzwaluw]] [[no:Tårnseiler]] [[pl:Jerzyk]] [[pt:Andorinhão-preto]] [[ru:Чёрный стриж]] [[sc:Rundinone]] [[scn:Rinninuni]] [[se:Leahttospálfu]] [[sh:Crna Čiopa]] [[sl:Črni hudournik]] [[sr:Црна чиопа]] [[sv:Tornseglare]] [[ta:தரையிலான் குருவி]] [[tr:Ebabil]] [[zh:普通楼燕]] 1i1krl6bo66gsliyo44za3ok1z413zc wikitext text/x-wiki Maulwurfsgrillen 0 23912 28351 26508 2011-06-26T12:16:16Z 87.90.98.111 /* Lebensraum */ <!-- Für Informationen zum Umgang mit dieser Vorlage siehe bitte [[Wikipedia:Taxoboxen]]. --> {{Taxobox | Taxon_Name = Maulwurfsgrillen | Taxon_WissName = Gryllotalpidae | Taxon_Rang = Familie | Taxon_Autor = [[William Elford Leach|Leach]], 1815 | Taxon2_Name = Langfühlerschrecken | Taxon2_WissName = Ensifera | Taxon2_Rang = Ordnung | Taxon3_Name = Fluginsekten | Taxon3_WissName = Pterygota | Taxon3_Rang = Unterklasse | Taxon4_Name = Insekten | Taxon4_WissName = Insecta | Taxon4_Rang = Klasse | Taxon5_Name = Sechsfüßer | Taxon5_WissName = Hexapoda | Taxon5_Rang = Überklasse | Taxon6_Name = Gliederfüßer | Taxon6_WissName = Arthropoda | Taxon6_Rang = Phylum | Bild = Maulwurfsgrille Gryllotalpidae 20050921.JPG | Bildbeschreibung = [[Maulwurfsgrille]] ''(Gryllotalpa gryllotalpa)'' }} Die '''Maulwurfsgrillen''' (Gryllotalpidae) bilden eine Familie der Klasse der Insekten (Insecta), der mehrere Gattungen untergeordnet sind. In Deutschland ist lediglich die [[Europäische Maulwurfsgrille]] (''Gryllotalpa gryllotalpa'') heimisch, die auch als '''Werre''', '''Erdkrebs''', '''Halbteufel''' (Schweiz) oder '''Zwergel''', umgangssprachlich '''G'schwer''' (Österreich) bekannt ist. == Etymologie des Namens „Maulwurfsgrille“ == Der Name „Maulwurfsgrille“ rührt von ihrem charakteristischen Aussehen her: Einerseits besitzen sie große Grabschaufeln und leben unterirdisch wie [[Maulwürfe]], auf der anderen Seite haben sie (in etwa) die Körperform von großen [[Echte Grillen|Grillen]] und erzeugen ähnliche Laute. So setzt sich auch der wissenschaftliche Name „''Gryllotalpa''“ zusammen; Namensgeber sind die ''Gryllidae'', Grillen, und der Maulwurf ''[[Maulwürfe|Talpa europea]]''. Damit korrespondiert auch der englische Name „mole cricket“. Die erste Einordnung der Gryllotalpidae fand 1758 durch [[Carl von Linné]] statt, der die heute als „Saarländische Maulwurfsgrille“ bekannte Unterart beschrieb (''Gryllotalpa gryllotalpa'' Linnaeus, siehe auch [[Maulwurfsgrillen#Weblinks|Weblinks]]). Der Name wurde auch als Begriff für die Familie der Gryllotalpidae eingeführt. == Aussehen der Gryllotalpidae == [[Datei:Gryllotalpa-gryllotalpa-brehms-tierleben.png|thumb|''Gryllotalpa gryllotalpa'' aus „Brehms Tierleben“, links ausgewachsen, rechts ein junges Tier]] Das markanteste Merkmal der Maulwurfsgrillen sind ihre kräftigen Vorderbeine, die zu [[Schaufel]]n ausgebildet sind. Auch ihr gut geschützter, großer Kopf, der mit einem [[Chitin]]-Panzer geschützt ist und ihr allgemein „wuchtiges“ Auftreten sind charakteristisch. Maulwurfsgrillen besitzen einen hell- bis dunkelbraunen, mattglänzenden Körper; ihre Unterseite ist meist heller gefärbt. Der ganze Körper ist von einem wasserabweisenden, ganz dichten und kurzen [[Toment]] aus feinsten Härchen bedeckt. Die Körperform erinnert kaum an die einer Grille, eher an die eines Flusskrebses. Ihre Hinterbeine sind nicht als Sprungbeine ausgebildet, sie unterscheiden sich farblich nur gering vom restlichen Körper. Ihre [[Flügel (Insekt)|Flügel]] sind braun, zum Teil durchscheinend. Die Vorderflügel sind sehr kurz und „[[Leder|lederartig]]“; bei ihnen kann - anders als bei den echten Grillen - sowohl mal der linke wie der rechte Vorderflügel zuoberst liegen. Die Hinterflügel sind länger und überragen den Hinterleib. Erstaunlicherweise kann unsere so sehr plump wirkende heimische Maulwurfsgrille (in Süddeutschland: „Werre“) meist durchaus fliegen. Eine an schwülen Sommerabenden mit lautem Gebrumm und schräger Körperhaltung fliegende Werre zu erleben, ist ein vergleichbares Erlebnis wie das eines fliegenden [[Hirschkäfer]]-Männchens. Die meisten anderen Arten können nicht fliegen, in der Regel nicht einmal mehr springen. Die Flügel einiger ''Scapteriscus''-Arten sind länger als die anderer Gryllotalpidae. Die Geschlechter lassen sich meist nur sehr schwer unterscheiden. == Innerer und äußerer Bau == Das innere [[Organsystem]] der Maulwurfsgrillen ist mit dem anderer Insekten identisch. Sie besitzen ein [[Zentralnervensystem|zentrales Nervensystem]], ihr Atmungssystem besteht aus [[Trachee (Wirbellose)|Tracheen]]. Weibliche Tiere besitzen im Gegensatz zu vielen anderen weiblichen Insekten keine [[Legeröhre]]. Maulwurfsgrillen sind optimal an das Leben in der Erde angepasst: Sie besitzen im Gegensatz zu den meisten anderen [[Langfühlerschrecken]] (Ensifera) nur rudimentäre [[Komplexauge]]n. Sie haben nur kurze Vorderflügel. Nur wenige Arten können die Hinterflügel zum Fliegen verwenden und von diesen oft nur die Weibchen; viele Arten benutzen ihre Flügel zur [[Stridulation]]. Den Gesang von Maulwurfsgrillen können wir in warmen Sommernächten auch bis ziemlich weit außerhalb von deren Erdbauten hören. Die Hörorgane der Werren liegen im dem vordersten Beinpaar: ''Scapteriscus''-Arten besitzen von diesen nur zwei, ''Neocurtilla'' und ''Gryllotalpa'' jeweils vier an jedem Vorderbein. [[Datei:Gryllotalpa_gryllotalpa_bauch_gerade.jpg|thumb|left|Detailaufname der Bauchseite einer ''Gryllotalpa gryllotalpa'', an dem hintersten Bein sind die Daktylen zu erkennen]] Die Grabbeine sind mit kleinen Chitin-Zähnen besetzt, die ihnen das Graben erleichtern. Der Körper ist samtartig behaart und besteht aus einem sehr festen Chitin-Skelett, das ihnen ebenfalls das Leben unter der Erde ermöglicht. Die [[Thorax (Gliederfüßer)|Thoraxgröße]] beider Geschlechter beträgt zwischen 1 und 2&nbsp;cm, die gesamte Körperlänge zwischen 4 und 6&nbsp;cm, es wurden jedoch auch schon 10&nbsp;cm große Exemplare gesichtet, was zeigt, dass sie unter Idealbedingungen weit größer werden können. Charakteristisch sind ihre viergliedrigen Vorderfüße, die sich im Laufe der [[Evolution]] zu Grabschaufeln veränderten. Auch der Chitin-Schild am Hals, der mit feinen Haaren bestückt ist, ist ein auffälliges Merkmal dieser Familie. Der harte und große Kopfpanzer dient dazu, die Wände der gegrabenen Tunnel zu verdichten. == Lebensraum == [[Datei:Schema_gryllotalpidae_bau.png|thumb|schematische Darstellung eines typischen Gryllotalpidae-Baus]] Maulwurfsgrillen leben bevorzugt unterirdisch in feuchten, lockeren und kultivierten ([[Acker]]-) oder [[Lehm]]böden. In Amerika lebende Arten leben auch in [[Torf|torfhaltigen]] Böden. Oft halten sie sich in der Nähe von [[Gewässer]]n auf. Seltener leben sie im Boden lichter Wälder. Maulwurfsgrillen können sich unter der Erde wegen ihrer Schaufeln sehr geschickt vor- und rückwärts bewegen. Durch die Besiedelung des Menschen boten sich den Maulwurfsgrillen neue [[Habitat]]e, wie zum Beispiel Mist- und [[Kompost]]haufen oder (Gemüse-)[[Garten|Gärten]]. Mit dieser Lebensweise gelingt ihnen darüber hinaus eine größere Verbreitung, da sie beim Düngen auf großen Feldern verteilt werden. Zur Verstärkung der Kammern verwenden Maulwurfsgrillen Teile von toten Pflanzen, die sie mit ihrem Panzer an die feuchten Erdwände drücken. Die Vorkammern (siehe Schema) werden von vielen Arten auch als eigentliche Nester gebraucht. Ihre Tunnelsysteme sind mehrere Meter lang. Sie bestehen aus horizontal verlaufenden Kanälen dicht unter der Oberfläche und – von diesen ausgehend – vertikalen Tunneln, die bis zu 4&nbsp;m tief sein können. Maulwurfsgrillen graben sich täglich unterirdisch bis zu 40&nbsp;m weit. Sie legen sogar einzelne Kammern an, um unter anderem den Nachwuchs zu ernähren. Diese Brut- und Vorratskammern sind etwa so groß wie ein Tennisball, es gab allerdings auch schon Funde von der Größe eines Fußballs. Die Gänge sind jedoch nicht breiter als etwa 6&nbsp;cm und bestehen zudem oft nur aus lockerem Boden, durch den sich die Tiere leichter graben können. Manche Arten bauen zudem separate Futterkammern. Ihren natürlichen Lebensraum verlassen Maulwurfsgrillen nur zur Paarungszeit, meistens in den Abendstunden. Sie sind zudem [[Nachtaktivität|nachtaktiv]]. === Evolution und Auftreten === [[Datei:Gryllotalpa gryllotalpa MHNT.jpg|thumb|150px|Maulwurfsgrille ''(Gryllotalpa gryllotalpa)'']] Maulwurfsgrillen existieren bereits seit über 35 Millionen Jahren, was Fossilfunde belegen. Die ersten Maulwurfsgrillen sind somit gegen Ende des [[Eozän]] entstanden. Etwa zu dieser Zeit spaltete sich die Entwicklungslinie der Gryllotalpidae von der der Gryllidae ab. Die Unterschiede des Körperbaus zu dem anderer Grillenfamilien und die gleichzeitige [[Analogie (Biologie)|Analogie]] zum [[Phänotyp]] evolutionär entfernter Tierfamilien (wie zum Beispiel die Grabschaufeln der Maulwürfe oder die Flügel der Libellen) zeugen von der sehr frühen Trennung der Evolutionslinien. Heute sind Maulwurfsgrillen in ganz [[Europa]] (große Bestände in [[Ungarn]]), in [[Asien]] (bis nach [[Japan]]), im Osten von [[Australien]] und in [[Afrika|Nordafrika]] verbreitet. Auch in [[Nordamerika|Nord-]] und [[Südamerika]] siedelten sich einige Arten an. Auffällig ist ihre besonders hohe Verbreitung im Mittelmeergebiet; sie erstreckt sich im Westen von Marokko und Spanien bis nach [[Israel]] im Osten. == Verhaltensweisen und Leben der Maulwurfsgrillen == === Nahrung und Feinde === Maulwurfsgrillen gehören zu den [[Beutegreifer|Carnivoren]] und ernähren sich von Insekten, deren Larven und anderen [[Wirbellose|wirbellosen Tieren]] (zum Beispiel Würmern oder Engerlingen). Da insbesondere junge Maulwurfsgrillen gut schwimmen können, ernähren sich diese auch von Wasserinsekten. Unter der Erde haben Maulwurfsgrillen außer [[Maulwürfe]]n kaum Feinde. Wenn sie zur Paarungszeit den Bau verlassen, werden sie aber darüber hinaus Beutetiere von Vögeln (im europäischen Raum vor allem von [[Raben und Krähen|Krähen]], [[Steinkauz (Art)|Steinkäuzen]] und [[Wiedehopf]]en). Beobachtet wurden Nachstellungen und Tötungen durch Hauskatzen. Weitere Feinde sind größere oder giftige Insekten, wie sie in Australien und Amerika vorkommen. Bei Maulwurfsgrillen, die Nester in der Nähe von Seen und Flüssen bauen, das betrifft vor allem die Siedlungsräume in Nord- und Osteuropa, wird der [[Wels (Fisch)|Flusswels]] (''Silurus glanis'') unter den Fischen ihr Hauptfeind. Findet die Maulwurfsgrille zu wenig tierische Nahrung, nimmt sie (selten) auch pflanzliche Nahrung zu sich. Maulwurfsgrillen gelten aber als sehr gefräßig, so dass bei einigen Arten – besonders bei Futtermangel – Fälle von [[Kannibalismus]] beobachtet werden konnten. Dies ist wohl nicht alltäglich, wurde aber schon 1887 in [[Brehms Tierleben]] in einer Anekdote erwähnt: ''„Eine in einem Garten betroffene Werre sollte mit dem Grabscheite getötet werden, wobei man sie zufällig so traf, daß sie in eine vordere und hintere Hälfte gespalten wurde. Nach einer Viertelstunde fiel der Blick des Vertilgers auf das vermeintlich todte Thier; wie groß war aber sein Entsetzen, als er die vordere mit dem Auffressen der weicheren hinteren Hälfte beschäftigt fand.“'' === Fortpflanzung und Lebenszyklus === Die Paarungszeit der Maulwurfsgrillen dauert von Anfang Mai bis Mitte Juni an. In dieser Zeit verlassen die Maulwurfsgrillen vermehrt zur Partnerfindung ihren unterirdischen Bau. Weibliche Tiere begeben sich dann auf den Paarungsflug (in etwa vier bis sechs Meter Höhe), um dem Lockruf des Männchens zu folgen. Der Paarungsruf des Männchens klingt wie ein tiefes Surren ([[Stridulation]]). Mit y-förmigen Trichtern, die die Männchen an der Bodenoberfläche graben, wird das Zirpen, das aber nicht wie ein solches klingt, verstärkt; die Geräusche sind so für das Weibchen bis zu etwa 200&nbsp;m weit hörbar, für den Menschen (unter guten Bedingungen) bis zu 100&nbsp;m. Die Paarung findet auf dem Boden oder unterirdisch statt. Das Weibchen legt danach unterirdisch in einer separaten Brutkammer zwischen 100 und 1000 Eier und klebt diese an die Wände. Die Eier besitzen eine gelbliche Farbe, sind oval und jedes Einzelne ist ungefähr so groß wie ein Pfefferkorn. Bei manchen Arten (zum Beispiel ''Gryllotalpa gryllotalpa'') bewacht das Weibchen diese zusätzlich; auch werden die Eier vor [[Pilze|Pilzbefall]] durch Ablecken, das einer „[[Desinfektion]]“ gleicht, geschützt. Je nach Art nach sieben bis zwölf Tagen schlüpfen die Larven, die eine weiße Farbe haben. Das Weibchen umsorgt auch die [[Larve]]n. Sie durchlaufen je nach Art sechs bis zehn verschiedene Stadien, bis sie ausgewachsen sind. Maulwurfsgrillen sind wie auch alle übrigen Langfühlerschrecken ''hemimetabol'', zeigen also eine unvollständige Verwandlung ohne Puppenstadium. [[Datei:Gryllotalpa gryllotalpa vorne-flach.jpg|thumb|left|Gemeine Maulwurfsgrille von der Seite]] Die jungen Larven verbringen die ersten drei bis vier Wochen nach dem Schlüpfen im Bau und ernähren sich von abgestorbenen Pflanzenteilen. Dann folgt die erste Häutung und die Jungtiere verlassen das Nest. Nach weiteren vier Wochen, gegen Mitte bis Ende August, häuten sie sich abermals und gegen Ende September ein drittes Mal. Sie besitzen zu diesem Zeitpunkt ihrer Entwicklung eine Größe von ungefähr 20 bis 40&nbsp;mm. Die jungen Tiere halten im Boden Winterschlaf und häuten sich im Frühjahr zum vierten Mal; ihre Flügel sind dann vorausgebildet. In diesem Stadium können sich die Tiere weiter und schneller fortbewegen als ausgewachsene Tiere, da sie ihre Sprungfähigkeit noch nicht eingebüßt haben. Ende Juli sind die Tiere voll entwickelt, bis dahin häuten sie sich je nach Art noch zwei- bis sechsmal. Sie werden jedoch erst ein Jahr später (nach insgesamt 2 Jahren) [[Geschlechtsreife|geschlechtsreif]]. Die Lebensdauer einer geschlechtsreifen Maulwurfsgrille beträgt etwa ein Jahr. === Angriff und Verteidigung === Auch Kämpfe zwischen männlichen Maulwurfsgrillen werden (vermehrt zur Paarungszeit) ausgetragen: Ihre Schaufeln sind kräftig gebaut und gut zum Angriff geeignet. Zur Verteidigung verwenden die Gryllotalpidae ein klebriges Sekret, das sie von ihrem Hinterleib absondern. Wird zum Beispiel eine Maulwurfsgrille von hinten attackiert, so erhält sie durch ihre Sinneshärchen an ihrem Schwanz einen Impuls, der sie die Abwehrflüssigkeit – bemerkenswert schnell – absondern lässt. Gegenüber Menschen verhält sich das Tier scheu; bei einer Erschütterung des Bodens zieht sich das Tier unter die Erde zurück. == Systematik der Gryllotalpidae == Es sind etwa 60 verschiedene Arten dieser Insektenfamilie bekannt. Diese sind wiederum in drei Gattungen aufgeteilt: ''Gryllotalpa'', ''Scapteriscus'' und ''Neocurtilla''. Außer im Bau des äußeren Chitinpanzers unterscheiden sich die Gattungen nur wenig, zum Beispiel in den Hörorganen. Der folgende Baum stellt diese Gattungen und eine Auswahl an Arten mit den größeren Populationen dar: [[Datei:Gryllotalpidae-verbreitung.png|thumb|250px|Verbreitungskarte der verschiedenen Gattungen]] * '''Gryllotalpa''' ** ''Gryllotalpa africana'' („Afrikanische Maulwurfsgrille“, „Chinesische Maulwurfsgrille“) ** ''Gryllotalpa cultriger'' („Westliche Maulwurfsgrille“, „western mole cricket“) ** [[Europäische Maulwurfsgrille]] oder Gemeine Maulwurfsgrille (''Gryllotalpa gryllotalpa'') ** ''Gryllotalpa orientalis'' („Orientalische Maulwurfsgrille“, „oriental mole cricket“) ** ''[[Maulwurfsgrillen#Gryllotalpa australis|Gryllotalpa australis]]'' („Australische Maulwurfsgrille“, „Australian mole cricket“) ** … * '''Scapteriscus''' ** ''Scapteriscus abbreviatus'' („Kurzflügelige Maulwurfsgrille“, „shortwinged mole cricket“) ** ''Scapteriscus borellii'' („Südliche Maulwurfsgrille“, „southern mole cricket“) ** ''[[Maulwurfsgrillen#Scapteriscus didactylus|Scapteriscus didactylus]]'' („Westindische Maulwurfsgrille“, „west indian mole cricket“) ** ''[[Maulwurfsgrillen#Scapteriscus imitatus|Scapteriscus imitatus]]'' („Imitatormaulwurfsgrille“, „imitator mole cricket“) ** ''Scapteriscus vicinus'' („Lohfarbene Maulwurfsgrille“, „tawny mole cricket“) ** … * '''Neocurtilla''' ** ''[[Maulwurfsgrillen#Neocurtilla hexadactyla|Neocurtilla hexadactyla]]'' („Nördliche Maulwurfsgrille“, „northern mole cricket“) **… '''Anmerkung''': Die so genannten „Pygmäen-Maulwurfsgrillen“ (englisch: „pygmy mole crickets“), die nur eine Körpergröße von etwa 10&nbsp;mm erreichen, gehören trotz ihres Namens nicht in die Familie der Gryllotalpidae, sondern zu den [[Kurzfühlerschrecken]] (Caelifera). Die Ähnlichkeiten der beiden Spezies ist mehr auf eine [[Konvergenz (Biologie)|konvergente Entwicklung]] zurückzuführen als auf einen gemeinsamen Vorfahren. (''siehe auch [[Maulwurfsgrillen#Auftreten und Evolution|Auftreten und Evolution]]'') == Ausgewählte Arten und ihr Lebensraum == === Australien === In Australien sind lediglich folgende vier Arten beheimatet, die alle im Osten des Kontinents zu finden sind: ''Gryllotalpa australis'' (auch „Gewöhnliche Maulwurfsgrille“ genannt, englisch: „common mole cricket)“, ''Gryllotalpa howensis'', ''Gryllotalpa monanka'' und ''Gryllotalpa nitidula''. Die drei letzten Arten treten nur in sehr geringer Zahl auf – die Population der „Gewöhnlichen Maulwurfsgrille“ ist am größten (aber dennoch gering). ==== ''Gryllotalpa australis'' ==== Die „Australische Maulwurfsgrille ist in den frühen Sommermonaten zahlreich in der Umgebung um [[Brisbane]] anzutreffen. Sie ist eine der wenigen Arten, die nicht unter Artenschutz stehen, da diese Art noch weit verbreitet ist. === Europa === [[Datei:Gryllotalpa_gryllotalpa_vergleich_schraeg.jpg|thumb|''Gryllotalpa gryllotalpa'' von Vorne]] *[[Europäische Maulwurfsgrille]] (''Gryllotalpa gryllotalpa'') === Nordafrika === Im nördlichen Afrika (vor allem in [[Marokko]]) ist hauptsächlich die Art ''Gryllotalpa africana'' verbreitet. Diese Art wird auch als „chinesische Maulwurfsgrille“ bezeichnet; weil sie auch in der Volksrepublik China verbreitet ist. === Amerika === Selbst in Nordamerika kann man einige Arten antreffen, darunter die seltenen ''Scapteriscus vicinus'' (englisch: „tawny mole cricket“) und die ''Scapteriscus borellii'' („Südliche Maulwurfsgrille“). Die „nördliche Maulwurfsgrille“ (''Neocurtilla hexadactyla'') ist die Art, die am verbreitetsten ist, dennoch ist ihre Population gering. In Puerto Rico ist in besonderem Maße die Art ''Scapteriscus didactylus'', die „Westindische Maulwurfsgrille“, verbreitet. Eine weitere seltene Art, die im Westen der USA lebt, ist die ''Gryllotalpa major'' (deutsch: „Präriemaulwurfsgrille“, englisch: „prairie mole cricket“). ==== ''Neocurtilla hexadactyla'' ==== [[Datei:Schemazeichnung neocortilla hexadactyla.png|thumb|200px|Schemazeichnung einer Maulwurfsgrille (''Neocurtilla hexadactyla'')]] '''Name''': Der Artname leitet sich von ihrem Bau („hexa“ = sechs, bezieht sich auf die Anzahl der Dakytlen) ab. Sie ist auch als „Nördliche“ oder „Nordamerikanische Maulwurfsgrille“ (englisch: „northern mole cricket“) bekannt. '''Verbreitung''': Diese Maulwurfsgrillenart lebt vor allem im Osten und im Zentrum der Vereinigten Staaten. Nachgewiesen werden konnte sie in [[Nebraska]] bis [[Texas]] und [[Florida]], auch in [[Ontario]] in [[Kanada]]. Sie hat sich dem dortigen Leben angepasst und lebt zum Teil in Torfböden. Auch in der [[Karibik]] wurde sie bereits nachgewiesen. Die Art wird in Amerika als „selten“ angesehen. '''Beschreibung''': Diese Art der ''Neocurtilla'' unterscheidet sich von anderen Gryllotalpidae vor allem in der Anzahl der „Hörorgane“ an ihren Beinen; die üblicherweise in Amerika lebenden ''Scapteriscus''-Arten besitzen insgesamt vier (an jedem Hinterbein zwei), Neocurtilla jedoch insgesamt sechs der Daktylen. Die Körperfarbe dieser Art ist dunkler als die anderer in Amerika lebender Arten. Nordamerikanische Exemplare haben ihre Flugfähigkeit eingebüßt, Tiere der gleichen Art, die ihren Ursprung in Mittelamerika und der Karibik hatten, sind jedoch flugfähig. Durch ihre Flugunfähigkeit haben die ''Hexadactyla'' viele Feinde, darunter einige [[Faltenwespen|Wespenarten]]. Die Paarungszeit dieser Spezies liegt zwischen Mai und Juni. Zwischen Ende Mai und Anfang Juli schlüpfen die ersten Larven. ==== ''Scapteriscus didactylus'' ==== '''Name''': ''Scapteriscus didactylus'' wird auch „Westindische Maulwurfsgrille“ (englisch: „west indian mole cricket“) genannt. Sie ist eine der wenigen in Mittelamerika lebenden Arten. In Mittelamerika wird sie auch „changa“ genannt, [[Spanische Sprache|spanisch]] für „kleiner Affe“. '''Verbreitung''': Ihr Lebensraum liegt in [[Mittelamerika]], der Karibik und den südlichen USA. Ihr Ursprung wird in Südamerika vermutet. '''Beschreibung''': Der Körper dieser Art isr dunkel- und hellbraun gefleckt. Die Flügel überragen das [[Abdomen (Gliederfüßer)|Abdomen]], was ihr das Fliegen ermöglicht. Ein besonderes Merkmal dieser Art ist, dass sie sich in Gefangenschaft oft stundenlang „tot stellt“. Diese Eigenschaft teilt sie sich nur mit den Südlichen Maulwurfsgrillen. Sie ernährt sich hauptsächlich von Ameisen und Pflanzenschädlingen und ist daher selbst keiner. ==== ''Scapteriscus imitatus'' ==== '''Verbreitung''': Sie stammt ursprünglich aus Südamerika, wurde aber in den 1930er Jahren auch nach Puerto Rico importiert, wo sie sich rasch vermehrte. '''Beschreibung''': Den Namen „Imitatormaulwurfsgrille“ bekam diese Art wegen ihres charakteristisch gefleckten Panzers. Mit diesem imitiert sie andere Insektenarten in ihren Heimatländern. Die Flügel sind nicht länger als der Körper. === Asien === In Westasien existieren nur wenige Arten, die seltene ''Gryllotalpa major'' ist eine von ihnen. Dies ist zugleich die größte bekannte Maulwurfsgrillenart. Sie wurde auch auf [[Hawaii]] gefunden, stammt jedoch ursprünglich aus Osteuropa, besiedelte später, vermutlich ganz, Ostasien. == Maulwurfsgrillen und der Mensch == === Bedrohung und Artenschutz === Da lange Zeit geglaubt wurde, Maulwurfsgrillen ernährten sich von Wurzeln, wurden sie als Schädlinge bekämpft: Maulwurfsgrillen zerstören die Wurzeln der Pflanzen nur durch ihr Graben und Reißen; da sie sich ausschließlich von Fleisch ernähren, fressen sie die Wurzeln aber nicht auf. Seit einiger Zeit wird diese Meinung von den meisten Forschern geteilt, obwohl von manchen Gryllotalpidae-Arten vermutet wird, dass auch Wurzeln auf ihrem Speiseplan stehen, besonders wenn nicht genügend tierische Nahrung vorhanden ist. So kommt es, dass heute fast alle Arten in Westeuropa und Amerika unter [[Artenschutz]] stehen, manche sind auch vom Aussterben bedroht. Besonders in Deutschland ist die Art ''Gryllotalpa gryllotalpa'' in die Vorwarnliste aufgenommen worden: Dies ist nicht nur auf den Menschen, der diese Art lange als Schädling bekämpft hat, sondern auch auf ihre kurze Lebensdauer und ihre (relativ lange) Larvenzeit zurückzuführen. Auch legt sie nur sehr wenige Eier (zwischen 100 und 300 pro Jahr), was auch einen Grund für ihre geringe Anzahl darstellt. In der 2002 erschienenen „Gefährdungsanalyse der Heuschrecken Deutschlands“ wurde die Art in die [[Rote Liste gefährdeter Arten|Rote Liste]]-Kategorie 2 (''stark gefährdet'') hochgestuft&nbsp;<ref>S. Maas, P. Detzel, A. Staudt: ''Gefährdungsanalyse der Heuschrecken Deutschlands - Verbreitungsatlas, Gefährdungseinstufung und Schutzkonzepte''. Landwirtschaftsverlag, Münster 2002, ISBN 3-7843-3828-3.</ref>. === In der Medizin === Das Sekret, das die Maulwurfsgrillen zu ihrer Verteidigung benutzen, wird in Asien bereits seit langer Zeit als [[Salbe|Heilsalbe]] verwendet. Zurzeit wird diese Flüssigkeit auch in der westlichen Welt in der [[Naturheilkunde]] auf ihre heilende Wirkung erforscht. == Geschätzte Populationen == Es ist auf Grund ihrer Lebensweise sehr schwer, genaue [[Population (Biologie)|Populationszahlen]] zu bestimmen. Man vermutet, dass die größten Populationen die Arten der „Westindische Maulwurfsgrille“ und der „Gewöhnlichen Maulwurfsgrille“ bilden. Die Art ''Gryllotalpa gryllotalpa'' ist vor allem in Westasien und Osteuropa großzahlig vertreten, in Ungarn sind sie ein alltägliches Phänomen. Weltweit ist die Anzahl aller Gryllotalpidae für Insektenpopulationen als gering anzusehen. Die meisten anderen Gryllotalpidae-Arten sind ebenso nur noch wenig vertreten; zum Beispiel wird die Anzahl aller ''Gryllotalpa major'' weltweit auf etwa 5.000 bis 10.000 Exemplare geschätzt. == Quellenangaben == <references/> == Literatur == *''{{lang|en|A revision of the Afrotropical mole-crickets.}}'' Infoblatt. {{lang|en|British Museum of Natural History}}, London 1983. * Doyen und Purcell Daly: ''{{lang|en|Introduction to Insect Biology and Diversity.'' University Press, Oxford / New York}} 1998 (2.Aufl.). ISBN 0-19-510033-6 * Gale Group: ''{{lang|en|Grzimek’s Animal Life Encyclopedia.}}'' Bd 3. Insekten. Gale, Detroit 2004 (2. Aufl.). ISBN 0-7876-5779-4 *''[[Brehms Tierleben]].'' Leipzig 1887. Bd 9, S. 560ff. („Digitale Bibliothek“ Bd 76: „Brehms Tierleben, Kolorierte Originalausgabe“)<!--würdet ihr bitte mal die URL raussuchen.--> *M. Zimmer: ''Die chinesische Maulwurfsgrille "Gryllotalpa africana" Beauvois und die saarländische Maulwurfsgrille "Gryllotalpa gryllotalpa" Linné in der Wundheilkunde.'' Dissertation, Universität des Saarlandes, 1997 *Pungur: ''{{lang|hu|A magyarországi tücsökfélék természetrajza.}}'' Budapest 1891 (ungar.) == Weblinks == {{Commons|Gryllotalpa gryllotalpa|Maulwurfsgrillen}} * [http://www.delattinia.de/Heuschreckenatlas/Gryllotalpa_gryllotalpa.htm Verbreitungskarte von Maulwurfsgrillen im Saarland] * [http://www.brisbaneinsects.com/brisbane_grasshoppers/MoleCricket.htm Zirpen und Bilder von Maulwurfsgrillen] (englisch) * [http://www.nabu.de/m05/m05_06/01472.html Rote Liste der gefährdeten Heuschrecken] in Deutschland * [http://molecrickets.ifas.ufl.edu/ Mole Cricket Knowledge Base] der Universität von Florida, sehr umfangreiche englische Seite * [http://buzz.ifas.ufl.edu/s341a.htm englische Seite über die Familie der Gryllotalpidae] * [http://www.bmu.de/naturschutz_biologische_vielfalt/forschen_fuer_die_natur/heuschrecken/doc/35336.php Erläuterungen des BMU zur „Gefährdungsanalyse der Heuschrecken Deutschlands“] {{Exzellent}} [[Kategorie:Langfühlerschrecken]] [[cs:Krtonožka]] [[el:Κρεμμυδοφάγος]] [[en:Mole cricket]] [[eo:Talpogrilo]] [[fr:Gryllotalpidae]] [[gan:土狗]] [[he:ערצביים]] [[hu:Lótücsökfélék]] [[id:Anjing tanah]] [[io:Grilio-talpo]] [[it:Gryllotalpidae]] [[ja:ケラ]] [[ko:땅강아지]] [[lt:Kurkliniai]] [[nl:Veenmollen]] [[no:Jordsirisser]] [[nv:Łeeyiʼ nahakʼízii]] [[pam:Kamaru]] [[pl:Turkuciowate]] [[ro:Coropişniţă]] [[ru:Медведка]] [[simple:Mole cricket]] [[sl:Bramorji]] [[sq:Dosëza]] [[sr:Ровац]] [[su:Gaang]] [[sv:Mullvadssyrsor]] [[th:แมงกะชอน]] [[vi:Dế trũi]] [[zh:螻蛄]] 7sj6v9byht692h68i8qckr0knmh0gi8 wikitext text/x-wiki Überfall im Medway 0 23913 26509 2009-09-07T20:44:00Z Logograph 0 /* Folgen */ inlink [[Ruprecht von der Pfalz, Duke of Cumberland]] Der '''Überfall im Medway''' (auch ''Schlacht von [[Chatham (Kent)|Chatham]]''; englisch ''Raid on the Medway'', niederländisch ''Tocht naar Chatham'') vom 19. Juni bis zum 24. Juni 1667 war eine militärische Operation der [[Republik der Sieben Vereinigten Provinzen|niederländischen]] Flotte während des [[Englisch-Niederländischer Krieg (1665–1667)|Englisch-Niederländischen Krieges]] (1665–1667). Unter dem Kommando des [[Admiral]]s [[Michiel de Ruyter]] drangen niederländische Schiffe über die Mündung der [[Themse]] in den Fluss [[Medway (Fluss)|Medway]] ein und eroberten oder verbrannten dort eine größere Anzahl Kriegsschiffe der englischen [[Geschichte der Royal Navy|Royal Navy]]. Dieser niederländische Erfolg trug in der Folge maßgeblich zum Abschluss des [[Frieden von Breda|Friedens von Breda]] am 31. Juli 1667 bei. [[Datei:Van Soest, Attack on the Medway.jpg|thumb|400px|Die eroberte ''Royal Charles'' wird von den Niederländern davongeschafft; ''Gemälde von [[Pieter Cornelisz van Soest]] (ca. 1667)'']] == Vorgeschichte == ''('''Hinweis:''' Kalenderdaten in diesem Artikel beziehen sich auf den [[Gregorianischer Kalender|gregorianischen Kalender]], der dem damals in England verwendeten [[Julianischer Kalender|julianischen Kalender]] zehn Tage voraus war.)'' === Allgemeine Entwicklung === [[Datei:Johan de Witt.jpg|thumb|upright|Jan de Witt; ''unbekannter Künstler'']] [[Datei:Bol, Michiel de Ruyter.jpg|thumb|upright|Michiel de Ruyter; ''Portrait von Ferdinand Bol'' (1667)]] Nach dem Ende des [[Englisch-Niederländischer Krieg (1652–1654)|ersten englisch-niederländischen Krieges]] im Jahre 1654 war es in England zur Rückkehr König [[Karl II. (England)|Charles II.]] (1630–1685) gekommen. Dieser benötigte für eine vom Parlament unabhängige Regierung finanzielle Mittel, die er durch die Beute in einem weiteren Krieg gegen die [[Republik der Sieben Vereinigten Provinzen|Vereinigten Niederlande]] zu gewinnen hoffte. Dabei wurde er von den Ambitionen der [[Royal African Company]] unterstützt, welche die niederländische Konkurrenz schädigen wollte. Im Frühjahr 1665 kam es schließlich zum offenen Kriegsausbruch. Nach den ersten Kämpfen entschieden die Niederländer im Juni 1666 die [[Viertageschlacht]] für sich und meinten die Oberhand gewonnen zu haben. Doch schon wenige Wochen später gewann die englische Flotte im „[[St. James’s Day Fight]]“ die Seeherrschaft in der [[Nordsee]] zurück. In der Folge dieses Erfolges unterband die [[Royal Navy]] die niederländische Schifffahrt und englische Kapitäne überfielen Orte entlang der Küste. Der bekannteste Fall ereignete sich am 20. August 1666. [[Vizeadmiral]] [[Robert Holmes (Admiral)|Robert Holmes]] (1622–1692) brannte das Dorf ''Ter Schelling'' (das heutige [[Terschelling|West-Terschelling]]) auf der Insel [[Terschelling]] nieder und versenkte in der [[Vlie]] (nahe der Insel Terschelling) 140 bis 150 Handelsschiffe, die dort vor Anker lagen. Dieses Ereignis wurde in England als ''Holmes’s Bonfire'' bekannt und gefeiert. Danach zog sich die englische Flotte in eigene Gewässer zurück.<ref> Charles Ralph Boxer: ''The Anglo-Dutch Wars of the 17th Century'', London 1974, S. 36. </ref> In den [[Generalstaaten#Staatsname|Generalstaaten]] breitete sich eine wachsende Kriegsmüdigkeit aus, denn die Kosten, die der Krieg verschlang, belasteten den Staatshaushalt und das Vertrauen in den französischen Verbündeten war geschwunden. Nach den desaströsen Verlusten der Handelsschiffe bei Terschelling eröffneten die Niederländer unter schwedischer Vermittlung Friedensverhandlungen.<ref name="Coox3"> Alvin Coox: ''The Dutch Invasion of England 1667'', in: ''Military Affairs'' 13 (4 /1949), S. 223. </ref> Doch auch die englischen Finanzen waren erschöpft. Der Krieg hatte nicht die erhofften Gewinne eingebracht, und das Parlament weigerte sich, neue Gelder für die Kriegführung zu bewilligen, nachdem sich herausgestellt hatte, dass ein Teil der bewilligten Gelder in die teure Hofhaltung des Königs geflossen war.<ref> Kurt Kluxen: ''Geschichte Englands'', Stuttgart 1991, S. 350. </ref> Hinzu kamen die Verluste durch den stark beeinträchtigten Seehandel, die [[Große Pest von London|große Pestepidemie des Jahres 1665]] und den „[[Großer Brand von London|Großen Brand von London]]“. Gegen den Widerstand Admiral [[George Monck, 1. Duke of Albemarle|Moncks]] (1608–1670) befahl König Charles II. deshalb im Winter 1666/67, die großen [[Linienschiff]]e [[Abtakeln|abzutakeln]] und außer Dienst zu stellen. Der Krieg sollte lediglich mit [[Kaperfahrt|Kaperfahrern]] weitergeführt werden, um den niederländischen Handel zu schädigen.<ref> Alfred Thayer Mahan: ''Der Einfluß der Seemacht auf die Geschichte 1660–1812'', Herford 1967, S. 48. </ref> Währenddessen hatten die englischen Gesandten auf dem Friedenskongress in [[Breda]] die Anweisung erhalten, einen möglichst vorteilhaften Abschluss zu erreichen. Vor dem Hintergrund der letzten Erfolge im Jahre 1666 zog Charles II. die Verhandlungen in die Länge, um den Krieg mit Gewinn zu beenden, obwohl er sein einziges Druckmittel, die Flotte, hatte abtakeln lassen.<ref> Alvin Coox: ''The Dutch Invasion of England 1667'', in: ''Military Affairs'' 13 (4 /1949), S. 224 f; Alexander Meurer: ''Seekriegsgeschichte in Umrissen'', Leipzig 1942, S. 204. </ref> Die Vereinigten Niederlande waren nicht bereit, Konzessionen zu machen. Bald gerieten sie jedoch von anderer Seite her unter Druck. König [[Ludwig XIV.|Ludwig XIV. von Frankreich]] (1638–1715) erklärte im Mai 1667 dem [[Spanien|Königreich Spanien]] den Krieg und begann eine Invasion der [[Spanische Niederlande|Spanischen Niederlande]], um sich diese anzueignen ''(→ [[Devolutionskrieg]])''. Die Vereinigten Niederlande waren nun gezwungen, die Friedensverhandlungen mit England umgehend zu einem Abschluss zu bringen, damit sie sich auf die Eindämmung der französischen Expansionsabsichten konzentrieren konnten. Zu diesem Zweck erschien es dem [[Ratspensionär]] [[Johan de Witt|Jan de Witt]] (1625–1672), dem Leiter der niederländischen Politik, notwendig, den Druck auf England durch einen direkten Angriff auf die englischen Inseln zu erhöhen. === Die niederländische Expedition === {{Linkbox Schlachten des zweiten Englisch-Niederländischen Krieges}} Die Idee einer Truppenlandung auf den britischen Inseln war nicht neu. Bereits nach dem Sieg der niederländischen Flotte in der Viertageschlacht waren derartige Pläne erarbeitet worden. Admiral Michiel de Ruyter (1606–1676) hatte im Sommer 1666 neben der Flotte ungefähr 6.000 Soldaten mit an die Themsemündung geführt, um bei einer lokalen Erhebung der englischen Bevölkerung gegen Charles II. unterstützend eingreifen zu können. Doch eine solche Erhebung blieb aus und die Transportschiffe wurden nach einem Sturm wieder in die niederländischen Häfen geschickt. Nur eine kurze Landung auf der [[Isle of Thanet]] war zustande gebracht worden.<ref>James R. Jones: The Anglo-Dutch Wars of the Seventeenth Century, London/New York 1996, S. 170f; Alvin Coox: ''The Dutch Invasion of England 1667'', in: ''Military Affairs'' 13 (4 /1949), S.224</ref> Jan de Witt war im Sommer 1667 durch Spione gut über die finanziellen Engpässe der englischen Krone informiert und wusste auch von der Außerdienststellung der meisten englischen Linienschiffe.<ref>Alvin Coox: ''The Dutch Invasion of England 1667'', in: ''Military Affairs'' 13 (4 /1949), S.225</ref> Er bereitete nun, trotz eigener finanzieller Anspannung, die Ausrüstung einer niederländischen Expedition vor, welche direkte Anweisungen erhielt, die Themse oder den Medway hinauf zu fahren und bei [[Rochester (Kent)|Rochester]] oder Chatham, den Zentren der englischen Seemacht, alle Schiffe und Magazine zu zerstören. Die vorgesehenen Schiffskontingente wurden in verschiedenen niederländischen Häfen gesammelt und vorbereitet, während im April ein Geschwader unter Admiral Van Ghent versuchte, in den [[Firth of Forth]] einzudringen. Dieses Unternehmen diente hauptsächlich der Deckung der Hauptflotte, die sich Anfang Juni 1667 bei der Insel [[Texel (Insel)|Texel]] sammelte. Admiral de Ruyter segelte entlang der eigenen Küsten und nahm dabei die verschiedenen Kontingente auf. Schließlich bestand seine Flotte aus 64 Linienschiffen und [[Fregatte]]n, 15 [[Brander]]n, 7 Begleitschiffen und 13 [[Galiot]]en mit insgesamt 3.330 Kanonen und ungefähr 17.500 Mann.<ref>Alvin Coox: ''The Dutch Invasion of England 1667'', in: ''Military Affairs'' 13 (4 /1949), S.226</ref> == Verlauf der Operationen == <imagemap> Datei:RaidMedwayKarte.png|right|500px circle 1587 755 80 [[Überfall im Medway#Der Angriff auf Sheerness|Der Angriff auf Sheerness]] circle 935 1105 80 [[Überfall im Medway#Durchbruch bei Gillingham|Durchbruch bei Gillingham]] circle 684 1017 80 [[Überfall im Medway#Überfall bei Upnor Castle|Überfall bei Upnor Castle]] desc bottom-right </imagemap> Die niederländische Flotte erreichte die englische Küste bei [[Harwich]] am 7. Juni 1667. Am folgenden Tag segelte sie entlang der Küste nach Süden und ankerte vor der Themsemündung. Dabei kam sie jedoch in einen Sturm, welcher eine große Anzahl Schiffe dazu zwang, ihre [[Anker]]taue zu kappen und sich treiben zu lassen. Dies betraf vor allem Truppentransportschiffe, die für die folgenden Operationen nicht mehr zur Verfügung standen.<ref name="Coox2">Alvin Coox: ''The Dutch Invasion of England 1667'', in: ''Military Affairs'' 13 (4 /1949), S.228</ref> Bei einem [[Kriegsrat]] an Bord des [[Flaggschiff]]s wurde das weitere Vorgehen besprochen. Admiral de Ruyter hatte Bedenken, die gesamte Flotte den Flusslauf hinaufzuschicken, da er nicht genau über den Verbleib der kleineren englischen Flottenverbände unterrichtet war. Sollten diese unerwartet zurückkehren und die Themsemündung schließen, säße die niederländische Flotte in der Falle. Cornelis de Witt schlug vor, dass die Hauptstreitmacht selbst vor der Flussmündung bleiben und eine kleine Abteilung den [[Ärmelkanal]] überwachen sollte, während ein Geschwader unter Admiral [[Willem Joseph van Ghent]] (1626–1672) die Themse hinauf vorstoßen sollte. Dort sollte dieses Geschwader bei [[Gravesend]] einige westindische Handelsschiffe überfallen, von denen ein abgefangener norwegischer Händler berichtet hatte. Admiral van Ghents Verband bestand aus 17 kleineren Kriegsschiffen, vier [[Brander]]n, einigen [[Yacht]]en und [[Galiot]]en, sowie 1.000 [[Korps Mariniers|Marine-Soldaten]] unter Oberst Dolman. Das Geschwader brach am Morgen des 19. Juni auf und besetzte zunächst [[Canvey Island]]. Dann drehte jedoch der Wind, und die englischen Handelsschiffe, die inzwischen vor den herannahenden niederländischen Kriegsschiffen gewarnt worden waren, entkamen flussaufwärts.<ref>Roger Hainsworth/ Christine Churchers: ''The Anglo-Dutch Naval Wars 1652–1674'', Sutton Publishing Limited, Thrupp/ Stroud/ Gloucestershire 1998, S.160</ref> === Der Angriff auf Sheerness === Cornelis de Witt drängte Admiral van Ghent nunmehr, in den Medway einzudringen und die dort liegende englische Flotte anzugreifen. Die Zufahrt zu diesem Fluss wurde von einem noch im Bau befindlichen Fort bei [[Sheerness]] auf der [[Isle of Sheppey]] kontrolliert. Zur Verteidigung dieser Schlüsselposition standen den Engländern jedoch nur eine schwache [[Schotten|schottische]] Besatzung, 16 Geschütze, die kleine Fregatte ''Unity'' und zwei Feuerschiffe zur Verfügung. Am 20. Juni griff Admiral van Ghent das Fort an. Die ''Unity'' feuerte nur eine einzige Breitseite ab und floh dann, verfolgt von einem niederländischen Brander, den Medway hinauf. Die niederländischen Schiffe nahmen in den folgenden zwei Stunden das Fort unter Beschuss und landeten schließlich 800 Marine-Soldaten unter Oberst Dolman an. Die Fortbesatzung floh, ohne den Landungstruppen ernsthaften Widerstand zu leisten, und die gesamte Isle of Sheppey wurde von Van Ghents Truppen besetzt.<ref>Roger Hainsworth/ Christine Churchers: ''The Anglo-Dutch Naval Wars 1652–1674'', Sutton Publishing Limited, Thrupp/ Stroud/ Gloucestershire 1998, S.160; Alvin Coox: ''The Dutch Invasion of England 1667'', in: ''Military Affairs'' 13 (4 /1949), S.228</ref> Der Kampf um diese wichtige Position hatte die Niederländer etwa 50 Männer gekostet. Der Wert der dabei erbeuteten 15 Kanonen und anderer Güter belief sich nach zeitgenössischen Schätzungen auf 400.000 ''livres'' oder vier Tonnen Gold.<ref name="Coox2"> </ref> === Englische Verteidigungsmaßnahmen === [[Datei:RaidMedwayPic1.jpg|thumb|260px|Der ''Dutch Raid on the Medway''; ''Gemälde von [[Willem Schellinks]] (um 1668)'']] Der von den Vorgängen am 19. Juni unterrichtete [[George Monck, 1. Duke of Albemarle]] (1608–1672), erhielt den königlichen Befehl zur Organisation der Verteidigung. Dieser inspizierte zunächst die Anlagen an der Themse beim Fort von Gravesend und begab sich am Morgen des 21. Juni nach [[Chatham (Kent)|Chatham]] am Medway. Dort fand er so gut wie keine organisierte Verteidigung vor. Bei [[Gillingham]] war eine eiserne Kette über den Flusslauf gezogen worden, die jedoch zu tief lag. Zu ihrem Schutz waren nur drei kleinere Schiffe vorhanden: die ''Unity'', die ''Charles V.'' und die ''Matthias''. Ansonsten herrschte Panik. Von den über 800 Dockarbeitern waren fast alle geflohen. Von dreißig Booten und Schiffen waren nur noch zehn aufzufinden, weil Flüchtlinge sie zur Flucht verwendet hatten oder die lokalen Beamten auf ihnen ihre persönliche Habe evakuieren ließen. Der Duke befahl den mitgebrachten Soldaten und Offizieren, am Ufer bei der Kette zwei Küstenbatterien zu errichten, aber selbst dazu fehlten die nötigen Werkzeuge. Um vor der Kette weitere Hindernisse zu schaffen, befahl Admiral Monck, dort Feuerschiffe zu versenken. Zwei Schiffe, die ''Norway Merchant'' und die ''Marmaduke'', konnten erfolgreich versenkt werden, aber die große ''Sancta Maria'', welche auch als Hindernis bestimmt worden war, lief auf Grund. Vor Ort war auch das große Kriegsschiff ''Royal Charles'', welches jedoch vollkommen unbewaffnet war. Admiral Monck befahl, sie flussaufwärts in Sicherheit zu bringen, doch dazu fehlte das Personal. Als später der niederländische Angriff erfolgte, lag sie noch immer unbemannt am Ufer.<ref>Roger Hainsworth/ Christine Churchers: ''The Anglo-Dutch Naval Wars 1652–1674'', Sutton Publishing Limited, Thrupp/ Stroud/ Gloucestershire 1998, S.160f</ref> Unter den über 1100 Arbeitern in den Docks von Chatham fanden sich kaum Hilfswillige. Ihr [[Sold]] war, da dem König die finanziellen Mittel fehlten, Monate im Rückstand und nun verweigerten sie den Dienst.<ref name="Coox1">Alvin Coox: ''The Dutch Invasion of England 1667'', in: ''Military Affairs'' 13 (4 /1949), S.229</ref> === Durchbruch bei Gillingham === Am Morgen des 22. Juni begannen die niederländischen Verbände ihren Vorstoß im Medway. Die Enge im Kanal zwang die Schiffe, hintereinander in einer Linie zu fahren. An die Spitze fuhr die ''Vrede'' unter dem Befehl ihres Kapitäns Jan van Brakel. Der Kapitän war zwei Tage zuvor unter Arrest gestellt worden, weil er seine Männer auf der Isle of Sheppey hatte plündern lassen. Um seine Reputation wiederherzustellen, hatte er nun freiwillig die Spitzenposition übernommen.<ref name="Hainsworth1">Roger Hainsworth/ Christine Churchers: ''The Anglo-Dutch Naval Wars 1652–1674'', Thrupp/ Stroud/ Gloucestershire 1998, S.161</ref> Brakels Schiff kam bald in das Kreuzfeuer der drei englischen Verteidigungsschiffe und der beiden Küstenbatterien. Er steuerte jedoch, ohne zu feuern, direkt auf die ''Unity'' zu und versetzte ihr auf kürzeste Distanz eine Breitseite. Die englische Besatzung floh daraufhin vom Schiff und überließ es den Niederländern. Im Schutze des Pulverqualms kamen auch die beiden nachfolgenden Brander unter Brakels Kommando heran und versenkten in schneller Folge die englischen ''Charles V.'' und ''Matthias''. Die Eisenkette wurde anschließend beim ersten Rammversuch durchbrochen. Die niederländischen Schiffe hatten nun freie Fahrt den Medway hinauf, denn hinter der Kette war zwischen den versenkten englischen Schiffen eine breite Lücke, welche eigentlich durch die Versenkung der ''Sancta Maria'' hatte gesperrt werden sollen.<ref>Frank L. Fox: ''A distant Storm - The Four Days' Battle of 1666, the greatest sea fight of the age of sail'', Press of Sail Publications, Rotherfield/ East Sussex 1996, S.346f</ref> Die folgenden niederländischen Fregatten brachten durch ihr Feuer auch bald die englischen Küstenbatterien zum Schweigen, deren Feuer aufgrund baulicher Mängel ohnehin fast wirkungslos geblieben war. Als größte Beute des Tages fiel der niederländischen Flotte mit der ''Royal Charles'' eines der größten englischen Kriegsschiffe in die Hand, welches oft den englischen Flottenbefehlshabern als Flaggschiff gedient hatte.<ref name="Hainsworth1"> </ref> === Überfall bei Upnor Castle === {| class="toccolours" style="float: right; margin-left: 1em; margin-right: 0em; font-size: 85%; background:#E7EDF5; width:40em; max-width: 33%;" cellspacing="5" | style="text-align: left;" | {{Zitat|Each doleful day still with fresh loss returns:<br /> The Loyal London now the third time burns,<br /> And the true Royal Oak and Royal James,<br /> Allied in fate, increase, with theirs, her flames.<br /> Of all our navy none should now survive,<br /> But that the ships themselves were taught to dive,<br /> And the kind river in its creek them hides,<br /> Fraughting their pierced keels with oozy tides. |[[Andrew Marvell]] (1667)<ref>Sinngemäße Übersetzung: „An jedem traurigen Tag neue Verluste: Die ''Loyal London'' verbrennt ein drittes Mal; Und die getreuen ''Royal Oak'' und ''Royal James''; Vereint im Schicksal, vergrößern das Feuer mit ihren eigenen Flammen; Unsere Marine sollte keines überleben; Doch die Schiffe selbst lehrte man das Tauchen; Und der freundliche Fluss verbarg sie in seinem Lauf; Füllte ihren Kiel mit den schlammigen Gezeiten.“; siehe: [http://www.theotherpages.org/poems/marvel04.html Andrew Marvell: ''Last Instructions to a Painter'' (4. September 1667)]</ref>}} |} Die Engländer trafen inzwischen bei Upnor Castle Verteidigungsvorbereitungen. Der Duke of Albemarle und der Kommandant der Docks Peter Pett versetzten die Geschütze des Schlosses in Gefechtsbereitschaft und ließen am jenseitigen Ufer eine weitere Geschützbatterie aufwerfen. Das Spannen einer weiteren Kette über den Fluss misslang. Man ging nun daran, die Kriegsschiffe in Richtung Chatham bringen zu wollen. Doch dazu fehlten wiederum die Mannschaften. Um die größten Kriegsschiffe wenigstens vor der Kaperung zu bewahren, befahl der Duke of Albemarle deren Versenkung in niedrigem Wasser, wo man sie später wieder heben könnte.<ref>Frank L. Fox: ''A distant Storm - The Four Days' Battle of 1666, the greatest sea fight of the age of sail'', Press of Sail Publications, Rotherfield/ East Sussex 1996, S.347</ref> Am späten Nachmittag des 22. Juni wurde der niederländische Vormarsch durch das Einsetzen der Gezeiten aufgehalten. An Bord der erbeuteten ''Royal Charles'' trafen sich Van Ghent, De Ruyter und De Witt, um das weitere Vorgehen zu beraten. Diese drei Kommandeure beschlossen, am folgenden Tag weiter flussaufwärts vorzustoßen und die Chatham Dockyards sowie die sich dort befindlichen großen Kriegsschiffe anzugreifen. Am 23. Juni, um die Mittagszeit, griffen die verbliebenen niederländischen Brander, geschützt von vier Fregatten und einer größeren Anzahl von kleineren Schiffe, die englischen Positionen an.<ref name="Hainsworth1"> </ref> Sie gerieten bald in das Kreuzfeuer zwischen Upnor Castle und der am gegenüberliegenden Flussufer hastig aufgeworfenen Batterie. Eine Abteilung Marine-Soldaten landete und ging zum Angriff auf das englische Munitionsmagazin bei Upnor Castle über, welches sie erfolgreich sprengten, bevor sie sich wieder zurückzogen.<ref name="Coox1"> </ref> [[Datei:The Dutch burn English ships during the expedition to Chatham (Raid on Medway, 1667)(Jan van Leyden, 1669).jpg|thumb|left|300px|Die brennenden ''Royal Oak'', ''Loyal London'' und ''Royal James''; ''unbekannter Maler'']] In der Zwischenzeit beschossen die niederländischen Schiffe die englischen Geschützbatterien. Noch während des Kampfes trat eine Windstille ein, welche De Ruyter und andere Offiziere dazu zwang, in Langboote umzusteigen, um von diesen aus die Aktionen ihrer Verbände zu dirigieren. Nach einem heftigen Feuerkampf gelang den niederländischen Brandern der Angriff auf die am Ufer liegenden drei großen Kriegsschiffe ''Loyal London'' (92 Kanonen), ''Royal Oak'' (76 Kanonen) und ''Royal James'' (82 Kanonen). Das Wasser, in dem diese Schiffe von den Engländern selbst versenkt worden waren, war zu flach, um auch gegen einen Branderangriff Schutz zu bieten. Alle drei Schiffe fielen, nachdem ihre Rumpfbesatzungen geflohen waren, den niederländischen Brandern zum Opfer.<ref>An Bord der ''Royal Oak'' weigerte sich der schottische Captain Archibald Douglas, seinen Posten zu verlassen, und verbrannte mit dem Schiff. Siehe: Charles Ralph Boxer: ''The Anglo-Dutch Wars of the 17th Century'', Her Majesty's Stationery Office, London 1974, S. 39</ref> Der Duke of Albemarle versuchte unterdessen, die verbliebenen Kriegsschiffe flussaufwärts unter den Schutz der Geschütze von Chatham zu schleppen. Er reihte kampfbereite Kriegsschiffe an den Ufern auf und sammelte Miliztruppen, um den niederländischen Vormarsch aufzuhalten. Tatsächlich gingen die niederländischen Schiffe nicht weiter gegen den sich versteifenden englischen Widerstand an. Am späten Nachmittag zogen sie sich mit der einsetzenden Flut bis nach Gillingham zurück. Dort machten sie die eroberten englischen Schiffe ''Royal Charles'' und ''Unity'' seetüchtig und verließen am 24. Juni den Medway.<ref>Roger Hainsworth/ Christine Churchers: ''The Anglo-Dutch Naval Wars 1652–1674'', Sutton Publishing Limited, Thrupp/ Stroud/ Gloucestershire 1998, S.163</ref> Die Verluste, welche das Gefecht vor Upnor Castle gekostet hatte, beliefen sich auf der englischen Seite auf ungefähr 500 Mann, während man auf Seiten der Niederländer von 50 bis 150 Mann ausgeht.<ref name="Coox1"> </ref> == Folgen == [[Datei:Baen Witt Victor Medway.jpg|thumb|300px|Cornelis de Witt als Sieger vom Medway; ''Gemälde von [[Jan de Baen]] (1667)'']] Der niederländische Überfall auf die englischen Schiffe im Medway wurde für die Royal Navy zum größten Desaster des Krieges. Sie verlor dabei mehr Schiffe als in allen vorangegangenen Seeschlachten zusammen. Die ''Royal Charles'' und die ''Unity'' waren von Niederländern erobert und die ''Loyal London'', ''Royal James'', ''Royal Oak'', ''Charles V'', ''Matthias'', ''Marmaduke'', ''Sancta Maria'' sowie fünf weitere Feuerschiffe, zwei [[Ketsch (Schiff)|Ketschen]], eine [[Fleute]] und ein kleineres Schiff versenkt oder verbrannt worden. Die Niederländer hatten im Gegensatz dazu insgesamt zehn Brander zum Einsatz gebracht.<ref>Zeitgenössische Angabe von dem in Chatham lebenden Angestellten Edward Gregory. Abgedruckt in: Roger Hainsworth/ Christine Churchers: ''The Anglo-Dutch Naval Wars 1652–1674'', Sutton Publishing Limited, Thrupp/ Stroud/ Gloucestershire 1998, S.163</ref> Hinzu kamen jedoch noch weitere indirekte Verluste der Royal Navy. So war die ''Vanguard'' bei dem Versuch, sie auf Grund zu setzen, abgetrieben und war bei [[Rochester (Kent)|Rochester]] schließlich so verunglückt, dass sie nicht mehr gehoben werden konnte. Weiter nördlich hatte [[Ruprecht von der Pfalz, Duke of Cumberland|Prince Rupert]] jenseits von Gravesend die Themse für einen eventuellen niederländischen Vorstoß sperren wollen, indem er dort die ''Golden Phoenix'', ''House of Sweeds'', ''Welcome'' und ''Leicester'' versenkte. Es stellte sich heraus, dass dies eine pure Verschwendung wichtiger Kriegsschiffe war, da die Niederländer nie weiter als bis Gravesend vorstießen. Insgesamt veränderten diese Verluste – vor allem die der drei großen Kriegsschiffe – die strategische Balance zwischen England und den Vereinigten Niederlande über Jahre hinaus zugunsten der Niederländer.<ref>Frank L. Fox: ''A distant Storm - The Four Days' Battle of 1666, the greatest sea fight of the age of sail'', Press of Sail Publications, Rotherfield/ East Sussex 1996, S.347</ref> Nach diesem Erfolg konnten die Niederländer ihre uneingeschränkte Überlegenheit zur Geltung bringen. Ein Teil der niederländischen Flotte ging gegen die englischen Handelsschiffe an der Ärmelkanalküste vor, während ein anderer unter Admiral Van Nes die Themse weiterhin für den englischen Schiffsverkehr blockierte. In kleineren Operationen landeten noch in den folgenden Wochen niederländische Truppen an einigen Orten oder fuhren Kriegsschiffe die Themse hinauf.<ref>Roger Hainsworth/ Christine Churchers: ''The Anglo-Dutch Naval Wars 1652–1674'', Sutton Publishing Limited, Thrupp/ Stroud/ Gloucestershire 1998, S.163</ref> In London führten die Ereignisse an den Ufern des Medway zu schweren wirtschaftlichen Einbrüchen und zu Panik unter der Bevölkerung. Gerüchte besagten, dass Chatham in Flammen stünde, wie auch Gravesend, [[Harwich]], [[Queenborough]], [[Colchester]] und Dover. Es wurde von niederländischen Landungen bei [[Portsmouth]], [[Plymouth]] und [[Dartmouth (Devon)|Dartmouth]] berichtet. Es wurde sogar behauptet, der König sei geflohen und die [[Papist]]en seien dabei, die Macht zu übernehmen. Selbst eine bevorstehende französische Landung wurde erwartet.<ref>Alvin Coox: ''The Dutch Invasion of England 1667'', in: ''Military Affairs'' 13 (4 /1949), S.230</ref> Die Niederländer hatten in der Themse eine Position eingenommen, durch welche sie London vom Handel abschnitten. Besonders die Kohlelieferungen aus [[Tyne (England)|Tyne]] fielen aus, und bald verzehnfachte sich der Kohlepreis. Die englische Flotte war durch den Überfall geschwächt, und es stand kaum Geld für ihre Auffrischung zur Verfügung. König Charles II. blieb deshalb kaum etwas anderes übrig, als seinen Abgesandten bei der Friedenskonferenz in Breda Anweisung zu geben, den Vertrag so bald wie möglich zum Abschluss zu bringen. Die Unterzeichnung des [[Frieden von Breda|Friedens von Breda]] erfolgte dann auch am 31. Juli 1667. Am 26. August gab die niederländische Flotte die Blockade der englischen Häfen und der Themsemündung vertragsgemäß auf.<ref> James R. Jones: ''The Anglo-Dutch Wars of the Seventeenth Century'', Longman House, London/ New York 1996, S. 178</ref> == Rezeption == {| class="toccolours" style="float: right; margin-left: 1em; margin-right: 0em; font-size: 85%; background:#E7EDF5; width:40em; max-width: 33%;" cellspacing="5" | style="text-align: left;" | {{Zitat|The moneys that should feed us<br /> You spend on your delight,<br /> How can you then have sailor-men<br /> To aid you in your fight?<br /> Our fish and cheese are rotten,<br /> Which makes the scurvy grow--<br /> We cannot serve you if we starve,<br /> ''And this the Dutchmen know!''<br /> <br /> Our ships in every harbour<br /> Be neither whole nor sound,<br /> And, when we seek to mend a leak,<br /> No oakum can be found;<br /> Or, if it is, the caulker,<br /> And carpenters also,<br /> For lack of pay have gone away,<br /> ''And this the Dutchmen know!''<br /> <br /> Mere powder, guns, and bullets,<br /> We scarce can get at all;<br /> Their price was spent in merriment<br /> And revel at Whitehall,<br /> While we in tattered doublets<br /> From ship to shop must row,<br /> Beseeching friends for odds and ends--<br /> ''And this the Dutchmen know!'' |[[Rudyard Kipling]] (1911)<ref>Sinngemäße Übersetzung: „Das Geld, das uns ernähren sollte; Gabst du für dein Vergnügen aus; Wie kannst du dann Seeleute haben; Um dir im Kampf zu helfen; Unser Fisch und Käse sind verrottet; Was den Skorbut vergrößert; Wir können dir nicht dienen, wenn wir verhungern; Und dies wissen die Niederländer; Die Schiffe in jedem Hafen; Seine sie ganz oder gesund; Und, wenn wir uns bemühen ein Leck abzudichten; Kann kein Werg gefunden werden; Und wenn es um die Kalfaterer geht; Und auch die Zimmerleute; Ohne Bezahlung sind sie davon gelaufen; Und dies wissen die Niederländer; Bloß Pulver, Kanonen und Kugeln; Können wir kaum finden; Ihr Preis wurde in Geselligkeit ausgegeben; Und bei Festen in Whitehall; Während wir in zerlumpten Doubletten; Uns vom Schiff zum Laden anstellen müssen, um Freunde um Reste anzubetteln; Und dies wissen die Niederländer!“; siehe: [http://www.theotherpages.org/poems/kipli06.html Rudyard Kipling: ''The Dutch in the Medway'', in: ''Songs Written for C. R. L. Fletcher's „A History of England“'' (1911)]</ref>}} |} In den Niederlanden waren die Generalstaaten täglich durch Briefe Cornelis de Witts über den Fortgang der Operationen informiert worden. Am 27. Juni erreichte schließlich die Nachricht vom Sieg die Stadt Breda, wo in allen Kirchen ein Dankgottesdienst zelebriert wurde. Die Berichte wurden gedruckt und in die verschiedenen Provinzen verschickt mit der Aufforderung, am 6. Juli in allen Kirchen landesweit einen ''feyerlichen Danck- und Bet-Tag'' zu veranstalten. Am Abend dieses Tages wurden Freudenfeuer entzündet, die Kirchenglocken geläutet und Salutschüsse abgefeuert.<ref>''Theatrum Europaeum'', Bd. 10, S.618 u. 627</ref> In den folgenden Wochen zirkulierten bald Kupferstiche wie die von [[Romeyn De Hooghe]] (1645–1708), die auf Basis der publizierten Berichte das Geschehen im Medway illustrierten. Dem folgten nach weiteren Monaten Gemälde bekannter Künstler wie [[Willem Schellinks]] (1627–1678) und [[Pieter Cornelisz van Soest]]. Cornelis de Witt selbst gab bei [[Jan de Baen]] (1633–1702) ein [[Portrait]] von sich in Auftrag, das ihn als Sieger der Schlacht im Medway darstellen sollte ''(→ siehe: oben)''. Das Gemälde wurde noch im selben Jahr fertiggestellt und im Rathaus von [[Dordrecht]] aufgehängt.<ref>Roger Hainsworth/ Christine Churchers: ''The Anglo-Dutch Naval Wars 1652–1674'', Thrupp/ Stroud/ Gloucestershire 1998, S.166f</ref> Die eroberte ''Royal Charles'' wurde in [[Hellevoetsluis]] öffentlich ausgestellt. Besuchergruppen, darunter auch ausländische Fürsten, besichtigten das ehemalige Flaggschiff, welches den Namen des englischen Königs trug. Charles II. protestierte dagegen, da er dies als eine Form der Beleidigung auffasste. Bei Beginn des folgenden [[Englisch-Niederländischer Krieg (1672–1674)|Dritten Englisch-Niederländischen Krieges]] (1672–1674) führte er unter anderem diesen Sachverhalt als einen Kriegsgrund an. Das Schiff wurde 1673 versteigert und anschließend demontiert. Das metallene Heckstück mit den englisch-königlichen Insignien wurde jedoch aufbewahrt und befindet sich heute im [[Rijksmuseum]] von [[Amsterdam]].<ref>Brian Lavery: ''The Ship of the Line'', Bd.1, Conway Maritime Press, 2003, S.160</ref> Auf englischer Seite wurde zunächst in einigen Publikationen, wie der ''[[London Gazette]]'' versucht, das Ausmaß der Niederlage herunterzuspielen, doch, wie zeitgenössische Berichte beweisen, gelang dies kaum. So zeigte sich bereits [[Samuel Pepys]] von den Verlusten gut unterrichtet. Er schilderte in seinem Tagebuch die Ausmaße der in London ausgebrochenen Panik und sah die Ursache der Katastrophe in der Unterbezahlung der englischen Seeleute.<ref>[http://en.wikisource.org/wiki/Diary_of_Samuel_Pepys/1667/June Tagebuch Samuel Pepys in Wikisource]</ref> Der englische Dichter [[Andrew Marvell]] (1621–1678) nahm die Niederlage im September 1667 zum Anlass einer beißenden [[Satire]] in seinem Gedicht ''„Last Instructions to a Painter“'' ''(→ siehe: oben)''.<ref>[http://www.theotherpages.org/poems/marvel04.html Andrew Marvell: ''Last Instructions to a Painter'' (4. September 1667)]</ref> Auch [[Rudyard Kipling]] (1865–1936) griff das Thema 1911 in dem Gedicht ''„The Dutch on the Medway“'' auf, in dem er vor allem König Charles II. und dessen Verschwendungssucht für das Desaster verantwortlich machte ''(→ siehe: Auszug Kasten rechts)''.<ref>[http://www.theotherpages.org/poems/kipli06.html Rudyard Kipling: ''The Dutch in the Medway'', in: ''Songs Written for C. R. L. Fletcher's „A History of England“'' (1911)]</ref> Was die Einschätzung der englischen Niederlage angeht, herrscht in der [[Geschichtsschreibung|Historiographie]] weitgehend Übereinstimmung. Der Historiker George Franks urteilte 1942, die Katastrophe vom Medway sei für die Royal Navy ''„die schwerste Niederlage, die sie je in ihren Heimatgewässern erlitt.“''<ref>''„the most serious defeat it has ever had in its home waters.“'', siehe: H. George Franks: ''Holland Afloat'', London 1942, S.98</ref> Alvin Coox ging einige Jahre später sogar darüber hinaus, indem er von ''„einer schwärenden nationalen Demütigung“'' sprach.<ref>''„a rankling national humiliation“'', siehe: Alvin Coox: ''The Dutch Invasion of England 1667'', in: ''Military Affairs'' 13 (4 /1949), S. 223.</ref> Und auch deutsche Marinehistoriker schlossen sich diesem Urteil an: ''„Niemals in seiner ganzen Geschichte ist England so gedemütigt worden.“''<ref>Otto Groos: ''Ruyter'', in: Cochenhausen (Hrsg.): ''Führertum – 25 Lebensbilder von Feldherren aller Zeiten'', E. S. Mittler & Sohn, Berlin 1930, S.165</ref> Der britische Historiker Charles Ralph Boxer ordnete schließlich den ''Raid on the Medway'' unter Großbritanniens demütigendsten Niederlagen ein, als er schrieb: {{Zitat|''It can hardly be denied that the Dutch raid on the Medway vies with the [[Schlacht am Majuba Hill|battle of Majuba in 1881]] and the [[Schlacht um Singapur|fall of Singapore in 1942]] for the unenviable distinctor of being the most humiliating defeat suffered by British arms.'' |Charles Ralph Boxer (1974)|<ref>''„Es kann kaum abgestritten werden, dass der niederländische Überfall im Medway mit der Schlacht am Majuba Hill 1881 und dem Fall von Singapur 1942 um den wenig beneidenswerten Vorrang darin wetteifert, die erniedringenste Niederlage zu sein, die jemals von britischen Truppen erlitten wurde.“'', siehe: Charles Ralph Boxer: ''The Anglo-Dutch Wars of the 17th Century'', Her Majesty's Stationery Office, London 1974, S.39</ref>}} == Einzelnachweise == <references/> == Weblinks == {{Commonscat|Raid on the Medway|Überfall im Medway}} {{wikisource|en:Diary of Samuel Pepys|Tagebuch von Samuel Pepys}} * [http://www.deruyter.org/CHATHAM_Dutch_in_the_Medway.html Material zum Raid im Medway auf ''deruyter.org''] (Stand: 3. April 2008) * [http://www.sheernessheritagecentre.com/page3royaldockyard.htm Weitere Bilder beim ''Sheerness Heritage Centre.com''] (Stand: 3. April 2008) == Literatur == * Charles Ralph Boxer: ''The Anglo-Dutch Wars of the 17th Century'', Her Majesty’s Stationery Office, London 1974. * Alvin Coox: ''The Dutch Invasion of England 1667'', in: ''Military Affairs'' 13 (4 /1949), S.223–233. * Frank L. Fox: ''A distant Storm – The Four Days' Battle of 1666, the greatest sea fight of the age of sail'', Press of Sail Publications, Rotherfield/ East Sussex 1996, ISBN 0-948864-29-X. * Helmut Diwald: ''Der Kampf um die Weltmeere'', München/ Zürich 1980, ISBN 3-426-26030-1. * Roger Hainsworth/ Christine Churchers: ''The Anglo-Dutch Naval Wars 1652–1674'', Sutton Publishing Limited, Thrupp/ Stroud/ Gloucestershire 1998, ISBN 0-7509-1787-3. * James R. Jones: ''The Anglo-Dutch Wars of the Seventeenth Century'', Longman House, London/ New York 1996, ISBN 0-582-05631-4. * Brian Lavery: ''The Ship of the Line'', Bd.1, Conway Maritime Press, 2003, ISBN 0-85177-252-8. * Charles Macfarlane: ''The Dutch on the Medway'', James Clarke & Co., 1897. * Alfred Thayer Mahan: ''Der Einfluß der Seemacht auf die Geschichte 1660–1812'', Herford 1967. * Alexander Meurer: ''Seekriegsgeschichte in Umrissen'', Leipzig 1942. * P. G. Rogers: ''The Dutch on the Medway'' Oxford University Press, Oxford 1970, ISBN 0-19215185-1. {{DEFAULTSORT:Medway, Uberfall im}} [[Kategorie:Englisch-Niederländische Seekriege]] [[Kategorie:Seeschlacht (Frühe Neuzeit)]] [[Kategorie:1667]] [[Kategorie:Britische Militärgeschichte]] [[Kategorie:Niederländische Militärgeschichte]] {{Exzellent}} [[cs:Nájezd na Medway]] [[en:Raid on the Medway]] [[fr:Raid sur la Medway]] [[nl:Tocht naar Chatham]] [[no:Raidet på Medway]] [[pl:Bitwa morska pod Medway]] [[pt:Batalha de Medway]] qt1icy6gwponm106w7mufwvlcjy43f1 wikitext text/x-wiki Mehlschwalbe 0 23914 26510 2010-05-06T18:25:10Z SteveK 0 Linkfix nach Verschiebung <!-- Für Informationen zum Umgang mit dieser Tabelle siehe bitte [[Wikipedia:Taxoboxen]]. --> {{Taxobox | Taxon_Name = Mehlschwalbe | Taxon_WissName = Delichon urbicum | Taxon_Rang = Art | Taxon_Autor = ([[Carl von Linné|Linnaeus]], 1758) | Taxon2_WissName = Delichon | Taxon2_Rang = Gattung | Taxon3_Name = Schwalben | Taxon3_WissName = Hirundinidae | Taxon3_Rang = Familie | Taxon4_Name = Singvögel | Taxon4_WissName = Passeri | Taxon4_Rang = Unterordnung | Taxon5_Name = Sperlingsvögel | Taxon5_WissName = Passeriformes | Taxon5_Rang = Ordnung | Bild = Delichon urbica NRM.jpg | Bildbeschreibung = Mehlschwalbe (''Delichon urbicum'') }} Die '''Mehlschwalbe''' (''Delichon urbicum'') ist eine [[Vögel|Vogel]][[Art (Biologie)|art]] aus der Familie der [[Schwalben]] (Hirundinidae). Sie ist neben [[Uferschwalbe|Ufer-]], [[Rauchschwalbe|Rauch-]] und [[Felsenschwalbe]] die vierte Art dieser Familie, die in Mitteleuropa als Brutvogel vorkommt. Sie ist besonders gut durch den weißen [[Bürzel]] zu identifizieren, den keine andere europäische Schwalbenart zeigt. Das Verbreitungsgebiet der Mehlschwalbe erstreckt sich über fast ganz Europa und das außertropische Asien. Trotz dieses großen Verbreitungsgebietes werden lediglich zwei Unterarten unterschieden. Mehlschwalben sind ausgeprägte [[Zugvogel|Zugvögel]]. Die westeurasischen Brutvögel überwintern in der Regel in Afrika in einem Gebiet, das sich von der Südgrenze der [[Sahara]] bis zur [[Kapprovinz]] erstreckt. Die ostasiatischen Brutvögel halten sich während des Winterhalbjahres in einem Gebiet auf, das vom Süden [[China]]s über [[Indonesien]] bis nach [[Assam]] reicht. == Beschreibung == === Erscheinungsbild === Die Mehlschwalbe hat eine Körperlänge von etwa 13 Zentimeter und wiegt zwischen 16 und 25 Gramm. Sie ist damit kleiner und schlanker als ein [[Haussperling|Sperling]] und zählt innerhalb der Familie der Schwalben zu den mittelgroßen Vögeln. [[Datei:Zwei Jungschwalben im Nest.jpg|miniatur|Zwei junge Mehlschwalben im Nest, [[Schweriner Schloss]]]] Bei adulten Mehlschwalben sind der Kopf, der Rücken, die Oberseite der Flügel und der Schwanz blauschwarz. Die gesamte Körperunterseite und der [[Bürzel]] kontrastieren dazu mit einer reinweißen bis mehlweißen Färbung. Auch die kurzen Beine und die Füße sind weiß befiedert. Die Zehen und die wenigen unbefiederten Stellen der Beine sind hell fleischfarben. Verglichen mit der [[Rauchschwalbe]] ist der Schwanz weniger stark gegabelt; es fehlen stark verlängerte äußere Federn. Die Augen sind braun; der Schnabel ist kurz und schwarz. Ein [[Geschlechtsdimorphismus]] existiert nicht. Gelegentlich treten unter Mehlschwalben auch [[Albinismus|Weißlinge]] auf, deren Gefieder entweder vollständig weiß ist oder bei denen die weißen Partien deutlich ausgedehnter sind als bei normal gefärbten Mehlschwalben. In der Literatur sind unter anderem Individuen beschrieben, bei denen nur der Kopf normal gefärbt und der Rest des Körpers weiß befiedert war oder bei denen rechts nur Flügelbug, Flügeldecke und [[Handschwinge]]n reinweiß waren.<ref>Menzel, S. 15 und 16</ref> Jungvögel unterscheiden sich von adulten Vögeln durch eine bräunliche bis bräunlich-schwarze Körperoberseite, die erst an einigen Stellen bläulich-schwarz glänzt. Die Flügel sind gleichfalls bräunlich gefärbt und noch glanzlos. Die Kehle sowie die Flanken sind grau befiedert. Das auffälligste Unterscheidungsmerkmal ist der graue Bürzel (bei den Adulten reinweiß). Er wirkt gesprenkelt, da seine dunkelbraunen Federn weiße Spitzen aufweisen. Das Dunenkleid frisch geschlüpfter Mehlschwalben ist gräulich-weiß gefärbt. Durch die Pelzdunen haben ältere Nestlinge ein weißwolliges Aussehen. [[Datei:Bysvale.jpg|miniatur|Fliegende Mehlschwalbe]] === Flugbild und Fluggeschwindigkeit === Der Flug der Mehlschwalbe ist verglichen mit dem der Rauchschwalbe weniger reißend, sondern eher flatternd und von längeren Gleitphasen unterbrochen. Charakteristisch für ihren Jagdflug ist ein häufiges, abruptes Hochsteigen mit schwirrenden Flügelschlägen. Die Flügelschlagfrequenz beträgt bei der Mehlschwalbe im Durchschnitt 5,3 Schläge pro Sekunde, während sie bei der Rauchschwalbe mit 4,4 Schlägen pro Sekunde etwas langsamer ist.<ref name="flight">{{cite journal || last= Liechti |first= Felix |coauthors= Bruderer, Lukas |month= |year=2002 |url= http://jeb.biologists.org/cgi/reprint/205/16/2461| publisher = The Company of Biologists |title = Wingbeat frequency of barn swallows and house martins: a comparison between free flight and wind tunnel experiments|journal= The Journal of Experimental Biology |volume= 205|issue= |pages= 2461–2467| }}</ref> Grundsätzlich jagt die Mehlschwalbe in höheren Luftschichten als die Rauchschwalbe. Auch wenn sie gelegentlich [[Pflug|pflügenden]] [[Traktor]]en oder Weidevieh nachfliegt, um aufgescheuchte Insekten zu fangen, so beträgt ihre Jagdflughöhe im Brutgebiet durchschnittlich 21 Meter, in ihren Überwinterungsgebieten sogar 50 Meter über dem Boden. Rauchschwalben dagegen erjagen den größten Teil ihrer Beute in einer Flughöhe von sieben bis acht Metern.<ref>Turner, S. 166</ref><ref name="Turner227">Turner, S. 227</ref> Von Greifvögeln verfolgte Mehlschwalben erreichen eine Geschwindigkeit bis zu 74 Kilometer pro Stunde. Ziehende Mehlschwalben fliegen mit einer durchschnittlichen Geschwindigkeit von 43 Kilometern pro Stunde. Die Strecke zwischen dem Brutplatz und ihren Jagdrevieren legen sie mit durchschnittlich 38 Kilometern pro Stunde zurück.<ref name="flight" /><ref>Menzel, S. 11</ref> === Unterscheidung von anderen Vogelarten === Aufgrund der charakteristischen Körperform und der Flugweise ordnen auch ornithologisch weniger Geübte Mehlschwalben den Schwalben zu. Im mitteleuropäischen Brutgebiet überlappt sich die Verbreitung der Mehlschwalbe mit drei anderen Schwalbenarten, von denen sie aber gut unterscheidbar ist: Die [[Uferschwalbe]] als kleinste europäische Schwalbe besitzt eine einfarbig mittelbraune Oberseite, ein braunes Brustband sowie einen nur schwach gegabelten Schwanz. Die Rauchschwalbe hat eine metallisch glänzende blauschwarze Körperoberseite, weist aber anders als die Mehlschwalbe stark verlängerte äußere Schwanzfedern, ein blauschwarzes Kropfband und eine kastanienrote Kehle und Stirn auf. Die in Mitteleuropa deutlich seltener zu beobachtende [[Felsenschwalbe]] ist größer als die Mehlschwalbe und hat ähnlich wie die Uferschwalbe eine braune Oberseite. Ihr Schwanz ist gerade abgeschnitten und am unteren Ende der Schwanzfedern finden sich wie bei der Rauchschwalbe weiße Felder. Als Brutvogel kommt die Felsenschwalbe regelmäßig am Alpennordrand vor. Im afrikanischen Überwinterungsgebiet besteht eine Verwechselungsmöglichkeit von nicht voll ausgefärbten Jungvögeln der Mehlschwalbe mit der [[Graubürzelschwalbe]] (''Pseudhirundo griseopyga''), einer auf Afrika beschränkten Schwalbenart. Bei dieser Art ist jedoch die Unterseite deutlich grauer gefärbt und der Schwanz ist länger und tiefer gegabelt.<ref name="Turner" /> == Stimme == Mehlschwalben sind sehr ruffreudige Vögel. Am häufigsten zu hören ist ein leises, schwatzendes Zwitschern oder Leiern, das nicht so abwechslungsreich und melodiös wie das der Rauchschwalbe ist. Im Flug und beim Anflug ans Nest ist regelmäßig ein ''tritri'' oder ''driddrli'' zu hören. Der Kontaktlaut ist ein hartes ''trieer'', gelegentlich lautmalerisch auch als ''chirrp'' umschrieben. Dieser Ruf ist auch im Überwinterungsgebiet zu hören. Der Alarmruf ist ein schrilles ''tsier'' oder ''tseep''. Auffallend sind die Bettellaute, die die jungen Mehlschwalben ab einem Alter von zwei bis vier Tagen von sich geben. Junge Nestlinge lassen zunächst ein einsilbiges ''tik tik tik'' hören; bei älteren Nestlingen ändert sich dies zu einem ''zittritvitvii''. Ab einem Alter von etwa zwei Wochen sind die Bettellaute der Nestlinge auch während der Nacht zu hören.<ref name="BWP" /><ref name="SASOL" /><ref>Menzel, S. 24 – 25</ref> == Verbreitung == [[Datei:Delichon urbicum.png|miniatur|Verbreitung: Brutgebiete gelb, Überwinterungsgebiete blau]] Das Verbreitungsgebiet der beiden Unterarten der Mehlschwalbe erstreckt sich über Eurasien und Afrika. Es wird auf insgesamt 10 Millionen Quadratkilometer geschätzt.<ref name="BirdLife">{{cite web | publisher = BirdLife International| title =Northern House-martin – BirdLife Species Factsheet | publisher =BirdLife International | url = http://www.birdlife.org/datazone/species/index.html?action=SpcHTMDetails.asp&sid=7150&m=0 | accessdate=15. November 2007}}</ref> Die unter anderem in Mitteleuropa brütende [[Nominotypisches Taxon|Nominatform]] ''Delichon urbicum urbicum'' hat ein Verbreitungsgebiet, dessen Nordgrenze in [[Skandinavien]] etwa beim 71. nördlichen Breitengrad und in West[[sibirien]] beim 62. Breitengrad liegt. Die östliche Verbreitungsgrenze verläuft durch die [[Mongolei]] und entlang des Flusses [[Jenissei]]. In südlicher Richtung erstreckt sich das Verbreitungsgebiet bis zum Mittelmeergebiet und Südosteuropa. Die Nominatform kommt unter anderem auf den [[Balearen]], [[Malta]], [[Korsika]], [[Sardinien]], [[Sizilien]] sowie [[Zypern]] vor. Brutgebiete finden sich auch im nordwestlichen Afrika von [[Marokko]] bis ins nördliche [[Algerien]]. Vereinzelt finden sich auch brütende Mehlschwalben in [[Tunesien]], [[Libyen]], [[Israel]], im Gebiet der [[Sahara]] sowie in [[Südafrika]] und [[Namibia]].<ref name="SASOL">{{cite book |title=SASOL Birds of Southern Africa |last= Sinclair |first=Ian |coauthors= Hockey, Phil; Tarboton, Warwick |publisher=Struik|year=2002 |id= ISBN 1-86872-721-1| page = p296 }}</ref> Weiter östlich erstreckt sich das Verbreitungsgebiet bis zur [[Krim]], dem [[Kaukasus]] und verläuft bis in den Norden [[Afghanistan]]s. Vorgeschobene Brutgebiete finden sich außerdem im [[Pamir (Gebirge)|Pamirgebiet]], im Norden von [[Kaschmir]], in [[Ladakh]] und im Norden von [[Punjab]].<ref name="BWP" /><ref name="Menzel13">Menzel, S. 13</ref><ref name="Turner226">Turner, S. 226</ref> Die Überwinterungsgebiete der Nominatform liegen für die östlichen Populationen in Nordostindien. In Afrika erstreckt sich das Überwinterungsgebiet vom Süden der Sahara bis zur Kapprovinz. Die Unterart ''Delichon urbicum lagopodum'' brütet vom westsibirischen Tiefland bis zum mittelsibirischen Bergland und der Region der Flüsse [[Lena (Arktischer Ozean)|Lena]] und [[Jana (Laptewsee)|Jana]], dem Delta des Flusses [[Kolyma]] und der [[Tschuktschen-Halbinsel]]. Das Verbreitungsgebiet erreicht in Ostsibirien seine nördliche Grenze beim 69. Breitengrad. In südlicher Richtung erstreckt sich das Verbreitungsgebiet bis zum [[Altai]], der nördlichen Mongolei und Nordostchina. Die Unterart überwintert im Süden Chinas und in Südostasien. Überwinternde Mehlschwalben dieser Unterart sind unter anderem im Gebiet [[Indochina]]s und in [[Assam]] anzutreffen.<ref name="Turner">{{cite book |title=Swallows & Martins: an identification guide and handbook |last=Turner |first=Angela K |coauthors= Rose, Chris |publisher=Houghton Mifflin |location = Boston, Massachusetts, US |year=1989 |id=ISBN 0-395-51174-7 }} S. 226–233</ref><ref name="Menzel13" /> == Lebensraum == Bei Mehlschwalben handelt es sich ursprünglich um Brutvögel, die an senkrechten Felswänden brüten. Brutkolonien an solchen natürlichen Stellen gibt es bis heute. In Tibet ist die Mehlschwalbe sogar ein ausgesprochener Gebirgsvogel, der Fels-, Erd- und [[Löss]]wände noch bis in eine Höhe von 4.600 Metern nutzt, um dort seine Nester anzulegen.<ref name="Menzel33">Menzel, S. 33</ref> Im europäischen Verbreitungsgebiet ist die Art dagegen überwiegend ein [[Kulturfolger]], der die offene und besiedelte [[Kulturlandschaft]] als Lebensraum nutzt. Auch im europäischen Verbreitungsgebiet siedeln Mehlschwalben noch in großer Höhe. In [[Österreich]] ist eine Kolonie von Mehlschwalben am Großglockner in einer Höhe von 2450 Metern belegt; in der [[Schweiz]] brüteten Mehlschwalben am [[Furkapass]] in einer Höhe von 2431 Metern. In [[Spanien]] erreicht die Höhenverbreitung 2600 Meter.<ref name="Menzel33" /> Mehlschwalben sind auf freie Flächen mit niedriger Vegetation angewiesen. Dies ermöglicht ihnen die Jagd auf [[Luftplankton]] auch dann, wenn dieses wegen regnerischen oder stürmischen Wetters niedrig fliegt.<ref>Menzel, S. 32</ref> Die Nähe von größeren Gewässern ist gleichfalls notwendig, um geeignetes Nistmaterial zu finden. In der Literatur gibt es unterschiedliche Angaben, wie ausgeprägt das Kulturfolgeverhalten der Mehlschwalbe insbesondere im Vergleich zur Rauchschwalbe ist.<ref name="BWP" /><ref>Menzel, S. 32 – 33</ref> Hohe Luftverschmutzung kann dafür verantwortlich sein, dass Mehlschwalben in einigen Regionen Städte meiden. Nachdem in Großbritannien nach der Verabschiedung und Umsetzung des [[Clean Air Act of 1956]] (Gesetz zur Luftreinheit) die Luftverschmutzung in britischen Städten zurückgegangen war, siedelten sich Mehlschwalben selbst in Städten wie [[London]] wieder im Stadtkern an.<ref name="Turner226" /> In den Überwinterungsgebieten nutzt die Mehlschwalbe gleichfalls offene Landschaften. Die Mehlschwalbe ist dort jedoch weniger auffällig als die im gleichen Raum überwinternden Rauchschwalben. Sie fliegt höher und besitzt eine stärker nomadische Lebensweise. In den tropischen Regionen des Überwinterungsgebietes wie etwa in Ostafrika und [[Thailand]] halten sich Mehlschwalben grundsätzlich eher in Höhenlagen auf.<ref name="Turner" /><ref name="Lekagul">{{cite book | last = Lekagul | first = Boonsong | coauthors= Round, Philip |title = A Guide to the Birds of Thailand | year = 1991 | publisher = Saha Karn Baet | isbn = 9748567362}} p236</ref><ref name="Robson">{{cite book | last = Robson | first = Craig | coauthors= |title = A Field Guide to the Birds of Thailand | year = 2004 | publisher = New Holland Press |page =206| isbn = 1843309211}}</ref> == Zugverhalten und Ortstreue == [[Datei:Mehlschwalben.jpg|miniatur|Versammelte Mehlschwalben]] Mehlschwalben sind [[Zugvogel|Langstreckenzieher]], die in einer breiten Front den Mittelmeerraum und die Sahara überqueren.<ref name="Gordo">{{cite journal || last= Gordo |first= Oscar |coauthors= Brotons, Lluís; Ferrer, Xavier; Comas, Pere |month= January |year=2005 |title= Do changes in climate patterns in wintering areas affect the timing of the spring arrival of trans-Saharan migrant birds? |journal= Global Change Biology |volume= 11|issue= 1|pages=12–21 | doi = 10.1111/j.1365-2486.2004.00875.x| }}</ref> Der Höhepunkt des Zugbeginns in West- und Mitteleuropa liegt zwischen Ende August und Anfang Oktober, im südlichen Brutgebiet setzt er etwas später ein. Die Rückkehr in die Brutgebiete erfolgt im April und Mai, wobei es starke regionale Unterschiede gibt. Für [[Luxemburg]] wurde als durchschnittliches Ankunftsdatum der 13. April ermittelt, in [[Estland]] fällt es auf den 19. Mai.<ref>Menzel, S. 50</ref> In der Regel treffen Mehlschwalben dabei rund 10 Tage nach den Rauchschwalben ein.<ref name="Bezzel367">Bezzel, S. 367</ref> Mehlschwalben ziehen grundsätzlich während des Tages. Einige Vögel scheinen jedoch auch während der Nacht weiterzuziehen.<ref name="poster">Jan Kube, Nils Kjellén, Jochen Bellebaum, Ronald Klein, Helmut Wendeln: ''[http://www.ifv.terramare.de/ESF/ESF_final/Poster/Kube_Poster.pdf How many diurnal migrants cross the Baltic Sea at night?]'' Poster zur ESF-Konferenz „Migration in the life-history of birds“, Institut für Vogelforschung, 2005.</ref> Wie für viele Langstreckenzieher charakteristisch, finden sich Mehlschwalben als [[Irrgast|Irrgäste]] immer wieder in Regionen ein, die nicht zu ihrem normalen Verbreitungsgebiet gehören. So wurden sie bereits in [[Nepal]], [[Alaska]] und [[Neufundland]], auf [[Grönland]], [[Island]], den [[Bermuda]]s, den [[Malediven]] und den [[Azoren]] beobachtet.<ref name="Turner" /><ref name="Sibley">{{cite book | last = Sibley | first = David | title = The North American Bird Guide | year = 2000 |publisher = Pica Press | id = ISBN 1-873403-98-4|page =322}}</ref> Zu den Charakteristika der Mehlschwalbe gehört eine hohe Treue gegenüber ihrem Geburtsort. Von in 60 verschiedenen [[Oberschwaben|oberschwäbischen]] Ortschaften ausgeflogenen 4700 Nestlingen kehrten im Folgejahr rund 450 als Brutvogel in ihren Geburtsort zurück.<ref name="Bezzel365">Bezzel, S. 365</ref> Die hohe Differenz zwischen ausfliegenden Nestlingen und Rückkehrern ist dabei überwiegend auf Verluste während des Zuges zurückzuführen. Eine Reihe von Untersuchungen legt nahe, dass sich männliche Mehlschwalben im Durchschnitt knapp 1,5 Kilometer entfernt vom Geburtsnest ansiedeln. Weibchen sind dagegen etwas wanderfreudiger und siedeln sich im Schnitt in rund 3,2 Kilometer Entfernung an.<ref>Menzel, S. 34</ref> Auch die Rückkehr und Wiederansiedelung am „Geburtshaus“ und teilweise sogar im Geburtsnest kommt vor: Von 165 kontrollierten Weibchen kehrte eines ins Geburtsnest zurück, sieben weitere brüteten am Haus, an dem ihr Geburtsnest hing. Auch bei dieser Untersuchung bestätigte sich eine höhere Ortstreue der Männchen. Von 279 kontrollierten Männchen nutzten acht ihr Geburtsnest für eigene Bruten und 54 weitere Männchen brüteten am Geburtshaus.<ref name="Bezzel365" /> == Nahrung und Nahrungsweise == In ihrem Nahrungsverhalten gleicht die Mehlschwalbe anderen [[insektivore]]n Vögeln, insbesondere den Schwalben und den nicht mit dieser Familie verwandten [[Segler (Vögel)|Seglern]] wie etwa dem [[Mauersegler]], die in der Luft nach Insekten jagen.<ref name="Turner" /> Die jeweilige Nahrungszusammensetzung ist vom Angebot bestimmt. Bei einer Untersuchung am in den Schweizer [[Voralpen]] gelegenen [[Thunersee]] machten [[Fliegen]], [[Mücken]] und [[Blattläuse]] etwa 80 Prozent der Nahrung aus. Weitere 10 Prozent bestanden aus Wasserinsekten.<ref>Menzel, S. 39 – 41</ref> Auch Untersuchungen in anderen Regionen bestätigen die hohe Bedeutung von Blattläusen, Fliegen und Mücken in der Nahrung der Mehlschwalben. [[Schnabelkerfe]], [[Käfer]], [[Schmetterlinge]] und [[Spinnen]] zählen zu den weiteren, von Mehlschwalben gefressenen Insekten.<ref name="Turner227" /> Vorüberfliegende Insekten werden meist von unten her erjagt, indem die Mehlschwalben mit schnellem Flügelschlag nach oben schießen, das Insekt mit dem Schnabel packen und dann meist auf ihre vorherige Flughöhe zurückgleiten. Sofern die Mehlschwalben keine Jungen mit Nahrung versorgen müssen, schlucken sie die gefangenen Insekten sofort hinunter. Versorgen sie Nestlinge, sammeln sie die erjagten Insekten in ihrem Kehlsack. Langflüglige Insekten wie [[Eintagsfliegen]] oder größere Schmetterlinge werden meist im Schnabel zum Nest gebracht.<ref>Menzel, S. 41–42</ref> Für die Nahrungssuche entfernen sie sich bis zu zwei Kilometer vom Nest. Im Schnitt gehen sie aber 450 Meter vom Niststandort entfernt auf Jagd.<ref>Turner, S. 27</ref> == Fortpflanzung == === Das Nest === Mehlschwalben sind Koloniebrüter und die Nester sind gelegentlich so nahe aneinander gebaut, dass sie sich an ihrer Basis berühren. Kolonien bestehen meist aus vier bis fünf Nestern. Es sind aber auch Kolonien belegt, die tausende von Nestern umfassten.<ref name="Turner227" /> [[Datei:Ab bird 016.jpg|miniatur|Mehlschwalbe sammelt Lehmklümpchen an einer Pfütze]] [[Datei:Delichon-urbica-nest.jpg|miniatur|Zerbrochenes Nest]] Ihr Nest bauen Mehlschwalben an senkrechten Wänden unter natürlichen oder künstlichen Überhängen, zum Beispiel unter Felsenvorsprüngen, Dachtraufen, Dachrändern oder Toreinfahrten. Nester außerhalb menschlicher Siedlungen, etwa an isolierten Bauwerken wie Betonbrücken, sind selten. Sofern es bereits vorhandene Nester gibt, werden diese bevorzugt bezogen. Voraussetzung für den Nestbau ist, dass der als Baumaterial verwendete Lehm unmittelbar an der Nistwand haftet. Werden die Nester an Felsen gebaut, werden daher Oberflächen gewählt, die frei von Moosen und Flechten sind. Anders als die Rauchschwalbe errichten Mehlschwalben ihr Nest nur in Ausnahmefällen innerhalb von Gebäuden.<ref name="Turner228">Turner, S. 228</ref> Am Nestbau sind beide Eltern beteiligt; der Baubeginn ist abhängig von Witterung und Höhenlage. Das Nest wird aus feuchten Lehm- oder Erdklümpchen aufgemauert, wobei die Tiere den Nestwall stets von der Innenseite her weiterbauen. Das Baumaterial nehmen die Mehlschwalben an Gewässerufern, Pfützen oder ähnlichen Stellen auf. Fertige Nester haben eine geschlossene, halbkugelige Form. Das Einflugloch befindet sich oben. Innen wird das Nest mit Halmen, Federn und ähnlichem weichen Material gepolstert. Der Nestbau nimmt 10 bis 14 Tage in Anspruch.<ref name="Turner228" /> Das entstehende Nest wird auch gerne von anderen Vogelarten als Nistplatz genutzt. [[Haussperling]]e versuchen regelmäßig, die von Mehlschwalben begonnenen Nester zu erobern. Gelingt ihnen dies, beginnen die Mehlschwalben an einer anderen Stelle ihr Nest erneut zu errichten. Bei fertigen Nestern ist das Einflugsloch so klein, dass Haussperlinge ausgeschlossen sind.<ref name="Coward">{{cite book | last = Coward | first = Thomas Alfred| coauthors= |title = The Birds of the British Isles and Their Eggs (two volumes)| year = 1930| publisher = Frederick Warne | isbn = }} Third edition, volume 2, S. 252–254</ref> Zu den weiteren Vogelarten, die gelegentlich Mehlschwalbennester besetzen, zählen [[Blaumeise]], [[Baumläufer]], [[Gartenrotschwanz]], [[Hausrotschwanz]], [[Kohlmeise]], [[Weidensperling]], [[Feldsperling]], [[Zaunkönig]], [[Grauschnäpper]] und [[Haustaube]].<ref>Menzel, S. 71 – 72</ref> === Das Gelege === Ein Gelege besteht aus drei bis fünf reinweißen Eiern. Sie werden in der Regel mit einem Abstand von jeweils einem Tag gelegt. Beide Elternvögel brüten, allerdings ist der Anteil des Weibchens am Brutgeschäft höher. Bereits nach der Ablage des ersten Eis bleibt ein Elternvogel im Nest sitzen, wenngleich noch mit vielen Unterbrechungen. Ein festes und intensives Brüten beginnt mit der Ablage des letzten Eis. Die jungen Schwalben schlüpfen normalerweise nach 14 bis 16 Tagen. Sie sind bereits nach 22 bis 32 Tagen flügge. Ausgeflogene Jungvögel bleiben zunächst in der Nähe des Nestes und werden von den Eltern noch bis zu einer Woche gefüttert.<ref name="Turner228" /> Eine [[Schottland|schottische]] Studie zeigte, dass rund fünfzehn Prozent der Nestlinge nicht mit ihrem vermeintlichen Vater verwandt sind. Ein verpaartes Männchen stellt zwar zu Beginn der Brutperiode sicher, dass sein Weibchen nur wenig Zeit alleine am Nest verbringt und begleitet es auch während seiner Flüge. Diese Bewachung des Weibchens lässt aber nach der Ablage des ersten Eis nach. Es sind daher die jüngsten Nestlinge, die mit einer höheren Wahrscheinlichkeit von einem anderen Männchen gezeugt wurden.<ref name="Riley">{{cite journal || last= Riley |first= Helen T.|coauthors= Bryant, David M; Carter, Royston E; Parkin, David T. |month= February |year=1995 |title= Extra-pair fertilizations and paternity defence in house martins, Delichon urbica|journal= Animal Behaviour |volume= 49 |issue= 2 |pages= 495–509| doi = 10.1006/anbe.1995.0065 }}</ref> Der ersten Brut folgt im Regelfall eine zweite, bei der jedoch die Größe des Geleges etwas kleiner ist. Auch Drittgelege kommen im Süden des Brutgebietes vor. Späte Nestlinge sind allerdings der Gefahr ausgesetzt, dass die Elternvögel nicht mehr ausreichend Nahrung für sie finden. Der Bruterfolg der Mehlschwalben ist zugleich positiv mit dem Lebensalter der Elternvögel [[Korrelation|korreliert]]. Bei Brutpaaren, bei denen das Männchen noch einjährig war, schlüpften aus zehn Eiern sieben Küken. War das Paar älter, schlüpfen aus neun von zehn Eiern Küken.<ref name="Bezzel365" /> Von zehn Küken werden je nach Witterungsbedingungen sechs bis acht flügge. Frisch geschlüpfte Mehlschwalben betteln zunächst mit ausgestrecktem Hals und senkrecht nach oben gerichtetem Schnabel. Erst mit einem Lebensalter von etwa einer Woche wenden sie zielgerichtet den Kopf den Elternvögeln zu. Zur Übergabe des Futters steckt der Elternvogel seinen Schnabel tief in den Hals des Jungvogels und schiebt ihm die Nahrung in den Schlund. Nahrung, die nicht in den Schlund der Jungvögel gelangt, wird von diesen nicht beachtet. Bei Zweitgelegen füttern gelegentlich die Mehlschwalben der ersten Brut mit.<ref>Menzel, S. 89 und 92</ref> == Lebenserwartung und Mortalitätsursachen == Von zehn ausgewachsenen Mehlschwalben erreichen nur drei bis sechs das nächste Lebensjahr. Obwohl einzelne Individuen belegt sind, die ein Lebensalter von 10 und 14 Jahren erreichten, erlebt die überwiegende Zahl der Mehlschwalben das vierte Lebensjahr nicht. Das Durchschnittsalter einer Mehlschwalbenpopulation beträgt lediglich zwei Jahre.<ref>Menzel, S. 130</ref> [[Datei:Tyto alba close up.jpg|miniatur|Schleiereulen greifen mitunter nachts Mehlschwalben aus ihren Nestern]] Mehlschwalben werden von einer Reihe von [[Ektoparasit|Außen-]] und [[Endoparasiten|Innenparasiten]] befallen. Zu den Innenparasiten zählen [[Saugwürmer]], [[Bandwürmer]] und [[Fadenwürmer]].<ref>Menzel, S. 120 – 122</ref> Als Ektoparasiten treten [[Federlinge]], [[Lausfliegen]], [[Flöhe]] wie ''[[Ceratophyllus hirundinis]]''<ref name = NHM>{{cite web|title= The housemartin flea |work= Distribution of British fleas |url=http://www.nhm.ac.uk/research-curation/projects/british-flea-distribution/database/Searchpage.do?species=&fleaname=&host=68&hostname=&county=&publication=&sortorder= |Natural History Museum.|accessdate=2008-01-23}}</ref>, [[Milben]] und [[Schmeißfliegen]] auf. In den Nestern der Mehlschwalben findet man außerdem die [[Schwalbenwanze]]. In einer [[Polen|polnischen]] Studie wurden in den Nestern von Mehlschwalben 29 verschiedene Arten von Ektoparasiten gefunden.<ref name="Kaczmarek">{{cite journal || last= Kaczmarek |first= S. |coauthors= |month= |year= 1993;|title=Ectoparasites from nests of swallows ''Delichon urbica'' and ''[[Hirundo rustica]]'' collected in autumn |journal=Wiad Parazytol. |volume=39 |issue= 4 |pages= 407–9| language = Polish }}</ref> Ektoparasiten können unter anderem auch die [[Vogelmalaria]] auf Mehlschwalben übertragen. Befallene Tiere zeigen [[Apathie]] und [[Anämie|Blutarmut]] und haben eine eingeschränkte Reproduktionsrate.<ref>{{cite web |url = http://www.vet.uga.edu/vpp/clerk/weisman/index.php |title = Haemoproteus Infection in Avian Species |first = Jaime |last = Weisman |publisher = University of Georgia |year = 2007}}</ref><ref name="Marzal">{{cite journal || last=Marzal |first= Alfonso |coauthors= de Lope, Florentino; Navarro, Carlos; Møller, Anders Pape |month= |year=2005 |url= http://www.eeza.csic.es/eeza/documentos/2005-Oecologia%20(142,%20541-545).pdf |title= Malarial parasites decrease reproductive success: an experimental study in a passerine bird|journal= Oecologia |volume=142 |issue= |pages= 541–545| doi = 10.1007/s00442-004-1757-2|}}</ref> Adulte Mehlschwalben werden verhältnismäßig selten von Greifvögeln geschlagen. Angriffen von Greifvögeln sind sie am ehesten ausgesetzt, wenn sie zur Aufnahme von Baumaterial am Boden sitzen.<ref name =birdguides>{{cite web |url = http://www.birdguides.com/species/species.asp?sp=117070 |title = Birdguides: House Martin page |publisher = BirdGuides | accessdate=22. November 2007}}</ref> [[Sperber (Art)|Sperber]], [[Habicht]]e, [[Schwarzmilan|Schwarz-]] und [[Rotmilan]]e schlagen nur gelegentlich Mehlschwalben. Der Greifvogel, der am ehesten Mehlschwalben erbeutet, ist der [[Baumfalke]]. Normalerweise sind die Mehlschwalben in der Luft aber so wendig, dass sie Verfolgern entkommen. [[Schleiereule]]n sind in der Lage, die nachts in den Nestern ruhenden Mehlschwalben herauszuziehen. Einzelne Studien haben unter den von dieser [[Eulen]]art erbeuteten Vögeln einen Anteil an Mehlschwalben zwischen vier und acht Prozent nachgewiesen. Auch [[Waldkauz|Waldkäuze]] erbeuten gelegentlich während der Nacht Mehlschwalben.<ref>Menzel, S. 124 – 125</ref> [[Schwarzspecht]]e zerstören mitunter die Nester von Mehlschwalben, um die Eier und Nestlinge zu rauben. Elstern spezialisieren sich gelegentlich gleichfalls auf diese Form des Beuteerwerbs.<ref>Menzel, S. 125</ref> Säugetiere spielen als Beutegreifer der Mehlschwalben nur eine untergeordnete Rolle. Mitunter spezialisieren sich [[Hauskatze]]n auf die Jagd auf Mehlschwalben, wenn diese an nur einer bestimmten Stelle die Möglichkeit haben, Material für den Nestbau zu sammeln oder auf dem Weg zu ihren Nestern einzelne Stellen niedrig fliegend passieren müssen. Ratten und verschiedene Marderarten rauben Nester aus, die sie erreichen können und zerstören dabei gelegentlich ganze Kolonien.<ref>Menzel, S. 126–127</ref> Widrige Wetterbedingungen, besonders kalte und nasse Sommer, führen ebenfalls zu einer hohen Jungensterblichkeit. Ausgewachsene Mehlschwalben sind vor allem gefährdet, wenn während des Zuges Schlechtwetterperioden auftreten.<ref name="Stokke">{{cite journal || last= Stokke |first= Bård G |coauthors= Møller, Anders Pape; Sæther, Bernt-Erik; Rheinwald, Goetz; Gutscher, Hans |month= April |year=2005 |title=[http://www.bio.ntnu.no/svfelles/Stokke_et-al-Auk.pdf Weather in the breeding area and during migration affects the demography of a small long-distance passerine migrant] | journal= The Auk |volume= 122|issue=2 |pages= 637–647| }}</ref> Im September und Oktober 1974 führte ein früher Wintereinbruch in vielen Gebieten Mitteleuropas dazu, dass tausende von Mehlschwalben durch Nahrungsmangel zu Grunde gingen oder so geschwächt waren, dass sie ihren Zug nicht fortsetzen konnten.<ref name="Bezzel367" /> Einige Ornithologen gehen davon aus, dass extreme Wetterschwankungen auf Grund der Klimaveränderungen zukünftig häufiger auftreten werden. Damit könnte auch die Sterblichkeit ansteigen.<ref name="Stokke" /> == Bestand und Schutzmaßnahmen == Die europäische Population wird auf 20 bis 48 Millionen Individuen geschätzt, wobei der Bestand starken Schwankungen unterworfen ist.<ref name="Turner" /><ref name="BWP">{{cite book | last = Snow | first = David |coauthors= Perrins, Christopher M (editors)| title = The Birds of the Western Palearctic concise edition (2 volumes) | publisher = Oxford University Press |date = 1998| location =Oxford | isbn = 019854099X| pages =1066–1069}}</ref> Die [[International Union for Conservation of Nature and Natural Resources|IUCN]] hat die Mehlschwalbe in die Kategorie „least concern“ oder „Keine Gefährdung“ eingeordnet.<ref name="BirdLife" /> Eine Reihe von Naturschutzorganisationen teilt diese Einschätzung nicht und geht davon aus, dass die Mehlschwalbe mittelfristig in ihrem Bestand bedroht ist.<ref name ="BTO bird facts" /><ref>{{cite web |url = http://www.bto.org/psob/amberlist.htm |title = The population status of birds in the UK: Birds of Conservation Concern: 2002–2007 |publisher = British Trust for Ornithology |accessdate=28. Januar 2008}}</ref><ref>{{cite web |url=http://www.bto.org/birdtrends2006/wcrhouma.htm |title = House Martin |publisher = British Trust for Ornithology |accessdate=28. Januar 2008}}</ref> [[Datei:Hirundo rustica (Adrian Benko).jpg|miniatur|Nest mit einem Schutzbrett, das verhindern soll, dass die Schwalben mit ihrem Kot die Fassade verschmutzen]] [[Datei:Mehlschwalbenest künstlich 2008-03-21 278.jpg|miniatur|Künstliches Mehlschwalbennest]] Die Mehlschwalbe gehört zu den Arten, die über Jahrhunderte von menschlichen Aktivitäten profitiert hat. Das Abholzen der Wälder und die Errichtung menschlicher Siedlungen ging für die Mehlschwalbe mit einer Steigerung der Nistmöglichkeiten einher. Als attraktiver Vogel, der sich von fliegenden Insekten ernährt, wurde die Mehlschwalbe vom Menschen dabei als nützlich begriffen und im allgemeinen toleriert, wenn sie an Hauswänden nistete.<ref name="Turner" /> In den letzten Jahrzehnten haben der Einsatz von [[Pestizid]]en und eine sich verändernde Landwirtschaft zu einem Rückgang der Art geführt.<ref name = rspb>{{cite web|title= Population trends|work= House Martin |url= http://www.rspb.org.uk/wildlife/birdguide/name/h/housemartin/population_changes.asp|publisher= Royal Society for the Protection of Birds|accessdate=18. Dezember 2007}}</ref> Negativ auf den Bestand wirken sich außerdem vor allem die Veränderungen im Siedlungsbereich aus: An modernen glatten Fassaden bleiben die Nester nicht mehr haften, oft werden sie bei Renovierungsarbeiten achtlos oder mutwillig zerstört. Auf versiegelten Flächen finden die Mehlschwalben kein Baumaterial für ihre Nester mehr. Seit 2002 steht die Mehlschwalbe in der Bundesrepublik Deutschland auf der Vorwarnliste für bedrohte Vogelarten. Als Gebäudebrüter fallen Mehlschwalben – ebenso wie [[Rauchschwalbe]]n, [[Mauersegler]] und [[Haussperling]]e – in die Kategorie der besonders geschützten Arten, deren Nester nach gesetzlicher Regelung nicht zerstört werden dürfen (Gesetz über Naturschutz und Landschaftspflege [BNatSchG] § 44, Abs. 1, Nr. 3). [[Naturschutzorganisation]]en machen regelmäßig darauf aufmerksam, wie einfach es ist, Mehlschwalben zu helfen: Die im Handel erhältlichen Kunstnester werden von Mehlschwalben gerne angenommen, sofern noch in der weiteren Umgebung Mehlschwalben nisten. Ein waagrechtes Brett unterhalb der Nester verhindert dabei, dass Kot die Fassade verschmutzt. Empfohlen wird gelegentlich, diese Bretter mindestens 50 Zentimeter unterhalb der Nester zu befestigen, damit Nesträuber die Gelege nicht erreichen können. Das Anlegen kleiner Lehmpfützen hilft, den Mehlschwalben geeignetes Nistmaterial zur Verfügung zu stellen. Darüber hinaus kann das Errichten eines [[Schwalbenhaus]]es als Ergänzung, Sicherung oder Ersatz für eine Kolonie an Gebäuden eine sinnvolle Hilfsmaßnahme sein. == Systematik == [[Carl von Linné]] gab 1758 den Mehlschwalben den wissenschaftlichen Namen ''Hirundo urbica'',<ref>{{cite book | last=Linnaeus | first=C | authorlink=Carl von Linné | title=Systema naturae per regna tria naturae, secundum classes, ordines, genera, species, cum characteribus, differentiis, synonymis, locis. Tomus I. Editio decima, reformata. |quote = H. rectricibus immaculatis, dorso nîgro-caerulescente | publisher=Holmiae. (Laurentii Salvii). |language = Latin | date=1758| pages=192}}</ref> 1854 wurde die Art durch [[Thomas Horsfield]] und [[Frederic Moore]] der Gattung ''Delichon'' zugeordnet.<ref name =ITIS >{{cite web|title= ITIS Standard Report Page: Delichon|work= |url= http://www.itis.gov/servlet/SingleRpt/SingleRpt?search_topic=TSN&search_value=178444|publisher= The Integrated Taxonomic Information System (ITIS)|accessdate=2008-01-23}}</ref> ''Delichon'' ist ein [[Anagramm]] des [[Altgriechische Sprache|altgriechischen]] Wortes ''χελιδών'' (''chelīdōn'') für Schwalbe.<ref name ="BTO bird facts">{{cite web|title= House Martin ''Delichon urbicum'' (Linnaeus, 1758)|work= Bird facts |url= http://blx1.bto.org/birdfacts/results/bob10010.htm|publisher=British Trust for Ornithology |accessdate=2008-01-24}}</ref> Die Artbezeichnung ''urbicum'' weist auf ihre Neigung hin, in Städten zu siedeln. Die östliche Unterart ''Delichon urbicum lagopodum'' wurde erstmals durch den deutschen Zoologen [[Peter Simon Pallas]] 1811 beschrieben. Sie unterscheidet sich von der westlichen Nominatform durch ausgedehntere weiße Gefiederpartien an der Unterseite. Der Schwanz ist nicht so stark gegabelt wie bei der Nominatform. Es sind weitere Unterarten wie beispielsweise die im Mittelmeerraum beheimatete '' Delichon urbicum meridionalis'' beschrieben worden. Die Merkmale, die sie von den anderen Unterarten unterscheiden, werden allerdings nicht als hinreichend deutlich angesehen, um eine Einstufung als Unterart zu rechtfertigen.<ref name = Turner /> Die Gattung ''[[Delichon]]'' hat sich erst vor verhältnismäßiger kurzer Zeit von der Gattung ''[[Hirundo]]'' abgespalten. Der Gattung gehören lediglich drei Arten an, die sich mit ihrer schwarzblauen Ober- und der weißen Unterseite ähneln. In der Vergangenheit ist mehrfach diskutiert worden, ob die Mehlschwalbe und die [[Asiatische Mehlschwalbe]] (''D. dasypus'') nicht einer Art angehören. Die Asiatische Mehlschwalbe ist in den Gebirgen Zentral- und Ostasiens beheimatet. Große äußere Ähnlichkeit weist die Mehlschwalbe auch mit der [[Nepalschwalbe]] (''D. nipalense'') auf, die in den Gebirgen Südasiens nistet.<ref name="Turner" /> Mehlschwalben können gelegentlich mit Rauchschwalben bastardieren. Innerhalb der Unterordnung der [[Singvögel]] ist dies sogar die häufigste Hybridisierung.<ref name="Moller">Møller, Anders Pape; Gregersen, Jens (illustrator) (1994) ''Sexual Selection and the Barn Swallow''. Oxford: Oxford University Press ISBN 0-19-854028-0 [http://books.google.com/books?id=qPh3kmnYG5MC&pg=PA245&lpg=PA245&dq=barn+swallow+mobbing&source=web&ots=OgFPsh7qrn&sig=l3WxmkKguTiniShgofWKs7YuvTI#PPA245,M1 Full text]</ref> Dies hat zu der Vermutung geführt, dass die Gattung ''Delichon'' sich möglicherweise nicht ausreichend genetisch von der Gattung ''Hirundo'' unterscheidet, um tatsächlich als eigenständige Gattung gelten zu können.<ref name="Turner" /> == Sonstiges == Die Mehlschwalbe ist in der Schweiz [[Vogel des Jahres (Schweiz)|Vogel des Jahres]] 2010. == Quellen == === Einzelbelege === <references /> === Literatur === * [[Einhard Bezzel]]: ''Vögel.'' BLV Verlagsgesellschaft, München 1996, ISBN 3-405-14736-0, S. 125 * Heinz Menzel: ''Die Mehlschwalbe. Delichon urbica.'' 1984 (Die neue Brehm-Bücherei, Band 548) * Angela Turner, Chris Rose: ''Swallows & Martins – An Identification Guide and Handbook.'' Houghton Mifflin Company, Boston 1989, ISBN 0-395-51174-7 === Weblinks === {{Commons|Delichon urbicum|Mehlschwalbe (''Delichon urbicum'')}} * [http://www.vogelarten.de/arten/Mehlschwalbe/ Mehlschwalbe bei www.vogelarten.de] {| style="border:1px solid #8888aa; background-color:#f7f8ff; padding:5px; font-size:95%;" | Dieser Artikel basiert zum Teil auf dem Artikel [[:en:House Martin|House Martin]] aus der [[:en:|englischen Wikipedia]] in der Version vom 9. März 2008. Eine Liste der Autoren ist unter [http://en.wikipedia.org/w/index.php?title=House_Martin&action=history Autoren] einzusehen. |} {{Exzellent}} [[Kategorie:Schwalben]] {{Link FA|en}} {{Link FA|pt}} {{Link FA|ru}} {{Link FA|sv}} {{Link GA|uk}} [[af:Huisswael]] [[az:Şəhər qaranquşu]] [[bg:Градска лястовица]] [[br:Gwennili-vein-do]] [[ca:Oreneta cuablanca]] [[cs:Jiřička obecná]] [[cy:Gwennol y Bondo]] [[da:Bysvale]] [[en:Common House Martin]] [[eo:Murhirundo]] [[es:Delichon urbicum]] [[et:Räästapääsuke]] [[fa:چلچله دمگاه سفید]] [[fi:Räystäspääsky]] [[fr:Hirondelle de fenêtre]] [[fy:Wytgatswel]] [[hu:Molnárfecske]] [[it:Delichon urbica]] [[ja:イワツバメ]] [[ku:Hechecikê malan]] [[lt:Langinė kregždė]] [[lv:Mājas čurkste]] [[nl:Huiszwaluw]] [[nn:Taksvale]] [[no:Taksvale]] [[oc:Ironda de fenèstra]] [[pl:Jaskółka oknówka]] [[pms:Delichon urbica]] [[pt:Andorinha-dos-beirais]] [[ro:Lăstun de casă]] [[ru:Городская ласточка]] [[se:Beskkoš]] [[sv:Hussvala]] [[tr:Ev kırlangıcı]] [[uk:Міська ластівка]] [[vls:Huuszwoaluwe]] [[zh:白腹毛脚燕]] mv2vlp1uh9iu6lcm2l70p8gvgxbl9uu wikitext text/x-wiki Meidum-Pyramide 0 23915 26511 2010-05-05T07:05:51Z 91.52.161.153 , {{Infobox Ägyptische Pyramide |BILD = 02 meidum pyramid.jpg |BILD-BESCHREIBUNG = Die Ruine der Meidum-Pyramide |NAME = <hiero>S29-F35-D21-w</hiero> |NAME-IN-KARTUSCHE = ja |NAME-DETERMINATIV = <hiero>Dd-O24</hiero> |NAME-TRANSKRIPTION = Djedi Seneferu / (j)djed Seneferu <br/> ''{{Unicode|Ḏdj Snfrw / (j)ḏd Snfrw}}'' <br/> ''Snofru dauert / Dauer Snofrus''<ref name="Gundacker" /> <br/> (mit [[Determinativ]] für Pyramide) |NAME-ERKLÄRUNG = |ORT = [[Meidum]] |ERBAUER = [[Snofru]] |BAUZEIT = [[4. Dynastie]] (~2670 bis ~2620&nbsp;v.&nbsp;Chr.) |TYP = [[Stufenpyramide]], später [[Pyramide (Bauwerk)|echte Pyramide]] |BAUMATERIAL = [[Kalkstein]] |BASIS = 147 m |HÖHE_URSPRÜNGLICH = 93,50 m |HÖHE_HEUTE = ~65 m |VOLUMEN = 638.733 |STUFEN = 7 / 8 (Phase E1/E2) |NEIGUNG = 51°50' (Phase E3) |NEBENPYRAMIDE = ja |KÖNIGINNENPYRAMIDEN = keine }} Die '''Meidum-Pyramide''' wurde unter dem [[Altes Ägypten|altägyptischen]] König [[Snofru]] ([[4. Dynastie]]) in [[Meidum]] in drei Bauphasen erbaut und war die fünfthöchste der [[Altes Ägypten|altägyptischen]] [[Pyramide (Bauwerk)|Pyramiden]]. Das fertige Bauwerk wurde wahrscheinlich nicht als Grabmal des Königs verwendet, sondern diente als [[Kenotaph]] (Scheingrab). Das Erscheinungsbild der Meidum-Pyramide ist durch die Ruine des Pyramidenkerns und den umgebenden Schuttgürtel geprägt, wodurch der Pyramidencharakter kaum mehr erkennbar ist. == Erforschung == Der eigentümliche Zustand der Pyramide zog bereits früh die Aufmerksamkeit der Anwohner und Besucher auf sich, die das Bauwerk als ''el-haram el-kaddab'' (''falsche Pyramide'') bezeichneten. Ein Bericht des arabischen Geschichtsschreibers [[Taqi ad-Din al-Maqrizi]] aus dem 12. Jahrhundert beschreibt die Pyramide als fünfstufigen Berg – ein Zeichen, dass der [[Erosion (Geologie)|Erosionsprozess]] (hauptsächlich [[Steinraub]]) damals noch nicht so weit fortgeschritten war.<ref name="Verner-Meidum-185" /> [[Frederic Louis Norden]] besuchte das Bauwerk im 18. Jahrhundert und berichtete nur noch von drei sichtbaren Stufen. Eine erste, kurze Untersuchung erfolgte 1799 durch die [[Ägyptische Expedition]] [[Napoléon Bonaparte|Napoleons]]. 1837 untersuchte und vermaß [[John Shae Perring]] das Bauwerk, gefolgt von [[Karl Richard Lepsius]] im Jahre 1843. Letzterer katalogisierte das Bauwerk unter der Nummer ''LXV'' in seiner [[Lepsius-Pyramidenliste|Pyramidenliste]].<ref name="Verner-Meidum-185" /> [[Gaston Maspero]] gelang es schließlich, den Eingang zum Unterbau der Pyramide zu finden, aber eine ausführliche Untersuchung erfolgte erst zehn Jahre später durch [[Flinders Petrie]] in Zusammenarbeit mit [[Percy Newberry]] und [[George Fraser (Ägyptologe)|George Fraser]]. Diese Untersuchung umfasste sowohl das Pyramideninnere als auch den Aufbau und förderte zudem den Pyramidentempel, den Aufweg sowie eine größere Zahl Privatgräber zu Tage. Eine zweite Untersuchung durch Petrie, diesmal zusammen mit [[Ernest MacKay]] und [[Gerald Wainwright]], führte die Untersuchung fort, in deren Rahmen auch ein Tunnel in den Pyramidenkorpus getrieben wurde, wodurch zehn geneigte Schalen des Mauerwerks der Pyramide nachgewiesen wurden. Petrie berichtete zudem, dass die Pyramide zu seiner Zeit noch den Anwohnern als Steinbruch diente.<ref name="Verner-Meidum-185-186" /> Eine nur wenige Tage dauernde Erforschung der Pyramide durch [[Ludwig Borchardt]] ergab eine derartige Fülle an neuen Informationen, dass er damit ein ganzes Buch veröffentlichen konnte, das heute immer noch hoch eingeschätzt wird.<ref name="Borchardt-Meidum" /> Die Ausgrabungen ergaben zudem die Überreste einer Rampenkonstruktion, die für den Bau der Pyramide verwendet wurde.<ref name="Verner-Meidum-186-187" /> Eine britisch-amerikanische Expedition unter [[Alan Rowe]] untersuchte in den 1920er Jahren die Pyramide, jedoch erhielt das Bauwerk danach für über 50&nbsp;Jahre wenig Aufmerksamkeit, bis in den 1970er Jahren ägyptische [[Archäologie|Archäologen]] unter [[Ali el-Kholi]] den Schuttgürtel der Ruine untersuchten.<ref name="Winston" /><ref name="Verner-Meidum-187" /> [[Gilles Dormion]] und [[Jean-Yves Verd'hurt]] fanden 1999 bei [[Endoskop|endoskopischen]] Untersuchungen bislang unbekannte Druckentlastungskammern und -gänge über den Gangkammern und der abfallenden Passage.<ref name="Dormion" /> === Theorien zum Zustand der Pyramide === Eine zeitweilig sehr populäre [[Theorie]] über den Zustand der Pyramide war die des [[Mathematiker]]s [[Kurt Mendelssohn]], dass es während des Baus zu einer [[Katastrophe]] gekommen und Verkleidungsschicht abgerutscht sei, wobei nur der innerste Kern erhalten blieb.<ref name="Mendelssohn" /> Diese Theorie konnte mittlerweile dadurch widerlegt werden, dass im verschütteten Pyramidentempel Graffiti gefunden wurden, die aus dem Neuen Reich stammen. Zudem entsprechen die Ablagerungsschichten des Schuttgürtels nicht einem einmaligen Abrutschvorgang, sondern einem Entstehen über einen längeren Zeitraum. Daher wird heute allgemein von einem schrittweisen Abrutschen der Verkleidung, vermutlich während des Steinraubs, ausgegangen. Der Theorie widerspricht zudem, dass beim Wegräumen der Trümmer zwar spätere Überreste gefunden wurden, jedoch keine Seile, Hölzer oder gar Arbeiterleichen aus der 4. Dynastie.<ref name="Lehner-W-97" /><ref name="Verner-Meidum-189" /> In jüngerer Zeit wurde zudem von [[George Johnson (Ägyptologe)|George Johnson]] angenommen, die Pyramide von Meidum sei niemals fertiggestellt worden, und der heute sichtbare Schutthaufen um die Pyramide herum sei eine Folge des Abbaus der Rampe gewesen.<ref name="Siliotti-156" /><ref name="Lehner-Meidum" /> Eine noch vorhandene Rampenkonstruktion könnte zudem erklären, warum hier der Steinraub von oben nach unten und nicht umgekehrt wie bei den meisten anderen Pyramiden erfolgte. Mehrere Besucher[[graffiti]] im Pyramidentempel, die auf die [[18. Dynastie]] datiert werden, bezeugen dagegen, dass dieser bis zu dieser Zeit noch zugänglich war und der Schuttgürtel noch nicht existierte. Zudem loben die Inschriften zum Teil die Schönheit der Pyramide und des Tempels, was auch auf die Unversehrtheit des Bauwerks zu diesem Zeitpunkt hindeutet. Im Schuttgürtel um die Pyramide wurden zudem Gräber gefunden, von denen die ältesten aus der [[22. Dynastie]] stammen und etwa 7&nbsp;m über dem Niveau des Pyramidentempels liegen, was den Beginn der Zerstörung auf den Zeitraum zwischen der 18. und 22. Dynastie einschränkt. Der systematische Steinraub begann daher vermutlich, wie bei vielen anderen Pyramiden auch, zur Zeit [[Ramses II.]] <ref name="Verner-Meidum-192-193" /> === Zuordnung === [[Datei:Snofru Eg Mus Kairo 2002.png|miniatur|upright=0.5|Statue des Snofru]] Es herrschte lange Zeit die Meinung, diese Pyramide sei von Snofrus Vorgänger [[Huni]] erbaut worden, wofür allerdings keine zwingenden Gründe vorliegen. Diese Zuordnung erfolgte ausschließlich aus dem Grund, dass ansonsten kein Grabmal Huni zugeordnet werden kann. Allerdings lautete der Name der bei dem Bauwerk liegenden Pyramidenstadt ''„Djed Snofru“'' (''„Snofru ist beständig“''), und es fanden sich vor Ort ausschließlich Texte und Inschriften, die Snofrus Namen trugen und nicht die des Huni. Auch die Theorie von [[Achmed Fachri]], dass die Pyramide unter Huni begonnen und von seinem Nachfolger Snofru vollendet wurde, ist vor der Tatsache nicht plausibel, dass keine Pyramide eines Herrschers des Alten Reichs von dessen Nachfolger [[Usurpation|usurpiert]] wurde. Auch eine Vollendung des Bauwerks unter Snofru ist unwahrscheinlich, da die Fundlage bei anderen Pyramiden zeigt, dass die Könige nur die nötigsten Arbeiten am Grab ihres Vorgängers vollenden ließen, um eine Bestattung und einen funktionierenden Totenkult zu gewährleisten. Bislang wurden aber auch keine Inschriften mit Snofrus Namen direkt an der Pyramide gefunden, doch geht die Forschung aus den genannten Umständen heute davon aus, dass die Pyramide bereits von Snofru begonnen wurde.<ref name="Verner-Meidum-194" /> == Bauumstände == Die Meidum-Pyramide war das erste Grabmal, das Snofru während seiner Herrschaft errichten ließ. Er wählte als Standort ein in der Nähe seiner [[Residenzstadt|Residenz]] ''Djed Snofru'' gelegenes Gelände bei der heutigen Ortschaft [[Meidum]], das bis dato nicht als königliche [[Nekropole]] in Erscheinung getreten war. Der Bau begann als reguläres Königsgrabmal im Stil der bis dahin erbauten [[Stufenpyramide]]n, wobei bereits in dieser Phase einige Neuerungen vorgesehen wurden wie die Verlegung der Grabkammer aus dem Untergrund in den Pyramidenkorpus. Offenbar im Vertrauen auf eine lange Regierungszeit begann nach einigen Jahren der erste Umbau zu einer größeren Stufenpyramide. Obwohl fertiggestellt, gab Snofru das Bauwerk als Grabmal auf und begann nach der Verlegung seiner Residenz mit dem Bau einer [[Knickpyramide|neuen Pyramide]] in [[Dahschur]], womit die Meidum-Pyramide nun eine Funktion als [[Kenotaph]] erfüllen sollte. Der finale Umbau der Stufenpyramide in eine echte Pyramide erfolgte nach einer mehrjährigen Bauunterbrechung, als Snofru in Dahschur bereits mit dem Bau [[Rote Pyramide|seiner dritten Pyramide]] begonnen hatte. Dies ist nach Stadelmann darauf zurückzuführen, dass sie nun als Königskultstätte das Gottkönigtum repräsentierte und somit auch ein Abbild des tatsächlichen königlichen Grabmals darstellen musste.<ref name="Stadelmann-Meidum" /> Als Baumeister der Meidum-Pyramide gilt der [[Tjati|Wesir]] und Sohn des Königs [[Nefermaat]], der den Titel eines ''„Vorstehers aller königlichen Bauarbeiten“'' trug. Seine [[Mastaba]] (M16) befindet sich einige hundert Meter nördlich der Pyramide. == Die Pyramide == Durch ihre Bauweise und Baugeschichte wird die Pyramide von Meidum als Übergang von der Stufenpyramide zur echten Pyramide angesehen.<ref name="Siliotti-145" /> Das heutige Erscheinungsbild dieser Pyramide ist das eines dreistufigen Turmes, der aus einem Trümmerhaufen herausragt, was auf das Wegbrechen des Außenmantels und der Stufenverfüllungen zurückzuführen ist. Das Baumaterial für den Kernbereich stammt aus etwa 800&nbsp;m südlich der Pyramide gelegenen Steinbrüchen.<ref name="Wagner" /> === Bauphasen === [[Datei:Meidoum-coupe.jpg|miniatur|Die drei Bauphasen der Pyramide (heute erhaltener Teil schraffiert]] [[Datei:Meidum pyramid building phases.jpg|miniatur|Oberflächen aller drei Bauphasen (E1, E2 und E3) sind in der Ruine erkennbar]] Durch den stark ruinösen Charakter des Bauwerks ist heute gut zu erkennen, dass die Pyramide in mehreren Phasen errichtet wurde, da Elemente aus allen Bauphasen frei liegen. Dadurch sind die verschiedenen Bautechniken erkennbar und durch Bau[[graffiti]], die Petrie auf einigen Blöcken fand, auch innerhalb der Herrschaft Snofrus datierbar.<ref name="Siliotti-155" /> Dass die Pyramide von Meidum bauhistorisch einen wichtigen Übergang von einer Stufenpyramide zu einer echten Pyramide darstellt, zeigt sich [[Peter Jánosi]] zufolge an den jeweiligen Bauetappen: Sie wurde als siebenstufiger Bau im Stil der [[3. Dynastie]] begonnen, wurde dann aber, etwa nach Erreichen der fünften Stufe um eine weitere Steinschale statt auf sieben auf acht Stufen erhöht. In seinen letzten Regierungsjahren entschloss sich Snofru anscheinend dafür, die Pyramide in eine geometrisch richtige Pyramide mit einem [[Steigung|Neigungswinkel]] von 51°50’35’’, der dem der [[Cheops-Pyramide]] sehr nahe kommt, umzubauen. Und so weist die Pyramide nach ihrer Fertigstellung einen Kern im Stil der 3. Dynastie und eine Umhüllung in Form einer echten Pyramide aus der 4. Dynastie auf. <ref name="Janosi" /> ==== 1. Phase (E1) ==== Die ursprüngliche Pyramide wurde nach der gleichen Bauweise wie die Stufenpyramiden der 3. Dynastie begonnen. Sie bestand aus nach innen geneigten Schichten mit einem [[Böschung|Böschungswinkel]] von 75° aus lokalem [[Kalkstein]], der außen mit glatten Steinen aus feinem Kalkstein verkleidet war. Diese erste Bauphase hatte eine Basislänge von etwa 105&nbsp;m und sollte in sieben Stufen eine Höhe von 71&nbsp;m erreichen. Nach der Errichtung bis zur vierten oder fünften Stufe in Phase fand eine Planänderung statt und sie wurde in einer zweiten Phase erweitert.<ref name="Verner-Meidum-189" /> Der einzige Bauunterschied zu den früheren Stufenpyramiden war, dass einige Teile der Substruktur nun im Pyramidenkorpus lagen, während sie zuvor komplett in den Felsuntergrund gegraben waren.<ref name="Verner-Meidum-191" /> ==== 2. Phase (E2) ==== Die zweite Bauphase umfasste die Erhöhung die Pyramide um eine achte Stufe. Dazu wurde eine weitere Mauerschicht mit einem Neigungswinkel von 75° hinzugefügt, was zu einer Verbreiterung der Basis auf 120&nbsp;m und einer Höhe von 85&nbsp;m führte. Die bereits angebrachte Verkleidung der ersten Phase blieb beim Bau am Platz und wurde einfach übermauert. Auch die neue Schicht der zweiten Bauphase erhielt wieder die feine Kalksteinverkleidung. Die Fertigstellung der Stufenpyramide dieser Form erfolgte etwa im 14. Regierungsjahr und das Bauwerk war so nach der [[Djoser-Pyramide]] erst die zweite große Pyramide, die auch fertiggestellt wurde.<ref name="Verner-Meidum-189" /> Trotz der Fertigstellung ließ Snofru aber in Dahschur zwei weitere Großpyramiden errichten, was darauf schließen lässt, dass er keine Bestattung in Meidum mehr plante. Dementsprechend war die Ausführung der übrigen Komponenten des Pyramidenkomplexes wie des Totentempels nur kümmerlich, da kein Totenkult zelebriert werden musste.<ref name="Verner-Meidum-192" /> ==== 3. Phase (E3) ==== Um das 28. oder 29. Regierungsjahr begann der Umbau der fertigen Stufenpyramide zu einer echten Pyramide. Die Datierung basiert auf Bauarbeiterinschriften auf Steinen dieser Phase, die die Jahre der 15., 16. und 17. Viehzählung angeben, was den Regierungsjahren 30–33 entspricht. Das Mauerwerk dieser Phase wurde in horizontalen Schichten verlegt, wie es zuvor im oberen Teil der [[Knickpyramide]] und der [[Rote Pyramide|roten Pyramide]] eingeführt wurde. Die Verkleidung der Stufen der zweiten Bauphase blieb dabei intakt und wurde übermauert. Auch die dritte Bauphase erhielt wieder eine Verkleidung mit feinem Kalkstein aus [[Tura (Ägypten)|Tura]], die zum Teil unter dem Schuttgürtel erhalten ist. Die Neigung der Pyramidenflächen war mit 51°50’ wieder steiler als bei der roten Pyramide und ähnelt damit dem Wert der späteren [[Cheops-Pyramide]]. Durch diese Erweiterung wuchs die Basislänge auf 147&nbsp;m und die Höhe der vollendeten Pyramide auf 93,5&nbsp;m, was sie zur fünfthöchsten Pyramide in Ägypten machte.<ref name="Verner-Meidum-189-190" /><ref name="Siliotti-154"/> Das Gesamtvolumen der Pyramide betrug 638.733&nbsp;m³.<ref name="Lehner-W-97"/> Es ist jedoch unklar, ob die dritte Bauphase vollendet wurde. Möglicherweise blieben Baurampen erhalten, die späteren Steinraub erleichterten und erklären könnten, warum der Steinraub im Gegensatz zu den meisten anderen Pyramiden hier von oben nach unten stattfand. Die Katastrophentheorie, dass die neue Verkleidung beim Bau abrutschte, konnte durch Untersuchungen der Trümmerhalde mittlerweile widerlegt werden.<ref name="Lehner-Meidum"/> <div align="center"><gallery> Datei:Meidoum pyramide 005.JPG|Detail der Fassade (1. und 2.&nbsp;Bauphase) Datei:Meidum Pyramide Fassadendetail.jpg|Detail der Fassade (3.&nbsp;Bauphase) Datei:04 meidum casing.jpg|Detail der Verkleidungssteine (3.&nbsp;Bauphase) </gallery></div> === Substruktur === [[Datei:Meïdoum-appartements.jpg|miniatur|upright=1.5|Das Kammersystem mit den Entlastungskammern]] Beim Entwurf der Substruktur wurden neue Wege beschritten, die sich von den bisherigen Unterbauten deutlich unterschieden und die als Vorbild für den weiteren Pyramidenbau dienen sollte.<ref name="Lehner-Meidum" /> Hier war erstmals ein Teil der Kammer nach oben in den Pyramidenkorpus verlegt. Die unterirdischen Teile waren nicht mehr aus dem Fels gehauen, sondern wurden in einer langen, offenen Grube ausgemauert, was die am häufigsten angewandte Technik für den Bau der Substruktur werden sollte. Der Eingang zur Pyramide befindet sich auf der Nordseite in ca. 18,5&nbsp;m Höhe. Von hier führt ein 1,55&nbsp;m hoher und 0,85&nbsp;m breiter Gang <!--mit einer Länge von x&nbsp;m--> nach unten. Kurz vor dem Ende der absteigenden Passage findet sich ein kleiner, senkrechter Schacht, der vermutlich eindringendes Wasser ableiten sollte, um die Flutung der unterirdischen Teile bei Regenfällen während des Baus zu verhindern. Die Passage mündet direkt in der ersten Gangkammer, die eine nischenartige Erweiterung des Gangs nach links darstellt, aber die gleiche Höhe von 1,75&nbsp;m besitzt. Ihre Maße betragen 2,60&nbsp;m&nbsp;×&nbsp;2,20&nbsp;m. Von dort gelangt man direkt in die zweite Gangkammer, die etwa die gleichen Ausmaße wie die erste hat (2,65&nbsp;m&nbsp;×&nbsp;2,10&nbsp;m), sich aber auf der rechten Seite des Gangs befindet. Beide Gangkammern haben eine flache Decke, deren Steinplatten sich über die ganze Breite erstrecken und keine Risse aufweisen. Die beiden Gangkammern könnten Verschlusssteine enthalten haben, die beim Versiegeln der Pyramide aus den Nischen in den Gang verschoben wurden.<ref name="Lehner-Meidum" /> Stadelmann sieht darin zudem die erste Verwirklichung des Dreikammern-Schemas, das sich mit Variationen durch die Pyramiden der 4. Dynastie erstreckt.<ref name="Stadelmann-Meidum" /> Nach der zweiten Gangkammer führt ein 4,55&nbsp;m langer Gang zu einem senkrechten Schacht, der zur eigentlichen Hauptkammer nach oben führt. Die Grabkammer hat die Ausmaße 5,90&nbsp;m&nbsp;×&nbsp;2,65&nbsp;m und eine Höhe von 5,05&nbsp;m und ist wie bei bisherigen Bauten noch in Nord-Süd-Richtung ausgerichtet. Den oberen Abschluss bildet ein [[Kraggewölbe]], das den Druck des Mauerwerks seitlich an der Kammer ableitet. In der Grabkammer befindet sich kein steinerner [[Sarkophag]], noch wurden Trümmer eines solchen gefunden. Da der Sarkophag nicht durch den senkrechten Schacht in die Kammer gebracht werden konnte, ist daraus zu schließen, dass die Kammer niemals einen solchen enthielt. Im Gewölbe der Kammer als auch im senkrechten Schacht befinden sich Holzbalken, die vermutlich ursprünglich der Einbringung des hölzernen Sargs dienen sollten.<ref name="Siliotti-155" /> Im Gang- und Kammersystem finden sich keine Lagerräume oder Magazingalerien, die bei den Pyramiden der 3. Dynastie in großer Zahl im Unterbau oder im Komplex vorhanden waren. <div align="center"><gallery> Datei:MeidumPyramidPassage.JPG|Der absteigende Gang Datei:07 meidum tunnel.jpg|Die erste Gangkammer von der zweiten Gangkammer aus gesehen Datei:Meidoum pyramide 007.JPG|Schacht zur Grabkammer (mit modernen Holztreppen) Datei:Meidum Pyramide zentrale Kammer.jpg|Kraggewölbe der zentralen Kammer mit einem der Holzbalken </gallery></div> [[Datei:Meidoum pyramide 009.JPG|miniatur|Vom senkrechten Schacht ausgehender Druckentlastungsgang]] 1999 entdeckten Gilles Dormion und Jean-Yves Verd'hurt Druckentlastungskammern und -gänge, die sich über den beiden Gangkammern, dem unteren Teil des abfallenden Gangs und über dem Verbindungsgang zwischen den Gangkammern und dem senkrechten Zugangsschacht befinden. Davon ist nur der kurze Gang, der von der Nordwand des senkrechten Schachts ausgeht, geöffnet worden. Alle anderen Druckentlastungskammern wurden bislang nur [[endoskop]]isch untersucht. Diese Kammern bestehen alle aus Kraggewölben, die den Druck der darauf lastenden Pyramidenmasse auf das seitlich der Kammern befindliche Mauerwerk ableiten, so dass die darunter liegenden flachen Deckensteine entlastet werden und somit Brüche vermieden werden. Mit diesen Kammern wurde im Pyramidenbau zum ersten Mal eine Druckentlastung durchgeführt, die bei den vorherigen Bauten nicht notwendig war, da die Gänge und Kammern in den massiven Felsuntergrund gehauen oder deren Deckenbalken extrem massiv waren.<ref name="Dormion" /> == Pyramidenkomplex == [[Datei:Meidum Pyramid Complex.png|miniatur|upright=2|Grundriss des Pyramidenkomplexes]] Der Pyramidenkomplex wurde von einer 2&nbsp;m hohen Umfassungsmauer umgeben, die eine Ausdehnung von 236&nbsp;m in nordsüdlicher Richtung und 218&nbsp;m in ostwestlicher Richtung besaß, von der jedoch nur noch sehr wenige Reste erhalten sind. Sie umschloss mehrere Elemente, die für den späteren Pyramidenbau und einen Pyramidenkomplex prägend sein sollten. Der eingeschlossene Pyramidenhof besaß einen Boden aus getrocknetem Lehm.<ref name="Verner-Meidum-193" /> === Pyramidentempel === Der ursprüngliche Totentempel, der mit Abschluss der zweiten Phase (E2) errichtet wurde, ist nicht mehr vorhanden, da er der dritten Bauphase (E3) weichen musste. Dieser ursprüngliche Tempel befand sich vermutlich auch an der Ostseite, da durch den hoch liegenden Eingang zur Pyramide der bisherige Platz an der Nordseite nicht mehr zur Verfügung stand. An seiner Stelle wurde dann, da die Pyramide zum Zeitpunkt der dritten Bauphase nicht mehr als Grab vorgesehen war, anstatt eines umfangreichen Totentempels nur ein kleiner, kapellenartiger Pyramidentempel errichtet. Dieser befindet sich erstmals nicht an der Nordseite, sondern an der Ostseite, wo sich auch bei späteren Pyramiden dann der Totentempel befand.<ref name="Verner-Meidum-192-193" /> Der Tempel hat einen sehr einfachen Aufbau und besteht nur aus zwei Räumen, die zu einem kleinen offenen Hof an der Pyramide führen, in dem ein Altar und zwei große, unbeschriftete [[Stele]]n stehen. Die Breite beträgt 9&nbsp;m und die Länge 9,18&nbsp;m. Die ursprünglichen Deckenplatten des überdachten Teils des Tempels befinden sich noch unbeschädigt an ihrem Platz. Daher gilt er als der am besten erhaltene Tempel des Alten Reiches.<ref name="Verner-Meidum-192-193" /> Tempelmagazine und [[Scheintür]]en, die stets in den größeren Totentempeln vorhanden waren, fehlen hier vollständig.<ref name="Stadelmann-Meidum" /> Der gute Erhaltungsgrad ist darauf zurückzuführen, dass der Tempel über lange Zeit unter dem Schuttgürtel der Pyramide verborgen und so vor Steinraub geschützt war. <div align="center"><gallery> Datei:Meidum Pyramid Temple.png|Grundriss des Pyramidentempels Datei:05 meidum temple 1.jpg|Eingang zum Pyramidentempel Datei:06 meidum stela.jpg|Stelen im Hof des Pyramidentempels </gallery></div> === Kultpyramide === [[Datei:Meidoum-satellite.jpg|miniatur|Zwei Schnitte der Nebenpyramide]] An der Südseite befand sich eine kleine Nebenpyramide, deren stark beschädigte Überreste von Petrie gefunden wurden. Es handelt sich dabei um das älteste Beispiel einer [[Kultpyramide]], die das [[Südgrab]] der früheren Stufenpyramiden funktional ersetzte.<ref name="Verner-Meidum-193" /> Der gesamte Oberbau und ein Teil der Substruktur sind weitgehend zerstört. [[Vito Maragioglio]] und [[Celeste Rinaldi]] rekonstruierten aus den noch vorhandenen Teilen, dass es sich dabei vermutlich um eine Stufenpyramide mit einer Basislänge von 26,3&nbsp;m und drei oder vier Stufen handelte. Das Mauerwerk war ebenso wie in der Hauptpyramide in nach innen geneigten Schichten angeordnet.<ref name="Verner-Meidum-193" /> Der Unterbau ähnelte dem der Hauptpyramide und bestand aus einem abfallenden Gang, der von Norden zur Hauptkammer führte. Ausgrabungen im Bereich der Kultpyramide brachten ein Fragment einer Kalksteinstele zu Tage, auf der [[Horus]] abgebildet war.<ref name="Verner-Meidum-193" /> Die bisherigen Funde erbrachten keine Hinweise, dass die Nebenpyramide ebenfalls zu einer echten Pyramide umgebaut wurde.<ref name="Maragioglio-Rinaldi" /><ref name="Winston" /> === Königinnengrab === Auf der Nordseite des Pyramidenhofs finden sich die Überreste eines [[Mastaba]]grabs, das vermutlich für eine der königlichen Gemahlinnen geplant war. Bei Ausgrabungen wurde zwar das Skelett einer Frau gefunden, jedoch keine Artefakte, durch die man das Grab einer bestimmten Königin zuordnen könnte.<ref name="Verner-Meidum" /><ref name="Winston" /> === Aufweg === [[Datei:03 meidum causeway.jpg|miniatur|Aufweg zur Pyramide]] Ein Element, das in diesem Pyramidenkomplex erstmals erschien und bei praktisch allen weiteren Pyramidenkomplexen ein Standardbestandteil wurde, war der Pyramidenaufweg. Hier wurde er in den Felsenuntergrund eingeschnitten, mit Lehm gepflastert und mit Kalksteinmauern an den Seiten versehen. Anzeichen für eine Überdachung wurden nicht gefunden. Der Aufweg wurde nur in der unmittelbaren Umgebung der Pyramide ausgegraben und nicht bis zu seinem talseitigen Ende verfolgt.<ref name="Verner-Meidum-193" /> Petrie entdeckte südlich des Aufwegs einen weiteren kanalartigen Einschnitt, der aus ostsüdöstlicher Richtung direkt zur Pyramidenmitte führte. Ebenfalls in den Felsen eingeschnitten besaß dieser [[Lehmziegel]]wände. Hierbei handelt es sich möglicherweise um eine aufgegebene Vorversion des Aufwegs.<ref name="Verner-Meidum" /> === Taltempel === In der Verlängerung des Aufwegs befindet sich bei späteren Pyramiden stets der Taltempel. Hier hingegen wurden bei Ausgrabungen lediglich einige Lehmziegelmauerreste gefunden. Dabei könnte es sich um eine Vorstufe des Taltempels handeln, aber es ist auch denkbar, dass angesichts der nur rudimentär ausgeführten anderen Elemente des Komplexes hier ebenfalls nur eine sehr einfache Struktur errichtet wurde, da die Pyramide keine Grabfunktion mehr hatte.<ref name="Lehner-Meidum" /> Die Mauerreste könnten aber auch zur Pyramidenstadt des Snofru gehört haben.<ref name="Stadelmann-Meidum" /> == Die Nekropole von Meidum == Direkt an der Ostseite der Umfassungsmauer der Pyramide befindet sich die Mastaba M17, die von Petrie 1917 erforscht wurde. Sie besteht aus ungebrannten Lehmziegeln und ihr Erbauer ist unbekannt. Der im Inneren aufgefundene Sarkophag hatte keine Inschriften und beherbergte eine gefledderte Mumie. M17 wurde mit Kalksteinbauschutt vom Bau der Pyramide – vermutlich der dritten Bauphase – aufgefüllt. Etwa 600 Meter nördlich der Pyramiden liegt die große Nekropole der Prinzen und Würdenträger der 4. Dynastie unter König Snofru. Hier wurden sehr schöne verzierte Gräber gefunden. 1817 legte hier [[Auguste Mariette]] die berühmte Kapelle von Mastaba M16 frei. Sie gehört dem Prinzen und vermutlichen Baumeister der Meidum-Pyramide [[Nefermaat]] und enthält den berühmten „Gänsefries von Meidum“. Aus der nahegelegenen Mastaba M15 des Prinzen [[Rahotep (Prinz)|Rahotep]] stammen die beiden bekannten Sitzfiguren von Rahotep und seiner Gattin Nofret, die sich heute im [[Ägyptisches Museum (Kairo)|Ägyptischen Museum von Kairo]] befinden. [[Datei:Panorama Meidoum.jpg|750px|center|miniatur|Panorama der Nekropole von Meidum aufgenommen vom Eingang der Meidum-Pyramide<br>Mastaba M17 und im Hintergrund Gräber der 4. Dynastie.]] == Bedeutung für die weitere Pyramidenentwicklung == Mit der Meidum-Pyramide wurden neue Techniken speziell beim Bau der Substruktur eingeführt, wenn auch die Pyramidenbauweise selbst noch der 3. Dynastie verhaftet blieb. Zahlreiche weitere Elemente wie die Kultpyramide, die Position des Pyramidentempels und des Pyramidenkomplexes bildeten die Prototypen für alle folgenden Pyramiden des Alten Reiches. Mit dem Umbau der Phase E3 wurde die Pyramide dann äußerlich dem Stand des Pyramidenbaus der 4. Dynastie angepasst. == Literatur == '''Allgemeiner Überblick''' * [[Mark Lehner]]: ''Das erste Weltwunder – Die Geheimnisse der ägyptischen Pyramiden'', Econ Verlag, 1997, ISBN 3430159636 * [[Miroslav Verner]], ''Die Pyramiden'', Rowohlt Verlag, 1999, S. 185-195, ISBN 3499608901 * [[Peter Jánosi]]: ''Die Pyramiden – Mythos und Archäologie.'' Verlag C. H. Beck 2004, ISBN 3-406-50831-6 * Alberto Siliotti: ''Pyramiden – Pharaonengräber des Alten und Mittleren Reiches''. Karl Müller Verlag, 2000, ISBN 3-86070-650-0 '''Detailfragen''' * [[Rainer Stadelmann]]: ''Snofru und die Pyramiden von Meidum und Dahschur.'' in: ''Mitteilungen des Deutschen Archäologischen Instituts Kairo.'' Bd 36. Zabern, Mainz 36.1980, S.437-449. {{ISSN|0342-1279}} * Gilles Dormion, Jean-Yves Verd'hurt: ''[http://www.egyptologues.net/pdf/pyramides/meidum.pdf The pyramid of Meidum, architectural study of the inner arrangement], 2000 * [[Ludwig Borchardt]]: ''Die Entstehung der Pyramide, an der Baugeschichte der Pyramide bei Mejdum nachgewiesen'', 1928 * [[Flinders Petrie|William Flinders Petrie]]: ''Meidum'', 1892. == Weblinks == {{commonscat|Meidum Pyramid|Meidum-Pyramide}} * Alan Winston: [http://www.touregypt.net/featurestories/meidump.htm The Meidum (Maidam) Pyramid (Probably of Snefru) in Egypt] * [http://www.ancient-egypt.org/topography/meidum/index.html Die Meidum-Pyramide (engl.)] * [http://guardians.net/egypt/meidum/meidum.htm The Pyramid at Meidum] (Bilder der Pyramide) * [http://guardians.net/egypt/meidum/meidpyr.htm The Pyramid at Meidum] (Bilder des Pyramideninneren) == Einzelnachweise == <references> <ref name="Borchardt-Meidum">Ludwig Borchardt: ''Die Entstehung der Pyramide, an der Baugeschichte der Pyramide bei Mejdum nachgewiesen'', 1928</ref> <ref name="Dormion">Gilles Dormion, Jean-Yves Verd'hurt: ''[http://www.egyptologues.net/pdf/pyramides/meidum.pdf The pyramid of Meidum, architectural study of the inner arrangement], 2000</ref> <ref name="Gundacker">Roman Gundacker: ''Zur Struktur der Pyramidennamen der 4. Dynastie''. In: Sokar, Nr. 18, 2009, S. 26–30</ref> <ref name="Janosi"> Peter Jánosi: ''Die Pyramiden.'' – S. 64</ref> <ref name="Lehner-Meidum">Mark Lehner: ''Geheimnis der Pyramiden'', S. 97 ff ''Die ersten echten Pyramiden: Meidum und Dahschur''</ref> <ref name="Lehner-W-97"> Mark Lehner: ''Das erste Weltwunder – Die Geheimnisse der ägyptischen Pyramiden''. S. 97-99</ref> <ref name="Maragioglio-Rinaldi">Vito Maragioglio et Celeste Rinaldi, L'Architettura delle Piramidi Menfite, 1963-1977.</ref> <ref name="Mendelssohn">Kurt Mendelssohn: ''Das Rätsel der Pyramiden''. Bechtermünz Verlag, Augsburg 1996, ISBN 3-86047-216-X</ref> <ref name="Siliotti-145"> Alberto Siliotti: ''Pyramiden - Pharaonengräber des Alten und Mittleren Reiches''. S. 145</ref> <ref name="Siliotti-154"> Alberto Siliotti: ''Pyramiden - Pharaonengräber des Alten und Mittleren Reiches''. S. 154</ref> <ref name="Siliotti-155"> Alberto Siliotti: ''Pyramiden - Pharaonengräber des Alten und Mittleren Reiches''. S. 155</ref> <ref name="Siliotti-156"> Alberto Siliotti: ''Pyramiden - Pharaonengräber des Alten und Mittleren Reiches''. S. 156</ref> <ref name="Stadelmann-Meidum">Rainer Stadelmann: ''Die ägyptischen Pyramiden. Vom Ziegelbau zum Weltwunder'', S. 80 ff</ref> <ref name="Verner-Meidum">Miroslav Verner: ''Die Pyramiden'', S. 185-195 ''Die Pyramide des Snofru in Meidum''</ref> <ref name="Verner-Meidum-185">Miroslav Verner: ''Die Pyramiden'', S. 185 ''Die Pyramide des Snofru in Meidum''</ref> <ref name="Verner-Meidum-185-186">Miroslav Verner: ''Die Pyramiden'', S. 185-186 ''Die Pyramide des Snofru in Meidum''</ref> <ref name="Verner-Meidum-186-187">Miroslav Verner: ''Die Pyramiden'', S. 186-187 ''Die Pyramide des Snofru in Meidum''</ref> <ref name="Verner-Meidum-187">Miroslav Verner: ''Die Pyramiden'', S. 187 ''Die Pyramide des Snofru in Meidum''</ref> <ref name="Verner-Meidum-189">Miroslav Verner: ''Die Pyramiden'', S. 189 ''Die Pyramide des Snofru in Meidum''</ref> <ref name="Verner-Meidum-189-190">Miroslav Verner: ''Die Pyramiden'', S. 189-190 ''Die Pyramide des Snofru in Meidum''</ref> <ref name="Verner-Meidum-191">Miroslav Verner: ''Die Pyramiden'', S. 191 ''Die Pyramide des Snofru in Meidum''</ref> <ref name="Verner-Meidum-192">Miroslav Verner: ''Die Pyramiden'', S. 192 ''Die Pyramide des Snofru in Meidum''</ref> <ref name="Verner-Meidum-192-193">Miroslav Verner: ''Die Pyramiden'', S. 192-293 ''Die Pyramide des Snofru in Meidum''</ref> <ref name="Verner-Meidum-193">Miroslav Verner: ''Die Pyramiden'', S. 193 ''Die Pyramide des Snofru in Meidum''</ref> <ref name="Verner-Meidum-194">Miroslav Verner: ''Die Pyramiden'', S. 194 ''Die Pyramide des Snofru in Meidum''</ref> <ref name="Wagner">Günther A. Wagner: ''Einführung in die Archäometrie'', S.175, 2007, ISBN 3540719369</ref> <ref name="Winston">Alan Winston: [http://www.touregypt.net/featurestories/meidump.htm The Meidum (Maidam) Pyramid (Probably of Snefru) in Egypt]</ref> </references> [[Kategorie:Ägyptische Pyramide]] [[Kategorie:Erbaut im 27. Jahrhundert v. Chr.]] {{Vorlage:Navigationsleiste ägyptische Pyramiden}} {{Coordinate |NS=29/23/17/N |EW=31/9/25/E |type=landmark |region=EG}} [[fr:Pyramide de Meïdoum]] [[pl:Piramida w Meidum]] [[en:Meidum]] [[it:Meidum]] [[pt:Meidum]] [[ca:Meidum]] [[ru:Мейдум (пирамида)]] {{Exzellent|14. Januar 2010|69252363}} 48ndbersxlcrr574rof96e3h0v7a3d7 wikitext text/x-wiki Meister Eckhart 0 23916 26512 2010-04-15T10:22:03Z Spartanbu 0 /* Werk */ Fragment eingefügt [[Datei:Portal Predigerkirche Erfurt.JPG|thumb|upright|Meister-Eckhart-Portal der [[Predigerkirche (Erfurt)|Erfurter Predigerkirche]]]] '''Eckhart von Hochheim''', bekannt als '''Meister Eckhart''' (* um [[1260]] bei [[Gotha]] – [[Hochheim (Thüringen)|Hochheim]], [[Tambach-Dietharz|Tambach]] oder [[Wangenheim]]; † vor dem [[30. April]] [[1328]] in [[Avignon]]) war ein bedeutender [[Spätmittelalter|spätmittelalterlicher]] [[Theologe]] und [[Philosoph]]. Er gehörte dem Orden der [[Dominikaner]] an. Er wird oft als [[Mystik]]er bezeichnet, doch ist in der Forschung umstritten, ob der unterschiedlich definierte Begriff „Mystik“ für Elemente seiner Lehre angemessen oder eher irreführend ist.<ref name="Ruh">Siehe dazu den Bericht über eine Symposionsdiskussion von 1984 im Tagungsband ''Abendländische Mystik im Mittelalter. Symposion Kloster En­gelberg 1984'', hrsg. Kurt Ruh, Stuttgart 1986, S. 2, 95ff., 219, 223f.; eine ausführliche Argumentation gegen die Verwendung des Begriff Mystik bietet Kurt Flasch: ''Meister Eckhart. Versuch, ihn aus dem mystischen Strom zu retten'', in: Peter Koslowski (Hrsg.): ''Gnosis und Mystik in der Geschichte der Philosophie'', Zürich-München 1988, S. 94–110 und ders.: ''Meister Eckhart und die „Deutsche Mystik“. Zur Kritik eines historiographischen Schemas'', in: Olaf Pluta (Hrsg.): ''Die Philosophie im 14. und 15. Jahrhundert'', Amsterdam 1988, S. 439–463.</ref> Ein Bildnis Eckharts ist nicht überliefert. Keines seiner Werke ist im [[Autograf]] erhalten, doch lässt die Aufzeichnung seiner Predigten erkennen, dass er sie zumindest teilweise autorisiert hat. Eckharts Gedankengut hatte großen, teils indirekten Einfluss auf die spätmittelalterliche Spiritualität im deutschen und niederländischen Raum, doch berief man sich selten ausdrücklich auf ihn, denn ein Teil seiner Lehren war bald nach seinem Tod kirchlich verurteilt worden. == Leben == Eckhart wird um 1260 geboren. Wahrscheinlich war er ein Sohn des Ritters ''Eckhardus, dictus de Hocheim'', der in den Diensten der thüringischen Ministerialen [[Wangenheim (Adelsgeschlecht)|von Wangenheim]] stand.<ref>Am 19. Mai 1305 bestätigt und beglaubigt Eckhart als Provinzial der Dominikanerprovinz Saxonia im [[Augustinerkirche (Gotha)|Zisterzienserinnenkloster Hl. Kreuz]] in Gotha mit seinem Ordenssiegel ein ''Privilegium domini Eckardi militis de Hocheim'', worin der verstorbene Ritter dem Kloster eine [[Hube|Hufe]] Land im Buflebener Felde vermacht.</ref> Bei der Schreibweise seines Namens weisen die Handschriften unterschiedliche Varianten wie ''Aycardus'', ''Ekhartus'' oder ''Hechard'' auf; die jetzige Schreibweise beginnt sich erst mit der Herausgabe der kritischen Edition ab 1936 allgemein zu etablieren. Die Mitschrift einer Predigt von 1302/03 nennt als einziges Dokument seinen vollen Namen: ''magistri Echardi de Hochheim''. [[Datei:Predigerkloster Erfurt.jpg|thumb|Kloster und Kirche Erfurt]] Vermutlich um 1275 tritt er in [[Erfurt]] in den [[Ordensgemeinschaft|Orden]] der [[Predigerbrüder]] ein. Im dortigen Dominikanerkloster erhält er wohl seine Grundausbildung. Dann absolviert er ein Studium der ''artes'' ([[Sieben Freie Künste]]), der ''naturalia'' ([[Naturphilosophie]]) und der [[Theologie]] an einer der Hochschulen ([[Studium generale]]) seines Ordens –&nbsp;der Ort ist unbekannt&nbsp;– und empfängt danach die Priesterweihe. Es ist möglich, dass er ein oder mehrere Jahre in Köln verbrachte, wo er vielleicht [[Albertus Magnus]] kennenlernte. Man hat vermutet, dass er entweder um 1277 oder erst um 1290 an der [[Sorbonne|Universität Paris]] die ''artes'' studierte, doch gibt es dafür keinen konkreten Anhaltspunkt.<ref>Siehe dazu Winfried Trusen, ''Der Prozeß gegen Meister Eckhart'', Paderborn 1988, S. 15f.</ref> Das erste gesicherte Datum aus Eckharts Leben ist Ostersonntag, der 18. April 1294.<ref>Alle Dokumente, die Aufschluss über Eckharts Biographie geben, wurden von Loris Sturlese als ''Acta Echardiana'' gesammelt und sind im Band V der Lateinischen Werke (LW V) enthalten.</ref> An diesem Tag predigt er als Lektor der [[Sentenz]]en des [[Petrus Lombardus]] in der Kirche des Dominikanerkonvents [[Jakobinerkloster Paris|St. Jacques]] in Paris. Seine „Antrittsrede“ als [[Lesemeister|Lektor]] hält er bereits im Herbst 1293. Für dieses Amt war ein Mindestalter von 33 Jahren vorgeschrieben. 1294 wird er [[Prior]] des Erfurter Dominikanerklosters und [[Vikar]] der Ordensnation Thuringia, die sieben Männerkonvente umfasst – ein achter, [[Göttingen]], wird 1296 gegründet. Ein Dominikanerinnenkloster gehört nicht dazu, wohl aber die Seelsorge über einige andere Frauenklöster. Die [[Predigerkirche (Erfurt)|Predigerkirche]] ist wohl das einzige noch erhaltene Bauwerk, in dem er predigte. In den folgenden Jahren entstehen die ''Erfurter Reden'' (''Reden der Unterweisung'' oder ''Reden der Unterscheidung'') und vermutlich ab 1298 der Predigtzyklus ''Von der ewigen Geburt''. 1302 promoviert er in Paris, an der damals berühmtesten Universität des Abendlandes, zum Magister der Theologie. Darauf erhält er dort für ein Jahr den für Nichtfranzosen reservierten Lehrstuhl der Dominikaner. Zu seinen Aufgaben gehört neben der Vorlesung und der Leitung der Disputationen auch das Predigen. Aus dieser Zeit sind zwei seiner vier [[Quaestio (Literaturgattung)|Quästionen]] überliefert und eine Quästion des späteren [[Ordensgeneral|Generalministers]] der [[Franziskanische Orden|Franziskaner]], Gonsalvus Hispanus, in der dieser sich auf einige von Eckharts Thesen bezieht. Auf dem am 8. September 1303 erstmals stattfindenden Provinzkapitel in [[Erfurt]] wird Eckhart zum ersten [[Provinzial]] der zu Pfingsten auf dem Generalkapitel bestätigten und aus der Teilung der Teutonia neu hervorgegangenen Ordensprovinz Saxonia gewählt. Zu diesem Zeitpunkt besteht die Saxonia aus 47 Männerklöstern, zu denen drei weitere bis zum Ende seines Provinzialats noch hinzukommen, und neun Frauenklöstern. Auf dem Generalkapitel in [[Toulouse]] Pfingsten 1304 wird seine Wahl bestätigt. Wahrscheinlich aus diesem Anlass hält er vermutlich auf dem Provinz- wie dem Generalkapitel je eine Predigt und Vorlesung über [[Jesus Sirach]], Kapitel 24. Zu dieser Zeit oder vielleicht auch schon während seiner ersten Pariser Lehrtätigkeit entwirft Eckhart den Plan zu seinem ''Opus tripartitum'' („dreigeteiltes Werk“). Während seiner Amtszeit als Provinzial entstehen die Vorreden, eine erste Redaktion seines ersten ''[[1. Buch Mose|Genesis]]''-Kommentars, der Beginn des ''[[2. Buch Mose|Exodus]]''-Kommentars, ein fast vollständig ausgearbeiteter Kommentar zu ''Sapientia'' (''[[Buch der Weisheit]]'') und die Bearbeitung von Jesus Sirach. Einige von einem Redaktor gekürzte Texte aus der Predigtsammlung ''Paradisus anime intelligentis'', die 32 seiner Predigten enthält, werden dieser Zeit zugeordnet. Zu Pfingsten 1307 wird Eckhart auf dem Generalkapitel in Straßburg zum Generalvikar (Vertreter des Ordensgenerals) für die böhmische Provinz ernannt. Am 23. Januar 1310 erteilt Papst [[Klemens V.]] den Dominikanern der von Eckhart geleiteten Ordensprovinz Saxonia die Erlaubnis zur Gründung von Konventen in Braunschweig, Dortmund und Groningen. Im Herbst ereignet sich auf dem Provinzkapitel der Teutonia ein einmaliger Vorgang: Eckhart wird auch zum Provinzial der Teutonia gewählt, doch weigert sich der Ordensgeneral, die Wahl zu bestätigen. Das Generalkapitel in Neapel entbindet Eckhart am 30. Mai 1311 auch seines Amtes als Provinzial der Saxonia und schickt ihn zu einer zweiten Lehrtätigkeit wieder an die Universität Paris. Dort besetzt er erneut den Lehrstuhl für Nichtfranzosen; die wiederholte Übernahme des Lehrstuhls ist eine Auszeichnung, die vor ihm nur [[Thomas von Aquin]] zuteil wurde. Aus dieser Zeit sind zwei weitere Quästionen bekannt, die jedoch als stark gekürzte Nachschriften vorliegen und Thesen Eckharts nur in Stichworten wiedergeben. Zusammen mit den drei Quästionen von 1302/03 werden sie als Pariser Quästionen bezeichnet. Es wird vermutet, dass er jetzt seine erste Auslegung zur Genesis überarbeitet und den Exoduskommentar erweitert. Außerdem beginnt er vielleicht mit den Arbeiten zu seinem zweiten Genesiskommentar und der Auslegung des Johannesevangeliums, seinem umfangreichsten Werk, das er noch vor seinem Tode beenden wird. Eckharts Aufenthalt in [[Straßburg]], oft als sein „Straßburger Jahrzehnt“ bezeichnet, wird seit 2006 wieder bezweifelt, da er nur durch drei Dokumente gestützt wird. Am 14. April 1314 erscheint er in seiner Eigenschaft als Professor als Zeuge bei einer Schenkung an die Dominikaner. Am 15. November 1316 genehmigt er als Vikar des Ordensgenerals eine Schenkung an das Dominikanerinnenkloster St. Markus in Straßburg. Am 10. Dezember 1322 bestätigt der Ordensgeneral disziplinäre Anweisungen, die Eckhart als Vikar bezüglich des Frauenklosters Unterlinden bei [[Colmar]] erlassen hat. Nur dieses Dokument kann mit der ''cura monialium'', der Seelsorge der dominikanischen Nonnen seitens der Brüder, in Verbindung gebracht werden. Dieses Dokument und die bezeugte Anwesenheit Eckharts in den Frauenklöstern Katharinental und Ötenbach in Südwestdeutschland begründen die oft vertretene Ansicht, dass er in diesen Jahren Seelsorger von Frauenklöstern war. Tatsächlich ist jedoch nicht bekannt, wo sich Eckhart zwischen 1313 und 1323 aufgehalten hat. Damals arbeitet er wohl an den oben genannten lateinischen Kommentaren und sehr wahrscheinlich am ''Buch der göttlichen Tröstung'' (der Titel ist nicht authentisch) sowie an der Predigt ''Vom edlen Menschen''. Am Schluss des Trostbuches geht er auf Angriffe gegen ihn ein; somit verweist zumindest dieser Teil des Werks bereits in die Kölner Zeit. Um 1324 ist Eckhart in Köln. Nach herkömmlicher Auffassung ist er dort Leiter des ''Studium generale'', hat also den Lehrstuhl des Albertus Magnus inne. Dies wird allerdings in der neueren Forschung bezweifelt.<ref>Siehe dazu Sigrun Jäger: ''Meister Eckhart – ein Wort im Wort'', Berlin 2008, S. 58; Udo Kern: ''„Gottes Sein ist mein Leben.“ Philosophische Brocken bei Meister Eckhart'', Berlin 2003, S. 8 und Anm. 40.</ref> In Köln wird er 1325 durch Ordensbrüder (vermutlich Hermann de Summo und Wilhelm von Nidecke, die im Jahr darauf auch offiziell als Ankläger in Erscheinung treten) beim Kölner [[Erzbischof]] [[Heinrich II. von Virneburg]] wegen angeblich [[Häresie|häretischer]] Glaubensaussagen [[Denunziation|denunziert]]. Zwischen August 1325 und September 1326 wird die Anklage erhoben, und der Erzbischof leitet einen [[Inquisition]]sprozess gegen Eckhart ein. Im Verlauf des Herbstes 1326 kommt es zu mehreren Untersuchungsverhandlungen, in denen dem Angeklagten zwei Listen seiner beanstandeten Aussagen vorgelegt werden. Die erste enthält 49 (48) Auszüge aus seinen lateinischen Werken, dem Trostbuch und den deutschen Predigten (in lateinischer Übersetzung), die zweite Liste 59 Auszüge aus seinen deutschen Predigten. Am 26. September 1326 überreicht Eckhart den Inquisitionskommissaren Reinher Friso und Petrus de Estate seine schriftliche Antwort (''Responsio ad articulos sibi impositos de scriptis et dictis suis'', bekannt als ''Processus Coloniensis I. und II.''). Am 24. Januar 1327 bestreitet er die Kompetenz des Gerichts und appelliert an den apostolischen Stuhl (''Appellation''). Am 13. Februar 1327 lässt er seinen Sekretär, Konrad von Halberstadt, einen schriftlichen Widerruf seiner allfälligen Glaubensirrtümer verlesen. Diese Erklärung übersetzt er persönlich ins Deutsche (''Protestatio''). Danach begibt sich Eckhart nach [[Avignon]] an den päpstlichen Hof. Dort kommt es wahrscheinlich in der zweiten Hälfte des Jahres 1327 in seiner Anwesenheit zu einer Anhörung vor einer päpstlichen Theologenkommission, die ein Gutachten erstellt, in dem 28 seiner verdächtigen Aussagen als häretisch bezeichnet werden. Eckhart stirbt 1328 vor dem Abschluss des Verfahrens in Avignon, wo man ihn bis zum Ende des Prozesses festhalten wollte. Später (noch im 17. Jahrhundert) wurde am 28. Januar in der deutschen Ordensprovinz das Gedächtnis seines Todestages begangen; daher kommt der 28. Januar 1328 als Todestag in Betracht.<ref>Siehe zum Todesort und Todesdatum Ruh (1989) S. 187; Jäger (2008) S. 62; Walter Senner: ''Meister Eckhart in Köln''. In: Klaus Jacobi (Hrsg.): ''Meister Eckhart: Lebensstationen – Redesituationen'', Berlin 1997, S. 207–237, hier: 232–234.</ref> Am 30. April 1328 teilt Papst [[Johannes XXII.]] dem Erzbischof von Köln mit, dass Eckhart verstorben sei und der Prozess gegen ihn weiter verfolgt werde. Am 27. März 1329 veröffentlicht der Papst die Bulle ''[[In agro dominico]]''. 17 der 28 verdächtigen Thesen werden als häretisch verurteilt, die restlichen 11 kritisiert. Eckhart wird vorgeworfen, er habe mehr wissen wollen, als nötig sei, er sei vom Teufel verführt worden und habe das einfache Volk in die Irre geführt. Zugleich wird aber mitgeteilt, er habe sich vor seinem Tod vorbehaltlos dem Urteil des Papstes unterworfen. Daher wird er nicht als hartnäckiger Häretiker verdammt. Dem genauen Wortlaut der Bulle zufolge widerrief Eckhart allerdings nicht den Inhalt seiner Lehre, sondern distanzierte sich nur von möglichen Fehldeutungen seiner Sätze. == Werk == [[Datei: Meister_Eckhart_Fragment_1003.jpg|thumb| Dieses Fragment ist der älteste Textzeuge der Predigt 5b Meister Eckharts und einer der ältesten in der Eckhart-Überlieferung überhaupt.<ref>Pressemitteilung der Georg-August Universität Göttingen)[http://idw-online.de/pages/de/news358868]</ref>]] Die Überlieferung der deutschen und der lateinischen Texte ist recht unterschiedlich, wobei die deutschen, die in mehreren hundert Handschriften erhalten sind, stark überwiegen. Die Textzeugen reichen von kompletten Werken über Bearbeitungen aller Art und Zitate in fremden Schriften bis zu winzigen Fragmenten. Die Findung, Sichtung und Edition ist noch nicht abgeschlossen; bisher sind 110 Predigten kritisch ediert, weitere 17 werden noch zur Edition vorbereitet. Zu den bekanntesten Predigten Eckharts zählen Nr. 2 (Quint) ''Intravit Iesus in quoddam castellum'' und Nr. 52 (Quint) ''Beati pauperes spiritu''. Neben den Predigten sind die Abhandlungen ''Reden der Unterweisung'', ''Buch der göttlichen Tröstung'' und ''Von Abgeschiedenheit'' in einer relativ großen Anzahl von Handschriften erhalten. Die Echtheit der letzteren Schrift und die der Predigt 86 (Quint) wird angezweifelt. Hinzu kommt Eckharts mutmaßliche Verfasserschaft am Kommentar zum [[Granum sinapis]], der dem Gedicht vorausgeht. Auch ein [[Gebet]] ist erhalten. Seit Ende des 19. Jahrhunderts sind aus der zuvor verschollenen lateinischen Überlieferung 15 Handschriften aufgefunden worden (die letzte 1985). Den größten Raum nimmt dabei das ''Opus tripartitum'' ein, das aus drei (bzw. vier) Büchern bestehen sollte. Das erste Buch sollte das ''Opus propositionum'' (Werk der Thesen) sein, das „tausend und mehr Thesen“ enthalten sollte, verteilt auf 14 Abhandlungen. Das zweite Buch sollte das Werk der Fragen oder Probleme sein (''Opus quaestionum''), gestaltet nach der Art der [[Summa theologica|Summa]] des [[Thomas von Aquin]], nur nicht so ausführlich. Das dritte Buch sollte aus zwei Teilen bestehen, dem ''Opus expositionum'', in dem alle Bücher beider Testamente kommentiert werden sollten, und dem ''Opus sermonum'' mit ausgewählten Predigten. Alle drei Teile sollten sich aufeinander beziehen. Von diesem gewaltigen, nur teilweise verwirklichten Vorhaben sind nur einige Vorreden (''Prologi'') und Kommentare zu einigen Büchern der Bibel erhalten geblieben. Erhaltene lateinische Werke sind: * Die Vorreden zum ''Opus tripartitum'' (in vier unterschiedlichen Redaktionen; die Vorrede zum ''Opus quaestionum'' fehlt) * Der erste Kommentar zu [[1. Buch Mose|Genesis]] * Der Kommentar zu [[2. Buch Mose|Exodus]] (in mehreren Bearbeitungsstufen) * Der Kommentar zu [[Sapientia]] (ebenfalls mehrfach überarbeitet) * Der zweite Kommentar zu Genesis * Die Auslegung des [[Evangelium nach Johannes|Evangeliums nach Johannes]]. * Die ''Sermones et lectiones super Ecclesiastici caput 24'' * Ein Fragment eines Kommentars zum [[Hohelied]] * Die Pariser [[Quaestiones]] * Das ''Principium „Collatio in libros sententiarum“'' * Die ''Sermones'', die nur in einer einzigen Handschrift erhalten sind. Diese lateinischen Predigten hat Eckhart wohl selbst gesammelt. Ihr Bearbeitungszustand reicht von reinen Stichworten bis zur vollständig ausgearbeiteten Predigt. Aus dieser Sammlung sollte wahrscheinlich das ''Opus sermonum'' hervorgehen. * Die Predigt zum Preise des [[Augustinus]] von 1302/03 * Die Osterpredigt vom 18. April 1294 * Eine Besprechung des [[Vaterunser]]s (wohl aus früheren Jahren) == Lehre == {{Überarbeiten}} === Gottesbild === ==== Wesen Gottes und Schöpfung ==== Einige Interpreten betonen als wesentliches Moment in der theologischen Lehre Meister Eckharts das Denken in prozesshaften Strukturen. Damit trete Eckhart in scharfen Kontrast zur Substanz[[ontologie]] des [[Thomas von Aquin]]. Während bei Thomas Gottes Sein sein Denken begründet, ist das Verhältnis in Eckharts [[Quaestio (Literaturgattung)|Quästionen]] umgekehrt: ''Deus est intelligere'', Gott wird mit dem Denken gleichgesetzt. Insofern kann man bei Eckhart von einer Geistphilosophie sprechen. In den Predigten vor den Generalkapiteln sowie in den ''lectiones'' zu [[Jesus Sirach]] differenziert Meister Eckhart diese Aussagen genauer. Das Sein steht nun nicht mehr im Unterschied zum Denken Gottes, sondern ist integrativer Bestandteil: ''Esse est Deus''. Nach einer harmonisierenden Interpretation gibt Eckhart die von Thomas von Aquin angenommene Identität von Sein und Erkennen in Gott nicht auf, wenn man „nur hinzufügt, dass das, was man in Gott Sein nennt, ihm durch das Erkennen zukommt“. In den scheinbar widersprüchlichen Sätzen ''Deus est intelligere'' und ''Esse est Deus'' geht es jedenfalls in gleicher Weise darum, die absolute Transzendenz Gottes zum Ausdruck zu bringen: einmal als reiner Intellekt, das andere Mal als Fülle der Vollkommenheit. Der Hintergrund für diese Überlegungen war ein grundsätzliches Problem der scholastischen Theologie: Wie kann der [[Gott]], der als [[person]]ales Gegenüber angesprochen wird, mit dem Schöpfergott zusammengehen, dessen Sein im Rahmen [[Aristoteles|aristotelischer]] Ursachenlehre gefasst wurde? Lässt sich dieser Gott, wie es bei Thomas, der Lehrautorität nicht nur im Dominikanerorden, den Anschein hatte, mit dem Substanzbegriff adäquat fassen? Wird er nicht erst im Selbstbezug zu dem, was er sein soll? Über die Ursachenlehre und Intellekttheorie des Thomas geht bereits [[Dietrich von Freiberg]] hinaus. In den Quästionen Eckharts wird Gottes Sein als Denkvollzug gefasst (''Deus est intelligere''). Gott produziert die Weltphänomene, indem er aus sich herausgeht und anderes auf sich zurückbezieht. Als allumfassendes Denken ist Gott das Sein allen geschöpflichen Seins, ein Allgrund, der von aller Bestimmbarkeit frei zu halten ist. Der Schöpfungsvorgang ist bei Eckhart eine unendliche Selbstdifferenzierung. Alle Dinge sind virtualiter in Gott. Die Schöpfung wird jedoch nicht als [[Emanation (Philosophie)|Emanation]] verstanden und Gott ist nicht ein bloßer [[Demiurg]]. Die Schöpfung ist ein inneres Wirken (''actio immanens'') Gottes, der „in sich [[Creatio ex nihilo|aus dem Nichts schafft]]“. Wie Thomas von Aquin sieht Eckhart keine philosophischen Gründe, die gegen die Annahme einer zeitlichen Anfangslosigkeit der Schöpfung sprechen. Schöpfung ist entscheidend Seinsabhängigkeit. Seitens Gottes ist die Schöpfung ewig, zeitlos, im ewigen Jetzt, immer, eine fortwährende Schöpfung (''creatio continua''); ohne sie fallen die Geschöpfe ins Nichts. Nur als „Resultat des Schöpfungsaktes“, aus der zeitlichen, linearen Perspektive der Welt betrachtet, ist die Schöpfung zeitlich. Gott hat keine Zeit, sondern für ihn ist alles gleichzeitig. Da Gott im Jetzt schafft, kann er weder mit der Schöpfung aufgehört haben noch jemals nicht geschaffen haben. ''Es gibt da kein Werden, sondern ein Nun, ein Werden ohne Werden, ein Neusein ohne Erneuerung, und dieses Werden ist Gottes Sein'', sagt Eckhart in Predigt 50. Ein tragendes Element in Eckharts Gottesbild ist die „Dynamik des ewig aus sich fließenden und in sich zurückfließendes Gottes“ (Norbert Winkler). Eckharts Denken nimmt viele Einflüsse des spätantiken [[Neuplatonismus]] auf. Nach einigen Interpreten transzendiert Eckhart dabei den personalen, dreieinigen Gott zum neuplatonischen [[Das Eine|Einen]]. In Predigt 2 (nach der Zählung von Quint) sagt Eckhart etwa: ''Dies ist leicht einzusehen, denn dieses einige Eine ist ohne Weise und ohne Eigenheit. Und drum: Soll Gott je darein lugen, so muss es ihn alle seine göttlichen Namen kosten und seine personhafte Eigenheit; das muss er allzumal draußen lassen, soll er je darein lugen.'' Der Begriff der ''Gottheit'' spielt in Eckharts Predigten eine wichtige Rolle. Für ihn ist die ''Gottheit'' ein ''Abgrund des Nichts'' und daher zu unterscheiden von einem Gott, der schulmäßig in Kategorien von ''Wesen'' und ''Sein'' gedacht wird und so in Entsprechung zu Natur und Seele gesetzt wird. ==== Negative Theologie ==== Das Eine kann sich nicht in sich erkennen, denn dort liegt nach Eckharts Aussage in Predigt 23 (Quint) ''das verborgene Dunkel der ewigen Gottheit und ist unerkannt und ward nie erkannt und wird nie erkannt werden.'' Die Selbsterkenntnis des Einen kann nur im Weltlichen stattfinden, da das Erkennen eine Struktur der Welt ist. Dieser Umstand begründet den Sohn oder [[Logos]]. Was ist das Besondere dieser ersten und ursprünglichen Erkenntnis und wie soll dieses darin erkannte „verborgene Dunkel“ benannt werden? Meister Eckharts Schüler [[Heinrich Seuse]] definiert in seinem „Buch der Wahrheit“ den „Kern der Heiligen Schrift“. Dieser ist für Seuse in einem Werk des Neuplatonikers [[Dionysius Areopagita|Dionysius]] zu finden, und heißt (auch als gleichzeitige Definition der [[Negative Theologie|negativen Theologie]]), dass das verborgene Dunkel als das Eine ''endlos, unermesslich und unbegreiflich für alles kreatürliche Denken ist''. Das gilt dann auch für die Sohn-Erkenntnis. Demnach verfestigt sich gerade die wahre Gotteserkenntnis nicht als ein bestimmtes und sicheres Wissen in der Zeit und fließt nicht als solches, als ein bestimmtes Sein (einer Religion) in die Welt aus. In der vollkommenen Gotteserkenntnis im Sohn-Sein wird gemäß einer konsequenten negativen Theologie auch die höchste und ursprünglichste Erkenntnis in dem armen, heiligen Geist wieder zunichte. Die höchste Erkenntnis ist nur die beste Annäherung, aber letztlich stets nicht zutreffend und nicht wahr. Nur dadurch kann sich die jenseitige Einheit immer wieder erneut vollziehen – um das wiederum zu erkennen usw. In diesem von Eckhart in Predigt 57 (Quint) genannten „nichterkennenden Erkennen“, in dem er immer wieder ''all unser Heil in ein Unwissen setzt'' (Quint Predigt 58), wird die Gotteserkenntnis zu einem momenthaften Geschehen, zu einem bloßen „Fünklein“, in dem Erkennender und Erkanntes in einem heiligen Geist immer wieder zu Eins verschmelzen. Die [[Trinität]] als fortlaufende Gottesgeburt ist hier ein dynamisches und prozesshaftes Geschehen von Erkennen oder Gebären und Vergehen an der Grenze der Welt. Der große weltliche Prozess von Werden und Vergehen wird hier in seiner Dauer minimiert. Darin wird bestmöglich und wesenhaft erkannt, dass Erkennen ein Schaffen von Sein ist und dass in Raum und Zeit getrenntes Sein nur im Erkennen oder nur in der Seele besteht und nicht unabhängig davon als an sich seiendes Sein. In dem Erkennen, das nicht funkenhaft ist, sondern als ein Wissen in der Zeit und in einer in der Zeit seienden Kreatur besteht, kann diese letztendliche Wahrheit der Welt dagegen nicht erkannt werden. In diesem weltlichen Erkennen und Sein erscheint es so, als würden die Welt und die Kreaturen real, an sich und unabhängig vom Erkennen existieren und darin sogar den Tod überwinden. Auch das Jenseitige existiert hier nur in einem weltlichen Sein, in einem festen Bild (etwa als person- und darin kreaturhafte Trinität), in einem Begriff und einem Namen, aber nicht in seinem eigentlichen Wesen, das in der negativen Theologie und im Neuplatonismus „endlos, unermesslich und unbegreiflich für alles kreatürliche Denken ist“. Die Jenseitserkenntnis, die in Vorstellungen, Begriffen, Sein und allgemein weltlichen Strukturen ohne Zunichtewerden verharrt, ist darin keine wahre Selbsterkenntnis des Jenseitigen und auch keine wahre Selbsterkenntnis des Weltlichen. In der negativen Theologie Eckharts ist Gott ''über allem Erkennen'' (Quint Predigt 42). Eckhart spricht dort dem Einen nicht nur alle weltlichen Eigenschaften wie „gut“ oder „weise“ ab, sondern behauptet sogar, auch „Sein“ sei von Gott nicht aussagbar: ''Sage ich ferner: Gott ist „ein Sein“ – es ist nicht wahr; er ist (vielmehr) ein überseiendes Sein und eine überseiende Nichtheit''. === Verhältnis Gottes zum Menschen und zur Welt === ==== Voraussetzungen ==== In seinem „[[Buch der göttlichen Tröstung]]“ schreibt Eckhart: ''Gott hat die Welt in der Weise erschaffen, dass er sie immer ohne Unterlass erschafft. Alles, was vergangen und was zukünftig ist, das ist Gott fremd und fern. Und darum: Wer von Gott als Gottes Sohn geboren ist, der liebt Gott um seiner selbst willen, das heißt: er liebt Gott um des Gott-Liebens willen und wirkt alle seine Werke um des Wirkens willen.'' Wie Gottes Schöpfung eine dynamische Selbstentfaltung ist, so ist auch der [[Mensch]] darauf ausgerichtet und dazu aufgefordert, ein „homo divinus“ zu sein, ein göttlicher Mensch. Als solcher ''lässt'' er seine Bestimmtheit durch weltliche und rationale Orientierungen. Er wendet sich in seinem mit Gott wesenseinen Intellekt zu Gott zurück. Jede seiner Handlungen setzt dann Gott gegenwärtig. In der neuplatonischen Interpretation der negativen Theologie Eckharts ist der göttliche Mensch derjenige, der gewahr wird, dass die ganze Welt und auch die Kreatur des Menschen darin nicht real und an sich existieren. Die Phänomene der Welt werden in ihrem voneinander getrennten Sein ohne Unterlass von Augenblick zu Augenblick geschaffen, etwa in der Art, wie die [[Farbe]]n nicht als solche in der Welt existieren, sondern im Bewusstsein jedes sie erkennenden Seins geschaffen oder konstruiert werden. Die Weltschöpfung wird hierbei wie schon bei den meisten antiken [[Platonismus|Platonikern]] nicht als ein einmaliger Akt verstanden, sondern als ein zeitloses Hervorquellen aus jeder Einzelseele. Im Urgrund jeder Einzelseele befindet sich das göttliche Eine. Die Seele ist hier also keine individuelle immaterielle Substanz, die neben oder in dem Sein einer Natur oder Welt existiert. In diesem Urgrund sind vielmehr alle Einzelseelen und überhaupt alles weltliche Sein nicht nur miteinander verbunden, sondern ununterscheidbar eins. So sagt Eckhart in Predigt 24 (Quint): ''Hier [im ‚einigen Einen’] sind alle Grasblättlein und Holz und Stein und alle Dinge Eines.'' In der neuplatonischen Interpretation ist das Verhältnis Gott-Mensch daher kein Gegenüber von Gott und Mensch. Die Kreatur des Menschen muss hier in einem armen Geist zunichte werden, um so die Einheit im Seelengrund zu vollziehen, ganz nach Eckharts Worten in Predigt 42 (Quint): ''Du sollst ihn lieben wie er ist ein Nicht-Gott, ein Nicht-Geist, eine Nicht-Person, ein Nicht-Bild, mehr noch: wie er ein lauteres, reines, klares Eines ist, abgesondert von aller Zweiheit. Und in diesem Einen sollen wir ewig versinken vom Etwas zum Nichts. Dazu verhelfe uns Gott. Amen.'' ==== Menschwerdung Gottes als Erlösung ==== Die Erlösungslehre Eckharts stellt die Menschwerdung Gottes ([[Inkarnation]]) in den Mittelpunkt. Die Menschwerdung des Verbums ist ein Werk der Trinität. Nach dem kirchlichen Dogma der [[Hypostase|hypostatischen]] Union vereinigt Christus in einer Person die göttliche und menschliche Natur. Die göttliche Person verleiht der menschlichen Natur Existenz. Die menschliche Natur Christi ist keine andere als die jedes anderen Menschen: „Wir alle haben die menschliche Natur mit Christus gemeinsam und zwar in gleicher Weise und gleichem Sinne (univoce)“. Der einzelne Mensch als Teilhaber an der allgemeinen Menschennatur kann auf Grund der hypostatischen Union mit Gott eins sein wie Christus. „Der Mensch kann Gott werden, weil Gott Mensch geworden ist und dadurch die menschliche Natur vergöttlichte.“ Um vergöttlicht zu werden, darf der Mensch sich nicht mehr selbst zum primären Liebesobjekt machen, sondern seine menschliche Natur, die er mit allen Mitmenschen teilt. Daher werden Selbstliebe und Nächstenliebe eins. Für Eckhart steht die Überlegung im Vordergrund, dass Gott durch die Annahme der allgemeinen Menschennatur die Menschheit insgesamt [[Erlösung|erlöst]] hat. Andere Erlösungskonzepte, die den Erlösungswert des Leidens Christi im Opfer (''sacrificium''), im Loskauf (''redemptio'') und der Genugtuung (''satisfactio'') sehen, kommen bei Eckhart kaum vor. In seiner Sündenlehre gibt Eckhart das Wiedergutmachungsdenken der scholastischen Theologie (''satisfactio'') völlig auf. Die Idee des stellvertretenden Leidens [[Christus|Christi]] und der [[Märtyrer]], die bei [[Anselm von Canterbury]], dem Begründer der Satisfaktionslehre, und bei Thomas von Aquin eine zentrale Rolle spielt, kommt in Eckharts Schriften überhaupt nicht vor. Sünde ist bei Eckhart eine willentliche Abkehr von Gott. Sie ist aufgehoben, wenn man sich als „gelassener Mensch“ wieder Gott zugewandt hat, wenn man seinen Eigenwillen aufgegeben hat, um mit Gott ganz eines Willens und eins zu sein. Eine weitere Korrektur menschlichen Verhaltens, etwa durch Strafe, fordere Gott hingegen nicht. Eckhart hat keinen objektiven Begriff von Schuld. Entscheidend ist für ihn, wie der Mensch selbst mit seiner [[Sünde|Schuld]] umgeht. ==== Gottwerdung des Menschen als Menschwerdung Gottes ==== Ein wichtiges Thema der deutschen Predigten Eckharts ist die Lehre von der Gottesgeburt in der [[Seele]]. Das Verhältnis von Gott und Seele ist dabei, folgt man der Interpretation von [[Burkhard Mojsisch]], „univok“ zu nennen: es besteht nicht nur Ähnlichkeit, sondern Identität, nämlich insofern das Sein der Seele in den Blick genommen wird. Eckhart gebraucht für univoke Verhältnisse in Predigt 82 das Bild vom Feuer, welches das Holz ''sich selbst, dem Feuer, mehr und mehr gleich'' macht, ''bis dass das Feuer sich in das Holz gebiert und ihm seine eigene Natur und sein eigenes Sein übermittelt.'' Die Gottesgeburt wird nicht im Sinne einer mystischen Entrückung verstanden, sondern es ist gemeint, dass der Intellekt seiner Natur inne wird, wenn er den göttlichen Grund in sich freilegt. Nach der aristotelischen Seelenlehre, wie sie u.&nbsp;a. Thomas von Aquin rezipiert, ist der Geist mit dem Körper und der Sinnlichkeit verbunden. Der Mensch kann daher nur unvollkommenes Abbild Gottes sein; es gibt keine vollständige Einheit zwischen Gott und menschlichem Intellekt. In der scholastischen Tradition des [[Anselm von Canterbury]] folgert Thomas daraus, dass nur eine außergeistige Kraft, die Gnadengabe Gottes, fähig ist, der Unvollkommenheit des Menschen abzuhelfen. Ganz anders hingegen Eckhart: Anders als sonst zwischen Urbild und Abbild bildet sich Gott im Intellekt ''vollständig'' ab, weil Gott in einem permanenten Schöpfungsakt ohne Unterlass seinen Sohn im Menschen gebiert. Die zentrale Frage Anselms von Canterbury: ''Cur Deus homo?'' (''Warum wurde Gott Mensch?'') beantwortet Eckhart so: ''Darum, dass ich als derselbe Gott geboren werde.'' ==== Selbstentäußerung und Aufgehen in Gott ==== Die Geburt Gottes in der Seele des Menschen hat zur Voraussetzung, dass der Mensch Gott gleichsam Raum schafft. Ein Grundgedanke Eckharts ist daher die Selbstentäußerung und das Aufgehen in Gott. „Nach Eckhart ist Gott alles, der Mensch nichts.“ In dem Maße, wie der Mensch dies realisiert, wird er für Gott empfänglich. Die Vergöttlichung des Menschen durch Gott ist seitens des Menschen an die Bedingung der Preisgabe seiner selbst gebunden. Die Selbstentäußerung des Menschen ist das Spiegelbild der Selbstentäußerung Gottes in der Inkarnation. „''Du sollst allzumal entsinken deiner Deinesheit und sollst zerfließen in seine Seinesheit und soll dein Dein in seinem Mein ein Mein werden also gänzlich, dass du mit ihm verstehest ewiglich seine ungewordene Istigkeit und seine ungenannte Nichtheit.''“ Die Selbstentäußerung geht einher mit dem „Lassen seiner selbst“, der ''[[Gelassenheit]]''. Darunter versteht Eckhart ein Loslassen oder Abstreifen der Denk- und Handlungsstrukturen, die von weltlichen und dinglichen Verhältnissen geprägt sind. Erst der gelassene Mensch ist der Sohn Gottes: ''Dieser Mensch'', sagt Eckhart, ''muss sich selbst und diese ganze Welt gelassen haben.'' Über das „Lassen seiner selbst“ hinaus fordert Eckhart ein „Lassen Gottes um Gottes willen“. Es geht um die Beseitigung eines „Habens“ Gottes dadurch, dass man ihn als Objekt und als Schöpfer hat. Einzig im Erkennen kann der Mensch zum Grunde seiner selbst, zum göttlichen Grund durchbrechen und Gelassenheit erreichen. Dazu soll er nicht passiv und weltabgewandt bleiben, sondern in höchstem Maße aktiv sein und wie Gott, der reine Aktivität ist, aus seinem Inneren tätig werden. Entsprechend formuliert Eckhart in Predigt 5a: ''Was ist mein Leben? Was von innen heraus bewegt wird.'' Wirklich gelassen ist, wer seinen Eigenwillen aufgegeben hat und durch sich Gottes Willen wirken lässt. Er darf auch in seinem Inneren nicht wollen. Der Zweck des menschlichen Daseins ist bei Eckhart, Gott in seinem Wesen gleich zu werden, das Leben aus und zu Gott als reinen Selbstzweck zu begreifen. Wesentliche Aspekte der Selbstentäußerung sind: * Das Loslassen aller Gedanken und Vorstellungen und allen Wissens – ''Willst du Gott auf göttliche Weise wissen, so muss dein Wissen zu einem reinen Unwissen und einem Vergessen deiner selbst und aller Kreaturen werden'' und ''Nichts, das durch die Sinne eingebracht wird, kann dies bewerkstelligen.'' * Vollkommene Ziellosigkeit und Aufgabe des Willens – ''Denn ich sage euch bei der ewigen Wahrheit: Solange ihr den Willen habt, den Willen Gottes zu erfüllen, und Verlangen habt nach der Ewigkeit und nach Gott, solange seid ihr nicht richtig arm. Denn nur das ist ein armer Mensch, der nichts will und nicht begehrt.'' * Vernunft und Verstand sind kein Instrument, um zur Gotteserfahrung zu kommen – ''Soll Gott gesehen werden, so muss es in einem Lichte geschehen, das Gott selbst ist. Über der Vernunft, die sucht, ist noch eine andere Vernunft, die nicht mehr sucht […].'' * Aufgabe des [[Subjekt-Objekt-Spaltung|dualistischen]] Denkens – ''Das Auge, in dem ich Gott sehe, das ist dasselbe Auge, darin mich Gott sieht; mein Auge und Gottes Auge, das ist ein Auge und ein Erkennen ….'' * Entfernen der [[Philosophie der Zeit|Zeit]] aus dem alltäglichen Leben – ''Nach der Weise meiner Ungeborenheit kann ich niemals sterben. […]. Was ich meiner Geborenheit nach bin, […] ist sterblich; darum muss es mit der Zeit verderben.'' * Vertiefung der [[Achtsamkeit]] – ''… dies ist für weise Leute eine Sache des Wissens und für grobsinnige eine Sache des Glaubens.'' Die Folge des Loslassens von Wissen, Willen, Zeit, Ich usw. ist eine tiefe Gelassenheit. ''Wer Gott im Sein hat […] dem schmecken alle Dinge nach Gott.''<ref>Alle obigen Zitate aus ''Meister Eckehart: Deutsche Predigten und Traktate'', hrsg. Josef Quint, München 1977.</ref> Meister Eckhart betont dabei, dass dieser „Geisteszustand“ gewöhnlich nur durch langjährige Übung erreicht wird. Er vergleicht dies mit dem Erlernen von Lesen und Schreiben. Die Lehre von der alleinigen Gutheit des guten Willens lenkt den Blick von äußeren Tugendwerken auf die innere Verfasstheit dabei. [[Vollkommenheit]] besteht darin, dass der Mensch ''sich gänzlich und vollkommen seinem lieben Gott zukehre in einer unerschütterlichen Liebe''. Das Primat der Gutheit des Willens relativiert zugleich die Empfindung als Kriterium für die Selbstmitteilung Gottes. Die Spiritualisierung der klassischen monastischen Formen der Weltabwendung (Fremde, Klause, Kloster) durch ihre Fundierung auf den inneren Akt der Entsagung und Preisgabe des Eigenwillens ermöglichte die Universalisierung der monastischen Tugendlehre zu einer „Lehre für jeden Christen“ und förderte die [[Devotio moderna]]. === Ethische Konsequenzen === Die Forderung nach Gelassenheit hat, wie Eckhart selbst immer wieder betont, weitreichende Konsequenzen für das moralische Tun. Es findet seinen Zweck in sich selbst, wenn der Mensch den göttlichen Selbstzweck zu seiner inneren Haltung macht. Eckharts [[Ethik]] ist keine Verhaltensethik, sondern eine Haltungsethik ([[Dietmar Mieth]]). Maßstab für ethisches Handeln ist Gesinnung und Einsicht, nicht eine typisierende Vorschrift oder eine reine Folgenabschätzung, denn der Mensch besitzt aus Gott eine moralische Autonomie. In der neuplatonischen Interpretation der Theologie Meister Eckharts wird die Einheit des Seelengrundes durch den armen und darin heiligen Geist vollzogen. Doch es geht nicht nur um das bloße Zunichtewerden der weltlichen Phänomene, sondern vor allem um das darauf folgende Wiedereinsetzen der weltlichen Strukturen und Erscheinungen in einem lebendigen Sein als das eigentliche Wunder. Es ist darin ein im wahrsten Sinne des Wortes ur-sprüngliches „Gebären“ weltlicher Strukturen. In der Ethik Eckharts spielen [[Nächstenliebe]] und [[Gerechtigkeit]] eine große Rolle: Nächstenliebe ist der Wandel von einem eigennützigen zu einem uneigennützigen Leben als unmittelbare Folge von Gelassenheit. Die Grundlage der Nächstenliebe ist die Gerechtigkeit. Hierunter versteht Eckhart keine Verhaltensgerechtigkeit, sondern den Wandel von einer Haltung des Gebens zu einer Haltung des Empfangens: Gerecht ist derjenige, der alle Dinge gleich empfängt, der mit Gelassenheit den Willen Gottes in allem, was ihm widerfährt, hinnimmt. Nur dann ist der Mensch zu einem gerechten Handeln in der Lage, wenn er mit Gott eines Sinnes ist und die göttliche Gerechtigkeit im Inneren angenommen hat. Im Gerechten ist die Gerechtigkeit selbst. Diese Einheit gibt das Muster für Eckharts Univozitätsdenken ab. == Wirkungsgeschichte == === Spätmittelalter und Frühe Neuzeit === Am 15. April 1329 befiehlt Papst [[Johannes XXII.]] dem Kölner Erzbischof [[Heinrich II. von Virneburg]], die Bulle [[In agro dominico]] in seiner Erzdiözese zu veröffentlichen. Diese umfasste außer Köln die Bistümer Lüttich, Utrecht, Münster und Minden, d.&nbsp;h. den ganzen niederdeutsch-niederländischen Raum. Die Bulle verurteilt Sätze aus einer Reihe von lateinischen Schriften Eckharts und aus einigen seiner Predigten und verbietet diese Werke sowie die Verbreitung der verurteilten Ansichten. Dies macht deutlich, dass seine ganze Lehre getroffen werden sollte. Das Ergebnis des Verfahrens –&nbsp;des ersten und einzigen Inquisitionsprozesses gegen einen angesehenen Theologen und Ordensmann im Mittelalter&nbsp;– erregt großes Aufsehen. Trotz des Häresievorwurfs werden die deutschen Werke weiterhin im deutschen und niederländischen Sprachraum verbreitet und Teile der lateinischen Schriften in die Volkssprache übersetzt, allerdings in der Regel ohne Nennung des Verfassernamens oder mit Zuschreibung an einen anderen Autor. Wohl noch während des Prozesses verteidigt ein Schüler Eckharts, [[Heinrich Seuse]], seinen Lehrer im ''Büchlein der Wahrheit'', wofür er 1330 gemaßregelt wird. Im 14. Jahrhundert zitieren Eckhart –&nbsp;meist ohne ihn als Quelle zu nennen&nbsp;– [[Johannes Tauler]], [[Jordan von Quedlinburg]], Marquard von Lindau und andere, und in zahlreichen anonym überlieferten Schriften lässt sich sein Einfluss feststellen. Neben der Rezeption in der Gelehrtenwelt lebt Eckharts Andenken auch im Volk weiter. Eine Fülle von Erzählungen und Anekdoten aus seinem Leben wird im Laienpublikum verbreitet („Eckhartlegenden“). Für seine Bewunderer wird er zum „weisen Meister“, zum Muster eines geistlichen Lehrers und leuchtenden Vorbild. Sein Wirken wird nach Art der Heiligenlegenden dargestellt und verherrlicht. Einerseits wirkt der Häresievorwurf abschreckend, andererseits trägt Eckharts Konflikt mit der kirchlichen Hierarchie dazu bei, dass sich kirchenkritisch gesinnte Laienkreise des Spätmittelalters auf ihn berufen. Die Bestrebungen dieser rebellischen Strömung werden in der modernen Forschung unter der Bezeichnung „antihierarchische Tendenzen“ zusammengefasst. Aus dieser Perspektive erscheint Eckhart als Freund und Förderer der einfachen Leute, der theologisch ungebildeten Laien, die sich gegen Bevormundung durch die Theologen zur Wehr setzen und dem Klerus dessen Reichtum und Verweltlichung vorwerfen. Das bedeutendste und umfangreichste Schriftstück aus diesem Milieu ist der mittelniederländische Dialog ''Meister Eckhart und der Laie'', der wohl 1340/41 im Umkreis des Benediktinerinnenklosters [[Rijnsburg]] in Südholland entstand. In einem fiktiven Zwiegespräch antwortet Eckhart auf Fragen eines Laien, der für sich ein theologisches Mitspracherecht in Anspruch nimmt und die Ketzerverfolgungen durch die Inquisition heftig tadelt. Der Laie spielt die Laienfrömmigkeit gegen den Überlegenheitsanspruch des Klerus aus und fühlt sich dabei im Einverständnis mit Eckhart.<ref>Ingeborg Degenhardt: ''Studien zum Wandel des Eckhartbildes'', Leiden 1967, S. 28–30. Eine eingehende Untersuchung und Edition des Textes bietet Franz Josef Schweitzer: ''Meister Eckhart und der Laie. Ein antihierarchischer Dialog des 14. Jahrhunderts aus den Niederlanden'', Berlin 1997.</ref> Ganz anders fällt das Urteil der papstfeindlichen, wegen Häresie im [[Armutsstreit]] exkommunizierten Franziskaner des 14. Jahrhunderts über Eckhart aus. [[Michael von Cesena]] und [[Wilhelm von Ockham]] betrachten Eckhart nicht als Gleichgesinnten im Kampf gegen die Kurie, sondern als Verbreiter einer abscheulichen Häresie. Sie beklagen, dass seine Lehren zahlreiche Anhänger gefunden haben. Ockham wirft Papst Johannes XXII., den er der Häresie beschuldigt, sogar vor, Eckharts Irrlehren gefördert zu haben. In den Niederlanden erhebt sich im 14. Jahrhundert in Kreisen der Frömmigkeitsbewegung heftiger Widerstand gegen die dort populären Lehren Eckharts. [[Jan van Ruysbroek]] greift ihn scharf, doch ohne Namensnennung, als „falschen Propheten“ an. Leidenschaftlich polemisiert Jan van Leeuwen um 1355/58 in mehreren flämischen Traktaten gegen den „teuflischen Menschen“ Eckhart. [[Geert Groote]], der Inspirator der [[Devotio moderna]], schließt jeden, der Eckharts verurteilte Ansichten vertritt oder einschlägige Schriften besitzt, aus seiner Kongregation aus. Im 15. Jahrhundert findet Eckhart starkes Interesse und hohes Lob bei [[Nikolaus von Kues]], der sich eine umfangreiche Abschrift des nahezu vollständigen lateinischen Werkes erstellen lässt. Nikolaus schreibt, man finde in Eckharts Schriften „viel Scharfsinniges und Nützliches“, doch seien solche Erkenntnisse nur klugen Lesern (''intelligentes'') zugänglich; für einfache Gemüter seien diese Lehren unverständlich, daher solle man sie dem Volk (''vulgus'') nicht zugänglich machen. Nikolaus polemisiert dabei gegen seinen Widersacher [[Johannes Wenck]], einen Heidelberger Theologieprofessor, der ihm Nähe zu Eckhart vorgeworfen hatte. Auch Ordenschronisten entdecken Eckhart wieder. Die Legenden und seine Predigten werden in dominikanischen Nonnenklöstern weiter abgeschrieben und dienen zuweilen als Tischlektüre. Vier Predigten Eckharts (der Predigtzyklus ''Von der ewigen Geburt'', die Predigten 101–104), damals fälschlich Johannes Tauler zugeschrieben, werden 1498 und 1508 in die ersten beiden in Leipzig und Augsburg entstandenen Taulerdrucke aufgenommen. 1521 und 1522 (Nachdruck) erscheinen 60 Predigten (davon 49 bisher in den DW ediert) in Adam Petris Basler Taulerdruck mit einer in der Überschrift zum 2. Teil (''Folgen hernach etlich gar subtil vnd trefflich kostlich predigen .. Namlich vnd in sonders meister Eckarts'') allgemeinen Zuweisung an Eckhart. Als weitere Taulerdrucke erscheinen u.&nbsp;a. 1543 der Kölner Taulerdruck in der Bearbeitung von [[Petrus Canisius]] und dessen lateinische Übersetzung 1548 durch [[Laurentius Surius]], worin insgesamt 23 Eckhart-Textstücke enthalten sind. Die Ausgabe von Surius wird dann die Grundlage für eine Anzahl von Übersetzungen: 1551 (portugiesisch), 1553 (französisch), 1557 (niederländisch), 1590 (italienisch) und schließlich 1613 (englisch), die in den folgenden Jahrhunderten mehrfach Neuauflagen erfahren. Den Taulerdruck von 1508 hat [[Martin Luther]] studiert (sein Exemplar mit Randbemerkungen ist erhalten), den von 1521/22 mit hoher Wahrscheinlichkeit gelesen. Allerdings gibt es keinen Anhaltspunkt dafür, dass Luther oder sein Umkreis von Eckhart Notiz nahm. Erst im späten 17. Jahrhundert setzt eine evangelische Eckhart-Rezeption ein, die ihn zu einem Vorläufer der Reformation macht.<ref>Degenhardt (1967) S. 84–86.</ref> Der Schriftsteller und Dichter geistlicher Lieder [[Daniel Sudermann]] († 1631) sucht u.&nbsp;a. in Köln und Straßburg nach Handschriften, die Texte Taulers oder Eckharts enthalten. Im 17. Jahrhundert sammeln Ordensschriftsteller biographische Notizen. === Moderne === Im 19. Jahrhundert wird Meister Eckhart von [[Franz von Baader]] wiederentdeckt und 1856 durch die mittelhochdeutsche Textausgabe [[Franz Pfeiffer]]s allgemein bekannt, woran sich viel romantische und idealistische Spekulation knüpft. Der Dominikanerpater [[Heinrich Denifle]] entdeckt zuvor unbekannte lateinische Werke Eckharts, die er 1886 teilweise veröffentlicht. Großes Aufsehen erregt seine heftige Kritik an der älteren Forschung und an Eckhart selbst, den er als „unklaren Denker“ bezeichnet; er wirft ihm „krankhaftes Denken“ vor und meint, Eckhart sei zu Recht als Häretiker verurteilt worden.<ref>Zur neuthomistischen Eckhart-Kritik Denifles siehe Degenhardt (1967) S. 176–182.</ref> Das 20. Jahrhundert beginnt mit ersten Übersetzungen von [[Gustav Landauer]] und Hermann Büttner. Büttners Übersetzung macht Eckhart populär und erscheint noch bis 1959 in Neuauflagen. Germanisten wie Max Pahncke (1905) und [[Adolf Spamer]] beschäftigen sich intensiv mit ihm. Philipp Strauch gibt 1910 das Trostbuch neu heraus. Weitere Predigten werden entdeckt, die Echtheit der Predigten und Traktate der Textausgabe Pfeiffers wird diskutiert. 1925 veröffentlicht Ernst Diederichs die „Reden der Unterscheidung“ (''Erfurter Reden'') in Übersetzung. 1927 erscheint ''Meister Eckeharts Rechtfertigungsschrift (..)'' von Otto Karrer und Herma Piesch. Auch die Belletristik wendet sich Eckhart zu. 1925 erhält [[Paul Gurk]] für seinen Roman ''Meister Eckehart'' den Romanpreis der Stadt Köln. Einen weiteren Roman veröffentlicht 1927 [[Hans Much]]. 1931 widmet ihm [[Ludwig Fahrenkrog]] den sechsten Band eines ''Weltanschauungszyklus'' mit dem Titel ''Richter Irrwahn''. Im Winter 1932/33 kommt es zu zwei Projekten, von denen das eine eine Vorausgabe des gesamten ungedruckten lateinischen Materials vorsieht, während das andere eine große endgültige Standardedition sämtlicher deutschen und lateinischen Werke ins Auge fasst. Die erste Edition entsteht unter Federführung von [[Raymond Klibansky]], der zwei Hefte in Deutschland herausbringen kann, bevor er nach England emigriert. Die konkurrierende Eckhart-Edition wird im Herbst 1934 von der [[Deutsche Forschungsgemeinschaft|Deutschen Forschungsgemeinschaft]] ins Leben gerufen. [[Josef Quint]] wird Herausgeber der deutschen Edition, Josef Koch leitet die lateinische. Im Nationalsozialismus wird Eckhart als Vertreter einer spezifisch germanischen Weltanschauung vereinnahmt. So schreibt [[Dorothea Fabeck]] in einem 1938 erschienenen Roman: „…so haben zu allen Zeiten gerade Kämpfer und Krieger diese Unterwerfung des eigenen Willens unter Gottes Willen am redlichsten begriffen … Nur ein Wille darf gelten, der des Feldherrn zum Siege … So haben denn die tapferen und kämpferischen Menschen Eckharts Predigt verstanden.“ Sie bezieht sich dabei u.&nbsp;a. auf [[Alfred Rosenberg]], der seit 1930 in wiederholten Auflagen von dem „Rassen- und Edelmenschen“ Eckhart schwärmt und in ihm den „Schöpfer einer neuen, völkischen Religion“ sieht, in der „die nordische Seele“ „zum Bewußtsein ihrer selbst“ kommt. Die Herausgeber der nun einzigen Edition konnten bis Kriegsende nur drei Lieferungen der deutschen und zehn Lieferungen der lateinischen Abteilung veröffentlichen. Inzwischen sind die deutschen Lieferungen auf 59 und die lateinischen auf 55 angewachsen, womit letztere Edition im Wesentlichen abgeschlossen ist. <!--unterschätzen die vor ihnen liegende Arbeit gewaltig. So glaubt [[Ernst Benz]] (als Herausgeber von LW IV) 1938 allen Ernstes, „in zwei bis drei Jahren den dankbaren und den undankbaren Kritikern die fertige Gesamtausgabe des Meisters überreichen zu können“. Als im Mai 1945 Deutschland in Trümmern liegt, sind von den deutschen Werken die ersten 3 (von inzwischen 59) Lieferungen zu Band I und von den lateinischen Werken 10 (von inzw. 55) Lieferungen zu den Bänden I, III, IV und V erschienen. Nach dem Zweiten Weltkrieg vervollständigt Quint bis zu seinem Tod 1976 die Bände I-III und V. Die Lieferungen zu Band IV (ab Predigt 87) in der Herausgabe von [[Georg Steer]] erscheinen seit 1997. Die lateinischen Werke erscheinen relativ kontinuierlich seit 1953 (mit einer kurzen Unterbrechung zwischen 1978 und 1987, als [[Loris Sturlese]] die Herausgeberschaft von Josef Koch fortführt), wobei Band V im Dez. 2006 abgeschlossen wird.--> In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts steigt die Anzahl der Veröffentlichungen zu Meister Eckhart stark an, wobei längst nicht mehr nur germanistische und philologische Arbeiten dominieren. Er wird Gegenstand u.&nbsp;a. der psychologischen ([[C. G. Jung]]), theologischen ([[Martin Buber]]) und philosophischen ([[Ernst Bloch]], [[Erich Fromm]]) Forschung sowie des west-östlichen Dialogs ([[Karlfried Graf Dürckheim|Dürckheim]], [[Daisetz Teitaro Suzuki|Suzuki]]). Aus der marxistischen Interpretation (Hermann Ley u.&nbsp;a.) erfährt man, Eckhart sei als „Hauptvertreter der antifeudalen und oppositionellen deutschen Mystik“ anzusehen. Die jüngste Forschung hingegen untersucht das Werk Eckharts verstärkt in seinem historischen Kontext. Dabei wird u.&nbsp;a. kontrovers diskutiert, inwieweit und nach welchen Kriterien Eckhart als Mystiker anzusehen ist. Die Philosophiehistoriker [[Kurt Flasch]] und [[Burkhard Mojsisch]] („Bochumer Schule“) bestreiten dies vehement.<ref name="Ruh"/> Die Diskussion dauert noch an. Es wurden unterschiedliche Vermittlungsmodelle vorgeschlagen, wobei die Bezeichnung „Mystiker“ jeweils nur im Sinne eines bestimmten Verständnisses dieses Begriffs akzeptiert wird. [[Werner Beierwaltes]] etwa spricht von „philosophischer Mystik“. == Anmerkungen == <references/> == Ausgaben und Übersetzungen == ;Kritische Gesamtausgabe * Meister Eckhart: ''Die deutschen und lateinischen Werke'', hrsg. im Auftrage der Deutschen Forschungsgemeinschaft, Kohlhammer, Stuttgart 1958ff. ** ''Die deutschen Werke'' [mittelhochdeutscher Text mit Übertragung in modernes Deutsch] *** Band 1: ''Predigten'', hrsg. Josef Quint, 1958 (Nachdruck 1986). ISBN 3-17-061210-7 [Predigten 1–24] *** Band 2: ''Predigten'', hrsg. Josef Quint, 1971 (Nachdruck 1988). ISBN 3-17-071183-0 [Predigten 25–59] *** Band 3: ''Predigten'', hrsg. Josef Quint, 1976. ISBN 3-17-002740-9 [Predigten 60–86] *** Band 4/1: ''Predigten'', hrsg. Georg Steer, 2003. ISBN 3-17-007593-4 [Predigten 87–105] *** Band 4/2: ''Predigten'', hrsg. Georg Steer, 2003ff. (bisher erschienen: 1.–2. Lieferung, 2003) [Predigten 106ff.] *** Band 5: ''Meister Eckharts Traktate'', hrsg. Josef Quint, 1963, Nachdruck 1987. ISBN 3-17-071075-3 ** ''Die lateinischen Werke'' [lateinischer Text mit deutscher Übersetzung] *** Band 1, Hauptteil 1: ''Magistri Echardi prologi, expositio libri Genesis, liber parabolarum Genesis'', hrsg. Konrad Weiß, 1964, Nachdruck 1988. ISBN 3-17-071082-6 *** Band 1, Hauptteil 2: ''Magistri Echardi prologi in opus tripartitum et expositio libri Genesis et libri Exodi secundum recensionem Cod. Oxoniensis Bodleiani Laud misc. 222 (L). Liber parabolarum Genesis, editio altera'', hrsg. Loris Sturlese, 1987ff. [bisher erschienen: Lieferung 1–4] *** Band 2: ''Magistri Echardi expositio libri Exodi, sermones et lectiones super Ecclesiastici cap. 24, expositio libri Sapientiae, expositio Cantici Canticorum cap. 1,6'', hrsg. Heribert Fischer u.&nbsp;a., 1992. ISBN 3-17-001084-0 *** Band 3: ''Magistri Echardi expositio sancti evangelii secundum Iohannem'', hrsg. Karl Christ u.&nbsp;a., 1994. ISBN 3-17-001085-9 *** Band 4: ''Magistri Echardi sermones'', hrsg. Ernst Benz u.&nbsp;a., 1956, Nachdruck 1987. ISBN 3-17-061207-7 *** Band 5: ''Magistri Echardi opera Parisiensia. Tractatus super oratione dominica. Responsio ad articulos sibi impositos de scriptis et dictis suis. Acta Echardiana'', hrsg. Bernhard Geyer, Loris Sturlese u.&nbsp;a., 2006. ISBN 978-3-17-001086-4 *** Band 6: ''Indices'' [Registerband, noch nicht erschienen] ;Teilausgaben mit Übersetzungen * Meister Eckhart: ''Werke'', 2 Bände, hrsg. Niklaus Largier, Deutscher Klassiker Verlag, Frankfurt a. M. 1993 [lateinische Werke und mittelhochdeutsche Predigten mit Übersetzungen in modernes Deutsch und Kommentaren] * ''Meister Eckeharts Traktat „Von Abegescheidenheit“. Untersuchung und Textneuausgabe'', hrsg. Eduard Schaefer, Röhrscheid, Bonn 1956 [kritische Edition des mittelhochdeutschen Textes mit Kommentar und Übertragung in modernes Deutsch] * ''Lectura Eckhardi. Predigten Meister Eckharts von Fachgelehrten gelesen und gedeutet'', hrsg. Georg Steer und Loris Sturlese, 3 Bände, Kohlhammer, Stuttgart 1998–2008 [lateinische und mittelhochdeutsche Predigten mit Übersetzungen in modernes Deutsch und Kommentaren] ;Übersetzungen ohne Originaltext * Meister Eckehart: ''Deutsche Predigten und Traktate'', übers. von Josef Quint, 7. Auflage, Nikol, Hamburg 2007. ISBN 978-3-937872-76-6 * ''Meister Eckhart'', übers. von Dietmar Mieth, 2. Auflage, Walter, Olten 1984. ISBN 3-530-56370-6 [Auswahltexte: Aus den deutschen Traktaten; Aus den deutschen Predigten; Lateinische Schriftauslegung, Vorlesung und Predigt; Aus den lateinischen Predigtskizzen] * Meister Eckhart: ''Kommentar zum Buch der Weisheit'', übers. von Karl Albert, Academia Richarz, Sankt Augustin 1988. ISBN 3-88345-431-1 * Meister Eckhart: ''Gottesgeburt. Mystische Predigten'', übers. von Günter Stachel, Kösel, München 1999. ISBN 3-466-20446-1 [enthält die Predigten 6, 12, 17, 30, 56, 83] == Literatur == ;Einführungen * [[Kurt Ruh]]: ''Meister Eckhart. Theologe, Prediger, Mystiker'', 2. Auflage, Beck, München 1989. ISBN 3-406-33885-2 * [[Gerhard Wehr]]: ''Meister Eckhart'', 6. Auflage, Rowohlt, Reinbek 2004. ISBN 3-499-50376-X. * Norbert Winkler: ''Meister Eckhart zur Einführung''. Junius, Hamburg 1997. ISBN 3-88506-944-X. ;Leben * [[Josef Koch (Historiker)|Josef Koch]]: ''Kritische Studien zum Leben Meister Eckharts'', in: Josef Koch: ''Kleine Schriften'', Band 1, Rom 1973, S. 247–347 * Winfried Trusen: ''Der Prozeß gegen Meister Eckhart. Vorgeschichte, Verlauf und Folgen'', Schöningh, Paderborn 1988. ISBN 3-506-73354-0 * Heinrich Stirnimann (Hrsg): ''Eckardus Theutonicus, homo doctus et sanctus. Nachweise und Berichte zum Prozeß gegen Meister Eckhart'', Universitätsverlag, Freiburg /Schweiz 1992. ISBN 3-7278-0773-3 ;Untersuchungen zur Lehre * [[Karl Albert (Philosoph)|Karl Albert]]: ''Meister Eckhart und die Philosophie des Mittelalters'', Röll, Dettelbach 1999. ISBN 3-89754-145-9 * [[Kurt Flasch]]: ''Meister Eckhart. Die Geburt der „Deutschen Mystik“ aus dem Geist der arabischen Philosophie'', Beck, München 2006. ISBN 3-406-54182-8 * Kurt Flasch: ''Meister Eckhart. Philosoph des Christentums'', Verlag C.H. Beck, München 2010ISBN 978-3-406-60022-7 * Rodrigo Guerizoli: ''Die Verinnerlichung des Göttlichen. Eine Studie über den Gottesgeburtszyklus und die Armutspredigt Meister Eckharts'', Brill, Leiden 2006. ISBN 978-90-04-15000-3 * Udo Kern: ''„Gottes Sein ist mein Leben.“ Philosophische Brocken bei Meister Eckhart'', de Gruyter, Berlin 2003. ISBN 3-11-017741-2 * Otto Langer: ''Mystische Erfahrung und spirituelle Theologie. Zu Meister Eckharts Auseinandersetzung mit der Frauenfrömmigkeit seiner Zeit'', Artemis, München 1987. ISBN 3-7608-3391-8 * [[Burkhard Mojsisch]]: ''Meister Eckhart. Analogie, Univozität und Einheit'', Meiner, Hamburg 1983. ISBN 3-7873-0595-5 * [[Loris Sturlese]]: ''Homo divinus. Philosophische Projekte in Deutschland zwischen Meister Eckhart und Heinrich Seuse'', Kohlhammer, Stuttgart 2007. ISBN 978-3-17-019790-9 ([http://www.ulb.tu-darmstadt.de/tocs/184528976.pdf Inhaltsverzeichnis]) * [[Erwin Waldschütz]]: ''Denken und Erfahren des Grundes. Zur philosophischen Deutung Meister Eckharts'', Herder, Wien 1989. ISBN 3-210-24927-X ;Spirituelle Praxis * [[Bernard McGinn]]: ''Die Mystik im Abendland, Bd. 4: Fülle. Die Mystik im Mittelalterlichen Deutschland.'' Herder Verlag, Freiburg, Basel, Wien o. J. [2008], 283–290 * Freimut Löser: ''Oratio est cum deo confabulatio. Meister Eckharts Auffassung vom Beten und seine Gebetspraxis.'' In: Walter Haug/Wolfram Schneider-Lastin (Hrsg.): ''Deutsche Mystik im abendländischen Zusammenhang.'' Niemeyer, Tübingen 1999, 283–316 ;Rezeption * Ingeborg Degenhardt: ''Studien zum Wandel des Eckhartbildes'', Brill, Leiden 1967 == Weblinks == * {{DNB-Portal|118528823}} <!-- {{commonscat|Meister Eckhart}} bitte ggf. wieder einfügen, sobald dort über den Artikel hinausführendes Material vorhanden ist --> ; Texte {{Wikiquote|Eckhart von Hochheim}} {{Wikisource|Eckhart von Hochheim}} {{Wikisource|en:Sermons (Meister Eckhart)|Predigten von Meister Eckhart in englischer Übersetzung von Claud Field}} * [[Gustav Landauer]] (Hrsg.): ''Texte in neuhochdeutscher Übertragung'', 1903, [http://www.ccel.org/ccel/eckhart/mystische.toc.html bei CCEL] und [http://www.zeno.org/Philosophie/M/Meister+Eckhart/Predigten,+Traktate,+Spr%C3%BCche bei zeno.org]. * [[Franz Pfeiffer]] (Hrsg.): ''Deutsche Mystiker des vierzehnten Jahrhunderts'', Bd. 2, 1857. [http://www.archive.org/details/deutschemystike01mystgoog Faksimiles] * [[Josef Quint]] (Hrsg.): [http://etext.lib.virginia.edu/cgi-local/german/frames.pl?file=eckhv.xml ''Traktate''] (mittelhochdeutsch) ;Informationen und Literatur * Joseph Bach: ''Meister Eckhart der Vater der Deutschen speculation'', W. Braumüller 1864, [http://books.google.com/books?id=60oPAAAAIAAJ Faksimile] * {{BBKL|e/eckehart_m|autor=[[Friedrich Wilhelm Bautz]]}} <!-- * Josef Bordat: [http://www.philosophia-online.de/mafo/heft2007-5/Bor_Eck.htm Einführung], [http://www.philosophieren.de/menu1/philosophen/eckhart/eckhart.html erste Orientierung zu Leben und Werk]--> * [[Nikolaus Largier]]: [http://german.berkeley.edu/people/files/nlargier/meb/mebmai05.html Meister-Eckhart-Bibliographie] (1800–1997) * {{SEP|http://plato.stanford.edu/entries/meister-eckhart/||[[Burkhard Mojsisch]], Orrin F. Summerell}} * {{ADB|5|618|626|Eckhart|[[Wilhelm Preger]]}} * Benoît Beyer de Ryke: [http://www.ulb.ac.be/philo/rmblf/eckhart.html Maitre Eckhart], une mystique du détachement (französisch) * Rolf Schönberger u.a. (Hgg.): [http://www-cgi.uni-regensburg.de/Fakultaeten/Philosophie/Infotek/phil/view/philosopher_view.php?id=551 Daten zu Leben, Werk und Bibliographie] bei Alcuin, Regensburger Infothek der Scholastik * A. Schönfeld SJ: [http://www.uni-regensburg.de/Fakultaeten/phil_Fak_I/Philosophie/Gesch_Phil/WissHilfsmittelSchoenfeld.html Bibliographie] und Hilfsmittel * Eckhart Triebel: [http://www.eckhart.de/index.htm Meister Eckhart und seine Zeit] – Leben und Werk, Predigten und Traktate, Processus (Bulle, Votum u.&nbsp;a. Deutsch / Latein), Wirkungsgeschichte, Chronologie; Begriffe und Personen seiner Zeit <!-- * [http://www.ub.fu-berlin.de/internetquellen/fachinformation/germanistik/autoren/multi_cde/eckhart.html ub.fu-berlin.de] Kommentierte Linksammlung der [[Universitätsbibliothek der Freien Universität Berlin]] --> * [http://www.dekanat-hof.de/hospital/Download/eckhartreader.pdf Reader] mit diversen Lexikonartikeln und Materialien über Eckhart (PDF-Datei; 283 kB) * [http://www.meister-eckhart-gesellschaft.de/ Meister-Eckhart-Gesellschaft] – [http://www.meister-eckhart-gesellschaft.de/aktuelle_eckhart.htm Bibliographie (seit 1997)], Veranstaltungshinweise und Aufsätze im [[PDF]]-Format * [http://www.eckhartsociety.org/ The Eckhart Society] * [http://www.podcast.de/episode/1477881/Das_Wunder_der_Seele_-_Meister_Eckharts_mystische_Philosophie_-_27.01.2010 Das Wunder der Seele - Meister Eckharts mystische Philosophie], Radiobeitrag aus radioWissen, [[Bayern 2]], vom 24. Februar 2010 {{Exzellent|19. April 2004|1357607}} {{Normdaten|PND=118528823|LCCN=n/80/62926|VIAF=88809752}} {{SORTIERUNG:Meister Eckhart}} [[Kategorie:Philosoph des Mittelalters]] [[Kategorie:Mystiker]] [[Kategorie:Katholischer Theologe (13. Jahrhundert)]] [[Kategorie:Dominikaner]] [[Kategorie:Prior]] [[Kategorie:Deutscher]] [[Kategorie:Geboren im 13. Jahrhundert]] [[Kategorie:Gestorben im 14. Jahrhundert]] [[Kategorie:Mann]] {{Personendaten |NAME=Meister Eckhart |ALTERNATIVNAMEN=Eckhart von Hochheim |KURZBESCHREIBUNG=Theologe und Mystiker des christlichen Mittelalters |GEBURTSDATUM=um 1260 |GEBURTSORT=[[Tambach-Dietharz|Tambach]] (südlich von [[Gotha]]) oder Hochheim (nordöstlich von Gotha) |STERBEDATUM=1327 oder 1328 |STERBEORT=[[Köln]] oder [[Avignon]] }} [[ar:ايكهارت]] [[bg:Майстер Екхарт]] [[ca:Mestre Eckhart]] [[cs:Mistr Eckhart]] [[da:Mester Eckehart]] [[en:Meister Eckhart]] [[eo:Majstro Eckhart]] [[es:Maestro Eckhart]] [[et:Meister Eckhart]] [[fi:Mestari Eckhart]] [[fr:Maître Eckhart]] [[fy:Master Eckhart]] [[he:מייסטר אקהרט]] [[hr:Meister Eckhart]] [[hu:Eckhart mester]] [[it:Meister Eckhart]] [[ja:マイスター・エックハルト]] [[ko:마이스터 에크하르트]] [[la:Eckhartus de Hochheim]] [[lt:Mokytojas Ekhartas]] [[ml:മെയ്‌സ്റ്റർ എക്കാർട്ട്]] [[nl:Meester Eckhart]] [[no:Mester Eckhart]] [[pl:Johannes Eckhart]] [[pt:Mestre Eckhart]] [[ro:Meister Eckhart]] [[ru:Мейстер Экхарт]] [[sk:Majster Eckhart]] [[sl:Mojster Eckhart]] [[sq:Johannes Eckhart]] [[sr:Мајстор Екхарт]] [[sv:Johannes Eckhart]] [[tr:Meister Eckhart]] [[uk:Майстер Екгарт]] 6mfe7tzh8saometl8ir4r1ls2jhif10 wikitext text/x-wiki Lise Meitner 0 23917 26513 2010-05-11T14:50:13Z Wiki Gh! 0 Änderungen von [[Special:Beiträge/109.120.71.61|109.120.71.61]] rückgängig gemacht und letzte Version von Luckas-bot wiederhergestellt [[Datei:Otto Hahn und Lise Meitner.jpg|thumb|Lise Meitner und Otto Hahn im Labor, KWI für Chemie, 1913]] <onlyinclude><!-- Das Bild nicht in die Kurzfassung im Portal Physik übernehmen --> '''Lise Meitner''' (* [[17. November]] [[1878]] in [[Wien]]; † [[27. Oktober]] [[1968]] in [[Cambridge]]) war eine [[österreich]]isch-[[Schweden|schwedische]] [[Kernphysik]]erin. Unter anderem lieferte sie im Januar 1939 zusammen mit [[Otto Robert Frisch|Otto Frisch]] die erste physikalisch-theoretische Erklärung der [[Kernspaltung]], die ihr Kollege [[Otto Hahn]] und dessen Assistent [[Friedrich Wilhelm Straßmann|Fritz Straßmann]] am 17. Dezember 1938 entdeckt und mit radiochemischen Methoden nachgewiesen hatten. </onlyinclude><!-- Den restlichen Artikel nicht in die Kurzfassung im Portal Physik übernehmen --> == Leben und Arbeit == === Ausbildung und Studium === [[Datei:Geburtshaus Dr Meitner.jpg|thumb|left|Geburtshaus und Gedenktafel in Wien Leopoldstadt]] Lise, eigentlich Elise, Meitner wurde am 17. November 1878 in [[Wien]] geboren. Aufgrund eines Fehlers tauchte auf späteren Dokumenten jedoch der 7. November auf, den sie auch selber immer angab und der deshalb auch in vielen Veröffentlichungen als ihr Geburtsdatum steht. Sie war die dritte Tochter des [[Jude|jüdischen]] Rechtsanwaltes Dr.&nbsp;Philipp Meitner und dessen Frau Hedwig Meitner-Skovran. Sie wurde jedoch nicht jüdisch, sondern nach [[Protestantismus|evangelischem]] Glauben erzogen. Ihre Schullaufbahn absolvierte sie auf einer Bürgerschule, da an den Gymnasien Mädchen nicht zugelassen wurden. Nach dem Schulabschluss legte Lise Meitner das Lehrerinnen-Examen in [[Französische Sprache|Französisch]] ab. Außerdem bereitete sie sich im Selbststudium auf die [[Matura]] vor und legte die Reifeprüfung 1901 im Alter von 22 Jahren am [[Akademisches Gymnasium (Wien)|Akademischen Gymnasium Wien]] ab. Durch ihr Abschlusszeugnis berechtigt, begann Lise Meitner 1901 ihr Studium der [[Physik]], [[Mathematik]] und [[Philosophie]] an der [[Universität Wien]]. Ihr wichtigster akademischer Lehrer dort wurde [[Ludwig Boltzmann]]. Bereits in den ersten Jahren beschäftigte sie sich mit Fragestellungen der [[Radioaktivität]]. Sie [[Promotion (Doktor)|promovierte]] 1906 als zweite Frau an der Wiener Universität im Hauptfach Physik über ''Wärmeleitung in inhomogenen Stoffen'' bei Ludwig Boltzmann und [[Franz-Serafin Exner]].<ref> [http://genealogy.math.uni-bielefeld.de/genealogy/id.php?id=110960 Lise Meitner] Mathematics Genealogy Project, (zugriff=16.April 2010) </ref> Anschließend bewarb sie sich bei [[Marie Curie]] in [[Paris]], allerdings erfolglos. Das erste Jahr nach ihrer Promotion arbeitete sie am Institut für [[Theoretische Physik]] in Wien. === Die Forschung in Berlin === [[Datei:Freie Universitaet Berlin Otto-Hahn-Bau im Winter 01-2005.jpg|thumb|Lise Meitners Wirkungsstätte: Das Kaiser-Wilhelm-Institut für Chemie in Berlin ''(heute: Institut für Biochemie der Freien Universität Berlin)''.]] 1907 ging sie zur weiteren wissenschaftlichen Ausbildung nach [[Berlin]], wo sie vor allem Vorlesungen bei [[Max Planck]] hören wollte. Dort traf sie erstmals auf den jungen [[Chemie|Chemiker]] [[Otto Hahn]], mit dem sie die folgenden 30 Jahre zusammenarbeiten sollte. Sie arbeitete mit Hahn – wie er auch – als „unbezahlter Gast“ in dessen Arbeitsraum, einer ehemaligen „Holzwerkstatt“, im Chemischen Institut der Berliner Universität in der Hessischen Straße. Da im damaligen [[Preußen]] Frauen noch nicht studieren durften, musste sie das Gebäude immer durch den Hintereingang betreten und durfte die Vorlesungsräume und Experimentierräume der Studenten nicht betreten. Dieses Verbot fiel erst 1909, nachdem das [[Frauenstudium]] in Preußen offiziell eingeführt worden war. 1908 trat sie der evangelischen Kirche bei. 1909 entdeckte Otto Hahn den [[Radioaktiver Rückstoß|radioaktiven Rückstoß]] und mit der sich daran anschließenden „Rückstoßmethode“ fanden Hahn und Lise Meitner in den Folgejahren auch diverse radioaktive [[Nuklid]]e. Durch diese Erfolge machte Lise Meitner sich in der Physik einen Namen und lernte unter anderem [[Albert Einstein]] und [[Marie Curie]] persönlich kennen. Von 1912 bis 1915 war sie inoffizielle Assistentin bei [[Max Planck]]. 1912 verbesserten sich die Arbeitsbedingungen von Hahn und Meitner deutlich, als sie ihre Forschungen in der von Hahn aufgebauten radioaktiven Abteilung des neu gegründeten Instituts für Chemie der [[Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft]] in [[Berlin-Dahlem]] (heutiger Otto-Hahn-Bau an der Thielallee, Institut der [[Freie Universität Berlin|Freien Universität Berlin]]) fortsetzen konnten. Meitner arbeitete zunächst unentgeltlich weiter, wurde jedoch 1913 wissenschaftliches Mitglied des Kaiser-Wilhelm-Instituts für Chemie. <!-- und forschte nebenbei in den Kellerräumen des am Institut für [[Radioaktivität]] an ihren eigenen Projekten. - konnte ich so nirgends finden (lley)--> Während des [[Erster Weltkrieg|Ersten Weltkriegs]] diente Lise Meitner als [[Röntgenstrahlung|Röntgenschwester]] der österreichischen Armee in einem [[Lazarett]] an der Ostfront, während Otto Hahn von Fritz Haber an Projekten zur Herstellung von [[Chemische Waffe|Giftgas]] beteiligt wurde. Von 1917 an arbeitete Lise Meitner erneut gemeinsam mit Otto Hahn. Sie entdeckten im selben Jahr das chemische [[Isotop]] [[Protactinium]] 231, die langlebige Form des Elements Nr. 91, das mit dem schon 1913 von [[Kasimir Fajans]] und [[Oswald Helmuth Göhring]] entdeckten kurzlebigen Pa-Isotop [[Protactinium|Brevium]] in Konkurrenz stand. (Im Jahre 1949 wurde das neue Element Nr. 91 von der IUPAC endgültig Protactinium genannt und Hahn und Meitner als alleinige Entdecker bestätigt). 1918 erhielt Lise Meitner erstmals eine eigene radiophysikalische Abteilung mit angemessenem Gehalt und wurde Leiterin der physikalisch-radioaktiven Abteilung des Kaiser-Wilhelm-Instituts für Chemie. 1922 [[Habilitation|habilitierte]] sie sich und bekam dadurch das Recht, als Dozentin zu arbeiten. 1926 wurde sie außerordentliche [[Professor]]in für experimentelle Kernphysik an der Berliner Universität. === Ihre Vertreibung und die Entdeckung der Kernspaltung === [[Datei:Versuchsaufbau Hahn Deutsches Museum.jpg|thumb|Versuchsaufbau, mit dem Otto Hahn und Fritz Straßmann 1938 die Kernspaltung entdeckten ([[Deutsches Museum]], [[München]])]] ''Siehe den Hauptartikel [[Entdeckung der Kernspaltung]]''. 1933 wurde Lise Meitner die Lehrbefugnis aufgrund ihrer jüdischen Abstammung entzogen, sie konnte aber ihre Arbeit am (nicht staatlichen) Kaiser-Wilhelm-Institut mit Otto Hahn an Bestrahlungsexperimenten mit [[Neutron]]en fortsetzen. 1938, als Deutschland Österreich annektierte, wurde Lise Meitner deutsche Staatsbürgerin und war dadurch als gebürtige Jüdin in besonderer Weise gefährdet. Otto Hahn hatte große Sorge um ihre Sicherheit und bereitete daher zusammen mit dem holländischen Chemiker Dirk Coster ihre Flucht vor, die am 13. Juli gelang. Über [[Holland]] und [[Dänemark]] kam sie nach [[Schweden]], wo sie ihre Forschungen bis 1946 am Nobel-Institut fortsetzte. Hahn und Meitner korrespondierten weiter miteinander. Ende Dezember 1938 schrieb ihr Otto Hahn von einem Vorgang, den er, zusammen mit seinem Assistenten Fritz Straßmann, aufgrund äußerst sorgfältiger radiochemischer Methoden entdeckt hatte und den er als „Zerplatzen“ des Urankerns bezeichnete. Er fragte sie in dem Brief<ref>{{Literatur |Autor=Manfred Schroeder |Titel=Lise Meitner - Zur 125. Wiederkehr Ihres Geburtstages |Online=[http://www.physik3.gwdg.de/~mrs/Vortraege/Lise_Meitner-Vortrag-20031106/] |Zugriff=2008-02-11}}</ref>: :„''Wäre es möglich, dass das [[Uran]] 239 zerplatzt in ein [[Barium|Ba]] und ein [[Technetium|Ma]]? Es würde mich natürlich sehr interessieren, Dein Urteil zu hören. Eventuell könntest du etwas ausrechnen und publizieren.''“ Durch Otto Hahn weiterhin über alle in Berlin vollzogenen Versuche auf dem Laufenden gehalten (er hatte Lise Meitner als einzige über alle Experimente und Ergebnisse brieflich unterrichtet), konnte Lise Meitner im Februar 1939 mit ihrem Neffen, dem Kernphysiker [[Otto Frisch]], in dem Aufsatz „''Disintegration of Uranium by Neutrons: a New Type of Nuclear Reaction''“<ref>{{Literatur |Autor=Lise Meitner, Otto Robert Frisch |Titel=Disintegration of uranium by neutrons: a new type of nuclear reaction |Sammelwerk=Nature |Band=143 |Jahr=1939 |Seiten=239}}</ref> eine erste physikalisch-theoretische Deutung (siehe auch [[Ida Noddack-Tacke]]) für das von Otto Hahn formulierte „Zerplatzen“ des Uran-Atomkerns geben. Otto Frisch prägte dabei den Begriff „nuclear fission“ (Kernspaltung), der in der Folgezeit international anerkannt wurde. Die beiden Bruchstücke (Atomkerne), die bei der Spaltung entstehen, haben zusammen eine geringere Masse als der ursprüngliche Uranatomkern. Aus dieser [[Massendefekt|Massendifferenz]] errechneten Lise Meitner und Otto Frisch mit Einsteins Formel [[Äquivalenz von Masse und Energie|E=mc²]] die bei der Spaltung freiwerdende [[Energie]] von etwa 200 Millionen [[Elektronenvolt]] pro gespaltenem [[Atomkern]]. <!--[[Niels Bohr]], dem Otto Frisch von dieser Erkenntnis erzählte, soll reagiert haben mit dem Ausruf: ''Ach, was für Idioten wir doch alle waren.''--> === Leben nach 1945 === [[File:Lise_Meitner12.jpg|thumb|left|Lise Meitner um 1900]] Als überzeugte [[Pazifist]]in weigerte sich Meitner, Forschungsaufträge für den Bau einer [[Atombombe]] anzunehmen, obwohl sie von den USA immer wieder dazu aufgefordert wurde. Sie zog es vor, während des [[Zweiter Weltkrieg|Zweiten Weltkrieges]] in [[Schweden]] zu bleiben. Für die Entdeckung und den radiochemischen Nachweis der [[Kernspaltung]] wurde Otto Hahn 1945 der [[Nobelpreis für Chemie]] für das Jahr 1944 verliehen (überreicht wurde er erst 1946). Lise Meitner und [[Otto Robert Frisch|Otto Frisch]] wurden dabei nicht berücksichtigt, und auch in den darauf folgenden Jahren sollte ihnen diese Ehrung nicht zuteil werden, obwohl sie von mehreren Physikern – auch von Otto Hahn selbst – für den Physik-Nobelpreis vorgeschlagen wurden. Der niederländische Chemiker [[Dirk Coster]], der Lise Meitner im Juli 1938 auf ihrer Flucht begleitet hatte, schrieb ihr anlässlich der Nobelpreis-Verleihung: :„''Otto Hahn, der Nobelpreis! Er hat ihn sicher verdient. Es ist aber schade, dass ich Sie 1938 aus Berlin entführt habe […] Sonst wären Sie auch dabei gewesen. Was sicher gerechter gewesen wäre.''“ Lise Meitner, die das „Zerplatzen“ des [[Uran]]kerns aus erster Hand erfahren hatte und die chemischen Leistungen Otto Hahns wohl am besten beurteilen konnte, sah jedenfalls die Nobelpreis-Verleihung ganz sachlich. An ihre Freundin Eva von Bahr-Bergius schrieb sie Ende 1945: :„''Hahn hat sicher den Nobelpreis für Chemie voll verdient, da ist wirklich kein Zweifel. Aber ich glaube, dass Frisch und ich etwas nicht Unwesentliches zur Aufklärung des Uranspaltungsprozesses beigetragen haben – wie er zustande kommt und dass er mit einer so großen Energieentwicklung verbunden ist, lag Hahn ganz fern.''“ Und Otto Frisch ergänzte im Jahre 1955: :„''Das ist auch nach meiner Meinung ganz richtig. Die Entdeckung der Uranspaltung […] war die entscheidende Beobachtung, aus der sich alles weitere sehr rasch entwickeln mußte.''“ Dennoch wird die Ansicht vertreten, Otto Hahn habe den Nobelpreis nicht oder nicht allein verdient, habe Lise Meitner sogar bewusst ausgebootet, um ihn nicht mit ihr teilen zu müssen. Auch habe er sich ihr gegenüber in der Nachkriegszeit charakterlos verhalten. Dieses wird in der Literatur allerdings sehr kontrovers diskutiert. Zum Beispiel bezeichnete [[Ernst Peter Fischer]], [[Physiker]] und [[Wissenschaftshistoriker]] der [[Universität Konstanz]], die Tatsache, dass Lise Meitner keinen Nobelpreis erhielt, sogar drastisch als "Dummheit der schwedischen Akademie"<ref>Aliki Nassoufis: ''Erklärung aus dem schwedischen Exil'' in "Märkische Oderzeitung" vom 19.&nbsp;Dezember 2008, Blickpunkt S.&nbsp;3, [http://www.moz.de www.moz.de]</ref>. Als „''Mutter der Atombombe''“ und „''Frau des Jahres''“ wurde Lise Meitner 1946 bei einer Vorlesungsreise in den [[Vereinigte Staaten|USA]] gefeiert, ein Jahr nach den [[Atombombenabwürfe auf Hiroshima und Nagasaki|Atombombenabwürfen auf Hiroshima und Nagasaki]]. Ab 1947 leitete Lise Meitner die kernphysikalische Abteilung des ''Physikalischen Instituts der [[Königliche Technische Hochschule Stockholm|Technischen Hochschule Stockholm]]'' und hatte diverse Gastprofessuren an US-amerikanischen Universitäten inne. In der Nachkriegszeit erhielt Lise Meitner zahlreiche Ehrungen in aller Welt, in besonderer Weise in der Bundesrepublik Deutschland, so z. B. 1955 den ersten „Otto-Hahn-Preis für Chemie und Physik“ und 1957 den Orden [[Pour le Mérite|Pour le mérite für Wissenschaften und Künste]]. Für beide Ehrungen hatte Otto Hahn sie vorgeschlagen. 1959 wurde in Berlin – in Anwesenheit beider Namensgeber – das [[Helmholtz-Zentrum Berlin für Materialien und Energie|„Hahn-Meitner-Institut für Kernforschung“]] (HMI) offiziell eingeweiht. 1960 siedelte Lise Meitner zu ihrem Neffen Otto Frisch nach [[Cambridge]] über, wo sie die letzten acht Jahre ihres Lebens verbringen sollte. Bis zu ihrem Tod mit 89 Jahren machte sie sich für eine friedliche Nutzung der Kernspaltung stark. Lise Meitner starb am 27. Oktober 1968, im selben Jahr wie Otto Hahn. == Werk == Lise Meitners Werk wird sehr häufig auf die erste, zusammen mit Otto Frisch formulierte, physikalisch-theoretische Deutung der Kernspaltung reduziert. Diese war zweifellos von großer Bedeutung für die Entwicklung der militärischen und friedlichen Nutzung der Kernenergie, wurde aber später durch eine umfassende Theorie der Kernspaltung von [[Niels Bohr]] und [[John Archibald Wheeler]] ersetzt. Lise Meitner selbst beobachtete die Nutzbarmachung der Kernenergie für Waffensysteme äußerst kritisch. Sie ähnelte darin ihrem langjährigen Partner Otto Hahn und anderen Pionieren der Kernphysik wie etwa Albert Einstein (der jedoch, auf Vorschlag von [[Leó Szilárd]], [[Franklin D. Roosevelt]] dringend zum Bau der US-Atombombe aufforderte). Meitner selbst hat allerdings nie irgendeinen Appell für die Öffentlichkeit unterzeichnet und sich mit persönlichen Äußerungen zu diesem Thema zurückgehalten. Neben den allgemein bekannten Arbeiten erweiterte Lise Meitner vor allem die Kenntnis über das Wesen der Radioaktivität. Die meisten ihrer Arbeiten waren Untersuchungen der [[Radioaktivität]], insbesondere der [[Alphastrahlung|Alpha-]] und [[Betastrahlung]]. Dabei konzentrierte sie sich auf die Wirkung dieser Strahlen auf verschiedene Materialien. Sie entdeckte gemeinsam mit Otto Hahn eine Reihe radioaktive Isotope, darunter [[Protactinium]] 231, [[Actinium]] C und [[Thorium]] D. Wesentliche Beiträge lieferte Lise Meitner auch zum Verständnis des Aufbaus der [[Atomkern]]e sowie der Energiefreisetzung beim [[Radioaktivität|radioaktiven Zerfall]]. Gemeinsam mit Otto Frisch veröffentlichte sie eine Reihe von Werken, die die physikalischen Grundlagen der Kernphysik erklärten und beleuchteten. Besonders in den Jahren nach 1945 konzentrierte sie sich daneben zunehmend auf gesellschaftliche Fragen der Atomphysik und stellte die Entwicklung der Kernwaffen und die Nutzung der Kernenergie in Frage. Über das Privatleben von Lise Meitner ist nichts bekannt. Nach Aussagen von Otto Hahn und Max Planck war sie extrem zielgerichtet bei ihren Untersuchungen und arbeitete sehr hart, um Lösungen zu finden und Ergebnisse zu bekommen. Sie liebte die Natur und zog sich zum Nachdenken über theoretische Probleme gerne in den Wald zurück. Neben ihrer Forschung galt ihr persönliches, aber doch sehr zurückhaltendes Engagement vor allem dem Einsatz für den Frieden, die bedachte Nutzung der Kernenergie sowie der Gleichberechtigung der Frauen in den Wissenschaften. Sie selbst sagte einmal: :„''Ich liebe Physik, ich kann sie mir schwer aus meinem Leben wegdenken. Es ist so eine Art persönlicher Liebe, wie gegen einen Menschen, dem man sehr viel verdankt. Und ich, die ich so sehr an schlechtem Gewissen leide, bin Physikerin ohne jedes böse Gewissen.''“ == Ehrungen == [[Datei:Freie Universitaet Berlin - Gedenktafel fuer Lise Meitner und Max Delbrueck.jpg|thumb|Gedenktafel an Lise Meitners ehemaliger Wirkungsstätte in Berlin ''(Thielallee 63; seit 1948: Otto-Hahn-Bau der [[FU Berlin]])'']] [[Datei:Stamps of Germany (Berlin) 1988, MiNr 812.jpg|thumb|Lise Meitner auf einer deutschen Briefmarke (1988) der Dauerserie [[Frauen der deutschen Geschichte]]]] Bis zu ihrem Tod erhielt Lise Meitner 21 wissenschaftliche (darunter 5-mal [[Ehrendoktor|Dr. h. c.]], 12-mal Mitglied verschiedener Akademien) und öffentliche Auszeichnungen für ihr Werk und ihr Leben. 1947 erhielt sie den Ehrenpreis der Stadt Wien für Wissenschaft. Sie war das erste weibliche Mitglied der naturwissenschaftlichen Klasse der österreichischen [[Akademie der Wissenschaften]] und Ehrendoktorin an verschiedenen Universitäten. 1949 erhielt sie gemeinsam mit Otto Hahn die [[Max-Planck-Medaille]], 1955 den [[Otto-Hahn-Preis|Otto-Hahn-Preis für Chemie und Physik]]. 1966 wurde sie zusammen mit Otto Hahn und Fritz Straßmann mit dem [[Enrico-Fermi-Preis]] ausgezeichnet. Das chemische Element [[Meitnerium]] wurde 1997 nach ihr benannt, und zusammen mit Otto Hahn ist sie Namensgeberin für das [[Hahn-Meitner-Institut]] in Berlin. Auch weitere öffentliche Einrichtungen wie Schulen und Straßen wurden in zahlreichen Städten nach ihr benannt. Die [[IAU|International Astronomical Union]] ehrte sie durch die Benennung des Kleinplaneten Meitner (6999)<ref> [http://ssd.jpl.nasa.gov/sbdb.cgi?sstr=6999+Meitner JPL Small-Body Database Browser] 6999 Meitner (4379 T-3) abgerufen 10. Dez. 2009</ref> und eines [[Meitner (Mondkrater)|Kraters auf dem Erdmond]] und auf der Venus. 2008 wurde der ABC-Abwehrschule des [[Österreichisches Bundesheer|Österreichischen Bundesheeres]] der Traditionsname „Lise Meitner“ verliehen. Obwohl Lise Meitner drei Mal dafür nominiert wurde, blieb ihr der [[Nobelpreis für Physik]] versagt. 1945 wurde Otto Hahn für die Entdeckung und den radiochemischen Nachweis der Kernspaltung mit dem [[Nobelpreis für Chemie]] für das Jahr 1944 geehrt. Sie erhielt 1967 das [[Österreichisches Ehrenzeichen für Wissenschaft und Kunst]]. == Werke (Auswahl) == Lise Meitner veröffentlichte 169 Arbeiten<ref>Zusammenstellung (unvollständig) von Arbeiten als Haupt- oder Nebenautor ([http://bibliothek.bbaw.de/kataloge/literaturnachweise/meitner/literatur.pdf PDF])</ref>, eine kleine Auswahl davon soll hier vorgestellt werden: * {{Literatur|Autor=L. Meitner |Titel=Wärmeleitung in inhomogenen Körpern|Jahr=1906|Ort=|Kommentar=Dissertation}} * {{Literatur|Autor=L. Meitner |Titel=Über die Absorption der α- und β-Strahlen|Sammelwerk=Phys. Z.|Band=7|Jahr=1906| Seiten=588–590}} * {{Literatur|Autor=O. Hahn, L. Meitner|Titel=Die Muttersubstanz des Actiniums, ein Neues Radioaktives Element von Langer Lebensdauer|Sammelwerk=Phys. Z|Band=19|Jahr=1918|Seiten=208–218}} * {{Literatur|Autor=O. Hahn, L. Meitner|Titel=Über das Protactinium und die Frage nach der Möglichkeit seiner Herstellung als chemisches Element|Sammelwerk=Die Naturwissenschaften|Band=7|Nummer=33|Jahr=1919|Seiten=611–612|DOI=10.1007/BF01498184}} * {{Literatur|Autor=L. Meitner|Titel=Über die b-Strahl-Spektra und ihren Zusammenhang mit der g-Strahlung|Jahr=1922|Sammelwerk=Zeitschrift für Physik|Band=11| Seiten=35-54}} * {{Literatur|Autor=L. Meitner|Titel=Über den Aufbau des Atominnern|Sammelwerk=Die Naturwissenschaften|Band=15|Jahr=1927|Nummer=16| Seiten=369-378|DOI=10.1007/BF01504760}} <!-- * 1927: ''Der Zusammenhang von α- und β-Strahlen'' Quelle nicht auffindbar, bitte nachtragen--> * {{Literatur|Autor=L. Meitner, [[Max Delbrück (Biophysiker)|M. Delbrück]]|Titel= Der Aufbau der Atomkerne: natürliche und künstliche Kernumwandlungen|Ort=Berlin|Jahr=1935|Verlag=}} * {{Literatur|Autor=L. Meitner, O. Frisch|Titel=Disintegration of Uranium by Neutrons: a New Type of Nuclear Reaction|Sammelwerk=Nature|Band=143|Seiten=239–240|Jahr=1939|DOI=10.1038/143239a0}} * {{Literatur|Autor=L. Meitner, O. Hahn|Titel=Atomenergie und Frieden|Sammelwerk= Schriftenreihe der Österr. UNESCO-Kommission|Ort=Wien|Verlag=Frick |Jahr=1954}} * {{Literatur|Autor=L. Meitner|Titel=The status of women in the professions|Sammelwerk=Physics Today|Band=13|Nummer=8|Jahr=1960|Seiten=16–21}} * {{Literatur|Autor=L. Meitner|Titel=Wege und Irrwege zur Kernenergie|Sammelwerk=Naturwissenschaftliche Rundschau|Band=16|Jahr=1963|Seiten=167––169}} == Einzelnachweise == <references/> == Literatur == * Lise Meitner: ''Erinnerungen an Otto Hahn.'' Hrsg. von Dietrich Hahn. S. Hirzel, Stuttgart 2005. ISBN 3-7776-1380-0. * Thea Derado: ''Im Wirbel der Atome. Lise Meitner – Eine Frau geht ihren Weg.'' Kaufmann Verlag, 2007. ISBN 978-3-7806-3059-9. * O. Hahn: ''Vom Radiothor zur Uranspaltung.'' 1966 * Sabine Ernst (Hrsg.): ''Lise Meitner an Otto Hahn. Briefe aus den Jahren 1912 bis 1924.'' Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft, Stuttgart 1993. ISBN 3-8047-1254-1. * Charlotte Kerner: ''Lise, Atomphysikerin.'' Beltz, Weinheim 1998. ISBN 3-407-80742-2. * Patricia Rife: ''Lise Meitner and the Dawn of the Nuclear Age.'' Birkhäuser, Berlin 1999. ISBN 0-8176-3732-X. * Lore Sexl und Anne Hardy: ''Lise Meitner.'' Rowohlt, Reinbek 2002. ISBN 3-499-50439-1. * Ruth Lewin Sime: ''Lise Meitner. Ein Leben für die Physik.'' Insel, Frankfurt 2001. ISBN 3-458-17066-9. === Lise Meitner hören === * Lise Meitner: ''Die Frau in der Wissenschaft.'' supposé, Köln 2003, ISBN 3-932513-46-0 (Audio-CD, Originaltonaufnahmen, [http://www.suppose.de/texte/meitner.html Hörprobe]). == Weblinks == {{Wikiquote|Lise Meitner}} {{Commons|Lise Meitner}} * {{DNB-Portal|118580477}} * [http://posner.library.cmu.edu/Posner/books/pages.cgi?call=508_M51Z&layout=vol0/part0/copy0&file=0167 Aufsatz von Meitner] * [http://www.univie.ac.at/biografiA/daten/text/bio/meitner.htm Porträt Lise Meitners mit Werkliste] {{LeMO|MeitnerLise|Lise Meitner}} * [http://www.sdsc.edu/ScienceWomen/meitner.html Porträt Lise Meitners (auf englisch)] * [http://www.gymnasiumunterhaching.de/html/lisemeitner.html Lise Meitner auf der Website des Lise-Meitner-Gymnasiums Unterhaching] * [http://www.lmgporz.de/rubrique.php3?id_rubrique=11 Lise Meitner auf der Website der Lise-Meitner-Gesamtschule Köln-Porz] * [http://janus.lib.cam.ac.uk/db/node.xsp?id=EAD%2FGBR%2F0014%2FMTNR The Papers of Lise Meitner] Janus, University of Cambridge {{Gesprochene Version|datei=Lise_meitner.ogg|}} {{Exzellent}} {{Normdaten|PND=118580477|LCCN=n/81/15638|VIAF=64160163}} {{SORTIERUNG:Meitner, Lise}} [[Kategorie:Physiker (20. Jahrhundert)]] [[Kategorie:Hochschullehrer (Humboldt-Universität zu Berlin)]] [[Kategorie:Mitglied der Akademie der Wissenschaften der DDR]] [[Kategorie:Träger des Bundesverdienstkreuzes (Ausprägung unbekannt)]] [[Kategorie:Träger des österreichischen Ehrenzeichens für Wissenschaft und Kunst]] [[Kategorie:Träger des Pour le Mérite (Friedensklasse)]] [[Kategorie:Wissenschaftliches Mitglied der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft]] [[Kategorie:Wissenschaftliches Mitglied der Max-Planck-Gesellschaft]] [[Kategorie:Deutschsprachiger Emigrant zur Zeit des Nationalsozialismus]] [[Kategorie:Person (Wien)]] [[Kategorie:Österreicher]] [[Kategorie:Schwede]] [[Kategorie:Geboren 1878]] [[Kategorie:Gestorben 1968]] [[Kategorie:Frau]] {{Personendaten |NAME=Meitner, Lise |ALTERNATIVNAMEN= |KURZBESCHREIBUNG=Atomphysikerin |GEBURTSDATUM=17. November 1878 |GEBURTSORT=[[Wien]] |STERBEDATUM=27. Oktober 1968 |STERBEORT=[[Cambridge]] }} [[ar:ليز مايتنر]] [[bg:Лиза Майтнер]] [[bn:লিজে মাইটনার]] [[ca:Lise Meitner]] [[cs:Lise Meitner]] [[da:Lise Meitner]] [[en:Lise Meitner]] [[eo:Lise Meitner]] [[es:Lise Meitner]] [[et:Lise Meitner]] [[fa:لیزه مایتنر]] [[fi:Lise Meitner]] [[fr:Lise Meitner]] [[gd:Lise Meitner]] [[gl:Lise Meitner]] [[he:ליזה מייטנר]] [[hr:Lise Meitner]] [[ht:Lise Meitner]] [[hu:Lise Meitner]] [[io:Lise Meitner]] [[is:Lise Meitner]] [[it:Lise Meitner]] [[ja:リーゼ・マイトナー]] [[ko:리제 마이트너]] [[nds:Lise Meitner]] [[nl:Lise Meitner]] [[nn:Lise Meitner]] [[no:Lise Meitner]] [[oc:Lise Meitner]] [[pl:Lise Meitner]] [[pms:Lise Meitner]] [[pt:Lise Meitner]] [[qu:Lise Meitner]] [[ro:Lise Meitner]] [[ru:Мейтнер, Лиза]] [[sk:Lise Meitnerová]] [[sl:Lise Meitner]] [[sq:Lise Meitner]] [[sr:Лиса Мајтнер]] [[sv:Lise Meitner]] [[tr:Lise Meitner]] [[uk:Ліза Майтнер]] [[zh:莉泽·迈特纳]] jlmj4l99c7s2z2rza4yhy8nnidclryn wikitext text/x-wiki Memmingen 0 23918 27384 27348 2010-06-08T03:42:15Z Trofobi 448 Änderung 27348 von [[Special:Contributions/84.58.237.48|84.58.237.48]] ([[User talk:84.58.237.48|Diskussion]]) wurde rückgängig gemacht. Du kummst hier net rein, guxtu! ;) {{Infobox Gemeinde in Deutschland |Art = Stadt |Wappen = Wappen Memmingen.svg |Breitengrad = 47/59/16/N |Längengrad = 10/10/52/E |Lageplan = Bavaria MM.svg |Bundesland = Bayern |Regierungsbezirk = [[Schwaben (Bayern)|Schwaben]] |Landkreis = <!-- bleibt leer bei kreisfreien Städten --> |Höhe = 601 |Fläche = 70.17 |PLZ = 87700 |PLZ-alt = 8940 |Vorwahl = 08331 |Kfz = MM |Gemeindeschlüssel = 09764000 |Gliederung = 7 [[Stadtteil]]e |Straße = Marktplatz 1 |Website = [http://www.memmingen.de/ www.memmingen.de] |Bürgermeister = [[Ivo Holzinger]] |Bürgermeistertitel= Oberbürgermeister |Partei = [[SPD Bayern|SPD]] }} [[Datei:MemmingenLuft2.JPG|miniatur|300px|Memmingen]] [[Datei:Blickueberoststadt1.JPG|miniatur|300px|Der Memminger Marktplatz – die Keimzelle der Stadt]] '''Memmingen''' ist eine [[kreisfreie Stadt]] im [[Bayern|bayerischen]] [[Schwaben (Bayern)|Regierungsbezirk Schwaben]]. Sie ist das zentral gelegene [[Oberzentrum]] und das Schul-, Verwaltungs- und Handelszentrum in der [[Region Donau-Iller]]. Das Stadtgebiet grenzt im Westen an die [[Iller]], den Grenzfluss zu [[Baden-Württemberg]] und ist nach Norden, Osten und Süden umgeben vom [[Landkreis Unterallgäu]]. Die zu [[Oberschwaben]] gehörende Stadt ist mit ihren ungefähr 42.000 Einwohnern die fünftgrößte Stadt im Regierungsbezirk Schwaben.<ref>{{internetquelle|url=http://www.memmingen.de/tourismus.html|titel=Quelle zu den 42.000 Einwohnern, Zweitwohnsitze eingeschlossen|zugriff=24. August 2009}}</ref> Die Ursprünge der Stadt reichen bis in die Römerzeit. Die Altstadt gehört mit ihren vielen Plätzen, Bürger- und Patrizierhäusern, Palästen und der Stadtbefestigung zu den am besten erhaltenen Süddeutschlands. Durch die gute Verkehrsanbindung auf Straße, Schiene und in der Luft ist sie der Verkehrsknoten Oberschwabens, des Allgäus und Mittelschwabens. Wegen der Nähe zum Allgäu wird die Stadt auch ''Das Tor zum Allgäu'' genannt. Der Slogan der Stadt lautet ''„Memmingen&nbsp;– Stadt mit Perspektiven“''. In neuerer Zeit kommt auch ''„Memmingen&nbsp;– Stadt der Menschenrechte“'' auf, was vor allem mit der neuen Wahrnehmung der [[Zwölf Artikel]] und dem [[Memminger Freiheitspreis 1525]] zusammenhängt. Alle vier Jahre zu den [[Wallensteinfestspiele (Memmingen)|Wallensteinfestspiele]]n wird Memmingen auch ''Wallensteins Memmingen'' genannt. == Geographie == [[Datei:Karte memmingen2.jpg|miniatur|Übersichtskarte]] [[Datei:Karte memmingen3 altstadt.jpg|miniatur|Altstadt mit Sehenswürdigkeiten]] === Geographische Lage === Memmingen liegt nahe der [[Bayern|bayerischen]] Westgrenze zu Baden-Württemberg an der [[Iller]], etwa 50&nbsp;Kilometer südlich von [[Ulm]] und 115&nbsp;Kilometer südwestlich von [[München]] im Memminger Trockental, das dem Iller-Gletscher während der letzten Eiszeit als Hauptabflussrinne diente. Das Memminger Trockental gehört geographisch zum Bereich [[Oberschwaben|Ober-]] beziehungsweise [[Mittelschwaben]]. Natürlich begrenzt wird das Stadtgebiet im Westen durch die Buxacher Halde, im Südosten durch das [[Benninger Ried]], im Osten durch die Talflanke, auf der die Gemeinde Memmingerberg liegt. Im Nordosten begrenzt der Stadtteil Eisenburg das Stadtgebiet. Die Frage ob Memmingen im Allgäu liegt, wird von der Stadtverwaltung aus touristischen Gründen meist bejaht. Aufgrund der kultur- und bauhistorischen Geschichte ist Memmingen jedoch dem Bereich Oberschwaben zuzurechnen.<ref> Memminger Forum für schwäbische Regionalgeschichte 9. bis 11. November 2007 im Rathaus Memmingen </ref> === Geologie === Memmingen und seine Stadtteile befinden sich auf einem alten Gletscherplateau. Der Boden ist in der Kernstadt meist sandig, in den Ortsteilen und dem Memminger Westen lehmig. An einigen Stellen hat der Gletscher Kiesvorkommen hinterlassen (z. B. auf der Steinheimer Flur). Im Osten ist der Grundwasserspiegel sehr hoch (meist 1,5–2,5 Meter unter der Erdoberfläche), hier entspringen viele kleinere Bäche, die Stadt liegt teilweise auf altem Moorgebiet. Von hier wurden bereits zu Stadtgründungszeiten Gewässer gebündelt und in die Stadt geleitet. Dadurch entstand/entsteht die [[Memminger Ach]]. Das Industriegebiet Nord befindet sich auf einem fruchtbaren, humusreichen Boden und war ehemals die Kornkammer Oberschwabens. Heute werden nur noch Randgebiete in Richtung Heimertingen und Buxheim landwirtschaftlich genutzt. Der Ortsteil Eisenburg liegt auf einer Ansammlung von größeren, durch den Gletscher zusammengedrückten Steinformationen, die ein eigenes Hochplateau bilden.<ref> lt. Amt für techn. Umweltschutz MM, Bauamt MM, Umweltamt MM </ref> Geografische Daten der Stadt Memmingen: * Tiefster Punkt: 562 Meter über NN * Höchster Punkt: 679 Meter über NN (Wasserspeicher im Eisenburger Wald) * Das Ortsmittel beträgt 595 Meter über NN (Marktplatz) === Ausdehnung des Stadtgebiets === Das Stadtgebiet Memmingens misst in der größten Nord-Süd-Ausdehnung 14,6 Kilometer, in der Ost-West-Richtung sind es 11,3 Kilometer. Das Stadtgebiet besteht aus den [[Gemarkung]]en Memmingen, Amendingen, Buxach, Dickenreishausen, Eisenburg, Ferthofen, Steinheim, Volkratshofen sowie einem Teil der Gemarkung Buxheim (der andere Teil der Gemarkung bildet die [[Gemeinde (Deutschland)|Gemeinde]] [[Buxheim (Schwaben)|Buxheim]]). Die Gesamtfläche beträgt 70,14 Quadratkilometer, die sich in folgende Nutzungsarten aufteilt: Die landwirtschaftliche Nutzfläche beträgt 3530 [[Hektar]]. Mit Wald sind 1709 Hektar bepflanzt. Die Gewässerflächen betragen 51 Hektar. Der Bereich der öffentlichen Verkehrsflächen nimmt mit 530 Hektar einen vergleichsweise hohen Wert ein, ebenso die Erholungs- und Grünflächen mit 75 Hektar. === Stadtgliederung === Zur Stadt Memmingen gehören die Ortsteile Memmingen, [[Amendingen]], Bleiche, Brunnen, [[Buxach]], [[Buxach]]ermühle, [[Dickenreishausen]], ein Teil des Ortes Egelsee, [[Eisenburg (Memmingen)|Eisenburg]], [[Ferthofen]], [[Grünenfurt]], [[Hart (Memmingen)|Hart]], Hitzenhofen, Illerfeld, Priemen, Schnaid, [[Steinheim (Memmingen)|Steinheim]], Unterhart und [[Volkratshofen]]. === Klima === Memmingen liegt bei der Jahresdurchschnittstemperatur und der Niederschlagsmenge im Durchschnitt der [[Gemäßigte Zone|gemäßigten Zone]]. Der Niederschlag ist meist etwas höher und die Tiefsttemperaturen etwas niedriger. Im Frühjahr und Herbst ist durch die nahe [[Iller]] und die durch die Stadt fließende [[Memminger Ach]] dichter Nebel in der Altstadt und den westlichen Stadtteilen recht häufig. Der kälteste Monat ist der Januar mit einer durchschnittlichen Tagestiefsttemperatur von -5&nbsp;°C und einer durchschnittlichen Tageshöchsttemperatur von +2&nbsp;°C. Die wärmsten Monate sind die Monate Juli und August mit je 12&nbsp;°C durchschnittlicher Tiefsttemperatur und 24&nbsp;°C durchschnittlicher Höchsttemperatur. <div class="BoxenVerschmelzen"> <div class="NavFrame"> <div class="NavHead" style="text-align:left">Ausführliche Klimadiagramme</div> <div class="NavContent"> <center> {{Klimatabelle| | TABELLE = | DIAGRAMM TEMPERATUR = | DIAGRAMM NIEDERSCHLAG = | QUELLE = Max. und Min. Temperatur: {{Internetquelle|url=http://weather.msn.com/monthly_averages.aspx?wealocations=wc:GMXX0256|titel=Foreca Daten auf MSN Weather|zugriff=April 2009}}; Temperatur und Niederschlag: Deutscher Wetterdienst | Überschrift = Durchschnittliche Temperatur- und Niederschlagswerte | Ort = Memmingen | hmjan = 2 | hmfeb = 4 | hmmär = 8 | hmapr = 11 | hmmai = 17 | hmjun = 20 | hmjul = 24 | hmaug = 24 | hmsep = 19 | hmokt = 14 | hmnov = 7 | hmdez = 4 | lmjan = -5 | lmfeb = -4 | lmmär = 0 | lmapr = 6 | lmmai = 8 | lmjun = 10 | lmjul = 12 | lmaug = 12 | lmsep = 9 | lmokt = 5 | lmnov = 0 | lmdez = -3 | avjan = -1.5 | avfeb = -0.2 | avmär = 3.2 | avapr = 7.1 | avmai = 11.9 | avjun = 15.3 | avjul = 17.2 | avaug = 16.4 | avsep = 13.2 | avokt = 8.3 | avnov = 2.9 | avdez = -0.5 | nbjan = 50.7 | nbfeb = 49.9 | nbmär = 58.9 | nbapr = 82.8 | nbmai = 105.7 | nbjun = 135.4 | nbjul = 122.4 | nbaug = 130.5 | nbsep = 91.8 | nbokt = 64 | nbnov = 68.5 | nbdez = 56.5 }} </center> </div></div></div></div> === Panoramaansicht === {{Große Imagemap|<imagemap>Datei:MMPanoramaFrauenkirchturm.jpg|2000px rect 3150 740 3325 1240 [[Kempter Tor]] rect 4475 775 4550 850 [[Soldatenturm]] rect 5525 575 5750 725 [[St. Josef (Memmingen)]] rect 5525 725 5675 875 [[Lindauer Tor]] rect 5875 650 6025 775 [[Bismarckschule (Memmingen)]] rect 6775 550 7075 725 [[St. Martin (Memmingen)]] rect 7625 650 7725 725 [[Rathaus (Memmingen)]] rect 7425 900 7625 1150 [[Augustinerinnenkloster Memmingen]] rect 7625 875 7950 1050 [[Landestheater Schwaben]] rect 7950 575 8200 900 [[Kreuzherrenkloster Memmingen]] rect 8125 900 8400 1200 [[Siebendächerhaus]] rect 9475 550 9525 600 [[Herrschaft Eisenburg]] rect 9500 750 9825 850 [[Bahnhof Memmingen]] rect 9775 550 9975 725 [[Mariä Himmelfahrt (Memmingen)]] rect 11250 700 11650 900 [[Justizvollzugsanstalt Memmingen]] desc bottom-left</imagemap>|Panoramaansicht von Memmingen im Juli 2008, kurz vor Umgestaltung des Elsbethen- und Schrannenplatzareals. Fotografiert vom Kirchturm der [[Unser Frauen (Memmingen)|Frauenkirche]] aus.}} == Geschichte == === Geschichte der Stadt Memmingen === {{Hauptartikel|Geschichte der Stadt Memmingen}} [[Datei:Postkurs1490.jpg|miniatur|Der [[Niederländischer Postkurs|Postkurs]] am Ende des Mittelalters]] Die ersten Besiedlungsspuren sind bereits in der Steinzeit durch Funde an der Iller bei Ferthofen belegt.<ref>*{{Literatur |Autor=Michael Dapper |Titel=Die Geschichte der Stadt Memmingen- Von den Anfängen bis zum Ende der Reichsstadt |Verlag=[[Konrad Theiss Verlag]] |Ort=Stuttgart |Jahr=1997 |ISBN=3-8062-1315-1 |Seiten=21 ff.}}</ref> Erste Baufunde stammen aus der Römerzeit. Vermutlich befand sich hier ein kleiner [[Bewachung|Wacht]]- und Siedlungsposten. Hierfür kommen zwei Namen, ''Cassiliacum'' <ref>Jochen Garbsch/ Peter Kos: ''Das spätrömische Kastell Vemania bei Isny. Zwei Schatzfunde des frühen vierten Jahrhunderts.'' Beck, München 1988, ISBN 3-406-33303-6 (Münchner Beiträge zur Vor- und Frühgeschichte 44), S. 109</ref> oder ''Viaca'', in Betracht. Reste der Siedlung befinden sich unter der [[St. Martin (Memmingen)|St.-Martins-Kirche]] und dem [[Antoniterkloster Memmingen|Antoniterkloster]]. Ob nach Abzug der Römer direkt ein neuer ''Herr'' die Siedlung übernahm, ist nicht feststellbar. Da der Bereich des [[Kloster St. Gallen|Klosters St. Gallen]] kurz vor Memmingen endete, müssen vor allem im [[Kloster Sankt Stephan Augsburg|Kloster Augsburg]] Unterlagen über die Fluren vorhanden gewesen sein. Durch die mehrfache Zerstörung der Augsburger Bibliothek gingen unwiederbringliche Dokumente verloren. Aufgrund der Endung -ingen kann allerdings von einer Namensgebung um das 4. und 5. Jahrhundert ausgegangen werden. Ziemlich sicher ist, dass im 5. Jahrhundert eine [[Alemannen|alemannische]] Siedlung gegründet wurde. Ab dem 7. Jahrhundert wird ein [[Franken (Volk)|fränkischer]] Königshof vermutet. Damals muss die erste Kirche erbaut worden sein. Unter der [[Unser Frauen (Memmingen)|Frauenkirche]] befinden sich Reste romanischen beziehungsweise frühromanischen Baustils. Der Name ''Memmingen'' ist vermutlich auf einen Königshof bei der Siedlung des ''Mammo'' zurückzuführen. Im Laufe der Zeit verschwand die Siedlung und nur der Name blieb bestehen. Durch die [[Salzstraße]] von [[Böhmen]], [[Österreich]] und [[München]] nach [[Lindau (Bodensee)|Lindau]] und die Straße von Norddeutschland in die [[Schweiz]] und nach [[Italien]] erlangte der Handelsposten zunehmende Bedeutung. Erstmalig erwähnt wurde der Ort ''Mammingin'' im Jahre 1128 in einer im [[Kloster Ochsenhausen]] verfassten Urkunde, in der die Verhandlung eines Streitfalles und ein [[Landtag (historisch)|Landtag]] von 1099 erwähnt werden. Daraus ist zu schließen, dass Memmingen für die [[Welfen]] bereits ein bedeutender Ort war, da Landtage nur in machtpolitischen Zentren stattfanden. Der Ort Memmingen ist relativ schnell zur Stadt herangewachsen. Ausgrabungen 1991 im Bereich des Antoniterklosters und des Marktplatzes belegen anhand von verschiedenen Funden, dass die Besiedelung im 9. Jahrhundert noch relativ spärlich gewesen sein muss. Im 11. und 12. Jahrhundert ist allerdings ein hohes Bevölkerungswachstum erkennbar. Der andauernde Streit mit den Welfen veranlasste 1130 den [[Staufer]] [[Friedrich II. (Schwaben)|Friedrich von Schwaben]] dazu, neben Memmingen auch [[Ravensburg]] und [[Weingarten (Württemberg)|Altdorf]] (heute Weingarten) zu zerstören. Memmingen brannte damals bis auf die Grundmauern ab. Noch heute zeugen Aschespuren im Boden von dieser Untat. 1142 siegelte [[Heinrich der Löwe]] in der ''Villa nostra Maemingen''. Im Februar 1151 trafen sich in der Stadt Heinrich der Löwe, [[Welf VI.]], der Stauferherzog [[Friedrich II. (Schwaben)|Friedrich II. von Schwaben]], Graf [[Adolf II. (Schauenburg und Holstein)|Adolf II.]], Gottfried von Ronsberg sowie mehrere staufische und welfische [[Ministeriale]], um einen Kompromiss im Streit zwischen den Welfen und den Staufern zu finden. Dieses Ereignis zeigt, welch hohen Rang der Ort bereits zu dieser Zeit gehabt haben muss. Im Jahr 1158 wurde Memmingen durch Herzog Welf VI. zur [[Stadt]] erhoben. Nach dessen Tod ging 1191 die Stadt an den Staufer [[Konrad II. (Schwaben)|Konrad]], den Bruder Kaiser [[Heinrich VI. (HRR)|Heinrichs VI.]]. Der letzte Staufer, [[Konradin von Hohenstaufen]], starb 1268 in [[Neapel]]. Damit fiel die Stadt an das Reich zurück, wurde 1286 durch den [[Römisch-deutscher König|römisch-deutschen König]] [[Rudolf I. (HRR)|Rudolf I. von Habsburg]] zur [[Freie Reichsstadt|Freien Reichsstadt]] erklärt und damit direkt dem deutschen König unterstellt. Sie erhielt die königliche Bestätigung des tradierten Stadtrechts und wurde mit Überlinger Recht ausgestattet. Zehn Jahre später erhielt Memmingen zusätzlich das Ulmer Recht. Vom 14. bis zum 16. Jahrhundert war die Blütezeit der Reichsstadt. Dies zeigte sich vor allem in der regen Bautätigkeit, im Handel und im Aufblühen der Kultur. [[Datei:BettelturmMM.JPG|miniatur|Der 1471 erbaute Bettelturm]] 1445 wurde die Stadt letztmalig mit einem Mauergürtel, dem Ulmer Tor und vier neuen Türmen erweitert. Bereits 1478 errichtete Peter Fort eine Papiermühle. 1480 eröffnete [[Albrecht Kunne]] aus [[Duderstadt]] ein [[Druckerei|Druck-Offizin]], das bis 1520 rund 200 verschiedene Drucke veröffentlichte. Unter anderem wurde 1519 erstmals weltweit das Wort ''America'' als Bezeichnung des neuen Kontinents dort gedruckt (Jacob Stoppls ''Repertorium in formam alphabeticam…'').<ref> Städtisches Kulturamt Memmingen, Stadtarchiv Memmingen.</ref> Im 15. und 16. Jahrhundert besuchte Kaiser [[Maximilian I. (HRR)|Maximilian I.]] die Stadt insgesamt dreizehnmal. Er nannte sie seine ''Ruh- und Schlafzell''. Den wohl größten Künstler der Stadt, [[Bernhard Strigel]], ernannte er zu seinem Haus- und Hofmaler, der ihn erstmals 1504 porträtierte. Zu dieser Zeit entstand das Chorgestühl in [[St. Martin (Memmingen)|St. Martin]], das zu den bedeutendsten Deutschlands zählt. Der großen Handelstätigkeit der Patrizierfamilien der Stadt ist es zu verdanken, dass sie zu Reichtum kam. Bereits 1505–1506 unternahm die [[Große Deutsche Kompangnie]] die erste Handelsfahrt von [[Portugal]] nach [[Indien]]. Die ''[[Vöhlin]]'' aus Memmingen, neben den [[Welser]]n aus Augsburg die zweiten Teilhaber der Kompagnie, finanzierten zwei Schiffe dieser Kompanie. Ab 1513 wurde in Memmingen die [[Reformation (Memmingen)|Reformation]] in Kirchenfragen eingeführt. Anfänglich war sie eine vom Volk ausgehende Bewegung. Nach der [[Memminger Disputation]] von 1525 gewann diese an Fahrt. Die Bevölkerung Memmingens verbündete sich im [[Deutscher Bauernkrieg|Bauernkrieg]] mit den aufständischen Bauern. Die oberschwäbischen Bauernhaufen hielten ihre Versammlung in Memmingen ab und gründeten dort ihre [[Christliche Vereinigung]]. Im Februar/März 1525 wurden die [[Zwölf Artikel]] verfasst, deren Urheberschaft gewöhnlich Sebastian Lotzer und Christoph Schappeler, einem Kürschnergesellen und einem Prädikanten in Memmingen, zugesprochen wurde. Nach einer Definition von [[Peter Blickle]], die er erstmals 1974 veröffentlichte, waren die Zwölf Artikel „Beschwerdeschrift, Reformprogramm und politisches Manifest“<ref>Peter Blickle, ''Die Revolution von 1525''. Münnchen 2004, S. 24.</ref> zugleich. Die Aktion der Bauern war nach ihm die erste verfassungsgebende Versammlung auf deutschem Boden.<ref>Peter Blickle, ''Von der Leibeigenschaft zu den Menschenrechten. Eine Geschichte der Freiheit in Deutschland'', München 2003, S. 90</ref> Blickle machte sich weiter eine Aussage des ehemaligen Bundespräsidenten [[Johannes Rau]] zu eigen, in der er die Zwölf Artikel „im Kern die Überzeugung von der Universalität der Menschenrechte“ nannte. „Mit dieser Überzeugung weisen sie weit über ihre Zeit hinaus. Als die Mütter und Väter den Artikel 1 des Grundgesetzes formuliert haben - <Die Würde des Menschen ist unantastbar> -, war das auch ein fernes Echo der Bauernartikel.“ <ref>Peter Blickle, ''Von der Leibeigenschaft zu den Menschenrechten. Eine Geschichte der Freiheit in Deutschland.'' München 2003, S. 91.{{internetquelle|url=http://www.memmingen.de/freiheitspreis.html#c4467|titel=Die Zwölf Artikel und Memmingen auf memmingen.de|zugriff=14. März 2009}}</ref><ref>Zwölf Artikel und Bundesordung der Bauern, Flugschrift "An die versamlung gemayner pawerschafft", Stadtarchiv Memmingen, Materialien zur Memminger Stadtgeschichte, Reihe A, H. 2, S. 1, S. 3 ff.</ref><ref>Unterallgäu und Memmingen, Edition Bayern, Haus der Bayerischen Geschichte, 2010, S. 60</ref> Als zweites nicht minder wichtiges Dokument gilt die [[Zwölf Artikel#Bundesordnung|Bundesordnung]].<ref name="sa.mem.de-918"> {{Internetquelle|url=http://stadtarchiv.memmingen.de/918.html?&layout=%3Fwegweiser_rubrik%3DKinder-%20und%20Jugend|titel=Die zwölf Bauernartikel|zugriff=April 2008}}.</ref>. Die Zusammenkunft aufgrund dieser Vereinbarung gilt als die erste ''verfassungsgebende Versammlung'' auf deutschem Boden.<ref>Peter Blickle: Die Geschichte der Stadt Memmingen, von den Anfängen bis zum Ende der Reichsstadtzeit, S. 393.</ref> Auch dadurch hielt die Reformation recht früh Einzug in der Stadt. Von St. Martin wurde die neue Lehre in die umliegenden Städte getragen. Memmingen bildete damit das religiöse Zentrum Oberschwabens, Mittelschwabens und des Allgäus. Dadurch gehörte die Stadt im Jahr 1529 zu den Vertretern der protestantischen Minderheit ([[Protestation zu Speyer|Protestation]]) am [[Reichstag zu Speyer]]. Ihre Bürgerschaft forderte die ungehinderte Ausbreitung des evangelischen Glaubens. [[Datei:De Merian Sueviae 174.jpg|miniatur|Memmingen um 1650, Kupferstich von Merian]] 1630 rückte die Stadt wieder in den Blickpunkt der europäischen Politik, als der [[Generalissimus]] [[Wallenstein]] im [[Dreißigjähriger Krieg|Dreißigjährigen Krieg]] in die Stadt einzog und dort für einige Wochen Ruhe in den Wirren der Zeit durchsetzte. In der Stadtchronik heißt es: „Es hat Glück und Heyl gewest!“.<ref> Stadtarchiv Memmingen, städtisches Protokoll von Hr. Vogelmann.</ref> Dort wurde er als Oberbefehlshaber der Kaiserlichen abgesetzt. Der [[Schweden]]könig [[Gustav II. Adolf (Schweden)|Gustav Adolf]] weilte 1632 in der Reichsstadt. Drei Jahre später wurde die Stadt von den kaiserlichen Truppen belagert und eingenommen. Erstmals bayerisch wurde Memmingen 1702, nachdem [[Bayerische Armee|bayerische Truppen]] die Stadt nach einer Belagerung eroberten. Im Rahmen der [[Mediatisierung]] nach dem [[Reichsdeputationshauptschluss]] fiel die Stadt 1803 an das [[Kurfürstentum Bayern]]. 1805 wurde sie durch französische Truppen letztmalig belagert und eingenommen. Zu dieser Zeit war Memmingen bekannt für sein Kunsthandwerk. So ließ sich beispielsweise der letzte russische [[Zar#Russland|Zar]] in Memmingen das noch heute erhaltene schmiedeeiserne Eingangstor für seine Residenz in [[Sankt Petersburg]] fertigen. [[Datei:Siebendaecherhaus1.JPG|miniatur|hochkant|Das gerettete Siebendächerhaus]] Aus dem Kurfürstentum Bayern entstand 1806 das Königreich Bayern. Mit der Zugehörigkeit zum Königreich Bayern verlor die Reichsstadt das vom römisch-deutschen König [[Albrecht II. (HRR)|Albrecht II. von Habsburg]] 1438 verliehene Privileg der Blutgerichtsbarkeit. Am 7. Juni 1834 fand vor 20.000 Schaulustigen in Memmingen die letzte öffentliche Exekution statt. Es war die Giftmörderin [[Ursula Brandmüller]] geb. Rabus aus Dickenreishausen. Im 19. Jahrhundert war ein langsamer wirtschaftlicher Niedergang zu beobachten, der sich erst 1862 mit dem städtischen Bau der [[Illertalbahn]] verlangsamte. Diese führte zu einer neuen wirtschaftlichen Blüte. In den Jahren 1927–1929 wurde der größte Kirchenbau zwischen dem Ersten und dem Zweiten Weltkrieg in Deutschland in Memmingen errichtet, ([[St. Josef (Memmingen)|St. Josef]]). Bürgermeister Dr. Berndl blieb während der nationalsozialistischen Zeit im Amt. [[Adolf Hitler]] wurde die Ehrenbürgerschaft der Stadt verliehen (wie in fast allen deutschen Städten). Es gab einen Adolf-Hitler-Platz in der Stadt. Die [[Synagoge]] am Schweizerberg wurde in der [[Pogrom]]nacht von 1938 zerstört, die jüdischen Bürger wurden später deportiert, die meisten kamen ums Leben. Heute erinnert ein Gedenkstein am Platz der früheren Synagoge an sie. Während des [[Zweiter Weltkrieg|Zweiten Weltkriegs]] blieb Memmingen nicht von Luftangriffen der Alliierten verschont; Grund dafür war der [[Fliegerhorst Memmingerberg]] der [[Luftwaffe (Wehrmacht)|Luftwaffe]]. Bei zwei Bombenangriffen wurde fast die gesamte südliche Altstadt, das Gerberviertel, dem Erdboden gleich gemacht. Insgesamt wurden über 30 % der Wohnbebauung zerstört, darunter Gebäude wie das [[Siebendächerhaus]], das jedoch sofort abgestützt und so vor der völligen Zerstörung bewahrt wurde. Auch das Bahnhofsviertel wurde zerstört. So kam Memmingen zu seinem dritten Bahnhofsbau, der bis zum Ende des 20. Jahrhunderts stand. Im Kriegsgefangenenlager ''Stalag VII B'' am Hühnerberg waren über 1250 Gefangene untergebracht, teilweise auch in Turnhallen, da das Lager überfüllt war. Krankheiten breiteten sich dort nicht flächendeckend aus.<ref> Die Geschichte der Stadt Memmingen – vom Neubeginn im königr. Bayern bis 1945, Seite 268–269.</ref> Oberbürgermeister Dr. Berndl übergab die Stadt widerstandslos den alliierten Streitkräften.<ref> Geschichtseinzelnachweise siehe Literatur, wo nichts anderes angegeben.</ref> [[Datei:Memmingen,_St._Martinskirche.jpg|miniatur|hochkant|[[Kreuzherrenkloster Memmingen|Kreuzherrenkloster]]]] Seit dem Zweiten Weltkrieg ist Memmingen eine prosperierende Stadt, deren Wirtschaftswachstum über dem bayerischen Durchschnitt liegt. <!--Seit dem Zweiten Weltkrieg durchgehend stärkeres Wachstum als der Durchschnitt? Quelle dafür? -> Landesamt für Statistik in Bayern--> Am 8.&nbsp;September 1952 besuchte Bundespräsident [[Theodor Heuss]] die Stadt und besichtigte die St.-Martins-Kirche. In den 1970er Jahren wurde in Memmingen als bisher einziges Mal eine Bundesstraße als Fußgängerzone ausgewiesen. In den 1980er Jahren erlangte Memmingen durch den größten [[Abtreibung]]sprozess in der Rechtsgeschichte der Bundesrepublik gegen einen örtlichen Gynäkologen traurige Berühmtheit. Als ''[[Memminger Prozess|Kreuzzug von Memmingen]]'', oder auch als ''Die Hexenprozesse von Memmingen'' ([[Der Spiegel]]), geriet die Stadt in den Blickpunkt der bundesdeutschen Öffentlichkeit. [[Datei:Bahnhof1MM.JPG|miniatur|Der Bahnhof in Modularbauweise]] 1993 wurde die Stadt zum [[Oberzentrum]] aufgestuft. 2000 fanden einige Großereignisse in Memmingen statt: die bis dahin erfolgreichste [[Landesgartenschau Memmingen 2000|Landesgartenschau]], die 475-Jahr-Feier der Verkündigung der zwölf [[Bauernartikel]]<ref name="sa.mem.de-918"/> und die [[Wallensteinfestspiele (Memmingen)|Wallensteinfestspiele]]. 2001 wurde der neue Bahnhof eingeweiht. Die [[Deutsche Bahn]] AG erprobte eine neuartige Modulbauweise, die relativ hohe Kosten verursachte. 2004 erhielt die Stadt den [[Bayerischer Qualitätspreis|Bayerischen Qualitätspreis]] als wirtschaftsfreundlichste Gemeinde Bayerns.<ref> {{internetquelle|url=http://www.memmingen.de/109.html|titel=Die offizielle Seite zum Qualitätspreisgewinn Memmingens|zugriff=März 2008}}.</ref> Im Jahr 2005 verlieh die Stadt erstmals den [[Memminger Freiheitspreis 1525]].<ref> {{internetquelle|url=http://www.memmingen.de/26.html|titel=Der Freiheitspreis auf memmingen.de|zugriff=März 2008}}.</ref> Der damalige [[Bundestagspräsident]] [[Wolfgang Thierse]] überreichte ihn [[Gyula Horn]]. In diesem Jahr fand auch die erste Blindenstadtführung in Deutschland statt. An Miniaturausfertigungen vieler städtischer Gebäude konnten sich auch Blinde Form und Aussehen vorstellen. 2007 startete der Linienflugverkehr auf dem [[Flughafen Memmingen]], der auf dem Gebiet der Gemeinden Memmingerberg, Benningen und Hawangen liegt. Im November 2009 wurden die Bauarbeiten an der [[Bundesautobahn 96|A 96]] abgeschlossen, seither ist sie von München durchgehend bis Lindau befahrbar. Am 20. März 2009 besuchte Bundespräsident [[Horst Köhler]] zusammen mit seiner [[Eva Luise Köhler|Frau]] die Stadt. Der Besuch fand anlässlich der Verleihung des zweiten [[Memminger Freiheitspreis 1525|Memminger Freiheitspreises 1525]] in der St. Martinskirche an den Schriftsteller [[Reiner Kunze]] statt. Am 11. April 2009 wurde die Stadthymne ''Memmingen blüht'' auf dem Theaterplatz vorgestellt.<ref name="bk-mm.de-musik">{{internetquelle|url=http://www.blumenkoenigin-mm.de/musik.html|titel=Informationen zur Stadthymne|zugriff=23. April 2009}}</ref> Der Finanzierungsvertrag zwischen Deutschland und der Schweiz für die Elektrifizierung der Bahnstrecke Geltendorf–Memmingen–Lindau wurde am 17. April 2009 im Memminger Rathaus vom Direktor des Schweizer Bundesamtes für Verkehr, Dr. Max Friedli und Klaus-Dieter Josel, [[Deutsche Bahn|DB]]-Konzernbevollmächtigter für den Freistaat Bayern, unterzeichnet.<ref>{{internetquelle|url=http://www.memmingen.de/index.php?eID=tx_nawsecuredl&u=0&file=uploads/media/Pressemitteilung_DB.pdf&t=1240602332&hash=335d20be437edc696816d9073d32b055|titel=offizielle Pressemitteilung der Deutschen Bahn AG zum Finanzierungsvertrag der Bahnstrecke Geltendorf-Memmingen-Lindau (PDF-Dokument)|zugriff=23. April 2009}}</ref> === Religionen === [[Datei:Blickaufstmartin2.JPG|miniatur|hochkant|Der Turm der St.-Martins-Kirche]] [[Datei:FrauenkircheMM1.JPG|miniatur|hochkant|Die Kirche ''Unser Frauen'']] Bis zur [[Reformation (Memmingen)|Reformation]], die in der Region von Memmingen ausging und sich nach Oberschwaben und im Allgäu ausbreitete, war Memmingen römisch-katholisch. Die Reformation wurde zuerst nach [[Ulrich Zwingli|zwinglischem]] Vorbild durch [[Christoph Schappeler]] durchgeführt. Diese Glaubensrichtung war allerdings politisch im Heiligen Römischen Reich deutscher Nation nicht durchsetzbar. Die Stadt Memmingen schloss sich auf dem [[Reichstag zu Augsburg]] 1530 nicht dem evangelisch-lutherischen "augsburgischen Bekenntnis" (''[[Confessio Augustana]]'') an, sondern formulierte zusammen mit drei anderen oberdeutschen freien Reichsstädten ([[Straßburg]], [[Konstanz]] und [[Lindau (Bodensee)|Lindau]]) eine eigene evangelische Bekenntnisschrift, das "Vierstädtebekenntnis" (''[[Confessio Tetrapolitana]]''). Erst nach dem Tod Zwinglis 1531 entschloss sich der Rat der Stadt die lutherische Lehre einzuführen. Ab diesem Zeitpunkt waren mit Ausnahme der Ordensbrüder der noch verbliebenen drei Klöster der Stadt und einige wenige aus der Bevölkerung alle evangelisch. Memmingen bildete das Zentrum der evangelisch-lutherischen Kirche Oberschwabens und des Allgäus. Auch eine jüdische Gemeinde hielt sich in der Stadt. Bis Memmingen 1802 bayerisch wurde, hatte die katholische Gemeinde fast keine Anhänger. Den katholischen Stadtbürgern wurden die Bürgerrechte nicht zugestanden, sie durften nicht wählen, keiner Zunft angehören und keine öffentlichen Ämter bekleiden. Den Klöstern wurden 1530 teilweise die Ländereien im Umland weggenommen; die Mönche vertrieben. Das Kloster Buxheim wurde Reichskartause und damit der Stadt entzogen. Die Kirche [[Unser Frauen (Memmingen)|Unser Frauen]] wurde ab 1530 als [[Simultankirche]] genutzt. Erst nach dem Ersten Weltkrieg wurde die römisch-katholische Kirche wieder in Memmingen aktiv. Bis zu diesem Zeitpunkt gab es nur eine römisch-katholische Gemeinde in der Stadt, die sich die Kirche mit den Mönchen des Augustinerordens teilte. Durch den Zuzug von Flüchtlingen aus den ehemaligen deutschen Ostgebieten bildeten sich neue Gemeinden. Waren bis zum Zweiten Weltkrieg noch etwa 98 % der Bürger evangelisch-lutherisch, zeigt sich heute ein anderes Bild. Am 31.&nbsp;Dezember 2008 waren noch insgesamt 28,0 % der Stadtbevölkerung evangelisch, 43,4 % gehörten der römisch-katholischen Kirche und 28,6 % einer anderen oder keiner Konfession an.<ref>Jahresbericht 2008 der Stadt Memmingen </ref> Durch die vielen Kirchen und Gemeinden ist das religiöse Leben in Memmingen lebendig. Die evangelisch-lutherische Stadtpfarrkirche [[St. Martin (Memmingen)|St. Martin]] mit der [[Kinderlehrkirche]] bildet das evangelische Zentrum der Stadt. In der Altstadt gibt es neben der Martinskirche die evangelisch-lutherische Kirche [[Unser Frauen (Memmingen)|Unser Frauen]], die [[Versöhnungskirche (Memmingen)|Versöhnungskirche]] im Westen, die [[Christuskirche (Memmingen)|Christuskirche]] im Osten, die [[Dreieinigkeitskirche (Buxach)|Dreieinigkeitskirche]] im Stadtteil [[Buxach]], die [[St. Martin (Memmingen-Steinheim)|St.-Martins-Kirche]] im Stadtteil Steinheim, die [[St. Agatha (Dickenreishausen)|St. Agatha-Kirche]] in Dickenreishausen und weitere Kirchen in den Stadtteilen Ferthofen und Volkratshofen. Durch die hohe Flüchtlingszahl, die Memmingen nach dem Zweiten Weltkrieg aufnahm, gibt es in Memmingen mehrere römisch-katholische Kirchen. Die Stadtpfarrkirche ist [[St. Josef (Memmingen)|St. Josef]]. Daneben gibt es im Stadtgebiet die Kirchen [[Augustinerkloster Memmingen|St. Johann Baptist]], [[Christi Auferstehung (Memmingen)|Christi Auferstehung]] im Westen, [[Mariä Himmelfahrt (Memmingen)|Mariä Himmelfahrt]] im Osten, [[St. Ulrich (Amendingen)|St. Ulrich]] im Stadtteil Amendingen und [[St. Johann Nepomuk (Memmingen)|St. Nepomuk]] im Stadtteil Eisenburg. Die ehemals zu Buxheim gehörende Kirchengemeinde Amendingen wurde nach der [[Säkularisation in Bayern|Säkularisation]] zur selbständigen Gemeinde erhoben. Heute gehören die Pfarreien Eisenburg und [[Trunkelsberg]] ebenfalls zum Zuständigkeitsbereich des Pfarrers in [[Amendingen]]. Im Memminger Norden gibt es die St. Josefs-Kirche der [[Priesterbruderschaft St. Pius X.]]. Auch freikirchliche Gemeinden sind in der Stadt angesiedelt. Mit eigenen Kirchenbauten sind die SELK-Matthäusgemeinde, die Pius-Priesterbruderschaft St. Pius X. und die Friedenskirche der [[Bund Evangelisch-Freikirchlicher Gemeinden|Evangelisch-Freikirchlichen Gemeinde]] (Baptisten) am Hühnerberg vertreten. Die [[Neuapostolische Kirche]] befindet sich in der Zeppelinstraße, der Königreichssaal der [[Zeugen Jehovas]] im Osten der Stadt.<ref> {{internetquelle|url=http://www.memmingen.de/44.html|titel=Die Zusammenstellung aller Memminger Kirchen und Religionsgemeinschaften|zugriff=April 2008}} </ref> Die [[Synagoge]] am Schweizerberg der ehemaligen [[Jüdische Gemeinde Memmingen|Jüdischen Gemeinde Memmingen]] wurde in der [[Pogromnacht]] zerstört.<ref> {{internetquelle|url=http://www.alemannia-judaica.de/memmingen_synagoge.htm|titel=Die Geschichte der Memminger Juden|zugriff=April 2008}} </ref> Die [[Fatih-Moschee (Memmingen)|Fatih-Moschee]] (deutsch: Eroberer-Moschee) der muslimischen Gemeinde befindet sich in einem ehemaligen [[Deutsche Telekom|Telekomgebäude]] in der Schlachthofstraße. Die Namensgebung war in der Bevölkerung nicht unumstritten und wurde diskutiert.<ref> Memminger Zeitung, 28. April 2008, Seite 33 ''Eröffnung der neuen Fatih-Moschee mit dreieinhalb Stunden Programm gefeiert'', sowie die Leserbriefe auf diesen Artikel. </ref> === Eingemeindungen === Im Zuge der [[Gebietsreform in Bayern|Gebietsreform]] wurden 1972 die Stadtrandgemeinden [[Amendingen]] (3711 Einwohner), [[Buxach]] mit [[Hart (Memmingen)|Hart]] (669 Einwohner) und [[Eisenburg (Memmingen)|Eisenburg]] (1500 Einwohner) eingemeindet. 1976 folgten [[Dickenreishausen]] (830 Einwohner) und [[Steinheim (Memmingen)|Steinheim]] (2827 Einwohner). Zuletzt wurde 1978 [[Volkratshofen]] mit [[Ferthofen]] (1379 Einwohner) nach Memmingen eingegliedert. === Einwohnerentwicklung === Seit dem 19. Jahrhundert ist die Einwohnerzahl ständig gewachsen und liegt heute bei 41.118. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden über 10.000 Flüchtlinge der ehemaligen deutschen Ostgebiete nach Memmingen umgesiedelt. Ein weiterer außergewöhnlicher Wachstumsschub war 1972 zu verzeichnen, als sich im Rahmen der [[Gebietsreform in Bayern|Gebietsreform]] das Stadtgebiet mehr als verdoppelte. Seit 1990 hat die Bevölkerung um circa 4,5 % zugenommen. Das [[Bayerisches Landesamt für Statistik und Datenverarbeitung|Landesamt für Statistik in Bayern]] sagt für die Stadt Memmingen gegen den bundesdeutschen Trend bis 2020 ein Bevölkerungswachstum von circa 2,5 % voraus. 18,2 % der Bevölkerung waren am 31. Dezember 2006 unter 18 Jahren, weitere 60,5 % verteilten sich auf die 18- bis 65-Jährigen. Die über 65-jährigen Menschen machten weitere 21,3 % der Bevölkerung aus. 48,3 % der Bevölkerung sind männlichen, 51,7 % weiblichen Geschlechts.<ref> {{internetquelle|url=https://www.statistikdaten.bayern.de/genesis/online/logon|titel=Statistiken auf der Genesis-Datenbank des Landesamtes für Statistik in Bayern|zugriff=März 2008}} </ref> [[Datei:EinwohnerMemmingen.JPG|miniatur|hochkant=1.66|Diagramm zur Einwohnerentwicklung Memmingens]] {| class="prettytable" |- class="hintergrundfarbe5" ! colspan="10" | Einwohnerentwicklung der Stadt Memmingen ab dem 15. Jahrhundert bis 2007<ref>(*) = Volkszählung</ref><ref><nowiki>**</nowiki> = Schätzungen</ref> |- class="hintergrundfarbe5" ! Jahr || Einwohner ! ! Jahr || Einwohner ! ! Jahr || Einwohner |- | align="right" | 15. Jahrh. || align="center" | 5.000** | style="white-space: nowrap; background-color:#eeeeee;"| | align="right" | 1900 || align="center" | 13.459* | style="white-space: nowrap; background-color:#eeeeee;"| | align="right" | 1975 || align="center" | 38.282 |- | align="right" | 16. Jahrh. || align="center" | 6.000** | style="white-space: nowrap; background-color:#eeeeee;"| | align="right" | 1925 || align="center" | 16.958* | style="white-space: nowrap; background-color:#eeeeee;"| | align="right" | 1982 || align="center" | 37.880 |- | align="right" | 1800 || align="center" | 6.000** | style="white-space: nowrap; background-color:#eeeeee;"| | align="right" | 1939 || align="center" | 19.532* | style="white-space: nowrap; background-color:#eeeeee;"| | align="right" | 1987 || align="center" | 38.127* |- | align="right" | 1830 || align="center" | 5.000** | style="white-space: nowrap; background-color:#eeeeee;"| | align="right" | 1950 || align="center" | 30.048* | style="white-space: nowrap; background-color:#eeeeee;"| | align="right" | 2006 || align="center" | 41.111 |- | align="right" | 1840 || align="center" | 9.044* | style="white-space: nowrap; background-color:#eeeeee;"| | align="right" | 1961 || align="center" | 34.549* | style="white-space: nowrap; background-color:#eeeeee;"| | align="right" | 2007 || align="center" | 41.021 |- | align="right" | 1871 || align="center" | 9.482* | style="white-space: nowrap; background-color:#eeeeee;"| | align="right" | 1970 || align="center" | 38.623* | style="white-space: nowrap; background-color:#eeeeee;"| | &nbsp; || &nbsp; |} : <small>* Volkszählung, ** Schätzung</small> === Dialekt und Sprachgebrauch === Der Memminger [[Dialekt]] unterscheidet sich sowohl vom [[Allgäuerisch]]en als auch vom württembergischen [[Oberschwäbisch]]en. Aufgrund der Zugehörigkeit zu [[Oberschwaben]] ähnelt er eher den im mittleren und unteren [[Illertal]] (z. B. der Städte [[Illertissen]] und [[Ulm]]) gesprochenen Dialekten. Als Beispiel für den Dialekt rund um Memmingen folgende Verse: {| class="prettytable" |- class="hintergrundfarbe5" ! Dialekt !! Hochdeutsch |- | <poem> Dr Fischrdag gaut mit em Mau, durch alle Generationa, ond sott ehm je a Feind entschtau, dau schiaß mer mit Kanona! </poem> | <poem> Der Fischertag geht mit dem Mond, durch alle Generationen, und sollte ihm je ein Feind entstehen dann schießen wir mit Kanonen! </poem> |- | <poem> Dr ‚Hoha Wacht‘ em Südschtadteck, reißt ma jetzt bald Garascha weg, dia sent ja wirklich grad koi Schmuck. Ettle sent scho arg vrkomma, dank am Raut der sich agnomma, dr Maur geit ihr Würde zruck. </poem> | <poem> Der ‚Hohen Wacht‘ am Südstadteck, reißt man jetzt bald die Garagen weg, diese sind ja wirklich gerade kein Schmuck. Viele sind schon sehr verkommen, dank dem Rat (Stadtrat) der sich angenommen, der Mauer wird die Würde zurückgegeben. </poem> |} Es wird häufig einfach vor die Ortschaft ein '''z''' gesprochen (z.&nbsp;B. i fahr heit no '''z'''’Memminga nei = Ich fahre heute noch nach Memmingen). Anstatt eines '''es''' wird auch häufig ein '''s''' gesprochen (z.&nbsp;B. geit’'''s''' sofort oin = gibt es sofort einen). Das '''s''' innerhalb der Wörter wird oft als '''sch''' ausgesprochen (z. B. Augsburg = Augschburg, Die Maske = D’Maschke). Wie jedoch in ganz Deutschland zu erkennen ist, wird der Dialekt immer mehr durch das Hochdeutsch verdrängt oder durch andere Dialekteinflüsse verfälscht. === Sagen und Legenden === {{Hauptartikel|Sagen über Memmingen}} Die bekannteste Memminger Sage handelt vom ''Memminger Mau''. Von ihr hat auch die Stadt ihren Spitznamen als ''Maustadt''. ''Gingen einstmals in klarer Vollmondnacht ein paar Memminger aus dem Goldenen Löwen heimwärts. Auf einmal sahen sie, wie sich der Mond, hierorts Mau genannt, in einem der großen Zuber spiegelte, die unter den Dachtraufen der Häuser zu Feuerlöschzwecken standen. Da kam einem plötzlich der geniale Gedanke, den Mond doch gleich herauszufischen, damit die Stadt zu beliebiger Zeit über sein Licht verfügen könne. Schnell war der Stadtfischer geholt, der rückte mit Netzen aller Art und seinen Knechten an und begann sein Werk. Von den Fenstern ringsum schauten die aufgeschreckten Bürger herunter, was sich da unten abspielte, und selbst aus den Nebengassen kamen sie hergelaufen, aber…''. Die Geschichte endet hiermit. Eine nahe Verwandtschaft mit den [[Schildbürger]]n kann erkannt werden. Eine weitere Anekdote mit dem Mau wird gerne erzählt, um die ''hinterwäldlerischen Kleinstädter'' des ausgehenden 18. Jahrhunderts darzustellen. ''Eines Tages kam eine junge Magd nach Lindau. Als sie spät abends den Mau scheinen sah, sagte sie: „Ja, dr Memminger Mau, scheint dr z’Lindau au?“.'' Eine relativ neue Geschichte gibt es seit der ersten [[Mondlandung]]. Der damalige Oberbürgermeister schickte nach der ersten erfolgreichen Mondlandung scherzeshalber der [[National Aeronautics and Space Administration|NASA]] einen Brief, in dem er bemängelte, dass man die Memminger ruhig erst hätte fragen können, ob man auf ''IHREM'' Mau herumspazieren dürfe. Die NASA antwortete prompt mit der Bitte um nachträgliche Erlaubnis. Es wurde Mondgestein versprochen, von dem allerdings bis heute nichts angekommen ist.<ref>{{internetquelle|url=http://stadtarchiv.memmingen.de/905.html|titel=Astronauten auf dem Memminger Mau|zugriff=18. September 2008}}</ref> Keine Legende ist, dass der Mondkrater ([[Walther (Mondkrater)|Walther]]) nach dem Memminger Astronomen [[Bernhard Walther]] (*ca. 1430 in Memmingen) benannt wurde. Einer der [[Sieben Schwaben]], der Spiegelschwab, kam der Legende nach aus Memmingen. Dieser putzte seine Nase mit seinem Ärmel so lange, bis daraus eine glatte, spiegelnde Fläche entstand.<ref> {{internetquelle|url=http://gutenberg.spiegel.de/index.php?id=5&xid=3251&kapitel=1&cHash=f86c7e46842#gb_found|titel=Die Geschichte der sieben Schwaben beim Projekt Gutenberg.de|zugriff=29.04.2008}} </ref> == Politik == Während der Oberbürgermeister seit 1966 von der [[SPD Bayern|SPD]] gestellt wird, bildet die [[CSU]] im Stadtrat traditionell die stärkste Fraktion. Auch in Parlamentswahlen fährt die CSU zumeist gute Ergebnisse ein. Die Stadtpolitik wird im Stadtrat überwiegend im Konsens der größeren Fraktionen („Koalition der Vernünftigen“) aus CSU, SPD, CRB (Christlicher Rathausblock Memmingen) und der Freien Wähler gestaltet. Die kleineren Parteien [[Ökologisch-Demokratische Partei|ÖDP]], [[Bündnis 90/Die Grünen|GRÜNEN]] und [[FDP Bayern|FDP]] bilden die Opposition. Harte Auseinandersetzungen gab es 2005 bei der Abstimmung über eine finanzielle Beteiligung der Stadt an der Allgäu-Initiative für den Ausbau des [[Flughafen Memmingen|Flughafens Memmingen]]. Der von ÖDP und Grünen initiierte Bürgerentscheid gegen die Beteiligung hatte keinen Erfolg. An der Spitze der Stadt steht der Oberbürgermeister, welcher in Bayern nach der Bayerischen Gemeindeordnung direkt vom ''Volk'' gewählt wird (die nächste Wahl findet 2010 statt). Er ist der oberste Repräsentant der Stadt und leitet die Stadtverwaltung. Als Stellvertreter werden zwei weitere Bürgermeister aus den Reihen des Stadtrates gewählt. In der Vergangenheit stellte immer die CSU als stärkste Fraktion im Stadtrat den zweiten Bürgermeister, während der dritte Bürgermeister der drittstärksten Fraktion angehörte. Die zweitstärkste Fraktion, die SPD, verzichtete bisher auf den dritten Bürgermeister, da der Oberbürgermeister bereits von ihr gestellt wurde. Memmingen bildet neben dem Doppelzentrum [[Ulm]]/[[Neu-Ulm]] das zweite [[Oberzentrum]] der [[Region Donau-Iller]]. Es übernimmt damit die zentrale Versorgungsfunktion für die Stadt und die umliegenden Landkreise Unterallgäu, Biberach und Ravensburg sowie Teile Neu-Ulms und des Oberallgäus. === Stadtrat === Die [[Kommunalwahlen in Bayern 2008|Kommunalwahl am 2. März 2008]] hatte folgendes amtliche Endergebnis:<ref> {{internetquelle|url=http://www.memmingen.de/fileadmin/wahl/stadtratswahl_2008.html|titel=Das Wahlergebnis|zugriff=März 2008}} </ref> {| class="prettytable" |- class="hintergrundfarbe5" align="center" | style="background: #ffffff;" | || [[Christlich-Soziale Union in Bayern|CSU]] || [[SPD Bayern|SPD]] || CRB&nbsp;¹ || [[Freie Wähler|FW]] || [[Bündnis 90/Die Grünen|GRÜNE]] || [[Ökologisch-Demokratische Partei|ödp]] || [[FDP Bayern|FDP]] || Gesamt |- align="center" | Sitze || 13 || 9 || 4 || 5 || 3 || 4 || 2 || 40 |- align="center" | Prozent || 32,2 % || 22,0 % || 10,8 % || 11,8 % || 6,7 % || 10,5 % || 5,9 % |} ¹ Christlicher Rathausblock Memmingen === Oberbürgermeister === * 1884–1909: [[Karl Scherer]] * 1910–1931: [[Fritz Braun]] * 1932–1945: [[Heinrich Berndl]] * 1945–1948: [[Georg Fey]], [[Christlich-Soziale Union in Bayern|CSU]] * 1948–1952: [[Lorenz Riedmiller]], [[SPD Bayern|SPD]] * 1952–1966: [[Heinrich Berndl]], [[Parteiloser|parteilos]] * 1966–1968: [[Rudolf Machnig]], SPD * 1968–1980: [[Johannes Bauer (Oberbürgermeister)|Johannes Bauer]], SPD * 1980–heute: [[Ivo Holzinger]], SPD === Stadthaushalt === Die Stadt gehört mit ihrer niedrigen Verschuldungsquote von 512&nbsp;Euro pro Kopf zu den am geringsten verschuldeten Städten Deutschlands.<ref> Memminger Zeitung, 12. März 2008, Seite 27 </ref> (deutschlandweit über 1300&nbsp;Euro). Die Stadt hatte im Jahr 2007 einen Verwaltungshaushalt von 94.925.160&nbsp;Euro und einen Vermögenshaushalt von 19.490.860&nbsp;Euro. Die Gewerbesteuereinnahmen betrugen ungefähr 40&nbsp;Millionen&nbsp;Euro, die Einkommensteuerzuweisungen circa 20&nbsp;Millionen&nbsp;Euro. Der Gewerbesteuersatz liegt seit 1973 unverändert bei 330&nbsp;vom&nbsp;Hundert. Die Grundsteuern wurden letztmalig im Jahr 2003 angepasst (die Grundsteuer A beträgt 260 v.&nbsp;H., die Grundsteuer B 350 v.&nbsp;H.). Im Jahr 2006 konnten circa 3&nbsp;Millionen&nbsp;Euro Schulden getilgt werden. Die Stadt verfügt über viele [[Stiftungen der Stadt Memmingen|Stiftungen]], welche teilweise noch aus dem Mittelalter stammen (z. B. die [[Unterhospitalstiftung]]). === Projekt „Soziale Stadt“ === [[Datei:Memminger Westen.JPG|miniatur|Das Gebiet der sozialen Stadt – der Memminger Westen]] Teile der Weststadt sind seit dem Jahr 2007 offiziell ein Teil des Förderprogramms ''[[Die Soziale Stadt|Stadt- und Ortsteile mit besonderem Entwicklungsbedarf – die Soziale Stadt]]''. Dieses Programm besteht nicht nur aus herkömmlicher Städtebauförderung, sondern zielt vor allem darauf ab, die Lebensqualität in den Stadtvierteln zu steigern. Die ''Problemgebiete'' sollen sozial stabilisiert werden. Dabei stehen neben städtebaulichen Maßnahmen soziale, ökologische und beschäftigungspolitische Ziele im Vordergrund. Wohnungsbaugenossenschaften, Privatleute und die Stadtverwaltung ziehen gemeinsam an einem Strang. Erste Erfolge konnten erzielt werden.<ref> {{internetquelle|url=http://www.sozialestadt.de/gebiete/gebietAnzeige.php?id=754|titel=Jahresbericht 2007|zugriff=13.04.2008}} </ref> === Bundestagswahlen === Die Stadt gehört zum [[Bundestagswahlkreis Ostallgäu]]. Bei der [[Bundestagswahl 2009]] wurde folgendes Ergebnis erzielt:<ref>Memminger Zeitung, 29. September 2009, Seite 38</ref> {| class="prettytable sortable" |- class="hintergrundfarbe5" ! Direktkandidat ! Partei ! Erststimmen in % ! Zweitstimmen in % |- | [[Stephan Stracke]] | [[Christlich-Soziale Union in Bayern|CSU]] | 42,8 | 41,0 |- | Rolf Spitz | [[Sozialdemokratische Partei Deutschlands|SPD]] | 24,8 | 16,5 |- | Tobias Specht | [[Bündnis 90/Die Grünen]] | 8,0 | 9,8 |- | Bernd Rösel | [[Freie Demokratische Partei|FDP]] | 11,2 | 16,8 |- | Paul Meichelböck | [[Die Linke]] | 5,9 | 6,6 |- |} === Wappen und Flagge === {{Hauptartikel|Wappen der Stadt Memmingen|Liste der Wappen in Memmingen}} [[Datei:MemmingenLogo.png|miniatur|Stadtlogo]] [[Blasonierung]]: ''Gespalten von Gold und Silber, vorne ein halber, rot bewehrter schwarzer Adler am Spalt, hinten ein durchgehendes rotes Prankenkreuz.'' Als Stadtlogo wird das Kfz-Kennzeichen für die Kreisfreie Stadt (MM) in Kleinschreibung verwendet. Zusätzlich ist links daneben eine moderne, farblose Darstellung des Stadtwappens zu sehen. [[Amendingen]] und [[Eisenburg (Memmingen)|Eisenburg]] besitzen eigene historische Wappen. === Städtepartnerschaften === Im Laufe der Jahre haben sich viele Städtepartnerschaften entwickelt, die sehr aktiv sind und von Vereinen, Schulen und Privatpersonen gepflegt und getragen werden.<ref>{{internetquelle|url=http://www.memmingen.de/56.html|titel=Die Partner- und Freundschaften auf memmingen.de|zugriff=April 2008}}</ref> Partnerschaften bestehen mit folgenden Gebietskörperschaften: Die älteste (seit 1976) Partnerstadt Memmingens, [[Glendale (Arizona)|Glendale]] in [[Arizona]]/USA ist auch gleichzeitig eine der lebendigsten. Es vergeht fast kein Monat, in dem die Stadt nicht in der örtlichen Presse auftaucht. Die gute Partnerschaft zeichnet sich vor allem durch Schüleraustausche und Besuche von Vertretern zu öffentlichen Anlässen aus. Auch Memminger Bürger haben im Laufe der Zeit immer mehr Kontakte mit Glendale geknüpft. In Glendale wurde ein Park nach Memmingen, in Memmingen eine Straße nach Glendale benannt.<ref> {{internetquelle|url=http://www.memmingen.de/457.html|titel=Die Partnerschaft mit Glendale auf memmingen.de|zugriff=April 2008}} </ref> Die beiden Partnerschaften mit der [[Provinz Teramo]] in den [[Abruzzen]] (seit 1981) und der Stadt [[Teramo]] (seit 1986) gehören zu den aktivsten Partnerschaften der Stadt. Viele Vereine und Einzelpersonen halten ständigen Kontakt mit Teramo. Die städtische Sebastian-Lotzer-Realschule unterhält ein Schüleraustauschprogramm mit der ''Liceo Scientifico Albert Einstein''-Schule in Teramo. Der DGB, die [[Feuerwehr]], die Polizeiinspektion und die Volleyballmannschaften des TV Memmingen begegnen mehrmals im Jahr zu verschiedenen Anlässen den Kollegen aus Teramo.<ref> {{internetquelle|url=http://www.memmingen.de/456.html|titel=Die Partnerschaft mit Provinz und Stadt Teramo auf memmingen.de|zugriff=April 2008}} </ref> Die Partnerschaft mit [[Auch]] in [[Gers (Département)|Gers]]/Frankreich (seit 1990) drückt sich vor allem auf der zwischenmenschlichen Ebene aus. So besteht mit dem Bernhard-Strigel-Gymnasium und dem Oratoire St. Marie ein Schüleraustauschprogramm. Musikkapellen, Vereine und Privatpersonen treffen sich häufig und machen diese Partnerschaft lebendig.<ref> {{internetquelle|url=http://www.memmingen.de/455.html|titel=Die Partnerschaft mit der Stadt Gers auf memmingen.de|zugriff=April 2008}} </ref> Die Partnerschaft mit der [[Lutherstadt Eisleben]] (seit 1990) ist vielfältig. Neben Treffen von Vereinen, Bürgern und Ämtern gab und gibt es auch Hilfe in vielfältiger Weise. So halfen Memminger Bauleute bei der Sanierung der ''Nicolaikirche'' mit Fachwissen und Tatkraft. Bei dem Aufbau der städtischen Verwaltung nach der ''Wende'' halfen Memminger Ämter der Partnerstadt.<ref> {{internetquelle|url=http://www.memmingen.de/454.html|titel=Die Partnerschaft mit der Lutherstadt Eisleben auf memmingen.de|zugriff=April 2008}} </ref> Die Jüngste Partnerstadt ist [[Kiryat Shmona]], mit welcher am 3. April 2009 diese im Memminger Rathaus vereinbart wurde. Mit Kiryat Shmona bestand seit längerem eine Freundschaft. Die Freundschaft mit [[Karataş (Adana)|Karatas]], Provinz [[Adana (Provinz)|Adana]]/Türkei wurde am 24. Juli 2008 in eine Städtepartnerschaft umgewandelt. Sie wird intensiv durch verschiedene Aktionen gepflegt. So unterstützte der Memminger Ausländerbeirat 1988 den Bau eines Kulturzentrums in Karatas. Die Feuerwehr brachte 1991 im Auftrag des Ausländerbeirats ein Löschfahrzeug dorthin. In Memmingen wurde eine Straße nach Karatas benannt, in Karatas gibt es seit 2001 einen ''Memmingen Bulvari'' direkt am Mittelmeerstrand.<ref> {{internetquelle|url=http://www.memmingen.de/453.html|titel=Die Freundschaft mit Adana auf memmingen.de|zugriff=April 2008}} </ref> Die ehemalige Freundschaft mit dem Dorf [[Litzelsdorf]] im [[Burgenland|burgenländischen]] Österreich wurde im Oktober 2009 in eine Partnerschaft umgewandelt. Sie entstand durch eine Zweigstelle der Memminger Firma Stehle initiiert. Heute treten für die Freundschaft vor allem der Freundeskreis-Burgenland, Litzelsdorfer Freunde und diverse andere Vereine ein. In Litzelsdorf wurde im Jahr 2004 ein Platz nach Memmingen, in Memmingen eine Straße nach Litzelsdorf benannt.<ref> {{internetquelle|url=http://www.memmingen.de/452.html|titel=Die Freundschaft mit Litzelsdorf auf memmingen.de|zugriff=April 2008}} </ref> Die ehemalige Freundschaft mit [[Tschernihiw]]/Ukraine wurde im Oktober 2009 in eine Partnerschaft umgewandelt. Sie besteht vor allem auf der kulturellen und schulischen Ebene. Bei verschiedenen Festlichkeiten treten immer wieder Vereine und Gruppen aus der befreundeten Stadt auf. Das Klinikum Nr. 2 in Tschernihiw wurde immer wieder mit medizinischen Geräten versorgt, die das städtische Klinikum und andere Ärzte/ärztliche Vereinigungen bereitstellten.<ref> {{internetquelle|url=http://www.memmingen.de/451.html|titel=Die Freundschaft mit Tschernigiv auf memmingen.de|zugriff=April 2008}} </ref> Des Weiteren bestehen Freundschaften mit [[Colmar]] im [[Elsass]] in Frankreich. === Patenschaft === 1956 wurde die [[Patenschaft]] für die aufgrund der [[Beneš-Dekrete]] vertriebenen [[Sudetendeutsche]]n aus der Stadt und dem Kreis [[Bruntál|Freudenthal]]/Altvater übernommen. Das Heimatmuseum Freudental/Altvater im Memminger Hermansbau erinnert an die deutsche Geschichte dieser Kulturlandschaft im heutigen Tschechien und hält die Verbindung für künftige Generationen wach.<ref> {{internetquelle|url=http://www.memmingen.de/1404.html|titel=Die Patenschaft auf memmingen.de|zugriff=13.04.2008}} </ref> == Kultur und Sehenswürdigkeiten == {{Hauptartikel|Sehenswürdigkeiten in Memmingen}} === Theater === [[Datei:LandesTheaterSchwaben2000.jpg|miniatur|Das Landestheater Schwaben in Memmingen]] Das Theater hat in Memmingen eine lange Tradition. So ist bereits im Mittelalter in den Chroniken von verschiedenen Theaterspielen zu lesen. 1937 wurde in der Stadt das ''[[Landestheater Schwaben]]'' (LTS) gegründet. Nach dem Zweiten Weltkrieg war das LTS 1945 eines der ersten Theater im damaligen Westdeutschland, welches wieder spielte. Die Aufführungen finden auf den Bühnen des ''Stadttheaters'', des ''Theaters am Schweizerberg'' (Kleinkunstbühne), im ''Kulturzentrum Kaminwerk'' und in den angeschlossenen Gemeinden statt. Die Bühne am Schweizerberg soll Ende 2010 geschlossen werden. Derzeit werden hierfür Um- und Neubauarbeiten auf dem [[Augustinerinnenkloster Memmingen|ELS-Areal]], das an das Stadttheater angrenzt, durchgeführt. Dort entstehen eine neue Kleinkunstbühne, Probebühnen, Werkstätten, Depots, der Verwaltungsbereich, das Foyer und Gästewohnungen.<ref>{{Internetquelle|url=http://www.els-memmingen.de/projekt/theater/theaterbau/|titel=Die Umbaumaßnahmen auf www.els-memmingen.de|zugriff=28. Dezember 2008}}</ref> Als weitere Theaterbühne steht das von Helmut Wolfseher und Mitgliedern der ''alternative kleinkunst e.V Memmingen'' in den 1980er Jahren gegründete [[Parterretheater im Künerhaus]] (PIK), für Kabarettisten und Musiker aber auch für Laienkünstler und Nachwuchsmusiker zur Verfügung. Im Kaminwerk werden vor allem von Laienkünstlern verschiedene Theaterstücke aufgeführt. In der Stadthalle treten Volksschauspieler oder andere Künstler bei ihren Gastspielreisen auf. Uraufführungen fanden ebenfalls in Memmingen statt. Hier sind vor allem die Metal-Opern von [[David DeFeis]] in Zusammenarbeit mit dem Intendanten des LTS [[Walter Weyers]] hervorzuheben, welche überregionale Aufmerksamkeit auf sich zogen. So wurde im [[Stern (Zeitschrift)|Stern]] und im [[Der Spiegel|Spiegel]] sowie in überregionalen Tageszeitungen wie der [[Süddeutsche Zeitung|Süddeutschen Zeitung]] davon berichtet. Folgende Werke haben Künstler über die Stadt Memmingen verfasst: * Theaterstück ''Memmingen'' von [[Bettina Fless]] (1989) * Buch ''Mohr of Memmingen'' von [[Utz Benkel]] * Musikstück ''Memmingen'' der britischen Musikband [[Blackmore's Night]] * Stadthymne ''Memmingen blüht'' von Daniela Maul und Andreas Kindermann komponiert<ref name="bk-mm.de-musik"/> Theaterstücke und Opern, die in Memmingen uraufgeführt wurden: * 1995: [[Die Judenbank]] * Metal-Opern von [[David DeFeis]]: ** 1999: [[Klytaimnestra]] oder der Fluch der Atriden ** 2001: [[Hel (Oper)]] oder Die Rebellen ** 2005: [[Lilith]] * 2005: [[Leo Hiemer|Mohr of Memmingen]] * 2007: [[Grüne Organe]] * 2008: [[Katharina und Till]] (10. Januar 2009) === Museen === [[Datei:MeWoKunsthalle2.jpg|miniatur|MeWo-Kunsthalle]] Das größte Museum ist das ''Stadtmuseum im [[Hermansbau]]''.<ref> {{internetquelle|url=http://www.memmingen.de/569.html|titel=Die Memminger Museumslandschaft|zugriff=März 2008}} </ref> Eine kleine Ausstellung widmet sich der Vor- und Frühgeschichte der Region. Gezeigt werden Exponate aus der Steinzeit und der Bronzezeit, über die Alemannen bis zu den Römern. Der größte Teil des Museum stellt die Entwicklung der [[Freie Reichsstadt|Freien Reichsstadt]] Memmingen dar. Hier wird in historischen Räumen die Stadtgeschichte erklärt. Ausgestellt sind auch Barockbilder des Memminger Malers [[Johann Heiss]], [[Künersberger Fayencen]] und historische [[Puppenstube]]n.<ref>Broschüre des Kulturamt der Stadt Memmingen - Stadtmuseum im Hermansbau</ref> Es gibt zudem eine jüdische Abteilung, in der das jüdische Leben in Memmingen und die Geschichte der Memminger Juden in der NS-Zeit dargestellt wird. Ein üppig bestickter Thoravorhang aus dem 18. Jahrhundert, der in der zerstörten Synagoge von Memmingen hing, kann besichtigt werden. Das ''Heimatmuseum [[Bruntál|Freudenthal]]/[[Altvatergebirge|Altvater]]'' ist dem Stadtmuseum angegliedert. Es erinnert an die deutsche Geschichte dieser Region des Sudetenlandes, aus der viele [[Vertriebene]] in Memmingen eine neue Heimat fanden. Es ist eines der 43 vom Bundesinnenministerium anerkannten ostdeutschen Heimatmuseen. Eine von der Stadt verwaltete Stiftung wurde gegründet, um das Museum dauerhaft zu sichern. Das ''Antoniter-'' und ''Strigelmuseum'' im [[Antoniterkloster Memmingen|Antoniterkloster]] gibt Einblicke in die Schnitz- und Malkunst der [[Strigel (Künstlerfamilie)|Künstlerfamilie Strigel]] und in die Arbeit des Antoniterordens.<ref> {{internetquelle|url=http://www.memmingen.de/fileadmin/ext_scripts/Antoniter-Museum/index.htm|titel=Die offizielle Seite zu den Museen|zugriff=März 2008}} </ref> Dieses Museum wurde 1996 eröffnet. Die 2005 durch Spenden der ''Memminger Wohnungsbaugenossenschaft (MeWo)'' eröffnete ''MeWo-Kunsthalle'' in den Räumen der alten Post zeigt Bilder der Memminger Maler [[Max Unold]] und [[Josef Madlener]] sowie wechselnde Ausstellungen anderer Künstler.<ref> {{internetquelle|url=http://www.memmingen.de/kunsthalle.html|titel=Offizieller Netzauftritt der Kunsthalle|zugriff=März 2008}} </ref> Diese in Mittel- und Oberschwaben und im Allgäu einzigartige Einrichtung hat überörtliche Bedeutung. Im ehemaligen ''[[Kreuzherrenkloster Memmingen|Kreuzherrenkloster]]'' werden wechselnde Ausstellungen gezeigt.<ref> {{internetquelle|url=http://www.memmingen.de/570.html|titel=Offizieller Netzauftritt des Kreuzherrenklosters|zugriff=März 2008}} </ref> === Musik === Die Orgelkonzerte in der [[St. Martin (Memmingen)|St.-Martins-Kirche]] sind weithin bekannt. Kammermusik wird im ehemaligen [[Kreuzherrenkloster Memmingen|Kreuzherrenkloster]] gespielt, in verschiedenen anderen Gebäuden der Stadt finden Musikaufführungen statt. Neben zahlreichen ''Kneipen, Restaurants, Weinstuben und Cafés'' gibt es mehrere ''Diskotheken''. In [[Memmingerberg]] und [[Bad Grönenbach]], also in unmittelbarer Stadtnähe, befinden sich zwei weitere bekannte Diskotheken. Das Kulturzentrum ''Kaminwerk'' wartet mit Konzerten, Theater, Programmkino, Lesungen und speziellen Party-Veranstaltungen auf. === Bauwerke === [[Datei:MemmingenRathaus2.jpg|miniatur|Renaissancerathaus]] Ein sehr großer Teil der mittelalterlichen Altstadt hat den [[Zweiter Weltkrieg|Zweiten Weltkrieg]] und die Nachkriegsjahre überstanden. Darunter sind noch zehn Tore und Türme und circa zwei Kilometer Stadtmauer. Betrafen die Kriegsverluste vor allem das Bahnhofsviertel, also den östlichen Teil der Altstadt, so kam es seit den 1970er Jahren zu großen Verlusten an historischer Bausubstanz. An ganzen Straßenzügen wurden – wie z.&nbsp;B. in der Kreuzstraße und in der südlichen Altstadt – die mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Bürgerhäuser abgerissen und durch historisierende, meist wesentlich größere Giebelhäuser aus Beton ersetzt. Memmingen gilt als ''Tor zum Allgäu'' und wird auch die ''Stadt der Tore, Türme und der Giebel'' genannt. Neben vielen Bürgerhäusern (darunter auch mehrere [[Barock|barocke]] Palazzi) gibt es pittoreske Straßenzüge, durch die der Stadtbach fließt. Vor allem der mittelalterliche [[Sehenswürdigkeiten in Memmingen#Marktplatz|Marktplatz]] prägt mit dem [[Rathaus (Memmingen)|Rathaus]], der [[Großzunft]] und dem [[Steuerhaus]] das Stadtbild. Berühmt ist die [[Gotik|gotische]] [[St. Martin (Memmingen)|Martinskirche]] mit ihrem über 500 Jahre alten [[St. Martin (Memmingen)#Chorgestühl|Chorgestühl]] und die im Jahr 1996 restaurierte Anlage des ursprünglich französischen [[Antoniter-Orden|Antoniter-Klosters]], die besterhaltene und größte dieser Art weltweit. Die vermutlich älteste Memminger Kirche ''[[Unser Frauen (Memmingen)|Unser Frauen]]'' oder auch ''Frauenkirche'' wartet mit bedeutenden Fresken des 15. und 16. Jahrhunderts auf. Auch das [[Siebendächerhaus]], die barocke [[Kreuzherrenkloster Memmingen|Kreuzherrenkirche]], das renovierte Hurenhaus der Stadt, der Salzstadel, die Kramerzunft (auch [[12 Artikel|12-Artikel-Haus]] genannt) stellen Sehenswürdigkeiten dar. Weniger bekannt ist der [[Bismarckturm (Memmingen)|Bismarckturm]] auf dem Hühnerberg, welcher nicht von innen besichtigt werden kann. Direkt daneben befindet sich das am 26. Juli 2007 eröffnete neue Fußballstadion, das durch seine Größe und sein Arrangement sehenswert ist.<ref> {{internetquelle|url=http://www.memmingen.de/40.html|titel=Das Memminger Stadion und seine Fußballarena|zugriff=März 2008}} </ref> Auch einige der [[Sieben Memminger Wahrzeichen]] zählen zu den Sehenswürdigkeiten der Stadt. === Parks === An der Stadtmauer ist ein Grüngürtel entstanden. Die alten Wassergräben wurden bis auf eine Ausnahme (Hohe Wacht, Südteil der Stadtmauer) zugeschüttet und durch Grünflächen mit heute teilweise über 150-jährigem Baumbestand ersetzt. Die Parks heißen (beginnend am Ulmer Tor im Uhrzeigersinn): Hubergarten, Zollergarten, Ratzengraben/Zollergraben, Kohlschanze, Reichshain, Kaisergraben, Hohe Wacht, Westertorplatz, Grimmelschanze. In fast allen Wohnvierteln findet man kleinere meist jüngere Parkanlagen. Außerdem gibt es den Stadtpark Neue Welt, das ehemalige [[Landesgartenschau Memmingen 2000|Landesgartenschaugelände]], sowie den Alten Friedhof und den Waldfriedhof, die beide als Parks und Naherholungsbereiche genutzt werden. === Friedhöfe === [[Datei:MM OldCemetery2.jpg|miniatur|Alter Friedhof]] Im Mittelalter gab es in der Kernstadt vier Friedhöfe. Diese lagen vor den beiden Stadtpfarrkirchen [[St. Martin (Memmingen)|St. Martin]] und [[Unser Frauen (Memmingen)|Unser Frauen]] sowie in den Höfen des [[Kreuzherrenkloster Memmingen|Kreuzherrenklosters]] und des [[Schottenkloster Memmingen|Schottenklosters]].<ref>Joachim Jahn et al.:''Die Geschichte der Stadt Memmingen – Von den Anfängen bis zum Ende der Reichsstadtzeit.'' Band 1, Theiss Verlag, Memmingen 1997, ISBN 3-8062-1315-1, S.98 ff.</ref> Sie wurden ab 1530 aufgelassen. Als Ersatzfriedhof diente der ''Alte Friedhof'' beim Schottenkloster. Durch die Auflassung des städtischen Alten Friedhofs im Jahr 1930 wurde eine neue Begräbnisstätte in der Stadt notwendig. Bereits 1920 legte man deshalb im bis dahin noch unbebauten Memminger Osten einen neuen Friedhof als Waldfriedhof an. Weitere Friedhöfe befinden sich in den Stadtteilen Amendingen, Steinheim, Buxach, Volkratshofen, Ferthofen und Dickenreishausen. Im Ostteil der Stadt befindet sich ein [[Jüdischer Friedhof (Memmingen)|jüdischer Friedhof]]. === Vereine === [[Datei:Fasnet-2008 (Tannheim)h.JPG|miniatur|Die Memminger Narrenzunft ''Stadtbachhexen'']] In der Stadt findet ein reges Vereinsleben statt. Hierbei tritt im musikalischen Bereich vor allem die ''[[Stadtkapelle Memmingen|Stadt- und Jugendkapelle]]'' hervor, die schon viele nationale und internationale Preise gewonnen hat. Der mit über 5000 Mitgliedern<ref> Memminger Zeitung, 8. April 2008, Seite 32, ''Stadt bietet Verein zinsloses Darlehen an'' </ref> größte Verein der Stadt, der ''Fischertagsverein'', organisiert den alljährlichen ''[[Fischertag]]'' und die ''Wallenstein Festspiele''. Für die Wasserrettung gibt es die [[DLRG]] Memmingen-Unterallgäu e.V. und die [[Wasserwacht]] des Roten Kreuzes. In den Hilfsorganisationen ''Rotes Kreuz'', ''Johanniter-Unfall-Hilfe e.&nbsp;V.'' und ''Malteserhilfsdienst'' sind viele Bürger engagiert. In der christlichen Jugendarbeit sind der [[CVJM]], die evangelische und die katholische Gemeindejugend aktiv. Zweck der 1869 gegründeten Sektion Memmingen des [[Deutscher Alpenverein|Deutschen Alpenvereins]] ist es, das Bergsteigen und alpine Sportarten vor allem in den Alpen und den deutschen Mittelgebirgen, besonders für die Jugend und die Familien, zu fördern und zu pflegen, die Schönheit und Ursprünglichkeit der Bergwelt zu erhalten, die Kenntnisse über die Gebirge zu erweitern und dadurch die Bindung zur Heimat zu pflegen sowie weitere sportliche Aktivitäten zu fördern. Die Sektion besitzt mehrere Berghäuser und die [[Memminger Hütte]] in den [[Lechtaler Alpen]].<ref>[http://www.dav-memmingen.de/wir/wir.htm Internetseite „Historie“ der Sektion Memmingen des DAV] (Stand 28. Juni 2008) </ref> Die Narrenzunft ''Stadtbachhexen Memmingen 1996 e.V.'' wurde 1996 gegründet. Der erste Umzug mit anderen schwäbisch-alemannischen Narrenzünften wurde 1998 durchgeführt. Seit dem wird alle zwei Jahre ein Narrenumzug in der Fasnetszeit mit mehreren hundert Narren und teilweise über 10.000 Zuschauern veranstaltet. Der anhaltende Zustrom an Mitgliedern machte es notwendig, weitere Gruppen innerhalb des Vereins zu gründen. So gibt es heute neben den Stadtbachhexen auch die Figuren ''Der Grüne Teufel von dr Martinskirch'', der ''Maufischer'' und der ''Mau'' zu sehen. Der kleinere Nachwuchs läuft bei den Narrenumzügen als ''Narrensamen'' mit. === Sport === [[Datei:Fussbalarena Memmingen 1.JPG|miniatur|Die 2008 eröffnete Fußballarena]] Der sportliche Bereich ist in Memmingen sehr gut ausgebaut. Neben der neuen Fußballarena im Stadiongelände, dem Sportplatz Ost und dem Amendinger Sportpark gibt es das Eisstadion, ein Hallen- und ein Freibad sowie mehrere Turnhallen, die für Sportvereine geöffnet sind. Insgesamt gibt es 63 Sportvereine in Memmingen,<ref> {{internetquelle|url=http://www.memmingen.de/333.html|titel=Die Memminger Sportvereine|zugriff=16.04.2008}} </ref> darunter der [[FC Memmingen]], der erfolgreichste Fußballverein Memmingens und der am längsten in der [[Fußball-Bayernliga|Bayernliga]] spielende Verein Bayerns. Der ''BSC Memmingen'' nutzt zusammen mit dem FC die neue Fußballarena. Der [[ECDC Memmingen]] ist im Eishockey in der Stadt am erfolgreichsten. Mit Ballsportarten, Leichtathletik und anderen Sportarten treten der [[TV Memmingen]] wie auch der DJK Memmingen, der BSC Memmingen, der SV Amendingen und der TGS Memmingen (türkischer Fußballverein, gegründet 1972) hervor. Erfolgreich im Tennissport sind der ''TC Memmingen'' und der ''TV Memmingen''. === Regelmäßige Veranstaltungen === [[Datei:Pikeniere kl.jpg|miniatur|Die Pikeniere bei Wallenstein in der Ulmer Straße]] [[Datei:Memminger Fischertag.jpg|miniatur|Der Fischertag]] [[Datei:Kinderfest3.JPG|miniatur|Das Kinderfest im Juli]] In Memmingen finden jedes Jahr zahlreiche Feste, Festivals und Führungen statt.<ref> {{internetquelle|url=http://www.memmingen.de/kultur.html|titel=Memminger Kultur auf memmingen.de|zugriff=März 2008 }} </ref> Meist sind diese auf die Altstadt beschränkt. Den Anfang bildet der ''Nightgroove'', die Memminger Musiknacht im April mit einem Live-Musik-Programm in zahlreichen Kneipen, Bars und Cafés der Innenstadt. Bei ''Memmingen blüht'' im Mai wird die Innenstadt in ein Blütenmeer mit Ausstellungen und Verkaufsständen von Floristen, Landschaftsgärtnern und -bauern verwandelt. Im Frühsommer lädt das ''Stadtfest'' zum Verweilen ein. Die Memminger Einzelhändler bewirten als Dank für das vergangene Jahr die Gäste. Die sogenannte ''Memminger Meile'' mit dem ''Fest der Kulturen'' am Westertorplatz vor dem Kaufhaus ''Karstadt'' ist ''das'' Kulturfestival der Stadt unter der Regie des Kulturamtes, jedes Jahr unter einem neuen Motto. Die von Hermann Pfeifer ins Leben gerufenen ''[[Wallensteinfestspiele (Memmingen)|Wallensteinfestspiele]]'', bei denen knapp 4500 Bürger in historischen Kostümen eine Woche lang nachspielen, wie [[Albrecht Wenzel Eusebius von Waldstein|Wallenstein]] 1630 für einige Wochen in der Stadt lagerte und hier von seiner Absetzung als Feldherr auf Betreiben von [[Maximilian I. (Bayern)|Maximilian I.]] durch Kaiser [[Ferdinand II. (HRR)|Ferdinand II.]] erfuhr. Es zählt somit zu den größten Historienspielen in ganz Europa. Das Schauspiel wird allerdings von einigen Historikern kritisiert, da es angeblich den Krieg verherrlicht. Etwa alle zwei Jahre gibt es die ''Memminger Kabarett-Tage''. Im Rahmen der ''Memminger Meisterkonzerte'' wird klassische Musik dargeboten. Mehrmals im Jahr finden ''Blindenstadtführungen'' statt. Hierbei können die Besucher verschiedene wichtige Memminger Gebäude wie z.&nbsp;B. das Rathaus und das Siebendächerhaus in Miniaturform mit den Händen ''erfühlen'' und erfahren so, wie sie aussehen. Memmingen ist die erste Stadt Deutschlands mit solchen Führungen. Jeden Samstag wird ein Rundgang durch die Stadtkirche [[St. Martin (Memmingen)|St. Martin]] mit Orgelmusik angeboten. ==== Märkte ==== Jeden Dienstag und Samstagvormittag ist auf dem historischen Marktplatz Markttag. Vor allem Händler aus der Region bieten regionale Verzehrprodukte und Blumen an. Bei Veranstaltungen auf dem Marktplatz wird der Wochenmarkt auf den Schrannenplatz verlegt. In jedem Jahr wird der ''Christkindlesmarkt'' auf dem Marktplatz vor dem [[Rathaus (Memmingen)|Rathaus]] abgehalten. Jedes Jahr findet der ''[[Memminger Jahrmarkt]]'' am Dienstag nach [[Gallus (Heiliger)|Galli]] (Oktober) statt.<ref> {{internetquelle|url=http://www.memmingen.de/87.html#c2768|titel=Memminger Jahrmarkt auf memmingen.de|zugriff=April 2008}} </ref> Dieser Termin kann sich aber ändern, je nachdem, wie lange das Münchner [[Oktoberfest]] dauert. Der größte [[Innenstadtjahrmarkt]] Süddeutschlands wartet mit Fahr- und Schaugeschäften, Schießhallen und anderen Angeboten auf. Dazu gehört auch der ''Krämermarkt'' von Dienstag bis Donnerstag in der Altstadt mit über 250 [[Fierant]]en und Verkaufsständen. ==== Historische Feste ==== <!--Feste, welche mindestens 100 Jahre bestand haben!--> Das bekannteste historische Fest Memmingens ist der ''[[Fischertag]]''. Hier strömen alljährlich zehntausende Touristen in die Stadt und sind Zuschauer eines mittelalterlichen Spektakels: An einem Samstag Ende Juli wird innerhalb der Altstadt der Stadtbach leergefischt. Etwa 1500 Fischer (nur männliche) „jucken“ (= springen) dabei in den Bach. Am vorhergehenden Donnerstag feiern etwa 2000 Jungen und Mädchen das alljährliche ''[[Memminger Kinderfest]]''. Hier wird am Vormittag auf dem Marktplatz gesungen und getanzt. Am Nachmittag findet der traditionelle Umzug quer durch die Stadt zum Stadiongelände statt. == Wirtschaft und Infrastruktur == Seit 1993 ist die Stadt [[Oberzentrum]]. Zusammen mit den angrenzenden Gemeinden hat der Bereich Memmingen etwa 60.000&nbsp;Bewohner. Im Großraum Memmingen leben zwischen 300.000 und 400.000 Einwohner. Über 14.000&nbsp;Menschen pendeln täglich zur Arbeit in die Stadt, darunter über 3.000 aus dem benachbarten Baden-Württemberg (Stand Mitte&nbsp;2005). In Memmingen sind 25.709&nbsp;Sozialversicherungspflichtige beschäftigt (Stand Juni&nbsp;2007).<ref> {{internetquelle|url=https://www.statistikdaten.bayern.de/genesis/online/logon |titel=Statistiken auf der Genesis-Datenbank des Landesamtes für Statistik in Bayern|zugriff=März 2008}} </ref><ref> {{internetquelle|url=http://img.wekacityline.de/pdf/87700_wirtschaft.pdf|titel=Die Wirtschaftsbroschüre der Stadt Memmingen (PDF-Datei)|zugriff=März 2008}} </ref> Im produzierenden Gewerbe finden über 10.000 Personen Arbeit, größtenteils im verarbeitenden Gewerbe (7.500 Beschäftigte in 44 Betrieben). Memmingen ist damit die industrielle Hochburg Mittelschwabens und des Allgäus. Knapp ein Drittel des Gesamtumsatzes von 1,13 Milliarden Euro erzielte das verarbeitende Gewerbe im Jahr 2005 im Ausland. Im Baugewerbe arbeiteten im Juni 2005 über 1.200 Beschäftigte.<ref> {{internetquelle|url=https://www.statistikdaten.bayern.de/genesis/online/logon |titel=Statistiken auf der Genesis-Datenbank des Landesamtes für Statistik in Bayern|zugriff=März 2008}} </ref> Im Handel, Gastgewerbe und Verkehr finden weitere 5.500 Beschäftigten Arbeit, im sonstigen Dienstleistungsgewerbe über 8.500. Dies unterstreicht die Bedeutung Memmingens als Handelszentrum. Der innerstädtische Handel erfährt eine deutliche Belebung durch die Aufwertung großer Innenstadtareale. So konnten dort neue Kaufhäuser und Geschäfte angesiedelt werden. Die Bedeutung des Fremdenverkehrs für Memmingen ist eher gering. Aufgrund der räumlichen Nähe zu großen Tourismusregionen (Allgäu, Oberschwaben, Bodensee, Kneipptourismus im Unterallgäu), verzeichnet Memmingen jedoch viele Tagesbesucher. Die Gästeübernachtungen nahmen 2006 auf 86.000 zu.<ref> {{internetquelle|url=http://www.memmingen.de/97.html|titel=Statistiken auf memmingen.de|zugriff=März 2008}} </ref> Seit der Ansiedlung von weiteren Fluglinien am Flughafen Memmingen steigt die Gästeübernachtunszahl kontinuierlich an, so dass derzeit weitere Hotels gebaut werden und Planungen für Erweiterung von bestehenden Hotels bestehen. <ref>Stadtinformation Memmingen, Memminger Zeitung, mehrere Artikel im Juni und Juli 2009 zu diesem Thema</ref> Die Arbeitslosenquote des Wirtschaftsraumes Memmingen lag im April 2008 mit 2,6 % deutlich unter dem Landesdurchschnitt von 3,8 %.<ref>{{internetquelle|url=http://www.tagesschau.de/multimedia/video/video325546.html|titel=Vollbeschäftigung in Schwaben (Arbeitslos sind hier eigentlich nur die Jobvermittler)|zugriff=April 2008}}</ref> Im Juni 2008 lag die Quote sogar bei nur 2,2 %, womit in Memmingen [[Vollbeschäftigung]] herrschte.<ref> {{internetquelle|url=http://www.arbeitsagentur.de/nn_169108/Navigation/Dienststellen/RD-BY/Memmingen/Agentur/Zahlen-Daten-Fakten/Arbeitsmarktberichte/Arbeitsmarktberichte-Nav.html|titel=Die Arbeitsmarktberichte der Bundesagentur für Arbeit Memmingen|zugriff=März 2008}} </ref> Ab Dezember 2008 stieg sie, verursacht durch die [[Finanzkrise ab 2007|Finanzmarktkrise]] auf 3,9 % im Januar 2009 an.<ref>{{internetquelle|url=http://www.arbeitsagentur.de/Dienststellen/RD-BY/Memmingen/AA/Zahlen-Daten-Fakten/Arbeitsmarktberichte/Arbeitsmarktberichte-2009/Arbeitsmarktreport-Januar-2009.pdf|titel=Arbeitsmarktbericht Januar 2009|zugriff=14. Februar 2009}}</ref> Im Februar erhöhte sie sich dagegen nur leicht auf 4,0 %.<ref>{{internetquelle|url=http://www.arbeitsagentur.de/Dienststellen/RD-BY/Memmingen/AA/Zahlen-Daten-Fakten/Arbeitsmarktberichte/Arbeitsmarktberichte-2009/Arbeitsmarktreport-Februar-2009.pdf|titel=Arbeitsmarktbericht 2/2009|zugriff=1. März 2009}}</ref> === Ortsansässige Unternehmen === [[Datei:Goldhofer.JPG|miniatur|Die Goldhofer AG in Memmingen]] [[Datei:Luftbild Leeb Folien.jpg|miniatur|Das Werk von Leeb Folien]] [[Datei:DachserMM.jpeg|miniatur|Dachser-Niederlassung Memmingen]] [[Datei:Gebrueder weiss memmingen.jpg|miniatur|Gebäude der österreichischen Spedition Gebrüder-Weiss]] Einige auf dem Weltmarkt führende Unternehmen haben ihren Sitz, eine Niederlassung oder ein Werk in Memmingen. Der bundesweit tätige Reformhandelsversand ''[[GEFRO – FROMMLET KG]]'' ist in Memmingen ansässig. Dieser wurde vor allem wegen seiner Suppen, Soßen und Gewürze europaweit bekannt. Der Elektronikkonzern ''[[Rohde & Schwarz]]'', ein führendes Unternehmen der Kommunikations- und Messtechnik, betreibt in Memmingen unter dem Namen [[Rohde & Schwarz Messgerätebau]] GmbH das größte Fertigungswerk des Konzerns, sowie ein Auslieferungslager. Die [[NOVOFLEX]] Präzisionstechnik GmbH hat ebenfalls ihren Sitz in Memmingen und ist als Hersteller von High-Tech-Zubehör für die Fotografie weltweit bekannt. Der Betrieb gewann vor allem in den 1970er und 1980er Jahren viele Preise für Entwicklungen im Bereich Fotografie. Die ''Metzeler Schaum GmbH'' ist weltweit die erste Firma, die Schaumstoff aus Pflanzenöl herstellen kann. ''[[Magnet-Schultz]]'', ein weltweit an der Spitze liegender Industriemagnete-Hersteller, hat ebenfalls seinen Sitz und das Stammwerk in Memmingen. Die Spezialstahlseilfabrik ''[[Pfeifer Holding|Pfeifer Seil- & Hebetechnik]]'', die sich einen Namen durch Seilkonstruktionen für Dächer von Sportstätten, beispielsweise der [[Mercedes-Benz Arena]] in Stuttgart, dem Olympiastadion in München oder der Arena Auf Schalke machte, hat ihren Sitz in Memmingen. ''Relius Coatings'', eine hundertprozentige Tochter der ''[[BASF]]'', hat eine Produktionsstätte im Ortsteil Steinheim. Die ''[[Memminger Brauerei]] GmbH'' gehört zu den hundert größten Brauereien Deutschlands und ist der Hauptsponsor für viele vor allem regionale Vereine (z.&nbsp;B. für den Eishockey-Verein ''Memminger Indians''). Die europaweit tätige Baufirma [[Josef Hebel (Unternehmen)|Josef Hebel]] hat ihren Sitz in Memmingen. Sie erwirtschaftete im Jahr 2006 mit über 400 Mitarbeitern einen Umsatz von mehr als 80 Millionen Euro. Der Spezialfahrzeugbauer ''[[Goldhofer]]'', bekannt für Schwerlastfahrzeuge und Flugzeugschlepper, hat seinen Stammsitz und sein Werk in Memmingen. Die weltweit tätige [[Schwing Stetter|Stetter GmbH]] stellt [[Fahrmischer]], Recycling- und Beton-Mischanlagen her. Der weltweit agierende Gelatinehersteller ''GELITA AG'' (früher: Deutsche Gelatinewerke) betreibt eines seiner deutschen Werke im Industriegebiet Süd. Es wurde im Jahr 1996 eröffnet und bereits im Jahr 2003 mit neuer Technik ausgestattet. Das ''Memminger Medienzentrum'', eine der modernsten Druckereien in Süddeutschland, hat ebenfalls wie auch die ''ALPINE Hydraulik GmbH'' die im Bereich der Innovativen Sonderhydraulik weltweit tätig ist, seinen Sitz im Gewerbegebiet Nord. Der weltweit tätige Papier- und Wellpappehersteller ''[[Hans Kolb Wellpappe]]'' hat an der [[Bundesautobahn 96|A 96]] seinen Sitz und betreibt dort sein Stammwerk. ''Buzil'', ein bekanntes Reinigungs- und Putzmittelunternehmen hat seinen Sitz und sein Stammwerk im Norden. ''Azett'', ein über 150&nbsp;Jahre alter Seifenhersteller, hat seinen Sitz und sein Werk in der Memminger Innenstadt. ''Steca Elektronik GmbH'' ist ein mittelständisches Unternehmen, das weltweit modernste Elektronik vertreibt und wurde 1976 gegründet. Geschäftsbereiche sind Präzisionselektronik, Solarelektronik für Photovoltaik und Solarthermie, Batterie-Ladesysteme und Kabeltechnik. ''Leeb Folien'', der mittelständische Hersteller von flexiblen Packstoffen und technischen Anwendungen auf Folienbasis mit über 180 Mitarbeitern, hat seinen Sitz im Memminger Süden. Durch das Verkehrsdrehkreuz Memmingen haben sich viele große Speditionen und Auslieferungslager in der Stadt angesiedelt. Die größte Spedition ist ''[[Dachser]]'', die das Logistikzentrum Allgäu, die derzeit größte Dachser-Niederlassung in Deutschland, betreibt. Die ''[[Gebrüder Weiss|Gebrüder-Weiss]]''-Spedition betreibt einen Umschlagplatz, der im Juli 2002 eröffnet wurde und bereits im Jahr 2007 erweitert wurde. Etwa 100 von 4600 Mitarbeitern des österreichischen Konzerns arbeiten dort. [[GameStop|GameStop Deutschland GmbH]], der deutsche Ableger der weltweit führenden Einzelhandelskette für Computer- und Videospiele, betreibt unter den Marken EB Games und GameStop über 100 Filialen in Deutschland. ''[[Mammut Sports Group]] AG'' hat in Memmingen sein zentrales Auslieferungslager für Europa. === Verkehr === Memmingen ist das Verkehrszentrum Oberschwabens, Mittelschwabens und des Allgäus. Weitere Verbesserungen vorwiegend im Schienenbereich sind in Planung.<ref> {{internetquelle|url=http://www.memmingen.de/wirtschaft.html#c3382|titel=Pressemitteilung des Rathauses Memmingen|zugriff=März 2008}} </ref> ==== Straßenverkehr ==== {{Hauptartikel|Autobahnkreuz Memmingen}} Die Stadt liegt verkehrsgünstig am Schnittpunkt der Autobahnen [[Bundesautobahn 7|A&nbsp;7]] [[Ulm]]–[[Füssen]]–[[Österreich]] und [[Bundesautobahn 96|A&nbsp;96]] [[München]]–[[Lindau (Bodensee)|Lindau]]–[[Schweiz]] (südlichstes Autobahnkreuz Deutschlands), sowie an den Bundesstraßen [[Augsburg]]–Memmingen ([[Bundesstraße 300|B&nbsp;300]]) sowie Memmingen–[[Reutlingen]] ([[Bundesstraße 312|B&nbsp;312]]). Die Stadt besitzt drei Umfahrungsmöglichkeiten (Altstadtring, Mittlerer Ring, Autobahn). Zu den wichtigsten Straßen zählen die Dr.-Karl-Lenz-Straße, die Buxheimer Straße, die Donaustraße und die Allgäuer Straße. Durch die relativ hohen Einpendlungen ist gerade der Mittlere Ring vom Verkehr belastet. Die Stadt verfügt über eine etwa einen Kilometer lange Fußgängerzone in der Altstadt, vier städtische Parkhäuser in der Innenstadt und ein Parkhaus beim Klinikum. Die Einzelhandelsfirma [[Karstadt]] verfügt ebenfalls über ein Parkhaus. In der Innenstadt sind die meisten Straßen verkehrsberuhigt. In den nächsten Jahren sollen weitere Straßenzüge verkehrsberuhigt ausgebaut werden. Der Marktplatz ist als Fußgängerbereich ausgewiesen. Innerhalb der Stadt sind die meisten Straßen mit Fahrradwegen oder Fahrradspuren ausgestattet. Der öffentliche Personennahverkehr wird durch sechs innerstädtische Buslinien bedient, die montags bis freitags zwischen 6 und 20&nbsp;Uhr verkehren. An Sonn- und Feiertagen verkehrt nachmittags zwischen 12 und 19&nbsp;Uhr eine innerstädtische Buslinie. Die äußeren Stadtteile sind relativ schlecht an die Kernstadt angebunden.<ref>[http://www.memmingen.de/700.html Stadt Memmingen]</ref>; Der ''ZOB'' (Zentraler Omnibusbahnhof) neben dem Bahnhof wurde am 9. Dezember 1981 eingeweiht.<ref>{{Literatur | Autor=Uli Braun und Fritz Gorlitt | Herausgeber= Heimatpfleger Uli Braun | Titel=Memminger Brief 1977-1981 | Ort=Memmingen | Jahr=1989}}</ref> ==== Schienenverkehr ==== [[Datei:BahnhofMM.jpg|miniatur|Der Memminger Bahnhof]] {{Hauptartikel|Bahnhof Memmingen}} Im [[Bahnhof Memmingen]] kreuzen sich die Bahnlinien [[München]]–[[Lindau (Bodensee)|Lindau]] und [[Ulm]]–[[Oberstdorf]]. Der Regionalverkehr ist in den [[Allgäu-Schwaben-Takt]] eingebunden. Im Fernverkehr liegt Memmingen an der [[InterCity|Intercity]]-Verbindung Dortmund-Oberstdorf und der [[EuroCity|Eurocity]]-Verbindung München-Zürich. Die Strecke von München nach Zürich und somit auch der Bahnhof Memmingen wird bis zum Jahr 2015 für [[Neigetechnik]]züge ausgebaut und [[Bahnstrom|elektrifiziert]].<ref>{{Internetquelle|url=http://www.memmingen.de/370.html?&cHash=35e0b52de7&tx_ttnews[tt_news]=1597|titel=Bahnstrecke München-Memmingen-Lindau wird bis 2015 elektrifiziert|zugriff=April 2009}}</ref> Memmingen ist der Endpunkt der von [[Aulendorf]] kommenden [[Allgäubahn (Württemberg)|Württembergischen Allgäubahn]]. Die 1904 eröffnete [[Bahnstrecke Memmingen–Legau|Stichbahn nach Legau]], auch ''Legauer Rutsch'' genannt, wurde 1972 stillgelegt und ist überwiegend als Radweg ausgebaut.<ref>[http://www.allgaeu-bahn.de/all-iller.html Allgäu Bahn] (Stand 28. Juni 2008 – die Seite konnte im Browser nur mit abgeschalteter Weiterleitung betrachtet werden.)</ref> Der Bahnhof ist ''[[barrierefrei]]'' gestaltet. Seit längerem fordern verschiedene Parteien einen weiteren Bahnhaltepunkt im Schulzentrum West für etwa 3500 Schüler. ==== Luftverkehr ==== Vom [[Flughafen Memmingen]] in [[Memmingerberg]] starten [[Passagiermaschine]]n, [[Privatjet]]s und [[Sportflugzeug]]e. Obwohl es am 6. März 2004 in Memmingen eine Demonstration mit über 4000 Teilnehmern gab<ref> Memminger Zeitung, 8. März 2004, „Flughafen ein Unfugsprojekt“</ref>, wurde für den ehemaligen NATO-Militärflugplatz ([[Fliegerhorst]] Memmingen, [[Jagdbombergeschwader 34]]) am 9. Juli 2004 vom Luftamt Südbayern die luftrechtliche Änderungsgenehmigung für einen zivilen Regionalflughafen erteilt.<ref> Memminger Zeitung, 9. Juli 2004, Bekanntmachung der Regierung von Oberbayern</ref> Seit Juni 2007 bestehen Verbindungen zu nationalen und internationalen Zielen. An nationale Verbindungen werden von der [[Billigfluglinie]] [[TUIfly]] [[Berlin]], [[Hamburg]] und [[Köln]]/[[Bonn]] angeflogen; Internationale Ziele sind unter anderem [[Rom]], [[Neapel]], [[Mallorca]], [[Antalya]], [[Tel Aviv]] oder die [[Kanaren]]. Seit April 2009 sind durch die Ansiedlung von [[Ryanair]] am Flughafen Memmingen sieben weitere internationale Verbindungen hinzugekommen, unter anderem [[London]], [[Dublin]], [[Barcelona]] und [[Pisa]]. === Medien === Von und in der Stadt berichten die ''Memminger Zeitung'' (täglich erscheinend) und der ''Memminger Kurier'' (wöchentlich erscheinendes kostenloses Anzeigenblatt mit redaktionellem Teil). Ebenfalls kostenlos ist die ''mz extra'', die von der ''Memminger Zeitung'' wöchentlich publiziert wird. Monatlich erscheint das ''Public In'', das vor allem jüngere Bewohner ansprechen soll. Weiter gibt es seit Mai 2008 ''DIE LOKALE'', eine Monatszeitung im Tableauformat mit großem Redaktionsteil. Sie erscheint kostenlos in alle Haushalte. Der Regionalradiosender ''[[hitradio.rt1]] südschwaben'' berichtet aus seinem Sendestudio in der ''Donaustraße'' über aktuelle und lokale Themen. === Öffentliche Einrichtungen === [[Datei:MemmingenAmtsgericht2.jpg|miniatur|Das Amtsgericht Memmingen]] Das [[Amtsgericht Memmingen]] ist für die kreisfreie Stadt Memmingen sowie den Landkreis Unterallgäu, das [[Landgericht Memmingen]] für den bayerischen Teil der [[Region Donau-Iller]] (die Landkreise: [[Landkreis Unterallgäu|Unterallgäu]], [[Landkreis Neu-Ulm|Neu-Ulm]] und [[Landkreis Günzburg|Günzburg]]) zuständig. In der Stadt finden Amts- und Gerichtstage des [[Arbeitsgericht Kempten|Arbeitsgerichts Kempten]] statt. Memmingen ist Sitz der [[Justizvollzugsanstalt Memmingen]]. Memmingen hat ein Finanzamt mit einer Außenstelle in [[Mindelheim]], eine Agentur für Arbeit, ein Zollamt, eine Polizeiinspektion, eine Autobahnpolizeiinspektion sowie eine Kriminalpolizeiinspektion. Der Kriminaldauerdienst (KDD)- Südschwaben hat ebenfalls seinen Sitz in Memmingen.<ref> {{internetquelle|url=http://www.polizei.bayern.de/schwaben/krumbach/wir/organisation/dienststellen/index.html/1872|titel=Die Dienststellen der bayer. Polizei|zugriff=16.04.2008}} </ref> In Memmingen befindet sich eine Außenstelle des Landratsamtes Unterallgäu, das seinen Sitz in Mindelheim hat.<ref> {{internetquelle|url=http://www.memmingen.de/49.html|titel=Die Liste der verschiedenen Bundes- und Landesämter in der Stadt|zugriff=März 2008}} </ref> Auch befindet sich in Memmingen das ehemalige Fernmeldeamt Memmingen 2 das von der Deutschen Bundespost gebaut wurde und im Zuge der Privatisierung in den Besitz der Deutschen Telekom überging. Der 75 Meter hohe Fernmeldeturm sollte in den Anfangsjahren das Privatfernsehen übertragen, heute dient er dem Kabelnetz als Kabelempfangsstelle und Mobilfunk-Basisstation. ==== Bibliotheken ==== {{Hauptartikel|Wissenschaftliche Stadtbibliothek Memmingen|Stadtbibliothek Memmingen}} Die Stadtbibliothek mit einer Nebenstelle in der Theodor-Heuß-Schule besitzt über 75.000 Medien. Des Weiteren unterhält die Stadt die [[Wissenschaftliche Stadtbibliothek Memmingen]], die sich vor allem aus alten Handschriften und Forschungsliteratur zum Raum Memmingen zusammensetzt. Die katholische Kirche hat im Maximilian-Kolbe-Haus am [[Ulmer Tor]] eine kleine Bibliothek, ''Mediothek'' genannt, eingerichtet, die sich vor allem den nicht schriftlichen Medien widmet. ==== Feuerwehr ==== [[Datei:Ffw.JPG|miniatur|Die Freiwillige Feuerwehr in Memmingen]] Seit Jahrhunderten besteht in Memmingen eine [[Freiwillige Feuerwehr]]. Bereits im Mittelalter wird in verschiedenen Ratsprotokollen berichtet, dass alle Bürger mithalfen, kleinere Brände zu löschen. Von großflächigen Bränden wurde Memmingen bisher verschont. 1822 wurde die erste Freiwillige Feuerwehr in Memmingen gegründet. 1945 wurde sie in das Vereinsregister eingetragen. Seit der Gründung 1822 musste die Feuerwehr zweimal in andere Räume umziehen, bis sie 1984 ihre neu gebaute Feuerwache ''Am Rennweg'' beziehen konnte.<ref> {{internetquelle|url=http://www.feuerwehr-memmingen.de/cms/content/view/201/207/1/3/|titel=Die Chronik der Freiwilligen Feuerwehr Memmingen e.V.|zugriff=April 2008}} </ref> Die Freiwillige Feuerwehr hat derzeit 120 Mitglieder.<ref> {{internetquelle|url=http://www.feuerwehr-memmingen.de/cms/content/view/170/192/|titel=Aktuelle Mitgliederzahlen von der Freiwilligen Feuerwehr Memmingen e.V.|zugriff=April 2008}} </ref> Neben der Memminger Wehr sind in den Stadtteilen weitere, meist über 100 Jahre alte Feuerwehren im Einsatz.<ref> {{internetquelle|url=http://www.feuerwehr-memmingen.de/cms/content/view/96/123/|titel=Die Ortsteilwehren in Memmingen|zugriff=April 2008}} </ref> Bis zur Auflösung des [[Fliegerhorst Memmingerberg|Fliegerhorstes Memmingerberg]] wurde bei Großbränden in Industrieanlagen meist auch die dortige Berufsfeuerwehr mit ihren Löschkanonen hinzugerufen. ==== Gesundheits- und Betreuungseinrichtungen ==== Memmingen besitzt das zweitgrößte Klinikum im Regierungsbezirk Schwaben.<ref> {{internetquelle|url=http://www.klinikinfo.de/einblick/memmingen/klinikum-memmingen2007.pdf|titel=Broschüre über das Klinikum Memmingen, 3. Seite, Begrüßung des Oberbürgermeisters, PDF-Datei (4,2MB)|zugriff=13. April 2008}} </ref> Die Ärztedichte ist mit 233 Ärzten je 100.000 Einwohner überdurchschnittlich hoch. Memmingen belegt damit deutschlandweit den 44. Platz (Durchschnitt in Bayern 171, in Deutschland 160). Es gibt drei große Altenheime und ebenso viele Einrichtungen des betreuten Wohnens. Für die Kinderbetreuung gibt es mehrere Kindergärten sowie eine städtische [[Kinderkrippe]]. === Bildung === [[Datei:Bismarckschule.JPG|miniatur|Die Bismarckschule, eine Hauptschule]] [[Datei:Berufsfortbildungszentrum Memmingen.jpg|miniatur|Das BfZ, in dem auch die Business School Memmingen untergebracht ist]] ==== Allgemeinbildende Schulen ==== In Memmingen befinden sich sieben Volksschulen, zwei Realschulen (städtische Sebastian-Lotzer-Realschule und staatliche Realschule), eine staatliche Wirtschaftsschule, zwei Gymnasien ([[Bernhard-Strigel-Gymnasium]] und [[Vöhlin-Gymnasium]]), eine [[Berufsoberschule (Bayern)|Berufsoberschule]] und eine [[Fachoberschule]]. Auf dem Gelände des ehemaligen Schlachthofes wird bis 2009 ein neues Realschulzentrum für die staatliche gebaut, bis zum Schuljahresbeginn 2010 soll die städtische Realschule auf dem Areal folgen. Eine Musikschule ist ebenfalls vorhanden. Ein umfangreiches Bildungsangebot mit rund 600 Veranstaltungen je Semester bietet die Volkshochschule, die auch ein Cambridge-Prüfungszentrum unterhält. ==== Berufsbildende Schulen ==== In Memmingen befinden sich eine Fach- und eine Berufsoberschule sowie mehrere berufsbildende Schulen (z.&nbsp;B. die Berufsfachschule für Krankenpflege und Kinderkrankenpflege der Stadt Memmingen, die Fachschule für Datenverarbeitung, die Landwirtschaftsschule Memmingen). Im Berufsschulzentrum sind die Johann-Bierwirth-Schule, das staatlich kaufmännische Berufsbildungszentrum Jakob Küner, die staatliche Berufsschule Mindelheim – Außenstelle Memmingen und das berufliche Fortbildungszentrum der Bayerischen Wirtschaft (bfz) untergebracht. Die IHK betreibt in Memmingen das Berufsbildungs- und Technologie-Zentrum der Handwerkskammer für Schwaben. Am Altstadtring befindet sich die [[Deutsche Angestellten-Akademie]]. Im Januar 2009 erhielt die Stadt den Zuschlag für eine staatliche [[Technikerschule]], welche zum Schuljahresbeginn 2009/2010 im Berufsbildungszentrum Johann-Bierwirth ihren Dienst aufnehmen soll.<ref>Memminger Zeitung, 4. Februar, Seite 25 ''„Technikerschule ein Erfolg für die Region“''</ref> ==== Business School Memmingen ==== Mit der [[Business School Memmingen]] gelang es, ein Hochschulinstitut der privaten [[Steinbeis-Hochschule Berlin]] in der Stadt anzusiedeln. Hier werden zwei Studiengänge angeboten: Bachelor of Business Administration und Bachelor of Engineering.<ref> {{internetquelle|url=http://www.bs-memmingen.de|titel=Der offizielle Netzauftritt der Business School Memmingen|zugriff=März 2008}} </ref> Erstmals wurde am 19. März 2010 13 Studierenden der [[Bachelor of Arts]] im der ehemaligen Kreuzherrenklosterkirche verliehen.<ref>Memminger zeitung, 27. März 2010</ref> Da eine staatliche Hochschule oder Fachhochschule fehlt, hat sich Memmingen als Fachhochschulstandort beworben.<ref> {{internetquelle|url=http://www.hochschule-memmingen.de|titel=Ein Beispiel für die Forderungen nach einer Hochschule|zugriff=März 2010}} </ref> ==== Sonstiges ==== Das ''Institut für angewandte Forschung Memmingen e. V.'' ist in der ''Neuen Welt'' untergebracht. Der eingetragene Verein arbeitet eng mit Hochschulen der Umgebung und mit der heimischen Wirtschaft zusammen. Es werden zum Beispiel Strahlenmessungen von Mobiltelefonen durchgeführt.<ref>[http://www.memmingen.de/389.html?&cHash=7f5178a1d5&layout=%3Fwegweiser_rubrik%3DKinder-undJugend%3Fwegweiser_rubrik%3DKinder-undJugend&tx_ttnews&#x5B;tt_news&#x5D;=774 Pressemeldung: ''High-Tech-Einrichtung die ankommt'']</ref> Als ergänzende Bildungseinrichtung für 8 bis 15 Jährige hat im Januar 2010 die Kinderuni für Nachhaltigkeit (Kunina) ihre Pforten eröffnet. Am Wochenende werden Kurse für Schüler aller Schultypen angeboten. <ref>http://www.all-in.de/nachrichten/allgaeu/memmingen/Memmingen-lok1-kinder-uni;art2758,703761 Memminger Zeitung ''Mit acht Jahren an die Universität''</ref><ref>http://www.kunina.eu/kunina/kunina-die-erste-%E2%80%9Ekinderuni-fur-nachhaltigkeit%E2%80%9C-wurde-in-deutschland-eroffnet/ Pressemitteilung: ''KUniNa: Die erste „KinderUni für Nachhaltigkeit“ wurde in Deutschland eröffnet''P</ref> == Persönlichkeiten == === Ehrenbürger === {{Hauptartikel|Liste der Ehrenbürger von Memmingen}} === Söhne und Töchter der Stadt === [[Datei:Robert Barth.jpg|miniatur|hochkant|[[Robert Barth (Sportler)|Robert Barth]]]] <!-- d.h. Personen, die hier geboren sind--> {{Hauptartikel|Liste der Söhne und Töchter der Stadt Memmingen}} Die bedeutendsten Bürger der Stadt Memmingen waren die Mitglieder der [[Strigel (Künstlerfamilie)|Künstlerfamilie Strigel]], von denen der Haus- und Hofmaler [[Maximilian I. (HRR)|Maximilians I.]], [[Bernhard Strigel]], hervorzuheben ist. Aus jüngerer Zeit sind [[Josef Madlener]] und [[Max Unold]] als bedeutende Künstler der Stadt zu nennen. Als einziger Komponist von überregionaler Bedeutung wurde [[Christoph Rheineck]] in der Stadt geboren. Der Violinist, Dirigent und Hochschullehrer [[Franzjosef Maier]] gilt international als einer der Wegbereiter historischer Aufführungspraxis. Der [[Tagesschau (ARD)|Tagesschausprecher]] [[Claus-Erich Boetzkes]] kommt ebenfalls aus Memmingen. Im Sport ist der [[Bahnsport|Langbahn]]-Weltmeister [[Robert Barth (Sportler)|Robert Barth]] ein erfolgreicher Memminger. Die Stadt brachte aber auch in wirtschaftlicher Sicht große Namen hervor. So gründete die Familie Vöhlin zusammen mit den [[Welser]]n aus Augsburg die kurzzeitig größte Handelsgesellschaft Deutschlands, die ''Große Deutsche Kompagnie''. In der Neuzeit sind vor allem [[Robert Friedrich Metzeler]], dessen Firma noch besteht und [[Hubert Liebherr]], ein Sohn des Gründers der Liebherr-Gruppe, bedeutsam. Der ehemalige Landtagsabgeordnete der [[Sozialdemokratische Partei Deutschlands|SPD]], [[Herbert Müller (* 1944)|Herbert Müller]] ist in Memmingen geboren. === Persönlichkeiten, die vor Ort gewirkt haben === [[Datei:Claudia Roth.jpg|miniatur|Claudia Roth absolvierte ihre Lehre am [[Landestheater Schwaben|LTS]]]] <!--Persönlichkeiten, welche mit Memmingen stark verbunden waren--> {{Hauptartikel|Liste der Persönlichkeiten der Stadt Memmingen}} Der Stadtgründer [[Welf VI.]], auch ''der Milde'' genannt, machte Memmingen zu seiner Residenz und starb dort. Der Buchdrucker [[Albrecht Kunne]] lebte im Mittelalter in der Stadt. [[Christoph Schappeler]] lebte dort zur Zeit der Reformation und [[Wallenstein]] verbrachte in den Wirren des Dreißigjährigen Krieges einige Monate in Memmingen und erfuhr dort von seiner Absetzung als Kommandant der Kaiserlichen. Der ehemalige bayerische Landwirtschaftsminister [[Josef Miller (CSU)|Josef Miller]] lebte in der Stadt. Der Grünenpolitiker [[Fritz Kuhn]] besuchte das Strigelgymnasium und [[Claudia Roth]] absolvierte eine Lehre am [[Landestheater Schwaben]]. [[Lena Valaitis]] verbrachte ihre Kindheit in Memmingen. == Veröffentlichungen == Folgendes wurde über die Stadt Memmingen an Print-, Audio- und visuellen Medien veröffentlicht. === Literatur === * {{Literatur |Autor=Joachim Jahn und andere |Titel=Die Geschichte der Stadt Memmingen- Von den Anfängen bis zum Ende der Reichsstadt |Verlag=[[Konrad Theiss Verlag]] |Ort=Stuttgart |Jahr=1997 |ISBN=3-8062-1315-1 }} * {{Literatur |Autor=Paul Hoser |Titel=Die Geschichte der Stadt Memmingen- Vom Neubeginn im Königreich Bayern bis 1945 |Verlag=[[Konrad Theiss Verlag]] |Ort=Stuttgart |Jahr=2001 |ISBN=3-8062-1316-X }} * {{Literatur |Autor=Uli und Walter Braun |Titel=Eine Stunde Zeit für Memmingen – vom Umland ganz zu schweigen. |Verlag=Maximilian Dietrich Verlag |Ort=Memmingen |Jahr=div. Auflagen |ISBN=3-934509-30-4 }} * {{Literatur |Autor=Günther Bayer |Titel=Memmingen – Alte Ansichten aus Stadt und Land. |Verlag=Verlag Memminger Zeitung |Ort=Memmingen |Jahr=1990 |ISBN=3-9800649-9-9 }} * {{Literatur |Autor=Curt Wiesel, Uli Wiesel, Rudolf Lohberg |Titel=Memmingen |Verlag=Maximilian Dietrich Verlag |Ort=Memmingen |Jahr=2000 |ISBN=3-87164-133-2 }} * {{Literatur |Autor=Historischer Verein Memmingen |Titel=Memmingen zwischen Zunfthandwerk und Unternehmertum. Ein Beitrag zur reichsstädtischen Gewerbegeschichte 1648–1802 |Verlag=Bauer Verlag |Ort=Memmingen |Jahr=1995 |ISBN=3-934509-20-7 }} * {{Literatur |Autor=Diverse |Titel=Mir Memminger. Ernstes und Heiteres in schwäbischer Mundart |Verlag=Bauer Verlag |Ort=Memmingen |Jahr=1988 |ISBN=3-934509-31-2 }} * {{Literatur |Autor=Sabine Rogg und Christoph Engelhard |Titel=Memmingen – Schlüssel zur Stadt |Verlag=Maximilian Dietrich Verlag |Ort=Memmingen |Jahr=2007 |ISBN=978-387-1641-664 }} * {{Literatur |Autor=Oliver Sinz |Titel=Memmingen und Umgebung (Bad Grönenbach, Ottobeuren) |Verlag=Die Reise-Idee/Verlag Jens Wächter |Ort=Kempten |Jahr=2000 |ISBN=978-3934739024 }} === Radio === * Karin Sommer: Die Rosenbaum-Krawalle in Memmingen im Jahr 1921. Eine Stadt am Rande der Lynchjustiz. (Radiosendung vom 6. Dezember 1992 im [[Bayerischer Rundfunk|Bayerischen Rundfunk]]) === Fernsehen === * ''Stationen: Geschichten rund um St. Martin in Memmingen'', 2008, Bayerischer Rundfunk * ''Abendschau im bayerischen Fernsehen'', 2007, Liveübertragung vom Christkindlesmarkt, Bayerischer Rundfunk<ref> {{internetquelle|url=http://www.all-in.de/nachrichten/allgaeu/memmingen/Memmingen-lok-lok1-brweihnacht;art2758,263512|titel=Ankündigung der Liveübertragung auf all-in.de|zugriff=13. April 2008}} </ref> * ''Abgetrieben'', Erstveröffentlichung 1992, [[Zweites Deutsches Fernsehen|ZDF]], 90 Minuten. In diesem Film geht es um den [[Memminger Prozess]]<ref> {{Internetquelle|url=http://www.abortionfilms.org/detail.php?lang=de&xp=24|titel=Beschreibung des Films Abgetrieben|zugriff=5. Mai 2008}} </ref> * ''Vollbeschäftigung: Das Beispiel Memmingen'', 29. Mai 2008, ARD/Tagesthemen<ref> {{internetquelle|url=http://www.tagesschau.de/wirtschaft/vollbeschaeftigung10.html|titel=Vollbeschäftigung: Das Beispiel Memmingen|zugriff=30. Mai 2008}} </ref> == Siehe auch == {{Portal|Memmingen}} == Weblinks == {{Commons}} {{Wiktionary|Memmingen}} {{Wikinews|Kategorie:Memmingen|{{PAGENAME}}}} {{Wikisource|Memmingen|{{PAGENAME}}}} * [http://www.memmingen.de/ Internetpräsenz der Stadt Memmingen] * {{HdBG GKZ|9764000}} * [http://www.blfd.bayern.de/blfd/monument.php?id=1656651&SID=83bfeaad240175bb8afac56cb4740072 Stadt Memmingen beim Landesamt für Denkmalpflege] * [http://www.staedte-verlag.de/utcms/de-karten-startseite.html?mapplz=87700 Der Stadtplan vom Städteverlag] * {{GKD|2019397-X}} == Einzelnachweise == <references/> {{NaviBlock |Navigationsleiste Stadtteile von Memmingen |Navigationsleiste Landkreise und kreisfreie Städte in Bayern }} {{Exzellent|9. Juni 2008|47042254}} [[Kategorie:Memmingen| ]] [[Kategorie:Mittelschwaben]] [[Kategorie:Kreisfreie Stadt in Bayern]] [[Kategorie:Reichsstadt]] [[Kategorie:Sage]] [[af:Memmingen]] [[als:Memmingen]] [[bar:Memmingen]] [[ca:Memmingen]] [[da:Memmingen]] [[en:Memmingen]] [[eo:Memmingen]] [[es:Memmingen]] [[et:Memmingen]] [[fi:Memmingen]] [[fr:Memmingen]] [[id:Memmingen]] [[it:Memmingen]] [[ja:メミンゲン]] [[lb:Memmingen]] [[nl:Memmingen]] [[no:Memmingen]] [[pl:Memmingen]] [[pt:Memmingen]] [[ro:Memmingen]] [[ru:Мемминген]] [[simple:Memmingen]] [[sv:Memmingen]] [[tr:Memmingen]] [[vi:Memmingen]] [[vo:Memmingen]] [[war:Memmingen]] [[zh:梅明根]] ju2yu4c0jsr96gj9q27lxqkkrgkit4a wikitext text/x-wiki Merkur (Planet) 0 23919 26515 2010-05-01T18:59:23Z Almabot 302 Bot: Ergänze: [[bo:ལྷག་པ།]] {{Infobox Planet | Name = Merkur&nbsp;&nbsp;[[Datei:Mercury symbol.svg|15px|Astronomisches Symbol des Merkur.]] | Bild = [[Datei:Mercury Mariner10.jpg|270px|center|]] | Bildtext = Merkur in natürlichen Farben, beim Anflug der Raumsonde [[Mariner#Mariner 10|Mariner&nbsp;10]]. | Farbe = #EEDC82 | Große_Halbachse = 0.3871 | Perihel = 0,307 | Aphel = 0,467 | Exzentrizität = 0,2056 | Bahnneigung = 7,00 | Umlaufdauer = 87,969 [[Tag|d]] | Oppositionsintervall = 115,88 d | Umlaufgeschwindigkeit = 47,87 | Kleinster_Abstand = 0,517 | Größter_Abstand = 1,483 | ref-o = <ref name="daten_nasa">{{internetquelle | hrsg=NASA | autor=David R. Williams | url=http://nssdc.gsfc.nasa.gov/planetary/factsheet/mercuryfact.html | sprache=Englisch | titel=Mercury Fact Sheet | datum=30. November 2007 | zugriff=6. Oktober 2009}}</ref> | Äquatordurchmesser = 4.879,4 | Poldurchmesser = 4.879,4 | Masse = 3,302 · 10<sup>23</sup> | Dichte = 5,427 | Hauptbestandteile = | Fallbeschleunigung = 3,7 | Fluchtgeschwindigkeit = 4,3 | Rotationsperiode = 58 [[Tag|d]] 15 [[Stunde|h]] 36 [[Minute|min]] | Achsenneigung = 0,01 | Albedo = 0,106 | MaxScheinbareHelligkeit = −1,9 | Druck = 10<sup>−15</sup> | Temperatur = 100 [[Kelvin|K]]&nbsp;(–173&nbsp;[[Celsius|°C]])<br />440 K&nbsp;(+167&nbsp;°C)<br />700 K&nbsp;(+427&nbsp;°C) | Atmosphärenhauptbestandteile = * [[Sauerstoff]]: 42 % * [[Natrium]]: 29 % * [[Wasserstoff]]: 22 % * [[Helium]]: 6 % * [[Kalium]]: 0,5 % | ref-p= <ref name="daten_nasa"/> | Anderer_Name = Hermes | Vergleichbild = [[Datei:Mercury Earth Comparison.png|200px]] | Vergleichtext = Größenvergleich zwischen Merkur (links) und Erde. }} Der '''Merkur''' ist mit einem Durchmesser von knapp&nbsp;4880&nbsp;km der kleinste, mit einer durchschnittlichen Sonnenentfernung von etwa 58&nbsp;Millionen km der sonnennächste und somit auch schnellste [[Planet]] im [[Sonnensystem]]. Er hat mit einer maximalen Tagestemperatur von rund +430&nbsp;[[Celsius|°C]] und einer Nachttemperatur von bis zu −170&nbsp;°C die größten Temperaturschwankungen aller Planeten. Aufgrund seiner Größe und seiner chemischen Zusammensetzung zählt er zu den [[Erdähnlicher Planet|erdähnlichen (terrestrischen) Planeten]]. Wegen seiner Sonnennähe ist er von der [[Erde]] aus schwer zu beobachten, da er nur einen [[Elongation (Astronomie)|Winkelabstand]] von etwa 20° östlich und westlich von der [[Sonne]] erreicht. Sein [[astronomisches Symbol]] ist ☿. == Himmelsmechanik == === Umlaufbahn === Als sonnennächster Planet hat Merkur mit 0,387 AE (57,9 Mio. km) nicht nur den geringsten Abstand zu unserem Zentralgestirn, sondern mit etwa 88 Tagen auch die kürzeste Umlaufzeit. Die Umlaufbahn des Merkur ist auf die anderen Planeten bezogen vergleichsweise stark [[Ellipse|elliptisch]], unter allen Planeten besitzt Merkur die Umlaufbahn mit der größten numerischen [[Exzentrizität (Astronomie)|Exzentrizität]]. So liegt sein sonnennächster Punkt, das [[Apsis (Astronomie)|Perihel]], bei 0,307 [[Astronomische Einheit|AE]] (46,0 Mio. km) und sein sonnenfernster Punkt, das [[Apsis (Astronomie)|Aphel]], bei 0,467 AE (69,8 Mio. km). Ebenso ist die Neigung seiner Bahnebene gegen die Erdbahnebene mit über sieben Grad höher als die der anderen Planeten. Eine derartige hohe Exzentrizität und Bahnneigung ist ansonsten typisch für [[Zwergplanet]]en wie [[Pluto]] und [[(136199) Eris|Eris]]. ==== Periheldrehung ==== [[Datei:250px-Mercur orbit periheldrehung.png|miniatur|left|Drehung des Merkurperihels. Die Exzentrizität der Bahn und die Rate der Präzession sind stark übertrieben. Zwischen den einzelnen dargestellten Periheldurchgängen liegen in Wirklichkeit etwa 58.000 Umläufe.]] Bereits die newtonsche Mechanik sagt voraus, dass der [[Gravitation|gravitative]] Einfluss der anderen Planeten das Zweikörper-System aus Sonne und Merkur stört. Durch diese Störung führt die große Bahnachse der Merkurbahn eine langsame rechtläufige Drehung in der Bahnebene aus. Der Merkur durchläuft also streng genommen keine Ellipsen- sondern eine Rosettenbahn. In der zweiten Hälfte des [[19. Jahrhundert]]s waren die Astronomen in der Lage, diese Veränderungen, insbesondere die Lage des Merkur-Perihels, mit großer Genauigkeit zu messen. [[Urbain Le Verrier]], der damalige Direktor des Pariser Observatoriums, bemerkte, dass die [[Präzession]] (Drehung) des Perihels für Merkur 5,74" ([[Bogensekunde]]n) pro Jahr beträgt. Dieser Wert konnte allerdings nicht völlig mit der [[Klassische Mechanik|klassischen Mechanik]] von [[Isaac Newton]] erklärt werden. Laut der newtonschen Himmelsmechanik ist der gemessene Wert um 0,43" pro Jahr zu groß und dürfte in 100 Jahren nur 532,08" betragen. Darum vermutete man neben einer verursachenden [[Abplattung]] der Sonne noch einen [[Asteroidengürtel]] zwischen Merkur und der Sonne oder einen weiteren Planeten, der für diese Störungen verantwortlich sein sollte. Obwohl man sogar schon einen Namen für diesen vermeintlichen Planeten gewählt hatte ([[Vulkan (Planet)|Vulkan]]), konnte trotz intensiver Suche kein Objekt innerhalb der Merkurbahn gefunden werden. Da ein Objekt innerhalb der Merkurbahn allerdings durch den entsprechend kleinen Abstand zur Sonne leicht von dieser überstrahlt werden kann, stieß das Problem nur auf mäßiges Interesse, bis [[Albert Einstein]] mit seiner [[Allgemeine Relativitätstheorie|allgemeinen Relativitätstheorie]] eine Erklärung für die kleinen Unterschiede zwischen Theorie und Beobachtung erbrachte. Der relativistisch berechnete Überschuss von 43,03" je Jahrhundert stimmt gut mit dem beobachteten von 43,11" überein, der pro einzelnen Umlauf eine Verschiebung um 0,1039" bzw. 29&nbsp;km bedeutet. Für eine komplette [[Apsidendrehung|Periheldrehung]] von 360° benötigt Merkur rund 225.000 Jahre bzw. rund 930.000 Umläufe und erfährt so je Umlauf ein um rund 1,4" gedrehtes Perihel. ==== Mögliche zukünftige Entwicklung ==== Konstantin Batygin und Gregory Laughlin von der University of California, Santa Cruz, und davon unabhängig Jacques Laskar (Pariser Observatorium) haben aufgrund von Computersimulationen festgestellt, dass das innere Sonnensystem auf lange Sicht nicht stabil bleiben muss. Merkurs Bahn weist die höchste Exzentrizität aller Planeten auf, und ist bereits heute beinahe so exzentrisch wie die Bahn des Kleinplaneten [[Pluto]]. In ferner Zukunft (in einer Milliarde Jahren oder mehr) könnte Jupiters Schwerkraft Merkur aus seiner jetzigen Umlaufbahn herausreißen, indem er durch seinen Einfluss nach und nach Merkurs Bahnexzentrizität vergrößert, bis der Planet in seinem sonnenfernsten Punkt (Aphel) die Umlaufbahn der Venus kreuzt.<ref name="skyandtelescope">{{internetquelle | autor=Ken Croswell | hrsg=Sky and Telescope | url=http://www.skyandtelescope.com/news/home/18103199.html | sprache=Englisch | titel=Will Mercury Hit Earth Someday? | datum=24. April 2008 | zugriff=6. Oktober 2008}}</ref> Daraufhin könnte es vier Szenarien geben: Merkur stürzt in die Sonne; er wird aus dem Sonnensystem geschleudert; er kollidiert mit der Venus oder sogar mit der Erde. Die Chance, dass eine dieser Möglichkeiten eintreffen wird, liegt jedoch nur bei rund 1%, bevor sich die Sonne zu einem [[Roter Riese|Roten Riesen]] aufblähen wird.<ref name="spaceflight_now">{{internetquelle | hrsg=Spaceflight now | url=http://www.spaceflightnow.com/news/n0810/02collision/ | sprache=Englisch | titel=Worlds in collision | datum=2. Oktober 2008 | zugriff=6. Oktober 2008}}</ref> === Rotation === Merkurs [[rechtläufig]]e Rotationsachse steht fast senkrecht auf seiner Bahnebene. Deswegen und aufgrund der fehlenden Atmosphäre können auf Merkur Jahreszeiten nicht wie auf der Erde oder auf dem [[Mars (Planet)|Mars]] zustande kommen. Allerdings variiert die Sonneneinstrahlung aufgrund der Exzentrizität der Bahn beträchtlich: Im Perihel trifft etwa 2,3-mal so viel Energie von der Sonne auf die Merkuroberfläche wie im Aphel. Dieser Effekt, der beispielsweise auf der Erde wegen der geringen Exzentrizität der Bahn klein ist (7 %), führt zu Jahreszeiten auf Merkur.<ref>Sterne und Weltraum, 1/2010, S. 22–24</ref> [[Datei:Mercury's orbital resonance.png|thumb|left|Schema der Resonanz von drei Rotationen zu zwei Umläufen Merkurs.]] [[Radar]]beobachtungen zeigten [[1965]] <ref name="">{{internetquelle | autor=G. Colombo | hrsg=nature | url=http://www.nature.com/nature/journal/v208/n5010/abs/208575a0.html | sprache=Englisch | titel=Rotational Period of the Planet Mercury | datum=8. November 1965 | zugriff=6. Oktober 2009 }}</ref>, dass der Planet nicht, wie ursprünglich von [[Giovanni Schiaparelli]] 1889 angenommen<ref name="MittonS">Mitton, Simon: ''Cambridge Enzyklopädie der Astronomie''. München, 1989, [[Urania Verlag]], ISBN 3-572-03667-4''</ref>, eine einfache [[gebundene Rotation]] besitzt, d.&nbsp;h. der Sonne immer dieselbe Seite zuwendet (so, wie der Erdmond uns auf der Erde immer dieselbe Seite zeigt). Vielmehr besitzt er als Besonderheit eine gebrochen gebundene Rotation und dreht sich während zweier Umläufe exakt dreimal um seine Achse. Seine [[Siderischer Tag|siderische Rotationsperiode]] beträgt zwar 58,646 Tage, aber aufgrund der 2:3-Kopplung an die schnelle Umlaufbewegung mit demselben Drehsinn entspricht der Abstand zwischen zwei Sonnenaufgängen an einem beliebigen Punkt auf dem Planeten mit 175,938 Tagen auch genau dem Zeitraum von zwei Sonnenumläufen. Nach einem weiteren Umlauf geht die Sonne dementsprechend am [[Antipode]]nort auf. Durchläuft der Merkur den sonnennächsten Punkt seiner ziemlich stark exzentrischen Bahn, das Perihel, steht das Zentralgestirn zum Beispiel immer abwechselnd über dem Calorisbecken am 180. Längengrad bzw. über dessen chaotischem Antipodengebiet am [[Nullmeridian]] im [[Zenit (Richtungsangabe)|Zenit]]. Zur Erklärung der Kopplung von Rotation und Umlauf wird unter Caloris Planitia (der „heißen“ Tiefebene), einer Massekonzentration ähnlich den so genannten [[Mascon]]s der großen, annähernd kreisförmigen Maria des Erdmondes, angenommen, an der die Gezeitenkräfte der Sonne die vermutlich einst schnellere Eigendrehung des Merkur zu dieser ungewöhnlichen [[Bahnresonanz|Resonanz]] heruntergebremst haben. Im Perihelbereich, während der höchsten Bahngeschwindigkeit von Merkur, entspricht seine Rotationsgeschwindigkeit einer normalen gebundenen Rotation. {| |----- | colspan="4" | ''Vergleich der Abstände von Erde, Venus und Merkur zur Sonne:'' |----- | bgcolor="black" colspan="5" | [[Datei:Erde Venus Merkur Sonne.png|center|600px|Abstandverhältnis Erde/Mond, Venus, Merkur, Sonne. Die Größe der Sonne ist hierbei maßstabsgetreu.]] |----- | width="20%" align="center"| <small>Erde</small> | width="20%" align="center"| <small>Venus</small> | width="10%" align="center"| <small>&nbsp;</small> | width="30%" align="center"| <small>Merkur</small> | width="20%" align="center"| <small>Sonne (maßstabgetreu)</small> |} == Aufbau == Auf den ersten Blick wirkt der Merkur für einen [[Terrestrischer Planet|erdähnlichen Planeten]] eher uninteressant, sein Aufbau ist aber recht widersprüchlich: Äußerlich gleicht er dem planetologisch-[[geologisch]] inaktiven [[Mond|Erdmond]], doch das Innere entspricht anscheinend viel mehr dem der geologisch sehr [[Geodynamik|dynamischen]] Erde. === Atmosphäre === Der Merkur hat keine [[Atmosphäre]] im herkömmlichen Sinn. Sie ist dünner als ein labortechnisch erreichbares [[Vakuum]] und bietet die gleiche freie Sicht wie die Atmosphäre des Mondes. Die Bestandteile Wasserstoff H<sub>2</sup> (22 %) und Helium (6 %) stammen sehr wahrscheinlich aus dem [[Sonnenwind]]; [[Sauerstoff]] O<sub>2</sub> (42 %), [[Natrium]] (29 %) und [[Kalium]] (0,5 %) wurde von ihm vermutlich aus dem Material der Oberfläche freigesetzt (die Prozentangaben sind ungenaue Schätzungen der Volumenanteile der Gase). Der Druck der Gashülle beträgt am Boden nur etwa 10<sup>−15</sup> [[Bar (Einheit)|Bar]]. Die Gesamtmasse der Merkuratmosphäre beträgt damit nur etwa 1000 Kilogramm.<ref name="daten_nasa" /> Aufgrund der großen Hitze und der geringen [[Gravitation|Anziehungskraft]] kann Merkur die Gasmoleküle nicht lange halten, sie entweichen durch [[Photoevaporation]] stets schnell ins [[Universum|All]]. Auf der Erde heißt der Bereich, für den dies zutrifft, [[Exosphäre]]; es ist die Austauschzone zum interplanetaren Raum. Eine ursprüngliche Atmosphäre als Entgasungsprodukt des Planeteninnern ist dem Merkur längst verloren gegangen; es gibt auch keine Spuren einer früheren [[Erosion (Geologie)|Erosion]] durch [[Wind]] und [[Wasser]]. Das Fehlen einer richtigen Gashülle, welche für einen gewissen Ausgleich der Oberflächentemperaturen sorgen würde, bedingt in dieser Sonnennähe besonders extreme Temperaturschwankungen zwischen der Tag- und der Nachtseite. Gegenüber den Nachttemperaturen, die bis auf −183&nbsp;°C sinken, wird die während des geringsten Sonnenabstands beschienene Planetenseite bis auf +467&nbsp;°C aufgeheizt. Während des größten Sonnenabstands beträgt die höchste Bodentemperatur bei der großen Bahnexzentrizität von Merkur noch rund +250&nbsp;°C. === Oberfläche === [[Datei:Reprocessed Mariner 10 image of Mercury.jpg|thumb|left|Die mit [[Mariner|Mariner&nbsp;10]] kartierten Oberflächenteile.]] Wegen der schwierigen Erreichbarkeit auf der sonnennahen Umlaufbahn und der damit verbundenen Gefahr durch den intensiveren Sonnenwind haben bislang erst zwei [[Raumsonde]]n, [[Mariner|Mariner&nbsp;10]] und [[MESSENGER]], den Planeten besucht und eingehender studiert. Bei drei Vorbeiflügen in den 1970er-Jahren konnte Mariner&nbsp;10 lediglich etwa 45 % seiner Oberfläche kartieren. Die Merkursonde MESSENGER hatte gleich bei ihrem ersten Vorbeiflug im Januar 2008 auch einige von Mariner&nbsp;10 nicht erfasste Gebiete fotografiert und konnte die Abdeckung auf etwa 66 % erhöhen.<ref name="ah030708">{{internetquelle | autor=Tilmann Althaus | hrsg=astronomie-heute.de | url=http://www.astronomie-heute.de/artikel/960922&_z=798889 | sprache= | titel=Neues von Merkur | datum=3. Juli 2008 | zugriff=6. Oktober 2009}}</ref> Mit ihrem zweiten [[Swing-by]] im Oktober 2008 stieg die Abdeckung auf rund 95 %.<ref name="an311008">{{internetquelle | autor=Stefan Deiters | hrsg=astronews | url=http://www.astronews.com/news/artikel/2008/10/0810-044.shtml | sprache= | titel=95 Prozent des Merkur sind fotografiert | datum=31. Oktober 2008 | zugriff=6. Oktober 2009}}</ref> Die mondähnliche, von [[Einschlagkrater|Kratern]] durchsetzte Oberfläche aus rauem, porösem, dunklem [[Gestein]] reflektiert das [[Sonnenlicht]] nur schwach. Die mittlere sphärische [[Albedo]] beträgt 0,06, das heißt die Oberfläche streut im Durchschnitt 6 % des von der [[Sonne]] praktisch parallel eintreffenden [[Licht]]es zurück. Damit ist der Merkur im Mittel noch etwas dunkler als der Mond (0,07). Anhand der zerstörerischen Beeinträchtigung der Oberflächenstrukturen untereinander ist, wie auch bei Mond und [[Mars (Planet)|Mars]], eine Rekonstruktion der zeitlichen Reihenfolge der prägenden Ereignisse möglich. Es gibt in den abgelichteten Gebieten des Planeten keine Anzeichen von [[Plattentektonik]]; MESSENGER hat aber zahlreiche Hinweise auf [[Vulkanismus|vulkanische Eruptionen]] gefunden. ==== Krater ==== {| class="prettytable float-left" style=" font-size: 90%;" |----- ! bgcolor=#EEDC82 colspan="3" | Die elf größten der seit Mariner 10 <br /> bekannten Merkurkrater |----- | align="center"| '''Name''' | align="center"| '''Durchmesser'''<br /> (km) | align="center"| '''Koordinaten''' |----- | [[Caloris Planitia|Caloris-Becken]] | align="center"| 1550 | align="center"| 30,5° N; &nbsp;189,8° W |----- | [[Beethoven (Krater)|Beethoven]] | align="center"| 643 | align="center"| 20,8° S; &nbsp;123,6° W |----- | Dostoevskij | align="center"| 411 | align="center"| 45,1° S; &nbsp;176,4° W |----- | [[Tolstoj (Krater)|Tolstoj]] | align="center"| 390 | align="center"| 16,3° S; &nbsp;163,5° W |----- | Goethe | align="center"| 383 | align="center"| 78,5° N; &nbsp;044,5° W |----- | Shakespeare | align="center"| 370 | align="center"| 49,7° N; &nbsp;150,9° W |----- | Raphael | align="center"| 343 | align="center"| 19,9° S; &nbsp;075,9° W |----- | Homer | align="center"| 314 | align="center"| 01,2° S; &nbsp;036,2° W |----- | Monet | align="center"| 303 | align="center"| 44,4° N; &nbsp;010,3° W |----- | Vyasa | align="center"| 290 | align="center"| 48,3° N; &nbsp;081,1° W |----- | Van Eyck | align="center"| 282 | align="center"| 43,2° N; &nbsp;158,8° W |} Die Oberfläche des Merkur ist mit Kratern übersät. Die Verteilung der [[Einschlagkrater|Einschlagstrukturen]] ist gleichmäßiger als auf dem Mond und dem Mars; demnach ist das Alter seiner Oberfläche gleichmäßig sehr hoch.<ref name="an311008"/> Mit ein Grund für die hohe Kraterdichte ist die äußerst dünne Atmosphäre, die ein ungehindertes Eindringen von [[Kleinkörper (Astronomie)|Kleinkörpern]] gestattet. Die große Anzahl der Krater je Fläche –&nbsp;ein Maß für das Alter der Kruste&nbsp;– spricht für eine sehr alte, das heißt seit der Bildung und Verfestigung des Merkur von vor etwa 4,5 bis vor ungefähr 4&nbsp;Milliarden Jahren sonst wenig veränderte Oberfläche. [[Datei:Mercure fausses couleurs.jpg|thumb|Farbverstärkte Aufnahme des Merkur durch die Raumsonde Mariner 10.]] Wie auch beim Mond zeigen die Krater des Merkur ein weiteres Merkmal, das für eine durch Impakt entstandene Struktur als typisch gilt: Das hinausgeschleuderte und zurückgefallene Material, das sich um den Krater herum anhäuft; manchmal in Form von radialen Strahlen, wie man sie auch als [[Strahlensystem]]e auf dem Mond kennt. Sowohl diese speichenartigen Strahlen als auch die Zentralkrater, von denen sie jeweils ausgehen, sind aufgrund des relativ geringen Alters heller als die Umgebung. Die ersten Beobachtungen der Strahlen des Merkur machte man mit den [[Radioteleskop]]en [[Arecibo-Observatorium|Arecibo]] und [[Goldstone Deep Space Communications Complex|Goldstone]] und mithilfe des [[Very Large Array]] (VLA) des nationalen Radioobservatoriums der Vereinigten Staaten (siehe auch [[Astrogeologie]]). Der erste Krater, der durch die Raumsonde Mariner&nbsp;10 während ihrer ersten Annäherung erkannt wurde, war der 40&nbsp;km breite, aber sehr helle Strahlenkrater Kuiper (siehe Bild rechts). Der Krater wurde nach dem niederländisch-US-amerikanischen Mond- und Planetenforscher [[Gerard Peter Kuiper|Gerard Kuiper]] benannt, der dem Mariner-10-Team angehörte und noch vor der Ankunft der Sonde verstarb. [[Datei:Mercury in color - Prockter07 centered.jpg|thumb|Merkur beim ersten [[Swing-by|Fly-by]] der Raumsonde [[MESSENGER]] am 14. Januar 2008. Oben rechts [[Caloris Planitia]] mit etwas hellerer Oberfläche.]] Nördlich des [[Äquator]]s liegt [[Caloris Planitia]], ein riesiges, kreisförmiges, aber ziemlich flaches Becken mit einem Durchmesser von etwa 1550&nbsp;km und ist damit das größte bekannte Gebilde auf dem Merkur. Es wurde vermutlich vor etwa 3,8 Milliarden Jahren von einem über 100&nbsp;km großen Einschlagkörper erzeugt. Der [[Impakt]] war so heftig, dass durch die [[Seismik|seismischen]] [[Schwingung]]en um den Ort des Einschlags mehrere [[konzentrisch]]e Ringwälle aufgeworfen wurden und aus dem Innern des Planeten Lava austrat. Die von MESSENGER neu entdeckten vulkanischen Strukturen finden sich insbesondere im Umfeld und auch im Inneren des Beckens.<ref name="ah030708" /> Das Beckeninnere ist von dem [[Magma]] aus der Tiefe anscheinend aufgefüllt worden, ähnlich wie die [[Liste der Maria des Erdmondes|Marebecken]] des Mondes. Den Boden des Beckens prägen viele konzentrische Furchen und Grate, die an eine Zielscheibe erinnern und ihm Ähnlichkeit mit dem annähernd vergleichbar großen Multiringsystem auf dem Mond geben, in dessen Beckenzentrum das [[Mare Orientale]] liegt. Das ziemlich flache Caloris-Becken wird von den Caloris Montes begrenzt, einem unregelmäßigen Kettengebirge, dessen Gipfelhöhen lediglich etwa 1&nbsp;km erreichen. ==== Ebenen ==== Auch andere flache Tiefebenen ähneln den Maria des Mondes. Mare (Mehrzahl: Maria, deutsch 'Meere') ist in der [[Mond#Selenologie und Selenografie|Selenologie]] – der „Geologie“ des Erdtrabanten – der [[latein]]ische [[Gattungsname]] für die glatten und dunklen [[Basalt]]flächen, die zahlreiche Krater und Becken des Mondes infolge von aus Bodenspalten emporgestiegener und erstarrter [[Lava]] ausfüllen. Die glatten Ebenen des Merkur sind aber nicht dunkel wie die „Mondmeere“. Insgesamt sind sie anscheinend auch kleiner und weniger zahlreich. Sie liegen alle auf der Nordhalbkugel im Umkreis des Caloris-Beckens. Ihre Gattungsbezeichnung ist Planitia, lateinisch für Tiefebene. Dass sich die mareähnlichen Ebenen auf dem Merkur nicht wie die Maria des Mondes mit einer dunkleren Farbe von der Umgebung abheben, wird mit einem geringeren Gehalt an [[Eisen]] und [[Titan (Element)|Titan]] erklärt. Damit ergibt sich jedoch ein gewisser Widerspruch zu der hohen mittleren Dichte des Planeten, die für einen verhältnismäßig sehr großen Metallkern spricht, der vor allem aus Eisen besteht. Dunkle Böden wurden durch MESSENGER im Caloris-Becken nur als Füllung kleinerer Krater gefunden und obwohl für deren Material ein vulkanischer Ursprung vermutet wird, zeigen die Messdaten anders als bei solchem Gestein zu erwarten ist, ebenfalls nur einen sehr geringen Anteil an Eisen. Das Metall ist in Merkurs Oberfläche zu höchstens sechs Prozent enthalten.<ref name="spiegel">{{internetquelle | autor= | hrsg=Spiegel Online | url=http://www.spiegel.de/wissenschaft/weltall/0,1518,563820,00.html | sprache= | titel=Auf Merkur brodeln Vulkane | datum=4. Juli 2008 | zugriff=6. Oktober 2009}}</ref> ==== Besonderheiten ==== Zwei Formationen findet man ausschließlich auf der Merkuroberfläche: * Erstens ein eigentümlich chaotisch wirkendes Gelände unregelmäßig geformter, bis etwa 1&nbsp;km hoher Hügel, das von Tälern zerschnitten ist, befindet sich dem Caloris-Becken genau gegenüber. Als Ursache wird eine [[Fokussierung]] der seismischen Schwingungen des großen Einschlages angenommen, durch die das ursprüngliche Relief des [[Antipode]]ngebietes zerstört wurde. Das betroffene Gebiet ist etwa fünfmal so groß wie [[Deutschland]] und ist demnach mindestens von gleicher Größe wie das nur zu rund einem Drittel erkundete Caloris-Becken. [[Datei:Rupes discovery.jpg|thumb|Rupes Discovery, die längste Steilstufe, zieht sich über 400 km durch Ebenen und Krater.]] [[Datei:Rupes Discovery schematic.jpg|thumb|Rupes Discovery im schematischen Querschnitt]] * Zweitens bis zu mehrere hundert Kilometer lange und 2&nbsp;km hohe Steilstufen, die damit die größten Höhenunterschiede auf dem Merkur aufweisen. Diese Strukturen werden in der Astrogeologie als Rupes (lat. [[Böschung]], Steilwand) bezeichnet. Sie ziehen sich in sanften Windungen quer durch Ebenen und Krater. Es handelt sich um Überschiebungen der Kruste. Die dadurch seitlich versetzten Kraterteile zeigen an, dass sie auch horizontal gegeneinander verschoben wurden. Diese Überschiebungen sind vermutlich durch ein Schrumpfen des gesamten Planeten entstanden. Der in der [[Planetengeologie]] profilierte amerikanische Geologe Robert G. Strom hat den Umfang der Schrumpfung der Merkuroberfläche auf etwa 100.000&nbsp;km<sup>2</sup> abgeschätzt. Das entspricht einer Verringerung des Planetenradius um bis zu etwa 2&nbsp;km. Als Ursache der Kontraktion wird die Abkühlung des Planeten im Anschluss an eine heiße Phase seiner Entstehung gesehen, in der er ähnlich wie die Erde und der Mond von vielen großen Asteroideneinschlägen bis zur Glutflüssigkeit aufgeheizt worden sein soll. Dieser Abschnitt der Entwicklung nahm demnach erst vor etwa 3,8&nbsp;Milliarden Jahren mit dem „[[Großes Bombardement|Letzten Schweren Bombardement]]“ seinen Ausklang, während dessen Nachlassens die Kruste langsam auskühlen und erstarren konnte. Einige der gelappten Böschungen wurden offenbar durch die ausklingende Bombardierung wieder teilweise zerstört. Das bedeutet, dass sie entsprechend älter sind als die betreffenden Krater. Der Zeitpunkt der Merkurschrumpfung wird anhand des Grades der [[Weltraum-Erosion]] – durch viele kleinere, nachfolgende [[Impakt|Einschläge]] – vor ungefähr 4&nbsp;Milliarden Jahren angenommen, also während der Entstehung der mareähnlichen Ebenen. Laut einer alternativen Hypothese sind die tektonischen Aktivitäten während der Kontraktionsphase auf die [[Gezeitenkraft|Gezeitenkräfte]] der Sonne zurückzuführen, durch deren Einfluss die Eigendrehung des Merkur von einer ungebundenen, höheren Geschwindigkeit auf die heutige Rotationsperiode heruntergebremst wurde. Dafür spricht, dass sich diese Strukturen wie auch eine ganze Reihe von Rinnen und Bergrücken mehr in meridionale als in Ost-West-Richtung erstrecken. Nach der Kontraktion und der dementsprechenden Verfestigung des Planeten entstanden kleine Risse auf der Oberfläche, die sich mit anderen Strukturen, wie Kratern und den flachen Tiefebenen überlagerten, – ein klares Indiz dafür, dass die Risse im Vergleich zu den anderen Strukturen jüngeren Ursprungs sind. Die Zeit des Vulkanismus auf dem Merkur endete, als die Kompression der Hülle sich einstellte, so dass dadurch die Ausgänge der Lava an der Oberfläche verschlossen wurden. Vermutlich passierte das während einer Periode, die man zwischen die ersten 700 bis 800&nbsp;Millionen Jahre der Geschichte des Merkur einordnet. Seither gab es nur noch vereinzelte Einschläge von [[Komet]]en und [[Asteroid]]en. [[Datei:Mercure plaine lisse.jpg|thumb|Kraterlandschaft der Südhalbkugel.]] Eine weitere Besonderheit gegenüber dem Relief des Mondes sind auf dem Merkur die so genannten Zwischenkraterebenen. Im Unterschied zu der auch mit größeren Kratern gesättigten Mondoberfläche kommen auf dem Merkur zwischen den großen Kratern relativ glatte Ebenen mit Hochlandcharakter vor, die nur von verhältnismäßig wenigen Kratern mit Durchmessern von unter 20&nbsp;km geprägt sind. Dieser Geländetyp ist auf dem Merkur am häufigsten verbreitet. Manche Forscher sehen darin die ursprüngliche, verhältnismäßig unveränderte Merkuroberfläche. Andere glauben an einen sehr frühen und großräumigen Vulkanismus, der die Regionen einst geglättet hat. Es gibt Anzeichen dafür, dass sich in diesen Ebenen die Reste größerer und auch vieler doppelter Ringwälle gleich solchen des Mondes noch schwach abzeichnen. ==== Möglichkeit von Eis ==== Für die Polregionen von Merkur lassen die Ergebnisse von Radaruntersuchungen die Möglichkeit zu, dass dort kleine Mengen von [[Wasser]]eis existieren könnten. Da Merkurs Rotationsachse mit 0,01° praktisch senkrecht auf der Bahnebene steht, liegt das Innere einiger polnaher Krater stets im Schatten. In diesen Gebieten ewiger Nacht sind dauerhafte Temperaturen von −160&nbsp;°C möglich. Solche Bedingungen können Eis konservieren, das durch eingeschlagene Kometen eingebracht wurde. Die hohen Radar-Reflexionen können jedoch auch durch Metall[[sulfid]]e oder durch die in der Atmosphäre nachgewiesenen [[Alkalimetalle]] oder andere Materialien verursacht werden. Solche Spekulationen über Wasservorkommen hat es auch schon hinsichtlich spektraler Spuren von [[Wasserstoff]] in Kratern nahe dem Südpol des [[Mond]]es gegeben. Als dort die Mondsonde [[Lunar Prospector]] gezielt zum Aufschlag gebracht wurde, konnte in der aufgewirbelten Wolke jedoch keine Spur von Wassereis nachgewiesen werden. ===== Indizien im Detail ===== [[Datei:Merc fig2sm.jpg|thumb|Radarbild der Nordpolarregion.]] Die Radiowellen, die vom Goldstone-Radioteleskop des NASA Deep Space Network ausgesandt wurden, hatten eine Leistung von 450 [[Watt (Einheit)|Kilowatt]] bei 8,51 [[Hertz (Einheit)|Gigahertz]]; die vom VLA mit 26 Antennen empfangenen Radiowellen ließen helle Punkte auf dem Radarschirm erscheinen, Punkte, die auf [[Polarisation|depolarisierte]] Reflexionen von Wellen vom Nordpol des Merkur schließen lassen. Die Studien, die mit dem Radioteleskop von Arecibo gemacht wurden, das Wellen im S-Band (2,4&nbsp;GHz) mit einer Leistung von 420&nbsp;kW ausstrahlte, gestatteten es, eine Karte von der Oberfläche des Merkur anzufertigen, die eine Auflösung von 15&nbsp;km hat. Bei diesen Studien konnte nicht nur die Existenz der bereits gefundenen Zonen hoher Reflexion und Depolarisation nachgewiesen werden, sondern insgesamt 20 Zonen an beiden Polen. Der Gedanke, dass sich auf der Oberfläche des Merkur Eis befinden könnte, erscheint etwas weit hergeholt, wenn man sich die Nähe des Merkurs zur Sonne und Temperaturen von um 430&nbsp;°C am Tag und um −180&nbsp;°C in der Nacht vor Augen hält. Die erwartete Radarsignatur von Eis entspricht aber der beobachteten erhöhten Helligkeit auf den Radarbildern und der gemessenen starken Depolarisation der reflektierten Wellen. Auf der anderen Seite zeigt das Silikatgestein, das den größten Anteil der Oberfläche ausmacht, ein Verhalten, das sich vom Eis sehr stark unterscheidet. Andere Untersuchungen, die diese Möglichkeit unterstützen, zeigen, dass die Untersuchungen der zur Erde zurückgeworfenen Strahlen den Schluss zulassen, dass die Form dieser Zonen kreisförmig sein muss, und dass es sich deshalb um tiefe Krater handeln könnte. Diese Krater müssten allerdings so tief sein, dass Reflexionen ausgeschlossen wären. Am Südpol des Merkur scheint sich die Anwesenheit eine Zone hoher Reflexion mit einer Anwesenheit des Kraters Chao Mang-Fu und den kleinen Gebieten zu decken, deren Krater ebenfalls bereits identifiziert wurden. Am Nordpol gestaltet sich die Situation etwas schwieriger, weil sich die Radarbilder mit denen von Mariner&nbsp;10 offenbar nicht decken lassen. Es liegt deshalb nahe, dass es Zonen hoher Reflexion geben kann, die sich nicht mit der Existenz von Kratern erklären lassen. Die Reflexionen der Radarwellen, die das Eis auf der Oberfläche des Merkur erzeugt, sind geringer als die Reflexionen, die sich mit reinem Eis erzeugen ließen; eventuell liegt es am Vorhandensein von Staub, der die Oberfläche des Kraters teilweise überdeckt. ===== Mögliche Herkunft ===== Die Existenz von Kratern, die ständig Schatten werfen, ist keine spezifische Eigenschaft des Merkur: Auf der Südhalbkugel unseres Mondes hat man den größten Krater des Sonnensystems gefunden, das [[Südpol-Aitken-Becken]]. Es hat einen Durchmesser von etwa 2500&nbsp;km und reicht vom Südpol des Mondes bis zum Krater Aitken. Seine Tiefe beträgt bis zu 13&nbsp;km. Es ist von vielen anderen Kratern überprägt worden und besitzt keinen ausgeprägten Rand. In den polnahen Kratern könnte sich möglicherweise Eis befinden. Dieses Eis auf unserem Mond stammt aus externen Quellen, genau wie das auf dem Merkur. Im Fall des Mondes glaubt man, dass das Eis von Kometen stammen könnte, während das Eis auf dem Merkur wohl von Meteoriten stammt. Wenn man die Existenz von Eis auf einigen Meteoriten in Betracht zieht, könnten diese Meteoriten das Eis in die Krater gebracht haben, das seit Millionen und Milliarden von Jahren dort gelagert wird. Eine andere These, die bisher nicht bestätigt werden konnte, besagt, dass aus dem Inneren des Merkur eine erhebliche Menge Wasser ausfließt. Man hat weder die Existenz eines solchen Mechanismus, der den Verlust von Wasser an der Oberfläche zur Folge hätte, noch die Fotodissoziation oder die Erosion, die durch den Sonnenwind und Mikrometeoriten hervorgerufen wird, untersucht. Das Verhalten von Eis auf anderen Himmelskörpern ist jedoch noch mit Unsicherheiten behaftet; vor allem die hohen Temperaturen an der Oberfläche des Merkur und der Grad der Sonneneinstrahlung legen nahe, dass das Eis [[Sublimation (Physik)|sublimieren]] und dadurch in den Weltraum entweichen könnte. Das Vorkommen von Eis in höheren Breiten könnte dadurch erklärt werden, dass auf Kraterhängen, die nie vom Sonnenlicht beschienen werden, die Temperaturen bis auf −171&nbsp;°C sinken und in den polaren Tiefebenen generell nie über −106&nbsp;°C steigen. Das Vorhandensein von Eis auf dem Merkur ist immer noch nicht vollständig bewiesen. Es handelt sich bislang um eine Vermutung, basierend auf den erwähnten Beobachtungen von Zonen hoher Radar-Reflexionen und der Tatsache, dass diese Zonen sich mit Kratern an den Polen decken. Es ist zu betonen, dass diese Reflexionen ohne Zweifel auch durch Metallsulfide hervorgerufen werden können oder durch andere Materialien, die ähnliche Reflexionen verursachen. === Innerer Aufbau === Merkur ist ein [[Erdähnlicher Planet|Gesteinsplanet]] wie die [[Venus (Planet)|Venus]], die [[Erde]] und der [[Mars (Planet)|Mars]] und ist von allen der kleinste Planet im Sonnensystem. Sein Durchmesser beträgt mit 4.878&nbsp;km nur knapp 40 Prozent des Erddurchmessers. Er ist damit sogar kleiner als der Jupitermond [[Ganymed (Mond)|Ganymed]] und der Saturnmond [[Titan (Mond)|Titan]], dafür aber jeweils mehr als doppelt so massereich wie diese sehr eisreichen Trabanten. [[Datei:Radius-Dichte-terrestrische-Planeten.png|left|thumb|upright=1.3|Mittlere Dichte der terrestrischen Planeten in Abhängigkeit von ihrem Radius.]] [[Datei:Merkur schnitt.png|right|thumb|Schnitt durch den Mantel des Merkur.]] <br clear="all"/> Das Diagramm links zeigt, wie stark die mittlere [[Dichte]] der erdähnlichen Planeten mit ihrem Durchmesser ansteigt. Der Grund ist die Kompressionswirkung der Schwerkraft. Merkur allerdings hat mit 5,427 g/cm<sup>3</sup> fast die Dichte der weit größeren Erde und liegt damit weit über dem Trend. Das zeigt, dass er eine 'schwerere' chemische Zusammensetzung haben muss: Sein sehr großer Eisen-Nickel-Kern soll zu 65 % aus Eisen bestehen, etwa 70 % der Masse des Planeten ausmachen und einen Durchmesser von etwa 3.600&nbsp;km haben – drei Viertel des Planetendurchmessers und damit größer als der Erdmond. Auf den wohl nur 600&nbsp;km dünnen Mantel aus [[Silikat]]en entfallen rund 30 % der Masse, bei der Erde sind es 62 %. Die Kruste ist mit einigen 10&nbsp;km relativ dick und besteht überwiegend aus [[Feldspat]] und Mineralien der [[Pyroxengruppe]], ist also dem irdischen [[Basalt]] sehr ähnlich. ;Ursache des hohen Eisengehalts Merkurs relativer Gehalt an [[Eisen]] ist größer als der jedes anderen großen Objektes im Sonnensystem. Als Erklärung werden verschiedene Annahmen ins Feld geführt, die alle von einem ehemals ausgeglicheneren [[Schalenaufbau]] und einem entsprechend dickeren, metallarmen Mantel ausgehen: So geht eine Theorie davon aus, dass Merkur ursprünglich ein [[Metalle|Metall]]-Silikat-Verhältnis ähnlich dem der [[Chondrite]], der meistverbreiteten Klasse von [[Meteorit]]en im Sonnensystem, aufwies. Seine Ausgangsmasse müsste demnach etwa das 2,25-fache seiner heutigen Masse gewesen sein. In der Frühzeit des Sonnensystems, vor etwa 4,5 Milliarden Jahren, wurde Merkur jedoch – so wird gemutmaßt – von einem sehr großen Asteroiden mit etwa einem Sechstel dieser Masse getroffen. Ein Aufschlag dieser Größenordnung hätte einen Großteil der Planetenkruste und des Mantels weggerissen und lediglich den metallreichen Kern übrig gelassen. Eine ähnliche Erklärung wurde übrigens zur Entstehung des Erdmondes im Rahmen der [[Entstehung des Mondes#Kollisionstheorie|Kollisionstheorie]] vorgeschlagen. Bei Merkur blieb jedoch unklar, weshalb nur ein so geringer Teil des zersprengten Materials auf den Planeten zurückfiel. Nach Computersimulationen von 2006 wird das mit der Wirkung des Sonnenwindes erklärt, durch den sehr viele Teilchen verweht wurden. Von diesen Partikeln und Meteoriten, die nicht in die Sonne fielen, sind demnach die meisten in den interstellaren Raum entwichen und ein bis zwei Prozent auf die Venus sowie etwa 0,02 Prozent auf die Erde gelangt<!--nach Spiegel.de vom 05.04.2006-->. Eine alternative Theorie schlägt vor, dass Merkur sehr früh in der Entwicklung des Sonnensystems entstanden sei, noch bevor sich die Energieabstrahlung der jungen Sonne stabilisiert hat. Auch diese Theorie geht von einer etwa doppelt so großen Ursprungsmasse des innersten Planeten aus. Als der [[Protostern]] sich zusammenzuziehen begann, könnten auf Merkur Temperaturen zwischen 2.500 und 3.500&nbsp;K ([[Kelvin]]), möglicherweise sogar bis zu 10.000&nbsp;K geherrscht haben. Ein Teil seiner Materie wäre bei diesen Temperaturen einfach verdampft und hätte eine Atmosphäre gebildet, die im Laufe der Zeit vom Sonnenwind fortgerissen worden sei. Eine dritte Theorie argumentiert ähnlich und geht von einer langanhaltenden Erosion der äußeren Schichten des Planeten durch den Sonnenwind aus. === Magnetfeld === Trotz seiner langsamen Rotation besitzt Merkur eine relativ ausgeprägte [[Magnetosphäre]], deren Volumen etwa fünf Prozent der Magnetosphäre der Erde beträgt. Er ist damit neben der Erde der einzige weitere Gesteinsplanet, der ein globales [[Magnetismus|Magnetfeld]] aufweist. Es hat mit einer mittleren Feldintensität von 450 [[Tesla (Einheit)|Nanotesla]] an der Oberfläche des Planeten ungefähr ein Prozent der Stärke des [[Erdmagnetfeld]]es auf Höhe des Meeresspiegels. Die Neigung des Dipolfeldes gegen die Rotationsachse beträgt rund 7°. Die Ausrichtung der Magnetpole entspricht der Situation bei der Erde, das heißt, dass beispielsweise der magnetische Nordpol des Merkur im Umkreis seiner südlichen Rotationsachse liegt. Die Grenze der [[Magnetosphäre]] befindet sich in Richtung der Sonne lediglich in einer Höhe von circa 1000 Kilometern, sodass energiereiche Teilchen des [[Sonnenwind]]s ungehindert die Oberfläche erreichen können. Es gibt keine [[Van-Allen-Gürtel|Strahlungsgürtel]].<ref name="goerlitzer-sternfreunde">{{internetquelle | autor= | hrsg=goerlitzer-sternfreunde.de | url=http://www.goerlitzer-sternfreunde.de/html/merkur.html | sprache= | titel=Planet Merkur – Eine kleine heiß-kalte Welt | datum= | zugriff=6. Oktober 2009}}</ref> Möglicherweise wird Merkurs Dipolfeld ganz ähnlich dem der Erde durch den [[Dynamo (MHD)|Dynamo]]-Effekt zirkulierender Schmelzen im Metallkern erzeugt; dann müsste seine Feldstärke aber 30-mal stärker sein, als von Mariner&nbsp;10 gemessen. Einem Modell von Ulrich Christensen vom [[Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung]] in Katlenburg-Lindau zufolge werden große Teile des Feldes durch elektrisch leitende und stabile Schichtungen des äußeren, flüssigen Kerns stark gedämpft, so dass an der Oberfläche nur ein relativ schwaches Feld übrig bleibt. Eigentlich sollte der Merkur aufgrund seiner geringen Größe – ebenso wie der wesentlich größere und bereits erstarrte [[Mars (Planet)|Mars]] – seit seiner Entstehung schon längst zu stark abgekühlt sein, um in seinem Kern Eisen oder ein Eisen-[[Nickel]]-Gemisch noch flüssig halten zu können. Aus diesem Grund wurde eine Hypothese aufgestellt, welche die Existenz des Magnetfeldes als Überbleibsel eines früheren, mittlerweile aber erloschenen [[Dynamo-Effekt]]es erklärt; es wäre dann das Ergebnis erstarrter [[Ferromagnetismus|Ferromagnetite]]. Es ist aber möglich, dass sich zum Beispiel durch Mischungen mit [[Schwefel]] eine [[Eutektikum|eutektische]] [[Legierung]] mit niedrigerem Schmelzpunkt bilden konnte. Durch ein spezielles Auswertungsverfahren konnte bis 2007 ein Team amerikanischer und russischer Planetenforscher um [[Jean-Luc Margot]] von der Cornell-Universität anhand von Radarwellen die [[Rotation (Physik)|Rotation]] des Merkur von der Erde aus genauer untersuchen und ausgeprägte Schwankungen feststellen, die mit einer Größe von 0,03 Prozent deutlich für ein teilweise aufgeschmolzenes Innere sprechen.<ref name="scienceticker_info">{{internetquelle | autor= | hrsg=scienceticker.info | url=http://www.scienceticker.info/2007/05/03/merkur-birgt-einen-fluessigen-kern | sprache= | titel=Merkur birgt einen flüssigen Kern | datum=3. Mai 2007 | zugriff=6. Oktober 2009}}</ref> === Entwicklungsetappen === Nach der herkömmlichen Theorie zur Entstehung des Planetensystems der Sonne ist der Merkur wie alle Planeten aus einer allmählichen Zusammenballung von [[Planetesimale]]n hervorgegangen, die sich zu immer größeren Körpern vereinten. In der letzten Phase der Akkretion schluckten die größeren Körper die kleineren und in dem Bereich des heutigen Merkurorbits bildete sich binnen etwa 10 Millionen Jahren der sonnennächste Planet. Mit der Aufheizung des [[Protoplanet]]en, also des „Rohplaneten“ durch den Zerfall der [[Radioaktivität|radioaktiven]] Elemente und durch die Energie vieler großer und andauernder Einschläge während des Aufsammeln der kleineren Brocken begann das, was man mangels eines merkurspezifischen Begriffes als die ''[[Geologie|geologische]]'' Entwicklung bezeichnen kann. Der bis zur Glut erhitzte Körper differenzierte sich chemisch durch seine innere Gravitation in Kern, Mantel und Kruste. Mit dem Ausklingen des Dauerbombardements konnte der entstandene Planet beginnen, sich abzukühlen und es bildete sich aus der äußeren Schicht eine feste Gesteinskruste. In der folgenden Etappe sind anscheinend alle Krater und andere Spuren der ausklingenden Akkretion überdeckt worden. Die Ursache könnte eine Periode von frühem Vulkanismus gewesen sein. Dieser Zeit wird die Entstehung der Zwischenkraterebenen zugeordnet sowie die Bildung der gelappten Böschungen durch ein Schrumpfen des Merkur zugeschrieben. Erst das Ende des schweren Bombardements hat sich mit der Entstehung des Caloris-Beckens und den damit verbundenen Landschaftsformen im Relief als Beginn der dritten Epoche eindrucksvoll niedergeschlagen. In der vierten Phase entstanden die weiten, mareähnlichen Ebenen, wahrscheinlich durch eine weitere Periode vulkanischer Aktivitäten. Die fünfte und seit etwa 3 Milliarden Jahren noch immer andauernde Phase der Oberflächengestaltung zeichnet sich lediglich durch eine Zunahme der Einschlagkrater aus. Dieser Zeit werden die Zentralkrater der Strahlensysteme zugeordnet, deren auffällige Helligkeit als ein Zeichen der Frische angesehen werden. Die Abfolge der Ereignisse hat im Allgemeinen eine überraschend große Ähnlichkeit mit der Geschichte der Oberfläche des Mondes; in Anbetracht der ungleichen Größe, der sehr verschiedenen Orte im Sonnensystem und den damit verbundenen, entsprechend unterschiedlichen Bedingungen ist das nicht zu erwarten gewesen. == Planet ohne Mond == Merkur hat keinen [[Satellit (Astronomie)|natürlichen Satelliten]]. Für ihn ist auch nie einer ernsthaft in Betracht gezogen worden. Es besteht jedoch seit Mitte der 1960er-Jahre die [[Hypothese]], dass Merkur selbst einmal ein Trabant war, welcher der Venus entwichen ist. Anlass zu der Annahme geben die langsame Rotation und die große Exzentrizität der Umlaufbahn sowie die zum Erdmond analoge Oberflächengestalt von zwei auffallend unterschiedlichen Hemisphären. Mit dieser Annahme ließe sich erklären, warum die beiden Planeten als einzige im Sonnensystem mondlos sind. ''Siehe auch:'' [[Liste der natürlichen Satelliten von Planeten]] == Erforschung == [[Datei:Mercure carte schiaparelli.jpg|thumb|left|Merkurkarte von Schiaparelli.]] [[Datei:Mercure carte lowell.jpg|thumb|Merkurkarte von Lowell aus dem Jahre 1896.]] Merkur ist mindestens seit der Zeit der [[Sumer]]er (3. Jahrtausend v.&nbsp;Chr.) bekannt. Die [[Griechenland|Griechen]] der Antike gaben ihm zwei Namen, [[Apollon|Apollo]], wenn er am Morgenhimmel sichtbar war, und [[Hermes (Mythologie)|Hermes]], wenn er am Abendhimmel sichtbar war. Die griechischen [[Astronom]]en wussten allerdings, dass es sich um denselben Himmelskörper handelte. Nach nicht eindeutigen Quellen hat [[Herakleides Pontikos]] möglicherweise sogar schon geglaubt, dass der Merkur und auch die [[Venus (Planet)|Venus]] um die [[Sonne]] kreisen und nicht um die [[Erde]]. Die Römer benannten den Planeten wegen seiner schnellen Bewegung am Himmel nach dem geflügelten Götterboten [[Merkur (Mythologie)|Merkur]]. === Erdgebundene Erforschung === [[Datei:Mercure carte antoniadi.jpg|thumb|left|Karte des Merkurs von Eugène Antoniadi, 1934.]] Nach der Erfindung des Fernrohrs entdeckte [[Giovanni Battista Zupi]] im Jahre 1639, dass der Merkur Phasen zeigt wie der Mond, und bewies damit seinen Umlauf um die Sonne. Die ersten, nur sehr vagen Merkurkarten wurden von [[Johann Hieronymus Schröter|Johann Hieronymus Schroeter]] skizziert. Die ersten detaillierteren Karten wurden im späten 19. Jahrhundert, etwa 1881 von [[Giovanni Schiaparelli]] und danach von [[Percival Lowell]] angefertigt. Lowell meinte, ähnlich wie Schiaparelli bei seinen Marsbeobachtungen, auf dem Merkur Kanäle erkennen zu können. Besser, wenn auch immer noch sehr ungenau war die Merkurkarte von [[Eugenios Antoniadi]] aus dem Jahr 1934. Antoniadi ging dabei von der geläufigen aber irrigen Annahme aus, dass Merkur eine [[gebundene Rotation]] von 1:1&nbsp;um die Sonne aufweist. Für seine [[Nomenklatur]] der Albedomerkmale bezog er sich auf die [[Hermes (Mythologie)|Hermes]]-Mythologie. [[Audouin Dollfus]] hat sie für seine genauere Karte von 1972 großteils übernommen. Für heutige Merkurkarten auf der Grundlage der Naherkundung hat die [[IAU]] diese Nomenklatur gebilligt. Für die topografischen Strukturen wurde ein anderes Schema gewählt. So bekamen die den Maria des Mondes ähnlichen Tiefebenen den Namen des Gottes Merkur in verschiedenen Sprachen. Die Krater des Merkur wurden hauptsächlich nach berühmten verstorbenen Komponisten, Dichtern, Malern und anderen Künstlern benannt. Im [[Geographische Koordinaten|Koordinatensystem]] des Merkur werden die [[Längengrad]]e von Ost nach West zwischen 0 und 360° gemessen. Der [[Nullmeridian]] wird durch den Punkt definiert, der am ersten Merkur[[perihel]] nach dem 1. Januar 1950 die Sonne im [[Zenit (Richtungsangabe)|Zenit]] hatte. Die [[Breitengrad]]e zwischen 0° und 90° werden nach [[Norden]] positiv und nach [[Süden]] negativ gezählt. === Erforschung mit Raumsonden === Merkur gehört zu den am wenigsten erforschten Planeten des [[Sonnensystem]]s. Dies liegt vor allem an den für Raumsonden sehr unwirtlichen Bedingungen in der Nähe der Sonne, wie der hohen Temperatur und intensiven Strahlung, sowie an zahlreichen technischen Schwierigkeiten, die bei einem Flug zum Merkur in Kauf genommen werden müssen. Selbst von einem Erdorbit aus sind die Beobachtungsbedingungen zu ungünstig, um ihn mit [[Teleskop]]en zu beobachten. Der Spiegel des [[Hubble-Weltraumteleskop]]s würde durch die Teilchen des Sonnenwindes großen Schaden nehmen, wenn man ihn auf einen dermaßen sonnennahen Bereich ausrichten würde. Jedoch kurz vor der Außerdienststellung von Hubble, bevor es kontrolliert zum Absturz und in der Erdatmosphäre zum Verglühen gebracht wird, wäre das als letzte Aufgabe bis zum Erblinden des Spiegels völlig vertretbar. Die Bildauflösung würde immerhin 37&nbsp;km pro Bildpunkt betragen. Der Merkur umkreist die Sonne in einem Drittel der Entfernung wie die Erde, so dass eine Raumsonde über 91 Millionen Kilometer in den Gravitations[[potenzialtopf]] der Sonne fliegen muss, um den Planeten zu erreichen. Von einem stationären Startpunkt würde die Raumsonde keine Energie brauchen, um in Richtung Sonne zu fallen. Da der Start aber von der Erde erfolgt, die sich bereits mit einer Orbitalgeschwindigkeit von 30&nbsp;km/s um die Sonne bewegt, verhindert der hohe [[Drehimpuls|Bahndrehimpuls]] der Sonde eine Bewegung Richtung Sonne. Daher muss die Raumsonde eine beträchtliche Geschwindigkeitsänderung aufbringen, um in eine [[Hohmannbahn]] einzutreten, die in die Nähe des Merkurs führt. Zusätzlich führt die Abnahme der [[Potenzielle Energie|potenziellen Energie]] der Raumsonde bei einem Flug in den Gravitationspotentialtopf der Sonne zur Erhöhung ihrer [[Kinetische Energie|kinetischen Energie]], also zu einer Erhöhung ihrer Fluggeschwindigkeit. Wenn man dies nicht korrigiert, ist die Sonde beim Erreichen des Merkur bereits so schnell, dass ein sicherer Eintritt in den Merkurorbit oder gar eine Landung erheblich erschwert wird. Für einen Vorbeiflug ist die hohe Fluggeschwindigkeit allerdings von geringerer Bedeutung. Ein weiteres Hindernis ist das Fehlen einer Atmosphäre, dies macht es unmöglich, treibstoffsparende [[Atmosphärenbremsung|Aerobraking]]-Manöver zum Erreichen des gewünschten Orbits um den Planeten einzusetzen. Stattdessen muss der gesamte Bremsimpuls für einen Eintritt in den Merkurorbit mittels der bordeigenen Triebwerke durch eine Extramenge an mitgeführtem Treibstoff aufgebracht werden. Diese Einschränkungen sind mit ein Grund dafür, dass der Merkur vor [[MESSENGER]] nur mit der einen Raumsonde [[Mariner]]&nbsp;10 erforscht wurde. Eine dritte Merkursonde ist unter dem Namen [[BepiColombo]] in Planung. ==== Mariner 10 ==== [[Datei:Mariner 10.jpg|thumb|Die NASA-Sonde Mariner 10.]] Die Flugbahn von [[Mariner#Mariner 10|Mariner 10]] wurde so gewählt, dass die Sonde zunächst die [[Venus (Planet)|Venus]] anflog und in deren Anziehungsbereich durch ein [[Swing-by]]-Manöver Kurs auf den Merkur nahm. So gelangte sie auf eine merkurnahe Umlaufbahn um die Sonne, die auf keine andere Weise mit einer Trägerrakete vom Typ [[Atlas (Rakete)|Atlas-Centaur]] erreicht werden konnte. Ohne den Swing-by an der Venus hätte Mariner 10 eine deutlich größere und teurere [[Titan (Trägerrakete)|Titan IIIC]] benötigt. Der schon lange an der Erforschung des innersten Planeten interessierte Mathematiker [[Giuseppe Colombo (Raumfahrtingenieur)|Giuseppe Colombo]] hatte diese Flugbahn entworfen, auf welcher der Merkur gleich mehrmals passiert werden konnte, und zwar immer in der Nähe seines sonnenfernsten Bahnpunktes – bei dem die Beeinträchtigung durch den Sonnenwind am geringsten ist – und am zugleich sonnennächsten Bahnpunkt von Mariner 10. Die anfänglich dabei nicht vorhergesehene Folge dieser himmelsmechanischen Drei-Körper-Wechselwirkung war, dass die Umlaufperiode von Mariner 10 genau zweimal so lang geriet wie die von Merkur. Bei dieser Bahneigenschaft bekam die Raumsonde während jeder Begegnung ein und dieselbe Hemisphäre unter den gleichen Beleuchtungsverhältnissen vor die Kamera und hat so den eindringlichen Beweis für die genaue 2:3-Kopplung von Merkurs Rotation an seine Umlaufbewegung erbracht, die nach den ersten, ungefähren Radarmessungen Colombo selbst schon vermutet hatte. Durch dieses seltsame Zusammentreffen konnten trotz der wiederholten Vorbeiflüge nur 45 Prozent der Merkuroberfläche kartiert werden. Mariner 10 flog im betriebstüchtigen Zustand von 1974 bis 1975 dreimal an Merkur vorbei: Am 29. März 1974 in einer Entfernung von 705&nbsp;km, am 21. September in rund 50.000&nbsp;km und am 16. März 1975 in einer Entfernung von 327&nbsp;km. Zusätzlich zu den herkömmlichen Aufnahmen wurde der Planet im infraroten sowie im UV-Licht untersucht, und über seiner den störenden Sonnenwind abschirmenden Nachtseite liefen während des ersten und dritten Vorbeifluges Messungen des durch die Sonde entdeckten Magnetfeldes und der geladenen Partikel. ==== MESSENGER ==== [[Datei:MESSENGER Assembly.jpg|thumb|MESSENGER bei den Startvorbereitungen.]] Eine weitere Raumsonde der NASA, [[MESSENGER]], startete am 3. August 2004 und soll 2011 als erste Raumsonde in einen Merkurorbit einschwenken, um den Planeten mit ihren zahlreichen Instrumenten eingehend zu studieren und erstmals vollständig zu kartografieren. Die Raumsonde soll sich dabei der Untersuchung der geologischen und tektonischen Geschichte des Merkur sowie seiner Zusammensetzung widmen. Weiterhin soll die Sonde nach dem Ursprung des Magnetfeldes suchen, die Größe und den Zustand des Planetenkerns bestimmen, die Polarkappen des Planeten untersuchen sowie die Exosphäre und die Magnetosphäre erforschen. Um sein Ziel zu erreichen, fliegt MESSENGER eine sehr komplexe Route, die ihn in mehreren [[Swing-by|Fly-by]]-Manövern erst zurück zur Erde, dann zweimal an der Venus sowie dreimal am Merkur vorbei führt. Der erste Vorbeiflug am Merkur fand am 14. Januar 2008&nbsp;um 20:04 Uhr MEZ statt und der zweite am 6. Oktober 2008. Dabei wurden bereits Untersuchungen der Oberfläche durchgeführt und Fotos von bisher unbekannten Gebieten aufgenommen. Der dritte Vorbeiflug, durch den die Geschwindigkeit der Sonde verringert wurde, erfolgte am 30. September 2009. Da die Sonde kurz vor der Passage unerwartet in den abgesicherten Modus umschaltete, konnten für geraume Zeit keine Beobachtungsdaten gesammelt und übertragen werden.<ref name="raumfahrer.net">{{internetquelle | autor= Daniel Schiller, Günther Glatzel | hrsg=Raumfahrer.net | url=http://www.raumfahrer.net/news/raumfahrt/01102009215544.shtml | titel=MESSENGER-Flyby gelungen - aber ohne Daten | datum=1. Oktober 2009 | zugriff=5. Oktober 2009}}</ref> Die gesamte Reise nimmt etwa 6,5 Jahre in Anspruch. Die Missionsdauer im Merkurorbit ist auf ein Jahr festgelegt. ==== BepiColombo ==== Auch die europäische Raumfahrtorganisation [[Europäische Weltraumorganisation|ESA]] und die japanische Raumfahrtbehörde [[Japan Aerospace Exploration Agency|JAXA]] möchten sich an der Erforschung des sonnennächsten Planeten beteiligen und haben den Einsatz der kombinierten Merkursonde [[BepiColombo]] geplant. Das gemeinsame Unternehmen ist nach dem Spitznamen des 1984 verstorbenen Giuseppe Colombo benannt und soll aus zwei am Ziel getrennt eingesetzten Orbitern bestehen: einem Fernerkundungsorbiter für eine 400&nbsp;× 1.500&nbsp;km messende polare Umlaufbahn und einem Magnetosphärenorbiter für einen polaren Merkurumlauf von 400&nbsp;× 12.000&nbsp;km. Die Komponenten werden sich jeweils der Untersuchung des Magnetfeldes sowie der geologischen Zusammensetzung in Hinsicht der Geschichte des Merkur widmen. Der Start der Mission ist derzeit für 2013 vorgesehen. Die Reise zum Merkur wird mit Hilfe von [[Ionentriebwerk]]en und mit Vorbeiflügen an den inneren Planeten bewerkstelligt und soll vier Jahre und zwei Monate dauern. Am Ziel angekommen, wird auch BepiColombo mit dem Sonnenumlauf des Merkur Temperaturen von bis zu 250&nbsp;°C ausgesetzt sein und soll unter diesen Bedingungen mindestens ein Jahr lang bzw. über vier Merkurjahre hinweg Ergebnisse liefern. ''Siehe auch:'' [[Liste der besuchten Körper im Sonnensystem#Merkur|Liste der besuchten Körper im Sonnensystem]] == Beobachtung == Merkur kann sich als innerster Planet des Sonnensystems nur bis zu einem Winkel von maximal 28 Grad (''größte [[Elongation (Astronomie)|Elongation]]'') von der Sonne entfernen und ist daher schwierig zu beobachten. Er kann in der [[Dämmerung|Abend- oder Morgendämmerung]] als orangefarbener Stern mit einer [[Scheinbare Helligkeit|scheinbaren Helligkeit]] von etwa 1&nbsp;mag bis maximal −1,9&nbsp;mag in der Nähe des [[Horizont]]s mit bloßem Auge wahrgenommen werden. Bei [[Tagbeobachtung]]en ist er –&nbsp;je nach Sichtverhältnissen&nbsp;– ab einer Fernrohröffnung von etwa 10 bis [[Achtzöller|20&nbsp;cm]] gut zu erkennen. Durch die Horizontnähe wird seine Beobachtung mit [[Teleskop]]en sehr erschwert, da sein Licht eine größere Strecke durch die Erdatmosphäre zurücklegen muss und durch Turbulenzen und [[Lichtbrechung]] und [[Absorption (Physik)|Absorption]] gestört wird. Der Planet erscheint meist als verwaschenes, halbmondförmiges Scheibchen im Teleskop. Auch mit leistungsfähigen Teleskopen sind kaum markante Merkmale auf seiner Oberfläche auszumachen. Da die Merkurbahn stark elliptisch ist, schwanken die Werte seiner größten [[Elongation (Astronomie)|Elongation]] zwischen 18 und 28 Grad. Bei der Beobachtung des Merkur sind – bei gleicher geographischer nördlicher oder südlicher [[Breitengrad|Breite]] – die Beobachter der Nordhalbkugel im Nachteil, denn die Merkur-Elongationen mit den größten Werten finden zu Zeiten statt, bei denen für einen Beobachter auf der Nordhalbkugel die Ekliptik flach über dem Horizont verläuft und Merkur in der hellen Dämmerung auf- oder untergeht. In den Breiten Mitteleuropas ist er dann mit bloßem Auge nicht zu sehen. Die beste Sichtbarkeit verspricht eine maximale westliche Elongation (Morgensichtbarkeit) im Herbst, sowie eine maximale östliche Elongation (Abendsichtbarkeit) im Frühling. In großer Höhe über dem Horizont kann Merkur mit bloßem Auge nur während einer totalen [[Sonnenfinsternis]] gesehen werden. === Merkurtransit === ''Hauptartikel: [[Merkurtransit]]'' [[Datei:Transit of Mercury, 2006-11-08 2.jpg|thumb|Der Verlauf des Merkurtransits vom 8. zum 9. November 2006 aus der Sicht der Raumsonde [[Solar and Heliospheric Observatory|SOHO]].]] Aufgrund der Bahneigenschaften von Merkur und Erde wiederholen sich alle 13 Jahre ähnliche Merkursichtbarkeiten. In diesem Zeitraum finden im Allgemeinen auch zwei so genannte ''Transits'' oder ''[[Durchgang|Durchgänge]]'' statt, bei denen der Merkur von der Erde aus gesehen direkt vor der [[Sonnenscheibe]] als schwarzes Scheibchen zu sehen ist. Ein solcher ''Transit des Merkur'' ist sichtbar, wenn er bei der [[Untere Konjunktion|unteren Konjunktion]] – während er die Erde beim Umlauf um die Sonne auf seiner Innenbahn ''überholt'' – in der Nähe eines seiner beiden ''Bahnknoten'' steht, also die Erdbahnebene kreuzt. Ein solches Ereignis ist aufgrund der entsprechenden Geometrie nur zwischen dem 6. und dem 11. Mai oder zwischen dem 6. und dem 15. November möglich, da die beiden Bahnknoten am 9. Mai, bzw. am 11. November von der Erde gesehen vor der Sonne stehen. Der letzte Merkurdurchgang fand am 8. November 2006 statt, war allerdings nur vom pazifischen Raum aus zu beobachten, da er in Europa zur Nachtzeit erfolgte. Der nächste Durchgang wird am 9. Mai 2016 stattfinden. ''Siehe auch: [[Venustransit]]'' === Sichtbarkeit === : ''Hauptartikel: [[Merkurpositionen]] – von 2007 bis 2012'' In der folgenden Tabelle sind die speziellen [[Konstellation]]en des Merkur bis Juni 2010 angegeben. Elongationen mit einer Möglichkeit zur [[freiäugig]]en Sichtbarkeit in Europa sind farblich unterlegt (östliche Elongation bietet Abendsichtbarkeit, westliche Elongation Morgensichtbarkeit): {| border="2" cellpadding="4" cellspacing="0" style="margin: 0.5em 0em 0.5em 0; border: 1px #aaa solid; border-collapse: collapse; font-size: 90%;" |----- bgcolor=#EEDC82 ! colspan="2" | Größte östliche Elongation || Stationär, wird rückläufig || Untere Konjunktion || Stationär, wird rechtläufig || colspan="2" | Größte westliche Elongation || Obere Konjunktion |- | 4. Januar 2009 || 19,3° ||11. Januar 2009 ||20. Januar 2009 | 1. Februar 2009 ||13. Februar 2009 || 26,1° || 31. März 2009 |- | bgcolor="#FFFFAD" |26. April 2009 || 20,4° ||7. Mai 2009 | 18. Mai 2009 ||30. Mai 2009 ||13. Juni 2009 || 23,5° ||14. Juli 2009 |- | 24. August 2009 || 27,4° ||6. September 2009 ||20. September 2009 | 28. September 2009 || bgcolor="#FFFFAD" |6. Oktober 2009 || 17,9° ||5. November 2009 |- | 18. Dezember 2009 || 20,3° ||26. Dezember 2009 ||4. Januar 2010 | 15. Januar 2010 ||27. Januar 2010 || 24,8° || 14. März 2010 |- | bgcolor="#FFFFAD" | 8. April 2010 || 19,3° ||18. April 2010 ||28. April 2010 | 11. Mai 2010 ||26. Mai 2010 || 25,1° ||28. Juni 2010 |} == Kulturgeschichte == [[Datei:The Seven Planets - Mercury.jpg|thumb|upright|[[Allegorie|Allegorische]] Darstellung des Merkur als Herrscher der [[Tierkreiszeichen]] Jungfrau und Zwillinge, von [[Hans Sebald Beham]], 16. Jahrhundert.]] Im antiken [[Griechenland]] bezog man den Planeten auf den Gott und Götterboten [[Hermes (Mythologie)|Hermes]], assoziierte ihn aber auch mit den [[Titan (Mythologie)|Titanen]]<ref name="desy_de">{{internetquelle | autor=J.M.Hunt | hrsg=Desy | url=http://www.desy.de/gna/interpedia/greek_myth/titanPlanet.html#planets | sprache=Englisch | titel=Planets, Their Powers and Their Titans | datum= | zugriff=6. Oktober 2009}}</ref> [[Metis (Mythologie)|Metis]] und [[Koios]]. Der zumeist nur in der Dämmerung und dann auch nur schwer zu entdeckende, besonders rastlose Planet wurde auch als Symbol für Hermes als Schutzpatron der Händler, Wegelagerer und Diebe gesehen. Bei den Römern entsprach Hermes spätestens in der nachantiken Zeit dem Mercurius, abgeleitet von ''mercari'' (lat. für ''Handel treiben''). Der von ihnen nach Merkur benannte [[Wochentag]] ''dies Mercurii'' ist im Deutschen der [[Mittwoch]]. In der Zuordnung der Wochentage besteht die namentliche Verbindung des Merkur mit dem Mittwoch noch im Französischen (''Mercredi''), im Italienischen (''Mercoledì''), im Spanischen (''Miércoles''), im Rumänischen (''Miercuri'') und im Albanischen (''e Mërkurë''). Den Germanen wird als Entsprechung des Gestirns der Gott [[Odin]] bzw. Wotan zugeschrieben, dem ebenso der Mittwoch (im Englischen ''Wednesday'', im Niederländischen ''Woensdag'') zugeordnet wurde. Im Altertum und in der Welt der mittelalterlichen Alchemisten hat man dem eiligen Wandelstern als [[Planetenmetalle|Planetenmetall]] das bewegliche [[Quecksilber]] zugeordnet. In vielen Sprachen basiert der Name des Metalls heute noch auf diesem Wortstamm (englisch ''Mercury'', französisch ''Mercure''). == Siehe auch == * [[Liste der Merkurkrater]] * [[Planeten des Sonnensystems (Tabelle)|Tabelle der Planeten des Sonnensystems]] * [[Liste der Entdeckungen der Planeten und ihrer Monde]] == Literatur == * ''Lexikon der Astronomie.'' 2 Bde. Herder, Freiburg-Basel-Wien 1989, ISBN 3-451-21632-9 * ''ABC-Lexikon Astronomie''. Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg-Berlin-Oxford 1995, ISBN 3-86025-688-2 * David Morrison: ''Planetenwelten''. Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg-Berlin 1999, ISBN 3-8274-0527-0 * ''Planeten und ihre Monde''. Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg-Berlin 1997, ISBN 3-8274-0218-2 * ''Der NASA-Atlas des Sonnensystems''. Knaur, München 2002, ISBN 3-426-66454-2 * Holger Heuseler, Ralf Jaumann, [[Gerhard Neukum]]: ''Zwischen Sonne und Pluto''. BLV, München-Wien-Zürich 1999, ISBN 3-405-15726-9 * Edward J. Tarbuck und Frederick K. Lutgens: ''Ciencias de la Tierra. Una Introducción a la Geología Física''. Prentice Hall, Madrid 2000, ISBN 84-8322-180-2 * ''Hielo en Mercurio.'' in: Joan Pericay: ''EL Universo.'' Enciclopedia de la Astronomía y el Espacio. Bd 5. Editorial Planeta-De Agostini, Barcelona 1997, S. 141–145. * ''Stardate, Guide to the Solar System''. Publication der University of Texas at Austin McDonald Observatory. <!--wie soll man das bitte schön finden? Erscheinungsort und Jahr bitte, sonst wieder gelöscht.--> * ''Our Solar System, A Geologic Snapshot''. NASA (NP-157). Mai 1992. == Weblinks == * [http://photojournal.jpl.nasa.gov/targetFamily/Mercury NASA: Mariner 10 Bilder von Mercury] (englisch) * [http://history.nasa.gov/SP-423/contents.htm NASA: Merkuratlas] (englisch) * [http://www.solarviews.com/eng/mercury.htm Solarviews: Mercury] (englisch) * [http://history.nasa.gov/SP-424/sp424.htm NASA History Office: „The Voyage of Mariner 10 Mission to Venus and Mercury“] (englisch) ;Medien {{Commonscat|Mercury (planet)|Merkur}} {{Wikibooks|Einführung in die Astronomie: Planeten: Merkur|Merkur}} {{Alpha Centauri|merkur-1999-ID1209388688672|Haben wir den Planeten Merkur vergessen?}} == Einzelnachweise == <references/> {{Navigationsleiste Sonnensystem}} {{Exzellent|30. August 2005|8924467}} [[Kategorie:Merkur (Planet)|!]] {{Link GA|et}} {{Link GA|pl}} {{Link FA|bg}} {{Link FA|ca}} {{Link FA|cs}} {{Link FA|en}} {{Link FA|hu}} {{Link FA|pt}} {{Link FA|sl}} {{Link FA|sv}} [[af:Mercurius]] [[als:Merkur (Planet)]] [[an:Mercurio (planeta)]] [[ang:Ƿōden (tungol)]] [[ar:عطارد]] [[arz:عطارد]] [[ast:Mercuriu (planeta)]] [[az:Merkuri (planet)]] [[bat-smg:Merkorėjos (planeta)]] [[be:Планета Меркурый]] [[be-x-old:Мэркурый (плянэта)]] [[bg:Меркурий (планета)]] [[bn:বুধ গ্রহ]] [[bo:ལྷག་པ།]] [[br:Merc'her (planedenn)]] [[bs:Merkur]] [[ca:Mercuri (planeta)]] [[ceb:Mercury (planeta)]] [[crh:Utarit]] [[cs:Merkur (planeta)]] [[csb:Merkùri]] [[cy:Mercher (planed)]] [[da:Merkur (planet)]] [[el:Ερμής (πλανήτης)]] [[eml:Mercûri]] [[en:Mercury (planet)]] [[eo:Merkuro (planedo)]] [[es:Mercurio (planeta)]] [[et:Merkuur]] [[eu:Merkurio (planeta)]] [[fa:تیر (سیاره)]] [[fi:Merkurius]] [[fo:Merkur]] [[fr:Mercure (planète)]] [[frp:Mèrcure (planèta)]] [[ga:Mearcair (pláinéad)]] [[gan:水星]] [[gd:Mearcair]] [[gl:Mercurio (planeta)]] [[gu:બુધ (ગ્રહ)]] [[gv:Crean (planaid)]] [[haw:Ukaliali‘i]] [[he:כוכב חמה]] [[hi:बुध]] [[hr:Merkur (planet)]] [[hsb:Merkur (planet)]] [[ht:Mèki (planèt)]] [[hu:Merkúr]] [[hy:Փայլածու]] [[ia:Mercurio (planeta)]] [[id:Merkurius]] [[ilo:Mercurio (planeta)]] [[io:Merkuro]] [[is:Merkúríus (reikistjarna)]] [[it:Mercurio (astronomia)]] [[ja:水星]] [[jbo:merkurios]] [[jv:Merkurius]] [[ka:მერკური (პლანეტა)]] [[kk:Болпан]] [[kn:ಬುಧ]] [[ko:수성]] [[ksh:Merrkuur (Planneet)]] [[ku:Tîr (gerstêrk)]] [[kw:Merher (planet)]] [[la:Mercurius (planeta)]] [[lb:Merkur (Planéit)]] [[li:Mercurius (planeet)]] [[lij:Mercurio (astronomia)]] [[lt:Merkurijus (planeta)]] [[lv:Merkurs (planēta)]] [[map-bms:Merkurius]] [[mk:Меркур (планета)]] [[ml:ബുധന്‍ (ഗ്രഹം)]] [[mn:Буд]] [[mr:बुध ग्रह]] [[ms:Utarid]] [[mt:Merkurju (pjaneta)]] [[mwl:Marcúrio (planeta)]] [[my:ဗုဒ္ဓဟူးဂြိုဟ်]] [[nah:Payīnalcītlalli]] [[nds:Merkur (Planet)]] [[nds-nl:Merkurius (planeet)]] [[ne:बुधग्रह]] [[nl:Mercurius (planeet)]] [[nn:Planeten Merkur]] [[no:Merkur]] [[nov:Merkurie (planete)]] [[nrm:Mèrtchure]] [[nv:Mókiwii]] [[oc:Mercuri (planeta)]] [[os:Меркурий (планетæ)]] [[pa:ਬੁੱਧ ਗ੍ਰਹਿ]] [[pam:Mercury]] [[pl:Merkury]] [[pms:Mercuri (pianeta)]] [[pt:Mercúrio (planeta)]] [[qu:Qatuylla]] [[rm:Mercur (planet)]] [[ro:Mercur (planetă)]] [[ru:Меркурий (планета)]] [[sah:Меркурий]] [[scn:Mircuriu (pianeta)]] [[se:Merkurius]] [[sh:Merkur]] [[simple:Mercury (planet)]] [[sk:Merkúr]] [[sl:Merkur]] [[sq:Mërkuri]] [[sr:Меркур (планета)]] [[stq:Merkur]] [[su:Mérkurius]] [[sv:Merkurius]] [[sw:Utaridi]] [[szl:Merkury]] [[ta:புதன் (கோள்)]] [[te:బుధుడు]] [[tg:Уторид]] [[th:ดาวพุธ]] [[tl:Merkuryo (planeta)]] [[tr:Merkür (gezegen)]] [[ug:مېركۇرىي]] [[uk:Меркурій (планета)]] [[ur:عطارد]] [[uz:Merkuriy]] [[vec:Mercùrio (pianeta)]] [[vi:Sao Thủy]] [[war:Merkuryo (planeta)]] [[xal:Үлмҗ]] [[yi:מערקור]] [[yo:Mẹ́kíúrì (Planẹti)]] [[zh:水星]] [[zh-classical:水星]] [[zh-min-nan:Chúi-chheⁿ]] [[zh-yue:水星]] 272sj7mbahcj92qmg3d3e47wz1ruqgx wikitext text/x-wiki Das Messer im Wasser 0 23920 26516 2010-02-15T21:05:03Z Kongobaer 0 /* Visueller Stil */ {{Infobox Film |DT = Das Messer im Wasser |OT = Nóż w wodzie |PL = [[Polen]] |PJ = 1962 |AF = 16 |LEN = 90 |OS = [[Polnische Sprache|Polnisch]] |REG = [[Roman Polański]] |DRB = Roman Polański,<br />Jakub Goldberg,<br />[[Jerzy Skolimowski]] |PRO = Stanisław Zylewicz |MUSIK = [[Krzysztof Komeda]] |KAMERA = [[Jerzy Lipman]] |SCHNITT = [[Halina Prugar-Ketling]] |DS = * [[Leon Niemczyk]]: Andrzej * [[Jolanta Umecka]]: Krystyna * [[Zygmunt Malanowicz]]: Der Junge }} '''Das Messer im Wasser''' (Originaltitel: ''Nóż w wodzie'', Verleihtitel in der [[Deutsche Demokratische Republik|DDR]]: ''Messer im Wasser'') ist ein [[Polen|polnischer]] [[Spielfilm]] von [[Roman Polański]] aus dem Jahr 1962. In diesem Beziehungsdrama mit Elementen des [[Psychothriller]]s wird der Segelausflug eines Paares durch das Auftauchen eines jungen Herumtreibers zur Zerreißprobe für deren [[Liebesbeziehung|Beziehung]]. ''Das Messer im Wasser'' ist Polańskis erster abendfüllender Spielfilm und gilt als Startpunkt seiner internationalen Karriere. Der Film gewann unter anderem den [[FIPRESCI-Preis|Kritikerpreis]] bei den [[Internationale Filmfestspiele von Venedig|Filmfestspielen von Venedig]] und wurde für einen [[Oscar]] als ''[[Oscar/Bester fremdsprachiger Film|Bester fremdsprachiger Film]]'' nominiert. == Handlung == [[Bild:2005-09 Masuren 2.jpg|thumb|Segelboote auf einem [[Masuren|Masurischen]] See. ''„Immer wieder wird die menschenleere Landschaft der Masurischen Seenplatte […] durch Aufnahmen aus einer weiten Perspektive in das Geschehen miteinbezogen“'', so Kroner<ref name="Kroner133">Kroner: S. 133</ref>]] Andrzej, ein erfolgreicher Sportjournalist, und seine junge Frau Krystyna fahren mit dem Auto aufs Land, um ein Wochenende auf ihrem Segelboot an einem See der [[Masurische Seenplatte|Masurischen Seenplatte]] zu verbringen. Sie nehmen unterwegs einen jungen Anhalter mit und laden ihn ein, sie auf ihrem Ausflug zu begleiten. Im Laufe des Tages entwickeln sich verbale Machtkämpfe zwischen dem bürgerlichen Andrzej und dem rebellischen, freiheitsliebenden jungen Mann. Im Mittelpunkt steht dabei immer wieder das bedrohlich wirkende Messer, mit dem der Junge spielt. Die beiden Männer, in Konkurrenz um die Gunst Krystynas stehend, messen ihre Kräfte auf verschiedene Arten, doch keiner kann einen klaren Sieg erlangen. Nach einer Nacht vor Anker ertappt Andrzej seine Frau und den Jungen früh morgens bei einem vertraulichen Gespräch an Deck. Bei einem Handgemenge zwischen den Männern geht erst das wohlgehütete Messer des jungen Mannes über Bord, dann der Junge selbst. Da er zuvor angegeben hatte, nicht schwimmen zu können, befürchtet das Paar, er sei ertrunken. Sie tauchen nach ihm, und Andrzej schwimmt ans Ufer, angeblich um die Polizei zu informieren. Der junge Mann ist jedoch nicht ertrunken, sondern klammert sich unbemerkt an einer Boje fest. Sobald er feststellt, dass Krystyna allein an Bord ist, kehrt er zurück auf das Boot. Er und Krystyna schlafen miteinander. Der Junge verlässt das Boot, bevor Krystyna es an Land bringt, wo Andrzej auf sie wartet. Andrzej hatte gezögert, die Polizei zu informieren. Krystyna eröffnet ihrem Mann, dass der Junge nicht tot sei, und gesteht den Ehebruch, doch Andrzej gibt vor, ihr nicht zu glauben. Das Paar tritt die Heimreise an. An einer Weggabelung, deren eine Richtung nach Hause, die andere zur Polizei führt, stoppen sie. == Entstehungsgeschichte == === Drehbuch und Vorproduktion === Polański hatte das Szenario zu ''Das Messer im Wasser'' bereits im Rahmen seiner Abschlussarbeit an der [[Staatliche Hochschule für Film, Fernsehen und Theater Łódź|Filmhochschule Lodz]] 1959 zusammen mit [[Jakub Goldberg]] und [[Jerzy Skolimowski]] entworfen.<ref name="Koebner545">Volker Baer: ''Das Messer im Wasser'' in: Koebner: S. 545</ref> Orr vermutet, dass [[Orson Welles]]’ ''[[Die Lady von Shanghai]]'' (1946) und [[René Clément]]s ''[[Plein Soleil]]'' (1960) während des Entstehungsprozesses als Inspiration für die Dynamik der Dreiecksgeschichte und für das Setting gedient haben könnten.<ref>John Orr: ''Polanski: The Art of Perceiving'' in: Orr/Ostrowska: S. 10</ref> Polański berichtete 1969 über die Entstehung seiner Idee zu ''Das Messer im Wasser'':'' „Meine ersten Gedanken zu diesem Film, bevor es überhaupt eine Geschichte dazu gab, bezogen sich auf die Landschaft, insbesondere auf das Wasser in dieser Gegend Polens, wo diese ganzen Seen sind.“''<ref>Interview in den Cahiers du cinéma 1969, zitiert in: Cronin: S. 13</ref> 1961 signalisierte [[Jerzy Bossak]], der künstlerische Leiter der staatlich finanzierten Filmgesellschaft ''Produktionsgruppe Kamera'', dass das politische Klima in Polen nun geeignet sei, das Projekt zu verwirklichen. Der zum Dreh seiner experimentellen Kurzfilme in [[Paris]] weilende Polański reiste nach Polen und bekam durch ein Komitee des Kultusministeriums die Erlaubnis, innerhalb von zwei Wochen ein Drehbuch zur Genehmigung vorzulegen. Zusammen mit Skolimowski erarbeitete Polański innerhalb kürzester Zeit ein drehfertiges Skript, wobei Skolimowski, gemäß Feeney ''„der ideale Partner für die Findung einer präzisen, minimalen Sprache“''<ref name="Feeney33">Feeney: S. 33</ref>, für die Ausarbeitung der Dialoge zuständig war. Nachdem Polański den Vorwurf des Komitees der ''„gesellschaftlichen Irrelevanz“'' des Drehbuchs durch das Einfügen eines ''„sozial bewussten Dialogs“'', den er ironischerweise in die Liebesszene von Krystyna und dem Jungen einbaute, entkräftet hatte, bekam das Projekt grünes Licht.<ref name="Werner36">Werner: S. 36</ref> Polański wollte ursprünglich den Jungen selbst spielen, doch Freunde rieten ihm davon ab mit der Begründung, es würde zu eitel aussehen, wenn Polański Regisseur, Drehbuchautor und Darsteller in Personalunion wäre.<ref name="Polanski146">Polanski: S. 146</ref> Seine Darsteller fand Polański in dem routinierten Film- und Bühnendarsteller [[Leon Niemczyk]] und dem noch wenig erfahrenen Schauspielschüler [[Zygmunt Malanowicz]]. [[Jolanta Umecka]] war eine Musikstudentin gänzlich ohne Schauspielerfahrung, die Polański in einem Schwimmbad entdeckt hatte. Sie verkörperte für Polański den idealen Kontrast zwischen Unscheinbarkeit in bekleidetem Zustand und einer reizvollen sexuellen Ausstrahlung, sobald man sie weniger verhüllt in Badebekleidung sah.<ref name="Polanski148">Polanski: S. 148</ref> === Produktion und Nachproduktion === Die Dreharbeiten fanden vom Sommer bis zum Herbst 1961 in [[Masuren]] statt. Das Filmteam wohnte gemeinsam auf einem Hausboot.<ref name="Polanski146">Polanski: S. 146</ref> Polański nennt ''Das Messer im Wasser'' einen'' „teuflisch schwierig zu realisierenden Film“''.<ref name="Polanski147">Polanski: S. 147</ref> Da auf einem echten Segelboot gedreht wurde, das kaum genug Platz für die drei Darsteller bot, musste das Filmteam über die Reling gelehnt und mit Gurten gesichert arbeiten, wobei ein Generatorboot für die Versorgung der technischen Geräte immer im gleichen Abstand neben dem Segelboot manövrieren musste. Die sich schnell ändernden Licht- und Schattenverhältnisse sowie der sich rasch verändernde Wolkenhimmel ließen die Befürchtung aufkommen, später beim Filmschnitt erhebliche Schwierigkeiten mit [[Anschlussfehler]]n zu bekommen.<ref name="Polanski147">Polanski: S. 147</ref> Auch die Arbeit mit den Schauspielern gestaltete sich schwierig. Während Niemczyk als Profi einfach zu führen war, musste Polański für Malanowicz atmosphärische Situationen aufbauen, in die sich dieser hineinsteigern konnte, um überzeugende Leistungen abzuliefern. Am schwierigsten war der Umgang mit Umecka. Die sich überwiegend passiv verhaltende junge Frau wurde für Polański und sein Team zur ''„Manifestation einer wahren Ausgeburt emotionaler Trägheit“''<ref name="Polanski148">Polanski: S. 148</ref> und konnte nur mit massiven Mitteln wie verbalen Provokationen oder dem Abfeuern einer Signalpistole dazu angeregt werden, schauspielerische Reaktion zu zeigen. Polański vertritt außerdem die Ansicht, sie habe während der Dreharbeiten massiv an Gewicht zugelegt und einer heimlichen Fresssucht gefrönt.<ref name="Polanski148">Polanski: S. 148</ref> Auch der Besuch eines Reporters der Filmzeitschrift ''[[Ekran]]'' am Set bereitete dem Projekt Schwierigkeiten. Er prangerte in seinem Blatt das angeblich extravagante Leben des Filmteams und die in seinen Augen verschwenderische Ausstattung des Films an. Polański sah sich gezwungen, statt eines [[Mercedes-Benz|Mercedes]]’ nun einen [[Peugeot]] als Auto des Paares einzusetzen, und musste etliche Szenen nachdrehen.<ref name="Polanski">Polanski: S. 150</ref> Zudem hatte der Regisseur einige Schicksalsschläge zu verkraften: Bei einem Autounfall trug er Verletzungen davon, die ihn für drei Wochen ins Krankenhaus brachten. Seine Frau [[Barbara Kwiatkowska]] eröffnete ihm telefonisch aus Rom das Ende ihrer Ehe. Zudem starb Polańskis Freund und Mentor [[Andrzej Munk]] bei einem Autounfall.<ref name="Polanski152">Polanski: S. 152</ref> Nach zehn Wochen waren die Dreharbeiten beendet. Es stellte sich heraus, dass der aufgenommene Originalton unbrauchbar war. Nur Niemczyk synchronisierte seine Figur selbst nach, während Umeckas Rolle von einer professionellen Schauspielerin nachgesprochen wurde. Den jungen Mann sprach Polański selbst ein.<ref name="Polanski152">Polanski: S. 152</ref> == Rezeption == === Veröffentlichung und zeitgenössische Kritik === Bei einer privaten Vorführung des fertig geschnittenen Films lehnte ihn [[Polnische Vereinigte Arbeiterpartei|PVAP]]-Parteichef [[Władysław Gomułka]] als ''„gesellschaftlichen Zündstoff“'' ab. Der Film sei ''„weder typisch noch relevant für Polen als Ganzes“''.<ref name="Feeney37Z">zitiert in: Feeney: S. 37</ref> Die Produktionsgesellschaft [[Film Polski]] sah sich gezwungen, den Film nicht mit einer Galapremiere zu eröffnen, sondern lediglich in einigen kleinen Kinos zu starten. Die Filmpremiere war am 9. März 1962. Eine kommunistische Jugendzeitschrift kam zu einem vernichtenden Fazit:'' „Nichts rührt besonders an. Der Regisseur weiß über den zeitgenössischen Menschen nichts von Interesse auszusagen, und wir identifizieren uns mit keiner seiner Figuren''.“<ref name="Polanski153Z">zitiert in: Polanski: S. 153</ref> Der Filmunternehmer [[Pierre Braunberger]] hatte inzwischen die internationalen Veröffentlichungsrechte für 10.000 Dollar von Film Polski erworben. In der Bundesrepublik startete der Film am 18. Juni 1963, wogegen er in der DDR erst am 26. Februar 1965 in die Kinos kam. Bei seiner Veröffentlichung in westlichen Ländern wurde der Film zum Überraschungserfolg und rief wohlwollende bis begeisterte Kritiken hervor. Felix Barker von der Londoner ''[[Evening News]]'' etwa schrieb, ''Das Messer im Wasser'' sei ''„ein Film vollkommener Brillanz“''.<ref name="Meikle61Z">zitiert in: Meikle: S. 61</ref> Arthur Dent vom ''[[The Daily Telegraph|Daily Telegraph]]'' urteilte, der Film sei ''„mit blendender Intimität inszeniert und gespielt“''.<ref name="Meikle61Z">zitiert in: Meikle: S. 61</ref> Dilys Powell von der ''[[Sunday Times]]'' resümierte: ''„Der Regisseur ist Roman Polanski, ein Name, der uns wohl sehr vertraut werden wird, wenn man in Betracht zieht, was er mit seinem ersten Film erreicht hat.“''<ref name="Meikle61Z">zitiert in: Meikle: S. 61</ref> Peter John Dyer von ''[[Sight & Sound]]'' zog im Winter 1962 große Namen zum Vergleich heran: ''„Das Schlussbild […] impliziert eine Art erstarrter Mutlosigkeit, für die man normalerweise einen [[Ingmar Bergman|Bergman]] oder [[Michelangelo Antonioni|Antonioni]] braucht, um sie filmisch zu erreichen.“''<ref name="Meikle61Z">zitiert in: Meikle: S. 61</ref> === Auszeichnungen === Das Messer im Wasser gewann 1962 den [[FIPRESCI-Preis]] bei den [[Internationale Filmfestspiele von Venedig|Filmfestspielen]] in [[Venedig]]. Bei der [[Oscarverleihung 1964]] war er als ''[[Oscar/Bester fremdsprachiger Film|Bester fremdsprachiger Film]]'' nominiert, verlor jedoch gegen [[Federico Fellini|Fellinis]] ''[[8½]]''. Bei den [[BAFTA-Award]]s 1964 war er für den [[BAFTA-Film-Award/Bester Film|besten Film]] nominiert. === Nachwirkung === [[Bild:PolanskiIFFKV.jpg|thumb|Roman Polański im Jahr 2004, 43 Jahre nach den Dreharbeiten zu ''Das Messer im Wasser'']] Polański erregte mit seinem Erstlingswerk sowohl in Europa als auch in den USA Aufmerksamkeit, wo es ein Szenenbild aus ''Das Messer im Wasser'' auf das Cover des ''[[Time|Time Magazine]]'' schaffte. Der Film war für ihn der Startpunkt seiner internationalen Karriere und zeichnete bereits die Themen seiner großen Erfolge vor: die psychologisch genaue Zeichnung der Figuren, die Untersuchung von gesellschaftlichen Abhängigkeiten und von gegenseitigen Anhängigkeiten in Beziehungen. Diese, so Heer, ''„psychologische [[Vivisektion]]“''<ref name="Heer">Burckhardt Heer: ''Tendenzen im polnischen Film&nbsp;– Eine Dokumentation zu einer Arbeitstagung Ostern 1976 in Vlotho''. Arbeitsgemeinschaft für Jugendfilmarbeit und Medienerziehung&nbsp;– Bundesarbeitsgemeinschaft der Jugendfilmclubs e.V. Aachen 1976. S. 13</ref> zieht sich durch weite Teile seines Werkes. In ''Das Messer im Wasser'' etabliert Polański den Prototyp einer psychologischen Dreiecksgeschichte, die er später immer wieder variiert. Mark Cousins stellt fest, ''Das Messer im Wasser'', ''[[Wenn Katelbach kommt…]]'', ''[[Bitter Moon]]'' und ''[[Der Tod und das Mädchen (Film)|Der Tod und das Mädchen]]'' seien ''„alles Versionen derselben Geschichte, nämlich der eines Paares, das sich durch die Anwesenheit einer dritten Person, die ihm zu nahe kommt, unwohl fühlt“''.<ref>Mark Cousins: ''Polanski’s Fourth Wall Aesthetic'' in: Orr/Ostrowska: S. 3</ref> Für den polnischen Film insgesamt war ''Das Messer im Wasser'' zusammen mit Filmen wie [[Jerzy Kawalerowicz|Kawalerowicz]] ''[[Mutter Johanna von den Engeln]]'' (1961) oder Skolimowskis ''[[Walkover (Film)|Walkover]]'' (1965) Teil eines Wendepunkts weg von der oft monumentalen Aufarbeitung der eigenen Geschichte hin zu privateren und intimeren Themen.<ref>Marek Hendrykwoski: ''Veränderungen in Mitteleuropa'' in: Geoffrey Nowell-Smith: ''Geschichte des internationalen Films''. Verlag J.B. Metzler Stuttgart und Weimar 2006, ISBN 3-476-02164-5 S. 595</ref> [[Andrzej Wajda]] bestätigt: ''„Polanskis ‚Das Messer im Wasser‘ war der Beginn des neuen polnischen Kinos.“''<ref name="Meikle64Z">zitiert in: Meikle: S. 64</ref> === Filmwissenschaftliche Beurteilung === Für Feeney ist ''Das Messer im Wasser'' ein ''„straffer, intimer und handlungsreicher Thriller“''<ref name="Feeney33">Feeney: S. 33</ref>, für Thompson und [[David Bordwell|Bordwell]] ein ''„intimes Spannungsdrama“''.<ref name="Bordwell461">Thompson/Bordwell: S. 461</ref> Baer nennt den Film ''„ein Dreieck von geradezu klassischer Konstruktion“''. Polański sei ''„ein unbestechlicher Realist, der mit sparsamsten Mitteln die einzelnen Gestalten psychologisch zu interpretieren versteht“''.<ref name="Koebner545">Volker Baer: ''Das Messer im Wasser'' in: Koebner: S. 545</ref> Gregor und [[Enno Patalas|Patalas]] bescheinigen dem Film ''„den Stil eines psychologischen Kammerspiels“''.<ref name="Patalas301">Ulrich Gregor und Enno Patalas: ''Geschichte des modernen Films.'' Dms&nbsp;– das moderne Sachbuch Band 36. Sigbert Mohn Verlag Gütersloh 1965. S. 301</ref> Butler hebt auf die [[Existentialismus|existentialistischen]] Qualitäten des Films ab und konstatiert: ''„Polanski führt uns in eine traurige, graue Welt, wo alle drei Personen in gleicher Weise in der Falle sitzen.“''<ref name="Butler43">Butler: S. 43</ref> Werner lobt die Geschichte, die von ''„von verblüffender Einfachheit“'' sei<ref name="Werner37">Werner: S. 37</ref>, und hebt die von ''„Ironie und Zynismen durchsetzte Sprache“'' hervor, die an Alltagssprache erinnere, aber ''„eine ganz und gar künstliche und kunstvolle“'' sei, ein artifizielles Spiel mit Worten.<ref name="Werner38">Werner: S. 38</ref> Meikle resümiert: ''„Das Messer im Wasser ist handwerklich hervorragend gemacht, mit so viel Liebe zum Detail, wie man sie im Film nur zeigen kann. Der Film bleibt so lebendig […] in Erinnerung, als habe man an Andrzejs und Krystynas Ausflug auf einer intimeren Ebene teilgenommen als auf der des reinen Zuschauers.“''<ref name="Meikle62">Meikle: S. 62</ref> Das [[Lexikon des internationalen Films]] urteilt, der Film sei ''„eine erste Stilprobe Polanskis, die zwischen psychologischem Ernst und leiser Ironie schwankt, aber bereits enormes Talent verrät“.''<ref>[http://www.filmevona-z.de/filmsuche.cfm?wert=11526&sucheNach=titel Filmkritik], [[Lexikon des Internationalen Films]], abgerufen am 20. August 2008</ref> Bird nennt ''Das Messer im Wasser'' ''„ein herausragendes Debüt“'' und ''„einzigartig in Polanskis Filmographie“'', denn der Film beinhalte ein soziales Engagement, das zwar typisch für Skolimowskis kommende Filme sei, aber in Polańskis weiteren Filmen grundsätzlich nicht mehr vorkommen würde.<ref>Bird: S. 32</ref> == Filmanalyse == === Inszenierung === ==== Visueller Stil ==== Trotz seines vorangegangenen Aufenthalts in Paris mit der in dieser Zeit aufblühenden [[Nouvelle Vague]] macht sich Polański deren Stilpluralismus nicht zu eigen und zitiert keine Stilmittel früherer Künstler, wie damals üblich. Thompson und Bordwell stellen fest: ''„Polanski vermeidet die technische Innovation des neuen europäischen Kinos und verlässt sich […] auf lebendige Aufnahmen mit hoher Tiefenschärfe, durch die die Figuren in spannungsgeladener Konfrontation bleiben.“''<ref name="Bordwell461">Thompson/Bordwell: S. 461</ref> In ''„strenger [[Orson Welles|Wellesscher]] [[Deep focus cinematography|Tiefe]]“'', erinnernd an Filme wie ''[[Citizen Kane]]'' oder ''[[Der Glanz des Hauses Amberson]]'', staffelt Polański seine Figuren tief in den Raum der [[Mise-en-scène]], wobei sich oft eine der Figuren im Bildvordergrund nahe an der Kamera befindet, während durch den Einsatz von [[Weitwinkelobjektiv]]en auch die Figuren im Bildhintergrund nicht an [[Schärfentiefe]] verlieren. Der Effekt dieses ''„rituellen Gebrauchs der Schärfentiefe“'' ist, dass der Zuschauer seine neutrale Beobachterposition verlässt, um die Handlung vom Standpunkt des nahe an der Kamera befindlichen Protagonisten aus wahrzunehmen. Dadurch, dass die Vordergrundpersonen ständig wechseln, wird jedoch nicht auf den Blickwinkel einer einzelnen Person fokussiert, sondern Polański bietet den Identifikationsmöglichkeiten des Zuschauers eine breite Basis, indem er den Filmblick nicht auf einen einzelnen Protagonisten hin subjektiviert.<ref name="Meikle54">Meikle: S. 54</ref> Auch durch die [[Cadrage (Film)|Cadrage]] verdeutlicht der Regisseur die Dynamik der Dreiecksgeschichte: Die, so Butler, ''„Zwei-drinnen-einer-draußen-Situation“''<ref name="Butler47">Butler: S. 47</ref> wird filmisch etwa so umgesetzt, dass oft einer der Charaktere in der Distanz gezeigt wird, während die anderen beiden ihn in [[Einstellungsgröße|Großaufnahme]] am rechten und linken Bildrand umrahmen. Die Figuren bilden somit szenische Dreieckssituationen, wie sie auch in ''Citizen Kane'' und in [[Laurence Olivier]]s ''[[Hamlet (1948)|Hamlet]]'', einem erklärten Lieblingsfilm Polańskis, zu finden sind. Sie dienen laut Orr dazu, ''„ein gewisses Gefühl der Unsicherheit und des Misstrauens zwischen den Figuren zu schaffen“''.<ref>John Orr: ''Polanski: The Art of Perceiving'' in: Orr/Ostrowska: S. 8</ref> Allgemein gelobt wird [[Jerzy Lipman|Lipmans]] Kameraarbeit, die, wie Baer anmerkt, den Gegensatz ''„zwischen der stillen Weite der schönen Landschaft“'' und der ''„zur Aggressivität führenden Enge des Bootes“''<ref name="Koebner547">Volker Baer: ''Das Messer im Wasser'' in: Koebner: S. 547</ref> herausarbeitet. In den Außenaufnahmen liefert Lipman ''„großartige, silbrige Bilder“'', wie Feeney anmerkt<ref name="Feeney35">Feeney: S. 35</ref>, die ''„das herrliche Spiel von Wasser und Himmel“'' bewusstmachen.<ref name="Butler43">Butler: S. 43</ref> Im Kontrast dazu rufen die Aufnahmen im Inneren des Bootes den Eindruck ''„eines engen Gefängnisses in freier Natur“'', eines ''„perfekten ‚lieu clos‘ [[Jean-Paul Sartre|Sartrescher]] Provenienz“'' hervor<ref name="Werner45">Werner: S. 45</ref>. Abgebildet werde, so Feeney, ''„die bildliche Eleganz einer psychologischen Dimension“''.<ref name="Feeney35">Feeney: S. 35</ref> Polanksi und sein lichtsetzender Kameramann Lipman sorgen gerade in den Szenen unter Deck laut Goscilo für ''„rein visuelle Auflösungen cinematischer Problemstellungen, eine Umwandlung [[Klaustrophobie|klaustrophobischer]] Settings in psychologischen Raum“''.<ref>Helena Goscilo: ''Polanski's Existential Body&nbsp;– A Somebody, Nobody and Anybody'' in: Orr/Ostrowska: S. 23</ref> ==== Dramaturgie ==== Polański erläutert zu seinen Zielsetzungen der Inszenierung, er habe den Film ''„hochgradig intellektuell, technisch präzise, beinahe [[Formalismus|formalistisch]]“''<ref>zitiert in: Herbert J. Eagle: ''Power and the Visual Semantics of Polanski’s Films'' in: Orr/Ostrowska: S. 43</ref> umsetzen wollen. Kennzeichnend für ''Das Messer im Wasser'' ist ein dramaturgischer Minimalismus, eine Reduzierung auf drei Personen, einen festen Schauplatz, karge Dialoge und den Zeitrahmen von exakt 24 Stunden. Butler führt dazu aus: ''„Der Film beginnt, wie er endet, auf einer langen, grauen, langweiligen Straße; ein Kommentar zum langen, grauen und langweiligen Leben des Paares, das sie entlangfährt […] Die ganze Eröffnungssequenz ist kennzeichnend für die enggeknüpfte […] [[Ellipse (Dramaturgie)|elliptische]] Qualität dessen, was folgt: ein Minimum an Dialog, ein Minimum an äußerer Handlung, eine strenge Beschränkung auf Charaktere und Setting.“''<ref name="Butler35">Butler: S. 35</ref> Polanksi führte 1966 gegenüber der französischen Filmzeitschrift [[Les Cahiers du cinéma]] aus, wie er diesen karg-realistischen Ansatz dramaturgisch erweiterte: ''„Was ich mag, ist das extrem realistische Setting, in dem sich jedoch etwas befindet, was mit der Realität nicht vereinbar erscheint. […] In ‚Das Messer im Wasser‘ basiert alles auf Zweideutigkeiten, auf kleinen ironischen Einsprengseln, auf einer Art Zynismus zwischen den Zeilen“''.<ref name="Meikle51Z">zitiert in: Meikle: S. 51</ref> Der Film nutze ''„eine Urlaubsatmosphäre, getönt mit einer Menge Ironie“''.<ref>Interview in ''Les lettres francaises'' 1966, zitiert in: Cronin: S. 8</ref> Das Ende des Films lässt für den Zuschauer einen möglichen Handlungsfortgang offen. Es wurde, wie Thompson und Bordwell konstatieren, zum ''„Kennzeichen für das Fehlen von Handlungsabschlüssen im Kino der 1960er“''.<ref name="Bordwell461">Thompson/Bordwell: S. 461</ref> Butler fügt hinzu, der Film ende ''„wie ‚[[Ekel (Film)|Ekel]]‘, ‚[[Wenn Katelbach kommt…]]‘ und ‚[[Rosemaries Baby]]‘ mit einem [[Fragezeichen]]“''.<ref name="Butler43">Butler: S. 43</ref> ==== Ton und Musik ==== Der Ton wird in ''Das Messer im Wasser'' meist in Form von natürlich erzeugten Klängen&nbsp;– ''„langen Momenten fast vollständiger Stille, rauschenden Wellen, knackendem Holz, flatternden Segeln“''&nbsp;– laut Butler ''„unaufdringlich“'' eingesetzt, um dem Zweck der jeweiligen Szene zu dienen. Polański benutze Sound, ''„um Atmosphäre zu schaffen, Spannung zu erhöhen oder zu brechen, zu schocken oder ein latentes Gefühl der Gewalt hervorzurufen“''.<ref name="Butler47">Butler: S. 47</ref> Butler führt weiter aus, [[Krzysztof Komeda|Komedas]] [[jazz]]iger Soundtrack ergänze ''„virtuos die Kombination natürlicher Klänge, die Polański so schlau zusammengefügt hat“'', und gebe ''„mit scharfer Zunge Kommentare zur Geschichte ab“''.<ref name="Butler48">Butler: S. 48</ref> Werner bezeichnet die Filmmusik als ''„relativ sparsam“'', kritisiert jedoch, dass sie an einigen Stellen dazu neige, ''„die Akzente zwischen kämpferischer Erregung oder harmonischem Segelvergnügen zu deutlich zu setzen“''.<ref name="Werner51">Werner: S. 51</ref> Der 25-jährige Schwede [[Bernt Rosengren]], den Komeda trotz einiger Probleme mit der Bürokratie nach Polen kommen ließ, spielt im Soundtrack Tenorsaxophon. === Themen und Motive === ==== Gesellschaftskritik ==== Polański spricht deutlich aus, dass ''Das Messer im Wasser'' unter anderem auch eine ''„Attacke auf Privilegien“'' ist.<ref name="Polanski153">Polanski: S. 153</ref> Andrzej schmückt sich mit den, so Baer, ''„Errungenschaften eines Anpassers“''.<ref name="Koebner547">Volker Baer: ''Das Messer im Wasser'' in: Koebner: S. 547</ref> Diese materiellen Dinge, die Andrzej durch seinen gesellschaftlichen Status erlangt hat&nbsp;– sein Auto, die Jacht, seine Pfeife, seinen Kompass, seinen Patent-Flaschenöffner und anderes mehr&nbsp;– stehen im krassen Gegensatz zum Eigentum des Jungen, in dessen Seesack sich sein Messer als wichtigster Besitz befindet.<ref name="Butler36">Butler: S. 36</ref> Thompson und Bordwell führen zur politischen Motivation des Films aus: ''„Das Messer im Wasser könnte als politisch genau bezeichnet werden, indem er die ‚rote [[Bourgeoisie]]‘ angereift, die in westlichem Luxus lebt. Aber der junge Mann kann wohl kaum ein positiv besetzter Held sein, da er bestenfalls naiv-verwirrt und schlimmstenfalls irgendwie zynisch ist.“''<ref name="Bordwell461">Thompson/Bordwell: S. 461</ref> Wirkt anfangs das Spiel des Jungen mit seinem Messer wie ein rebellischer Akt gegenüber Andrzej, stellt sich allmählich heraus, dass es, so Bird, lediglich ''„die Konzentrationsübung eines in der Ziellosigkeit des alltäglichen Lebens zerstreuten Geistes“'' ist, der Ausdruck eines ''„jugendlichen [[Nihilismus]]“''.<ref>Bird: S. 31</ref> Der Junge ist somit nur anfänglich ein positiver Gegenentwurf zum Spießer Andrzej, aber, wie sich später herausstellt, ebenfalls nur handlungsohnmächtiger Teil einer Gesellschaft, der es an Gerechtigkeit mangelt. Werner resümiert, für Polański sei ''„der Nonkonformismus des Jungen eine ebenso sinnlose, hohle Attitüde wie Andrzejs Konformismus“''.<ref name="Werner43">Werner: S. 43</ref> Ostrowska beschreibt die Wirkung der Figur des Jungen auf den Zuschauer so: ''„Nicht nur die Figuren spielen ein Spiel miteinander. Polański spielt auch mit den Erwartungshaltungen und Mutmaßungen des Zuschauers, wohin die Erzählung führen wird. Ein idealisiertes Bild der Jugend wird später im Film brutal zerstört, aber nicht einfach in sein dämonisches Gegenteil verkehrt, sondern in seiner ganzen Banalität und Flachheit präsentiert, was umso beunruhigender auf den Zuschauer wirkt.“''<ref>Elzbieta Ostrowska: Knife in the Water: Polanski's Nomadic Discourse Begins in: Orr/Ostrowska: S. 73</ref> Butler konstatiert, der sich herausbildende Gegensatz in ''Das Messer im Wasser'' sei ein von Polański weitgehend neutral und beobachtend ausgeführter ''„Konflikt zwischen dem […] Alter und der Jugend […], zwischen Konformität und der Weigerung, sich konform zu verhalten, zwischen der Spießigkeit materiellen Erfolgs […] und der Zurückweisung der Standards dieses Erfolgs“''.<ref name="Butler41">Butler: S. 41</ref> Die Position von Krystyna ist für Meikle hierbei ''„eine interessante [[Metapher]]“''. Sie stehe im Zentrum dieser Auseinandersetzung in ihrer unnahbaren, [[sphinx]]haften Art ''„für die [[Gesellschaft (Soziologie)|Gesellschaft]] an sich, dem Flirt mit der rebellischen Jugend nicht abgeneigt, aber letztendlich wieder zum [[Status quo]] zurückkehrend“''.<ref name="Meikle54">Meikle: S. 54</ref> ==== Psychologie der Beziehungen ==== Nicht nur der gesellschaftliche Konflikt, sondern auch die konflikthaften persönlichen Beziehungen des Trios werden von Polański thematisiert. Während Andrzej sich in einer sicheren Machtposition glaubt, die er zu bewahren versucht, hat ihn seine Frau in seiner, so Baer, ''„anmaßenden Selbstüberschätzung“''<ref name="Koebner547">Volker Baer: Das Messer im Wasser in: Koebner: S. 547</ref> längst durchschaut. Polański bedient sich der Figur des Jungen, um den Ehekonflikt der beiden spürbar zu machen. Er erläutert: ''„Die dritte Person dient nur als Vorwand, nicht nur für den Drehbuchautor, sondern auch für das Paar in seiner Ehe. […] Der Konflikt betrifft das Paar.“''<ref name="Butler40Z">zitiert in: Butler: S. 40</ref><ref>Polanksi relativierte später diese Aussage und erklärte 1969 in ''[[Positif]]'', sie hätte sich auf die Position des Erzählers in [[Rainer Maria Rilke]]s ''[[Die Aufzeichnungen des Malte Laurids Brigge]]'' bezogen, der erkennt, dass das von ihm geschriebene Beziehungsdrama durch die Einbeziehung einer dritten Person wertlos ist. Cronin: S. 42</ref> Doch auch die Beziehung zwischen Andrzej und dem Jungen ist betrachtenswert: Krystyna erkennt, dass der junge Mann ''„ein&nbsp;– wenngleich noch unausgefülltes&nbsp;– Abbild ihres Mannes“'' ist, wie Baer erläutert.<ref name="Koebner547">Volker Baer: Das Messer im Wasser in: Koebner: S. 547</ref> Jeder der beiden spiegle sich im Bild des anderen. Werner stellt fest: ''„Andrzej verkörpert die Zukunft des Jungen, wie der Junge die Vergangenheit Andrzejs verkörpert.“''<ref name="Werner42">Werner: S. 42</ref> Daher beinhaltet gemäß Butler die Beziehung der beiden Männer ''„sich bekriegende Aspekte von Eifersucht, Bewunderung, Angst, Verachtung und ein eindeutiges, aber nicht eingestandenes Element aufrichtiger Zuneigung, eher väterlich als homosexuell“''.<ref name="Butler41">Butler: S. 41</ref> Krystyna ist es, die diese Situation ausnutzt und zum Schluss des Films die beiden gegeneinander ausspielt. Sie bleibt Siegerin in einem Männerkampf, den Kroner so beschreibt: ''„Der Kampf zwischen Andrzej und dem Jungen war auch ein Versuch, in Kontakt miteinander zu kommen, ihre Kraft auf die Probe zu stellen und zu entscheiden, wer wen beherrscht oder wer sich wem unterwirft. Am Ende müssen beide einsehen, dass ein solcher Kontakt nicht hergestellt werden kann, ebensowenig wie eine endgültige Klärung von Macht und Ohnmacht.“''<ref name="Kroner140">Kroner: S. 140</ref> ==== Psychoanalytische Deutungsansätze ==== Besonders Butler und Werner stellen ihre Filmanalysen auf mögliche [[Psychoanalytische Filmtheorie|psychoanalytische Deutungsmöglichkeiten]] ab. Butler betont die ''„[[Phallus|phallische]] Signifikanz“''<ref name="Butler38">Butler: S. 38</ref> des Messers und nennt es ein ''„[[Sigmund Freud|Freudsches]] Sexsymbol“''<ref name="Butler39">Butler: S. 39</ref>, das für die Potenz des Jungen einstehe und dem älteren Mann gefährlich werde. Ironischerweise ermögliche Andrzej dem Jungen den Ehebruch jedoch erst damit, indem er das Messer beseitigt.<ref name="Butler38">Butler: S. 38</ref> Auch Werner entdeckt eindeutig sexuell konnotierte Symbole: Der Schuh, den Krystyna als Pfand für ein verlorenes [[Mikado (Spiel)|Mikado]]-Spiel dem Jungen präsentiert, sei ''„eines der deutlichsten Symbole für die [[Vagina]]“'', wobei der Gürtel mit der protzigen Schnalle, den der Junge als Pfand abgeben muss, ebenfalls ein sexuelles Potenzsymbol sei.<ref name="Werner38">Werner: S. 38</ref> Das Dreiecksverhältnis sei ''„die Darstellung einer [[Ödipuskomplex|ödipalen]] Beziehung“'', wobei Andrzej als „Vater“ die belehrende und strafende Position und Krystyna die beschützende Mutterrolle einnehme, aber gleichzeitig das Objekt der Begierde des Jungen sei.<ref name="Werner48">Werner: S. 48</ref> Werner führt in seiner Argumentation weiter aus, es gebe im Film Motive, die an [[Kastration]] und [[Kastrationsangst|Kastrationsängste]] gemahnten. So spielen der Junge und Andrzej zum Beispiel das bekannte Spiel, mit dem Messer in die Zwischenräume der Finger einer gespreizten Hand zu stechen, ohne die Finger zu verletzen. Weitere Hinweise sind laut Werner das zweimalige Erklimmen des Bootsmastes durch den Jungen, die gegen Ende des Films prominent in Szene gesetzten gefällten Bäume und die Tatsache, dass die Scheibenwischer gestohlen sind, als Andrzej und Krystyna zu ihrem Auto zurückkehren.<ref name="Werner48">Werner: S. 48</ref> ==== Christliche Symbolik ==== In einigen der ungewöhnlichsten Einstellungen des Films wird auf [[Christentum|christliche]] Symbolik Bezug genommen. So zeigt zum Beispiel ein [[Overhead-Shot]] von der Mastspitze den auf Deck ruhenden Jungen mit ausgestreckten Armen in einer [[Kreuzigung]]spose, wobei sein Kopf auf einer Seilrolle ruht, die an einen [[Heiligenschein]] gemahnt. Eine weitere Einstellung zeigt den Jungen über der Reling hängend und mit den Füßen „auf dem Wasser wandernd“. Als sich der Junge an einem heißen Topf die Hände verbrennt, können die Verletzungen im Kontext dieser Hinweise als Vertreter der [[Stigmatisation|Wundmale Christi]] gedeutet werden. Letztendlich durchlebt der Junge im Laufe der Erzählung seinen „Tod“ und seine „Wiederauferstehung“.<ref name="Werner49">Werner: S. 49</ref> Werner deutet diese Anspielungen auf Erlösungssymbolik als ''„rein ironisch“''.<ref name="Werner49">Werner: S. 49</ref> Feeney stellt fest, Polański habe immer eine Absicht geleugnet und behauptet, die Anspielungen auf das Christentum seien reiner Zufall. Feeney fügt hinzu, er halte sie ebenfalls für ironische Brechungen und Beiträge zur Ambivalenz des Films: ''„Natürlich ist der junge Mann keine [[Jesus Christus|Christus]]figur im traditionellen Sinne, sondern eher der, der in Versuchung führt, ein Engel, der Böses will, eine Schlange im Paradiesgarten.“''<ref name="Feeney37">Feeney: S. 37</ref> == Einzelnachweise und Anmerkungen == <div class="references-small" style="-moz-column-count:2; column-count:2;"> <references /></div> == Literatur == * Daniel Bird: ''Roman Polanski.'' Pocket Essentials Film, Harpenden 2002, ISBN 1-903047-89-7. * Ivan Butler: ''The Cinema of Roman Polanski''. The International Film Guide Series, Barnes & Co, New York, Zwemmer Ltd., London 1970, ISBN 0-302-02061-6 (UK). * Paul Cronin (Hrsg.): ''Roman Polanski – Interviews''. University Press of Mississippi, Jackson 2005, ISBN 1-57806-800-2. * F. X. Feeney, Paul Duncan (Hrsg.): ''Roman Polanski''. TASCHEN Verlag, Köln 2005, ISBN 3-8228-2541-7. * Thomas Koebner (Hrsg.): ''Filmklassiker Band 2 1946–1962''. 5. Auflage, Philipp Reclam jun., Stuttgart 2006, ISBN 3-15-030033-9. * Marion Kroner: ''Roman Polanski – Seine Filme und seine Welt''. Programm Roloff & Seeßlen Filmstudien Nr.&nbsp;6. B.&nbsp;Roloff Verlag, Schondorf 1981, ISBN 3-88144-219-7. * Denis Meikle: ''Roman Polanski – Odd Man Out''. Reynolds & Hearn Ltd., London 2006, ISBN 1-905287-21-6. * John Orr, Elzbieta Ostrowska (Hrsg): ''The Cinema of Roman Polanski – Dark Spaces of the World''. Wallflower Press, London / New York 2006, ISBN 1-904764-75-4. * Roman Polanski: ''Roman Polanski''. Heyne Verlag 1985, ISBN 3-453-02203-3. * Kristin Thompson, David Bordwell: ''Film History – An Introduction''. Zweite Auflage. University of Wisconsin, Madison 2003, ISBN 0-07-038429-0. * Paul Werner: ''Roman Polanski''. Fischer Taschenbuch Verlag 1981, ISBN 3-596-23671-1. == Weblinks == * {{IMDb Titel|tt0056291|Das Messer im Wasser}} * [http://filmpolski.pl/fp/index.php/122112 ''Das Messer im Wasser'' auf den Seiten von Filmpolski.pl (mit Bildern)] * [http://www.3sat.de/3sat.php?http://www.3sat.de/denkmal/internet/28502/index.html ''Das Messer im Wasser'' auf den Seiten von 3sat] * [http://www.senseofview.de/review/535 ''Das Messer im Wasser'' auf den Seiten von senseofview.de (mit Bildern)] {{Navigationsleiste Filme von Roman Polański}} {{Exzellent}} {{DEFAULTSORT:Messer im Wasser, Das}} [[Kategorie:Filmdrama]] [[Kategorie:Polnischer Film]] [[Kategorie:Schwarzweißfilm]] [[Kategorie:Filmtitel 1962]] [[ca:Nóż w wodzie]] [[en:Knife in the Water (film)]] [[es:El cuchillo en el agua]] [[fi:Veitsi vedessä]] [[fr:Le Couteau dans l'eau]] [[it:Il coltello nell'acqua]] [[pl:Nóż w wodzie]] [[pt:Nóz w wodzie]] [[ru:Нож в воде (фильм)]] [[sv:Kniven i vattnet]] 61nm0fdsuhogdnbna75gf8u5eltukil wikitext text/x-wiki Metallurgie 0 23921 26517 2010-05-05T17:51:01Z Jaellee 0 Änderung 74004428 von [[Special:Contributions/62.231.175.188|62.231.175.188]] wurde rückgängig gemacht. Für die deutsche Wikipedia nicht so passend '''Metallurgie''' (gleichbedeutend '''Hüttenwesen''') bezeichnet die Gesamtheit der [[Prozess (Technik)|Verfahren]] zur Gewinnung und Nutzung von [[Metalle]]n sowie metallurgisch wichtigen [[Halbmetalle]]n und [[Nichtmetalle]]n aus Erzen, Erden, Salzen und Altstoffen.<ref>Die Bereitstellung der metallurgisch wertvollen Stoffe ist dabei Aufgabe des [[Bergbau]]s, oder angemessener anderer Techniken ([[Tagebau]]</ref> Das Wort „Metallurgie“ ist zusammengesetzt aus dem [[Altgriechische Sprache|altgriechischen]] „métallon“ für eine Abbaustätte und „ourgos“ für „tätig, wirkend“. Sinngemäß arbeitet ein Metallurge in Abbaustätten, (veraltet: „Minen“, siehe „Minenarbeiter“) und mit deren Inhalten. Das lateinische Wort „metallum“ ist begrifflich enger, es bedeutet lediglich „Metall“.<ref>Weiterführendes: ''[[Grosses vollständiges Universal-Lexicon Aller Wissenschafften und Künste|Zedlersches Lexikon]].'' Bd. 20, 1739/1740, Spalte 1255. Artikel Metallurgie. Ferner zum Bedeutungswandel von „métallon:“ in Liddell/Scotts Wörterbuch sowie unter „métallurgie“ in „Dictionnaire de l'Académie française“.</ref> Kupfer- oder Bronzewerkzeuge – nach denen Geschichtsepochen benannt wurden – sind erste Zeugnisse zielgerichteten metallurgischen Werkens. Hiervon ausgehend ist es ein langer Weg, bis mit der Ingangsetzung des ersten [[Hochofen]]s das „abgestochene“ [[Roheisen]] in Mengen für Eisenguss und ab dem 18.&nbsp;Jahrhundert für die Stahlerzeugung verfügbar wird. Die ''Stahlzeit'' und die im 20.&nbsp;Jahrhundert neben sie getretene ''Erdmetallzeit'' bestimmen heute in Vielem die Lebensumstände der Menschheit. Viele traditionsreiche deutsche Vorkommen gelten als ausgebeutet, etwa der an [[Zink]] reiche Goslarer [[Rammelsberg]], das hessisch-siegerländische [[Eisenerz]] und der Bergbau im sächsischen Erzgebirge, in dem zwar noch bis 1990 Uranerz gefördert wurde, indessen in wenig umweltverträglichem Umfang. Als nicht mehr abbauwürdig gilt auch der jahrhundertelang betriebene Bergbau im [[Slowakisches Erzgebirge|slowakischen Erzgebirge]] und in anderen europäische Erzvorkommen, von denen das „Tauerngold“ im österreichischen Rauriser Tal auch deshalb erwähnenswert ist, weil sein Abbau durch nachweisliche, längerfristige Temperaturänderungen einmal begünstigt und dann wieder behindert wurde. Die stetig wachsende Erdbevölkerung und Industrialisierung besonders des asiatischen Raums führt zu zunehmender Nachfrage nach metallurgischen Produkten und Entwicklungen; weltweit werden unter zunehmender chinesischer Beteiligung neue Lagerstätten [[Exploration (Geologie)|exploriert]]. Die Entwicklung der Rohstoffpreise zu Beginn des 21. Jahrhundert führt sogar dazu, dass einige der genannten mitteleuropäischen Abbaugebiete, die keineswegs völlig erschöpft sind, aber wegen Überschreitung der Grenzkosten stillgelegt wurden, bei wiederkehrender, verstärkter Nachfrage einer Reaktivierung entgegensehen könnten.<ref>Wirtschaftsnachricht in ''F.A.Z.'' Nr. 174, 2008</ref> Sogar bisher unerkannte Vorkommen, etwa in der mitteldeutschen Lausitz, werden für künftige Ausbeutung in Betracht gezogen.<ref>Wirtschaftsnachricht in ''F.A.Z.'' Nr. 214, 2008</ref> Aus alten Erfahrungen und neuen Erkenntnissen ist die Metallurgie zu einer [[Technologie]] gewachsen. Schon im 19.&nbsp;Jahrhundert wurde zwischen ''Eisenmetallurgie'' und ''Nichteisenmetallurgie'' unterschieden. Den [[Stand der Technik]] sichert diesen beiden Haupt- sowie den Nebendisziplinen nicht nur die eigene Forschung. Unterstützung findet sie in anderen Disziplinen, die den Gesamtprozess vom Ausgangsstoff bis zu gebrauchsfertigen Gütern begleiten, darunter die [[Metallkunde]], eng verbunden mit der [[Materialwissenschaft|Materialkunde]], die [[Chemie]] sowie der [[Hochofen|Ofen-]], [[Maschinenbau|Maschinen-]] und [[Anlagenbau]]. [[Datei:Adolf Friedrich Erdmann von Menzel 021.jpg|miniatur|hochkant=2|[[Eisenwerk]] (um 1875)]] [[Datei:VysokePece1.jpg|miniatur|hochkant=2|Hochofenabstich in einem [[Stahlwerk]] (21. Jahrhundert)]] == Geschichte == === Zeittafel === Die folgende Zeittafel versucht die Entwicklung der Metallurgie vom [[Jungsteinzeit|Neolithikum]] bis zum Beginn der [[Moderne]] wiederzugeben. Die Zeitangaben für Kulturveränderungen sind für Europa, Asien und Afrika nicht immer übereinstimmend. Ausgehendes [[mittlere Steinzeit|Mesolithikum]] (ca. 5500 v.&nbsp;Chr.) und beginnendes Neolithikum (ab 8000, nach anderen Angaben ab 5500 bis 2000 v.&nbsp;Chr.) werden sich überschneidend angegeben. Die jüngere Datierung reicht mit den bereits anzutreffenden Keramikkulturen (Schnur- und Bandkeramik, Glockenbecher als mit metallischem Schmuck gefüllte Grabbeigaben) noch weit in den auf ca.&nbsp;5000 v.&nbsp;Chr. datierten Beginn der auch als [[Kupferzeit]] bezeichneten frühen Bronzezeit hinaus. {|- ! width="120" | ! width="230" | ! width="450" | |- style="background-color:#F1F1F1" | um 8000 v. Chr. | langsamer Übergang ins Neolithikum | sesshafte Besiedelung ab 7750 nachgewiesen, Landwirtschaft, Metallschmuck, erste Erkenntnisse in Metallgewinnung und Bearbeitung |- style="background-color:#FAFAFA" | um 4000 v. Chr. | frühe [[Kupferzeit]] | Metallspiegel in Knossos, Beile aus Kupfer, Grabbeigaben in Form von Kupferdolchen und Goldschmuck, erste Gegenstände aus Eisen |- style="background-color:#F1F1F1" | ab 2500 v. Chr. | Frühe [[Bronzezeit]] | Vordringen der Bronze aus dem [[Kaukasus]] in den mittelmeerischen Raum und nach [[Ägypten]] |- style="background-color:#FAFAFA" | 1700–800 v. Chr. | Bronzezeit | Bronzene Streitwagen und Waffen, Schwerter, Denkmale, Schmuck (Bronzefibeln), Münzen, Werkzeug (Äxte), Bauwesen (Klammern als Verbinder von Marmorteilen) |- style="background-color:#F1F1F1" | ab 1100 v. Chr. | | Einwanderung von Norden bringt –&nbsp;in Art und Zeitablauf nicht unumstritten&nbsp;– technischen Fortschritt. [[Dorier|Dorische]] Reiterkrieger, bereits mit Eisenwaffen (ab 1200 bereits bei den Hethitern), sollen sich gegen Bronzeschwerter und Streitwagen durchgesetzt haben. |- style="background-color:#FAFAFA" | ab 800 v. Chr. | Frühe [[Eisenzeit]] | [[Hallstattzeit|Hallstattkultur]], Verbreitung von Eisengegenständen im mitteleuropäischen Raum |- style="background-color:#F1F1F1" | ab 600 v. Chr. | Beginn der Eisenzeit in China | |- style="background-color:#FAFAFA" | um 500 v. Chr. | Hochblüte [[Antikes Griechenland|hellenisch]]-[[Römisches Reich|römischer Antike]] | |- style="background-color:#F1F1F1" | ab 450 v. Chr. | Jüngere Eisenzeit, [[La-Tène-Zeit|La-Tène-Kultur]] | weiterentwickelte Eisenverwendung |- style="background-color:#FAFAFA" | Zeitenwende | | Römische Verhüttungsanlagen entstehen in erznahen Gebieten, [[Siegerland]] |- style="background-color:#F1F1F1" | 200 n. Chr. | Spätantike Zeit | [[Fabricae]] ([[Manufakturen]]) treten in der Metallverarbeitung neben das [[Handwerk]] |- style="background-color:#FAFAFA" | 400–600/700 n. Chr. | Zeit der germanischen Völkerwanderung, Ende der Spätantike | Weiterentwicklung bei der Verwendung von Eisen unter den Merowingern und Wikingern (Waffen, technische Gerätschaften). Bronze für Münzen, Kleinbildnisse, Reliefs, Denkmale |- style="background-color:#F1F1F1" | um 1160 |Beginn der Besiedelung des böhmisch-sächsischen [[Erzgebirge]]s |vorerst nur gezielter Abbau silberhaltiger Bleierze zur Silbergewinnung („Treibarbeit“) |- style="background-color:#FAFAFA" | nach 1300 |1318 erste urkundliche Erwähnung von Muldenhütten bei Freiberg/Erzgebirge als „Hüttenstandort“ |erste „Hochschachtöfen“ treten an die Stelle bisheriger „Niederschachtöfen“, siehe [[Hochofen]] |- style="background-color:#F1F1F1" | nach 1400 |zunehmende frühindustrielle Eisengewinnung und -verarbeitung. |- style="background-color:#FAFAFA" | nach 1500 | Beginn der in die heutige Zeit führenden Entwicklung. | mit [[Georgius Agricola]] (XII Libri) treten technische Hilfsmittel zur Erzgewinnung und Verarbeitung an die Stelle bloßer Handarbeit; <br />aus böhmischem Silberabbau werden 1519 die ersten [[Taler|Joachimsthaler]] geprägt |} === Vom Kupferbeil bis zur Bronzezeit === [[Datei:FlachbeiHu.jpg|miniatur|Ungarisches Flachbeil aus Kupfer<br />(Ende der [[Jungsteinzeit]])]] [[Datei:SchaftlochaxtHu.jpg|miniatur|Ungarische Schaftlochaxt aus Kupfer<br />([[Kupferzeit|Kupfersteinzeit]])]] [[Datei:Uluburun4.jpg|miniatur|Kupferplatten aus dem [[Schiff von Uluburun]] (14.&nbsp;Jh.&nbsp;v.&nbsp;Chr.) in der für den Transport günstigen Ochsenhautform]] Die Entwicklungsgeschichte der Metallurgie nimmt im Rückblick ihren Anfang vor etwas mehr als 8000&nbsp;Jahren, im zu Ende gehenden Mesolithikum und dem Übergang in die Jungsteinzeit (siehe dazu voranstehende Zeittafel). Neuere Forschungen in [[Kleinasien]] entdeckten sogar in frühen, ca. 12.000&nbsp;Jahre alten Siedlungen erste metallurgische Ansätze. Sie bestätigen die Ansicht, wonach die frühe Metallurgie entscheidend von der Umstellung der nomadisierenden „[[Jäger und Sammler]]“ zu Ackerbauern und Siedlern mit „festem Herd“, anstelle wechselnder, offener Feuerstellen, bestimmt wurde. Vielleicht steht am Anfang metallurgischer Erkenntnisse ein zufälliger Fund, sei es von ''gediegenem'' (reinem) Metall, wie das glänzende Flussgold aus Gebirgswässern, sei es ein metallreiches [[Erz]] ([[Cuprit|Rotkupfererz]]), das wegen seiner Farbe Interesse weckte. Es ist vorstellbar, dass ein aus Gestein errichteter fester Herd bei langsamer Verbrennung Holzkohle entstehen ließ, die aus 80 % Kohlenstoff besteht. Wird ein nach Verbrennung der flüchtigen Bestandteile flammenlos, also anscheinend matt gewordenes Feuer durch Luftzufuhr (blasen) „aufgefrischt“, so werden beim Verbrennen der Holzkohle 1000&nbsp;°C und mehr erreicht. Aus Rotkupfererz wird dann Kupfer, aus Zinnkies, einem Kupfer-Zinn-Eisen-Schwefel-Erz, sogar eine natürliche [[Legierung]] aus Kupfer und Zinn ausgeschwitzt. Das kann zu metallurgischen Überlegungen anregen. Bildliche Darstellungen zeigen den Einsatz von Blasrohren zu dieser erst viel später als „Herdfrischen“ bezeichneten Technik. Der zugeführte Luftsauerstoff oxidiert Schwefelgehalte im Erz, ebenso den für die schmiedende Bearbeitung von Eisen hinderlichen Kohlenstoff. Schwefel wird zu flüchtigem, weil gasförmig anfallendem [[Schwefeldioxid]] (SO<sub>2</sub>), Kohlenstoff zu [[Kohlendioxid]] (CO<sub>2</sub>), wobei zusätzlich [[Reaktionswärme]] entsteht. Erste zweckgerichtete Schmelzöfen werden bereits für die frühe [[Kupferzeit|Kupfersteinzeit]] (4500–3500&nbsp;v.&nbsp;Chr.) nachgewiesen (Kupferbeile). Leitfunde metallurgischen Wirkens sind ab 3000&nbsp;v.Chr. die (keramischen) Glockenbecher als bei Bestattungen einheitliches Merkmal unterschiedlicher Kulturkreise ([[Glockenbecherkultur]]). Die Gräber enthalten außer den namengebenden Glockenbechern vielfältige Grabbeigaben, darunter Schutzschilde und Dolche aus Kupfer, ferner Gold und Elfenbein. Auf die „frühe“ folgt eine „späte“ Kupferzeit, die jedoch ab 3000–2500&nbsp;v.&nbsp;Chr. bereits in die „frühe Bronzezeit“ übergeht. In sehr langen Zeiträumen und in sich teilweise überschneidenden Kulturkreisen, aber in deutlicher Anlehnung an lokale und regionale Erzvorkommen ([[Böhmen|böhmisches]] Erzgebirge) entstehen mit der Zeit Zentren metallurgischer Weiterentwicklung, die sich durch Handelsstraßen und Schifffahrtswege miteinander verbinden. Dies geschieht in Mitteleuropa, in der Ägäis ([[Schiff von Uluburun]]), in Südspanien, in England, im [[Karpaten]]<nowiki>raum</nowiki> und dem [[Balkanhalbinsel|Balkan]]. Diesem Kreis fließt um 3000&nbsp;v.&nbsp;Chr., zu Beginn der frühen Bronzezeit, Wissen aus dem [[Kaukasus]] und aus Anatolien zu, das ebenso nach [[Mykene]], [[Kreta]] und [[Ägypten]] gelangt und in den dort bereits ausgeprägten Hochkulturen für Kunstwerke, wie in der Alltagswelt Eingang findet. Für den [[Mittelmeerraum]] gibt Kupfer, griechisch „chalkos“ ([[Chalkidiki|Chalkidike]]), bei den [[Römisches Reich|Römern]] „aes cyprium“ („Erz aus [[Zypern]]“) genannt, mit reichen Vorkommen die Grundlage für eine nun umfassende metallurgische Weiterentwicklung, die nicht nur Kleinteile und Waffen zu Handelsartikeln der [[Phönizier]] macht, sondern auch Großbronzen hervorbringt. Der [[Koloss von Rhodos]] wurde schon damals zu den „Weltwundern“ gezählt. Die Verarbeitung von [[Gold]] als Wertaufbewahrungsmittel erkennt bereits Pharao [[Menes]] aus der [[Frühdynastische Periode (Ägypten)|ersten Dynastie]] des „alten Reichs“, er lässt kleine [[Barren (Metall)|Goldbarren]] mit einer Art „Garantiestempel“ versehen. Kenntnisse, Gold zu schmelzen und zu bearbeiten, lassen sich auf 3000&nbsp;v.&nbsp;Chr. zurückführen und liegen auch wegen der fast gleichen Schmelzpunkte von Gold(1063&nbsp;°C) und Kupfer (1083&nbsp;°C) nahe. Getriebene und gegossene Gebrauchsgegenstände und Schmuckstücke aus Gold und Silber (Schmelzpunkt 960,5&nbsp;°C), ferner zahlreiche Teile aus reinem Kupfer wurden von [[Heinrich Schliemann]] 1873 bei seiner Suche nach dem homerischen [[Troja]] gefunden und im Irrtum als „Schatz des Priamos“ einer weit jüngeren Kultur zugeordnet. Die [[Skythen]], ein Reitervolk ohne Schrift und Münzwesen, insofern noch keine [[Hochkultur (Geschichtswissenschaft)|Hochkultur]], stellen bereits sehr kunstfertig Goldschmuck her, wie erschlossene Fürstengräber ([[Kurgan (Grabhügel)|Kurgane]]) zeigen. Auch die [[Kelten]] verwenden Gold für Schmuckgegenstände und Herrschafts[[Insigne|insignien]]. Als Mittel zur kontrollierbaren Wertaufbewahrung für die Untertanen wird Gold ungefähr 600&nbsp;v.&nbsp;Chr. von König [[Krösus]] von [[Lydien]] zu Münzen geschlagen („[[Stater|Goldstater]]“). Damit wird es zugleich [[Zahlungsmittel]]. Die ägyptischen [[Ptolemäer]] gewinnen in vorchristlicher Zeit Gold bergmännisch in Golderz führenden [[Ganglagerstätte|Minen]], die Römer beuten die spanischen Silbererzvorkommen aus, um Münzen, Statuen, Gefäße und andere Beweise des Reichtums herzustellen. === Vorderer Orient, Indien, China, Südostasien, Japan === Im [[Vorderer_Orient#Orient.2C_Vorderer_Orient|vorderen Orient]] finden sich Bronzen, beispielsweise die eines Königskopfes, aus der Zeit des [[Akkad|akkadischen Reichs]] ([[Mesopotamien]]) um 2300&nbsp;v.&nbsp;Chr. Obwohl die Kenntnisse vorhanden waren, bildeten die nachfolgenden Reiche ihre Herrscher bevorzugt wieder in Stein oder [[Alabaster]] ab. In Teilen des indischen Subkontinents wird gegen Ende des 4.&nbsp;Jahrtausends v.&nbsp;Chr. der Gebrauch von [[Kupfer]] und [[Bronze]] nachweisbar, zeitgleich mit der Herausbildung „städtischen Lebens“ ([[Indus-Kultur]]en). Südostasien kennt Kupfer und Bronze etwa seit 3000&nbsp;v.&nbsp;Chr. Aus [[Kaiserreich China|China]] wird dies erst um 1600&nbsp;v.&nbsp;Chr. berichtet. Gut bearbeitbare Legierungen (mit erniedrigten [[Schmelzpunkt]]en), wie goldfarbenes [[Messing]], werden erfunden. Dokumentiert ist auf diesem Gebiet der Einfluss der von 1700&nbsp;bis 1100&nbsp;v.&nbsp;Chr. herrschenden [[Shang-Dynastie]]. Auf sie werden die bronzenen Trommeln ([[Dong-Son-Kultur]]) zurückgeführt, die um 1000&nbsp;v.&nbsp;Chr. zahlreich in den südlichen Provinzen anzutreffen sind. [[Japan]] steht kulturell zuerst unter dem Einfluss Chinas und des dort verbreiteten [[Shintō|Shintoismus]]. Um 500 n.&nbsp;Chr. fasst der Buddhismus Fuß. Die Figur des Daibutsu von Nara, aus einer zinnarmen Bronze gegossen, soll 380&nbsp;t schwer sein. Belege für früheres metallurgisches Wirken sind Bronzespiegel aus der Periode zwischen 3000 bis 710&nbsp;v.&nbsp;Chr. Die [[Yayoi-Zeit]] ab 350&nbsp;v.&nbsp;Chr. wird ebenfalls aus Spiegeln, Glocken und Waffen sichtbar. In der Gesamtschau steht der asiatische Raum mit seinen metallurgischen Kenntnissen nicht hinter dem europäischen zurück, wenngleich erst seit 600&nbsp;v.&nbsp;Chr. von einer beginnenden Eisenzeit gesprochen wird. Karawanenwege, wie die [[Seidenstraße]], vielleicht mehr noch der Handel auf dem Seewege, begünstigen zunehmend den Austausch von Erkenntnissen und aus solchen entstandenen Produkten. Dazu gehört eine 200&nbsp;v.&nbsp;Chr. in Europa noch unbekannte, weißglänzende Kupferlegierung, die in China „[[Neusilber|Packfong]]“ genannt wird. === Von der frühen Bronzezeit bis zum Beginn der frühen Eisenzeit === Wegen des nicht zwischen Kupfer und Bronze differenzierenden griechischen Wortes „chalkos“ (χαλκὀς) wird die frühe [[Bronzezeit]] auch ''späte Kupferzeit'' genannt.<ref>Zwar wird „Chalkos“ synonym für Bronze und Kupfer benutzt, Funde haben aber gezeigt, dass zumindest regional für Gegenstände, die zuerst aus reinem Kupfer gefertigt wurden (Leitfund: Kupferbeile), relativ bald wegen der größeren Härte etwa ab 2500&nbsp;v.&nbsp;Chr. Bronze als nützlicher erkannt wurde. Vermutlich sind die ersten Bronzen eine Zufallsentdeckung gewesen, indem Zinnerz und Kupfererz zusammen erhitzt wurden.</ref> Die aus Erfahrung gewonnene Kenntnis einer gezielten Verbesserung der Eigenschaften von Kupfergegenständen durch Zu[[Legierung|legieren]] von [[Zinn]] und [[Zink]] setzt sich nach heutigen Maßstäben relativ schnell durch. [[Messing]] als Kupfer-Zink-Legierung ist entweder chinesischer oder [[Perserreich|persisch]]-[[Indien|indischer]] Herkunft. Figürliche Funde beweisen die fast gleichzeitige Entwicklung bei [[Blei]]. Der verbreitet vorkommende [[Galenit|Bleiglanz]] wird zuerst nur als [[Silber]]<nowiki/>träger gesucht, bei dessen Gewinnung anfallendes Blei gilt als „Abfall“. Sein niedriger Schmelzpunkt von nur 334&nbsp;°C begünstigt, einmal erkannt, Überlegungen, die zu vielfältiger Nutzung führen. Man kennt sehr frühe figürliche Gegenstände ([[Hallstattzeit|Hallstattfunde]]), gefolgt von Gebrauchsgegenständen – (römische Zeit mit Gefäßen, Röhren, Platten). Bleiguss erlangt noch eine späte Blüte in [[Denkmal|Denkmälern]] der [[Barock]]zeit, wobei die Giftigkeit der beim Schmelzen auftretenden Bleidämpfe sehr lange nicht beachtet wurde. Ein weiteres „historisches“ Metall ist [[Nickel]]. Als Bestandteil von Kupfer-Zink-Legierungen (Messing) findet es sich erstmals um 200&nbsp;v.&nbsp;Chr. in China. Bis heute ist das nickelhaltige [[Neusilber]] Basistyp für Bestecklegierungen. ==== Biblische Überlieferungen ==== Sie sind zeitlich schwer einzuordnen, gehen aber auf sehr alte Schriften zurück. {| class="float-right" border="1" cellspacing="0" cellpadding="10" style="background:#FFFFE0;" | ''Er wird sitzen und schmelzen und das Silber reinigen;<br />er wird die Kinder Levi reinigen und läutern wie Gold und Silber.''<br />[[Maleachi]] 3, Vers 3 ([[Altes Testament]]) |} Schmelzen, [[Läuterung (Metall)|Läuterung]] (Reinigen der Schmelze von Fremdstoffen) und Treibarbeit (zur Entbleiung) werden fachlich korrekt an verschiedenen Stellen der [[Bibel#Altes Testament (AT)|alttestamentarischen Bibel]] beschrieben. Mit [[Tubal-Kain]] ([[1. Buch Mose]] 4:22) und [[Maleachi]] werden frühe Metallurgen und ihre [[#Pyrometallurgie|pyrometallurgischen]] Techniken beschrieben. Sie weichen von den heutigen in ihren Grundlagen nur wenig ab. Schmuck- und Gebrauchsgegenstände aus Gold, Silber und Bronze, werden verfertigt. Eisen ist nicht unbekannt, wird –&nbsp;nach den Funden zu schließen&nbsp;– noch recht selten verwendet, so dass ihm sogar Schmuckeigenschaft zukommt. In [[Jeremia]] 6, Vers 27–30, wird ein Metallurge zum Richter über Abtrünnige, die er in einem Vergleich mit ungenügend getriebenem als „verworfenes Silber“ bezeichnet. Im [[2. Buch Mose]], 32:1–4, wird vom „Goldenen Kalb“ überliefert, dass es aus eingeschmolzenem Schmuck der sich von [[JHWH|Jahwe]] abwendenden [[Israeliten]] gegossen worden sein soll. === Der lange Weg in die Eisenzeit === [[Datei:Hallstattfunde.jpg|miniatur|Hallstattfunde]] Bereits in der mittleren Bronzezeit ab 1200&nbsp;v.&nbsp;Chr. beginnt die allmähliche Verdrängung der Bronze durch Eisen, dessen Gewinnung möglich wurde –&nbsp;wenngleich nach heutigen Maßstäben auf noch recht einfache Weise&nbsp;– nachdem man die erforderlichen Grundprinzipien erlernt hatte. Sichtbar wurde dies in der um 700&nbsp;v.&nbsp;Chr. voll ausgeprägten [[Hallstattzeit|Hallstattkultur]], die als „frühe Eisenzeit“ bezeichnet wird. Kelten, [[Slawen]], [[Italiker]] und [[Illyrer]] hatten hieran gleichen Anteil. Etwa ab 450&nbsp;v.&nbsp;Chr. folgt als zweite Stufe die [[La-Tène-Zeit]], eine eisenzeitliche Epoche, die bis zur Zeitenwende und noch darüber hinaus reicht. Waffen, Werkzeuge und Gebrauchsgegenstände werden erstmals aus Eisen gefertigt. Der Übergang von der Bronze- zur Eisenzeit ist ein aus heutiger Sicht langsamer Fortschritt, denn abgesehen von in die Zeit um 5000&nbsp;v.&nbsp;Chr. zurückdatierten Einzelfunden aus Ägypten tragen erst ab 1600&nbsp;v.&nbsp;Chr. ([[Hyksos]]) sich wiederholende Einfälle von mit Eisenwaffen kämpfenden Reitervölkern zur Verbreitung des Eisens bei. Interessant ist in diesem Zusammenhang die Verwendung des aus dem [[Indogermanische Sprachen|Indogermanischen]] stammenden Wortes „ehern“, also „von großer Dauerhaftigkeit“ (vergleiche „Aera“). Nördlich der Alpen verstand man darunter „Eisernes“, für Italiker und Iberer war es „Bronzenes“. Eisen für Waffen gelangt ab 660&nbsp;v.&nbsp;Chr. auf Handelswegen aus Asien bis nach Nordafrika, findet sich jedoch, was erstaunlich ist, erst 700&nbsp;Jahre später (100&nbsp;n.&nbsp;Chr.) im Süden Afrikas. Die [[Mesoamerika|mittelamerikanischen Hochkulturen]] geben Belege für die Verwendung von Eisen erst für die Zeit um 500&nbsp;n.&nbsp;Chr. === Die Bedeutung von Herrschaftseinflüssen für die metallurgische Entwicklung === Die Darstellung metallurgischer Entwicklung im Zuge von Kulturepochen, die keineswegs abrupt sondern mit oft langen Übergangszeiten aufeinander folgen, wird von geschichtlichen Herrschaftsepochen überlagert. Am nachhaltigsten hat sich die [[Antike]] eingeprägt. Ihr Beginn wird etwa um 2500&nbsp;v.&nbsp;Chr. gesehen und mit der frühen Bronzezeit gleichgesetzt. Deutlicher wird der Einfluss mit dem Beginn der in Ursprung und Auswirkung umstrittenen „[[Dorische Wanderung|dorischen Wanderung]]“ um 1100&nbsp;v.&nbsp;Chr. In deren Verlauf setzen sich von Norden kommende, berittene „Krieger mit Eisenwaffen“ gegen noch mit Bronzeschwertern und zweirädrigen [[Streitwagen]] kämpfende Gegner durch. Sie bringen aber nicht nur auf diesem Gebiet Fortschritte (Balkan- oder „Karpatentechnik“). Der bis dahin vorherrschende kretisch-[[Minoische Kultur|minoische]] Einfluss, Plätze wie [[Mykene]] und [[Tiryns]] einschließend, wird nach vielen lokalen und regionalen Kriegen schließlich von der sich über weite Teile des Mittelmeerraumes ausdehnenden ([[Magna Graecia]]) [[Griechen|hellenischen]] Antike abgelöst (Tempelbau mit Hilfe von Bronzeklammern und dorischen, ionischen und korinthischen [[Kapitell]]en). Gold und Silber werden als gediegenes Metall gefunden, insbesondere leicht zugängliches Flussgold, oder als silberhaltige Ablagerung (Goldseifen) sowie aus sichtbar silberreichen Erzadern. Als wertvolles Gut werden Gold und Silber nicht nur zum Handelsgegenstand, sondern zur Beute auf Kriegszügen. Der so gewollte oder erzwungene regionale und überregionale Austausch trägt zur Verfeinerung der aus Mykene und frühen Schichten Trojas überlieferten Kunstfertigkeit bei der Herstellung von [[Ornament (Bildende Kunst)|ornamentalem]] Schmuck und Kultgegenständen bei. Von großer Bedeutung sind ab 700&nbsp;v.&nbsp;Chr. die ersten Münzprägungen aus Gold oder Silber. Sparta als Ausnahme führt um 660&nbsp;v.&nbsp;Chr. Eisen in Barrenform als „Inlandswährung“ ein. Die hellenisch bestimmte Antike erreicht einen Höhepunkt um 500&nbsp;v.&nbsp;Chr., danach wird sie vom bereits um 1000&nbsp;v.&nbsp;Chr. beginnenden Aufstieg der [[Etrusker]] und ab 700&nbsp;v.&nbsp;Chr. von dem [[Römisches Reich|Roms]] bestimmt. Dabei bleibt es für fast ein Jahrtausend, in dem es immerhin für eine Oberschicht noch lange als vornehm gilt, sich „griechisch“ zu geben. In der Römerzeit reicht die Bedeutung der Bronze nochmals über figürliche Darstellungen (Standbilder) und Kultgegenstände hinaus. Sie bleibt im Bauwesen bei der Verbindung von Marmorteilen weiterhin unentbehrlich (gegossene oder geschmiedete Bronzeklammern), ferner bei Bedachungen und im Wagenbau. Eisen ist wegen seines im Vergleich zu Kupfer, aber auch Gold und Silber sehr hohen Schmelzpunktes von 1535&nbsp;°C immer noch schwer herzustellen. Seine Verwendung beschränkt sich bis in die Zeit der [[Merowinger]] auf Werkzeuge und vor allem Waffen. Berühmt wurde damals der [[Damaszener Stahl|Damaszenerstahl]] mit seinem lange geheim gehaltenen, besonderen [[Härten (Stahl)|Härtungsverfahren]]. In die [[Spätantike]] fällt die Zeit der vorwiegend germanischen [[Völkerwanderung]] vom 4. bis 6.&nbsp;Jahrhundert&nbsp;n.&nbsp;Chr. Rom verwandelt sich ab der Zeit [[Konstantin der Große|Kaiser Konstantins]] zu einem christlichen Reich. Noch nicht völlig von der Bronzekultur gelöst (Denkmale), geht das [[Weströmisches Reich|Weströmische Reich]] 476 unter, während sich das [[Byzantinisches Reich|Oströmische Reich]] behaupten kann. Die Kenntnisse des Bronzegießens erhalten sich im religiösen Bereich, dort ([[Glocke#Herstellung von Glocken|Glockenguss]] seit 750, Kirchentüren aus [[Rotguss]] 1015 in [[Hildesheim]]) und als Herrschaftszeichen ([[Braunschweiger Löwe]] v. 1166). Die Erfindung des Schießpulvers bringt neue Aufgaben. „Stückgießer“ sollen 1372 die ersten Kanonen aus Erz –&nbsp;also aus Bronze&nbsp;– gegossen haben. Gießhütten entstehen und wieder sind es die Kirche und die Herrscher, die Grabmäler und Denkmale in Auftrag geben. Neben die Bronze tritt hierfür Messing mit dem [[Sebaldusgrab]] in Nürnberg (1519), dem [[Jan-Wellem-Denkmal]] in Düsseldorf (1711). Ab 1800 wird Kunstguss aus Eisen „hoffähig“ (Grabplatten) und im 19.&nbsp;Jahrhundert entstehen wieder Herrscher und Staat bestätigende Großbronzen der Neuzeit (Bavaria in München 1850). === Vom mittelalterlichen Hochofen zum Elektrostahlwerk === Europa liegt lange hinsichtlich der „industriell“ betriebenen Gewinnung und Verarbeitung von Metallen, nicht allein von Eisen, hinter China und Ägypten zurück. Die bei Ausgrabungen in Ägypten gefundenen, vermutlich 5000&nbsp;Jahre alten, noch gut konservierten Eisengegenstände lassen keine sicheren Schlüsse auf die damalige Art der Eisengewinnung zu. Immerhin ist alten wie neueren Nachschlagewerken (Meyer, Brockhaus) zu entnehmen, dass bereits um 1200&nbsp;v.&nbsp;Chr. die [[Philister]] (Talbewohner im Unterschied zu den bergbewohnenden [[Israeliten]]) Kenntnisse in der Eisengewinnung besitzen. [[Bronze]] kann noch in einem aus [[Lehm]] gefertigten Niederschachtofen mit natürlichem Zug hergestellt werden, die Gewinnung und Verarbeitung von Eisen ist jedoch ohne Einsatz eines leistungsfähigen [[Blasebalg]]s nicht denkbar. Nur durch die reichliche Zufuhr von Luftsauerstoff ist eine Temperatursteigerung von für Bronzen ausreichenden 1100&nbsp;°C auf die für die Eisengewinnung nötigen mehr als 1600&nbsp;°C möglich. In der Bronzezeit werden zwar schon in Rennöfen ([[Rennofen|Rennfeuer]]) aus einer Mischung von eisenreicheren Erzen –&nbsp;wie [[Hämatit]]/Roteisenerz und [[Holzkohle]]&nbsp;– und der Luftzufuhr mittels noch sehr einfacher Blasebälge (Rennfrischen) sogenannte „Luppen“ –&nbsp;ungeformte Klumpen aus schmiedbarem (weil kohlenstoffarmem) Eisen&nbsp;– gewonnen und für [[Waffe]]n, [[Rüstung]]en und Werkzeuge verwendet. Dieser erste Schritt in die Eisenzeit bringt aber noch keine wirklich nennenswerten Eisenmengen hervor. Eine Verbesserung führt zu den sogenannten Wolfs- oder auch Stücköfen, Vorläufern des heutigen [[Hochofen]]s. Sie liefern auf der Sohle (Boden des Ofens) flüssiges [[Roheisen]], der darüber befindliche „Wolf“ gibt beim Glühen und [[Frischen]]-[[Kohlenstoff]] ab und wird zu [[Stahl]] oder [[Schmieden|schmiedbarem]] Eisen. [[Datei:BGH Ofenplatte ora et labora (01) 2007-02-08.jpg|miniatur|links|Ofenplattenguss (um 1700)]] Obwohl in zeitgenössischen Aufzeichnungen von ersten Hochschachtöfen (Hochöfen im heutigen Sprachgebrauch) bereits im 14.&nbsp;Jahrhundert und von frühindustrieller Eisenerzeugung im 15.&nbsp;Jahrhundert berichtet wird, kann von einer im ''technischen'' Sinne zu Recht so genannten „Eisenzeit“ erst gesprochen werden, als es gegen Ende des 16.&nbsp;Jahrhunderts erstmals gelingt, mit durch [[Wasserkraft]] angetriebenen Blasebälgen dauerhaft Temperaturen von mehr als 1400&nbsp;°C zu erreichen. Damit ließ sich der erste konzeptionell echte, aber noch auf [[Holzkohle]] aus in den noch dichten Wäldern angelegten [[Kohlenmeiler]]n angewiesene [[Hochofen]] in Gang setzen, der Roheisen in nennenswerten Mengen erzeugen konnte. Mittelalterliche Büchsenmeister –&nbsp;anstelle der früheren „Stückgießer“&nbsp;– verarbeiten es als „[[Formguss]]“ zu [[Geschütz]]en und [[Kanonenkugel]]n, später zu verschiedensten „Gusswaren“, wie den, eine ganze Industrie begründenden, [[Siegerland|Siegerländer]] Ofenplattenguss. [[Georgius Agricola]] (1494–1555), [[Mineralogie|Mineraloge]], [[Geologie|Geologe]] und Verfasser des für Erzabbau und -verhüttung grundlegenden Werks ''„De re metallica libri XII“'' ''(„zwölf Bücher vom Berg- und Hüttenwesen“),'' gibt mit genauen Beschreibungen und [[Stich und Schnitt (Druckverfahren)|Stichen]] technischer Einrichtungen und Verfahren, wie beispielsweise „Fahrkunst“, „Wasserkunst“, Stollenbau, Schmelzofenbau, oder Röst- und Treibarbeit, für seine Nachfolger heute noch gültige Grundlagen für eine „moderne“ Metallurgie. [[Datei:Brausenstein Hochofen (01) 2006-08-24.jpg|miniatur|Historischer [[Hochofen]] (um 1700) in der [[Sächsische Schweiz|Sächsischen Schweiz]]]] Ein nicht mehr mit Holzkohle, sondern mit [[Koks]] betriebener Hochofen geht 1781 in England in Betrieb, 1796 folgt das schlesische [[Gliwice|Gleiwitz]]. 1837 werden erstmals die heißen [[Gichtgas]]e nutzbar gemacht ([[Wilhelm von Faber du Faur|Faber-du-Faur]]-Verfahren). Da das frühe Roheisen mit bis zu 10 % Kohlenstoffgehalt weder [[Schmieden|schmiedbar]] noch [[Schweißen|schweißbar]] ist, werden verschiedene Methoden des „[[Frischen]]s“, also des Kohlenstoffentzugs, entwickelt. Vom historischen Ansatz „Herdfrischen“ ausgehend, über den arbeitsintensiven „[[Puddelverfahren|Puddelofen]]“, findet sich eine Lösung in dem 1855 von [[Henry Bessemer]] erfundenen „Windfrischen“, bei dem [[Druckluft|Pressluft]] von unten durch ein mit [[Säuren|saurer]] ([[Silicate|silikatischer]]) Masse ausgekleidetes, großes birnenförmiges Gefäß ([[Bessemerbirne]]) geblasen wird. Dabei wird [[Kohlenstoff]] –&nbsp;und mit ihm noch andere unerwünschte, oxidierbare Beimengungen des Roheisens, wie (das Prozesswärme liefernde) [[Silicium]] –&nbsp;so weit oxidiert, faktisch verbrannt, dass das derart behandelte Eisen nun schmiedbar wird. 1878 wird das Verfahren von [[Sidney Thomas]] und [[Percy Gilchrist]] durch eine [[Basen (Chemie)|basische]] Auskleidung der „Birne“ entscheidend verbessert, die auch den Phosphorgehalt reduziert. Mit diesem Verfahren werden die im Eisengehalt niedrigeren [[Limonit|Brauneisenerze]] (30–55 % [[Eisen|Fe]]), zu denen auch die sehr feinkörnig geförderte [[Lothringen|lothringische]] ''Minette'' gehört (nur 20–40 % Fe) und deutsches [[Raseneisenstein|Raseneisenerz]] ([[Salzgitter]]) zu Guss- und Schmiedestahl verarbeitbar. Die im Hochofenprozess im Verhältnis 2:1 überwiegende [[Schlacke (Metallurgie)|Schlacke]] wird –&nbsp;gemahlen&nbsp;– als nun phosphorhaltiges „[[Thomasmehl]]“ zum ersten „[[Dünger|Kunstdünger]]“ für die [[Landwirtschaft]], die damit aber von der Eisenverhüttung abhängig bleibt, bis im 20.&nbsp;Jahrhundert die [[Haber-Bosch-Verfahren|Ammoniaksynthese]] nach [[Fritz Haber|Haber]]-[[Carl Bosch|Bosch]] zur Alternative wird. Die genannten Blasstahlverfahren finden eine nochmalige Verbesserung mit dem [[Linz-Donawitz-Verfahren|LD-Verfahren]], das bei der Stahlerzeugung zum Frischen reinen [[Sauerstoff]] einführt und nach gut vierhundert Jahren Geschichte des Hochofens, der indessen bei entsprechenden Bedingungen nach wie vor seine technische Berechtigung behält, zum Stand der Technik wird. Der klassische Hochofen verliert seine Alleinstellung als Roheisenlieferant für die Stahlerzeugung bereits mit der Einführung des [[Siemens-Martin-Ofen]]s mit der Martinschen Regenerativfeuerung. In ihm wird bei einer Temperatur von 1700&nbsp;°C im „Herdfrischverfahren“ Roheisen zusammen mit oxidhaltigem [[Schrott]] zu kohlenstoffarmem Stahl (Schrottverwertung als erstes Recyclingverfahren). Das [[Lichtbogenofen|Elektrostahl-Verfahren]] geht noch einen Schritt über das Siemens-Martin-Verfahren hinaus. Schrotte und durch Direktreduktion aus reichen [[Erz]]en erzeugter [[Eisenschwamm]] (Pellets) werden in einem [[Lichtbogenofen]] zu Stählen oder Gusseisensorten. Ein auf maximalen [[Durchsatz]] ausgelegtes, herkömmliches Hochofenwerk ist wegen seines großen Bedarfs an Einsatzstoffen auf die Nutzung von Standortvorteilen angewiesen, um wirtschaftlich zu sein. Für den Hochofenbetrieb sind dies lokale und regionale Erz- oder Kohlevorkommen, ergänzt durch die Infrastruktur. Ein bedeutendes deutsches Werk in Duisburg, Europas größtem Binnenhafen, schätzt die Standortvorteile so hoch ein, dass nach Jahrzehnten 2008 ein neuer Hochofen im Betrieb geht. Ein österreichisches Werk wurde seinem Erzvorkommen nahe (steirischer Erzberg) am Großschifffahrtsweg Rhein-Main-Donau errichtet. Binnen- und Seehäfen mit entsprechend ausgebauter Kapazität ermöglichen es heute die erforderlichen Einsatzstoffe kostengünstig per Schiff zuzuführen und damit selbst an erz- und kohlearmen Standorten ein Hochofenwerk zu betreiben. Das Elektrostahlwerk (Mini-Stahlwerk), dem eine bloße Verkehrsanbindung zu Land oder Wasser genügt, tritt dennoch zunehmend an dessen Stelle. Es kann sich elastisch an die jeweils verfügbaren Mengen seines Rohstoffs Schrott anpassen und anders als ein Hochofen diskontinuierlich und bei geringerer Umweltbelastung arbeiten. Eine Gegenbewegung zeigt die Abwanderung der klassischen Roheisenerzeugung im Hochofen samt dem angeschlossenen Stahlwerk zu den Basisrohstoffen, vornehmlich Lagerstätten mit hochwertigem Eisenerz (Brasilien, [[Belo Horizonte]]). Der so erreichte Vorteil begünstigt den global orientierten Transport der Erzeugnisse. ==== Die Wiederkehr des Kupfers ==== Seit der Mitte des 19.&nbsp;Jahrhunderts und der einsetzenden Industrialisierung beginnt in Europa eine Art neuer Zeit für [[Kupfer]] und Kupferlegierungen: Nicht mehr die Bronzen stehen im Vordergrund. Die Wiederkehr des Kupfers wird nachdrücklich von einer neuen Legierung auf Kupferbasis bestimmt, sie heißt „Gun Metal“ oder „Kanonenbronze“ und ist eine damaligen militärischen Anforderungen gerecht werdende Kupfer-Zinn-Zink-Blei-Legierung, hauptsächlich für [[Geschütz]]e. Später und bis heute wird sie als Maschinenbronze oder [[Rotguss]] bezeichnet und besonders für [[Armatur]]en eingesetzt. In gleicher Weise von Bedeutung für den Verbrauch von Kupfer ist die Wiederentdeckung des historischen [[Messing]]s als besonders vielseitige Guss- wie Knet[[legierung]] ([[Patronenhülse]]n, Kartuschen, [[Blech]]e, [[Draht|Drähte]] und daraus hergestellte Drahtgeflechte). Aus feinen Messingdrähten gefertigte Siebe für Haus und Gewerbe tragen die Bezeichnung [[Leonische Waren]]. Heute sind es die in hochspezialisierten Werken hergestellten „[[Kabelbaum|Kabelbäume]]“, nach denen die moderne Elektronik nicht nur in Kraftfahrzeugen und Großflugzeugen verlangt. Der zivile Bereich benötigt mit der Einführung der [[Telegrafie]], später des Telefons, größere Entfernungen überbrückende, hoch leitfähige Kupferdrähte. Gleiches gilt für die [[Anker (Elektrotechnik)|Ankerwicklung]], seit [[Werner von Siemens]] 1866 das [[Dynamoelektrisches Prinzip|dynamo-elektrische Prinzip]] entdeckt und durch die damit ermöglichte Anwendung des [[Elektromagnet]]en gegen Ende des 19.&nbsp;Jahrhunderts kleine, schnelllaufende Elektroantriebe ([[Elektromotor]]en) für Arbeitsmaschinen verfügbar sind und [[Dampfmaschine]] und [[Treibriemen]] allmählich ersetzen. Es folgen die Generatoren zur Stromerzeugung in Kraftwerken und damit wieder ein Bedarf für die zur Übertragung der hochgespannten Ströme nötigen [[Freileitung]]en aus Kupfer. Für öffentliche und individuelle Heizungsanlagen und Wasserversorgung ([[Armatur]]en) entsteht Bedarf an Kupferrohren. Für wassergekühlte Verbrennungsmotoren in Automobilen wird ein Röhrenkühler aus Kupfer ([[Kühlung (Verbrennungsmotor)#Wasserkühlung|Kühler]]) verwendet. Insgesamt sind gemäß Fachpresse im Jahr 2008 in einem Auto rund 25&nbsp;kg Kupfer enthalten.<ref>{{Literatur |Titel=Erzmetall |Band=61|Nummer=3|Jahr=2008}}</ref> Für Elektroautomobile rechen gleiche Quellen mit einem Majrbedarf von 40&nbsp;kg Kupfer je Fahrzeug. Im [[Schiffbau]] findet das korrosionsfeste und Muschelbewuchs abwehrende Kupfer unterhalb der Wasserlinie Anwendung ([[Fouling (Schiffbau)|Fouling]]), oberhalb dominiert dagegen Messing bei Ausrüstungsgegenständen, Beschlägen und Instrumenten. Die dabei bewiesene Resistenz gegen Witterungseinflüsse lässt zahlreiche Einsatzmöglichkeiten im Bauwesen wie im Verkehr entstehen. Die [[bakterizid]]e Eigenschaft von Messingklinken und -griffen erweist sich bei öffentlichen Verkehrsmitteln als vorteilhaft. ==== Die „Erdmetalle“ kommen ==== Neben die sich den Erfordernissen der Moderne (Stahlkonstruktionen, [[Eiffelturm]]) anpassenden „Eisenzeit“ tritt seit dem Ende des 19.&nbsp;Jahrhunderts etwas metallurgisch völlig Neues, die „Erdmetallzeit“. Die Bezeichnung [[Borgruppe|Erdmetalle]] tragen die sie bestimmenden Elemente deshalb, weil sie als metallführendes Erz nicht vorkommen, sondern nur in Verbindungen, die als ''Erden'' bezeichnet werden. Meist ist dies die oxidische Form, bei Aluminium, dem bekanntesten aller Erdmetalle der Gruppe IIIa des [[Periodensystem|periodischen Systems der Elemente]], der [[Bauxit]]. Die der gleichen Gruppe angehörenden [[Metalle der Seltenen Erden|Seltenerdmetalle]] sind industriell keineswegs unbedeutend. [[Cer]] ist das wichtigste Element dieser Gruppe. Ein [[Mischmetall]] aus 48–52 % Cer, dem Lanthan und weitere seltene Erden und 0,5 % Eisen zu legiert werden, findet nicht nur bei Gusseisen mit Kugelgraphit sondern auch bei Legierungen vieler Nichteisenmetalle zur Gefügebeeinflussung Verwendung. Bescheiden ist bei [[Aluminium]] der Anfang. [[Friedrich Wöhler]] reduziert es 1828 erstmals als ein graues Pulver, obschon Aluminium als Element schon 1825 von [[Hans Christian Ørsted]] entdeckt wird. Die Herstellung geschmolzener Kügelchen aus Aluminium gelingt erst 1845. 1854 wird von [[Robert Wilhelm Bunsen]] zur Gewinnung nutzbarer Mengen die [[Schmelzflusselektrolyse]] vorgeschlagen. [[Henri Etienne Sainte-Claire Deville]] stellt es 1855 erstmals in einem Prozess dar und nennt es „Silber aus Lehm“, wegen der damaligen Kosten seiner Darstellung. 1886 wird das Verfahren von [[Charles Martin Hall]] und [[Paul Héroult]] gleichzeitig zu einem [[Patent]] angemeldet, das bis heute Grundlage der Aluminiumerzeugung ist und ihm den Weg zu einem Gebrauchsmetall geöffnet hat. Es dauert nochmals zehn Jahre, bis mit Hilfe starker, die [[Wasserkraft]] des [[Rheinfall]]s nutzender [[Turbine]]n die erste Aluminiumhütte der Welt im schweizerischen [[Neuhausen am Rheinfall]] den Betrieb aufnahm (errichtet von der Aluminium Industrie Aktiengesellschaft, kurz AIAG, der späteren [[Alusuisse]]). Weitere zehn Jahre später nahm ebenfalls die AIAG in [[Rheinfelden (Baden)]] am Hochrhein die erste deutsche Aluminiumhütte ([[Aluminium Rheinfelden]]) in Betrieb, die ihre Energie vom kurz zuvor erbauten [[Altes Wasserkraftwerk Rheinfelden|Wasserkraftwerk Rheinfelden]] bezog. Heute werden weltweit jährlich mehr als 20&nbsp;Mio.&nbsp;t Rohaluminium erzeugt (das energiereiche [[Russland]] strebt die [[Marktführer]]schaft an).<ref>Für eine Tonne Rohaluminium werden 4&nbsp;t Bauxit, 0,5&nbsp;t Kohle, aber 15.000&nbsp;kWh elektrische Energie benötigt.</ref> Die Bezeichnung als „Erdmetall“ kommt nicht nur dem Aluminium zu. Das gleich ihm zur Gruppe IIIa gehörende [[Scandium]] mit der [[Dichte]] von 2,985&nbsp;g/cm<sup>3</sup> ist ein weiteres Leichtmetall, das erst im Zeitalter der Raumfahrttechnik Interesse findet. [[Bor]] ist ein Nichtmetall, das nur in Form oxidischer Verbindungen vorkommt, in der Metallurgie findet es Verwendung bei der Härtung von Stählen, als Zusatz bei Aluminium-Legierungen und als Neutronenbremse in der Nukleartechnik. Als Erdmetall lassen sich dem an erster Stelle stehenden Aluminium andere Elemente beiordnen, die zwar nicht in die gleiche Gruppe des periodischen Systems gehören, sich jedoch metallurgisch insofern vergleichbar darstellen, als sie in der freien Natur nie in Erzlagerstätten vorkommen, sondern nur als Mineralien, in Form chemischer Verbindungen, meist sind es [[Chloride]], [[Silicate|Silikate]], [[Carbonate]]. Das wegen seines geringen Gewichts zunehmende industrielle Bedeutung gewinnende [[Magnesium]] wird sowohl aus Chlorid gewonnen ([[Israel]], [[Totes Meer]], [[Carnallit]] als Abraumsalz im Kalibergbau), weitaus größere Mengen aber weltweit aus der Reduktion von [[Magnesiumcarbonat|Magnesit]]. Cer und andere [[Metalle der Seltenen Erden|Seltenerdmetalle]] werden aus [[Monazit]]<nowiki>sand</nowiki>, einem mineralischen Verwitterungsprodukt, gewonnen. Eine Ausnahmestellung nimmt [[Titan (Element)|Titan]] ein. Es kommt als Erz in Form von [[Rutil]], [[Anatas]], [[Brookit]] oder [[Ilmenit]] vor. Mehrheitlich wird es aus Ilmenit- und Rutil<nowiki>sanden</nowiki> gewonnen und lässt sich insoweit den Erdmetallen zur Seite stellen. Mit einer Dichte von nur 4,5&nbsp;g/cm<sup>3</sup> zählt es noch zu den [[Leichtmetalle]]n. Mit den Erdmetallen und ihnen erschließungstechnisch verwandten Elementen beginnt die „Leichtmetallzeit“. Als metallurgische Epoche muss sie in jedem Fall gesehen werden und tritt zunehmend neben die noch immer dominierende „Eisenzeit“. In einem überschaubaren Zeitraum werden die Leichtmetalle das Eisen nicht so verdrängen, wie dieses die Bronze verdrängte und diese zuvor das Kupfer und das wiederum das [[Steinbeil (Steinzeit)|Steinbeil]] und den [[Faustkeil]]. == Stand der Metallurgie zu Beginn des 21. Jahrhunderts == === Gewinnung der Ausgangsstoffe === [[Datei:Erzberg2.jpg|miniatur|hochkant=1.2|[[Tagebau]] am [[Erzberg]] ([[Österreich]])]] „Gediegenes“, also reines Metall, zu finden stellte immer schon eine Ausnahme dar. Es wird das Metall im Erz gesucht. Die zu den [[Geowissenschaften]] gehörige [[Lagerstättenkunde]] behandelt die Entstehung der Vorkommen. Die angewandten Wissenschaften rund um den [[Bergbau]] ([[Prospektion (Geologie)|Prospektion]] und [[Exploration (Geologie)|Exploration]]) beschäftigen sich mit der Aufsuchung, der Erkundung und dem Abbau möglichst „höffiger“ Vorkommen, das heißt solcher, die eine gute Erzausbeutung versprechen&nbsp;– wobei die Technik und Weiterverarbeitung stark vom Metallgehalt der Lagerstätte abhängig ist. Unterirdisch gelegen wird im [[Stollen (Bergbau)|Stollen]] abgebaut (historische Beispiele: Silberbergbau am Cerro Rico im bolivischen [[Potosí]] bis 1825, heute findet man dort nur noch Kupfer, Zinn und Blei). Bekannt ist auch der historische Goldabbau in [[Österreich]] („[[Rauris]]er Tauerngold“). Weitere für [[Tagebau]] typische europäische Beispiele finden sich im schwedischen [[Falun]] (Blei, Zink, Kupfer), im österreichischen [[Erzberg]] (Eisen) und davon nur unweit entfernt in [[Mittersill]] ([[Wolfram]]). Zu den wichtigen Lagerstätten gehören außer offenen Erzvorkommen („Ausbisse“ genannt), weltweit anzutreffende, nicht nur Erz, sondern „Gediegenes“ enthaltende, geologisch so bezeichnete „Sande“ und „[[Seife (Geologie)|Seifen]]“. Sie werden nach der Art ihrer Entstehung unterschieden. Metallurgisch am bedeutsamsten sind die [[Residuen (Verwitterung)|residualen]], nach [[Verwitterung]] von Umgebungsgestein übrig gebliebenen (beispielsweise [[Magnetit]] oder Magneteisenerz) und die [[Schwemmkegel|alluvialen]], von zu Tal gehendem Wasser angeschwemmten (z.&nbsp;B. 1848 in [[Kalifornien]] sehr goldreich am [[American River]] entdeckt) sowie, geologisch vergleichbar, die zinnhaltigen, marinen, küstennahen Seifen [[Malaysia]]s und [[Indonesien]]s mit einem Anteil von 30 % an der Weltproduktion, ebenso der Cer enthaltende [[Monazit]]sand [[Western Australia|Westaustraliens]]) sowie die titanhaltigen [[Ilmenit]]<nowiki>sande</nowiki> (black sands). Als „[[Sedimente und Sedimentgesteine#Rückstandsgesteine|Rückstandsgesteine]]“, den „Sanden“ nahe stehend, gelten die Nickel-[[Laterit]]-Erze, die sich geologisch bedingt nur in niederen, äquatornahen Breiten finden. Die als [[Coltan]] (Columbit-Tantalit) bekannten zentralafrikanischen Vorkommen tantal- und niobhaltiger Erze (auch in Schwemmseifen zu finden) werden besonders wegen der Korrosionsfestigkeit des gewonnenen Tantals für Instrumente und Apparaturen ([[Schaltkreise]]) ausgebeutet. Hohe Härte lässt [[Tantal]], [[Niob]] und das verwandte [[Vanadin]] (Vanadingruppe des periodischen Systems) zu gesuchten Begleitmetallen von [[Edelstahl|Edelstähle]]n werden. Nachklassisch, da an erst in der [[Moderne]] entwickelte Verfahren gebunden, dieser Metallurgie noch zuzuordnen sind: * die [[Elektrolyse|elektrolytische]] Gewinnung der [[Alkalimetalle]] aus dem bergwerksmäßigen Abbau ihrer [[Chloride]] und der ebenso betriebene Abbau von [[Uraninit|Uranpecherz]] als uranhaltigem Mineral; * die Stand der Technik darstellende Gewinnung von [[Magnesium]] aus dem Abbau von [[Magnesiumcarbonat|Magnesit]] (Australien) über die Zwischenstufe [[Magnesiumchlorid]], das zum geringeren Teil weiterhin aus seinem Anteil am Meerwasser zu gewinnen ist; * der offene Abbau von [[Bauxit]], einem rötlichen [[Sedimente und Sedimentgesteine|Sedimentgestein]], das –&nbsp;zu reiner [[Aluminiumoxid|Tonerde]] umgewandelt&nbsp;– Grundstoff der Aluminiumerzeugung ist; * als Zukunftsaufgabe mit großem metallurgischen Nutzen gilt der zwar schon seit Jahrzehnten prospektierte, technisch immer noch nicht befriedigend gelöste [[Meeresbergbau|Tiefseebergbau]] von [[Manganknolle]]n mit bis zu 27 % Mangan und weiteren Metallen, darunter bis zu 1 % Nickel. Mehr noch gilt dies für die seit 2007 unter dem [[Nordpol]] in 4000&nbsp;m Tiefe vermuteten Lagerstätten von Mineralien, [[Erdöl]] und [[Erdgas]]. === Einteilung der Metalle nach metallurgischer Bedeutung === Eine gebräuchliche Einteilung geht vom prozentualen Anteil an den Elementen der [[Erdkruste]] aus, also ohne Berücksichtigung des Nickel-Eisen-Erdkerns. Diese Einteilung besagt indessen noch nichts über die metallurgische Bedeutung. [[Beryllium]] hat einen Anteil von nur 0,006 % und doch kann ohne seinen Zusatz als Oxidationshemmer das mit 1,95 % reichlich vorhandene [[Magnesium]] nicht geschmolzen und vergossen werden. Die Praxis hält sich eher an die Unterscheidung zwischen Hauptmetallen –&nbsp;das heißt Metallen, die verbreitet die Basis von Legierungen sind&nbsp;– und Nebenmetallen. [[Aluminium]] ist ein Hauptmetall geworden, erst im 20. Jahrhundert wurde es als solches erkannt weil es gleich dem [[Silicium]] in der Natur nicht metallisch vorkommt. Das Tonmineral [[Bauxit]] (früher oft als „Aluminiumerz“ bezeichnet) wird zu [[Aluminiumoxid|Tonerde]] verarbeitet und aus dieser seit dem Ende des 19.&nbsp;Jahrhunderts [[Elektrolyse|elektrolytisch]] Aluminium gewonnen. Zu den Hauptmetallen gehören auch die metallurgisch wie chemisch wichtigen [[Alkalimetalle|Alkali]]- und [[Erdalkalimetalle]] [[Natrium]], [[Kalium]], [[Calcium]] und Magnesium. Da sie niemals metallisch, sondern nur in Form nichtmetallischer Verbindungen, als Salze, Carbonate und Silikate vorkommen, wurden sie an früherer Stelle (Abschnitt [[#Die „Erdmetalle“ kommen|Die „Erdmetalle“ kommen]]), auch wegen der Vergleichbarkeit des Gewinnungsprozesses, den Erdmetallen beigeordnet. Besonders gilt das für Silicium, das mehrere Funktionen hat. Es ist ein [[Halbmetalle|Halbmetall]], das in der Natur nur als Quarzit oder [[Quarzsand]] (SiO<sub>2</sub>) vorkommt, aus dem es in einem elektrochemischen Reduktionsverfahren im [[Lichtbogenofen]] mit Kohle[[elektrode]]n „carbothermisch“ gewonnen wird. Bei gleichzeitigem Zusatz von Eisen[[schrott]] entsteht „[[in situ]]“ (im Prozessablauf) das unter anderem für die Stahlberuhigung nach dem [[Frischen]] verwendete [[Ferrosilicium]] (FeSi). Gleich wie Aluminium und [[Mangan]] wirkt es desoxidierend (sauerstoffentziehend). Bei Aluminium-Silicium-Legierungen bestimmt Silicium die Legierungseigenschaften von [[Legierung#Einteilung|Knetlegierungen]] wie auch [[Legierung#Einteilung|Gusslegierungen]]. Eine zusätzliche [[Schmelzebehandlung]] (Feinung/Veredelung) verhindert bei Letzteren die nachteilige primäre Grobausscheidung des Siliciums bei langsamer Erstarrung der Schmelzen, sei es im [[Sandformverfahren|Sandguss]], wie etwa bei Motorenteilen (z.&nbsp;B. [[Kurbelgehäuse]], [[Zylinderkopf|Zylinderköpfe]]), aber auch bei schwerem [[Kokille]]n<nowiki>guss.</nowiki> Bei sehr spezialisierten Kupferlegierungen (Siliciumbronze) ist es ein Legierungsbegleiter und in der Halbleitertechnik hat es eine eigene Position errungen. In einem aufwändigen Verfahren der „Reinstmetallurgie“ (das heißt erzielter [[Reinheitsgrad]] eines Metalls im Bereich 99,999 %, sogenanntes „Fünfneunermetall“) hergestellt, ist es Grundlage für [[Integrierter Schaltkreis|Chips]], die in der Computertechnik unverzichtbar sind. Der deutsche Anteil an der Weltproduktion ist beachtlich (beispielsweise [[Halbleitertechnologie|Chipfertigung]] in [[Dresden]]). Auch bei der Herstellung von [[Solarzelle]]n wird Silicium als Halbleiter eingesetzt. Eine weitere Möglichkeit der Einteilung trennt die [[Schwermetalle|Schwer]]- von den [[Leichtmetalle]]n. Schwermetalle weisen eine [[Dichte]] größer 5 auf. [[Osmium]] mit der Dichte von 22,45&nbsp;g·cm<sup>−3</sup> steht hier an der Spitze, gefolgt vom weitaus bekannteren, da auch für Schmuckstücke verwendeten [[Platin]] mit einer Dichte von 21,45&nbsp;g·cm<sup>−3</sup> . Kupfer (8,93&nbsp;g·cm<sup>−3</sup>), Eisen (7,86&nbsp;g·cm<sup>−3</sup>) und Zink (7,14&nbsp;g·cm<sup>−3</sup>) folgen mit Abstand. Bei den Leichtmetallen führt als leichtestes [[Lithium]] mit 0,54&nbsp;g·cm<sup>−3</sup> gefolgt von [[Magnesium]] mit 1,74&nbsp;g·cm<sup>−3</sup> und Aluminium mit 2,70&nbsp;g·cm<sup>−3</sup>. [[Titan (Element)|Titan]] mit Dichte von 4,5&nbsp;g·cm<sup>−3</sup> wird noch den Leichtmetallen zugeordnet. Verbreitet ist ferner eine Einteilung in „Basismetalle“ und „Legierungsbegleiter“, was zahlreiche Elemente einschließt, die oft nur in Spuren zugefügt werden und dennoch von Bedeutung sind. Kupfer, Eisen, Blei, Zinn, Zink, [[Nickel]] gelten –&nbsp;entwicklungsgeschichtlich bedingt&nbsp;– als Basismetalle. Aluminium, Magnesium und Titan werden jedoch inzwischen, von der wirtschaftlichen und metallurgischen Bedeutung her, den historischen Basismetallen gleichgestellt. Eine schon einleitend genannte Unterscheidung sieht an erster Stelle das mengenmäßig bedeutendere Eisen und seine Metallurgie. Erst mit Abstand folgen die [[Nichteisenmetall]]e. ==== Hauptmetalle ==== [[Datei:Kupfer mineral erz.jpg|miniatur|Kupferstufe (Rotkupfererz)]] [[Datei:CassiteriteUSGOV.jpg|miniatur|[[Kassiterit]] (Zinnstein)]] [[Datei:LeadOreUSGOV.jpg|miniatur|Bleierz]] ''Kupfer'' wird als Hauptmetall entweder auf dem „trockenen Weg“ für die reicheren Erze, oder dem „nassen Weg“ für die ärmeren Erze gewonnen. Der zu Reinkupfer führende Verfahrensgang ist mehrstufig. Er beginnt mit dem Rösten des Erzes, dem die Rohschmelze mit weiteren Arbeitsgängen folgt, entweder im Schachtofen („deutscher Weg“), oder im Flammofen („englischer Weg“). Das Produkt ist nun Schwarzkupfer mit mehr als 85 % Kupfergehalt. Dessen weitere [[Raffination]] erfolgt heute nur noch selten im Flammofen. Üblich ist vielmehr Schwarzkupferplatten [[Elektrolyse|elektrolytisch]] zu raffinieren. Das dabei anfallende Reinkupfer ist ein [[wasserstoff]]haltiges ''Kathodenkupfer,'' auch als Blistercopper (blasiges Kupfer) bezeichnet. Hochrein und sauerstofffrei ist es „Leitkupfer“ (Reinkupfer mit definierter elektrischer Leitfähigkeit) für die [[Elektroindustrie]]. Die Masse des verfügbaren Raffinadekupfers wird –&nbsp;zumeist legiert&nbsp;– zu Knet- oder Gießmaterial. Zu Blechen verwalzt, fällt Reinkupfer besonders im Bauwesen auf. Gegenüber Witterungseinfluss sehr stabil, werden zunehmend Kupferbleche für Dachbedeckung und [[Dachrinne|Regenrinnen]] verwendet. Die mit der Zeit entstehende [[Patina]] (Grünfärbung) wurde schon früher geschätzt. Fälschlich als giftiger [[Kupferacetat|Grünspan]] bezeichnet, besteht sie tatsächlich aus ungiftigem [[Kupfersulfat]] und -[[Kupfer(II)-carbonat|carbonat]]. Zwar werden alle Legierungen mit dem Hauptbestandteil Kupfer als ''Kupferlegierungen'' bezeichnet, doch zwischen [[Bronze]]n und Sonderbronzen (vergleiche [[Berylliumkupfer|Berylliumbronze]]) sowie [[Messing]]en (Alpha- oder Beta-Messing mit 63–58 % Zink), gibt es deutliche Unterschiede im Aussehen und den mechanischen Eigenschaften. Ein Beispiel gibt das farblich völlig vom rötlichen Kupferton abweichende „[[Neusilber]]“, früher auch als Weißkupfer und noch in neuerer Zeit auch mit dem in seinem Ursprungsland China entstandenen Begriff „Packfong“ bezeichnet. Reinkupfer ist Träger zahlreicher als „Vorlegierung“ in nichteisenmetallurgischen Prozessen zugesetzter Elemente. Bei Gusseisen ist Kupfer ein positive Eigenschaften bedingendes Legierungselement. ''[[Zinn]]'' ist seit der [[Bronzezeit]] wichtigstes Begleitmetall des Kupfers. Als Reinzinn wird es wenig verarbeitet, da zu weich. Ausführlicheres siehe unter „Zinn.“ ''Blei'' (Bleisulfid) fällt wegen der Häufigkeit seines Vorkommens und wegen des niedrigen Schmelzpunktes vielleicht noch vor Kupfer, ungefähr um 6000 v. Chr., als metallurgisch nutzbar auf (s. auch unter Literatur: ''5000 Jahre Gießen von Metallen'') Geschichtlich tritt es zur ([[Römisches Reich|Römerzeit]]) als viel verwendetes, leicht zu bearbeitendes Hauptmetall in Erscheinung. Seit dem 20. Jahrhundert, insofern spät, wird es wegen seiner Giftigkeit für trinkwasserführende Systeme (Bleirohre) nicht mehr verwendet. Blei wird aus gleichem Grund als eine der Ursachen für den Untergang des Römerreichs angesehen.<ref name="Blei/Römerreich"> ''Damals (ein periodicum) 9/97, S. 33,'' Prof. Josef Eisinger (Physiologie, Biophysik): Im antiken Rom wurde dem Wein Blei zugesetzt und rief typische Krankheiten hervor. Das wirkte sich umso mehr aus, als ab der Kaiserzeit das Trinken von Wein in allen Schichten üblich war.</ref> Ebenfalls giftig sind auf der Grundlage von Bleioxid hergestellte Farben („[[Bleiweiß]]“, [[Blei(II,IV)-oxid|Bleimennige]]) und Kinderspielzeuge, an oder in denen dieses enthalten ist. Blei-[[Antimon]]-Legierungen als [[Letternmetall|Schriftmetalle]] sind als Folge moderner Drucktechnik weitgehend bedeutungslos geworden. Unverzichtbar ist Blei vorläufig noch für [[Akkumulator]]en und als Bestandteil bleihaltiger Lagermetalle. Hier ist es besonders Bleibronze, eine Kupfer-Blei-Zinn-Legierung mit bis zu 26 % Bleianteil, die für hoch beanspruchte Gleitlager in Automobilmotoren verwendet wird. Bei Messing-Knetlegierungen ist Blei ein die Zerspanung begünstigender Zusatz (maximal 3 %). Mit bis zu 7 % ist es Legierungsbegleiter von Kupfer-Zinn-Zink-Gusslegierungen ([[Rotguss|Maschinenbronze]]). ''Eisen'' wird zu [[Gusseisen]] oder [[Stahl]] allein durch seine Begleitelemente (Eisenbegleiter), die obschon bei der [[Stahlerzeugung|Stahlherstellung]] unverzichtbar, mengenmäßig Nebenmetalle bleiben. Für Hartstahl wird [[Mangan]] zugesetzt, das im Spiegeleisen mit 50 % enthalten ist. [[Ferromangan]] ist ein Manganträger mit 75–85 % Mangan. Zum Einsatz bei der Stahlerzeugung, wie bei Gusseisen gelangen ferner [[Chrom]], Nickel, [[Molybdän]], [[Vanadium]], [[Cobalt]] (siehe auch unter [[#Industriell genutzte Metalle|industriell genutzte Metalle]]), [[Titan (Element)|Titan]], das Halbmetall Silicium (als Ferrosilicium/FeSi zugesetzt) und die Nichtmetalle [[Kohlenstoff]], [[Phosphor]] und [[Schwefel]]. ''Zink'' wird als ''Reinzink'' mit 0,5 % Kupfer legiert beim [[Verzinken]] von Stahl als [[Korrosionsschutz]] in großen Mengen verbraucht. Zinkbleche und -bänder aus mit 0,1 % Kupfer oder Titan sehr „niedrig legiertem Rein- oder Titanzink“ werden im [[Bauwesen]] verwendet. Ferner ist Zink Basismetall für Feinzink-Gusslegierungen mit Kupfer- und Aluminiumanteilen. Als wichtiger Begleiter findet sich Zink bei Kupferlegierungen (siehe oben), besonders seit mehr als zwei Jahrtausenden bei Messing. ''Aluminium'' gibt es als genormtes Hüttenaluminium (Reinheit 99,5–99,9 %), als Reinaluminium mit einem Reinheitsgrad von 99,99 % („Vierneunermetall“) und sogar als Reinstmetall (>&nbsp;99,9999 %). Seine eigentliche Bedeutung als Knet- und Gusswerkstoff wird aber von zahlreichen legierungsbildenden Begleitelementen bestimmt, zu denen das Basismetall Kupfer gehört. [[Alfred Wilm]] entwickelt 1909 das patentrechtlich geschützte [[Duraluminium|Duralumin]] (Markenname DURAL), die erste aushärtbare Legierung bestehend aus Aluminium, Kupfer und Magnesium (AlCu4Mg1) Diese Legierung wird vor allem im [[Flugzeugbau]] eingesetzt, zuerst bei [[Junkers & Co.|Junkers]]/[[Dessau]]. [[Aladár Pácz]] gelingt 1920 die [[Gefüge (Werkstoffkunde)|gefüge]]<nowiki>beeinflussende</nowiki> „Veredelung“ der [[Eutektikum|eutektischen]] Aluminium-Silicium-Zweistofflegierung (rechtlich geschützt als „ALPAX“ und als „SILUMIN“) mittels Zugabe von weniger als 150 [[Parts per million|ppm]] Natrium. Daraus wird im Bereich von 7–13 % Silicium-Anteil die heute als Formguss meistverarbeitete Legierungsgruppe. Wenig später folgen Aluminium-[[Magnesium]]-Legierungen (rechtlich geschützt als seewasserfestes „HYDRONALIUM“ und in einer Variante mit Titanzusatz „besonders seewasserfest“. Vielseitig verwendbar als Walz- und Knetmaterial ist die Legierung AlMgSi mit je 0,5 % Silicium und Magnesium. Neben ihr gibt es Legierungen mit Kupfer, Titan, Zink, Mangan, Eisen, Nickel, Chrom und anderen Elementen, wobei die von den Legierungen verlangten, zunehmend stärker spezifizierten Eigenschaften die Begleitelemente nach Art und Menge bestimmen. Soweit nicht als Fertiglegierung vorliegend, können sie einer Basisschmelze aus Reinaluminium als „Legierungsmittel“ oder „Vorlegierung auf Aluminiumbasis“ zugefügt werden. ==== Begleitmetalle ==== Neben dem Begriff „Begleitmetalle“ (synonym: „Legierungsbegleiter“) gibt es den umfassenderen Begriff „Begleitelemente“. Diese werden regelmäßig zur Herstellung von Legierungen verwendet. Der Anteil dieser Begleitelemente beginnt bei Zehntelprozenten und weniger und geht bis zum zweistelligen Prozentbereich. Beispiele: AlCuTi mit 0,15–0,30 % Titan; AlSi 12 mit 10,5−13,5 % Silicium. Die Werkstoffentwicklung kennt inzwischen nur noch wenige Elemente, beispielsweise [[Radioaktivität|radioaktive]], die sich nicht dazu eignen, Eigenschaften neu entwickelter Legierungen potentiell zu verbessern. Besonders im Bereich der „Seltenen Erden“ werden außer dem schon lang bekannten Cer (siehe bei [[Cer-Mischmetall]]) und dem ihm zugehörigen Lanthan (griechisch: „das Verborgene“) weitere verwandte Elemente, wie Neodym (für starke Dauermagnete) oder Praseodym (in seinen Verbindungen für Farbgläser mit UV-Absorption) nutzbar. Beispiele für weitere wichtige Begleitelemente sind das Nichtmetall [[Phosphor]] in über[[Eutektikum|eutektischen]] AlSi-[[Kolben (Technik)|Kolbenlegierungen]], oder [[Beryllium]], ein Leichtmetall mit einer Dichte von 1,84&nbsp;g·cm<sup>−3</sup>, das in Form seiner Dämpfe indessen giftig ist. Beryllium wird für aushärtbare Bronzen ([[Berylliumkupfer|Berylliumbronze]]), für funkenfreie Werkzeuge im Bergbau, als Desoxidationszusatz für Leitkupfer (hier über eine 5&nbsp;prozentige Vorlegierung) und im [[Parts per million|ppm]]-Bereich (ebenfalls über Vorlegierung dosiert) bei Aluminiumlegierungen zur Güteverbesserung sowie zur Verringerung der Oxidation der Schmelze zugesetzt, eine Maßnahme, die beim Schmelzen und Vergießen von Magnesiumlegierungen unabdingbar ist. Die Jahresweltproduktion von Beryllium –&nbsp; von dessen seltener, durchsichtiger Kristallform [[Beryll]] übrigens unser Wort Brille abgeleitet ist – wird mit 364&nbsp;t angegeben.<ref>Google alerts-&nbsp; Wirtschaftsdatendienst</ref> === Metallurgische Grundprozesse === Die im [[#Gewinnung der Ausgangsstoffe|Abschnitt „Gewinnung der Ausgangsstoffe“]] hinsichtlich Vorkommen und Gewinnung beschriebenen Elemente durchlaufen nach dieser ersten Prozessstufe eine weitere, die der Aufbereitung, bevor sie durch Verhüttung zu rein oder legiert nutzbaren Metallen und Halbmetallen werden. Eine erste Scheidung oder Sichtung wird noch dem [[Bergbau]]<nowiki>bereich</nowiki> zugerechnet, der sowohl Stollenabbau, als auch ein Tagebau sein kann. Die darauf folgende Verarbeitungsstufe gilt bereits als „hüttenmännische“ Arbeit. Die erforderlichen Maßnahmen sind dabei so vielfältig, wie die Ausgangsstoffe selbst. Grundsätzlich unterschieden wird in ''trockene'' und ''nasse'' Verfahren, jeweils mit dem Ziel einer „Anreicherung“. Im Stollenabbau gefördertes „Haufwerk“ bedarf der Trennung des werthaltigen, erzreichen, vom wertlosen, erzarmen, „tauben“ Material, das als „Gangart“ bezeichnet wird. Für die Trennung wird das Gestein durch Mahlen weiter zerkleinert, es folgen Sieben, [[Sichter|Sichten]] und gegebenenfalls [[Magnetscheider|Magnetscheidung]]. Bei Gewinnung im Tagebau ist zumeist vorher Abraum unterschiedlicher Mächtigkeit zu entfernen. Die weitere Verarbeitung der aufbereiteten Stoffe vollzieht sich mit den im Folgenden beschriebenen Grundtechniken. ==== Pyrometallurgie ==== Pyrometallurgie ist die thermische Weiterbearbeitung von Erzen oder bereits gewonnenem Metall, sei es oxidierend, also unter Sauerstoffzufuhr erhitzt ([[Rösten (Metallurgie)|Abrösten]]), oder reduzierend in sauerstofffreier Ofenatmosphäre. Zuzuordnen ist hier die Feuer[[raffination]] (Oxydieren und Verschlacken unerwünschter Elemente), ferner die [[Seigerung]], worunter die Entmischung einer Schmelze unter Ausnutzung von Dichteunterschieden im Schmelzgut zu verstehen ist (Beispiel: Oberhalb seiner Löslichkeitsgrenze in Kupfer seigert Blei aus einer Kupferlegierungsschmelze aus, sinkt auf den Boden des Schmelzgefäßes). Ähnlich verhält es sich bei der Destillation, die bei vorgegebener Temperatur unterschiedliche Dampfdrücke der Stoffe zur Trennung in Fraktionen nutzt (Beispiel [[Zink#Gewinnung und Darstellung|Zinkgewinnung]] aus abgeröstetem Zinkerz in [[Muffelofen|Muffelöfen]]). ==== Hydrometallurgie ==== [[Hydrometallurgie]] bedeutet ursprünglich Vorbereitung von Erzen zur Verhüttung durch kalte oder warme Trennverfahren (Kalt- oder Heißextraktion) mittels Wasser. Die historische [[Flotation]], weiterentwickelt zur Sink-Schwimmtrennung, ermöglicht es, im Abbau gewonnenes Erz weiter anzureichern. Gleichen Zwecken dient das Auslaugen und Auskochen. Die Extraktion durch [[Säuren]], [[Alkalische Lösung|Laugen]], organische Lösungen und [[Bakterien]] gehört ebenfalls zur Hydrometallurgie. Durch chemische Fällungsverfahren oder mittels [[Elektrolyse]] werden ferner aus armen Erzen, die in geringerer als einprozentiger Konzentration enthaltenen Elemente gewonnen, beispielsweise Edelmetalle. In diesen Fällen wird die Hydrometallurgie als „Elektrometallurgie auf nassem Wege“ bezeichnet. ==== Elektrometallurgie ==== [[Datei:Schmelzflusselektrolyse von Aluminium.svg|miniatur|hochkant=2|Schema [[Schmelzflusselektrolyse]] zur Gewinnung von Aluminium]] Die [[Elektrometallurgie]] umfasst elektrothermische und carbothermische (siehe [[Silicium#Gewinnung in der Industrie|Siliciumherstellung]]) sowie elektrolytische Verfahrenstechniken. Bei der bekanntesten [[Schmelzflusselektrolyse]] wird aus einem [[Aluminiumoxid|Tonerde]]-[[Kryolith]]-Gemisch Aluminium an der Kathode freigesetzt ([[Charles Martin Hall|Hall]]-[[Paul Héroult|Héroult]]-Verfahren). Zum Einsatz kommen dabei eine Kohlewanne für das Gemisch, die gleichzeitig als [[Kathode]] fungiert, und von oben zugeführte, stromführende [[Anode]]n. Das heute allgemein angewandte [[Bayer-Verfahren]] gewinnt das Aluminium in einem ''kontinuierlichen'' Prozess der Metallentnahme und Gemischzuführung von Tonerde, wie der in besonderen Tonerdefabriken aufbereitete und getrocknete Bauxit genannt wird. Zur Produktionskontinuität gehört bei der Elektrolyse des Tonerde-Kryolith-Gemischs der fortlaufende Ersatz verbrauchter Anoden. Die über einige Jahrzehnte den Standard bildende Söderberg-Anodentechnik wird durch das hinsichtlich Energieverbrauch, Anodenerhalt und Ausbeute deutlich verbesserte [[Pechiney]]-Verfahren zunehmend abgelöst; bestehende Altanlagen werden stillgelegt oder umgerüstet. Mittels Schmelzflusselektrolyse eines [[Chloride|Chlorid]]<nowiki/>gemischs (weil mit Gemischen stets die erforderliche Reaktionstemperatur erniedrigt wird) können alle [[Alkalimetalle]] aus ihren Salzlösungen gewonnen werden. Für das zunehmend Bedeutung gewinnende Erdalkalimetall [[Magnesium]] schlägt [[Robert Wilhelm Bunsen|Bunsen]] bereits 1852 die Elektrolyse im Gemisch mit [[Fluorit|Flussspat]] vor. Heute wird es Prinzip noch auf die gleiche Weise dargestellt, sei es direkt aus natürlichem Magnesiumchlorid ([[Bischofit]]), oder nach Abtrennung aus [[magnesiumchlorid]]<nowiki/>haltigen Mischsalzen ([[Carnallit]]), oder aus dem Magnesiumchlorid-Anteil (bis zu 0,4 %) des Meerwassers. Technisch bedeutender ist die bereits genannte Umwandlung von [[Magnesiumcarbonat|Magnesit]] MgCO<sub>3</sub> oder Bitterspat (große Vorkommen unter anderem in Australien) in einem chemischen Prozess zuerst zu [[Magnesiumchlorid]]. Eine nachfolgende Elektrolyse, die seit Bunsens Erkenntnissen praktisch dem Verfahren der Aluminiumgewinnung gleicht (Pionier auf diesem Gebiet: G. Pistor, 1920), führt zu reinem Magnesium. Die erste Mengenerzeugung erfolgte im Werk Elektron-Griesheim der [[I.G. Farben|IG&nbsp;Farbenindustrie]] (geschützte Marke „Elektronmetall“) und wurde zur Gefügebeeinflussung von Gusseisen, zu Profilen für Luftfahrzeug-/Luftschiffbau, im Fahrzeugbau ([[Volkswagen]]), in der [[Fotografie]] ([[Blitzlichtpulver|Magnesiumpulverblitzlicht]]) und in der zivilen wie militärischen [[Pyrotechnik]] (Raketen, Leuchtkugeln, Stabbrandbomben) verwendet. Im Zweiten Weltkrieg wurde Magnesium in Deutschland zu einem wichtigen, zudem von Einfuhren völlig unabhängigem Werkstoff. Heute wird es zunehmend für den [[Leichtbauweise|Leichtbau]] bei Motoren und Aggregaten verwendet. Vorwiegend sind es im [[Druckguss|Druckgießverfahren]] hergestellte Teile, zum Teil ist es „[[Hybridguss]]“ (Aluminiumlegierung und Magnesiumlegierung werden in einem Gussstück zonenweise eingesetzt, um Gewicht zu sparen. Eine Variante benutzt bei Motorenguss ein so genanntes „Insert“ (Einsatz) aus übereutektischer Aluminium-Siliziumlegierung, das der thermischen Beanspruchung genügt, und füllt danach die übrige Form gewichtssparend mit Magnesium. ==== Pulvermetallurgie ==== → ''Hauptartikel: [[Pulvermetallurgie]]'' Der Begriff [[Pulvermetallurgie]] wird zwar verbreitet in Fachliteratur und Praxis verwendet, es handelt sich dennoch um ''keine eigenständige Metallurgie,'' sondern eine –&nbsp;latent explosionsgefährdete&nbsp;– Technik, geschmolzene Metalle und Legierungen entweder im Flüssigzustand zu Pulver zu verdüsen oder sie aus dem Festzustand heraus in Feinstgranulat umzuwandeln. In ''Pulvermühlen'' lässt sich die Mehrzahl der Nutzmetalle –&nbsp;von Aluminium bis Zink&nbsp;– zu Pulvern mit [[Korngröße]]n von 0,1 bis 500&nbsp;[[Meter#Mikrometer|µm]] zermahlen. Wegen der von allen Metallpulvern, mit unterschiedlichem Gefahrenpotential, ausgehenden Explosionsgefahr im Kontakt mit Luftsauerstoff wird eine [[Inertisierung]] oder [[Phlegmatisieren|Phlegmatisierung]] vorgenommen. Stabilisatoren, die von Wachs bis zu [[Phthalsäureester|Phthalaten]] reichen, setzen die Explosionsempfindlichkeit herab. Magnesiumpulver ist wegen seines hoch[[pyrophor]]en Verhaltens ein Sonderfall. Es kann nicht durch Mahlen, sondern nur durch „Abreiben“ vom Blockmetall gewonnen werden. Bedeutend sind Metallpulver, in diesem Fall korrekt „anorganische [[Pigment]]e“ genannt, als Bestandteil von [[Metalliclack|Metallic-Lacken]] bei Automobilen. Ein völlig anderes Einsatzgebiet ist das Verpressen in Stahlformen unter sehr hohem Druck (2000&nbsp;[[Bar (Einheit)|bar]] und mehr). Aus so verpressten reinen Metallpulvern, häufiger legierungsähnlichen Gemischen, können metallische Formteile hergestellt werden (MIM-Verfahren). Bei heißisostatischer Verpressung, der eine Erhitzung der Pulver bis zur Erweichungsgrenze vorangeht, werden die Eigenschaften gegossener Teile erreicht. Im [[Formenbau|Formen- und Modellbau]] kommt [[Pulver-Flammspritzen]] zum Einsatz. Das Metallpulver wird dabei durch eine Flamme erweicht, oder auch durch Plasma ([[Plasmaspritzen]]). Der Vorteil liegt in der kurzfristig möglichen Herstellung von Werkzeugen&nbsp;– Formen&nbsp;– für Pilotprojekte im Maschinen- und Werkzeugbau ([[Automobilindustrie]]). ==== Sekundärmetallurgie ==== Der Begriff [[Sekundärmetallurgie]] wurde ursprünglich nur im Stahlwerk gebraucht (siehe auch Hauptartikel hierzu). Er bezeichnet jedoch keine ''eigenständige'' Metallurgie, sondern verschiedene, alternativ oder in Abfolge anwendbare, die Schmelzen verbessernde, metallurgische Maßnahmen. Als „Pfannenmetallurgie“ dienen sie der Steigerung der Stahlqualität, etwa durch Anlegen eines [[Vakuum]]s (mit sich daraus ergebender Entgasungswirkung). Einen anderen Weg geht das [[CLU-Verfahren]], allgemeiner als „Uddeholm-Verfahren“ bekannt. Durch Düsen am Boden einer Pfanne werden dabei inerte oder reaktive Gase in die Stahlschmelze eingeführt. Systemgemäß handelt es sich hier um Sonderformen der [[Schmelzebehandlung]], wie sie in vergleichbarer Weise bei anderen Metallen (beispielsweise in der Primäraluminiumerzeugung) üblich sind. Hinzukommt, dass der Begriff zunehmend auch von NE-Metallhütten angewendet wird, sich nach Erschöpfung standortnaher Erzabbaugebiete nicht mehr mit Primärerzeugung von Metall befassen, sondern mit deren Wiedergewinnung aus Schrotten und Abfällen, wie Schlämmen und Stäuben.<ref>s. Berichte zum „Goslarer Tag der Metallurgie“, u.&nbsp;a.:<br/>{{Literatur |Autor=K. Hanusch|Titel=Metallurgie im Wandel- von der Vergangenheit in die Zukunft|Sammelwerk=|Band=61|Nummer=2|Jahr=2008 |Seiten=69|ISSN=1613-2394|Kommentar=Beispiele Bleihütte Oker, Zinkhütte Harlingerode}}</ref> ==== Nuklearmetallurgie ==== Die [[Nuklearmetallurgie]] befasst sich mit den radioaktiven Elementen, deren bekanntestes heute [[Uran]] ist. Es wird mittels hydrometallurgischer Verfahren aus dem uranhaltigen Mineral [[Uraninit|Pechblende]] gewonnen. Lange gegenüber dem [[Radium]] vernachlässigt, das schon im frühen 20.&nbsp;Jahrhundert für medizinische Zwecke verwendet wurde ([[Nuklearmedizin]]), erlangte es seine heutige Bedeutung erst im Laufe des Zweiten Weltkriegs. In den USA wurde in den allein für diesen Zweck errichteten „[[Hanford Site|Hanford-Werken]]“ in großem Maßstab Nuklearmetallurgie betrieben, um genügend Plutonium für den Bau der [[Kernwaffe|Atombombe]] herzustellen. Heute ist die zivile Nuklearmetallurgie darauf ausgerichtet, nicht nur Brennelemente für Kernkraftwerke (Atomkraftwerke) zu gewinnen, sondern sich auch mit der Aufbereitung der verbleibenden Rückstände und der sogenannten „sicheren Endlagerung“ zu befassen (siehe auch bei [[#Weitere Industriemetalle|„Uran“]]). Wichtiges Nebengebiet der Nuklearmetallurgie sind die weltweit nur in wenigen Kernreaktoren hergestellten Radionuklide für medizinischer Zwecke, wie [[Technetium]]-99m und [[Iod]] 131 (z.&nbsp;B. für Szintigraphie). == Verhüttungs- und Weiterverarbeitungstechnik == Metallurgie und Hüttenwesen gelten bis heute als synonyme Begriffe und die Gewinnung und Aufbereitung der Erze wird als ein der „Verhüttung“ vorausgehender Prozess gesehen. Eine durch die Fortschritte in Technik und Wissenschaft ermöglichte, anders ausgerichtete Gliederung sieht die Metallurgie als übergeordnete, als ''Hüttenkunde'' vermittelte Wissenschaft, die sich der Gewinnungs- und Aufbereitungstechnik und diese sich wiederum der [[Chemie]] bedient. Vom somit enger verstandenen Hüttenwesen –&nbsp;einem Begriff, der an erster Stelle auf thermischen Verfahren begründet ist –&nbsp;führt die Entwicklung in bereits geschilderter Abfolge von den vorbehandelten Einsatzstoffen zu nutzbaren Metallen und Legierungen, Halb- und Fertigprodukten. Der Arbeitsablauf in einer auf Verarbeitung von Erzen ausgerichteten Hütte, gleich ob Eisen oder Nichteisenmetalle zu gewinnen sind, besteht gewöhnlich aus folgenden Schritten: # [[Gattierung|Gattieren]] (Zusammenstellung des Schmelzmaterials) des Einsatzes, auch unter dem Gesichtspunkt der gewünschten Eigenschaften der Ausbringung # Einmaliges (diskontinuierliches, an die Ofenfassung gebundenes) oder fortlaufendes (kontinuierliches) Chargieren, also Beschicken eines Ofens, mit ebenso kontinuierlicher Metallentnahme (Beispiele: Hochofen mit bis zu 5000&nbsp;t Roheisen Tagesausstoß oder die kontinuierlich Rohaluminium liefernde [[Schmelzflusselektrolyse]]) # Erschmelzen des Einsatzes, wiederum entweder chargenweise und mit Chargeneigenschaften (siehe [[#Eisen|unten]]) oder mittels kontinuierlichem Nachchargieren und Sammeln des erschmolzenen Metalls in einem nur den Chargen-, nicht den Partiecharakter (siehe [[#Eisen|ebenda]]) ausgleichenden Mischer. # [[Schmelzebehandlung]] durch eine oxidierend oder reduzierend vorgenommene Raffination (siehe [[#Sekundärmetallurgie|Sekundärmetallurgie]]), einschließlich Legieren oder Legierungskorrekturen # Vergießen: Einfacher [[Barren (Metall)|Masselguss]] oder Weiterverarbeitung (Beispiel: [[Stahlerzeugung|Stahlwerk]], das Roheisen entweder zu einfachem Gussstahl oder [[Stranggießen|stranggegossenen]] Formaten für ein nachgeschaltetes [[Walzen|Walz]]-, [[Durchziehen|Zieh]]- und [[Presse (Maschine)|Presswerk]] verarbeitet) {{Anker|industriell genutztes Metall}} === „Industriemetalle“ === Von „Industriemetallen“ wird gesprochen, wenn ein Metall wegen seiner Bedeutung eine eigene [[Industrie]] begründet hat. Dies ist zumindest bei Eisen, Kupfer, Nickel, Blei, Zink und Aluminium gegeben. Weiter gefasst ist der Begriff „industriell genutzte Metalle“, der alle metallurgisch genutzten Elemente einschließt, gleich ob sie eigenständig, also unlegiert, oder als Legierungsbegleiter auftreten. ==== Eisen ==== Am Beispiel Eisen ist die Spannweite der „Verhüttung“ besonders sichtbar. Der Eisen-Verhüttung liegt das [[Eisen-Kohlenstoff-Diagramm]] zugrunde, auf dem die Eisentechnologie als Wissenschaft aufbaut und danach ihre Techniken entwickelt hat. [[Datei:Torpedopfanne.jpg|miniatur|Befüllen einer [[Pfannenwagen#Torpedowagen|Torpedopfanne]] mit flüssigem [[Roheisen]]]] Die klassische [[Eisenwerk|Eisenhütte]] erzeugt im Hochofen ausschließlich Roheisen. Der Hochofen wird dazu mit einem [[Gattierung]] genannten Gemenge beschickt, dessen Erzanteil zuvor aufbereitet wurde. Ein Röstprozess oxidiert die [[Sulfide]]. Die damit einhergehende Erhitzung entfernt weitere flüchtige Bestandteile, etwa einen zu hohen Wassergehalt, wie bei der [[Lothringen|lothringischen]] Minette (Minette bedeutet „kleines Erz“, weil der Gehalt an Eisen verhältnismäßig gering ist, etwa 20–40 %). Für den Hochofengang werden die oxidischen, oxidhydratischen oder carbonatischen Erze [[Magnetit]], [[Hämatit]], [[Limonit]] ([[Salzgitter AG|Salzgitter]]), [[Siderit]] (Österreich), ferner die [[Pyrit]]-(Schwefelkies)-Abbrände der [[Schwefelsäure]]<nowiki>herstellung</nowiki>) dadurch vorbereitet, dass ihnen Zuschläge ([[Möller]]) von schlackenbildendem [[Kalkstein]] und [[Koks]] beigegeben werden. Bei historischen Hochöfen wurde anstelle von Koks noch im Umfeld erzeugte [[Holzkohle]] eingesetzt. Der [[Abstich (Metallurgie)|Abstich]] (Ausbringung des erschmolzenen Roheisens) erfolgt im kontinuierlichen Betrieb, das heißt der Ofen erkaltet nie; solange es seine Auskleidung zulässt, wird ständig über die „Gicht“, das obere Ende des Ofens, beschickt und unten an der Sohle abgestochen. Der Abstich weist sogenannte Partieeigenschaften auf, wobei unter Partie beispielsweise eine Schiffsladung brasilianischen Eisenerzes mit vom Gewinnungsort bestimmten Eigenschaften verstanden wird. Von diesen wird die Zuordnung zu einer bestimmten Roheisenqualität bestimmt. Es könnte sowohl ein Hämatitroheisen mit mehr als 0,1 % [[Phosphor]] oder ein Gießereiroheisen mit bis zu 0,9 % Phosphor abgestochen werden. Außer von der Partiezugehörigkeit werden die Eigenschaften des Abstichs von der Erstarrungsart bestimmt. Bei langsamer Abkühlung ([[Barren (Metall)|Masselguss]]) entsteht graues [[Gusseisen]], unterschieden nach Art der Graphitausscheidung (lamellar, vermikular, sphäroidal). Bei rascher Erstarrung entsteht [[mangan]]<nowiki/>haltiges, weißes Gusseisen; eine Übergangsform ist meliertes Gusseisen. Nicht zur Verwendung als Gusseisen bestimmtes Roheisen wird vom Hochofen in einen der Vergleichmäßigung dienenden Mischer entlassen und von dort an das Stahlwerk weitergeleitet. Erstmals erfolgte ein Flüssigmetalltransport über größere Entfernung gegen die Mitte des 20.&nbsp;Jahrhunderts in der [[normalspur]]igen 200&nbsp;t und mehr fassenden und zugleich als Mischer fungierenden „[[Pfannenwagen#Torpedowagen|Torpedopfanne]]“. Hier kann ebenfalls von Charge (englisch „batch“) gesprochen werden, nämlich der Beschickung eines Gefäßes, einer Pfanne oder eines Ofens mit einer durch das jeweilige Fassungsvermögen bestimmten Menge. Bei der Weiterverarbeitung, die in diesem Falle als diskontinuierlich bezeichnet wird, lassen sich jeder Charge sie kennzeichnende Chargeneigenschaften zuordnen. Die „Chargenarbeit“ hat besondere Bedeutung für das [[Recycling]] von zumeist sehr gemischten Schrotten. Auch im 21.&nbsp;Jahrhundert ist die Erzeugung von Roheisen immer noch Betriebszweck eines „Eisenhüttenwerks“. Die Primärerzeugung im [[Hochofen]] hat ihre Alleinstellung bei der Eisengewinnung jedoch seit der Erfindung des [[Siemens-Martin-Ofen]]s mit Regenerativfeuerung und erst recht seit der Einführung des Elektroofens verloren. Dennoch bleibt die „verbundene Eisenhütte –&nbsp;auch als „Eisenhüttenwerk“, in Osteuropa (1936 [[Magnitogorsk]]) als „[[Kombinat]]“ bezeichnet –&nbsp;ein metallurgischer Betrieb zur Erzeugung von Roheisen, Gusseisensorten und Stählen. Gusseisenwerkstoffe werden aus kohlenstoffreicherem Roheisen gewonnen. Es wird aus dem Hochofen in ein „Masselbett“ geleitet und die erkalteten und transportfähigen [[Barren (Metall)|Masseln]] werden im [[Kupolofen]] einer Eisengießerei oder auch in einem Elektroofen wieder eingeschmolzen und zu Gussteilen verarbeitet. Als Regel werden dort noch definierter Schrott, eigener Gießereirücklauf und Legierungszusätze beigegeben, um Gusseisensorten mit definierten Eigenschaften zu erhalten (siehe auch oben). Hohe Festigkeitswerte erbringt, nach [[Edgar Bain|E. Bain]] benannt, [[bainitisches Gusseisen mit Kugelgraphit]]. Es ermöglicht als Austempered Ductile Iron, kurz ADI, den „Leichtbau aus Eisen“. Seit Anfang des Jahrhunderts eine Antwort auf die starke Zunahme von Aluminiumguss bei Automobilmotoren. [[Datei:Gtw mitte 100.jpg|miniatur|Weißer [[Temperguss]] (Vergrößerung)]] [[Temperguss]] ist eine Sonderform des Eisengusses, die als „weißer“ kohlenstoffarmer oder schwarzer kohlenstoffreicherer Temperguss vorkommt. Seine im Vergleich zu [[Gusseisen|Grauguss]] besseren mechanischen Eigenschaften erwirbt er durch Glühen der in Temperkohle eingepackten Gussteile in regulierbaren, gasbeheizten Temperöfen. Die Verweilzeit bei dort gegebenen, oxidierenden Bedingungen ist teileabhängig. Sie beginnt kontrolliert bei 900&nbsp;°C und wird bis zum Temperzeitende auf 750&nbsp;°C abgesenkt. Beispiele für Temperguss sind [[Fitting]]s, Schlüssel oder [[Zahnrad|Zahnräder]]. Eine dem Temperguss verwandte Sonderform ist der [[Hartguss]] (weißes Gusseisen, niedrig graphitiert), der als Walzenguss (unter anderem für Kalt- und [[Warmwalzwerk]]e) wirtschaftlich bedeutend ist. Für die Stahlerzeugung ist „ersterschmolzenes“ Roheisen noch nicht nutzbar. Stahl muss [[Schweißen|schweiß]]- oder [[Schmieden|schmiedbar]] und daher kohlenstoffärmer sein. Er wird deshalb „[[Frischen|gefrischt]]“, das heißt mittels Pressluft- oder Sauerstoffzufuhr so lange [[Oxidation|oxidierend]] behandelt, bis der unerwünschte [[Kohlenstoff]] verbrannt wird und sein Anteil kleiner als 2 % ist. Es gibt mehrere Verfahren für das Frischen: „Klassisch“ ist das Blasstahlverfahren im Konverter, später wurden in chronologischer Ordnung das [[Siemens-Martin-Ofen|Siemens-Martin-Verfahren]], das [[Linz-Donawitz-Verfahren|LD-Verfahren]] (Sauerstofffrischen) und das Elektroverfahren (Lichtbogen- oder Induktionsofen) entwickelt. An das den Kohlenstoff oxidierende (verbrennende) Frischen schließt sich die Entfernung überschüssigen, bereits an Eisen gebundenen Sauerstoffs (Desoxidation, „Beruhigung“) durch Zusatz leicht oxidierbarer Elemente an. Üblich sind [[Aluminium]] oder [[Silicium]], dieses als [[Ferrosilicium]] (FeSi), das bei der carbothermischen Siliciumherstellung gewonnen wird (siehe oben). Oxidation und Desoxidation sind von [[Thermodynamik]] und [[Kinetik (Chemie)|Reaktionskinetik]] bestimmte Maßnahmen, bei denen Chemie und Metallurgie –&nbsp;nicht nur die des Eisens&nbsp;– zusammenwirken. Sobald sich die behandelte Stahlschmelze beruhigt hat, lässt sie sich durch Zusatz von Legierungselementen auf die künftige Verwendung als Stahl einstellen. Die Sortenvielfalt ist beträchtlich, weil nach Herkunft ([[Thomas-Verfahren|Thomasstahl]], [[Siemens-Martin-Ofen|Siemens-Martin-Stahl]], [[Lichtbogenofen|Elektrostahl]]) sowie Verwendung und Eigenschaften unterschieden wird, beispielsweise hoch und niedrig legierter Stahl, legierter [[Kaltarbeitsstahl|Kalt]]- oder [[Warmarbeitsstähle|Warmarbeitstahl]], [[Rostfreier Stahl|nichtrostender Stahl]] (NIROSTA mit mehr als 12 % Chrom), magnetischer, weichmagnetischer und „nichtmagnetischer“ Stahl und andere (vollständige Auflistung beispielsweise unter „Stahl“ in „Gießereilexikon“<ref name="Gießerei Lexikon">{{Literatur|Autor=Stephan Hasse|Titel=Gießerei Lexikon|Verlag=Schiele & Schoen|ISBN=3-7949-0606-3|Auflage=17.|Ort=Berlin|Jahr=2000}}</ref>). Die Masse der Stähle, daher auch „Massenstahl“, wird dem [[Walzwerk]] zugeführt. Früheres Ausgangsmaterial des Verwalzens waren in [[Kokille|Großkokillen]] hergestellte [[Bramme|Walzbrammen]], wobei [[Lunker]]freiheit (durch Erstarrungsschrumpfung bedingte Hohlräume) mittels einer exothermen (wärmeabgebenden) Auskleidung der Kokillen eine gerichtete und verlangsamte Erstarrung möglich machte. Heute hat das [[Stranggießen|Stranggießverfahren]] diese Technik weitgehend ersetzt. Die [[Stranggießen|Stranggießerei]] ist eine dem Stahlwerk angegliederte Weiterverarbeitungseinheit, in der die Umwandlung von flüssigem zu festem Stahl erfolgt. Dabei kann zwischen mehreren Arten der Umwandlung unterschieden werden, zwischen „kontinuierlich“ (Strangtrennung mit „fliegender Säge“) oder diskontinuierlich (durch die der Anlage vorgegebene maximale Stranglänge), weiterhin zwischen vertikalem, horizontalem oder Bogenstrangguss und schließlich zwischen „einsträngigen“ oder „mehrsträngigen“ Anlagen. Die verschiedenen Produkte werden als Vollguss –&nbsp;auch profiliert&nbsp;– oder als Hohlguss (Röhren) hergestellt. Die weitere Verarbeitung erfolgt entweder nach Vorwärmung (warme Verarbeitung) oder nach Abkühlung (abschreckend, kalte Verarbeitung). Weiterhin unterzieht man sie einer natürlichen oder künstlichen Alterung (Umwandlung des [[Mischkristall]]gefüges). Besonders hochwertige Walzprodukte erzielt man mit einer Erwärmung, gefolgt von abschreckender Härtung und nachfolgendem „[[Anlassen]]“, das heißt Wiedererwärmen für den Walzprozess.<ref>Dazu ausführlicher in: ''Gemeinfassliche Darstellung des Eisenhüttenwesens.'' Verband deutscher Eisenhüttenleute, Düsseldorf.</ref> Zu den wirtschaftlich bedeutenden Stahlerzeugnissen gehören [[Baustahl|Baustähle]] ([[Stahlprofil|T-, Doppel-T, auch I-Träger]], [[Bewehrungsstahl]]), ferner [[Schiene (Schienenverkehr)|Schienen]], [[Draht|Drähte]], die im Walzprozess oder bei kleinen Durchmessern in der Drahtzieherei hergestellt werden. Stahlbleche, glatt oder profiliert ([[Wellblech]]), sind ein vielseitig genutztes Walzprodukt. Einseitig verzinnt wird heruntergewalztes Warmband als [[Weißblech]] bezeichnet. 2007 gingen hiervon 1,5 Mio t in die Dosenfertigung ein. Zahlreich sind die Stähle mit besonderen Eigenschaften, unter anderem [[Edelstahl|Edelstähle]], [[Rostfreier Stahl|nichtrostender Stahl]], Hartstähle (Panzerplatten) für militärische und zivile Zwecke. Spezialstähle (unter anderem [[Ventilstahl]], [[Formstahl]]) die –&nbsp;von Stranggussmasseln ausgehend&nbsp;– in einer Stahlgießerei zu Gussteilen werden, behandelt man nach deren Erstarrung –&nbsp;hierin gleich anderem Formguss&nbsp;– mittels Wärmezufuhr, um die Teile hierdurch zu entspannen und das Gefüge zu verbessern (Entspannungsglühen, Lösungsglühen). Zusätzliche Legierungselemente ([[Chrom]], [[Nickel]], [[Molybdän]], [[Cobalt]]) können solchen Stahlschmelzen vor dem Vergießen als Vorlegierungen beigegeben werden. [[Friedrich Krupp]] erkannte bereits 1811 den Einfluss festigkeitssteigernder Zusätze ([[Kruppstahl]]) und führte auf dieser Grundlage die Gussstahlfertigung in [[Deutschland]] ein ([[Geschütz]]rohre sind daher seit 1859 aus Stahlguss). ==== Aluminium, Magnesium ==== Metallurgisch gesehen unterscheidet sich die Weiterverarbeitungstechnik von Eisen und Aluminium nicht allzu sehr. Die Nachfrage ist es, die dem einen oder anderen den Vorzug gibt. Oft wird sie nur davon bestimmt, inwieweit es möglich ist, „schweres“ Eisen durch „leichtere“ Werkstoffe wie Aluminium, Magnesium,oder Lithium zu ersetzen. (siehe auch [[#Eisen|Eisen]]).Ein Vorsprung für Aluminium ergibt sich aus der konsequent weiterbetriebenen Entwicklung von Aluminiumschaum, auch in Sandwich-Technik verarbeitet – für Leichtbau und Isolierung. [[Datei:Bauxite with core of unweathered rock. C 021.jpg|miniatur|[[Bauxit]]]] Im Unterschied zu einer verbundenen Eisenhütte bezieht eine Aluminiumhütte ihren Rohstoff [[Tonerde]] aus einer auf die Umarbeitung von [[Bauxit]] zu calcinierter Tonerde spezialisierten, räumlich und wirtschaftlich getrennten Vorfertigung, einer „Tonerdefabrik“. Die von dort bezogene Tonerde wird im Gemisch mit [[Kryolith]] in hunderten von Zellen einer [[Schmelzflusselektrolyse]] eingesetzt und jede Zelle liefert kontinuierlich schmelzflüssiges Rohaluminium, das regelmäßig entnommen wird. Ein Teil der Erzeugung wird zu Rein- und Reinstaluminium raffiniert. Reines und hochreines Aluminium ist Ausgang der Folienerzeugung. Ein weiterer Anteil wird zu Gusslegierungen mit Zusätzen von Magnesium, Silicium, Kupfer und anderen Elementen. Mehrheitlich jedoch wird das aus der Elektrolyse kommende Metall in flüssigem Zustand, in eine der Primärhütte angeschlossene Hüttengießerei (engl. ''casthouse'') verbracht. Dort wird das Flüssigaluminium in die Schmelzöfen chargiert und per Zugabe von Vorlegierungen oder Schrotten die zu vergießende [[Legierung|Legierungszusammensetzung]] eingestellt sowie unerwünschte Verunreinigungen durch Zugabe von Salzen und Spülen mit Chlor entfernt. Aus den Schmelzöfen wird die [[Schmelze]] in die sogenannten Halteöfen überführt, wo letzte Feineinstellungen der Zusammensetzung vorgenommen werden. Anschließend startet der Gießprozess. Meist ist noch eine SNIF-Box zur Ausspülung letzter, meist oxidischer Verunreinigungen, zwischengeschaltet; außerdem wird in der zu den Stranggusskokillen führenden Gießrinne und dem Verteilersystem noch digital gesteuert [[Kristallit|Korn]]<nowiki>feinungsdraht</nowiki> aus einer Aluminium-Titan- oder einer Aluminium-Titan-[[Bor]]-Legierung zugeführt. Die so bezeichneten Knet[[legierung]]en werden Walzbarren oder Rundbarren|Bolzen vergossen. Der Barrenguss erfolgt entweder im kontinuierlichen Vertikal-Stranggießverfahren, wobei der aus der Kokille austretende und mit Wasser abgekühlte Strang von einer fliegenden Säge nach Maßvorgabe getrennt wird, oder (bei Walzbarren) meist im diskontinuierlichen Vertikalstrangguss. Walzbarren erreichen im Extremfall Gewichte bis 40&nbsp;t. Bei vorgegebenen Maßen des Gießtischs und der in ihm eingebetteten Kragenkokillen nimmt die Stückzahl der gleichzeitig gegossenen Bolzen mit deren abnehmendem Durchmesser zu (bis zu 16 und mehr Stränge, dann schon „Wäschepfähle“ genannt, sind möglich). Das Gussprodukt ist erst einmal „[[Halbzeug]]“, nach Walzen, Strang- und Rohrpressen, Schmieden und Ziehen sowie anschließender Wärmebehandlung in entsprechenden Spezialöfen (dazu mehr im [[#Ofentechnik|Abschnitt Ofentechnik]]) werden daraus Produkte wie [[Blech]]e, Folien, Profile oder [[Draht|Drähte]]. Eine für Bleche und Folien entwickelte, die Zahl der Walzdurchläufe (Stiche) verringernde Gießtechnik ist das Bandgießen, bei der das flüssige Metall in einen regulierbaren Spalt zwischen zwei gegenläufig rotierende, gekühlte Walzen gegossen wird. Dem Bandgießen technisch verwandt sind die modernen Verfahren der Drahtherstellung. Alles metallurgisch zu Aluminium Gesagte kann auf das noch leichtere und deshalb besonders für [[Luftfahrt|Luft-]] und [[Raumfahrt]] genutzte [[Magnesium]] übertragen werden. Das aus der Schmelzflusselektrolyse gewonnene Reinmagnesium lässt sich legieren und kann gleich Aluminium als Guss- oder Knetwerkstoff weiterverarbeitet werden. Da geschmolzenes Magnesium an Luft sehr schnell oxidiert (Magnesiumbrand) wird es unter einem inerten [[Schutzgas]] und mit einem [[Beryllium]]zusatz von mehr als 10&nbsp;[[Parts per million|ppm]] geschmolzen. Neben den schon genannten Anwendungsgebieten findet sich Magnesium in der Eisengießerei als Entschwefelungsmittel bei der Herstellung von Gusseisen mit [[Kugelgraphit]]. Als Legierungselement führt es zu selbstaushärtenden Aluminiumlegierungen (siehe [[Duraluminium]]. Eigenschaftsbestimmend ist es seit dem Zweiten Weltkrieg als Bestandteil [[Salzwasser|seewasserresistenter]] Aluminium-Magnesium-Legierungen, denen noch [[Titan (Element)|Titan]] zugegeben wird. (Hydronalium, Typ ''SS -Sonderseewasser''). Nach 1950 werden solche Legierungen zunehmend für [[Eloxal-Verfahren|eloxierbaren]] Gebrauchsguss verwendet (Maschinen für die Lebensmittelindustrie, Beschlagteile) und das sowohl im [[Sandformverfahren|Sand-]] wie im Kokillengießverfahren. In der weitgehend automatisierten [[Druckguss|Druckgießtechnik]] werden sowohl Aluminium-Magnesium-Legierungen verarbeitet als auch Magnesiumlegierungen mit Aluminium und [[Zink]] als Begleitelementen (der berühmte [[VW Käfer]] enthielt in seiner ersten Konzeption Magnesiumgussteile im Gewicht von mehr als 20&nbsp;kg, u&nbsp;.A. für das Getriebegehäuse). Die aus Gründen der Gewichtseinsparung wieder verstärkte Verwendung von Magnesium wurde bereits erwähnt, nochmals ist auf das Hybridverfahren zur „geschichteten Formfüllung“ aus magnesiumfreien wie magnesiumreicheren Legierungen hinzuweisen, das sich an thermischer und mechanischer Beanspruchung bestimmter Zonen des Automobilmotors orientiert. Unverändert ist Magnesium in der zivilen wie militärischen [[Pyrotechnik]] wichtiger Bestandteil aller Erzeugnisse. ==== Kupfer ==== Die metallurgische Geschichte der Kupfergewinnung (siehe ergänzend „[[#Die Wiederkehr des Kupfers|Die Wiederkehr des Kupfers]]“ sowie Kupfer bei [[#Hauptmetalle|Hauptmetalle]]). Kupfer wird je nach zugrundeliegendem Erz pyro- oder hydrometallurgisch gewonnen. Aus sulfidischen Erzen wird in einem Schachtofenprozess der sogenannte Kupferstein gewonnen und anschließend in einem sogenannten Pierce-Smith-Konverter zu Schwarz- oder Blisterkupfer mit 80–96 % Kupfergehalt verblasen. Dabei setzen Kupfersulfid und Kupferoxid unter Abspaltung von Schwefeldioxid zu Kupfer um, Eisen als Hauptbegleitelement wird verschlackt. Die Schachtofentechnik bezeichnete man fachsprachlich lange als „deutschen Weg“. Der „englische Weg“ ist ähnlich, erfolgt aber im [[Flammofen]]. Im weiteren Prozessverlauf erfolgt das „[[Polen (Metallurgie)|Dichtpolen]]“; früher wurde dazu die Schmelze mit Baumstämmen umgerührt, heute wird Erdgas in die Schmelze eingeblasen. Hierbei entsteht sogenanntes „Anodenkupfer“, das zu Anodenplatten vergossen wird, die einer [[Raffinationselektrolyse]] unterzogen werden. Dabei sind die Anodenplatten in einer schwefelsauren Kupfersulfidlösung im Wechsel mit Edelstahlblechen (oder in älteren Elektrolysen Reinkupferblechen) als Kathoden in Reihe geschaltet. Die Spannung wird so gewählt, dass Kupfer in Lösung geht und sich an den Kathoden wieder abscheidet, während unedlere Metalle in Lösung bleiben und Edelmetalle (Silber, Gold, Platin, Palladium, Rhodium …) sich als sogenannter [[Anodenschlamm]] am Grund der [[Elektrolyse|Elektrolysezelle]] absetzen. Aus dem Anodenschlamm werden die genannten Edelmetalle gewonnen. In der [[Raffinationselektrolyse]] entsteht [[Elektrolytkupfer]], das wegen seiner [[Elektrische Leitfähigkeit|elektrischen Leitfähigkeit]] seit dem 19.&nbsp;Jahrhundert für die Elektrotechnik unverzichtbar ist. Oxidische Erze und arme sulfidische Erze werden hingegen einer [[Gewinnungselektrolyse]] unterzogen. Dazu werden oxidische Erze mit Schwefelsäure gelaugt, für sulfidische Erze muss ein komplizierteres Drucklaugungsverfahren angewendet werden. Die kupferhaltige Lösung wird vor der Elektrolyse noch mittels [[Solventextraktion]] angereichert. Produkt ist ein mit 99,90 % Kupfergehalt sehr reines, aber wasserstoffhaltiges Kathodenkupfer (Elektrolyseprinzip: ''[[Wasserstoff]]'' und ''die Metalle schwimmen mit dem Strom''). Die im Flammofen oder elektrolytisch feinraffinierten Kupferschmelzen werden zu Blöcken (Masseln) aus reinem Kupfer oder zu Formaten ([[Stranggießen]]) vergossen. Wird zuvor legiert, dann um bestimmte Eigenschaften, vor allem der Knetlegierungen herbeizuführen. Die Weiterverarbeitung des Raffinadekupfers passt sich gleich wie bei Eisen und Aluminium nach Qualität und Menge den Forderungen des Marktes an, für den Kupfer die Basis einer Vielzahl technisch wichtiger Legierungen ist. Einige sind schon seit der [[Antike]] bekannt (s. Abschnitt 1). Legiertes Kupfer ist nicht nur Ausgangsmaterial für horizontal oder vertikal verarbeiteten Formateguss. Sowohl niedrig legiert,<ref>Siehe ''Niedriglegierte Kupferwerkstoffe,'' Informationsdruck i8 des DKI</ref> wie Chromkupfer mit 0,4–1,2 % Chrom wird es ebenso zu technisch wichtigem Formguss (Chromkupfer für Stranggusskokillen und andere thermisch stark beanspruchte Gussteile), wie die nach DIN EN 1982 genormten Bronzen mit 12 % Zinn. Die Glockenbronze in der Zusammensetzung 80 % Kupfer, 20 % Zinn zählt zu den bekanntesten Kupferlegierungen. Seit dem Guss der ersten Kirchenglocken im 6. bis 8.&nbsp;Jahrhundert wird sie, kaum verändert, in überlieferter Technik vergossen (sehr wirklichkeitsnahe Beschreibung bei [[Friedrich Schiller|F. v. Schiller]] „[[Das Lied von der Glocke]]“). Die Zusammensetzung dieser Bronze- damals empirisch gefunden -liegt nahe dem Optimum der Zerreißfestigkeit bei einem Zinnanteil von 18 %. Eine bei Kupfer, Messing und Aluminium schon seit dem 20. Jahrhundert, inzwischen auch bei Stahl angewendete Technik der Halbzeugverarbeitung ist die Herstellung von Drähten mittels des [[Properziverfahren]]s und des davon abgeleiteten [[Properziverfahren|Gießradverfahrens]]. Zu den im 19.&nbsp;Jahrhundert wirtschaftlich bedeutend gewordenen Kupferlegierungen gehören neben [[Rotguss]], einer Kupfer-Zinn-Zink-Blei-Legierung, (die den Messingen bereits näher steht, als den Bronzen) noch eine Reihe von Sonderbronzen, wie die [[Aluminiumbronze]]. Mit 10 % Aluminium ist sie ein wertvolles, weil kavitationsbeständiges, wegen der Oxydationsneigung des Aluminiumanteils jedoch schwierig zu erschmelzendes und zu vergießendes Material für den Guss von großen [[Propeller|Schiffspropellern]] (Stückgewicht 30&nbsp;t und mehr). Metallurgisch ebenso bedeutsam wie die zahlreichen, zweckgerichteten Bronzelegierungen sind seit Beginn des Industriezeitalters die zusammenfassend als [[Messing]] bezeichneten Kupfer-Zink-Legierungen. Wegen der für die meisten Legierungen des Kupfers mit Zink charakteristischen Gelbfärbung, werden viele Messinge oft nicht als solche wahrgenommen. Beispiel ist hier [[Rotguss]], oder Rotmessing (italienisch: „ottone rosso“). Mit seinem unter 1000&nbsp;°C liegenden [[Schmelzpunkt]] ist Messing vielfältig einsetzbar. Mit 63 % Kupfer, Rest Zink, wird es besonders für Formguss (Armaturen, Beschlagteile) verwendet. Mit 58 % Kupfer, max. 3 % Blei, Rest Zink, wird es zu Halbzeug (Bleche, Profile). Eine Erniedrigung des Zinkanteils auf 36 bis 28 % begünstigt die ziehende Verarbeitung zu Patronen- oder Geschosshülsen aller Kaliber, weshalb diese Legierungen als Patronen- oder [[Kartuschenmessing]] bezeichnet werden. Der Bedarf an Messing wird nur in besonderen Fällen mit Primärlegierungen (siehe unter [[#Recyclingmetallurgie|Recyclingmetallurgie]]) befriedigt, mehrheitlich sind es in einer ''Messinghütte'' ([[Messingwerk]]) aufgearbeitete Messingsammelschrotte (Altmetall), denen frische Fertigungsabfälle aus spanloser wie spanender Bearbeitung zugegeben werden. Geschmolzen wird überwiegend im Rinneninduktionsofen. Kupfer-Nickel-Gusslegierungen mit bis zu 30 % Nickel sind sehr [[Salzwasser|seewasserbeständig]] ([[Schiffbau]]). Mit einem Zinkzusatz bis 25 % in Kupfer- Mehrstofflegierungen mit Nickel, Blei und Zinn werden Messinge zu Weißkupfer oder [[Neusilber]] (CuNiZn). Verbreitet kennt man sie als Bestecklegierungen, unter anderem als Alpaka und Argentan (siehe [[Neusilber|Packfong]]). [[Konstantan]] und [[Nickelin (Legierung)|Nickelin]], eine Kupfer-Nickel-Legierung mit Manganzusatz<ref name="Gießerei Lexikon" />, sind als [[Heizleiterlegierung]]ein korrosionsfestes Ausgangsmaterial für [[Heizwiderstand|Heizwiderstände]]). ==== Zink ==== [[Zink]] wird bergmännisch abgebaut, die Erze werden abgeröstet und das Metall wird im [[Destillation]]sverfahren in [[Retorte]]n gewonnen. Qualitätsmäßig wird zwischen Rohzink, genormtem Hüttenzink und genormtem Feinzink unterschieden. Zink wird auf vielen Gebieten eingesetzt. Es bestimmt den Legierungscharakter bei Messing, ist Legierungsbegleiter bei Rotguss und vielen Aluminium- und Magnesiumlegierungen. Feinzinklegierungen mit einem Aluminiumanteil werden im Druckguss verarbeitet. Auch zu Halbzeug wird Feinzink verarbeitet. [[Zinkoxyd|Zinkweiss]], ursprünglich bei Herstellung und Verarbeitung von Messinglegierungen ein unerwünschtes Beiprodukt, wird heute nach verschiedenen Verfahren aus Rohzink, oder zu mehr als 70 % des auf auf >&nbsp;250.000&nbsp;t/a geschätzten Verbrauchs beim Recycling von zinkhaltigen Erzeugnissen gewonnen. Es wird nicht nur traditionell für Pigmente und keramische Erzeugnisse, sondern auch bei Gummi, Glas, Pharmazeutik und Elektronik verwendet.<ref>{{Literatur |Autor=K. Weigel, R. Dreyer|Titel=Zinkoxyd-Produktion, Markt und Anwendungsgebiete|Sammelwerk=Erzmetall|Band=61|Nummer=5|Jahr=2008|Seiten=|DOI=}}</ref> Die Korrosionsbeständigkeit von Zinküberzügen auf Eisen und damit dessen Schutz vor Rost bedingt einen ständigen, hohen Bedarf der Verzinkereien. Man unterscheidet elektrolytische Verzinkung (mit geringerer Haltbarkeit) von [[Feuerverzinken|Feuerverzinkung]], bei der die zu verzinkenden Teile durch ein Tauchbad aus geschmolzenem Feinzink geführt werden. ==== Nickel ==== [[Nickel]] hat eine eigene Industrie begründet (beispielsweise das russische Unternehmen [[MMC Norilsk Nickel|Norilsk Nikel]]). Ungeachtet seiner historischen, für China schon vor der Zeitenwende nachgewiesenen Verwendung hat es erst im 19.&nbsp;Jahrhundert wieder Bedeutung gewonnen. Zur Nickelgewinnung dienen überwiegend Kiese, also [[Sulfide|sulfid]]<nowiki>ische</nowiki> Erze, die in einer ersten Stufe abgeröstet und im Flammofen geschmolzen werden („Rohstein“). Von Kupfer und Eisen befreit wird es zum „Feinstein“ und dieser wird entweder elektrolytisch raffiniert (Reinnickel) oder nach dem [[Mond-Verfahren]] ([[Carbonylgruppe|Carbonyl]]<nowiki>nickel</nowiki>) zu Reinstnickel. Verwendet wird Nickel für hochwertige Gusslegierungen auf [[Nickelbasislegierung|Nickelbasis]], überwiegend aber als eigenschaftsbestimmendes Legierungselement (z.&nbsp;B. für Chrom-Nickel-Stähle) und als Bestandteil von Bronzen (seine Stellung als Legierungsbegleiter teilt es sich hier mit Zinn). Nickel findet sich ferner in Messingen und hochfesten Aluminiumlegierungen. Als Überzug von Gussteilen gewährleistet es Korrosionsschutz (Vernickelung) und nicht zuletzt bestimmt es mit ca. 25 % Anteil die „Silberfarbe“ von [[Münze#Münzmetalle|Münzen]], Besteck und Haushaltsgeräten. Nickel ist nicht giftig, aber seine [[Aerosol]]e können gefährdend sein. Dauernder Hautkontakt, etwa bei Brillengestellen, oder Schmuck (beides im Druckgießverfahren gefertigt), kann zu einem Nickelekzem ([[Allergisches Kontaktekzem|Nickelkrätze]]) führen. ==== Blei ==== [[Blei]] ist mit einem [[Schmelzpunkt]] von nur 327&nbsp;°C verarbeitungsgünstig und mittels Oxidation und folgender Reduktion metallisch aus [[Galenit|Bleiglanz]] (PbS) leicht darstellbar. Es wird als Reinblei vorwiegend in Form weichen, flexiblen, zu Blechen gewalzten Materials verarbeitet (Bleiummantelung von Kabeln, Dachabdichtungen). Als Bleirohr ist es, mit einer Zulegierung von härtendem [[Antimon]], nur für Abwasserleitungen erlaubt. Viel verwendet wird es als Akkublei für [[Starterbatterie]]n, als [[Schrotkugel|Schrotblei]], als Bleidruckgusslegierung und für [[Lager (Maschinenelement)#Gleitlager|Bleibronzelager]]. Außerordentliche Bedeutung hat Blei seit Jahrzehnten als Schutz gegen [[Gammastrahlung]]. Im Umgang mit [[Radioaktivität|radioaktivem Material]] ist eine Bleiabdeckung (Bleischürze des [[Radiologie|Radiologen]]) unverzichtbar. In [[Messing]]-Knetlegierungen gewährt Blei (bis zu 3 %) gute [[Zerspanen|Zerspanungseigenschaften]]. Als Legierungsbegleiter in Kupferlegierungen ist Blei erwünscht, obwohl es wegen seiner Dichte zum [[Seigerung|Ausseigern]] neigt. Die Verarbeitung von Altblei ([[Bleiakkumulator|Akkumulatoren]]) wird in spezialisierten Hütten vorgenommen, unter anderem weil außer problematischen schwefelsauren Rückständen in den Batterien die oberhalb des Schmelzpunkts (Dampfdruck) einsetzenden Bleidämpfe sehr giftig sind (siehe [[#Recyclingmetallurgie|Recyclingmetallurgie]]). === Industriell genutzte Metalle === ==== Lithium ==== Das Leichtmetall [[Lithium]],<ref>lt. Römpp ''Chemie-Lexikon.'' 9. Auflage. Thieme-Verlag, 1995.</ref> an 27. Stelle der Häufigkeitsliste der Elemente mit geschätztem Weltvorrat von 2,2 Millionen&nbsp;t,<ref>Die Angaben zu den weltweit vorhandenen Lithium-Vorkommen und der möglichen Jahresproduktion mittels [[Schmelzflusselektrolyse]] schwanken quellenabhängig beträchtlich. Über große Vorkommen soll [[Bolivien]] verfügen.</ref> der sowohl in Lithiumerzen (u.&nbsp;a. [[Spodumen]], Petalit), als auch in hoch salzhaltigem Wasser vorliegt ([[Totes Meer]]), weist eine Dichte von nur 0,534&nbsp;g·cm<sup>−3</sup> auf. Zu Beginn des 21. Jahrhunderts ist noch nicht entschieden, ob metallisches Lithium nach seiner Darstellung mittels eines über Lithiumcarbonat führenden Verfahrensganges, vorzugsweise Aluminium und Magnesium für die Herstellung besonders leichter und korrosionsfester Legierungen zugesetzt wird, sogar selbst zum Basismetall von Superleichtlegierungen wird, oder aber in Hochleistungsbatterien ([[Lithiumionenbatterie]]) eingeht. Gemäß den Erfahrungen als Stromspeicher für nicht ortsgebundene Telefonie (Handy, Natel, Telefonino) wird in ihnen die nächstmögliche Lösung für elektrisch angetriebene Straßenfahrzeuge gesehen. Ungünstig ist hierbei, dass derzeit noch für Versorgungsengpässe anfälliges [[Kobalt]]<ref>''Kobalt aus Afrika für deutsche Elektroautos.'' Wirtschaftsbeitrag in F.A.Z. vom 8. März 2010. Nr.&nbsp;56, S.&nbsp;19.</ref> als Anodenmaterial benötigt wird. In der Nukleartechnik gilt der Einsatz von Lithium seit seinem Beitrag zur Entwicklung der „Wasserstoffbombe“ als unverzichtbar für die Entwicklung eines Fusionsreaktors. Als nur einige weitere Verwendungen sind der Einsatz von Lithiumkupfer als [[Desoxidationsmittel]] für Schwermetalle (siehe auch [[Schmelzebehandlung]]) sowie von Lithiumverbindungen wie [[Lithiumchlorid]] und [[Lithiumfluorid]] als Zusatz von Schweiß- und Löthilfsmitteln für Leichtmetalle, als Zusatz von Schmiermitteln und die Nutzung in der Pharmakologie zu nennen. ==== Beryllium ==== [[Beryllium]] (Dichte 1,85&nbsp;g·cm<sup>−3</sup>), zählt zu den Leichtmetallen. Gewonnen wird es hauptsächlich aus [[Beryll]], einem Aluminium-Berylliumsilikat. Obwohl als toxisch eingestuft (leberschädigend, [[Berylliose]]), wird es vielfältig verwendet.<ref>Römpp ''Chemie-Lexikon'' nennt u.&nbsp;a.sogar Verwendung als Moderator in der Reaktortechnik</ref> Bei Magnesiumguss verringert bereits ein Zusatz von 0,001 % zur Legierung oder zum Formsand die Oxidationsgefahr, als Berylliumkupfer mit 5 % Berylliumanteil wird es zur Desoxydation von hochleitfähigem Kupfer verwendet. Aus einer Kupfer-Beryllium-Gusslegierung mit max. 3 % Beryllium und 0,5 % Cobalt lassen sich funkenfreie Werkzeuge herstellen, eine im Kohlebergbau wichtige Eigenschaft. Großes Potenzial wird Beryllium nach aktuellen Forschungen bei der angestrebten [[Kernfusion]] in Fusionsreaktoren eingeräumt, da es sowohl den Brennstoff [[Tritium]] erzeugen kann als auch sich für die einer Temperatur von 100 Millionen Grad ausgesetzte Verkleidung des Plasmagefäßes eignet.<ref>lt. Presseinformation des KTI (Karlsruher Institut für Technologie) vom 13. November 2009, wiedergegeben in ERZMETAL 63/2010, No. 1, S. 45</ref> ==== Zinn ==== [[Zinn]] (Dichte 7,29&nbsp;g·cm<sup>−3</sup>), lateinisch „Stannum“, wird aus reduzierend verhütteten, oxidischen Erzen gewonnen (Zinnstein, Kasserit). Auf Zinnbasis fertigte man bis zur Erfindung des Porzellans Ess- und Trinkgefäße („Geschirrzinn“). Eine neuzeitliche Entwicklung ist „[[Britanniametall]]“, eine Sn90Sb8Cu-Legierung, die zu Dekorationsgegenständen verarbeitet wird (Teller, Pokale). Ein besonderes Gebiet sind Zinnfiguren aus einer eutektisch erstarrenden Legierung Sn63Pb37, deren Herstellung über Jahrhunderte tradiert ist ([[Zinngießerei]]). Die Bezeichnung [[Stanniol]] für dünn ausgewalzte Zinnfolien geht unmittelbar auf das lateinische „stannum“ für Zinn zurück und wird umgangssprachlich auf Metallfolien schlechthin angewendet. Zu deren lange Zeit allgemein bekannten Anwendungsformen zählen Flaschenkapseln und das den Weihnachtsbaum schmückende [[Lametta]].<ref>Zitat [[Loriot]], alias [[Vicco von Bülow]]: „früher war mehr Lametta“</ref> Zinn wird heute vornehmlich im Druckgießverfahren verarbeitet, die dafür verwendeten Legierungen sind ähnlich denen für Lagermetalle auf Zinnbasis. Nach DIN 1703 sind es genormte Legierungen mit ca. 80 % Zinn und Zusätzen von Antimon, Kupfer und Blei; eine veraltete Bezeichnung ist „Weißmetall“, heute sind „Zinnlagermetalle“ an ihre Stelle getreten. Zinn ist namengebendes Legierungselement aller [[Zinnbronze]]n, ferner ein für die erforderlichen Legierungseigenschaften erforderlicher Bestandteil von [[Rotguss]]. Legiert mit Blei und härtendem [[Antimon]] fand es sich als „[[Bleisatz]]“ in den inzwischen historisch gewordenen [[Letternmetall|Schriftmetallen]]. [[Eisenblech]], auf Millimeterbruchteile ausgewalzt und einseitig verzinnt, wird als [[Weißblech]] bezeichnet. Haupteinsatzgebiet sind Dosen für Dauerkonserven. Ein in der Weltspitze agierender deutscher Erzeuger gibt für 2007/2008 eine Jahresproduktion von 1,5 Millionen&nbsp;t an.<ref>Rhein-Zeitung vom 22. August 2008.</ref> Zinn ist auch Hauptbestandteil aller Weichlote mit einem Schmelzpunkt <&nbsp;450&nbsp;°C. ==== Titan ==== [[Titan (Element)|Titan]] wird wegen seiner relativ niedrigen Dichte von 4,5&nbsp;g·cm<sup>−3</sup> und damit nur halb so schwer wie Stahl, aber gleich guten Festigkeitswerten, zudem unmagnetisch, seewasserfest und korrosionsbeständig, schon in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts besonders auf dem militärischen Sektor zunehmend verwendet: als Legierungsbegleiter bei Spezialstählen, als gefügestabilisierender Zusatz bei Gusseisensorten, als wichtiger Zusatz zu hochfesten, seewasserbeständigen Aluminiumlegierungen im Schiffbau. Um 1940 beginnt die Entwicklung von Titanlegierungen, eine Voraussetzung zum Bau von Düsentriebwerken für Luft- und Raumfahrt. Insbesondere Titanaluminid-Werkstoffe mit Zusätzen von Niob, Bor und Molybdän sind gemäß Fachpresse für Betriebstemperaturen von Flugzeugturbinen geeignet.<ref>{{Literatur |Titel=Erzmetall |Band=61|Nummer=4|Jahr=2008|Seiten=|DOI=}}</ref> In der Medizintechnik wird Titan für künstliche Gelenke ([[Endoprothesen]], [[Implantate]]) verwendet. Im Feingussverfahren ([[Wachsausschmelzverfahren]]) werden aus Titanlegierungen kleine bis kleinste Präzisionsteile hergestellt AlTi-, AlTiC- und AlTiB-Vorlegierungen dienen bei Aluminiumknet-, sowie Gusslegierungen zur Gefügebeeinflussung (Kornfeinung). Neue Titan-Vorkommen werden erschlossen, in Erwartung eines jährlich bis auf mehr als 100.000&nbsp;t ansteigenden Bedarfs, wobei Titan mit Cobalt und Nickel vergesellschaftet anfällt.<ref>{{Literatur |Autor=|Titel=WINDOWS Life|Sammelwerk=Focus Afrika|Band=|Nummer=1|Jahr=2008|Seiten=|DOI=}}</ref> ==== Kobalt ==== [[Kobalt]], ein silbriges Metall (Dichte 8,9&nbsp;g·cm<sup>−3</sup>) ist seit dem 15.&nbsp;Jahrhundert bekannt. Die gezielte Förderung von Kobalterzen beginnt, als gegen Ende des 16.&nbsp;Jahrhunderts durch Zufall wieder entdeckt wurde, was bereits den alten Ägyptern bekannt war: dass Kobalt Glasflüsse blau färbt. Für die Eisenindustrie ist Kobalt ein Zusatz zu hochwertigen Stählen. Neue Bedeutung erfährt Kobalt durch seine Eignung als Anodenmaterial bei der Herstellung von Lithiumionenakkus ([[Akkumulator|Akkus]]). Die Weltproduktion wird im Jahre 2007 auf 60.000&nbsp;t geschätzt, wovon zwei Drittel aus Zaire ([[Katanga (Provinz)|Katanga]])und [[Sambia]] kommen. Eine sehr große Reserve bieten die [[Manganknolle|Manganknollen]] der Tiefsee mit einem Gehalt von ca. 1 % Kobalt. ==== Molybdän ==== Mehr als 50 % der Weltproduktion von nahezu 200.000&nbsp;t p.&nbsp;a. (2008) an [[Molybdän]] (Dichte 10,2&nbsp;g·cm<sup>−3</sup>) werden mit zunehmender Rate als Stahlveredler und für Gusseisen eingesetzt. Die Elektroindustrie benötigt es für Katalysatoren, auch Pigmenthersteller nutzen es. Molybdän, Wolfram, Tantal (aus oxydischen Erzen wie Columbit, Tantalit und Kassiterit für sprunghaft steigenden Bedarf in der Mikroelektronik gewonnen) sowie Niob haben sehr hohe Schmelzpunkte – daher die Bezeichnung „Refraktärmetalle“ – und eine sich daraus ergebende Eignung für spezifische Verwendungen.<ref>{{Literatur |Autor=|Titel=Refraktärmetalle – Schlüsselwerkstoffe für die High-Tech-Industrie|Sammelwerk=Erzmetall|Band=61|Nummer=2|Jahr=2008|Seiten=|DOI=}}</ref> Ein Beiprodukt der Molybdängewinnung ist das seltene Edelmetall [[Rhenium]] (Dichte 21,04&nbsp;g·cm<sup>−3</sup>).<ref>{{Literatur |Titel=Erzmetall Band=61|Nummer=4|Jahr=2008}} Kommentar: Rio Tinto erwartet ab 2010 aus einer neuen Anlage zur Molybdängewinnung eine Jahresproduktion von 4500&nbsp;kg Rhenium.</ref> ==== Wolfram ==== [[Wolfram]] (Dichte 19,3&nbsp;g·cm<sup>−3</sup>) wird aus dem Abbau von [[Scheelit]]- und [[Wolframit]]<nowiki>erzen</nowiki> gewonnen, ist als Begleitelement von Stählen bekannt Weniger bekannt ist, dass es zur Entwicklung dauerhafter und kostengünstiger [[Glühlampe]]n des klassischen Typs beiträgt. Aufgrund des sehr hohen Schmelzpunktes von 3387&nbsp;°C ersetzen aus Wolfram hergestellte Glühfäden solche aus [[Osmium]] oder [[Tantal]].<ref>Die Markenbezeichnung OSRAM ist ein Kunstwort aus der ersten Silbe von '''Os'''mium und der letzten von Wolf'''ram.'''</ref> Die Verbindung [[Wolframcarbid]], chemisch WC, gehört mit einer [[Mohs-Härte]] 9,5 zu den härtesten Stoffen und wird daher als Beschichtung von [[Schneidwerkzeug]]en oder direkt als [[Schneidstoff]] in [[Hartmetall]]en eingesetzt. ==== Selen ==== [[Selen]] nach dem griechischen Wort „Selene“ für den Mond benannt, dem [[Tellur]] („Erde“) nahe verwandt, gehört mit den Metallen Molybdän und Wolfram in die VI. Hauptgruppe des [[Periodensystem]] der Elemente. Die Weltgewinnung von 2000&nbsp;t im Jahr 2007 –&nbsp;vorwiegend aus dem Anodenschlamm der Kupferelektrolyse&nbsp;– findet Verwendung unter anderem für die Herstellung farbiger Gläser, als Halbleiter in der Xerographie, als Bestandteil von Schmierstoffen und Pharmazeutika. ==== Silber ==== Silber wurde 2007 zu 30 % in Silberminen gewonnen, ein Drittel des Bedarfs fällt als Nebenprodukt bei der Blei- und Zinkgewinnung an, 27 % bei der Kupferraffination und weitere 10 % bei der Goldgewinnung. Nach der nahezu vollständigen Demonetisierung überwiegt seine industrielle Nutzung, die auf der alle anderen Metalle übertreffenden thermischen und elektrischen Leitfähigkeit beruht und für 2007 mit 55 % des Gesamtbedarfs angegeben wird. Mit einer Dichte von 10,5&nbsp;g·cm<sup>−3</sup> und einem Schmelzpunkt von 960&nbsp;°C ist Silber vielseitig verwendbar. Nach Entdeckung im 19. Jahrhundert seiner gleich Messing „bakteriziden“ Wirkung wird Silber nicht nur zu Gebrauchsgegenständen verarbeitet, die Silberbeschichtung von Griffen, Klinken und anderen vielfach berührten Metallteilen im öffentlichen Raum wird zum Silberverbraucher. Aus gleichem Grund wird es für chirurgische Instrumente verwendet, ferner für Apparaturen der Nahrungsmittelindustrie. Silberverbraucher sind auch in der Elektronik und Elektrotechnik (Silberdraht) zu finden. Silber-Zink-Akkus sind in der Entwicklung, die Energiedichte soll 40 % über der von Lithium-Ionen-Akkus liegen (siehe dazu auch unter „Recycling“). Schmuck und Bestecke beanspruchen nach Meldungen in Wirtschafts- und Fachpresse noch 25 % des Silberverbrauchs. Schmuck und Silbergeschirr werden traditionell teils handwerklich (Silberschmied), teils industriell (auf Silber spezialisierte Gießereien) hergestellt. Die Verwendung in der Fototechnik ist auf 15 % zurückgegangen. 5 % des Silberangebotes werden zu Gedenkmünzen und Medaillen geprägt.<ref>lt. F.A.Z.- Wirtschaftsmitteilungen|Band=|Nummer=207|Jahr=2008|</ref> Silber ist mit bis zu 0,25 % ein Legierungsbestandteil als „Silberbronze“ bezeichneter Kupferknetlegierungen. Silberhartlote auf Kupfer- oder Manganbasis können bis zu 87 % Silber enthalten In der Geschichte des Münzwesens hatte Silber lange eine bedeutende Rolle (siehe [[Silberwährung]]. ==== Uran ==== [[Datei:Pichblende.jpg|miniatur|Pechblende (auch Uranpecherz oder Uraninit)]] ''[[Uran]]'' ist ein giftiges, [[Radioaktivität|radioaktives]] (strahlendes) [[Schwermetalle|Schwermetall]] mit der sehr hohen [[Dichte]] von 19,1&nbsp;g·cm<sup>−3</sup>, das zur Gruppe der [[Actinoide]] gehört. Gegen Ende des 18.&nbsp;Jahrhunderts von [[Martin Heinrich Klaproth|Martin Klaproth]] entdeckt und als ''[[Uraninit|Pechblende]]'' bezeichnet, wird es seitdem bergmännisch gewonnen. Deutsche Vorkommen an Uranerz wurden bis 1990 in erheblichem Umfang ausgebeutet(Schlema-Alberoda). 1898 beobachtete [[Antoine Henri Becquerel|A. H. Becquerel]] die Strahlung der Pechblende, allerdings ohne deren menschliches Gewebe schädigende Wirkung zu erkennen. [[Pierre Curie|Pierre]] und [[Marie Curie]] isolierten darauf die enthaltenen, stark strahlenden [[Chemisches Element|Elemente]] ''[[Polonium]]'' und ''[[Radium]].'' Nicht die geringen Anteile dieser beiden Elemente im Uran machen es zum radioaktiven [[Alphastrahlung|Alphastrahler]], sondern der Gehalt an den [[Isotop]]en 235 und 238. Soweit diese nicht abgereichert, sondern angereichert werden (Zentrifugentechnik), entsteht „waffenfähiges Uran“ als ein erster, jedoch weitere starke Anreicherung erfordernder Ausgangsstoff für Kernwaffen (siehe auch unten). Alle radioaktiven Elemente sind mehr oder weniger instabil. Einige zerfallen bereits nach Sekunden, andere erst nach Millionen von Jahren, der Maßstab ist die sogenannte [[Halbwertszeit]]. Für Uran 238 werden hierfür 4,5 Milliarden Jahre angegeben, für das Isotop 235 sind es 704 Millionen Jahre und für waffenfähiges Plutonium „nur“ 88 Jahre. Endstufe dieses [[Radioaktivität|atomaren Zerfalls]], der auch die Altersbestimmung von Elementen erlaubt, ist stets Blei. Die jährliche Uranproduktion weltweit wird für 2007 mit 40.000&nbsp;t angegeben, der Verbrauch mit 60.000&nbsp;t. Die Lücke wird durch Auflösung aus militärischen Gründen gehorteter Bestände geschlossen.<ref>lt. F.A.Z.- Wirtschaftsmitteilungen |Band=|Nummer=193|Jahr=2008</ref> Die Ansichten über den globalen Vorrat an Uranerz sind strittig, 10 % der Vorräte sollen sich in Westaustralien befinden, müssen aber noch erschlossen werden.<ref>lt. F.A.Z.- Wirtschaftsmitteilungen |Band=|Nummer=220|Jahr=2008</ref> Die Weiterverarbeitung des geförderten Uranerzes orientiert sich an chemisch-metallurgischen Prinzipien der [[Laugen|Laugung]], [[Fällungsreaktion|Fällung]] und [[Filtration]] mit dem Zwischenprodukt ''[[Yellowcake]].'' Das gewonnene metallische Uran ist unverändert radioaktiv und ohne weitere Behandlung praktisch nur begrenzt nutzbar. Isoliertes Radium (auch die Isotopen) wurde früher in der Strahlenmedizin eingesetzt. „Abgereichert“ (das heißt in seiner nicht [[Kernspaltung|spaltbaren]] Form, wird Uran sehr unterschiedlich verwendet. In der [[Rüstungsindustrie]] dient es wegen seiner Härte gleichermaßen für Panzerplatten, wie für panzerbrechende Munition. Es findet sich ferner als Strahlenschutzmaterial, als Stahlzusatz und in der Luftfahrtindustrie. „Angereichert“ wird Uran genannt, wenn in einem aufwändigen Prozess der Anteil des Isotops 235 auf 4 % gesteigert worden ist. Damit wird es zum Ausgangsstoff der nuklearen, [[Kohlenstoffdioxid|CO<sub>2</sub>]]-freien [[Energiequelle|Energiegewinnung]] im [[Kernkraftwerk]]. [[Plutonium]] entsteht dort als Beiprodukt, es kann im „nuklearen Kreislauf“ erneut zu [[Brennelement]]en verarbeitet werden oder der Herstellung von [[Kernwaffe|nuklearen Sprengkörpern]] dienen. ==== Reinstmetalle ==== Eine Reihe von Metallen, die in höchster Reinheit von >&nbsp;99,9999 und in extrem dünnen Schichten als [[Halbleiter|Verbindungshalbleiter]] in der Elektronik und Energieerzeugung (u.&nbsp;a. für [[Solarzelle]]n) eingesetzt werden. Sie bestehen aus Verbindungen von Aluminium, Gallium und Indium (3. Hauptgruppe) mit Stickstoff, Phosphor, Arsen und Antimon (5. Hauptgruppe des periodischen Systems).<ref>{{Literatur |Autor=|Titel=Metalle – Motor der Kommunikations- und Energietechnik|Sammelwerk=Erzmetall|Band=61|Nummer=|Jahr=2008|Seiten=|DOI=}}</ref> === Edelmetalle === [[Datei:Agricola01.jpg|miniatur|Treibarbeit zur Silbergewinnung (16.&nbsp;Jahrhundert)]] Die Gewinnung von [[Gold]], seit dem Jahr 600&nbsp;v.&nbsp;Chr. erstmals als geprägtes Zahlungsmittel ([[Stater|Goldstater]]) verwendet, wird in der Geschichtsschreibung erstmals für die ertragreichen Minen der mythischen [[Königin von Saba]] erwähnt. In Deutschland begann sie mit dem Fund von Flussgold (Rheingold). Es wurde nach einem zeitgenössischen Bericht aus dem 12.&nbsp;Jahrhundert mittels der heute noch geläufigen [[Goldwaschen|Goldwäsche]]-Technik aus dem Fluss gewaschen. Silber zählt wie Kupfer zu den ältesten von Menschen genutzten Metallen. Ausgehend von ungeprägtem Silber kam es zur [[Geld|Monetarisierung]], Silber wurde Zahlungsmittel. Silberstatere sind seit 600&nbsp;v.&nbsp;Chr. aus [[Makedonien]] bekannt, China erhob den gegossenen [[Tael|Silbertael]] zum Maßstab. Wirtschaftlich bedeutend für Europa waren im 14. Jahrhundert der Abbau und die Verhüttung von Silbererzen in den Muldenhütten im sächsischen Erzgebirge sowie der industriell betriebene Silberabbau im österreichischen Tirol mit Zentrum in [[Schwaz]], wo man im 15. und 16.&nbsp;Jahrhundert jährlich 30&nbsp;t Silber gewann. Begünstigt wurden diese Standorte durch ein reichliches Holzangebot als Brennmaterial und Wasserkraft zum Betrieb der Blasebälge. Die europäische Silbergewinnung verlor erst an Bedeutung, als im 16. Jahrhundert nach Unterwerfung der mittelamerikanischen Kulturen zahllose Schiffsladungen Gold und Silber nach Europa gelangten. Von 1494 bis 1850 sollen allein an die 4700&nbsp;t Gold aus den spanischen Besitzungen gekommen sein. Die eingeführten Silbermengen waren so groß, dass sie eine Monetarisierung erlaubten. Landesherrliche Münzstätten prägten Silbertaler (u.&nbsp;a. den [[Maria-Theresien-Taler]]) als [[Silberwährung]]) Die Ausgabe von Papiergeld zur Erleichterung des Umgangs mit größeren Geldmengen war nur deshalb möglich, weil jederzeit der Umtausch gegen Gold ([[Goldwährung]]) oder Silber möglich war. Vor allem die [[Goldstandard|Golddeckung]] einer [[Währung]] garantierte die besondere Solidität eines Staatswesens. In dieser Zeit entstanden daher auch die nationalstaatlichen [[Münzprägeanstalt|Münzen]] als industrielle Betriebe. Noch während des Ersten Weltkriegs und in den darauf folgenden Jahren mussten die großen, auf Grund der Kriegsführung überschuldeten Wirtschaftsnationen, eine nach der anderen, den Goldstandard ihrer Währung –&nbsp;also die Garantie, [[Banknote|Papiergeld]] jederzeit in Gold umzutauschen&nbsp;– aufgeben. Lediglich die USA verpflichteten sich nach dem Zweiten Weltkrieg nochmals, Papierdollar jederzeit in Gold zu tauschen, mussten diese Garantie aber 1971 wieder aufgeben. Es kursierten –&nbsp;von Sonderprägungen wie dem [[Krugerrand|Krügerrand]] abgesehen&nbsp;– keine [[Goldmünze]]n mehr. In einigen Ländern (unter anderem in der Schweiz) waren noch [[Silbermünze]]n im Umlauf; diese wurden aber lange vor dem Ende des 20.&nbsp;Jahrhunderts eingezogen. Papiergeld und Münzen aus Nickel oder Kupfer traten an die Stelle von Gold und Silber, gemäß dem volkswirtschaftlichen Axiom ([[Greshamsches Gesetz]]): „Schlechtes Geld verdrängt das gute Geld.“ Nicht nur geblieben, sondern gestiegen ist dagegen das Hortungsbedürfnis der Staaten und der privaten Anleger. Dazu kommt eine wachsende Nachfrage nach [[Edelmetalle]]n für zum Teil ganz neue industrielle Produktionen. Beides sichert den Betrieb der Goldbergwerke und die hüttenmäßige Weiterverarbeitung. Für 2007 wird eine Weltgoldgewinnung von ca. 2500&nbsp;t angenommen. Zwei Drittel davon werden zu Schmuck verarbeitet, der nach den Methoden klassischer Halbzeugfertigung (Blockguss und Verwalzen) hergestellt wird. Lediglich 10 % gehen in Sonderprägungen von Münzmetallen ein, wozu die Rohlinge aus den auf entsprechende Stärke gewalzten Goldblechen erst ausgestanzt und anschließend mit Stempeln und Matrizen unter hohem Druck geprägt werden. Einige hundert Tonnen gehen in die Elektroindustrie, in die Glasbeschichtung und die Dentaltechnik. Vergleichend wird in Statistiken für 1999 eine Weltsilbergewinnung von 17.300&nbsp;t genannt. Zunehmende Mengen verarbeitet die Elektronikindustrie.<ref>Damit wird die allgemein vertretene Ansicht begründet, Silber sei heute weniger den Edelmetallen als den industriell genutzten Metallen zuzuordnen. ''F.A.Z.'' Nr. 8, 2008.</ref> Zu den im 21. Jahrhundert in der elektronischen Kommunikation („Handy“, PC) metallurgisch zunehmend genutzten Edelmetallen<ref>ein „Handy“ enthält zwar nur 24&nbsp;mg Gold und 9&nbsp;mg Palladium, aber 2006 wurden davon über 1 Milliarde verkauft, wweiteren Zahlenangaben in {{Literatur |Autor=Ulrich Grillo|Titel=NE-Metallindustrie – ökonomisch und ökologisch wertvoll|Sammelwerk=Erzmetall|Band=61|Nummer=3|Jahr=2008|Seiten=162|Online=[http://www.world-of-metallurgy.de/inhalt/h2008_3.pdf PDF]}}</ref> gehören nicht nur die seit dem 19. Jahrhundert bekannten Elemente [[Platin]] und [[Palladium]], sondern die gesamte Gruppe der Platinmetalle, einschließlich des in der Frühzeit der [[Glühlampe|Glühbirne]] für Glühfäden bedeutenden [[Osmium]]s, auch des [[Iridium]]s. Neueren Meldungen der Wirtschaftspresse zufolge (unter anderem ''Frankfurter Allgemeine Zeitung''), gibt es für alle Platinmetalle ergiebige Vorkommen im sibirischen [[Jenissei]]-Gebiet, in dem aus [[Tektonik|tektonischen]] Gründen –&nbsp;so die Meldungen&nbsp;– fast alle zukunftsträchtigen Rohstoffe (zudem Erdgas und Erdöl) sozusagen „gebündelt“ zu finden sind. Im Jahre 2007 sagen die gleichen Quellen dies erstmals auch der Nordpolarregion nach. Bei 4000&nbsp;m Meerestiefe ist die Problematik der Ausbeutung nicht geringer als die der längst bekannten unterseeischen Manganknollen. Demgegenüber steht 2007 ein Produktionsdefizit bei Platin, das auf den Bedarf für Automobilkatalysatoren, aber auch für Schmuck zurückgeführt wird.<ref>F.A.Z. v. 18. Juli 2008 meldet das Defizit für 2007 mit 480.000 Unzen bei weiter steigendem Bedarf und verringertem Angebot</ref> Das ebenfalls für Katalysatoren genutzte, zur Gruppe der Platinmetalle gehörende [[Rhodium]] wird daher zunehmend nachgefragt.<ref>laut Börsennotiz stieg im Jahresverlauf 2008 der Preis für die Unze (31,1&nbsp;g) auf >&nbsp;9500&nbsp;USD<br/>{{Literatur |Titel=Erzmetall|Band=|Nummer=4|Jahr=2008}}</ref> Goldminen werden heute selbst bei Gehalten von nur wenigen Gramm Gold je Tonne abgebauten Materials als ausbeutungswürdig angesehen. [[Südafrika]] erzielt im Grubenabbau (Sohlentiefe 900 bis 4000&nbsp;m) fallweise bis zu 20&nbsp;g Gold/Tonne. Ein übliches, umweltschädliches Aufbereitungsverfahren ist immer noch die [[Gold#Cyanidlaugerei|Cyanidlaugung]] des goldhaltigen Erzes. Im Jahr 2007 wird sie ungeachtet der davon ausgehenden Umweltgefährdung noch im Distrikt „Roter Berg“ ([[Roşia Montană]]) betrieben, der nördlich der rumänisch/siebenbürgischen Stadt [[Alba Iulia]] gelegenen ist und bereits von den Römern genutzt wurde. Für die nächsten 20&nbsp;Jahre sollen jährlich immerhin eine Million [[Unze]]n gewonnen werden (Stand 2007).<ref>laut einer auf „mining-technology“ 4/2010 bezugnehmenden Notiz in ERZMETALL 63/2010 No.&nbsp;2, S.&nbsp;97 untersagt Ungarn auf seinem Staatsgebiet die Cyanidlaugung und will dies im Zuge seiner EU-Ratspräsidentschaft auch europaweit durchsetzen.</ref> Neu erschlossen werden soll ein ca. 550&nbsp;t enthaltendes Vorkommen in den chilenischen Anden (Pascua Lama).<ref>''F.A.Z.'' Nr. 8, 2008.</ref> Silbererze, sofern mit Silbergehalten von mehr als 50 %, werden nach Aufbereitung einem nasstechnischen, [[amalgam]]ierenden Verfahren unterzogen, aber auch elektrolytisch behandelt&nbsp;– insofern dem in vieler Hinsicht verwandtem Kupfer vergleichbar. Bei ärmeren Erzen, bei denen Silber oft ein Beiprodukt ist, wird mit den üblichen Methoden des [[Rösten (Metallurgie)|Röstens]], [[Laugen]]s, [[Chlorieren]]s und [[Trennverfahren (Verfahrenstechnik)|Abtrennens]] gearbeitet. Klassische Prozesse der Trennung des Silbers von seinem Begleiter Blei sind „Parkesieren“ und „Pattinsonieren“, dem dabei gewonnenen „Reichschaum“ folgt die Treibarbeit. Bei einer Welterzeugung von weniger als 20.000&nbsp;t pro Jahr fallen Silber und Gold mit prozentual bedeutendem Anteil zudem bei der Raffination von Kupfer ([[#Kupfer|siehe dort]]) an. [[Affinerie|Scheideanstalten]] sind vielseitig im Recycling von Edelmetallen. Den Marktbedürfnissen folgend, trennen sie edelmetallhaltige Stoffe, gleich ob fest oder flüssig, in ihre einzelnen Bestandteile. Galvanisch erzeugte Goldüberzüge aus Edelmetall, wie sie für die Aufwertung von dekorativen Gegenständen, aber weitaus häufiger für Kontakte elektronischer Geräte erforderlich sind, führen zu aufarbeitungswürdigen Edelmetallschlämmen. Wirtschaftlich bedeutend ist die Rückgewinnung von Platin und die Trennung des Goldes von begleitendem Silber. Die im Scheideprozess anfallenden reinen Metalle verarbeiten die Betriebe entweder selbst zu Zwischen- und Endprodukten, von Schmuckketten bis zu Goldloten, oder veräußern sie an spezielle Verbraucher. Banken kaufen Feingoldbarren (24 [[Karat]]) und bieten sie als Wertaufbewahrungsmittel an. Legierte Barren und Halbzeuge (Ketten, Drähte, Bänder, Bleche) werden von der Schmuckindustrie verlangt, verbreitet als 14-karätiges Gold mit 585&nbsp;‰ Goldgehalt. Der durch Recycling erzielte Wert der verschiedenen Edelmetalle trägt in allen Fällen die Kosten der stofflichen Wiedergewinnung. Ein auf dem Sektor Edelmetalle bekanntes deutsches Unternehmen nennt für 2008 einen „Produktumsatz“ von 2,9 Milliarden € und einen zusätzlichen Handelsumsatz von 9,3 Milliarden €.<ref>F.A.Z. Wirtschaftsmeldung vom 29. April 2008</ref> ==== Alchemie, ein Exkurs ==== [[Alchemie]], auch Alchimie, oder (da aus dem arabischen kommend) Alchymie, begann um 200&nbsp;n.Chr. im griechischsprachigen Raum zum Beginn einer ernsthaften Beschäftigung mit der Natur chemischer Stoffe zu werden. Da wichtige metallurgische Techniken zu dieser Zeit bereits gut entwickelt waren, ist die Alchemie als ein Ableger, nicht als Begründer, der Metallurgie anzusehen. Die [[Vier-Elemente-Lehre]] des [[Empedokles]] (Feuer, Wasser, Erde, Luft), ebenso die aristotelische Theorie des [[Hylemorphismus]], der möglichen Stoffumwandlung durch Entzug unedler Eigenschaften, mündeten in die Suche nach dem „[[Stein der Weisen]]“, dessen Besitz die Umwandlung unedler Metalle in [[Gold]] gewährleisten sollte. Gold war den Landesherren des ausgehenden Mittelalters und zu Beginn der neuen Zeit wichtig, denn es konnte Kriegskassen füllen, die der Machterweiterung dienten. Das historisch bekannteste Nebenprodukt alchemistischer Bemühungen war kein neues Metall, sondern 1708 die Wiedererfindung des, den Chinesen bereits seit 700&nbsp;n.Chr. bekannten, weißen [[Hartporzellan]]s durch [[Johann Friedrich Böttger|J. F. Böttger]], dem ursprünglich als Goldmacher verpflichteten Gehilfen des [[Ehrenfried Walther von Tschirnhaus|E. W. von Tschiernhaus]]. Bereits im 16.&nbsp;Jahrhundert leitete [[Paracelsus]] (1493–1541), im 17.&nbsp;Jahrhundert [[Robert Boyle|R. Boyle]] (1627–1691) und im 18.&nbsp;Jahrhundert [[Antoine Laurent de Lavoisier|A. L. de Lavoisier]] (1743–1794) die Alchemie in die wissenschaftliche [[Chemie]] über, die von da an in der Entwicklungsgeschichte der Metallurgie Bedeutung gewinnt. == Recyclingmetallurgie == [[Datei:Schrott.jpg|miniatur|Schrott (im Bild noch unsortierter Sammelschrott) wird in den metallurgischen Kreislauf rückgeführt]] Eine „Metallhütte“ und ein „(Um-)schmelzwerk“ unterschieden sich ursprünglich sehr klar von einander, heute verwischt dies der Sprachgebrauch häufig und wird dabei durch die technische Entwicklung unterstützt. In einer Metallhütte wird Eisen, Kupfer, Zink oder ein anderes Industriemetall erstmalig dargestellt, im Umschmelzwerk (Umschmelzhütte) wird aus bisheriger Nutzung entlassenes Metall auf- oder umgearbeitet. Aus diesem Unterschied wird –&nbsp;in terminologischer Anlehnung an Beispiele aus anderen Bereichen&nbsp;– einerseits aus der Metallhütte die „Primärhütte“, die eine „Primärerzeugung“ betreibt. Ihr Produkt sind „Primärmetall“ und entsprechend auch „Primärlegierungen“. Die Umschmelzhütte dagegen wird zur „Sekundärhütte“, die mittels Einsatz von Altmetallen und Schrotten eine „Sekundärerzeugung“ betreibt. Sie stellt „Sekundärmetall“ her und daraus auch „Sekundärlegierungen“. Damit wird von ihr der Anspruch an Ressourcenschonung erfüllt. Dies ist keine erst neuerdings entdeckte Verfahrensweise, denn ''Schrott'' wurde schon immer umgeschmolzen. Die Rückführung in den metallurgischen Kreislauf wird heute verbreitet als ''Recycling'' bezeichnet. „Nachhaltigkeit“ und „verlängerter Lebenszyklus“ sind andere zeitbedingte Ausdrücke für sparsamen Umgang mit wertvollen Rohstoffen. Hierfür ist ein optimiertes Produkt-Design, das Materialverbrauch und Lebenszyklus einbezieht, mit der stofflichen Wiedergewinnung gleichrangig.<ref>{{Literatur |Autor=Günther Fleischer|Titel=Nachhaltiges Produkt-Design zur Förderung der Verwendung von NE-Metallen|Sammelwerk=Erzmetall|Band=60|Nummer=6|Jahr=2007|Seiten=332 f.|ISSN =1613-2394}}</ref> Am Beginn wirtschaftlicher Recyclingmetallurgie steht seit einem Jahrhundert das Sortieren so genannter Sammelschrotte, also metallurgisch gesehen nicht sortenreiner Materialien. Was mit angeeigneter Kenntnis beim Sortieren der Schrotte begonnen hat, wird heute durch die „sensorgestützte Sortierung“ perfektioniert.<ref>Die RWTH Aachen unterhält ein damit befasstes „Institut für Aufbereitung“</ref> Zwei Kriege haben mit ihrer zeitweisen Knappheit an primärem Metall die sekundäre Erzeugung der primären gleichwertig werden lassen, besonders deutlich bei Kupfer sowie Aluminium. Aus einer „norddeutschen Kupferhütte“ ist eine beide Sparten betreibende Werksgruppe entstanden, deren Aufgabenbereiche verzahnt sind. Wo eine sortenreine Trennung der Kupferschrotte fehlt und sich ein einfaches Umschmelzen verbietet, greift die [[Raffination|Raffinerie]] mit ihren an der Erzverarbeitung orientierten Möglichkeiten ein. Es ist dann auch normal, dass man zur Wiedergewinnung von Reinkupfer die Begleitelemente der Schrotte „verbläst“, sie also oxidiert. Die entstandenen Oxide können, sofern wertvoll genug, ihrerseits durch Reduktion wieder zu reinen Metallen werden und in den metallurgischen Kreislauf zurückkehren. Bei der elektrolytischen Kupferraffination fallen Anodenschlämme an, die noch Kupfer, Silber und Gold, auch Selen und Tellur enthalten, was mit „Edelmetallrückgewinnung“ bezeichnet wird.<ref>{{Literatur |Autor=James E. Hoffmann|Titel=The worlds most complex metallurgy revisited|Sammelwerk=Erzmetall|Band=61|Nummer=1|Jahr=2008|Seiten=6 f|DOI=}}</ref> Da diese Schlämme ein Kuppelprodukt darstellen, kann man ihre Aufbarbeitung entweder dem primären Prozess, oder aber dem Recycling zuordnen. Aluminiumhersteller betreiben seit Jahren die Primär- und Sekundärerzeugung parallel. Das heißt, sie gewinnen nicht nur Rohaluminium aus der Elektrolyse, sondern stellen auch „Sekundärlegierungen“ aus Rücklaufmaterial und sortierten Abfällen und Schrotten (beispielsweise Getränkedosen) her. Diese Sekundärlegierungen sind qualitativ mit den primären vergleichbar, erfordern aber nur 5 % der Energiekosten des primär gewonnenen Metalls, ein Faktor, der auch unter dem Gesichtspunkt eines dem Weltklima dienlichen, reduzierten Energieverbrauchs weltweit Beachtung findet.<ref>lt F.A.Z. vom 15. Januar 2010, S.&nbsp;12, meldet eine Wirtschaftsnotiz „Aluminiumschrott wird knapp“. Man bezieht sich auf Angaben des VAR (Verband der Aluminiumrecycler), wonach China seine Schrotteinfuhren aus Europa im Jahr 2009 auf 550.000&nbsp;t verdoppelt hat.</ref> Internationale, in der Primärerzeugung tätige Konzerne bauen deshalb schrittweise ein eigenes Netz von Recycling-Hütten auf. In größeren Gießereien mit eigener Nachbearbeitung fallen relativ große Mengen von Spänen an,<ref>Ein Hersteller von Automobilrädern nennt hierzu 30&nbsp;t täglich.</ref> die nicht völlig problemlos recycliert werden können. Späneschmelzöfen mit innovativem Rührwerk und Seitenkanalpumpe ermöglichen aber auch in dieser Größenordnung wirtschaftliches Recyceln im eigenen Haus.<ref>{{Literatur |Titel=Erzmetall |Band=61|Nummer=1|Jahr=2008|Seiten=46}}</ref> Dazu gehört auch die Verwertung der prozessbedingt<ref>zu recycelnde Schrotte, Abfälle und auch Krätzen werden im Drehtrommelofen mit einem Zusatz von 50 % eines Salzgemischs aus Alkalichloriden und Flussspat eingeschmolzen</ref> anfallenden metall- und oxidhaltigen Salzschlacken, deren Deponierung stets umstritten und auch wirtschaftlich unbefriedigend war. Stand der Technik ist inzwischen ein nach Pressemitteilungen des Marktführers (ALSA) fast rückstandsfreies Vollrecyclingverfahren, dessen Bedeutung sich daraus ergibt, dass jede Tonne Sekundäraluminium zugleich den Anfall von 500&nbsp;kg Salzschlacke bedingt. Der mit 450.000 Jahrestonnen weltgrößte Salzschlackeaufbereiter AGOR AG gibt den weltweiten, jährlichen Anfall an Salzschlacken mit 4,5 Millionen&nbsp;t an.<ref>{{Literatur |Titel=Erzmetall |Band=61|Nummer=4|Jahr=2008|Kommentar=Presse-Information vom 24. Juni 2008}}</ref> In Umkehrung ursprünglich gegebener Verhältnisse können auch die zu „Recyclern“ gewordenen einstigen Umschmelzhütten heute nicht nur Sekundärlegierungen in den Markt bringen, sondern auch aus sortenreinen Knetlegierungsabfällen Walzbarren in einer der primären Erzeugung gleichen Qualität gießen. Mit zugekauftem, primärem Reinaluminium stellen sie sogar Legierungen her, die als „Primärlegierungen“ bezeichnet werden dürfen. In der Stahlerzeugung findet das Recycling von Schrotten heute überwiegend im [[Lichtbogenofen|Elektrolichtbogenofen]] statt, der seine Effizienz aus dem frischenden, also Sauerstoff abgebenden „Eisenoxidgehalt“ der Schrotte bezieht. Hier gilt die Aussage: „Je rostiger, desto besser!“ Die bei der Stahlerzeugung anfallenden Schlacken unterliegen allein schon wegen des Mengenanfalls von jeher wirtschaftlicher Betrachtung, wobei zwischen der Verwertung der entmetallisierten Schlacke und den Methoden der Entmetallisierung zu unterscheiden ist. Der trockenen Aufbereitung metallhaltiger Schlacken wird der Vorzug gegeben. Die nach Abtrennung aller metallischen Anteile verbleibenden Fraktionen finden verbreitet in der Baustoffindustrie Verwendung.<ref>Andreas Jungmann, Andreas Schiffers, „Dry processing and High Quality Apllications for Steel slag“, ERZMETALL- World of Metallurgy 63/2010 No. 1, S.13f.</ref> Zinkschrotte mit dem Hauptbestandteil Zink können wieder zu einer Legierung werden. Häufig fällt verzinkter Eisenschrott an, dessen Zinküberzug durch Erhitzen bis zur Verdampfungstemperatur des Zinks (907&nbsp;°C) freigesetzt wird. Das verdampfte Zink wird durch Abkühlung niedergeschlagen, oder der Zinkdampf durch Einblasen von Sauerstoff zu [[Zinkoxid]] oxidiert, das als „Zinkgrau“ und „Zinkweiß“ zur Grundlage von Anstrichen („[[Anstrichmittel|Malerfarben]]“) dient („[[Anstrichmittel|Vorstreichfarbe]]“). Ein bedeutender Industriezweig ist die Wiederaufarbeitung von Bleiakkus, mehrheitlich solcher aus Automobilen, weil dort die Starterbatterien weit überwiegend den Energielieferer und -speicher darstellen. „Altakkus“ fallen daher in großen Mengen an, können jedoch nicht wie beliebiger Schrott eingeschmolzen werden, sondern verlangen eine Vorbehandlung, die sie von Säureresten und Ablagerungen befreit. Qualitativ wird es dann zu [[Werkblei]], kann aber durch [[Seigerung]]stechnik oder Elektrolyse weiter raffiniert und neu legiert werden. Über [[Blei(II)-oxid|Bleiglätte]] ([[Blei|Pb]]O) gelangt man zu den (giftigen) Farben [[Bleiweiß|basisches Bleicarbonat]] und [[Blei(II,IV)-oxid|Bleitetraoxid]]. Wichtig ist, dass der Stand der Technik die hundertprozentige Recyclierbarkeit aller Teile und Inhalte solcher Batterien sichert.<ref>Presseinformation BERZELIUS vom 16. November 2009, wiedergegeben in ERZMETALL 63/2010 No.&nbsp;1, S.&nbsp;40, „die Bleibatterie hat Zukunft“.</ref> Komplexer als die Aufarbeitung von Kfz-Batterien und Gegenstand intensiver Forschung ist die Aufarbeitung von Gerätebatterien mit Gehalten von Lithium, Nickel, Cadmium und noch anderen Elementen. Je nach System haben sie einen Wertmetallinhalt von 35–85 %.<ref>E. Rombach et al.: ''Altbatterien als sekundäre Rohstoffressourcen für die Metallgewinnung.'' In ''ERZMETALL,'' s.&nbsp;a.&nbsp;a.&nbsp;O.</ref> Einer in der Fach- wie Wirtschaftspresse veröffentlichten Information zufolge wird die Entwicklung von Silber-Zink-Akkus vorangetrieben, da sie im Gegensatz zu Lithium-Ionen Batterien vollständig und zudem relativ leicht recycelbar seien.<ref>{{Literatur |Titel=Erzmetall |Band=61|Nummer=5|Jahr=2008|Seiten=335}}</ref> == Ofentechnik == [[Datei:RogesaHochofen5.jpg|miniatur|[[Hochofen]] der [[Dillinger Hütte]]]] [[Datei:Siemensmartin12nb.jpg|miniatur|[[Siemens-Martin-Ofen]] von 1895]] Die Ofentechnik<ref>siehe auch bei Zeerleder, Düsseldorf 1953</ref> dient zunächst der Erfüllung aller metallurgischen Aufgaben, die sich im Zuge der Verhüttung metallischer Ausgangsstoffe im Rahmen thermischer Prozesse ergeben. Es beginnt mit der Metallgewinnung aus Erzen. Sulfidische Erze, wie [[Pyrit]] (Schwefelkies) werden oxidierend behandelt (Röstarbeit). Oxidische Erze wie [[Hämatit]] werden durch [[Reduktion (Chemie)|Reduzieren]] und Desoxidieren erschmolzen. Dies geschieht durch entsprechende Zuschläge sowie reduzierende (luftunterschüssige) Flammen- oder Ofenführung. Dem folgt die Weiterverarbeitung der gewonnenen Metalle. Sie beginnt mit der Vereinheitlichung diskontinuierlich erbrachter Chargen im Mischer. Es schließen sich das Raffinieren und Legieren, das Vergießen (Warmhalte- oder Gießofen) und die Wärmebehandlung an, die je nach Legierung und Gießart vorzunehmende Nachbehandlung des Gusses. Letztere erfolgt mit Hilfe von Stoßöfen, [[Anlassen|Anlassöfen]] (Blockvorwärmung), [[Glühen|Glühöfen]] (Entspannungsglühen, Warmauslagerung, [[Austenit]]isierung von Stahlguss) und [[Tempern|Temperöfen]] (entkohlende Gussteilhärtung in Glühkohle). Geschichtlich steht am Anfang dieser Entwicklung allein der offene Herd, der aus einem Gemenge von Erz und Brennstoff flüssiges Metall austreten lässt. Es folgt der geschlossene Herd mit natürlichem Zug oder mit höhere Temperaturen bringender Luftzufuhr mittels [[Blasebalg]] oder [[Blasrohr]] (dazu bildliche Darstellunmgen aus altägyptischer Zeit). Schon um 1500&nbsp;v.&nbsp;Chr. wird aus dem ägyptischen [[Theben (Ägypten)|Theben]] über große mit menschlicher Kraft bediente zweitaktige (Blasen – Saugen), lederne Blasebälge als Hilfe beim Schmelzen von Metall berichtet. Es geht weiter mit dem frühgeschichtlichen Niederschachtofen, der sich mit immer besserer Gebläsewindzuführung zum Hochschachtofen ([[Hochofen]]) mit immer größer werdendem Gestelldurchmesser (11&nbsp;m misst er beim 60&nbsp;m hohen Ofen B der Salzgitter Flachstahl&nbsp;GmbH) und sich daraus ergebenden Beschickungsmengen von bis zu zehntausend Tonnen weiterentwickelt. Die Grenze der Wirtschaftlichkeit gilt damit indessen als erreicht und die Technik wendet sich wieder verstärkt dem [[Siemens-Martin-Ofen]] und den Elektroöfen zu, zumal sie die Möglichkeit bieten, Stahl nicht nur aus Roheisen, sondern auch aus Schrotten zu erzeugen. Sie regenerieren diese damit zugleich (siehe auch [[#Recyclingmetallurgie|Recyclingmetallurgie]]) und benutzen zum „Frischen“, also der Verbrennung des Kohlenstoffs, den Sauerstoff aus den Rostanteilen des Schrotts (Rost als Fe<sub>2</sub>O<sub>3</sub> enthält Sauerstoff und ersetzt insofern die Gebläseluft). Der Elektro-Niederschachtofen, als [[Lichtbogenofen]] ausgelegt, liefert aus Erz-[[Pellet]]s und [[Kohlenstoff]] als reduzierender Zugabe Elektro-Roheisen im Direktreduktionsverfahren. Vom Hochschachtofen abgeleitet ist der [[Kupolofen]] (abgeleitet von lateinisch ''cupola,'' Kuppel) als Gießereischachtofen für die Herstellung von Eisenguss ([[Gusseisen|Grauguss]]). Eine Seitenlinie stellt der brennstoffbeheizte Heißwind-Kupolofen dar, weil er als „kleiner Hochschachtofen“ die Bedürfnisse der Eisengießereien nach schnellem Wechsel unter den gerade zu verarbeitenden Gusseisensorten befriedigen kann. Allen genannten Systemen –&nbsp;ob Herd, Nieder- oder Hochschachtofen&nbsp;– ist gemeinsam, dass Schmelzgut, Schlackenbildner ([[Kalkstein]]) und Brennstoff in direktem Kontakt stehen. Eine Weiterentwicklung führt zu Öfen, bei denen eine heiße Flamme, die oxidierend oder reduzierend eingestellt werden kann ([[Flammofen]]), über das brennstofffreie Schmelzgut streicht oder überhaupt keine Flamme mehr, sondern nur noch heiße Verbrennungsgase auf dieses einwirken. Andere Systeme nutzen von der Ofendecke abgestrahlte Wärme (auch durch in dieser eingelassene [[Heizwiderstand|Heizwiderstände]])<ref>siehe Heizleiterlegierungen</ref> zum Erhitzen des Schmelzgutes („Deckenstrahlheizung“). Der Ofenraum ist in diesem Fall eine geschlossene, feststehende Wanne ([[Glasschmelzwanne|Wannenofen]]) oder ein drehbarer Zylinder ([[Trommelofen]]), mit stirnseitiger Beschickungs- und Entnahmeöffnung, in seiner Kurzform als [[Kurztrommelofen]] bezeichnet. Ein schon recht früh vollzogener Entwicklungsschritt war es, die heißen Verbrennungsgase, statt ins Freie, durch einen [[Rekuperation (Technik)|Rekuperator]] ([[Wärmeübertrager]]) zu leiten, der die Gebläseluft vorwärmt; beispielgebend sind die ''Cowper'' genannten [[Winderhitzer]] bei Hochöfen und der [[Siemens-Martin-Ofen]] mit Regenerativfeuerung System Martin. Die dort erstmals in technischem Maßstab eingeführte Vorwärmung der Verbrennungsluft durch die Abwärme gilt längst als Stand der Technik. Die Abgasverbrennung als zusätzliche Wärmequelle sowie die optimierte, wärmeerhaltende Isolierung der Schmelzwanne sind weitere Schritte zu verbesserter Effizienz der Öfen. Ein Ofenhersteller gibt bei gleichgebliebenem Energieeinsatz ein erzielbares Leistungsmehr von 20–30 % an.<ref>{{Literatur |Titel=Erzmetall |Band=61|Nummer=5|Jahr=2008|Seiten=333}}</ref> Die Darstellung der „Ofentechnik“ unterscheidet zwischen brennstoffbeheizten Öfen (Holz, Kohle/Koks, Öl, Gas) und elektrisch beheizten Öfen, wie [[Widerstandsofen|Widerstandsöfen]], [[Induktionsofen|Induktionsöfen]] mit und ohne Rinne, mit Netz- (NF) oder Mittelfrequenz (MF) betrieben, oder [[Lichtbogenofen|Lichtbogenöfen]] (direkt oder indirekt erhitzend) mit Graphitelektrode. Das Fassungsvermögen der unterschiedlichen Systeme ist der Fertigungsaufgabe angepasst. [[Datei:SchmelzofenArbeiter.jpg|miniatur|[[Induktionsofen]] in einer Gießerei]] Vorgaben des Umweltschutzes begünstigen die elektrisch beheizten Öfen.<ref>für eine eingehende Darstellung siehe die Fachliteratur, unter anderem: ''Industrieofenbau.'' Vulkanverlag, Essen.</ref> In modernen Elektroöfen wird die Schmelze entweder nur in einem bestimmten Ofenbereich –&nbsp;der „Rinne“&nbsp;– induktiv erhitzt oder die Schmelze selbst wird zur Sekundärspule, die ebenfalls induktiv von einem außen liegenden, verbreitet niederfrequenten (NF) Primärstromkreis erhitzt wird. Induktionsöfen dieser Art sind als Schmelz-, Speicher- oder Warmhalteöfen einsetzbar. Bei der Stahlerzeugung gilt der mit [[Gleichstrom]] arbeitende Ofen inzwischen als letzter [[Stand der Technik]]. Die Entwicklung von Heizleiterlegierungen und Heizleitern aus [[Siliciumcarbid]], auch [[Molybdändisulfid]] hat als dritte Variante elektrischer Beheizung die Entwicklung von den kleinen bis mittleren widerstandsbeheizten Tiegelöfen hin zu den Großraumöfen für Schmelzen und Warmhalten von Aluminium begünstigt, besonders auch beim Recycling einheitlichen und „sauberen“ Einsatzgutes. Bei den brennstoffbeheizten Öfen wurde aus gleichen Gründen, nämlich bessere Brennstoffausnutzung und Verringerung der Abgasmengen, die Brennertechnik weiterentwickelt. Statt der zu drei Vierteln aus im Prozess nutzlosem Stickstoff bestehenden Luft wird dem Brenner entweder ausschließlich Sauerstoff zugeführt oder dieser zur Verbesserung der Ofenleistung zusätzlich in den Brenner eingespeist. Für geringere Metallmengen (bis 750&nbsp;kg) sind brennstoff- oder widerstandsbeheizte [[Tiegelofen|Tiegelöfen]] mit Deckel bei Herstellung von Formguss immer noch verbreitet im Einsatz. Heizelemente im Ofeninneren, durch keramische Umhüllung geschützte (Heiz-)Wendel, die in die Ofenwandungen eingesetzt den Schmelztiegel umgeben, liefern die zum Schmelzen und Warmhalten erforderliche Wärme. In solchen Tiegelöfen sind über sehr lange Zeit als Schmelzgefäß ausschließlich handgefertigte, „hessische“ Tiegel eingesetzt worden, die ursprünglich sogar als dreiseitiges Prisma mit drei Ausgießöffnungen geformt waren, bis sie von solchen in Form eines Kegelstumpfes abgelöst wurden. Das Tiegelmaterial bestand aus Großalmeroder Ton im Gemenge mit Quarzsand. Damit war Feuerfestigkeit gewährleistet, doch war das sehr raue Innere der Tiegel wegen der dadurch bedingten Metallanhaftungen nachteilig. Mit einem Zusatz aus hochwertigem [[Hauzenberger Graphit]] wurde die Feuerfestigkeit nochmals verbessert, das Tiegelinnere geglättet und die immer graphithaltigen, historischen „Passauer Tiegel“ dadurch abgelöst, dass nun nur noch Großalmeroder Ton im Gemisch mit Graphit verwendet wurde. Um die Mitte des 20.&nbsp;Jahrhunderts erwiesen sich isostatisch gepresste [[Siliciumcarbid]]<nowiki>massen</nowiki> als noch haltbarer und ersparten zudem die bisherige, „Plätschen“ genannte Handarbeit auf dem Drehteller. Bei Magnesiumschmelzen gilt eine Besonderheit: Wegen der oxidativen Reaktion mit Eisen sind nur [[Schlichten (Fertigungstechnik)|geschlichtete]], das heißt mit einem silikatischen Innenanstrich versehene Eisentiegel zugelassen. Eine Besonderheit sind die aus Tonmasse hergestellten Retorten, in denen Zink gewonnen wird. Den heutigen Stand der Technik geben die größeren Nichteisen-Metallgießereien vor. Die von ihnen benötigten Metallmengen in täglich zwei- bis dreistelliger Tonnenzahl werden von einer den Gieß- oder Schöpföfen vorgelagerten, eigenbetrieblichen Schmelz- oder Umschmelzeinheit als Flüssigmetall bereitgehalten und auf Abruf mittels Transportpfanne bei den von Hand oder automatisch bedienten Schöpf- und Warmhalteöfen angeliefert. So beschickt, müssen es nicht immer Tiegelöfen sein, auch tiegellose Systeme werden eingesetzt. Entscheidet sich ein Unternehmen im Hinblick auf anfallende Mengen für eine zentrale Schmelzanlage, kann es einen (Dreh-)Trommelofen wählen, einen Niederschachtofen mit Abschmelzbrücke und ausreichend großer Wanne oder einen Induktionsofen, der über eine bedarfsgerechte Stundenkapazität von Flüssigmetall verfügt (3&nbsp;t sind beispielsweise für Aluminiumgießereien eine gängige Größe). Bei den Herstellern von Legierungen wird, was die Öfen betrifft, zwischen den Primärerzeugern als solchen, die selbst Rohaluminium elektrolytisch gewinnen, und den Sekundärerzeugern, die Umschmelzhütten oder -werke genannt werden, kaum unterschieden (siehe dazu auch oben). Beide setzen Chargenunterschiede ausgleichende Mischer ein (mit bis zu 30&nbsp;t Fassung), die notwendiges [[Raffination|Raffinieren]] und Legieren zulassen. Anschließend wird das Flüssigmetall entweder an eine angeschlossene Gießhütte (cast-house) weitergegeben oder in schmelzflüssigem Zustand und somit energiesparend und damit eine unnötige Emission an Luftschadstoffen vermeidend mit Spezialfahrzeugen an Formgießereien geliefert. Eine zusätzliche Vereinfachung ergibt sich daraus, die Transportpfanne in der belieferten Gießerei unmittelbar als Gieß- oder Schöpfofen einzusetzen und sie nach ihrer Leerung gegen eine volle Pfanne zu tauschen. Eine eigene Schmelzanlage, die stets Umweltschutzvorgaben beachten muss, entfällt für den Betrieb damit weitgehend, die Energieersparnis ist im Umweltsinne recht beträchtlich, da das nach einer Zwischenerstarrung nötige Wiederaufschmelzen entfällt. Weitere Kostenersparnisse ergeben sich daraus, dass ein ausschließlich Flüssigmetall verarbeitender Betrieb auch nicht mehr die für Schmelzbetriebe geltenden Auflagen beachten muss. Eine Besonderheit kennzeichnet die für das Recycling bestimmten Schmelzanlagen: Nach Sortierung und Aufbereitung, etwa durch [[Magnetscheider]] gilt es, den aus unterschiedlichen Quellen stammenden, entweder blanken, aber oft ölig verunreinigten, oder lackierten Schrott werterhaltend einzuschmelzen. Nach bisherigem Stand der Technik leitet man das Schmelzgut über eine dem Schmelzofen vorgeschaltete Abschmelzbrücke, auf der alles höher schmelzende, vornehmlich Eisenteile, liegen bleibt und vor einer Kontaminierung der Schmelze, etwa durch einen überhöhten Eisengehalt, entfernt werden kann. Neueste Verfahren sehen Mehrkammeröfen vor, die in einer Abschwelkammer alle organisch basierten, energiehaltigen Anhaftungen des Schrotts zu Schwelgasen werden lassen, deren Verbrennung zu der für das Einschmelzen nötigen Prozesswärme beiträgt.<ref>{{Literatur |Autor=Rudolf P. Pawlek|Titel=Fortschritte beim Umschmelzen und Gießen von Aluminium|Sammelwerk=Erzmetall|Band=61|Nummer=2|Jahr=2008|Seiten=|DOI=}}</ref> Die Schmelzen, auch solche aus Recycling-Material, unterliegen, die jeweils vorhande Ofentechnik berücksichtigend, beim Umschmelzen einer Behandlung, vergleichbar der bei Primärerzeugung, wobei sich lediglich das Legieren in Anbetracht der bereits vorhandenen, erhaltungswürdigen Legierungselemente oft auf blosse Korrekturen beschränken kann (siehe auch [[#Recyclingmetallurgie|„Recyclingmetallurgie“]]). == Bedeutung der Metallurgie als Wirtschaftszweig == Da Metalle stets zum Zweck der Weiterverarbeitung gewonnen werden, auch wenn sie zeitweilig als Wertaufbewahrungsmittel galten und noch gelten (vor allem Gold), wächst die wirtschaftliche Bedeutung der Metallurgie mit zunehmender Entfernung von Ort und Art der Grundstoffe. Dies gilt sowohl hinsichtlich der Beschäftigtenzahlen in einem umfassend „Metallindustrie“ genannten Bereich, als auch für die [[Wertschöpfung]], den sogenannten Veredelungseffekt. Eine Gesamtdarstellung der Zusammenhänge übersteigt den hier gesetzten Rahmen, einige ausgesuchte Zahlen lassen es jedoch zu, die Metallurgie als überaus bedeutenden Wirtschaftsfaktor zu erkennen.<ref>Zahlenangaben für 2000, 2005 und 2006 kommen aus verschiedenen, nicht immer übereinstimmenden Quellen, sind durch die expansive Entwicklung in einigen Regionen der Welt (beispielsweise China), aber auch die Krise von 2008/2009 zum Teil obsolet geworden, geben aber wenigstens einigen Anhalt über weltweit erzeugte Mengen wichtiger Metalle sowie Erzeugung und Verbrauch in der BRD.<br/> Hierzu als Quellen: Berichte der Wirtschaftsvereinigung Metalle, Berichte des DIW Berlin, Geschäftsberichte, Mitteilungen in Fachpresse und [[Frankfurter Allgemeine Zeitung]].</ref> {| class="wikitable" |-class="hintergrundfarbe5" ! Metall || Weltjahresproduktion 2006<br />(in Mio. t) || Bemerkungen || DIW-Prognose 2015<br />(in Mio. t) |- |Stahl ||<center> 1242 ||Europäische Stahlproduktion 2007 ca. 210 Mio&nbsp; t. Arcelor Mittal sieht sich vergleichsweise bei 10 % der Weltproduktion.<ref>Wirtschaftsnachrichten (FAZ, Handelsblatt) im August 2008</ref> ||<center> 1366&nbsp;t. Thyssen-Krupp-Prognose sogar 1800 Mio.&nbsp;t |- |Kupfer ||<center> 15 || Verbrauch BRD 1,7 Mio.&nbsp;t ||<center> > 22 |- |Zink ||<center> 7 || Verbrauch BRD 2000 724.000&nbsp;t, bei 367.000&nbsp;t Eigenerzeugung|| |- |Blei ||<center> 6–7 || BRD 2000 395.000&nbsp;t, davon 100.000&nbsp;t aus Batterierecycling|| |- |Zinn ||<center> 0,25 |||| |- |Nickel ||<center> 1,3 ||nach SUCDEN (UK)|| |- |Uran ||<center> 0,03 |||| |- |Platin ||<center> 6,35 Mio. Unzen || lt. F.A.Z. für 2007 || |- |Aluminium ||<center> >20 || 41 Mio. t (evtl. Hüttenaluminium + Recycling) laut [[Frankfurter Allgemeine Zeitung|F.A.Z.]]<ref>Frankfurter Allgemeine Zeitung, 1. Oktober 2007.</ref> ||<center> 33 |- |Magnesium ||<center> 0,7 || |} Unverkennbar ist, dass sich viele metallerzeugende und metallverarbeitende Prozesse zunehmend zur [[Automatisierung]] und zum Einsatz von [[Roboter]]n anbieten. Das bedeutet, dass die Gesamtbeschäftigtenzahl nicht zugleich mit dem Wachstum der Produktion zunimmt, vielmehr stagnieren, tendenziell leicht zurückgehen kann. Die [[Arbeitsproduktivität]] hingegen steigt. Die Rohstahlerzeugung der damals 25 EU-Staaten wird für 2006 mit 198&nbsp;Mio.&nbsp;t angegeben, das sind 15,9 % der Weltproduktion von 1242&nbsp;Mio.&nbsp;t. Der deutsche Anteil innerhalb der EU 25 beträgt 23,6 %, damit wird unter den stahlerzeugenden Ländern der Welt mit 46,7&nbsp;Mio.&nbsp;t der 6.&nbsp;Rang erreicht. Größter deutscher Erzeuger ist [[ThyssenKrupp]] mit 17&nbsp;Mio.&nbsp;t. Das europäische Wachstum auf längere Sicht ist nur 1 % p.&nbsp;a. Im Vergleich beziffert China die Stahlerzeugung für 2006 mit 410&nbsp;Mio.&nbsp;t, ca.&nbsp;40 % der Weltproduktion. Als Wachstumsrate wird 8 % genannt.<ref>Zahlenquellen: IISI, Stahl-Zentrum, Unternehmen, Pressemeldungen</ref> Zur Stahlerzeugung und -verwendung in der BRD geben Zahlen aus 2007 Auskunft. Es wurden: 31,07&nbsp;Mio.&nbsp;t Roheisen produziert, unter Hinzunahme des Schrotteinsatzes 48,55&nbsp;Mio.&nbsp;t Rohstahl. Davon wurden 45,5&nbsp;Mio.&nbsp;t zu Strangguss für die Warmverwalzung zu Flach- und Langstählen, darin eingeschlossen 14,6&nbsp;Mio.&nbsp;t Edelstahl. Die Wirtschaftskrise 2008/2009 bringt einen deutlichen Rückgang,<ref>F.A.Z. meldet am 9. Januar 2009 im Wirtschaftsteil auf S.&nbsp;11 unter „Das Ende der Stahlstatistik“ für Dezember 2009 eine leicht erholte Rohstahlproduktion von 3,03&nbsp;Millionen&nbsp;t. Gleichzeitig wird mitgeteilt, dass die gesetzliche Verpflichtung zur Angabe von Produktionsziffern für die gesamte Stahlbranche mit Jahresende 2009 ausgelaufen ist.</ref> Für 2010 meldet die deutsche Stahlindustrie einen Wiederanstieg der Rohstahlerzeugung auf erwartete 45&nbsp;Mio&nbsp;t. Weiterhin verfügbar sind Zahlen zur Weltgussproduktion (nur Formguss), die für 2008 in allen ihren Sparten mit 93,5&nbsp;Mio t angegeben wird. Die deutschen Eisen-, Stahl- und Tempergießereien meldeten für das Gesamtjahr 2006, dass in 265 Betrieben mit 44.000 Beschäftigten 4,5&nbsp;Mio.&nbsp;t Guss mit einem Produktionswert von 7,2&nbsp;Milliarden&nbsp;€ erzeugt wurden. Die Zahlen für 2008 nennen für Deutschland 4.7 Mio&nbsp;t an Grau-,Sphäro- und Stahlguss sowie 900.000&nbsp;t NE-Metallguss (zum Vergleich: Für China werden 29,2 Mio&nbsp;t und 3.8 Mio&nbsp;t angegeben ).<ref>Quelle: 43. Erhebung der Welt - Gußproduktion 2008, nach MODERN CASTING 12/2009, S.17/21, übernommen von VÖG Gießerei-Rundschau, Verlag Strohmayer KG, A 1100 Wien, Jhg. 57, Heft 1/2 2010, S.30</ref> Bei Aluminium ist Deutschland als Primärerzeuger von nur noch gut 330.000&nbsp;t p.&nbsp;a. aufgrund der hohen Energiekosten weit zurückgefallen. Für 2005 wurden noch je 700.000&nbsp;t als Hüttenmetall und eine ziemlich gleiche Menge aus Recycling gemeldet. Als Verbrauch 2006 werden ungefähr 2,8&nbsp;Mio.&nbsp;t genannt. Mehr als 2&nbsp;Mio.&nbsp;t werden zu [[Halbzeug]]. Für Formguss aus Aluminium nennt der GDM e.&nbsp;V., Düsseldorf/Gesamtverband deutscher Metallgießereien e.&nbsp;V. als vorläufige Zahl für das Jahr 2007 828.000&nbsp;t.<ref>und als vorläufigen Gesamtausstoß bei NE-Metallen und -Legierungen 1.024.370&nbsp;t. Neben Aluminiumguss werden noch gezählt 30.700&nbsp;t für Magnesiumguss, 93.350&nbsp;t für Guss aus Kupfer und seinen Legierungen, sowie 70.200&nbsp;t für Zinkguss und 1.892&nbsp;t für „sonstige“.</ref> Der die Eigenerzeugung weit überschreitende Bedarf wird durch [[Import]] und eine weiterhin hohe Recyclingquote gedeckt.<ref>''Erzmetall.'' Nr. 6, 2007: ''Rheinische Aluminiumhütte erhöht mit neuem Recyclingofen den Gesamtausstoß für die Walzbarrenfertigung um 50.000 auf 400.000&nbsp;t/a.''</ref> Besonders bei den Nichteisen-Metallen wird von den zuständigen Verbänden vor „den ökonomischen Folgen forcierter Klimapolitik und einem Bruch der [[Wertschöpfungskette]] der Metallindustrie aus Mangel an primären und sekundären Vorstoffen“ gewarnt. Einige Zahlen zum Vergleich: Die USA erzeugten 2005 2,5&nbsp;Mio.&nbsp;t Hüttenaluminium, Russland 3,65&nbsp;Mio.&nbsp;t, China 7,2&nbsp;Mio.&nbsp;t (2006 bereits 7,8&nbsp;Mio.&nbsp;t). Alle anderen Erzeugerländer (Deutschland eingeschlossen) brachten es auf 8,3&nbsp;Mio.&nbsp;t. Der bedeutende Aluminiumerzeuger Norsk Hydro sieht für Europa immerhin einen jährlichen Produktionszuwachs von 2 % voraus.<ref>''F.A.Z.'' Nr.71, 2008.</ref> Die Weltproduktion zeigt weiter steigende Tendenz. [[London Metal Exchange]] (LME) erklärt dazu, dass die Bauxitvorräte der Welt bis weit in das 21.&nbsp;Jahrhundert reichen. Ein Report über die globalen Kapazitäten zur Herstellung von Tonerde, was nicht gleich der tatsächlichen Erzeugung ist, kommt für das Jahr 2007/2008 zu einem Total von 95&nbsp;Mio.&nbsp;t.<ref>Bauxit and Alumina Activities in 2007 to 2008, Report by R. Pawlek, ERZMETALL 61(2008) No.&nbsp;5</ref> Im Bereich Kupfer erzeugte Deutschlands größte Kupferhütte 2005/2006 mit 3.200 Beschäftigten 551.000&nbsp;t Kathodenkupfer, 423.000&nbsp;t Kupferdraht, 450.000&nbsp;t Halbzeug und weitere 67.000&nbsp;t bei verbundenen Betrieben. Als Nebenprodukte der [[Raffination]] wurden noch 985&nbsp;t Silber und 35&nbsp;t Gold gewonnen. Dem ist gegenüberstellen, dass in der Mongolei, mit 2,5 Millionen Einwohnern auf der vierfachen Fläche Deutschlands, eine einzige Mine unweit von Ulan Bator eine Jahreskapazität von 440.000&nbsp;t Kupfer und 320.000 Unzen Gold haben könnte.<ref>lt. F.A.Z.-Wirtschaftsmitteilungen Nr. 155 vom 5. Juli 2008</ref> Ende 2006 meldet die deutsche Nicht-Eisen-Metallindustrie über 110.000 Beschäftigte in 632 Verbandsunternehmen, die einen Gesamtumsatz von 44&nbsp;Milliarden&nbsp;€ erzielten. Bei einem deutschen Bruttoinlandsprodukt von mehr als 2 Billionen € sind die genannten Zahlen ansehnlich, dennoch könnten sie zu einer Unterbewertung der ökonomischen Bedeutung der Metallurgie (Metallindustrie) führen. Einige Zahlen aus Österreich scheinen wirklichkeitsnahe: Bei Zusammenfassung der Produktionswerte von Metallgewinnung und -erzeugung, von [[Maschinenbau]], Kraftfahrzeugbau und Fertigung von Metallerzeugnissen erreichte die österreichische Metallindustrie 2006 einen Anteil von 42 % an der Sachgütererzeugung des Landes. Ein ähnlicher Wert kann für Deutschland zutreffen. == Unterstützende Wissenschaften und Techniken == Die neuzeitliche Metallurgie wäre ohne [[Chemie]] nicht denkbar, im Gegensatz zu den historischen Anfängen, bei denen oft nach der Methode „[[Versuch und Irrtum]]“ vorgegangen wurde. Nicht nur dem Einsatz von Chemikern wie [[Antoine Laurent de Lavoisier|de Lavoisier]], [[Friedrich Wöhler|Wöhler]] oder [[Jöns Jakob Berzelius|Berzelius]] ist es zu verdanken, dass sich die Metallurgie zur [[Wissenschaft]] entwickeln konnte. Zu Hilfe kam ihnen die [[analytische Chemie]] mit ihren seit Beginn des 19.&nbsp;Jahrhunderts immer präziseren Methoden. Lange noch arbeiteten die Laboratorien mit den Methoden der arbeitsintensiven und zeitraubenden Nassanalyse (lösen, elektrolysieren oder ausfällen, filtrieren, trocknen, wiegen), bis diese um die Mitte des 20.&nbsp;Jahrhunderts durch [[Spektroskopie|Spektrometrie]],[[Fotometrie|Flammenphotometrie]] und [[Gaschromatographie|Prozess- Gaschromatographie]] abgelöst wurde, moderne analytische Verfahren die der praktizierten Metallurgie eine schnelle Bewertung des Einsatzgutes wie auch der Ausbringung ermöglichen. Die Ergebnisse der [[Analytik]] zusammen mit durch die Metallkunde physikalisch determinierten Eigenschaften der Metalle und ihrer Legierungen als Knet- und Gusswerkstoffe werden zum Ausgangspunkt weiterer Hilfswissenschaften, unter denen [[Materialwissenschaft|Materialkunde]] und [[Lagerstättenkunde]] hervorzuheben sind. Die Spektrometrie stützt besonders die Sekundärmetallurgie. Binnen weniger Sekunden wird die Zusammensetzung einer Flüssigmetallprobe angezeigt und dies für bis zu 25 Elemente. Damit werden sogenannte Störelemente, wie etwa [[Bismut|Wismut]] in [[Messing]], [[Phosphor]] in Eisen oder [[Antimon]] in [[Aluminium]] nachgewiesen, selbst im niederen [[Parts per million|ppm]]-Bereich. Nichteisen-Metallschrott kann mit handgeführten Geräten (Funkenemissions[[spektrometer]]) abgetastet und vorsortiert werden. Was die Wichtigkeit metallurgischer Forschung betrifft, besonders die Umsetzung von Ergebnissen in die Praxis, ist die Eisenmetallurgie in vielem federführend, sowohl für die Primärerzeugung und das Recycling, als auch für das sehr innovationsfreudige [[Gießen (Verfahren)|Gießereiwesen]]. Die Gießereiforschung als eigenständige, wissenschaftliche Betätigung nützt allen Gießereien. Die Bereitstellung von Schmelze „just in time“ und damit verbunden die Automatisierung von Schmelzprozessen, die „Roboterisierung“ von Gießvorgängen, sind sämtlich ohne steuernde [[Elektronik]] nicht denkbar, weshalb ihr der Rang einer Hilfswissenschaft der Metallurgie zukommt. Mit speziellem Bezug auf das Gießereiwesen verdienen Formherstellung, Schmelzebehandlung durch Wegnahme unerwünschter und Hinzufügung erwünschter Eigenschaften sowie die Beeinflussung der Erstarrung der Schmelzen in der Gießform, die Bezeichnung Hilfswissenschaft.<ref>Ein einschlägiger Zulieferer teilt in der Presse („Borkener Zeitung“) mit, dass 2007 ein Umsatz von 225 Mio&nbsp;€ erzielt wurde.</ref> Weiteres Beispiel die Modellbautechnik mittels [[Funkenerodieren|erodierender]], [[fräsen]]der sowie als [[Computerized Numerical Control|CNC]]-Technik bezeichneter Verfahren, die es möglich machen, von der Zeichnung direkt zu ausgefrästen oder schichtenweise [[Pulvermetallurgie|pulvermetallurgisch]] aufgespritzten Modellen oder bereits abgießbaren Formen für Prototypen zu gelangen, die dann besonders für Kleinserien vorteilhaft sind. Die auf diese Weise mit geringem Zeitaufwand zu gewinnenden Erkenntnisse verkürzen die Spanne von der Zeichnung bis zur Herstellung der endgültigen Dauerform und dem Anlaufen der Großserie. Für im Druckgießverfahren in Dauerformen hergestellte Teile aus Nicht-Eisen-Legierungen hat sich eine weitere Hilfsindustrie entwickelt: Man benötigt in ihren Festigkeitseigenschaften optimierte [[Werkzeugstahl|Werkzeugstähle]], die eine im fünfstelligen Bereich liegende Zahl von Abgüssen ermöglichen. Die Formen sind im Prozessablauf nicht nur dem unmittelbaren Angriff des zugeführten flüssigen Metalls ausgesetzt, sondern erfahren über die Erstarrungsphase hinweg bis zur Entnahme des Teils einen taktbestimmtem Temperaturwechsel von bis zu 500&nbsp;°C. Speziell entwickelte „Dauerform[[Schlichten (Fertigungstechnik)|schlichten]]“ sind Erzeugnisse, die mit moderner, automatisierter Sprühtechnik als feiner Überzug aufgetragen werden und die Formen schützen. Je nach Zusammensetzung beeinflussen sie auch den Verlauf der Erstarrung. Grundprinzip jeder Dauerformschlichtung ist es, dass ''schwarze'' Schlichten Wärme abführen, damit eine schnelle Erstarrung und feinkristallines Gefüge bewirken. Eine ''weiße'' Schlichtung wirkt isolierend, verzögert die Erstarrung, begünstigt die Nachspeisung, führt zu höherer Dichtigkeit, aber auch gröberer [[Kristallisation]]. Eine besondere Technik verlangt die Formherstellung für [[Feingießen|Feinguss]]. Die Gussmodelle werden hierzu aus [[Wachs]] oder [[Kunststoff]] hergestellt, mit einer keramischen Schale ummantelt. Das Modell wird in einem zweiten Schritt ausgeschmolzen oder ausgebrannt und danach der verbliebene, modellgetreue Hohlraum abgegossen. Für Legierungen mit niedrigem Schmelzpunkt ([[Zinn]]) werden Dauerformen mit temperaturresistentem und formgebend aufgetragenem [[Chlorkautschuk]] hergestellt, eine Methode, mit der feinste Details der Vorlage wiedergegeben werden können. Sehr große Fortschritte gibt es bei der Herstellung von Formen für [[Sandformverfahren|Sandguss]], die heute für Serienfertigung, speziell im Motorenbau, nur noch in vollautomatisch arbeitenden Anlagen erfolgt. Bei den hier benötigten Formstoff[[bindemittel]]n war das Kunstharz verwendende [[Maskenformen|Croning-Verfahren]] vor 50&nbsp;Jahren ein Schrittmacher, heute setzen die Gießereien als Bindemittel für Formen und Kerne zwar immer noch spezielle Kunstharze ein, geben aber zunehmend umweltfreundlicheren Bindersystemen den Vorzug, beispielsweise solchen auf [[Wasserglas (Chemie)|Wasserglasbasis]]. Auch dies ist dem gießereitechnischen Sektor der Metallurgie zuzuordnen. Zu den meistgenutzten Helfern auf dem breit gefächerten Feld der Metallurgie zählen noch –&nbsp;in Ergänzung der Analytik&nbsp;– die verschiedenen Prüfverfahren. Eines der ältesten ist die mechanische [[Zugprobe|Dehnungsprüfung]] an genormten Probestäben, so genannten Zerreißstäben. Die [[thermische Analyse]] (TA) zeigt [[Gefüge (Werkstoffkunde)|Gefüge]]<nowiki>zustand</nowiki> und die Auswirkung gefügebeeinflussender Elemente. Bei Aluminium-Silicium-Legierungen sind dies [[Natrium]], [[Strontium]], [[Phosphor]], [[Antimon]]. Hoch beanspruchte Gussteile werden heute –&nbsp;medizinische Techniken übernehmend&nbsp;– vor der Auslieferung an die Abnehmer bereits mittels [[Röntgen]], Scannen, [[Sonografie|Sonographie]] und [[Magnetresonanztomographie|MRT]] (Magnetresonanz) kontrolliert. Lineare Ultraschall-Fehlerprüfgeräte mit „Phased-Array-Technik,“ stationär oder tragbar, können beispielsweise jährlich 100.000&nbsp;t Rundbarren aus Aluminium mit Durchmessern von 130&nbsp;mm bis 310&nbsp;mm auf Homogenität prüfen, aber auch Gussstücke auf Fehler, wie Einschlüsse, Poren, Lunker, sogar nicht exakte Schweißnähte.<ref>lt. ERZMETALL 61 (2008), No.&nbsp;4 und 5</ref> Alle genannten Gebiete umschließt die Tätigkeit der [[Deutsche Gesellschaft für Materialkunde|Deutschen Gesellschaft für Materialkunde e.&nbsp;V.]] (DGM), die mit universitären Fachbereichen –&nbsp;wie der für weiterführende Erkenntnisse unverzichtbaren Metallkunde&nbsp;– und Fachverbänden (Verband der Eisenhüttenleute, Verband der Gießereifachleute (VDG), Gesellschaft der Eisenhütten- und Bergleute (GDMB) sowie dem Deutschen Kupfer-Institut (DKI) Forschung, Fortbildung und Praxis zusammenführt. == Metallurgie und Umweltschutz == Obwohl ohne die moderne [[Analytik]] nicht denkbar, muss der [[Umweltschutz]] mit seinen Forderungen besonders hervorgehoben werden, denn im umweltbewussten 21.&nbsp;Jahrhundert sind beide die Stellung und Lösung des Problems zugleich. Lange fanden sich die Betriebe damit ab, dass metallurgische Tätigkeit in einem gewissen Ausmaß umweltbelastend sein kann und im wörtlichen wie übertragenen Sinne von der Mehrheit als „heiß und schmutzig“ angesehen wird. Die Analytik hat daher über das hinaus, was metallurgisch von ihr verlangt wird, wichtige zusätzliche Aufgaben zu erfüllen, denn nur sie erlaubt die qualitative und quantitative Bestimmung der an faktisch alle metallurgischen Prozesse gebundenen ''[[Emission (Umwelt)|Emissionen]]'' bis in den [[Vorsätze für Maßeinheiten|Nano]]- und [[Vorsätze für Maßeinheiten|Pico]]-Bereich. Damit bietet sie die Möglichkeit, sei es primär durch verfahrenstechnische Verbesserungen oder diesen nachgeschaltet, mit Hilfe eines sich nur der Emissionsbegrenzung widmenden neuen Industriezweiges ''Lufttechnik'' den Forderungen nach Abgasverringerung und [[Luftreinhaltung]] zu entsprechen. Solange keine der ökonomischen Bedeutung der Metallurgie –&nbsp;als wichtige, mitbestimmende Grundlage unserer Lebensumstände&nbsp;– angemessene, sichere [[Energieversorgung]] zur Verfügung steht, das Angebot an Energie sich entgegen dem Bedarf verringert und verteuert und die vielfältige metallurgische Leistung bei der Erstellung eines Kernkraftwerks (Atomkraftwerks) nicht anerkannt wird, bleibt lediglich die Steigerung der Effizienz bei den herkömmlichen [[Thermische Energie|thermischen Energien]] als Zwischenlösung. Dies erfolgt im Zuge fortwährender Entwicklung durch Erhöhung des Nutzungsgrades der eingesetzten Brennstoffe, gleich ob in großen Heizkraftwerken, oder individuell betriebenen Anlagen zur Gewinnung von Prozesswärme für metallurgische Zwecke. Für die Industrie bedeutet das eine prozessgerecht automatisierte Steuerung der [[Brenner (Gerät)|Brenner]], die direkte Rückgewinnung von Wärme ([[Regenerativfeuerung]]) und die Vermeidung von Wärmeverlusten durch Isolation, oder die Nutzung von Abwärme ([[Fernwärme|Fernheizung]]). Vieles ist bereits verwirklicht oder geht der Verwirklichung entgegen. Rostrote Kaminabgase (NO<sub>X</sub>-Verbindungen), wie sie bei chemischen Prozessen entstehen können, sind Vergangenheit. Beim Recycling von [[Kunststoff]]en („Plastik“) oder kunststoffbeschichtetem Metall (Aluminiumdosen) werden alle nichtmetallischen Anteile in einem [[Pyrolyse|pyrolytischen]] Verfahren erfasst und in ihrer Gasphase entweder als Energieträger (Brennstoff) direkt eingesetzt oder mittels [[Destillation#Fraktionierte Destillation|fraktionierter Destillation]] in wertvolle Ausgangsstoffe zur Wiederverwendung getrennt. Soweit solche Verfahren aus betrieblich (noch) gegebenen Umständen nicht in Frage kommen, werden jedenfalls zwei Bereiche heute durchgehend erfasst: Gasförmige und staubförmige Emissionen. ''Gasförmige'' durchlaufen zumindest eine abbindende, neutralisierende, zumeist alkalisierende Nasswäsche ([[Abgasreinigung#Absorption|Venturiwäscher]], oder ein ihm verwandtes System, beispielsweise die „Ringspaltwaschanlage“ bei [[Chloride]] und [[Phosphide]] enthaltenden Abgasen in Aluminiumgießereien), die nicht durch bloße Abkühlung niedergeschlagen werden können (siehe [[Hüttenrauch]]). Die ausgefällten oder ausgefilterten Rückstände werden verwertet oder geordnet entsorgt. Metallurgische'' Stäube'' können in [[Oberflächenfilter|Gewebefiltern]] nur kalt gesammelt werden, was in der Praxis die Vorschaltung eines Kühlers bedingt. Heiße Stäube (Kupolofenentstaubung, Lichtbogenentstaubung) werden trocken durch [[Elektrofilter]] erfasst oder mittels vorgeschalteter [[Gaswäscher|Nassabscheidung]] in Abluftreinigungsanlagen behandelt, die mit Durchsatzmengen von 100.000&nbsp;m³ pro Stunde heute keine Einzelfälle mehr sind. Das getrocknete Filtrat unterliegt einer gesetzlich bestimmten Verwertungspflicht, die aber häufig, die Vorkosten verringernd, an der Anfallstelle erfolgen kann. Ein Beispiel sind aus den Abgasen von Kupolöfen herausgefilterte metallische Stäube, die durch Injektion in die Schmelzen zurückgeführt werden können. Nicht weniger wichtig ist die Verwertung entsprechend aufbereiteter, durch besondere Behandlung weitgehend entmetallisierter, metallurgischer [[Krätze]]n. Es ist nicht zutreffend, sie als Abfallprodukte bei der Produktion von Metallschmelzen zu werten, ebenso wie [[Schlacke (Metallurgie)|Schlacken]]. Alle unterliegen der [[REACH-Verordnung]]. Je nach Zusammensetzung können sie indessen zu erneutem Einsatz als Oxidationsschutz (Abdeckung) in Schmelzöfen oder auch als „Füller“, sogar als Belag („Pflaster“) im Straßenbau geeignet sein. Präzise Analytik ist auch hier die Voraussetzung, solche „Abfälle“ richtig einzuordnen und über ihre Verwertbarkeit zu entscheiden. Noch auf einem weiteren Gebiet treffen sich Metallurgie und Umweltschutz. Bekannt ist die Sanierung der in der [[Deutsche Demokratische Republik|DDR]] durch den [[Wismut (Unternehmen)|Uranabbau für die Sowjetunion]] entstandenen Umweltschäden (Halden, [[Schlammteich]]e). Unter Tage müssen die aufgelassenen Stollen gesichert werden, sei es durch Verfüllen oder Vermauern. Wenn es keine Umweltgefahren mit sich bringt, können Abraum- und Schlackenhalden auch begrünt werden und landschaftsgestaltend wirken. Im [[Tagebau|Braunkohletagebau]] ist [[Rekultivierung]] nach Auskohlung verbreiteter Standard, in Ostdeutschland wird es seit 1990 nachgeholt. Die Rekultivierung –&nbsp;und damit gleichzeitig ein Schutz vor [[Auslaugung]] mit der Folge einer Kaliüberfrachtung von Gewässern&nbsp;– wird auch bei den in [[Hessen]] und [[Thüringen]] besonders auffallenden Halden aus dem Abbau von kali- und magnesiumhaltigen Salzen mit erheblichem Aufwand versucht. An anderen Stellen ist die Natur in der Lage, selbst die „Wunden zu heilen“. Im Eisenerzabbau wurde bis ins 20.&nbsp;Jahrhundert manche ausgebeutete Grube sich selbst überlassen und nur die das inzwischen längst wieder bewaldete Gelände hügelig verformenden [[Pinge]]n (Grubeneinbrüche) bezeugen die ehemalige Erzgewinnung. == Namhafte Metallurgen == [[Datei:Georg Agricola-Titelblatt.jpg|miniatur|[[Georgius Agricola]]:<br />„de re metallica libri XII“]] [[Datei:Georg Agricola.jpg|miniatur|Georgius Agricola]] Nach nur wenigen historischen Vorläufern wurde die Metallurgie vor allem in den letzten 200 Jahren von mehreren namhaften Wissenschaftlern entscheidend weitergebracht. Dazu gehören vor allem: === Historisch === * [[Plinius der Ältere|Gaius Plinius Secundus]] (ca. 23–79 n.&nbsp;Chr.): „Naturalis historia“ * [[Georgius Agricola]] (1494–1555): „de re metallica“ === Eisenbezogen === * [[Adolf Ledebur]] (1837–1906): „Handbuch der Eisenhüttenkunde“ * [[Wilhelm Borchers]] (1856–1925): „Elektrometallurgie“ * [[Eugen Piwowarsky]] (1891–1953): „Der Eisen- und Stahlguß“; „hochwertiges Gußeisen“ * [[Henry Bessemer]] (1813–1898): Erfinder des Blasstahlverfahrens (Bessemer-Birne, sauer) * [[Sidney Thomas]] (1850–1885), [[Percy Gilchrist]] (1851–1935): Thomasbirne, basisch * [[Pierre-Émile Martin]] (1824–1915): Regenerativheizung (Siemens-Martin-Stahl) === Nichteisenmetalle === * [[Hans Christian Ørsted|Hans Christian Oersted]] (1777–1851), [[Friedrich Wöhler]] (1800–1882), [[Robert Wilhelm Bunsen|Robert Bunsen]] (1811–1899), [[Henri Etienne Sainte-Claire Deville|Henry Saint-Claire Deville]] (1818–1881): Aluminiumdarstellung * [[Charles Martin Hall]] (1863–1914), [[Paul Héroult]] (1863–1914): Schmelzflusselektrolyse des Aluminiums * [[Alfred Wilm]] (1869–1937), [[Aladár Pácz]] (1882–1938): Entwicklung von Aluminiumlegierungen * [[Gustav Pistor]]: Direktor der Elektronwerk GmbH, Frankfurt-Griesheim, Förderer und Entwickler von Magnesiummetall und seinen Legierungen für industrielle Zwecke * [[Wilhelm Borchers]] (1856–1925): Kupfer === Lehrer und Forscher === * [[Bernhard Osann]] (1862–1940): Eisenhüttenkunde * [[Alfred von Zeerleder]] (1890–1976): Technologie der Leichtmetalle * [[Eugen Piwowarsky]] (1891–1953): legiertes Gusseisen * [[Wilhelm Borchers]] (1856–1925): Elektrometallurgie * [[Karl Karsten]] (1782–1853): Hüttenwesen * [[Joachim Krüger (Metallurg)|Joachim Krüger]] (* 1933): Nichteisenmetallurgie === Herangezogene Literatur === ==== Lexika ==== * ''Meyers Konversations-Lexikon.'' 5. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig und Wien 1897. * Josef Bersch (Hrsg.): ''Lexikon der Metalltechnik.'' A. Hartlebens Verlag, Wien 1899. (Handbuch für alle Gewerbetreibende und Künstler auf metallurgischem Gebiete) * Wissenschaftlicher Rat der Dudenredaktion (Herausgeber), Günther Drosdowski und andere (Bearb.): ''Der Große Duden in 10 Bänden; Bd. 7: Duden Etymologie. Herkunftswörterbuch der deutschen Sprache.'' Nachdruck der Ausg. von 1963, bearb. von: Paul Grebe, Bibliographisches Institut/Dudenredaktion, Mannheim 1974, ISBN 3-411-00907-1. (In Fortführung der „Etymologie der neuhochdeutschen Sprache“ von Konrad Duden) * ''Der neue Brockhaus: Lexikon und Wörterbuch in 5 Bd. und einem Atlas.'' 5., völlig neubearb. Auflage. Brockhaus Verlag, Wiesbaden 1975, ISBN 3-7653-0025-X. * Johannes Klein (Bearb.): ''Herder-Lexikon: Geologie und Mineralogie.'' 5. Auflage. Herder Verlag, Freiburg im Breisgau 1980, ISBN 3-451-16452-3. (mehrteiliges Werk) * Jürgen Falbe, Manfred Regitz (Hrsg.): ''Römpp-Chemie-Lexikon.'' 9., erw. und neubearb. Auflage. Georg Thieme Verlag, Stuttgart 1995–1995, ISBN 3-13-102759-2. (mehrteiliges Werk, insgesamt 6 Bd.) * Ernst Brunhuber, Stephan Hasse: ''Gießerei-Lexikon.'' 17., vollst. neu bearb. Auflage. Schiele & Schön Verlag, Berlin 1997, ISBN 3-7949-0606-3. * Hermann Kinder, Werner Hilgemann: ''dtv-Atlas zur Weltgeschichte. Von den Anfängen bis zur Gegenwart.'' Orig.-Ausg., dtv, München 2000, ISBN 3-423-03000-3. (Sonderausgabe des im dtv in zwei Bänden 1964 und 1966 erstmals erschienenen dtv-Atlas Weltgeschichte) * Ekkehard Aner: ''Großer Atlas zur Weltgeschichte.'' 2. Auflage. Erw. Ausg. des Standardwerks von 1956, Westermann Verlag, Braunschweig 2001, ISBN 3-07-509520-6. * ''Microsoft Encarta Enzyklopädie Professional 2003 auf DVD.''.(Elektronische, multimediale Enzyklopädie; ''siehe auch:'' [[Microsoft Encarta]]) ==== Fachliteratur ==== * [[Hermann Ost]]: ''Lehrbuch der chemischen Technologie.'' 21., von B. Rassow bearbeitete Auflage, Jänecke Verlag, Leipzig 1939. (Kapitel „Metallurgie“) * Alfred von Zeerleder: ''Über Technologie der Leichtmetalle.'' 2. Auflage. Verlag des Akademischen Maschinen-Ingenieur-Vereins an der E. T. H. Zürich 1951. * Hans Schmidt: ''Das Gießereiwesen in gemeinfasslicher Darstellung.'' 3., umgearb. u. erw. Aufl. Gießerei-Verlag, Düsseldorf 1953. * Hans Riedelbauch: ''Partie- und Chargenfertigung in betriebswirtschaftlicher Sicht.'' In: ''ZfhF – Zeitschrift für handelswissenschaftliche Forschung.'' 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Gießerei-Verlag, Düsseldorf 1971 u. Folgejahre, {{ISSN|0340-8175}}. (erscheint jährlich; ab 1999 unter dem Titel ''Giesserei-Jahrbuch'') * Fachzeitschriftenjahrgänge: ''Aluminium, Gießerei, Erzmetall/World of Metallurgy, Giesserei-Rundschau'' * ''Sol & Luna.'' Degussa-Eigenverlag, 1973. * G. Ludwig, G. Wermusch: ''Silber: aus der Geschichte eines Edelmetalls.'' Verlag die Wirtschaft, Berlin 1988, ISBN 3-349-00387-7. * ''Auf den Spuren der Antike.'' H. Schliemanns Berichte, Verlag der Nation, Berlin 1974. * Stahl-Informationszentrum, Düsseldorf (Hrsg.): ''Faszination Stahl.'' Heft 13, 2007. * Google Web-Alerts für: „Weltproduktion an Metallen“. (unregelmäßig erscheinende Berichte) == Weiterführende Literatur == * F. Oeters: ''Metallurgie der Stahlherstellung.'' Berlin 1989. * Holleman-Wiberg: ''Lehrbuch der anorganischen Chemie.'' Walter de Gruyter & Co, Berlin u.&nbsp;a. 2007, ISBN 3-11-017770-6. * Eugen Piwowarsky: ''Hochwertiges Gusseisen.'' Berlin 1951/1961. * ''Endbericht Nachhaltige Metallwirtschaft NMW.'' (Erörterungen, Zahlen, Tabellen am Beispiel Hamburg) * V. Tafel: ''Lehrbuch der Metallhüttenkunde.'' Bände I – III, S. Hirzel, Leipzig. * Heinz Wübbenhorst: ''5000 Jahre Gießen von Metallen.'' Gießerei-Verlag, Düsseldorf 1984, ISBN 3-87260-060-5. * ''Silber, aus der Geschichte eines Edelmetalls,'' siehe Abschnitt „Sonstige Quellen“ * ''Stahl – vom Eisenerz zum Hightech-Produkt.'' DVD über www.stahl-info.de * ''NE-Metall-Recycling-Grundlagen und Aktuelle Entwicklungen.'' Schriftenreihe der GDMB, Heft 115, ISBN 978-3-940276-11-7. * Stefan Luidold, Helmut Antrekowitsch: ''Lithium - Rohstoffgewinnung, Anwendung und Recycling.'' In: ''ERZMETALL.'' 63/2010 No.&nbsp;2, S.&nbsp;68 (Abdruck eines Vortrags, gehalten anläßlich des 44. Metallurgischen Seminars des Fachausschusses für metallurgische Aus- und Weiterbildung der GDMB. == Einzelnachweise == <references/> == Weblinks == {{Commonscat|Metallurgy|Metallurgie}} '''Institute''' * [http://www.metallurgie.rwth-aachen.de/ IME Aachen / Metallurgische Prozesstechnik und Metallrecycling] * [http://www.muw.rwth-aachen.de/ Fachgruppe Metallurgie und Werkstofftechnik RWTH Aachen] * [http://www.ifg.vdg.de/ IfG Institut für Gießereitechnik e.&nbsp;V.] * [http://www.metallurgie.at/ Lehrstuhl für Giessereikunde an der Montanuniversität Leoben] * [http://www.uni-duisburg-essen.de/materialtechnik/index.shtml Universität Duisburg; Institut für angewandte Materialtechnik] * [http://tu-freiberg.de/fakult5/forschungsschwerpunkte.html Technische Universität Bergakademie Freiberg] * [http://www.imet.tu-clausthal.de/ Technische Universität Clausthal (Harz)] * [http://www.mpie.de Max-Planck-Institut für Eisenforschung GmbH] '''Weitere Links''' * [http://www.vdg.de/ Verein deutscher Giessereifachleute VDG] * [http://www.GDMB.de/ Gesellschaft für Bergbau, Metallurgie, Rohstoff- und Umwelttechnik e.&nbsp;V.] * [http://www.stahl-online.de/VDEh/startseitevdeh.htm Verein Deutscher Eisenhüttenleute VDEh] * [http://www.metallograf.de/start.htm Informationen über Stahl für Metallografen] * [http://www.wvmetalle.de/ Wirtschaftsvereinigung Metalle] * [http://www.GDA.de/ Gesamtverband der Aluminiumindustrie] * [http://www.kupferinstitut.de/ Deutsches Kupferinstitut (DKI), Düsseldorf] * [http://www.dgm.de/ Deutsche Gesellschaft für Materialkunde e.&nbsp;V.] * [http://www.gwp-ag.de/de/info-service/links-fuer-einkaeufer/rohstoffpreise/index.html Rohstoffpreise für Industriemetalle] {{Exzellent}} [[Kategorie:Metallurgie| ]] [[af:Metaalkunde]] [[an:Metalurchia]] [[ar:علم السبائك]] [[az:Metallurgiya]] [[be:Металургія]] [[bg:Металургия]] [[bn:ধাতুবিদ্যা]] [[bs:Metalurgija]] [[ca:Metal·lúrgia]] [[cs:Metalurgie]] [[da:Metallurgi]] [[diq:Metallurciye]] [[el:Μεταλλουργία]] [[en:Metallurgy]] [[eo:Metalurgio]] [[es:Metalurgia]] [[et:Metallurgia]] [[eu:Metalurgia]] [[fa:متالورژی]] [[fi:Metallurgia]] [[fiu-vro:Metallurgia]] [[fr:Métallurgie]] [[gan:冶金學]] [[gl:Metalurxia]] [[he:מטלורגיה]] [[hi:धातुकर्म]] [[hr:Metalurgija]] [[hu:Kohászat]] [[id:Metalurgi]] [[is:Málmfræði]] [[it:Metallurgia]] [[ja:金属工学]] [[kn:ಲೋಹಶಾಸ್ತ್ರ]] [[ko:금속 공학]] [[la:Metallurgia]] [[lt:Metalurgija]] [[ms:Metalurgi]] [[mwl:Metalurgie]] [[nl:Metallurgie]] [[no:Metallurgi]] [[pl:Metalurgia]] [[pt:Metalurgia]] [[qu:Q'illay llamk'ay]] [[ro:Metalurgie (industrie)]] [[ru:Металлургия]] [[scn:Mitallurgia]] [[sh:Metalurgija]] [[simple:Metallurgy]] [[sk:Metalurgia]] [[sl:Metalurgija]] [[sr:Металургија]] [[sv:Metallurgi]] [[ta:உலோகவியல்]] [[th:วิศวกรรมโลหการ]] [[tl:Metalurhiya]] [[tr:Metalurji]] [[uk:Металургія]] [[vi:Luyện kim]] [[war:Metalurhiya]] [[zh:冶金学]] [[zh-yue:冶金學]] 5ja18hi15qo6i8avxjb4yrldkpw2cr7 wikitext text/x-wiki Meteorit 0 23922 26518 2010-05-10T13:42:42Z DSisyphBot 0 Bot: Ändere: [[ta:விண்வீழ்கல்]] [[Datei:MET00506.jpg|thumb|300px|MET 00506, ein in der Antarktis gefundener H3-Chondrit. An den Seiten ist die für Meteoriten typische Schmelzkruste sichtbar. Eingebettet in der wegen oxidierter Eisenbestandteile dunkel gefärbten Matrix sind [[Chondren]] erkennbar. (Foto: [[NASA]]/JSC)]] [[Datei:Meteorite_Henbury_485.jpg|thumb|300px|Ein 1,818-kg-Henbury-Eisenmeteorit aus der Klasse der Oktaedriten mit mittlerer Bandbreite. (Foto: Meteorite Recon)]] [[Datei:Eisenmeteorit.jpg|thumb|300px|Eisenmeteorit (Mundrabilla/Australien). Er wurde geteilt, die Schnittfläche geschliffen und geätzt. Unter dem Mikroskop sind deutlich die Widmanstätten’schen Figuren (ca. 3&nbsp;mm lang) und die Verwitterungsrinde zu erkennen.]] Ein '''Meteorit''' [{{IPA|meteoˈrit}}] ist ein [[Festkörper]] [[Universum|kosmischen]] Ursprungs, der die [[Atmosphäre]] durchquert und den Erdboden erreicht hat. Er besteht gewöhnlich überwiegend aus [[Silikat]]mineralen oder einer [[Eisen]]-[[Nickel]]-Legierung. Da es sich fast immer um vielkörnige Mineralaggregate handelt, werden Meteoriten unabhängig von ihrer chemischen Zusammensetzung zu den [[Gestein]]en gezählt. == Allgemeines == === Meteoroid === Als [[Meteoroid]]en bezeichnet man den Ursprungskörper, der sich noch im interplanetaren Raum befindet. Beim Eintritt in die Atmosphäre erzeugt er eine Leuchterscheinung, die als [[Meteor]] bezeichnet wird. Der Meteoroid verglüht entweder als Sternschnuppe in der Atmosphäre oder erreicht als Meteorit den Boden. === Meteorit === Meteoriten werden beim Eintritt in die [[Erdatmosphäre]] abgebremst und dabei an der Oberfläche erhitzt und geschmolzen, während sie in ihrem Inneren kühl bleiben und nicht verändert werden. Bildungsort der Meteoriten ist unser [[Sonnensystem]] und sie ermöglichen wertvolle Einblicke in dessen Frühzeit. Eine große Zahl von Meteoriten mit einer Gesamtmasse von etwa 40 Tonnen dringt täglich in die Atmosphäre ein&nbsp;– die meisten davon sind [[Mikrometeorit]]en: Auf Deutschland entfallen beispielsweise jährlich nur zwei Meteoriten von etwa Faustgröße. Etwa 20.000 Meteoriten mit einer Masse von mehr als 100 Gramm erreichen pro Jahr die Erdoberfläche, wobei die meisten kaum größer als Kieselsteine sind. Meteoroiden, die aus dem [[Asteroidengürtel]] stammen, haben im Bereich des [[Erdbahn|Erdorbits]] eine heliozentrische Geschwindigkeit von etwa 42&nbsp;km/s. Da die Geschwindigkeit der [[Erde]] 30&nbsp;km/s beträgt, sind Relativgeschwindigkeiten von bis zu 72&nbsp;km/s oder 260.000&nbsp;km/h möglich. === Etymologie === Das Wort Meteorit leitet sich ab vom griechischen ''μετέωρος'' mit der Bedeutung ''emporgehoben, hoch in der Luft'' (vgl. „Meteorologie“). Hauptsächlich bis Mitte des 20. Jahrhunderts wurden Meteoriten überwiegend ''Meteorsteine'' genannt<ref>Illustriertes Lexikon der Astronomie, Verlagsbuchhandlung von F. F. Weber, Leipzig 1881 (Reprint der Originalausgabe von 1880 nach dem Exemplar der [[SLUB Dresden|Sächsischen Landesbibliothek – Staats- und Universitätsbibliothek Dresden]], Reprint-Verlag-Leipzig, ISBN 3-8262-0405-0)</ref><ref name="Brockhaus-Allbuch">Der Neue Brockhaus – Allbuch in vier Bänden und einem Atlas (3. Band), F. A. Brockhaus / Leipzig 1941</ref>, davor waren auch die Bezeichnungen ''Aerolith'' („Luftstein“) und ''Uranolith''<ref name="Brockhaus-Allbuch"/> („Himmelsstein“) verbreitet.<ref>[http://www.strufe.net/Deutsch/ueber_meteoriten.htm Allgemeine Infos über Meteoriten]</ref> Bis Anfang der 1990er-Jahre wurden die heute als [[Meteoroid]]en bezeichneten Objekte – ebenso wie die zur Erdoberfläche gelangten Überreste dieser Objekte – als Meteoriten geführt.<ref>Vorauslexikon zur Brockhaus Enzyklopädie (Band 3), F. A. Brockhaus Mannheim 1986, ISBN 3-7653-0860-9</ref><ref>Brockhaus Enzyklopädie, F. A. Brockhaus Mannheim 1991, ISBN für Band 14: ISBN 3-7653-1114-6</ref> == Einteilung und Benennung == [[Datei:Sikhote Alin Eisenmeteorit 1.3kg.JPG|thumb|Eisenmeteorit [[Sikhote-Alin (Meteorit)|Sikhote-Alin]], 1,3 kg]] [[Datei:Widmanstatten IronMet.JPG|thumb|Widmanstätten-Figuren]] [[Datei:LL6 chondrite - Stone meteorite.jpg|thumb|Steinmeteorit des Typs LL6, „Al Mahbes“ aus der [[Westsahara]]]] Nach ihrem inneren Aufbau werden Meteoriten in undifferenzierte und differenzierte Meteoriten unterteilt. Undifferenzierte Meteoriten enthalten die älteste und erste Materie, die im Sonnensystem entstand. Sie sind die bei weitem am häufigsten gefundenen Meteoriten und werden [[Chondrit]]e genannt; man zählt sie zu den [[Steinmeteorit]]en. Die differenzierten Meteoriten stammen dagegen überwiegend von Asteroiden, einige auch vom Mars oder dem Erdmond, also solchen Himmelskörpern, die wie die Erde durch Schmelzprozesse einen schalenartigen Aufbau aufweisen; diese Materialtrennung wird [[Differenzierung (Planetologie)|Differentiation]] genannt. Differenzierte Meteoriten lassen sich unterteilen in die nichtchondritischen Steinmeteoriten, die man auch [[Achondrit]]e nennt, und die aus einer [[Eisen]]-[[Nickel]]-[[Legierung]] bestehenden [[Eisenmeteorit|Eisen-Meteoriten]]. Erstere stammen aus dem Mantel, letztere aus dem Kern der Asteroiden. Daneben gehören auch die [[Stein-Eisen-Meteorit]]e zu den differenzierten; sie stammen aus dem Übergangsbereich zwischen Kern und Mantel. Je nachdem, ob der Fall eines Meteoriten beobachtet wurde oder ob der Meteorit bereits früher unbeobachtet gefallen ist und nur gefunden wurde, wird ein Meteorit als „Fall“ oder „Fund“ eingeteilt. Neben der chemischen und petrologischen Klassifizierung werden Meteoritenfunde auch nach dem Grad der Verwitterung seit ihrem Auftreffen auf der Erdoberfläche in Verwitterungsklassen eingeteilt. Die NASA benutzt die Klassen A, B und C, je nach der Stärke der auf Bruchflächen sichtbaren Braunfärbung durch Eisenoxide. Ein alternatives Klassifizierungssystem bestimmt an Anschliffen den Grad der Umwandlung von Troilit und Metall in Oxide (W0 bis W4), und der Umwandlung von Silikaten in Tonminerale (W5 und W6). Diese W-Klassen können sinnvoll nur auf Meteoriten mit Toilit- und Metallkörnern, d.h. Chondrite, angewendet werden. Meteoriten können eine Metamorphose durch ein Schockereignis, beispielsweise während des Losschlagens vom Mutterkörper, erlitten haben. Dies wird durch Einteilen in die Schockklassen S1–S6 beschrieben, wobei in S1 nicht oder nur sehr schwach geschockte Meteoriten und in S6 die am schwersten geschockten Meteoriten stehen. Im Einzelfall kann die Entscheidung, ob ein gefundenes Gesteinsstück tatsächlich ein Meteorit ist, nur vom Fachmann getroffen werden. Im Falle von metallischen Meteoriten bedient er sich dazu beispielsweise der Widmanstätten-Figuren. Sie werden sichtbar, wenn man einen Eisenmeteoriten auftrennt, die Schnittflächen [[Polieren|poliert]] und mit einer [[Säure]], zum Beispiel verdünnter [[Salpetersäure]], anätzt. Es erscheinen dann die charakteristischen [[Kristallstruktur]]en des Metalls, eben die [[Widmanstätten-Struktur|Widmanstätten-Figuren]], die nur in Meteoriten auftreten. Sie entstehen bei sehr langsamer Abkühlung über Millionen Jahre im Mutterkörper der Eisenmeteoriten. Es gibt allerdings Eisenmeteoriten, die keine Widmanstätten-Figuren zeigen; ihr Nichtvorhandensein schließt einen Meteoriten also nicht aus. [[Datei:Meteorite.JPG|thumb|Widmannstättensche Figuren eines Meteoriten, der angeschliffen und mit Salpetersäure geätzt wurde]] Eine weitere Möglichkeit, ein gefundenes Eisenstück als Meteorit zu identifizieren, ist ein [[Nickeltest]], da alle Eisenmeteoriten mindestens 4 Prozent [[Nickel]] enthalten. Ein Indiz für einen Steinmeteoriten kann das Vorhandensein einer schwarzen Schmelzkruste sowie kleiner Kügelchen (Chondren) sein. Mit einem Magneten kann man ein gefundenes Steinstück auf Magnetismus testen, da Chondrite wegen der in ihnen vorhandenen kleinen metallischen Eisenteilchen magnetisch sind. Als Pseudometeoriten werden solche Funde bezeichnet, die wegen mehr oder weniger großer Ähnlichkeiten zu meteoritischem Gestein zunächst für einen Meteoriten gehalten wurden, sich bei genauerer Analyse jedoch als irdisches Gestein entpuppten. Die genauen Regeln der Namensgebung wurden von der [[Meteoritical Society]], einer internationalen Fachgesellschaft, aufgestellt. Das Publikationsorgan der Meteoritical Society ist die Zeitschrift [[Meteoritics & Planetary Science]] oder kurz MAPS. Hier erscheint das "Meteoritical Bulletin" mit Katalogen, Inventaren und der Routinebeschreibung neuer Meteoriten. Dieses Supplement mit den vom Nomenclature Committee geprüften und freigegebenen Listen aller eingereichten und klassifizierten neuen Funde und Fälle gilt als Standard-Referenzwerk für die Inventarisierung und die Nomenklatur aller Meteoriten. Demnach werden Meteoriten nach ihrem Fundort (Ort, Fluss etc.) benannt. Bei Orten, an denen sehr viele Meteoriten gefunden werden, wie beispielsweise einigen Gebieten in der [[Sahara]], wird eine laufende Nummer angehängt (beispielsweise DaG 262 von [[Dar al-Gani|'''D'''ar '''a'''l-'''G'''ani]]). Bei Meteoriten, die in der [[Antarktis]] gefunden werden, werden an das Namenskürzel die Jahreszahl und eine laufende Nummer angehängt. Beispielsweise bezeichnet ALH 76008 den achten Meteoriten, der im Jahre 1976 im Allan Hills-Gebiet in der Antarktis aufgesammelt wurde. Der [[Marsmeteorit]] [[ALH 84001 (Meteorit)|ALH 84001]], bekannt geworden durch die angeblichen Spuren fossiler Bakterien, war demnach der erste im Jahre 1984 aufgelesene Meteorit in diesem Gebiet. == Herkunft == [[Datei:Meteorite_Kainsaz_detail.jpg|thumb|Flugorientierter kohliger Chondrit aus dem Kainsaz-Meteoritenfall von 1937]] Die meisten Meteoriten sind Bruchstücke von [[Asteroid]]en und stammen aus dem [[Asteroidengürtel]] zwischen [[Mars (Planet)|Mars]] und [[Jupiter (Planet)|Jupiter]]. Durch Kollisionen wurden sie von ihrem Mutterkörper losgeschlagen. Die typischen Widmanstätten-Figuren in Eisen-Nickel-Meteoriten können zum Beispiel nur entstehen, wenn ein geschmolzener metallischer Körper sehr langsam, über Millionen von Jahren abkühlt. Solche Abkühlzeiten werden nur im Kern von Himmelskörpern erreicht, etwa in Asteroiden. Die Zeitdauer zwischen dem Abtrennen vom Mutterkörper und dem Einschlag auf der Erde liegt typischerweise bei einigen Millionen Jahren, kann aber auch mehr als hundert Millionen Jahre betragen. Meteoriten enthalten das älteste Material unseres Sonnensystems, das zusammen mit diesem vor 4,56 Milliarden Jahren entstanden ist. Sie bieten den einzigen direkten irdischen Zugang zur Erforschung der Entstehung des Sonnensystems. Ähnlich altes Material findet sich außer in Asteroiden auch in Kometen und kann nur mit Hilfe von [[Raumsonden]] genauer untersucht werden. Dass einige Meteoriten vom [[Mond]] ([[Mondmeteorit]]e) und vom Mars ([[Marsmeteorit]]e) stammen, wurde inzwischen nachgewiesen. Auch sie müssen durch den Einschlag eines [[Kleinkörper (Astronomie)|Kleinkörpers]] aus diesen Himmelskörpern herausgeschlagen und ins All geschleudert worden sein. Für den kohligen Chondriten [[Kaidun (Meteorit)|Kaidun]] wurde der Marsmond [[Phobos (Mond)|Phobos]] und für den Enstatiten [[Abee (Meteorit)|Abee]] gar der [[Merkur (Planet)|Merkur]] als Ursprungskörper vorgeschlagen, was allerdings umstritten ist. Die [[Diogenit]]e, [[Eukrit]]e und [[Howardit]]e werden dem Planetoiden Vesta zugeordnet. Bisher wurden keine Meteoriten gefunden, die nachweislich von [[Komet]]en oder gar aus dem interstellaren Raum stammen, obwohl bei einem Teil der Mikrometeoriten eine kometare Herkunft diskutiert wird und die meisten [[Meteorstrom|Meteorströme]] mit Kometen in Verbindung stehen. Auch hier rührt die Mehrzahl aber vermutlich überwiegend von Asteroiden her. == Fundorte == [[Datei:Icemvmt.png|thumb|300px|Meteoritenablagerung in Blaueisfeldern]] [[Datei:Erosionsfläche in der Hammadah al Hamra.jpg|thumb|Typischer Erosions- und Meteoritenfundhorizont in der Hammadah al-Hamra]] [[Datei:Taza_1.47kg_meteorite.jpg|thumb|Dieser 1,47-kg-Taza-Meteorit (NWA 859) zählt zu den wenigen Eisenmeteoriten aus der Sahara]] Meteoriten fallen zwar gleichmäßig überall auf die Erde, trotzdem gibt es Orte, an denen sie bevorzugt zu finden sind. Während sie in den gemäßigten [[Klimazone]]n recht schnell [[Verwitterung|verwittern]], vor allem durch die [[Oxidation]] des auf der Erdoberfläche nicht stabilen [[Metalle|metallischen]] Eisens, können sie in trockenen Gegenden wie den nordafrikanischen Wüsten Zehntausende von Jahren, in der [[Antarktis]] manchmal sogar über eine Million Jahre überdauern. Hilfreich ist auch, dass Meteoriten wegen ihrer typisch schwarzen Schmelzkruste leicht auffallen. In der Antarktis gibt es zudem Gebiete, in denen Meteoriten durch [[Gletscher]] an so genannten [[Blaueisfeld]]ern angesammelt werden („[[Meteoritenfalle]]n“). Es werden deshalb häufig [[Expedition]]en dorthin unternommen, um neue Meteoriten aufzuspüren. Der mit 60 Tonnen Gewicht weltweit größte Meteorit [[Hoba (Meteorit)|Hoba]]&nbsp;– ein Eisenmeteorit&nbsp;– wurde 1920 in [[Namibia]] gefunden, wo er heute noch liegt. == Meteoritenfunde in heißen Wüsten == [[Datei:Meteorite in situ.jpg|thumb|left|Steinmeteorit in Fundlage (Hammadah al-Hamra)]] Dass es nicht nur in den kalten Wüsten am [[Südpol]] sondern auch in heißen Wüsten in bestimmten Gebieten über lange Zeiträume zu einer Konzentration von Meteoriten kommen kann, ist eine relativ neue Erkenntnis. Nachdem ein Team deutscher Seismologen bei Erdölprospektionsarbeiten 1986 in [[Libyen]] in der Gegend von Daraj zufällig auf einer vergleichsweise kleinen Fläche rund 65 Meteoriten fand, begann in der Sahara eine systematische Suche. Seit 1990 wuchs die Zahl der im Rahmen von privaten und institutionellen Meteoritenexpeditionen zunächst in der [[Sahara]] und später auch in den Wüsten [[Oman]]s gemachten Funde stetig an. Waren 1985 aus [[Libyen]], [[Algerien]], [[Marokko]], der Republik [[Niger]] und dem [[Oman]] gerade einmal 30 Meteoritenfunde bekannt, so sind es heute mehr als 3.000. Hinzu kommt eine unbekannte Anzahl von Funden durch Einheimische, die ohne Angaben zu den Fundumständen meist über die marokkanischen Märkte gehandelt wurde. Zu den bekanntesten Fundgebieten der Sahara zählen in [[Libyen]] die [[Hammadah al-Hamra]], das [[Dar al-Gani]], in [[Algerien]] das Acfer Gebiet, die Hammadah du Draa, und die Tanezrouft Wüste sowie Grein und die [[Ténéré]] Tafassasset in der Republik Niger. Die wichtigsten Konzentrationsflächen im Oman heißen Dhofar, Jiddat Al Harasis und Say Al Uhaymir. Der Höhepunkt der Fundtätigkeit wurde 2002 überschritten und die Anzahl der Funde ist heute stark rückläufig. Dies hängt zum einen mit verschärften Ausfuhrbedingungen in einigen Wüstenstaaten zusammen, ist aber auch ein Anzeichen dafür, dass die bekannten Fundgebiete im Wesentlichen ausgebeutet sind. Bei den Fundgebieten in heißen Wüsten handelt es sich um Aggregationsflächen, auf denen die Böden unter ganz bestimmten Bedingungen die Meteoritenfälle mehrerer zehntausend Jahre konserviert haben. Dies geschieht ähnlich wie beim Konzentrationsprozess in der [[Antarktis]] zunächst durch Einsedimentation der neu hinzukommenden Fälle. Durch neue Sedimentschichten auch in feuchteren Klimaphasen vor den Witterungseinflüssen geschützt, überdauerten die Meteoriten bis zu mehrere zehntausend Jahre in den Bodenschichten. In der Sahara legte die Winderosion in der jüngsten, seit rund 3.000 Jahren immer trockener werdenden Klimaphase, die so konservierten Meteoriten schließlich frei. Die überdeckenden Bodenschichten wurden in den betreffenden Gebieten mit dem fast ganzjährig über der Sahara wehenden Nordostwind abgetragen. Entscheidend für den Konzentrationsprozess von Meteoriten ist ferner das Fehlen von Quarzsand in den entsprechenden Gebieten. Die vergleichsweise harten Quarzsande führen zu einer schnelleren Zerstörung der Meteoriten durch Windschliff. Die dichten Meteoritenkonzentrationen in der Sahara liegen deshalb in der Regel auf Plateaus oberhalb des Sandflugs oder im Lee von Höhenzügen. Um die Meteoriten in ihren Aggregationsgebieten auffinden zu können, sind besondere topographische und geologische Gegebenheiten erforderlich. Helle Untergründe mit leicht basischem pH-Wert haben sich für die Prospektion am günstigsten erwiesen. Durch dunkle Flussgerölle oder vulkanische Tiefen- oder Auswurfgesteine kontaminiertes Gelände ist dagegen für die Prospektion ungeeignet. Auf solchen Horizonten sind Meteoriten nicht vom Umgebungsgestein zu unterscheiden. Ebenso wichtig ist ein möglichst geringes hydraulisches Gefälle der Fläche, da auf Neigungsflächen ebenfalls die mechanische und chemische Verwitterung der Meteoriten beschleunigt wird. Unter idealen Bedingungen lässt sich in einem dichten Konzentrationsgebiet auf je 10 bis 12 Quadratkilometern ein Meteorit finden. Ungeklärt ist bis heute das fast gänzliche Fehlen von Eisenmeteoriten aus den Fundgebieten in den heißen Wüsten. [[Eisenmeteorit]]en stellen mit nur rund 0,2 % Anteil an den afrikanischen Wüstenfunden einen deutlich geringeren Teil, als man dies mit Blick auf ihren Prozentsatz an den beobachteten Fällen (ca. 4 %) vermuten würde. Ein möglicher Grund hierfür ist das gezielte Absammeln und Verarbeiten von Meteoreisen in den Fundgebieten durch die vor- und frühgeschichtlichen Bewohner der Sahara. == Historisches == Berichte über vom Himmel gefallene Steine gibt es seit frühester Zeit. So berichtet etwa der griechische Schriftsteller [[Plutarch]] über einen schwarzen Stein, der etwa 470 v. Chr. in [[Phrygien]] gefallen sein soll. Dieser Meteorit wurde im Namen der Göttin [[Kybele]] verehrt, bis er nach der Übernahme des Kybele-Kultes durch die Römer (die sie [[Mater Deum Magna Ideae|Mater Deum Magna Idaea]] nannten) im Jahr 204 v. Chr. in einer großen Prozession nach [[Römisches Reich|Rom]] gebracht wurde, wo er weitere Jahrhunderte verehrt wurde. Bereits in prähistorischer Zeit waren Meteoriten Gegenstand von religiösen Kulten. So wurde der Meteorit ''Winona'' 1928 in einem Steinbehälter in einem prähistorischem Pueblo in Arizona gefunden, wo er offenbar kultischen Zwecken diente. Auch bei dem in der [[Kaaba]], dem zentralen Heiligtum des [[Islam]], eingemauerten schwarzen Stein ''Hadschar al-Aswad'' handelt es sich möglicherweise um einen Meteoriten, was allerdings wissenschaftlich nicht gesichert ist. [[Datei:Schmelzkruste auf Steinmeteorit.JPG|thumb|Schmelzkruste (Spritzgrate und Schmelzwulst) auf der Rückseite eines Steinmeteoriten (Noktat Addagmar/Marokko)]] Der chinesische Historiker [[Ma Duanlin]] (1245–1325) berichtet über Meteoritenfälle in einem Zeitraum von 2000 Jahren. Eine Auswertung früher chinesischer Aufzeichnungen durch die Meteoritenforscher K. Yau, P. Weissman und D. Yeomans ergab 337 beobachtete Meteoritenfälle zwischen 700 v. Chr. und 1920. Der Meteorit [[Nogata (Meteorit)|Nogata]], gefallen im Jahr 861 n. Chr., ist der früheste beobachtete Fall, von dem heute noch Material aufbewahrt wird. Der erste registrierte Meteorit in Europa, von dem noch Material vorhanden ist, fiel 1400 n. Chr. in [[Loket|Elbogen]] in [[Böhmen]], das genaue Datum und die Umstände des Falls sind nicht überliefert. Großes Aufsehen erregte der Fall von [[Ensisheim (Meteorit)|Ensisheim]] im Elsass, bei dem im Jahre 1492 ein Steinmeteorit unter großem Getöse vom Himmel fiel. Über das Ereignis berichteten zahlreiche Chroniken und Flugblätter. Die ältesten auf der Erde gefundenen Überreste von Meteoriten sind „fossile Meteoriten“, die einen Stoffaustausch mit dem Gestein, in das sie eingebettet sind, erfahren haben und deren meteoritische Herkunft nur noch an ihrer Struktur zu erkennen ist. In Kalksteinschichten in Schweden sind zum Beispiel eingebettete Fragmente von fossilen chondritischen Meteoriten gefunden worden, die im [[Ordovizium]] vor etwa 450-480 Millionen Jahren auf die Erde gefallen sind. [[Datei:Tunguska Ereignis.jpg|thumb|right|Waldschäden nach dem Tunguska-Ereignis]] Als spektakuläres Ereignis der jüngeren Zeit gilt eine Beobachtung am 30. Juni 1908 ([[Tunguska-Ereignis]]). Zeugen beobachteten am Himmel über der sibirischen [[Tunguska (Region)|Tunguska-Region]] einen blassblauen Feuerball. Kurz darauf machte die Druckwelle einer Explosion rund 2.000 Quadratkilometer Wald dem Erdboden gleich, das entspricht etwa einer Kreisfläche von 50 Kilometern Durchmesser. Die durch die Explosion verursachten Luftdruckschwankungen konnten noch in London registriert werden. Neben anderen Theorien wird vermutet, dass es sich bei diesem Ereignis um die Explosion eines Meteoroiden, vermutlich eines Kometenkernfragments oder eines kleineren Asteroiden, von etwa 50 bis 100 Meter Durchmesser in einer Höhe von ca. 10.000 Metern handelte. Meteoriten oder ein Krater, die durch das Ereignis entstanden sein könnten, wurden in dem entsprechenden Gebiet bisher nicht gefunden, aber einige Stunden nach dem Ereignis fiel in der Nähe von Kiew der Meteorit [[Kagarlyk (Meteorit)|Kagarlyk]]. Bisher ist ungeklärt, ob dies ein zufälliges Aufeinandertreffen der beiden Ereignisse ist oder ob ein Zusammenhang besteht. Meteoritisches [[Eisen]] wurde schon vor der eigentlichen [[Eisenzeit]] zur Herstellung von Kultgegenständen, Werkzeugen und Waffen benutzt. So wurden etwa in einem kleinen Gräberfeld aus der Zeit von 3500 bis 3000 v. Chr. bei der [[Ägypten|ägyptischen]] Siedlung [[Gerzeh]] Eisenperlen mit einem Nickelgehalt von 7,5&nbsp;Prozent gefunden, was den meteoritischen Ursprung nahe legt. Eine Dolchklinge wurde auch in der Grabkammer des [[Pharao]]s [[Tutanchamun]] gefunden. Ob es sich tatsächlich um Meteoriteneisen handelt, konnte bis heute nicht wissenschaftlich bewiesen werden. In Frage kommen auch [[Eisen]] und [[Hämatit]].<ref>[http://www.mineralienatlas.de/lexikon/index.php/Mineralienportrait/Eisen Dolch des Tutanchamun]</ref> Auch heute wird das so genannte [[Stahlerzeugung#Meteoreisen|Meteoriteneisen]] wegen seiner relativen Seltenheit als Schmuck oder als Teil von handgemachten Messern verwendet. Ätzt man Meteoriteneisen mit Säure, zeichnet sich ein Muster ab, da die verschiedenen Metalle unterschiedlich stark von der Säure angegriffen werden. Bei dieser Widmanstätten-Struktur spricht man auch von Meteoriten[[Damaszener Stahl|damast]]. == Geschichte der Meteoritenforschung == [[Datei:Meteorit Hrascina 1751.jpg|thumb|right|Darstellung des Meteoritenfalls von [[Hrašćina]] ([[Kroatien]]) von 1751]] Die wissenschaftliche Erforschung von Meteoriten begann am Ende des 18. Jahrhunderts. Die erste Veröffentlichung über die chemische Analyse eines 1768 bei Lucé in Frankreich gefallenen Steines mit modernen chemischen Methoden wurde 1777 von den Chemikern Fourgeroux, Chadet und [[Antoine Laurent de Lavoisier|Lavoisier]] im ''Journal de Physique'' veröffentlicht. Allerdings kamen die Autoren zu dem falschen Schluss, dass der Stein irdischen Ursprungs und möglicherweise durch Blitzeinschlag in Sandstein entstanden sei. [[Datei:Ernst F. F. Chladni Ursprung der Meteorite.jpg|thumb|left|[[Ernst Florens Friedrich Chladni|Ernst F. F. Chladni]]: ''Ueber den Ursprung der von Pallas gefundenen und anderer ihr ähnlicher Eisenmassen'', 1794]] Als Meilenstein in der Akzeptanz von Meteoriten als [[Extraterrestrisch|außerirdische]] Objekte gilt die Veröffentlichung des Physikers [[Ernst Florens Friedrich Chladni|Ernst F. F. Chladni]] ''Ueber den Ursprung der von [[Peter Simon Pallas|Pallas]] gefundenen und anderer ihr ähnlicher Eisenmassen''. In diesem 1794 veröffentlichten Aufsatz diskutiert Chladni historische Berichte über [[Meteor]]e und [[Bolide (Leuchterscheinung)|Feuerkugeln]] und begründet, warum viele der zu dieser Zeit existierenden, sehr unterschiedlichen Erklärungen über den Ursprung dieser Phänomene nicht zutreffen können. Des Weiteren stellt er die Hypothese auf, dass diese Erscheinungen mit Berichten über vom Himmel gefallene Stein- und Eisenmassen verknüpft sind. Außerdem schlägt er vor, dass diese Körper aus dem Weltraum stammen. Auslöser für diese Arbeit waren Diskussionen mit dem Physiker [[Georg Christoph Lichtenberg]], welcher 1791 selbst einen Feuerball beobachtet hatte. Während an der Existenz von Meteoren und Feuerkugeln nicht gezweifelt wurde, wurden Berichte über vom Himmel gefallene Steine oder Eisenmassen vor der Veröffentlichung Chladnis von Wissenschaftlern meist als Aberglaube abgetan. Wenn überhaupt, wurde höchstens ein atmosphärischer Ursprung von Meteoriten akzeptiert, beispielsweise durch Blitze verkohlte Vögel oder atmosphärische Staubzusammenballungen. Besonders Behauptungen, dass Meteoriten außerirdischen Ursprungs seien, wurden oft auch von aufgeklärten und gebildeten Menschen mit Spott und Polemik beantwortet. Ein Grund hierfür war der auf [[Aristoteles]] zurückgehende und von [[Isaac Newton]] bekräftigte Glaube, dass das Sonnensystem abgesehen von den größeren Körpern wie Planeten, Monden und Kometen frei von Materie und höchstens von einer [[Äther (Physik)|Äther]] genannten Substanz erfüllt sei. Auch Chladnis Thesen erfuhren zunächst bei den meisten Wissenschaftlern Ablehnung, durch weitere beobachtete Fälle (beispielsweise Wold Cottage 1795, L’Aigle 1803) und Forschungsberichte erhielten sie aber zunehmend Unterstützung. William Thomson lieferte 1794 die erste mineralogische Beschreibung eines bei [[Siena]] in Italien gefallenen Steins, in der er zeigte, dass dieser von allen bekannten irdischen Gesteinen verschieden ist. Edward C. Howard und Jacques-Louis de Bournon analysierten 1802 vier Meteoriten auf ihre chemische Zusammensetzung. De Bournon erwähnte dabei erstmals in diesen gefundene Silikatkügelchen, welche 1869 durch Gustav Rose als [[Chondren]] benannt wurden. Während noch in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts die fälschlicherweise als Mondvulkane interpretierten Mondkrater oder Staubzusammenballungen in der Hochatmosphäre als Herkunft der meisten Meteoriten diskutiert wurden, nahm man später den Asteroidengürtel oder gar einen interstellaren Ursprung an. Dass fast alle Meteoriten Bruchstücke aus dem Asteroidengürtel sind, hat sich letztendlich um 1940 durch photographische Aufnahmen einiger Meteore durch F. L. Whipple und C. C. Wylie, aus denen auf elliptische Bahnen geschlossen werden konnte, abgezeichnet. Bei einem interstellaren Ursprung wären hyperbolische Bahnen zu erwarten gewesen. Im Jahr 1959 konnte die Bahn des Meteoriten ''[[Pribram (Meteorit)|Pribram]]'' durch mehrere Kameras aufgezeichnet und der Orbit berechnet werden, dessen [[Apsis (Astronomie)|Aphel]] im Asteroidengürtel lag. Allerdings konnte dann Anfang der 1980er-Jahre mit Hilfe neuester kosmochemischer Daten auch nachgewiesen werden, dass etwa jeder tausendste Meteorit vom Mond und eine vergleichbare Anzahl sogar vom Mars stammt. == Aktuelle Meteoritenforschung == [[Datei:steinmeteorit_eisenmeteorit.jpg|thumb|Steinmeteorit (Fundort Marokko) und Eisenmeteorit (Fund 1576 / Argentinien)]]Meteoriten repräsentieren bisher neben den Proben von [[Mondgestein]] durch die [[Apollo-Programm|Apollo]]- und [[Luna-Mission]]en sowie den eingefangenen Partikeln des [[Sonnenwind]]es ([[Genesis (Sonde)|Mission Genesis]]), des Kometen [[Wild 2]] und des [[Interstellarer Staub|interstellaren Staubes]] ([[Stardust (Sonde)|Mission Stardust]]) das einzige außerirdische Material, das in irdischen Labors untersucht werden kann. Deswegen ist die Forschung an Meteoriten sehr wichtig für die [[Planetologie]] und [[Kosmochemie|kosmochemische]] Fragestellungen. So können anhand von [[Isotop]]enmessungen an [[Präsolares Mineral|präsolaren Mineralen]] Modelle der [[Nukleosynthese]] in [[Supernova]]e und der Umgebung von [[Roter Riese|Roten Riesen]] überprüft werden. Auch für die Erforschung der Entstehung unseres [[Planet]]ensystems sind Meteoriten sehr wichtig. So konnte für [[Calcium-Aluminium-reiche Einschlüsse]] in primitiven Chondriten mit verschiedenen Datierungsmethoden ein Alter zwischen 4,667 und 4,671&nbsp;Milliarden Jahren nachgewiesen werden. Weil dies vermutlich die ältesten im Sonnensystem entstandenen Minerale sind, markieren sie den Beginn der Entstehung unseres Planetensystems. Die Datierung der verschiedenen Klassen von Meteoriten erlaubt so eine zunehmend genauere zeitliche Darstellung der einzelnen Prozesse im frühen Sonnensystem. Auch sind in Meteoriten zahlreiche Mineralien wie beispielsweise [[Niningerit]] entdeckt worden, die bisher auf der Erde nicht gefunden wurden. [[Datei:ALH84001bakterie.jpg|thumb|Fossiles Bakterium in ALH 84001? ([[NASA]])]] Meteoriteneinschläge haben zudem die Erdgeschichte stark beeinflusst, deshalb sind sie auch aus diesem Grund von Interesse. So war die Erde nach ihrer Entstehung bis vor etwa 3,9&nbsp;Milliarden Jahren einige hundert Millionen Jahre lang einem [[Großes Bombardement|starken Bombardement]] durch außerirdische Objekte ausgesetzt. Weithin bekannt ist inzwischen der [[Kreide-Tertiär-Grenze|KT-Impakt]] genannte Meteoriteneinschlag vor 65&nbsp;Millionen Jahren, der für das Aussterben der [[Dinosaurier]] verantwortlich gemacht wird. Auch das heute allgemein akzeptierte Alter der Erde von 4,55&nbsp;Milliarden Jahren wurde zuerst 1953 von [[Clair Cameron Patterson|C. C. Patterson]] mittels [[Uran-Blei-Datierung]] am Meteoriten ''[[Canyon-Diablo]]'' bestimmt. Beginnend mit der Entdeckung von organischen Verbindungen im kohligen Chondriten [[Murchison (Meteorit)|Murchison]] spielen Meteoriten eine zunehmend größere Rolle in der [[Exobiologie|Astrobiologie]] und der Erforschung des Ursprungs des Lebens. Neben [[Aminosäuren]] und [[Polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe|polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffen]], die inzwischen auch in anderen kohligen Chondriten nachgewiesen wurden, wurden in Murchison [[Fullerene]] und sogar [[Diaminosäuren]] nachgewiesen.<ref>[[Uwe Meierhenrich|Meierhenrich]] et al.: Identification of diamino acids in the Murchison meteorite. Proc. Natl. Acad. Sci. 101 (2004) 9182-9286. {{DOI|10.1073/pnas.0403043101}}</ref> Es wird vermutet, dass Diaminosäuren eine wichtige Rolle in den ersten präbiotischen Reaktionen, aus denen letztlich die [[RNA]] und die [[Desoxyribonukleinsäure|DNA]] hervorgingen, gespielt haben. Diese Entdeckung ist somit ein Indiz dafür, dass einige wichtige Bausteine des Lebens durch Meteoriten auf die Erde gelangt sein könnten. Ein noch aufsehenerregenderes Forschungsergebnis in diesem Bereich war die bis heute kontrovers diskutierte Entdeckung angeblich fossiler Spuren bakteriellen Lebens im Marsmeteoriten ALH 84001. == Fall und Einschlag eines Meteoriten == :''Hauptartikel: [[Meteoriteneinschlag]]'' [[Datei:Bassikounou meteorite strewn field.jpg|thumb|Streufeld (Distributionsellipse) des Meteoritenfalles von [[Bassikounou]]]] Man unterscheidet einzelne Fälle und multiple Fälle. Bei einem einzelnen Fall erreicht ein [[Meteoroid]] die Erdoberfläche ohne vorher durch die beim [[Atmosphärenflug]] wirkenden Kräfte in mehrere Teile auseinanderzubrechen. Häufig handelt es sich bei den einzelnen Fällen um Eisenmeteoriten, seltener um Steineisenmeteoriten oder Steinmeteoriten. Dies lässt sich auf die höhere Dichte und die kompaktere Struktur der Eisenmeteoriten zurückführen, die den Torsions-, Zug- und Druckkräften, die durch den Luftstau und die hohen Geschwindigkeiten, die beim Eintritt in die Gasatmosphäre unseres Planeten auf ein Objekt wirken, höheren Widerstand entgegensetzt. Zu multiplen Fällen kommt es während eines Kontaktes der [[Erdatmosphäre]] mit Meteoroiden eines [[Meteorstrom]]s, sowie auch durch das Auseinanderbrechen eines einzelnen Meteoroiden während des Atmosphärenfluges in mehrere Fragmente. Schockereignisse, bedingt durch Kollisionen der Mutterkörper der Meteoriten im Asteroidengürtel, führen insbesondere bei silikatischen Körpern zu Frakturen und Haarrissen der losgesprengten Bruchstücke. Beim Eintritt in die Erdatmosphäre brechen diese Asteroidentrümmer häufig entlang dieser Frakturen auseinander. Dieser Vorgang kann sukzessive in mehreren Stufen ablaufen, was dazu führt, dass der Meteoroid schließlich in Gestalt eines Trümmerschwarmes die unteren Schichten der Atmosphäre erreicht (z.&nbsp;B. [[Pultusk (Meteorit)|Pultusk]] 1868, [[Hoolbrook (Meteorit)|Hoolbrook]] 1912, [[Sikhote-Alin (Meteorit)|Sikhote Alin]] 1947, [[Gao-Guenie]] 1960, [[Thuathe]] 2002, [[Bassikounou]] 2006, [[Tamdakht (Meteorit)|Tamdakht]] 2008). Allerdings sind in einigen Fällen finale Detonationen am Endpunkt der Flugbahn, nur wenige Kilometer über der Erdoberfläche belegt (z.&nbsp;B. Tatahouine 1931). Die Meteoriten multipler Fälle treffen nicht gemeinsam auf einem Punkt der Erdoberfläche auf, sondern bilden aufgrund der unterschiedlichen Massenverteilung im Trümmerschwarm ein ausgedehntes Streufeld. Dabei legen die größeren Massen aufgrund der ihnen innewohnenden größeren kinetischen Energie eine gestrecktere, längere Flugbahn zurück, während kleinere Massen durch Luftwiderstand und Winddrift schneller in ihrem Flug abgebremst und leichter abgelenkt werden. Aus diesem Verhalten ergibt sich am Boden stets eine Ellipse, innerhalb derer die einzelnen Massen aufschlagen. Dieses elliptische Streufeld wird Distributionsellipse genannt. Die größten Massen befinden sich dabei stets am Endpunkt der Ellipse, die kleinsten Massen markieren den Anfangspunkt der Ellipse, sie erreichen auch als erste die Oberfläche. Berühmte Beispiele für klassische Distributionsellipsen sind die Meteoritenfälle von Pultusk 1868, Hessle 1869, L' Aigle 1803, Dar Al Ghani 749 1999 (Fund), Thuathe 2002 und Bassikounou 2006. [[Datei:Distribution ellipse Pultusk meteorite.jpg|thumb|Streufeld des Meteoritenfalles von [[Pultusk]]]] Kleinere Meteoriten werden bei ihrem Durchflug durch die [[Erdatmosphäre]] abgebremst und fallen schließlich im [[Freier Fall|freien Fall]] herab. Beim Auftreffen auf die Erde richten sie, wenn überhaupt, nur geringen Schaden an. Dennoch sind etwa 100 Fälle bekannt, bei denen Meteoriteneinschläge zu (meist geringen) Sachschäden geführt haben, so etwa der Fall des [[Peekskill (Meteorit)|Peekskill]]-Meteoriten, einem 12 Kilogramm schweren Chondriten, der am 9. Oktober 1992 im US-amerikanischen Staat New York einen geparkten Chevrolet Malibu beschädigt hat. Am 15. Oktober 1972 soll der Steinmeteorit von [[Valera (Meteorit)|Valera]] in Venezuela eine Kuh getroffen und getötet haben, wie von den Besitzern der Kuh notariell beglaubigt zu Protokoll gegeben wurde. Bis heute ist nur ein einziger Fall bekannt, bei dem ein Mensch nachweislich von einem Meteoriten verletzt wurde: Am 30. November 1954 durchschlug der 5,56&nbsp;kg schwere Meteorit von [[Sylacauga (Meteorit)|Sylacauga]] im US-Bundesstaat Alabama das Dach eines Hauses und traf, vom Aufprall auf ein Radiogerät bereits gebremst, die auf einer Couch liegende Hausfrau Ann Elizabeth Hodges am Arm und an der Hüfte, was großflächige Blutergüsse zur Folge hatte. Nach [[Alexander von Humboldt]] ist 1660 bei der Gelegenheit eines Aerolithenfalls in Italien ein Franziskanermönch zu Tode gekommen. Der Niedergang von größeren Meteoriten in besiedelten Regionen könnte durchaus beträchtliche materielle Schäden und auch den Verlust von Menschenleben zur Folge haben. Meteoriten mit einer Masse von über 100 [[Tonne (Einheit)|Tonnen]] werden durch die Atmosphäre nicht mehr nennenswert abgebremst. Beim Auftreffen auf die Erdoberfläche wird ihre [[kinetische Energie]] explosionsartig freigesetzt, wodurch es zur Bildung von [[Einschlagkrater]]n kommt. Derartige Einschläge können eine globale Katastrophe darstellen, und&nbsp;– wie im Falle des [[Kreide-Tertiär-Grenze|KT-Impakts]]&nbsp;– das Aussterben zahlreicher Pflanzen- und Tierarten als Konsequenz haben. == Siehe auch == * [[Liste von Meteoriten]] * [[Liste der Meteoriten Deutschlands]] * [[Liste der Meteoriten Österreichs]] * [[Liste der Meteoriten der Schweiz]] * [[Durchschlagskraft]] von Meteoriten, Geschossen und anderen Impaktoren nach Newton * [[Bätylien]] == Literatur == === Einführende Fachbücher und Artikel === * L. Schultz: ''Planetologie, eine Einführung.'' Birkhäuser-Verlag, Basel 1993, ISBN 3-7643-2294-2 * F. Heide; F. Wlotzka: ''Kleine Meteoritenkunde.'' Springer-Verlag, 3. Auflage Berlin 1988, ISBN 3-540-19140-2 * R. W. Bühler: ''Meteorite. Urmaterie aus dem interplanetaren Raum.'' Birkhäuser-Verlag, Basel 1988, ISBN 3-7643-1876-7 * N. Widauer (Hrsg.): ''Meteoriten – was von außen auf uns einstürzt. Texte und Bilder im Schnittpunkt von Wissenschaft, Kunst und Literatur.'' [[Verlag Niggli AG|Verlag Niggli]], Sulgen/Zürich 2005, ISBN 3-7212-0534-0 * O. R. Norton: ''The Cambridge Encyclopedia of Meteorites.'' Cambridge University Press, Cambridge 2002, ISBN 0-521-62143-7 * H. Y. McSween, Jr.: ''Meteorites and Their Parent Planets.'' Cambridge University Press, Cambridge 1999, ISBN 0-521-58751-4 * U. B. Marvin : ''Ernst Florenz Friedrich Chladni (1756–1827) and the origins of modern meteorite research.'' in: ''Meteoritics & Planetary Science.'' Allen Press, Lawrence Kan 31.1996, S. 545–588, {{ISSN|1086-9379}} * R. Vaas: ''Der Tod kam aus dem All. Meteoritenenschläge, Erdbahnkreuzer und der Untergang der Dinosaurier'', Franckh-Kosmos, Stuttgart 1995, ISBN 3-440-07005-0 * A. von Humboldt, Kosmos, S. 60 Fußnote 69. * D. de Niem: ''[http://deposit.d-nb.de/cgi-bin/dokserv?idn=982752709 Hochgeschwindigkeitseinschläge von Asteroiden, Kometen und Meteoriten]'' (Dissertation) – TU Braunschweig 2005 * Mario Trieloff, Birger Schmitz, Ekaterina Korochantseva: ''Kosmische Katastrophe im Erdaltertum.'' Sterne und Weltraum 46(6), S. 28–35 (2007), {{ISSN|0039-1263}} * Isidore Adler: ''The analysis of extraterrestrial materials.'' Wiley, New York 1986, ISBN 0-471-87880-4 * Iain Gilmour, Christian Koeberl: ''Impacts and the early earth.'' Springer, Berlin 2000, ISBN 3-540-67092-0 * O. Richard Norton, Lawrence A. Chitwood: ''Field guide to meteors and meteorites.'' Springer, London 2008, ISBN 978-1-84800-156-5 * Virgiliu Pop: ''Property status of extraterrestrial samples and extracted resources.'' in: V. Pop: ''Who owns the moon? - extraterrestrial aspects of land and mineral resources ownership.'' Springer, Berlin 2008, ISBN 978-1-4020-9134-6, S. 135 - 151. === Meteoritenkataloge === * Monica M. Grady: ''[http://internt.nhm.ac.uk/jdsml/research-curation/projects/metcat// Catalogue of Meteorites.]'' 5. Auflage. Cambridge University Press, Cambridge 2000. ISBN 0-521-66303-2 (in Buchform, CD-Rom und Online) * Joern Koblitz: ''[http://www.metbase.de/ Metbase.]'' Elektronischer Katalog. CD-Rom. === Relevante wissenschaftliche Zeitschriften === * [[Meteoritics & Planetary Science]] (MAPS). Journal of the Meteoritical Society. Allen Press, Lawrence Kan 31.1996ff. {{ISSN|1086-9379}} * [[Geochimica et Cosmochimica Acta]] (GCA). Journal of the Geochemical Society and the Meteoritical Society. Elsevier Science. New York NY 1.1950ff. {{ISSN|0016-7037}} * [[Earth and Planetary Science Letters]] (EPSL). Elsevier, Amsterdam 1.1966ff. {{ISSN|0012-821x}} * [[Journal of Geophysical Research]] (JGR). Serie A-G. American Geophysical Union, Washington DC 54.1949ff. {{ISSN|0022-1406}} == Weblinks == {{Wiktionary|Meteorit}} {{Commons|Meteorite|Meteorit}} {{Wikisource|Ueber die Bestandtheile der Meteorsteine}} * [http://www.niger-meteorite-recon.de/ Erkennungshilfen und Informationen zur Meteoritensuche] (deutsch und englisch) * [http://www.meteoroids.de/wiss_met_a.htm Wissenswertes über Meteoriten] * [http://www.meteorite.de/ Informative Webseite über Meteoriten und Mineralien] * [http://www.meteoriticalsociety.org/ Meteoritical Society] (englisch) * [http://tin.er.usgs.gov/meteor/metbull.php Meteoritical Bulletin Database] (englisch) * [http://www.sternwarte-singen.de/meteoritehaupseite.htm Meteoriten-Bilder-Galerien mit Informationen – Sternwarte Singen e.&nbsp;V.] (deutsch) * [http://www.unb.ca/passc/ImpactDatabase/index.html Datenbank der Meteoritenkrater] (englisch) == Einzelnachweise == <references /> {{Exzellent|13. Juli 2004|1832450}} [[Kategorie:Meteorit| ]] [[Kategorie:Gestein]] [[ast:Meteoritu]] [[bat-smg:Metėorits]] [[be:Метэарыт]] [[bg:Метеорит]] [[bs:Meteorit]] [[ca:Meteorit]] [[cs:Meteorit]] [[el:Μετεωρίτης]] [[en:Meteorite]] [[eo:Meteorŝtono]] [[es:Meteorito]] [[et:Meteoriit]] [[eu:Meteorito]] [[fa:شهاب‌سنگ]] [[fi:Meteoriitti]] [[fr:Météorite]] [[gl:Meteorito]] [[he:מטאוריט]] [[hr:Meteorit]] [[hu:Meteorit]] [[id:Meteorit]] [[io:Aerolito]] [[is:Loftsteinn]] [[it:Meteorite]] [[ja:隕石]] [[kaa:Meteorit]] [[ko:운석]] [[la:Meteorites]] [[lb:Meteorit]] [[lt:Meteoritas]] [[lv:Meteorīts]] [[ms:Meteorit]] [[nah:Cītlalmītl]] [[nl:Meteoriet]] [[nn:Meteoritt]] [[no:Meteoritt]] [[pl:Meteoryt]] [[pt:Meteorito]] [[qu:Pachakawri rumi]] [[ro:Meteorit]] [[ru:Метеорит]] [[sk:Meteorit]] [[sl:Meteorit]] [[sq:Meteorët]] [[sr:Метеорит]] [[sv:Meteorit]] [[ta:விண்வீழ்கல்]] [[th:อุกกาบาต]] [[uk:Метеорит]] [[vi:Vẫn thạch]] [[zh:隕石]] qg4j0h6fqpz64w7awocvwltegd2hwcq wikitext text/x-wiki Meteorologisches Observatorium Hohenpeißenberg 0 23923 26519 2010-03-07T21:34:28Z 84.152.134.55 [[Datei:Observatorium Hohenpeißenberg.jpg|thumb|Observatorium Hohenpeißenberg]] Das '''Meteorologische Observatorium Hohenpeißenberg''' ist die älteste [[Bergwetterwarte]] der Welt. Das Observatorium liegt 977 Meter über [[Normalnull]] auf dem [[Hoher Peißenberg|Hohen Peißenberg]], etwa 20 Kilometer vom Alpenrand entfernt und etwa 60 Kilometer südwestlich von [[München]] in [[Bayern]]. Es ist dem [[Deutscher Wetterdienst|Deutschen Wetterdienst]] (DWD) angegliedert, betreibt [[Ozon]]forschung, Aerosol- und Spurengasmessungen und Radarmeteorologie und führt [[Wetterbeobachtung]]en durch. Zusammen mit der Umweltforschungsstation Schneefernerhaus auf der [[Zugspitze]] ist es die einzige [[Global Atmosphere Watch|Globalstation]] im "Global Atmosphere Watch" (GAW) Verbund in [[Deutschland]]. Im Rahmen dieses Programms der [[World Meteorological Organization]] (WMO), einer [[Vereinte Nationen|UN]]-Organisation, erfassen weltweit 24 Globalstationen luftchemische und meteorologische Daten. Damit können Rückschlüsse auf beispielsweise die sich ändernde chemische Zusammensetzung der Atmosphäre, den [[Treibhauseffekt]], das [[Ozonloch]] und möglicherweise daraus resultierende Klimaänderungen (Stichwort: [[Globale Erwärmung|Klimaerwärmung]]) gezogen werden. Hohenpeißenberg ist die einzige verbliebene Station im ''Mannheimer Messnetz'' der ''[[Societas Meteorologica Palatina]]'', einer [[Meteorologie|meteorologischen]] Gesellschaft mit Sitz in [[Mannheim]], an der seit dem 1.&nbsp;Januar 1781 bis heute nahezu unterbrechungsfrei meteorologische [[Beobachtung]]en durchgeführt werden. == Bedeutung == [[Datei:Hohenpeißenberg Observatorium Wetterwarte.jpg|thumb|Observatorium]] Das Observatorium ist aufgrund seiner über 225-jährigen Geschichte sehr bedeutsam für die Wetter- und [[Klimatologie|Klimaforschung]]. Aus den [[Messreihe]]n der Station wurden zahllose wichtige Erkenntnisse über die [[Atmosphäre]] gewonnen. Die gemessenen Werte wurden im Laufe der letzten 200&nbsp;Jahre verschiedentlich ausgewertet und in Publikationen von Wissenschaftlern aus aller Welt verwendet. Anfang der 1960er-Jahre wurden die Hohenpeißenberger Messreihe von mehreren Wissenschaftlern erneut bearbeitet, nachdem die ''WMO'' und die [[UNESCO]] für Fragen der [[Klimaveränderung]] lange Messreihen benötigten. Die Messreihe Hohenpeißenberg zählt zu den längsten und [[Homogenität|homogensten]] Reihen in [[Europa]] und ist frei von [[Stadtklima|Wärmeinseleffekten]], wo durch Zunahme der Bebauung in der nahen Umgebung eine Erwärmung eintritt, mit denen zum Beispiel andere langen Reihen, wie die von [[Basel]] oder [[Prag]], behaftet sind.<ref name="Hohenpeißenberg 1781–2006">Peter Winkler: ''Hohenpeißenberg 1781–2006 – das älteste Bergobservatorium der Welt.'' Seite 3. Siehe auch: Literatur.</ref> Die Wetterstation Hohenpeißenberg zählte nach der Schließung der ''Societas Meteorologica Palatina'' und der damit verbundenen Auflassung der Bergwetterstation auf dem [[Sankt Gotthard (Pass)|Sankt Gotthard]] für etwa 100&nbsp;Jahre als einzige Bergwetterstation der Welt. Die meteorologischen Parameter, insbesondere die [[Temperatur]], verlaufen am Standort Hohenpeißenberg parallel zur globalen Entwicklung und zu anderen langen Messreihen in Europa, wie die von [[Wien]] und Basel. Die Lage der Station hat sich als besonders vorteilhaft erwiesen, weil die Messergebnisse im Gegensatz zu Stationen in Stadtnähe, nicht durch lokale Veränderung der Bebauung beeinflusst werden. Die Lage der Station ist auch deshalb vorteilhaft, weil der fast 1000 Meter hohe, den Alpen vorgelagerte Inselberg nachts aus der bodennahen Kaltluft herausragt und somit frei von kleinräumigen Effekten ist.<ref name="Hohenpeißenberg 1781–2006">Peter Winkler: ''Hohenpeißenberg 1781–2006 – das älteste Bergobservatorium der Welt.'' Seite 3. Siehe auch: Literatur.</ref> Um die langen Messreihen von Hohenpeißenberg kontinuierlich weiterzuführen, werden die Klimabeobachtungen der meteorologischen Geräte weiterhin zu den [[Mannheimer Stunden]], also um 7, 14 und 21 Uhr abgelesen, obwohl seit dem 1.&nbsp;April 2001 im DWD alle Beobachtungen stündlich elektronisch gemessen und durch Computer erfasst werden. Aus diesen stündlichen Messdaten werden die [[Mittelwert]]e gebildet.<ref>Peter Winkler: ''Hohenpeißenberg 1781–2006 – das älteste Bergobservatorium der Welt.'' Seite 109. Siehe auch: Literatur.</ref> Die ''Mannheimer Stunden'' haben sich zuvor für die Beobachter und die Berechnungen des [[Tagesmittel]]s bewährt. == Lage == {{Positionskarte |Deutschland |label= |lat=47/48//N |long=11/0//E |region=DE-BY |position=left |width=170 |float=right |caption=Observatorium Hohenpeißenberg }} Der [[Hoher Peißenberg|Hohe Peißenberg]] liegt inmitten der [[Moräne|moränenreichen]] Landschaft des [[Pfaffenwinkel]]s, zwischen den Gemeinden [[Weilheim in Oberbayern]] und [[Schongau]], etwa 60 Kilometer südwestlich von München und etwa 20 Kilometer vom Alpenrand entfernt, im Grenzgebiet zwischen gefalteten und ungefalteten [[Tertiär (Geologie)|Tertiärschichten]] des Alpenvorlandes. Er bietet einen allseits freien Sichthorizont mit einem Alpenpanorama in einer Breite von etwa 200 Kilometern von den [[Berchtesgadener Alpen|Berchtesgadener]] bis zu den Schweizer Alpen. Der Berg gilt als die am weitesten in die Schwäbisch-Bayerische Hochebene vorgeschobene nennenswerte Erhöhung. Der Hohe Peißenberg ist 989 Meter hoch, überragt die umliegende Region um 250 bis 300 Meter und wird an seinem Fuß im Süden, Osten und Norden von der Gemeinde [[Hohenpeißenberg]] umgeben. Die Lage des Hohen Peißenbergs und der darauf befindlichen Station bringt es mit sich, dass es im Winter bei [[Inversionswetterlage]] zu Temperaturumkehrungen kommt. Im Winter bilden sich im Tal [[Kaltluftsee]]n, die erheblich kälter sein können, als im Gipfelbereich des Hohen Peißenbergs. Somit ist die mittlere Temperatur auf dem Hohen Peißenberg im Dezember und Januar höher als in niedriger gelegenen Stationen. Im Sommer hingegen ist es auf dem Hohen Peißenberg, der Höhenlage entsprechend, zwei bis drei Grad Celsius kühler als im Flachland. Die Temperaturverhältnisse weisen im Jahresverlauf –&nbsp;trotz der relativ geringen Höhe des Berges&nbsp;– die Merkmale des [[Gebirgsklima]]s auf. == Geschichte == [[Datei:Hohenpeißenberg.jpg|thumb|Kloster und Observatorium]] Das Observatorium gehörte am Ende des 18.&nbsp;Jahrhunderts, als man mit den Beobachtungen begann, zum [[Kloster Rottenbuch]] und wurde von den [[Augustiner-Chorherren|Augustinerchorherren]] betrieben. 1803 wurde es nach der [[Säkularisation in Bayern|Säkularisation]] des Klosters Rottenbuch von der [[Bayerische Akademie der Wissenschaften|Bayerischen Akademie der Wissenschaften]] in München verwaltet, 1838 der [[Sternwarte]] [[Bogenhausen]] bei München fachlich unterstellt und 1879 als höchstgelegene Station in den neu entstandenen Bayerischen Landeswetterdienst eingegliedert. Im Jahre 1940 wurde sie in das neu errichtete Gebäude des Flugfunkforschungsinstituts an der Westkante des Hohen Peißenbergs verlegt. Am 10.&nbsp;März 1950 wurde die Wetterstation in ein Observatorium umgewandelt und zählte formell als Forschungseinrichtung des Wetterdienstes der [[Amerikanische Besatzungszone|Amerikanischen Besatzungszone]]. Seit 1952 gehört es zum neugegründeten Deutschen Wetterdienst. === Erste Messungen === Bereits in den Jahren 1758 und 1759 wurden auf dem Hohen Peißenberg die ersten meteorologischen Beobachtungen durch den Rottenbucher Konventualen Wittner durchgeführt, der die Beobachtungsdaten aus dem Zeitraum November 1758 bis Februar 1759 dem ersten Sekretär der kurz zuvor gegründeten ''Bayerischen Akademie der Wissenschaften'', Johann Georg von Lori, übersandte. === Planung der Sternwarte === Die Planungen für eine akademische Sternwarte für Naturforscher auf dem Hohen Peißenberg, der für die Mutter-Gottes-Wallfahrt sehr bekannt war, reichen bis in das Jahr 1772 zurück. Die Anregung hierzu kam vom Geheimen Rat [[Johann Georg von Lori]], dem Vertrauten des [[Kurfürst]]en Max&nbsp;III. Joseph von Bayern. Er war für alle Bildungsfragen der Zeit zuständig und Begründer der [[Bayerische Akademie der Wissenschaften|Bayerischen Akademie der Wissenschaften]] in München. Lori vertrat die Ansicht, dass der Hohe Peißenberg mit seiner exponierten Lage im Alpenvorland für astronomische Beobachtungen ideal wäre. Der Kurfürst ging auf den Vorschlag Loris ein und ordnete an, auf dem Hohen Peißenberg eine Sternwarte durch das Stift Rottenbuch unter Mithilfe des Stiftes [[Polling (bei Weilheim)|Polling]] zu errichten. Auf dem Dach des mit der [[Wallfahrtskirche]] verbundenen Priesterwohnhauses wurde eine Plattform als Beobachtungsstandort errichtet. Von dort aus war der ganze Himmelsumkreis einsehbar. Der Initiator der Sternwarte, Georg von Lori, konnte allerdings keine Finanzmittel aus der kurfürstlichen Hofkammer in München freimachen, so dass seine Wunschvorstellungen nicht erfüllt werden konnten, eine akademische Sternwarte auf dem Hohenpeißenberg zu errichten. === Station der Societas Meteorologica Palatina === [[Datei:Hohenpeißenberg, Pfarrhaus.jpg|thumb|Blick vom Pfarrhaus mit davorliegendem Pfarrgarten, wo sich der Regenmesser befand. Im Hintergrund das Lehrerhaus. – Aufnahme vor 1900]] Der gelehrte Hofkaplan von [[Karl Theodor (Pfalz und Bayern)|Karl Theodor von der Pfalz]], Johann Jakob Hemmer, der ein Fachmann auf dem Gebiet der Elektrizität und Meteorologie war, gliederte in den Jahren 1779 und 1780 der Mannheimer Akademie als dritte Klasse eine eigene ''Societas Meteorologica Palatina'' an. Diese sollte mit Hilfe eines weitverzweigten Stationsnetzes Beobachtungen aus verschiedenen Ländern bearbeiten. Das Mannheimer Beobachtungsnetz umfasste 39 Stationen, die in Europa, [[Grönland]] und [[Nordamerika]] lagen. 14 davon befanden sich in Deutschland, zwei waren Bergstationen, nämlich auf dem [[Sankt Gotthard (Pass)|Sankt Gotthard]] und dem Hohen Peißenberg. Diese Stationen waren alle mit den gleichen Geräten ausgerüstet und führten ein einheitliches Beobachtungsprogramm durch. Es wurden hierbei die als [[Mannheimer Stunden]] bekannt gewordenen Messzeiten gewählt, wobei Messungen um 7, 14 und 21 Uhr Ortszeit durchgeführt wurden. Kurfürst Karl Theodor wünschte auf Anregung seines Kabinettssekretärs Stephan von Stengel<!--sic-->, dass bei der ''Akademie der Wissenschaften'' in München auch eine Abteilung für Meteorologie geschaffen werde. Diese Abteilung sollte zusammen mit eigenen Beobachtungsstationen innerhalb Bayerns der Mannheimer Gesellschaft unterstellt werden, damit die Ergebnisse koordiniert und publiziert werden konnten. Hierbei sollte die astronomische Beobachtungsstätte auf dem Hohen Peißenberg direkt in das Mannheimer Beobachtungsnetz eingegliedert werden. Das bayerische Messnetz umfasste 21 Stationen und befand sich ausschließlich im Bereich bayerischer Klöster. Das Messprogramm der Station Hohenpeißenberg umfasste [[Lufttemperatur]], [[Luftdruck]], [[Luftfeuchtigkeit|Luftfeuchte]], [[Niederschlag]], [[Verdunstung]], [[Windgeschwindigkeit|Windstärke]] und [[Windrichtung|-richtung]], [[Bewölkung|Himmelszustand]], Wettererscheinungen wie zum Beispiel [[Nebel]] oder [[Gewitter]], magnetische [[Deklination (Geographie)|Deklination]] und [[Inklination (Magnetismus)|Inklination]], atmosphärische [[Elektrizität]] und [[Phänologie|phänologische Entwicklung]]. Hinzu kamen noch die Beobachtung des [[Erdmagnetfeld|Erdmagnetismus]] und der Luftelektrizität. Die dafür notwendigen Geräte, die nicht zur Grundausstattung der ''Societas Palatina'' gehörten, kaufte das Kloster Rottenbuch als Betreiber des meteorologischen Observatoriums. Damit war dieses Observatorium besonders gut ausgestattet. Dazu kamen noch astronomische Beobachtungen, worüber allerdings nichts Näheres bekannt ist. Die gemessenen Daten wurden in den ''Epheremerides Societatis Meteorologicae Palatinae'' (''Mannheimer Ephemeriden'') publiziert, von denen für die Jahre 1781 bis 1792 zwölf Bände vorliegen. Im Herbst 1780 kam der Geistliche Rat Hemmer persönlich nach Rottenbuch, um im Auftrag des Kurfürsten Karl Theodor die Messstation auf dem Hohenpeißenberg einzurichten. Er gab auch Cejatan Fischer die für den Betrieb der Station notwendige Unterweisung. Hierbei wurden einheitliche Instrumente, die zuvor in Mannheim geeicht worden waren, aufgestellt. Hemmer brachte auf Anweisung von Propst Ambrosius Mösner auf dem Klostergebäude in Rottenbuch und auf dem Hohen Peißenberg die ersten Blitzableiter an, die sich in der Folgezeit vollauf bewährten, wie aus einem Manuskript des Chorherrn Primus Koch aus den Jahr 1781 und 1782 ersichtlich ist: {{Zitat|Erst kürzlich zog sich ein schwere Donnerwolke über unser Kloster her, häufig sahen die Handwerksleit und Klosterdiener die elektrische Materie auf den Dächern herumfahren, auf dem Hohenpeißenberg hatte innerhalb der letzten 12 Jahre (vor 1781) siebenmal der Blitz in die Kirche oder das Hospisziumsgebäude eingeschlagen.|Chorherr Primus Koch<ref>Deutscher Wetterdienst (Hrsg.): ''200 Jahre meteorologische Beobachtungen auf dem Hohenpeißenberg 1781–1980.'' Seite 3. Siehe auch: Literatur.</ref>}} Cejatan Fischer siedelte am 24. November 1780 auf den Hohen Peißenberg über und begann am 1.&nbsp;Januar 1781 mit den täglichen Beobachtungen, die sich nach dem Arbeitsprogramm der Mannheimer Meteorologischen Gesellschaft richteten. Die Beobachtungs- und Messergebnisse wurden sorgfältig registriert und an die ''Societas Palatina'' nach Mannheim weitergeleitet. Fischer wurde 1781 nach München berufen. Als seinen Nachfolger schlug er seinen begabtesten Schüler, Guarinus Schlögl vor, der schon im [[Noviziat]] seine hervorragende Begabung gezeigt hatte. Unmittelbar nach dem Weggang Fischers wurde er selbständiger Observator und führte die täglichen Beobachtungen und Messungen durch. Schlögl wurde jedoch schon im Oktober 1782 ins Stift Rottenbuch zurückberufen. Nachfolger Schlögls wurde ein anderer Mitbruder, Herkulan Schwaiger, der sich schon im Mai 1782 auf dem Hohen Peißenberg neben der Wallfahrtsseelsorge in die meteorologischen Aufgaben einarbeiten konnte. Schwaiger galt als erster ordentlicher Observator der Mannheimer Meteorologischen Gesellschaft und übte diese Tätigkeit vom Oktober 1782 bis Oktober 1785 aus. Propst Ambrosius Mösner schickte im Herbst 1784 Guarinus Schlögl abermals auf den Hohenpeißenberg, wo er sich eine Wohnung nahm. Bis 1787 konnte er trotz seines fortschreitenden Lungenleidens als Observator auf dem Hohenpeißenberg wirken. In diesem Zeitraum lieferte er neben den laufenden meteorologischen Beobachtungen auch eine genaue Beschreibung der Station auf dem Hohenpeißenberg, die er für die in Mannheim erscheinenden ''Ephemeriden'' der ''Societas Palatina'' angefertigt hatte. Für die anstrengenden Beobachtungsarbeiten hatte ihm Propst Mösner bereits 1786 und 1787 Albinius Schwaiger, einen nahen Verwandten von Herkulan Schwaiger, zur Unterstützung beigegeben. Nach Schlögls Tod im Jahre 1788 übernahm er den Observatoriumsdienst. 1792 konnte er aufgrund der seit 1781 sorgfältig registrierten Forschungsergebnisse und seiner eigenen Studien den ''Versuch einer meteorologischen Beschreibung des hohen Peißenbergs'' veröffentlichen. {{Zitat|Dieser einzelne, und von den Tyrolgebürgen ganz abgesonderte Berg ist im Reiche der Schöpfung ein Original seltener Vorzüge. So wie von allen Seiten her wegen seiner sanft erhabnen und romantischen Lage das reizendste Ansehen darbeut; so eröffnet er auch in einem unermeßlichen Bezirk des Himmels und der Erde die manigfaltigste, feyerlichste Aussicht, und ist daher sowohl zur Stern- als Witterungskunde der auserlesenste Ort, den man sich irgend wünschen darf […]|Albin Schwaiger|Versuch einer meteorologischen Beschreibung des hohen Peißenbergs<ref>Peter Winkler: ''Hohenpeißenberg 1781–2006 – das älteste Bergobservatorium der Welt.'' Seite 12. Siehe auch: Literatur.</ref>}} 1790 verstarb mit Jakob Hemmer der Sekretär der ''Meteorologischen Gesellschaft Mannheim''. Hemmer war die Seele der ''Societas Palatina'' und sein Ausscheiden stürzte die Unternehmung in eine große Krise. Die politischen Wirren der [[Französische Revolution|Französischen Revolution]] griffen zudem immer weiter um sich, so dass das ganze System immer mehr zerbröckelte. Die ''Mannheimer Meteorologische Gesellschaft'' löste sich schließlich 1793 ganz auf. Die Verhältnisse waren aber auch in Bayern nicht günstiger. Das Stationsnetz, das die ''Akademie der Wissenschaften'' in München organisierte, funktionierte ohnehin nie so gut wie das von Mannheim. Die Schuldenlast der Staatskasse wuchs zunehmend und innere Spannungen unter den Mitgliedern der ''Akademie der Wissenschaften'' lockerten die Verbindung zu den außerhalb gelegenen Stationen. === Station unter Leitung der Chorherrn === [[Datei:Hohenpeißenberg - Zeichnungen.jpg|thumb|Zeichnungen und Pläne um 1902]] Die Rottenbucher Chorherrn mussten sich nach der Auflösung der Mannheimer Gesellschaft entscheiden, entweder alleine weiterzumachen oder die Station aufzugeben. An Zusammenarbeit zu Forschungszwecken mit den internationalen Beobachtungsstationen, wie sie von der Mannheimer Gesellschaft praktiziert worden war, war nicht mehr zu denken. Propst Mösner und Albin Schwaiger trafen schließlich die Entscheidung, die meteorologischen Beobachtungen, Messungen und Aufzeichnungen auf dem Hohen Peißenberg in eigener Verantwortung fortzusetzen, obwohl abzusehen war, dass in absehbarer Zeit die Zusammenarbeit mit den zentralen Stationen ins Stocken geraten würde. Albin Schwaiger wurde als Pfarrvikar nach Oberammergau berufen und musste seine Arbeit als Observator auf dem Hohenpeißenberg am 22.&nbsp;Juli 1796 aufgeben. Chorherr Gelasius Karner, der schon 1794 zum Hohen Peißenberg geschickt worden war, um sich als Hausverwalter in die meteorologischen Arbeiten einzuarbeiten, übernahm 1796 die Nachfolge. Er führte als Observator die meteorologischen Beobachtungsreihen mit größter Gewissenhaftigkeit durch und fertigte jährlich versandbereit Berichte und Witterungskalender an. Die Münchner Akademie forderte diese allerdings zu Lebzeiten von Karner nicht an. Die [[Säkularisation in Bayern|Säkularisation]] im Jahr 1803 bedeutete das Aus für das [[Kloster Rottenbuch|Stift Rottenbuch]]. Am 24.&nbsp;März 1803 wurde es mit dem Wallfahrtsort Hohenpeißenberg und dem kompletten Observatorium enteignet. Die vier Chorherren, die zu dieser Zeit auf dem Hohen Peißenberg wohnten, wurden heimatlos. Die Chorherren Karner und Koch fassten den Entschluss, ohne Abstimmung mit dem Propst die meteorologischen Beobachtungen in Eigenregie weiterzuführen, obwohl keine klösterlichen Mittel mehr zur Verfügung standen und sie die notwendigen Materialen selbst finanzieren mussten. Koch wurde erster Pfarrer auf dem Hohen Peißenberg und Karner führte wie bisher die Beobachtungen durch. Karners angeschlagene Gesundheit veranlasste ihn allerdings im Jahre 1804, nach [[Oberammergau]] umzuziehen. Daraufhin übernahm Primus Koch, der auch an der von ihm 1802 gegründeten Volksschule unterrichtete, zusätzlich den Beobachtungsdienst. Dies geschah ohne jegliche Vergütung. Die in mühevoller 20-jähriger Arbeit gewonnenen Erkenntnisse sollten nicht in Vergessenheit geraten. === Beobachtungen durch Pfarrer und Lehrer === [[Datei:Hohenpeißenberg - Beobachtungsraum.jpg|thumb|Beobachtungsraum um 1897]] Koch konnte auf Dauer nicht alleine und ohne Rückhalt durch staatliche Stellen den Observatoriumsdienst termingerecht und finanziell bewältigen. Er bemühte sich 1806 um die Übernahme des Observatoriums in die ''Bayerische Akademie der Wissenschaften'', übersandte eine Reinschrift von zwölf Jahrgängen der meteorologischen Beobachtungen und schlug als Gehilfen für den Stationsdienst seinen jüngeren Bruder Franz Michael Koch vor. Nachdem von der ''Akademie der Wissenschaften'' keine weiteren Anweisungen kamen, stellte Koch zu seiner Unterstützung den 39-jährigen Johann Georg Schmautz, einen in der Pfarrgemeinde Hohenpeißenberg allgemeinen geachteten Mann als provisorischen Schulgehilfen und [[Küster (Kirche)|Mesner]] ein. Die Regierung erkannte ihn auf Kochs Vorschlag aufgrund der in München abgelegten Prüfung als Lehrer an. Durch seine unermüdliche Energie und seinen Hang zur Naturwissenschaft hatte es Primus Koch als letzter der Rottenbucher Observatoren erreicht, dass die Hohenpeißenberger Station mit der Hilfe der ''Münchener Akademie der Wissenschaften'' erhalten blieb. Wegen seiner Verpflichtungen als Pfarrer und seiner fortschreitenden Krankheit konnte er allerdings seine wissenschaftlichen Pläne nicht mehr verwirklichen. Er blieb allerdings dem Dienst bis zu seinem Tod am 20.&nbsp;März 1812 treu. Nach dem Tod von Koch war die Pfarrei Hohenpeißenberg über ein Jahr unbesetzt und konnte nur durch [[Vikar]]e versorgt werden. Die Regierung erwog allerdings, neben dem Pfarrseelsorger auch einen eigenen hauptamtlichen Observator für den Hohenpeißenberg einzustellen, wie aus einem Schreiben vom 15.&nbsp;März 1813 hervorgeht. Vorgesehen als Observator war ein Geistlicher, da es nach der Säkularisation eine große Zahl von wissenschaftlich gebildeten Ordensleuten gab, die für eine solche Stellung geeignet waren. Der [[Priester]] Gilbert Niedermayr wurde beauftragt, bis zur Ernennung eines Observators einstweilen die meteorologischen Beobachtungen nach den Anweisungen der ''Akademie der Wissenschaften'' fortzusetzen. Die Stelle eines hauptamtlichen Observators wurde allerdings, wohl aus Sparsamkeitsgründen, nie besetzt, sondern blieb in Personalunion mit der des Pfarrers. Nachfolger von Niedermayr wurde am 3.&nbsp;August 1817 Dr.&nbsp;phil. Josef Maria Wagner. Am 16.&nbsp;September 1817 wurde ihm zugleich die Pfarrei Hohenpeißenberg durch allerhöchstes Reskript verliehen. Von da an verrichteten die Pfarrer von Hohenpeißenberg mit Hilfe des Volksschullehrers den Observatoriumsdienst. Dem Beobachter von Hohenpeißenberg wurde am 21.&nbsp;März 1827 zugleich mit den Observatoren von München, Augsburg und Regensburg amtlicher Charakter als meteorologischem Beobachter der Akademie zuerkannt. Dies war der Versuch einer Wiedererrichtung eines meteorologischen Stationsnetzes durch die ''Bayerische Akademie der Wissenschaften'', der aber wegen der zu knappen Finanzmittel keinen Erfolg hatte. Zumindest war aber die Finanzierung der vier Wetterstationen, darunter auch Hohenpeißenberg, dauerhaft gesichert. Dem Hohenpeißenberger Observatorium wurde das Instrumentarium aus der Rottenbucher Periode überlassen, die Geräte waren jedoch reparaturbedürftig und zum Teil für die praktische Verwendung unbrauchbar. Professor Siber aus München versuchte den Abdruck der Daten der meteorologischen Messstationen in den ''Bayerischen Annalen'' zu erreichen. Wie er den Pfarrern auf dem Hohenpeißenberg in einem Schreiben mitteilte, hatte er dabei allerdings keinen Erfolg. Dennoch ist dokumentiert, dass später im lokalen Wochenblatt des ''Königlichen Bayerischen Landgerichts'' Schongau die Daten von Hohenpeißenberg regelmäßig veröffentlicht wurden. 1837 wurde die Verwaltung der Attribute der ''Akademie der Wissenschaften'' neu organisiert, wobei die politische Neugliederung Bayerns und die Errichtung des [[Oberbayern|Bezirks Oberbayern]] die Auslöser waren. Im Zuge dieser Neugliederung wurde die Station Hohenpeißenberg 1838 der Sternwarte Bogenhausen in München unterstellt. Dies war insbesondere das Verdienst von Johann von Lamont, der von 1835 bis 1879 Leiter der Sternwarte war. Dort wurden seit 1825 wieder meteorologische Messungen durchgeführt. Lamont zeigte ein lebhaftes Interesse an den Arbeiten auf dem Hohen Peißenberg, steuerte die dortigen Arbeiten und bearbeitete die Beobachtungsergebnisse. 1878 wurde im Königreich Bayern mit der neu gegründeten ''Meteorologischen Zentralstation'' in München ein staatliches Beobachtungsnetz eingerichtet, das die meteorologische Station auf dem Hohen Peißenberg übernahm. Im Juli 1878 wurde die Landeswetterwarte eingerichtet und im Oktober wurden die neuen Beobachtungsinstrumente installiert. Im Dezember 1878 wurden Meldebögen eingeführt, so dass zum Jahresbeginn 1879 bereits Erfahrungen zum Betrieb und zum Datenfluss vorlagen. Ab 1827 führten über 100&nbsp;Jahre lang Pfarrer die meteorologischen Beobachtungen auf dem Hohen Peißenberg durch, womit sich die damals getroffene Regelung bewährt hatte. Pfarrer Josef Kleidorfer war von 1932 bis 1936 der letzte beobachtende Pfarrer auf dem Hohenpeißenberg. === Eigenständiges meteorologische Observatorium === [[Datei:Hohenperißenberg Observatorium Messfeld 2.jpg|thumb|Messfeld]] Die Landeswetterwarte wurde 1934 in den neu gegründeten [[Reichswetterdienst]] eingegliedert. In der Station Hohenpeißenberg brachte dies zunächst keine Veränderungen. Die Aufgaben wurden dann im Dezember 1936 wesentlich erweitert und hauptamtliche Wetterbeobachter in der Wetterstation eingesetzt. Die Station selber wurde aus dem Pfarrhof ausgelagert, wo sie sich seit 1781 befunden hatte, und in zwei angemietete Räume der Gastwirtschaft Greitner eingegliedert. Die Station erhielt neue Registriergeräte und eine Wetterhütte, die im Garten der Gastwirtschaft aufgestellt wurde. Parallel dazu fanden Planungen zum Neubau einer Außenstelle der Flugfunkforschung [[Gräfelfing]] auf dem Hohen Peißenberg statt. Der Neubau am westlichen Ende des Berggipfels stand unter der Leitung des Architekten Moßner. 1937 wurde das Gebäude bezogen. Der Wetterdienst bezog im März 1940 die zweite Etage, die Geräte wurden auf das 200 Meter westlich des Gebäudes gelegene Hauptmessfeld umgesetzt. Im [[Zweiter Weltkrieg|Zweiten Weltkrieg]] wurden die Beobachtungen fortlaufend durchgeführt. Zum Kriegsende kam es aufgrund eines Luftangriffes zu kurzfristigen Unterbrechungen der Beobachtungstätigkeit. Die meteorologischen Aufzeichnungen waren nach dem 28.&nbsp;April 1945 lückenhaft und setzten am 2.&nbsp;Mai 1945 ganz aus. Am 14.&nbsp;Mai 1945 konnten bereits wieder Messungen durchgeführt werden, da die Besatzungsmacht aus Gründen der Flugsicherung sehr an den meteorologischen Beobachtungen interessiert war. Mit den Beobachtungen wurde Frau Leiderer, die bereits seit 1943 auf der Bergstation eingesetzt war, beauftragt. Sie war bis zur Übernahme der Station durch den Wetterdienst in der US-Zone am 1.&nbsp;April 1946 alleine tätig. [[Datei:Hohenpeißenberg Observatorium 2.jpg|thumb|Observatorium]] Helmut Weickmann, der Leiter des Wetterdienstes der US-Zone, wurde 1947 Stationsleiter auf dem Hohen Peißenberg. In seine Zeit fiel der Baubeginn des heutigen Observatoriums, den er mit vorbereitet hatte. Weickmann ging Ende Juni 1949 in die [[Vereinigte Staaten|USA]], vorerst für ein halbes Jahr, dann für immer. Nachdem die juristischen Besitzverhältnisse geklärt waren, konnte auf Anregung des damaligen Präsidenten des Deutschen Wetterdienstes in der US-Zone, Professor [[Ludwig Weickmann]], des Vaters von Helmut Weickmann, im März 1950 mit dem Aufbau des heutigen Meteorologischen Observatoriums begonnen werden. Dabei wurde die Bergstation am 10.&nbsp;März 1950 zu einem meteorologischen Observatorium aufgewertet, dessen Leitung Dipl.-Ing. Dr.&nbsp;Johannes Grunow übernahm. Der Mitarbeiterstab umfasste einen Meteorologen und fünf Techniker. Sie führten synchrone Vergleichsmessungen der Temperaturwerte in der alten Fensterhütte am Klosterbau und in der neuen Klimahütte auf dem Messfeld durch. Dabei sollte die Sicherung der Kontinuität der Temperaturdaten erzielt werden. Außerdem wurden Untersuchungen über die Auswirkung des Hangeinflusses auf die Punktniederschlagsmessung durchgeführt. [[Datei:Hohenpeißenberg Observatorium.jpg|thumb|left|Observatorium]] Am 11.&nbsp;November 1952 wurde der Deutsche Wetterdienst (DWD) durch die Zusammenführung der Wetterdienste der verschiedenen westalliierten Besatzungszonen gegründet. Im DWD nahm Hohenpeißenberg als Station der II. Ordnung die höchste Stufe ein. Am Vormittag des 8.&nbsp;Mai 1956 fand eine kleine Feier zum 175-jährigen Bestehen der Station Hohenpeißenberg statt. Als Beitrag des Deutschen Wetterdienstes zum [[Internationales Jahr der ruhigen Sonne|Internationalen Jahr der Ruhigen Sonne]] sollten auf dem Hohenpeißenberg im Rahmen der Messungen hochreichende Ballonsondierungen, Sondierungen des vertikalen Profils des Spurengases Ozon in der freien Atmosphäre und Vorbereitungen für Forschungen auf dem Gebiet der Radarflächenniederschlagsmessungen in Angriff genommen werden. Diplommeteorologe Dr.&nbsp;Walter Attmannspacher, der im August 1967 als Nachfolger von Dr.&nbsp;Grunow auch die Leitung des Observatoriums übernahm, wurde damit im Herbst 1964 beauftragt. Auf dem Hohenpeißenberg wurde am 6.&nbsp;Januar 1965 die erste Ballonsonde mit Hilfe moderner elektronischer Hilfsmittel gestartet. In den darauffolgenden zwei Jahren war es durch finanzielle Unterstützung durch die ''Deutsche Forschungsgemeinschaft'' möglich, Radarflächenniederschlagsmessungen technisch vorzubereiten. Zunächst konnten an jedem Mittwoch, trotz zeitweiliger finanzieller, personeller und technischer Schwierigkeiten, Ozonsondierungen durchgeführt werden. Ab 1977 war es mit Unterstützung des ''Bundesministers für Wissenschaft und Forschung'' möglich, drei Ballonaufstiege pro Woche zu starten. 1967 waren die Ballonsondierung des Ozongehalts der freien Atmosphäre mit Hilfe eines Spektrophotometers und ab 1970 die Dauerregistrierung des Ozons in Bodennähe hinzugekommen. 1970 und 1978 konnten neben zahlreichen anderen Arbeiten auf dem Gebiet der Ozonforschung in Zusammenarbeit mit der Weltorganisation für Meteorologie und der Internationalen Ozonkommission der Internationalen Union für Geophysik und Geodäsie am Observatorium Ozonsondenvergleiche durchgeführt und Aussagen über die Messgüte dieser Sensoren getroffen werden. Ende 1978 fand zusätzlich ein internationaler Vergleich von Messgeräten zur kontinuierlichen Erfassung des bodennahen Ozons statt. 1982 konnte die Wetterstation des Observatoriums durch die Fortschritte in der Radar- und der Rechnertechnik mit aktuellen Radarbildern versorgt werden. Damit können Gewitter bereits vor dem Auftreten bei den oberbayerischen Seen erkannt und der Unwetterwarndienst in München und andere Wetterstationen durch frühzeitige Hinweise unterstützt werden. Ab 1981 wurden auf dem Hohenpeißenberg Blitzzähler installiert, da aus den Radardaten Blitzaktivität und somit wirkliche Gewitter nicht erkennbar sind. Ab 1985 wurde das Blitzortungssystem Thundar erprobt; dessen Daten wurden später in die Radarbilddarstellung integriert. Anlässlich der 200-Jahr-Feier 1981 der Wetterstation Hohenpeißenberg wurden in einem Sonderband die meteorologischen Datenreihen herausgegeben. Die Geschichte des Observatoriums wurde aufgearbeitet und die Ergebnisse der neueren Forschungseinrichtung präsentiert. Die Feier fand am 8.&nbsp;Mai 1981 mit etwa 370 Teilnehmern, darunter auch der damalige Generalsekretär der WMO, Wiin-Nielsen, in einem internationalen Rahmen im restaurierten Bibliothekssaal des Klosters Polling statt. Am 9.&nbsp;Mai gab es einen Tag der offenen Tür, an dem 1200 Besucher das Observatorium besichtigten. [[Datei:Hohenpeißenberg Observatorium Turm.jpg|thumb|Turm des Observatoriums]] Klaus Wege übernahm im Jahr 1986 die Leitung des Observatoriums Hohenpeißenberg. Die Erkennung des antarktischen Ozonlochs und dessen Entstehung durch [[FCKW]] weckte ein großes öffentliches Interesse an der Entwicklung der Ozonschicht in der Nordhemisphäre und deren Auswirkung auf die UV-Strahlung. Ende 1987 konnte nach dem vollständigen Aufbau des Ozonlidars mit der routinemäßigen Überwachung der Ozonschicht bis in Höhen von 50 Kilometern begonnen werden. Ein zweites wichtiges Arbeitsfeld auf dem Hohen Peißenberg war der Aufbau des Radarverbundes des DWD, der vom Observatorium maßgeblich gestaltet wurde. Aus mehreren Radars wurden erste Kompositdarstellungen erstellt und den anderen Dienststellen des DWD, insbesondere den Wetterberatungszentren, zur besseren Charakterisierung der aktuellen Niederschlagssituation zur Verfügung gestellt. Die Radardaten erhielten nach der [[Katastrophe von Tschernobyl]] 1986 besondere Bedeutung. Dabei wurden Radarmessungen von Flächenniederschlägen, die zur Abschätzung der Auswaschung von radioaktivem Material dienten, an den britischen Wetterdienst abgegeben. Professor Wiesinger von der Bundeswehrhochschule München richtete im Jahre 1991 eine Messkabine für Blitzstudien im Bereich des Fernsehturms Hohenpeißenberg ein, mit deren Hilfe mehrjährige Messungen durchgeführt wurden. Durch eine personelle Verstärkung der Radargruppe bedingt, wurde in den Jahren 1991 und 1992 der Zwischentrakt aufgestockt. Dabei entstanden fünf Büros und ein Sozialraum. Mit der Erneuerung der Dachschindeln am Hauptgebäude ein Jahr später wurde auch das so genannte Storchennest, eine Beobachtungsplattform für die Wetterbeobachtung, zu einer Dachplattform mit etwa der doppelten Größe erweitert, um die vorhandenen Strahlungsmessgeräte besser platzieren zu können. Außerdem wurde das Rechnernetz des Observatoriums modernisiert. Angesichts des antarktischen Ozonlochs und der zunehmenden Klimaerwärmung hatte die WMO im Jahre 1989 das luftchemische Messprogramm [[Global Atmosphere Watch]] (GAW) ausgerufen und ihre Mitglieder aufgefordert, sich aktiv daran zu beteiligen. Peter Winkler, der bisherige Leiter des Dezernates Luftbeimengungen am Observatorium Hamburg, wurde im Jahre 1993 neuer Leiter des Observatoriums Hohenpeißenberg. Er setzte die von Wege eingeleiteten Vorbereitungen zum Aufbau einer GAW-Globalstation fort. Durch die Zusammenlegung der beiden meteorologischen Dienste nach der deutschen Wiedervereinigung wurde eine Neuordnung der Aufgabenverteilung der Observatorien in Deutschland notwendig. Zur Umsetzung des deutschen GAW-Beitrags fanden zahlreiche Abstimmungsgespräche statt. Dem DWD als Vertreter in der WMO wurde die Federführung übertragen. Präsident Dr.&nbsp;Mohr berichtete am 22.&nbsp;Juli 1994 dem Generalsekretär der WMO, dass Deutschland eine Globalstation im Observatorium Hohenpeißenberg einrichten werde. Daraufhin wurde eine deutliche Aufstockung des Personalstandes nötig. Für Deutschland als Industrienation bedeutete die luftchemische Überwachung eine wichtige langfristige Aufgabe. Sie wurde nachträglich im Paragraphen vier des neuen DWD-Gesetzes vom 1.&nbsp;Januar 1999 verankert. Mit der Neugliederung des Observatoriums verlor allerdings das traditionsreiche Dezernat Ozon seine Selbstständigkeit und wurde in die GAW-Globalstation eingegliedert. Am Hohen Peißenberg wurde im Jahr 1996 das erste Dopplerradar der neuen Gerätegeneration in Betrieb genommen, das auch die Anforderungen des Radarverbunds erfüllt. Das 7. Stockwerk des Turmes musste erneuert werden, da das Turmgeschoss für das Gewicht der neuen größeren Antenne nicht ausgelegt war. Mit diesem Radar wurden neue Messtechniken und die Verbesserung vorhandener Geräte möglich, was die Zuverlässigkeit der Radardaten erhöht. Darunter fallen bessere Bodenecho-Filter bei weitgehender Erhaltung des Niederschlagssignals, exaktere Bestimmung eines vertikalen Windprofils, Bestimmung des Radialwindes aus der [[Doppler-Effekt|Dopplerverschiebung]] und Ableitung des Dual-Dopplerwindes im Überschneidungsbereich zweier Doppler-Radargeräte. Da für die luftchemischen Arbeiten am Hohen Peißenberg keine geeigneten Labors vorhanden waren, wurde ein Neubau errichtet, der am 4.&nbsp;Mai 2001, nach zahlreichen Verzögerungen, eingeweiht wurde. Diese Einweihung wurde mit einem Tag der offenen Tür verbunden, den 6000 bis 8000 Besuchern nutzten. Dies bewies das große Interesse der Bevölkerung an dem traditionsreichen Observatorium. Im Jahre 2000 mussten Baumfällungen vorgenommen werden, um die notwendige ganztägige Besonnung des Hauptmessfeldes wieder herzustellen und die Beeinträchtigung der Sonnenscheindauer-Messung durch die emporgewachsenen Bäume am Messhorizont zu beseitigen. Für die zahlreichen Besucher wurde aus freigewordenen Containern der Bauphase ein Infopavillon geschaffen und am 26.&nbsp;Juni 2003 eingeweiht. Aufgrund des sehr umfangreichen Messprogramms einer GAW-Globalstation kam es zu einer Aufgabenteilung zwischen den beiden Plattformen Hohenpeißenberg und [[Schneefernerhaus]] auf der [[Zugspitze]]. Am Hohen Peißenberg kam zu dem bestehenden Ozonmessprogramm die Messung von reaktiven Gasen, physikalischen und chemischen Parametern des [[Aerosol]]s und der chemischen Zusammensetzung des Niederschlags hinzu. Das [[Umweltbundesamt]] betreibt die Station Schneefernerhaus als eine Ergänzungsstation, in der vor allem langlebige Klimagase gemessen werden. Das Observatorium bestand am 31.&nbsp;Dezember 2005 225&nbsp;Jahre. Im September 2006 fand der offizielle Festakt unter der Leitung von Dr.&nbsp;Wolfgang Fricke statt, der am 19.&nbsp;Januar 2006 zum neuen Leiter des Observatoriums ernannt worden war. == Wetter- und Klimabeobachter == {| class="prettytable" style=" width:100%;" |-style="background:#CEDAF2" ! colspan="2" style="width:36%;" | Zeitraum<ref name="200 Jahe meteorologische Beobachtungen auf dem Hohenpeißenebrg 1781–1980">Deutscher Wetterdienst (Hrsg.): ''200 Jahre meteorologische Beobachtungen auf dem Hohenpeißenberg 1781–1980.'' Seite 9. Siehe auch: Literatur.</ref> ! colspan="2" style="width:64%;" | Wetter- und Klimabeobachter<ref name="200 Jahe meteorologische Beobachtungen auf dem Hohenpeißenebrg 1781–1980">Deutscher Wetterdienst (Hrsg.): ''200 Jahre meteorologische Beobachtungen auf dem Hohenpeißenberg 1781–1980.'' Seite 9. Siehe auch: Literatur.</ref> |-style="background:#CEDAF2" ! style="width:18%;" | Von ! style="width:18%;" | Bis ! style="width:32%;" | erster Beobachter ! style="width:32%;" | zweiter Beobachter |- | Januar 1781 || Oktober 1781 || Chorherr Cejatan Fischer || |- | Oktober 1781 || Oktober 1782 || Chorherr Guarin Schlögl || |- | Mai 1782 || Oktober 1785 || Chorherr Herkulan Schwaiger || |- | 1784 || 1787 || || teilweise Chorherr Guarin Schlögl |- | Oktober 1785 || Juli 1796 || Chorherr Albin Schwaiger || |- | Juli 1796 || Oktober 1804 || Chorherr Gelasius Karner || |- | Oktober 1804 || März 1812 || Pfarrer Primus Koch || |- | 1806 || März 1812 || || Lehrer Johann Georg Schmautz |- | März 1812 || August 1817 || Pfarrer Gilbert Niedermayer || Lehrer Johann Georg Schmautz |- | 1. Januar 1818 || 30. Juni 1828 || Pfarrer Josef Martin Dr. Wagner || Lehrer Johann Georg Schmautz |- | 1. Juli 1828 || 31. Dezember 1835 || Pfarrer Mattias Kiener || Lehrer Johann Georg Schmautz |- | 1. Januar 1838 || 1843 || Pfarrer Georg Köpf || Lehrer Johann Georg Schmautz |- | 1843 || 30. September 1854 || Pfarrer Christoph Ott || Lehrer Johann Georg Schmautz, bis 1848 |- | 1848 || 30. September 1854 || || Lehrer Kirchberger |- | 1. Oktober 1854 || 30. September 1864 || Pfarrer Georg Mayr || Lehrer Kirchberger |- | 1. Oktober 1864 || 31. Dezember 1885 || Pfarrer Joseph Bangratz || Lehrer Hugo Fürst |- | 1. Januar 1886 || 31. Mai 1886 || Lehrer Hugo Fürst |- | 1. Juni 1886 || 15. Juni 1896 || Pfarrer Joseph Bartmann || Lehrer Hugo Fürst |- | 16. Juni 1896 || 31. August 1896 || Lehrer Hugo Fürst || |- | 1. September 1896 || 31. Oktober 1896 || Pfarrverweser Augustin Sedlmayr || |- | 1. November 1896 || 31. Dezember 1896 || Lehrer Hugo Fürst || |- | 1. Januar 1897 || 31. August 1901 || Pfarrer Felix Fischer || Lehrer Hugo Fürst, bis 31. Mai 1899 |- | 1. Juni 1899 || 31. August 1901 || Lehrer Hugo Kropf |- | 1. September 1901 || 30. September 1911 || Pfarrer Konrad Pirngruber || Lehrer Hugo Kropf |- | 16. Juli 1906 || 14. September 1906 || || Hilfslehrer Enelbert Strehle |- | 15. September 1906 || 30. September 1911 || || Lehrer Hans Jung |- | 1. Oktober 1911 || 14. Mai 1912 || Lehrer Hans Jung || |- | 15. Mai 1912 || 20. März 1920 || Pfarrer Josef Wallner || Lehrer Hans Jung, bis Ende 1915 |- | 21. März 1920 || 22. September 1920 || Pfarrer Wallner und Pfarrvikar Metzler || |- | 23. September 1920 || 30. April 1932 || Pfarrer Ludwig Obholzer || |- | 1. Mai 1932 || 30. November 1936 || Pfarrer Josef Kleidorfer |-style="background:#CEDAF2" ! colspan="2" style="width:36%;" | Zeitraum ! rowspan="2" colspan="2" style="width:64%;" | Stationsleiter der Bergwetterstation beziehungsweise<br /> des Meteorologischen Observatoriums |-style="background:#CEDAF2" ! style="width:18%;" | Von ! style="width:18%;" | Bis |- | 1947 || 1949 || colspan="2" | Helmut Weickmann |- | 1950 || 1967 || colspan="2" | Dr. Johannes Grunow |- | 1967 || 1986 || colspan="2" | Walter Attmannspacher |- | 1986 || 1993 || colspan="2" | Dr. Klaus Wege |- | 1993 || 18. Januar 2006 || colspan="2" | Dr. Peter Winkler |- | 19. Januar 2006 || || colspan="2" | Dr. Wolfgang Fricke |} == Station == [[Datei:Hohenpeißenberg Observatorium Messfeld und Kloster.jpg|thumb|Blick zur Wallfahrtskirche]] Vom 1.&nbsp;Januar 1781 bis zum 30.&nbsp;November 1936 befand sich die Beobachtungsstation auf dem höchsten Punkt des Berges in einem Zimmer im zweiten Stock des Klosterbaues, der unmittelbar östlich an die Kirche grenzt. Auf dem Dach des Klosterbaues befand sich seit 1772 eine Beobachterplattform, die ursprünglich für die geplante Sternwarte gebaut worden war. Auf dieser Plattform waren Regen- und Schneesammelgefäße und eine Windfahne angebracht. Vor dem Fenster des unbeheizten Beobachterraums befand sich die [[Thermometerhütte]]. Diese war ursprünglich aus Holz und wurde von Lamont durch eine Fensterhütte aus Zinkblech, durch hölzerne Schattenschirme gegen morgendliche und abendliche direkte Sonneneinstrahlung in den Sommermonaten geschützt, ersetzt. Ein Federkielhygrometer war in einem zweiten Gehäuse untergebracht. Nach Süden hin, auf der gegenüberliegenden Gebäudeseite, befand sich ein Flur, von dem aus eine Mittagslinie, nach der das [[Deklinatorium]] ausgerichtet war, in den Beobachtungsraum führte. Durch eine Tür wurde der Beobachtungsraum zum südlich angrenzenden Flur abgetrennt. Durch diese Tür ging die Mittagslinie. Lamont ließ in diesem Flur das Gerät zur Messung der magnetischen Intensität aufstellen. Der nach Entfernung einer Trennwand vergrößerte Raum mit den Instrumenten war durch einen einfachen Lattenverschlag abgetrennt, um Besuchern einen Einblick in das Observatorium zu ermöglichen. Der Beobachtungsraum blieb über 155&nbsp;Jahre bis 1936 nahezu unverändert. Am 1.&nbsp;Dezember 1936 wurde die Station in ein etwa 100 Meter entferntes, in östlicher Richtung gelegenes Gasthaus verlegt. Am Ostende dieses Gebäudes befand sich im ersten Stock der Beobachtungsraum. Am 10.&nbsp;April 1940 wurde die Bergwetterstation in das neugebaute Observatorium am westlichen Ende des Höhenrückens, etwa 100 Meter von der Kirche entfernt, umquartiert. An diesem Gebäude, das von drei Seiten von einem baumbestandenen Steilhang umgeben ist, befindet sich westlich ein Werkstatt- und Labortrakt, daran anschließend unmittelbar vor dem Steilhang, ein 30 Meter hoher Turm. Der Beobachtungsraum war zunächst im zweiten Stock des Observatoriums untergebracht und zog Ende 1967 in darüber liegende, neu ausgebaute Räume um. == Instrumentale Ausstattung == Zu Beginn der Messungen der Station Hohenpeißenberg von 1781 bis 1840 standen folgende meteorologischen Messgeräte zur Verfügung: ein Quecksilbergefäß-Barometer mit einer Skala in [[Pariser Linie]]n und Vernir auf dem Barometerbrett und einem Reduktionsthermometer mit [[Réaumur-Skala]]; im Beobachtungsraum befand sich auf einer in die Wand eingelassenen Marmorplatte das Barometer, auf dem Boden war ein Deklinatorium und [[Inklinatorium]] von Brander, Augsburg, für erdmagnetische Messungen aufgestellt. Ein nach unten zu öffnender Holzkasten, der ein Thermometer mit Holzskala und ein Federkielhygrometer enthielt, hing von der Decke, einen Pariser Fuß vom Mittelrahmen des Fensters entfernt. Auf der Plattform auf dem Dach des Klosterbaus befanden sich ein viereckiger Regenmesser mit einem pyramidenförmigen Trichter und einer Auffangfläche von vier Pariser Quadratfuß, außerdem ein viereckiger Schneemesser mit 2,5 Pariser Fuß Tiefe und einer Auffangfläche von einem Pariser Quadratfuß, ein Verdunstungsmesser, sowie ein zweites, frei in der Sonne hängendes Thermometer. Daneben befand sich eine Windfahne, für die die Windrichtungsanzeige im Beobachtungsraum angebracht war. Weiterhin gehörten die nachstehenden, von Brander gebauten Instrumente zur Ausrüstung der Station: ein Glasnonius, ein Elektrometer zur Messung der Luftelektrizität, eine große Nivellierwaage, das sogenannte Observatorium portabile, ein Newtonianisches Spiegel-Teleskop, ein Sonnenquadrant und ein Sekundenpendel. Das Federkielhygrometer wurde 1811 unbrauchbar. 1828 konnte ein neues [[Haarhygrometer]] eingesetzt werden. Die Station erhielt 1841 neue Thermometer und ein Psychrometer nach August und 1842 ein zusätzliches Barometer aus den Werkstätten der Königlichen Sternwarte München. 1840 wurde die Temperaturmessung durch ein kupfernes Gehäuse mit besserer Durchlüftung verbessert. 1849 erhielt die Thermometerhütte hölzerne Blenden zur Abschirmung der kurzzeitigen Sonneneinstrahlung. Ein zusätzliches Stationsbarometer der Königlichen Sternwarte München wurde Mitte 1850 aufgebaut. Bis 1878 wurde diese Ausrüstung im Wesentlichen beibehalten. Mit der Übernahme der Station Hohenpeißenberg durch die Königlich Bayerische Meteorologische Zentralstation München wurde sie mit neuen Geräten ausgerüstet. Die alte Thermometerhütte wurde durch ein Thermometergehäuse aus Zinkblech mit rechteckigem Querschnitt ersetzt, das ein Psychrometer und ein Extremthermometer enthielt. Ein zylindrisches Normalthermometergehäuse aus weißlackiertem Zinkblech mit doppeltem konischen Dach kam 1888 hinzu. Einen zusätzlichen Barographen erhielt die Station 1892 und 1878 einen neuen Regenmesser nach Bezold mit einer Auffangfläche von 500 Quadratzentimetern. Dieser wurde in der Südostecke des östlich vom Pfarrhaus liegenden Gartens, etwa 26 Meter vom Gebäude entfernt, aufgebaut. [[Datei:Hohenpeißenberg Messung 2.jpg|thumb|left|Messgeräte]] Der Regenmesser von Bezold wurde 1902 oder 1903 gegen einen Hellmann-Regenmesser mit 200 Quadratzentimetern Auffangfläche ausgetauscht. Ein älteres Anemometer für direkte Ablesung konnte 1910 übernommen werden, außerdem wurden ein Thermograph und ein Hygrograph aufgestellt. 1910 begannen Windmessungen mit dem Aufbau eines registrierenden Schalenkreuzanemometers nach Fuess auf der Plattform des Pfarrhauses. Die Station erhielt 1936 ein Stationsbarometer nach Fuess. Im Garten zwischen Gasthaus und Klosterbau konnte ein Messfeld mit einer Fläche von vier mal vier Metern eingerichtet werden. Darauf befand sich eine Thermometerhütte mit Psychrometer, Extremthermometer, Haarhygrometer, Thermograph, Hygrograph, Aspirator, Gebirgsregenmesser und einem Erdboden-Minimumthermometer. Auf der Plattform des Klosters wurde 1936 ein Sonnenscheinautograph und 1938 ein Windschreiber "Fuess Universal" installiert. [[Datei:Hohenpeißenberg Messung.jpg|thumb|Messgeräte]] Mit der Verlegung der Station in das heutige Observatoriumsgebäude im Jahre 1940 kamen die Zimmerinstrumente in den Beobachtungsraum im zweiten Stock. Das Messfeld mit Klimahütte wurde ebenfalls 1940 auf dem Gelände des Observatoriums aufgebaut. Der Windschreiber Fuess Universal wurde auf einen Mast am Dach des Stationsgebäudes gesetzt. Der Sonnenscheinschreiber blieb zunächst an der alten Stelle und wurde erst 1946 auf die Plattform des Observatoriums verlegt. 1948 konnte dort ein [[Max Robitzsch|Robitzsch]]-[[Aktinometer|Aktinograph]] und 1957 ein Solarimeter nach Moll-Gorczynski in Betrieb genommen werden. Mit der Wiederaufnahme des Forschungsbetriebs kamen nach 1950 zahlreiche Messgeräte und Apparate hinzu. Ende 1964 erforderte die Erweiterung der Forschungsaufgaben zusätzlich den Aufbau moderner elektronischer Geräte, wie zwei elektronischer Theodolite im Dezimeterwellenbereich und eines Primärradars im X-Band-Bereich. 1971 konnte eine elektronische Datenverarbeitungsanlage und 1974 ein Solid-State-C-Band-Radar in Betrieb genommen werden, außerdem ein genaues Spektrophotometer sowie chemische und optische Geräte zur Messung des Ozons in der Atmosphäre. == Beobachtungen == [[Datei:Hohenpeißenberg Observatorium Turm 2.jpg|thumb|Turm des Observatoriums]] Bei den Beobachtungsreihen am Hohen Peißenberg müssen mehrere Zeiträume, die durch Gerätewechsel oder den Wechsel des Standortes geprägt sind, unterschieden werden. Bei der Übernahme der Station Hohenpeißenberg durch die ''Königliche Meteorologische Centralstation München'' wurde im Oktober 1878 das gesamte Instrumentarium ausgetauscht. Dies wirkte sich besonders bei der Niederschlagsmessung aus. Es wurde deswegen verschiedentlich versucht, die Differenzen die in den Messungen entstanden waren, auszugleichen. Ein Bericht über den alten Niederschlagsmesser befindet sich in den ''Beobachtungen 1879'': {{Zitat|Der Regenmesser befand sich früher auf der obenbeschriebenen Plattform, ein wenig oberhalb und seitwärts vom Firste des äußerst steil ansteigenden Daches, 22 m hoch über dem Erdboden. Dieser Umstand, im Vereine mit der eigenthümlichen Gestalt des Regenmessers – ein flacher Trichter mit quadratischem Querschnitt – mußte nothwendig zu geringe Resultate liefern und sind deßhalb die ältesten Beobachtungen über die Menge des Niederschlags mit den neueren nicht vergleichbar.|Aus Beobachtungen 1879<ref>Deutscher Wetterdienst (Hrsg.): ''200 Jahre meteorologische Beobachtungen auf dem Hohenpeißenberg 1781–1980.'' Seite 12. Siehe auch: Literatur.</ref>}} === 1781 bis 1878 === Die Beobachtungsergebnisse der Jahre 1781 bis 1878 wurden in verschiedenen Veröffentlichungen, Tagebüchern und Zusammenstellungen dargestellt: Veröffentlichungen finden sich mit ''Ephemerides Societatis Meteorologicae Palatinae'', kurz Ephemeriden genannt, aus den Jahren 1781 bis 1792, mit ''Annalen der Münchener Sternwarte, 1. Supplementband'' von 1792 bis 1850 und ''Annalen der Münchener Sternwarte, VII. Supplement'' von 1851 bis 1864, jeweils von Johann von Lamont. Als Tagebücher finden sich Gebundene Abschriften von 1800 bis 1835. Zusammenstellungen zu den Beobachtungen gibt es mehrere, wie ''Extensobeobachtungen'' für jedes Element gesondert, von 1792 bis 1864 und von 1865 bis 1874. Monatstabellen gibt es aus den Jahren 1840 bis 1878. Auswertungen zu den einzelnen Messparametern liegen aus den Jahren 1792 bis 1960 vor und von 1790 bis 1806 existieren Monatsmittel zu den Messparametern. Beim ''Zentralamt des Deutschen Wetterdienstes'' liegt die ''Hollerith-Listung'' aus den Jahren 1781 bis 1878 vor.<ref>Deutscher Wetterdienst (Hrsg.): ''200 Jahre meteorologische Beobachtungen auf dem Hohenpeißenberg 1781–1980.'' Seite 12–13. Siehe auch: Literatur.</ref> Bei der Durchsicht des vorhandenen Datenmaterials stellte man fest, dass Gerätewechsel sowie Änderungen der Auswertungsmethode die Messreihen verschiedentlich stark beeinflusst haben. Die Beobachtungen führten von Anfang an bis nach der Säkularisation Chorherren des Augustiner-Chorstifts Rottenbuch durch. Ab 1806, mit der Übernahme der Station durch die Königliche Akademie der Wissenschaften war der ansässige Lehrer als zweiter Beobachter in der Regel für die Morgenbeobachtung zuständig, während der Pfarrer die Beobachtungen mittags und abends übernahm. Die Beobachtungen, die durchweg von den Pfarrern durchgeführt wurden, waren gleichmäßiger. === 1879 bis 2007 === Im Oktober 1878 wurden die meisten Geräte ausgetauscht. Die Thermometerhütte blieb allerdings unverändert an ihrem Standort. 1888 wurden Vergleichsmessungen mit der neuen bayerischen Standard-Thermometerhütte aus weiß gestrichenen Zinkblech, die schwenkbar an einem Arm am Fensterstock angebracht war und zum Ablesen mit einen Faden herangezogen wurde, durchgeführt. Die Vergleichsmessungen wurden über ein Jahr bis in den Oktober 1889 fortgesetzt. Der Direktor der Centralanstalt wertete die Daten persönlich aus. Das Ergebnis war, dass die alte Hütte weiterhin verwendet werden konnte. Es wurden auch Vergleichsmessungen zwischen dem Haarhygrometer und dem Psychrometer durchgeführt, wobei man feststellte, dass das Hygrometer Herstellungsfehler aufwies. Daraufhin wurden die betreffenden Geräte in allen Stationen repariert. [[Datei:Hohenpeißenberg Observatorium Büro.jpg|thumb|Büro des Observatoriums]] Ab dem Jahr 1879 weist die Beobachtungsreihe nur eine kurze Unterbrechung am Ende des Zweiten Weltkriegs auf. Von elf Tagen, vom 3. bis zum 13.&nbsp;Mai 1945, fehlen Daten. Die Lücken konnten allerdings durch Interpolation der Klimabeobachtungen von München, Augsburg, Füssen und privaten Wetteraufzeichnungen, unter Berücksichtigung der Wetterlage, geschlossen werden. Gewisse Änderungen in der Beobachtungsreihe traten auf, als die Station am 1.&nbsp;Dezember 1936 vom Reichswetterdienst übernommen und die Station von hauptamtlichen Beobachtern betreut wurde. Eine weitere Änderung trat am 10.&nbsp;April 1940 ein, als die Station vom Klosterbau in das Gebäude des neuen Observatoriums verlegt wurde. Weickmann stellte fest, dass bei der Stationsverlegung 1940 keine Vergleichsmessungen durchgeführt wurden, um die Unterschiede der beiden Standorte zu ermitteln. Weickmann führte deswegen ab 1948 Vergleichsmessungen zwischen der alten Fensterhütte und dem neuen Messfeld auf dem Observatoriumsgelände durch. Er forderte dazu ein Fernthermometer an. Da es zu Rückfragen kam, antwortete er am 21.&nbsp;März 1949: {{Zitat|Wir haben festgestellt, daß bei der Verlegung aus dem Pfarrhaus in das jetzige Gebäude praktisch keine Vergleichsmessungen an beiden Aufstellungsorten durchgeführt wurden. Im Hinblick auf nun bald 170–jährige Hohenpeißenbergreihe erscheinen solche Messungen jedoch dringend notwendig.|Helmut Weickmann<ref>Peter Winkler: ''Hohenpeißenberg 1781–2006 – das älteste Bergobservatorium der Welt.'' Seite 55. Siehe auch: Literatur.</ref>}} Die Messungen, wobei das angeforderte Thermometer in der alten Fensterhütte aufgestellt wurde, und die Bearbeitung wurden von Hommel durchgeführt. Teilweise wurde auch versucht, anschließend die ermittelten Unterschiede beim Zusammenschluss der Zeitreihen vor und nach 1940 auszugleichen. in der heutigen Zeit wird aber die Zeitreihe ohne Homogenisierung gekoppelt. Die Stationsverlegung 1940 ergab eine deutliche Änderung des Luftdrucks und zwar im Mittel einen Anstieg der Werte, was auf die geänderten Stationshöhe zurückzuführen ist. == Klimawerte == [[Datei:Temperaturreihe Hoher Peißenberg.PNG|thumb|Temperaturreihe<ref>Deutscher Wetterdienst (Hrsg.): ''200 Jahre meteorologische Beobachtungen auf dem Hohenpeißenberg 1781–1980.'' Seite A-9–A12. Siehe auch: Literatur.</ref><ref>[http://www.dwd.de/de/FundE/Klima/KLIS/daten/online/nat/index.htm Klimadaten ausgewählter deutscher Stationen]</ref>]] Johannes Grunow führte Untersuchungen zu den Messreihen der Hohenpeißenberger Station durch und fasste diese in eine Zusammenstellung für den Zeitraum von 1761 bis 1960 zusammen. Diese Zusammenstellung wurde anschließend bis in die Gegenwart fortgeschrieben. Die Klimawerte für den Hohen Peißenberg reichen teilweise bis 1781 zurück, wie z. B. bei den Temperaturmitteln. Extremwerte der Temperatur können erst seit der Einführung der Maximum- und Minimum-Thermometer 1879 festgestellt werden. Die Temperaturmittel wurden durch drei Tagesablesungen ermittelt. Repräsentative Niederschlagsmessungen liegen seit 1879 vor, weil der Regensammler sich zuvor auf dem Dach des Pfarrhauses befand, wo die Messungen durch Windeinflüsse beeinflusst wurden. Weitere Klimaelemente kamen mit den jeweiligen Erweiterungen der Geräteaustattung hinzu, wie Messungen der Sonnenscheindauer ab 1937 und der [[Schneehöhe]] ab 1901. {| border="1em" cellpadding="5px" cellspacing="1px" style="border:1px solid gray; class="hintergrundfarbe1 rahmenfarbe1" style="margin:1em 1em 1em 0; border-collapse:collapse; width:100%;" ! colspan="15" bgcolor="#CEDAF2" style="width:10%;" | Klimawerte der Station Hohenpeißenberg<ref>Peter Winkler: ''Hohenpeißenberg 1781–2006 – das älteste Bergobservatorium der Welt.'' Seite 113. Siehe auch: Literatur.</ref> |- ! bgcolor="#CEDAF2" style="width:25%;" | Bereich ! bgcolor="#CEDAF2" style="width:10%;" | Zeitraum ! bgcolor="#CEDAF2" style="width:5%;" | Jan. ! bgcolor="#CEDAF2" style="width:5%;" | Feb. ! bgcolor="#CEDAF2" style="width:5%;" | März ! bgcolor="#CEDAF2" style="width:5%;" | April ! bgcolor="#CEDAF2" style="width:5%;" | Mai ! bgcolor="#CEDAF2" style="width:5%;" | Juni ! bgcolor="#CEDAF2" style="width:5%;" | Juli ! bgcolor="#CEDAF2" style="width:5%;" | Aug. ! bgcolor="#CEDAF2" style="width:5%;" | Sep. ! bgcolor="#CEDAF2" style="width:5%;" | Okt. ! bgcolor="#CEDAF2" style="width:5%;" | Nov. ! bgcolor="#CEDAF2" style="width:5%;" | Dez. ! bgcolor="#CEDAF2" style="width:5%;" | Jahr |-align="center" | align="left"| Temperaturmittel in °C || 1781–2008 || -2,0 || -1,2 || 1,3 || 5,3 || 10,0 || 13,0 || 15,0 || 14,6 || 11,6 || 7,1 || 2,1 || -0,9 || 6,4 |-align="center" style="background:#f0f0f0;" | rowspan="2" align="left" | Wärmstes Mittel in °C || rowspan="2" | 1781–2008 || 6,1 || 5,1 || 6,2 || 12,1 || 15,3 || 19,3 || 19,8 || 20,7 || 16,3 || 12,8 || 7,4 || 4,5 || 8,3 |-align="center" style="background:#f0f0f0;" | 1796 || 1990 || 1822<br />1957<br />1989 || 1800 || 1868 || 2003 || 2006 || 2003 || 1961 || 2001 || 1852 || 1806 || 1994<br />2003 |-align="center" | rowspan="2" align="left" | Kältestes Mittel in °C || rowspan="2" | 1781–2008 || -8,5 || -12,4 || -6,0 || -0,5 || 5,2 || 8,8 || 11,3 || 11,2 || 5,3 || 0,8 || -3,9 || -10,5 || 4,4 |-align="center" | 1848 || 1956 || 1785 || 1817 || 1876 || 1923 || 1913 || 1833<br />1844 || 1912 || 1905 || 1851 || 1788 || 1829 |-align="center" style="background:#f0f0f0;" | rowspan="2" align="left" | Absolute Höchsttemperatur in °C || rowspan="2" | 1879–2008 || 17,2 || 19,7 || 21,6 || 25,5 || 28,3 || 31,8 || 33,8 || 33,1 || 29,6 || 26,3 || 21,5 || 18,5 || 33,8 |-align="center" style="background:#f0f0f0;" | 2002 || 2008 || 2008 || 2003 || 1958 || 1980 || 1947 || 2003 || 1943 || 1981 || 1968 || 1985 || 1947 |-align="center" | rowspan="2" align="left" | Absolute Tiefsttemperatur in °C || rowspan="2" | 1879–2008 || -26,3 || -29,1 || -18,8 || -11,0 || -6,6 || -1,1 || -0,8 || 0,2 || -3,5 || -10,8 || -14,9 || -21,1 || -29,1 |-align="center" | 1907 || 1929 || 1886 || 1905 || 1906 || 1962 || 1903 || 1903 || 1897 || 1920 || 1890 || 1879 || 1929 |-align="center" style="background:#f0f0f0;" | align="left"| Niederschlagsdurchschnitt || 1879–2008 || 57 || 51 || 61 || 82 || 121 || 154 || 159 || 140 || 110 || 73 || 63 || 58 || 1129 |-align="center" | rowspan="2" align="left" | Größte Niederschlagssumme in mm || rowspan="2" | 1879–2008 || 140,6 || 165,5 || 185,1 || 207,7 || 350,7 || 366,6 || 346,5 || 277,8 || 239,1 || 226,5 || 199,3 || 154,7 || 1581,9 |-align="center" | 1968 || 1970 || 1939 || 1965 || 1999 || 1979 || 1993 || 1970 || 1899 || 1981 || 1992 || 1918 || 1939 |-align="center" style="background:#f0f0f0;" | rowspan="2" align="left" | Kleinste Niederschlagssumme in mm || rowspan="2" | 1879–2008 || 1,8 || 8,8 || 10,3 || 2,8 || 16,6 || 43,5 || 29,3 || 35,4 || 21,7 || 2,7 || 5,7 || 5,5 || 776,2 |-align="center" style="background:#f0f0f0;" | 1997 || 1882 || 1918 || 1893 || 1992 || 1887 || 2006 || 1947 || 1895 || 1943 || 1920 || 1888 || 1943 |-align="center" | rowspan="2" align="left" | Größte Tagessumme des Niederschlags in mm || rowspan="2" | 1879–2008 || 42,4 || 54,5 || 61,3 || 58,1 || 138,5 || 116,8 || 94,5 || 91,2 || 65,4 || 49,8 || 79,4 || 47,0 || 138,5 |-align="center" | 1912 || 1990 || 2000 || 1892 || 1999 || 1979 || 1910 || 1970 || 1888 || 1973 || 1921 || 1918 || 1999 |-align="center" style="background:#f0f0f0;" | align="left"| Mittlere Sonnenscheinsumme in Stunden || 1937–2008 || 93 || 103 || 142 || 163 || 197 || 206 || 230 || 215 || 174 || 143 || 90 || 82 || 1840 |-align="center" | rowspan="2" align="left" | Größte Sonnenscheinsumme in Stunden || rowspan="2" | 1937–2008 || 178 || 204 || 244 || 317 || 264 || 310 || 332 || 314 || 286 || 225 || 166 || 171 || 2215 |-align="center" | 1989 || 1959 || 1953 || 2007 || 1950 || 1976 || 2006 || 1947 || 1959 || 1971 || 1978 || 1972 || 2003 |-align="center" style="background:#f0f0f0;" | rowspan="2" align="left" | Geringste Sonnenscheinsumme in Stunden || rowspan="2" | 1937–2008 || 49 || 41 || 67 || 82 || 97 || 123 || 144 || 133 || 69 || 57 || 37 || 31 || 1547 |-align="center" style="background:#f0f0f0;" | 1987 || 1970 || 1944 || 1989 || 1939 || 1956 || 1980 || 2006 || 2001 || 1992 || 1964 || 1947 || 1987 |-align="center" | rowspan="2" align="left" | Größte monatliche Schneehöhe in cm || rowspan="2" | 1901–2008 || 78 || 100 || 115 || 73 || 22 || 10 || 0 || 0 || 17 || 35 || 56 || 75 || 115 |-align="center" | 1959 || 1978 || 1988 || 1979 || 1979 || 1962 || – || – || 2002 || 1956 || 1999 || 1962 || 1988 |-align="center" style="background:#f0f0f0;" | align="left"| Mittlere Zahl der Sommertage || – || – || – || – || – || 0,4 || 1,3 || 3,3 || 2,6 || 0,4 || – || – || – || 8,1 |-align="center" | align="left"| Mittlere Zahl der Frosttage || – || 25,5 || 22,0 || 19,0 || 11,7 || 2,6 || 0,1 || 0 || – || 0,3 || 5,5 || 16,1 || 23,5 || 126,4 |-align="center" style="background:#f0f0f0;" | align="left"| Mittlere Zahl der Eistage || – || 12,5 || 10,4 || 5,7 || 1,0 || – || – || – || – || – || 0,7 || 5,8 || 11,2 || 47,4 |} == Einzelnachweise == <references/> == Literatur == * Peter Winkler: ''Hohenpeißenberg 1781–2006 – das älteste Bergobservatorium der Welt.'' Deutscher Wetterdienst, Offenbach am Main 2006, ISBN 3-88148-415-9. * Deutscher Wetterdienst (Hrsg.): ''200&nbsp;Jahre meteorologische Beobachtungen auf dem Hohenpeißenberg 1781–1980.'' Offenbach am Main 1981, ISBN 3-88148-184-2. * Deutscher Wetterdienst (Hrsg.): ''100&nbsp;Jahre Wetterdienst in Bayern 1878–1978.'' Offenbach am Main 1979, ISBN 3-88148-171-0. == Siehe auch == * [[Zeitreihe der Lufttemperatur in Deutschland]] == Weblinks == {{commonscat}} * [http://www.dwd.de/mohp Website Meteorologisches Observatorium Hohenpeißenberg mit Beschreibung des Observatoriums, aktuellen Wetterdaten und Webcam] * [http://www.dwd.de/gaw Seite beim Deutschen Wetterdienst] * [http://www.umweltbundesamt.de/uba-info-daten/daten/gaw/aktivitaeten.htm GAW Hohenpeißenberg beim Umweltbundesamt] * [http://www.hohenpeissenberg.de/der_berg_observatorium.shtm Das Meteorologische Observatorium bei hohenpeißenberg.de] * [http://www.dmg-ev.de/gesellschaft/publikationen/dmg-mitteilungen_archiv/2000_3/2000_3.htm#gaw Beitrag bei der DMG] {{Coordinate |NS=47/48/05/N |EW=11/00/35/E |type=landmark |region=DE-BY}} [[Kategorie:Meteorologische Organisation]] [[Kategorie:Naturwissenschaftliches Forschungsinstitut|Hohenpeissenberg]] [[Kategorie:Meteorologische Beobachtungseinrichtung|Hohenpeissenberg]] [[Kategorie:Hohenpeißenberg]] {{Exzellent}} k8p3ld78gt0pphscza7i2guoon3bkq6 wikitext text/x-wiki Metro Bilbao 0 23924 26520 2010-03-30T01:22:01Z LinkFA-Bot 0 Bot: [[Template:Link GA|Link GA]] +es [[Bild:Metro Bilbao Bolueta Station Trains.jpg|thumb|450px|Zwei PA-Züge der Metro Bilbao am Bahnhof Bolueta]] Die '''Metro Bilbao''' ist die [[U-Bahn]] der [[Liste der Städte in Spanien|zehntgrößten Stadt Spaniens]], [[Bilbao]] und wurde 1995 eröffnet. Sie besteht derzeit (2009) aus zwei Linien und wird von einer gleichnamigen Gesellschaft betrieben. Das Netz hat [[Meterspur]] und ist 39,6&nbsp;Kilometer lang und hat 38&nbsp;Stationen. Bis 2011 soll das Netz auf 45&nbsp;Kilometer mit 41&nbsp;Stationen ausgebaut werden. == Liniennetz == [[Datei:Metro Bilbao Map.png|thumb|upright=2|Linienschema]] Das 39,6 Kilometer lange Netz hat 22 unterirdische Stationen und 16 an der Oberfläche. Alle Stationen sind behindertengerecht. {| class="prettytable" style="margin-left:20px;" |----- bgcolor="#F8F8FF" ! Linie ! Farbe ! Strecke ! Eröffnung ! Länge ! Bahnhöfe |----- bgcolor="#FFFFFF" | 1 || style="color: white; background-color: #FF2E2E;"|Rot || Plentzia ↔ Etxebarri || [[1995]] || 29,4 km || 28 |----- bgcolor="#F8F8FF" | 2 || style="color: white; background-color: #000000;"|Schwarz || Santurtzi ↔ Etxebarri || [[2002]] || 22,9 km || 22 |} Die Metro Bilbao ist das wichtigste Verkehrsmittel des Großraums Bilbao. Sie ist nicht nur für den innerstädtischen, sondern auch für den regionalen Verkehr von zentraler Bedeutung, da sie Bilbao mit seinen Vororten verbindet. Des Weiteren gibt es seit 2002 wieder eine Straßenbahn in Bilbao mit dem Namen [[EuskoTran]]. Als Ergänzung dienen außerdem die Vorortbahnen der drei Betreibergesellschaften ''[[Red Nacional de los Ferrocarriles Españoles|Renfe Cercanías]]'', ''[[EuskoTren]]'' und ''[[Ferrocarriles de Vía Estrecha|FEVE]]''. Zusätzlich gibt es noch zwei Busgesellschaften namens ''[[BizkaiBus|Bizkaibus]]'' und ''[[Bilbobus]]'', die als Ergänzung zu den Schienenverkehrsmitteln dienen. Das ''Consorcio de Transportes de Bizkaia'' ist als Kontrollgremium tätig sowie für den Ticketvertrieb und dessen Regelung als [[Tarifverbund]] zuständig. Die Metro verkehrt täglich von 6:00 Uhr bis etwa 23:00 Uhr. Freitags wird der Betrieb bis 2:00 Uhr ausgedehnt und samstags fährt die Metro im Halbstundentakt die ganze Nacht. In der Schwachverkehrszeit besteht auf den beiden Außenstrecken ein 10- bis 20-Minuten-Takt, in der Nebenverkehrszeit ein Takt von fünf bis sieben Minuten. In der Hauptverkehrszeit fährt dort etwa alle fünf Minuten ein Zug. Durch die Linienbündelung auf dem Abschnitt San Inazio – Etxebarri verdoppelt sich jeweils der Takt. === Fahrgastzahlen === [[Bild:Metro Bilbao Fahrgastzahlen 1996 2004.png|thumb|left|Fahrgastzahlen der Metro Bilbao in den Jahren 1996 bis 2004, jeweils gerundet]] Durch immer wieder neue Verlängerungen und Streckeneröffnungen in bevölkerungsreiche Gebiete stiegen die Fahrgastzahlen der Metro Bilbao stetig. Im zweiten Jahr der Metro beförderten die rot-schwarz-silbernen Züge bereits 31 Millionen Fahrgäste. Im darauf folgenden Jahr stieg der Wert sprunghaft auf 41 Millionen an. 2002 zählten der Betreiber 66 Millionen. Im Jahr 2003 konnte die 70-Millionen-Marke mit dem Wert von 72,6 Millionen beförderten Fahrgästen erreicht werden, im Jahr 2004 stieg der Wert nur unwesentlich auf 73 Millionen. Die am meisten benutzte Station des Bilbaoer Metronetzes ist ''[[Bahnhof Bilbao-Abando|Abando]]'' mit 6,2 Millionen gezählten Fahrgästen, direkt danach folgt ''Casco Viejo'' mit 6,1 Millionen. Beide liegen in der Innenstadt Bilbaos. Die am wenigsten genutzten Stationen sind besonders auf der alten Vorortbahnstrecke zu finden; die Linie fährt dort auch durch schwach besiedelte Gebiete. Den niedrigsten Wert erzielte dabei der Bahnhof ''Lutxana'' mit 202.107 Fahrgästen, gefolgt von ''Lamiako'' mit 320.505. === Fahrkarten === [[Datei:Creditranstrena.png|thumb|right|Creditrans-Ticket]] Die Metro Bilbao ist ein geschlossenes System mit Zugangssperren nach dem Vorbild der [[London Underground]]. Die Fahrkarten mit Magnetstreifen müssen beim Betreten und Verlassen des Bahnsteiges an einer Sperre gelesen werden. Das Liniennetz ist in drei Zonen unterteilt. Außer den üblichen Einzelfahrscheinen („Billete ocasional"), Hin-und Rückfahrkarten („Ida y vuelta" - Preis wie zwei Einzelkarten), Tageskarten („Billete dia") gibt es auch für Touristen mit dem „Creditrans"-Ticket eine günstige und einfache Möglichkeit, neben der Metro die Strassenbahn [[EuskoTran]] (Tranvía de Bilbao), die Busse von [[Bilbobus]] und [[Bizkaibus]], den ''Ascensor de La Salve'', den ''Funicular de Artxanda'', die [[Puente Colgante]] und die ''Autobuses de Lujua'' zu benutzen. Die für 5, 10 oder 15 Euro erhältliche Karte kann in 5-Euro-Schritten wieder aufgeladen werden. Der Preis einer Fahrt ist über 50 Prozent günstiger (z.&nbsp;B. Einzelfahrt 0,69&nbsp;€ gegenüber 1,40&nbsp;€). <br style="clear:both;"> === Architektur und Design === [[Bild:metro bilbao bagatza.jpg|thumb|Die muschelförmigen Eingänge sind die auffälligsten Werke der neuen Metro Bilbao. Der Volksmund nennt sie ''„Fosteritos“'']] Vor allem durch das Design der einzelnen Stationen ist die Metro Bilbao bekannt in der U-Bahnwelt. Hier hinterließen der Stararchitekt [[Norman Foster]] und sein Team nicht nur einige wenige beeindruckende Stationen wie in [[London]] auf der [[Jubilee Line]], er entwarf vielmehr eine komplett neue U-Bahnlinie. Es gelang ihm ebenfalls, diese ansprechend in die schon vorhandene Strecke nach Plentzia zu integrieren. Foster verwendete bei den Stationen nahezu ausschließlich die in der [[Postmoderne]] sehr aktuellen Materialien Stahl, Beton und Glas. Der Architekt verfolgte damit drei Kernpunkte seines Konzepts: Einfachheit, Funktionalität und Ästhetik. Diese lassen sich unter anderem daran erkennen, das Foster die Stationen weiträumig und klar gestaltete, es sollten keine auffälligen Elemente stören. Außerdem sollte, so weit es möglich war, das Einfallen von natürlichem Tageslicht ermöglicht werden. Die Stationen sollten nicht nur aus Energiespargründen möglichst an der Oberfläche sein, sondern auch so schnell wie möglich und ohne große Umwege erreichbar sein. Allgemein wurde der freien Zugänglichkeit zu jedem Bahnhof großes Augenmerk geschenkt. Die Metro Bilbao erhielt seit ihrem Bestehen schon mehrere Preise, unter anderem den ''GIMM Award'', der aufgrund ihrer sehr guten Erreichbarkeit auch für Rollstuhlfahrer und Eltern mit Kinderwagen und ähnlichem verliehen wurde. Als markantestes Merkmal seines Stationsdesigns entwarf Norman Foster muschelförmige Eingänge, die im Volksmund bald den Namen ''„Fosterito“'' erhielten. Sie sind ohne Zweifel das Auffälligste am neuen Bilbaoer Metrosystem. Bereits im Jahr 1988 erhielt Foster für seinen Entwurf den ''Brunel Award for Railway Architecture''. Vom Fahrgast normalerweise nicht gewürdigt, erhielt die Firma Akaba aus [[Irún]], welche die Sitzbänke in den einzelnen Stationen fertigte, im November 2000 den Nationalpreis für [[Produktdesign|Industriedesign]] vom spanischen Ministerium für Wissenschaft und Technologie. Das [[Corporate Design]] inklusive des Logos der neuen Metro Bilbao entwickelten die Designer [[Otl Aicher]], Michael Weiss und Hans Brucklacher. Bei allen Materialien des Verkehrsunternehmens werden die Farben Rot, Schwarz, Grau und Weiß benutzt. Dies ermöglicht eine klare Struktur, welche wiederum der Einfachheit gegenüber dem Fahrgast dient. Das Logo ist im Gegensatz zu den anderen drei spanischen Metrosystemen kein rotes, viereckiges Zeichen mit einem blauen Balken. In Bilbao besteht es aus drei teilweise übereinander liegenden roten Ringen. Diese stellen laut dem Verkehrsunternehmen die Bewegung des öffentlichen Verkehrs dar. Otl Aicher entwickelte für die Metro die Schriftart ''[[Rotis (Schriftart)|Rotis Semi Sans]]'', die auf allen Publikationen und Schildern zur Anwendung kommt. == Geschichte == === Erste Gedankenspiele in den Zwanzigern === Am 17. Oktober 1919 eröffnete der spanische König [[Alfons XIII. (Spanien)|Alfons XIII.]] das erste spanische U-Bahnnetz in der Hauptstadt [[Madrid]]. Die zweitgrößte Stadt des Landes, [[Barcelona]], folgte wenig später im Jahr 1924 mit der Einweihung der ''[[Metro Barcelona|Gran Metropolitano de Barcelona]]''. Die [[Baskenland|baskische]] Stadt Bilbao, traditionell sehr lokalpatriotisch eingestellt, wollte dem nicht hintenanstehen und erarbeitete ebenfalls Pläne für eine erste unterirdische U-Bahnlinie. Sie sollte vom wichtigen Bahnhof ''Atxuri'' – damals wie heute Ausgangspunkt der Züge nach [[Gernika]], [[San Sebastián]] und [[Bermeo]] – über ''Basurto'' zur Station ''[[Bahnhof Bilbao-Abando|Abando]]'' führen, die durch mehrere andere Schließungen und Verlegungen zum heutigen Quasi-Hauptbahnhof der Stadt geworden ist. Hier enden und beginnen heutzutage unter anderem die Züge nach [[Orduña]], [[Santander]], [[Oviedo]] und [[Madrid]]. Aufgrund finanzieller Probleme, aber auch wegen des [[Spanischer Bürgerkrieg|spanischen Bürgerkriegs]] in den 1930er Jahren, verfolgten weder die Stadtverwaltung noch die Regierung diese Pläne weiter. === Großes Wachstum führt zu neuen Plänen === Nachdem eine Wirtschaftskrise Spanien in den 1940er und Anfang der 1950er Jahre traf, konnte diese durch eine radikale Wirtschaftsreform bis in die 1960er Jahre wieder überwunden werden. In dieser Zeit sprach man auch von einem ''„spanischen Wirtschaftswunder“''. In Folge dessen stieg die Einwohnerzahl überproportional an, was wiederum große Verkehrsprobleme nach sich zog. Weder das vorhandene Straßen- noch das Schienennetz in Bilbao waren für größere Bevölkerungszahlen ausgelegt, auch war 1964 die letzte Linie der [[Straßenbahn]] stillgelegt worden. Darauf wurde 1971 unter Leitung der baskischen Regionalregierung, dem Stadtrat Bilbaos und der Handelskammer die ''Comisión de Comunicaciones de Vizcaya'' gegründet, die zum Ziel hatte, den vorhandenen Verkehr zu koordinieren und zu regulieren. Außerdem sollte sie neue Lösungen für bestehende Probleme erarbeiten. Auch damals kam wieder der Bau einer U-Bahn oder zumindest einer im hohen Takt befahrenen Schnellbahnlinie zur Sprache. Allgemein wurden mehrere Alternativen für eine Streckenführung diskutiert. Als Varianten wurden ein Netz in Form eines Ypsilons und alternativ dazu zwei voneinander getrennte Linien erwogen. Darüber hinaus waren die Fragen zu klären, wie viele Flußkreuzungen es geben sollte und wie die Anbindung der verschiedenen Stadtteile und Gemeinden Bilbaos aussehen sollte. Zu der Zeit legte die Kommission auch die zukünftigen Eckdaten für die Schnellbahnlinie fest. Die Streckengleise sollte im Gegensatz zum spanischen Schmalspurnetz von 1000 Millimetern und der Spanischen Breitspurweite von 1674 Millimetern die standardisierte, europäische [[Normalspur]]weite von 1435 Millimetern aufweisen. Die zukünftigen 115 Meter-Bahnsteige sollten Züge mit fünf Wagen aufnehmen, die maximal 80 Kilometer pro Stunde fahren sollten. Schon damals legte man für die Stromversorgung eine [[Oberleitung]] bei einer Spannung von 1500 Volt fest. 1975 wurden die Zuständigkeiten für die Planungen auf das neugegründete ''Consorcio de Transportes de Vizcaya'' übertragen. Zwei Jahre später wurde der Bauplan mit dem Namen ''„Plan de Construcción de la red de ferrocarril metropolitano de Bilbao“'' (Bauplan für die Eisenbahnstrecke von Bilbao) genehmigt. Diese Pläne gerieten jedoch durch die einsetzende Demokratisierung Spaniens ins Stocken. In dieser Zeit war ein kompletter Umbau des Staatsapparates vonnöten. Gleichzeitig räumte die Madrider Zentralregierung der Provinz Baskenland große Autonomierechte ein. 1981 kam die Autonomieregierung zu dem Schluss, dass die bisherige Variante des Metronetzes nicht ausreichend sei, um die Verkehrsproblematik zu lösen. 1985 folgte eine komplette Neuüberarbeitung des Bauvorhabens und 1987 die Baugenehmigung der U-Bahnlinie ''Casco Viejo – Plentzia''. Die seit 1887 bestehende, von der baskischen Staatseisenbahn betriebene Vorortbahnstrecke ''Lutxana – Plentzia'' sollte, wie bereits in den 1970er Jahren vorgeschlagen, in die neue Strecke integriert werden. Aufgrund von finanziellen Sparmöglichkeiten wurde entschieden, die auf der alten Vorortbahnstrecke verwendete Schmalspurweite von 1000 Millimetern auch auf die Metro zu übertragen. === Baubeginn und Eröffnung === [[Bild:1995 obras metro saninazio.jpg|thumb|Bauarbeiten in der Nähe des U-Bahnhofes ''San Inazio'', 1995]] Vor dem konkreten Baubeginn wurde die ''„Ingeniería del Metro de Bilbao, S.A.“'' (IMEBISA) gegründet, die für die Koordination und den U-Bahnbau verantwortlich war. Sie sollte gleichzeitig auch den Zeitplan mit der baskischen Staatseisenbahn ([[EuskoTren]]) abstimmen, da diese ihre Rechte nach der Streckeneinstellung übertragen musste. Im Jahr 1988 wurde gemeinsam mit einer Erneuerung des alten Stadtkerns von Erandio der gleichnamige Bahnhof auf der Vorortbahnstrecke in den Untergrund gelegt. Im gleichen Jahr rief die Stadt Bilbao einen internationalen Architekturwettbewerb für die Gestaltung der neuen Metro aus. 1989 begannen die erste Baumaßnahmen in der Innenstadt Bilbaos für die neue Tunnelstrecke inklusive der Rampe zur Vorortbahn, die sich in der Nähe der ''Ascao Straße'' befindet. Die Bahnhöfe wurden so nah wie möglich an die Oberfläche gebaut, was insbesondere Einsparung von Brems- und Anfahrenergie zur Folge hat. Der Boden in und um Bilbao besteht hauptsächlich aus Lehm, Sand, Quarz sowie aus einer großen Anzahl von Gesteinen, die jedoch aufgrund ihrer Lage einfach auszugraben sind. Hauptvorteil der größtenteils verwendeten [[Neue Österreichische Tunnelbauweise|Neuen Österreichische Tunnelbauweise]] bei den Bodenverhältnissen in Bilbao war, dass nicht die komplette Innenstadt aufgerissen werden musste. Es reichte ein „Eingang“, der ''Plaza Moyua'', sowie ein „Ausgang“ in der Nähe von ''San Nicolás''. Die Cut-and-Cover-Methode („graben und zudecken“) wurde hingegen bei längeren Straßenabschnitten mit tiefer liegenden Gesteinen verwendet. Für die zwei Unterquerungen der [[Ría de Bilbao]], die sich durch die Stadt schlängelt, wurden zweierlei Verfahren angewandt. Für die Flussquerung zwischen ''[[Bahnhof Bilbao San Mamés|San Mamés]]'' und ''Deusto'' stellten die Baufirmen auf einem provisorischem Trockendock bei Deusto zwei 86 Meter lange, 11 Meter breite und 7,5 Meter hohe [[Senkkasten|Senkkästen]] her, die langsam ins Flussbett heruntergelassen wurden. Für die andere Querung des Nervión kam diese Methode nicht in Frage, da hier die Möglichkeit einer Trockendockerrichtung nicht zur Verfügung stand. Außerdem ist der Fluss an dieser Stelle zu schmal. Das Flussbett besteht dort größtenteils aus Fels, aber auch aus durchlässigem Kies, der für die Bauarbeiten verdichtet wurde, sodass darunter ein Tunnel gebohrt werden konnte. [[Bild:Metro Bilbao Sarriko Station.jpg|thumb|Eingang zum Bahnhof ''Sarriko'']] Am 1. Oktober 1993 wurde die ''Metro Bilbao, S.A'' gegründet, die zukünftige Betreiberorganisation der U-Bahn. Kurz vor der Eröffnung der U-Bahn im November 1995 legte die Gesellschaft [[EuskoTren]] am 1. November den Betrieb auf der Strecke ''Lutxana – Plentzia'' still, sodass diese am 10. November rechtlich dem Metro Bilbao-Verkehrsunternehmen übertragen werden konnte. Am 11. November 1995 eröffnete der [[Lehendakari]] – der baskische Ministerpräsident – [[José Antonio Ardanza]] feierlich die neue Metrostrecke zwischen ''Casco Viejo'' und ''Plentzia'', die insgesamt 26 Kilometer lang war und 23 Stationen umfasste. Damit nahm nun nach [[Metro Madrid|Madrid]], [[Metro Barcelona|Barcelona]] und [[Metro Valencia|Valencia]] die vierte spanische Stadt ein U-Bahnsystem in Betrieb. Die Eröffnung der Metro stellte einen weiteren Höhepunkt in der Neugestaltung und Revitalisierung der Stadt Bilbao dar. Diese leidet bis heute unter der Stahl- und Kohlekrise der 1980er Jahre. So folgte nach der Metro Bilbao der Bau des weltweit berühmten [[Museo Guggenheim Bilbao]] sowie der Kongresspalast [[Palacio Euskalduna]]. Gleichzeitig fanden aber auch große Umgestaltungs- und Renovierungsmaßnahmen in der Innenstadt statt. Die Stationen der neuen Tunnelstrecke wurden komplett vom Stararchitekten [[Norman Foster]] und seinem Team gestaltet. Neues Hauptmerkmal in der Stadt sollten vor allem die Eingänge zur Metro werden, der Volksmund gab ihnen den Spitznamen ''„Fosterito“''. Foster verwendete bei seiner Ausgestaltung hauptsächlich Beton, Stahl und Glas. === Schritt für Schritt in Richtung Süden === [[Bild:Boluetarako metro.jpg|thumb|Viadukt der Metro zwischen ''Bolueta'' und ''Etxebarri'']] Am 24. Juni 1996 wurde die oberirdische Zwischenstation ''Gobela'', die zwischen den Bahnhöfen ''Areeta'' und ''Neguri'' liegt, mit einem Mittelbahnsteig eröffnet. Sechs Monate später nahm dort auch ein Fahrstuhl den Betrieb auf. Nur zwei Jahre nach der Eröffnung der Metrolinie, genauer seit dem 5. Juli 1997, dehnte sich der Betrieb der Metrolinie um drei Stationen in Richtung Süden aus. Die neuen Bahnhöfe ''Santutxu'' und ''Basarrate'' bedienen damit die auf dem östliche Nerviónufer gelegenen Stadthälfte. Gleichzeitig ergibt sich am Endbahnhof ''Bolueta'' der zwei Kilometer langen Erweiterung eine komfortable Umsteigemöglichkeit zum Regionalverkehr der ''[[EuskoTren]]'' in Richtung [[Lemoa]], [[Bermeo]] und [[San Sebastián]]. Eine weitere Verbindung in Richtung Süden gibt es seit dem 8. Januar 2005. Seit diesem Tag quert die Metro Bilbao über zwei Viadukte den Nervión einen Kilometer weiter zum Bilbaoer Vorort ''Etxebarri'', wo sich eine Kläranlage sowie ein Stahlwerk des europäischen Konzerns [[Arcelor]] befindet. Der Bahnhof, der wie alle Stationen der Metro Bilbao auch mit [[Aufzugsanlage|Aufzügen]] ausgestattet ist, besitzt zwei Seitenbahnsteige. === Eine zweite U-Bahnlinie === Schon in den ersten Plänen für eine Bilbaoer Schnellbahn war angedacht, die nordwestliche Uferseite ebenfalls zu erschließen. Auch 1995 stand der Bau einer Metro dorthin fest. Der erste Spatenstich für den neuen Linienast mit fünf Bahnhöfen, der am dreigleisigen Bahnhof ''San Inazio'' abzweigen sollte, fand im Frühling 1997 statt. [[Bild:Metro Bilbao Urbinaga Station.jpg|thumb|Einziger oberirdischer Bahnhof der Linie 2, ''Urbinaga'']] {| align=left border="2" cellspacing="0" cellpadding="4" rules="all" class="hintergrundfarbe1 rahmenfarbe1" style="margin:1em 1em 1em 0; border-style:solid; border-width:1px; border-collapse:collapse; empty-cells:show" |colspan="3" align="center" | Eröffnungsdaten |- |[[11. November|11.11.]][[1995|95]] |''Casco Viejo - Plentzia'' |26,4 km |- |[[5. Juli|05.07.]][[1997|97]] |''Casco Viejo - Bolueta'' |2,0 km |- |[[13. April|13.04.]][[2002|02]] |''San Inazio - Urbinaga'' |5,9 km |- ||[[8. Januar|08.01.]][[2005|05]] |''Bolueta - Etxebarri'' |1,0 km |- |[[8. Januar|08.01.]][[2005|05]] |''Urbinaga - Sestao'' |1,0 km |- |[[20. Januar|20.01.]][[2007|07]] |''Sestao - Portugalete'' |1,9 km |- |[[4. Juli|04.07.]][[2009|09]] |''Portugalete - Santurtzi'' |1,7 km |} Da sich der Abzweigungsbahnhof auf der rechten Uferseite des Nervión befindet, war wieder eine Unterquerung des Fluss notwendig. Hier war sogar eine der breitesten Stellen ausgewählt worden. Die Untertunnelung von zwei auf der geplanten Strecke liegenden Halbinseln vereinfachte dies jedoch sehr. Auch der überdurchschnittliche Stationsabstand zwischen den Bahnhöfen ''San Inazio'' und dem ersten neuen Bahnhof ''Gurutzeta/Cruces'' ermöglichte es, den Tunnel unter dem Gewässer mit 45 Metern sehr tief zu legen. Beim Bau des Tunnels unter dem Fluss wie auch bei der restlichen Strecke benutzten die Baufirmen hauptsächlich die schon erprobte Neue Österreichische Tunnelbauweise. Teilweise wurde auch die Cut-and-Cover-Methode wieder benutzt. Die architektonische Gestaltung des neuen Streckenabschnittes übernahm wieder Norman Foster. Die neuen Bahnhöfe unterscheiden sich damit in ihrem Aussehen nicht wesentlich von denen der Stammstrecke. Die einzige große Ausnahme ist der Bahnhof ''Ansio'', der in offener Bauweise mit einem großen Tageslichteinfall gebaut wurde. Am 13. April 2002 ging der neue Streckenabschnitt mit den neuen Stationen ''Gurutzeta/Cruces'', ''Ansio'', ''Barakaldo'', ''Bagatza'' und ''Urbinaga'' in Betrieb. Die 5,9 Kilometer lange Strecke wird seitdem von einer eigenen, schwarz gekennzeichneten Linie mit der Nummer 2 befahren. Sie bedient den kompletten Abschnitt und fährt danach auf der Stammstrecke gemeinsam mit der Linie 1 bis zum gemeinsamen Endbahnhof ''Etxebarri''. Schaut der Fahrgast auf das Schienennetz des Großraums Bilbao, so fällt der Parallelverkehr zwischen der neuen Linie 2 und der [[Red Nacional de los Ferrocarriles Españoles|RENFE]]-Strecke nach ''Santurtzi'' auf. Begründet wird der Bau der Metro jedoch mit der hohen Bevölkerungsdichte der dortigen Region und dem wesentlich größeren Haltestellenabstand auf der Vorortbahn. Am 8. Januar 2005 erfolgte eine Verlängerung der Strecke um einen Kilometer und einen Bahnhof weiter nach Norden bis nach ''Sestao'', fast genau zwei Jahre später, am 20. Januar 2007 verlängerte sich die Linie um weitere zwei Bahnhöfe bis ''Portugalete'', am 4. Juli 2009 bis ''Santurtzi''. 2011 soll die Metrolinie 2 bis zum dann endgültigen Endbahnhof ''Kabiezes'' fahren. == Züge == [[Bild:metro bilbao indautxu.jpg|thumb|Ein Zug im Bahnhof Indautxu]] Die Metro Bilbao verwendet derzeit Zugtypen der Baureihen UT-500 und UT-550. Das Verkehrsunternehmen besitzt 24 Züge der ersten Baureihe und dreizehn der zweiten. Zusätzlich verfügt der Betreiber über vierzehn Betriebs- und Hilfszüge. Alle Wagen werden regelmäßig in der Betriebswerkstatt ''Sopelana'', zwischen den Bahnhöfe ''Sopelana'' und ''Urduliz'' gelegen, gewartet. Die ersten sechzehn Fahrzeuge, welche die Nummern UT 501 bis 516 tragen, lieferten die beiden Firmen [[Construcciones y Auxiliar de Ferrocarriles|CAF]] und [[ABB Henschel]] bis zum November 1995. Ein Zug der Metro ist viergliedrig und vollkommen begehbar. Im Innenraum sind 2+2 Sitze jeweils vis-à-vis in den Farben des Corporate Design – Rot und Grau – angeordnet. Ein Vollzug ist insgesamt 72,12 Meter lang, 3,85 Meter hoch und 2,80 Meter breit. Damit ist die Metro, für eine Bahn, die auf [[Meterspur]] verkehrt, ungewöhnlich breit. Wagen des [[Profile der Berliner U-Bahn|Berliner Großprofils]], deren Wagenkasten beispielsweise nur 2,65 Meter breit ist, fahren auf der [[Normalspur|europäischen Normalspur]] von 1435 Millimetern. Die Züge verwenden, wie auch die Vorortbahnen in der Region, die [[Oberleitung]] bei einer Spannung von 1500 Volt und besitzen insgesamt sechzehn Motoren von jeweils 180 Kilowatt; zusammen ergibt das pro Zugeinheit 2880 Kilowatt. Die Höchstgeschwindigkeit liegt bei 80 Kilometern pro Stunde. Ein Zug fasst 712 Personen. Diese Angabe beruht auf 144 Sitzplätzen und 568 Stehplätzen bei durchschnittlich sechs Personen pro Quadratmeter. Die Zahl der Züge erhöhte sich nach einer erneuten Bestellung bis zum zweiten Quartal 1996 auf 24 Züge mit den Nummern UT 517 bis 524. Für den höheren Bedarf bei der neu gebauten Linie 2 bestellte das Verkehrsunternehmen bei den Firmen CAF und [[Adtranz]] (nun Muttergesellschaft von ABB) dreizehn weitere Züge, die bis Oktober 2001 geliefert wurden. Die letzte Lieferung enthielt nun die neuen Züge der Baureihe UT-550. Dies unterscheiden sich vom Vorgänger durch eine höhere Leistungsfähigkeit und durch eine verbesserte Klimaanlage. Nachdem bis 1998 noch teilweise vorhandene Streckenabzweigungen auf der alten Vorortbahnstrecke geschlossen wurden, sind seitdem die Systeme ATP, ausgeschrieben ''automatic train protection'' (automatischer Zugschutz), sowie ATO, ausgeschrieben ''automatic train operation'' (automatische Zugführung), installiert. Letztere führt dazu, dass die Zugführer lediglich einen Knopf drücken müssen, der Rest der Zugführung erfolgt durch den Computer. Dies ist als Vorstufe für ein komplett vom Computer selbstständig gefahrenes System zu sehen. == Ausbau und Planungen == [[Bild:Red completa metro de bilbao.svg|thumb|right|Linienschema 2011.]] Derzeit wird in Bilbao an zwei Metroprojekten gebaut. Ungefähr 2011 soll die Metro auf der Linie 2 ihren Endbahnhof mit dem Namen ''Kabiezes'' erhalten. Begründet wird der Bau der dortigen Linie, auch um das Argument des Parallelverkehrs mit der [[Cercanías]]-Linie der [[Red Nacional de los Ferrocarriles Españoles|RENFE]] zu entkräften, mit der hohen Bevölkerungsdichte in den Vororten auf dem Westufer des Nervión sowie dem hohen Haltestellenabstand auf der Vorortbahn. Das zweite aktuelle Metroprojekt betrifft sowohl die Linie 1 als auch die Linie 2. Bereits im Januar 2005 konnte eine Verlängerung um eine Station bis zum Bahnhof ''Etxebarri'' gefeiert werden, der nun besonders für die Mitarbeiter des benachbarten [[ArcelorMittal]]-Stahlwerkes (früher [[Aceralia]]) von Bedeutung ist. Hier soll ebenfalls bis 2011 der Endbahnhof ''Basauri'' erreicht werden, dazu gehört auch die Zwischenstation ''Ariz''. Mit diesen beiden Projekten soll das U-Bahnnetz Bilbaos bis 2009 auf dann insgesamt 44,5 Kilometer Länge mit 41 Stationen wachsen. Den Vertrag zu dieser Verlängerung unterzeichneten Verkehrsbetrieb und Lokalregierung Anfang 2007, die Kosten belaufen sich auf insgesamt 58 Millionen Euro.<ref>''Blickpunkt Straßenbahn'', Ausgabe 2/2007, Seite 115</ref> Des Weiteren gab der Betreiber beziehungsweise in Vertretung das Transportkonsortium im Februar 2005 weitere kurzfristige Pläne bekannt. Unter anderem soll zwischen den Bahnhöfen ''Bidezabal'' und ''Berango'' aufgrund des hohen Haltestellenabstandes eine neue Station mit dem Namen ''Ibarbengoa'' im Vorort [[Maidagan]] eröffnet werden. Die Baukosten werden auf 17 Millionen Euro geschätzt, die geplante Bauzeit beträgt 24 Monate. Die Arbeiten dafür sollen noch im Jahr 2006 beginnen, die Fertigstellung ist für 2008 vorgesehen. Eine Wiederaufnahme der ehemaligen [[Ferrocarriles de Vía Estrecha|FEVE]]-Strecke nach ''Sondika'' taucht oft in den Plänen auf. Diese Strecke ist bereits am Bahnhof ''Lutxana'' an die Metro angeschlossen, jedoch nicht elektrifiziert. == Weiterführende Informationen == === Wikimedia === {{Commons|Metro Bilbao}} === Quellen === <references/> === Literatur === * Robert Schwandl: ''Metros in Spain – The Underground Railways of Madrid, Barcelona, Valencia and Bilbao.'' Capital Transport, London 2001, ISBN 1854142429 * W. J. Hinkel, K. Treiber, G. Valenta, H. Liebsch: ''gestern-heute-morgen – U-Bahnen von 1863 bis 2010.'' Schmid Verlag, Wien 2004, ISBN 3-900-607-443 (Kapitel „Bilbao“) === Weblinks === ==== Webseiten ==== * [http://www.metrobilbao.net/ Offizielle Betreiberseite von ''metro bilbao''] (Baskisch, Spanisch, Englisch) * [http://www.cotrabi.com/ Transportkonsortium „Consorcio de Transportes de Bizcaia“] (Baskisch, Spanisch, Englisch) * [http://www.urbanrail.net/eu/bil/bilbao.htm Die Metro Bilbao bei Urbanrail.net] (Englisch) * [http://absence-of-fear.de/start.php?dest=bio Weitere Stationsbilder aus Bilbao] ==== pdf-Dateien ==== * [http://www.cotrabi.com/pdfs/nuevas_actuaciones_230205.pdf Planungen für anstehende, neue Projekte. Unter anderem neue Station auf der Linie 1, People Mover für Marmariga und der Bau einer unterirdischen EuskoTren-Linie (als Metrolinie 3 bezeichnet)] (pdf, Spanisch, ca. 3,2 MB) * [http://www.cotrabi.com/pdfs/inau_Sestao_Etxebarri080105.pdf Eröffnung der Stationen Sestao and Etxebarri] (pdf, Spanisch, ca. 127 KB) * [http://www.metrobilbao.net/eng/metro/informemedioam2003.pdf Umweltbericht aus dem Jahr 2003 der ''metro bilbao''] (pdf, Spanisch, ca. 225 KB) * [http://www.metrobilbao.net/cas/metro/memoPDF/memo2004/DOCS/in.pdf Jahresbericht der ''metro bilbao'' 2004] (pdf, Spanisch-Baskisch, ca. 3,6 MB) {{Navigationsleiste U-Bahnen in Spanien}} {{Exzellent}} [[Kategorie:U-Bahn (Spanien)|Bilbao]] [[Kategorie:Foster + Partners]] [[Kategorie:Spurweite 1000 mm]] [[Kategorie:Bilbao]] [[Kategorie:Verkehr (Autonome Gemeinschaft Baskenland)]] {{Link GA|es}} {{Link FA|eu}} [[bn:বিলবাও মেট্রো]] [[ca:Metro de Bilbao]] [[en:Metro Bilbao]] [[es:Metro de Bilbao]] [[et:Bilbao metroo]] [[eu:Bilboko metroa]] [[fr:Métro de Bilbao]] [[it:Metropolitana di Bilbao]] [[ka:ბილბაოს მეტროპოლიტენი]] [[lt:Bilbao metropolitenas]] [[nl:Metro van Bilbao]] [[pl:Metro w Bilbao]] [[pt:Metro de Bilbao]] [[ru:Метрополитен Бильбао]] 3utcwn43yftysl9y3tqlcoaewrhw3sw wikitext text/x-wiki Metro Madrid 0 23925 26521 2010-04-05T01:11:31Z Xqbot 0 Bot: Ändere: [[arz:مترو مدريد]] [[Datei:MetroMadridLogo.svg|thumb|Logo]] Die '''Metro Madrid''' ist die [[U-Bahn]] der [[Spanien|spanischen]] Hauptstadt [[Madrid]]. Das 322,3 Kilometer lange Streckennetz erschließt mit mittlerweile (August 2007) 318 Stationen nicht nur die Stadt selbst, sondern auch mehrere Vororte. Nach der im Mai 2007 abgeschlossenen Erweiterung ist die Madrider Metro derzeit die weltweit drittlängste U-Bahn nach der [[London Underground]] und der [[New York City Subway]]. Hinsichtlich der Zahl der Stationen wird sie jetzt nur noch von New York übertroffen. Neben der [[U-Bahn Seoul]] gilt sie als die am schnellsten expandierende U-Bahn der Welt. Allein seit 1994 hat sich die Länge des Streckennetzes mehr als verdoppelt. Die Betriebsführung erfolgt durch die ''Metro de Madrid S.A.'', eine Tochtergesellschaft des ''Consorcio Regional de Transportes de Madrid''. Dabei handelt es sich um ein öffentlich-rechtliches Unternehmen im Besitz der Stadt Madrid, der [[Autonome Gemeinschaft Madrid]] und der Vorortsgemeinden. Dieses Konsortium koordiniert auch den Busbetrieb der städtischen Verkehrsbetriebe ''Empresa Municipal de Transportes'' sowie das Nahverkehrsnetz ''[[Cercanías Madrid|Cercanías]]'' ([[S-Bahn|Vorortzüge]]) der spanischen Staatseisenbahn [[Red Nacional de los Ferrocarriles Españoles|Renfe]]. Alle Verkehrsträger der Hauptstadtregion sind zu einem [[Verkehrsverbund]] zusammengeschlossen. Die Metro Madrid beförderte im Jahre 2004 rund 618 Millionen Fahrgäste, das sind 41 % aller [[ÖPNV]]-Benutzer im Großraum Madrid. [[Datei:Metro Madrid Rubén Darío station.jpg|thumb|325px|Station Rubén Darío (Linie 5)]] == Liniennetz == [[Datei:Madrid Metro Map.svg|thumb|300px|Streckennetz der Metro Madrid]] Das Liniennetz der Madrider Metro ist derzeit 322,3 Kilometer lang, besteht aus 13 Linien und besitzt 318 Stationen. Die Spurweite beträgt 1445 Millimeter (10 Millimeter mehr als die international übliche [[Normalspur]]). Sie entspricht damit jener der einstigen [[Straßenbahn]]en und ist bedeutend schmaler als die bei den Eisenbahnen verwendete spanische [[Breitspur]] von 1672 Millimetern. Fast das gesamte Netz verläuft unterirdisch; nur drei Abschnitte befinden sich an der Oberfläche. Es handelt sich dabei um die Strecken ''Puerta de Arganda''–''Arganda del Rey'' an der Linie 9 und ''Lago''–''Casa de Campo'' an der Linie 10 sowie die Station ''Aluche'' an der Linie 5. Wie die [[U-Bahn Berlin|Berliner U-Bahn]] besteht auch die Madrider Metro aus zwei unterschiedlichen Teilnetzen. Die Linien 1 bis 5 sowie R gehören zum Kleinprofilnetz. Die Tunnel sind 6,86 Meter breit und 5,36 Meter hoch, liegen zumeist in geringer Tiefe und folgen in der Regel dem oberirdischen Straßenverlauf. Während die Tunnel hufeisenförmig gebaut sind, weisen die Stationen eine Ellipsenform auf. Die Kleinprofillinien wurden aufgrund ihrer geringen Tiefe und der günstigen [[Geologie]] (stabile Lehm- und Sandschichten) meist in offener Tunnelbauweise errichtet; dabei hob man eine Baugrube aus und deckelte diese anschließend zu („cut and cover“). Bei schwierigeren Verhältnissen kam die „belgische Methode“ zur Anwendung, die im Laufe der Zeit zur „Madrider Methode“ weiterentwickelt wurde (Erläuterungen zu den verschiedenen Bauweisen unter [[Tunnelbau]]). Die am tiefsten unter der Erdoberfläche gelegene Kleinprofilstation ist mit 28 Metern ''La Latina'' an der Linie&nbsp;5. Zum Großprofilnetz gehören die Linien 6 bis 12. Sofern die Tunnel nahe der Oberfläche liegen, wurden auch diese in der offenen Bauweise errichtet; in diesem Falle sind sie 7,74 Meter breit und 6,87 Meter hoch. Bei Tiefen unter 20 Metern kamen modernere Bauweisen zur Anwendung wie die [[Tunnelbau#Die neue österreichische Tunnelbaumethode (NATM oder NÖT)|Neue Österreichische Tunnelbaumethode]] oder seit Beginn der 1990er Jahre [[Tunnelbohrmaschine]]n. In diesen Abschnitten weisen die [[Tübbing]]s einen Innendurchmesser von 8,07 Metern auf. Die tiefstgelegene Großprofilstation ist mit 49 Metern jene der Linie 6 bei ''Cuatro Caminos''. Auf beiden Teilnetzen beträgt der minimale Kurvenradius 90 Meter, die maximale Neigung 5 Prozent. Der Oberbau besteht aus [[Schiene (Schienenverkehr)#Vignolschiene oder Breitfußschiene|Vignolschienen]] (Gewicht 54 kg/m) mit Holzschwellen auf Schotterbett. In den Stationen und in engen Kurven sind die Schienen direkt in den Beton der Tunnelsohle eingelassen oder auf Betonkonsolen montiert. {| bgcolor="#DDDDFF" cellpadding="4" cellspacing="2" style="margin-left:0px;" |----- bgcolor="#F8F8FF" ! Linie ! Endstationen ! Eröffnung ! Strecken-<br />länge ! Profil ! Stationen ! Bahnsteig-<br />länge |----- bgcolor="#FFFFFF" | style="color: black; background-color: #49C1FF;" align="center"|'''1''' || [[Linie 1 (Metro Madrid)|Pinar de Chamartín ↔ Valdecarros]] || 1919 || 23,9 km || klein || align="right"| 33 || align="right"| 90 m |----- bgcolor="#F8F8FF" | style="color: white; background-color: #EE011D;" align="center"|'''2''' || [[Linie 2 (Metro Madrid)|La Elipa ↔ Cuatro Caminos]] || 1924 || 9,5 km || klein || align="right"| 16 || align="right"| 60 m |----- bgcolor="#FFFFFF" | style="color: black; background-color: #F1D102;" align="center"|'''3''' || [[Linie 3 (Metro Madrid)|Villaverde Alto ↔ Moncloa]] || 1936 || 15,1 km || klein || align="right"| 18 || align="right"| 90 m |----- bgcolor="#F8F8FF" | style="color: white; background-color: #8F5303;" align="center"|'''4''' || [[Linie 4 (Metro Madrid)|Argüelles ↔ Pinar de Chamartín]] || 1944 || 16,0 km || klein || align="right"| 23 || align="right"| 60 m |----- bgcolor="#FFFFFF" | style="color: black; background-color: #49EB01;" align="center"|'''5''' || [[Linie 5 (Metro Madrid)|Alameda de Osuna ↔ Casa de Campo]] || 1968 || 23,2 km || klein || align="right"| 32 || align="right"| 90 m |----- bgcolor="#F8F8FF" | style="color: white; background-color: #939393;" align="center"|'''6''' || [[Linie 6 (Metro Madrid)|Circular (Ringlinie)]] || 1979 || 23,5 km || groß || align="right"| 28 || align="right"| 115 m |----- bgcolor="#FFFFFF" | style="color: white; background-color: #F59F01;" align="center"|'''7''' || [[Linie 7 (Metro Madrid)|Pitis ↔ Hospital del Henares]] || 1974 || 18,8 km || groß || align="right"| 22 || align="right"| 115 m |----- bgcolor="#F8F8FF" | style="color: white; background-color: #F103E1;" align="center"|'''8''' || [[Linie 8 (Metro Madrid)|Nuevos Ministerios ↔ Aeropuerto T4]] || 1998 || 16,4 km || groß || align="right"| 8 || align="right"| 115 m |----- bgcolor="#FFFFFF" | style="color: white; background-color: #85017D;" align="center"|'''9''' || [[Linie 9 (Metro Madrid)|Herrera Oria ↔ Arganda del Rey]] || 1980 || 38,0 km || groß || align="right"| 26 || align="right"| 115 m |----- bgcolor="#F8F8FF" | style="color: white; background-color: #2301FF;" align="center"|'''10''' || [[Linie 10 (Metro Madrid)|Hospital Infanta Sofía ↔ Puerta del Sur]] || 1961 || 24,0 km || groß || align="right"| 20 || align="right"| 115 m |----- bgcolor="#FFFFFF" | style="color: white; background-color: #237935;" align="center"|'''11''' || [[Linie 11 (Metro Madrid)|Plaza Elíptica ↔ La Peseta]] || 1998 || 5,3 km || groß || align="right"| 6 || align="right"| 115 m |----- bgcolor="#F8F8FF" | style="color: white; background-color: #A1A701;" align="center"|'''12''' || [[Linie 12 (Metro Madrid)|MetroSur (Ringlinie)]] || 2003 || 40,7 km || groß || align="right"| 28 || align="right"| 115 m |----- bgcolor="#FFFFFF" | bgcolor="#FFFDFF" align="center"|'''R''' || [[Linie R (Metro Madrid)|Ópera ↔ Príncipe Pío]] || 1925 || 1,1 km || klein || align="right"| 2 || align="right"| 60 m |} == Betrieb == [[Datei:Metro Madrid Valdezarza.jpg|thumb|upright|Station Valdezarza (Linie 7); Wegen der weitgehend unterirdischen Streckenführung wird der Betrieb durch Schneefall kaum beeinträchtigt.]] Die Madrider Metro verkehrt täglich von 06:00 Uhr bis 01:30 Uhr. Die Zugfolgezeit variiert von Linie zu Linie. In der Regel beträgt sie während der [[Hauptverkehrszeit]] 2 bis 4 Minuten, tagsüber 4 bis 7,5 Minuten und ab Mitternacht 15 Minuten. Es gibt sechs Betriebswerkstätten mit Abstellanlagen. Diese befinden sich bei den Stationen ''Cuatro Caminos'', ''Cuatro Vientos'', ''Herrera Oria'', ''Fuencarral'', ''Loranca'' und ''Ventas''. Die Hauptbetriebswerkstatt, die sowohl für Kleinprofil- als auch für Großprofilzüge verwendet wird, befindet sich auf einem 30 Hektar großen Gelände zwischen ''Canillejas'' und ''Las Musas'', den östlichen Endstationen der Linien 5 und 7, und ist mit diesen über Zufahrtsgleise verbunden. Die Stromzufuhr geschieht auf allen Linien mittels [[Oberleitung]] und [[Stromabnehmer]]n (600 Volt [[Gleichstrom]], 1500 Volt auf den Linien 10 und 12). Die Stromversorgung erfolgt über 83 [[Unterwerk]]e, die über das ganze Streckennetz verteilt sind und von der Station ''Quevedo'' aus zentral gesteuert werden. Die zentrale Betriebsleitstelle, von der aus alle Züge überwacht werden, ist in der Station ''Alto del Arenal'' untergebracht (bis Juli 2000 in der Station ''Pacífico''). Drei Linien weisen betriebliche Besonderheiten auf: Die Linie R (für ''Ramal'', dt. „Zweig“) ist lediglich 1,1 Kilometer lang. Zwei Züge mit je vier Wagen pendeln zwischen den Stationen ''Ópera'' und ''Príncipe Pío'' hin und her. Die Strecke ist zwar zweigleisig, doch gibt es in beiden Stationen nur je einen Bahnsteig. Die Metrolinie mit der Nummer 9 verläuft über eine Länge von 18 Kilometern oberirdisch. Sie nutzt zwischen ''Puerta de Arganda'' und ''Arganda del Rey'' eine ehemalige Güterbahnlinie und besitzt auf diesem Streckenabschnitt lediglich drei Zwischenstationen. Mit zunehmender Dichte der Bebauung sollen weitere Stationen hinzugefügt werden. Wegen der geringeren Fahrgastfrequenzen erfolgt in ''Puerta de Arganda'' eine betriebliche Trennung der Strecke. Außerhalb von Madrid verkehren lediglich Züge mit drei Wagen und einem größeren Intervall. Fahrgäste, die weiter in die Innenstadt möchten, müssen an der Stadtgrenze vorläufig umsteigen, bis die größere Nachfrage einen durchgehenden Betrieb rechtfertigt. Die Überlandstrecke ist im Besitz der Gesellschaft ''Transportes Ferroviarios de Madrid'', an der die Metrogesellschaft und mehrere Baukonzerne beteiligt sind; sie fällt nach Ablauf der [[Konzession]] im Jahr 2028 in den Besitz der Autonomen Gemeinschaft Madrid. Die Linie 12 – auch ''MetroSur'' („Südmetro“) genannt – verläuft vollständig außerhalb des Stadtgebietes von Madrid und verbindet als Ringstrecke die Vorstädte [[Alcorcón]], [[Fuenlabrada]], [[Getafe]], [[Leganés]] und [[Móstoles]] miteinander. Sie ist zwar nur über die Linie 10 mit dem übrigen Metronetz verbunden, dafür besteht an sechs Stationen eine Umsteigemöglichkeit zu vier verschiedenen Linien der Vorortbahn [[Cercanías Madrid|Cercanías]]. Obwohl die Strecke teilweise durch offenes Gelände führt, ist sie vollständig unterirdisch. Dadurch soll die zukünftig zu erwartende Stadtentwicklung nicht beeinträchtigt werden. Auf sämtlichen Linien herrscht [[Mehrgleisigkeit|Linksverkehr]]. Die Höchstgeschwindigkeit beträgt 80 km/h, auf dem oberirdischen Abschnitt der Linie 9 sogar 110 km/h. == Stationen == [[Datei:Metro Madrid Linea 6 Plaza Eliptica Spanish Solution.jpg|thumb|''Spanische Lösung'' – der mittlere Bahnsteig ist für die Aussteigenden, der äußere für die Einsteigenden.]] [[Datei:Metro_Madrid_Retiro.jpg|thumb|Wandbild in der Station Retiro entworfen von [[Antonio Mingote]] (Linie 2)]] Die Stationen sind von Linie zu Linie unterschiedlich lang. Jene der Kleinprofillinien 1, 3 und 5 sind 90 Meter lang, jene der Linien 2, 4 und R 60 Meter. Bis September 2006 wurden die Stationen der Linie 3 zwecks Kapazitätserhöhung von ehemals 60 auf 90 Meter verlängert. Die Stationen der Großprofillinien 6 bis 12 weisen eine einheitliche Länge von 115 Metern auf. Mehrere zweigleisige Stationen besitzen einen Mittelbahnsteig und zwei Seitenbahnsteige; dadurch kann das Ein- und Aussteigen getrennt erfolgen ([[Spanische Lösung]]). In 39 der insgesamt 210 Stationen kann auf andere Metrolinien umgestiegen werden, in 19 zu den Zügen der [[Cercanías Madrid|Cercanías]]. Die Umsteigebeziehungen sind nicht überall ideal konzipiert; oft sind die Bahnsteige nur über lange Verbindungstunnel (in ''Nuevos Ministerios'' beispielsweise bis zu 250 Meter) oder über mehrere [[Fahrtreppe|Rolltreppen]] erreichbar. ''Casa de Campo'' und ''Príncipe Pío'' sind die einzigen Stationen, wo das Umsteigen am selben Bahnsteig möglich ist. Nur knapp die Hälfte aller Stationen, nämlich 81 (Stand: November 2005), entsprechen den Richtlinien des [[Barrierefreies Bauen|barrierefreien Bauens]], sind also mit Rampen und/oder geräumigen [[Aufzugsanlage|Aufzügen]] ausgestattet. Dies ist hauptsächlich an den nach 1994 gebauten Strecken der Fall. Stationen der Kleinprofillinien hingegen sind abgesehen von wenigen Ausnahmen nicht rollstuhlgängig. Die Böden der Bahnsteige und auch die Wände der älteren Stationen sind meist [[Fliese|gefliest]]. Bei Sanierungsarbeiten wurde 2006/2007 auf eine Abtragung und Erneuerung der alten Fliesen verzichtet. Stattdessen wurden die Wände an vielen Stationen zuerst mit einem Kunststoffmaterial ausgekleidet und darüber brachte man farbige Metallverschalungen an. Das Aussehen vieler Stationen wurde dadurch grundlegend verändert. In den neueren Stationen sind die Wände auch mit Platten aus [[Marmor]] oder [[Granit]] verkleidet. Zahlreiche Stationen besitzen verschiedene künstlerische Gestaltungselemente wie Wandbilder oder Statuen, die meist einen Bezug zur näheren Umgebung herstellen. Beinahe alle Stationen besitzen ein Zwischengeschoss, in dem sich Fahrkartenautomaten, Informationsschalter, Drehkreuzsperren und Läden befinden. == Züge == [[Datei:A_modern_metro_train_in_Colombia_station_of_Madrid_metro_-_July_2002.jpg|thumb|left|Ein Zug der Serie 8000 in der Station Colombia (Linie 8)]] Fast alle Züge der Kleinprofillinien sind aus Wagen der Baureihe 2000 zusammengesetzt, die 2,30 Meter breit sind und von der spanischen Waggonbaufirma [[Construcciones y Auxiliar de Ferrocarriles|CAF]] gebaut wurden. Während die Serie 2000-A von 1984 bis 1993 ausgeliefert wurde, fand die Lieferung der Serie 2000-B nur im Jahr 1998 statt. Seit Ende 2005 werden die 2000er-Wagen durch solche der Nachfolgebaureihe 3000 ergänzt. Von Juni 1998 bis Mai 2002 wurden die Kleinprofilzüge auch auf der Großprofillinie 8 eingesetzt, weil diese damals noch nicht mit dem restlichen Großprofilnetz verbunden war. Einen Sonderfall bildete auch die Linie 10: Auf der ehemaligen „Suburbano“ verkehrten 2,35 Meter breite Züge der Baureihe 300. Als die „Suburbano“ 1998 mit dem damaligen Nordteil der Linie 8 zur Linie 10 verbunden wurde, kamen vorerst 2000er-Wagen zum Einsatz. In den Jahren 2000 und 2001 wurde der Tunnelabschnitt zwischen ''Plaza de España'' und ''Alonso Martínez'' für den Einsatz von Großprofilfahrzeugen umgebaut. [[Datei:Metro Madrid Mar de Cristal station.jpg|thumb|Kleinprofilzug der Linie 4 in der Station Mar de Cristal]] Auf dem Großprofilnetz werden vier verschiedene Baureihen eingesetzt, die alle 2,80 Meter breit sind. Die ältesten Züge der Baureihe 5000 stammen aus dem Jahr 1974; bis 1993 folgten drei weitere Serien, die sich jeweils in der Gestaltung der Frontpartie und der Innenausstattung unterscheiden. Die Baureihe 6000 wurde 1998/99 von einem Konsortium bestehend aus CAF, [[Alstom|GEC-Alsthom]], [[Adtranz]] und [[Siemens Verkehrstechnik|Siemens]] gebaut. Im Jahr 2002 erhielten einzelne Züge antriebslose Mittelwagen. Ab dem Jahr 2002 ausgeliefert wurden Züge der Baureihen 7000 und 8000. Erstere stammen von CAF, Alstom und Siemens, letztere von [[Ansaldo]] Breda. Auffälligstes Merkmal dieser Züge ist, dass sie von einem Ende zum anderen durchgängig begehbar sind. In den 7000er-Fahrzeugen der Flughafenlinie 8 gibt es zwar weniger Sitzplätze, dafür aber Gepäckregale. Im Jahr 2004 besaß die Metro Madrid insgesamt 1550 Wagen, davon 718 für Kleinprofilstrecken und 832 für Großprofilstrecken. == Geschichte == Die Geschichte der Madrider U-Bahn kann in vier verschiedene Bauphasen eingeteilt werden. Während der ersten Phase, die von 1919 bis 1951 dauerte, wurden die Kleinprofillinien gebaut. Die zweite Phase zwischen 1951 und 1978 umfasst den Bau der ersten oberirdischen Strecken und der ersten Großprofillinien. Die dritte Phase von 1978 bis 1994 war geprägt von der Verstaatlichung des Betriebs und der Gründung des Verkehrsverbundes. Während der vierten Phase, die 1994 begann und bis heute andauert, verdoppelte die Metro ihr Streckennetz; eine Expansion, die in Europa unübertroffen ist. === Projekte === [[Datei:Alfonso XIII de España (cropped).jpg|thumb|upright|Die Metro wurde nach König [[Alfons XIII. (Spanien)|Alfons XIII.]] benannt.]] Am 31. Mai 1871 nahm die erste [[Pferdebahn]] Madrids ihren Betrieb auf. Acht Jahre später folgte die erste [[Dampfstraßenbahn]]. Im Stadtzentrum, insbesondere um den Verkehrsknotenpunkt ''Puerta del Sol'', herrschte ein derart dichter Verkehr von [[Straßenbahn]]en und Pferdefuhrwerken, dass bereits 1892 ein erster Vorschlag zum Bau einer U-Bahn präsentiert wurde. Pedro García Faria plante ein Netz von fünf Linien, auf denen auch Güterverkehr abgewickelt werden sollte. Obwohl Faria eine Konzession erhielt, wurden die Strecken nie gebaut. Das rasch expandierende Pferdebahnnetz wurde zwischen 1898 und 1906 vollständig elektrifiziert, die letzte Dampfstraßenbahn hielt sich bis 1931. Im Jahr 1913 – damals zählte die Stadt etwa 600.000 Einwohner – präsentierten die Ingenieure Miguel Otamendi, Carlos Mendoza und Antonio González Echarte ein neues U-Bahn-Projekt. Dieses sah den Bau von vier Linien mit einer Gesamtlänge von 14 Kilometern vor; die Streckenführung entspricht genau derjenigen der heutigen Linien 1 bis 4. Otamendi reichte 1915 ein Konzessionsgesuch ein, welches am 19. September 1916 bewilligt wurde. Otamendi und seine Partner hatten zu Beginn Mühe, die benötigten Geldmittel aufzutreiben, trotz Unterstützung der [[Banco Vizcaya]]. König [[Alfons XIII. (Spanien)|Alfons XIII.]], der ein großes persönliches Interesse an dem Projekt gezeigt hatte, kam zu Hilfe und beteiligte sich mit einer Million [[Peseta|Peseten]]. Mit einem Kapital von 10 Millionen Peseten erfolgte am 24. Januar 1917 die Gründung der privaten U-Bahngesellschaft, die den Namen „Compañia Metropolitano Alfonso XIII“ erhielt. Die Bauarbeiten begannen am 17. Juli desselben Jahres. Wegen des [[Erster Weltkrieg|Ersten Weltkriegs]], der das übrige Europa erschütterte, verzögerte sich die Bereitstellung von Baumaterial erheblich. Auch war kein spanisches oder europäisches Unternehmen in der Lage, [[Elektromotor]]en für die [[Triebwagen]] zu liefern. Diese mussten deshalb der [[Métro Paris|Pariser Métro]] abgekauft werden. === Die ersten Strecken === [[Datei:Vestíbulo_Sol.jpg|thumb|Sol gehört zu den ältesten Stationen.]] Am [[17. Oktober]] [[1919]] eröffnete Alfons XIII. offiziell den ersten Abschnitt der [[Linie 1 (Metro Madrid)|Linie 1]]. Dieser war 4 Kilometer lang und führte von ''Sol'' nach ''Cuatro Caminos'' am damaligen Stadtrand, wo sich auch das Depot befand. Der fahrplanmäßige Betrieb begann genau zwei Wochen später. Von Beginn an erwies sich das neue Verkehrsmittel als großer Erfolg. Bereits zwei Jahre später folgte die erste Verlängerung zum [[Bahnhof Atocha]]. Ebenfalls 1921 installierte man die ersten [[Fahrtreppe|Rolltreppen]], deren Benutzung zu Beginn aber noch kostenpflichtig war. Der erste Abschnitt der [[Linie 2 (Metro Madrid)|Linie 2]] zwischen ''Sol'' und der Stierkampfarena ''[[Las Ventas|Ventas]]'' wurde am 14. Juni 1924 eröffnet. Am 27. Dezember 1925 folgte die nur gerade 1,1 Kilometer lange Pendellinie [[Linie R (Metro Madrid)|R]] („Ramal“) zwischen ''Ópera'' und dem Nordbahnhof (''Estación del Norte'', heute ''[[Bahnhof Príncipe Pío|Príncipe Pío]]''). Der Bahnhof liegt tief unten im Tal des [[Manzanares (Fluss in Spanien)|Manzanares]] und die Straßenbahnen kamen auf der steilen Straße nur sehr langsam voran, weshalb die Linie R trotz ihrer Kürze einen erheblichen Zeitgewinn ermöglichte. Nachdem 1931 der König das Land verlassen hatte und die [[Zweite Spanische Republik]] ausgerufen worden war, musste die Gesellschaft ihren Namen in „Compañia Metropolitano de Madrid“ ändern. Im selben Jahr stellte sie auch die ersten [[Fahrkartenautomat]]en auf. Am 17. September 1932 ging die Strecke ''Goya''–''Diego de León'' in Betrieb. Dabei handelt es sich um den ersten Abschnitt der [[Linie 4 (Metro Madrid)|Linie 4]], die jedoch bis 1958 als Zweigstrecke der Linie 2 betrieben und erst dann mit den übrigen, später gebauten, Abschnitten verbunden wurde. [[Datei:Madrid-metro-map 1951.png|thumb|upright|Streckennetz im Jahr 1951]] Wenige Wochen nach Beginn des [[Spanischer Bürgerkrieg|Spanischen Bürgerkriegs]] wurde am 9. August 1936 der erste Abschnitt der [[Linie 3 (Metro Madrid)|Linie 3]] zwischen ''Sol'' und ''Embajadores'' eröffnet. Doch nur fünf Tage später musste der Verkehr auf der Pendellinie R eingestellt werden; der Nordbahnhof war von seinem Hinterland abgeschnitten worden, so dass es kaum noch Fahrgäste gab. Während der nächsten drei Jahre belagerten die Truppen [[Francisco Franco]]s Madrid, doch der Betrieb der Metro konnte fast reibungslos aufrechterhalten werden. Die Metrozüge transportierten während der Belagerung auch Särge und Leichen zu den östlich gelegenen Friedhöfen. Die kurze Zweigstrecke zwischen ''Goya'' und ''Diego de León'' wurde zeitweise geschlossen und als [[Arsenal (Lager)|Arsenal]] genutzt. Dort ereignete sich am 10. Januar 1938 eine heftige Explosion, die eine unbekannte Anzahl Todesopfer forderte. Nach der Eroberung Madrids am 28. März 1939 durch nationalistische Truppen wurden die bei der Metro beschäftigten Kommunisten und Sozialisten sofort entlassen und durch loyale Angestellte ersetzt. Einzelne Stationen erhielten auf Anordnung des [[Falange]]-Regimes neue Namen. Bereits im Juli 1941 konnte wieder eine Erweiterung des Metronetzes dem Verkehr übergeben werden. 1948 begann die schrittweise Stilllegung des über 140 Kilometer langen Straßenbahnnetzes und dessen Ersatz durch neue Metro- und Buslinien; dieser Prozess wurde 1972 abgeschlossen. Mit der Fertigstellung des südlichen Teils der Linie 3 am 1.&nbsp;März&nbsp;1951 erreichte das Streckennetz eine Länge von 27,6 Kilometern. === „Suburbanos“ und Großprofillinien === [[Datei:Estación de Metro de Lago.jpg|thumb|left|Lago, eine der wenigen oberirdischen Stationen der Metro Madrid (Linie 10)]] Im Dezember 1951 veröffentlichte das Ministerium für öffentliche Arbeiten einen Gesamtverkehrsplan für Madrid. Neben 50 Kilometer neuer Metrostrecken war zum ersten Mal überhaupt der Bau von oberirdischen Strecken vorgesehen, mit einer Gesamtlänge von 60 Kilometern. Die neuen „Suburbanos“ (dt. „Vorortlinien“) sollten zwar mit Metro-ähnlichen Fahrzeugen betrieben werden, jedoch einen erheblich höheren Stationsabstand aufweisen (bis zu 2&nbsp;Kilometer statt durchschnittlich 500&nbsp;Meter) und weitgehend an der Oberfläche verkehren. Trotz des wirtschaftlichen Aufschwungs und des rasanten Bevölkerungswachstums – während der 1950er Jahre stieg die Einwohnerzahl von 1,7 auf 2,6 Millionen an – dauerte es aber mehr als neun Jahre, bis das Metronetz wieder erweitert werden konnte. Die erste und zugleich auch letzte „Suburbano“ (Linie S, heutige [[Linie 10 (Metro Madrid)|Linie 10]]) von der ''Plaza de España'' über ''Batán'' nach ''[[Carabanchel]]'' wurde am 4. Februar 1961 eröffnet. Da der Staat zum ersten Mal überhaupt die Baukosten übernommen hatte, war diese Strecke bis 1979 im Besitz der staatlichen Gesellschaft ''Ferrocarril Suburbano de Carabanchel'' („Carabanchel-Vorortbahn“); die Betriebsführung lag hingegen von Anfang an bei der Metro. Die Bahnsteige waren nicht wie bisher üblich 60 Meter, sondern 90 Meter lang, um längere Züge einsetzen zu können. [[Datei:Madrid-metro-map 1977.png|thumb|upright|Streckennetz im Jahr 1977]] Bis 1966 wurden auch auf der Linie 1 die Bahnsteige von 60 auf 90 Meter verlängert. Am 21. Mai jenes Jahres musste die Station ''Chamberí'' geschlossen werden, denn aufgrund dieser Ausbaumaßnahme lag sie nur noch 230 Meter von der Station ''Iglesia'' entfernt. Bis heute ist dies auf dem gesamten Netz der Madrider Metro die einzige Schließung, die jemals erfolgt ist. Die 1951 veröffentlichten Pläne konnten zu einem großen Teil nicht umgesetzt werden, dies traf vor allem auf die „Suburbanos“ zu. Auch der 1961 von der Stadtverwaltung erarbeitete Ausbauplan blieb weitgehend ohne Folgen. Zu den wenigen Ausnahmen zählt die [[Linie 5 (Metro Madrid)|Linie 5]], deren erstes Teilstück zwischen ''Callao'' und ''Carabanchel'' am 5. Juni 1968 eröffnet wurde. Linie 5 ist die letzte im Kleinprofil erbaute Linie. 1967 genehmigte die Regierung einen Ausbauplan, der 1971 überarbeitet und 1974 aktualisiert wurde. Er sah den Bau neuer Strecken vor, die weitgehend der Linienführung der heutigen Linien 6, 7, 8, 9 und (teilweise) 10 entsprechen. Um zukünftige Kapazitätsengpässe von vornherein auszuschließen, entstanden die Strecken mit einem größeren Profil. Die Standardlänge der Stationen wurde auf 115 Meter festgelegt und Rolltreppen gehörten fortan zur Grundausstattung. Am 17. Juli 1974 erfolgte die Eröffnung des ersten Abschnitts der [[Linie 7 (Metro Madrid)|Linie 7]] zwischen ''Pueblo Nuevo'' und ''Las Musas'', der ersten Strecke im Großprofil. === Verstaatlichung === [[Datei:Metro Madrid Avenida America.jpg|thumb|upright|Unter der Avenida de América kreuzen sich vier Linien (hier Linie 6).]] Die frühen 1970er Jahre erwiesen sich für die private Metrogesellschaft als wirtschaftlich schwierig. 1974 erwirtschaftete sie erstmals überhaupt einen Verlust. Mit dem Tode [[Francisco Franco]]s am 20. November 1975 begann in Spanien eine neue Ära. Das Unternehmen kämpfte unterdessen immer mehr um sein wirtschaftliches Überleben. Die Fahrpreise wurden erhöht, das Defizit wuchs an, die Infrastruktur begann zu verfallen, [[Vandalismus]] und [[Taschendiebstahl|Taschendiebstähle]] nahmen zu. Dies führte trotz der Eröffnung neuer, durch den Staat finanzierter Strecken, zu einem verstärkten Rückgang der Fahrgastzahlen. Schließlich stellte die Regierung am 7. Juni 1978 die Metro unter die direkte Kontrolle des Verkehrsministeriums und übertrug die Betriebsführung einem „Interventionsrat“. Das Streckennetz war zu diesem Zeitpunkt 64,3 Kilometer lang. Am 9. November 1979 wurde die U-Bahn-Gesellschaft [[Verstaatlichung|verstaatlicht]], sie ging in den Besitz der Stadt Madrid und der [[Autonome Gemeinschaft Madrid|Provinz Madrid]] über. Die Verstaatlichung führte dazu, dass nun erheblich mehr Geld in die Verbesserung der Infrastruktur und der Sicherheitsmaßnahmen floss, was sich positiv auf die Fahrgastzahlen auswirkte. Die Strecke ''Cuatro Caminos''–''Pacífico'', der erste Abschnitt der [[Linie 6 (Metro Madrid)|Linie 6]], wurde am 11. Oktober 1979 eröffnet. Am 31. Januar 1980 fuhren die Züge erstmals auf der neuen [[Linie 9 (Metro Madrid)|Linie 9]], zwischen ''Sainz de Baranda'' und ''Pavones''. Schließlich folgte am 10. Juni 1982 der erste Abschnitt der [[Linie 8 (Metro Madrid)|Linie 8]] (heute der nördliche Teil der Linie 10) zwischen ''Nuevos Ministerios'' und ''Fuencarral''; diese Strecke führt am [[Santiago-Bernabéu-Stadion]] vorbei und wurde drei Tage vor Beginn der [[Fußball-Weltmeisterschaft 1982]] eröffnet. [[Datei:Madrid-metro-map 1994.png|thumb|upright|Streckennetz im Jahr 1994]] Mit der Strecke ''Plaza Castilla''–''Herrera Oria'' der Linie 9 erreichte das Streckennetz der Madrider Metro am 3. Juni 1983 eine Länge von 100 Kilometern. Dieser Abschnitt war vorerst vom Rest der Linie 9 isoliert und wurde bis zum Lückenschluss im Jahr 1986 als Linie 9B betrieben. Am 16. Dezember 1985 erfolgte die Gründung der öffentlich-rechtlichen Gesellschaft ''Consorcio Regional de Transportes de Madrid'', die alle Massenverkehrsmittel der Hauptstadtregion in einem [[Verkehrsverbund]] zusammenfasste. Am 31. Dezember 1986 übertrugen Stadt und Region Madrid sämtliche Anteile an das neue Konsortium, deren Tochtergesellschaft die Metro seither ist. Im Jahr 1989, siebzig Jahre nach Eröffnung der ersten Strecke, erhielt die Metrogesellschaft einen neuen Namen und heißt seither ''Metro de Madrid S.A.'' Bis zum April 1994 wuchs das Streckennetz auf eine Länge von 114,4 Kilometern. === Expansion in den 1990er Jahren === 1993 stellte das ''Consorcio Regional de Transportes'' einen neuen Ausbauplan vor, der sämtliche früheren Pläne in den Schatten stellte. Das Ziel war, dass jeder Bewohner der Stadt maximal 600 Meter von der nächsten Metrostation entfernt wohnen sollte (zu diesem Zeitpunkt waren es rund 70 %). Darüber hinaus sollte die [[Cercanías Madrid|Cercanías]]-S-Bahn wo immer möglich besser mit dem Metronetz verknüpft werden. 1995 machte die [[Partido Popular (Spanien)|Partido Popular]] die Metro zum Hauptwahlkampfthema vor den Wahlen zum regionalen Parlament und erreichte die absolute Mehrheit mit dem Versprechen, das Streckennetz rascher als zuvor unter der Regierung der [[Partido Socialista Obrero Español|PSOE]] auszubauen. Um die Kosten möglichst gering zu halten, kam ein neuartiges Finanzierungsmodell zur Anwendung. Sämtliche Finanzierungsaktivitäten wurden an das Unternehmen ''Arpegio'' ausgelagert. Da sich ''Arpegio'' vollständig im Besitz der Regionalregierung befindet, verfügte es über umfangreiche Landreserven, die den Banken als Sicherheit dienten. Sobald ein Gebiet durch die Metro erschlossen war, stiegen die Grundstückspreise jeweils rasch an und die Ausbauten konnten so zu einem großen Teil refinanziert werden. Die Arbeiten wurden von [[Bauingenieur]]en geleitet, die ebenfalls direkt der Regionalregierung unterstanden. Auf diese Weise konnten die sonst üblichen hohen Kosten für externes [[Projektmanagement]] und [[Unternehmensberater]] eingespart werden. Die Erweiterung der Madrider Metro war in der zweiten Hälfte der 1990er Jahre das mit Abstand größte [[Tiefbau]]projekt Europas und wurde nur vom Ausbauprogramm der [[U-Bahn Seoul|Seouler U-Bahn]] übertroffen. Die Kosten waren relativ gering und betrugen je Kilometer nur gerade 31 Millionen [[Euro]] (neu beschaffte Fahrzeuge nicht inbegriffen). Zum Vergleich: Die im selben Zeitraum gebaute Verlängerung der [[Jubilee Line]] in [[London]] kostete je Kilometer mehr als zehn Mal so viel). Im Stadtgebiet Madrids waren bis zu sechs [[Tunnelbohrmaschine]]n gleichzeitig im Einsatz. Ein Exemplar der Firma [[Mitsubishi]] erreichte mit 792 Metern Vortrieb in einem einzigen Monat einen neuen Weltrekord. [[Datei:Metro Madrid train line 8 barajas.jpg|thumb|left|upright|In einem Zug der Linie 8]] Im Mai 1995 wurde mit dem Abschnitt ''Ciudad Universitaria''–''Laguna'' die letzte Lücke der Linie 6 geschlossen, die seither als Ringlinie rund um das gesamte Stadtzentrum verläuft und mit über 500.000 Fahrgästen täglich die am meisten nachgefragte Metrolinie ist. Am Bahnhof ''[[Bahnhof Príncipe Pío|Príncipe Pío]]'' baute man die U-Bahn-Station, die bis dahin nur von der Pendellinie R bedient worden war, zu einem bedeutenden Verkehrsknotenpunkt aus, an dem sich seither drei Metrolinien und zwei Linien der Cercanías kreuzen. Zu diesem Zweck musste die Tunnelstrecke der Linie S verschwenkt werden. Am 22. Januar 1998 wurde die Linie S nach ''Nuevos Ministerios'' verlängert und mit dem Nordteil der damaligen Linie 8 zur neuen Linie 10 zusammengefügt. Am 14. Juni 1998 eröffnete König [[Juan Carlos I. (Spanien)|Juan Carlos I.]] die Linie zum [[Flughafen Madrid-Barajas]], welche die nunmehr frei gewordene Liniennummer 8 erhielt. Am 16. November desselben Jahres wurde der Betrieb auf dem ersten Teilstück der [[Linie 11 (Metro Madrid)|Linie 11]] aufgenommen. Am 7. April 1999 überquerte die Metro Madrid mit der oberirdischen Verlängerung der Linie 9 nach [[Arganda del Rey]] erstmals überhaupt die Stadtgrenze. In den Jahren 1998/99 baute man außerdem die Linie 7 in vier Etappen auf das Zweieinhalbfache ihrer bisherigen Länge aus und wandelte sie dadurch von einer eher isolierten, vergleichsweise wenig nachgefragten Radiallinie zur wichtigsten Ost-West-Verbindung um. === Expansion zu Beginn des 21. Jahrhunderts === Mit der Verlängerung der Linie 10 nach ''Colonia Jardín'' am 22. Oktober 2002 übernahm die Linie 5 den Abschnitt ''Casa de Campo''–''Aluche'' der ehemaligen „Suburbano“. Der Abschluss und zugleich Höhepunkt des gesamten Ausbauprogramms war am 11. April 2003. An diesem Tag wurden nicht weniger als 47 Kilometer neue Metrostrecken in Betrieb genommen, soviel wie nie zuvor in ganz Europa. Dabei handelte es sich einerseits um die Verlängerung der Linie 10 nach ''Puerta del Sur'' in der Stadt [[Alcorcón]], andererseits um die gesamte [[Linie 12 (Metro Madrid)|Linie 12]] (''MetroSur''), die seither Alcorcón mit [[Móstoles]], [[Fuenlabrada]], [[Getafe]] und [[Leganés]] verbindet. [[Datei:Madrid Metro flickr 1.jpg|thumb|Station Alonso Martínez (Linie 4)]] [[Datei:Metro Madrid Overground Track Carabanchel.jpg|thumb|Oberirdischer Streckenabschnitt an der Station Carabanchel (Linie 5)]] Nach der Fertigstellung von ''MetroSur'' im Jahr 2003 beschlossen die Stadt Madrid und die [[Autonome Gemeinschaft Madrid]] ein weiteres umfangreiches Ausbauprogramm („Plan de Ampliación de Metro 2003-2007“) mit Strecken von insgesamt 55 Kilometern Länge. Das Programm umfasste neben Streckenverlängerungen auch den Bau neuer Stationen an bestehenden Strecken, die Modernisierung des [[Rollmaterial]]s und den behindertengerechten Umbau bestehender Stationen. Sämtliche bereits bestehenden Bahnsteige der Linie 3 wurden bis September 2006 etappenweise von 60 auf 90 Meter verlängert. Die nordwestliche Endstation "Moncloa" der Linie 3 wurde abgerissen und komplett neu errichtet: Sie liegt nun parallel zur Linie 6, und nicht mehr senkrecht dazu. So ist in Zukunft eine Verlängerung der Linie möglich. Ab Herbst 2006 nahm die Metro Madrid die einzelnen Elemente des Ausbauprogramms Schritt für Schritt in Betrieb. Den Auftakt bildete die Verlängerung der Linie 5 bis ''Alameda de Osuna'' am 24. November, gefolgt von der Verlängerung der Linie 11 bis ''La Peseta'' am 18. Dezember. Als nächstes wurden drei Stationen an bereits bestehenden Strecken eröffnet: Am 18. Dezember ''Aviación Española'' (Linie 10), am 15. Januar 2007 ''Pinar del Rey'' (Linie 8) und am 26. Januar ''Arganzuela-Planetario'' (Linie 6). Weitere Strecken kamen in rascher Folge hinzu: Am 16. Februar 2007 wurde die Linie 2 bis ''La Elipa'' verlängert, am 30. März die Linie 1 bis zum Bahnhof [[Bahnhof Chamartín|Chamartín]]. Der Bahnhof wird markant erweitert. Zwei verschiedene Linien (1 und 4) verkehren seit dem 11. April zur gemeinsamen Endstation ''Pinar de Chamartín''. Zehn Tage später wurde die Linie 3 um fast neun Kilometer von ''Legazpi'' nach ''Villaverde Alto'' verlängert, und am 3. Mai erfolgte schließlich die Eröffnung der zwei Kilometer langen Verlängerung der Linie 8 zum neuen Terminal 4 des Flughafens Barajas. Die Linie 10 ist seit 26. April von ''Fuencarral'' aus um 15,7 Kilometer in den nördlichen Vorort [[San Sebastián de los Reyes]] verlängert (derzeitige Endstation ''Hospital Infanta Sofía''). Auf diesem Teilstück verkehren bis auf weiteres kürzere Züge in größerem Takt. ''Tres Olivos'' an der Stadtgrenze dient dabei als temporäre Umsteigestation zur Linie 10b, bis das zu erwartende höhere Fahrgastaufkommen einen durchgehenden Betrieb rechtfertigt. Um 12,2 Kilometer verlängert wurde am 5. Mai 2007 die Linie 7. Sie verkehrt über ''Las Musas'' hinaus in die östliche Vorstadt [[San Fernando de Henares]] (Endstation ''Hospital del Henares''). Weil das Gebiet östlich der Stadtgrenze noch nicht vollständig überbaut ist und deshalb noch geringere Frequenzen zu erwarten sind, werden auf diesem Teilstück vorerst nur 3-Wagen-Züge mit einem größeren Intervall verkehren. Fahrgäste müssen in ''Estadio Olímpico'' auf die sogenannte Linie 7b umsteigen, bis das zu erwartende höhere Fahrgastaufkommen einen durchgehenden Betrieb rechtfertigt. Linie 1 wurde am 16. Mai 2007 im Süden um 3,1 Kilometer von ''Congosto'' nach ''Valdecarros'' verlängert. == Ausbau und Planungen == [[Datei:Madrid_Metro_2008-2011.svg|thumb|Streckennetzplan mit den geplanten Ausbauten 2011]] Bis 2011 sollen folgende Projekt verwirklicht werden: * Linie 1: Ausbau von Pinar de Charmartín bis Valdebebas * Linie 2: Ausbau von La Elipa bis Las Rosas * Linie 3: Verlängerung von Villaverde Alto bis El Casar (Getafe) * Linie 5: Ausbau von Alameda de Osuna bis Logroño * Linie:7: Neue Station Arroyo del Fresno (in Erwartung der städtebaulichen Entwicklung dieses Gebiets) * Linie 9: Ausbau von Herrera Oria bis zur neuen Nahverkehrsstation Mirasierra, mit einem Zwischenhalt in Mirasierra * Linie 10: Verlängerung von Puerta del Sur bis Mostoles Central * Linie 11: Verlängerung von La Peseta bis La Fortuna in Leganés. Am anderen Ende bis Av. de la Ilustracíon. * Linie 12: Drei neue Stationen: La Pollina, Fuenlabrada West und Los Rosales * Neue Linie von Torrejón de Ardoz über Chamartín (als Anbindung der neuen Eisenbahnverbindung Madrid-Barcelona) bis auf Höhe San Fernando de Henares, mit Haltestellen Avenida de la Constitución, Calle Londres und im Stadtteil Soto del Henares Metro Ligero * Neue Linie im Stadtgebiet von Valdemoro, mit Halt am Nahverkehrbahnhof und Hostpital Infante Elena * Neue Linie von Pozuelo de Alarcón über Hospital Puerta de Hierra nach Las Rozas. Diese Linie überfährt das Stadtgebiet von Majadahonda Längerfristige Planungen: * Noch in der Planungsphase sind zwei Verlängerungen der Linie 3; einerseits von ''Moncloa'' nach ''Cuatro Caminos'', andererseits von ''Villaverde Alto'' nach ''Perales del Río'' in der Nachbarstadt [[Getafe]]. Letztere soll an der Zwischenstation ''El Casar'' eine weitere Umsteigemöglichkeit zur Linie 12 (MetroSur) schaffen. == Metro ligero == [[Datei:Metro_ligero_Madrid.JPG|thumb|Probebetrieb im Februar 2007]] Als Ergänzung und Zubringer zur U-Bahn entstanden zum Sommer 2007 in weniger dicht besiedelten Stadtteilen drei [[Stadtbahn]]strecken, die unter der Bezeichnung [[Metro Ligero Madrid]] (dt. „Madrider Leichtmetro“) zusammengefasst werden. Die Strecken mit einer Gesamtlänge von 27,8 Kilometern verlaufen teils unterirdisch, teils straßenbündig. Nach einer Unterbrechung von 35 Jahren gibt es somit wieder ein [[straßenbahn]]ähnliches Verkehrsmittel. In Betrieb befinden sich folgende Strecken: * [[Datei:Madrid MetroLigero1.svg|20px]] Linie [[Metro Ligero Madrid 1|ML-1]]: ''Pinar de Chamartín''–''Las Tablas'' (5,4 km und 9 Stationen, davon 5 unterirdisch) * [[Datei:Madrid MetroLigero2.svg|20px]] Linie [[Metro Ligero Madrid 1|ML-2]]: ''Colonia Jardín''–''Aravaca'' (8,7 km und 13 Stationen, davon 3 unterirdisch) * [[Datei:Madrid MetroLigero3.svg|20px]] Linie [[Metro Ligero Madrid 1|ML-3]]: ''Colonia Jardín''–''Boadilla del Monte'' (13,7 km und 14 Stationen, davon 2 unterirdisch) == Literatur == * Robert Schwandl: ''Metros in Spain – The Underground Railways of Madrid, Barcelona, Valencia and Bilbao.'' Capital Transport, London 2001, ISBN 1-85414-242-9 * W. J. Hinkel, K. Treiber, G. Valenta, H. Liebsch: ''gestern-heute-morgen – U-Bahnen von 1863 bis 2010.'' Schmid Verlag, Wien 2004, ISBN 3-900607-44-3 (Kapitel „Madrid“) * Daniel Riechers: ''Metros in Europa.'' Transpress Verlag, Stuttgart 1996, ISBN 3-344-71049-4 (Kapitel „Madrid“) * T. Meyer-Eppler: ''Eine Runde in 58 Minuten – Rasanter Ausbau der Metro Madrid.'' In: ''Straßenbahn-Magazin.'' GeraNova, München 2003,8, S.40–45. {{ISSN|0340-7071}} == Weblinks == {{Commons|Madrid Metro|Metro Madrid}} * [http://www.metromadrid.es/ Offizielle Website von Metro Madrid] (span., engl.) * [http://www.ctm-madrid.es/ Transportkonsortium „Consorcio de Transportes de Madrid“] (span., engl.) * [http://urbanity.blogsome.com/2006/01/29/la-ampliacion-del-metro-de-madrid-20042007/ Informationen zum Ausbau der Metro 2004–2007] * [http://www.madrid.org/cs/Satellite?idTema=1109265603724&c=CM_Actuaciones_FA&pagename=ComunidadMadrid%2FEstructura&sm=1&pid=1109265444831&language=es&cid=1132040266055&segmento=1 Jahresbericht 2004 des Consorcio Regional de Transportes] (pdf-Datei, span., ca. 13,1 MB, Link auf Zusammenfassung) * [http://www.urbanrail.net/eu/mad/madrid.htm Die Metro Madrid bei Urbanrail.net] (engl.) {{Navigationsleiste U-Bahnen in Spanien}} {{Exzellent}} [[Kategorie:Metro Madrid| ]] {{Link GA|es}} [[ar:مترو أنفاق مدريد]] [[arz:مترو مدريد]] [[bg:Мадридско метро]] [[bn:মাদ্রিদ মেট্রো]] [[ca:Metro de Madrid]] [[cs:Metro v Madridu]] [[da:Madrid Metro]] [[en:Madrid Metro]] [[eo:Metroo de Madrido]] [[es:Metro de Madrid]] [[eu:Madrilgo metroa]] [[fi:Madridin metro]] [[fr:Métro de Madrid]] [[gl:Metro de Madrid]] [[he:הרכבת התחתית של מדריד]] [[id:Metro de Madrid]] [[it:Metropolitana di Madrid]] [[ja:マドリード地下鉄]] [[ka:მადრიდის მეტროპოლიტენი]] [[ko:마드리드 지하철]] [[la:Ferrivia metropolitana Matriti]] [[lb:Madrider Metro]] [[nl:Metro van Madrid]] [[no:Madrids undergrunnsbane]] [[pl:Metro w Madrycie]] [[pt:Metro de Madrid]] [[ro:Metroul din Madrid]] [[ru:Мадридский метрополитен]] [[sv:Madrids tunnelbana]] [[zh:马德里地铁]] s2p0ikb4o45t7h59ztznvqbsm559pvr wikitext text/x-wiki Metro Moskau 0 23926 26522 2010-05-09T03:36:19Z 84.73.140.164 /* Weblinks */ [[WP:ND]] [[Datei:Mosmetro.svg|100px|links|Logo der Metro Moskau]] [[Datei:Moscow Metro Arbatskaja.jpg|miniatur|Station ''Arbatskaja'' der Linie 3]] [[Datei:Mosmetro2009.svg|miniatur|Linienplan der Moskauer Metro ab Dezember 2009]] Die '''Moskauer Metro''' ({{RuS|Московский метрополитен}}&nbsp;/ Transkription: ''{{lang|ru-Latn|Moskowskij metropoliten}}'', umgangssprachlich {{lang|ru|Московское метро}}&nbsp;/ ''{{lang|ru-Latn|Moskowskoje metro}}''), 1935 eröffnet, ist die [[U-Bahn]] der [[Russland|russischen]] Hauptstadt [[Moskau]]. Sie gehört zu den U-Bahn-Systemen mit den tiefsten Tunneln der Welt und ist mit knapp 2,4&nbsp;Milliarden Fahrgästen jährlich (Stand: 2009) auch eine der am stärksten in Anspruch genommenen U-Bahnen der Welt. Außerdem sind die Stationen der Moskauer Metro aufgrund ihrer teilweise sehr anspruchsvollen Architektur als ''unterirdische Paläste'' bekannt.<br style="clear:left;" /> == Allgemeines == === Linien === Die Moskauer Metro (vollständiger Name: ''Staatliches unitares Unternehmen „Moskauer Metro“'', russisch {{lang|ru|Государственное унитарное предприятие «Московский метрополитен»}}&nbsp;/ Transkription ''{{lang|ru-Latn|Gossudarstwennoje unitarnoje predprijatije Moskowski metropoliten}}'') ist rund 299&nbsp;Kilometer lang und hat 180 Stationen. Die Nummerierung der Linien folgt chronologisch dem Zeitpunkt der Eröffnung des jeweilig ersten Linienabschnittes, bzw. bei den Linien 4 und 11 dem Zeitpunkt der Ausgliederung als eigenständige Linie. Die Linie&nbsp;3 ''Arbatsko-Pokrowskaja'' ist mit einer Streckenlänge von 43,7&nbsp;Kilometern die längste, die Linie&nbsp;11 ''Kachowskaja'' dagegen mit 3,3&nbsp;Kilometern die kürzeste aller Linien. Heute wird die Metro täglich von bis zu neun Millionen Fahrgästen benutzt. Die Züge der Metro verkehren zwischen 05:30&nbsp;Uhr morgens und 02:00&nbsp;Uhr in der Nacht. Die Eingänge der Stationen werden in der Regel um 05:30&nbsp;Uhr morgens geöffnet und um 01:00&nbsp;Uhr nachts geschlossen, die Ausgänge bleiben etwas länger geöffnet, da die letzten Züge, je nach Linie, noch bis etwa zwei Uhr nachts verkehren. In den [[Hauptverkehrszeit]]en (7–10 sowie 17–20&nbsp;Uhr) fahren die Züge auf den meisten Linien in einem Abstand von 1,5 bis 3 Minuten, sonst alle 2 bis 4 Minuten, nach Mitternacht manchmal auch nur alle 5 Minuten. {| class="wikitable" |- align="center" bgcolor="#E8E8E8" ! Nummer ! Linienname ! Strecke ! Eröffnungsjahr ! Länge ! Fahrzeit |- align="center" | [[Datei:Moskwa Metro Line 1.svg|22px]] | [[Sokolnitscheskaja-Linie|Sokolnitscheskaja]] | ''Uliza Podbelskogo'' ↔ ''Jugo-Sapadnaja'' | 1935 | 26,2&nbsp;km | 40 min |- align="center" | [[Datei:Moskwa Metro Line 2.svg|22px]] | [[Samoskworezkaja-Linie|Samoskworezkaja]] | ''Retschnoi Woksal'' ↔ ''Krasnogwardeiskaja'' | 1938 | 37,1&nbsp;km | 52 min |- align="center" | [[Datei:Moskwa Metro Line 3.svg|22px]] | [[Arbatsko-Pokrowskaja-Linie|Arbatsko-Pokrowskaja]] | ''Mitino'' ↔ ''Schtscholkowskaja'' | 1938 | 43,7&nbsp;km | 68 min |- align="center" | [[Datei:Moskwa Metro Line 4.svg|22px]] | [[Filjowskaja-Linie|Filjowskaja]] | ''[[Alexandrowski Sad]]'' ↔ ''[[Kunzewskaja]]'' / ''Meschdunarodnaja'' | 1935* | 14,7&nbsp;km | 21 min |- align="center" | [[Datei:Moskwa Metro Line 5.svg|22px]] | [[Kolzewaja-Linie|Kolzewaja]] | (Ringlinie) ''[[Kurskaja (Kolzewaja-Linie)|Kurskaja]]'' – ''[[Park Kultury (Kolzewaja-Linie)|Park Kultury]]'' – ''Kurskaja'' | 1950 | 19,4&nbsp;km | 30 min |- align="center" | [[Datei:Moskwa Metro Line 6.svg|22px]] | [[Kaluschsko-Rischskaja-Linie|Kaluschsko-Rischskaja]] | ''Medwedkowo'' ↔ ''Nowojassenewskaja'' | 1958 | 37,6&nbsp;km | 56 min |- align="center" | [[Datei:Moskwa Metro Line 7.svg|22px]] | [[Tagansko-Krasnopresnenskaja-Linie|Tagansko-Krasnopresnenskaja]] | ''Planernaja'' ↔ ''Wychino'' | 1966 | 35,9&nbsp;km | 50 min |- align="center" | [[Datei:Moskwa Metro Line 8.svg|22px]] | [[Kalininskaja-Linie|Kalininskaja]] | ''[[Tretjakowskaja]]'' ↔ ''Nowogirejewo'' | 1979 | 13,1&nbsp;km | 17 min |- align="center" | [[Datei:Moskwa Metro Line 9.svg|22px]] | [[Serpuchowsko-Timirjasewskaja-Linie|Serpuchowsko-Timirjasewskaja]] | ''Altufjewo'' ↔ ''Bulwar Dmitrija Donskogo'' | 1983 | 41,2&nbsp;km | 63 min |- align="center" | [[Datei:Moskwa Metro Line 10.svg|22px]] | [[Ljublinsko-Dmitrowskaja-Linie|Ljublinsko-Dmitrowskaja]] | ''Trubnaja'' ↔ ''Marjino'' | 1995 | 21,2&nbsp;km | 25 min |- align="center" | [[Datei:Moskwa Metro Line 11.svg|22px]] | [[Kachowskaja-Linie|Kachowskaja]] | ''Kaschirskaja'' ↔ ''Kachowskaja'' | 1969** | 3,3&nbsp;km | 5 min |- align="center" | [[Datei:Moskwa Metro Line L1.svg|22px]] | [[Butowskaja-Linie|Butowskaja]] | ''Uliza Starokatschalowskaja'' ↔ ''Buninskaja Alleja'' | 2003 | 5,2&nbsp;km | 9 min |} <small><nowiki>*</nowiki> Die Linie 4 war von 1935 bis 1938 Teil (Abzweig) der Linie 1 und von 1938 bis 1953 Teil der Linie&nbsp;3. Danach stillgelegt, 1958 wieder eröffnet und mit der Inbetriebnahme des Abschnitts bis zur Station ''Kutusowskaja'' als selbstständige Linie ''(Filjowskaja)'' weitergeführt</small><br /> <small><nowiki>**</nowiki> Die Linie 11 war von 1969 bis 1995 Teil (1984–1995 Abzweig) der Linie 2</small> === Stationen === → ''Siehe auch: [[Liste der Stationen der Metro Moskau]]'' Das Moskauer Metrosystem rühmt sich damit, unterirdische ''Paläste für das Volk'' zu besitzen. Zahlreiche Stationen sind aufgrund ihrer Prägung durch den [[Sozialistischer Klassizismus|sozialistischen Klassizismus]] zu Zeiten [[Josef Stalin|Stalins]] sehr prunkvoll ausgestattet. Einige dieser Bahnhöfe sind sehr detailreich und werden in diversen Reiseführern als besonders sehenswert eingestuft. Allerdings ist ein Großteil der Stationen, vor allem außerhalb des Zentrums, in einem sehr schlichten, sachlichen Stil gehalten. [[Datei:Komsomolskaya-Koltsevaya 2007.jpg|miniatur|Station ''Komsomolskaja'']] Die Station ''[[Komsomolskaja (Kolzewaja-Linie)|Komsomolskaja]]'' der [[Kolzewaja-Linie|Ringlinie]] wird oftmals als die schönste Station im gesamten Metronetz angesehen. Der 1952 eröffnete Haltepunkt befindet sich unterhalb des [[Komsomolskaja-Platz]]es, direkt am [[Leningrader Bahnhof|Leningrader]], am [[Jaroslawler Bahnhof|Jaroslawler]] und am [[Kasaner Bahnhof]]. Die 72 achteckigen Pfeiler im Bahnsteigbereich, die allesamt mit hellem Marmor verkleidet sind, haben neben der stützenden Funktion den Charakter eines Dekorationsmittels. Auf den [[Kapitell]]en liegen Rundbögen auf, die beim Metronutzer den Eindruck erwecken, beim Gang zu den Gleisen ein Rundtor zu passieren. Der Deckenbereich ist mit mehreren großen Kronleuchtern dekoriert. Zwischen diesen geben acht Monumentalmosaiken, jeweils aus 300.000 einzelnen Teilen bestehend und durch Stuck umrahmt, Szenerien der russischen Geschichte wieder. Damit wird ein nahezu [[barock]]es Erscheinungsbild erzeugt. Die Metrostation umfasst auch mehrere oberirdische Passagen. Der U-Bahnhof ''[[Kiewskaja (Kolzewaja-Linie)|Kiewskaja]]'' der Ringlinie, zugleich Umsteigestation zu den Linien 3 und 4 unterhalb des namensgebenden [[Kiewer Bahnhof]]s, stellt in Mosaiken die Freundschaft zwischen Russland und der Ukraine dar. Thematisiert werden dabei unter anderem der Anschluss der Ukraine an Russland sowie die Befreiung Kiews im Zweiten Weltkrieg. Weiterhin sind neben den Kronleuchtern besonders die skulptierten Arkaden sehenswert. [[Datei:Mayakovskaya.jpg|miniatur|links|Station ''Majakowskaja'']] Die nach [[Wladimir Wladimirowitsch Majakowski|Wladimir Majakowski]] benannte U-Bahn-Station ''[[Majakowskaja (Metro Moskau)|Majakowskaja]]'' thematisiert in ihrer künstlerischen Umsetzung durch mehr als 30 Gewölbemosaike die Luftfahrt der Sowjetunion. Die mit fluoreszierenden Materialien versehenen und indirekt beleuchteten Mosaike sollen eine beeindruckende Raumwirkung erzeugen. Dieser U-Bahnhof erhielt in New York den Grand Prix für Architektur. Weiterhin besitzt dieser Bahnhof einen Flüsterbogen, durch dessen optimale Akustik leise gesprochene Worte auch an der anderen Seite der Station deutlich zu hören sind. Der durchschnittliche Stationsabstand beträgt 1800 Meter. Der kürzeste ist mit 500&nbsp;Metern zwischen den Stationen ''Wystawotschnaja'' und ''Meschdunarodnaja'' der Linie&nbsp;4, der (mit Abstand) längste mit 6,6&nbsp;Kilometern zwischen den Stationen ''Krylatskoje'' und ''Strogino'' der Linie&nbsp;3. [[Datei:Parkpobedy-escalator.jpg|miniatur|Die vier Rolltreppen der Station ''Park Pobedy'' – mit je 126&nbsp;Metern die längsten Fahrtreppen weltweit]] Da viele Stationen sehr tief liegen, wurden lange, besonders schnell fahrende [[Fahrtreppe|Rolltreppen]] installiert. Die Station ''[[Park Pobedy (Metro Moskau)|Park Pobedy]]'' (Linie&nbsp;3) liegt 84 Meter unter der Oberfläche und verfügt nach Angaben der Metro über die weltweit längsten Rolltreppen (126&nbsp;m, 740 Stufen). In manchen Stationen dauert es bis zu drei Minuten, bis man Oberflächen- bzw. Bahnsteigniveau erreicht. Seit dem Bau der Metro 1935 war vorgesehen, das Metrosystem auch als Luftschutzbunker zu nutzen, was die große Bautiefe erklärt. Im [[Kalter Krieg|Kalten Krieg]] wurde die Metro mit hermetisch verschließbaren Toren ausgestattet, um im Falle eines Atomschlags als sichere Schutzräume dienen zu können. Der Zugang zu den Bahnsteigen wird durch [[Bahnsteigsperre|Zugangssperren]] geregelt, die das Durchqueren erst nach Anlegen einer [[Chipkarte|Smartcard]] mit einem eingebauten Chip gestatten. Eine Besonderheit stellt dabei dar, dass sich nicht – wie in anderen U-Bahnen mit Zugangssperren üblich – eine Absperrung öffnet, sondern der geöffnete Zugang gesperrt wird, wenn man versucht, ohne Ticket zu passieren. Neue bzw. renovierte Stationen sind aber mit modernen Schranken (siehe Foto) ausgestattet, die sich nach Anlegen einer gültigen Fahrkarte öffnen. Zugangssperren wurden in der Moskauer Metro ab 1958 an allen Stationen installiert und lösten die bis dahin noch üblichen Schaffner in den Zügen ab. [[Datei:Turnikety-mm.jpg|miniatur|links|Zugangsschranken an einem Stationseingang]] Die Fahrpreise entwickelten sich in der Geschichte der Moskauer Metro sehr unterschiedlich: Der ursprüngliche Fahrpreis von 50 [[Rubel|Kopeken]] wurde noch im Laufe des Jahres 1935 auf 30 Kopeken gesenkt und stieg 1942 wieder auf 40 Kopeken und 1948 auf 50 Kopeken an. Nach der Währungsreform 1961 bis zum Jahre 1991 zahlte man für die Fahrt mit einem Fünf-Kopeken-Stück, das man an Stelle der bisherigen Jetons in einen der Sperrenautomaten einwarf. Mit der Inflation des Rubels erhöhte sich der Preis 1991 zunächst auf 15 Kopeken. 1992 ging man wieder zu Jetons (anfänglich aus Metall, dann aus Plastik) über, 1999 wurde auf Magnetkarten umgestellt, die wiederum bis 2008 für sämtliche Ticketarten durch Smartcards ersetzt wurden. Im Januar 2010 kostete eine Fahrt 26&nbsp;[[Russischer Rubel|Rubel]] (umgerechnet ca.&nbsp;0,60&nbsp;Euro), eine 10er-Karte 240&nbsp;Rubel, eine Monatskarte für die unbegrenzte Anzahl von Fahrten 1480&nbsp;Rubel. Sämtliche Bahnhöfe haben neben den Bahnsteigen auch Erste-Hilfe-Zimmer sowie eine Polizeistation. Mitte der 2000er Jahre wurden außerdem alle Stationen der Moskauer Metro mit [[Videoüberwachung|Überwachungskameras]] ausgestattet, deren Aufnahmen in die jeweiligen Polizeistationen überspielt werden; zusätzlich wurden an Stationsbahnsteigen Informations- und Notrufsäulen aufgestellt. Um [[Terrorismus|Terroranschlägen]] besser vorzubeugen, wurden bereits Anfang der 1990er Jahre sämtliche Abfallkörbe von den Bahnsteigen und Stationssälen entfernt. [[Datei:Schildmm03.jpg|miniatur|Orientierungsschild an einem Umsteigeknoten]] An fast allen Stationen sind im Mittelbereich der Gleise etwa 30&nbsp;cm tiefe Rinnen eingebaut, in die man sich im Fall eines Sturzes auf die Gleise vor einem heranfahrenden Zug in Sicherheit bringen kann. Auf diese Fluchtmöglichkeit wird auch in den offiziellen Nutzungs- und Verhaltensregeln für die Moskauer Metro ausdrücklich hingewiesen. Lebensgefährlich ist in einer solchen Situation hingegen der Versuch, sich unter dem Bahnsteig zu verstecken, da in diesem Bereich die unter Hochspannung stehende [[Stromschiene]] verläuft. Die Rinnen an den Gleisen fehlen nur an bestimmten oberirdischen Bahnhöfen, wo andere Fluchtwege bestehen. [[Datei:Moskau-Metro-Stationsanzeiger.jpg|miniatur|Auflistung der nächsten Stationen und Umsteigemöglichkeiten]] Für [[rollstuhl]]fahrende Personen ist die Benutzung der Moskauer Metro ohne fremde Hilfe nahezu unmöglich. Von den über 180 Stationen verfügt fast keine über [[Barrierefreiheit|barrierefreie]] Zugangsmöglichkeiten, und bei den meisten unterirdischen Stationen würde sich ein nachträglicher Einbau aufgrund der vergleichsweise tiefen Lage als extrem kostspielig erweisen. Eine Ausnahme bilden lediglich die vier oberirdischen Bahnhöfe der ''Light-Metro''-Linie [[Butowskaja-Linie|L1]], an denen zwischen den Bahnsteigen und der Erdoberfläche spezielle [[Aufzugsanlage|Aufzüge]] eingebaut wurden; weiterhin gibt es in der Station ''Altufjewo'' der [[Serpuchowsko-Timirjasewskaja-Linie|Linie&nbsp;9]] einen [[Treppenschrägaufzug|Treppenlift]] für Rollstuhlfahrer sowie in einigen der seit 2008 erbauten Stationen der [[Arbatsko-Pokrowskaja-Linie|Linie&nbsp;3]] jeweils einen Aufzug vom Bahnsteig zur Zwischenebene. Diese Anlagen bleiben aber weitgehend ungenutzt, da sie nur einen verschwindend geringen Teil des Bedarfs an solchen Einrichtungen decken. == Geschichte == === Erste Entwürfe und Planungen für eine Metro === Die ersten Gedanken hinsichtlich einer unterirdischen Eisenbahn in Moskau nach dem Vorbild der damals neu entstandenen [[London Underground]] kamen in den 1870er Jahren auf. Der erste konkrete Entwurf für ein U-Bahn-System wurde jedoch erst Anfang des 20.&nbsp;Jahrhunderts vorgelegt. Moskau zählte damals bereits über eine Million Einwohner und der öffentliche Verkehr mit Pferde[[droschke]]n war bereits überlastet. [[Datei:Karazin Metro1.jpg|miniatur|links|[[Nikolai Nikolajewitsch Karasin|Nikolai Karasins]] Bild des ersten Entwurfs von 1902]] 1902 legten die beiden Ingenieure Pjotr Balinski und Jewgeni Knorre ihre Konzeption einer elektrischen ''Stadteisenbahn'' vor. Der erste Entwurf beinhaltete eine Nord-Süd-Linie, ausgehend vom Weißrussischen Bahnhof zur [[Duma|Stadtduma]]. Die Strecke sollte lediglich an einigen Stellen in der Stadtmitte in den Untergrund verlegt werden, wie beispielsweise unter den [[Roter Platz|Roten Platz]] und andere große Plätze; die restlichen Abschnitte sollten auf [[Viadukt]]en verlaufen. Die Gleisanlagen umfassten 54 Kilometer, der Kostenvorschlag für das Projekt belief sich auf 155&nbsp;Millionen Rubel. Doch die Duma-Abgeordneten lehnten diese städtische Bahnverbindung im September 1902 aus verschiedenen Gründen ab. Einerseits waren die Kosten zu hoch, andererseits wären auch die Interessen der Bürger nicht berücksichtigt worden. Durch die geplante Trasse wäre nämlich der Abriss privater Häuser unvermeidlich gewesen. Die [[Russisch-Orthodoxe Kirche]] hatte ebenfalls erheblichen Einfluss auf die Entscheidung der Stadtduma, da sie den Aushub heiliger Erde unter den Kirchen und Kathedralen nicht zulassen wollte. Noch im selben Jahr erhielt die Stadtduma von dem US-amerikanischen Bankhaus Werner &&nbsp;Co. ein weiteres Angebot einer Metro. Nach rund zehn Jahren – inzwischen war die Einwohnerzahl Moskaus auf fast zwei Millionen angewachsen – wurden die Konzepte überarbeitet und im Grundsatz von der Stadtregierung angenommen. Mit Beginn des [[Erster Weltkrieg|Ersten Weltkrieges]] mussten die Pläne jedoch auf Eis gelegt werden und die [[Oktoberrevolution]] im Jahre 1917 machte alle bisherigen Bauvorhaben endgültig zunichte. === Die neue U-Bahn nimmt konkrete Formen an === Erst mit der Verlegung der russischen Hauptstadt von [[Sankt Petersburg|Petrograd]] nach [[Moskau]] im Jahre 1918 wurde das Projekt eines unterirdischen Bahnnetzes wieder aktuell. Doch die Konkretisierung kam auch nach dem Ende des [[Russischer Bürgerkrieg|Bürgerkrieges]] nur schleppend voran. Im Auftrag der neuen Stadtverwaltung wurde lediglich eine Abteilung der Moskauer Städtischen Eisenbahn gegründet, die sich mit der Planung und Umsetzung einer Metro befasste. Um 1930 belief sich die Einwohnerzahl Moskaus bereits auf fast drei Millionen. Das riesige Aufkommen von zehntausenden Fahrgästen täglich war mit den [[Straßenbahn Moskau|Straßenbahnen]] – zu jener Zeit dem praktisch einzigen öffentlichen Verkehrsmittel der Stadt – nicht mehr zu bewältigen. Da die sowjetische Hauptstadt offensichtlich ein neues, leistungsfähigeres Verkehrsmittel in Form einer U-Bahn dringend benötigte, erging schließlich am 15.&nbsp;Juni 1931 durch das [[Zentralkomitee]] der [[Kommunistische Partei der Sowjetunion|Kommunistischen Partei der Sowjetunion]] der Baubeschluss. Die Organisation wurde durch das hierfür gegründete staatliche Unternehmen ''Metrostroi'' (russ. {{lang|ru|Метрострой}}) übernommen. Eine erste U-Bahn-Strecke sollte bereits im Jahre 1933 fertiggestellt sein. Die Bauleitung oblag [[Lasar Moissejewitsch Kaganowitsch|Lasar Kaganowitsch]], dem damaligen Transportminister der UdSSR, einem engen Vertrauten [[Josef Stalin|Stalins]]. Damit wurde in Moskau zum ersten Mal mit dem Bau einer Tunnelstrecke begonnen, diese Versuchsstrecke befand sich am [[Sokolniki]]-Park. === Menschenmassen für den Metrobau === Im darauffolgenden Jahr begann mit der Aushebung einer ersten Baugrube nordöstlich des Stadtzentrums die Konstruktion der ersten regulären Strecke. Diese sollte durch den Stadtkern verlaufen und mehrere strategisch wichtige Objekte miteinander verbinden, darunter den ''[[Komsomolskaja-Platz|Platz der drei Bahnhöfe]]'' sowie den damals geplanten [[Palast der Sowjets]]. Im Hinblick auf die knappe Terminvorgabe für die Fertigstellung der Trasse und den vielen vorwiegend ungelernten Arbeitern war der Arbeitsumfang sehr groß. Freiwillige aus der ganzen Sowjetunion, die am Bau der 11,2&nbsp;km langen Strecke helfen sollten, wurden durch Massenpropaganda und Heroisierung der Metroarbeiter sowie den Einsatz hoher finanzieller Mittel gewonnen. Außerdem sorgte die zu jener Zeit als Folge der [[Kollektivierung]] massenhaft einsetzende Landflucht für ein extrem rasches Bevölkerungswachstum Moskaus und somit für ein umfassendes Angebot an ungelernten, billigen Arbeitskräften. Der U-Bahn-Bau soll das Lieblingsprojekt Stalins gewesen sein, mit dem Ziel, die beste und schönste Metro der Welt zu besitzen. Als Aufbruchssignal in eine neue Zukunft wurde das unterirdische Verkehrsmittel zu ''dem'' sozialistischen Prestigeobjekt der Sowjetunion überhaupt. Der Anspruch an die Metro im Sinne des Sozialismus manifestierte sich in der Aussage Kaganowitschs: ''„Mehr noch als alle Theater und Paläste wird die Metro unseren Geist anregen und erhellen.“'' <ref>Philipp Meuser: [http://www.cicero.de/97.php?ress_id=7&item=625 ''Ab in den Bunker!''], Internetangebot des Cicero – Magazin für politische Kultur</ref> Jedoch waren die Arbeitsbedingungen beim Metrobau nicht besser als bei vergleichbaren Baustellen. Die Menschenmassen arbeiteten oftmals mehr für den Ruhm und die Ehre des Sozialismus als für den kleinen Lohn, der gerade zum Überleben ausreichte. Neben der schlechten Verpflegung wurde nicht auf moderne technische Hilfsmittel, sondern lediglich auf Spitzhacken, Spaten und Schubkarren gesetzt. Diese Bedingungen führten im Frühjahr 1933 zu einem [[Streik]]. Als Antwort darauf wurde der Lohn erhöht, auch wurde der Bau der Metrostrecke zum ''[[Komsomol]]objekt'' erklärt und die Arbeiter zunehmend durch junge und ideologisch überzeugte Komsomolzen ersetzt. Dabei hatte die sozialistische Jugendorganisation der KPdSU den Auftrag, zahlreiche Fachleute aus der ganzen Sowjetunion nach Moskau anzuwerben, darunter beispielsweise Betonierer, die bereits an der Errichtung der [[Dnepr]]-Staudämme beteiligt waren oder erfahrene Bergarbeiter aus Kohlegruben in der [[Donezbecken|Donezregion]]. Ende 1933 wurden 36.000 Arbeiter beschäftigt, Mitte 1934 waren es bereits 75.000; darunter waren auch viele deutsche, von der kommunistischen Ideologie überzeugte Ingenieure und Arbeiter, die Anfang der 1930er Jahre wegen [[Adolf Hitler|Hitlers]] Machtübernahme in die Sowjetunion geflüchtet waren. <ref>aktuell.ru: [http://www.moskau.ru/moskau/metro_geschichte/ein_mammutprojekt_der_bau_der_metro_2.html ''Ein Mammutprojekt: Der Bau der Metro''], Teil einer Dokumentationsreihe zum 70-jährigen Jubiläum der Moskauer Metro 2005</ref> Als sich jedoch herausstellte, dass die Terminvorgaben dieses Projekts ohne besondere technische Ausrüstung nicht mehr einzuhalten waren, beschloss man, eine [[Schildvortrieb|Tunnelvortriebsmaschine]] aus England anzukaufen. Da diese den Bau der Strecke beschleunigte, wurden in der Sowjetunion anhand britischer Konstruktionsvorlagen weitere Vortriebsmaschinen nachgebaut. Damit konnte die sehr kurze Baufrist von drei Jahren doch noch eingehalten werden. Der erste Zug befuhr in der Nacht zum 6.&nbsp;Februar 1935 durchgängig die Strecke von ''Sokolniki'' bis ''Smolenskaja''. Am Bau der ersten Metrostrecke waren rund 500 Industriebetriebe beteiligt. Auf hochwertige Materialien wurde besonders Wert gelegt: verschiedene [[Marmor]]- und [[Granit]]sorten für die Gestaltung der Bahnhöfe, Fahrzeugmotoren, Belüftungsanlagen und Pumpen sowie Kabel und Gleise besonderer Ausführung. Der Arbeitsumfang umfasste die Aushebung von 2,3&nbsp;Millionen Kubikmetern Erde und Gesteinsmaterial sowie 842.500 Kubikmeter Vergussbeton. Zu dieser Zeit wurden zur Finanzierung der U-Bahn-Strecke 21 % des laufenden Stadthaushalts aufgebracht. === Die ersten Strecken === {| style="float: right; margin-left: 0.6em; white-space: nowrap;" class="wikitable" |- bgcolor="#BBCCFF" ! colspan="5" | Entwicklung des Liniennetzes |- bgcolor="#E8E8E8" ! Jahr || Gesamtlänge || Stationen |- | 1935 || 11,2&nbsp;km || 13 |- | 1940 || 23,6&nbsp;km || 22 |- | 1945 || 37&nbsp;km || 29 |- | 1950 || 43,5&nbsp;km || 35 |- | 1955 || 58,8&nbsp;km || 41 |- | 1960 || 77,5&nbsp;km || 56 |- | 1965 || 113,5&nbsp;km || 75 |- | 1970 || 136&nbsp;km || 87 |- | 1975 || 168,5&nbsp;km || 104 |- | 1980 || 188&nbsp;km || 116 |- | 1985 || 208,5&nbsp;km || 129 |- | 1990 || 231,2&nbsp;km || 143 |- | 1995 || 256,5&nbsp;km || 156 |- | 2000 || 264&nbsp;km || 161 |- | 2005 || 278,3&nbsp;km || 171 |} Schon Tage vor der offiziellen Einweihung war die Stimmung in der Moskauer Bevölkerung über das gerühmte ''Werk der Freiwilligen'' sehr gut. Beispielsweise meinte die Moskauer Zeitung [[Prawda]]: ''„In den nächsten Tagen werden die verkehrsgeplagten Moskauer die Metro betreten. Sie werden die Vorhallen erblicken, die glänzenden Foyers mit den gläsernen Kassen, die breiten, großartigen, mit formstrengen Lustern erleuchteten Korridore und die so unerwartet riesigen, leuchtenden Säle der unterirdischen Bahnsteige und Bahnhöfe. Bahnhöfe, verkleidet in Marmor, Granit, Kupfer, bunten Fliesen, mit zartgrauen rosafarbenen, rotgeäderten Säulen, mit polierten Wänden, […].“'' <ref>Eva Gerberding: ''DuMont Reise-Taschenbuch Moskau''. DuMont Reiseverlag, Ostfildern 2004, ISBN 3-7701-4779-0</ref> [[Datei:Mosmetr1935.jpg|miniatur|links|Der Linienplan von 1935]] Am 15. Mai 1935 wurde die erste sowjetische U-Bahn-Linie zwischen den Stationen ''[[Sokolniki]]'' ({{lang|ru|Сокольники}}) und ''[[Gorki-Park|Park Kultury]]'' ({{lang|ru|Парк Культуры}}) eröffnet. Dazu gab es noch eine Abzweigung in Richtung ''Smolenskaja'' ({{lang|ru|Смоленская}}), welche heute Teil der eigenständigen [[Filjowskaja-Linie|Linie&nbsp;4]] ist. Insgesamt umfasste der 11,2&nbsp;km lange erste Bauabschnitt der Moskauer Metro 13&nbsp;Stationen. Zwölf Zugpaare mit jeweils vier Waggons beförderten von da an auf neuem Wege die Bevölkerung der Stadt. Bei der Indienststellung der Stationen kamen zahlreiche Bürger, viele von ihnen nur zur Besichtigung der neuen Bahnhöfe, die mit ihren [[Fahrtreppe|Rolltreppen]] (die alleine schon als technisches Wunderwerk galten), [[Kronleuchter]]n und mit Marmor verkleideten Bauwerken einen starken Kontrast zum eher dunkel anmutenden Stadtbild, noch geprägt von Holzhäusern, bildeten. Allein diese erste Strecke des neuen Verkehrsmittels beförderte zu jener Zeit täglich rund 177.000 Fahrgäste.<ref>Christina Haberlik: ''50 Klassiker. Architektur des 20. Jahrhunderts.'' Gerstenberg Verlag, Hildesheim 2001, ISBN 3-8067-2514-4</ref> Doch dem U-Bahn-Projekt war damit kein Endpunkt gesetzt, die Arbeiten an den nächsten Abschnitten wurden kontinuierlich fortgeführt. Mehr noch, der Metrobau genoss nach dem überwältigenden Erfolg der ersten Strecken mehr Ansehen als je zuvor, der wirtschaftlich inzwischen wiedererstarkte Sowjetstaat förderte den Weiterbau großzügig; nicht mehr einfache, ungelernte Arbeiter und Komsomolzen, sondern mit modernster Technik ausgestattete Fachkräfte sowie renommierteste Architekten jener Zeit waren nunmehr am Werk. Die meisten der zwischen 1937 und 1954 gebauten Stationen wurden dementsprechend auch architektonisch anspruchsvoller gestaltet als die ältesten 13 Bahnhöfe aus dem Jahre 1935. Die zweite Streckeneröffnung erlebte die Moskauer Metro am 20. März 1937, als eine 1,4 km lange Strecke zwischen ''Smolenskaja'' und der neuen Station ''Kiewskaja'' ({{lang|ru|Киевская}}) in Betrieb ging, womit der [[Kiewer Bahnhof]] eine Metro-Anbindung erhielt. Ein weiteres Jahr darauf, am 13.&nbsp;März 1938, wurde die Trasse zwischen ''Uliza Kominterna'' ({{lang|ru|Улица Коминтерна}}, heute ''[[Alexandrowski Sad]]'' – {{lang|ru|Александровский Сад}}) und ''Kurskaja'' ({{lang|ru|Курская}}) eröffnet. Später wurde die Verbindung von ''Plotschtschad Rewoljuzii'' ({{lang|ru|Площадь Революции}}) nach ''Kurskaja'' Teil der [[Arbatsko-Pokrowskaja-Linie|Linie&nbsp;3]]. Mit der Eröffnung der Strecke zwischen ''[[Sokol (Metro Moskau)|Sokol]]'' ({{lang|ru|Сокол}}) und ''Teatralnaja'' ({{lang|ru|Театральная}}) wurde die [[Samoskworezkaja-Linie|Linie&nbsp;2]] gebildet, eine 8,5&nbsp;km lange und sechs Stationen verbindende Nord-Süd-Strecke, deren Linienweg zu großen Teilen noch dem Entwurf aus dem Jahre 1902 entspricht. Die Inbetriebnahme der Linie&nbsp;2 sollte aufgrund der nachfolgenden geschichtlichen Entwicklung die letzte Netzerweiterung für die kommenden Jahre sein. === Bahnhöfe werden zu Bunkern und Lazaretten === Durch die [[Mobilmachung]] für den [[Zweiter Weltkrieg|Zweiten Weltkrieg]] gegen das nationalsozialistische Deutschland, das die Sowjetunion am 22.&nbsp;Juni 1941 [[Krieg gegen die Sowjetunion 1941–1945|angriff]], mussten rund 30 % der Arbeiter der Metro für den Kriegsdienst abgezogen werden; viele von ihnen meldeten sich freiwillig zum Wehrdienst. Alle Ausbaupläne zur Erweiterung des Netzes wurden zunächst auf unbestimmte Zeit vertagt. Die Metro erlangte im Krieg eine äußerst wichtige Rolle für das Leben in Moskau, auch weil Stalin die Hauptstadt während der Zeit des Bombenkriegs nicht verließ. So wurden ab 1941 in einigen Bahnhöfen im Metronetz Soldaten und Regierungsstellen untergebracht. Damit wurden diese Stationen bei Kriegsbeginn zu strategischen Stützpunkten umfunktioniert. Beispielsweise wurde der neue Sitz einiger Abteilungen des Generalstabes der [[Rote Armee|Roten Armee]] in der Station ''Kirowskaja'' ({{lang|ru|Кировская}}, heute ''Tschistyje Prudy'' – {{lang|ru|Чистые Пруды}}) eingerichtet. Der Bahnsteig wurde durch schnell gemauerte Wände von den Gleisen abgetrennt und die Züge hielten an dieser Station nicht mehr. Mit der Bombardierung Moskaus durch die [[Luftwaffe (Wehrmacht)|deutsche Luftwaffe]] begann die zweite Phase der Umnutzung der U-Bahn-Stationen. Die Bahnhöfe galten als sicherster Ort bei Luftangriffen. Daher wurden die Stationen in [[Luftschutzbunker]] umgenutzt, in denen ältere Menschen, Frauen und Kinder Unterkunft fanden. Zahlreiche Betten wurden aufgestellt, Trinkwasser wurde verteilt, stationäre Metrowaggons verwendete man für die medizinische Versorgung. Mit der Zunahme der Luftangriffe auf die Stadt wurde der U-Bahn-Verkehr ab 18&nbsp;Uhr auch ohne Bombenwarnung eingestellt. Der Zulauf auf die Haltepunkte wurde größer, oftmals standen Menschenmassen vor den Eingängen. Neben der Grundversorgung mit Lebensmitteln wie Brot und Milch und ärztlicher Hilfe richtete man einige Bibliotheken ein, daneben fanden Filmvorführungen statt. Bis zu 500.000 Moskauer flüchteten täglich in die Metro, für insgesamt rund 15 Millionen Menschen war sie in den Abendstunden der überlebenswichtige Bunker. Während dieser Zeit kamen rund 150 Kinder in einem der Bahnhöfe zur Welt. Doch nachdem im weiteren Verlauf des Zweiten Weltkrieges die Gefahr einer Einnahme der Stadt durch die Deutschen nicht mehr bestand, wurden die Ausbauarbeiten fortgesetzt. Mit dem Spruch „Das ganze Land baut die Metro“ sollten Hoffnungen auf eine bessere Zukunft geweckt werden. Bereits 1943 erhielt die Linie&nbsp;2 drei Stationen auf 6,2&nbsp;km neuer Strecke, die Linie&nbsp;3 wurde im darauffolgenden Jahr um 7,1&nbsp;km mit vier Bahnhöfen verlängert. Diese Neueröffnungen waren für die sowjetische Führung ein ganz besonderes Prestigeobjekt: Mit der Inbetriebnahme neuer Metrostrecken in der Zeit des Krieges wollte sie nicht nur im eigenen Land, sondern auch in der ganzen Welt ein klares Zeichen setzen, dass die industrielle Macht der UdSSR trotz Krieg ungebrochen sei und dass niemand am kommenden Sieg des Landes zweifelte. === Nach dem Zweiten Weltkrieg === Nach dem Kriegsende wurden Planungen für zahlreiche Bauvorhaben wieder aufgenommen, wobei es allerdings bis zur Eröffnung der ersten Neubaustrecken noch fünf Jahre dauern sollte, da ein Großteil der Ressourcen des Landes für den Wiederaufbau nach dem Krieg investiert werden musste. Das wohl wichtigste unter den neuen Vorhaben war der Bau der Ringlinie zur Entlastung der zentralen Umsteigeknoten. [[Datei:Moscow Metro, Kievskaya station.jpg|miniatur|Station Kiewskaja, Umstiegsstation der Ringlinie, als Beispiel für pompöses Bauen]] Die Ringlinie [[Kolzewaja-Linie|Kolzewaja]] wurde zuerst als streng kreisförmig verlaufende Linie geplant, die unter der Ringstraße ''Sadowoje Kolzo'' (deutsch: [[Gartenring]]) entlang der historischen Grenze Moskaus aus dem 16.&nbsp;Jahrhundert verlaufen sollte. Das erste Teilstück wurde am 1.&nbsp;Januar 1950 zwischen ''[[Park Kultury (Kolzewaja-Linie)|Park Kultury]]'' und ''[[Kurskaja (Kolzewaja-Linie)|Kurskaja]]'' eröffnet. Danach wurden jedoch die Pläne geändert, sodass die Linie nun bis zu 1,5&nbsp;km außerhalb des Gartenringes verläuft. So wurde erreicht, dass die wichtigsten Fernbahnhöfe Moskaus durch eine einzige Metrolinie verknüpft sind. Dieser zweite Teil wurde am 30.&nbsp;Januar 1952 zwischen ''Kurskaja'' und ''[[Belorusskaja (Kolzewaja-Linie)|Belorusskaja]]'' ({{lang|ru|Белорусская}}) eröffnet. Am 14.&nbsp;März 1954 wurde der Ring mit der Eröffnung der Verbindung zwischen ''Belorusskaja'' und ''Park Kultury'' geschlossen. Es existiert eine [[Moderne Sagen|moderne Sage]], woher die Idee einer solchen Ringlinie stammen soll. Eine Gruppe von Ingenieuren soll Josef Stalin mit den Metroplänen über die Fortschritte informiert haben. Beim Betrachten der Zeichnungen habe sich Stalin etwas Kaffee eingegossen und ihn ein wenig über den Tassenrand verschüttet. Als er gefragt wurde, ob er das Projekt akzeptiere, habe er seine Tasse auf die Mitte der Pläne gestellt und sei wortlos verschwunden. Die Unterseite der Tasse habe einen braunen Kreis auf den Zeichnungen hinterlassen. Die Planer hätten diesen Kreis betrachtet und festgestellt, dass es der ideale Verlauf der Linie war, nach dem sie bisher vergeblich gesucht hatten. Sie hätten dies als ein Zeichen für Stalins Genie erkannt und daraufhin die Aufträge für den Bau der Ringlinie erteilt, die auf den Plänen bis heute immer mit brauner Farbe gekennzeichnet wird. Selbstverständlich kann diese Legende auch im Kontext des damaligen [[Personenkult]]es Stalins frei erfunden sein. [[Datei:Shchukinskaya-mm.jpg|miniatur|links|Station ''Schtschukinskaja'', Baujahr 1975]] Mit dem Tod Stalins 1953 wich in den darauffolgenden Jahren die bisherige pompöse, auf Extravaganz abzielende [[Architektur]] der Metrostationen der neuen [[Funktionalität]], die zum Ziel hatte, die Nützlichkeit und die Sicherheit zu erhöhen. Dabei wurden einige Stationen abweichend von den Originalplänen in der architektonischen Ausgestaltung erheblich vereinfacht. Dies geschah auf Anordnung von Staatschef [[Nikita Sergejewitsch Chruschtschow|Nikita Chruschtschow]], der für seine auf Sparsamkeit abzielende Politik allgemein bekannt war. Auch wurde ein einheitliches Dekorationsschema für alle neu zu bauenden Stationen entwickelt. Daher wurden die meisten aus den 1960er Jahren stammenden Bahnhöfe nahezu identisch konstruiert, lediglich durch den verwendeten Marmor und die Farben der Keramikfliesen unterschieden sie sich. Erst ab etwa Mitte der 1970er Jahre wurde die alte prunkvolle Dekoration zunehmend wieder zum Vorbild genommen. 1958 wurden zwei neue Linien eröffnet. Dies war zum einen die [[Filjowskaja-Linie|Linie&nbsp;4]], wovon der erste Linienabschnitt (nämlich der von ''Alexandrowski Sad'' bis ''Smolenskaja'') bereits seit 1935 existierte, und zum anderen die [[Kaluschsko-Rischskaja-Linie|Linie&nbsp;6]] als eine wichtige Nord-Süd-Trasse. Bis zum Zerfall der Sowjetunion 1991 wurde kontinuierlich am Metrobau festgehalten und es wurden noch drei weitere Linien eröffnet. Seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs waren jährlich durchschnittlich über vier Kilometer Strecke dem Verkehr übergeben worden. Nach 1991 investierte die Stadt Moskau aufgrund des steigenden Automobilverkehrs stärker in die Straßeninfrastruktur, wodurch der Ausbau der Metro gebremst wurde. Viele der bereits damals überfälligen Ausbauprojekte konnten, auch wegen der sich in den 1990er Jahren wiederholenden Wirtschaftskrisen und des daraus resultierenden ständigen Geldmangels, nicht realisiert werden. Erst nach der Jahrtausendwende wurden wichtige Ausbauprojekte wieder vorangetrieben. === Bau der Light-Metro === Da das bisherige Metronetz – einschließlich geplanter Strecken – zahlreiche Wohngebiete noch immer nicht erschlossen hatte und damit für hunderttausende Bürger Moskaus nicht erreichbar war, suchte man in jüngerer Zeit nach Lösungen für einen kostengünstigeren und doch schnellen Ausbau des Netzes. Eine davon wurde schließlich in Form der sogenannten „Light-Metro“ (russisch „{{lang|ru|лёгкое метро}}“, eine Art [[Stadtbahn]]) verwirklicht. Bei der 2003 eröffneten [[Butowskaja-Linie|Linie&nbsp;L1]] handelt es sich um die erste Linie dieser Art in Moskau. [[Datei:Ulskobelevskaya-mm.jpg|miniatur|Light-Metrostation ''Uliza Skobelewskaja'']] Die Light-Metro stellt technisch einen vollwertigen Bestandteil des Metronetzes dar; insbesondere hat sie die gleiche Spurweite und verwendet ebenfalls [[Stromschiene]]n. Sie unterscheidet sich vom konventionellen Metronetz im Wesentlichen dadurch, dass sie auf ein niedrigeres Fahrgastaufkommen hin angelegt ist. Entsprechend werden solche Linien mit kürzeren Zügen befahren, die Bahnsteige sind kürzer und schmaler, die Stationen und die Strecken sind größtenteils oberirdisch in Form einer [[Hochbahn]] angelegt. Die Linie L1 wurde gebaut, um die in den 1980er Jahren nach Moskau eingemeindete [[Satellitenstadt]] Butowo an das Moskauer Metronetz anzubinden. In den nächsten Jahren soll auch der Bau einer weiteren Light-Linie abgeschlossen werden, die die im Südwesten Moskaus liegende Siedlung Solnzewo mit der Linie&nbsp;1 (und später auch mit der Linie&nbsp;3) verbinden soll. Weitere Light-Metro-Systeme sind inzwischen auch in mehreren anderen Großstädten Russlands in Planung, darunter in [[Sankt Petersburg]]. Vom Bau der Light-Metro erhofft man sich vor allem, die längst überfällige Anbindung einiger bevölkerungsreicher Vorstädte an das Metronetz mit geringeren Kosten zu realisieren, als dies durch die Verlängerung der bestehenden konventionellen Metrolinien möglich wäre. Am Bau konventioneller Metrostrecken wird jedoch nach wie vor festgehalten, da die Hochbahn nicht in allen Fällen als optimale Lösung gilt. == Katastrophen in der Moskauer Metro == Auch wenn die Moskauer Untergrundbahn zu den technisch zuverlässigsten und damit auch sichersten U-Bahn-Systemen weltweit zählt, war es im Verlauf der Betriebsgeschichte dennoch zu mehreren Zwischenfällen gekommen. Nachfolgend sind die folgenschwersten bzw. spektakulärsten Unglücke mit [[Personenschaden|Personenschäden]] aufgelistet, die sich in der Metro Moskau seit ihrer Inbetriebnahme ereignet haben. === Der erste Terroranschlag 1977 === Der erste ernsthafte Zwischenfall in der bis dahin gut vierzigjährigen Moskauer Metrogeschichte war zugleich der erste ''öffentlichkeitswirksame'' Terroranschlag in der Sowjetunion, die bis dahin [[Terrorismus]] in dieser Form noch nicht kannte. Am 8.&nbsp;Januar 1977 ereigneten sich in Moskau gleich drei Bombenexplosionen, davon eine am frühen Abend in einem vollbesetzten Metrozug zwischen den Stationen ''Ismailowskaja'' und ''Perwomaiskaja'' (Linie&nbsp;3), weitere zwei Bomben gingen in einem nahe gelegenen Lebensmittelladen bzw. in einer Mülltonne hoch. Insgesamt kamen sieben Menschen ums Leben und weitere 37 wurden zum Teil schwer verletzt. Nach der Explosion im Metrotunnel musste der Zug samt dem zerstörten Wagen weiter zur Station ''Perwomaiskaja'' gefahren werden, die inzwischen gesperrt und geräumt worden war; da jedoch mehrere aus der Gegenrichtung kommende Züge mit Fahrgästen die Station ohne Halt passieren mussten, eröffnete sich den Insassen dieser Züge ein Bild des Schreckens in Form des zerfetzten Wagens und zahlreicher, zum Teil schwer verletzter Menschen auf dem Bahnsteig. Angesichts der äußerst spärlichen öffentlichen Informationspolitik der sowjetischen Massenmedien kursierten danach im Land böse Gerüchte über angeblich Hunderte von Toten. Die Suche nach den Tätern dauerte zehn Monate; schließlich wurden drei [[Armenien|armenische]] Separatisten verhaftet, bei denen Beweisstücke für ihre Täterschaft sowie Bauteile für weitere Bomben sichergestellt wurden. Alle drei wurden in einem geheimen Gerichtsverfahren, das ein Jahr lang dauerte, zum Tode verurteilt und Anfang 1979 durch Erschießung hingerichtet. === Der Rolltreppen-Unfall 1982 === Den ersten Unfall mit Todesopfern erlebte die Metro am 17. Februar 1982. An der Station ''Awiamotornaja'' (Linie&nbsp;8) waren beim Bau zwei Jahre zuvor Rolltreppen einer neuen Bauart installiert worden, bei denen schon vor dem Unfall ein [[Konstruktionsfehler]] festgestellt worden war. Wie schwerwiegend dieser war, wurde jedoch erst nach dem Vorfall deutlich: Gegen 17&nbsp;Uhr, gerade als mit dem abendlichen Berufsverkehr das Fahrgastaufkommen anwuchs, kam es zu einem Mechanikschaden im Inneren der Rolltreppe, der durch eine beschädigte Treppenstufe ausgelöst wurde. Die Bremsen erwiesen sich nun, bedingt durch den Konstruktionsfehler, als zu schwach, um die Rolltreppe anhalten zu können. Sie beschleunigte daher ungebremst abwärts, unter dem Gewicht Dutzender Fahrgäste. Es kam zu einer [[Massenpanik]] – die Menschen am unteren Ende stürzten wegen der hohen Geschwindigkeit und wurden von den Nachfolgenden erdrückt. Schließlich wurden acht Todesopfer und rund 30 Verletzte gezählt. Da von dem Vorfall in den sowjetischen Medien kaum berichtet wurde, machten sich verschiedene Gerüchte breit – teils war die Rede von hunderten Personen, die beim Unfall in Panik auf das Geländer der Rolltreppe geklettert, ins Rolltreppeninnere eingebrochen und dort vom Getriebe zerstückelt worden seien. In der Tat flüchteten einige Betroffene auf das Geländer und brachen dort ein, jedoch kamen diese mit [[Prellung]]en davon, da unmittelbar unter der Verkleidung keine Maschinen sind, sondern hohler Raum. Die Station ''Awiamotornaja'' musste nach dem Unfall für drei Wochen gesperrt werden, wobei die Rolltreppen gründlich überholt und neue Sicherheitsmaßnahmen eingesetzt wurden. Auch andere Stationen mit baugleichen Rolltreppen wurden in Folge überholt. === Erster postsowjetischer Terroranschlag 1996 === Am 11. Juni 1996 detonierte ein unter einem Sitz versteckter, selbstgebauter [[Trinitrotoluol|TNT]]-Sprengsatz am späten Abend in einem Zug zwischen den Stationen ''Tulskaja'' und ''Nagatinskaja'' (Linie&nbsp;9). Unter der Wucht der Explosion wurde nicht nur der betroffene Wagen zerstört, auch in anderen Waggons gingen Fensterscheiben zu Bruch, es kam zu einer starken Rauchentwicklung, so dass der Zug nicht weiterfahren konnte. Alle rund 250 Fahrgäste mussten über den Tunnel evakuiert werden, für vier Personen kam jedoch jede Hilfe zu spät, weitere 16 erlitten zum Teil schwerste Verletzungen. Der Anschlag wird [[Tschetschenien|tschetschenischen]] Separatisten zugeschrieben. [[Datei:Avtozavodskaya-memorial.jpg|miniatur|Gedenktafel in der Station ''Awtosawodskaja'' für die Opfer des Anschlags von 2004]] === Erster Selbstmordanschlag 2004 === Der dritte und zugleich folgenschwerste Anschlag in der Moskauer Metro ereignete sich am 6. Februar 2004 gegen 8:30 Uhr am frühen Morgen in einem Zug zwischen den Stationen ''Awtosawodskaja'' und ''Pawelezkaja'' (Linie&nbsp;2). Erstmalig wurde der Anschlag von einem [[Selbstmordattentäter]] verübt, einem 20-jährigen [[Tschetschenen]]. Die Uhrzeit und der Ort des Anschlags wurden von den Drahtziehern – die bis heute nicht genau ermittelt werden konnten – offenbar absichtlich gewählt, um so viele Opfer wie möglich herbeizuführen (eine gewöhnlich sehr stark beanspruchte Linie während der Morgenspitze). Der zweite Wagen, in dem der Sprengsatz hochging, wurde fast komplett zerfetzt, die beiden benachbarten Wagen wurden durch die Wucht der Detonation ebenfalls beschädigt. Unzählige Fahrgäste, die sich im Zug befanden, mussten nach und nach durch den Tunnel zu den beiden nächstgelegenen Stationen evakuiert werden; durch das Versagen einiger beschädigter Wagentüren konnten viele Insassen über längere Zeit nicht aus dem Wagen befreit werden, was zusätzliche Panik auslöste. Die Bergung der Opfer und die Aufräumarbeiten auf dem Streckenabschnitt dauerten bis zum Abend. Die Bilanz des Anschlags belief sich auf 39 Tote und weit über 100 zum Teil schwerst Verletzte.<ref>[http://russlandonline.ru/metro622004/ Artikel zum Metroanschlag vom 6.2.2004 auf russland.ru]</ref> === Selbstmordanschläge im März 2010 === Am 29. März 2010 ereigneten sich am frühen Morgen gleich zwei Terroranschläge, von denen zwei Stationen der Linie&nbsp;1 betroffen waren. Damit kam es zum zweiten Mal in der Geschichte der Moskauer Metro zu einem Selbstmordattentat. Insgesamt kamen 40 Fahrgäste ums Leben, über 100 weitere wurden teils lebensgefährlich verletzt. → ''Siehe: [[Anschläge am 29. März 2010 in Moskau]]'' == Ausbauplanungen == [[Datei:Delovoi-Tsentr.jpg|miniatur|Die Station ''Wystawotschnaja'' der Linie&nbsp;4, eröffnet 2005]] [[Datei:Medvedev-Luzhkov-Gayev-SlavyanskyBulvar206231.jpg|miniatur|Die Eröffnung der Station ''Slawjanski Bulwar'' im September 2008 mit Oberbürgermeister [[Juri Michailowitsch Luschkow|Juri Luschkow]], Präsident [[Dmitri Anatoljewitsch Medwedew|Dmitri Medwedew]] und Metro-Chef Dmitri Gajew]] In den 1990er Jahren konnten aufgrund der wirtschaftlichen Probleme in Russland und des damit verbundenen Geldmangels der öffentlichen Hand viele der geplanten Ausbauprojekte nicht realisiert werden. Mit der zunehmenden Stabilisierung ab dem Jahrtausendwechsel, und auch mit der zunehmenden Prosperität Moskaus unter Bürgermeister [[Luschkow]] wird heute wieder verstärkt daran gearbeitet, die Metro auszubauen. Eine Reihe von Stationen wurden aufwändig renoviert, so die 2007 fertiggestellte Station ''[[Majakowskaja (Metro Moskau)|Majakowskaja]]'', benannt nach dem berühmten [[Futurismus|Futuristen]] [[Wladimir Wladimirowitsch Majakowski|Wladimir Majakowski]]. Für die nächsten Jahre sind folgende Erweiterungen des Metronetzes geplant: * Verlängerung der Linie&nbsp;10 nach Norden um zwei weitere Stationen bis ''Marjina Roschtscha'' (Mitte 2010) <!--* Neue Station ''Technopark'' zwischen den bestehenden Stationen der Linie&nbsp;2 ''Awtosawodskaja'' und ''Kolomenskaja'' (ursprünglich für 2009 geplant)--> * Verlängerung der Linie&nbsp;8 von ''Nowogirejewo'' bis ''Nowokossino'' (2011) * Verlängerung der Linie&nbsp;10 nach Süden bis ''Sjablikowo'' (2011 oder 2012) * Verlängerung der Linie&nbsp;2 von ''Krasnogwardeiskaja'' bis ''Bratejewo'' (2011 oder 2012) * Verlängerung der Linie&nbsp;7 von ''Wychino'' bis ''Schulebino'' (2011 oder 2012) * Verlängerung der Linie&nbsp;3 von ''Mitino'' bis ''Pjatnizkaja'' (2011 oder 2012) * Verlängerung der Linie&nbsp;10 weiter nach Norden bis ''Werchnije Lichobory'' (frühestens 2013) Im Jahre 2008 wurden aus dem russischen Staatshaushalt insgesamt 3,235 Milliarden Rubel (umgerechnet rund 80 Mio. Euro) für den Ausbau der Moskauer Metro bewilligt<ref name="Jahresbericht 2008">[http://www.mosmetro.ru/files/15620733874a0c2757df6c0/2008.pdf Jahresbericht 2008 der Metro Moskau]</ref>. Nach Ankündigung eines Vertreters des russischen Finanzministeriums sollte dieser Zuschuss in den nächsten Jahren weiter erhöht werden: 2009 auf 9,68&nbsp;Milliarden und 2010 auf 10,65&nbsp;Milliarden Rubel. Die Moskauer Stadtverwaltung bezeichnete die Zuschüsse dennoch als unzureichend und forderte eine 50-prozentige Beteiligung des Staates am Metrobau.&nbsp;<ref>RIA Nowosti: [http://de.rian.ru/business/20070523/65991230.html ''Haushalt: 222,9&nbsp;Millionen Euro für U-Bahn-Bau in Russland 2007 vorgesehen''], 23. Mai 2007</ref> Bisher muss der Löwenanteil der finanziellen Mittel für den Metrobau von der Stadt Moskau aufgebracht werden: So betrug im Jahr 2008 der Zuschuss aus dem Stadthaushalt 41,576&nbsp;Milliarden Rubel<ref name="Jahresbericht 2008"></ref> (umgerechnet gut eine Milliarde Euro) und damit 93 % der in den Ausbau investierten Mittel. Aufgrund der [[Finanzkrise ab 2007|internationalen Finanzkrise]], die in Russland auch die Baubranche empfindlich getroffen hat, wird inzwischen allerdings bezweifelt, ob alle mittelfristigen Bauvorhaben rechtzeitig realisiert werden können. So wird aktuell damit gerechnet, dass das Baubudget der Moskauer Metro für das Jahr 2009 um rund 7&nbsp;Milliarden Rubel gegenüber 2008 gekürzt wird.<ref>[http://www.izvestia.ru/moscow/article3122987/ ''Iswestija'', 27. November 2008]</ref> Für das Jahr 2010 ist kein Zuschuss mehr aus dem Staatshaushalt für den Metrobau vorgesehen. == Fahrzeuge == === Allgemeines === {| style="float: right; margin-left: 0.6em; width: 33%; white-space: nowrap;" class="wikitable" |- bgcolor="#BBCCFF" ! colspan="5" | Alle Zugbaureihen der Metro Moskau |- bgcolor="#E8E8E8" ! Baureihe || Produktionszeitraum || Einsatzzeitraum |- | ''А/Б'' („A/B“) || 1934–39 || 1935–75 |- | ''[[BVG-Baureihe C|B]]'' („W“, ehemals ''C'') || 1927–30 || 1946–61 |- | ''Г'' („G“) || 1939–40, 1946–56 || 1940–82 |- | ''Д'' („D“) || 1955–63 || 1955–95 |- | ''E/Ем/Еж'' („E/Em/Esch“) || 1959–77 || 1962&nbsp;ff. |- | ''[[U-Bahnwagen 81-717/714|81-717/714]]'' || 1976&nbsp;ff. || 1977&nbsp;ff. |- | ''81-720/721 „Jausa“'' || 1991&nbsp;ff. || 1998&nbsp;ff. |- | ''[[U-Bahnwagen 81-740/741|81-740/741 „Russitsch“]]'' || 2002&nbsp;ff. || 2003&nbsp;ff. |} Alle Züge, die in der Moskauer Metro eingesetzt werden bzw. in der Vergangenheit eingesetzt wurden, stammen – mit Ausnahme der Baureihe&nbsp;В – aus russischer Produktion. Sie werden von den Maschinenwerken [[Metrowagonmasch]] in [[Mytischtschi]] bei Moskau hergestellt, gewartet und modernisiert; ein Teil des in den 1980er-Jahren angeschafften Fuhrparks stammt aus der Produktion des [[Sankt Petersburg]]er Jegorow-Maschinenbauwerks, zugleich Hauptlieferant der [[Metro Sankt Petersburg]]. Technisch ist sämtlichen Baureihen die Stromversorgung über eine linksseitig des Gleises verlaufende [[Stromschiene]] gemeinsam. Alle Wagen sind jeweils 19,2 Meter lang und haben je Seite vier automatische Doppelschiebetüren. Die einzige Ausnahme bilden die Gelenkwagen der Baureihe 81-740/741, die jeweils 27,5 Meter lang bei ebenfalls vier Türen pro Seite sind. Sämtliche Modelle sind im Fahrgastraum ausschließlich mit Längssitzen ausgestattet. Die Züge werden je nach Linie als Sechs-, Sieben- oder Achtfachgarnituren eingesetzt. Alle Linien der Moskauer Metro verwenden russische [[Breitspur]] (1524&nbsp;mm). === Historische Fahrzeuge === ==== Die Anfänge ==== Der Bau von U-Bahn-Zügen für Moskau begann 1934, gut ein Jahr vor der Eröffnung der ersten Linie. Dabei musste die international weitgehend isolierte Sowjetunion aufgrund massiver finanzieller Schwierigkeiten auf den teuren Import von Zügen verzichten und statt dessen einheimische Hersteller mit der Entwicklung und Produktion beauftragen. Dabei stand die Industrie vor dem Problem, für U-Bahn-Züge einen neuartigen Motor zu entwickeln, da der für gewöhnliche Eisenbahnzüge verwendete elektrische Motor aus Platzgründen nicht verwendet werden konnte. Als das Moskauer ''Dynamo''-Werk schließlich einen passenden 825-V-Kompaktmotor produzierte, galt es, einen geeigneten Wagenkasten zu entwickeln. Der Entwurf des Architekten Leonid Teplizki, der einen für damalige Zeiten recht vornehm anmutenden Fahrgastraum mit Lederpolstersitzen und 30 runden Deckenleuchten vorsah, bekam schließlich den Zuschlag. Das mit der Herstellung beauftragte Maschinenbauwerk zu [[Mytischtschi]], das heutige [[Metrowagonmasch]], nahm daraufhin die Produktion auf und stellte Ende August 1934 die ersten Waggons her, die die Bezeichnung ''Baureihe A'' trugen. Bei diesen Zügen erfolgte die Stromabnahme nur über den ersten und den letzten Wagen; außerdem hatte jeder Wagen neben der Führerstandskabine auch einen [[Schaffner (Eisenbahn)|Schaffnerplatz]] (die heute verwendeten Zugangsschranken an den Stationen lösten erst in den 1960er Jahren die Schaffner ab). Die ersten Züge wurden im September 1934 an die Metro ausgeliefert und wurden im neu entstehenden Depot ''Sewernoje'' abgestellt, das die erste Linie bedienen sollte. Die erste Testfahrt folgte am 16.&nbsp;Oktober 1934; der erste reguläre Einsatz der Züge – damals in Vierfachtraktion – war am Eröffnungstag der Metro am 15.&nbsp;Mai 1935. Insgesamt waren für den Betrieb des ersten Bauabschnitts der Moskauer Metro 48 Wagen der Baureihe ''A'' ausgeliefert. Die von ihrer ersten Auslieferung an noch gut 40 Jahre lang eingesetzte Baureihe wurde 1937 – als Modell ''Б'' – sowie Mitte der 1950er Jahre – als Modifikationen ''Ам/Бм'' – nochmals technisch weiterentwickelt. Bereits Ende der 1930er Jahre nahm das Metrowagonmasch-Werk die Entwicklung einer neuen Baureihe namens ''Г'' auf, die auf der gerade neu gebauten [[Samoskworezkaja-Linie|Linie&nbsp;2]] eingesetzt werden sollte. Bis 1941 wurden auch einige Wagen zu Testzwecken hergestellt und auf Probefahrten eingesetzt. Mit dem [[Krieg gegen die Sowjetunion 1941–1945|Überfall Deutschlands auf die Sowjetunion]] im [[Zweiter Weltkrieg|Zweiten Weltkrieg]] musste jedoch Metrowagonmasch, wie viele andere Betriebe der Sowjetunion auch, seine Produktion komplett auf [[Waffe|Rüstungsgüter]] umstellen. Indes ging der U-Bahn-Betrieb auch in den vier Kriegsjahren fast ununterbrochen weiter, es wurden sogar einige Kilometer neuer Metrolinien gebaut und in Betrieb genommen. Dementsprechend wurde Mitte der 40er-Jahre die Beschaffung von weiteren Zügen notwendig, was aber wegen des kriegsbedingten Produktionsstillstandes nicht ohne weiteres möglich war. Schließlich prüften Fachleute die Möglichkeit, U-Bahn-Züge aus der Hauptstadt des gerade besiegten Deutschlands zu übernehmen. Da die in der [[U-Bahn Berlin]] verwendeten [[Großprofil]]züge im Grunde technisch geeignet für den Betrieb in Moskau erschienen, beschlagnahmte die Sowjetunion im Herbst 1945 eine Reihe von Waggons des Typs ''CIII'' und ''CII'', die in der Sowjetunion als Baureihe ''B'' (das kyrillische ''W'', abgeleitet von ''Wojennyje'' – ''Kriegswagen'') geführt wurde. Insgesamt wurden auf diesem Wege 120 Wagen per Eisenbahn von Berlin nach Moskau gebracht. Für den Einsatz in Moskau wurden die Wagen dort umfassend modernisiert und auf die Standards der Moskauer Metro, vor allem von [[Normalspur]] auf [[Breitspur]], umgestellt. Der reguläre Einsatz der Züge konnte 1946 beginnen. ==== Entwicklung nach dem Zweiten Weltkrieg ==== Nach dem Kriegsende nahm Metrowagonmasch die Weiterentwicklung und Herstellung der Ende der 30er-Jahre erarbeiteten Baureihe ''Г'' wieder auf. Die Serienproduktion setzte ab 1947 ein. Im Gegensatz zu den ''А/Б''-Zügen erfolgte die Stromabnahme bei der neuen Baureihe über alle Waggons, die Höchstgeschwindigkeit wurde von 65 auf 75 Kilometer pro Stunde erhöht. Auch wurden etliche Verbesserungen bei der Karosserie, der Elektrik und dem Bremssystem vorgenommen. Insgesamt galten die Wagen dieser Baureihe bei Abschluss der Entwicklungsphase als technisch sehr fortgeschritten und zuverlässig. Da die Wagen in den ersten Nachkriegsjahren noch nicht in ausreichender Stückzahl hergestellt werden konnten, blieben die Berliner ''B''-Züge noch bis 1961 parallel zur neuen Baureihe in Betrieb, ehe sie endgültig ausgemustert wurden. Nachdem Ende der 1940er Jahre der Parallelbetrieb der Baureihen ''B'' und ''Г'' in der Metro Moskau begonnen hatte, beschloss Metrowagonmasch, bei der Entwicklung eines neuen Zugtyps vor allem darauf zu setzen, die technischen Vorteile beider Reihen miteinander zu verbinden. Bereits 1949 liefen die ersten fünf Testwaggons vom Fließband, die zunächst die Bezeichnung ''M5'' erhielten. Die Entwicklung der neuen Baureihe wurde 1955 abgeschlossen, sie erhielt die endgültige Bezeichnung ''Д'' und wurde serienmäßig hergestellt. Äußerlich gab es kaum Unterschiede gegenüber der Vorgängerbaureihe ''Г'', wohl aber technisch: Das Leergewicht der Wagen wurde von 43,7 auf 36,2 Tonnen reduziert, es kam erstmals die [[Scharfenbergkupplung]] statt der gewöhnlichen Eisenbahnkupplung zum Einsatz, die Beleuchtung und die Ventilation des Fahrgastraumes wurden verbessert. Die noch bis 1963 hergestellte Baureihe war in der Moskauer Metro bis 1995 im Einsatz, zuletzt auf der [[Arbatsko-Pokrowskaja-Linie|Linie&nbsp;3]]. === Aktuell eingesetzte Fahrzeuge === ==== Die ''E''-Familie ==== [[Datei:Wiki-e.jpg|miniatur|Ein Zug vom Typ ''E'' im Einsatz auf der Filjowskaja-Linie]] Gegenwärtig sind in der Moskauer Metro drei Generationen von Fahrzeugen im regulären Einsatz. Bei der ältesten handelt es sich um Züge der Baureihe ''E/Ем/Еж'', die noch bis Mitte der 1970er Jahre hergestellt wurden. Diese Nachfolgebaureihe von ''Д'' wurde von Metrowagonmasch Ende der 1950er Jahre entwickelt; die ersten Waggons entstanden 1959, die Serienproduktion begann 1963. Die ''E''-Wagen hatten gegenüber dem Vorgängermodell eine etwas modifizierte äußere Gestaltung des Wagenkastens, ferner eine Reihe von technischen Verbesserungen, die unter anderem auf eine höhere Leistung abzielten. So betrug die Höchstgeschwindigkeit der Züge 90 statt bisher 75&nbsp;km/h, das Gewicht der Waggons wurde nochmals, auf 31,5 Tonnen, reduziert, die Türenbreite um gut ein Fünftel gegenüber dem Vorgängermodell vergrößert, um eine schnellere Zugabfertigung an den Stationen zu ermöglichen. Der Fahrgastraum wurde mit einem verbesserten Lüftungssystem ausgestattet. 1964 wurden Wagen der neuen Baureihe erstmals auch nach [[Metro Sankt Petersburg|Leningrad]] und [[Metro Kiew|Kiew]] ausgeliefert, 1965 und 1967 folgten die gerade neu eröffneten U-Bahnen von [[Metro Tiflis|Tiflis]] und [[Metro Baku|Baku]]. [[Datei:Vagon-E-inside.jpg|miniatur|Innenansicht Baureihe ''E/Ем/Еж'']] Die Baureihe wurde viele Jahre permanent weiterentwickelt und modifiziert. Neben diversen technischen Neuerungen am eigentlichen Modell ''E'', welches noch bis 1969 hergestellt wurde, entstanden in den 60er-Jahren auch die Modifikationen ''Ем'' und ''Еж''. Die erstere wurde für den Betrieb in Sankt Petersburg notwendig, wo es im Gegensatz zur Moskauer Metro Stationen mit [[Bahnsteigtür]]en gibt, an denen gewöhnliche ''E''-Züge wegen des gegenüber der Vorgängerbaureihe geringeren Abstandes zwischen den Türen nicht halten können; von diesem Wagentyp entstanden bis 1977 zusätzlich einige Modifikationen wie ''Ем-501'', ''Ем-508'', ''Ем-508T'', ''Ема'' oder ''Емх'', ferner eine speziell für die [[Metró Budapest]] entwickelte und dort noch bis heute eingesetzte Modifikation ''Ев'' sowie das Modell ''Ечс'' (Ečs) für [[Metro Prag|Prag]], wo es bis 1997 im Einsatz war. Das Modell ''Еж'' sowie seine Modifikationen ''Еж1'' (vorgesehen vor allem für die Verwendung als Zwischenwaggon, obwohl es ebenfalls eine Führerstandskabine besitzt) und ''Еж3'' (entwickelt 1973 als Nachfolgetyp des Führerstandswaggons ''Еж'') wurde von 1970 an hergestellt und war der zuletzt hergestellte Wagentyp der ''E''-Baureihe, bis die Produktion Ende der 1970er-Jahre endgültig eingestellt wurde. Sowohl die ''Ем''- als auch die ''Еж''-Gattung unterscheidet sich lediglich technisch vom ursprünglichen Typ, äußerlich sehen sie alle – abgesehen von den Budapester und Prager Modifikationen, die andere Anstriche erhielten – weitgehend gleich aus. [[Datei:Vagon-Emod-inside.jpg|miniatur|Innenansicht ''Ем508Т'' (modernisiert)]] Heute sind Züge der Baureihe ''E/Ем/Еж'' in der Metro Moskau, nachdem sie 2009 auf der [[Filjowskaja-Linie|Linie&nbsp;4]] vollständig durch die Baureihe 81-740/741 ersetzt wurden, nur noch auf zwei Linien im Einsatz. Auf der [[Arbatsko-Pokrowskaja-Linie|Linie&nbsp;3]] wird der bisherige Fahrzeugpark aktuell ebenfalls durch Wagen der Baureihe 81-740/741 ersetzt. Einen Sonderfall stellt die [[Tagansko-Krasnopresnenskaja-Linie|Linie&nbsp;7]] dar, die von Fahrzeugen der Modifikationen ''Еж3'' und ''Ем508Т'' befahren wird: Seit 2003 wurden nahezu alle dortigen Waggons modernisiert, wodurch sich ihre Nutzungsdauer um weitere 15 Jahre verlängern ließ. Bei dieser Modernisierung wurden unter anderem die Führerstandskabinen in den Zwischenwaggons abgebaut, womit zusätzlicher Platz für den Fahrgastraum gewonnen wurde. ==== Baureihe 81-717/714 ==== ''Siehe Hauptartikel: [[Metrowagonmasch 81-717/714]]'' [[Datei:7175m.jpg|miniatur|Ein Zug der Baureihe 81-717/714 an der Station ''Uliza Podbelskogo'', Linie&nbsp;1]] Die aktuell in der Moskauer Metro am häufigsten verwendete Fahrzeugbaureihe sind die sogenannten ''Nomernyje''-Züge, also die Baureihe ''81-717/714'', die ab Ende der 1970er Jahre anstelle der ''E''-Modifikationen produziert wurde. Mit dieser Baureihe wurde von Metrowagonmasch auch erstmals ein Fahrzeugtyp mit führerstandslosen Zwischenwaggons entwickelt (letztere werden als Typ 81-714 geführt, während 81-717 die Führerstandswaggons sind), was eine nicht unerhebliche Kapazitätssteigerung gegenüber den älteren Modellen bedeutete. Die im wesentlichen auf Basis der ''E''-Züge erarbeitete Baureihe sollte dabei ursprünglich nur eine Zwischenlösung sein, um den im Zusammenhang mit den [[Olympische Sommerspiele 1980|Olympischen Spielen]] erwarteten Anstieg des Fahrgastaufkommens aufzufangen; die eigentliche Nachfolgebaureihe sollte die sich parallel in der Entwicklungsphase befindliche, gänzlich neuartige Baureihe ''И'' sein. Aufgrund diverser technischer Mängel musste jedoch Jahre später deren Entwicklung eingestellt werden; die Fahrzeuge kamen weder in die Serienproduktion noch in regulären Einsatz. Stattdessen wurden die wesentlich robusteren ''Nomernyje'' mehrfach modifiziert und weiterentwickelt. Die Serienproduktion wurde noch 1978 aufgenommen. Neben der höheren Platzkapazität fallen die Züge gegenüber den Vorgängermodellen durch ein moderneres Stirnfrontdesign und eine in mehrfacher Hinsicht verbesserte Gestaltung des Fahrgastraumes auf. Auf der Basis des im Jahre 1976 entwickelten Modells 81-717/714 entstanden bis in die 2000er Jahre mehrere Nachfolgemodelle, darunter: * 81-717.5/714.5 – entwickelt 1987, später und noch bis heute eingesetzt in fast allen U-Bahnen der ehemaligen Sowjetunion, * 81-717.5M/714.5M – entwickelt 1993 und produziert bis heute, im Einsatz in der Moskauer sowie der Kiewer Metro, und * mehrere Exportmodifikationen für die U-Bahnen von Budapest, Prag, [[Metro Warschau|Warschau]] und [[Metropolitan Sofia|Sofia]]. ==== Baureihe 81-720/721 ''Jausa'' ==== [[Datei:Metro wagon 81-720.jpg|miniatur|Ein Zug der Baureihe 81-720/721 im Einsatz auf der Linie&nbsp;10]] Die in den 80er-Jahren gescheiterte Baureihe ''И'' hatte Metrowagonmasch Anfang der 90er als Basis für die Erarbeitung einer Baureihe der neuen Generation genommen. Erstmalig wurden die neuen Züge 1993 präsentiert; ihr Wagenkasten erinnerte samt Türen von der Form her geringfügig an die Versuchswaggons aus den 1970er Jahren. Die neben ihrer primären Baureihenbezeichnung auch den (an den [[Jausa|gleichnamigen Fluss]] angelehnten) Namen ''Jausa'' tragenden Züge weisen mit gut fünf Jahren die wohl längste Zeitspanne zwischen der erstmaligen Herstellung und dem Beginn des regulären Einsatzes in der Geschichte des Metrowagonmasch-Werkes auf. Ein Grund hierfür war der wirtschaftliche Zusammenbruch Russlands in den 1990er Jahren, infolgedessen es an finanziellen Mitteln sowohl für die Entwicklung als auch die Anschaffung neuer U-Bahn-Fahrzeuge mangelte. Erst im Juni 1998 kamen die ersten ''Jausas'' zum Einsatz auf der [[Ljublinsko-Dmitrowskaja-Linie|Linie&nbsp;10]] der Moskauer Metro. Die Züge haben im Vergleich zur Baureihe 81-717/714 ein neuartiges Außendesign, verfügen als erster Metrowagonmasch-Zugtyp über einen elektronischen Fahrtzielanzeiger und haben eine verbesserte Brandschutzausrüstung und Motorleistung. Auch der Fahrgastraum erhielt eine neue Innengestaltung und eine verbesserte Schalldämmung. Jedoch kam es auch nach mehrfachen Ausbesserungen zu technischen Pannen mit den ''Jausas'', die bei ihrem Einsatz auf der Linie&nbsp;10 zu Zugausfällen führten. Deshalb stellte Metrowagonmasch 2002 die drei Jahre zuvor aufgenommene Serienherstellung der Baureihe ein. Insgesamt liefen in jenem Zeitraum 49 ''Jausa''-Waggons vom Fließband, die bis heute auf der Ljublinsko-Dmitrowskaja-Linie in Siebenfachtraktionen parallel zu herkömmlichen 81-717/714er Zügen kursieren. Einige der Jausa-Waggons wurden im Sommer 2008 ins Depot ''Samoskworezkoje'' für den Einsatz auf der Kachowskaja-Linie verlegt. ==== Baureihe 81-740/741 ''Russitsch'' ==== ''Siehe Hauptartikel: [[Metrowagonmasch 81-740/741]]'' [[Datei:Vagon-741-outside.jpg|miniatur|Ein Zug der Baureihe 81-740/741 an der Station ''Meschdunarodnaja'', Linie&nbsp;4]] Die neueste bei der Metro Moskau eingesetzte Fahrzeugbaureihe ist die seit 2002 produzierte ''81-740/741'', auch ''Russitsch'' genannt. Sie wurde von Metrowagonmasch in den Jahren 2001 bis 2002 vor allem für die Verwendung auf den sogenannten Light-Metro-Linien (siehe oben den Abschnitt „[[#Bau der Light-Metro|Bau der Light-Metro]]“) entwickelt. Technisch sind sie im Prinzip auch auf jeder anderen Linie einsetzbar, faktisch jedoch, aufgrund ihrer im Vergleich zur Baureihe 81-717/714 relativ geringen Platzkapazität, nur auf bestimmten, relativ schwach ausgelasteten Linien. Bei der Entwicklung der ''Russitsch''-Züge wurde zu einem großen Teil die ''Jausa''-Baureihe als Basis genommen, allerdings erfuhren die Züge gegenüber diesem Modell zahlreiche Veränderungen sowohl im Äußeren als auch im Inneren. Seit 2003 ist die Baureihe 81-740/741 auf der im selben Jahr in Betrieb genommenen [[Butowskaja-Linie|Linie&nbsp;L1]] im alleinigen Einsatz, 2005–2009 wurde die Linie&nbsp;4 komplett auf diese Fahrzeuge umgestellt, ferner sind die Russitsch-Züge seit Ende 2006 auf der Linie&nbsp;3 und seit Sommer 2009 auf der Linie&nbsp;5 anzutreffen. Auf den letzteren beiden Linien sollen sie in den nächsten Jahren die dort bis dahin verwendeten älteren Züge (''E/Ем/Еж'' auf der Linie&nbsp;4 bzw. ''81-717/714'' auf der Linie&nbsp;5) ablösen. ==== Baureihe 81-760/761 ==== Von 2005 bis 2010 entwickelte Metrowagonmasch für die Moskauer Metro mit 81-760/761 eine weitere Baureihe, deren Züge die Hauptvorteile der Reihen 81-720/721 und 81-740/741 in sich vereinigen sollen, gleichzeitig aber geringere Produktions- und somit Anschaffungskosten aufweisen. Die ersten Probeexemplare wurden Anfang 2010 an das Depot ''Sokol'' ausgeliefert, die offizielle Präsentation der Baureihe ist für den 15. Mai 2010 vorgesehen. Gegenwärtig ist die Aufnahme der Serienproduktion dieser Züge für das Jahr 2011 geplant. === Fahrzeugdepots === [[Datei:Depot-izmailovo.jpg|miniatur|Ein Zug der Baureihe ''E/Ем/Еж'' an der Einfahrt zum Depot ''Ismailowo'']] Die in der Metro Moskau fahrenden Züge werden in insgesamt 15 [[Depot (Verkehr)|Depots]] abgestellt. Dabei hat grundsätzlich jede Linie jeweils ''ihr'' Depot für alle Fahrzeuge, die auf der Linie fahren; bestimmte größere Linien verfügen sogar über jeweils zwei eigene Depots. Alle 15 Depots sind oberirdisch gelegen und mit den jeweiligen Strecken über Betriebsgleise verbunden, die von unterirdischen Strecken per Rampe auf die Oberfläche führen. Die Funktionen eines jeden Depots erstrecken sich auf die planmäßige Reinigung, Wartung und Reparatur der Fahrzeuge. Außerdem ist jeder Zugführer in einem bestimmten Depot angestellt; insbesondere hat er sich dort vor jedem Schichtbeginn einer routinemäßigen medizinischen Kontrolle zu unterziehen, die krankheitsbedingten Zugführerausfällen vorbeugen und damit einen reibungslosen Metrobetrieb sichern soll. Die 15 Depots der Moskauer Metro sind im Einzelnen in der nachfolgenden Tabelle aufgelistet. Für die nächsten Jahre ist außerdem die Inbetriebnahme von zwei neuen Depots geplant: So soll 2011 das Depot ''Bratejewo'' am südlichen Ende der Linie&nbsp;2 zeitgleich mit deren bevorstehenden Südverlängerung entstehen, ebenfalls in naher Zukunft wird die Linie&nbsp;3, die Ende 2009 um drei Stationen weiter Richtung Westen verlängert wurde, mit ''Mitino'' ihr zweites Depot bekommen. {| class="wikitable" |- bgcolor="#BBCCFF" ! Nr. || Depot || Eröffnungsdatum || Linie(n) || Betriebene Fahrzeugtypen || Standort |- | 1 || ''Sewernoje'' || 26. April 1935 || [[Sokolnitscheskaja-Linie|1]] || ''81-717.5М/714.5М'' || {{Coordinate|text=/|NS=55/46/53.476/N|EW=37/39/32.663/E|type=landmark|region=RU-MOW|name=Sewernoje}} |- | 2 || ''Sokol'' || 10. September 1938 || [[Samoskworezkaja-Linie|2]] || ''81-717/714'', ''81-717.5/714.5'' || {{Coordinate|text=/|NS=55/48/43.423/N|EW=37/30/48.575/E|type=landmark|region=RU-MOW|name=Sokol}} |- | 3 || ''Ismailowo'' || 14. Januar 1950 || [[Arbatsko-Pokrowskaja-Linie|3]] || ''Ем/Еж'', ''81-740/741'' || {{Coordinate|text=/|NS=55/47/20.882/N|EW=37/46/24.816/E|type=landmark|region=RU-MOW|name=Ismailowo}} |- | 4 || ''Krasnaja Presnja'' || 1. April 1954 || [[Kolzewaja-Linie|5]] || ''81-717/714'', ''81-740/741'' || {{Coordinate|text=/|NS=55/46/9.1380/N|EW=37/33/39.254/E|type=landmark|region=RU-MOW|name=Krasnaja Presnja}} |- | 5 || ''Kaluschskoje'' || 13. Oktober 1962 || [[Kaluschsko-Rischskaja-Linie|6]] || ''81-717/714'', ''81-717.5/714.5'' || {{Coordinate|text=/|NS=55/39/31.208/N|EW=37/32/43.058/E|type=landmark|region=RU-MOW|name=Kaluschskoje}} |- | 6 || ''Planernoje'' || 28. Dezember 1975 || [[Tagansko-Krasnopresnenskaja-Linie|7]] || ''Еж3'', ''Ем508Т'' || {{Coordinate|text=/|NS=55/52/9.2748/N|EW=37/26/12.300/E|type=landmark|region=RU-MOW|name=Planernoje}} |- | 7 || ''Samoskworezkoje'' || 10. Juli 1969 || [[Samoskworezkaja-Linie|2]], [[Kachowskaja-Linie|11]] || ''81-717/714'', ''81-717.5/714.5'', ''81-720/721'' || {{Coordinate|text=/|NS=55/38/42.068/N|EW=37/37/17.400/E|type=landmark|region=RU-MOW|name=Samoskworezkoje}} |- | 8 || ''Warschawskoje'' || 4. November 1983 || [[Serpuchowsko-Timirjasewskaja-Linie|9]], [[Butowskaja-Linie|L1]] || ''81-717/714'', ''81-740/741'' || {{Coordinate|text=/|NS=55/38/15.191/N|EW=37/37/17.015/E|type=landmark|region=RU-MOW|name=Warschawskoje}} |- | 9 || ''[[Fili]]'' || 1. Januar 1962 || [[Arbatsko-Pokrowskaja-Linie|3]], [[Filjowskaja-Linie|4]] || ''81-740/741'' || {{Coordinate|text=/|NS=55/44/39.592/N|EW=37/30/7.1712/E|type=landmark|region=RU-MOW|name=Fili}} |- | 10 || ''Swiblowo'' || 30. September 1978 || [[Kaluschsko-Rischskaja-Linie|6]] || ''81-717.5/714.5'', ''81-717.5M/714.5M'' || {{Coordinate|text=/|NS=55/51/33.948/N|EW=37/39/7.5960/E|type=landmark|region=RU-MOW|name=Swiblowo}} |- | 11 || ''Wychino'' || 31. Dezember 1966 || [[Tagansko-Krasnopresnenskaja-Linie|7]] || ''Еж3'', ''Ем508Т'' || {{Coordinate|text=/|NS=55/42/38.729/N|EW=37/49/45.545/E|type=landmark|region=RU-MOW|name=Wychino}} |- | 12 || ''Nowogirejewo'' || 30. Dezember 1979 || [[Kalininskaja-Linie|8]] || ''81-717/714'' || {{Coordinate|text=/|NS=55/44/59.028/N|EW=37/50/13.315/E|type=landmark|region=RU-MOW|name=Nowogirejewo}} |- | 13 || ''Tscherkisowo'' || 24. Juni 1990 || [[Sokolnitscheskaja-Linie|1]] || ''81-717.5М/714.5М'' || {{Coordinate|text=/|NS=55/48/28.206/N|EW=37/44/10.946/E|type=landmark|region=RU-MOW|name=Tscherkisowo}} |- | 14 || ''Wladykino'' || 1. März 1991 || [[Serpuchowsko-Timirjasewskaja-Linie|9]] || ''81-717/714'', ''81-717.5/714.5'', ''81-717.5M/714.5M'' || {{Coordinate|text=/|NS=55/51/0.0180/N|EW=37/36/44.802/E|type=landmark|region=RU-MOW|name=Wladykino}} |- | 15 || ''Petschatniki'' || 27. Dezember 1995 || [[Ljublinsko-Dmitrowskaja-Linie|10]] || ''81-717.5М/714.5М'', ''81-720/721'' || {{Coordinate|text=/|NS=55/42/5.0832/N|EW=37/43/4.0116/E|type=landmark|region=RU-MOW|name=Petschatniki}} |} == Durchsagen in den Zügen == Wie es auch in anderen U-Bahn-Systemen der Welt üblich ist, erfolgen in Zügen der Metro Moskau Ansagen der jeweils nächsten Station und der Umstiegsmöglichkeiten, wobei es sich im Normalfall um automatische Durchsagen vom Tonband oder einem digitalen Datenträger handelt. In dieser Angelegenheit bietet die Moskauer Metro eine recht große Vielfalt, in der auch ein paar Kuriositäten enthalten sind. Grundsätzlich erfolgt in allen Zügen eine Durchsage unmittelbar vor der Abfahrt und eine unmittelbar vor bzw. bei Ankunft an jeder Station. Im ersteren Fall wird das Schließen der Türen verkündet und die nächste Station angesagt, im letzteren Fall die aktuelle Station und ggf. die hier bestehenden Umsteigemöglichkeiten. So lautet eine Standard-Ansage bei Abfahrt des Zuges: „{{lang|ru|Осторожно, двери закрываются, следующая станция …}}“ (zu deutsch: „Vorsicht, die Türen schließen, nächste Station ist …“) bzw. bei Ankunft des Zuges an einer jeden Station: „{{lang|ru|Станция …, переход на … линию}}“ („Station …, Übergang zur …-Linie“). Zu diesen regelmäßigen Durchsagen kommen in vielen Fällen zusätzliche Hinweise wie „Verehrte Fahrgäste, vergessen Sie beim Ausstieg aus dem Zug Ihre Sachen nicht“ oder „Verehrte Fahrgäste, seien Sie gegenseitig respektvoll, bieten Sie Ihren Platz Behinderten, älteren Menschen, Fahrgästen mit Kindern an“ hinzu; auch Endbahnhöfe sowie die in der Moskauer Metro recht seltenen Stationen mit Seitenbahnsteigen, wo der Ausstieg in Fahrtrichtung rechts erfolgt, werden durch automatische Ansagen angekündigt. Es gibt auch einige wenige Bahnhöfe mit sonst unüblichen Ansagen: Bei Ankündigung der Stationen ''[[Majakowskaja (Metro Moskau)|Majakowskaja]]'' und ''Pawelezkaja'' an der Linie&nbsp;2 bei Abfahrt wird seit den späten 1980er Jahren darauf hingewiesen, beim Ausstieg aus der letzten Tür des letzten Waggons vorsichtig zu sein. Dies hat seinen Grund in der Verlängerung der Bahnsteige in den Tunnel hinein, um den Halt von Acht-Wagen-Zügen zu ermöglichen. Dieser durch den Tunnel schmalere Bahnsteigabschnitt beginnt etwa bei der letzten Tür des Zuges. Bei Ankündigung von ''Petrowsko-Rasumowskaja'' (Linie&nbsp;9) sowie ''Wychino'' (Linie&nbsp;7) werden die Fahrgäste neben den üblichen Ansagen auch noch gebeten, sich rechtzeitig auf den Ausstieg vorzubereiten – vermutlich um den Fahrgastwechsel an diesen relativ stark beanspruchten Stationen nicht unnötig zu verzögern. Bei den Sprechern der automatischen Durchsagen handelt es sich im Regelfall um (teilweise ehemalige) Radiomoderatoren, die vorgegebene Ansagetexte im Auftrag der Metro in einem Tonstudio des [[Radio Moskau|Moskauer Funkhauses]] aufnehmen. Eine Besonderheit bei der Moskauer Metro besteht darin, dass die Ansagen sowohl von weiblichen als auch von männlichen Stimmen erfolgen, wobei die Einteilung keineswegs zufällig ist: Grundsätzlich erfolgen die Ansagen in Zügen, die in Richtung des Stadtzentrums verkehren, mit einer männlichen Stimme, während Fahrten in Stadtrandrichtung eine ''Frauendomäne'' sind. Bei langen Nord-Süd- bzw. Ost-West-Linien erfolgt der Stimmenwechsel an einer bestimmten, dem [[Moskauer Kreml|Kreml]] am nächsten liegenden Station. Auch auf der [[Kolzewaja-Linie|Ringlinie]] gibt es diesbezüglich eine feste Regel: In Zügen, die im Uhrzeigersinn verkehren, erfolgt die Ansage mit männlicher, in Zügen gegen den Uhrzeigersinn mit weiblicher Stimme. Dieses Ansageschema wurde gewählt, um den Passagieren, insbesondere Sehbehinderten, eine bessere und schnellere Orientierung über die Fahrtrichtung (z.&nbsp;B. stadteinwärts oder stadtauswärts) zu ermöglichen. Die älteste Linie der Moskauer Metro – die [[Sokolnitscheskaja-Linie]] – hat in Bezug auf die Durchsagen noch einen Sonderfall zu vermelden. Hier werden bei bestimmten feierlichen Anlässen – so beispielsweise bei den Feierlichkeiten zum 70-jährigen Bestehen der Metro Moskau im Mai 2005, zum Jahreswechsel 2006 oder einige Tage im Mai 2007 – die Stationsdurchsagen in einer Reihe von Zügen von landesbekannten Schauspielern gesprochen. Die Bänder wurden 2005 aufgenommen mit Stimmen von Filmstars wie [[Wladimir Walentinowitsch Menschow|Wladimir Menschow]], [[Ljubow Grigorjewna Polischtschuk|Ljubow Polischtschuk]], [[Waleri Sergejewitsch Solotuchin|Waleri Solotuchin]] (u.&nbsp;a. ''[[Wächter des Tages – Dnevnoi Dozor|Wächter des Tages]]'') oder [[Michail Alexandrowitsch Uljanow|Michail Uljanow]]. Diese Ansagen umfassen die gleichen Texte wie sonst, hören sich jedoch mitunter recht amüsant an. Die Durchsagen werden bei Fahrzeugen der neuen Baureihen 81-720/721 und 81-740/741 durch elektronische [[Anzeigetafel]]n im Inneren des Fahrgastraumes ergänzt, an denen die jeweils nächste Station mit Laufschrift angezeigt wird. == Metro Zwei == Seit langem hält sich hartnäckig das [[Gerücht]] über die ''Metro Zwei'', ein geheimes bis zu 150 Kilometer langes Zusatzsystem, das den [[Moskauer Kreml|Kreml]] mit strategisch wichtigen Punkten verbinden soll, etwa dem Regierungsflughafen [[Flughafen Moskau-Wnukowo|Wnukowo]]-2, dem Regierungssanatorium Bor mit Kommandostelle des Generalstabs 60 Kilometer südlich von Moskau sowie der Zentralen Kommandostelle der Luftabwehr bei Sarja östlich von Moskau.<ref>[http://russland.ru/metromoskau/morenews.php?iditem=1 Die „geheime Moskauer Metro&nbsp;2“ - Deutsche Übersetzung eines Artikels von Juri Saizew auf www.metro.ru]</ref> Eine Reihe von Fakten spricht für die Existenz eines geheimen Metronetzes: Eingänge in Stollen und Schächte unklarer Bedeutung, mit unbekanntem Ziel von der normalen Metro abzweigende Gleise; bekannte, aber in der normalen Metro nicht verkehrende Fahrzeuge, Präsidenten- bzw. Regierungsbeschlüsse, die teilweise ein nicht näher erläutertes ''spezielles Transportsystem'' betreffen. In den russischen Medien wurde darüber besonders zu Beginn der 1990er Jahre berichtet, eine Bestätigung von offizieller Seite erfolgte jedoch nie. == Weiterführende Informationen == === Siehe auch === * [[Liste der Stationen der Metro Moskau]] * [[Monorail Moskau]] * [[Mosgortrans]] * [[Liste der Städte mit U-Bahnen]] === Literatur === * Nancy Aris: ''Die Metro als Schriftwerk – Geschichtsproduktion und industrielles Schreiben im Stalinismus''. Wissenschaftlicher Verlag Berlin 2005, ISBN 3-86573-085-X * Walentin Beresin: ''Die Moskauer Metro – Bildreiseführer''. Planeta-Verlag, Moskau 1989, ISBN 5-85250-078-X * Anthony Coulls: ''Railways as World Heritage Sites'' = Occasional Papers of the World Heritage Convention. [[ICOMOS]] 1999, S. 12f. * Dietmar Neutatz: ''Die Moskauer Metro – Von den ersten Plänen bis zur Großbaustelle des Stalinismus (1897–1935)''. Böhlau Verlag 2001, ISBN 3-412-12500-8 * {{lang|ru|Московскому метро 70 лет}} ''(70 Jahre Moskauer Metro)''. World Art Museum Sonderheft 14/2005, ISSN 1726-3050 * M. Naumow/W. Schergin: {{lang|ru|Московское метро. 1935–2005}} ''(Moskauer Metro. 1935–2005)''. Verlag Wokrug Sweta, Moskau 2005, ISBN 5-98652-031-9 === Einzelnachweise === <references/> === Weblinks === {{Commons|Moscow Metro|Metro Moskau}} * [http://www.mosmetro.ru/ Offizielle Webseite] (russisch, [http://engl.mosmetro.ru/ englisch]) * [http://www.aktuell.ru/moskau/metro_special/ aktuell.ru: Moskaus Metro – Kronleuchter, Marmor und 9 Millionen Passagiere] * [http://www.russlandjournal.de/russland/moskau/moskauer-metro.html RusslandJournal.de über die Moskauer Metro: ausführliche Informationen auf Deutsch und Bilder] * [http://www.beeflowers.com/moscowmetro/ Metro Moskau: 450 Bilder und Panoramas] (englisch) * [http://metro.molot.ru/ Inoffizielle Webseite] (russisch) * [http://www.metro.ru/ Umfassende, nicht offizielle Dokumentation] (russisch) * [http://news.metro.ru/ Die Neuheiten der Moskauer Metro] (russisch) * [http://russland.ru/metromoskau/ Metro Moskau auf russland.RU – Nachrichten, Geschichte, Linienpläne, darunter ein Artikel zur „Metro-2“] * [http://voices.metro.ru/ Die Stimmen der Moskauer Metro] (russisch) {{Navigationsleiste Schnellbahnen in Russland}} {{Normdaten|SWD=4196274-6}} {{Exzellent}} [[Kategorie:Metro Moskau| ]] [[Kategorie:U-Bahn (Russland)|Moskau]] [[Kategorie:Verkehrsunternehmen (Russland)]] [[Kategorie:Unternehmen (Moskau)]] [[Kategorie:Spurweite 1524 mm]] [[Kategorie:Verkehr (Sowjetunion)]] {{Link FA|cs}} {{Link FA|ru}} [[az:Moskva Metropoliteni]] [[be:Маскоўскі метрапалітэн]] [[be-x-old:Маскоўскі мэтрапалітэн]] [[bg:Московско метро]] [[bn:মস্কো মেট্রো]] [[ca:Metro de Moscou]] [[cs:Metro v Moskvě]] [[cv:Мускав метрополитенĕ]] [[cy:Metro Moscow]] [[da:Moskvas metro]] [[en:Moscow Metro]] [[eo:Metroo de Moskvo]] [[es:Metro de Moscú]] [[et:Moskva metroo]] [[eu:Moskuko metroa]] [[fa:متروی مسکو]] [[fi:Moskovan metro]] [[fr:Métro de Moscou]] [[gl:Metro de Moscova]] [[he:הרכבת התחתית של מוסקבה]] [[hr:Moskovski metro]] [[hu:Moszkvai metró]] [[it:Metropolitana di Mosca]] [[ja:モスクワ地下鉄]] [[ka:მოსკოვის მეტროპოლიტენი]] [[kv:Канкарса метрополитен]] [[ky:Москва метросу]] [[lt:Maskvos metropolitenas]] [[lv:Maskavas metro]] [[mhr:Москосо метрополитен]] [[mn:Москвагийн метро]] [[ms:Metro Moscow]] [[nl:Metro van Moskou]] [[nn:Metroen i Moskva]] [[no:Moskvas metro]] [[pl:Metro w Moskwie]] [[pt:Metro de Moscovo]] [[ro:Metroul din Moscova]] [[ru:Московский метрополитен]] [[sh:Moskovski metro]] [[simple:Moscow Metro]] [[sk:Moskovské metro]] [[sl:Moskovska podzemna železnica]] [[sr:Московски метро]] [[sv:Moskvas tunnelbana]] [[tr:Moskova metrosu]] [[uk:Московський метрополітен]] [[uz:Moskva metropoliteni]] [[zh:莫斯科地铁]] ft5gdmywf2q7ogmk4qic5typ7fwvmsx wikitext text/x-wiki Metro Prag 0 23927 26523 2010-04-06T21:48:08Z Luckas-bot 0 Bot: Ergänze: [[hu:Prágai metró]] [[Datei:Prag Metro Logo.svg|thumb|Logo der Prager Metro]] Die '''[[Prag]]er Metro''' ([[Tschechische Sprache|tschechisch]] ''Pražské metro'') ist neben dem Straßenbahn- und Autobusnetz sowie den Vorortzügen, der [[Esko Prag|Esko]] (S-Bahn), der Seilbahn und den Fähren ein integraler Bestandteil des [[Öffentlicher Personennahverkehr|öffentlichen Personennahverkehrs]] und wichtigstes Verkehrsmittel der tschechischen Hauptstadt. Das [[U-Bahn]]-Netz ist nach dem osteuropäischen U-Bahn-Modell mit drei Linien, die ein innerstädtisches Dreieck bilden, angelegt und existiert seit 1974. Die Metro wird durch die Aktiengesellschaft [[Verkehrsgesellschaft der Hauptstadt Prag|Dopravní podnik hlavního města Prahy]] (''Verkehrsgesellschaft der Hauptstadt Prag'') betrieben. Im Jahr 2007 nutzten rund 537,3 Millionen Fahrgäste die Metro. == Liniennetz == [[Datei:Prague metro plan 2008.svg|thumb|upright=2|Karte der Prager Metro]] Das Prager Metrosystem hat eine Länge von 54,7 Kilometern, verfügt über 54 Stationen und ist von 5:00 Uhr bis 24:00 Uhr mit Zügen im 1- bis 10-Minuten-Takt, in Spitzenzeiten alle zwei bis drei Minuten, im Einsatz. Prag hat insgesamt drei U-Bahn-Linien: {| class="wikitable" |- ! Linie ! Farbe ! Strecke ! Eröffnung ! Länge ! Bahnhöfe |- bgcolor="#FFFFFF" | A || style="color: white; background-color: #028202;"|Grün || Dejvická ↔ Depo Hostivař || 1978 || 10,9 km || 13 |- bgcolor="#F8F8FF" | B || style="color: black; background-color: #FEFE02;"|Gelb || Zličín ↔ Černý Most|| 1985 || 25,5 km || 24 |- bgcolor="#FFFFFF" | C || style="color: white; background-color: #F8000C;"|Rot|| Letňany ↔ Háje || 1974 || 22,41 km || 20 |} === Linienverläufe === ==== Linie A ==== [[Datei:Metro_Prague_-_Hradcanska_Station.JPG|thumb|Metrostation Hradčanská]] Die Linie A führt ausgehend von dem Prager Stadtteil Dejvice (Station ''Dejvická'') im Nordwesten der Stadt kontinuierlich in Richtung Südosten bis nach Depo Hostivař. Dabei passiert die Trasse die Stadtteile [[Hradčany (Prag)|Hradčany]] ''(Hradčanská)'' und die [[Prager Kleinseite|Kleinseite]] (tschechisch Malá Strana) mit den nach ihnen benannten Stationen ''Hradčanská'' und ''Malostranská'', bevor unterhalb der [[Brücken in Prag#Mánesův most (Manes-Brücke)|Mánesův most]] die Moldau untertunnelt wird; danach wird bereits mit dem Haltepunkt ''Staroměstská'' die [[Prager Altstadt|Altstadt]] erreicht. Anschließend wird der [[Wenzelsplatz]] mit den beiden Umstiegsbahnhöfen ''Můstek'' und ''Muzeum'' unterfahren. Weiterhin sind die Stadtviertel [[Vinohrady]] und [[Žižkov]] mit den Stationen [[U-Bahnhof Náměstí Míru|Náměstí Míru]], ''Jiřího z Poděbrad'', ''Flora'' und ''Želivského'' angebunden. Die Trassierung endet nach den letzten beiden, im Stadtteil Strašnice liegenden Haltepunkten ''Strašnická'' und ''Skalka'', unmittelbar in der Station ''Depo Hostivař'', welche sich im gleichnamigen Depot befindet. ==== Linie B ==== [[Datei:Prague_Metro_between_Luziny_and_Hurka.jpg|thumb|Oberirdischer Tubus zwischen Lužiny und Hůrka]] [[Datei:Metro Andel 2005-03-26 02.jpeg|thumb|Die Station Anděl ist Prager Zeugnis der Moskauer Metroarchitektur]] [[Datei:2009-07-18-prag-by-RalfR-36.jpg|thumb|Rolltreppe Hradčanská]] Die längste aller drei Metrolinien führt in Südwest-Nordost-Richtung, dabei wird nahezu das gesamte Stadtgebiet durchfahren. Ausgehend von dem Gebiet von Zličín, welches durch zahlreiche Neubaugebiete geprägt ist, erschließt diese Metrolinie in östlicher Richtung mit den Bahnhöfen ''Stodůlky'', ''Luka'', ''Lužiny'', ''Hůrka'' und ''Nové Butovice'' die Siedlungsschwerpunkte um Stodůlky im Westen der Stadt. Besonderheit des Streckenabschnitts zwischen Lužiny und Hůrka ist der Gleisverlauf in einem oberirdischen [[Tubus]]. Danach sind der Reihe nach [[Jinonice]] (Station ''Jinonice'') und Radlice mit dessen Station ''Radlická'' durch die Metro mit den anderen Stadtteilen verbunden. Nach einem großen Bogen in Richtung Norden erreicht die Strecke ''Smíchovské nádraží'' ([[Bahnhof Praha-Smíchov|Bahnhof Smíchov]], Umsteigestation zur Eisenbahn) und ''Anděl'', die beiden im Stadtteil Smíchov gelegenen Stationen bieten wichtige Übergänge zu zahlreichen Straßenbahnlinien. Nach einem markanten Rechtsbogen untertunnelt die Metro die Moldau unterhalb der [[Brücken in Prag#Palackého most|Palackého most]]. Nach einem zweiten Bogen, an dessen Ende der Straßenbahnknotenpunkt ''Karlovo náměstí'' am [[Karlsplatz (Prag)|Karlsplatz]] steht, wird in nördlicher Richtung mit dem zweiten Verknüpfungspunkt ''Národní třída'' die [[Prager Neustadt|Neustadt]] unterfahren. Nun wird mit der zentralen U-Bahn-Transferstation ''Můstek'' der [[Wenzelsplatz]] tangiert, bevor über die Station ''Náměstí Republiky'' unterhalb des [[Platz der Republik (Prag)|gleichnamigen Platzes]] und ''Florenc'', dem zweiten Umsteigepunkt innerhalb der U-Bahn unter dem [[Florenc|Ort gleichen Namens]], Verknüpfungen zur Straßenbahn geboten werden. Weiter führt die Strecke Richtung Nordosten, dadurch ist mit den Haltepunkten ''Křižíkova'', ''Invalidovna'' und ''Palmovka'' der am schnellsten wachsende Stadtteil [[Karlín]] gut an das Metronetz angebunden. Nach der darauffolgenden Station ''Českomoravská'' werden die Tunnelanlagen westlich fortgeführt; damit versorgt die Linie B mit den weiteren Bahnhöfen ''Vysočanská'' und ''Kolbenova'' die bebauten Gebiete von Vysočany mit einer schnellen Bahnverbindung. Schließlich folgen die nach dem Stadtteil benannte Station ''Hloubětín'', danach ''[[U-Bahnhof Rajská zahrada|Rajská zahrada]]'', bevor mit dem Endpunkt ''Černý Most'' die Strecke endet und dabei die Neubaugebiete im östlichsten Teil der Stadt erschließt. Die Station ''Rajská zahrada'' ist in Tschechien für ihre architektonische Durchführung zum „Bau des Jahres 1999“ erklärt worden. Die beiden Streckengleise verlaufen hier oberirdisch übereinander. ==== Linie C ==== Beginnend mit den Haltestellen ''Letňany'', ''Prosek'' und ''Střížkov'' im nordöstlichen Stadtgebiet und über die Metrostationen ''Ládví'' sowie ''[[U-Bahnhof Kobylisy|Kobylisy]]'' führen die Tunnel in einem großem Bogen ein erstes Mal unter die Moldau und verknüpfen mit der Station ''Nádraží Holešovice'' ([[Bahnhof Praha-Holešovice|Bahnhof Holešovice]]) das Metronetz mit dem Vorortbahnnetz der [[České dráhy|tschechischen Eisenbahn]]. Kurz nach der folgenden Station ''Vltavská'' untertunnelt die Strecke ein zweites Mal die Moldau und erreicht den Umsteigepunkt ''Florenc'', weiter im Stadtzentrum führt sie unter der innerstädtischen Nord-Süd-Schnellstraße an die Station ''Hlavní nádraží'' ([[Prag Hauptbahnhof|Hauptbahnhof]]), und anschließend nach ''Muzeum''. Mit der weiteren Führung unter der benannten Schnellstraße gelangt die Strecke nach ''I.P. Pavlova'' in die Neustadt. Danach wird sie unterhalb der Schnellstraßenbrücke ''[[Brücken in Prag#Nuselský most|Nuselský most]]'' bis nach [[Vyšehrad]] zur gleichnamigen Station geführt, wobei auch [[Nusle]] damit gut bedient wird. Hier verlässt die Metrostrecke die Schnellstraße und erreicht in südöstlicher Richtung über die Stationen ''Pražského povstání'', ''Pankrác'', ''Budějovická'' und ''Kačerov'' den gleichnamigen Stadtteil. Mit den letzten vier Haltepunkten ''Roztyly'', ''Chodov'', ''Opatov'' und ''Háje'' wird das größte Wohngebiet der Tschechischen Republik im Süden der Stadt versorgt, welches in den 1970er-Jahren entstand und mehr als 100.000 Menschen aufnimmt. Von dem im Sommer 2004 eröffneten U-Bahnhof ''Ládví'' der Linie C geht es seit dem 8. Mai 2008 über die beiden Zwischenstationen'' Střížkov'' und ''Prosek'' weiter nordöstlich nach Letňany. Die 4,6 Kilometer lange Strecke erschließt die dicht bebauten Gebiete in Prosek, im Norden der Stadt. Damit ist die Linie C inzwischen 22,41 km lang, die Kosten für den bergmännisch erstellten Bauabschnitt IV.C2 betrugen insgesamt 620 Millionen Euro. Mit Inbetriebnahme wurde das Busnetz im Nordosten Prags komplett geändert, mehr als 40 Busverläufe wurden den neuen Gegebenheiten angepasst.<ref>Aleš Pokorný: ''Prager U-Bahn erweitert'', stadtverkehr, Ausgabe Juni 2008; S. 44</ref> Die drei neuen U-Bahnstationen verfügen über einen barrierefreien Zugang. Alle drei Stationen besitzen einen neuartigen Lichtstreifen aus LED-Dioden, die auf die Sicherheitszone an der Bahnsteigkante hinweist. Am Bahnhof Letňany wurde gemeinsam mit der Metroeröffnung ein großer Busbahnhof gebaut. Gleichzeitig soll ein großer Park-and-Ride-Parkplatz mit 687 Stellplätzen Autofahrer motivieren, den öffentlichen Nahverkehr zu nutzen. === Stationen === [[Datei:Prague metro Mustek A station 01.JPG|thumb|Station Můstek]] Die U-Bahn Prags ist ein so genanntes „freies System“, bei dem sich an den Eingängen zur Metro keine Sperren oder ähnliche Einrichtungen befinden. Anhand der Architektur und anderer städtebaulicher Merkmale an den 54 Stationen der Prager Metro kann man die Entwicklung der Prager U-Bahn eindrucksvoll nachvollziehen. Die meisten sind mit [[Mittelbahnsteig]]en ausgestattet, einige haben [[Seitenbahnsteig]]e. Eine Besonderheit ist der Bahnhof ''[[Rajská zahrada]]'', dessen Seitenbahnsteige überirdisch auf zwei Etagen verteilt sind. Die Tiefe ist recht unterschiedlich: Während viele Haltepunkte außerhalb der Innenstadt direkt unter dem Erdboden liegen, befinden sich gerade in der Innenstadt viele Stationen sehr tief unter der Oberfläche. Ausnahme davon sind die Stationen der Linie C, die in der Anfangszeit des Prager U-Bahnbaus errichtet worden sind und wegen mangelnder Erfahrung nur wenige Meter unter dem Straßenniveau liegen. Die Station ''[[U-Bahnhof Náměstí Míru|Náměstí Míru]]'' ist mit einer Tiefe von 53 Metern unter der Erdoberfläche die tiefstgelegene Station des Netzes. Einige Stationen der Prager U-Bahn liegen zwischen zwei markanten Orten, sind aber nach einem dieser Orte benannt. Die Ausgänge an der Oberfläche können so teils fünf bis 10 Gehminuten auseinander liegen, weshalb es sich empfiehlt, auf den richtigen Ausgang der U-Bahn zu achten. Eine herausragende Bedeutung haben die drei sogenannten Transferstationen, in denen sich je zwei Linien kreuzen: ''Florenc'', ''Můstek'' und ''Muzeum''. Die Transferwege zwischen den entsprechenden Linien sind deutlich gekennzeichnet und innerhalb von drei bis fünf Minuten zu bewältigen. Viele Beschilderungen in den Stationen sind in den Farben der befahrenden Linie gehalten. <div class="noprint" style="float:right; border:1px solid blue; width:220px; backgroundcolor:#fff; padding:3px;"> ''[[Datei:Sound-icon.png|24px|Tondatei]] [[Media:Prague metro 04.ogg|Ansage der Prager U-Bahn: „Ukončete prosím výstup a nástup, dveře se zavírají“<br />''(„Beenden Sie bitte den Aus- und Einstieg, die Türen schließen sich.“ '']]'' </div> Die Metrostationen haben eine recht unterschiedliche Ausgestaltung, zahlreiche verfügen über keine nennenswerten künstlerischen Elemente und sind mit Fliesen ausgelegt. In einigen Bahnhöfen wurde jedoch auch Marmor zur Verkleidung der Böden, Wandflächen und Säulen verwendet. Die älteren Stationen der Linie A sind oftmals mit architektonischen Elementen aus den 1970er Jahren gestaltet, darunter in verschiedenen Farbtönen gehaltene, [[konvex]]e, [[konkav]]e oder flache Glas- und Aluminiumfliesen. Durch diese unterschiedliche Farb- und Formgestaltung der Elemente kann jeder Bahnhof eine individuelle Ausgestaltung vorweisen. Haltepunkte neueren Datums sind moderner und funktioneller gehalten, es wird teilweise versucht, natürliches Licht bis auf die Bahnsteige durchfallen zu lassen. == Fahrgastzahlen == [[Datei:fahrgaeste.png|thumb|Grafische Darstellung der Fahrgastzahlen]] Die Metro hat in ihrer dreißigjährigen Geschichte mehr als 10 Milliarden Passagiere befördert. Sie bewältigt heute mit mehr als einer Million Fahrgästen täglich rund 40 Prozent des Transportaufkommens der Stadt. Bis 1992 konnte die Metro eine kontinuierliche Steigerung der jährlichen Fahrgastzahlen verzeichnen, in jenem Jahr hatte sie ihren Rekord von rund 630 Millionen beförderten Gästen erreicht. Danach fielen die Zahlen stark, es wurde 1996 ein Verlust von mehr als 200 Millionen Passagieren gegenüber 1992 verzeichnet, bis sich im Jahr 1997 der Trend wieder zu Gunsten der Metro verbesserte. Heute liegen die Zahlen auf einem stabilen Niveau zwischen 400 und 500 Millionen beförderten Fahrgästen jährlich. {| style="border:none;" | valign="top" | {| class="wikitable" ! style="background:#efefef;" | Jahr ! style="background:#efefef;" | Fahrgastzahl |- | 1974 || align="right" | 38.904.000 |- | 1975 || align="right" | 63.989.000 |- | 1976 || align="right" | 95.547.000 |- | 1977 || align="right" | 102.832.000 |- | 1978 || align="right" | 144.082.000 |- | 1979 || align="right" | 206.961.000 |- | 1980 || align="right" | 216.926.000 |- | 1981 || align="right" | 254.785.000 |- | 1982 || align="right" | 259.650.000 |} | valign="top" | {|class="wikitable" ! style="background:#efefef;" | Jahr ! style="background:#efefef;" | Fahrgastzahl |- | 1983 || align="right" | 269.902.000 |- | 1984 || align="right" | 272.888.000 |- | 1985 || align="right" | 335.151.000 |- | 1986 || align="right" | 410.961.000 |- | 1987 || align="right" | 431.418.000 |- | 1988 || align="right" | 446.088.000 |- | 1989 || align="right" | 459.362.000 |- | 1990 || align="right" | 472.002.000 |- | 1991 || align="right" | 556.503.000 |} | valign="top" | {|class="wikitable" ! style="background:#efefef;" | Jahr ! style="background:#efefef;" | Fahrgastzahl |- | 1992 || align="right" | '''629.162.000''' |- | 1993 || align="right" | 554.868.000 |- | 1994 || align="right" | 531.401.000 |- | 1995 || align="right" | 413.442.000 |- | 1996 || align="right" | 406.127.000 |- | 1997 || align="right" | 407.010.000 |- | 1998 || align="right" | 408.297.000 |- | 1999 || align="right" | 428.076.000 |- | 2000 || align="right" | 423.187.000 |} | valign="top" | {|class="wikitable" ! style="background:#efefef;" | Jahr ! style="background:#efefef;" | Fahrgastzahl |- | 2001 || align="right" | 442.448.000 |- | 2002 || align="right" | 416.000.000 |- | 2003 || align="right" | 459.000.000 |- | 2004 || align="right" | 496.013.000 |- | 2005 || align="right" | 515.098.000 |- | 2006 || align="right" | 531.239.000 |- | 2007 || align="right" | 537.266.000 |} |} == Fahrzeuge == [[Datei:Praha, Anděl, vlak.jpg|thumb|Wagentyp 81-7171 an der Station Anděl]] [[Datei:Prague metro station Nadrazi Holesovice.jpg|thumb|Ein Zug des Typs M1 im Bahnhof Nádraží Holešovice]] Die Metro Prag hatte in ihrer Geschichte vier verschiedene Fahrzeugtypen im Einsatz. Die '''ersten''' Fahrzeuge waren sowjetischer Herkunft und wurden als Typ Ečs bezeichnet. Sie wurden von der Waggonfabrik ''[[Metrowagonmasch]]'', nahe Moskau, hergestellt und in den Jahren 1974 bis 1977 ausgeliefert. Bis 1997 waren noch Fahrzeuge dieses Typs im Einsatz, bevor sie aus dem Regelbetrieb genommen und teilweise in Museen überführt wurden bzw. als historische Wagen im Depot der Prager Verkehrsbetriebe stehen. Die Wagen sind 18,81 Meter lang und 2,712 Meter breit. Die zugelassene Höchstgeschwindigkeit beträgt 80 km/h, möglich sind aber auch 90 km/h. Jeder Wagen der Bauart Ečs besitzt einen Führerstand und ist einzeln fahrbar. Bis 2009 existierten noch Wagen mit der '''zweiten''' Generation [[Metrowagonmasch 81-717/714|81-7171/81-7141]], die zwischen 1978 und 1990 in Betrieb genommen wurden. Äußerlich fällt die geänderte Frontpartie auf. Nur die Endwagen 81-7171 verfügen über einen Führerstand, die Mittelwagen 81-7141 dagegen nicht. Alle Fahrzeuge verfügen aber über einen Antrieb. Dieser Wagentyp ist - in anderer Farbgebung - auch in Metronetzen in Städten ehemals sozialistischer Länder wie Budapest oder Warschau anzutreffen. Hersteller dieses Typs war ebenfalls Metrowagonmasch. Auffallend ist die Prager Variante dieses Typs mit roten Türen und einem gelben Streifen unterhalb der Fensterscheiben, da die sonstige Wagenhülle in einem grauen Farbton gestaltet ist. Die Außenmaße haben sich gegenüber dem Wagentyp Ečs nicht verändert, auch wurden keine Veränderungen bezüglich der Höchstgeschwindigkeit vorgenommen. Diese Wagengeneration wurde teilweise seit 1996 durch ein '''dritte''' - die [[Škoda (Maschinenbau)|Škoda]] a.&nbsp;s. [[Plzeň]] - modernisiert, die neue Bezeichnung dieser Wagenklasse lautet 81-71M. Die augenscheinlichste Veränderungen betrifft die Lackierung: die Wagen und die Türen wurden in den Farben dunkelgrau, rot und grau umlackiert. Auch sind die Frontscheiben stark dem neuen Design angepasst worden. Die '''vierte''' und neueste Wagengeneration besteht aus Fahrzeugen der Baureihe M1 von [[Siemens Transportation Systems|Siemens]] und [[Adtranz]]. Die Farbgebung der fünfteiligen Züge wurde leicht zu Gunsten eines hellgrauen Tons modifiziert. Alle U-Bahnzüge werden über eine seitliche, von unten bestrichene 750-Volt-[[Stromschiene]] versorgt. == Fahrzeugdepots und Werkstätten == Das U-Bahn-System Prags hat drei Fahrzeugdepots, die jeweils einer Linie zugeordnet sind, und darüber hinaus eine Reparaturwerkstatt. === Depot Kačerov === [[Datei:Praha metro stary vlak.jpg|thumb|Zugtyp Ečs im Depot Kačerov]] Das Depot Kačerov wurde am 9. Mai 1974 eröffnet und ist damit das erste des Systems. Dieser Betriebshof ist der Linie C zugeordnet, war jedoch zeitweise auch für die anderen beiden Linien zuständig. Er befindet sich zwischen den beiden Stationen Kačerov und Roztyly, da das Liniennetz zum Zeitpunkt der Eröffnung lediglich bis Kačerov reichte, später aber verlängert wurde. So entstand nach der Station Kačerov in Richtung Háje eine Rampe, die zwischen beiden Schienen liegt und an die Oberfläche führt. Vor der Eröffnung des Depots existierte bereits seit dem 1. Mai 1971 eine Versuchsstrecke direkt am Betriebshof, die das U-Bahn-System mit dem System der [[České dráhy]] verbindet. Das offizielle Kürzel zur Bezeichnung des Betriebshofes lautet DK. === Depot Hostivař === [[Datei:Depo Hostivar 14.jpg|thumb|Depo Hostivař, eine Station mit Stumpfgleisen]] Das Depot Hostivař nach der Endstation der Linie A, Skalka, ist Betriebshof dieser Linie. Es wurde am 17. Oktober 1985 eröffnet. Dabei führen zwei Gleise vom Haltepunkt Skalka aus ins Freie und verbinden somit das Depot mit der Linie. Die Kurzbezeichnung des Betriebshofes lautet DH. Hier befindet sich auch die einzige Reparaturwerkstatt des Metrosystems, die am 1. Juli 1993 in Betrieb genommen wurde. Sie wird mit der Abkürzung OZM, stehend für Opravárenská základna metra (Reparaturwerkstatt der Metro), benannt. Auch sind diese beiden Gelände über eine Teststrecke mit dem Netz der České dráhy verbunden. Ursprünglich gab es zwei Gleisverbindungen von der Station Strašnicka aus, getrennt für Betriebshof und Werkstatt. Am 4. Juli 1990 wurde die Station Skalka, die sich genau in der Mitte beider Gleisverbindungen befindet, eröffnet. Damit wurde ein Teil der Gleisverbindungen nachträglich zum Normalbetrieb umfunktioniert. Seit 2006 gibt es inmitten des Wagenparks die Station Depo Hostivař mit der Besonderheit, dass die Trassierung der Linie A direkt in der Station mit [[Stumpfgleis]]en endet. === Depot Zličín === Das am 11. November 1994 neueröffnete Depot Zličín ist der Linie B zugeordnet und befindet sich westlich der gleichnamigen Station. Sie besteht genau genommen aus drei nacheinander eröffneten Teilen. Dabei konnte am 10. Juli 2000 ein zweiter Teil in Betrieb gesetzt werden und seit dem 27. Juni 2001 wird auch ein dritter Teil benutzt. Seit dem 14. Januar 1999 existiert eine Schienenverbindung zwischen diesem Depot und dem Netz der České dráhy als auch der Siemens DT, die mit der Übernahme von ČKD die Fahrzeuge der Prager Straßenbahn hält. === Übergangsrampen zwischen den Linien === Zwischen den Linien A und C sowie B und C existieren Übergangsrampen, da in der Anfangszeit nur ein Depot für alle Züge zur Verfügung stand. Vor der Station I.P. Pavlova führen zwei nach seitlich außen führende Einzelrampen zur Station Náměstí míru. Am Übergangsbahnhof Florenc führt eine Mittelrampe die Züge zwischen den beiden Ebenen der Linien B und C. == Geschichte == === Ideen und erste Ansätze === [[Datei:Ladislav Rott podzemni draha 1898.jpg|thumb|Ladislav Rotts Vorschlag dem Stadtrat der königlichen Hauptstadt Prag]] Die Idee der Errichtung einer Untergrundbahn in Prag kam zum ersten Mal 1898 auf. [[Ladislav Rott]], ein bekannter Eisenwarenhändler der Stadt, schlug damals dem Stadtrat der königlichen Hauptstadt Prag vor: ''„Ich erlaube mir, Sie darauf aufmerksam zu machen, dass es nun, da gerade die Assanierung verläuft, mit nur geringem finanziellem Aufwand möglich wäre, eine unterirdische Bahn zu errichten. Denn bei den verlaufenden Arbeiten an der Kanalisation werden die verschiedensten Gräben in der ganzen Stadt gegraben und so wären die Kosten dieser Bahn nur mäßig.“'' Seit 1863 gab es bereits die ''[[London Underground|Underground]]'' in London, seit 1896 die ''[[Metro Budapest|Földalatti]]'' in Budapest. Und als Ladislav Rott die Untergrundbahn für Prag vorschlug, baute man eine solche gerade in Berlin und Paris. Die Assanierung sowie die Errichtung einer neuen Kanalisation wurden durchgeführt, die Untergrundbahn jedoch wurde nicht realisiert. Nach der Gründung der [[Tschechoslowakei]] im Jahre 1918 wurde erneut von einigen eine Untergrundbahn für die Hauptstadt des neuen Staates in Betracht gezogen. 1926 erläuterte der Ingenieur Jiří Hrusa seine Vorstellung hinsichtlich einer eventuellen Streckenführung einer solchen unterirdischen Bahn, welche der heutigen recht nahe kam. Zudem hatte der Ingenieur genaue Vorstellungen über die Bewegungsströme in den zu errichtenden Stationen. Er erklärte: ''„In jeder Untergrundstation werden drei Bahnsteige sein, die parallel zueinander liegen. Die zwei äußeren sind für den Einstieg, der innere für den Ausstieg. Wenn also ein Zug in die Station einfährt, befinden sich auf beiden Seiten Bahnsteige – die Türen öffnen sich auf beiden Seiten, und die Fahrgäste steigen nach rechts auf den Bahnsteig aus, zugleich steigen links neue Fahrgäste ein.“'' Diese als ''[[Spanische Lösung]]'' bekannte Trennung der Ein- und Ausstiegsströme in den U-Bahnen wurde jedoch nie umgesetzt. Ende 1926 stellten die beiden Ingenieure Vladimír List und Bohumil Belada ihre Variante der U-Bahn in Prag vor. Dieser bekannteste Entwurf wurde in einer Studie unter dem Namen „Unterirdische Schnellbahn für Prag“ veröffentlicht. Rückblickend sprach 1935 Vladimir List in einer Rundfunkaufnahme: ''„Vor acht Jahren habe ich gemeinsam mit Ingenieur Belada der Stadt Prag unser Projekt einer Untergrundbahn gewidmet. Auch wenn man uns wie Fantasten anstarrte, weckten wir einiges Interesse. Die Elektrischen Betriebe schrieben für April 1931 einen öffentlichen Wettbewerb zur Lösung der gegenwärtigen Prager Verkehrsprobleme aus. Seither hat sich die Verkehrssituation in Prag durch die ständige Zunahme an Automobilen noch verschlechtert. Heute gibt es in Prag 27.000 Automobile, gegenüber 22.000, als der Wettbewerb ausgeschrieben wurde. Die Automobile verstopfen die Prager Straßen so sehr, dass selbst der zuständige Polizeirat öffentlich auf die Gefahr einer Verkehrskatastrophe hinweist und sich für den Bau einer Untergrundbahn ausspricht.“'' Im April 1931 fand ein öffentlicher Wettbewerb zur Lösung der Verkehrsprobleme statt, woraus auch drei Sieger hervorgingen. Deren Pläne wurden dann jedoch nicht umgesetzt. Die Entwürfe der Metro entsprachen etwa der heutigen Linienkonzeption mit drei Linien, doch hatten sie alle eine kombinierte Lösung aus ober- und unterirdischer Trasse als Grundlage, da die [[U-Bahn Berlin|Berliner U-Bahn]] mit dieser Lösung als Vorbild der Konzeptionen stand. === Vergebliches Warten auf den Baubeginn === Zu Beginn des Jahres 1939 waren die Betreiber der [[Verkehrsgesellschaft der Hauptstadt Prag AG|Prager Straßenbahnen]] bereit, die Verkehrsprobleme in der Stadt zu lösen. Dadurch standen detailliert ausgearbeitete U-Bahn-Pläne kurz vor der Verwirklichung. Sogar die [[Okkupation]] der Böhmischen Länder durch das nationalsozialistische Deutschland und die Errichtung des [[Protektorat Böhmen und Mähren|Protektorats Böhmen und Mähren]] im März 1939 stoppten die ausgereiften Pläne nicht, die bereits Stationszeichnungen, Fahrzeugentwürfe und Probebohrungen beinhalteten, die Linie A erreichte sogar das Stadium eines Durchführungsprojektes. Jedoch wartete man letztendlich vergeblich auf den entscheidenden Baustart, da die Arbeiten im Juni 1941 vorläufig eingestellt wurden. Im Mai 1943 wurde, bedingt durch den folgenden Verlauf des [[Zweiter Weltkrieg|Zweiten Weltkrieges]], das U-Bahn-Projekt endgültig verworfen. Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges sollten die Arbeiten laut Presse nun doch wieder aufgenommen werden. Jedoch war die Machtübernahme durch die Kommunisten im Februar 1948 ein weiteres Hindernis für den Bau des unterirdischen Bahnnetzes. Die tschechoslowakische Regierung entschied sich einerseits auf Grund der hohen Kosten als auch wohl aus ideologischen Gründen gegen die Umsetzung der Pläne aus der Vorkriegszeit. === Realisierung === [[Datei:Metro_Prague_station.jpg|thumb|Station Náměstí Republiky]] [[Datei:Metro Narodni trida 2005-03-26 01.jpeg|thumb|Rolltreppen in der Station Národní třida]] [[Datei:Prague metro Kobylisy station 01.JPG|thumb|[[Metrostation Kobylisy|Station Kobylisy]]]] In den 1960er Jahren nahmen die innerstädtischen Verkehrsströme weiter stark zu, die Straßenbahnen standen oftmals im Stau oder hatten technische Mängel. Die Zeit für eine Lösung für den [[Individualverkehr]] und den [[ÖPNV]] war knapp, es musste nun endlich eine schnelle, effiziente und vor allem entlastende Verkehrsader für die Stadt geschaffen werden. Endlich beschloss die tschechoslowakische Regierung, eine Schnellstraßenbahn zu errichten, die im Stadtzentrum unterirdisch, aber außerhalb wieder oberirdisch verläuft. Die Prager Abendzeitung ''[[Večerní Praha]]'' verkündete am 7. Januar 1966 wie folgt: ''„Ein historischer Augenblick für den Prager Verkehr: der Bau einer unterirdischen Straßenbahn hat begonnen. Heute um 14 Uhr erfolgte der erste Spatenstich für die Untergrundbahn.“'' Es erfolgte die Verlegung der ersten Ingenieurnetze in der Opletalova ulice für den ersten unterirdischen Abschnitt der Straßenbahn. Ein paar Monate später wurde ein tschechoslowakisch-sowjetischer Kooperationsvertrag geschlossen, die Stadt wandelte sich zu einer Großbaustelle. Viele Straßen waren aufgerissen, Häuser mussten abgerissen werden, der Prachtboulevard [[Wenzelsplatz]] war verkehrstechnisch nicht mehr zu nutzen, häufig auch nicht begehbar. Diese Methode der offenen Bauweise, auch unter dem Namen ''cut and cover'' bekannt, bei der Straßen aufgerissen und die Gleisanlagen direkt unter der Straße verlegt werden, wurden beim U-Bahn-Bau der ersten Abschnitte des Netzes angewandt, da man in Prag bis dahin noch keine Erfahrungen auf dem Gebiet des Tunnelbaus hatte. Daher sind die Stationen der Linie C oftmals nicht so tief gelegen wie die der anderen beiden Linien, die durch Bohrungen mit [[Schildvortrieb]]maschinen entstanden. Am 9. August 1967 kam die Wende; die Regierung beschloss nun den Bau einer vollwertigen U-Bahn, die nur unterirdisch verlaufen sollte. Alle ursprünglichen Pläne einer Kombilösung mit Straßenbahnen wurden verworfen. Dabei musste man viel improvisieren – einige Stationen waren offensichtlich für Straßenbahn aufgestellt. So gibt es heute auf der Station ''Hlavní nádraží'' (Hauptbahnhof) nur einen unpraktischen Seitenzugang zu den Zügen. Das erste Teilstück des neuen Verkehrsmittels in der Stadt war eine 6,6 Kilometer lange Teilstrecke der Linie C zwischen ''Sokolovská'' (heute ''Florenc'') und ''Kačerov'' und wurde am 9. Mai 1974 freigegeben. Bei den Eröffnungsfeiern betonte man die internationale Politik, die Zusammenarbeit der [[Realsozialismus|sozialistischen]] Länder und vor allem die tschechoslowakisch-sowjetische Freundschaft. Angebliche Versuche der Regierungsgegner vom [[Prager Frühling]], das Projekt zu stoppen, wurden verurteilt. Diese erste Linie wurde zum 7. November 1980 bis ''Háje'' und zum 3. November 1984 bis Bahnhof Holešovice ''(Nádraží Holešovice)'' ausgebaut. Damit war die Unterquerung der [[Moldau (Fluss)|Moldau]] fertiggestellt. Am 26. Juni 2004 wurde ein weiteres Teilstück der Linie C eröffnet. So wird jetzt bereits zum zweiten Mal die [[Moldau (Fluss)|Moldau]] unterfahren. Die Linie C hat zum jetzigen Zeitpunkt eine Länge von 18,1 Kilometern. Am 12. August 1978 erfolgte die Eröffnung einer zweiten Linie, der Linie A zwischen ''[[U-Bahnhof Náměstí Míru|Náměstí Míru]]'' und ''Dejvická''. Nach drei Erweiterungen führte sie ab dem 4. Juli 1990 bis zur damaligen Endstation ''Skalka''. Die Haltestellen ''Hradčanská'' und ''Staroměstská'' wurden 1997 und 1998 erneuert. Im Sommer 2006 wurde die Linie bis ins ''Depo Hostivař'' geführt. Die Strecke hat eine Länge von 10,9 Kilometern. Die Linie B, die als neueste Linie am 2. November 1985 zwischen ''Florenc'' und ''Smíchovské nádraží'' eröffnet wurde, vervollständigte das innerstädtische Dreieck. Am 11. November 1994 wurde diese Linie bis zur Endstation ''Zličín'' erweitert. Bis zum 8. November 1998 wurde die Linie bis ''Černý Most'' fertiggestellt. Nach der Eröffnung der Stationen ''Hloubětín'' und ''Kolbenova'' in den Jahren 1998 und 1999 befindet sich die Linie im heutigen Zustande. Die Linie B ist mit 25,5 Kilometern die längste Strecke. Am 22. Februar 1990 benannte man einige Stationsnamen, die einen zu starken Bezug auf den [[Realsozialismus|Sozialismus]] nahmen, um. Dabei handelt es sich um folgende U-Bahnstationen: * ''Leninova'' zu ''Dejvická'' * ''Sokolovská'' zu ''Florenc'' * ''Moskevska'' zu ''Anděl'' * ''Švermova'' zu ''Jinonice'' * ''Dukelská'' zu ''Nové Butovice'' * ''Fučíkova'' zu ''[[Bahnhof Praha-Holešovice|Nádraží Holešovice]]'' * ''Gottwaldova'' zu ''Vyšehrad'' * ''Mládežnická'' zu ''Pankrác'' * ''Primátora Vacka'' zu ''Roztyly'' * ''Budovatelů'' zu ''Chodov'' * ''Družby'' zu ''Opatov'' * ''Kosmonautů'' zu ''Háje'' === Die Jahrhundertflut von 2002 === [[Datei:Prague metro plan 2002 floods.svg|thumb|upright=2|Karte der gefluteten Stationen. Am stärksten war die Linie B betroffen]] Von dem [[Elbehochwasser 2002|Hochwasser vom August 2002]] entlang der [[Moldau (Fluss)|Moldau]] und der [[Elbe]] war auch Prag, besonders aber die U-Bahn der Stadt betroffen. Größere Teile des Netzes, darunter mindestens 17 Stationen, wurden beschädigt. Dabei ist jede der drei Linien in Mitleidenschaft gezogen worden. Die Auswirkungen des Hochwassers auf die U-Bahn stellten damit die höchsten Schäden am Eigentum der Stadt Prag dar. Es wurden nicht nur Schäden in den moldaunahen Stationen verursacht, die Wassermassen drangen teilweise durch die U-Bahnschächte in weit von der Moldau entfernte Stationen ein. Von allen Linien war die über weite Strecken moldaunahe Linie B am stärksten betroffen. An zwei Stellen des Netzes wurden die Wände durch das Wasser durchgerissen. Dabei kamen Spekulationen auf, dass die Stadt Prag den Betrieb der U-Bahn zu lange aufrecht erhalten haben soll und die Drucktüren, die zur erheblichen Verminderung der Schäden beigetragen hätten, zu spät geschlossen wurden. Das Hochwasser bedeutete für eine Zeit von mehreren Monaten eine Ausnahmesituation, bei der vor allem die Stationen in der Innenstadt nicht mehr betrieben werden konnten. Dies hatte zur Folge, dass der Nahverkehr somit hauptsächlich mit Bussen und Straßenbahnen bewältigt werden musste, was insbesondere im Berufsverkehr zu täglich überfüllten Transportmitteln führte. Das U-Bahnnetz und seine Stationen wurden daher schrittweise wieder in Betrieb gesetzt. Hierbei mussten sämtliche elektrische Einrichtungen und Kabel erneuert werden. Eine komplizierte Aufgabe war auch die Reparatur der beschädigten Rolltreppen. Rund zweieinhalb Monate nach der Flut konnten die ersten Stationen eröffnet und ein Teilbetrieb ermöglicht werden. Dabei war die Eröffnung der Haltepunkte Muzeum, [[Prag Hauptbahnhof|Hlavní nádraží]] und Florenc der Linie C in der Innenstadt im [[Oktober 2002]] ein erster wichtiger Schritt. Am [[18. November]] [[2002]], noch vor dem [[NATO]]-Gipfel in der Stadt, wurde die vollständige Linie C wieder in Betrieb gesetzt, was erste Entlastungen der anderen öffentlichen Verkehrsträger mit sich brachte. Am [[9. Dezember]] wurden die Stationen Anděl und Karlovo namestí wiedereröffnet. Am [[21. Dezember]] wurde die Linie A, die bis dahin von Skalka nur bis zur Station Muzeum verkehrte, bis zu ihrer ursprünglichen Endstation Dejvická verlängert. Somit war diese Strecke zwar durchgängig wieder in Betrieb, doch die beiden Bahnhöfe Malostranská und Staroměstská, die links und rechts der Moldau in Ufernähe liegen, wurden von den U-Bahnzügen vorerst noch ohne Halt passiert, da die Reparatur der dortigen Rolltreppen noch nicht abgeschlossen war. Später wurden auch diese beiden Stationen wieder geöffnet. Bei der Linie B dauerten die Reparaturarbeiten am längsten an. Hier fuhren die Züge erst Ende [[Januar 2003]] wieder durchgängig zwischen Černý most und Zličín, wobei allerdings auch hier zunächst die Haltepunkte Národní třída, [[Platz der Republik (Prag)|Náměstí Republiky]], Křižíkova und Invalidovna geschlossen blieben. Erst mit dem [[30. März]] [[2003]] wurden wieder ausnahmslos alle Stationen betrieben. Die gesamten Reparaturarbeiten dauerten somit planmäßig. Der durch das Hochwasser verursachte Schaden wurde zunächst auf rund sechs Milliarden [[Tschechische Krone]]n geschätzt, nach dem Abschluss der Arbeiten jedoch auf 6,9 Milliarden Kronen (rund 230 Millionen Euro) bilanziert. Dabei finanzierte die [[Tschechische Republik]] 2,8 Milliarden Kronen, 2,4 Milliarden Kronen betrug ein Kredit der [[Europäische Investitionsbank|Europäischen Investitionsbank]], eine Milliarde Kronen wurden von Versicherungen erstattet und 700 Millionen Kronen wurden aus Eigenmitteln der Prager Verkehrsbetriebe erbracht. == Neue Streckenprojekte == [[Datei:Metro Prague Construction Works Prosek.jpg|thumb|Bauarbeiten für die heutige Station Prosek]] Auch nach 30 Jahren wird weiter an der Erweiterung des Streckennetzes gearbeitet. Dabei sind zwei Streckenverlängerungen im Bau. Die einzige Linie, bei der es kurz- als auch langfristig keine Erweiterungsplanungen mehr geben soll, ist die Linie B, sie ist damit als abgeschlossen einzustufen. === Erstellung neuer Linien === Die als mittelfristige Planung mit einem Zeitrahmen von fünf bis 15 Jahren angesetzte Linie D soll von Vysočanská über Hlavní nádraží, [[U-Bahnhof Náměstí Míru|Náměstí Míru]], Pankrác in die Vororte Krč, Libuš nach Písnice führen, wobei zunächst der südliche Abschnitt zwischen Pisnice und Pankrác gebaut wird, wo ein Umstieg zur Linie C möglich sein wird. Mit der neuen Linie erhalten weitere südlich gelegene Vororte einen Anschluss ans Metronetz. Die neue Linie D soll etwa elf Kilometer lang sein, zehn Stationen haben und etwa 44 Milliarden Kronen, umgerechnet 1,6 Milliarden Euro, kosten. Erstmals soll die neue U-Bahnlinie privat finanziert werden, nach einer vereinbarten Zeit soll die Strecke dann in Stadtbesitz übergehen.<ref>Austria Presse Agentur: ''[http://derstandard.at/?url=/?id=2998814 Prag plant private U-Bahn-Linie]'', Der Standard, 16. August 2007</ref> Eine zweite Linie E soll ein Teil einer Ringlinie werden und soll von Pankrác über Anděl, Hradčanská, Vltavská nach Palmovka führen und dann an die Linie D Anschluss finden. Jedoch ist der Bau dieser zweiten Linie nicht in den nächsten Jahrzehnten zu erwarten. === Verlängerung der Linie A zum Flughafen Prag-Ruzyně === In den 1990er Jahren hatten einige Stadtplaner immer wieder eine Verlängerung der Linie A in Richtung Nordwesten nach Prag-Ruzyně vorgeschlagen. Oftmals verwarf man diese Pläne aber sehr schnell wieder, da diese als nicht notwendig und zu teuer eingestuft wurden. Dennoch kam es im Jahr [[2004]] zu einer Wende dieses Zustandes. Die Verkehrsbewegungen im fünften und sechsten Prager Stadtbezirke, die zurzeit von der Metro völlig unerschlossen sind, stiegen stets an und die hohen Wachstumsraten an Passagieren bis zu 30 Prozent jährlich auf dem Prager [[Flughafen Prag|Flughafen in Prag-Ruzyně]] erforderten eine bessere und schnellere Anbindung ans Stadtzentrum. Auch der Nahverkehr nach [[Kladno]] scheint überfordert zu sein. Im Ringen um die Verbindung zwischen der Endstation der Linie A im Nordwesten, Dejvická, und dem ständig wachsenden und ausbauenden Prager Flughafen in Prag-Ruzyně standen zwei grundsätzlich gegeneinanderstehende Modelle zur Auswahl. Neben diversen Streckenmodellen war vor allem die Frage, ob man sich für eine oberirdisch führende [[S-Bahn|Schnellbahn]] zwischen Dejvice und Ruzyně oder aber für die Verlängerung der bestehenden U-Bahn-Verbindung entscheiden sollte. Auf Grund der bestehenden Gleisanlagen, die durch die bekannte Industriestadt [[Kladno]] führt, wäre eine Schnellbahnverbindung weit schneller, einfacher und preisgünstiger aufgebaut worden. Das tschechische Verkehrsministerium wollte auch ursprünglich den Streckenausbau beschleunigen, indem diese Stecke als vorrangiges Projekt eingestuft werden sollte. Allerdings hätte zunächst nur die Strecke zwischen Ruzyně und Kladno Priorität gehabt. Die Bürger des fünften Stadtbezirkes sahen aber damit nicht eine schnellere Transportverbindung gegeben und stellten sich mehrheitlich auf der Seite der Metro-Befürworter, die eine Erweiterung der Strecke anstrebten. Damit wäre das weitgehends vom Stadtzentrum abgeschnittene Gebiet erschlossen. Daneben sahen die Befürworter einer Metroerweiterung eine Lärmbelästigung des am dichtesten besiedelten Bezirks Prags durch die Schnellbahn, auch wenn sie, wie auch vorgeschlagen, durch einen überirdischen [[Tubus]] führen würde. Die Anbindung per U-Bahn wäre eine Chance zur Verbesserung der städtischen Anbindung des fünften Bezirks und der Entwicklung der dünnbesiedelten Gebiete im sechsten Bezirk. Zudem sollte das Prager Krankenhaus Motol, welches das größte [[Mitteleuropa]]s ist und täglich von tausenden Personen frequentiert wird, angebunden werden. Dies wäre für dessen Patienten, Gäste und Angestellte eine erhebliche Erleichterung, da sie bisher mindestens einmal von der Straßenbahn in einen Bus umsteigen mussten, um in das Hospital zu gelangen. Die Gegner einer Metroerweiterung sprachen sich für eine billigere, schnellere und ökologisch besser vertretbare Verbindung per Schnellbahn aus. Die Schnellbahnverbindung würde einen Bruchteil der U-Bahnkosten und eine kürzere Modernisierungszeit in Anspruch nehmen. Diese Schnellbahn-Befürworter waren vor allem das tschechische Verkehrsministerium, jedoch auch regionale Umweltverbände. Am [[19. Januar]] [[2005]] wollte die tschechische Regierung entscheiden, ob sie dem vom Verkehrsministerium schon aus Kostengründen bevorzugten Schnellbahnmodell ihre staatliche Zustimmung erteilt oder nicht. Somit wurde noch am [[17. Januar]] [[2005]] eine Sondersitzung einberufen, die die einhellige Ablehnung der einzelnen Stadtteilvertreter zum Ausdruck bringen sollte. Die Sitzungsteilnehmer waren vom großen Teil der Bevölkerung und der eigens für den Metrobau gegründeten Bürgerinitiative „Chceme metro, ne rychlodráhu“ („Wir wollen die Metro, nicht die Schnellbahn“) bestärkt worden. An dessen Spitze stand Tomas Chalupa, Bürgermeister des sechsten Stadtbezirks. Auf Grund dieser starken Ablehnung der Schnellbahn wurde im [[April 2005]] die Verlängerung der Metrostrecke beschlossen. Dabei soll nicht, wie in ursprünglichen Plänen vorgesehen, die Linie auf kürzester Strecke zum Flughafen führen, sondern eine längere Streckenführung entstehen, die die vorrangige Aufgabe hat, die weitere Entwicklung des nordwestlichen Teils von Prag zu stärken und ein größeres Einzugsgebiet zu versorgen. Am 18. September 2008 folgte die dafür notwendige Änderung des Bebauungsplanes. Die Linie wird ab Februar 2010 unter anderem durch Hochtief gebaut. Die Fertigstellung ist für 2014 geplant. == Weiterführende Informationen == === Wikimedia === {{Commons|Metro, Praha|Metro Prag}} * [[U-Bahn]] * [[Verkehrsgesellschaft der Hauptstadt Prag]] === Literatur === * Walter J. Hinkel, Karl Treiber, Gerhard Valenta, Helmut Liebsch: ''U-Bahnen – gestern-heute-morgen – von 1863 bis 2010.'' N.J. Schmid Verlagsgesellschaft, Wien 2004, ISBN 3-900607-44-3 (Kapitel „Prag“) * Autorenkollektiv unter Leitung von Hans-Werner Schleife: „Metros der Welt“ transpress Verlag für Verkehrswesen, Berlin 1985 * Eduard Škoda: ''Pražský chodec v Metru'', Prag 2006, ISBN 80-204-1412-6 (Beschreibung aller Stationen, ihres Baus und Umfeldes) (tschechisch) === Quellen === <references/> === Weblinks === * [http://www.dpp.cz/de/ Deutschsprachige Seite der Prager Verkehrsbetriebe] * [http://www.angrenost.cz/metro Prague Metro] (Fanpage in englisch, Stand 2007) * [http://www.urbanrail.net/eu/pra/praha.htm Metro Prag – UrbanRail] (englisch) * [http://www.metroweb.cz/ Fanseite] (tschechisch und englisch) {{Exzellent}} [[Kategorie:U-Bahn|Prag]] [[Kategorie:Verkehr (Prag)]] [[Kategorie:Schienenverkehr (Tschechien)|Prag, U-Bahn]] {{Link GA|cs}} [[be:Пражскі метрапалітэн]] [[be-x-old:Праскі мэтрапалітэн]] [[bg:Пражко метро]] [[bn:প্রাগ মেট্রো]] [[cs:Metro v Praze]] [[da:Prags Metro]] [[el:Μετρό Πράγας]] [[en:Prague Metro]] [[eo:Metroo de Prago]] [[es:Metro de Praga]] [[eu:Pragako metroa]] [[fi:Prahan metro]] [[fr:Métro de Prague]] [[ga:Meitreo Phrág]] [[he:הרכבת התחתית של פראג]] [[hu:Prágai metró]] [[it:Metropolitana di Praga]] [[ja:プラハ地下鉄]] [[ka:პრაღის მეტროპოლიტენი]] [[ky:Прага метросу]] [[la:Ferrivia Subterranea Pragensis]] [[lv:Prāgas metro]] [[nl:Metro van Praag]] [[no:Praha metro]] [[pl:Metro praskie]] [[pt:Metrô de Praga]] [[ro:Metroul din Praga]] [[ru:Пражский метрополитен]] [[sk:Pražské metro]] [[sv:Prags tunnelbana]] [[tr:Prag metrosu]] [[uk:Празький метрополітен]] [[zh:布拉格地铁]] o2h8dtd3m0druh33e40iwjypip4nutw wikitext text/x-wiki Metro Rotterdam 0 23928 26524 2010-04-21T19:47:19Z TXiKiBoT 0 Bot: Ergänze: [[it:Metropolitana di Rotterdam]] Die '''U-Bahn''' von '''[[Rotterdam]]''' ist neben [[Straßenbahn]], [[Omnibus|Bussen]] und Vorortbahnen Trägerin des [[Öffentlicher Nahverkehr|Öffentlichen Nahverkehrs]] innerhalb der zweitgrößten [[Niederlande|niederländischen]] Stadt und die älteste [[U-Bahn]] der [[Benelux]]-Region. Der erste Abschnitt wurde 1968 eröffnet. Das Netz besteht aus zwei Linien, die sich im Stadtzentrum kreuzen. Die Ost-West-Linie verläuft im engeren Stadtgebiet auf dem rechten Ufer der [[Nieuwe Maas]], die Nord-Süd-Linie dient vor allem der Verbindung des linken Ufers mit dem auf der gegenüberliegenden Seite liegenden Stadtzentrum. Die Metro verkehrt überwiegend über der Erde, entweder als [[Hochbahn]] oder zu ebener Erde. Das Einsatzgebiet der Metro ist die [[Stadtregion]] [[Rijnmond|Rotterdam]], während das innere Stadtgebiet überwiegend durch die [[Straßenbahn]] erschlossen wird. Die Metro weist deshalb im Vergleich zu anderen U-Bahnen große durchschnittliche Stationsabstände und eine hohe Reisegeschwindigkeit auf. Außer in der Stadt Rotterdam selbst gibt es Bahnhöfe in den Gemeinden [[Schiedam]], [[Spijkenisse]], [[Albrandswaard]] und [[Capelle aan den IJssel]]. Die Betreiberin der Metro ist die ''[[Rotterdamer Elektrische Trambahn]]'' (RET), die auch 9 Straßenbahnlinien und 28 Stadtbuslinien betreibt. [[Bild:Rotterdam2.png|thumb|300px|Karte der Metro Rotterdam]] <!--[[Bild:Mk Rotterdam Metro Karte.png|thumb|300px|Karte der Metro Rotterdam]]--> == Allgemeines == Der [[Rhein]], der in allen anderen durchflossenen Ländern von keinem einzigen Tunnel gequert wird, wird allein von der Rotterdamer Metro drei Mal unterfahren. Zwei Tunnel verlaufen unter dem innerstädtischen Mündungsarm [[Nieuwe Maas]], einer unter der südlich parallelen [[Oude Maas]] (die trotz ihres Namens kein [[Maas]]-, sondern ausschließlich Rheinwasser enthält). Es bestehen außerdem noch zahlreiche Straßentunnel. Im Gegensatz zu den etwa gleichzeitig gebauten Stromschienenmetros in [[U-Bahn München|München]], [[U-Bahn Nürnberg|Nürnberg]] und [[U-Bahn Wien|Wien]] hat die Rotterdamer Metro, ähnlich wie das System in [[Metro Amsterdam|Amsterdam]] nur kurze [[Tunnel]]strecken und verkehrt überwiegend als [[Hochbahn]] oder in Dammlage. Dafür gibt es zwei wichtige Gründe: * Das Stadtgebiet südlich der Neuen Maas besteht überwiegend aus [[Großsiedlung]]en der 60er und 70er Jahre; es bestanden keine Bedenken hinsichtlich einer Gefährdung des ohnehin umstrittenen Stadtbilds, darüber hinaus waren in diesen Stadtteilen breite Schneisen für Verkehrstrassen freigehalten worden, die für die Hochbahn genutzt werden konnten. * Die besondere hydrologische Situation der westlichen Niederlande macht Bau und Betrieb von Tunneln besonders schwierig, fast das ganze Stadtgebiet liegt niedriger als der Meeresspiegel (die auf Meereshöhe liegenden Flussufer sind damit der ''höchste'', statt wie in anderen Städten der ''niedrigste'' Punkt der Stadt). Der potentiell natürliche Grundwasserspiegel liegt weit über Straßenniveau, nur durch Dauerbetrieb zahlreicher Pumpwerke wird eine Überschwemmung verhindert. Die Metro verkehrt deshalb nur im Innenstadtbereich unterirdisch, alle anderen Stationen liegen über der Erde. == Liniennetz == Das Rotterdamer Metronetz besitzt zwei Linien, die sich im Zentrum kreuzen und in einem südwestlichen Außenbezirk nochmals aufeinander treffen. Die beiden Linien tragen keine Nummern, sondern Namen. Während diese Linien zunächst mit typisch Rotterdamer Nüchternheit nur ''Nord-Süd'' und ''Ost-West'' hießen, erhielten sie Anfang der 90er Jahre „richtige“ Namen: '''[[Erasmuslijn]]''' und '''[[Calandlijn]]'''. Als optisches Kennzeichen sind den beiden Linien außerdem Farben zugeordnet, nämlich blau ([[Erasmus von Rotterdam|Erasmus]]) und rot (Caland). Die südwestlichen Enden beider Linien treffen im Bahnhof ''Tussenwater'' auf einander und bedienen ab hier die sich anschließende Strecke gemeinsam. <br clear="all"> {| bgcolor="#DDDDFF" cellpadding="4" cellspacing="2" |- bgcolor="#cfcfcf" ! Linienname ! Farbe ! Strecke ! Eröffnung ! Länge ! Bahnhöfe |- bgcolor="#7f7ffF" | '''Erasmuslijn''' ||Blau || Spijkenisse ↔ Zuidplein ↔ Börse ↔ Hauptbahnhof |align="center"| 1968 |align="center"| 21,5&nbsp;km |align="center"| 17 |- bgcolor="#ff7f7f" | '''Calandlijn''' ||Rot || Spijkenisse ↔ Beneluxtunnel ↔ Schiedam ↔ Börse ↔ Capelsebrug ↔ Drei Äste (nach Capelle, Ommoord und Nesselande) |align="center"| 1982 |align="center"| 25&nbsp;km |align="center"| 38 |- bgcolor="#cfcfcf" |colspan=6|Sechs Bahnhöfe in Hoogvliet und Spijkenisse werden von beiden Linien gemeinsam genutzt. Es existieren somit 49 Stationen, davon 11 im ebenerdigen Stadtbahnabschnitt im Nordosten, 17 unterirdische Bahnhöfe und 21 Hochbahnhöfe. |} === Erasmuslijn === Die blaue Nord-Süd-Linie ging als erste in Betrieb. Die erste Metrostrecke auf (genauer: unter) niederländischem Boden wurde am 9. Februar 1968 von Kronprinzessin [[Beatrix (Niederlande)|Beatrix]] und [[Claus von Amsberg|Prinz Claus]] eröffnet. Die Linie hat 17 Bahnhöfe, davon fünf unterirdische und ist 21,5&nbsp;km lang. Sie trägt den Namen des größten Sohnes der Stadt, [[Erasmus von Rotterdam]] (1469-1536), [[Humanist]] und [[Philosoph]]. ==== Innenstadt ==== [[Bild:Rotterdam Beurs.JPG|thumb|220px|Der Börsenplatz. Die grüne Stele und die sich rechts anschließende Überdachung gehören zum aufwendigen U-Bahn-Zugang ''Beurstraverse''.]] Die Erasmuslinie beginnt am Hauptbahnhof am nordwestlichen Rand der City. Die zwei folgenden Bahnhöfe am Rathaus und der Börse liegen unter dem zentralen Boulevard ''Coolsingel'' im Zentrum der Stadt. An letzterer Station kreuzt die ''Calandlijn'', der Zugang von den Fußgängerstraßen ''[[Lijnbaan]]'' und ''Hoogstraat'' wurde Mitte der 90er Jahre aufwendig gestaltet, seitdem unterquert die ''Beurstraverse'' an dieser Stelle den Coolsingel. Die Hoogstraat verläuft, wie ihr Name erahnen lässt, auf der Krone des ''Zeedijk'' (Seedeich), alle südlich dieser Deichlinie liegenden Gebäude einschließlich des U-Bahnhofs ''Leuvehaven'' müssen bei Sturmfluten eigenständig geschützt werden. Die Station Leuvehaven liegt im ältesten Hafengebiet Rotterdams. Südlich von ihr unterquert die U-Bahn die Neue Maas, wenige Meter flussabwärts liegt die 1996 eröffnete [[Erasmusbrücke]], die letzte Rheinbrücke vor der Mündung in die Nordsee. ==== Zuid, M Wilhelminaplein - M Slinge ==== [[Bild:Mk Rotterdam Metro 3.jpg|thumb|220px|Hochbahnstrecke der Erasmuslijn am Bahnhof ''Rijnhaven''.]] Unmittelbar nach Erreichen des linken Ufers steigt der Streckenverlauf wieder an, bis er nach rund 500 Metern aus dem Tunnel über eine Rampe in einen Hochbahnviadukt übergeht. Der 1997 nachträglich eingefügte Tunnelbahnhof ''Wilhelminaplein'' liegt deshalb in einer Steigung. Solche Bahnhöfe sind weltweit sehr selten und in vielen Ländern aus Sicherheitsgründen gar nicht genehmigungsfähig; dass ausgerechnet das ansonsten wenig bergige Rotterdam über eine solche Station verfügt, ist ein Kuriosum. Die beiden folgenden Hochbahnhöfe ''Rijnhaven'' und ''Maashaven'' liegen an zwei um 1900 angelegten Becken des Seehafens. Die folgende Station ''Zuidplein'' (Südplatz) war die Endstation des 1968 eröffneten Streckenabschnitts. Sie liegt im Zentrum des Stadtbezirks Süd, zu ihr gehören ein großes [[Einkaufszentrum]], ein [[Hallenbad]], ein Bezirksrathaus, ein Theater und ein [[Busbahnhof]]. In unmittelbarer Nähe liegen der Südpark und das Veranstaltungszentrum ''[[Ahoy]]''. Nach Durchqueren des Südparks erreicht die Hochbahn die Großsiedlungen [[Pendrecht]] rechter- und [[Zuidwijk]] linkerhand, an der Kreuzung mit der durch beide Viertel verlaufenden Hauptstraße ''Slinge'' liegt ein gleichnamiger Hochbahnhof. ==== M Slinge - M Spijkenisse de Akkers ==== [[Bild:EC Tussenwater 01.jpg|thumb|220px|Eingang zum Bahnhof Tussenwater]] Südlich dieser Viertel überquert die Metro die in den Seehafen führende Güterbahnstrecke und biegt in einem weiten Bogen in westliche Richtung ein. Nach rund zwei Kilometern folgt, zwischen einem Güterbahnhof und einem Gewerbegebiet gelegen, der Betriebshof der Metro, dessen Gelände jedoch ohne Halt durchfahren wird. Erst nach drei weiteren Kilometern folgt der nächste Bahnhof (''Rhoon''). Dieser und die folgende Station ''Poortugaal'' liegen auf dem Gebiet der südlichen Vorortgemeinde [[Albrandswaard]]. Rhoon und Portugaal sind alte Dörfer, die zu großen Wohngemeinden [[Suburbanisierung|herangewachsen]] sind. Die wiederum zu Rotterdam gehörende Großsiedlung [[Hoogvliet]] wird von drei Hochbahnhöfen erschlossen, von denen jedoch keiner im eigentlichen Zentrum des Gebiets liegt. Im ersten dieser Bahnhöfe (''Tussenwater'') vereinigt sich die von Norden hinzustoßende [[#Die Beneluxlijn|Calandlijn]] mit der Erasmuslijn. Die Station ist viergleisig und besitzt spektakuläre Zugangsgebäude nach Entwurf von [[Maarten Struijs]]. Nachdem die ''Oude Maas'' wiederum im Tunnel unterquert wurde, folgen noch drei weitere Hochbahnhöfe innerhalb der Vorstadt [[Spijkenisse]], bevor die Endstation ''De Akkers'' erreicht wird. Jenseits der Station schließt sich eine 700 Meter lange, viergleisige [[Abstellanlage]] an. === Calandlijn === Am 6. Mai 1982 eröffnete der erste Abschnitt der neuen Ost-West-Linie, die in rascher Folge drei Mal erweitert wurde und dadurch bereits 1986 vom Nordosten der Stadt bis in den Westen reichte. Namenspatron dieser Linie ist [[Pieter Caland]] (1827-1902), der Erbauer des [[Nieuwe Waterweg]], ohne den Rotterdams Aufstieg zum größten Seehafen der Welt undenkbar gewesen wäre. ==== Die drei östlichen Linienenden ==== [[Bild:Mk Rotterdam Metro 5.jpg|thumb|220px|Hochbahn in Capelle, am Bahnhof ''Slotlaan''.]] An ihrem westlichen Ende benutzt die Calandlijn sechs Hochbahnhöfe der Erasmuslijn mit. Im Osten hat die Calandlijn drei Enden, von denen zwei über ebenerdige [[Stadtbahn]]strecken erreicht werden, die Stromzufuhr erfolgt hier über [[Oberleitung]], im übrigen Teil der Linie über [[Stromschiene]]. Die Fahrzeuge haben [[Stromabnehmer]] für beide Zufuhrarten. Eine ähnliche Hybridlösung gibt es weltweit nur noch auf der ''Blauen Linie'' der [[U-Bahn Boston]], bei der [[Metro Amsterdam|Amsterdamer ''Sneltram'']] sowie in [[Oslo T-bane|Oslo]]. Die Verzweigung der Linie geschieht im Bahnhof ''Capelsebrug''. Nach Osten schließt sich hier der drei Stationen zählende Hochbahnabschnitt in der Gemeinde [[Capelle aan den IJssel]] an. Nach Norden zweigt hingegen der erwähnte Stadtbahnabschnitt ab. Stadtauswärts fahrende Züge fahren hier den Dachstromabnehmer aus und fahren ebenerdig per Oberleitung weiter. Die Strecke verläuft in Seitenlage auf der östlichen Seite der Prinz-Alexander-Allee durch den gleichnamigen Stadtbezirk [[Prins Alexander]]. Dieser ist mit rund sechs Metern unter [[Normalnull|NAP]] der tiefste bewohnte Punkt der Niederlande. Die Strecke entlang der ''Prins Alexanderlaan'' hat fünf Stationen, einer davon liegt am Bahnhof ''Rotterdam-Alexander'' der Bahnstrecke nach [[Gouda (Niederlande)|Gouda]] und [[Utrecht]]. Im nördlichen Wohngebiet ''Ommoord'' teilt sich die Linie erneut, nach Westen erreicht die Bahn nach zwei Stationen den Endpunkt ''Binnenhof'', nach Osten wird an der vierten Haltestelle (''De Tochten'') der Dachstromabnehmer wieder eingefahren, bevor sie für die letzten 1,5 Kilometer wieder im Metrobetrieb bis zur Endstation im Neubaugebiet [[Nesselande]] fährt. ==== Kralingen, Innenstadt und Delfshaven ==== [[Bild:Rotterdam-Blaak.JPG|thumb|220px|Bahnhof Blaak, unterirdische Umsteigestation zwischen Metro und Vorortbahn]] An den schon erwähnten Bahnhof ''Capelsebrug'' schließt sich stadteinwärts zunächst der ebenerdig gelegene Metro-Betriebshof der RET an. Kurz vor der nächsten Station ''Kralingse Zoom'' beginnt der Innenstadttunnel der Calandlijn. Auch die beiden folgenden U-Bahnhöfe liegen im östlichen Innenstadtbezirk [[Kralingen]], an der nächsten Station ''Oostplein'' beginnt der Bereich der 1940 durch einen deutschen Luftangriff vernichteten Altstadt. Das heute modern bebaute Gebiet wird entlang der breiten Verkehrsschneise [[Blaak]] durchfahren. An der gleichnamigen Station kann zum unterirdischen, viergleisigen Bahnhof der Bahnlinie nach [[Dordrecht]] umgestiegen werden. Der Ballungsraum [[Randstad Holland]] hat keinen S-Bahnverkehr, es fahren allerdings in sehr dichtem Abstand Nahverkehrszüge (''Stoptreinen''), die, wie an diesem Bahnhof zu sehen, auch die Stadtzentren erschließen. Der Eisenbahntunnel verläuft anstelle der früher hier fließenden [[Rotte (Fluss)|Rotte]], deren Abdeichung (an der heutigen Ecke zur ''Hoogstraat'' 200&nbsp;m nördlich) der Stadt einst ihren Namen gab. Die nächste Station ist ''Beurs'', der bereits dort erwähnte Umsteigebahnhof zur ''Erasmuslijn''. Er liegt zwei Straßen südlich des eigentlichen Börsengebäudes und hatte deshalb anfangs einen eigenen Namen (''Churchillplein''), wurde aber 2002 umbenannt. [[Bild:Metrostation beurs.jpg|thumb|220px|Eingang zur Station Beurs mit Firmenlogo'']] Der nächste Bahnhof (''Eendrachtsplein'') liegt in der Nähe des bekannten [[Museum Boymans van Beuningen]], der übernächste (''Dijkzigt'') am Universitätsklinikum der Stadt. Die folgenden Stationen ''Coolhaven'' und ''Delfshaven'' liegen im multikulturell geprägten westlichen Innenstadtbezirk [[Delfshaven]], der nicht nur zahlreiche Gründerzeitbauten, sondern sogar einen mittelalterlichen Altstadtkern aufweist. Es handelt sich um den ehemaligen Vorhafen der Stadt [[Delft]], die den Überseehandel nicht den an der Neuen Maas liegenden Städten Rotterdam und [[Schiedam]] überlassen wollte und zu diesem Zweck das bisher in Schiedam mündende Flüsschen [[Schie]] nach Delfshaven umleiten ließ. Der folgende Bahnhof ''Marconiplein'' im Stadtteil [[Spangen]] war von 1986 bis 2002 die westliche Endstation der Linie, er liegt in der Nähe des Stadions von [[Sparta Rotterdam]], an seiner Südseite befindet sich die Verwaltung des Rotterdamer Hafens. Weil der Hafen so groß und bedeutend ist, wurde das Verwaltungshochhaus nicht als '[[Twin Tower|'Zwillings-]]'', sondern gar als ''Drillingsturm'' errichtet. ==== Die Beneluxlijn ==== [[Bild:Parkweg Schiedam.jpg|thumb|220px|Eingang zum U-Bahnhof Parkweg in Schiedam.]] Die Verlängerung der Calandlijn durch die westliche Nachbarstadt Schiedam hindurch zur südwestlichen Trabantensiedlung Hoogvliet wurde unter dem Projektnamen ''Beneluxlijn'' geplant. Grund für die Namensgebung war der unter der Neuen Maas hindurchführende ''[[Beneluxtunnel]]'', dessen vierte Röhre für die Metro genutzt wurde (die anderen drei sind Teil des [[Autobahn]]rings A&nbsp;4). Rund 500 Meter jenseits der Station Marconiplein kommt die Metro aus dem Tunnel an die Oberfläche, nach einem knappen Kilometer biegt sie in die Trasse der Eisenbahnstrecken nach [[Den Haag]] und [[Hoek van Holland]] ein. Nach einem weiteren Kilometer Fahrt erreicht die Metro den Bahnhof von Schiedam. Bahnhof und Metrostation heißen nun ''Schiedam-Centrum'', was nicht ganz der Wahrheit entspricht. Die historische Altstadt liegt rund einen Kilometer südwestlich des Bahnhofs. Kurz westlich des Bahnhofs, nach der Überquerung der Schie, beginnt ein weiterer Tunnelabschnitt mit zwei unterirdischen Stationen, wobei die erste (''Parkweg'') deutlich näher am Zentrum Schiedams liegt als die vorgenannte. An den Tunnel schließt sich ein kurzer Hochbahnabschnitt an, dessen einzige Station ''Vijfsluizen'' im Hafengebiet von Schiedam liegt, an der Grenze zur Nachbarstadt [[Vlaardingen]] und direkt an der Autobahn, die die Metro nun durch den Beneluxtunnel hindurch bis zum [[Autobahnkreuz]] ''Beneluxplein'' begleitet. Kurz südlich des Beneluxtunnels liegt [[Pernis]]. Der Stadtteil liegt völlig isoliert inmitten des Hafengebiets und ist durch den Fluss, mehrere Hafenbecken, die riesigen Öllager des Ölhafens, zwei Autobahnen, eine Schnellstraße, ein Autobahnkreuz sowie das breite Gleisfeld der Hafenbahn von der Außenwelt abgeschnitten. Die 2002 eröffnete Metrostation darf als echte Verbesserung angesehen werden. Nach rund drei Kilometern Fahrt erreicht die Bahn die Trabantenstadt Hoogvliet und die Station ''Tussenwater'', wo sie auf die [[#Durch den Süden der Stadt|Erasmuslijn]] trifft. Die letzten fünf Stationen durch Hoogvliet und Spijkenisse befahren beide Linien gemeinsam. === Ausbauplanungen === [[Bild:Randstadrail_Nootdorp.jpg|thumb|250px|Zwei Metrofahrzeuge des Typs T als RandstadRail im Bahnhof Nootdorp]] Ein ambitioniertes Erweiterungsprojekt wurde im Juli 2003 in Angriff genommen. Es wird nach Fertigstellung (2008) die Erweiterung der ''Erasmuslijn'' bis ins 20 km entfernte [[Den Haag]] zur Folge haben. Das Projekt gehört zum Maßnahmenpaket [[RandstadRail]]. Dieses enthält die Erweiterung und Umwandlung der Vorortbahnstrecke von Den Haag nach [[Zoetermeer]] in eine moderne Stadtbahnstrecke, die im Haager Stadtgebiet ins dortige Straßenbahnnetz übergeleitet wird, und die Umnutzung der Nebenstrecke Den Haag — Rotterdam-Hofplein (über [[Pijnacker]], die Hauptstrecke führt über [[Delft]] und Schiedam nach Rotterdam-Centraal). Der innerstädtische Teil dieser Linie von ''Kleiweg'' bis zum Kopfbahnhof ''Hofplein'', der ähnlich der [[Berliner Stadtbahn]] auf gemauerten Viaduktbögen verläuft, soll aufgegeben werden. Statt ihrer soll westlich davon, entlang des ''Statenwegs'' eine Tunnelstrecke mit einem U-Bahnhof ''[[Blijdorp]]'' entstehen und an die Endhaltestelle ''Centraal Station'' der Erasmuslijn anschließen. Dieser U-Bahnhof soll dazu dreigleisig ausgebaut werden. Im nördlichen Stadtbezirk [[Hillegersberg-Schiebroek]] sollen in die Strecke weitere Haltestellen eingefügt werden. Die Linie fährt zurzeit im Vorlaufbetrieb mit [[#Fahrzeuge|Metrofahrzeugen des Typs T]] vom Bahnhof Hofplein aus über die alte Strecke. Wegen der [[Entgleisung]] eines Zuges war die Strecke zeitweise nur bis [[Nootdorp]] in Betrieb, seit September 2007 wird aber auch der Abschnitt Nootdorp - Den Haag Central wieder befahren. Nach Fertigstellung des Tunnelabschnitts durch Blijdorp (geplant: Ende 2008) soll RandstadRail ans Metronetz angeschlossen werden, die Züge aus Den Haag würden dann im Bahnhof Slinge enden. Da auf der Metro hochflurige Fahrzeuge eingesetzt werden wird die Linie in Den Haag nicht wie die Linien von Zoetermeer in das Straßenbahnnetz übergehen, sondern im Bahnhof Den Haag Central der [[Nederlandse Spoorwegen|Niederländischen Eisenbahnen]] enden. In ähnlicher Weise soll auch die Strecke von [[Hoek van Holland]] an der Station Schiedam Centrum der Calandlijn mit der Metro verbunden werden. Weitere Maßnahmen zur Verbesserung des [[ÖPNV]] werden vor allem die Straßenbahn betreffen. Das Programm ''TramPlus'' kombiniert Beschleunigungsmaßnahmen mit Netzerweiterungen vor allem auf dem linken Ufer und in die Vorstadt Vlaardingen. == Betrieb == [[Bild:Metrostation Binnenhof.jpg|thumb|right|250px|Bahnhof Binnenhof (Ommoord)]] Die Metro nimmt morgens um halb sechs den Betrieb auf und verkehrt bis kurz nach Mitternacht. Die '''Calandlijn''' mit ihren drei östlichen Endpunkten wird in der Fahrplangestaltung als drei Linien angesehen, die tagsüber folgendermaßen verkehren: * Capelle a/d IJssel (De Terp)↔ Spijkenisse * Ommoord (Binnenhof)↔ Schiedam Centrum * Nesselande ↔ Schiedam Centrum. Die beiden Stadtbahnlinien durch den Prins-Alexander-Polder verkehren demnach nur bis zum Bahnhof von Schiedam, während die durchgehend als Metro ausgebaute Linien von Capelle auch das sich anschließende Stück durch das dünn besiedelte Hafengebiet bedient und in der Vorstadt Hoogvliet auf die Erasmuslijn trifft. Jede dieser drei Linien verkehrt tagsüber (6-19 Uhr, samstags ab 7 Uhr) im 10-Minuten-Takt, sonntags von 10 bis 18 Uhr im 15-Minuten-Takt. Zwischen Kralingse Zoom und Schiedam Centrum, also im innerstädtischen Abschnitt der Linie, verkehren demnach 18 Züge pro Stunde und Richtung. [[Bild:Metrostation de Tochten.jpg|thumb|right|250px|Bahnhof De Tochten (Zevenkamp)]] Abends und am Sonntagmorgen gelten folgende verkürzten Linienführungen: * Capelle a/d IJssel ↔ Spijkenisse * Ommoord ↔ Kralingse Zoom * Nesselande ↔ Schiedam Centrum, die alle 20 Minuten bedient werden. Der Ast nach Ommoord wird im Pendelverkehr bedient, an der Station Kralingse Zoom kann auf die Hauptlinie umgestiegen werden. Im Innenstadtabschnitt addieren sich die Fahrten aus Nesselande und Capelle zu einem 10-Minuten-Takt. Die '''Erasmuslijn''' hat keine Verzweigungen, aber trotzdem zwei verschiedene Linienwege. Jeder dritte Zug endet tagsüber bereits am Bahnhof Slinge. Der Grund ist der gleiche wie bei der Calandlijn: jenseits dieses Bahnhofs verlässt die Metro das geschlossene Stadtgebiet und fährt durch extensiv genutzte Gewerbe- und Hafengebiete: * Centraal Station ↔ Spijkenisse * Centraal Station ↔ Slinge. Die Verstärkerlinie nach Slinge verkehrt nur werktags von 7:30 bis 19 Uhr (samstags schon ab 6 Uhr) im 10-Minuten-Takt und sonntags von 10:45 bis 18:15 Uhr alle 15 Minuten. Die Gesamtstrecke wird im Berufsverkehr im 5-Minuten-Takt und während der übrigen Tageszeiten und samstags alle 10 Minuten bedient. Am Sonntag verkehrt morgens und abends alle 10 Minuten ein Zug über die Gesamtstrecke, tagsüber alle 7,5 Minuten. Beide Linienführungen addieren sich im Berufsverkehr auf 18 Züge pro Stunde und Richtung, tagsüber auf 12. == Fahrzeuge == [[Bild:Mk Rotterdam Metro 2.jpg|thumb|220px|Fahrzeugtyp M, eingesetzt ab 1968 auf der Erasmuslijn.]] [[Bild:Mk Rotterdam Metro 1.jpg|thumb|220px|Fahrzeugtyp T, eingesetzt ab 1982 auf der Calandlijn.]] Die auf den beiden Linien eingesetzten Fahrzeuge sind nicht identisch. Da ein Teil der Calandlijn im Stadtbahnbetrieb gefahren wird, müssen die Züge auch die Zulassungsvoraussetzungen für Straßenbahnen erfüllen. Zusätzlich zur Metro-Ausrüstung besitzen die Fahrzeuge der Calandlijn deshalb Dachstromabnehmer, Schienenbremsen, Bremssand, Rücklichter und Blinker. Bei Aufnahme des U-Bahnbetriebs 1968 besaß die RET 27 Züge. Auf beiden Linien ersetzen zurzeit Fahrzeuge der zweiten Generation die Erstausstattung. Auf der Erasmuslijn ist die Ersetzung weitgehend abgeschlossen, die Calandlijn erhält seit 2002 neue Fahrzeuge. Als neue Züge für beide Linien wurde beim Hersteller [[Bombardier]] das Modell [[Bombardier Flexity Swift|Flexity Swift]] bestellt, die Fahrzeuge werden im flämischen [[Brügge]] gebaut. Die Züge trugen bis Ende der 1990er Jahre eine dunkelgrüne Lackierung, die seitdem durch eine silberne abgelöst wird. {| class="prettytable" | |- |Typ |Linie |Lieferung |Anzahl |Wagennummern |Hersteller |- |M |Er |1966-75, 4&nbsp;Lieferungen |71 |5000-5152 |[[Werkspoor]], [[Düwag]] |- |T |Ca |1980-84 |71 |5201-5271 |[[Düwag]], [[Düsseldorf]] |- |B |Er |1998-2001 |63 |5301-5363 |[[Bombardier]], [[Brügge]] |- |B |Ca |2002 |18 |5401-5418 |[[Bombardier]], [[Brügge]] |- |B |Rr* |2008-2009 |22 |5501-5522 |[[Bombardier]], [[Bautzen]] |} * RandstadRail == Geschichte == === Vorgeschichte === [[Bild:Rotterdam.jpg|thumb|220px|Rotterdam 1940, nach den Räumungsarbeiten.]] Bereits um 1920 war Rotterdam innerhalb der Niederlande das Zentrum eines radikal modernen Städtebaus, die hier ansässige Architektengruppe ''[[De Opbouw]]'' um [[Jacobus Johannes Pieter Oud|Oud]] und [[Cor van Eesteren|van Eesteren]] propagierten einen funktionalen Rationalismus anstatt des Festhaltens an baulichen Traditionen, wie es die am deutschen [[Expressionismus]] orientierte [[Amsterdamer Schule (Architektur)|Amsterdamer Schule]] in ihrer Stadt bis in die 30er Jahre hinein durchsetzen konnte. Die Vernichtung der gesamten Innenstadt durch den deutschen Luftangriff vom 14. Mai 1940 bot nach dem Krieg die Gelegenheit, die Vorstellungen des ''Opbouw'' und der internationalen Gruppe [[CIAM]] in die Realität umzusetzen. Eine großmaßstäbliche, moderne Bebauung mit breiten Straßen und weitgehender Trennung der städtischen Funktionen war die Grundlage des neu entstehenden Rotterdam. Die 1953 eröffnete Einkaufsstraße [[Lijnbaan]] war die erste [[Fußgängerzone]] Europas, außerhalb davon wurde die [[Verkehrsplanung]] ganz am [[Automobil]] ausgerichtet. Auch die [[Straßenbahn]]en sollten den Autoverkehr möglichst nicht mehr behindern. Um die öffentlichen Verkehrsströme aus den Straßen herausnehmen zu können, entschied man sich Ende der 50er Jahre nach umfangreichen Verhandlungen zum Bau einer Untergrundbahn vom neuen (1954 eröffneten) Hauptbahnhof zum Zentrum des schnell wachsenden Stadtbezirks Süd. Am 19. Januar 1959 stellten Vertreter der städtischen Bauämter die Planungen im Stadtparlament vor. Der offizielle Beschluss des Stadtparlaments erfolgte am 14. Mai 1959. === U-Bahn-Bau im Wasser === Der erste Bauabschnitt war gleich der technisch schwierigste. Er umfasste den gesamten unterirdischen Teil der späteren ''Erasmuslijn'' einschließlich der Unterführung der an dieser Stelle 600 Meter breiten ''Neuen Maas''. Der mit Ab- und Anstieg 1040 Meter lange Bauabschnitt unter dem Fluss besteht aus zwölf Tunnelelementen. Diese wurden auf der ''van Brienenoord''-Insel (nahe der [[De Kuip|Kuip]], des Stadions von [[Feyenoord Rotterdam|Feyenoord]]) im [[Trockendock]] hergestellt, flussabwärts zum Einsatzort gebracht und in einen vorbereiteten Graben im Flussbett eingeschwommen. Die Tunneldecke in der Flussmitte liegt etwa 12,5 Meter unter dem Meeresspiegel. Die Tunnelstrecken auf dem rechten Ufer mussten aufgrund der beschriebenen besonderen Situation der westlichen Niederlande auf eine ähnliche Weise gebaut werden. Die anderswo übliche [[Cut and cover]]-Methode (offene Bauweise), bei der ein Graben ausgehoben, Fahrweg, Seitenwände und Gleise errichtet und schließlich der „Deckel“ aufgesetzt und die aufgerissene Straße wiederhergestellt wird, ist in Rotterdam nicht möglich: jede ausgehobene Grube läuft innerhalb von Stunden voll Wasser. Deshalb wurden in den breiten Straßen ''Blaak'' und ''[[Weena]]'' ebenfalls kleine Trockendocks errichtet, in denen die Tunnelelemente vorproduziert wurden. Der ''Coolsingel'', in dessen Mitte mehrere Jahre lang die wassergefüllte Baugrube verlief, erlebte einen interessanten Rückgriff auf seine eigene Geschichte: er war früher der Graben vor der westlichen Stadtmauer Rotterdams (ein ''Singel'' ist ein ''Wassergraben''). Trotz des Bauens unter Wasser war dieser Abschnitt einfacher zu errichten als die Flussquerung, da hier immerhin weder Strömung noch [[Tidenhub]] die Arbeiten erschwerten und die [[Baukran|Baukräne]] unmittelbar neben der Baugrube platziert werden konnten. Wichtig für die Sicherheit der gesamten Stadt sind die beiden Fluttore des Bahnhofs Leuvehaven, wie schon weiter oben erwähnt, liegt er unter der Hauptdeichlinie des rechten Ufers (''Westzeedijk''). Um zu verhindern, dass bei einem Wassereinbruch im Bereich der Flussunterquerung die ganze nördliche Stadthälfte volläuft, wurde an beiden Enden der Station Stahltore installiert, die sich im Unglücksfall automatisch schließen. Der Betonviadukt der Hochbahn auf dem linken Ufer konnte vergleichsweise einfach gebaut werden. Am 9. Februar 1968 konnte der erste Abschnitt der Metro eröffnet werden, über zwei Jahre bevor im ungeliebten [[Amsterdam]] mit dem Bau der dortigen [[Metro Amsterdam|Metro]] auch nur ''begonnen'' wurde. Kritiker in Amsterdam und anderswo ließen jedoch nicht unerwähnt, dass die Rotterdamer U-Bahn mit rund fünf Kilometern Länge und sieben Stationen die angeblich kürzeste der Welt sei (was nur bedingt der Wahrheit entsprach). === Der Bau der Ost-West-Linie === [[Bild:Marconiplein metro.jpg|thumb|220px|U-Bahnhof Marconiplein]] Der Bau der heutigen ''Calandlijn'' begann 1971 mit den im U-Bahn-Bau üblichen Vorarbeiten wie der Verlegung des Straßenverkehrs sowie zahlreicher unterirdischer [[Versorgungsleitung]]en, die dem künftigen Tunnel „im Weg“ sind. Im Gegensatz zur ersten Linie umfasste diese Linie einen langen Tunnelabschnitt, und mit dem Hafenbecken ''Coolhaven'' musste auch wieder eine Wasserstraße unterfahren werden, wobei die zuvor beschriebenen Methoden zur Anwendung kamen. In der City verläuft die Calandlijn unter breiten Verkehrsachsen, was den Bauablauf vereinfachte. Der Bahnhof ''Beurs'' (damals ''Churchillplein'') war bereits beim Bau der ersten Linie als [[Vorleistung]] im Rohbau mit errichtet worden, umgekehrt wurde die Station ''Blaak'' bereits als Umsteigebahnhof zur noch zu bauenden unterirdischen Staatsbahnstrecke vorbereitet: die Metrostrecke wurde hier als Brücke mit einer Spannweite von 52 Metern ausgeführt. Der Eisenbahntunnel wurde in den Jahren 1987-93 gebaut. Im Stadtteil Kralingen verläuft die U-Bahn durch schmale Straßen und sogar unter Häuserblocks hindurch, die Gebäude wurden mit verwegenen Konstruktionen abgefangen, sodass die Bewohner während des Baus in ihren Wohnungen bleiben konnten. Auch im Bereich zwischen Eendrachtsplein und Coolhaven wurden dichtbebaute Stadtviertel unterquert. Der Hauptteil der neuen Strecke wurde 1982 eröffnet, die zwei westlichen Stationen bis Marconiplein folgten 1986. === Hochbahnstrecken in die Vororte === [[Bild:Metrorotterdam.jpg|thumb|220px|Die neuen Züge der Erasmuslijn (Typ B).]] Die erste Erweiterung der Rotterdamer Metro erfolgte am südlichen Ende der Urstrecke. Die Hochbahn auf dem linken Rheinufer wurde um 1,6&nbsp;km in die Trabantensiedlung [[Pendrecht]]/[[Zuidwijk]] verlängert. Diese Wohngebiete entstanden um 1960 nach Entwurf der aus dem Umfeld der Gruppe ''de Opbouw'' stammenden Architektin [[Lotte Stam-Beese]] und gelten heute als eines der vielen Rotterdamer Beispiele für die menschenfeindliche Stadtplanung der Nachkriegsjahrzehnte. Durch den U-Bahn-Anschluss (Station ''Slinge'') erhielten die Bewohner 1970 eine schnelle Verbindung in die Innenstadt. Die zweite Erweiterung (1974) über Pendrecht hinaus verlief über viele Kilometer durch den von Autobahnen, Kleingärten, Sportanlagen, Gewerbe- und Hafengebieten geprägten Süden des Stadtgebiets. Hier zeigte sich der Charakter der Metro als echte Schnellbahn, zwischen den Stationen liegen jeweils mehrere Kilometer. Die Wohnvororte [[Rhoon]] und [[Portugaal]] liegen außerhalb der Stadtgrenzen und waren nicht der Anlass (wohl aber Nutznießer) der Metro-Verlängerung. Der Grund war vielmehr die Anbindung von Rotterdams größter Trabantensiedlung, dem im Südwesten der Stadt gelegenen [[Hoogvliet]]. Die Stadtbahnstrecken durch die nordöstlichen Trabantensiedlungen [[Prins Alexander]], Ommoord und Zevenkamp entstanden in der ersten Hälfte der 80er Jahre. Sie zweigten am Bahnhof ''Capelsebrug'' ab und setzen sich als ebenerdige Schnellstraßenbahn (''Sneltram'') fort. Zur gleichen Zeit war am anderen Ende der Stadt die Verlängerung von Hoogvliet in die jenseits der Alten Maas gelegene, als Wachstumsgemeinde ausgewiesene Stadt [[Spijkenisse]] im Bau. Innerhalb ihres Stadtgebiets entstand eine Hochbahnstrecke mit drei Stationen, die Querung der Alten Maas geschah in einem weiteren Unterwassertunnel. Zur Vorfertigung der Tunnelsegmente wurde wiederum das Trockendock auf der van Brienenoordinsel genutzt. Die Gleise der fertigen Strecke liegen an der tiefsten Stelle 23 Meter unter dem Meeresspiegel. 1985 konnte die Erweiterung in Betrieb genommen werden. Das östliche Ende der Calandlijn wurde 1994 in die Umlandgemeinde Capelle hinein verlängert, diesmal nicht als ''sneltram'', sondern als Hochbahn im Metrobetrieb. === Kop van Zuid === [[Bild:Wilhelminaplein.jpg|thumb|220px|Bahnhof Wilhelminaplein.]] Mitte der 90er Jahre begannen die Bauarbeiten zur [[Umnutzung]] des brach liegenden Hafengebiets am linken Flussufer. Die um 1900 gebauten Hafenbecken waren für die modernen Seeschiffe zu klein geworden, der Hafenbetrieb verlagerte sich immer weiter nach Westen aus der Stadt heraus. Man beschloss, die Nordspitze (''Kopf'') des Bezirks Süd (deshalb: ''[[Kop van Zuid]]'') für eine Erweiterung der Geschäftscity zu nutzen. Auf dem ''Wilhelminapier'' zwischen Fluss und Rijnhaven sollten Bürohochhäuser entstehen, in der zweiten Reihe ein verdichtetes Wohngebiet und ein Stadtpark. Als sichtbarstes Zeichen des „Sprungs“ über den Fluss entstand die [[Erasmusbrücke]], wegen ihrer eigenwilligen Form auch als ''Schwan'' bezeichnet. Über diese Brücke konnte erstmals seit über 20 Jahren auch wieder die Straßenbahn den Fluss überqueren, bis dahin hatte die Linie&nbsp;2 auf dem linken Ufer ein einsames Inseldasein ohne Verbindung zum übrigen Netz gefristet. Außer der neuen Straßenbahnlinie 20 sollte auch die Metro das Quartier erschließen. Die Station Rijnhaven liegt an seinem Südrand und ist für einen Teil der neuen Bewohner relevant, der Mittelpunkt von Kop van Zuid ist jedoch der Wilhelminaplein, der südliche Brückenkopf der Erasmusbrücke und Beginn des Wilhelminapiers. Die U-Bahn fuhr bisher unter dem Platz ohne Halt hindurch, weil sie hier den Höhenunterschied zwischen Flussunterquerung und der weiter südlich folgenden Rampe zu überwinden hat. Aufgrund der großen Bedeutung des Projekts wurde schließlich beschlossen, unter dem Platz, bei weiterlaufendem Metrobetrieb, eine zusätzliche Station in die Strecke einzufügen. Der Bahnhof wurde 1997 eröffnet, er liegt 17 Meter unter dem Meeresspiegel und ist damit einer der tiefstliegenden Bahnhöfe der Welt. === Chronik der Streckeneröffnungen === {| class="prettytable" | |- | align=&amp;amp;quot;right" | '''Datum''' |'''Linie''' |'''Abschnitt''' |'''+Bhf.e''' |'''=Bhf.e''' |- | align="right" | 9. Februar 1968 | [[#Erasmuslijn|Erasmuslijn]] | Centraal Station ↔ Zuidplein | align="right" | 7 | align="right" | 7 |- | align="right" | 25. November 1970 | [[#Erasmuslijn|Erasmuslijn]] | Zuidplein ↔ Slinge | align="right" | 1 | align="right" | 8 |- | align="right" | 25. Oktober 1974 | [[#Erasmuslijn|Erasmuslijn]] | Slinge ↔ Zalmplaat | align="right" | 4 | align="right" | 12 |- | align="right" | 6. Mai 1982 | [[#Calandlijn|Calandlijn]] | Coolhaven ↔ Capelsebrug | align="right" | 10 | align="right" | 22 |- | align="right" | 27. Mai 1983 | [[#Calandlijn|Calandlijn]] | Capelsebrug ↔ Graskruid ↔ Binnenhof (Stadtbahn) | align="right" | 7 | align="right" | 29 |- | align="right" | 24. April 1984 | [[#Calandlijn|Calandlijn]] | Graskruid ↔ De&nbsp;Tochten (Stadtbahn) | align="right" | 4 | align="right" | 33 |- | align="right" | 25. April 1985 | [[#Erasmuslijn|Erasmuslijn]] | Zalmplaat ↔ De&nbsp;Akkers | align="right" | 3 | align="right" | 36 |- | align="right" | 25. April 1986 | [[#Calandlijn|Calandlijn]] | Coolhaven ↔ Marconiplein | align="right" | 2 | align="right" | 38 |- | align="right" | 29. Mai 1994 | [[#Calandlijn|Calandlijn]] | Capelsebrug ↔ De Terp | align="right" | 3 | align="right" | 41 |- | align="right" | 4. Juni 1997 | [[#Erasmuslijn|Erasmuslijn]] | Wilhelminaplein | align="right" | 1 | align="right" | 42 |- | align="right" | 4. November 2002 | [[#Erasmuslijn|Erasmuslijn]] | Tussenwater | align="right" | 1 | align="right" | 43 |- | align="right" | 4. November 2002 | [[#Calandlijn|Calandlijn]] | Marconiplein ↔ Tussenwater | align="right" | 5 | align="right" | 48 |- | align="right" | 29. August 2005 | [[#Calandlijn|Calandlijn]] | De Tochten ↔ Nesselande | align="right" | 1 | align="right" | 49 <!-- |- | align="right" | | | | align="right" | | align="right" | --> |} == Weiterführende Informationen == === Siehe auch === {{Commons|Metro Rotterdam|U-Bahn Rotterdam}} * [[Portal:U-Bahn]] * [[Straßenbahn Rotterdam]] * [[:nl:Categorie:Rotterdamse metro|Beschreibung aller Stationen (im Aufbau) in der niederländischen Wikipedia]] === Literatur === * Henk van Bruggen: ''Rotterdam, Rijnmond, Dordrecht''. ANWB, Den Haag 1994, ISBN 90-18-00406-5 * Kees Stiksma: ''Tunnels in the Netherlands. Underground transport connections''. 2. Aufl. Illustra, Rotterdam 1993, ISBN 90-6618-591-0. * Vittorio Magnago Lampugnani: ''Hatje-Lexikon der Architektur des 20. Jahrhunderts''. Hatje, Stuttgart 1983, ISBN 3-7757-0174-5. === Weblinks === * [http://www.ret.nl/ Offizielle Betreiberseite] * [http://www.randstadrail.nl Offizielle Website von RandstadRail] (nur Niederländisch) * [http://www.retmetro.nl/ Eine niederländische Fanseite] * [http://www.urbanrail.net/eu/rot/rotterdam.htm Seite von urbanrail.net zur Rotterdamer Metro] * [http://mic-ro.com/metro/rotterdam.html Metro Bits: Rotterdam-Fotoseite] {{Exzellent}} [[Kategorie:U-Bahn|Rotterdam]] [[Kategorie:Bauwerk in Rotterdam]] [[Kategorie:Verkehr (Rotterdam)]] [[Kategorie:Schienenverkehr (Niederlande)]] [[el:Μετρό Ρότερνταμ]] [[en:Rotterdam Metro]] [[eu:Rotterdamgo metroa]] [[fi:Rotterdamin metro]] [[fr:Métro de Rotterdam]] [[it:Metropolitana di Rotterdam]] [[ka:როტერდამის მეტროპოლიტენი]] [[nl:Rotterdamse metro]] [[pt:Metro de Roterdão]] [[ru:Роттердамский метрополитен]] [[sk:Rotterdamské metro]] [[sv:Rotterdams tunnelbana]] c6t821o8510iqdkk560baxvoxznhrgl wikitext text/x-wiki Metró Budapest 0 23929 27281 27027 2010-05-14T12:38:47Z 91.5.245.72 Änderung 27027 von [[Special:Contributions/164.107.204.223|164.107.204.223]] ([[User talk:164.107.204.223|Diskussion]]) wurde rückgängig gemacht. [[Datei:Budapest Foeldalatti Opera Station.jpg|miniatur|350px|Der sanierte Bahnhof ''Opera'' der ''Földalatti'']] Die '''Metró Budapest''' ist das [[U-Bahn]]-System der [[Ungarn|ungarischen]] Hauptstadt. Die „Millenniums-U-Bahn“ (''Millenniumi Földalatti Vasút'', Linie M1) ist nach der [[London Underground]] die zweitälteste U-Bahn in [[Europa]] und wurde anlässlich der ''Millenniumsfeiern'' zur tausendjährigen [[Magyaren#Geschichte|Landnahme der Ungarn]] 1896 in Betrieb genommen. Jahrzehnte später kamen noch zwei mit Hilfe der [[Sowjetunion]] gebaute Linien dazu (M2, M3), die im Gegensatz zur M1 auch nach ihrem Bau stark erweitert wurden. Derzeit befindet sich eine vierte U-Bahn-Linie (M4) in Bau und eine fünfte (M5) in Planung. Das Gesamtnetz der Budapester Metró ist derzeit 33 Kilometer lang und hat 42 Stationen. == Linien und Betrieb == [[Datei:Budapest Metro map.svg|miniatur|Streckenplan Metro Budapest]] Das U-Bahn-Netz der Stadt [[Budapest]] besitzt drei Linien mit insgesamt 33 Kilometern Länge und 42 Stationen, von denen drei oberirdisch liegen. Es wird von 4:30&nbsp;Uhr bis 23:45&nbsp;Uhr mit einem Takt zwischen drei und fünf Minuten befahren, in der [[Hauptverkehrszeit]] auch mit einem dichteren Takt. Einziger Kreuzungspunkt der Linien ist die Station ''Deák Ferenc tér'' im Zentrum der Stadt. Es gibt ein ausgefeiltes Angebot an Tarifen, auch Drei-Tages-Karten gehören dazu. Die Budapester U-Bahn ist ein „freies System“, bei dem sich an den U-Bahn-Eingängen keine Sperren oder ähnliche Vorrichtungen befinden. Es finden aber meistens Zugangskontrollen aller einsteigenden Fahrgäste durch 2-4 Kontrolleure an den U-Bahn-Eingängen statt. Nahezu alle unterirdischen Stationen sind mit [[Fahrtreppe|Rolltreppen]] ausgestattet, Aufzüge sind nur in den sanierten Stationen eingebaut. Die Rolltreppen können bedarfsgerecht geschaltet werden, das heißt, je nach Tageslage bzw. Bedarf können die Rolltreppen aufsteigend oder absteigend eingestellt werden. An der Endstation ''Kőbánya-Kispest'' der M3 sind beide Terminals des [[Flughafen Budapest]] über den Schnellbus ''200E'' angebunden. {| bgcolor="#DDDDFF" cellpadding="4" cellspacing="2" style="margin-left:20px;" |- bgcolor="#F8F8FF" ! width="80"|Linie ! width="300"|Strecke ! width="100"|Eröffnung ! width="100"|Länge ! width="100"|Bahnhöfe |- bgcolor="#FFFFFF" | [[Datei:Budapest Metro M1.png]] | align="center" |Vörösmarty tér ↔ Mexikói út | align="center" | 1896 | align="center" | 5 km | align="center" | 11 |- bgcolor="#F8F8FF" | [[Datei:Budapest Metro M2.png]] | align="center" | Déli pályaudvar ↔ Örs vezér tere | align="center" | 1970 | align="center" | 10 km | align="center" | 11 |- bgcolor="#FFFFFF" | [[Datei:Budapest Metro M3.png]] | align="center" | Újpest Központ ↔ Kőbánya-Kispest | align="center" | 1976 | align="center" | 18 km | align="center" | 20 |- bgcolor="#F8F8FF" | [[Datei:Budapest Metro M4.png]] | align="center" | Kelenföldi pályaudvar ↔ Bosnyák tér | align="center" | 2011–2014 | align="center" | in Bau | align="center" | (14) |} == Geschichte == === Bau der ''Földalatti'' === 1893 bemühten sich die ''Budapester Elektrische Straßenbahngesellschaft'' (abgekürzt BVVV) und die ''Budapester Pferdebahngesellschaft'' (abgekürzt BKVT) um eine gemeinsame Konzession für eine Straßenbahn auf der 1876 vollendeten Straße Andrassy út, die jedoch abgelehnt wurde. Daraufhin schlug der Generaldirektor der BVVV, [[Mór Balázs]], vor, das schon am 22.&nbsp;Januar 1894 eingereichte Projekt der Firmen ''[[Siemens & Halske]]'' und der ''Budapester Elektrischen Straßenbahngesellschaft'' für eine Untergrundbahn unter der ''Andrassy út'' zu realisieren. Dies erwies sich als sehr günstig, da die Stadtverwaltung bereits die Feiern zur 1000-Jahr-Feier der Staatsgründung Ungarns (896) plante. Diese sollten im ''[[Stadtwäldchen|Városliget]]'' (zu deutsch: Stadtwäldchen) stattfinden. Die Beförderung der zahlreichen Veranstaltungsgäste war jedoch ein noch ungelöstes Problem, und so kamen die U-Bahn-Pläne gerade richtig. ''Siemens&nbsp;&&nbsp;Halske'', die auch eine [[U-Bahn Berlin|U-Bahn in Berlin]] errichten wollten, warben außerdem damit, dass die Untergrundbahn die erste des [[Europa|europäischen Kontinents]] wäre und der Stadt einen mondäneren Charakter geben würde. So wurde beschlossen, die Untergrundbahn bis zu den Jubiläumsfeierlichkeiten fertigzustellen. Für diese eine Linie waren folgende Stationen vorgesehen: [[Datei:Mfavground.jpg|miniatur|Ein Zug der Földalatti am ''[[Heldenplatz (Budapest)|Hősök tere]]'' (Heldenplatz)]] * ''Gizella tér'' (heute ''[[Vörösmarty-Platz|Vörösmarty tér]]'') * ''Deák Ferenc tér'' * ''Bajcsy-Zsilinszky út'' * ''[[Oper (Budapest)|Opera]]'' * ''Oktogon'' * ''Vörösmarty utca'' * ''Körönd'' (heute ''Kodály körönd'') * ''Bajza utca'' * ''Aréna út'' (heute ''[[Heldenplatz (Budapest)|Hősök tere]]'') * ''Artézi fürdő'' (heute ''[[Széchenyi-Heilbad|Széchenyi fürdő]]'') * ''Mexikói út'' Nach dem Vorbild der [[London Underground]] wurde die Linie im Ungarischen '''Földalatti''' benannt (ungarisch ''föld'' „Erde, Boden“, ''alatt'' „unter“; also: „die Unterirdische“). Alle Bahnhöfe sollten damals übliche Seitenbahnsteige erhalten, die Ein- und Ausgänge waren als prunkvolle Pavillons geplant. Die erforderliche Werkstatt sollte in der Nähe der Station ''Aréna út'' beim Stadtwäldchen entstehen. [[Datei:Budapest subway 1896.jpg|miniatur|Einer der ersten Triebwagen aus dem Jahr 1896]] Schließlich beauftragten die beiden Budapester Verkehrsgesellschaften das deutsche Unternehmen ''Siemens&nbsp;&&nbsp;Halske'' mit der Bauausführung. Die erste Phase der Bauarbeiten begann am 29.&nbsp;Dezember 1894. Bereits nach weniger als zwei Jahren konnte die Strecke am 2.&nbsp;Mai 1896 in Betrieb genommen werden. Sie war 3,68&nbsp;km lang, davon waren 3,22&nbsp;km Tunnel und 460 Meter oberirdisch. Die Linie wurde als ''Unterpflasterbahn'' ausgeführt. Das heißt, sie liegt nicht mehr als drei Meter tief unter der Erde. Dies lag vor allem an den noch nicht vorhandenen Erfahrungen im U-Bahn-Bau. Insgesamt überstiegen die Baukosten alle Planungen, dafür wurde eine pünktliche Fertigstellung erreicht. Für den Betrieb der U-Bahn wurden insgesamt zehn Doppeltriebwagen erworben, die sowohl mit Holz als auch mit Metall verkleidet waren. Während die Züge selber bei der ''Schlick Vasöntő és Gépgyár'' (zu deutsch: ''Gießerei und Maschinenfertigung Schlick'') gefertigt wurden, stellte ''Siemens & Halske'' die elektrische Ausrüstung bereit. Die Fahrzeuge bedurften einer Sonderanfertigung, da die Tunnel mit einer [[Lichtraumprofil|lichten Höhe]] von 2,85 Metern sehr klein waren. Die Züge erhielten ihren Strom von einer festen [[Stromschiene]], die an der Decke beziehungsweise bei oberirdischen Strecken an Masten befestigt wurde. Das ist für heutige U-Bahn-Systeme nicht mehr üblich. Die Fahrspannung war mit 350&nbsp;[[Volt|V]] relativ gering. [[Datei:Budapest Foeldalatti Opening Plaque 2.jpg|miniatur|Eröffnungsplakette der ''Elektrischen Untergrundbahn Franz Joseph'']] Nach der Eröffnung der heute so genannten Millenniums-Linie ''(Millenniumi Földalatti Vasút)'' zwischen ''Gizella tér'' und ''Artézi fürdő'' am 2. Mai 1896 besichtigte der damalige österreichische Kaiser und gleichzeitige ungarische König [[Franz Joseph I. (Österreich-Ungarn)|Franz Joseph&nbsp;I.]] (ungarisch ''I.&nbsp;Ferencz József'') am 8.&nbsp;Mai die Untergrundbahn. Der Kaiser, der an der Station ''Gizella tér'' einstieg, fuhr mit einem eigens für ihn hergerichteten Wagen bis zur Endstation, um die U-Bahn komplett zu besichtigen. Zu Ehren des ungarischen Königs und österreichischen Kaisers erhielt er von der für den Betrieb zuständigen Verkehrsgesellschaft ein ausgeschmücktes und prächtiges U-Bahn-Ansichtsalbum. Als Dankeschön gab der Regent den Erlass bekannt, dass die U-Bahn in Zukunft seinen Namen tragen dürfe. So hieß die U-Bahn seit damals auf Ungarisch ''Ferencz József Földalatti Villamos Vasút'', zu deutsch „Elektrische Untergrundbahn Franz Joseph“. Auch die Verkehrsgesellschaft nannte sich nun „Elektrische Untergrundbahngesellschaft Franz Joseph“ (abgekürzt FJFVV). === Weiterentwicklung der bestehenden Linie === [[Datei:Budapest Foeldalatti Oktogon Sign.jpg|miniatur|Restauriertes U-Bahnschild der Station ''Oktogon'']] Die Fahrgastzahlen entwickelten sich sehr gut, und so konnte auch der Preis des am Anfang sehr teuren Einzelfahrscheins von zwanzig auf zwölf [[Heller (Münze)|Heller]] gesenkt werden. Zusätzlich wurde auch das Fahrkartenangebot mit Zonen- und Monatskarten erweitert. Die Grenze zwischen den beiden damals bestehenden Zonen befand sich am ''Oktogon''. Die zwanzig Fahrzeuge sollten aufgrund ihres relativ schlechten Zustandes 1917 erneuert oder durch weitere Züge ersetzt werden. Doch aufgrund der wirtschaftlichen Probleme beziehungsweise der Folgen des [[Erster Weltkrieg|Ersten Weltkrieges]] konnte dieser Beschluss, der auch von der ungarischen Regierung unterstützt wurde, nicht durchgesetzt werden. Zu dieser Zeit war es auch erstmals nötig, zur Beseitigung des kriegsbedingten Mangels an männlichen Arbeitskräften weibliche Beschäftigte einzusetzen. Zum 1. Januar 1923, nachdem es seit 1920 nach dem [[Vertrag von Trianon]] wieder ein eigenständiges Land [[Ungarn]] gab, formierte sich die FJFVV zu den ''Hauptstädtischen Budapester Verkehrsbetrieben'' (BSZKRT) um. Diese hatte ehrgeizige Ziele für die U-Bahn, die sich damals in einem relativ schlechten Zustand befand. So musste unter anderem der [[Oberbau (Eisenbahn)|Oberbau]] renoviert werden. Zusätzlich wurden die Fahrzeuge erneuert, die stärkere Motoren und nun anstatt der bisherigen Schiebetüren zweiflügelige Türen erhielten. Zudem wurde die [[Fahrspannung]] von 350&nbsp;Volt auf die auch von der Budapester Straßenbahn genutzte Spannung von 550&nbsp;Volt erhöht. === Sanierung und Verlängerung der ''Földalatti'' === [[Datei:Budapest Foeldalatti Depot.jpg|miniatur|Halle der neu eröffneten Betriebswerkstatt an der ''Mexikói út'']] Nach dem [[Zweiter Weltkrieg|Zweiten Weltkrieg]] nahm die Bevölkerungszahl Budapests stetig zu. Um den großen Fahrgastströmen gerecht zu werden, ließ die BSZKRT die Bahnsteige verlängern. Es wurden sechzehn neue Beiwagen beschafft, die nun im Zugverband mit den anderen Fahrzeugen fuhren und mehr Fahrgäste aufnehmen konnten. Alle Fahrzeuge erhielten neue [[Drehgestell]]e und Motoren. In den Jahren 1970 bis 1973 erfolgte eine grundlegende Sanierung der „kleinen U-Bahn“, wobei besonders der [[Denkmalschutz]] beachtet wurde. Mit der Beendigung der Arbeiten am 30.&nbsp;Dezember ging gleichzeitig eine Verlängerung um 1.250 Meter bis ''Mexikói út'' (zu deutsch: Mexikostraße) in Betrieb. Damit erhielten auch die Budapester Stadtteile ''Zugló'' und ''Újpalota'' Anschluss an das Budapester Stadtzentrum um den heutigen ''Deák Ferenc tér'' und ''Vörösmarty tér''. Ebenfalls wurden komplett neu entwickelte Züge eingesetzt, die eine Höchstgeschwindigkeit von 60 Kilometern pro Stunde erreichten und acht Achsen besaßen. Die Wagen wurden von den ''Ganz Villamossági Művek'' (Ganz Elektrowerke) und ''Ganz-MÁVAG'' (Ganz Maschinen- und Wagenherstellung) hergestellt. Diese werden auch heute noch genutzt. Die Werkstatt an der ''Aréna út'' wurde geschlossen und zur ''Mexikói út'' verlegt, wo wesentlich mehr Platz vorhanden war und eine Verbindung zur Straßenbahn hergestellt werden konnte. Neben diesen Arbeiten erfolgte auch eine Umbenennung einzelner Bahnhöfe: ''Gizella tér'' hieß nun ''Vörösmarty tér'', ''Körönd'' seitdem ''Kodály körönd'', ''Aréna út'' nun ''Hősök tere'' und ''Artézi fürdő'' erhielt den Namen ''[[Széchenyi-Heilbad|Széchenyi fürdő]]''. === In zwei Etappen von Ost nach West === Schon seit der Eröffnung der ersten U-Bahn-Linie gab es Pläne für weitere Strecken, deren Realisierung jedoch ein halbes Jahrhundert auf sich warten ließ. Aufgrund der Bevölkerungszunahme nach dem Zweiten Weltkrieg, heute leben etwa 1,7&nbsp;Millionen Menschen in Budapest, wurde 1947 ein überarbeitetes Netz beschlossen, das unter anderem eine neue Ost-West-Linie und eine Nord-Süd-Linie vorsah. Der Bau der Ost-West-Verbindung begann 1950. Der erste Bauabschnitt verlief vom im Zentrum liegenden ''Deák Ferenc tér'' zum östlichen ''[[Népstadion]]''. Insgesamt sollte diese Ost-West-Linie, heute als M2 bezeichnet, vom ''Népstadion'' über den ''[[Budapest Keleti pályaudvar|Keleti pályaudvar]]'' (Ostbahnhof) und das Zentrum unter der [[Donau]] zum ''[[Budapest Déli pályaudvar|Déli pályaudvar]]'' (Südbahnhof) führen. Sie war im Planungsstadium 7,8&nbsp;km lang und sollte neun Stationen haben. Bis 1953 waren drei Kilometer der Strecke gebaut, danach verschlechterte sich die wirtschaftliche Situation Ungarns rapide, so dass die Bauarbeiten für die U-Bahn eingestellt werden mussten. Bis 1963 wurden die Tunnel für die Lagerung von Lebensmitteln genutzt, erst dann konnten die Bauarbeiten wieder aufgenommen werden. Dabei wurden die Planungen für diese Linie noch einmal umgestaltet: In Richtung Osten wurde sie um zwei Stationen bis ''Örs vezér tere'' verlängert. Zwischen den Bahnhöfen ''Deák Ferenc tér'' und ''Blaha Lujza tér'' wurde zusätzlich die Station ''Astoria'' eingefügt, benannt nach dem sich dort befindlichen Hotel. [[Datei:Metro Budapest Escalator.jpg|miniatur|Die längsten Rolltreppen sind auf der M2 zu finden]] Der Bau dieser Linie orientierte sich streng nach sowjetischem Vorbild. Sie wurde in bis zu 60 Metern Tiefe gebaut und alle Bahnhöfe möglichst prunkvoll gestaltet. Da die Decken in den Stationen relativ niedrig waren, konnten im Gegensatz zu [[Metro Moskau|Moskau]] keine großen Leuchter aufgehängt werden. Die Gestaltungsmerkmale waren vor allem viel Stein, der möglichst an [[Marmor]] erinnern sollte, und lange Sitzreihen, die heute in anderen U-Bahn-Systemen vermieden werden, da sie bei Obdachlosen als Schlafplatz sehr beliebt sind. Die erste neue U-Bahn-Strecke nach 1896 wurde am 2. April 1970 zwischen ''Deák Ferenc tér'' und ''Örs vezér tere'' in Betrieb genommen. Im Jahr der Inbetriebnahme der Neubaustrecke wurde sie bereits von 250.000 Fahrgästen pro Tag genutzt. Gleichzeitig nahm die Betriebswerkstatt für die M2 zwischen den Stationen ''Örs vezér tere'' und ''Pillangó utca'' ihre Arbeit auf. Zwei Jahre später, am 22. Dezember 1972, ging die 3,5 Kilometer lange Teilstrecke ''Deák Ferenc tér'' – ''Déli pályaudvar'' mit Unterquerung der Donau in Betrieb. Darauf verdoppelte sich die Fahrgastzahl auf 500.000 Fahrgäste pro Tag. Damit war nun die komplette M2 fertiggestellt. Zum 1. Januar 2004 wurde die viergleisige Station ''Népstadion'' in ''Stadionok'' umbenannt. Die M2 ist heute 6,5&nbsp;km lang und hat elf Stationen. Zwischen 2004 und 2007 wurde die M2 komplett generalsaniert, wobei die Tunnelsysteme technisch erneuert und die Bahnhöfe optisch aufgewertet wurden. === Bau der M3 === [[Datei:Budapest_Metro_Lehel_ter.JPG|miniatur|Stationsschild des Bahnhofes Lehel tér]] [[Datei:Budapest_Metro_Ujpest-Kozpont.jpg|miniatur|Nördliche Endstation der M3: Újpest-Központ]] Bereits wenige Wochen nach der Eröffnung der kompletten M2 begannen die Arbeiten für eine neue Strecke im Untergrund Budapests. Der erste Abschnitt der neuen Nord-Süd-Linie, die vollständig auf der [[Pest (Stadt)|Pester Stadtseite]] liegt, beginnt am zentralen ''Deák Ferenc tér'', wo sich bereits die Linie M1 und M2 kreuzen, und führt südlich zum ''Nagyvárad tér''. Dieser Teil der neuen Linie besitzt fünf Stationen auf 3,7&nbsp;km Länge. Im Untergrund liegt sie mit etwa 20 bis 30 Metern Tiefe genau zwischen den zwei bestehenden Linien: die Millenniums-U-Bahn wurde aufgrund geringer Tunnelbauerfahrungen nur wenige Meter unterhalb der Oberfläche gebaut („[[Unterpflasterbahn]]“), die M2 wurde nach sowjetischem Vorbild bis zu sechzig Meter tief mit Schildvortriebsmaschinen erbaut. Am ''Deák Ferenc tér'' wurde gleichzeitig mit dem Streckenbau eine Tunnelverbindung zur M2 hergestellt, da diese bisher die einzige Betriebswerkstatt für die auf den neuen Linien verwendeten Züge besaß. Nach vier Jahren Bauzeit konnte am 31. Dezember 1976 auf der Strecke ''Deák Ferenc tér'' – ''Nagyvárad tér'' der Betrieb aufgenommen werden. Danach ging es stetig voran mit dem U-Bahn-Ausbau, auch die südlichen und nördlichen Stadtviertel benötigten dringend einen U-Bahn-Anschluss, da die [[Straßenbahn]] und die [[Omnibus|Busse]] überlastet waren. Wiederum nach vier Jahren, am 20.&nbsp;April 1980, fuhren die Züge nun bis ''Kőbánya-Kispest''. An der Endstation wurde gleichzeitig, ähnlich der M2, die Betriebswerkstatt für die dritte Metrolinie Budapests in Betrieb genommen. Denn inzwischen benötigte die immer wichtiger werdende Nord-Süd-Linie eine eigene Werkstatt, da die der M2 zunehmend überlastet war. Eineinhalb Jahre später, am 30. Dezember 1981, konnte das Nordstück der M3 bis zur ''Dózsa György út'' in Betrieb genommen werden. Da der Verkehr auf der wichtigen Straße ''Váci út'' nicht unterbrochen werden konnte, wurde der [[Schildvortrieb]] für dieses Streckenstück gewählt. Nun war es möglich, die drei wichtigsten Bahnhöfe Budapests per Metro zu erreichen, wenn auch vom oder zum ''[[Budapest Nyugati pályaudvar|Nyugati pályaudvar]]'' (Westbahnhof) jeweils einmal umgestiegen werden musste. Für die Eine-Station-Verlängerung bis ''Árpád híd'' wurde wesentlich mehr Zeit benötigt – erst am 7. November 1984 ging diese in Betrieb. Nach vielen Finanzierungsschwierigkeiten, die [[Planwirtschaft]] zeigte deutlich ihre Schwächen, konnte erst am 14. Dezember 1990 der Betrieb der M3 bis nach ''Újpest-Központ'' verlängert werden. Abgesehen davon, dass hier nur noch Seitenbahnsteige errichtet wurden, merkt der Fahrgast deutliche Unterschiede in den Gestaltungsmerkmalen: Statt Steinverkleidungen wurden nun viel Aluminiumbleche verwendet. Außerdem sind die Stationen nur noch durch die Beschilderung zu unterscheiden, da nahezu jedes Mal die gleichen Farben benutzt wurden. == Ausbau und Planungen == === Aktuelle und kurzfristige Ausbauten === [[Datei:M2kossuthter.jpg|miniatur|Sanierter U-Bahnhof Kossuth Lajos tér]] [[Datei:M2batyi.jpg|miniatur|Sanierter U-Bahnhof Batthyány tér]] Für die derzeitigen Linien sind nur sehr langfristige Streckenerweiterungen geplant, die M2 gilt jedoch bereits als komplett fertiggestellt. === Mittel- bis langfristige Ausbauten === Die seit 2004 im Bau befindliche Linie M4 soll die schon an die Grenze der Belastbarkeit gekommenen Expressbusse der Linie&nbsp;7 ersetzen. Am 23. Januar 2006 wurde der Vertrag für den Bau der M4 von der [[BKV Rt.|BKV]] unterzeichnet. Sie könnte neben dem Verlauf zum ''[[Kelenföldi pu.|Kelenföldi pályaudvar]]'' auch einen zweiten Linienast nach ''Budafok, Városház tér'' erhalten. Im Norden soll die M4 über den schon festgelegten Bahnhof ''Bosnyák tér'' mit zwei Zwischenstationen bis zur ''Nyírpalota utca'' verlängert werden. [[Siemens Transportation Systems]] erhielt den Auftrag, diese Linie als erste ungarische U-Bahn für den vollautomatischen, fahrerlosen Betrieb auszurüsten. Zum Auftragsvolumen von rund 109&nbsp;Millionen Euro gehört neben der Elektrifizierung die Leit- und Sicherungstechnik, die Telekommunikation und die Ausrüstung der Leitzentrale. Die vollautomatische Linie M4 wird für eine Höchstgeschwindigkeit von 80&nbsp;km/h und einen 90-Sekunden-Takt vorbereitet. Grob gesehen führt diese 7,4&nbsp;km lange Linie unter der Donau hindurch und verbindet komplett unterirdisch die Stadtteile ''Kelenföld (Südbuda)'' und ''Rákospalota (Ost-Pest)'' miteinander. Die Eröffnung der neuen M4 ist für Mai 2010 vorgesehen<ref>''Blickpunkt Straßenbahn'', Ausgabe 03/2007, Seite 143</ref>. In der Nähe der Station Kelenföldi wird es überirdisch ein Depot geben.<ref>[http://www.siemens.com/index.jsp?sdc_sectionid=4&sdc_langid=0&sdc_contentid=1410886 Pressemitteilung von Siemens TS], 10. Oktober 2006</ref> Die derzeit größte Baustelle der M4 befindet sich am ''[[Ostbahnhof (Budapest)|Keleti pályaudvar]]'' (Ostbahnhof). Dort entsteht eine große Umsteigestation von der neu entstehenden M4 zur schon bestehenden M2 und zur Fern- und Regionalbahn. Für diese Bauarbeiten mussten zeitweise mehrere Straßenbahnstrecken weichen, sie sollen jedoch nach der Beendigung der Bauarbeiten wieder befahrbar sein. Doch nicht nur die M2 wird am Ostbahnhof gekreuzt, die neue U-Bahn-Linie trifft am ''Kálvin tér'' auch auf die schon bestehende Linie M3. Um die Einwohner Budapests über die Baufortschritte und die neue Linie an sich zu informieren, wurde die Marketingkampagne ''„I LOVE M4“'' gestartet. Mittel- bis langfristig gibt es noch weitere Verlängerungsmöglichkeiten für die Linie M3. So soll die M3 im Norden von ''Újpest-Központ'' nach ''Káposztásmegyer'' verlängert werden, es soll dabei zwischen drei und fünf Zwischenstationen geben. Im Südosten könnte die M3 einen Linienast zum bisher nicht mit Schienenverkehrsmitteln angeschlossenen [[Flughafen Budapest Ferihegy|Flughafen]] erhalten. Abzweigungsbahnhof wäre wahrscheinlich ''Határ út''. In weiter Ferne soll es zukünftig eine fünfte Metrolinie in Budapest geben, die vom Norden [[Buda]]s über die [[Margareteninsel (Budapest)|Margareteninsel]] ins Zentrum von [[Pest (Stadt)|Pest]] führen soll. Dabei sollen vor allem die zwei noch nicht mit einem U-Bahn-Anschluss versehenen [[Helyiérdekű Vasút|HÉV]]-Vorortlinien nach [[Csepel]] und [[Ráckeve]] angeschlossen werden. Die geplante Linie M5 würde die bestehenden Linien an folgenden Stationen kreuzen: ''Lehel tér'' (M3), ''Oktogon'' (M1), ''Astoria'' (M2) und ''Kálvin tér'' (M3). Sowohl zum Baubeginn als auch zu einem möglichen Fertigstellungstermin bestehen derzeit jedoch keine konkreten Planungen und sind wohl auch in den nächsten Jahren und Jahrzehnten nicht zu erwarten. == Fahrzeuge == [[Datei:M2 Metro Budapest 01 b.jpg|miniatur|Zugtyp ''Ev'' der Budapester U-Bahn. Dieser wird auf den Linien M2 und M3 eingesetzt]] [[Datei:Keszult-1974-DSC02526.jpg|miniatur|links|Ev3 Baujahr 1974, in Betrieb 2009 in Budapest]] [[Datei:KisföldalattiEN.JPG|miniatur|Einer der aktuellen Züge der M1]] [[Datei:Budapest_Foeldalatti_Train_Inside.jpg|miniatur|Der Innenraum eines Zuges der M1]] [[Datei:Budapest metro jingle.ogg|miniatur|Jingle, Stationsansage (''Vörösmarty utca'') und Abfertigungssignal in der Millenniums-U-Bahn]] Die Budapester U-Bahn ist betrieblich in zwei Bereiche aufgeteilt: Die Millenniums-U-Bahn (Linie M1) und die später gebauten Linien M2 und M3 sowie die in Bau befindliche Linie M4. Während die M1 über eine an der Tunneldecke angebrachte [[Stromschiene]] mit einer [[Elektrische Spannung|Spannung]] von 550&nbsp;Volt versorgt wird, erhielten die zwei anderen Linien eine seitliche Stromschiene mit einer Spannung von 825&nbsp;Volt [[Gleichstrom]]. Doch nicht nur in der Stromversorgung unterscheiden sich die U-Bahn-Strecken, es werden auch andere Fahrzeuge mit anderen Maßen eingesetzt. Auf der M1 fahren derzeit nur im Jahr 1973 gelieferte Wagen, die von den Firmen ''Ganz Villamossági Művek'' (Ganz Elektrowerke) und ''Ganz-MÁVAG'' (Ganz Maschinen- und Wagenbau) hergestellt wurden. Sie erreichen eine Höchstgeschwindigkeit von 60 Kilometern pro Stunde. Es sind dreiteilige Gelenktriebwagen mit [[Jakobsdrehgestell]]en und insgesamt acht Achsen. Die Wagen sind 29,56&nbsp;m lang, 2,35&nbsp;m breit und wiegen 36,96&nbsp;Tonnen. Im Gegensatz zu den Wagen der Linien M2 und M3, bei denen die Fahrzeuge in dunklen Blautönen gehalten sind, fahren auf der M1 gelbe Züge. Im Innenraum ist das schmalere Profil der „Kleinen U-Bahn“ deutlich zu spüren. Es sind nur wenige Sitzplätze vorhanden, die Wagen sind sehr schnell überfüllt. Bei den Budapester U-Bahn-Linien M2 und M3 wurden von Anfang an Züge sowjetischer Herkunft (Hersteller: [[Metrowagonmasch]]-Werke) eingesetzt, obwohl auch ein ungarischer Fahrzeugprototyp getestet wurde. Die ersten Züge, die ab 1968 ausgeliefert wurden, sind 18,8&nbsp;m lang und 2,67&nbsp;m breit; sie wiegen 32,5&nbsp;t und können Höchstgeschwindigkeiten von bis zu 90&nbsp;[[km/h]] erreichen. Im Innenraum sind acht Bänke in Längsformation angeordnet. Ein Wagen kann bis zu 155 Personen aufnehmen, so dass ein Zug in der üblichen Sechs-Wagen-Formation (M2) 930 Personen transportieren kann. Bei der M3 ist es ein Waggon mehr, so dass hier theoretisch 1.085 Fahrgäste auf einmal fahren können. Insgesamt wurden 194 Züge in den Jahren von 1968 bis 1972 geliefert. Es gab teilweise kleinere technische Modifizierungen, so dass es davon die drei Typen ''Ev'', ''Ev3'' und ''EvA'' gibt. Für die Verlängerung der M3 in Richtung Süden wurden leicht veränderte Züge produziert, die unter anderem stärkere Motoren und [[Thyristor]]steuerungen erhielten. Für den Fahrgast ist vor allem die modifizierte Stirnfront auffällig, der Innenraum blieb unverändert. Diese Wagen sind in anderer Farbgebung auch in anderen Städten, wie z.B. in [[Metro Prag|Prag]] oder [[U-Bahn Warschau|Warschau]] zu finden. Sie werden als ''[[U-Bahnwagen 81-717/714|81-7172]]'' (Endwagen mit Führerstand) bezeichnet, dabei gab es aber auch noch weitere Modifizierungen, die die Bezeichnungen ''81-7142'' (Mittelwagen ohne Führerstand), ''81-7172M'' und ''81-7142M'' erhielten. Die [[Stromschiene]] weicht vom Vorbild Moskau (das auf die Bauart Wannsee, teilweise auch auf die ältere Bauart Stadtbahn aus Berlin zurückgeht) völlig ab. Sie wird von oben bestrichen, besitzt aber seitlich und oben eine Abdeckung mit Schlitz auf der Gleisseite. Alle U-Bahn-Züge der Linien M1 bis M3 werden vom Fahrer selbst abgefertigt. Als Hilfsmittel dienen dazu vor allem überdimensionale Spiegel, aber auch Kameras, die den kompletten Bahnsteig aufnehmen. Die Türen der Züge öffnen und schließen automatisch. Bei letzterem ertönt jedoch nicht wie bei anderen U-Bahn-Systemen (M2 und M3) ein auch für ausländische Fahrgäste zu verstehendes Tonsignal, sondern es erfolgt eine automatische Abfertigungsansage in [[Ungarische Sprache|ungarischer Sprache]]. Nur bei der M1 ertönt ein lautes Abfertigungssignal. Mit Ausnahme einiger Züge, in denen die Stationen angezeigt werden, erfolgen nur Stationsansagen, die auf der Millenniums-U-Bahn mit einem einprägsamen Glockenlaut eingeleitet werden. Bei den Linien M2 und M3 erfolgt lediglich die Ansage. Die Züge der M1 werden im 1973 eröffneten Depot an der ''Mexikói út'' gewartet, wo auch eine Verbindung zum [[BKV Rt.|Budapester Straßenbahnsystem]] besteht. Die Züge der zweiten Metrolinie stehen in der Werkstatt ''Fehér utca'' am östlichen Endbahnhof ''Örs vezér tere''. Diese Betriebswerkstatt wurde gemeinsam mit der Verlängerung der M2 bis zu diesem Bahnhof im Jahr 1970 in Betrieb genommen. Die Werkstatt ist komplett für die M2 zuständig. Während anfangs die M3-Züge noch im Depot ''Örs vezér tere'' in Stand gehalten wurden, was über einen Betriebstunnel am Bahnhof ''Déak Ferenc tér'' möglich war, bedurfte es nun einer eigenen Werkstatt für diese Linie. Freie Flächen für den Bau einer Werkstatt fanden sich am Bahnhof ''Kőbánya-Kispest''. Der Betriebshof eröffnete gemeinsam mit der Verlängerung zu diesem Bahnhof im Jahr 1980. == U-Bahn-Museum == [[Datei:Budapest Metro Museum.jpg|miniatur|Ein noch erhaltener Zug der Millenniums-U-Bahn im Metro-Museum]] Auf Initiative der Budapester Verkehrsbetriebe und des Budapester Verkehrsmuseums wurde 1975 in einem abgetrennten Tunnelstück am ''Deák Ferenc tér'' ein Museum zur U-Bahn der ungarischen Hauptstadt eingerichtet. Beim Eintritt in das Museum sieht der Besucher eine Bank und Stationstafel der Station ''Gizella tér'' (heute ''Vörösmarty tér''), die bei der Sanierung 1973 aufbewahrt wurden. Im weiteren Teil des kleinen Museums sind die verschiedenen Bau- und Zeitabschnitte der Millenniums-U-Bahn in drei großen Schauvitrinen auf [[Ungarische Sprache|Ungarisch]] und [[Englische Sprache|Englisch]] dargestellt. In der ersten Vitrine werden der allgemeine Stadtverkehr der ungarischen Hauptstadt sowie die Entwurfs- und Planungsphase der U-Bahn beschrieben. In der zweiten Vitrine wird der Tunnel- und Fahrzeugbau detailliert dargestellt. In der dritten und letzten Vitrine wird über die verschiedenen Modernisierungen und über den Zustand des Netzes allgemein berichtet. Ferner befinden sich im Museum noch zwei Züge der U-Bahn, vorne der Motorwagen mit der Nummer&nbsp;19, hinten ein Bei- sowie und ein Motorwagen mit der Nummer&nbsp;1. Diese stehen auf einem vierzig Meter langen Gleis, das von dem originalen Prellbock der Station ''Artézi fürdő'' (heute ''Széchenyi fürdő'') stammt. Dieser war nach der Verlängerung zur ''Mexikói út'' nicht mehr nötig. Der Motorwagen mit der Nummer 12 wird im [[Hannoversches Straßenbahn-Museum|Hannoverschen Straßenbahn-Museum]] aufbewahrt und in einer eigenen Halle ausgestellt. == Siehe auch == * [[VEKE]] * [[Helyiérdekű Vasút]] * [[Kontroll]] preisgekrönter Film, der im U-Bahn-System der Stadt Budapest spielt == Literatur == * Walter J. Hinkel, Karl Treiber, Gerhard Valenta, Helmut Liebsch: ''U-Bahnen – gestern-heute-morgen – von 1863 bis 2010''. N. J. Schmid Verlagsgesellschaft, Wien 2004, ISBN 3-900607-44-3 (Kapitel „Budapest“) * Miklós Merczi: ''Budapest – Das Museum der U-Bahn. Underground Railway Museum''. Budapester Verkehrsmuseum, Budapest 1996, ISBN 963-554-073-6, {{ISSN|0139-245X}} == Weblinks == {{Commons|Budapest Metro|Budapester Metro}} * [http://www.bkv.hu Offizielle Betreiberseite] (ungarisch, englisch) * [http://www.metro4.hu Informationen zu der in Bau befindlichen M4] (ungarisch, englisch) * [http://www.metros.hu Fanseite zur Metro Budapest mit Zeichnungen, Informationen und Bildern] (ungarisch) * [http://redegold.de/u-bahn-namen_budapest_auf_deutsch.shtml Namen der Stationen auf Deutsch übersetzt und erklärt] * [http://www.urbanrail.net/eu/bud/budapest.htm Die Metro Budapest bei urbanrail.net] (englisch) == Belege == <references/> {{Gesprochene Version|datei=De-Metro_Budapest-article.ogg}} {{Exzellent}} [[Kategorie:U-Bahn|Budapest]] [[Kategorie:Verkehr (Budapest)]] {{Link FA|he}} [[bg:Будапещенски метрополитен]] [[bn:বুদাপেশ্‌ৎ মেট্রো]] [[ca:Metro de Budapest]] [[cs:Metro v Budapešti]] [[cv:Будапешт метрополитенĕ]] [[en:Budapest Metro]] [[eo:Metroo de Budapeŝto]] [[es:Metro de Budapest]] [[eu:Budapesteko metroa]] [[fi:Budapestin metro]] [[fr:Métro de Budapest]] [[he:הרכבת התחתית של בודפשט]] [[hu:Budapesti metró]] [[it:Metropolitana di Budapest]] [[ja:ブダペスト地下鉄]] [[ka:ბუდაპეშტის მეტროპოლიტენი]] [[nl:Metro van Boedapest]] [[no:Budapests undergrunnsbane]] [[pl:Metro w Budapeszcie]] [[pt:Metro de Budapeste]] [[ro:Metroul din Budapesta]] [[ru:Будапештский метрополитен]] [[sk:Budapeštianske metro]] [[sr:Будимпештански метро]] [[sv:Budapests tunnelbana]] [[tr:Budapeşte metrosu]] [[zh:布达佩斯地铁]] ncz0mo22rqwfzus4qllc1fzyh12gzbm wikitext text/x-wiki Mexiko-Stadt 0 23930 28188 26526 2011-03-02T19:13:33Z 199.184.205.84 /* Städtepartnerschaften */ border {| class="wikitable float-right" style="float:right; width:307px; background:#e3e3e3; margin-left:1em;border-spacing:1px;" ! colspan="2" | Mexiko-Stadt ''Ciudad de México'' |- bgcolor="#FFFFFF" align="center" | colspan="2" | [[Datei:Mexico-city-cathedral.jpg|300px]] |- bgcolor="#FFFFFF" align="center" |- ! colspan="2" | Basisdaten |- bgcolor="#FFFFFF" | [[Kosename]]: || ''Die Stadt der Paläste'' |- bgcolor="#FFFFFF" | [[Staat]]: || [[Mexiko]] |- bgcolor="#FFFFFF" | [[Liste mexikanischer Staaten|Bundesstaat]]: || Distrito Federal |- bgcolor="#FFFFFF" | [[Geographische Koordinaten|Koordinaten]]: || {{Coordinate|text=/|article=/|NS=19/25/10/N|EW=99/8/44/W|type=city|pop=8720916|region=MX-DIF|elevation=2310}} |- bgcolor="#FFFFFF" | [[Höhe]]: || {{Höhe|2310|link=true}}<ref>Der Wetterbote: [http://www.wetterbote.de/Mexico-City_Mexiko-Wetter.html Wetter, Lage und Höhe für Mexiko-Stadt]</ref> |- bgcolor="#FFFFFF" | [[Fläche]]: || 1.499,03 km² <small>(''Stadt'')</small><br />7.815 km² <small>(''Metropolregion'')</small> |- bgcolor="#FFFFFF" | [[Einwohner]]: || 8.720.916 <small>(''Stadt'')</small><ref name="Bevölkerung Stadt">City Population: [http://www.citypopulation.de/Mexico-MexicoCity_d.html Stadtbezirke von Mexiko-Stadt]</ref><br />19.231.829 <small>(''Metropolregion'')</small><ref name="Bevölkerung Metropolregion">City Population: [http://www.citypopulation.de/Mexico-Agglo_d.html Agglomerationen von Mexiko]</ref><br /><small>(Volkszählung 2005)</small> |- bgcolor="#FFFFFF" | [[Bevölkerungsdichte]]: || 5.818 Einwohner/km² <small>(''Stadt'')</small><br />2.461 Einwohner/km² <small>(''Metropolregion'')</small> |- bgcolor="#FFFFFF" | [[Zeitzone]]: || UTC−6 |- bgcolor="#FFFFFF" | [[Postleitzahl]]en: || 01000 u. 16999 |- bgcolor="#FFFFFF" | [[Telefonvorwahl]]: || (+52) 55 |- bgcolor="#FFFFFF" | Stadtgliederung: || 16 Stadtbezirke |- bgcolor="#FFFFFF" | [[ISO 3166-2]] || MX-DIF |- bgcolor="#FFFFFF" | Offizielle Website: || [http://www.df.gob.mx www.df.gob.mx] |- bgcolor="#FFFFFF" |[[Regierungschef]] || [[Marcelo Ebrard]] |- bgcolor="#FFFFFF" | colspan="2" align="center" | [[Datei:Mexico map, MX-DIF.svg|300px|Karte Mexikos, Hauptstadtbezirk rot hervorgehoben]] |} '''Mexiko-Stadt''' (spanisch ''Ciudad de México'') ist die Hauptstadt der [[Mexiko|Vereinigten Mexikanischen Staaten]]. Sie gehört zu keinem Bundesstaat, sondern bildet einen [[Bundesunmittelbares Gebiet|bundesunmittelbaren]] [[Bundesdistrikt|Hauptstadtbezirk (Distrito Federal)]] mit 8,7 Millionen Einwohnern (2005).<ref name="Bevölkerung Stadt"/> In der [[Metropolregion]] ''Zona Metropolitana del [[Valle de México]]'' (ZMVM), zu der außer Mexiko-Stadt der östliche Teil des [[México (Bundesstaat)|Bundesstaates Mexico]] und eine Gemeinde aus dem [[Hidalgo (Bundesstaat)|Staat Hidalgo]] gehören, leben 19,2 Millionen Menschen.<ref name="Bevölkerung Metropolregion"/> Damit ist Mexiko-Stadt eine der größten Metropolregionen der Erde. Das Wachstum geht fast nur noch auf Zuwanderung zurück, da die [[Fertilität|Geburtenrate]] in Mexiko-Stadt nur noch bei 1,7 liegt. Die Stadt ist politischer, wirtschaftlicher, sozialer und kultureller Mittelpunkt sowie größter Verkehrsknotenpunkt des Landes mit zahlreichen Universitäten, Hoch- und Fachschulen, Theatern, Museen und Baudenkmälern. Sie ist [[Erzbischof]]ssitz. Das historische Zentrum und die Wassergärten im Stadtteil [[Xochimilco]] stehen seit 1987 auf der [[UNESCO]]-Liste des [[UNESCO-Welterbe|Weltkulturerbes]]. Der zentrale [[Campus|Universitätscampus]] der [[Universidad Nacional Autónoma de México]] wurde 2007 von der UNESCO zum Weltkulturerbe der Menschheit erklärt<ref name="UNAM">UNESCO: [http://whc.unesco.org/en/list/1250 Eintrag des zentralen Campus der UNAM in der UNESCO-Welterbeliste]</ref>. == Der Name der Stadt == Die Mexikaner nennen ihre Hauptstadt meist ''México'' oder ''el D.F.'' („el De-Efe“, Abkürzung von ''Distrito Federal'', „Hauptstadtbezirk“). Wenn also von ''México'' die Rede ist, ist normalerweise die Stadt gemeint –&nbsp;geschrieben als „México D.F.“. Weniger häufig und meist nur in offiziellem Zusammenhang ist von ''La Ciudad de México'' die Rede. Das Land Mexiko erhielt wiederum seinen Namen von der jetzigen Hauptstadt, wird aber von seinen Bewohnern nur selten ''México'' genannt, meist ist von ''La República'' oder in Ansprachen von ''La Patria'' (das Vaterland) die Rede. Einwohner der Stadt werden jedoch als ''capitalinos'' („Hauptstädter“), ''defeños'' (abgeleitet von ''D.F.'') oder [[chilango]]s bezeichnet, das Wort ''mexicano'' bezieht sich vorwiegend auf die Republik. Der Name ''México'' geht ursprünglich auf die [[Azteken]] zurück, die sich selbst als „Mexica“ bezeichneten. Sehr verbreitet ist im deutschsprachigen Raum auch die englischsprachige Bezeichnung ''Mexico City''. == Geographie == === Geographische Lage === [[Datei:Zona Metropolitana de México.svg|thumb|„Zona Metropolitana de la Ciudad de Mexico“ (ZMCM) – die Metropolregion von Mexiko-Stadt]] Mexiko-Stadt liegt am südlichen Ende des 60 Kilometer langen und 100 Kilometer breiten [[Tal von Mexiko|Tals von Mexiko]] auf einer Höhe von durchschnittlich 2.310 Metern über dem [[Meeresspiegel]] und ist auf drei Seiten von Bergen umgeben – unter anderem von den berühmten [[Vulkan|Zwillingsvulkanen]] [[Popocatépetl]] und [[Iztaccíhuatl]] sowie der [[Sierra Nevada (Mexiko)|Sierra Nevada]]. Aufgrund dieser Lage ist die [[Smog]]gefahr ständig sehr hoch. Seit Jahrhunderten ist dieses Becken der Mittelpunkt des Landes, lange bevor von einer mexikanischen Nation die Rede sein konnte. Der Bundesbezirk (Distrito Federal) hat eine Fläche von 1.499,03 Quadratkilometern. Er grenzt im Norden, Osten und Westen an den Bundesstaat [[México (Bundesstaat)|México]] und im Süden an den Bundesstaat [[Morelos]]. Zur [[Metropolregion]] von Mexiko-Stadt gibt es drei verschiedene Definitionen: * „Zona Metropolitana de la Ciudad de Mexico“ (ZMCM): Zu ihr gehören die 16 Stadtbezirke (Delegaciones) der Hauptstadt, 40 Gemeinden (Municipios) des Bundesstaates México und eine Gemeinde des Bundesstaates [[Hidalgo (Bundesstaat)|Hidalgo]]. Sie hat eine Bodenfläche von 4.986 Quadratkilometer. * „Zona Metropolitana del Valle de México“ (ZMVM): Zu dieser Region zählen neben dem Distrito Federal 58 Gemeinden des Bundesstaates México und eine Gemeinde des Bundesstaates Hidalgo. Sie hat eine Fläche von 7.815 Quadratkilometer. * „Megalópolis del Centro de México“ (MCM): Dazu gehören der Bundesbezirk und weitere 249 Gemeinden in der Umgebung der Hauptstadt, einschließlich der Zonas Metropolitanas von Cuernavaca-Cuautla, Pachuca, Puebla-Tlaxcala und Toluca. Die Gemeinden in der MCM verteilen sich auf die Bundesstaaten wie folgt: México (99), [[Tlaxcala (Bundesstaat)|Tlaxcala]] (52), [[Puebla (Bundesstaat)|Puebla]] (36), Hidalgo (31) und Morelos (31). Das Gebiet erstreckt sich über eine Fläche von 9.763 Quadratkilometer. === Hydrologie === Das [[präkolumbisch]]e [[Ökosystem]], wie es die Azteken vorfanden, als sie nach Zentralmexiko vordrangen, lässt sich aufgrund von Grabungen recht genau [[Rekonstruktion|rekonstruieren]]: Sie deuten auf eine Landschaft, die durch zahlreiche Seen mit dazwischen liegenden Sümpfen geprägt war. Von den umliegenden Gebirgen, die vorwiegend mit Kiefern- und Eichenwäldern bedeckt waren, strömten zahlreiche Bäche und Flüsse, deren größte in den nördlichen Zumpango-See mündeten. Während die kleineren nördlichen und südlichen Seen Süßwasser enthielten, war das Wasser des tiefer gelegenen [[Texcoco-See]]s wegen des [[Salpeter (Chemische Verbindung)|salpeterhaltigen]] Untergrunds, des fehlenden Abflusses und der hohen Verdunstung stark salzhaltig. [[Datei:Mexico-City 99.13396W 19.41997N.jpg|thumb|Satellitenaufnahme von Mexiko-Stadt]] Als die Azteken im Tal von Mexiko eintrafen, fanden sie eine hoch entwickelte [[Hydrokultur]] vor: Mais, Bohnen, Tomaten, Kürbis und andere Lebensmittel wurden auf bewässertem Land und schwimmenden Gärten, so genannten [[Chinampa]]s, angebaut; auch Eindeichungen, Flussumleitungen und Trinkwasserleitungen waren im Valle de México üblich. Im 15. Jahrhundert begannen die Azteken, selbst [[Deich]]e zu bauen, welche die Insel mit dem Festland verbanden. Sie dienten gleichzeitig als [[Aquädukt]]e. Ein 16 Kilometer langer Deich, unterbrochen nur von einigen Schleusen, war östlich von Tenochtitlán durch den Texcoco-See gebaut worden, um die Stadt vor Überschwemmungen zu schützen. In den ersten Jahren ihrer Herrschaft verkannten die Spanier die Wichtigkeit der Anlagen und ließen sie verfallen. Als es aber ab 1540 zu immer verheerenderen Überschwemmungen kam, entschloss man sich zu ihrer Rekonstruktion. Die Abholzung der Hänge in Verbindung mit dem Waldweidegang des Viehs hatte aber die steilen Hänge schon stark [[Erosion (Geologie)|erodiert]]. Die Erde konnte die Niederschläge nicht mehr aufnehmen und war in den Texcocosee geschwemmt worden (der zur Zeit der Eroberung 14 Meter tiefer war als heute). Die alten Anlagen waren den nun zu bewältigenden Wassermassen nicht mehr gewachsen. So starben beispielsweise während der großen Überschwemmungen zwischen 1629 und 1633 circa 50.000 Menschen. 1789 war schließlich ein Kanal durch die Randgebirge vollendet, mit dem man das Tal nach außen entwässerte. Die Erosion führte dazu, dass die Quellen, die die Stadt früher mit Trinkwasser versorgt hatten, versiegten. Die Trinkwasserversorgung erfolgte nun aus Tiefbrunnen (1886 bereits über 1000). Da nun aber das Abwasser (ungeklärt) aus dem Tal herausgebracht wurde, sank der [[Grundwasserspiegel]] immer weiter. Die vielen Seen, die das Tal einst füllten, fielen trocken. Den feinkörnigen, bentonitischen Tonen im Untergrund der Stadt wurde das Wasser entzogen, so dass sie schrumpften. In der Folge senkten sich einige Gebiete der Innenstadt zwischen 1891 und 1970 um bis zu 8,50 Meter. Neben den Auswirkungen auf die Bausubstanz beeinträchtigt dies auch die [[Kanalisation]]: Die Anlagen sind zum Teil zerrissen, Gefälle haben sich umgekehrt. Ständig droht das Kloakenwasser in die ebenfalls undichten Trinkwasserleitungen einzudringen. <div align=center> <!-- galería de mapas --> {| class="toc" cellpadding=0 cellspacing=2 width=600px style="float:center; margin: 0.5em 0.5em 0.5em 1em; padding: 0.5e text-align:left;clear:all; margin-left:3px; font-size:90%" |colspan=4 style="background:#black; color:white; font-size:100%" align=center bgcolor="black"|'''Geophysikalische Karten von Mexiko-Stadt''' |- |align=center valign=center bgcolor="white" | [[Datei:MX-DF-Relieve.png|120px]] |align=center valign=center bgcolor="white" | [[Datei:MX-DF-hidro.png|120px]] |align=center valign=center bgcolor="white" | [[Datei:MX-DF-clima.png|120px]] |- | style="background:#e9e9e9;" align=center | Topografie | style="background:#e9e9e9;" align=center | Hydrologie | style="background:#e9e9e9;" align=center | Klima |- |} </div> === Geologie === Mexiko-Stadt befindet sich in einer durch Erdbeben gefährdeten Region, die regelmäßig von Erdstößen geringer bis mittlerer Intensität erschüttert wird. Am 19. September 1985 tötete ein verheerendes Erdbeben der Stärke 8,1 auf der [[Richterskala]] mit Epizentrum im 350 Kilometer entfernten Bundesstaat [[Michoacán]] offiziell 9.500 Menschen, rund 30.000 wurden obdachlos. Nach Angaben der Rettungsmannschaften starben bis zu 45.000 Menschen. Insgesamt kam es an 2.800 Gebäuden zu Schäden, 880 von ihnen brachen zusammen. Die große Zahl der Opfer war unter anderem durch die mangelhafte Bauweise vieler Gebäude bedingt, zudem verstärkte der größtenteils weiche Untergrund der Hauptstadt die [[Stoßwelle]]n. Im Mittelpunkt eines ursprünglich abflusslosen Beckens liegt die Landeshauptstadt, die heute durch einen Entwässerungskanal mit dem Flusssystem des ''Pánuco'' in Verbindung steht. Das Tal befindet sich im südlichen Teil des Mexikanischen Hochlandes, das als ''Mesa Central'' bezeichnet wird. Es ist auch [[Orografie|orografisch]] vom nördlichen sehr verschieden. Im Landschaftsbild überwiegt Gebirgscharakter. Waldbedeckte Vulkankegel, riesige Krater erloschener Vulkane, jähe Felsabstürze, die die Erosion in die Flanken des Gebirges gerissen hat, wechseln mit fruchtbaren, von vulkanischem Schutt erfüllten Hochebenen und Tälern. Dort liegt das Zentrum des Ackerbaus, dessen wichtigste Anbaufrüchte infolge der Lage in der ''Tierra Templada'' Bohnen, Mais, Weizen, Gemüse und Obst sind. Das gesamte Mexikanische Hochland birgt große Reichtümer an Blei, Kupfer, Zinn, Zinnober, Schwefel, Gold und Silber. Aus den Edelmetallen schufen die Azteken prächtigen Schmuck und andere Kunstgegenstände. Die Bitumenkohle, die in der Fortsetzung der [[Lignit]]e von [[Texas]] und Coahuila auftritt, deckt den gesamten Kohlebedarf Mexikos. === Stadtgliederung === Mexiko-Stadt gliedert sich in 16 Stadtbezirke (''delegaciones''). In der folgenden Tabelle sind die Bezirke, deren Einwohnerzahl und Bevölkerungsdichte nach der [[Volkszählung]] vom 17. Oktober 2005 aufgeführt.<ref name="Bevölkerung Stadt"/> Jeder Stadtbezirk verfügt wiederum über eine Gliederung in verschiedene Stadtteile (so genannte Colonias). [[Datei:Boroughs of Mexican Federal District numbered.svg|noframe|right|350px]] {| class="wikitable sortable" |- bgcolor="#ececec" align=center ! Nr. !! Delegación !! Fläche</br>in km² !! Einwohner</br>2005 !! Einwohner</br>je km² |- | 01 || Álvaro Obregón || align="right" | 93,67 || align="right" | 706.567 || align="right" | 7.543 |- | 02 || Azcapotzalco || align="right" | 34,51 || align="right" | 425.298 || align="right" | 12.324 |- | 03 || Benito Juárez || align="right" | 26,28 || align="right" | 355.017 || align="right" | 13.509 |- | 04 || [[Coyoacán]] || align="right" | 59,19 || align="right" | 628.063 || align="right" | 10.611 |- | 05 || Cuajimalpa de Morelos || align="right" | 72,88 || align="right" | 173.625 || align="right" | 2.382 |- | 06 || Cuauhtémoc || align="right" | 32,09 || align="right" | 521.348 || align="right" | 16.246 |- | 07 || Gustavo A. Madero || align="right" | 91,46 || align="right" | 1.193.161 || align="right" | 13.046 |- | 08 || Iztacalco || align="right" | 21,84 || align="right" | 395.025 || align="right" | 18.087 |- | 09 || Iztapalapa || align="right" | 124,46 || align="right" | 1.820.888 || align="right" | 14.630 |- | 10 || La Magdalena Contreras || align="right" | 62,19 || align="right" | 228.927 || align="right" | 3.681 |- | 11 || Miguel Hidalgo || align="right" | 46,02 || align="right" | 353.534 || align="right" | 7.682 |- | 12 || Milpa Alta || align="right" | 268,63 || align="right" | 115.895 || align="right" | 431 |- | 13 || Tláhuac || align="right" | 88,44 || align="right" | 344.106 || align="right" | 3.891 |- | 14 || Tlalpan || align="right" | 309,72 || align="right" | 607.545 || align="right" | 1.962 |- | 15 || Venustiano Carranza || align="right" | 33,07 || align="right" | 447.459 || align="right" | 13.531 |- | 16 || [[Xochimilco]] || align="right" | 134,58 || align="right" | 404.458 || align="right" | 3.005 |- class="sortbottom" | &nbsp; || '''Mexiko-Stadt''' || align="right" | '''1.499,03''' || align="right" | '''8.720.916''' || align="right" | '''5.818''' |} Quelle: Instituto Nacional de Estadística Geografía e Informática. <br clear="left" /> === Klima === [[Datei:Klimadiagramm-metrisch-deutsch-Mexico-Stadt.Mexiko.png|thumb|Klimadiagramm von Mexiko-Stadt]] Die Stadt befindet sich in den Tropen. Genauer gesagt in den Kalttropen wegen ihrer hohen Lage. Tagsüber ist es im Winter mit 20 bis 25&nbsp;°C recht warm, nachts jedoch deutlich kühler, teils sogar frostig. Im Sommer zwischen April und Juni wird es um die Mittagszeit mit 25 bis 30&nbsp;°C sehr warm. Von Oktober bis Mai ist Trockenzeit und von Juni bis September Regenzeit, in der es meist nachmittags und abends, manchmal aber bis in den Morgen hinein, zu heftigen Schauern kommt. Dann ist es sehr schwül. Die durchschnittliche Jahrestemperatur beträgt 15,9&nbsp;°C, die jährliche Niederschlagsmenge 816,2&nbsp;Millimeter im Mittel. Der wärmste Monat ist der Mai mit durchschnittlich 18,9&nbsp;°C Celsius, die kältesten Monate sind Dezember und Januar mit 12,5&nbsp;°C und 12,2&nbsp;°C Celsius im Mittel. Der meiste Niederschlag fällt im Monat Juli mit durchschnittlich 175,1&nbsp;Millimetern, der wenigste im Februar mit 4,3 Millimetern im Mittel. {{Klimatabelle | TABELLE = | DIAGRAMM TEMPERATUR = deaktiviert | DIAGRAMM NIEDERSCHLAG = deaktiviert | DIAGRAMM NIEDERSCHLAG HÖHE = 0 | QUELLE = <ref>WMO: [http://worldweather.wmo.int/179/c00279.htm World Weather Information Service]</ref> | Überschrift = | Ort = Mexiko-Stadt | hmjan = 21.2 | hmfeb = 22.9 | hmmär = 25.7 | hmapr = 26.6 | hmmai = 26.5 | hmjun = 24.6 | hmjul = 23.0 | hmaug = 23.3 | hmsep = 22.3 | hmokt = 22.2 | hmnov = 21.8 | hmdez = 20.8 | lmjan = 5.8 | lmfeb = 7.1 | lmmär = 9.2 | lmapr = 10.8 | lmmai = 11.7 | lmjun = 12.2 | lmjul = 11.5 | lmaug = 11.6 | lmsep = 11.5 | lmokt = 9.8 | lmnov = 7.9 | lmdez = 6.6 | avjan = | avfeb = | avmär = | avapr = | avmai = | avjun = | avjul = | avaug = | avsep = | avokt = | avnov = | avdez = | nbjan = 11.0 | nbfeb = 4.3 | nbmär = 10.1 | nbapr = 25.9 | nbmai = 56.0 | nbjun = 134.8 | nbjul = 175.1 | nbaug = 169.2 | nbsep = 144.8 | nbokt = 66.9 | nbnov = 12.1 | nbdez = 6.0 | shjan = | shfeb = | shmär = | shapr = | shmai = | shjun = | shjul = | shaug = | shsep = | shokt = | shnov = | shdez = | wtjan = | wtfeb = | wtmär = | wtapr = | wtmai = | wtjun = | wtjul = | wtaug = | wtsep = | wtokt = | wtnov = | wtdez = | rdjan = 2.3 | rdfeb = 2.1 | rdmär = 3.1 | rdapr = 7.9 | rdmai = 12.7 | rdjun = 17.7 | rdjul = 23.4 | rdaug = 22.8 | rdsep = 18.9 | rdokt = 9.5 | rdnov = 4.4 | rddez = 2.6 }} === Umweltprobleme === [[Datei:Smog boven mexico city november 1985.jpg|thumb|Smog über der Hauptstadt – Aufnahme aus dem [[Space Shuttle]] „[[Atlantis (Raumfähre)|Atlantis]]“ im November 1985]] [[Datei:MexicoCity1.JPG|thumb|Smog in Mexiko-Stadt im Juni 2002]] Die mexikanische Hauptstadt hat mit zahlreichen Umweltproblemen zu kämpfen. Dazu gehören die hohe Luftverschmutzung, Probleme bei der Trinkwasserversorgung, unzureichende Strukturen in der Abfallbeseitigung, Defizite im [[Öffentlicher Personennahverkehr|öffentlichen Personennahverkehr]] (ÖPNV) und eine übermäßige Verkehrsbelastung. Die Luftqualität von Mexiko-Stadt gilt nach Angaben der [[Weltgesundheitsorganisation]] (WHO) als eine der schlechtesten der Welt. Bei den Parametern [[Schwefeldioxid]], [[Feinstaub]], [[Kohlenstoffmonoxid]] und [[Ozon]] werden die empfohlenen Grenzwerte der WHO deutlich überschritten. Ursache sind vor allem die mehr als vier Millionen Personenkraftwagen, 120.000 Taxen, 28.000 Omnibusse und mehrere zehntausend Lastkraftwagen, die täglich in der [[Metropolregion]] verkehren. Bedingt durch die schnelle Verstädterung, das stark gestiegene Verkehrsaufkommen und die Industriekonzentration im [[Agglomeration|Ballungsraum]] stellen die übermäßige Emissionsbelastung und der [[Smog]] eine ernsthafte Bedrohung für die öffentliche Gesundheit dar. Der Internationale Rat für sauberen Verkehr (ICCT) schätzt, dass jedes Jahr im Großraum Mexiko-Stadt rund 4000 Menschen an der Luftverschmutzung sterben.<ref>n-tv: [http://www.n-tv.de/930455.html Verdrecktes Mexiko-City – 4000 Smog-Tote im Jahr], vom 7. März 2008</ref> Die Stadt liegt im [[Tal von Mexiko]], einer abflusslosen Hochebene in etwa 2000 Metern Höhe, die von Westen, Süden und Osten von Bergen begrenzt wird. Während [[Inversionswetterlage]]n nehmen besonders Atemwegserkrankungen unter der Bevölkerung der Hauptstadt zu. Warme Luftmassen in einigen hundert Metern Höhe und der fehlende Wind über dem Erdboden verhindern dann die Luftzirkulation. Die Geschlossenheit des Tals nach drei Seiten hin erklärt auch, warum der Smog in Mexiko-Stadt ein konstantes Problem ist. Die Regierung verstärkte in den letzten Jahren den Kampf gegen die Umweltverschmutzung. So wurden eintägige Fahrverbote für Privatfahrzeuge erlassen, der Einsatz von blei- und schwefelarmen Kraftstoffen gefördert, sowie die Industrie und Privathaushalte zum Einbau von [[Katalysator]]en verpflichtet. Auch mussten viele alte Industriebetriebe schließen und die bestehenden Werke verschärfte Umweltschutzmaßnahmen umsetzen. == Geschichte == === Aztekische Herrschaft === [[Datei:TizocStone.jpg|thumb|Stein des aztekischen Herrschers Tizoc]] Die Gründung der Stadt unter dem Namen [[Tenochtitlán]] geht [[Azteken|aztekischen]] Aufzeichnungen zufolge auf das Jahr 1325 zurück, als sich eine Schar von [[Nomade]]n aus dem Norden auf einer Insel im [[Texcoco-See]] ansiedelte. Die Azteken (eigentlich ''Méxica'') ließen sich dort nach langen Jahren des Umherziehens nieder, während derer sie sich von dem ernährt hatten, was in festen Siedlungen freiwillig oder unfreiwillig zu bekommen gewesen war. Ihrer Überlieferung zufolge hatten sie von ihrem Gott [[Huitzilopochtli]] den Auftrag erhalten, an der Stelle eine Stadt zu gründen, wo sie einen Adler fänden, der auf einem Kaktus sitzend eine Schlange verspeiste. Sie fanden ihn – auf einer Insel mitten im See. Adler, Schlange und Kaktus bilden das Zentralmotiv der heutigen mexikanischen Flagge. Die tatsächliche Siedlungsgeschichte verlief jedoch vermutlich anders. Für die von Ort zu Ort getriebenen ''Méxica'' bedeuteten die kleinen Inseln inmitten des flachen Sees in erster Linie einen guten strategischen Rückzugspunkt. Die Stelle war gut gewählt, denn der See versorgte sie mit Fisch, und der Boden der [[Chinampa]]s, der schwimmenden Gärten, die sie angelegt hatten, war überaus fruchtbar. Das wenige vorhandene Land hätte nicht ausgereicht, um die große Stadt zu ernähren, also wurden große Flöße gebaut und mit Erde beladen. Auf diesen im See gelegenen Nutzflächen züchtete man Blumen und Gemüse. Zwischen den Inseln und dem Festland wurden Dämme errichtet, die den Wasserstand des Sees regelten und so gebaut waren, dass die durch Brücken und Kanäle miteinander verbundenen Inseln im Notfall überflutet werden konnten. Zugbrücken schützten vor Angriffen (und verhinderten die Flucht). Die Stadt auf der Insel erstreckte sich bald über mehr als 13 Quadratkilometer. Die Azteken gingen daran, ihren Machtbereich auszudehnen. Zuerst unterwarfen sie mit Waffengewalt, Intrigen und mit Hilfe wechselnder Verbündeter das Hochtal. Hundert Jahre vor der [[Spanische Eroberung Mexikos|Conquista]] geboten die Azteken bereits über ein riesiges Reich, in dem ein reger Warenaustausch herrschte und dem selbst einige der entlegensten Gebiete des Landes tributpflichtig waren. === Die Conquista === [[Datei:Tenochtitlan Modell.jpg|thumb|Modell und Bild von Tenochtitlán zur Zeit der spanischen Eroberung im Anthropologischen Museum]] → ''Hauptartikel:'' [[Spanische Eroberung Mexikos]] Im Jahre 1519 landete [[Hernán Cortés]] mit einer kleinen, nur aus ein paar hundert Männern bestehenden spanischen Armee an der Ostküste und machte sich zu seinem langen Marsch nach Tenochtitlán auf. Mehrere Umstände kamen ihm zugute: der Besitz von Feuerwaffen und der Schockeffekt, den die Reitpferde auslösten (da sie nie zuvor Pferde gesehen hatten, hielten die Indianer Tier und Reiter für ''ein'' Wesen), die Unterstützung durch Stämme, die mit den Azteken im Krieg lagen oder von diesen unterdrückt wurden, und das Zögern ihres Herrschers [[Moctezuma II.]], offenen Widerstand zu leisten. Der Aztekenherrscher, der schwere Niederlagen im Kampf gegen die [[Purépecha]] im Westen erlitten hatte, war ein grüblerischer, tiefreligiöser Mann, der in Cortés den weißhäuptigen, bärtigen Gott [[Quetzalcoatl]] zu erkennen glaubte, der zurückgekehrt war, um eine alte [[Prophezeiung]] zu erfüllen. Also ließ er die Spanier am 8. November 1519 in die Stadt kommen; furchtsam zwar, aber mit großartigen Willkommenszeremonien. Cortés und seine Begleiter waren von dem Anblick der Aztekenhauptstadt überwältigt. Die 300.000 Einwohner zählende Stadt auf dem See mit ihren prächtigen Bauten konnte es durchaus mit jeder damaligen europäischen Großstadt aufnehmen. Dämme regulierten die Wasserwege zwischen den schönen, nach einem strengen Muster angelegten Steinhäusern. [[Datei:Mexico-Centro-Sagrario.JPG|thumb|upright|Sakramentshäuschen neben der Kathedrale in Mexiko-Stadt]] Nachdem ein Feldherr Moctezumas mehrere Spanier in seine Gewalt gebracht hatte und deren abgeschnittene Köpfe überall herumschickte, nahm Cortés Moctezuma am 17. November 1519 in seinem eigenen Palast gefangen und ließ ihn im spanischen Lager festhalten. Wenn man den spanischen Berichten glauben will, hat sein Volk ihn zu Tode gesteinigt, als er einen Aufstand wegen der ungebetenen Gäste zu verhindern suchte. Die Spanier wurden unter großen Verlusten aus der Stadt vertrieben. Cortés und einige seiner Männer entkamen und fanden bei ihren engsten Verbündeten unter den Einheimischen in [[Tlaxcala (Stadt)|Tlaxcala]] Schutz. Dort bauten sie neue Schiffe und konnten ihre Truppe neu formieren. Mit Unterstützung ihrer indianischen Partner hielten sie Tenochtitlán drei Monate lang belagert, bis sie schließlich am 13. August 1521 den verzweifelten, selbstmörderischen Widerstand der Azteken brachen und die Stadt einnehmen konnten. Die Erinnerung an diese Niederlage schmerzt im mexikanischen Geschichtsbewusstsein bis auf den heutigen Tag. Für Cortés hat man wenig übrig, aber die [[Indigene Völker|Indígenas]], die ihn damals unterstützten, besonders Moctezuma und [[Malinche]], die Dolmetscherin von Cortés, gelten als Unpersonen. Im ganzen Land ist nicht ein Moctezuma-Denkmal zu finden, wohingegen das Andenken an seinen Nachfolger [[Cuauhtémoc]], den Anführer des Widerstandes, hoch in Ehren gehalten wird. Wie erbittert der Kampf um Tenochtitlán gewesen sein muss, zeigt sich daran, dass von der blühenden Aztekenmetropole kaum etwas übriggeblieben ist: „Alles was ich damals sah“, schrieb [[Bernal Díaz del Castillo]], „wurde zertreten und vernichtet; kein Stein ist auf dem anderen geblieben.“ === Spanische und postkoloniale Zeit === Die siegreichen Spanier zerstörten systematisch jede sichtbare Erinnerung an die alte Kultur und erbauten dort, wo die großen Tempel standen, ihre Kirchen. Auf den Fundamenten des Herrscherpalastes wurde ein Palast für Cortés errichtet, zum Neubau wurden die Steine der Aztekenstadt verwendet. Als die Stadt weiter angewachsen war, legten sie den größten Teil des Lago de Texcoco trocken. Von dort unternahmen die Spanier Expeditionen und unterwarfen die amerikanischen Ureinwohner bis weit in den Norden in die heutigen [[USA]] und in den Süden bis nach [[Mittelamerika]]. [[Datei:Mexico City from San Cosme.jpg|thumb|Mexiko-Stadt von San Cosme aus gesehen (1847)]] Mexiko-Stadt wurde 1535 die Hauptstadt des Vizekönigreichs [[Neuspanien]], das alle spanischen Provinzen in Amerika nördlich von [[Costa Rica]], die karibischen Inseln und auch die [[Philippinen]] umfasste. Die spanische Kolonialherrschaft währte rund drei Jahrhunderte. 1551 eröffnete in der Hauptstadt die erste Universität des Landes ([[Universidad Nacional Autónoma de México|UNAM]]). 1692 kam es in Mexiko-Stadt zu einem Aufstand der [[Indigene Völker Südamerikas|Indios]], bei denen viele Gebäude zerstört oder beschädigt wurden, darunter auch der 1523 auf dem Palast der Azteken errichtete Amtssitz der spanischen Vizekönige. Auslöser der Unruhen waren Versorgungsengpässe bei Nahrungsmitteln, die auf schlechte Ernten infolge von langanhaltenden Niederschlägen und Überschwemmungen in der Region zurückzuführen waren. 1737 wurde die „Jungfrau von Guadalupe“ von der [[Römisch-katholische Kirche|Katholischen Kirche]] zur Schutzpatronin von Mexiko-Stadt erklärt. Im 18. Jahrhundert baute man zahlreiche Kirchen und Gebäude im Stil des [[Barock]], woraus sich später der mexikanische [[Churriguera-Stil]] entwickelte. 1810 kam es unter der Führung von [[Miguel Hidalgo]] und [[José María Morelos]] zum [[Mexikanischer Unabhängigkeitskrieg|Unabhängigkeitskrieg]], der 1821 mit der Einnahme der Stadt durch Rebellen unter der Führung von [[Agustín de Iturbide]] siegreich beendet wurde. Am 21. Juli 1822 erfolgte seine Ernennung zum Kaiser. Am 14. September 1847 wurde Mexiko-Stadt nach der [[Schlacht von Chapultepec]] im [[Mexikanisch-Amerikanischer Krieg|Mexikanisch-Amerikanischen Krieg]] von den US-Streitkräften unter General [[Winfield Scott]] eingenommen und fünf Monate lang besetzt. [[Datei:Mexico-City ca 1911.PNG|thumb|upright=1.5|Das Stadtzentrum etwa zur Zeit des Ausbruchs der mexikanischen Revolution (um 1911)]] Von 1863 bis 1867 wurde die Stadt von Kaiser [[Maximilian I. (Mexiko)|Maximilian]] und der französischen Armee regiert. Erobert wurde sie nach harten, tagelangen Kämpfen unter der Führung des Schweizer [[Hauptmann (Offizier)|Hauptmanns]] Stöckli, der in der [[Fremdenlegion]] diente. Der 1858 zum Präsidenten gewählte [[Benito Juárez]] vertrieb 1866 die Franzosen aus Mexiko-Stadt und dem ganzen Land. Nach dem Sieg über die Franzosen überwachte er 1867 persönlich die standrechtliche Exekution von Kaiser Maximilian I. in Querétaro und übernahm die Regierungsgeschäfte in Mexiko-Stadt. Um 1875 umfasste die Stadt kaum mehr als das Gelände um den Zócalo, welcher der zentrale Platz vor der Kathedrale ist, und die Alameda. Das Schloss Chapultepec, Coyoacán, San Ángel und die Basílica de Guadelupe – inzwischen weit im Inneren der Stadt gelegen – waren damals von Feldern und den letzten noch verbliebenen Seen umgeben. Doch die Stadt zeigte schon die ersten Züge ihrer heutigen Form: der Paseo de las Reformas verband bereits Chapultepec mit der Innenstadt, und die zunehmende Einwohnerschaft quoll über den kolonialen [[Stadtkern]] hinaus. Von Ende 1870 bis 1911 ließ sich der Diktator [[Porfirio Díaz]] mittels eines zuvor nie da gewesenen Bauprogrammes selbst ein Denkmal setzen. Straßenbahnlinien wurden errichtet sowie die letzten Reste des Lago de Texcoco am Stadtrand trockengelegt. Diese Maßnahmen brachten ein weiteres Anwachsen der Bevölkerung mit sich und bei Ausbruch der Revolution im Jahre 1910 hatte La Ciudad de México mehr als 700.000 Einwohner. === Die neuzeitliche Stadt === [[Datei:MexicoCityAutoSanFran.jpg|thumb|San Francisco-Straße 1905]] Über das Gebiet des trockengelegten Sees hinaus dehnte sich die Stadt allmählich aus. Für eine moderne Stadt war die Lage in vieler Hinsicht ungünstig. In den unzureichend trockengelegten Sümpfen breiteten sich Krankheitserreger aus. Viele Gebäude sackten über die Jahrzehnte wegen des weichen, sumpfigen Untergrunds ab. Im Zentrum stößt man auf alte, in den Boden versunkene Kirchen und Wohnhäuser. Außerdem gibt es häufig Erdbeben. Während der Revolution verloren fast zwei Millionen Mexikaner ihr Leben und eine noch viel größere Zahl ihr Eigentum und ihre Existenzgrundlage. Tausende Verzweifelter flüchteten in die sich schnell industrialisierende Hauptstadt auf der Suche nach Arbeit und besseren Lebensbedingungen. Zwischen 1920 und 1940 verdoppelte sich die Einwohnerzahl der Stadt auf 1,8 Millionen, in der [[Infrastruktur]] klafften riesige Löcher und die sozialen Probleme verschärften sich. An der [[Plaza de las Tres Culturas]] zeigte sich am 2. Oktober 1968 der Staat von seiner grausamsten Seite. Truppen und Panzer gingen gegen fast 250.000 demonstrierende Studenten vor. Es war der Höhepunkt monatelanger Studentenproteste gegen die schlechten sozialen Verhältnisse, miserablen Unterrichtsbedingungen und demokratischen Defizite der de facto diktatorischen Regierung der Einheitspartei [[Partido Revolucionario Institucional|PRI]] (''Partido Revolucionario Institucional''). Da zehn Tage später die [[Olympische Sommerspiele 1968|Olympischen Sommerspiele]] in Mexiko-Stadt eröffnet werden sollten, wurde der Aufruhr mit brutaler Gewalt unterdrückt. Die Zahl der Todesopfer belief sich nach offiziellen Verlautbarungen auf 30, nach Aussagen der Studenten auf über 500. Das Ereignis ging als „[[Massaker von Tlatelolco]]“ in die Geschichte ein. 1968 hatte die Stadt eine Einwohnerzahl von sechs Millionen erreicht. Der Bau von Häusern konnte nicht mit dem jährlichen Bevölkerungswachstum von sieben Prozent mithalten. Da sich zudem viele Menschen keine Häuser leisten konnten, entstanden riesige [[Slum]]s mit selbst gezimmerten Elendshütten. Die meisten hatten weder Wasser noch ausreichende Sanitäranlagen. Des Weiteren konnte das öffentliche Verkehrsnetz mit dem Wachstum der Stadt nicht Schritt halten, obwohl Ende der 1960er Jahre mit dem Bau einer [[U-Bahn]] begonnen wurde. Im Jahre 2000 wurde der 175. U-Bahnhof eingeweiht, und weitere U-Bahnstationen sind geplant. Das Wachstum hält an: Laut Schätzungen kommen jeden Tag tausend Zuzügler in die Stadt, deren Grenzen inzwischen die des Distrito Federal gesprengt haben und in den Bundesstaat México hineinreichen. Als eine der am dichtesten besiedelten [[Metropolregion]]en der Welt wird sie unweigerlich von zahlreichen sozialen und strukturellen Problemen geplagt, deren Lösung nicht absehbar ist. === Einwohnerentwicklung === [[Datei:Ref cab.JPG|thumb|Hochhäuser am Paseo de la Reforma]] [[Datei:Angel de la Independencia Mexico City.jpg|thumb|Säule mit dem „Engel der Unabhängigkeit“]] Mexiko-Stadt ist mit ihren 8,7 Millionen Einwohnern (2005) <ref name="Bevölkerung Stadt"/> im Distrito Federal die zweitgrößte Stadt [[Lateinamerika]]s und mit 19,2 Millionen Menschen (2005) <ref name="Bevölkerung Metropolregion"/> in der [[Agglomeration]] eine der zehn größten Metropolregionen der Welt. Die Bevölkerungsdichte in der Stadt beträgt 5.818 Einwohner pro Quadratkilometer, im Ballungsraum 2.461. Das starke Wachstum ist eine relativ neue Entwicklung. In Mexiko-Stadt zeigt sich deutlich die Entwicklung der Verstädterung in den letzten Jahren. Noch 1950 hatte die Stadt 3,1 Millionen Einwohner. Im Jahre 1970 waren es schon 6,9 Millionen Menschen und die Zuwachsrate des [[Agglomeration|Ballungsgebietes]] lag bei etwa einer Million Menschen pro Jahr. Mexiko-Stadt war seit der Stadtgründung im Jahre 1521 der Sitz der spanischen Vizekönige und erhielt dadurch ihre Stellung als Primatstadt: Sie ist noch heute gleichzeitig Hauptstadt und Knotenpunkt für die bedeutendsten politischen und wirtschaftlichen Ereignisse des Landes. Doch erst durch eine bessere Versorgung der Menschen (zum Beispiel im Gesundheitswesen) und die Ansiedlung zahlreicher Industriebetriebe seit den 30er Jahren des 20. Jahrhunderts begann der Zustrom von Menschen aus dem Umland in die Stadt. Die folgende Übersicht zeigt die Einwohnerzahlen nach dem jeweiligen Gebietsstand. Bis 1889 handelt es sich meist um Schätzungen, von 1895 bis 2005 um [[Volkszählung]]sergebnisse. Die Einwohnerzahlen beziehen sich auf die eigentliche Stadt ohne den Vorortgürtel. {| | valign="top" | {| class="wikitable" |- class="hintergrundfarbe5" ! Jahr/Datum !! Einwohner |- | 1750 || align="right" | 131.000 |- | 1790 || align="right" | 137.000 |- | 1800 || align="right" | 168.000 |- | 1810 || align="right" | 180.000 |- | 1830 || align="right" | 205.000 |- | 1840 || align="right" | 170.000 |- | 1850 || align="right" | 205.000 |- | 1858 || align="right" | 242.000 |- | 1867 || align="right" | 250.000 |- | 1877 || align="right" | 300.000 |- | 1882 || align="right" | 329.500 |- | 1889 || align="right" | 329.800 |- | 20. Oktober 1895 || align="right" | 474.860 |} | valign="top" | {| class="wikitable" |- class="hintergrundfarbe5" ! Datum !! Einwohner |- | 28. Oktober 1900 || align="right" | 541.516 |- | 27. Oktober 1910 || align="right" | 720.753 |- | 30. November 1920 || align="right" | 906.063 |- | 15. Mai 1930 || align="right" | 1.229.576 |- | 6. März 1940 || align="right" | 1.757.530 |- | 6. Juni 1950 || align="right" | 3.050.442 |- | 8. Juni 1960 || align="right" | 4.870.876 |- | 28. Januar 1970 || align="right" | 6.874.165 |- | 4. Juni 1980 || align="right" | 8.831.079 |- | 12. März 1990 || align="right" | 8.235.744 |- | 5. November 1995 || align="right" | 8.489.007 |- | 14. Februar 2000 || align="right" | 8.591.309 |- | 17. Oktober 2005 || align="right" | 8.720.916 |} |} === Entwicklung der Wohnsituation === [[Datei:Mexiconoche.jpg|thumb|Mexiko-Stadt bei Nacht]] Im Jahre 1824 unterteilte man Mexiko-Stadt in die eigentliche Stadt und den darum liegenden Bezirk, genannt „Zona Metropolitana de la Ciudad de Mexico“ (ZMCM). Dieser Bezirk hatte zum damaligen Zeitpunkt eine Größe von 1.479 Quadratkilometer, über dessen Grenzen die Stadt aber schon längst wieder hinaus gewachsen ist. Mexiko-Stadt selbst umfasst die im Stadtkern dicht besiedelten Gebiete, mit einem Wachstum von 1,8 Prozent pro Jahr. Die ZMCM jedoch beinhaltet die Randgebiete, hauptsächlich im Staat Mexico, in die zahlreiche Menschen aus dem Stadtkern abwandern. Das jährliche Wachstum in diesen Stadtbezirken liegt bei unter vier Prozent pro Jahr. Sehr deutlich fällt in Mexiko-Stadt die Verteilung der Bevölkerung in wohlhabende und sozial schwache Stadtviertel auf: Schon früh siedelten sich im Westen und Süden der Stadt die Menschen der Oberschicht an. Der Süden, erst die Colonia Roma und später [[Coyoacan|Coyoacán]] und San Ángel waren beliebt beim mexikanischem Adel. Heute ist der Süden eine beliebte Wohngegend für Politiker. Der Westen wurde zum bevorzugten Wohngebiet durch Kaiser [[Maximilian I. (Mexiko)|Maximilian]], der im 400 Hektar großen Park von Chapultepec 1864 ein Schloss baute. Zahlreiche Wohlhabende, darunter Neureiche und Diplomaten, leben hier. Viele Hotels, Banken und Versicherungen haben sich in der Gegend um den Chapultepec Park niedergelassen. Der Norden zählt als großes Industriegebiet: zahlreiche Industriebetriebe und mehrere Arbeiterviertel sind hier zu finden. Nordwestlich entstand nach dem Zweiten Weltkrieg das gutbürgerliche Wohnviertel Ciudad Satélite. Es gehört politisch zur Stadt [[Naucalpán]], einer direkten Nachbargemeinde von Mexiko-Stadt mit 792.000 Einwohnern (Volkszählung 2005). Im Osten leben vor allem Menschen aus der Mittelschicht. Die östlichen Vororte sind das Wohngebiet der sozial schwachen Bevölkerung, die in manchen Fällen davon lebt, Müll nach verwertbaren Resten zu durchsuchen ([[Pepenadores]]). Die Unterschicht lebt auf dem Boden des trockengefallenen [[Texcoco-See]]s, von dem oft durch den ungünstigen Wind sehr viel Staub in die armen Wohnviertel getragen wird. Städtebaulich handelt es sich dabei um [[informelle Siedlung]]en, wobei sich viele der älteren Siedlungen trotz fehlender wichtiger Infrastrukturen (zum Beispiel Leitungswasser) gegenwärtig in einem Prozess der allmählichen Konsolidierung befinden. Die dort lebenden Menschen sind durch verschiedene Infektionserkrankungen gefährdet, die durch unzureichende hygienische Bedingungen verbreitet werden. In dieser Gegend liegt die Stadt [[Nezahualcóyotl (Stadt)|Nezahualcóyotl]], in der 1,1 Millionen Menschen leben (Volkszählung 2005). Die politisch selbständige Gemeinde zählt zu den ärmsten Großstädten Mexikos. == Politik == === Stadtregierung === [[Datei:MexCity-palacio.jpg|thumb|Regierungspalast]] Regierungschef von Mexiko-Stadt ist seit 5. Dezember 2006 [[Marcelo Ebrard]] von der [[Coalición Por el Bien de Todos]] ([[Partido de la Revolución Democrática|PRD]], [[Partido del Trabajo|PT]], [[Convergencia]]). Er gewann die Wahlen am 2. Juli 2006 mit 46,37 Prozent der abgegebenen Stimmen, vor Demetrio Sodi ([[Partido Acción Nacional (Mexiko)|PAN]]) mit 27,26 Prozent und Beatriz Paredes Rangel von der [[Alianza por México|Unidos por la Ciudad]] ([[Partido Revolucionario Institucional|PRI]], [[Partido Verde Ecologista de México|PVEM]]) mit 21,59 Prozent.<ref>Instituto Electoral del Distrito Federal: [http://www.iedf.org.mx/index.php?cadena= Offizielle Website]</ref> Ebrard übernahm das Amt von seinem Vorgänger Alejandro Encinas (PRD), der seit Juli 2005 regierte. Das Stadtoberhaupt wird seit der Änderung der Verfassung im Jahre 1996 von der Bevölkerung frei gewählt. Seit 1. Januar 1929 gibt es einen Regierungschef. Vorher wurde Mexiko-Stadt seit der Schaffung des Bundesdistrikts am 18. November 1824 von einem Gouverneur regiert, zwischen 1837 und 1848, als die Stadt administrativ zum Bundesstaat México gehörte, von einem Präfekten. Im Jahre 1903 umfasste der Bundesbezirk neben Mexiko-Stadt noch 22 weitere Gemeinden, diese wurden 1928 zu anfänglich zwölf, aktuell 16 Verwaltungsbezirken „Delegaciones“ aufgeteilt. Die Bezirke sind die eigentlichen Verwaltungskörper in Mexiko-Stadt. Sie werden durch gewählte „Jefes Delegacionales“ repräsentiert und geführt. Ihre Einrichtung geht auf eine Verwaltungsreform aus dem Jahre 1982 zurück, deren Ziel es war, durch Dezentralisierung eine effizientere Verwaltung zu erreichen. Die Verwaltungsbezirke integrieren die historischen Gemeindezentren des Distrito Federal. Die oberste Regierungsgewalt im Bundesbezirk lag bis in die 1990er Jahre in den Händen des „Departamento del Distrito Federal“ (DDF), eines durch die mexikanische Bundesregierung kontrollierten Amtes. Seit 1997 gibt es jedoch einen direkt gewählten „Jefe del Gobierno del Distrito Federal“ (Regierungschef des Bundesdistrikts, umgangssprachlich auch als Bürgermeister von Mexiko-Stadt bezeichnet) und ein „Asamblea Legislativa del Distrito Federal“ (Parlament des Bundesdistrikts). Die Hauptstadt ist damit hinsichtlich den übrigen mexikanischen Bundesstaaten gleichgesetzt. Der erste frei gewählte Regierungschef von Mexiko-Stadt war Cuauhtémoc Cárdenas von der PRD. Er übernahm das Amt am 5. Dezember 1997 von seinem Vorgänger Óscar Espinosa Villarreal von der Partei der Institutionalisierten Revolution (PRI). Nachfolger Cárdenas wurde am 29. September 1999 Rosario Robles Berlanga (PRD). Die Partei der Demokratischen Revolution regiert seit 1997 die Hauptstadt des Landes. Cárdenas trieb während seiner Regierung die Demokratisierung voran und erzielte Erfolge in der Bekämpfung der [[Korruption]]. Seit 5. Dezember 2000 war [[Andrés Manuel López Obrador]] Regierungschef des Bundesdistrikts. Von diesem Posten trat er am 29. Juli 2005 zurück, um im Jahr 2006 für das Amt des Präsidenten von Mexiko zu kandidieren. Die Bürgermeisterwahlen in Mexiko-Stadt gewann er nur sehr knapp. Hohes Ansehen unter den Bürgern verschaffte er sich aber mit umfassenden sozialen Maßnahmen, welche in vielen Bereichen die größte Not lindern sollten und ihn zum beliebtesten Politiker Mexikos machten. Politisch muss er der neuen südamerikanischen Linken zugerechnet werden, zu der auch die Präsidenten [[Venezuela]]s und [[Brasilien]]s, [[Hugo Chávez]] und [[Luiz Inácio Lula da Silva]] gehören. Weniger erfolgreich waren die Politiker in der Bekämpfung der allgemeinen Kriminalität: Eigentumsdelikte wie beispielsweise Überfälle auf Fußgänger, Benutzer öffentlicher Verkehrsmittel und Autofahrer, Diebstahl von Personenkraftwagen, Einbrüche in Wohnungen/Gebäude und Betrugsfälle, sowie Gewaltkriminalität wie beispielsweise Raubüberfälle, Raubmorde, Totschlag, Drogenkriminalität, Entführung, Erpressung, Bedrohung und Vergewaltigung gehören zum Alltag in Mexiko-Stadt. So steht die Hauptstadt in den aufgeführten Straftaten mit Abstand an erster Stelle im Land. === Städtepartnerschaften === Mexiko-Stadt unterhält mit folgenden Städten Partnerschaften:<ref>Stadt Berlin: [http://www.berlin.de/rbmskzl/staedteverbindungen/mexiko-stadt.html Städtepartnerschaften von Mexiko-Stadt]</ref> * [[Datei:Flag of Germany.svg|20px]] [[Berlin]], [[Deutschland]] (seit 1. September 1993) * [[Datei:Flag of Peru.svg|20px]] [[Cuzco]], [[Peru]] (seit 7. Juli 1987) * [[Datei:Flag of Mexico.svg|20px]] [[Dolores Hidalgo]], [[Mexiko]] (seit 1. September 2008) * [[Datei:Flag of Cuba.svg|20px]] [[Havanna]], [[Kuba]] (seit 25. September 1997) * [[Datei:Flag of the United States.svg|20px]] [[Los Angeles]], [[Vereinigte Staaten|USA]] (seit 11. Dezember 1969) * [[Datei:Flag of Spain.svg|20px]] [[Madrid]], [[Spanien]] (seit 17. November 1983) * [[Datei:Flag of Sweden.svg|20px]] [[Malmö]], [[Schweden]] (seit 1. Oktober 2007) * [[Datei:Flag of Japan.svg|border|20px]] [[Nagoya]], [[Japan]] (seit 15. Februar 1978) * [[Datei:Flag of El Salvador.svg|20px]] [[San Salvador]], [[El Salvador]] (seit 14. September 1979) * [[Datei:Flag of South Korea (bordered).svg|20px]] [[Seoul]], [[Südkorea]] (seit 30. August 1993) * [[Datei:Flag of Germany.svg|20px]] [[Stuttgart]], [[Deutschland]] (seit 23. September 2006) == Kultur und Sehenswürdigkeiten == === Theater === [[Datei:Indigenous dancing.jpg|thumb|Indianische Tänze]] Mexiko-Stadt besitzt eine der reichsten Theaterszenen weltweit. Das mexikanische Theater übernimmt eine aufklärerische und gesellschaftspolitische Funktion, die durch ein breites Spektrum von zeitgenössischen [[Dramatik]]ern repräsentiert wird. Eines der bekanntesten Theater der Stadt ist der „[[Palacio de Bellas Artes]]“ (Palast der Schönen Künste), erbaut zwischen 1904 und 1934 an der Ostseite des Parks „Alameda Central“. Der mit Bronzeschmuck verzierte klassische Kuppelbau aus Carrara-Marmor und [[Art Déco]]-Inneneinrichtung ist das wichtigste Kulturzentrum im Herzen der Stadt (Theater, Tanz, Konzert, Oper, Kunstausstellungen). Im Palast sind Wandmalereien (Murales) von [[Diego Rivera]], [[José Clemente Orozco]], [[David Alfaro Siqueiros]], [[Rufino Tamayo]] und Jorge González Camarenazu zu sehen. Die dortigen Darbietungen des nationalen [[Folklore]]balletts (Ballett Nacional Folklórico) sind ein wichtiger Bestandteil des Kulturlebens der Stadt. Das Ballett hat bereits weltweiten Ruhm erlangt. Es besteht aus Tänzern aus allen Landesteilen, und seine hervorragende [[Choreografie]] ist durchsetzt mit mexikanischen Tänzen, Musik und Gesang. Zum Programm gehören einige der bekanntesten traditionellen Tänze. Auf dem Paseo de la Reforma am Chapultepec Park befindet sich das „Auditorio Nacional“ (Nationales Auditorium). Eröffnet 1952, wurde es erst als Ausstellungsraum benutzt, später gab es auch Ballettaufführungen, Darbietungen klassischer Musik und Popkonzerte. Monatlich treten hier zahlreiche nationale und internationale Künstler auf. === Museen === [[Datei:Mexico.DF.BellasArtes.01.jpg|thumb|Palacio de Bellas Artes]] Mexiko-Stadt hat zahlreiche Museen, darunter das „Museo Nacional de Antropología“ (Anthropologisches Nationalmuseum), das „Museo Nacional de Arte“ (Nationales Kunstmuseum), das „Museo Rufino Tamayo“ und das „Museo de Arte Moderno“ (Museum für Moderne Kunst)und das „Museo Frida Kahlo”. ==== Museo de Arte Moderno ==== Das Museo de Arte Moderno (MAM) wurde 1964 nach Plänen der Architekten [[Rafael Mijares Alcérreca]] und [[Pedro Ramírez Vázquez]] fertiggestellt. Es beherbergt neben wechselnden Ausstellungen eine Sammlung moderner mexikanischer Malerei mit Werken von [[David Alfaro Siqueiros]], [[José Clemente Orozco]], [[Jose María Velasco]], [[Diego Rivera]] und [[Juan O’Gorman]]. Dieses Museum beherbergt auch die besondere surrealitische Kollektion von [[Remedios Varo]]. ==== Museo Nacional de Antropología ==== Das [[Nationalmuseum für Anthropologie (Mexiko)|Nationalmuseum für Anthropologie]] befindet sich im Chapultepec-Park und beherbergt die wichtigste Sammlung des [[präkolumbisch]]en Erbes Mexikos und zählt zu den bedeutendsten archäologischen Sammlungen weltweit. Das 1964 eröffnete Gebäude entwarfen die Architekten Pedro Ramírez Vázquez und [[Jorge Campuzano]]. Die Ausstellungshallen sind rings um einen Innenhof angelegt, der zur Hälfte von einem gewaltigen, rechteckigen „Regenschirm“ aus Leichtmetall überdacht wird. Eine einzige Betonsäule inmitten eines künstlichen Wasserfalls bildet die Stütze des Daches. Die Hallen sind von Gärten umgeben, die als Ausstellungsfläche unter freiem Himmel ins Museumsgeschehen einbezogen sind. ==== Museo Nacional de Arte ==== [[Datei:Munal 121.jpg|thumb|Museo Nacional de Arte]] Das [[Museo Nacional de Arte (Mexiko)|Museo Nacional de Arte]] wurde 1982 mit Beständen verschiedener Museen gegründet, um an einem einzigen Ort einen Überblick über die mexikanische Kunst vom 16. Jahrhundert bis in die 1950er Jahre zu vermitteln. Es liegt an einer kleinen Plaza, dort, wo auch das bekannteste Standbild der Stadt aufgestellt ist: ''El Caballito'', die Darstellung [[Karl IV. (Spanien)|Karls IV.]] von Spanien, das Werk von [[Manuel Tolsá]]. Ursprünglich (die Figur entstand 1803) zierte die wuchtige Bronzestatue den Zócalo, danach wechselte sie mehrmals den Standort. ==== Museo Rufino Tamayo ==== Das ''Museo de Arte Contemporáneo Internacional Rufino Tamayo'' eröffnete 1981 mit mehr als 300 Werken einer Schenkung des Malers [[Rufino Tamayo]] (1899–1991) aus [[Oaxaca]]. Sie enthielt eigene Werke und Arbeiten anderer berühmter Künstler des 20. Jahrhunderts. Zu sehen sind beispielsweise Werke von [[Francis Bacon (Maler)|Francis Bacon]], [[Salvador Dalí]], [[Giovanni Giacometti]], [[René Magritte]], [[Joan Miró]] und [[Pablo Picasso]]. Im Museum finden Wechselausstellungen internationaler und mexikanischer Kunst, Vorträge, Theater- und Tanzdarbietungen sowie Konzerte statt. Es enthält ein auf Rufino Tamayo spezialisiertes Dokumentationszentrum. Für den Entwurf des Gebäudes erhielten Teodoro González de León und Abraham Zabludovsky im Jahre 1981 den Nationalen Architekturpreis. ==== Museo Frida Kahlo ==== [[Datei:Casa Azul.jpg|thumb|Das Blaue Haus der Frida Kahlo]] Das Haus von [[Frida Kahlo]] steht in der Vorstadt Coyoacán. Das farbenfrohe Gebäude, das wegen seiner in Blautönen gehaltenen Außenwände Casa Azul („Blaues Haus“) genannt wurde, ist als Museum hergerichtet. Im typischen kolonialen Stil erbaut, beherbergt das Museum außer einer besonderen Auswahl von Frida Kahlos Bildern, ihre Möbel, Kleider und Bücher. Sie lebte dort zusammen mit ihrem Mann Diego Rivera von 1929 bis 1954. Ein Haus ganz in der Nähe bewohnte während seines Exils Leo Trotzki (1879–1940), dort wurde er auch in seinem Arbeitszimmer ermordet. Es ist als Museum eingerichtet und wird von vielen Menschen gemeinsam mit dem Haus von Frida Kahlo besucht. Etwas weiter vom Museo Frida Kahlo entfernt, in San Angel, befindet sich das „Casa Museo Estudio de Diego Rivera y Frida Kahlo“, wo auch beide Künstler gewohnt haben. Es sind zwei Häuser, eines in rosa und eines in blau, ein Haus für jede Person mit der eigenen Persönlichkeit, entworfen und gebaut 1927 vom Maler [[Juan O’Gorman]]. Für Mexiko war es der Anfang der modernen Architektur. ==== Weitere Museen ==== [[Datei:Vista-interior-SanFrancisco.jpg|thumb|Kirche San Francisco in der Altstadt von Mexiko-Stadt]] Auf einem Hügel in der Altstadt steht das 1540 fertiggestellte „Convento de San Francisco“, ein früheres Franziskanerkloster, das heute das historische Regionalmuseum („Museo Regional de Querétaro“) beherbergt. In der dazugehörigen Kirche San Francisco taufte [[Hernán Cortés]] die ersten Aztekenherrscher. Das Gebäude wurde in typisch churriguereskem Stil erbaut. In der Avenida Madero, am Westrand des Zócalo, befindet sich der barocke „Palacio de Iturbide“, in dem Kunstausstellungen stattfinden. Dort befindet sich auch „Antiguo Colegio de San Ildefonso“, ein noch gut erhaltenes koloniales Gebäude, wo außer Wechselausstellungen auch die Wandmalerei von Diego Rivera, David Alfaro Siqueiros und José Clemente Orozco gezeigt wird. Südlich des Zócalo liegt das „Museo de la Ciudad de México“ mit Ausstellungsstücken zur Stadtgeschichte und des Hochtales. Im Westen des 1592 angelegten Parks „Alameda Central“, beim Hotel Cortés, ist in einer früheren Klosterkirche die „Pinacoteca Virreynal“ (Vizekönigliche Gemäldesammlung) mit Bildern der wichtigsten Künstler der [[Spanien|spanischen]] Kolonialzeit untergebracht. In der Umgebung des Parks „Alameda Central“ befinden sich weitere Museen: das „Museo Nacional de Arte“ (Nationalmuseum für Kunst) in einem Gebäude aus Marmor in [[italien]]ischem Stil; das „Museo Franz Mayer“, mit einer Sammlung verschiedener Möbel, Silberwaren und mexikanischer Malerei; das „Museo de Artes e Industrias Populares“ (Nationalmuseum für Volkskunst und Handwerk) und das „Museo Mural Diego Rivera“ mit einer Ausstellung der zahlreichen Werke des Malers, darunter auch eines seiner berühmtesten Kunstwerke: „Traum an einem Sonntagnachmittag im Alameda-Park“. Zwei weitere Kunstmuseen in der Gegend von San Ángel sind das „Museo de Arte Carrillo Gil“, wo hauptsächlich mexikanische Gegenwartskunst zu sehen ist, darunter Wechselausstellungen moderner Kunst und das erst 1994 eröffnete „Museo Soumaya“ in der „Plaza Loreto“. Das Museo Soumaya ist bekannt unter anderem wegen der Ausstellung der 100 Skulpturen [[Rodin]]s und ist das einzige Museum in Mexiko-Stadt, wo permanent die Werke europäischer Künstler, darunter einige Impressionisten, aber auch Werke von [[Pablo Picasso]], [[Joan Miró]] und [[Salvador Dalí]], zu sehen sind. === Musik === In der Hauptstadt finden täglich zahlreiche Konzerte unterschiedlicher musikalischer Richtungen statt. Die Veranstaltungsorte liegen im Süden, in den Stadtteilen Coyoacán und San Ángel, aber auch die [[Zona Rosa]] und Condesa haben musikalisch einiges zu bieten. Wer sich unter die Oberschicht der Stadt mischen möchte, kann dies in Polanco tun. Manchmal finden die interessantesten Konzerte auch an abgelegenen Orten statt. Rock und Latin sowie die neuesten Hits aus den USA sind bestens vertreten, Europop wird immer beliebter, auch kubanische Klänge und sogar Live-Jazz sind zu hören. Bekannte ortsansässige Bands sind beispielsweise [[Café Tacuba]], weniger bekannte [[La Vieja Estacion]] (Blues), [[Señoritas de Aviñon]] (Jazz, Blues) oder [[Work in Progress]] (WiP) (Rock, Blues, Pop). Eine ganz besondere Veranstaltung findet auf der [[Plaza Garibaldi]] statt. Dort versammeln sich jeden Abend hunderte von um die Wette musizierenden [[Mariachi]]-Gruppen. Eine Kapelle besteht in der Regel aus vier Geigern, drei sich etwas abseits haltenden Trompetern, drei bis vier Gitarristen und einem Sänger. Ein echter Caballero mietet jedoch nur die Musiker und singt selbst. Ihren Namen haben die Mariachis vermutlich aus der Zeit der französischen Invasion im 19. Jahrhundert, als es üblich wurde, für Hochzeiten – ''mariage'' – eine Musikgruppe zu engagieren. Auf der Plaza hört man auch [[Norteño]]-Gruppen, die eine Tex-Mex-Country-Mischung darbieten, oder die weicheren [[Marimbaphon|Marimbaklänge]] aus dem Süden Mexikos. === Bauwerke === ==== Mexiko-Stadt ==== [[Datei:Mexico City Zocalo.jpg|thumb|Platz der Verfassung]] Die Straßen der Hauptstadt sind schachbrettartig angelegt. Das Muster wird unterbrochen von einigen breiten [[Boulevard]]s, an denen moderne Geschäftsgebäude und Appartementhochhäuser liegen, sowie von mehreren Parkanlagen und großen Plätzen, die beliebte Treffpunkte der Stadtbewohner sind. ===== Zócalo ===== Das [[Historischer Stadtkern|historische Zentrum]] von Mexiko-Stadt ist der [[Plaza de la Constitución|Platz der Verfassung]] oder ''Zócalo''. Er befindet sich an dem Ort, wo einst der Palast des Aztekenherrschers [[Moctezuma II.]] (1465–1520) stand. Der Platz wird umrahmt von einer monumentalen [[Kathedrale]], dem „Palacio Municipal“ (Stadtpalast) von 1720 und dem „[[Palacio Nacional (Mexiko)|Palacio Nacional]]“ (Nationalpalast) von 1792, dem Sitz des Präsidenten. Im „Palacio Nacional“ sind Wandmalereien (Murales) von [[Diego Rivera]] zu sehen. Die [[barock]]e [[Kathedrale von Mexiko-Stadt]] wurde von 1573 bis 1667 erbaut und gehört zu den amerikaweit ältesten und größten Sakralbauten. Im Inneren befindet sich der reich geschnitzte Altar de los Reyes (Altar der Könige). Die Fassade aus Tezontle, einem rötlichen Vulkanstein, wird von drei Portalen unterbrochen und durch den Sagrario (Pfarrkirche) verlängert, der im churriguereskem Stil errichtet wurde – benannt nach dem spanischen Architekten [[José Benito de Churriguera]] (1665–1725). Wie zahlreiche andere Gebäude der Stadt versinkt auch die Kathedrale langsam im sumpfigen Boden. Nördlich des Zócalo befindet sich die Ausgrabungsstätte „Templo Mayor“, wo Reste des früheren Tempelbezirkes von Tenochtitlan gefunden wurden. Das Kolonialgebäude im Westen beherbergt seit dem 19. Jahrhundert die Monte de Piedad (Pfandleihe). Nahe dem Zócalo liegt auch die von Kolonialgebäuden und Palästen aus Tezontle gesäumte Calle Moneda mit der im churrigueresken Stil erbauten Kirche La Santísima und dem barocken Erzbischöflichen Palais. In Richtung des „Palacio de Bellas Artes“ befindet sich ein kleiner Park, die „Alameda Central“. Am Alamedapark steht ein Denkmal des mexikanischen Präsidenten [[Benito Juárez]] (1806–1872). ===== Paseo de la Reforma ===== [[Datei:PaseodelaReforma.jpg|thumb|Blick auf Mexiko-Stadt mit Paseo de la Reforma und Torre Mayor]] Eine der Hauptschlagadern der Stadt, der [[Paseo de la Reforma]], wurde unter Kaiser Maximilian gebaut. Sie fand ihren Anfang am Rande der Altstadt, an der nordwestlichen Ecke des Alamedaparks, und führte zur Sommerresidenz des mexikanischen Kaisers, [[Schloss Chapultepec]]. Sie wurde nach europäischem Vorbild als breiter Boulevard angelegt. Einige der villenartigen Gebäude aus dem 19. Jahrhundert sind erhalten geblieben. In dem historischen Mittelteil dominieren allerdings immer mehr Wolkenkratzer, darunter das höchste Gebäude Lateinamerikas, der [[Torre Mayor]] und typische Geschäftsbauten. Die Straße wurde sowohl in nordöstliche als auch westliche Richtung verlängert und ist eine der längsten Straßen der Welt. In nordöstlicher Richtung reicht die transversal angelegte Prachtstraße „Paseo de la Reforma“ bis zum Platz der drei Kulturen, dem Hauptplatz der im Jahre 1963 freigelegten [[präkolumbisch]]en Stadt [[Tlatelolco]]. Dort vereinigen sich Zeugnisse aus drei Epochen: Neben freigelegten [[Azteken|aztekischen]] Bauwerken und der Barockkirche Santiago de Tlatelolco aus der spanischen Kolonialzeit befinden sich hier auch moderne Gebäude. Am Denkmal des letzten Aztekenherrschers Chuautemoc kreuzt sie die Nord-Süd-Verbindung der Hauptstadt, die [[Avenida de los Insurgentes]]. In südlicher Richtung erstreckt sich der Chapultepec-Park mit verschiedenen Museen, einem Zoo, dem Schloss Chapultepec, das früher Amtssitz des Präsidenten war und auch Kaiser [[Maximilian I. (Mexiko)|Maximilian]] als Residenz diente und das Stadtviertel „[[Zona Rosa]]“, wo sich zahlreiche Gaststätten, Bars und Einkaufszentren befinden. Auf dieser Höhe befindet sich das Unabhängigkeitsdenkmal, eine 45 Meter hohe Säule mit dem Siegesengel auf der Spitze (''[[El Ángel de la Independencia]]''). Mexiko war das einzige Land, welches 1938 den Überfall auf Österreich politisch nicht anerkannte und als Mitglied des [[Völkerbund]]es Einspruch erhob. Als Erinnerung daran steht am „Paseo de las Reformas“ heute ein von der [[österreich]]ischen Regierung unter [[Bruno Kreisky]] aufgestelltes kleines Denkmal. In Wien erinnert daran der [[Mexikoplatz]]. ===== Weitere Bauwerke ===== [[Datei:Mexico-Palacio Postal.JPG|thumb|Das 1902 bis 1907 errichtete Hauptgebäude der Post in Mexiko-Stadt]] Sehenswert ist auch der aus Kalkstein erbaute monumentale Palacio Postal (Hauptpostamt). Das [[Neugotik|neugotisch]] dekorierte Gebäude an der Calle Tacuba liegt gegenüber vom „Palacio de Bellas Artes“ und wurde zwischen 1902 und 1907 nach Plänen des Architekten [[Adamo Boari]] errichtet. Das Treppenhaus ist im [[Jugendstil]] erbaut und mit Glas- und Eisenschmuck ausgestattet. Im ersten Stock befindet sich ein kleines Postmuseum. In der Nähe befindet sich auf der Avenida Madero auch die „Casa de los Azulejos“ (Haus der Kacheln). Im barocken Stil erbaut ist die Außenseite mit tausenden von Kacheln aus [[Puebla (Stadt)|Puebla]] dekoriert. Das Haus beherbergt das bekannte Restaurant und Geschäft „Sanborns“. An der Avenida Madero und gegenüber vom Palacio de Bellas Artes steht auch die „[[Torre Latinoamericana]]“. Das ehemals höchste Gebäude Lateinamerikas (182 Meter) wurde zwischen 1948 und 1956 erbaut. Der 45-stöckige Wolkenkratzer entstand nach Plänen des Architekten [[Augusto H. Álvarez]]. An mehreren Plätzen der Stadt befinden sich Wandgemälde von [[Diego Rivera]], Monumentalfresken sind im Nationalpalast unter dem Thema „Mexiko im Laufe der Jahrhunderte“ ausgestellt. Auch bekannt sind die Wandgemälde von [[José Clemente Orozco]], darunter das Gemälde „Omnisciencia“, zu sehen in der Casa de los Azulejos. Zahlreiche Vorstädte und die verschiedenartigsten Nachbarschaftsgefüge sind durch die Ausdehnung der Stadt entstanden: vom eleganten Wohnviertel Pedregal mit seiner modernen Architektur bis zum bevölkerungsreichen Netzahualcóyotl, einem einfachen Wohnviertel, das im trockenen Tal des [[Texcoco]]-Sees liegt. Zum Weltkulturerbe seit 2004 gehört die [[Casa Barragán]], das Haus und [[Atelier]] des Architekten [[Luis Barragán]]. Es wurde 1947/1948 im Vorort von Mexiko-Stadt, [[Tacubaya]], gebaut und stellt ein hervorragendes Beispiel eines Bauwerks nach dem [[Zweiter Weltkrieg|Zweiten Weltkrieg]] dar. Das Betongebäude besteht aus einem Erdgeschoss und zwei oberen Geschossen, die wie ein kleiner Privatgarten aussehen. In dem nördlichen Vorort [[Guadalupe (Mexiko)|Villa de Guadalupe]] steht auf dem Berg [[Tepeyac]] die „Basilika der Jungfrau von Guadalupe Hidalgo“ (Basilica de Nuestra Señora Guadalupe). Sie ist das wichtigste Heiligtum Mexikos und eines der bedeutendsten Marienheiligtümer der Welt und mit 20 Millionen jährlichen Pilgern größter Wallfahrtsort der Welt.<ref>Kath.net: [http://www.kath.net/detail.php?id=15292 Nur in die Knie gehen, staunen und beten], vom 24. November 2006</ref> 1531 soll dem getauften Azteken [[Juan Diego]] auf dem Berg Tepeyac die [[Maria (Mutter Jesu)|Jungfrau Maria]] erschienen sein. An der Stelle der Erscheinung wurde dann eine Kirche errichtet. Da der Untergrund absank, musste die Basilika für Besucher und Pilger gesperrt werden. Die neue Basilika, entworfen vom mexikanischen Architekt Pedro Ramírez Vázquez, welche 1974 geweiht und 1975 eröffnet wurde, ist von ihrer Größe und ihrer offenen Architektur sehr beeindruckend. Sie hat 10.000 Sitzplätze und kann insgesamt bis zu 40.000 Besuchern Platz bieten. Sie ist somit eine der größten Kirchen weltweit. Dies ist auch deshalb von Bedeutung, da es in Mexiko zu dieser Zeit noch verboten war, Messen unter freiem Himmel abzuhalten. ==== Teotihuacán ==== [[Datei:Teotihuacan-Sonnenpyramide.jpg|thumb|Die Sonnenpyramide]] [[Datei:Mexico.Mex.Teotihuacan.PyramidMoon.01.jpg|thumb|Die Mondpyramide]] [[Teotihuacán]], die Ruinenstadt mit den mächtigen Pyramiden, etwa 50 Kilometer nordöstlich von Mexiko-Stadt, war die beherrschende Kultur der „klassischen“ Periode und der eigentliche Vorgänger des Aztekenreiches. Dort wohnten circa 300.000 Menschen, deren Einfluss sich über das ganze Land und weit nach Süden bis in das Gebiet der [[Maya]] auf der Halbinsel [[Yucatán (Halbinsel)|Yucatán]], ja sogar bis nach [[Guatemala]] erstreckte. Zu ihrer Glanzzeit war Teotihuacán mit etwa 75 Tempeln und 600 Werkstätten vermutlich die gewaltigste präkolumbische Ansiedlung von ganz Amerika. Um 200 v. Chr. bis zum Beginn der christlichen Zeitrechnung erhielt die Stadt ihre wichtigsten Merkmale: die gewaltige Pyramide der Sonne und die Pyramide des Mondes wurden erbaut sowie die Calzada de los Muertos (Straße der Toten) angelegt. Die Ausdehnung der Stadt umfasst 23 Quadratkilometer, wovon allein das Zeremonialzentrum vier Quadratkilometer einnimmt. Die Pyramiden sind so gigantisch, das man sie vor ihrer Freilegung für Berge hielt. Die wuchtige „Pirámide del Sol“ (Sonnenpyramide) ist das alles überragende Wahrzeichen von Teotihuacán. Ihre Höhe von 70 Meter wurde, was die antiken Bauwerke Mexikos angeht, nur noch von [[Pyramide von Cholula|Cholula]] übertroffen – und Cholula liegt in Trümmern. Zweieinhalb Millionen Tonnen Steine wurden für ihre Errichtung bewegt, ohne Radwagen oder Lasttiere und ohne dass Metallwerkzeuge verwendet werden konnten – beides war den alten Kulturen Mexikos unbekannt. Ihre Grundfläche reicht an die der [[Cheops-Pyramide]] heran, aber wegen ihrer terrassenförmigen Bauweise und der flacheren Seitenpartien ist sie bei weitem nicht so hoch. Am Ende der Straße der Toten erhebt sich die „Pirámide de la Luna“ (Mondpyramide). Sie ist kleiner und wurde etwas später, jedoch noch während der Periode von Teotihuacán I., erbaut und ist damit eine der ältesten des Landes. Da sie auf einer Anhöhe steht, liegt ihre Spitze fast auf gleicher Höhe mit der der Sonnenpyramide. Die Bauweise ist ähnlich: vier schräge Stockwerke, die man über eine gewaltige Rampe betritt. Die Ruinen von Teotihuacán stehen seit 1987 auf der UNESCO-Liste des Weltkulturerbes. === Parks === ==== Xochimilco-Park ==== [[Datei:Xochimilco.jpg|thumb|Xochimilco-Park]] Zum UNESCO-Weltkulturerbe gehören seit 1987 die so genannten „schwimmenden Gärten“ von [[Xochimilco]] (auf [[Nahuatl]] „Ort, wo die Blumen wachsen“). Im Jahre 1990 wurden die Wassergärten zum städtischen Ökologie-Park (Parque Ecológico de Xochimilco) ausgerufen. Kein anderes Stadtviertel erinnert so stark an die alte Stadt (wenn auch in idealisierter Form) wie Xochimilco mit seinen schwimmenden Kaufläden, Märkten und Farben. Blumengeschmückte Boote mit Ausflüglern fahren durch die Kanäle. Frauen verkaufen von winzigen Kanus aus Blumen, Obst und warme Speisen, und ab und zu kommen auch größere Boote mit [[Marimbaphon|Marimba]]-Musikern und ganzen [[Mariachi]]-Gruppen vorbei, um gegen einen kleinen Obolus längsseits festzumachen und ein kleines Ständchen zu bringen. In den letzten Jahren wurden erhebliche Anstrengungen zur Reinigung der Kanäle und zur Aufrechterhaltung des sinkenden Wasserspiegels unternommen. Somit bleiben die Kanäle auch in Zukunft jedes Wochenende ein beliebtes Ausflugsziel für Tausende Hauptstädter. Außerdem ist der Markt – „mercado de xochimilco“ – wohl einer der buntesten, dichtesten und lautesten der Welt. Es entsteht täglich ein Stillstand des Verkehrs durch Busse – „peseros” – für welche Xochimilco die Endstation unzähliger Routen ist. ==== Chapultepec-Park ==== [[Datei:Castillo de Chapultepec 022.jpg|thumb|Castillo de Chapultepec]] [[Datei:Castillo de Chapultepec 032.jpg|thumb|Schlossgarten]] Der Chapultepec-Park oder [[Bosque de Chapultepec]] umfasst eine Grünfläche von vier Quadratkilometern und ist die „grüne Lunge“ der Hauptstadt. Er besteht aus drei Abschnitten. Im größten und am weitesten östlich gelegenen befinden sich die interessantesten Einrichtungen, darunter das „Museo Nacional de Antropologia“, das „Museo de Arte Moderno“, das „Museo Rufino Tamayo“ und der Zoo. An der Südseite der Reforma, gegenüber dem „Museo de Antropologia“, liegt der Lago Chapultepec. Am Hügel von Chapultepec befindet sich das [[Schloss Chapultepec]] („Castillo de Chapultepec“). Davor steht das „Monumento a los Niños Héroes“, ein Ehrenmal für die Kadetten, die das Schloss gegen die [[United States Army|US-Armee]] im [[Mexikanisch-Amerikanischer Krieg|Mexikanisch-Amerikanischen Krieg]] 1847 zu verteidigen suchten. Der Legende nach haben sich die letzten sechs Überlebenden in die Nationalflagge gehüllt von den Klippen zu Tode gestürzt, um nicht den feindlichen Truppen in die Hände zu fallen. Das Castillo selbst wurde 1785 als Sommerresidenz des spanischen Vizekönigs erbaut. Bis dahin war es eine Einsiedelei, die nach dem Verschwinden des Aztekenherrschers errichtet worden war. Als Militärakademie wurde es bis zur Unabhängigkeit genutzt, die heutige Gestalt erhielt das Schloss auf Wunsch von Kaiser Maximilian, der es nach dem Muster seiner italienischen Villa umbauen ließ. Jetzt beherbergt es auf zwei Stockwerken das „Museo Nacional de Historía“ (Geschichtsmuseum). Am westlichen Seeufer befindet sich der Haupteingang zum „Parque Zoológico de Chapultepec“ (Der Zoo), der einen Großteil des Parkinneren einnimmt und in verschiedene [[Klimazone]]n aufgeteilt ist: Wüste, Tropen, gemäßigte Mischwaldzone, und so weiter. Die meisten Käfige sind einigermaßen annehmbar und relativ geräumig. Am interessantesten sind die Zooabteilungen, in denen die in Mexiko heimischen Tiere untergebracht sind, und das Gelände, das den [[Xoloitzcuintle]], den unbehaarten und einzigen Nachkommen der vier [[präkolumbisch]]en Hundearten, vorbehalten ist. Davon abgesehen sind natürlich Tierarten aus aller Welt vertreten: Tiger, Bären, Löwen, Elefanten – und [[Großer Panda|Pandabären]]. Der Zoo in Mexiko-Stadt darf sich rühmen, der weltweit erste zu sein, in dem Große Pandas in Gefangenschaft Nachwuchs produzierten. Im Laufe der Jahre kam am Westrand des ursprünglichen „Bosque de Chapultepec“ neue Parkabschnitte hinzu. Diese wurden manchmal noch als „Nuevo Bosques de Chapultepec“ bezeichnet, üblicherweise jedoch meistens als Segunda Sección, das heißt zweiter Abschnitt und Tercera Sección, das heißt dritter Abschnitt. In der Segunda Sección befinden sich das „Museo Tecnológico“, das „Papalote Museo del Niño“, das „Museo de Historía Natural de la Ciudad de México“, und „La Feria“ (größter Vergnügungspark der Stadt mit diversen Attraktionen) und der „Planeta Azul“ (ein weiterer Vergnügungspark). Vom Museum für Naturgeschichte fährt der „Tren Escénio“ ab, eine Mini-Eisenbahn, die eine kurze Runde durch den Park dreht, vorbei an einigen Chiclebäumen und der Zeremonialstätte „Fuente Xochipilli“. In der Tercera Sección befinden sich der Friedhof „Panteón Civil de Dolores“ (mit den Gräbern von [[Diego Rivera]], [[Jose Clemente Orozco]] und anderen Persönlichkeiten. Auch befindet sich in diesem Abschnitt „El Rollo“ (ein Wasserpark mit Rutschen und Wellenbad) sowie „Atlantis“ (eine Art Zoo-Zirkus mit Meeressäugetieren und Seevögeln, von denen manche Dressurakte vorführen). === Naturdenkmäler === [[Datei:Volcan Popocatepetl.jpg|thumb|Popocatépetl]] [[Datei:MountainIztaccihuatlMexico01.jpg|thumb|Iztaccíhuatl]] Südöstlich von Mexiko-Stadt befinden sich die beiden schneebedeckten Vulkane [[Popocatépetl]] (5.452 Meter) und [[Iztaccíhuatl]] (5.285 Meter). Seit Beginn der vulkanischen Aktivität am 21. Dezember 1994 herrschte in der Region immer wieder Alarmstufe Gelb, und in den Orten der Umgebung wurden Verhaltensmaßregeln für den Fall einer Evakuierung angeschlagen. Am 19. Dezember 2000 kam es dann zum größten Ausbruch des Popocatépetl seit 1802. Glühende Gesteinsbrocken wurden aus dem Krater geschleudert, Staubwolken senkten sich auf die Hauptstadt nieder und einige Male musste der über 60 Kilometer entfernte Flughafen von Mexiko-Stadt für einige Stunden geschlossen werden. Lavaströme rückten nicht weit vor, und so hatten nur die Bauern unter der Situation zu leiden, deren Gehöfte für mehrere Wochen evakuiert werden mussten, während das Vieh sich selbst überlassen blieb. Das Gebiet um den Popocatépetl bleibt zwar in einem Radius von zwei Kilometer für die Öffentlichkeit gesperrt, doch der „Parque Nacional de Volcanes“, der die beiden Vulkane umgibt, hat wieder geöffnet. Die 14 Klöster an den Hängen des Popocatépetl, von den spanischen [[Conquistador]]en im 16. Jahrhundert errichtet, wurden 1994 zum UNESCO-Weltkulturerbe erklärt. Die Namen der beiden Vulkane gehen auf eine aztekische Version der Geschichte von [[Romeo und Julia]] zurück: Popocatépetl („rauchender Berg“) war ein Krieger, Iztaccíhuatl („weiße Dame“) seine Geliebte, die Tochter des Kaisers. Als sie Popocatépetl im Kampf getötet glaubte, starb sie vor Kummer. Ihr Liebster kam aber unversehrt zurück; er legte ihren Leichnam auf einen Berg und blieb dort, um mit einer brennenden Fackel bis in alle Ewigkeit Wache zu halten. === Sport === → ''Hauptartikel:'' [[Fußball in Mexiko-Stadt]] Fußball (fútbol) ist die beliebteste mexikanische Sportart. Die wichtigsten Spiele werden im [[Aztekenstadion]] („Estadio Azteka“) mit 114.000 Plätzen ausgetragen, dem Heimatstadion des erfolgreichsten mexikanischen Teams ''[[Club América|América]]'' („Las Aguilas“). Auch der Universitätsklub ''[[UNAM Pumas|UNAM]]'' („Los Pumas“) kann mit zahlreichen Zuschauern rechnen, wenn er im 72.000 Zuschauer fassenden [[Estadio Olímpico Universitario|Olympiastadion]] („Estadio Olimpico“) gegenüber der Universität spielt. ''[[CD Cruz Azul|Cruz Azul]]'' (seit vielen Jahren von einer Zementfabrik gesponsert, daher „Los Cementeros“ genannt) spielt im „Estadio Azul“ mit 39.000 Plätzen. Es werden jährlich zwei Meisterschaften ausgespielt, da es, im Unterschied zur Bundesliga, keine Hin- und Rückrunde, sondern zwei Turniere (Apertura und Clausura) mit Play offs (Liguilla) gibt. Hierbei entspricht die Apertura der Hinrunde und die Clausura der Rückrunde der Bundesliga. Die Apertura wird zwischen August und Dezember und die Clausura zwischen Januar und Ende Mai/Anfang Juni ausgespielt, so dass, in der Regel (und vor den Play offs), jedes Wochenende zwei Spiele in Mexiko-Stadt ausgetragen werden. Zu den ganz großen Spielen gehört das Aufeinandertreffen von ''América'' aus Mexiko-Stadt und ''[[Deportivo Guadalajara|Chivas]]'' aus [[Guadalajara (Mexiko)|Guadalajara]], der zweitgrößten Stadt des Landes. ''[[Lucha libre]]'', die mexikanische Form des Catchens, zählt immer noch zu den begehrtesten Zuschauersportarten. An mehreren Abenden in der Woche finden allein in der Hauptstadt in über einem Dutzend Arenen vor einem fanatischen Publikum Ringkämpfe statt. Die größten Wettkampfstätten sind die „Arena Coliseo“ und die „Arena México“. Keine Sportart kann sich mexikanischer nennen als der Stierkampf. Er hat seine Wurzeln im spanischen Machismo, folgt komplizierten Regeln und steckt voller Symbole. Es geht dabei um mehr als nur den Kampf von Mann gegen Tier. Viele Menschen empört die Vorstellung, dass ein Tier herzlos „abgeschlachtet“ wird, und Elemente von Tierquälerei sind in dem Geschehen zweifellos beabsichtigt. Aber der Stierkampf ist integraler Bestandteil des mexikanischen Lebens, und keine andere Veranstaltung schafft es, die Barrieren innerhalb der mexikanischen Gesellschaft so aufzuheben wie eine ''corrida de toros''. Während der Stierkampfsaison (Ende Oktober bis Anfang April) finden jeden Sonntag in der riesigen „Plaza México“, mit 48.000 Plätzen die größte Stierkampfarena der Welt, Corridas statt. === Gastronomie === [[Datei:Mexico.Tacos.01.jpg|thumb|Verschiedene Tacos]] → ''Hauptartikel:'' [[Mexikanische Küche]] Neben den zahlreichen einheimischen Restaurants beherbergt Mexiko-Stadt auch Lokale mit chinesischer, [[Vereinigte Staaten|US-amerikanischer]], [[Argentinien|argentinischer]], [[Frankreich|französischer]] und [[italien]]ischer Küche. Preiswerte Restaurants, Cafés, Taquerias und Stände, an denen auch Getränke verkauft werden, befinden sich an fast jeder Straßenecke. Für die Küche der Hauptstadtregion typisch sind „Antojitos Mexicanos“, kleine Häppchen, welche überwiegend aus Masa – dem Teig für [[Tortilla (Mexiko)|Tortillas]], einem dem Pfannkuchen ähnlichen Brotersatz aus Mais – hergestellt werden. Dazu gehören beispielsweise [[Taco]]s, kleine Tortillas mit Füllungen in allen möglichen Variationen, aber auch „Tortas“ (kleine Sandwiches) und „Tostadas“ (fritierte, flache Tortillas mit Belag). Dazu werden dem Gast verschiedene Saucen wie [[Salsa (Sauce)|Salsa]] Verde, Salsa Mexicana und Salsa Ranchera gereicht oder auch [[Guacamole]]. Verkauft werden die Antojitos in fast jeder Straße der Hauptstadt an kleinen Ständen, wo es meistens Tacos in zahlreichen Variationen gibt. Eine besondere Tacofüllung sind die „Carne al Pastor“, eine art Gyrosgrill, aber aus Schweinefleisch und „Carnitas“, gebratenes Schweinefleisch in Milch gekocht mit „Chicharrón“, eine gebratene Schweineschwarte. Gern gegessen werden auch „[[Tamale (Gericht)|Tamales]]“, eine Mischung aus Masa, Rindfleisch oder Huhn mit verschiedenen pikanten Saucen, in Mais- oder Bananenblätter gegart. Statt einem frühen Frühstück, wo der Mexikaner eigentlich nur Kaffee trinkt, isst er zum „Almuerzo“ (zweites Frühstück, wo reichhaltig gegessen wird) entweder Eiergerichte oder „Chilaquiles“, trockene Tortilla in Chilisauce, zubereitet mit Sahne und Käse. Typisch ist mittags die „Comida corrida“, einschließlich Suppe, Reis, Hauptspeise und gewöhnlich einem kleinen Dessert, ein preiswertes Mittagessen, welches von Arbeitern und Angestellten genutzt wird. Das Abendessen ist dann einfach, meist nur ein Taco oder ein „Pan Dulce“ (süße Backware) mit einem Glas Milch oder Kaffee. In der Stadt ist Essen aus allen Regionen das Landes erhältlich. Schmackhaft sind die berühmten „Chiles en Nogada“ aus der Gegend von [[Puebla (Stadt)|Puebla]], mit Rind- und Schweinefleisch, trockenem Obst, Walnüssen, Sahne, und mit Granatapfelkernen gefüllte große Pfefferschoten (chile poblano). Aus der Gegend von Puebla und [[Oaxaca]] kommt das „[[Mole (Speise)|Mole]]“, meist mit Huhn serviert. Auch beliebt ist aus [[Jalisco]] der „Pozole“, ein suppenartiges Gericht, mit Huhn oder Schweinefleisch und großen Maiskörnern. === Handel === [[Datei:Tepito Mercado de novias.jpg|thumb|Mercado de Tepito]] [[Datei:Mercado de Sonora México DF 20 04 07.jpg|thumb|Mercado de Sonora]] In der Hauptstadt findet sich alles, was im Land angeboten wird, darunter Märkte für Kunsthandwerk und traditionelle Gegenstände sowie Läden für Kunsthandwerk („Artesanía“). Eine Eigenart der Stadt sind die „Zunftgassen“: ganze Häuserblocks, die einem bestimmten Gewerbe vorbehalten sind. Diese Anordnung ist ein Beispiel für das [[Azteken|aztekische]] Erbe – ihre Märkte waren nach Waren sortiert, und die Kolonialherren folgten diesem Beispiel. Der „Bazar Sábado“ ist ein Kunsthandwerksmarkt in einer alten [[Hazienda|Hacienda]] in San Ángel. Hier kann besonderes Kunsthandwerk erstanden werden. Unmittelbar dabei, an der Plaza San Jacinto und der Plaza del Carmen, ist auch eine Malereiausstellung unter freiem Himmel zu sehen. Markt und Ausstellung werden fast den ganzen Sonnabend hindurch abgehalten. Am Sonntag ziehen die Maler und Künstler in den Parque Sullivan, unmittelbar nördlich der Zona Rosa. Interessant sind auch die „Coyoacán-Märkte“. Von den beiden Märkten findet ein Markt – mit vor allem Lebensmitteln im Angebot – täglich drei Querstraßen oberhalb der Plaza Hidalgo statt; auf dem anderen Markt wird Kunsthandwerk verkauft. Er wird Sonntags direkt um den Zócalo aufgebaut und ist ein Treffpunkt der einheimischen Jugend. Unter anderem werden typisch mexikanische Kleidungsstücke und Silberschmuck angeboten. „La Merced“, Izazaga San Pablo, ist der größte Markt der Stadt. Er besteht aus verschiedenen modernen Gebäuden, die trotz ihrer Größe dem Ansturm der Händler nicht gewachsen sind, die einen Stand aufstellen möchten. Den meisten Raum nehmen Lebensmittel ein, aber auch alles andere, was ein mexikanischer Markt anzubieten hat, ist dort zu finden. „Mercado de Sonora“, drei Querstraßen vom La Merced, ist bekannt für pflanzliche, magische Heil- und Wundermittel und die ''Curanderos'' ([[Schamane]]n), die dorthin kommen und ihre Dienste anbieten. Auf dem „Mercado San Juan“ werden kulinarische Spezialitäten aus aller Welt verkauft. Einer der größten Märkte in Mexiko-Stadt ist der Schwarzmarkt „Tepito“, der sich im Norden des Stadtzentrums befindet. Das Angebot an Waren ist außergewöhnlich groß und reicht von Textilien über Elektrogeräte bis zu [[Plagiat]]en und [[Raubkopie]]n aller Art. Allerdings ist die Kriminalitätsrate im Stadtteil Tepito mit seiner meist ärmeren Bevölkerung sehr hoch und alle paar Tage finden Großeinsätze der Polizei statt, die oft nur in Mannschaftsstärke in Tepito einrückt. Im Sommer 2002 starb auf dem Markt beispielsweise bei Schießereien rivalisierender Händler eine Besucherin und im Frühjahr 2003 kamen bei Bandenkämpfen 35 Menschen ums Leben. Im Mai 2003 kam es bei dem Versuch der Polizei ein Labor für [[Produktpiraterie]] auszuheben in Tepito zu blutigen Straßenschlachten zwischen den Sondereinheiten der mexikanischen Polizei und meist jugendlichen Händlern des Marktes. Nordöstlich der Plaza Garibaldi liegt der Markt „La Lagunilla“. Er bietet hauptsächlich Antiquitäten, Kleidungsstücke und Süßwaren („chucherias“). Ein weiterer Markt, der sowohl von Einheimischen als auch von Touristen besucht wird, findet sich in der Nähe zur Zona Rosa. Dieser „Mercado de la Ciudadela“ verkauft nicht nur Kunsthandwerk aus ganz Mexiko, sondern auch „Artesanias“. Diese sind teilweise aus Oaxaca (beispielsweise Lehmkrüge) und zum Teil aus den anderen Regionen Mexikos. Ebenfalls im Stadtzentrum befindet sich der so genannte „Chopo“. Hier treffen sich jeden Sonnabend [[Punk]]s, [[Hippies]], [[Gothic (Kultur)|Goths]] und Angehörige weiterer Jugend[[subkultur]]en, um Bücher, Acessoirs, Musik, Kunst und Kleidung einzukaufen. Auf dem Chopo finden regelmäßig kleinere Punkkonzerte statt, der Eintritt ist frei. Ende das 20. Jahrhunderts entstanden auch die typischen Einkaufszentren aus den USA („Malls“) mit Kaufhäusern und Boutiquen sowie einem Warenangebot aus aller Welt. Beispiele sind Plaza Satélite im Norden, Perisur im Süden und Centro Comercial Santa Fé im Westen der Stadt. == Wirtschaft und Infrastruktur == === Wirtschaft === [[Datei:Mexico City Stock Exchange HQ.jpg|thumb|Börse von Mexiko-Stadt]] Mehr als die Hälfte der Industrieproduktion des Landes entsteht in Mexiko-Stadt selbst oder in der näheren Umgebung. Arzneimittel, Chemikalien, Textilien, Elektro- und Elektronikartikel, Stahl und Transportausrüstungen werden hier hergestellt sowie die verschiedensten Nahrungsmittel und Verbrauchsgüter der [[Leichtindustrie]]. Mexiko-Stadt ist das Zentrum eines sich herausbildenden Industriegürtels, der sich von [[Guadalajara (Mexiko)|Guadalajara]] im Westen bis nach [[Veracruz (Veracruz)|Veracruz]] an der Küste des Golfs von Mexiko im Osten erstreckt. Die Börse der Stadt ist eine der größten in [[Lateinamerika]]. Sie wurde 1886 als „Bolsa Mercantil de México“ gegründet, 2001 erhielt sie ihren heutigen Namen [[Bolsa Mexicana de Valores]].<ref>Bolsa Mexicana de Valores: [http://www.bmv.com.mx/ Offizielle Website]</ref> Etwa 8,4 Prozent der Bevölkerung Mexikos lebte 2005 in der Hauptstadt und erzeugte 21,1 Prozent des nationalen [[Bruttoinlandsprodukt]]es (BIP). Das Wirtschaftswachstum der Stadt betrug 2,0 Prozent (Mexiko = 3,0 Prozent). Das BIP pro Kopf lag bei 18.381 [[US-Dollar]] (Mexiko = 7.348 US-Dollar). Von den in Mexiko registrierten 7.754 [[Großunternehmen]] hatten 1.393 (18,0 Prozent) ihren Sitz in der Hauptstadt.<ref>Banamex: [http://www.banamex.com/esp/pdf_bin/esem/df-irae-0806.pdf Economic Indicators]</ref> Die Wirtschaft wurde in den letzten Jahren stark [[Deregulierung|dereguliert]] und [[Privatisierung|privatisiert]]. Die Dominanz privater Firmen wächst ständig und die Privatisierung von Eisenbahn, Flughäfen und Banken geht ihrem Ende entgegen. Die Liberalisierung des Energiesektors schreitet weiter voran. In den Bereichen Telekommunikation und Petrochemie stehen noch Reformen aus. Die Haushaltslage ist fast ausgeglichen und die Verschuldung konstant. Die offizielle Arbeitslosenrate lag 2008 im Jahresdurchschnitt bei 5,8 Prozent und damit deutlich über dem nationalen Durchschnitt von 3,8 Prozent. Die Entwicklung in der Hauptstadt verlief in den letzten Jahren folgendermaßen: 2001 (3,8 Prozent); 2002 (3,9 Prozent); 2003 (4,6 Prozent); 2004 (5,9 Prozent); 2005 (5,6 Prozent); 2006 (5,5 Prozent), 2007 (6,0 Prozent) und 2008 (5,8 Prozent).<ref>Instituto Nacional de Estadística y Geografía: [http://207.249.1.13/xls/302_0210.xls Desempleo Distrito Federal]</ref> Es besteht eine starke Unausgewogenheit in der Reallohnverteilung. So lebt etwa ein Drittel der Bevölkerung unter der [[Armutsgrenze]]. Das schnelle Wachstum von Mexiko-Stadt hat zahlreiche Schwierigkeiten hervorgerufen, wie unter anderem eine bedrohliche [[Luftverschmutzung]], bedingt durch die große Anzahl der Autos und Industriebetriebe sowie eine immer unzureichendere Wasserversorgung. Die Stadt steht seit Jahren vor dem großen Problem der Befriedigung der exorbitanten Wassernachfrage von 300 Liter pro Tag und Kopf. Durch die übermäßige Entnahme von Grundwasser unterhalb der Stadt senkte sich der Boden um teilweise bis zu zehn Meter. Dies führte zu Schäden an Gebäuden und an Wasser- und Abflussleitungen, aber auch zu einer erhöhten Überschwemmungsgefahr. Des Weiteren verliert die Stadt etwa 40 Prozent ihres Wassers durch das völlig marode Röhrennetz. Mexiko-Stadt wird heute von weit entfernt liegenden Quellen außerhalb des Hochtales zusätzlich mit Wasser versorgt. Moderne mehrstöckige Gebäude werden gegenwärtig auf riesigen Stahl- und Betonpfeilern erbaut, um ihr Absinken zu verhindern. === Verkehr === ==== Fernverkehr ==== ===== Autobahnen ===== [[Datei:Croppedsegundopiso.jpg|thumb|Autobahnring „Anillo Periférico“]] Die Hauptstadt ist über Autobahnen (Autopista) mit allen großen Städten des Landes verbunden. Die [[Trasse (Verkehrsweg)|Trassen]] führen nach [[Santiago de Querétaro]] (211 Kilometer) im Nordwesten, [[Toluca]] (65 Kilometer) im Westen, sowie [[Cuernavaca]] (85 Kilometer), [[Cuautla]] (120 Kilometer) und [[Oaxtepec]] (80 Kilometer) im Süden. Weitere Strecken verbinden Mexiko-Stadt mit [[Puebla (Stadt)|Puebla]] (127 Kilometer) im Osten, sowie [[Texcoco]] (15 Kilometer), [[Tulancingo]] (100 Kilometer) und [[Pachuca de Soto]] (91 Kilometer) im Nordosten. Die Autobahnen sind meistens gebührenpflichtig (de cuota) und werden von privaten Investoren zusammen mit dem Staat gebaut und betrieben. Da die [[Maut]] sehr hoch ist sollen in Zukunft neue Projekte, darunter die Nordumgehung von Mexiko-Stadt, generell mit niedrigerer Maut betrieben werden. Das Autobahnnetz der Hauptstadt ist seit Mitte des 20. Jahrhunderts erheblich erweitert worden. Bereits in den 1950er Jahren war der westliche Teil des Anillo Periférico, einer [[Ringautobahn]], in Betrieb, die inzwischen völlig fertiggestellt wurde. Über einem Teil des westlichen Abschnitts des Periférico wurde ein zweites Stockwerk errichtet. Die [[Agglomeration]] ist mittlerweile über den früher außerhalb der Stadt gelegenen Periférico hinausgewachsen und hat die teilweise achtspurige Autobahn vereinnahmt. Im Stadtgebiet wurden ferner noch vorhandene Wasserläufe in unterirdische Röhren verlegt, die Flussbetten in Schnellstraßen (Circuito Interior, Viaducto) umgewandelt. Große Straßenzüge im Stadtgebiet wurden zu Einbahnstraßen erklärt und werden als Achsen (''Ejes'') bezeichnet, die nach Richtung und einer Nummer unterschieden werden. Sie weisen zwischen 6 und 8 Fahrbahnen auf. ===== Eisenbahnverkehr ===== Infolge der Privatisierung der mexikanischen Eisenbahnen haben alle Reisezüge von und nach Mexiko-Stadt ihren Dienst eingestellt. Den einzigen Hinweis darauf, dass sie jemals verkehrten, gibt eine Dampflokomotive vor dem ehemaligen Bahnhof in der Buenavista. Dem Eisenbahngüterverkehr dient der [[Rangierbahnhof]] ''Terminal Valle de México (TVM)'' im Norden der Stadt. ===== Flugverkehr ===== [[Datei:Benitojuarezarptaerial.jpg|thumb|Luftaufnahme des Flughafens „Benito Juárez“]] Der internationale [[Flughafen Mexiko-Stadt]] ist der geschäftigste in [[Lateinamerika]] und zählt weltweit zu den bedeutendsten nach Flugbewegungen und Frachtumsatz. In Bezug auf den Passagierdurchsatz belegte er 2006 weltweit Platz 44.<ref>Air Transport News: [http://www.airtransportnews.aero/analysis.pl?id=156 Top 100 Airports]</ref> Obwohl er keinen offiziellen Namen hat, wird er umgangssprachlich nach [[Benito Juárez]] benannt, dem Staatsmann und [[Liste der Präsidenten Mexikos|Präsidenten Mexikos]] von 1861 bis 1872. Inzwischen hat der Flughafen die Grenzen seiner Kapazität erreicht. Er liegt fünf Kilometer östlich des Zócalo, weit innerhalb der Stadtgrenzen und ist mit Abstand der größte Flughafen des Landes. Dort landen Flugzeuge aus aller Welt, und dort starten auch die Maschinen aller wichtigen mexikanischen Fluggesellschaften – [[Aeromexico]] und [[Mexicana de Aviación]] – sowie kleinerer Gesellschaften zu Zielen in fast allen Teilen Mexikos. Zu seiner Entlastung war der Bau eines weiteren Flughafens im Einzugsgebiet der Stadt vorgesehen. Im Juli 2002 wurde nach heftigen Protesten durch die Bewohner betroffener Siedlungen dieser Plan fallen gelassen. Als Ausweichflughafen ist der Flughafen von [[Puebla (Stadt)|Puebla]] in der Nähe von Huejotzingo vorgesehen, der jedoch kaum eigenen Flugverkehr aufweist. ===== Überlandbusverkehr ===== Mexiko-Stadt besitzt vier große Überlandbusbahnhöfe, einen für jede Himmelsrichtung. Zahllose konkurrierende Busgesellschaften fahren die Busbahnhöfe an. Der größte Busbahnhof ist der „Terminal del Norte“, im Norden der Stadt, der die Grenze zu den [[USA]] und alles, was nur ungefähr in nördlicher Richtung liegt, einschließlich Guadalajara und [[Morelia]], bedient. Vom „Terminal de Autobuses de Pasajeros de Oriente“, kurz TAPO, im Osten, fährt man nach [[Puebla (Stadt)|Puebla]], an die Golfküste im Staat [[Veracruz (Bundesstaat)|Veracruz]], aber auch nach [[Oaxaca]], [[Chiapas]] und zur Halbinsel [[Yucatán (Halbinsel)|Yucatán]]; sogar nach [[Guatemala]] gelangt man von dort. Der Busbahnhof „Central de Autobuses del Sur“ liegt im Süden. Von dort fahren die Überlandbusse Richtung Pazifikküste – insbesondere nach [[Cuernavaca]], [[Taxco]], [[Acapulco]] und [[Ixtapa]] – ab. Der westliche Busbahnhof, der „Terminal Central Poniente“ ist der kleinste von allen und verbindet Mexiko-Stadt in erster Linie mit [[Toluca]]. Weitere langsamere Busse verkehren via Toluca nach Morelia, Guadalajara, und zu anderen Zielen in [[Jalisco]] und [[Michoacán]]. Auch nach [[Pátzcuaro]], [[Uruapán]], [[Valle de Bravo]] und [[Querétaro (Bundesstaat)|Querétaro]]. Alle Busbahnhöfe haben eine U-Bahnstation in unmittelbarer Nähe. ==== Nahverkehr ==== ===== Schienenverkehr ===== [[Datei:MexicoCityc1890.jpg|thumb|Straßenszene um 1890]] [[Datei:Camaronn.jpg|thumb|Metrozug in der Station „Camarones“]] Die erste [[Pferdebahn|Pferdestraßenbahn]] in Mexiko-Stadt fuhr am 12. Dezember 1857 und die erste elektrische [[Straßenbahn]] am 15. Januar 1900. Das früher umfangreiche Netz wurde auf einen 18 Kilometer langen Streckenabschnitt reduziert. Die Straßenbahn Tren Ligero („leichter Zug“) fährt zwischen dem U-Bahnhof Tasqueña (der südlichsten Endhaltestelle der Linie 2) durchweg über der Erde Richtung Süden bis Xochimilco. Die Bahn wird von einer anderen Gesellschaft als die Metro betrieben und darf nicht mit einem U-Bahnfahrschein benutzt werden.<ref>tramz.com: [http://www.tramz.com/mx/tto.html The Tramways of Mexico]</ref> Der Verkehr in der Stadt ist vor allem in der [[Hauptverkehrszeit]] oft blockiert – teilweise bedingt durch die engen Straßen. Um den Straßenverkehr zu entlasten, wurde am 5. September 1969 der erste Streckenabschnitt der [[U-Bahn Mexiko-Stadt|U-Bahn]] in Betrieb genommen. Der Bau sorgte nur anfangs für eine Besserung der Verkehrsprobleme. Die Metro verkehrt heute auf elf Linien und einem Gesamtnetz von 201,7 Kilometern und wurde einst zu einem der größten und leistungsfähigsten [[Liste der Städte mit U-Bahnen|U-Bahnsysteme der Welt]] entwickelt. Heutigen Standards kann das U-Bahnsystem jedoch nicht im Ansatz genügen. Die Nahverkehrsdichte ist in den letzten 20 Jahren nicht proportional mit der Bevölkerung gewachsen, was als Ergebnis ein vollkommen überfordertes Metronetz hervorbrachte. Dennoch stellt die U-Bahn – bei Einhaltung gewisser Vorsichtsmaßnahmen – auch für Touristen das effizienteste Fortbewegungsmittel dar. Mit einer Fahrkarte kann unter Benutzung mehrerer Linien die komplette Stadt in etwa einer Stunde durchquert werden, was in Anbetracht des starken Autoverkehrs und den enormen Ausdehnungen der Metropole sehr schnell ist. Einzigartig ist das System der Zuordnung von aussagekräftigen farbigen Symbolbildern zu jeder der 175 U-Bahn-Stationen, das der hohen Rate an [[Analphabetismus]] in Mexiko-Stadt Rechnung trägt. Präsentationen archäologischer Ausgrabungsfunde sind in den Bahnhöfen zu besichtigen.<ref>urbanrail.net: [http://urbanrail.net/am/mexi/mexico.htm U-Bahn Mexiko-Stadt]</ref> Da das Metro-System die Grenzen der politischen Einheit Mexiko-Stadt nicht überschreitet, fehlten lange Zeit jegliche schnelle und leistungsfähige Massenverkehrsmittel in die anschließende Metropolregion. Zum 1. Juni 2008 wurde ein erster Teil eines Schnellbahnnetzes „Ferrocarril Suburbano de la Zona Metropolitana del Valle de México“ eröffnet, der den aufgegebenen Hauptbahnhof Buenavista mit Cuauhtitlan verbindet und eine Länge von 27 Kilometern hat. Die Bahn verkehrt auf der Trasse der seit 1978 in Bau befindlichen ersten doppelgleisigen, elektrifizierten Bahnstrecke nach [[Santiago de Querétaro]], die aber nie wirklich effektiv betrieben wurde. Nach der Aufgabe des Personenverkehrs in Mexiko im Zusammenhang mit der Privatisierung der Eisenbahnen 1996 kam es zu zahlreichen Projekten, die diese Strecke nutzen wollten, aber alle nicht realisiert wurden. ===== Straßenverkehr ===== [[Datei:Metrobús Set Dominguez.jpg|thumb|Metrobús]] [[Datei:Mexico city microbus 1.jpg|thumb|Kleinbus]] Im Stadtgebiet verkehren zahlreiche große, einigermaßen saubere Busse, darunter auch moderne Elektrobusse. Auf der „[[Avenida de los Insurgentes|Avenida Insurgentes]]“ verkehrt der staatlich geförderte Metrobus und auf der Lázaro Cárdenas, zwischen der Terminal del Norte und der Central del Sur, verkehren auch in beiden Richtungen [[Oberleitungsbus|Trolleybusse]]. Der Obusbetrieb in der Stadt wurde am 6. April 1952 eröffnet, nachdem es schon 1948 und 1951 Versuchsbetriebe gegeben hatte.<ref>University of Manitoba: [http://home.cc.umanitoba.ca/~wyatt/etb-systems.html All-Time List of North American Trolleybus Systems]</ref> Ein großer städtischer Busbahnhof befindet sich zwischen dem U-Bahnhof Chapultepec und dem Eingang zum Park. Von dort fahren Busse in alle Teile der Stadt. Des Weiteren verkehren zahlreiche Peseros (Colectivos), Busse mit 30 Sitzplätzen oder VW-Busse für circa acht bis zehn Passagiere in der Stadt. Sie sind oft hellgrün mit einem weißen Dach, die Fahrziele stehen auf der Windschutzscheibe. Die Peseros besitzen zwar auch Liniennummern, doch nicht jedes Fahrzeug befährt die gesamte Route, sondern kehrt vielleicht auf halbem Wege wieder um, daher sind die Aufschriften die besten Orientierungspunkte. Peseros sind schneller und etwas teurer als die Stadtbusse, aber viel preiswerter als die zahlreichen Taxis, und lassen Passagiere an jedem Punkt ihrer festen Route ein- und aussteigen. Da viele Straßen mehrfach vergeben wurden, sollte der Fahrgast vor einer Fahrt mit dem Taxi dem Fahrer die Adresse mit Stadtbezirk (Delegacion), Stadtteil (Colonia) und Straßennahme nennen sowie auf den nächstgelegenen Platz, Straße, Denkmal oder ähnliches hinweisen. Herzstück der innerstädtischen Verkehrsreformen ist der Aufbau eines Schnellbusnetzes. Ein Busnetz ist nicht nur billiger, sondern wird auch rascher fertig als eine U-Bahn. 70 Kilometer sind bereits in Betrieb, 200 Kilometer sollen es werden; die roten Gelenkbusse fahren auf eigenen Spuren die Hauptrouten ab. Die Stadt hat den Ausbau des Schnellbusnetzes trotz vieler Widerstände aus Kreisen der Privatbusbesitzer vorangetrieben. So hat sie durchgesetzt, dass Volvo und Mercedes den Mexikanern ihre modernsten Busse mit Abgaswerten der Euro-4-Norm liefern - normalerweise übernehmen Firmen in [[Schwellenland|Schwellenländern]] aus der ersten Welt nur alte Fahrzeuge. === Medien === In Mexiko-Stadt sind das Fernsehen und der Rundfunk, bedingt durch den hohen [[Analphabetismus]], die am meisten genutzten Medien. Zeitungen und Magazine werden überwiegend von den Menschen der Mittel- und Oberschicht gelesen. Rund 80 Prozent der zahlreichen Rundfunk- und Fernsehsender gehören dem Konzern ''Televisa'', der größte private Anbieter von Fernsehprogrammen in spanischer Sprache. Der größte private Mitbewerber ist ''Televisión Azteca''. 45 Prozent der Bewohner informieren sich über das Fernsehen, ebenfalls 45 Prozent über das Radio und nur zehn Prozent über die [[Printmedium|Printmedien]]. In der Hauptstadt werden gegenwärtig 32 Tageszeitungen herausgegeben, die nur von wenigen Familien kontrolliert werden. Die meisten Verleger kommen aus der Industrie oder gesellschaftlichen Oberschicht, sie sind keine Journalisten und nutzen die Medien überwiegend zur Erzielung finanzieller Gewinne oder als Forum ihrer eigenen überwiegend konservativen Meinungen. Die größte und einflussreichste ist die während der [[Mexikanische Revolution|Mexikanischen Revolution]] (1910–1929) gegründete ''El Universal''. Sie steht wie die ''Excelsior'' der ehemaligen Regierungspartei PRI (Partido Revolucionario Institucional) nahe. Die zweitgrößte Tageszeitung in der Hauptstadt ist die 1993 gegründete ''Reforma''. Sie ist eher der amtierenden rechtsliberalen Regierungspartei PAN (Partido Acción Nacional) zugeneigt. Weitere wichtige Tageszeitungen sind die 1984 gegründete linksgerichtete und der Oppositionspartei PRD (Partido de la Revolución Democrática) nahestehende ''La Jornada'' und der ihr entgegengesetzte rechtskatholische ''El Heraldo''. Die dominierenden Wirtschaftszeitungen sind ''El Financiero'' und die 1988 gegründete [[El Economista]]. Das bedeutendste politische Magazin ist das seit 1976 herausgegebene ''Proceso''. === Bildung === [[Datei:CU-Mexico-rectoria-2.jpg|thumb|Rektorat der Universidad Nacional Autónoma de México]] Die Hauptstadtregion beherbergt zahlreiche Universitäten, Hoch- und Fachschulen, Forschungsinstitute und Bibliotheken. Das Studium in Mexiko-Stadt und im ganzen Land wird von der riesigen, südlich der Stadtgrenze liegenden im Jahre 1551 gegründeten „[[Universidad Nacional Autónoma de México]]“ (UNAM) mit 286.484 Studierenden<ref>UNAM: [http://www.planeacion.unam.mx/agenda/2006/ Agenda Estadística 2006]</ref> bestimmt. Sie ist mit Abstand sowohl die älteste als auch größte Universität des amerikanischen Kontinents. Die Bibliothek auf dem [[Campus|Universitätscampus]] ist mit Mosaikdarstellungen aus der Geschichte und Kultur des Landes – dem größten Natursteinmosaik der Welt – geschmückt und ein Musterbeispiel für moderne Architektur eines Landes, das sich wieder seiner Historie bewusst wird. Der zentrale Universitätscampus steht seit 2007 auf der [[UNESCO]]-Liste des [[UNESCO-Welterbe|Weltkulturerbes]]<ref name="UNAM"/>. Private Universitäten in Mexiko-Stadt sind die [[Universidad Autónoma Metropolitana]], die Universidad Tecnológica de México, die Universidad del Valle de México, die [[Universidad Iberoamericana]] (U.I.A.), die Universidad La Salle A.C., die Universidad Intercontinental, die Universidad Pedagógica Nacional, die Universidad del Claustro de [[Juana Inés de la Cruz|Sor Juana]], die [[Universidad Anáhuac]] und die Universidad Panamericana. Weitere bedeutende Bildungseinrichtungen in der Region sind das [[Instituto Politécnico Nacional]], das [[Instituto Tecnológico y de Estudios Superiores de Monterrey]] (I.T.E.S.M.), Instituto Technológico Autónomo de México (I.T.A.M.), die Escuela Bancaria y Comercial, das Centro Universitario Grupo Sol S.C., die Escuela Nacional de Artes Plásticas, das Instituto de Estudios Superiores del Colegio Holandés, das [[Instituto Nacional de Antropología e Historia]], das Centro Cultural Universitario Justo Sierra und die Grupo Cultural I.C.E.L. In Mexiko-Stadt gibt es mehrere deutsche Grundschulen und Gymnasien, die zum deutschen und zum mexikanischen Abitur führen. Die größte [[deutsche Auslandsschule]] weltweit ist das [[Colegio Alemán Alexander von Humboldt (Mexiko-Stadt)|Colegio Alemán Alexander von Humboldt]]. Es wurde 1894 von deutschen Einwanderern gegründet. Namensgeber ist der deutsche Naturforscher [[Alexander von Humboldt]]. == Persönlichkeiten == === Söhne und Töchter der Stadt === Mexiko-Stadt ist Geburtsort zahlreicher prominenter Persönlichkeiten: → siehe [[Liste von Söhnen und Töchtern von Mexiko-Stadt]] === Bischöfe und Erzbischöfe der Stadt === Die folgenden Personen waren Bischöfe und Erzbischöfe von Mexiko-Stadt: → siehe [[Liste der Erzbischöfe von Mexiko]] == Literatur == * Hans G. Hofmeister: ''Mexico-City – Eine Metropole des Südens im globalen Restrukturierungsprozess.'' Kassel University Press, Kassel 2002, ISBN 3-89958-016-8 * Martin Heintel, Heinz Nissel, Christof Parnreiter, Günter Spreitzhofer, Karl Husa, Helmut Wohlschlägl (Hrsg): ''Megastädte der Dritten Welt im Globalisierungsprozess. Mexico City, Jakarta, Bombay – Vergleichende Fallstudien in ausgewählten Kulturkreisen.'' Institut für Geographie, Wien 2000, ISBN 3-900830-40-1 * Dieter Klaus, Wilhelm Lauer, Ernesto Jauregui: ''Schadstoffbelastung und Stadtklima in Mexiko-Stadt.'' F. Steiner, Stuttgart 1988, ISBN 3-515-05410-3 * Oscar Lewis: ''Die Kinder von Sanchez. Selbstporträt einer mexikanischen Familie.'' Lamuv, Göttingen 1992, ISBN 3-921521-62-9 * York Lohse: ''Mexiko-Stadt im 18. Jahrhundert. Das Bild einer kolonialen Metropole aus zeitgenössischer Perspektive.'' Peter Lang, Frankfurt 2005, ISBN 3-631-53603-8 * Christof Parnreiter: 2007 Historische Geographien, verräumlichte Geschichte. Mexico City und das mexikanische Städtenetz von der Industrialisierung bis zur Globalisierung. Franz Steiner Verlag. Stuttgart. ISBN 3-515-09066-5 * Eckhart Ribbeck: ''Die informelle Moderne – Spontanes Bauen in Mexiko-Stadt „Informal Modernism – Spontaneous Building in Mexico-City“.'' AWF, Bensheim 2002, ISBN 3-933093-25-2 * Uwe Schmengler: ''Umweltprobleme in Mexiko-Stadt.'' Schmengler, Berlin 1992, ISBN 3-9801643-0-6 (Kopie der ursprünglichen Examensarbeit: [http://home.tiscali.de/uwe.schmengler/verlag/mexiko-stadt1-37.pdf],[http://home.tiscali.de/uwe.schmengler/verlag/mexiko-stadt38-67.pdf],[http://home.tiscali.de/uwe.schmengler/verlag/mexiko-stadt68-95.pdf],[http://home.tiscali.de/uwe.schmengler/verlag/mexiko-stadt96-120.pdf],[http://home.tiscali.de/uwe.schmengler/verlag/mexiko-stadt_literatur.pdf].) * Álvarez, Ana {Hrsg.}, Citámbulos (Mexiko), DAZ (Berlin), „Citámbulos – Mexico City: Reise in die mexikanische Megacity”, Jovis Verlag Berlin 2008, ISBN 978-3-939633-76-1 == Einzelnachweise == <references/> == Weblinks == {{Commons|Ciudad de México|Mexiko-Stadt}} {{wiktionary|Mexiko-Stadt}} * [http://www.df.gob.mx/ Internetpräsenz der Stadt] (spanisch) * [http://www.mexicocity.gob.mx/ Tourismusbüro der Stadt] (spanisch und englisch) * [http://www.goethe.de/ins/mx/mex/deindex.htm Goethe-Institut Mexiko-Stadt] * [http://www.allaboutmexicocity.com/ Stadtführer] in englisch * [http://www.viadf.com.mx Routenplaner des öffentlichen Verkehrs in Mexiko-Stadt] * [http://homepage.mac.com/helipilot/PhotoAlbum20.html Luftaufnahmen der Hauptstadt] * [http://www.universes-in-universe.de/america/mex/index.htm Welten der Kunst: Mexiko] * [http://www.ciudadmexico.com.mx/imagenes.htm Bilder von Mexiko-Stadt (spanisch und englisch)] * [http://www.wissenslogs.de/wblogs/blog/geo-log/kuso/2009-01-15/mexiko-stadt-werden-und-transformation-einer-megastadt Mexiko-Stadt Werden und Transformation einer Megastadt] {{Navigationsleiste Mexikanische Bundesstaaten}} {{Exzellent}} [[Kategorie:Mexiko-Stadt| ]] [[Kategorie:Mexikanischer Bundesstaat]] [[Kategorie:Ort im Distrito Federal de México]] [[Kategorie:Hauptstadt in Mittelamerika]] [[Kategorie:Weltkulturerbe in Mexiko]] [[Kategorie:Archäologischer Fundplatz in Mexiko]] [[Kategorie:Millionenstadt]] {{Link GA|es}} [[ace:Banda Meksiko]] [[af:Meksikostad]] [[am:ሜክሲኮ ከተማ]] [[an:Ciudat de Mexico]] [[ar:مدينة مكسيكو]] [[arz:ميكسيكو سيتى]] [[ast:México D.F.]] [[ay:Marka Mïxiku]] [[az:Mexiko]] [[bat-smg:Meksėks]] [[bcl:Mexico (ciudad)]] [[be:Горад Мехіка]] [[be-x-old:Мэхіка]] [[bg:Мексико (град)]] [[bn:মেক্সিকো সিটি]] [[br:Kêr-Vec'hiko]] [[bs:Ciudad de México]] [[ca:Ciutat de Mèxic]] [[cs:Ciudad de México]] [[cv:Мехико]] [[cy:Dinas Mexico]] [[da:Mexico City]] [[el:Πόλη του Μεξικού]] [[en:Mexico City]] [[eo:Meksikurbo]] [[es:México, D. F.]] [[et:México]] [[eu:Mexiko Hiria]] [[ext:Ciá de Méjicu]] [[fa:مکزیکو سیتی]] [[fi:México]] [[fiu-vro:Mexico]] [[fo:Meksikobýur]] [[fr:Mexico]] [[gd:Meagsago (baile)]] [[gl:Cidade de México]] [[gn:Méjiko táva]] [[he:מקסיקו סיטי]] [[hi:मेक्सिको नगर]] [[hif:Mexico City]] [[hr:Ciudad de México]] [[ht:Meksiko]] [[hu:Mexikóváros]] [[ia:Citate de Mexico]] [[id:Ciudad de México]] [[io:México]] [[is:Mexíkóborg]] [[it:Città del Messico]] [[ja:メキシコシティ]] [[jbo:mexygu'e tcadu]] [[jv:Mexico City]] [[ka:მეხიკო]] [[kn:ಮೆಕ್ಸಿಕೋ ನಗರ]] [[ko:멕시코 시]] [[kw:Sita Meksiko]] [[la:Mexicopolis]] [[lij:Çittæ do Mexico]] [[lmo:Cità del Messich]] [[ln:Mbóka ya Mexiko]] [[lt:Meksikas]] [[lv:Mehiko]] [[mg:Mexico]] [[mk:Мексико (град)]] [[ml:മെക്സിക്കോ സിറ്റി]] [[mn:Мехико]] [[mr:मेक्सिको सिटी]] [[ms:Bandar Mexico]] [[nah:Āltepētl Mēxihco]] [[nl:Mexico-Stad]] [[nn:Mexico by]] [[no:Mexico by]] [[nov:Mexiko Urbe]] [[nv:Méhigoʼ siidí]] [[oc:Ciutat de Mexic]] [[os:Мехико]] [[pl:Meksyk (miasto)]] [[pms:Sità dël Méssich]] [[pnb:میکسیکو شہر]] [[pt:Cidade do México]] [[qu:Mishiku llaqta]] [[ro:Ciudad de México]] [[ru:Мехико]] [[sah:Мехико]] [[scn:Cità dû Mèssicu]] [[se:México]] [[sh:Ciudad de Mexico]] [[simple:Mexico City]] [[sk:Mexiko (mesto)]] [[sl:Ciudad de México]] [[sm:Mexico Siti]] [[sr:Мексико (град)]] [[sv:Mexico City]] [[sw:Mexico (mji)]] [[szl:Meksyk (mjasto)]] [[ta:மெக்சிகோ நகரம்]] [[tg:Мехико]] [[th:เม็กซิโกซิตี]] [[tl:Lungsod ng Mehiko]] [[tr:Meksika (şehir)]] [[ug:مېكسىكا شەھىرى]] [[uk:Мехіко]] [[ur:میکسیکو شہر]] [[uz:Mexiko]] [[vec:Sità del Mesico]] [[vi:Thành phố México]] [[vo:Ciudad de México]] [[war:Mehiko, Distrito Federal]] [[yo:Ìlú Mẹ́ksíkò]] [[zh:墨西哥城]] [[zh-min-nan:México Chhī]] [[zh-yue:墨西哥城]] jkuj28oxpcm1drjrcygc3u6jdp3ks6w wikitext text/x-wiki Jakob Meyer zum Hasen 0 23931 28370 28369 2011-08-27T21:21:33Z Axpde 417 Änderungen von [[Special:Contributions/181.1.112.54|181.1.112.54]] ([[User talk:181.1.112.54|Diskussion]]) wurden auf die letzte Version von [[User:92.75.89.193|92.75.89.193]] zurückgesetzt <!--schweizbezogen--> [[Bild:Hans Holbein d. J. 009.jpg|thumb|200px|Jakob Meyer zum Hasen, 1516, Gemälde von [[Hans Holbein der Jüngere|Hans Holbein d. J.]], linke Tafel eines Doppelbildnisses mit Dorothea Kannengiesser, Meyers zweiter Ehefrau. Öl auf Lindenholz, jede Tafel 38,5 x 31 cm, [[Kunstmuseum Basel]], Inv. Nr. 312]] [[Bild:Hans Holbein d. J. 008.jpg|thumb|200px|Dorothea Kannengiesser, Meyers zweite Ehefrau, 1516, Gemälde von [[Hans Holbein der Jüngere|Hans Holbein d. J.]], rechte Tafel des Doppelbildnisses mit Jakob Meyer.]] '''Jakob Meyer zum Hasen''' (* [[1482]] in [[Basel]]; † [[1531]] ebenda) war von 1516 bis 1521 [[Bürgermeister]] der Stadt [[Basel]]. Von Beruf Geldwechsler, war er der erste Basler Bürgermeister, der weder dem Adel noch einer [[Patrizier]]familie, sondern einer [[Zunft]] angehörte. Über sein Leben ist nur wenig bekannt, es fehlt «selbst eine bescheidene Biographie»<ref name="Meier Brinkmann">Nikolaus Meier: ''Die Krone der Maria''. In: Bodo Brinkmann: ''Der Bürgermeister, sein Maler und seine Familie: Hans Holbeins Madonna im Städel''. Petersberg 2004, S. 63–77.</ref>. Sein Name ist heute vor allem wegen seiner Rolle als Auftraggeber der [[Darmstädter Madonna]] von [[Hans Holbein der Jüngere|Hans Holbein dem Jüngeren]] ein Begriff. == Leben == === Beruf und Familie === Jakob Meyer zum Hasen wurde 1482 in Basel geboren. Seine Eltern waren der Krämer Jakob Meyer und Anna Galizian, die aus einer [[Papiermacher]]familie stammte. Meyer war [[Geldwechsler]] von Beruf und gehörte seit 1503 der [[Zunft zu Hausgenossen]] an.<ref name="Meier Brinkmann"/> Diese stand als so genannte [[Herrenzunft]] zwischen den adligen [[Achtburger]]n und den Handwerkerzünften, in ihr waren seit dem 13. Jahrhundert Silberhändler und Geldwechsler organisiert. Wegen ihrer engen Verbindung mit dem Basler Bischof galten sie als dessen «Hausgenossen». Seit 1382 waren sie im Rat mit einem eigenen Zunftmeister vertreten.<ref>http://altbasel.ch/zunft/hausgenoss.html</ref> Meyer war dort von 1510 bis 1515 Meister. Daneben war er seit 1503 auch bei der Zunft der Weinleute und ab 1504 bei der [[Schlüsselzunft]] zünftig, beides ebenfalls Herrenzünfte.<ref>Nikolaus Meier: ''Taktieren und strategisch handeln.'' In: ''Hans Holbein der Jüngere. Die Jahre in Basel''. München 2006, S. 58–65.</ref> Seine zunächst eher bescheidene Wechselstube befand sich im Haus zum Hasen am Marktplatz und enthielt «der wechseltrog, das schrybzùg und ein trog»<ref>Paul Koelner: ''Die Zunft zum Schlüssel in Basel''. Basel 1953, S. 287 f. Zitiert nach: Nikolaus Meier: ''Die Krone der Maria.'' In: Brinkmann, S. 63–77.</ref>.<ref name="Meier Brinkmann"/> Der Namenszusatz «zum Hasen» leitet sich wohl vom Haus zum Hasen her. Ob es sich dabei, wie bei solchen Geschlechternamen üblich, um den angestammten Sitz des alten Bürgergeschlechtes ''zum Hasen''<ref>Andreas Heusler: ''Verfassungsgeschichte der Stadt Basel im Mittelalter''. Basel, 1860, S. 67, 140.</ref> handelte und ob Meyer diesem angehörte, erscheint fraglich, da sein Vater diesen Zusatz nicht gebrauchte und gerade Meyers nicht-patrizische Herkunft betont wird. Vermutlich nannte er sich schlicht aus Gründen der Unterscheidbarkeit nach dem Gebäude. 1508 erwarb Meyer zusätzlich zu seinem Stadthaus zu einem Preis von 350 [[Gulden#Rheinland (Rheinischer Münzverein)|Rheinischen Gulden]]<ref name="Meier Brinkmann"/> das ausserhalb der Stadt gelegene Gundeldinger Schloss, dazu gehörten «wygerhuse, gesess, schüren und hoffstatt, gärten, reben, ackern, matten, rütinen, holz und velde, weg und stege mit allem byfang begriffen, ehafften rechten und zugehörungen, genannt Groß Gundeldingen (...) mit sampt dem vyhe, küe, ross, wagen, schiff und geschirre darzu gehörig und etlichen hausrat und federwat darinn.<ref>Verena, Witwe des Johannes Bez von Durlach, Staatsarchiv Basel B 18, f. 54v. Zitiert nach Nikolaus Meier: ''Die Krone der Maria''. In: Brinkmann, S. 63–77.</ref>» Das [[Wasserschloss (Gebäude)|Weiherschlösschen]] gehörte zu einer Reihe von vier Schlösschen, die als herrschaftliche Landsitze im 14. und 15. Jahrhundert in Gundeldingen entstanden waren. Heute ist noch eines der Schlösschen erhalten, vermutlich war dies jedoch nicht das von Meyer bewohnte.<ref>http://www.altbasel.ch/haushof/platter.html Das erhaltene Schlösschen erwarb der Gymnasialrektor Thomas Platter 1549 von einem Voreigentümer namens Ulrich Hugwald - dass auch Meyer zu den Voreigentümer zählte erscheint deshalb eher unwahrscheinlich.</ref> In erster Ehe war Jakob Meyer zum Hasen mit Magdalena Bär, der Schwester des legendären [[Banner (Militärischer Verband)|Bannerherrn]] [[Hans Bär]] verheiratet. Sie war zuvor schon mit zwei gesellschaftlich hoch stehenden Baslern verheiratet gewesen und ermöglichte Meyer den Zugang zu den wirtschaftlich einflussreichen Personen der Stadt. Meyer verband sich nun mit Hans Gallizian zu einer Handelsgesellschaft, betätigte sich als Verleger für den Erzbischof von [[Besançon]] und spekulierte mit Immobilien. Magdalena starb 1511 und wurde zu [[Martinskirche (Basel)|St. Martin]] beigesetzt. 1513 heiratete er Dorothea Kannengiesser. Im selben Jahr kam die gemeinsame Tochter Anna zur Welt.<ref name="Meier Brinkmann"/> === Vermittler eidgenössischer Söldner === 1507 bis 1515 nahm Meyer an den Feldzügen Kaiser [[Maximilian I. (HRR)|Maximilians I.]] im französisch besetzten Oberitalien teil. Meyer erlebte 1507 als Fähnrich auf französischer Seite die Einnahme von Genua, 1510 zog er als Hauptmann auf Seiten des Papstes gegen den Herzog von Ferrara. 1512 war er diplomatischer Unterhändler auf kaiserlicher Seite gegen die Franzosen.<ref name="Groebner Brinkmann">Valentin Groebner: ''Spezialist für das Geld anderer Leute: Jakob Meyer zum Hasen, die Geschenke und die Politik''. In: Brinkmann, S. 45–53.</ref> Seit den 1480er Jahren hatte sich in der Schweiz ein System von «Pensionszahlungen» entwickelt, innerhalb dessen auswärtige Auftraggeber wie das Haus Österreich, Frankreich, Mailand, Venedig, Savoyen oder der Papst hohe Summen für die Vermittlung schweizerischer Söldner bezahlten. Offiziell gingen diese Gelder an öffentliche Kassen, daneben bedachten die kriegsführenden Parteien aber auch einflussreiche Amtsträger. Unter Meyers Ägide nahm die Stadt Basel die ersten auswärtigen Pensionszahlungen ein. Darunter befanden sich eine Pension von 1000 Gulden in Gold beim Abschluss eines Bündnisses mit [[Papst]] [[Julius II.]] im Jahr 1510 und eine jährlich zu zahlende Pension von 200 Gulden anlässlich der [[Erbeinigung]] mit Maximilian I. von 1511. Weitere regelmässige Zahlungen trafen ab 1512 aus Savoyen und Mailand ein. Meyer hatte im Januar 1512 an der Inthronisation des Mailänder Herzogs [[Massimiliano Sforza]] teilgenommen und eine auf den 23. Juli 1512 vorausdatierte Urkunde erhalten, die ihm für seine Verdienste bei der Rückeroberung des Herzogtums eine jährliche Pension von 100 rheinischen Gulden garantierte. Im März 1512 beantragte er deshalb im [[Kleiner Rat (Basel)|Rat]], ihm sowie «ettlich namhaft personen dises Rats», die allerdings nicht genannt wurden, diese private Pension zu genehmigen. Der Rat lehnte den Antrag ab, beschloss aber im folgenden Jahr, Meyer für seine Verdienste künftig jährlich einen Anteil von 500 Dukaten aus der Mailänder Pension zu zahlen. Als aber kurz darauf die Nachricht von bewaffneten Aufständen gegen Pensionsherren in anderen Schweizer Städten eintraf, verzichtete Meyer förmlich auf die Zahlungen. Ab Juni 1515 zahlte der Rat die Pension jedoch stillschweigend weiter aus.<ref name="Groebner Brinkmann"/> === Erster zünftiger Bürgermeister === [[Bild:Jakobmeyerzumhasenwappen.jpg|thumb|Wappen Jakob Meyers zum Hasen, nachträglich von einem unbekannten Künstler auf der Rückseite der Bildnistafel (siehe oben) ausgeführt]] Am Johannistag, dem 24. Juni 1516 wählte das [[Kieserkollegium]] Jakob Meyer zum Hasen zum Bürgermeister der Stadt Basel. Er war der erste bürgerliche Bürgermeister aus den Reihen der Zünfte, die seit 1506 im Kieserkollegium vertreten waren, und zu deren Gunsten alle Vorrechte der Patrizier, der sogenannten «hohen Stube», beim Zugang zu öffentlichen Ämtern 1515 abgeschafft worden waren.<ref name="Meier Brinkmann"/> Vermutlich war die Wahl der Anlass, ein Doppelportrait mit seiner zweiten Ehefrau in Auftrag zu geben. Meyer ist seinem Berufsstand entsprechend als wohlhabender Bürger mit Fingerringen und einer Goldmünze in der Hand abgebildet.<ref>Jutta Zander-Seidel: ''Des Bürgermeisters neue Kleider''. In: Brinkmann, S. 55–61.</ref> Die Goldmünze ist jedoch nicht identifizierbar.<ref name="Groebner Brinkmann"/> Der Kunsthistoriker Nikolaus Meier deutet die Münze auch als Zeichen eines neu entstandenen Geldadels. Jakob Meyer sei ein «homo novus», ein Emporkömmling, gewesen, der durch den Auftrag an Holbein sein Ansehen steigern wollte.<ref>Nikolaus Meier: ''Taktieren und strategisch handeln.'' In: ''Hans Holbein der Jüngere. Die Jahre in Basel''. München 2006, S. 58–65.</ref> Eine andere Interpretation von Christl Auge deutet die Münze als Verweis auf das Münzprivileg der Stadt Basel, dessen Durchsetzung auf Meyers geschicktes Verhandeln zurückzuführen sei.<ref>Christl Auge: ''Zur Deutung der Darmstädter Madonna''. Frankfurt am Main 1993, S. 12.</ref> [[Bild:Kirchhofer Wahrheit und Dichtung 045.jpg|thumb|200px|«Der Hase springt über den Adel» – ein Sprichwort, das auf Meyers Wahl zum Bürgermeister zurückgehen soll, erläutert in Kirchhofer: ''Wahrheit und Dichtung'', 1824.]] Die 15 Basler Zünfte, in denen seit Mitte des 14. Jahrhunderts der überwiegende Teil der männlichen Basler Erwachsenen organisiert war, übernahmen nach der Reformation die politische Macht in Basel. Diese Alleinherrschaft der Zünfte dauerte im Kern noch bis 1798 an. Die Wahl Jakob Meyers zum Bürgermeister kann deshalb, obwohl Meyer selbst Katholik war, und sein Amt noch vor der Reformation antrat, als politischer Wendepunkt in der Stadtgeschichte angesehen werden.<ref name="Alioth, Barth, Huber">Martin Alioth, Ulrich Barth, Dorothee Huber: ''Basler Stadtgeschichte''. Bd. 2, Basel 1981.</ref> Das Schweizer Sprichwort «Der Hase springt über den Adel» wird auf Meyers Wahl zurückgeführt.<ref>«Zur Zeit (1515), als es endlich nach langem Kampfe mit dem Adel den Bürgern von Basel gelang, den Sieg über die hohe Stube zu erringen, und die Zünfte zu ihren ersten Bürgermeister Jakob Meyer zum Hasen erwählten, entstand das obige Sprichwort, das diesem Ereigniss ein Gedächtniss setzt.» [sic!] Sprichwörterlexikon: Hase (Lepus). ''Deutsches Sprichwörter-Lexikon Wander-DSL''. Bd. 2, S. 368 ([http://www.digitale-bibliothek.de/band62.htm online]). Siehe [[:Bild:Kirchhofer Wahrheit und Dichtung 045.jpg|Scan]] mit der Erläuterung dieses Sprichwortes in Kirchhofers ''Wahrheit und Dichtung'' aus dem Jahr 1824.</ref> Meyers Politik war zunächst erfolgreich und sorgte für steigende Einnahmen der Stadtkasse. 1517/18 nahm die Stadt mehr als das Doppelte der durchschnittlichen Einnahmen des vorhergehenden Jahrzehnts ein. Bis 1521 stiegen die Einnahmen immer weiter an. Zeitgenossen wie [[Pamphilus Gengenbach]] kritisierten in Flugblättern, die Obrigkeit verkaufe ihre Untertanen für schmutziges «heimlich gelt» wie Vieh ins Ausland.<ref name="Groebner Brinkmann"/> === Der «Pensionensturm» === 1521 verbündete sich Basel exklusiv mit Frankreich. Nachdem Meyer und andere Ratsherren im August 1521 die Annahme privater Pensionen für legal erklärt hatten, kam es im Oktober zu Strassenschlachten zwischen Anhängern des französischen und des kaiserlichen Lagers. Meyer wurde wie fünf weitere Mitglieder des [[Kleiner Rat (Basel)|Rates]] seines Amtes enthoben und verhaftet. Diese Säuberungsaktion, heute als «Pensionensturm» bezeichnet, führte zu einer Umverteilung der Macht innerhalb der verschiedenen politischen Kräfte. In dem zunächst entstandenen Machtvakuum sagte sich der Rat von der bischöflichen Stadtherrschaft los, und die Zünfte konnten die Oberhand im Rat gewinnen. Obwohl formal entmachtet, war Meyer auch nach seiner Amtsenthebung nicht ohne Einfluss. Im Sommer 1522 verklagte er erfolgreich zwei Handwerker und Söldner wegen Beleidigung. Beide mussten ihre Aussagen widerrufen, Meyer für ehrenhaft erklären und eine beträchtliche Geldbusse entrichten.<ref name="Meier Brinkmann"/><ref name="Groebner Brinkmann"/> Trotzdem zog sich Meyer weitgehend auf sein Schloss in Gundeldingen zurück und zog lediglich 1524 noch einmal für Frankreich und den Papst in den Krieg, die 1525 in der [[Schlacht bei Pavia (1525)|Schlacht bei Pavia]] gegen [[Karl V. (HRR)|Karl V.]] unterlagen. Während der [[Reformation]] machte sich Meyer endgültig zum Aussenseiter in der Basler Politik. Der Reformator [[Oekolampad]] war 1522 in die Stadt gekommen, die Reformation setzt sich bis 1529 in Basel durch. Meyer hielt jedoch an seinem alten Glauben fest und trat als erklärter Gegner der Reformation auf. Der Auftrag an Holbein im Jahr 1525, ein monumentales Marienbildnis für Meyer zu kreieren, und dies 1528 noch einmal überarbeiten zu lassen, kann ebenfalls in diesem Kontext gesehen werden. Nach dem Erlass der Reformationsordnung am 1. April 1529 wanderte Meyer nach [[Freiburg im Breisgau]] aus.<ref name="Meier Brinkmann"/> Jakob Meyer zum Hasen starb 1531. == Meyers Bedeutung als Gönner und Auftraggeber Hans Holbeins d. J. == Schon 1516 hatte Jakob Meyer sich und seine Ehefrau Dorothea Kannengiesser von Hans Holbein porträtieren lassen. Er ist damit der früheste namentlich bekannte Auftraggeber Holbeins. Während Meyers Amtszeit gab der Rat der Stadt Basel bei Holbein am 15. Juni 1521, nur vier Monate vor Meyers Sturz, die Ausmalung des [[Basler Rathaus|Basler Grossratssaals]] mit Fresken in Auftrag, die Holbein 1530 vollendete. Der Grossratsaal wurde 1817 abgerissen, weshalb von den Fresken lediglich ein Fragment erhalten ist, das sich heute im [[Kunstmuseum Basel]] befindet. Ebenfalls erhaltene Vorzeichnungen Holbeins und eine kurz vor dem Abbruch gefertigte Aquarellkopie von [[Hieronymus Hess]] zeigen, dass Holbein den Saal mit allegorischen Darstellungen zum Thema Macht und Geld ausgestaltet hatte. Über dem Sitz des Bürgermeister befand sich eine [[Justitia]], auf deren Schild geschrieben stand: «Oh ihr Regierenden, hütet Euch vor dem Privaten, sorgt euch um das Öffentliche».<ref name="Groebner Brinkmann"/> Später beauftragte Jakob Meyer Hans Holbein erneut mit einem grossen repräsentativen Gemälde, der so genannten ''[[Darmstädter Madonna]]'' (entstanden 1525/26, überarbeitet 1528), die sich heute im Frankfurter [[Städel]] befindet. Zu diesem Zeitpunkt war Meyer Anführer der katholischen Partei in Basel. Der Auftrag wird deshalb auch als demonstrativer oder sogar provokanter Akt gegen die Reformation gewertet.<ref>[http://www.nzz.ch/2006/04/01/li/articleDPLD3.html Neue Zürcher Zeitung vom 1. April 2006].</ref> Allerdings hatte Meyer auch schon zuvor seiner religiösen Überzeugung Ausdruck verliehen, indem er die Basler [[Kartause]] mit Beiträgen für Verglasungen bedachte und anlässlich der [[Primiz]] des Chronisten der Kartause, Georg Carpentarius, ein Bild stiftete.<ref>''Liber benefactorum L''. Stab Klosterarchiv Kartause, f. 313b. Zitiert nach: Nikolaus Meier: ''Taktieren und strategisch handeln''. In: ''Hans Holbein der Jüngere. Die Jahre in Basel''. München 2006, S. 58–65.</ref> Meyer liess sich auf dem grossformatigen Gemälde als Stifter zusammen mit beiden Ehefrauen und Tochter abbilden. Die weiteren Figuren deutete man früher als verstorbene Söhne Meyers, heute gelten sie als biblische Figuren, möglicherweise aus der [[Ikonografie]] der [[Heilige Sippe|heiligen Sippe]], den Nachkommen der Heiligen Anna.<ref>[http://www.nzz.ch/2006/04/01/li/articleDPLD3.html Neue Zürcher Zeitung vom 1. April 2006].</ref> Das Madonnenbildnis diente vermutlich der Ausstattung von Meyers Hauskapelle im Gundeldinger Schloss.<ref name="Alioth, Barth, Huber"/> <gallery> Bild:Meyerzumhasen.jpg|Jakob Meyer zum Hasen, Studie von Hans Holbein für die Darmstädter Madonna Bild:Dorotheakannengiesserstudie.jpg|Dorothea Kannengießer, Studie von Hans Holbein für die Darmstädter Madonna Bild:Annameyer.jpg|Anna, Tochter des Jakob Meyer zum Hasen, Studie von Hans Holbein für die Darmstädter Madonna Bild:Hans Holbein d. J. 016.jpg|Die [[Darmstädter Madonna]] von [[Hans Holbein der Jüngere|Hans Holbein d. J.]], 1525/26, 1528 entstand im Auftrag von Jakob Meyer zum Hasen, der zusammen mit seiner Familie als Stifter dargestellt ist. </gallery> == Nachweise == <references/> == Literatur == * Martin Alioth, Ulrich Barth, Dorothee Huber: ''Basler Stadtgeschichte''. Bd. 2, Basel 1981. * Bodo Brinkmann: ''Der Bürgermeister, sein Maler und seine Familie: Hans Holbeins Madonna im Städel''. Imhof, Petersberg 2004, ISBN 3-937251243. * Rudolf Wackernagel: ''Geschichte der Stadt Basel.'' Bd. 3, Basel, 1924, Reprint 1968. * ''Hans Holbein der Jüngere. Die Jahre in Basel. 1515–1532''. Ausstellungskatalog Kunstmuseum Basel. Prestel, München 2006. * {{ADB|21|581|582|Meyer zum Hasen, Jakob|August Bernoulli|ADB:Meyer zum Hasen, Jakob}} == Weblinks == * [http://www.altbasel.ch/dossier/jakob_meyer_zum_hasen.html Biografie Meyers auf www.altbasel.ch] * [http://www.mybasel.ch/basel_geschichte_2.cfm Herrschaft, Politik und Verfassung vom Hochmittelalter bis zur Kantonstrennung bei www.mybasel.ch] * [http://www.hausgenossen.ch Homepage der Zunft zu Hausgenossen] {{Exzellent}} {{Normdaten|PND=13837192X}} {{DEFAULTSORT:Meyer Zum Hasen, Jakob}} [[Kategorie:Bürgermeister (Schweiz)]] [[Kategorie:Person (Basel)]] [[Kategorie:Geboren 1482]] [[Kategorie:Gestorben 1531]] [[Kategorie:Mann]] {{Personendaten |NAME=Meyer zum Hasen, Jakob |ALTERNATIVNAMEN=zum Hasen, Jakob Meyer; Hasen, Jakob Meyer zum |KURZBESCHREIBUNG=Bürgermeister der Stadt Basel |GEBURTSDATUM=1482 |GEBURTSORT=[[Basel]] |STERBEDATUM=1531 |STERBEORT=[[Basel]] }} [[es:Jakob Meyer zum Hasen]] ns8tp0smi4gbqmgz6kzqztf562391vz wikitext text/x-wiki Mi'kmaq 0 23932 26528 2010-05-05T13:38:43Z Hans-Jürgen Hübner 0 {{Infobox Volksgruppe|Image:Mikmaq-Stammesgebiet.png|Ehemaliges Stammesgebiet der Mi'kmaq|[[Nordamerikanische Kulturareale|Nordöstliches Waldland]]|[[Algische Sprachen]]|[[Ostalgonkin]]|Mi'kmaq|Mi'kmaq|Micmac, Miqmaq, Mikmaq, Tarrantiner}} Die '''Mi'kmaq''' (auch ''Míkmaq'', ''Micmac'' oder ''Mic-Mac'') sind ein [[Indianer|indianisches]] Volk, das im östlichen [[Nordamerika]] lebt. Im [[17. Jahrhundert]] hießen sie zeitweilig auch ''[[Tarrantiner]]''. Heute gibt es 28 separate Mi'kmaq-Gruppen in [[Kanada]], aber nur eine Gruppe in den [[USA]], die als ''Aroostock Band of Micmac'' bezeichnet wird. Das ehemalige Wohngebiet der Mi'kmaq umfasste die maritimen Provinzen Kanadas, nämlich [[Nova Scotia]], [[Prince Edward Island]], Teile von [[New Brunswick]] und die [[Gaspésie|Gaspé-Halbinsel]] in [[Québec]]. == Name == Aus einigen Quellen geht hervor, dass der Name ''Verbündete'' bedeuten soll, diese Behauptung ist jedoch umstritten. Eher geht die Bezeichnung darauf zurück, dass die Indianer Freunde mit diesem Wort begrüßten, das im 17. Jahrhundert etwa „meine Brüder“ bedeutete. Marc Lescarbot berichtete 1606, dass die [[Indianer]] den französischen und baskischen Fischern diesen Gruß beibrachten. Die Franzosen lernten demnach mit „Nikmaq!“ zu grüßen, und bald wurden die Mi'kmaq als „Notres nikmaqs“ bezeichnet. Damit wurde an den Plural noch ein s gehängt, eine Tradition, die die Briten fortsetzten, so dass Formen wie „Micmacs“ entstanden. Weitere Varianten des Namens sind ''Migmagi'', ''Mickmaki'' und ''Mikmakique''. Der Plural lautet Mi'kmaq, der Singular jedoch Mi’kmaw.<ref>[http://museum.gov.ns.ca/mikmaq/default.asp?section=spelling ''Spelling of Mi'kmaq'', Website des Nova Scotia Museum]</ref> Zu den Mi'kmaq gehört eine große Anzahl von Untergruppen mit besonderen Bezeichnungen, wie zum Beispiel die ''Gaspesians of Le Clercq'' und ''Souriquois of the Jesuit Relations'', die im östlichen Quebec beziehungsweise im zentralen und südlichen Neuschottland lebten. Aus dem 17. Jahrhundert stammt die englische Bezeichnung ''Tarrantine''. Der bis in die 1980er Jahre gebräuchliche Name war ''Micmac''. Heute ist ''Mi'kmaq'' die anerkannte Schreibweise, und sie kommt der Aussprache zudem näher. == Sprache == Mi'kmaq-[[Algonkin]] wird neben Englisch oder Französisch noch von einigen Stammesangehörigen gesprochen, die heute auf ungefähr 15 größere und ein weiteres Dutzend kleinere [[Indianerreservat|Reservate]] verteilt sind. Es gibt Unterschiede in den einzelnen Mi'kmaq-Dialekten, so dass zum Beispiel die Mi'kmaq in Quebec Probleme haben, Stammesangehörige aus Neuschottland zu verstehen. Durch den Verlust der traditionellen Lebensweise spielt die Sprache der Mi'kmaq eine identitätsbildende Rolle. Die Mi'kmaq kannten keine eigentliche [[Schrift]], sondern benutzten [[Symbol]]e, die sie auf Birkenrinde oder Leder zeichneten. [[Datei:Micmac-confirmation.jpg|thumb|left|300px|Mi'kmaq-Hieroglyphen]] Vor etwa 200 Jahren entwickelten die Mi'kmaq heimlich eine der [[Lautschrift]] ähnliche [[Orthografie]] mit Hilfe des lateinischen Alphabets. Nachdem diese eine weite Verbreitung gefunden hatte, wurde sie von [[Pater Pacifique]] etwas modifiziert für die Übersetzung der heiligen Schrift, für Lehrbücher und in der Zeitung ''[[The Micmac Messenger]]'' verwendet, die 17 Jahre lang in der Sprache der Ureinwohner erschien.<ref name="Trigger">Bruce G. Trigger (Hrsg.): ''[[Handbook of North American Indians]]. Vol. 15. Northeast, Kapitel: Micmac, Seite: 109ff.'' Smithsonian Institution Press, Washington D.C. 1978 ISBN 0-16-004575-4</ref> == Wohngebiet == Im 16. Jahrhundert besiedelten die Mi'kmaq das gesamte Gebiet südlich und östlich der Bucht des [[Sankt-Lorenz-Strom]]s, das die maritimen Provinzen Kanadas und die [[Gaspésie|Gaspé-Halbinsel]] umfasste. Dieser Landstrich war stark bewaldet, eben, mit zahlreichen Seen bedeckt und von vielen Wasserläufen durchzogen, die in natürlichen Häfen entlang der langen, zerklüfteten Küste mündeten. Die Winter waren streng und die kurze Jahreszeit des Wachstums ließ den Anbau von Getreide oder Feldfrüchten kaum zu. Das ausgedehnte Flusssystem machte einen raschen Transport mit dem Kanu möglich und trug so zur Bewahrung einer [[Ethnie|ethnischen]] Identität der etwa 10.000 Stammesangehörigen bei. Das Volk nannte sich selbst ''Elnu'', das bedeutet ''Menschen'', und verteidigte sein Land gegen verschiedene andere Stämme. Sie kämpften gegen die ''Saint-Lawrence-Irokesen'' und später gegen die [[Mohawk]] um die Gaspé-Halbinsel, während sie sich an ihrer südlichen Grenze besonders im Tal des [[Saint John's River]] in Neubraunschweig mit den [[Maliseet]] und [[Penobscot]] auseinandersetzen mussten. Mi'kmaq-Jäger besuchten gelegentlich [[Anticosti|Anticosti Island]] und sie erreichten sogar die Küste von [[Labrador (Kanada)|Labrador]], wo sie die [[Eskimo]]s angriffen. Mit der Inbesitznahme von [[Neufundland]] ging die frühzeitige Ausrottung der [[Beothuk]] einher, bei der sie eine entscheidende Rolle spielten.<ref name="Trigger"/> == Gruppen der Mi'kmaq == Es gab sieben Distrikte innerhalb des Mi'kmaq-Gebietes, die Jagdrevieren entsprachen, in denen die einzelnen Gruppen im Frühling und Sommer gemeinsam jagten und lagerten. Zumindest einige dieser Gruppen hatten charakteristische Symbole, zum Beispiel repräsentierte ein Lachs die ''[[Listuguj]]''-Gruppe im [[Restigouche]]tal und um die [[Chaleur-Bucht|Baie des Chaleurs]], und die Figur eines Mannes mit Pfeil und Bogen stand für die ''Miramichi''-Gruppe. === Die sieben traditionellen Distrikte des Mi'kmaq-Landes === {| border="0" cellpadding="4" cellspacing="2" bgcolor="EFEFEF" |----- bgcolor="#EFEFEF" !''Stamm:''|| || || ||Migmagi || || || |----- bgcolor="#EFEFEF" |&nbsp; || || || || || || || |----- bgcolor="#EFEFEF" !''Gruppe:'' || ||Sigenigt || || || ||Gespogoitg || |----- bgcolor="#EFEFEF" |&nbsp; || || || || || || || |----- bgcolor="#EFEFEF" !''Distrikt:''|| Gespegoag || Sigenigteoag || Pigtogeoag || Onamag || Esgigeoag || Segepenegatig|| Gespogoitnag |----- bgcolor="#EFEFEF" |- |} Die [[Kap-Breton-Insel]] wurde Onamag genannt und galt als Hauptdistrikt. Er war und ist noch immer der Sitz des ''Großen Häuptlings''. Der Große Häuptling spielte einst eine wichtige Rolle bei Entscheidungen des Stammes über Krieg oder Frieden, aber seit Mitte des 19. Jahrhunderts sind seine Funktionen nur noch zeremonieller Art. Die angrenzenden Distrikte Pigtogeoag und Esgigeoag waren Onamag unterstellt und hatten manchmal sogar keinen eigenen Häuptling. === Haupt-Reservate um 1970 === {| border="0" cellpadding="2" cellspacing="2" bgcolor="EFEFEF" |----- bgcolor="#EFEFEF" !Distrikt||&nbsp;Reservat 1&nbsp; ||&nbsp;Reservat 2&nbsp; ||&nbsp;Reservat 3 &nbsp;||&nbsp;Reservat 4&nbsp; ||&nbsp;Reservat 5&nbsp; |----- bgcolor="#EFEFEF" |''Gespegeoag'' || Listuguj || Maria || Eel River || || |----- bgcolor="#EFEFEF" |''Sigenigteoag''|| [[Burnt Church First Nation|Burnt Church]] || Eel Ground|| Red Bank || Richibucto || Big Cove |----- bgcolor="#EFEFEF" |''Pigtogeoag ag Epegoitnag'' ||Lennox Island || Pictou Landing|| || || |----- bgcolor="#EFEFEF" |''Onamag'' || Whycocomagh || Nyanza || Membertou || Eskasoni || |----- bgcolor="#EFEFEF" |''Segepenegatig''|| Truro || Shubenacadie || || || |----- bgcolor="#EFEFEF" |''Esgigeoag''||Esgigeoag || || || || |----- bgcolor="#EFEFEF" |''Gespogoitnag''||Gespogoitnag || || || || |----- bgcolor="#EFEFEF" |}<ref name="Trigger"/> == Kultur == In den maritimen Provinzen Kanadas waren die Mi'kmaq der dominierende Stamm, und man vermutet, dass sie schon geraume Zeit vor dem 16. Jahrhundert von Norden her eingewandert sind. Das Klima ließ kaum Gartenbau zu, und so lebten sie von der Jagd, dem Fischfang und dem Sammeln von wildwachsenden Kräutern und Wurzeln. === Lebensunterhalt === Der traditionelle Zyklus begann mit dem Zufrieren der Flüsse. Typisch für die Winter waren Kälte, Eis und Schnee, sowie der Rückzug der Bären in hohle Bäume. In dieser Zeit verteilten sich die Mi'kmaq in kleine Jagdcamps über den gesamten Distrikt und die sozialen Beziehungen sanken auf ein Minimum. In den wärmeren Monaten sammelten sich die Gruppen und wohnten in Dörfern. Im Frühling erntete man Ahornsirup und im Sommer wurde gelegentlich etwas Gartenbau betrieben, doch die Hauptnahrung bestand in dieser Zeit aus Fisch und Meeresfrüchten. Die Jagd auf Elche und Hirsche begann im Herbst und beim ersten Schnee waren die Tiere leichter zu verfolgen, denn die Mi'kmaq benutzten Schneeschuhe, Schlitten und [[Toboggan]]s. Das Wort ''Toboggan'' stammt aus der Mi'kmaq-Sprache. Dem Missionar [[Pierre Briard]] zufolge wurde jeder der Monate durch eine überwiegend vorkommende Art von Fisch oder Wild charakterisiert: [[Datei:Micmac camp.jpg|thumb|300px|Mi'kmaq-Camp 1857]] * Im Januar war die Robbenjagd. * Im Monat Februar bis Mitte März war die große Jagd auf Biber, Otter, Elch, Bären, Karibu. * Mitte März begann der Fisch zu laichen. * Ende April kam der Hering; zu derselben Zeit kamen Trappen (Kanada-Gänse), Stör und Lachs und dann folgte auf den kleinen Inseln die große Suche nach Eiern der Wasservögel. * Von Monat Mai bis Mitte September waren sie von allen Nahrungssorgen befreit, denn der Kabeljau erschien an der Küste und außerdem alle möglichen Fische und Schalentiere. * Im September laichten die Aale. * Im Oktober und November begann die Jagd auf Wapitis und Biber. * Im Dezember kam ein Fisch, den sie Ponamo nannten und der unter dem Eis laichte. Heute kennt man noch die folgenden Monatsnamen: {| border="0" cellpadding="2" cellspacing="2" bgcolor="EFEFEF" |----- bgcolor="#EFEFEF" !Monat ||Bezeichnung |----- bgcolor="#EFEFEF" |Januar || Frostfisch oder [[Tomcod]] |----- bgcolor="#EFEFEF" |Februar|| [[Schneeblindheit]] oder schlimme Augen |----- bgcolor="#EFEFEF" |März || Frühling |----- bgcolor="#EFEFEF" |April || Eierlegen |----- bgcolor="#EFEFEF" |Mai || Junge Robben oder Heringsfang |----- bgcolor="#EFEFEF" |Juni || Sommer oder junges Laub |----- bgcolor="#EFEFEF" |Juli || Seevögel werfen Federn ab |----- bgcolor="#EFEFEF" |August || Junge Vögel werden flügge |----- bgcolor="#EFEFEF" |September|| Elchbrunft |----- bgcolor="#EFEFEF" |Oktober|| Fette zahme Tiere |----- bgcolor="#EFEFEF" |November|| Allerheiligen Mond |----- bgcolor="#EFEFEF" |Dezember|| Häuptlingsmond (Weihnachten) |----- bgcolor="#EFEFEF" |} Die einzelnen Haushalte waren oft größer als die Kernfamilien. Außerdem konnten die Haushalte durch [[Polygynie]] und den Brauch des [[Brautdienst]]es erweitert werden, bei dem ein junger Mann für zwei oder drei Jahre in die Familie kam, um für seinen zukünftigen Schwiegervater zu arbeiten. In den überlieferten Erzählungen werden häufig Winterjagdgruppen erwähnt, an denen zwei oder mehr erwachsene Männer teilnahmen, denn einige der Jagd- und Fischfangtechniken der Mi'kmaq erforderten die Zusammenarbeit von mehreren Männern. Frauen transportierten das Wild manchmal über große Strecken ins Lager. Sie konnten auch zum Paddeln der Fischerkanus verpflichtet werden. Zum Anpirschen an großes Wild auf Schneeschuhen mit Lanzen oder Pfeilen mit Steinspitzen waren ein oder mehrere Begleiter notwendig. Das galt auch für das [[Harpune|Harpunieren]] von Robben oder das Aufspüren von Bibern in ihren Bauen. Die Mi'kmaq waren geschickte Kanubauer. Das [[Kanu]] bestand aus Birkenrinde, war acht bis zehn [[Fuß (Einheit)|Fuß]] lang (2,45 m - 3,05 m) und außerdem so geräumig, dass ein einzelnes Boot einen vollständigen Haushalt von fünf oder sechs Personen, mit allen ihren Hunden, Säcken, Fellen, Kesseln und anderem schweren Gepäck aufnehmen konnte. Mit einem Kanu, das mit einem Segel bestückt werden konnte, befuhren die Mi'kmaq sogar das offene Meer. Wie bei den meisten Stämmen im nordöstlichen Waldland änderte sich auch die Mi'kmaq-Kultur nach Ankunft der Europäer mehr oder weniger stark durch europäische Einflüsse, insbesondere durch die Missionare, den Pelzhandel und den französisch-englischen Konflikt. === Ernährung === Außer Fisch und Fleisch aßen die Mi'kmaq verschiedene Arten wilder Wurzeln, Nüsse und eine Anzahl von Beeren, die zerstampft und zu runden Kuchen getrocknet wurden. Der größte Anteil ihrer Nahrung bestand allerdings aus tierischem Fleisch, das frisch oder geräuchert verzehrt wurde. Das Fett wurde vorsichtig von einer heißen Brühe abgeschöpft oder durch Erhitzen auf einem ausgehöhlten Stein gewonnen und danach in Birkenrinde-Behältern oder in tierischen Gallenblasen gelagert. Fische und Aale röstete man an Spießen. Fleisch wurde durch Braten oder durch Kochen in großen hölzernen Wannen zubereitet, die man aus ausgehöhlten Stämmen umgestürzter Bäume fertigte. Brot kannten sie überhaupt nicht. Wenn sie es von den Franzosen annahmen, zogen sie es vor, das Brot im heißen Sand unterhalb einer Feuerstelle zu backen. Beliebte Tauschobjekte gegen Felle waren Werkzeuge aus Metall und getrocknete Erbsen, Bohnen und Pflaumen. === Waffen, Werkzeuge und Jagdmethoden === Die Mi'kmaq setzten bei der Jagd Speere, Pfeil und Bogen, sowie Fallen und Schlingen ein. Hunde halfen beim Aufspüren von Wild. Tarnkleidung diente zum Anpirschen an Elche, die man während der Brunftzeit durch den imitierten Ruf eines weiblichen Tiers anlockte. Lachse erlegten die Mi'kmaq mit Speeren, die einen Widerhaken besaßen. Andere Fische, wie Kabeljau, Forelle und Stint fingen sie mit aus Knochen gefertigten Angelhaken oder Netzen. Eine andere Fangmethode waren Wehre, wobei der Fang gleichmäßig unter den Erbauern des Wehrs verteilt wurde. Das Material für Werkzeuge bestand vor dem Kontakt mit den Europäern aus Holz, Stein, Knochen oder Muscheln, Materialien, die jedoch bald weitgehend durch Metall ersetzt wurden, wie man auch Pfeil und Bogen gegen die Muskete austauschte. Aus Leder und Birkenrinde stellten die Mi'kmaq-Frauen Kübel und Töpfe her, die kunstvoll genäht und mit Stachelschweinborsten verziert wurden. Sie waren auch sehr geschickt im Flechten von Körben aus Fichtenwurzeln. [[Datei:Micmac1.jpg|300px|thumb|right|Traditioneller Wigwam der Mi'kmaq 1873]] [[Datei:Rentier_fws_2.jpg|300px|thumb|right|Karibu]] === Wohnkultur === Der konische [[Wigwam]] der Mi'kmaq bestand aus einem Holzgerüst, das mit Birkenrinde, Fellen, gewebten Matten und immergrünen Zweigen bedeckt wurde. Er konnte 10 bis 12 Personen Platz bieten und wurde vorwiegend im Winter bewohnt. Für den Sommer gab es einen noch größeren Wigwam für etwa 20 bis 24 Bewohner. In der Mitte befand sich jeweils die Feuerstelle mit einem darüber befindlichen Rauchabzug, und außen an den Wänden wurden Geräte und Zubehör gelagert. Den Boden bedeckte man mit Zweigen, über die zum Schlafen Felle gelegt wurden. Die Winterlager bestanden aus einem oder mehreren Wigwams, die im eigenen Jagdrevier, meist in der Nähe einer zuverlässigen Wasserquelle, errichtet wurden. Notfalls diente auch ein umgekipptes Kanu mit einem kleinen Feuer darunter als Unterschlupf für einige Jäger. Französische Missionare drängten die Mi'kmaq, Kapellen und Kirchen zu errichten und Häuser zu bauen, in denen sie das ganze Jahr über wohnen konnten. Trotzdem hielten viele bis weit ins 19. Jahrhundert an ihrem Nomadenleben fest. === Kleidung und Schmuck === Männer und Frauen der Mi'kmaq kleideten sich ähnlich in fransenverziertes Hirschleder. Männer trugen einen Lendenschurz unter ihrer Oberbekleidung, während die Frauen ihr Gewand mit zwei Gürteln zusammenhielten. [[Leggings]] und [[Mokassin]]s wurden aus Elch- oder Hirschleder gefertigt und hatten Riemen zum Binden aus Leder oder Sehnen. Beide Geschlechter trugen ihr Haar lang. Es gab zwei verschiedene Arten von Schneeschuhen, die eine war groß und für den Gebrauch auf leichtem lockeren Schnee geeignet, während ein anderer kleinerer Typ auf festem, harten Schnee eingesetzt wurde. Zur Zeit des ersten Kontaktes mit Europäern gingen beide Geschlechter barhäuptig, aber schon wenig später übernahmen sie Mützen aus Fell und Rinde, an denen man Geschlecht und Rang erkennen konnte. Die traditionelle hohe und spitze Mütze der Frauen aus dunkelblauem, mit Perlen besetzten und bestickten Tuch kam erst viel später in Mode. === Lebenszyklus === ==== Geburt ==== Die Mi'kmaq-Frau verließ bei der Geburt ihres Kindes den Wigwam und kniete sich nieder, wobei sie nur von einigen älteren Frauen unterstützt wurde. Das Neugeborene wurde in kaltem fließendem Wasser gewaschen, musste Bären- oder Robbenfett schlucken und wurde auf ein verziertes [[Wiegenbrett]] gebunden. Die Mutter stillte ihr Kind bis zum Alter von drei Jahren, und die erste feste Nahrung wurde von den Eltern vorgekaut. Solange das Kind gestillt wurde, verhinderte oder beendete die Mutter eine weitere Schwangerschaft. ==== Kindheit und Jugend ==== Kinder wurden frühzeitig dazu erzogen, ihren Eltern und alten Leute mit Respekt zu begegnen. Sie lernten durch Nachahmen, bei Fehlern wurden sie ermahnt aber niemals geschlagen, sondern bekamen viel Zuneigung und Liebe. Bei Jungen veranstaltete man zum Beispiel kleine Zeremonien, wenn der erste Zahn durchbrach, er seinen ersten Schritt machte oder sein erstes kleines Wild erlegte. Wenn er seinen ersten Elch getötet hatte, wurde er zum Mann. Kleine Mädchen halfen ihrer Mutter im Haushalt, beim Aufbau des Wigwams, Sammeln des Feuerholzes, beim Kochen und beim Anfertigen der Kleidung. [[Datei:Micmac2.jpg|200px|thumb|right|Mann und Frau der Mi'kmaq aus Neuschottland, 1865]] ==== Brautdienst, Hochzeit und Ehe ==== Wenn ein junger Mann heiraten wollte, hatte er den sogenannten [[Brautdienst]] im Wigwam des zukünftigen Schwiegervaters abzuleisten. Der Brautdienst dauerte etwa zwei Jahre, in denen er unter Anleitung des älteren Mannes arbeiten, jagen und seine Geschicklichkeit unter Beweis stellen musste. Während dieser Zeit waren sexuelle Beziehungen zur Verlobten streng verboten. War die Probezeit zu Ende, hatte er für genügend Wildbret für das Hochzeitsmahl zu sorgen. Am Hochzeitstag wurden vom Schamanen und älteren Familienmitgliedern lange Reden an das Brautpaar gehalten und mit Tänzen endete das Fest. Arrangierte Ehen, also von ihren Familien bestimmte Ehepartner, waren noch im 19. Jahrhundert üblich. Die katholischen Missionare betonen die damalige Tugendhaftigkeit der Mi'kmaq-Frauen und beklagen aber die Korruption durch den Branntweinhandel und die eher gleichgültige Haltung der Indianer gegenüber der Ehescheidung. Die Geburt unehelicher Kinder wurde nicht als Makel, sondern vielmehr als Zeichen von Fruchtbarkeit angesehen. Zumeist übernahm die lokale Gruppe die Verantwortung für Vollwaisen. Der Häuptling brachte sie im Haushalt eines guten Jägers unter. Die zweite Heirat eines Mannes oder einer Frau wurde selten mit einem öffentlichen Fest gefeiert. ==== Lebensende und Begräbnis ==== Ältere wurden hoch geachtet, und man suchte ihren Rat bei Versammlungen. Einige Quellen berichten über fürsorgliche Pflege der alten Eltern, aus anderen allerdings ist zu entnehmen, dass alte Leute auch dem Tode preisgegeben wurden, wenn sie nicht die Wanderungen ihrer Familie mitmachen konnten. Bekannt ist auch, dass es beim Sterben einer Person wenig Anstrengungen gab, sie am Leben zu halten. Einige alte Männer hatten Spaß daran, ihr eigenes Begräbnisfest vorzubereiten. Wenn ein Schamane eine Krankheit diagnostizierte, die zum Tode führte, bekam der Kranke nichts mehr zu essen und es wurde kaltes Wasser ''auf seinen Nabel'' geschüttet, um sein Ableben zu beschleunigen. Gab es einen Todesfall in der Familie, so schwärzten sich die Trauernden ihre Gesichter und die Totenklage dauerte drei Tage lang. Es wurden Boten ausgesandt, um Verwandte und Freunde in anderen Dörfern zu benachrichtigen. Am dritten Tag der Trauer wurde ein Festessen veranstaltet. Dann folgte die Beerdigung und jeder Gast beteiligte sich an den [[Grabbeigabe]]n. Es gab bei den Mi'kmaq Begräbnisse auf unbewohnten Inseln, wo der Leichnam in Birkenrinde gehüllt und in sitzender Position mit allen Waffen, Hunden und persönlicher Habe beerdigt wurde. Ein Jahr lang trugen die Trauernden ihr Haar kurz geschnitten, und Witwen war es nicht gestattet, in dieser Zeit wieder zu heiraten. War jedoch die vorgeschriebene Zeit vorüber, wurden die Trauernden darin bestärkt, ihren Kummer zu vergessen. == Soziopolitische Organisation == Politisch waren die Mi'kmaq eine lockere Konföderation einzelner Stämme, die aus patrilinearen Klans und lokalen Gruppen bestanden. In der meisten Zeit waren die Angehörigen eines Stammes über den Distrikt verteilt und kamen nur während des Sommerlagers oder in Kriegszeiten zusammen. Bis die jungen Männer verheiratet waren, durften sie keine eigenen Hunde halten und mussten dem [[Sagamore]] oder Häuptling alles übergeben, was sie gejagt hatten. Wenn sie seine Gruppe eine Zeit lang verließen, brachten sie ihm bei der Rückkehr Geschenke mit. Einzelne Angehörige oder ganze Familien konnten ohne Probleme, wenn auch mit schlechtem Gewissen, zu einer anderen lokalen Gruppe wechseln. Die Sagamore mussten sich ihre Autorität durch besondere Fähigkeiten erwerben. Ende des 17. Jahrhunderts wurden von Franzosen beobachtet, dass Häuptlinge jeder Familie ihr Jagdgebiet zuwiesen und Anteile vom Erlös der Felle beanspruchten. Durch ihre Französisch-Kenntnisse fungierten manche Sagamore als Vermittler und verschafften sich damit Vorteile. == Religion == === Tabus === Die Religion und auch die Wertvorstellungen der Mi'kmaq ähnelten denen der anderen nördlichen Stämme. Der oberste Gott war [[Gluskap]], daneben gab es eine Anzahl weiterer Götter, von denen einige menschliche Gestalt hatten. Die Mi'kmaq kannten zwar keine absoluten [[Tabu]]s, doch sie mieden das Fleisch von bestimmten Tieren, wie zum Beispiel Schlangen, Amphibien und Stinktieren. Es gab [[Menstruation|Menstrual]]-Tabus, so durften Frauen nicht über die Beine von Jägern oder deren Waffen schreiten. Erlegtes Wild wurde respektvoll behandelt, Biberknochen wurden zum Beispiel niemals den Hunden gegeben oder in den Fluss geworfen. Auch getötete Bären behandelte man mit besonderem Respekt. Die Mi'kmaq glaubten, dass sich bestimmte Tiere in andere Arten verwandeln konnten. Von alten Elchen wurde erzählt, sie zögen ins Meer und verwandelten sich in Wale. === Gluskap === Gluskap veränderte auf seinen Reisen die Landschaft. Er gab den Tieren ihre heutige Gestalt, zum Beispiel gab er dem Biber seinen Schwanz und dem Frosch seine Stimme. Gluskap war ein mächtiger Krieger, der die Mi'kmaq wichtige Fertigkeiten lehrte und die Zukunft vorhersagte. Er ist fortgegangen, aber er wird zurückkehren, um den Mi'kmaq in der Stunde der Not beizustehen. Obwohl er seine Hauptrolle in der Legende als ''Zauberer und Verwandler'' spielt, erscheint er in manchen Geschichten zusammen mit europäischen oder christlichen Erzähl-Elementen. === Kinap === [[Kinap]] hatte übernatürliche Kräfte und vollbrachte wunderbare mächtige Taten zur großen Überraschung von anderen Stämmen, die ihn verspottet hatten. Der Kinap nutzte seine Macht aber nur für gute Taten, schlimmstenfalls für Streiche. === Puwowin === Bedrohlicher war der [[Puwowin]], ein Hexer, der mit magischen Sprüchen oder Zaubertränken arbeitete. Der Puwowin war der legendäre Nachkomme eines Schamanen aus dem 17. Jahrhundert namens ''Bohinne''. Auch heute glauben manche Mi'kmaq an Puwowin. Wie sein altes Vorbild ist der moderne Puwowin fähig, die Zukunft vorherzusagen, auf dem Wasser zu gehen und einzelne Personen oder ganze Siedlungen vor bösen Ereignissen zu bewahren. Es gibt weiterhin eine Menge Aberglauben über die Kraft des Puwowin. Er kann einer Person aus der Ferne mit einem ''bösen Wunsch'' Schaden zufügen, zum Beispiel eine Krankheit, einen Unfall oder sogar einen größeren Schicksalsschlag. Man kann europäische Elemente in den meisten Puwowin-Erzählungen finden, aber diese sind immer an den indianischen Blickwinkel angepasst. === Sketekemuc und andere === Die Mi'kmaq fürchten den [[Sketekemuc]], ein gespenstähnliches Wesen, das den nahenden Tod ankündigt. Zur gleichen Kategorie gehören außerdem die ''Mikemuwesu'' und die ''Pukeletemuc'', zwergenähnliche Wesen, die sich kleiden und leben wie ''die Indianer in alten Zeiten'', nur Fleisch von Wild essen und jemandem nützen oder ihn schädigen können. Neuerdings haben sie einige Züge der französisch-kanadischen ''[[Lutins]]'' angenommen, indem sie Streiche um das Haus oder die Scheune herum spielen und Pferde reiten, die sie mit eng geflochtener Mähne und Schwanz zurücklassen. In diesem Falle werden die Geister mit [[Weihwasser]] oder Palmwedeln vom [[Palmsonntag]] beschworen. === Wertesystem === Die Mi'kmaq glaubten an einen [[Großer Geist|Großen Geist]], einen Schöpfer, der dem Glauben vieler anderer Algonkin-Stämme entsprach. Die französischen [[Jesuiten]]-Missionare gebrauchten den Mi'kmaq-Namen ''Mentu'', um den Teufel zu bezeichnen, und wählten für den christlichen Gott das Wort ''Niskam'', was so viel wie ''Allergrößter, Herr'' bedeutet. Die Mi'kmaq unterschieden sich jedoch von den anderen Algonkin durch ihre Identifikation des Schöpfers mit der Sonne. Mehrere Quellen bestätigen diese zweimal-tägliche ''Sonnenverehrung'', bei der man zum Beispiel eine große Menge gesammelter Pelze als Opfergabe für die Sonne verbrannte. Es ist heute kaum möglich, die Weltanschauung der Mi'kmaq in ihrer Gesamtheit aus historischen Quellen zu rekonstruieren, aber es gibt einige generelle Leitlinien, die im Gedankengut der Mi'kmaq fortbestehen. === Leitlinien der Mi'kmaq === # Leben gibt es überall - sichtbar und unsichtbar, unter dem Erdboden und unter dem Meer. Unterschiedliche Lebensformen können sich in andere verwandeln. Einige Tierarten und einige Leute sind nicht das, was sie zu sein scheinen. # Die Vorfahren waren große Jäger - stark, würdevoll und gesund. Sie waren gerecht, großzügig und mutig. Ihr Verhalten sollte ein Vorbild für ihre Nachfahren sein. # Indianer haben Kräfte, die sich von denen der Nichtindianer unterscheiden. Sie können übernatürliche Helfer haben, die ihnen Botschaften oder Geschenke zukommen lassen. Einige besitzen ''Indianerglück'' oder ''Keskamizit'', das sie in Lage versetzt, Dinge schnell und mit großer Zuverlässigkeit zu tun, zu finden oder auszuführen. # Menschen sind gleich - oder sollten es sein. Niemand sollte sich über den anderen stellen, obwohl die Häuptlinge mit außergewöhnlichen Fähigkeiten, mit Großherzigkeit, Mut, Anständigkeit und mit Führungsaufgaben ausgestattet sein sollten. # Maßhalten ist zumeist besser als Unmäßigkeit. Zu viel von jedem kann schädlich sein; jeder aber sollte sich gelegentlich aus Zwängen befreien und ungewöhnliche Dinge tun. Diese Leitlinien gelten sicher nicht nur für Angehörige der Mi'kmaq. Sie spielen aber bei den Mi'kmaq weiterhin eine wichtige Rolle, um sich den verändernden Bedingungen der Gegenwart anzupassen.<ref name="Trigger"/> == Geschichte == === 16. Jahrhundert === Die Mi'kmaq waren vermutlich neben den [[Beothuk]] die ersten Ureinwohner Nordamerikas, die Kontakt zu Europäern hatten. Der erste Bericht über sie stammt von [[Giovanni Caboto|John Cabot]], der 1497 drei Mi'kmaq nach England brachte. Ab 1501 hatten die Mi'kmaq regelmäßigen Kontakt mit spanischen, französischen, britischen und irischen Fischern, die die kanadische Küste jeden Sommer aufsuchten. Ab 1519 begann der Pelzhandel und die Mi'kmaq zeigten großes Interesse für verschiedene europäische Handelsgüter, besonders für Metallwaren, wie Messer, Äxte und Kessel. Als der französische Entdecker [[Jacques Cartier]] 1534 in [[Chaleur-Bucht|Baie des Chaleurs]] ankerte, wurde sein Schiff von einer großen Anzahl Mi'kmaq-Kanus umringt, deren Insassen mit Biberpelzen winkten. Um 1578 zählte man jeden Sommer nahezu 400 Fischerboote an der kanadischen Ostküste. Obwohl es zu dieser Zeit noch keine Siedlungen der Europäer gab, wurden die Mi'kmaq in den Jahren 1564, 1570 und 1586 von ihnen bislang unbekannten Krankheiten heimgesucht. Die ersten Siedlungsversuche der Europäer scheiterten an Hungersnöten und bitterer Kälte. Inzwischen hatte der Handel mit Mi'kmaq-Pelzen in Frankreich eine neue Mode kreiert. Wer Geld hatte, leistete sich einen Biberhut und die neue Mode verbreitete sich rasch über ganz Europa. Der Preis für [[Pelzarten#Biber|Biberfelle]] stieg und französische Händler erkannten ihre Chance für gute Geschäfte. Die Niederlage der spanischen [[Armada]] gegen die englische Flotte im Jahr 1588 war ein wichtiges Ereignis, weil die Spanier nun nicht mehr in der Lage waren, die anderen Europäer aus der [[Neue Welt|Neuen Welt]] zu vertreiben. <ref name="Dickshovel">[http://www.dickshovel.com/mic.html Dickshovel.com]</ref> === 17. und 18. Jahrhundert === Im Jahr 1604 errichtete [[Samuel de Champlain]] an der Mündung des [[St. Croix River (Maine-New Brunswick)|St. Croix River]] die erste französische Siedlung. Damit begann die französische Periode in Nordamerika, die von etwa 1600 bis 1763 dauern sollte. Die Kultur der Mi'kmaq wurde in der französischen Periode stark beeinflusst. Die wesentlichsten Veränderungen entstanden durch den Pelzhandel und ihre Beteiligung am Konflikt zwischen Franzosen und Engländern. Im Jahr 1607 kam es zum Krieg zwischen den Penobscot unter ihrem Sagamore [[Bashabes]] und den Mi'kmaq. Rivalität zwischen den Stämmen über die Vorherrschaft im Pelzhandel mit den Franzosen in [[Annapolis Royal|Port Royal]] bestand schon seit längerer Zeit. Der bewaffnete Konflikt, der unter dem Begriff [[Tarrantiner-Krieg]] bekannt wurde, dauerte acht Jahre und endete 1615 mit dem Tod von Bashabes. In den folgenden Jahren wurden die Mi'kmaq von einer verheerenden Epidemie heimgesucht, so dass 1620 von ehemals geschätzten 10.000 Angehörigen nur noch 4.000 überlebten. 150 Jahre lang waren die Mi'kmaq nun in eine Serie von Kriegen zwischen Frankreich und England verwickelt, in denen sie stets auf der Seite Frankreichs kämpften. Nach der Niederlage der Franzosen im [[Franzosen- und Indianerkrieg]] (1756-1763) hatten die Mi'kmaq nur eine kurze Atempause, bevor die britischen Kolonisten kamen. Nicht alle Mi'kmaq schlossen 1761 Frieden mit den Briten, und es kam wiederholt zu feindlichen Zusammenstößen bis zum Jahr 1779. Im [[Sezessionskrieg|Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg]] hielten die Mi'kmaq zu den Amerikanern, in der Hoffnung, diese würden siegen und die Franzosen wieder die Herrschaft in Kanada übernehmen. Nach Ende des Krieges wurde englischen [[Loyalisten (Amerikanische Unabhängigkeit)|Loyalisten]], deren Leben in [[Neuengland]] unerträglich geworden war, Land in den maritimen kanadischen Provinzen bewilligt. 1783 verließen 14.000 britische Loyalisten die jungen Vereinigten Staaten, um in [[Neubraunschweig]] zu siedeln. Die britischen Gouverneure errichteten [[Indianerreservat]]e. Häuptlinge wurden weiterhin auf Lebensdauer gewählt, aber die Auswahl wurde von den Priestern beeinflusst und von nichtindianischen Offiziellen bestätigt. Das Land, das man ''zum Nutzen und Wohl einer Gruppe von Indianern reserviert hatte'', wurde oft später zugunsten von Nicht-Indianern beschnitten, die Quellen oder Wasserrechte für kommerzielle Zwecke brauchten. In den Kolonial- und Provinzarchiven dieser Zeit bleibt eine Menge zu forschen. Die Bemühungen der englischen Kolonisten hatten nur das eine Ziel, den Pelzhandel zu kontrollieren, dessen Monopol die Franzosen für so lange Zeit besessen hatten. Als das Land der Indianer immer kleiner wurde und die Zahl der pelztragenden Tiere abnahm, wurden die Mi'kmaq nach und nach halbsesshaft; die Frauen und Kinder blieben in den Siedlungen, während die Männer periodisch ''außerhalb arbeiteten'' oder im Reservat lebten, wo sie Körbe und handwerkliche Holzgegenstände herstellten und Sozialhilfe von der Kolonialregierung erhielten. Einige Männer arbeiteten weiterhin als Fallensteller, aber die meisten verdingten sich als Holzarbeiter, Jagdführer und kommerzielle Fischer, wo sie zumindest etwas von ihrer traditionellen Erfahrung und ihrem Geschick einsetzen konnten.<ref name="Dickshovel"/> === 19. Jahrhundert === Mitte des 19. Jahrhunderts wurden in den maritimen kanadischen Provinzen Segelschiffe, Straßen und Sägewerke gebaut. Auch viele Mi'kmaq-Männer fanden hier Arbeit, obwohl sie häufig von dauerhaften Jobs bei Sägewerken und im Straßenbau ausgeschlossen wurden. Als angelernte Arbeiter arbeiteten sie in saisonalen oder periodischen Jobs, die kein anderer für diesen Lohn annahm, und gerieten nach und nach in ein ländliches [[Proletariat]]. Über mehrere Generationen hinweg jagten die Mi'kmaq [[Delfine]] in der [[Street of Canso]] und der [[Fundybucht]]. Als aber Petroleum das Delfin-Öl beim industriellen Bedarf ersetzte, war die Jagd beendet. Die Indianer beteiligten sich als Wanderarbeiter beim kommerziellen Kartoffelanbau in Maine und Neubraunschweig. Einige arbeiteten in Neuengland als Arbeiter in Holzfällerlagern, beim Hausbau oder in der Industrie, doch die meisten kamen regelmäßig wegen Arbeitslosigkeit in die Reservate zurück.<ref name="Trigger"/> === 20. Jahrhundert === Anfang des 20. Jahrhunderts waren die meisten Mi'kmaq auf etwa 60 Reservate verteilt. In einigen lebten mehrere Hundert und in anderen nicht mehr als ein Dutzend indianische Bewohner. Das größte Reservat war [[Restigouche]], laut Volkszählung von 1910 mit 506 Indianern bevölkert. Hier gab es ein [[Kapuziner]]-Mönchskloster, in dem Pater Pacifique lebte und arbeitete, und in der Klosterschule der [[Schwestern vom Heiligen Rosenkranz]] konnte man die Mi'kmaq-Sprache lernen. Um 1920 begannen in den Reservaten politische, erzieherische und wirtschaftliche Veränderungen. Allmählich führten die Behörden eine bessere medizinische Versorgung ein, die zu einem rapiden Bevölkerungswachstum bei den Mi'kmaq beitrug, so dass sich ihre Zahl bis 1970 nahezu verdoppelte. Vom Ende des [[Erster Weltkrieg|Ersten Weltkrieges]] bis [[1942]] war der [[Indianeragent (Kanada)|Indianeragent]] in Restigouche ein Arzt. Der Einfluss der nach den Bestimmungen des [[Federal Indian Act]] für zwei bzw. drei Jahre gewählten Häuptlinge und Ratsmitglieder war gering, so dass die meiste Verantwortung für die Reservatsverwaltung beim Indianeragenten und dem [[Bureau of Indian Affairs]] (BIA) lag. Die neu eröffneten Schulen in den Reservaten wurden nur unregelmäßig besucht, aber allmählich erlernten Jungen wie Mädchen die Grundzüge von Rechnen und Schreiben. Den Ersten Weltkrieg erlebten viele junge Mi'kmaq in der kanadischen Armee und kamen so erstmalig in Kontakt mit Indianern aus anderen Provinzen Kanadas. Die Kriegswirtschaft sorgte für Jobs und auch der Sport war bei jungen Männern der Mi'kmaq populär. So wurden [[Eishockey]] und [[Baseball]] der Nationalsport des Stammes. Aber die [[Weltwirtschaftskrise]] brachte das Ende mancher Hoffnung und führte in den 1930er Jahren besonders bei den Mi'kmaq zu großer Arbeitslosigkeit. Es waren öffentliche Gelder notwendig, um eine Hungersnot abzuwenden. Der [[Zweiter Weltkrieg|Zweite Weltkrieg]] brachte einen kurzlebigen Wohlstand und man bot den heimkehrenden Mi'kmaq-[[Veteranen]] Hilfe beim Bau oder bei der Renovierung ihrer Häuser an. In den folgenden Jahren kamen außer der [[Elektrifizierung]] auch Rundfunk und Fernsehen in die Reservate. Dazu wurden öffentliche Programme aufgelegt, die das Erscheinungsbild der Reservate modernisieren sollten. Neue Schulen und Transportmöglichkeiten ermöglichten es den jungen Mi'kmaq, sich besser auf das Studium oder den Beruf vorzubereiten. Trotzdem stieg die Zahl der arbeitslosen Indianer und viele Mi'kmaq wurden [[Diskriminierung|diskriminiert]], so dass sie nur durch Regierungsprogramme geförderte Arbeit finden konnten. Es kann nicht überraschen, dass damit die Kriminalitätsrate und der Alkoholismus unter den Indianern anstiegen. Ende der 1940er Jahre sollten die Mi'kmaq im Rahmen eines Zentralisierungsprogramms die mehrere Dutzend zählenden kleinen Reservate verlassen, um in größere Siedlungen nach ''Shubenacadie'' in Zentral-Neuschottland und ''Eskasoni'' auf [[Cape Breton Island]] umzusiedeln. Ihnen wurden neue Häuser und bessere Ausbildungs- und Verdienstaussichten angeboten. Es stellte sich jedoch schnell heraus, dass in diesen Regionen kaum genügend Arbeitsplätze vorhanden waren. Im Jahr 1951 wurde ein überarbeitetes Indianer-Gesetz erlassen, mit dem die Stammesräte erweitert wurden und mehr Einfluss auf die eigenen Angelegenheiten nehmen konnten. Dies war Teil einer generellen Politik, welche die Reservate auf mehr Selbstbestimmung vorbereiten sollte.<ref name="Trigger"/> === Heutige Situation === In den 1960er Jahren führten die Bemühungen endlich zum Erfolg, die Mi'kmaq durch Weiterbildungsmaßnahmen zu fördern. Viele Angehörige fanden einen neuen Beruf, der gut bezahlt wurde und in dem sie auch erwünscht waren. Sie arbeiteten beim Bau von [[Wolkenkratzer]]n, wie schon die [[Mohawk]] in den 1930er Jahren. Um 1970 hatte mindestens ein Drittel aller arbeitenden Männer in Restigouche beim Bau von Wolkenkratzern in [[Boston]] gearbeitet. Diese gefährliche Arbeit in großer Höhe war deshalb so beliebt bei den Indianern, weil sie mit ihren Wertvorstellungen vereinbar war und gut bezahlt wurde. Auch Mi'kmaq-Frauen erlernten neue Fertigkeiten. Die staatlich geförderte Berufsausbildung ermöglichten vielen, sich als Krankenschwestern, Lehrerinnen, Sekretärinnen oder Sozialarbeiterinnen zu qualifizieren. Tatsächlich zeichnet sich heute (2008) kein Mi'kmaq-Reservat durch besonderen und sichtbaren Wohlstand aus, doch damit unterscheiden sich die Situation nicht wesentlich von benachbarten nichtindianischen Gemeinden vergleichbarer Größe. Die Indianer-Häuser sehen gleichförmig aus und die kleinen Gärten sind ungepflegt. Viele alte Hütten hat man stehen gelassen, und bei der ständigen Fluktuation der Bevölkerung zwischen den Reservaten und Städten gibt es viele freie Wohnungen. In allen größeren Reservaten gibt es Elektrizität, obwohl einige Indianer an ihrer alten [[Kerosin]]-Lampe festhalten. Gute Straßen sind selten, die Provinzial-Regierung will sie nicht instand halten und die Bundesbürokratie reagiert sehr langsam auf Missstände. So sieht heute ein typisches Mi'kmaq-Reservat aus: eine Hauptstraße, eine Kirche, eine Schule, ein Gemeinde-Zentrum, ein Agenturgebäude oder ein Stammes-Regierungsbüro, eine Veteranen-Halle, Lebensmittelläden, ein Wasserleitungs- und ein Kanalsystem. In den Reservaten gibt es beträchtliche Unterschiede bei den Bewohnern in Bezug auf Sprache, Bildung und Religiosität. Bis zum 20. Jahrhundert war die Mi'kmaq-Sprache ein verbindliches Kennzeichen der ethnischen Identität. Aber es gibt nur sehr wenige Leute, die noch ausschließlich Micmac sprechen und der Anteil der Nichtsprecher wächst ständig. In einigen Reservaten lernen alle Personen unter 20 Jahren Englisch als erste Sprache. In Restigouche ist die Stammessprache zwar noch die wichtigste Sprache für die jungen Leute, aber auch dort werden Fernsehen und englischsprachige Schulen bald die Sprachfähigkeiten der jungen Generation einschränken. Zu Beginn der 1960er Jahre baute die Bundesregierung Schulen in den Reservaten. So fand man in der Reservatsschule in Restigouche, die von katholischen Schwestern und weltlichen Lehrern geführt wurde, auch Klassen für nichtindianische Kinder aus den benachbarten Gemeinden, von denen viele nur Französisch sprachen. Die meisten Mi'kmaq sind noch immer römisch-katholisch und die höheren Feiertage werden mit angemessenen Zeremonien begangen, besonders der Tag der Schutzpatronin ''Saint Anne'' am 26. Juli. Doch [[Säkularisation]] und Tourismus haben sogar diesen ''Micmac-Nationalfeiertag'' beeinflusst, und manche der jungen Leute stehen der Kirche heute kritisch gegenüber.<ref name="Trigger"/> == Demografie == Im Jahr [[1616]] schätzte Pater Biard die Mi'kmaq-Bevölkerung auf über 4.000 Angehörige. Aber er bemerkte an anderer Stelle, dass es einen großen Verlust im 16. Jahrhundert gegeben hätte. Fischer hatten die Mi'kmaq mit europäischen Krankheiten infiziert, gegen die sie keine Widerstandskräfte besaßen. Durch [[Rippenfellentzündung]], [[Mandelentzündung]] und [[Ruhr]] wurden etwa drei Viertel der Mi'kmaq ausgerottet. [[Pocken]], Kriege und [[Alkoholismus]] führten zu weiterer Abnahme der indianischen Bevölkerung, die vermutlich ihren niedrigsten Stand in der Mitte des 17. Jahrhunderts erreichte. Während des 19. Jahrhunderts folgte eine leichte Erholung und die Population scheint nahezu stabil geblieben zu sein. Eine merkliche Zunahme gab es im 20. Jahrhundert. Das durchschnittliche Wachstum der Jahre [[1965]] bis [[1970]] betrug rund 2,5% jährlich.<ref name="Trigger"/> {| border="0" cellpadding="4" cellspacing="2" bgcolor="EFEFEF" |----- bgcolor="#EFEFEF" ! Jahr || Bevölkerung || Nachweis |----- bgcolor="#EFEFEF" |1500 ||&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp; 10.000 || Schätzung |----- bgcolor="#EFEFEF" |1600 ||&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp; 4.000 || Schätzung |----- bgcolor="#EFEFEF" |1700 ||&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp; 2.000 || Schätzung |----- bgcolor="#EFEFEF" |1750 ||&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp; 3.000 || Schätzung |----- bgcolor="#EFEFEF" |1800 ||&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp; 3.100 || Schätzung |----- bgcolor="#EFEFEF" |1900 ||&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp; 4.000 || Zählung |----- bgcolor="#EFEFEF" |1940 || &nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp; 5.000 || Zählung |----- bgcolor="#EFEFEF" |1960 || &nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp; 6.000 || Zählung |----- bgcolor="#EFEFEF" |1972 || &nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp; 9.800 || Zählung |----- bgcolor="#EFEFEF" |2000 || &nbsp;&nbsp; 20.000 || Schätzung |----- bgcolor="#EFEFEF" |} == Rezeption == Die französische Fernsehserie ''Abenteuer einer Lady'' (Les Aventuriers du Nouveau-Monde) handelte hauptsächlich davon, dass ein Unterhändler im Rahmen des Siebenjährigen Krieges die Mi'kmaq als Verbündete der Briten gewinnen sollte. Die Serie wurde 1987 ausgestrahlt. Im Roman [[Friedhof der Kuscheltiere]] von [[Stephen King]] spielt eine Begräbnisstätte der Mi'kmaq im Nordosten der USA eine zentrale Rolle und auch die Mi'kmaq finden Erwähnung im Buch. == Weblinks == * [http://www.dickshovel.com/mic.html Micmac History] * [http://www.thecanadianencyclopedia.com/index.cfm?PgNm=TCE&Params=A1ARTA0005271 The Canadian Encylopedia: Micmac] * [http://museum.gov.ns.ca/arch/infos/mikmaq1.htm Nova Scotia Museum] * [http://www.mikmaqonline.org/ Mi'kmaq Dictionary Online] * [http://epe.lac-bac.gc.ca/100/205/301/ic/cdc/objects/mi%27kmaqmain.htm Mi'kmaq, Website Mi'kmaq and Maliseet Cultural Objects] == Literatur == * Bruce G. Trigger (Hrsg.): ''[[Handbook of North American Indians]]. Vol. 15. Northeast.'' Smithsonian Institution Press, Washington D.C. 1978 ISBN 0-16-004575-4 * Harald E. L. Prins: ''The Mi'kmaq: Resistance, Accommodation, and Cultural Survival (Case Studies in Cultural Anthropology)'', Thomson Learning, 1996, ISBN 0-03-053427-5 * Stephen A. Davis: ''Mi'kmaq: Peoples of the Maritimes'', Nimbus Publishing (CN), 1998, ISBN 1-55109-180-1 * Daniel N. Paul:''We Were Not the Savages: A Mi'kmaq Perspective on the Collision Between European and Native American Civilizations'', Fernwood Pub., 2000, ISBN 1-55266-039-7 * William C. Wicken: ''Mi'kmaq Treaties on Trial: History, Land, and Donald Marshall Junior'', University of Toronto Press Inc., 2002, ISBN 0-8020-7665-3 * Ruth Holmes Whitehead: ''The Old Man Told Us: Excerpts from Mi'kmaq History 1500-1950'', Nimbus Pub Ltd, 2004, ISBN 0-921054-83-1 * [[Rita Joe]], Lesley Choyce: ''The Mi'kmaq Anthology'', Nimbus Publishing (CN), 2005, ISBN 1-895900-04-2 == Siehe auch == {{commons|Category:Micmac}} * [[First Nations]] * [[Geschichte der First Nations]] * [[Liste nordamerikanischer Indianerstämme]] * [[Rita Joe]] und [[Gail Tremblay]] (zwei moderne Mi'kmaq-Autorinnen) == Einzelnachweise == <references/> {{Exzellent}} [[Kategorie:Ethnie in Nordamerika]] [[ar:ميغماك]] [[bg:Микмаки]] [[ca:Micmac]] [[en:Mi'kmaq]] [[eo:Mikmakoj]] [[es:Micmac]] [[eu:Mi'kmaq]] [[fi:Mi'kmaq]] [[fr:Micmacs]] [[hr:Micmac Indijanci]] [[it:Mi'kmaq]] [[ja:ミクマク]] [[nds:Mi'kmaq]] [[no:Micmac]] [[oc:Micmac]] [[pl:Mikmakowie]] [[ru:Микмаки]] [[simple:Mi'kmaq]] [[sv:Mi'kmaq]] [[uk:Мікмаки (індіанці)]] e0wd7jykob55d2knv6rsq1m7pbr3azk wikitext text/x-wiki Migräne 0 23933 26529 2010-05-07T11:17:22Z 84.178.77.247 /* Nichtopioid-Analgetika */ {{Vorlage:Infobox ICD | BREITE = | 01-CODE = G43.0 | 01-BEZEICHNUNG = Migräne ohne Aura (Gewöhnliche Migräne) | 02-CODE = G43.1 | 02-BEZEICHNUNG = Migräne mit Aura (Klassische Migräne) | 03-CODE = G43.2 | 03-BEZEICHNUNG = Status migraenosus | 04-CODE = G43.3 | 04-BEZEICHNUNG = Komplizierte Migräne | 05-CODE = G43.8 | 05-BEZEICHNUNG = Sonstige Migräne | 06-CODE = G43.9 | 06-BEZEICHNUNG = Migräne, nicht näher bezeichnet }} Die '''Migräne''' (von [[Griechische Sprache|griech.]] ''ἡμικρανίον'', ''hemikranion'', ''hemikrania'' „halber Schädel“) ist eine [[Neurologie|neurologische]] Erkrankung, unter der etwa 10 % der Bevölkerung leiden. Sie tritt bei Frauen etwa dreimal häufiger auf als bei Männern und hat ein vielgestaltiges Krankheitsbild. Dieses ist bei Erwachsenen typischerweise durch einen periodisch wiederkehrenden, anfallartigen, pulsierenden und halbseitigen [[Kopfschmerz]] gekennzeichnet, der von zusätzlichen [[Symptom]]en wie [[Übelkeit]], [[Erbrechen]], Lichtempfindlichkeit ([[Lichtscheu|Photophobie]]) oder Geräuschempfindlichkeit ([[Phonophobie]]) begleitet werden kann. Bei manchen Patienten geht einem Migräneanfall eine [[Migräneaura]] voraus, während der häufig optische oder sensible Wahrnehmungsstörungen auftreten. Es sind aber auch motorische Störungen möglich. Die Diagnose wird nach Ausschluss anderer Erkrankungen als Ursachen üblicherweise mit Hilfe einer [[Anamnese (Medizin)|Anamnese]] gestellt. == Epidemiologie == In Deutschland leiden etwa acht Millionen Menschen an einer Migräne.<ref>Obermann M, Katsarava Z.: ''Epidemiology of unilateral headaches.'' in: Expert Rev Neurother 2008 Sep;8(9):1313-20. PMID 18759543.</ref> Statistisch gesehen sind Frauen ([[Prävalenz]] 18 %) häufiger als Männer (Prävalenz 6 %) betroffen. Dabei wird die Störung vor allem bei Personen im Alter zwischen 25 und 45 Jahren festgestellt. Die Krankheit kann schon im Kindesalter beginnen. Im letzten Grundschuljahr klagen bis zu 80 % aller Kinder über Kopfschmerzen. Etwa 12 % von ihnen berichten über Beschwerden, die mit der Diagnose einer Migräne vereinbar sind.<ref name="lee"/> Bis zur Pubertät erhöht sich der Anteil auf 20 %. Vor der Geschlechtsreife besteht statistisch gesehen kein Unterschied zwischen den Geschlechtern in Bezug auf das Erkrankungsrisiko. Erst mit der Pubertät und synchron zur Entwicklung der Sexualfunktion steigt die Prävalenz beim weiblichen Geschlecht an. Allerdings wird insbesondere bei Männern, die häufiger an nicht-klassischen Migräneformen leiden, eine höhere [[Dunkelziffer]] angenommen.<ref name="pmid1746521">{{cite journal |author=Stewart WF, Linet MS, Celentano DD, Van Natta M, Ziegler D |title=Age- and sex-specific incidence rates of migraine with and without visual aura |journal=Am. J. Epidemiol. |volume=134 |issue=10 |pages=1111–20 |year=1991 |month=November |pmid=1746521 |doi= |url=}}</ref><ref name="pmid1599358">{{cite journal |author=Lipton RB, Stewart WF, Celentano DD, Reed ML |title=Undiagnosed migraine headaches. A comparison of symptom-based and reported physician diagnosis |journal=Arch. Intern. Med. |volume=152 |issue=6 |pages=1273–8 |year=1992 |month=June |pmid=1599358 |doi= |url=}}</ref> Die obengenannten Prävalenzraten sind daher kritisch zu betrachten. Auf Grund ihrer Häufigkeit besitzt die Migräne eine nicht zu unterschätzende [[volkswirtschaft]]liche Bedeutung. Jährlich werden in [[Deutschland]] etwa 500&nbsp;Mio. [[Euro]] als direkte Kosten von Patienten und [[Krankenversicherung]]en für die ärztliche und medikamentöse Behandlung der Migräne ausgegeben. Die durch Arbeitsausfall und Produktivitätseinschränkungen zusätzlich entstehenden indirekten Kosten werden auf über das 10-fache dieser Summe geschätzt.<ref name="pmid12369168">{{cite journal |author=Neubauer G, Ujlaky R |title=Migräne - eine Volkskrankheit und ihre Kosten |language=German |journal=Pharm. in unserer Zeit |volume=31 |issue=5 |pages=494–7 |year=2002 |pmid=12369168 |doi=10.1002/1615-1003(200209)31:5<494::AID-PAUZ494>3.0.CO;2-G |url=http://dx.doi.org/10.1002/1615-1003(200209)31:5<494::AID-PAUZ494>3.0.CO;2-G}}</ref> == Symptome == Während eines Migräneanfalls können verschiedene Phasen mit unterschiedlichen charakteristischen Symptomen durchlaufen werden. Oft kündigt sich ein Anfall durch eine Vorboten- oder Prodromalphase mit [[Prodrom|Vorbotensymptomen]] an. Dieser kann eine Phase mit Wahrnehmungsstörungen, die sogenannte [[Migräneaura]], folgen, die insbesondere das Sehen betreffen. In der Kopfschmerzphase bestehen neben den Kopfschmerzen unterschiedliche weitere Symptome, wie Übelkeit, Erbrechen, Licht- und Lärmempfindlichkeit. Bei manchen Patienten überdauert der Migräneanfall das Abklingen der Kopfschmerzen. Diese Phase wird als Rückbildungsphase bezeichnet. === Vorbotenphase === Bei mindestens 30 % Migränepatienten kündigt sich eine Migräneattacke bereits frühzeitig in Form von Vorbotensymptomen an. Die Vorbotenphase kann wenige Stunden bis zwei Tage einer Migräneattacke vorausgehen und dauert bei den meisten Patienten ein bis zwei Stunden an.<ref name="pmid15447695">{{cite journal |author=Kelman L |title=The premonitory symptoms (prodrome): a tertiary care study of 893 migraineurs |journal=Headache |volume=44 |issue=9 |pages=865–72 |year=2004 |month=October |pmid=15447695 |doi=10.1111/j.1526-4610.2004.04168.x |url=http://www3.interscience.wiley.com/resolve/openurl?genre=article&sid=nlm:pubmed&issn=0017-8748&date=2004&volume=44&issue=9&spage=865}}</ref> Während der Vorbotenphase treten insbesondere psychische, neurologische und vegetative Symptome auf, die sich von denen der Auraphase unterscheiden. Am häufigsten treten Müdigkeit, Geräuschempfindlichkeit und häufiges Gähnen auf.<ref name="pmid16961788"/> Vielfach treten auch Störungen im [[Magen-Darm-Trakt]] auf, die [[Obstipation|Verstopfungen]] einschließen können. Charakteristisch ist bei vielen Patienten ein Heißhunger auf bestimmte Nahrungsmittel, der meist als Migräneauslöser fehlinterpretiert wird. Viele Patienten erkennen keinen kausalen Zusammenhang zwischen diesen Symptomen und einer deutlich später folgenden Migräneattacke. Daher wird die Häufigkeit dieser Symptome als Vorboten einer Migräneattacke möglicherweise deutlich unterschätzt.<ref name="pmid16961788">{{cite journal |author=Schoonman GG, Evers DJ, Terwindt GM, van Dijk JG, Ferrari MD |title=The prevalence of premonitory symptoms in migraine: a questionnaire study in 461 patients |journal=Cephalalgia |volume=26 |issue=10 |pages=1209–13 |year=2006 |month=October |pmid=16961788 |doi=10.1111/j.1468-2982.2006.01195.x |url=http://www3.interscience.wiley.com/resolve/openurl?genre=article&sid=nlm:pubmed&issn=0333-1024&date=2006&volume=26&issue=10&spage=1209}}</ref> === Auraphase === {{Hauptartikel|Migräneaura}} <gallery caption="Visuelle Symptome einer Migräneaura" align="right" perrow=2> Datei:Fortifikation (Migräne).jpg|Fortifikation mit an ein [[Fort]] erinnernde Zickzack-Strukturen Datei:Negatives Skotom (Brandenburger Tor Blaue Stunde) 1.jpg|Negatives Skotom, lokaler Verlust der Wahrnehmung von Strukturen Datei:Positives Skotom (Brandenburger Tor Blaue Stunde) 1.jpg|Positives Skotom, lokale Wahrnehmung zusätzlicher Strukturen Datei:Gesichtsfeldausfall (Brandenburger Tor Blaue Stunde) 1.jpg|Meist einseitiger Verlust der Wahrnehmung </gallery> Migräne geht in ca. 15 bis 20 % der Fälle mit einer Aura einher. Es werden in der Auraphase meist visuelle Störungen, wie [[Skotom]]e, Fortifikationen, Verlust des räumlichen Sehens und Unschärfe, oder Sensibilitätsstörungen, wie der Verlust der Berührungsempfindung oder Kribbelempfindungen in den Armen, Beinen und im Gesicht, empfunden, die langsam einsetzen und wieder abklingen. Zusätzlich können auch Störungen des Geruchsempfindens, Gleichgewichtsstörungen, Sprachstörungen oder andere [[Neurologie|neurologische]] Ausfälle auftreten. Die Aura wird von Patient zu Patient anders wahrgenommen und beschrieben. Auren mit stark visueller Ausprägung, wie sie im Rahmen einer Migräne auftreten können, werden auch als [[Alice-im-Wunderland-Syndrom]] bezeichnet.<ref name="pmid13304769">{{cite journal |author=Todd J |title=The syndrome of Alice in Wonderland |journal=Can Med Assoc J |volume=73 |issue=9 |pages=701–4 |year=1955 |month=November |pmid=13304769 |pmc=1826192 |doi= |url=}}</ref> Einige berühmte Migränepatienten ließen sich von visuellen Erscheinungen während der Auraphase für ihr künstlerisches Werk inspirieren.<ref>{{cite book |last=Grossinger |first=Richard |title=Migraine Auras: When the Visual World Fails |year=2006 |publisher=North Atlantic Books |isbn=155643619X |pages=1-96 |chapter=The Nature and Experience of Migraina Auras}}</ref> Charakteristisch für Migräneauren ist die Dynamik des Prozesses, das heißt beispielsweise das „Wandern“ des Flimmerskotoms im Gesichtsfeld oder Wandern des Kribbelgefühls im Arm oder durch die einzelnen Finger. Auch eine Verschiebung der Aurasymptome, beispielsweise von Sehstörungen über Sensibilitätsstörungen bis hin zu Sprachstörungen und Lähmungserscheinungen kann beobachtet werden. Diese Dynamik zeigt sich auch bei Messungen im Gehirn in Form einer wandernden Störungsfront ([[Streudepolarisierung]]). Die Dynamik der Symptome sowie deren langsames Einsetzen und Abklingen sind ein wichtiges Unterscheidungsmerkmal zu anderen neurologischen Erkrankungen, insbesondere gegenüber dem [[Schlaganfall]]. Die Aura hat keinerlei schädigende Auswirkungen auf das Hirngewebe, ihre Anzeichen sind lediglich vorübergehend und dauern in der Regel bis zu 60 Minuten. Auren können in Einzelfällen auch alleine, ohne eine nachfolgende Kopfschmerzphase auftreten. === Kopfschmerzphase === Der [[Kopfschmerz]] tritt in der Kopfschmerzphase meistens halbseitig (etwa 70 % der Fälle), insbesondere im Bereich von Stirn, Schläfe und Auge, auf. Er ist meist pulsierend und nimmt bei körperlicher Betätigung zu, während Ruhe und Dunkelheit zur Linderung der Kopfschmerzen beitragen. Die Kopfschmerzen des Migräneanfalls werden oft von zusätzlichen Symptomen wie [[Appetitlosigkeit]] (> 80 %), Übelkeit (80 %), Erbrechen (40–50 %) sowie Photophobie (60 %), Phonophobie (50 %) und seltener [[Osmophobie]] (Geruchsempfindlichkeit, <&nbsp;10–30 %) begleitet.<ref name="Evers"/> Der Kranke ist blass und kann äußere Einflüsse wie Licht und Lärm schwer ertragen, da diese seine Beschwerden noch verstärken. Die Dauer der Kopfschmerzphase variiert zwischen 60 Minuten und bis zu drei Tagen in Abhängigkeit von Patient und Migräneform. Kinder haben kürzere Migräneattacken mit eher beidseitiger Lokalisation in der Stirn-Schläfenregion. Als Begleitsymptom treten bei Kindern und Jugendlichen häufiger Geruchsempfindlichkeit, Schwindel und Gleichgewichtsstörungen auf.<ref name="lee"> S.-H. Lee, C. von Stülpnagel, F. Heinen: ''Therapie der Migräne im Kindesalter. Update. '' In: ''Monatsschrift Kinderheilkunde'' 2006; 154:764–772 </ref> Einige Sonderformen der Migräne können ohne Kopfschmerz auftreten. === Rückbildungsphase === In der Rückbildungsphase nehmen der Migränekopfschmerz und die Begleitsymptome bis zur vollständigen Erholung langsam ab. Der Patient fühlt sich müde und abgespannt. Diese Phase kann bis zu 24 Stunden dauern. == Auslösende Faktoren == Da die Prävalenz der Migräne in den Industrieländern in den letzten 40 Jahren um den Faktor zwei bis drei zugenommen hat, kann angenommen werden, dass Umweltfaktoren und Lebensstil eine wesentliche Rolle bei der Entstehung der Migräne spielen. Migräne kann bei empfindlichen Personen durch spezielle Situationen oder Substanzen, sogenannten Triggern ([[Schlüsselreiz]]en), ausgelöst werden. Dazu zählen insbesondere [[hormon]]elle Faktoren, [[Schlaf]], [[Stress]], [[Lebensmittel]] und [[Umweltfaktor]]en.<ref name="pmid18813707">{{cite journal |author=Fukui PT, Gonçalves TR, Strabelli CG, ''et al.'' |title=Trigger factors in migraine patients |journal=Arq Neuropsiquiatr |volume=66 |issue=3A |pages=494–9 |year=2008 |month=September |pmid=18813707 |doi= |url=http://www.scielo.br/scielo.php?script=sci_arttext&pid=S0004-282X2008000400011&lng=en&nrm=iso&tlng=en}}</ref> Diese Auslösefaktoren sind jedoch individuell sehr unterschiedlich und können mit Hilfe eines [[Kopfschmerztagebuch]]s in Erfahrung gebracht werden. Zu den häufigsten Auslösern einer Migräne zählen Stress, unregelmäßiger [[Biorhythmus]] mit [[Schlafmangel]] oder zu viel Schlaf und Umweltfaktoren.<ref name="pmid18813707"/> Bei einigen Migränepatienten folgt ein Migräneanfall erst in der Poststress-Entspannungsphase („Wochenendmigräne“). Neben Geruchsreizen werden oft Wetterschwankungen als äußere Faktoren genannt, die eine Migräneattacke auslösen können. Einer der wichtigsten Triggerfaktoren bei Frauen sind hormonelle Schwankungen. Über die Hälfte aller weiblichen Migränepatienten gibt den [[Menstruationszyklus]] als Auslöser einer Migräne an. Ein Migräneanfall kann insbesondere während der späten lutealen Phase des Zyklus oder während der einnahmefreien Zeit bei der [[Empfängnisverhütung]] mit [[Antibabypille|oraler Kontrazeptiva]] auftreten.<ref name="pmid18256855">{{cite journal |author=Bingel U |title=Migräne und Hormone: Was ist gesichert? |language=German |journal=Schmerz |volume=22 Suppl 1 |issue= |pages=31–6 |year=2008 |month=February |pmid=18256855 |doi=10.1007/s00482-007-0613-9 |url=http://dx.doi.org/10.1007/s00482-007-0613-9}}</ref> Etwa zwei Drittel aller Migränepatienten sehen einen Zusammenhang zwischen dem Konsum bestimmter Lebens- und Genussmittel und dem Auslösen eines Migräneanfalls. Als wichtigster Migränetrigger dieser Gruppe gilt [[Ethanol|Alkohol]]. Darüber hinaus werden insbesondere [[Glutaminsäure|glutamat]]-, [[tyramin]]-, [[histamin]]- und [[serotonin]]haltige Lebens- und Genussmittel, wie [[Rotwein]], [[Schokolade]] und [[Käse]] als Auslösefaktoren genannt. Auch [[Kaffee]] wird häufig als ein Auslösefaktor empfunden.<ref name="pmid18813707"/> Von vielen Patienten wird jedoch ein gesteigerter Appetit auf bestimmte Lebensmittel, der ein bekannter Vorbote einer bereits sich anbahnenden Migräneattacke ist, als Auslösefaktor fehlinterpretiert. Somit werden viele der ernährungsbedingten Faktoren als Ursache überbewertet. Wichtiger erscheint eine regelmäßige Ernährung ohne Auslassen von Mahlzeiten. Auch einige [[Arzneimittel]], insbesondere [[Stickstoffmonoxid]] freisetzende, gefäßerweiternde Substanzen ([[Vasodilatator]]en), können einen Migräneanfall induzieren.<ref name="pmid18789357">{{cite journal |author=Olesen J |title=The role of nitric oxide (NO) in migraine, tension-type headache and cluster headache |journal=Pharmacol. Ther. |volume=120 |issue=2 |pages=157–71 |year=2008 |month=November |pmid=18789357 |doi=10.1016/j.pharmthera.2008.08.003 |url=http://linkinghub.elsevier.com/retrieve/pii/S0163-7258(08)00141-1}}</ref> == Einteilung und Klassifikation == {| class="wikitable float-right" style="border-width:0px" !colspan="2" style="text-align:center" |Klassifikation der Migräne<br />gemäß der Richtlinie der IHS<ref name="IHS"/> |- |1. ||Migräne ohne Aura (Gewöhnliche Migräne) |- |2. ||Migräne mit Aura (Klassische Migräne) |- |2.1. ||Typische Aura mit Migränekopfschmerz |- |2.2. ||Typische Aura mit Nicht-Migränekopfschmerz |- |2.3. ||Typische Aura ohne Kopfschmerz |- |2.4. ||Familiäre hemiplegische Migräne |- |2.5. ||Sporadische hemiplegische Migräne |- |2.6. ||Migräne vom Basilaristyp |- |3. ||Periodische Syndrome in der Kindheit, die im<br />allgemeinen Vorläufer einer Migräne sind |- |3.1. ||Zyklisches Erbrechen |- |3.2. ||Abdominelle Migräne |- |3.3. ||Gutartiger paroxysmaler Schwindel in der Kindheit |- |4. ||Retinale Migräne |- |5. ||Migränekomplikationen |- |5.1. ||Chronische Migräne |- |5.2. ||Status migränosus |- |5.3. ||Persistierende Aura ohne Hirninfarkt |- |5.4. ||Migränöser Infarkt |- |5.5. ||Zerebrale Krampfanfälle, durch Migräne getriggert |- |6. ||Wahrscheinliche Migräne (migräneartige Störung) |- |6.1. ||Wahrscheinliche Migräne ohne Aura |- |6.2. ||Wahrscheinliche Migräne mit Aura |- |6.3. ||Wahrscheinliche chronische Migräne |} Die Migräne ist wie der [[Spannungskopfschmerz]] und der [[Clusterkopfschmerz]] eine primäre Kopfschmerzerkrankung. Das heißt, sie ist nicht die offensichtliche Folge anderer Erkrankungen wie [[Hirntumor]]en, [[Trauma (Medizin)|Hirntraumata]], [[Hirnblutung]]en oder [[Entzündung]]en. Die Klassifikation der Migräne und migräneartiger Erkrankungen gemäß der Richtlinien der [[International Headache Society]] (IHS) erfolgt primär anhand des Auftretens oder der Abwesenheit einer Migräneaura.<ref name="IHS">{{cite journal |last= |first= |author=Olesen J |authorlink= |coauthors=Bousser GM, Diener HC ''et al.'' |date= |year=2004 |month= |day= |title=The international classification of headache disorders - The primary headaches |journal=Cephalalgia |volume=24 |series= |issue=Suppl. 1 |page= |pages=24-136 |publisher= |location= |issn= |pmid= |pmc= |doi= |bibcode= |oclc= |id= |url=http://www3.interscience.wiley.com/cgi-bin/fulltext/121421706/PDFSTART |language= |format= |accessdate= |laysummary= |laysource= |laydate= |quote=}}</ref> === Migräne ohne Aura (Gewöhnliche Migräne) === Die Migräne ohne Aura ist mit etwa 80–85 % der Migräneanfälle die häufigste Form der Migräne. Von einer Migräne ohne Aura kann gesprochen werden, wenn in der Krankengeschichte mindestens fünf Migräneattacken auftraten, bei denen mindestens zwei der vier Hauptkriterien erfüllt sind und der Kopfschmerzphase keine Aura vorausging: * Hemikranie (einseitiger Kopfschmerz), Seitenwechsel ist möglich * mittlere bis starke Schmerzintensität * pulsierender oder pochender Schmerzcharakter * Verstärkung durch körperliche Aktivität Zusätzlich muss mindestens ein vegetatives Symptom, also Übelkeit und optional Erbrechen oder Phono- und Photophobie, vorhanden sein.<ref name="IHS"/> Wenngleich eine Auraphase fehlt, können Vorboten wie Unruhe, Erregungszustände und Stimmungsveränderungen auftreten. Diese zeigen sich einige Stunden bis zwei Tage vor der eigentlichen Attacke. Der Kopfschmerz ist in 2/3 der Fälle halbseitig und pulsierend, verstärkt sich bei körperlicher Aktivität und kann unbehandelt zwischen 4 Stunden und 3 Tagen andauern. Begleitsymptome wie Übelkeit oder Erbrechen (80 %), Lichtempfindlichkeit (60 %), Geräuschempfindlichkeit (50 %) und Geruchsempfindlichkeit (< 30 %) können auftreten.<ref name=däb>A. May: ''Diagnostik und moderne Therapie der Migräne'' Dtsch. Ärztebl. 2006; 103(17):A 1157–66</ref> Bei Kindern kann die Migränedauer verkürzt sein. Dafür ist bei ihnen der Kopfschmerz meist beidseitig lokalisiert. Bei Frauen weist die Migräne ohne Aura oft eine strenge Beziehung zur [[Menstruation]] auf. Neuere Leitlinien unterscheiden daher zwischen einer nicht-menstruellen, einer menstruationsassoziierten und einer rein menstruellen Migräne ohne Aura.<ref name="IHS_Anhang">{{cite journal |last= |first= |author=Olesen J |authorlink= |coauthors=Bousser GM, Diener HC ''et al.'' |date= |year=2004 |month= |day= |title=The international classification of headache disorders - Appendix |journal=Cephalalgia |volume=24 |series= |issue=Suppl. 1 |page= |pages=138-149 |publisher= |location= |issn= |pmid= |pmc= |doi= |bibcode= |oclc= |id= |url=http://www3.interscience.wiley.com/cgi-bin/fulltext/118780028/PDFSTART |language= |format= |accessdate= |laysummary= |laysource= |laydate= |quote=}}</ref> === Migräne mit Aura (Klassische Migräne) === Eine Migräne mit Aura ist durch reversible neurologische Symptome, die Sehstörungen mit Gesichtsfeldausfällen, Skotomen, Lichtblitzen oder Wahrnehmen von bunten, schillernden, gezackten Linien oder Flimmern, Gefühlsstörungen mit Kribbeln oder Taubheitsgefühl und Sprachstörungen einschließen, geprägt. Gelegentlich (6 %) kommt es auch zu motorischen Störungen bis hin zu Lähmungserscheinungen. Diese Aurasymptome halten im Durchschnitt 20–30 Minuten, selten länger als eine Stunde an. Während der Aura bis spätestens 60 Minuten danach tritt zumeist eine Kopfschmerzphase ein, die der Migräne ohne Aura entspricht und von Begleitsymptomen, wie Übelkeit, Erbrechen, Lichtempfindlichkeit und Geräuschempfindlichkeit begleitet sein kann. Diese Kopfschmerzphase kann, wie im Falle der typischen Aura ohne Kopfschmerz, vollständig fehlen. Nach den Kriterien der IHS wird von einer Migräne mit Aura gesprochen, wenn die folgenden Kriterien erfüllt sind:<ref name="IHS"/> * vollständig reversible Sehstörungen, Gefühlsstörungen oder Sprachstörungen * sich langsam entwickelnde oder ablösende Aurasymptome mit einer Dauer von 5-60 min. ==== Typische Aura mit Migränekopfschmerz ==== Die typische Aura mit Migränekopfschmerz ist die häufigste Form der Migräne mit Aura. Daneben folgt bei vielen Patienten der Aura ein Kopfschmerz, der nicht den Kriterien eines Migränekopfschmerzes entspricht. Die Kopfschmerzen sind dann nicht pulsierend, halbseitig und von zusätzlichen Symptomen wie Übelkeit, Erbrechen, Licht- und Geräuschempfindlichkeit begleitet.<ref name="IHS"/> ==== Typische Aura ohne Kopfschmerz ==== Während die meisten Migräneauren von einem Kopfschmerz gefolgt werden, tritt bei einer Minderheit an Patienten eine Aura, die oben genannten Kriterien entspricht, ohne Kopfschmerz auf. Dieser Migränetyp ist besonders bei Männern verbreitet. Darüber hinaus kann bei Migränepatienten mit zunehmenden Alter eine typische Aura mit Migränekopfschmerz in eine typische Aura ohne Migräne übergehen.<ref name="IHS"/> ==== Familiäre hemiplegische Migräne ==== Neben den oben genannten typischen Symptomen einer Migräne mit Aura sind bei der seltenen aber familiär gehäuft auftretenden familiären hemiplegischen Migräne oft motorische Störungen zu beobachten. Auch Symptome, die charakteristisch für eine Migräne vom [[Arteria basilaris|Basilaristyp]] sind, sowie Bewusstseinsstörungen bis zum Koma, [[Fieber]] und Verwirrtheitszustände auftreten. Das wichtigste Kriterium für die Diagnose ist, dass wenigstens ein Verwandter ersten oder zweiten Grades ebenfalls Migräneattacken mit den Symptomen einer familiären hemiplegischen Migräne aufweist.<ref name="IHS"/> Als eine Ursache für die familiäre hemiplegische Migräne konnten bisher drei [[Gendefekt]]e mit Lokalisation auf den [[Chromosom 1 (Mensch)|Chromosomen 1]], [[Chromosom 2 (Mensch)|2]] und [[Chromosom 19 (Mensch)|19]] gefunden werden. Anhand der Lage der Gendefekte kann zwischen den Typen I (FMH1), II (FMH2) und III (FMH3) der familiären hemiplegischen Migräne unterschieden werden.<ref name="pmid18451712">{{cite journal |author=Stam AH, van den Maagdenberg AM, Haan J, Terwindt GM, Ferrari MD |title=Genetics of migraine: an update with special attention to genetic comorbidity |journal=Curr. Opin. Neurol. |volume=21 |issue=3 |pages=288–93 |year=2008 |month=June |pmid=18451712 |doi=10.1097/WCO.0b013e3282fd171a |url=http://meta.wkhealth.com/pt/pt-core/template-journal/lwwgateway/media/landingpage.htm?an=00019052-200806000-00012}}</ref> ==== Sporadische hemiplegische Migräne ==== Die sporadische hemiplegische Migräne gleicht in ihren Symptomen der familiären hemiplegischen Migräne. Das wichtigste Unterscheidungskriterium gegenüber der familiären hemiplegischen Migräne ist das Fehlen von vergleichbaren Fällen in der Verwandtschaft ersten und zweiten Grades. Auch können der sporadischen hemiplegische Migräne keine Gendefekte als Ursache zugeordnet werden. Von einer sporadischen hemiplegische Migräne sind insbesondere Männer betroffen und ihre Häufigkeit ist mit der der familiären hemiplegischen Migräne vergleichbar.<ref name="IHS"/> ==== Migräne vom Basilaristyp ==== Die Migräne vom Basilaristyp, auch Basilarismigräne genannt, tritt gehäuft bei jungen Erwachsenen auf. Die neurologischen Symptome einer Migräne vom Basilaristyp können von den zuvor genannten Aurasymptomen abweichen. Charakteristische Symptome sind Sprachstörungen, [[Vertigo|Schwindel]], [[Tinnitus]], Hörminderung, [[Diplopie|Doppelbilder]], Sehstörungen gleichzeitig sowohl im temporalen als auch im nasalen Gesichtsfeld beider Augen, [[Ataxie]], Bewusstseinsstörung oder gleichzeitige beidseitige [[Parästhesie]]n.<ref name="IHS"/> In Einzelfällen kommt es zu einem [[locked-in-Syndrom]]: vollständige Bewegungslosigkeit bei wachem Bewusstsein für die Dauer von 2 bis 30 Minuten, gelegentlich sind noch vertikale Augenbewegungen möglich ([[Bickerstaff-Syndrom]]). Sowohl die Aurasymptome als auch der Migränekopfschmerz werden meist beidseitig wahrgenommen. Eine namensgebende Beteiligung der [[Arteria basilaris]] wird zwar vermutet, ist aber nicht gesichert. === Retinale Migräne === Charakteristisch für eine [[Netzhaut|retinale]] Migräne sind obligatorisch einseitige auraähnliche visuelle Phänomene, wie Skotome, Flimmern oder Blindheit, die sich auf die Zeit der Migräneattacke beschränken. Während dieser Sehstörungen oder bis zu 60 Minuten danach setzt die Migränekopfschmerzphase ein.<ref name="IHS"/> === Wahrscheinliche Migräne === Von einer wahrscheinlichen Migräne wird gemäß IHS gesprochen, wenn mit Ausnahme von einem Kriterium alle Kriterien für die Diagnose einer Migräne ohne Aura oder einer Migräne mit Aura erfüllt sind. Eine Einstufung als eine wahrscheinliche Migräne sollte auch erfolgen, wenn die zuvor genannten Kriterien einer Migräne mit oder ohne Aura erfüllt wurden, aber auch akut Medikamente in einer Menge eingenommen wurden, die einen medikamenteninduzierten Kopfschmerz nicht ausschließen.<ref name="IHS"/> === Migränekomplikationen === ==== Chronische Migräne ==== Leidet ein Patient an mehr als 15 Tagen im Monat über mehrere Monate (≥ 3) hinweg unter einer Migräne, so spricht man von einer chronischen Migräne. Die chronische Migräne ist oft eine [[Komplikation]] der Migräne ohne Aura und wird in zunehmenden Fällen beobachtet. Von einer chronischen Migräne abzugrenzen ist der ebenfalls chronische Kopfschmerz bei Medikamenteneinnahme, der beispielsweise durch einen Übergebrauch von [[Analgetika]] induziert wird.<ref name="IHS"/> ==== Status migränosus ==== Bei einem Status migränosus geht ein Migräneanfall unmittelbar in den nächsten über oder die Migränesymptome nehmen nach 72 Stunden nicht ab.<ref name="IHS"/> Dem Patienten bleibt kaum Erholungszeit und der Leidensdruck ist dementsprechend hoch. ==== Migränöser Infarkt ==== Der migränose [[Ischämischer Schlaganfall|Infarkt]] ist eine Komplikation einer Migräne mit Aura, wobei die Aurasymptome länger als 60 Minuten andauern. Während eines migränösen Infarktes kann es zu einer Minderdurchblutung bestimmter Gehirnteile und zu dauerhaften Schäden kommen, die mit Hilfe bildgebender Verfahren nachweisbar sind.<ref name="IHS"/> Betroffen sind vor allem Frauen unter 45 Jahren mit Risikofaktoren wie Rauchen, Übergewicht oder Pilleneinnahme, dazu liegt meistens eine Migräne mit Aura vor. ==== Persistierende Aura ohne Infarkt ==== Die seltene persistierende Aura ohne Infarkt ist gekennzeichnet durch Aurasymptome, die länger als eine Woche anhalten. Die Aurasymptome werden meist beidseitig wahrgenommen.<ref name="IHS"/> Im Gegensatz zum migränösen Infarkt wird das Gehirn nicht dauerhaft geschädigt. ==== Migralepsie ==== Unter Migralepsie werden zerebrale Krampfanfälle verstanden, die durch eine Migräne getriggert werden. Sie ist eine Komplikation einer Migräne mit Aura, bei der die komplexen Verbindungen zwischen Migräne und [[Epilepsie]] deutlich werden. Ein epileptischer Anfall wird während oder innerhalb von 60 Minuten nach einer Auraphase ausgelöst.<ref name="IHS"/> == Diagnose == Die Migräne ist eine Erkrankung, die auf Basis der Beschwerden diagnostiziert wird. Die Diagnose einer Migräne erfolgt durch eine Befragung des Patienten mit Erhebung der Krankengeschichte ([[Anamnese (Medizin)|Anamnese]]). Zu diesem Zweck kann auch ein [[Kopfschmerztagebuch]] geführt und der Grad der Beeinträchtigung ([[Migraine Disability Assessment Score]]) dokumentiert werden. Eine allgemeine [[körperliche Untersuchung]] trägt über den Ausschluss anderer Erkrankungen als Kopfschmerzursache ebenfalls der Diagnosefindung bei und spielt eine wichtige Rolle bei der Auswahl der Medikation. Laboruntersuchungen und apparative Untersuchungsmethoden tragen in der Praxis nicht zur direkten Migränediagnose bei, sondern sind nur dann erforderlich, wenn eine andere Erkrankung zweifelsfrei ausgeschlossen werden soll. In erster Linie muss zwischen der Diagnose eines sekundären Kopfschmerzes und einer primären Kopfschmerzerkrankung unterschieden werden. Ein sekundärer Kopfschmerz, der Folge anderer Erkrankungen ist und häufig im Zusammenhang mit Tumoren, Traumata, Blutungen und Entzündungen beobachtet werden kann, muss auf jeden Fall dann in Betracht gezogen werden, wenn Alarmzeichen auftreten. Dazu zählen beispielsweise erstmaliges und plötzliches Auftreten, insbesondere bei kleinen Kindern oder bei Patienten im fortgeschrittenen Alter, kontinuierliche Zunahme der Beschwerden oder Fieber, Hypertonie oder Krampfanfälle als Begleitsymtome. Zu diesem Zweck können neben allgemeinen körperlichen Untersuchungen auch Laboruntersuchungen und apparative Untersuchungen durchgeführt werden. Ist eine sekundäre Ursache ausgeschlossen, kann im Anschluss mit Hilfe der Anamnese zwischen einer Migräne und anderen primären Kopfschmerzformen, wie [[Spannungskopfschmerz]] und [[Cluster-Kopfschmerz]], unterschieden werden. Beispielsweise ist eine Verstärkung der Symptome durch körperliche Aktivität ein wichtiges Unterscheidungsmerkmal zwischen einer Migräne und einem Clusterkopfschmerz. == Pathophysiologie == === Migräneanfall === Der [[Pathomechanismus]] des Migräneanfalls ist nicht völlig aufgeklärt. Mit Hilfe von verschiedenen sich ergänzenden Hypothesen wird versucht, die Entstehung einer Migräne zu beschreiben. Die [[Neurotransmitter]] [[Serotonin]] (5-HT) und [[Glutaminsäure|Glutamat]], das [[Calcitonin Gene-Related Peptide]] (CGRP) und [[Stickstoffmonoxid]] (NO) nehmen in diesen Theorien eine wichtige Rolle ein. ==== Vaskuläre Hypothese ==== Die ''vaskuläre Hypothese'' beruht auf der klassischen Beobachtung, dass [[Blutgefäß]]e des Kopfes während eines Migräneanfalls erweitert sind.<ref name="Graham">{{cite journal |author=Graham JR, Wolff HG |title=Mechanism of migraine headache and action of ergotamine tartrate. |journal=Arch Neurol Psychiatry |volume=39 |issue= |pages=737-763 |year=1938 |month= |pmid= |doi= |url=}}</ref> Die beobachtete Erweiterung der Blutgefäße wird als ein Bestandteil eines [[Reflex]]es angesehen ([[trigeminovaskulärer Reflex]]).<ref name="pmid10027765">{{cite journal |author=May A, Goadsby PJ |title=The trigeminovascular system in humans: pathophysiologic implications for primary headache syndromes of the neural influences on the cerebral circulation |journal=J. Cereb. Blood Flow Metab. |volume=19 |issue=2 |pages=115–27 |year=1999 |month=February |pmid=10027765 |doi=10.1097/00004647-199902000-00001 |url=http://dx.doi.org/10.1097/00004647-199902000-00001}}</ref> In den Wänden dieser Blutgefäße befinden sich Schmerz- und Dehnungsrezeptoren (freie Nervenendigungen) des [[Nervus trigeminus]], die im Falle eines Migräneanfalles aktiviert werden. Eine Projektion der Reizung des Nervus trigeminus über Dehnungsrezeptoren oder [[Chemorezeptor]]en der Blutgefäße im unteren Abschnitt des [[Nervus trigeminus|Nucleus spinalis nervi trigemini]] und darüber hinaus in die [[Großhirnrinde]] wird für das Schmerzempfinden verantwortlich gemacht. Für die beobachteten Begleitsymptome der Migräne wird eine Projektion in den [[Hypothalamus]] (Photophobie, Phonophobie) und in die [[Chemorezeptoren-Triggerzone]] (Übelkeit, Erbrechen) diskutiert. Der pulsierende Charakter des Migränekopfschmerzes lässt sich am besten mit der vaskulären Hypothese erklären. Gestützt wird sie auch durch die Beobachtung, dass sich je nach Prädisposition durch Blutgefäße erweiternde Substanzen ([[Vasodilatator]]en), wie [[Glyceroltrinitrat]], eine Migräne oder ein migräneartiger Kopfschmerz auslösen lässt.<ref name="pmid9523055">{{cite journal |author=Thomsen LL, Olesen J |title=Nitric oxide theory of migraine |journal=Clin. Neurosci. |volume=5 |issue=1 |pages=28–33 |year=1998 |pmid=9523055 |doi= |url=}}</ref> Eine mechanische Kompression der Blutgefäße hingegen führt zu einer Reduktion der Migränesymptome.<ref name="Graham"/> Auch die Migränewirksamkeit aller spezifischen Migränetherapeutika, einschließlich der [[Mutterkornalkaloid]]e, [[Triptan]]e und [[CGRP-Rezeptorantagonist]]en, wird zumindest zum Teil mit einer Kontraktion der Blutgefäße des Kopfes erklärt. Mutterkornalkaloide und Triptane führen über eine Aktivierung von [[Serotonin-Rezeptor]]en des Typs 5-HT<sub>1B</sub> an der Oberfläche der Blutgefäße direkt zu einer Gefäßkontraktion. CGRP-Antagonisten hemmen über eine [[Kompetitiver Antagonismus|Kompetition]] an [[CGRP-Rezeptor]]en die blutgefäßerweiternden Eigenschaften des [[Calcitonin Gene-Related Peptide]]s. Da die Aurasymptome und die Begleitsymptome der Migräne durch die vaskuläre Hypothese nicht oder nur unzureichend erklärt werden können, wird die Migräne heute nicht mehr als eine ursächlich vaskuläre Erkrankung angesehen. ==== Übererregbarkeitshypothese ==== [[Datei:Cortical spreading depression.gif|miniatur|Animation der Streudepolarisation]] Die Beobachtung, dass Patienten, die regelmäßig an Migräne leiden, eine erhöhte Erregbarkeit der Hirnrinde des [[Occipitallappen|Hinterhauptslappens]] (occipitaler Cortex) zeigen, führte zur Postulierung einer weiteren Hypothese (''Übererregbarkeitshypothese''). Diese Übererregbarkeit ist an eine Freisetzung von [[Kalium]]ionen in den [[Extrazellularraum]] gekoppelt. Kaliumionen führen zu einer [[Depolarisation (Physiologie)|Depolarisation]], die sich über einen Bereich der Hirnrinde ausbreitet ([[Streudepolarisierung]] oder Cortical spreading depression). Eine Ausbreitung dieser Depolarisation in das [[Visueller Cortex|Sehzentrum]] wird mit der Entstehung einer visuellen Migräneaura in Verbindung gebracht. Der Migränekopfschmerz wird nach dieser Hypothese im einfachsten Fall mit einer Projektion in bestimmte Anteile des sogenannten [[Nervus trigeminus|sensorischen Trigeminuskerns]] erklärt.<ref name="pmid8382735">{{cite journal |author=Moskowitz MA, Nozaki K, Kraig RP |title=Neocortical spreading depression provokes the expression of c-fos protein-like immunoreactivity within trigeminal nucleus caudalis via trigeminovascular mechanisms |journal=J. Neurosci. |volume=13 |issue=3 |pages=1167–77 |year=1993 |month=March |pmid=8382735 |doi= |url=http://www.jneurosci.org/cgi/pmidlookup?view=long&pmid=8382735}}</ref> Alternativ dazu können hohe Konzentrationen freigesetzter Kaliumionen sowie Glutamat und Stickstoffmonoxid direkt einen Migränekopfschmerz auslösen. Die auffälligen Parallelen zwischen der Entstehung und Ausbreitung einer Migräne und der Pathophysiologie eines [[Epilepsie|epileptischen Anfalls]] werden am besten durch die Übererregbarkeitshypothese beschrieben. ==== Hypothese der neurogenen Entzündung ==== Die ''Hypothese der neurogenen Entzündung'' beruht auf der während eines Migräneanfalls nachgewiesenen Freisetzung von entzündungsvermittelnden Botenstoffen ([[Entzündungsmediator]]en) wie [[Calcitonin Gene-Related Peptide]] (CGRP), [[Substanz P]] und [[Neurokinin A]] aus Nervenendigungen des fünften Hirnnerves ([[Nervus trigeminus]]).<ref name="pmid8389008">{{cite journal |author=Moskowitz MA |title=Neurogenic inflammation in the pathophysiology and treatment of migraine |journal=Neurology |volume=43 |issue=6 Suppl 3 |pages=S16–20 |year=1993 |month=June |pmid=8389008 |doi= |url=}}</ref> Insbesondere das CGRP, das während einer Migräneattacke vermehrt im [[Blutplasma]] nachgewiesen werden kann<ref name="pmid">{{cite journal |author=Goadsby PJ, Edvinsson L, Ekman R |title=Vasoactive peptide release in the extracerebral circulation of humans during migraine headache |journal=Ann. Neurol. |volume=28 |issue=2 |pages=183–7 |year=1990 |month=August |pmid= |doi=10.1002/ana.410280213 |url=}}</ref>, spielt eine zentrale Rolle und bewirkt eine sogenannte „sterile neurogene Entzündung“ mit einer Aktivierung von [[Mastzelle]]n. Als Folge können eine Erweiterung der Blutgefäße ([[Vasodilatation]]), eine Rekrutierung von [[Leukozyt]]en und eine Gefäßpermeabilitätserhöhung mit [[Ödem]]bildung beobachtet werden.<ref name="pmid16362644">{{cite journal |author=Geppetti P, Capone JG, Trevisani M, Nicoletti P, Zagli G, Tola MR |title=CGRP and migraine: neurogenic inflammation revisited |journal=J Headache Pain |volume=6 |issue=2 |pages=61–70 |year=2005 |month=April |pmid=16362644 |doi=10.1007/s10194-005-0153-6 |url=http://dx.doi.org/10.1007/s10194-005-0153-6}}</ref> Eine Aktivierung von [[Metalloproteasen|Matrixmetalloproteasen]] kann zusätzlich die Durchlässigkeit der [[Blut-Hirn-Schranke]] für Proteine und Peptide steigern.<ref name="pmid15146242">{{cite journal |author=Gursoy-Ozdemir Y, Qiu J, Matsuoka N, ''et al.'' |title=Cortical spreading depression activates and upregulates MMP-9 |journal=J. Clin. Invest. |volume=113 |issue=10 |pages=1447–55 |year=2004 |month=May |pmid=15146242 |pmc=406541 |doi=10.1172/JCI21227 |url=http://dx.doi.org/10.1172/JCI21227}}</ref> Sowohl die Vasodilatation als auch die Permeabilitätserhöhung mit Ödembildung werden als Ursachen des Migränekopfschmerzes diskutiert. ==== Genetische Ursachen ==== Da einige Formen der Migräne familiär gehäuft auftreten, liegt die Vermutung nahe, dass bei der Migräne [[Gen]]defekte eine Rolle spielen können. Im Falle der familiären hemiplegischen Migräne wurden mindestens drei verschiedene Gendefekte als mögliche Ursachen identifiziert. Beim Typ I der familiären hemiplegischen Migräne (FHM1) finden sich [[Mutation]]en im CACNA1A Gen auf Chromosom 19. Dieses Gen codiert eine Untereinheit des [[Spannungsabhängiger L-Typ-Calciumkanal|spannungsabhängigen L-Typ-Calciumkanals]]. Mutationen im ATP1A2 Gen auf dem Chromosom 1, welches eine Untereinheit der [[Natrium-Kalium-ATPase]], eine [[Ionenpumpe]], codiert, sind die genetische Ursache für den Typ II (FHM2). Die Ursache für den Typ III der familiären hemiplegischen Migräne (FHM3) ist ein durch Mutationen im SCN1A-Gen auf dem Chromosom 2 verursachter Defekt eines [[Natriumkanal|spannungsabhängigen Natriumkanals]].<ref name="pmid18451712"/> Alle drei beschriebenen Gendefekte werden auch mit dem Auftreten einer Epilepsie assoziiert.<ref name="pmid18759542">{{cite journal |author=Haan J, van den Maagdenberg AM, Brouwer OF, Ferrari MD |title=Migraine and epilepsy: genetically linked? |journal=Expert Rev Neurother |volume=8 |issue=9 |pages=1307–11 |year=2008 |month=September |pmid=18759542 |doi=10.1586/14737175.8.9.1307 |url=http://www.future-drugs.com/doi/abs/10.1586/14737175.8.9.1307?url_ver=Z39.88-2003&rfr_id=ori:rid:crossref.org&rfr_dat=cr_pub%3dncbi.nlm.nih.gov}}</ref> Für ein gehäuftes Auftreten der Migräne mit Aura bei Patienten mit einem [[Atriumseptumdefekt|persistierenden Foramen Ovale]] werden ebenfalls genetische Defekte als Ursachen beider Krankheiten diskutiert. Gendefekte werden auch als Ursachen für eine [[Komorbidität]] von Migräne und [[Depression]] vermutet.<ref name="pmid18958572">{{cite journal |author=Diener HC, Küper M, Kurth T |title=Migraine-associated risks and comorbidity |journal=J. Neurol. |volume=255 |issue=9 |pages=1290–301 |year=2008 |month=September |pmid=18958572 |doi=10.1007/s00415-008-0984-6 |url=http://dx.doi.org/10.1007/s00415-008-0984-6}}</ref> == Behandlung und Vorbeugung == Die Migräne ist eine Erkrankung, die derzeit durch medizinische Maßnahmen nicht heilbar ist. Die Intensität der Migräneanfälle und die Anfallshäufigkeit kann durch geeignete Maßnahmen reduziert werden. === Akuttherapie === Nach Empfehlung der [[Deutsche Migräne- und Kopfschmerz-Gesellschaft|Deutschen Migräne- und Kopfschmerz-Gesellschaft]] (DMKG) können zur Akutbehandlung des Migränekopfschmerzes einerseits unspezifisch Schmerz- und Entzündungsprozesse hemmende Schmerzmittel aus der Gruppe der [[Nichtopioid-Analgetikum|Nichtopioid-Analgetika]] (zum Beispiel [[Acetylsalicylsäure]], [[Paracetamol]] und [[Ibuprofen]]) und andererseits spezifische Migränetherapeutika aus den Gruppen der [[Triptan]]e (zum Beispiel [[Sumatriptan]], [[Naratriptan]] und [[Eletriptan]]) als Mittel der ersten Wahl eingesetzt werden. ==== Nichtopioid-Analgetika ==== [[Datei:Aspirine-Structure new.png|miniatur|hochkant|Strukturformel von Acetylsalicylsäure]] Die Nichtopioid-Analgetika Acetylsalicylsäure, [[Ibuprofen]], [[Naproxen]], [[Diclofenac]] und [[Paracetamol]] sind insbesondere bei einer leichten bis mittelschweren Migräne indiziert und gelten dafür als Mittel der ersten Wahl. Auch eine Kombination aus Acetylsalicylsäure, Paracetamol und [[Coffein]], die wirksamer ist als die Einzelsubstanzen<ref name="pmid16162254">{{cite journal |author=Diener HC, Pfaffenrath V, Pageler L, Peil H, Aicher B |title=The fixed combination of acetylsalicylic acid, paracetamol and caffeine is more effective than single substances and dual combination for the treatment of headache: a multicentre, randomized, double-blind, single-dose, placebo-controlled parallel group study |journal=Cephalalgia |volume=25 |issue=10 |pages=776–87 |year=2005 |month=October |pmid=16162254 |doi=10.1111/j.1468-2982.2005.00948.x |url=http://www3.interscience.wiley.com/resolve/openurl?genre=article&sid=nlm:pubmed&issn=0333-1024&date=2005&volume=25&issue=10&spage=776}}</ref> oder Ibuprofen,<ref name="goldstein"> J. Goldstein et al.: ''Acetaminophen, aspirin, and caffeine in combination versus ibuprofen for acute migraine: results from a multicenter, double-blind, randomized, parallel-group, single-dose, placebo-controlled study. '' In: ''Headache'' 2006; 46:444–453 PMID 16618262 </ref> wird von der DMKG als Mittel der ersten Wahl empfohlen.<ref name="Evers">{{cite journal |author=Evers S, May A, Fritsche G, Kropp P, Lampl C, Limmroth V, Malzacher V, Sandor S, Straube A, Diener HC |title=Akuttherapie und Prophylaxe der Migräne - Leitlinie der Deutschen Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft und der Deutschen Gesellschaft für Neurologie |journal=Nervenheilkunde |volume=27 |issue=10 |pages=933–949 |year=2008 |url=http://www.dmkg.de/pdf/migrneleitlinien2008.pdf}}</ref> Die Migränewirksamkeit von [[Phenazon]] und [[Metamizol]] gilt hingegen als weniger gut dokumentiert. In klinischen Studien haben sich darüber hinaus die [[COX-2-Hemmer]] [[Valdecoxib]] und das auf Grund seiner Herz-Kreislauf-Nebenwirkungen vom Markt genommene [[Rofecoxib]] als effektiv zur Behandlung akuter Migräneattacken erwiesen.<ref name="pmid16178945">{{cite journal |author=Kudrow D, Thomas HM, Ruoff G, ''et al'' |title=Valdecoxib for treatment of a single, acute, moderate to severe migraine headache |journal=Headache |volume=45 |issue=9 |pages=1151–62 |year=2005 |month=October |pmid=16178945 |doi=10.1111/j.1526-4610.2005.00238.x |url=http://www3.interscience.wiley.com/resolve/openurl?genre=article&sid=nlm:pubmed&issn=0017-8748&date=2005&volume=45&issue=9&spage=1151}}</ref><ref name="pmid15136680">{{cite journal |author=Silberstein S, Tepper S, Brandes J, ''et al'' |title=Randomized, placebo-controlled trial of rofecoxib in the acute treatment of migraine |journal=Neurology |volume=62 |issue=9 |pages=1552–7 |year=2004 |month=May |pmid=15136680 |doi= |url=http://www.neurology.org/cgi/pmidlookup?view=long&pmid=15136680}}</ref> Eine arzneimittelrechtliche Zulassung für die Verwendung als Migränetherapeutika besteht jedoch nicht. Generell besteht bei länger andauernder oder gar dauerhafter Anwendung von Nichtopioid-Analgetika die Gefahr eines [[Medikamentinduzierter Kopfschmerz|medikamenteninduzierten Kopfschmerzes]]. Um schnell zu wirken und die ohnehin bei Migräne oft bestehende Übelkeit nicht zusätzlich zu verstärken, werden viele Nichtopioid-Analgetika in einer schnell verfügbaren und als magenfreundlich geltenden Darreichungsform angeboten. Dazu zählen beispielsweise gepufferte [[Brausetablette]]n. Ist eine orale Anwendung eines Nichtopioid-Analgetikums nicht möglich, so steht beispielsweise [[Paracetamol]] als Zäpfchen ([[Suppositorium]]) zur rektalen Anwendung zur Verfügung. Metamizol, Acetylsalicylsäure sowie Paracetamol sind darüberhinaus auch als intravenöse Infusion erhältlich. ==== Triptane ==== [[Datei:Sumatriptan.svg|miniatur|Strukturformel des Triptans Sumatriptan]] Seit den 1990er Jahren stehen 5-HT<sub>1B/1D</sub>-Rezeptoragonisten aus der Gruppe der Triptane für die Therapie der Migräne zur Verfügung. Deren Vertreter unterscheiden sich voneinander in ihrer [[Pharmakokinetik]], insbesondere in ihrer [[Bioverfügbarkeit]], ihrer ZNS-Gängigkeit und ihrer [[Plasmahalbwertszeit|Halbwertzeit]]. Darüber hinaus werden Triptane in unterschiedlichen Darreichungsformen, wie beispielsweise als [[Schmelztablette]]n, Suppositorien, [[Nasenspray]]s und Injektionen zur [[subkutan]]en Anwendung, angeboten. Triptane sollten rechtzeitig während eines Migräneanfalls eingenommen (und gegebenenfalls nachdosiert) werden, da sich sonst ihre Wirksamkeit verringert. Bei Daueranwendung hingegen besteht die Gefahr der Entwicklung eines arzneimittelinduzierten Kopfschmerzes. Bei Nichtansprechen auf ein Triptan kann ein anderer Vertreter dieser Gruppe dennoch wirksam sein.<ref name="Evers"/> ==== Mutterkornalkaloide ==== [[Datei:Ergotamine.svg‎|miniatur|Strukturformel von Ergotamin]] [[Mutterkornalkaloide]], wie [[Ergotamin]], die mit der Einführung der Triptane ihre frühere Bedeutung verloren haben, können ebenfalls in der Akuttherapie der Migräne eingesetzt werden. Die Migränewirkung der Mutterkornalkaloide wird, wie im Falle der Triptane, über einen Agonismus am 5-HT<sub>1B/1D</sub>-Rezeptor erklärt. Ihre Migränewirksamkeit ist zwar seit über einem Jahrhundert dokumentiert, jedoch lässt sie sich auf Grund eines weitgehenden Mangels moderner prospektiver klinischer Studien schlecht einschätzen.<ref name="pmid10611116">{{cite journal |author=Tfelt-Hansen P, Saxena PR, Dahlöf C, ''et al'' |title=Ergotamine in the acute treatment of migraine: a review and European consensus |journal=Brain |volume=123 ( Pt 1) |issue= |pages=9–18 |year=2000 |month=January |pmid=10611116 |doi= |url=http://brain.oxfordjournals.org/cgi/pmidlookup?view=long&pmid=10611116}}</ref> Im Vergleich zu Triptanen sind Mutterkornalkaloide weniger wirksam.<ref name="pmid11844898">{{cite journal |author=Diener HC, Jansen JP, Reches A, Pascual J, Pitei D, Steiner TJ |title=Efficacy, tolerability and safety of oral eletriptan and ergotamine plus caffeine (Cafergot) in the acute treatment of migraine: a multicentre, randomised, double-blind, placebo-controlled comparison |journal=Eur. Neurol. |volume=47 |issue=2 |pages=99–107 |year=2002 |pmid=11844898 |doi= |url=http://content.karger.com/produktedb/produkte.asp?typ=fulltext&file=ene47099}}</ref> Darüber hinaus besitzen sie ein deutlich breiteres Nebenwirkungsspektrum, das insbesondere vaskuläre Ereignisse, wie Durchblutungsstörungen, aber auch Muskelkrämpfe und arzneimittelinduzierten Kopfschmerz umfassen. Daher gelten Mutterkornalkaloide als Mittel der zweiten Wahl, deren Anwendung bei länger andauernden Migräneattacken und bei bereits erfolgreicher Anwendung von Mutterkornalkaloiden in der Krankengeschichte angezeigt sein kann.<ref name="Evers"/> ==== Antiemetika ==== Eine Kombination von Analgetika oder spezifischen Migränetherapeutika mit einem [[Antiemetikum]] oder [[Prokinetikum]] wie [[Metoclopramid]] oder [[Domperidon]] kann sinnvoll sein, da durch diese nicht nur die gastrointestinalen Begleitsymptome der Migräne (Übelkeit, Erbrechen) beseitigt werden, sondern auch die Aufnahme des Analgetikums gefördert wird. Die Wirksamkeit von Metoclopramid ist in diesem Zusammenhang besser belegt als die von Domperidon.<ref name="Evers"/> ==== Sonstige Therapeutika ==== Erfolgreiche Therapieversuche und Hinweise auf eine Wirksamkeit in kleineren klinischen Studien wurden auch für andere Therapeutika dokumentiert. Eine Wirksamkeit bei akuten Migräneattacken konnte auch für das [[Antikonvulsivum|Antiepileptikum]] [[Valproinsäure]] gezeigt werden.<ref name="pmid11903525">{{cite journal |author=Edwards KR, Norton J, Behnke M |title=Comparison of intravenous valproate versus intramuscular dihydroergotamine and metoclopramide for acute treatment of migraine headache |journal=Headache |volume=41 |issue=10 |pages=976–80 |year=2001 |pmid=11903525 |doi= |url=http://www3.interscience.wiley.com/resolve/openurl?genre=article&sid=nlm:pubmed&issn=0017-8748&date=2001&volume=41&issue=10&spage=976}}</ref><ref name="pmid15663612">{{cite journal |author=Leniger T, Pageler L, Stude P, Diener HC, Limmroth V |title=Comparison of intravenous valproate with intravenous lysine-acetylsalicylic acid in acute migraine attacks |journal=Headache |volume=45 |issue=1 |pages=42–6 |year=2005 |month=January |pmid=15663612 |doi=10.1111/j.1526-4610.2005.05009.x |url=http://www3.interscience.wiley.com/resolve/openurl?genre=article&sid=nlm:pubmed&issn=0017-8748&date=2005&volume=45&issue=1&spage=42}}</ref> Eine arzneimittelrechtliche Zulassung von Valproinsäure zur Akutbehandlung der Migräne besteht jedoch nicht. Berichte über eine erfolgreiche Akutbehandlung einer ansonsten therapieresistenten Migräne schließen [[Glucocorticoide|Kortikoide]], wie [[Dexamethason]], ein. Wenngleich kein gesicherter Hinweis auf eine direkte Wirkung von Kortikoiden auf den Migräneschmerz besteht, sollen diese die Wirksamkeit von Triptanen erhöhen<ref name="pmid19031496">{{cite journal |author=Bigal M, Sheftell F, Tepper S, Tepper D, Ho TW, Rapoport A |title=A randomized double-blind study comparing rizatriptan, dexamethasone, and the combination of both in the acute treatment of menstrually related migraine |journal=Headache |volume=48 |issue=9 |pages=1286–93 |year=2008 |month=October |pmid=19031496 |doi= |url=http://www3.interscience.wiley.com/resolve/openurl?genre=article&sid=nlm:pubmed&issn=0017-8748&date=2008&volume=48&issue=9&spage=1286}}</ref> und können zudem die Rekurrenzrate von Migräneattacken reduzieren.<ref name="pmid18541610">{{cite journal |author=Colman I, Friedman BW, Brown MD, ''et al'' |title=Parenteral dexamethasone for acute severe migraine headache: meta-analysis of randomised controlled trials for preventing recurrence |journal=BMJ |volume=336 |issue=7657 |pages=1359–61 |year=2008 |month=June |pmid=18541610 |pmc=2427093 |doi=10.1136/bmj.39566.806725.BE |url=http://bmj.com/cgi/pmidlookup?view=long&pmid=18541610}}</ref> Die in der Schmerztherapie etablierten [[Opioide]] gelten bei der Behandlung der Migräne als nur beschränkt wirksam. Eine Kombination aus [[Tramadol]] und Paracetamol zeigte sich in einer klinischen Studie als wirksam zur Behandlung des Migränekopfschmerzes, der Phonophobie und der Photophobie.<ref name="pmid16324164">{{cite journal |author=Silberstein SD, Freitag FG, Rozen TD, ''et al'' |title=Tramadol/acetaminophen for the treatment of acute migraine pain: findings of a randomized, placebo-controlled trial |journal=Headache |volume=45 |issue=10 |pages=1317–27 |year=2005 |pmid=16324164 |doi=10.1111/j.1526-4610.2005.00264.x |url=http://www3.interscience.wiley.com/resolve/openurl?genre=article&sid=nlm:pubmed&issn=0017-8748&date=2005&volume=45&issue=10&spage=1317}}</ref> Dennoch gilt auf Grund des Übelkeit und Erbrechen einschließenden Nebenwirkungsspektrums, das die Symptomatik der Migräne noch verstärkt, und der verstärkten Gefahr eines medikamenteninduzierten Kopfschmerzes die Anwendung als nicht empfehlenswert.<ref name="Evers"/> ==== Nichtmedikamentöse Methoden ==== Als nichtmedikamentöse Methoden gelten Reizabschirmung durch [[Stille|Ruhe]] in einem geräuscharmen, abgedunkelten Raum, [[Aromatherapie]], Pfefferminzöleinreibungen auf die Stirn und [[Autogenes Training]]. Diese Verfahren sind jedoch nicht ausreichend evaluiert. === Prophylaxe === Das Ziel der Migräneprophylaxe ist, die Häufigkeit oder die Schwere von Migräneattacken bereits vor ihrer Entstehung zu senken. Diese ist insbesondere dann angezeigt, wenn der Patient einen starken Leidensdruck oder starke Einschränkungen der Lebensqualität durch die Migräne erfährt. Eine Nutzen-Risiko-Abwägung sollte durchgeführt werden. Ein positives Nutzen-Risiko-Verhältnis kann insbesondere dann vorliegen, wenn der Patient besonders häufig unter Migräne leidet (mehr als drei Attacken pro Monat), Migräneattacken regelmäßig länger andauern (drei Tage oder länger), die Migräne nicht zufriedenstellend mit Standardtherapeutika behandelt werden kann oder schwer zu behandelnde Sonderformen und Komplikationen der Migräne vorliegen.<ref name="Evers"/> Zur Migräneprophylaxe stehen insbesondere Arzneistoffe zur Verfügung, die nicht gezielt als Migräneprophylkatika sondern für verschiedene andere Anwendungsgebiete, wie beispielsweise die Behandlung des [[Arterielle Hypertonie|Bluthochdrucks]] oder der [[Epilepsie]], entwickelt wurden. Für diese Arzneistoffe konnte nachträglich eine migräneprophylaktische Wirkung belegt werden. ==== Betablocker ==== [[Datei:Metoprolol structure.svg|miniatur|Strukturformel des Betablockers Metoprolol]] Leitlinienübergreifend gelten [[Betablocker]] als Mittel der ersten Wahl für die Migräneprophylaxe. Am besten ist die prophylaktische Wirkung für [[Metoprolol]] und [[Propranolol]] belegt. Diese Wirksamkeit wird direkt auf eine Hemmung von [[Beta-Adrenozeptoren|β-Adrenozeptoren]] des Zentralnervensystems zurückgeführt<ref name="pmid15574468">{{cite journal |author=Shields KG, Goadsby PJ |title=Propranolol modulates trigeminovascular responses in thalamic ventroposteromedial nucleus: a role in migraine? |journal=Brain |volume=128 |issue=Pt 1 |pages=86–97 |year=2005 |month=January |pmid=15574468 |doi=10.1093/brain/awh298 |url=http://brain.oxfordjournals.org/cgi/pmidlookup?view=long&pmid=15574468}}</ref> und nicht, wie ursprünglich angenommen, auf eine von einigen Betablockern vermittelte zusätzliche Hemmung von [[5-HT-Rezeptor|Serotonin-Rezeptoren]].<ref name="pmid2576893">{{cite journal |author=Nishio H, Nagakura Y, Segawa T |title=Interactions of carteolol and other beta-adrenoceptor blocking agents with serotonin receptor subtypes |journal=Arch Int Pharmacodyn Ther |volume=302 |issue= |pages=96–106 |year=1989 |pmid=2576893 |doi= |url=}}</ref> Somit kann eine Wirksamkeit auch für andere Betablocker angenommen werden. In kleineren oder älteren klinischen Studien haben sich beispielsweise auch [[Bisoprolol]],<ref>{{cite journal |author=Wörz R, Reinhardt-Benmalek B, Grotemeyer KH |title=Bisoprolol and metoprolol in the prophylactic treatment of migraine with and without aura - a randomized double-blind cross-over multicenter study |journal=Cephalalgia |year=1991 |volume=11 |issue=Suppl. 11 |pages=152–153}}</ref> [[Atenolol]]<ref name="pmid3308768">{{cite journal |author=Johannsson V, Nilsson LR, Widelius T, ''et al'' |title=Atenolol in migraine prophylaxis a double-blind cross-over multicentre study |journal=Headache |volume=27 |issue=7 |pages=372–4 |year=1987 |month=July |pmid=3308768 |doi= |url=}}</ref> oder [[Timolol]]<ref name="pmid3553070">{{cite journal |author=Gallagher RM, Stagliano RA, Sporazza C |title=Timolol maleate, a beta blocker, in the treatment of common migraine headache |journal=Headache |volume=27 |issue=2 |pages=84–6 |year=1987 |month=February |pmid=3553070 |doi= |url=}}</ref> als wirksame Migräneprophylaktika erwiesen. Betablocker sind insbesondere dann angezeigt, wenn der Patient zusätzlich unter Bluthochdruck, einem primären Anwendungsgebiet der Betablocker, leidet. ==== Calciumantagonisten ==== Eine migräneprophylaktische Wirkung des nicht selektiven [[Calciumantagonist]]en [[Flunarizin]] gilt ebenfalls als sehr gut belegt. Daher wird auch dieser Arzneistoff von internationalen Gremien als Mittel der ersten Wahl eingestuft.<ref name="pmid10993991">{{cite journal |author=Silberstein SD |title=Practice parameter: evidence-based guidelines for migraine headache (an evidence-based review): report of the Quality Standards Subcommittee of the American Academy of Neurology |journal=Neurology |volume=55 |issue=6 |pages=754–62 |year=2000 |month=September |pmid=10993991 |doi= |url=http://www.neurology.org/cgi/pmidlookup?view=long&pmid=10993991}}</ref><ref name="pmid16796580">{{cite journal |author=Evers S, Afra J, Frese A, ''et al'' |title=EFNS guideline on the drug treatment of migraine - report of an EFNS task force |journal=Eur. J. Neurol. |volume=13 |issue=6 |pages=560–72 |year=2006 |month=June |pmid=16796580 |doi=10.1111/j.1468-1331.2006.01411.x |url=http://www3.interscience.wiley.com/resolve/openurl?genre=article&sid=nlm:pubmed&issn=1351-5101&date=2006&volume=13&issue=6&spage=560}}</ref> Für andere Calciumkanalblocker, wie [[Verapamil]] oder [[Cyclandelat]], liegen keine konsistenten Daten über eine migräneprophylaktische Wirksamkeit vor. Ein Klasseneffekt kann daher nicht angenommen werden. ==== Antiepileptika ==== [[Datei:Valproic-acid-2D-skeletal.png|miniatur|hochkant|Strukturformel des Antiepileptikums Valproinsäure]] Viele [[Antikonvulsivum|Antiepileptika]] sind nicht nur in der Lage die Häufigkeit epileptischer Anfälle zu reduzieren, sondern führen zusätzlich zu einem Rückgang der Frequenz von Migräneanfällen. Am besten von diesen Substanzen ist die Migräneprophlaktische Wirkung für [[Valproinsäure]] und [[Topiramat]] dokumentiert. Unter Berücksichtigung des Nebenwirkungsspektrums gelten diese Substanzen ebenfalls als Mittel der ersten Wahl, wenn keine Betablocker eingesetzt werden können.<ref name="Evers"/> Die Anwendung von Valproinsäure in der Migräneprophylaxe entspricht in Deutschland, nicht aber in vielen anderen Staaten, einem ''[[Off-Label-Use]]'', da kein valproinsäurehaltiges Präparat für diese Indikation zugelassen ist. Basierend auf Daten aus einer einzelnen klinischen Studie mit [[Gabapentin]], in der eine leichte Reduktion der Migränehäufigkeit beobachtet wurde,<ref name="pmid11251695">{{cite journal |author=Mathew NT, Rapoport A, Saper J, ''et al'' |title=Efficacy of gabapentin in migraine prophylaxis |journal=Headache |volume=41 |issue=2 |pages=119–28 |year=2001 |month=February |pmid=11251695 |doi= |url=http://www3.interscience.wiley.com/resolve/openurl?genre=article&sid=nlm:pubmed&issn=0017-8748&date=2001&volume=41&issue=2&spage=119}}</ref> gilt dieser Arzneistoff als Mittel der dritten Wahl.<ref name="pmid16796580"/> Für das Antiepileptikum [[Lamotrigin]] hingegen konnte keine migräneprophylaktische Wirkung, jedoch eine Reduktion des Auftretens einer Aura beobachtet werden.<ref name="pmid15546267">{{cite journal |author=Pascual J, Caminero AB, Mateos V, ''et al'' |title=Preventing disturbing migraine aura with lamotrigine: an open study |journal=Headache |volume=44 |issue=10 |pages=1024–8 |year=2004 |pmid=15546267 |doi=10.1111/j.1526-4610.2004.04198.x |url=http://www3.interscience.wiley.com/resolve/openurl?genre=article&sid=nlm:pubmed&issn=0017-8748&date=2004&volume=44&issue=10&spage=1024}}</ref> Für andere Antiepileptika liegen keine ausreichenden Daten über ihre migräneprophylaktische Wirksamkeit vor oder sie haben sich, wie im Fall von [[Oxcarbazepin]],<ref name="pmid18268247">{{cite journal |author=Silberstein S, Saper J, Berenson F, Somogyi M, McCague K, D'Souza J |title=Oxcarbazepine in migraine headache: a double-blind, randomized, placebo-controlled study |journal=Neurology |volume=70 |issue=7 |pages=548–55 |year=2008 |month=February |pmid=18268247 |doi=10.1212/01.wnl.0000297551.27191.70 |url=http://www.neurology.org/cgi/pmidlookup?view=long&pmid=18268247}}</ref> als unwirksam erwiesen. ==== Sonstige Therapeutika ==== [[Datei:Butterbur.jpg|miniatur|Pestwurz]] Für das [[Antidepressivum]] [[Amitriptylin]] konnte in einer Vielzahl klinischer Studien eine migräneprophylaktische Wirkung gezeigt werden. Daher wird Amitriptylin in der Migräneprophylaxe als Mittel der ersten oder zweiten Wahl eingestuft.<ref name="pmid10993991"/><ref name="Evers"/> Die für Amitriptylin beobachtete prophylaktische Migränewirksamkeit lässt sich jedoch nicht auf andere Antidepressiva übertragen.<ref name="pmid16796580"/> Eine migräneprophylaktische Wirkung konnte auch für das langwirksame Nichtopioid-Analgetikum [[Naproxen]] gezeigt werden.<ref name="pmid4022376">{{cite journal |author=Welch KM, Ellis DJ, Keenan PA |title=Successful migraine prophylaxis with naproxen sodium |journal=Neurology |volume=35 |issue=9 |pages=1304–10 |year=1985 |month=September |pmid=4022376 |doi= |url=}}</ref> Demgegenüber liegen für andere Nichtopioid-Analgetika keine konsistenten Daten über eine Migräne vorbeugende Wirkung vor. Hinzu kommt die bei Daueranwendung bestehende Gefahr der Entwicklung eines medikamenteninduzierten Kopfschmerzes. Nichtopioid-Analgetika gelten daher in der Migräneprophylaxe als Mittel der zweiten oder dritten Wahl.<ref name="pmid10993991"/><ref name="pmid16796580"/> Als Mittel der dritten Wahl gelten die [[Antihypertonikum|Antihypertensiva]] [[Lisinopril]] und [[Candesartancilexetil|Candesartan]], die sich in Pilotstudien als wirksam erwiesen.<ref name="pmid16796580"/> Gleichfalls kann möglicherweise eine prophylaktische Anwendung mit [[Botulinumtoxin]] die Häufigkeit von Migräneattaken reduzieren. Der Wert von Mutterkornalkaloiden, wie beispielsweise [[Dihydroergotamin]], ist trotz einer arzneimittelrechtlichen Zulassung zur Migräneprophylaxe strittig. Als unwirksam hat sich der für diese Indikation entwickelte [[Neurokininrezeptor]]-Antagonist [[Lanepitant]] erwiesen.<ref name="pmid11422091">{{cite journal |author=Goldstein DJ, Offen WW, Klein EG, ''et al'' |title=Lanepitant, an NK-1 antagonist, in migraine prevention |journal=Cephalalgia |volume=21 |issue=2 |pages=102–6 |year=2001 |month=March |pmid=11422091 |doi= |url=http://www3.interscience.wiley.com/resolve/openurl?genre=article&sid=nlm:pubmed&issn=0333-1024&date=2001&volume=21&issue=2&spage=102}}</ref> Die über eine Hemmung von Serotonin-Rezeptoren wirkenden Arzneistoffe [[Methysergid]] und [[Pizotifen]] sind hingegen migräneprophylaktisch wirksam. Auf Grund ihrer schweren Nebenwirkungen haben sie jedoch keine therapeutische Relevanz mehr. Die migräneprophylaktische Wirksamkeit des traditionell angewendeten [[Phytopharmakon]]s [[Pestwurz]] konnte mit Hilfe klinischer Studien belegt werden und wird als Mittel der zweiten Wahl eingestuft.<ref name="pmid14752215">{{cite journal |author=Diener HC, Rahlfs VW, Danesch U |title=The first placebo-controlled trial of a special butterbur root extract for the prevention of migraine: reanalysis of efficacy criteria |journal=Eur. Neurol. |volume=51 |issue=2 |pages=89–97 |year=2004 |pmid=14752215 |doi=10.1159/000076535 |url=http://content.karger.com/produktedb/produkte.asp?typ=fulltext&file=ENE2004051002089}}</ref><ref name="pmid15623680">{{cite journal |author=Lipton RB, Göbel H, Einhäupl KM, Wilks K, Mauskop A |title=Petasites hybridus root (butterbur) is an effective preventive treatment for migraine |journal=Neurology |volume=63 |issue=12 |pages=2240–4 |year=2004 |month=December |pmid=15623680 |doi= |url=http://www.neurology.org/cgi/pmidlookup?view=long&pmid=15623680}}</ref> Eine marginale Wirksamkeit konnte ebenfalls für einen [[Kohlenstoffdioxid|CO<sub>2</sub>]]-Extrakt aus Mutterkraut belegt werden. Inwieweit diese Wirksamkeit auf andere Extrakte übertragen werden kann ist fraglich.<ref>Pittler MH, Ernst E. Feverfew for preventing migraine. ''Cochrane database of systematic reviews'' 2004: CD002286</ref> Schlechter belegt ist eine mögliche Wirksamkeit von [[Ubichinon|Coenzym Q<sub>10</sub>]], hochdosiertem [[Magnesium]] (580 mg) und hochdosiertem [[Riboflavin]] (400 mg). [[Homöopathie|Homöopathische]] Migräneprophylaxen zeigen keine über einen [[Placebo]]effekt hinausgehende Wirkungen.<ref name="pmid9137850">{{cite journal |author=Walach H, Haeusler W, Lowes T, ''et al'' |title=Classical homeopathic treatment of chronic headaches |journal=Cephalalgia |volume=17 |issue=2 |pages=119–26; discussion 101 |year=1997 |month=April |pmid=9137850 |doi= |url=http://www3.interscience.wiley.com/resolve/openurl?genre=article&sid=nlm:pubmed&issn=0333-1024&date=1997&volume=17&issue=2&spage=119}}</ref><ref name="pmid9251877">{{cite journal |author=Whitmarsh TE, Coleston-Shields DM, Steiner TJ |title=Double-blind randomized placebo-controlled study of homoeopathic prophylaxis of migraine |journal=Cephalalgia |volume=17 |issue=5 |pages=600–4 |year=1997 |month=August |pmid=9251877 |doi= |url=http://www3.interscience.wiley.com/resolve/openurl?genre=article&sid=nlm:pubmed&issn=0333-1024&date=1997&volume=17&issue=5&spage=600}}</ref> === Akupunktur === Die Wirksamkeit der [[Akupunktur]] zur Behandlung der Migräne wurde in zahlreichen Studien untersucht. Als Fazit wurde festgestellt, dass die Akupunktur bei der Migräneprophylaxe bei einer geringeren Anzahl an Nebenwirkungen mindestens so wirksam ist wie die konventionelle medikamentöse Prophylaxe. Interessanterweise spielt die korrekte Platzierung der [[Akupunkturnadel]]n keine Rolle. Ein Unterschied zwischen chinesischen und nichtchinesischen oder Scheinpunkten konnte nicht gefunden werden.<ref>{{cite journal |author=Linde K, Allais G, Brinkhaus B, Manheimer E, Vickers A, White AR |journal=Cochrane Database Syst Rev |year=2009 |issue=1 |pages=CD001218 |title=Acupuncture for migraine prophylaxis |url=http://www.cochrane.org/reviews/en/ab001218.html}}</ref> Aus diesen Gründen wird die Akupunktur heute von den meisten Experten als zusätzliche oder alleinige Therapiemöglichkeit empfohlen. === Sonstige nichtmedikamentöse Prophylaxe === Die [[Progressive Muskelentspannung]] nach Jacobson und das [[Biofeedback]] können ebenso eine wirksame Möglichkeit der Migräneprophylaxe sein.<ref name="pmid15921503">{{cite journal |author=Penzien DB, Andrasik F, Freidenberg BM, ''et al'' |title=Guidelines for trials of behavioral treatments for recurrent headache, first edition: American Headache Society Behavioral Clinical Trials Workgroup |journal=Headache |volume=45 Suppl 2 |issue= |pages=S110–32 |year=2005 |month=May |pmid=15921503 |doi=10.1111/j.1526-4610.2005.4502004.x |url=http://www3.interscience.wiley.com/resolve/openurl?genre=article&sid=nlm:pubmed&issn=0017-8748&date=2005&volume=45&issue=&spage=S110}}</ref><ref name="pmid17084028">{{cite journal |author=Nestoriuc Y, Martin A |title=Efficacy of biofeedback for migraine: a meta-analysis |journal=Pain |volume=128 |issue=1-2 |pages=111–27 |year=2007 |month=March |pmid=17084028 |doi=10.1016/j.pain.2006.09.007 |url=http://linkinghub.elsevier.com/retrieve/pii/S0304-3959(06)00465-9}}</ref> Daneben stehen verschiedene andere Methoden, wie zum Beispiel Ernährungsmaßnahmen, Entspannungstechniken, [[Yoga]], [[autogenes Training]] und leichter Ausdauersport als Alternativen zur Verfügung. Ihre migräneprophylaktische Wirksamkeit ist jedoch nicht ausreichend evaluiert. === Therapie und Prophylaxe in der Schwangerschaft === Die Entscheidung für einen Einsatz von migränewirksamen Arzneimitteln in der Schwangerschaft ist eine Nutzen-Risiko-Abwägung bei der auch eine mögliche Schädigung durch mütterliche Migräneattacken auf das ungeborene Kind zu berücksichtigen sind. Paracetamol gilt in allen Phasen der Schwangerschaft als verträglich. Im zweiten [[Trimenon]] können zusätzlich andere Nichtopioid-Analgetika, wie beispielsweise Acetylsalicylsäure, Ibuprofen und Naproxen, eingesetzt werden. Triptane sind nicht für den Einsatz in der Schwangerschaft zugelassen, retrospektive Analysen lassen jedoch nicht auf eine schädigende Wirkung von Sumatriptan, Naratriptan und Rizatriptan schließen. Mutterkornalkaloide sind wegen ihrer [[teratogen]]en Wirkung [[Kontraindikation|kontraindiziert]]. Ist eine migräneprophylaktische Behandlung während der Schwangerschaft nötig, gilt, abgesehen von nichtmedikamentösen Verfahren wie Entspannungsübungen, Biofeedback und Akupunktur, nur der Beta-Blocker Metoprolol als vertretbar.<ref name="Evers"/> === Therapie und Prophylaxe im Kindesalter === Für die Behandlung akuter Migräneattacken bei Kindern gelten die Nichtopioid-Analgetika Ibuprofen und Paracetamol, gegebenenfalls ergänzt durch die Anwendung des Prokinetikums Domperidom, als Mittel der ersten Wahl. Die Wirksamkeit von Triptanen ist hingegen nicht gesichert. Neuere Studien mit Sumatriptan, Zolmitriptan und Rizatriptan deuten jedoch auf eine migränehemmende Wirkung bei Kindern.<ref name="pmid16061583">{{cite journal |author=Damen L, Bruijn JK, Verhagen AP, Berger MY, Passchier J, Koes BW |title=Symptomatic treatment of migraine in children: a systematic review of medication trials |journal=Pediatrics |volume=116 |issue=2 |pages=e295–302 |year=2005 |month=August |pmid=16061583 |doi=10.1542/peds.2004-2742 |url=http://pediatrics.aappublications.org/cgi/pmidlookup?view=long&pmid=16061583}}</ref><ref name="pmid16943370">{{cite journal |author=Ahonen K, Hämäläinen ML, Eerola M, Hoppu K |title=A randomized trial of rizatriptan in migraine attacks in children |journal=Neurology |volume=67 |issue=7 |pages=1135–40 |year=2006 |month=October |pmid=16943370 |doi=10.1212/01.wnl.0000238179.79888.44 |url=http://www.neurology.org/cgi/pmidlookup?view=long&pmid=16943370}}</ref><ref name="pmid17671066">{{cite journal |author=Lewis DW, Winner P, Hershey AD, Wasiewski WW |title=Efficacy of zolmitriptan nasal spray in adolescent migraine |journal=Pediatrics |volume=120 |issue=2 |pages=390–6 |year=2007 |month=August |pmid=17671066 |doi=10.1542/peds.2007-0085 |url=http://pediatrics.aappublications.org/cgi/pmidlookup?view=long&pmid=17671066}}</ref> Alle Triptane sind für Kinder erst ab einem Alter von 12 Jahren zu Migränetherapie zugelassen. Alternativ können bei Kindern Allgemeinmaßnahmen in Form von Reizabschirmung mit Entspannen im abgedunkelten Raum, Kühlen des Kopfes und Pfefferminzöleinreibungen auf die Stirn unternommen werden. Für eine migräneprophylaktische Daueranwendung ist die Wirksamkeit für Flunarizin am besten belegt. Widersprüchliche Daten existieren für das bei Erwachsenen als Standardprophylaktikum eingesetzte Propranolol. Für alle anderen in der Migräneprophlaxe eingesetzten Arzneistoffe liegen keine ausreichenden Erkenntnisse über die Wirksamkeit bei Kindern vor.<ref name="pmid16674757">{{cite journal |author=Damen L, Bruijn J, Verhagen AP, Berger MY, Passchier J, Koes BW |title=Prophylactic treatment of migraine in children. Part 2. A systematic review of pharmacological trials |journal=Cephalalgia |volume=26 |issue=5 |pages=497–505 |year=2006 |month=May |pmid=16674757 |doi=10.1111/j.1468-2982.2005.01047.x |url=http://www3.interscience.wiley.com/resolve/openurl?genre=article&sid=nlm:pubmed&issn=0333-1024&date=2006&volume=26&issue=5&spage=497}}</ref> Auch Entspannungsübungen, verhaltenstherapeutische Maßnahmen und Biofeedback zeigen eine mögliche Wirksamkeit, während diätische Maßnahmen in kontrollierten klinischen Studien ohne Erfolg waren.<ref name="pmid16556238">{{cite journal |author=Damen L, Bruijn J, Koes BW, Berger MY, Passchier J, Verhagen AP |title=Prophylactic treatment of migraine in children. Part 1. A systematic review of non-pharmacological trials |journal=Cephalalgia |volume=26 |issue=4 |pages=373–83 |year=2006 |month=April |pmid=16556238 |doi=10.1111/j.1468-2982.2005.01046.x |url=http://www3.interscience.wiley.com/resolve/openurl?genre=article&sid=nlm:pubmed&issn=0333-1024&date=2006&volume=26&issue=4&spage=373}}</ref> === Therapie und Prophylaxe der Aura === Eine spezifische Behandlung der Migräneaura ist in der Regel nicht erforderlich. Zudem stehen keine ausreichend wirksamen Arzneistoffe zur Akuttherapie der Migräneaura zur Verfügung. Bei einem entsprechenden Leidensdruck kann eine Migräneprophylaxe erwogen werden. Eine spezifische Prophylaxe der migränösen Aura, jedoch nicht der Kopfschmerzen, ist für das [[Antiepileptikum]] [[Lamotrigin]] beschrieben worden.<ref name="pmid15546267"/> == Geschichte der Migränetherapie == [[Datei:Crane-trepanation-img 0507 crop.jpg|miniatur|Die Öffnung des Schädels ([[Trepanation]]) wird als eine frühzeitliche Behandlungsmethode der Migräne und anderer neurologischer Erkrankungen angesehen.<ref name="Villalon"/>]] Erste Versuche der Behandlung migräneartiger Kopfschmerzen lassen sich bis in die [[Mittelsteinzeit]] (ca. 8500–7000 v. Chr.) zurückverfolgen. In dieser Zeit wurden Dämonen und böse Geister im Kopf der Patienten als Ursache der Migräne und anderer neurologischer Erkrankungen angesehen. Funde aus dem [[Neolithikum]] belegen, dass bereits zu dieser Zeit [[Trepanation]]en (chirurgische Eröffnungen der Schädeldecke) mit Hilfe von Steinwerkzeugen durchgeführt wurden. Wenngleich kontrovers diskutiert wird, ob diese Behandlungen vorrangig aus mystischen, kultischen oder medizinischen Gründen erfolgten, sollen sie angewendet worden sein, um Dämonen aus dem Schädel entweichen zu lassen. Auch wenn die Erfolgsquote der Trepanation undokumentiert blieb, konnten zumindest archäologische Funde belegen, dass über 50 % der Patienten diese Maßnahme überlebten. Dieses Verfahren wurde bis in das [[17. Jahrhundert]] angewendet.<ref name="Villalon">Carlos M. Villalón ''et al.'': ''An Introduction to Migraine: from Ancient Treatment to Functional Pharmacology and Antimigraine Therapy''. Proc. West. Pharmacol. Soc. 45, S. 199–210 (2002).</ref> Auch aus dem [[Altes Ägypten|Alten Ägypten]] während der [[Pharao]]nenzeit sind Behandlungsmethoden dokumentiert. So nennt der auf ca. 1550 v. Chr. datierte [[Papyrus Ebers]] verschiedene Heilmethoden für Kopfschmerzen, einschließlich der Verwendung der Asche des Skeletts eines [[Welsartige|Welses]] als Einreibung.<ref name="Waeber">Christian Waeber, Michael A. Moskowitz: ''Therapeutic implications of central and peripheral neuroligic mechanisms in migraine''. Neurology 61 (Suppl. 4), S. S9 – S20 (2003).</ref> Der berühmte griechische Arzt [[Hippokrates von Kós|Hippokrates]] erkannte ca. 400 v. Chr. erstmalig die Aura als einen möglichen Vorboten eines Kopfschmerzes. Er sah als Ursache ''„Dämpfe, die vom Magen in den Kopf aufsteigen“''. Die erste umfassende Beschreibung der Symptome einer Migräne mit einem halbseitigen Kopfschmerz sowie Schwitzen, Übelkeit und Erbrechen wurde im zweiten Jahrhundert von [[Aretaios]] unter der Bezeichnung ''heterocrania'' dokumentiert. Er grenzte somit gleichzeitig die Migräne von anderen Kopfschmerzformen ab. Auf der Suche nach einer Ursache für Krankheiten wurden die Theorien von Hippokrates durch [[Galenos]] in der [[Viersäftelehre]] aufgegriffen. Für die Entstehung einer ''hemicrania'' machte er eine ''„übermäßige, aggressive gelbe Galle“'' verantwortlich.<ref name="Göbel">{{cite book |last=Göbel |first=Hartmut |title=Die Kopfschmerzen |edition=2 |volume= |year=2004 |publisher=Springer |location= |isbn=3540030808 |pages=141-368 |chapter=Migräne}}</ref> Der von ihm verwendete Begriff ''hemicrania'' gilt als Vorläufer der heutigen Bezeichnung „Migräne“.<ref name="Waeber"/> Eine zentralnervöse Ursache der Migräne unter Beteiligung einer Dilatation zerebraler Arterien wurde erstmals 1664 von [[Thomas Willis]] erwähnt. Zu dieser Zeit wurden [[Kaliumcyanid]], [[Gewöhnliche Brechnuss|Brechnuss]], [[Schwarze Tollkirsche|Tollkirsche]], [[Fingerhüte|Fingerhut]] und [[Quecksilber]]verbindungen zur Therapie der Migräne eingesetzt.<ref name="Waeber"/> Die moderne Migränetherapie begründete 1884 William H. Thompson, der einen [[Drogenauszug|Extrakt]] aus dem [[Mutterkorn]] als migränewirksam erkannte. [[Arthur Stoll]] gelang 1920 daraus die Isolierung des Wirkstoffs [[Ergotamin]], der bis heute in der Migränetherapie eingesetzt wird. Die Entdeckung des Wirkmechanismus des Ergotamins, der Stimulation der Serotoninrezeptoren 5-HT<sub>1B/1D</sub>, führte schließlich seit den 1980er Jahren zur Entwicklung moderner Migränetherapeutika, der Gruppe der Triptane. == Verweise == === Einzelnachweise === <references /> === Literatur === * [[Oliver Sacks]]: ''Migräne''. Rowohlt, Reinbek bei Hamburg 1998, ISBN 3-499-19963-7. * Jan Brand: ''Migräne - Krankheit oder Ausrede. Die verschwiegene Krankheit''. Arcis, München 2000, ISBN 3-89075-145-8. * Dietrich von Engelhardt: ''Migräne in Medizin- und Kulturgeschichte''. In: ''Pharmazie in unserer Zeit.'' 31, 2002, 5, {{ISSN|0048-3664}}, S. 444–451. * Katrin Janhsen, Wolfgang Hoffmann: ''Pharmazeutische Betreuung von Kopfschmerzpatienten''. In: ''Pharmazie in unserer Zeit.'' 31, (2002), 5, {{ISSN|0048-3664}}, S. 480–485. * Günter Neubauer, Raphael Ujlaky: ''Migräne – eine Volkskrankheit und ihre Kosten''. In: ''Pharmazie in unserer Zeit.'' 31, (2002), 5, {{ISSN|0048-3664}}, S. 494–497. * Hartmut Göbel: ''Erfolgreich gegen Kopfschmerzen und Migräne''. 4. Auflage. Springer, Berlin 2004, ISBN 3-540-40777-4. * Stefan Evers: ''FAKTEN. Migräne''. 1. Auflage. Thieme, Stuttgart 2006, ISBN 3-13-143631-X. * Julia Holzhammer, Christian Wöber: ''Alimentäre Triggerfaktoren bei Migräne und Kopfschmerz vom Spannungstyp.'' In: ''Der Schmerz.'' 20, 2006, {{ISSN|0932-433X}}, S. 151–159. * Julia Holzhammer, Christian Wöber: ''Nichtalimentäre Triggerfaktoren bei Migräne und Kopfschmerz vom Spannungstyp.'' In: ''Der Schmerz.'' 20, 2006, {{ISSN|0932-433X}}, S. 226–237. * PJ. Goadsby: ''Recent advances in the diagnosis and management of migraine.'' In: ''BMJ.'' 2006 Jan 7; 332(7532):25–9. Review. PMID 16399733 (Text ist frei zugänglich). === Weblinks === {{Commonscat|Migraine|Migräne}} * [http://www.dmkg.de Deutsche Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft (DMKG)] * [http://www.migraene-schule.de Informationen zur Diagnose und Behandlung der Migräne] * [http://www.ihs-klassifikation.de/de/02_klassifikation/02_teil1/01.00.00_migraine.html Informationen der Internationalen Kopfschmerzgesellschaft IHS über Migräne] {{Gesundheitshinweis}} {{Exzellent}} [[Kategorie:Krankheitsbild in der Neurologie]] [[Kategorie:Zerebrovaskuläre Störung]] [[ar:صداع نصفي]] [[bat-smg:Mėgrena]] [[bn:মাইগ্রেন]] [[bs:Migrena]] [[ca:Migranya]] [[cs:Migréna]] [[cy:Cur pen eithafol]] [[da:Migræne]] [[dv:ބޮލުގެ އެއްފަޅީގައި ރިހުން]] [[el:Ημικρανία]] [[en:Migraine]] [[es:Migraña]] [[et:Migreen]] [[fa:میگرن]] [[fi:Migreeni]] [[fr:Migraine]] [[he:מיגרנה]] [[hi:माइग्रेन]] [[hr:Migrena]] [[hu:Migrén]] [[io:Migreno]] [[is:Mígreni]] [[it:Emicrania]] [[ja:片頭痛]] [[kn:ಮೈಗ್ರೇನ್‌ (ಅರೆತಲೆ ನೋವು)]] [[ko:편두통]] [[ku:Mîgren]] [[lt:Migrena]] [[ml:കൊടിഞ്ഞി]] [[nl:Migraine]] [[nn:Migrene]] [[no:Migrene]] [[pl:Migrena]] [[pt:Enxaqueca]] [[ru:Мигрень]] [[simple:Migraine]] [[sk:Migréna]] [[sl:Migrena]] [[sq:Migrena]] [[sr:Мигрена]] [[sv:Migrän]] [[tr:Migren]] [[vi:Đau nửa đầu]] [[zh:偏頭痛]] jak57xd3bnfx579dlce4y70y69zcsz0 wikitext text/x-wiki Mikojan-Gurewitsch MiG-25 0 23934 26530 2010-04-20T17:38:06Z DeffiSK 0 Reviewprozess hinzugefügt {{Infobox Flugzeug |Name = Mikojan-Gurewitsch MiG-25 |Bild = [[Datei:Mig-25.jpg|300px|MiG-25 "Foxbat" auf dem Kubinka-Stützpunkt]]<br />''MiG-25 „Foxbat“ auf dem [[Kubinka]]-[[Militärflugplatz|Stützpunkt]]'' |Typ = [[Abfangjäger]] |Entwicklungsland = {{SUN}} |Hersteller = [[Mikojan-Gurewitsch]] |Erstflug = 6. März 1964 |Indienststellung = 1970 |Produktionszeitraum = 1969 bis 1985 |Stückzahl = 1.190 }} Die '''Mikojan-Gurewitsch MiG-25''' ([[NATO-Codename]]: '''''„Foxbat“''''', dt: ''[[Flugfuchs]]'') ist ein einsitziger [[Abfangjäger]] und [[Aufklärungsflugzeug|Aufklärer]], der in der [[Sowjetunion]] vom Konstruktionsbüro [[Mikojan-Gurewitsch]] entwickelt wurde. == Entwicklung == [[Datei:Foxbt_d1.gif‎|thumb|MiG-25 Dreiseitenansicht]] Anfang der 1960er-Jahre wurden in der Sowjetunion auf Basis der [[Mikojan-Gurewitsch E-166]] erste Untersuchungen angestellt, wie einer vermuteten Bedrohung durch US-[[Überschall]]bomber wie der [[Convair B-58]] und vor allem der [[Mach]]-3-schnellen [[Lockheed A-12]], begegnet werden könnte. Ausgeschrieben wurde ein Mach-3-schnelles Jagdflugzeug, das ebenso schnelle Luftziele in Flughöhen bis zu 25.000&nbsp;Metern abfangen können sollte. Der Hauptzweck der darauf in Entwicklung gegangenen MiG-25 sollte aber schließlich sein, das Mach-3-[[Aufklärungsflugzeug]] [[Lockheed A-12]] abzufangen, von dessen Bau das sowjetische Militär 1960 erfahren hatte. Der offizielle Programmstart für Voruntersuchungen war der 10. März 1961. Die Einsatzdoktrin beruhte auf der Erkennung des Ziels durch ein leistungsfähiges Radarsystem und der Bekämpfung mittels eigens hierfür entwickelter weitreichender [[Luft-Luft-Rakete]]n vom Typ [[Wympel R-40]] (Natobezeichnung AA-6 „Acrid“), wobei klassische [[Luftkampf|Luftkämpfe]] nicht vorgesehen waren. Beim Radar handelte es sich um ein Pulsradar [[Smertsch]]-A (smertsch, [[Russische Sprache|russisch]] ''смерч'' für [[Windhose]], [[Tornado]]; NATO- Name ''Foxfire'') mit begrenzter [[Look-Down-Fähigkeit]]. Um eine gute Entfernungsauflösung zu erreichen, arbeitete das Radar mit einer hohen Impulsfolgefrequenz. Noch im selben Jahr fiel die Entscheidung, die Maschine im Wesentlichen als [[Schweißen|geschweißte Konstruktion]] herzustellen, die hauptsächlich aus [[Kriechen (Werkstoffe)|kriechfestem]], [[Rostfreier Stahl|rostfreien]] [[Superlegierung|Nickelstahl]] bestehen sollte. Als Fügeverfahren wurde ein halbautomatischer Schweißprozess entwickelt, um Gefügeveränderungen im Material kontrollieren zu können. === Materialien === Der Hauptteil der Zelle bestand aus Stahl der Güten WNS-2, WNS-4 und WNS-5. Daneben bestand die Zelle zu 11 % aus hitzefestem [[Duraluminium|Dural]] der Güten D19 und ATCH-1 sowie zu 8 % aus [[Titan (Element)|Titan]] und 1 % anderen Werkstoffen. Die Radarverkleidung bestand aus einem hitzefesten [[Kunststoff]], der Temperaturen bis 300&nbsp;°C widerstehen konnte. === Entwurf === [[Datei:MiG-25 fig2agrau USAF.jpg|thumb|MiG-25]] Der Entwurf sah einen [[Schulterdecker]] mit einem zweiholmigen [[Deltaflügel]] von 4,4 % Dicke, 42,5° Pfeilung und ohne V-Stellung vor (die Tragflächen späterer Maschinen hatten 5° negative V-Stellung). Auf dem Flügel war ein einzelner [[Grenzschichtzaun]] vorgesehen. Im Tragflügel war auch ein geschweißter Kraftstofftank untergebracht. Die beiden Triebwerke verfügten über in ihrer Geometrie veränderliche Lufteinläufe. Das Seitenleitwerk bestand aus zwei nach außen geneigten Flächen, die die Seitenruder trugen. Die Tragflächenspitzen konnten mit symmetrisch nach oben und nach unten zeigenden [[Winglet]]s oder mit Zusatztanks von je 600 Litern bestückt werden, die nach unten gerichtete Winglets trugen. Der Rumpf war oval geformt, bestand aus 14 Haupt[[spant]]en und verschwand mittig zwischen den Lufteinläufen. Besonders der Luftreibung ausgesetzte Stellen wurden aus Titan gefertigt. Die Zelle wurde nahe der Triebwerke feuerfest ausgeführt und durch eine 5&nbsp;µm dicke [[Silber]]schicht vor der Strahlungswärme der Triebwerke geschützt. Dabei kamen bis zu 5&nbsp;kg Silber pro Flugzeug zum Einsatz. Als Isolierung dienten [[Glasfaser]]matten. Für die Triebwerksauslässe war ein [[Düse|Konvergent/Divergent-System]] vorgesehen, das von zwölf [[Hydraulikzylinder]]n verstellt wurde. In der Zelle befanden sich vier Integraltanks, die zusammen mit den Flügeltanks 17.660 Liter Kraftstoff aufnehmen konnten. Dem Ziel einer möglichst hohen Geschwindigkeit wurden die [[Auftriebshilfe|Hochauftriebshilfen]] geopfert, es gab keine [[Vorflügel]] und nur einfache [[Landeklappen]]. Auch wurde das [[Lastvielfache]] auf 4,5&nbsp;g begrenzt. Die [[Aerodynamik]] wurde vor allem für hohe Geschwindigkeiten und große Höhen ausgelegt, weniger auf Wendigkeit. Das mit je einem einzelnen [[Rad]] der Dimension 1300&nbsp;×&nbsp;360&nbsp;mm ausgerüstete [[Fahrwerk (Flugzeug)|Hauptfahrwerk]] wurde nach vorne zwischen Ansaugtrakt und Außenhaut eingezogen. Es verfügte über [[Scheibenbremse|Mehrscheibenbremsen]] mit einem [[Antiblockiersystem]], die durch einen [[Bremsschirm]] unterstützt wurden. Das Bugrad wurde hydraulisch gelenkt und war ebenfalls gebremst. Es wurde nach vorne in den Bug eingezogen und trug auch den Landescheinwerfer. Das [[Hydraulik]]system bestand aus einem Haupt- und einem Unterstützungssystem. Es verfügte über vier von den Triebwerken angetriebene Pumpen und vier druckgasbeaufschlagte Akkus. Das [[Druckkabine|druckbelüftete]] und [[Klimaanlage|klimatisierte]] [[Pilotenkanzel|Cockpit]] verfügte über eine [[Panzerglas|schusssichere]] Frontscheibe und einen [[Schleudersitz]] vom Typ [[KM-1]], der in der Serie gegen den KM-1M getauscht wurde. === Ausführung === Die offizielle Freigabe für die Entwicklung einer Jagdflugzeugvariante (MiG-25P) und einer Aufklärungsflugzeugvariante (MiG-25R) wurde im Februar 1962 erteilt. Kurz darauf gab es auch die Entwicklungsfreigabe für die entsprechenden zweisitzigen Schulversionen (MiG-25PU und MiG-25RU). Der erste Prototyp, noch mit der Entwicklungsbezeichnung MiG E-155R-1 (ein Aufklärer) startete am 6.&nbsp;März 1964 zum [[Erstflug]]. Der Prototyp des Jagdflugzeuges, MiG E-155P-1, folgte am 9.&nbsp;September 1964. Der Westen nahm die MiG-25 als Gegenmaßnahme gegen den geplanten [[USA|amerikanischen]] Überschallbomber [[North American XB-70]] wahr. Wie der Begleitjäger [[North American XF-108|F-108]] wurde aber auch die größere XB-70 nie in Dienst gestellt. Als eine der letzten verbliebenen Bedrohungen, für die die MiG-25 geschaffen wurde, wurde die [[Convair B-58]] Hustler Ende der 1960er-Jahre aus dem aktiven Dienst genommen, und die Einsatzdoktrin für die [[Dassault Mirage IV]] wurde Anfang der 1970er-Jahre dahingehend geändert, dass diese im Tiefflug mit Unterschallgeschwindigkeit angreifen sollte. Insgesamt wurden von allen Varianten der MiG-25 1190 Stück gefertigt. === Prototypen === ==== Mikojan-Gurewitsch E-155P ==== Von diesen Vorserienmaschinen wurden sieben Stück gefertigt. Sie besaßen zunächst [[Canard]]s und symmetrische [[Winglet]]s. Neben der leistungsstarken Radaranlage mit einer um +/- 60° abtastenden Antenne sollte auch ein IR-Suchsystem eingesetzt werden, das jedoch noch nicht fertig entwickelt war. Das Funksystem bestand aus Geräten für den Mittelwellen-, Kurzwellen- und Ultrakurzwellenbereich sowie für [[IFF]]/[[SIF]]/ATC. Zur Orientierung waren [[Radiokompass]], [[Instrumentenlandesystem]] und ein [[Radarhöhenmesser]] an Bord. Zur Erkennung feindlicher Luftabwehrmaßnahmen verfügten die Maschinen über eine [[Radarwarnanlage]]. Wichtiger Bestandteil war auch der SAU-155P-[[Autopilot]], der es ermöglichte, eine bodengelenkte Abfangjagd durchzuführen, ähnlich wie es auch mit der [[Convair F-106]] möglich war. Der [[Pitotrohr]]halter befand sich vorne an der Radarabdeckung, ein zweiter neben dem Cockpit. Das System war so ausgelegt, dass es auch noch bei großen Anstell- oder Gierwinkeln einwandfrei arbeitete. Das Bugrad wurde mit einem [[Kotflügel]] nachgerüstet. Es gab einen Dauerstrichradarbeleuchter für die als Bewaffnung vorgesehenen Mach-5-schnellen Luft-Luft-Raketen mittlerer Reichweite [[Wympel R-40]]. Ein zusätzliches Paar Außenpylone wurde montiert, um die Waffenstationszahl zu erhöhen. [[Datei:MiG-25N.B.jpg|thumb|left|Nachbrenner der MiG-25]] Während der Erprobung zeigten sich erhebliche Mängel am Flugverhalten, außerdem erwies sich das Hydrauliksystem als unterdimensioniert und die Schwerpunktlage als schlecht beherrschbar. Es kam wiederholt zu Unfällen. So bereiteten die Canards Probleme und wurden entfernt, die Lufteinläufe wurden als ausreichende Stabilisierungsflächen für den Hochgeschwindigkeitsflug erachtet. Die Winglets wurden ebenfalls entfernt und durch [[Flattern|Anti-Flatter-Massen]] an den Tragflächenspitzen ersetzt. Die Tragflächen erwiesen sich zunächst als strukturell zu schwach, und es kam bei bestimmten Flugzuständen zu einer Umkehr der Querruderwirkung. Je ein weiterer kleiner [[Grenzschichtzaun]] wurde auf den Tragflächen montiert, um die Luftströmungen zwischen dem inneren und dem äußeren [[Querruder]] zu stabilisieren. Die V-Stellung der Tragflächen wurde auf -5° geändert. Das Flugsteuersystem wurde so geändert, dass über 800&nbsp;km/h die Höhenruder zusammen mit den Querrudern ausschlugen. Trotzdem brach am 30. Oktober 1967 eine MiG-25 während eines Weltrekordversuches in der Luft auseinander; der Testpilot Igor Lesnikow kam ums Leben. [[Datei:MiG-25_Air_inlet.jpg|thumb|Lufteinlauf der MiG-25. Gut zu sehen der Düsenhalter für die Wasser-Methanoleinspritzung]] Über Mach 1,5 wurde durch ein Einspritzsystem eine [[Wasser]]-[[Methanol]]mischung in die Ansaugluft gespritzt, um diese zu kühlen. Eine erste öffentliche Vorführung von vier Prototypen fand am 9. Juli 1967 während der Luftwaffenshow in [[Domodedowo]] statt. Nach dem Ende der Tests wurden 1969 die ersten Serienzellen gefertigt. Die unbeschränkte Einsatzfreigabe erfolgte jedoch erst am 13. April 1972. ==== Mikojan-Gurewitsch E-155R ==== Von diesen Vorserienmaschinen wurden drei Stück gefertigt. Die Avionik-Ausrüstung entsprach bis auf das Radar, das wesentlich leistungsschwächer war und nur zur Navigation und zur [[Wetterbeobachtung]] benutzt wurde, und eine verbesserte [[Trägheitsnavigation]]splattform der Ausrüstung der E-155P. Im Bug wurden die verschiedenen Sensoren für die optische und elektronische Aufklärung untergebracht. Die Prototypen besaßen fest an den Tragflächenspitzen angebrachte 1200-Liter-Zusatztank mit nach unten zeigenden Winglets und zunächst ebenfalls Canards. Die Seitenleitwerke besaßen je einen integrierten Tank von 350&nbsp;Litern. Die Seitenleitwerke besaßen eine gerade Oberkante. Die Tragflächen des dritten Prototyps erhielten ebenfalls eine negative 5°-V-Stellung und, unter Wegfall der Tanks an den Tragflächenspitzen, die Anti-Flatter-Massen des Jagdflugzeuges. Die Maschine konnte mit einem nicht abwerfbarem 5300-Liter-Zusatztank ausgerüstet werden und verfügte von Anfang an über die leistungsstärkeren Tumanski R-15BD-300-Triebwerke. Eine Bewaffnung war zunächst nicht vorgesehen. Die Produktions- und Einsatzfreigabe erfolgte im Februar 1969. == Einsatzversionen == === Abfangjäger === ==== Mikojan-Gurewitsch MiG-25P ==== Die MiG-25P war der erste Serientyp der MiG-25. Zur Reichweitenerhöhung war ein nicht abwerfbarer Außentank mit 5300 Litern Fassungsvermögen vorgesehen, der aber nicht oft verwendet wurde. Die sowjetischen Verbände waren ab 1973 einsatzbereit. Die Maschine wurde in Großserie gefertigt und später auch an [[Algerien]], [[Libyen]], [[Irak]] und [[Syrien]] geliefert. Etwa 600 Maschinen dieses Typs wurden gefertigt. Die [[Mean Time Between Overhaul|MTBO]] des Triebwerks lag zunächst nur bei 150 Stunden. Damit das Triebwerk diese Haltbarkeit erreichte, waren umfangreiche konstruktive Änderungen nötig, da es ursprünglich als Verlusttriebwerk für einen Flugkörper konstruiert war. Die NATO-Bezeichnung lautete ''Foxbat-A'' ==== Mikojan-Gurewitsch MiG-25PD/PDS ==== 1978 wurde die MiG-25P in der Produktion durch die MiG-25PD mit verbesserten Triebwerken und verbesserter Avionik sowie Bewaffnung abgelöst. Die Bugsektion wurde um 250&nbsp;mm verlängert, um einen Luftbetankungsstutzen und das wesentlich leistungsfähigere Saphir-25 Pulse-Doppler-Radar mit einer Pulsleistung von 50&nbsp;MW aufnehmen zu können. Dazu kam ein Infrarotsichtgerät. Zur Versorgung der neuen Verbraucher wurde die elektrische Ausrüstung verstärkt. Es war nun auch möglich, die Luft-Luft-Raketen vom Typ [[R-60]] zu verschießen. In den 1980er-Jahren kam auch die Möglichkeit der Verwendung von [[R-23]] und [[R-73]] hinzu Die etwa 370 im Jahr 1978 existierenden sowjetischen MiG-25P-Jäger wurden auf den Ausrüstungsstand der MiG-25PD gebracht und erhielten die Bezeichnung MiG-25PDS. Die [[Mean Time Between Overhaul|MTBO]] des Triebwerks betrug nun 1000 Stunden. Die Produktion lief bis 1982. Die NATO-Bezeichnung lautete ''Foxbat-E'' Von diesen Typen befand sich 2001 keine Maschine mehr im aktiven Truppendienst bei der russischen Luftwaffe, 131 waren eingemottet. === Aufklärungsflugzeuge und Bomber === ==== Mikojan-Gurewitsch MiG-25R ==== Die MiG-25R war die erste einsatzbereite Aufklärervariante. Gegenüber der Jagdflugzeugvariante wurden die Auslassrohre der Triebwerke verlängert und leichtere Anti-Flatter-Massen an den Tragflächenenden verwendet. Der Bug wurde spitzer ausgeführt und bot klimatisiert und druckbelüftet Platz für die Aufklärungsavionik. Zuerst kamen standardmäßig bewegliche Kameras mit Brennweiten von 650 mm und 1300 mm zum Einsatz, die je nach Einsatzzweck durch verschiedene andere ergänzt wurden. Die normalen Kameras nahmen dabei einen Streifen von etwa 100&nbsp;Kilometern (mit 650&nbsp;mm Brennweite) respektive 50&nbsp;Kilometern (1300&nbsp;mm Brennweite) Breite auf. Alle Kameras fotografierten durch eine gegen Beschlagen und Vereisen geschützte flache Glasscheibe. Auf der linken Seite war eine Kunststofffläche für die [[ELINT]]-Sensoren angebracht. Für den Einsatz sollte das Modell in 20&nbsp;Kilometern Flughöhe mit der maximal möglichen Geschwindigkeit von Mach 2,83 das Aufklärungsgebiet überfliegen, um dann wieder zu landen. 1969 wurden bereits die ersten Serienmaschinen (etwa zehn) gefertigt, dann wurde jedoch der MiG-25RB der Vorzug gegeben. Die bereits produzierten B-Muster wurden entsprechend geändert. Die NATO-Bezeichnung dieser Variante ist ''Foxbat-B''. Eine Luftbetankung war nicht vorgesehen. ==== Mikojan-Gurewitsch MiG-25RB ==== [[Datei:MiG-25RB camera 2 JNO.jpg|thumb|Sensorbucht einer MiG-25RB]] 1970 ging die wichtigste Variante, das ''RB''-Modell in Produktion. Sie entsprach bis auf eine geänderte ELINT-Elektronik in der Aufklärungsfähigkeit der MiG-25R. Neben der Aufklärungsrolle konnte die Maschine jedoch auch als [[Bomber]] verwendet werden. Es konnten dabei bis zu sechs Bomben zu 500&nbsp;kg des Typs FAB-500, die speziell hitzefest ausgelegt waren, an Unterflügel- und Rumpfstationen getragen werden. Dazu waren einige strukturelle Verstärkungen nötig. Versuche, die Bombenlast weiter zu erhöhen, waren nicht erfolgreich, da es zu nicht beherrschbaren strukturellen Problemen kam. Die Navigationsgenauigkeit wurde durch Einsatz eines digitalen ''Orbita-155''-Computers und der Dopplerkorrektur ''DISS-7'' so verbessert, dass mittels des Bombenzielgerätes ''Pelleng'' ein vollautomatischer Angriff ohne Bodensicht aus 20&nbsp;Kilometern Höhe mit Mach 2,35 möglich war, wenn die Position des Zieles hinreichend genau bekannt war. Die Produktion der MiG-25RB begann 1970 und dauerte, mit Modifikationen, bis 1982 an. Die ersten sowjetischen Einheiten wurde Anfang 1972 mit dem Typ ausgerüstet. Maschinen dieses Typs wurden nach [[Algerien]], [[Bulgarien]], [[Indien]], [[Irak]], [[Libyen]] und [[Syrien]] exportiert. MiG-25RB der sowjetischen Streitkräfte waren von 1973 bis 1974 in [[Ägypten]] stationiert. Sie hatten ägyptische Kennungen und ägyptischen Tarnanstrich, wurden aber von sowjetischen Piloten geflogen. ==== Weitere Aufklärungs-Varianten ==== Weitere Untervarianten der MiG-25RB mit abweichenden Eloka- und Avionik-Ausrüstung wurden zum Teil parallel zueinander gefertigt. ===== Mikojan-Gurewitsch MiG-25RR ===== Acht MiG-25R wurden zur Beobachtung der chinesischen Atomwaffentests umgerüstet. Sie erhielten ein Radioaktivitätsauswertesystem und flogen in den 1970er-Jahren verschiedene Missionen. Die hohe Geschwindigkeit hielt die Strahlendosis für die Piloten niedrig, doch wurden die Maschinen zum Teil durch Fall-Out kontaminiert und mussten nach Beendigung der Einsätze entsorgt werden. ===== Mikojan-Gurewitsch MiG-25RBK ===== Die Mikojan-Gurewitsch MiG-25RBK war eine Variante der Aufklärungs-Bomberversion ohne Kameras mit verstärktem Augenmerk auf [[ELINT]]. Besonders auffällig war das [[SLAR]]-Gerät ''Kub'', dessen Antenne vor dem Cockpit eine Fläche von 1600 x 930 mm belegte. Das System war in der Lage, in Echtzeit Aufklärungsdaten an eine Bodenstation zu übermitteln. Einige Maschinen erhielten eine einzelne Kamera, um die ELINT-Daten mit vorhandenen Luftbildaufnahmen in Deckung zu bringen. Die Variante wurde zwischen 1971 und 1980 gefertigt. NATO-Kennung ''Foxbat-D'' ===== Mikojan-Gurewitsch MiG-25RBS ===== Die MiG-25RBS war eine parallel Entwicklung zur Variante RBK mit dem wesentlich verbesserten allwetterfähigem Sabla-E (russisch ''Сабла'') [[SLAR]], das zu beiden Seiten des Bugs große Antennenflächen belegte. Auch diese Variante verfügte über keine Kameras. NATO Kennung ''Foxbat-D'' ===== Mikojan-Gurewitsch MiG-25RBF ===== Die MiG-25RBF war eine weiter verbesserte RBK-Variante mit einem Schar-25 (russisch ''Шар-25'') ELINT System und einer geänderten ECM-Ausrüstung. Äußerlich war dieser Typ an vier zusätzlichen Antennenflächen unterhalb des Bugs zu erkennen. Eine Luftbetankungssonde wurde montiert. Ab 1981 wurden alle ursprünglichen RB-Varianten auf diesen Stand gebracht. NATO- Kennung ''Foxbat-D'' ===== Mikojan-Gurewitsch MiG-25RBSch ===== Die MiG-25RBSch war mit dem wesentlich feiner auflösenden Schompol (russisch ''Шомпол'') SLAR ausgerüstet, das auch in der Lage war, bewegliche Ziele von feststehenden zu unterscheiden. Eine Maschine erhielt testweise eine Luftbetankungsanlage. NATO-Kennung ''Foxbat-D'' ===== Mikojan-Gurewitsch MiG-25RBV ===== Diese Variante war mit einem verbesserten ELINT-System Wirasch (russisch ''Вираж'') SRS-9 ausgestattet und verfügte über eine verbesserte ECM-Ausrüstung. Die Kameraausrüstung blieb erhalten. Eine Unterscheidung zur RB-Variante war äußerlich nicht möglich. Zeitweilig wurden alle MiG-25RB als RBV bezeichnet. NATO-Kennung ''Foxbat-B'' ===== Mikojan-Gurewitsch MiG-25RBT ===== Die MiG-25RBT verfügte über ein verbessertes ELINT-System vom Typ Tangasch (ru:''Тангаж''), das über eine vergrößerte Bandbreite verfügte und in der Lage war, am Boden die gesammelten Daten auszuwerten. Zusätzlich war ein verbessertes IFF vom Typ Beriosa an Bord. Die so ausgerüsteten Maschinen wurden ab 1978 produziert. Einige bereits gelieferte RB wurden mit den neuen Geräten nachträglich ausgerüstet, ohne dass sich an ihrer Bezeichnung etwas änderte. NATO-Kennung ''Foxbat-B'' Ab 1990 wurden einige Maschinen mit einem neuen grau/grünen Tarnanstrich versehen. Von diesen Maschinen befanden sich 2001 noch 15 Maschinen im Einsatz bei der russischen Luftwaffe. === Schulvarianten === Zur Besatzungsausbildung gab es für die beiden Einsatzzwecke jeweils eine spezialisierte Ausbildungsvariante mit Tandemcockpits. ==== Mikojan-Gurewitsch MiG-25PU ==== Die Variante PU diente der Ausbildung der Jagdpiloten. Bei diesen Maschinen wurde im Rumpfbug ein weiteres Cockpit für den Ausbilder eingebaut. Das Radar entfiel. Durch das vordere Cockpit verschlechterte sich die Aerodynamik und es konnte nur noch Mach 2,65 erreicht werden. Es wurde eine Doppelsteuerung für beide Cockpits eingebaut. Die Maschine war mit einem System ausgerüstet, das es ermöglichte, typische Kampfsituationen nachzubilden und eine entsprechende Radardarstellung zu generieren. An den Außenstationen konnten Luft-Luft-Raketen-Attrappen mitgeführt werden. Darüber hinaus bestand bei 14 Systemen die Möglichkeit einen Systemausfall zu simulieren. Der Ausbilder hat die Möglichkeit den Schleudersitz des Schülers zu betätigen. Eine Maschine wurde für [[Swetlana Jewgenjewna Sawizkaja|Swetlana Sawizkaja]] als [[Mikojan-Gurewitsch E-266|MiG-E 133]] für Weltrekordversuche der Frauen ausgerüstet, die zwischen 1975 und 1977 durchgeführt wurden. Sie erreichte am 22. Juni 1975 2683 km/h als absoluten Weltrekord für Frauen. Insgesamt wurden vier Rekorde durch die FAI anerkannt. Die erste Maschine dieses Typs flog 1968 und wurde bis 1980 produziert. NATO-Kennung ''Foxbat-C''. ==== Mikojan-Gurewitsch MiG-25RU ==== Die Variante RU diente der Ausbildung der Aufklärungspiloten. Das Cockpit war im Bereich der Aufklärungssensoren eingebaut, sodass diese entfielen. Die Schulmöglichkeiten entsprachen der MiG-25PU, waren jedoch statt auf Abfangjagd auf die Bedienung der Aufklärungssensorik ausgerichtet. Gegenüber der MiG-25PU waren die Düsen der Triebwerke länger und die Verkleidung der Bremsfallschirme geändert. Eine Maschine wurde als fliegender Teststand für [[Schleudersitz]]e ausgerüstet, interner Name ''Kreslo''. Mit dieser Maschine wurde der auch von der NATO und der USAF untersuchte Schleudersitz K-36D bei Geschwindigkeiten bis Mach 2,5 und Höhen bis 17.000 Metern getestet. Der Erstflug erfolgte 1972, die Produktion lief bis 1980. NATO- Kennung ''Foxbat-C'' === Mikojan-Gurewitsch MiG-25BM === Die Variante BM diente der Unterdrückung feindlicher Luftabwehrstellungen und wurde ab 1972 auf Basis der bewaffneten Aufklärervariante MiG-25RB entwickelt. Der Bug wurde um 720&nbsp;mm verlängert und das ELINT-System speziell auf die Erkennung der Abstrahlungen von Boden-Luft-Stellungen eingerichtet. Auch die ECM-Maßnahmen wurden für diesen Einsatz geändert. Die neue Avionik erforderte auch Änderungen im Cockpit. Die Reichweite wurde durch einen 5800-Liter-Tank unter dem Rumpf und der Möglichkeit zur Luftbetankung vergrößert. Dazu wurden auch zusätzliche Antennen am Bug und den äußeren Außenlaststationen angebracht. Als Abstandsbewaffnung konnten vier Kh58 (NATO-Bezeichnung: [[AS-11 Kilter|AS-11]] ''Kilter'') mitgeführt werden. Sie ermöglichen eine Bekämpfung von Boden-Luft-Abwehrstellungen aus einer Entfernung von bis zu 120&nbsp;Kilometern. Die MiG-25BM wurde von 1982 bis 1985 gebaut. NATO- Kennung ''Foxbat-F''. === Einzelne Maschinen mit einer besonderen Ausrüstung === Aufgrund der herausragenden Flugleistungen wurden einzelne MiG-25 zur Erfüllung besonderer Aufgaben ausgerüstet. * 1982 wurde eine MiG-25PDS (Registrierung 7011) mit einer neuen ECM-Ausrüstung versehen, um die Maschinen überlebensfähiger gegen Luftabwehrraketen zu machen. Dazu gehörten ein neuer Radar-Warner, ein neues ECM-System und ein verbesserter Flare-Werfer. Die Maschine erhielt die Typenbezeichnung MiG-25PDSL. Die Flugversuche dauerten bis 1983 an. Später wurde eine andere Maschine, Registrierung 91, ähnlich ausgerüstet, erhielt jedoch ein aktives ECM. Die Versuche wurden 1985 eingestellt. * Im Rahmen des [[Buran (Raumfahrtprogramm)|Buran-Raumfähren]]-Programms wurde eine MiG-25PU so umgerüstet, dass sie mittels Fernsehkameras die Flüge der Buranfähre aufzeichnen und verschiedene Flugprofile der Fähre nachfliegen konnte. Diese Maschine erhielt die Bezeichnung MiG-25PU-SOTN, Kennnummer 22. Sie diente auch für Ausbildung und Training der Buran-Piloten. Zwei weitere Maschinen (Kennnummer 01 und 02) wurden für das Buran-Programm umgebaut und unter anderem für die Erprobung des Schleudersitzes K-36RB verwendet, der in der Buran-Fähre Verwendung fand. * Eine MiG-25PD wurde für die Erprobungsträger des Triebwerks [[Ljulka AL-41]]F modifiziert und erhielt die Baubezeichnung LL 20-84 === Weitere Entwicklungen === Die verschiedenen Varianten der MiG-25 zeigten, dass in der grundlegenden Konstruktion noch Potential ungenutzt blieb. Daraufhin wurden weitere Untersuchungen und der Bau leistungsstärkerer Prototypen veranlasst. Letztlich führten diese Entwicklungen zur stark verbesserten [[Mikojan-Gurewitsch MiG-31]]. ==== Mikojan-Gurewitsch E-155M ==== 1972 begannen Untersuchungen, um die allgemeinen Leistungsparameter wie Geschwindigkeit, Flughöhe, Steigleistung und Reichweite zu verbessern. Mit leistungsstärkeren Varianten der Triebwerke und unter Verzicht auf Aluminium in der Struktur sollte die Mach-3-Schwelle überwunden werden. Diese Variante wurde in den 1970er-Jahren der [[Fédération Aéronautique Internationale|FAI]] als E-266M gemeldet und errang zahlreiche Rekorde, die zum Teil heute noch Bestand haben. Als Triebwerk kam der Typ R-15BF2-300 zum Einsatz. Neben dem Rekordflugzeug wurden zwei weitere Maschinen gebaut, die mit dem [[Turbofan]]-Triebwerk [[Solowjow D-30]]F und 19.700 Liter internen Treibstoff ausgerüstet wurden und so eine Reichweite von 3310&nbsp;Kilometern erreichte. Umfangreiche Untersuchungen ergaben, dass es entgegen der bisherigen Annahme sehr wohl möglich ist, auch für derartige Fluggeschwindigkeiten bei vielen Zellenteilen Aluminium zu verwenden. Die Erkenntnisse wurden in die MiG-31 eingebracht. ==== Mikojan-Gurewitsch E-155MP ==== Bereits 1971 wurden die Ziele für ein modernes Jagdflugzeug neu definiert. Dabei zeigte sich, dass es unerlässlich war, niedrig fliegende Ziele sicher zu erkennen und damit die Effizienz der Luftraumverteidigung zu verbessern. Dazu mussten jedoch [[Digitaltechnik|digitale Rechner]] verwendet werden, da die [[Analogtechnik]] hier an ihre Grenzen stieß. Durch die neue digitale Avionik wurde auch das Situationsbewusstsein der Besatzung verbessert. Die Bewaffnung musste mit diesen Zielen Schritt halten und erneut mussten wirksamere Luft-Luft-Raketen entwickelt werden. Eine durch Luftbetankung vorgesehene Flugdauer von sechs Stunden erforderte zwingend ein zweites Besatzungsmitglied. Die Summe dieser Forderungen führten schließlich zu einer kompletten Neuentwicklung von Zelle, Tragwerk und Avionik, wenn auch auf der aerodynamischen Basis der MiG-25. Die MiG E-155MP kann daher als Prototyp und Entwicklungsträger für die MiG-31 angesehen werden. == Technische Daten == {| class="wikitable" |- bgcolor="#DDDDDD" ! Kenngröße ! E-155P ! MiG-25P ! MiG-25PD/PDS ! MiG-25RB |- | Baujahre || 1964 || 1964–1978 || 1978–1982 || 1970–1982 |- | Spannweite || 14,10 m || 14,02 m || 14,02 m || 13,41 m |- | Länge (ohne Pitotrohr) || 23,30 m || 19,72 m || 19,75 m || 21,55 m |- | Höhe || || 6,10 m || 6,10 m || 6,10 m |- | Flügelfläche || 61,9 m²|| 61,4 m² || 61,4 m² || 61,4 m² |- | Leergewicht || 20.000 kg || 20.020 kg || 20.020 kg || 20.755 kg |- | Startgewicht max. || 41.000 kg || 36.720 kg || 36.720 kg || 41.200 kg |- | Besatzung || 1 || 1 || 1 || 1 |- | Höchstgeschwindigkeit in Bodennähe || 1.200 km/h || 1.200 km/h || 1.200 km/h || 1.200 km/h |- | Höchstgeschwindigkeit in 13.000 m || 3.000 km/h (Mach 2,82) || 3.000 km/h (Mach 2,82) || 3.000 km/h (Mach 2,82) || 3.000 km/h (Mach 2,82) |- | Steigzeit auf 20.000 m || 3,5 min || || || |- | Dienstgipfelhöhe || 22.000 m || || 20.500 m || 21.000 m |- | Reichweite max. || 1.285 km || 1.730 km || 1.730 km || 2.130 km |- | Startrollstrecke || 1.250 m || 1.250 m || 1.250 m || 1.250 m |- | Startrollgeschwindigkeit || || 360 km/h || 360 km/h || 360 km/h |- | Landerollstrecke || 800 m || 800 m || 800 m || 800 m |- | Landegeschwindigkeit || || 290 km/h || 290 km/h || 280 km/h |- | Triebwerk || 2 [[Tumanski]] R-15B-300 || 2 Tumanski R-15B-300 || 2 Tumanski R-15BD-300 || 2 Tumanski R-15BD-300 |- | Schub || je 100,1 kN || je 100,1 kN || je 112,0 kN || je 109,8 kN |} == Rekorde == In den 1960er- und 1970er-Jahren stellte die als [[Mikojan-Gurewitsch E-266]] gemeldete Rekordversion der MiG-25 eine Reihe von Geschwindigkeits-, Steiggeschwindigkeits- und Höhenweltrekorden auf, die zum Teil bis zum heutigen Tage Bestand haben. Dabei wurden zwei Rekorde des amerikanischen Astronauten [[John Watts Young|John Young]] von 1962 gebrochen. Bei der in den 1960er-Jahren gemeldeten E-266 handelte es sich in Wirklichkeit um die drei Prototypen E-155R-1, E-155R-3 und E-155P-1. Die in den 1970er-Jahren als E-266M gemeldete Maschine war der Erprobungsträger E-155M mit stärkeren Triebwerken vom Typ R-15BF2-300. Die folgenden [[Fédération Aéronautique Internationale|FAI]]-Weltrekorde werden von der MiG-25 (E-266 und E-266M) in der Klasse ''Landgestützte Flugzeuge mit Turbojet-Antrieb ohne Gewichtseinschränkung'' noch gehalten (Stand 6. September 2006): * Gipfelhöhe (absolut): 37.650 m (31. August 1977) (E-266M) * Gipfelhöhe mit 1000/2000 kg Zuladung: 37.080 m (22. Juni 1977) (E-266M) * Steigzeit auf 25.000 m: 2 min 34,2 s (17. Mai 1975) (E-266M) * Steigzeit auf 30.000 m: 3 min 10 s (17. Mai 1975) (E-266M) * Steigzeit auf 30.000 m und 1000 kg Zuladung: 3 min 10 sec (17. Mai 1975) (E-266M) * Steigzeit auf 35.000 m: 4 min 11,7 s (17. Mai 1975) (E-266M) * Geschwindigkeit auf geschlossenem 100-km-Kurs: 2605,10 km/h (8. April 1973) (E-266) * Geschwindigkeit auf geschlossenem 500-km-Kurs: 2981,50 km/h (5. September 1967) (E-266) * Geschwindigkeit auf geschlossenem 1000-km-Kurs mit 2000 kg Zuladung: 2920,67 km/h (27. September 1967) (E-266) Die Gipfelhöhen wurden nicht im Horizontalflug, sondern im [[Parabelflug]] erreicht. In der Ausgabe 2007 „Guinness World Records“ wird eine Mikojan MiG-25 Nato Codenamen „Foxbat-B“, als schnellstes Kampfflugzeug der Welt geführt. Guinness gibt dazu eine Radarmessung einer MiG-25 mit „etwa Mach 3,2 (3.395 km/h)“ an. == Verbleib == Nach dem Zusammenbruch der UdSSR wurden die MiG-25 von den Nachfolgestaaten zunächst weiterbetrieben. Sie wurden jedoch aufgrund der enormen Betriebskosten bald ausgemustert. Die Produktion von Ersatzteilen wurde von MiG inzwischen weitestgehend eingestellt. Trotzdem sind einige Maschinen noch einsatzbereit (Stand 11/2005). Eine MiG-25PU des [[Michail-Gromow-Hochschule für Flugforschung|LII]] kann am Flugplatz [[Schukowski]] mit Pilot gechartert werden. Zahlende Passagiere werden auf eine Flughöhe von mindestens 27.000 Metern befördert. === Algerien === [[Algerien]] erhielt 1979 von der UdSSR eine Lieferung von 20 Maschinen des Typs MiG-25B und MiG-25BU sowie vier Aufklärungsflugzeugen MiG-25R. Von diesen Maschinen sind 14 MiG-25B/BU sowie drei MiG-25R noch einsatzbereit (2/2005). === Armenien === [[Armenien]] verfügt über mindestens sechzehn MiG-25B (8/2004).<ref>[http://www.gab-ibn.com/IMG/pdf/Ge3-_Growing_Army_For_Preserving_Of_Military_Balance_In_The_Region.pdf Irakly Aladishvili: ''Growing Army For Preserving Of Military Balance In The Region'' (PDF)]</ref> === Aserbaidschan === [[Aserbaidschan]] verfügt über acht MiG-25PD, 14 Mig-25RB und insgesamt sechs zweisitzige Trainingsmaschinen MiG-25RU / BU, die 1991/92 von der Sowjetstreitmacht übernommen wurden. === Bulgarien === [[Bulgarien]] bezog drei MiG-25RBT und eine MiG-25RU, war mit ihnen allerdings aufgrund der örtlichen Gegebenheiten nicht zufrieden. Nach dem Auseinanderbrechen der UdSSR tauschte man sie bald gegen [[MiG-23]]BN. Eine MiG-25RBT ging verloren. === Indien === [[Indien]] entschied sich bereits 2002, die sechs MiG-25RB und zwei MiG-25RU in der IAF bis 2005 auszumustern, was auch planmäßig durchgeführt wurde. Die Aufgaben werden in Zukunft durch Aufklärungssatelliten und unbemannte Aufklärungsdrohnen ausgeführt. === Irak === [[Datei:MiG-25 Foxbat.jpg|thumb|Nach dem [[Irakkrieg]] von der U.S. Armee beschlagnahmte irakische MIG-25]] [[Irak]] erhielt neben 20 MiG-25PD acht MiG-25RB. 1985 stürzte eine Maschine nach einer Triebwerksexplosion ab. 1987 zerschellte eine MiG-25 beim Landeanflug durch einen Wartungsfehler. Die Maschinen waren alle bei der 96.&nbsp;Staffel auf dem Stützpunkt Tammuz (al-Taqaddum) stationiert und operierten gemeinsam mit der 6.&nbsp;Staffel, die MiG-29 flog. 1991 besaß der Irak 18 MiG-25PD, die auf der MiG-25P basierten, die zuvor an Algerien, Libyen und Syrien geliefert worden waren. Im Irak wurde die MiG-25PD seit ihrem Einkauf eingehend studiert und man war dabei, gemeinsam mit Syrien eigene Upgrades zu entwickeln. Die Maschinen wurden zum wichtigsten Abfangjäger der [[Irakische Streitkräfte#Geschichte|irakischen Luftstreitkräfte]], sie wurden mit enormem Aufwand gepflegt und einsatzbereit gehalten. Bis 1991 konnten durchweg zehn Maschinen einsatzklar gehalten werden. Die Piloten der 96.&nbsp;Staffel waren die erfahrensten Piloten, die je die MiG-25PD im Kampfeinsatz flogen. Im Krieg gegen den Iran konnten (im Westen nicht weiterverfolgte) Abschüsse gegen F-5 und F-4 erzielt werden. Am 16. Januar, der ersten Kriegsnacht im Zweiten Golfkrieg, schoss Oberleutnant Zuhair Dawood mit seiner MiG-25PD eine F/A-18C unter Lieutenant Commander [[Scott Speicher|Michael „Scott“ Speicher]] ab. Im Dezember 1992 schoss ein US-amerikanisches Kampfflugzeug eine irakische MiG-25 in der Flugverbotszone im Irak ab. === Libyen === [[Libyen]] kaufte 30 MiG-25PD, fünf MiG-25RU und fünf MiG-25RB. Noch 1999 wurden Gespräche mit Russland bezüglich einer Kampfwertsteigerung der verbliebenen Maschinen geführt. 2006 wurden die letzten fünf Maschinen ausgemustert und eingelagert. Die MiG-31E/FE ist ein aussichtsreicher Kandidat, der mit hoher Wahrscheinlichkeit die Nachfolge antreten könnte. 2007 will Libyen zunächst jedoch Verträge für 12 MiG-29SMT und 12 Su-30MK2 unterzeichnen. === Peru === [[Peru]] kaufte 1996 drei MiG-25 von [[Weißrussland]]. Die Maschinen erwiesen sich als schlecht gewartet und praktisch nutzlos. === Russland === [[Russland]] verfügt im Moskauer Militärbezirk über 41 und im Sankt Petersburger Militärbezirk über 28 MiG-25. Die größte Anzahl davon stellen die mit modernen Avionik ausgerüstete MiG-25RBSch. Etwa 70 Maschinen sind vom Flugbetrieb ausgemustert (2005). === Syrien === [[Syrien]] erhielt eine Lieferung von acht MiG-25RB, 30 MiG-25PD-Jagdflugzeuge und fünf MiG-25PU-Trainern. Im Laufe der 1990er-Jahre kam es wiederholt zu Schwierigkeiten, die Maschinen kampfbereit zu halten. Im Jahr 2001 gab es Bemühungen seitens Syrien, einige der Maschinen mit neuer Avionik auszurüsten, um mit diesen weiterhin Aufklärung gegen Israel durchführen zu können, ohne dessen Gebiet zu überfliegen. Es sind derzeit noch 25 Maschinen vorhanden (4/2005). === Weißrussland === [[Weißrussland]] übernahm von den sowjetischen Streitkräften 62 MiG-25. Die ursprünglich im Land verbliebenen moderneren Typen der MiG-25 wurden an Russland übergeben. Inzwischen sind alle MiG-25 außer Dienst gestellt (11/2005). == Einsätze == Vier MiG-25R mit der Tarnbezeichnung „X-500“, die der sowjetischen Luftwaffe angehörten und von sowjetischen Piloten geflogen wurden, wurden ab Herbst 1971 bis Frühling 1972 von [[Ägypten]] aus zu Aufklärungsflügen über [[israel]]isch besetztem Gebiet eingesetzt. Dabei erfolgten Aufklärungsflüge bis nach [[Tel Aviv]] und [[Dimona]]. Versuche der [[Israelische Luftstreitkräfte|IAF]], die in [[Rotte (Luftfahrt)|Rottenformation]] mit Mach 2,35 in 20&nbsp;Kilometern Höhe einfliegenden MiG-25 mit [[McDonnell F-4|McDonnell F-4E Phantoms]] abzufangen, schlugen fehl. Von [[Syrien]] eingesetzte Maschinen konnten ebenfalls erst mit speziell ausgerüsteten israelischen [[McDonnell Douglas F-15]] erfolgreich angegriffen werden. Eine MiG-25 ging verloren. Der angebliche Abschuss einer F-15 blieb unbestätigt. Im [[Erster Golfkrieg|Ersten Golfkrieg]] wurden irakische MiG-25RB für Präzisionsangriffe auf iranische Ölfelder eingesetzt. Mindestens eine Maschine ging durch Boden-Luft-Raketen vom Typ [[MIM-23 HAWK|Hawk]] verloren. Im [[Zweiter Golfkrieg|Zweiten Golfkrieg]] schoss eine irakische MiG-25 eine [[McDonnell Douglas F/A-18]] ab. Dies ist der einzige bestätigte Abschuss durch eine MiG-25. MiG-25 griffen weitere Male in die Kampfhandlungen ein, ohne jedoch einen Abschuss zu erzielen oder selbst getroffen zu werden. Sie erwiesen sich auch modernen Mustern gegenüber als ebenbürtig, solange nur Flugkörperbewaffnung auf große Distanz eingesetzt wurde. Im Mai 1997 überflog eine indische MiG-25 die [[Pakistan|pakistanische]] Hauptstadt [[Islamabad]] und wurde erst aufgrund ihres [[Überschallflug|Überschallknalls]] bemerkt, der für Unruhe unter der Bevölkerung sorgte. Die Maschine war für die [[General Dynamics F-16]] der pakistanischen Luftstreitkräfte unerreichbar. Der Flug führte zu einer weiteren Verschlechterung der angespannten indisch-pakistanischen Beziehungen. Am 23. Dezember 2002 gelang einer [[irak]]ischen MiG-25PD der Abschuss einer amerikanischen [[Predator (Drohne)|RQ-1B Drohne]], obwohl die Drohne nur 150&nbsp;km/h schnell flog und ein sehr kleines Radarziel bot. Die MiG-25R wurde in der Sowjetunion auch eingesetzt, um schnell Lagebilder für den [[Katastrophenschutz]] (beispielsweise bei Schneestürmen oder Überschwemmungen) zu erstellen. <!-- Absatz (zum größeren Teil) aus der englischen Wikipedia, Version 25. Juli [[http://en.wikipedia.org/w/index.php?title=Mikoyan-Gurevich MiG-25&oldid=5300454]]--> === Der 6. September 1976 === Am 6. September 1976 desertierte der sowjetische Leutnant [[Viktor Belenko]] mit seiner MiG-25P und landete sie in [[Hakodate]] ([[Japan]]). Er ermöglichte damit westlichen Stellen einen tiefen Einblick in die Technik des neuen sowjetischen Flugzeugs. Das Flugzeug wurde von der Abteilung für ausländische Technologie der US Air Force in [[Dayton (Ohio)|Dayton]] auseinandergenommen und analysiert. Nach 67 Tagen wurde das Flugzeug der Sowjetunion in Einzelteilen übergeben. Die Analyse ergab damals für die westlichen Staaten einige erstaunliche Tatsachen: * Das Flugzeug war neu und repräsentierte die neueste sowjetische Technologie. * Der größte Teil der [[Avionik]] basierte auf [[Elektronenröhre]]n, nicht [[Transistor]]en. Es wurde spekuliert, dass dies nicht auf schlechte Technik, sondern auf den Versuch der Sowjets hindeutete, die Systeme gegenüber den Effekten von [[Elektromagnetischer Puls|EMP]] bei einer Nuklearexplosion unempfindlicher zu machen. Elektronenröhren können einem EM-Puls bis zu 1000 Mal besser widerstehen als Halbleiterelektronik. * Das Flugzeug war von Hand verschweißt. * Die ganze Konstruktion war fertigungsoptimiert. An Stellen, die nicht für die Aerodynamik relevant waren, gab es hervorstehende Nietköpfe. * Der Geschwindigkeitsmesser hatte seine rote Linie bei Mach&nbsp;2,8 und die Piloten sollten Mach&nbsp;2,35 nicht überschreiten. Die Amerikaner hatten 1973 über Israel eine MiG-25 beobachtet, die Mach&nbsp;3,2 flog und dabei ihre Triebwerke beschädigte. * Die Reichweite bei Mach&nbsp;2,35 betrug nur 1.250&nbsp;Kilometer, im Unterschallflug waren dagegen 1.730&nbsp;Kilometer möglich. * Das maximale [[Lastvielfache]] mit Außentanks betrug lediglich 2,2&nbsp;g (22&nbsp;m/s²), ohne Tanks waren 4,5&nbsp;g zulässig. Insgesamt waren die westlichen Experten über den äußerst effektiven Aufbau und die relativ konventionellen Materialien überrascht. Der Öffentlichkeit wurden jedoch nicht alle Ergebnisse zur Verfügung gestellt. == Literatur == * Bill Gunston: ''Encyclopedia of Russian Aircraft.'' Osprey, Oxford 1995, 2000, ISBN 1-84176-096-X. * Gallai: ''Über unsichtbare Barrieren.'' Militärverlag, Berlin 1989, ISBN 3-327-00639-3. * Karl-Heinz Eyermann: ''MiG-Flugzeuge.'' Transpress, Berlin 1988 (3.Aufl.), ISBN 3-344-00323-2. * Yefim Gordon: ''MiG-25 Foxbat MiG-31 Foxhound Russia's defensive Front line.'' Midland Publishing Ltd. Earl Shilton 2000, ISBN 1-85780-064-8. == Einzelnachweise == <references/> == Weblinks == {{Commons|Mikoyan-Gurevich MiG-25|Mikojan-Gurewitsch MiG-25}} * [http://records.fai.org/general_aviation/#reco: FAI Weltrekorde] (englisch) * [http://www.migavia.ru/eng/ Hersteller] (russisch/englisch) * [http://www.spyflight.co.uk/foxbats.htm Foxbats over Sinai] (englisch) * [http://www.fliegerweb.com/militaer/flugzeuge/lexikon.php?show=lexikon-360 MiG-25. Mit Video über die Entwicklungsgeschichte. Quelle: FliegerWeb.com] {{Navigationsleiste Mikojan-Gurewitsch|}} {{DEFAULTSORT:Mikojangurewitsch Mig 025}} {{Exzellent}} {{Review|N}} [[Kategorie:Mikojan-Gurewitsch|Mig 025]] [[Kategorie:Militärischer Flugzeugtyp]] [[Kategorie:Zweistrahliges Flugzeug]] {{Link FA|hu}} [[ar:ميكويان جيروفيتش ميج-25]] [[az:MiQ-25]] [[bg:МиГ-25]] [[cs:MiG-25]] [[el:MiG-25]] [[en:Mikoyan-Gurevich MiG-25]] [[es:Mikoyan-Gurevich MiG-25]] [[et:Mikojan-Gurevitš MiG-25]] [[fa:میگ-۲۵]] [[fi:MiG-25]] [[fr:Mikoyan-Gourevitch MiG-25]] [[gl:MiG-25]] [[he:מיג-25]] [[hr:MiG-25]] [[hu:MiG–25]] [[id:Mikoyan-Gurevich MiG-25]] [[it:Mikoyan-Gurevich MiG-25]] [[ja:MiG-25 (航空機)]] [[ka:მიგ-25]] [[lt:MiG-25]] [[ml:മിഗ് 25]] [[ms:Mikoyan-Gurevich MiG-25]] [[nl:Mikojan-Goerevitsj MiG-25]] [[no:Mikojan-Gurevitsj MiG-25]] [[pl:MiG-25]] [[pt:Mikoyan-Gurevich MiG-25]] [[ro:Mikoian-Gurevici MiG-25]] [[ru:МиГ-25]] [[simple:MiG-25 Foxbat]] [[sr:МиГ-25]] [[sv:MiG-25]] [[th:มิโคยัน-กูเรวิชค์ มิก-25]] [[tr:MiG-25]] [[uk:МіГ-25]] [[vi:Mikoyan-Gurevich MiG-25]] [[zh:米格-25战斗机]] 9l715ft2549fvjhm64xi7emuc2vjqap wikitext text/x-wiki Mikrotom 0 23935 26531 2010-03-20T04:03:05Z Soulman 0 /* Rotationsmikrotom */ Formulierung "komt zu liegen" Berliner Gramatik entfernt [[Datei:Ultramicrotome 2265 EM GD MB.jpg|thumb|upright=1.5|Rotationsmikrotom mit feststehendem Glasmesser und beweglicher Probe]] Ein '''Mikrotom''' (von [[Altgriechische Sprache|griech.]] ''mikros'' „klein“ und ''temnein'' „schneiden“) ist ein Schneidegerät, mit dem man sehr dünne Schnittpräparate erstellen kann. Es dient zur Herstellung [[Mikroskop|mikroskopischer]] Präparate, welche später durchstrahlt werden sollen (beispielsweise [[Gewebe (Biologie)|biologische Gewebe]]). Typische Einsatzgebiete sind vor allem weiche Materialien und [[Werkstoffe]], wie beispielsweise aus der Medizin und Biologie ([[Histotechnik]]), sowie die Analytik von Kunststoffen. Biologisches Material wird normalerweise vor dem Schneiden durch [[Fixierung (Präparationsmethode)|Fixierung]] gehärtet und dann durch „Einbettung“, das heißt Einschluss mit einer flüssigen Substanz ([[Paraffin]], [[Epoxidharz|Kunstharz]]), die später aushärtet, schneidbar gemacht. Für die Erstellung der Schnitte stehen je nach Anwendungsgebiet verschiedene Mikrotomarten (siehe [[Mikrotom#Mechanische Mikrotome|unten]]) zur Verfügung. Die Dicke der Schnitte ist dabei deutlich geringer als der Durchmesser eines menschlichen Haares und liegt bei typischerweise 0,1 bis 100&nbsp;µm. Die Anwendung eines Mikrotoms wird als '''Mikrotomie''' bezeichnet. Alternativverfahren für die Herstellung dünner Präparate sind die Erzeugung von [[Dünnschliff]]en für Metalle, Gesteine, Mineralien, Knochen und Zähne, die [[Elektropolitur]] für Metalle und die [[Ionendünnung]]. == Geschichte == [[Bild:Cummings 1774 Microtome.jpg|thumb|Mikrotom von Cummings 1770<ref name="Hill_1770" />]] [[File:Microtome1905.JPG|thumb|Mikrotom (C. Reichert, Wien, 1905-1915)]] [[Datei:Microtome-1.jpg|thumb|Rotationsmikrotom älterer Bauart]] Um den Aufbau eines Objektes zu verstehen, muss man sein Inneres untersuchen. In den Anfängen der [[Lichtmikroskop]]ie wurden dazu Handschnitte mit Rasierklingen, meist von Pflanzen oder Teilen von Tieren, erstellt. Um die Strukturen eines Objektes sehr genau zu erkennen, so werden sehr dünne, gleichmäßige Schnitte in der Größenordnung von 10 bis 100&nbsp;µm benötigt, die im Durchlicht untersucht werden können. Die Geräte zur Anfertigung von Schnitten wurden bis 1839 Schneidapparate (''cutting engine'') genannt, bis [[Jacques Louis Vincent]] (1770–1841) und [[Charles Louis Chevalier]] (1804–1859) den Begriff „Mikrotom“ prägten.<ref name="Humason">{{cite book | last = Humason | first = Gretchen L. | title = Animal tissue techniques | publisher = W. H. Freeman and Company | date = 1962 | location = | pages = 43, Chapter 4 (Microtomes and Microtome Knives) | url = http://www.archive.org/details/animaltissuetech00huma | doi = }}</ref> Das vermutlich erste Gerät zur Anfertigung derartiger Schnitte wurde um 1770 von [[George Adams junior|George Adams, jr.]] (1750-1795) erfunden und von [[Alexander Cumming]] weiterentwickelt.<ref>{{cite book | last = Quekett | first = John | title = A Practical Treatise on the use of the Microscope | publisher = Hippolyte Bailliere | date = 1848 | location = London | pages = 306, Chapter XII (Microtomes and Microtome Knives) | url = http://www.archive.org/details/practicaltreatis00quekuoft | doi = }}</ref> Es war ein Handmodell, bei dem die Probe in einem Zylinder festgehalten und die Schnittdicke (Höhe der Probe) mit einer Schraube eingestellt wurde.<ref name="Hill_1770">{{cite book | last = Hill | first = John | title = The Construction of Timer, from its early growth; Explained by Microscope, and proven from Experiments, in a great Variety of Kinds. | publisher = | date = 1770 | location = London | pages = 5–11, Plate I | url = http://www.archive.org/details/constructiontim00hillgoog}}</ref><ref name="Anonymous_1910">{{cite journal | last = Anonymous | title = [[:Datei:Anonymous 1910 An Eighteenth Century Microtome.pdf|An eighteenth century Microtome]] | journal = Journal of the Royal Microscopical Society | volume = | issue = | pages = 779-782 | publisher = The Royal Microscopical Society | location = Oxford, England | date = 1910 | doi = | accessdate = 21.3.2009}}</ref> 1835 baute Andrew Pritchard das Schnittgerät in ein Tischmodell um, indem er es mit einer Klammer an einem Tisch befestigte und so das Messer beidhändig bedienen konnte.<ref name="Gilbert Morgan Smith"/> Das erste Schlittenmikrotom wurde 1798(?) von George Adams erfunden.<ref name="Humason" /> Die Entwicklung der Rotationsmikrotome erfolgte hingegen erst deutlich später (1883 bzw. 1886).<ref name="Humason" /> Um dünne Schnitte erzeugen zu können, wurden auch andere Hilfsmittel wie etwa 1838 das Doppelklingenmesser mit verstellbarem Klingenabstand von [[Gabriel Gustav Valentin]] entwickelt.<ref>{{cite book | last = Harting | first = Peter | title = Das Mikroskop. | publisher = F. Vieweg & Sohn | date = 1859 | location = Braunschweig | pages = 363–366, Abschnitt 292 | url = http://www.archive.org/details/dasmikroskopthe01theigoog}}</ref><ref name="Hintzsche">{{Literatur |Autor=Erich Hintzsche|Titel=Voraussetzungen und Entwicklung der Mikrotomie|Sammelwerk=Ciba-Zeitschrift (Basel)|Band=|Nummer=8|Jahr=1943|Seiten=3082-3084|Online=[http://www.amuseum.de/medizin/PDF/CZ88_1943/Voraussetzungen%20und%20Entwicklung_2.pdf PDF]}}</ref> Aufgrund der erst in Anfängen vorhandenen [[Fixierung (Präparationsmethode)|Härtungstechnik]] von biologischen Proben und mechanischen Problemen (Stabilität und Nachschärfbarkeit der Klingen) führte diese offensichtliche Lösung, ein Doppelklingenmesser, im Freihandbetrieb nicht zum gewünschten Erfolg. Häufig wird in der Literatur als Erfinder des Mikrotoms der Anatom [[Wilhelm His (Anatom)|Wilhelm His]] angesehen (1865).<ref>{{internetquelle |autor= |hrsg= Encyclopædia Britannica|url= http://www.britannica.com/EBchecked/topic/266898/Wilhelm-His|titel= Wilhelm His|werk= Encyclopædia Britannica Online|zugriff=24. März 2009}}</ref><ref>{{cite journal | last = Loukas | first = Marios | coauthors = Pamela Clarke, R. Shane Tubbs, Theodoros Kapos and Margit Trotz | title = The His family and their contributions to cardiology | journal = International Journal of Cardiology | volume = 123 | issue = 2 | pages = 75–78 | publisher = Elsevier | location = Ireland | date = 2008 | url = http://linkinghub.elsevier.com/retrieve/pii/S0167527307003907 | issn = 0167-5273 | doi = 10.1016/j.ijcard.2006.12.070 | accessdate = 24 März 2009}}</ref> In seiner ''Beschreibung eines Mikrotoms'' von 1870 schreibt His: ''„Der Apparat hat mir eine Präcision der Arbeit erlaubt, welche bei der Schnittführung mit einer Hand niemals möglich gewesen wäre. Er hat mir nämlich möglich gemacht, ununterbrochene Schnittfolgen der untersuchten Objecte zu gewinnen.“'' Gleichzeitig gibt er jedoch auch an, dass (in der Literatur) zur Herstellung von mikroskopischen Schnitten (bereits) eine Anzahl von Vorrichtungen angegeben worden seien und dass sein Gerät eine Erweiterung eines ''Queerschnitters'' von Herrn Professor Hensen darstellt.<ref name="His_1870">{{cite journal | last = His | first = Wilhelm | title =[[:commons:File:His 1870 Beschreibung eines Mikrotoms.pdf|Beschreibung eines Mikrotoms]] | journal = Archiv für mikroskopische Anatomie | volume = 6 | issue = | pages = 229–232, Tafel III | publisher = Verlag Max Cohen & Sohn | location = Bonn | date = 1870 | doi = 10.1007/BF02955980 | url = | accessdate = }}</ref> Der Grund für die Nennung als Erfinder mag sein, dass Wilhelm His mit seinen Arbeiten maßgeblich zu einer breiten Akzeptanz des Gerätes beitrug.<ref name="His">Ole Daniel Enersen: ''[http://www.whonamedit.com/doctor.cfm/2606.html Wilhelm His].''</ref> Andere Quellen beschreiben, dass das Mikrotom, ein Gerät zum Schneiden dünner Anteile von Geweben, vom tschechischen Physiologen [[Jan Evangelista Purkyně]] erfunden wurde.<ref>{{internetquelle |autor= |hrsg= msn Encarta |url= http://encarta.msn.com/encyclopedia_761573144/histology.html |titel= Histology |werk= msn Encarta|zugriff=18. März 2009}}</ref> Mehrfach wird auch ohne Angaben von Jahreszahlen berichtet, das Purkinje das Mikrotom als erster nutzte.<ref>Detlev Ganten: ''Handbuch der molekularen Medizin'', Springer, ISBN 3540645527, ([http://books.google.de/books?id=DjwuzN4XvLMC&printsec=frontcover#PPA548,M1 Google-Books])</ref><ref>Werner Gerabek, Bernhard D. Haage, Gundolf Keil, Wolfgang Wegner (2005): ''Enzyklopädie Medizingeschichte'', Walter de Gruyter, ISBN 3110157144, ([http://books.google.de/books?id=LLoOUP-y54YC&printsec=frontcover#PPA1203,M1 Google-Books])</ref> Die Unklarheiten bzgl. der Erfindung des Mikrotoms könnten zum Einen damit zusammenhängen, dass die ersten Mikrotome nur als Schneidapparate (''cutting engine'') und nicht als Mikrotome bezeichnet wurden oder dass abhängig vom Entwicklungsstadium die ersten Geräte unberücksichtigt blieben. Zusammen mit den Mikrotomen entwickelte sich auch die Präparationstechnik&nbsp;– bestehend aus Fixiertechnik, Einbettung und Anfärbung von Präparaten&nbsp;– immer weiter. Die selektive Anfärbung des Präparats führt jedoch nur dann zu brauchbaren Ergebnissen, wenn die Probendicke konstant bleibt. Man verhinderte damit, dass Unterschiede in der Dicke zu größeren Farbänderungen führen als Unterschiede in der Probenstruktur. Die Erstellung von sehr dünnen und vor allem gleichmäßig dicken Schnittpräparaten mit einem Mikrotom hatte daher, zusammen mit der selektiven Anfärbung bestimmter Zellkomponenten oder Moleküle, die Sichtbarkeit mikroskopischer Details Ende des 19. Jahrhunderts um mindestens eine Größenordnung erhöht.<ref name="">Ernst Mayr: ''Die Entwicklung der biologischen Gedankenwelt.'' Springer, 2002, ISBN 3-54043-213-2 ([http://books.google.de/books?id=Y_HvUDa4OqwC&pg=PA533&dq=mikrotom+biologie&lr=&as_brr=3 Google-Books])</ref><ref>Werner Linß, Werner Linb, Jochen Fanghänel: ''Histologie: Zytologie, allgemeine Histologie, mikroskopische Anatomie.'' Walter de Gruyter, 1998, ISBN 3-11014-032-2 ([http://books.google.de/books?id=S1HRxeGOQfMC&pg=PA1&dq=Purkinjes+mikrotom&as_brr=3 Google-Books])</ref> In den 1870er Jahren entwickelte [[Richard Thoma (Mediziner)]] ein Gerät zur Herstellung hauchdünner histologischer [[Paraffin]]schnitte zur mikroskopischen Begutachtung.<ref>Richard Thoma, J. F. Lyon: "Ueber ein Mikrotom". In: Virchow`s Arch. 84 (1881), S. 189–191</ref> Dieses Schlittenmikrotom wurde ab 1881 von Rudolf Jung in Heidelberg serienmäßig produziert und bis Mitte des 20. Jahrhunderts weltweit eingesetzt (Thoma-Mikrotom).<ref>Klaus Goerttler (Hrsg.): Biographisches Lexikon zur Portraitsammlung des Anatomen Robert Wiedersheim [http://appserv5.ph-heidelberg.de/onlinelex/index.php?id=1143]</ref> Weitere Hersteller von Mikrotomen waren die Firmen C. Reichert, Wien und [[Leitz (Optik)|E. Leitz]], Wetzlar, deren entsprechende Geschäftsbereiche inzwischen alle in der [[Leica Microsystems|Leica Microsystems GmbH]], Wetzlar aufgegangen sind.<ref name="MVM" /> Eine ausführliche Abhandlung über die Geschichte des Mikrotoms findet sich in der Übersichtsarbeit von [[Gilbert Morgan Smith]].<ref name="Gilbert Morgan Smith">Gilbert Morgan Smith: ''The Development of Botanical Microtechnique.'' In: ''Transactions of the American Microscopical Society'' 34, Nr. 2. 1915, S. 71–129, ([http://scientificobjects.mpiwg-berlin.mpg.de/scientificobjects/dms/ResearchNetworkDocuments/basicdocuments/V1_Smith--technique1915/V1_Smith,%20technique1915.pdf PDF-Version des Artikels)]</ref> Dort finden sich auch zahlreiche historische Abbildungen der frühen Geräte. Aufbauend hierauf gibt Krause einen eurozentrischen Blick auf die Geschichte des Mikrotoms.<ref>{{cite book | last = Krause | first = Rudolf | title = Enzyklopädie der Mikroskopischen Technik | publisher = Urban & Schwarzenberg | date = 1926 (3. Auflage) | location = Berlin | pages = 1528–1548, Band II | url = | doi = }}</ref> == Mechanische Mikrotome == Die meisten Mikrotome bestehen aus einem Messerblock mit auswechselbarem Messer, einem Präparatehalter mit Probe und einem „Vorschubmechanismus“. Je nach Gerätetyp wird beim Schneiden die Probe oder das Messer bewegt, wobei das Messer durch das Präparat gedrückt wird und durch die Keilwirkung eine hauchdünne Schicht abschneidet (Schnittgewinnung). Nach jedem Schnitt sorgt der Vorschubmechanismus für eine automatische Verschiebung, die sogenannte Zustellung, so dass beim nächsten Zyklus ein Schnitt der gleichen Dicke erzeugt wird. Die Schnittdicke lässt sich über einen entsprechenden Einstellmechanismus genau regulieren. Je nach Aufbau werden verschiedene Gerätetypen unterschieden. Die wichtigsten Typen werden im Folgenden beschrieben. Die angegebenen Schnittdicken stellen Orientierungswerte dar. Die sinnvolle Schnittdicke ist abhängig vom Material der Probe, dem Untersuchungsziel und von der Vorbehandlung (Fixierung, Einbettung, Histotechnik). === Schlittenmikrotom === {| class="float-right" |- style="vertical-align:top" | [[Image:Sledge microtome.jpg|thumb|none|Ausschnitt Schlittenmikrotom: Schlitten mit Messer (Vordergrund); geschnittene Probe (Hintergrund)]] | [[Image:Sledemicrotoom Reichert-Jung Hn40.jpg|thumb|none|Schlittenmikrotom mit feststehender Probe und beweglichem Messer]] |} Beim Schlittenmikrotom ist das Präparat meist fest auf einem Blockträger fixiert, während das Messer auf einem meist schweren „Schlitten“ hin und her bewegt wird. Der Schlitten befindet sich heutzutage auf einem auf Rollen gelagerten Band.<ref name="Lang">Gudrun Lang: ''Histotechnik. Praxislehrbuch für die Biomedizinische Analytik.'' Springer, Wien/New York 2006, ISBN 3-211-33141-7 ([http://books.google.de/books?id=FulU0tG7kaQC Google Books]).</ref> Das Messer kann bei vielen Schlittenmikrotomen zur Schnittrichtung schräggestellt werden. Dieser Winkel wird als [[Mikrotom#Schneidewinkel Deklination und Inklination|Deklination]] bezeichnet.<ref name="Lang" /> Diese Orientierung reduziert im Vergleich zu einem quergestellten Messer den Druck beim Schneiden. Typische Anwendungsgebiete sind große, weiche Proben, z.&nbsp;B. in Paraffin eingebettete biologische Präparate. Die typische Schnittdicke des Schlittenmikrotoms liegt bei 1 bis 60&nbsp;µm (evtl. bis 300&nbsp;µm). Alternativ findet man zum Teil eine Variante des Schlittenmikrotoms im Einsatz, das als ''Grundschlittenmikrotom'' bezeichnet wird. Hier ist das Messer starr angebracht und die Probe wird auf der Schlittenbahn unter dem Messer durchgezogen.<ref name="MVM">Klaus Henkel: ''[http://www.mikroskopie-muenchen.de/cut-mikrotom.html Das Schneiden mit dem Mikrotom].'' Mikrobiologische Vereinigung München e.&nbsp;V., 2006, abgerufen am 15. Feb. 2009</ref> === Rotationsmikrotom === [[Datei:Rotary microtome in action.jpg|thumb|Rotationsmikrotom mit Schwungrad (rechts)]] Die Instrumente dieses Typs werden auch als Minotmikrotom bezeichnet. Sie werden zwar durch eine Drehbewegung angetrieben, diese wird aber in eine geradlinige Bewegung umgewandelt, so dass die eigentliche Schnittbewegung (die hier vom Objekt ausgeführt wird) in einer einfachen Auf- und Abwärtsbewegung besteht. Beim Rotationsmikrotom ist das Messer typischerweise horizontal und feststehend angeordnet.<ref name="MVM" /> [[Datei:Prinzip Mikrotomschnitt (Rotationsmikrotom).svg|left|thumb|Prinzip der Probenbewegung bei der Anfertigung eines Schnittes am Rotationsmikrotom]] In der nebenstehenden Skizze ist das Grundprinzip eines Schnittvorgangs erklärt. Durch die Abwärtsbewegung des Probenhalters wird das Messer durch die Probe gedrückt (Position&nbsp;1 nach Position&nbsp;2). Der Dünnschnitt liegt danach auf dem Messer. Nach erfolgtem Schnitt wird die Probenhalterung leicht zurückgezogen damit die Probe bei der nun folgenden Aufwärtsbewegung nicht am Messer entlang schleift. Am höchsten Punkt der Bewegung erfolgt die Zustellung der Probe, das heißt, der Probenhalter wird nun soweit nach vorne bewegt, dass bei der nächsten Abwärtsbewegung ein Dünnschnitt gleicher Schnittdicke entsteht. Der Schnitt kann entweder einzeln vom Messer abgenommen werden oder man wartet, bis sich mehrere aufeinander folgende Schnitte zu einem Schnittband aneinander gereiht haben und nimmt diese als Band ab (vgl. Bild rechts). Das Schwungrad kann bei vielen Mikrotomen von Hand gedreht werden. Es hat außerdem den Vorteil, dass ein sauberer Schnitt erfolgt, da durch die relativ große Masse des Schwungrades Unterschiede in der Härte der Probe nicht sofort zu deutlichen Geschwindigkeitsänderungen im Schnitt führen. Das rotierende Schwungrad ist bei einigen neueren Modellen auch im Gehäuse integriert. Die typische Schnittdicke des Rotationsmikrotoms liegt bei 1 bis 60&nbsp;µm (eventuell bis 300&nbsp;µm). Für harte Materialien (z.&nbsp;B. Einbettungen in Kunstharze) sind bei guten Geräten Semidünnschnitte mit einer Dicke im Bereich von 0,5&nbsp;µm möglich. ==== Gefriermikrotom ==== [[Datei:Cryostat microtome.jpg|thumb|Kryostat für die Histotechnik]] Zum Schneiden von gefrorenen Proben können viele Rotationsmikrotome durch Adaption einer mit flüssigem Stickstoff gekühlten Kammer (die Probe befindet sich während des Schneidens praktisch in einem oben offenen Tiefkühlschrank) in ein sogenanntes Gefrier- oder Kryomikrotom umgebaut werden. Die tiefe Temperatur wird dazu genutzt, um die Härte der Probe zu erhöhen und damit schneidfähig zu machen. Dieses betrifft hauptsächlich Geräte, die für die Ultramikrotomie oder für Semidünnschnitte geeignet sind.<ref name="Lang" /> Bei der Erstellung der Schnitte muss sowohl die Probentemperatur als auch die Messertemperatur geregelt und für das Probenmaterial und die Schnittdicke optimiert werden. Daneben gibt es aber in der Histotechnik auch [[Kryostat]]e, die für schnelle Gewebeschnitte optimiert sind und sich das komplette Mikrotom innerhalb der Kühlkammer befindet.<ref name="MVM" /> Alle Arbeitsschritte vom Schnellgefrieren, über das Schneiden bis zum Aufziehen auf einen Objektträger finden im Gerät statt.<ref>Stephen Peters: ''[http://www.pathologyinnovations.com Frozen section technique].'' Pathology Innovations (Anleitung und Videos zur Gefrierschnitttechnik, englisch)</ref> ==== Ultramikrotom ==== {| class="float-right" |- style="vertical-align:top" | [[Image:Microtome-ultras.jpg|thumb|none|Schnittband ca. 16 abgetragener Ultradünnschnitte (etwa 70&nbsp;nm Dicke) auf der Wasseroberfläche eines Diamantmessers]] | [[Image:Ultramicrotome.jpg|thumb|none|Ultramikrotom zum Schneiden von kunstharzeingebetteten Proben für Licht- und [[Elektronenmikroskop]]ie]] |} Ein Ultramikrotom dient zur Herstellung extrem dünner Schnitte und funktioniert wie ein „normales“ Rotationsmikrotom, allerdings ist die Mechanik konstruktiv auf einen sehr feinen Vorschub ausgerichtet. Statt eines mechanischen Vorschubs ist hier auch ein Vorschub durch die kontrollierte Längenausdehnung des Präparatehalters mittels Erwärmung gebräuchlich.<ref name="Lang" /> Solche extrem dünnen Schnitte werden vor allem für Untersuchungen mit dem [[Transmissionselektronenmikroskop]], seltener auch für lichtoptische [[Mikroskop]]e benötigt.<ref name="MVM" /> Die typische Dicke eines Schnitts liegt zwischen 10 und 500&nbsp;[[Nanometer|nm]]. Durch die geringe Dicke der Schnitte ist ein direktes Abnehmen vom Messer schwierig. Daher werden die Schnitte meist auf der Oberfläche einer Flüssigkeit (z.&nbsp;B. Wasser) geschnitten und anschließend abgefischt. Die Schnittdicke und -gleichmäßigkeit kann über Interferenzfarben abgeschätzt werden. === Vibratom === Bei Vibratomen wird die Schneidwirkung durch eine vibrierende Klinge (z.&nbsp;B. Rasierklinge) erzeugt. Der Schnitt erfolgt weniger durch Druck als durch die seitlichen Bewegungen der Klinge. Vibratome setzt man vor allem für unbehandelte biologische Proben ein.<ref name="Lang" /> Durch die geringere mechanische Belastung kann hier auf die Einbettung der Probe verzichtet werden. Durch die Vibration ist das Schnittbild jedoch meist deutlich schlechter als bei den erstgenannten Mikrotomtypen. Die Schnittdicke beträgt über 30&nbsp;µm. === Sägemikrotom === Das Sägemikrotomen ist besonders für sehr hartes Material wie z.&nbsp;B. Knochen und Zähne geeignet. Bei Mikrotomen dieses Typs rotiert eine diamantbesetzte Innenlochsäge, die sich in einem definierten Abstand durch das Präparat schleift. Die minimale Schnittdicke liegt über 30&nbsp;µm und ermöglich also nur vergleichsweise grobe Schnitte.<ref name="Lang" /> === Laser-Mikrotom === Das Laser-Mikrotom<ref name="Lasermikrotom">Holger Lubatschowski 2007: ''Laser Microtomy'', WILEY-VCH Verlag GmbH, Biophotonics, S. 49-51, ([http://www.photonicnet.de/Aktuelles/partner/2007/06/laser_microtomy_optik-photonik_juni_2007.pdf PDF]).</ref> ist ein Instrument zum berührungslosen Schneiden von Proben. Es eignet sich neben den herkömmlichen Anwendungen von Mikrotomen insbesondere zum Schneiden von biologischen Geweben im nativen Zustand (z.&nbsp;B. Leber, Niere, Haut usw.). Eine Vorbereitung der Proben durch Einbetten, Einfrieren oder chemisches Fixieren ist nicht erforderlich. Dadurch wird die Bildung von [[Artefakt (Diagnostik)|Artefakten]] weitgehend vermieden. Andererseits können auch sehr harte Materialien wie Knochen und Zähne oder sogar Keramiken 'geschnitten' werden. Abhängig von den [[Eigenschaft]]en des Probenmaterials sind derzeit Schnittdicken von 10 bis 100&nbsp;[[Meter#Mikrometer|µm]] möglich. [[Datei:Prinzip Lasermikrotom.jpg|thumb|Prinzip des Laser-Mikrotoms]] Im [[Gegensatz]] zu mechanisch arbeitenden Mikrotomen dient hier ein [[Ultrakurzpulslaser]] als Schneidewerkzeug. Der Laser emittiert [[Strahlung]] im nahen [[Infrarotstrahlung|Infrarot-Bereich]]. In diesem [[Wellenlängenbereich]] kann der Laser biologische Gewebe, aber auch andere Materialien, bis zu einer bestimmten Tiefe ohne sichtbare Schädigung durchdringen. Durch eine starke [[Fokus]]sierung in das Innere der Probe kommt es im Fokuspunkt zu sehr hohen [[Intensität (Physik)|Intensitäten]] von über einem [[Terawatt|TW]]/cm². Die dadurch bedingten nichtlinearen Wechselwirkungen führen zum sogenannten optischen Durchbruch, der eine auf den Fokus begrenzte Materialtrennung induziert. Dieser Prozess wird auch als Photodisruption<!--TODO LINK--> bezeichnet. Durch die kurzen Pulsdauern von einigen [[Femtosekunde]]n (1&nbsp;fs&nbsp;=&nbsp;10<sup>−15</sup>&nbsp;s), wird pro [[Laserpuls|Puls]] nur eine sehr kleine [[Energie]]menge im Bereich von wenigen Nanojoules in der Probe deponiert. Das limitiert die Interaktionszone auf einen Durchmesser von unter einem Mikrometer. Außerhalb dieser Zone treten aufgrund der ultrakurzen Wechselwirkungszeiten keine thermischen Schäden auf. Der Laserstrahl wird durch einen schnellen Scanner-Spiegel abgelenkt, während eine dreidimensionale Positioniereinheit die Probe gleichzeitig hin und her bewegt. In Kombination mit einer hohen Repetitionsrate ermöglicht diese Vorgehensweise das Abscannen größerer Flächen innerhalb kurzer Zeit. Neben dem Laser-Mikrotom gibt es auch die [[Laser-Mikrodissektion]] zum Ausschneiden von Arealen innerhalb eines Gewebeschnittes, Zellausstriches u.&nbsp;ä. oder zum Sortieren von kleinen Teilchen. == Mikrotommesser == Die Art der verwendeten Mikrotommesser steht in Abhängigkeit zum Material und der Vorbehandlung der Probe, sowie zum Untersuchungsziel (z.&nbsp;B. Schnittdicke). === Messerarten und Schlifftypen === [[Datei:Mikrotom-Schlifftypen.svg|thumb|hochkant=0.6|Querschnittsform von Mikrotommessern verschiedener Schlifftypen]] Klassischerweise werden relativ schwere Stahlmesser oder auch Hartmetallmesser mit dickem Rücken und mit verschiedenen Formen (Profil) verwendet, die allgemein mit den Buchstaben A, B, C und D gekennzeichnet werden. Die Mikrotommesser vom Schlifftyp A und B sind durch die plankonkave Form extrem scharf, aber auch sehr empfindlich und somit nur für sehr weiche Proben wie Paraffin oder geschäumtes Material geeignet.<ref name="MVM" /> Die Keilform beim Schlifftyp C ist deutlich stabiler und findet dadurch auch für etwas härtere Materialien wie Kunstharz oder auch für Gefrierschnitte Verwendung.<ref name="MVM" /> Beim Messertyp mit Schliffform D ist nur eine Seite des Messers angeschliffen. Der vordere Schliffwinkel von ca. 45° erhöht die Stabilität nochmals, macht das Messer jedoch auch sehr viel stumpfer. Diese Messerform wird nur noch für härtere Materialien verwendet.<ref name="MVM" /> Statt dieser klassischen Mikrotommesser werden z.&nbsp;B. zur Kostenersparnis häufig Einmalklingen verwendet. Diese sind teilweise etwas stumpfer als die klassischen Mikrotommesser, aber vor allem deutlich dünner und damit flexibler. Bei härteren Proben kann es daher zu Schwingungen des Messers und damit zu Schichtdickenschwankungen im Schnitt kommen. Einmalklingen werden daher hauptsächlich für weichere Materialien eingesetzt. Für Ultramikrotome benötigt man Glas- bzw. Diamantmesser. Die Schnittbreite derartiger Messer ist mit wenigen Millimetern deutlich geringer als bei den klassischen Mikrotommessern. Glasmesser werden unmittelbar vor Gebrauch aus wenigen Millimeter dicken Glasstäben durch Brechen hergestellt. Hierbei entsteht an der Schmalseite des zu Dreiecken gebrochenen Glases eine äußerst glatte und scharfe Bruchkante. Glasmesser werden typischerweise zum Vorschneiden des Präparates (Antrimmen) genutzt. Sie können, beispielsweise durch Klebeband, um einen kleinen Trog ergänzt werden, der mit Wasser gefüllt wird. Wie bei Diamantmessern können die Einzelschnitte dann auf der Wasseroberfläche aufschwimmen.<ref name="Lang" /> Schärfe und Härte der Messer sind entscheidend für ein gutes Ergebnis. Abgestumpfte Stahlmesser werden mit speziellen Schleifpasten geschliffen, die Diamantpartikel enthalten. Dafür existieren spezielle Schleifapparate. Handschleifen auf Schleifriemen und Stöcken ist auch möglich, setzt aber viel Erfahrung voraus.<ref name="MVM" /> === Schneidewinkel: Deklination und Inklination === [[Datei:Messerstellung (Deklination) bei der Mikrotomie .svg|thumb|upright|Definition des Begriffs Deklination in der Mikrotomie]] Als ''Deklination'' wird der Winkel zwischen der Richtung der [[Werkzeugschneide|Messerschneide]] und der Schnittrichtung bezeichnet (siehe Abbildung rechts). Sie lässt sich bei vielen Schlittenmikrotomen zwischen 90° und 160° einstellen.<ref name="Lang" /> Ist das Messer quergestellt (Deklination=90°), so erfolgt der Schnitt ausschließlich indem das Messer durch die Probe gedrückt wird. Die dabei auf das Messer einwirkenden Kräfte sind deutlich größer, als wenn das Messer schräg zur Schnittrichtung orientiert ist (Deklination 120° bis 160°).<ref name="MVM" /> In letzterem Fall erleichtert eine Relativbewegung mit einem Anteil parallel zur Messerschneide den Schnitt. Diese Einstellung wird besonders bei großen und harten Materialien verwendet.<ref name="Lang" /> Der Vorteil der quergestellten Variante ist, dass bei geeignetem Material Schnittbänder (Aneinanderreihung mehrerer Schnitte) erstellt werden können.<ref name="MVM" /> [[Datei:Messerstellung (Inklination) bei der Mikrotomie.svg|left|thumb|Definition des Begriffs Inklination in der Mikrotomie]] Als ''Inklination'' wird die Neigung des Messers zur Präparatebene bezeichnet. Für ein optimales Schnittergebnis muss dieser Winkel geeignet gewählt werden. Er hängt von der genauen Messergeometrie, der Probe, der [[Schnittgeschwindigkeit]] und vielen weiteren Parametern ab.<ref name="MVM" /> Typisch sind Neigungswinkel, bei denen zwischen Präparatebene und Messer ein geringer [[Freiwinkel]] von wenigen Grad bleibt. Wird dieser Winkel zu flach eingestellt, so schneidet das Messer ungleichmäßig, oder Bereiche des unteren Teils des Messers berühren die frische Schnittfläche, so dass diese verschmiert wird.<ref name="MVM" /> Wird der Winkel hingegen zu groß gewählt, so „rumpelt“ das Messer über die Oberfläche und es kommt zu periodischen Dickenvariationen im Schnitt.<ref name="Lang" /> Bei noch größerem Inklinationswinkel ist die seitliche Belastung auf die Schneide extrem groß, und es kann zu Ausbrüchen an der Messerschneide kommen. == Vor- und Nachbereitung der Proben == Biologische und andere weiche Materialien benötigen eine aufwändige Vorbehandlung, um sie zu verfestigen und dadurch schneidfähig zu machen. Die Methoden dieser Vorbehandlung wie Fixieren und Einbetten sind Teil der [[Histotechnik]]. Zum Einbetten wird das Objekt in der Regel vollständig mit einer Flüssigkeit durchtränkt, die anschließend zum Erstarren gebracht wird. Auf diese Weise erhält das Präparat durchgehend ziemlich gleichmäßige Festigkeit. Typische Einbettmedien sind [[Paraffin]], [[Polyethylenglykol]], [[Celloidin]]<!--TODO LINK-->, [[Gelatine]], [[Agar]] und [[Harz (Material)#Kunstharz|Kunstharze]]. <ref name="Uni Wien">Irene K. Lichtscheidl (Hrsg.): ''[http://www.univie.ac.at/mikroskopie/pdf/1-4_praeparation.pdf Lichtmikroskopie - Theorie und Anwendung].'' In: ''Lichtmikroskopie online - Theorie und Anwendung.'' Universität Wien, abgerufen am 15. Feb. 2009 (PDF)</ref> Für manche Untersuchungen wird die Verfestigung des zu schneidenden Materials durch Einfrieren erreicht, z.&nbsp;B. wenn eine Einbettung zu einer Veränderung der Probe führen oder eine anschließende Färbung verhindern würde. Wasserhaltige Proben müssen mit einer Abkühlrate von mindestens 10000&nbsp;K/s ([[Kelvin]] pro Sekunde) schockgefroren werden, damit sich das Wasser im [[amorph]]en Zustand verfestigt. Sonst bilden sich Eiskristalle, die zu Gefrierschäden im Material führen.<ref name="Uni Wien"/> Die Schnitte werden dann an Gefriermikrotomen, meist bei −20&nbsp;°C, hergestellt. Nach dem Schneiden muss der Schnitt für die weitere Verarbeitung (z.&nbsp;B. histochemische, immunhistochemische Färbungen) auf einen Träger übertragen werden. Für [[Lichtmikroskopie|lichtmikroskopische]] Präparate werden [[Objektträger]] verwendet. Größere Paraffinschnitte lässt man zuerst auf eine Wasseroberfläche (45&nbsp;°C) aufschwimmen und durch die [[Oberflächenspannung]] glätten. Anschließend wird ein Objektträger unterhalb der Wasseroberfläche schräg unter den Schnitt geschoben und dann vorsichtig nach oben bewegt. Der Schnitt bleibt mit einer Kante durch [[Adhäsion]]skräfte am Glas hängen und wird dadurch auf den Objektträger aufgezogen. Das gleiche Prinzip wird auch bei ultradünnen Schnitten für die [[Elektronenmikroskopie]] verwendet, die für ein mechanisches Abheben zu dünn und instabil sind. Hier ist der Flüssigkeitstrog direkt am Messer angebracht. Die Schnitte bilden ein Schnittband (siehe Bild Ultramikrotom) und werden dann mit einem feinen Metall-Netzchen (engl. ''grid'') abgefischt. == Anwendung == In der [[Histologie]] (Gewebelehre) ist die Anfertigung von Schnitten eine Grundvoraussetzung für die Untersuchung von Gewebemerkmalen. Spezielle Gefriermikrotome (Kryostate) werden unter anderem zur [[Schnellschnitt]]diagnostik eingesetzt, um während der Operation Klarheit über die Vollständigkeit der Entfernung eines Tumors zu erhalten. Aufgrund der Ergebnisse wird über das weitere Vorgehen bei der Operation entschieden.<ref>A. Turzynski (Hrsg.): ''[http://www.pathologen-luebeck.de/Methoden/Schnellschnitt/schnellschnitt.html Schnellschnittdiagnostik].'' Pathologie Lübeck, 15. Feb. 2009.</ref> Daneben werden Mikrotome für Werkstoffanalysen eingesetzt. Hier sei beispielsweise die lichtmikroskopische oder spektroskopische Untersuchung von Schichtsystemen (speziell mikroskopische [[IR-Spektroskopie]] in Transmission) oder die [[polarisationsmikroskop]]ische Untersuchung von [[Sphärolith]]en zu nennen. Für die [[Transmissionselektronenmikroskop]]ie sind sehr dünne Schnitte notwendig, um diese mit Elektronen durchstrahlen zu können. In der [[Augenheilkunde]] werden im Rahmen der [[Refraktive Chirurgie|refraktiven Chirurgie]] sogenannte Mikrokeratome<!--TODO LINK--> (eine Art Hornhauthobel) oder neuerdings auch [[Femtosekundenlaser]] eingesetzt, um ein ca. 150&nbsp;µm dickes Hornhautläppchen (auch Flap genannt) zu schneiden und dadurch die darunter liegenden Hornhautschichten für eine Excimerlaseroperation freizulegen.<ref>T. Kohnen (Hrsg.): ''[http://www.refraktiv.com/ausstattung/index.php?ckey=mikrokeratome Mikrokeratome].'' abgerufen am 15. Feb. 2009 (Schematische Beschreibung der Arbeit mit dem Mikrokeratom)</ref> <ref>Internet Media Services, Inc. (Hrsg.): ''[http://www.lasersite.com/lasik/index.htm Understanding LASIK].'' abgerufen am 15. Feb. 2009 (Beschreibung der Laser-in-situ-Keratomileusis (LASIK), incl. Video einer Operation, englisch)</ref> Dieses Gerät wird manchmal auch als Mikrotom bezeichnet.<ref>Steven H. Schwartz: ''Geometrical and Visual Optics.'' McGraw-Hill, 2002, ISBN 0071374159 ([http://books.google.de/books?id=fIsoAAAAYAAJ&q=LASIK++microtome&dq=LASIK++microtome&as_brr=0&as_pt=ALLTYPES&pgis=1 Google-Books])</ref> == Einzelnachweise == <references /> == Weblinks == {{Commons|Microtome}} * [http://www.mikroskopie-muenchen.de/cut-mikrotom.html Das Schneiden mit dem Mikrotom] * [http://www.youtube.com/watch?v=qGyE4p9XanA&hl=de Video zum Schneiden mit dem Mikrotom] (englisch) bei YouTube. Abgerufen am 3. März 2009. {{Exzellent|22. März 2009|58134990}} [[Kategorie:Mikroskopie]] [[Kategorie:Präparationstechnik]] [[Kategorie:Histologie]] [[bg:Микротом]] [[cs:Mikrotom]] [[en:Microtome]] [[es:Micrótomo]] [[fa:میکروتوم]] [[fi:Mikrotomi]] [[fr:Microtome]] [[he:מיקרוטום]] [[id:Mikrotom]] [[it:Microtomo]] [[ja:ミクロトーム]] [[nl:Microtoom]] [[pl:Mikrotom]] [[pt:Micrótomo]] [[ru:Микротом]] [[sv:Mikrotom]] [[uk:Мікротом]] f7n7k5mymmuicdsfkohnsgcw3b8jmec wikitext text/x-wiki Milgram-Experiment 0 23936 26532 2010-05-07T06:38:39Z Howwi 0 Änderungen von [[Special:Contributions/212.186.134.134|212.186.134.134]] ([[User talk:212.186.134.134|Diskussion]]) rückgängig gemacht und letzte Version von [[User:Lipstar|Lipstar]] wiederhergestellt {{dieser Artikel|beschreibt ein Experiment zu Reaktion auf Autorität. Das Experiment zu sozialen Netzwerken findet sich unter ''[[Kleine-Welt-Phänomen]]''.}} Das '''Milgram-Experiment''' ist ein erstmals 1961 in [[New Haven (Connecticut)|New Haven]] durchgeführtes [[psychologisches Experiment]], das von dem [[Psychologe]]n [[Stanley Milgram]] entwickelt wurde, um die Bereitschaft durchschnittlicher Personen zu testen, autoritären Anweisungen auch dann Folge zu leisten, wenn sie in direktem Widerspruch zu ihrem [[Gewissen]] stehen. == Geschichte und Überblick == Angeregt wurde Milgram durch den [[USA|amerikanischen]] Psychiater [[Jerome Frank]], der bereits 1944 der Frage nachgegangen war, wovon die Gehorsamkeitsbereitschaft willkürlich ausgewählter Personen abhängt. Frank verlangte damals von seinen Probanden den Verzehr von zwölf geschmacklosen Keksen. Der Gruppe wurde gesagt, dass der Verzehr salzloser Kekse wissenschaftlich notwendig sei. Überraschend weigerten sich nur zehn Prozent der Teilnehmer, die Kekse herunterzuwürgen. Das Milgram-Experiment sollte ursprünglich dazu dienen, Verbrechen aus der [[Zeit des Nationalsozialismus]] [[Sozialpsychologie|sozialpsychologisch]] zu erklären. Dazu sollte die „Germans are different“-These geprüft werden, die davon ausging, dass die Deutschen einen besonders obrigkeitshörigen Charakter haben. Nach den ersten Ergebnissen der Untersuchung in New Haven schien dies jedoch nicht mehr notwendig, auch weil die Untersuchung in ihrem Aufbau wesentlich grundsätzlicher angelegt war.<ref name="german">Meyer, Philip (Februar 1970): ''[http://www.unc.edu/~pmeyer/General_Publications/Hitler.pdf If Hitler asked you to electrocute a stranger, would you?]'' In: [[Esquire]]</ref> Milgram erhielt für diese Arbeit 1964 den jährlich vergebenen Preis der [[American Association for the Advancement of Science]] in der Kategorie Sozialpsychologie. Die [[American Psychological Association]] hingegen schloss Milgram wegen des Experimentes für ein Jahr aus, nachdem ein Kritiker ihm in der Zeitschrift ''American Psychologist'' vorgeworfen hatte, ein „traumatisierendes“ Experiment vorgenommen zu haben, das „potenziell schädlich“ für die Versuchspersonen sei.<ref name="gKritik">Baumrind, Diana (1964): ''Some Thoughts on Ethics of Research: After Reading Milgram’s „Behavioral Study of Obedience“'', American Psychologist 19, S. 421–423</ref> Vor allem wegen dieser Kritik, die auch von zahlreichen anderen Fachleuten geäußert wurde, verweigerte die [[Harvard University]] Milgram später eine Anstellung. {{Zitat|[es ist] ethisch fragwürdig, […] Menschen in das Labor zu locken und sie in eine Lage zu bringen, die belastend ist.|Milgram selbst in seinem Tagebuch}} Die Ergebnisse des Milgram-Experiments wurden zunächst in einem Artikel mit dem Titel ''Behavioral study of obedience'' veröffentlicht, der in dem renommierten ''Journal of abnormal and social psychology'' erschien.<ref name=ObedStudy>{{cite journal | last = Milgram | first = Stanley | year = 1963 | title = Behavioral Study of Obedience | journal = Journal of Abnormal and Social Psychology | volume = 67 | pages = 371–378 | id = PMID 14049516 | url = http://content.apa.org/journals/abn/67/4/371}} [http://www.radford.edu/~jaspelme/_private/gradsoc_articles/obedience/Migram_Obedience.pdf Full-text PDF.]</ref> 1974 publizierte Milgram sein Werk: ''Obedience to Authority: An Experimental View'', in dem er die Ergebnisse in einen breiteren Kontext einordnete. Die deutsche Ausgabe kam im selben Jahr heraus. Milgram bezieht sich darin u.&nbsp;a. auf das 1963 in New York erschienene Werk der politischen Theoretikerin [[Hannah Arendt]] ''[[Eichmann in Jerusalem|Eichmann in Jerusalem. Ein Bericht von der Banalität des Bösen]].'' Dieses Konzept der Banalität des Bösen, so argumentiert er, komme der Wahrheit sehr nahe. Die fundamentalste Erkenntnis der Untersuchung sei, dass ganz gewöhnliche Menschen, die nur ihre Aufgabe erfüllten und keinerlei persönliche Feindschaft empfinden, zu Handlungen in einem Vernichtungsprozess veranlasst werden können.<ref>Milgram, Stanley (1982): Das Milgram-Experiment. Zur Gehorsamsbereitschaft gegenüber Autorität. Reinbek bei Hamburg, S. 22.</ref> Der US-amerikanische Historiker [[Alfred W. McCoy]] vermutet, Milgram habe das Experiment im Rahmen eines [[Central Intelligence Agency|CIA]]-[[MKULTRA|Programms]] zur Forschung über Bewusstseinskontrolle durchgeführt. Darauf deute nicht nur der Zeitpunkt hin, sondern auch „das Thema, die militärischen Verbindungen, die umstrittene Finanzierung durch die [[National Science Foundation|NSF]] und deren Ablehnung aller späteren Projekte Milgrams“. Diese Vorwürfe werden auf der Webseite von Milgrams Biograph Thomas Blass ausführlich diskutiert und bestritten.<ref>vgl. Alfred McCoy: Foltern und Foltern lassen, Frankfurt am Main 2005, S. 44ff und [http://www.stanleymilgram.com/rebuttal_relatedarticles.php Milgram CIA Link]</ref> == Ablauf == [[Datei:Milgram_Experiment.png|thumb|Milgram-Experiment]]Der ganze Ablauf des Experiments ist wie ein Theaterstück inszeniert, bei dem alle außer dem Probanden eingeweiht sind. Solch eine Experimentalanordnung übernahm Milgram von seinem Lehrer [[Solomon Asch]].<ref name=german/> Eine Versuchsperson und ein Vertrauter des Versuchsleiters, der vorgab, ebenfalls Versuchsperson zu sein, sollten an einem vermeintlichen Experiment zur Untersuchung des Zusammenhangs von [[Bestrafung]] und Lernerfolg teilnehmen. Ein offizieller Versuchsleiter (Experimentator, '''V''') bestimmte den Schauspieler durch eine fingierte Losziehung zum „Schüler“ ('''S'''), die tatsächliche Versuchsperson zum „Lehrer“ ('''L'''). Die Verabreichung eines elektrischen Schlags von 45 Volt sollte der Versuchsperson die körperlichen Folgen [[Elektrischer Schlag|elektrischer Schläge]] vergegenwärtigen. Zudem wurde das an einen [[Elektrischer Stuhl|elektrischen Stuhl]] erinnernde Versuchsinventar gezeigt, auf dem der „Schüler“ getestet werden sollte. Diese Versuchsanordnung mit der gewollten Assoziation wurde von den Probanden zu keinem Zeitpunkt in Frage gestellt.<ref name=ObedStudy/> Der Versuch bestand darin, dass der „Lehrer“ dem „Schüler“ bei Fehlern in der Zusammensetzung von Wortpaaren jeweils einen elektrischen Schlag versetzte. Dabei wurde die Spannung nach jedem Fehler um 15 Volt erhöht. In Wirklichkeit erlebte der Schauspieler keine elektrischen Schläge, sondern reagierte nach einem vorher bestimmten Schema, abhängig von der eingestellten Spannung. Erreichte die Spannung beispielsweise 150 Volt, verlangte der Schauspieler, von seinem Stuhl losgebunden zu werden, da er die Schmerzen nicht mehr aushalte. Dagegen forderte der dabei sitzende Experimentator, dass der Versuch zum Nutzen der Wissenschaft fortgeführt werden müsse. Wenn der „Lehrer“ Zweifel äußerte oder gar gehen wollte, forderte der Experimentator in vier standardisierten Sätzen zum Weitermachen auf. Die Sätze wurden nacheinander, nach jedem geäußerten Zweifel der Versuchsperson, gesprochen und führten nach dem vierten Mal zu einem Abbruch des Experimentes seitens des Versuchsleiters. Damit die Sätze immer gleich ausfielen, wurden sie vorher mit dem Schauspieler eingeübt, insbesondere auch, um einen drohenden Unterton zu vermeiden. *Satz 1: „Bitte, fahren Sie fort!“ Oder: „Bitte machen Sie weiter!“ *Satz 2: „Das Experiment erfordert, dass Sie weitermachen!“ *Satz 3: „Sie müssen unbedingt weitermachen!“ *Satz 4: „Sie haben keine Wahl, Sie müssen weitermachen!“<ref name=ObedStudy/> Es gab noch weitere Standardsätze in antizipierten Verlaufssituationen: Wenn die Versuchsperson fragte, ob der „Schüler“ einen permanenten physischen Schaden davontragen könne, sagte der Versuchsleiter: „Auch wenn die Schocks schmerzvoll sein mögen, das Gewebe (tissue) wird keinen dauerhaften Schaden davontragen, also machen Sie bitte weiter!“ Auf die Aussage des „Lehrers“, der „Schüler“ wolle nicht weitermachen, wurde standardmäßig geantwortet: „Ob es dem Schüler gefällt oder nicht, Sie müssen weitermachen, bis er alle Wörterpaare korrekt gelernt hat. Also bitte machen Sie weiter!“<ref name=ObedStudy/> Wenn nach der Verantwortung gefragt wurde, sagte der Versuchsleiter, er übernehme die Verantwortung für alles, was passiert. Die Versuchsperson reagierte auf die Stromschläge mit auf Band aufgenommenen Schmerzensäußerungen. Diese hatten Milgram in Prätestversionen des Experiments zunächst gefehlt, die Gehorsambereitschaft war dann aber so hoch, dass er sie hinzufügte.<ref name=german/> {| class="wikitable" |----- !bgcolor=ececec| Spannung !bgcolor=ececec| Reaktion des „Schülers“ |----- | ''75&nbsp;V'' || Grunzen |----- | ''120&nbsp;V'' || Schmerzensschreie |----- | ''150&nbsp;V'' || Er sagt, dass er an dem Experiment nicht mehr teilnehmen will. |----- | ''200&nbsp;V'' || Schreie, „die das Blut in den Adern gefrieren lassen“. |----- | ''300&nbsp;V'' || Er lehnt es ab zu antworten. |----- | ''über 330&nbsp;V'' || Stille |} Der „Schüler“ war in diesem Fall ein unauffälliger Amerikaner irischer Abstammung und repräsentierte einen Menschentyp, mit dem Fröhlichkeit und Gelassenheit verbunden wurde.<ref name=ObedStudy/> Mit dieser Auswahl sollte eine Beeinflussung der Handlungsweise durch eine mentale [[Disposition]] des Probanden vermieden werden. Zudem war es wichtig, dass die Versuchspersonen weder von dem Versuchsleiter noch von dem „Schüler“ unbeabsichtigt beeinflusst werden konnten. Der „Lehrer“ konnte selbst bestimmen, zu welchem Zeitpunkt er das Experiment abbrechen wollte. Der Versuchsleiter verhielt sich sachlich, seine Kleidung war in einem unauffälligen [[Grau]]ton gehalten. Sein Auftreten war bestimmt, aber freundlich. [[Datei:Milgram Experiment advertising.png|right|250px|thumb|Milgram Experiment Anzeige, [[Faksimile]]]] Die Versuchspersonen wurden über eine Anzeige in der Lokalzeitung von New Haven gesucht, wobei die angegebene Gage von vier US-Dollar plus 50 Cent Fahrtkosten schon für das bloße Erscheinen in Aussicht gestellt wurde. Das Experiment fand in der Regel in einem Labor der [[Yale University|Yale Universität]] statt und war in der Anzeige als unter der Leitung von Prof. Stanley Milgram stehend gekennzeichnet. Milgram führte eine Vielzahl von Varianten des Experiments durch. Eine Variation betraf die Nähe zwischen „Lehrer“ und „Schüler“. Dabei wurden folgende vier experimentelle Bedingungen gestellt: # die Versuchsperson konnte den „Schüler“ weder sehen noch hören, sie nahm nur einen Schlag an die Wand bei dem Erreichen der 300-Voltgrenze wahr, # der „Lehrer“ hörte die Reaktionen des „Schülers“ über einen Lautsprecher, # „Lehrer“ und „Schüler“ befanden sich in einem geschlossenem Raum und # die Versuchsperson hatte direkten Kontakt zu dem Schauspieler. In der letzten Versuchsanordnung musste der Proband, geschützt durch einen Handschuh, die Hand des „Schülers“ auf eine Metallplatte drücken, die vermeintlich elektrisch geladen war. Zudem wurde die Präsenz des Versuchsleiters variiert, der entweder direkt im Raum, nur über Telefon erreichbar oder abwesend sein konnte. Die Instruktionen erfolgten im letzten Fall über ein Tonbandgerät. == Ergebnisse == Folgende Tabelle gibt die Anzahl der Versuchspersonen (Vpn) (n=40), die das Experiment abbrachen, abhängig von der Stärke der letzten applizierten „Schocks“ wieder. {| class="wikitable" |----- |bgcolor=ececec| '''Spannung''' (Volt) | bis 300&nbsp;V | 300&nbsp;V | 315&nbsp;V | 330&nbsp;V | 345&nbsp;V | 360&nbsp;V | 375&nbsp;V | 390&nbsp;V bis 435&nbsp;V | '''450&nbsp;V''' |----- |bgcolor=ececec| '''Anzahl V<small>pn</small>:''' Abbruch |align=center| 0 |align=center| 5 |align=center| 4 |align=center| 2 |align=center| 1 |align=center| 1 |align=center| 1 |align=center| 0 |align=center| '''26''' |} ;Interpretation 26 Personen gingen in diesem Fall bis zur maximalen Spannung von 450V und nur 14 brachen vorher ab. Folgende Tabelle gibt den Zusammenhang zwischen einigen variierenden Versuchsbedingungen, dem Anteil der Versuchspersonen (Vpn), die den maximalen Schock versetzten, und die dazugehörige durchschnittliche Schockstärke an. {| class="wikitable" |----- !bgcolor=ececec| Bedingungen !bgcolor=ececec| Anteil der V<small>pn</small>: Maximum !bgcolor=ececec| ø Spannung |----- | Fernraum || 65,0 % || 405&nbsp;V |----- | akustische Rückmeldung || 62,5 % || 367,5&nbsp;V |----- | Raumnähe || 40,0 % || 312&nbsp;V |----- | Berührungsnähe || 30,0 % || 268,2&nbsp;V |} Das Ergebnis des ersten Experimentes war derart überraschend, dass Milgram über zwanzig Varianten mit jeweils abweichenden Parametern durchführte. In der ersten Versuchsreihe waren 65 Prozent der Versuchspersonen bereit, den „Schüler“ mit einem elektrischen Schlag mit den maximalen 450 Volt zu „bestrafen“, allerdings empfanden viele einen starken Gewissenskonflikt. Kein „Lehrer“ brach das Experiment ab, bevor die 300-Volt-Grenze erreicht war. In der vierten Versuchsanordnung, in der die Versuchspersonen den direkten Kontakt zum „Schüler“ hatten, war die erreichte Volt-Stufe am niedrigsten. Die Abwesenheit des Versuchsleiters bewirkte, dass die Gehorsamsrate dreimal niedriger ausfiel als in der Versuchsanordnung mit seiner Anwesenheit. In einer Versuchsanordnung, in der Frauen die Elektroschocks austeilen sollten, ergab sich kein signifikanter Unterschied in der Abbruchrate gegenüber Versuchen mit männlichen Probanden. Das Ergebnis einer Erweiterung des Experiments im Jahre 1965 war, dass der Anteil der bedingungslos gehorchenden Probanden stark auf 10 Prozent abnahm, sobald zwei weitere vermeintliche „Lehrer“ an dem Experiment teilnahmen, die dem Versuchsleiter Widerstand entgegensetzten. Befürworteten die zwei „Lehrer“ allerdings die Fortführung des Experimentes, so folgten dem 90 Prozent der Probanden. In einer Variante des Versuchs, in der zwei Versuchsleiter den Versuch leiteten und dabei Uneinigkeit über die Fortsetzung des Experimentes vorspielten, wurde das Experiment in allen Fällen von der Versuchsperson abgebrochen. Drängte eine „zweite Versuchsperson“ statt des Versuchsleiters auf die Fortsetzung des Experimentes, so applizierten „nur“ 25 % der Versuchspersonen den maximalen Schock. Die [[Autorität]] des Versuchsleiters blieb erhalten, wenn dieser die Rolle des „Schülers“ übernahm, das heißt, auf die Bitte um Abbruch folgte dieser unverzüglich. Bei zwei Versuchsleitern, von denen einer die faktische Rolle des Versuchsleiters übernahm, wohingegen der andere Versuchsleiter den „Schüler spielte“, gingen 65 Prozent der Teilnehmer bis zum Maximum; nicht der allgemeine Status, sondern die situationsspezifische Funktion waren demnach ausschlaggebend. Bei einer weiteren Variation gab sich der Versuchsleiter nicht als Forscher der renommierten Universität Yale aus, sondern als Wissenschaftler des fiktiven kommerziellen „Research Institute of Bridgeport“, dessen Räume sich in einem heruntergekommenen Bürogebäude eines Geschäftsviertels in [[Bridgeport (Connecticut)|Bridgeport]] ([[Connecticut]]) befanden. Hier sank die Zahl der Probanden, die die höchste Spannung einsetzten, von 65 Prozent auf 48 Prozent. Dieser Unterschied ist allerdings nicht [[Statistische Signifikanz|statistisch signifikant]]. Bei einer anderen Variation verließ Milgram den Raum und ließ einen Schauspieler, der sich als Proband darstellte, das Experiment leiten. Hier sank der Anteil der Probanden, die bis zur Höchststufe gingen, auf 20 Prozent. Das Experiment ist in unterschiedlichen Varianten in anderen Ländern wiederholt worden. Die Ergebnisse bestätigten generell einander, was eine kulturübergreifende Gültigkeit der Ergebnisse zeigt. == Reaktion der Versuchspersonen == Alle Versuchspersonen zeigten einen aufgewühlten Gemütszustand, hatten Gewissenskonflikte und waren aufgeregt.<ref name=ObedStudy/> Besonders ein nervöses Lachen fiel Milgram auf, das 35 % der Versuchspersonen von sich gaben.<ref name=ObedStudy/> Ein Beobachter beschrieb die emotionale Lage eines Lehrers folgendermaßen: {{Zitat|Ich beobachtete einen reifen und anfänglich selbstsicher auftretenden Geschäftsmann, der das Labor lächelnd und voller Selbstvertrauen betrat. Innerhalb von 20 Minuten war aus ihm ein zuckendes, stotterndes Wrack geworden, das sich rasch einem Nervenzusammenbruch näherte. Er zupfte dauernd an seinem Ohrläppchen herum und rang die Hände. An einem Punkt schlug er sich mit der Faust gegen die Stirn und murmelte: ‚Oh Gott lass uns aufhören‘. Und doch reagierte er weiterhin auf jedes Wort des Versuchsleiters und gehorchte bis zum Schluss.|aus: Steven Schwartz: ''Wie Pawlow auf den Hund kam''. München 1993}} Es zeigte sich, dass Personen, die die persönliche Verantwortung für ihr Verhalten hoch veranschlagten, das Experiment eher abbrachen und dem Versuchsleiter widersprachen. Um den ethischen Aspekten gerecht zu werden, erhielten die Probanden nach Abschluss der Versuchsreihe detaillierte Informationen über das Experiment und dessen Ergebnisse. Um eventuelle Langzeitschäden zu erkennen, wurden in einer Stichprobe die Versuchspersonen ein Jahr nach dem Experiment erneut besucht und befragt. Das Experiment zeigte keine schädlichen Auswirkungen auf die Psyche der Versuchspersonen. 83 % der Teilnehmer gaben an, im Nachhinein froh zu sein, an dem Experiment teilgenommen zu haben. Nur ein Proband von Hundert bedauerte seine Teilnahme.<ref name=german/> Die meisten Teilnehmer gaben an, etwas über sich gelernt zu haben und Autoritätspersonen daher in Zukunft misstrauischer gegenüberstehen zu wollen. == Folgen und Folgerungen == Heutzutage würde ein vergleichbares Experiment von der Mehrzahl der Psychologen als unethisch zurückgewiesen werden, da es die Versuchspersonen einem starken inneren Druck aussetzt und man sie über den wahren Zweck des Experiments täuscht. An vielen Universitäten stellte man als Reaktion auf diesen Versuch ethische Richtlinien über die Zulassung von psychologischen Experimenten auf. Ob das gewonnene Wissen bei Militär und Geheimdiensten Anwendung fand, ist nicht bekannt. Milgram kommentierte die Ergebnisse seines Experiments so: {{Zitat|Die rechtlichen und philosophischen Aspekte von [[Gehorsam]] sind von enormer Bedeutung, sie sagen aber sehr wenig über das Verhalten der meisten Menschen in konkreten Situationen aus. Ich habe ein einfaches Experiment an der Yale-Universität durchgeführt, um herauszufinden, wie viel Schmerz ein gewöhnlicher Mitbürger einem anderen zufügen würde, einfach weil ihn ein Wissenschaftler dazu aufforderte. Starre Autorität stand gegen die stärksten moralischen Grundsätze der Teilnehmer, andere Menschen nicht zu verletzen, und obwohl den Testpersonen die Schmerzensschreie der Opfer in den Ohren klingelten, gewann in der Mehrzahl der Fälle die Autorität. Die extreme Bereitschaft von erwachsenen Menschen, einer Autorität fast beliebig weit zu folgen, ist das Hauptergebnis der Studie, und eine Tatsache, die dringendster Erklärung bedarf.|Stanley Milgram|The Perils of Obedience, Harper´s Magazine, 1974}} Bis heute gilt der Autoritätsgehorsam theoretisch als nur unzureichend geklärt. Obwohl Milgram eine Persönlichkeitsbasis für Autoritätsgehorsam und Verweigerung vermutete, konnte er diese nicht belegen. Statt dessen ging er von zwei Funktionszuständen aus: *einem Zustand der [[Autonomie]], in dem das Individuum sich als für seine Handlungen verantwortlich erlebt, und *einem „[[Agens|Agens-Zustand]]“, in den es durch den Eintritt in ein Autoritätssystem versetzt wird und nicht mehr aufgrund eigener Zielsetzungen handelt, sondern zum Instrument der Wünsche anderer wird. Das Experiment zeigte, dass die meisten Versuchspersonen durch die Situation veranlasst wurden, sich an den Anweisungen des Versuchsleiters und nicht an dem Schmerz der Opfer zu orientieren. Die Veranlassung war am wirksamsten, wenn der Versuchsleiter anwesend war und am wirkungslosesten, wenn die Instruktionen per Tonband oder Telefon erfolgten. Auch die Nähe zum „Schüler“ beeinflusste die Bereitschaft zum Abbruch des Versuches. So gingen ohne Rückmeldung der „Schüler“ praktisch alle Versuchspersonen bis zur höchsten Schockstufe, während beim direkten Kontakt nur noch 30 Prozent die Höchststufe erreichten. === Methodische Kritik === Zwei wesentliche methodische Aspekte wurden an dem Versuchsaufbau kritisiert: # Das Experiment sei nicht einer rein zufälligen Fallauswahl gefolgt und es ließen sich somit keine gesicherten Aussagen über die Repräsentativität, z. B. für die gesamte amerikanische Bevölkerung, treffen. # Man müsse bei den Experimenten Effekte berücksichtigen, die den Versuchsablauf beeinflussten, etwa den Umstand, dass allein das Bewusstsein, an einem Test teilzunehmen, die Einstellung der Testperson verändere (sog. ''[[Hawthorne-Effekt]]'') oder die Möglichkeit, dass die Erwartung des Experimentators unterschwelligen Einfluss auf das Verhalten der Versuchspersonen nehme (''[[Rosenthal-Effekt]]''). ==Psychologische und soziologische Erklärungsversuche== Milgram selbst war von den Ergebnissen des Versuchs überrascht. Studenten und Kollegen, denen er von dem Versuch erzählt hatte, schätzen die Zahl derjenigen, die bis zum Maximum gehen, äußerst gering ein.<ref name=german/> Von Milgram und anderen wurden verschiedene Gründe genannt, die zu solch einer hohen Zahl an gehorsamen Probanden führten.<ref name=ObedStudy/> Als mögliche Begründung für das Verhalten der Versuchspersonen kann der Wunsch der Testperson gesehen werden, das freiwillig begonnene Experiment auch tatsächlich abzuschließen und den Erwartungen der Wissenschaftler zu entsprechen. Die zufällige Auslosung von Lehrer und Schüler schafft zudem eine scheinbar faire Situation. Hinzu kommt, dass die Versuchssituation für die Probanden neu war und deshalb kein erlerntes Handlungsmuster existierte. Zudem hatten sie kaum Zeit, sich auf die überraschende Situation einzustellen. Ein anderer Erklärungsversuch zielt auf den graduellen Charakter des Experimentes ab, der psychologisch alltäglichen Verhaltensmustern entspricht, diese aber durch die kontinuierliche Steigerung der „Bestrafungsbereitschaft“ sukzessive in Richtung außerordentlicher Verhaltensweisen verschiebe. Dies mache die Abschätzung der Folgen für die Probanden schwierig. Dazu passe, dass das Verhalten der Probanden durch die Veränderung situationaler Variablen, etwa der Distanz zum Schüler oder der Anwesenheit des Versuchsleiters, beeinflusst werde, nicht durch das Vorliegen einer charakterlichen Disposition. Soziologisch ist das Experiment daher als Beleg für die Wirksamkeit der [[Soziale Norm|Norm]] des Gehorsams gesehen worden. Über die [[Sozialisation]] erlerne das Individuum Gehorsamkeit und Unterordnung. Zunächst im [[Familie (Soziologie)|familiären]] System, später in der [[Institution]] Schule. In beiden gesellschaftlichen Kontexten, die für die Prägung des Individuums entscheidend seien, werde Folgsamkeit und Unterordnung positiv sanktioniert. Die Gehorsamkeitsnorm ist an Institutionen und Individuen gebunden, die über einen hohen sozialen [[Sozialer Status|Status]] und/oder Autorität verfügen. Denn wie sich in den Variationen des Versuches andeutete, sinkt mit dem sozialen Status des Versuchsleiters die Bereitschaft zur Gehorsamsleistung. Insbesondere wenn die Autorität in einen bürokratischen Prozess eingebunden ist, der die [[Delegation]] der Verantwortung auf eine Institution ermöglicht, steigt die Chance auf Gehorsam selbst bei Befehlen, die als unmoralisch empfunden werden. == Reaktionen == Das Experiment wurde vielfach als Beleg dafür verstanden, dass fast jeder Mensch unter bestimmten Bedingungen bereit ist, nicht seinem Gewissen zu folgen, sondern einer Autorität. Daher wird es zur Erklärung der Frage herangezogen, warum Menschen [[folter]]n oder [[Kriegsverbrechen]] begehen. Wegen seiner spektakulären Ergebnisse wurde das Experiment in einer breiten Öffentlichkeit wahrgenommen. Die [[The New York Times|New York Times]] titelte zum Beispiel: „Fünfundsechzig Prozent folgen in einem Test blind dem Befehl, Schmerzen zuzufügen“. Die [[The Times|Times]] erkennt die Gefahr einer ungebremsten Gehorsamsbereitschaft an und sieht in dem Experiment eine Erklärung für die Verbrechen der Nationalsozialisten und amerikanische Gräueltaten in Vietnam.<ref>[[The Times]], Donnerstag, 30. Mai 1974; S. 10; Issue 59102; col A: The Experiment Obedience to Authority by Stanley Milgram. Autor: ''Edward Candy''.</ref> Andere Blätter kritisieren Milgram und die Yale Universität für die Zerreißprobe, vor die sie die Probanden stellten. Auch gab es sehr unterschiedliche Interpretationen der Ergebnisse und der konditionierenden Faktoren. [[Erich Fromm]] etwa behauptete, Grund für die Bereitschaft, dem Versuchsleiter zu gehorchen, sei das besonders hohe Ansehen, das die Wissenschaft als Institution in Amerika besäße. Das entscheidende Ergebnis sei nicht die Zahl der Teilnehmer, die die Schüler mit den höchsten Spannungen bestraften, sondern der bei fast allen Teilnehmern beobachtbare ausgeprägte Gewissenskonflikt. Die Zahl der Teilnehmer ohne Gewissenskonflikt sei bei Milgram jedoch nicht genannt. Fromm sieht die Berichte über die innere Aufgewühltheit und das Leiden der Probanden beim Handeln gegen das eigene Gewissen als Beleg für die Stärke des moralischen Bewusstseins.<ref>Fromm, Erich (1973):''The Anatomy of Human Destructiveness'', dt. ''Anatomie der menschlichen Destruktivität''</ref> [[Arno Gruen]] deutet die psychosomatischen Reaktionen der Befragten als ein Zeichen der Entfremdung.<ref>Arno Gruen in: Arno Gruen, Doris Weber (2001): ''Hass in der Seele, Verstehen, was uns böse macht''; in: Herder spektrum, Band 5154, S.&nbsp;90–91</ref> Im Jahr 2008 wurde das Experiment von [[Jerry Burger]] an der [[Santa Clara University]] unter modifizierten Bedingungen – es wurden Frauen beteiligt und es war ein „Bedenkenträger“ anwesend – mit fast identischen Ergebnissen wiederholt.<ref>aerzteblatt.de: [http://www.aerzteblatt.de/v4/news/news.asp?id=34842 Milgram „lite“: Menschen weiter zur Folter bereit], 19. Dezember 2008.</ref><ref> Jerry Burger in: ''Replicating Milgram''; in: [http://www.psychologicalscience.org/observer/getArticle.cfm?id=2264 APS Observer]</ref> == Mediale und künstlerische Umsetzung == Aus dem Jahr 1973 stammt ein Theaterstück des britischen Autors [[Dannie Abse]] mit dem Titel ''[[The Dogs of Pavlov]]'', das durch die Untersuchung inspiriert ist. 1976 sendete die [[Columbia Broadcasting System|CBS]] einen Film namens ''[[The Tenth Level]]'', in dem [[William Shatner]] einen an Milgram angelehnten Charakter spielte, der ein ähnliches Experiment durchführte. Regisseur [[Henri Verneuil]] baute das Milgram-Experiment in seinen Film ''[[I wie Ikarus]]'' aus dem Jahr 1979 ein. Vordergründig handelt der Film von den Geschehnissen rund um einen Präsidentenmord in einem imaginären Staat; Parallelen zum [[Attentat auf John F. Kennedy]] waren wohl erwünscht. Die deutsche Fernseh-Dokumentation ''[[Abraham – Ein Versuch]]'' entstand 1970 an der Forschungsstelle für [[Psychopathologie]] und [[Psychotherapie]] der [[Max-Planck-Gesellschaft]] in München. Sie zeichnet das deutsche Nachfolge-Experiment optisch in allen Einzelheiten nach.<ref>Medienkatalog der Bundeszentrale für politische Bildung: [http://www.bpb.de/publikationen/42ZYZH,0,0,Abraham_Ein_Versuch.html Abraham – ein Versuch]</ref> Die Ausstrahlung sorgte gerade im Zusammenhang mit der [[Geschichte Deutschlands|deutschen Geschichte]] für Diskussionen. Im Jahr 1986 nahm der Musiker [[Peter Gabriel]], der Milgram bewunderte, ein Lied mit dem Titel ''We Do What We’re Told (Milgram’s 37)'' auf. Der preisgekrönte Kurzfilm ''Atrocity'' (2005) spielt das Experiment nach.<ref>{{internetquelle|url=http://www.movingimage.us/science/sloan.php?film_id=214|titel={{lang|en|Atrocity}}|zugriff=20. März 2007}}</ref> In der Serie [[Malcolm mittendrin]] wird ein ähnliches Experiment durchgeführt, mit Verweis auf das Milgram-Experiment. In der Episode ''Das Böse – steckt der Teufel in jedem von uns?'' der Reihe [[Galileo Mystery]] demonstriert [[ProSieben]] 2008 unter anderem das Milgram Experiment.<ref>[http://www.prosieben.de/tv/galileo-mystery/episoden/galileo-mystery-episoden-boese-page-1.134528/ Galileo Mystery: "Das Böse – steckt der Teufel in jedem von uns?"]</ref> Im Frühjahr 2009 wurde das Experiment unter Nutzung der „Autorität des Fernsehens“ statt der der Wissenschaft im Rahmen einer vermeintlichen Spielshow in Frankreich wiederholt und aufgezeichnet.<ref>[http://www.heise.de/tp/r4/artikel/30/30387/1.html Telepolis]</ref><ref>[http://www.lemonde.fr/actualite-medias/article/2010/03/17/le-jeu-dont-vous-etes-le-bourreau_1320397_3236.html le monde.fr: "Le jeu dont vous êtes le bourreau" (vom 17. März 2010)]</ref> Der Film von [[Christophe Nick]] wurde am 18. März 2010 erstmals im Abendprogramm (mit dem Vermerk: nicht für Kinder unter 12 Jahren) auf dem Fernsehsender [[France 2]] mit anschließender Diskussionsrunde ausgestrahlt. In dem Fernsehexperiment gingen 80 % der Teilnehmer bis zur höchsten Bestrafungsstufe. == Siehe auch == * [[Liste der klassischen Experimente in der Psychologie]] * [[Feindbild]] * [[The Third Wave]] * [[Gruppenzwang]] * [[Kadavergehorsam]] * [[Menschenversuch]] * [[Painstation]] * [[Stanford-Prison-Experiment]] == Literatur == * Stanley Milgram: ''[http://library.nhsggc.org.uk/mediaAssets/Mental%20Health%20Partnership/Peper%202%2027th%20Nov%20Milgram_Study%20KT.pdf Behavioral study of obedience]'' (PDF-Datei; 729 KB). In: ''Journal of abnormal and social psychology.'' Lancaster Pa 67,1963, 371–378. * Stanley Milgram: ''Obedience to Authority. An Experimental View.'' Harper, New York 1974, 1975. ISBN 0-06-131983-X (Dt. ''Das Milgram-Experiment. Zur Gehorsamsbereitschaft gegenüber Autorität.'' Reinbek bei Hamburg 1974, (14. Auflage 1997) ISBN 3-499-17479-0 * Stanley Milgram: ''The Perils of Obedience''. Abridged and adapted from Obedience to Authority. in: ''Harper’s Magazine.'' 1974. {{ISSN|1045-7143}} * [[Diana Baumrind]]: ''Some thoughts on ethics of research, after reading Milgram’s ’Behavioral study of obedience''. in: ''American Journal of Psychology.'' University of Illinois Press, Champaign Ill 1964,19, 421–423. {{ISSN|0002-9556}} * Thomas Blass: ''Obedience to authority. Current perspectives on the Milgram paradigm''. Erlbaum, Mahwah NJ 2000. ISBN 0-8058-2737-4 * Thomas Blass: ''[http://cms.psychologytoday.com/articles/index.php?term=pto-20020301-000037 The Man Who Shocked the World – The Life and Legacy of Stanley Milgram]''. Basic Books, New York 2004. ISBN 0-7382-0399-8 * [[Erich Fromm]]: ''[[Anatomie der menschlichen Destruktivität]].'' Rowohlt, Reinbek 1985, 1969. ISBN 3-499-17052-3 * Stefan Kühl: ''Ganz normale Organisationen. Organisationssoziologische Interpretation simulierter Brutalitäten.'' in: ''Zeitschrift für Soziologie.'' Lucius & Lucius Verl.-mbH, Stuttgart 2005, H 2. {{ISSN|0340-1804}} * Steven Schwartz: ''Wie Pawlow auf den Hund kam…''. Beltz Psychologie heute. Heyne, München 1993. ISBN 3-407-85102-2 * Alfred W. McCoy: ''Foltern und Foltern lassen. 50 Jahre Folterforschung und -praxis von CIA und US-Militär.'' Aus dem Amerikanischen von Ulrike Bischoff. Zweitausendeins, Frankfurt a.M. 2005, S.&nbsp;44–47. ISBN 3-86150-729-3 * Stefan Mühlbauer: ''Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Tötungshemmschwelle''. Dissertation Uni Heidelberg. Lit, Münster 1999. ISBN 3-8258-4183-9 (hierin: ausführliche Analyse der vom Bundesgerichtshof hergeleiteten Rechtsgrundsätze zur Tötungshemmschwelle beim Vorsatz des Täters anhand der Ergebnisse und Schlussfolgerungen aus dem Milgram-Experiment) == Weblinks == * [http://www.wernersplace.com/obedience2.htm Nachgestellter Unterrichtsfilm] (englisch, [[Windows Media Player]] erforderlich) * [http://www.stangl-taller.at/TESTEXPERIMENT/experimentbspmilgram.html Artikel über das Experiment] * [http://www.bildung-mv.de/export/sites/lisa/de/Datenpool/Daten_Seminar_Gym/Hammer/Abraham.pdf ''Abraham – Ein Versuch: Arbeitsmaterialien zum Film'': Ausführlicher Bericht zum Thema (pdf)] (173&nbsp;kB) * [http://www.heise.de/tp/r4/artikel/24/24300/1.html Florian Rötzer: ''Das Quälen von virtuellen Personen wird als real empfunden. Wissenschaftler haben das bekannte Milgram-Experiment in einer immersiven VR-Umgebung wiederholt'']; in: [[Telepolis]] vom 24. Dezember 2006 * [http://www.nzzfolio.ch/www/d80bd71b-b264-4db4-afd0-277884b93470/showarticle/19b5eceb-8906-48f7-abc8-69187f03c5f9.aspx „Bitte fahren Sie fort“], Artikel zum Milgram-Experiment in: [[NZZ Folio]] 10/01 * Das Milgram-Experiment wurde wiederholt – mit ernüchterndem Ergebnis. [http://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/0,1518,597501,00.html Der Spiegel: So leicht werden Menschen zu Folterknechten]; [http://www.aerzteblatt.de/v4/news/news.asp?id=34842 Deutsche Ärzteblatt: Milgram “lite”: Menschen weiter zur Folter bereit] == Einzelnachweise == <references/> {{Exzellent}} [[Kategorie:Sozialpsychologie]] [[Kategorie:Experiment in der Psychologie]] {{Link FA|pl}} [[ar:اختبار ملغرام]] [[az:Milgram eksperimenti]] [[bg:Експеримент на Милграм]] [[bn:মিলগ্রামের পরীক্ষা]] [[cs:Milgramův experiment]] [[da:Milgram-eksperimentet]] [[en:Milgram experiment]] [[eo:Milgram-eksperimento]] [[es:Experimento de Milgram]] [[fi:Milgramin tottelevaisuuskoe]] [[fr:Expérience de Milgram]] [[he:הניסוי של מילגרם]] [[hr:Milgramov pokus]] [[hu:Milgram-kísérlet]] [[is:Milgramtilraunirnar]] [[it:Esperimento Milgram]] [[ja:ミルグラム実験]] [[lt:Milgramo eksperimentas]] [[nl:Experiment van Milgram]] [[no:Milgram-eksperimentet]] [[pl:Eksperyment Milgrama]] [[pt:Experiência de Milgram]] [[ru:Эксперимент Милграма]] [[simple:Milgram experiment]] [[sk:Milgramov experiment]] [[sl:Milgramov eksperiment]] [[sv:Milgrams lydnadsexperiment]] [[th:การทดลองของมิลแกรม]] [[tr:Milgram deneyi]] [[uk:Експеримент Мілґрема]] [[zh:米爾格倫實驗]] [[zh-yue:米爾格倫電擊實驗]] rgwicf0mjna3a8vs8wg7jv7zs7ehxew wikitext text/x-wiki Minakshi-Tempel 0 23937 26533 2010-05-05T07:32:25Z HRoestBot 0 Bot: Ändere: [[en:Meenakshi Amman Temple]] [[Datei:Madurai meenakshi temple.jpg|thumb|Südgopuram des Minakshi-Tempels]] [[Datei:Madurai Meenakshi temple top view.jpg|thumb|Blick auf den Tempelkomplex von Westen]] Der '''Minakshi-Tempel''' (voller Name: '''Sri-Minakshi-Sundareshwara-Tempel''') ist ein [[Hindu-Tempel]] in der Stadt [[Madurai]] im [[Indien|südindischen]] Bundesstaat [[Tamil Nadu]]. Er ist [[Minakshi]], einer lokalen Erscheinungsform der Göttin [[Parvati]], und ihrem Gatten Sundareshvara ([[Shiva]]) geweiht, die dem Mythos zufolge in Madurai geheiratet haben sollen. Im Gegensatz zu den meisten anderen Hindu-Tempeln steht in Madurai die Göttin im Mittelpunkt der Verehrung. Die ältesten Teile des Minakshi-Tempels stammen aus der [[Pandya]]-Zeit des 12.–13. Jahrhunderts, seine heutige Gestalt erhielt der Tempel aber im Wesentlichen während der [[Nayak-Dynastien|Nayak]]-Herrschaft im 16.–17. Jahrhundert. Der Minakshi-Tempel zählt zu den herausragendsten Beispielen für die [[Dravida-Stil|dravidische Tempelarchitektur]]. Wie es für diesen Baustil kennzeichnend ist, hat der Tempel einen rechteckigen Grundriss und ist nach geometrischen Prinzipien aufgebaut. Der mit über sechs [[Hektar]] sehr weitläufige Tempelkomplex besteht aus drei konzentrischen Bereichen, die um die beiden Sundareshvara und Minakshi geweihten Hauptschreine herum aufgebaut sind. Im Inneren des verwinkelten Tempelkomplexes befinden sich zahlreiche weitere Bauelemente, darunter Korridore, mehrere große Säulenhallen und ein Tempelteich. Die zwölf hoch aufragenden [[Gopuram]]s (Tortürme) des Tempels sind mit üppigem und bunt bemaltem Figurenschmuck ausgestattet und beherrschen weithin sichtbar das Stadtbild Madurais. Auch der Stadtgrundriss Madurais richtet sich nach dem Minakshi-Tempel, welcher den Mittelpunkt der Altstadt bildet und von mehreren konzentrischen Ringstraßen umgeben wird. == Mythos == Wie fast jeder wichtige südindische Tempel besitzt auch der Tempel von Madurai eine eigene Ortslegende ''(sthalapurana)'', welche die mythische Geschichte des Tempels erzählt. Die Ortslegende des Minakshi-Tempels trägt den Titel ''Tiruvilaiyadarpuranam''.<ref>R. Dessigane, P. Z. Pattabiramin und J. Filliozat (Übers. und Hrsg.): ''La légende des jeux de Çiva à Madurai: D’après les textes et les peintures'', Pondichéry 1960.</ref> Sie ist in zwei [[tamil]]ischsprachigen Versionen (eine vom Autor Perubatrapulliyur Nambi aus dem 12. Jahrhundert und eine von Paranchodimunivar aus dem frühen 16. Jahrhundert) und einer [[Sanskrit]]-Version mit dem Titel ''Halasyamahatmya'' überliefert. Die Gründungslegende des Tempels von Madurai lautet wie folgt: [[Datei:Madurai Meenakshi Temple painting.JPG|thumb|Im Säulengang um den Tempelteich erzählen Wandmalereien aus dem 17. Jhd. die Ortslegende des Tempels nach.]] Der Gott [[Indra]] beging eine Sünde, indem er einen [[Brahmane]]n tötete. Von Reue geplagt begab er sich aus dem Himmel auf die Erde. Als er dort einen Hain von [[Neolamarckia cadamba|Kadamba]]-Bäumen durchschritt, fühlte er sich plötzlich von seiner Bürde erlöst. Unter einem Kadamba-Baum neben einem Teich entdeckte Indra ein [[Linga]] (Zeichen Shivas). Indra verehrte das Linga und baute um es herum einen kleinen Schrein. Bei einem der Lingas, die heute im Minakshi-Tempel verehrt werden, soll es sich um ebenjenes Linga handeln. Eines Tages verbrachte der Kaufmann Dhanajaya eine Nacht in jenem Schrein und sah, wie die Götter das Linga verehrten. Er berichtete dem [[Pandya]]-König Kulasekara, der in der nahen Stadt Manavur herrschte, von dem, was er gesehen hatte. Am selben Tag hatte Kulasekara im Traum von Shiva die Anweisung erhalten, an dem Ort, den Dhanajaya ihm nennen würde, einen Tempel und eine Stadt zu errichten. Auf dieses Zeichen hin gründete der König Madurai und ließ den Tempel erbauen. Des Königs Nachfolger Malayadhvaja hatte keine Nachkommen und vollzog ein Opfer, um von seiner Kinderlosigkeit erlöst zu werden. Daraufhin entstieg Minakshi dem Opferfeuer in Form eines dreijährigen Mädchens, das drei Brüste hatte. Eine Stimme aus dem Himmel verkündete dem König, das Mädchen würde die überzählige Brust verlieren, sobald sie ihren zukünftigen Ehemann erblicken würde. Als sie herangewachsen war, wurde Minakshi zur Königin gekrönt. Sie zog mit einer großen Armee aus, um die Welt zu erobern. Nachdem sie in vielen Schlachten siegreich gewesen war, kam sie zum [[Kailash|Kailasa]]-Berg (der Wohnstätte der Götter) und forderte das Heer Shivas heraus. Als sie Shiva auf das Schlachtfeld treten sah, verlor sie ihre dritte Brust und erkannte in ihm ihren zukünftigen Gatten. Shiva beschied Minakshi, nach Madurai zurückzukehren. Wenige Tage später folgte er ihr und ehelichte sie in einer großartigen Hochzeitszeremonie. Zusammen mit Minakshi herrschte Shiva unter dem Namen Sundara Pandya über Madurai und vollzog viele wundersame Taten. [[Kartikeya]] (Murugan) wurde als Sohn des göttlichen Paares geboren und folgte unter dem Namen Ugra Pandya seinen Eltern auf den Thron. Daraufhin zogen sich Shiva und Minakshi in den Tempel zurück und verschwanden. Der Gott Shiva kehrte aber immer wieder zurück, um Wunder zu vollbringen, und bleibt der wahre Herrscher über Madurai. == Geschichte == Die Ursprünge des Minakshi-Tempels lassen sich nur schwer fassen. Die Stadt Madurai gehört zu den ältesten Südindiens und war bereits in den ersten Jahrhunderten v.&nbsp;Chr. die Hauptstadt des [[Pandya]]-Reiches. Die Stadt wird in der tamilischen [[Sangam-Literatur]] (ca. 1. Jahrhundert v.&nbsp;Chr. bis 6. Jahrhundert n.&nbsp;Chr.) und in den Reiseberichten antiker griechischer und römischer Autoren beschrieben. Mehrere Werke der Sangam-Literatur erwähnen ein Shiva-Heiligtum in Madurai, doch sind die Angaben zu vage, als dass sich dieser sicher mit dem heutigen Tempel identifizieren ließe. Auch für die Verehrung der Minakshi gibt es aus der frühen Zeit keine Belege.<ref>Susan J. Lewandowski: „Changing form and function in the ceremonial and the colonial port city in India: An historical analysis of Madurai and Madras“. In: ''Modern Asian Studies'' 11 (1977), S. 183–212, hier S. 190.</ref> Die ältesten Teile des heutigen Tempels stammen aus der Zeit der zweiten Pandya-Dynastie aus dem 13. Jahrhundert. Die früheste Inschrift stammt aus der Regierungszeit König [[Kulasekara Pandiyan]]s (1190–1223), der auch in der Ortslegende des Tempels als mythischer Gründer genannt wird. Während seiner Herrschaft entstanden die beiden Hauptschreine des Tempels. Seine Nachfolger ließen im 13. Jahrhundert den Tempelkomplex erweitern und erbauten die ersten beiden Gopurams. Im Jahr 1311 eroberten aus Nordindien kommende [[Islam in Indien|islamische]] Truppen Madurai und plünderten auch den Tempel. Nachdem das [[Vijayanagar]]-Reich die kurzlebige muslimische Herrschaft über Madurai beendet und die Stadt eingenommen hatte, wurde der Tempel 1371 wieder instandgesetzt. Die Könige von Vijayanagar setzten in Madurai Militärstatthalter ([[Nayak-Dynastien|Nayaks]]) ein, die nach dem Fall des Vijayanagar-Reiches im Jahr 1565 die Macht übernahmen. Während der Nayak-Zeit wurde der Tempel von Madurai maßgeblich erweitert und erhielt im 16. und 17. Jahrhundert im Wesentlichen seine heutige Gestalt.<ref>Zur Baugeschichte des Minakshi-Tempels siehe A. V. Jeyechandrun: ''The Madurai temple complex'', Madurai 1985, S. 159–188.</ref> == Lage == [[Datei:Madurai Altstadt.png|thumb|Der Minakshi-Tempel bildet den Mittelpunkt der Altstadt Madurais]] Der Minakshi-Tempel liegt im Zentrum der am rechten, d.&nbsp;h. südlichen Ufer des [[Vaigai]]-Flusses gelegenen Altstadt Madurais. Der Stadtgrundriss Madurais richtet sich nach dem Minakshi-Tempel: Der Tempel bildet den Mittelpunkt der Altstadt und wird von mehreren konzentrischen annähernd rechteckigen Straßenringen umgeben, die grob seinen Umrissen folgen. Den innersten Straßenring, die ''Adi Street'', bilden die Hofflächen innerhalb des Tempelkomplexes. Direkt außerhalb der Tempelmauern verläuft die ''Chittrai Street'', es folgen von Innen nach Außen die ''Avani Mula Street'' und die ''Masi Street''. Diese Ringstraßen sind nach Monaten des [[Tamilischer Kalender|tamilischen Kalenders]] benannt. In dem jeweiligen Monat findet ein Tempelfest statt, bei dem auf der entsprechenden Straße eine Prozession veranstaltet wird (mit der Ausnahme, dass die Prozessionen der Monate Masi und Chittrai vertauscht wurden). Die äußerste Ringstraße, die ''Veli Street'' wurde an der Stelle der Anfang des 19. Jahrhunderts zerstörten Stadtbefestigung gebaut. Im rechten Winkel zu den Ringstraßen führen im Süden, Westen und Norden Straßen axial auf die Eingangstore zu.<ref>Zur Stadtarchitektur Madurais siehe Lewandowski 1977.</ref> Mit seinem konzentrisch um den Minakshi-Tempel herum aufgebauten Stadtgrundriss verkörpert Madurai den klassischen Typus der südindischen Tempelstadt, wenn auch nicht in derselben Regelmäßigkeit wie etwa das Idealbeispiel [[Srirangam]]. == Architektur == === Überblick === [[Datei:Madurai Minakshi-Tempel Grundriss Nummern.png|thumb|upright=1.6|Grundriss (Zahlen beziehen sich auf den Text)]] Der Minakshi-Tempel umfasst einen 258 × 241&nbsp;m großen rechteckigen Bereich mit einer Grundfläche von 6,2 Hektar.<ref>847 × 792 [[Fuß (Einheit)|Englische Fuß]]; Zahlen nach: R. Kasirajan: „Minakshi Temple“, in: S.&nbsp;V. Subramanian, G. Rajendran: ''Heritage of the Tamils. Temple arts,'' Madras 1985, S. 523. Es finden sich abweichende Angaben.</ref> Die sechs Meter hohe Umfassungsmauer besitzt in jeder der vier Himmelsrichtungen ein Eingangstor, das jeweils von einem massiven [[Gopuram]] (1–4) bekrönt wird. Die Linien, welche zwischen den Gopurams verlaufen, bilden die Hauptachsen des Tempels. Sie sind etwas aus der Mitte versetzt und an den Himmelsrichtungen orientiert, allerdings um 16° verdreht. Ebenso wie sich der Stadtgrundriss Madurais nach dem Minakshi-Tempel richtet, ist auch der Tempelkomplex selbst konzentrisch aufgebaut. Die zahlreichen ineinander übergehenden Bauteile im Inneren des Tempels verbinden sich zu einem verwinkelten und schwer zu überschauenden Komplex. Im Inneren des Tempels befinden sich zwei Hauptschreine. Einer ist Minakshi und einer Sundareshvara (Beiname Shivas) geweiht. Der Sundareshvara-Schrein (5) liegt im Schnittpunkt der Hauptachsen, der Minakshi-Schrein (6) befindet sich südwestlich davon. Eine Nebenachse verläuft parallel zur ost-westlichen Hauptachse durch das Minakshi-Heiligtum zum „Tor der acht Gottheiten“ (7) in der östlichen Mauer. Der Sundareshvara- und der Minakshi-Schrein werden von jeweils zwei konzentrischen Umfassungsmauern mit weiteren Gopurams umgeben. Diese schließen zwei von Säulen gestützte Umgänge ''(Prakaras)'' ein. Auf dem Hof des Tempels umgibt ein dritter Prakara die beiden Heiligtümer. Neben den beiden Hauptschreinen gehören zum Tempelkomplex noch ein separater kleinerer Schrein für die Gottheit Javandishvara (einer weiteren Erscheinungsform Shivas) südlich des Minakshi-Heiligtums (8), ein Tempelteich (9), drei große Säulenhallen ''(Mandapas)'' im östlichen Bereich des Tempels – die Tausend-Säulen-Halle (10), das Viravasantaraya-Mandapa (11) und das Minakshi-Nayaka-Mandapa (12) – sowie kleinere Mandapas, verbindende Korridore und andere kleinere Bauelemente (Räume der Tempelverwaltung, Wirtschaftsgebäude, Stallungen etc.). === Gopurams === [[Datei:Madurai, India.jpg|thumb|Die hoch aufragenden Gopurams beherrschen die Skyline Madurais.]] [[Datei:Madurai gopuram sculptures.jpg|thumb|Überbordender Figurenschmuck an einem der Gopurams]] Der Minakshi-Tempel verfügt über zwölf [[Gopuram]]s (Tortürme). Wie es für den Dravida-Stil typisch ist, nimmt ihre Größe von außen nach innen ab. Die vier Gopurams in der äußersten Umfassungsmauer erreichen Höhen von rund sechzig Metern und beherrschen weithin sichtbar das Stadtbild Madurais. Sie bestehen aus einem zweistöckigen Sockel, einem Überbau aus neun Geschossen und einem Dachaufsatz. Ihre Form ist pyramidal mit einer konkaven Linienführung. Die Überbauten werden gänzlich von überbordendem Figurenschmuck aus jeweils über 1000 bunt bemalten Stuckfiguren von Göttern, Dämonen und mythologischen Szenen bedeckt. Die Ausstattung der Gopurams mit Figurenschmuck geht auf die Nayak-Zeit (16.–17. Jahrhundert) zurück.<ref>R. Venkataraman: „The Sculptures on the Gopurams of Madurai Minakshi-Sundaresvara Temple Complex – A Survey“, in: S. V. Subramanian, G. Rajendran (Hrsg.): ''Heritage of the Tamils – Temple Arts,'' Madras 1983, S. 383.</ref> Als der Minakshi-Tempel 1960–63 umfassend renoviert wurde, kam es in der Öffentlichkeit zu einer lebhaften Debatte darüber, ob die Gopurams einfarbig oder entsprechend dem ursprünglichen Zustand bunt gestaltet werden sollten. Letztlich wurde die Frage durch eine Volksabstimmung zugunsten der [[Polychromie|polychromen]] Variante entschieden. Der älteste der Gopurams ist der Ostgopuram, der 1256 vollendet wurde. Er ist auch als ''Raya Gopuram'' bekannt und hat eine Grundfläche von 20,1 × 33,8&nbsp;m und eine Höhe von 60,7&nbsp;m. Der 1323 gebaute Westgopuram ist 59,8&nbsp;m hoch bei einer vergleichsweise kleinen Basis von 19,4 × 30,8&nbsp;m. Als der schönste der Gopuram gilt wegen seiner besonders konkaven Form und dem Blick, der sich über den Tempelteich auf ihn bietet, der 1559 entstandene Südgopuram. Mit 62,6&nbsp;m ist er zudem der höchste Gopuram, seine Grundfläche beträgt 49 × 20,4&nbsp;m. Der Nordgopuram wurde zwischen 1564 und 1572 gebaut, blieb aber lange unvollendet und wurde erst im 19. Jahrhundert fertiggestellt. Er hat eine Grundfläche von 20,2 × 34&nbsp;m und ist 59,6&nbsp;m hoch.<ref>Kasirajan 1985, S. 526–529</ref> Der größte der Gopurams im Tempelinneren ist der ''Chitra Gopuram'', der in einer Linie mit dem Minakshi-Schrein und dem Tor der acht Gottheiten zwischen dem Tempelteich und dem Minakshi-Nayaka-Mandapa liegt. Er verfügt über sieben Geschosse und ist 45,9&nbsp;m hoch. Sieben weitere, deutlich niedrigere Tortürme befinden sich an den Umfassungsmauern der beiden Schreine. Der Sundareshvara-Schrein hat fünf Gopurams – vier fünfstöckige in der äußeren Mauer, einen dreistöckigen in der inneren. In der Umfassungsmauer des Minakshi-Schreins befinden sich zwei Gopurams. Traditionell führt der Haupteingang in den Tempel durch das Tor der acht Gottheiten. Heute werden aber meist die Gopurams als Eingänge genutzt. Der nördliche Gopuram ist dabei den Tempelpriestern vorbehalten. Der Ostgopuram galt lange als Unheil verheißend, weil sich einer Legende zufolge im 17. Jahrhundert ein Tempeldiener von ihm in den Tod gestürzt haben soll.<ref>Kasirajan 1985, S. 527 f.</ref> === Schreine === [[Datei:Madurai Meenakshi temple shikhara.jpg|thumb|Vergoldeter Turm über dem Sundareshvara-Schrein]] [[Datei:Madurai Meenakshi temple linga.jpg|thumb|Linga in einem Nebenschrein des Sundareshvara-Heiligtums]] Der Minakshi-Tempel besitzt zwei Hauptschreine. Aus architektonischer Sicht stellt sich der Sundareshvara-Schrein durch seine Größe sowie seine Lage im Mittelpunkt der Hauptachsen des Tempels und nordöstlich des Minakshi-Schreines als der wichtigere der beiden dar.<ref>C. J. Fuller: ''Servants of the Goddess. The Priests of a South Indian Temple'', Cambridge u. A. 1984, S. 2 f.</ref> Beide Schreine sind nach dem gleichen Prinzip aufgebaut. Im Zentrum befindet sich das Allerheiligste ''(Garbhagriha)'' mit den Götterbildern. Das Allerheiligste des Sundareshvara-Schreins hat eine Grundfläche von 10×10&nbsp;m, beim Minakshi-Schrein sind es 7,5×7,5&nbsp;m. Östlich vor dem Allerheiligsten sind zwei Vorkammern (''Ardhamandapa'' und ''Mahamandapa'') vorgelagert. Das Allerheiligste wird von zwei konzentrischen säulengestützten Umgängen ''(Prakaras)'' umgeben und von einem Turm ''([[Shikhara]])'' bekrönt, der nur von bescheidener Höhe, dafür aber mit Gold überzogen ist. Die beiden Schreine bilden den ältesten Teil des Tempels. Sie entstanden während der Herrschaftszeit von Kulasekara Pandiyan (1190–1216). Seine Nachfolger ließen im 13. Jahrhundert die Vorkammern und die Umgänge erbauen. Weitere Umbauten fanden im 16. und 17. Jahrhundert statt.<ref>Kasirajan 1985, S. 524 f.</ref> Im Innersten des Sundareshvara-Schreins befindet sich wie in fast allen Shiva-Tempeln keine bildliche Darstellung der Gottheit sondern ein [[Linga]] als nicht-bildhaftes Symbol Shivas. Minakshi ist dagegen [[Anthropomorphismus|anthropomorph]] dargestellt. Ihr Bildnis ist etwa 1,20 Meter hoch und aus grünem Stein gefertigt. Außer diesen beiden unbeweglichen Statuen im Allerheiligsten werden im Tempel Bronzestatuen der beiden Gottheiten aufbewahrt, die bei Prozessionen herausgetragen werden können. Neben dem Linga und der Minakshi-Statue beherbergen die beiden Schreine zahlreiche weitere Bildnisse: Direkt gegenüber den beiden Heiligtümern steht jeweils eine Figur von Shivas Reittier ''(Vahana)'', dem [[Nandi (Religion)|Nandi]]-Bullen. An den Toren auf der West-Ost-Achse befinden sich Statuen von [[Ganesha|Vinayaka]] (Ganesha) und [[Karttikeya|Subramanya]] (Skanda, Murugan), den Söhnen des göttlichen Paares. Ferner gibt mehrere weitere Lingas, Bildnisse von anderen Erscheinungsformen Shivas und der Göttin, anderer Gottheiten, der 63 in Tamil Nadu verehrten shivaitischen Heiligen ''([[Nayanmar]]s)'', der Sangam-Dichter sowie den Stumpf eines Kadamba-Baumes. Die Vinayaka-Statue, die am südlichen Eingang des Sundareshvara-Schreins steht, soll angeblich im 17. Jahrhundert auf dem Grund des Mariamman-Teppakulam-Teiches entdeckt und in den Tempel verbracht worden sein. Besonderer Beliebtheit unter den Gläubigen erfreuen sich die im zweiten Prakara des Sundareshvara-Schreins befindlichen Reliefs einer gebärenden Frau, die von schwangeren Frauen mit Öl bestrichen wird, und des Affengottes [[Hanuman]], der stets mit rotem Farbpulver bedeckt ist. Bis vor kurzem war es unter den Tempelbesuchern Sitte, zwei Statuen, die Shiva als Urdhva Tandava und die Göttin als Bhadrakali beim Tanzwettbewerb darstellen, mit Butterkugeln zu bewerfen. === Säulenhallen === [[Datei:Madurai Meenakshi temple corridor.jpg|thumb|Säulengang im Minakshi-Tempel]] Im östlichen Bereich des Tempels befinden sich mehrere Säulenhallen ''([[Mandapa]]s)'', von denen die Tausend-Säulen-Halle, das Viravasantaraya-Mandapa und das Minakshi-Nayaka-Mandapa die bedeutendsten sind. Sie stammen allesamt aus der Nayak-Zeit zwischen dem 16. und dem frühen 18. Jahrhundert. Die Dächer der Hallen werden von teils kunstvoll mit Skulpturen von Pferden, Löwen oder Göttern geschmückten monolithischen Pfeilern gestützt. Die Mandapas dienen als Versammlungssäle, Aufenthaltsräume für Pilger und Markthallen, in denen Verkäufer den Tempelbesuchern Devotionalien verkaufen. Das größte Mandapa ist die sogenannte 1000-Säulen-Halle ''(Ayirakkal-Mandapa)'' mit einer Grundfläche von 76 × 73&nbsp;m. Tatsächlich beträgt die Anzahl der Säulen hier 1029.<ref>Kasirajan 1985, S. 532. Es finden sich abweichende Angaben.</ref> Heute dient die 1572 erbaute Halle nicht mehr ihrer ursprünglichen Funktion sondern beherbergt ein Tempelmuseum mit einer Sammlung von Skulpturen. Zwischen dem Ostgopuram und dem Sundareshvara-Schrein liegt das 1608–1623 erbaute Viravasantaraya-Mandapa, das zahlreiche Verkaufsstände beherbergt. Das Minakshi-Nayaka-Mandapa (erbaut 1704–1732) befindet sich zwischen dem Tempelteich und dem Tor der acht Gottheiten. Außerhalb des Tempels gegenüber dem Ostgopuram liegt das 100 × 32&nbsp;m große und von 124 Pfeilern gestützte Pudu Mandapa. Es gehört genau genommen nicht Tempelkomplex, wurde aber unter [[Tirumalai Nayak]] (1623–1659) als vorgelagerte Eingangshalle des Tempels angelegt. Heute wird es als Markthalle genutzt. === Tempelteich === [[Datei:Madurai Meenakshi temple tank.jpg|thumb|Blick auf den Tempelteich]] Nahe dem Südgopuram und dem Minakshi-Schrein liegt der Tempelteich, welcher als „Teich des goldenen Lotus“ ''(Pottamarai Kulam)'' bekannt ist. Es handelt sich um ein rechteckiges Becken mit zum Wasser führenden Treppenstufen ''([[Ghat (Indien)|Ghats]])''. In der Mitte befinden sich eine goldene Säule und eine ebenfalls vergoldete Skulptur einer Lotusblüte. Der Tempelteich dient Gläubigen als Ort für rituelle Waschungen. Den Teich des goldenen Lotus umgibt ein Säulengang, dessen Wände mit Wandmalereien aus dem 17. Jahrhundert geschmückt sind. Diese stellen Szenen aus dem ''Tiruvilayadal Puranam'', der Ortslegende des Minakshi-Tempels, dar. Ein weiterer mit dem Minakshi-Tempel verbundener Tempelteich, der Mariamman-Teppakulam-Teich, befindet sich rund fünf Kilometer östlich. Er wurde 1646 angelegt und ist der größte Tempelteich Tamil Nadus. Alljährlich im Januar oder Februar werden die Götterbilder Minakshis und Sundareshvaras anlässlich des Teppam-Festes in einer feierlichen Prozession zum Mariamman-Teppakulam-Teich gebracht. == Religiöses Leben == === Gott und Göttin === [[Datei:MaduraiTempleLordShiva.JPG|thumb|Darstellung Shivas am Minakshi-Tempel]] Der Tempel von Madurai ist ein shivaitischer Tempel (der [[Shivaismus]] ist neben dem [[Vishnuismus]] eine der beiden Hauptströmungen des [[Hinduismus]]). Im Tempel werden Shiva und seine Gefährtin Parvati in ihren Formen als Sundareshvara und Minakshi verehrt. Außergewöhnlich ist, dass nicht Shiva sondern die Göttin im Mittelpunkt der Verehrung steht. Entgegen der üblichen Praxis wird Minakshi stets vor ihrem Gatten gehuldigt. Auch wird ihr Götterbild bei Prozessionen entgegengesetzt zur üblichen Ordnung zur Rechten ihres Ehemanns positioniert. Somit ist Minakshi in Madurai nicht nur die Gefährtin Shivas sondern die Hauptgöttin des Tempels.<ref>C. J. Fuller: „The divine couple’s relationship in a south Indian temple: Mīnākṣī and Sundareśvara at Madurai“, in: ''History of Religions'' 19 (1980), S. 321–348.</ref> Dies spiegelt sich auch in der tamilischen Redensart „Ist bei euch zu Hause Madurai oder [[Chidambaram]]?“ wider, bei der Madurai für die weibliche und Chidambaram für die männliche Dominanz in einer Ehe steht.<ref>Kasirajan 1985, S. 522.</ref> Der Gott Shiva hat neben seinen aus der hinduistischen Mythologie bekannten Erscheinungsformen zahlreiche lokale, auf einen bestimmten Tempel beschränkte Manifestationen mit jeweils eigenen Charakteristika und einem eigenen, mit dem Ort verknüpften Mythos. In Madurai wird Shiva als Sundareshvara („der schöne Herr“) bzw. Chokkar („der Schöne“) verehrt. Zudem gilt der Minakshi-Tempel neben dem [[Nataraja-Tempel]] von Chidambaram sowie den Tempeln von [[Tirunelveli]], [[Tiruvalankadu]] und [[Courtallam]] als eine von „fünf Tanzhallen“ ''(Pancha Sabha)'', in denen Shiva in seiner Erscheinungsform als [[Nataraja]] seinen kosmischen Tanz aufführt. === Priester === Im Minakshi-Tempel arbeiten knapp sechzig Priester und etwa zwanzig Tempeldiener.<ref>Fuller 1984 gibt für das Jahr 1980 die Zahlen 56 bzw. 19 an (S. 25, 35).</ref> Die Priester werden ''Bhattars'' genannt (ursprünglich ein Ehrentitel) und tragen diese Bezeichnung auch als [[Kaste]]n-Nachnamen. Die Bhattars gehören, wie die Priester aller shivaitischen Tempel Tamil Nadus, zu den Adishaivas, einer [[Brahmane|brahmanischen]] Unterkaste. Die Priester leben geschlossen in einem Viertel nördlich des Tempels. Ihren eigenen Chroniken zufolge sollen die Tempelpriester unter Kulasekara Pandiyan (1190–1216) aus Nordindien nach Madurai gekommen sein.<ref>Jeyechandrun 1985, S. 142.</ref> Die Tempeldiener gehören einer anderen, nicht-priesterlichen brahmanischen Unterkaste an. Sie bereiten unter anderem die Speisen vor, die den Göttern dargeboten werden, und assistieren den Priestern bei ihren Riten. === Tempelbesucher === [[Datei:Madurei 358.jpg|thumb|Tempelbesucher in einer Säulenhalle]] Der Minakshi-Tempel ist einer der meistbesuchten Tempel Tamil Nadus. Durchschnittlich suchen täglich rund 20.000 Menschen den Tempel auf, an besonderen Feiertagen kann die Zahl sich verdoppeln.<ref>Schätzung nach Fuller 1984, S. 5.</ref> Der Tempelbesuch folgt bei Gläubigen einer festgelegten Abfolge. Dabei werden die Heiligtümer, zuerst der Minakshi- und dann der Sundareshvara-Schrein, vom äußeren zum inneren Prakara voranschreitend im Uhrzeigersinn umschritten ''(Pradakshina)''.<ref>{{cite web |url=http://www.maduraimeenakshi.org/worship.php?link=procedure |title=Detaillierte Beschreibung der Abfolge des Tempelbesuchs auf der Website des Minakshi-Tempels |accessdate=4. Januar 2009 |language= engl.}}</ref> Weil sich die Verehrung Minakshis im Wesentlichen auf Madurai und Umgebung beschränkt, ist der Minakshi-Tempel kein allzu bedeutendes Wallfahrtsziel. Dennoch besuchen Pilger aus anderen Teilen Indiens auf dem Weg nach [[Rameswaram]] oftmals den Tempel wegen seiner Größe und seines hohen Alters. Für ausländische Touristen gehört der Minakshi-Tempel zu den wichtigsten touristischen Sehenswürdigkeiten Tamil Nadus. Jährlich besuchen 150.000 Ausländer Madurai.<ref>{{cite web |url=http://www.hinduonnet.com/mp/2003/01/20/stories/2003012000750100.htm |title=''Tourism, Madurai’s mainstay'' |accessdate=4. Januar 2009 |last=The Hindu |date=20. Januar 2003 |language=engl.}}</ref> Nicht-Hindus ist der Zutritt zu den heiligsten Bereichen des Tempels (dem Minakshi-Schrein und dem innersten Prakara des Sundareshvara-Schreines) verwehrt. Zugangsbeschränkungen für [[Dalit]]s (Kastenlose) bestehen hingegen seit 1939 nicht mehr.<ref>Fuller 1984, S. 43 f.</ref> === Tiere === [[Datei:944627194 159d749dec o.jpg|thumb|Ein Tourist wird vom Tempelelefanten gesegnet]] Im Minakshi-Tempel wird eine Reihe von Tieren gehalten. Wie in den meisten größeren Hindutempeln segnet auch im Tempel von Madurai ein Tempelelefant die Besucher gegen eine Geldspende durch eine Berührung mit dem Rüssel. Daneben nimmt er festlich geschmückt an Prozessionen zu bestimmten Festen teil. Derzeit gibt es im Minakshi-Tempel nur einen Tempelelefanten, die 1997 geborene Elefantenkuh Parvathi. Neben dem Elefanten leben im Tempel von Madurai Kühe und – einzigartig für Südindien – zwei Kamele, die ebenfalls bei Prozessionen eingesetzt werden. Im Minakshi-Schrein werden ferner sprechende Papageien gehalten, die darauf trainiert sind, den Namen der Göttin auszusprechen (der Papagei gilt als Erkennungszeichen Minakshis). === Feste === Madurai feiert jedes Jahr elf große Tempelfeste. In jedem Monat des tamilischen Kalenders mit Ausnahme des [[Monsun]]-Monats Ani (Juni/Juli) findet ein Fest statt, bei dem die Götterbilder Minakshis und Shivas in prunkvollen Prozessionen auf großen Tempelwagen ''([[Ratha]]s)'' durch die Ringstraßen um den Tempel herum gezogen werden. Das Hauptfest findet im Monat Chittirai (April/Mai) statt. Bei diesem zwölftägigen Fest, zu dem zehntausende Menschen nach Madurai strömen, wird die im Gründungsmythos des Tempels geschilderte göttliche Hochzeit zwischen Shiva und Minakshi zelebriert. Am achten Tag des Festes wird Minakshi zur Herrin der Stadt gekrönt. Am Tag darauf wird sie auf der Masi-Straße durch die Stadt getragen, um ihren Herrschaftsanspruch gegenüber den Gottheiten der acht Himmelsrichtungen zu demonstrieren: Die Göttin unterwirft [[Indra]] im Osten, [[Agni]] im Südosten, [[Yama (Todesgott)|Yama]] im Süden, [[Nirriti]] im Südwesten, [[Varuna]] im Westen, [[Vayu]] im Nordwesten und [[Kubera]] im Norden. Erst Ishana (eine Form Shivas) im Nordosten bezwingt Minakshi, die daraufhin in ihm ihren zukünftigen Gatten erkennt. Am zehnten Tag des Festes wird die Hochzeit des göttlichen Paares vollzogen und am elften Tag durch eine große Prozession gefeiert.<ref>Niels Gutschow, Jan Pieper: ''Indien. Von den Klöstern des Himalaya zu den Tempelstädten Südindiens. Bauform und Stadtgestalt einer beständigen Tradition,'' Köln 1978, S. 381.</ref> == Einzelnachweise == <references/> == Literatur == * C. J. Fuller: ''Servants of the Goddess. The Priests of a South Indian Temple.'' Cambridge u.&nbsp;A. 1984. * A. V. Jeyechandrun: ''The Madurai temple complex.'' Madurai 1985. * R. Kasirajan: ''Minakshi Temple''. In: S. V. Subramanian, G. Rajendran (Hrsg.): ''Heritage of the Tamils – Temple Arts.'' Madras 1983. S. 522–541. * L. Peter Kollar: ''Symbolism in Hindu architecture as revealed in the Shri Minakshi Sundareswar.'' New Delhi 2001. * R. Venkataraman: ''The Sculptures on the Gopurams of Madurai Minakshi-Sundaresvara Temple Complex – A Survey''. In: S. V. Subramanian, G. Rajendran (Hrsg.): ''Heritage of the Tamils – Temple Arts.'' Madras 1983. S. 374–391. == Weblinks == {{Commonscat|Madurai Meenakshi temple|Minakshi-Tempel}} * [http://www.maduraimeenakshi.org/ Website des Tempels] (engl.) * [http://www.kultur-in-asien.de/Indien/Sonstige/seite578.htm Bernhard Peter: ''Die Tempelstadt Madurai''] * [http://www.templenet.com/Tamilnadu/Madurai/madurai.html TempleNet: ''Madurai''] (engl.) {{Exzellent}} {{Coordinate |NS=9/55/9.818381593311187/N |EW=78/7/10.15594482421875/E |type=landmark |region=IN}} [[Kategorie:Hinduistischer Tempel in Indien]] [[Kategorie:Bauwerk in Tamil Nadu]] [[Kategorie:Religion (Tamil Nadu)]] [[en:Meenakshi Amman Temple]] [[fr:Temple de Mînâkshî]] [[hi:मीनाक्षी सुन्दरेश्वर मन्दिर]] [[new:मीनाक्षी देगः]] [[nl:Minakshitempel]] [[pl:Świątynia Minakszi w Maduraj]] [[ta:மீனாட்சியம்மன் கோவில்]] 0c2q0fz75tickk235mrp1qt1ckipa7k wikitext text/x-wiki Minoische Eruption 0 23938 26534 2010-05-10T09:12:23Z HJJHolm 0 /* Naturwissenschaftliche Methoden */ [[Datei:Santorini Landsat.jpg|miniatur|Die Insel Santorin heute: Die vulkanische Caldera wird aus der Hauptinsel, der Insel [[Thirasia]] im Westen und der winzigen Felsinsel [[Aspronisi]] im Südwesten gebildet. In der Mitte des Inselrunds liegen die beiden erst nach der Minoischen Eruption entstandenen Inseln [[Palea Kameni]] und [[Nea Kameni]].]] Als '''Minoische Eruption''' (auch ''Thera-'' oder ''Santorin-Eruption'') wird der [[Späte Bronzezeit|spätbronzezeitliche]] Ausbruch der [[ägäis]]chen Vulkaninsel Thera (heute [[Santorin]]) bezeichnet, der im [[17. Jahrhundert v. Chr.|17.]]/[[16. Jahrhundert v. Chr.]] den [[Minoische Kultur|minoischen]] Außenposten [[Akrotiri (Santorin)|Akrotiri]] (moderner Name) begrub. Seine direkten Auswirkungen sind umstritten; die bis in die 60er Jahre des 20. Jh. oft vertretene Meinung, er habe den Untergang der Minoischen Kultur auf [[Kreta]] herbeigeführt<ref name="Marinatos1939">Spyridon Marinatos: ''The Volcanic Destruction of Minoan Crete'', in: ''[[Antiquity]]'' 13, 1939, S. 425-439.</ref>, wird heute abgelehnt.<ref name="Friedrich2004">Walter L. Friedrich: ''Feuer im Meer. Der Santorin-Vulkan, seine Naturgeschichte und die Atlantis-Legende''. Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg 2004 (2. Aufl.). ISBN 3-8274-1582-9</ref> Die bei der Eruption ausgestoßenen [[Pyroklastisches Sediment|Pyroklastika]] lassen sich in archäologischen Fundstellen im gesamten östlichen [[Mittelmeer]] finden und bieten so einen Fixpunkt in der [[Stratigraphie (Archäologie)|Stratigraphie]]. Die Datierung der Eruption ist umstritten; zwischen den naturwissenschaftlich und den [[Historiographie|historiografisch]] ermittelten Daten liegen etwa 100 Jahre. == Der Vulkan von Santorin == Der Vulkan von Santorin ist ein Ergebnis [[Plattentektonik|plattentektonischer]] Vorgänge. Er gehört zu einem vulkanischen [[Inselbogen]] in der südlichen [[Ägäis]], über einer [[Subduktionszone]], die durch den Zusammenprall der [[Afrikanische Platte|Afrikanischen]] mit der [[Eurasische Platte|Eurasischen Platte]] entsteht. Der Kern der Insel besteht aus [[Metamorphes Gestein|metamorphen Gesteinen]] im Alter von etwa 200–40&nbsp;Millionen Jahren. Sie sind heute an der Oberfläche nur noch an der höchsten Erhebung, dem ''Profitis Ilias'' (567&nbsp;m) sichtbar, liegen aber an vier Stellen der südlichen Insel unter jüngeren Schichten. Der Rest der Insel besteht aus vulkanischem Gestein, das bei mindestens zwölf mittleren und größeren und weiteren kleineren Eruptionen seit dem [[Pleistozän]], also in den letzten 1,8&nbsp;Millionen Jahren, entstanden ist. Dabei handelt es sich weit überwiegend um pyroklastische Ablagerungen, es lassen sich jedoch durch das ganze Gebiet fünf Lavaströme nachweisen.<ref name="McCoyHeiken">Floyd W. McCoy & Grant Heiken, ''The Late-Bronze Age explosive eruption of Thera (Santorini), Greece – Regional and local effects'', in: ''Volcanic Hazards and Disasters in Human Antiquity'', Special Paper 345 of the Geological Society of America, Boulder 2000, S. 43–70. ISBN 0-8137-2345-0</ref> Altersbestimmungen der Gesteine lassen ein Intervall von 20.000&nbsp;Jahren zwischen größeren und 5000&nbsp;Jahren zwischen kleinen Ausbrüchen vermuten.<ref name="McCoyHeiken" /> Nach heutigem Wissensstand war die südliche Hälfte der heutigen [[Caldera (Krater)|Caldera]] schon in der Bronzezeit vorhanden, der damalige [[Schlot (Geologie)|Vulkanschlot]] lag etwa unter den beiden damals noch nicht existenten kleinen Inseln [[Palea Kameni]] und [[Nea Kameni]] im Inneren des Inselrunds. == Umfang der Eruption == [[Datei:Minoan Ash.png|miniatur|Verbreitungskarte theräischer Tephra nach der Minoischen Eruption]] Der griechische Archäologe [[Spyridon Marinatos]] publizierte 1939 eine Theorie, nach der der Ausbruch des Thera-Vulkans zum Untergang der minoischen Kultur auf Kreta geführt habe.<ref name="Marinatos1939" /> Für Marinatos musste der Thera-Ausbruch dem des [[Indonesien|indonesischen]] Vulkans [[Krakatau]] geähnelt haben, der im Jahr 1883 rund 36.000 Menschen das Leben kostete. Neben einem Ascheregen, der in einem Umkreis von mehreren hundert Kilometern den Himmel verdunkelt hatte, war für ihn besonders die aus der Eruption resultierende Flutwelle eine wichtige Parallele. Mit bis zu 15&nbsp;m Höhe hatte die vom Krakatau ausgelöste Welle 1883 die Küste der benachbarten Inseln überspült und zahlreiche Städte zerstört. Marinatos nahm eine ähnlich verheerende Überflutung der Küsten Kretas durch die Thera-Eruption an und vermutete darin die Ursache für den Untergang der Minoischen Kultur. Die Auswirkung einer Flutwelle auf die Ägäische Inselwelt wird auch heute noch diskutiert.<ref>John Antonopoulos: ''The great Minoan eruption of Thera volcano and the ensuing tsunami in the Greek Archipelago'', in: ''Natural Hazards'' 5, 1992, S. 153-168. {{DOI|10.1007/BF00127003}} ; Maria T. Pareschi ''et al.'': ''Impact of the Minoan tsunami of Santorini: Simulated scenarios in the eastern Mediterranean'', Geophysical Research Letters 33, 2006, L18607. {{DOI|10.1029/2006GL027205}}.</ref> Allgemein wird jedoch nur eine geringfügige Zerstörung der Nordküste Kretas angenommen, da die archäologischen Überreste keinen Zerstörungshorizont zur fraglichen Zeit aufweisen. Zudem wird heute von einer wesentlichen schwächeren Eruption ausgegangen, als Marinatos sie annahm. Marinatos nahm ferner an, dass die heute halbmondförmige Insel vor dem Ausbruch mit den ihr gegenüberliegenden Inseln Therasia und Aspronisi verbunden war und der mit Wasser gefüllte Krater noch nicht existierte. Moderne Untersuchungen zeigten jedoch, dass die Inselgruppe bereits in minoischer Zeit annähernd ihre heutige Form hatte, die sie bereits durch die [[Kap-Riva-Eruption]] etwa 21.000 v. Chr. erhielt.<ref name="Friedrich2004" /> Das von Marinatos angenommene Ausmaß der Eruption – er vermutete die vierfache Menge an [[Tephra]] (80-120 km³) im Vergleich zum Krakatau-Ausbruch (20-30 km³), was einer Eruption der Stärke 7 auf dem [[Vulkanexplosivitätsindex]] (VEI) entsprechen würde – wurde deshalb im Laufe der Jahre nach unten korrigiert. Da auch die Dicke der Ascheschichten auf den Nachbarinseln Marinatos' Annahme nicht bestätigte,<ref>Christos Doumas et al.: ''Santorini tephra from Rhodes'', in: ''[[Nature]]'' 287, 1980, S. 322-324. {{DOI|10.1038/287322a0}}</ref> nahm man eine kleinere Eruption (30 km³) der Stärke VEI 6 an. Auch eine Pollenanalyse von Sedimentschichten vor und nach dem Thera-Ausbruch deuten auf minimale Veränderungen der regionalen Vegetation und somit eine verhältnismäßig kleine Eruption hin.<ref>W. J. Eastwood et al.: '' The environmental impact of the Minoan eruption of Santorini (Thera): statistical analysis of palaeoecological data from Gölhisar, southwest Turkey'', in: ''The Holocene'' 12, 2002, S. 431-444. {{DOI|10.1191/0959683602hl557rp}}</ref> In jüngster Zeit wurden jedoch Ascheschichten gefunden, die auf Grund ihrer Dicke als Hinweis auf eine etwa doppelt so starke Eruption (60-70 km³) verstanden werden.<ref name="McCoy2002">Floyd W. McCoy et al.: ''Modelling the Climatic Effects fo the LBA Eruption of Thera: New Calculations of Tephra Volumes May Suggest a Significantly Larger Eruption than Previously Reported'', in: ''Proceedings of the Chapman Conference on Volcanism and the Earth’s Atmosphere'', Am. Geophysical Union, Santorini, 2002, S. 21-22.</ref> Die Frage nach dem Umfang des Thera-Ausbruchs muss daher vorerst unbeantwortet bleiben. == Phasen der Eruption == Der Ausbruch wird heute in vier größere Phasen eingeteilt<ref>Die Darstellung des Ablaufs folgt McCoy/Heiken 2000, soweit keine anderen Quellen angegeben sind.</ref>. Ihm gingen einige [[Erdbeben]] voran. Die Bewohner verließen daraufhin die Insel und hatten genügend Zeit, ihre Wertsachen mitzunehmen. Bei den Ausgrabungen der Stadt Akrotiri wurden weder Leichen noch Schmuck oder aufwändige Werkzeuge gefunden. Kurz nach den Erdbeben wurde Akrotiri offenbar wieder aufgesucht und damit begonnen, unzerstörte [[Pithos|''Pithoi'']] (Vorratsbehälter) und Möbelstücke zu bergen, einsturzgefährdete Wände niederzureißen und Baumaterialien für eine Wiederverwendung zu sortieren.<ref>Clairy Palyvou: ''Akrotiri Thera – an architecture of affluence 3500 years old'', INSTAP Academic Press, Philadelphia 2005, S. 11. ISBN 1-931534-14-4</ref> Die Bergungsoperation wurde jedoch abgebrochen, die Helfer flohen erneut und ließen die schon bereitgestellten Vorratsbehälter und Möbel zurück. Als Ursache gilt der erste Fall von [[Pyroklastisches Sediment|Pyroklastika]]. Es handelte sich nur um geringe Mengen von [[Vulkanische Asche|vulkanischen Aschen]] und [[Lapilli]] aus einem Schlot fast genau im Zentrum der Insel. Danach trat eine Pause ein. Da auf einigen Mauerstümpfen in Akrotiri Grasbüschel nachgewiesen wurden, wird über eine Ruhezeit von mehreren Monaten spekuliert. === Der erste Ausstoß von Bimsstein === Die erste Phase des eigentlichen Ausbruchs bestand aus einer [[Plinianische Eruption|plinianischen Eruption]] von leichtem [[Bimsstein]] und Aschen. Die Ablagerung geschah mit ca. 3&nbsp;cm/min, die maximale Dicke der Schicht beträgt 7&nbsp;m. Wo sich die Aschen unter steilen Hängen sammelten, können 11&nbsp;m erreicht werden. Der Ausstoß begann mit weißem Material und wechselte zu rosa, in das zunehmend Gesteinsbrocken in leuchtend gelben, orangen und roten Tönen eingelagert sind. Die Farben stammen von den zunehmenden Temperaturen des Gesteins beim Auftreffen am Boden beziehungsweise auf vorherigen Schichten. Die Energie dieser Phase gilt als eher gering. Das Material wurde von [[Vulkanisches Gas|vulkanischen Gasen]] ausgestoßen; anfangs war noch kein Wasser in den Schlot eingedrungen. Die Dauer dieser Phase wird auf zwischen einer und acht Stunden geschätzt. Erst in den obersten Lagen der ersten Phase mischen sich [[Pyroklastischer Strom|Pyroklastische Ströme]] in die lockeren Ablagerungen. Die Lava hatte Kontakt zum Meerwasser bekommen. === Pyroklastische Ströme === Als durch aufbrechende Risse im Gestein Meerwasser in den Vulkanschlot gelangen konnte und verdampfte, kam es zu einer [[Phreatomagmatische Explosion|Phreatomagmatischen Explosion]] mit vervielfachter Energie des Ausbruchs. Der Vulkan konnte jetzt wesentlich schwereres Material ausstoßen, dessen Ablagerungen aber auch viel ungleichmäßiger verteilt sind. Die zweite Phase begann mit der Eruption von runden Lapilli mit rund 10&nbsp;mm Durchmesser, vermischt mit Aschen und wenigen größeren Brocken. Ablagerungen dieser Eruption erreichen eine Dicke von 5,90&nbsp;m auf [[Thirasia]] im Westen und nur ca. 10&nbsp;cm ganz im Osten der Insel. Darauf folgt eine Schicht von nur 1–18&nbsp;cm weißer Asche und eine weitere dicke Lage zwischen 6&nbsp;m im Westen und 15&nbsp;cm im Osten und Südosten. Diese zweite Lage ist aus Lapilli mit eingelagerten [[Vulkanische Bombe|vulkanischen Bomben]] zusammengesetzt, deren Größe von einigen Zentimetern bis zu Blöcken mit 5&nbsp;m Durchmesser reicht. Die Blöcke bestehen überwiegend aus schwarzer, glatter Lava, die auch für frühere Vulkanausbrüche auf Santorin, etwa am ''Skaros-Felsen'' typisch war. Die zweite Phase dauerte etwa eine Stunde. Der Vulkanschlot riss in südlicher Richtung auf, wie aus der Orientierung einiger Ablagerungen geschlossen werden kann. === Phreatomagmatische Ablagerungen === In der dritten Phase des Ausbruchs fand der größte Ausstoß vulkanischen Materials statt. Die Pyroklastika flossen als kontinuierlicher Strom und rissen Gesteinsbrocken gewaltiger Größe mit. Die Blöcke erreichten in dieser Phase Durchmesser von 20&nbsp;m, typisch sind 0,5–2&nbsp;m. Sie bestehen aus [[Porphyr|porphyrischem]] [[Dazit]] und zum kleinen Teil aus mit [[Obsidian]] vergleichbarem Material. Die Blöcke sind eingebettet in Ascheströme, Flüsse von Lapilli und gegen Ende auch Ströme von Schlamm aus Bimsstein mit hohem Wasseranteil. An einigen Stellen im Südosten der Insel erreichen die Ablagerungen der dritten Phase eine Dicke von 55&nbsp;m. Der Schlot verlagerte sich in dieser Phase wieder nach Norden. Das eindringende Seewasser vermischte sich mit dem vulkanischen Material und bildete nach einer Interpretation eine ungeheure Masse an [[Lahar]] genanntem, heißem Schlamm. Er soll die bis zu 400&nbsp;m hohen Wände der Caldera überströmt haben.<ref>R. S. J. Sparks & C. J. N. Wilson: ''The Minoan Deposits – A Review of Their Characteristics and Interpretation'', in: D. A. Hardy (Hrsg.): ''Thera and the Aegean World III'', London 1990.</ref> Dabei wurde so viel Material ausgestoßen, dass der entstandene Hohlraum einstürzte und die Insel über ihm zusammenbrach. Dadurch bildete sich die Nordhälfte der heutigen Caldera. Auf der Außenseite der Insel flossen die vulkanischen Ströme ins Meer und erweiterten sie um flache Küstenebenen. === Ignimbrit, Lahar- und Schuttströme === Mit der vierten Phase endete der Ausbruch. Sie ist vielgestaltig. Der Auswurf von [[Ignimbrit]]-Brocken wechselte sich ab mit Lahar-Flüssen, Ascheströmen und gewaltigen Schuttmengen. Möglicherweise kam es dazwischen auch zum Ausstoß von Aschewolken. Die meisten Materialmengen flossen zu den Rändern der Insel ab: während an der Caldera nur rund 1&nbsp;m-dicke Schichten der vierten Phase zugerechnet werden, bilden sie außen je nach Geländeprofil [[Schwemmfächer]] von bis zu 40&nbsp;m Dicke. Die Gesteinsbrocken der vierten Phase sind kleiner als zuvor, die maximale Größe übersteigt 2&nbsp;m nicht mehr. Auch lässt sich nachweisen, dass an zwei Stellen im Süden Lahar-Ströme wieder in die Caldera zurückflossen. Die Energie der Eruption muss also deutlich abgenommen haben. McCoy/Heiken gehen davon aus, dass erst jetzt, ganz zum Ende des Ausbruchs, der Ring der Insel zusammenbrach und der nordwestliche Kanal zwischen der Hauptinsel und Thirasia entstand, sowie das Gestein im Süden Thirasias einstürzte. Nur das Felseiland [[Aspronisi]], Überrest einer früheren Eruption, blieb stehen. == Bedeutung und Datierung == Die Ablagerung theräischer Tephra im nahezu gesamten östlichen Mittelmeer – von [[Nichoria]] in [[Messenien]]<ref>George Rapp et al.: ''Pumice from Thera (Santorini) Identified from a Greek Mainland Archeological Excavation'', in: ''[[Science]]'' 179, 1973, S. 471-473. {{DOI|10.1126/science.179.4072.471}}</ref> über Anatolien<ref>D. G. Sullivan: ''Minoan Tephra in Lake Sediments in Western Turkey'', in: ''Thera and the Aegean world, 3,3. Chronology. Proceedings of the Third International Congress, Santorini, Greece, 3-9 September 1989'', hrsg. v. D. A. Hardy, London 1990, S. 114-119. ISBN 0-9506133-6-3</ref> und das Schwarze Meer<ref>Frederic Guichard et al.: ''Tephra from the Minoan eruption of Santorini in sediments of the Black Sea'', in: ''[[Nature]]'' 363, 1993, S. 610-612. {{DOI|10.1038/363610a0}}</ref> bis zum Nildelta<ref>Daniel J. Stanley et al.: ''Volcanic shards from Santorini (Upper Minoan ash) in the Nile Delta, Egypt'', in: ''[[Nature]]'' 320, 1986, S. 733-735. {{DOI|10.1038/320733a0}}</ref> – bietet einen einmaligen Fixpunkt für die Synchronisation verschiedener relativer Chronologien aus diesen Regionen. Gleichzeitig wird dadurch praktisch die gesamte absolute Chronologie der [[Späte Bronzezeit|Späten Bronzezeit]] von der Datierung dieser Eruption abhängig, weshalb verständlicherweise die Frage nach der Datierung der Minoischen Eruption zu den am heftigsten umstrittenen in der heutigen archäologischen Forschung gehört. Insbesondere seit den 1980ern führten zahlreiche Untersuchungen mit verschiedensten Methoden im Wesentlichen zu einer Aufteilung der Meinungen in zwei Lager: auf der einen Seite die Vertreter der „späten Datierung“ (1530–1520 v. Chr.) und dementsprechend der „kurzen Chronologie“,<ref name="Warren1989">Peter Warren & Vronwy Hankey: ''Aegean bronze age chronology'', Bristol Classical Press, Bristol 1989. ISBN 0-906515-67-X</ref> auf der anderen die der „frühen Datierung“ (1628–1620 v. Chr.) und der „langen Chronologie“.<ref>Sturt W. Manning: ''The absolute chronology of the Aegean early Bronze Age. Archaeology, radiocarbon and history'', Sheffield Academic Press, Sheffield 1995. ISBN 1-85075-336-9</ref> Bemerkenswert ist zudem, dass die „Fronten“ nicht zwischen Natur- und Geisteswissenschaften, sondern quer durch alle Lager verlaufen. Die Debatte, die zum großen Teil in hochkarätigen Wissenschaftsmagazinen wie ''[[Nature]]'' und ''[[Science]]'' geführt wird, erfuhr bislang jedoch keine definitive Antwort. === Archäologisch-historiografische Methode === [[Datei:Reconstructed Minoan Fresco Avaris.jpg|miniatur|Ein minoisches [[Fresko]] aus [[Avaris]], Ägypten. Durch derartige Funde ließ sich die archäologisch erstellte minoische Chronologie mit der absoluten Chronologie Ägyptens verknüpfen.]] Marinatos datierte die Minoische Eruption ursprünglich grob auf 1500 v. Chr. ± 50 Jahre, da er diesen Zeitraum auch für den Untergang der Minoer auf Kreta annahm.<ref name="Marinatos1939" /> Obwohl Ausgrabungen der folgenden Jahrzehnte zeigten, dass die minoische Kultur nicht plötzlich, sondern erst ab ca. 1450 v. Chr. in einen Zeitraum von wahrscheinlich mehreren Jahrzehnten unterging, erwies sich die Datierung an das Ende des 16. Jahrhunderts v. Chr. aus archäologischer Sicht als die wahrscheinlichste. Denn zwischenzeitlich wurden auf Kreta Funde gemacht (z.B. weiterentwickelte Vasenmalerei-Stile), die einerseits auf Santorin nicht mehr vorkommen, andererseits aber eindeutig vor dem Zusammenbruch der minoischen Kultur datieren. Die relative Chronologie der minoischen Kultur, die bereits von [[Arthur Evans]] ausgearbeitet und seitdem immer weiter verfeinert wurde, wurden zuletzt u. a. 1989 von [[Peter Warren (Historiker)|Peter Warren]] und [[Vronwy Hankey]] mit der recht gesicherten, absoluten [[Ägyptische Chronologie|Chronologie Ägyptens]] verknüpft.<ref name="Warren1989" /> Demnach steht die Phase „Mittelminoisch III“ (MM III) mit der [[Hyksos]]zeit, die Phase „Spätminoisch IA“ (SM IA) mit dem Ende der [[Zweite Zwischenzeit (Ägypten)|Zweiten Zwischenzeit]] und „Spätminoisch IB“ (SM IB) mit der Zeit von [[Hatschepsut]] und [[Thutmosis III.]] in Verbindung. Setzt man mit dieser Argumentation die Minoische Eruption etwa 30 Jahre vor Ende der Phase SM IA an, ergibt dies einen Zeitraum von 1530–1500 v. Chr. Andere Archäologen bringen Argumente für eine frühe Datierung der Minoischen Eruption, etwa [[Wolf-Dietrich Niemeier]], der Ausgräber des Palastes von [[Tell Kabri]] in [[Palästina (Region)|Palästina]], der darauf verweist, dass eine Türschwelle in dem 1600 v. Chr. zerstörten Gebäude völlig derjenigen entspricht, die in Akrotiri freigelegt wurde.<ref>Wolf-Dietrich Niemeier: ''New Archaeological Evidence for a 17th century date of the 'Minoan Eruption' from Israel (Tel Kabri, Western Galilee)'', in: ''Thera and the Aegean world, 3,3. Chronology. Proceedings of the Third International Congress, Santorini, Greece, 3-9 September 1989'', hrsg. v. D. A. Hardy, London 1990, S. 114-119. ISBN 0-9506133-6-3</ref> Ebenso wiesen die Wandmalereien deutliche stilistische Verbindungen zu den Fresken auf Thera auf.<ref>Wolf-Dietrich Niemeier: ''Tel Kabri: Aegean Fresco Paintings in a Canaanite Palace'', in: Seymour Gittin (Hrsg.), ''Recent Excavations in Israel: A View to the West'', Kendall, Dubuque 1995. ISBN 0-7872-0486-2</ref> Niemeier befürwortet daher die „lange Chronologie“ und eine Verschiebung des Endes von SM IA von 1500 auf 1600. Da dies aber zur Folge hätte, dass neben der minoischen auch die sichergeglaubte ägyptische Chronologie grundlegend revidiert werden müsste – und damit alle davon abhängigen Chronologien im vorderen Orient und ganz Europa –, sprachen sich führende Ägyptologen, bspw. [[Manfred Bietak]], entschieden dagegen aus.<ref>Manfred Bietak (Hrsg.): ''Trade, Power and Cultural Exchange: Hyksos Egypt and the Eastern Mediterranean World 1800-1500 BC'' (= Ägypten und Levante 5), Österreichische Akademie der Wissenschaften, Wien 1995. ISBN 3-7001-2205-5</ref> Da sich in der Mitte des 2. Jahrtausends v. Chr. die politischen Verhältnisse in Ägypten und Mesopotamien im Umbruch befanden, gibt es kein eindeutiges schriftliches Zeugnis der Katastrophe, mit dem eine historiografische Datumsbestimmung möglich wäre. So bleibt eine ägyptische Inschrift, die sog. „Unwetter-Stele“ des [[Ahmose]].<ref name="FosterRitner1996">Karen Polinger Foster & Robert K. Ritner: „Text, storms and the Thera eruption“, in: ''[[Journal of Near Eastern Studies]]'' 55, 1996, S. 1-14.</ref> umstritten. Diese – auch formal – höchst ungewöhnliche Schilderung einer Naturkatastrophe berichtet von ungeheurem Tosen und tagelanger Finsternis in ganz Ägypten, was sehr an typische Begleiterscheinungen eines schweren Vulkanausbruchs erinnert, z.B. des Krakatau-Ausbruchs von 1883. Der Zeitpunkt der Katastrophe liegt zwischen dem 11. und dem 22. Regierungsjahr des Ahmose, also 1539–1528 v. Chr. (nach [[Jürgen von Beckerath|Beckerath]]<ref>Jürgen von Beckerath: ''Chronologie des pharaonischen Ägypten. Die Zeitbestimmung der ägyptischen Geschichte von der Vorzeit bis 332 v. Chr.'', Verlag von Zabern, Mainz 1997. ISBN 3-8053-2310-7</ref>) bzw. 1519–1508 v. Chr. (nach [[Thomas Schneider (Ägyptologe)|Schneider]]<ref>Thomas Schneider: ''Lexikon der Pharaonen'', Artemis & Winkler, Düsseldorf 1997. ISBN 3-7608-1102-7</ref>). Sollte das beschriebene „Unwetter“ durch die minoische Eruption ausgelöst worden sein, bietet sich hiermit eine Datierung aus historiografischer Sicht. Da jedoch bislang keine Tephraschichten der Minoischen Eruption während der Regierungszeit des Ahmose in [[Avaris]] oder anderen Orten Unterägyptens nachgewiesen wurde, kann jenes „Unwetter“ auch symbolisch als Zustand der Verwüstung in Ägypten nach Ende der [[Hyksos]]zeit interpretiert werden.<ref>Malcolm H. Wiener und James P. Allen: „Separate Lives: The Ahmose Tempest Stela and the Theran Eruption“, in: ''[[Journal of Near Eastern Studies]]'' 57, 1998, S. 1-28.</ref> === Naturwissenschaftliche Methoden === Die „klassische“ Datierung der minoischen Eruption auf ca. 1500 v. Chr. wurde erstmals 1987 in Frage gestellt, als die damalige Auswertung von [[Eisbohrkern]]en aus [[Grönland]] die einzige größere Vulkaneruption der Mitte des 2. Jahrtausends v. Chr. auf ca. 1645 v. Chr. (± 20 Jahre) datierte.<ref name=Hammer>Claus Hammer et al.: ''The Minoan eruption of Santorini in Greece dated to 1645 BC?'', in: ''[[Nature]]'' 328, 1987, S. 517-519. {{DOI|10.1038/328517a0}}</ref> Der [[Säurepeak]], der in Schichten aus dieser Zeit gefunden wurde, konnte zwar nicht eindeutig mit Thera in Verbindung gebracht werden, wurde aber aufgrund der Vermutung, dass es im 2. Jahrtausend v. Chr. keine weitere große Eruption gegeben habe, als „{{lang|en|most likely candidate for the Minoan eruption}}“ genommen.<ref name="Hammer" /> Die Annahme, dass die Minoische Eruption groß genug war, um säurehaltige Rückstände sogar auf Grönland zu hinterlassen, basierte auf Marinatos' ursprünglicher Theorie eines mit Tambora vergleichbaren Ausbruchs.<ref name="Marinatos1939" /> Ein Ausbruch dieser Größe musste allerdings ebenso kurzfristige Veränderungen des Klimas nach sich ziehen, einen sogenannten [[Vulkanischer Winter|Vulkanischen Winter]], wie es ihn auch beim größten bekannten Ausbruch in historischer Zeit – [[Tambora]] im Jahr 1815 – gegeben hatte (siehe [[Jahr ohne Sommer]]). [[Datei:Bristlecone Pines USA Ca.jpg|miniatur|An den Jahresringen langlebiger Kiefern lässt sich eine Klimaveränderung im 17. Jahrhundert v. Chr. nachweisen.]] Bereits 1984 wurde bei der [[Dendrochronologie|dendrochronologischen]] Untersuchung von [[Langlebige Kiefer|langlebigen Kiefern]] in den [[Kalifornien|kalifornischen]] [[White Mountains (Kalifornien)|White Mountains]] (siehe [[Bristlecone-Pines-Chronologie]]) <ref>Valmore C. LaMarche Jr. & Katherine K. Hirschboeck: ''Frost rings in trees as records of major volcanic eruptions'', in: ''[[Nature]]'' 307, 1984, S. 121-126. {{DOI|10.1038/307121a0}}</ref> ein ungewöhnlich schmaler Jahresring aus dem Jahr 1627 v.&nbsp;Chr. festgestellt, der auf einen extrem kalten Sommer deutete. Der Rückschluss, dass dies die Folge der minoischen Eruption gewesen sein könnte, wurde 1984 noch nicht gezogen. Dies geschah erst 1988 – vor dem Hintergrund der grönländischen Eisbohrkernanalyse. Wo bei einer Untersuchung irischer [[Eichen]] ebenfalls eine Abfolge ungewöhnlich schmaler Jahresringe beginnend 1628 v.&nbsp;Chr. festgestellt werden konnte.<ref>M. G. L. Baillie & M. A. R. Munro: ''Irish tree rings, Santorini and volcanic dust veils'', in: ''[[Nature]]'' 332, 1988, S. 344-346. {{DOI|10.1038/332344a0}}</ref> Eine weitere Untersuchung im Jahr 1996 mit Holzproben aus [[Anatolien]] bestätigte die Klimaanomalie, dabei konnten zwei überdurchschnittlich breite Jahresringe auf ungewöhnlich milde und feuchte Sommer hinwiesen,.<ref>Peter I. Kuniholm et al.: ''Anatolian tree rings and the absolute chronology of the eastern Mediterranean, 2220–718 BC'', in: ''[[Nature]]'' 381, 1996, S. 780-783. {{DOI|10.1038/381780a0}}</ref> Zuletzt wurde im Jahr 2000 bei einer Untersuchung mehrerer [[Kiefern]]stämme aus einem [[Moor|Torfmoor]] in [[Schweden]] ein weiterer Hinweis auf eine Klimaveränderung gefunden.<ref>Håkan Grudd et al.: ''Swedish tree rings provide new evidence in support of a major, widespread environmental disruption in 1628 BC'', in: ''Geophysical Research Letters'' 27 (18), 2000, S. 2957–2960. {{DOI|10.1029/1999GL010852}}</ref> Eine direkte Zuordnung der Klimaveränderung der 1620er v. Chr. zur minoischen Eruption war mit den Erkenntnissen nicht möglich. Alternative Erklärungsmodelle waren astronomische Veränderungen oder der Ausbruch eines anderen Vulkans. So schlugen 1990 kanadische Forscher die [[Avellino-Eruption]] des [[Vesuv]] vor, die sie mittels [[Radiokohlenstoffdatierung]] auf 1660 v. Chr. (± 43 Jahre) datierten.<ref>J. S. Vogel et al.: ''Vesuvius/Avellino, one possible source of seventeenth century BC climatic disturbances'', in: ''[[Nature]]'' 344, 1990, S. 534-537. {{DOI|10.1038/344534a0}}</ref> Ein Ausbruch des [[Mount St. Helens]] wurde ebenfalls in das 17. Jahrhundert v. Chr. datiert.<ref>B. H. Luckman et al.: ''Revised C-14 age for St Helens Y-tephra at Tonquin pass, British-Columbia'', in: ''Canadian Journal of Earth Sciences'' 23, 1986, S. 734-736.</ref> 1998 ergaben neuere Untersuchungen, dass die 1987 festgestellte Schicht chemisch nicht zu einem Ausbruch auf Santorin passt <ref name="Zielinski1998">Gregory A. Zielinski & Mark S. Germani: ''New ice-core evidence challenges the 1620s BC age for the Santorini (Minoan) eruption'', in: ''Journal of Archaeological Science'' 25, 1998, S. 279-289.</ref> und 2004 konnten Partikel aus [[Obsidian|vulkanischem Glas]] aus der grönländischen Eisschicht von 1645 v. Chr. eindeutig dem Ausbruch des [[Mount Aniakchak]] in [[Alaska]] zugeordnet werden.<ref name="Pearce2004">Nicholas J. G. Pearce et al.: ''Identification of Aniakchak (Alaska) tephra in Greenland ice core challenges the 1645 BC date for Minoan eruption of Santorini'', in: ''Geochem. Geophys. Geosyst.'' 5, 2004. {{DOI|10.1029/2003GC000672}}</ref>. Einige neuere C14-Datierungen sprechen aber wieder für die 1620er Jahre v.&nbsp;Chr.: Eine 2006 gelungene Radiokohlenstoffdatierung eines vermutlich lebend vom Vulkanauswurf begrabenen [[Olivenbaum]]s auf Thera ergab ein Alter von 1627-1600 v. Chr.<ref>Friedrich W. L., Kromer B., Friedrich M., Heinemeier J., Pfeiffer T., Talamo S. (2006): Santorini eruption radiocarbon dated to 1627-1600 BC. In: ''Science'' 312 (5773): 548-548; {{DOI|10.1126/science.1125087}}</ref>. Nachdem die Eruption aber nicht die Spuren im grönlandischen Eis hinterlassen hat, müssen ihre Folgen lokal begrenzter gewesen sein, als in den 1980er Jahren angenommen. 2009 ergaben archäologische Funde von Tsunamiablagerungen auf Kreta mit erneut verfeinerten Methoden ein Alter von ca. -1650±30 a <ref>Hendrik J Bruins, Johannes van der Plicht, J Alexander MacGillivray (2009): THE MINOAN SANTORINI ERUPTION AND TSUNAMI DEPOSITS IN PALAIKASTRO (CRETE): DATING BY GEOLOGY, ARCHAEOLOGY,14C, AND EGYPTIAN CHRONOLOGY. In: RADIOCARBON, Vol 51-2: 397–411.</ref>. == Soziokulturelle Auswirkungen == Es ist unklar, wie sich die Minoische Eruption direkt oder indirekt auf die Zivilisation der Minoer ausgewirkt hat, da sie weder schriftliche noch bildliche Darstellungen der Katastrophe hinterlassen haben. Die bereits erwähnten archäologischen Zeugnisse sprechen „nur“ gegen eine plötzliche Zerstörung der Minoischen Kultur durch die Eruption, mehr können sie nicht aussagen. Ebenso sind die Auswirkungen auf das griechische Festland unklar, da die Eruption von der [[Mykenische Kultur|Mykenischen Kultur]] in den ab dem [[15. Jahrhundert v. Chr.]] auftauchenden [[Linearschrift B|Linear B Tafeln]] nicht erwähnt wird. Bis auf die bereits genannte, umstrittene Stele des Pharao Ahmose<ref name="FosterRitner1996" /> gibt es kein zeitgenössisches Zeugnis der Minoischen Eruption, das einen Rückschluss auf ihre Auswirkung erlaubt. Unklar ist ebenfalls, ob die Minoische Eruption in später entstandenen [[Mythos|Mythen]] reflektiert wurde. So wurden zahlreiche lokale, von Überschwemmungen berichtende Mythen sowie der Mythos der [[Deukalion]]flut als auf der Minoischen Eruption basierend ins Gespräch gebracht. In aller Regel wird der Kampf eines Gottes mit [[Poseidon]] berichtet, der das Land überflutet. Allerdings spricht keine dieser Mythen explizit von einem Vulkanausbruch. Daher kann nur über teils gewundene Interpretation sowie mit der Annahme einer katastrophalen Flut nach der Eruption mit Thera in Verbindung gebracht werden. Es wurde der in der [[Argonautensage]] vorkommende [[Talos (Mythologie)|Talos]] als Reflexion der Minoischen Eruption gedeutet, ein bronzener Riese der [[Kreta]] bewacht und feindliche Schiffe mit Felsbrocken bewirft.<ref>J. Schoo: „Vulkanische und seismische Aktivität des ägäischen Meeresbeckens im Spiegel der griechischen Mythologie“, in: ''[[Mnemosyne (Zeitschrift)|Mnemosyne]]'' Bd. 3/4, S. 257-294.</ref> Hennig geht davon aus, dass dieser Mythos in den Jahrzehnten unmittelbar vor der Eruption entstand, als der Inselvulkan mehr oder minder starke Tätigkeit zeigte.<ref>R. Hennig: „Altgriechische Sagengestalten als Personifikation von Erdfeuern und vulkanischen Vorgängen“, in: ''Jahrbuch des deutschen archäologischen Instituts'' 54, 1939, S. 230-246.</ref> Der griechische Archäologe [[Angelos Galanopoulos]] vermutet die Eruption gar als Vorbild für den Untergang von [[Platon]]s fiktivem Inselstaat [[Atlantis]],<ref>Angelos G. Galanopoulos, Edward Bacon: ''Die Wahrheit über Atlantis'', Heyne Verlag, München 1980. ISBN 3-453-00654-2</ref> was jedoch in Anbetracht der spärlichen Zeugnisse recht unwahrscheinlich ist. == Literatur == * [[Christos Doumas]]: ''{{lang|en|The Minoan Eruption of the Santorini Volcano}}''. In: ''[[Antiquity]]'' 48, 1974, {{ISSN|0003-598x}}, S. 110-115. * Walter Friedrich: ''Feuer im Meer. Der Santorin-Vulkan, seine Naturgeschichte und die Atlantis-Legende''. 2. Auflage. Spektrum - Akademischer Verlag München, München 2005, ISBN 3-8274-1582-9. * Stefan Hiller: ''Die Explosion des Vulkans von Thera''. In: ''[[Gymnasium (Zeitschrift)|Gymnasium]]'' 82, 1975, {{ISSN|0342-5231}}, S. 32–74. * [[Hans Lohmann (Archäologe)|Hans Lohmann]]: ''Die Santorin-Katastrophe. Ein archäologischer Mythos?'' In: [[Eckart Olshausen]] / [[Holger Sonnabend]] (Hrsg.): ''Naturkatastrophen in der antiken Welt''. Steiner, Stuttgart 1998, ISBN 3-515-07252-7, (''Geographica historica'', 10 {{ISSN|1381-0472}}), (Stuttgarter Kolloquium zur Historischen Geographie des Altertums 6, 1996), S. 337-363. * Sturt W. Manning: ''{{lang|en|A Test of Time. The Volcano of Thera and Chronology and History of the Aegean and East Mediterranean in the Mid Second Millennium B.C}}''. Oxbow, Oxford 1999, ISBN 1-900188-99-6. * Floyd W. McCoy / Grant Heiken: ''The Late-Bronze Age explosive eruption of Thera (Santorini), Greece. Regional and local effects''. In: Floyd W. McCoy / Grant Heiken (Hrsg.): ''Volcanic Hazards and Disasters in Human Antiquity''. Geological Society of America, Boulder, Colo. 2000, ISBN 0-8137-2345-0, (''Geological Society of America'' Special Papers 345, {{ISSN|0072-1077}}), S. 43-70, [http://www.wcc.hawaii.edu/facstaff/mccoy-f/greece/Santorini.pdf online (PDF; 3,21 MB)]. == Weblinks == * [http://www.santorini-eruption.org.uk/index.htm Santorini and its eruption in the Late Bronze Age] == Einzelnachweise == <references /> {{Coordinate|NS=36/20/58/N|EW=25/23/57.51/E|type=landmark|region=GR-82|dim=10000}} {{Exzellent}} [[Kategorie:Vulkanausbruch]] [[Kategorie:Minoische Kultur]] [[Kategorie:Santorin]] {{Link GA|en}} [[el:Μινωική έκρηξη]] [[en:Minoan eruption]] [[es:Erupción minoica]] [[fr:Éruption minoenne]] [[id:Letusan Minoa]] [[it:Eruzione minoica]] [[nl:Minoïsche uitbarsting]] [[sh:Minojska erupcija]] gsub7o0loqzk85324psfinm0j2q39v6 wikitext text/x-wiki Joan Miró 0 23939 26535 2010-04-18T14:19:18Z Inkowik32 0 Änderungen von [[Special:Beiträge/77.21.241.103|77.21.241.103]] rückgängig gemacht und letzte Version von Alinea wiederhergestellt [[Datei:Portrait of Joan Miro, Barcelona 1935 June 13.jpg|miniatur|Joan Miró, Barcelona, 1935. Fotoporträt von [[Carl van Vechten]]]] [[Datei:Miro autograph.png||right|120px|Autograph von Joan Miró]] '''Joan Miró i Ferrà''' [{{IPA|ʒuˈan miˈɾo i fəˈra}}] (* [[20. April]] [[1893]] in [[Barcelona]]; † [[25. Dezember]] [[1983]] in [[Palma|Palma de Mallorca]]) war ein [[Katalonien|katalanischer]] [[Malerei|Maler]], [[Grafiker]], [[Bildhauerei|Bildhauer]] und [[Keramiker]]. Seine frühen Werke weisen, aufbauend auf der katalanischen Volkskunst, Einflüsse des [[Kubismus]] und des [[Fauvismus]] auf. Von Anfang bis Mitte der 1920er Jahre vollzog der Künstler in [[Paris]], beeinflusst von den dort herrschenden Kunstströmungen des [[Dadaismus]] und [[Surrealismus]], den grundlegenden Stilwechsel, der ihn von der Gegenständlichkeit wegführte. Miró gehört als Vertreter der Klassischen [[Moderne#Kunstgeschichte|Moderne]] mit seinen fantasievollen Bildmotiven zu den populärsten Künstlern des 20.&nbsp;Jahrhunderts. Seine magischen Symbole für Mond, Sterne, Vogel, Auge und Frau zählen zu den bekanntesten Elementen seiner Kunst. Das verstörende Spätwerk, wie beispielsweise die Serie ''Toiles brûlées'' (''Verbrannte Leinwände'') war eine inszenierte Zerstörung, ein Protest gegen die Kommerzialisierung der Kunst und ein Ausdruck seiner Forderung, die „Malerei zu ermorden“. Im öffentlichen Raum schmücken beispielsweise seine Keramikwände das [[UNESCO]]-Gebäude in Paris und das [[Wilhelm-Hack-Museum Ludwigshafen|Wilhelm-Hack-Museum]] in Ludwigshafen; Monumentalskulpturen sind unter anderem auf Plätzen in Barcelona und Chicago aufgestellt. == Leben == === Kindheit und Ausbildung === [[Datei:Joan Mirós Familie 1902.jpg|miniatur|Joan Miró (rechts) mit den Eltern und der um vier Jahre jüngeren Schwester Dolors, Foto um 1903]] Miró wurde 1893 als Sohn des Goldschmieds und Uhrmachers Miquel Miró i Adzerias aus [[Cornudella de Montsant]] und seiner aus [[Sóller]], [[Mallorca]], stammenden Frau Dolors Ferrà di Oromí, Tochter eines Kunsttischlers, in Barcelona geboren.<ref>{{internetquelle|autor=|hrsg=balearsculturaltours.es|url=http://www.balearsculturaltour.es/index.php?idioma=de&cod=29&id=2|titel=Joan Miró|zugriff=26.&nbsp;Juni 2009}}</ref> Sein Geburtshaus lag in der Passatge del Crèdit 4 in der Altstadt Barcelonas. Als Kind begann er zu zeichnen – die frühesten erhaltenen Zeichnungen stammen aus dem Jahr 1901 – und stieß damit auf Ablehnung des kleinbürgerlich gesinnten Vaters, der für diese Beschäftigung kein Verständnis aufbrachte. Nachdem er 1907 wegen schlechter Zensuren das Gymnasium hatte verlassen müssen, begann Miró auf Wunsch des Vaters eine kaufmännische Ausbildung, nahm jedoch bis 1910 zusätzlich Kunstunterricht an der Kunstakademie „La Llotja“ in Barcelona, an der Pablo Picassos Vater José Ruiz Blasco Picasso gelehrt hatte und [[Pablo Picasso]] selbst vor neun Jahren Schüler gewesen war. Seine Lehrer dort waren Modest Urgell i Inglada und Josep Pascó.<ref>Janis Mink: ''Joan Miró''. Taschen, Köln 2006, S.&nbsp;10</ref> [[Datei:Sagrada Familia 1915.jpg|miniatur|Gaudís Kirche [[Sagrada Família]], Barcelona, im Jahr 1915]] Von 1910 bis 1911 arbeitete Miró zunächst als [[Buchhalter]] in der Drogerie Dalmau Oliveras S.A. Nach einem Nervenzusammenbruch und einer Typhuserkrankung gab er den kaufmännischen Beruf auf und zog zur Genesung in den neu erworbenen Bauernhof seiner Familie nach [[Mont-roig del Camp]] bei [[Tarragona]]. Der Widerstand gegen eine künstlerische Ausbildung schwand, und Miro durfte sich an der privaten Kunstschule „Escola d’Art“ von [[Francesc Galí]] einschreiben, die er von 1912 bis 1915 besuchte. Galí hielt seinen Schüler für hochbegabt, wie er dem Vater bei einem seiner wöchentlichen Besuche erklärte.<ref>Hans Platschek: ''Joan Miró''. Rowohlt, Reinbek 1993, S.&nbsp;12–15</ref> Galí führte seine Schüler in die moderne französische Kunst ein und in die Architektur des [[Antoni Gaudí]], Barcelonas berühmten Künstler des [[Modernisme]]. Im Jahr 1912 besuchte er eine Ausstellung kubistischer Malerei in der Galerie Dalmau in seiner Heimatstadt, wo er die Werke von [[Marcel Duchamp]], [[Albert Gleizes]], [[Juan Gris]], [[Marie Laurencin]], [[Fernand Léger]] und [[Jean Metzinger]] kennenlernte. Von 1913 bis 1918 besuchte Miró die freie Zeichenakademie des „Cercle Artistic de Sant Lluc“, eine Gruppe, die zum „Cercle Artistic de Barcelona“ gehörte. Diese forderte die Abkehr vom Modernisme und Rückkehr zum Klassizismus unter Berücksichtigung des mediterranen Erbes; Avantgarde-Künstler wurden nur bedingt akzeptiert.<ref>Janis Mink: ''Joan Miró'', S.&nbsp;14&nbsp;f.</ref> === Erster Weltkrieg – Mirós erste Einzelausstellung 1918 === Nach Ausbruch des [[Erster Weltkrieg|Ersten Weltkriegs]] musste Miró ab 1915 Militärdienst leisten. Wer es sich leisten konnte, pflegte sich damals vom Militärdienst freizukaufen; der Vater zahlte jedoch nur einen relativ geringen Betrag, der immerhin ausreichte, den Wehrdienst des Sohnes auf insgesamt zehn Monate, verteilt auf mehrere Jahre, zu verkürzen. Miró verzweifelte gelegentlich an seiner Arbeit: „Ich verfügte nicht über die bildnerischen Mittel, um mich auszudrücken und fühlte mich deshalb elend. Manchmal schlug ich, verzweifelt wie ich war, den Kopf gegen die Wand“, zitierte ihn später [[Michel Leiris]].<ref>Michel Leiris: ''Joan Miró''. In ''Documents'', 5. Oktober 1929; zitiert nach Hans Platschek: ''Joan Miró'', S.&nbsp;19</ref> Im selben Jahr richtete Miró sich gemeinsam mit E. C. Ricart in der Calle Baja de San Pedro 51 in Barcelona ein erstes Atelier ein. 1916 lernte er den Kunsthändler Josep Dalmau kennen, der nunmehr sein Förderer wurde<ref name="Krens1">Thomas Krens (Vorwort): ''Rendezvous. Masterpieces from the Centre Georges Pompidou and the Guggenheim Museums''. Guggenheim Museum Publications, New York 1998, S.&nbsp;671</ref>, und ein Jahr später [[Francis Picabia]], der ihn in den Kreis der Dadaisten einführte. Mirós Schaffen war in den folgenden Jahren zudem stark von den [[Fauvismus|Fauves]] und den französischen [[Kubismus|Kubisten]] beeinflusst. Im Februar 1918 fand in den Galerías Dalmau in Barcelona Mirós erste Einzelausstellung statt, die 60 Landschaftsgemälde und [[Stillleben]] umfasste. Im selben Jahr gründete er zusammen mit Ricart, J. F. Ràfols, Francesc Domingo, Rafael Sala − später kam [[Josep Llorens i Artigas]] dazu − die Gruppe Courbet (Agrupació Courbet), benannt nach [[Gustave Courbet]], dessen Radikalität sie bewunderten; der Name stand für den Wunsch, als progressive Künstler innerhalb Barcelonas zu gelten und die katalanische klassizistische Kunstströmung des [[Noucentisme]] zu überwinden. Ihre gemeinsamen Ausstellungen lebendiger, farbenfroher Werke verliefen jedoch wenig erfolgreich.<ref>Janis Mink: ''Joan Miró'', S.&nbsp;18−20</ref> === Aufenthalte in Paris und Mont-roig del Camp === [[Datei:Kirche in Mont-roig del Camp.jpg|miniatur|hochkant|Kirche in Mont-roig del Camp]] Im März 1919<ref>Uwe M. Schneede: ''Die Kunst des Surrealismus: Dichtung, Malerei, Skulptur, Fotografie, Film''. C. H. Beck, München 2006, ISBN 978-3-406-54683-9. S.&nbsp;87 und Platschek, S.&nbsp;46 (Mehrere Quellen geben auch das Jahr 1920 als das Jahr des ersten Parisbesuchs an.)</ref> reiste Miró das erste Mal für einige Monate nach Paris, wo er Pablo Picasso in dessen Atelier aufsuchte. Letzterer erwarb von seinem jüngeren Landsmann ein in diesem Jahr gemaltes Selbstbildnis. Für die Zeitschrift ''L’Instant'' entstand sein erstes Plakat, viele weitere sollten folgen. Ende 1920 bezog er in der rue Blomet 45 in Paris ein Atelier; mit seinem Nachbarn, [[André Masson]], schloss er bald Freundschaft. Sie lebten in kärglichen Verhältnissen, doch im Gegensatz zu Masson kleidete sich Miró bürgerlich, wählte zum Ausgehen weiße Gamaschen und trug ein [[Monokel]], als ob er die Firma seines Vaters übernommen hätte.<ref>Hans Platschek: ''Joan Miró'', S.&nbsp;46&nbsp;ff.</ref> Die Kunstmetropole zog ihn an, gleichwohl blieb er seiner katalanischen Heimat stets verbunden. Daher lebte Miró abwechselnd im Sommer in [[Mont-roig del Camp]], Spanien, und im Winter in Paris, wo er sich den Dichtern [[Max Jacob]], [[Pierre Reverdy]] und [[Tristan Tzara]] zugesellte und an Dada-Aktivitäten teilnahm. [[Datei:Mont-roig Mare de Deu de la Roca2.JPG|miniatur|links|Die Einsiedelei Sant Ramon auf dem Berg Mare de Déu de la Roca bei Mont-roig del Camp, ein Ort, den Miró oft aufsuchte, um zu malen]] Im Jahr 1921 organisierte Josep Dalmau Mirós erste Einzelausstellung in Paris, die in der „Galerie la Licorne“ gezeigt wurde. Da sie erfolglos verlief, konnten seine materiellen Schwierigkeiten nicht abgewendet werden. Zwei Jahre später machte er Bekanntschaft mit [[Henry Miller]], dessen Buch ''The Smile at the Foot of the Ladder'' er später illustrieren sollte, sowie mit [[Ernest Hemingway]], der sich ebenso wie Miller zu dieser Zeit in Paris aufhielt; Hemingway lieh sich Geld, um 1925 Mirós Gemälde ''[[Der Bauernhof (Miró)|Der Bauernhof]]'' (1921/22) zu erwerben.<ref name="Biografie">Zitiert nach der Biografie der Miró-Stiftung, Barcelona</ref> 1923 waren einige seiner Werke an der Ausstellung im [[Salon d’Automne]] beteiligt.<ref name="Krens1"/> Durch André Masson lernte Miró im Jahr 1924 die Surrealisten [[Louis Aragon]] und [[André Breton]] kennen und schloss sich als Mitglied der Surrealistengruppe an, blieb jedoch unter ihnen ein stiller Außenseiter. 1925 fand seine zweite Einzelausstellung in Paris statt, die von der „Galerie Pierre“ ausgerichtet wurde. Im selben Jahr war Miró zudem an der ersten Surrealistenausstellung dieser Galerie beteiligt.<ref name="Krens1"/> 1926 arbeiteten Miró und [[Max Ernst]] am Bühnenbild und an den Kostümen für [[Sergei Pawlowitsch Djagilew|Djagilew]]s Ballett ''Romeo and Juliet'', Musik von [[Constant Lambert]], das von den [[Ballets Russes]] aufgeführt wurde. Diese Mitarbeit rief den Protest der Surrealistengruppe hervor. Im selben Jahr starb sein Vater in Mont-roig. [[Datei:Paris Montmartre in 1925.jpg|miniatur|Paris, [[Montmartre]], um 1925]] 1927 bezog Miró ein Atelier in der rue Tourlaque 22 am [[Montmartre]] und hatte unter anderem [[Hans Arp]], [[Paul Éluard]], Max Ernst und [[René Magritte]] als Nachbarn. 1928 lernte er die Bildhauer [[Constantin Brâncuşi]], [[Alberto Giacometti]]<ref>Evelyn Bennesch/Ingried Brugger (Hrsg.): ''Miró. Später Rebell'', S. 186</ref> und [[Alexander Calder]] kennen; mit den beiden letztgenannten verband ihn eine lebenslange Freundschaft, die sich in Mirós und Calders Werken widerspiegelt – so schufen beide Künstler in den 1940er Jahren mit ''Constellationen'' betitelte Serien, wobei Calder Holz und Metall und Miró die [[Gouache]] nutzte. Miró besuchte in diesem Jahr die [[Niederlande]] und begann, inspiriert von den [[Goldenes Zeitalter (Niederlande)#Malerei|niederländischen Meistern]], mit einer Serie von Bildern<ref name="Krens1"/>, den ''Intérieurs hollandais''. 1929 schloss sich [[Salvador Dalí]] auf Anregung von Joan Miró der Gruppe der Surrealisten in Paris an. Im Oktober 1929 heiratete Miró die aus Mallorca stammende Pilar Juncosa Iglesias (1904–1995) in Palma. Das Paar nahm sich eine Wohnung in der rue François Mouton in Paris.<ref name="Biografie" /> 1931 wurde seine Tochter Maria Dolors in Barcelona geboren. Aufgrund der [[Weltwirtschaftskrise]] konnte Mirós Kunsthändler [[Pierre Loeb]] seine Bilder nicht mehr kaufen, sodass ihn ab 1932 der Kunsthändler [[Pierre Matisse]] in New York unter Vertrag nahm. === Spanischer Bürgerkrieg – Zweiter Weltkrieg === [[Datei:La Tour Eiffel en 1937 contrast.png|miniatur|Paris zur Zeit der Weltausstellung 1937]] Als 1936 der [[Spanischer Bürgerkrieg|Spanische Bürgerkrieg]] ausbrach, verließ Miró bis zum Jahr 1940 Mont-roig und lebte ausschließlich in Paris. Im Mai 1936 war Miró, neben Pablo Picasso, [[Alberto Giacometti]], [[Salvador Dalí]], [[Meret Oppenheim]], [[Yves Tanguy]], [[Hans Arp]] und [[Max Ernst]], an der von [[André Breton]] konzipierten und vom Pariser Kunsthändler Charles Ratton eingerichteten Ausstellung „Exposition surréaliste d’objets“ vertreten. Gezeigt wurden eigens für diese Schau realisierte surrealistische Objekte, die von Ratton „innerhalb seiner Vitrinen gemäß der surrealistischen Vorstellung von einer kollektiven, unbewussten Kreativität gemeinsam mit völkerkundlichem Material, Arbeiten Geisteskranker, bizarrer Mineralien, kuriosen Fundstücken und ähnlichen Dingen“ integriert wurden.<ref name="Theodora Vischer1">Theodora Vischer (Kat.): ''Skulptur im 20. Jahrhundert''. Merian-Park Basel, 3. Juni bis 30. September 1984, Basel 1984, S.&nbsp;92</ref> Einen Monat später war Miró mit 15 Werken an der Ausstellung „Fantastic Art, Dada, Surrealism“ im [[Museum of Modern Art]], New York, beteiligt sowie an der von [[Roland Penrose]] organisierten „International Surrealist Exhibition“ vom 11.&nbsp;Juni bis zum 4.&nbsp;Juli 1936 in den New Burlington Galleries in London. Für den spanischen Pavillon der [[Weltausstellung]] 1937 in Paris stellte Miró neben Picassos [[Guernica (Bild)|Guernica]] und Calders [[Quecksilberspringbrunnen]] sein heute als verloren geltendes Monumentalgemälde ''Le faucheur'' (''Der Schnitter'' oder ''Katalanischer Bauer'') aus und entwarf für die Ausstellung ein Plakat mit dem Titel ''Aidez l’Espagne''. [[Datei:Estran à Varangeville-sur-Mer (vers Vasterival).jpg|miniatur|links|Steilküste von Varengeville-sur-Mer]] Nach der Besetzung Frankreichs durch die deutschen Truppen während des [[Zweiter Weltkrieg|Zweiten Weltkriegs]] im Jahr 1940 kehrte Joan Miró von seinem Zufluchtsort [[Varengeville-sur-Mer]], wo er die Sommermonate seit 1938 verbracht hatte,<ref>Hans Platschek: ''Joan Miró''. S.&nbsp;141&nbsp;f.</ref> in sein Heimatland Spanien zurück und wohnte zunächst in Palma de Mallorca, ab 1942 in Barcelona in seinem Geburtshaus. Im Jahr des Todes seiner Mutter 1944 begann er zusammen mit seinem Freund, dem katalanischen [[Keramiker]] Josep Llorens i Artigas, den er aus Barcelona kannte, mit [[Keramik]]arbeiten. Artigas, der ebenfalls zusammen mit [[Raoul Dufy]] und [[Albert Marquet]] arbeitete, hatte Miró zur Keramik geführt.<ref name="Beauffet1">Jacques Beauffet u.a.: ''L’Art en Europe. Les années décisives. 1945–1953'', Musée d’Art Moderne de Saint-Étienne, SKIRA, Genua 1987, S.&nbsp;57</ref> Zudem schuf er erste modellierte Figuren kleineren Formats, die 1950 in [[Bronzebildwerk|Bronze]] gegossen wurden.<ref name="Reinhold Hohl">Reinhold Hohl (Vorw.): ''Skulptur im 20. Jahrhundert. Ausstellung im Wenkenpark, Riehen/Basel.'' 10. Mai bis 14. September 1980. Werner, Basel 1980, ISBN 3-85979-011-0, S.&nbsp;90</ref> 1947 reiste Miró erstmals in die [[Vereinigte Staaten|Vereinigten Staaten]], um ein Wandbild für das Terrace Plaza Hotel (ab 1965 Terrace Hilton Hotel) in [[Cincinnati]] zu entwerfen. Er arbeitete daran neun Monate in einem Studio in [[New York City|New York]] und lernte während dieser Zeit [[Clement Greenberg]] und [[Jackson Pollock]] kennen.<ref name="jm93">Janis Mink: ''Joan Miro'', S.&nbsp;93</ref><ref>{{internetquelle|autor=|hrsg=cincinnativiews|url=http://www.cincinnativiews.net/plaza_hilton_hotels.htm|titel=Plaza & Hilton Hotels|zugriff=20. Juni 2009}} Das Wandbild wurde nach dem Verkauf des Hotels 1965 an die Hilton-Gruppe entfernt und restauriert; es hat heute seinen Platz im Cincinnati Art Museum gefunden.</ref> Im selben Jahr nahm er an der Ausstellung „Le Surréalisme en 1947: Exposition internationale du surréalisme“ in der [[Aimé Maeght|Galerie Maeght]], Paris, teil, die von André Breton und [[Marcel Duchamp]] organisiert wurde. 1948 kehrte Miró nach Paris zurück, wo eine Ausstellung seiner Keramikskulpturen in der Galerie Maeght eröffnet wurde. Der Katalog zur Ausstellung enthielt unter anderem Texte von [[Tristan Tzara]], seinem Freund, dem Hutmacher und [[Mäzen]] [[Joan Prats i Vallès]], sowie von Paul Éluard. 1950 gravierte er in Barcelona seine ersten [[Holzschnitt|Xylographie]]n.<ref>Hans Platschek: ''Joan Miró'', S.&nbsp;143</ref> === Wohnsitz auf Mallorca ab 1956 === [[Datei:Miro-Stiftung Palma, Werkstatt.jpg|miniatur|Mirós Werkstatt in Cala Major, erbaut von Josep Lluís Sert]] 1956 verlegte Miró seinen festen Wohnsitz nach [[Cala Major]], einem Verwaltungsbezirk von [[Palma|Palma de Mallorca]]. Das Wohnhaus ''Son Abrines'' war von Mirós Schwager, dem Architekten Enrique Juncosa Iglesias (1902–1975), entworfen und gebaut worden. Zusammen mit Artigas hatte er zuvor zwei großflächige Wandreliefs (''Mond- und Sonnenmauer'') für das [[UNESCO]]-Gebäude in Paris gefertigt, für die beide Künstler mit dem Internationalen [[Solomon R. Guggenheim Foundation|Guggenheim]] Award des Jahres 1958 ausgezeichnet wurden. Mit der Dotierung von 10.000 US-Dollar erwarb Miró das angrenzende Landhaus ''Son Boter'', das ursprünglich als Skulpturenwerkstatt geplant war, jedoch im Lauf der Zeit zu seinem zweiten Atelierhaus wurde. Den Bau einer neuen Werkstatt auf dem Gelände ließ Miró 1956 von dem Architekten [[Josep Lluís Sert]], einem Freund des Künstlers, ausführen. Der Direktor der [[Harvard University|Harvard University Graduate School of Design]] galt als Wortführer der europäischen [[Avantgarde]] der Architektur. Sert schuf einen poetischen und funktionellen Raum, in dem Miró seinen künstlerischen Prozess zum Höhepunkt bringen konnte. Die Vorstellung von einer großen Werkstatt hatte Miró bereits im Jahr 1938 in dem autobiografischen Text „Ich träume von einem großen Atelier“<ref name="g26">[http://www.g26.ch/art_miro.html ''Biografie Joan Miró'']. Abgerufen am 24. Juni 2009.</ref> in der Zeitschrift ''Le XXe Siècle'' geäußert<ref name="Pilar">[http://miro.palmademallorca.es/deutsch/index.htm Fundació Pilar i Joan Miró − Palma de Mallorca]</ref>: {{Zitat|[…] mein Traum, wenn ich mich einmal irgendwo wirklich niederlassen kann, ist, eine große Werkstatt zu haben, nicht so sehr wegen der Beleuchtung, […] sondern um Platz zu haben, für viele Leinwände, denn je mehr ich arbeite, desto mehr Lust habe ich zu arbeiten.}} [[Datei:CIMG0372.JPG.jpg|miniatur|Skulptur von Joan Miró in der Fondation Maeght]] In den folgenden Jahren arbeitete er hauptsächlich an Skulpturen. 1959 erfolgte sein zweiter Besuch der Vereinigten Staaten anlässlich einer großen Miró-Retrospektive im [[Museum of Modern Art]] in New York. 1960 arbeitete er zusammen mit Artigas an einem Wandbild für die [[Harvard University]] und reiste 1961 ein drittes Mal in die Vereinigten Staaten. Er war dort beteiligt an den Ausstellungen ''Alexander Calder – Miró'' und ''The Art of Assemblage'', beide in New York. Im selben Jahr erschien eine umfangreiche Biografie von [[Jacques Dupin]] in Paris, an der Dupin und Miró seit 1957 gearbeitet hatten. Im Jahr 1964 wurde in [[Saint-Paul (Alpes-Maritimes)|Saint-Paul-de-Vence]] die [[Fondation Maeght]] eröffnet. Das Gebäude war wiederum ein Entwurf von Sert; zahlreiche Skulpturen aus Keramik, die in einer Zusammenarbeit mit Artigas und dessen Sohn Joan Gardy Artigas entstanden waren, und ein [[Labyrinth]] Mirós, fertig gestellt 1968, sind Bestandteil der Ausstellung. 1968 wurde sein 75.&nbsp;Geburtstag mit einer ganzen Reihe von Ehrenbezeugungen gefeiert, insbesondere mit einer Ausstellung der Fondation Maeght.<ref>Hans Platschek: ''Joan Miró''. S.&nbsp;144</ref> === ''Miró otro'' === 1969 richtete eine Gruppe junger spanischer Architekten in ihrem Verbandshaus in Barcelona eine Ausstellung mit dem Namen ''Miró otro'' aus. Sie protestierten damit gegen [[Francisco Franco|Francos]] Behörden, die sich des Malers bedienen wollten, aber auch gegen Designer und Plakatmaler, die Mirós Repertoire zu plündern und zu vulgarisieren begannen. Miró malte in der Nacht vor der Eröffnung aggressive Bilder auf die Fensterscheiben, um klarzustellen, dass er nicht käuflich sei, und wusch sie drei Tage später wieder ab. Aragon widmete der Ausstellung des „anderen Miró“ eine Ausgabe der literarischen Zeitschrift ''[[Les Lettres françaises]]''.<ref>Hans Platschek: ''Joan Miró'', S.&nbsp;125&nbsp;ff.</ref> 1970 entstanden zwei Wandbilder für den öffentlichen Raum, das erste für die [[Weltausstellung]] in [[Ōsaka|Osaka]], das zweite, aus Keramik, für den Flughafen in Barcelona. Ein Jahr später initiierte Miró die Gründung einer Stiftung, deren Gebäude in Barcelona ebenfalls von Sert geplant wurden. Sie wurde 1975 unter dem Namen [[Fundació Joan Miró]] eröffnet. === Letzte Jahre === [[Datei:Stiftung Miró in Palma.jpg|miniatur|Fundació Pilar i Joan Miró in Palma]] Aus Sorge, sein kreatives Umfeld könne in Vergessenheit geraten oder durch die 1956 begonnene rege Bautätigkeit im Sog des beginnenden Touristenstroms nach Mallorca ganz verschwinden, übergab Miró einen Teil seines Besitzes als Schenkung der Stadtverwaltung von Palma. Aufgrund dieser Schenkung wurde 1981 die zweite Stiftung, die [[Fundació Pilar i Joan Miró a Mallorca]], gegründet. Mirós Beweggründe für die zweite Stiftung werden aus dem folgenden Zitat ersichtlich<ref name="Pilar"/>: {{Zitat|[…] ich wünsche nicht, dass eines Tages an dieser Stelle irgend einer dieser schrecklichen Wolkenkratzer gebaut werde, die mich von allen Seiten umringen […] Die Idee, dass eines Tages ein Vorschlaghammer die Wände von ''Son Boter'' niederreißen und die Bilder dort für immer verloren gehen könnten, verfolgt mich Tag und Nacht […]}} Der 90.&nbsp;Geburtstag des Künstlers am 20.&nbsp;April 1983 wurde weltweit mit einer Reihe von Ausstellungen, Publikationen und Ehrungen gefeiert. So widmete die Stadtverwaltung von Barcelona Miró eine Ehrenwoche, die ''Semana de homenaje à Joan Miró'', in deren Verlauf die Monumentalskulptur ''Frau und Vogel'' auf der Plaça de l’Escorxador offiziell eingeweiht wurde. Den Auftrag für das Werk hatte die Stadtverwaltung im Jahr 1981 erteilt.<ref name="hp146">Hans Platschek: ''Joan Miró'', S.&nbsp;146</ref> Am 25.&nbsp;Dezember desselben Jahres starb Joan Miró in Palma de Mallorca und wurde am 29.&nbsp;Dezember im Familiengrab auf dem Friedhof von [[Montjuïc]] in Barcelona beigesetzt. Seine einzige Tochter, [[Maria Dolors Miró|Maria Dolors Miró Juncosa]], Ehrenvorsitzende der Miró-Stiftungen in Barcelona und Palma, starb Ende Dezember 2004 im Alter von 74 Jahren. == Werk == Miró schuf eine große Anzahl an Werken. In seinem langen Künstlerleben entstanden etwa 2000 Ölgemälde, 500 Skulpturen, 400 Keramiken sowie 5000 Collagen und Zeichnungen. Das [[Grafik|grafische]] Werk umfasst etwas 3500 Arbeiten, darunter [[Lithografie]]n und [[Radierung]]en, die in Auflagen von 50 bis 75 Exemplaren gedruckt wurden.<ref>Janis Mink: ''Joan Miró'', S.&nbsp;91</ref> === Gemälde, Grafik, Collagen === {{Zitat|Wie dachte ich mir all die Ideen für meine Bilder aus? Nun, ich kam spät nachts in mein Atelier in der rue Blomet zurück und ging zu Bett, manchmal ohne etwas zu Abend gegessen zu haben. Ich sah Dinge, ich hielt sie in meinem Notizbuch fest. Ich sah Erscheinungen an der Decke […]|Joan Miró<ref>Janis Mink: ''Joan Miró'', S.&nbsp;41</ref>}} ==== Frühwerk ==== Zwischen 1912 und 1915, als Miró an der privaten Kunstschule „Escola d’Art“ von [[Francesc Galí]] eingeschrieben war, malte er die meiste Zeit in [[Mont-roig del Camp]]. Es entstanden Landschaften im Stil des [[Fauvismus]], jedoch „in ganz düsteren, erdhaften Farben, die er der Schwere des Materiellen enthob und im Sinn eines [[Realismus (Literatur)|poetischen Realismus]] auffrischte.“<ref name="Rudloff1">Diether Rudloff: ''Unvollendete Schöpfung. Künstler im zwanzigsten Jahrhundert''. Urachhaus, Stuttgart 1982, S.&nbsp;110</ref> Er benutzte die Volks- und [[Katalonien|katalanische]] Kunst als Quellen für seine Malerei, außerdem setzte er sich mit der Gegenwartskunst auseinander. So zeigte zum Beispiel sein Stillleben ''Wanduhr und Laterne'' die Beeinflussung durch [[Paul Cézanne]], [[Vincent van Gogh]] und [[Henri Matisse]]. Das Stillleben aus dem Jahr 1917, ''Nord-Sud'', weist mit seinem Bildinhalt auf Volkskunst, Literatur und die französische [[Avantgarde#Avantgarde in der Bildenden Kunst|Avantgarde]] hin, zeigt es doch neben einer Keramik, einem Vogelkäfig und einer Blume einen Band von [[Johann Wolfgang von Goethe|Goethe]] sowie eine gefaltete Ausgabe von ''Nord-Sud'', einer Zeitschrift für [[Dadaismus|Dada]] und [[Surrealismus]]. Das Gemälde aus dem Jahr 1920, ''Der Tisch (Stillleben mit Kaninchen)'', zeigt auf einem [[Kubismus|kubistisch]] gemalten Tisch im Kontrast dazu naturalistisch ausgeführte Tiere wie das Kaninchen, einen Hahn und einen Fisch sowie Paprika, Zwiebel und Weinblätter. Das Gemälde ''[[Der Bauernhof (Miró)|Der Bauernhof]]'' (1921/22), das Hemingway erwarb, gilt als ein Schlüsselwerk Mirós. Es zeigt den Bauernhof seiner Eltern in Mont-roig del Camp, der für den Künstler eine Quelle der Energie darstellte. In diesem Bild vermengen sich eine realistische Darstellung mit [[Abstraktion#Kunst|abstrakten]] Motiven.<ref>Janis Mink: ''Joan Miró'', S.&nbsp;17&nbsp;ff., 24, 30&nbsp;f.</ref> ==== Übergang zum Surrealismus ==== Relativ abrupt erfolgte um 1924 der Übergang zum Surrealismus, wobei Miró jedoch seine eigene und unverwechselbare Bildersprache entwickelte. Genauso wie er den Kubismus als Lernstufe empfand, so empfand er gleiches beim Surrealismus, zumal er beide Kunstrichtungen als zu ideologisch und „beide Dogmen als künstlerisch zu einengend kategorisch ablehnte“.<ref name="Rudloff1"/> In dem Gemälde ''Gepflügte Erde'' (1923/24) fand Miró zu einer neuen Bildsprache, die die Naturbeobachtung in ein System von Farben und Zeichen übersetzt, jedoch ist sie noch nicht vollständig in eine eigenständige Zeichenwelt eingebunden. In ''Katalanische Landschaft (Der Jäger)'' aus demselben Zeitraum ist der Bildinhalt auf Zeichen und Linien reduziert, der Jäger ist nur an einer realistisch gemalten Pfeife zu erkennen.<ref>Janis Mink: ''Joan Miró'', S.&nbsp;38 &nbsp;f</ref> Miró beklagte später oft, dass er in den mageren Zeiten in Paris durch [[Halluzination]]en, die bedingt waren durch Hunger – er gab sein Geld stattdessen für Malutensilien und Reisen in sein Heimatland aus – und das Starren auf die Risse im Beton seine Bildersprache verloren hatte.<ref>Robert Hughes: ''The Shock of the New''. Alfred A. Knopf, New York 1981, ISBN 0-394-51378-9, S.&nbsp;235</ref> Wie Masson und der frühe [[Yves Tanguy|Tanguy]] schuf Miró aus der von der Surrealistengruppe um Breton hervorgegangenen [[Écriture automatique]] eine aus dem Schreiben und Zeichnen entwickelte Malerei<ref>Uwe M. Schneede: ''Die Geschichte der Kunst im 20.&nbsp;Jahrhundert'', C. H. Beck, München 2001, ISBN 3-406-48197-3, S.&nbsp;89</ref>, wobei er die Kontrolle über den gestalterischen Prozess nie aufgab. In den Jahren 1924 und 1925 entstanden eine Reihe von „[[Bildgedicht|Bild-Gedichten]]“, wie Miró sie selbst nannte, wozu ''Sterne im Geschlecht von Schnecken'' von 1925 gehört.<ref name="KNW1">Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen, Düsseldorf (Hrsg.): ''Einblicke. Das 20. Jahrhundert in der Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen, Düsseldorf''. Hatje Cantz, Ostfildern 2000, S.&nbsp;592</ref> Im gleichen Zeitraum entstand als Folge der surrealistischen Beeinflussung des Unbewussten sein Gemälde ''[[Karneval des Harlekins]]'' (1924/25). Vom Frühjahr 1925 bis zum Sommer 1927 arbeitete Miró an seinen so genannten „Traumbildern“. Diese Gemäldegruppe zeichnet sich durch eine zurückgenommene, fast [[Monochromie|monochrome]] Farbigkeit und eine undefinierte schwebende Raumsituation aus wie beispielsweise in dem Gemälde ''Tänzerin II'' aus dem Jahr 1925.<ref>Evelyn Benesch/Ingried Brugger (Hrsg.): ''Miró. Später Rebell''. Kunstforum Wien/Edition Minerva, Wolfratshausen 2001, S.&nbsp;84</ref> Trotz seiner romantischen Fantasie war Miró ein sorgfältiger Planer. Seine Bilder existierten in vorläufiger Form in seiner Vorstellung und in Studien auf dem Papier, lange bevor sie auf der Leinwand verwirklicht wurden. ''Badende'' aus dem Jahr 1925 ist ein weiteres Beispiel für ein monochromes Bild aus dieser Zeit. Weiße und gelbe Linien sind Bewegung geworden, die den Betrachter vor dem als Meerlandschaft gestalteten Hintergrund durch das Bild leiten. Das Gemälde ''Photo – ceci est la couleur de mes rêves'', bildet Schriftzeilen und einen blauen Fleck vereint auf einem ockerfarbenen Untergrund ab.<ref>Janis Mink: ''Joan Miró'', S.&nbsp;39–45</ref> Die ''Holländischen Interieurs I bis III'' folgten nach einer Reise in die [[Niederlande]] im Jahr 1928. Sie entstanden nach Anregungen durch die alten [[Goldenes Zeitalter (Niederlande)#Malerei|niederländischen Meister]]. Beispielsweise inspirierte [[Jan Steen]]s ''Katzentanzstunde'' (1626–1629) Miró zu ''Holländisches Interieur II'', indem der Künstler Zeichen und Signaturen aus Steens Bild löste und in seinem Werk „übersetzt“ aufnahm.<ref>Janis Mink: ''Joan Miró''. S.&nbsp;40–44, 50&nbsp;f.</ref> Das Gemälde ''Königin Luise von Preußen'' aus dem Jahr 1929 charakterisiert ebenfalls den surrealistischen Einfluss. Nach einer spanischen Werbung für den Dieselmotor der deutschen Firma Junkers, die er aufbewahrte und mit „Pour la Reine“ beschrieb, entwarf er das Bild, indem er die Zeichnung des Motors so weit reduzierte, bis sie die Form einer eingeschnürten Frauenfigur annahm.<ref>Janis Mink: ''Joan Miró'', S.&nbsp;49&nbsp;ff.</ref> Ab 1929 begann Miró mit der Lithografie zu experimentieren, die ersten Schnitte erschienen ab 1933. ==== Einfluss von Hans Arp und Paul Klee ==== Wie [[Paul Klee]] war ebenfalls Joan Miró fasziniert von der Zahl als Formsprache und Symbol. Ab Mitte der 1920er Jahre tritt die Ziffer in seinen Werken auf, so vor allem im Gemälde ''48'' aus dem Jahr 1927. Miró war von dieser Zahl besessen; denn er hatte sie jedes Mal, wenn er aus seiner Wohnung in Paris aus der rue Blomet 45 hinaustrat, als Hausnummer auf der gegenüberliegenden Straßenseite an einem Gebäude gesehen. Bei dem Gemälde ''L’Addition'' (''Die Rechnung'') von 1925, so [[Hubertus Gaßner]], stellen die Zahlen „die systematische Chiffrierung einer literarischen Quelle“<ref name="Maur1">Karin von Maur (Hrsg.): ''Magie der Zahl in der Kunst des 20.&nbsp;Jahrhunderts''. Verlag Gerd Hatje, Ostfildern bei Ruit 1997, ISBN 3-7757-0666-6, S.&nbsp;38</ref> dar. Die rechts oben vor dem verschwimmenden Farbraum erscheinende Zahlenfolge bezieht sich auf den 1902 erschienenen Roman ''Le Surmâle'' (''Der Übermann'') von [[Alfred Jarry]]. Mirós Rechnung bezieht sich auf das „Abzählen der Liebesakte des ‚Übermannes‘, der angetreten ist, um in einem Experiment den Rekord im Dauerbeischlaf von mehr als siebzig Orgasmen zu brechen.“<ref name="Maur1">Karin von Maur (Hrsg.): ''Magie der Zahl in der Kunst des 20. Jahrhunderts''. Verlag Gerd Hatje, Ostfildern bei Ruit 1997, S.&nbsp;38</ref> Klee und Miró sind sich nie persönlich begegnet, doch hatte Miró 1925 dessen Gemälde in einer Ausstellung der Pariser Galerie Pierre gesehen und schätzten gelernt. Sowohl Klee als auch Miró sind häufig mit der Bezeichnung „infantil“ kritisiert worden.<ref>Hans Platschek: ''Joan Miró'', S.&nbsp;85</ref> Ein Nachbar war ab 1927 [[Hans Arp]], dessen Werk mit geschwungenen organischen Formen Miró ebenfalls beeinflusste. Ein Beispiel ist ''Landschaft (Der Hase)'' aus demselben Jahr. Diese Formen, als Umriss oder volle Farbfelder, begleiteten Miró während seiner weiteren künstlerischen Laufbahn.<ref>Janis Mink: ''Joan Miró'', S.&nbsp;48&nbsp;f.</ref> ==== Collagen ==== In den Jahren 1924 sowie von 1928 bis 1929, in einer kurzen Phase, in der Miró die Malerei völlig aufgeben wollte, schuf der Künstler eine Anzahl von [[Collage|collagierten Arbeiten]], wovon eines das ''Papier collée'' von 1929 ist. Von dieser Collage, geschaffen aus Teerpappe, Ölpapier und Tapetenresten, existieren im Gesamtwerk Mirós nur zwei weitere ähnliche Arbeiten, die mit denselben Materialien geschaffen wurden und in etwa dasselbe Format haben: ein Porträt von [[Georges Auric]], das heute im [[Kunsthaus Zürich]] ausgestellt ist sowie ein Werk, das sich lange im Besitz des surrealistischen Dichters [[Georges Hugnet]] (1906–1974) befand.<ref name="BST">Bayerische Staatsgemäldesammlungen (Hrsg.): ''Food for the Mind. Die Sammlung Udo und Anette Brandhorst'', Staatsgalerie moderner Kunst München, 9.&nbsp;Juni bis 8.&nbsp;Oktober 2000, Hatje Cantz Verlag, ISBN 3-7757-9040-3, S.&nbsp;242</ref><ref name="Erika Mosier">Erika Mosier/Anne Umland: ''[http://aic.stanford.edu/sg/bpg/annual/v15/bp15-10.html A Technical Investigation of Joan Miró’s Collages of the 1920s]'', The Book and Paper Group Annual, Volume Fifteen 1996, The American Institute for Conservation. Abgerufen am 18.&nbsp;Juni 2008</ref> Ab 1931 wandelte Miró die Collagen weiter ab und begründete, neben [[Willi Baumeister]], das sogenannte Materialbild, „indem sie mit Hilfe von Sand, Gips und Mörtel ihren Malereien eine reliefartig aufgeraute, plastische Wirkung“<ref name="Thomas">Karin Thomas: ''DuMont’s kleines Sachwörterbuch zur Kunst des 20. Jahrhunderts. Von Anti-Kunst bis Zero''. DuMont Buchverlag, Köln 1977, ISBN 3-7701-0622-9, S.&nbsp;46</ref> gaben. ==== Wilde Bilder ==== Unter dieser Bezeichnung fasste Miró die von ihm selbst sogenannten Bilder ab 1934 zusammen. Ursache waren die unsicheren politischen Verhältnisse in Spanien und das Aufkommen des [[Faschismus]]. In einer Serie von 15 [[Pastellmalerei|Pastell]]en auf Velourspapier zeigte er schmerzverzerrte, verdutzte, bestienhafte Individuen, hauptsächlich Frauen. 1935 entstand das Materialbild ''Strick und Personen I'', das sowohl die Collagen als auch die ''Wilden Bilder'' weiterführt. Der auf dem Gemälde aufgebrachte echte gewundene Strick ist ein [[Symbol]] der Gewalt. [[Man Ray]] schrieb in seiner Autobiografie, dass der Gebrauch des Seils mit einer angedrohten Erhängung Mirós im Atelier von [[Max Ernst]] zu tun habe, als Miró trotz Aufforderung zur Beteiligung in einer Diskussion beharrlich schwieg. Das Anfang 1934 fertig gestellte Bild ''Schwalbe/Liebe'', in dem sich scheinbar im freien Fall befindliche Figuren und die Wortelemente „Hirondelle“ und „Amour“ mit verschlungenen Linienzügen verbinden, bewirkt dagegen ein Gefühl der Offenheit und des Loslassens.<ref>Janis Mink: ''Joan Miró''. S.&nbsp;7, 58&nbsp;ff.</ref> ==== Werke zur Zeit des Bürgerkriegs – Barcelona-Serie ==== Der Ausbruch des spanischen Bürgerkrieges (1936–39) beeinflusste Miro in seinem Schaffen. So malte er 1936 mit ''Mann und Frau vor einem Kothaufen'' ein Gemälde in düsterer Atmosphäre; vor einem statuenhaft aufgerichteten Kothaufen steht ein verfremdet gemaltes Paar mit extrem hervorgehobenen Geschlechtsteilen. Eine Rückkehr zum Realismus folgte 1937 mit ''Stillleben mit großem Schuh''; alltägliche Motive wie Schuh, Brot, ein Apfel, der von einer wie eine Waffe aussehenden Gabel durchstochen wird, wirken wie eine [[Apokalypse|apokalyptische]] Vision. Für die Weltausstellung in Paris 1937 entstand das heute verschollene Monumentalgemälde ''Le faucheur'' (''Der Schnitter'') sowie das Plakat ''Aidez l’Espagne'' (''Helft Spanien''), beide mit revolutionären Motiven gegen die faschistischen Putschisten General [[Francisco Franco]]s.<ref>Janis Mink: ''Joan Miró'', S.&nbsp;62&nbsp;ff.</ref> Der Siebdruck wurde für einen Franc verkauft, der Erlös ging an die republikanische Regierung in Madrid. Danach folgte die Arbeit an der Barcelona-Serie, 50 Lithografien in Schwarz, geschaffen in aggressiver Manier aus den Jahren 1939–1945, sie wurden herausgegeben von [[Joan Prats i Vallès|Joan Prats]], einem langjährigen Freund Mirós und Kunstmäzen im Umkreis Barcelonas. ==== Konstellationen ==== Zwischen 1940 und 1942 schuf Joan Miró die 23 Blätter umfassende Serie ''[[Konstellationen (Miró)|Konstellationen]]'', es handelt sich um [[Gouache]]n, in denen inmitten eines dichten Gewebes aus Kreisscheiben und linearen Zeichen größere Figuren, die häufig Frauen und Vögel darstellen, eingebettet sind.<ref name="KNW2">Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen, Düsseldorf (Hrsg.): ''Einblicke. Das 20. Jahrhundert in der Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen, Düsseldorf'', S.&nbsp;595</ref> Die Serie hatte in ihrer neuartigen All-Over-Struktur mit den sich wiederholenden Elementen und der Anwendung automatischer Zeichnung großen Einfluss auf die amerikanische Kunstentwicklung in der [[New York School]]. Die Resultate dienten später ihrerseits als Inspirationsquelle für Miró.<ref>Janis Mink: ''Joan Miró'', S.&nbsp;70&nbsp;f.</ref> Bezüglich der ''Konstellationen'' gab es jedoch auch Vorwürfe, Miró habe in schwerer Zeit mit dieser Serie „Harmlosigkeit“ und eine „Stereotypie der Unschuld“ geschaffen. Ähnliche Vorwürfe wie die des „Dekorateurs“ und „Organisators farbiger Oberflächen“ hat auch [[Henri Matisse]] – die Maler kannten und schätzten sich – ertragen müssen. Wie Matisse setzte Miró in den ''Konstellationen'' die Farbe auf der Fläche frei und benutzte Schwarz als Farbe, wollte die Fläche jedoch im Gegensatz zu Matisse mit dem Gewimmel von Figuren und Zeichen in Bewegung setzen. Matisse’ Arbeiten waren einfacher zu identifizieren.<ref>Hans Platschek: ''Joan Miró''. S.&nbsp;109&nbsp;f.</ref> ==== Monochrome Bilder ==== Von 1955 bis 1959 widmete sich Miró ganz der Keramik, erst 1960 nahm er die Malerei wieder auf. Es entstanden Serien auf weißem Grund sowie das [[Triptychon]] ''Bleu I, II, III'' (1961), das fast vollständig [[monochrom]] blau ist und ein wenig an die Bilder von [[Yves Klein]] erinnert.<ref name="g26">[http://www.g26.ch/art_miro.html ''Biografie Joan Miró'']</ref> Nachdem er die blaue Farbe aufgetragen hatte, unterbrach er kontrolliert den Farbraum mit minimalistischen Zeichen, Linien, Punkten und Pinselstrichen, indem er die Farben mit der „Besonnenheit der Gebärde eines japanischen Bogenschützen“ (Miró) auftrug.<ref name="Krens2">Thomas Krens (Vorwort): ''Rendezvous. Masterpieces from the Centre Georges Pompidou and the Guggenheim Museums'', S.&nbsp;672</ref> Diese Gemälde erinnern an Mirós Werke aus der Zeit um 1925, als er monochrome Gemälde, wie die ''Danseuse II'' ''(Tänzerin II)'', mit wenigen [[Empathie|empathischen]] Akzenten schuf. „Für mich ist es wichtig, ein Maximum an Intensität mit einem Minimum an Aufwand zu erreichen. Daher wird die Leere in meinen Bildern immer wichtiger“, lautete seine Aussage zu diesen Arbeiten.<ref>Janis Mink: ''Joan Miro'', S.&nbsp;87&nbsp;f.</ref> ==== Lettres et Chiffres – Spätwerk ==== Ende der 1960er Jahre malte Miró eine ganze Reihe von großformatigen Tafeln unter dem Titel ''Lettres et Chiffres attirés par une étincelle'' (''Buchstaben und Zahlen, von einem Funken angezogen''). Auf einen malerisch marmorierten Farbraum setzte er, ähnlich wie bei ''L’Addition'', vereinzelte, minimalistische, sich wiederholende [[Lettrismus|lettristische]] und [[Numerische Mathematik|numerische Zeichen]] – die von Mirós Interesse für [[konkrete Poesie]] und [[serielle Musik]] zeugen –, im Gegensatz zu früher, ganz wenige Chiffren, wie das T oder 9 die „wie im Kosmos um den andersfarbigen Fleck, den Funken des Titels, gravieren.“<ref name="Maur1">Karin von Maur (Hrsg.): ''Magie der Zahl in der Kunst des 20.&nbsp;Jahrhunderts''. Verlag Gerd Hatje, Ostfildern bei Ruit 1997, S.&nbsp;38</ref> Eine fünfteilige Serie, die ''Toiles brûlées'' (''Verbrannte Leinwände'') aus dem Jahr 1973, drückten Mirós Zorn gegen die Kommerzialisierung der Kunst aus. Er zerstörte zum Teil die mit Farbpulver versehene Leinwand, indem er diese mit einem Gasbrenner bearbeitete, und drehte während des Brandes das Bild nach rechts und links, bevor er löschte.<ref>Hans Platschek: ''Joan Miró'', S.&nbsp;122&nbsp;f.</ref> Im selben Jahr entstand ''Mai 1968'', es wirkt mit den Spuren geplatzter Farbbeutel, den Abdrücken von Mirós Händen und den intensiven Farben wie ein Nachruf auf die [[Mai 68|Pariser Studentenunruhen]] aus dem Jahr 1968. Weiterhin schuf Miró das Gemälde ''Frau mit drei Haaren und Vögeln'', das seine Malweise aus den 1925er bis 1930er Jahren wieder aufnahm. Das Spätwerk ist gekennzeichnet durch seine Farbgebung aus wenigen reinen Farben unter starkem Einsatz der Farbe Schwarz.<ref>Janis Mink: ''Joan Miró'', S.&nbsp;77, 90</ref> 1979 wurde ein Serie von 18 Farblithografien gedruckt mit dem Titel ''Hommage a Gaudí''. In den letzten Jahren seines Lebens widmete er sich zudem der alten katalanischen Kunst der künstlerischen Verarbeitung von Wandteppichen und entwarf Bühnenbilder.<ref name="g26">[http://www.g26.ch/art_miro.html ''Biografie Joan Miró'']</ref> ==== Buchillustrationen ==== Unter den zahlreichen [[Künstlerbuch|Künstlerbüchern]], die Miró seit den 1930er Jahren geschaffen hat, sei als Beispiel das 1958 erschienene illustrierte Gedicht [[Paul Éluard]]s genannt. Es trägt den Titel ''A toute épreuve'', wurde bei Gérald Cramer, Genf, veröffentlicht und enthält 80 meist farbige Holzschnitte Mirós. Es gilt als sein schönstes illustriertes Buch.<ref>{{internetquelle|autor=James Thrall Soby et al.|hrsg=Museum of Moser Art 1980|url=http://books.google.de/books?id=MnW9FxHK0m8C&pg=PA135&lpg=PA135&dq=A+toute+%C3%A9preuve+miro&source=bl&ots=EUYMccessL&sig=Cy3R7y9NAIOXS5tAFyIfJM791oQ&hl=de&ei=tgM5SsTNHIWlsAbp2_zXBg&sa=X&oi=book_result&ct=result&resnum=5#PPA137,M1|titel=''Joan Miró''|zugriff=17. Juni 2009}}</ref> Die Verkaufsauflage betrug 80 Exemplare. Das Gedicht Paul Éluards ist erstmals 1930 in der ''Édition Surréalistes'' in Paris abgedruckt worden. === Objets trouvés, Skulpturen, Keramik, Wandteppiche === {{Zitat|Eines geht ins andere über. Alles bildet eine Einheit. Es gibt keine Domäne, die verschieden ist von anderen. Alles ist miteinander verkettet.|Joan Miró<ref>Hans Platschek: ''Joan Miró''. S.&nbsp;117, zitiert nach Miro''Ceci est la couleur'', S.&nbsp;35</ref>}} ==== Objets trouvés – Skulpturen ==== Ab 1928 entstanden die ersten größeren und kleineren surrealistischen Skulpturen und Objekte, sogenannte ''„Peinture-objets“'' sowie das ''„Sculpture-objet“'' von 1931, bestehend aus einem Holzblock und daran befestigte, teilweise bemalte vorgefundene Objekte, wie ein [[Kork]]brocken, eine [[Jakobsmuschel]] und ein Eisenring. Seit 1931 konzentrierte sich Miró, ebenso wie die surrealistischen Künstler [[Max Ernst]], [[Salvador Dalí]], [[René Magritte]] und [[Yves Tanguy]], auf das vorgefundene Objekt, das [[Objet trouvé]]. Die 180&nbsp;cm hohe objekthafte Assemblage mit dem Titel ''Personnage''<ref>Die Bezeichnung von Joan Miró für seine abstrakten Figuren. Aus: Thomas Krens (Vorwort): ''Rendezvous. Masterpieces from the Centre Georges Pompidou and the Guggenheim Museums'', S.&nbsp;671</ref> von 1931 (zerstört), ein großer schwarzer Regenschirm, der ein Möbelteil mit großem Stabpenis bekrönte, erfuhr bei der Ausstellung im [[Société des Artistes Indépendants|Salon des Indépendants]] erhebliche Aufmerksamkeit, wobei das damalige Publikum, wie auch bei späteren dreidimensionalen Arbeiten des Künstlers, die „unverhohlen erotische Anspielung“ lobte.<ref name="Theodora Vischer2">Theodora Vischer (Kat.): ''Skulptur im 20. Jahrhundert'', Basel 1984, S.&nbsp;92&nbsp;f.</ref> Seit dem Jahr 1966 schuf Miró größere Skulpturen in Bronze, wobei er sich in der Formgebung an die zwanzig Jahre vorher erfundenen Formen hielt. Die erste Skulptur des Künstlers ist ''Oiseau solaire'' (''Sonnenvogel'') und stammt aus diesem Jahr. Ein Jahr später entstanden Skulpturen, die aus Fundgegenständen in Bronze gegossen und bemalt wurden. Einige Werke, wie ''Insektenfrau'' (1969), erinnern mit ihrer rauen Oberfläche an Skulpturen [[Alberto Giacometti]]s.<ref>Janis Mink: ''Joan Miró'', S.&nbsp;87</ref> Für die Esplanade de [[la Défense]] in Paris schuf Miró 1978 Betonskulpturen und von 1979 bis 1980 arbeitete er an einem figürlichen Modell für eine fünfzehn Meter hohe, farbige Plastik im [[Central Park]] in [[New York City|New York]].<ref name="Reinhold Hohl">Reinhold Hohl (Vorw.): ''Skulptur im 20.&nbsp;Jahrhundert. Ausstellung im Wenkenpark, Riehen/Basel.'', S.&nbsp;90</ref> Weitere Skulpturen im öffentlichen Raum folgten. Die Monumentalskulptur ''Miró’s Chicago'', ursprünglich genannt ''Die Sonne, der Mond und ein Stern'', ist etwa zwölf Meter hoch und besteht aus den Materialien Stahl, Draht, Bronze, Beton und Keramikkacheln. Das unweit der Skulptur ''Chicago Picasso'' (1967) in [[Chicago]] stehende Werk wurde am 21.&nbsp;April 1981 enthüllt. 1982 folgten weitere Monumentalskulpturen, ''Femme et un oiseau'' (''Frau und Vogel'') in Barcelona sowie ''Personnage et oiseaux'' (''Figur und Vögel'') in Boston.<ref name="hp146"/> <center><gallery> Datei:Grande Maternite.JPG|''Grande Maternité'' (''Große Mutterschaft''), 1967, San Francisco Datei:Miro's sculpture, MADRID.jpg|''L’Oiseau lunaire'' (''Mondvogel''), 1967, Bronze, Museo Nacional Centro de Arte Reina Sofía, Madrid Datei:Personnage Miro-2.JPG|''Personnage'' (''Figur''), 1970, Donald M. Kendall Sculpture Gardens, Purchase, New York Datei:Hakone open air museum (10).jpg|''Personnage'' (''Figur''), 1972, Hakone Open Air Museum, Japan Datei:Skulpturenpark-Miro_BMK.jpg|''Personnage gothique'' (''Gotische Figur''), 1976, Bronze, in der Miró-Stiftung, Palma Datei:JoanMiro-DeuxPersonnagesFantastiques.jpg|''Deux personnages fantastiques'' (''Zwei fantastische Figuren''), La Défense, 1980, Paris Datei:Mujer - Joan Miró - 1983.jpg|''Femme'' (''Frau''), Bronze, 1981, Rathaus von Barcelona Datei:Dona i Ocell.JPG|''Dona i Ocell'' (''Frau und Vogel''), 1982, Barcelona </gallery></center> ==== Keramik ==== [[Datei:Miro-Wand in Ludwigshafen 07.jpg|miniatur|Teil der Wand des Wilhelm-Hack-Museums in Ludwigshafen]] [[Datei:Palacio de Congresos y Exposiciones (Madrid) 01-2.jpg|miniatur|Mosaikwand des Kongresszentrums in Madrid]] [[Datei:Miro, Palma.jpg|miniatur|Die Keramikwand Mirós in Palma de Mallorca]] Gemeinsam mit [[Josep Llorens i Artigas]] arbeitete Miró ab 1944 an Keramiken und Keramikvasen, wobei Artigas den Ton aussuchte und die Farben herstellte, die Miró auf die [[Glasur (Keramik)|Glasur]] auftrug. Zehn Vasen wurden ausgeführt, wovon fünf 1947 in der Galerie Pierre Matisse in New York ausgestellt wurden.<ref name="Beauffet2">Jacques Beauffet u.a.: ''L’Art en Europe. Les années décisives. 1945–1953'', S.&nbsp;58</ref> Außerdem begann er sich auf die Herstellung von Druckgrafik zu spezialisieren. Von 1954 bis 1958 war das Arbeiten mit diesen Medien sein Hauptarbeitsfeld.<ref name="Krens1">Thomas Krens (Vorwort): ''Rendezvous. Masterpieces from the Centre Georges Pompidou and the Guggenheim Museums'', S.&nbsp;671</ref> Mit Artigas und dessen Sohn [[Joan Gardy-Artigas]] schuf Miró eine monumentale Keramikwand für das [[UNESCO]]-Gebäude in Paris. Sie brauchten drei Jahre nach dem 1955 vergebenen Auftrag, um das Werk fertigzustellen. Es besteht aus zwei Teilen: Die ''Wand der Sonne'' ist 3&nbsp;Meter hoch und 15&nbsp;Meter lang, die kleinere ''Wand des Mondes'' ist bei gleicher Höhe mit 7,5&nbsp;Metern halb so lang. Miró schrieb zu seiner Planung, die von den Höhlenbildern von [[Höhle von Altamira|Altamira]], die er im Jahr 1957 besichtigt hatte, und Gaudís [[Park Güell]] inspiriert war<ref>Janis Mink: ''Joan Miro'', S.&nbsp;80&nbsp;ff.</ref>: {{Zitat|So kam mir der Gedanke, als Gegensatz zu den enormen Betonwänden eine mächtige, intensiv rote Scheibe auf die große Mauer zu setzen. Die Entsprechung auf der kleineren Mauer sollte ein blauer Halbmond sein, der durch die beschränktere und intimere Fläche bestimmt wurde. […] Ich suchte einen kraftvollen Ausdruck für die große, und einen mehr poetischen für die kleine Mauer.}} Die mit dem Guggenheim Award ausgezeichnete Keramikwand der UNESCO steht in der Gegenwart nicht mehr im Freien, sondern ist zum Schutz vor Wetterschäden von einer Gebäudehülle umgeben. Weitere großformatige Keramikwände finden sich beispielsweise in der [[Fondation Maeght]] (1968), am Flughafen in Barcelona (1970); eine weitere [[Miró-Wand]] schmückt das [[Wilhelm-Hack-Museum Ludwigshafen|Wilhelm-Hack-Museum]] in Ludwigshafen, die 1979 fertig gestellt wurde, gefolgt 1980 von einer Wand für das Kongresszentrum in [[Madrid]].<ref name="jm93"/> In seinem Todesjahr 1983 entstand eine Keramikwand in seinem Wohnort Palma, gelegen im „Parc de Mar“ vor der Kathedrale [[La Seu]]. ==== Wandteppiche ==== 1974 schuf Miró einen Wandteppich für das [[World Trade Center]] in New York. Ursprünglich hatte er den Auftrag abgelehnt, befasste sich daraufhin jedoch mit der Webtechnik und stellte weitere Werke dieser Art her. Der Wandteppich wurde ein Opfer des terroristischen [[Terroranschläge am 11. September 2001|Anschlags vom 11.&nbsp;September 2001]]. Er war einer der teuersten Kunstgegenstände, die durch die Attacke auf die Zwillingstürme zerstört wurden.<ref>''[http://www.insurancejournal.com/news/east/2001/10/08/12519.htm Art Works Lost in WTC Attacks Valued at]'', Insurance Journal, 8. Oktober 2001. Abgerufen am 12. Juni 2009.</ref> Zur Fertigstellung und Eröffnung der Fundació Joan Miró im Jahre 1975 stiftete der Künstler mehrere seiner Zeichnungen, Bilder, Keramiken und Grafiken und „schuf speziell für die Fundació einen großen aufwändigen Wandteppich […].“<ref>''[http://www.barcelona.de/de/barcelona-museum-fundacio-miro.html Fundació Joan Miró. Das Museum mit den Werken von Miró in Barcelona]''. Abgerufen am 24. Juni 2009.</ref> In einer experimentellen Weise entstanden die ''Sobreteixims'', Textilbildwerke, in die Malerei und Gegenstände eingearbeitet sind. Sie ähneln daher mehr der Collage oder der Skulptur. 1977 folgte in Zusammenarbeit mit Josep Royo ein großer Teppich für die National Gallery of Art in Washington. === Bühnenbilder und -kostüme, Glasfenster === Bereits im Jahr 1926 fertigte Miró zusammen mit [[Max Ernst]] die Dekorationen für das von den [[Ballets Russes]] aufgeführte Ballett ''Romeo et Juliette'', und 1932 schuf er die Dekoration und die Kostüme für ''Jeux d’enfants'', mit der Musik von [[Georges Bizet]] und der Choreografie von [[Léonide Massine]]. Im Jahr 1978 kehrte Miro zur Theaterarbeit zurück, als er Puppen und Masken realisierte von ''Mori el Merma'' für das Claca Teatre, nach ''[[König Ubu|Ubu Roi]]'' von [[Alfred Jarry]]. Die Erstaufführung fand im ''Gran Teatre del Liceu'' von Barcelona statt. 1981 entstanden Bühnenbilder und Kostüme für das Pantomimenballett ''Miro, l’uccello luce'' mit dem Text von [[Jacques Dupin]].<ref>{{internetquelle|autor=|hrsg=kunstwissen.de|url=http://www.kunstwissen.de/fach/f-kuns/b_mod/miro0.htm|titel=Joan Miró|zugriff=25. Juni 2009}}</ref> Einem neuen Medium widmete sich Miró Mitte der 1970er Jahre. Gemeinsam mit dem Glaskünstler [[Charles Marcq]] entstanden 1976 drei Glasfenster für die Kapelle Saint Frambourg in [[Senlis (Oise)|Senlis]], die aus dem 12.&nbsp;Jahrhundert stammt. Sechs weitere Fenster folgten für die [[Fondation Maeght]] in Saint-Paul de Vence im Jahr 1979.<ref>Evelyn Benesch/Ingried Brugger (Hrsg.): ''Miró. Später Rebell'', S.&nbsp;193</ref> === Mirós Bildsymbole === Symbole wie Schnecke, Frau, Blume und Stern beschreiben im Werk Mirós die essentiellen Bereiche Fauna, Mensch, Flora und Kosmos, mit denen Joan Miró sich zeitlebens auseinandergesetzt hatte.<ref>[http://www.art-in.de/incmeldung.php?id=212&amp;-joan-miro-D%C3%BCsseldorf Joan Miró im museum kunst palast in Düsseldorf]</ref> 1925 entstand das zu den [[Bildgedicht|Bild-Gedichten]] zählende Bild ''Étoiles en des sexes d’escargot'' (''Sterne im Geschlecht von Schnecken''). Der verschwommen wirkende ockerfarbene Bildgrund „erweckt den Eindruck einer traumhaft unbestimmten Räumlichkeit.“ Ein in der rechten oberen Bildecke schwebender schwarzer Stern mit abwärts gerichtetem Schweif wird von einer roten Kreislinie, in die von unten her eine schwarze Trapezform eindringt, umschlossen. Die linke obere Seite des Bildes zeigt in blauer Farbe in „kreisrunder Schreibbewegung“ eine „Andeutung leichter Wölkchen“ und die Inschrift ''Étoiles en des sexes d’escargot''. Den ockerfarbenen Bildgrund durchziehen „unregelmäßige Formen wie dunkle Schatten oder Kriechspuren.“<ref name="KNW1">Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen, Düsseldorf (Hrsg.): ''Einblicke. Das 20. Jahrhundert in der Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen, Düsseldorf''. Hatje Cantz, Ostfildern 2000, S.&nbsp;592</ref> Bei Miró sind die Funken des Kometenschweifs symbolisch meist als männliche Samen zu deuten, „die im Bezugsfeld eines sexuellen Kosmos bzw. einer ins Kosmische erweiterte Sexualität“ als „Zeichen ihre Vieldeutigkeit entfalten.“<ref>Hubertus Gaßner: ''Joan Miró. Der magische Gärtner''. Köln 1994, S.&nbsp;83; zitiert nach: Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen, Düsseldorf (Hrsg.): ''Einblicke. Das 20. Jahrhundert in der Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen, Düsseldorf''. Hatje Cantz, Ostfildern 2000, S.&nbsp;593</ref> Seit den 1930er Jahren bleiben Mirós in unterschiedlichen Materialien verwendete Symbole wie beispielsweise Sterne, Kometen, Sonnen, Monde als Zeichen des [[Universum]]s nahezu unverändert. Neben diesen Symbolen gibt es Insekten, Leitern als Zeichen für Flucht, flammende Herzen, männliche und weibliche [[Genitalien]]. Letztere sind unter anderem oft dargestellt durch Spinne, Auge, Ei. Die sexuellen Körperteile bilden das Begehren als Triebenergie künstlerischer Schöpferkraft ab. Das häufigste Bildmotiv bei Miró ist ''Femme et oiseau'' (''Frau und Vogel''), wobei der Vogel Begehren ausdrückt. Er wird oft als Halbmond abgebildet und erinnert damit an das Attribut der griechischen Göttin der Jagd und der Fruchtbarkeit [[Artemis]] (römisch: [[Diana (Mythologie)|Diana]]).<ref>Evelyn Bennesch/Ingried Brugger (Hrsg.): ''Miró. Später Rebell'', S.&nbsp;69, 71–75</ref> === Ermordung der Malerei === Wann Mirós oft zitierter Begriff „assassinat de la peinture“ („Ermordung der Malerei“) geprägt wurde, steht nicht genau fest. Sicher ist nur, dass er ihm bereits in [[Maurice Raynal]]s 1927 erschienenem Buch über französische Malerei zugeschrieben wurde und im Umfeld der [[Dadaismus|dadaistischen]] Kunstidee zu sehen ist. So gab es auf der [[Erste Internationale Dada-Messe|Ersten Internationalen Dada-Messe]] 1920 ein Plakat mit der Inschrift: ''Die Kunst ist tot. Es lebe die Maschinenkunst [[Wladimir Jewgrafowitsch Tatlin|Tatlins]]''.<ref>Félix Fanès: ''Salvador Dalí. The Construction of the Image 1925–1930''. Yale University Press 2007, ISBN 978-0-300-09179-3, S.&nbsp;101</ref><ref>Michael Töteberg: ''John Heartfield'', S.&nbsp;36&nbsp;ff.</ref> Miró steigerte die Aussage um den Begriff „Mord“, ein Zeichen seiner Verachtung für konventionelle, den Vorstellungen der [[Bourgeoisie]] entsprechende Malmethoden, die er seit den 1930er Jahren zum Ausdruck brachte. Stattdessen wollte er im Sinne einer Erneuerung mit seinem Werk und den von ihm entwickelten Bildelementen „die Malerei ermorden.“<ref>Margit Rowell: ''Joan Mirό: Selected Writings and Interviews'', Thames & Hudson, London 1987, S.&nbsp;114&nbsp;f.</ref> {{Zitat|Die Surrealisten haben, wie man weiß, den Tod der Malerei verordnet. Ich will den Mord.|Joan Miró|Quelle=Interview am 7. Juli 1930 durch den Kunstkritiker [[Tériade]], als Beilage der Zeitschrift ''L'Intransigeant'' veröffentlicht.<ref>zitiert nach Jacques Dupin: ''Miró'', Poligrafa, Barcelona 1993, S.&nbsp;448</ref>}} Dem Künstler ging es zu diesem Zeitpunkt vor allem um die Anerkennung der ''Konstruktionen'' (''Constructions'', als Steigerung der ''Collages'') im Gegensatz zur herkömmlichen Malerei, die als dekoratives Statussymbol Einzug in die großbürgerlichen Wohnzimmer gehalten hatte. In dem Gespräch äußerte Miró weiter: „Die Malerei befindet sich seit dem Höhlenzeitalter auf dem Niedergang“, was Mirós Biograf [[Jacques Dupin]] auf den Künstler übertrug, denn für ihn war Miró um 1930 bis 1932 in eine Krise geraten und an einen Tiefpunkt seiner Kunst angekommen. So hielt Dupin die Collagen und Montagen jener Zeit für symbolische Selbstverstümmelungen, für Anti-Malerei. Dies bezog sich nicht nur auf die Objekte, wie Strick, Holz oder Puppenschuh, die Miró in seine Gemälde einbrachte, sondern gleichfalls auf die unterschiedlichen Materialien wie Fotos, Sand oder Velourspapier als Untergrund.<ref name="Platschek">Hans Platschek: ''Joan Miro'', S.&nbsp;86&nbsp;f, und Dupin: ''Joan Miró'', S.&nbsp;189</ref> Mirós rebellische Haltung gegenüber der kommerzialisierten Kunst steigerte sich mit zunehmendem Alter und erreichte 1973 ihren Höhepunkt in der fünfteiligen Serie ''Verbrannte Leinwände''. In diesen großformatigen Gemälden schreckte er (ähnlich dem italienischen Maler [[Lucio Fontana]]) nicht davor zurück, ganze Flächen mit der [[Lötlampe]] herauszuschneiden. In einem Interview mit Santiago Amon, abgedruckt im ''El&nbsp;País, Semanal'' im Juni 1978, antwortete Miró auf die Frage nach seiner Motivation für diese brachiale Technik: {{Zitat|Aber wie ich es schon anderweitig gesagt habe, war der wahre Grund der, daß ich mir einfach das Vergnügen gönnen wollte, den Leuten, die in der Kunst allein ihren kommerziellen Wert sehen – all denjenigen also, die glauben und behaupten, daß ihre Werke ein Vermögen wert sind, einmal ‚Scheiße!‘ entgegenzurufen.|Joan Miró<ref>zitiert nach Margit Rowell (Hrsg.): ''Joan Miró. Ecrits et Entretiens'', Daniel Lelong, Paris 1995, S.&nbsp;319</ref>}} == Rezeption == === Darstellungen von Zeitgenossen === {{Zitat|Nach mir bist du es, der neue Türen öffnet […]|Pablo Picasso<ref>Hans Platschek: ''Joan Miró''. S.&nbsp;50, zitiert nach ''Erinnerungen an die Rue Blomet'', in Ausstellungskatalog der Kestner-Gesellschaft, S.&nbsp;39</ref>}} [[Salvador Dalí]], dem der neun Jahre ältere Miró ab 1927 die für die Pariser Kunstszene wichtigen Kontakte zu den Kunsthändlern [[Pierre Loeb]] und Camille Goemanns vermittelte, wurde zwei Jahre später von seinem Landsmann in den inneren Kreis der Surrealisten um André Breton eingeführt.<ref>Torsten Otte: ''Salvador Dalí. Eine Biographie mit Selbstzeugnissen des Künstlers'', Königshausen & Neumann, Würzburg 2006, ISBN 3-8260-3306-X, S.&nbsp;36&nbsp;f.</ref> Dalí bezeichnete Mirós Malerei als „zu grandios für die dumme Welt unserer Künstler und Intellektuellen.“ Er stellte ihn als einen Erneuerer der Kunst dar, der nur mit Picasso vergleichbar sei; für ihn verkörpere er die „Osmose zwischen Surrealismus und Realität, grenzenlos geheimnisvoll, dazu fähig uns mit der lebendigsten Intensität ferner und ergreifend magischer Schöpfungen in den Bann zu ziehen.“<ref>Fèlix Fanés: ''Salvador Dalí. The Construction of the Image 1925-1930'' Yale University Press, New Haven(Ct.) 2007, ISBN 0-300-09179-6, S.&nbsp;98/99 (engl.)</ref> Der Surrealist [[André Breton]], der in den frühen 1920er Jahren Miró noch als kindlich bezeichnet hatte, sah ihn später als Maler des reinen [[Écriture automatique|Automatismus]] an und schrieb in seinem Werk ''Der Surrealismus und die Malerei'' aus dem Jahr 1967: „Vielleicht ist es gerade das, weshalb er als der ‚surrealistischste‘ von uns gelten kann […] Keiner ist so geschickt wie er, das Unvereinbare zu vereinen, ist so gleichgültig, etwas zu zerstören, bei dem wir nicht einmal den Wunsch wagen, es zerstört zu sehen.“<ref>[[Volker Zotz]]: ''André Breton'', Rowohlt, Reinbek 1990, ISBN 978-3-499-50374-0, S.&nbsp;102&nbsp;f.</ref> Der Kunstkritiker [[Clement Greenberg]], der Miró während dessen Aufenthalt in New York 1947 kennengelernt hatte, bezeichnete sein Werk als zu dekorativ, dennoch habe er der Welt eine Lektion in „Farbe“ gegeben. Diese Kunst gehöre in das Reich des Grotesken, so wie es vom Kunsttheoretiker [[John Ruskin]] im 19.&nbsp;Jahrhundert definiert wurde: „Komponiert aus zwei Elementen, eines lachhaft, das andere erschreckend.“ Mirós Werk sei demnach Ruskins scherzhaftem Grotesken zuzuordnen, da er es in allem eher humoristisch als erschreckend fände. Er beschrieb ihn als kurzen, kompakten, eher wortkargen Mann mit kurz geschorenem Haar, blasser Haut, flinken Augen und Bewegungen. Er sei leicht nervös, gleichzeitig unpersönlich in der Gesellschaft von Fremden. Es sei die Frage, was diesen Bourgeois zur modernen Malerei, der [[Rive Gauche]] und zum Surrealismus gebracht haben könnte.<ref>Janis Mink: ''Joan Miró'', S.&nbsp;79, 7</ref> [[Antoni Tàpies]], Katalane wie Miró, jedoch jüngerer Künstlergeneration, schrieb 1969 voller Bewunderung, dass Miró die Reinheit und Unschuld des Schöpfungstages wiedergefunden habe, indem er es vom Ballast der Jugend befreit hatte: „Gegen ein von Göttern geschaffenes und beherrschtes Universum stellte uns Miró das immerwährende Wogen, das wechselvolle und unendliche Fließen der Natur. Gegen unveränderliche Gesetze stellte er Rhythmen […]; gegen die drückende, mit Tabus besetzte Enge die Helle des offenen Raumes. Angesichts des monströsen Übermuts der Machthaber zeigte er, daß wir alle gleich sind, weil wir alle aus dem Feuer der Sterne gemacht sind. […] Damit die Dinge wüchsen und besser würden, müsse die Liebe alles durchdringen, sagte er uns.“<ref name="Rudloff2">Antoni Tàpies: ''Die Praxis der Kunst''. St. Gallen 1976, S. 98&nbsp;f., zitiert nach: Diether Rudloff: ''Unvollendete Schöpfung. Künstler im zwanzigsten Jahrhundert'', Stuttgart 1982, S.&nbsp;112</ref> === Einfluss auf den Abstrakten Expressionismus === In den 1940er Jahren kam es in den [[Vereinigte Staaten|Vereinigten Staaten]] zu einem künstlerischen Umschwung, der nach Jahren des sozialkritischen [[Amerikanischer Realismus|Amerikanischen Realismus]] zu einem Neubeginn – „dem Wunsch, bei Null anzufangen“ ([[Barnett Newman]]) – führte, dem [[Abstrakter Expressionismus|abstrakten Expressionismus]]. Künstler wie Barnett Newman, [[Jackson Pollock]], [[Mark Rothko]], [[Clyfford Still]] und [[Franz Kline]] fanden ihre Vorbilder in Miró, [[André Masson|Masson]] und [[Max Ernst]], in deren kontrolliertem psychischen [[Écriture automatique|Automatismus]], beim gelenkten Zufall, nicht unbedingt in deren Techniken. Die freien Farbverläufe Mirós aus den 1920er Jahren beeinflussten besonders Pollock.<ref>Uwe M. Schneede: ''Die Geschichte der Kunst im 20.&nbsp;Jahrhundert'', S.&nbsp;182&nbsp;f.</ref> In den 1960er Jahren wurde wiederum Miró inspiriert durch Pollocks [[Action Painting]]s und den abstrakten Expressionismus Rothkos und [[Robert Motherwell]]s, beispielsweise in dem Triptychon ''Blau I − III'' (1961); jedoch sind Mirós Formen trotz höchster Reduktion der Natur verpflichtet und keine abstrakten Gebilde.<ref>Janis Mink: ''Joan Miró'', S.&nbsp;90&nbsp;f.</ref> Weiterhin inspirierte Miró Künstler wie beispielsweise den irisch-amerikanischen Maler [[Matt Lamb]]<ref>{{internetquelle|autor=Felix Bentz|hrsg=Beauftragte der Bundesregierung für die Belange behinderter Menschen, 2007|url=http://www.mattlamb.org/catalogs/Lamb_Katalog_innen_4_Kat_innen.pdf|titel=Zur Ausstellung Matt Lambs in Berlin, Kleist-Haus|zugriff=14. Juni 2009}}</ref> und [[Arshile Gorky]], die [[New York School]] mit ihrem abstrakten Expressionismus<ref>Janis Mink: ''Miro'', S.&nbsp;71&nbsp;f.</ref> sowie den Deutschen [[Otmar Alt]].<ref>{{internetquelle|autor=Jörg Bockow|hrsg=Galerie Otmar Alt|url=http://www.alt-o.de/bilderfolgen.htm|titel=Lust auf Sequenzen|zugriff=14. Juni 2009}}</ref> === Filme über Miró === In den Jahren 1971 bis 1974 entstanden Dokumentarfilme, die von der Edition Maeght 2005 auf einer DVD zusammengefasst wurden. ''Lithographie d’une affiche'' ist ein achtzehnminütiger Farbfilm von [[Clovis Prévost]] unter Mitarbeit von [[Carles Santos Ventura|Carles Santos]], der 1971 in einem Atelier der Druckerei „Arte“ in Paris gedreht wurde. Die Kamera fixiert den Entwicklungsprozess zur Verbesserung einer [[Lithografie]]. 1973 folgte ''Miró Sculpteur''. Dieser Film, wiederum von Clovis Prévost, zeigt die Arbeit an der Skulptur ''L’oiseau au plumage rougeâtre annonce l’apparition de la femme éblouissante de beauté''. Die Dreharbeiten erfolgten im Atelier der Gießerei Clémenti in [[Meudon]]. Dauer des Films: 38&nbsp;Minuten. ''Miró parle'' heißt der sechsundzwanzigminütige Film von Prévost und Santos, der im Atelier Joan Mirós, Son Boter, in Palma im Jahr 1974 gedreht wurde. Das Interview führten Carles Santos und Pere Portabella. Miró spricht hier über sein Leben und Werk; er betont darin die Wichtigkeit, die Paris und die rue Blomet in seinem Leben eingenommen hat, als er Masson und die surrealistischen Dichter traf, die ihm neue Türen für sein Werk öffneten.<ref>{{internetquelle|autor=|hrsg=Decitre|url=http://www.decitre.fr/livres/Joan-Miro.aspx/9782869413122|titel=Miró – Film et interviews 1971–1974|zugriff=20. Juni 2009}}</ref> Im Jahr 1978 wurde der Dokumentarfilm ''Miró: Theatre Of Dreams'' unter der Leitung von Robin Lough gedreht. Der knapp einstündige Film zeigt den 85-jährigen Künstler bei der Arbeit und in seinem Wohnort Palma; in Interviews mit seinem Biografen [[Roland Penrose]] beschreibt er seine Erinnerungen an Künstlerkollegen wie Picasso, Breton, Ernst, Masson und Tanguy und berichtet über seine Mitarbeit an der Produktion der katalanischen Theatergruppe „La Claca“.<ref>{{internetquelle|autor=|hrsg=Red Door Movies|url=http://www.reddoormovies.com/cgi-bin/reddoor/code/300957.html|titel=Miro: Theatre of Dreams|zugriff=21.&nbsp;Juni 2009}}</ref> === Miró auf dem Kunstmarkt === Mirós Werke erreichen oft hohe Preise bei [[Auktion]]en; 17 Millionen US-Dollar wurde für ''La Caresse des étoiles'' am 6.&nbsp;Mai 2008 bei [[Christie’s]] in [[New York City|New York]] erzielt und ist damit der höchste Preis, der jemals für ein Werk von ihm gezahlt wurde.<ref>{{internetquelle|autor=|hrsg=christies.com|url=http://www.christies.com/LotFinder/lot_details.aspx?intObjectID=5075596|titel=Auction May 6th. 2008|zugriff=23. Juni 2009}}</ref> Unter den derzeit [[Gemälde#Auktionsrekorde bei Gemälden|zwölf teuersten Gemälden der Welt]] sind seine Werke im Gegensatz zu Picasso jedoch nicht zu finden. Die Beliebtheit seiner Werke ermuntern Fälscher, „echte Mirós“ anzubieten. Schätzungen gehen davon aus, dass in den grafischen Kategorien zwischen 40 und 50&nbsp;Prozent [[Kunstfälschung|Fälschungen]] auf dem Kunstmarkt angeboten werden; bei Ölgemälden sind es etwa zehn Prozent weniger. Mit Vorliebe werden die Künstler der klassischen Moderne gefälscht. Die Liste der Fälschungen führen neben [[Salvador Dalí]] Werke von Pablo Picasso, Joan Miró und [[Marc Chagall]] an.<ref>{{internetquelle|autor=Sabine Kaufmann|hrsg=planetwissen, 6. Mai 2009|url=http://www.planet-wissen.de/pw/Artikel,,,,,,,68861C642AAC42DCE0440003BA5E08BC,,,,,,,,,,,,,,,.html|titel=Kunstfälscher|zugriff=23. Juni 2009}}</ref> === Miró im Alltag und in der Musik === [[Datei:España-Logo.gif|miniatur|Das ESPAÑA-Logo]] Miró war es ein Anliegen, kunstinteressierte Menschen mit seinem Werk zu erreichen, daher ließ er ab den späten 1950er Jahren in Saint-Paul-de-Vence und Barcelona druckgrafische Serien erstellen. Auch in der Gegenwart sind die Werke des Künstlers so beliebt, dass sowohl viele [[Kunstdruck]]e mit Abbildungen seiner Werke angeboten werden als auch [[Puzzle]]s, beispielsweise das 1000-teilige Puzzle mit dem Werk ''Der Tanz des Harlekins''. Miró-Motive schmücken Teller, Becher und Tassen aus Porzellan. Liebhaber in Sachen Duft können das Parfum „Miró“ kaufen, es wird in zwei Duftnoten angeboten. Der Flakonverschluss und die Verpackung erinnern an die Motive des Künstlers. [[Datei:La Caixa Logo.svg|miniatur|hochkant=0.5|links|„la Caixa“-Logo]] Das drittgrößte Kreditinstituts Spaniens, [[la Caixa]], verwendet seit 1980 ein [[Unternehmenslogo]], ein blauer Seestern mit einem gelben und einem roten Punkt, das einem Werk Joan Mirós entnommen ist. Zur [[Fußball-Weltmeisterschaft 1982]] entwarf Miró ebenfalls ein Logo, in abgewandelter Form dient es gegenwärtig dem spanischen Fremdenverkehrsamt als Erkennungsmerkmal. Es zeigt eine Sonne, einen Stern und den Schriftzug „ESPAÑA“.<ref>{{internetquelle|autor=|hrsg=spanieninfo.ch|url=http://www.spanieninfo.ch/news.asp?id=1117|titel=Das Miró-Logo ist 25 Jahre alt|zugriff=28.&nbsp;Juni 2009}}</ref> Das „Miró Quartet“ wurde 1995 gegründet. Das professionelle [[Streichquartett]] hat seinen Sitz in [[Austin (Texas)|Austin]], [[Texas]]. Seine Mitglieder sind Daniel Ching, Violine, Sandy Yamamoto, Violine, John Largess, Bratsche und Joshua Gindele, Violincello.<ref>{{internetquelle|autor=|hrsg=miroquartet.com|url=http://www.miroquartet.com/|titel=Miró Quartet|zugriff=24.&nbsp;Juni 2009}}</ref> === Museen und Stiftungen mit Bezug auf Miró === [[Datei:Fundacion-miro.jpg|miniatur|Die {{lang|ca|Fundació Joan Miró}}]] [[Datei:Mont-roig Eingang zum Centre Miro.JPG|miniatur|Eingang zum Centre Miró in der Alten Kirche von Mont-roig]] Im Jahr 1975 öffnete die Stiftung [[Fundació Joan Miró]] – Centre d’Estudis d’Art Contemporani, deren Gebäude in Barcelona von [[Josep Lluís Sert]] geplant wurde, ihre Pforten für die Öffentlichkeit. Dort ist eine große Anzahl von Gemälden, Skulpturen, Wandteppichen und [[Lithografie]]n ausgestellt. Wechselnde Präsentationen moderner Kunst ergänzen Mirós Werk. Die Idee zu dieser Stiftung geht auf den Jugendfreund des Künstlers, [[Joan Prats]], zurück, der mit einer umfangreichen Schenkung den Grundstock zur heutigen Sammlung legte. Im Jahr 1981 wurde die zweite Stiftung, die [[Fundació Pilar i Joan Miró a Mallorca]], gegründet. Das Atelier ''Son Boter'', die von Sert erbaute Werkstatt sowie ein im Jahr 1992 von dem Architekten [[Rafael Moneo]] erbautes Museum als Stiftungssitz, das 2500 Werke des Künstlers zeigt, sind im Rahmen der Ausstellung zu sehen. Das ehemalige Wohnhaus Mirós, ''Son Abrines'', ist gegenwärtig Privatbesitz und kann nicht besichtigt werden. Seit 2004 bietet das Centre Joan Miró in [[Mont-roig del Camp]] die Möglichkeit, Mirós Gesamtwerk über Mont-roig kennenzulernen – wenngleich ausschließlich anhand naturgetreuer Kopien. Seine Werke sind in Museen der ganzen Welt zu finden. Das Zentrum befindet sich in der Alten Kirche von Mont-roig del Camp, der Esglesia Vella. Der Künstler malte sie 1919 in seinem Bild ''Poble i església de Mont-roig'' (''Dorf und Kirche von Mont-roig''). Im Centro Miró gibt es ein Faltblatt, das die Bildthemen von Mirós frühen Werken, die Montroig zum Thema haben, aufzeigt. Die Standorte, von denen aus er zeichnete, sind im Umkreis des Ortes mit großen Schildern markiert.<ref>[http://www.centremiro.com/ Homepage des ''Centre Miró'' in Mont-roig] (Auf Katalanisch und Spanisch) und Ausstellungsinformationen</ref> === Joan-Miró-Preis === Seit 2007 vergibt die Fundació Joan Miró gemeinsam mit der Fundació Caixa Girona den mit 70.000&nbsp;[[Euro]] dotierten Joan-Miró-Preis. Den ersten vergebenen Preis erhielt im Jahre 2007 [[Olafur Eliasson]], gefolgt 2009 von der Schweizer Künstlerin [[Pipilotti Rist]].<ref>''[http://www.kultur-online.net/?q=node/7563 Joan Miró Preis für Pipilotti Rist]''. Abgerufen am 24. Juni 2009.</ref> == Auszeichnungen (Auswahl) == *1952: Ernennung zum Mitglied des [[Collège de ’Pataphysique]] in Paris *1954: Großer Preis für Grafik auf der [[Biennale in Venedig]] *1957: Beförderung zum ''[[Satrap]]'' des Collège de ’Pataphysique in Paris *1958: Guggenheim International Award (verliehen 1959 durch US-Präsident Eisenhower) *1968: Ehrendoktortitel der [[Harvard University]] *1978: Goldmedaille der [[Generalitat de Catalunya|Generalität von Katalonien]] *1979: [[Ehrendoktor]]würde der Universität von Barcelona *1980: Goldmedaille der Schönen Künste des spanischen Staats, verliehen durch [[Juan Carlos I. (Spanien)|Juan Carlos I.]] == Ausstellungen (Auswahl) == *1918: ''Joan Miró'', erste Einzelausstellung, Galerías Dalmau, Barcelona *1921: ''Joan Miró'', Galerie La Licorne, [[Paris]] *1940: ''Joan Miró. Early Paintings 1918 to 1927'', Pierre Matisse Gallery, [[New York City|New York]] *1941/42: ''Joan Miró'', [[Museum of Modern Art]], New York (Retrospektive) *1948: ''Picasso. Gris. Miró'', [[San Francisco Museum of Modern Art]], [[San Francisco]] *1954: [[Biennale di Venezia|Biennale von Venedig]], Venedig *1955: [[documenta 1]], [[Kassel]] *1959: [[documenta II]], Kassel *1960: ''Joan Miró. Lithographien'', [[Alfred Schmela|Galerie Schmela]], [[Düsseldorf]] *1962: ''Joan Miró'', [[Musée National d’Art Moderne]], Paris *1964: [[documenta III]], Kassel *1972: ''Miró – Magnetic Fields'', [[Solomon R. Guggenheim Museum]], New York *1974: ''Joan Miró'', [[Grand Palais]], Paris *1974: ''Picasso to Lichtenstein'', [[Tate Gallery]], [[London]] *1977: [[documenta 6]], Kassel *1983: ''Joan Miró: A Ninetieth-Birthday Tribute'', Museum of Modern Art, New York, und ''Joan Miró: anys 20. Mutació de la realitat'', [[Fundació Joan Miró]], Barcelona *1990: ''Joan Miró Retrospective'', [[Fondation Maeght]], [[Saint-Paul (Alpes-Maritimes)|Saint-Paul de Vence]] (Retrospektive) *1996/1997: ''Joan Miró – Zeichnungen und Skulpturen, 1945–1983, Werke aus der Fundació Miró, Barcelona'', [[Deichtorhallen]], [[Hamburg]] *2001: ''Miró – Später Rebell'', Kunstforum Wien, Wien *2004: ''Joan Miró. La naissance du monde'', [[Centre Georges Pompidou]], Paris *2008: ''Miró – La Terra'', Palazzo dei Diamanti, [[Ferrara]] *2008/09 ''Joan Miró: Painting and Anti-Painting 1927–1937'', Museum of Modern Art, New York *2009: ''Miró – Dupin. Art i poesia'', 17. Juni bis 18. Oktober 2009, Fundació Joan Miró, Barcelona *2010: ''Joan Miró – Die Farbe seiner Träume'', 5. März bis 6. Juni 2010, [[Graphikmuseum Pablo Picasso Münster|Picasso-Museum]], Münster *2010: ''Miró. Die Farben der Poesie'', 2. Juli bis 14. November 2010, [[Museum Frieder Burda]], Baden-Baden == Werke (Auswahl) == <small>Die französischen und deutschen Titel folgen der Biografie von Janis Mink über Miró. In den Museen werden die Titel oft in der Landessprache wiedergegeben, beispielsweise in englischer oder katalanischer Sprache.</small> '''Objets trouvés – Skulpturen''' [[Datei:La caricia de un pájaro.jpg|miniatur|hochkant=0.75|''La carícia d’un ocell'' (''Zärtlichkeit eines Vogels''), 1967, Bemalte Bronze, Fundació Miró, Barcelona]] Einige der hier vorgestellten kleineren Skulpturen dienten später als Vorlage zu Monumentalplastiken. *1931: ''Objet'' (''Objekt''), Öl auf Holz, Nägel, Bindfaden, Knochen, Kichererbse, 40&nbsp;×&nbsp;29,7&nbsp;×&nbsp;22&nbsp;cm, [[Museum of Modern Art]], New York [http://www.moma.org/collection/browse_results.php?artistFilterInitial=V&criteria=O%3ATA%3AE%3Aex4668&page_number=4&template_id=1&sort_order=6 Abb.] *1946–1949: ''L’Oiseau lunaire'' (''Mondvogel''), Bronze, 19&nbsp;×&nbsp;17&nbsp;×&nbsp;12,5&nbsp;cm, [[Fundació Joan Miró]] [http://fundaciomiro-bcn.org/coleccio_obra.php?obra=717&idioma=2 Abb.] *1946–1949: ''L’Oiseau solaire'' (''Sonnenvogel''), Bronze, 13,5&nbsp;×&nbsp;11&nbsp;×&nbsp;18,5&nbsp;cm, Fundació Joan Miró [http://fundaciomiro-bcn.org/coleccio_obra.php?obra=716&idioma=2 Abb.] *1967: ''Femme'' (''Frau''), Bronze, 57&nbsp;×&nbsp;21,5&nbsp;×&nbsp;21,5&nbsp;cm, Fundació Joan Miró [http://fundaciomiro-bcn.org/coleccio_obra.php?obra=721&idioma=2 Abb.] *1967: ''The Sun, the Moon and One Star'' (''Sonne, Mond und ein Stern''), Bronze [http://upload.wikimedia.org/wikipedia/en/2/2c/20070624_Project_for_a_Monument_%28Moon%2C_Sun_and_One_Star%29.JPG Abb.], [[Milwaukee Art Museum]]; wurde 1981 als Skulptur unter dem Titel ''Miró’s Chicago'', Beton, Bronze, Keramik, 12&nbsp;m, am Cook County Administration Building, 69&nbsp;W. Washington St. in Chicago aufgestellt. [http://upload.wikimedia.org/wikipedia/en/1/15/20070530_Miro_-_Miro%27s_Chicago.JPG Abb.] und [http://chicago-outdoor-sculptures.blogspot.com/2007/11/miros-chicao.html Abb.] *1969: ''Torso'', Bronze, 120&nbsp;×&nbsp;175&nbsp;×&nbsp;125&nbsp;cm, Galerie Bayeler, Basel (1980) [http://www.vilaghy.com/images/LA_Joan_Miro_Torso.jpg Abb.] *1970: ''Personnage'' (''Figur''), Bronze, 200&nbsp;×&nbsp;100&nbsp;×&nbsp;120&nbsp;cm, Fundació Joan Miró [http://fundaciomiro-bcn.org/coleccio_obra.php?obra=731&idioma=2 Abb.] *1976: ''Personnage gotique'' (''Gotische Figur''), Bronze, 450&nbsp;×&nbsp;200&nbsp;×&nbsp;160&nbsp;cm, Collection Adrien Maeght, Paris (1984) '''Gemälde''' *1917: ''Nord-Sud'', Öl auf Leinwand, 62&nbsp;×&nbsp;70&nbsp;cm, Privatbesitz [http://joan-miro.ifrance.com/images/miro5a.JPG Abb.] *1919: ''Autoportrait'' (''Selbstporträt''), Öl auf Leinwand, 75&nbsp;×&nbsp;60&nbsp;cm, [[Musée Picasso]], Paris [http://www.abcgallery.com/M/miro/miro31.html Abb.] *1920: ''La table – Nature mort au lapin'' (''Der Tisch – Stillleben mit Kaninchen''), Öl auf Leinwand, 130&nbsp;×&nbsp;96&nbsp;cm, Privatbesitz [http://severine.alvares.free.fr/latable.gif Abb.] *1921/22: ''La ferme'' (''[[Der Bauernhof (Miró)|Der Bauernhof]]''), Öl auf Leinwand, 124,8&nbsp;×&nbsp;41,3&nbsp;cm, National Gallery of Art, Washington D. C., eine Stiftung von Mary Hemingway [http://www.nga.gov/cgi-bin/pinfo?Object=68456+0+none Abb.] *1923/24: ''La terre labourée'' (''Gepflügte Erde''), Öl auf Leinwand, 66&nbsp;×&nbsp;92,7&nbsp;cm, Solomon R. Guggenheim Foundation, New York [http://co.guggenheim-deployment.com/media/full/72.2020_ph_web.jpg Abb.] *1923/24: ''Paysage catalan (Le chasseur)'' (''Katalanische Landschaft (Der Jäger)'', Öl auf Leinwand, 64,8&nbsp;×&nbsp;100,3&nbsp;cm, Museum of Modern Art, New York [http://www.nzz.ch/images/__1.816178.1219736633.jpg Abb.] *1924/25: ''Le carnaval d’Arlequin'' ''([[Karneval des Harlekins]])'', Öl auf Leinwand, 66&nbsp;×&nbsp;93&nbsp;cm, Albright-Knox Art Gallery, [[Buffalo]] [http://images.easyart.com/i/prints/rw/lg/1/6/Joan-Miro-Karneval-des-Harlekins-162921.jpg Abb.] *1925: ''Étoiles en des sexes d’escargot'' (''Sterne im Geschlecht von Schnecken''), Öl auf Leinwand, 129,5&nbsp;×&nbsp;97&nbsp;cm, Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen, Düsseldorf ([http://www.artchive.com/1925/miro.html Abb.] *1925: ''L’Addition'' (''Die Rechnung''), Öl auf Leinwand, 195&nbsp;×&nbsp;129,2&nbsp;cm, Musée National d’Art Moderne, Centre Georges Pompidou, Paris [http://www.curiosphere.tv/miro/03amis/accueil.html Abb.] *1925: ''Danseuse II'' (''Tänzerin II''), Öl auf Leinwand, 115,5&nbsp;×&nbsp;88,5&nbsp;cm, Sammlung Rosengart, [[Luzern]] [http://www.iatwm.com/200508/SammlungRosengart/miro.jpg Abb.] *1925: ''Baigneuse'' (''Badende''), Öl auf Leinwand, 73&nbsp;×&nbsp;92&nbsp;cm, Musée National d’Art Moderne, Paris [http://www.hotels-paris-rive-gauche.com/blog/images/Alecluse/Fcombalia_bcnparis1.jpg Abb.] *1925: ''Photo – ceci est la couleur de mes rêves'' (''Photo – das ist die Farbe meiner Träume''), Öl auf Leinwand, 96,5&nbsp;×&nbsp;129,5&nbsp;cm, Privatbesitz [http://www.musee-magritte-museum.be/Typo3/fileadmin/templates/images/surrealisme/zoom_phot_joan_miro.jpg Abb.] *1926: ''Personnage lancant un pierre à un oiseau'' (''Figur, einen Stein nach einem Vogel werfend''), Museum of Modern Art, New York [http://wwwdelivery.superstock.com/WI/223/260/PreviewComp/SuperStock_260-387.jpg Abb.] *1927: ''48'', Öl auf leimgrundierter Leinwand, 146,1&nbsp;×&nbsp;114,2&nbsp;cm, Privatsammlung *1927: ''Paysage (Le lièvre)'' (''Landschaft (Hase)'', Öl auf Leinwand, 130&nbsp;×&nbsp;195&nbsp;cm, Solomon R. Guggenheim Foundation, New York [http://en.www.mcu.es/principal/img/novedades/2008/Miro_Tierra03.jpg Abb.] *1928: ''Intérieurs hollandais'', (''Holländische Interieurs I bis III'') [http://render.vide.pl/vide_R12368.jpg Abb. von I] *1929: ''La Reine Louise de Prusse'' (''Königin Luise von Preußen''), Öl auf Leinwand, 82,4&nbsp;×&nbsp;101&nbsp;cm, Meadows Museum, Dallas [http://www.koenigin-luise.com/Bilder/Bilder_Sonstiges/sonstiges2/JoanMiro.jpg Abb.] *1933: ''Composition'' (''Komposition)'', Öl auf Leinwand, [[Kunstmuseum Bern]], Bern [http://www.abcgallery.com/M/miro/miro-4.html Abb.] *1933/34: ''Hirondelle/Amour'' (''Schwalbe/Liebe''), Öl auf Leinwand, 199,3&nbsp;×&nbsp;247,6&nbsp;cm, Museum of Modern Art, New York [http://www.moma.org/collection/browse_results.php?criteria=O%3AYM%3AG%3A1930%7CA%3AYM%3AL%3A1939%7CG%3AHO%3AE%3A1&page_number=20&template_id=1&sort_order=1 Abb.] *1935: ''Corde et personnage I'' (''Strick und Personen I''), Öl und Strick auf Karton geklebt auf Holzplatte, 104,7&nbsp;×&nbsp;74,6&nbsp;cm, Museum of Modern Art, New York [http://www.moma.org/explore/collection/provenance/items/71.36.html Abb.] *1936: ''Homme et femme devant un tas d’excréments'' (''Mann und Frau vor einem Kothaufen''), Öl auf Kupfer, 23,2&nbsp;×&nbsp;32&nbsp;cm, Fundació Joan Miró, Barcelona [http://www-sop.inria.fr/omega/personnel/Christophe.Berthelot/images/JMiro/miro19.JPG Abb.] *1937: ''Nature morte au vieux soulier'' (''Stillleben mit altem Schuh''), Öl auf Leinwand, 81,3&nbsp;×&nbsp;116,8&nbsp;cm, Museum of Modern Art, New York [http://www.artknowledgenews.com/MoMA_exhibition_of_Joan_Miro.html Abb.] *1939: ''Flug eines Vogels über die Ebene'', Solomon R. Guggenheim Museum, New York *1941: ''Chiffres et constellations amoureux d’une femme'' ([[Konstellationen (Miró)|Konstellation]] Nr. 19: ''Ziffern und Sternbilder, in eine Frau verliebt''), Gouache und Terpentinfarben auf Papier, 46&nbsp;×&nbsp;38&nbsp;cm, The Art Institute of Chicago [http://artsquat.files.wordpress.com/2009/04/miroreal1.jpg Abb.] *1945: ''La course de taureaux'' (''Der Stierkampf''), Öl auf Leinwand, 114&nbsp;×&nbsp;145&nbsp;cm, Musée National d’Art Moderne, Paris *1949: ''Personnes et chien devant le soleil'' (''Personen und Hund vor der Sonne''), 81&nbsp;×&nbsp;55&nbsp;cm, [[Kunstmuseum Basel]], Basel [http://www.reproarte.com/tableau/Joan_Mir%C3%B3/Personas+y+perro+antes+del+sol+/14442.html Abb.] *1950: ''Peinture'' (''Malerei''), Öl, Stricke und Case-Arti auf Leinwand, 99&nbsp;×&nbsp;76&nbsp;cm, [[Van Abbemuseum]], [[Eindhoven]] *1953: ''Les échelles en roue de feu traversent l’azur'' (''Die Leitern durchziehen als Feuerrad das Himmelsblau''), Öl auf Leinwand, 116&nbsp;×&nbsp;89&nbsp;cm, Privatbesitz [http://www.edunet.ch/classes/courtedoux/images/echellesMiro.jpg Abb.] *1961: ''Bleu I'', Öl auf Leinwand, 2,7&nbsp;×&nbsp;3,6&nbsp;m; ''Bleu II'', Öl auf Leinwand, 2,7&nbsp;×&nbsp;3,6&nbsp;m; ''Bleu III'', Öl auf Leinwand, 2,7&nbsp;×&nbsp;3,5&nbsp;m, I, II, III: Musée d’Art Moderne, Centre Georges Pompidou, Paris [http://www.holidaycheck.ch/vollbild-Fundaci%C3%B3+Joan+Mir%C3%B3+Bleu+II+1961-ch_ub-id_1156369332.html Abb. ''Bleu II] *1968: ''Paysan catalan au clair de la lune'' (''Katalanischer Bauer im Mondschein''), Acryl auf Leinwand, 162&nbsp;×&nbsp;130&nbsp;cm, Fundació Joan Miró, Barcelona *1973: ''Mai 1968'', Acryl auf Leinwand, 200&nbsp;×&nbsp;200&nbsp;cm, Fundació Joan Miró, Barcelona [http://www.abcgallery.com/M/miro/miro72.html Abb.] *1978: ''Figuren, Vögel, Stern'', Acryl auf Leinwand, 88,7&nbsp;×&nbsp;115&nbsp;cm, Fundació Joan Miró, Barcelona '''Collagen''' Eine Auswahl von Collagen findet sich auf dieser [http://aic.stanford.edu/sg/bpg/annual/v15/bp15-10.html Webseite] '''Wandteppiche''' *1974: ''Wandteppich des [[World Trade Center]]'', New York, zerstört am 11. September 2001 [http://www.literaturknoten.de/info_aktu/aktuelles/archiv/010911_wtc/pics_wtc/990103h03.jpg Abb.] *1977: Wandteppich in Zusammenarbeit mit Josep Royo für die National Gallery of Art in Washington *1979: ''Tapís de la Fundació'', Wolle, 750&nbsp;×&nbsp;500&nbsp;cm, Fundació Joan Miró, Barcelona '''Keramikwände''' *1950: Universität von Harvard *1958: UNESCO, París *1964: Handelshochschule, Sankt Gallen, Schweiz *1964: Fundació Maeght, Saint-Paul-de-Vence *1970: Terminal B, Flughafen Barcelona *1970: Weltausstellung, Osaka *1971: Wilhelm-Hack-Museum, Ludwigshafen *1972: Cinématèque, París *1980: Kongresszentrum Madrid *1983: Parc de la Mar, Palma de Mallorca '''Buchillustrationen''' *1930: [[Tristan Tzara]]: ''L’Arbre des Voyageurs'', mit vier Lithographien *1933: [[Georges Hugnet]]: ''Enfances'', mit drei Radierungen *1948: [[Henry Miller]]: ''The Smile at the Foot of the Ladder'', dt. ''Das Lächeln am Fuße der Leiter''. Rowohlt, Reinbek 1978, ISBN 978-3-499-14163-8 *1951: Tristan Tzara: ''Parler seul'' *1954: Joan Miró: ''Une Hirondelle'', Text und Zeichnungen von Miro *1957: [[René Crevel]]: ''La bague d’aurore'', mit fünf Radierungen *1958: [[Paul Éluard]]: ''A toute épreuve'', mit 80 Holzschnitten [http://www.arcadja.com/artmagazine/it/wp-content/gallery/080314-top-lot/eluard-paul-a-toute-epreuve.jpg Abb.] *1959: [[René Char]]: ''Nous avons'', mit fünf Radierungen *1961: [[Raymond Queneau]]: ''Album 19'', mit 19 Lithografien *1966: [[Alfred Jarry]]: ''[[König Ubu|Ubu Roi]]'', mit 13 Lithografien *1967: [[Yvan Goll|Ivan Goll]]: ''Bouquets de rêves pour Neila'', mit 19 Lithografien *1971: Joan Miró: ''Ubu aux baléares'' und ''Le lezard aux plumes d’or'', Texte und Zeichnungen *1972: [[Joan Brossa]]: ''Oda a Joan Miró'', mit acht Lithografien *1975: [[Jacques Prévert]]: ''Adonis'', mit 63 Radierungen == Literatur == '''Schriften von Miró''' *Joan Miró: ''Ceci est la couleur de mes rêves. Entretiens avec [[Georges Raillard]]''. Paris 1977 *Margit Rowell (Hrsg.): ''Joan Miró. Selected Writings and Interviews''. Thames & Hudson, London 1987 *Ernst Scheidegger (Hrsg.): ''Joan Miró. Gesammelte Schriften, Fotos, Zeichnungen'', Zürich 1957 '''Biografien''' *Gaston Diehl: ''Miró''. Gondrom. Bindlach 1996, ISBN 3-811-21044-0 *[[Jacques Dupin]]: ''Miró'' (1961). Neuauflage Flammarion, Paris 2004, ISBN 2-080-11302-X; dt. ''Joan Miró – Leben und Werk''. DuMont Schauberg, Köln 1961 *Walter Erben: ''Joan Miró, 1893–1983. Mensch und Werk''. Taschen-Verlag, Köln 2004, ISBN 3-822-82356-2 *Janis Mink: ''Joan Miró''. Taschen, Köln 2006, ISBN 978-3-8228-6367-1 *[[Roland Penrose]]: ''Miró'', Thames & Hudson, London 1985, ISBN 0-500-20099-8 *[[Hans Platschek]]: ''Joan Miró''. Rowohlt, Reinbek 1993, ISBN 3-499-50409-X *Stephan von Wiese u.&nbsp;a.: ''Joan Miró. Schnecke, Frau, Blume, Stern''. Prestel, München 2002, ISBN 3-980-82084-X '''Darstellungen''' *[[Diether Rudloff]]: ''Unvollendete Schöpfung. Künstler im zwanzigsten Jahrhundert''. Urachhaus, Stuttgart 1982, ISBN 3-878-38368-1 '''Ausstellungskataloge''' *Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen, Düsseldorf (Hrsg.): ''Einblicke. Das 20.&nbsp;Jahrhundert in der Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen, Düsseldorf''. Hatje Cantz, Ostfildern 2000, ISBN 3-775-70853-7 *Thomas Krens (Vorwort): ''Rendezvous. Masterpieces from the Centre Georges Pompidou and the Guggenheim Museums''. Guggenheim Museum Publications, New York 1998, ISBN 0-892-07213-x *''Joan Miró. Werke in der Sammlung Würth'', Swiridoff, Künzelsau 2008, ISBN 3-899-29142-5 ;Untersuchungen *Erich Riewert: ''Miró und Jarry. Ein Beitrag zur literarischen Rezeption in der bildenden Kunst''. Lang, Frankfurt/M. 2005, ISBN 3-631-54212-7 *Evelyn Benesch/Ingried Brugger (Hrsg.): ''Miró. Später Rebell''. Kunstforum Wien/Edition Minerva, Wolfratshausen 2001, ISBN 3-932-35349-8 '''Werkverzeichnisse''' *''Joan Miró. Der Lithograph, 1930–1972''. Vier Bände, hrsg. von Patrick Cramer. Edition Weber, Genf 1972–1982 *''Joan Miró. Arbeiten auf Papier, 1901–1977''. Hrsg. von Carl Haenlein, Kestner-Gesellschaft, Hannover 1977 *''Obra de Jean Miró'', Bestandskatalog der Fundació Miro mit 1679 Arbeiten, Barcelona 1988 *''Joan Miró. The Illustrated Books. Catalogue Raisonné'', hrsg. von Patrick Cramer. Patrick Cramer, Genf, 1989 *''Miró Radierungen, 1928–1975''. Drei Bände, hrsg. von Jacques Dupin. Edition Weber, Genf 1984–1991 *''Joan Miró. Paintings. Catalogue Raisonné''. Hrsg. von Jacques Dupin. Daniel Lelong, Paris 2002, ISBN 978-2-868-82049-5 *''Joan Miró. Sculptures. Catalogue Raisonné 1928–1982''. Hrsg. von E. Fernando Miró, Daniel Lelong, Paris 2006, ISBN 978-2-868-82074-7 *''Joan Miró, Josep Llorens Artigas. Ceramics. Catalogue raisonné 1941–1981'', hrsg. von Cristina Calero Fernandez. Galerie Lelong and Successio Miró, Paris 2007, ISBN 978-2-868-82079-2 == Weblinks == {{wikiquote|Joan Miró}} {{Commons|Category:Joan Miró|Joan Miró}} * {{DNB-Portal|118582712}} * [http://fundaciomiro-bcn.org/ Museum Fundació Joan Miró – Barcelona] (Auf Katalanisch, Spanisch und English) * [http://miro.palmademallorca.es/deutsch/index.htm Fundació Pilar i Joan Miró − Palma de Mallorca] * [http://www.sammlung-frieder-burda.de/content/skulptur/miro/content.html Joan Miró in der Sammlung Frieder Burda] * [http://www.artcyclopedia.com/artists/miro_joan.html Joan Miró in der artcyclopedia] (englisch) * [http://www.kunstaspekte.de/index.php?tid=32838&action=termin Biografie Joan Miró von kunstaspekte] * [http://www.centremiro.com/ Centre Miró in Mont-roig] (Auf Katalanisch und Spanisch) * [http://www.4wdmedia.de/leistungen/360-grad-panoramen-virtuelle-rundgaenge.html?example=1 Innenraum-Panorama im Museum Joan Miró, Palma de Mallorca] * [http://www.famousartistsgallery.com/gallery/miro.html Famous Artists Gallery] (Auf Englisch) == Anmerkungen und Einzelnachweise == <references/> {{exzellent}} {{Bildrechtshinweis}} {{Normdaten|PND=118582712|LCCN=n/79/38450|VIAF=9850739}} {{SORTIERUNG:Miro, Joan}} [[Kategorie:Spanischer Maler]] [[Kategorie:Spanischer Bildhauer]] [[Kategorie:Spanischer Grafiker]] [[Kategorie:Maler des Surrealismus]] [[Kategorie:Surrealismus]] [[Kategorie:Künstler (documenta)]] [[Kategorie:Radierer]] [[Kategorie:Keramiker]] [[Kategorie:Pataphysik]] [[Kategorie:Person (Katalonien)]] [[Kategorie:Mallorquiner]] [[Kategorie:Geboren 1893]] [[Kategorie:Gestorben 1983]] [[Kategorie:Mann]] {{Personendaten |NAME=Miró, Joan |ALTERNATIVNAMEN=Miró i Ferrà, Joan |KURZBESCHREIBUNG=spanischer (katalanischer) Maler |GEBURTSDATUM=20. April 1893 |GEBURTSORT=[[Barcelona]], Katalonien, Spanien |STERBEDATUM=25. Dezember 1983 |STERBEORT=[[Palma]], Mallorca, Spanien }} {{Link FA|ca}} [[bg:Жоан Миро]] [[ca:Joan Miró i Ferrà]] [[cs:Joan Miró]] [[da:Joan Miró]] [[el:Χουάν Μιρό]] [[en:Joan Miró]] [[eo:Joan Miró]] [[es:Joan Miró]] [[fa:خوان میرو]] [[fi:Joan Miró]] [[fr:Joan Miró]] [[gl:Joan Miró]] [[he:ז'ואן מירו]] [[hr:Joan Miró]] [[hu:Joan Miró]] [[io:Joan Miró]] [[it:Joan Miró]] [[ja:ジョアン・ミロ]] [[ka:ჟოან მირო]] [[ko:호안 미로]] [[nl:Joan Miró]] [[no:Joan Miró]] [[oc:Joan Miró]] [[pl:Joan Miró]] [[pt:Joan Miró]] [[qu:Joan Miró]] [[ro:Joan Miró]] [[ru:Миро, Жоан]] [[sl:Joan Miró]] [[sr:Ђоан Миро]] [[sv:Joan Miró]] [[th:โคอัน มีโร]] [[tr:Joan Miró Ferra]] [[uk:Жуан Міро]] [[zh:胡安·米羅]] fjc35ggf2bpvwbqkfwf2m9cf0k8x4u5 wikitext text/x-wiki Misstrauensvotum 0 23940 26536 2010-04-23T12:54:45Z Philipp Wetzlar 0 Änderungen von [[Special:Contributions/79.193.2.12|79.193.2.12]] ([[User talk:79.193.2.12|Diskussion]]) rückgängig gemacht und letzte Version von [[User:87.170.213.156|87.170.213.156]] wiederhergestellt In einem [[Parlamentarisches Regierungssystem|parlamentarischem Regierungssystem]] bezeichnet man als '''Misstrauensvotum''' einen mehrheitlichen [[Parlament]]sbeschluss, der die Regierung, den Regierungschef oder einen bestimmten Minister absetzt, wenn die Verfassung es entsprechend regelt. Ein Misstrauensvotum enthebt denjenigen, gegen den es gerichtet ist, seines Amtes. Wenn es nicht mit der gleichzeitigen Benennung eines Nachfolgers verbunden ist, wird es als ''destruktives Misstrauensvotum'' bezeichnet. Bei einem ''konstruktiven Misstrauensvotum'' wird hingegen gleichzeitig ein neuer Kandidat gewählt. Dadurch übernimmt das Parlament die Verantwortung, eine Regierungskrise aktiv zu entschärfen, indem es im Moment des Vertrauensentzuges auch neues Vertrauen ausspricht, also die exekutive Macht gleichzeitig neu ausrichtet und gestaltet, statt lediglich zu demonstrieren, dass es mit dem bisherigen Kurs der Regierung nicht einverstanden ist. Ist ein konstruktives Misstrauensvotum rechtlich festgelegt, schließt dies typischerweise die Möglichkeit eines destruktiven Misstrauensvotums aus. Dem Votum geht der [[Misstrauensantrag]] voraus. In den [[Verfassung]]en der meisten Staaten muss er von einer Mindestanzahl von Abgeordneten unterstützt werden (z.&nbsp;B. einem Viertel) und die Abstimmung nach einer bestimmten Frist stattfinden. == Deutschland (Bundesebene) == === Verfassungsrechtliche Grundlagen (Wortlaut) === Der Artikel 67 des [[Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland|Grundgesetzes]] ist seit dessen Verkündung am 23. Mai 1949 unverändert geblieben, er lautet wie folgt: ::'''Artikel 67''' ::''(1) Der Bundestag kann dem Bundeskanzler das Misstrauen nur dadurch aussprechen, dass er mit der Mehrheit seiner Mitglieder einen Nachfolger wählt und den Bundespräsidenten ersucht, den Bundeskanzler zu entlassen. Der Bundespräsident muss dem Ersuchen entsprechen und den Gewählten ernennen.'' ::''(2) Zwischen dem Antrag und der Wahl müssen 48 Stunden liegen.'' === Entstehung === Die [[Weimarer Verfassung]] von 1919 verfügte (jedenfalls ihrem positiven Wortlaut zufolge) über keine ausreichenden Sicherungen für eine Regierungsunfähigkeit des Parlaments. So bestimmte Artikel 54 dieser Verfassung, dass ''[…] der Reichskanzler und die Reichsminister […] zu ihrer Amtsführung des Vertrauens des Reichstags'' bedürfen. Jedes Mitglied der Reichsregierung musste zurücktreten, ''wenn ihm der Reichstag durch ausdrücklichen Beschluss sein Vertrauen'' entzog. Auf diese Weise bestand für die Reichsregierung stets die Gefahr, von einer Mehrheit, die ausschließlich gegen die Reichsregierung gerichtet und ohne einen gemeinsamen Regierungswillen geprägt war, gestürzt oder durch die Herauslösung einzelner Minister destabilisiert zu werden. Dies wurde vielfach von extrem linken und extrem rechten Kräften genutzt, deren einzige politische Gemeinsamkeit die Ablehnung der [[Demokratie]] war. Dieses Problem war natürlich auch von der [[Staatsrecht]]slehre gesehen worden. Seit 1927 forderten daher Verfassungsrechtler, zuerst Heinrich Herrfahrdt, einen verfahrensmäßigen Zusammenhang von „Approbation“ und „Reprobation“ ([[Erich Kaufmann]]) herzustellen, also nur noch den Sturz einer Regierung zu erlauben, wenn eine mehrheitsfähige Alternative vorhanden war. Vor allem [[Carl Schmitt]] hatte diese Forderung in seiner 1928 erschienen „Verfassungslehre“ erhoben: „''Wenn die Motive sich offen widersprechen und etwa [[Deutschnationale Volkspartei|Deutschnationale]] und [[Kommunistische Partei Deutschlands|Kommunisten]] für einen Misstrauensantrag stimmen, so schließt doch offenbar die Verschiedenheit der Motive das notwendige und vernünftige Korrelat eines Misstrauensbeschlusses, nämlich die Möglichkeit des Vertrauens und einer neuen Regierungsbildung aus. Der Misstrauensbeschluß ist dann ein Akt bloßer Obstruktion. Hier kann die Pflicht zum Rücktritt nicht bestehen, jedenfalls dann nicht, wenn gleichzeitig die Auflösung des Reichstags angeordnet wird.''“ (S.&nbsp;345). Die herrschende Lehre, vertreten vor allem durch [[Gerhard Anschütz]], wollte dem aber nicht folgen. So formulierte Anschütz in seinem führenden Verfassungskommentar: „Der Ansicht Carl Schmitts, wonach ein Misstrauensbeschluss unwirksam sein soll, wenn die Motive der für ihn stimmenden Fraktionen ‚sich offen widersprechen‘, ist [[de lege ferenda]] vollauf zuzustimmen; dass sie bereits [[De lege lata|lex lata]], m.&nbsp;a.&nbsp;W. aus Art. 54 als dessen Sinn herauszulesen sei, kann ich nicht zugeben.“ (S. 103) Die Reichsregierung reagierte in der Weimarer Staatskrise auf die Obstruktionsgefahr durch negative Mehrheiten, indem sie gemäß Artikel 25 (Parlamentsauflösungsrecht des Reichspräsidenten) die Volksvertretung auflöste. In der Zeit bis zur vorgeschriebenen Neuwahl (''60 Tage nach Auflösung'') regierte sie mit Hilfe sogenannten [[Notverordnung]]en, die auf die Maßnahmenbefugnis des Reichspräsidenten nach Artikel 48 gestützt wurden. Die Auflösung eines obstruierenden Parlaments war notwendig, da nicht nur die Gefahr eines Misstrauensvotums bestand, sondern insbesondere auch die Aufhebung von präsidialen Notverordnungen nach Artikel 48 Absatz 3 (''Die Maßnahmen sind auf Verlangen des Reichstags außer Kraft zu setzen''). Die Verbindung von Artikel 54 und Artikel 48 Absatz 3 hätte also jede Regierungstätigkeit vollständig blockieren können. Da die permanente Auflösung des Parlaments die Krise nur verschärfte, wurde bereits seit Ende der 1920er Jahre nach Auswegen gesucht. Die Lösungsvorschläge waren sehr unterschiedlich. [[Ernst Fraenkel (Politikwissenschaftler)|Ernst Fraenkel]], der meist als „Vater des konstruktiven Misstrauensvotums“ bezeichnet wird, forderte etwa eine Verhinderung von Parlaments-Obstruktion durch Verfassungsreform: „Die Reform der Verfassung ist so zu gestalten, dass ein mehrheits- und handlungsunfähiger Reichstag alle Rechte und Möglichkeiten, deren ein Parlament bedarf, behält, während ein Parlament, das nicht im Stande ist, den maßgebenden Faktor staatlicher Willensbildung darzustellen, daran behindert wird, die anderen verantwortlichen Stellen handlungsunfähig zu machen.“ (Verfassungsreform, 1932). Dabei war sich Fraenkel durchaus bewusst, dass eine Verfassungsänderung gerade wegen des zu lösenden Problems nicht möglich war: „Der Ursprung der Schwierigkeiten, in denen wir uns befinden, ist in der Handlungsunfähigkeit des mehrheitsunfähigen Parlaments zu erblicken. Wäre mit dem bestehenden Reichstag eine Verfassungsreform möglich, so wäre diese Verfassungsreform überflüssig. Aus der Unmöglichkeit, die Verfassungsreform durch das Parlament durchführen zu lassen, ergibt sich deren Notwendigkeit.“ Fraenkel schlug daher eine autoritäre Änderung mit nachträglicher plebiszitärer Legitimierung vor. Andere meinten, man solle das konstruktive Misstrauensvotum einfach in die Verfassung hineininterpretieren und entsprechende Anträge einfach mit der Hinweis ignorieren, Obstruktion entspreche nicht dem Geist der Verfassung. Die Reichsregierung von Schleicher dagegen wollte, nachdem alle Versuche einer lagerübergreifenden Zusammenarbeit gescheitert waren, einen übergesetzlichen [[Staatsnotstand]] ausrufen und den Reichstag dauerhaft auflösen. Dies meinte er, unter Berufung auf den Eid des Reichspräsidenten, durch den Artikel 42 (''Schaden vom Volk abzuwehren'') rechtfertigen zu können. Hier wird deutlich, dass die Obstruktionsmöglichkeit des Reichstags geeignet war, den Staat in eine verfassungswidrige Regierungspraxis zu drängen. Dieser fehlende „Zusammenhang von Approbation und Reprobation“ ([[Erich Kaufmann]]) galt daher als Schlüsselproblem der Weimarer Verfassung. Dabei war, entgegen der landläufigen Meinung, eigentlich nicht das destruktive Misstrauensvotum (Art. 54) das Hauptproblem – dem konnte man mit der Konstruktion einer geschäftsführenden Regierung begegnen&nbsp;–, sondern die Aufhebungsbefugnis präsidialer Notverordnungen (Art. 48, Abs. 3). Wenn ein Staatsorgan die Möglichkeit hatte, aus rein negativen Motiven jede Regierungstätigkeit zu blockieren, so war die Verfassung nicht krisenfest konstruiert. Genau diesen Fehler wollte man nach dem [[Zweiter Weltkrieg|Zweiten Weltkrieg]] bei der Formulierung des [[Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland|Grundgesetz]]es vermeiden. Daher war die Einführung eines ''konstruktiven Misstrauensvotums'' im [[Parlamentarischer Rat|Parlamentarischen Rat]], der 1948/49 das [[Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland|Grundgesetz]] entwarf, zu keinem Zeitpunkt umstritten. Schon der [[Verfassungskonvent auf Herrenchiemsee]] hatte die Einrichtung des damals noch „positives Misstrauensvotum“ genannten konstruktiven Misstrauensvotums vorgeschlagen. [[Thomas Dehler]] von der [[Freie Demokratische Partei|FDP]] plädierte zwar noch für einen von [[Deutscher Bundestag|Bundestag]] und [[Bundesrat (Deutschland)|Bundesrat]] gemeinsam gewählten [[Bundeskanzler (Deutschland)|Bundeskanzler]], doch da dieser Vorschlag eine Regierungskrise nicht verhindern konnte, wurde er abgelehnt. Zunächst wurde eine Bestätigung der [[Bundesminister (Deutschland)|Bundesminister]] durch den Bundestag ebenso wie die Möglichkeit der Entfernung einzelner Minister aus dem Kabinett über ein destruktives Misstrauensvotum beschlossen; später wurden diese Vorschriften jedoch wieder verworfen, was die durch den Grundgesetzentwurf bereits verbesserte Stellung des Bundeskanzlers zusätzlich stärkte. Anzumerken bleibt, dass eine fundamentale Krise mit einem mehrheitsunfähigen Parlament, wie in den letzten Jahren von Weimar, auch die Verfassungsordnung des Grundgesetzes sprengen würde. === „Legitimität ist gleich Legalität“ === Eine durch ein konstruktives Misstrauensvotum legal ins Amt gekommene [[Bundesregierung (Deutschland)|Bundesregierung]] ist demokratisch vollständig legitimiert. Diese Entscheidung fällte das [[Bundesverfassungsgericht]] anlässlich einer Organklage gegen den [[Bundespräsident (Deutschland)|Bundespräsidenten]]. Dieser hatte 1983 den Deutschen Bundestag aufgelöst, nachdem Bundeskanzler Kohl eine Abstimmung über die [[Vertrauensfrage (Grundgesetz)|Vertrauensfrage]] absichtlich verloren hatte und so Neuwahlen herbeiführen wollte, da er und die ihn tragende Koalition aus CDU, CSU und FDP der Ansicht waren, dass eine neue Koalition nicht nur der Legalität des Grundgesetzes, sondern auch einer neuen Legitimation durch den Wähler bedürfe. Sie hatten daher bewusst in den Koalitionsverhandlungen vom September 1982 nur ein sogenanntes „Notprogramm“ formuliert, welches die drängendsten wirtschaftspolitischen Fragen angehen sollte. Alle weiteren Fragen sollten dem Wähler vorgelegt werden. In der Diskussion zwischen Bekanntwerden des konstruktiven Misstrauensvotums und der Bundesverfassungsgerichtsentscheidung vom 16. Februar 1983 (BVerfGE 62, 1) war auch die Argumentation vertreten worden, die FDP sei mit dem „Versprechen“ der weiteren Zusammenarbeit mit der [[Sozialdemokratische Partei Deutschlands|SPD]] in die [[Bundestagswahl 1980]] gegangen; eine Aufkündigung dieser Zusammenarbeit und eine sich anschließende Kooperation mit der [[Unionsparteien|CDU/CSU]] ohne vorherige Neuwahl sei Wählertäuschung und illegitim, mindestens politisch, möglicherweise aber auch rechtlich. Andererseits wurde die Ansicht vertreten, dass CDU/CSU und FDP bereits vor dem konstruktiven Misstrauensvotum vereinbart hätten, bald Neuwahlen herbeizuführen; damit sei das Vertrauen, das die von diesen Parteien getragene Bundestagsmehrheit dem neuen Bundeskanzler ausgesprochen habe, beschränkt gewesen und eine Nichtdurchführung von Neuwahlen deshalb illegitim. Das Bundesverfassungsgericht hat beiden Argumentationen entschlossen widersprochen, mit der Formel ''„Legitimität ist gleich Legalität“'': Aufgrund der verfassungsrechtlich formellen [[Legalität]] des Verfahrens ist auch die demokratische [[Legitimität]] der auf diese Weise ins Amt gekommenen Regierung in verfassungsgemäßer Weise gegeben. Eine weitergehende Legitimation ist nicht geboten. Es bezeichnete die Argumentation, eine durch konstruktives Misstrauensvotum an die Macht gekommene Regierung bedürfe einer besonderen demokratischen Legitimation, als „unverantwortliches Unterfangen“ (BVerfGE 62, 1, Absatz 159). Diese Rechtsprechung wirkt in zwei Richtungen: * Die Regierung hat keinen Gestaltungsspielraum hinsichtlich des Zeitpunktes der Bundestagswahl, indem sie die Vertrauensfrage einsetzt. * Eine Regierung darf politisch die Frage nach „neuer“ politischer Legitimität nicht stellen. Denn sie ist als konstruktive Alternative angetreten. Daraus ergibt sich eine Stärkung des Repräsentationsprinzips und der parlamentarischen Kontinuität. In diesem Sinne ist die Regierung als Parlamentsregierung zu verstehen. ''siehe:'' [[Vertrauensfrage#Äquivalenzformel (Legalität ist gleich Legitimität)|Weiterentwicklung]], [[Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Vertrauensfrage 2005]] === Voraussetzungen und Rechtsfolgen === :Artikel 67 :(1) Der Bundestag kann dem Bundeskanzler das Mißtrauen nur dadurch aussprechen, daß er mit der Mehrheit seiner Mitglieder einen Nachfolger wählt und den Bundespräsidenten ersucht, den Bundeskanzler zu entlassen. Der Bundespräsident muß dem Ersuchen entsprechen und den Gewählten ernennen. :(2) Zwischen dem Antrage und der Wahl müssen achtundvierzig Stunden liegen. Die in Art. 67 GG genannte Frist von 48 Stunden hat die Aufgabe, es dem bisherigen Bundeskanzler zu ermöglichen, mit dem Bundestag oder Teilen von ihm Verhandlungen zu führen, die eventuell zu seiner Nichtabwahl führen könnten. Außerdem sollen Überraschungsentscheidungen vermieden und es jedem Abgeordneten ermöglicht werden, an der Abstimmung teilzunehmen. Nach § 97 der [[Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages]] muss der Antrag nach Art. 67 GG von mindestens einem Viertel der Mitglieder des Bundestag oder einer ebensogroßen [[Fraktion (Bundestag)|Fraktion]] unterzeichnet sein. Enthält der Antrag nicht den Namen einer zum Bundeskanzler zu wählenden Person, so darf er nicht auf die Tagesordnung gesetzt werden, da ein solcher Antrag nicht den Vorschriften des konstruktiven Misstrauensvotums genügt. Die Wahl erfolgt – wie die Wahl des Bundeskanzlers nach Artikel 63 – mit verdeckten Stimmkarten, also geheim. Die Geschäftsordnung sieht auch die Möglichkeit vor, dass es bei der Abstimmung mehrere Kandidaten gibt. In jedem Fall benötigt der Gewählte die Stimmen der Mehrheit der Mitglieder des Bundestages. Ist der Antrag nicht erfolgreich, so ergeben sich aus dieser politischen Niederlage der Antragsteller keine verfassungsrechtlichen Konsequenzen. Ist der Misstrauensantrag jedoch erfolgreich, so muss der [[Bundespräsident (Deutschland)|Bundespräsident]] den Beschluss des Bundestages vollziehen und die gesamte Regierung sofort entlassen sowie den neuen Kanzler ernennen. Er hat kein Mitspracherecht während des Verfahrens und keinen Entscheidungsspielraum wie bei der Auflösung des Bundestages nach der [[Vertrauensfrage]]. Allenfalls kann er die rechtlichen Voraussetzungen prüfen, etwa ob der Gewählte wählbar ist ([[passives Wahlrecht]]). Damit endet auch die Amtszeit der bisherigen Bundesminister (Art. 69 GG), die auf Aufforderung des Bundespräsidenten jedoch ihr Amt – genau wie der für einige Minuten oder Stunden weiter amtierende ehemalige Bundeskanzler – bis zur Ernennung ihrer Nachfolger weiterführen müssen. === Konstruktives Misstrauensvotum im Verteidigungsfall === Artikel 115 h Absatz 2 Satz 2 GG bestimmt: „''Der Gemeinsame Ausschuß<!--alte Rechtsschreibung--> kann dem Bundeskanzler das Misstrauen nur dadurch aussprechen, dass er mit der Mehrheit von zwei Dritteln seiner Mitglieder einen Nachfolger wählt''“. Nach dem 1969 durch die [[Deutsches Notstandsgesetz|Notstandsgesetze]] ins [[Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland|Grundgesetz]] eingefügten Artikel 115 h Absatz 2 des Grundgesetzes kann während des [[Verteidigungsfall]]s und wenn der [[Deutscher Bundestag|Bundestag]] nicht handlungsfähig ist, der [[Gemeinsamer Ausschuss|Gemeinsame Ausschuss]], der die parlamentarischen Aufgaben in einem solchen Fall übernimmt, dem Bundeskanzler nur dadurch das Misstrauen aussprechen, dass er mit der Mehrheit von zwei Dritteln seiner Mitglieder einen Nachfolger wählt. Ist der [[Deutscher Bundestag|Bundestag]] handlungsfähig, so finden die Vorschriften des Artikels 67 auch im Verteidigungsfall Anwendung. === Misstrauensanträge ohne gleichzeitige Benennung eines Nachfolgers === Misstrauensanträge ohne gleichzeitige Benennung eines Nachfolgers sind in Deutschland unzulässig. Daher besteht auch nicht die Möglichkeit, dass ein einzelner [[Bundesminister (Deutschland)|Bundesminister]] aus der [[Bundesregierung (Deutschland)|Bundesregierung]] durch den Bundestag entlassen wird (im praktischen Sinne – der Bundespräsident entlässt formal Bundesminister). Wollte der Bundestag einen Bundesminister unbedingt aus dem Amt entfernen, so müsste er den Bundeskanzler und damit die gesamte Bundesregierung stürzen und darauf vertrauen, dass der neu gewählte Bundeskanzler den umstrittenen Bundesminister nicht erneut ernennen lässt. Tut er es doch, so kann der Bundestag ihn allenfalls erneut stürzen, da nach Artikel 64 des Grundgesetzes die Bundesminister ausschließlich vom Bundeskanzler bestimmt werden. Allerdings kann jeder Bundesminister (und auch der Bundeskanzler) vom Bundestag aufgefordert werden, von seinem Amt zurückzutreten. Obwohl der betreffende Bundesminister in der Regel dieser Aufforderung nachkommen würde, da er offenbar politisch nicht mehr das Vertrauen der Mehrheit des Bundestages (und damit nicht mehr aller Mitglieder der seine Bundesregierung tragenden Koalition) genießt, so ist er dazu verfassungsrechtlich in keiner Weise verpflichtet. Vielmehr ist ein solcher Antrag und ein entsprechender Beschluss des Bundestages nur deswegen verfassungsrechtlich zulässig und unbedenklich, weil er keinerlei verfassungsrechtliche Konsequenzen hat. === Politische Wirkung === Neben der verfassungsrechtlichen Legalität und damit der – nach Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes – verfassungsrechtlichen Legitimität hat ein konstruktives Misstrauensvotum auch erhebliche politische Wirkung. Da in Deutschland Minderheitsregierungen äußerst selten und dann in der Regel auch nur kurzlebig sind, bedarf ein erfolgreiches konstruktives Misstrauensvotum stets einer Veränderung der politischen Ausrichtung von einigen Mitgliedern der bisherigen Mehrheit. So hatten vor dem konstruktiven Misstrauensvotum 1972 einige SPD- und FDP-[[Fraktion (Bundestag)|Fraktionsmitglieder]] ihren Wechsel zur [[Unionsparteien|Union]] erklärt, vor dem Misstrauensvotum 1982 wechselte die FDP aus einer rot-gelben in eine schwarz-gelbe Koalition. Von den von diesem Wechsel negativ betroffenen Gruppen wird eine solche Veränderung regelmäßig als „Verrat“ und Wählertäuschung delegitimiert, diejenigen, welche die Koalition wechseln, bezeichnen dies als zur Durchsetzung ihrer Interessen politisch notwendig. Das konstruktive Misstrauensvotum erhält seine Besonderheit durch die Tatsache, dass nicht nur der bisherige Bundeskanzler abgewählt, sondern auch – und dies gleichzeitig – ein neuer Bundeskanzler bestimmt wird. Die Mehrheit, die den Bundeskanzler ablösen muss, muss sich also zur gleichen Zeit auf einen Nachfolger geeinigt haben, ansonsten ist der Antrag unzulässig. Durch diese Verpflichtung wird die starke Stellung des Bundeskanzlers in der Verfassungskonstruktion des Grundgesetzes abermals betont: Es genügt zu seiner Abwahl nicht, dass er eine Mehrheit des Bundestages gegen sich hat; vielmehr muss der Bundestag eine Alternative zu ihm wählen. === Geschichte des konstruktiven Misstrauensvotum in der Bundesrepublik === Bisher gab es in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland zwei konstruktive Misstrauensvoten gegen den amtierenden Bundeskanzler: {||border=0 cellpadding="1" cellspacing="1" | style="background:#FFDEAD" align="center" colspan="8" | '''Überblick über konstruktive Misstrauensvota auf der Bundesebene in Deutschland''' |- ! width="100" style="background:#FFDEAD" | '''Datum''' ! width="130" style="background:#FFDEAD" | '''Herausforderer (Partei)''' ! width="140" style="background:#FFDEAD" | '''Bundeskanzler (Partei)''' ! width="40" style="background:#FFDEAD" | '''Ja''' ! width="40" style="background:#FFDEAD" | '''Nein''' ! width="40" style="background:#FFDEAD" | '''Enthaltung''' ! width="40" style="background:#FFDEAD" | '''abwesend / ungültig''' ! width="40" style="background:#FFDEAD" | '''Votum erfolgreich?''' |- |style="background:#FFF8DC;" |27. April 1972 |style="background:#FFF8DC;" |[[Rainer Barzel]] (CDU) |style="background:#FFF8DC;" |[[Willy Brandt]] (SPD) |style="background:#FFF8DC;" align="center" |247 |style="background:#FFF8DC;" align="center" |10 |style="background:#FFF8DC;" align="center" |3 |style="background:#FFF8DC;" align="center" |236 |style="background:#FFF8DC;" align="center" |nein |- |style="background:#FFF8DC;" |1. Oktober 1982 |style="background:#FFF8DC;" |[[Helmut Kohl]] (CDU) |style="background:#FFF8DC;" |[[Helmut Schmidt]] (SPD) |style="background:#FFF8DC;" align="center" |256 |style="background:#FFF8DC;" align="center" |235 |style="background:#FFF8DC;" align="center" |4 |style="background:#FFF8DC;" align="center" |2 |style="background:#FFF8DC;" align="center" |ja |- |} ==== Rainer Barzel gegen Willy Brandt 1972 ==== [[Datei:Willy Brandt.JPG|miniatur|Willy Brandt (1913–1992)<br />4. Bundeskanzler (1969–1974)]] [[Datei:Bundesarchiv B 145 Bild-F033246-0009, Bonn, Bundestag, Rede Bundeskanzler Brandt.jpg|miniatur|Willy Brandt 1971 im Deutschen Bundestag]] Bald nach dem Antritt seiner [[Sozialliberale Koalition|aus SPD und FDP bestehenden]] Bundesregierung im Oktober 1969 bemühte sich Bundeskanzler Willy Brandt, neben die von [[Konrad Adenauer|Adenauer]] maßgeblich betriebene [[Westintegration]] auch die Aussöhnung mit den vom [[Zeit des Nationalsozialismus|Nationalsozialismus]] stark betroffenen und nunmehr [[Realsozialismus|sozialistischen]] östlichen Nachbarn der Bundesrepublik zu stellen. Dazu wurden von bundesdeutscher Seite mit [[Volksrepublik Polen|Polen]] (7. Dezember 1970) und der [[Sowjetunion]] (12. August 1970), später auch mit der [[Deutsche Demokratische Republik|DDR]], [[Ostverträge|Verträge]] abgeschlossen, welche die Beziehungen zu diesen Ländern zu normalisieren versuchten. Insbesondere der [[Warschauer Vertrag (1970)|Vertrag mit Polen]], der die [[Oder-Neiße-Grenze]] faktisch festschrieb und womit die Bundesregierung den Anspruch auf die [[Ostgebiete des Deutschen Reiches|deutschen Ostgebiete]], die nach dem Zweiten Weltkrieg von Polen und der Sowjetunion verwaltet wurden, aufgab, erzeugte massiven Protest von [[Unionsparteien|CDU/CSU]] und den [[Heimatvertriebener|Vertriebenenverbänden]]. Bereits im Oktober 1970 waren die Abgeordneten [[Erich Mende]], [[Heinz Starke]] und [[Siegfried Zoglmann]] von der FDP zur CDU/CSU gewechselt. Am 29. Februar 1972 wechselte der Vertriebenenfunktionär [[Herbert Hupka]] von der SPD- zur CDU/CSU-Fraktion. Nachdem am 23. April 1972 auch der Abgeordnete [[Wilhelm Helms]] aus der FDP-Fraktion ausgeschieden war und die FDP-Abgeordneten [[Knut von Kühlmann-Stumm]] und [[Gerhard Kienbaum]] erklärt hatten, im Falle eines konstruktiven Misstrauensvotums gegen Brandt für seinen Gegenkandidaten zu stimmen, rechnete die CDU/CSU mit 249 sicheren Stimmen und stellte am 24. April 1972 den Antrag nach Artikel 67 des Grundgesetzes, über den drei Tage später abgestimmt wurde. Den Anfang der Debatte am 27. April 1972 machte Altbundeskanzler [[Kurt Georg Kiesinger]], indem er den Antrag der CDU/CSU-Fraktion begründete. Nach Reden von [[Herbert Wehner]] und [[Wolfgang Mischnick]] folgte der [[Auswärtiges Amt|Bundesaußenminister]] und [[Vizekanzler (Deutschland)|stellvertretende Bundeskanzler]], [[Walter Scheel]]. Er kritisierte in einem emotionalen Debattenbeitrag die „Veränderung politischer Mehrheitsverhältnisse ohne Wählerentscheid“ und sagte an die Adresse der CDU/CSU, die er im Begriff sah, die Regierungsverantwortung zu übernehmen: „Wer Regierungsmacht auf dieser moralischen Grundlage aufbauen will, der baut auf Sand.“ Damit sprach er vor allem den seiner Ansicht nach charakterlosen Wechsel einiger FDP-Abgeordneter auf die Seite der CDU/CSU an. Nach einem Auftritt des ehemaligen Bundesaußenministers [[Gerhard Schröder (CDU)]] sprach Bundeskanzler Willy Brandt und verteidigte noch einmal seine Politik der vergangenen zweieinhalb Jahre. Von den (verbliebenen) Abgeordneten von SPD und FDP nahmen fast nur die Bundesminister an der Abstimmung teil. Damit sollten einerseits eventuell noch unerkannte „Abweichler“ in den Reihen von SPD und FDP von einer Stimmabgabe abgehalten werden, andererseits sollte eventuellen „Abweichlern“ innerhalb der CDU/CSU die Gegenstimme insofern erleichtert werden, als sie nicht die einzigen ein oder zwei Gegenstimmen abgaben. Der SPD-Abgeordnete [[Günther Müller]], der gegen die Absprachen ebenfalls eine Stimme abgab, wurde später aus der SPD-Fraktion ausgeschlossen und wechselte zur CDU/CSU. Während der Auszählung durchgeführte Interviews mit Abgeordneten der Koalition wiesen daraufhin, dass selbst diese mit einem Sieg Barzels rechneten. Daher überraschte das Ergebnis allgemein: Rainer Barzel erhielt nur 247 von 260 abgegebenen Stimmen, zur absoluten Mehrheit hätte er die sicher geglaubten 249 Stimmen benötigt. Es gab zehn Neinstimmen und drei Enthaltungen. Damit war das erste konstruktive Misstrauensvotum in der Geschichte der Bundesrepublik gescheitert. In einem Interview (Dokumentation „Bonner Republik 1949–1974“) sagte Barzel: „Es fehlten mir zwei Stimmen. Heute weiss man, dass die [[Ministerium für Staatssicherheit|Stasi]] da mitgewirkt hat – und Geld“. <ref>[http://www.ardmediathek.de/ard/servlet/content/3517136?documentId=2246040 ARD-Dokumentation „Bonner Republik 1949–1974“]</ref> Schon bald nach der Abstimmung kamen Gerüchte über eine Bestechung auf. Im Juni 1973 gab der Bundestagsabgeordnete [[Julius Steiner (Politiker)|Julius Steiner]] auf einer Pressekonferenz zu, sich bei der Abstimmung über den Misstrauensantrag enthalten zu haben, wofür er von [[Karl Wienand]], damaliger [[Parlamentarischer Geschäftsführer]] der [[SPD]]-Bundestagsfraktion, 50.000 DM erhalten habe. Ein 1973 eingerichteter Untersuchungsausschuss endete ergebnislos, weil Wienand seine Beteiligung bestritt und der Ausschuss keiner Seite die Unwahrheit nachweisen konnte. Nach der Auflösung der DDR stellte sich heraus, dass das [[Ministerium für Staatssicherheit]] (Stasi) der DDR an der Bestechung beteiligt war. Von dort aus war die Bestechung unter dem Decknamen „Unternehmen Brandtschutz“ in die Wege geleitet worden. Wer neben Steiner nicht für Barzel gestimmt hat, ist bis heute ungeklärt. Spekuliert wurde über die CSU-Abgeordneten [[Ingeborg Geisendörfer]] und [[Leo Wagner]], die beide dementierten. Diese Version wurde von Journalisten der ''[[Süddeutsche Zeitung| Süddeutschen Zeitung]]'' in einem Interview mit dem Ex-Geheimdienstchef der DDR, [[Markus Wolf]], ins Gespräch gebracht, was dieser weder bestätigte noch dementierte. Im Jahre 1980 bestätigte der SPD-Fraktionsvorsitzende [[Herbert Wehner]] in einem Fernsehinterview indirekt, dass beim Misstrauensvotum 1972 auch Bestechung im Spiel war. Das trotz der Niederlage Barzels weiterhin bestehende Patt führte im Spätsommer 1972 schließlich zur [[Vertrauensfrage (Grundgesetz)|Vertrauensfrage]] Willy Brandts, dessen geplanter Niederlage und [[Bundestagswahl 1972|Neuwahlen im November]]. Die SPD unter Brandt errang erstmals mehr Stimmen als die CDU/CSU, und die Koalition mit der FDP konnte fortgesetzt werden. ==== Helmut Kohl gegen Helmut Schmidt 1982 ==== [[Datei:Schmidt.JPG|thumb|Helmut Schmidt (* 23. Dezember 1918)<br />5. Bundeskanzler (1974–1982)]] Obwohl Helmut Schmidt noch im Februar 1982 eine Vertrauensfrage deutlich gewonnen hatte, verschärften sich bis zum Sommer die Streitigkeiten innerhalb der SPD, vor allem über den [[NATO-Doppelbeschluss]], und die politischen Unterschiede zur FDP. Der Konflikt über den Bundeshaushalt 1983 führte schließlich zum Bruch der seit 1969 regierenden [[sozialliberale Koalition|sozialliberalen Koalition]]: Der FDP-Wirtschaftsminister [[Otto Graf Lambsdorff]] verfasste auf Bitte des Bundeskanzlers ein „Konzept für eine Politik zur Überwindung der Wachstumsschwäche und zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit“, in dem er sich vielen wirtschaftspolitischen Forderungen der CDU/CSU anschloss, das die SPD und ihr Bundeskanzler Helmut Schmidt jedoch als „Scheidungspapier“ betrachteten. Am 17. September 1982 traten die FDP-Minister von ihren Ämtern zurück und kamen damit einer Entlassung durch Bundeskanzler Schmidt nur kurz zuvor. Helmut Schmidt führte zunächst eine SPD-Minderheitsregierung weiter, die FDP trat in Koalitionsverhandlungen mit der CDU/CSU ein, die schließlich zum konstruktiven Misstrauensvotum am 1. Oktober 1982 führte. Innerhalb der FDP gab es schwere Auseinandersetzungen, einige ihrer Abgeordneten, die dem Wechsel ablehnend gegenüber standen, unter ihnen FDP-Generalsekretär [[Günter Verheugen]] und [[Ingrid Matthäus-Maier]], traten nach der Abstimmung ihrerseits aus der FDP aus und in die SPD ein. In der SPD wurde der Koalitionswechsel der FDP als „Verrat“ bezeichnet; der wenige Tage vor dem konstruktiven Misstrauensvotum endende Wahlkampf für die Landtagswahl in [[Hessen]] wurde sehr emotional und hart geführt: Er endete in einer schweren Niederlage der FDP, die den Wiedereinzug in den Landtag im Ergebnis verfehlte. Auch verfehlte die CDU die allseits erwartete absolute Mehrheit deutlich. Durch den Verlust des Koalitionspartners der Union endete die Wahl in einem Sieg von SPD und [[Bündnis 90/Die Grünen|Grünen]]. Bundeskanzler Helmut Schmidt eröffnete die sehr heftig geführte Bundestagsdebatte am Morgen des 1. Oktober 1982 und griff den FDP-Vorsitzenden [[Hans-Dietrich Genscher]] scharf an: „Ihre Handlungsweise ist legal, aber sie hat keine innere, keine moralische Rechtfertigung.“ Auf Schmidt folgte [[Rainer Barzel]], der selbst zehn Jahre zuvor das konstruktive Misstrauensvotum verloren hatte und nun den vorliegenden Misstrauensantrag begründete. Er kritisierte Schmidt ebenfalls scharf und warf seinerseits der SPD vor, ihren eigenen Bundeskanzler verraten zu haben. Der FDP-Fraktionsvorsitzende [[Wolfgang Mischnick]] sagte, Schmidt selbst habe die Koalition beendet; er sei enttäuscht, dass der Bundeskanzler seine eigene Handlungsweise als Verrat der FDP verkauft habe. In einer persönlichen Erklärung zur Abstimmung erklärte die FDP-Abgeordnete [[Hildegard Hamm-Brücher]], mit dem konstruktiven Misstrauensvotum werde die „moralisch-sittliche Integrität“ von Machtwechseln beschädigt, woraufhin der CDU-Generalsekretär [[Heiner Geißler]] scharf protestierte und ausrief, dass ein verfassungsmäßiges Verfahren „niemals unmoralisch“ sein könne. Zum Schluss ergriff Helmut Kohl noch einmal das Wort und unterstützte Geißler in dieser Hinsicht. Die Abstimmung selbst gewann Helmut Kohl mit 256 Ja-Stimmen bei 235 Nein-Stimmen, vier Enthaltungen und zwei nicht abgegebenen Stimmen. Das zweite konstruktive Misstrauensvotum in der Geschichte der Bundesrepublik war damit erfolgreich, auch wenn von den insgesamt 279 Abgeordneten von CDU/CSU und FDP mindestens 23 nicht für Kohl stimmten. Bereits knapp zweieinhalb Stunden nach der Feststellung des Wahlergebnisses wurde Helmut Kohl als sechster [[Bundeskanzler (Deutschland)|Bundeskanzler]] der [[Bundesrepublik Deutschland]] vereidigt. Trotz des Erfolges strebte Helmut Kohl in Absprache mit der FDP eine Neuwahl an, die nach der [[Vertrauensfrage (Grundgesetz)|Vertrauensfrage]] im Dezember 1982 und der verfassungsrechtlich umstrittenen Auflösung des Bundestages im Januar 1983 am 6. März 1983 stattfand. == Deutsche Landesverfassungen == === Baden-Württemberg === Die Verfassung des Landes Baden-Württemberg vom 11. November 1953 sieht in ihrem Artikel 54 vor, dass der Landtag dem Ministerpräsident nur dadurch das Vertrauen entziehen kann, dass er mit der Mehrheit seiner Mitglieder einen Nachfolger wählt und dessen Regierung in der von der Verfassung regelmäßig vorgesehenen Weise vom Landtag bestätigt: ::''Der Landtag kann dem Ministerpräsidenten das Vertrauen nur dadurch entziehen, dass er mit der Mehrheit seiner Mitglieder einen Nachfolger wählt und die von diesem gebildete Regierung gemäß Artikel 46 Abs. 3 bestätigt.'' (Artikel 54 Absatz 1) Baden-Württemberg hat also ein dem Grundgesetz ähnliches konstruktives Misstrauensvotum, es kennt jedoch auch ein destruktives Misstrauensvotum gegen einzelne Minister: ::''Auf Beschluss von zwei Dritteln der Mitglieder des Landtags muss der Ministerpräsident ein Mitglied der Regierung entlassen.'' (Artikel 56) === Bayern === Die [[Verfassung des Freistaates Bayern]] vom 2. Dezember 1946 kennt weder ein formalisiertes Misstrauensvotum noch eine Vertrauensfrage des Ministerpräsidenten. Allerdings fordert sie in Artikel 44: „[Der Ministerpräsident] muss vom Amt zurücktreten, wenn die politischen Verhältnisse ein vertrauensvolles Zusammenarbeiten zwischen ihm und dem Landtag unmöglich machen.“ (Absatz 3 Satz 2) Diese Regelung klingt zwar wie ein destuktives Misstrauensvotum, ist es aber nicht: Der Ministerpräsident und die gesamte Staatsregierung bleiben geschäftsführend im Amt, bis ein Nachfolger gewählt ist - lediglich die Vertretung Bayerns nach außen geht auf den Landtagspräsidenten über, der allerdings in dieser Zeit nicht abberufen werden kann (Art. 44 Abs. 3 Sätze 4 und 5 BV) Kommt es innerhalb von vier Wochen nach dem Rücktritt nicht zu einer Neuwahl des Ministerpräsidenten, muß der Landtagspräsident den Landtag auflösen. (Art. 44 Abs. 5 BV) === Berlin === [[Datei:Klaus_Wowereit.JPG|thumb|Der durch Misstrauensvotum am 16. Juni 2001 ins Amt gekommene Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit]] Die [[Verfassung von Berlin]] vom 23. November 1995 sieht in ihrem Artikel 57 zunächst ein destruktives Misstrauensvotum vor: Beschließt das Abgeordnetenhaus mit absoluter Mehrheit, einem Senatsmitglied oder dem Senat insgesamt das Vertrauen zu entziehen, so müssen die betroffenen Senatoren sofort zurücktreten. Wird allerdings nicht binnen 21 Tagen ein neuer Senat gewählt, so verliert das Misstrauensvotum seine Gültigkeit; die zuvor entlassenen Senatoren bleiben im Amt: ::''Das Abgeordnetenhaus kann dem Senat und jedem seiner Mitglieder das Vertrauen entziehen.'' (Absatz 2 Satz 1) ::''Der Beschluss über einen Misstrauensantrag bedarf der Zustimmung der Mehrheit der gewählten Mitglieder des Abgeordnetenhauses. Bei Annahme eines Misstrauensantrages haben die davon betroffenen Mitglieder des Senats sofort zurückzutreten. Jedes Mitglied des Senats ist verpflichtet, auf Verlangen die Geschäfte bis zum Amtsantritt des Nachfolgers weiterzuführen. Das Misstrauensvotum verliert seine Wirksamkeit, wenn nicht binnen 21 Tagen eine Neuwahl erfolgt ist.'' (Absatz 3) Während des [[Berliner Bankenskandal]]s 2001 kam die Große Koalition aus CDU und SPD unter dem [[Regierender Bürgermeister|Regierenden Bürgermeister]] [[Eberhard Diepgen]] in schwere Turbulenzen. Die SPD erklärte schließlich, dass sie aufgrund der maßgeblichen Verantwortung von CDU-Politikern wie dem Fraktionsvorsitzenden Klaus Landowsky für diesen Skandal die Große Koalition verlassen und Koalitions- bzw. Tolerierungsverhandlungen mit den Grünen und der PDS aufnehmen werde. Am 16. Juni 2001 wurde Eberhard Diepgen mit den [[CDU]]-Senatoren vom Abgeordnetenhaus abgewählt. Anschließend wählte das Parlament [[Klaus Wowereit]] zum Regierenden Bürgermeister einer Koalition aus SPD und Grünen unter PDS-Tolerierung. Die von Wowereit vorgeschlagenen Senatorkandidaten wurden am gleichen Tag ebenfalls gewählt, sodass das Misstrauensvotum seine Wirksamkeit behielt. === Brandenburg === Die Verfassung des Landes Brandenburg vom 20. August 1992 stimmt in ihrem Artikel 86 inhaltlich nahezu exakt mit der Fassung des Artikels 67 des Grundgesetzes überein: ::''Der Landtag kann dem Ministerpräsidenten das Misstrauen nur dadurch aussprechen, dass er mit den Stimmen der Mehrheit seiner Mitglieder einen Nachfolger wählt.'' (Absatz 1) === Bremen === Die [[Landesverfassung der Freien Hansestadt Bremen]] vom 21. Oktober 1947 kennt eine ähnliche Regelung wie die Berliner Verfassung: Artikel 110 der Verfassung sieht auch hier zunächst ein destruktives Misstrauensvotum vor, das allerdings erst rechtswirksam wird, wenn für das abgewählte ein neues Senatsmitglied gewählt wird. Da der Präsident des Senates vom Senat selbst gewählt wird, gibt es kein gesondertes Verfahren für die Abwahl des Präsidenten des Senates: ::''Der Beschluss auf Entziehung des Vertrauens kommt nur zustande, wenn die Mehrheit der gesetzlichen Mitgliederzahl zustimmt. Er wird für Senatoren rechtswirksam, wenn die Bürgerschaft einen neuen Senat oder ein neues Mitglied des Senats gewählt oder ein Gesetz beschlossen hat, durch das die Zahl der Mitglieder entsprechenden herabgesetzt wird. Satz 2 gilt nicht für die weiteren Mitglieder des Senats.'' (Absatz 3) Vor dem verfassungsändernden Gesetz vom 1. Februar 2000 hatte dieser Absatz eine etwas andere Fassung: ::''Der Beschluss auf Entziehung des Vertrauens kommt nur zustande, wenn die Mehrheit der gesetzlichen Mitgliederzahl zustimmt. Er wird rechtswirksam, wenn die Bürgerschaft einen neuen Senat oder ein neues Mitglied des Senats gewählt oder ein Gesetz beschlossen hat, durch das die Zahl der Mitglieder entsprechend herabgesetzt wird.'' Die Änderung ergab sich aus der mit diesem Gesetz beschlossenen Erweiterung des Senats über die eigentlichen Senatoren hinaus um Staatsräte. === Hamburg === Die [[Verfassung der Freien und Hansestadt Hamburg]] vom 6. Juni 1952 enthält in ihrem Artikel 35 die Vorschriften über ein konstruktives Misstrauensvotum: Abweichend von den anderen Stadtstaaten Berlin und Bremen sieht er die gleichzeitige Abwahl des bisherigen und Neuwahl des Ersten Bürgermeisters vor. Mit der Abwahl des Ersten Bürgermeisters endet auch das Amt der anderen Senatoren; diese Regelung wurde 1996 neu eingeführt. Die Fassung von 1996 wurde 2001 ausdrücklich um die weiblichen Amtsbezeichnungen („Erste Bürgermeisterin“, „Nachfolgerin“) erweitert. Die heutige Fassung lautet (Einfügungen von 2001 in eckigen Klammern): ::''Die Amtszeit [der Ersten Bürgermeisterin oder] des Ersten Bürgermeisters endet auch, wenn die Bürgerschaft [ihr oder] ihm das Vertrauen dadurch entzieht, dass sie mit der Mehrheit der gesetzlichen Mitgliederzahl [eine Nachfolgerin oder] einen Nachfolger wählt.'' (Absatz 3 Satz 1) Vor 1996 konnte die [[Bürgerschaft (Vertretungsorgan)|Bürgerschaft]] den einzelnen Senatoren oder dem gesamten Senat das Vertrauen entziehen; mit der Amtszeit des Ersten Bürgermeisters endete jedoch nicht automatisch auch die Amtszeit der anderen Senatoren: ::''Die Bürgerschaft kann dem Senat oder einzelnen Senatoren das Vertrauen nur dadurch entziehen, dass sie mit der Mehrzahl ihrer gesetzlichen Mitgliederzahl den Senat oder einzelne Senatoren durch Neuwahl ersetzen.'' === Hessen === Die Verfassung des Landes Hessen vom 1. Dezember 1946 kennt kein konstruktives Misstrauensvotum. Wird dem Ministerpräsidenten von der Mehrheit der Mitglieder des Landtages das Vertrauen entzogen oder die Vertrauensfrage nicht positiv beantwortet, so muss die Landesregierung zurücktreten (Artikel 114). Wenn binnen zwölf Tagen kein neuer Ministerpräsident gewählt und seiner Regierung das Vertrauen ausgesprochen wird, ist der Landtag aufgelöst. ::''Der Landtag kann dem Ministerpräsidenten durch ausdrücklichen Beschluss sein Vertrauen entziehen oder durch Ablehnung eines Vertrauensantrages versagen.'' (Absatz 1) ::''Über die Vertrauensfrage muss namentlich abgestimmt werden. Ein für den Ministerpräsidenten ungünstiger Beschluss des Landtages bedarf der Zustimmung von mehr als der Hälfte der gesetzlichen Zahl seiner Mitglieder.'' ::''Kommt ein solcher Beschluss zustande, so muss der Ministerpräsident zurücktreten.'' ::''Spricht der Landtag nicht binnen zwölf Tagen einer neuen Regierung das Vertrauen aus, so ist er aufgelöst.'' (Absätze 3 bis 5) === Mecklenburg-Vorpommern === Die Verfassung des Landes Mecklenburg-Vorpommern vom 23. Mai 1993 kennt das konstruktive Misstrauensvotum gegenüber dem Ministerpräsidenten in der Ausgestaltung des Grundgesetzes. Die entsprechenden Vorschriften sind in Artikel 50 der Verfassung niedergelegt: ::''Das Amt des Ministerpräsidenten endet, wenn ihm der Landtag das Vertrauen entzieht. Der Landtag kann das Vertrauen nur dadurch entziehen, dass er mit der Mehrheit seiner Mitglieder einen Nachfolger wählt.'' (Absatz 2) === Niedersachsen === Die [[Niedersächsische Verfassung]] vom 19. Mai 1993 enthält in ihrem Artikel 32 eine dem Grundgesetz entsprechende Regelung für ein konstruktives Misstrauensvotum, besonders ist die sehr lange Frist von drei Wochen zwischen Antrag und Abstimmung: ::''(1) Der Landtag kann der Ministerpräsidentin oder dem Ministerpräsidenten das Vertrauen entziehen.'' ::''(2) Der Antrag kann nur von mindestens einem Drittel der Mitglieder des Landtages gestellt werden. Über den Antrag darf frühestens 21 Tage nach Schluss der Besprechung abgestimmt werden.'' ::''(3) Das Vertrauen kann nur dadurch entzogen werden, dass der Landtag mit der Mehrheit seiner Mitglieder eine Nachfolgerin oder einen Nachfolger wählt.'' 1988 scheiterte ein Misstrauensvotum [[Gerhard Schröder]]s gegen Ministerpräsident [[Ernst Albrecht]]. Nach Artikel 23 der Vorläufigen Niedersächsischen Verfassung vom 13. April 1951 konnte auch dieses Misstrauensvotum nur ein konstruktives sein. Der relevante Absatz 3 lautete: ::''Das Vertrauen kann nur dadurch entzogen werden, dass der Landtag mit der Mehrheit der Abgeordneten einen Nachfolger wählt.'' === Nordrhein-Westfalen === Die [[Verfassung für das Land Nordrhein-Westfalen]] vom 28. Juni 1950 hat in ihrem Artikel 61 den Wortlaut des Grundgesetzes nahezu exakt übernommen und enthält damit auch ein konstruktives Misstrauensvotum: ::''Der Landtag kann dem Ministerpräsidenten das Misstrauen nur dadurch aussprechen, dass er mit der Mehrheit der abgegebenen Stimmen einen Nachfolger wählt.'' (Absatz 1) Am 20. Februar 1956 sprach der [[Landtag Nordrhein-Westfalen|Landtag]] Ministerpräsident [[Karl Arnold (Politiker)|Karl Arnold]], der zuvor eine Koalition aus [[Christlich Demokratische Union Deutschlands|CDU]], [[Freie Demokratische Partei|FDP]] und [[Deutsche Zentrumspartei|Zentrum]] geführt hatte, das Misstrauen aus und wählte [[Fritz Steinhoff]] zum [[Ministerpräsident des Landes Nordrhein-Westfalen|Ministerpräsidenten]] einer Koalition aus [[Sozialdemokratische Partei Deutschlands|SPD]], FDP und Zentrum. Für den Koalitionswechsel werden vornehmlich bundespolitische Gründe verantwortlich gemacht: Da die CDU mit der Einführung des [[Mehrheitswahlrecht]]es liebäugelte, das die FDP an den Rand ihrer Existenz gebracht hätte, sorgte die FDP mit ihrem Vorsitzenden [[Thomas Dehler]] dafür, dass die Bundesregierung nunmehr ihre Mehrheit im Bundesrat verlor. Die Krise führte zur Spaltung der FDP in den Dehler-treuen größeren Teil, der schließlich politisch überlebte, und die [[Freie Volkspartei|FVP]], der nur eine kurze Existenz beschieden war. Zehn Jahre später, am 8. Dezember 1966 wurde Ministerpräsident [[Franz Meyers]], der einer christlich-liberalen Koalition vorgestanden hatte, durch eine sozial-liberale Koalition unter Führung von [[Heinz Kühn]] abgelöst.Die Landtagswahl im Juli 1966 hatte eine knappe 101:99-Mehrheit für CDU und FDP gegenüber der SPD eingebracht: Franz Meyers konnte somit seine christlich-liberale Koalition zunächst fortführen. Nach der Entstehung der [[Große Koalition|Großen Koalition]] auf Bundesebene mit der Wahl von [[Kurt Georg Kiesinger]] zum Bundeskanzler am 1. Dezember 1966 wurde – wie in Baden-Württemberg – ein Wechsel von einer schwarz-gelben zu einer Großen Koalition angestrebt. Die SPD-Fraktion lehnte einen solchen Wechsel jedoch ab, woraufhin die Parteispitze Koalitionsverhandlungen mit der FDP aufnahm, die zum erfolgreichen konstruktiven Misstrauensvotum führten. === Rheinland-Pfalz === Die Verfassung für Rheinland-Pfalz vom 18. Mai 1947 hat ein ähnliches Verfahren wie die etwas früher entstandene hessische Verfassung: Nach Artikel 99 kann der Landtag dem Ministerpräsidenten, der Landesregierung oder einem Minister das Vertrauen entziehen. Hat der Landtag der gesamten Landesregierung das Vertrauen entzogen, so muss er binnen vier Wochen einer neuen Regierung das Vertrauen aussprechen, ansonsten ist er aufgelöst. Artikel 99 wurde im Jahr 1991 insofern geändert, als dass vorher dem Ministerpräsidenten das Vertrauen nicht entzogen werden konnte; dies war nur gegenüber der Landesregierung als ganzes oder einem Minister möglich. Die einschlägigen Vorschriften des Artikels 99 lauten heute: ::''Der Ministerpräsident, die Landesregierung und die Minister bedürfen zu ihrer Amtsführung des Vertrauens des Landtags.'' ::''Sie müssen zurücktreten, wenn ihnen der Landtag mit der Mehrheit der gesetzlichen Mitgliederzahl das Vertrauen entzieht.'' (Absatz 1 und 2) ::''Falls der Landtag nicht innerhalb von 4 Wochen nach dem Beschluss, der Landesregierung das Vertrauen zu entziehen, einer neuen Regierung das Vertrauen ausspricht, ist er aufgelöst.'' (Absatz 5) Vor 1991 lautete Absatz 1: ::''Die Landesregierung und die Minister bedürfen zu ihrer Amtsführung des Vertrauens des Landtags.'' === Saarland === Die Verfassung des Saarlandes vom 15. Dezember 1947 kennt sowohl die Vertrauensfrage wie ein Misstrauensvotum. Wird der Landesregierung das Vertrauen entzogen, so muss der Landtag binnen vier Wochen „die Bildung einer von seinem Vertrauen getragenen Landesregierung“ ermöglichen, sonst ist er aufgelöst. Diese Vorschrift findet sich in Artikel 69 (bis 1979: Artikel 71) der Verfassung. Artikel 69 lautet heute: ::''Der Landtag ist aufgelöst, wenn er dies mit einer Mehrheit von zwei Dritteln seiner Mitglieder beschließt oder wenn er der Landesregierung das Vertrauen entzogen hat und nicht innerhalb von vier Wochen die Bildung einer von seinem Vertrauen getragenen Landesregierung ermöglicht.'' Bis 1979 lautete der entsprechende Artikel 71 Absatz 2: ::''Die Auflösung muß vom Präsidenten des Landtages vollzogen werden, wenn der Landtag der Landesregierung durch Beschluß das Vertrauen entzogen hat und nicht innerhalb von vier Wochen die Bildung einer von seinem Vertrauen getragene Regierung ermöglicht.'' Der Vertrauensentzug selbst ist durch Artikel 88 (bis 1979: Artikel 90) der Verfassung geregelt. Er lautet heute: ::''(1) Die Mitglieder der Landesregierung bedürfen zu ihrer Amtsführung des Vertrauens des Landtages. Sie scheiden aus ihrem Amt, wenn ihnen der Landtag das Vertrauen entzieht.'' ::''(2) Das Vertrauen kann durch Ablehnung des Antrages, das Vertrauen auszusprechen (Vertrauensfrage), oder durch die ausdrückliche Erklärung des Misstrauens (Misstrauensvotum) entzogen werden. Der Beschluss, das Vertrauen zu entziehen, bedarf der Mehrheit der gesetzlichen Mitgliederzahl des Landtages.“ (Absatz 1 und Absatz 2 Satz 1 und 3) Im Jahr 2001 ersetzten die Worte „Die Mitglieder der Landesregierung“ in Absatz 1 die Worte „Der Ministerpräsident und die Minister“. Artikel 90 Absatz 1 Satz 1 und 2 lautete vor 1979: ::''Der Ministerpräsident und die Minister bedürfen zu ihrer Amtsführung des Vertrauens des Landtages. Sie müssen zurücktreten, wenn ihnen der Landtag mit der Mehrheit der gesetzlichen Mitgliederzahl das Vertrauen entzieht.'' === Sachsen und Sachsen-Anhalt === Die Verfassung des Freistaates Sachsen vom 27. Mai 1992 und die Verfassung des Landes Sachsen-Anhalt vom 16. Juli 1992 enthalten – wie die Verfassungen der anderen 1990 der Bundesrepublik beigetretenen Länder – nahezu wortgleiche Entsprechungen zur Vorschrift des Artikels 67 des Grundgesetzes: Auch hier wird dem Regierungschef, dem Ministerpräsident, das Vertrauen dadurch entzogen, dass gleichzeitig ein neuer Ministerpräsident gewählt wird. In Sachsen ergibt sich dies aus Artikel 69, in Sachsen-Anhalt aus Artikel 72 der Verfassung: ::''Der Landtag kann dem Ministerpräsidenten das Vertrauen nur dadurch entziehen, dass er mit der Mehrheit seiner Mitglieder einen Nachfolger wählt.'' (Verfassung des Freistaats Sachsen, Artikel 69 Absatz 1) ::''Der Landtag kann dem Ministerpräsidenten das Misstrauen nur dadurch aussprechen, dass er mit der Mehrheit seiner Mitglieder einen Nachfolger wählt.'' (Verfassung des Landes Sachsen-Anhalt, Artikel 72 Absatz 1) Der scheinbare Unterschied, dass im einen Fall das Vertrauen entzogen, im anderen das Misstrauen ausgesprochen wird, hat wegen der Identität der Auswirkungen der beiden Verfassungsbestimmungen keine Konsequenzen. === Schleswig-Holstein === Auch die Verfassung des Landes Schleswig-Holstein vom 13. Dezember 1949 in der Fassung des Gesetzes zur Änderung der Landessatzung für Schleswig-Holstein vom 13. Juni 1990 kennt das konstruktive Misstrauensvotum in der Form des Grundgesetzes (Artikel 35): ::''Der Landtag kann der Ministerpräsidentin oder dem Ministerpräsidenten das Misstrauen nur dadurch aussprechen, dass er mit der Mehrheit seiner Mitglieder eine Nachfolgerin oder einen Nachfolger wählt.'' === Thüringen === Die Verfassung des Freistaats Thüringen vom 25. Oktober 1993 enthält in ihrem Artikel 73 eine der Formulierung des Grundgesetzes entsprechende Klausel für das konstruktive Misstrauensvotum: ::''Der Landtag kann dem Ministerpräsidenten das Misstrauen nur dadurch aussprechen, dass er mit der Mehrheit seiner Mitglieder einen Nachfolger wählt.'' (Satz 1) == Österreich == In Österreich kann gemäß Art. 74 des [[Bundes-Verfassungsgesetz|Bundes-Verfassungsgesetzes (B-VG)]] ein '''destruktives Misstrauensvotum''' gegen die [[Bundesregierung (Österreich)|Bundesregierung]] insgesamt oder gegen einzelne [[Bundesminister (Österreich)|Regierungsmitglieder]] ausgeübt werden. Das Votum ist für den [[Bundespräsident (Österreich)|Bundespräsidenten]] bindend. == Schweiz == In der Schweiz ist ein Misstrauensvotum nicht vorgesehen, da es dort traditionell andere Kontrollinstrumente gibt, die vorrangig genutzt werden. Nach den Wahlen 2007 forderte die [[Junge CVP]] jedoch die Einführung eines Misstrauensvotums gegen Bundesräte, als Sanktionsmöglichkeit gegen nicht dem ebenfalls vorgeschlagenen verbindlichen Legislaturprogramm folgenden Parteien und Bundesräten. == Spanien == Die sehr stark vom [[Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland]] beeinflusste [[Verfassung (Spanien)|Spanische Verfassung von 1978]] sieht ebenfalls ein konstruktives Misstrauensvotum vor. Der Ministerpräsident wird jedoch vom Kongress, der zweiten Parlamentskammer, formal nicht gewählt, sondern vom König ernannt, nachdem der Kongress dem Kandidaten das Vertrauen ausgesprochen hat. Daher nimmt das Misstrauensvotum hier die Form eines mit dem Misstrauensantrag obligatorisch zu verbindenden Vorschlag eines Nachfolgers an, an welchen der König bei Annahme des Antrags durch den Kongress gebunden ist. : '''Artikel 113''' : ''(1) Der Kongress kann durch einen mit absoluter Mehrheit angenommenen Misstrauensantrag die Regierung politisch zur Verantwortung ziehen.'' : ''(2) Der Misstrauensantrag muss von mindestens einem Zehntel der Abgeordneten unterzeichnet werden und einen Kandidaten für das Amt des Ministerpräsidenten vorschlagen.'' : '''Artikel 114''' : ''(2) Wenn der Kongress einen Misstrauensantrag annimmt, so reicht die Regierung beim König ihren Rücktritt ein. Der im Misstrauensantrag vorgeschlagene Kandidat hat von diesem Zeitpunkt an das Vertrauen der Kammer in allen in Artikel 99 festgelegten Punkten. Der König ernennt ihn zum Ministerpräsidenten.'' == USA == In den USA gab es bereits Misstrauensvota des Kongresses, auch gegen einzelne Regierungsmitglieder. In präsidialen Regierungssystemen haben sie jedoch keine rechtliche Bindungswirkung und es liegt beim Präsidenten zu entscheiden, ob er dem Votum folgt oder sich widersetzt. Es gibt allerdings die Möglichkeit eines Amtsenthebungsverfahrens gegen den Präsidenten, das sogenannte [[Impeachment]]. == International: Regierungschefs, gestürzt durch Misstrauensvotum == '''[[Australien]]''' *[[Arthur Fadden]] (1941) *[[Malcolm Fraser]] (1975) '''[[Kanada]]''' *Sir [[John Macdonald]] (1873) *[[Arthur Meighen]] (1926) *[[John George Diefenbaker]] (1963) *[[Pierre Trudeau]] (1974) *[[Joe Clark]] (1979) '''[[Indien]]''' *[[Atal Bihari Vajpayee]] '''[[Israel]]''' *[[Yitzhak Shamir]] '''[[Italien]]''' *[[Amintore Fanfani]] *[[Romano Prodi]] '''[[Japan]]''' *[[Shigeru Yoshida]] (1948/Wahl [[Japanische Unterhauswahl 1949|1949]], Nachfolger: Shigeru Yoshida) *Shigeru Yoshida ([[Japanische Unterhauswahl 1953|1953]], Nachfolger: Shigeru Yoshida) *[[Masayoshi Ōhira]] ([[Japanische Unterhauswahl 1980|1980]], [[Karōshi|Erschöpfungstod]] im Wahlkampf, Nachfolger: [[Zenkō Suzuki]]) *[[Kiichi Miyazawa]] ([[Japanische Unterhauswahl 1993|1993]], Nachfolger: [[Morihiro Hosokawa]]) '''[[Norwegen]]''' *[[Christopher Hornsrud]] (1928) *[[Einar Gerhardsen]] (1963) '''[[Tschechien]]''' *[[Mirek Topolánek]] (2009) '''[[Ukraine]]''' *[[Wiktor Juschtschenko]] *[[Wiktor Janukowytsch]] *[[Julija Tymoschenko]] '''[[Vereinigtes Königreich]]''' *[[Lord North]] *[[Stanley Baldwin]] *[[James Callaghan]] {{Gesprochene Version |datei=De-Misstrauensvotum-article.ogg |länge=59:58 min |größe=36,6 MB |version=http://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Misstrauensvotum&oldid=69105392 |exzellent=nein }} == Quellenangaben == <references /> == Literatur == * Lutz Berthold: ''Das konstruktive Misstrauensvotum und seine Ursprünge in der Weimarer Staatsrechtslehre.'' in: ''Der Staat.'' Duncker & Humblot, Berlin 36.1997, S.&nbsp;81ff. {{ISSN|0038-884x}} * Christoph Gusy: ''Die Weimarer Reichsverfassung.'' Mohr Siebeck, Tübingen 1997, ISBN 316146818X * Friedrich Karl Fromme: ''Von der Weimarer Verfassung zum Bonner Grundgesetz – Die verfassungspolitischen Folgerungen des Parlamentarischen Rates aus Weimarer Republik und nationalsozialistischer Diktatur.'' Duncker und Humblot, Berlin 1999 (3. Aufl., inkl. Nachwort zum Neudruck), ISBN 3-428-09992-3 * [[Gerhard Schröder (CDU)|Gerhard Schröder]]: ''Für oder wider das konstruktive Mißtrauensvotum<!--sic-->.'' In: ''Bonner Hefte.'' Pagoden-Verl., Berlin/Bonn/Wiesbaden 1953, 1, S. 22–26. * Klaus Stern: ''Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland.'' Bd 2. Staatsorgane, Staatsfunktionen, Finanz- und Haushaltsverfassung, Notstandsverfassung. Beck, München 1980, ISBN 3-406-07018-3 * Rainer Barzel: ''Die Tür blieb offen. Mein persönlicher Bericht über Ostverträge, Mißtrauensvotum, Kanzlersturz''. Bouvier, Bonn 1998, ISBN 3-416-02836-8 * Wolfgang Rudzio: ''Das politische System der Bundesrepublik Deutschland'', 6. Aufl., UTB, Stuttgart 2003, ISBN 3-825-21280-7 == Weblinks == {{Wiktionary|Misstrauensvotum}} * [http://www.oefre.unibe.ch/law/dfr/bv062001.html BVerfGE 62, 1 – Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Vertrauensfrage, in dem es sich zur Legitimität des konstruktiven Misstrauensvotums äußert] * [http://www.wienerzeitung.at/linkmap/recht/verfassung1.htm österreichisches Bundes-Verfassungsgesetz: siehe Art. 74 B-VG] * [http://www.parlament.ch/d/Seiten/default.aspx Schweizer Parlament] {{Exzellent}} [[Kategorie:Legislative]] [[Kategorie:Politik (Deutschland)]] [[bg:Вот на недоверие]] [[ca:Moció de censura]] [[en:Motion of no confidence]] [[eo:Mocio de demisio]] [[es:Moción de censura]] [[fr:Motion de censure]] [[hu:Bizalmatlansági indítvány]] [[id:Mosi tidak percaya]] [[it:Mozione di sfiducia]] [[he:הצעת אי אמון]] [[nl:Motie van wantrouwen]] [[nn:Mistillitsframlegg]] [[pl:Wotum nieufności]] [[th:การอภิปรายไม่ไว้วางใจ]] [[uk:Вотум недовіри]] [[zh:不信任动议]] mjenqquuhtqblnz9qkoo5h7wj9igavf wikitext text/x-wiki Mitralklappeninsuffizienz 0 23941 26537 2010-05-06T07:41:50Z Fwiesbauer 0 /* Weblinks */ {{Vorlage:Infobox ICD | 01-CODE = I34.0 | 01-BEZEICHNUNG = Mitralklappeninsuffizienz (nichtrheumatisch) | 02-CODE = I05.1 | 02-BEZEICHNUNG = Rheumatische Mitralklappeninsuffizienz | 03-CODE = Q23.3 | 03-BEZEICHNUNG = Angeborene Mitralklappeninsuffizienz }} [[Datei:Mitral Regurgitation scheme1.png|miniatur|rechts|310px|'''Mitralinsuffizienz (schematische Darstellung)'''<br/>Während der Systole strömt Blut „rückwärts“ (Pfeil) durch die Mitralklappe vom linken Ventrikel in den linken Vorhof.<br/>1 Mitralklappe<br/>2 Linker Ventrikel<br/>3 Linker Vorhof<br/>4 [[Aorta]]]] '''Mitralklappeninsuffizienz''' (auch '''Mitralinsuffizienz''', Abk.: MI) ist in der [[Medizin]] ein beim Menschen und zumindest einigen Tierarten häufiger [[Herzklappenfehler]]. Es handelt sich um eine Schlussunfähigkeit oder „Undichtigkeit“ der [[Mitralklappe]] des [[Herz]]ens, die während der Auswurfphase (''[[Systole]]'') zu einem Rückfluss von Blut aus der linken Herzkammer in den linken Vorhof (vgl. [[Herzkammer#Räume_und_Gefäße|Aufbau des Herzens]]) führt. Leichte Formen der Mitralinsuffizienz werden bei Ultraschalluntersuchungen des Herzens (''[[Echokardiografie]]'') recht häufig entdeckt und sind in der Regel harmlos. Schwere Formen erfordern eine genaue Abklärung, da unter bestimmten Voraussetzungen eine [[Operation (Medizin)|operative]] Behandlung sinnvoll ist. Früher war die Mitralinsuffizienz meist Folge eines [[Rheumatisches Fieber|rheumatischen Fiebers]], das jedoch in Folge der konsequenteren Behandlung von [[Bakterien|bakteriellen]] [[Infektion]]en außerhalb von [[Entwicklungsland|Entwicklungsländer]]n selten geworden ist. In den Industrieländern überwiegen heute als Ursachen die [[koronare Herzkrankheit]], [[Kardiomyopathie]]n und das [[Mitralklappenprolaps]]syndrom. Eine Mitralinsuffizienz kommt darüber hinaus als einzelner angeborener Herzfehler vor oder tritt häufiger in Begleitung anderer angeborener Herzfehler oder als Folge von anderen angeborenen Krankheiten des [[Bindegewebe]]s auf. Die akute schwere Mitralinsuffizienz als Komplikation eines Herzinfarktes oder einer [[Endokarditis|Herzklappenentzündung]] ist ein seltenes, meist aber dramatisches Krankheitsbild, welches einer [[intensivmedizin]]ischen Behandlung bedarf und häufig nur durch eine notfallmäßige Klappenoperation beherrschbar ist. == Epidemiologie == Obgleich sie zu den am häufigsten diagnostizierten Klappenfehlern beim Menschen zählt, kann die Häufigkeit der Mitralinsuffizienz nur geschätzt werden. Es liegen nur wenige fundierte Statistiken auf der Basis größerer [[Klinische Studie|Studien]] an gesunden Menschen vor. Folgende Angaben erlauben aber eine Abschätzung der Größenordnung, mit der zu rechnen ist: *8,6&nbsp;% herzgesunder türkischer Kinder im Alter von 0–18 Jahren zeigten [[Echokardiografie|echokardiografisch]] eine Mitralinsuffizienz.<ref>Ayabakan C et al.: ''The Doppler echocardiographic assessment of valvular regurgitation in normal children''. Turk J Pediatr (2003) 45:102-107. PMID 12921295</ref> *Bei den rheumatischen Herzerkrankungen im Kindes- und Jugendalter in Entwicklungsländern ist die Mitralinsuffizienz die häufigste Schädigung des Herzens.<ref name="MRKID01">Bahadur KC et al. ''Prevalence of rheumatic and congenital heart disease in schoolchildren of Kathmandu valley in Nepal.'' Indian Heart J. 2003 Nov-Dec;55(6):615-618. PMID 14989511</ref> *Eine [[prospektiv]]e Untersuchung in [[Vereinigtes Königreich|Großbritannien]] ermittelte bei Kindern und Jugendlichen im Alter von 3-18 Jahren eine [[Prävalenz]] von 1,82&nbsp;%. Keines der erkrankten Kinder war jünger als 7 Jahre.<ref name="MRKID03">Thomson JD et al. ''Left sided valvar regurgitation in normal children and adolescents.'' Heart. 2000 Feb;83(2):185-187. PMID 10648494.</ref> Andere Untersuchungen (USA) ermittelten eine Prävalenz von 2,4&nbsp;% bei ansonsten herzgesunden Kindern und Jugendlichen im Alter von 0-14 Jahren<ref name="MRKID08">Brand A et al. The prevalence of valvular regurgitation in children with structurally normal hearts: a color Doppler echocardiographic study. Am Heart J. 1992 Jan;123(1):177-180. PMID 1729823</ref> *Fast ein Fünftel von insgesamt 3589 Personen, die im Rahmen der [[Framingham-Herz-Studie|Framingham-Studie]] untersucht wurden, hatte eine Mitralinsuffizienz. Ein Unterschied zwischen den Geschlechtern bestand nicht: Bei 19&nbsp;% der Männer und 19,1&nbsp;% der Frauen zeigte sich echokardiografisch mindestens eine leichte Insuffizienz der Klappe.<ref>Singh JP et al.: ''Prevalence and clinical determinants of mitral, tricuspid, and aortic regurgitation (the Framingham Heart Study)''. Am J Cardiol (1999) 83:897-902. PMID 10190406.</ref> *Bei 11–59&nbsp;% aller Patienten nach einem [[Herzinfarkt]] wurde in verschiedenen Studien eine Mitralinsuffizienz nachgewiesen.<ref>Bursi F et al.: ''Mitral regurgitation after myocardial infarction: a review''. Am J Med (2006) 119:103-112. PMID 16443408</ref> *Bei 89&nbsp;% der über 70-jährigen Patienten mit einer [[Herzinsuffizienz]] ([[Ejektionsfraktion]] <&nbsp;40&nbsp;%) wurde eine Mitralinsuffizienz festgestellt, die bei 20&nbsp;% ein bedeutsames Ausmaß erreichte (Schweregrad III oder IV).<ref>Cioffi G et al.: ''Functional mitral regurgitation predicts 1-year mortality in elderly patients with systolic chronic heart failure''. Eur J Heart Fail (2005) 7:1112-1117. PMID 15919238.</ref> *Mit 31&nbsp;% aller Herzklappenoperationen ist die Mitralinsuffizienz in Deutschland der am zweithäufigsten operierte Herzklappenfehler. * Eine japanische Untersuchung an 211 gesunden Freiwilligen im Alter von 6-49 Jahren zeigte eine Prävalenz der Mitralinsuffizienz von 38-45% in jeder untersuchten Altersgruppe ohne Unterscheidung nach Schweregrad und physiologisch gegenüber krankhaft.<ref name="MRKID06">Yoshida K et al. Color Doppler evaluation of valvular regurgitation in normal subjects. Circulation. 1988 Oct;78(4):840-7. PMID 3262454</ref> == Pathophysiologie == [[Datei:MI Schema leicht Kopie.png|miniatur|rechts|350px|'''Leichte Mitralinsuffizienz'''<br/>Die Farbwolke symbolisiert den Blutrückstrom<br/>1 Linker Ventrikel – 2 Linker Vorhof]] Die Mitralklappe funktioniert wie ein [[Ventil]] zwischen dem linken Vorhof und dem linken Ventrikel des Herzens. Sie öffnet sich in der Füllungsphase des Ventrikels (''[[Diastole]]'') und ermöglicht so den Einstrom von Blut aus dem Vorhof. Zu Beginn der Auswurfphase (''Systole'') führt der plötzlich ansteigende Druck im Ventrikel zum Schluss der Klappe und damit zur „Abdichtung“ des Vorhofs. Auf diese Weise herrscht im Vorhof nur ein Druck von etwa 8&nbsp;[[mmHg]] (11 [[Bar (Einheit)|mbar]]), während gleichzeitig im Ventrikel der systolische Druck von etwa 120&nbsp;mmHg (160 mbar) das Blut auf seinem üblichen Weg in die Hauptschlagader ([[Aorta]]) treibt. Bei einer leichten Mitralinsuffizienz sind diese [[physiologisch]]en Vorgänge nur geringfügig verändert. Weder die Größe der Undichtigkeit ([[Regurgitation]]söffnung) noch die Menge zurückströmenden Blutes (Regurgitationsvolumen) erreichen bedeutsame Ausmaße, so dass der Druck im linken Vorhof und in den Lungenvenen ebenso normal bleibt wie die Förderleistung des Herzens. [[Datei:MI Schema schwer Kopie.png|miniatur|rechts|'''Schwere Mitralinsuffizienz'''<br/>Die Farbwolke symbolisiert den Blutrückstrom<br/>1 Linker Ventrikel – 2 Linker Vorhof – 3 Lungenvene]] Bei der schweren Mitralinsuffizienz hingegen beträgt die Regurgitationsöffnung mehr als 40&nbsp;mm<sup><small>2</small></sup> und das Regurgitationsvolumen mehr als 60&nbsp;[[Liter|ml]], was zu schwerwiegenden und zum Teil lebensbedrohlichen Veränderungen führen kann. Im [[Krankheitsverlauf|akuten]] Stadium, bei normaler Größe von linkem Ventrikel und linkem Vorhof, kommt es zu einem erheblichen Anstieg des Drucks im Vorhof und damit auch in den Lungenvenen. Dieser kann bis zu 100&nbsp;mmHg (130 mbar) betragen, was bei einer normalen Beschaffenheit der Lungengefäße zum sofortigen [[Lungenödem]] führt. Darüber hinaus kann der dann überwiegende Blutrückstrom eine mangelhafte Auswurfleistung in die Aorta und damit eine Mangeldurchblutung aller Organe nach sich ziehen. Ist das Akutstadium überstanden oder entwickelt sich die Mitralinsuffizienz über einen längeren Zeitraum, so kommt es [[chronisch]] zu einer Reihe von Anpassungsvorgängen ([[Kompensation|Kompensationsmechanismen]]) am Herzen und an den Lungengefäßen. Zunächst führt die anhaltende Druck- und Volumenbelastung des Vorhofes zu dessen Vergrößerung (''Dilatation, Dilatatio cordis''), wobei das Vorhofvolumen innerhalb von Monaten und Jahren oft auf das Drei- bis Vierfache zunehmen kann. Diese Dilatation mindert im Laufe der Zeit auch den drucksteigernden Effekt des Regurgitationsvolumens im [[Lungenkreislauf]]. Zusätzlich bewirkt die Volumenbelastung auch eine Vergrößerung des linken Ventrikels, der jetzt mit jedem Herzschlag zusätzlich zur eigentlich benötigten Blutmenge auch das Regurgitationsvolumen fördern muss. Diese Dilatation kann zwar einerseits über den [[Frank-Starling-Mechanismus]] auch das Schlagvolumen erhöhen, leitet aber andererseits in einen [[Teufelskreis]], wenn mit der Erweiterung des Ventrikels auch die Geometrie der Mitralklappe gestört und deren Insuffizienz auf diesem Weg noch verstärkt wird. == Einteilung und Nomenklatur == Die Klassifikation der Mitralinsuffizienzen wird aufgrund ständig neuer Überlegungen und Erkenntnisse nicht einheitlich vorgenommen, so dass die daraus abgeleitete Nomenklatur im Einzelfall missverständlich sein kann. Im letzten Jahrzehnt hat besonders die Unterscheidung zwischen ''funktioneller'' und ''organischer'' Mitralinsuffizienz an Bedeutung gewonnen.<ref>Buck T, Erbel R: ''Fortschritte in der Diagnostik und Therapie der Mitralklappeninsuffizienz''. Herz (2006) [http://www.herz-cardiovascular-diseases.de/archiv/2006/01/1.php]</ref> Als organisch (oder ''valvulär'') wird die Mitralinsuffizienz dann bezeichnet, wenn Veränderungen der Klappe selbst als Ursache identifiziert wurden. Eine funktionelle Insuffizienz hingegen ist Folge von Veränderungen der umgebenden Strukturen, hauptsächlich des linken Ventrikels. Eine geringe Undichtigkeit der Mitralklappe, die keinen Krankheitswert hat, kann mit Hilfe empfindlicher Untersuchungsverfahren bei bis zu 90&nbsp;% aller herzgesunden Erwachsenen festgestellt werden. Sie wird oft als ''physiologische Mitralinsuffizienz'' oder ''minimale Mitralregurgitation'' bezeichnet. Im Kindes- und Jugendalter wird die Unterscheidung durch den Zeitpunkt der Regurgitation (Rückstrom) getroffen: Die echte Mitralinsuffizienz wird als Rückstrom nach Klappenschluss angesehen, der Rückstrom während des Klappenschlusses als physiologisch. Problematisch bei dieser Einteilung ist, dass auch der Rückstrom während des Klappenschlusses der Mitralklappe Krankheitswert haben kann. „Echte“ Mitralinsuffizienzen werden üblicherweise in Schweregrade eingeteilt, wobei heutzutage meist drei (leicht, mittelschwer und schwer), gelegentlich auch noch vier (Grad&nbsp;I bis Grad&nbsp;IV) Ausprägungen unterschieden werden. == Ursachen == [[Datei:Mitralinsuff TEE.jpg|miniatur|rechts|400px|Mitralklappenprolaps (TEE-Aufnahmen)]] [[Datei:Mitralinsuff TEE leg.jpg|miniatur|rechts|400px|Legende<br/>1 [[Diastole]]: Beide Mitralsegel weit geöffnet<br/>2 Frühe Systole: Beginnender Klappenschluss<br/>3 Das posteriore Segel prolabiert in den linken Vorhof<br/>4 Beginn der Klappenöffnung]] Die ''erworbene Mitralinsuffizienz'' wie bei der Spaltung des vorderen Mitralsegels und die ''rheumatische Mitralinsuffizienz'' als Folge eines [[Rheumatisches Fieber|rheumatischen Fiebers]] sind in den Industrieländern mittlerweile selten, in Entwicklungsländern weiter häufig vorkommend. Im Vordergrund stehen heute * die ''postinfarzielle Mitralinsuffizienz'' nach [[Herzinfarkt]], * die ''ischämische Mitralinsuffizienz'' auf Grund von Durchblutungsstörungen des Herzmuskels, * die ''relative Mitralinsuffizienz'' als Folge einer Vergrößerung des linken Ventrikels und * die ''Mitralinsuffizienz bei Prolapssyndrom'' im Zusammenhang mit einem meist angeborenen [[Mitralklappenprolaps]]. Weiterhin können eine [[Bakterien|bakterielle]] und auch eine nicht-bakterielle [[Endokarditis]] zu einer Zerstörung oder narbigen Schrumpfung von Klappengewebe und so zu einer Mitralinsuffizienz führen. Ein weiterer Sonderfall ist das Auftreten infolge einer [[Systolic anterior movement|systolischen Ansaugung]] des der Herzscheidewand nahegelegenen (septalen) Mitralklappensegels aufgrund einer [[Kardiomyopathie]]-Sonderform (HOCM). Die angeborene Mitralklappeninsuffizienz wird entweder isoliert als Folge einer Spaltung des vorderen (''anterioren'') Mitralsegels oder einer Fehlanlage (''[[Dysplasie]]'') der Mitralsegel oder häufiger als sogenanntes „komplexes Vitium“ im Zusammenhang mit anderen [[Herzfehler]]n wie einer [[Transposition der großen Arterien]], einer [[Transposition der großen Arterien#Korrigierte Transposition der großen Arterien|korrigierten Transposition]], einem ''[[Double outlet right ventricle]]'', [[Atriumseptumdefekt]] oder einem [[Ventrikelseptumdefekt]] beobachtet.<ref name="webb">Webb GD et al.: ''Congenital Heart Disease'' in Zipes DP et al. (Hrsg.): ''Braunwald's Heart Disease: A Textbook of Cardiovascular Medicine''. 7. Auflage. W.B. Saunders Company, Philadelphia 2004 ISBN 1-41-600014-3.</ref> Akzessorische Sehnenfäden (''Chordae tendinae'') können zu einer Verlagerung der Mitralklappensegel in Richtung des Ventrikels führen und so eine Mitralinsuffizienz bedingen. Eine Mitralinsuffizienz kommt auch als Folge von angeborenen Erkrankungen des Bindegewebes wie dem [[Marfan-Syndrom]] und dem [[Ehlers-Danlos-Syndrom]] vor.<ref name="MRKID02">van Karnebeek CD et al. ''Natural history of cardiovascular manifestations in Marfan syndrome.'' Arch Dis Child. 2001 Feb;84(2):129-137. PMID 11159287</ref> Auch angeborene Stoffwechselerkrankungen ([[Morbus Hurler]], [[Mucopolysaccharidose I]]) können zu einer Mitralinsuffizienz führen.<ref name="MRKID07">Wippermann CF et al. ''Mitral and aortic regurgitation in 84 patients with mucopolysaccharidoses.'' Eur J Pediatr. 1995 Feb;154(2):98-101. PMID 7720756</ref> Eine besondere Form der Mitralinsuffizienz hinsichtlich der Ursache wird durch [[kardiotoxisch]]e Medikamente bedingt. Der primäre Schaden am Herzen ist die [[Kardiomyopathie]], beispielsweise durch [[Chemotherapie]] bei [[Krebserkrankung]]en unter Verwendung von [[Anthrazykline]]n wie [[Doxorubicin]] oder [[Daunorubicin]]. Echokardiografisch ist die Mitralinsuffizienz oftmals als erstes Zeichen einer Myokardschädigung zu diagnostizieren: 11,6&nbsp;% der mit Anthrazyklinen behandelten Kinder und Jugendlichen entwickeln eine Mitralinsuffizienz (nicht behandelte 1,8&nbsp;%) ohne klinische Symptome. Alle Betroffenen hatten eine normale linksventrikuläre Funktion zum Untersuchungszeitpunkt: im Verlauf wiesen jedoch 4 von 34 Betroffenen eine manifeste [[Linksherzinsuffizienz]] auf (5-27 Monate nach Diagnose der Mitralinsuffizienz).<ref name="MRKID04">Allen J et al. ''Mitral regurgitation after anthracycline treatment for childhood malignancy.'' Heart. 2001 Apr;85(4):430-432. PMID 11250954</ref> Auch [[Mediastinum|mediastinale]] [[Strahlentherapie|Bestrahlung]]en beispielsweise im Rahmen der Therapie eines [[Morbus Hodgkin]] können zur Mitralinsuffizienz führen.<ref name="MRKID05">Lund MB et al. ''Increased risk of heart valve regurgitation after mediastinal radiation for Hodgkin's disease: an echocardiographic study.'' Heart. 1996 Jun;75(6):591-595. PMID 8697163</ref> == Krankheitsbild == === Symptome und klinische Zeichen === Leichtere Formen werden vom Betroffenen nicht bemerkt. Die typischen [[Symptom]]e der schweren Mitralinsuffizienz sind leichte Erschöpfbarkeit („Leistungsknick“) und Atemnot (''[[Dyspnoe]]''). Herzrhythmusstörungen, die bei der Mitralinsuffizienz häufiger auftreten, können sich in Form von Herzstolpern oder [[Herzrasen]] bemerkbar machen. Der wichtigste und wegweisende Befund bei der [[Körperliche Untersuchung|körperlichen Untersuchung]] ist ein hochfrequentes bandförmiges systolisches [[Herzgeräusch]], das meist über der Herzspitze am lautesten zu vernehmen ist und in die linke [[Achsel]] fortgeleitet wird. Daneben können gelegentlich bei linksventrikulärer Dilatation ein verlagerter [[Herzspitzenstoß]], bei Lungenstauung pulmonale Rasselgeräusche und bei sekundärer Rechtsherzinsuffizienz eine Halsvenenstauung und Ödeme festgestellt werden. Bei Kindern und Jugendlichen unterscheiden sich die Symptome der Mitralinsuffizienz nicht von den Symptomen im Erwachsenenalter. Die Symptome der Mitralinsuffizienz sind umso schwerwiegender und schneller auftretend, je jünger das Kind ist. Bei kleinen Kindern und Neugeborenen sind die Symptome [[Entwicklungsverzögerung]] bzw. [[Wachstumsstillstand]] hervorzuheben: Trotz ausreichender Nahrungsaufnahme steigt bei Kindern mit bedeutsamer Mitralinsuffizienz das Gewicht nicht an, auch die erwartete Größenzunahme bleibt aus. Des Weiteren sind häufige Infekte der unteren Luftwege (insbesondere linksseitige [[Lungenentzündung]] bzw. [[obstruktive Bronchitis]]) ein möglicher Hinweis auf eine Mitralinsuffizienz, da der linke [[Bronchialsystem|Hauptbronchus]] durch den erweiterten linken Vorhof eingeengt und somit die Belüftung der linken Lunge reduziert wird. Ansonsten korreliert auch bei Kindern der Schweregrad der Mitralinsuffizienz mit dem Schweregrad der Symptomatik. === Technische Befunde === Neben der körperlichen Untersuchung wird heute für die Beurteilung einer Mitralinsuffizienz in der Regel nur noch eine Ultraschalluntersuchung des Herzens ([[Echokardiografie]], Abk. TTE) benötigt, in Zweifelsfällen auch in Form der [[Transösophageale Echokardiografie|transösophagealen Echokardiografie]] („Schluckecho“, Abk. TEE). Weitere Untersuchungsverfahren sind nur in speziellen Fällen oder vor einer geplanten Operation zum Ausschluss von Begleiterkrankungen erforderlich. Die Diagnostik der Mitralinsuffizienz unterscheidet sich bei Kindern nicht von der des Erwachsenenalters. Die TEE ist bei Kleinkindern, Säuglingen und Neugeborenen nur sehr schwer durchführbar. {| border="1" cellspacing="0" cellpadding="2" style="float:right;margin-left:0.5em;border-collapse:collapse" |- |style="border-right:white" align="middle"|[[Datei:Mitral regurgitation echo 4chamber.jpg|150px]] |style="border-left:white" align="middle"|[[Datei:Mitral regurgitation echo 4chamber description.png|150px]] |- |style="border-right:white" align="middle"|Schwere MI |style="border-left:white" align="middle"|Legende |- |colspan=2 bgcolor="#ABCDEF"|<small>1 Linker Vorhof (LA) – 2 MI-Jet<br/>LV Linke Herzkammer – RV Rechte Herzkammer – RA Rechter Vorhof</small> |} ==== Echokardiografie ==== Die Echokardiografie ist als Standardverfahren unverzichtbar: Sie erlaubt eine Bestätigung der Diagnose, eine Feststellung des Schweregrades und der wahrscheinlichen Ursache, sowie eine Beurteilung des Verlaufs. In Folge der verbesserten Darstellungsqualität der Ultraschallbilder ist eine TEE heute nur noch bei weniger als fünf Prozent der Patienten zwingend erforderlich.<ref>Monin JL et al.: ''Functional assessment of mitral regurgitation by transthoracic echocardiography using standardized imaging planes diagnostic accuracy and outcome implications''.<br/>J Am Coll Cardiol (2005) 46:302-9. PMID 16022959</ref> Die [[Farbdoppler]]-Echokardiografie (s. Abb.) zeigt eine vorhandene Mitralinsuffizienz als Farbwolke im linken Vorhof, die als ''Insuffizienzjet oder Regurgitationsjet '' bezeichnet wird. Breite und Ausdehnung dieser Farbwolke erlauben bereits eine grobe Abschätzung des Schweregrades der Insuffizienz. Darüber hinaus können meist bei der Echokardiografie bereits der zugrundeliegende Mechanismus (Ringdilatation, inkompletter Klappenschluss, Endokarditis, Prolaps, ''flail leaflet'', „unklar“) und die Lokalisation eventueller Klappenveränderungen dokumentiert werden.<ref>Voelker W: ''Strukturierter Datensatz zur Befunddokumentation in der Echokardiographie – Version 2004''.<br/>Z Kardiol (2004) 93:997. DOI 10.1007/s00392-004-0151-8.</ref> Auch die Größe und Pumpfunktion des linken Ventrikels können mit Hilfe der Echokardiografie zuverlässig ermittelt werden. Diese wichtigen Kenngrößen der Herzfunktion sind für die Beurteilung einer schweren Mitralinsuffizienz wichtig, da sie Aufschluss über den optimalen Zeitpunkt einer Klappenoperation geben. {| border="1" cellspacing="0" cellpadding="4" style="float:left;margin-right:0.5em;border-collapse:collapse" |- | bgcolor=ececec|&nbsp; |style="border-right:white" bgcolor=ececec|'''leicht''' |style="border-right:white" bgcolor=ececec|'''mittelschwer''' |style="border-left:white" bgcolor=ececec|'''schwer''' |- |style="border-bottom:white" bgcolor=ececec|Vorhof-Größe |style="border-bottom:white" align="middle"|≤&nbsp;4,0&nbsp;cm |style="border-bottom:white" align="middle"|&gt;&nbsp;4,0&nbsp;cm |style="border-bottom:white" align="middle"|&gt;&nbsp;4,0&nbsp;cm |- |style="border-bottom:white" bgcolor=ececec|Jet-Fläche |style="border-bottom:white" align="middle"|&lt;&nbsp;4,0&nbsp;cm<sup><small>2</small></sup> |style="border-bottom:white" align="middle"|4,0–8,0&nbsp;cm<sup><small>2</small></sup> |style="border-bottom:white" align="middle"|&gt;&nbsp;8,0&nbsp;cm<sup><small>2</small></sup> |- |style="border-bottom:white" bgcolor=ececec|Jet-Fläche/Vorhof-Größe |style="border-bottom:white" align="middle"|&lt;&nbsp;0,2 |style="border-bottom:white" align="middle"|0,2–0,4 |style="border-bottom:white" align="middle"|&gt;&nbsp;0,4 |- |style="border-bottom:white" bgcolor=ececec|Jet-Länge/Vorhof-Länge |style="border-bottom:white" align="middle"|&lt;&nbsp;<small><sup>1</sup></small>/<small>3</small> |style="border-bottom:white" align="middle"|<small><sup>1</sup></small>/<small>3</small>–<small><sup>2</sup></small>/<small>3</small> |style="border-bottom:white" align="middle"|&gt;&nbsp;<small><sup>2</sup></small>/<small>3</small> |- |style="border-bottom:white" bgcolor=ececec|proximale Jet-Breite |style="border-bottom:white" align="middle"|&lt;&nbsp;0,3&nbsp;cm |style="border-bottom:white" align="middle"|0,3–0,69&nbsp;cm |style="border-bottom:white" align="middle"|≥&nbsp;0,7&nbsp;cm |- |style="border-bottom:white" bgcolor=ececec|Regurgitationsvolumen |style="border-bottom:white" align="middle"|&lt;&nbsp;30&nbsp;ml |style="border-bottom:white" align="middle"|30–59&nbsp;ml |style="border-bottom:white" align="middle"|≥&nbsp;60&nbsp;ml |- |style="border-bottom:white" bgcolor=ececec|Regurgitationsöffnung |style="border-bottom:white" align="middle"|&lt;&nbsp;0,2&nbsp;cm<sup><small>2</small></sup> |style="border-bottom:white" align="middle"|0,2–0,39&nbsp;cm<sup><small>2</small></sup> |style="border-bottom:white" align="middle"|≥&nbsp;0,4&nbsp;cm<sup><small>2</small></sup> |- |colspan=4 bgcolor="#ABCDEF"|Echokardiografische Schweregradbeurteilung<ref>Buck T et al.: ''Aktuelle Empfehlungen zur echokardiographischen Schweregradbeurteilung der Mitralklappeninsuffizienz''. Herz (2006) 31:30-37</ref> |} Die Festlegung des Schweregrades einer Mitralinsuffizienz mit Hilfe der Echokardiografie hat in den vergangenen 20 Jahren erheblich an Zuverlässigkeit gewonnen. Dabei werden heute in der Regel verschiedene Parameter gemessen, die anfangs kontrovers beurteilt wurden. Der Schweregrad wird dann in einer Zusammenschau der ermittelten Werte abgeschätzt. Bei organischen Insuffizienzen, insbesondere beim Mitralklappenprolaps, wird deren Ausmaß mit der ''proximalen Konvergenzmethode'' regelmäßig überschätzt.<ref>Grossmann G et al.: ''Value of the proximal flow convergence method for quantification of the regurgitant volume in mitral regurgitation''.<br/>Z Kardiol (2004) 93:944-953. DOI 10.1007/s00392-004-0151-8.</ref> [[Datei:Doppler mitral valve.gif|miniatur|Farbdopplerdarstellung einer Mitralklappeninsuffizienz]] Auch bei Kindern ist die Echokardiografie das diagnostische Mittel der Wahl. Im Unterschied zum Erwachsenenalter ist die Schweregradeinteilung anhand echokardiografisch ermittelter Parameter nicht vergleichbar gut [[Validität|validiert]]. ==== Andere Verfahren ==== Andere Untersuchungsverfahren sind nur noch zur Erkennung etwaiger Komplikationen oder zur unmittelbaren Operationsvorbereitung erforderlich. So können [[Elektrokardiogramm|EKG]] und ggf. [[Langzeit-EKG]] zur Diagnostik von begleitenden [[Herzrhythmusstörung]]en und die [[Röntgen]]aufnahme der Thoraxorgane zur Frage einer möglichen Lungenstauung hilfreich sein. Bei der [[Herzkatheteruntersuchung]] wird zwar die Mitralinsuffizienz auch diagnostiziert und quantifiziert, notwendig ist die Untersuchung aber nur bei älteren Patienten vor einer geplanten Herzklappenoperation, um bei einer begleitenden [[Koronare Herzkrankheit|koronaren Herzkrankheit]] gleichzeitig eine [[Koronararterien-Bypass|Bypass-Operation]] vorzunehmen. === Verlauf === Der Verlauf einer Mitralinsuffizienz ist außerordentlich variabel und nur selten vorhersehbar. So kann selbst eine schwere Mitralklappeninsuffizienz über viele Jahre vollkommen „stabil“ (unverändert) bleiben, bei leichten Insuffizienzen ist dies sogar die Regel. Regelmäßige Kontrolluntersuchungen, beispielsweise in jährlichen Intervallen, können über den individuellen Verlauf Aufschluss geben. Dabei wird besonders auf den Schweregrad der Insuffizienz, die Größe und Pumpfunktion des linken Ventrikels und andere Zeichen einer drohenden Überlastung des Herzens geachtet, um eine bevorstehende Verschlechterung frühzeitig zu erkennen. Diese „Verlaufsparameter“ sind wichtige Anhaltspunkte für eine optimale Planung der [[Therapie]]. Bei Kindern, insbesondere Kleinkindern und Neugeborenen, verläuft die Mitralinsuffizienz schwerer und schneller als beim Erwachsenen oder Jugendlichen. Zumeist resultiert bei kleinen Kindern binnen drei Jahre nach Diagnose einer Mitralinsuffizienz eine manifeste Herzinsuffizienz. == Therapie == Grundsätzlich gilt, dass alle Patienten mit einer „echten“ (nicht nur „physiologischen“) Mitralinsuffizienz ein erhöhtes Risiko tragen, an einer bakteriellen [[Endokarditis]] zu erkranken. Aus diesem Grund wird von den ärztlichen Fachgesellschaften seit Jahrzehnten eine konsequente Endokarditis[[prophylaxe]] vor allen Eingriffen wie [[Koloskopie|Darmspiegelung]] und [[Zahnextraktion]] empfohlen, bei denen Bakterien in die Blutbahn gelangen können. Während europäische und deutsche Leitlinien diese Empfehlung vorsehen, wird sie von der [[American Heart Association]] (AHA) seit April 2007 auf Hochrisikopatienten mit einer [[Künstliche Herzklappe|künstlichen Herzklappe]] oder nach einer überstandenen Endokarditis beschränkt.<ref>Wilson W et al.: ''Prevention of Infective Endocarditis. Guidelines From the American Heart Association. A Guideline From the American Heart Association Rheumatic Fever, Endocarditis, and Kawasaki Disease Committee, Council on Cardiovascular Disease in the Young, and the Council on Clinical Cardiology, Council on Cardiovascular Surgery and Anesthesia, and the Quality of Care and Outcomes Research Interdisciplinary Working Group''. Circulation (2007) [http://circ.ahajournals.org/cgi/reprint/CIRCULATIONAHA.106.183095v1 online]. PMID 17446442</ref> Bei einer leichten Mitralinsuffizienz ist darüber hinaus keine Therapie erforderlich. Es sollten aber normale Blutdruckwerte eingehalten werden, da ein [[Bluthochdruck]] die Druckdifferenz zwischen linkem Ventrikel und Vorhof erhöht und damit das Regurgitationsvolumen und die Druckbelastung des Vorhofes erhöht. Im Kindesalter sind regelmäßige Kontrolluntersuchungen mittels Echokardiografie im Abstand von 6-12 Monaten angezeigt. === Medikamentöse Therapie === Bei einer schweren Mitralinsuffizienz mit Zeichen einer [[Herzinsuffizienz]] richtet sich die Therapie nach den Prinzipien der Herzinsuffizienztherapie. Ob eine medikamentöse Langzeittherapie mit [[ACE-Hemmer]]n die [[Prognose]] auch bei beschwerdefreien Patienten ohne Herzinsuffizienz verbessert, ist noch umstritten. Bei gleichzeitig vorhandenen [[Herzrhythmusstörung]]en kann der Einsatz von [[Antiarrhythmikum|Antiarrhythmika]] notwendig sein. In Abhängigkeit von der Größe des linken Vorhofes kann der Einsatz von [[Antikoagulation|Gerinnungshemmer]]n wie [[Phenprocoumon]] oder [[Warfarin]] zur Prophylaxe einer [[Thrombus]]-Bildung innerhalb des (erweiterten) linken Vorhofes erforderlich sein. Bei der akuten schweren Mitralinsuffizienz muss die Behandlung meist auf der [[Intensivstation]] erfolgen. Ziel der medikamentösen Therapie ist in diesem Fall eine Minderung des Regurgitationsvolumens, um einerseits den Vorwärtsfluss zu steigern und andererseits die Lungenstauung zu vermindern. Bei Patienten mit normalem Blutdruck kann dieses Ziel mit [[Nitroprussid|Nitroprussid-Natrium]] erreicht werden, bei niedrigem Blutdruck ist die zusätzliche Gabe von [[Katecholamin]]en wie [[Dobutamin]] sinnvoll. Diese Patienten profitieren oft auch von der Anwendung der [[Intraaortale Ballonpumpe|intraaortalen Ballonpumpe]], die zu einer Stabilisierung in der Vorbereitungsphase zur erforderlichen Klappenoperation beitragen kann. Bei Kindern werden die leichten Verlaufsformen der Mitralinsuffizienz ebenfalls medikamentös behandelt. Der Beginn der medikamentösen Therapie hängt dabei vom Schweregrad selbst bzw. dem Verlauf der echokardiografischen Kontrollen ab. Primäres therapeutisches Ziel ist die Senkung der Nachlast (afterload). Wie beim Erwachsenen werden hauptsächlich ACE-Hemmer eingesetzt; zusätzlich werden [[Diuretika]] und [[Digitalisglykoside|Digitalis]]-Präparate ([[Digoxin]], [[Digitoxin]]) verwendet. === Operative Therapie === Bei allen Patienten mit einer schweren Mitralinsuffizienz ist die [[Indikation]] für eine Herzklappenoperation zu prüfen. Dabei wird entweder * eine [[Rekonstruktion]] der Klappe vorgenommen oder * eine künstliche Herzklappe eingesetzt. Grundsätzlich wird die Klappenrekonstruktion bevorzugt, da sie zu einer geringeren Beeinträchtigung der Herzfunktion führt und bei erhaltenem [[Sinusrhythmus]] keine dauerhafte Hemmung der Blutgerinnung ([[Antikoagulation]]) erfordert. Sie ist aber insbesondere bei stark geschrumpften, verkalkten oder gar zerstörten Klappensegeln nicht möglich, so dass dann nur ein Klappenersatz in Frage kommt. Die Chancen für eine Klappenrekonstruktion lassen sich mit Hilfe der Echokardiografie bereits vorher zuverlässig abschätzen, in Einzelfällen wird die Notwendigkeit einer künstlichen Klappe erst während der Operation deutlich. Eine Klappenoperation ist sinnvoll, wenn eindeutig durch die Mitralinsuffizienz verursachte Beschwerden sich durch Medikamente nicht beseitigen lassen, solange die Pumpfunktion des linken Ventrikels nicht allzu schwer eingeschränkt ist ([[Ejektionsfraktion]] [EF] > 30&nbsp;%). Bei asymptomatischen Patienten (ohne Beschwerden) mit schwerer Mitralinsuffizienz wird eine Operation empfohlen, wenn Hinweise auf eine Überlastung des Herzens vorliegen. Dies ist der Fall bei eingeschränkter Pumpfunktion (EF < 60&nbsp;%) oder erheblicher Vergrößerung (endsystolischer Durchmesser [LVESD] > 45&nbsp;mm oder LVESD-Index > 26&nbsp;mm/m<sup><small>2</small></sup>) des linken Ventrikels, gleichfalls beim Nachweis einer [[Pulmonale Hypertonie|pulmonalen Hypertonie]] (systolischer Pulmonalarteriendruck > 50&nbsp;mmHg (67 [[Bar (Einheit)|mbar]]) in Ruhe oder > 60&nbsp;mmHg (80 [[Bar (Einheit)|mbar]]) bei Belastung). Bei einer rekonstruierbaren Mitralklappe wird die Indikation großzügiger gestellt, weil die erwartete Verbesserung durch die Operation höher einzuschätzen ist. In Zweifelsfällen kann die Belastungshämodynamik, also die Veränderungen der Druckwerte und der Pumpfunktion des Herzens unter körperlicher Belastung, für die initiale Beurteilung der Operationsindikation hilfreich sein. Postoperativ sind Patienten mit einer rekonstruierten Klappe in der Regel nach einigen Wochen als „herzgesund“ zu betrachten. Wenn keine anderen Erkrankungen vorliegen, ist ihre Belastbarkeit nicht nennenswert eingeschränkt und eine besondere herzwirksame Therapie nicht erforderlich. Patienten mit einer künstlichen Herzklappe benötigen oftmals eine dauerhafte Blutgerinnungshemmung ([[Antikoagulation]]) durch Medikamente wie [[Phenprocoumon|Marcumar<sup>®</sup>]]. Bei ihnen ist die Herzfunktion unter Belastung gelegentlich messbar eingeschränkt, in Abhängigkeit vom Durchmesser der eingesetzten Klappenprothese. Bei einer sonst normalen Herzfunktion ist diese Abweichung allerdings so gering, dass im Alltag keine Beschränkungen zu spüren sind. ==== Besonderheiten bei Kindern ==== Infolge des zumeist schnelleren Fortschreitens der Mitralinsuffizienz ist bei Kindern häufiger eine operative Therapie erforderlich. Sie ist im Vergleich zum Erwachsenenalter mit besonderen Problemen behaftet. Zum einen ist der Einsatz von Klappenprothesen bei Kindern vor Erreichen der Endgröße im Rahmen der [[Pubertät]] immer mit der Notwendigkeit einer oder mehrerer erneuter Operationen verbunden, um die Prothesengröße der Herzgröße anzupassen. Dies ist nicht unbegrenzt möglich. Zum anderen bedingt der zwingend erforderliche Einsatz von gerinnungshemmenden Medikamenten bei Vorhandensein einer Klappenprothese im Kindesalter vor der Pubertät deutliche Schwierigkeiten hinsichtlich Blutungskomplikationen. Insbesondere kleine Kinder halten sich nur eingeschränkt an die Verhaltensregeln zur Vermeidung von Blutungskomplikationen bei der langfristigen Einnahme von Gerinnungshemmern. Da die Gerinnungshemmung bei Einsatz einer Klappenprothese in jungen Lebensjahren auch über lange Zeiträume durchgeführt werden muss, wird die Indikation zum Einsatz einer Klappenprothese möglichst zurückhaltend gestellt. Dennoch ist bei Kindern mit einer operationsbedürftigen Mitralinsuffizienz langfristig in vielen Fällen mit einem Herzklappenersatz zu rechnen. Die kurz- und mittelfristige [[Prognose]] nach einem operativen Klappenersatz ist bei Kindern gut.<ref name="webb"/> Die langfristige Prognose eines mechanischen oder bioprothetischen Klappenersatzes ist aufgrund des gehäuften Auftretens von behandlungsbedürftigen [[Herzrhythmusstörung]]en und linksventrikulärer Insuffizienz nur mäßig mit entsprechenden [[Morbidität]]s- und [[Mortalität]]sraten.<ref name="MRKID11">Adatia I et al. ''Clinical course and hemodynamic observations after supraannular mitral valve replacement in infants and children.'' J Am Coll Cardiol 1997;29:1089–1094. PMID 9120164</ref> Daher wird&nbsp;– wenn immer möglich&nbsp;– zunächst eine Klappenrekonstruktion ohne Einsatz einer Prothese versucht ([[Annuloplastie]], [[Valvuloplastie]]).<ref name="MRKID09">Chavaud S et al. ''Reconstruction surgery in congenital mitral valve insufficiency (Carpentier's techniques): long term results.'' J Thorac Cardiovasc Surgery 1998;115:84–92. PMID 9451050</ref><ref name="MRKID10">Aharon AS et al. ''Early and late results of mitral valve repair in children.'' J Thorac Cardiovas Surg 1994;107:1262–1270. PMID 8176970</ref> Sichere und unzweifelhafte Kriterien zum Zeitpunkt des Einsatzes einer Klappenprothese gibt es im Kindesalter gegenwärtig nicht. == Prognose == Aufgrund des individuell sehr unterschiedlichen Verlaufs der Mitralinsuffizienz ist auch die [[Prognose]] der Patienten sehr verschieden. Man geht heute davon aus, dass Menschen mit einer leichten Mitralinsuffizienz ohne sonstige Herzerkrankung eine normale Lebenserwartung haben. Patienten, bei denen die Indikation zur Operation nach den gegenwärtigen Leitlinien gestellt wurde, hatten eine 8-Jahres-Überlebensrate von 89&nbsp;%. Zahlen aus den Jahren 1980 bis 1989 zeigen eine deutliche Abhängigkeit der Prognose von der Pumpfunktion des linken Ventrikels vor der Operation: Die 10-Jahres-Überlebensrate jener Patienten mit einer normalen Ventrikelfunktion (EF&nbsp;≥&nbsp;60&nbsp;%) lag bei 72&nbsp;% und entsprach damit der Überlebensrate Gleichaltriger ohne Herzoperation, während sie mit 32&nbsp;% bei einer EF von weniger als 50&nbsp;% und 53&nbsp;% bei einer EF zwischen 50 und 60&nbsp;% signifikant geringer war.<ref>Enriquez-Sarano M et al.: ''Echocardiographic prediction of survival after surgical correction of organic mitral regurgitation''. Circulation (1994) 90:830-837. PMID 8044955.</ref> Plötzliche Todesfälle sind bei Patienten mit Mitralinsuffizienz selten, sie treten bei Patienten mit Sehnenfadenabriss mit einer Häufigkeit von 0,8&nbsp;%, bei gleichzeitigem [[Vorhofflimmern]] allerdings 4,8&nbsp;% pro Jahr auf. == Mitralklappeninsuffizienz bei Tieren == [[Datei:Thorax Hund schematisch.png|miniatur|200px|Punctum maximum der Mitralklappe beim Hund im 5. Interkostalraum an der Knorpel-Knochen-Grenze.]] [[Datei:DogLeftAtrium.jpg|miniatur|300px|Röntgenaufnahme eines Hundes mit Mitralklappeninsuffizienz. Gestrichelte Linie: Mitralisdreieck. Pfeile: vom Herzen nach dorsal verlagerte und kaudal komprimierte Luftröhre.]] [[Datei:Heart Mmode dog.jpg|miniatur|300px|M-Mode-Darstellung der kompensatorischen Hyperkontraktilität („Sägezahnmuster“) bei einem Hund mit Mitralklappen-Endokardiose]] Bei Hunden und Katzen zählt die Mitralklappeninsuffizienz zu den häufigsten erworbenen Herzerkrankungen, bei Hunden ist die organische Mitralklappeninsuffizienz infolge einer degenerativen Veränderung der [[Kollagen|kollagenen]] Grundstruktur der Klappe (sog. [[Endokardiose|Mitralklappenendokardiose]]) mit einem Anteil von knapp 40 Prozent sogar die am häufigsten diagnostizierte Herzerkrankung. Daneben kommt das Krankheitsbild als Begleiterscheinung einer [[Kardiomyopathie]] bei Hunden und Katzen regelmäßig vor und kann hier der Auslöser schwerwiegender Komplikationen wie [[Vorhofflimmern]] beim Hund und [[Thrombembolie]]n bei Katzen sein. === Hunde === Vor allem Vertreter kleinerer Hunderassen sind für chronisch degenerative Mitralklappenerkrankungen empfänglich. Häufig hiervon betroffene Rassen sind unter anderem [[Cavalier King Charles Spaniel]], [[Pudel]], [[Chihuahua (Hunderasse)|Chihuahua]], [[Pekinese]], [[Foxterrier]] und [[Cocker Spaniel]]. Die [[Prävalenz]] der Erkrankung liegt innerhalb einer Hundepopulation bei etwa 10&nbsp;% bei fünf- bis achtjährigen Tieren und nimmt mit zunehmendem Alter zu, so dass mit 13 Jahren 30 bis 35&nbsp;% der Tiere betroffen sind<ref>Buchanan JW: Prevalence of Cardiovascular Disorders. In Fox RF, Sisson D, Moïsse NS: Textbook of Canine an Feline Cardiology: Principles and Clinical Practice. 2. Auflage, Saunders, Philadelphia 1999, ISBN 0-7216-4044-3</ref>. Für die Häufigkeit des Auftretens als sekundäres Krankheitsbild bei Kardiomyopathien liegen keine Daten vor, die Klappeninsuffizienz wird aber durch die krankheitsbedingte Erweiterung des Aufhängeapparates der Klappe häufig festgestellt. In seltenen Fällen kommt es zu Infektionen der Mitralklappe durch Bakterien, welche ebenfalls eine Klappeninsuffizienz zur Folge haben.<br><br> Die häufigsten Anzeichen einer verschlechterten Herzfähigkeit sind: abnehmende Leistungsfähigkeit, Husten, nächtliche Unruhe und [[Dyspnoe]]. In der [[Auskultation]] sind in den meisten Fällen holosystolische Herzgeräusche konstanter Intensität in verschiedensten Lautstärken (Grad 1 bis Grad 6) wahrnehmbar. Das lauteste Geräusch (''Punctum maximum'') der Mitralklappe liegt beim Hund im 5. Interkostalraum auf Höhe der Herzspitze. Im [[Röntgen]]bild ist häufig ein vergrößertes Herz feststellbar. Der linke Vorhof kann hierbei in Form eines Dreieckes („Mitralisdreieck“) nach [[kaudal|kaudo-]][[Lage- und Richtungsbezeichnungen|dorsal]] hervortreten . Die häufig feststellbare Abwinkelung zwischen Luftröhre und Wirbelsäule kann einem parallelen Verlauf gewichen sein, teilweise kann der Vorhof sogar die Luftröhre komprimieren und infolge der hierdurch verursachten mechanischen Reizung die Hustensymptome noch verstärken. In fortgeschrittenen Fällen liegt ein [[Lungenödem]] vor. Das [[Elektrokardiogramm]] ist häufig wenig spezifisch, teils sind Hinweise auf einen vergrößerten Vorhof (verlängerte P-Welle, über 0,04 Sekunden) oder eine vergrößerte Hauptkammer (QRS-Komplex länger als 0,06 Sekunden) erkennbar. Daneben kann es zur Ausbildung von Vorhof- oder Kammer[[extrasystole]]n kommen, in einigen Fällen wird ein [[Vorhofflimmern]] beobachtet. Dieses Symptom ist bei Hunden mit funktionellen Mitralinsuffizienzen aufgrund einer dilatativen Kardiomyopathie häufig. [[Echokardiografie|Echokardiografisch]] ist eine Mitralklappeninsuffizienz anhand einer Doppleruntersuchung leicht erkennbar. Daneben treten als Effekte auf: erweiterte Hauptkammer aufgrund der Volumenüberlastung, häufig Hyperkontraktilität aufgrund von Kompensationsmechanismen, deutlich vergrößerter Vorhof.<br>Entsprechend dem Schweregrad der Erkrankung bestehen verschiedene Verlaufsformen. Neben jahrelang symptomlosen oder symptomarmen Hunden kann sich die Erkrankung innerhalb weniger Monate immer weiter verstärken. Als Maß hierfür wird die [[NYHA-Klassifikation]] oder die [[ISACHC|ISACHC-Klassifikation]] verwendet. Die medikamentelle Therapie setzt üblicherweise erst mit dem Auftreten erster klinischer Symptome (siehe oben) ein. Bei schwerer Erkrankungen der Mitralklappe kann das Blut unter hohem Druck zurück fließen und die Vorhofwand am Punkt des Auftreffens des Jets so stark überlasten, dass ihre [[Ruptur|Zerreißung]] erfolgt. Daneben kann das Krankheitsbild dadurch akut verstärkt werden, dass [[Chordae tendineae|Sehnenfäden]] reißen, die die Klappe während der [[Systole|Herzkontraktion]] fixieren, und dass dadurch ein Klappenvorfall eintritt. Die derzeit übliche Therapie der Mitralklappeninsuffizienz beruht je nach Schweregrad der Erkrankung auf dem Einsatz von [[Pimobendan]]<ref>Häggström J et al.: ''Effect of pimobendan or benazepril hydrochloride on survival times in dogs with congestive heart failure caused by naturally occurring myxomatous mitral valve disease: the QUEST study.'' J Vet Intern Med. 2008 Sep-Oct;22(5):1124-35 PMID 18638016</ref>, [[ACE-Hemmer]]n und [[Diuretikum|entwässernden Medikamenten]]<ref>IMPROVE Study Group: ''Acute and short-term hemodynamic, echocardiographic and clinical effects of enalapril maleate in dogs with naturally acquired heart failure:results of the Invasive Multicenter Prospective Veterinary Evaluation of Enalapril study.'' J Vet Intern Med 9:234, 1995, PMID 8523320. </ref>. Anders als beim Menschen konnte sich die chirurgische Therapie von degenerativen Klappenerkrankungen noch nicht durchsetzen, da neben einem hohen finanziellen und technischen Aufwand eine hohe operationsbedingte Sterblichkeitsrate der so versorgten Tiere beobachtet wurde. === Andere Tierarten === Bei [[Hauskatze|Katzen]] werden Mitralklappeninsuffizienzen deutlich seltener als beim Hund beobachtet. Hier sind sie meist mit Erkrankungen des [[Kardiomyopathie|Herzmuskels]] als funktionelle Klappeninsuffizienz verbunden. Als relativ häufiger Sonderfall tritt eine Undichtigkeit dabei als Folgeerscheinung einer funktionellen [[Erworbene Aortenklappenstenose|Aortenstenose]] durch eine Verdickung des Herzmuskels im Ausflussbereiches der linken Herzkammer auf. In seltenen Fällen kommt es auch bei Katzen infolge von [[Fibrose|Endokardfibrosen]] zu organischen Mitralklappenerkrankungen. Als weitere Tierart sind [[Hauspferd|Pferde]] regelmäßig von einer Mitralklappeninsuffizienz betroffen. Bei schätzungsweise 45 Prozent aller Pferde mit einem systolischen Herzgeräusch liegt eine Mitralklappeninsuffizienz vor, deren Ursache häufig eine [[Endokardiose]] zu sein scheint. Vermutlich sind zwischen 3 und 4 Prozent aller Pferde von Erkrankungen der Mitralklappe betroffen<ref>Michl A: ''Klinische und weiterführende kardiologische Untersuchungen bei Warmblutpferden mit Herzklappeninsuffizienzen.''Vet.-med.Diss., Hannover 2001, 20-21 [http://deposit.ddb.de/cgi-bin/dokserv?idn=964312123&dok_var=d1&dok_ext=pdf&filename=964312123.pdf#search=%22%C3%A4tiologie%20endokardiose%22] </ref>. Bei [[Hauskaninchen|Kaninchen]] ist das Auftreten des Krankheitsbildes ebenfalls beschrieben. == Literatur == * Baylen BG: ''Congenital mitral insufficiency.'' In: HD Allen, HP Gutgesell, EB Clark (editors): ''Moss and Adams' Heart Disease in Infants, Children, and Adolescents Including the Fetus and Young Adult.'' 6th edition. November 2000. Lippincott Williams & Wilkins Publishers. ISBN 0-683-30742-8. * Bonow RO, Braunwald E: ''Mitral Regurgitation'' in Zipes DP et al. (Hrsg.): ''Braunwald's Heart Disease: A Textbook of Cardiovascular Medicine''. 7. Auflage. W.B. Saunders Company, Philadelphia 2004 ISBN 1-41-600014-3. * Bonow RO et al.: ''ACC/AHA Guidelines for the Management of Patients With Valvular Heart Disease''. J Am Coll Cardiol 2006 48: e1-148. [http://content.onlinejacc.org/cgi/reprint/48/3/e1 Leitlinien der US-amerikanischen Fachgesellschaften online (englisch)]. * Flachkampf FA, Daniel WG: ''Mitralinsuffizienz''. Internist (2006) 47:275-286. * Nelson WN, Couto CG et al.: ''Innere Medizin der Kleintiere''. 1. Auflage. Urban & Fischer, München und Jena 2006 ISBN 3-437-57040-4 * Rahimtoola SH, Enriquez-Sarano M, Schaff HV, Frye RL: ''Mitral valve disease.'' In: Fuster V, Alexander RW, O'Rourke RA (editors): ''Hurst's The Heart''. 10th edition. November 16, 2000. McGraw-Hill Professional. New York. ISBN 0-07-135694-0 == Weblinks == *[http://www.medizin.uni-essen.de/cardio/15_mitralinsuffizienz.html ''Mitralinsuffizienz: Diagnose, Therapie'' - Artikel der Universität Essen] *[http://www.123sonography.com/echocardiography/blog/2010/04/perforated-mitral-valve-an-echo-case/ Lehrvideo: Mitralinsuffizienz bedingt durch eine Perforation nach Herzklappenentzündung] *[http://www.123sonography.com/echocardiography/blog/2010/04/jet-direction-and-the-mechanism-of-mitral-regurgitation/ Lehrvideo: Wie man von der Jet-Richtung auf die Ursache der Mitralinsuffizienz rückschließen kann] == Quellen == <references/> {{Gesundheitshinweis}} {{Exzellent}} [[Kategorie:Krankheitsbild in der Kardiologie]] [[Kategorie:Krankheitsbild in der Kinderkardiologie]] [[az:Mitral qapaq çatışmazlığı]] [[ca:Insuficiència mitral]] [[en:Mitral regurgitation]] [[es:Insuficiencia mitral]] [[it:Insufficienza mitralica]] [[ja:僧帽弁閉鎖不全]] [[nl:Mitralisinsufficiëntie]] [[pl:Niedomykalność zastawki mitralnej]] [[pt:Regurgitação mitral]] [[sv:Mitralisinsufficiens]] e39y5lvk798h6hvidq8l90nq9gmlpb0 wikitext text/x-wiki Mittelland (Schweiz) 0 23942 26538 2010-03-12T20:08:18Z 89.217.224.38 <!--schweizbezogen-->Das '''Mittelland''' ([[französische Sprache|französisch]]: ''Plateau suisse'', seltener auch ''Moyen pays'') bildet neben dem [[Jura (Gebirge)|Jura]] und den [[Alpen]] eine der drei Grosslandschaften der [[Schweiz]] und macht etwa 30 % der schweizerischen Landesfläche aus. Es umfasst das teils flache, weitgehend jedoch [[Hügelland|hügelige]] Gebiet zwischen Jura und Alpen und liegt im Mittel auf einer Höhe von 400 bis {{Höhe|600|CH|link=true}} Es ist die weitaus am dichtesten besiedelte Region der Schweiz und dadurch auch wirtschaftlich und verkehrstechnisch der bedeutendste [[Großraum|Grossraum]] des Landes. [[Bild:Luzern pilatus.jpg|thumb|350px|Blick vom [[Pilatus (Berg)|Pilatus]] auf das Mittelland bei [[Luzern]]]] == Lage == [[Bild:Mittelland.JPG|thumb|400px|Satellitenbild des Schweizer Mittellandes]] Das Schweizer Mittelland wird im Nordwesten und Norden geografisch wie auch geologisch durch die langgestreckten Höhenzüge des [[Jura (Gebirge)|Jura]] klar abgegrenzt. Im Süden gegen die Alpen hin ist die Grenze geografisch nicht genau definiert. Meist wird der an einigen Orten relativ abrupte Anstieg zu Höhen über 1500&nbsp;m&nbsp;ü.&nbsp;M. ([[Kalkalpen]], teilweise auch Berge der subalpinen [[Molasse]]) als Kriterium für die Abgrenzung genommen. Gelegentlich werden die Regionen des höheren Mittellandes, insbesondere die [[Freiburger Hügellandschaft]], das [[Napfgebiet]], das [[Tössbergland]] und Teile des [[Appenzellerland]]es zu den schweizerischen [[Voralpen]] im engeren Sinne gezählt. Wenn man jedoch nur die Grosslandschaften in Betracht zieht, gehört das Alpenvorland eindeutig noch zum Mittelland. Die südwestliche Grenze des Schweizer Mittellandes bildet der [[Genfersee]], die nordöstliche Grenze der [[Bodensee]] zusammen mit dem [[Rhein]]. Geologisch stellt das Mittelland eine [[Sedimentbecken|Beckenzone]] dar, die sich auch über die schweizerischen Landesgrenzen hinaus erstreckt. Im Südwesten auf [[Frankreich|französischem]] Gebiet verengt sich das Becken im [[Genevois]] und endet bei [[Chambéry]], wo sich Jura und Alpen zusammenschliessen. Jenseits des Bodensees setzt sich das Mittelland im süddeutschen und österreichischen [[Alpenvorland]] fort. Auf schweizerischem Staatsgebiet hat das Mittelland eine Längenausdehnung von rund 300&nbsp;km bei einer von West nach Ost zunehmenden Breite. Im Raum [[Genf]] beträgt die Breite knapp 30&nbsp;km, im Raum [[Bern]] etwa 50&nbsp;km und in der Ostschweiz rund 70&nbsp;km. Zahlreiche Kantone haben Anteil am Mittelland. Vollständige Mittellandkantone sind [[Kanton Zürich|Zürich]], [[Thurgau]] und [[Kanton Genf|Genf]]; überwiegend im Mittelland liegen die Kantonsgebiete von [[Kanton Luzern|Luzern]], [[Aargau]], [[Kanton Solothurn|Solothurn]], [[Kanton Bern|Bern]], [[Kanton Freiburg|Freiburg]] und [[Kanton Waadt|Waadt]]; kleinere Anteile finden sich ferner in den Kantonen [[Kanton Neuenburg|Neuenburg]], [[Kanton Zug|Zug]], [[Kanton Schwyz|Schwyz]], [[Kanton St. Gallen|Sankt Gallen]] und [[Kanton Schaffhausen|Schaffhausen]]. == Geologie == === Schichtfolge === Aufgrund zahlreicher Tiefbohrungen auf Erdöl und Erdgas sind die Gesteinsfolgen im Schweizer Mittelland relativ gut erforscht. Die Basis bildet das kristalline Grundgebirge, das in den Zentralmassiven der Alpen wie auch im [[Schwarzwald]] und in den [[Vogesen]] zutage tritt, im Bereich von Jura und Mittelland aber als tiefe [[Geosynklinale]] ausgebildet ist. Etwa 2500–3000&nbsp;m unterhalb der Erdoberfläche, in Alpennähe auch deutlich tiefer, stösst man im Mittelland bei Bohrungen jeweils auf dieses Grundgebirge. Über dem Grundgebirge lagert die ungefaltete Schichtfolge der mesozoischen Sedimente aus den Zeitaltern von [[Trias (Geologie)|Trias]], [[Jura (Geologie)|Jura]] und [[Kreide (Geologie)|Kreide]]; sie ist im Mittelland nirgends aufgeschlossen. Ihre Dicke nimmt von West nach Ost allmählich von 2.5&nbsp;auf 0.8&nbsp;km ab. Diese Schichten wurden wie diejenigen des Juragebirges in einem verhältnismässig flachen Meeresbecken, der [[Tethys (Ozean)|Tethys]], abgelagert. Auf die mesozoischen Schichten kamen die [[Molasse]]sedimente zu liegen. Diese bestehen aus Abtragungsprodukten der Alpen, mehrheitlich Nagelfluh (Konglomerate), Sande, Mergel und Tone, die unter dem Druck von überlagernden Sedimenten zu Gestein verfestigt wurden. Die Deckschicht schliesslich bilden die Schotter und Lockergesteine, welche von den eiszeitlichen Gletschern transportiert wurden. === Molasse === Geologisch von grösster Bedeutung im Schweizer Mittelland sind die mächtigen [[Molasse]]sedimente, die als Folge der Gebirgserosion am jungen Alpenrand abgelagert wurden. Die Schichtdicke der Molasse nimmt (bei gleicher Entfernung von den Alpen) von West nach Ost zu. Die damaligen Flüsse aus den Alpen –&nbsp;im Allgemeinen nicht kongruent mit dem heutigen Flussnetz&nbsp;– bauten am Gebirgsfuss bedeutende Schwemmfächer auf. Wichtigste Beispiele dafür sind der [[Napf (Berg)|Napf]]- und der [[Hörnli (Berg)|Hörnli]]-Schwemmfächer, weitere Fächer gab es im Gebiet des [[Rigi]], im Schwarzenburgerland und im Gebiet zwischen dem östlichen Genfersee und dem Mittellauf der [[Saane]]. Das Erosionsmaterial wurde nach seiner [[Korngröße]] sortiert. So wurde grobkörniges Material vorwiegend in Alpennähe sedimentiert, sobald die Fliessgeschwindigkeit des Wassers als Transportmedium zu gering wurde, um die gröberen Steine in der Schwebe zu halten. Im mittleren Teil des Beckens findet man hauptsächlich die feinkörnigeren Sandsteine und an dessen Nordrand in Juranähe Tone und Mergel. '''Entstehungsgeschichte der Molasse im Mittelland''' In der ersten Zeit des [[Tertiär (Geologie)|Tertiär]]s vor rund 60–40&nbsp;Millionen Jahren war das Gebiet des heutigen Schweizer Mittellandes ein verkarstetes Kalkplateau, das sich leicht nach Süden neigte und auch in diese Richtung entwässert wurde. In der Folgezeit wurde dieses Plateau durch Hebungs- und Senkungsvorgänge im Zusammenhang mit der Alpenbildung zweimal vom Meer [[Transgression (Geologie)|überflutet]]. Man unterscheidet daher die entsprechenden Ablagerungen als Meeresmolasse und Süsswassermolasse, wobei unter letzterer nicht in erster Linie Sedimente in Süsswasserseen, sondern vor allem Ablagerungen durch Flusssysteme und [[Windverfrachtung]] verstanden werden sollten (also eher eine «Festlandmolasse»). *''Untere Meeresmolasse'' (vor etwa 37–30&nbsp;Millionen Jahren): Allmählich senkte sich das Kalkplateau ab, und ein flacher Meeresarm drang vor, der im Osten bis zu den Karpaten reichte. Die Sedimente bestanden aus feinkörnigen Sanden, Tonen und Mergeln; Nagelfluhfächer gab es noch keine, weil die eigentliche Hebung der Alpen erst am Ende dieser Periode beginnt. *''Untere Süsswassermolasse'' (vor etwa 30–22&nbsp;Millionen Jahren): Das Meer wich einerseits wegen Hebungsvorgängen, andererseits wegen einer weltweiten Meeresspiegelabsenkung zurück. Zusammen mit der Alpenfaltung setzte die Gebirgserosion ein und die ersten Nagelfluhfächer entstanden. *''Obere Meeresmolasse'' (vor etwa 22–16&nbsp;Millionen Jahren): Erneut drang ein flacher Meeresarm vor und die Bildung der Nagelfluhfächer von Napf und Hörnli begann. *''Obere Süsswassermolasse'' (vor etwa 16–2&nbsp;Millionen Jahren): Das Meer zog sich nun endgültig zurück. Der Aufbau des Napf- und Hörnlifächers (sowie weiterer kleinerer Schwemmfächer) ging weiter, so dass diese am Ende der Periode eine Schichtdicke von rund 1500 Meter erreichten. In der nachfolgenden Zeit wurde vor allem der westliche Teil des Mittellandes nochmals stark gehoben, wodurch in diesem Gebiet die Sedimente der Oberen Meeres- und Süsswassermolasse weitgehend wieder erodiert wurden. Charakteristisch für die Sedimente der Meeresmolassen sind versteinerte Schnecken, Muscheln und Haifischzähne. Demgegenüber findet man in den Süsswassermolassen Versteinerungen von typischen Festlandsäugetieren aber auch Reste der damaligen subtropischen Vegetation (z.B. Palmblätter). ''Siehe auch:'' [[Seelaffe]] === Eiszeitliche Überprägung === Seine heutige Landschaftsgestalt hat das Mittelland während der Überprägung durch die [[Eiszeit|eiszeitlichen]] Gletscher erhalten. Während aller bekannten alpinen Vereisungsstadien (Günz-, [[Elstereiszeit|Mindel]]-, [[Saaleeiszeit|Riss]]- und [[Würmeiszeit]]) stiessen gewaltige Gletschereismassen weit ins Mittelland vor. Die dazwischen liegenden Warmzeiten verursachten jeweils einen Rückzug der Gletscher in die Hochalpen (teilweise geringere Ausdehnung als heute), und im Mittelland machte sich subtropische Vegetation breit. [[Bild:Picswiss_BE-92-04_Lüderenalp_(Kurhaus_Hotel).jpg|thumb|left|250px|Das Napfgebiet im höheren Mittelland]] Während der Eiszeiten teilte sich der [[Rhonegletscher]] jeweils am Ausgang der Alpen in zwei Arme, von denen der eine sich über das ganze westliche Mittelland bis in die Regionen Solothurn und Aarau ausdehnte. Im Raum Bern vereinigte er sich mit dem Aaregletscher. Auch der Reuss-, der Linth- und der Rheingletscher stiessen teilweise bis an den Jura vor. Dabei formten die Eismassen das Land einerseits durch die Tiefenerosion, andererseits durch Ablagerungen von oft mehrere Meter mächtigen Grundmoränen (sehr fein zermahlenes Gesteinsmehl) sowie durch Ablagerung von Schotter durch die Flüsse im Vorfeld der Gletscher. Spuren der älteren Günz- und Mindeleiszeit sind jedoch nur an wenigen Orten übriggeblieben, da sie von den Gletschern der nachfolgenden Eiszeiten beseitigt oder umgelagert wurden. Ihre grösste Ausdehnung erreichten die Gletscher in der Risseiszeit, während der das ganze Mittelland ausser das Napfgebiet und das Tössbergland vom Eis bedeckt war. Von der Würmeiszeit, die etwa 115000 Jahre vor der Gegenwart begann, zeugen weitaus die meisten Spuren. Die Endmoränen der Gletscher sowie die Ablagerungen der verschiedenen Rückzugsstadien sind erhalten geblieben. === Landschaftsformen === Bei einem Blick auf die Landkarte kann man noch heute die Fliessrichtung der eiszeitlichen Gletscher erkennen. Die weite Ausdehnung des Rhonegletschers nach Nordosten zeigen der zum Jura und zu den Alpen parallele Verlauf der Täler ([[Broye (Fluss)|Broye]], [[Glâne (Fluss)|Glâne]]) und Seen ([[Neuenburgersee|Neuenburger-]], [[Bielersee|Bieler]] und [[Murtensee]]) in der Westschweiz an. Reuss- und Linthgletscher haben die von Südosten nach Nordwesten verlaufenden Täler (u.a. [[Wigger (Fluss)|Wigger]]-, [[Suhre]]n-, [[Seetal|See-]] und [[Reuss (Fluss)|Reusstal]]) und Seen ([[Zürichsee]], [[Greifensee (Gewässer)|Greifensee]], [[Hallwilersee]], [[Sempachersee]]) des zentralen Mittellandes geschaffen. Der Rheingletscher hinterliess in der Nordostschweiz mehrheitlich in Ost-West-Richtung verlaufende Spuren ([[Thur (Schweiz)|Thur]]tal, Untersee des [[Bodensee]]s). Mancherorts gibt es charakteristische [[Drumlin]]s aus gepresstem Grundmoränenmaterial, die meist in grösseren Schwärmen auftreten, besonders typisch im [[Zürcher Oberland]], im Hirzelgebiet, im Bodenseegebiet sowie zwischen dem Reusstal und dem [[Baldeggersee]]. Weitere wichtige Vermächtnisse der Gletscher im Mittelland sind neben dem See- und Flusssystem die [[Findling]]e, welche über das ganze Gebiet verstreut anzutreffen sind. Diese zum Teil riesigen erratischen Blöcke (beispielsweise bei [[Steinhof SO|Steinhof]]) aus ortsfremdem Gestein, meist Granit oder Gneis, der nur in den Hochalpen vorkommt, waren unter anderem der Schlüssel zur Begründung der Eiszeittheorie im 19. Jahrhundert, da ein Transport allein durch Wasserkraft physikalisch nicht möglich ist. Schliesslich sind auch die Schotterablagerungen in den Talsohlen des Mittellandes ein Zeugnis der Eiszeiten. Während der Gletscherzeit sowie beim Vorstoss und Rückzug der Gletscher wurden zum Teil mächtige Schotterschichten in den Tälern abgelagert, die in der nachfolgenden Warmzeit jeweils bis auf einige Reste wieder wegerodiert wurden. Viele Täler weisen deshalb ein Terrassensystem auf: Die Niederterrasse besteht aus Schotter der Würmeiszeit, die Hochterrasse aus Ablagerungen der Risseiszeit. Manchmal sind auch noch Deckenschotter der älteren Eiszeiten zu finden. == Topografie == [[Bild:Picswiss_AG-23-05.jpg|thumb|250px|Das Mittelland bei Muri (AG)]] Obwohl das Schweizer Mittelland ein Becken darstellt, ist es keineswegs als ebene Landschaft einzustufen, sondern es weist eine je nach Region bisweilen sehr vielfältige naturräumliche Gliederung auf. Wichtige Elemente sind die beiden grossen Seen, Genfer- und Bodensee, welche das Schweizer Mittelland im Südwesten und Nordosten begrenzen. Das westliche Mittelland ist geprägt durch Hochflächen ([[Gros de Vaud]], bis 600 m ü. M.) und Molassehügelländer ([[Jorat]], bis 900 m ü. M.; Freiburger Hügelland, 600 - 1200 m ü. M.), in welche zum Teil tiefe Täler eingegraben sind. Nur in Juranähe besteht mit dem Tal der [[Venoge]] und der [[Orbe (Fluss)|Orbeebene]] eine nahezu durchgehende Senke, welche durch den Querriegel des [[Mormont (Berg)|Mormont]], über den die [[Wasserscheide]] zwischen den [[Einzugsgebiet (Hydrologie)|Einzugsgebiet]]en von [[Rhône]] und Rhein auf nur 500 m ü. M. verläuft, zweigeteilt wird. Das [[Seeland (Schweiz)|Seeland]] bildet die grösste ebene Fläche des Mittellandes, aber auch darin erheben sich einzelne Molasserücken. Nach Osten schliessen sich nun verschiedene Hügelländer an, die gegen Norden allmählich niedriger werden. Eine weitere grössere Fläche ist die von der [[Emme]] durchflossene Ebene des Wasseramtes. Die entlang dem Jurasüdfuss meist in einem breiten Tal fliessende [[Aare]] nimmt alle aus dem höheren Mittelland und den Alpen kommenden Flüsse wie eine Dachrinne auf. [[Bild:Mauensee.jpg|thumb|left|250px|Zentrales Mittelland bei Sursee]] Das zentrale Mittelland ist charakterisiert durch eine Anzahl Südost-Nordwest ausgerichteter breiter Höhenrücken (u.a. [[Erlosen]], [[Lindenberg (Schweiz)|Lindenberg]]) und dazwischen liegender weiter Täler, teilweise mit Seen (Sempacher-, Hallwiler- und Baldeggersee). Den östlichen Abschluss davon bildet die [[Albis]]kette, die zusammen mit der [[Heitersberg]]kette einen quer durch das Mittelland zwischen Jura und Alpen verlaufenden Riegel schafft, der nur an wenigen Orten von den leistungsstarken Verkehrsträgern meist mit Tunnels passiert werden kann. Das östliche Mittelland wird in die Täler der [[Limmat]] (mit Zürichsee), [[Glatt (Rhein)|Glatt]] (mit Greifensee), [[Töss (Fluss)|Töss]] und [[Thur (Schweiz)|Thur]] gegliedert. Dazwischen erheben sich Hügelländer, im [[Thurgau]] auch wieder breite Molasserücken ([[Seerücken]], [[Ottenberg (Schweiz)|Ottenberg]]). Von den genannten Landschaftsformen heben sich zwei Hügelgebiete deutlich ab. Es sind dies das [[Napfbergland]] (mit Höhen bis 1408 m ü. M. zugleich der höchste Punkt des Mittellandes) und das Tössbergland (bis 1300 m ü. M.), beides Überreste der tertiären Nagelfluh-Schwemmfächer. Diese wurden im Lauf der Zeit stark erodiert, wegen ihrer Höhenlage jedoch nicht durch die eiszeitliche Vergletscherung überformt. Deshalb entstanden tief eingekerbte, steilwandige Täler (Gräben) und ein stark verzweigtes, dichtes Gewässernetz. == Klima == [[Bild:Nebelmeer Mittelland.jpg|thumb|250px|Blick von der Rigi auf das Nebelmeer über dem Mittelland]] Das Schweizer Mittelland liegt im Übergangsbereich vom feuchtmaritimen zum kontinental-gemässigten Klima mit überwiegendem Wind aus westlichen Richtungen. Im tieferen Mittelland beträgt die mittlere Jahrestemperatur etwa 9 - 10 °C. Im Januar weisen das Genferseegebiet sowie die ufernahen Bereiche von Neuenburger- und Bielersee mit rund +1 °C die höchsten Mitteltemperaturen auf. Bei gleicher Höhenlage besteht ein leichtes West-Ost-Gefälle; im kältesten Monat werden im Bodenseeraum mittlere Temperaturen von –1 °C erreicht. Die Mitteltemperatur des Monats Juli beträgt im Raum Genf +20 °C, aber auch entlang dem gesamten Jurasüdfuss werden durchschnittlich 18 - 19 °C erreicht, in den höheren, alpennäheren Gebieten etwa 16 - 18 °C. Auch bezüglich der mittleren jährlichen Sonnenscheindauer ist der Genferseeraum begünstigt mit über 1900 Stunden, im übrigen Mittelland sind es 1600 (vor allem im Osten) bis 1900 Stunden. Die mittlere jährliche Niederschlagsmenge bewegt sich zwischen 800 mm in Juranähe, 1200 mm im höheren Mittelland und 1400 mm am Alpenrand. Die trockensten Regionen des Mittellandes befinden sich im Lee des Hochjuras zwischen Morges und Neuenburg. Schneedeckentage gibt es heutzutage in den wärmsten Regionen am Genfer- und Neuenburgersee weniger als 20 pro Jahr, im restlichen Mittelland je nach Höhenlage zwischen 20 und 40 pro Jahr. Im Winterhalbjahr bildet sich bei austauscharmen Wetterlagen im Mittelland ein Kaltluftsee, wobei es meist zur Nebel- oder Hochnebelbildung kommt. Dann liegt das gesamte Mittelland über mehrere Tage, teilweise sogar Wochen hinweg unter einer dicken Nebeldecke, während die angrenzenden Gebiete (Jura und Alpen) vom schönen Wetter profitieren. Typisch bei Hochnebellagen ist die [[Bise]], ein kalter Nordostwind. Dieser erreicht wegen der Kanalisierung im gegen Westen schmaler werdenden Mittelland seine grössten Stärken im Genferseeraum, wo bei klassischer Bisenlage nicht selten mittlere Windgeschwindigkeiten von 60 km/h und Böenspitzen bis über 100 km/h registriert werden. Die alpennahen Gebiete des zentralen und östlichen Mittellandes kommen manchmal in den Genuss von warmen [[Föhn]]winden. == Vegetation == Dominierend im Schweizer Mittelland ist der Laubmischwald mit den Hauptvertretern [[Buche]] und [[Tannen|Tanne]]. Vielerorts gibt es aus wirtschaftlichen Gründen angepflanzte grössere Fichtenbestände, denn die Fichten kommen von Natur aus in den unteren Lagen kaum vor. An begünstigten, wärmeren und trockeneren Orten im Genferseegebiet, im Seeland sowie in der Nordschweiz von der Aaremündung bis nach Schaffhausen bilden [[Eichen]], [[Linden (Botanik)|Linden]] und [[Ahorne|Ahorn]] die wichtigsten Bäume des Waldbestandes. == Bevölkerung == [[Bild:Zuerich.jpg|600px|Das dicht besiedelte Mittelland: Blick vom Uetliberg auf Zürich.]]<br />Das dicht besiedelte Mittelland: Blick vom [[Uetliberg]] auf Zürich. Obwohl das Mittelland nur etwa 30% der Fläche der Schweiz ausmacht, leben hier rund 5 Millionen Menschen oder etwas mehr als zwei Drittel der Wohnbevölkerung der Schweiz. Daher ist das Mittelland mit 380 Einwohnern pro Quadratkilometer dicht besiedelt. Alle Schweizer Städte mit über 50000 Einwohnern (ausser [[Basel]] und Lugano) befinden sich im Mittelland, zu den wichtigsten zählen [[Zürich]], [[Genf]], [[Bern]] und [[Lausanne]]. Die Schwerpunkte der Besiedlung liegen deshalb auch im Bereich der Agglomerationen dieser Städte. Die Agglomeration Zürich allein zählt nahezu 1.3 Million Einwohner. Weitere dicht besiedelte Gebiete liegen entlang dem Jurasüdfuss sowie im Raum [[Luzern]], [[Winterthur]] und [[St. Gallen|Sankt Gallen]]. Demgegenüber weisen die Regionen des höheren Mittellandes im Bereich des Jorat, im Napfgebiet und im Tössbergland eine dünne Besiedlung auf, vorwiegend kleine Bauerndörfer und verstreute Einzelhöfe. Die Mehrheit der Bevölkerung im Schweizer Mittelland ist deutschsprachig; im westlichen Teil wird Französisch gesprochen. Die Sprachgrenze besteht seit vielen Jahrhunderten nahezu am gleichen Ort und ist nicht an eine geografische Trennlinie gebunden. Sie verläuft von [[Biel/Bienne]] via [[Erlach BE|Erlach]], [[Murten]] und [[Freiburg im Üechtland]] zum [[Schwarzsee]] in den Freiburger Alpen. Dabei sind die Städte Biel/Bienne, Murten/Morat und Freiburg/Fribourg offiziell zweisprachig. Ortschaften entlang der Sprachgrenze besitzen in der Regel einen deutschen und einen französischen Namen (siehe auch: [[Liste deutscher Bezeichnungen von Schweizer Orten]], [[Liste französischer Bezeichnungen von Schweizer Orten]]). Im Rahmen eines kurzen Abrisses der Siedlungsgeschichte sind folgende Punkte zu erwähnen: Die ersten besiedelten Räume im Neolithikum stellten die See- und Flussufer des Mittellandes dar (Pfahlbauten). Erste Dörfer bestehend aus Holzhütten entstanden ab dem 3. Jahrhundert vor Christus nach der Einwanderung von keltischen Stämmen. Städtische Siedlungen mit Steinhäusern entwickelten sich in der römischen Zeit, die 15 vor Christus mit der Einverleibung des Gebiets der Helvetier in das Römische Reich unter Kaiser Augustus begann und bis zum Ende des 3. Jahrhunderts nach Christus dauerte. Die drei wichtigsten Orte in der römischen Zeit waren [[Aventicum]] ([[Avenches]]), [[Vindonissa]] und Colonia Iulia Equestris ([[Nyon]]). Sie waren durch ein gut ausgebautes Netz von Heeresstrassen miteinander verbunden. Nach dem Rückzug der Römer wurde das westliche Mittelland durch die romanisierten Burgunder, das zentrale und das östliche Mittelland durch die Alemannen besiedelt, wodurch sich die Sprachgrenze etablierte. Während des Mittelalters kam es zu zahlreichen Stadtgründungen, hauptsächlich im klimatisch günstiger gelegenen tieferen Mittelland. So gab es um 1500 bereits etwa 130 Städte, die durch ein dichtes Verkehrsnetz verbunden waren. Mit der Industrialisierung im 19. Jahrhundert gewannen die Städte rasch an Bedeutung und besonders ab 1860 begann ein rasantes Bevölkerungswachstum der Städte, das rund 100 Jahre lang anhielt. Die nächste Trendumkehr begann etwa 1970, als die [[Stadtflucht]] einsetzte. Dadurch wuchsen die stadtnahen Gemeinden überproportional stark, während gleichzeitig die Kernstadt Einwohner verlor. In neuester Zeit verlagert sich dieser Wachstumsgürtel immer weiter nach aussen, und die Zersiedelung des Landes schreitet weiter voran. == Wirtschaft == Dank seinem günstigen Klima und den fruchtbaren Böden gilt das tiefere westliche Mittelland als wichtigste Ackerbauregion der Schweiz. Vorherrschender Bodentyp ist die [[Parabraunerde]], in höheren Lagen die [[Braunerde]]. Hauptanbauprodukte des Ackerbaus sind [[Weizen]], [[Gerste]], [[Mais]], [[Zuckerrübe]]n und [[Kartoffel]]n; besonders im [[Seeland (Schweiz)|Seeland]] hat auch der [[Gemüse]]bau einen grossen Stellenwert. An begünstigten Lagen entlang der Seen, am Jurasüdfuss sowie im [[Zürcher Weinland]] und im [[Klettgau]] werden Reben gepflanzt. Wiesland mit Milchwirtschaft und Mastviehhaltung überwiegt im östlichen Mittelland sowie in den höheren Regionen des übrigen Mittellandes. Insbesondere im Kanton [[Thurgau]] hat der [[Obst]]bau (Äpfel) eine grosse Bedeutung. Die Wälder des Mittellandes werden [[forstwirtschaft]]lich genutzt; es bestehen verteilt über das ganze Land zahlreiche Fichtenforste. Wegen des wertvollen [[Holzertrag]]s werden die Fichten oft in Reinbeständen angepflanzt. Auch bezüglich der Wirtschaft ist das Mittelland die Kernregion der Schweiz. Als traditioneller Industriezweig ist die Textil- und Bekleidungsindustrie vor allem im zentralen und östlichen Mittelland zu nennen; sie hat aber in den letzten Jahrzehnten an Bedeutung verloren. Wichtigste Industriezweige in der heutigen Zeit sind Maschinen- und Fahrzeugbau, Elektro-, Elektronik-, feinmechanische und optische Industrie sowie Metallbau. In der Nahrungs- und Genussmittelindustrie werden sowohl die einheimischen landwirtschaftlichen Erzeugnisse als auch Importe verarbeitet. Ferner sind auch Holz- und Papierverarbeitung von Bedeutung. [[Bild:Wasserkraftwerk Wohlensee.jpg|thumb|250px|Wasserkraftwerk Mühleberg (Wohlensee)]] Wie die übrige Schweiz ist auch das Mittelland arm an Bodenschätzen. Jedoch gibt es dank dem Vorstossen der Gletscher während der Eiszeiten in genügenden Mengen [[Kies]] und [[Ton (Bodenart)|Ton]]. Der Kiesabbau im Bereich der eiszeitlichen Schotterterrassen ist in den Tälern des gesamten Mittellandes verbreitet und deckt den Bedarf der Baustoffindustrie. Mittels zahlreicher [[Flusskraftwerk]]e wird die Wasserkraft zur Elektrizitätsgewinnung genutzt. Im weiteren stehen alle fünf schweizerischen [[Kernkraftwerk]]e im Mittelland. Es sind dies die Kernkraftwerke [[Kernkraftwerk Gösgen|Gösgen]], [[Kernkraftwerk Mühleberg|Mühleberg]], [[Kernkraftwerk Leibstadt|Leibstadt]] sowie [[Kernkraftwerk Beznau|Beznau]] I und II. == Verkehr == Aufgrund der für schweizerische Verhältnisse relativ einfachen Topografie und der dichten Besiedlung ist das Verkehrsnetz im Mittelland sehr gut ausgebaut. Die wichtigste Transversale, sozusagen das Rückgrat des Mittellandes, bildet die [[A1 (Schweiz)|Autobahn A1]], welche von Genf via Lausanne, Bern, Zürich, Winterthur nach Sankt Gallen führt und alle grossen Städte miteinander verbindet. Ihr letztes Teilstück zwischen [[Yverdon-les-Bains]] und [[Estavayer-le-Lac]] wurde erst 2001 eröffnet; es soll dieser bis anhin strukturschwachen Mittellandregion zu einem wirtschaftlichen Aufschwung verhelfen. Die [[A2 (Schweiz)|Autobahn A2]] als schweizerische Nord-Süd-Achse durchquert das Mittelland zwischen Olten und Luzern. Das Eisenbahnnetz ist seit alters her sehr dicht. Wie mit der A1 sind auch mit der Bahn alle wichtigen Städte direkt miteinander verbunden, wobei es zwischen Lausanne und Olten zwei Hauptlinien gibt. Die eine führt von Lausanne via Freiburg und Bern nach Olten, die andere verläuft entlang dem Jurasüdfuss und erschliesst die Städte Yverdon-les-Bains, Neuenburg, Biel und Solothurn. Einen Quantensprung gab es am 12. Dezember 2004, als die [[Neubaustrecke Mattstetten–Rothrist]] ([[Bahn 2000]]) eröffnet wurde, was die Fahrzeit auf dieser Strecke um 15 Minuten verkürzte. Eine Zugfahrt zwischen Bern und Zürich dauert nun etwas weniger als eine Stunde. Die zwei wichtigsten Schweizer Flughäfen befinden sich im Mittelland: der [[Flughafen Zürich]]-Kloten in der Ebene des [[Glattal]]s bei [[Kloten]] sowie der [[Flughafen Genf]] an der Landesgrenze am Nordwestrand der Stadt. Bern als [[Hauptstadtfrage der Schweiz|de facto Hauptstadt]] der Schweiz besitzt hingegen nur den kleinen [[Flughafen Bern-Belp]]. == Tourismus == Im Gegensatz zu den Alpen ist das Schweizer Mittelland, insbesondere der ländliche Raum, nicht auf Tourismus und Fremdenverkehr ausgerichtet; es bildet hauptsächlich eine Durchgangsregion. Einzig die grösseren Städte mit ihren Sehenswürdigkeiten, vor allem die Altstädte von Bern und Luzern, aber auch Zürich, Sankt Gallen, Freiburg, Genf und Lausanne, ziehen den Stadttourismus an. Als Natursehenswürdigkeit stellt der [[Rheinfall]] bei Schaffhausen einen weiteren Magnet für den Tourismus dar. Vom Fremdenverkehr profitieren ausserdem noch die Regionen am Genfersee sowie die Dreiseenregion [[Neuenburgersee]], [[Bielersee]] und [[Murtensee]], in welcher im Jahr [[2002]] die Landesausstellung [[Expo.02]] stattgefunden hatte. Für [[Baden AG|Baden]], [[Bad Zurzach]], [[Schinznach-Bad]] und [[Yverdon-les-Bains]] mit ihren Thermalbädern spielt ausserdem der Kurtourismus eine bedeutende Rolle. == Siehe auch == * [[Geschichte der Schweiz]] * [[Espace Mittelland]] == Literatur == * Toni P. Labhart: ''Geologie der Schweiz''. Ott Verlag, Thun 2004. ISBN 3722567629 * François Jeanneret und Franz Auf der Maur: ''Der grosse Schweizer Atlas''. Kümmerly + Frey Geographischer Verlag, Bern 1992. ISBN 3259088504 * Andre Odermatt, Daniel Wachter: ''Schweiz, eine moderne Geographie''. Neue Zürcher Zeitung, Zürich 2004. ISBN 3038230979 == Weblinks == * [http://members.fortunecity.com/revieruba/beschreib/waldspaz/geologie.htm Geologie der Schweiz] * {{HLS|8566}} {{commonscat|Swiss plateau|Mittelland}} {{Navigationsleiste Regionen der Schweiz}} {{Exzellent}} [[Kategorie:Region in Europa]] [[Kategorie:Region der Schweiz]] [[Kategorie:Geographie (Kanton Aargau)]] [[Kategorie:Geographie (Kanton Bern)]] [[Kategorie:Geographie (Kanton Freiburg)]] [[Kategorie:Geographie (Kanton Genf)]] [[Kategorie:Geographie (Kanton Luzern)]] [[Kategorie:Geographie (Kanton Neuenburg)]] [[Kategorie:Geographie (Kanton St. Gallen)]] [[Kategorie:Geographie (Kanton Schaffhausen)]] [[Kategorie:Geographie (Kanton Schwyz)]] [[Kategorie:Geographie (Kanton Solothurn)]] [[Kategorie:Geographie (Kanton Thurgau)]] [[Kategorie:Geographie (Kanton Waadt)]] [[Kategorie:Geographie (Kanton Zug)]] [[Kategorie:Geographie (Kanton Zürich)]] [[Kategorie:Becken in der Schweiz]] [[als:Schweizer Mittelland]] [[da:Mittelland]] [[en:Swiss plateau]] [[eo:Svisa Mezlando]] [[es:Meseta suiza]] [[fr:Plateau suisse]] [[he:השפלה השווייצרית]] [[it:Altipiano svizzero]] [[lt:Šveicarijos plynaukštė]] [[no:Mittelland]] [[ru:Швейцарское плато]] [[uk:Швейцарське плато]] [[zh:瑞士高原]] dply1wge11hosszpi0v56ibshh2s951 wikitext text/x-wiki Mittelmeerraum 0 23943 28363 26539 2011-07-30T23:40:21Z 217.233.39.48 [[Datei:Antibes.jpg|thumb|upright=1.6|Stadtansicht von [[Antibes]] (Frankreich). Berge, Meer und kulturelles Erbe machen den Mittelmeerraum zu einer bevorzugten Touristenregion.]] [[Datei:View over Rio Douro at Porto.jpg|thumb|upright=1.6|Stadtansicht von [[Porto]] (Portugal). Trotz ihrer Lage am Atlantik gehört die Stadt zum Mittelmeerraum. Handel und Weinbau bestimmten ihre Geschichte wie die der ganzen Region.]] [[Datei:Pietra bismantova.jpg|thumb|upright=1.6|Blick auf die [[Pietra di Bismantova]] im [[Apennin]], Italien. Das Binnenland ist ländlich geprägt.]] [[Datei:Forteresse de Dubrovnik.jpg|thumb|right|250px|Imposante Stadtmauer von [[Dubrovnik]] in [[Kroatien]]. Dubrovnik ist das Aushängeschild des kroatischen Tourismus.]] Der '''Mittelmeerraum''' ist die Groß[[region]] rund um das [[Mittelmeer]]. Der Mittelmeerraum ist eine transkontinentale Region, die das Mittelmeer mit den darin liegenden Inseln, und die küstennahen Festlandregionen dreier Kontinente erfasst, die zu [[Südeuropa]], [[Vorderasien]] und [[Nordafrika]] gerechnet werden. Der Begriff ''Mittelmeerraum'' lässt sich nach [[Physische Geographie|physisch-geographischen]] und [[Politische Geographie|politischen]], vor allem aber nach [[Klimazone|klimatologischen]] und [[Kulturraum|kulturellen]] Kriterien abgrenzen, die sich zum Teil wechselseitig bedingen. Gemeinhin wird das natürliche und potenzielle Verbreitungsgebiet des [[Olivenbaum]]s als Faustregel für die Bezeichnung des Mittelmeerraums akzeptiert. Man spricht daher auch von der ''[[Ölbaumgrenze]]''. Diese Definition setzt den Mittelmeerraum also mit der Verbreitung des ''[[Mittelmeerklima]]s'' im Bereich Europa, Vorderasien und dem nördlichen Afrika gleich. Da der Olivenbaum aber einerseits nicht überall gedeiht, wo ein typisch mediterranes Klima herrscht (z.&nbsp;B. in den Gebirgen), andererseits einige Küstenregionen des Mittelmeeres bereits in benachbarten Klimaregionen liegen, wird der Mittelmeerraum auch weiter gefasst. Zudem herrscht Einigkeit darüber, dass bestimmte Regionen, die zwar ein mediterranes Klima aufweisen, aber zu weit vom Mittelmeer entfernt liegen, nicht zu der Großregion gehören. Dies betrifft beispielsweise Gebiete um das [[Schwarzes Meer|Schwarze Meer]] und die Höhenlagen des [[Zagros]]-Gebirges im [[Iran]]. Die Staaten, deren Gebiete an diesem Raum teil haben, werden ''Mittelmeerländer'' oder ''[[Mittelmeeranrainerstaaten]]'' genannt. Die meisten dieser Anrainerstaaten, z.&nbsp;B. [[Frankreich]], die [[Türkei]] oder die Länder Nordafrikas gehören nur zu einem kleinen Teil zum Mittelmeerraum. Andererseits werden [[Portugal]] und [[Jordanien]] aus kulturellen und klimatischen Gründen der mediterranen Welt zugerechnet, obwohl sie überhaupt keine Küste zum Mittelmeer haben. == Geographie == === Geographische Lage === Insgesamt erstreckt sich dieses Gebiet über 1,35 Millionen km² Landmasse und 2,5 Millionen km², die das Mittelmeer bedeckt. Als nördlichster Punkt gilt der Alpenfuß in [[Venetien]], der westlichste Punkt ist das [[Cabo da Roca]] bei [[Lissabon]]. Im Osten und Süden markieren die Übergänge zur [[Syrische Wüste|Syrischen Wüste]] bzw. zur [[Sahara]] die Grenzen, wobei die Grenzziehung im Süden willkürlich ist, denn dort reicht das Wüstenklima (z. B. bei [[Port Said]] im Norden des [[Sinai (Halbinsel)|Sinai]]) unmittelbar bis an die Küste heran. Der Mittelmeerraum teilt sich über die drei Kontinente [[Europa]], [[Afrika]] und [[Asien]] auf. In Europa erstreckt er sich ganz oder teilweise über [[Portugal]], [[Spanien]], [[Frankreich]], [[Italien]], [[Slowenien]], [[Kroatien]], [[Bosnien-Herzegowina]], [[Montenegro]], [[Albanien]], [[Griechenland]] und die europäische [[Türkei]], die Kleinstaaten [[Andorra]], [[Monaco]], [[San Marino]], [[Vatikanstadt]] sowie [[Malta]]. Der asiatische Teil liegt in der asiatischen Türkei sowie [[Syrien]], [[Libanon]], [[Israel]], den [[Palästinensische Autonomiegebiete|palästinensischen Autonomiegebieten]] und [[Jordanien]] sowie die Insel [[Zypern]]. In Afrika gehören die nördlichen Landesteile von [[Ägypten]], [[Libyen]], [[Tunesien]], [[Algerien]] und [[Marokko]] zum Mittelmeerraum. === Klima === Der Mittelmeerraum ist fast ausschließlich vom nach ihm benannten [[Mittelmeerklima]] bestimmt. Der mediterrane Klimatyp wird der [[Subtropen|subtropischen Klimazone]] zugerechnet und heißt auch Winterregenklima der Westseiten. Dieses Klima ist, gemessen am gesamten Landanteil, das weltweit am geringsten verbreitete – nur zwischen 1,7 und 3% der Landoberfläche werden ihm zugerechnet. Der Mittelmeerraum nimmt allein zwischen 50 und 60% dieses Anteils ein, ähnliche Klimate finden sich in recht kleinen Abschnitten anderer kontinentaler Westseiten ([[Kalifornien]], [[Chile|Mittelchile]], [[Südafrika]], [[Australien|Südwestaustralien]]). Dieses Klima kommt dadurch zustande, dass sich die Region im Einflussbereich zweier Großwetterlagen befindet: Im Sommer bestimmt das [[Azorenhoch]] das Geschehen, indem es sich praktisch über den ganzen Mittelmeerraum ausbreitet. Windarmes, sonnenscheinreiches Wetter ist die Folge – vereinfacht gesagt wandert das Wüstenklima der [[Rossbreiten]] im Sommer nach Norden. Im Winter stellt sich ein umgekehrter Effekt ein: das Hoch verlagert sich nach Süden und lässt den Mittelmeerraum im Einflussbereich der Westwinde zurück. Es stellt sich eine typische Zugbahn winterlicher [[Zyklon]]e ein, die über Nordeuropa von sibirischen und skandinavischen Hochs nach Süden abgedrängt werden und daher in den Mittelmeerraum ziehen. Dort können sie sich über dem Mittelmeer immer wieder mit Wasser anreichern, so dass sie bis in den [[Naher Osten|Nahen Osten]] Regen bringen. Charakteristisch für das Mittelmeerklima sind daher milde, regenreiche Winter und heiße, trockene Sommer. Das Verbreitungsgebiet des Olivenbaums fällt mit der [[Isotherme|5°-Januarisotherme]] zusammen, das entsprechende Klima wird auch als Ölbaumklima bezeichnet. Die höheren Lagen sind generell kühler (heißester Monat unter 22 °C) – hier wird von Erikenklima gesprochen. Unterschiede in den Klimaausprägungen bestehen aber nicht nur zwischen Tief- und Hochlagen, sondern auch zwischen nördlichem und südlichem, westlichen und östlichen Mittelmeerraum. [[Datei:Klimadiagramm-deutsch-Roma (Rom)-Italien.png|thumb|Klimadiagramm [[Rom]]]] [[Datei:Klimadiagramm-metrisch-deutsch-MarseilleMarignane-Frankreich-1961-1990.png|thumb|Klimadiagramm [[Marseille]]]] [[Datei:Klima antalya.png|thumb|Klimadiagramm [[Antalya]]]] Im westlichen Mittelmeerraum fällt tendenziell höherer Niederschlag. Dies betrifft insbesondere die Westseiten der [[Kontinent]]almassen, an denen sich winterliche Zyklonen abregnen können. So übersteigen die Niederschlagsmengen z. B. an der Ligurischen Küste ([[Genua]]) und in Nordportugal die 1000-mm-Marke, auch [[Rom]], [[Algier]] und [[Gibraltar]] erhalten reichliche winterliche Regenmengen. Der östliche Mittelmeerraum ist dagegen deutlich kontinentaler geprägt – nur die Westseiten der Gebirge ([[Levante]]küste, [[Montenegro]], Westgriechenland) erreichen noch Niederschlagshöhen über 500&nbsp;mm im Jahr, während die Ostseiten schnell sehr trocken werden können. Zudem sind die nördlichen Regionen grundsätzlich kühler und feuchter als die südlichen. Auch die Länge der sommerlichen Trockenheit nimmt von Nord nach Süd und von West nach Ost zu. Sind in [[Avignon]] beispielsweise nur etwa 45 Tage im Jahr [[Aridität|arid]], steigt dieser Wert in [[Jerusalem]] auf fast 200 Tage an. Bezeichnend für mediterranes Klima sind starke Variabilitäten in Niederschlag und Temperatur. So können insbesondere im kontinentalen Ostteil späte Wintereinbrüche mit Schneefall noch im März auftreten, andererseits sind Hitzeperioden von deutlich über 40 °C und lange Dürren keine Seltenheit. Die winterlichen Regen können sintflutartige Ausmaße annehmen und erreichen teilweise an einem einzigen Tag das Mehrfache eines ganzen Monatsdurchschnitts. Überschwemmungen und verstärkte Erosion sind die Folgen. Katastrophal für die Landwirtschaft kann das Aufeinanderfolgen mehrerer nasser oder trockener Jahre sein. Am Südrand des Mittelmeeres erfolgt bereits der Übergang zu [[Steppe]]n- und sogar [[Wüste]]nklima. Das Steppenklima beginnt unterhalb von 300&nbsp;mm Jahresniederschlag und betrifft weite Teile der libyschen und ägyptischen Küste, aber auch einige kleinräumige Regionen in Spanien: Im Windschatten des zentralspanischen Hochlandes (der [[Meseta]]) und der angrenzenden Gebirge erhält das [[Cabo de Gata]] bei [[Almería]] beispielsweise nur noch etwa 200&nbsp;mm. [[Gazastreifen|Gaza]] muss mit 130&nbsp;mm auskommen. Im äußersten Süden reicht die Wüste bis an die Küste heran. Der Nordrand der Adria wird bereits in die gemäßigte Zone gerechnet. In der [[Poebene]], in [[Venetien]] und an der slowenischen Küste tritt keine geschlossene Trockenperiode mehr auf, obwohl die Temperaturen auch dort mild ausfallen. Das weiteste Vordringen des Mittelmeerklimas nach Norden wird im Rhônetal beobachtet, wo die klimatypischen Ausprägungen bis etwa 45° nördlicher Breite beobachtet werden. Typische Winde im Mittelmeerraum sind * der [[Mistral (Wind)|Mistral]], ein trockener Fallwind im Rhônetal aus nördlichen Richtungen * der [[Chamsin]], ein trockenheißer Wüstenwind an der Levanteküste, * der [[Scirocco]], ein aus Südwest bis Süd wehender, warmer Wind, der aus der Sahara über das Mittelmeer zieht und sich dort mit Feuchtigkeit auflädt, * die [[Bora (Wind)|Bora]], ein sehr kalter, oft stürmischer nordöstlicher Fallwind in Dalmatien, * der [[Meltemi]] (auch ''Etesien'' genannt), ein in der Ägäis auftretender sommerlicher Nordwind. === Geologie === Der Mittelmeerraum ist eine [[Plattentektonik|tektonisch]] sehr aktive Region, die über der Schnittstelle mehrerer Kontinentalplatten liegt. Die südliche Hälfte ist Bestandteil der Afrikanischen Platte, die sich nach Norden bewegt und dabei langsam unter die im Norden befindliche Eurasische Platte schiebt. Zwischen ihnen befindet sich die kleinere [[Anatolische Platte]], entlang derer die stärksten Verkeilungen auftreten, so dass im östlichen Mittelmeerraum häufig noch stärkere Erdbeben auftreten als im Westen. Die kollidierenden Platten haben dazu geführt, dass fast der ganze Mittelmeerraum in die Zone der [[alpidisch]]en Faltung geraten ist. Mächtige [[Gebirge]] bestimmen den größten Teil der Küsten und ihres Hinterlandes. [[Datei:Atlas Mountains tectonic plates.png|thumb|Die Plattengrenzen im westlichen Mittelmeerraum]] Neben der Faltung hat es im Tertiär jedoch auch Bruch- und Wanderungstendenzen gegeben: [[Iberische Halbinsel|Iberien]] und die [[Apulische Platte]] mit Italien und Sizilien lösten sich von Afrika und trieb separat auf [[Eurasien]] zu, bevor der afrikanische Kontinent folgte. Zudem lösten sich [[Korsika]] und [[Sardinien]] von der europäischen Halbinsel und bewegten sich in einer 90°-Grad-Kurve auf Italien zu. Die ältesten Gesteinsformationen finden sich in Nordostafrika, das Bestandteil des afrikanischen Schildes ist. Auch die Iberische Halbinsel besteht zum größten Teil aus alten oder [[metamorph]]en Gesteinen: Hier sind beispielsweise mächtige [[Granit]]massive zu finden. Der Rest des Mittelmeerraums wird größtenteils aus Gebirgsformationen des [[Tertiär (Geologie)|Tertiär]] gebildet, als die Kollision der Platten alten Meeresboden um tausende Meter nach oben drückte. Hier haben sich die prägenden [[Kalkstein]]gebirge erhoben, die aufgrund schneller Verwitterung oft ein sehr steiles Relief bilden. Diese werden ergänzt durch Ergussgesteine ([[Basalt]]) aufgrund hoher vulkanischer Aktivität entlang der Plattengrenzen. Somit ist der Mittelmeerraum geologisch gesehen als jung zu bezeichnen. Bis auf einige [[Sedimente und Sedimentgesteine|Sedimentablagerungen]] der Flussebenen fehlen allerdings die erdgeschichtlich jüngsten Ausprägungen, insbesondere die der tertiären [[Eiszeit]]en, die beispielsweise das Erscheinungsbild Nord- und Mitteleuropas geprägt haben. === Relief === [[Datei:Pyrenees summit in summer.jpg|thumb|Ein typisches Faltengebirge: Die [[Pyrenäen]]]] [[Datei:Northern-corsica-houses.jpg|thumb|Nordkorsische Küste: Die Gebirge reichen oft bis unmittelbar an das Meer heran]] Die Lage innerhalb einer bis heute tektonisch aktiven Zone begünstigt ein insgesamt kräftiges Relief mit hoher [[Reliefenergie]], das zum größten Teil von hohen [[Orogen|Faltengebirgen]], zu einem geringeren Teil aber auch von [[Vulkan]]en gebildet wird. Die Gebirgszüge sind aufgrund ihrer Höhe oft die Klimascheiden des mediterranen Klimas zum gemäßigten, beziehungsweise zum [[Wüste]]nklima. In Europa wird so der Mittelmeerraum durch einen fast durchgehenden Riegel nach Norden abgegrenzt, der vom Kantabrischen Gebirge über die [[Pyrenäen]], das [[Zentralmassiv]], die [[Alpen]] und deren südöstliche Fortführung besteht: Das [[Dinarisches Gebirge|Dinarische Gebirge]], in [[Kroatien]] und [[Montenegro]], rückt sogar bis unmittelbar an die Küste heran, so dass das mediterrane Gebiet hier auf wenige Kilometer Breite gestaucht wird. In den [[Rhodopen]] findet dieser Riegel seinen Abschluss. Innerhalb des Mittelmeerraums befinden sich die iberischen Zentral- und Randgebirge ([[Sierra Nevada (Spanien)|Sierra Nevada]], Küstenkordillere und [[Iberisches Scheidegebirge|Kastilisches Scheidegebirge]]), der [[Apennin]] in Italien und die griechischen Gebirgszüge. Auch auf allen größeren Inseln finden sich Massive, die teils die Fortführung kontinentaler Gebirge darstellen. Die Türkei ist vom Relief ähnlich aufgebaut wie Spanien: Hohe Randgebirge umschließen eine zentrale [[Hochebene]]. Im Unterschied zum kastilischen wird das anatolische Hochland aufgrund des raueren Klimas allerdings nicht mehr zum Mittelmeerraum gezählt, so dass das [[Taurusgebirge]], das die ganze Südtürkei durchzieht, ebenfalls als Klimascheide zählt. An der [[Levante]]küste riegelt das [[Libanon (Gebirge)|Libanon-Gebirge]] den Mittelmeerraum gegen die [[Luv und Lee|leeseitig]] gelegene Wüste ab. In Afrika schafft der [[Atlas (Gebirge)|Atlas]] ebenfalls eine eindeutige Grenze zur Wüste. Einzig die libysche und ägyptische Küste weisen kein ausgeprägtes Relief auf. Da die Hauptkämme der nördlichen Grenzgebirge definitiv nicht zum Mittelmeerraum gezählt werden, gilt der [[Toubkal]] (4165 m) im Hohen Atlas als dessen höchste Erhebung. In Europa stellt der [[Mulhacén]] (3482 m) in der Sierra Nevada den höchsten Gipfel. Höchster Berg der Inseln und gleichzeitig höchster Vulkan Europas ist der [[Ätna]] mit ca. 3380 Metern, wobei aufgrund der regen Tätigkeit die Gipfelhöhe über die Jahre schwankt. Die [[Orographie|orographischen]] Verhältnisse lassen nur wenig Platz für [[Ebene (Geographie)|Ebenen]]: Laut Geländeklassifikation der [[Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation|FAO]] gelten nur 29% der Fläche als flach bis wellig gegenüber 53% welligem bis bergigem Land (dominante Hangneigung über 8%) und immerhin 18% gebirgigem Land mit einer Hangneigung über 30%. Ebenen finden sich vor allem in geologisch alten Regionen (spanische Meseta und Nordafrika ohne Atlas) und in den wenigen Sedimentbecken. === Gewässer === [[Datei:Rhone delta.jpg|thumb|[[Rhône]]-Delta, im Hintergrund die Seenreihe des [[Languedoc]]]] Fast alle Flüsse im Mittelmeerraum münden in das Mittelmeer. Soweit diese in derselben Region entspringen, sind sie zumeist kurz und weisen ein starkes Gefälle auf. Längere Flüsse bilden sich, wenn das Quellgebiet in feuchten Klimaregionen liegt ([[Nil]], [[Rhône]], [[Po (Fluss)|Po]]) oder ein größeres Gebiet entwässert wird ([[Ebro]], in Richtung Atlantik auch [[Tajo]], [[Duero]], [[Guadalquivir]]). Je höher die Wasserführung, desto stärker ist der Sedimenttransport, so dass weite Schwemmlandebenen entstehen können. Flüsse, die ins Mittelmeer münden, neigen dann zur [[Flussdelta|Delta]]- und Neulandbildung im Mündungsbereich. Diese Regionen sind zugleich die fruchtbarsten des ganzen Mittelmeerraumes. [[See (Gewässer)|Seen]] existieren im Mittelmeerraum zumeist nur in kleinem Ausmaß. Entlang der französischen Mittelmeerküste im [[Languedoc]] liegen eine Reihe Süß-, Brack- und Salzwasserreservoire, die durch die speziellen Windverhältnisse gebildet wurden: Flugsand wird durch den Mistral parallel zur Küste getrieben, wodurch sich ehemalige Buchten vom offenen Meer abgeschnürt haben. Je nach nachträglichem Süßwassereintrag variiert die [[Salinität]] des entsprechenden Sees. Der größte dieser Seen ist der [[Étang de Vaccarès]] im Rhônedelta. Weitere Seen bilden sich in hügeligem oder gebirgigem Gelände, sind aber zumeist klein. Ein bekannter Vertreter ist der [[Trasimenischer See|Trasimenische See]] in [[Umbrien]]. Soweit im Mittelmeerraum abflusslose Gebiete existieren, können sich außerdem [[Salzsee]]n (Schotts) bilden, die im Sommer bisweilen völlig austrocknen. Dies ist vor allem auf den Hochlagen des Atlas der Fall. Eine Besonderheit der iberischen Halbinsel ist die hohe Zahl von künstlichen [[Stausee]]n, die sich entlang der großen Flüsse fast ununterbrochen aneinander reihen. Die tiefen Flusstäler in sonst relativ flachem Gebiet erleichtern den Bau von Staudämmen, die durch die reichliche winterliche Wasserzuführung genügend Wasser für jahreszeitenunabhängige [[Wasserwirtschaft]] zurück halten können. Im restlichen Mittelmeerraum ist für wirtschaftlich betriebene Stauseen kaum geeignetes Gelände zu finden. === Böden === [[Datei:Roterde.jpg|thumb|[[Terra rossa]], [[Halbinsel]] [[Istrien]] ([[Kroatien]])]] In einer Weltbodenkarte der [[Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation|FAO]] und [[UNESCO]] ist für den nördlichen Mittelmeerraum und Nordwestafrika allgemein als Bodenzone die Chromic Luvisol- Calcaric Cambisol- Zone angegeben. Dort sind also leuchtend rote Luvisol- Böden und Braunerden mit kalkhaltigem Gestein zu finden. Jedoch gibt es im Mittelmeerraum keine einheitliche Verbreitung eines [[Bodentyp]]s. Aufgrund der Kleinkammerung von Horizontal- und Vertikalrelief herrscht eine fleckenhafte Verbreitung einer Vielzahl an Böden. So gibt es beispielsweise [[Braunerden]] und [[Terra Rossa]] sowie auch Halbwüsten oder dunkle Tonböden. Zudem ist keiner der auftretenden Bodentypen als ausschließlich mediterran klassifiziert, denn alle Böden treten ebenfalls in benachbarten Regionen auf. Im Allgemeinen weisen sie eine rote bis bräunliche Farbe auf. Besonders charakteristisch für diese Region sind jedoch die Terra Rossa- Böden, die am ehesten als mediterran bezeichnet werden. Dieser Boden eignet sich recht gut für die [[Landwirtschaft]]: Auch wenn er partiell nährstoffarm ist, weist er dafür eine gute Speicherfähigkeit auf, ist gut belüftet und hält Wasser auch über die Sommermonate. Insgesamt sind nur 40 % der Böden für die Landwirtschaft geeignet, da der Rest entweder zu flachgründig, zu felsig oder zu stark geneigt ist. Dieser Bodenanteil wird allerdings sehr intensiv bewirtschaftet. == Ökosystem == Insgesamt zeichnet sich der Mittelmeerraum durch eine besondere Artenvielfalt aus: Die [[Biodiversität]] wird auf 400.000 bis 600.000 Tier- und Pflanzenarten geschätzt, was etwa einem Zwölftel der weltweiten Biodiversität entspricht. Nach einer Studie von [[Conservation International]] aus dem Jahr 2000 beherbergt allein der Mittelmeerraum 13.000 der weltweit 300.000 [[Endemisch (Biologie)|endemischen]] Arten. Eine Ursache hierfür ist die Kleinräumigkeit der Region, die Platz für ökologische Nischen lässt. Damit einher geht andererseits eine geringe Anzahl von Individuen pro Art, so dass eine Störung des Gleichgewichts weitreichende Folgen hat. Die Empfindlichkeit des Ökosystems und erhebliche Schädigungen durch menschliche Eingriffe haben dazu geführt, dass etliche Arten vom [[Aussterben]] bedroht oder bereits ausgestorben sind. Mit einer verbliebenen natürlichen Vegetation von nur noch 3% ist der Mittelmeerraum von Conservation International zu einem so genannten [[Hotspot (Geologie)|Hotspot]] erklärt worden, einem Gebiet mit besonders gefährdeter ökologischer Vielfalt. :Siehe auch: [[Höhenstufe (Ökologie)#Mediterraner Raum|Ökologische Höhenstufen der Mediterraneums]] === Vegetation === [[Datei:Chenevert.jpg|thumb|Die [[Steineiche]] hat einen hohen Anteil an der mediterranen Vegetation]] [[Datei:Pinien La Brena2004.jpg|thumb|[[Pinie]]n dominieren die Nadelwaldgebiete]] [[Datei:Macchia01.jpg|thumb|Die [[Macchie]] ist die degenerierte Form des Hartlaubwaldes]] Die Vegetation im Gebiet um das Mittelmeer ist durch die Klimaveränderung und natürliche Selektion im Tertiär entstanden. Mit Ende der Eiszeiten hat sich in dieser Region jeweils der sommertrockene, subtropische Klimatyp eingestellt, so dass feuchtigkeitsliebende Pflanzen nach Norden abgedrängt und – je nach [[Biotop]] – immergrüne [[Hartlaubgewächse]] oder [[Nadelhölzer]] bestimmend wurden. Zwar ist aufgrund Jahrtausende alten menschlichen Eingriffs die ursprüngliche Vegetation nur schwer zu bestimmen, aber es ist wahrscheinlich, dass der Mittelmeerraum einst vollständig von Wäldern dieser Arten bedeckt war. Typische Vertreter sind im Westen die [[Steineiche]] ''(Quercus ilex)'' und die [[Korkeiche]] ''(Quercus suber)'', im Osten der Olivenbaum ''(Olea europaea)'' und der [[Johannisbrotbaum]] ''(Ceratonia siliqua)''. In feuchteren Gebieten haben sich bis heute Restbestände von [[Lorbeer]]wäldern erhalten. [[Pinie]]n, [[Zypressen]] und [[Zedern]] dominieren in der höher gelegenen Nadelwaldstufe. Laubabwerfende Bäume wie [[Ulme]], [[Pappeln]], [[Platane]] und [[Rosskastanien|Kastanie]] sind in den Auen und Flusstälern verbreitet. Grenzen dieser Vegetationsformen werden durch Feuchtigkeit im Norden, Trockenheit im Süden und Osten sowie Kälte in den Höhenlagen gebildet. Seit den ersten Hochkulturen befindet sich diese vom Menschen kaum nutzbare Vegetationsform auf dem Rückzug in unzugängliche Gebiete mit schlechter Bodenqualität. Im Gefolge von [[Rodung]], [[Weide (Grünland)|Weidewirtschaft]] oder Brand (der durch Blitzeinschlag allerdings auch natürlich vorkommt) bildet sich eine degenerierte Form des Hartlaubwaldes. Dieser [[Sekundärwald]] erreicht nur noch bis zu 5 Metern Höhe und ist bedeutend artenreicher, da hier dichtes bis undurchdringliches Unterholz gedeihen kann. Im Allgemeinen wird er mit dem aus dem Italienischen stammenden Wort [[Macchie]] bezeichnet, trägt aber in jedem Sprachraum einen eigenen Namen. Hier gedeihen [[Erdbeerbaum]] ''(Arbutus unedo)'', [[Baumheide]] ''(Erica arborea)'' und die zu Sträuchern degenerierten immergrünen Eichenarten, oft auch Lorbeer ''(Laurus nobilis)'' und der [[Mastixstrauch]] ''(Pistacia lentiscus)''. Je intensiver die Übernutzung, desto niedriger und lichter wird die Vegetation: Die nächste Degenerationsstufe stellt die [[Garrigue]] dar, deren Sträucher und Zwergsträucher noch höchstens mannhoch werden. Baumarten kommen nur noch in Krüppelform vor, der Boden ist oft locker mit [[Ginster]]büschen und Kräutern wie [[Minze]], [[Thymian]], [[Salbei]], [[Lavendel (Gattung)|Lavendel]] und [[Rosmarin]] bedeckt. Über das Stadium der Trockengrasrasen kann im Extremfall schließlich der nackte Fels zum Vorschein kommen, der nur noch wenigen resistenten Arten in Spalten Lebensraum bietet. Bis zu einem gewissen Grad ist diese Entwicklung umkehrbar, jedoch nur solange eine ausreichende [[Humus]]decke erhalten bleibt. Erodiert diese aufgrund mangelnder Durchwurzelung, bilden sich Felstriften, auf Kalkgestein meist [[Karst]]landschaften, auf weichem Untergrund auch so genannte [[Badland]]s, in die abfließendes Wasser tiefe Schluchten gräbt. Diese Gebiete sind für menschliche Nutzung verloren. Die Vegetation in Steppenklimaten wird von Sukkulenten, Dornsträuchern und anderen Xerophyten bestimmt. [[Halfagras]] ''(Stipa tenacissima)'', [[Christusdorn]] ''(Zizyphus lotus)'' und [[Wermutkraut|Wermut]] ''(Artemisia inculta)'' sind endemische Arten, sehr weit verbreitet sind auch eingeführte Pflanzen wie [[Opuntie]] und [[Agave]]. Charakteristisch ist der Vegetationsschub in der feuchten Jahreszeit, in der viele einjährige Pflanzen eine kurze, intensive Blüte zeitigen. === Tierwelt === [[Datei:WildeHausziege.jpg|thumb|Die [[Hausziege|Ziege]], eine Grundlage mediterraner Viehwirtschaft und Verursacher von Vegetationsschäden.]] Die Fauna im Mittelmeerraum ist ursprünglich sehr vielfältig. In den Höhenlagen vor allem des Atlas hat sich ein Teil der ursprünglichen Großfauna erhalten können: Hier leben [[Braunbär]]en, [[Wildkatze]]n, [[Wildschwein]]e, [[Schakal]]e, [[Rotfuchs|Füchse]], [[Hirsche]] und einige [[Wolf|Wölfe]]. Auffällig ist auch der Artenreichtum an Vögeln, von denen der Großteil Zugvögel sind – alleine im Mittelmeerraum gibt es drei bis vier Zugrouten für wandernde Arten. So findet man verschiedene Arten von [[Adler (Biologie)|Adlern]], [[Habicht]]en und [[Eulen]], Wild wie [[Fasan]], [[Rebhuhn (Art)|Rebhuhn]], [[Perlhuhn]] und eine unübersehbare Anzahl von Singvögeln. In der Nähe von Feuchtgebieten haben [[Pelikane]], [[Flamingo]]s und [[Kranich (Art)|Kraniche]] ihr Revier. Weit verbreitet sind Schwalben, insbesondere die [[Mehlschwalbe]]. Die Kleinfauna ist unter anderem durch eine Vielzahl an [[Reptilien]] geprägt. [[Eidechsen]], [[Schlangen]] und [[Schildkröte]]n leben im Mittelmeerraum. Auch Gliedertiere sind reichlicher als in Nordeuropa vertreten. Dagegen sind unterhalb der Bodendecke lebende Tiere eher selten. Der Mittelmeerraum ist natürliche Heimat einer Reihe von [[Haustier]]en wie [[Hausesel|Esel]], [[Hausschaf|Schaf]], [[Hausziege|Ziege]] und [[Tauben|Taube]]. Diese leben domestiziert, aber auch wild oder ausgewildert. Wild lebende Katzen und Hunde sind besonders in der Nähe von Siedlungen häufig anzutreffen. Durch den menschlichen Einfluss sind ursprünglich im Mittelmeergebiet heimische Arten dafür heute nicht mehr zu finden. Beispiele sind [[Löwe]], [[Krokodil]] und der bereits im 17. Jahrhundert ausgerottete [[Auerochse]]. === Marines Ökosystem === Auch das Mittelmeer selbst ist extrem artenreich. Es finden sich einerseits zahlreiche Fischarten wie [[Sardine]]n, [[Thunfisch]]e, [[Schwertfisch]]e, [[Haie]] und [[Goldbrasse|Doraden]], andererseits auch eingewanderte oder endogene Meeressäuger wie [[Delfine]] und verschiedene [[Wale|Walarten]]. Auch Tiere wie [[Seeigel]], [[Tintenfisch]]e, [[Muscheln]], [[Krebstiere|Krebse]] und [[Meeresschnecken]] sind in hoher Artenvielfalt zu beobachten. Aufgrund des warmen, überdurchschnittlich salzhaltigen Wassers, das zudem eine geringe Austauschkapazität mit dem Atlantik besitzt, sind [[Nährstoff]]- und [[Sauerstoff]]angebot im Wasser gering. Dies hat zur Folge, dass ein hoher Evolutionsdruck besteht, sich aber in den zahlreichen ökologischen Nischen – ähnlich wie auf dem Land – wenige Individuen pro Art ausbilden. [[Datei:Strasse von Gibraltar2004.jpg|thumb|Blick über die Straße von Gibraltar]] Das Mittelmeer ist seit Jahrmillionen ein Motor der [[Evolution]]. Aufgrund der äußerst schmalen Verbindungen zu anderen Meeren stellt es sozusagen einen Brutkasten dar, der jedoch mit benachbarten Gewässern in Austausch steht. Derzeit wird beispielsweise eine zunehmende Mediterranisierung des Schwarzen Meeres beobachtet, die oft auf Wassererwärmung infolge des [[Globale Erwärmung|Klimawandels]] zurückgeführt wird. Auch umgekehrte Wanderungen sind möglich: Die Meeressäuger sind vermutlich über die [[Straße von Gibraltar]] in das Mittelmeer gelangt. === Menschliche Eingriffe === Seit Tausenden von Jahren ist der Mittelmeerraum durch Kultivierung und Nutzung durch den Menschen geprägt, so dass in weiten Teilen die ursprüngliche Flora und Fauna nicht mehr rekonstruierbar ist. Angesichts der lang anhaltenden, sich immer weiter verstärkenden Einflussnahme hat sich eine Vielzahl ökologischer Probleme ergeben, die in einigen Regionen bereits katastrophale Ausmaße anzunehmen drohen. Das Mittelmeer ist eines der am stärksten verschmutzten Meere der Erde. ==== Waldzerstörung ==== Bereits in vorchristlicher Zeit hatte [[Entwaldung|unkontrollierter Holzeinschlag]] die unwiederbringliche Zerstörung vieler Wälder zur Folge: [[Phönizier]] und später [[Römisches Reich|Römer]] nutzten die Zedernbestände im Libanongebirge und im Atlas zur Gewinnung von Bauholz, da Zedernholz sehr hart und robust ist. Vor allem zum Schiffbau wurde es eingesetzt. Brennholzeinschlag in besiedelten Gebieten verschärfte das Problem zusätzlich. Mit steigender Bevölkerung kam es außerdem zu einer enormen Ausweitung landwirtschaftlich genutzter Fläche, wodurch die Wälder im Zuge massiver Rodungen insgesamt an Fläche abnahmen. Einheimische Bevölkerung wurde in die schwer zugänglichen, bislang intakt gebliebenen Waldgebiete zurückgedrängt und musste dort überleben. Hierdurch wurden diese durch menschliche Nutzung, insbesondere durch unkontrollierte Waldweide, ebenfalls geschädigt. Ein besonders auffälliger waldschädigender Faktor sind [[Waldbrand|Waldbrände]]. Diese kommen, beispielsweise durch Blitzeinschlag, natürlich vor, so dass sich einige Pflanzen bereits hieran angepasst haben. Gelegentliche Brände sorgen sogar für einen besseren Austausch der [[Biomasse]]. Durch menschlichen Einfluss haben Waldbrände allerdings derart drastische Formen angenommen, dass die Regeneration der Waldbestände oft unmöglich wird. Betrug der Abstand zwischen zwei Waldbränden unter natürlichen Umständen zwischen 20 und 100 Jahren, ist er heute wesentlich kürzer. In Sardinien werden jährlich über 20 Feuer pro 100&nbsp;km² gezählt. Waldbrände haben unter anderem zugenommen, weil die menschliche Besiedlung sehr dicht geworden ist. Unbekümmerter Umgang mit offenem Feuer ist die Hauptursache, außerdem sind wirtschaftliche Motive wie Bodenspekulation und gar politische Motive (Waldbrand als Zeichen des Protests z. B. auf Korsika) die Gründe für zunehmende [[Brandstiftung]] in neuerer Zeit. ==== Bodendegradation ==== Intensive Landwirtschaft in sommertrockenen Gebieten führt fast zwangsläufig zu einer Verschlechterung der Bodenverhältnisse: Da eine ausreichende Durchwurzelung des Bodens nicht mehr gegeben ist, verstärkt sich die Wind-, vor allem aber die Wasser[[Bodenerosion|erosion]]. Starkregen im Winterhalbjahr waschen die Erdkrume, die von Wurzeln nicht mehr gehalten wird und schnell mit Flüssigkeit gesättigt ist, fort. Sommerliche Dürre lässt den verbliebenen Boden schneller austrocknen. Dieser Kreislauf hat dazu geführt, dass ehemalige „Kornkammern“ wie Sizilien und der [[Maghreb]] heute ihre Lebensmittelversorgung nicht mehr aus eigener Kraft sichern können. Trockenfeldbau mit teilweise mehrjährigen [[Brache]]n prägt das Landschaftsbild. Eine Ausnahme stellt die sommerfeuchte Poebene dar. In den übrigen Gebieten wurde zumeist versucht, Wassermangel durch [[Bewässerung]] zu mindern, was in den meisten Fällen zu einem dramatischen Absacken des [[Grundwasser]]spiegels geführt hat. Diese Gegenden sind heute massiv von Wüstenbildung bedroht. Gemildert werden diese Effekte durch die winterlichen Niederschläge, die dauerhafte Bodenversalzung verhindern, aber trockene Jahre können zum völligen Verlust von Kulturland führen. Etwa die Hälfte des Mittelmeerraums hat unter starker bis sehr starker Bodendegradation zu leiden. Obwohl die langfristigen Folgen bisher nicht abschätzbar sind, wird vermutet, dass sie weitreichenderen Schaden als die allgemeine Klimaerwärmung hervor rufen können. ==== Emissionen ==== In einem sensiblen Ökosystem können [[Schadstoff]]einträge gravierende Konsequenzen zeitigen. Da der Mittelmeerraum bereits früh verhältnismäßig dicht besiedelt war, sind Folgen der Umweltverschmutzung schon seit Langem zu beobachten. [[Bevölkerungsexplosion]], [[Industrialisierung]], [[Motorisierung]] und die moderne Landwirtschaft haben dazu geführt, dass die Emissionswerte immer weiter gestiegen sind und einzelne Biotope mittlerweile als in ihrer Existenz gefährdet gelten. Besonders das Mittelmeer selbst leidet unter zunehmender Vergiftung. In den weniger entwickelten Ländern in Afrika und dem Nahen Osten sind ungeklärte Siedlungsabwässer der Hauptfaktor, in Südeuropa dagegen der Eintrag landwirtschaftlicher und industrieller Abwässer. So werden über Rhône und Po, aber auch über die kleineren Flüsse erhebliche Mengen an [[Schwermetalle]]n und chemischen Substanzen ins Meer geführt. Großflächige Überdüngung führt außerdem zum Einschwemmen von [[Nitrat]]en und [[Phosphat]]en, die in der besonders austauscharmen Adria schon wiederholt zu [[Algenblüte]]n geführt haben. Die rege [[Schifffahrt]] und einzelne Standorte von Ölhäfen und [[Erdölraffinerie|Raffinerien]] sorgen zudem für eine extreme Belastung durch mineralische Schadstoffe. Experten schätzen die Folgen eines eventuellen Tankerunglücks als katastrophal ein, aber selbst der Status Quo lässt die Organisation [[Greenpeace]] schon das Umkippen ganzer Ökosysteme befürchten. Da sich das Wasser im Mittelmeer im Schnitt nur alle 80 Jahre einmal austauscht und der Süßwassereintrag aufgrund von Land- und Wasserwirtschaft ständig verringert, verschärft sich dieses Problem täglich von selbst. Die erheblich gesunkene Wasserqualität führt jeden Sommer zur Sperrung von Badestränden. ==== Einschleppung von Arten ==== Eine massive Bedrohung der Artenvielfalt entsteht durch das durch den Menschen verursachte Einschleppen fremder Arten in das mediterrane Ökosystem. Dies betrifft insbesondere das Mittelmeer selbst, was am Beispiel des [[Sueskanal]]s deutlich wird. Seit dessen Eröffnung sind Tausende Arten tropischer Fische, [[Quallen]] und Schalentiere in das Levantinische Becken eingewandert, wodurch es zu einer weitgehenden [[Tropikalisierung]] des östlichen Mittelmeeres gekommen ist. Mangels natürlicher [[Fressfeind]]e verbreiten sich diese Arten auf Kosten der ursprünglichen Fauna und verdrängen diese. Verschärft wird das Problem durch das Aussetzen von [[Zierfisch]]en und Algen aus Aquarien sowie die moderne Schifffahrt, die über abgelassenes [[Ballastwasser]] ganze Populationen aus fremden Gewässern ins Mittelmeer pumpen. Auf diese Weise sind einige Biotope bereits von folgenreichem Artensterben betroffen. == Geschichte == ''Hauptartikel: [[Geschichte des Mittelmeerraumes]]'' Die mediterrane Welt gehört seit frühester Zeit zu den zentralen Weltregionen. In den Ländern, die an das Mittelmeer grenzen, entstanden im [[Altertum]] u.a. die Hochkulturen der alten [[Altes Ägypten|Ägypter]], [[Phönizier]], [[Hethiter]], [[Grieche]]n und Römer. Seit dem [[1. Jahrhundert v. Chr.]] verband das [[Römisches Reich|Römische Reich]] den Mittelmeerraum in einer politischen Einheit. Diese zerbrach zunächst aufgrund der Teilung in eine [[Westrom|West-]] und eine [[Byzantinisches Reich|Oströmische]] Reichshälfte und endgültig im [[5. Jahrhundert]] unter dem Ansturm [[Germanen|germanischer]] Völker (siehe [[Spätantike]]). Nach den [[Islamische Expansion|Eroberungen der Araber]] im 7. und 8. Jahrhundert, ging allmählich die kulturelle Einheit des Raumes verloren. Das Mittelmeer blieb zwar weiterhin eine wichtige Brücke für den Handel und den kulturellen Austausch zwischen [[Orient]] und [[Okzident]], wurde aber auch zur Grenze zwischen dem christlichen Abendland im Norden und der Welt des [[Islam]] im Süden. Die religiösen, aber auch wirtschaftlichen und politischen Differenzen eskalierten ab 1096 in den [[Kreuzzug|Kreuzzügen]]. Nachdem Seemächte wie [[Republik Venedig|Venedig]] und [[Republik Genua|Genua]] lange das Mittelmeer auf Kosten des [[Byzantinisches Reich|Byzantinischen Reichs]] dominiert hatten, wurden sie durch die Weltreiche der Spanier und der [[Osmanisches Reich|Osmanen]] zunehmend verdrängt. Nebenkonflikte entstanden zudem durch die [[Piraterie]] der [[Korsar (Pirat)|Korsaren]] aus dem [[Maghreb]] und des [[Malteserorden]]s, die beide Schiffe mit Besatzungen kaperten, die der jeweils anderen Religion angehörten. Die nordafrikanischen Korsaren überfielen zudem Küstenstädte und betrieben [[Mediterraner Sklavenhandel|Sklavenhandel]]. Als Spätfolge der Entdeckung der Seewege nach [[Amerika]] und [[Indien]] im ausgehenden 15. Jahrhundert ging die zentrale [[Geopolitik|geopolitische]] Bedeutung des Mittelmeerraums im 16. und 17. Jahrhundert zurück. Die Macht- und Wirtschaftszentren verlagerten sich nach Nordwesteuropa und an die Küsten des [[Atlantik]]s. Erst die Eröffnung des [[Suezkanal]]s im Jahr 1869 führte zu einem erneuten Aufschwung von Schifffahrt und Handel. In den letzten Jahrzehnten rückt die doppelte Bedeutung des Mittelmeerraums als Brücke und kulturelle Grenze zwischen West und Ost – etwa im [[Libanon]] oder im [[Nahostkonflikt]] – wieder verstärkt in den Mittelpunkt des Weltinteresses. == Bevölkerung == Der Mittelmeerraum ist seit vorgeschichtlicher Zeit ein überdurchschnittlich dicht besiedeltes Gebiet, das aufgrund der interkontinentalen Lage durch verschiedenste Ethnien, Sprachen, Religionen und Kulturen geprägt war und ist. Die genaue Einwohnerzahl ist aufgrund der Abgrenzungsproblematik schwierig anzugeben, grob geschätzt beläuft sie sich 2005 auf etwa 250 Millionen Einwohner. === Bevölkerungsgruppen und Sprachen === [[Datei:Berbers.png|thumb|Die Verbreitung der [[Berber]] in Nordwest-Afrika]] Im mediterranen Raum herrscht eine vielfältige ethnische Zusammensetzung: Arabische Bevölkerungsgruppen dominieren Nordafrika und den Vorderen Orient bis zur türkischen Grenze, bilden dort aber nicht überall eine homogen auftretende Bevölkerung. Insbesondere in Marokko und Algerien bilden einheimische Völker wie die [[Berber]] wichtige Bevölkerungsminderheiten. In Israel stellen Juden die Bevölkerungsmehrheit, die wiederum aus verschiedensten Heimatländern eingewandert sind. Zahlenmäßig eher unbedeutende europäische Minderheiten finden sich außerdem in fast allen arabischen Ländern. Die Türkei ist in ihrem mediterranen Teil ethnisch relativ homogen. Neben Türken finden sich dort nur noch verschwindend kleine Minderheiten von Griechen oder [[Armenier]]n. Diese sind fast sämtlich kurz vor der Gründung des türkischen Staates im Gefolge verschiedener Kriege und teils mit grausamsten Mitteln aus dem Land vertrieben worden (siehe hierzu auch [[Völkermord an den Armeniern]] und [[Griechisch-Türkischer Krieg]]). Die [[Kurden]] als größte ethnische Minderheit lebt an der Mittelmeerküste hauptsächlich im Raum [[Adana]] als Zielgebiet vieler Binnenflüchtlinge. Gegen Ende des 20. Jahrhunderts haben sich insbesondere in den Touristenzentren der Türkischen Riviera kleine Gemeinschaften dauerhaft dort lebender Europäer (vor allem Deutsche) gebildet. Aus anderen Ländern umgesiedelte oder aus [[Gastarbeiter]]schaft zurück kehrende Türken siedeln sich ebenfalls häufig entlang der Mittelmeerküste an. In Europa sind die Staaten und Bevölkerungen seit der Entstehung der Nationalstaaten relativ deckungsgleich. Das Ende des letzten offiziellen [[Vielvölkerstaat]]es im Mittelmeerraum, [[Jugoslawien]], war von so genannten ethnischen Säuberungen begleitet, so dass nur noch [[Bosnien-Herzegowina]] mehrere gleich starke Bevölkerungsgruppen aufweist. In den EU-Ländern [[Spanien]], [[Frankreich]], [[Italien]], [[Slowenien]] und [[Griechenland]] dagegen sind nur kleine offizielle Minderheiten vertreten. Die Katalanen in Spanien und die Korsen in Frankreich betrachten sich allerdings als eigene Volksgruppen. Minderheiten jeweiliger Nachbarländer leben oft in der Nähe der Staatsgrenzen, beispielsweise zwischen [[Isonzo]] und [[Istrien]], wo sich [[Italiener]], [[Slowenen]] und [[Kroaten]] mischen. In Griechenland bestehen albanische und mazedonische Minderheiten, deren Status aber offiziell nicht anerkannt wird. Eine Rolle spielen daneben eingewanderte Ethnien, insbesondere nordafrikanische Gastarbeiter, die in Spanien und Frankreich zum Teil in [[ghetto]]ähnlichen Verhältnissen leben. Die Minderheit der [[Roma (Volk)|Roma]] lebt in allen europäischen Ländern. Sie stellt jeweils mindestens 0,5% der Landesbevölkerung, in einigen Staaten auch mehr als 5%. Einziger geteilter Staat in der EU ist Zypern, dessen nördlicher Teil seit einer Besetzung 1974 durch [[Türkei|türkische]] Truppen als [[Türkische Republik Nordzypern]] ''de facto'' unabhängig ist. Viele Sprachengruppen sind im Mittelmeerraum vertreten. Die indogermanische Sprachfamilie beherrscht den europäischen Teil, wobei von Portugal bis einschließlich Italien die romanischen Sprachen verbreitet sind. Neben den Nationalsprachen Portugiesisch, Spanisch, Französisch und Italienisch halten sich in einigen, meist ländlichen Regionen noch Relikte früher weiter verbreiteter Sprachen, wie das [[Okzitanische Sprache|Okzitanische]] in Südfrankreich. In der Vatikanstadt gilt [[Latein]] als Amtssprache. Slawische Sprachen wie u.a. [[Kroatische Sprache|Kroatisch]] und [[Slowenische Sprache|Slowenisch]] werden an der Ostküste der Adria gesprochen; Albanisch und Griechisch stellen eigene indogermanische Sprachzweige dar. Ein Spezialfall ist Malta: Hier wird [[Maltesische Sprache|Maltesisch]] gesprochen, das auf [[Kreolsprachen|kreolisiertem]] Arabisch basiert und italienische und englische Einflüsse aufgenommen hat. Das Arabische als Vertreter der semitischen Sprachfamilie beherrscht den Raum von Marokko bis Syrien, wobei es je nach Region in verschiedenen Dialekten gesprochen wird. Hebräisch ist Staatssprache in Israel. Mit [[Türkische Sprache|Türkisch]] ist auch eine Turksprache im Mittelmeerraum verbreitet. Mediterrane Handels- und Verkehrssprache ist heutzutage Englisch, bis zu einem gewissen Grad auch Französisch. Die Bedeutungszunahme dieser Sprachen hat eine ureigene Handelssprache des Mittelmeerraums, die [[Lingua Franca]], bereits seit dem 19. Jahrhundert vollständig verdrängt. === Bevölkerungsentwicklung === Die Bevölkerungsentwicklung im Mittelmeerraum ist gekennzeichnet von einem starken Wachstum entlang der [[Küste]]nstreifen und Bevölkerungsabnahme im Binnenland. Ursache für die damit zusammenhängenden Binnenwanderungen ist vor allem das erhöhte Arbeitsplatzangebot infolge besserer wirtschaftlicher Entwicklung und Diversität im Vergleich zu den fast durchweg ländlich gebliebenen Landesteilen abseits der Küsten. Auch das günstige Klima, einer der Faktoren für Lebensqualität, spielt eine Rolle. Eine Ausnahme von dieser Entwicklung stellen lediglich die wenigen inländischen Ballungsräume wie [[Madrid]] und [[Oberitalien]] dar, die eine lange administrative oder industrielle Tradition aufweisen. Das natürliche Bevölkerungswachstum hat sich in historischer Zeit – bis auf Zeiten von [[Epidemie]]n oder Kriegen – stetig verstärkt, bis es im 20. Jahrhundert in eine exponentielle Phase eingetreten ist. Seitdem hat sich die Situation in Europa vom Rest des Mittelmeerraumes abgekoppelt: In Italien und Slowenien ist die Bevölkerung nach 1990 rückläufig, ansonsten sehr schwach steigend oder stagnierend. Allein Albanien wächst noch mit einer Rate von über 2% pro Jahr. Dagegen hält das Bevölkerungswachstum in Afrika und im Nahen Osten aufgrund hoher [[Geburtenrate]]n unvermindert an und erreicht in Palästina über 4% pro Jahr. Aus wirtschaftlichen, zum Teil auch aus politischen Gründen ist das Mittelmeergebiet von Wanderungsbewegungen betroffen. Während sich politisch motivierte Wanderung auf die Krisenherde beschränkt (Kriegs[[flüchtling]]e aus Ex-Jugoslawien und im Nahen Osten), hat die [[Migration (Soziologie)|Migration]] von armen in reiche Regionen seit den 1990er Jahren massive Ausmaße angenommen. Inoffizielle Einwanderung stellt besonders die Staaten vor Probleme, die geographisch nahe an beträchtlich ärmeren Regionen liegen, wie Spanien (gegenüber Marokko) und Italien (gegenüber Albanien). === Städte und Ballungsräume === [[Datei:Istambul and Bosporus big.jpg|thumb|Satellitenaufnahme von [[Istanbul]], mit über 11 Mio. Einwohnern größter Ballungsraum des Mittelmeerraums.]] [[Datei:Ciudad de las ciencias noche.JPG|thumb|[[Valencia]] ist bedeutender Standort von Wissenschaften, Kunst und moderner Architektur.]] [[Datei:Church of panagia chalkeon, thessaloniki.jpg|thumb|In [[Thessaloniki]] drängt sich moderne Bebauung zwischen historische Substanz.]] Der Mittelmeerraum ist stark verstädtert und weist eine Vielzahl an Verdichtungsräumen auf. Drei von ihnen werden mittlerweile (Stand: 2005) als [[Megastadt]] bezeichnet: [[Istanbul]] (11,5 Mio.), [[Madrid]] (6 Mio.) und [[Algier]] (5,5 Mio.) zählen in ihren [[Agglomeration]]en jeweils über 5 Millionen Einwohner. Agglomerationen über eine Million Einwohner sind * in Portugal: [[Lissabon]] und [[Porto]] (beide liegen am [[Atlantischer Ozean|Atlantik]]) * in Spanien: [[Madrid]], [[Barcelona]] und [[Valencia]] * in Frankreich: [[Marseille]] und [[Lyon]] * in Italien: [[Rom]], [[Mailand]], [[Neapel]] und [[Turin]] * in Kroatien: [[Zagreb]] ([[Rijeka]] und [[Split]]) * in Griechenland: [[Athen]] und [[Thessaloniki]] * in der Türkei: [[Istanbul]], [[İzmir]], [[Bursa]], [[Antalya]] und [[Adana]] * in Syrien: [[Homs]] * im Libanon: [[Beirut]] * in Israel: [[Tel Aviv-Jaffa]] * in Palästina: [[Gaza (Stadt)|Gaza]] * in Ägypten: [[Alexandria]] * in Libyen: [[Tripolis]] * in Tunesien: [[Tunis]] * in Algerien: [[Algier]] * in Marokko: [[Rabat]], [[Casablanca]] und [[Fès]]. In dieser Aufzählung sind nur die Ballungsräume vertreten, die im Mittelmeerraum liegen, wobei einige Grenzfälle auftreten: Nicht weit entfernt vom Mittelmeerraum liegen die Megastadt [[Kairo]] (Agglomeration von 17,5 Mio. Einwohnern) und weitere millionenstarke Ballungsräume wie [[Aleppo]] und [[Damaskus]] in Syrien. Einige Städte zeichnen sich durch besonders starkes, teilweise unkontrolliertes Wachstum aus. Dies betrifft die genannten Megastädte, aber auch andere Agglomerationen, und hat verschiedene Ursachen. Antalya hat beispielsweise in 40 Jahren seine Bevölkerung insbesondere im Gefolge des [[Massentourismus]] fast verfünfzehnfacht. [[Tirana]] mit 800.000 Einwohnern im Jahr 2005 hat nach dem Ende der restriktiven Siedlungspolitik der albanischen Kommunisten einen massiven Zustrom der Landbevölkerung erfahren und in weniger als 15 Jahren seine Bevölkerung verdoppelt. Eine Verdopplung seiner Einwohnerzahl hat Tripolis nach der wirtschaftlichen Öffnung Libyens in weniger als zehn Jahren erfahren. Ballungsräume wie Gaza wachsen vor allem durch Flüchtlingsbewegungen und die natürliche Geburtenrate. == Religion == [[Bild:Sinagoga Rijeka 0608.jpg|thumb|[[Synagoge (Rijeka)|Synagoge in Rijeka (Kroatien)]]]] [[Datei:aya sofya.jpg|thumb|Die [[Hagia Sophia]] in Istanbul: als christliche Basilika gebaut, unter den Osmanen zur Moschee umgestaltet.]] [[Datei:Ronda Minaret-Kirchturm2004.jpg|thumb|Glockenturm in [[Ronda]] (Spanien): als [[Minarett]] errichtet, nach der Reconquista zu christlichen Zwecken umgestaltet.]] Alle drei großen [[Monotheismus|monotheistischen]] Religionen sind im Mittelmeerraum vertreten bzw. sogar entstanden und blicken auf eine lange Tradition zurück. Das [[Judentum]] entstand um [[1500 v. Chr.]] und erfuhr seitdem eine wechselvolle Geschichte, die mehrfach die Religion und ihre Anhänger an den Rand des Überlebens brachte. Die Anfänge der Religion liegen im Nahen Osten (heutiges Palästina und Israel, teils auch Jordanien); durch Vertreibung, Verschleppung und Wanderung hat das Judentum allerdings bis ins 20. Jahrhundert weitgehend nur in der [[Diaspora]] existieren können. Erst mit der Gründung von Israel wurde der erste jüdische Staat der Geschichte gebildet. Jüdische Minderheiten waren im ganzen Mittelmeerraum über Jahrtausende präsent und übernahmen wichtige Funktionen im Wirtschaftsleben. Blühende Gemeinwesen in Spanien, Portugal, Italien und Griechenland wurden spätestens seit dem Mittelalter immer wieder ins [[Exil]] vertrieben, ghettoisiert oder gar in [[Pogrom]]en vernichtet. Heute leben nur noch verschwindend kleine Gruppen in diesen Ländern, da insbesondere die Überlebenden des Holocaust nach Israel oder in die [[Vereinigte Staaten|USA]] emigrierten. Das [[Christentum]] verbreitete sich ab dem [[1. Jahrhundert]] – ursprünglich als Abspaltung vom Judentum – von Palästina aus über Kleinasien, Ägypten, Griechenland bis in das römische Kerngebiet. Nach jahrhundertelanger Verfolgung gelang den Christen der Durchbruch im 4. Jahrhundert mit dem [[Toleranzedikt von Mailand]] unter [[Konstantin der Große|Konstantin dem Großen]]. Im Verlaufe der folgenden Jahrhunderte prägten Gegensätze zwischen West- und Ostkirche das Bild. Dieses [[Morgenländisches Schisma|„Große Morgenländische Schisma“]] wurde nie aufgehoben. Die [[Reformation]] des 16. Jahrhunderts konnte im Mittelmeerraum dagegen nie Fuß fassen. Das Christentum dominiert in Europa, wobei der westliche und zentrale Teil bis Kroatien römisch-katholisch geprägt ist und der Papst als geistliches Oberhaupt in Rom residiert. Die griechisch-orthodoxe Konfession ist weitgehend auf Griechenland und die [[Republik Zypern]] beschränkt. Nennenswerte christliche Bevölkerungsanteile (hauptsächlich [[Maroniten]]) kann der Libanon aufweisen, in den asiatischen und afrikanischen Ländern sind sie ansonsten sehr klein. Vereinzelt finden sich weitere christliche Konfessionen wie die [[syrisch-orthodoxe Kirche]] und die [[Kopten]] in Ägypten. Der [[Islam]] als jüngste der drei Religionen breitete sich im 7. Jahrhundert in den Mittelmeerraum aus und verdrängte in Nordafrika und der Levante, später auch in Kleinasien und Teilen Südosteuropas nach und nach die ursprünglichen religiösen Gemeinschaften. Die Reconquista und die Selbstbefreiung des Balkan haben islamische Einflüsse in Europa allerdings immer wieder zurückgedrängt. Mehrheitlich islamisch geprägt ist in Europa nur noch Albanien, einen bedeutenden muslimischen Bevölkerungsanteil stellt außerdem Bosnien-Herzegowina. Die Muslime im Mittelmeerraum sind mehrheitlich [[Sunniten]], in der Türkei bezeichnen sich über 18% als [[Aleviten]]. Daneben sind insbesondere im Nahen Osten [[Schiiten]], in kleineren Gemeinschaften auch [[Drusen]] vertreten. == Politik == Die Staats- und Regierungsformen sind vielfältig und zum größten Teil historischer und religiöser Traditionen geschuldet. Während in Europa seit den späten 90er Jahren überall parlamentarische [[Demokratie]]n installiert sind, gilt dasselbe im übrigen Raum nur für die Türkei und Israel. In den verbleibenden islamischen Staaten herrschen autoritäre Regierungsformen vor. Eine politische Einheit, die den ganzen Mittelmeerraum umfasst, ist aus diesen Gründen auch langfristig nicht vorstellbar. === Staatsverfassungen und Verwaltung === Auch wenn die Grundlagen moderner Regierungs- und Verwaltungsformen weitgehend im Mittelmeerraum schon zu antiken Zeiten ihren Ursprung hatten, sind die aktuellen demokratischen bzw. republikanischen Traditionen bedeutend jünger. Seit dem Übergang zum [[Gotteskaisertum]] im Römischen Reich war die Region für lange Zeit durch [[Monarchie]]n, Adels- und Feudalgesellschaften geprägt. Republikanische Verfassungen entstanden erst im Mittelalter in den reichen Handelsländern Italiens (Genua, Venedig), sie waren allerdings von einer kleinen Kaufmannsschicht bestimmt und führten keine wirklich demokratischen Verhältnisse ein. Demokratie nach heutigen Maßstäben setzte sich erst nach der französischen Revolution 1789 langsam und von stetigen Rückschlägen begleitet durch: Die längste Phase ununterbrochener Demokratie währt in Frankreich – abgesehen von Zeiten der Fremdbesatzung – seit 1871, in Italien seit 1945, in Israel seit 1947, in Portugal seit 1975, in Spanien seit 1976, in Griechenland seit 1980, in Albanien und den ehemaligen jugoslawischen Staaten sogar erst seit den 90er Jahren. Die Türkei hat nach Ende der Militärdiktatur 1981 zwar einen formal demokratischen Staat aufgebaut, wirkliche Demokratie scheint sich allerdings erst seit den weitgehenden Reformen ab 2003 (Minderheitenrechte, Pressefreiheit, Justizreform) langsam zu etablieren. Monarchien sind im Mittelmeerraum mittlerweile selten geworden. Parlamentarische Monarchien bestehen in Spanien und im [[Zwergstaat]] Monaco, in Marokko gilt formal noch die absolute Monarchie. Jordanien ist eine Monarchie mit beschränkten parlamentarischen Vollmachten. Sonderformen bilden der Vatikan, der als [[Theokratie]] vom Papst mit absoluten Vollmachten regiert wird, und Andorra, das eine weltlich-geistliche Doppelspitze in der Verfassung verankert hat. Alle anderen Staaten sind republikanisch verfasst. In den arabischen Ländern herrschen Systeme vor, die auf der Macht eines zumeist nicht demokratisch gewählten Präsidenten oder einer [[Einparteiensystem|Einparteiendiktatur]] beruhen. Zumeist wird diese Macht militärisch abgesichert. Auffällig ist, dass diese Systeme zumeist säkular sind und die innerstaatliche Opposition nicht hauptsächlich von Demokraten, sondern vor allem von Fundamentalisten betrieben wird. Die Trennung von Staat und Religion ist am deutlichsten in den beiden demokratisch verfassten und explizit [[Laizismus|laizistischen]] Staaten Frankreich und Türkei ausgeprägt. === Konflikte und Kooperationen === [[Datei:European union future enlargements map de.png|thumb|Szenario zukünftiger EU-Erweiterungen: Bei Aufnahme aller bestehenden und wahrscheinlichen Kandidaten wäre die gesamte Nordhälfte des Mittelmeerraums in der EU organisiert.]] [[Datei:Rauf Denktash.jpg|thumb|[[Rauf Denktaş]], langjähriger Präsident der nordzyprischen Teilrepublik]] [[Datei:Arafat&Barak.jpg|thumb|[[Jassir Arafat]] (r.) mit [[Ehud Barak]] (l.) und [[Bill Clinton]]: Trotz gelegentlicher Abkommen kommt der nahe Osten kaum zur Ruhe.]] Zwischenstaatliche Konflikte spielen im europäischen Teil des Mittelmeerraumes nur noch eine untergeordnete Rolle und werden mit diplomatischen Mitteln beigelegt. Selbst in der [[Zypernfrage]], in der sich die Positionen zwischen der griechisch-zypriotischen Regierung im Südteil und dem türkisch kontrollierten Nordteil unter der Regierung [[Rauf Denktaş|Denktaş]] Jahrzehnte lang nicht bewegt haben, scheint eine friedliche Lösung in Sicht. Ursächlich hierfür ist maßgeblich die [[EU-Erweiterung]], in deren Zuge die Türkei den Status eines Beitrittskandidaten anstrebt und hierfür weitgehende politische Reformen umsetzt. Bis auf Kroatien, Bosnien-Herzegowina, Montenegro und Albanien sind die europäischen Mittelmeerländer seit der letzten Erweiterung 2004 sämtlich in der [[EU]] organisiert (die Kleinststaaten ohne formalen Mitgliedsstatus). Seit der [[Europa-Krise]] 2005 scheint die Aufnahme der Türkei allerdings wieder in Ferne zu rücken. Militärisch dagegen hat die Türkei mit dem [[NATO]]-Beitritt schon seit 1952 die Westintegration erreicht. Ein kooperatives Verhältnis besteht größtenteils auch zwischen den arabisch-islamischen Ländern, die sich politisch und kulturell nahe stehen. Größtenteils sind sie sowohl in der [[Arabische Liga|Arabischen Liga]] als auch in der Islamischen Konferenz [[OIC]] organisiert. Die afrikanischen Staaten außer Marokko sind gleichzeitig Mitglied in der [[Afrikanische Union|Afrikanischen Union]]. Bedeutend schwieriger gestaltet sich das Verhältnis zwischen Arabern und Türken, die sprachlich, ethnisch und kulturell große Unterschiede aufweisen und auch unterschiedliche ökonomische und geostrategische Ziele verfolgen. Konfliktbeladen ist insbesondere das Verhältnis zwischen Türkei und Syrien: Einerseits standen sie wiederholt in Nahost-Konflikten (insbesondere in den [[Golfkrieg]]en) auf gegnerischer Seite, andererseits schwelt seit langem ein Konflikt um die Wasserreserven des [[Euphrat]]. Die Syrer verdächtigen die Türkei, den Oberlauf durch Einrichtungen von Stauseen übermäßig zu beanspruchen und damit auch eine strategische Waffe entwickelt zu haben, weil die Türkei nach Bedarf „den Hahn zudrehen“ könne. Wichtige internationale Kooperationen bestehen über den internationalen Rahmen ([[Vereinte Nationen|UNO]], [[WTO]]) hinaus zwischen verschiedenen Nationen: Die europäischen Länder sind im [[Europarat]] und der [[OSZE]] organisiert, die EU-Staaten darüber hinaus in der [[WEU]]. Die [[OECD]] zählt auch die Türkei und Israel als Mitglieder. Militärisch nicht in der NATO organisierte Staaten gehören zu einem Großteil den Blockfreien Staaten ([[Bewegung der Blockfreien Staaten|NAM]]) an, die allerdings nach Beilegung des Ost-West-Konfliktes in eine strategische Grundsatzdiskussion geraten sind. Die ölexportierenden Länder Libyen und Algerien sind außerdem in der [[OPEC]] vertreten. Hauptkonfrontation im Mittelmeerraum ist der Nahost-Konflikt. Nachdem dieser im 20. Jahrhundert ein weiträumiges Gebiet von Tunesien bis zum Iran für Jahrzehnte zum explosiven Krisengebiet gemacht hatte, konzentriert er sich seit den späten 1980er Jahren vor allem auf Israel und seine unmittelbaren Nachbarn. Dort allerdings hat er seit Beginn der zweiten [[Intifada]] an Stärke zugenommen und konnte trotz mehrfacher Vermittlung europäischer, amerikanischer und internationaler Vertreter nicht beigelegt werden. Unsicher ist auch die Lage im Libanon, in dem es seit 2005 zu antisyrischen Ausschreitungen und Mordanschlägen gekommen ist, die im Folgejahr den Bürgerkrieg und den israelisch-libanesischen Grenzkrieg wiederaufflammen ließen. === Strukturelle Probleme === Strukturelle politische Probleme bedingen sich oft gegenseitig und betreffen im Mittelmeerraum hauptsächlich folgende Felder: * Wirtschaftliches Gefälle und Migration. Die „Festung EU“ kann im auch im Mittelmeergebiet nicht gegen illegale Einwanderung gesichert werden. Kooperationen zwischen Herkunfts- und Zielländern sind auf absehbare Zeit nicht in Sicht. Zielländer behandeln das Problem unterschiedlich: Während Spanien eine Legalisierung des Aufenthalts bereits Eingewanderter anstrebt, tragen die Abwendungsversuche Italiens bisweilen militärischen Charakter. * [[Organisierte Kriminalität]]. Die organisierte Wirtschaftskriminalität manifestiert sich in Südosteuropa und Italien in [[Mafia|mafiösen]] Strukturen und hat seit den späten 90er Jahren an Intensität und Aggressionspotenzial deutlich zugenommen. Neapel beispielsweise gilt wieder als fest in der Hand der [[Camorra]]. Bedeutend ist auch das Problem von [[Schleuser]]tum und [[Drogenschmuggel]], die trotz gelegentlicher Fahndungserfolge weiter zunehmen. Ursächlich hierfür ist das wirtschaftliche Nord-Süd-Gefälle. * [[Terrorismus]]. Neben terroristischen Vereinigungen im Krisengebiet des Nahen Ostens (siehe hierzu [[Nahost-Konflikt]]) ist der Mittelmeerraum durch Anschläge durch separatistische und religiös-fundamentalistische Gruppen gefährdet. Auf das Konto der [[Al-Qaida]] gehen eine Reihe von Anschlägen in Madrid, Istanbul, Casablanca und auf der tunesischen Insel [[Djerba]], die zusammen viele Hundert Todesopfer forderten. Ziel terroristischer Aktivitäten sind außerdem touristische Einrichtungen, die im ganzen Mittelmeerraum existieren und maximalen Effekt im Verhältnis zum Aufwand garantieren: Sie sind schlecht sicherbar und jeder Anschlag führt durch das Sinken der Buchungen zu weitreichenden Folgen für den bekämpften Staat. Religiös-fundamentalistischer Terror der [[Groupe Islamique Armé|GIA]] und anderen Gruppen ist in Algerien ein zeitweise das ganze Staatswesen bedrohender Faktor. Separatistischer Terrorismus in nennenswertem Rahmen kommt von der baskischen [[Euskadi Ta Askatasuna|ETA]] und in geringerem Ausmaß von der korsischen [[FLNC]]. * [[Korruption]]. Die Staaten im Mittelmeerraum erreichen teilweise sehr niedrige Indexwerte auf der jährlich veröffentlichten Korruptionsskala von [[Transparency International]]. Auf einer Skala von 0 (extrem korrupt) bis 10 (korruptionsfrei) erreichen nach der Studie von 2004 Frankreich, Spanien, Malta, Israel, Portugal, Slowenien, Zypern und Jordanien in dieser Rangfolge Indexwerte über dem Mittel, Tunesien liegt bei einem Wert von 5,0 und rangiert dabei noch vor Italien. Die palästinensischen Gebiete, Libyen und Albanien sind am stärksten betroffen und gehören mit einem Indexwert von je 2,5 zu den korruptesten Nationen der Welt. * Menschen- und Bürgerrechtsverletzungen. Diese sind in nicht-demokratischen Staaten naturgemäß am stärksten ausgeprägt, systematische staatliche Verfolgung kommt jedoch in vielen Regionen vor. Die größten Fortschritte in dieser Hinsicht sind in der Türkei zu beobachten. Ein verstärktes Problem ist laut [[Amnesty International]] die Bekämpfung des Terrorismus in autoritären Staaten, die zu willkürlichen Verhaftungen, unfairen Prozessen, [[Folter]] und Misshandlungen führen. Auch die [[Todesstrafe]] wird dort fast überall noch vollstreckt. == Wirtschaft == [[Datei:European union erdf map de.png|thumb|Europäische Fonds für regionale Entwicklung (EFRE)]] Die Wirtschaft des Mittelmeerraums ist seit alters her geprägt von diversifizierter Landwirtschaft, Handel und Verkehr. Industrielle Schwerpunkte sind bis heute selten geblieben, dafür hat sich im gesamten Raum der Sektor der Dienstleistungen stark entwickelt. Eine besonders hervorgehobene Rolle spielt hierbei der [[Tourismus]]. Insgesamt ist der Mittelmeerraum eine Wachstumsregion, die Wachstumsraten differieren allerdings stark zwischen den Ländern. Die Wirtschaftsleistung ist in den EU-Ländern deutlich höher als in den restlichen Ländern, innerhalb der EU jedoch gelten die Regionen im Mittelmeerraum als mehrheitlich strukturschwach. Daher finden sich sehr viele Empfängergebiete von EU-Strukturhilfen im Mittelmeerraum. In Europa werden Spanien, Portugal, Italien und Griechenland oft salopp als „Club Med“ bezeichnet. Der Begriff ist entstanden, als 1992 die [[EU-Konvergenzkriterien|Konvergenzkriterien von Maastricht]] aufgestellt wurden, die für die südeuropäischen Länder hohe Anstrengungen erforderten. Dort waren [[Staatsverschuldung]] und [[Inflation]] besonders ausgeprägt, während die Wirtschaftsleistung relativ gering war. === Landwirtschaft und Rohstoffe === Der Mittelmeerraum ist aufgrund seines Klimas und seiner natürlichen Ressourcen bis heute stark agrarisch geprägt. Innerhalb der EU sind fast alle dort gelegenen Regionen von einem überdurchschnittlich starken [[Primärsektor]] gekennzeichnet. Die südlichen und östlichen Anrainer bestreiten teilweise sogar mehr als die Hälfte ihres [[BIP]] aus landwirtschaftlicher Wertschöpfung. ==== Land- und Forstwirtschaft ==== Eine Hauptrolle in der Landwirtschaft spielt der Getreideanbau, der in der Poebene intensiv ([[Weizen]]- und [[Reis]]anbau), in Nordafrika extensiv betrieben wird. Neben Weizen wird zunehmend [[Mais]], in Afrika teils auch [[Hirse]] angebaut. Die Bodenverschlechterung hat allerdings weite Gebiete für den Getreideanbau wenig rentabel werden lassen. Der [[Weinbau]] hat in der Mittelmeerregion eine bis auf die alten Griechen zurück reichende Tradition. Heute ist er im ganzen Großraum weit verbreitet; Überproduktion billiger Weine geht einher mit spezialisierter Kultivierung in Spitzenlagen. Führend in der Weinproduktion sind Italien, Spanien, Frankreich, Portugal und Griechenland, aber auch in Nordafrika, der Türkei und im Libanon existieren Anbaugebiete. [[Datei:Olivenhain.jpg|thumb|Olivenhain in Griechenland]] Die andere große agrarische Tradition ist der [[Olivenbaum|Olivenanbau]]. Oliven werden meist zu Öl verarbeitet, das wiederum als [[Speiseöl]] genutzt wird oder als Ausgangsstoff für weitere Produkte wie [[Seife]]n und Cremes dient. In der Nähe von Flüssen hat sich größtenteils eine intensive [[Bewässerung]]skultur mit spezialisiertem Obst- und Gemüseanbau heraus gebildet. Diese werden zum Teil auch über den Winter – unter Planen oder in Gewächshäusern – angebaut. Paradebeispiel ist das spanische Anbauprinzip der [[Huerta]], einer intensiven Gartenkultur entlang der Flusstäler und -mündungen. Im Norden dominieren als Obstsorten [[Pfirsich]]e, [[Aprikose]]n, [[Melone]]n, [[Vogel-Kirsche|Kirschen]] und [[Pflaume]]n, weiter im Süden vor allem [[Zitruspflanzen|Zitrusfrüchte]], in besonders warmen Teilklimaten sogar [[Dessertbanane|Bananen]] und [[Dattelpalmen|Datteln]]. Gemüsesorten sind vor allem [[Tomate]]n, daneben auch [[Aubergine]]n, [[Artischocke]]n, [[Paprika]] und [[Kohl]]. [[Datei:Lavendelveld.jpg|thumb|Lavendelfeld]] [[Datei:Korkeiche Andalusien2004.jpg|thumb|halb abgeschälte [[Korkeiche]]]] Spezielle Kulturen sind im Mittelmeerraum häufig. Weit verbreitet ist der [[Tabak]]anbau. In den Küstenebenen der Südtürkei wird großflächig [[Baumwolle]] angebaut. Die ätherische Öle enthaltenden mediterranen Pflanzen spielen als [[Küchenkraut|Kräuter]], [[Gewürz]]e und Basis für Duftstoffe eine wichtige ökonomische Rolle. Die [[Echter Lavendel|Lavendelfelder]] in der Provence sind weltberühmt. Die Tierhaltung konzentriert sich aufgrund des beschränkten Flächenangebotes und dichter Besiedlung auf Kleintiere, die innerhalb eines umgrenzten Territoriums gehalten werden können, und einzelne Exemplare größeren Viehs. Zu Ersteren gehören [[Geflügel]], Schweine und Kaninchen, die seit altersher die Fleischversorgung sicherstellen, die zweite Gruppe besteht aus Last- und Reittieren wie Esel und Pferd, aber auch Rindern, die in älteren Zeiten vorwiegend als Zugtiere verwendet wurden. In Spanien hat sich die Rinderhaltung daneben auch zu Zwecken des [[Stierkampf]]es entwickelt. Vor allem Schafe und Ziegen wurden dagegen in Herden gehalten und waren Hauptquelle für Milch und Milchprodukte. Diese traditionelle Viehzucht hat sich im Süden weitgehend erhalten, in Europa dagegen hat der Anteil der Rinderzucht auf Kosten von Schaf- und Ziegenhaltung zugenommen. Weiterhin spielt die [[Imkerei]] im gesamten Mittelmeerraum eine herausgehobene Rolle. Im Zuge der Waldzerstörung hat auch die Bedeutung der [[Forstwirtschaft]] an Gewicht verloren. Holzgewinnung aus mediterranen Wäldern ist als Wirtschaftszweig mittlerweile unbedeutend. Auch die [[Jagd]] spielt in weiten Teilen der Region keine Rolle mehr. Wo sie dennoch praktiziert wird, führt sie größtenteils zur Verschärfung ökologischer Probleme: So gefährdet die weitgehend unkontrollierte Freizeitjagd im Rhônedelta durch Abschüsse und bleihaltige Patronenrückstände den Tierbestand im Nationalpark [[Camargue]]. Es gibt jedoch auch Beispiele für nachhaltige Forstwirtschaft. In Spanien und Portugal konzentriert sich beispielsweise fast die gesamte Weltproduktion von [[Kork]] aus den dort endemischen Korkeichen. Die frei stehenden Bäume mit unterholzfreier Umgebung schaffen ideale Bedingungen für Hasen und ihre ebenfalls gefährdeten Fressfeinde wie den iberischen Adler. Aus mediterranen Wäldern wird insbesondere von Pinien auch [[Harz (Pflanze)|Baumharz]] gewonnen, das für die Duftstoff- und Kerzenherstellung eine gewisse Rolle spielt. In einigen Regionen werden in Eichenbeständen Trüffel gefunden. Auch die [[Fischerei]] ist für den Mittelmeerraum ein wichtiger Wirtschaftszweig. Der Pro-Kopf-Verbrauch an Fisch ist relativ hoch, variiert jedoch von Land zu Land. Beliebte Fangfische sind Thunfisch, Kabeljau, Sardinen und Sardellen, die fangfrisch verkauft oder weiterverarbeitet werden. Auch Muscheln und Meeresfrüchte werden gefischt, vor der afrikanischen Küste spielen Schwämme eine bedeutende Rolle. Die Überfischung zusammen mit der hohen Nachfrage lässt die Region allerdings zunehmend zum Importeur von Fisch werden. Wesentlich ergiebiger als das Mittelmeer ist der Nordatlantik, der vor allem von Portugal und Spanien aus befahren wird. ==== Rohstoffe und Bodenschätze ==== [[Datei:Weisser marmor carrara.JPG|thumb|Weißer Marmor aus [[Carrara]]]] [[Tonminerale|Ton]], Erden und Steine sind im Mittelmeerraum ein gewichtiger Sektor der Rohstoffgewinnung mit langer Tradition. Tongruben liefern den Rohstoff für eine vielgestaltige Keramikindustrie insbesondere in Italien, Spanien und Portugal. In Steinbrüchen wird hauptsächlich Kalkstein, aber auch [[Marmor]] von teilweise erstklassiger Qualität gewonnen. Insbesondere Marmor (z. B. der schneeweiße italienische [[Carrara]]-Marmor) genießt Weltruf. Daneben wird vor allem in Nordafrika in großem Stil Phosphat als Grundlage für Pflanzendünger gewonnen. Der Bergbau ist im Vergleich hierzu nahezu unbedeutend. Obwohl in antiker Zeit eine Vielzahl an Gruben betrieben wurde und [[Kupfer]], [[Eisen]], [[Zinn]], später auch [[Aluminium]] hier zuerst verhüttet wurden, ist der Mittelmeerraum für die heutigen Förderverhältnisse sehr rohstoffarm. Die ölexportierenden Länder Libyen und Algerien beziehen ihre Rohstoffe nicht aus dem mediterranen Landesteil, sondern aus dem Inneren der Sahara. Einzig die [[Quecksilber]]gewinnung in Spanien und Italien macht einen bedeutenden Anteil an der Weltförderung aus. === Industrie und Handwerk === Die Industrie ist im Mittelmeerraum im Vergleich zu anderen Weltregionen unterrepräsentiert. [[Schwerindustrie]] fehlt praktisch ganz, dafür ist die [[Konsumgüter]]industrie zumindest im europäischen Teil recht gut entwickelt und stark auf einzelne Branchen konzentriert. Im südlichen Mittelmeerraum dominiert – oft noch traditionell betriebenes – [[Handwerk]]. Der Sekundärsektor weist verschiedene Schwerpunkte auf: [[Datei:Vespaprimavera.jpg|thumb|Neben Automobilen werden in Italien Zweiräder wie die berühmte Vespa gebaut.]] * In Spanien und Italien, seit einiger Zeit auch in der Türkei, hat sich die [[Metallverarbeitung]] entwickelt. Insbesondere der [[Fahrzeugbau]] und dessen Zulieferindustrie ist an einigen Standorten gewichtig, so z. B. in Turin ([[Fiat]]), Valencia ([[Ford Motor Company|Ford]]) und Barcelona ([[Seat]]). In Spanien hat auch die Flugzeugindustrie ein Standbein. Der [[Schiffbau]], einst bedeutend, wird im Mittelmeerraum nur noch in Griechenland in größerem Stil betrieben. Die kroatische Hafenstadt [[Rijeka]] hat ebenfalls eine lange Tradition des Schiffbau aufzuweisen. Weitere Zweige der Metallverarbeitung sind [[Feinmechanik]] und Uhrenherstellung (insbesondere in Italien). * Aufgrund der Personalintensität der [[Textilindustrie]] hat sich deren Verbreitung zumeist in Länder mit niedrigem Lohnniveau verlagert. Textilzentren finden sich noch in Spanien, Portugal, vor allem aber in der Türkei und mittlerweile auch in Nordafrika. Italien hat noch eine gewisse Position in der Herstellung von Designerkleidung und Schuhen, die sich aber auf das oberste Preissegment spezialisiert hat. In der Türkei, Tunesien und Marokko hat sich die Herstellung von [[Teppich]]en als bedeutende Branche erhalten. Die Türkei ist außerdem weltweiter Exporteur von Lederprodukten aller Art. * Große [[Chemische Industrie|Chemiestandorte]] sind in Frankreich, Spanien, Portugal und Italien angesiedelt. Raffinerien und [[chemische Industrie]] existieren auch in Nordafrika. Libyen wurde lange verdächtigt, in seinen chemischen Fabriken [[Chemische Waffen|C-Waffen]] herzustellen. In Frankreich und Italien ist außerdem die Pharmabranche stark vertreten. Im italienischen [[Seveso]] kam es 1976 zu einem folgenreichen Unfall, als der massenhafte Austritt von [[Dioxine]]n die Stadt in Angst und Schrecken versetzte. [[Datei:DISH1.PNG|thumb|[[Solarenergie]]anlage in Spanien]] [[Datei:dagonsilo.jpg|thumb|Getreidesilo in Haifa, Israel]] * Die [[Energieversorgung]] beruht auf einem diversifizierten Mix: Insbesondere im Rhônetal sind einige atomare Anlagen angesiedelt, die einen großen Teil zur französischen Stromversorgung beitragen. Neben den üblichen [[Kraftwerk]]en auf fossiler Basis ist der Sonnenreichtum im Mittelmeerraum auch ausschlaggebend für die Entwicklung solarer Kraftwerke. Schwerpunkt ist hier die zentrale Hochebene von Spanien. Dort wird auch aus Wasserkraftwerken ein bedeutender Teil des nationalen Energieverbrauchs gedeckt. Aufgrund dichter Besiedlung und der Entwicklung des Tourismus sind Haushalte die Hauptabnehmer von Energie. Trockenheit und Hitze lassen durch den hohen Energieverbrauch der [[Klimaanlage]]n und sinkender Wasserspiegel in Stauseen besonders im Sommer immer wieder die Befürchtung von Engpässen oder gar Netzzusammenbrüchen aufkommen. * Die [[Bauwirtschaft]] boomt in den meisten Mittelmeerländern, was vor allem mit Bevölkerungs- und Wirtschaftswachstum, insbesondere auch mit der Errichtung touristischer Infrastruktur zusammen hängt. * Besonders vielfältig gestaltet sich die Verarbeitung der landwirtschaftlichen Produkte in der [[Nahrungsmittelindustrie]]. Dies betrifft Weinabfüllung, [[Brennerei]]en, [[Konserve]]nherstellung, Ölmühlen, Großbäckereien und Nudelherstellung, Fleisch- und Fischverarbeitung sowie die Herstellung von [[Fertiggericht]]en und Süßwaren. Hierbei hat sich ein bedeutender Industriezweig auf die Produktion von Luxusartikeln spezialisiert. Insbesondere der gute Ruf der meisten nationalen Gastronomien und der mediterranen Küche insgesamt ist dem Absatz dieser Produkte sehr förderlich. * Aufgrund der räumlich kleinteiligen und sehr diversen Gewinnung verschiedener natürlicher Ressourcen haben sich in einzelnen Ländern und ihren Regionen auch Nischenproduktionen etabliert. In Portugal beispielsweise ist die Herstellung von Flaschenkorken und Fliesen von besonderer Bedeutung. Frankreich besetzt eine führende Position in der Parfüm- und Seifenherstellung. [[Kosmetika]] werden auch in Spanien und Italien in reichem Maße produziert. Diese beiden Länder sind auch wichtige [[Möbel]]hersteller. In den nordafrikanischen und orientalischen Staaten dagegen hat sich eine vielfältige Tradition des Handwerks bewahrt. Für die lokalen Märkte werden hauptsächlich Gebrauchsgüter angefertigt, für den Export insbesondere [[Kunsthandwerk]] und [[Schmuck]]. === Dienstleistungssektor === Der Mittelmeerraum stellt ein nahezu ideales Gebiet für alle Arten des [[Tourismus]] dar. Daher ist dieser Dienstleistungszweig derjenige, der in nahezu allen Staaten mit atemberaubendem Tempo wächst. Neben Tourismus ist die Region aufgrund der sehr verkehrsgünstigen Lage vor allem im Handels- und Transportgewerbe bedeutend. Wissenschaft und Kultur stellen einen wichtigen öffentlichen Dienstleistungszweig, regional ist auch das Bank- und Versicherungswesen von Bedeutung. Information und Kommunikation (teilweise auch als Quartärsektor bezeichnet) konzentrieren sich auf die EU-Länder und Israel. ==== Tourismus ==== [[Datei:Grande motte 02.jpg|thumb|[[La Grande Motte]] (Frankreich): Archetypische Anlage des frühen Massentourismus]] [[Datei:Monaco1.jpg|thumb|Teuerstes Pflaster im Mittelmeerraum: Monaco]] Der Tourismus hat im Mittelmeerraum eine Tradition, die bis zu den Bildungsreisen begüterter Bürger im 18. Jahrhundert zurück reicht. Hauptgründe für die Entstehung waren das angenehme Klima, die landschaftlichen und die kulturellen Reize. Mit 55.000 Kilometern verfügt das Mittelmeer zudem über mehr Küstenlinie als z. B. der gesamte afrikanische Kontinent, wodurch sich auch ein entsprechendes Mengenpotenzial ausbilden konnte. Während sich die Reisetätigkeit zunächst auf mondäne [[Seebad|Seebäder]] und kulturelle Metropolen beschränkte, kam es in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg zu einem Boom des Individual- später auch des [[Massentourismus|Pauschaltourismus]], der bis heute anhält. Hierbei haben sich die einzelnen Regionen unterschiedlich entwickelt: *'''Westliches Mittelmeer''' ([[Spanien]], [[Frankreich]], [[Italien]]):In den 50er Jahren war aufgrund der schnellen Erreichbarkeit mit dem PKW die Adriaküste bevorzugtes Reiseziel der Deutschen – [[Rimini]] war damals als „Teutonengrill“ bekannt. In den 60er und 70er Jahren kamen Pauschalangebote per Bus und zunehmend per Flugzeug auf und steuerten zunehmend [[Spanien]] an, wo die Lebenshaltungskosten günstiger waren. *'''Östliches Mittelmeer''' ([[Kroatien]], [[Montenegro]], [[Griechenland]], [[Türkei]]): Die [[Istrien|istrische]] und [[Dalmatien|dalmatinische]] Küste, in [[Tourismus in Kroatien|Kroatien]], sowie die [[Kroatische Inseln|kroatischen Inseln]] etablierten sich schon in den 1960er Jahren zu den beliebtesten Reisezielen in [[Südeuropa]]. Vor allem [[Camping]] und Familienurlaub stehen hier an vorderster Stelle. Städte wie [[Rovinj]] oder [[Dubrovnik]] erlangten Weltruhm. Seit dem Ende des Balkankonflikts (1995), erlebt [[Tourismus in Kroatien|Kroatien]] einen regelrechten Boom. Mit über 8,5 Millionen ausländischen Besuchern im Jahre 2005 ist [[Kroatien]] auf dem achtzehnten Platz der populärsten Urlaubsziele der Welt. Die Republik [[Griechenland]] etablierte sich als Ziel vor allem für individuellere Reisevorstellungen. Vor allem die [[Griechenland|griechischen Inseln]] sind Anziehungspunkte für Besucher aus aller Welt. Die Republik [[Montenegro]] war schon zu Titos-Zeiten ein bekanntes und beliebtes Reiseziel. Der Tourismus kam in den Regionen durch die Geschehnisse in den 90er Jahren nahezu komplett zum erliegen. Seit der Unabhängigkeit von Belgrad (2006) findet sich das kleine Land wieder vermehrt in den Reisekatalogen. Heute liegen Ziele minderer und höchster Komfortklasse in der ganzen Region verteilt und oft unmittelbar nebeneinander, wofür [[Mallorca]] ([[Andratx|Port d'Andratx]] für die Oberklasse, [[s'Arenal]] für Massentourismus) ein gutes Beispiel ist. Einige Staaten wie [[Malta]] bestreiten den Hauptteil ihres BIP aus Tourismuseinkünften. Nur wenige hierfür geeignete Landstriche sind touristisch nicht erschlossen. Die Gründe hierfür liegen in politischer Instabilität und mangelnder Sicherheit (z. B. [[Algerien]], [[Nahost]]), politischem Unwillen (Libyen) oder fehlender wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit ([[Albanien]]). In einigen Regionen wird zunehmend die Zerstörung von Naturlandschaften und Infrastrukturen als Problem ernst genommen und hierdurch der Tourismus von öffentlicher Seite zurück gedrängt bzw. limitiert. ==== Sonstige Dienstleistungen ==== Neben dem Tourismus spielen Handel und Verkehr im gesamten Mittelmeerraum eine herausragende Rolle. Die Vermarktung und der Transport der landwirtschaftlichen Erzeugnisse und ihrer Produkte hat eine lange, erfolgreiche Tradition. Belege für Vermarktungserfolge auch im deutschsprachigen Raum sind beispielsweise Jaffa-Apfelsinen, Barilla-Nudeln oder spanischer Serrano-Schinken. Innerhalb Europas wird Warentransport zum größten Teil über die Straße abgewickelt, zwischen den Kontinenten fast ausschließlich per Schiff. Hierdurch sind im gesamten Mittelmeerraum [[Containerterminal|Güterterminals]] entstanden, die Standorte großer [[Spedition]]sunternehmen sind und vor allem Containerabfertigung übernehmen. Italien und Spanien sind leistungsfähige Finanzstandorte mit einem hochentwickelten Banken- und Versicherungswesen. Während in Spanien vor allem die Banken (z. B. die [[Santander Central Hispano|Banco de Santander]]) zur Weltliga gehören, wartet Italien mit einigen Versicherungsriesen (z. B. [[Assicurazioni Generali|Generali]]) auf. Auch die [[Telekommunikation]] ist in beiden Ländern sehr weit entwickelt. Israel ist dagegen in der [[Software]]entwicklung international führend. == Verkehr == [[Datei:SuezCanal-EO.JPG|thumb|Der [[Suezkanal]] hat das Verkehrsaufkommen im Mittelmeer stetig erhöht]] [[Datei:Es atocha aussen-alt-neu.jpg|thumb|Bahnhof Atocha in Madrid: Eisenbahnknotenpunkt von ganz Iberien]] Der Mittelmeerraum ist aufgrund seiner sehr verkehrsgünstigen Lage Ziel und Durchgangsstation aller Arten von Transportbewegungen. Eine Besonderheit ist, dass sich die Region nicht als kompakte Landmasse darstellt, sondern um ein Meer herum gruppiert, so dass die Seefahrt hier schon immer eine wesentlich wichtigere Rolle eingenommen hat als in vergleichbaren Wirtschaftsräumen. === Seeverkehr === Während die Küstenschifffahrt nur noch touristische Nachfrage bedient, sind Passagier- und Frachtverbindungen über das Mittelmeer hinweg in ihrer Bedeutung ständig gewachsen. Vom Frachtaufkommen her ist das Mittelmeer als [[Transitverkehr|Transitgebiet]] besonders bedeutsam, seit im 19. Jahrhundert über den Suezkanal eine Verbindung zum Indischen Ozean hergestellt wurde. Dieser und die Straße von Gibraltar als natürliche Verbindung zum Atlantik gehören zu den meistbefahrenen Schifffahrtstraßen der Welt. Insbesondere werden Öltransporte aus dem [[Persischer Golf|Persischen Golf]] hierüber abgewickelt. Auch der Personentransport ist bedeutsam. Dieser ist seit Ende des Kolonialzeitalters vor allem durch den Tourismus geprägt. Zuvor wurden beispielsweise auf der Verbindung Marseille-Algier täglich Fährverbindungen aufrecht erhalten, die eine wichtige Brücke zwischen Frankreich und seinen nordafrikanischen Besitzungen darstellten. Die Hauptfährverbindungen betreffen heute eher Waren- und Personenverkehr innerhalb der EU ([[Messina]]-[[Reggio Calabria]] oder [[Bari]]-[[Patras]]). === Schienenverkehr === Der Mittelmeerraum war schon Ende des 19. Jahrhunderts Schauplatz verschiedener Prestigeprojekte, die Europa über die Schiene mit dem Nahen Osten verbinden sollten. Die [[Bagdad-Bahn]], die die ganze Türkei durchquerte und über das Gebiet des heutigen Syrien am Mittelmeer entlang führte, wurde zu einem erheblichen Teil über deutsche Finanzmittel ermöglicht. Eine legendäre Passagierstrecke ist der [[Orient-Express]] nach Istanbul, der heute nicht mehr verkehrt. Eisenbahnstrecken finden sich in fast allen Mittelmeerländern, wobei die Dichte in Europa am höchsten ist. Die nordafrikanischen Trassen sind häufig bereits im Kolonialzeitalter gebaut worden und werden noch heute von den jeweiligen nationalen Bahngesellschaften betrieben. Auf den meistfrequentierten Strecken mit Seeverbindung können ganze Züge über spezielle Schiffe transportiert werden. Eine Besonderheit sind die [[Bahnhof#Spurwechselbahnhof|Spurwechselbahnhöfe]] an der französisch-spanischen Grenze. Hier ergibt sich eine Schnittstelle aufgrund der unterschiedlichen [[Spurweite (Eisenbahn)|Spurweite]] der jeweiligen Eisenbahnnetze mit obligatorischem Zugwechsel, so dass die Grenzbahnhöfe in [[Hendaye]] und [[Irún]] sowie [[Cerbère]] und [[Portbou]] im Verhältnis zur Größe der beiden Orte grotesk überdimensioniert wirken. === Straßenverkehr === [[Datei:Granollers, Estacions de peatge.jpg|thumb|Mautstation bei Barcelona]] Seit der Römerzeit durchzieht den Mittelmeerraum ein Netz von Straßen, die alle wichtigen Siedlungen miteinander verbanden und zum Truppen- und Warentransport unentbehrlich waren. Die Straßenführungen mitsamt einer erstaunlich hohen Zahl von Brücken und [[Viadukt]]en sind teilweise bis heute erhalten. Nachdem im westlichen Mittelmeerraum unter Napoleon eine zweite Welle des militärisch motivierten Straßenbaus eingesetzt hatte, war insbesondere die Motorisierung ausschlaggebend für die heutige Straßendichte. In Italien setzte in der unmittelbaren Nachkriegszeit, in den anderen EU-Staaten spätestens seit deren Beitritt der verstärkte Bau von [[Autobahn]]en ein, die im Mittelmeerraum größtenteils [[maut]]pflichtig sind. Eine Ausnahme stellen die spanischen Inlandverbindungen dar, die fast ausschließlich über EU-Fördermittel finanziert wurden. Die Küste zwischen Slowenien und der Levante ist größtenteils so steil, dass eine Erschließung über Straßen sehr schwierig ist. Hier wird der Durchgangsverkehr in der Regel über günstigere Regionen im Inland geführt, während der Zugang zur Küste über wenige Stichstraßen erfolgt, die teilweise über Schwindel erregende [[Gebirgspass|Passhöhen]] geführt werden müssen. Schwierige Durchquerungen hoher Gebirge führen regelmäßig zu Verkehrsengpässen, die besonders zur Hauptreisezeit ein ernstes Problem darstellen. Vom Straßenverkehr gehen im Mittelmeerraum besondere Belastungen und Gefahren aus: Die Emissionen beeinträchtigen die Gesundheit der Bevölkerung insbesondere dort, wo Siedlungsraum knapp ist und die Trassen oft durch [[Innenstadt|Innenstädte]] führen. Durch das enorme Verkehrsaufkommen und arbeitsrechtliche Missstände steigt außerdem das Risiko schwerer Unfälle. Regelmäßig verunglücken eine Vielzahl Touristenbusse oder LKWs aufgrund der Übermüdung ihrer Fahrer, was regelmäßig zu hohen Zahlen an Todesopfern führt. === Luftverkehr === Der Luftverkehr im Mittelmeerraum befindet sich in einem ständigen Aufschwung. Auch diese Entwicklung ist vor allem dem Tourismus, insbesondere dem Massentourismus zu verdanken. Zudem werden Luftverbindungen zunehmend auch von Migranten benutzt, wenn sie zwischen Gast- und Heimatland pendeln. Ursache ist der Preisverfall, der auf den Hauptstrecken die individuelle Anfahrt in Zeit- und Kostenhinsicht überflüssig macht. Bis auf die Kleinststaaten verfügt jedes Mittelmeerland über einen oder mehrere [[Flughafen|Flughäfen]]. Während einige fast ausschließlich dem Tourismus ihre Existenz verdanken (Djerba, [[Agadir]], ursprünglich auch Antalya), haben sich andere zu großen Transitzentren entwickelt, die die Verteilung der Fluggäste über den ganzen Mittelmeerraum und darüber hinaus übernommen haben. Größte Flughäfen gemessen am Passagieraufkommen sind in Europa ohne Türkei in dieser Reihenfolge Madrid (fünftgrößter europäischer Flughafen), Rom und Barcelona. Weitere Großflughäfen sind Athen, Istanbul, Tel Aviv, Tunis und Casablanca. == Kultur == [[File:Zagreb Apoxyomenos - figure.JPG|thumb|250px|[[Kroatischer Apoksiomen|Apoxyomenos aus Kroatien]]]] Interkultureller Austausch, intellektuelle Traditionen und eine früh entwickelte [[Urbanität]] haben den Mittelmeerraum zu einem kulturell besonders bedeutsamen Raum werden lassen. Hier wurde die klassische Philosophie entwickelt, Demokratie und Republik erfunden und eine Reihe weltberühmter Bibliotheken und Universitäten gegründet. Auch die schönen Künste und die [[Architektur]] waren hier von allen Kulturkreisen stets hoch angesehen und stark gefördert. === Kunst === [[Datei:Granada Alhambra Detail.jpg|thumb|Arabische Kunst: Ornamentik in der [[Alhambra]], Granada]] [[Datei:Creation of Adam.jpg|thumb|„Die Erschaffung Adams“, Renaissancewerk in der [[Sixtinische Kapelle|Sixtinischen Kapelle]], Rom]] [[Datei:Paul Cézanne 035.jpg|thumb|[[Paul Cézanne]]: „Das Meer bei L'Estaque“.]] In heutiger Zeit sind die im Mittelmeerraum entstandenen kulturellen Grundlagen weltweit verbreitet – ähnliches lässt sich über die Kunstgegenstände behaupten, von denen nicht wenige außerhalb der Region im [[Louvre]], im [[Pergamonmuseum]], im [[British Museum]] oder in US-amerikanischen Sammlungen untergebracht sind. Genuin mediterran sind die klassischen Kunstepochen des antiken Griechenland und des Römischen Reiches, die inhaltlich und in der Formensprache sehr ähnlich sind, da die Römer die meisten griechischen Stilmittel übernommen hatten. Eine Auseinanderentwicklung der regionalen Kunstrichtungen trat ab dem 8. Jahrhundert ein: Die islamischen Gebiete entwickelten eine sehr ausdifferenzierte [[Ornament (Bildende Kunst)|Ornamentik]] und einen charakteristischen maurischen Baustil, der so prägend war, dass er wiederholt auch die christliche Kultur beeinflusste. In Europa entwickelten sich die [[Romanik]] und im Folgenden die [[Gotik]] als abendländische, stark architektonisch ausgerichtete Kunstformen, die insbesondere im Sakral- und Militärbau prägend waren. In Byzanz bildete sich eine ganz eigene, vor allem griechisch beeinflusste Kunstform aus, die in Bezug auf bildliche Darstellung der abendländischen weit überlegen war. Eine besondere Dynamik bekam die Kunst im Mittelmeerraum mit der Entstehung der Renaissance in Italien, als die Malerei revolutioniert und über Kapitalgeber massiv gefördert wurde. Die Architektur erfuhr eine völlige Neukonzeptionierung und differenzierte sich in viele regionale Stilrichtungen aus (z. B. manuelinischer Stil in Portugal). Auch der [[Barock]] ging maßgeblich vom italienischen Kulturraum aus, beeinflusste aber auch Spanien. Spanien trug in dieser Epoche mit einigen herausragenden Malern wie [[Diego Velázquez]] sehr zur Entwicklung der Kunst in Europa bei. Auch die Moderne hat im Mittelmeerraum einige wichtige Richtungen angestoßen. [[Pablo Picasso]] und [[Juan Gris]] prägten wesentlich den [[Kubismus]], [[Antonio Gaudí]] einen eigenen [[Expressionismus]], in Italien entwickelte sich der [[Futurismus]]. Die Entwicklung stockte in diesen Ländern, als sie unter faschistische Regimes gerieten und ihre kulturelle Führungsrolle (mitsamt den meisten Künstlern) vor allem an den südfranzösischen Raum abtraten. Dieser war zuvor schon Treffpunkt einer Vielzahl vor allem impressionistischer Künstler wie [[Paul Cézanne]], [[Paul Gauguin]] und [[Vincent van Gogh]] gewesen, die die Klima-, aber auch die Lichtverhältnisse am Mittelmeer sehr schätzten. === Sehenswürdigkeiten === [[Datei:Jerusalem Dome of the rock BW 13.JPG|thumb|Jerusalem: [[Klagemauer]] und [[Felsendom]]]] [[Datei:RomaCastelSantAngelo-2.jpg|thumb|Rom: Die [[Engelsburg]] ist aus dem römischen [[Hadrian (Kaiser)|Hadrians]]-Mausoleum entstanden.]] [[Datei:Andalusien 2003 15.jpg|thumb|Die [[Mezquita de Córdoba|Mezquita]] in Córdoba]] Als alter, Jahrtausende lang entwickelter Kulturraum verfügt das Mittelmeergebiet über unzählige Kulturdenkmäler, von denen allein über 150 in der Liste der [[UNESCO-Weltkulturerbe]] aufgeführt sind. Eine stattliche Anzahl von Metropolen sind bereits seit 2000 bis 3000 Jahren ununterbrochen besiedelt und weisen wegweisende Bauten aus allen stilbildenden Epochen auf. Besonders hervorzuheben sind: * '''Rom''', das als „ewige Stadt“ eine fast dreitausendjährige Geschichte hat und aus der Römerzeit unzählige Bauten von unschätzbarem kulturellen Wert beherbergt. * '''Jerusalem''', die einzige Stadt, die von drei Weltreligionen als ein geistliches Zentrum angesehen wird und daher christliche, jüdische und islamische Bauten auf engstem Raum vereinigt. * '''Istanbul''', das nacheinander römische, christliche und islamische Epochen erfuhr, deren Zeugnisse überall nachzuverfolgen sind. In historischer Zeit haben sich die Machtzentren und Staaten immer wieder verschoben und neu gebildet, so dass bestimmte Stilepochen auch regional konzentriert sind. Beispiele für herausragende Kulturdenkmäler sind: * '''aus der Frühzeit''': [[Knossos]] (Kreta), Troja und die lykischen Grabstätten (Türkei), Karthago (Tunesien); * '''aus dem klassischen und hellenistischen Griechenland''': Die Athener [[Akropolis]], [[Delphi]] (Griechenland), [[Aspendos]] (Türkei), [[Taormina]] (Sizilien), die Stadtanlage von Alexandria (Ägypten); * '''aus römischer Zeit''': [[Forum Romanum]], [[Kolosseum]], [[Thermen]], Palastruinen und die Vorläufer der [[Engelsburg]] in Rom, [[Aquädukt]]e ([[Pont du Gard]], [[Segovia]]), Arenen ([[El Jem]], [[Arles]], [[Nîmes]]), Theater ([[Orange (Vaucluse)|Orange]]), Tempel (Maison Carrée in Nîmes), Stadtanlagen ([[Ostia Antica|Ostia]], [[Pompeji]]), Militärbauten (Stadtmauer von Jerusalem). Das [[Amphitheater Pula|Amphitheater in Pula]] sowie der [[Diokletianspalast]] in [[Split]], [[Kroatien]]; * '''aus dem Mittelalter''': romanische und gotische Kathedralen in Spanien und Portugal ([[Burgos]], [[Sevilla]], [[Braga]]), Burgen ([[Castel del Monte]], [[Carcassonne]], Papstpalast in Avignon, [[Krak des Chevaliers]] in Syrien und Templerburgen auf Malta und Zypern), Stadtanlagen (Venedig, [[Siena]], Wohntürme in [[San Gimignano]], Befestigungen von [[Ávila]]), maurische Architektur in Spanien ([[Alhambra]] in [[Granada]], Moscheen in [[Toledo]] und [[Córdoba (Spanien)|Córdoba]]) und Nordafrika (Fès, [[Medina (Stadtteil)|Medina]] von Algier), byzantinische Sakralbauten ([[Hagia Sophia]] in Istanbul). Die Osmanische Brücke [[Stari Most]] in [[Mostar]] sowie die [[Ferhadija-Moschee]] in [[Bosnien-Herzegowina]]. Die Altstadt von [[Dubrovnik]] mit ihren romanischen und gotischen Kirchen, Palästen und Klöstern in [[Kroatien]]. * '''aus der Renaissance''': Sakralbauten ([[Petersdom]] in Rom, Dom von [[Florenz]]), Profanbauten ([[Uffizien]] in Florenz), Paläste ([[Real Sitio de San Lorenzo de El Escorial|El Escorial]] bei Madrid), Militärbauten (Torre de Belém in Lissabon). Die [[Kathedrale des Heiligen Jakob (Šibenik)|Kathedrale des Heiligen Jakob]] in [[Sibenik]], [[Kroatien]] * '''aus dem Barock''': Stadtanlagen (Turiner Neustadt, Sizilianische Städte, Plaza Mayor jeweils in Madrid, [[Valladolid]], [[Salamanca]]), Kathedralen ([[Saragossa]], [[Coimbra]], Lissabon), Festungen; * '''Aus der späteren Neuzeit''': [[Jugendstil]]bauten in [[Spanien]] (vor allem [[Barcelona]]), sowie in [[Kroatien]], [[Opatija]], mit seinen Villen luxuriösen Hotels. *'''Moderne Architektur''' (Art Nouveau): Stadtbild von Barcelona mit [[Torre Agbar]] Wolkenkratzer, [[Diamond of Istanbul]] [[Wolkenkratzer]] im Finanzviertel Istanbuls, [[Viaduc de Millau]] in Südfrankreich, [[Olympia-Sportkomplex Athen]] und [[Akropolismuseum]] in [[Athen]], [[Poljud Stadion]] und Sportkomplex in [[Split]] sowie [[Franjo-Tuđman-Brücke]] in [[Dubrovnik]] === Gastronomie === [[Datei:arroz negro.gif|thumb|Arroz negro, Reis mit [[Tintenfisch]] und Gambas]] [[Datei:Supreme pizza.jpg|thumb|[[Pizza]]]] Innerhalb der Zone mediterranen Klimas hat sich eine eigene Gastronomie ausgeprägt, die [[mediterrane Küche]]. Charakteristisch für diese ist die hauptsächliche Verwendung pflanzlicher Öle, insbesondere von [[Olivenöl]]. Da Olivenöl über einen hohen Anteil ungesättigter [[Fettsäuren]] verfügt, gilt es als bekömmlich und gesundheitsfördernd. Zudem ist die Mittelmeerküche geprägt von einem hohen Anteil an Gemüse und Obst und reichlicher Verwendung von typischen Kräutern und Gewürzen. Traditionell wird auch relativ viel Fisch konsumiert. Alle diese Eigenarten haben dazu beigetragen, dass diese Gastronomie weltweit sehr beliebt geworden ist, da sie als überaus gesund und wohlschmeckend empfunden wird. Auch der traditionelle, regelmäßige Konsum mäßiger Mengen an Wein verbindet Gesundheit mit Genuss. Unterschiede der Gastronomie im Mittelmeerraum bestehen aus klimatischen, religiösen und wirtschaftlichen Gründen: Diejenigen Gebiete, in denen keine Olivenbäume gedeihen (Gebirgslagen, nördliche Adria und Poebene, im Süden die Steppen), haben auch keine charakteristisch mediterrane Küche ausprägen können. Religiöse Hintergründe betreffen hauptsächlich das Fehlen bestimmter Fleischsorten: Schweinefleisch wird beispielsweise nur in christlichen Ländern traditionell verwendet. Eine Besonderheit stellt die jüdische Küche dar, die durch mannigfaltige Festlegungen bezüglich [[Jüdische Speisegesetze|koscherer]] Zubereitung ein ganz eigenes Gepräge entwickelt hat. Wirtschaftliche Gründe beziehen sich vor allem auf die Verfügbarkeit entsprechender natürlicher Ressourcen: So wird im Inneren der iberischen Halbinsel sehr viel Fleisch verzehrt, während an der portugiesischen Küste vor allem Fisch auf der Speisekarte steht. Einige Gerichte aus der Mittelmeerküche haben Eingang in die [[Fast Food|Fast-Food]]-Gastronomie gefunden, weswegen sie oft nicht mehr primär als mediterran angesehen werden. Typisch hierfür sind die [[Pizza]], [[Cevapcici]] oder der [[Döner Kebab]], die sich außerhalb des Mittelmeerraumes teilweise eigenständig weiterentwickeln und ihren ursprünglichen Charakter mitunter sogar verlieren. Einige nationale Küchen genießen einen besonders guten Ruf: Die französische Küche als weltweit höchst renommierte glänzt auch in ihrer mediterranen Ausprägung. Besonderheiten der Länderküchen sind im Groben folgende: * Portugal: Fisch aller Art, [[Meeresfrüchte]], [[Stockfisch|Bacalhau]] in mannigfaltigen Versionen, Zicklein, Eintöpfe ([[Feijoada]]), Suppen ([[Caldo verde]]), in Rotwein marinierte Schweinefleischgerichte ([[Vindalho]]) * Spanien: [[Tapa (Gericht)|Tapas]], Grillfleisch (Schwein, Lamm), Schinken, [[Paella]], Salate * Italien: [[Nudel]]gerichte, Kalb, [[Risotto]], [[Käse]], Meeresfrüchte, [[Pizza]] * Kroatien: istrischer und dalmatinscher [[Prsut]] und [[Speck]], [[Fisch]] (u.a.Bakalar), [[Meeresfrüchte]], [[Lika|Licki Krumpir]], [[Kulen]], Lamm vom Spieß, gegrilltes Fleisch, [[Zganci]], [[Wein]] ([[Prosek]], [[Dingac]]), [[Travarica]] (Schnaps), Kruskovac (Birnenlikör), [[Krofne]] * Balkanregion: Reisgerichte, [[Cevapcici]] und gegrilltes Fleisch aller Art, Pita, Burek, Bohnensuppe/eintopf (Pasulj), [[Slivovic]] (Schnaps) * Griechenland: Fleisch-Käse-Kombinationen, gefülltes Gemüse/Weinblätter, [[Tarama]], [[Spanakopita]] * Türkei: Gerichte auf [[Joghurt]]basis, Teiggerichte, Süssspeisen, Suppen, Fischgerichte, Lamm- und Hammelgerichte, Innereien, gefülltes Gemüse/Weinblätter * arabisch-islamische Länder: Fleisch, Milch und Milcherzeugnisse von Schaf, Kamel und Ziege, Gerichte auf Basis von Kichererbsen ([[Hummus]]), Hirse und Weizengrütze ([[Kuskus]]), Fleisch als Spieß ([[Sis Kebap]]), alle Arten frittierter Gerichte (z. B. [[Brik]]) * Libanon: [[Falafel]], Vorspeisen * Israel: Hummus, [[Gefilte Fisch]], [[Tscholent]], Steak und [[Aubergine]]<span/>nsalat, [[Bagel]]s, [[Brownie (Gebäck)|Brownies]], Falafel, [[Charosset]] == Literatur == * Andreas Bärtels: ''Pflanzen des Mittelmeerraumes''. Ulmer, Stuttgart 2003, ISBN 3-8001-3287-7 * Matthias Bergbauer, Bernd Humberg: ''Was lebt im Mittelmeer?'' Franckh-Kosmos, Stuttgart 1999, ISBN 3-440-07733-0 * [[Fernand Braudel]]: ''Das Mittelmeer und die mediterrane Welt in der Epoche Philipps II''. 3 Bde. Suhrkamp, Frankfurt 1994, 1998 (Repr.), ISBN 3-518-28954-3 * [[Hans-Joachim Gehrke]], Helmuth Schneider (Hrsg.): ''Geschichte der Antike. Ein Studienbuch''. J.B. Metzler, Stuttgart/Weimar 2000, ISBN 3-476-01455-X * [[Ina-Maria Greverus]], Regina Römhild, Gisela Welz: ''The Mediterraneans: Reworking the Past, Shaping the Present, Considering the Future''. ''Anthropological Journal on European Cultures'', vol. 10. LIT, Münster 2002, ISBN 3-8258-6114-7 * [[Ernst Kornemann]]: ''Weltgeschichte des Mittelmeerraumes. Von Philipp II. von Makedonien bis Muhammed''. Herausgegeben von [[Hermann Bengtson]]. 2. Aufl. C.H. Beck, München 1967, 1978, ISBN 3-406-06775-1 * Klaus Rother: ''Der Mittelmeerraum, Ein geographischer Überblick''. Stuttgart 1993, ISBN 3-519-03431-X * Jürgen Schultz: ''Die Ökozonen der Erde''. Stuttgart 1995, ISBN 3-8252-1514-8 * Horst-Günter Wagner: ''Mittelmeerraum''. Darmstadt 2002, ISBN 3-534-12339-5 * Horst-Günter Wagner: ''Das Mittelmeergebiet als subtropischer Lebensraum. Zur Entwicklung ökologischer und sozioökonomischer Hemmnisse seiner Entwicklung''. In: ''Geoökodynamik.'' Bensheim 9.1988, S. 103–133. {{ISSN|0720-454X}} {{Exzellent}} <!-- geht wegen Kat:Gewässer als Thema - vergl. Inhalt Kat:Staat am Mittelmeer--> [[Kategorie:Region in Afrika]] [[Kategorie:Region in Asien]] [[Kategorie:Region in Europa]] [[Kategorie:Mittelmeer]] [[ar:حوض البحر الأبيض المتوسط]] [[be:Міжземнамор'е]] [[be-x-old:Міжземнамор'е]] [[bs:Mediteran]] [[ca:Conca del Mediterrani]] [[cs:Středozemí]] [[da:Middelhavslandene]] [[en:Mediterranean Basin]] [[es:Cuenca del Mediterráneo]] [[fo:Miðjarðarhavslondini]] [[fr:Bassin méditerranéen]] [[gl:Conca do Mediterráneo]] [[he:אגן הים התיכון]] [[it:Bacino del Mediterraneo]] [[nl:Middellandse Zeegebied]] [[nn:Middelhavsland]] [[no:Middelhavslandene]] [[os:Зæххастæуы денджызы регион]] [[pl:Kraje śródziemnomorskie]] [[pt:Bacia do Mediterrâneo]] [[ro:Zona mediteraneană]] [[ru:Средиземноморье]] [[simple:Mediterranean region]] [[sk:Stredomorie (Stredozemné more)]] [[sv:Medelhavsländer]] [[th:บริเวณเมดิเตอร์เรเนียน]] [[uk:Середземномор'я]] fsniiqg0u8gqke2xdcq7dask4ko14nb wikitext text/x-wiki Mittelspecht 0 23944 26540 2009-10-24T13:00:13Z Howwi 0 Änderungen von [[Special:Contributions/87.179.15.7|87.179.15.7]] ([[User talk:87.179.15.7|Diskussion]]) rückgängig gemacht und letzte Version von [[User:ArthurBot|ArthurBot]] wiederhergestellt <!-- Für Informationen zum Umgang mit dieser Tabelle siehe bitte [[Wikipedia:Taxoboxen]]. --> {{Taxobox | Taxon_Name = Mittelspecht | Taxon_WissName = Dendrocopos medius | Taxon_Rang = Art | Taxon_Autor = [[Carl von Linné|Linnaeus]] 1758 | Taxon2_Name = Buntspechte | Taxon2_WissName = Dendrocopos | Taxon2_Rang = Gattung | Taxon3_Name = Echte Spechte | Taxon3_WissName = Picinae | Taxon3_Rang = Unterfamilie | Taxon4_Name = Spechte | Taxon4_WissName = Picidae | Taxon4_Rang = Familie | Taxon5_Name = Spechtvögel | Taxon5_WissName = Piciformes | Taxon5_Rang = Ordnung | Taxon6_Name = Vögel | Taxon6_WissName = Aves | Taxon6_Rang = Klasse | Bild = Dendrocopos medius (Marek Szczepanek).jpg | Bildbeschreibung = Mittelspecht (''Dendrocopos medius'') | Subtaxa_Rang = Unterart | Subtaxa = :* <small> ''Dendrocopos medius medius'' (LINNAEUS, 1758) :* ''Dendrocopos medius caucasicus'' (BIANCHI, 1905) :* ''Dendrocopos medius anatoliae'' (HARTERT, 1912) :* ''Dendrocopos medius sanctijohannis'' (BLANFORD, 1873) </small> }} Der '''Mittelspecht''' (''Dendrocopos medius'') ist eine in [[Mitteleuropa]] relativ seltene [[Art (Biologie)|Vogelart]] aus der [[Familie (Biologie)|Familie]] der [[Spechte]] (Picidae). Sie ist in einem vergleichsweise kleinen Gebiet der [[Paläarktische Region|West- und Südwestpaläarktis]] verbreitet. Die Art benötigt zur Nahrungssuche Baumkronen mit grobrindigen Ästen und Stammbereichen. In weiten Teilen des Verbreitungsgebietes zeigt der Mittelspecht daher eine Bindung an Wälder mit alten Eichen; er wurde in den letzten Jahren aber auch in naturnahen Laubwäldern nachgewiesen, in denen andere Baumarten dominieren. == Aussehen == Der Mittelspecht ist nur geringfügig kleiner als der [[Buntspecht|Große Buntspecht]], aber bedeutend größer als der [[Kleinspecht]]. Er ist der einzige europäische Specht, bei dem der Farb[[Sexualdimorphismus|dimorphismus]] zwischen den Geschlechtern nur sehr schwach ausgeprägt ist. Der Mittelspecht ist ein typischer Buntspecht mit kontrastierender schwarz-weißer Gefiederzeichnung. Die schwarzen Gesichtszeichen sind bei dieser Art vergleichsweise schwach ausgeprägt, sodass das Gesicht überwiegend schmutzig weiß erscheint. Insbesondere unterscheidet sich dieser Specht durch das Fehlen eines schwarzen [[Zügelbandes]] von allen anderen europäischen Buntspechten. Der Scheitel ist bei beiden Geschlechtern von einer ziegelroten, zum Nacken hin ins Rotorange wechselnden, nicht schwarz gerandeten Gefiederpartie bedeckt; sehr häufig, insbesondere in aggressions- oder sexuell motivierten Situationen werden die Scheitelfedern gesträubt. Der Schnabel ist relativ kurz, hellgrau und nicht sehr kräftig. Rücken und Flügel sind glänzend schwarz, der Schulterbereich ist weiß, die Armdecken sind breit weiß gebändert. Der kräftige Stützschwanz ist schwarz, die äußeren Steuerfedern sind weiß mit einer individuell sehr unterschiedlich ausgeprägten Schwarzzeichnung. Die Flanken sind auffallend dunkelgrau längsgestrichelt. Die Brust dieses Spechtes ist blassgelblich gefärbt, der Bauch weist einen Rosaton auf, der sich zum Steiß hin zum Rötlichen verstärkt. Jungvögel sind etwas blasser, weniger kontrastreich gefärbt. Ihre Scheitelplatte ist nur angedeutet rötlich, die Bauchpartie ist schmutzig weiß. === Maße und Körpermasse === Die durchschnittliche Körperlänge des Mittelspechtes beträgt 21&nbsp;Zentimeter. Er ist damit etwa 15&nbsp;Prozent kleiner als der Große Buntspecht, aber 40&nbsp;Prozent größer als der Kleinspecht. Die Spannweite liegt bei 34&nbsp;Zentimetern. Das Gewicht adulter Mittelspechte schwankt zwischen 50 und 85&nbsp;Gramm. === Verwechslungsmöglichkeiten === Der Mittelspecht ist eine gut zu bestimmende Buntspechtart, obwohl er bei ungenügenden Beobachtungsverhältnissen leicht mit dem Großen Buntspecht, dem [[Blutspecht]] oder dem [[Weißrückenspecht]] verwechselt werden kann. Wichtigstes Erkennungszeichen ist die rote Scheitel- und Nackenpartie sowie die nur spärliche Schwarzzeichnung des Gesichtes des Mittelspechts. Bei allen anderen Buntspechten tragen nur die Männchen einen roten Hinterhauptfleck, die Schwarzzeichnungen im Gesicht sind bei ihnen viel großflächiger, vor allem reicht bei allen anderen das schwarze Zügelband bis zur Schnabelwurzel. Schwieriger sind Jungvögel des Buntspechtes und des Blutspechtes von adulten Mittelspechten zu unterscheiden, da auch diese in beiden Geschlechtern eine rote Scheitelplatte tragen. Die sicherste Unterscheidung bieten neben dem Größenunterschied auch hier die Schwarzanteile im Gesicht, die bei Buntspecht und Blutspecht bedeutend ausgeprägter sind als beim Mittelspecht. Insbesondere ist auch bei Jungvögeln auf das Vorhandensein eines schwarzen Zügels, der bis zur Schnabelwurzel reicht, zu achten. Wichtige Unterscheidungsmerkmale zum Buntspecht sind die rosa Unterschwanzdecken, die allmählich in das Weiß des Bauchs übergehen (beim Buntspecht rote Unterschwanzdecken mit scharfer Grenze zum Weiß des Bauchs) und die schwarze Flankenstreifung (beim Buntspecht weiße Flanken ohne Streifung).<ref>Gorman (2004) p. 119</ref><ref>Winkler (1995) p. 270</ref> === Stimme === Das Stimmrepertoire des Mittespechtes ist sehr vielfältig. Einige der Rufe dieser Art unterscheiden sich auffällig von denen anderer Buntspechte. Bekanntester Ruf ist das sogenannte ''Quäken'', das etwa mit ''kwääh…kwääh…kwääh'' oder ''ghääh…ghääh…ghääh'' transkribiert werden kann. Dieser Gesang dient sowohl der territorialen Positionierung als auch als Balzgesang. Er besteht aus mindestens zwei, meist aber aus bedeutend mehr (bis zu dreißig) Einzelelementen und wird vor allem, aber nicht ausschließlich, vom Männchen vorgetragen. Zu Beginn ist die klagende Rufreihe vokalisiert, zum Ende hin wird sie rau und krächzend.<ref>Bergmann (1982) S. 218</ref> Der Ruf trägt sehr weit; entfernt erinnert er an den Warnruf des [[Eichelhäher]]s (''Garrulus glandarius''). Der Mittelspecht wird schon sehr früh im Jahr, oft schon im Jänner akustisch auffällig; der Gesangsgipfel wird in der Hauptbalzzeit von Mitte März bis Mitte April erreicht. Auch im Spätherbst ist das ''Quäken'' gelegentlich wieder zu vernehmen. Neben diesem markantesten Ruf besteht eine Vielzahl von kurzen, oft auch gereihten Lautäußerungen. Am häufigsten ist ein kurzer ''Gük''-Laut zu hören, der in Erregungssituationen zu einer langen Rufreihe werden kann. Auffallend und charakteristisch ist die abfallende Tonreihe und das betonte erste Element. Mittelspechte trommeln äußerst selten. Offenbar wird die revieranzeigende Funktion des Trommelns bei dieser Art vom ''Quäken'' übernommen. Die eher leisen Trommelwirbel bestehen aus 18–30&nbsp;Einzelschlägen und dauern knapp 2&nbsp;Sekunden. Die Intervalle zwischen den Schlägen bleiben gleich.<ref>HBV (1994) Bd. 9 S.1060</ref> [http://www.spechte-online.de/content/wissen/themen/spechtsprache.html Klangbeispiele zur akustischen Präsenz aller europäischen Spechte] – Real Player erforderlich == Verbreitung == [[Bild:Dendrocopos medius distr.png|thumb|300px|Verbreitungsgebiet des Mittelspechtes]]Das Verbreitungsgebiet des Mittelspechtes beginnt in Westeuropa im [[Kantabrisches Gebirge|Kantabrischen Gebirge]], zieht sich über die [[Pyrenäen]] und über große Teile Frankreichs und Teile Belgiens nach Mitteleuropa und endet im Westen des europäischen Teils Russlands. In den Niederlanden bewohnt der Mittelspecht nur die südlichen Landesteile, in den westlichen und südwestlichen Bereichen der [[Norddeutsches Tiefland|Norddeutschen Tiefebene]] fehlt die Art bis auf kleine inselartige Vorkommen weitgehend,<ref>Brutvogelatlas Niedersachsen (1997)</ref> erst in der Umgebung von Hamburg erreichen die Brutgebiete wieder küstennähere Regionen. In Skandinavien brütet die Art nicht, nachdem die kleinen Restpopulationen in Dänemark 1959 und auf [[Gotland]] 1982 erloschen sind.<ref>Bauer (1997) S. 291</ref> In Osteuropa sind Polen, [[Lettland]], [[Litauen]] und [[Weißrussland]] gut von dieser Spechtart besiedelt, während in [[Estland]] nur eine sehr kleine, aber wachsende Population in den südlichen Landesteilen vorkommt. In Süd- und Südosteuropa ist die Art in kleinen Verbreitungsinseln in Italien vertreten, viel dichter sind die Vorkommen in Ungarn und auf dem Balkan. In der Türkei bestehen gute Vorkommen im [[Pontisches Gebirge|Pontischen Gebirge]], im ägäischen Küstenland und im [[Taurusgebirge|Taurus]]. Schließlich brütet die Art noch im [[Kaukasus]] und [[Transkaukasien]] sowie im [[Iran|Westiran]]. Außer auf der Ägäisinsel [[Lesbos]] nahe der kleinasiatischen Küste scheint dieser Specht auf keiner anderen Mittelmeerinsel vorzukommen.<ref>Gorman (2001) p. 126</ref> In Deutschland ist der Mittelspecht weit verbreitet, aber nirgendwo häufig. Die besten Vorkommen liegen in Baden-Württemberg (entlang des gesamten [[Oberrhein]]s und im [[Neckarbecken]])<ref>Hölzinger (2001) S. 438</ref>, in Brandenburg ([[Biosphärenreservat Schorfheide-Chorin|Schorfheide Chorin]]; [[Uckermärkische Seen]]), sowie in Niedersachsen und Bayern, hier vor allem in den Donauauen und im [[Gerolfing]]er Eichenwald. In Österreich ist der Mittelspecht in den östlichen und südöstlichen Landesteilen vertreten. So bestehen gute Populationen im [[Wienerwald]] und im [[Wiener Prater]] und in den Hartholzauen entlang der südsteirischen [[Mur (Fluss)|Mur]].<ref>Dvorak (1993) S. 262-263</ref> In der Schweiz sind nur die nördlichen Landesteile von dieser Spechtart besiedelt. Die größten Vorkommen liegen im [[Zürcher Weinland]], in der Gegend um [[Basel]] sowie am Südfuß des [[Jura (Gebirge)|Jura]].<ref>Vogelwarte Sempach – Mittelspecht</ref> == Lebensraum == [[Bild:Habitat des Mittelspechtes an der Schussen.JPG|thumb|left|210px|Bruthabitat des Mittelspechtes an der [[Schussen]]]]Der Mittelspecht ist eine Charakterart der warmgemäßigten Laubwaldzone Europas und Westasiens. Er folgt auffällig dem Verbreitungsgebiet der [[Hainbuche]] (''Carpinus betulus''), mit deren Verbreitungsgrenzen die Mittelspechtvorkommen nur in Nordspanien (dort kommt die Hainbuche nicht vor) und in Südengland (dort kommt der Mittelspecht nicht vor) nicht übereinstimmen. Bis Ende der 1990er Jahre wurde die enge Bindung des Mittelspechts in Mitteleuropa an alte [[Eichen]] betont und die Art daher als Charakterart alter Eichenwälder bezeichnet. Seitdem wurden in Deutschland jedoch auch Vorkommen in Buchenurwäldern<ref>F. Hertel: ''Habitatnutzung und Nahrungserwerb von Buntspecht Picoides major, Mittelspecht Picoides medius und Kleiber Sitta europaea in bewirtschafteten und unbewirtschafteten Buchenwäldern des nordostdeutschen Tieflandes.'' Vogelwelt 124; 2003: S. 111–132.</ref>, in urwaldartigen Erlenbruchwäldern<ref>S. Weiß: ''Erlenwälder als bisher unbeachteter Lebensraum des Mittelspechts Dendrocopos medius.'' Vogelwelt 124; 2003: S. 177–192.</ref> und im Kaukasus auch Reviere in Weichholzauen mit angrenzenden Buchenwäldern gefunden.<ref>J. Kamp & V. Sohni: ''Habitat use and population densities of the Middle Spotted Woodpecker Dendrocopos medius caucasicus in the NW Caucasus mountains (Russia).'' Vogelwelt 127; 2006: S. 65-70</ref> Eine neue Untersuchung, die im Landkreis [[Esslingen]] in Baden-Württemberg durchgeführt wurde, ergab zudem sehr hohe Bestandsdichten in Obstbaumwiesen, insbesondere dann, wenn diese an geschlossene Laubwaldgebiete grenzten. <ref> Gatter & Mattes (2008) S. 73f </ref> Man geht heute davon aus, dass weniger die Artenzusammensetzung eines Waldgebietes als dessen Alter und die Bewirtschaftungsform für das Vorkommen des Mittelspechts ausschlaggebend sind. Die Art benötigt zur Nahrungssuche Bäume mit grobrissiger Rinde oder stark strukturiertes [[Totholz]]. In forstlich bewirtschafteten Wäldern ist die Art daher auf Eichen angewiesen, da nur diese auch bereits in jüngerem Alter ausreichend grobrissig sind. In eichenfreien Wäldern ist außerdem ein ausreichendes Angebot an stehendem [[Totholz]] Basis für eine ausreichende Nahrungsgrundlage. Die Art ist demnach weniger an Eichen gebunden als an naturnahe, totholzreiche Wälder und gilt daher heute als Urwaldrelikt. Da [[Rotbuche]]n erst im bereits hiebreifen Alter ab etwa 150-200 Jahren eine grobrissige Rinde und für den Mittelspecht nutzbare Totholzpartien entwickeln, wird das großflächige Fehlen der Art in den mitteleuropäischen Buchenwäldern heute als „forstwirtschaftliches Artefakt“<ref>F. Hertel: ''Habitatnutzung und Nahrungserwerb von Buntspecht Picoides major, Mittelspecht Picoides medius und Kleiber Sitta europaea in bewirtschafteten und unbewirtschafteten Buchenwäldern des nordostdeutschen Tieflandes.'' Vogelwelt 124; 2003: S. 124.</ref> bezeichnet. In Mitteleuropa findet die Art heute geeignete Habitatstrukturen vor allem in Augebieten und in naturbelassenen Hangwäldern. Grenzen Eichenbestände an ausgedehnte alte Obstgärten oder liegen Eichenbestände in großflächigen Parklandschaften, vermag der Mittelspecht auch solche [[Sekundärbiotop|Sekundärhabitat]]e zu besiedeln. Wesentlich ist auch die Größe der Waldgebiete selbst. Stark fragmentierte Wälder oder Gehölze unter 10 Hektar werden kaum besiedelt. Ganz selten brüten Mittelspechte in Nadelwaldgebieten. So kommt die Art in Mittelgriechenland in einem Bergwaldgebiet mit [[Schwarzkiefer|Schwarzföhre]]n und der [[Griechische Tanne|Griechischen Tanne]] (''Abies cephalonica'') vor, auf Lesbos werden große, alte [[Olivenbaum|Olivenpflanzungen]] bewohnt.<ref>Gorman (2004) p. 122</ref> In Zentral- und Osteuropa kommt der Mittelspecht vor allem in niederen Lagen und im Hügelland vor; Brutplätze über 900 Metern sind in dieser Zone nicht bekannt. In Italien, auf dem Balkan sowie in der Türkei brüten diese Spechte bis in Höhen von 1700 Metern, aus dem Kaukasus und dem Iran sind noch höher gelegene Brutvorkommen bekannt.<ref>Winkler (1995) S. 270</ref> Die Siedlungsdichten können in Optimalhabitaten sehr hoch sein. So wurden im östlichen Wienerwald fast vier Brutpaare auf 10 Hektar festgestellt<ref>Dvorak (1993) S. 262</ref>, ähnliche Maximalwerte wurden in der Gegend um [[Schaffhausen]] in einer Hartholzaue entlang des Hochrheins ermittelt, wo ein Männchenrevier etwa vier Hektar umfasste.<ref>Hölzinger (2001) S. 450</ref> Üblicherweise sind Mittelspechtreviere jedoch viel größer; Durchschnittsgrößen der Sommerreviere liegen zwischen 10 und 20 Hektar; Winterreviere sind wesentlich größer, in ihren Grenzstrukturen jedoch sehr variabel. == Systematik == Der Mittelspecht ist ein Vertreter der recht umfangreichen Gattung ''Dendrocopos'', in der kleine bis mittelgroße Baumspechte von überwiegend schwarz-weißem Federkleid zusammengefasst sind. Die 20 Vertreter der Gattung ''Dendrocopos'' kommen in [[Eurasien]] sowie in Nordafrika vor. Bis vor wenigen Jahren war ''Dendrocopos'' mit verwandten, vor allem [[Nearktis|nearktischen]] Arten in der Gattung ''Picoides'' vereint. Wahrscheinlich lag das [[Eiszeitalter|glaziale]] Rückzugsgebiet des Mittelspechts auf dem [[Balkanhalbinsel|Balkan]] oder im östlichen Mittelmeerraum, von wo aus die nacheiszeitliche Ausbreitung erfolgte.<ref>Hölzinger (2001) S. 436</ref> Zur Zeit unterscheiden die meisten Autoren vier Unterarten, die sich jedoch nur geringfügig voneinander unterscheiden. *''D. m. medius:'' Die [[Nominotypisches Taxon|Nominatform]] kommt in Europa und in der Nordwesttürkei vor. Die Vögel aus Spanien sind etwas farbintensiver gezeichnet, vor allem die Rosafärbung des Steißes ist ausgedehnter und intensiver. Die türkischen Spechte weisen eine etwas intensivere Flankenstrichelung auf. Diese Färbungsvarianten führten zur Beschreibung der Unterarten ''D. m. lilianae'' und ''D. m. splendidor'', die jedoch zur Zeit nicht anerkannt sind. *''D. m. caucasicus:'' Diese Unterart ist in der Nordtürkei und im [[Kaukasus]]gebiet verbreitet. Die Bauchpartie ist heller als bei der Nominatform, die Brust deutlich gelblich gefärbt. Die äußeren Steuerfedern sind stark und regelmäßig schwarz gebändert. Der Steiß ist rötlicher als bei ''D. m. medius''. *''D. m. anatoliae:'' Eine nicht allgemein anerkannte Unterart aus der Süd- und Südwesttürkei, die von einigen Autoren mit der obigen vereint wird. Die Vögel sind ''D. m. caucasicus'' äußerst ähnlich, aber geringfügig kleiner. *''D. m. sanctijohannis:'' Die Spechte dieser Unterart kommen im Norden des [[Iran]]s, vielleicht auch im [[Irak|Nordirak]] vor. Die Rasse zeigt eine auffallend weiße Gesichtszeichnung, auch die Unterseite ist weitgehend weiß bis auf eine sehr ausgedehnte Rotzeichnung, die vom Unterbauch über den Steiß bis zu Unterschwanzdeckfedern reicht. Die Flanken sind sehr eng schwarz gestrichelt.<ref>Winkler (1995) p. 270</ref><ref>HBW (2002) Bd. 7 p. 482-483</ref> == Nahrung == Mittelspechte ernähren sich vornehmlich von unterschiedlichen [[Gliederfüßer|Arthropoden]] und deren Entwicklungsstadien. Dabei überwiegen stamm- und rindenbewohnende Arten gegenüber jenen, die auf Zweigen oder Blättern leben. Holzbohrende Käferlarven spielen keine oder nur eine sehr untergeordnete Rolle. Nach der Individuenzahl bilden [[Blattläuse]], verschiedene [[Ameisen]]arten wie die [[Glänzendschwarze Holzameise]] oder die [[Fremde Wegameise]] den Nahrungshauptanteil, während Gattungen der [[Waldameisen]] eine nur untergeordnete Bedeutung im Nahrungserwerb dieses Spechtes haben. Daneben bilden noch [[Käfer]], [[Schildläuse]], [[Schnaken]], verschiedene [[Raupe (Schmetterling)|Raupen]] sowie [[Fliegen]], [[Mücken]] und [[Asseln]] Bestandteile der animalischen Kost. Die meisten Beutetiere sind klein, die mittlere Länge beträgt etwa 8,5 Millimeter. An frisch geschlüpfte Küken werden vor allem Blattläuse verfüttert, mit zunehmendem Alter gleicht die Nestlingsnahrung der der Erwachsenen. Der Mittelspecht nimmt vegetarische Kost zu sich, jedoch bei weitem nicht in dem Ausmaß, wie dies beim [[Buntspecht|Großen Buntspecht]], besonders aber beim [[Blutspecht]] festzustellen ist. Im Frühjahr [[ringeln|ringelt]] er gelegentlich safttreibende Bäume, vor allem [[Linden (Botanik)|Linden]], um Baumsäfte aufnehmen zu können; im Juni und Juli können Kirschen eine wichtige Beikost sein, die auch an die Jungen verfüttert wird. Im Herbst und Winter spielen Nüsse und [[Kiefernartige|Koniferen]]samen eine gewisse, wenn auch untergeordnete Rolle. == Verhalten == Der Mittelspecht ist ein äußerst agiler, unruhig und rastlos wirkender Specht. Er huscht unter andauerndem Stochern äußerst gewandt die Stämme auf- und abwärts, wobei er wie ein [[Kleiber (Art)|Kleiber]] auch kopfüber abwärts klettert. Die Verweildauer auf einem Nahrungsbaum ist oft nur kurz. Auch geringfügige Ortswechsel legt er fliegend zurück. Der Streckenflug ist ein kräftiger und schneller Bogenflug. Die Aufwärtsbewegung wird durch einige kräftige, schnell aufeinanderfolgende Flügelschläge erreicht, am Bogengipfel werden die Flügel eng an den Körper gelegt. Plötzliche Richtungswechsel sind von einem lauten Geräusch begleitet. Häufig sitzt er wie ein Singvogel quer auf einem Ast und nicht, wie die meisten anderen Spechte, in der Längsrichtung.<ref>Gorman (2004) p. 124</ref> === Aktivität und Komfortverhalten === Der Mittelspecht ist wie alle Spechte tagaktiv, seine Aktivitätsphase reicht von Sonnenaufgang zum Sonnenuntergang. Vor Einbruch der Abenddämmerung kann er noch eine gewisse Zeit in der Nähe seiner Schlafhöhle verweilen, bevor er in diese einschlüpft. Die Nacht wird in einer Schlafhöhle verbracht, gelegentlich auch in einem Nistkasten. Ausgesprochenes Schlechtwetter verkürzt die Aktivitätszeit. Während der frühen Nachmittagsstunden werden Ruhepausen eingelegt, die der Specht meist im Kronenbereich verbringt und auch zur Gefiederpflege nutzt. Spezifische Komfortverhaltensweisen wurden selten beobachtet; einige Male wurden Mittelspechte beim Sonnenbaden gesehen, wobei sie den Kopf einziehen und das Gefieder sträuben.<ref>HBV (1994) Bd. 9, S. 1071</ref> === Territoriales und antagonistisches Verhalten === Mittelspechte sind während des gesamten Jahres territorial und begegnen Artgenossen innerhalb der Reviergrenzen aggressiv. Sie antworten sofort auf Rufattrappen, häufig fliegen sie die Schallquelle auch an. Weibchen werden im Winterrevier geduldet, von besonders ergiebigen Futterquellen aber oft vertrieben. Auf Buntspechtrufe und Lautäußerungen des Stares reagiert der Mittelspecht aggressiv, obwohl strittig ist, ob es zu einer echten Rivalität zwischen diesen Arten kommt, da sie doch verschiedene Lebensbereiche im zuweilen gemeinsamen Nahrungshabitat nutzen. Einige Male wurden besetzte Buntspecht- und Mittelspechthöhlen auf engstem Raum nebeneinander gefunden, ohne dass ein Aggressionsverhalten feststellbar gewesen wäre.<ref>Hölzinger (2001) S. 459</ref> Sicher ist aber auch, dass der Buntspecht in der direkten Auseinandersetzung überlegen ist und gelegentlich auch besetzte Mittelspechthöhlen übernimmt und die Nestlinge tötet. Auf [[Eichhörnchen]] und [[Bilche]] reagiert der Mittelspecht energisch [[hassen]]d und versucht sie mit direkten Flugattacken zu vertreiben. Vor Flugfeinden, insbesondere dem [[Sperber (Art)|Sperber]], verharrt der Mittelspecht, wenn er nicht in eine Höhle fliehen kann, regungslos eng an den Stamm gedrückt. Diese ''Einfrierposition'' ist auch von anderen Buntspechten bekannt. Angriffen von [[Marder]]n, dem zweiten wesentlichen [[Prädator]], können sich adulte Vögel meist fliegend entziehen, während eben flügge gewordene und Jungvögel ihnen oft zum Opfer fallen. === Nahrungserwerb === Der Mittelspecht ist ein ausgesprochener Baumspecht, der nur sehr selten seine Nahrung auf der Erde oder auf liegenden Stämmen oder Ästen sucht. Dabei bevorzugt er während des gesamten Jahres den inneren Kronenbereich grobborkiger, alter Laubbäume, insbesondere von Eichen. Die oberen und mittleren Stammabschnitte werden bedeutend weniger häufig genutzt, die unteren Stammabschnitte vergleichsweise selten. Allerdings variiert die Nutzung der verschiedenen Abschnitte während des Jahres etwas, vor allem im Winter werden die mittleren und oberen Stammabschnitte sowie große Seitenäste häufiger aufgesucht. Der Mittelspecht sammelt seine Beutetiere von der Stammoberfläche auf, indem er mit hastigen Bewegungen in Borkenrissen stochert, Blätter absucht und gelegentlich auch in kurzen Ausfallsflügen Fluginsekten zu erbeuten sucht. Bei der Beutesuche klettert er sehr gewandt, auch kopfüber und seitlich an Ästen; Beeren und Kirschen erntet er oft, indem er sich kopfunter an ein Ästchen klammert. Nach verborgenen Beutetieren hackt diese Spechtart vergleichsweise selten und nicht sehr ausdauernd; nur in der obersten Borkenschicht und unter losen Rindenteilen werden holzbewohnende Insekten und deren Larven erbeutet. Um Nüsse öffnen zu können oder um an Koniferensamen heranzukommen, benutzt der Mittelspecht einfache [[Schmiede (Spechte)|Schmieden]]. Echte Schmieden legt diese Art jedoch nicht an. Im Frühjahr ringelt er safttreibende Bäume oder nutzt Saftaustritte aus Rindenverletzungen oder Ringelstellen anderer Spechte. === Wanderungen === Der Mittelspecht ist in hohem Maße standorttreu. Auch in strengen Wintern verharrt die Art im Brutgebiet, das allerdings während der Wintermonate großräumig erweitert wird. Gelegentlich [[Strichvogel|verstreichen]] Mittelspechte winters auch in günstigere Nahrungsgebiete und können dann in Parks oder an Futterstellen beobachtet werden. Auch die Jugenddispersion führt meist nur über kurze Distanzen, ein nestjung beringter Vogel wurde allerdings 55 Kilometer entfernt wiedergefunden.<ref>Gorman (2004) p. 126</ref> Gelegentlich kommt es zu kleinräumigen Wanderbewegungen und ausgedehnteren Dispersionsflügen, wie etwa das regelmäßige Erscheinen von Mittelspechten in den ehemaligen südschwedischen Brutgebieten zeigt, bei denen es sich offenbar um [[Baltikum|baltische]] Spechte handelt.<ref>Winkler (1995) p. 270</ref> == Brutbiologie == === Balz und Paarbildung === Mittelspechte werden am Ende des ersten Lebensjahres geschlechtsreif; sie führen eine weitgehend monogame Brutsaisonehe. Die Partnerschaft wird nach der Brutsaison loser, dürfte aber häufig locker auch über den Winter weiter bestehen und zur Hauptbalzzeit erneuert werden. Wie bei allen Spechten ist die innerartliche Aggression sehr groß, sie wird langsam mit dem Aufbau des Brutreviers und mit dem Höhlenbau abgebaut, erlischt aber auch bei verpaarten Mittelspechten nie ganz. Schon Ende Jänner, häufiger aber im Februar und verstärkt im März, streift das Männchen mit lauten ''Quäk''-Rufen durch sein Nahrungsrevier. Nähert sich ein Weibchen, intensiviert das Männchen das ''Quäken'' und umfliegt es in einem auffälligen Flatterflug. Danach lockt es das Weibchen zu vollendeten oder begonnenen Höhlen, die durch Klopfen angezeigt werden. Dabei sind die Federn der roten Kopfplatte gesträubt. Das Weibchen inspiziert die Höhlen und kann bald durch eine geduckte Körperhaltung zu einer Kopulation auffordern. Die ersten Kopulationen finden schon im Februar statt, häufiger werden sie jedoch erst im März. === Niststandort und Höhlenbau === [[Bild:Dendrocopos medius01.jpg|thumb|250px|Fütterung eines fast flüggen Nestlings]] Der Mittelspecht zimmert seine Höhlen ausschließlich in Bäumen mit weichen Hölzern wie etwa [[Pappeln]], [[Weiden (Botanik)|Weiden]] oder [[Erlen (Botanik)|Erlen]], beziehungsweise in solchen, die bereits durch Pilzbefall stark geschädigt sind. Oft werden die Höhlen auch in stehendem Totholz angelegt. Charakteristisch für Mittelspechthöhlen ist ihre häufige Lage in starken, horizontalen Seitenästen, wobei sich das Einflugloch oft auf der Unterseite des Astes befindet, oder die Lage unter der baldachinartigen Abdeckung durch einen Baumpilz, wie etwa einem [[Zunderschwamm]]. An der Höhle bauen beide Partner, das Männchen allerdings häufiger und ausdauernder als das Weibchen. Die Höhlentiefe liegt bei einer Breite von etwa 12 Zentimetern zwischen 20 und 35 Zentimetern, das Einschlupfloch ist annähernd rund und misst zumindest 34 Millimeter. Mittelspechthöhlen können sich in Ausnahmefällen in Bodennähe befinden, liegen aber meist in Höhen zwischen 5 und 10 Metern, gelegentlich auch in über 20 Metern Höhe. Die Bauzeit beträgt mindestens eine Woche, meist aber zwei bis 4 Wochen; gelegentlich werden Buntspechthöhlen adaptiert, alte eigene wiederverwendet, oder die des [[Kleinspecht]]es erweitert.<ref>HBV (1994) Bd. 9, S. 1069</ref> === Gelege und Brut === Die Eiablage beginnt in Mitteleuropa frühestens Anfang April, auf dem Balkan und in der Türkei etwas früher, in Nordosteuropa etwas später. Die Gelege bestehen aus 5–6 (4–8) ovalen, reinweißen und glänzenden Eiern in einer durchschnittlichen Größe von 23&nbsp;x&nbsp;18 Millimetern; ihr Gewicht liegt bei etwas mehr als 4 Gramm. Die feste Brut beginnt nach Ablage des letzten Eies, vorher werden die Eier nur vor dem Auskühlen geschützt. Beide Geschlechter brüten zu etwa gleichen Teilen, wie bei allen Spechten das Männchen während der Nacht. Bei frühem Gelegeverlust kommt es zu einer Ersatzbrut, im Normalfall brüten Mittelspechte nur einmal pro Jahr. Nach frühestens 10 Tagen schlüpfen die Jungen, meist aber erst am 12. oder 13. Tag nach Brutbeginn. Die Nestlingszeit schwankt zwischen 20 und 24 Tagen, in der sie von beiden Eltern etwa zu gleichen Teilen versorgt werden.<ref>HBV (1994) Bd. 9. S.1069</ref> Den Abtransport der [[Kot|Fäzes]] scheint allerdings nur das Männchen zu besorgen.<ref>Hölzinger (2001) S. 458</ref> Nach dem Ausfliegen werden die Jungvögel schnell von der Bruthöhle weggelockt und oft in zwei Gruppen geteilt noch bis zu zwei Wochen von einem Elternteil betreut, bevor sie weitgehend selbständig sind und in die nähere Umgebung [[Dismigration|dismigrieren]]. Zum Bruterfolg gibt es nur wenige größere Untersuchungen. Bei 35 untersuchten Bruten in der Nordschweiz flogen durchschnittlich 2,3 Junge aus; eine bedeutend höhere Ausfliegrate mit 5,2 Jungen wurden bei einer kleinen Untersuchung in Südwestrussland festgestellt.<ref>Hölzinger (2001) S. 459</ref> == Bestand und Bestandtrends == Der Mittelspecht gehört zu den schwer zu kartierenden Spechtarten. Die Art kann praktisch nur über ihre Lautäußerungen festgestellt werden und diese können bei isoliert lebenden Paaren unauffällig sein. So gesehen könnte es also sein, dass einige kleinere Populationen bislang übersehen wurden.<ref>Südbeck (2005) S. 457</ref> Die Bestandsentwicklungen sind uneinheitlich: die kleinen dänischen und schwedischen Vorkommen sind erloschen, dagegen konnte sich die Art in den Niederlanden mit einer kleinen aber stabilen Population wieder etablieren. Die Vorkommen in den Schlüsselländern Deutschland, Polen und Griechenland sind stabil, in Belgien und der Tschechischen Republik nehmen die Bestände stark zu. Eine umfangreiche Bestandserhebung in Landkreis Esslingen südöstlich von Stuttgart ergab weitaus höhere Bestände als bislang angenommen, sodass die Autoren dieser Studie den Gesamtbestand dieser Art in Baden-Württemberg auf über 10000 Brutpaare schätzen;<ref> Gatter & Mattes (2008) S. 82 </ref> Südbeck und Flade gingen 2004 von maximal 2500 Brutpaaren aus. <ref> Südbeck & Flade (2004) S. 326 </ref> Als Gründe für diese Bestandszunahmen werden vor allem die vorherrschend milden Winter des letzten Jahrzehnts, die Zunahme holzbewohnender und holzbrütender Insekten, sowie die durchschnittlich längere forstwirtschaftliche [[Umtriebszeit]] genannt. <ref> Gatter & Mattes (2008) S. 86 </ref> Starke Abnahmen werden aus Rumänien und Serbien gemeldet, auch in der Schweiz entwickeln sich die Bestände zur Zeit trotz intensiver Schutzmaßnahmen negativ. Unklar ist die Bestandsentwicklung in Frankreich, auch über die Türkei liegen kaum verlässliche Zahlen vor. Zur Zeit brüten in Europa mindestens 140.000 Paare, was mehr als 90&nbsp;Prozent des Gesamtbestandes beträgt. In Deutschland wird die Brutpopulation auf zumindest 10.000 Paare geschätzt, in Österreich auf etwa 3.000 und in der Schweiz auf 250. Die IUCN schätzt die Bestandssituation dieser Spechtart mit ''least concern'' ein, Birdlife europe mit ''secure''.<ref>Factsheet IUCN (2007)</ref><ref>Factsheet Birdlife europe (2004)</ref> Trotz dieser insgesamt nicht unerfreulichen Situation sind die mitteleuropäischen Bestände in näherer Zukunft keineswegs gesichert. Die größte Gefahr für diesen Habitatsspezialisten geht nach wie vor von der Lebensraumzerstörung aus. Viele der jetzigen Vorkommen sind sehr stark fragmentiert und klein, ein Umstand, der die Gefahr der genetischen Isolation in sich birgt, umso mehr, als die [[Dismigration]]sdistanzen bei dieser Art sehr klein sind. Der Mittelspecht ist auf alte, grobborkige Laubbäume, insbesondere auf Eichen angewiesen. [[Mittelwald|Mittelwälder]] kommen seinen Habitatsansprüchen sehr entgegen, doch wurde diese forstliche Bewirtschaftungsmethode weitgehend aufgegeben. Dort, wo Mittelwaldstrukturen wieder gepflegt werden, zum Beispiel im Niederholz bei [[Zürich]] oder im [[Gerolfingen|Gerolfinger]] Eichenwald, können sich gute Mittelspechtvorkommen halten. Eine weitere Gefahr geht davon aus, dass die Edelholzproduktion aus Eichenstämmen in den zwanziger Jahren des 20. Jahrhunderts in Mitteleuropa stark zurückging und kaum Eichen nachgepflanzt wurden. Erst in den letzten 20 Jahren wird wieder intensiver mit Eichen aufgeforstet. Es fehlt also weitflächig eine ganze Eichengeneration; die bestehenden Bestände sind alt, zum Teil geschwächt und so anfälliger für [[Gradation (Zoologie)|Schädlingsgradationen]], wie zum Beispiel die Massenvermehrungen des [[Eichenwickler]]s, die vor allem in den letzten Jahren häufig geworden sind.<ref>Hölzinger (2001) S. 444</ref> == Einzelnachweise == <div style="-moz-column-count:2; column-count:2;"> <references /> </div> == Literatur == * Hans-Günther Bauer, Peter Berthold: ''Die Brutvögel Mitteleuropas. Bestand und Gefährdung.'' 2., durchgesehene Auflage. Aula, Wiesbaden 1997, S. 290, ISBN 3-89104-613-8 * Mark Beaman, Steve Madge: ''Handbuch der Vogelbestimmung – Europa und Westpaläarktis''. Eugen Ulmer, Stuttgart 1998, S. 534f, ISBN 3-8001-3471-3 * Hans-Heiner Bergmann, Hans-Wolfgang Helb: ''Die Stimmen der Vögel Europas''. BLV, München 1982, ISBN 3-405-12277-5 * Michael Dvorak u.a. (Hrsg.): ''Atlas der Brutvögel Österreichs''. Umweltbundesamt, Bonn 1993, S. 260f, ISBN 3-85457-121-6 * Wulf Gatter und Hermann Mattes: ''Ändert sich der Mittelspecht ''Dendrocopos medius'' oder die Umweltbedingungen? Eine Fallstudie aus Baden-Württemberg.'' In: Vogelwelt 129: 73-84 (2008) * Urs N. Glutz von Blotzheim (Hrsg.): ''[[Handbuch der Vögel Mitteleuropas]]'' (HBV). Bearbeitet u. a. von Kurt M. Bauer und Urs N. Glutz von Blotzheim. [[Taubenvögel|Columbiformes]] – [[Spechtvögel|Piciformes]]. Bd 9. Aula-Verlag, Wiesbaden 1994, S. 917–942 (2. Aufl.), ISBN 3-89104-562-X * Gerard Gorman: ''Woodpeckers of Europe. A Study to European Picidae.'' Bruce Coleman, Chalfont 2004, S. 106–116, 44, 35, ISBN 1-87284-205-4 * Hartmut Heckenroth, Volker Laske: ''Atlas der Brutvögel Niedersachsens und Bremens 1981–1995.'' Naturschutz und Landschaftspflege in Niedersachsen. Bd 37. Hannover 1997, 1-329, ISBN 3-922321-79-8 * Jochen Hölzinger, Ulrich Mahler: ''Die Vögel Baden-Württembergs.''. Nicht-Singvögel. Bd 3. Ulmer, Stuttgart 2001, S. 420–447, ISBN 3-8001-3908-1 * Josep del Hoyo u.a.: ''Handbook of the Birds of the World'' (HBW). Bd 7. Jacamars to Woodpeckers. Lynx Edicions, Barcelona 2002, ISBN 84-87334-37-7 * Peter Südbeck u.a.: ''Methodenstandards zur Erfassung der Brutvögel Deutschlands''. Radolfzell 2005, S. 456–457, ISBN 3-00-015261-X * Peter Südbeck und Martin Flade: ''Bestand und Bestandsentwicklung des Mittelspechts ''Picoides medius'' in Deutschland und seine Bedeutung für den Waldnaturschutz.'' In: Vogelwelt 125: 319-326 (2004) * Hans Winkler, David Christie, David Nurney: ''Woodpeckers. A Guide to Woodpeckers, Piculets and Wrynecks of the World.'' Pica Press, Robertsbridge 1995, ISBN 0-395-72043-5 == Weblinks == {{Commons|Dendrocopos medius|Mittelspecht}} * [http://www.birdlife.org/datazone/species/BirdsInEuropeII/BiE2004Sp641.pdf Factsheet Birdlife europe] (PDF-Datei; 292 kB) * [http://www.birdlife.org/datazone/species/index.html?action=SpcHTMDetails.asp&sid=641&m=0#FurtherInfo Factsheet Birdlife international 2007] * [http://www.vogelwarte.ch/home.php?cap=voegel&file=detail.php&lang=d&WArtNummer=3430 Schweizerische Vogelwarte Sempach] * {{IUCN |Year=2008 |ID=141703 |ScientificName=Dendrocopos medius |YearAssessed=2008 |Assessor=BirdLife International |Download=31. Januar 2009 }} * [http://ntb.wolfgang-schlegel.eu/NTB/MS/ms.htm Mittelspecht im Schloßpark Sanssouci] * {{IBC|ID=middle-spotted-woodpecker-dendrocopos-medius|Titel=Dendrocopos medius}} {{Exzellent}} [[Kategorie:Spechte]] {{Link FA|sv}} [[az:Ortaboy ağacdələn]] [[bg:Среден пъстър кълвач]] [[br:Speg krenn]] [[cs:Strakapoud prostřední]] [[da:Mellemflagspætte]] [[en:Middle Spotted Woodpecker]] [[eo:Mezgranda buntpego]] [[es:Dendrocopos medius]] [[fi:Tammitikka]] [[fr:Pic mar]] [[hu:Közép fakopáncs]] [[it:Dendrocopos medius]] [[ja:ヒメアカゲラ]] [[lt:Vidutinis genys]] [[nl:Middelste bonte specht]] [[no:Mellomspett]] [[pl:Dzięcioł średni]] [[sk:Ďateľ prostredný]] [[sv:Mellanspett]] [[tr:Ortanca ağaçkakan]] g1etjpmr7qwuylk3awq2f2qw4rzt159 wikitext text/x-wiki Moa 0 23945 26541 2010-04-27T09:37:48Z Rubinbot 0 Bot: Ändere: [[nv:Naayééʼ tsídiitsoh]] {{Begriffsklärungshinweis}} <!-- Für Informationen zum Umgang mit dieser Tabelle siehe bitte [[Wikipedia:Taxoboxen]]. --> {{Taxobox | Taxon_Name = Moas | Taxon_WissName = Dinornithidae | Taxon_Rang = Familie | Taxon2_Name = Laufvögel | Taxon2_WissName = Struthioniformes | Taxon2_Rang = Ordnung | Taxon3_Name = Urkiefervögel | Taxon3_WissName = Palaeognathae | Taxon3_Rang = Unterklasse | Taxon4_Name = Vögel | Taxon4_WissName = Aves | Taxon4_Rang = Klasse | Taxon5_Name = Landwirbeltiere | Taxon5_WissName = Tetrapoda | Taxon5_Rang = Reihe | Taxon6_Name = Kiefermäuler | Taxon6_WissName = Gnathostomata | Taxon6_Rang = Überklasse | Bild = Giant Haasts eagle attacking New Zealand moa.jpg | Bildbeschreibung = Moas werden von einem [[Haastadler]] attackiert }} Die '''Moas''' (Einzahl: der Moa) waren flugunfähige, heute ausgestorbene Vertreter der [[Ordnung (Biologie)|Ordnung]] [[Laufvögel]]. In historischer Zeit waren sie mit elf Arten über beide Inseln [[Neuseeland]]s verbreitet. == Merkmale == [[Datei:Dinornis maximus (Gresham).png|miniatur|Skelett von ''Dinornis'' (aus: „New Gresham Encyclopedia“, 1922)]] Als Urkiefervögel (Palaeognathae) besaßen Moas einen ''palaeognathen'' [[Gaumen]], das heißt, sie zeigen im Gegensatz zu den so genannten [[Neukiefervögel]]n einen ''Pterygoid-Palatinum-Komplex'' (PPC), der aus den Schädelknochen [[Flügelbein]] (Pterygoid), [[Gaumenbein]] (Palatinum) und [[Pflugscharbein]] (Vomer) besteht. Sie glichen anderen [[Ratiten|Laufvögeln]] in einer Anzahl anatomischer Merkmale: Ihre [[Oberkiefer|Ober]]- und [[Unterkiefer]] endeten jeweils in einem dreiteiligen Hornschnabel (''Rhamphotheca''), deren mittlerer Kamm flach und von den jeweils seitlichen Schnabelteilen durch Furchen getrennt war. Der Nasalfortsatz des [[Zwischenkieferbein]]s war unpaarig und nicht mit dem ''Nasale'' verschmolzen. Im [[Becken (Anatomie)|Beckengürtel]] war das Fenster zwischen [[Darmbein]] und [[Sitzbein]] (''Foramen ilioischiadicum'') länglich und nach hinten nicht abgeschlossen. Das breite und flache [[Brustbein]] war ohne Anzeichen eines Brustbeinkiels (''[[Carina sterni]]''). Durch folgende [[Apomorphie|abgeleitete Merkmale]] des [[Vogelskelett|Skeletts]], in denen sich Moas von anderen Laufvögeln unterschieden, ist die [[Familie (Biologie)|Familie]] der Moas definiert: [[Flügel (Vogel)|Flügel]] fehlten völlig. Vom [[Schultergürtel]] lag nur ein verkümmerter ''[[Scapula|Scapulo]][[coracoid]]'' ohne Anzeichen eines [[Schultergelenk]]sockels vor. Das Becken war breit im Bereich der [[Hüftgelenk]]pfanne und dahinter. Das Brustbein zeigte gut ausgeprägte seitliche Fortsätze. Das fußwärtige Ende des [[Schienbein]]s war mit einem Sehnenkanal ausgestattet, der von einer knöchernen Verbindung überbrückt wurde. Das [[Tarsometatarsus|Laufbein]] besaß zwei Hypotarsalkämme anstatt einem. Moas besaßen 21 bis 23 [[Halswirbel]], 6 [[Brustwirbelsäule|Brustwirbel]], 18 [[Sacrum|Beckenwirbel]] und 11 [[Vogelskelett#Wirbelsäule und Rumpf|Schwanzwirbel]], wobei die letzten Schwanzwirbel nicht zu einem ''[[Pygostyl]]'' verschmolzen waren. Eine Anzahl Schädelmerkmale kommt zu den genannten Charakteristika hinzu. Die meisten Moa-Arten waren kurzbeinig und so groß wie ein [[Truthahn]]. Hingegen waren die Weibchen der beiden Arten der Gattung ''Dinornis'' die größten Vögel Neuseelands.Ihr Gewicht betrug etwa 180 Kilogramm, nach anderen Schätzungen bis zu 270 Kilogramm. Sie hielten den Kopf nach vorne gestreckt und in Höhe des Rückens oder darunter; dies war der Form der [[Wirbelsäule]] geschuldet, die vor den [[Brustwirbelsäule|Brustwirbeln]] abwärts gebogen war, mit dem tiefsten Punkt zwischen den Wirbeln 12 und 16 (vom Schädel aus gezählt); die vorderen [[Halswirbel]] waren wiederum so kurz, dass sie kaum zur Erhöhung des Kopfes beitrugen. Somit besaßen die größten Vertreter der Moas, die in älteren Rekonstruktionen mit aufrechtem Hals gezeigt wurden und somit höher als ein [[Afrikanischer Strauß]] gewesen wären, Kopfhöhen von kaum mehr als zwei Metern. == Verbreitung und Lebensraum == Bei den Moas gab es ursprünglich einige Missverständnisse wegen ihres Habitats. Man verglich sie mit heute lebenden großen Laufvögeln wie Straußen und [[Nandus]] und leitete daraus ab, dass sie Vögel des offenen Geländes gewesen sein müssten. So beschrieb der Geologe [[Julius von Haast]], der sich als Erster mit diesen Vögeln intensiv auseinandersetzte, Moas als Vögel der Savanne und des Waldrandes, die kaum jemals in den Wald vordrangen. Bis in die 1950er Jahre blieb diese Theorie verbreitet. Dann erst zeigte die [[Palynologie]], dass Neuseeland vor der Ankunft der [[Māori]] mit Ausnahme der [[Subalpine Vegetationszone|subalpinen Zonen]] vollständig bewaldet war, die Grasländer also keineswegs eine natürliche Landschaft waren. Zudem ergab sich aus der Untersuchung von Mageninhalten, dass alle Arten Knospen, Blätter und Früchte von Waldpflanzen fraßen. Moas lebten auf der [[Nordinsel (Neuseeland)|Nord]]- und der [[Südinsel (Neuseeland)|Südinsel]] Neuseelands. Drei Arten waren ausschließlich auf der Nordinsel, fünf nur auf der Südinsel verbreitet; die anderen zwei Arten fanden sich auf beiden Inseln. Nur von einer ''Dinornis''-Art fand man auch spärliche Überreste auf [[Stewart Island]]. == Lebensweise == Moas waren ausschließlich Pflanzenfresser. Durch Untersuchungen der [[Magen#Magen der Vögel|Muskelmägen]] bei besonders gut erhaltenen Moa-Fossilien konnte man feststellen, dass ''Dinornis'' offenbar hauptsächlich Zweige abweideten, während ''Emeus'' und ''Euryapteryx'' weichere Kost wie Blätter und Früchte zu sich nahmen. Von Vertretern anderer Gattungen sind keine Mageninhalte bekannt, jedoch bis zu 5&nbsp;cm große Magensteine ([[Gastrolith]]en). Für einen Anteil tierischer Nahrung gibt es keine Anhaltspunkte. Moas legten ein bis zwei Eier pro Gelege. Man hat bisher etwa dreißig erhaltene Moa-Eier und unzählige Schalenreste gefunden. In den seltensten Fällen gelang es allerdings, die Eier einer Art zuzuordnen. In einem Fall fand man Überreste eines wahrscheinlich brütenden Moas mitsamt Ei, was die Zuordnung einfach machte. In anderen Fällen schloss man durch Vergleiche der Häufigkeit von Moa- und Eier-Fossilien in bestimmten Regionen auf Zusammengehörigkeit. Auffällig ist, dass Moa-Eier ungewöhnlich groß sind. So war das Ei eines ''Euryapteryx curtus'', eines nur 20&nbsp;Kilogramm schweren Moas, ebenso groß wie das des sehr viel größeren [[großer Emu|Emu]]s. Die Eier der ''Dinornis''-Weibchen, der größten aller Moas, waren mit Maßen von 24&nbsp;×&nbsp;18&nbsp;cm und Volumina von etwa 4.300&nbsp;cm<sup>3</sup> deutlich größer als ein Straußenei und etwa 90-mal so groß wie ein mittleres Hühnerei. Die Größe der Eier lässt den Schluss zu, dass die frisch geschlüpften Jungmoas weit entwickelt und in hohem Maße selbstständig waren. Auch über die Laute, die Moas von sich gaben, konnte man durch die Untersuchung eines mumifizierten ''Euryapteryx'' Klarheit erlangen. Bei diesem bildet die [[Luftröhre]] eine 1,20&nbsp;Meter lange Schleife, eine Struktur, die man ähnlich beim [[Trompeterschwan]] findet. Ein solches Organ ermöglichte dem Vogel, sehr laute und weit tragende Rufe zu erzeugen. Ob andere Moa-Gattungen vergleichbare Vorrichtungen hatten, ist im Moment noch Spekulation. Vor der Ankunft des Menschen war der [[Haastadler]] der einzige Feind der Moas. Für ihn waren vor allem die kleinen und mittelgroßen Arten die Hauptbeute. Doch auch die riesigen Weibchen der beiden ''Dinornis''-Arten fielen dem gigantischen Greifvogel gelegentlich zum Opfer. Dies weiß man von der Untersuchung der Überreste verschiedener Moas, die schwere Verletzungsspuren des [[Becken (Anatomie)|Beckens]] aufweisen. Sie deuten darauf hin, dass der Adler seine Beute von hinten attackierte. Die Beckenknochen wurden von den Adlerkrallen regelrecht durchstochen. == Wachstum, Ontogenese und Populationsstruktur == Gegenüber allen anderen Vogelgruppen, auch anderen [[Ratiten]], zeigten Moas als extreme [[K-Stratege]]n eine lange Wachstumszeit sowie ein sehr spätes Erreichen der [[Geschlechtsreife|sexuellen Reife]]. Bei [[Histologie|histologischen]] Untersuchungen der Rindengewebe verschiedener Beinknochen ([[Oberschenkelknochen]], ''[[Tibiotarsus]]'', ''[[Tarsometatarsus]]'') konnten Turvey u.&nbsp;a. (2005) in vier der sechs bekannten Gattungen eine deutliche Zonierung der äußeren Knochenrinde und mehrere jahreszeitlich bedingte Wachstumspausen, so genannte LAGs ([[Englische Sprache|englisch]]: ''Lines of Arrested Growth'', „Jahresringe“) nachweisen. Sie zeigen, dass die betreffenden Individuen erst nach mehreren Jahren diskontinuierlichen Wachstums ihre endgültige Größe erreichten. Die Riesenmoas der Gattung ''Dinornis'' wichen von diesem Schema ab. Als Folge eines ausgeprägten [[Sexualdimorphismus]] kamen die Weibchen, früher fälschlich als eigene Art ''Dinornis giganteus'' klassifiziert, auf ein Gewicht von über 200 Kilogramm, während die Männchen etwa bis zu 85 Kilogramm schwer wurden (Bunce u.&nbsp;a. 2003, Huynen u.&nbsp;a. 2003). Um diese Körpergrößen zu erreichen, war das Wachstum der Vertreter der Gattung ''Dinornis'' offenbar gegenüber dem anderer Moa-Gattungen beschleunigt: Ihr äußeres [[Substantia compacta|Knochenrindengewebe (Kortikalis)]] ist von vielen [[Blutgefäß]]en durchzogen, zeigt kaum Zonierungen und weist nur in wenigen Fällen LAGs auf. Offenbar waren die ''Dinornis''-Arten nach etwa drei Jahren ausgewachsen, während manche der kleineren Moas wie ''Euryapteryx'' bis zu neun Jahre dafür benötigten. Um die Altersstruktur von Moa-[[Population (Biologie)|Populationen]] aufzuklären, wurden die Moa-Knochen verschiedener Fossilfundorte systematisch untersucht (Turvey und Holdaway (2005)): Es stellte sich für den Fundort Bell Hill Vineyard Swamp (nahe Waikari, North Canterbury auf der Südinsel) heraus, dass nur gut ein Viertel (27,5 %) der dort gesammelten ''Dinornis-robustus''-Knochen nicht ausgewachsenen Tieren angehörte, während der Rest von ausgewachsenen, mehrheitlich geschlechtsreifen Individuen stammte. Ähnlich wie es bei den [[Rezent (Biologie)|rezenten]] [[Kiwis]] der Fall ist, waren bei manchen der ausgewachsenen Tiere die Mittelfußknochen nicht vollständig verwachsen, was darauf hindeutet, dass sie noch nicht geschlechtsreif waren. Der auffällig geringe Anteil fossil überlieferter Jungtiere könnte darauf hindeuten, dass ein sehr hoher Anteil der Nachkommen das Erwachsenenalter erreichte. Diese Interpretation ist jedoch nur dann zutreffend, wenn die vorliegende [[Taphozönose|Grabgemeinschaft]] die Verhältnisse einer tatsächlichen [[Population (Biologie)|Population]] repräsentiert. Turvey u.&nbsp;a. interpretieren die langsamen Wachstumsraten und die Verzögerung der Geschlechtsreife bei Moas als Ergebnis einer Anpassung an Lebensräume, die frei von [[Raubtiere|räuberischen Säugetieren]] waren. Die sehr geringe [[Reproduktionsrate]] war dafür verantwortlich, dass die Verfolgung durch den Menschen zum schnellen Aussterben führte, bevor andere Faktoren wie beispielsweise der Verlust von [[Habitat|Lebensraum]] sich negativ hätten auswirken können. == Moas und Menschen == === Die Ausrottung === [[Datei:Moa Heinrich Harder.jpg|miniatur|hochkant=1.5|Jagdszene <small>(Gemälde von [[Heinrich Harder]] um 1920</small>)]] Auffällig ist, dass Moas in den [[Mythos|Mythen]] und [[Sage]]n der [[Iwi|Maoristämme]] nicht vorkommen. Man konnte daher davon ausgehen, dass ihr Aussterben schon so lange zurückliegt, dass die Existenz der Riesenvögel über die Generationen in Vergessenheit geraten war. Inzwischen lässt sich die Geschichte der Ausrottung recht gut rekonstruieren. Am Ende des 13. Jahrhunderts erreichten [[Polynesien|polynesische]] Einwanderer das zuvor wahrscheinlich menschenleere Neuseeland und begannen mit der Auflichtung der geschlossenen Wälder. Frühe polynesische Siedlungsplätze enthalten große Mengen von Moaknochen. Mit Ausnahme von ''Pachyornis australis'' hat man von jeder Moa-Art Überreste in Verbindung mit Menschen gefunden. Die Moas hatten abgesehen vom [[Haastadler]] keine natürlichen Feinde. Allgemein lässt sich bei Vögeln, die auf raubtierfreien Inseln leben, ein Fehlen von Flucht- oder Abwehrverhalten beobachten. So löste wahrscheinlich auch bei den Moas das Auftauchen von menschlichen Jägern weder Flucht noch Gegenwehr aus. Worthy und Holdaway mutmaßen, dass die Moa-Jagd eher einem „Einkauf im Supermarkt“ als einer Jagd gleichgekommen sein dürfte. Schon die polynesischen Hinterlassenschaften aus der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts weisen keine Moaknochen mehr auf. Dies lässt auf einen extrem kurzen Ausrottungszeitraum schließen. Die Ursprungsbevölkerung Neuseelands wird heute auf 200 Menschen geschätzt. Holdaway und Jacomb machten im Jahr 2000 den Versuch, die Ausrottung der Moas zu rekonstruieren und kamen für manche Regionen auf extrem kurze Zeiträume; so machten sie für die [[Coromandel-Halbinsel]] einen Zeitabschnitt von nur fünf Jahren für die Ausrottung aller dort heimischen Moa-Spezies plausibel. Die Ausrottung der Moas ging derart schnell vonstatten, dass die Māori nicht einmal auf die Moa-Jagd spezialisierte Waffen entwickeln mussten. Am Ende des 14. Jahrhunderts waren Moas ausgestorben. Es ist denkbar, dass einzelne Exemplare in besonders abgelegenen Regionen länger überlebten. Doch als [[James Cook]] [[1769]] vor Neuseeland vor Anker ging, dürften auch die letzten Moas längst verschwunden gewesen sein. Heute gibt es manche Anhänger der [[Kryptozoologie]], die vor allem im [[Fiordland-Nationalpark|Fjordland]] nach lebenden Moas suchen. Oft gibt es auch Berichte von Wanderern, die behaupten, Moas gesehen zu haben; gelegentlich werden diese Berichte mit unscharfen Fotos untermauert. Seriöse Wissenschaftler halten das Überleben der Moas bis in unsere Zeit allerdings für vollkommen ausgeschlossen. === Die Wiederentdeckung === [[Datei:Dinornis1387.jpg|miniatur|Richard Owen neben dem Skelett eines ''Dinornis novaezealandiae'', einer der beiden Arten, deren Weibchen vormals als „Riesenmoas“ ''Dinornis giganteus'' fehlgedeutet wurden]] Da die Moas aus der Überlieferung der Māori verschwunden waren, wurden sie erst anhand von Fossilfunden wiederentdeckt. Wer den ersten Knochen eines Moas fand, ist heute nicht mehr sicher nachvollziehbar. 1838 berichtete der Händler [[Joel Samuel Pollack]] von Knochenfunden, auf die ihn Māori aufmerksam gemacht hätten und aus denen er schloss, dass Emus oder Strauße einst in Neuseeland heimisch gewesen seien. Andere Reisende machten fast gleichzeitig ähnliche Entdeckungen. In besonderer Weise widmete sich der Zoologe und Paläontologe [[Richard Owen]] (1804–1892) den Moas. Er veröffentlichte 1840 die erste Publikation über die zuvor unbekannten Großvögel (''On the bone of an unknown struthious bird from New Zealand''), in der er zu folgendem Urteil kam: „Ich bin willens, meine Reputation für die Folgerung aufs Spiel zu setzen, dass es in Neuseeland einst straußenartige Vögel gegeben hat oder noch gibt, die in der Größe einem heutigen Strauß nahe oder gar gleich kamen.“ Owen beschrieb die meisten der heute bekannten Moa-Arten und veröffentlichte im Laufe der folgenden fünfzig Jahre fast 50 weitere Artikel über Moas. Weitere große Beiträge zur Moa-Forschung leistete der deutschstämmige Naturforscher [[Julius von Haast]], der eine Sammlung von Moa-Fossilien aufbaute und neben Verdiensten bei der Beschreibung weiterer Arten über die Lebensweise der Moas spekulierte. Obwohl viele seiner Mutmaßungen heute widerlegt sind, findet man sie oft zitiert. So geht auf Haast die heute für unwahrscheinlich gehaltene Hypothese zurück, dass nicht die Māori die Moas ausrotteten, sondern ein vorher in Neuseeland lebendes Volk, das er die „Moa-Jäger“ nannte. Das Wort „Moa“ bedeutet in vielen [[Polynesische Sprachen|Polynesischen Sprachen]] schlicht ''Henne''. Die Anwendung dieses Namens auf die Riesenvögel geht vermutlich auf den Missionar [[William Colenso]] zurück, der nach einem Besuch bei den Māori in [[Waiapu]] von einem Mythos berichtete, an den die Einheimischen glaubten. Dieser berichte von einem riesenhaften Huhn mit dem Gesicht eines Menschen, das von zwei riesigen Echsen bewacht wurde und jeden Eindringling zu Tode trampele. Dieses Wesen würde Moa genannt. Aufgrund ähnlicher Legenden wurden anfangs auch die Māori-Wörter ''Tarepo'' und ''Te Kura'' auf die Riesenvögel bezogen. Letztlich setzte sich die Bezeichnung ''Moa'' durch. == Systematik == Die folgende Systematik richtet sich nach Worthy und Holdaway (2002). In ihrem Werk bilden die Moas zwei verschiedene Familien. Die Unterscheidung in zwei anstatt drei ''Dinornis''-Arten beruht auf den Studien von Bunce u.&nbsp;a. und Huynen u.&nbsp;a. (2003): [[Datei:Moa.jpg|miniatur|Lebendrekonstruktion eines Moas im ''Auckland Museum'' (Neuseeland).]] * Familie Dinornithidae ** Gattung ''Dinornis'' ***''D. novaezealandiae'', Nordinsel ***''D. robustus'', Südinsel * Familie Emeidae ** Unterfamilie Anomalopteryginae *** Gattung ''Pachyornis'' **** Elefantenfuß-Moa, ''P. elephantopus'', östliche Südinsel **** ''P. australis'', westliche Südinsel **** ''P. mappini'', Nordinsel *** Gattung ''Anomalopteryx'' **** ''A. didiformis'', Nord- und Südinsel *** Gattung ''Megalapteryx'' **** [[Waldmoa]], ''M. didinus'', Südinsel ** Unterfamilie Emeinae *** Gattung ''Euryapteryx'' **** ''E. geranoides'', östliche Südinsel, südliche Nordinsel **** [[Küstenmoa]], ''E. curtus'', Nordinsel *** Gattung ''Emeus'' **** Kleiner Moa, ''E. crassus'', östliche Südinsel Nach einer aktuellen, auf Vergleichen von [[DNA-Sequenz]]en beruhenden [[Kladistik|kladistischen]] Analyse (Huynen u.&nbsp;a. 2003) ist die Familie Emeidae eine [[paraphyletisch]]e (d.h. nicht natürliche) Gruppe: Dinornithiformes ├─''Megalapteryx'' └─N.N. ├─Dinornithidae └─N.N. ├─''Anomalopteryx'' ├─''Pachyornis'' └─N.N. ├─''Euryapteryx'' └─''Emeus'' Die systematische Stellung der Moas zu anderen Vogelgruppen ist unklar. Da es auf Neuseeland eine weitere Familie der Laufvögel gibt, die Kiwis, ist die klassische Sichtweise, beide Taxa als eng verwandt anzusehen. Auch heute noch wird diese Einordnung von manchen Fachleuten favorisiert. So stellen Lee u.&nbsp;a. (1997) Kiwis und Moas aufgrund morphologischer Analysen als [[Schwestergruppe]]n nebeneinander. Hingegen kommt Cooper (1997, 2001) aufgrund von DNA-Analysen zu dem Schluss, dass Moas als Schwestergruppe einem gemeinsamen [[Taxon]] von Straußen, [[Kasuare]]n, [[Emu]]s und Kiwis gegenüberzustellen seien; alle zusammen seien wiederum Schwestergruppe der Nandus. Daneben gibt es weitere Ansätze, die hier nicht einzeln aufgeführt werden sollen. == Fossilbericht == Der älteste Fund eines Moas im [[Fossilbericht]] ist ''Anomalopteryx'' aus dem späten [[Pliozän]] vor etwa 2,5 Millionen Jahren. Aus dem [[Pleistozän]] sind 33 fossile Überreste von Moas bekannt. Funde aus [[Sediment und Sedimentgestein|Ablagerungen]] vor dem [[Holozän]] sind demnach sehr selten, dies trifft jedoch für die fossile Überlieferung auf den neuseeländischen Inseln insgesamt zu. Alle bislang gefundenen Moa-Fossilien lassen sich den aus dem Holozän bekannten Arten zuordnen. Demnach sind während des Pleistozäns keine Moa-Arten ausgestorben oder entstanden, sondern lebten nahezu unverändert fort, bis sie beinahe gleichzeitig vom Menschen ausgerottet wurden. Es lässt sich lediglich oft eine leichte Größenabnahme zwischen dem Pleistozän und dem Holozän feststellen. Auch wenn entsprechende fossile Belege fehlen, sind die Moas eine weit ältere Tiergruppe als ihr Fossilbericht es bislang dokumentiert. Von den Vorfahren der Moas konnten bislang keine Fossilien gefunden werden. == Verweise == === Literatur === * Michael Bunce et al.: ''Extreme reversed sexual size dimorphism in the extinct New Zealand moa "Dinornis"''. In: ''[[Nature]]'' 425, 2003, S. 172-175. {{DOI|10.1038/nature01871}} * Alan Cooper: ''Ancient DNA and avian systematics. From Jurassic Park to modern island extinctions''. In: D. Mindell (Hrsg.): ''Avian Molecular Evolution and Systematics.'' Academic Press, New York 1997, S. 173–211. ISBN 0-12-498315-4 * Alan Cooper et al.: ''Complete mitochondrial genome sequences of of two extinct moas clarify ratite evolution''. In: ''Nature'' 409, 2001, S. 704-707. {{DOI|10.1038/35055536}} * Alan Feduccia: ''The Origin and Evolution of Birds.'' Yale University Press, London-New Haven <sup>2</sup>1999. ISBN 0-300-07861-7 * R. Holdaway & C. Jacomb: ''Rapid extinction of the moas (Aves, Dinornithiformes). Model, test and implications.'' In: ''[[Science]]'' 287, 2000, S. 2250–2254. {{DOI|10.1126/science.287.5461.2250}} * L. Huynen et al.: ''Nuclear DNA sequences detect species limits in ancient moa.'' In: ''Nature'' 425, 2003, S. 175-178. {{DOI|10.1038/nature01838}} * K. Lee, J. Feinstein, J. Cracraft: ''The phylogeny of ratite birds.'' In: D. Mindell (Hrsg.): ''Avian Molecular Evolution and Systematics.'' Academic Press, New York 1997, S. 173–211. ISBN 0-12-498315-4 <!-- Seitenzahl ist identisch mit dem Aufsatz von Cooper. Eine der Angaben ist falsch. --> * Richard Owen: ''On the bone of an unknown struthious bird from New Zealand.'' In: ''Proceedings of the Zoological Society of London for 1839.'' Teil VII, Nr. lxxxiii. London 1840, 169–171. {{ISSN|0370-2774}} * Samuel T. Turvey, et al.: ''Cortical growth marks reveal extended juvenile development in the New Zealand moa''. In: ''Nature'' 435, 2005, S. 940-943. {{DOI|10.1038/nature03635}} * Samuel T. Turvey & Richard N. Holdaway: ''Postnatal Ontogeny, Population Structure, and the Extinction of the Giant Moa ''Dinornis''.'' In: ''[[Journal of Morphology]]'' 256, 2005, S. 70-86. {{ISSN|1097-4687}} <!-- Angaben stimmen nicht. Artikel lässt sich im Archiv der Zeitschrift nicht finden. --> * Trevor H. Worthy & Richard N. Holdaway: ''The Lost World of the Moa. Prehistoric Life of New Zealand.'' Indiana University Press, Bloomington 2002. ISBN 0-253-34034-9 === Weblinks === * [http://www.artensterben.de/unterseiten_tiere/moa.htm Allgemeine Informationen über Moa] * [http://www.wissenschaft.de/wissen/news/246508.html Artikel von ''Bild der Wissenschaft'': Niedergang der Moa schon vor der Besiedelung durch den Menschen?] === Siehe auch === * [[Liste der neuzeitlich ausgestorbenen Vögel]] * [[Spätquartäre Avifauna]] * [[Liste der Vögel in Neuseeland]] {{Exzellent}} [[Kategorie:Laufvögel]] [[Kategorie:Ausgestorbener Vogel]] [[ar:موا]] [[bg:Моа]] [[br:Moa]] [[cs:Moa]] [[cy:Moa]] [[da:Moa]] [[en:Moa]] [[es:Dinornithidae]] [[fi:Moat]] [[fr:Dinornithidae]] [[gl:Moa (ave)]] [[he:מואה]] [[hr:Moe]] [[hu:Moafélék]] [[id:Moa]] [[it:Dinornithidae]] [[ja:モア]] [[ka:მოა]] [[ko:모아]] [[lt:Moa]] [[mi:Moa]] [[nl:Moa]] [[no:Moafugler]] [[nv:Naayééʼ tsídiitsoh]] [[pl:Moa]] [[pt:Moa]] [[ru:Моа]] [[simple:Moa]] [[sl:Moe]] [[sv:Moafåglar]] [[th:นกโมอา]] [[wa:Mowa]] [[wuu:Моа]] [[zh:恐鳥]] [[zh-yue:恐鳥]] mv1kro9x07v1o00q5dfufgmvm0j3qrk wikitext text/x-wiki Mogontiacum 0 23946 27406 26544 2010-06-13T17:08:00Z 84.58.247.116 /* Einzelnachweise und Anmerkungen */ das ist eine Irdische Stadt und keine römische! [[Datei:Mogontiacum Plan.svg|thumb|500px|Stadtplan von Mogontiacum im Zeitraum 1. Jahrhundert v.&nbsp;Chr. bis 5. Jahrhundert]] '''Mogontiacum''' (auch ''Moguntiacum'') ist der lateinische Name der heutigen Stadt [[Mainz]], den diese während ihrer fast 500-jährigen Zugehörigkeit zum [[Römisches Reich|Römischen Reich]] trug. Seinen Ursprung hatte Mogontiacum in dem 13/12 v.&nbsp;Chr. von [[Drusus]] erbauten [[Römische Militärlager#Legionslager|Legionslager]], das strategisch günstig auf einer [[Kästrich|Anhöhe]] über dem [[Rhein]] und gegenüber der [[Main]]mündung an der römischen Rheintalstraße lag. Die sich rheinabwärts ausbreitenden Zivilsiedlungen ''([[Vicus|vici]])'' im Umfeld des Lagers wuchsen schnell zu einer größeren, städtisch geprägten Siedlung zusammen. Allerdings war Mogontiacum im Gegensatz zu [[Colonia Claudia Ara Agrippinensium]] (Köln) oder [[Augusta Treverorum]] (Trier) bis in die zweite Hälfte des 4. Jahrhunderts primär ein Militärstandort. Dies hatte zur Folge, dass die Stadt nie den großstädtisch geprägten Charakter der anderen großen Römerstädte in Deutschland aufwies. Mogontiacum war spätestens ab dem Jahr 90 Provinzhauptstadt der römischen Provinz [[Germania Superior]] mit Sitz des Statthalters. Ab der Mitte des 3. Jahrhunderts wurde Mogontiacum wieder Grenzstadt und in den nächsten 150 Jahren mehrfach von verschiedenen [[Germanen]]stämmen und [[Hunnen]] verwüstet. Nach dem Ende der römischen Periode um 450 gehörte Mogontiacum nach einer kurzen Übergangsphase zum [[Fränkisches Reich|Fränkischen Reich]]. In der heutigen Stadt Mainz sind einige bedeutende Überreste von Mogontiacum erhalten geblieben, beispielsweise das [[Römisches Theater Mainz|römische Bühnentheater]], die [[Große Mainzer Jupitersäule]], der [[Drususstein]] und die [[Römersteine]], Überreste des [[Aquädukt]]es des Legionslagers. Das [[Römisch-Germanisches Zentralmuseum|Römisch-Germanische Zentralmuseum]], das [[Landesmuseum Mainz]] und das [[Museum für Antike Schifffahrt]] bewahren eine Vielzahl von Funden aus der römischen Zeit von Mainz auf. == Namensgebung == [[Datei:TabulaPeutingeriana Mogont2.jpg|thumb|Lage von ''Moguntiaco'' auf der [[Tabula Peutingeriana]]]] Der Name ''Mogontiacum'' setzt sich aus dem keltischen Namen ''Mogo(n)'', dem keltischen Suffix ''-ontiu-'' (wie in ''Vesontio''/[[Besançon]]) und dem [[Suffix|Zugehörigkeitssuffix]] ''*-āko'', latinisiert zu ''-(i)acum'', zusammen.<ref>Rita Heuser: ''Die Schreibung des Stadtnamens von der Antike bis zur Neuzeit.'' in: Dombauverein Mainz e.V. (Hrsg.): ''Domblätter.'' Ausgabe 6, 2004, S.&nbsp;43 ff.</ref><ref>[[:fr:Pierre-Yves Lambert|Pierre-Yves Lambert]], ''La langue gauloise'', éditions errance 1994.</ref> Er enthält somit als Bestandteil den Namen des [[Kelten|keltischen]] Gottes [[Mogon]]. Namensgebend könnte hier eine der in direkter Nachbarschaft zum Legionslager liegenden keltischen Siedlungen der [[Aresaken]], eines Teilstamms der Treverer, gewesen sein. Diese befanden sich Ende des ersten vorchristlichen Jahrhunderts im Gebiet des heutigen [[Mainz-Weisenau]] und [[Mainz-Bretzenheim]]. Mogontiacum wurde in der [[Geschichtsschreibung|Historiographie]] erstmals von dem römischen Historiker [[Publius Cornelius Tacitus|Tacitus]] in seinen Anfang des 2. Jahrhunderts entstandenen Werk ''Historien'' im Zusammenhang mit dem [[Bataveraufstand]] schriftlich erwähnt.<ref name="Tacitus">Tacitus, ''historiae'', [http://www.thelatinlibrary.com/tacitus/tac.hist4.shtml#15 4,15].</ref> Ebenfalls verbreitet ist die abgeleitete Schreibweise ''Moguntiacum''. Auch Abkürzungen und abweichende Schreibweisen waren zu Zeiten der römischen Herrschaft bereits geläufig. So wurde Moguntiacum in der [[Tabula Peutingeriana]] verkürzt als ''Moguntiaco'' geschrieben. [[Epigraphik|Epigraphisch]] ist der Stadtname erstmals auf einem Meilenstein aus [[Claudius|claudischer]] Zeit nachweisbar. == Geschichte == Die fast 500-jährige römische Geschichte Mogontiacums lässt sich vereinfacht in vier Abschnitte einteilen: Der erste Zeitabschnitt beginnt mit der Gründung der Stadt gegen Ende des ersten vorchristlichen Jahrhunderts und endet mit der Einrichtung der Provinz Germania Superior und der Ernennung von Mogontiacum zur Provinzhauptstadt. Der Zeitraum zwischen 90 und 260 umfasst die Blütezeit der Stadt bis zum Fall des [[Obergermanisch-Raetischer Limes|Limes]], mit dem Mogontiacum wieder zur Grenzstadt des römischen Imperiums wird. Im dritten Zeitabschnitt von 260 bis 350 kommt es angesichts der immer größer werdenden Bedrohung durch germanische Stämme zu tiefgreifenden Veränderungen in der Stadt. Die Endzeit von 350 bis 450 spiegelt den Niedergang der Stadt wieder, die in diesem Zeitraum mehrfach geplündert und verwüstet wird. === Gründung von Mogontiacum und Geschichte bis Domitian (13/12 v.&nbsp;Chr. bis 90) === [[Datei:Drusus the elder bust.jpg|thumb|Büste des [[Drusus]], des Gründers von Mogontiacum (Musée du Cinquantenaire, Brüssel).]] Im Zuge der Expansionsbestrebungen des [[Augustus]] ab 16 v.&nbsp;Chr. drang sein Stiefsohn [[Drusus|Nero Claudius Drusus]] auch an den Mittelrhein vor und sicherte das Gebiet für das römische Imperium. Spätestens 13/12 v.&nbsp;Chr., möglicherweise bereits früher<ref>So beispielsweise nach Marion Witteyer: ''Mogontiacum – Militärbasis und Verwaltungszentrum. Der archäologische Befund.'' In: Franz Dumont (Hrsg.), Ferdinand Scherf und Friedrich Schütz: ''Mainz – Die Geschichte der Stadt.'' S.&nbsp;1026.</ref>, entstand auf einer Anhöhe über dem Rhein und gegenüber der Mündung des Mains ein Legionslager. Die militärische Präsenz der Römer an dieser Stelle sicherte primär die Kontrolle über den Mittelrhein, die Mainmündung und generell über den Main als einer der Haupteinfallswege in das freie Germanien ab. Zeitgleich entstand knapp vier Kilometer südlich beim heutigen Mainzer Stadtteil [[Mainz-Weisenau|Weisenau]] ein weiteres Militärlager. Dies war überwiegend mit [[Auxiliartruppen]] belegt, wurde aber vorübergehend auch für die Stationierung weiterer [[Römische Legion|Legionen]] verwendet. Dort befand sich auch eine der [[La-Tène-Zeit|spätlatènezeitlichen]] keltischen Siedlungen im Mainzer Raum. Die einheimische keltische Bevölkerung gehörte zu den Aresaken, einem Teilstamm der gallischen [[Treverer]], die sich hier in ihrem am weitesten östlich gelegenen Siedlungsbereich befanden.<ref>Zur keltischen vorrömischen Bevölkerung und deren Stammeszugehörigkeit siehe ausführlich Marion Witteyer, S.&nbsp;1022 ff.</ref> Bis zur Aufgabe der Annexionspläne im Jahr 16 diente Mogontiacum mehrfach als Ausgangsbasis für Feldzüge des Drusus (10 und 9 v.&nbsp;Chr.) und des [[Germanicus]] in das rechtsrheinische Germanien. Für den 9 v.&nbsp;Chr. verstorbenen Drusus errichteten Legionäre in Mogontiacum kurz danach einen [[Kenotaph]] in unmittelbarer Nähe des Legionslagers, der mit dem heute noch bestehenden Drususstein auf der [[Zitadelle Mainz|Mainzer Zitadelle]] identisch sein dürfte. Bereits zu Zeiten des Drusus wurde oberhalb der Mainmündung eine Schiffbrücke als Rheinübergang eingerichtet. Noch im ersten Jahrzehnt des 1. Jahrhunderts wurde der rechtsrheinische Brückenkopf ''Castellum'' gegründet und ausgebaut, der die Keimzelle des heutigen Wiesbadener Stadtteils [[Mainz-Kastel|Kastel]] (abgeleitet vom lateinischen ''castellum'') wurde. Auf das Jahr 27 ist der Bau einer festen Holzbrücke ([[Jochbrücke|Pfahljochbrücke]]) zwischen Mogontiacum und Castellum datierbar. [[Datei:Vespasianus01 pushkin.jpg|thumb|Büste des [[Vespasian]]. Gipsabdruck des im [[Louvre]] befindlichen Originals, [[Puschkin-Museum]], Moskau]] Nach der Umstrukturierung der römischen Rheinarmee in ein ober- und ein untergermanisches Heer im Jahr 17 wurde Mogontiacum Sitz des Befehlshabers des obergermanischen Heeres. Neben den sich schnell bildenden Lagervorstädten ''(canabae legionis)'' im Süden und Südwesten des Legionslagers entstanden verschiedene zivil geprägte Siedlungen ''(vici)'', die sich ostwärts zum Rhein hinunterzogen und möglicherweise bereits im Laufe des 1. Jahrhunderts langsam zu einem zusammenhängenden Siedlungsgebilde verschmolzen. Bereits in der ersten Hälfte des 1. Jahrhunderts wies Mogontiacum mit einer größeren öffentlichen [[Thermen]]anlage und einem bei dem römischen Schriftsteller [[Sueton]] erwähnten Theater<ref name="Sueton-Galba">Sueton, ''Galba'' [http://penelope.uchicago.edu/Thayer/E/Roman/Texts/Suetonius/12Caesars/Galba*.html#6 6,2].</ref> zivile Großbauten auf. Die [[Große Mainzer Jupitersäule]], datiert in das 3. Viertel des 1. Jahrhunderts,<ref>Nach [[Leonhard Schumacher]]: ''Mogontiacum. Garnison und Zivilsiedlung im Rahmen der Reichsgeschichte.'' In: Michael J. Klein (Hrsg.): ''Die Römer und ihr Erbe. Fortschritt durch Innovation und Integration.'' S.&nbsp;5 ff. genauer datierbar in den Zeitraum 65 bis 67.</ref> wurde von einer offenbar wohlhabenden größeren zivilen Gemeinschaft gestiftet und kann als Beleg für das schnelle Fortschreiten der zivilen Entwicklung Mogontiacums gelten. Trotz der nun beginnenden Ausbildung ziviler Strukturen blieb Mogontiacum einer der militärisch bedeutendsten Stützpunkte der römischen Armee am Rhein. Zwei Legionen mitsamt Auxiliartruppen und [[Tross]] waren permanent in Mogontiacum beziehungsweise in dem seit der Herrschaft [[Caligula]]s ausgebauten zweiten Militärlager in Weisenau stationiert. Dazu kamen je nach Bedarf weitere Truppenstationierungen – wie beispielsweise nach der [[Varusschlacht]], als in Mogontiacum vorübergehend drei Legionen stationiert waren. Während des [[Bataveraufstand]]es wurden die meisten Zivilbauten außerhalb des Legionslagers zerstört. Das Lager selbst wurde Tacitus zufolge erfolglos belagert.<ref name="Tacitus"/> Unter der Herrschaft des [[Flavier|flavischen Kaiserhauses]] kam es zu umfangreichen Baumaßnahmen in Mogontiacum. Das Legionslager wurde unter [[Vespasian]] in Steinbauweise neu errichtet, ebenso wurde die hölzerne Pfahljochbrücke durch eine Pfahlrostbrücke mit Steinpfeiler ersetzt. In der Regierungszeit des Kaisers [[Domitian]] ersetzte ein in Steinbauweise errichtetes [[Aquädukt]] einen hölzernen Vorgängerbau. Das Aquädukt führte über eine Strecke von neun Kilometer frisches Wasser aus den Quellen der entfernten heutigen Mainzer Stadtteile [[Mainz-Finthen|Finthen]] ''(Fontanetum)'' und [[Mainz-Drais|Drais]] zum Legionslager auf den Kästrich. 83 war die Stadt Ausgangspunkt für den [[Domitian#Aktivitäten in Germanien|Chattenfeldzug]] Kaiser Domitians. Dieser versammelte zu diesem Zweck ein Heer aus fünf Legionen und Hilfstruppen in Mogontiacum. 88/89 kam es zum Aufstand des Statthalters [[Lucius Antonius Saturninus]] in Mogontiacum. Nach der raschen Niederschlagung erfolgte die schon vorher geplante und nun endgültig vollzogene Umwandlung des Militärterritoriums in die [[Römische Provinz|Provinz]] [[Germania Superior]] mit Mogontiacum als Provinzhauptstadt ''(caput provinciae)''. === Provinzhauptstadt und wichtiger Militärstandort am Rhein (90 bis 260) === Der Umwandlungsprozess des Militärterritoriums in die Provinz Germania Superior begann Mitte der 80er Jahre des 1. Jahrhunderts und war spätestens Mitte des Jahres 90 vollständig abgeschlossen.<ref>Dazu Leonhard Schumacher, S.&nbsp;1 ff. Ein auf den 27. Oktober 90 datiertes [[Militärdiplom]] im Landesmuseum Mainz (Inv.-Nr. 0,400, {{CIL|16|36}}) gilt als frühestes epigraphisches Zeugnis der neu eingerichteten Provinz.</ref> Mit [[Lucius Iavolenus Priscus]] wurde der Provinz ein bereits als [[Suffektkonsul]] erfahrener [[Consulat|konsularischer]] Statthalter gegeben, der die notwendigen zivilen Strukturen schnell ausbauen sollte. Beginnend unter Domitian und weiter fortgesetzt unter seinen Nachfolgern sicherten die Römer zum Schutz der neuen Provinzen und zur territorialen [[Arrondierung]] rechtsrheinische Gebiete. Mit der dauerhaften Besetzung des [[Neuwieder Becken]]s, des [[Taunus]] und der [[Wetterau]] entstand auch der [[Obergermanisch-Raetischer Limes|Obergermanisch-Rätische Limes]].<ref>Britta Rabold, Egon Schallmeyer und Andreas Thiel: ''Der Limes. Die Deutsche Limes-Straße vom Rhein bis zur Donau.'' S.&nbsp;15.</ref> Mogontiacum übernahm nun bis zu dessen Zusammenbruch die wichtige Aufgabe des militärischen Verwaltungszentrums für den obergermanischen Limesabschnitt. [[Datei:Alexander Severus Musei Capitolini MC471.jpg|thumb|Marmorbüste des [[Severus Alexander]] ([[Kapitolinische Museen]], Rom)]] Für Mogontiacum selbst gab es ebenfalls nachhaltige Veränderungen: So wurde aufgrund der Erfahrungen des Saturninus-Aufstandes die Anzahl der dauerhaft stationierten Legionen auf eine reduziert. Seit dem Jahr 92 war dies die [[Legio XXII Primigenia]], die bis zu ihrer Vernichtung Mitte des 4. Jahrhunderts alleinige Mainzer Hauslegion blieb. 96 bis 98 hatte der spätere Kaiser [[Trajan]] das Amt des Statthalters der Provinz inne; auch [[Hadrian (Kaiser)|Hadrian]], sein Nachfolger, war im Rahmen seiner zuvor absolvierten militärischen Laufbahn als [[Militärtribun]] in der Provinz stationiert gewesen. Für Mogontiacum brach eine Zeit des Friedens und des Aufschwungs an. Die Grenze zum freien Germanien war weit vorgeschoben und durch den immer aufwändiger ausgebauten Limes gesichert. Handel und Handwerk blühten in der Stadt und im gesamten Umland, in dem sich viele [[Veteran]]en der Militärtruppen niederließen. Der Einfall der [[Chatten]] in das Rhein-Main-Gebiet 162 und nochmals im Jahr 169 sowie die dabei erfolgte Überquerung des Rheins blieben vorerst einmalige Ereignisse ohne größere Auswirkung. Es sollte bis zum 19.(?) März des Jahres 235 dauern, bis Mogontiacum wieder in den Fokus der römischen Weltgeschichte rücken sollte. Im Zuge der Vorbereitung zu einem Feldzug gegen die [[Alamannen]] versammelte der Kaiser [[Severus Alexander]] Truppen in Mogontiacum. Dort wurden er und seine Mutter [[Julia Mamaea]] in oder nahe bei Mogontiacum im ''vicus Britannicus'' ([[Mainz-Bretzenheim|Bretzenheim]]?) bei Unruhen von römischen Legionären ermordet.<ref>Zur Lokalisierung des Ereignisses siehe: Leonhard Schumacher, S.&nbsp;12 ff.</ref> Es folgte unmittelbar die Ausrufung des militärischen Befehlshabers [[Maximinus Thrax|Gaius Iulius Verus Maximinus]] (mit dem erst später erworbenen Beinamen ''Thrax'') zum Nachfolger. Dies war der Beginn der Ära der [[Soldatenkaiser]], in die auch die Zeit der [[Reichskrise des 3. Jahrhunderts]] fiel.<ref>Vgl. zu Maximinus Thrax zuletzt Henning Börm: ''Die Herrschaft des Kaisers Maximinus Thrax und das Sechskaiserjahr 238'', in: ''Gymnasium'' 115, 2008, S. 69ff.</ref> Um das Jahr 250 oder etwas später<ref>Marion Witteyer, S.&nbsp;1051.</ref> wurde die zivile Siedlung rheinwärts mit einer Stadtmauer umgeben. Diese schloss das komplette, bisher besiedelte Gebiet sowie das große [[Römisches Theater Mainz|Bühnentheater]] ein, nicht aber die südwestlich gelegenen Lagercanabae. Diese erste Stadtmauer reichte im Südwesten der Stadt an das befestigte Legionslager, das die Stadtmauer an dieser Stelle mit seiner eigenen Befestigung ergänzte. Da der Limesfall allgemein erst auf das Jahr 259/260 datiert wird, stehen beide Ereignisse nicht, wie früher vermutet, in direktem Zusammenhang.<ref>Marion Witteyer, S.&nbsp;1051.</ref> Vielmehr wurde wohl die Präsenz der römischen Truppen, die immer wieder größere Abteilungen für Feldzüge in weit entfernte Gebiete abstellen mussten, nicht mehr als alleinig ausreichend zum Schutz der Stadt angesehen. Mit dem Fall des Obergermanischen Limes wurde Mogontiacum – trotz weiterer Inanspruchnahme rechtsrheinischer Gebiete wie beispielsweise des Brückenkopfes Castellum oder der Thermenanlagen im benachbarten [[Aquae Mattiacorum]] ([[Wiesbaden]]) – wieder Grenzstadt. === Mogontiacum als Grenzstadt nach dem Limesfall (260 bis 350) === [[Datei:098 Postumus.jpg|thumb|[[Antoninian]] des [[Postumus]], erster Kaiser des Imperium Galliarum und 269 in Mogontiacum ermordet.]] Fast zeitgleich mit dem Limesfall gab es eine weitere wesentliche Veränderung der politischen Lage, die Mogontiacum direkt betraf. Nachdem es [[Postumus|Marcus Cassianius Latinius Postumus]] 260 gelungen war, Teile des römischen Imperiums zu dem so genannten [[Imperium Galliarum]] (auch: Gallisches Sonderreich) zusammenzufassen, gehörte auch Mogontiacum bis 274 zu diesem Staatsgebilde. In Mogontiacum rief sich 269 der Legat [[Laelianus]] zum Gegenkaiser des Postumus aus. Postumus besiegte zwar Laelianus und eroberte Mogontiacum zurück, starb aber unmittelbar danach durch die Hand eigener Soldaten, da er die Stadt nicht zur Plünderung freigab. Ab 274 existierte das Imperium Galliarum nicht mehr: Mogontiacum gehörte wieder zum römischen Imperium. Im Zuge der [[Diokletian|diokletianischen]] Reformen und dort insbesondere nach der ab 297 erfolgten Neugliederung der römischen Provinzen ging die Provinz Germania Superior in der (verkleinerten) neuen Provinz [[Germania Prima]] auf. Mogontiacum blieb Sitz des Provinzstatthalters. Zusätzlich fungierte die Stadt auch als Sitz des militärischen Befehlshabers, des ''dux Mogontiacensis'', dem das Grenzheer in diesem Abschnitt unterstand. Um das Jahr 300 datiert auch die erste bildliche Ansicht von Mogontiacum auf dem so genannten Lyoner Bleimedaillon. Dieses zeigt das mauerumwehrte Mogontiacum, die feste Rheinbrücke und den rechtsrheinischen Brückenkopf Castellum.<ref>[http://www.mainz.de/C1256D6E003D3E93/webimages/theodorheussbruecke_Bleime_g.gif Abbildung des Medaillons] auf den Webseiten der Stadt Mainz.</ref> === Niedergang der Stadt (350 bis 450) === [[Datei:Dux mog.jpg|thumb|Befehlsbereich des ''Dux Mogontiacensis'' im 4. und 5. Jahrhundert]] Um 350 kam es infolge der immer instabiler werdenden politischen Lage zum Bau einer zweiten, deutlich verkürzten Stadtmauer. Das Legionslager lag nun ebenso wie das Bühnentheater außerhalb des so gesicherten Stadtgebietes, beide Anlagen wurden abgebrochen. Es kam in den darauf folgenden Jahren wiederholt zu Einfällen germanischer Gruppen, vor allem Alamannen, die sich sogar zeitweise auf dem linksrheinischen Gebiet festsetzen konnten. In den Kämpfen zwischen dem Kaiser [[Constantius II.]] und dem Usurpator [[Magnentius]] wurde 351 die 22. Legion aufgerieben. Den Schutz der Stadt und des Umlandes übernahmen nun die ''milites Armigerie'', möglicherweise eine noch bestehende Einheit der aufgeriebenen Legion. 368 kam es während eines großen christlichen Festes zur Einnahme und Plünderung der Stadt durch Alamannen unter ihrem Anführer [[Rando]]. Von den Folgen der um 376 einsetzenden [[Völkerwanderung]] blieb auch Mogontiacum nicht verschont. Nach 400 wurden die meisten römischen Truppen vom Rhein nach Italien abgezogen, um dort am Kampf gegen [[Goten|westgotische]] Invasoren teilzunehmen. Wahrscheinlich noch in der Silvesternacht 406 überschritten [[Vandalen]], [[Sueben]] und [[Alanen]], möglicherweise unter Benutzung der zu dieser Zeit noch intakten Rheinbrücke,<ref>Jürgen Oldenstein: ''Mogontiacum.'' In: Heinrich Beck, Dieter Geuenich und Heiko Steuer (Hrsg.): ''[[Reallexikon der Germanischen Altertumskunde]]''. Band 20: ''Metuonis – Naturwissenschaftliche Methoden in der Archäologie.'' S.&nbsp;152.</ref> den Rhein bei Mogontiacum und plünderten und zerstörten die Stadt (siehe auch ''[[Rheinübergang von 406]]'').<ref>Hieronymus, ''epistulae'', 123.</ref> Es kam zu einem allerdings nur vorübergehenden Zusammenbruch der römischen Grenzverteidigung,<ref>Jürgen Oldenstein, S.&nbsp;152.</ref> auch die römische Rheinflotte hörte zu diesem Zeitpunkt auf zu existieren.<ref>Olaf Höckmann: ''Mainz als römische Hafenstadt''. In: Michael J. Klein (Hrsg.): ''Die Römer und ihr Erbe. Fortschritt durch Innovation und Integration.'' S.&nbsp;95.</ref> Um 411 lag Mogontiacum im Einflussbereich der [[Burgunden]], mit deren Unterstützung der Usurpator [[Jovinus]] zum Kaiser erhoben wurde (möglicherweise in Mogontiacum), der sich aber nur kurze Zeit halten konnte. Die Burgunden selbst wurden 413 als römische „[[Foederaten|foederati]]“ rheinaufwärts (mit Schwerpunkt [[Worms]]/[[Civitas Vangionum]]) angesiedelt; ihr Herrschaftsbereich wurde aber schon 436 von den Römern angegriffen und vernichtet, die Überlebenden wurden in der ''Sapaudia'' neu angesiedelt.<ref>[[Reinhold Kaiser]]: ''Die Burgunder''. Stuttgart 2004, S. 26ff.</ref> Bei dem 451 erfolgten Einfall der [[Hunnen]] in [[Gallien]] überquerten diese bei Mogontiacum den Rhein. Die Stadt blieb zwar relativ unbeschadet zurück, jedoch endete nach diesem Ereignis (spätestens aber in den 460er Jahren) die offizielle römische Herrschaft über Mogontiacum.<ref>Jürgen Oldenstein, S.&nbsp;152.</ref><ref>Ronald Knöchlein: ''Mainz – Zwischen Römern und Bonifatius. Siedlungsfunde der Merowingerzeit.'' S.&nbsp;3.</ref> Zivile Strukturen blieben in der teilweise zerstörten Stadt bestehen, und kirchliche Vertreter des Bischofssitzes Mogontiacum übernahmen möglicherweise administrative Aufgaben. Spätestens nach der [[Schlacht von Zülpich]] 496 gehörte Mogontiacum nicht mehr zum Machtbereich der Alamannen. Die Stadt wurde nun Teil des [[Fränkisches Reich|Fränkischen Reiches]] unter [[Chlodwig I.]] == Militärische Bedeutung == [[Datei:Leg xiv mainz inscr musius lm1.JPG|thumb|Grabstein des ''aquilifer'' Gnaeus Musius der 14. Legion (1. Hälfte 1. Jahrhundert, Fundort: Zahlbachtal)]] In der historischen Betrachtung der Stadtgründung und -entwicklung von Mogontiacum ist man sich weitestgehend einig, dass die Gründung des Legionslagers im Jahr 13 v. Chr. sowohl Impuls als auch Keimzelle für die spätere zivile Siedlung gewesen war.<ref>Karl-Viktor Decker und Wolfgang Selzer: ''Mainz von der Zeit des Augustus bis zum Ende der römischen Herrschaft.'' In: Hildegard Temporini und Wolfgang Haase (Hrsg.): ''Aufstieg und Niedergang der römischen Welt: Geschichte und Kultur Roms im Spiegel der neueren Forschung.'' S.&nbsp;468.</ref><ref>Jürgen Oldenstein, S.&nbsp;145.</ref> Keltische Siedlungen der Spätlatènezeit, die in Mainz-Weisenau und Mainz-Bretzenheim existierten, waren für die Entstehung von Mogontiacum ohne weitere Bedeutung und entstanden entweder zeitgleich mit dem Beginn der römischen Präsenz oder bestanden erst kurze Zeit.<ref>Jürgen Oldenstein, S.&nbsp;146.</ref> Die militärische Bedeutung Mogontiacums bestand bis in die erste Hälfte des 5. Jahrhunderts fort. Es war über 350 Jahre lang Standort römischer Legionen und bis in die Mitte des 3. Jahrhundert, teilweise auch noch im 4. Jahrhundert, Ausgangspunkt für Feldzüge in die Magna Germania. So begannen beispielsweise Feldzüge des Drusus, der Chattenfeldzug Domitians oder der geplante Feldzug des Severus Alexander gegen die Alamannen in Mogontiacum. Ab dem Ende des 1. Jahrhunderts war Mogontiacum Verwaltungs- und Versorgungszentrum des Obergermanisch-Rätischen Limes. Nach dem Fall des Limes war Mogontiacum wichtige Grenzstadt und noch bis Mitte des 4. Jahrhundert Standort einer römischen Legion und Sitz des ''dux Mogontiacensis''. Die militärische Prägung Mogontiacums zeigt sich auch an dem fehlenden [[Mogontiacum#Rechtlicher Status der Stadt im römischen Imperium|Stadtstatus der Zivilsiedlung]]. Trotzdem entwickelte sich diese ab dem Beginn des 1. Jahrhunderts relativ schnell und wies in den nächsten Jahrhunderten durch Bevölkerungszahlen, Handel und Dienstleistungen sowie offizielle Bauten eindeutig großstädtischen Charakter auf. === Legions- und Militärlager === [[Datei:Säulensockel2 Mogontiacum.jpg|thumb|Originalgetreue Nachbildung eines Reliefs einer Spolie, die dem [[Prätorium]] des Legionslagers zugeordnet wird. Standort: Jubiläumsbrunnen, Ernst-Ludwig-Platz Mainz]] Das von Drusus 12/13 v.&nbsp;Chr. gegründete Militärlager war eine der beiden Hauptausgangsbasen für die geplanten Feldzüge in das rechtsrheinische Magna Germania. Die Wahl des Standortes, heute als [[Kästrich]] bekannt (abgeleitet vom lateinischen ''castra''), wurde ausschließlich von strategischen Gesichtspunkten bestimmt: Der Kästrich ist ein nach drei Seiten steil abfallendes, 120&nbsp;m über [[Normalnull]] liegendes Hochplateau oberhalb des Rheinufers, das etwas versetzt gegenüber der Mündung des Mains in den Rhein liegt. Das Legionslager war für die Aufnahme von zwei römischen [[Römische Legion|Legionen]] der frühen [[Liste der römischen Kaiser der Antike#Frühe und hohe Kaiserzeit (Prinzipat)|Prinzipatszeit]], also circa 12.000 Mann, bestimmt. Aufgrund der großen Truppenmassierungen im Rahmen der Feldzüge entstand ein weiteres Militärlager in Mainz-Weisenau. Dort waren primär [[Auxiliartruppen]] stationiert, zeitweise auch weitere Legionstruppen. Das Legionslager auf dem Kästrich wurde in Holz-Erde-Technik errichtet. Es war [[Polygon|polygonal]] angelegt und umfasste eine Fläche von circa 36 Hektar. Bereits in [[Augustus|augusteischer]] Zeit und wiederholt in nachfolgender Zeit wurde das Lager baulich verändert. Unter [[Vespasian]] wurde das Legionslager komplett in Steinbauweise neu errichtet. Insgesamt können heute fünf verschiedene Um- und Ausbauphasen archäologisch belegt werden. Nach Abzug der zweiten Legion ab 89 verblieb die 22. Legion nun allein in dem Legionslager. In Fachkreisen wird nach wie vor diskutiert, ob die freigewordene Fläche für den Bau des Statthalterpalastes und weiterer administrativer Gebäude genutzt wurde. Mit dem Bau der zweiten Stadtmauer um 350 und der gleichzeitigen zahlenmäßig immer geringer werdenden Präsenz römischer Truppen in Mogontiacum wurde das Legionslager aufgegeben. Es lag nun außerhalb des Stadtmauerringes und wurde abgebrochen. [[Spolie]]n von Bauten aus dem Lager fanden sich in zahlreicher Form beim Abriss der Stadtmauerfundamente, so vor allem Ende des 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Hierbei ist das so genannter „Mainzer Oktogon“ als repräsentatives Bauwerk zu nennen, das über umfangreiche Spolienfunde, die heute im Landesmuseum Mainz lagern, zumindest teilweise rekonstruiert werden kann. Es wird nach neueren Forschungen einem der Trierer [[Porta Nigra]] ähnlichen Torbau zugeordnet. Möglicherweise handelt es sich um die monumentale, der Rheinseite zugewandte [[Porta praetoria]].<ref>Wolfgang Selzer, Karl-Victor Decker und Anibal Do Paco: ''Römische Steindenkmäler. Mainz in römischer Zeit.'' S.&nbsp;104 ff.</ref> Die Architekturteile lassen sich durch Bauinschriften in das letzte Viertel des 1. Jahrhunderts datieren. Gleiches gilt für eine große Pfeilerhalle mit Mitteldurchgang, die möglicherweise Bestandteil des [[Prätorium]]s war.<ref>Wolfgang Selzer, Karl-Victor Decker und Anibal Do Paco, S.&nbsp;102 ff.</ref> Anfang des 20. Jahrhunderts wurde im Grüngürtel der [[Mainz-Oberstadt|Mainzer Oberstadt]] das [[Thermen]]bad des Lagers ausgegraben und dokumentiert. Ebenfalls bekannt sind der Verlauf der Mauerumwallung sowie aufgrund der bekannten Straßenverläufe die Standorte der vier Tore des Lagers. Bei den Grabungen auf dem Gelände der heutigen [[Klinikum der Johannes Gutenberg-Universität Mainz|Universitätskliniken]] (Bau 501) konnten im Jahr 2003 Teile der lagerinternen Fabrikationsstätten ''(fabrica)'' mit Großbauten, befestigten Zufahrtswegen und Schmelzöfen ergraben und dokumentiert werden. Südlich und südwestlich des Lagers schlossen sich zwei separate und später zusammengewachsene Lagerdörfer ''(canabae legionis)'' an. Das zweite Militärlager in Mainz-Weisenau entstand ebenfalls auf einem Plateau oberhalb des Rheins, in etwa in Höhe des heutigen Steinbruchs der [[HeidelbergCement|Heidelberger Zement-Werke]]. Es war aufgrund dort gemachter Funde mehrheitlich von Auxiliartruppen belegt, die zu den Legionen im Hauptlager gehörten. Das Lager wurde mehrfach ausgebaut, so beispielsweise unter [[Caligula]], als dieser im Jahr 39 einen Feldzug ins rechtsrheinische Germanien plante. In seiner größten Ausbauphase wies das Lager eine Gesamtgröße von 12 Hektar auf. Mit Abzug der zweiten Legion im Jahr 89 und bedingt durch die veränderte politische Lage wurde kein zweites Militärlager mehr in Mogontiacum benötigt und das Lager aufgegeben. Aufgrund der heutigen Situation – das in Frage kommende Gelände wird seit Mitte des 19. Jahrhunderts als Steinbruch genutzt – sind keine Spuren des Lagers mehr nachweisbar. Ein weiteres Militärlager für Auxiliartruppen auf dem [[Hartenberg-Münchfeld|Hartenberg]] wird vermutet, ist aber archäologisch noch nicht nachgewiesen worden.<ref>Wolfgang Selzer, Karl-Victor Decker und Anibal Do Paco, S.&nbsp;74.</ref> === Stationierte Truppen === [[Datei:Capricon legioXXII-retouched.jpg|thumb|Wahrzeichen der [[Legio XXII Primigenia]] (Historisierendes modernes Bodenmosaik, Kästrich Mainz)]] Die in Mogontiacum stationierten römischen Truppen lassen sich größtenteils über epigraphische Hinterlassenschaften wie Ziegelstempel<ref>Siehe hierzu: [http://www.ziegelforschung.de/index.php/ziegelstempelspiegel.html ziegelforschung.de] – Forschungsprojekt Römische Baukeramik und Ziegelstempel.</ref>, Grabmäler (nur 1. Jahrhundert) oder Bauinschriften erschließen, in geringerem Umfang finden einzelne römische Truppenstationierungen auch in der Historiographie Erwähnung wie beispielsweise bei [[Publius Cornelius Tacitus|Tacitus]] oder in der [[spätantike]]n [[Notitia dignitatum]]. Insgesamt waren in Mogontiacum in der Prinzipatszeit neun unterschiedliche Legionen stationiert. Zwischen den Jahren 9 und 17 erreichte die Truppenpräsenz mit vier gleichzeitig stationierten Legionen samt dazugehörenden Auxiliartruppen mit schätzungsweise knapp 50.000 Soldaten ihren Höhepunkt. Ab dem Jahr 93 besetzte die [[Legio XXII Primigenia]] Pia Fidelis (später mit den [[Ehrenname]]n Antoniniana, Severiana und Constantiniana Victrix) als einzige Legion das Legionslager bis Mitte des 4. Jahrhunderts, eventuell in Teilen auch bis zum Anfang des 5. Jahrhunderts.<ref>Jürgen Oldenstein, S.&nbsp;151.</ref> Die Notitia dignitatum, welche in das erste Drittel des 5. Jahrhundert datiert wird, nennt für die Endzeit des römischen Mogontiacum die ''milites Armigerie'', eine stadtmilizähnliche Militärtruppe. Diese war innerhalb des Stadtgebietes stationiert und unterstand dem Dux Mogontiacensis beziehungsweise einem ''Praefectus militum armigerorum Mogontiaco''. Zusätzlich zu den Legionen waren in Mainz auch Auxiliartruppen stationiert. Bis Anfang des 5. Jahrhunderts sind 13 verschiedene [[Ala (Militär)|Alen]] und 12 [[Kohorte]]n bezeugt. Ab der zweiten Hälfte des 2. Jahrhunderts sind für Mogontiacum zusätzlich vier verschiedene [[Numerus (Hilfstruppe)|Numeri]] bekannt. [[Datei:Zeitleiste-legionen2.png|thumb|750px|center|Stationierung der römischen Legionen in Mogontiacum – Übersicht]] === Stützpunkt der Rheinflotte === Bereits kurz nach der Gründung des Legionslagers und dem Beginn der zivilen Besiedlung des heutigen Stadtgebiets entstanden mehrere Hafenanlagen am Rheinufer. Historische Quellen und archäologische Funde belegen gleichermaßen die große Bedeutung von Mogontiacum als militärisch und zivil geprägte Hafenstadt am Rhein.<ref>Olaf Höckmann, S.&nbsp;87 ff.</ref> [[Datei:Roemerschiff1.jpg|thumb|[[Navis lusoria]] – Rekonstruktion nach den [[Mainzer Römerschiffe|Mainzer Römerschifffunden]]. Museum für Antike Schifffahrt, Mainz]] Erste archäologische Funde aus der Mitte des 19. Jahrhunderts zu militärischen Hafenanlagen wurden im Rahmen der Rheinufererweiterung und der Entstehung der Mainzer [[Mainz-Neustadt|Neustadt]] gemacht. So wurden am „Dimesser Ort“, in der Nähe des heutigen Zoll- und Binnenhafens neben zahlreichen zivilen Funden auch Militärausrüstungsstücke gefunden. Reste einer massiv gebauten Mole aus Gussbeton und Baureste weiter rheinabwärts, die sich möglicherweise einem römischen [[Burgus]] zuordnen lassen könnten, wurden ebenfalls gefunden. Ähnliche bauliche Strukturen späterer Zeit sind anderen Ortes als Fluss-[[Marinestützpunkt|Kriegshäfen]] gedeutet worden. Zudem ließe sich das von einer massiven [[Mole]] und einem weiter entfernten, mitten im Rhein auf der Ingelheimer Aue stehenden Burgus geschützte Flussbecken als militärisches Hafengebiet dem bekannten Haupthafen der römischen Rheinflotte in Köln-Alteburg gleichstellen.<ref>Olaf Höckmann, S.&nbsp;93, 97–98.</ref> Ein zweiter römischer Militärhafen befand sich rheinaufwärts am Brand (Nähe Rathaus Mainz, [[Mainz-Altstadt|Altstadt]]). Aufgrund der dort entdeckten baulichen Reste sowie der 1980/1981 gefundenen [[Mainzer Römerschiffe|römischen Militärschiffe]], unter anderem des Typs [[Navis lusoria]], ist die Identifizierung als Kriegshafen eindeutig feststellbar gewesen. Auch hier wurden in mehreren Bauphasen vom Rhein abgetrennte Schiffsbecken lokalisiert, die der Verschiebung des Rheinufers ostwärts folgten. Die Hauptnutzung dieses Kriegshafens lag in der zweiten Hälfte des 3. und im 4. Jahrhundert, als der Rhein erneut Grenze der Provinz Germania Superior/Germania Prima wurde. Kriegsschiffe patrouillierten zu dieser Zeit von Mogontiacum aus auf dem Rhein, bis Anfang des 5. Jahrhunderts die römische Rheinflotte nach dem Germaneneinfall 406/407 aufhörte zu existieren. Noch weiter rheinaufwärts wurden in Höhe der Neutorstraße/Dagobertstraße Reste von Uferbefestigungen und einer [[Werft]] aus den Jahren 5 bis 9 gefunden, die zu diesem Zeitpunkt höchstwahrscheinlich militärisch genutzt wurde. Inschriften nennen zudem Angehörige (Fahnenträger) der 22.&nbsp;Legion als Aufseher von ''navalia'' genannten Schiffshäuser und erwähnen ein eigenes Stadtviertel der ''navalia''. == Das zivile römische Mainz == Mogontiacum war ab der Gründung im 2. vorchristlichen Jahrzehnt bis in die Mitte des 4. Jahrhunderts in erster Linie einer der größten und wichtigsten Militärstützpunkte am Rhein. Dies führte zu einer eindeutig militärischen Dominanz der zivilen Siedlungen, die rund um das Legionslager und um das zweite Militärlager in Weisenau entstanden.<ref>Jürgen Oldenstein, S.&nbsp;146 ff.</ref><ref>Karl-Viktor Decker und Wolfgang Selzer, S.&nbsp;468.</ref> Trotzdem entstand im 2. und 3. Jahrhundert zwischen dem Legionslager und der Rheinbrücke eine immer mehr städtisch geprägte Infrastruktur durch das Zusammenwachsen einzelner vici und, spätestens nach dem ersten Stadtmauerbau in der Mitte des 3. Jahrhunderts, eine großstädtisch geprägte römische Zivilsiedlung. === Rechtlicher Status der Stadt im römischen Imperium === Trotz der Herausbildung städtischer Strukturen, unter anderem durch Großbauten und der Funktion als Provinzhauptstadt ab dem Jahr 90, besaß Mogontiacum keinen offiziellen Stadtrechtstitel wie [[Colonia (Rom)|Colonia]], [[Municipium]] oder [[Civitas]]. Die Zivilsiedlung hatte nach wie vor den Status von ''canabae legionis'', war also keine Stadt im rechtlichen Sinn.<ref>Thomas Fischer, S.&nbsp;79.</ref> Sie unterstand der [[Judikative|Jurisdiktion]] des Legionslegaten beziehungsweise des Statthalters. Auch die Einwohner Mogontiacums bezeichneten sich in der Stiftungsinschrift zur Mainzer Jupitersäule als ''Canabarii''. Gleiches galt offenbar auch für die Zivilsiedlungen bei dem Bonner, dem Straßburger und dem Regensburger Legionslager.<ref>Rudolf Haensch, S.&nbsp;83.</ref> Eine Erwähnung als ''Civitas'' ist erstmals in die Jahre der ersten [[Tetrarchie]] (nach 293 bis 305) datiert,<ref>{{CIL|13|6727}}.</ref> zu einer Zeit also, in der diese Differenzierungen der Stadtrechtstitel bereits durch die allgemeine Bürgerrechtsverleihung [[Caracalla]]s ([[Constitutio Antoniniana]] im Jahr 212) mehr oder weniger aufgelöst worden waren.<ref>Marion Witteyer, S.&nbsp;1040.</ref> Unter Diokletian wird Mogontiacum als ''metropolis'' in der Provinz Germania Prima erwähnt.<ref>Notitia Galliarum, §&nbsp;7.</ref> Ammianus Marcellinus bezeichnete Mogontiacum 355 als ''municipium Mogontiacum''.<ref>Ammianus Marcelinus 27,8,1.</ref> === Provinzhauptstadt Mogontiacum der Provinz Germania Superior === [[Datei:Römische Expansion in Südwestdeutschland.png|thumb|Römische Expansion in Südwestdeutschland]] Nach dem Verzicht des Tiberius auf die dauerhafte Besetzung der Magna Germania mit der gewünschten [[Elbe|Elbgrenze]] verblieb die Organisation der linksrheinischen Gebiete in einem provisorischen Verwaltungsstadium. Es kam zu einer Zusammenlegung des Verwaltungsbezirkes des obergermanischen Heeres ''(exercitus superior)'' mit dem Verwaltungszentrum Mogontiacum. Die Administration und insbesondere die Finanzverwaltung unterstand der Verwaltung der Provinz [[Gallia Belgica]].<ref>Thomas Fischer: ''Die Römer in Deutschland.'', S.&nbsp;59.</ref> Unter Domitian erfolgte sowohl eine größere und dauerhafte Gebietserweiterung auf rechtsrheinisches Gebiet ([[Agri decumates]]) als auch die Errichtung einer neuen Provinz, [[Germania Superior]]. Sie gehörte zu den [[Kaiserliche Provinz|kaiserlichen Provinzen]] und war mit einer Fläche von 93.500 km² eine der mittelgroßen Provinzen des römischen Reiches. Die bereits bestehende Zivilsiedlung Mogontiacum wurde gleichzeitig zur Provinzhauptstadt erhoben, ohne dass sich der rechtliche Status der Siedlung änderte.<ref>Zur Stellung Mogontiacums als Provinzhauptstadt siehe ausführlich: Rudolf Haensch: ''Mogontiacum als Hauptstadt der Provinz Germania superior.'' In: Michael J. Klein (Hrsg.): ''Die Römer und ihr Erbe. Fortschritt durch Innovation und Integration.'' S.&nbsp;71 ff.</ref> Der bisherige Militärkommandeur der obergermanischen Heeresgruppe ''([[legatus]] Augusti pro praetore)'', der auch für die Zivilverwaltung zuständig war, wurde konsularischer Statthalter der neu gegründeten Provinz, dem wie üblich zugleich weiterhin die dort stationierten Truppen unterstanden.<ref>Leonhard Schumacher, S.&nbsp;2</ref> Bei der Neustrukturierung der römischen Provinzen unter Diokletian nach 297 ging aus Germania Superior die deutlich kleinere Provinz [[Germania Prima]] hervor. Mogontiacum blieb Sitz des Statthalters, wie eine Nennung von Mogontiacum als ''metropolis'' in der Notitia Galliarum zeigt. Auch der zu Regierungszeiten Diokletians neu erschaffene Posten des ''dux Mogontiacensis'' als Militärführer aller Truppen am Oberrhein residierte in Mogontiacum.<ref>Notitia dignitatum Occ.§&nbsp;41.</ref><ref>Für die Spätzeit ausführlich abgehandelt bei Ralf Scharf: ''Der Dux Mogontiacensis und die Notitia Dignitatum.''</ref> === Lagerdorf und Zivilsiedlung === {| class="float-right" border="0" cellpadding="10" cellspacing="0" style="border: 2px #cccccc solid; margin:1em;" | valign="top" style="background-color: #ffffff" | '''Stadtteile von Mogontiacum'''<br /> Für das 2. und 3. Jahrhundert sind einzelne Stadtteile von Mogontiacum bekannt<ref>Nach Marion Witteyer.</ref><ref>Vicus Apollinensis, Vicus Vobergensis, Vicus Salutaris, Vicus Navaliorum: {{CIL|13|6688}}, {{CIL|13|6689}}, {{CIL|13|6723}}, {{CIL|13|11827}} sowie Vicus Novus: {{CIL|13|6722}}, {{CIL|13|6776}}.</ref> {| class="prettytable" |- class="hintergrundfarbe6" ! Bezeichnung ! Anmerkung |- | Vicus Apollinensis | – |- | Vicus Vobergensis | – |- | Vicus Salutaris | – |- | Vicus Navaliorum | Möglicherweise die Zivilsiedlung am südlichen Hafen des Rheinufers |- | Vicus Novus | – |- | Vicus Vic[toriae] | Möglicherweise die Zivilsiedlung in Mainz-Weisenau |} |} Zeitgleich zur Entstehung des Legionslagers auf dem Kästrich entstanden in augusteischer Zeit auf der südlich und südwestlich angrenzenden Hochebene vor dem Lager zwei vorerst getrennt angelegte ''canabae''. Diese waren im Gegensatz zu den zivilen Siedlungsbereichen halbmilitärisch geprägt. In flavischer Zeit kam es wie in den zivilen ''vici'' zu einem umfangreichen Ausbau der ''canabae'' in Stein.<ref>Gerhard Rupprecht: ''Mogontacium – Mainz als römische Provinzhauptstadt und Militärbasis.'' S.&nbsp;12.</ref> Auch im 2. Jahrhundert wuchsen beide ''canabae'' und verschmolzen größtenteils, nur noch durch das Aquädukt an der südwestlichen Lagerecke getrennt, zu einer Siedlung. Bei der Erneuerung der Lagermauer in der Mitte des 3. Jahrhunderts nach dem Fall des Limes wurden auch die ''canabae'' mit einer Schutzmauer umgeben. Mit der Aufgabe des Legionslagers ein Jahrhundert später und nach den Zerstörungen der folgenden Jahre durch Chatten und Alamannen wurden auch die ''canabae'' aufgegeben und verlassen. Archäologisch sind Kellergruben und ein rechtwinkliges Straßensystem sowie zivile Bestattungen auf nahe liegenden Begräbnisstätten nachgewiesen. Unterhalb des Legionslagers entstanden kurz darauf einzelne, voneinander getrennte, ''vici''. Früheste archäologische Nachweise für eine zivile Besiedlung noch aus augusteischer Zeit finden sich direkt vor der Porta praetoria (heutige Emmerich-Josef-Straße). Entlang der von dort verlaufenden römischen Straße zum Rheinübergang (heute Emmeransstraße) breitete sich dieser ''vicus'' langsam in Richtung des heutigen Schillerplatzes und des Flachsmarktes aus. Am Flachsmarkt traf eine zweite Hauptstraße vom Militärlager in Weisenau kommend mit der erstgenannten Straße zusammen. Weitere unmittelbar nach dem Beginn der römischen Präsenz entstandene Zivilsiedlungen befanden sich vor dem Militärlager in Weisenau und am Dimesser Ort. Letztgenannter ''vicus'' gilt als bedeutendste Zivilsiedlung und als Mittelpunkt des Zivillebens in Mogontiacum im ersten nachchristlichen Jahrhundert. Als vermutliche Siedlung der Fernhandelskaufleute scheinen die ''canabarii'' schnell einen gewissen Wohlstand erreicht zu haben, der verbunden war mit dem Wunsch nach rechtlicher Anerkennung der Zivilsiedlung. Die Stiftung der Großen Mainzer Jupitersäule im ersten Drittel des 1. Jahrhunderts wird verschiedentlich als Versuch der Zivilbevölkerung gedeutet, die rechtliche Anerkennung der Siedlung zu beschleunigen.<ref>Karl-Viktor Decker und Wolfgang Selzer, S.&nbsp;470.</ref> Mit dem Wiederaufbau der zerstörten zivilen Siedlungsbereiche nach dem Bataveraufstand und dem Ausbau der Infrastruktur in der folgenden Zeit verschmolzen auch die einzelnen ''vici'' langsam zu einer zusammenhängenden, städtisch geprägten Siedlungsfläche. Zudem konnte für die Zeit der flavischen Kaiser und nochmals verstärkt ab dem 2. Jahrhundert für den Weisenauer ''vicus'' und für den ''vicus'' am Dimesser Ort eine Siedlungsverlagerung in Richtung der heutigen Innenstadt nachgewiesen werden.<ref>Jürgen Oldenburg, S.&nbsp;150.</ref><ref>Karl-Viktor Decker und Wolfgang Selzer, S.&nbsp;486, S.&nbsp;470 ff.</ref> Die nun zentral unterhalb des Legionslagers gelegene Zivilsiedlung erstreckte sich vom Fuß des Kästrichs bis zum Rhein. Da es keine zusammenhängende Bauplanung gab, wurde das bisher nachgewiesene Straßennetz nicht regelmäßig angelegt. Zentrale Bereiche der Innenstadt waren wahrscheinlich der Flachsmarkt, wo auch gelegentlich das Forum vermutet wird, der Schillerplatz als hochwassergeschützter Siedlungsbereich sowie der heutige Dombereich, in dem der zentrale Kultbezirk vermutet wird. Das Stadtgebiet umfasste nach dem Bau der zweiten Stadtmauer in der Mitte des 4. Jahrhunderts 98,5 Hektar. Für die Zivilsiedlung ist ein größeres [[Thermen]]gebäude in direkter Nähe des heutigen Staatstheaters aus der ersten Hälfte des 1. Jahrhunderts bekannt. Ein größeres administratives Bauwerk stand in direkter Nähe des heutigen Städtischen Altersheimes. Bei Bauarbeiten in den 70er Jahren des 20. Jahrhunderts wurden umfangreiche Architekturreste, ein Marmorbrunnen mit bronzener Fischfigur als Wasserspeier sowie Ziegel mit Stempel der Mainzer Legionen gefunden. Vermutet wird hier der Statthalterpalast, der ähnlich repräsentativ wie sein Kölner Gegenstück oberhalb des Rheinufers gestanden haben könnte.<ref>Wolfgang Selzer: ''Kulturelles Zentrum in römischer Zeit. Ein Brunnen im Mittelrheinischen Landesmuseum erzählt von Mogontiacum.'' In: Stadt Mainz (Hrsg.): ''Vierteljahreshefte für Kultur, Politik, Wirtschaft, Geschichte.'' Verlag Dr. Hanns Krach Mainz. Jahrgang 5, Heft 2, 1985.</ref> Luxuriöse Stadtvillen wurden im Bereich der Schillerstraße am heutigen Proviant-Magazin sowie in der Altstadt (Badergasse), teils mit Mosaikschmuck, freigelegt. Über die Einwohnerzahl von Mogontiacum gibt es keine Angaben oder Schätzungen. Die flächenmäßig etwas kleinere zivile Colonia Claudia Ara Agrippinensium hatte um das Jahr 50 circa 30.000 Einwohner. Lediglich die Größe des Bühnentheaters, das circa 10.000 Zuschauer aufnehmen konnte, und die allgemeine Stadtentwicklung lassen gewisse Rückschlüsse auf eine mögliche zivile Einwohnerzahl zu, die im unteren fünfstelligen Bereich gelegen haben dürfte.<ref>Karl-Viktor Decker und Wolfgang Selzer, S.&nbsp;504.</ref> Die Topographie des zivilen Mogontiacums ist nur unzureichend archäologisch erschlossen und im Vergleich zu anderen bedeutenden Römerstädten in Deutschland wenig erforscht.<ref>Gerhard Rupprecht: ''Mogontacium – Mainz als römische Provinzhauptstadt und Militärbasis.'' S.&nbsp;12.</ref> Dafür gibt es unterschiedliche Gründe. So kam es ab dem frühen Mittelalter zu einer kontinuierlichen Wiederverwendung des qualitativ hochwertigen römischen Baumaterials für die baulich expandierende Stadt. Eine bewusste Zerstörung römischer Überreste gab es ebenfalls immer wieder, so beispielsweise die des Bühnengebäudes beim Bühnentheater während des Eisenbahnbaus im 19. Jahrhundert oder des Mithräums am [[Ballplatz]] 1976. Generell erfolgte in dem heutigen Stadtgebiet eine intensive Überbauung des römischen Siedlungsgebietes ab dem Mittelalter. === Zivil genutzte Binnenhäfen === [[Datei:Roemische-Prahm Mogontiacum.jpg|thumb|Modell und Originalfundstück eines römischen Lastkahns (1. Jh., FO: Mainz). Museum für Antike Schifffahrt, Mainz]] Der bereits genannte Dimesser Ort war nicht nur höchstwahrscheinlich ein militärisch genutzter Hafen sondern scheint auch der Fernhandelshafen gallisch-italischer Handelskaufleute gewesen zu sein.<ref>Wolfgang Selzer, Karl-Victor Decker und Anibal Do Paco, S.&nbsp;48.</ref> Darauf deuten eine hohe Funddichte von [[Amphore|Transportamphoren]] mediterraner Herkunft sowie weitere Importfunde aus [[Gallien]] und dem Mittelmeerraum. Die zudem gemachten baulichen Funde wie Steinpflaster (möglicherweise eine Laderampe für [[Schiffe ohne eigenen Antrieb|Plattbodenschiffe]]) und Kaianlagen unterstützen diese Vermutung. Im Zusammenhang mit den Handelstätigkeiten ist auch eine prosperierende Zivilsiedlung am Dimesser Ort entstanden, die bereits zur Mitte des 1. Jahrhunderts das zivile Zentrum von Mogontiacum gewesen sein muss. Weitere zivil genutzte Häfen beziehungsweise Landungsstellen mit weniger aufwändigen Kaianlagen und Frachthäusern wurden auch rheinaufwärts in Höhe der Mainzer Altstadt (Dagobertstraße, Kappelhof, hier Fund zweier römische [[Schiffe ohne eigenen Antrieb#Prahm|Prähmen]] aus dem 1. Jahrhundert) festgestellt. Hier dürften die kelto-romanischen einheimischen Rheinschiffer und -händler tätig gewesen sein, deren Existenz beispielsweise durch den Grabstein des Reeders und Händlers [[Landesmuseum Mainz#Grabstein des Blussus|Blussus]] (datiert um das Jahr 50) gut nachgewiesen ist. Auch die römerzeitliche Floßschifffahrt hatte eine große Bedeutung und dürfte vor allem beim Holztransport auf dem Rhein nach Mogontiacum an erster Stelle gestanden haben.<ref>Olaf Höckmann, S.&nbsp;102.</ref> === Bühnentheater === [[Datei:Bühnentheater Mainz.jpg|thumb|Teilansicht des Römischen Bühnentheaters in Mainz aus dem 2.&nbsp;Jahrhundert]] Durch eine Erwähnung bei dem Schriftsteller [[Sueton]]<ref name="Sueton-Galba"/> ist bereits für das Jahr 39 ein Bühnentheater in Mogontiacum belegt. Die heute sichtbaren und freigelegten Überreste des Theaters stammen aus dem 2. Jahrhundert und folgte wahrscheinlich einem früheren, in Holz-Erde-Technik errichteten Theater. Mit einer Bühnenlänge von 41,25&nbsp;m und einem Durchmesser des Zuschauerhalbrundes von 116,25&nbsp;m ist es das größte römische Bühnentheater nördlich der Alpen.<ref>Karl-Viktor Decker und Wolfgang Selzer, S.&nbsp; 505.</ref><ref name="Rupprecht">Gerd Rupprecht: ''Wo einst Gedenkfeier und Schauspiel stattfanden. Das römische Bühnentheater von Mogontiacum/Mainz.'' In: ''[[Antike Welt (Zeitschrift)|Antike Welt]]'' 2/2000, online unter [http://www.theatrum-mainz.de/index.php/rupprecht_mai2001.html theatrum-mainz.de].</ref> Es konnte damit über 10.000 Zuschauern Platz bieten. Das Bühnentheater, welches in direkter Nähe zum Drususstein südlich des Legionslagers stand, wurde sehr wahrscheinlich neben dem regulären Schauspielbetrieb auch im Zusammenhang mit kultischen Feierlichkeiten für Drusus genutzt, was den verhältnismäßig großzügigen Ausbau erklären könnte. Das Theater war bis in das 4. Jahrhundert in Benutzung, lag nach dem zweiten Stadtmauerbau und der damit erfolgten Verkleinerung des Stadtgebietes aber außerhalb des geschützten Stadtgebietes. Bereits für den Bau dieser zweiten Stadtmauer wurden [[Spolie]]n aus dem Theaterbereich verwendet.<ref name="Rupprecht"/> Das massive Gussmauerwerkgewölbe wurde ab dem 6. Jahrhundert als frühchristliche Begräbnisstätte benutzt. Noch im frühen Mittelalter gab es oberirdisch sichtbare Ruinen des Theaters, die in schriftlichen Zeugnissen Erwähnung fanden.<ref>So im 11. Jahrhundert in Gozwins ''Passio sancti Albani Martyris Moguntini'': ''„Hoc etiam astruunt adhuc superstites theatri ruinae, quod Romano more ad ludos circenses et theatrica spectacula constructum est.“''</ref> Die letzten oberirdisch sichtbaren Reste des Theaters wurden in Mitte des 17. Jahrhunderts beim Ausbau der Zitadelle eingeebnet. === Römische Rheinbrücke === → ''Hauptartikel: [[Römerbrücke (Mainz)|Mainzer Römerbrücke]]'' [[Datei:02 Römerbrücke (Mainz). Bronze Plate_retouched.jpg|thumb|250px|Moderne Brückentafel der Römerbrücke, die als eine Holztragwerkkonstruktion mit [[Segmentbogenbrücke|Segmentbögen]] rekonstruiert wird.]] Bereits kurz nach der Lagergründung unter Drusus, spätestens aber vor seinem von Mogontiacum ausgehenden Feldzug im Jahr 10 v.&nbsp;Chr., dürfte eine [[Pontonbrücke|Schiffbrücke]] ''(pons navalis)'' zum rechtsrheinischen Ufer bestanden haben. Ab dem Jahr 27 und damit in [[Tiberius|tiberischer Zeit]] ist ein erster fester Holzbrückenbau [[Dendrochronologie|dendrochronologisch]] nachgewiesen.<ref>Zur Datierung siehe auch: [http://gewerbe-news.org/test-roemisches-mainz/index.php?qp_active=global&qp_lnr=58 Sybille Bauer: ''Die Mainzer Römerbrücke – die älteste Steinbrücke am Rhein?''] – Webseite der Initiative Römisches Mainz.</ref> Es handelte sich hierbei höchstwahrscheinlich um eine Pfahljochbrücke. Unter Domitian entstand Anfang der 80er Jahre ein fester Brückenbau, der circa 30&nbsp;m oberhalb der heutigen [[Theodor-Heuss-Brücke (Mainz–Wiesbaden)|Theodor-Heuss-Brücke]] den Rhein überquerte. Die 420&nbsp;m lange Brücke besaß mindestens 21 Steinpfeiler, davon 14 im Strombett archäologisch nachgewiesen, die jeweils auf aufwändig gesetzten Pfahlrosten ruhten. Auf den Steinpfeilern lag der hölzerne Brückenaufbau, der eine 12&nbsp;m breite mehrspurige Fahrbahn trug. Eine Bauinschrift bei der linksrheinischen Brückenrampe stammt von der [[Legio XIIII Gemina|Legio XIIII Gemina Martia Victrix]], die in den Jahren 70 bis 92 in Mogontiacum stationiert war. Die Rheinbrücke wurde mehrfach erneuert und repariert, so beispielsweise in den Jahren 100, 157, 213 sowie in den folgenden Jahrzehnten. Es wird angenommen, dass sie auch noch oder wieder zu Beginn des 5. Jahrhunderts in Funktion war und der Rheinübergang des Germaneneinfalls im Jahr 406 über sie erfolgte. Eine schematische Abbildung der Pfahlrostbrücke findet sich auf dem um 300 entstandenen Lyoner Bleimedaillon. Die Brücke besaß aufgrund unterschiedlicher Pfeilerabstände eine gleichmäßig gewölbte Fahrbahn, so dass in der Strommitte die größtmögliche Durchfahrtshöhe für Rheinschiffe vorhanden war.<ref>Karl-Viktor Decker und Wolfgang Selzer, S.&nbsp;490 ff.</ref> Rechtsrheinisch führte die Brückenfahrbahn direkt in das ''Castellum Mattiacorum'', die Brücke war somit auch militärisch gesichert. Eine kleinere Brücke über den Main, die etwas oberhalb der Mainmündung lag, ist ebenfalls nachgewiesen. Möglicherweise gab es auch noch einen zweiten Rheinübergang in Form einer Schiffbrücke oder eines dauerhaften Fährübergangs. Dieser könnte unterhalb des Auxiliarlagers in Mainz-Weisenau gelegen haben, ist aber bislang in der Forschung nicht eindeutig nachweisbar.<ref>Marion Witteyer, S.&nbsp;1037.</ref><ref>Jürgen Oldenstein, S.&nbsp;146.</ref> === Aquädukt === [[Datei:Roemersteine.jpg|thumb|Überreste der Pfeiler des römischen Aquädukts aus dem 1. Jahrhundert. Standort: Mainz (Zahlbachtal)]] Zur Versorgung des Legionslagers auf dem Kästrich und später auch der Zivilsiedlung wurde bereits im 1. Jahrhundert eine aufwändige Wasserleitung, teilweise in [[Aquädukt]]bauweise, errichtet. Die Wasserversorgung des Lagers über Brunnen im inneren Lagerbereich scheiterte an dem in über 20&nbsp;m Tiefe liegenden Grundwasserstand.<ref>Marion Witteyer, S.&nbsp;1034.</ref> Der Wassertransport für das in der Anfangszeit mit mindestens zwei Legionen belegte Lager aus dem benachbarten Zahlbachtal war auf Dauer ebenfalls nicht realisierbar. Wahrscheinlich existierte deshalb bereits ab der ersten Hälfte des 1. Jahrhunderts ein Aquädukt in Holzbauweise, welches das Lager mit Frischwasser versorgte.<ref>Heinz Cüppers: ''Die Römer in Rheinland-Pfalz.'' S.&nbsp;462.</ref> Als Ausgangsort dieser Wasserleitung konnten die zahlreiche Quellen aufweisenden Gebiete der heutigen Mainzer Stadtteile Drais und vor allem Finthen lokalisiert werden. Bisher gibt es allerdings keinen gesicherten Nachweis eines hölzernen Vorgängerbaus. Im Rahmen der großflächigen Baumaßnahmen der flavischen Kaiser kam es, wohl zeitgleich mit dem Ausbau des Legionslagers in Stein, auch zum Bau eines in Steinbauweise errichteten Aquäduktes.<ref>Jürgen Oldenstein, S.&nbsp;148.</ref> Am Bau beteiligt waren die Mainzer Legionen Legio XIIII Gemina Martia Victrix und [[Legio I Adiutrix]], wie Ziegelstempel zeigen, die eine relativ genaue zeitliche Einordnung dieser Baumaßnahme zulassen. Das Aquädukt führte von den Quellen in Finthen zuerst unterirdisch, später in einer Fließrinne bis zur Kopfstation an der südwestlichen Ecke des Lagers. Die Wasserleitung war insgesamt fast 9&nbsp;km lang. Auf den letzten drei Kilometern wurde sie dann in Aquäduktbauweise ausgeführt und überquerte auf über 25&nbsp;m hohen, wahrscheinlich zweigeschossigen, Bögen das Zahlbachtal.<ref>Jürgen Oldenstein, S.&nbsp;148.</ref> Der Achsabstand betrug dabei circa 8,50&nbsp;m, das durchschnittliche Gefälle über die gesamte Leitungsstrecke 0,9 %. Berechnungen ergaben eine tägliche Wassermenge von mehreren 100&nbsp;m³ Frischwasser, die über bleierne Druckwasserleitungen im Lager und auch in den ''canabae'' verteilt wurden. Im Zahlbachtal sind heute noch die massiven Gussmauerkerne der Pfeiler auf einer Strecke von circa 600&nbsp;m zu sehen. Die „Römersteine“ genannten Pfeilerstümpfe ragen teilweise noch mehrere Meter empor, sind aber fast vollständig ihrer ehemaligen Ummantelung beraubt. === Stadtmauer und Stadttor === [[Datei:Stadttor1.jpg|thumb|Römisches Stadttor und Teile der Stadtmauer aus dem 4. Jahrhundert. Standort: Mainz (Kästrich)]] Kurz nach der Mitte des 3. Jahrhunderts (der parallel zum Rhein verlaufende Mauerabschnitt konnte durch die Untersuchung hölzerner Pfahlroste auf den Zeitraum 251/253 datiert werden<ref>Marion Witteyer, S.&nbsp;1051.</ref>) wurde die zwischen Legionslager und Rhein gelegene Zivilsiedlung erstmalig mit einer Stadtmauer umgeben. Die Stadtmauer schloss südwestlich auf einer Länge von 600&nbsp;m an die Befestigungen des Legionslagers an, das aber eigenständig blieb. Sie besaß rechteckige, leicht vorspringende Türme und einen Graben. Die südwestlich vor dem Legionslager liegenden ''canabae legionis'' wurden ebenfalls befestigt, während die Zivilsiedlungen am Dimesser Ort und in Weisenau außerhalb des befestigten Stadtgebietes lagen und dadurch weiter an Bedeutung verloren. Gleichzeitig wurde auch die Steinmauer des Legionslagers erneuert, mittlerweile zum dritten Mal seit dem Bau der ersten steinernen Lagermauer unter dem flavischen Kaiser.<ref>Decker und Selzer, S.&nbsp;515 ff.</ref> Nach [[Julian (Kaiser)|Julians]] Sieg über die Alamannen 357 wurde, wahrscheinlich noch beginnend unter seiner Herrschaft, im Zeitraum 360–370<ref>Decker und Selzer, S.&nbsp;517 ff.</ref> der Bau einer zweiten, verkürzten Stadtmauer begonnen. Zeitgleich wurde das Legionslager nach über 350 Jahren aufgegeben und die damit entstandene Lücke in der Befestigung durch ein neu errichtetes Mauerstück in diesem Bereich geschlossen. Dazu wurden Spolien aus den abgerissenen Großbauten des Legionslagers verwendet, die in großer Anzahl hier verarbeitet wurden. Der Abbruch dieses Mauerstücks im Zeitraum 1899 bis 1911 führte dementsprechend zu einer Vielzahl von qualitativ hochwertigen Architekturteilen, die unter anderem eine einigermaßen sichere Rekonstruktion des Prätoriums sowie weiterer Großbauten des Legionslagers und des Dativius-Victor-Bogens zuließen.<ref>Decker und Selzer, S.&nbsp;508, 518.</ref> Mit dem Bau der zweiten Stadtmauer wurde nun ein Stadtgebiet von 98,5&nbsp;Hektar umschlossen, etwa ein Drittel des bisherigen Stadtgebietes. Im Zuge von Baumaßnahmen auf dem Kästrich wurden 1985 Mauerreste dieser zweiten Stadtmauer sowie ein römisches Stadttor und das Pflaster der durchführenden Straße entdeckt. In die 2,70&nbsp;m breite Stadtmauer wurde das Stadttor integriert und die noch aus dem Legionslager stammende ''via praetoria'' hindurchgeführt, die als strategisch wichtige Straße hinunter in die Zivilsiedlung führte. Eingeschliffene Fahrspuren auf der Torschwelle und dem gut erhaltenen Straßenpflaster aus Sandstein weisen mit 1,90&nbsp;m Breite die typische Spurbreite römischer Fahrzeuge auf.<ref>Generaldirektion Kulturelles Erbe – Direktion Archäologie Mainz: [http://www.archaeologie-mainz.de/index.htm?../html/Projekte-231.htm Spätantikes Stadttor].</ref> Das Stadttor wurde mit einem zweiflügeligen Holztor verschlossen und wies zudem einen Torturm auf. Die gesamte Toranlage ist somit dem Typ „Andernach“ zuzurechnen<ref>Jürgen Oldenstein, S.&nbsp;151.</ref> und gehört zu den zeitlich spätesten Toranlagen, die im römischen Deutschland bekannt und erhalten sind.<ref>Heinz Cüppers, S.&nbsp;466.</ref> === Denkmäler === [[Datei:Drususstein Mainz.jpg|thumb|„Drususstein“, Kenotaph des Drusus aus dem frühen 1. Jahrhundert. Standort: [[Zitadelle Mainz]]]] Das einzige heute noch am Originalstandort stehende und bedeutendste Denkmal aus der Zeit Mogontiacums ist der so genannte [[Drususstein]]. In der Wissenschaft gilt es mittlerweile, nach zwischenzeitlichen Zweifeln und Einordnungen in spätere Zeiträume, als mehr oder weniger erwiesen, dass es sich hier um den [[Kenotaph]] ''(tumulus honorarius)'' des römischen Feldherren Drusus handeln dürfte.<ref>Andreas Panter: ''Der Drususstein in Mainz und dessen Einordnung in die römische Grabarchitektur seiner Erbauungszeit.''</ref> Dieses wurde vom römischen Heer zu Ehren des 9 v.&nbsp;Chr. in Germanien tödlich verunglückten Feldherrn in Mogontiacum errichtet. Das Denkmal wurde später von Augustus gebilligt, der es mit einem eigens verfassten Grabgedicht bedachte. Auch römische Geschichtsschreiber wie beispielsweise [[Sueton]] oder [[Eutropius (Historiker)|Eutropius]] erwähnen explizit den Drususstein<ref>Eutrop 7,13,1: ''„qui [Drusus] apud Mogontiacum moumentum habet.“''</ref> und das Kultzeremoniell zum Gedenken an Drusus.<ref>Peter Herz: ''Das Zeremoniell für Drusus maior und Germanicus in Mogontiacum.'' In: Wolfgang Spickermann (Hrsg.): ''Religion in den germanischen Provinzen Roms.''</ref> Das Denkmal wurde außerdem Mittelpunkt von alljährlich stattfindenden Kult- und Gedenkfeiern ''(supplicatio)'' zu Ehren des Drusus, zu dem Abgeordnete des Landtages der drei gallischen Provinzen ''(concilium Galliarum)'' anreisten.<ref>Ausführlich dazu: Heinz Bellen: ''Das Drususdenkmal apud Mogontiacum und die Galliarum civitas.'' In: Leonhard Schumacher (Hrsg.): ''Politik-Recht-Gesellschaft. Studien zur Alten Geschichte.'' Historia Einzelschriften Nr. 115, S. 85 ff.</ref> Die römische Legionen aus Mogontiacum ehrten ihren ehemaligen Heerführer mit Paraden ''(decursio militum)''. Auch das nahe liegenden Theater mit seinen mehr als 10.000 Plätzen dürfte in diese Feierlichkeiten eingebunden worden sein.<ref>Heinz Cüppers, S.&nbsp;463.</ref> Bei den heute noch sichtbaren Überresten des Kenotaphs handelt es sich um einen knapp 20&nbsp;m hohen Steinbau aus massivem Gussmauerwerk mit darin eingebauten Werksteinen. Die ursprüngliche Höhe dürfte 30&nbsp;m (dies entspricht 100 römischen Fuß) gehabt haben. Rekonstruktionen gehen von einem quadratischen Sockel und einem zylinderförmigen Geschoss (Tambour) aus, auf dem ein kegelförmiger Aufsatz saß, den ein Pinienzapfen krönte. Ähnliche Grabbauwerke aus der frühen Kaiserzeit finden sich auch an römischen Gräberstraßen in Italien. [[Datei:jupitersaeule.jpg|thumb|Große Mainzer Jupitersäule. Originalgetreue Rekonstruktion vor dem Mainzer Landtag, Original im [[Landesmuseum Mainz]]]] Die [[Große Mainzer Jupitersäule]] ist ein in der zweiten Hälfte des 1. Jahrhunderts in Mogontiacum errichtetes Denkmal zu Ehren des römischen Gottes Jupiter. Sie gilt nicht nur als das früheste datierbare Denkmal dieser Art sondern auch als die größte und aufwändigste [[Jupitergigantensäule|Jupitersäule]] im deutschsprachigen Raum. Die Mainzer Jupitersäule war Vorbild für nachfolgende Jupiter(giganten)säulen, die vor allem im 2. und 3. Jahrhundert in den germanischen Provinzen errichtet wurden.<ref>Gerhard Bauchhenß: ''Jupitergigantensäulen.'' In: Heinrich Beck, Dieter Geuenich und Heiko Steuer (Hrsg.): ''[[Reallexikon der Germanischen Altertumskunde]]''. Band 16. S.&nbsp;132.</ref> Die 9,14&nbsp;m hohe, reich skulpturierte, Säule krönte eine 3,36&nbsp;m hohe Jupiterfigur samt Adler aus vergoldeter Bronze. Die erhaltene Stifterinschrift<ref>{{CIL|13|11806}}.</ref> steht in Zusammenhang mit einer Treuebekundung zu Kaiser [[Nero]] und weist die ''canabarii'', in diesem Fall die Bewohner der Zivilsiedlung Dimesser Ort am Rheinufer, als Stifter aus. Die aus über 2000 Einzelfragmenten zusammengesetzte Säule steht heute im Landesmuseum Mainz, von der Bronzefigur sind nur wenige Überreste erhalten geblieben. Eine originalgetreue Nachbildung der Großen Mainzer Jupitersäule steht heute vor dem [[Rheinland-Pfälzischer Landtag|Rheinland-Pfälzischen Landtag]] in Mainz. Ein weiteres bedeutendes Denkmal aus der Mitte des 3. Jahrhunderts ist der [[Dativius-Victor-Bogen]]. Dieser Bogen diente im römischen Mogontiacum als Mitteldurchgang einer Säulenhalle eines öffentlichen Gebäudes, möglicherweise in Nähe des Legionslagers. Ein Großteil des Bogens (43 von insgesamt 75 einzelnen Sandsteinblöcken) wurde zwischen 1898 und 1911 bei der Niederlegung der mittelalterlichen Stadtmauer im unteren, spätrömischen Fundamentbereich als Spolien entdeckt. Auch dieser Bogen ist mit üppigem Reliefschmuck versehen, unter anderem mit einem teilweise erhalten [[Tierkreiszeichen|Zodiakus]], Weinranken und Jupiter/Juno. Die vollständig erhaltene Inschrift<ref>{{CIL|13|6705}} und {{CIL|13|11810}}.</ref> nennt Dativius Victor, ''decurio'' der ''civitas Taunensium'' (Ratsherr der Gebietskörperschaft der Taunenser in Nida) als Stifter. Dieser ließ sich möglicherweise infolge der zunehmenden Unruhen durch die ab 233 beginnenden Alamanneneinfälle in Mogontiacum nieder und stiftete aus Dankbarkeit den Bogen. Das Original steht ebenso wie die Mainzer Jupitersäule in der Steinhalle des Landesmuseums Mainz, ein Nachbau steht im direkten Umfeld des [[Kurfürstliches Schloss Mainz|Kurfürstlichen Schlosses]] und des darin befindlichen Römisch-Germanischen Zentralmuseums. 1986 wurden in Mainz-Kastel Fundamente eines dreitorigen Großbauwerkes gefunden, bei dem es sich um einen Ehrenbogen gehandelt haben dürfte. Möglicherweise sind dies die Überreste des bei Tacitus<ref>Tacitus: ''annales'', [http://www.thelatinlibrary.com/tacitus/tac.ann2.shtml#83 2,83,1-3].</ref> und in der ''[[Tabula Hebana]]''<ref>[http://webu2.upmf-grenoble.fr/Haiti/Cours/Ak/Leges/hebana_crawford.html Tabula Hebana – Germanicus].</ref> erwähnten Ehrenbogens für [[Germanicus]], den Sohn des Drusus. Erwähnt wird die Errichtung von drei Ehrenbögen für Germanicus nach seinem Tod im Jahr 19. Einer davon stand in Mogontiacum ''apud ripam Rheni''. Die zeitliche und personelle Zuordnung der aufgefundenen Fundamente ist allerdings strittig. Der vermutete Ehrenbogen könnte auch von [[Domitian]] während seiner Chattenkriege errichtet worden sein.<ref>Leonhard Schumacher, S.&nbsp;3 ff.</ref><ref>Für die Zuordnung zu Domitian plädiert vor allem Heinz Bellen: ''Der römische Ehrenbogen von Mainz-Kastel. Ianus Germanici aut Domitiani?''. In: Leonhard Schumacher (Hrsg.): ''Politik-Recht-Gesellschaft. Studien zur Alten Geschichte.'' Historia Einzelschriften Nr. 115, S.&nbsp;103 ff.</ref> === Heiligtümer und Kultstätten === Mogontiacum war Mittelpunkt des religiösen und kultischen Lebens des Umlandes. Dieses war in Mogontiacum aufgrund des Charakters der Stadt deutlich militärisch geprägt. So spielte der Kaiserkult in der Anlage rund um den Drususstein, beginnend mit den Kult- und Gedenkfeiern zu Ehren des Drusus und seines Sohnes Germanicus bereits in der Frühzeit Mogontiacums eine große und zentrale Rolle.<ref>Wolfgang Spickermann: ''Mogontiacum (Mainz) als politischer und religiöser Zentralort der Germania Superior.'' S.&nbsp;168 ff.</ref> Später entwickelte sich das einer Provinzhauptstadt entsprechende religiöse und kultische Leben, das auch auf das Umland ausstrahlte. Seitens der keltisch-romanischen Bevölkerung floss die Verehrung von einheimischen, relativ schnell auch romanisierten keltischen Gottheiten ein. [[Datei:Mainzer Weihealtar des Mithras.JPG|thumb|Weihealtar des Mithras aus [[Odenwald|Odenwälder]] Marmor am Ballplatz. Die Übersetzung der Inschrift lautet: "Dem unbesiegten Sonnengott Mithras und dem Mars hat Secundinius Amantius, Versorgungsoffizier des Lagerkommandanten der XXII. Legion... nach einem Gelübde diesen Stein setzen lassen."]] Aus Mainz und Umgebung sind bislang neun Kultplätze archäologisch erschlossen oder lassen sich aufgrund archäologischer Indizien vermuten. Weitere neun Kultstätten sind nur epigraphisch bezeugt.<ref>Wolfgang Spickermann, S.&nbsp;181.</ref> Dafür findet sich in Mogontiacum die größte Anzahl an Weihedenkmäler der gallischen und germanischen Provinzen, darunter alleine 272 Weiheinschriften. Diese stammen allerdings mehrheitlich als Spolienfunde aus dem Mauersockel der spätantiken-mittelalterlichen Stadtmauer und lassen so keinen Rückschluss auf die geographische Lage der Heiligtümer zu. Kultanlagen des Jupiter, der Juno und Minerva und vielleicht auch des Apollo lagen möglicherweise im Bereich des heutigen Dombezirks, wofür es aber keinen direkten archäologischen Nachweis gibt.<ref>Karl-Viktor Decker und Wolfgang Selzer, S.&nbsp;519.</ref> Ob Mogontiacum, wie Trier oder Köln, ein Heiligtum der „Kapitolinischen Trias“ aufwies, ist aufgrund des fehlenden offiziellen Stadtcharakters fraglich. Zahlreiche Weihesteine ausschließlich von [[Legatus|Legionslegaten]] deuten auf ein dem Militär zuzusprechenden Heiligtum des Apollo und einer weiteren unbekannten Gottheit im 3. Jahrhundert in direkter Nähe zur Rheinbrücke hin.<ref>Marion Witteyer, S.&nbsp;1047.</ref> Epigraphisch gesichert sind ein Heiligtum der [[Bellona]] in ''Castellum'' und ein [[Sacellum]] des Merkur zwischen Mainz und Mainz-Hechtsheim. Ebenfalls nur epigraphisch erschlossen, aber nicht lokalisierbar sind Heiligtümer des ''Genius Loci'', ''Bonus Eventus'' oder der ''Fortuna Conservatrix''.<ref>Karl-Viktor Decker und Wolfgang Selzer, S.&nbsp;518.</ref> Eine genauere Lokalisierung ist bei anderen Heiligtümern und Kultstätten möglich. Bereits 1976 wurde am [[Ballplatz]] und damit am Fuß des Kästrichs mit seinem Legionslager ein [[Mithräum]] ergraben, das allerdings im Zuge weiterer Bauarbeiten zerstört wurde.<ref>Wolfgang Spickermann, S.&nbsp;184.</ref><ref>Zum Mithräum siehe auch generell: Ingeborg Huld-Zetsche: ''Der Mithraskult in Mainz und das Mithräum am Ballplatz.''</ref> Ungewöhnlich ist hier die sehr frühe Verehrung des Mithras, die durch Keramikfunde in den Zeitraum zwischen 70 und 80 und somit in flavische Zeit datiert werden konnte. Mit einer Gesamtlänge von 30&nbsp;m ist es das älteste und größte bislang nachgewiesene Mithräum des römischen Imperiums. Entstehungszeit, Größe und Ausstattung lassen auf ein großes Ansehen des Heiligtums und dessen große Rolle bei der Verbreitung des Kultes in den beiden germanischen Provinzen schließen.<ref>Wolfgang Spickermann, S.&nbsp;184 ff.</ref> [[Datei:Heiligtum Mainz1.jpg|thumb|Heiligtum der Isis und Mater Magna Mainz]] Die 1999 gefundene gemeinsame [[Heiligtum der Isis und Mater Magna (Mainz)|Kultanlage der Isis und Mater Magna]] wurde hingegen unter archäologischer Aufsicht ausgegraben, konserviert und mitsamt eines Teils der reichhaltigen Funde aus dem religiös-kultischen Leben für Besucher museal aufbereitet. Wie bei dem Mithräum überrascht auch hier die frühe Datierbarkeit des Heiligtums in flavische Zeit, genauer in die Zeit Vespasians. Bis zur Entdeckung war nicht bekannt, dass der Isiskult bereits so früh in die Nordprovinzen des römischen Imperiums vorgedrungen war. Als Grund für die frühe Etablierung dieses orientalischen Kultes (ebenso des oben erwähnten Mithraskultes) nehmen Wissenschaftler die massive Militärpräsenz in Mogontiacum an.<ref>Wolfgang Spickermann, S.&nbsp;186.</ref> Die vielfältig gemachten Einzelfunde geben detailliert Auskunft über die offiziell ausgeübten Kultpraktiken zu Ehren von Isis und Mater Magna in Mogontiacum. Weitere herausragende epigraphische Zeugnisse sind die in größerer Anzahl gefundenen bleiernen [[Fluchtafel|Fluchtäfelchen]], die zusammen mit den aufgefundenen Zauberpuppen einen Einblick in die nach römischem Recht verbotene und illegal praktizierte magisch-rituelle Kultwelt der einfachen Provinzialrömer geben. Nicht direkt in Mogontiacum lokalisiert, aber eindeutig in engerer Beziehung zu Siedlung und Militärlager stehen die außerhalb des damaligen Siedlungsgebietes gefundenen Heiligtümer des Merkurs und der [[Rosmerta]] in [[Mainz-Finthen|Finthen]] und des Mars [[Leucetius]] und der [[Nemetona]] in [[Klein-Winternheim]]. Bei dem ersten Götterpaar vermutet man einen größeren Umgangstempel nach gallischem Vorbild um das Jahr 100. Von dort stammt auch der 1844 gefundene lebensgroße [[Landesmuseum Mainz#Kopf einer Göttin (auch: „Kopf der Rosmerta“)|Bronzekopf einer Göttin]], der allgemein als Bildnis der keltischen Göttin [[Rosmerta]] angesprochen wird. Diese wurde häufig in Kultgemeinschaft mit dem römischen Gott Merkur beziehungsweise seinem keltischen Pedant verehrt. Die qualitativ hochwertig gearbeitete Bronze datiert auf den Anfang des 2. Jahrhunderts und zeigt deutliche Einflüsse römischen Stils, wurde aber wahrscheinlich vor Ort in Mainz hergestellt. Das kleinere Heiligtum des Mars Leucetius und der Nemetona befand sich noch weiter außerhalb des Kernsiedlungsgebietes und geht wahrscheinlich, ebenso wie das Merkur-/Rosmerta-Heiligtum, auf ein aresakisches Heiligtum aus vorrömischer Zeit zurück. Eine bronzene Votivtafel<ref>{{CIL|13|7253}}, [http://www1.ku-eichstaett.de/epigr/uah-bilder.php?bild=$OS_CIL_13_07253.jpg Abbildung].</ref> des Senators Fabricius Veiento und seiner Frau für Nemetona aus flavischer Zeit belegt die Verehrung der keltischen Göttin auch in flavischer Zeit. === Handel und Handwerk === [[Datei:Töpferofen Mainz.jpg|thumb|Töpferofen aus dem vicus bei dem heutigen Mainzer Vorort Weisenau.]] Die wirtschaftliche Bedeutung von Mogontiacum als Handelsplatz und Produktionsstätte stieg nach der Gründung des Legionslagers schnell an. Fundmaterial aus den Lagercanabae und den zivilen ''vici'' lassen auf eine stetig wachsende wirtschaftliche [[Prosperität]] vor allem ab der flavischen Zeit bis zur Aufgabe des Limes schließen.<ref>Jürgen Oldenburg, S.&nbsp;150.</ref> Allein in Anbetracht der Anzahl der stationierten Soldaten von zeitweise bis zu vier Legionen samt Hilfstruppen kann angenommen werden, dass Mogontiacum schnell ein wichtiges Zentrum des Nah- und Fernhandels wurde. Im Nahverkehr dürfte die Lage am Mittelrhein und die Binnenschifffahrt zusätzlich eine wichtige Rolle gespielt haben, wie Funde von Last- und Transportkähnen oder das Grabmal des wohlhabenden romanisch-keltischen Binnenschiffers [[Landesmuseum Mainz#Grabstein des Blussus|Blussus]] in Mainz beweisen. Auch die in der Folge aufblühenden Zivilsiedlungen, insbesondere die Zivilsiedlung am „Dimesser Ort“ mit ihren gallisch-italischen Fernhandelskaufleuten<ref>Karl-Viktor Decker und Wolfgang Selzer, S.&nbsp;470.</ref>, profitierten vom Handel und vom Warenumschlag über die Rheinschifffahrt. Auch aus dem umliegenden Land liefen die Handelsströme nun in Mogontiacum zusammen. Von Mogontiacum aus führten gut ausgebaute Straßen in Richtung Köln, Trier, Worms und darüber hinaus über Alzey nach Gallien. Mit dem Bau der festen Rheinbrücke zur Zeit der Flavier nahmen auch Handel und Warenaustausch mit rechtsrheinischen Siedlungsgebieten deutlich zu.<ref>Karl-Viktor Decker und Wolfgang Selzer, S.&nbsp;498.</ref> Mit der zunehmenden Ansiedlung von Militärveteranen im Stadtgebiet oder im Umland von Mogontiacum (''villae rusticae'' sind in allen Mainzer Vororten nachgewiesen worden) stieg auch die Zahl von Handwerks- und landwirtschaftlichen Betrieben zur Versorgung des Militärs und der Zivilbevölkerung an.<ref>Marion Witteyer, S.&nbsp;1044.</ref> In den einzelnen ''vici'' von Mogontiacum entstanden ganze Handwerkerquartiere, so beispielsweise eine durchaus bedeutende Ansammlung von Schustereibetrieben entlang der Lagerstraße zum Rhein hinab im Bereich der heutigen Emmeransstraße. Dazu kamen Töpfereibetriebe (beispielsweise im Bereich des heutigen Regierungsviertels), Metallwerkstätten oder [[Bein (Werkstoff)|Bein]] und Leder verarbeitende Betriebe am nördlichen Ende des Siedlungsgebietes sowie Waffenwerkstätten für die in Mogontiacum stationierten Soldaten. <ref>Hubertus Mikler: ''Die römischen Funde aus Bein im Landesmuseum Mainz.'' Monographies Instrumentum 1, Montagnac, 1997.</ref> In der Zivilsiedlung bei Weisenau florierte in den ersten Jahrzehnten nach Gründung des Legionslagers die in den Händen der keltischen Bevölkerung liegenden Binnenschifffahrt. Diese wurde dann zunehmend durch eine größere Anzahl von Töpfereibetrieben beziehungsweise durch eine regelrechte „Töpfereiindustrie“ ab der flavischen Zeit verdrängt, die fortan die Haupteinnahmequelle der dortigen Zivilbevölkerung wurde.<ref>Karl-Viktor Decker und Wolfgang Selzer, S.&nbsp;486.</ref><ref>Marion Witteyer, S.&nbsp;1044.</ref> Dort befand sich auch eine römische Lampenfabrik, datiert zwischen die Jahre 20 und 69, die möglicherweise ein Militärbetrieb war.<ref>Karl-Viktor Decker und Wolfgang Selzer, S.&nbsp;470.</ref> === Thermen und Kastellbad === [[Datei:Kastellbad Mainz.jpg|thumb|Plan der Ausgrabungen des Kastellbades von 1901]] Ein größeres Thermengebäude wurde im Jahr 33 in direkter Nähe des heutigen Staatstheaters und somit an der Gabelung der vom Legionslager kommenden Hauptstraße gebaut. Aufgrund des zur damaligen Zeit [[Schluff|schluffigen]] Unterbodens wurde der Bau auf eine Pfahlgründung gesetzt, deren Reste die exakte Datierung ermöglichten. Die Therme muss eines der ersten steinernen Großgebäude in dem ansonsten noch spärlich besiedelten Innenstadtbereich gewesen sein. Sie wurde bereits im zweiten Drittel des 1. Jahrhunderts zerstört, möglicherweise im Zusammenhang mit der Zerstörung ziviler Einrichtungen in Mogontiacum während des Bataverkrieges.<ref>Marion Witteyer, S.&nbsp;1042.</ref> Eine Nachfolgebau stand möglicherweise etwas versetzt und zentraler zu dem sich ab der flavischen Zeit herausbildenden innerstädtischen Zentrum am heutigen Flachsmarkt. Bei Bauarbeiten in den 80er Jahren des 20. Jahrhunderts wurde 200&nbsp;m entfernt in der Hinteren Christofsgasse massive Baureste eines größeren Baukomplexes aus dem späten 1. Jahrhundert gefunden. Größere Mengen gestempelter [[Hypokaustum|Hypokaustenziegel]] und Teile eines marmornen Springbrunnens könnten möglicherweise für ein Thermengebäude sprechen. Das zum Legionslager gehörende Kastellbad konnte als einziger größerer Gebäudekomplex des Lagers 1908 ausgegraben und kartographisch erfasst werden. Das Kastellbad war mit 69×50&nbsp;m relativ groß, und wurde wahrscheinlich erst nach Abzug der zweiten, in Mogontiacum stationierten, Legion nach dem Jahr 90 erbaut. Anhand der baulichen Überresten konnten zwei Bauphasen bestimmt werden:<ref>Karl-Viktor Decker und Wolfgang Selzer, S.&nbsp;500.</ref> eine ältere und kleinere Badeanlage mit einem Rundsudatorium aus spätflavischer oder bereits frühtrajanischer Zeit und eine größere, vollständig umgebaute zweite Badanlage aus frühhadrianischer Zeit. Dieses Bad war bis zur Aufgabe des Lagers Mitte des 4. Jahrhunderts in Benutzung, wie ein Stempel der 22.&nbsp;Legion mit dem Zusatz C.V. für ''Constantiniana Victrix'' beweist. Diesen Namenszusatz führte die Legion erst seit konstantinischer Zeit. === Gräberfelder === [[Datei:Via-sepulcrum Mainz.jpg|thumb|Ausstellung der Kleinfunde eines Brandgrabes samt Ummauerung der ''via sepulcrum'' im heutigen Mainz-Weisenau]] In Mogontiacum gab es zahlreiche Gräberfelder, die bogenförmig das Siedlungsgelände umspannten.<ref>Siehe hierzu ausführlich: Karl-Viktor Decker und Wolfgang Selzer, S.&nbsp;518 ff., ''Begräbnisplätze im Raum von Mogontiacum''.</ref> Ausgangspunkte für die entstehenden Gräberfelder waren üblicherweise die vom Legionslager ausgehenden Verkehrswege. Neben den zahlreichen kleineren Gräberfeldern rund um Mogontiacum lassen sich zwei größere Begräbnisstätten ausmachen, in der Oberstadt/Weisenau und in Bretzenheim am Hang des Zahlbachtals unterhalb des Lagers. Von diesen beiden Gräberfeldern stammen auch die meisten der bisher in Mainz gefundenen Grabsteine. Eine italisch-römischen Vorbildern entsprechende Gräberstraße ''(via sepulcrum)''<ref>Marion Witteyer, S.&nbsp;1058.</ref> gab es entlang der Verbindungsstraße zwischen dem Legionslager und dem Militärlager beziehungsweise dem Vicus in Weisenau. Sie wurde von 1982 bis 1992 erforscht. Beginnend mit dem Ausgangspunkt der Straße am Legionslager und in der Nähe des Drusus-Kenotaphs konnten bereits für die augusteische Zeit Bestattungen entlang der Straße nachgewiesen werden. Eines der ersten Grabmonumente in direkter Lagernähe, das zeitgleich mit dem Drusus-Kenotaph entstand, ist das qualitativ hochwertige Grabmonument zweier Brüder, Angehörige der Legio XIIII Gemina, das als „Cassier-Denkmal“ bezeichnet wird. In Richtung Weisenau entstanden so bis weit in das 4. Jahrhundert und auf eine Länge von 1&nbsp;km links und rechts der Straße und von ihr durch einen Graben getrennt immer mehr Grabmonumente und Grabeinfriedungen. Aufgrund des repräsentativen Charakters und der anfänglichen Nähe zum Drusus-Kenotaph wurde diese Begräbnisstätte offenbar von Militärangehörigen sowie von hier ansässigen römischen Bürgern und der wohlhabenden römischen Oberschicht bevorzugt. Die militärischen und zivilen Bestattungen erfolgten teils nach italischem Brauch, teils nach einheimischen Bräuchen. Ab dem 2. Jahrhunderts nahm die repräsentative Bedeutung der Gräberstraße langsam ab, teilweise wurden Steinbauten abgetragen und ihr Material zum Bau neuer Gräber wieder verwendet. Auch zum Bau der Stadtmauer im 3. und 4. Jahrhundert wurden Grabdenkmäler als Baumaterial abgetragen und in Form von Spolien eingebaut. Andere Gräberfelder, vor allem im nördlichen Siedlungsbereich, nahmen nun an Bedeutung zu. Am Westhang des Zahlbachtals und damit unterhalb des Legionslagers lag ein großer augusteischer Militärfriedhof. Hier kam es im 1. Jahrhundert zu zahlreichen Militärbestattungen. Ein Großteil der in Mainz aufgefundenen, oft qualitativ und epigraphisch wertvollen, Militärgrabsteine stammt von diesem Gräberfeld. Im Laufe des 1. Jahrhunderts dehnte sich das Gräberfeld nach Süden über die Hochfläche weiter aus. Gegen Ende des 1. Jahrhunderts nahm die Anzahl der Militärbestattungen drastisch ab und verlagerte sich südwärts in Theaternähe. Das Gräberfeld wurde nun zunehmend von der Zivilbevölkerung der an Bedeutung zunehmenden Lagercanabae genutzt, in dessen Richtung es sich noch während des 2. und 3. Jahrhunderts ausdehnte. Eine Begräbnistradition konnte bis weit in das 4. Jahrhundert festgestellt werden. Die Aufgabe dieses Begräbnisplatzes steht sicherlich in unmittelbaren Zusammenhang mit der Aufgabe des Legionslagers und der Lagercanabae um die Mitte des 4. Jahrhunderts. Zahlreiche weitere kleinere Gräberfelder existierten beispielsweise in der heutigen [[Mainz-Neustadt|Neustadt]] am Dimesser Ort oder im Gartenfeld, auf dem Gelände des [[Hauptfriedhof Mainz|Mainzer Hauptfriedhofes]] und der [[Johannes Gutenberg-Universität Mainz|Johannes-Gutenberg-Universität]] und in fast allen weiteren Mainzer Vororten. Bei einigen der Gräberfelder entstanden in spätrömischer Zeit [[Coemeterialkirche]]n, die mit der vermehrten Anzahl christlicher Bestattungen bis in die Frankenzeit einhergingen. === Nicht lokalisierbare Großbauten === Im Gegensatz zu anderen größeren römischen Städten wie Trier oder Köln weist die Topographie von Mogontiacum nach wie vor größere Lücken auf. So verwundert es nicht, dass die Lage einiger größerer administrativer und ziviler Bauten und Plätze nach wie vor nicht bekannt sind. Der nach der Einrichtung der Provinz Germania Superior ab Mitte der 80er Jahre des 1. Jahrhunderts errichtete Statthalterpalast gehört zu den noch nicht lokalisierten Großbauten. Mehrere mögliche Standorte wurden bisher in Betracht gezogen und in Fachkreisen diskutiert. Da das Legionslager nach Abzug der Legio XXI Rapax im Jahr 90 nur noch mit einer Legion belegt war und genug Platz bot, wird der Bau eines Statthalterpalastes sowie weiterer administrativer Gebäude im Innenbereich des Legionslagers in Betracht gezogen. Ein [[Inschrift|Graffito]] auf einer Tonscherbe aus dem 2. Jahrhundert gibt als Adresse des Statthalters ''„… praetorium … ad hiberna leg XXII P P F“'' an und gilt als Indiz für diese Hypothese.<ref>Marion Witteyer, S.&nbsp;1042.</ref> Neuerdings neigt man allerdings wieder dazu, trotz dieser Inschrift den Standort des Statthalterpalastes außerhalb des Legionslagers zu suchen.<ref>Rudolf Haensch, S.&nbsp;73 ff.</ref> Größere Bauüberreste mit gestempelten Ziegeln und marmorner Ausstattung in der Altstadt im Bereich der Hinteren Christofsgasse/Birnbaumgasse könnten Überreste des gesuchten Statthalterpalastes sein, der ähnlich dem Kölner Gegenstück damit oberhalb des Rheinufers und erhöht über diesem gestanden haben könnte. Auch wäre die Nähe zu dem ab flavischer Zeit entstehenden Mittelpunkt „Flachsmarkt“ der zusammenwachsenden Zivilsiedlung<ref>Karl-Viktor Decker und Wolfgang Selzer, S.&nbsp;497.</ref> gegeben gewesen. Für 2009 geplante Ausgrabungen auf dem in Frage kommenden Gelände sollen hier zur weiteren Aufklärung beitragen. Ein weiterer möglicher Standort wäre auch der Bereich in der Nähe des heutigen [[Staatstheater Mainz|Staatstheaters]] gewesen, der ebenfalls als zentraler Platz im Bereich der Zivilsiedlung galt. Das [[Forum (Platz)|Forum]] von Mogontiacum ist nach einigen Wissenschaftlern am ehesten im Bereich des heutigen [[Schillerplatz (Mainz)|Schillerplatzes]] zu vermuten.<ref>Karl-Viktor Decker und Wolfgang Selzer, S.&nbsp;498.</ref> Als Indiz für diese Lokalisierung gilt die zentrale und hochwasserfreie Lage in direkter Nähe zum Legionslager. Gleichzeitig ist der Schillerplatz der Mittelpunkt zahlreicher römischer Straßen, die hier zusammenliefen, womit eine gewisse verkehrstechnische Zentralität des Platzes gegeben war. Weitere mögliche Standorte sind, ähnlich wie bei dem Statthalterpalast, die Bereiche Flachsmarkt und das Stadtgebiet, auf dem heute der Baukomplex des Staatstheaters Mainz samt Anbauten steht. Neben dem römischen [[Römisches Theater Mainz|Bühnentheater]] hat es in Mogontiacum mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auch ein [[Amphitheater]] gegeben. Vor Ort gefundene Widmungen von [[Gladiator]]en sind als Indiz für die Existenz anzusehen. Zu dem Standort gibt es lediglich vage Hinweise. So wäre ein möglicher Standort das Zahlbachtal in der Nähe des nicht mehr existierenden Dalheimer Klosters, für den auch die Nähe zum Legionslager sprechen würde.<ref>Hans Jacobi: ''Mogontiacum. Das römische Mainz.'' S.&nbsp;348–349, 1235–1237.</ref> In den Aufzeichnungen des Mainzer Mönches Siegehard um 1100 ist die Rede von den Ruinen eines Theaters im Zahlbachtal, das für Gladiatoren- und Zirkusspiele angelegt worden sein soll.<ref>Armin und Renate Schmid: ''Die Römer an Rhein und Main.'' S.&nbsp;221.</ref> In seiner ''Alten Geschichte von Mainz'' (mehrbändig, ab 1771 erschienen) lokalisierte Pater [[Joseph Fuchs]] das Mainzer Amphitheater allerdings an einer anderen Stelle, nämlich zwischen der heutigen Innenstadt und dem [[Mainz-Hechtsheim|Hechtsheimer Berg]]. Dort sei ein großer Halbzirkel, auf dessen Grund man Reste starker Pfeiler gefunden habe.<ref>Armin und Renate Schmid, S.&nbsp;222.</ref> Ebenfalls unbekannt ist der Tempelbezirk für die Staatsgottheiten Jupiter, Juno und Minerva (Kapitolinische Trias). Aufgrund der Fundlage von Weiheinschriften kommt hier am wahrscheinlichsten der Dombezirk in Frage; archäologisch greifbar ist diese Hypothese allerdings nicht. === Vor den Toren von Mogontiacum === Im direkten Umland um Mogontiacum entstanden neben den zivilen Siedlungen in Weisenau und Bretzenheim mit der Zeit zahlreiche ''villae rusticae.'' Nachgewiesen wurde diese beispielsweise in [[Mainz-Gonsenheim|Gonsenheim]], [[Mainz-Laubenheim|Laubenheim]], zwischen dem [[Mainz-Lerchenberg|Lerchenberg]] und [[Ober-Olm]] und in fast allen weiteren Mainzer Vororten. Sie sorgten in zunehmendem Maße für die Versorgung Mogontiacums mit Nahrungsmitteln und weiteren landwirtschaftlichen Gütern, womit der Zivilsiedlung nach und nach die zentrale Marktfunktion für das Umland wahrnahm.<ref>Marion Witteyer, S.&nbsp;1044.</ref><ref>Gabriele Ziethen: ''Mogontiacum. Vom Legionslager bis zur Provinzhauptstadt''. In: Franz Dumont (Hrsg.), Ferdinand Scherf und Friedrich Schütz: ''Mainz – Die Geschichte der Stadt.'' S.&nbsp;44, 63 ff.</ref> Die nächstgelegenen größeren Siedlungen waren linksrheinisch ''[[Bingium]]'' ([[Bingen am Rhein|Bingen]]), ''[[Altiaia]]'' ([[Alzey]]) und vor allem die ''[[Civitas Vangionum]]''/''[[Borbetomagus]]'' ([[Worms]]). Auch andere größere Städte wie beispielsweise ''[[Augusta Treverorum]]'' ([[Trier]]) oder die ''[[Colonia Claudia Ara Agrippinensium]]'' ([[Köln]]) waren über gut ausgebaute Straßen wie die römische Vorgängerstraße der heutigen [[Hunsrückhöhenstraße]] oder der Rheintalstraße schnell erreichbar. Rechtsrheinisch wurde im späten 1. Jahrhundert ''[[Aquae Mattiacorum]]'' ([[Wiesbaden]]) als nächstgelegener Nachbarort gegründet. Die dortigen heißen Quellen wurden von den Römern sehr geschätzt und blieben bis zur Mitte des 4. Jahrhunderts in römischer Hand.<ref>Thomas Fischer, S.&nbsp;151.</ref> == Bedeutende Einzelfunde == Im Laufe der Jahrhunderte wurden in Mainz sicherlich viele Funde aus der Zeit des antiken Mogontiacums gemacht. Finden sich im frühen und hohen [[Mittelalter]] darüber so gut wie keine Aufzeichnungen in der Geschichtsschreibung, so änderte sich dies spätestens mit der [[Renaissance]] und im folgenden Zeitalter der [[Zeitalter der Aufklärung|Aufklärung]]. Bedeutende Einzelfunde waren zum damaligen Zeitpunkt vor allem Steinfunde wie Grabsteine oder Denkmäler. Einen bedeutenden Zuwachs an Einzelfunden gab es dann vor allem im 19. und frühen 20. Jahrhundert, als in der Stadt eine intensive Bautätigkeit begann und ältere Bauwerke wie beispielsweise die römisch-mittelalterliche Stadtmauer endgültig abgerissen wurden. Andere Kleinfunde wurden immer wieder im [[Rhein]] gemacht wie beispielsweise 1848 das „[[Schwert des Tiberius]]“. Dies ist ein sehr gut erhaltener [[Gladius (Waffe)|Gladius]] mit reich verzierten Messingbeschlägen der [[Scheide (Behälter)|Schwertscheide]]. Diese zeigen in qualitativ hochwertiger Ausführung Motive des offiziellen politischen und propagandistischen Bilderprogramms der Germanenpolitik des [[Tiberius]].<ref>Heinz Cüppers, S.&nbsp;468.</ref> Beides befindet sich seit dem 19. Jahrhundert im [[British Museum]] in [[London]], eine Kopie davon befindet sich im Römisch-Germanisches Zentralmuseum. In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts wurde eine Reihe von Einzelfunden gemacht, die heute zu den bedeutendsten Stücken der römischen Vergangenheit Mogontiacums zählen. 1962, im Jahr des vermeintlichen 2000-jährigen Jubiläums der Stadt Mainz, wurde ein [[Landesmuseum Mainz#Kopf eines Angehörigen des Julisch-Claudischen Kaiserhauses (auch: „Mainzer Marmorkopf“)|Marmorkopf]] gefunden, der aus dem frühen 1. Jahrhundert stammt. Die dargestellte Person wird dem [[Julier|Julisch-Claudischen Kaiserhaus]] zugerechnet und wurde in einer italischen Werkstatt gearbeitet. In Mainz fand sich bisher kein qualitativ vergleichbares Gegenstück. Da der Fund ohne direkten Fundzusammenhang eher zufällig gemacht wurde, bezweifelte man anfangs die Echtheit des Stücks. Mittlerweile ist die Datierung des Marmorkopfes allerdings durch eingehende Untersuchungen gesichert. 1981 wurden in einer Baugrube in Rheinnähe insgesamt neun verschiedene Schiffsüberreste aus der frühen und späten Römerzeit gefunden. Bei den [[Mainzer Römerschiffe]]n handelte es sich um die mehr oder weniger gut erhaltenen Überreste von insgesamt fünf Militärschiffen zweier unterschiedlicher Typen ([[Navis lusoria]]) sowie von zivil genutzten Frachtschiffen wie beispielsweise eines Lastkahns. Die besondere Bedeutung der Funde zog nicht nur eine aufwändige Restaurierung nach sich, sondern führte auch zur Gründung eines eigenen Forschungsschwerpunktes „Antike Schifffahrt“ in Mainz und der Einrichtung eines eigenen Museums. 1999 stieß man überraschend auf die baulichen Überreste eines Isis- und Mater-Magna-Heiligtums aus dem 1. Jahrhundert. Die dabei gemachten Funde geben einen detaillierten Einblick in den kultisch-religiösen Alltag der provinzialrömischen Bevölkerung von Mogontiacum. Von besonderer Bedeutung sind auch die hier gefundenen 34 unterschiedlichen [[Fluchtafel]]n, die den Bestand der in Deutschland bekannten Fluchtafeln nahezu verdoppelte. == Christentum in Mogontiacum == [[Datei:StAlbanMainz.jpg|thumb|upright|Der Heilige Alban von Mainz (Gemälde Anfang 16. Jahrhundert, National Gallery of Art, Washington, DC)]] Wann das [[Christentum]] in Mogontiacum erstmalig Fuß fasste, lässt sich nicht eindeutig feststellen. Als derzeitiger Stand der Forschung gilt, dass es für die Zeit vor der [[Konstantinische Wende|Konstantinischen Wende]] weder definitive Hinweise auf ein wie auch immer organisiertes Christentum noch auf christliche [[Märtyrer]] in Mogontiacum gibt.<ref>Walburg Boppert: ''Zur Ausbreitung des Christentums in Obergermanien unter besonderer Berücksichtigung der Situation in der Provinzhauptstadt Mogontiacum.'' In: Wolfgang Spickermann, Hubert Cancik, Jörg Rüpke (Hrsg.): ''Religion in den germanischen Provinzen Roms.'' S.&nbsp;383.</ref> Auch nach der Konstantinischen Wende in der Religionspolitik des Römischen Reiches kam es nur langsam zum Aufbau einer organisierten Kirchengemeinde. Aufgrund des Jahrhunderte langen Status der Stadt als zentraler Militärstützpunkt dominierten noch lange andere religiöse Kulte wie der [[Kaiserkult]] und andere, beim Militär beliebte, Kulte wie beispielsweise die Mithrasverehrung. Im Vergleich zu anderen, weniger militärisch geprägten Städten wie Trier oder Köln verzögerte dies insgesamt den Aufbau einer christlichen Gemeinde in Mogontiacum.<ref>Waltraud Boppert, S.&nbsp;384.</ref> Der erste gesicherte Hinweis auf eine in Mogontiacum bestehende größere christliche Gemeinde datiert in das Jahr 368. [[Ammianus Marcellinus]] berichtete im Zusammenhang mit dem Einfall der Alamannen unter Rando von einer großen Anzahl von Christen, die sich zu einem Kirchenfest<ref>Leonhard Schumacher nimmt an, dass es sich hierbei um das Osterfest am 20. April 368 gehandelt hat.</ref> versammelten und teilweise von den Alamannen verschleppt wurden.<ref>Ammianus Marcellinus 27,8,1 und 27,10,1.</ref> Ammianus betont dabei ausdrücklich, dass unter den Gefangenen Männer und Frauen aller Stände waren, was auf eine bereits seit längerer Zeit etablierte christliche Gemeinde mit Gläubigen aus höheren Bevölkerungsschichten schließen lässt.<ref>Hans Werner Nopper: ''Die vorbonifatianischen Mainzer Bischöfe.'' S.&nbsp;29.</ref> Ein zweiter Hinweis auf eine große kirchliche Gemeinde in Mogontiacum liefert der [[spätantike]] Kirchenvater und Theologe [[Hieronymus (Kirchenvater)|Hieronymus]] in einem um 409 an die Gallorömerin Ageruchia geschriebenen Brief:<ref>Hieronymus, ''Epistulae'' 123,15,1/3, Übersetzung nach Hans Werner Nopper.</ref> {{Zitat|''Mogontiacus, einst eine hochberühmte Stadt, wurde erobert und liegt zerstört, viele Tausende wurden in der Kirche hingeschlachtet …''}} Hieronymus bezieht sich hier auf die Zerstörung von Mogontiacum (fälschlicherweise ''Mogontiacus'' geschrieben) im Rahmen des Rheinübergangs germanischer Völkerscharen 406/407 ebendort. Mit diesem Ereignis wird auch das Martyrium des Heiligen [[Alban von Mainz]] in Verbindung gebracht, das dieser in Mogontiacum erlitt. Zwei weitere christliche Märtyrer werden möglicherweise stattgefundenen [[Hunnen]]einfällen um 436 in Zusammenhang mit der Vernichtung des Burgunderreiches am Rhein<ref>Hans Werner Nopper: ''Die vorbonifatianischen Mainzer Bischöfe.'' S.&nbsp;33 ff. und 89 ff.</ref> oder später hunnischen Soldaten im Rahmen des Westfeldzuges von [[Attila]] im Jahr 451 zugeschrieben. Dabei soll es zum Martyrium des Bischofs von Mogontiacum [[Aureus (Mainz)|Aureus]] und seiner Schwester Justina gekommen sein. === Bischöfe der Römerzeit === In der älteren Literatur wird als erster namentlich bekannter Bischof von Mogontiacum ein Mar(t)inus genannt. Als Beleg dafür gilt die Unterschrift eines ''Martinus episcopus Mogontiacensium'' auf einer Kölner Synode vom 12. Mai 346, bei der sich 14 gallische und germanische Bischöfe trafen, um den Kölner Bischof [[Euphrates]] abzusetzen und zu exkommunizieren. Mittlerweile gilt mehrheitlich die Meinung, dass die Akten dieser Synode auf eine Fälschung, wahrscheinlich aus dem 10. Jahrhundert, zurückgehen und es diese Synode, zumindest mit diesem Ziel, nicht gab. Ein Bischof Mar(t)inus ist zudem außerhalb seiner Erwähnung dort historisch nicht fixierbar.<ref>Siehe dazu ausführlich Hans Werner Nopper, S.&nbsp;20 ff.</ref> Dies gilt auch für eine Reihe weiterer Bischofsnamen aus römischer Zeit, die in acht verschiedenen Fassungen mittelalterlicher Bischofslisten genannt werden. Beginnend mit einem Crescentius im 1. Jahrhundert, der als Schüler des [[Paulus von Tarsus]] galt, wird eine unterschiedliche Anzahl von Bischöfen bis zu dem Mitte des 6. Jahrhunderts historisch fassbaren [[Sidonius]] genannt. Als für die Mitte des 5. Jahrhunderts relativ gesichert gilt dabei nur Aureus. Möglicherweise gab es davor bereits römische Bischöfe mit den Namen Marinus, Theomastus/[[Theonest]], Sophronius/Suffronius oder Maximus, die aber historisch nicht eindeutig, sondern allenfalls indirekt erschließbar sind.<ref>Waltraud Boppert, S.&nbsp;387.</ref><ref>Hans Werner Nopper, S.&nbsp;49 ff.</ref> Ein Indiz für die frühere Existenz römischer Bischöfe in Mogontiacum ist der Hinweis in dem Grußwort des Kirchenlehrers [[Hilarius von Poitiers]] aus dem Jahr 358/359. Dieses widmet er unter anderen den ''„geliebten und seligen Brüdern und Mitbischöfen der Provinzen Germania prima und Germania secunda“.<ref>Hilarius, ''De synodis'', Übersetzung nach Hans Werner Nopper, S. 27.</ref> === Römische Kirchengründungen === [[Datei:Karte roemisch-fraenkisches mainz.png|thumb|Römische und Fränkische Kirchen in Mainz]] Der Standort einer offiziellen römischen Bischofskirche sowie deren Entstehungszeit sind nach wie vor unklar und werden in Fachkreisen kontrovers diskutiert. Relativ sicher ist, dass diese Kirche nicht unter dem heutigen Domgelände gelegen haben kann. Unter der nahe gelegenen evangelischen Kirche [[St.-Johannis-Kirche (Mainz)|St. Johannis]] brachten Ausgrabungen in den Jahren 1950/51 Fundamente eines spätrömischen Baus zum Vorschein. Diese wurden seitdem des Öfteren als Überreste der ersten Bischofskirche, die man sich als [[Kirchenfamilie]] mit einer Kathedrale vorzustellen hat, interpretiert.<ref>Jürgen Oldenstein, S.&nbsp;152.</ref><ref>Karl-Viktor Decker und Wolfgang Selzer, S.&nbsp;530.</ref> Als mögliche Entstehungszeit einer Bischofs- oder zumindest größeren Kirche wird mittlerweile der Zeitraum nach 350 und vor 368 (Erwähnung einer größeren christlichen Gemeinde durch Ammianus Marcellinus) angesehen.<ref>Hans Werner Nopper, S.&nbsp;41 ff.</ref> Der einzige, 1907/10 archäologisch eindeutig nachgewiesene, spätrömische Sakralbau in Mogontiacum war die Basilika St.&nbsp;Alban. Diese Coemeterialkirche im Bereich des südlich gelegenen Gräberfeldes wurde in der ersten Hälfte des 5. Jahrhunderts in qualitativ hochwertiger römischer Mauertechnik erbaut. Für eine Datierung in die Zeit kurz nach dem Germaneneinfall 406/407 spricht das [[Patrozinium]] des Alban von Mainz. Dessen Märtyrertod fand wahrscheinlich in Zusammenhang mit den dabei erfolgten Verwüstungen der Stadt statt.<ref>Hans Werner Nopper, S.&nbsp;45 ff.</ref><ref>Walburg Boppert, S.&nbsp;391.</ref> Möglicherweise gab es bereits in römischer Zeit einen Vorgängerbau, worauf vor Ort gefundene christliche Grabsteine des späten 4. Jahrhunderts hinweisen könnten. Die einschiffige apsidenlose Basilika wurde über dem Grab des Heiligen Albans erbaut und maß 15 × 30&nbsp;m. Die Entstehung weiterer Coemeterialkirchen im späten 4. und frühen 5. Jahrhundert kann nur indirekt der römischen Zeit zugewiesen werden, gilt aber als wahrscheinlich.<ref>Siehe hierzu ausführlich Hans Werner Nopper ab S.&nbsp;43 ff.</ref> Die Kapelle und spätere Kirche St.&nbsp;Hilarius war bis in das 8. Jahrhundert Begräbniskirche der Mainzer Bischöfe, was für ihre frühe Bedeutung spricht. Sie entstand im Zahlbachtal, seit dem frühen 1. Jahrhundert Begräbnisstätte vorwiegend des Militärs und in der frühchristlichen Überlieferung die ''vallis sacra'' von Mogontiacum. Weiter im Norden kann für St.&nbsp;Theomast (namensgebend für den ''Dimesser Ort''), St.&nbsp;Clemens und St.&nbsp;Peter (''St. Peter ex muros'' oder auch ''Alt-Sankt Peter'') ebenfalls eine Entstehungszeit in spätrömischer Zeit vermutet werden. Bei letzterer Kirche gilt das aufgrund der Kontinuität von Grabsteinen mit römischen und germanischen Namen als relativ sicher.<ref>Karl-Viktor Decker und Wolfgang Selzer, S.&nbsp;530.</ref> == Forschungsgeschichte von Mogontiacum == [[Datei:Frontispiz Fuchs.jpg|thumb|Frontispiz des Buches ''Alte Geschichte von Mainz'' mit der Stadtgöttin Moguntia, die, umgeben von Symbolen und Überresten der römischen Vergangenheit von Mainz, das Buch dem Kurfürsten Emmerich Joseph von Breidbach zu Bürresheim widmet.]] Die Erforschung des römischen Mogontiacums begann im kurfürstlichen Mainz im Zeitalter der [[Renaissance]] und unter dem Einfluss des [[Humanismus]]. Immer wieder waren daran Wissenschaftler, Gelehrte aber auch Geistliche, Militärs oder Bauingenieure aus dem Umfeld des kurfürstlichen Hofes oder der [[Johannes Gutenberg-Universität Mainz|Mainzer Universität]] beteiligt. Ein Vorreiter der Erforschung von Mogontiacum war [[Dietrich Gresemund]], [[Doctor iuris utriusque|Doktor beider Rechte]] und [[Kanoniker|Kanonikus]] von [[St. Stephan (Mainz)|St.&nbsp;Stephan]]. Er sammelte römische Inschriften und verfasste bereits 1511 eine Abhandlung über seine Sammlung, die nach seinem plötzlichen Tod 1512 allerdings verloren ging. Ihm direkt nachfolgend publizierte Johannes Huttich mit Förderung durch Kurfürst [[Albrecht von Brandenburg]] 1520 sein Werk ''Collectana antiquitatum in urbe atque agro Moguntino repertarum''. Weitere Erforscher der römischen Geschichte waren der Mainzer [[Vikar|Domvikar]] Georg Helwich, dessen Werk ''Antiquitates Moguntiacenses'' ebenso verloren ging wie Schriften von Heinrich Engels, Dekan des Stiftes St.&nbsp;Peter oder von Dr.&nbsp;Johann Crafto Hiegell, seines Zeichens kurfürstlich mainzischer Militärmedicus. Auch der Kommandant der [[Festung Mainz]], [[Johann Karl von Thüngen|Johann Freiherr von Thüngen]], reihte sich in den Kreis der Sammler römischer Denkmäler und Buchautoren ein. Aufgrund der intensiven Bautätigkeit in Mainz nach dem [[Dreißigjähriger Krieg|Dreißigjährigen Krieg]], vor allem beim Ausbau der Festung Mainz, wurden viele römische Steindenkmäler gefunden, die Thüngen aus erster Hand begutachten und beschreiben konnte.<ref>Stephan Pelgen: ''Mainz – Vom „elenden Steinklumpen“ zum Denkmal – Aus der Geschichte der Mainzer Römerruinen.'' S.&nbsp;30.</ref> Auch dieses Werk ist nicht mehr erhalten. [[Datei:Denkmalpflegegesetzt1784.jpg|thumb|Wortlaut des Denkmalpflege-Gesetzes von 1784.]] Ein wichtiger Zeitabschnitt in der Forschungsgeschichte der römischen Vergangenheit von Mainz war die zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts. Noch 1765 verschenkte der Mainzer Kurfürst [[Emmerich Joseph von Breidbach zu Bürresheim]] alle bisher gefundenen und gesammelten römischen Steindenkmäler an Kurfürst [[Karl Theodor (Pfalz und Bayern)|Karl-Theodor von der Pfalz]]. Nachdem er auf diese Weise der Bestand der römischen Steindenkmäler drastisch dezimierte (einige dieser Stücke finden sich noch heute in den [[Reiss-Engelhorn-Museen]] der Stadt [[Mannheim]]), beauftragte er im Gegenzug den [[Benediktiner]]pater [[Joseph Fuchs]] mit einer umfangreichen Schrift über die Mainzer Geschichte. Pater Fuchs’ Werk der ''Alten Geschichte von Mainz'' wurde von ihm großzügig gefördert und erschien 1771/72 mit den ersten beiden Bänden. Weitere Bände waren vorgesehen, teilweise existierten sogar schon Manuskripte, aber der Tod seines Mäzens 1774 unterbrach die Arbeit von Fuchs. Trotzdem gelten die beiden erschienen Bände mit ihren zahlreichen Kupferstichen römischer Inschriften und Denkmäler und die Arbeit von Fuchs im Allgemeinen als bedeutender Durchbruch in der Erforschung und Dokumentation der römischen Vergangenheit von Mainz. Im letzten Viertel des 18. Jahrhunderts begann auch die öffentliche Ausstellung gesammelter römischer Steindenkmäler. 1784 wurde unter Kurfürst [[Friedrich Karl Joseph von Erthal]] das erste kurmainzische Denkmalpflege-Gesetz erlassen und ein der Mainzer Universität zugeordnetes Münz- und Antiquitätenkabinett gegründet. In den Jahren der Zugehörigkeit von Mainz zum französischen Reich (1792/93 und 1798 bis 1814) war es vor allem der Bibliothekar und Universitätsprofessor [[Friedrich Lehne]], der sich in größerem Maße für die römische Vergangenheit von ''Mayence'' einsetzte. Begünstigt wurde sein Engagement durch die französische Administration, die bereits 1798 eine ''Commission pour la conservation des antiques'' einsetzte, und mit dem ''Conservatoire des antiques à Mayence'' ein „Altertümermuseum“ plante. Bei der 1802 gegründeten ''Société départementale'', deren Sekretär Lehne war, spielte die römische Vergangenheit ebenfalls eine große Rolle. Lehne hielt zahlreiche Vorträge zur römischen Geschichte und schrieb zum gleichen Thema Abhandlungen, so beispielsweise über den Eichelstein. Mit Unterstützung des französischen Präfekten [[Jeanbon St. André]] führte er die ersten systematischen Ausgrabungen in Mainz durch. Bei dem ehemaligen Militärfriedhof am Hang des Zahlbacher Tals legte er eine große Anzahl Militärgrabsteine frei. Mit diesen und älteren Fundstücken richtete er in der ehemaligen [[Burse]] am Neubrunnenplatz eine öffentlich zugängliche Antiquitätenhalle ein. Deren Sammlung römischer Steindenkmäler nahm schnell an Bedeutung zu und zog auch bekannte Gäste wie [[Johann Wolfgang von Goethe]] an, der über sie mehrfach berichtete. Später ging diese Sammlung in das Mainzer Altertumsmuseum (das heutige [[Landesmuseum Mainz]]) über und wird heute dort in der so genannten Steinhalle, der ehemaligen [[Reithalle]] des Kurfürstlichen [[Marstall]]s, gezeigt. Bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts waren örtliche Honoratioren wie [[Karl Anton Schaab]] (Kurfürstlich-Mainzischer Hofgerichtsadvokat und später Vizepräsident des Kreisgerichts), [[Nikolaus Müller (Künstler)|Nikolaus Müller]] (Maler, Schriftsteller und Konservator der Gemäldegalerie) oder [[Ludwig Lindenschmit der Jüngere]] (Künstler, später Direktor des Römisch-Germanischen Zentralmuseums) die treibenden Kräfte bei der Erforschung der römischen Vergangenheit von Mayence/Mainz. 1841 wurde in Mainz die ''Gesellschaft der Freunde vaterländischer Geschichtsforschung und Altertumskunde'' gegründet, 1852 das Römisch-Germanische Zentralmuseum. Dieses sicherte erstmals die Bearbeitung, Auswertung und Erhaltung der römischen Funde wissenschaftlich ab. 1875 wurde die Arbeit ''Die römischen Inschriften und Steindenkmäler des Museums der Stadt Mainz'' von J. Becker publiziert, die bis zu Anfang des 20. Jahrhunderts insgesamt vier Mal ergänzt und erweitert wurde. Zwischen 1904 und 1907 wurden alle bis dahin bekannten römischen Inschriften im [[Corpus Inscriptionum Latinarum]] (Band XIII) publiziert. Seit den 1980er Jahren liegt die Erforschung der römischen Vergangenheit von Mainz in den Händen des Landes Rheinland-Pfalz, die über die Außenstelle Mainz der Direktion Landesarchäologie Rheinland-Pfalz (Teil der Generaldirektion Kulturelles Erbe, GDKE) die archäologische Betreuung sicherstellt. == Museale Aufbereitung der römischen Geschichte von Mainz == [[Datei:Kurfuerstliches Schloss Mainz s.jpg|thumb|Ostflügel des Kurfürstlichen Schlosses in Mainz und Sitz des Römisch-Germanischen Zentralmuseums.]] Das 1803 gegründete heutige [[Landesmuseum Mainz]] beherbergte seit seiner Gründung eine bedeutende [[Landesmuseum Mainz#Römische Abteilung (Steindenkmäler)|Sammlung]] römischer Steindenkmäler von Mogontiacum. Diese besteht aus circa 2000 Einzelstücken, davon knapp über 1000 vollständig erhalten. Enthalten sind unter anderem zivile und militärische Grabdenkmäler, Altäre, Inschriften, Architekturteile und bekannte Einzelfunde wie die große Mainzer Jupitersäule, der Dativius-Victor-Bogen, der Bronzekopf einer keltischen Göttin („Rosmerta“) oder der „Mainzer Marmorkopf“. Nach über 200 Jahren wird die Sammlung 2010 ausgegliedert und dem Römisch-Germanischen Zentralmuseum zugeteilt, die diese in ihrem zukünftigen Neubau am [[Bahnhof Mainz Römisches Theater|Mainzer Südbahnhof]] zeigen wird. Des Weiteren weist das Museum eine umfangreiche römerzeitliche Sammlung bestehend aus Tonwaren, Gläsern, Militärausrüstung, Schmuck und anderen Kleinfunden auf. Das [[Römisch-Germanisches Zentralmuseum]] (RGZM) wurde 1852 gegründet und befindet sich derzeit noch im [[Kurfürstliches Schloss Mainz|Kurfürstlichen Schloss Mainz]]. Ein Umzug in neue Gebäude am Südbahnhof Mainz ist allerdings geplant. Neben verschiedenen anderen Themenabteilungen widmet sich das RGZM in einer Abteilung der [[Provinzialrömische Archäologie|Provinzialrömischen Archäologie]] und stellt hier ebenfalls größtenteils in Mainz gemachte Funde aus. Das RGZM gibt mit dem ''[[Archäologisches Korrespondenzblatt|Archäologischen Korrespondenzblatt]]'', den ''Jahrbüchern des RGZM'' sowie weiteren monographischen Fachwerken eigene Publikationen heraus. Zu dem Museum gehören außerdem die weltweit renommierten Restaurationswerkstätten des RGZM und das als Außenstelle ausgegliederte [[Museum für Antike Schifffahrt]] mit dem Forschungsbereich Antike Schifffahrt. Dieser Forschungsbereich entstand nach der Bergung und Restauration der [[Mainzer Römerschiffe]]. Nachfolgend kam es zur Gründung des Museums, das seit 1994 am Mainzer Südbahnhof (heute [[Bahnhof Mainz Römisches Theater]]) beheimatet ist. Hier werden neben weiteren Ausstellungsstücken zum Thema die restaurierten römerzeitlichen Schiffe der Schiffsfunde von 1981/82 und der Nachbau zweier Kriegsschiffe in Originalgröße ausgestellt. Im Untergeschoss der Römerpassage in der [[Mainz-Altstadt|Mainzer Innenstadt]] werden zusammen mit den baulichen Überresten des dort aufgefundenen [[Heiligtum der Isis und Mater Magna (Mainz)|Isis- und Mater-Magna-Heiligtums]] auch zahlreiche Kleinfunde ausgestellt, die bei den Ausgrabungen zu Tage kamen. Ebenfalls der römischen Vergangenheit widmen sich einige kleinere Ortsmuseen wie beispielsweise in [[Mainz-Kastel]] und lokale kleinere Ausstellungen in Banken, Ministerien oder anderen öffentlichen Gebäuden in Mainz. == Literatur == === Übersichtswerke (Auswahl) === * Roland Bockius, Stephan Pelgen, Marion Witteyer: ''Streifzüge durch das römische Mainz''. [[Verlag Philipp von Zabern|Philipp von Zabern]], Mainz 2001; 2. Auflage 2003. * [[Heinz Cüppers]]: ''Die Römer in Rheinland-Pfalz''. Theiss, Stuttgart 1990; Lizenzausgabe Nikol Verlag, Hamburg 2005, ISBN 3-933203-60-0. * Karl-Viktor Decker, Wolfgang Selzer: ''Mainz von der Zeit des Augustus bis zum Ende der römischen Herrschaft.'' In: [[Hildegard Temporini-Gräfin Vitzthum|Hildegard Temporini]], Wolfgang Haase (Hrsg.): ''[[Aufstieg und Niedergang der römischen Welt]]: Geschichte und Kultur Roms im Spiegel der neueren Forschung''. Band II.5.1, Walter de Gruyter, Berlin 1976, ISBN 3-11006-690-4, S. 457–559. * [[Franz Dumont]], [[Ferdinand Scherf]], Friedrich Schütz (Hrsg.): ''Mainz – Die Geschichte der Stadt''. 2. Auflage. Philipp von Zabern, Mainz 1999, ISBN 3-8053-2000-0. Darin insbesondere: ** Marion Witteyer: ''Mogontiacum – Militärbasis und Verwaltungszentrum. Der archäologische Befund''. S. 1021–1059. ** Gabriele Ziethen: ''Mogontiacum. Vom Legionslager bis zur Provinzhauptstadt''. S. 39–71. * K. H. Esser: ''Mogontiacum''. In: ''[[Bonner Jahrbücher]]''. Band 172, 1972, S. 212–227. * [[Thomas Fischer (Archäologe)|Thomas Fischer]]: ''Die Römer in Deutschland''. 2. durchgesehene Auflage. Konrad Theiss Verlag, Stuttgart 2001, ISBN 3-8062-1325-9. * Hans Jacobi: ''Mogontiacum – Das römische Mainz''. Regio Kunst-Verlag, Mainz 1996, ISBN 3-00-001115-3. * Michael J. Klein (Hrsg.): ''Die Römer und ihr Erbe. Fortschritt durch Innovation und Integration''. Philipp von Zabern, Mainz 2003, ISBN 3-8053-2948-2. Darin insbesondere: ** [[Rudolf Haensch]]: ''Mogontiacum als „Hauptstadt“ der Provinz Germania superior''. S.&nbsp;71–86. ** Olaf Höckmann: ''Mainz als römische Hafenstadt''. S.&nbsp;87–106. ** [[Leonhard Schumacher]]: ''Mogontiacum. Garnison und Zivilsiedlung im Rahmen der Reichsgeschichte''. S.&nbsp;1–28. * Ronald Knöchlein: ''Mainz – Zwischen Römern und Bonifatius. Siedlungsfunde der Merowingerzeit''. Philipp von Zabern, Mainz 2004, ISBN 3-935970-01-3 (Archäologische Ortsbetrachtungen, Band 2). * Hans Werner Nopper: ''Die vorbonifatianischen Mainzer Bischöfe. Eine kritische Untersuchung der Quellen zu den Anfängen des Bistums Mainz und zur Zuverlässigkeit der Bischofslisten.'' Books on Demand Gmbh 2002, ISBN 3-83112-429-9. * {{RGA|20|144|153|Mogontiacum|Jürgen Oldenstein}} * Stephan Pelgen: ''Mainz – Vom „elenden Steinklumpen“ zum Denkmal. Aus der Geschichte der Mainzer Römerruinen''. Philipp von Zabern, Mainz 2003, ISBN 3-8053-3283-1 (Archäologische Ortsbetrachtungen, Band 3). * [[Gerd Rupprecht (Archäologe)|Gerd Rupprecht]]: ''Mogontiacum – Mainz als römische Provinzhauptstadt und Militärbasis.'' In: Landesamt für Denkmalpflege Rheinland-Pfalz (Hrsg.): ''Kulturdenkmäler in Rheinland-Pfalz''. Band 2.2.: ''Stadt Mainz – Altstadt''. In: ''Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland''. 3. Auflage. Wernersche Verlagsgesellschaft, Worms 1997, ISBN 3-88462-139-4, S. 11 ff. * Armin und Renate Schmid: ''Die Römer an Rhein und Main''. Neu bearbeitet und aktualisiert von Andreas Möhn. Societäts-Verlag, Frankfurt 2006, ISBN 3-7973-0985-6. === Literatur zu speziellen Themen oder Aspekten (Auswahl) === * Roland Bockius: ''Die spätrömischen Schiffswracks aus Mainz.'' Schnell & Steiner, Regensburg 2006, ISBN 3-79541-965-4. * Ronald Bockius: ''Die spätrömischen Schiffswracks aus Mainz. Schiffsarchäologisch-technikgeschichtliche Untersuchungen spätantiker Schiffsfunde vom nördlichen Oberrhein''. Verlag des Römisch-Germanischen Zentralmuseums Mainz, Mainz 2006, ISBN 978-3-7954-1965-3 (Monographien des Römisch-Germanischen Zentralmuseums Mainz Band 67). * Walburg Boppert: ''Zur Ausbreitung des Christentums in Obergermanien unter besonderer Berücksichtigung der Situation in der Provinzhauptstadt Mogontiacum.'' In: Wolfgang Spickermann, Hubert Cancik, [[Jörg Rüpke]] (Hrsg.): ''Religion in den germanischen Provinzen Roms.'' Mohr Siebeck, Tübingen 2001, ISBN 3-1614-7613-1, S.&nbsp;361–402. * H. G. Frenz: ''Zum Beginn des repräsentativen Steinbaus in Mainz''. In: Rudolf Aßkamp (Hrsg.): ''Die römische Okkupation nördlich der Alpen zur Zeit des Augustus (Kolloquium Bergkamen 1989)''. Aschendorff, Münster 1991, ISBN 3-402-05139-7, S.&nbsp;85–96. * Alexander Heising: ''Die römische Stadtmauer am EIsgrubweg in Mainz.'' In: ''Mainzer Archäologische Zeitschrift'' 5/6, 1998/99 (2005), S.&bsp;163–216. * Alexander Heising: ''Figlinae Mogontiacenses. Die römischen Töpfereien von Mainz.'' BAG-Verlag, Remshalden 2007, ISBN 978-3-935383-82-0 (Ausgrabungen und Forschungen 3). * Alexander Heising: ''Die römische Stadtmauer von Mogontiacum – Mainz. Archäologische, historische und numismatische Aspekte zum 3. und 4. Jahrhundert n. Chr.'' Verlag Dr. Rudolf Habelt, Bonn 2008, ISBN 978-3-7749-3606-5. * Andreas Panter: ''Der Drususstein in Mainz und dessen Einordnung in die römische Grabarchitektur seiner Erbauungszeit.'' Archäologische Denkmalpflege Amt Mainz, 2007, ISBN 978-3-935970-03-7 (Mainzer Archäologische Schriften, Band 6). * Stephan Pelgen: ''Aquädukt-Ansichten – Aus der Denkmalgeschichte der Wasserversorgung für das römische Mainz''. Philipp von Zabern, Mainz 2004, ISBN 3-8053-3452-4 (Archäologische Ortsbetrachtungen. Band 5). * Gerd Rupprecht (Hrsg.): ''Die Mainzer Römerschiffe – Berichte über Entdeckung, Ausgrabung und Bergung''. Dr. Hanns Krach, Mainz 1982, ISBN 3-87439-078-0. * Gerd Rupprecht: ''Wo einst Gedenkfeier und Schauspiel stattfanden. Das römische Bühnentheater von Mogontiacum/Mainz''. In: ''[[Antike Welt (Zeitschrift)|Antike Welt]]''. Band 31, 2000, S.&nbsp;157–161. * {{Literatur|Autor=Ralf Scharf|Titel=Der Dux Mogontiacensis und die Notitia Dignitatum|Verlag=de Gruyter|Ort=Berlin|Jahr=2005|ISBN=311018835X}} * Wolfgang Selzer, Karl-Victor Decker, Anibal Do Paco: ''Römische Steindenkmäler. Mainz in römischer Zeit.'' Philipp von Zabern, Mainz 1988, ISBN 3-8053-0993-7. * [[Wolfgang Spickermann]]: ''Mogontiacum (Mainz) als politischer und religiöser Zentralort der Germania Superior.'' In: [[Hubert Cancik]], [[Alfred Schäfer (Archäologe)|Alfred Schäfer]], Wolfgang Spickermann (Hrsg.): ''Zentralität und Religion''. Mohr Siebeck, Tübingen 2006, ISBN 3-1614-9155-6 (Studien und Texte zu Antike und Christentum. 39). === Publikationsreihen (Auswahl) === * Generaldirektion Kulturelles Erbe Rheinland-Pfalz, Direktion Archäologie Mainz (Hrsg.): ''Mainzer Archäologische Zeitschrift''. Philipp von Zabern, ISSN 1413-0910. * Generaldirektion Kulturelles Erbe Rheinland-Pfalz, Direktion Archäologie Mainz (Hrsg.): ''Mainzer Archäologische Schriften.'' Philipp von Zabern. * Gerd Rupprecht (Hrsg.): ''Archäologische Ortsbetrachtungen.'' Band 1 bis 10, Philipp von Zabern, Mainz ab 2004. * Generaldirektion Kulturelles Erbe Rheinland-Pfalz, Direktion Archäologie Mainz (Hrsg.): ''Archäologie in Rheinland-Pfalz 2002.'' Philipp von Zabern, Mainz 2003, ISBN 3-8053-3093-6 (Jahrgänge 2002 bis 2006 erschienen) * Stadtbibliothek Mainz, Stadtarchiv, Mainzer Altertumsverein, Landesmuseum Mainz, Generaldirektion Kulturelles Erbe Rheinland-Pfalz, Direktion Archäologie Mainz, Stadtarchiv und Stadtbibliothek Mainz (Hrsg.): ''Die Mainzer Zeitschrift – Mittelrheinisches Jahrbuch für Archäologie, Kunst und Geschichte.'' Philipp von Zabern, Mainz (erscheint seit 1845). === Sachbuch für Kinder und Jugendliche === * Margot Klee: ''Linus aus Mogontiacum. Geschichten aus einer römischen Stadt für Kinder und Junggebliebene''. Mit Zeichnungen von Lydia Schuchmann. Philipp von Zabern, Mainz 2005, ISBN 3-8053-3474-5. == Weblinks == {{commonscat|Mogontiacum}} * [http://www.roemisches-mainz.de roemisches-mainz.de] – Initiative Römisches Mainz e.V. * [http://www.mainz.de/WGAPublisher/online/html/default/mkuz-5t3hsm.de.0 Mainz in römischer Zeit] (Stadt Mainz Online) * [http://www.archaeologie-mainz.de/ Generaldirektion Kulturelles Erbe – Direktion Archäologie Mainz] * [http://www.theatrum-mainz.de Theatrum Mogontiacensium] – Ausgrabungsstätte Römisches Bühnentheater (Webseite der Generaldirektion Kulturelles Erbe Rheinland-Pfalz, Direktion Landesarchäologie Mainz) * [http://www.rgzm.de/homepage/content.cfm?page_id=2000&lang=de Museum für Antike Schifffahrt]. Schwerpunkt: Römische Schiffsfunde Mainz * {{Livius|mo-mt|mogontiacum}} == Einzelnachweise und Anmerkungen == <references /> {{Exzellent}} [[Kategorie:Irdische Stadt]] [[Kategorie:Archäologischer Fundplatz in Rheinland-Pfalz]] [[Kategorie:Geschichte (Mainz)]] [[Kategorie:Mogontiacum| ]] [[Kategorie:Römische Befestigungsanlage (Germania Superior)]] [[it:Mogontiacum]] [[fr:Mogontiacum]] [[la:Moguntiacum]] [[nl:Mogontiacum]] knpwxqz04fjmh96a95hh54s6sdgz51d wikitext text/x-wiki Mogulreich 0 23947 27333 27332 2010-06-07T09:28:48Z YMS 441 neuneu10 dx29xilfw0u20q1sehhsa0js5thf0ij wikitext text/x-wiki Herman Moll 0 23948 26546 2010-04-17T14:00:30Z ChristophDemmer 0 /* Der Kartograph und der Weltumsegler */ [[Datei:Moll - A new map of the whole world with the trade winds.png|thumb|360px|right|''A new map of the whole world with the trade winds'', hier als Druck aus der dritten Auflage des ''Atlas Minor'', London 1736]] '''Herman(n) Moll''' (* vermutlich [[1654]]; † [[22. September]] [[1732]] in [[London]]) war ein [[Kupferstecher (Beruf)|Kupferstecher]], [[Kartograf|Kartograph]] und [[Verleger]]. Bekannt wurde Moll für seine zahlreichen, zumeist aufwändig gestalteten Kartendarstellungen Europas und Amerikas. Daneben stellte er auch Karten für [[Daniel Defoe]]s ''[[Robinson Crusoe]]'' und [[Jonathan Swift]]s ''[[Gullivers Reisen]]'' her. Molls Karten zeichnen sich vor allem durch die Klarheit in ihrer Darstellung und die bisweilen prachtvolle Gestaltung ihrer Titelkartuschen aus. In seinem Gesamtwerk sind die fünfbändige Ausgabe des „[[Atlas Geographus (Herman Moll)|Atlas Geographus]]“ (1711−1717) und der „[[Atlas Minor (Herman Moll)|Atlas Minor]]“ (1719) hervorzuheben, die beide in mehreren Auflagen erschienen. == Leben und Werk == === Herkunft === Herman Molls genaue Herkunft ist unbekannt. Aufgrund der überragenden Bedeutung der niederländischen [[Kartografie|Kartographie]] im 17. Jahrhundert und der Tatsache, dass er in seinen späten Jahren eine Reise durch die [[Niederlande]] unternahm, nahm man lange Zeit an, er stamme aus [[Amsterdam]] oder [[Rotterdam]]. Sein im Original überliefertes Testament, in dem er seinen gesamten Besitz „im Königreich Großbritannien, in Deutschland oder anderswo“ an seine Tochter Henderina Amelia Moll vermachte und die Tatsache, dass der Name „Moll“ nicht nur im niederländischen, sondern auch im norddeutschen Raum verbreitet war, legen jedoch eher eine deutsche Herkunft nahe. Sein Biograph Dennis Reinhartz vermutet, dass Moll aus [[Bremen]] stammte.<ref name="Reinhartz">Reinhartz, ''The cartographer and the literati'', S. 12–14.</ref> Als Geburtsjahr wird gemeinhin das Jahr 1654 angenommen. === Erste Jahre in London === [[Datei:Moll - A new map of the whole world (Detail).png|thumb|260px|right|Obwohl Moll bereits 1717 in einer Rezension zum ''Thesaurus Geographicus'' von John Green für seine fehlerhafte Darstellung [[Kalifornien]]s als Insel kritisiert worden war, taucht dieser Fehler in seinem 1719 veröffentlichten ''Atlas Minor'' noch immer auf (Ausschnitt aus der Karte ''A new map of the whole world'').]] Seit 1678 ist Molls Aufenthalt in London nachweisbar, doch ist über seine ersten Jahre dort nur wenig bekannt. Moll arbeitete zunächst als Kupferstecher für Verleger wie Moses Pitt, Sir Jonas Moore, Greenville Collins, John Adair, Seller & Price und andere. Seine wahrscheinlich ersten Karten mit den schlichten Titeln „America“ und „Europe“ erschienen in Moores ''A New Systeme of the Mathematicks containing … A New Geography'' im Jahr 1681 und tragen den [[Imprint]] „H. Mol schulp“. Vermutlich verkaufte Moll seine ersten eigenen Karten von einem Verkaufsstand aus, den er an wechselnden Plätzen in London aufbaute. Ab 1688 besaß er einen eigenen Laden bei Vanley's Court im Londoner Stadtteil [[Blackfriars (London)|Blackfriars]]. Zwischen 1691 und 1710 befand sich sein Geschäft an der Ecke Spring Garden und Charing Cross, bevor er schließlich an die entlang der [[Themse]] verlaufende Straße [[Strand (London)|Strand]] wechselte, wo er bis zu seinem Tode blieb. In den 1690er Jahren arbeitete Moll vorwiegend als Kupferstecher für Christopher Browne, Robert Morden und Lea, an deren Geschäften er auch beteiligt war. In diese Zeit fällt auch sein erstes größeres eigenständiges Werk, der 1695 erschienene ''Thesaurus Geographicus''. Der Erfolg dieser Arbeit bekräftigte Moll vermutlich in seiner Entscheidung, einen eigenen Kartenverlag zu gründen. === Der Kartograph und der Weltumsegler === [[Datei:Moll - A map of the world shewing the course of Mr Dampiers voyage round it from 1679 to 1691.png|thumb|340px|right|In Molls 1697 erschienener Weltkarte ist die Route von [[William Dampier|Dampiers]] erster Weltumrundung eingezeichnet.]] Für die Produktion seiner Karten war Moll auf möglichst genaue geographische Angaben aus erster Hand angewiesen. Moll profitierte dabei von seiner Bekanntschaft mit dem Weltumsegler und [[Piraterie|Freibeuter]] [[William Dampier]], der 1691 von seiner ersten Weltumrundung nach London zurückkehrte. Über die Erlebnisse seiner insgesamt zwölf Jahre dauernden Reise verfasste Dampier einen Bericht, der 1698 in London erschien und bereits ein Jahr später seine vierte Auflage erlebte. Die meisten der Karten und Illustrationen für die als ''A New Voyage round the World'' betitelte Erzählung fertigte Moll an. Während Molls kartographisches Material die Anschaulichkeit von Dampiers Schilderungen für den Leser enorm steigerte, waren Dampiers geographische Kenntnisse ungemein wichtig für die Genauigkeit von Molls Karten. In einer Zeit, in der Kartographen auf die Ortskenntnisse von Kaufleuten und Kapitänen angewiesen waren, war die Bekanntschaft mit einem Mann wie Dampier entscheidend für den wirtschaftlichen Erfolg eines Kartenzeichners wie Moll. Das wachsende Interesse des Publikums an Reiseliteratur und der enorme Erfolg von Dampier regte wiederum andere Autoren wie [[Daniel Defoe]] oder [[Jonathan Swift]] zu ähnlichen Werken an. Auch sie sollten später auf Molls künstlerische Fähigkeiten für die Illustration ihrer Werke zurückgreifen. === Erste Arbeiten als eigenständiger Verleger === Im Jahr 1701 erschien mit ''A System of Geography'' das erste Kartenwerk, das Moll in seinem eigenen Verlag veröffentlichte. Obwohl es keine grundlegenden Neuerungen in der Darstellung enthielt, half es ihm, sich als selbständiger Kartograph durchzusetzen. Über die Jahre wurden das Werk selbst sowie einzelne Karten daraus von Moll wie auch von anderen Verlegern immer wieder kopiert und neu aufgelegt. Nachdem er in den folgenden Jahren mehrere Bände mit Kriegskarten herausgebracht hatte, veröffentlichte Moll 1708 mit ''Fifty-Six new and accurate Maps of Great Britain'' einen Band mit Karten der Britischen Inseln. Ein Jahr später erschienen ''The Compleat Geographer'' und der ''Atlas Manuale''. Während der ''Compleat Geographer'' eine nur wenig innovative Erweiterung von ''A System of Geography'' darstellte, ragte der ''Atlas Manuale'' schon aufgrund seines kleinen Formats aus der Atlantenproduktion des frühen achtzehnten Jahrhunderts heraus. Seine zweiundvierzig einfarbig gestalteten Karten erschienen ohne den üblichen Textapparat und bestachen durch ihre Klarheit und Übersichtlichkeit. Durch den Verzicht auf Farben konnte Moll seinen Atlas deutlich günstiger produzieren als vergleichbare Werke und so durchlief der ''Atlas Manuale'' innerhalb kürzester Zeit zahlreiche Neuauflagen. [[Datei:Taschenglobus.jpg|thumb|220px|right|Ein 1716 von [[Charles Price]] angefertigter, Molls Arbeit sehr ähnlich sehender Taschenglobus.]] Zwei Jahre später gab er seinen ''[[Atlas Geographus (Herman Moll)|Atlas Geographus]]'' heraus, der in monatlichen Lieferungen von 1711 bis 1717 erschien und schließlich fünf Bände umfasste. Dieser enthielt eine vollständige geographische Darstellung der Welt in farbigen Karten, sowie zusätzliche – nicht von Moll stammende – Illustrationen. Zu Molls Subskribenten gehörten Buchhändler und Verleger aus London, aber auch bereits aus einer Reihe anderer englischer Städte. Wie schon ''A System of Geography'' wurde auch der ''Atlas Geographus'' eifrig kopiert und nachgeahmt. Ab 1710 begann Moll mit der Herstellung kunstfertig gearbeiteter Taschen[[Globus (Kartografie)|globen]]. Es handelte sich dabei jeweils um ein Globenpaar, wobei der größere, aufklappbare Himmelsglobus einen kleineren Erdglobus umschloss. Auf letzterem war auch wieder die Route der Weltumseglung [[William Dampier|Dampiers]] eingezeichnet. Diese Globen sind heute sehr selten und stellen unter den im Original überlieferten Arbeiten Molls eine große Rarität dar (eine Abbildung von Molls Taschenglobus siehe unter Weblinks). === Moll, Defoe und das englische Südseeunternehmen === Mit seinem 1711 veröffentlichten Buch ''A View of the Coasts, Countries, and Islands within the limits of the South-Sea-Company'' griff Moll in eine zu jener Zeit laufende außenpolitische Debatte ein. Um die Wende vom 17. zum 18. Jahrhundert hatte das Interesse der Engländer an Unternehmungen in den [[Pazifischer Ozean|Pazifischen Ozean]] stark zugenommen. Die englischen Kaufleute waren auf der Suche nach neuen Investitionsmöglichkeiten und der günstige Verlauf des [[Spanischer Erbfolgekrieg|Spanischen Erbfolgekriegs]] weckte Hoffnungen auf Handelsoptionen in den bislang ausschließlich den Spaniern offenstehenden Häfen an der Westküste Südamerikas. Zudem hatten die Beutezüge [[William Dampier|Dampiers]] und anderer englischer Freibeuter die zunehmende Schwäche der Spanier eindrucksvoll belegt. Die Tatsache, dass diese offenbar immer weniger in der Lage waren, ihre südamerikanischen Besitzungen ausreichend zu schützen, spielte in der literarischen Verarbeitung der Reisen Dampiers eine prominente Rolle. Gleichzeitig malte Dampier in seinen Reiseberichten ein über alle Maßen positives Bild vom Reichtum und wirtschaftlichen Potential der Südsee. Und genau diese Schilderungen Dampiers gab Moll in seinem Vorwort als wichtigste Quelle für sein 1711 erschienenes Werk an. Weiteren Einfluss auf Molls Sicht des südpazifischen Raumes übte sein enger Kontakt zu [[Daniel Defoe]] aus. Defoe und Moll trafen sich regelmäßig in dem 1680 gegründeten Kaffeehaus „[[Jonathan's Coffee House|Jonathan's]]“, einem beliebten Treffpunkt für die Londoner Finanz- und Börsenwelt in der [[City of London]]. Vor dem Beginn seiner Karriere als Romanautor hatte sich Defoe zunächst als Kaufmann betätigt und trat ab den 1690er Jahren als Autor verschiedener politischer Satiren und [[Pamphlet]]e in Erscheinung. Zwischen 1704 und 1713 veröffentlichte Defoe den dreimal wöchentlich erscheinenden ''Review'', ein Blatt, das sich vor allem mit Fragen britischer Kolonialpolitik befasste. Darin trat Defoe vehement für die Durchsetzung englischer Herrschaftsansprüche in Übersee und für die Erschließung neuer Märkte für heimische Textilfabrikate ein. Auch wenn für die Behauptung, der Titel seines späteren Buchs ''[[Moll Flanders]]'' sei von einer Werbeanzeige mit dem Titel „The History of Flanders with Moll's Map“ (dt. „Die Geschichte Flanderns mit Molls Karte“) inspiriert, ausreichende Belege fehlen, so steht doch fest, dass zwischen Defoe und Moll ein enger Gedankenaustausch − insbesondere über Fragen der englischen Kolonialpolitik − stattfand. [[Datei:Moll - A New and Exact Map of the Coast, Countries and Islands within the Limits of the South Sea Company.png|thumb|300px|right|''A New & Exact Map of the Coast, Countries and Islands within ye Limits of ye South Sea Company'', London 1711, hier in einem Nachdruck aus dem Jahr 1720]] Molls Buch enthielt die Karte ''A New & Exact Map of the Coast, Countries and Islands within ye Limits of ye South Sea Company'', deren Widmungskartusche mit dem Text „To the Rt. Hon.ble Robert Earl of Oxford and Mortimer &c…“ versehen war. Gemeint war damit [[Robert Harley, 1. Earl of Oxford and Mortimer|Robert Harley]], der Gründer der [[South Sea Company]], als dessen Sekretär Daniel Defoe unter anderem arbeitete. Diese Londoner Südseekompanie hatte im Jahr 1710 im Vorgriff auf das Kriegsende − das tatsächlich erst 1713 stattfand − Exklusivrechte auf den Handel mit Spanisch-Amerika erhalten, sie löste sich aber nach nur knapp zehnjährigem Bestehen in der sogenannten „[[South Sea Bubble]]“ auf. Molls Karte zeigt den Einflussbereich der Handelskompanie im Raum des Südpazifiks. Ein besonderer Schwerpunkt liegt dabei auf den an der südamerikanischen Westküste gelegenen Häfen, die gleich zu Hunderten in die Karte eingetragen sind. Wichtige Plätze wie [[Guayaquil]] sind zusätzlich noch detaillierter in einer der zwölf [[Nebenkarte]]n am Rande des Blattes dargestellt. Einen prominenten Platz nimmt die Darstellung der [[Juan-Fernández-Inseln]] in einer dieser Nebenkarten ein. Dies war der Ort, an dem [[Alexander Selkirk]], das Vorbild für Defoes Romanfigur [[Robinson Crusoe]], von einem der Kapitäne aus Dampiers Expedition im Jahr 1704 ausgesetzt und erst 1709 wieder befreit worden war. Mit Karten wie dieser nahm Moll ebenso starken Einfluss auf die öffentliche Debatte wie die Romanautoren [[Daniel Defoe|Defoe]] oder [[Jonathan Swift|Swift]] – und dies vor allem auch, weil seine Karten auch Analphabeten eine Vorstellung von den dargestellten Räumen ermöglichten. Ganz konkreten Einfluss auf Defoes Südamerika-Pläne nahm er jedoch durch einen Fehler in der Darstellung [[Südamerika]]s. Eine von Defoes Ideen bestand nämlich in der Errichtung eines Handelsstützpunktes in [[Patagonien]], von dem aus eine Handelsverbindung mit [[Chile]] aufgebaut werden sollte. Defoe hatte aber nur sehr ungenaue Vorstellungen von der Geographie der [[Anden]] und vermutete auf der Grundlage von Molls Karten, sie seien über Pässe problemlos zu überwinden. Während Defoes Pläne allerdings spätestens mit der [[South Sea Bubble]] platzten, wurde Molls Karte ''A New & Exact Map of the Coast, Countries and Islands within ye Limits of ye South Sea Company'' noch nach seinem Tode in späteren Auflagen seines Werkes ''The World Described'' nachgedruckt. === ''The World Described'' und ''Atlas Minor'' === [[Datei:Moll - Inset Beaver Map.png|thumb|180px|left|Ausschnitt aus der so genannten ''Beaver Map'']] Im Jahr 1715 erschien Molls ''The World Described'', eine Sammlung von dreißig großen, doppelseitigen Karten, die bis 1754 zahlreiche Neuauflagen erlebte. Die Karten, in denen Molls Kunstfertigkeit als [[Kupferstecher (Beruf)|Kupferstecher]] besonders zur Geltung kommt, wurden zunächst einzeln und später gebunden in Form eines [[Atlas (Kartografie)|Atlanten]] verkauft. Der Druck war ein Gemeinschaftsunternehmen von Moll und einer Reihe anderer Verleger. Der Band enthielt zwei der bekanntesten Karten Molls, ''A new and exact map of the Dominions of the King of Great Britain'' und ''John Lord Sommers This map of North America'', die wegen ihrer auffälligen und kunstvoll gearbeiteten Insetdarstellungen als ''Beaver Map'' und als ''Codfish Map'' bekannt wurden. Die ''Beaver Map'' zeigt eine Szene dammbauender Biber vor den [[Niagarafälle]]n, die aber ursprünglich nicht von Moll selbst stammte, sondern aus einer wenig bekannten Karte von [[Nicolas de Fer]] aus dem Jahr 1698. Dennoch trug Molls Karte durch ihre Popularität zur Etablierung des Bibers als Sinnbild für die nordamerikanischen Kolonien bei. [[Datei:Moll - Inset Codfish Map.png|thumb|280px|right|Ausschnitt aus der so genannten ''Codfish Map'']] Molls ''Codfish Map'' zeigt in ihrer [[Kartusche (Kartografie)|Titelkartusche]] eine Szene aus der Kabeljaufischerei vor [[Neufundland]]. Seit Beginn des 16. Jahrhunderts stellte die Kabeljaufischerei in den [[Neufundlandbank|Neufundlandbänke]]n einen wichtigen wirtschaftlichen Faktor für die europäischen Kolonialmächte dar. Zur Zeit der Herstellung der Karte war der Kampf um die Fischereirechte einer der zentralen Streitpunkte in der Nordamerikapolitik Frankreichs und Englands. Mit seiner Darstellung der Verarbeitung des fangfrischen Kabeljaus zur Verschiffung nach Europa hob Moll die Wichtigkeit dieses Wirtschaftsbereiches für sein Heimatland England hervor. Über die Auswahl der Szenen für Titelkartuschen und [[Nebenkarte|Nebenkarten]] hinaus versuchte Moll auch immer wieder über die Beschriftung der Karten seine Botschaft von der Bedeutung der kolonialen Machtausdehnung Englands zu vermitteln. In der ''Codfish Map'' beschriftete er den [[Atlantischer Ozean|Atlantischen Ozean]] als „Sea of the British Empire“ und unterstrich damit die englischen Ansprüche auf das Fischereirecht vor der Küste Neufundlands. In einer Westindien-Karte aus demselben Band schrieb er in die südwestliche Ecke Carolinas die Worte „Spanish Fort Deserted“ und „Good Ground“. Auf vielen seiner Nordamerikakarten – unter anderem auf der ''Beaver Map'' – zeichnete er insbesondere in der Nähe wichtiger Häfen Straßen ein, weil er wusste, dass eine ausreichende Infrastruktur für die weitere englische Expansion von großer Bedeutung war. [[Datei:Moll - Atlas Minor - Title (Detail).png|thumb|430px|center|Titelkupfer der dritten Ausgabe des ''[[Atlas Minor (Herman Moll)|Atlas Minor]]'' aus dem Jahr 1736 (Ausschnitt)]] Im Jahr 1719 veröffentlichte Moll die erste einer Vielzahl von Ausgaben seines ''[[Atlas Minor (Herman Moll)|Atlas Minor]]''. Dieser kleinere Atlas kam ohne den üblichen weitschweifigen Textteil aus und zeigte aktuelle Darstellungen aller bis dahin bekannten Regionen der Erde. Auch hier setzte Moll im Bereich der Nordamerikakarten seine Kolonialwerbung fort. Die Karte ''A Plan of Port Royal harbour in Carolina'' beschriftete er mit dem Text: :''Port Royal River lies 20 Leagues from Ashley River S.W. it has a bold Entrance 19 or 20 Foot at Low Water, the Harbour is large, safe and commodious and runs into ye best Country in Carolina. Here ye Air is always clear and Agreeable to European Constitutions.'' Was Moll dabei bewusst verschwieg, war die Tatsache, dass die Sterblichkeit der Siedler im feuchten und sumpfigen Südwesten [[South Carolina]]s zu seiner Zeit nahezu genauso hoch war wie auf den britischen Überseebesitzungen in der [[Karibik]]. Die Gefahren durch Indianer verharmloste er durch dekorative Porträts der 'Guten Wilden' als Beigaben zu seinen aufwendig gestalteten Titelkartuschen und Umrahmungen. In seiner Beschriftung der ''Beaver Map'' erwähnte er zwar die [[Irokesen]] als „tüchtige Freunde der Engländer“ im Kampf gegen die Franzosen, ließ dabei aber unerwähnt, dass sich die Franzosen gleichfalls solcher „tüchtiger Freunde“, nur von anderen Stämmen, bedienten. Jenseits aller politischen Ausrichtung waren Molls Karten zu seinen Lebzeiten und weit darüber hinaus stilprägend und gehören noch heute zu den ästhetisch anspruchsvollsten Kupferstichen in der Geschichte der Kartographie. Molls ''Atlas Minor'' blieb bis zu seiner letzten Ausgabe im Jahr 1781 eines der wichtigsten Kartenwerke des 18. Jahrhunderts. === „My worthy friend, Mr. Herman Moll“ – ''Gullivers Reisen'' === Sechs Jahre vor Molls Tod veröffentlichte [[Jonathan Swift]] seinen Roman ''Lemuel Gulliver's travels into several remote nations of the world'' (dt. ''[[Gullivers Reisen]]''). Das Werk, das heute fälschlicherweise als Kinderbuch gilt, weil zwei seiner Episoden zu Kindergeschichten umgetextet wurden, ist in Wirklichkeit eine bissige gesellschaftskritische Satire und setzte sich neben Fragen zur Politik, Philosophie und Wissenschaft auch mit dem englischen Expansionsstreben im ersten Drittel des 18. Jahrhunderts auseinander. Zwei Personen aus Swifts Londoner Bekanntenkreis werden darin namentlich erwähnt: der Weltumsegler [[William Dampier]] (der von Swift als Cousin Gullivers in die Geschichte eingeführt wird) und der Kartenmacher Herman Moll. Dampiers rund dreißig Jahre zuvor erschienenes – und von Swift direkt genanntes − Buch ''A New Voyage round the World'' gab die ideale Vorlage für Gullivers Reisebericht ab. Damit karikierte Swift die Sucht des englischen Lesepublikums nach immer neuen Beschreibungen ferner Länder, nutzte diese aber zu seinem eigenen wirtschaftlichen Vorteil. Und gleichzeitig erweiterte er ''Gullivers Reisen'' um jene unverzichtbare Beilage, ohne die ein Reisebericht der damaligen Zeit kaum auskommen konnte: um die Karten Herman Molls. [[Datei:Moll - Map of Lilliput.png|thumb|170px|right|Karte von Lilliput]] Moll selbst wird im elften Kapitel des vierten Teils erwähnt, in einer Passage, die Gullivers Ankunft in ''New Holland'' (Australien) beschreibt: :''I lay all night in my canoe; and repeating my voyage early in the morning, I arrived in seven hours to the south-east point of New Holland. This confirmed me in the opinion I have long entertained, that the maps and charts place this country at least three degrees more to the east than it really is; which thought I communicated many years ago to my worthy friend, Mr. Herman Moll, and gave him my reasons for it, although he has rather chosen to follow other authors.'' :''Die ganze Nacht blieb ich in meinem Kanu liegen; alsdann setzte ich meine Reise am Morgen weiter fort und erreichte nach sieben Stunden die südöstliche Spitze von Neuholland. Alles bestätigte die schon früher von mir gehegte Meinung, daß die geographischen Karten dies Land wenigstens um drei Grade zu weit nach Osten setzen. Vor mehreren Jahren machte ich hierüber meinem würdigen Freunde, Hermann Moll, eine Mitteilung, und sagte ihm die Gründe, weshalb ich meinen Gedanken für wahr halte. Er hat es jedoch vorgezogen, die Angaben anderer Schriftsteller zu befolgen.'' Obwohl Swift an dieser Stelle die Beharrlichkeit seines ''werten Freundes Mr. Herman Moll'' im Festhalten an bereits widerlegten Fakten aufspießt, folgt er in seiner sonstigen Darstellung geographischer Gegebenheiten weitgehend dessen 1719 erstmals erschienenen Weltkarte ''A new map of the whole world with the trade winds'' (Abbildung siehe oben). Insbesondere die Umrisse Japans und die Benennung der Orte belegen, dass Molls Zeichnungen als Vorlage von Swifts Schilderungen dienten. Die von Moll eigens für ''Gullivers Reisen'' hergestellten Karten erhöhten − genauso wie schon bei den bereits 1719 für [[Daniel Defoe|Defoes]] ''[[Robinson Crusoe]]'' angefertigten Abbildungen – die Anschaulichkeit des Romans und trugen in nicht unerheblicher Weise zum Erfolg des Werkes bei. Seit der ersten Auflage des Buches wurden auch Molls Karten vielfach mitreproduziert und gehören damit kurioserweise – wie Frederick Bracher treffend festgestellt hat – zu den am weitesten verbreiteten Karten, die Moll jemals gezeichnet hat.<ref name="Bracher">Bracher, ''The Maps in Gulliver's Travels'', S. 63−64.</ref> === Das letzte Jahrzehnt === [[Datei:Stukeley - Herman Moll.png|thumb|170px|right|Porträt Hermann Molls von [[William Stukeley]] aus dem Jahr 1723]] Im letzten Jahrzehnt seines Lebens setzte Moll seine kartographische Arbeit vor allem anhand von Darstellungen der britischen Inseln fort. Einem 1724 veröffentlichten Atlas mit Karten zu England und Wales folgten 1725 ein Atlas mit Karten Schottlands und 1728 ein Band mit Darstellungen Irlands. Darüber hinaus schuf er bereits 1721 mit ''Thirty two new and accurate Maps of the Geography of the Ancients'' einen Geschichtsatlas für den Schulgebrauch. Eine Rarität unter seinen Werken stellt heute der Band ''Roads of Europe'' dar, der im Jahre seines Todes erschien und wohl aus diesem Grund keine hohe Auflage erlebte. Die genauen Umstände seines Todes liegen im Dunkeln. Das einzige überlieferte Porträt Molls, gefertigt von seinem engen Freund [[William Stukeley]] aus dem Jahr 1723 stellt ihn jedoch noch im Alter von knapp 70 Jahren mit einem klaren, aufmerksamen Blick dar. Schon in Molls letztem Lebensjahrzehnt, insbesondere aber nach seinem Tod, wurden seine Karten in einer steigenden Zahl von Nach- und [[Raubdruck]]en verbreitet. Selbst die in ihnen enthaltenen Fehler wie die Darstellung [[Insel Kalifornien|Kaliforniens]] als Insel wurden dabei nie korrigiert. Die bis heute andauernde Nachfrage nach Molls Kupferstichen gibt eine ungefähre Vorstellung von seiner nachhaltigen Popularität. Zuletzt erschien seine ''Map of the Island of Bermudos'' aus dem Jahr 1709 auf einer 1987 ausgegebenen Briefmarke [[Bermuda]]s. Molls Karten spiegeln stets eine spezifische Weltsicht wider, die seinem Ruhm jedoch keinen Abbruch getan hat. == Werke (Auswahl) == * ''Thesaurus Geographicus'' (1695) * ''A System of Geography'' (1701) * ''A History of the English Wars'' (1705) * ''The History of the Republick of Holland'' (1705) * ''A Description of all the Seats of the present Wars of Europe'' (1707) * ''Fifty-Six new and accurate Maps of Great Britain'' (1708) * ''The Compleat Geographer'' (1709) * ''Atlas Manuale'' (1709) * ''A View of the Coasts, Countries, and Islands within the limits of the South-Sea-Company'' (1711) * ''Atlas Geographus'' (1711−1717) * ''The World Described'' (1715) * ''Atlas Minor'' (1719) * ''Thirty two new and accurate Maps of the Geography of the Ancients'' (1721) * ''A Set of fifty New and Correct Maps of England and Wales'' (1724) * ''A Set of thirty-six New and Correct Maps of Scotland'' (1725) * ''A Set of twenty New Maps of Ireland'' (1728) * ''Roads of Europe'' (1732) == Literatur == * Dennis Reinhartz: ''The cartographer and the literati − Herman Moll and his intellectual circle'', Lewiston NY 1997, ISBN 0-7734-8604-6. * Sarah Tyack: ''London Map-Sellers 1660−1720'', Tring 1978, ISBN 0-906430-00-3. * Frederick Bracher: ''The Maps in Gulliver's Travels'', in: Huntington Library Quarterly 8 (1944/45), {{ISSN|0018-7895}}, S.59−74. == Weblinks == {{Commons|Herman Moll}} * [http://www.nmm.ac.uk/collections/explore/object.cfm?ID=GLB0197 Terrestrial and celestial pocket globe (GLB0197)] – Foto eines von Moll 1719 gefertigten Taschenglobus aus der Sammlung des [http://www.nmm.ac.uk National Maritime Museum], London. == Einzelnachweise == <references /> {{Normdaten|PND=12039376X|LCCN=n/50/3735|VIAF=87854627}} {{SORTIERUNG:Moll, Herman}} {{Exzellent}} [[Kategorie:Mann]] [[Kategorie:Engländer]] [[Kategorie:Kupferstecher]] [[Kategorie:Kartograf (17. Jahrhundert)]] [[Kategorie:Kartograf (18. Jahrhundert)]] [[Kategorie:Globenhersteller]] [[Kategorie:Verleger]] [[Kategorie:Geboren 1654]] [[Kategorie:Gestorben 1732]] {{Personendaten |NAME=Moll, Herman |ALTERNATIVNAMEN=Moll, Hermann |KURZBESCHREIBUNG=Kupferstecher, Kartograf, Verleger |GEBURTSDATUM=1654 |GEBURTSORT= |STERBEDATUM=22. September 1732 |STERBEORT=[[London]] }} [[ca:Herman Moll]] [[en:Herman Moll]] qwoqeuqo0473mgmeu4eteqriehl9xb8 wikitext text/x-wiki Monarchfalter 0 23949 26547 2010-04-03T18:05:09Z Olaf Studt 0 /* Verbreitung und Ausbreitung */ [[Gossypium|Goss*y*pium arbor*eu*m]] <!-- Für Informationen zum Umgang mit dieser Tabelle siehe bitte [[Wikipedia:Taxoboxen]]. --> {{Taxobox | Taxon_Name = Monarchfalter | Taxon_WissName = Danaus plexippus | Taxon_Rang = Art | Taxon_Autor = ([[Carl von Linné|Linnaeus]], 1758) | Taxon2_WissName = Danaus | Taxon2_LinkName = Danaus (Gattung) | Taxon2_Rang = Gattung | Taxon3_WissName = Danaini | Taxon3_Rang = Tribus | Taxon4_WissName = Danainae | Taxon4_Rang = Unterfamilie | Taxon5_Name = Edelfalter | Taxon5_WissName = Nymphalidae | Taxon5_Rang = Familie | Taxon6_Name = Schmetterlinge | Taxon6_WissName = Lepidoptera | Taxon6_Rang = Ordnung | Bild = BBGMonarchButterflyWings.jpg | Bildbeschreibung = Monarchfalter (''Danaus plexippus'') }} Der '''Monarchfalter''' (''Danaus plexippus'') oder '''Amerikanische Monarch''' ist ein auffällig orange und schwarz gezeichneter [[Schmetterling]] ([[Tagfalter]]) aus der Familie der [[Edelfalter]] (Nymphalidae). Er ist in Amerika weit verbreitet und hat sich im 18. Jahrhundert über den Südpazifik bis nach Australien ausgebreitet. Der Monarchfalter ist der am besten erforschte Schmetterling Nordamerikas und ein berühmter [[Wanderfalter]]. Einzelne Tiere legen bei Wanderungen im Herbst in Nordamerika bis zu 3600 Kilometer zurück. Die östliche Population in Nordamerika überwintert mit mehreren 100 Millionen Tieren auf wenigen [[Hektar]] in der [[Mexiko|mexikanischen]] [[Sierra Nevada (Mexiko)|Sierra Nevada]]. Die deutlich kleinere westliche Population überwintert entlang der Pazifikküste in Kalifornien. == Merkmale == === Falter === [[Datei:Danaus plexippus 001.jpg|thumb|Männchen mit deutlich sichtbaren Duftschuppentaschen]] [[Datei:Albino monarch butterfly.jpg|thumb|''D. plexippus'' f. ''nivosus'']] Die Monarchfalter haben Flügel mit oranger Grundfarbe und schwarz-weißer Zeichnung. Die Flügeladern und ihre Ränder sind schwarz. An den schwarzen Flügelspitzen haben sie zwei Reihen weißer bis cremefarbener Punkte. Auf den schwarzen Binden am Flügelaußenrand verlaufen zwei Reihen kleiner weißer Punkte. Die Grundfarbe der Flügelunterseite ist heller, besonders auf den Hinterflügeln. Der schwarze Körper hat am Kopf und [[Thorax (Gliederfüßer)|Thorax]] weiße Punkte und am Hinterleib drei bis vier dünne weiße Ringe. Die Größe der Falter variiert stark, die durchschnittliche Vorderflügellänge beträgt 47 bis 50 Millimeter. Die Männchen sind in der Regel kleiner als die Weibchen und haben an der zweiten Ader der Hinterflügel eine schwarze, mit [[Duftschuppen]] gefüllte Tasche, die nach dem Schlupf aus der Puppe gebildet wird. An dieser Stelle ist der Flügel und die daneben verlaufende Flügelader angeschwollen. Die Männchen haben auffällige graue Haarbüschel am Abdomen. Diese spielen bei der Paarung eine wichtige Rolle und bestehen jeweils aus etwa 400 2,1 Millimeter langen und 10 Mikrometer dicken Härchen, die aus dem letzten Drittel der ausstülpbaren Haarbüschelschäfte sprießen. Die Haarbüschel, mit nur einem Typ Haare, und die Duftschuppentaschen, ein typisches Merkmal für die Tribus [[Danaini]], sind gegenüber anderen Arten der Gattung und der Tribus stark reduziert.<ref name="Milkweed77">Vane-Wright & Ackery (1984), S. 77</ref><ref name="Boppre">{{Literatur |Autor=Michael Boppré |Herausgeber=S. B. Malcom & M. P. Zalucki |Titel=The American Monarch: Courtship and chemical communication of a peculiar Danaine butterfly |Sammelwerk=Biology and Conservation of the Monarch Butterfly |Jahr=1993 |Ort=Los Angeles |Verlag=Natural History Museum of Los Angeles County |Online=[http://www.fzi.uni-freiburg.de/pdf/1993Boppre_monarch.pdf PDF (3MB)] |Zugriff=26. September 2008}} </ref> Die weiblichen Falter haben insgesamt eine hellere Grundfarbe, wobei die Ränder entlang der Adern breiter und beide dunkler gefärbt sind. Bei der sehr seltenen Form ''D. plexippus'' f. ''nivosus'', die [[Autosomen|autosomal]] [[rezessiv]] vererbt wird, sind alle Flügelbereiche gräulich-weiß, die normalerweise orange sind. Die Form wurde schon überall gesichtet (Amerika, Australien, Indonesien) und ist bis auf [[Hawaii]] sehr selten. Auf der Hawaii-Insel [[Oahu]] werden bis zu 10 Prozent der Falter in dieser Form angetroffen.<ref name="MonarchWatch"> {{internetquelle |hrsg=monarchwatch.org |url=http://www.monarchwatch.org/read/articles/nivosus.htm |format=HTML |sprache=englisch |titel=Monarch Watch |zugriff=2. März 2008 }} </ref> Die Flügel und der gesamte Körper einschließlich der Beine sind bis auf die [[Facettenauge]]n mit [[Schuppe (Morphologie)|Schuppen]] bedeckt. 900.000 bis 1,5 Millionen Schuppen unterschiedlicher Form, die von schmalen Schuppen unterschiedlicher Länge mit bis zu zwei Zacken bis zu ovalen Formen mit bis zu drei Zacken reichen, bedecken die Flügel. Die schmalen und langen Schuppen am Flügelrand ähneln Haaren und bilden die Flügelfransen. An Kopf und Thorax sind Schuppen unterschiedlicher Form von Haaren durchsetzt. Auf den Beinen haben alle Schuppen die gleiche längliche Form mit zwei Zacken.<ref name="Urquhart64">Urquhart (1987), S. 64ff</ref> === Ei === [[Datei:DanaisPlexippusEggScudder.png|thumb|upright|Ei (aus [[Samuel Hubbard Scudder]])]] Frisch gelegte Eier sind cremig-weiß, innerhalb von drei bis vier Tagen verfärben sie sich dunkelgrau. Ein Ei wiegt im Schnitt 0,54 Milligramm, ist circa 1,2 Millimeter lang und hat einen Durchmesser von etwa 0,87 Millimeter (Durchschnittswerte gemessen an 55 Eiern). Längs der Oberfläche verlaufen etwa 22, teils verzweige, Rippen. Quer dazu laufen etwa 32 kleinere Rippen, die mit den Längsrippen kleine Zellen bilden. An den Enden des Eis werden die durch die Rippen gebildeten Zellen unregelmäßig und immer kleiner, um schließlich oben in die [[Mikropyle]] überzugehen, durch die später die Eiraupe schlüpft.<ref name="Urquhart15">Urquhart (1987), S. 15ff</ref> === Raupe === [[Datei:Monarch Butterfly Danaus plexippus Vertical Caterpillar 2000px.jpg|thumb|upright|Eine Raupe im letzten Stadium frisst an ''[[Asclepias incarnata]]'' in Pennsylvania]] Die Eiraupen haben einen schwarzen, glänzenden Kopf und einen hellen grau-weißen Körper. Nach der ersten Häutung nehmen die Raupen ihr typisches weiß – schwarz – gelbes Bandmuster aus Querstreifen an. Die Breite der einzelnen Farben kann je nach geografischer Region schwanken, auf den [[Antillen]] etwa sind die Raupen fast schwarz. Im zweiten Larvenstadium werden die für die Tribus Danani typischen fleischigen Fortsätze, zwei am Thorax (Segment 2) und zwei am Analsegment (Segment 11), sichtbar. Alle Larvenstadien können anhand von Merkmalen an Kopf und [[Metathorax]] unterschieden werden. === Puppe === [[Datei:Monarch Butterfly Cocoon 3.jpg|thumb|upright|Puppe mit Goldflecken und -Band]] Die Raupe verpuppt sich in einer gedrungen wirkenden [[Stürzpuppe]], die anfangs hellgrün ist und später dunkelgrün wird. Die Haut der Puppe, die leicht transparent erscheint, erinnert an [[Jade]]. Auf der Puppe befinden sich mehrere kleine und wenige größere goldene Punkte, am Abdomen bilden die Punkte ein durchgehendes Band, das nach unten von einem schwarzen Band begleitet wird. Selten kommen gelbliche oder weißliche Formen vor, die eine Anpassung an eine andere Umgebungsfarbe sind.<ref name="Felipe"/> == Mimikry und ähnliche Arten == Viele Arten der Gattung ''[[Danaus (Gattung)|Danaus]]'' sind dem Monarchfalter ähnlich, mit einigen Arten bildet er Müllersche [[Mimikry]]ringe. Müllersche und Bates’sche Mimikry sind auch zusammen mit Arten anderer Gattungen bekannt. * ''[[Danaus erippus]]'' ist die Geschwisterart von ''D. plexippus'' und ist südlich des Amazonas in Südamerika verbreitet. Sie wurde früher als Unterart betrachtet und ist heute aufgrund genetischer Untersuchungen als Art akzeptiert. Der Falter ist dunkler als ''D. plexippus'' und hat einen weißen Fleck auf dem braunen Grund von Zelle 3 am Rand zum schwarzen Außenrandband. Dieser weiße Fleck tritt bei ''D. plexippus'' nur ganz selten auf.<ref name="Smith">{{Literatur |Autor=Smith, David A. S.; Lushai, Gugs & Allen, John A. |Herausgeber= |Titel= A classification of ''Danaus'' butterflies (Lepidoptera: Nymphalidae) based upon data from morphology and DNA |Sammelwerk=Zoological Journal of the Linnean Society |Band=144 |Nummer=2 |Jahr=2005 |Seiten=191–212 |DOI=10.1111/j.1096-3642.2005.00169.x |Online=[http://www.blackwell-synergy.com/doi/abs/10.1111/j.1096-3642.2005.00169.x?cookieSet=1&journalCode=zoj HTML] |Zugriff=2. März 2008}} </ref> ''D. erippus'' hat ein ähnliches Wanderverhalten wie ''D. plexippus'', das aber nur schlecht erforscht ist. In den Monaten März bis April, dem Herbst auf der Südhalbkugel, wurden in Argentinien nordwärts gerichtete Wanderungen beobachtet und Überwinterungsquartiere sind aus der Provinz [[Chaco (Provinz)|Chaco]] im Norden des Landes bekannt. Die geographische Breite des nordargentinischen Überwinterungsgebietes von ''D. erippus'' entspricht jener von ''D. plexippus'' auf der Nordhalbkugel.<ref name="Williams26">Williams (1961), S. 26</ref> * ''[[Danaus gilippus]]'' wird im englischen als ''Queen'' (''Königin'') bezeichnet und ersetzt den Monarchfalter größtenteils in Florida (''D. gilippus berenice'') und im Südwesten der USA (''D. gilippus strigosus''). Im Südosten ist er bräunlicher und im Südwesten heller gefärbt. Die Art ist dem [[Afrikanischer Monarch|Afrikanischen Monarch]] (''Danaus chrysippus'') sehr ähnlich und kann entweder als Schwester- oder als deren Unterart in der neuen Welt betrachtet werden.<ref name="Milkweed46">Vane-Wright & Ackery (1984), S. 46</ref> Die Gesamtverbreitung erstreckt sich über weite Teile Südamerikas. * ''[[Danaus cleophile]]'' hat ein kleines Verbreitungsgebiet auf [[Hispaniola]] und [[Jamaika]], wo er zusammen mit dem Monarchfalter vorkommt. Er unterscheidet sich vom Monarchfalter durch gelbe statt weiße Flecken in der Apikal- und Subapikalregion. * ''[[Limenitis archippus]]'' (<span class="Person">Cramer</span> 1775) wird im englischen als ''Viceroy'' (''Vizekönig'') bezeichnet und ist ein ebenfalls manchmal giftiger Falter aus der Unterfamilie der [[Eisvögel (Schmetterlinge)|Eisvögel]] (Limenitidinae) innerhalb der Familie der Edelfalter. Er ist in Nordamerika verbreitet, von der Ostküste der USA bis zu den [[Nordwest-Territorien]] Kanadas im Nordwesten, entlang dem Ostrand der [[Kaskadenkette]] und der [[Sierra Nevada (Vereinigte Staaten)|Sierra Nevada]] nach Süden bis nach Zentralmexiko. Die orange Unterart ''Limenitis archippus archippus'' entwickelte im nördlichen Verbreitungsgebiet eine Signalnormierung (Müllersche Mimikry) mit ''Danaus plexippus''. In Gebieten, wo der Monarch nur selten vorkommt, im Südwesten und Südosten (Georgia und Florida) entwickelte die braune Unterart ''Limenitis archippus floridensis'' mit ''Danaus gilippus berenice'' eine Signalnormierung.<ref name="Ritland">{{Literatur |Autor=David B. Ritland |Herausgeber=University of Notre Dame |Titel=Mimicry-Related Predation on Two Viceroy Butterfly (Limenitis archippus) Phenotypes |Sammelwerk=American Midland Naturalist |Band=140 |Nummer=1 |Verlag= |Ort=Notre Dame |Jahr=1998 |Monat=July |Seiten=1–20 |ISSN= |Online=[http://links.jstor.org/sici?sici=0003-0031(199807)140%3A1%3C1%3AMPOTVB%3E2.0.CO%3B2-E HTML] |Zugriff=10. Februar 2008}} </ref> ''L. archippus'' gleicht dem Monarchfalter in Größe und Farbe sehr, kann aber anhand eines zusätzlichen schwarzen Streifens in der Postdiskalregion auf dem Hinterflügel von diesem unterschieden werden. * ''[[Danaus genutia]]'' (<span class="Person">Cramer </span>1779) kommt in Südostasien, von Indien über die Philippinen bis nach Nordwestaustralien vor und bildet zusammen mit dem Monarch Müllersche Mimikry aus.<ref name="tol">Tree of life</ref> <gallery> Datei:Danaus gilippus-01 (xndr).jpg|''Danaus gilippus berenice'' Datei:Viceroy Butterfly.jpg|''Limenitis archippus'' Datei:VB 063 Striped Tiger UN.jpg|''Danaus genutia'' </gallery> == Vorkommen == === Lebensraum === Die typischen Lebensräume des Monarchfalters sind offene Ödland- und [[Ruderalflora|Ruderalflächen]], auf denen die Nahrungspflanzen der Raupen im Überfluss gedeihen. Die größte Populationsdichte hat der Monarchfalter in [[Nordamerika]] im Bereich der [[Große Seen|Großen Seen]], wo sehr viele [[Seidenpflanzen]] (''Asclepias'') wachsen. Obwohl der Falter eher ein Bewohner der Täler ist, steigt er in [[Guyana]] bis 1500 Meter und in [[Mittelamerika]] bis auf 2000 Meter.<ref name="Milkweed202">Vane-Wright & Ackery (1984), S. 202</ref> === Verbreitung und Ausbreitung === Der Falter ist ursprünglich in Nordamerika und dem nördlichen Südamerika verbreitet. Die nördliche Verbreitung endet etwa am 50. Breitengrad im Süden [[Kanada]]s, das auch in etwa der nördlichen Verbreitungsgrenze der Seidenpflanzen entspricht. Die Verbreitung erstreckt sich durch die gesamten USA, Mexiko, die [[Karibik]] und [[Mittelamerika]] bis zum nördlichen Rand des [[Amazonas]] ([[Venezuela]], [[Peru]], [[Kolumbien]], [[Ecuador]] einschließlich [[Galápagos-Inseln]], [[Brasilien]], [[Guyana]], [[Suriname]] und [[Französisch-Guayana]]). Weiter südlich lebt die Art ''D. erippus'', die früher als Unterart eingestuft wurde. Im 18. Jahrhundert erweiterte der Falter sein Verbreitungsgebiet kontinuierlich und wurde 1840 auf [[Hawaii]] heimisch. In den folgenden drei Jahrzehnten verbreitete er sich über die Inseln des [[Südpazifik]]s ([[Karolinen]] (1857), [[Tahiti]], [[Tonga]] (1868) und [[Samoa]] (1876)). 1870 wurde er auf der [[Lord-Howe-Insel]] gesehen, ein Jahr später auch in [[Australien]] ([[Queensland]] 1870, [[Melbourne]] 1872). In Ostaustralien ist der Monarchfalter häufig, in anderen Teilen des Kontinents und auf [[Tasmanien]] wird er gelegentlich beobachtet. Von den Inseln des Südpazifiks hat er sich nach Osten über die [[Salomonen]], [[Neuguinea]], [[Java (Insel)|Java]], [[Borneo]] und [[Sumatra]] ausgebreitet. Die ersten Sichtungen von Monarchfaltern in [[Neuseeland]] sollen 1840 stattgefunden haben, was aber erst 38 Jahre später dokumentiert wurde. Die damals angeblich gefangenen und präparierten Falter lassen sich heute nicht mehr auffinden. Damals glaubte man, dass die Falter endemisch in Neuseeland seien, da die [[Maori]] angeblich einen traditionellen Namen für die Falter haben (kâkãhu). Es wird heute vermutet, dass damit aber ein ähnlich aussehender Falter bezeichnet wurde. Die erste verlässliche Meldung von Monarchfaltern geht auf das Jahr 1868 zurück.<ref name="Pawson"> {{Literatur |Autor=Stephen Pawson & Lisa Berndt |Herausgeber=New Zealand Entomologist |Titel=Observations of Monarch butterfly overwintering behaviour in Christchurch |Sammelwerk=The Weta |Band=27 |Nummer=1 |Jahr=2004 |Seiten=22 |Online=[http://www.ento.org.nz/nzentomologist/free_issues/Weta27_1_2004/Weta27_22_30.pdf PDF (200 KB)] |Zugriff=2. März 2008}} </ref> Bis heute wurden in Asien und Ozeanien außerdem [[Neukaledonien]] (1881), [[Marquesas]] (1883) [[Fidschi]], [[Mikronesien]], [[Melanesien]], [[Réunion]], [[Polynesien]], [[Sulawesi]] (1873, 1981) die [[Norfolkinsel]], die [[Molukken]], die [[Philippinen]], [[Taiwan]], das südliche [[China]] und [[Mauritius]] besiedelt, wobei er auf Borneo, den Philippinen und im südlichen China wieder verschwunden ist.<ref name="Sulawesi"> {{Literatur |Autor=R.I. Vane-Wright & R. de Jong |Titel=The butterflies of Sulawesi: annotated checklist for a critical island fauna |Sammelwerk=Zool. Verh. |Band=343 |Ort=Leiden |Jahr=2003 |Monat=July |Tag=11 |Seiten=1–16 |ISBN=ISBN 90-73239-87-7 |Online=[http://www.repository.naturalis.nl/document/46743 PDF (3,5 MB)] |Zugriff=28. Februar 2008}} </ref> Die Ausbreitung im pazifischen Raum wurde wahrscheinlich vom Menschen gefördert. Weiße Siedler haben Seidenpflanzen, besonders die [[Indianer-Seidenpflanze]] (''Asclepias curassavica''), auf die Inseln des Südpazifik gebracht, auf denen sie vorher nicht heimisch waren. Sie pflanzten sie in ihren Gärten an, und es gibt Berichte, dass Kissen und Matratzen mit getrockneten Seidenpflanzen gefüllt wurden. Daraus könnten einige Samen den Weg in die Natur gefunden haben. Nachdem die Nahrungspflanzen vorhanden waren, konnten die Tiere auf den Inseln überleben und sich ausbreiten. Ob die Tiere, die mehrere 1000 Kilometer weit fliegen können, sich an Bord von Schiffen befanden, oder selbst auf die Inseln flogen, ist nicht bekannt. In der Bucht von [[San Francisco]] ist es allerdings nicht unüblich, dass sich kleine Gruppen überwinternder Falter auf Schiffen versammeln. Ebenso wurde beobachtet, wie Falter auf fahrenden Schiffen landen. Die lange [[Diapause]] ermöglicht ebenfalls eine weite Verbreitung. [[Datei:Faial_Gomphocarpus_fruticosus.jpg|thumb|Verbreitung von ''[[Gomphocarpus fruticosus]]'' auf Faial]] Inzwischen ist der Monarchfalter auch auf den [[Azoren]], [[Madeira]] und den [[Kanaren]] heimisch. Erste Sichtungen auf den Azoren, wo die Falter ''„Feiticeiras“'' (kleine Hexen) heißen, reichen bis 1864 (auf den Inseln [[Flores (Azoren)|Flores]] und [[Ilha do Faial]]) zurück. Die Falter tauchen immer wieder auf, meist nur für kurze Zeit im Jahr und sind stark abgeflogen, das heißt ausgeblichen und mit beschädigten Flügeln, was auf eine Einwanderung aus Nordamerika hindeutet. Einen nachweislichen Bruterfolg gab es erst 1999. Auf den Azoren dient die nur an wenigen Standorten und in kleiner Zahl vorkommende Art ''[[Gomphocarpus fruticosus]]'' als Nahrungspflanze, was – solange keine weiteren Pflanzen hinzukommen, wie etwa auf den Kanaren und Madeira – die Populationsgröße stark beschränkt. Das andere auf den Azoren vorkommende [[Seidenpflanzengewächse|Seidenpflanzengewächs]], ''Araujia sericifera'', wurde bis jetzt nicht angenommen.<ref name="Neves"> {{Literatur |Autor=V.C. Neves, J.C. Fraga, H. Schäfer, V. Viera, A. Bívar de Sousa & P.V. Borges |Herausgeber=Universität der Azoren |Titel=The occurence of the Monarch butterfly, Danaus plexippus L. in the Azores, with a brief review of its biology |Sammelwerk=Arquipélago – Life and Marine Sciences |Band=18a |Ort=Ponta Delgada, Azoren, Portugal |Jahr=2001 |Seiten=17–24 |ISSN=0873-4704 |Online=[http://www.horta.uac.pt/intradop/images/stories/arquipelago/18a/3_Neves_et_al_18A.pdf PDF] |Zugriff=28. Februar 2008}} </ref> Auf den Kanaren sind die Inseln [[Teneriffa]], [[Gran Canaria]] und [[La Palma]] besiedelt. Die Raupe hat hier auf die aus Afrika stammenden Pflanzen ''[[Gossypium]] arboreum'' und ''[[Euphorbia mauretanica]]'' gewechselt.<ref name="Higgins-Riley">{{Literatur |Autor=L. G. Higgins, N. D. Riley |Titel=Die Tagfalter Europas und Nordwestafrikas |Verlag=Verlag Paul Parey |Ort=Hamburg und Berlin |Jahr=1978 |Seiten=62f |ISBN=3-490-01918-0}} </ref> In Europa war der Monarchfalter in den 1980er Jahren über mehrere Jahre hinweg im südlichen [[Spanien]] ([[Provinz Málaga|Málaga]]) zusammen mit dem Afrikanischen Monarch (''Danaus chrysippus'') bodenständig. In den 1990er Jahren verschwand er wahrscheinlich aufgrund eines ungünstigen Klimas zusammen mit der verwandten Art. Seit 2001 ist der Monarchfalter in [[Provinz Granada|Granada]] und [[Provinz Almeria|Almeria]] wieder bodenständig, oft an denselben Pflanzen wie der Afrikanische Monarch, der einige Jahre zuvor wieder bodenständig wurde. Obwohl oft mehrere Eier beider Arten an einer Pflanze abgelegt werden, konnte keine Konkurrenz um die Nahrungspflanzen festgestellt werden.<ref name="Felipe"/> In [[Portugal]], [[Südfrankreich]] und [[Korsika]] tritt der Monarchfalter gelegentlich als Wanderfalter auf. Wenn Monarchfalter mit starken Winden von Nordamerika verdriftet werden, sind sie manchmal an den Küsten der Britischen Inseln und Norwegens anzutreffen.<ref name="Urquhart107">Urquhart (1987), S. 107ff</ref><ref name="Milkweed202"/> Von Stürmen über das Meer gewehte Falter werden immer wieder von Schiffen aus beobachtet, wie der folgende Bericht zeigt:<ref name="Urquhart140">Urquhart (1987), S. 140ff</ref> {{Zitat-en|''I was a deck boy on the MV Laguna on a voyage from Liverpool to New York during September 1944. It was a convoy seven days out of Liverpool when order was given to scatter and make for New York without escort. This was due to the imminence of a hurricane in the path of the convoy. We encountered the edge of the hurricane and soon afterwards steamed into fair weather and blue skies. We were then 5 days or 1000 miles from New York when we ran through a massive swarm of monarch butterflies. I remember standing on deck watching this mass of colourful creatures fluttering around the ship's rigging. On arrival in New York I learned that the hurricane had turned westward, crossing Long Island, N.Y.'' |Vincent Varey, Stockport, England |Übersetzung=''Ich war Decksjunge auf der MV Laguna bei einer Reise von Liverpool nach New York im September 1944. Sieben Tage nach dem Auslaufen in Liverpool wurde der Konvoi angewiesen sich zu verteilen und alleine nach New York weiter zu fahren. Der Grund war ein riesiger [[Hurrikan]] auf der Route des Konvois. Wir begegneten dem Rand des Hurrikans und dampften bald danach in gutes Wetter mit blauem Himmel. Als wir dann auf einen riesigen Schwarm Monarchfalter stießen waren wir 5 Tage oder 1000 Meilen von New York entfernt. Ich erinnere mich, wie ich auf Deck stand und die Unmenge bunter Tiere beobachtet, die um die [[Takelage]] flogen. Bei der Ankunft in New York erfuhr ich, dass der Hurrikan sich westwärts gedreht hatte und über Long Island zog.''}} [[Datei:MonarchDistribution2-2a.png|center|thumbnail=MonarchDistribution2-3a.png|Heutige Verbreitung des Monarchfalters (orange), ehemalig besiedelte Gebiete (hellorange) und Jahreszahlen der Erstsichtung]]<br style="clear:both;" clear="all" /> ==== Kolumbus-Hypothese ==== Der [[Lepidopterologe]] Richard Irwin Vane-Wright veröffentlichte 1993 die Kolumbus-Hypothese, in der er vermutete, dass sich der Monarchfalter in Nordamerika erst nach der Besiedlung Amerikas durch die europäischen Siedler stark vermehrte und ausbreitete. Die starken Abholzungen sollen die Voraussetzungen für die Wanderbewegungen der Falter geschaffen haben, da viele gerodete Flächen entstanden, auf denen sich die Nahrungspflanzen der Raupen sehr stark ausbreiten konnten. Dies soll zu einem so starken Wachstum der Falterpopulation geführt haben, dass sich die Tiere in weiten Bereichen der gemäßigten Zonen ausgebreitet haben. Da die Falter in anderen Teilen der Welt nicht oder nur sehr wenig wandern, soll sich ihr Wanderverhalten erst nach der starken Ausbreitung über den Pazifik entwickelt haben. Außerdem führt er an, dass es keine Berichte über die Wanderungen aus der Zeit vor 1865 gibt. Die Hypothese spielt heute in der Forschung keine Rolle mehr. Gegen sie spricht unter anderem, dass sich der Orientierungssinn anhand der Sonne und des [[Erdmagnetfeld]]s innerhalb von 200 Jahren hätte entwickeln müssen, was äußerst unwahrscheinlich ist. Außerdem haben die Schmetterlingsforscher Zalucki und Clarke nachgewiesen, dass für die Ausbreitung im pazifischen Raum nur die Ansiedlung an drei Stellen notwendig war, damit sich der Monarchfalter über die Inselgruppen verbreiten konnte. Dies konnte leicht unbemerkt und unbeabsichtigt durch menschliche Aktivitäten geschehen.<ref name="Zalucki"> {{Literatur |Autor=Zalucki, Myron P. and Clarke, Anthony R. |Herausgeber=The Linnean Society of London |Titel=Monarchs across the Pacific: the Columbus hypothesis revisited |Sammelwerk=Biological Journal of the Linnean Society |Band=82 |Nummer=1 |Verlag=Blackwell Publishing |Jahr=2004 |Seiten=111–121 |DOI=10.1111/j.1095-8312.2004.00322.x |Online=[http://eprints.qut.edu.au/archive/00010126/ HTML] |Zugriff=2. März 2008}} </ref> == Lebensweise == [[Datei:Monarch caterpillar and egg.jpg|thumb|Eine Raupe im zweiten Stadium hat typische Löcher in ein Blatt gefressen. Die fleischigen Fortsätze sind schon erkennbar]] [[Datei:Monarch Butterfly Danaus plexippus Mating Vertical 1800px.jpg|thumb|Monarchfalter bei der Paarung]] [[Datei:Monarch Butterfly Danaus plexippus Laying Egg 2600px.jpg|thumb|weiblicher Monarchfalter bei der Eiablage]] === Larven === Vor dem Schlüpfen aus dem Ei wird der schwarze Kopf der Eiraupe hinter der halbtransparenten Eihülle sichtbar. Die Raupe beißt innerhalb weniger Stunden eine Öffnung in die Mikropyle. Dabei legt sie immer wieder Ruhepausen ein und verlässt die Eihülle, nachdem die Öffnung die Größe ihres Kopfes erreicht hat. Der größte Teil der Raupen frisst nur Teile der Eihülle, wenige fressen die komplette Eihülle auf oder knabbern nur die zum Schlüpfen nötige Öffnung ab und wendet sich direkt der Nahrungspflanze zu. Die kleinen Raupen ernähren sich als erstes von feinen Härchen, mit denen die Blätter der Seidenpflanzen überzogen sind. Danach krabbeln die Raupen umher, wobei die Härchen den Räupchen Problem bereiten, um anschließend in die Nähe des Eis zurückzukehren und kleine Löcher in das Blatt zu fressen. Diese kleinen Löcher sind charakteristische Spuren der jungen Monarchfalterraupen. Nach der ersten Häutung wenden sich die Raupen den Blatträndern zu. Wenn die Raupe auf ihrer Nahrungspflanze gestört wird, lässt sie sich zu Boden fallen, rollt sich zusammen und verharrt mehrere Minuten bewegungslos. Erfolgt die Störung mehrfach kurz hintereinander, dann verkürzt sich die Zeit der Bewegungslosigkeit auf etwa 50 Sekunden bis sie sich schließlich nach etwa 15 Störungen nicht mehr tot stellt und gleich davon krabbelt. Wenn sich die Raupen von der Pflanze fallen lassen, müssen sie anschließend zu dieser oder einer anderen finden. Die Raupen sind nicht in der Lage, ihre Nahrungspflanzen zu riechen oder visuell von anderen Pflanzen zu unterscheiden. Deshalb krabbeln sie auf dem Boden in unregelmäßigen Wegen umher und suchen eine passende Pflanze. Mit Sinneszellen auf den [[Maxillarpalpen]] können die Raupen ertasten, ob es sich um eine geeignete Pflanze handelt. Wenn es nur wenige geeignete Pflanzen gibt, kann es passieren, dass sie keine findet und verhungert. Die Warnfarbe der Raupen erlaubt es ihnen auf der Oberseite der Nahrungspflanzen zu sitzen und sich ungestört zu sonnen. Einige Monarchfalterraupen im letzten Larvenstadium nagen an den Blattstielen eine kleine Kerbe und krabbeln an die Blattspitze, um das Blatt abzuknicken. Danach krabbeln sie auf die Blattunterseite und fressen weiter. Die Zufuhr von [[Herzglykoside]]n und [[Milchsaft]] in das Blatt wird dadurch unterbrochen. Damit wird die Gefahr, dass die Raupe sich vergiftet oder ihre [[Mandibel]]n durch den Milchsaft verkleben, vermindert. Bei der Zucht von vielen Raupen auf engem Raum kann es zu Kannibalismus kommen. Die angreifende Raupe beginnt, den gerade ausgeschiedenen Kot einer anderen Raupe zu fressen und geht dann dazu über, diese von hinten aufzufressen. In der freien Natur ist so ein Verhalten sehr unwahrscheinlich, da die Weibchen die Eier fast immer einzeln an Blätter der Nahrungspflanze ablegen und die Raupen somit nicht in großer Zahl zusammen leben. Die einzige Ausnahme sind Freilandbeobachtungen in Spanien, bei denen Puppen von Raupen angefressen wurden, als viele Raupen auf einer Pflanze lebten.<ref name="Felipe" /> === Falter === Wandernde Falter sind an ihrem Flugverhalten zu erkennen, bei dem Hindernisse überflogen werden. Die Wanderungen der Falter werden stark vom Wind beeinflusst. Bei Rückenwind segeln die Falter oft und fliegen mehrere 100 Meter hoch, um den für sie günstigen Wind zu nutzen, während sie bei Gegenwind niedrig über dem Boden fliegen, wo der Wind am schwächsten ist. Bei den Wanderflügen legen die Falter immer wieder sogenannte „soziale Flüge“ ein, bei dem sich die Falter in etwa 30 Meter Höhe in einem großen Kreis verfolgen, wobei der Flug aus Flattern und Gleiten besteht. Oft werden sie dabei vom Wind weitergetragen und das Flugbild gleicht kreisenden Seevögeln an der Küste. Nicht wandernde Falter, die umherfliegen, Blüten besuchen oder geeignete Pflanzen für die Eiablage suchen, haben einen eher ziellosen Flug und umfliegen Hindernisse. Männliche Falter fliegen höher im Gelände und besuchen auch Blüten auf Bäumen während die Weibchen meist dicht über der Bodenvegetation fliegen und geeignete Pflanzen für die Eiablage suchen. Bei diesem ziellosen Flug durchlaufen ihre Flügel beim Flügelschlag etwa 30 [[Grad (Winkel)|Bogengrad]] und die Flügelschläge werden von kurzen Gleitphasen unterbrochen. Die Falter erreichen dabei eine Geschwindigkeit von etwa 17 km/h. Wenn sich die Falter bedroht fühlen und fliehen, schlagen sie heftig mit den Flügeln, die dann 120° durchlaufen und senkrecht über ihrem Körper zusammenschlagen. Dabei erreichen die Falter eine Geschwindigkeit von über 30 km/h.<ref name="Urquhart70">Urquhart (1987), S. 70</ref><ref name="OberhauseSolensky90">Oberhauser & Solensky (2004), S. 90</ref> Bei Wanderflügen fliegen die Falter manchmal sehr hoch, sie wurden mit dem Fernglas bis zu 500 Meter hoch über dem Boden beobachtet und Drachenflieger-Piloten trafen sie bis in 1250 Meter über dem Grund an.<ref name="Brower1996"/> Die Lebenserwartung der Falter liegt bei etwa einem Monat. Wenn die Falter wandern und eine Diapause einlegen, leben sie jedoch acht bis zehn Monate lang, wobei die Falter auch nur noch einen Monat leben, sobald sie fruchtbar geworden sind.<ref name="Urquhart74">Urquhart (1987), S. 74</ref><ref name="Milkweed75">Vane-Wright & Ackery (1984), S. 75ff</ref> Das Spektrum der Blütenpflanzen, die von den Faltern besucht werden ist vielfältig. Er wurden Besuche an Blüten der folgenden Pflanzenfamilien beobachtet: [[Doldenblütler]] (Apiaceae), [[Seidenpflanzengewächse]] (Asclepiadaceae), [[Kreuzblütengewächse]] (Brassicaceae), [[Geißblattgewächse]] (Caprifoliaceae), [[Dickblattgewächse]] (Crassulaceae), [[Kardengewächse]] (Dipsacaceae), [[Heidekrautgewächse]] (Ericaceae), [[Wolfsmilchgewächse]] (Euphorbiaceae), [[Hülsenfrüchtler]] (Fabaceae), [[Hortensiengewächse]] (Hydrangeaceae) [[Malvengewächse]] (Malvaceae), [[Myrtengewächse]] (Myrtaceae), [[Wunderblumengewächse]] (Nyctaginaceae), [[Nachtkerzengewächse]] (Onagraceae), [[Orchideen]] (Orchidaceae); [[Rosengewächse]] (Rosaceae), [[Hahnenfußgewächse]] (Ranunculaceae), [[Weidengewächse]] (Salicaceae), [[Nachtschattengewächse]] (Solanaceae), [[Eisenkrautgewächse]] (Verbenaceae) und [[Grasbäume]] (Xanthorrhoeaceae) . Die Falter nehmen von vertrockneten Pflanzen verschiedener Arten der [[Raublattgewächse]] (Boraginaceae), [[Korbblütler]] (Asteraceae) und Hülsenfrüchtler (Fabaceae) [[Pyrrolizidinalkaloide]] auf, die sie giftiger machen.<ref name="Milkweed78">Vane-Wright & Ackery (1984), S. 78</ref> Die Männchen benötigen sie im Gegensatz zu anderen Arten der Danaini nicht für die Produktion von [[Pheromon]]en.<ref name="Boppre"/> ==== Fortpflanzung ==== Die Männchen zeigen ein Revierverhalten und patrouillieren in ihrem Gebiet auf der Suche nach Weibchen. Wird ein Männchen auf ein Weibchen aufmerksam, dann verfolgt es dieses mit schnellem Flug. Wenn das Weibchen nicht paarungsbereit ist, flieht es in einem schnellen Zick-Zack-Flug und weicht dem Männchen aus. Paarungsbereite Weibchen beginnen einen wendelförmigen Flug nach oben, bei dem sie vom Männchen verfolgt werden. Zwischendurch brechen sie aus und fliegen schnell davon. Dieses Schauspiel wiederholt sich mehrfach und das Männchen überholt das Weibchen und stülpt dabei seine Haarbüschel am Abdomen aus. Später setzen sich beide auf ein Blatt oder einen Zweig. Das Männchen fächelt mit sanften Flügelschlägen zum hinter ihm sitzenden Weibchen, das seine Flügel geschlossen hält. Danach zieht das Männchen seine Haarbüschel ein und biegt sein Abdomen zum Abdomen des Weibchens und beide vereinen sich. Anschließend fliegt das Männchen kurze Strecken mit dem an ihm heftenden Weibchen, das weiterhin seine Flügel geschlossen hält. Außer Sperma werden auch Nährstoffe und Herzglykoside übertragen. Die Nährstoffe nutzt das Weibchen bei der Eiproduktion, welche besonders nach der Überwinterung wichtig sind, wenn die Fettreserven fast verbraucht sind. Die Herzglykoside verstärken die Giftigkeit. Im Gegensatz zu anderen Danaini sind die Haarbüschel für eine erfolgreiche Paarung beim Monarchfalter nicht erforderlich. Die Falter tauchen manchmal das Abdomen mit den Büscheln in die Flügeltaschen, übertragen aber keine Duftstoffe, da sie im Gegensatz zu anderen Arten der Gattung keine [[Pheromon]]e produzieren. Dieses Verhalten scheint ein Relikt aus der Zeit zu sein, als Pheromone bei der Art noch eine wichtige Rolle bei der Paarung spielten. Statt um das Weibchen mit Düften im Flug zu werben, gibt es beim Monarchfalter oft eine rabiate Methode, um die Paarung zu erzwingen. Im Flug stürzt sich das Männchen von oben auf das Weibchen und hält sich an ihm mit seinen Beinen an Kopf, Thorax und Abdomen fest und zwingt sie in einem Gleitflug zur Landung. Dieses Verhalten ist nur vom Monarchfalter und dem Afrikanischen Monarch bekannt. Speziell geformte [[Tarsus (Gliederfüßer)|Tarsen]] helfen den Männchen sich an den Weibchen festzuhalten. Die weit verbreitete Partnerwahl durch weibliche Schmetterlinge gibt es damit beim Monarchfalter nicht. Dieses Verhalten veranlasste [[Miriam Rothschild]] 1978 zu folgender, oft zitierten, Äußerung:<ref name="Boppre" /> {{Zitat-en|''The monarch butterfly could well be designated nature's prime example of the male chauvinistc pig.''|Übersetzung=''Der Monarchfalter kann als bestes Beispiel der Natur für das männliche [[Chauvinist]]en-Schwein bezeichnet werden.''}} In den Überwinterungskolonien werden die Weibchen bevorzugt von Männchen begattet, die kleiner und abgeflogener sind und den Rückflug nicht überstehen können. Größere Männchen in gutem Zustand treten den Rückflug an und paaren sich erst später nahe an den Eiablagestellen. Die Weibchen werden bis zu 11 Mal begattet und legen über einen Zeitraum von zwei bis fünf Wochen etwa 300 bis 400 Eier einzeln auf die Blattunterseite der Nahrungspflanze ab. Bei gezüchteten Faltern mit idealer Nahrungsversorgung werden etwa doppelt so viele Eier produziert, Spitzenwerte können sogar bei über 1000 Eiern liegen.<ref name="OberhauserSolensky3">Oberhauser & Solensky (2004), Kapitel 1, S. 3ff</ref> Die Männchen verlieren bald nach der Paarung Gewicht in Form von Wasser und werden spröde, sie bleichen aus und sterben. Nach der Paarung entwickeln sich langsam die ersten Eier, deshalb legen die wandernden Weibchen gegen Ende ihrer Wanderung die meisten Eier ab. Danach ereilt sie dasselbe Schicksal wie die Männchen. ==== Orientierung ==== Die Monarchfalter orientieren sich bei ihren Wanderungen am Sonnenstand und korrigieren den [[Azimut]] während des Tages um den Kurs zu halten. Durch die Wahrnehmung [[Polarisiertes Licht|polarisiert]]er [[Ultraviolettstrahlung]] ist diese Navigation auch bei bedecktem Himmel möglich. Zusätzlich haben sie im Kopf [[Magnetit]] eingelagert und können sich dadurch mit Hilfe des [[Erdmagnetfeld]]s orientieren. Bei ihren Wanderungen nutzen sie außerdem Landmarken wie etwa die [[Sierra Madre Oriental]], der sie im Herbst entlang nach Süden mit leichter Ostausrichtung folgen, nachdem sie zuvor eine südwestliche Richtung durch Nordamerika flogen. Ebenso dienen Gewässer wie große Flüsse oder Seen und die Meeresküsten der Orientierung.<ref name="Reppert"> {{internetquelle |autor=Sauman I, Briscoe AD, Zhu H, Shi D, Froy O, Stalleicken J, Yuan Q, Casselman A, Reppert SM. |url=http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/15882645 |format=HTML |sprache=englisch |titel=Connecting the navigational clock to sun compass input in monarch butterfly brain. |werk=Neuron |datum=5. Mai 2005 |zugriff=2008-09-26 }}</ref><ref name="Etheredge">{{Literatur | Herausgeber= | Autor=Jason A. Etheredge, Sandra M. Perez, Orley R. Taylor & Rudolf Jander | Titel=Monarch butterflies (Danaus plexippus L.) use a magnetic compass for navigation | Sammelwerk=Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS) | Band=96 | Nummer=24 | Jahr=1999 | Seiten=13845–13846 | Online=[http://www.pnas.org/cgi/reprint/96/24/13845.pdf PDF (60KB)] | Zugriff=27. September 2008 }}</ref> === Entwicklung === Die Eiraupe schlüpft etwa vier bis fünf Tage nach der Eiablage. Die Entwicklungszeit verringert sich mit steigender Temperatur. Bei 17 °C dauert es gute 5 Tage, während sich die Entwicklungszeit ab 25,5 °C auf unter 4 1/2 Tage verkürzt. Unter günstigen Bedingungen erreichen die Raupen nach etwa 16 Tagen das Vorpuppenstadium. In dieser Zeit häuten sie sich vier Mal; aus der 0,54 Milligramm leichten Eiraupe wird eine etwa 1,5 Gramm schwere und sechs Zentimeter lange Raupe. Die Gewichtszunahme über die Zeit ähnelt einer [[Quadratische Funktion|quadratischen Funktion]]. Die Entwicklungsgeschwindigkeit hängt stark von der Temperatur ab, bei feuchtem und kühlem Wetter kann die Entwicklung stark verzögert ablaufen, während höhere Temperaturen und Sonnenschein die Entwicklung beschleunigen. Vor jeder Häutung wird die Raupe träge, sie wandert umher und sucht einen ruhigen Platz, an dem sie innerhalb einiger Stunden die Häutung vollzieht. Dabei wirkt ihr Körper verkrampft, hin und wieder bewegt sie sich ruckartig vor und zurück oder schlägt nach links und rechts. Die alte Haut reißt hinter dem Kopf auf. Mit Kontraktionen wird sie nach hinten abgestoßen. Die Raupe ruht noch eine Weile bis die neue weiche Haut, besonders die Kopfkapsel und die Mundwerkzeuge, ausgehärtet sind. Die Raupen ernähren sich hauptsächlich von verschiedenen Seidenpflanzen, in Nordamerika sind 27 Arten als Nahrungspflanzen nachgewiesen. Seltener werden Arten anderer Gattungen aus der Unterfamilie der Seidenpflanzengewächse angenommen. Die Eier für die erste Generation werden vorwiegend an ''[[Asclepias oenotheroides]]'', ''[[Asclepias viridis]]'' und ''[[Asclepias asperula]]'' abgelegt, während die Eier für die zweite bevorzugt an [[Gewöhnliche Seidenpflanze|Gewöhnlicher-]] (''Asclepias syriaca'') und [[Sumpf-Seidenpflanze]] (''Asclepias incarnata'') abgelegt werden. Sehr selten legen die Falter Eier an dem invasiven [[Neophyt]]en ''[[Vincetoxicum rossicum]]'' ab, an dem sich die Raupen nicht entwickeln können.<ref name="Vincetoxicum">{{Literatur |Autor=Heather R. Mattila & Gard W. Otis |Titel=A comparison of the host preference of monarch butterflies (Danaus plexippus) for milkweed (Asclepias syriaca) over dog-strangler vine (Vincetoxicum rossicum) |Sammelwerk=Entomologia Experimentalis et Applicata |Band=107 |Verlag=Blackwell Publishing |Jahr=2003 |Seiten=193–199 |DOI=10.1046/j.1570-7458.2003.00049.x |Online=[http://www.blackwell-synergy.com/doi/pdf/10.1046/j.1570-7458.2003.00049.x HTML] |Zugriff=21. September 2008}} </ref> In neu besiedelten Gebieten haben die Raupen teilweise auf andere Pflanzenfamilien gewechselt. Auf den Kanaren und Madeira fressen sie an dem [[Wolfsmilchgewächse|Wolfsmilchgewächs]] ''[[Euphorbia mauretanica]]'' und in [[Andalusien]] an dem zu den [[Hundsgiftgewächse]]n zählenden ''[[Cynanchum acutum]]''.<ref name="Felipe">{{Literatur |Autor=Felipe Gil-T. |Titel=A new hostplant for Danaus plexippus (LINNAEUS, 1758) in Europe. A study of cryptic preimaginal polymorphism within Danaus chrysippus (LINNAEUS, 1758) in southern Spain (Andalusia) |Sammelwerk=Atalanta |Ort=Würzburg |Band=37 |Nummer=1 |Jahr=2006 |Seiten=143-149 |ISSN=0171-0079 |Online=[http://gil-t.iespana.es/pdf/text_13.pdf PDF (330 KB)] |Zugriff=21. September 2008}} </ref> <div class="NavFrame" style="clear:both; text-align: left; border-style: none;"> <div class="NavHead" style="font-weight:normal;">Nachgewiesene Nahrungspflanzen:<ref name="Milkweed202"/><ref name="MonarchNZ"> {{internetquelle |hrsg=Monarch Butterfly NZ Trust |url=http://www.monarch.org.nz/monarch/ecology/caterpillar-food-sources/ |titel=Caterpillar Food Sources |format=HTML |sprache=englisch |zugriff=19. Februar 2008}} </ref></div> <div class="NavContent"> [[Datei:Butterfly Weed Asclepias tuberosa and Monarch Caterpillar 2056px.jpg|thumb|Monarchfalterraupe an der [[Knollige Seidenpflanze|Knolligen Seidenpflanze]] (''Asclepias tuberosa'')]] * [[Hundsgiftgewächse]] (Apocynaceae) ** ''[[Apocynum]]'': ''[[Apocynum androsaemifolium|A. androsaemifolium]]'', ''[[Cynanchum acutum]]'' (Spanien) * [[Seidenpflanzengewächse]] (Asclepiadoideae) ** ''[[Acerales]]'': ''Acerales'' sp. ** ''[[Araujia]]'': ''[[Araujia hortorum|A. hortorum]]'', ''[[Araujia sericifera|A. sericifera]]'' ** ''[[Asclepias]]'': ''[[Asclepias amplexicaulis|A. amplexicaulis]]'', ''[[Asclepias asperula|A. asperula]]'', ''[[Asclepias cordifolia|A. cordifolia]]'', [[Indianer-Seidenpflanze]] (''A. curassavica''), ''[[Asclepias eriocarpa|A. eriocarpa]]'', ''[[Asclepias exaltata|A. exaltata]]'', ''[[Asclepias fascicularis|A. fascicularis]]'', ''[[Asclepias fruticosa|A. fruticosa]]'', ''[[Asclepias grandiflora|A. grandiflora]]'', ''[[Asclepias humistrala|A. humistrala]]'', [[Sumpf-Seidenpflanze]] (''A. incarnata''), ''[[Asclepias lanceolatum|A. lanceolatum]]'', ''[[Asclepias mexicana|A. mexicana]]'', ''[[Asclepias nitida|A. nitida]]'', ''[[Asclepias nivea|A. nivea]]'', ''[[Asclepias oenotheroides|A. oenotheroides]]'' ''[[Asclepias phytotaccoides|A. phytotaccoides]]'', ''[[Asclepias purpurascens|A. purpurascens]]'', ''[[Asclepias rotundifolia|A. rotundifolia]]'', ''[[Asclepias rubra|A. rubra]]'', ''[[Asclepias semilunata|A. semilunata]]'', ''[[Asclepias speciosus|A. speciosus]]'', ''[[Asclepias sullivanti|A. sullivanti]]'', [[Gewöhnliche Seidenpflanze]] (''A. syriaca''), ''[[Asclepias tomentosa|A. tomentosa]]'', [[Knollige Seidenpflanze]] (''A. tuberosa''), ''[[Asclepias verticillata|A. verticillata]]'', [[Asclepias viridis|A. viridis]] ** ''[[Calotropis]]'': [[Kronenblume]] (''C. gigantea'') (Hawaii), [[Oscher]] (''C. procera'') ([[Barbados]]) ** ''[[Gomphocarpus]]'': ''[[Gomphocarpus arborescens|G. arborescens]]'', ''[[Gomphocarpus fruticosus|G. fruticosus]]'' (Azoren, Neuseeland), ''[[Gomphocarpus physocarpus|G. physocarpus]]'' (Neuseeland) ** ''[[Gonolobus]]'': ''[[Gonolobus laevis|G. laevis]]'', ''[[Gonolobus rostratus|G. rostratus]]'' ** ''[[Marsdenia]]'': (''Marsdenia'' sp.) ** ''[[Matelea]]'': ''[[Matelea reliculata|M. reliculata]]'' ** ''[[Oxypetalum]]'': ''[[Oxypetalum coeruleum|O. coeruleum]]'' ** [[Stapelien]]: ''[[Stapelia variegata]]'', ''[[Stapelia grandiflora|S. grandiflora]]'' * Windengewächse (Convolvulaceae) ** [[Prunkwinden]] (''Ipomoea'' sp.) * Rautengewächse (Rutaceae) ** [[Zitruspflanzen]] (''Citrus'' sp.) * Wolfsmilchgewächse (Euphorbiaceae) ** ''[[Euphorbia mauretanica]]'' (Kanaren und Madeira) <!-- Malvengewächse (Malvaceae) : Gossypium arboreum (very doubtful) --> </div> <div class="NavEnd">&nbsp;</div> </div> Die verpuppungsreife Raupe verlässt die Nahrungspflanze und sucht sich viele Meter weit entfernt einen geschützten, schattigen Platz für die Verpuppung. Wenn sie einen solchen gefunden hat spinnt sie ein kleines Polster aus Fäden, die Drüsen an ihrem Kopf produzieren. Danach spinnt sie in der Mitte der Matte einen Strang, der bis zu vier Millimeter lang sein kann. Beides dauert etwa drei Stunden. An dem Strang befestigt sie sich mit gebogenen Dornen, die ringförmig um die analen [[Bauchbein]]e angeordnet sind. Die hängende Raupe hat die Form eines „J“, der Kopf ist zum Thorax hochgezogen. Nach wenigen Minuten bricht die Raupenhaut hinter dem Kopf auf und die Haut der [[Stürzpuppe]] kommt zum Vorschein. Die Puppe ist anfangs weich und beweglich, sie härtet mit der Zeit aus. Nach 9 bis 12 Tagen Puppenruhe schlüpft der Schmetterling innerhalb von drei Minuten. Er pumpt [[Hämolymphe]] in die Flügel um sie zu entfalten und wartet bis sie ausgehärtet sind.<ref name="Urquhart41">Urquhart (1987), S. 41</ref> === Monarchfalterraupen auf Barbados === Auf Barbados gibt es ein bemerkenswertes Zusammenspiel mit Käfern der Seidenpflanzen. Die Monarchraupen ernähren sich auf der Insel hauptsächlich von [[Oscher]] (''Calotropis procera''), da die [[Indianer-Seidenpflanze]] (''Asclepias curassavica'') aufgrund der Topologie der Insel nur selten Fuß fassen kann. Siedelt sie sich jedoch einmal zusammen mit Käfern der Gattung ''[[Oncopeltus]]'' an, so werden die Pflanzen von den Raupen so schnell kahl gefressen, dass die Käfer verhungern.<ref name="Milkweed98">Vane-Wright & Ackery (1984), S. 98</ref> == Die Populationen und ihre Wanderungen == [[Datei:Monarch butterfly migration.jpg|thumb|Monarchfalter auf der Wanderschaft]] Die ausgedehntesten Wanderungen unternehmen die Falter der östlichen Population in Nordamerika, gefolgt von der westlichen Population. Die beiden Populationen sind durch die trennenden [[Rocky Mountains]] nicht ganz geographisch isoliert. In Tälern in [[Idaho]] und [[Montana]], besonders an den Nebenflüssen des [[Snake River]], ziehen die Falter beider Populationen umher und es findet [[Genfluss]] statt. In Australien und Neuseeland wandern die Falter nur über kurze Strecken. === Östliche Population === Die östliche Population in Nordamerika lebt zwischen den östlichen Rocky Mountains und der Atlantikküste. Der Großteil der Population überwintert in einer Diapause in den Vulkanbergen der Sierra Nevada Mexikos auf etwa 3000 Höhenmetern. Nur ein sehr kleiner Teil überwintert im milden Süden Floridas und pflanzt sich teilweise auch im Winter fort. Im Frühjahr wandern die Falter von ihren Überwinterungsplätzen über mehrere Generationen nach Norden und Osten. Sie legen unterwegs immer wieder Eier ab, aus denen sich die nachfolgenden Generationen entwickeln. ==== Erste Generation ==== Die letztjährigen Falter erreichen nach der Überwinterung in Mexiko bei ihrer Nordwanderung bis Ende April [[Texas]], [[Oklahoma]], [[Arkansas]], [[Louisiana]], [[Mississippi (Bundesstaat)|Mississippi]], [[Alabama]], [[Georgia]], [[South Carolina]], [[North Carolina]] und den Süden von [[Missouri]] und [[Kansas]]. Es scheint, dass die Falter wieder zu dem Ort zurückkehren wollen, in dem sie als Raupe gelebt haben. Nur sehr wenige ziehen weiter nach Norden bis zu den Großen Seen, da nur wenige Tiere die Wanderungen in beide Richtungen über die große Entfernung überstehen.<ref name="Urquhart161">Urquhart (1987), S. 161</ref> Die Weibchen legen nur wenige Eier in Mexiko, die meisten legen sie gegen Ende ihrer Wanderung in den südlichen USA.<ref name="Urquhart169">Urquhart (1987), S. 169f</ref> Die daraus entstehende erste Generation schlüpft Ende April bis Anfang Juni. Die wandernden Falter erreichen Ende Mai [[North Dakota]], [[Minnesota]] und das Gebiet um die Großen Seen und legen in diesen Gebieten ebenfalls Eier ab. Die Falter dieser Generation sind von Südtexas und der Golfküste bis nördlich der Großen Seen anzutreffen. Da nur wenige Überwinterer aus Südflorida nach Norden ziehen und in Zentral- und Nord-Florida Eier ablegen, fliegen auch nur sehr wenige Falter der ersten und letztjährigen Generation östlich der [[Apalachen]] nach Norden.<ref name="Brower1996"/> Die Entwicklung ist aufgrund der oft niedrigen Temperaturen langsam und es dauert 40 bis 50 Tage, bis sich aus den Eiern Falter entwickelt haben. ==== Zweite Generation ==== Die Falter der zweiten Generation schlüpfen im Juni und Juli und wandern nur noch wenig weiter nach Norden und erreichen etwa am 50. Breitengrad die nördliche Verbreitungsgrenze im Süden Kanadas. Sie wandern stärker Richtung Nordosten und besiedeln den Raum zwischen [[Sankt-Lorenz-Strom]] und dem Atlantik und fliegen bis [[New Brunswick]], [[Nova Scotia]] und dem Osten von [[Neufundland]]. Die Nahrungspflanzen im Süden der USA vertrocknen im Sommer. Deshalb wandern die dortigen Falter nach Norden und südlich des 33. Breitengrads sind danach fast keine Falter mehr anzutreffen. ==== Weitere Generationen ==== Durch unterschiedlich schnelle Entwicklung in den verschiedenen Regionen fliegt Ende August/Anfang September ein dritte und vierte Generation gemeinsam und bildet die individuenstarke Spätsommerpopulation, die wenig später nach Süden wandert. Während die vorherigen Generationen wenige Tage nach dem Schlüpfen fruchtbar wurden, bleiben viele dieser Tiere bis nach der [[Diapause]] unfruchtbar. Einige Weibchen, die fruchtbar sind, legen auf dem Weg nach Süden weitere Eier und es kann stellenweise eine fünfte Generation entstehen.<ref name="Urquhart92">Urquhart (1987), S. 92</ref> Ausgelöst wird die [[Dormanz]] durch die kurzen Tage, die niedrigeren Temperaturen und die absterbenden Nahrungspflanzen.<ref name="OberhauserSolensky79">Oberhauser & Solensky (2004), S. 79</ref> ==== Migration ==== [[Datei:MonarchWanderungKlein.gif|framed|Wanderungen der östlichen und westlichen Population im Jahr]] [[Datei:Mexmonarch2.jpg|thumb|Überwinternde Falter in Mexiko]] Die Tiere wandern aus ihrem über 100 Millionen Hektar großen Lebensraum von September bis November in die [[Mexiko|mexikanische]] [[Sierra Nevada (Mexiko)|Sierra Nevada]] und versammeln sich auf weniger als 20 Hektar. Auf ihrer Wanderung finden sie sich jährlich immer wieder an den gleichen Rastplätzen ein und bilden über die Nacht teilweise große Kolonien. Die Falter sitzen bei niedrigen Temperaturen und starkem Wind dichter beisammen und bilden noch größere Kolonien. Bei Temperaturen unter 10 °C können die Falter nicht fliegen und ruhen bei entsprechendem Wetter auch tagsüber. Bei Sonnenschein und über 13 °C können sie ihre Wanderung fortsetzen. Für die Wanderung von Kanada bis Mexiko benötigen die Falter acht bis zehn, aus den südlicheren Gebieten vier bis sechs Wochen. Durchschnittlich legen sie etwa 50 Kilometer am Tag zurück. Während der Wanderung sterben viele Falter in den Gewässern und auf den Straßen. An manchen Stellen sind die Ufer der großen Seen mit angeschwemmten toten Faltern übersät. Die Falter wandern in einer südwestlichen Richtung, starten östlich des [[Huronsee]]s, dann erreichen sie in der Regel nicht direkt Mexiko, sondern stoßen auf den [[Golf von Mexiko]] und wandern in großen Schwärmen an der Küste entlang. Die Falter von der Ostküste wandern anfangs nach Süden und stoßen auf die Atlantikküste, an der sie entlang ziehen, bevor sie ihre Flugrichtung nach Westen zur Golfküste ändern. Etwa im Oktober durchqueren sie Texas um in Mexiko der [[Sierra Madre Oriental]] nach Süden zu folgen, danach wenden sie sich nach Westen und erreichen die Vulkanberge der Sierra Nevada. Die Herkunft der Falter spiegelt sich im Winterquartier nieder. Die Falter der [[Great Plains]] fliegen die westlichsten Plätze an, die der Großen Seen, die nicht die Golfküste erreichen, etwa die mittleren. Falter, die die Golfküste erreichen, besetzen die östlichen Plätze. Ein kleiner Teil der östlichen Falter fliegt nach Florida, davon verbringt der größte Teil den Winter dort, oft ohne Diapause, und der Rest fliegt über [[Kuba]] nach [[Yucatán (Halbinsel)|Yucatán]]. Andere ziehen über Nordflorida, [[Jamaika]] und Kuba nach Yucatán. Aus Yucatán sind große Schlafkolonien wandernder Falter bekannt. Ob es sich hierbei nur um die [[Nominotypisches Taxon|Nominatform]] ''Danaus plexippus plexippus'' oder auch um die in der Karibik verbreitete Unterart ''Danaus plexippus megalippe'' handelt, ist nicht geklärt. Ein sehr kleiner Teil der Falter, der auf die Atlantikküste stößt, fliegt manchmal nach [[Bermuda]].<ref name="Urquhart138">Urquhart (1987), S. 138</ref> ==== Überwinterung in Mexiko ==== [[Datei:Monarchs in refuge, Morelia, MX 01 gailfisher.jpg|thumb|Monarchfalter saugen am Boden; Morelia, Mexiko]] Die Überwinterungsquartiere befinden sich im Süden Mexikos in den Bundesstaaten [[México (Bundesstaat)|Mexiko]] und [[Michoacan]] in der Sierra Nevada, einem Hochplateau vulkanischen Ursprungs. Die etwa 30 Überwinterungskolonien verteilen sich auf neun getrennte Vulkanmassive, die zwischen 70 und 170 Kilometer von [[Mexiko-Stadt]] entfernt sind. In den Bergen wachsen hauptsächlich Eichen bis auf 2900 Meter, [[Kiefern]] zwischen 1500 und 3000 Meter und [[Tannen]] (''[[Abies religiosa]]'') zwischen 2400 und 3600 Meter über N.N.. Weniger stark verbreitet sind [[Zypressen]]wälder (''[[Cupressus lindleyi]]''), die zwischen 2400 und 2600 Meter wachsen, [[Wacholder]]heiden und Grasflächen mit [[Fingerkräuter]]n (''[[Potentilla candicans]]''). Stellenweise gibt es Agrarflächen und Buschland.<ref name="WWF"> {{Literatur |Herausgeber=WWF Mexico |Titel=Illegal logging and its impact in the Monarch butterfly Biosphere Reserve |Jahr=2004 |Online=[http://www.eco-index.org/search/pdfs/363report_3.pdf PDF] |Zugriff=1. März 2008}} </ref><ref name="Brower1996"> {{Literatur |Autor=Lincoln P. Brower |Titel=Monarch Butterfly Orientation: Missing Pieces Of A Magnificent Puzzle |Sammelwerk=The Journal of Experimental Biology |Verlag=The Company of Biologists Limited |Band=199 |Jahr=1996 |Seiten=93–103 |Online=[http://jeb.biologists.org/cgi/reprint/199/1/93.pdf PDF (280 KB)] |Zugriff=19. September 2008}} </ref> Wenn die Falter in den Bergen angekommen sind, fliegen sie umher, beobachten die Windrichtung und suchen sich windgeschützte Stellen an Bäumen, bevorzugt auf ''Abies religiosa''. Wenn sich die zuerst eingetroffenen Falter niedergelassen haben, gesellen sich die nachfolgenden ohne Beachtung der Windrichtung hinzu und es bilden sich dichte Trauben aus Faltern, die ganze Bäume bedecken können. Wenn sich der Wind dreht, sind die Falter, die sich vorher im [[Luv und Lee|Lee]] befanden, dem kalten Wind ausgesetzt. Da sie bei den niedrigen Temperaturen im Winter nicht fliegen können, fallen sie zu Boden, wenn sich die Bäume im Sturm mit Regen- oder Schneefall biegen, welche häufig Ende Dezember bis Anfang Januar auftreten. Ganze Trauben von Faltern werden dabei von den Baumspitzen geschüttelt und sterben am Boden. Mitte Januar und im Februar lösen sich die großen Trauben auf den Gipfeln auf und die Falter wandern talwärts und bilden kleinere und lockere Trauben. Die Falter verlassen dann immer wieder die Bäume um am Rand kleiner Pfützen und an Matsch zu saugen. Gegen Ende Februar, wenn es wieder wärmer wird, verlassen sie die Berge und wandern nach Norden. Nur ein sehr kleiner Teil bleibt in Mexiko zurück.<ref name="Urquhart163">Urquhart (1987), S. 163ff</ref> === Westliche Population === [[Datei:Monarch butterflies cluster in Santa Cruz 8.jpg|thumb|Überwinternde Monarchfalter in Santa Cruz]] Die westliche Population in Nordamerika lebt den Sommer über in den Tälern der westlichen Rocky Mountains und der [[Kaskadenkette]]. Sie macht etwa fünf Prozent der Gesamtpopulation aus und überwintert an der kalifornischen Küste auf [[Eukalyptus]]bäumen, [[Monterey-Kiefer]]n (''Pinus radiata'') und [[Monterey-Zypresse]]n (''Cupressus macrocarpa''). Auf ''[[Platanus racemosa]]'' überwinterten sie, bevor diese durch die weißen Siedler stark abgeholzt wurden.<ref name="MonarchWatchWinter">http://www.monarchwatch.org/tagmig/winter.htm</ref> Auf den Kiefern bilden die Falter besonders dichte Trauben, wogegen sie auf den in 1850er Jahren aus Australien eingeführten Eukalyptusbäumen lockerer beisammen sitzen. Die Eukalyptusbäume haben sich stark ausgebreitet und blühen im Winter, so dass sie den Faltern in dieser nektararmen Jahreszeit besonders wertvoll sind.<ref name="PacificGrove"> {{internetquelle |hrsg=City of Pacific Grove |url=http://www.ci.pg.ca.us/monarchs/default.htm |titel=Monarch Grove Sanctuary – Every Year, Over 25,000 Monarchs Overwinter in Pacific Grove |format=HTML |sprache=englisch |datum=1998 |zugriff=19. Februar 2008}} </ref> Die Tiere an den nördlichen Überwinterungsplätzen sind inaktiv und bleiben über den Winter am selben Ort. Die südlichen Falter sind oft aktiv und saugen zwischendurch Nektar. Manchmal wechseln sie den Überwinterungsplatz. Ab Mitte Februar werden die Tiere aktiver und ziehen wenige Wochen später nach Nordosten. Die über 300 Überwinterungsplätze befinden sich fast ausschließlich in einem 1000 Kilometer langen Küstenstreifen von [[Marin County]] bis [[Ensenada]], im Schnitt etwa 2,5 Kilometer von der Küste entfernt. Nur sechs Plätze im Landesinneren sind bekannt, wovon ein Überwinterungsplatz nördlich der [[Mojave-Wüste]] im trockenen [[Saline Valley]], 320 Kilometer von der kalifornischen Küste entfernt, eine krasse Ausnahme darstellt. Die Ansammlungen der Falter erreichen nur selten mehr als 1000 Tiere, nur elf Orte sind bekannt, an denen die Ansammlungen über mehrere Jahre hinweg mehr als 50.000 Individuen hatten. Etwa 70 Prozent der gesamten westlichen Population überwintert zwischen [[Santa Cruz County (Kalifornien)|Santa Cruz County]] und [[Santa Barbara County]]. Besonders viele Falter überwintern bei [[Ventura (Kalifornien)|Ventura]], [[Carlsbad (Kalifornien)|Carlsbad]], [[Santa Cruz (Kalifornien)|Santa Cruz]] ([[Natural Bridges State Park]]), North Beach Campground in [[Pismo Beach]] ([[San Luis Obispo County]]) und der kleinen Stadt [[Pacific Grove]] im [[Monterey County]].<ref name="OberhauserSolensky177">Oberhauser & Solensky (2004), Kapitel 22, S. 177ff</ref> Es gibt Anzeichen, dass einige Falter aus dem [[Großes Becken|Großen Becken]] südöstlich über [[Arizona]] nach [[Sonora (Bundesstaat)|Sonora]] wandern. Ob es sich hier um eine wirkliche Migration oder nur um die Verkleinerung des Verbreitungsgebietes über den Winter handelt, ist noch nicht geklärt.<ref name="OberhauserSolensky79">Oberhauser & Solensky (2004), Kapitel 10, S. 79</ref> === Australien === Seit den 1870er Jahren hat der Monarchfalter weite Teile des östlichen Australien und einen kleinen Teil im Westen besiedelt. Die saisonbedingte Ausbreitung hängt mit dem Vorhandensein von Seidenpflanzengewächsen zusammen, die empfindlich auf Trockenheit und Frost reagieren. In [[Queensland]] brütet der Großteil der Population das ganze Jahr über. Im Herbst ziehen sich die Falter aus [[New South Wales]] und dem südlichen Queensland zurück und wandern nach Norden. Regelmäßige Langstreckenwanderungen werden nicht beobachtet, obwohl die längste gemessene Wanderung eines Falters fast 400 Kilometer beträgt. Die Falter konzentrieren sich in drei Gebieten, einem Küstenstreifen im nördlichen New South Wales und südlichen Queensland, im [[Sydneybecken]] und [[Hunter Valley]] und in der Umgebung von [[Adelaide]]. Südlich des 34. südlichen Breitengrades sind die Tiere in der Regel ab Herbst nicht fruchtbar wogegen ein Teil der Population in der Region von [[Sydney]] immer fruchtbar ist. Das Verhältnis von fruchtbaren zu unfruchtbaren Tieren hängt von der Temperatur ab.<ref name="OberhauserSolensky219">Oberhauser & Solensky (2004), Kapitel 26, S. 219</ref> === Neuseeland === In Neuseeland wird das Wander- und Überwinterungsverhalten des Monarchfalters etwa seit 1980 erforscht, Berichte über überwinternde Falter gehen bis in die 1950er Jahre zurück. Die Falter legen auf Neuseeland nur kurze Strecken zurück um zusammen zu überwintern, sehr selten sind es mehr als 20 Kilometer. Die Anzahl der Überwinterer schwankt wetterbedingt ebenso stark wie die Populationen in Neuseeland insgesamt. Einige 100 Überwinterer wurden 1959 erstmals auf der [[Nordinsel (Neuseeland)|Nordinsel]] in [[Northland (Neuseeland)|Northland]], [[Hawke’s Bay]] und [[Nelson (Neuseeland)|Nelson]] beobachtet, in den darauf folgenden Jahren ging ihre Anzahl teilweise auf einige Dutzend zurück und erreichte 1962 wieder über 100 Tiere. Kolonien mit einigen 1000 Tieren wurden auf der Nordinsel auf [[Stephenson’s Island]], in der Bucht von [[Tauranga]] und im Norden von [[Auckland]] im Mai und Juni 1964 beobachtet. Die Falter werden immer wieder im südlichen [[Canterbury (Neuseeland)|Canterbury]], [[Otago]] und gelegentlich in [[Southland]] gesichtet. In [[Christchurch]], an der Ostküste der [[Südinsel (Neuseeland)|Südinsel]], versammeln sich die Falter in Parks und Gärten und sind damit zur Touristenattraktion geworden, eine größere Anzahl Überwinterer hat sich zum Beispiel 2003 versammelt. Nach einem Schneeeinbruch 1992 brach die Population auf der Südinsel stark ein.<ref name="Pawson" /><ref name="Ramsay"> {{Literatur |Autor=G. W. Ramsay |Herausgeber=New Zealand Entomologist |Titel=Overwintering swarms of the Monarch butterfly (''Danaus plexippus'' (L.)) in New Zealand |Sammelwerk=New Zealand Entomologist |Band=3 |Nummer=3 |Jahr=1964 |Seiten=10–16 |Online=[http://www.ento.org.nz/nzentomologist/free_issues/NZEnto03_3_1964/Volume%203-3-10-16.pdf PDF] |Zugriff=2. März 2008}} </ref> == Populationsdynamik == [[Datei:Overwintering area of Danaus plexippus in Mexico 1993-2005 orange.png|thumb|520px|Größe der Überwinterungsgebiete in Mexiko vom Winter 1993/94 bis 2005/2006 in Hektar]] Von den abgelegten Eiern entstehen aus etwa 90 Prozent keine Falter. Umweltbedingungen und besonders natürliche Feinde wie Ameisen und [[Parasitoid]]e reduzieren die Population in jedem Stadium. Bis zu zehn Prozent der Raupen erreichen das Falterstadium durch Probleme bei der Häutung, bakterielle, virale oder fungizaile Infektion, Vergiftung durch die [[Herzglykoside]] und verklebte Mundwerkzeuge durch den Milchsaft der Nahrungspflanze nicht. Temperaturen über 35 °C sind für die Raupen, ebenso wie längere Frostperioden für alle Stadien tödlich. Geringe Luftfeuchtigkeit und längere Trockenheit, bei der die Nahrungspflanzen vertrocknen, wirken sich ebenfalls negativ aus. Die Falter sind sehr frostempfindlich, schon wenige Grade unter Null lassen viele Tiere sterben. Werden die Tiere vor dem Frost angefeuchtet, etwa durch Nebel oder Regen, verringert sich ihre Frosthärte stark. Experimente zeigten, dass bei trockenen Bedingungen die Hälfte der Tiere −8,1 °C überlebten, bei −15 °C starben alle. Von befeuchteten Tieren starb die Hälfte schon bei −4,4 °C und bei −7,8 °C starben alle. Außerdem beschleunigt Feuchtigkeit das Erfrieren, bei −4 °C dauert es bei angefeuchteten Faltern nur drei Stunden, während trockene Falter auch nach 24 Stunden noch nicht erfroren sind.<ref name="OberhauserSolensky151">Oberhauser & Solensky (2004), Kapitel 20, S. 151</ref> Die Stärke der westlichen Population unterliegt viel stärkeren Schwankungen als die östliche, da die Nahrungspflanzen weniger stark verbreitet sind und durch das an vielen Orten trockene Klima nicht jedes Jahr gut gedeihen. Die Populationsstärke korreliert stark mit dem Grad der Trockenheit eines Jahres. So wurden 1997 etwa über 1,2 Millionen Tiere gezählt und nach mehreren trockenen Jahren waren es 2002 nicht einmal mehr 100.000. Viele Überwinterungsplätze blieben 2002 verwaist, obwohl diese die gleichen Bedingungen boten, wie die Jahre zuvor. Es gab weder Abholzungen noch Baumaßnahmen.<ref name="StevensFrey">{{internetquelle |autor=Shawna Stevens, Dennis Frey |hrsg=Biological Sciences Department, California Polytechnic State University |url=http://www.monarchwatch.org/update/2004/frey.pdf |format=PDF |sprache=englisch |titel=How The Other Half Lives – Monarch Population Trends West Of The Great Divide |seiten=3 |datum=2004-07-23 |zugriff=2008-08-14 }}</ref> Die mehreren 100 Millionen Falter der östlichen Population, die sich je nach Jahr im Sommer entwickelt, erleidet bei ihren langen Migrationsflügen erste starke Verluste etwa durch Wettereinflüsse und den Straßenverkehr. Weitere kommen über die lange Diapause durch das kalte Wetter und [[Prädator]]en hinzu. Die Wettereinflüsse in der Sierra Nevada treffen die Tiere seit einigen Jahrzehnten durch illegalen Holzeinschlag stärker. Schon der Einschlag weniger Bäume kann dazu führen, dass mehr Falter absterben, da sie einerseits leichter nass werden und stärker kalten Winden in der Nacht ausgesetzt sind, sodass die frostempfindlichen Tiere sterben. Andererseits sind sie am Tag stärkerer Sonneneinstrahlung ausgesetzt, was zu einem höheren Energieverbrauch führt und sie damit ihre Fettreserven aufzehren. Kälteeinbrüche töten immer wieder Millionen Tiere, wie etwa 1981 als circa 2,7 Millionen Falter starben. Der längste beobachtete Sturm 1981 dauerte vom 12. bis 23. Januar und tötete etwa 42 Prozent der Population. Im Januar 1992 tötete lang anhaltendes kaltes und feuchtes Wetter 90 Prozent der Falter in der Kolonie Sierra Herrada, die auf 3164 Metern liegt. Ein verheerender Kälteeinbruch und Sturm vom 12. bis 16. Januar 2002, bei dem die Falter vorher durch Regen nass wurden, tötete mit etwa 500 Millionen Tieren 75 Prozent der Population. An den Überwinterungsstellen wurden etwa 5000 tote Falter pro Quadratmeter gezählt.<ref name="OberhauserSolensky151">Oberhauser & Solensky (2004), Kapitel 20, S. 151ff.</ref> Zwei Jahre später töteten zwei Stürme am 18. und 31. Januar etwa 70 Prozent der Falter. Der folgende Sommer war der kühlste seit 1992 und die Sommerpopulation hatte nur ein geringes Wachstum. Im darauffolgenden Winter 2004/2005 wurde die geringste Zahl überwinternder Monarchfalter in Mexiko registriert. Die Kolonien beanspruchten nur 2,2 ha, der niedrigste Wert seit mindestens 12 Jahren, wahrscheinlich sogar seit Beginn der Beobachtungen der Plätze Ende der 1970er Jahre. Die größte Ausdehnung hatten die Kolonien 1996/1997 mit fast 22 ha.<ref name="ICMBSAC"> {{internetquelle |hrsg=Informally Constituted Monarch Butterfly Scientific Advisory Committee (ICMBSAC) |titel=Reduced numbers of monarch butterflies overwintering in Mexico during the 2004-2005 season: evidence, possible causes and recommendations |url=http://www.monarchwatch.org/update/2005/0221_Sci_Adv_Rpt_11.pdf |format=PDF |sprache=englisch |titel=Monarch Watch |zugriff=11. September 2008 }}</ref> === Infektionen === Das [[Bakterien|Bakterium]] ''Micrococcus flaccidifex danai'' tötet die Raupen vor der Verpuppung. ''Micrococcus flaccidifex'' ist als biologische Schädlingsbekämpfung patentiert.<ref name="Milkweed97"/><ref name="freepatents"> Biological control – United States Patent 4425331 – A biologically pure culture of the microorganism Micrococcus pseudoflaccidifex, ATCC No. 31970, which is capable of producing death in insects by mechanisms associated with wilt disease. [http://www.freepatentsonline.com/4425331.html online]</ref> === Parasiten === Das [[Protozoen|Protozoon]] ''[[Ophryocystis elektroscirrha]]'' parasitiert die Falter in ihrem gesamten Verbreitungsgebiet. Der Parasit schwächt die Falter, die infizierten Tiere fliegen langsamer und können nicht so weite Flüge zurücklegen. Dadurch wird die Ausbreitung des Parasiten bei besonders weit wandernden Populationen stark gehemmt, da nur nicht bis schwach infizierte Tiere die weiten Strecken bis zu den Winterquartieren zurücklegen können. Der Parasitierungsgrad der östlichen Population ist im Westen (östlich der Rocky Mountains bis zu den Apalachen) geringer als bei Faltern im Osten des Verbreitungsgebiets, nahe der Atlantikküste. Die nach Florida ziehenden Falter oder die ortstreuen Falter in Florida haben einen geringeren Selektionsdruck, dagegen begünstigt die weite Wanderung nach Mexiko resistente Tiere. Unterschiede bei Flügelgröße und -form haben dagegen auf die Geschwindigkeit und Gesamtdistanzen keinen nennenswerten Einfluss.<ref name="Bradley"> {{Literatur |Autor=Catherine A. Bradley, Sonia Altizer |Titel=Parasites hinder monarch butterfly flight: implications for disease spread in migratory hosts |Sammelwerk=Ecology Letters |Band=8 |Nummer=3 |Verlag=Blackwell Publishing |Jahr=2005 |Monat=März |Seiten=290–300 |ISSN=1461-023X |Online= |Zugriff=}}</ref> Die Sporen von ''Ophryocystis elektroscirrhas'' werden von den Raupen gefressen sodass sich die Art in ihrem Körper erst ungeschlechtlich und später geschlechtlich vermehren kann. In den letzten Tagen des Puppenstadiums werden neue Sporen gebildet, die sich beim Schlupf auf den Schuppen der Flügel wiederfinden. Die Sporen lagern sich auf den Nahrungspflanzen ab oder werden bei der Eiablage durch die Falter auf die Oberfläche der Eier gebracht. Die Eiraupen fressen die Sporen auf der Eihülle oder die Raupen nehmen die Sporen über die Nahrungspflanze auf und der Kreislauf beginnt von neuem. Bei der Paarung können die Sporen vom Männchen auf das Weibchen übertragen werden und dieses kann wiederum die Eier infizieren. Die Übertragung von Falter zu Falter ist ebenfalls möglich, wenn sich die Tiere nahe beieinander befinden, was häufig bei der Überwinterung in den großen Kolonien auftritt. Wie die Infektionsrate der Nachkommen dadurch beeinflusst wird, ist noch nicht erforscht. Bei sehr starker Infektion bekommt die Puppe graue Flecken und der Schlupf der Falter wird so stark erschwert, dass sie manchmal die Puppenhülle nicht ganz verlassen können.<ref name="monarchwatch">[http://www.monarchwatch.org/biology/control.htm Monarch Watch]</ref> === Parasitoide === Es sind über 20 verschiedene Parasitoide des Monarchfalters bekannt. In Nordamerika werden durchschnittlich 13 Prozent der Raupen parasitiert, fast ausschließlich von Fliegen der Art ''Lespesia archippivora''. Die Rate schwankt stark von Jahr zu Jahr und von Region zu Region, so dass in einzelnen Fällen bis zu 90 Prozent parasitiert sind. Die Raupen werden in allen Stadien parasitiert, wobei Raupen im späten zweiten bis zum vierten Stadium bevorzugt werden. In den fortgeschrittenen Stadien kommt es vereinzelt zu Superparasitierung, das bedeutet, dass mehr als ein Fliegenweibchen seine Eier in eine Raupe legt. Im letzten Stadium geht die Rate zurück, da diese Raupen in der Lage sind, die Fliegen abzuschütteln. Aus den parasitierten Raupen entwickeln sich bis zu zehn Fliegen, wobei sich bei etwa 35 Prozent nur eine, und bei jeweils etwa 15 Prozent zwei bis drei Fliegen entwickeln. ''Lespesia archippivora'' ist nicht auf den Monarchfalter spezialisiert und parasitiert mindestens 25 Schmetterlingsarten aus 14 Familien und einen Hautflügler. Die Dosis der durch die Nahrungspflanze aufgenommen Cardenolide hat keinen Einfluss auf den Parasitierungsgrad. ''Lespesia archippivora'' wird von einer [[Erzwespen]]-Art aus der Familie der [[Perilampidae]] parasitiert. Deren Weibchen heften ihre Eier an Blätter. Nachdem die Larven geschlüpft sind, dringen sie in den Körper des Hauptwirts ein und suchen die Larve des Hauptparasiten. Sie entwickeln sich erst weiter, wenn sich dieser verpuppt.<ref name="OberhauserParasitism"> {{Literatur |Autor=Karen Oberhauser, Ilse Gebhard, Charles Cameron & Suzanne Oberhauser |Herausgeber=University of Notre Dame |Titel=Parasitism of Monarch Butterflies (Danaus Plexippus) by Lespesia Archippivora (Diptera: Tachinidae) |Sammelwerk=The American Midland Naturalist |Band=157 |Nummer=2 |Ort=Notre Dame, Indiana, USA |Jahr=2007 |Monat=April |Seiten=312–328 |ISSN=0003-0031 |Online=[http://www.mlmp.org/pdfs/Oberhauser-et-al-Tachinid-Flies-2007.pdf PDF] |Zugriff=3. März 2008}}</ref><!-- <ref name="Cardoza"> {{Literatur |Autor=Cardoza et al. |Herausgeber=Florida Entomological Society |Titel=Biology and development of ''Lespesia aletiae'' (Diptera: Tachinidae) in two lepidopteran species in the laboratory |Sammelwerk=The Florida Entomologist |Band=80 |Nummer=2 |Jahr=1997 |Monat=Juni |Seiten=289 |ISSN=0015-4040 |Online=[www.fcla.edu/FlaEnt/fe80p289.pdf PDF] |Zugriff=2. März 2008}}</ref> --> Weitere bekannte Parasitoide des Monarchfaltes sind: * [[Zweiflügler]] (Diptera): ''[[Brachymeria obscurata]]'', ''[[Buquetia obscura]]'', ''[[Chaetogaedia monticola]]'', ''[[Compsilura concinnata]]'', ''[[Epicampocera obscura]]'', ''[[Eusisyropa virilis]]'', ''[[Exorisla mella]]'', ''[[Lespesia archippivora]]'', ''[[Lespesia schizurae]]'', ''[[Madremyia saundersii]]'', ''[[Phryxe pecosensis]]'', ''[[Phryxe vulgaris]]'', ''[[Paradrino laevicula]]'', ''[[Sturmia convergens]]'', ''[[Winthemia diversa]]'' * [[Hautflügler]] (Hymenoptera): ''[[Trichogramma minutum]]'', ''[[Trichogramma Intertmedium]]'', ''[[Echthromorpha fuscator]]''<ref name="Milkweed202" /> === Insekten === Zu den Prädatoren der Eier und Raupen gehören Käfer, wie etwa [[Marienkäfer]], die die Eier fressen, der Schildkäfer ''[[Cermatulus nasalis]]'', der die Raupen frisst und [[Florfliegen]] (Chrysopidae), die die jungen Raupen fressen.<ref name="Ramsay"/> [[Ameisen]] schleppen die Eier in ihren Bau und töten die Raupen.<ref name="Milkweed97">Milkweed Butterflies, S.97</ref> Die in den südlichen USA eingeschleppte [[Rote Feuerameise]] (''Solenopsis invicta'') stellt eine große Bedrohung für die Eier und Raupen dar und trägt zu einer recht geringen Populationsdichte und lückenhaften Verbreitung in den südlichen Staaten bei. Die Feuerameise verdrängt jedoch auch einheimische Ameisenarten, durch die es ebenfalls zu großen Verlusten bei den Eiern und den Raupen kommt, sodass sich die Verluste der Falter wahrscheinlich in der Waage halten.<ref name="OberhauserSolensky47">Oberhauser & Solensky (2004), Kapitel 6, S. 47ff</ref> In Neuseeland verhindern Ameisen der Art ''[[Technornyrmex albipes]]'' die Ansiedlung von Monachfalterraupen auf den Nahrungspflanzen. Ebenfalls in Neuseeland sind ''[[Cermatulus nasalis]]'' und ''[[Oechalia schellenbergii]]'' aus der Familie der [[Baumwanzen]] (Pentatomidae), ''[[Polistes chinensis]]'' und ''[[Polistes humilis humilis]]'' aus der Familie [[Faltenwespen]] (Vespidae) in der Unterfamilie der [[Feldwespen]] (Polistinae) und die [[Fangschrecken|Fangschrecke]] ''[[Miomantis caffra]]'' als Prädatoren nachgewiesen.<ref name="Watts"> {{Literatur |Autor=Corinne H. Watts |Herausgeber=New Zealand Entomologist |Titel=TODO |Sammelwerk=The Weta |Band=22 |Nummer=1 |Ort=??? |Jahr=1999 |Seiten=21–21 |ISBN=??? |Online=[http://www.ento.org.nz/nzentomologist/free_issues/Weta22_1_1999/Weta22(1)_20_21.pdf PDF] |Zugriff=2. März 2008}} </ref> === Wirbeltiere === [[Datei:Stellers jay - natures pics.jpg|thumb|Der Diademhäher frisst Monarchfalter in Mexiko]] [[Datei:Red-whiskered Bulbul-web.jpg|thumb|Der Rotohrbülbül frisst bevorzugt die orange [[Nominotypisches Taxon|Nominatform]] des Monarchfalters auf Hawaii]] Durch die Herzglykoside, die die Mehrzahl der Monarchfalter für Wirbeltiere ungenießbar macht, ist der Jagddruck durch Echsen, Frösche, Mäuse und Vögel relativ gering. Einige Vögel haben sich dennoch angepasst und können giftige Raupen und Falter fressen. Der [[Cayenne-Tyrann]] (''Myiarchus tyrannulus''), der zur Familie der [[Tyrannen]] zählt, frisst überwinternde Falter in Mexiko. Er reißt die Flügel ab, bevor er die Falter frisst.<ref name="Urquhart165">Urquhart (1987), S. 165</ref> ''[[Baltimore-Trupial|Icterus galbula abeillei]]'' aus der Gattung der [[Trupiale]] und der [[Schwarzkopf-Kernknacker]] (''Pheucticus melanocephalus'') aus der Gattung der [[Kernknacker]] (Familie der [[Kardinäle]]) fressen eine bedeutende Menge Falter am Tag, so dass ihnen bei einer durchschnittlichen Überwinterungsdauer von 135 Tagen, etwa neun Prozent der Population zum Opfer fallen. Daneben fressen noch der [[Diademhäher]] (''Cyanocitta stelleri'') und der [[Scott-Trupial]] (''Icterus parisorum'') eine geringere Anzahl Falter. Ungeklärt ist, ob die Vögel männliche Tiere ihres geringen Giftgehalts oder größeren Fettgehalts wegen bevorzugt fressen.<ref name="Brower1985"> {{internetquelle |autor=Lincoln P. Brower & William H. Calvert |url=http://www.jstor.org/pss/2408685 |format=GIF |sprache=englisch |titel=Foraging Dynamics of Bird Predators on Overwintering Monarch Butterflies in Mexico |werk=Evolution |seiten=852 |datum=1985 |zugriff=5. September 2008 }}</ref><ref name="Brower1983"> {{internetquelle |autor=Linda S. Fink, Lincoln P. Brower, Robert B. Waide & Paul R. Spitzer |url=http://www.jstor.org/pss/2387962 |format=GIF |sprache=englisch |titel=Overwintering Monarch Butterflies as Food for Insectivorous Birds in Mexico |werk=Biotropica |seiten=151 |datum=1983 |zugriff=5. September 2008 }}</ref> Auf Neuseeland sind etwa der [[Bronzekuckuck]] (''Chrysococcyx lucidus lucidus''), der Falter frisst, und der [[Haarbusch-Drongo]] (''Dicrurus hottentottus''), der Raupen frisst, als Feinde nachgewiesen.<ref name="Milkweed97"/> Auf der Hawaii-Insel Oahu fressen der [[Rotohrbülbül]] (''Pycnonotus jacosus'') und [[Rußbülbül]] (''Pycnonotus cafer'') verstärkt die nur schwach giftigen, normal gefärbten Falter, was die weiße Form ''nivosus'' begünstigt und deren starkes Auftreten dort erklärt. Mäuse sind in den mexikanischen Überwinterungsquartieren neben den Vögeln weitere bedeutende Jäger der Falter, denen etwa fünf Prozent zum Opfer fallen. Die [[Hirschmaus]] (''Peromyscus maniculatus''), ''[[Peromyscus spicilegus]]'' und die [[Mexikanische Wühlmaus]] (''Microtus mexicanus'') nehmen die Gifte durch ihren Magen und Darm nur schwach auf und können dadurch jede Nacht zusammen tausende Monarchfalter fressen.<ref name="Brower1985-2"> {{internetquelle |autor=Lincoln P. Brower, B. Elizabeth Horner, Melanie A. Marty, Christine M. Moffitt & Bernardo Villa-R. |url=http://www.jstor.org/pss/2388500 |format=GIF |sprache=englisch |titel=Mice (Peromyscus maniculatus, P. spicilegus, and Microtus mexicanus) as Predators of Overwintering Monarch Butterflies (Danaus plexippus) in Mexico |werk=Biotropica |seiten=89 |datum=1985 |zugriff=5. September 2008 }}</ref> === Schutz vor Feinden === Die Raupen können über ihre Nahrungspflanzen [[Herzglykoside]], etwa [[Calactin]], [[Calotropin]] und [[Eriocarpa]], aufnehmen, die sie und die späteren Puppen und Falter für Wirbeltiere ungenießbar machen. Vögel, die mit Herzglykosiden angereicherte Falter verzehren, erbrechen sich. Dieses Verhalten wurde beim [[Star (Art)|Star]] (''Sturnus vulgaris'') und [[Blauhäher]] (''Cyanocitta cristata bromia'') beobachtet, der für etwa eine halbe Stunde ernsthaft krank wurde. Besonders viele Herzglykoside werden etwa über ''Asclepias curassavica'' (Calactin und Calotropin) und ''A. humistrata'' aufgenommen. Dagegen enthält ''Gonolobus rostratus'' keine Glykoside und die Falter sind für die Vögel genießbar, ebenso wie Falter deren Raupen an ''A. syriaca'', ''A. tuberosa'' und ''A. incarnata'' fraßen, obwohl diese Pflanzen Glykoside enthalten. Die Raupen reichern einige der Glykoside, etwa Calactin, Calotropin und Eriocarpa, in ihrem Körper an und die Konzentration übersteigt die der Pflanzen deutlich. Dagegen werden die bedeutenden Glykoside [[Labriformadin]] und [[Labriformin]] von ''A. eriocarpa'' und [[Uscharidin]] von ''A. curassavica'' nicht angereichert, wobei letzteres in Calactin und Calotropin umgewandelt wird. Insgesamt reichern weibliche Falter mehr Glykoside an als männliche und die Konzentration nimmt von Süden nach Norden innerhalb der östlichen Sommerpopulation zu. Die Falter der westlichen Population weisen einen höheren Anteil genießbarer Falter auf als die der östlichen, sie erreichen aber höhere Spitzenwerte an Glykosiden.<ref name="Milkweed81">Milkweed butterflies, S. 81</ref> == Forschung == 1857 beschrieb der britische Naturforscher [[William Stewart Mitchell d’Urban]], der zeitweise in Kanada lebte, zum ersten Mal wandernde Monarchfalter im [[Missisippi River|Mississippital]] ''„such vast numbers as to darken the air by the clouds of them“'' (in so großer Anzahl, dass sich die Luft durch ihre Wolken zu verdunkeln schien). Zehn Jahre später wurden zum ersten Mal große Ansammlungen auf Bäumen ruhender Monarchfalter beschrieben. Das Schauspiel in der Prärie des südwestlichen Iowa wurde von Allen mit den folgenden Worten beschrieben: ''„in such vast numbers, on the lee sides of trees, and particularly on the lower branches, as almost to hide the foliage, and give to the trees their own peculiar color“'' (in so gewaltigen Mengen auf der Leeseite der Bäume, besonders auf den unteren Ästen, als ob sie das Laub verbergen und den Bäumen ihre eigene auffällige Farbe geben wollten). Dieses Verhalten wurde schon damals als Schutz vor dem Präriewind interpretiert und auch als Teil einer Südwanderung im Herbst. Die US-amerikanischen [[Entomologe]]n [[Benjamin Dann Walsh]] und [[Charles Valentine Riley]] veröffentlichten 1868 die ersten Beweise für die massiven Wanderungen der Monarchfalter. Riley beschrieb drei Jahre später die Biologie und Lebensweise des Monarchfalters und dessen Mimikry mit ''Limenitis archippus'' und begründete damit die Forschung über den Monarchfalter. 1881 wurden die Überwinterungsplätze der westlichen Population in Kalifornien entdeckt, die der Östlichen blieben noch fast 100 Jahre unentdeckt. Anfangs wurde vermutet, dass sie an der Golfküste überwintern, aber schon bald regten sich Zweifel. Heute steht fest, dass sie dort, aufgrund ihrer Frostempfindlichkeit bei den immer wieder auftretenden harten Frosten, nicht überleben können. Dies hatte der Amateur-Entomologe und Sekretär der ''Entomological Society of Ontario'' John Alston Moffat schon um die vorherige Jahrhundertwende richtig gefolgert. [[Edward Bagnall Poulton]], 1903–1904 Präsident der [[Royal Entomological Society of London]], vermutete 1909, dass die Raupen des Monarchfalters sich von giftigen Seidenpflanzen ernähren, um sich damit vor Jägern zu schützen. Dies wurde erst 1965 von Parsons bestätigt, als er herausfand, dass die [[Cardenolide]] die Raupen und Falter giftig und bitter schmeckend machen. [[Datei:Monarch Butterfly Danaus plexippus Tagged Closeup 3008px.jpg|thumb|Ein frisch markierter Monarchfalter während des ''[[Cape May]] Bird Observatory's Program'', [[New Jersey]], am 11. Oktober 2008]] Das Buch ''The Migration of Butterflies'' (1930) des britischen Entomologen Carrington Bonsor Williams spornte den Kanadier Frederick Urquhart an und 1937 markierte dieser die ersten Falter um mehr über ihre Wanderungen zu erfahren. Damals wurde vermutet, dass auch die Falter östlich der Rocky Mountains in Kalifornien überwintern, was er aber bezweifelte, da ihm deren Anzahl in Kalifornien zu gering erschien. Der Erfolg blieb zuerst aus. Er forschte weiter an verschiedenen Markierungsmethoden bis er schließlich durch den Hinweis eines Freundes eine einfache und wetterbeständige Methode gefunden hatte. Die als ''Alar tag'', vom lateinischen ''Alar'' für Flügel, bezeichneten, etwa 6 mal 12 Millimeter großen Aufkleber, waren ein Durchbruch für die Markierung von Schmetterlingen. Sie trugen die Aufschrift ''„Send to Zoology University of Toronto Canada“''. Seine Frau, mit der er zusammen ein Leben lang die Monarchfalter erforschte, schrieb 1952 einen Artikel über markierte Monarchfalter für ein Magazin. Dieser Beitrag enthielt einen Aufruf an Freiwillige, sie bei der Arbeit zu unterstützten. 12 Menschen antworteten und gründeten die ''[[International Migration Association]].'' Die Urquharts lieferten die Materialien für die Kennzeichnung und schulten die Freiwilligen, 20 Jahre später zählte die Vereinigung schon über 600 Mitglieder mit tausenden Helfern. Diese markierten hunderttausende Falter und damit gelang es den Urquharts neue Erkenntnisse über diese zu erlangen. Es stellte sich heraus, dass die Falter an einem Tag bis zu 130 Kilometer weit flogen, aber nur bei Tageslicht, und dass sie Wind und offene Gewässer mieden. Die Flugrichtung der Falter ging vom Nordosten nach Südwesten und die Urquharts reisten nach [[Kalifornien]] und zum [[Golf von Mexiko]], ohne jedoch die Überwinterungsquartiere zu finden. 1972 schrieb Nora mexikanische Zeitungen an und rief zur Mitarbeit bei der Suche nach den Faltern auf. Der amerikanische Ingenieur Ken Brugger aus [[Mexiko-Stadt]] fuhr daraufhin die nächsten Jahre in Mexiko auf der Suche nach Faltern umher. 1974 heiratete er Cathy und die beiden Schmetterlingsliebhaber suchten weiter. Sie fanden immer wieder tote Tiere und kamen den Überwinterungsquartieren immer näher. 1975 zeigten sie Holzfällern tote Tiere und diese zeigten ihnen schließlich den Weg zu den Quartieren der Monarchfalter am [[Cerro Pelón]], 120 Kilometer westlich von Mexiko-Stadt. Danach riefen sie die Urquharts an und teilten ihnen mit, dass sie Millionen Falter gefunden hatten. Im folgenden Jahr reisten die Urquharts selbst nach Mexiko und besichtigten den Fundort. Der Boden war bedeckt mit Faltern und die Bäume hingen voll von ihnen. Ein Ast brach unter ihrem Gewicht ab, darunter befand sich ein Falter, der in [[Minnesota]] markiert wurde. Im selben Jahr veröffentlichte Frederick Urquhart einen Artikel im [[National Geographic Society|National Geographic]] und beschrieb die phänomenale Ansammlung überwinternder Monarchfalter. Urquhart bezweifelte, dass die Falter den Flug über den Atlantik von Amerika nach Europa überleben könnten, da sie nur am Tag fliegen, nicht auf dem Wasser ruhen können, wie er nachwies, und die Strecke nicht an einem Tag bewältigt werden könnte. Er vermutete, dass die Falter, die immer wieder an Europas Küsten auftreten, als Raupen oder Puppen auf Schiffe kamen und in die Nähe der Küsten das Schiff verließen.<ref name="Urquhart 145">Urquhart (1987), S. 145</ref> Es hat sich aber die Ansicht durchgesetzt, dass die Falter bei starken Stürmen tatsächlich über den Atlantik verdriftet werden können, da oft auch nordamerikanische Zugvögel zusammen mit den Faltern nach starken Stürmen an den europäischen Küsten gesichtet wurden. Falter zu markieren ist sehr aufwendig und nur etwa ein Promille wird später gemeldet und ist über 100 Kilometer weit geflogen. Der US-amerikanische Zoologe [[Lincoln Pierson Brower]] untersuchte deshalb Anfang der 1980er Jahre Menge und Muster der Herzglykoside in den Faltern, die sie als Raupen aufgenommen hatten. Damit konnte er die Brutgebiete der Falter eingrenzen, da unterschiedliche Seidenpflanzengewächse durch verschiedene Glykoside in bestimmten Verhältnissen einen „Fingerabdruck“ haben und die Verbreitungsgebiete der einzelnen Arten unterschiedlich sind.<ref name="Brower1996" /> Andere Forscher untersuchten den Orientierungssinn der Falter anhand der Sonne oder des Erdmagnetfelds, etwa in großen Hallen mit künstlichen Lichtquellen oder in einer recht kleinen Anordnung mit einem beweglichen künstlichen Magnetfeld, das genauso schwach wie das Erdmagnetfeld war. Zahlreiche Initiativen zeichnen Daten über wandernde Monarchfalter auf um mehr über seine Lebensweise zu erfahren. Teilweise markieren sie Falter, wie etwa ''Monarch Watch'' ([[University of Kansas]]) und das ''Monarch Monitoring Project'' in [[New Jersey]]. ''Journey North'' beobachtet wandernde Tiere in Nordamerika, darunter auch den Monarchfalter. == Systematik == Nach der Erstbeschreibung 1758 als ''Papilio plexippus'' durch <span class="Person">Linné</span> anhand eines Falter aus [[Kendall (New York)|Kendall]], New York, USA, hat der Monarchfalter viele verschiedene taxonomische Einordnungen und Umgruppierungen erfahren. Dies führte zu einer Reihe von Gattungsnamen und Art … .<span class="Person">Seitz</span> ordnete ihn 1908 der Gattung ''Danais'' zu. Zwei Jahre später wurde er von <span class="Person">Fruhstorfer</span> ''Danaida (Anosia) archippux'' (<span class="Person">Fabricius</span>) genannt, während der Name ''plexippus'' lange für die heute als ''Danaus genutia'' benannte Art verwendet wurde. Zu dieser Zeit ist der Monarchfalter oft als ''archippus'' in der Literatur zu finden. 1939 ordnete <span class="Person">Forbes</span> den Falter der Gattung ''Danaus'' als ''D. (Danaus) erippus menippe'' (<span class="Person">Hübner</span>) und ''D. (Danaus) erippus megalippe'' (<span class="Person">Hübner</span>) zu, während im selben Jahr <span class="Person">d’Almeida</span> ihn als ''Diogas curassavicae'' (<span class="Person">Fabricius</span>) einordnete. <span class="Person">Talbot</span> verkürzte zwei Jahre später <span class="Person">Talbots</span> den Namen auf ''Danaus menippe'' (<span class="Person">Hübner</span>). Seit 1971 wird der noch heute gültige Name ''Danaus plexippus'' (L.) verwendet.<ref name="Milkweed202">Milkweed Butterflies (1984), S. 202</ref> Das [[Epitheton|Artepitheton]] leitet sich von ''Plexippos'' dem Sohn des [[Phineus (Sohn des Agenor)|Phineus]] und der [[Kleopatra (Tochter des Boreas)|Kleopatra]] ab und der Gattungsname kommt von ''Danaos'' (lateinisch Danaus), König von [[Argos (Stadt)|Argos]] im [[Peloponnes]], der Vater der 50 Danaiden. Beide sind Teil der [[griechische Mythologie|griechischen Mythologie]]. Neben der wandernden Nominatform ''Danaus plexippus plexippus'' sind die folgenden Unterarten beschrieben: * ''D. p. nigrippus'' (<span class="Person">Haensch</span>, 1909), verbreitet im nördlichen Südamerika über Mittelamerika bis Nicaragua. * ''D. p. tobagi'' <span class="Person">Clark</span> 1941, verbreitet in Nordbrasilien, Guyana, Suriname, Französisch-Guayana und Trinidad und Tobago. Auf den Antillen kommen drei Unterarten vor: * ''D. p. megalippe'' (<span class="Person">Hübner</span>, 1826) dunkle Unterart, Antillen, Hybriden mit ''D. p. plexippus'' gibt es auf Espaniola, Puerto Rico. Die Raupen sind ebenfalls sehr dunkel, da das dunkle Band viel breiter ist als bei ''D. p. plexippus'' und fast den gesamten Platz des gelben Bandes einnimmt. * ''D. p. portoricensis'' <span class="Person">Clark</span> 1941, die Unterart ist an den reduzierten oder fehlenden weißen Punkten an der Vorderflügelspitze zu erkennen. * ''D. p. leucogyne'' (<span class="Person">Butler</span>, 1884) Der Status der Unterarten ist nicht geklärt, teilweise leben sie in den gleichen Gebieten. Von keiner der Unterarten ist ein Wanderverhalten oder die Bildung von Kolonien bekannt. == Gefährdung und Schutz == Die Raupen sind primär an Seidenpflanzengewächse und davon besonders an die Gattung Seidenpflanzen als Nahrungsquelle gebunden. Wenn diese bekämpft werden, hat dies negative Auswirkungen auf die Populationsstärke. In den USA und Kanada werden die Seidenpflanzen teilweise als Unkraut betrachtet und mit Herbiziden, etwa am Straßenrand und auf landwirtschaftlichen Flächen, bekämpft. Für den Erhalt der natürlichen Vorkommen der Seidenpflanzen in Kanada und den USA setzte sich Fred Urquhart zusammen mit seiner Frau über viele Jahre ein, in einigen kanadischen Provinzen und den USA wurden und werden die Seidenpflanzen von Behörden noch immer als gesundheitsschädlich eingestuft. Trotzdem werden in vielen Blumengärten die Pflanzen wegen ihres Aussehens und Dufts angepflanzt. In Mexiko und der Karibik gibt es teilweise den [[Aberglauben]], dass Kühe durch Seidenpflanzen vergiftet werden. In Trinidad und Tobago werden die Seidenpflanzen deshalb als ''beklopptes Kraut'' bezeichnet. Tatsächlich ignorieren die Kühe die Pflanzen auf den Weiden und nehmen keinen Schaden. Trotzdem werden sie stellenweise bekämpft.<ref name="Urquhart5">Urquhart (1987), S. 5f</ref> Die [[International Union for Conservation of Nature and Natural Resources|Weltnaturschutzunion]] (IUCN) hat den Monarchfalter in ihr Wirbellosen-Rotbuch aufgenommen. Allerdings nicht als gefährdete Tierart, sondern als bedrohtes Naturphänomen – eine eigens hierfür geschaffene Kategorie.<ref name="Kappeler"> {{internetquelle |autor=Markus Kappeler |url=http://www.markuskappeler.ch/tex/texs/monarchfalter2.html |titel=Monarchfalter – Danaus plexippus |format=HTML |sprache=deutsch |datum=1998 |zugriff=19. Februar 2008}} </ref> Auch wenn noch viele Millionen Monarchfalter im östlichen Nordamerika leben, dienen die Schutzmaßnahmen dem Ziel, einen weiteren Verlust einer wandernden Tierart in Nordamerika zu verhindern, nachdem die [[Wandertaube]] (''Ectopistes migratorius'') und die [[Felsengebirgsschrecke]] (''Melanoplus spretus'') seit über 100 Jahren ausgestorben sind.<ref name="ICMBSAC"/> === Kanada === Der Monarchfalter steht in Kanada unter dem Schutz des ''Federal Species at Risk Act'' (SARA) und ''The Committee on the Status of Endangered Wildlife in Canada'' (COSEWIC), jeweils in der Kategorie ''Special Concern''. ''Long Point'' und ''Prince Edward Point'' im [[Prince Edward County (Ontario)]] und der [[Point-Pelee-Nationalpark]] in [[Essex County (Ontario)|Essex County,]] Ontario, sind als Schutzgebiete des Monarchfalters ausgezeichnet, letzteres ist außerdem seit 1995 durch den ''Canada National Parks Act'' geschützt.<ref name="SARA"> {{internetquelle |hrsg=Canadian Wildlife Service |url=http://www.speciesatrisk.gc.ca/search/speciesDetails_e.cfm?SpeciesID=294 |titel=Monarch |Werk=Species at risk |format=HTML |sprache=englisch |datum=2. März 2008 |zugriff=2. März 2008}}</ref> === USA === Einige Überwinterungsplätze in Kalifornien sind durch den Landverbrauch gefährdet, andere im Staat, den Countys und öffentlichen Parks sind geschützt. In Pacific Grove etwa schon seit 1938. Der Parasit ''Ophryocystis elektroscirrhas'' wurde erst bei Versuchen mit Faltern aus dem Osten in die westliche Population eingeschleppt und stellt eine relativ neue Bedrohung dar. Die Gefahr, die von [[Transgener Mais|Transgenem Mais]] ausgeht, ist entgegen ersten Befürchtungen sehr gering. Ab 1000 Pollen/cm² setzt eine toxische Wirkung bei den Raupen ein. Die Pollenkonzentration auf den Seidenpflanzen liegt selbst zur Hauptblütezeit des Getreides in unmittelbarer Nähe der Felder nur zwischen 50 und 170 Pollen/cm².<ref name="usda"> {{internetquelle |hrsg=United States Department of Agriculture – Agricultural Research Service |url=http://www.ars.usda.gov/is/br/btcorn/index.html |titel=Q&A: Bt Corn and Monarch Butterflies |format=HTML |sprache=englisch |datum=29. April 2004 |zugriff=10. September 2008}} </ref> Eine große Gefahr stellt eine Umstellung der Landwirtschaft von Getreide zu Soja, die die Bedingungen für die Seidenpflanzen verschlechtert. Der Einsatz von Herbiziden vernichtet im Frühjahr die jungen Seidenpflanzen in den Hauptbrutgebieten am Rand der Felder. Zusätzlich werden Nektarquellen für die Falter vernichtet.<ref name="ICMBSAC"/> Die Organisationen, die Daten über Monarchfalter sammeln, setzen sich auch für seinen Schutz ein. Die ''[[Xerces Society]]'', die keine Daten über die Wanderungen sammelt, setzt sich besonders für den Schutz der westlichen Population ein. === Mexiko === Besonders gefährdet ist der Falter durch die Konzentration der östlichen nordamerikanischen Population während der Wintermonate auf wenige Hektar in Mexiko. Diese Überwinterungsgebiete sind durch illegalen Holzeinschlag stark bedroht. In Mexiko wurden 1980 alle Überwinterungsstellen per präsidialem Erlass geschützt, ohne jedoch die Gebiete zu definieren. 1986 wurde ein über 16.000 Hektar großes Schutzgebiet ausgewiesen. Ende 2000 wurde das ''Monarch Butterfly Biosphere Reserve'' (MBBR) auf über 56.000 Hektar vergrößert, wovon über 13.000 Hektar auf den Kernbereich entfallen. Das Land im Schutzgebiet gehört 59 [[Ejido]]s, 13 [[Indigene Völker|indigenen]] Gemeinden und 21 Privatbesitzern. Die von der Vergrößerung betroffenen Gemeinden werden durch den im selben Jahr gegründeten ''Monarch Butterfly Conservation Fund'' (MBCF) wirtschaftlich unterstützt, für entfallene Holzeinschlagrechte werden Entschädigungen gezahlt. Der Fund wird von privaten Spenden aus den USA, durch die mexikanische Bundesregierung und die Regierungen der Bundesstaaten [[México (Bundesstaat)|México]] und [[Michoacan]] finanziert. Der [[World Wildlife Fund]] und der [[Mexican Fund for Nature Conservancy]] verwalten den MBCF zusammen. Die größte Gefahr für das MBBR ist die illegale Abholzung, allein zwischen 2001 und 2003 wurden 370 Hektar in der Pufferzone (Francisco Serrato y Emiliano Zapata ejido) und 140 Hektar im Kernbereich gefällt. Von staatlicher Seite erfahren die vom illegalen Holzeinschlag betroffenen Gemeinden fast keine Unterstützung. Sie versuchen in Eigeninitiative Gräben auszuheben, um den Abtransport von Holz zu verhindern, wobei nur mit schwerem Gerät angelegte große Gräben mit mehreren Metern Breite und Tiefe eine etwas längerfristige Wirkung zeigen. Kleine Gräben, die mit Hacke und Schaufel angelegt werden, sind bald wieder zugeschüttet. Das Schutzgebiet umfasst den [[Cerro Altamirano]] (3320 Meter über N.N.), den [[Cerro Pelón]] (3500 m), die [[Sierra Chincua]] und die [[Sierra el Campanario]] (3640 m) und den [[Cerros Chivatí-Huacal]] (3180 m) in der [[Sierra Chivati]] in Michoacán. Außerhalb des Schutzgebiets befinden sich [[Palomas]], [[Piedra Herrada]] und [[San Francisco Oxtotilpan]] im Bundesstaat México und [[San Andres (Michoacán)|San Andres]], [[Pizcuaro]], [[Puerto Morillo]] und [[Puerto Bermeo]] in Michoacán. In Chivatí-Huacal überwintern seit den starken Abholzungen Ende der 1980er Jahre keine Monarchfalter mehr, am Cerro Pelón wurden alle Hänge bis auf einige Südhänge innerhalb von zehn Jahren so stark abgeholzt, dass nur noch wenige Falter überwintern.<ref name="WWF" /><ref name="morethanmonarchs"> {{internetquelle |hrsg=ECO-LIFE Foundation |url=http://www.morethanmonarchs.org/en/index.php |titel=More Than Monarchs |format=HTML |sprache=englisch |datum=2. März 2008 |zugriff=2. März 2008}}</ref> == Kulturgeschichte == Die Ankunft der Monarchfalter in Michoacán fällt mit dem [[Día de Muertos]] (Tag der Toten) zusammen, an dem traditionell in Mexiko der Verstorbenen gedacht wird. Schon vor der Ankunft der Europäer in Amerika symbolisierten die in Massen auftretenden Falter für die [[Indigene Völker Mittelamerikas und der Karibik|Ureinwohner]] die Rückkehr der Seelen ihrer Vorfahren.<ref name="KarenBrown">{{Literatur |Autor=Clare Brown, Karen Brown, Jane Stevenson Day |Titel=Karen Brown’s Mexico |Verlag=Karen Brown’s Guides |Jahr=2006 |Seiten=190 |Spalten= |ISBN=9781933810102 }}</ref> Der Monarchfalter wurde im 17. Jahrhundert nach [[Wilhelm III. (England)|Wilhelm III.]] (1650–1702), König von England, Schottland und Irland benannt. Dieser war gebürtiger Prinz des [[Fürstentum Orange]] in Frankreich. Die frühen Siedler nannten den Falter ''King Billy''. Er hatte im Laufe der Zeit noch viele andere Namen, etwa ''Milkweed Butterfly'', ''Storm King'' und ''The Wanderer'', Letzterer ist in Australien heute noch gebräuchlich. Der Monarch ist Staatsinsekt in [[Alabama]], [[Idaho]], [[Illinois]], und [[Texas]], und der Staatsschmetterling von [[Minnesota]], [[Vermont]] und [[West Virginia]]. 1989 war er für das nationale Insekt der Vereinigten Staaten von Amerika nominiert und er ist das nationale Insekt von Kanada. An den Überwinterungsplätzen in Kalifornien und deutlich später in Mexiko hat sich der Tourismus entwickelt. In Kalifornien gibt es [[Motel]]s mit Namen wie etwa ''Butterfly Trees Lodge'' und ''Monarch Lodge''. Souvenirs mit Schmetterlingen, etwa Broschen und Anstecknadeln, ebenso wie präparierte Falter, werden angeboten. In Pacific Grove gibt es zur Ankunft der Falter im Herbst ein Fest mit einem Umzug mit Kindern in bunten Kostümen, die Schmetterlinge symbolisieren sollen. Der touristisch erschlossene Überwinterungsplatz Rosario in der Sierra Campanario leidet unter dem illegalen Holzeinschlag in seiner Umgebung. Das Gebiet war 2001/202 nur schwach besucht und 2003/2004 und 2004/2005 ganz verlassen.<ref name="ICMBSAC"/> Neben zahlreichen Initiativen zur Beobachtung und zum Schutz der Falter gibt es etwa das ''Monarch Lab'' der [[University of Minnesota]], das Schüler und Lehrer mit ihrer Initiative ''Monarchs in the Classroom'' (Monarchfalter im Klassenzimmer) anspricht. Es versucht Wissen über die Ökologie, die Lebensweise und die Entwicklung der Monarchfalter zu vermitteln und Schüler für das Thema zu begeistern. Francisco „Vico“ Gutiérrez begleitete im Jahr 2005 72 Tage lang Monarchfalter auf ihrem Zug von Kanada nach Mexiko mit seinem [[Ultraleicht-Flugzeug]] ''Papalotzin'' (von [[Nahuatl]] (Aztekisch) Papalotl für Schmetterling und tzin für königlich). Auf seinem 4375 Meilen langen Flug wurde er von Fotografen und Filmemachern begleitet. Sie filmten die gesamte vom World Wildlife Fund, [[Telcel]] und dem Bundesstaat Michoacán finanzierte Reise und planten daraus eine einstündige Dokumentation zu machen. Auf der Reise machten sie immer wieder Halt und sprachen mit bekannten Lepidopterologen und Biologen über die Gefahren für die Monarchfalter.<ref name="papalotzin">[http://www.panda.org/about_wwf/where_we_work/latin_america_and_caribbean/country/mexico/news/?24536 WWF: Monarch butterflies arrive in Mexico for winter hibernation] vom 3. November 2005</ref> Der Film ist 2007 unter dem Titel [[Papalotzin – The Journey of The Monarch Butterfly]] auf DVD in englischer und spanischer Sprache erschienen.<ref>http://www.indieflix.com/Films/PapalotzinFlightoftheMonarchButterfly</ref><ref>http://www.whosyourmama.org/Films2008.htm</ref> Über den Monarchfalter wurden viele populärwissenschaftliche Bücher veröffentlicht und er ist auch das Thema zahlreicher Kinderbücher, wie etwa das zweisprachige Buch (englisch und spanisch) ''Madalynn the Monarch Butterfly and Her Quest to Michoacan'' / ''Madalynn La Mariposa Monarca y Su Aventura Por Michoacan'' oder ''Hurry and the Monarch'', ein Kinderbuch mit einer Schildkröte, die sich in Texas mit einem Monarchfalter anfreundet und mehr über dessen Leben erfährt. == Literatur == === Verwendete Literatur === * {{Literatur |Autor=Urquhart, Frederick Albert |Titel=The Monarch Butterfly: International Traveler |Verlag=Nelson Hall Publishers |Ort=Chicago, USA |Jahr=1987 |Kommentar=232 Seiten |ISBN= 978-0830410392 }} * {{Literatur |Herausgeber=Karen S. Oberhauser, Michelle J. Solensky |Titel=The Monarch Butterfly: Biology and Conservation |Verlag=Cornell University Press|Ort= Ithaca and London|Jahr=2004 |Kommentar= 248 Seiten |ISBN= 0-8014-4188-9 }} * {{Literatur |Herausgeber=Richard Irwin Vane-Wright & P. R. Ackery|Titel=Milkweed Butterflies. Their Cladistics and Biology|Verlag=Cornell University Press|Ort=Ithaca and London|Jahr=1984|Kommentar= 425 Seiten |ISBN=978-0801416880 }} * {{Literatur |Autor=Williams, Carrington Bonsor |Titel=Die Wanderflüge der Insekten: Einführung in das Problem des Zugverhaltens der Insekten unter besonderer Berücksichtigung der Schmetterlinge |Verlag=Paul Parey |Ort=Hamburg, Berlin |Jahr=1961 |Kommentar=232 Seiten |ASIN=B0000BPO79 }} === Weiterführende Literatur === * {{Literatur |Herausgeber=Stephen B. Malcolm, Myron P. Zalucki |Titel=Biology and Conservation of the Monarch Butterfly |Verlag=Natural History Museum of Los Angeles County|Ort= |Jahr=1993 |Monat=Februar |Kommentar=Seiten |ISBN= 978-9994009213 }} * {{Literatur |Herausgeber=Karen Oberhauser|Titel=A field guide to monarch caterpillars (Danaus plexippus) |Sammelwerk=Evolution and Behavior |Verlag=Department of Ecology, University of Minnesota |Jahr=1997 |ASIN=B0006RRN5W }} * {{Literatur |Autor=Williams, Carrington Bonsor |Titel=The Migration of Butterflies |Verlag=Oliver & Boyd |Ort=Edinburgh, UK |Jahr=1930 |Kommentar=473 Seiten }} * {{Literatur |Autor=Williams, Carrington Bonsor |Titel=Insect Migration |Sammelwerk=The New Naturalist|Band=36 |Verlag=Collins |Ort=London, UK |Jahr=1958 |Kommentar=237 Seiten }} == Weblinks == {{Commons|Danaus plexippus|Monarchfalter}} * [http://users.sa.chariot.net.au/~erg/plexippus_adult.htm Bild der Haarbüschel] * [http://www.monarchlab.org/biology/index.aspx Monarch Lab] – Biologie und Wanderverhalten (englisch) * [http://www.butterfliesandmoths.org/species?l=1892 Butterflies and Moths of North America – Monarch] * [http://www.mlmp.org/ Monarch Larva Monitoring Project] (englisch) * [http://www.monarchwatch.org/ Monarch Watch] (englisch) * [http://www.learner.org/jnorth/monarch/index.html The Journey North] (englisch) === Videos === * [http://de.youtube.com/watch?hl=de&v=FbPAGXqk5d0&gl=DE Monarchfalter in den Bergen Mexikos] * [http://www.youtube.com/watch?v=6j-Nvjmiiqg&feature=related&gl=DE Monarchfalter: vom Ei bis zur Puppe] * [http://www.youtube.com/watch?v=1Vw4-FnAtgw&feature=related&gl=DE Eine Monarchfalterraupe schlüpft aus dem Ei] * [http://www.youtube.com/watch?v=PPk1SRk0UOs&gl=DE Eine Monarchfalterraupe verpuppt sich] * [http://www.youtube.com/watch?v=y0S30RoQA3M&feature=related&gl=DE Ein Monarchfalter schlüpft aus der Puppe] == Einzelnachweise == <references /> [[Kategorie:Edelfalter]] [[Kategorie:Wanderfalter]] {{Exzellent}} {{Link GA|simple}} [[bg:Пеперуда монарх]] [[ca:Papallona monarca]] [[cs:Monarcha stěhovavý]] [[da:Monark (sommerfugl)]] [[en:Monarch (butterfly)]] [[es:Danaus plexippus]] [[fa:پروانه شهریار]] [[fi:Monarkkiperhonen]] [[fr:Monarque (papillon)]] [[he:דנאית מלכותית]] [[hi:मोनार्च]] [[hu:Pompás királylepke]] [[it:Danaus plexippus]] [[ja:オオカバマダラ]] [[nl:Monarchvlinder]] [[no:Monarksommerfugl]] [[pl:Danaus plexippus]] [[pt:Borboleta-monarca]] [[ro:Fluture Monarh]] [[ru:Данаида монарх]] [[simple:Monarch (butterfly)]] [[sv:Monark (fjäril)]] [[tl:Danaus plexippus]] [[vi:Bướm vua]] [[zh:黑脉金斑蝶]] 4huap6f9rffkeupgt1sjow8zzahrfys wikitext text/x-wiki Monatsbilder 0 23950 26548 2010-05-08T07:28:59Z Karel K. 0 /* Spätmittelalter */ korr. Link [[Bild:TRH september corrected.jpg|thumb|300px|Monatsbild „September“, ''[[Très Riches Heures]]'' des [[Jean de Valois, duc de Berry|Herzogs von Berry]] (1412–16/1485; Chantilly, [[Schloss Chantilly|Musée Condé]], Ms. 65, fol. 9v) – herbstliche Weinlese am Fuße des [[Schloss Saumur|Schlosses Saumur]], darüber astrologisches Kalendarium mit Tierkreiszeichen (Jungfrau, Waage) und Sonnenwagen.]] '''Monatsbilder''' (auch '''Monatsarbeiten''' genannt) sind zu einem geschlossenen [[Werkzyklus|Zyklus]] zusammengestellte visuelle [[Repräsentation]]en der [[Monat]]e des abendländischen [[Kalender]]s. Monatsbildzyklen stellen ein klassisches Thema der vormodernen europäischen [[Bildende Kunst|bildenden Kunst]] dar und finden sich besonders prominent als Teil der Bildprogramme der gotischen [[Kathedrale]]n, der spätmittelalterlichen [[Buchmalerei]] und des profanen [[Wandmalerei|Wandschmucks]] der frühen Neuzeit. Die Monatsbilder stehen häufig in enger Verbindung mit den Darstellungen der zwölf [[Tierkreiszeichen]]. Mit den vierteiligen Zyklen der [[Jahreszeiten (Ikonographie)|Jahreszeiten]] sind sie nahe verwandt. Ihnen wird eine entscheidende Rolle für die Ausbildung der nachantiken [[Landschaftsmalerei|Landschafts]]- und [[Sittenmalerei|Genremalerei]] in Europa zugeschrieben. == Überblick == [[Bild:Meister_der_Fuldaer_Schule_-_Kalendertafel_Ausschnitt.jpg|thumb|250px|Kalenderblatt aus dem Fragment eines [[Sakramentar]]s (Fulda, um 980; [[Staatsbibliothek zu Berlin|SBB-PK]]) – Frühform der Monatsbilder, mit „Annus“ im Zentrum, um ihn herum die vier Jahreszeiten, in den Medaillons „Tag“ und „Nacht“, in den Kolumnen die Monate bzw. Monatsarbeiten.]] Die „klassische Grundform“ der Monatsbildzyklen enthält die zwölf Repräsentationen der Monate, die einen im weitesten Sinne agrarwirtschaftlichen Kalender konstituieren ([[#Funktion und Bedeutung|siehe unten]]), denen die Tierkreiszeichen des entsprechenden Zeitraums beigeordnet sind. Die Gestaltung kann schematisch auf einer einzelnen Seite oder als vier-, sechs-, zwölf- oder vierundzwanzigteiliger Zyklus erfolgen. Die Tierkreiszeichen können dabei als selbständige Einheiten den Monatsdarstellungen gegenübergestellt sein, beispielsweise in eigenen Medaillons, jedoch auch beliebig weit in die Monatsbilder selbst integriert werden, etwa als szenischer Bestandteil.<ref>Vgl. Pearsall/Salter, S. 144.</ref> Durch diese In-Beziehung-Setzung der jahreszeitlichen Aktivitäten mit den Abläufen am Himmel ordnete sich der irdische Jahreslauf und der in ihm handelnde Mensch in die von Gott gesetzte [[Kosmologie des Mittelalters|kosmische Ordnung]] ein.<ref>Vgl. Nobis, Heribert M.: ''Zeitmaß und Kosmos im Mittelalter.'', S. 274, in: ''Mensura: Mass, Zahl, Zahlensymbolik im Mittelalter.'' Hg. v. Albert Zimmermann. HBd. 2. Berlin [u.&nbsp;a.] 1984, S. 261–276. (Miscellanea Mediaevalia 16,2)</ref> Die Tierkreiszeichen können auch fehlen, doch ist dies weitaus seltener der Fall, als es den Anschein hat: viele Abbildungen in der Literatur „unterschlagen“ diese, weil sie vom Künstler räumlich getrennt dargestellt wurden (z.&nbsp;B. auf der gegenüberliegenden Blattseite in einer Handschrift). Während die frühesten Zyklen zunächst [[symbol]]ische oder mit spezifischen [[Attribut (Kunst)|Attribut]]en ausgestattete, frontale Halb- oder Ganzfiguren verwendeten, entwickelten sich während des Mittelalters langsam kleine Genreszenen, die größtenteils durch monatstypische, zur jeweiligen Zeit existenziell bedeutsame [[Landwirtschaft|land]]-, [[Jagd|jagd]]-, [[Forstwirtschaft|forst]]- oder [[hauswirtschaft]]liche Arbeitsvorgänge, später auch vergnüglichen Tätigkeiten, geprägt sind. In beiden Gestaltungsformen wird dabei in vielfältiger Weise auf den jahreszeitlichen Vegetationszyklus verwiesen, indem mit verschiedenen eindeutigen Symbolen, Attributen oder der Abbildung saisonaler Produktionsprozesse – die so genannten „Monatsarbeiten“ bzw. später auch „Monatsfreuden“ – auf diesen Bezug genommen wird. Entscheidend für die spezifische Ausprägung eines Zyklus sind zum einen der Kontext ([[Heilig|sakral]] oder [[profan]]), der Zweck ([[Didaktik|didaktisch]] oder [[Ornament (Bildende Kunst)|ornamental]]) und natürlich die individuelle Absicht des Künstlers oder Auftraggebers. Doch auch wenn die Monatsbildzyklen zwischen frühem Mittelalter und der Mitte des 15.&nbsp;Jahrhunderts im einzelnen Unterschiede in Inhaltswahl und [[Komposition (Kunst)|Komposition]] für jeden Monat aufweisen, so blieb doch das Gesamtkonzept trotz erkennbarer Unterschiede bemerkenswert gleichförmig.<ref>Vgl. Webster, S. 94.</ref> [[Bild:Breviarium Grimani - Januar.jpg|thumb|250px|left|„Januar“, ''Breviarium Grimani'' (Flandern, ca. 1510; Venedig, [[Biblioteca Marciana|Bibl. Marc.]]) – Ausblick auf alle Themenkreise: ''Brot'' (Mühle, Esel mit Getreidesäcken, pickende Vögel), ''Fleisch'' (Schwein), ''Wein'' (Fässer), ''Holz'' (Feuer), ''Wolle'' (Schafe, Spinnerin); „realistische“ Architektur und Landschaft; Genreelemente (urinierendes Kind, häusliche Szene).]] Das Reifen, Ernten (Schlachten) und die Weiterverarbeitung von Naturprodukten während eines gewöhnlichen Jahreslaufs bestimmte die Gestaltung der frühen Kalenderordnungen und damit der Monatsbildzyklen. Da die einzelnen [[Kompartiment]]e für die Monate recht bald mit jahreszeitlich festliegenden [[Sujet]]s verbunden worden waren, konnten sich neue Elemente zunächst nur schwer durchsetzen. Damit bilden die Monatsbilder aufgrund der Konstanz der Motive einen eigenständigen [[Ikonographie|ikonographischen]] Typus. Stilistische und kompositorische Veränderungen über die Jahrhunderte hinweg weisen allerdings auch auf eine allmähliche Weiterentwicklung hin, bis sich nach 1420 die Inhalte und Intentionen stärker zu verändern begannen.<ref>Vgl. Strohmaier-Wiederanders, S. 8.</ref> Mit den ''[[Très Riches Heures]]'' (um 1412/16) wandelte sich der Charakter der Zyklen grundlegend. Die frühen Monatsbilder hatten noch mehr oder weniger ''statische'' Personen oder Personifikationen mit Attributen bzw. symbolischen Funktionen gezeigt, aus denen sich kleine ''Handlungen'' entwickelt hatten, die vor allem für den jeweiligen Zeitraum repräsentative jahreszeitliche Arbeiten ins Bild brachten. In diesem [[Stundenbuch]] des [[Jean de Valois, duc de Berry|Herzogs von Berry]] nahm zum ersten Mal jedes einzelne Monatsbild in einer [[Manuskript|Handschrift]] exklusiv eine eigene, komplette Seite ein.<ref>Vgl. Adler, Shane: ''‚Months‘'', S. 626.</ref> Auch wenn solche Einzelblätter weiterhin als Teil einer, nur im Zusammenhang verständlichen, Gesamtkonzeption erkennbar bleiben, ist doch (ähnlich wie bei den Kalenderblättern, die allerdings die Monatsbilder noch in ihren besonderen eigenen Kontext einbeziehen) durch die Reihung auf Einzelseiten der Gesamtzyklus nicht mehr unmittelbar erfassbar. Solche vergleichsweise großformatigen Bildanlagen führten aber auch zu neu verfügbaren Gestaltungsräumen, die es den Künstlern erlaubten, die traditionelle Themenvorgabe durch zusätzliche Motive, etwa im Hintergrund der Bilder, aufzubrechen.<ref>Vgl. Henisch, S. 184.</ref> In den folgenden Jahrhunderten setzte sich das Konzept der ausgearbeiteten, erweiterten und variableren Szenen in den Handschriften nach und nach durch. Dabei lösten sich die Motivfügungen –&nbsp;vor allem in der [[Tafelbild (Malerei)|Tafelmalerei]]&nbsp;– langsam aus den Zusammenhang der Monatszyklen und entwickelten sich als eigenständige Sujets weiter. <br clear="all" style="clear:both;" /> == Geschichte == === Altertum === [[Bild:Antikie Monatsbilder-Montage.png|thumb|250px|Links: Monatsbild „März“, ''Kalender des Philocalus'' (345, Stich nach einer Kopie aus dem 9.&nbsp;Jh.), Beispiel für die antike Form eines Monatsbildes; Rechts: antikisierende Wiederverwendung im 18.&nbsp;Jh. (Kupferstich, Ausschnitt, [[Hausbuch]]).]] Die frühen [[Hochkultur (Geschichtswissenschaft)|Hochkultur]]en verbildlichten den [[Jahr|Zeitrhythmus des Jahreskreises]] gerne durch Darstellungen der [[Jahreszeit]]en oder Tierkreiszeichen<ref>Zu den Tierkreiszeichen siehe [[Hans Georg Gundel|Gundel, Hans Georg]]: ''Zodiakos. Tierkreisbilder im Altertum: Kosmische Bezüge und Jenseitsvorstellungen im antiken Alltagsleben.'' Verlag Philipp von Zabern, Mainz 1992, ISBN 3-8053-1324-1 ([[Kulturgeschichte der antiken Welt]] 54)</ref>. Erst aus dem 1.&nbsp;Jahrhundert&nbsp;n.&nbsp;Chr. sind die frühesten Repräsentationen einzelner [[Monat]]e bekannt. [[Julianischer Kalender|Cäsars Kalenderreform]] von 46&nbsp;v.&nbsp;Chr. war der entscheidende Faktor zur Ausbildung einer europäischen Monatsbildtradition, da die Ablösung des [[Lunation|Mondmonats]] durch den [[Solarkalender|Sonnenmonat]] die landwirtschaftlichen Planungs- und Organisationsvorgänge, die stets vom Sonnenjahr abhängig sind, vereinfachten und vereinheitlichten. Die frühesten Monatsbildzyklen werden in zwei ursprüngliche Traditionsstränge eingeteilt. Die ''griechische Tradition'' gibt die Abfolge „[[Heidentum|heidnisch]]“-liturgischer Feste im Jahreskreis wieder. Fragmente der ältesten Monatsbildzyklen, die heute noch erhalten sind, finden sich in [[Athen]], etwa als attischer [[Fries (Architektur)|Fries]] an der [[Metropolit|Metropolitankirche]] ''Hagios Eleutherios''. Jedem Monat wurden dabei [[Gott|Götter]] und [[Kult (Religion)|Kulthandlung]]en zugeordnet, was eine Funktion als illustrierter Fest[[kalender]] nahelegt. Bereits damals nahmen die um [[Vegetation]] und Ernte kreisenden [[Dionysos]]-Feste eine besondere Stellung ein. Die Tendenz zur [[Personifikation]] abstrakter Begriffe und Ideen erleichterte später die [[Kulturelle Rezeption|Rezeption]] und Anpassung durch das [[Christentum]], da sich hierdurch später leicht geistige Sinngehalte und christlich-religiöse [[Symbolik]] miteinander verbinden konnten.<ref>Vgl. Strohmeier-Wiederanders, S. 14.</ref> Die ''römische Tradition'' besteht hauptsächlich aus profanen Motiven landwirtschaftlicher Arbeiten, die an [[Bukolische Dichtung|bukolische]] Szenen angelehnt sind. Die Darstellungen begründeten sich wohl aus der [[Schwärmerei|schwärmerischen]] Sehnsucht nach dem [[Ideal (Philosophie)|Ideal]] eines „einfachen“ und „natürlichen“ Lebens auf dem Lande. Sie waren oftmals Teil der Ausstattung bürgerlicher [[Villa rustica|römischer Villen]] und dienten damit vornehmlich [[Schmuck|dekorativen]] Zwecken. Die notwendigen Voraussetzungen für ein allgemeines Interesse an Monatsbildern hatten die römischen Steckkalender geschaffen, die bereits Abbildungen der [[Wochentag#Reihenfolge|Planetengötter]] und Tierkreiszeichen als symbolische Herrscher über Tage, Wochen und Monate (''Chronokratoren'') verwendet hatten.<ref>Vgl. Strohmeier-Wiederanders, S. 8f. u. 13.</ref> === Spätantike und frühes Mittelalter === [[Image:Monatsbilder Salzburger Handschrift 818.jpg|thumb|250px|Monatsbilder auf dem Blatt einer Handschrift (Salzburg, um 818; Clm 210) – Übergangsform vom antiken „Festkalender“ zum mittelalterlichen „Arbeitskalender“.]] Die grundsätzliche Voraussetzung für die Weiterführung der Monatsbildtradition und ihre christianisierende Umformung in den frühmittelalterlichen Handschriften war der teilweise Erhalt von Bildungs- und Kulturgütern der Antike im Abendland. Eine Schlüsselstellung nimmt der in mehreren Kopien seit dem 9.&nbsp;Jahrhundert erhaltene ''[[Kalender von 354]]'' (auch ''Chronograph des Philocalus'' oder ''Fasti Philocaliani'' genannt) ein, der noch keine sichtbaren christlichen Einflüsse aufweist. Er stellt das früheste Werk dar, welches neben einem Kalender auch einen zwölfteiligen Monatsbildzyklus umfasst, der von vierzeiligen erläuternden Monatsversen (s.u.) begleitet wird. Die [[Protagonist]]en des antiken Festzyklus' wurden hier nicht etwa durch christliche Symbole, sondern durch religiös „neutrale“ Figuren und Attribute der jahreszeitlich bedingten Arbeiten ersetzt. Dies war möglich, da sich der ursprüngliche Festkreis bereits auf saisonale Gegebenheiten bezogen hatte. Eine „Verchristlichung“ des Sinngehalts des Gesamtzusammenhangs der Monatsbildzyklen fand erst ganz allmählich im Laufe der nachfolgenden Jahrhunderte statt. Dabei tendierte die Entwicklung zunehmend zur Gestaltung kleiner Szenen, die durch im weitesten Sinne agrarwirtschaftliche Arbeiten geprägt waren. Diese Entwicklung von einer unmittelbar sakralen Bedeutung hin zu (oberflächlich betrachtet) recht profanen Themen verhinderte allerdings nicht, dass die Monatsbilder in [[Liturgie|liturgische]] Handschriften integriert wurden – offenbar als Symbolisierung der irdischen [[Zeit]]. Dieser Verwendungskontext bezeugt auch die große Bedeutung des Naturrhythmus' des Jahres und der Jahreszeiten für den Lebensvollzug in der agrarisch strukturierten Gesellschaft des frühen Mittelalters. Zu den ältesten bekannten Monatsbildzyklen in frühmittelalterlichen Handschriften gehören die [[Miniaturmalerei|Miniatur]]en in zwei Salzburger Handschriften aus der Zeit um 818 ([[Bayerische Staatsbibliothek|Clm]] 210 und Wien, [[Österreichische Nationalbibliothek|ÖNB]], Nr. 387). In einer [[Byzantinisches Reich|byzantinischen]] Ptolemäushandschift des [[Vatikanstadt|Vatikan]]s (Rom, Mitte des 9.&nbsp;Jahrhunderts), der [[Karolinger|karolingischen]] Kopie einer antiken Handschrift (der so genannte ''Leidener Germanicus'') zeigt sich der Übergang von den repräsentativen Personifikationen zu den Monatsarbeiten. Ein wichtiger Angelpunkt für die Entwicklung der Monatsbilder ist das [[Martyrologium]] des [[Wandalbert von Prüm]] (entstanden nach 850), welches wie der ''Kalender von 345'' auch Monatsgedichte enthält. Weitere wichtige Handschriften, die Monatsbildzyklen aufweisen, sind das Sakramentar von [[Fulda]] (10./11.&nbsp;Jahrhundert, [[Staatsbibliothek zu Berlin|SBB-PK]], theol. lat. 2° 192), das Ms. Cott. Julius A VI ([[Winchester]], 11.&nbsp;Jahrhundert; London, [[Britisches Museum|Brit. Mus.]]) und der Festkalender von Saint-Mesmin (um 1000; London, Brit. Mus.); in späterer Zeit auch der ''[[Landgrafenpsalter]]'' (13.&nbsp;Jahrhundert; [[Württembergische Landesbibliothek|LB Stuttgart]]) und ''[[Elisabethpsalter]]'' (13.&nbsp;Jahrhundert; [[Cividale]]). === Hohes Mittelalter === [[Bild:Chartres_-_Westportal_Monatsbilder.jpg|thumb|250px|Tierkreiszeichen und Monatsbilder in den Archivolten des Westportals der Kathedrale von Chartres (Mitte 12.&nbsp;Jh.).]] Als wichtiger literarischer Einfluss ist für die hoch- und spätmittelalterlichen Monatsbilder das landwirtschaftliche [[Handbuch]] des [[Palladius (Schriftsteller)|Palladius]] aus dem 4.&nbsp;Jahrhundert anzusetzen, das die Arbeiten der einzelnen Monate behandelte und während des Mittelalters häufig, auch von Gelehrten wie [[Albertus Magnus]], [[Vincentius Bellovacensis|Vinzenz von Beauvais]] oder [[Petrus de Crescentiis]], verwendet wurde. Es ist in über 60 Handschriften überliefert und wurde sogar in verschiedene [[Volkssprache]]n übersetzt. In Oberitalien und Frankreich wurden die Monatsdarstellungen seit dem 12.&nbsp;Jahrhundert vor allem als Teil der großen Portalprogramme der [[Gotik|gotischen]] Kirchenbauten realisiert; sehr häufig erscheinen sie gemeinsam mit den Tierkreiszeichen an prominenter Stelle als Gewände[[skulptur]]en im [[Tympanon (Architektur)|Bogenfeld]] eines wichtigen [[Portal (Architektur)|Portals]]. Kunstgeschichtlich bedeutende Zyklen finden sich an zentralen abendländischen Baudenkmälern des Mittelalters wie der [[Kathedrale von Amiens]] (Westfassade, linkes Seitenportal, um 1230), [[Kathedrale von Autun]], [[Kathedrale von Chartres]] (beispielsweise ''Portail Royale'', Bogenfeld, ca. 1145–55), [[Basilika Saint-Denis|Abteikirche ''Saint-Denis'']] (westliche Vorhalle, ca. 1140/50) und [[Notre-Dame de Paris|Kathedrale ''Notre Dame'']] in Paris (Westfassade, ''Marienportal'', ca. 1220/30), an der [[Kathedrale von Reims]], am [[Straßburger Münster]] (Westbau, Gewände des rechten Portals, begonnen 1276), am [[Markusdom]] in Venedig (Hauptportal) und an der [[Basilika]] ''Sainte-Marie-Madeleine'' von [[Vézelay]] (Vorhalle, Mittelportal, Relief des Tympanons, Chorweihe 1104). Auch innerhalb der Kirchen finden sich Monatsdarstellungen, etwa als Wandmalerei, als Teil der [[Schnitzen|Schnitzereien]] am [[Chorgestühl]] oder anderen Einrichtungsgegenständen, wie etwa dem [[Taufstein]] von [[Eschau (Bas-Rhin)|Eschau]] (Straßburg, [[Musée de l’Œuvre Notre-Dame]]). [[Bild:Glasfenster St. Denis - Korrigiert.jpg|thumb|250px|left|Die große Fensterrose in der Abteikirche St. Denis, Paris. Kosmologisches Schema: 24 Monatsbilder (äußerster Ring), zwölf Tierkreiszeichen (mittlerer Ring), [[Engel]] und die [[Schöpfung]] nach [[1. Buch Mose|Gen]] 1 (innerster Ring), [[Gottvater]] (Zentrum).]] Dank ihrer kreisrunden Form, die einen geschlossenen, prinzipiell endlosen Zyklus am besten aufnehmen kann, waren die großen [[Rosette (Architektur)|Fensterrose]]n der gotischen Kathedralen ein besonders geeigneter Ort, um den Jahreslauf mittels der Monatsdarstellungen zu verbildlichen. Die geometrische Struktur erlaubte die [[Synopse|synoptische]] Darstellung der unterschiedlichen kosmologischen Systeme des Mittelalters, also beispielsweise die Parallelität von Jahreslauf zu liturgischer [[Heilsgeschichte]], Monats[[Heiliger|heilige]]n, [[Apostel]]n etc. Prominentestes Beispiel für diese Gattung ist die Fensterrose der [[Kathedrale Notre-Dame (Lausanne)|Kathedrale Notre-Dame]] in Lausanne (1235), die eine [[Geschichte und Entwicklung der Enzyklopädie|enzyklopädische]] Darstellung der [[Kosmologie des Mittelalters|mittelalterlichen Kosmologie]] im Kreisschema bietet.<ref>Vgl. dazu Beer, Ellen Judith: ''Die Rose der Kathedrale von Lausanne und der kosmologische Bilderkreis des Mittelalters.'' Bern 1952. (Berner Schriften zur Kunst 6)</ref> Andere kunstgeschichtlich bedeutsame [[Bleiglasfenster|Glasfenster]] finden sich z.&nbsp;B. in der Kathedrale in Chartres und im [[St.-Paulus-Dom|Dom]] in Münster. Monatsbilder sind auch in oberitalienischen Fußboden[[mosaik]]en mit konzentrischen Kalenderdarstellung des 11. und 12.&nbsp;Jahrhunderts erhalten, etwa in ''San Michele Maggiore'' in [[Pavia]], in der Kathedrale von [[Otranto]], in der Basilika ''San Savino'' in [[Piacenza]] (farbige Mosaiken, [[Krypta]], 12.&nbsp;Jahrhundert) und im Dom in [[Aosta]]. Im 12. und 13.&nbsp;Jahrhundert finden sich in Oberitalien auch bedeutende Reliefs, etwa die ursprüngliche erste [[Bogengang (Architektur)|Säulengalerie]] des [[Baptisterium]]s in [[Parma]] (nach 1196) von [[Benedetto Antelami]] oder der Reliefzyklus an der Basilika ''San Zeno'' in [[Verona]] ([[Portikus]]). In Deutschland dominierte in dieser Zeit die Wandmalerei. Ein Beispiel für einen gemalten Monumentalkalender ist der [[Triumphbogen]] in ''Notre-Dame de Pritz'', Dep. Mayenne (2. Hälfte des 13.&nbsp;Jahrhunderts). === Spätmittelalter === [[Bild:Prag_-_Rathausuhr_Monatsarbeiten.jpg|thumb|250px|Monatsbilder, Tierkreiszeichen und [[Heiligenkalender]] (weißer Ring) als Teil der [[Prager Rathausuhr|astronomischen Uhr am Prager Rathaus]] (J. Manes, 1864)]] Auch die neu installierten Uhren der Kirchen und Rathäuser wurden seit dem späten Mittelalter bisweilen mit kosmologischen oder [[astronomische Uhr|astrologischen Programmen]] ausgestattet. Beispiele für Monatsbilder finden sich im Umlauf um das Zifferblatt in der [[Marienkirche (Rostock)|Rostocker Marienkirche]] (1379 bzw. 1472) oder (später) am [[Altstädter Ring|Rathaus in Prag]]. Diese Zyklen entsprechen der traditionellen Ikonographie. Nach dem sakralen eroberten die Monatsbildzyklen im späten Mittelalter auch den profanen Bau. Damit waren sie nun auch permanent im öffentlichen Raum gegenwärtig. Ein herausragendes Beispiel sind die 24 Darstellungen als Teil des Programmes der Brunnenanlage ''[[Fontana Maggiore]]'' in [[Perugia]] (1275–1278), die von [[Niccolò Pisano|Niccolò]] und [[Andrea Pisano]] gestaltet wurden; ebenfalls berühmt ist das [[Fresko]] der ''Guten und der Schlechten Regierung'' im ''[[Palazzo Pubblico (Siena)|Palazzo Pubblico]]'' in [[Siena]] (um 1338) von [[Ambrogio Lorenzetti]].<ref>Vgl. Blume, Dieter: ''Regenten des Himmels: Astrologische Bilder in Mittelalter und Renaissance.'' Berlin 2000, S. 90ff. u. Abb. 89–94. (Studien aus dem Warburg-Haus 3)</ref> Das Zürcher [[Bürgerhaus]] ''Zum langen Keller'' verfügte vermutlich seit dem frühen 14.&nbsp;Jahrhundert über eine Ausschmückung mit Monatsbildern, ebenso das Kloster [[Wienhausen]]. Die noch erhaltenen Ausmalungen legen eine enge Verwandtschaft zu den Bildprogrammen der Handschriften und Kathedralen nahe. Nachdem die städtische [[Hallenkirche]] die gotische Kathedrale abgelöst hatte, wurden Monatsbilder vornehmlich für Handschriften erstellt, häufig als Teil von Illustrationen der [[Kalendarium|Kalendertafel]]n in Kalenderwerken, [[Stundenbuch|Stunden-]] und [[Gebetbuch|Gebetbüchern]]. Dieser Medienwechsel verursachte eine grundlegende Wandlung der Funktion und der Gestaltung der Zyklen. Sie wurden zu bereicherndem, luxuriösen Buchschmuck, der der privaten [[Kontemplation]] über den Jahreslauf in Bildern dienen konnte.<ref>Vgl. Plotzek, Joachim M.: ‚''Gebetbuch. 2. Illustration''‘, in: [[Lexikon des Mittelalters]], Bd. 4, Sp. 1160f.</ref> Darüber hinaus war oftmals auch eine sichtlich unterhaltende Wirkung bezweckt. Deutlich zu erkennen sind diese Aspekte etwa beim Fall der Miniaturen der Stundenbücher des [[Jean de Valois, duc de Berry|Herzogs von Berry]]. Die Monatsbilder der ''Très Riches Heures'' (1412/16) gehören mit der genauen Wiedergabe der königlichen Schlösser „um ihrer selbst willen“ außerdem zu den ersten „realistischen“ Landschafts- und Gebäudedarstellungen in Europa nach der Antike. === 15. bis 18. Jahrhundert === Nachdem bereits Anfang des 15.&nbsp;Jahrhunderts [[Buchmalerei|illuminierte]] Handschriften der ''[[Eklogen]]'' und der ''[[Georgica]]'' des [[Vergil]] hergestellt worden waren, die Miniaturen eines idealisierten Landlebens enthielten, kam –&nbsp;nicht unähnlich der ''römischen Tradition''&nbsp;– die schwärmerische Idee vom „einfachen Landleben“ wieder in Mode. In der Folge wurden, ausgehend von den Entwicklungen am französischen [[Hofstaat|Hof]], die Darstellungen der „Monatsarbeiten“ in den reich illustrierten Stundenbüchern aus [[Flandern]] allmählich immer mehr durch Szenen mit „Monatsfreuden“ ersetzt. Ein [[Einblattholzschnitt|Einblatt]]-Kalender des [[Johannes von Gmunden]] aus der 2. Hälfte des 15.&nbsp;Jahrhunderts in der [[Holzschnitt]]-Technik (irreführend als ''Xylographischer Kalender von 1439'' bezeichnet)<ref>Vgl. ''Geburt der Zeit: Eine Geschichte der Bilder und Begriffe.'' Ausstellung im Museum Fridericianum Kassel vom 12. Dezember 1999 – 19. März 2000. Hgg. v. Hans Ottomeyer u.&nbsp;a. Wolfratshausen 1999, S. 229.</ref> bietet den ersten bekannten [[Inkunabel|Druck]] der Monatsbilder. Bald darauf wuchs die Zahl der nach gängigen Vorlagen massenhaft gedruckten, oft qualitativ minderwertigen und stark vereinfachten Monatsbildzyklen in billigen Einblatt- und Bauernkalendern unüberschaubar an. [[Image:The Harvesters by Brueghel.jpg|thumb|right|250px|[[Pieter Brueghel der Ältere|Pieter Bruegel]], ''Die Kornernte'' (Flandern 1565; New York, [[Metropolitan Museum of Art|Met.]]) – die Ikonographie der Monatsbilder wird von der Tafelmalerei aufgenommen, die Tradition wird zu einem Motiv-Steinbruch für die Landschafts- und Genremalerei.]] Gegen Ende des 15.&nbsp;Jahrhunderts wurden Kalenderhandschriften und -drucke produziert, die reich mit medizinischen, [[Astrologie|astrologischen]] und kosmologischen Bildern ausgestattet waren. Wichtige Produktionsstätten sind Strassburg, Leipzig und Nürnberg; aus dem oberdeutschen Raum sind zahllose Manuskripte bekannt.<ref>Vgl. Zinner, Ernst: ''Verzeichnis der astronomischen Handschriften des deutschen Kulturgebiets.'' München 1925 bzw. ''Katalog der deutschsprachigen illustrierten Handschriften des Mittelalters.'' Bd. 1: ''1. Ackermann aus Böhmen – 11. Astrologie/Astronomie.'' Hg. v. Norbert H. Ott, U. Bodemann u. G. Fischer-Heetfeld. München 1991.</ref> Kunsthistorisch bedeutende Monatsbildzyklen aus dieser Zeit sind das früher als ''Sforza-Stundenbuch'' bezeichnete ''Schwarze Stundenbuch von [[Karl der Kühne|Karl dem Kühnen]]'', dem letzten Herzog von Burgund, welches in Flandern um 1470 entstanden ist (Wien, ÖNB, Nr. 1856), die Bilder von [[Lucas Cranach der Ältere|Lucas Cranach d. Ä.]] nach dem ''Kalender des Philocalus'' sowie der Arbeitskalender auf das Jahr 1483 aus der [[Offizin]] des [[Peter Drach]] in Speyer, der dem [[Meister des Hausbuches]] zugeschriebene Monatsarbeiten enthält. Ebenfalls bekannt sind die Illustrationen von [[Urs Graf der Ältere|Urs Graf]] zu Kunspergers Kalender und die Bilder von [[Sebald Beham|Hans Sebald Beham]] zum ''Calendarium historicum'' (1557) von [[Michael Beuther]]. Neben der Tradition der Kalenderillustrierung, die ihren Höhepunkt mit [[Simon Bening]] erreicht hatte, sind aus dem 16.&nbsp;Jahrhundert auch mehrere [[Graphik|graphische]] Zyklen aus Deutschland bekannt, etwa der [[Kupferstich]]<nowiki></nowiki>zyklus ''Das Bauernfest'' von Sebald Beham, der einen „Zwölfmonatstanz“ präsentiert. Pieter Bruegel d. Ä. übersetzte die Monatsbilder in seinem berühmten, (vermutlich) sechsteiligen Zyklus ''Die Jahreszeiten'' in die Tafelmalerei. Er vereinte die Darstellungen von Landschaft und Jahreszeitenwandel, wobei er unzählige Elemente der Monatsdarstellungen aufgriff und zitierte.<ref>Vgl. die eingehenden Untersuchungen und Nachweise bei Herold, Inge: ''Pieter Bruegel: Die Jahreszeiten.'' Prestel, München [u.&nbsp;a.] 2002</ref> Aufgrund der schlechten Überlieferungslage kann nur vermutet werden, dass wahrscheinlich unzählige [[Bildwirkerei|Wandteppiche]] der frühen Neuzeit Monatsbilderzyklen aufwiesen. Aus dem 17.&nbsp;Jahrhundert sind aus den Niederlanden und vereinzelt aus Italien [[Bildwirkerei|Gobelin]]- und [[Gemälde]]<nowiki></nowiki>folgen bekannt, wie z.&nbsp;B. ein Gobelin nach Vorlagen von [[Jan van den Hoecke]] aus Brüssel um 1650 (heute Wien). Der Nürnberger J. B. Herold fertigte um 1708 zwölf [[Geschütz]]<nowiki></nowiki>rohre („Monatsrohre“), von denen jedes ein anderes Monatsbild trägt (Wien, [[Heeresgeschichtliches Museum|Heeresgesch. Mus.]]), ähnliche Geschützserien sind auch für die [[Kurfürstentum Sachsen|Kurfürsten von Sachsen]] gegossen worden (heute [[Festung Königstein|Königstein]]). === Weitere Rezeption === [[Bild:Vincent Willem van Gogh 002.jpg|thumb|250px|[[Vincent van Gogh]], ''An der Schwelle der Ewigkeit'' (1890; [[Kröller-Müller Museum|Kröller-Müller Mus.]]).]] Mit Beginn des 18.&nbsp;Jahrhunderts zerfällt langsam die Tradition der Monatsbildzyklen zugunsten der vierteiligen Zyklen der Jahreszeiten, die parallel zu den Monatsdarstellungen seit der Antike koexistiert und sich gegenseitig ikonographisch beeinflusst hatten. Seitdem sind nur noch wenige Zyklen von Bedeutung bekannt, etwa der Medaillonzyklus am Prager Rathaus von [[Josef Manes]] aus dem Jahr 1864, die idyllisierenden Holzschnitte von [[Moritz von Schwind]] zum ''Kalender des Jahres 1844'' oder die Darstellungen des Wieners [[Anton Krejacar]] aus dem 20.&nbsp;Jahrhundert. Die einzelnen Sujets hatten sich in der frühen Neuzeit oftmals verselbständigt und eigene ikonographische Traditionen begründet, die bald nicht mehr im direkten Zusammenhang mit ihrem Ursprung standen. Abgesehen von „benachbarten“ Bildtraditionen, die kompromittierend auf die Darstellungen gewirkt haben könnten, sind einige Motive und Motivfügungen für die europäische Kultur auch von geradezu „[[Archetypus|archetyp]]ischer“ Qualität: so können Darstellungen des Sämanns, des pflügenden Bauern oder der Jagd nicht automatisch auf die Monatsbilder zurückgeführt werden, sondern waren als Teil eines kollektiven Bildgedächtnisses auch immer unabhängig von dieser Überlieferung produktiv. Moderne Beispiele für ein Wiederaufgreifen der klassischen Monatsbildikonographie wie etwa [[John Collier (Maler)|John Collier]]s Maiausritt der [[Guinevere]] sind seltene Einzelfälle. Ein besonders bemerkenswerter Fall ist Vincent van Goghs ''An der Schwelle der Ewigkeit'' von 1890. Hier greift der Künstler das vielleicht am häufigsten dargestellte Motiv der Monatsbilder, das „Wärmebild“, auf. Wurde ein Zyklus gleichzeitig zur [[Allegorie|allegorischen]] Darstellung der Lebensalter des Menschen verwendet, so war das Kältemotiv zugleich stets auch das Bild des Greisenalters. Diesem waren im Mittelalter die [[Qualitätenlehre|Qualitäten]] ''kalt und trocken'' (das [[Vier-Elemente-Lehre|Element Erde]], der „böse“ [[Saturn (Mythologie)|Planet Saturn]], die Krankheit und das [[Temperament]] der [[Melancholie]]) zugeordnet; man ging davon aus, dass alte Menschen darum frören und sich gerne ans Feuer setzten. Van Gogh griff die alte Ikonographie in dieser Bedeutung wieder auf und interpretierte sie neu. Eine umfassende kunsthistorische Aufarbeitung der Monatsbildtradition steht noch aus. Daher fehlt eine verbindliche Systematisierung der Gesamtüberlieferung und ein angemessener Überblick über die historischen Entwicklungslinien der Monatsbildreihen und ihrer Rezeption bis zur Gegenwart.<ref>Vgl. Achilles, S. 13.</ref> == Monatsmotive == [[Image:Faltkalender mit Monatsbildern.jpg|thumb|250px|Faltbarer [[Taschenkalender]] (ca. 1400; SBB-PK, Lib. Pic. A 72) – kompletter Monatsbilderzyklus mit Tierkreiszeichen und Verzeichnis der [[Subjektiver_Tag#Der_lichte_Tag|Stunden mit Tageslicht]] je Monat.]] Die Zuordnung der zur Nahrungsmittelproduktion notwendigen Verrichtungen in der Natur zu dem zugehörigen Monat nimmt seit dem frühen Mittelalter den größten Raum in den Zyklen ein. Die traditionellen Arbeiten in der Land- und Forstwirtschaft sind stark von der Witterung abhängig, wodurch die genauen Termine erheblichen Schwankungen unterliegen können. Es ist davon auszugehen, dass die Monatszyklen langjährige Durchschnittserfahrungen spiegeln. Weiterhin sind die klimatischen Unterschiede der verschiedenen europäischen Regionen Europas für die Abweichungen in der Aufeinanderfolge der landwirtschaftlichen Arbeitsabläufe in den Zyklen verantwortlich. Die Abläufe der „deutschen“ Serien des Mittelalters entsprechen den damaligen örtlichen Klimaverhältnissen. Eine verbindliche Reihenfolge gibt es in den anpassungsfähigen Zyklen allerdings nicht.<ref>Vgl. Achilles, S. 44.</ref> Natürlich entspricht die Beschränkung der Darstellung auf eine ausgewählte Tätigkeit für einen Monat nicht der Lebenswirklichkeit. Das formale Prinzip beschränkte jedoch bis ins Spätmittelalter hinein die Bilder auf ein einzelnes Thema pro Monat und zudem weitestgehend auf elementare Vorgänge. Es sind „einfache“ Tätigkeiten, die zu einem „einfachen“ Ertrag führen. Auf diese Weise wurde allerdings ein mit einer bestimmten Monatsarbeit belegtes Kompartiment für andere Inhalte blockiert. Das führte auch zu gewissen, in der natürlichen Abfolge der Arbeitsabläufen begründeten quasi-Automatismen der Monatsarbeitensequenz. === Themengruppen === ==== Brot ==== Die Monatsbilder, die sich mit der [[Getreide]]produktion beschäftigen, nehmen in den mittelalterlichen Zyklen den größten Raum ein. Das erste [[Pflügen]] und die Aussaat des Sommergetreides erfolgte gewöhnlich im März – die Zweiteilung des Getreideanbaus in Sommer- und Wintersaat erforderte ein Pflügen der Felder zu diesem Zeitpunkt. [[Image:Perugia - Fontana Maggiore - 1 - Mesi - 07 - Luglio - Foto G. Dall'Orto 5 ago 2006 1.jpg|thumb|250px|Andrea und Niccolo Pisano, „Juli“, [[Relief (Kunst)|Hochrelief]] an der ''Fontana Maggiore'' (Perugia, 1275-78) – [[Dreschen]] und [[Worfeln]].]] Im August, dem „Erntemond“, wurde das Getreide in aller Regel wieder geerntet. Typisch für das Erntebild ist der [[Schnitter]], der mit einer [[Sichel (Werkzeug)|Handsichel]] ausgerüstet die Ähren fest umfasst und abschneidet – eine Methode, bei der besonders wenig Körner verlorengehen. Die manchmal zerrissenen Kleidungsstücke der Arbeitenden weisen auf ihre Zugehörigkeit zur sozial untersten Schicht der [[Tagelöhner]] hin, die diese Tätigkeit verrichtete. Sie liefen oftmals barfuß oder nur in Stumpfhosen ähnelnden [[Beinlinge]]n, um die wertvollen Körner nicht zu zertreten. Am Gürtel trugen sie meistens einen Schleifstein in einer speziellen Scheide, die mit Wasser gefüllt war. Weiterhin können die Szenen das Zusammenharken von Strohhaufen und das Binden von [[Garbe (Landwirtschaft)|Garben]] zeigen. In späterer Zeit nimmt die Darstellung einer Arbeitspause von der Feldarbeit, die schließlich zu einem üppig-festlichen Picknick mit anschließendem Mittagsschlaf geraten kann, immer mehr Raum ein. Im September oder Oktober wird erneut gepflügt und ein Teil der Ernte als Wintersaat wieder ausgebracht. Hierbei wird häufig ein Sämann dargestellt, der ein Sälaken über dem Arm trägt, aus dem er die Saat in die frisch aufgepflügten Furchen wirft. Ein Sack mit Saatgut steht in der Regel in seiner Nähe. Oft wird auf dem Feld nicht gepflügt, sondern die Aussaat mit Hilfe einer primitiven, von einem Zugtier geschleppten Rahmen[[Egge (Landtechnik)|egge]] in das Erdreich eingearbeitet, um sie vor den Vögeln, die ebenfalls im Bild gezeigt werden können, zu schützen. Außerdem können in den Herbstmonaten das [[Dreschen]] des Getreides mit [[Dreschflegel|Flegeln]] und das Reinigen des ausgedroschenen Korns von der Spreu durch Hochwerfen mit Schaufeln oder speziellen Körben, und in den Wintermonaten das Brot[[backen]] –&nbsp;meist durch Einschieben der Teigrohlinge mit einem Brotschieber in einen offenen Backofen&nbsp;– dargestellt sein. Im Januar- oder Februarbild schließlich taucht meistens das Getreide zubereitet, z.&nbsp;B. als Brotlaib oder [[Brötchen]] auf der (festlichen) Tafel wieder auf. ==== Wein und Obst ==== [[Bild:Weinbau - Psalter 1180.jpg|thumb|250px|„März“ und „September“, aus einem [[Psalter]] (um 1180; Den Haag, [[Königliche Bibliothek der Niederlande|KB]], 76 F 13, fol. 3v u. 9v) – Beschneiden und Befestigen der Rebstöcke, Erdarbeiten; Weinkelter und -lese.]] Die Produktion von Wein hat im Zyklus zwei relativ feste Plätze: das Schneiden und [[Pfropfen (Pflanzen)|Pfropfen]] der [[Weinreben|Rebe]]n im April oder Mai sowie im September oder Oktober die Weinlese. Ergänzend finden sich manchmal auch die Arbeit an Obstbäumen und die Obsternte als Motiv. Das entsprechende Monatsbild im Frühjahr, das im [[Weinberg]] oder auch im Obstbaumbestand angesiedelt ist, besteht ursprünglich nur aus der Darstellung einer einzelnen, in die Arbeit vertieften Person mit einem Werkzeug. Mit der Zeit werden die Szenen immer umfangreicher, oftmals sind dabei die Tätigkeiten im Weinberg und an den Obstbäumen in einem einzelnen Bild zusammengerückt. Das Stutzen der Pflanzen, verschiedene Erdarbeiten, das Düngen sowie der Transport, das Setzen und das anschließende Befestigen der [[Rebstock|Rebstöcke]] an die Rebpfähle können hinzutreten. Die [[Traubenlese|Weinlese]] wird entweder als das Pflücken, das [[Kelter]]n oder als Kombination beider Vorgänge gezeigt. Die Lese der Trauben wird schon früh als arbeitsteilige Gruppenarbeit dargestellt. Dabei werden die Beeren von Pflückern geerntet und in Körben oder Trage[[kiepe]]n gesammelt, die von Trägern oder auf Holzfuhrwerken zur Kelter gebracht werden. Manchmal ist die Kelter in großen Bottichen –&nbsp;fast immer noch die traditionelle Form durch Zerquetschen mit den Füßen, sehr selten auch mechanisch&nbsp;– und das Abfüllen des [[Most (Getränk)|Most]]es in Fässer auch im Bild zu sehen. Erst später werden das Abfüllen des Weins, der sogenannte Probetrunk und der Verkauf des Endproduktes thematisiert. Wein diente nicht nur als Symbol für den gehobenen Lebensstandard des [[Grundherrschaft|Grundherr]]en, sondern war auch für die Kleriker als Bestandteil des [[Abendmahl|Altarsakrament]]s unverzichtbar. Der Weinstock kann immer auch als christliches Symbol verstanden werden, um so mehr in einem Zyklus, der sich inhaltlich schwerpunktmäßig mit der Grundlage des anderen Altarsakraments, des Brots, beschäftigt. So kann mit der Darstellung des Sämanns stets das Gleichnis von „Christus als Sämann“ ([[Evangelium nach Markus|Mk]] 4,3–8, [[Evangelium nach Matthäus|Mt]] 13,1–8, [[Evangelium nach Lukas|Lk]] 8,5–8) konnotiert werden. ==== Fleisch ==== [[Image:Wien Cod 3085 - Dezember.jpg|thumb|250px|Schweineschlachten (ca. 1475; Wien, ÖNB, Nr. 3085) – unter dem Bild der Monatsvers für Dezember: ''MJt wursten vnd mit praten / will ich mein haws peraten / Also hat das iar ain endt / Got vns sein genad sendt.'']] Der Umfang des Themenkomplexes Fleischproduktion schwankt in den Zyklen erheblich. Dem Monat November wird häufig die ([[Eichen|Eichel]]-)[[Tiermast|Mast]] der Schweine zugeordnet. Die Bilder zeigen die in die Eichenwälder getriebenen Schweine, oftmals ist auch zu sehen, wie die Hirten mit langen Stangen die Eicheln aus den Baumkronen schlagen. Im Dezember erfolgt für gewöhnlich das [[Schlachtung|Schlachten]] oder der Verkauf von Rindern oder Schweinen und die Zubereitung von [[Wurst|Würsten]]. Am häufigsten ist das Betäuben –&nbsp;bisweilen auch eines Rindes&nbsp;– durch einen Schlag auf den Schädel mit einem stumpfen Gegenstand (Rückseite einer Axt, Hammer) dargestellt. Eine alternative Szene zeigt den Metzger auf dem Schwein kniend bei der Durchtrennung der Kehle des Tieres. Ein Helfer fängt gewöhnlich das herauslaufende Blut in einem langstieligen Tiegel zur Weiterverarbeitung auf. Stroh und Besen liegen oftmals schon bereit, um die Borsten abzuflämmen und zu entfernen. Ein Tisch und verschiedene Fleischerwerkzeuge können ebenfalls Teil der Szene sein. Ein anderes Bildmotiv für die Wintermonate ist die [[Jagd]]. Meist ist das Erlegen des Wildes ([[Wildschwein]], [[Hirsche|Hirsch]]) oder die Rückkehr mit der Beute dargestellt, oft zu Pferde und mit einer Meute von [[Jagdhund]]en. Einige Zyklen bilden auch die [[Vogeljagd|Jagd auf Vögel]], den [[Fischerei|Fischfang]] mit [[Fischernetz|Netzen]] oder [[Reuse]]n oder das Fallenstellen ab. Die [[Mähen|Mahd]], das heißt die Heuernte, die der Herstellung des (winterlichen) [[Futtermittel|Viehfutters]] und damit mittelbar der Fleischgewinnung diente, wird in den Monaten Juni bzw. Juli gezeigt. Dabei gilt die Bodenbearbeitung nicht dem Getreideanbau, der für den Sommer bereits zu spät, für den Winter noch zu früh erfolgt wäre. Wie schon der Name „Brachmonat“ vermuten lässt, dient das Pflügen im Juni dem Aufbrechen der [[Brache|brach]] liegenden und als Weideland für das Vieh dienenden Anbauflächen. Deren Freihaltung von unerwünschten Unkräutern und Gräsern erforderte ein bis zu dreimaliges Aufpflügen zwischen Juni und September.<ref>Vgl. Achilles, S. 21.</ref> In den Wintermonaten wird bisweilen auch die Zubereitung von Fleisch oder Würsten (an der offenen Kochstelle) oder ihr Verzehr bei Tisch dargestellt. ==== Holz ==== [[Image:Januar by the fireside - Glass painting from Norwich.jpg|thumb|250px|„Januar wärmt sich am Feuer“ ([[Glasmalerei]], [[Norwich]] 1480/1500).]] Das Holzschlagen bzw. -tragen als Tätigkeit in einem der Wintermonate November oder Dezember ist eher lose in der Tradition verankert. Das Holzfällen im Wald ist –&nbsp;ebenso wie die Jagd&nbsp;– nicht der bäuerlich-landwirtschaftlichen Sphäre zuzuordnen. Im forstwirtschaftlichen Metier wurden in der Regel [[Lohnarbeiter]] eingesetzt, da [[frondienst]]<nowiki></nowiki>pflichtige Bauern kaum zu beaufsichtigen waren und erheblichen Schaden im empfindlichen Wald hätten verursachen können. Die Arbeiter werden mit langstieligen Äxten oder Handbeilen bei der Arbeit gezeigt. Bisweilen steht ein Pferdegespann bereit, um das Holz in einem großen [[Flachwagen#Rungenwagen|Rungenwagen]] abzutransportieren. Im so genannten „Kältemotiv“ des Januars oder Februars erscheint stets eine (häufig ältere) Person, die sich –&nbsp;oft dick vermummt&nbsp;– am Feuer wärmt. Dieser sogenannte ''Janus wärmt sich am Feuer''-Typus zeigt den Nutzen und Verbrauch des gewonnenen Produkts „Holz“ zur Wärmeerzeugung. Die Motive des Winterschmauses und des Kaminfeuers können auch zusammenfallen. In späteren Zyklen wird dieses Doppelmotiv dann in eine „anheimelnde“ häusliche, oftmals wohl familiäre Szene verwandelt. Der Januar bzw. Februar kann auch zu einer zusammenfassenden „Vor- und Gesamtschau“ auf den Jahreskreis genutzt werden, indem der Künstler Hinweise auf alle Themenkreise der Monatsdarstellungen in dieses Jahresanfangs-Bild einfließen lässt. Zu den späteren Erweiterungen des Themenkreises gehören das Brennholzhacken und -sägen im Januar und der Holztransport mit dem Esel oder per Schiff. ==== Feste ==== Als besondere Monate durchbrechen Mai bzw. April die Sequenz der Arbeiten mit dem Topos des ''[[locus amoenus]]''. Im [[Garten]] oder der kultivierten Natur werden die Mühseligkeiten der reinen Versorgung mit Grundnahrungsmitteln transzendiert. Das Maibild ist Schmuck und innerhalb des Zyklus' eine Station der Erholung und Freude. [[Bild:John Collier Queen Guinevre's Maying - Ausschnitt.jpg|thumb|250px|John Collier, ''Queen Guinevre's Maying'' (1898) – eines der seltenen Beispiele für die Wiederaufnahme der klassischen Ikonographie der Monatsbilder im 19.&nbsp;Jh.]] Die Grundform dieses Bildes ist die Darstellung einer Person, die ein oder zwei grüne Zweige in den Händen hält. Diese sogenannten ''April floridus''-Figuren (deren Geschichte bis zu den antiken [[Robigus|Robigalien]] zurückreicht),<ref>Vgl. Pérez-Higuera, Teresa: ''Medieval Calendars.'' Weidenfeld & Nicolson, London 1998, S. 109.</ref> finden sich auch in den [[Tacuinum Sanitatis|Tacuina sanitatis]] und in der Ikonographie der vier Jahreszeiten. Blumen und grüne Blätter trugen seit der Antike konventionell die Bedeutung von Erneuerung und [[Wiedergeburt]] mit sich. Ein anderer Typus ist der höfische Maiausritt, ein Brauchtum, das vor allem im Spätmittelalter gepflegt wurde: man unternahm am 1. Mai in kleinen Gesellschaften zur Begrüßung des Frühlings einen Ausflug zu Pferde. Traditionell kleidete man sich in grüne Gewänder und stattete sich mit grünen Zweigen aus.<ref>Vgl. Hansen, S. 267.</ref> Dieses Motiv wurde besonders gerne variiert und ausgeschmückt: die späteren Zyklen zeigen Liebespaare, Bootsaufahrten, Picknicks, Tänze und sogar [[Turnier]]e; häufig begleiteten Musikanten die Aktivitäten des Maibildes. Ausgehend von diesen Darstellungen wurden seit dem Ende des 15.&nbsp;Jahrhunderts die Vergnügungen und schönen Momente des Jahres in den Zyklen immer stärker betont. Im 16.&nbsp;Jahrhundert verschiebt sich der Fokus dabei oftmals in die bürgerlich-städtische Sphäre, wobei die frühjährliche Gartenarbeit eine besonders beliebte Szene war. Die mit Angst vor Hunger, Kälte und Krankheit einhergehende Zeit des Winters wurde in den Monatsbilderzyklen im Januar oder Februar mit einem [[Fest]] an reich gedeckten Tafeln „entschärft“. Die Januarikonographie mit dem oftmals doppelköpfigen [[Ianus|Janus]] beruht unter anderem auf dem volkstümlichen [[Neujahrsfest|Neujahr]]sbrauch, die Tische an diesem Tag üppig mit Speisen zu versehen und diese unberührt über Nacht stehen lassen, in dem [[Aberglaube|Analogiewunsch]], dass der Tisch für den Rest des Jahres ebenso reichhaltig beladen sein möge.<ref>Vgl. Harmening, Dieter: ''Superstitio: Überlieferungs- und theoriegeschichtliche Untersuchungen zur kirchlich-theologischen Aberglaubensliteratur des Mittelalters.'' Erich Schmidt, Berlin 1979, S. 125.</ref> Die winterliche Festtafel ist für die zeitgenössischen Verhältnisse stets reich gedeckt, fast immer finden sich Brot und Geflügel, oftmals auch wertvolles Geschirr, [[Saliera|Salzfässchen]], Kännchen und Besteck aus Metall. Häufig ist aufgrund der wertvollen Ausstattung bzw. angesichts des verfügbaren Hauspersonals zu erkennen, dass die Mahlzeit in Räumen stattfindet, die entweder der Sphäre der [[Patrizier]] oder des Adels zuzuordnen sind. Auffällig ist die häufige Beigesellung von Hunden und Katzen zu der Szene, die symbolisch-allegorische Deutungen herausfordern.<ref>Vgl. Artikel ‚''Hund''‘ und ‚''Katze''‘ in: Dittrich, Lothar u. Sigrid Dittrich: ''Lexikon der Tiersymbole: Tiere als Sinnbilder in der Malerei des 14.–17.&nbsp;Jahrhunderts. Petersberg 2004. (Studien zur internationalen Architektur- und Kunstgeschichte 22)</ref> Spätere Erweiterungen rücken auch Darstellungen des [[Emmaus (biblischer Ort)|Emmausmahls]] sowie häusliche Szenen der [[Heilige Familie|heiligen Familie]] in diesen Zusammenhang.<ref>Vgl. z.&nbsp;B. Hansen, S. 70 (Abb. 24–26)</ref> ==== Sonstiges ==== Die Stundenbücher des 16.&nbsp;Jahrhunderts beginnen den ursprünglichen Themenkreis der Monatsbildzyklen stark zu erweitern. Sie zeigen weitgehend idealisiertes zeitgenössisches städtisches und dörfliches Treiben in kleinen Genreszenen. Diese sind zunächst in den Kalenderteilen, die in dieser Zeit i. d. R. pro Monat zwei Seiten umfassen, dem eigentlichen Monatsbild auf der gegenüberliegenden Seite ergänzend gegenübergestellt. Oftmals erfolgte dieses auch durch Gruppen von Bildern, die durch entsprechende Rahmung oder geschickte räumliche Aufteilung der Seite neben- und übereinander angeordnet werden konnten. Später wurden sie zunehmend selbständig oder vereinten sich mit den klassischen Monatsdarstellungen und bildeten den Stoff für die frühe Genremalerei insbesondere der [[Altniederländische Malerei|Niederlande]]. Zu den neuen Szenen seit etwa 1500 gehören der winterliche Kirchgang, die Schneeballschlacht, die Schlittenfahrt und das Treiben auf zugefrorenen Eisflächen, die Arbeit im bürgerlichen Garten am Haus, verschiedenste Spiele für Kinder, Jugendliche und Erwachsene (Sportspiele) und das Badevergnügen; aber auch Erweiterungen der Arbeiten wie das Melken und Buttern, die Obsternte, die Schafschur und der Viehaustrieb, die Jagd auf Vögel, Hasen und Fische sowie Transport oder Verkauf von Waren. Es gilt auch festzuhalten, welche Personengruppen und Tätigkeiten nicht auf den Monatsbildern zu sehen sind: so kommen etwa [[Handwerk]]er nur sehr selten, und bis zu einem bestimmten Zeitpunkt grundsätzlich gar nicht in den Zyklen vor; auch wenn es Beispiele für Abbildungen der Schafschur in Monatsbildern schon aus karolingischer Zeit gibt,<ref>Vgl. Hägermann, Dieter: ‚''Schaf. II. Wirtschaft''‘, in: Lexikon des Mittelalters, Bd. 7, Sp. 1433.</ref> werden die Belange der (Rinder- und) Schafzüchter erst seit dem Ende des 15.&nbsp;Jahrhunderts regelmäßig in die Zyklen mit aufgenommen. Darstellungen religiöser Feste, die in dieser Epoche im Überfluss gefeiert wurden, sind bis auf extrem seltene Fälle in der eigentlichen Monatsbildtradition niemals zu finden. === Menschen === [[Image:George Stubbs 001.jpg|thumb|250px|[[George Stubbs]], ''Kornernte'' (1795; London, [[Tate Gallery|Tate]]) – Genreszene des 18.&nbsp;Jh. nach der gängigen Augustikonographie. Herausgeputzte Männer und Frauen bei der Ernte unter Aufsicht eines Berittenen: ein „Bühnenstück“, das die soziale Wirklichkeit der Landbevölkerung konsequent verleugnet.]] In der Geschichte der künstlerischen Darstellungen von [[Landwirt|Bauer]]n in Europa wurden diese bis weit in die Neuzeit hinein als anonyme, sozial untergeordnete Personen dargestellt, die ihren Lebensunterhalt mit Hilfe von Arbeiten im ländlichen Raum erwarben. Erkennbar sind sie in der Regel durch ihre spezifischen Geräte und Arbeitstiere und ihre häufig einfache, braune oder graue Kleidung. In der Kunst wurde der [[Bauernstand|Stand der Bauern]] traditionell in einer Art dargestellt, die nicht dessen eigenem Interessen diente, sondern vielmehr die Wünsche, Ängste und Attitüden der Auftraggeber –&nbsp;das heißt der „Mächtigen“ und Wohlhabenden&nbsp;– widerspiegelte. Die ländliche Bevölkerung fungierte in den spätmittelalterlichen Monatsbildzyklen vor allem als dekoratives Beiwerk, das das besser gestellte, von den tatsächlichen Mühseligkeiten der landwirtschaftlichen Arbeit freigestellte [[Publikum]] unterhalten sollte. Allerdings überrascht es, dass die Bauern bis ins 16.&nbsp;Jahrhundert hinein auf den Bildern ohne erkennbare Aufsicht ganz selbständig zu arbeiten scheinen.<ref>Vgl. Sullivan, Margaret A.: ‚''Peasantry''‘, S. 709f., in: ''Encyclopedia of comparative Iconography: Themes depicted in works of art.'' Ed. by Helene E. Roberts. 2 Bde. Chicago [u.&nbsp;a.] 1998, Bd. 2, S. 707–715.</ref> Nach [[1. Buch Mose|Gen]] 3,19 ist die harte Feldarbeit Aufgabe des Mannes, so dass das Fehlen von Frauen in den frühen Monatsbilderzyklen nicht ungewöhnlich ist. Erst später wurden sie, ohne [[Misogynie]], vor allem innerhalb ihrer damaligen Domänen gezeigt, d.&nbsp;h. bei der [[Hausarbeit]], [[Textilien|Textil]]produktion, Zubereitung von Nahrungsmitteln und [[Kinderbetreuung]]. Als Teil bäuerlicher Arbeitsbilder wurden sie vereinzelt schon bis zum 12.&nbsp;Jahrhundert beim [[Spinnen]], Melken, Säen, bei Erntearbeiten und in der Geflügelzucht dargestellt.<ref>Hundsbichler, Helmut: ‚''Bauer, Bauerntum. C. Bäuerliches Alltagsleben''‘, in: Lexikon des Mittelalters, Bd. 1, Sp. 1572ff.</ref> Arbeitende Kinder sind, soweit erkennbar, auf den frühen Monatsbildern eher selten zu sehen, doch kann die Einführung dieses Motivs in die Tradition im 15.&nbsp;Jahrhundert insofern als realistisches Element gewertet werden, als hierdurch möglicherweise tatsächliche Verhältnisse der [[Arbeitsteilung]] widergespiegelt worden sein könnten. Schon die Portalskulpturen hatten bisweilen Unterschiede in den [[Soziologie|soziologischen]] Strukturen erkennen lassen, indem sie eine Aufgabenteilung zwischen jüngeren und älteren Protagonisten gezeigt hatten. Hierbei muss aber stets mit der Vermischung mit der Bildtradition der Lebensalter gerechnet werden, so dass etwa der alte Mann im Januar oder der Jüngling im Mai ein allegorisches Element und eben kein soziologisches Faktum darstellen. Für die spätere Zeit gilt insbesondere, dass die Anwesenheit von Kindern und Tieren in gewisser Weise zur „Verniedlichung“ einer Szene beitragen kann.<ref>Vgl. Henisch, S. 37, 136, 147f., 167ff. u. 200.</ref> === Landschaft und Architektur === [[Image:Foodprepmiddleages.jpg|thumb|250px|„Schweineschlachtung“, Monatsbild eines spätmittelalterlichen Kalenders mit botanisch bzw. zoologisch bestimmbaren Pflanzen und Tieren im Rahmen und ausgearbeiteten Architekturelementen im Hintergrund.]] Mit dem 14.&nbsp;Jahrhundert begann sich die [[Landschaft]] in der europäischen Kunst zu emanzipieren, allerdings ist sie zunächst stets nur fragmentarisch vorhanden. Im 15.&nbsp;Jahrhundert gewinnt sie immer mehr an Bedeutung, vor allem auch in der Tafelmalerei. Mit den Monatsbildern in den Stundenbüchern der [[Brüder von Limburg]] beginnt die Gattung des „Architekturbildes“, das ein bestimmtes Bauwerk möglichst detailgetreu und perspektivisch korrekt wiedergeben will. Sowohl in der Tradition der Monatszyklen, als auch parallel dazu in der [[Siena|Sieneser]] Malerei, den [[Jagdbuch|Jagdbüchern]] und [[Bestiarium|Bestiarien]] der Zeit entwickelte sich ein neuer Sinn für genaue Naturbeobachtung und [[Perspektive|perspektivische]] Raumerfassung, der mit dem ''[[Breviarium Grimani]]'' (um 1510) voll ausgebildet ist. Auch wenn botanisch zuzuordnende Blumen und Früchte oder [[Skyline|Stadtpanoramen]] mit wiedererkennbaren Gebäudeansichten eine deutliche Tendenz zum [[Naturalismus (Kunst)|Naturalismus]] aufwiesen, so blieb doch für lange Zeit die symbolische Bedeutung der Naturdinge in der Malerei erhalten (etwa in den [[Stillleben]] oder den niederländischen Genreszenen bis weit in das 18.&nbsp;Jahrhundert). Eine Charakterisierung der Bilder als „realistisch“ kann sich daher in aller Regel nur auf die Darstellung der Personen und ihrer unmittelbaren Tätigkeiten oder Gerätschaften beziehen. Italienische wissenschaftliche Werke mit Vorbildcharakter, wie die [[Herbarium|Herbar]]e oder das [[Tacuinum Sanitatis|Tacuina]], zeigten hingegen oftmals [[Illustration]]en mit erheblich naturalistischem Anspruch, das heißt basierend auf einer genauen Beobachtung der [[Realität|Wirklichkeit]].<ref>Vgl. Pearsall/Salter, S. 139 u. 145.</ref> == Monatsverse == [[Image:Cisiojanus 1430 (January).jpg|thumb|„Januar“ im ''[[Cisiojanus]]'' des ''Speculum humanae salvationis'' (Deutsche Handschrift, ca. 1430; Kopenhagen, [[Dänische Königliche Bibliothek|Det Kongelige Bibliotek]]; GKS 79 2, 7 recto) – die Merkverse stehen in zwei Reihen unterhalb der aus Tierkreiszeichen und Genreszenen gestalteten Monatsbilder.]] Monatsbilder sind oft in Zusammenhang mit populären Monatsversen überliefert. Schon im ''Kalender von 354'' begleiteten lateinische Monatsverse die Monatsbilder.<ref>Vgl. Binder, S. 84–95.</ref> Auch in den Zyklen der frühmittelalterlichen Handschriften sind Monatsgedichte zu finden, so etwa das lateinische Kalendergedicht ''De mensium duodecim nominibus signis culturis aeris que qualitatibus'' des [[Wandalbert von Prüm]] oder die [[Distichon|Distichen]] der ''[[Carmina salisburgensia]]''.<ref>Vgl. Strohmaier-Wiederanders, S. 29 und Achilles, S. 19ff.</ref> Ebenfalls anzutreffen sind Monatsbilder bei [[Cisiojanus]]-Merkversen, die im 13.&nbsp;Jahrhundert aufkamen und als kalendarische [[Eselsbrücke]]n bei der Datierung der unbeweglichen [[Heiligenkalender|Heiligen-]] und [[Kirchenjahr|Feiertage]] der römisch-katholischen Kirche halfen. Die sogenannten ''Grazer Monatsregeln'', eine [[Frühmittelhochdeutsch|frühmittelhochdeutsche]] Übersetzung [[vers]]ifizierter lateinischer [[Diätetik|diätetischer]] Vorschriften für die zwölf Monate, die als Vorläufer der deutschsprachigen [[Regimen sanitatis|Regimina sanitatis]] des späten Mittelalters gelten, wurden nach ihrer bald vergessenen Niederschrift um 1200 im 14.&nbsp;Jahrhundert erneut eingedeutscht, wobei sie eine enge Verwandtschaft mit der Verstradition ''In jano claris'' aufweisen. Der Beginn „''Escas per janum calidas est sumere sanum''“ wurde im Spätmittelalter als „''In dem jenner ist gesunt / warmes essen ze aller stund''“ übersetzt. Diese gereimten Zwölfmonatsregeln sind damit ein sehr simples Gesundheitsregimen, in dem jeder Monat durch Gesundheitsregeln in Form eines durch [[Reim]] zweigeteilten [[Hexameter]]s repräsentiert wird.<ref>Vgl. Keil, Gundolf: ''Die Grazer frühmittelhochdeutschen Monatsregeln und ihre Quelle'', S. 139ff., in: ''Fachliteratur des Mittelalters.'' Festschr. für G. Eis. Hg. von Gundolf Keil u.&nbsp;a., Stuttgart 1968, S. 131–146; und Keil, Gundolf: ‚''In Jano claris''‘, in: [[Verfasserlexikon]], 2. Aufl., Bd. 4, Sp 373ff.</ref> Mit diesen verbanden sich die im folgenden wiedergegebenen kurzen Monatsverse, deren Inhalte sich –&nbsp;wenn Text und Bild gemeinsam überliefert wurden&nbsp;– in aller Regel mit dem entsprechenden Monatsbild decken, das heißt Reihenfolge und Inhalte der Bilder im Zyklus wurden dann durch die Textstrophen (mit)bestimmt.<ref>Vgl. Riha, Ortrun: ''Die diätetischen Vorschriften der mittelalterlichen Monatsregeln'', S. 341, in: ''Licht der Natur: Medizin in Fachliteratur und Dichtung.'' Festschr. für G. Keil. Hg. v. Josef Domes [u.&nbsp;a.]. Göppingen 1994, S. 339–364. (GAG 585)</ref> :''Der Jenner bin ich genant / Groß trunck sint mir wol bekant. :''Der Hornung haiß ich / Gestu nackent, es gereut dich.'' :''Ich bins, gehaißen Merz / Den Pflug ich aufsterz.'' :''Ich, Apprill, zu rechtem Zil / Die Weinreben beschneyden wil.'' :''Hie fahr ich her, stolzer May / Mit zartten Blümblein mancherlay.'' :''Der Brachmond bin ich genant / Der Pflug mus in mein Hand.'' :''Welche Ochs nu zihen wil / Dem wil ich geben Heus vil.'' :''Nu wolauff in die Ährn / Die schneiden wollen lern.'' :''Gut Mosts hab ich vil / Wem ich sein geben wil.'' :''In Aller Heiligen Namen / Sä ich hie neuen Samen.'' :''Mit Holcz sol man sich bewern / Der Wintter begynn her zu nähern.'' :''Mit Wursten und mit Bratten / Wil ich mein Haus beratten.'' Auch die lateinischen Vorlagen der Monatsverse und der Gesundheitsregeln wurden den Bildern in den Handschriften und Frühdrucken oftmals beigegeben. Umgekehrt wurden die Monatsbilder aber auch dazu verwendet, die äußerst verbreiteten diätetischen Traktate, die nach dem Zwölfmonatsprinzip gegliedert waren (''Regimina duodecim mensium''), zu [[Illustration|illustrieren]] und wurden damit in einen ganz neuen, nämlich einen [[Prophylaxe|präventivmedizinischen]] Kontext gesetzt. Aus dem englischen Sprachraum sind ähnliche, weit verbreitete Verse bekannt, die ebenfalls in Verbindung mit den Monatsbildern überliefert wurden und die sehr deutlich mit den entsprechenden Bildmotiven der zeitgenössischen Zyklen korrespondieren:<ref>Robins, Rossell Hope (Hg.): ''Secular Lyrics of the XIVth and XVth Centuries''. Clarendon Press, Oxford 1955, S. 62.</ref> :Januar – ''By thys fyre I warme my handys;'' :Februar – ''And with my spade I delfe my landys.'' :Marche – ''Here I sette my thynge to sprynge;'' :Aprile – ''And here I here the fowlis synge.'' :Maij – ''I am as lyght as byrde in bowe;'' :Junij – ''And I wede my corne well I-now.'' :Julij – ''With my sythe my mede I mawe;'' :Auguste – ''And here I shere my corne full lowe.'' :September – ''With my flayll I erne my brede;'' :October – ''And here I sawe my whete so rede.'' :November – ''At Martynesmasse I kylle my swyne;'' :December – ''And at Cristesmasse I drynke redde wyne.'' ::<small>(Freie Übersetzung: „''An diesem Feuer wärme ich meine Hände / Mit meinem Spaten umgrabe ich mein Land / Nun setze ich meine Saat für den Frühling / Jetzt höre ich die Vögel singen / Bin beschwingt wie ein Vogel im Gezweig / Und jäte gründlich mein Kornfeld / Mit meiner Sense mähe ich meine Weide / Und nun schneide ich mein Korn / Mit dem Flegel verdiene ich mein Brot / Nun säe ich den Weizen mein so rot / Zu St. Martin schlachte ich mein Schwein / Und in der Weihnacht trink' ich roten Wein''“)</small> Auch in späteren Jahrhunderten wurden Monatsbilder oft von gereimten Texten begleitet, vor allem die Serien in [[Volkskalender|Volks-]] und [[Bauernkalender]]n sowie die [[Kupferstich]]e. Diese Verse waren allerdings lateinische oder volkssprachige Neudichtungen unterschiedlichster Art, die nicht auf diese alte Tradition zurückgehen. == Funktion und Bedeutung == [[Bild:Kosmologisches Schema - Zwiefaltener Kalender Ausschnitt.jpg|thumb|250px|''Zwiefaltener Kalender'' (um 1145) – Kosmologisches Schema des Jahreskreises, mit Tierkreiszeichen und Monatsarbeiten, im Zentrum „Annus“ – die Personifikation des Jahres und der Zeit – mit Sonne und Mond, in den vier Ecken die personifizierten Jahreszeiten; außerdem die vier Tageszeiten (außerhalb des Ausschnitts).]] Monatsbilderzyklen sind durch zwei [[Komplementarität|komplementäre]] Elemente definiert: zum ersten die Repräsentationen der Tierkreiszeichen, die eine klar definierte Abfolge von Zeitabschnitten bilden und zweitens die Repräsentationen der Monate, die als „humaner Faktor“ das zugeordnete Tun auf der Erde widerspiegeln.<ref>Abweichend dazu Sniezynska-Stolot, Ewa: ''Das ptolemäische Weltbild und die mittelalterliche Ikonographie'', S. 700ff., in: ''Wiener Jahrbuch für Kunstgeschichte'' Bd. XLVI/XLVII, Teil 2 (1993/94), S. 699–713. (Monatsarbeiten als Darstellung von Sternbildern, die die Tierkreiszeichen begleiten, so genannte [[Paranatellonten]])</ref> Das Verhältnis von Monatsbildern und Tierkreiszeichen verkörpert dabei gleichzeitig den Kontrast und die gegenseitige Beziehung zwischen der irdischen (''sublunaren'') und der himmlischen (''supralunaren'') Sphäre. Die eigentlich strukturlose [[Zeit]], die nicht unmittelbar bildlich darstellbar ist, wird mit Hilfe dieser komplementären Verbindung von elementaren Tätigkeiten und den zwölf Monaten in eine [[Ordnung]] gebracht. Dabei erlaubt die gemeinsame Darstellung von Irdischem und Himmlischen die perfekte Illustrierung der mittelalterlichen Vorstellung des Zusammenhangs zwischen [[Mikrokosmos]] und [[Makrokosmos]]. Solche Schemata komplettieren damit die mittelalterlichen kosmologischen Darstellungen der göttlichen Ordnung der ''räumlichen'' Verhältnisse –&nbsp;dem [[Geozentrisches Weltbild|Sphärenmodell]] (''Sphaera'')&nbsp;– durch die Konkretisierung der göttlichen Ordnung der ''zeitlichen'' Verhältnisse, die Gott [[Noach|Noah]] in Gen 8,22 („''Solange die Erde steht, soll nicht aufhören Saat und Ernte, Frost und Hitze, Sommer und Winter, Tag und Nacht''“) nach der [[Sintflut]] versprach. Die Wahl konkreter Arbeiten statt abstrakter Personifikationen z.&nbsp;B. an den Kathedralen weist nicht nur auf die Rolle der ''irdischen Zeit'', sondern auch die der ''irdischen Arbeit'' für den individuellen wie kollektiven [[Heil]]<nowiki></nowiki>sweg. Der auf- und absteigende Rhythmus des (profanen) Jahres wird durch die Positionierung der Monatsbilder in den [[Archivolte]]n der großen Portale sichtbar, zugleich die zyklische Wiederkehr der Zeiträume und ihre Bezogenheit auf kosmische Vorgänge und die [[Heilsgeschichte]] (deren zentrale Ereignisse meist im Tympanon gezeigt wurden). Bürgerliches Jahr und [[Kirchenjahr]], Lebenswirklichkeit und biblische Geschichte werden miteinander verknüpft. Die öffentlich einsehbaren Zyklen der Monate boten damit eine geistliche Lehre für die Angehörigen aller [[Ständeordnung|Stände]] an. Erst der Funktions- und Bedeutungswandel, der durch den [[Medium|Medienwechsel]] von den Bauten in die Handschriften verursacht wurde, führte dazu, dass die Zyklen auch als dekoratives Beiwerk in anderen Zusammenhängen dienen konnten. Dass es sich bei den Monatsbildern nicht um eine reine Verbildlichung des bäuerlichen Arbeitsjahrs handeln kann, darauf deutet auch schon die Beschränkung der Arbeitsdarstellungen auf jene Produktionsprozesse hin, die mit Lebenswelt und Interessen der Auftraggeber –&nbsp;nämlich [[Klerus]] und [[Adel]]&nbsp;– zusammenhingen. Die Zyklen behandeln nämlich kein einheitlich zuzuordnendes Arbeitsfeld: Weinbau und Holzwirtschaft gehörten im Mittelalter nicht zur bäuerlichen Sphäre, sondern waren Teil der [[Gutshof|Gut]]s- oder [[Kloster]]<nowiki></nowiki>wirtschaft. Mönche hingegen konnten etwa wegen des einzuhaltenden [[Stundengebet]]s prinzipiell nicht alle der gezeigten Monatsarbeiten ausführen. Jagd und Maiausritte waren dem Adel vorbehalten. Somit geht die früher oft zu lesende Qualifizierung der Monatsbilder als „bäuerlicher Arbeitskalender“ fehl, denn weder beschränken sich die Tätigkeiten auf Aufgaben des [[Bauernstand]]s, noch auf die eigentlich landwirtschaftliche Sphäre. [[Image:Simon Bening - Juni.jpg|thumb|left|250px|Simon Bening, „Juni“, Kalendarium eines Stundenbuchs (Brügge, 1. Hälfte 16.&nbsp;Jh.; Clm 23638, fol. 9v) – Spätform des Monatsbildes mit genreartigen Handlungselementen (Schafschur, Wirtshausszene); „freudvolles“ Arbeiten in idyllischer Landschaft: künstlerischer Ausdruck eines harmonisierenden Ideals.]] Die Darstellung der profanen Arbeiten an prominenter Stelle in der [[Christliche Kunst|christlichen Kunst]], oftmals sogar als Teil zentraler Werke des mittelalterlichen Europa, rechtfertigte sich aus zwei Überlegungen: einerseits wurde die körperliche Arbeit zunehmend als komplementäre Ergänzung zur geistigen Arbeit betrachtet, die beide die Folgen des [[Sündenfall]]s abschwächen sollten und zur Rettung des Menschen beitrugen. Die geistige Arbeit vermochte die geistliche Not zu lindern, die körperliche Arbeit die leibliche Not;<ref>Vgl. Grams-Thieme, Marion: ‚''Jahresdarstellung, Jahreszeiten''‘, in: Lexikon des Mittelalters, Bd. 5, Sp. 277–279.</ref> außerdem war sie eine Erinnerung an den menschlichen Ungehorsam gegen Gott in [[1. Buch Mose|Gen]] 3,17ff. („''verflucht sei der Acker um deinetwillen. Mit Mühsal sollst du dich von ihm nähren dein Leben lang.''“). Zugleich resultierte die zunehmende Wertschätzung körperlicher Arbeit, die durch das erstarkende Mönchtum gefördert wurde, in einem neuen Verständnis von landwirtschaftlicher Produktion für die Gemeinschaft. Beides führte zu einer Akzeptanz der praktischen Arbeit, die eine Darstellung im Bild erlaubte. Die „Unterschlagung“ all der ganz gewöhnlichen Elemente der [[Esskultur im Mittelalter|mittelalterlichen Speisekammer]] wie Kohl, Bohnen, Lauch, Erbsen oder Salat in den Zyklen weist zudem darauf hin, dass es zumindest in den frühmittelalterlichen Zyklen nicht primär um die Befriedigung von Grundbedürfnissen ging, sondern dass dort die Betonung der Produktion von Brot und Wein in Verbindung mit dem Schlachtvorgang als eine subtile religiöse Anspielung auf die [[Abendmahl|Eucharistie]] interpretiert werden könnte. Die bildliche Gestaltung der mit viel Mühe und Schmutz verbundenen Arbeiten in der Agrarwirtschaft in einer [[Ästhetik|ästhetisch]] ansprechenden Form war für die Künstler zu jeder Zeit mit Schwierigkeiten verbunden. Daher wurden entweder die Tätigkeiten stark [[Stilisierung|stilisiert]] oder, in späterer Zeit, die vergnüglichen Momente (vor allem auch die Pausen) betont. Für die gesamte Tradition gilt jedoch ausnahmslos, dass systematisch alle realen sozialen, wirtschaftlichen oder [[Logistik|logistischen]] Probleme ausgeklammert wurden. Es herrscht beständig gutes Wetter, den Arbeitenden stehen stets die richtigen Werkzeuge zur Verfügung, Probleme oder gar Unfälle sind niemals dargestellt. Die Monatsarbeiten finden in einer ruhigen, wohlgeordneten [[Idyll]]e statt, in der die Menschen das verlorene [[Garten Eden|Paradies]] gleichsam wiedergefunden zu haben scheinen. Die Auffassung der mittelalterlichen Monatsbilder als „[[Alltag]]s<nowiki></nowiki>szenen“ oder künstlerische „Momentaufnahmen“ ist naiv, denn die mühseligen, dem Jahreskreislauf zugeordneten Produktionsprozesse wurden durch die Künstler in eine Form gebracht, die das befriedigende Bild einer [[Harmonie|harmonischen]] Welt und einer wohlgeordneten [[Gesellschaft (Soziologie)|Gesellschaft]] zeichnen sollten. Der augenscheinliche [[Realismus (Kunst)|Realismus]] der Zyklen trügt also, stehen die genrehaften Monatsbilder doch eher der Tradition der „romantisierenden“ Verklärung des Landlebens nahe („Heile Welt“). Als [[Fiktion]] sind sie als historische [[Quelle (Geschichtswissenschaft)|Quelle]], auch aufgrund ihres häufig nur dekorativen Einsatzes, für die mittelalterliche Lebenswelt nur unter größten Vorbehalten verwendbar, etwa im Detail für die agrarhistorische [[Realienkunde]].<ref>Vgl. Hansen, S. 40f.</ref> Die Verwendung der Monatsbildzyklen zur Illustrierung eines vorgeblichen „Alltagslebens im Mittelalter“ ist zumindest aus quellenkundlicher Sicht unzulässig. == Siehe auch == * [[Monatsbilder im Palazzo Schifanoia]], [[Très Riches Heures#Die einzelnen Kalenderblätter|Monatsbilder der Très Riches Heures]] * [[Schäferdichtung]], [[Agrargeschichte]] == Literatur == === Überblicksdarstellungen === * Achilles, Walter:'' Monatsbildzyklen in Hildesheimer Prachthandschriften des 13.&nbsp;Jahrhunderts.'' Gerstenberg, Hildesheim 2003, ISBN 3-8067-8595-3 (Quellen und Dokumentationen zur Stadtgeschichte Hildesheims 14) :<small>Eine fundierte Analyse früher Monatsbildzyklen aus agrarhistorischer Perspektive. Das postum herausgegebene, auch kunstwissenschaftlich überzeugende Bändchen besticht durch eine Fülle überraschender Ergebnisse.</small> * Adler, Shane: ‚''Months''‘, in: ''Encyclopedia of comparative Iconography: Themes depicted in works of art.'' Ed. by Helene E. Roberts. 2 Bde. Chicago [u.&nbsp;a.] 1998, S. 623–628, ISBN 1-579-58009-2 :<small>Eine chronologische Darstellung der Entwicklung der Ikonographie der Monate, die über die Monatsbildtradition hinausreicht. Enthält eine hilfreiche umfängliche Liste bedeutender Kunstwerke.</small> * Gravenkamp, Curt: ''Monatsbilder und Tierkreiszeichen an Kathedralen Frankreichs.'' Scherer, Willsbach [u.&nbsp;a.] 1949. (Der Kunstspiegel) * Hansen, Wilhelm: ''Kalenderminiaturen der Stundenbücher: Mittelalterliches Leben im Jahreslauf.'' Callwey, München 1984, ISBN 3-7667-0708-6 :<small>Das deutschsprachige Standardwerk, das eine umfangreiche, thematisch sortierte Sammlung von Bildern bietet, leider nur wenige Farbtafeln. In einem Kommentarteil werden alle Abbildungen nach Handschriften und Standorten sortiert besprochen. Ein alphabetisch aufgebautes realienkundliches Bildlexikon macht diesen umfangreichen Band besonders nützlich. Inhaltlich an einigen wenigen Stellen etwas veraltet.</small> * Henisch, Bridget Ann: ''The Medieval Calendar Year.'' Pennsylvania State Univ. Press, University Park, PA 1999, ISBN 0-271-01903-4, ISBN 0-271-01904-2 :<small>Eine stark vertiefende, gut lesbare mentalitätsgeschichtliche Untersuchung einzelner Fragen der spätmittelalterlicher Monatsbildtradition mit vielen Abbildungen. Behandelt u.&nbsp;a. auch Fragen der Gender Studies. Inzwischen in der 2. Auflage erschienen und im englischsprachigen Raum quasi ein Standardwerk.</small> * Pearsall, Derek u. Elizabeth Salter: ''Landscapes and Seasons of the Medieval World.'' Elek, London 1973, ISBN 0-236-15451-6 * Pérez-Higuera, Teresa: ''Chronos: Die Zeit in der Kunst des Mittelalters.'' Echter, Würzburg 1997, ISBN 3-429-01941-9 * Strohmaier-Wiederanders, Gerlinde: ''Imagines anni / Monatsbilder: Von der Antike bis zur Romantik.'' Gursky, Halle 1999, ISBN 3-929389-30-4 :<small>Kenntnisreiche und breit angelegte kunsthistorische Studie, die die wohl zur Zeit maßgebliche Überblicksdarstellung in deutscher Sprache darstellt.</small> * ''Time in the medieval world: Occupations of the months and signs of the zodiac in the Index of Christian Art.'' Ed. by Colum Hourihane. Princeton University, 2007. * Webster, James Carson: ''The Labors of the Months in Antique and Mediaeval Art to the End of the Twelfth Century.'' Princeton 1938. (Princeton Monographs in Art and Archaeology 21) [Repr. New York 1970. (Northwestern University Studies in the Humanities 4)] === Einzeluntersuchungen === * Binder, Gerhard: ''Der Kalender des Filocalus: Eine illustrierte Ausgabe des römischen Festkalenders aus dem 4.&nbsp;Jahrhundert n. Chr.'', in: ''Der Kalender: Aspekte einer Geschichte.'' Hg. v. Wilhelm Geerlings. Schöningh, Paderborn, 2002, S. 61–95, ISBN 3-506-73112-2 * ''Die Très Riches Heures des Jean Duc de Berry im Museé Condé in Chantilly.'' Einf. u. Komm. von Jean Longnon u. Raymond Cazelles. Sonderausgabe. Prestel, München 1989, bes. Taf. 2–13 u S. 171ff., ISBN 3-7913-0979-X * ''Feste und Bräuche aus Mittelalter und Renaissance: Die Augsburger Monatsbilder.'' Redaktion Christina Langner. Textbeiträge Heinrich Dormeier u.a. Chronik, Gütersloh u.a. 2007, ISBN 978-3-577-14375-2 :<small>Aufwendiger und fachwissenschaftlich betreuter Bildband, der auch die Monatsbildertradition im Allgemeinen behandelt; das Bildmaterial ist hervorragend und die Texte auf aktuellem Forschungsstand.</small> * Wolter-von dem Knesebeck, Harald: ''Der Elisabethpsalter in Cividale del Friuli: Buchmalerei für den Thüringer Landgrafenhof zu Beginn des 13.&nbsp;Jahrhunderts.'' Deutscher Verlag für Kunstwissenschaft, Berlin 2001, bes. S. 113ff. u. Abb. S. 87–91, ISBN 3-87157-184-9 (Denkmäler deutscher Kunst) == Weblinks == {{Commons|Labors of the months|Monatsbilder}} :''Ein Großteil der Werke und Zyklen, die in diesem Artikel erwähnt werden, sind auf der Commons-Seite übersichtlich zusammengestellt.'' * [http://www.dhm.de/ausstellungen/kurzweil/index.html Augsburger Monatsbilder der Renaissance], eine Online-Ausstellung des [[Deutsches Historisches Museum|Deutschen Historischen Museums]] * [http://www.fathom.com/feature/122156/index.html Medieval Rural Life in the Luttrell Psalter] (engl.) * [http://vrcoll.fa.pitt.edu/medart/image/France/Chartres/Chartres-Cathedral/Windows/Choir-windows/028A-Zodiac/chartres-028AZodiac-main.html The Zodiac and Labors of the Months Window], das Glasfenster in Chartres mit Einzelkommentaren (engl.) * [http://www.trin.cam.ac.uk/sdk13/ASCalendar/ASCalendar.html An Anglo-Saxon Calendar] (engl.) * [http://www.dinf.vd.ch/target/body/services/sbma/cathe/rose.html Kommentierung des Gesamtprogrammes] der großen [[Rosette (Architektur)|Rosette]] der [[Kathedrale Notre-Dame (Lausanne)|Kathedrale von Lausanne]] (frz.) * [http://www.kuehr-studio.de/kuehr/texte/kunst_und_politik/lorenzetti_bilder_und%20texte/lor_bilder_u_texte.htm Zum Zyklus ''Gute und Schlechte Regierung''] von [[Ambrogio Lorenzetti]] * [http://www.flickr.com/groups/949209@N23/pool/ Eine umfangreiche Sammlung von Monatsbildern bei „flickr“] * [http://www.goethezeitportal.de/fileadmin/PDF/db/werke/maerchen_kinderbuecher/reinick_jahreslauf.pdf Robert Reinick: Der Jahreslauf im Kinderleben] (alle Monate in Gedichten und Illustrationen; PDF-Datei; 944 kB) == Quellen == <div class="references-small" style="-moz-column-count:2; column-count:2;"> <references /></div> {{Exzellent}} [[Kategorie:Ikonografie]] [[Kategorie:Agrargeschichte]] [[Kategorie:Kunst des Mittelalters]] [[Kategorie:Renaissance]] [[en:Labours of the Months]] [[pt:Trabalhos do Mês]] pt2es0p5iqkg3apfiy3ro1gy96g0rgb wikitext text/x-wiki Mond 0 23951 28397 28396 2011-09-22T19:05:56Z 78.35.191.217 {{Begriffsklärungshinweis}} {{Infobox Mond | Name = Mond [[Datei:Moon symbol decrescent.svg|15px|Mondsymbol]] | SysName = | Bild = [[Datei:Full Moon Luc Viatour.jpg|250px]] | Bildtext = Der Mond, fotografiert mit einem 103-mm-[[Linsenfernrohr|Refraktor]]. | Zentrum = [[Erde]] | Halbachse = 384 400 | Exzentrizitaet = 0,0549 | Periapsis = 363 300 | Apoapsis = 405 500 | Bahnneigung = 5,145 | Umlaufzeit = 27,3217 | Umlaufgeschwindigkeit = 1,023 | ref-o = <ref name="moonfact">[http://nssdc.gsfc.nasa.gov/planetary/factsheet/moonfact.html NASA Factsheet] on Earth's moons (Englisch) und elementare Berechnungen aus diesen Daten</ref> | Visuelle_Helligkeit = −12,74 | Albedo = 0,12 | Durchmesser = 3476 | Masse = 7,349 · 10<sup>22</sup> | Oberflaeche = 37 932 330 | Dichte = 3,341 | Rotation = 27,322 Tage | Achsneigung = 6,68 | A_Fallen = 1,62 | V_Flucht = 2380 | Temperatur = | ref-p = <ref name="moonfact" /> | Vergleichbild = [[Datei:Moon Earth Comparison.png|250px]] | Vergleichtext = Größenvergleich zwischen<br />[[Erde]] (⌀&nbsp;=&nbsp;12.756&nbsp;km) und<br />Mond (⌀&nbsp;=&nbsp;3476&nbsp;km)<br />(Fotomontage mit maßstabsgerechten Größen; der mittlere Abstand beträgt jedoch 30 Erddurchmesser)}} Der '''Mond''' (lateinisch ''Luna'') ist der einzige [[Satellit (Astronomie)|natürliche Satellit]] der [[Erde]]. Seit den [[Liste der Entdeckungen der Planeten und ihrer Monde|Entdeckungen von Trabanten]] bei anderen [[Planet]]en des [[Sonnensystem]]s, im übertragenen Sinn zumeist als Monde bezeichnet, wird er zur Vermeidung von Verwechslungen auch '''Erdmond''' genannt. Er ist mit einem Durchmesser von 3476&nbsp;km der fünftgrößte Mond des Sonnensystems. Aufgrund seiner verhältnismäßigen Nähe ist er der einzige fremde [[Himmelskörper]], der bisher von Menschen betreten wurde und somit auch der am weitesten erforschte. Trotzdem gibt es noch viele Unklarheiten, etwa in Bezug auf seine [[Entstehung des Mondes|Entstehung]] und manche [[Gelände (Kartografie)|Geländeformen]]. Die jüngere Entwicklung des Mondes ist jedoch weitgehend geklärt. Sein [[astronomisches Symbol]] <big>{{Unicode|☾}}</big> ist die, von der irdischen Nordhalbkugel aus betrachtete, abnehmende [[Mondphase|Mondsichel]]. == Umlauf und Rotation == === Scheinbare Bewegung === Der Mond umkreist die Erde im Verlauf von durchschnittlich 27&nbsp;Tagen, 7&nbsp;Stunden und 43,7&nbsp;Minuten in Bezug auf die [[Fixstern]]e von [[Westen]] nach [[Osten]] in dem gleichen [[Drehrichtung|Drehsinn]], mit dem die Erde um ihre eigene [[Rotationsachse|Achse]] rotiert. Aus der Sicht eines irdischen Beobachters umkreist er die Erde aufgrund der Relativbewegung ihrer viel schnelleren Rotation [[Scheinbar (Astronomie)|scheinbar]] an einem [[Tag]] – wie auch die Fixsterne und die [[Planeten]] ähnlich der [[Sonne]]. In Bezug zur Erdoberfläche läuft er daher in die entgegengesetzte Richtung wie in Bezug zu den Fixsternen und sein [[Aufgang (Astronomie)|Aufgang]] erfolgt ebenso wie der dieser anderen Himmelskörper im Osten, sein Untergang im Westen. Da die Bahnbewegung des Mondes denselben, [[rechtläufig]]en Drehsinn wie die Erdrotation hat, dauert sein scheinbarer Erdumlauf 50&nbsp;Minuten länger als 24&nbsp;Stunden. Diese Differenz addiert sich im Laufe eines [[Monat]]s zu einem Tag, da der Mond in dieser Zeit einen wahren Erdumlauf vollzieht. Die scheinbaren Bahnen von Mond und Sonne haben einen ähnlichen Verlauf, da die Mondbahn nur geringfügig gegen die [[Ekliptik]] geneigt ist. Für einen Beobachter auf der [[Nordhalbkugel]] über 5,2°&nbsp;nördlich des nördlichen [[Wendekreis (Breitenkreis)|Wendekreises]] stehen Mond und Sonne an ihren höchsten Bahnpunkten (''Kulmination'') im Süden, für einen Beobachter auf der [[Südhalbkugel]] über 5,2°&nbsp;südlich des südlichen Wendekreises im Norden. Die Oberflächenstrukturen erscheinen im Vergleich zur Nordhalbkugel kopfstehend. In [[Äquator]]nähe, zwischen den Wendekreisen, erscheint der Mond zweimal im Monat im [[Zenit (Richtungsangabe)|Zenit]], also senkrecht über der Erdoberfläche. Der scheinbare Durchmesser des Mondes schwankt entfernungsabhängig zwischen knapp 30' und gut 34' um einen Mittelwert von etwa 32'&nbsp;[[Bogenminute]]n und gleicht damit annähernd dem der Sonne. ''Siehe auch:'' [[Geozentrisches Weltbild]] === Umlaufbahn === {{Hauptartikel|Mondbahn}} Die Bahn des Mondes um die Erde ist deutlich verschieden von der Kreisform. Die größte und die kleinste Entfernung zur Erde weichen im Mittel jeweils um 5,45 % von der Kreisform ab. Die Bahn ist in guter Näherung eine [[Ellipse]] der numerischen [[Exzentrizität (Mathematik)|Exzentrizität]] 0,0549. Der mittlere Abstand des [[Schwerpunkt]]es des Mondes vom [[Baryzentrum]] – die [[große Halbachse]] – misst 384.400&nbsp;km. Den erdnächsten Punkt der Bahn nennt man ''[[Erdnähe|Perigäum]]''. Im Perigäum beträgt die Entfernung im Mittel 363.300&nbsp;km. Der erdfernste Punkt heißt ''[[Erdnähe|Apogäum]]''. Dort beträgt die Entfernung im Mittel 405.500&nbsp;km. Die Durchgänge des Mondes durch die Bahnebene der Erde (die [[Ekliptik]]) nennt man ''[[Mondknoten]]'' (oder Drachenpunkte). Der [[Aufsteigender Knoten|aufsteigende Knoten]] ist der Übergang auf die Nordseite der Ekliptik, der absteigende markiert den Übergang auf die südliche Seite. [[Datei:Earth-Moon.jpg|miniatur|upright=1.8|Korrektes Größen- und Abstandsverhältnis zwischen Erde und Mond]] Der Mond umläuft zusammen mit der Erde die Sonne, durch die Bewegung um die Erde pendelt der Mond jedoch um eine gemeinsame [[Ellipse]]nbahn. Die [[Variation (Astronomie)|Variation]] der [[Gravitation]] während dieser Pendelbewegung führt zusammen mit geringeren [[Bahnstörung|Störungen]] durch die anderen Planeten zu Abweichungen von einer exakten [[Keplerellipse]] um die Erde. Der erdnächste Punkt der Bahn wird nicht nach genau einem Umlauf (relativ zu den Fixsternen) des Mondes wieder erreicht. Durch diese [[Apsidendrehung]] umläuft das Perigäum die Erde in 8,85 Jahren. Auch zwei aufsteigende Knotendurchgänge erfolgen nicht exakt nach einem Umlauf, sondern bereits nach kürzerer Zeit. Die Mondknoten umlaufen die Erde folglich ''retrograd'', das heißt gegen die Umlaufrichtung des Mondes in 18,61 Jahren. Wenn ein Knotendurchgang mit Neumond zusammenfällt, kommt es zu einer Sonnenfinsternis, und falls der Knotendurchgang mit Vollmond zusammenfällt, kommt es zu einer Mondfinsternis. Dieser Zyklus führt auch zu den Mondwenden: Der Aufgangsort des Mondes am Horizont schwankt während eines Monats zwischen einem südlichsten und einem nördlichsten Punkt hin und her, so wie es auch bei der Sonne im Verlauf eines Jahres der Fall ist. Im Laufe des Zeitraumes von 18,61&nbsp;Jahren verändert sich die Spanne zwischen diesen beiden Extrempunkten in ihrem Abstand: Der Zeitpunkt (zuletzt im Jahre&nbsp;2006), an dem diese Punkte am weitesten auseinanderliegen, heißt ''große Mondwende'', der des geringsten Abstandes ''kleine Mondwende''. In der frühzeitlichen Astronomie spielten diese Mondwenden eine wichtige Rolle <ref>planetenkunde.de: ''[http://www.planetenkunde.de/p012/p01211/p0121103001.htm Prähistorische Astronomie]''</ref>. ==== Bahnperiode ==== Die Dauer eines Bahnumlaufs des Mondes, den ''[[Monat]]'' (nach ''Mond''), kann man nach verschiedenen Kriterien festlegen, die jeweils unterschiedliche Aspekte abdecken. * Nach einem ''[[Siderische Periode|siderischen]]'' Monat (27,32&nbsp;d) nimmt der Mond wieder die gleiche Stellung zu den [[Fixstern]]en ein (von der Erde aus beobachtet). * Nach einem ''[[Synodische Periode|synodischen]]'' Monat (29,53&nbsp;d; Periode der Mondphasen – ein Mondtag) erreicht der Mond wieder die gleiche Stellung zur Sonne (von der Erde aus beobachtet). * Einen ''[[Drakonitische Periode|drakonitischen]]'' Monat (27,21&nbsp;d) benötigt er, um wieder durch den gleichen Knoten seiner Bahn zu laufen; er ist wichtig für die Sonnen- und [[Mondfinsternis]]se. * Einen ''[[Anomalistische Periode|anomalistischen]]'' Monat (27,56&nbsp;d) benötigt der Mond von einem Perigäumdurchgang zum nächsten. Diese Werte nehmen jedoch sehr langsam im Laufe von Jahrmillionen zu, da sich die Mondbahn vergrößert (siehe Abschnitt: [[Mond#Vergrößerung der Umlaufbahn|Vergrößerung der Umlaufbahn]]). ==== Mondphasen ==== Das Aussehen des Mondes variiert im Laufe seines Bahnumlaufs und durchläuft die [[Mondphase]]n: [[Datei:Mond Phasen.jpg|framed|none|[[Mondphase]]n von Neumond über Vollmond bis kurz vor dem nächsten Neumond (siehe auch Animation im Abschnitt [[#Rotation|Rotation]])]] * [[Neumond]] (1) – der Mond steht zwischen der Sonne und der Erde, * zunehmender Mond (2–4) – abends sichtbar, * [[Vollmond]] (5) – die Erde steht zwischen der Sonne und dem Mond, * abnehmender Mond (6–8) – morgens sichtbar, * Halbmond – zunehmend (3) oder abnehmend (7) – ist die [[Tag-Nacht-Grenze|Halbphase]] (Dichotomie). Diese Darstellung gilt für die Betrachtung von der Nordhalbkugel (der Erde) aus. Betrachtet man den Mond stattdessen von der Südhalbkugel aus, so kehrt sich die visuelle Erscheinung um: Neumond (1), zunehmender Mond&nbsp;(8,&nbsp;7,&nbsp;6), Vollmond (5), abnehmender Mond&nbsp;(4,&nbsp;3,&nbsp;2). Einem Beobachter in der Nähe des Äquators erscheint die Mondsichel waagerecht und die Verlaufsrichtung des Phasenwechsels senkrecht zum Horizont. Diese Abhängigkeit der Lage vom Breitengrad widerspiegelt sich zum Beispiel bei der Verwendung einer [[Mondsichel|symbolischen Mondsichel]] in Form einer Schale auf der Staatsflagge einiger äquatornaher Länder. Die nicht von der Sonne beleuchteten Teile der erdzugewandten Mondseite sind dabei nie völlig dunkel, sondern werden durch das Erdlicht – den Widerschein der Erdoberfläche und der Erdatmosphäre – ein wenig aufgehellt. Diese Aufhellung wird als [[Erdschein]] oder auch als aschgraues Mondlicht bezeichnet und ist am besten bei schmaler Mondsichel zu sehen. {| class="float-right" style="background-color:black;" | [[Datei:Earthshine-Geometrie.svg|upright=1.8]] |- | align="center" | <span style="background-color:black;color:white"> Herkunftsweg des Erdscheins </span> |} Seine Ursache wurde schon von [[Leonardo da Vinci]] richtig erkannt. Mit einem [[Prismenfernglas|Fernglas]] selbst geringer Vergrößerung sind in dem Erdschein sogar Einzelheiten erkennbar, denn aufgrund des größeren Durchmessers und des höheren [[Albedo|Rückstrahlungsvermögens]] (Albedo) der Erde ist die „Vollerde“ rund 50-mal so hell wie der Vollmond. Messungen des aschgrauen Mondlichts erlauben Rückschlüsse auf Veränderungen der [[Erdatmosphäre]]. Bei Vollmond beträgt seine [[Beleuchtungsstärke]] 0,2&nbsp;Lux. Die ständig erdabgewandte [[#Rotation|Rückseite des Mondes]] ist natürlich nicht immer dunkel, sondern unterliegt dem entsprechend versetzten Phasenwechsel – bei Neumond wird sie vom Sonnenlicht vollständig beschienen. ==== Finsternisse ==== [[Verfinsterung]]en zwischen Sonne, Mond und Erde treten auf, wenn die drei Himmelskörper auf einer Linie liegen, das heißt, nur bei Vollmond oder Neumond und wenn sich der Mond in einem der zwei Mondknoten befindet. Dies passiert nur zweimal pro Jahr. ===== Mondfinsternis ===== [[Datei:Lunar-eclipse-09-11-2003.jpeg|thumb|Totale [[Mondfinsternis]] am 9. November 2003]] Bei einer [[Mondfinsternis]], die nur bei Vollmond auftreten kann, steht die Erde zwischen Sonne und Mond. Sie kann auf der gesamten Nachtseite der Erde beobachtet werden und dauert maximal 3&nbsp;Stunden 40&nbsp;Minuten. Man unterscheidet * die ''totale'' Mondfinsternis, bei welcher der Mond völlig in den [[Schatten]] der Erde wandert. Die Totalität dauert höchstens 100&nbsp;Minuten. Betrachtet man die geometrischen Verhältnisse bei einer totalen Mondfinsternis, so sollte der Mond im Kernschatten der Erde liegen, der sich theoretisch knapp 1,4&nbsp;Millionen Kilometer in den Raum erstrecken sollte, tatsächlich aber wegen der starken Streuung durch die Erdatmosphäre nur etwa 250.000&nbsp;km weit reicht. Der Mond wird deshalb auch bei totalen Finsternissen nicht völlig verdunkelt. Da die [[Erdatmosphäre]] die blauen Anteile des [[Sonnenlicht]]s stärker streut als die roten, erscheint der Mond bei totalen Finsternissen als dunkle rotbraune Scheibe; daher auch die gelegentliche Bezeichnung „Blutmond“. * die ''partielle'' Mondfinsternis, bei der nur ein Teil des Mondes von der Erde abgeschattet wird, das heißt, ein Teil des Mondes bleibt während des gesamten Verlaufs der Finsternis sichtbar. * die ''Halbschattenfinsternis'', bei welcher der Mond nur (ganz oder teilweise) in den Halbschatten der Erde eintaucht. Halbschattenfinsternisse sind ziemlich unauffällig; es zeigt sich lediglich eine leichte Vergrauung derjenigen Mondseite, die dem Kernschatten der Erde am nächsten ist. Vom Mond aus gesehen stellt sich eine Mondfinsternis als Sonnenfinsternis dar. Dabei verschwindet die Sonne hinter der schwarzen Erdscheibe. Bei einer totalen Mondfinsternis herrscht auf der ganzen Mondvorderseite totale Sonnenfinsternis, bei einer partiellen Mondfinsternis ist die Sonnenfinsternis auf dem Mond nur in einigen Gebieten total, und bei einer Halbschatten-Mondfinsternis herrscht auf dem Mond partielle Sonnenfinsternis. Ringförmige Sonnenfinsternisse gibt es auf dem Mond wegen des im Verhältnis zur Sonne viel größeren scheinbaren Durchmessers der Erdscheibe nicht; lediglich durch die beschriebene Lichtstreuung in der Erdatmosphäre wird der Rand der schwarzen Scheibe zu einem kupferrot schimmernden Ring, der dem Mond die entsprechende Farbe verleiht. ===== Sonnenfinsternis ===== [[Datei:Solar eclips 1999 4.jpg|thumb|Totale [[Sonnenfinsternis]] mit sichtbarer [[Korona (Sonne)|Korona]]]] Bei einer [[Sonnenfinsternis]], die nur bei Neumond auftreten kann, steht der Mond zwischen Sonne und Erde. Sie kann nur in den Gegenden beobachtet werden, die den Kern- oder Halbschatten des Mondes durchlaufen; diese Gegenden stellen sich meist als lange, aber recht schmale Streifen auf der Erdoberfläche dar. Man unterscheidet: * ''totale'' Sonnenfinsternis, bei der der Mond die Sonnenscheibe einige Minuten lang vollständig bedeckt und die Erde den Kernschatten (''Umbra'') des Mondes durchläuft; * ''partielle'' Sonnenfinsternis, bei welcher der Mond die Sonnenscheibe nicht vollständig bedeckt; der Beobachter befindet sich dabei im Halbschatten (''[[Penumbra (Astronomie)|Penumbra]]'') des Mondes; * ''ringförmige'' Sonnenfinsternis, wenn der Mond durch zu große Erdferne die Sonnenscheibe nicht ganz abdeckt (siehe auch: ''[[Durchgang]]''). Eine ''Sonnenfinsternis'' wird nur vom irdischen Betrachter als solche wahrgenommen. Die Sonne leuchtet natürlich weiter, dagegen liegt die Erde im Schatten des Mondes. Entsprechend zur Mondfinsternis müsste man korrekterweise also von einer ''Erdfinsternis'' sprechen. ===== Sarosperiode ===== Bereits den [[Chaldäer]]n war (um etwa 1000&nbsp;v.&nbsp;Chr.) bekannt, dass sich Finsternisse nach einem Zeitraum von 18&nbsp;Jahren und 11&nbsp;Tagen, der ''[[Sarosperiode]]'', wiederholen. Nach 223&nbsp;synodischen beziehungsweise 242&nbsp;drakonitischen Monaten (von lat.&nbsp;''draco'', Drache, altes astrologisches Symbol für die [[Mondknoten]], da man dort einen mond- und sonnenfressenden Drachen vermutete) besteht wieder fast dieselbe Stellung von Sonne, Erde und Mond zueinander, so dass sich eine Finsternisstellung nach 18&nbsp;Jahren und 11,33&nbsp;Tagen erneut ergibt. Die Ursache dieser Periode liegt darin begründet, dass bei einer Finsternis sowohl die Sonne als auch der Mond nahe der Knoten der Mondbahn liegen müssen, welche in 18&nbsp;Jahren einmal um die Erde laufen. [[Thales]] nutzte diese Periode, die er bei einer Orientreise kennenlernte, für seine Finsternisprognose vom [[Sonnenfinsternis 585 v. Chr.|28.&nbsp;Mai 585 v. Chr.]], wodurch eine Schlacht zwischen [[Lyder]]n und [[Medien (Land)|Medern]] abgebrochen und ihr Krieg beendet wurde. Ein Saros-Zyklus ist eine Folge von Sonnen- oder Mondfinsternissen, die jeweils im Abstand einer Sarosperiode aufeinanderfolgen. Da die Übereinstimmung der 223 bzw. 242&nbsp;Monate nicht exakt ist, reißt ein Saros-Zyklus etwa nach 1.300 Jahren ab. In diesem Zeitraum beginnen aber gleich viele neue Zyklen und es existieren immer ungefähr 43 gleichzeitige verschachtelte Saros-Zyklen.<ref>* J. P. McEvoy: ''Sonnenfinsternis. Die Geschichte eines Aufsehen erregenden Phänomens.'' Berlin Verlag, Berlin 2001, ISBN 3-8270-0372-5. Seite 88</ref> ==== Vergrößerung der Umlaufbahn ==== [[Datei:Apollo AS11-40-5952HR.jpg|thumb|Der [[Retroreflektor]] von Apollo&nbsp;11.]] Die mittlere Entfernung zwischen dem Mond und der Erde wächst jährlich um etwa 3,8&nbsp;cm. Der Abstand ([[Lunar Distance|lunar distance]]) wird seit der ersten Mondexpedition [[Apollo 11|Apollo&nbsp;11]] regelmäßig per [[Lidar]] vermessen, indem die [[Lichtlaufzeit]] bestimmt wird, die das Laserlicht für die Strecke hin und zurück benötigt. Sowohl von amerikanischen als auch von sowjetischen Mondmissionen wurden dazu insgesamt fünf [[Retroreflexion|Retroreflektoren]] auf dem Mond platziert, von denen vier weiterhin für [[Entfernungsmessung]]en genutzt werden (''siehe auch:'' [[LLR|Lunar Laser Ranging]]). Die allmählich zunehmende Entfernung ist eine Folge der [[Gezeitenkraft|Gezeitenkräfte]], die der Mond auf der Erde bewirkt. Dabei wird Rotationsenergie der Erde weit überwiegend in Wärme umgewandelt und zu einem Teil als Rotationsenergie auf den Mond übertragen. Der dabei abnehmende [[Drehimpuls]] der Erdrotation resultiert in einer Zunahme des [[Bahndrehimpuls]]es des Mondes, der sich dadurch von der Erde entfernt. Dieser schon lange vermutete Effekt ist seit&nbsp;1995 durch die Laser-Distanzmessungen abgesichert. Er bewirkt sowohl eine kontinuierliche Verlängerung der irdischen Tageslänge als auch der Mondumlaufdauer. {| class="wikitable float-left" |+ Drehimpuls-Anteile des Erde-Mond-Systems ! Art des Drehimpulses !! Größe [kg·m²/s] !! Anteil |- | Erde-Mond-System gesamt | style="text-align:center" | 3,49 × 10<sup>34</sup> | style="text-align:right" | 100,0 % |- | Mond - Eigendrehimpuls | style="text-align:center" | 2,33 × 10<sup>29</sup> | style="text-align:center" | ––– |- | Mond - Bahndrehimpuls | style="text-align:center" | 2,87 × 10<sup>34</sup> | style="text-align:right" | 82,2 % |- | Erde - Eigendrehimpuls | style="text-align:center" | 5,85 × 10<sup>33</sup> | style="text-align:right" | 16,8 % |- | Erde - Bahndrehimpuls | style="text-align:center" | 3,53 × 10<sup>32</sup> | style="text-align:right" | 1,0 % |} Dennoch kann die Erde den Mond durch den Gezeitenmechanismus auch in ferner Zukunft nicht gänzlich verlieren, da sich nach einigen Milliarden Jahren ein Endzustand einstellen würde, bei dem sich die Eigenrotationsperiode der Erde, d.&nbsp;h., die Länge eines Tages, der dann verlängerten Mondumlaufperiode angeglichen hätte. In diesem Endzustand wäre der Gezeitenmechanismus (und die damit verbundene Energie- und Drehimpulsübertragung) zum Erliegen gekommen und der Mond stünde, ähnlich wie ein [[Geostationär|geostationärer Satellit]], fortan immer über demselben Ort der Erde. (Jedoch wird dieser Fall gar nicht erst eintreten, da andere kosmische Ereignisse wie etwa das Aufblähen der Sonne zum [[Roter Riese|Roten Riesen]] früher eintreten werden.) Entsprechend den Drehimpuls-Anteilen des Erde-Mond-Systems (siehe Tabelle) würde sich also der gegenwärtige Bahndrehimpuls des Mondes durch die weitestgehende Übernahme des Eigendrehimpulses der Erde um den Faktor&nbsp;1,2 auf die maximal möglichen rund 99 % des Gesamtdrehimpulses erhöhen. Dies führte zu einer 1,2<sup>2</sup>-fach vergrößerten mittleren Monddistanz von ca. 560.000&nbsp;km sowie einer 1,2<sup>3</sup>-fach verlängerten Umlaufperiode von rund 48&nbsp;Tagen. Die Dauer bis zum Erreichen dieses Endzustandes lässt sich ''nach unten'' grob abgrenzen, indem man die heutige Entfernungszunahme von 3,8&nbsp;cm/Jahr linear extrapoliert. Dies ergibt rund 5&nbsp;Mrd. Jahre und liegt somit im selben Zeitrahmen wie das erwähnte Endstadium unserer Sonne. === Rotation === [[Datei:Lunar libration with phase2.gif|thumb|Die simulierte [[Libration]] des Mondes]] Infolge der [[Gezeiten]]wirkung, die durch die [[Gravitation]] der Erde entsteht, hat der Mond seine Rotation der Umlaufzeit in Form einer [[Gebundene Rotation|gebundenen Rotation]] angepasst. Das heißt, bei einem Umlauf um die Erde dreht er sich im gleichen Drehsinn genau einmal um die eigene Achse. Daher ist von einem Punkt der Erdoberfläche aus, abgesehen von kleineren Abweichungen, den [[Libration]]sbewegungen, immer dieselbe Seite zu sehen. Aufgrund der Libration und der [[Parallaxe]], sprich durch Beobachtung von verschiedenen Punkten etwa bei Mondaufgang und Monduntergang, sind insgesamt von der Erde aus knapp 59 % der Mondoberfläche einsehbar. Die restlichen 40 % der Mondoberfläche konnten erstmals 1959 durch die [[Raumsonde]] [[Lunik 3|Lunik&nbsp;3]] beobachtet werden. Wegen der gebundenen Rotation sähe ein stationärer Beobachter auf dem Mond die Erde immer an derselben Stelle des [[Himmel (planetär)|Himmels]]; abgesehen von den leichten Schwankungen durch die Librationen. Die Erde geht also außerhalb der Librationszonen auf dem Mond niemals „auf“ oder „unter“. Ein Beobachter auf der verbleibenden [[Mondrückseite]] kann die Erde somit niemals sehen. Wegen des Fehlens einer [[Atmosphäre]] ist der Mondhimmel nicht farbig, sondern schwarz, da kein Streulicht beobachtet werden kann. [[Stern]]e kann man jedoch auch auf dem Mond nur nachts sehen, die Lichtempfindlichkeit des menschlichen [[Auge]]s stellt sich auf die hell leuchtende Mondoberfläche ein und kann die Sterne nicht mehr wahrnehmen. Die Erde erscheint als bläuliche Scheibe, im Durchmesser fast viermal so groß wie der Mond von der Erde aus. Die Erdphasen werden in einem synodischen Monat durchlaufen und sind den Mondphasen entgegengesetzt. Bei Neumond herrscht „Vollerde“ und bei Vollmond „Neuerde“. Die [[Sonne]] wandert, vom Mond aus gesehen, ebenso wie von der Erde beobachtet einmal pro Jahr durch den [[Tierkreis]]. Von Sonnenaufgang bis zum Höchststand der Sonne dauert es eine Woche, und von dort eine weitere Woche bis zum Sonnenuntergang, worauf eine 14-tägige Nacht (Mondnacht) folgt. Ein Tag-Nacht-Zyklus auf dem Mond dauert somit einen Monat. == Selenologie und Selenografie == [[Datei:HalfMoon.jpg|thumb|upright=1.0|Im Bereich der [[Tag-Nacht-Grenze]] sind vor allem die Krater sehr gut zu erkennen.]] [[Datei:FullMoon.jpg|thumb|Bei Vollmond sind wegen des senkrecht einfallenden Lichtes kaum Krater zu erkennen, aber dafür sehr gut die [[Strahlensystem]]e.]] Die Selenologie, nach dem griechischen Wort für Mond, Σελήνη ([[Selene]]), oder auch „[[Geologie]] des Mondes“, beschäftigt sich mit seiner Entstehung, seinem Aufbau und seiner Entwicklung sowie mit der Entstehung der beobachteten Strukturen und den dafür verantwortlichen Prozessen. Die Aufgabe der [[Selenografie]] besteht in der Erstellung von [[Mondkarte]]n. Mit der Vermessung des Mondes und seines Schwerefeldes befasst sich die [[Selenodäsie]]. === Eigenschaften und Entwicklung === Der Mond hat mit 3476&nbsp;km etwa ein Viertel des Durchmessers der Erde und weist mit 3,345&nbsp;g/cm³ eine geringere mittlere [[Dichte (Physik)|Dichte]] als die Erde auf. Aufgrund seines im Vergleich zu anderen Monden recht geringen Größenunterschieds zu seinem Planeten bezeichnet man Erde und Mond gelegentlich auch als [[Doppelplanet]]. Seine im Vergleich zur Erde geringe mittlere Dichte blieb auch lange ungeklärt und sorgte für zahlreiche Theorien zur Entstehung des Mondes. ''Siehe Hauptartikel [[Entstehung des Mondes]]'' Das heute weithin anerkannte Modell zur Entstehung des Mondes besagt, dass vor etwa 4,5&nbsp;Milliarden Jahren ein Himmelskörper von der Größe des [[Mars (Planet)|Mars]] nahezu streifend mit der Protoerde kollidierte. Dabei wurde viel Materie, vorwiegend aus der [[Erdkruste]] und dem Mantel des einschlagenden Körpers, in eine Erdumlaufbahn geschleudert, ballte sich dort zusammen und formte schließlich den Mond. Der Großteil des Impaktors vereinte sich mit der Protoerde zur Erde. Nach aktuellen Simulationen bildete sich der Mond in einer Entfernung von rund drei bis fünf Erdradien, also in einer Höhe zwischen 20.000 und 30.000&nbsp;km. Durch den Zusammenstoß und die frei werdende Gravitationsenergie bei der Bildung des Mondes wurde dieser aufgeschmolzen und vollständig von einem Ozean aus [[Magma]] bedeckt. Im Laufe der Abkühlung bildete sich eine Kruste aus den leichteren Mineralen aus, die noch heute in den Hochländern vorzufinden sind. [[Datei:Mondmagma.svg|thumb|left|upright=2|[[Differenzierung (Planetologie)|Differenzierung]] der äußeren Schichten des Mondes. KREEP: [[Kalium|'''K'''alium]], '''R'''are '''E'''arth '''E'''lements (dt. [[Metalle der Seltenen Erden|Seltene Erden]]), [[Phosphor|'''P'''hosphor]].]] Die frühe Mondkruste wurde bei größeren [[Impakt|Einschlägen]] immer wieder durchschlagen, so dass aus dem Mantel neue Lava in die entstehenden Krater nachfließen konnte. Es bildeten sich die ''Maria'' ([[Mondmeer]]e), die erst einige hundert Millionen Jahre später vollständig erkalteten. Das sogenannte [[Großes Bombardement|letzte große Bombardement]] endete erst vor 3,8 bis 3,2&nbsp;Milliarden Jahren, nachdem die Anzahl der Einschläge von [[Asteroid]]en vor etwa 3,9&nbsp;Milliarden Jahren deutlich zurückgegangen war. Danach ist keine starke [[Vulkanismus|vulkanische]] Aktivität nachweisbar, doch konnten einige Astronomen – vor allem 1958/59 der russische Mondforscher [[Nikolai Alexandrowitsch Kosyrew|Nikolai Kosyrew]] – vereinzelte Leuchterscheinungen beobachten, so genannte [[Lunar Transient Phenomena]]. Im November 2005 konnte ein internationales Forscherteam der ETH Zürich sowie der Universitäten Münster, Köln und Oxford erstmals die Geburtsstunde des Mondes präzise datieren. Dafür nutzten die Wissenschaftler eine Analyse des [[Isotop]]s [[Wolfram]]-182 und berechneten das Alter des Mondes auf 4527&nbsp;±&nbsp;10 Millionen Jahre. Somit ist er 30 bis 50&nbsp;Millionen Jahre nach der Herausbildung des Sonnensystems entstanden <ref>Anke Poiger: ''[http://idw-online.de/pages/de/news138356 Geburtsdatum von Erde und Mond gefunden]'' in ''Informationsdienst Wissenschaft'' 25.&nbsp;November 2005</ref>. === Gestalt === Der mittlere Äquatordurchmesser des Mondes beträgt 3476,2&nbsp;km und der Poldurchmesser 3472,0&nbsp;km. Sein mittlerer Durchmesser insgesamt – als volumengleiche Kugel – ist 3474,2&nbsp;km groß<ref name="moonfact" />. Die Gestalt des Mondes gleicht mehr der eines dreiachsigen [[Ellipsoid]]s als der einer Kugel. An den Polen ist er etwas abgeplattet mit einem Durchmesser von 3472,0&nbsp;km und die in Richtung der Erde weisende Äquatorachse ist etwas größer als die darauf senkrecht stehende Äquatorachse. Der Äquatorwulst ist auf der erdabgewandten Seite dabei noch deutlich größer als auf der erdnahen Seite. In Richtung Erde ist der Durchmesser durch die Gezeitenkraft am größten. Hierbei ist der erdferne Mondradius an dieser Achse größer als der erdnahe. Dies ist überraschend und es fehlt hierfür bis heute eine schlüssige Erklärung. [[Pierre-Simon Laplace]] hatte schon 1799 von seiner Vermutung berichtet, dass der Äquatorwulst zur erdabgewandten Seite hin stärker ausgebildet ist und die Bewegung des Mondes beeinflusst, und dass diese Form nicht einfach ein Ergebnis der Drehung des Mondes um die eigene Rotationsachse sein kann. Seitdem rätseln Mathematiker und Astronomen, aus welchem Bildungsprozess der Trabant diese Ausbuchtung konserviert hat, nachdem sein Magma erstarrt war. === Innerer Aufbau === [[Datei:Moon structure.svg|thumb|]] [[Datei:Aufbau Mond.png|thumb|Schematischer Aufbau des Mondes (links: Vorderseite, rechts: Rückseite)]] Das Wissen über den Aufbau des Mondes beruht im Wesentlichen auf den Daten der vier von den Apollo-Missionen zurückgelassenen [[Seismometer]], die diverse Mondbeben und Erschütterungen durch Einschläge von [[Meteoroid]]en aufzeichneten, sowie auf den Kartierungen der Oberfläche, des [[Gravitation]]sfeldes und der mineralischen Zusammensetzung durch die [[Clementine (Sonde)|Clementine]]- und die [[Lunar Prospector|Lunar-Prospector]]-Mission. Der Mond besitzt eine 70 (an der Mondvorderseite) bis 150&nbsp;km (Rückseite) dicke Kruste aus Anorthosit, die von einer mehrere Meter dicken [[Regolith]]schicht bedeckt ist. Darunter liegt ein fester Mantel aus [[Basalt]]gesteinen ([[Olivin]]- und [[Pyroxen]]reiche [[Kumulate]]. Dazwischen findet sich eine dünne Schicht aus [[KREEP]], einem Gestein das einen hohen Anteil aus [[Kalium|'''K'''alium]], '''R'''are '''E'''arth '''E'''lements (dt. [[Metalle der Seltenen Erden|Seltene Erden]] wie Uran und Thorium) und [[Phosphor|'''P'''hosphor]] enthält, die die bei der Auskristallisierung der anderen beiden Gesteine inkompatiblen bzw. als letzte auskristallisierenden Elemente aufnahm. Dieses wurde bei großen Meteoriteneinschlägen mit an die Mondoberfläche befördert und findet sich so vor allem auf der Mondvorderseite (z.B. im [[Oceanus Procellarum]] und [[Mare Imbrium]].<ref>Spektrum der Wissenschaft November 2009, S. 42-51, Die zwei Gesichter des Mondes</ref> Es gibt Anzeichen für eine Unstetigkeitsfläche in 500&nbsp;km Tiefe, an der ein Wechsel der Gesteinszusammensetzung vorliegen könnte. Der 200 bis 400&nbsp;km große [[eisen]]haltige Kern dürfte Temperaturen um 1.600&nbsp;Grad Celsius aufweisen. Die gebundene Rotation des Mondes hat auch Einflüsse auf Form und inneren Aufbau. Der Mond ist in Richtung Erde lang gezogen und sein Massenschwerpunkt liegt etwa 2&nbsp;km näher zur Erde als sein geometrischer Mittelpunkt. ==== Mondbeben ==== [[Datei:Apollo-PSE.jpg|thumb|left|Passives seismisches Experiment (PSE) von [[Apollo 11]].]] Die zurückgelassenen Seismometer der Apollo-Missionen registrieren etwa 500&nbsp;Mondbeben pro Jahr. Diese Beben sind im Vergleich zu [[Erdbeben]] sehr schwach. Das stärkste erreichte eine Stärke von knapp&nbsp;5 auf der [[Richterskala]]. Die meisten liegen aber bei einer Stärke von&nbsp;2. Die seismischen Wellen der Beben können ein bis vier Stunden lang verfolgt werden. Sie werden im Mondinneren also nur sehr schwach [[Dämpfung|gedämpft]]. Mehr als die Hälfte der Beben entstehen in einer Tiefe von 800 bis 1.000&nbsp;km und weisen Häufigkeitsspitzen beim [[Erdnähe|Apogäum]]- und [[Erdnähe|Perigäum]]<nowiki></nowiki>durchgang auf, das heißt, alle 14&nbsp;Tage. Auch sind Beben aus der oberflächennahen Region des Mondes bekannt. Die Ursache liegt darin, dass sich der Aufbau des Mondes dem Mittelwert der durch die Erde verursachten [[Gravitation]] angepasst hat. Die Beben bauen die inneren Spannungen durch [[Gezeitenkraft|Gezeitenkräfte]] ab, die am erdnächsten und erdfernsten Punkt der Mondbahn ihr Maximum erreichen. Der Ursprung der Beben verteilt sich nicht gleichmäßig über eine komplette Mantelschale. Die meisten Beben entstehen an nur etwa 100&nbsp;Stellen, die jeweils nur wenige Kilometer groß sind. Der Grund für diese Konzentration ist noch nicht bekannt. ==== Massenkonzentrationen ==== [[Datei:MoonLP150Q grav 150.jpg|thumb|Die [[Mascon]]s der erdnahen (links) und der erdfernen Mondseite]] Durch ungewöhnliche Einflüsse auf die Bahnen der Lunar-Orbiter-Missionen erhielt man Ende der 1960er Jahre erste Hinweise auf [[Schwereanomalie]]n, die man [[Mascon]]s ('''''Mas'''s '''con'''centrations'', Massenkonzentrationen) nannte. Durch Lunar Prospector wurden diese Anomalien näher untersucht, sie befinden sich meist im Zentrum der Krater und sind vermutlich durch die Einschläge entstanden. Möglicherweise handelt es sich um die eisenreichen Kerne der Impaktoren, die aufgrund der fortschreitenden Abkühlung des Mondes nicht mehr bis zum Kern absinken konnten. Nach einer anderen Theorie könnte es sich um Lavablasen handeln, die als Folge eines Einschlags aus dem Mantel aufgestiegen sind. === Oberfläche === [[Datei:MoonTopoGeoidUSGS.jpg|thumb|Die [[Topografie (Kartografie)|Topografie]] der erdnahen (links) und der erdfernen Mondseite]] Die Oberfläche des Mondes ist mit 38 Mio. km<sup>2</sup> etwa 15 % größer als die Fläche von [[Afrika]] mit der [[Arabische Halbinsel|arabischen Halbinsel]]. Sie ist nahezu vollständig von einer trockenen, aschgrauen Staubschicht, dem Regolith, bedeckt. Der scheinbare „Silberglanz“ wird einem irdischen Beobachter nur durch den Kontrast zum Nachthimmel vorgetäuscht, in Wirklichkeit hat der Mond sogar eine besonders geringe [[Albedo]] (Rückstrahlfähigkeit). Die Mondoberfläche zeigt [[Gebirgszug|Kettengebirge]], Gräben und [[Mondrille|Rillen]], flache Dome und große Ebenen erstarrten Magmas, jedoch keinerlei aktive [[Plattentektonik|Tektonik]] wie die Erde. Der maximale Niveauunterschied zwischen der tiefsten Senke und dem höchsten Gipfel beträgt 16&nbsp;km – gegenüber rund 20&nbsp;km der Oberfläche der [[Erdkruste]]. ==== Chemische Zusammensetzung der Mondkruste ==== Die Mondkruste ähnelt in ihrer Zusammensetzung der des irdischen [[Basalt]]s. Sie besteht aus Aluminiumsilikaten und Kalzium-, Eisen-, Magnesium- und anderen Metall-Oxiden sowie Nichtmetallen und Gasen. Die prozentuale Zusammensetzung lautet: {| class="prettytable float-left" style="width:35%“ |-- ! colspan="8" style="background-color:Khaki;" | Zusammensetzung der Mondkruste |-- | [[Sauerstoff]] || align="right" | 43 % || style="background-color:Gainsboro;" | &nbsp; || [[Titan (Element)|Titan]] || 2 % || style="background-color:Gainsboro;" | &nbsp; || [[Schwefel]] || 0,1 % |-- | [[Silicium]] || align="right" | 21 % || style="background-color:Gainsboro;" | &nbsp; || [[Nickel]] || 0,6 % || style="background-color:Gainsboro;" | &nbsp; || [[Phosphor]] || 0,05 % |-- | [[Aluminium]] || align="right" | 10 % || style="background-color:Gainsboro;" | &nbsp; || [[Natrium]] || 0,3 % || style="background-color:Gainsboro;" | &nbsp; || [[Kohlenstoff]] || 0,01 % |-- | [[Calcium|Kalzium]] || align="right" | 9 % || style="background-color:Gainsboro;" | &nbsp; || [[Chrom]] || 0,2 % || style="background-color:Gainsboro;" | &nbsp; || [[Stickstoff]] || 0,01 % |-- | [[Eisen]] || align="right" | 9 % || style="background-color:Gainsboro;" | &nbsp; || [[Kalium]] || 0,1 % || style="background-color:Gainsboro;" | &nbsp; || [[Wasserstoff]] || 0,005 % |-- | [[Magnesium]] || align="right" | 5 % || style="background-color:Gainsboro;" | &nbsp; || [[Mangan]] || 0,1 % || style="background-color:Gainsboro;" | &nbsp; || [[Helium]] || 0,002 % |-- |} <br style="clear:left;" /> ==== Regolith ==== Der Mond besitzt keine nennenswerte Atmosphäre. Deshalb schlagen ständig Meteoroiden jeder Größe ohne vorherige Abbremsung auf der Oberfläche ein und pulverisieren die Gesteine. Der durch diesen Prozess entstehende [[Regolith]] bedeckt bis auf die jungen Krater die gesamte Oberfläche mit einer mehrere Meter dicken Schicht, die die Detailstruktur des Untergrundes verbirgt. Diese Deckschicht erschwert die Untersuchung der Entstehungsgeschichte des Monds erheblich. [[Datei:Moon orange volcanic glass.jpg|thumb|[[Orange Soil]] – auffällig orange vulkanische Glaspartikel, geborgen von [[Apollo 17|Apollo&nbsp;17]].]] Der Regolith entsteht hauptsächlich aus dem normalen Material der Oberfläche. Er enthält aber auch Beimengungen, die durch Einschläge an den Fundort transportiert wurden. Obwohl er gemeinhin als ''Mondstaub'' bezeichnet wird, entspricht der Regolith eher einer Sandschicht. Die [[Korngröße]] reicht von Staubkorngröße direkt an der Oberfläche über [[Sand]]körner wenig tiefer bis hin zu Steinen und Felsen, die erst später hinzukamen, und noch nicht vollständig zermahlen sind. Ein weiterer wichtiger Bestandteil sind [[glas]]ige Erstarrungsprodukte von Einschlägen. Das sind einmal kleine Glaskugeln, die an [[Chondren]] erinnern, und zum anderen Agglutinite, das sind durch Glas verbackene Regolithkörner. An manchen Stellen besteht der Regolith fast zur Hälfte aus diesen Agglutiniten, sie entstehen, wenn die geschmolzenen Impaktprodukte erst nach dem Auftreffen auf die Regolithschicht erstarren. Im [[Mondmeteorit]]en [[Dho 280|Dhofar&nbsp;280]], der im Jahr 2001 im [[Oman]] gefunden wurde, wurden neue [[Eisen]]-[[Silizium]]-Mineralphasen identifiziert. Eine dieser Mineralphasen (Fe<sub>2</sub>Si), die damit erstmals in der Natur eindeutig nachgewiesen wurde, ist nach dem Forscher [[Bruce Hapke]] als [[Hapkeit]] benannt worden. Bruce Hapke hatte in den 1970ern die Entstehung derartiger Eisen-Verbindungen durch [[Weltraum-Erosion]] (engl. ''Space Weathering'') vorhergesagt. Weltraum-Erosion verändert auch die Reflexionseigenschaften des Materials und beeinflusst so die [[Albedo]] der Mondoberfläche. Der Mond hat kein nennenswertes Magnetfeld, das heißt die Teilchen des Sonnenwindes – vor allem [[Wasserstoff]], [[Helium]], [[Neon]], [[Kohlenstoff]] und [[Stickstoff]] – treffen nahezu ungehindert auf der Mondoberfläche auf und werden im Regolith implantiert. Dies ähnelt der [[Ionenimplantation]], die bei der Herstellung von [[Integrierte Schaltung|integrierten Schaltungen]] angewandt wird. Auf diese Weise bildet der Mondregolith ein Archiv des Sonnenwindes, vergleichbar dem Eis in [[Grönland]] für das irdische [[Klima]]. Dazu kommt, dass [[kosmische Strahlung]] bis zu etwa einem Meter tief in die Mondoberfläche eindringt und dort durch Kernreaktionen (hauptsächlich [[Spallation]]sreaktionen) instabile [[Nuklid]]e bildet. Diese verwandeln sich mit verschiedenen Halbwertszeiten unter anderem durch [[Radioaktivität#Alphazerfall|Alphazerfall]] in stabile Nuklide. Da beim Alphazerfall jeweils ein Helium-Atomkern entsteht, enthalten Gesteine des Mondregoliths bedeutend mehr Helium als irdische Oberflächen-Gesteine. Da der Mondregolith durch Einschläge umgewälzt wird, haben die einzelnen Bestandteile meist eine komplexe Bestrahlungsgeschichte hinter sich. Man kann jedoch durch [[Radiometrie|radiometrische]] Datierungsmethoden für Mondproben herausfinden, wann sie nahe der Oberfläche waren. Damit lassen sich Erkenntnisse über die kosmische Strahlung und den Sonnenwind zu diesen Zeitpunkten gewinnen. Aus Regolith lässt sich elektrolytisch Sauerstoff abspalten. Zur Erzeugung eines Gramms Sauerstoff werden 5-20 Gramm Regolith und 100-200&nbsp;kJ thermische Energie benötigt. Ein Sonnenofen mit 5&nbsp;kW Leistung könnte im Jahr eine Tonne Sauerstoff produzieren.<ref>{{Literatur | Autor= Sauerborn, Markus | Titel= Pyrolyse von Metalloxiden und Silikaten unter Vakuum mit konzentrierter Solarstrahlung| Ort= Bonn| Jahr= 2005 | Online= [http://hss.ulb.uni-bonn.de/2005/0570/0570.pdf PDF]}}</ref> ==== Maria ==== [[Datei:Mare Imbrium-Apollo17.jpg|thumb|[[Mare Imbrium]] mit dem großen [[Copernicus (Mondkrater)|Kopernikuskrater]] am oberen Bildrand (Apollo 17, NASA)]] Die erdzugewandte Seite des Mondes wird von den meisten und größten der dunklen Tiefebenen geprägt, die insgesamt 16,9 % der Mondoberfläche einnehmen. Auf der Vorderseite nehmen sie 31,2 % ein, auf der Rückseite nur 2,6 %. Die auffällige Gruppierung auf der erdnahen Seite liegt größtenteils in der Nordhälfte und bildet das volkstümlich so genannte „[[Mondgesicht]]“. In der Frühzeit der Mondforschung hielt man die dunklen Flächen für Meere; sie werden deshalb nach [[Giovanni Riccioli]] als ''Maria'' (Singular: ''Mare'') bezeichnet. Die Maria sind erstarrte [[Lavadecke]]n im Innern von kreisförmigen Becken und unregelmäßigen Einsenkungen. Die Depressionen sind vermutlich durch große Einschläge in der Frühphase des Mondes entstanden. Da in diesem Entwicklungsstadium der Mondmantel noch flüssig war, wurden ihre Böden anschließend von aufsteigendem Magma geflutet. Die geringere Krustendicke der erdzugewandten Mondseite hat die Magmaaustritte gegenüber denen auf der Rückseite stark begünstigt. Die dunklen Maregesteine werden unverbindlich auch als [[Lunabas]] bezeichnet. Das Alter der dunklen Basalte beträgt 3,1 bis 3,8&nbsp;Milliarden Jahre. Die Ebenen weisen nur wenige Krater auf und mit Ausnahme von diesen zeigen sie nur sehr geringe Höhenunterschiede von maximal 100&nbsp;Metern. Zu diesen Erhebungen gehören die ''[[Liste der Berge und Gebirge des Erdmondes#Meeresrücken|Dorsa]]''; die sich flach aufwölbenden Rücken erstrecken sich über mehrere Dutzend Kilometer. Die Maria sind von einer 2 bis 8&nbsp;Meter dicken Regolithschicht bedeckt, die reich an [[Eisen]] und [[Magnesium]] ist. ''(Siehe auch: [[Liste der Maria des Erdmondes]])'' ==== Terrae ==== Die Hochländer wurden früher als Kontinente angesehen und werden deshalb als ''Terrae'' bezeichnet. Sie weisen deutlich mehr [[Mondkrater|Krater]] als die Maria auf und werden von einer bis zu 15 Meter dicken Regolithschicht bedeckt, die reich an hellem [[aluminium]]reichen [[Anorthosit]] ist. Sie sind selenologisch älter als die Maria, die untersuchten Gesteine wurden auf 3,8 bis etwa 4,5&nbsp;Milliarden Jahre datiert und sind vermutlich die Reste der ursprünglichen Mondkruste. Aus der [[Samarium]]-[[Neodym]]-Isotopensystematik von mehreren Mondanorthositen konnte ein Kristallisationsalter von 4,456 ±&nbsp;0,04&nbsp;Milliarden Jahren für diese Gesteine bestimmt werden, was als Bildungsalter der ersten Kruste und als Beginn der Kristallisation des ursprünglichen Magmaozeans interpretiert wird. Die gegenüber dem Lunabas helleren Hochlandgesteine werden unverbindlich [[Lunarit]] genannt. Die Hochländer sind von sogenannten Tälern (Vallis) durchzogen. Dabei handelt es sich um bis zu einige hundert Kilometer lange, schmale Einsenkungen innerhalb der Hochländer. Ihre Breite beträgt oft wenige Kilometer, ihre Tiefe einige hundert Meter. Die Mondtäler sind in den meisten Fällen nach in der Nähe gelegenen Kratern benannt. ''(Siehe auch: [[Liste der Täler des Erdmondes]])'' In den Hochländern gibt es mehrere Gebirge, die Höhen von etwa 10&nbsp;km erreichen. Sie sind möglicherweise dadurch entstanden, dass der Mond infolge der Abkühlung geschrumpft ist und sich dadurch [[Faltengebirge]] aufwölbten. Nach einer anderen Erklärung könnte es sich um die Überreste von Kraterwällen handeln. Sie sind nach irdischen Gebirgen benannt worden, zum Beispiel [[Alpen]], [[Apennin]]en, Kaukasus und Karpaten. ''(Siehe auch: [[Liste der Berge und Gebirge des Erdmondes]])'' ==== Krater ==== {| align="right" cellspacing="0" cellpadding="0" style="margin: 0em 0em 0em 1em;" | [[Datei:Crater Theophilus.jpg|thumb|center|Krater Theophilus (Apollo&nbsp;16, NASA)]] |- | [[Datei:As15-81-10894.jpg|thumb|center|Hadley-Rille (Apollo&nbsp;15, NASA)]] |} Die [[Mondkrater]] entstanden großteils durch [[Asteroiden]]-Einschläge ([[Einschlagkrater|Impaktkrater]]) vor etwa 3 bis 4,5&nbsp;Milliarden Jahren in der Frühzeit des Mondes. Der [[Nomenklatur]] von Riccioli folgend, werden sie vorzugsweise nach Astronomen, Philosophen und anderen Gelehrten benannt. Ihre Größen reichen von 2240&nbsp;km Durchmesser, wie im Fall des [[Südpol-Aitken-Becken]]s, bis hin zu Mikrokratern, die erst unter dem Mikroskop sichtbar werden. Mit irdischen Teleskopen kann man allein auf der Vorderseite mehr als 40.000&nbsp;Krater mit Größen von mehr als 100&nbsp;Meter unterscheiden, auf der Rückseite gibt es jedoch ein Vielfaches mehr. (''Siehe auch:'' [[Liste der Krater des Erdmondes]]) Vulkanische Krater dürften sehr selten sein, doch werden vereinzelte Austritte von [[Gas]] registriert. ==== Rillen ==== Auf der Mondoberfläche gibt es auch [[Mondrille|Rillenstrukturen]] (Rima), über deren Ursprung vor dem [[Apollo-Programm]] lange spekuliert wurde. Man unterscheidet * gerade Rillen, * bogenförmige Rillen und * [[Mäander (Flussschlinge)|mäanderförmige]] Rillen. Seit den Untersuchungen der Hadley-Rille durch Apollo 15 geht man davon aus, dass es sich bei den mäanderförmigen Rillen um [[Lava]]kanäle handelt, die zum Teil „überdacht“ waren. Die [[Tektonische Decke|Decken]] sind jedoch im Laufe der Mondentwicklung eingestürzt und zu Regolith zermahlen worden. Die Entstehungsgeschichte der anderen Rillenformen ist deutlich unsicherer, sie könnten aber als Risse in der erkaltenden Lava entstanden sein. Neben den als Rima bezeichneten Strukturen bestehen noch schmale, vertiefte Strukturen, die eine Länge bis über 400&nbsp;km erreichen. Sie ähneln den lang gestreckten Rillen (Rimae) und werden als Furchen oder Risse (Rupes) bezeichnet. Diese Furchen gelten als Beweis für das Wirken von Spannungskräften innerhalb der Mondkruste. (''Siehe auch:'' [[Liste der Rillenstrukturen des Erdmondes]]) ==== Erdabgewandte Seite ==== [[Datei:Moon PIA00304.jpg|thumb|Rückseite des Mondes. Links oben [[Mare Moscoviense]].]] Über die [[Mondrückseite|Rückseite]] des Mondes war vor den ersten Raumfahrtmissionen nichts bekannt, da sie von der Erde nicht sichtbar ist, erst [[Lunik 3]] lieferte die ersten Bilder. Sie unterscheidet sich in mehreren Aspekten von der Vorderseite. Ihre Oberfläche prägen fast nur kraterreiche Hochländer; dazu zählt auch das große [[Südpol-Aitken-Becken]], ein 13&nbsp;km tiefer Krater mit 2240&nbsp;km Durchmesser, der von vielen anderen Kratern überzeichnet ist. Untersuchungen der [[Clementine (Sonde)|Clementine]]-Mission und des [[Lunar Prospector]] legen die Vermutung nahe, dass hier ein sehr großer Einschlagkörper die Mondkruste durchstoßen und möglicherweise Mantelgesteine freigelegt hat. Die Kruste der Rückseite ist mit 150&nbsp;km gegenüber 70&nbsp;km der Vorderseite etwa doppelt so dick. Die erhalten gebliebene [[Redensart]] von der „dunklen Seite des Mondes“ (engl. ''dark side of the Moon'') für die erdabgewandte Mondseite ist nur symbolisch im Sinne einer unbekannten Seite zu verstehen; im eigentlichen Wortsinn ist die Redensart falsch, da – wie schon zu den Mondphasen angemerkt&nbsp;– Vor- und Rückseite im Laufe der Mondrotation abwechselnd von der Sonne beschienen werden. Durch den viel geringeren Flächenanteil der dunklen Mareebenen ist die erdferne Mondseite insgesamt sogar deutlich heller als die erdnahe. === Wasser === Der Mond ist ein extrem trockener Körper. In den Proben, die von den Astronauten der Apollo-Missionen zur Erde gebracht wurden, konnte [[Wasser]] erst im Jahre 2010 in Spuren sicher nachgewiesen werden. Jedoch konnten Wissenschaftler mit Hilfe eines neuen Verfahrens im Sommer&nbsp;2008 winzige Spuren von Wasser (bis zu 0,0046 %) in kleinen Glaskügelchen vulkanischen Ursprungs in Apollo-Proben nachweisen. Diese Entdeckung deutet darauf hin, dass bei der gewaltigen Kollision, durch die der Mond entstand, nicht das ganze Wasser verdampft ist.<ref>astronews.de: ''[http://www.astronews.com/news/artikel/2008/07/0807-015.shtml Astronews-Artikel: Proben vom Mond enthalten Wasser]''</ref> Außerdem hat die Lunar-Prospector-Sonde Hinweise auf Wassereis in den Kratern der Polarregionen des Mondes gefunden; dieses Wasser könnte aus Kometenabstürzen stammen. Da die polaren Krater aufgrund der geringen Neigung der Mondachse gegen die Ekliptik niemals direkt von der Sonne bestrahlt werden und somit das Wasser dort nicht verdampfen kann, könnte es sein, dass dort noch im Regolith gebundenes Wassereis vorhanden ist. Der Versuch, durch den gezielten Absturz des Prospectors in einen dieser Polarkrater einen eindeutigen Nachweis zu erhalten, schlug allerdings fehl. Im September 2009 entdeckte die indische Sonde [[Chandrayaan-1]] Hinweise auf größere Wassermengen auf dem Mond.<ref>[http://www.nasa.gov/topics/moonmars/features/clark2.html NASA: Mission-News: Cassini and Chandrayaan-1 Agree] (en)</ref> Am 13. November 2009 bestätigte die NASA, dass die Daten der [[LCROSS]]-Mission auf größere Wasservorkommen auf dem Mond schließen lassen.<ref>[http://www.nasa.gov/mission_pages/LCROSS/main/prelim_water_results.html NASA Mission Update - LCROSS Impact Data Indicates Water on Moon] (en)</ref> Im März 2010 gab der [[United States Geological Survey]] bekannt, dass bei erneuten Untersuchungen der Apollo-Proben mit der neuen Methode der [[Sekundärionen-Massenspektrometrie]] bis zu 6000 [[Parts_per_million|ppm]] (0,6 %) Wasser gefunden wurden. Das Wasser weist ein Wasserstoff[[isotopenverhältnis]] auf, welches deutlich von den Werten irdischen Wassers abweicht. <ref>Manfred Holl: ''Wasser in Apollo-Mondgesteinsproben nachgewiesen'', Sterne und Weltraum 5/2010, S. 22f </ref> === Atmosphäre === {| class="prettytable float-left" |-- ! colspan="2" style="background-color:Khaki;" | Spuren einer Atmosphäre<ref name="moonfact" /> |-- | Druck | nowrap | 3&nbsp;·&nbsp;10<sup>−10</sup>&nbsp;[[Pascal (Einheit)|Pa]] |-- | [[Helium]] || 25 % |-- | [[Neon]] || 25 % |-- | [[Wasserstoff]] || 23 % |-- | [[Argon]] || 20 % |-- | [[Methan|CH<sub>4</sub>]], [[Ammoniak|NH<sub>3</sub>]], [[Kohlendioxid|CO<sub>2</sub>]] | Spuren |-- |} Der Mond hat keine [[Atmosphäre]] im eigentlichen Sinn, sondern nur eine [[Exosphäre]]. Sie besteht zu etwa gleichen Teilen aus [[Helium]], [[Neon]], [[Wasserstoff]] sowie [[Argon]] und hat ihren Ursprung in eingefangenen Teilchen des Sonnenwindes. Ein sehr kleiner Teil entsteht auch durch Ausgasungen aus dem Mondinneren, wobei insbesondere <sup>40</sup>Argon, das durch Zerfall von <sup>40</sup>[[Kalium]] im Mondinneren entsteht, von Bedeutung ist. Interessanterweise wird ein Teil dieses <sup>40</sup>Argon aber durch das im [[Sonnenwind]] mittransportierte Magnetfeld wieder auf die Mondoberfläche zurückgetrieben und in die oberste Staubpartikelschicht übernommen. Da <sup>40</sup>Kalium früher häufiger war und damit mehr <sup>40</sup>Argon ausgaste, kann durch Messung des <sup>40</sup>Argon/<sup>36</sup>Argon-Verhältnisses von Mondmaterial bestimmt werden, zu welcher Zeit es in der obersten Schicht des Mondregoliths lag. Es besteht ein [[Gleichgewicht (Physik)|Gleichgewicht]] zwischen den eingefangenen Atomen und dem Verlust durch temperaturbedingtes Entweichen. === Oberflächentemperatur === Aufgrund der langsamen Rotation des Mondes und seiner nur äußerst dünnen Gashülle gibt es auf der Mondoberfläche zwischen der Tag- und der Nachtseite sehr große Temperaturunterschiede. Am Tag erreicht die Temperatur eine Höhe von bis zu etwa 130&nbsp;°C und fällt in der Nacht bis auf etwa −160&nbsp;°C ab. Als Durchschnittstemperatur ergeben sich 218&nbsp;K = -&nbsp;55&nbsp;°C. In manchen Gebieten gibt es lokale Anomalien, in Form von einer etwas höheren oder auch etwas niedrigeren Temperatur an benachbarten Stellen. Krater, deren Alter als relativ jung angesehen wird, wie zum Beispiel [[Tycho]], sind nach [[Sonnenuntergang]] etwas wärmer als ihre Umgebung. Wahrscheinlich können sie durch eine dünnere Staubschicht die während des Tages aufgenommene [[Sonnenenergie]] besser speichern. Andere positive Temperaturanomalien gründen eventuell auf örtlich etwas erhöhter [[Radioaktivität]]. == Masse == Die Bestimmung der Mondmasse kann über das newtonsche [[Gravitationsgesetz]] erfolgen, indem die Bahn eines Körpers im Schwerefeld des Mondes untersucht wird. Eine recht gute Näherung für die Mondmasse erhält man bereits, wenn man das Erde-Mond-System als reines [[Zweikörperproblem]] betrachtet. Erde und Mond stellen in erster Näherung ein Zweikörpersystem dar, wobei beide Partner ihren gemeinsamen [[Schwerpunkt]] <math>S</math> umkreisen. Beim Zweikörpersystem aus Erde und Sonne fällt dieser Schwerpunkt praktisch mit dem Sonnenmittelpunkt zusammen, da die Sonne sehr viel massereicher als die Erde ist. Bei Erde und Mond ist der Massenunterschied jedoch nicht so groß, daher liegt der [[Erde-Mond-Schwerpunkt]] nicht im Zentrum der Erde, sondern deutlich davon entfernt (aber immer noch unter der Oberfläche). Bezeichnet man nun mit <math>r_1</math> den Abstand des Erdmittelpunktes zum Schwerpunkt <math>S</math> und <math>r_2</math> den Abstand des Mondmittelpunktes von demselben, so folgt aus der Definition des Schwerpunktes: :<math>\frac{r_1}{r_2}= \frac{m}{M}</math>, dass das Massenverhältnis von Erde ''M'' zu Mond ''m'' gerade dem Verhältnis von <math>r_1</math> zu <math>r_2</math> entspricht. Somit geht es nur darum, wie groß <math>r_1</math> und <math>r_2</math> sind – also wo sich der Schwerpunkt des Systems befindet. Ohne den Mond und dessen Schwerkraft würde die Erde eine elliptische Bahn um die Sonne durchlaufen. Tatsächlich bewegt sich allerdings der Schwerpunkt des Systems Erde, Mond auf einer elliptischen Bahn. Die Rotation um den gemeinsamen Schwerpunkt erzeugt so eine leichte Welligkeit in der Erdbahn, welche eine kleine Verschiebung der von der Erde aus gesehenen Position der Sonne verursacht. Aus von Astronomen gemessenen Daten dieser Verschiebung wurde <math>r_1</math> zu etwa 4670&nbsp;km berechnet, also etwa 1.700&nbsp;km unter der Erdoberfläche (der Radius der Erde beträgt 6378&nbsp;km). Da der Mond keine genaue Kreisbahn um die Erde beschreibt, berechnet man <math>r_2</math> über die ''mittlere'' [[große Halbachse]] abzüglich <math>r_1</math>. Es gilt also <math>r_2</math>&nbsp;=&nbsp;384.400&nbsp;km&nbsp;−&nbsp;4.670&nbsp;km&nbsp;=&nbsp;379.730&nbsp;km. Damit ergibt sich für das Massenverhältnis :<math>\frac{r_1}{r_2}\approx\frac{1}{81{,}3}</math>, womit die Masse des Mondes etwa 1/81 der Masse der Erde beträgt. Durch Einsetzen der Erdmasse ''M'' ≈ 5,97 · 10<sup>24</sup>&nbsp;kg ergibt sich die Masse des Mondes zu :<math>m\approx\frac{M}{81{,}3} \approx 7{,}34 \cdot 10^{22} \text{ kg}</math>. Genauere Messungen ergeben einen Wert von ''m'' ≈ 7,349 · 10<sup>22</sup>&nbsp;kg. == Magnetfeld des Mondes == Die Analyse des Mondbrockens ''Troctolite 76535'', der mit der Mission Apollo 17 zur Erde gebracht wurde, deutet auf ein dauerhaftes Magnetfeld des Erdmondes und damit auf einen ehemals oder immer noch flüssigen Kern hin.<ref>Ian Garrick-Bethell (MIT) et al.: ''Remnant magnetism in minerals in an unshocked Apollo sample implies that the Moon had a molten core 4.2 billion years ago''. Science, Bd. 323, S. 356-359)</ref> Jedoch hat der Mond inzwischen kein Magnetfeld mehr.<ref>http://www.esa.int/esaKIDSde/SEMVMBWJD1E_OurUniverse_0.html</ref> == Sonstiges == === Einflüsse auf die Erde === [[Datei:NASA-Apollo8-Dec24-Earthrise.jpg|thumb|[[Earthrise]]: Erde und Mond aus der Sicht von [[Apollo 8]].]] [[Datei:Full moon partially obscured by atmosphere.jpg|thumb|Mond und Erde von einem [[Space Shuttle]] aus gesehen.]] Die Gravitation des Mondes treibt auf der Erde die [[Gezeiten]] an. Dazu gehören nicht nur [[Ebbe]] und [[Flut]] in den Meeren, sondern auch Hebungen und Senkungen des Erdmantels. Die durch die Gezeiten frei werdende Energie wird der [[Erdrotation|Drehbewegung der Erde]] entnommen und der darin enthaltene Drehimpuls dem [[Bahndrehimpuls]] des Mondes zugeführt. Dadurch verlängert sich gegenwärtig die [[Tageslänge]] um etwa 20&nbsp;Mikrosekunden pro Jahr. In ferner Zukunft wird die [[Gebundene Rotation|Erdrotation an den Mondumlauf gebunden]] sein und die Erde wird dem Mond immer dieselbe Seite zuwenden. Der Abstand zwischen Erde und Mond wird dann wegen des übertragenen Drehimpulses etwa doppelt so groß sein wie heute. Durch die konstante Abbremsung der Erdrotation tendiert das Erdinnere wegen seiner Trägheit dazu, bezüglich der Erdkruste differenziell zu rotieren. Es wird vermutet, dass die dadurch entstehenden Kräfte im Erdinnern mitverantwortlich sind für die Entstehung des [[Erdmagnetfeld]]es. Die Erde ist nicht perfekt kugelförmig, sondern hat am Äquator einen größeren Radius als an den Polen. Die Gravitation der Sonne und des Mondes greift an dieser unsymmetrischen Masseverteilung an. Diese auf die Erde als Ganzes wirkenden [[Gezeitenkraft|Gezeitenkräfte]] erzeugen damit ein [[Drehmoment]] in Bezug auf den Erdmittelpunkt. Da die Erde ein ansonsten frei rotierender [[Kreisel]] ist, bewirkt das Drehmoment eine [[Präzession]] der Erdachse. Wäre die Sonne die einzige Ursache für Präzession, würde das im Jahresrhythmus umlaufende Drehmoment die Erdachse innerhalb von Millionen Jahren auch in die Bahnebene drehen. Dies würde ungünstige Umweltbedingungen für das Leben auf der Erde bedeuten, weil die Polarnacht abwechselnd die gesamte Nord- bzw. Südhalbkugel erfassen würde. Das monatlich umlaufende Drehmoment des Mondes verhindert, dass die Erdachse diese Stellung annimmt. Auf diese Weise trägt der Mond zu dem das Leben begünstigenden Klima der Erde bei. Neben dem sichtbaren Licht reflektiert der Mond von der [[Sonnenstrahlung]] auch einen Teil deren Wärme auf die Erde. Die Größe dieser Erderwärmung bei Vollmond beträgt gegenüber Neumond jedoch nur drei hundertstel Grad Celsius.<ref>br-online.de: [http://web.archive.org/web/20040817215122/http://www.br-online.de/wissen-bildung/artikel/0407/31-zweiter-vollmond/index.xml ''Zweiter Vollmond im Juli''], vom April 2007</ref> === Einfluss auf Lebewesen === [[Datei:Self-portrait by moonlight b.jpg|thumb|Unspezifische Wirkung des Mondes auf den Betrachter.]] Es gibt keine einzige wissenschaftliche Studie, die einen Einfluss des Mondes, zum Beispiel auf Geburten, Unfälle, Operationskomplikationen, Selbstmorde und dergleichen ergeben hat, dagegen aber mehrere Studien, die solche behaupteten Einflüsse widerlegen.<ref>Verein Kuffner-Sternwarte: [http://dermond.at/mondphasen.html Studien widerlegen behauptete Mondeinflüsse]</ref> Allerdings achten manche Menschen, z. B. in der [[Landwirtschaft|Land]]- und [[Forstwirtschaft]], seit alters her darauf, dass bestimmte Arbeiten in der Natur in der „richtigen“ Mondphase erledigt werden (''siehe auch:'' [[Mondholz]], [[Mondkalender (Astrologie)|Mondkalender]]). Etwas anderes ist es, dass der Stand des Mondes von [[Zugvögel]]n und einigen Arten nachtaktiver [[Insekten]] zur [[Navigation]] genutzt wird. Bei manchen Arten der Ringelwürmer (wie bei dem [[Samoa-Palolo]]), Krabben und Fische (''Leuresthes'') ist das Fortpflanzungsverhalten sehr eng an den monatlichen Phasenwechsel des Mondes gekoppelt. === Mondregenbogen === Bei Nacht kann durch Zusammentreffen von [[Mondlicht]] und Regentropfen ein [[Mondregenbogen]] entstehen, der analog zum physikalischen Prinzip des Regenbogens der Sonne funktioniert. === Mondhof und Mondhalo === [[Datei:Lunarcorona.jpg|thumb|Mondhof]] Als ''[[Korona (Atmosphärische Optik)|Mondhof]]'' werden farbige Ringe um den Mond bezeichnet, die durch die [[Beugung (Physik)|Beugung]] des [[Licht]]s an den Wassertröpfchen der [[Wolke]]n verursacht werden. Dabei ist der äußerste Ring von rötlicher Farbe und hat eine Ausdehnung von etwa zwei Grad, in seltenen Fällen auch bis zu zehn Grad. Umgangssprachlich wird der Begriff des Mondhofs auch für einen [[Halo (Lichteffekt)|Halo]] um den Mond gebraucht. Dafür sind Eiskristalle in Luftschichten verantwortlich, die aus dünnem Höhennebel oder Dunst entstanden sind und das auf die Erde fallende Licht in einem sehr schwachen Winkel ablenken und dadurch eine Art leuchtenden Ring-Effekt für den Betrachter hervorrufen. Eine spezielle Haloerscheinung des Mondes ist der [[Nebenmond]]. Analog zu den [[Nebensonne]]n treten Nebenmonde mit einem Abstand von rund 22 Grad neben dem Mond auf. Wegen der geringeren Lichtstärke des Mondes sieht man sie jedoch seltener und meistens bei Vollmond. === Mondtäuschung und „falsche“ Mondneigung === Als ''[[Mondtäuschung]]'' bezeichnet man den Effekt, dass der Mond in [[Horizont]]nähe größer aussieht als im [[Zenit (Richtungsangabe)|Zenit]]. Dies ist keine Folge der [[Refraktion|Lichtbrechung]] an den Luftschichten, sondern eine [[optische Täuschung]], die von der [[Wahrnehmungspsychologie]] untersucht und erklärt wird. Auch das Phänomen, dass die beleuchtete Seite des Mondes oft nicht genau zur Sonne zu zeigen scheint, ist eine optische Täuschung und wird dort unter der Überschrift [[Optische Täuschung#Relativität des Blickwinkels|Relativität des Blickwinkels]] erläutert. === Eigentumsverhältnisse === Der [[Weltraumvertrag]] (''Outer Space Treaty'') von 1967 verbietet Staaten, einen Eigentumsanspruch auf Weltraumkörper wie den Mond zu erheben. Dieses Abkommen wurde bis heute von 192 Staaten der [[Vereinte Nationen|Vereinten Nationen]] ratifiziert und ist damit in Kraft. Da im Outer-Space-Treaty-Abkommen nur von Staaten die Rede ist, wird von manchen interpretiert, dass dieses Abkommen nicht für Firmen oder Privatpersonen gilt. Der 1979 entworfene [[Mondvertrag]] (''Agreement Governing the Activities of States on the Moon and Other Celestial Bodies'') wurde entworfen, um diese vom Outer Space Treaty hinterlassene angebliche Gesetzeslücke zu schließen. Der „Moon-Treaty“-Entwurf hatte explizit die Besitzansprüche von Firmen und Privatpersonen adressiert und ausgeschlossen (Artikel&nbsp;11, Absatz&nbsp;2 und 3). Aus diesem Grund wird das „Moon Treaty“ oft als Hindernis für Grundstücksverkäufe zitiert; nur wurde dieses Abkommen tatsächlich nie unterschrieben oder in den [[Vereinte Nationen|Vereinten Nationen]] korrekt ratifiziert. Nur fünf Staaten, die alle nicht weltraumgängig sind, haben versucht, es zu ratifizieren. 187 andere Staaten sowie die USA, Russland und China haben es nicht unterschrieben und auch nicht ratifiziert. Das „Moon Treaty“ ist deshalb heute in den meisten Ländern der Erde nicht in Kraft. Die wählenden Staaten hatten damals zu viele Bedenken, dass es die profitable Nutzung des Mondes gefährden könnte, und somit wurde das Abkommen auch nicht ratifiziert (und deshalb nicht Gesetz). Daraus schlussfolgern einige, dass eine Rechtsgrundlage für Mond-Grundstücksverkäufe existiert. Es sollte ebenfalls darauf hingewiesen werden, dass die [[Internationale Astronomische Union]] sich nicht mit dem Verkauf von Himmelskörpern befasst, sondern nur mit deren Benennung, etwas was in diesem Fall einen wichtigen Unterschied darstellt. Der Amerikaner Dennis M.&nbsp;Hope meldete 1980 beim Grundstücksamt von [[San Francisco]] seine Besitzansprüche auf den Mond an. Da niemand in der nach amerikanischem Recht ausgesetzten Frist von acht Jahren Einspruch erhob und da das Outer-Space-Treaty-Abkommen solche Verkäufe durch Privatpersonen in den USA explizit nicht verbietet, vertreibt Hope die Grundstücke über seine dafür gegründete [[Lunar Embassy]]. Da allerdings das Grundstücksamt in San Francisco für Himmelskörper nicht zuständig ist und von Hope sowohl das Gesetz, welches solche Besitzansprüche regelt, als auch der Text aus dem Outer Space Treaty sehr abenteuerlich interpretiert wurden, sind die „Grundstückszertifikate“, die er verkauft, praktisch wertlos. Der Deutsche Martin Jürgens aus [[Westerkappeln]] in [[Westfalen]] erhebt ebenfalls Anspruch auf den Mond. Laut einer Schenkungsurkunde vom 15.&nbsp;Juli 1756, ausgestellt und unterzeichnet von [[Friedrich II. (Preußen)|König Friedrich dem Großen]] von [[Preußen]], wurden die Rechte am Mond an die Familie Jürgens als Dank für geleistete Dienste übertragen („Jetzo soll ihm der Mond gehören“). In dieser Urkunde wurde festgelegt, dass der Himmelskörper jeweils an den jüngsten Sohn weitervererbt werden soll. Die Familie Jürgens verfügt so über die ältesten verbrieften Eigentumsrechte am Mond. Allerdings bleibt die Frage, wer Friedrich dem Großen das Recht verliehen hat, den Mond zu „verschenken“. === Mögliche koorbitale Objekte === In den [[Librationspunkt]]en L4 und L5 soll es zwei Staubwolken, die [[Kordylewskische Wolken|Kordylewskischen Wolken]], geben. == Geschichte der Mondbeobachtung == Der Mond mit seinen selbst mit bloßem Auge erkennbaren Details ist nach der [[Sonne]] das mit Abstand hellste Objekt des Himmels; zugleich kann man seinen einzigartigen [[Helligkeit]]s- und Phasenwechsel zwischen [[Vollmond]] und [[Neumond]] sehr gut beobachten. Mit der Erfindung des [[Fernrohr]]s begann seine intensive Erforschung um 1650 – mit Höhepunkten durch [[Hieronymus Schröter]]s ''Selenotopografie'' 1791, die langbrennweitige [[Fotografie]] ab 1890 und die [[Raumfahrt]] in den 1970ern. === Mythologische Anfänge === [[Datei:Nebra Scheibe.jpg|thumb|left|Himmelsscheibe von Nebra]] Die älteste bekannte Darstellung des Mondes ist eine 5.000 Jahre alte Mondkarte aus dem [[Irland (Insel)|irischen]] [[Knowth]]. Als weitere historisch bedeutende Abbildung in Europa ist die [[Himmelsscheibe von Nebra]] zu nennen. Das Stein-Monument [[Stonehenge]] diente eventuell als Observatorium und war so gebaut, dass damit auch spezielle Positionen des Mondes vorhersagbar oder bestimmbar gewesen sind. In allen [[Archäologie|archäologisch]] untersuchten [[Kultur]]en gibt es Hinweise auf die große kultische Bedeutung des Mondes für die damaligen Menschen. Der Mond stellte meist eine zentrale [[Gottheit]] dar, als weibliche Göttin, zum Beispiel bei den [[Thraker]]n [[Bendis]], bei den Ägyptern [[Isis (Ägyptische Mythologie)|Isis]], bei den Griechen [[Selene]], [[Artemis]] und [[Hekate]] sowie bei den Römern [[Luna (Mythologie)|Luna]] und [[Diana (Mythologie)|Diana]], oder als männlicher Gott wie beispielsweise bei den [[Sumerer]]n [[Nanna (Gott)|Nanna]], in Ägypten [[Thot]], in Japan [[Tsukiyomi]], bei den [[Azteken]] [[Tecciztecatl]] und bei den [[Germanen]] [[Mani (Mythologie)|Mani]]. Fast immer wurden Sonne und Mond dabei als entgegengesetzt geschlechtlich gedacht, auch wenn die Zuordnung variierte. In [[Kaiserreich China|China]] dagegen galt der Mond lediglich als [[Chinesische Symbole|Symbol]] für Westen, Herbst und Weiblichkeit ([[Yin und Yang|Yin]]). Ein häufig vorkommender Gedanke ist das Bild von den drei Gesichtern der Mondgöttin: bei zunehmendem Mond die verführerische Jungfrau voller Sexualität, bei Vollmond die fruchtbare Mutter und bei abnehmendem Mond das alte Weib oder die Hexe mit der Kraft zu heilen, zum Beispiel bei den Griechen mit Artemis, Selene und Hekate sowie bei den [[Kelten]] [[Blodeuwedd]], [[Morrigan]] und [[Ceridwen]]. Der Mond hat bis in die Neuzeit hinein seine Faszination nicht verloren und ist bis heute Gegenstand von [[Roman]]en und [[Fiktion]]en, von [[Jules Verne]]s „Reise zum Mond“ über [[Paul Lincke]]s „Frau Luna“ bis hin zum „modernen“ Traum einer [[Mondkolonisation|Besiedelung des Mondes]]. === Kalender === Neben der mythologischen Verehrung nutzten unsere Vorfahren schon sehr früh den regelmäßigen und leicht überschaubaren [[Mondphase|Rhythmus]] des Mondes für die Beschreibung von Zeitspannen und als Basis eines [[Kalender]]s, noch heute basiert der [[Islamischer Kalender|islamische Kalender]] auf dem Mondjahr mit 354&nbsp;Tagen (12&nbsp;synodische Monate). Mit dem Übergang zum [[Ackerbau]] wurde die Bedeutung des Jahresverlaufs für Aussaat und Ernte wichtiger. Um dies zu berücksichtigen, wurden zunächst nach Bedarf, später nach feststehenden Formeln wie zum Beispiel dem [[Meton-Zyklus|metonischen Zyklus]] Schaltmonate eingefügt, die das Mondjahr mit dem Sonnenjahr synchronisierten. Auf diesem [[Lunisolarkalender|lunisolaren]] Schema basieren zum Beispiel der [[Attischer Kalender|altgriechische]] und der [[Jüdischer Kalender|jüdische Kalender]]. Von den alten [[Hochkultur (Geschichtswissenschaft)|Hochkulturen]] hatten einzig die [[Altes Ägypten|alten Ägypter]] ein reines Sonnenjahr mit zwölf Monaten à 30&nbsp;Tage sowie fünf Schalttage, das heißt, ohne strengen Bezug zum synodischen Monat von 29,5&nbsp;Tagen, vermutlich, weil für die ägyptische Kultur die genaue Vorhersage der [[Nil]]überschwemmungen und damit der Verlauf des Sonnenjahres überlebensnotwendig war. Die noch heute gebräuchliche Länge einer [[Woche]] von sieben Tagen basiert wahrscheinlich auf der zeitlichen Folge der vier hauptsächlichen [[Mondphase|Phasen des Mondes]] (Neumond, zunehmender Halbmond, Vollmond und abnehmender Halbmond). == Forschungsgeschichte == === Erdgebundene Erforschung === Die früheste grobe Mondkarte mit Konturen der Albedomerkmale und dem ersten Versuch einer [[Nomenklatur]] skizzierte [[William Gilbert]] im Jahre 1600 nach dem bloßen Auge.<ref>Manfred Holl: [http://www.manfredholl.de/kart2.htm Teleskopische Beobachtungen – Das 17. Jahrhundert]</ref><ref>AstroLink.de: [http://www.astrolink.de/p012/p01207/p0120702001.htm Historie der Mondkarten]</ref> Die erste, wenn auch ebenfalls nur skizzenhafte Darstellung der mit einem [[Fernrohr]] sichtbaren Mondstrukturen stammt von [[Galileo Galilei]] (1609), die ersten brauchbaren stammen von [[Johannes Hevelius]], der mit seinem Werk ''[[Selenographia sive Lunae Descriptio]]'' (1647) als Begründer der [[Selenografie]] gilt. In der Nomenklatur der Mondstrukturen setzte sich das System von [[Giovanni Riccioli]] durch, der in seinen Karten von 1651 die dunkleren Regionen als Meere (''Mare'', Plural: ''Maria'') und die Krater nach [[Philosoph]]en und [[Astronom]]en bezeichnete. Allgemein anerkannt ist dieses System jedoch erst seit dem 19.&nbsp;Jahrhundert. [[Datei:MoonMap1.jpg|thumb|Gezeichnete Mondkarte von 1881 ([[Andrees Allgemeiner Handatlas|Andrees Handatlas]])]] Tausende Detailzeichnungen von [[Liste der Berge und Gebirge des Erdmondes|Mondbergen]], Kratern und Wallebenen wurden von [[Johann Hieronymus Schröter]] (1778–1813) angefertigt, der auch viele Mondtäler und Rillen entdeckte. Den ersten Mondatlas gaben [[Wilhelm Beer]] und [[Johann Heinrich Mädler]] 1837 heraus, ihm folgte bald eine lange Reihe fotografischer [[Atlas (Kartographie)|Atlanten]]. Ende des 19.&nbsp;Jahrhunderts konnten bereits Aussagen über die Erscheinung des Mondes getroffen werden, die auch heute noch weitestgehend Gültigkeit besitzen. Der österreichische Geologe [[Melchior Neumayr]] traf diesbezüglich folgende Aussage: {{Zitat|Drei Erscheinungen sind es namentlich, welche dem Monde eine überaus seltsame, fremdartige Physiognomie verleihen: * das Fehlen einer Atmosphäre, * das Nichtvorhandensein von Wasser an der Oberfläche * und das vorherrschen kraterförmiger Ringgebirge in der Oberflächengestaltung.|Melchior Neumayr|''Erdgeschichte'', 1895}} Allerdings war die tatsächliche Entstehung dieser Krater bis zu diesem Zeitpunkt noch ungewiss. Neumayr nahm in Folge dessen den [[Vulkanismus]] als die wahrscheinlichste Ursache dafür an: {{Zitat|...Weitaus am Verbreitesten sind ringförmige Berge, welche in ihrer ganzen Bildung in der auffallendsten Weise an unsere irdischen Vulkane erinnern, und man nimmt in der Regel an, daß diese Gebilde in der That auf eruptive Thätigkeit zurückzuführen seien. [...] Indem sich einzelne derselben mehr als 8000&nbsp;Meter über ihre Umgebung erheben.|Melchior Neumayr|''Erdgeschichte'', 1895}} Die Höhenbestimmung von Kratern, Gebirgen und Ebenen war mit teleskopischen Beobachtungen sehr problematisch und erfolgte meist durch Analyse von Schattenlängen, wofür [[Josef Hopmann]] Spezialmethoden entwickelte. Erst durch die Sonden-Kartierungen kennt man verlässliche Werte: die Krater, mit Durchmessern bis zu 300&nbsp;km, wirken zwar steil, sind aber nur wenige Grad geneigt, die höchsten Erhebungen hingegen erreichen eine Höhe von bis zu 10&nbsp;km über dem mittleren Niveau. === Erforschung mit ersten Raumfahrzeugen === Den zweiten großen Sprung der Fortschritte in der Mondforschung eröffnete dreieinhalb Jahrhunderte nach der Erfindung des Fernrohrs der Einsatz der ersten [[Mondsonde]]n. Die [[UdSSR|sowjetische]] Sonde [[Lunik 1|Lunik&nbsp;1]] kam dem Mond rund 6000&nbsp;km nahe, [[Lunik 2|Lunik&nbsp;2]] traf ihn schließlich und [[Lunik 3|Lunik&nbsp;3]] lieferte die ersten Bilder von seiner [[Mondrückseite|Rückseite]]. Die Qualität der Karten wurde in den 1960ern deutlich verbessert, als zur Vorbereitung des Apollo-Programms eine Kartierung durch die [[Lunar Orbiter|Lunar-Orbiter]]-Sonden aus einer Mondumlaufbahn heraus stattfand. Die heute genauesten Karten stammen aus den 1990ern durch die [[Clementine (Sonde)|Clementine]]- und [[Lunar Prospector|Lunar-Prospector]]-Missionen. Das [[Vereinigte Staaten|US-amerikanische]] Apollo- und das sowjetische [[Luna-Programm]] brachten mit neun Missionen zwischen 1969 und 1976 insgesamt 382 Kilogramm [[Mondgestein]] von der Mondvorderseite zur Erde; die folgende Tabelle gibt einen Überblick darüber. {| class="prettytable" |- class="hintergrundfarbe8" style="background-color:Khaki;" ! Landedatum ! Mission ! Menge ! Landestelle |- |20. Juli 1969 |[[Apollo 11]] |style="text-align:right;"|21,6&nbsp;kg |[[Mare Tranquillitatis]] |- style="background-color:Gainsboro;" |19. November 1969 |[[Apollo 12]] |style="text-align:right;"|34,3&nbsp;kg |[[Oceanus Procellarum]] |- |20. September 1970 |[[Luna 16]] |style="text-align:right;padding-right:0.9em;"|100&nbsp;g |[[Mare Fecunditatis]] |- style="background-color:Gainsboro;" |31. Januar 1971 |[[Apollo 14]] |style="text-align:right;"|42,6&nbsp;kg |Fra-Mauro-Hochland |- |30. Juli 1971 |[[Apollo 15]] |style="text-align:right;"|77,3&nbsp;kg |Hadley-Apenninen (Mare und Hochland) |- style="background-color:Gainsboro;" |21. Februar 1972 |[[Luna 20]] |style="text-align:right;padding-right:0.9em;"|30&nbsp;g |Apollonius-Hochland |- |21. April 1972 |[[Apollo 16]] |style="text-align:right;"|95,7&nbsp;kg |Descartes |- style="background-color:Gainsboro;" |11. Dezember 1972 |[[Apollo 17]] |style="text-align:right;"|110,5&nbsp;kg |[[Montes Taurus|Taurus]]-Littrow (Mare und Hochland) |- |18. August 1976 |[[Luna 24]] |style="text-align:right;padding-right:0.9em;"|170&nbsp;g |[[Mare Crisium]] |} 1979 wurde der erste [[Mondmeteorit]] in der [[Antarktis]] entdeckt, dessen Herkunft vom Mond allerdings erst einige Jahre später durch Vergleiche mit den Mondproben erkannt wurde. Mittlerweile kennt man noch mehr als zwei Dutzend weitere. Diese bilden eine komplementäre Informationsquelle zu den Gesteinen, die durch die Mondmissionen zur Erde gebracht wurden: Während man bei den Apollo- und Lunaproben die genaue Herkunft kennt, dürften die Meteorite, trotz der Unkenntnis ihres genauen Herkunftsortes auf dem Mond, repräsentativer für die Mondoberfläche sein, da einige aus statistischen Gründen auch von der Rückseite des Mondes stammen sollten. === Menschen auf dem Mond === [[Datei:Aldrin Apollo 11.jpg|thumb|Buzz Aldrin am 21. Juli 1969 (UTC/Apollo&nbsp;11)]] [[Datei:Moon landing map.jpg|thumb|Karte der Landestellen der bemannten und unbemannten Missionen bis 1976]] [[Datei:NASA Apollo 17 Lunar Roving Vehicle.jpg|thumb|Eugene Cernan am 11. Dezember 1972 mit [[Lunar Roving Vehicle|Mondrover]]]] Der Mond ist nach der Erde bisher der einzige von Menschen betretene Himmelskörper. Im Rahmen des [[Kalter Krieg|Kalten Kriegs]] unternahmen die [[Vereinigte Staaten|USA]] und die [[Sowjetunion|UdSSR]] einen [[Wettlauf ins All|Wettlauf zum Mond]] (auch bekannt als ''„Wettlauf ins All“'') und in den 1960ern als Höhepunkt einen Anlauf zu bemannten [[Mondlandung]]en, die jedoch nur mit dem [[Apollo-Programm]] der Vereinigten Staaten realisiert wurden. Das [[Sowjetisches bemanntes Mondprogramm|bemannte Mondprogramm der Sowjetunion]] wurde daraufhin abgebrochen. Am 21. Juli 1969 [[Koordinierte Weltzeit|UTC]] setzte mit [[Neil Armstrong]] der erste von zwölf [[Raumfahrer|Astronauten]] im Rahmen des Apollo-Programms seinen Fuß auf den Mond. Nach sechs erfolgreichen Missionen wurde das Programm 1972 wegen der hohen Kosten eingestellt. Während des ausgehenden 20. Jahrhunderts wurde immer wieder über eine [[Bemannter Mondflug nach Apollo|Rückkehr zum Mond]] und die Einrichtung einer ständigen [[Mondkolonisation|Mondbasis]] spekuliert, aber erst durch Ankündigungen des damaligen US-Präsidenten [[George W. Bush]] und der [[National Aeronautics and Space Administration|NASA]] Anfang 2004 zeichneten sich konkretere Pläne ab. Am 4.&nbsp;Dezember 2006 hat die NASA ernsthafte Pläne für eine stufenweise Annäherung des Menschen an den Mond bekannt gegeben. Demnach sollten, nach ersten Testflügen ab 2009, schon 2019 wieder bemannte Missionen zum Mond führen. Ab 2020 sollten vier Astronauten 180&nbsp;Tage lang auf dem Mond verweilen, bis dann ab 2024 eine permanent bemannte Mondbasis am lunaren Südpol errichtet werden sollte.<ref>[http://www.washingtonpost.com/wp-dyn/content/article/2006/12/04/AR2006120400837_pf.html NASA Plans Lunar Outpost - washingtonpost.com]</ref> Aufgrund der am Ende nicht einhaltbaren Fertigstellungstermine der Ares-Raketen sowie der unabsehbaren Kosten, stellte die Regierung unter Präsident Barack Obama dem Programm keine finanziellen Mittel mehr zur Verfügung.<ref>{{Internetquelle|autor=Timo Lange|hrsg=Raumfahrer.net|titel=Obama lenkt NASA in neue Richtung|url=http://www.raumfahrer.net/news/raumfahrt/01022010214651.shtml |datum=1. Februar 2010|zugriff=22. Februar 2010}}</ref> Liste der zwölf Männer, die den Mond betreten haben. Alle waren Bürger der USA. {| class="wikitable" |- class="hintergrundfarbe5" ! # !! Datum !! Name !! Mission |- | 1. | rowspan="2" | 21. Juli 1969 | [[Neil Armstrong]] | rowspan="2" | [[Apollo 11]] |- | 2. | [[Buzz Aldrin]] |- | 3. | rowspan="2" | 19. November 1969 | [[Charles Conrad]] | rowspan="2" | [[Apollo 12]] |- | 4. | [[Alan Bean]] |- | 5. | rowspan="2" | 5. Februar 1971 | [[Alan Shepard]] | rowspan="2" | [[Apollo 14]] |- | 6. | [[Edgar Mitchell]] |- | 7. | rowspan="2" | 31. Juli 1971 | [[David Randolph Scott|David Scott]] | rowspan="2" | [[Apollo 15]] |- | 8. | [[James Irwin]] |- | 9. | rowspan="2" | 21. April 1972 | [[John Watts Young|John Young]] | rowspan="2" | [[Apollo 16]] |- | 10. | [[Charles Duke]] |- | 11. | rowspan="2" | 11. Dezember 1972 | [[Eugene Cernan]] | rowspan="2" | [[Apollo 17]] |- | 12. | [[Harrison Schmitt]] |} Als bisher letzter Mensch verließ am 14.&nbsp;Dezember 1972 Eugene Cernan den Mond.<ref>siehe [http://www.hq.nasa.gov/office/pao/History/alsj/a17/a17.clsout3.html Apollo&nbsp;17 Lunar Surface Journal], Zeitstempel 170:41:00</ref> === Mondsonden neuerer Zeit === Nach einer Pause in der gesamten Mondraumfahrt von gut 13&nbsp;Jahren startete am 24.&nbsp;Januar 1990 die japanische Experimentalsonde [[Hiten]] ohne wissenschaftliche Nutzlast. Sie setzte am 19.&nbsp;März desselben Jahres in einer Mondumlaufbahn die Tochtersonde Hagoromo aus, schwenkte am 15.&nbsp;Februar 1992 selbst in einen Mondorbit ein und schlug am 10.&nbsp;April 1993 auf den Mond auf. Am 25. Januar 1994 startete die US-amerikanische Raumsonde [[Clementine (Sonde)|Clementine]] zum Mond, um dort neue Geräte und Instrumente zu testen. Am 19.&nbsp;Februar 1994 erreichte sie eine polare Mondumlaufbahn und kartierte von dort aus etwa 95 % der Mondoberfläche. Neben den zahlreichen Fotografien lieferte sie Hinweise auf Vorkommen von Wassereis am lunaren Südpol. Im Mai desselben Jahres vereitelte eine Computerpanne den geplanten Weiterflug zum Asteroiden [[(1620) Geographos|Geographos]] und die Sonde zerschellte durch eine fehlerhafte Triebwerkszündung auf dem Mond. Am 11. Januar 1998 erreichte die US-amerikanische Mondsonde [[Lunar Prospector]] eine polare Mondumlaufbahn, um an den Polen den Hinweisen auf Wassereis nachzuforschen. Zusätzlich maß sie auch das lunare Schwerefeld des Mondes für eine globale Schwerefeldkarte. Am 31.&nbsp;Juli 1999 endete die Mission mit einem geplanten Aufschlag in der Nähe des lunaren Südpols, um in der ausgeworfenen Partikelwolke von der Erde aus Wassereis nachweisen zu können; dieser Nachweis ist jedoch nicht gelungen. Als erste Mondsonde der [[ESA]] testete [[SMART-1]] neue Techniken und erreichte zur Erforschung des Erdtrabenten am 15.&nbsp;November 2004 eine Mondumlaufbahn. Neben dem Fotografieren der Mondoberfläche untersuchte sie hauptsächlich deren chemische Zusammensetzung und forschte nach Wassereis. Der geplante Einschlag auf dem Mond konnte am 3.&nbsp;September 2006 von der Erde aus beobachtet werden. Am 3. Oktober 2007 erreichte die japanische Sonde [[Kaguya (Raumsonde)|Kaguya]] den Mond und schwenkte in eine polare Umlaufbahn ein. Der hauptsächliche [[Orbiter (Raumfahrt)|Orbiter]] hatte zwei Hilfssatelliten in einen jeweils eigenen Mondorbit ausgesetzt: Ein VRAD-Satellit diente erdgebundenen [[Very Long Baseline Interferometry|VLBI]]-Messungen und ein Relaissatellit sorgte für die Weiterleitung der Funksignale. Die Beobachtung des Mondes begann Mitte Dezember 2007 und endete am 10. Juni 2009 mit Kaguyas vorgesehenem Aufschlag. Am 24. Oktober 2007 hatte die [[Volksrepublik China]] die Mondsonde [[Chang'e-1]] gestartet. Die erste chinesische Raumsonde erreichte den Mond am 5. November, um ihn etwa ein Jahr lang zu umkreisen. Ihre Hauptaufgaben bestanden darin, die Oberfläche des Erdtrabanten dreidimensional zu kartografieren und spektrometrische Analysen der Gesteine durchzuführen. Am 1. März 2009 schlug die Sonde gezielt auf dem Mond auf (''siehe auch:'' [[Mondprogramm der Volksrepublik China]]). === Aktuelle Mondsonden === [[Datei:Chandrayaan-1.jpg|thumb|Darstellung von Chandrayaan-1]] * Der Start der indischen Mondsonde [[Chandrayaan-1]], und damit der ersten Raumsonde [[Indien]]s, ist am 22.&nbsp;Oktober 2008 erfolgt. Sie soll den Mond mindestens zwei Jahre lang umkreisen und hat zu Beginn am 14.&nbsp;November aus ihrer polaren Umlaufbahn einen [[Lander]] in der Nähe des lunaren Südpols hart aufschlagen lassen. Mit Instrumenten aus verschiedenen Ländern werden unter anderem eine mineralogische, eine topografische und eine Höhenkarte des Mondes erstellt. * Am 23. Juni 2009&nbsp;um 09:47&nbsp;UTC schwenkte der [[Lunar Reconnaissance Orbiter]] (LRO) der [[National Aeronautics and Space Administration|NASA]] auf eine polare Umlaufbahn ein, um den Mond in einer Höhe von 50&nbsp;km für mindestens ein Jahr zu umkreisen und dabei Daten für die Vorbereitung zukünftiger Landemissionen zu gewinnen. Die Geräte der US-amerikanischen Sonde liefern die Basis für hochaufgelöste Karten der gesamten Mondoberfläche (Topografie, [[Orthofoto]]s mit 50&nbsp;cm Auflösung, Indikatoren für Vorkommen von Wassereis) und Daten zur kosmischen Strahlenbelastung.<br /> Mit derselben Trägerrakete wurde auch der [[Lunar CRater Observation and Sensing Satellite]] (LCROSS) zum Mond geschickt. Er schlug am 9.&nbsp;Oktober im Krater [[Cabeus (Mondkrater)|Cabeus]] nahe des Südpols ein. Der Satellit bestand aus zwei Teilen, der ausgebrannten Oberstufe der Rakete, die einen Krater erzeugte und der einige Zeit vor dem Einschlag abgekoppelte Geräteeinheit, die die aufgeworfene Partikelwolke insbesondere in Hinsicht auf Wassereis analysierte, bevor sie vier Minuten später ebenfalls aufschlug. === Geplante Mondsonden === Nach zahlreichen Verschiebungen ist der Start der japanischen Mondsonde [[LUNAR-A]] für das Jahr 2010 geplant. Sollte die Mission nicht doch noch gestrichen werden, wird sie zwei [[Penetrator (Raumsonde)|Penetratoren]] absetzen, die in den Mondboden eindringen, um Mondbeben und den Wärmefluss zu messen. Als Nachfolger von Chandrayaan-1 plant Indien für 2010/2011 mit [[Chandrayaan-2]] ein Landegerät, das mit einem Rover weich aufsetzen soll. Für das Jahr 2012 plant [[Russland]] den Einsatz der Mondsonde [[Luna-Glob]]. Sie soll zwölf Penetratoren hauptsächlich für seismische Untersuchungen absetzen und einen Lander zur Suche nach Wassereis in einem Krater in Nähe des lunaren Südpols niedergehen lassen. ''Siehe auch:'' [[Chronologie der Mond-Missionen]] === Google Lunar X Prize === Am 13. September 2007 haben die X PRIZE Foundation und Google&nbsp;Inc. den [[Google Lunar X-Prize|Google Lunar X Prize]] ausgeschrieben, um damit die private, unbemannte Raumfahrt zum Mond zu fördern. Mit dem Preisgeld im Gesamtwert von 30&nbsp;Millionen US-Dollar wird ein Wettlauf von Landesonden und Rovern motiviert, die von Privatunternehmen der ganzen Welt finanziert werden, um mit kostengünstigen Methoden verschiedene Missionsziele zu erfüllen. Zu den einzelnen Zielen dieses Wettbewerbs gehören das Senden von Daten, Bildern und Videos zur Erde sowie das Zurücklegen von mindestens 500 Metern auf der Mondoberfläche. Für große Entfernungen von über 5000&nbsp;Metern gibt es einen Bonus. Weitere Bonuspreise sind ausgelobt für das Entdecken von Wassereis, für das Überstehen der Kälte einer Mondnacht und für das Fotografieren von früheren technischen Hinterlassenschaften, wie beispielsweise denen der Apollo-Missionen. == Zitat == {{Zitat|Glauben Sie wirklich, der Mond ist nicht da, außer wenn jemand hinschaut?|[[Albert Einstein]] zu Vertretern der [[Quantentheorie]]}} == Siehe auch == * [[Lunare Zeitskala]] * [[Springbrunnen-Theorie]] des schwebenden Mondstaubs * [[Erde-Mond-Erde]] – Funkverbindung mit dem Mond als Reflektor * [[Verschwörungstheorien zur Mondlandung]] * [[Liste der künstlichen Objekte auf dem Mond]] * [[Liste der besuchten Körper im Sonnensystem#Mond|Liste der besuchten Körper im Sonnensystem]] == Literatur == * Antonín Rükl: ''Mondatlas''. Hanau: Werner Dausien, 1990. ISBN 3-7684-2047-7 * Ben Bussey, Paul Spudis: ''The Clementine atlas of the moon.'' Cambridge Univ. 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In: ''[[Sterne und Weltraum.]]'' Spektrum der Wissenschaft, Heidelberg 38.1999,8, 640–647. {{ISSN|0039-1263}} * Jürgen Oberst, Ralf Jaumann, Harald Hoffmann: ''Von der Apollo-Landung bis heute. Was wir über die Mondoberfläche gelernt haben''. In: ''[[Sterne und Weltraum]].'' Spektrum der Wissenschaft, Heidelberg 38.1999,8, 648–656. {{ISSN|0039-1263}} * Thorsten Dambeck: ''Der Mond bebt''. [[Bild der Wissenschaft]], 7/2002, S. 48–53, {{ISSN|0006-2375}} == Weblinks == {{Wiktionary|Mond}} {{Commons|Moon|Mond}} {{Wikibooks|Einführung in die Astronomie: Erdmond|Mond}} {{Wikiquote|Mond}} * [http://www.moonphaseinfo.com/ Aktuelle Mondphase] * [http://www.wappswelt.de/tnp/nineplanets/luna.html Die 8 Planeten: Der Mond] (von [[The Nine Planets]]) * [http://www.mond.de/Mondkarte/mondkartetext.html Beschriftete Mondkarte] * [http://www.mondatlas.de/ Mondatlas] * [http://www.astrosurf.com/avl/UK_index.html Mondatlassoftware] * [http://www.lpi.usra.edu/research/apollo/catalog/metric/ 2004 veröffentlichte Detailaufnahmen der Mondoberfläche aus den Apollo-Missionen 15–17] * [http://the-moon.wikispaces.com/LPOD Chuck Woods Mondfoto des Tages] (englisch) * [http://home.versanet.de/~adler-computer/Mondfoto/index.htm Tipps für ein gutes Mondfoto] * [http://www.ikonengold.de/cms/index.php?id=36 Geschichte der bemannten Mondfahrt] * [http://kuffner-sternwarte.at/im_brennp/archiv2003/was_ist_ein_mond.html Was ist ein Mond?] * [http://www.heise.de/tp/r4/artikel/22/22420/1.html Lockruf des Mondes – Immer mehr Wissenschaftler, Ingenieure, Politiker und Weltraumnationen wollen die lunare Renaissance] 4. Mai 2006 ([[Telepolis]]) * {{APOD|de|090928|Wasser auf dem Mond entdeckt}} === Videos === {{Alpha Centauri|mond-1999-ID1209389830481|Wie entstand der Mond?}} {{Alpha Centauri|mond-1999-ID1209387969391|Warum fällt der Mond nicht auf die Erde?}} {{Alpha Centauri|mondlandung-2002-ID1208353913709|War die Mondlandung echt?}} == Einzelnachweise == <references/> <div class="BoxenVerschmelzen"> {{Navigationsleiste Monde}} {{Navigationsleiste_Sonnensystem}} </div> {{Exzellent|17. Mai 2004|1334168}} [[Kategorie:Erdmond| ]] [[Kategorie:Trabant]] {{Link GA|pl}} {{Link FA|af}} {{Link FA|bg}} {{Link FA|da}} {{Link FA|en}} {{Link FA|hu}} {{Link FA|mr}} {{Link FA|sk}} {{Link FA|tr}} {{Link FA|vi}} [[af:Maan]] [[als:Mond]] [[am:ጨረቃ]] [[an:Luna]] [[ang:Mōna]] [[ar:قمر]] [[arc:ܣܗܪܐ]] [[arz:قمر]] [[ast:Lluna]] [[ay:Phaxsi]] [[az:Ay]] [[bat-smg:Mienolis]] [[be:Месяц, спадарожнік Зямлі]] [[be-x-old:Месяц (спадарожнік Зямлі)]] [[bg:Луна]] [[bn:চাঁদ]] [[bo:ཟླ་བ།]] [[br:Loar]] [[bs:Mjesec (satelit)]] [[ca:Lluna]] [[ceb:Bulan (astronomiya)]] [[co:Luna]] [[cr:ᑎᐱᔅᑳᐅᐲᓯᒻ]] [[cs:Měsíc]] [[cu:Мѣ́сѧць]] [[cy:Lleuad]] [[da:Månen]] [[el:Σελήνη]] [[en:Moon]] [[eo:Luno]] [[es:Luna]] [[et:Kuu]] [[eu:Ilargia]] [[ext:Luna]] [[fa:ماه]] [[fi:Kuu]] [[fiu-vro:Kuu]] [[fo:Mánin]] [[fr:Lune]] [[frp:Lena]] [[fur:Lune]] [[fy:Moanne (himellichem)]] [[ga:An Ghealach]] [[gan:月光]] [[gd:Gealach]] [[gl:Lúa]] [[gu:ચંદ્ર]] [[gv:Yn Eayst]] [[hak:Ngiėt-fÂ-kông]] [[he:הירח]] [[hi:चन्द्रमा]] [[hr:Mjesec]] [[hsb:Měsačk]] [[ht:Lalin]] [[hu:Hold]] [[hy:Լուսին]] [[ia:Luna]] [[id:Bulan]] [[ie:Lune]] [[ilo:Bulan]] [[io:Luno]] [[is:Tunglið]] [[it:Luna]] [[iu:ᑕᖅᑭᖅ/taqqiq]] [[ja:月]] [[jbo:lunra]] [[jv:Rembulan]] [[ka:მთვარე]] [[kk:Ай (серік)]] [[kl:Qaammat]] [[kn:ಚಂದ್ರ]] [[ko:달]] [[ksh:Moond (Ääd)]] [[kw:Loor]] [[la:Luna (satelles)]] [[lb:Äerdmound]] [[li:Maon]] [[lij:Lunn-a]] [[lmo:Lüna]] [[ln:Sánzá (monzɔ́tɔ)]] [[lo:ດວງຈັນ]] [[lt:Mėnulis]] [[lv:Mēness]] [[mg:Volana]] [[mk:Месечина]] [[ml:ചന്ദ്രന്‍]] [[mn:Сар]] [[mr:चंद्र]] [[ms:Bulan (satelit)]] [[mt:Qamar]] [[mwl:Luna]] [[myv:Ков (Моданть ки лангонь ялага)]] [[nah:Mētztli]] [[nap:Luna]] [[nds:Maand (Eer)]] [[nds-nl:Maone (eerde)]] [[ne:चन्द्रमा]] [[new:तिमिला]] [[nl:Maan]] [[nn:Månen]] [[no:Månen]] [[nov:Lune]] [[nrm:Leune]] [[nv:Ooljééʼ]] [[oc:Luna]] [[os:Мæй (Зæххы æмбæлццон)]] [[pa:ਚੰਦਰਮਾ]] [[pam:Bulan]] [[pl:Księżyc]] [[pms:Lun-a]] [[pnb:چند]] [[pnt:Φέγγος]] [[pt:Lua]] [[qu:Killa]] [[rm:Glina]] [[rmy:Chhon (chereski)]] [[ro:Luna]] [[ru:Луна]] [[sah:Ый]] [[scn:Luna]] [[sco:Muin]] [[sh:Mjesec]] [[si:චන්ද්‍රයා]] [[simple:Moon]] [[sk:Mesiac]] [[sl:Luna]] [[sq:Hëna]] [[sr:Месец]] [[stq:Moune]] [[su:Bulan (satelit)]] [[sv:Månen]] [[sw:Mwezi (gimba la angani)]] [[szl:Mjeśůnczek]] [[ta:நிலா]] [[te:చంద్రుడు]] [[tg:Моҳ]] [[th:ดวงจันทร์]] [[tl:Buwan (astronomiya)]] [[tpi:Mun (i stap long heven)]] [[tr:Ay (uydu)]] [[tt:Ай (юлдаш)]] [[tw:Ɔbosome]] [[uk:Місяць (супутник)]] [[ur:چاند]] [[uz:Oy (tabiiy yoʻldosh)]] [[vec:Łuna]] [[vi:Mặt Trăng]] [[vls:Moane]] [[vo:Mun]] [[wa:Lune]] [[war:Bulan (astronomiya)]] [[wuu:月]] [[yi:לבנה]] [[yo:Òsùpá]] [[za:Ronghndwen]] [[zh:月球]] [[zh-classical:月]] [[zh-min-nan:Go̍eh-niû]] [[zh-yue:月光]] 4hu2n0wh1kjfnk5o6qjs79kjfx6tx3q wikitext text/x-wiki Montauk (Erzählung) 0 23952 26550 2010-04-07T19:48:52Z Magiers 0 /* Einzelnachweise */ + Weblink '''Montauk''' ist eine [[Erzählung]] des [[Schweiz]]er Schriftstellers [[Max Frisch]]. Sie erschien erstmals im September 1975 und nimmt in seinem Werk eine Sonderstellung ein. Zwar waren Frischs vorige Figuren oft [[Autobiografie|autobiografisch]] geprägt, die Geschichten aber [[Fiktion|fiktiv]]. In ''Montauk'' dagegen heißt der Protagonist wie sein Autor, und er berichtet ein authentisches Erlebnis: ein Wochenende, das Frisch mit einer jungen Frau an der [[Ostküste der Vereinigten Staaten|amerikanischen Ostküste]] verbrachte. Die befristete Liebesaffäre nimmt der Autor zum Anlass für eine Rückschau auf die eigene Biografie. In Anlehnung an [[Philip Roth]] erzählt er sein „Leben als Mann“, berichtet über die Frauen, mit denen er verbunden war, und das Scheitern ihrer Beziehungen. Weitere Reflexionen des Autors gelten dem Alter und seinem nahen Tod sowie der gegenseitigen Beeinflussung von Leben und Werk. Auch die Entstehung ''Montauks'' wird zum Thema der Erzählung: als Gegenentwurf zum bisherigen Werk beschreibt Frisch seinen Entschluss, das Wochenende zu dokumentieren, ohne dem direkten Erleben etwas hinzuzufügen. ''Montauk'' fand eine stark polarisierte Aufnahme. Die ehemaligen Partnerinnen Frischs sahen sich durch die offenen Schilderungen ihrer Vergangenheit düpiert. Manche Leser fühlten sich durch die Selbstentblößung Frischs peinlich berührt. Andere Kritiker feierten die Erzählung als Frischs bedeutendstes Werk und lobten die Leistung, aus dem eigenen Leben ein literarisches Kunstwerk herzustellen. [[Marcel Reich-Ranicki]] nahm ''Montauk'' in seinen [[Der Kanon|Kanon]] der deutschen Literatur auf. [[Bild:Montauk Point Light in storm.jpg|thumb|Brandung des [[Atlantischer Ozean|Atlantiks]] bei [[Montauk]]]] == Inhalt == [[Bild:Montauk Point Lighthouse.jpg|thumb|Leuchtturm von Montauk]] [[Bild:Montauk NY sunrise.jpg|thumb|Sonnenaufgang bei Montauk]] [[Bild:UN Headquarters 2005-04-29.jpg|thumb|Blick auf das [[UN-Hauptquartier]] von der Kreuzung First Avenue / 46th Street]] Die Rahmenhandlung der Erzählung ''Montauk'' beschreibt das Wochenende des 11. und 12. Mai 1974, das eine Lesereise des Erzählers, des literarischen Ebenbilds seines Autors Max Frisch, durch die [[Vereinigte Staaten|Vereinigten Staaten]] beschließt. Zwei Tage später, einen Tag vor seinem 63. Geburtstag, ist Frischs Rückflug nach Europa gebucht. An seiner Seite befindet sich Lynn, eine 30-jährige Verlagsangestellte, die ihn während der Reise betreuen soll, vom Werk des Autors aber keine Zeile gelesen hat. An ihrem letzten Wochenende kommen Lynn und Frisch einander näher und unternehmen einen Ausflug nach [[Long Island]] zum Dorf [[Montauk]] an der [[Atlantischer Ozean|Atlantikküste]]. Für den Autor erwächst an diesem Wochenende das Verlangen, die gemeinsamen Tage zu beschreiben, ohne etwas zu den Geschehnissen hinzuzufügen. Dabei löst Lynns Gegenwart in Frisch Reflexionen und Erinnerungen aus. Er sinniert über das Alter und sein zunehmendes Gefühl, eine Zumutung für andere zu sein, sowie seinen Erfolg und dessen Wirkung auf Neider, Verehrer und Frauen. Frisch gibt intime Details aus seinem Leben preis, das Sterben seiner Mutter, seine [[Impotentia coeundi|Impotenz]] und vier [[Schwangerschaftsabbruch|Schwangerschaftsabbrüche]] bei drei Frauen. Auch über sein Werk reflektiert der Autor, angefangen von der parallelen Arbeit des jungen Architekten auf der Baustelle und als Verfasser erster Theaterstücke bis zu den immer gleichen Fragen, die seine späteren Romane auf Presseterminen auslösen. Frisch zeigt sich unzufrieden mit seinen Geschichten, mit denen er lediglich das Publikum bedient, aber weite Teile seines eigenen Lebens vor sich verschwiegen habe. Er hat das Gefühl, sein eigentliches Selbst durch sein Werk verraten zu haben. In einer längeren Episode erinnert sich Frisch an seinen Jugendfreund und [[Mäzen]] W., von dem er sich in seiner Jugend dominiert fühlte. Mit Frischs Erfolgen und der Unfähigkeit seines Freundes, ihn als Schriftsteller zu akzeptieren, endete ihre Freundschaft, die Frisch im Nachhinein als unheilvoll begreift. Eine andere Episode enthüllt Frischs Unvermögen in der Zeit seiner ersten Ehe, mit einer gelähmten Nachbarin umzugehen, die sich als seine erste Liebe entpuppt. Vor allem Frischs ehemalige Gefährtinnen stehen im Mittelpunkt der Erzählung. Lynn löst Erinnerungen an ihre Vorgängerinnen aus, angefangen von der [[Juden|Jüdin]] Käte, dem realen Vorbild der Hanna aus [[Homo faber (Buch)|Homo faber]], der ersten Ehefrau Trudy, der getrennt von ihm lebenden Marianne, die er noch immer liebt, bis zur von Hörigkeit und Eifersucht geprägten Beziehung zu [[Ingeborg Bachmann]]. Angesichts des nicht mehr fernen Todes möchte Frisch keine Frau an seine Zukunftslosigkeit binden. Er wünscht sich, Lynn sei die letzte Frau in seinem Leben. Gleichzeitig ist beiden klar, dass ihre Beziehung auf dieses eine Wochenende beschränkt bleiben wird, und sie danach nicht wieder in Kontakt treten wollen. Frisch hofft, dass Lynn nicht, wie die Frauen zuvor, der Name für eine Schuld werden wird. Am Ende der Erzählung gehen Lynn und Frisch in [[New York City|New York]] mit einem „Bye“ auseinander. An der Kreuzung von First Avenue und 46th Street sieht Frisch der davongehenden Lynn nach, die sich nicht noch einmal nach ihm umdreht. == Form == === Aufbau und Stil === Max Frisch selbst bezeichnete ''Montauk'' im Untertitel als ''Eine Erzählung''. Damit hob er die literarische Form des Textes hervor, der trotz seines autobiografischen Inhalts weder [[Autobiografie]] noch [[Bericht]] oder [[Tagebuch]] ist.<ref>[[Marcel Reich-Ranicki]]: ''Max Frisch''. Ammann, Zürich 1991, ISBN 3-250-01042-1, S. 83.</ref> Zum Teil wird das Buch auch als [[Roman]] klassifiziert. Marcel Reich-Ranicki sah die Prosa in ihrem „Reichtum an Figuren und Episoden […] romanhaft“, obwohl ihr Umfang der klassischen Romandefinition von [[E. M. Forster]] kaum genüge.<ref name="weltwoche">Julian Schütt: [http://www.weltwoche.ch/artikel/?AssetID=11730 ''Sind Sie fertig? Ich habe zu arbeiten'']. Interview mit Marcel Reich-Ranicki. In: [[Die Weltwoche]], 32 / 2005.</ref> Der Erzählstil wird am Anfang der Erzählung ironisch gespiegelt: ein Schild mit der Aufschrift <span style="font-variant:small-caps;">„overlook“</span> verspricht eine Aussicht über die Insel, die nicht eingehalten wird. Statt dessen gibt es „einen Pfad, der durch das Gestrüpp führt […] Es ist eine Art von Pfad, nicht immer deutlich, ein verwilderter Pfad.“<ref>Frisch: ''Montauk'' (1981), S. 7–8.</ref> In der gleichen Weise wird auch der Leser, dem ein Überblick über Frischs Leben versprochen worden ist, auf einen Pfad geschickt, der durch seine „assoziative Erzählweise geeignet [ist], den Leser zu verwirren“. Nicht immer ist klar, „von welcher Frau gerade gesprochen wird.“<ref>Klaus Müller-Salget: ''Max Frisch''. Reclam, Stuttgart 1996, ISBN 3-15-015210-0, S. 132.</ref> Der Stil ist sprunghaft, „es ist nicht leicht, sich einzulesen“. Details werden oft nur angedeutet, so dass sie einem Leser ohne Kenntnis von Frischs Biografie nicht auf Anhieb verständlich sind.<ref name="hage">Volker Hage: [http://abo.spiegel.de/img/picks/abos/spedit/Nachwort_18_Frisch.pdf ''Ein aufrichtiges Buch'']. Nachwort zur Spiegel-Edition von ''Montauk'' (pdf-Datei).</ref> Schon der Titel der Erzählung ''Montauk'' ist doppeldeutig, meint den tatsächlichen Ort genauso wie das aus Ort und Zeit gefallene Fremde, richtet den Blick des Lesers eher auf die Peripherie des Geschehens als auf ihr Zentrum.<ref>Knapp: ''Noch einmal: Das Spiel mit der Identität. Zu Max Frischs Montauk'', S. 288.</ref> Die Erzählung besteht aus einer [[Collage]] von gegenwärtigen Szenen und erinnerten Lebenssituationen, durchbrochen von typografisch in [[Kapitälchen]] hervorgehobenen, als [[Leitmotiv]] eingesetzten Stichworten, Zitaten, Ortsangaben, [[Alltagsgespräch|Small-Talk-Einsprengseln]] oder [[interview]]haften Fragen Lynns. Frisch verwendete eine weiterentwickelte Form seines Stils des literarischen Tagebuchs. Die Reihung der mosaikhaften Daten und Ereignisse ist zwar [[Chronologie|chronologisch]], aber ohne [[Kausalität]].<ref>vom Hofe: ''Zauber ohne Zukunft'', S. 347, 359.</ref> Insgesamt 192 einzelne Szenen variieren in ihrer Länge vom Einzeiler bis zur in sich geschlossenen 21-seitigen [[Kurzgeschichte]] über Frischs Jugendfreund.<ref>Heidenreich: ''Max Frisch: Stiller, Mein Name sei Gantenbein, Montauk'', S. 124–129.</ref> Marcel Reich-Ranicki beurteilte Frischs Stil in der Erzählung: „Nie hat er knapper und karger und zugleich präziser und prägnanter, nie anschaulicher und anregender geschrieben.“<ref>Reich-Ranicki: ''Max Frisch'', S. 87.</ref> Der Dokumentarfilmer [[Richard Dindo]] hob auf die Visualität der Schreibweise ab: „Man hat beim Lesen den Eindruck, der Autor erlebe und beschreibe einen Film. Es ist, als ob er einen ‚fotografischen Blick‘ auf die Dinge werfen würde.“<ref>[[Richard Dindo]]: ''Die Beziehung zum Bild''. In: Luis Bolliger (Hrsg.): ''jetzt: max frisch''. Suhrkamp, Frankfurt am Main 2001, ISBN 3-518-39734-6, S. 218.</ref> === Erzählposition === Das Programm für die [[Erzählperspektive]] in ''Montauk'' gibt Frisch in der Erzählung selbst vor: „Ich möchte diesen Tag beschreiben, nichts als diesen Tag, unser Wochenende und wie’s dazu gekommen ist, wie es weiter verläuft. Ich möchte erzählen können, ohne irgendetwas dabei zu erfinden. Eine einfältige Erzähler-Position.“<ref>Frisch: ''Montauk'' (1981), S. 82.</ref> Die direkte Wiedergabe der Ereignisse fordert einen Erzähler, der eine Beobachterrolle einnimmt. Die eher äußerliche Beziehung von Lynn und Frisch erhält ihren adäquaten Ausdruck in der Er-Form der Erzählung.<ref>Vgl. zum Abschnitt: Petersen: ''Max Frisch'', S. 151–153.</ref> Demgegenüber steht die in den Rückblenden und Reflexionen verwendete Ich-Form für Max Frisch als Schriftsteller und Mensch mit seinen gesamten Erinnerungen und Ängsten, den Erfolgen und dem privatem Scheitern. Ich- und Er-Form bieten zwei Blickwinkel auf dieselbe Figur. Die Perspektive der Erzählung springt, je nach Erzählgegenstand, fortwährend von der Er- in die Ich-Form und wieder zurück. Erst am Ende, als sich das Erleben des Wochenendes bereits in Erinnerung verwandelt, bleibt nur noch das Ich. Das Du der Erzählung ist für Marianne reserviert, Frischs zweite Frau. Es zeigt Frischs Fixierung, die auch Lynn erkennt: <span style="font-variant:small-caps;">„you love her.“</span><ref>Frisch: ''Montauk'' (1981), S. 187.</ref><ref>Vgl. zum Abschnitt: Müller-Salget: ''Max Frisch'', S. 134–136.</ref> In seinem ''Tagebuch 1966–1971'' findet sich Frischs theoretische Auseinandersetzung mit der Erzählposition im Abschnitt ''Vom Schreiben in der Ich-Form''. Darin sieht er die Ich-Form direkter, aber auch in der Gefahr zur Zumutung für den Leser zu werden. Manche Sätze gewännen nur in der Ich-Form Objektivität, in der Er-Form wirkten sie feige. Für eine „maximale Aufrichtigkeit gegenüber sich selbst“ vermöge dagegen die Er-Form mehr. „Zu Anfang ist es leichter mit der ER-Form als später, wenn die bewußten oder unbewußten ICH-Depots in mannigfaltiger ER-Form notorisch geworden sind; nicht weil der Schreiber sich als Person wichtiger nimmt, aber weil die Tarnung verbraucht ist, kann er sich später zur blanken ICH-Form genötigt sehen.“<ref>Max Frisch: ''Tagebuch 1966–1971''. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1979, ISBN 3-518-36756-0, S. 308–310.</ref> == Interpretation == [[Bild:Michel de Montaigne 1.jpg|thumb|[[Michel de Montaigne|Montaigne]], von dem das Motto der Erzählung stammt, in einer Lithographie von François-Séraphin Delpech]] Bereits das vorangestellte [[Motto (Literatur)|Motto]] der Erzählung von [[Michel de Montaigne|Montaigne]] gibt ''Montauk'' sein nicht-fiktionales Programm: <span style="font-variant:small-caps;">„Dies ist ein aufrichtiges Buch, Leser, […] denn ich bin es, den ich darstelle. Meine Fehler wird man hier finden, so wie sie sind, und mein unbefangenes Wesen, so weit es nur die öffentliche Schicklichkeit erlaube.“</span><ref>Frisch: ''Montauk'' (1981), S. 5.</ref> Der Autor Frisch selbst nannte die Vorrede „naiv, wie wir es kaum sein können.“<ref name="letawe">Zitiert nach: Céline Letawe: ''Max Frischs ‚Montauk‘ – eine ‚Chronique scandaleuse‘?'' In: Stefan Neuhaus, Johann Holzner (Hrsg.): ''Literatur als Skandal: Fälle – Funktionen – Folgen''. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2007, ISBN 3-525-20855-3, S. 452.</ref> Sein Protagonist gleichen Namens will die „Umweltverschmutzung durch Gefühle, die nicht mehr zu brauchen sind“ bereinigen, indem er sie beschreibt und dadurch „mit Bewußtsein verabschiedet.“<ref>Frisch: ''Montauk'' (1981), S. 21–22.</ref> Über seine bisherigen Versuche, sein Leben in Kunst zu verarbeiten, urteilt er vernichtend: „Ich habe mir mein Leben verschwiegen. Ich habe irgendeine Öffentlichkeit bedient mit Geschichten. Ich habe mich in diesen Geschichten entblößt, ich weiß, bis zur Unkenntlichkeit. […] Ich habe mich selbst nie beschrieben. Ich habe mich nur verraten.“<ref name="montauk156">Frisch: ''Montauk'' (1981), S. 156.</ref> Als Gegenentwurf beschließt Frisch, „dieses Wochenende zu erzählen: autobiographisch, ja, autobiographisch. Ohne Personnagen zu erfinden; ohne Ereignisse zu erfinden, die exemplarischer sind als seine Wirklichkeit […]. Er möchte bloß erzählen […]: sein Leben.“<ref>Frisch: ''Montauk'' (1981), S. 155.</ref> Doch Frisch plant keine reine Autobiografie. Er stellt sich die Aufgabe: „Ich möchte wissen, was ich, schreibend unter Kunstzwang, erfahre über mein Leben als Mann.“<ref name="montauk24">Frisch: ''Montauk'' (1981), S. 24.</ref> Er schreibt eine Erzählung über seine persönliche, unverschlüsselte Wirklichkeit mit den Mitteln der Literatur.<ref>Vgl. zum Abschnitt: Petersen: ''Max Frisch'', S. 150–153.</ref> Trotz des Vorsatzes der „autobiographischen Korrektur“ wird Frisch selbst immer wieder auf das einst Geschriebene zurückgeworfen: „Leben im Zitat.“<ref name="montauk103">Frisch: ''Montauk'' (1981), S. 103.</ref> Die Gegenwart erinnert nicht nur an die eigene Vergangenheit sondern auch an die geschaffenen Werke. Lynn wird zum Spiegelbild von Marianne Frisch oder Ingeborg Bachmann, im nächsten Augenblick erinnert sie mit rotem Rossschwanz oder beim Ping-Pong-Spiel an Sabeth aus ''Homo faber''. Frisch gerät in den „Bannkreis einer anderen Zeit, die sowohl Vergangenheit als auch Literatur heißen kann“.<ref>Vgl. zum Abschnitt Haneborger: ''Max Frisch – Das Prosa-Spätwerk'', S. 35–36.</ref> Er erkennt: „Literatur hebt den Augenblick auf“<ref name="montauk103" /> – im doppelten Sinne: sie löscht ihn als Gegenwart aus und konserviert ihn als Erinnerung. Damit steht sie dem direkten Erleben, der Liebe entgegen. „Die Literatur hat die andere Zeit, ferner ein Thema, das alle angeht oder viele – was man von ihren zwei Schuhen im Sand nicht sagen kann“.<ref name="montauk103" /> Nicht die Literatur, sondern „[s]ein Körper läßt ihn empfinden, daß er im Augenblick da ist.“<ref name="montauk130">Frisch: ''Montauk'' (1981), S. 130.</ref> Er vermittelt Frisch „das irre Bedürfnis nach Gegenwart durch eine Frau.“<ref>Frisch: ''Montauk'' (1981), S. 140.</ref> Und Frisch erkennt: „Er will keine Memoiren. Er will den Augenblick.“<ref name="montauk158">Frisch: ''Montauk'' (1981), S. 158.</ref><ref>Vgl. zum Abschnitt: Schmitz: ''Max Frisch: Das Spätwerk (1962–1982)'', S. 105.</ref> Dennoch steht zwischen Lynn und Frisch eine unüberbrückbare Distanz. „Es ist nie gesagt worden: <span style="font-variant:small-caps;">i love you</span>“<ref>Frisch: ''Montauk'' (1981), S. 89.</ref> Das Alter, die unterschiedliche Lebenswirklichkeit, allein schon die Fremdsprache trennt die beiden. Die begrenzte Zeit des Wochenendes verhindert, dass sie sich näher kennenlernen werden: „Lynn wird sein Laster nicht kennenlernen.“<ref>Frisch: ''Montauk'' (1981), S. 94.</ref> „Lynn wird seine Hysterie nicht kennenlernen.“<ref>Frisch: ''Montauk'' (1981), S. 97.</ref> „[S]ie werden einander nicht kennenlernen“.<ref>Frisch: ''Montauk'' (1981), S. 114.</ref> Gerade durch diese Zukunftslosigkeit wird das Wochenende in Montauk, „diese dünne Gegenwart“,<ref>Frisch: ''Montauk'' (1981), S. 138.</ref> ein „zeitentrückter Augenblick“<ref>Müller-Salget: ''Max Frisch'', S. 134.</ref>: „Ein langer leichter Nachmittag. <span style="font-variant:small-caps;">hermes geht vorbei</span>“<ref>Frisch: ''Montauk'' (1981), S. 95–96.</ref>. Noch wendet sich [[Hermes]], der die Toten zum [[Hades]] führt, nicht Frisch zu. Doch seine Gegenwart ist nicht nur in diesem Zitat eines nie umgesetzten Opernentwurfs von Frisch präsent. Im Bewusstsein des nicht mehr fernen Todes, weiß Frisch, „daß es sich verbietet, eine jüngere Frau an diese meine Zukunftlosigkeit binden zu wollen.“<ref>Frisch: ''Montauk'' (1981), S. 203.</ref> Frisch denkt an Abschied: „Eine wird die letzte Frau sein, und ich wünsche, es sei Lynn, wir werden einen leichten und guten Abschied haben“.<ref name="montauk130" /> Als er am Ende nach Lynn sucht, klingt in der Auskunft ihrer ehemaligen Kollegin der Tod an: <span style="font-variant:small-caps;">„lynn is no longer with us“</span>.<ref name="montauk185">Frisch: ''Montauk'' (1981), S. 185.</ref> Der abschließender Monolog aus Homo Faber gewinnt für den alten Frisch eine existenzielle Bedeutung: <span style="font-variant:small-caps;">„auf der welt sein: im licht sein. […] standhalten dem licht, der freude im wissen, dass ich erlösche […] ewig sein: gewesen sein.“</span><ref name="montauk103" /> Am Ende bleibt der Zweifel, ob selbst mit den Mitteln rückhaltloser Aufrichtigkeit eine zutreffende Beschreibung des eigenen Ichs gelingen kann: „als könne ein Mensch sich selber erzählen“.<ref name="montauk185" /> Frisch fügt Montaignes Motto einen Nachsatz hinzu: „<span style="font-variant:small-caps;">dies ist ein aufrichtiges buch, leser</span> und was verschweigt es und warum?“<ref>Frisch: ''Montauk'' (1981), S. 197.</ref> Der Nachsatz ist keine Anspielung auf ein absichtliches Verschweigen von Fakten, sondern die Erkenntnis, dass auch der wahrhaftigste Versuch nicht zu einer vollständigen Beschreibung des Lebens führen kann.<ref>Vgl. zum Abschnitt: Petersen: ''Max Frisch'', S. 157.</ref> ''Montauk'' wird zum „Werk über ein Werk, das nicht zustande kommt.“<ref>Schmitz: ''Max Frisch: Das Spätwerk (1962–1982)'', S. 108.</ref> Obwohl die Korrektur der Autobiografie im Großen missglückt, glückt das Wochenende im Kleinen: „ein Tag der Erfüllung, eine Gegenwart“:<ref>Frisch: ''Montauk'' (1981), S. 198.</ref> <span style="font-variant:small-caps;">„max, you are a fortunate man“</span>.<ref>Frisch: ''Montauk'' (1981), S. 165.</ref> Im gleichzeitigen Bekenntnis zur Vergangenheit, erlebt Frisch die Gegenwart als Befreiung. Das „Beglückende“ liegt in der Erfahrung, „ein Stück Freiheit von den Mechanismen krankhafter Empfindlichkeit und von den Zwängen stereotyper Verhaltensweisen verwirklicht zu haben.“<ref>vom Hofe: ''Zauber ohne Zukunft'', S. 361-362.</ref> == Biografischer Hintergrund == Im April 1974 reiste Frisch in die Vereinigten Staaten, um die Ehrenmitgliedschaft der ''[[American Academy of Arts and Letters|Academy of Arts and Letters]]'' und des ''National Institute of Arts and Letters'' anzunehmen. Aus diesem Anlass organisierte seine amerikanische Verlegerin Helen Wolff eine Lesetournee für Frisch. Sie stellte ihm die junge Alice Locke-Carey an die Seite, die in ''Montauk'' den Namen Lynn erhielt. Bis auf die Veränderung dieses Namens stimmen die in ''Montauk'' erzählten Fakten von Frischs Amerikaaufenthalt mit der Realität überein. Verkürzt angegeben ist lediglich der Name des Jugendfreundes W., des Kunstsammlers [[Werner Coninx]]. Obwohl die Erzählung ihren autobiografischen Hintergrund somit weitgehend unverschlüsselt offenlegt und auch keine Fiktion sondern Authentizität behauptet, wurde sie verschiedentlich als [[Schlüsselroman]] klassifiziert.<ref>[[Walter Jens]], Rudolf Radler (Hrsg.): ''[[Kindlers Literaturlexikon|Kindlers neues Literaturlexikon]]: Band 5. Ea – Fz''. Kindler, München 1989, ISBN 3-463-43005-3, S. 857.</ref><ref>[[Alexander Stephan (Germanist)|Alexander Stephan]]: ''Max Frisch''. C. H. Beck, München 1983, ISBN 3-406-09587-9, S. 118.</ref> Gerhard vom Hofe betonte allerdings: „Es wäre ein […] Mißverständnis, ''Montauk'' als eine Art ‚Schlüsselerzählung‘ […] zu verstehen“, deren Absicht es sei, „autobiographische Aufschlüsselungen und Enträtselungen“ von Frischs früherem Werk oder „lebensgeschichtliche Quellen und Hintergründe“ zu präsentieren.<ref>vom Hofe: ''Zauber ohne Zukunft'', S. 343–344.</ref> Die Frage, wie direkt von der Erzählung auf Frischs Leben geschlossen werden dürfe, beantwortete Jürgen H. Petersen damit, dass dies von der Frisch-Forschung bei ''Montauk'' im Gegensatz zu anderen Werken kaum untersucht worden sei: „die Übereinstimmung von Lebensfakten und Textaussagen dürfte unbezweifelbar sein.“<ref>Petersen: ''Max Frisch'', S. 200.</ref> [[Hans Mayer]] sah den Max Frisch aus ''Montauk'' hingegen als „Kunstfigur“, dessen Sehnsüchte nach aufrichtigem Erzählen „schließlich keine Aufrichtigkeit produzieren, sondern eine schöne Geschichte.“ Er zog das Fazit: „Von seinen Geheimnissen hat Frisch auch hier nichts preisgegeben.“<ref>Hans Mayer: ''Die Geheimnisse jedweden Mannes''. In: Hans Mayer: ''Über Friedrich Dürrenmatt und Max Frisch''. Neske, Pfullingen 1977, ISBN 3-7885-0081-6, S. 112–113.</ref> Auch Gerhard P. Knapp schloss sich dieser Deutung an und unterschied in seiner Analyse strikt zwischen dem „diarischen Ich“ und der „Kunstfigur Max Frisch“ als Er-Erzähler. Damit widersprach er der Lesart ''Montauks'' als [[chronique scandaleuse]].<ref>Knapp: ''Noch einmal: Das Spiel mit der Identität. Zu Max Frischs Montauk'', S. 289.</ref> [[Konstanze Fliedl]] beschäftigte sich mit Frischs Urteil über seine Beziehung zu Ingeborg Bachmann: „Das Ende haben wir nicht gut bestanden, beide nicht.“<ref>Frisch: ''Montauk'' (1981), S. 151.</ref> Der Satz sei zwar „subjektiv gewiß aufrichtig“, sei aber Interpretation und werde durch die Sprache „eine Geschichte – ein gedeutetes Faktum.“ Sie kam zum Schluss: „ein ‚wahres‘ Ich gibt es nicht, kann es gar nicht geben. ‚Ich‘ ist immer ein ‚Ich‘ in Texten.“<ref name="fliedl">[[Konstanze Fliedl]]: [http://www.ucm.es/BUCM/revistas/fll/11330406/articulos/RFAL0202110055A.PDF ''Deutung und Diskretion. Zum Problem des Biographismus im Fall Bachmann – Frisch''] (pdf-Datei).</ref> In einem Interview, das im Dezember 1980 im ''[[Playboy (Magazin)|Playboy]]'' erschien, urteilte [[Friedrich Dürrenmatt]] über seinen Schweizer Kollegen: „Was mich an Frisch so stört, sind diese Unwahrheiten, auch in den Romanen, zum Beispiel ''Montauk''. Das hat er als autobiographisches Werk ausgegeben. Aber wenn Sie ihn persönlich kennen, dann schütteln Sie nur den Kopf. Da stimmt einfach gar nichts.“<ref>[[André Müller]]: [http://www.a-e-m-gmbh.com/andremuller/friedrich%20duerrenmatt%20(Interview).html Interview mit Friedrich Dürrenmatt 1980]. In: [[Playboy (Magazin)|Playboy]] 1 / 1981.</ref> Allerdings distanzierte sich Dürrenmatt später vom Inhalt dieses Interviews.<ref>[{{Der Spiegel|14316216|Titel=Abends Erfolg|Text=}} ''Abends Erfolg''] in [[Der Spiegel]] vom 5. Januar 1981, Seite 150.</ref> Die Frage nach Wahrheit und Lüge thematisierte Frisch in ''Montauk'' selbst, als die Erzählung unvermittelt von der Er- in die Ich-Form springt: „Er schaut, um zu prüfen, ob seine Zärtlichkeit sich wirklich auf Lynn bezieht … Oder belüge ich uns?“<ref>Frisch: ''Montauk'' (1981), S. 102.</ref> An einer anderen Stelle läßt Frisch Lynn ausrufen: <span style="font-variant:small-caps;">„max, you are a liar“</span>.<ref>Frisch: ''Montauk'' (1981), S. 52.</ref> Damit konterkarierte er selbst das Motto Montaignes vom aufrichtigen Buch.<ref>Stefan Helge Kern: ''[http://deposit.ddb.de/cgi-bin/dokserv?idn=972563768&dok_var=d1&dok_ext=pdf&filename=972563768.pdf Die Kunst der Täuschung. Hochstapler, Lügner und Betrüger im deutschsprachigen Roman nach 1945 am Beispiel der Romane Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull, Mein Name sein Gantenbein und Jakob der Lügner]''. Dissertation, Hannover 2004, S. 196 (pdf-Datei).</ref> Im Gegensatz zum in ''Montauk'' avisierten Ende hatte die wirkliche Affäre zwischen Frisch und Locke-Carey ein Nachspiel. Nachdem Frisch auf einer erneuten USA-Reise vergeblich nach der jungen Frau geforscht hatte, meldete sie sich bei ihm in Folge der Publikation der amerikanischen Übersetzung von ''Montauk'' im Sommer 1976. Nach der Scheidung von Frischs zweiter Ehe 1979 traf er im Mai 1980 Locke-Carey wieder. Von diesem Zeitpunkt an lebten Frisch und Locke-Carey einige Jahre gemeinsam abwechselnd in New York und [[Berzona (Valle Onsernone)|Berzona]]. == Entstehungsgeschichte == [[Bild:GuestrowUweJohnsonDetail.jpg|thumb|[[Uwe Johnson]], Freund des Ehepaars Frisch und erster Leser der Erzählung, in einer Skulptur von [[Wieland Förster]]]] Nach seiner Rückkehr aus den Vereinigten Staaten im Mai 1974 setzte Frisch seinen dort gefassten Entschluss, das Wochenende mit Alice Locke-Carey zu beschreiben, in die Tat um. Die Erzählung entstand „in einer langanhaltenden Gemütsverfassung der Versöhnlichkeit […] und der Angstlosigkeit“, in der Frisch das „Versteckenspielen oder Verfremden“ seiner früheren Arbeiten hinter sich ließ: „Ich wollte nicht mehr mühsam aus dem Architekten Frisch den Ingenieur Soundso machen, und aus der eine andere, und aus dem einen anderen, wo doch jeder, der die Verhältnisse kennt, ganz genau weiß, wer gemeint ist, oder jedenfalls glaubt, er wisse es. Ich wollte ohne Umleitungen und Verstellungen schreiben.“<ref>Zitiert nach: Stephan: ''Max Frisch'', S. 116–117.</ref> Am 13. November 1974 schrieb Frisch an [[Uwe Johnson]], dass er die Arbeit an der Erzählung beendet habe, allerdings „vorerst ohne an Veröffentlichung zu denken.“<ref name="hage" /> Er wolle das Manuskript erst seiner Ehefrau Marianne unterbreiten. Deren Weigerung zur Veröffentlichung zitierte Frisch in der Erzählung selbst: <span style="font-variant:small-caps;">„ich habe nicht mit dir gelebt als literarisches material, ich verbiete es, dass du über mich schreibst.“</span><ref>Frisch: ''Montauk'' (1981), S. 105.</ref> In einem Brief an Marianne Frisch vom 13. Januar 1975 ergriff Johnson Partei für seinen Freund und die Veröffentlichung der Erzählung, deren Leistung es sei, „aus dem eigenen Leben mit Mitteln der Literatur ein Kunstwerk herzustellen“.<ref>Uwe Johnson: ''Zu Montauk''. In: Walter Schmitz (Hrsg.): ''Max Frisch'', Suhrkamp, Frankfurt am Main 1987, ISBN 3-518-38559-3, S. 339.</ref> In ihrer Antwort betonte Marianne Frisch, sie habe nie daran gedacht, „Max vor der Veröffentlichung des Manuskripts auch nur drei Silben abzuhandeln“. Allerdings rücke sie der Text in eine „Vergangenheit, in der ich mich zu dem gegenwärtigen Zeitpunkt, an der Seite von Max lebend, nicht wohl fühle“.<ref name="hage" /> Zur gleichen Zeit entdeckte Max Frisch einen bereits 1971 im ''[[The New Yorker]]'' veröffentlichten Text ''Departures'' von [[Donald Barthelme]], in dem dieser seine Beziehung zu Frischs Frau andeutete und sich über Max unter dem Pseudonym ''Frederick'' lustig machte. Dies festigte Frischs Vorhaben, ''Montauk'' zu publizieren und sogar noch um die neuen Details zur Affäre seiner Frau zu erweitern: „Marianne kann sich scheiden lassen; Literatur als Ehebruch.“<ref>Rolf Kieser: ''Land’s End. Max Frischs Abschied von New York''. In: Luis Bolliger (Hrsg.): ''jetzt: max frisch'', S. 236.</ref> Im März 1975 schickte Frisch eine überarbeitete Fassung an Uwe Johnson, zu der er begleitend schrieb: „Es hat sich gezeigt: viel mehr Memoiren sind auf dem fragilen Wochenende nicht zu verstauen“.<ref name="hage" /> Die Episode über Frischs Jugendfreund W. erschien im Mai 1975 als Vorabdruck unter dem Titel ''Autobiographisches'' in der ''[[Neue Rundschau|Neuen Rundschau]]''. Der Text hatte seinen Vorläufer in einem Eintrag unter dem Titel ''Dankbarkeiten'' im ''Tagebuch 1966–1971''.<ref>Frisch: ''Tagebuch 1966–1971'', S. 253–254.</ref> Am 20. September 1975 erschien die Erzählung ''Montauk'' bei [[Suhrkamp Verlag|Suhrkamp]].<ref>Daniel de Vin: ''Max Frischs Tagebücher''. Böhlau, Köln 1977. ISBN 3-41200-977-6, S. 75.</ref> == Literaturgeschichtliche Einordnung == === Stellung in Frischs Gesamtwerk === ''Montauk'' steht in starker Verbindung zu Frischs vorangegangener Prosa, auf die sowohl in der Handlung als auch in expliziten Zitaten ständig verwiesen wird. In seiner Form verbindet ''Montauk'' „das Tagebuchschreiben mit den Verschachtelungs- und Collagetechniken der Romane ''[[Stiller (Max Frisch)|Stiller]]'' und ''[[Mein Name sei Gantenbein|Gantenbein]]''“.<ref>Karin Tantow, Lutz Tantow: ''Max Frisch. Ein Klassiker der Moderne''. Heyne, München 1994, ISBN 3-453-05755-4, S. 181−182.</ref> Frischs [[Poetik]] ging in den vorausgegangenen Werken immer vom in ''Stiller'' geäußerten Prinzip aus: „Man kann alles erzählen, nur nicht sein wirkliches Leben“.<ref>Max Frisch: ''Stiller''. Suhrkamp, Frankfurt 2001, ISBN 3-518-39710-9, S. 64.</ref> Im ersten veröffentlichten ''Tagebuch 1946–1949'' leitete Frisch daraus die Konsequenzen für sein schriftstellerisches Werk ab. In ''Montauk'' brach Frisch erstmals mit diesem Prinzip. Er erzählte genau das: sein wirkliches Leben, und führte damit gleichzeitig den Gedanken aus ''Stiller'', der in ''Homo faber'' und ''Mein Name sei Gantenbein'' ausgearbeitet wurde, zu Ende: auch im aufrichtigen Versuch der autobiografischen Erzählung ''Montauk'' lässt sich das Selbst nicht ausdrücken.<ref>Petersen: ''Max Frisch'', S. 157.</ref> Im besonderen Gegensatz steht ''Montauk'' zur vorigen Prosaarbeit Frischs ''Mein Name sei Gantenbein''. Während dort alle Geschichten als Fiktion präsentiert werden, postuliert Frisch in ''Montauk'' ein authentisches Erzählen. Dennoch zitiert er in ''Montauk'' die zentrale Stelle aus ''Mein Name seit Gantenbein'': <span style="font-variant:small-caps;">„ich probiere geschichten an wie kleider“</span>.<ref name="montauk156" /> Doch im Gegensatz zu den fiktiven Geschichten, die für Gantenbein zu Varianten des eigenen Ichs werden, sind es in ''Montauk'' autobiografische Geschichten, die Frisch ausprobiert. „Nicht mehr: Mein Name sei Gantenbein, sondern: Mein Name sei Frisch. Nicht mehr: ‚Ich stelle mir vor‘, sondern: So war es.“<ref>Reich-Ranicki: ''Max Frisch'', S. 83.</ref> Die Absicht ist in beiden Fällen die gleiche: „die Wirklichkeit des Menschen durch die Darstellung seiner Möglichkeiten zu umreißen.“<ref>Petersen: ''Max Frisch'', S.157.</ref> Nachdem Frisch in seinem gesamten Werk sich selbst „immer wieder zum Fall seiner Schriftstellerei gemacht“ habe, war für [[Heinz Ludwig Arnold]] ''Montauk'' „der Schlußpunkt, der das eigene ICH: Max Frisch enthüllt und als literarische Figur offen in die Erzählung einführt.“ An die Stelle der in Frischs vorigen Prosatexten stets gescheiterten idealistischen Versuche, Selbstverwirklichung und Dialog mit der Umwelt zu vereinen, trete die Realität und das Anerkennen des Scheiterns. Arnold kam zum Schluss: „Indem Max Frisch schließlich bei sich selbst als Figur angekommen ist und deren Scheitern gezeigt hat, hat er sich endlich als Schriftsteller und als Mensch angenommen.“<ref>[[Heinz Ludwig Arnold]]: 'Gescheiterte Existenzen? Zu Montauk''. In: [[text + kritik]] 47/48, 3. erweiterte Auflage 1983, ISBN 3-88377-140-6, S. 108–111.</ref> Die Erzählung werde „eine Flucht nach vorn, gleichzeitig eine Flucht ganz zurück zu sich selbst“. Frisch leiste in ''Montauk'' „Bewältigungsarbeit“ und bestätige, „daß auch dieser Weg der Literarisierung trotz aller Risiken sinnvoll ist – und für ihn der einzig mögliche Weg“.<ref>[[Heinz Ludwig Arnold]]: ''Was bin ich? Über Max Frisch''. Wallstein, Göttingen 2002, ISBN 3-89244-529-X, S. 47–48.</ref> Frisch hatte ''Montauk'' ursprünglich als Abschluss seines Werkes geplant, wie er 1982 in einem Gespräch mit [[Volker Hage]] bekannte: „Ich dachte, das sei das letzte Buch. Ich wollte alles noch einmal überschauen.“ Er wollte mit der Erzählung auch künstlerische Brücken abbrechen und war sich bewusst, dass er anschließend keinen unterschwellig autobiografischen Roman mehr hätte schreiben können. Allerdings ging Frisch im Nachhinein die Offenheit von ''Montauk'' nicht weit genug. Er fand das Buch „unnötig verschleiert – es ist viel zu wenig direkt.“<ref>Volker Hage: ''Max Frisch'', Rowohlt, Hamburg 1997, ISBN 3-499-50616-5, S. 126.</ref> In einem Brief an Uwe Johnson erklärte er: „mein Buch kommt mit plötzlich etwas feige vor, […] etwas verschüchtert, zu zaghaft und zwar in der Behandlung andrer Personen“.<ref name="letawe" /> Johnson urteilte, Frisch habe sich mit ''Montauk'' ästhetisch „in eine Ecke geschrieben“, von der aus eine Rückkehr zur Form des Tagebuchs oder zu späteren [[Memoiren]] kaum mehr möglich sei. Frisch werde es „hübsch schwer haben“, die Erzählung mit künftigen Arbeiten zu übertreffen.<ref>Johnson: ''Zu Montauk'', S. 338–339.</ref> Frisch bestätigte diese Einschätzung in einem Fernsehgespräch mit Philippe Pilliod: „Was bleibt nach diesem Buch noch übrig? Schweigen, Philosophieren oder Fiktion.“<ref>Haneborger: ''Max Frisch – Das Prosa-Spätwerk'', S. 65.</ref> Er beschritt in seinen folgenden Werken den Weg der Fiktion, wenn auch weiter autobiografische Einflüsse erkennbar blieben. Der Autor wehrte sich allerdings heftig dagegen, die Erzählung ''[[Der Mensch erscheint im Holozän]]'' als Fortsetzung seiner Autobiografie zu lesen, bloß weil dessen Protagonist alt sei und im [[Kanton Tessin|Tessin]] lebe. Mit seinem Spätwerk wandte sich Frisch stärker noch als in ''Montauk'' den existenziellen Problemen von Alter und Tod zu, die Texte wurden pessimistischer und resignativer, stärker verdichtet in der Form<ref>Vgl. Lioba Waleczek: ''Max Frisch''. Deutscher Taschenbuch Verlag, München 2001, ISBN 3-423-31045-6, S. 144–145.</ref> bis zur gezügelten Phantasie und den lakonischen Dialogen von ''[[Blaubart (Erzählung)|Blaubart]]''.<ref>Hage: ''Max Frisch'', S. 118.</ref> === Stellung in der Literaturgeschichte === Jürgen H. Petersen sah ''Montauk'' rückblickend als „dichtungsontologisches Novum“ zum Zeitpunkt seines Erscheinens, in dem anders als bei vorangehenden Schriftstellern wie [[Hans Jakob Christoffel von Grimmelshausen|Grimmelshausen]], [[Johann Wolfgang von Goethe|Goethe]], [[August Strindberg|Strindberg]] oder [[Thomas Mann]] Lebensfakten nicht als verschlüsseltes Material für das Werk genutzt werden, sondern die rückhaltlose Darstellung des eigenen Lebens selbst zum Ziel der Literatur wird.<ref>Vgl. zum Abschnitt: Petersen: ''Max Frisch'', S. 158.</ref> Gleichzeitig geht die Erzählung auch auf Distanz zur „klassischen“ Autobiografie wie etwa ''[[Dichtung und Wahrheit]]'', die eine „Vermittlung von Ich und Welt“ konstruiert und biografische Fakten im Hinblick auf einen versöhnenden Lebensweg interpretiert. In ''Montauk'' steht der Selbstzweifel und die Befangenheit in Rollen und ein letztliches „Sich-Arrangieren mit der Welt als Widerstand“ im Mittelpunkt.<ref>vom Hofe: ''Zauber ohne Zukunft'', S. 352.</ref> [[Hans Bänzinger]] urteilte allerdings, die Geschichte von ''Montauk'' bewege sich „am Rand des Trivialen“ und entbehre „der künstlerischen Überzeugungskraft der großen Konfessionen der Weltliteratur oder älterer und neuerer Z[e]ugnisse wirklicher Dichtung-und-Wahrheit-Bücher.“<ref>[[Hans Bänzinger]]: ''Leben im Zitat. Zu „Montauk“: Ein Formulierungsproblem und dessen Vorgeschichte''. In: Gerhard P. Knapp (Hrsg.): ''Max Frisch. Aspekte des Prosawerks''. Peter Lang, Bern 1978, ISBN 3-261-02996-X, S. 281.</ref> ''Montauk'' kann als Bekenntnis zur [[Neue Subjektivität|Neuen Subjektivität]] in der deutschsprachigen Literatur der 70er Jahre gewertet werden,<ref>Haneborger: ''Max Frisch – Das Prosa-Spätwerk'', S. 29.</ref> ohne dass sich Frisch selbst je einer Literaturströmung angeschlossen hatte. Daher äußerte [[Alexander Stephan (Germanist)|Alexander Stephan]] die Vermutung, „daß der ‚Statiker‘ Frisch von der Entwicklung der Literatur eingeholt worden war.“<ref>Stephan: ''Max Frisch'', S. 116.</ref> Frisch zitiert in ''Montauk'' [[Peter Handke]]s ''[[Wunschloses Unglück]]'': „ein Text, der mir Eindruck macht.“<ref name="montauk158" /> Zum Auslöser seines Schreibexperiments wird [[Philip Roth]]s ebenfalls autobiografisch geprägter Roman ''[[Mein Leben als Mann]]'', dessen Titel als wiederkehrendes Thema die Erzählung durchzieht: „<span style="font-variant:small-caps;">my life as a man</span> heißt das neue Buch, das Philip Roth gestern ins Hotel gebracht hat. Wieso würde ich mich scheuen vor dem deutschen Titel: Mein Leben als Mann? Ich möchte wissen, was ich, schreibend unter Kunstzwang, erfahre über mein Leben als Mann.“<ref name="montauk24" /> Daneben ist ''Montauk'' auch Frischs offenste Auseinandersetzung mit Ingeborg Bachmann, deren Roman ''[[Malina (Roman)|Malina]]'' als Antwort auf ''Mein Name sei Gantenbein'' gewertet wird.<ref name="fliedl" /> Er verweist auf ihr Hörspiel ''Der gute Gott von Manhattan'' und zitiert ihr Gedicht ''Tage in weiß'': „<span style="font-variant:small-caps;">in diesen tagen schmerzt mich nicht, dass ich vergessen kann und mich erinnern muss.“</span><ref>Frisch: ''Montauk'' (1981), S. 141.</ref> == Rezeption == [[Bild:MRR.jpg|thumb|upright|[[Marcel Reich-Ranicki]], der ''Montauk'' in seinen [[Der Kanon|Kanon]] aufnahm]] Marcel Reich-Ranicki äußerte sich in der [[Frankfurter Allgemeine Zeitung|Frankfurter Allgemeinen Zeitung]] nach eigener Einschätzung enthusiastisch in einem „Satz mit nicht weniger als sechs Superlativen“<ref>Reich-Ranicki: ''Max Frisch'', S. 105.</ref>: „Und doch übertrifft diese Erzählung ''Montauk'' in mancherlei Hinsicht alles, was wir bisher von Frisch kannten. Es ist sein intimstes und zartestes, sein bescheidenstes und gleichwohl kühnstes, sein einfachstes und vielleicht eben deshalb originellstes Buch.“<ref>Reich-Ranicki: ''Max Frisch'', S. 81.</ref> Er schloss mit dem Fazit: „Diese Selbstentblößung ist frei von Exhibitionismus, Frischs Intimität nähert sich nie der Schamlosigkeit, seine Abschiedsstimmung kennt keine Lamoryanz, keine Wehleidigkeit. ''Montauk'' ist eine poetische Bilanz: ein Buch der Liebe, geschrieben von einem Dichter der Angst.“<ref>Reich-Ranicki: ''Max Frisch'', S. 88.</ref> [[Walter Jens]] spöttelte 1976 in seiner Rede zur Verleihung der Heine-Plakette an seinen damaligen Freund: „Wenn Max Frisch die alten Männer und jungen Mädchen besingt, ist es um Reich-Ranicki geschehen.“<ref name="marcel106">Reich-Ranicki: ''Max Frisch'', S. 106.</ref> Reich-Ranicki hielt aber auch 1991 in einem Nachruf auf Frisch an seiner Einschätzung fest, ''Montauk'' sei „eines der ganz wenigen Prosawerke der deutschen Literatur der siebziger Jahre, die ihre Zeit überdauert haben.“<ref name="marcel106">.</ref> 2002 nahm er ''Montauk'' als einen von zwanzig Romanen in seinen [[Der Kanon|Kanon]] der deutschen Literatur auf: „Ich denke, ''Montauk'' wird von Frischs Prosa am ehesten bleiben.“<ref name="weltwoche" /> Das Buch polarisierte bei seinem Erscheinen. Die Frage, ob ''Montauk'' „die Grenzen der öffentlichen Schicklichkeit“ gewahrt habe, blieb umstritten. Frischs frühere Partnerinnen fühlten sich durch die Erzählung „einhellig düpiert“.<ref>[[Josef Rattner]], Gerhard Danzer: ''Europäische Kulturbeiträge im Deutsch-schweizerischen Schrifttum von 1850-2000''. Königshausen & Neumann, Würzburg 2003, ISBN 3-8260-2541-5, S. 222.</ref> Frischs erste Ehefrau Trudy Frisch-von Meyenburg kam sich in der Erzählung „öffentlich ausgezogen vor“<ref name="bircher">Urs Bircher: ''Mit Ausnahme der Freundschaft: Max Frisch 1956–1991''. Limmat, Zürich 2000, ISBN 3-85791-297-9, S. 201.</ref>, seine Jugendfreundin Käte Schnyder-Rubensohn kommentierte ihre Erwähnung als „wenig nobel“<ref name="bircher" />. Vor allem Frischs aktuelle Ehefrau Marianne Frisch-Oellers protestierte gegen die Bloßstellung durch ihren Mann. Zwar habe sich dieser durch seine Erzählung selbst entblößt, doch „es ist ein Riesenunterschied, ob ich ‚ich Esel‘ oder ‚Du Esel‘ sage, ob ich mich freiwillig selbst darstelle, oder jemand anders mich ohne mein Einverständnis darstellt“.<ref name="bircher" /> Frischs Schriftstellerkollege [[Peter Bichsel]] kommentierte: „Es wird ein großes Buch sein, wenn sein Hintergrund – Personen, Biographien – von keinem Interesse mehr sein wird.“<ref>Bircher: ''Mit Ausnahme der Freundschaft: Max Frisch 1956–1991'', S. 200.</ref> Für [[Rolf Michaelis]] war es „vorauszusehen […], daß ''Montauk'' als wehmütige Glorifizierung des Männlichkeitswahnes geschmäht werden wird“. Er sah allerdings in den „Szenen krankhafter Eifersucht, männlichen Selbstbehauptungs- und Selbstbestätigungswahns“ nicht die „Lebensbeichte eines einzelnen, sondern […] Gestaltung von Lebensmöglichkeiten, […] Formen von Leidenschaft.“<ref>[[Rolf Michaelis]]: [http://www.zeit.de/1975/39/Love-Story-und-mehr?page=all''Love Story und mehr'']. In [[Die Zeit]], 19. September 1975.</ref> [[Reinhard Baumgart]] fand in der Selbstreflexion Frischs keine Unmittelbarkeit, sie „reiche nicht über den Grad der Selbstbespiegelung heraus und ende in Selbstinszenierung.“<ref>Haneborger: ''Max Frisch – Das Prosa-Spätwerk'', S. 46.</ref> [[Dieter Fringeli]] nannte die Erzählung, in der er „miserables Deutsch“ entdeckte, „zu häuslich, ja zu hausbacken“. Er urteilte: „Seine Notizen in Sachen Liebe und Leben gehen letztlich nur einen einzigen Menschen was an: Max Frisch.“ <ref>[[Dieter Fringeli]]: ''Der neue alte Frisch''. In: [[Basler Nachrichten]] vom 10. Oktober 1975.</ref> Kritik kam auch „vor allem von Frauen“.<ref>Ruedi Christen: ''Max Frisch, Journal I-III''. In: Luis Bolliger (Hrsg.): ''jetzt: max frisch''. Suhrkamp, Frankfurt am Main 2001, ISBN 3-518-39734-6, S. 221.</ref> Sybille Heidenreich zeigte sich von dem „neuen Frisch“ enttäuscht. Die intimen Bekenntnisse ließen Peinlichkeit zurück, Frisch werde zum „Hanswurst vor einem schaulustigen Publikum“. Sie störte sich an der Rolle Lynns, die keine Partnerin sei, sondern „Mittel zum Zweck“ als „Beweis für den alten Mann, doch noch nicht zu alt zu sein.“ Schließlich stellte sie die Frage: „Wenn das Leben langweilig ist, wenn es nichts Erlebbares mehr bietet, warum schreibt dann Frisch überhaupt etwas?“<ref>Heidenreich: ''Max Frisch: Stiller, Mein Name sei Gantenbein, Montauk'', S. 131–133.</ref> [[Hellmuth Karasek]], der Max Frisch seit seinem Theaterstück ''[[Biografie: Ein Spiel]]'' auf dem „schriftstellerischen Ego-Trip“ sah, widersprach dem Gefühl der Peinlichkeit. Zwar habe der Autor „die Neugierde der Leser, in einer fremden Biographie herumzuschnüffeln, scheinbar nie so rückhaltlos bedient“, doch vertrat Karasek die Auffassung, „daß Frisch durch seine Aufrichtigkeit, durch das Vermögen seiner heiter-schmerzlichen Distanz und durch die formale Meisterschaft einer kühlen und zugleich betroffenen Schreibart jeden aufdringlichen Schweißgeruch einer unzumutbaren Nähe der Privatheit vermeiden kann.“<ref>[[Hellmuth Karasek]]: [{{Der Spiegel|41406357|Titel=Bekenntnisse auf Distanz|Text=}} ''Bekenntnisse auf Distanz'']. In: [[Der Spiegel]] vom 29. September 1975, Seite 196.</ref> Volker Hage zeigte sich begeistert, wie Frisch die eigene Person zum Gegenstand der Betrachtung mache: „Das ist das Bestechende an ''Montauk'': Wie einer über sich und von sich erzählt, ohne die Gewissheit zu verbreiten: So bin ich, so war ich, seht her – mein Leben! Und das Verwunderliche: Je mehr er über sich verrät, dieser Max Frisch, desto mehr wird er auch sich selber zu einer Romanfigur.“ ''Montauk'' war für ihn „gerade so, bruchstückhaft, andeutend und skizzierend […] ein Schlüsselwerk der Epoche geworden: ein moderner Liebesroman.“<ref name="hage" /> Alexander Stephan urteilte: „''Montauk'' ist nicht nur das privateste, es ist auch eines der kunstvollsten Bücher von Max Frisch.“ Die Erzählung sei „ein Buch über die Schwierigkeiten, Leben zu beschreiben und Literatur zu leben.“<ref>Stephan: ''Max Frisch'', S. 117–118.</ref> Nicht jene [[Voyeurismus|Voyeure]] würden bedient, die sich Einblicke in die Intimsphäre erhofften, sondern solche, „die gern einen Blick in die literarische Werkstatt eines Autors werfen“, der seit vier Jahrzehnten seine eigene Biografie in Fiktion verwandle.<ref>Stephan: ''Max Frisch'', S. 121.</ref> [[Joachim Kaiser]] schloss: „An diesem Buch darf kein Frisch-Freund, kein Zeitgenosse vorbei.“<ref>[[Joachim Kaiser]]: ''Stundenbuch einer späten Liebe''. In: [[Süddeutsche Zeitung]] vom 8. Oktober 1975, Literaturbeilage.</ref> 1981 setzte Richard Dindo die Erzählung im Dokumentarfilm ''Max Frisch, Journal I–III'' um.<ref>[http://media.zhdk.ch/signatur/4697 Szenenfotos aus ''Max Frisch, Journal I–III''] im Medien- und Informationszentrum der [[Zürcher Hochschule der Künste]].</ref> Max Frisch, anfangs fasziniert von dem Plan, entwickelte später Vorbehalte dagegen, dass im Bild zu sehen sein solle, „[w]as im Wort eine andere und eigentliche Wirklichkeit gewonnen hat durch die Imagination des Lesers.“ Zudem habe er „kein Bedürfnis nach Öffentlichkeit in der Auseinandersetzung mit meiner Vergangenheit.“ Das Thema sei für ihn mit dem Montauk-Text abgeschlossen.<ref>''Max Frisch an Richard Dindo''. In: Bolliger (Hrsg.): ''jetzt: max frisch'', S. 226–227.</ref> Zwar stimmte Frisch den Dreharbeiten schließlich doch zu, beteiligte sich selbst allerdings nicht an ihnen. Aus dem ursprünglich geplanten Dreiteiler wurde am Ende ein Film von 122 Minuten, laut Ruedi Christen „ein filmischer Essay, der dem Zuschauer einiges an Durchhaltevermögen und geistiger Arbeit abverlangt.“<ref>Christen: ''Max Frisch, Journal I-III'', S. 222.</ref> == Literatur == === Textausgaben === * Max Frisch: ''Montauk''. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1975, ISBN 3-518-02871-5. (Erstausgabe) * Max Frisch: ''Montauk''. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1981, ISBN 3-518-37200-9 .(Auf diese Fassung beziehen sich die angegebenen Seitenzahlen) * Max Frisch: ''Montauk''. Vollständige Lesung von [[Felix von Manteuffel]]. Der Hörverlag, München 2008, ISBN 978-3-86717-278-3. === Sekundärliteratur === * [[Volker Hage]]: ''Auf den Spuren der Dichtung''. Goldmann, München 1997, ISBN 3-442-75005-9, S. 163–181. * Lübbert R. Haneborger: ''Max Frisch – Das Prosa-Spätwerk''. Books on Demand, Norderstedt 2008, ISBN 3-8370-2985-9, S. 29–56. * Sybille Heidenreich: ''Max Frisch: Stiller, Mein Name sei Gantenbein, Montauk''. Analysen und Reflexionen Band 15. Beyer, Hollfeld 2007, ISBN 3-88805-152-5, S. 123–147. * Gerhard vom Hofe: ''Zauber ohne Zukunft. Zur autobiographischen Korrektur in Max Frischs Erzählung „Montauk“''. In: Walter Schmitz (Hrsg.): ''Max Frisch'', Suhrkamp, Frankfurt am Main 1987, ISBN 3-518-38559-3, S. 340–369. * Gerhard P. Knapp: ''Noch einmal: Das Spiel mit der Identität. Zu Max Frischs Montauk''. In: Gerhard P. Knapp (Hrsg.): ''Max Frisch. Aspekte des Prosawerks''. Peter Lang, Bern 1978, ISBN 3-261-02996-X, S. 285–307. * Jürgen H. Petersen: ''Max Frisch''. Metzler, Stuttgart 2002, ISBN 3-476-13173-4, S. 150–158. * Walter Schmitz: ''Max Frisch: Das Spätwerk (1962–1982). Eine Einführung''. Francke, Tübingen 1985, ISBN 3-7720-1721-5, S. 101–112. == Weblinks == * [[Volker Weidermann]]: ''[http://www.faz.net/s/Rub117C535CDF414415BB243B181B8B60AE/Doc~E61B0CD231DBB4B0AB26B93148B48BFE6~ATpl~Ecommon~Scontent.html?nwl_themendestages#A3F39FBB3B514FEF976F8803DBD740D6 Sie wusste, wo es schön sein würde].'' In: [[FAZ.net]] vom 6. April 2010. == Einzelnachweise == <references /> {{Navigationsleiste Werke von Max Frisch}} [[Kategorie:Literatur (20. Jahrhundert)]] [[Kategorie:Literatur (Deutsch)]] [[Kategorie:Erzählung]] [[Kategorie:Werk von Max Frisch]] {{Exzellent}} [[bg:Монтаук]] [[en:Montauk (novel)]] 784fskahci7yueat9mm5qeellakkkt7 wikitext text/x-wiki Mornellregenpfeifer 0 23953 26551 2010-05-08T11:36:30Z SteveK 0 Linkfix nach Verschiebung <!-- Für Informationen zum Umgang mit dieser Tabelle siehe bitte [[Wikipedia:Taxoboxen]]. --> {{Taxobox | Taxon_Name = Mornellregenpfeifer | Taxon_WissName = Charadrius morinellus | Taxon_Rang = Art | Taxon_Autor = [[Carl von Linné|Linnaeus]], 1758 | Taxon2_WissName = Charadrius | Taxon2_Rang = Gattung | Taxon3_Name = Eigentliche Regenpfeifer | Taxon3_WissName = Charadriinae | Taxon3_Rang = Unterfamilie | Taxon4_Name = Regenpfeifer | Taxon4_WissName = Charadriidae | Taxon4_Rang = Familie | Taxon5_Name = Regenpfeiferartige | Taxon5_WissName = Charadriiformes | Taxon5_Rang = Ordnung | Taxon6_Name = Vögel | Taxon6_WissName = Aves | Taxon6_Rang = Klasse | Bild = Charadrius morinellus male.jpg | Bildbeschreibung = Mornellregenpfeifer (''Charadrius morinellus'') }} Der '''Mornellregenpfeifer''' (''Charadrius morinellus''), meist Mornell genannt, ist ein Vertreter der [[Eigentliche Regenpfeifer|Eigentlichen Regenpfeifer]] (Charadriinae). Die Hauptbrutgebiete der Art liegen in den [[Tundra|Tundren]] Eurasiens am und nördlich des [[Polarkreis]]es. In Südwest- und Südeuropa sowie im [[Alpen]]bereich bestehen individuenarme Reliktvorkommen. Es sind keine Unterarten des Mornellregenpfeifers bekannt. In der wissenschaftlichen Literatur wird häufig auch die Gattungsbezeichnung ''Eudromias'' verwendet. == Aussehen == Der Mornell ist etwas kleiner als eine [[Amsel]], wirkt jedoch auf Grund seiner recht langen, gelben Beine wesentlich größer. Er gehört zu den mittelgroßen Regenpfeifern, deutlich größer als etwa der [[Flussregenpfeifer]] (''Charadrius dubius''), aber kleiner als der bekannte [[Kiebitz (Art)|Kiebitz]] (''Vanellus vanellus''). [[Datei:Charadrius morinellus male with chicks.jpg|thumb|280px|left|Männchen mit Küken]]Im Brutkleid ist die Art unverkennbar, die Geschlechtsbestimmung aber nicht ganz einfach. Wichtigstes Feldkennzeichen im bunten Prachtkleid ist der breite, bis in den Nacken verlaufende weiße Überaugenstreif. Diese Überaugenstreifen laufen auf dem Hinterkopf zusammen und bilden dort ein V. Der Scheitel ist schwarz, die Kehle weiß. Markant ist weiters ein weißes, dünn dunkel eingefasstes Brustband, das den schiefergrauen Hals und Nacken vom leuchtend rostroten, ins schwärzliche verlaufenden Bauch trennt. Rücken und Flügel sind braun mit deutlich helleren Einfassungen der einzelnen Federpartien. Der im [[Flugbild]] runde Unterschwanz ist weiß. Das Weibchen ist etwas intensiver und kontrastreicher gefärbt. Im Schlichtkleid verblassen alle Farben, insbesondere die des Bauches, der dann gelblich bis weiß gefärbt ist. Auch der Brustring ist nicht mehr deutlich erkennbar, sodass erhebliche Verwechslungsgefahr vor allem mit [[Goldregenpfeifer]]arten wie dem [[Amerikanischer Goldregenpfeifer|Amerikanischen Goldregenpfeifer]] (''Pluvialis dominica'') sowie dem [[Wermutregenpfeifer]] (''Charadrius asiaticus'') besteht. Das Federkleid von Jungvögeln ähnelt sehr stark dem Schlichtkleid der Altvögel. === Flug und Flugbild === Im Flug wirkt die Art von der Unterseite her relativ hell; die typisch regenpfeiferartigen, abgewinkelten und spitz zulaufenden Flügel haben keine auffallenden Zeichnungen. Von oben gesehen erscheint der sehr schnell und wendungsreich fliegende Vogel einheitlich bräunlich, ohne auffallenden hellen Flügelstreif. === Maße und Gewicht === Die Gesamtlänge von Schnabelspitze zur Schwanzspitze beträgt im Durchschnitt 21 Zentimeter. Zwischen den Geschlechtern bestehen keine Größenunterschiede. Ein Flügel misst etwa 15 Zentimeter, die Spannweite beträgt rund 60 Zentimeter. Auf den Schwanz entfallen knappe 7 Zentimeter, der Schnabel ist etwas über 1,5 Zentimeter lang. Adulte Männchen wiegen rund 100 Gramm, Weibchen sind mit 120 Gramm etwas schwerer. Küken wiegen mit drei Tagen weniger als 2, mit 14 Tagen aber bereits an die 70 Gramm. == Stimme == Der Mornellregenpfeifer zeigt ein großes Spektrum verschiedener Lautäußerungen. Fast alle wirken trotz ihrer weiten Reichweite meist weich und gedämpft. Am häufigsten ist ein flötendes, gereihtes ''Düii(rr)''oder püii zu hören, wobei die letzte Silbe deutlich abgehoben ist. Dieser Gesang wird in einem langsamen, eulenartig anmutenden Singflug von beiden Geschlechtern vorgetragen. Daneben ist der ebenfalls gereihte, rasch verklingende Abflugruf, der wie ''dirr'' oder ''pürr'' klingt, relativ häufig zu hören. Oft kombiniert der Mornellregenpfeifer verschiedene Elemente seines Stimmrepertoires. == Verbreitung == [[Datei: charadrius morinellus distr..png|thumb|320px|'''orange: '''Verbreitungsgebiete <br /> '''gelb schraffiert:''' Brutverbreitung nicht gesichert <br /> '''blau: '''Bisher bekannte Überwinterungsgebiete]]Das Verbreitungsgebiet des Mornell ist disjunkt in einige weit von einander getrennte Teilareale aufgesplittert. Die Art brütet in [[Schottland]], in den [[Skandinavien|skandinavischen]] [[Fjäll]]- und Tundrengebieten, auf der Halbinsel [[Kola]] und im südlichen Teil von [[Nowaja Semlja]]. Sehr vereinzelt kommt sie im nördlichen Teil des [[Ural]]gebirges vor. Ein großes, geschlossenes Verbreitungsgebiet liegt im [[Altai]]gebirge und seinen östlichen Ausläufern; es reicht bis südlich und nordöstlich des [[Baikalsee]]s. Zwischen der Mündung des [[Ob]] und der der [[Lena (Arktischer Ozean)|Lena]] scheint der Mornellregenpfeifer nur sehr selten vorzukommen, beziehungsweise ganz zu fehlen. Die Verbreitungsangaben zu diesem Gebiet sind jedenfalls uneinheitlich und zum Teil widersprüchlich. Erst östlich der Lenamündung beginnen wieder große, geschlossene Vorkommen, die ostwärts bis ins [[Anadyr (Fluss)|Anadyrgebiet]] und südostwärts in einem breit ausladenden Finger in das [[Werchojansker Gebirge]] und bis zum Mittellauf der [[Kolyma]] reichen. Wieder isoliert von diesen Vorkommen brütet der Mornell auf der [[Tschuktschen-Halbinsel]] und wahrscheinlich auf einigen der vorgelagerten [[Neusibirische Inseln|neusibirischen Inseln]] sowie auf der [[Taimyr-Halbinsel]]. Auch von [[Point Barrow]] sowie den kleinen ''Plover islands'' (Regenpfeiferinseln) an der Nordspitze [[Alaska]]s wurden und werden Brutvorkommen gemeldet. === Reliktvorkommen in Europa === Der Mornellregenpfeifer brütet nicht mehr regelmäßig und zudem in äußerst kleinen Individuenzahlen in einigen Gebirgsregionen Europas. Geographisch völlig isolierte Bruten gab es in [[Koog|Poldergebieten]] der Niederlande (in intensivst landwirtschaftlich genutzten Bereichen!) 1961 bis 1969. [[Datei:Mornell Zirbitzkogel.jpg|thumb|350px|left|Bruthabitat des Mornellregenpfeifers auf dem [[Zirbitzkogel]]]] In Österreich bestehen Brutvorkommen auf dem [[Zirbitzkogel]] in der [[Steiermark]] und unregelmäßig in einigen montanen Gebieten [[Kärnten]]s. Auch das Vorkommen in den [[Abruzzen]] (Parco Nazionale della [[Nationalpark Majella|Majella]]) besteht weiter, allerdings in sehr kleiner Zahl. Ob der Mornellregenpfeifer noch gelegentlich in den [[Vogesen]], in der [[Hohe Tatra|Hohen Tatra]], sowie im [[Riesengebirge]] brütet, ist nicht bekannt. Brutzeit- und Zugbeobachtungen werden jedoch aus diesen Gebieten berichtet. Unklar ist auch, ob die Art noch in den [[Pyrenäen]], in den Süd[[karpaten]] sowie an einigen Stellen Nordgriechenlands als Brutvogel vorkommt, und wie groß die Anzahl der dort brütenden Paare ist. == Lebensraum == Der Mornellregenpfeifer ist ein Bewohner meist trockener, etwas erhobener Bereiche der [[Flechte]]n[[tundra]] am und nördlich des Polarkreises. In den skandinavischen Fjälls brütet er oberhalb der Birkenzone. Er bevorzugt trockene, weitgehend flache, überschaubare Gebiete mit nur spärlicher, niedriger Vegetation. Areale mit vereinzelten vegetationslosen und steindurchsetzten Abschnitten werden besonders geschätzt. Die vergleichsweise Seltenheit dieser Habitatsstrukturen in den Tundrengebieten Eurasiens erklärt zum Teil die sehr aufgesplitterte Verbreitung dieses Regenpfeifers. Am Polarkreis brütet die Art nahe dem Meeresspiegel, in Innerasien bis in Höhen von über 3500 Metern. Die höchstgelegenen europäischen Brutplätze befanden, beziehungsweise befinden sich in den Bündner Alpen in [[Graubünden]] auf ungefähr 2600 Metern sowie auf dem [[Zirbitzkogel]] in der [[Steiermark]] auf rund 2200 Metern. In Mitteleuropa bevorzugt der Mornell Berge mit sanften Rücken und weitflächigen Plateaus, die spärlich mit [[Pflanzensoziologische Einheiten nach Oberdorfer|Krummseggen]] (''Caricetum curvulae'') und ihren Begleitpflanzen bewachsen sind. In den [[Abruzzen]] bildeten fast vegetationslose Kalkgeröllebenen mit nur vereinzelten Vegetationsinseln sein Bruthabitat. Völlig abweichend von diesen Habitatstrukturen brütete der Mornellregenpfeifer in den Jahren 1961 bis 1969 auf neuen Poldern im [[IJsselmeer]] auf intensivst landwirtschaftlich genutzten Flächen. Allerdings wurden nur relativ frisch trocken gelegte Bereiche besiedelt. == Nahrung == Die Nahrung des Mornell besteht vor allem, aber nicht ausschließlich aus Insekten. Dabei nimmt er Tiere von Mückengröße bis zur Größe von [[Echte Grillen|Grillen]] und großen [[Hummeln]] auf. Es scheint eine gewisse Präferenz für hart gepanzerte Käferarten, wie [[Laufkäfer]] und [[Rüsselkäfer]] zu bestehen. Auch die Larven von [[Schnellkäfer]]n, die so genannten [[Drahtwürmer]], werden gerne verzehrt. Heuschrecken, Schmetterlinge oder Würmer spielen dagegen keine wesentliche Rolle. In manchen Überwinterungsgebieten ernähren sich Mornellregenpfeifer offenbar hauptsächlich von verschiedenen kleinen Schneckenarten. In zwar kleinen Mengen aber regelmäßig nimmt der Mornell pflanzliche Nahrung in Form von Blättern und Beeren zu sich. Ebenso fanden sich in den Mägen untersuchter Vögel meistens kleine Steinchen ([[Gastrolith]]en). Die Nahrung wird pickend am Boden, laufend in kleinen Verfolgungsjagden bzw. in kurzen Flugjagden erbeutet. == Verhalten == Der Mornell ist kein sehr scheuer Vogel. In seinem subarktischen Lebensraum ist seine Fluchtdistanz - insbesondere während der Brutzeit - vor dem Menschen sogar auffallend gering. Während der Brutzeit ist ein Mornellpaar streng territorial, außerhalb dieser Zeit leben die Vögel jedoch in kleinen, oft in Altersklassen beziehungsweise Geschlechtern differenzierten Gruppen gesellig zusammen. Im Hauptverbreitungsgebiet im Bereich des Polarkreises ist der Mornell während 24 Stunden aktiv, legt allerdings innerhalb dieser Zeit lange Ruhe- und Putzpausen ein. In seinen alpinen Brutgebieten beginnt die Aktivitätsphase des Vogels erst etwa zwei Stunden nach Sonnenaufgang und endet bereits wieder gut eine Stunde, bevor die Sonne untergeht. <br /> Auffällig sind die vor allem bei Beunruhigung besonders intensiven ''ruckenden'' Bewegungen des Oberkörpers, der reißend schnelle, nieder über den Erdboden führende Flug, sowie das ''Wachtpostenstehen'' mit auffallendem ''Wegschauen'' auf kleinen Erhebungen im Brutgebiet. Grundsätzlich besteht beim Mornell in einigen Verhaltensweisen, insbesondere im Sexual- und Aggressionsbereich eine gewisse [[Rollenumkehr]], das heißt, Verhaltensweisen, die im Allgemeinen vom Männchen erwartet werden, werden bei den Mornellregenpfeifern stärker vom weiblichen Tier praktiziert. === Paarbildung === Die oben erwähnte Rollenumkehr wird im Balzverhalten dieser Art sowie in deren Brutbiologie besonders deutlich. Häufig ist eine solche, im Englischen ''reverse sex role'' genannte Verhaltensausrichtung bereits in der Gefiederfärbung angedeutet. Der Mornellregenpfeifer schreitet im Allgemeinen erst in seinem 3. Sommer zur ersten Brut, doch sind auch Bruten im zweiten Sommer bekannt geworden. Die Paarbildung resultiert aus einer anfangs nicht partnerbezogenen Gruppenbalz, innerhalb der das Weibchen der aktivere Teil ist. Die Balz beginnt erst im Brutgebiet, hochnordisch brütende Populationen erscheinen jedoch schon locker verpaart im Brutareal. Das Weibchen versucht durch Scheinfluchten, Sich-Ducken beziehungsweise durch Scheinbrüten, die Aufmerksamkeit eines Männchens auf sich zu ziehen. Erfolgt keine Reaktion eines Männchens, kehrt das Weibchen zur Balzgruppe zurück. Zwischen den Weibchen kann es zu kleinen Auseinandersetzungen um ein Männchen kommen. Die meist aus weniger als 10 Individuen bestehenden Balzgruppen wechseln oft ihren Standort; auch die Gruppenmitglieder sind variabel. Findet sich ein Paar, sondert es sich von der Gruppe ab und beginnt ein Revier zu besetzen, das von beiden Vögeln energisch verteidigt wird. Diese Partnerbindung besteht häufig bis zum Ausschlüpfen der Küken. Die Weibchen können aber auch während der Bebrütung des ersten Geleges weitere Männchen mit Vollgelegen versorgen. (Sukzessive [[Polyandrie]]). In isolierten Kleinvorkommen kann zuweilen ein merklicher Überschuss an brutbereiten Weibchen herrschen, sodass es zur Eiablage von unbefruchteten Eiern, sowie zu Weibchenpaaren kommt, die auf unbefruchteten Eiern sitzen. === Brutbiologie === Der Neststandort ist meist eine etwas erhobene, trockene und ebene Stelle. Freie Rundumsicht und ein kurzrasiger Bewuchs haben Priorität. Das Nest selbst ist nur eine angedeutete Mulde; ein wenig wird es mit Pflanzenmaterial aus der unmittelbaren Umgebung ausgelegt. In alpinen Nestern wurde vor allem die Weiße [[Schlauchflechte]] (''Thamniola vermicularis'') als Nistmaterial verwendet. [[Datei: charadrius morinellus clutch.jpg|thumb|280px|Typisches Dreiergelege]]Ein Vollgelege besteht in der Regel aus drei, mit im Durchschnitt 42×28 Millimetern relativ großen, lehmbraunen bis olivgrünen Eiern, die eine dunkelbraune bis schwarze Fleckung aufweisen. Die Nachgelege umfassen selten mehr als zwei Eier. Die innerhalb von etwa 36 Stunden gelegten Eier werden erst nach Ablage des letzten Eies intensiv vom Männchen bebrütet. Das Weibchen befindet sich aber häufig in der Nähe des Nestes, steht im Stimmkontakt mit dem Männchen und beteiligt sich an der Abwehr von Feinden. Die Beteiligung der Weibchen am Brutgeschäft ist sehr unterschiedlich, zu Beginn und gegen Ende der Brutperiode ist sie am stärksten, sie kann aber auch ganz unterbleiben. Die Küken werden vom Männchen sehr bald nach dem Schlüpfen vom Nest weggeführt, was für das zuletzt geschlüpfte oft sehr mühsam ist und zu Verlusten führt. Der Aktionsradius beträgt nach dem Schlüpftag maximal etwa 50 Meter, am dritten Tag kann sich die Familiengruppe aber bereits über 700 Meter und einige 100 Höhenmeter vom Neststandort entfernt haben. Ab dieser Zeit vertreibt das Männchen auch das Weibchen aus der Nähe der Küken. Beobachtungen deuten jedoch darauf hin, dass führende Männchen nichtführende Geschlechtsgenossen in der Umgebung der Jungen dulden, und diese sich auch an der Feindabwehr beteiligen. Die Führungszeit beträgt etwa 30 Tage. Danach löst sich der Verband auf. === Aggressions- und Feindverhalten === Auch im Aggressionsverhalten sind die Weibchen dieser Art dominierender. Sie imponieren häufiger mit ''Schwanzfächern'', ''Flügelausbreiten'' und ''Präsentieren'' der markanten Gefiederpartien der Brust- und Bauchseite. In Rivalenkämpfen kann es zu Körperkontakt und kleinen Körperverletzungen kommen. === Verleiten === Besonders ausgeprägt ist das [[Verleiten|Verleite-Verhalten]] des Mornell. Je nach der individuell empfundenen Qualität der Bedrohung zeigt die Art sehr unterschiedliche und expressive Verhaltensweisen. Als geringste Verleite-Antwort wird das ''Wegsehen'' gedeutet. Dabei wendet sich der Vogel vom erkannten Eindringling ab, zeigt dadurch das markante Scheitel-V, fixiert aber trotzdem den potentiellen Feind. Die nächste Stufe ist durch ''Auffälliges Weglaufen'' gekennzeichnet, wobei oft hinkende und schlingernde Schritte raschem Laufen folgen, ein oder beide Flügel halb gefächert am Boden schleifen. Begleitet ist dieses ''Weglaufen'' von klagenden Rufreihen. Kann der Mornell den Eindringling noch immer nicht von seinem Nest oder den geführten Küken ablenken, präsentiert er sich mit konvulsischem Flügel- Beine - und Schwanzzittern ''sterbend''. Dieses Verleiten zeigen beide Geschlechter, bei den Männchen ist es expressiver. == Wanderungen == Der Mornell ist in seinem gesamten Verbreitungsgebiet ein obligater Zugvogel, mit einem, im Verhältnis zu seinem riesigen Verbreitungsgebiet relativ kleinen Überwinterungsgebiet im nördlichen Afrika sowie im [[Naher Osten|Nahen Osten]]. Von Ende Juli an werden die Brutplätze geräumt, wobei die Weibchen etwa drei Wochen vor den Männchen und Jungvögeln abziehen. Der Zug erfolgt auf traditionellen Zugrouten in breiter [[Breitfrontzug|Front]] meist in kleinen Trupps oder Gruppen von 20 - 30 Individuen. Traditionelle Rast- und Mauserplätze (zum Beispiel auf dem [[Cassonsgrat]] in den [[Bündner Alpen]], dem [[Chasseral]] im Berner [[Jura (Gebirge)|Jura]], beziehungsweise an einigen Stellen nördlich des [[Kaspisches Meer|Kaspischen Meeres]]) werden über Jahrzehnte hinweg immer wieder aufgesucht. Viele der europäischen Vögel scheinen jedoch auch in einem Nonstopflug ihr Winterquartier zu erreichen. Die ostasiatischen Vögel legen auf ihrem Zug eine Strecke von bis zu 10.000 Kilometern zurück. Insgesamt erfolgen aber sowohl Wegzug und - in noch größerem Maße - Heimzug sehr heimlich, sodass Mornells auf ihrem Zuge eher für Irrgäste gehalten werden als für reguläre Zugvögel. Die wesentlichsten Überwinterungsgebiete für die Mehrzahl der europäischen Vögel liegen im nordwestlichen Afrika, insbesondere im [[Hoher Atlas|Atlasgebiet]]. Die asiatischen Populationen suchen Quartiere auf der [[Sinai-Halbinsel]], sowie im [[Irak]] und im [[Iran]] auf. Meist handelt es sich um [[semiarid]]e, offene Gebiete, Wüsten werden gemieden. Der Heimzug beginnt Mitte Februar. Mitte März haben alle Mornells ihr Überwinterungsgebiet verlassen. Die Ankunft in den Brutgebieten erfolgt ab Ende April. == Bestandssituation == Obwohl in den schottischen und finnischen Verbreitungsgebieten erhebliche Bestandsrückgänge festgestellt wurden, wird der Bestand der Art insgesamt noch immer mit S (''secure'' - gesichert) bewertet. In dieser Bewertung nicht evaluiert sind die großen nordostsibirischen und zentralasiatischen Vorkommen, über deren Dynamik zu wenig bekannt ist. Die äußerst individuenarmen europäischen Reliktvorkommen unterliegen sehr großen Schwankungen. 1971 und 1995 konnten im Zirbitzkogelgebiet 5 Gelege gezählt werden, von 2001–2004 wurden keine Gelege festgestellt. 2004 konnten jedoch wieder 4 Durchzügler beobachtet werden. == Namensherleitung == ''Charadrius'' ist eine Bezeichnung, die [[Aristoteles]] in seiner ''Tierkunde'' verwendet. Zusammengefasst werden unter diesem Namen wassernah lebende Vögel ohne Schwimmhäute. Der zweite gebräuchliche Gattungsname ''Eudromias'' umreißt die flinken, gewandten Bewegungen des Mornell zu Lande. Er ist aus griech. ''eū'' = ''gut'' und ''ho drómos'' = ''der Läufer'' zusammengesetzt. Die Artbezeichnung beschreibt das wenig scheue Verhalten des Mornell, das als närrisch, beziehungsweise töricht empfunden wurde. Das lat. Nomen ''morinellus'' bedeutet ''kleiner Narr''. Eine frühere deutsche Bezeichnung lautete ''Dummer Regenpfeifer''. Auch der englische Name ''Dotterel'' umschreibt diese, als unklug erachtete Verhaltensweise. Der Bedeutungskern von ''Dotterel'' liegt im engl. ''dote'', das ''kindisch sein'', ''nicht ganz klar sein'' bedeuten kann. == ''Mein Freund, der Regenpfeifer'' == Der schwedische Naturfotograf und -schriftsteller [[Bengt Berg]] widmete dem Mornellregenpfeifer das Buch ''Mein Freund, der Regenpfeifer'' (1925), in dem er seine Erlebnisse im schwedischen [[Fjäll]] beschreibt. Dabei vermenschlichte Berg systematisch die Verhaltensweisen des ''Láhol'' (Name des Mornellregenpfeifers in der [[Samische Sprachen|samischen Sprache]]), um die Identifikation des Lesers mit dem Tier zu fördern. Das Buch trug im deutschsprachigen Raum erheblich zur Popularisierung eines romantisch geprägten Naturkunde- und Naturschutz-Gedankens bei. == Literatur == * Helwig Brunner: ''Der Mornellregenpfeifer (Eudromias morinellus) im alpinen Raum''. Dipl.-Arb. Univ. Graz, Graz 1992. * Bettina Mirtner-Lausecker: ''Nistplatzwahl des Mornellregenpfeifers (Eudromias morinellus'' L.'') in den Wölzer Tauern.'' Dipl. Arb. Univ. Graz, Graz 2005 * ''[[Handbuch der Vögel Mitteleuropas]].'' Bd 6. AULA, Wiesbaden 1999, S. 281-313. ISBN 3-89104-635-9 * Hans Günther Bauer, [[Peter Berthold]]: ''Die Brutvögel Mitteleuropas. Bestand und Gefährdung''. AULA, Wiesbaden 1997, S. 175, 538, 674, 682, 690, 699. ISBN 3-89104-613-8 * Mark Beaman, Steve Magde: ''Handbuch der Vogelbestimmung''. Ulmer, Stuttgart 1998, S. 307, 360. ISBN 3-89104-613-8 * Ulrich Brendel: ''Vögel der Alpen''. Ulmer, Stuttgart 1998, S. 50f. ISBN 3-8001-3502-7 * Viktor Wember: ''Die Namen der Vögel Europas''. Aula, Wiesbaden 2005. ISBN 3-89104-678-2 == Anmerkungen == * Die Bestandszahlen zur Verbreitung auf dem Zirbitzkogel wurden freundlicherweise von Prof. Dr.&nbsp;Peter Sackl, Joanneum Graz, zur Verfügung gestellt. * Die Fotos wurden von Helwig Brunner im Rahmen seiner Diplomarbeit gemacht. Dankenswerter Weise stellte sie ebenfalls Prof. Dr.&nbsp;Peter Sackl der Wikipedia zur Verfügung. == Weblinks == * [http://www.scricciolo.com/eurosongs/Charadrius.morinellus.wav Stimmbeispiel Fluggesang] * [http://www.birdlife.org/datazone/species/BirdsInEuropeII/BiE2004Sp3147.pdf Factsheet von Birdlife international 2005] (PDF-Datei; 275 kB) * [http://www.birdphotography.com/species/eudo.html Abbildung eines Jungvogels im ersten Frühjahr] * [http://avesphoto.com/website/EU/species/DOTEUR-1.htm Männchen im Prachtkleid] * [http://ecoinf.uran.ru/content/2birds/m123.shtml Sehr gute Abbildungen der wichtigsten Kleider] {{Wiktionary|Mornellregenpfeifer}} {{Commons|Charadrius morinellus|Mornellregenpfeifer}} * {{IBC|ID=eurasian-dotterel-charadrius-morinellus|Titel=Charadrius morinellus}} {{Exzellent}} [[Kategorie:Regenpfeifer]] [[bg:Планински дъждосвирец]] [[br:Morlivid-menez]] [[ca:Corriol pit-roig]] [[cs:Kulík hnědý]] [[cy:Hutan y Mynydd]] [[da:Pomeransfugl]] [[en:Eurasian Dotterel]] [[eo:Morinelo]] [[es:Charadrius morinellus]] [[fi:Keräkurmitsa]] [[fr:Pluvier guignard]] [[fy:Grutte Bûnte Wilster]] [[gl:Píllara rubia]] [[hu:Havasi lile]] [[it:Charadrius morinellus]] [[ja:コバシチドリ]] [[lt:Mornelis]] [[nl:Morinelplevier]] [[nn:Boltit]] [[no:Boltit]] [[pl:Mornel]] [[pt:Borrelho-ruivo]] [[ru:Хрустан]] [[sah:Алтан түөс]] [[sv:Fjällpipare]] [[tr:Dağ cılıbıtı]] [[zh:小嘴鸻]] rpxl370us2310xln4gb3pb5erqnezw6 wikitext text/x-wiki Jim Morrison 0 23954 26552 2010-05-05T16:18:00Z Umweltschützen 0 Änderungen von [[Special:Beiträge/84.115.168.164|84.115.168.164]] rückgängig gemacht und letzte Version von Engie wiederhergestellt [[Datei:Jim Morrison Briefmarke Deutsche Bundespost 1988 ungestempelt Schuschke.png|miniatur|Jim Morrison auf einer Briefmarke der Deutschen Bundespost 1988]] '''James Douglas „Jim“ Morrison''' (* [[8. Dezember]] [[1943]] in [[Melbourne (Florida)|Melbourne]], [[Florida]]; † [[3. Juli]] [[1971]] in [[Paris]]) war ein US-amerikanischer Sänger, [[Songwriter]] und [[Lyriker]]. Er war der [[Frontmann]] der Rockgruppe [[The Doors]], deren Songtexte überwiegend von ihm stammen. Jim Morrison gilt als Rockmusiker, der die Fantasien, Visionen, Ängste und die Selbstdestruktivität der Generation der späten sechziger Jahre artikulierte und exemplarisch auslebte.<ref>Mike Clifford: ''The new illustrated Rock Handbook''. Salamander Books Limited, London, 1986. S.67.</ref> Er zählt zu den charismatischsten Persönlichkeiten der Rockmusik dieser Zeit. Gemeinsam mit den Doors erweiterte er das Repertoire der Rockmusik um mehrschichtige Konzeptstücke und Formen des Rocktheaters. Morrison, von dem zu Lebzeiten drei Gedichtbände veröffentlicht wurden, nutzte die Doors-Konzerte regelmäßig für spontane [[Rezitation]]en poetischer Texte. Er produzierte einen Dokumentarfilm über die Doors sowie einen experimentellen Spielfilm. Obwohl Morrison sich durch seinen Rock-[[Bariton (Stimmlage)|Bariton]] und poetische Songtexte einen Namen gemacht hat, wurde er in späteren Jahren meist mit einem aufrührerischen und selbstzerstörerischen Lebensstil assoziiert. Der frühe Tod Morrisons, dessen nähere Umstände nicht mit Sicherheit geklärt werden konnten, trug erheblich zur Legendenbildung um seine Person bei. == Leben == === Kindheit und Jugend === [[Datei:Historic Downtown Melbourne.jpg|miniatur|Jim Morrisons Geburtsort [[Melbourne (Florida)]], in der Nähe des späteren [[Kennedy Space Center]]]] Jim Morrison wurde als erstes Kind von George Stephen Morrison (1919–2008) und Clara Virginia (Clarke) Morrison (1919–2005) geboren. Er hatte zwei Geschwister, Anne Robin (*&nbsp;1947) und Andrew Lee (*&nbsp;1948). Morrisons Vater war Offizier der [[United States Navy|Marine der Vereinigten Staaten]]. Deshalb zog Morrisons Familie häufig um. Bis zu seinem Schulabschluss lebte er in verschiedenen Städten [[Florida]]s und [[Kalifornien]]s sowie jeweils zweimal in [[Washington D.C.]] und [[Albuquerque]]. Als prägende Erfahrung seiner Kindheit schilderte Morrison später, wie er als Vierjähriger auf einer Fernverkehrsstraße südwestlich Albuquerques aus dem Wagen seiner Eltern heraus einen schweren Autounfall von [[Pueblo-Kultur|Pueblo]]- oder [[Hopi]]-Indianern beobachtete.<ref>The Doors mit Ben Fong-Torres: ''The Doors: Die illustrierte autorisierte Biographie der Band''. Schwarzkopf & Schwarzkopf, Berlin 2007. S. 10.</ref> Auf dieses Schlüsselereignis nahm Morrison regelmäßig in Songtexten, Gedichten und Interviews Bezug. In seinen Texten spielte sich das Erlebnis an einem verunglückten Lastwagen ab, vor dem verletzte und tote Indianer auf der Straße lagen. Die Eltern hielten an, und Morrisons Vater sah nach, ob er helfen konnte. Bei einer Tankstelle in der Umgebung verständigte sein Vater die Highway-Polizei und einen Krankenwagen. Da sein Sohn von der Konfrontation mit dem Tod verstört war, versuchte der Vater ihm einzureden, dass er den Vorfall bloß geträumt habe.<ref>Stephen Davis: ''Jim Morrison – Life, Death, Legend''. Gotham, New York 2004. S. 7f. – Anders dagegen Jerry Hopkins, Daniel Sugerman: ''Keiner kommt hier lebend raus''. [[Heyne-Verlag|Heyne]], München ³1991. S. 14f.</ref> In späteren Interviews erklärte Jim Morrison, dass in diesem Moment die Seelen von toten Indianern in seinen Körper gewandert seien.<ref>Jerry Hopkins: ''Jim Morrison. Der König der Eidechsen.'' [[Schirmer/Mosel]], München 1993. S. 28.</ref> Bei der bekanntesten Umsetzung der Geschehnisse in dem Lied ''[[Morrison Hotel#Peace Frog|Peace Frog]]'' von der Doors-LP ''[[Morrison Hotel]]'' (1970) brachte Morrison die archaische Unfallszene mit einer vermeintlichen Seelenwanderung in Verbindung: {{Zitat-en|Indians scattered on dawn’s highway, bleeding<br /> Ghosts crowd the young child’s fragile, eggshell mind|Übersetzung=Indianer auf der Dämmerung Schnellstraße verstreut, blutend<br />Geister drängen auf den schwachen, zerbrechlichen Verstand des kleinen Kindes ein|The Doors|''Peace Frog'', 1970}} Morrisons Interesse an der Kultur der [[Indianer Nordamerikas|indianischen Völker]] des [[Südwesten der Vereinigten Staaten|amerikanischen Südwestens]] entwickelte sich während seiner Schulzeit weiter, als Morrisons Familie zeitweilig erneut in Albuquerque in [[New Mexico]] lebte und er dort Gelegenheit hatte, die Lebensräume der Ureinwohner näher kennenzulernen. Angesichts der beruflich bedingten Abwesenheit des Vaters, der regelmäßigen Umzüge der Familie quer durch die Vereinigten Staaten und einer strengen Erziehung<ref>Ray Manzarek: ''Light My Fire. My Life with the Doors''. Century, London 1998. S. 270f.</ref> fiel Morrison als Heranwachsender trotz guter schulischer Leistungen durch ausgeprägtes [[Störung des Sozialverhaltens|Problemverhalten]] gegenüber Lehrern und Mitschülern auf. 1958 besuchte er die Alameda High School in [[Alameda (Kalifornien)|Alameda]] (Kalifornien). Seinen Schulabschluss machte er im Juni 1961 an der George Washington High School in [[Alexandria (Virginia)|Alexandria]] ([[Virginia]]).<ref>Dazu ausführlich Mark Opasasnick: ''The Lizard King Was Here: The Life and Times of Jim Morrison in Alexandria, Virginia''. Xlibris, Philadelphia 2006.</ref> Als Jugendlicher zog Morrison auf Geheiß seiner Eltern im September 1961 zu seinen [[Presbyterianische Kirchen|presbyterianischen]] und streng [[Abstinenzbewegung|abstinenten]] Großeltern väterlicherseits nach [[Clearwater (Florida)|Clearwater]] (Florida). Morrison besuchte dort das St. Petersburg Junior College. Morrisons Vater wurde 1963 zum Kapitän des Flugzeugträgers [[USS Bon Homme Richard (CV-31)|USS Bon Homme Richard]] befördert. Bis zum Frühjahr 1964 versuchte der Vater vergeblich, seine Söhne für eine Karriere bei der Marine zu interessieren.<ref>Stephen Davis: ''Jim Morrison – Life, Death, Legend''. Gotham, New York 2004. S. 41, 47. – Vgl. [http://www.signonsandiego.com/news/obituaries/20081128-9999-1m28morrison.html www.signonsandiego.com: ''George „Steve“ Morrison; rear admiral flew combat missions in lengthy career''.] Zugriff am 25. August 2009.</ref> Um Jim Morrisons Sprachempfinden zu schulen, schenkte sein Vater ihm bei seinen Besuchen daheim häufig Bücher. Frühzeitig begriff Morrison die Sprache als mächtiges Werkzeug, unter anderem um sich gegen missliebige Autoritäten aufzulehnen. Im Alter von zwölf Jahren verfasste Morrison in Notizbüchern seine ersten, zum Teil aggressiv satirischen Gedichte, die er „Radio Essays“ nannte.<ref>Jim Morrison: ''The Scream of the Butterfly / Der Schrei des Schmetterlings. Bilder, Gedichte, Texte''. Zusammengestellt von Daniel Dreier. Schirmer/Mosel, München [u.a.] 1996. S. 13.</ref> Er las früh die unkonventionellen Bücher der [[Beat Generation]]. Dazu gehörten insbesondere [[Jack Kerouac]]s Schlüsselroman ''[[Unterwegs]]'', aber auch Werke der Schriftsteller [[Allen Ginsberg]] und [[Lawrence Ferlinghetti]], dessen „City Lights Bookstore“ Morrison 1958 in San Francisco nach der Lektüre Kerouacs mehrfach aufsuchte.<ref>Jerry Hopkins, Daniel Sugerman: ''Keiner kommt hier lebend raus''. Heyne, München ³1991. S. 20.</ref> Morrison studierte die Werke von [[Honoré de Balzac]], [[Charles Baudelaire]], [[Jean Cocteau]], [[James Joyce]] oder [[Arthur Rimbaud]]. Rimbaud war für Morrison „einer, der den Göttern das Feuer stahl und dafür bestraft werden würde.“<ref>Jim Morrison: ''The Scream of the Butterfly / Der Schrei des Schmetterlings''. Zusammengestellt von Daniel Dreier. Schirmer/Mosel, München [u.a.] 1996. S. 14.</ref> Morrison setzte sich mit [[Friedrich Nietzsche]]s ''[[Die Geburt der Tragödie aus dem Geiste der Musik|Geburt der Tragödie]]'' auseinander. [[Plutarch]]s Biografie von [[Alexander der Große|Alexander dem Großen]] beeindruckte ihn so, dass er [[Jay Sebring]] darum bat, seine Haare nach der Vorlage einer Alexander-Büste zu schneiden. Bei späteren Aufnahmen des Fotografen [[Joel Brodsky]], die dieser unter anderem für das Album ''[[The Doors (Album)|The Doors]]'' anfertigte, orientierte sich Morrison an der Kopfhaltung dieser Büste.<ref>Thomas Collmer: ''Pfeile gegen die Sonne – Der Dichter Jim Morrison und seine Vorbilder''. Maro, Augsburg 2009. S. 10.</ref> === Studium und Bandgründung === Das Studium, das er in [[Saint Petersburg]] (Florida) aufgenommenen hatte, setzte Morrison zwischen 1962 und 1963 an der [[Florida State University]] in [[Tallahassee]] fort, wo ein kurzer Studienwerbefilm mit ihm aufgezeichnet wurde. Morrison, der ursprünglich „Schriftsteller werden oder Soziologe, vielleicht Stücke schreiben“<ref name="jm-hop197">Jerry Hopkins: ''Jim Morrison. Der König der Eidechsen.'' Schirmer/Mosel, München 1993. S. 197.</ref> wollte, interessierte sich zunehmend für den Film und eine mögliche Arbeit in der Filmwirtschaft. Gegen den Willen seiner Eltern bewarb er sich im Oktober 1963 für ein Studium der [[Filmwissenschaft|Film- und Theaterwissenschaft]] in Kalifornien. Im Januar 1964 schrieb er sich an der [[University of California, Los Angeles]], (UCLA) ein und belegte dort Kurse bei dem österreichisch-amerikanischen Regisseur [[Josef von Sternberg]]. An der UCLA produzierte er auf der Grundlage von Aufnahmen eines Kommilitonen den Kurzfilm ''First Love'', der ebenso wie ein zweiter Film voller abrupter Brüche zu kontroversen Reaktionen und vehementer Ablehnung in den Filmseminaren führte.<ref>Stephen Davis: ''Jim Morrison – Life, Death, Legend''. Gotham, New York 2004. S. 64–67. – Jerry Hopkins, Daniel Sugerman: ''Keiner kommt hier lebend raus''. Heyne, München ³1991. S. 56f., 60–62.</ref> Im Juni 1965 schloss Morrison sein Studium erfolgreich mit einem [[Bachelor|Bachelor of Science]] der „Kinematographie“ ab. [[Datei:Los Angeles Venice2.jpg|miniatur|Ehemaliges Bürogebäude in [[Venice (Los Angeles)|Venice]], 1811 Speedway, auf dessen Dach Morrison 1965 zahlreiche Gedichte verfasste]] Die beruflichen Absichten Morrisons, der bereits während seines Studiums Gedichte und Songtexte verfasst hatte, waren bei seinem Vater seit geraumer Zeit auf scharfe Ablehnung gestoßen. Auf eine briefliche Rüge seines Vaters hin brach Morrison den Kontakt zu seinen Eltern ab. Seiner Mutter verweigerte er noch im November 1967 bei einem Konzert eine direkte Begegnung.<ref>James Riordan, Jerry Prochnicky: ''Break on Through''. Quill, New York 1992. S. 163f.</ref> Nach dem Kontaktabbruch musste Morrison aus finanziellen Gründen seine Studentenwohnung aufgeben. Der in seiner Kindheit durch ständige Umzüge entwurzelte UCLA-Absolvent sollte zeitlebens keine eigene Wohnung mehr besitzen. Im Frühjahr 1965 fand Morrison eine neue Bleibe bei einem vormaligen Kommilitonen auf dem Dach eines alten Bürogebäudes in [[Venice (Los Angeles)|Venice]], verlor unter Drogeneinfluss erheblich an Körpergewicht und verfasste weitere Gedichte und Songtexte. Er hoffte auf eine Möglichkeit, seine Texte mit bass- und blueslastigen Klängen, indianischen Trommeln, Räucherwerk und multimedialen Elementen wie Filmprojektionen<ref>Stephen Davis: ''Jim Morrison – Life, Death, Legend''. Gotham, New York 2004. S. 75.</ref> in Szene setzen zu können. Während seines Studiums hatte Morrison den Kommilitonen und Organisten [[Ray Manzarek]] kennengelernt.<ref>Ray Manzarek: ''Light My Fire''. Century, London 1998. S. 54f.</ref> Manzarek forderte ihn im Mai 1965 während eines Auftritts in einer Bar in [[Santa Monica]] auf, ihn spontan als Sänger zu unterstützen. Nachdem Morrison Manzarek im Juli 1965 einige seiner eigenen Songtexte vorgetragen hatte, lud der Organist Morrison ein, bei seiner Band mitzuwirken. Die Band, in der zwei Brüder Manzareks mitspielten, nannte sich „Rick and the Ravens“. Nachdem Manzareks Band im September 1965 mit Morrison in den World Pacific Studios in Los Angeles eine erfolglose [[Demoaufnahme]] im [[Folk-Rock]]-Stil produziert hatte, verließen Manzareks Brüder die Gruppe.<ref>Jerry Hopkins: ''Jim Morrison. Der König der Eidechsen.'' Schirmer/Mosel, München 1993. S. 204.</ref> Bereits im August 1965 war der Schlagzeuger [[John Densmore]] hinzugekommen. Zwei Monate später folgte der Gitarrist [[Robby Krieger]]. Manzareks Band, die nach einem Vorschlag Morrisons in „The Doors“ umbenannt wurde,<ref>James Riordan, Jerry Prochnicky: ''Break on Through''. Quill, New York 1992. S. 68, 74.</ref> hatte sich als Quartett von Grund auf neu formiert. Der neue Name der Gruppe leitete sich von dem Titel von [[Aldous Huxley]]s Essay ''[[Die Pforten der Wahrnehmung|The Doors of Perception]]'' (1954) ab, das unter anderem die Auswirkung von [[Halluzinogene]]n wie [[Meskalin]] und [[LSD]] auf das menschliche Bewusstsein schilderte. === Frontmann der Doors === Als Sänger war Morrison anfangs so in sich gekehrt, dass er bei ersten Auftritten der Doors dem Publikum den Rücken zuwandte.<ref>John Densmore: ''Riders on the Storm: Mein Leben mit Jim Morrison und den Doors''. Hannibal, Innsbruck 2001. S. 44, 72.</ref> Ein erster Plattenvertrag, den die Gruppe nach frühen Auftritten als Vorband oder auf kleinen Festen im Oktober 1965 bei [[Columbia Records]] unterzeichnete, wurde nach kurzer Zeit in beiderseitigem Einvernehmen wieder aufgelöst. Im Frühjahr 1966 spielten die Doors als Clubband im „London Fog“ am [[Sunset Boulevard (Los Angeles)|Sunset Strip]] im späteren [[West Hollywood]]. Dort lernte Morrison im April 1966 die Kunststudentin Pamela Courson (1946–1974) aus [[Orange County (Kalifornien)|Orange County]] kennen, die seine dauerhafte Lebensgefährtin werden sollte.<ref>Ray Manzarek: ''Light My Fire''. Century, London 1998. S. 183. – Dazu ausführlich Patricia Butler: ''Angels Dance And Angels Die: The Tragic Romance of Pamela and Jim Morrison''. Schirmer Books, Farmington Hills 1998.</ref> Im November 1966 bezog Courson eine Wohnung im Rothdell Trail in [[Laurel Canyon]]. Dort experimentierten Morrison und Courson weiter mit Substanzen wie LSD, [[Amphetamin]]en und Meskalin, die Morrison als [[Katalysator]] und Inspirationsquelle für zahlreiche Texte dienten. [[Datei:Whisky a Go-Go.jpg|miniatur|Das Whisky a Go-Go am Sunset Boulevard, wo Morrison und die Doors für [[Elektra Records|Elektra]] entdeckt wurden]] Zwischen Mai und Juli 1966 waren Morrison und die Doors die erste Band, die abends im [[Whisky a Go-Go]] am Sunset Strip auftrat. Zu dieser Zeit spielte dort auch [[Van Morrison]]s Band [[Them]]. Ein Biograf machte einen deutlichen Einfluss von Van Morrisons impulsiver Bühnenpräsenz auf Jim Morrison aus: „Jim Morrison lernte rasch von der Bühnenkunst seines Beinahe-Namensvetters, seinem augenscheinlichen Draufgängertum, der Pose gedämpfter Bedrohung, seiner Art, Gedichte zu einem Rockbeat zu improvisieren, sogar von seiner Angewohnheit, sich während instrumentaler Passagen bei der Basstrommel niederzukauern.“<ref>Brian Hinton: ''Celtic Crossroads: The Art of Van Morrison.'' Sanctuary, London 1997. S. 67 [Übersetzung: Wikipedia]. – Vgl. Ray Manzarek: ''Light My Fire''. Century, London 1998. S. 189f.</ref> In der letzten Nacht, in der Them im Whisky auftrat, spielten die beiden Morrisons während einer Jam-Session beider Bands gemeinsam Van Morrisons Song ''Gloria''.<ref>John Densmore: ''Riders on the Storm: Mein Leben mit Jim Morrison und den Doors''. Hannibal, Innsbruck 2001. S. 79.</ref> In den folgenden Wochen traten Morrison und die Doors im „Whisky“ gemeinsam mit weiteren Bands wie [[The Byrds]], [[Love (Band)|Love]] und [[The Mothers of Invention|Frank Zappas Mothers of Invention]] auf. Morrison betrachtete die frühe Club-Phase der Doors rückblickend als eine der schöpferischsten der Band, weil sich viele Stücke durch die zahlreichen Auftritte in kleinem Rahmen kontinuierlich weiterentwickeln ließen: {{Zitat|Wir fingen an mit einem ziemlich einfachen Song, und dann gerät die Musik allmählich zu einem hypnotischen Fluss von Geräuschen, der mir die Freiheit gibt, sozusagen alles zuzulassen, was mir in den Kopf kommt. Ich mag Songs, aber das ist der Teil der Aufführung, den ich am meisten genieße: Vibrationen aufzunehmen von der Musik und von dem, was aus dem Publikum kommt und […] dem nachzugehen, wohin es auch führt.|Jim Morrison im „Critique“-Interview, Mai 1969<ref>Jerry Hopkins: ''Jim Morrison. Der König der Eidechsen.'' Schirmer/Mosel, München 1993. S. 192, vgl. S. 203.</ref>}} Landesweit bekannt wurden die Doors, nachdem sie im August 1966 mit Jac Holzman von [[Elektra Records]] einen [[Plattenvertrag]] über sieben Alben vereinbart hatten, der am 15. November 1966 unterzeichnet wurde. Holzman hatte vor allem die [[Coverversion]] des ''Alabama Song'' gefallen.<ref>Stephen Davis: ''Jim Morrison – Life, Death, Legend''. Gotham, New York 2004. S. 126f.</ref> Im September und Oktober 1966 machte die Band in den „Sunset Recording Studios“ auf dem [[Sunset Boulevard (Los Angeles)|Sunset Boulevard]] in Los Angeles Aufnahmen für eine erste Schallplatte. Nachdem erste Auftritte Morrisons und der Doors außerhalb von Los Angeles bereits im Juli 1966 stattgefunden hatten, traten sie zum November 1966 erstmals in einem kleinen Kellerclub in New York auf. In New York bewegte sich der Sänger im Umkreis der [[The Factory|„Factory“]] und Andy Warhols, den Morrison ein halbes Jahr zuvor in Los Angeles kennengelernt hatte. Warhol wollte Morrison als Hauptdarsteller für einen seiner Avantgardefilme gewinnen.<ref>Stephen Davis: ''Jim Morrison – Life, Death, Legend''. Gotham, New York 2004. S. 116, 167, 171.</ref> Das Debütalbum der Band veröffentlichte Elektra im Januar 1967 unter dem Titel ''[[The Doors (Album)|The Doors]]'' und bewarb dieses, für damalige Zeit unüblich, durch eine Plakatwand am Sunset Strip. Bereits für ihre erste Singleauskopplung ''Break On Through (To the Other Side)'' produzierten Morrison und die Doors 1967 einen Promotionclip, dem bald weitere folgten (''Moonlight Drive'', ''People Are Strange'', ''The Unknown Soldier''). Die zweite Single ''[[Light My Fire]]'' wurde im Juli 1967 zum Nummer-eins-Hit in den amerikanischen [[Billboard Hot 100|Billboard-Singles-Charts]].[[Datei:Alta_Cienega_Motel_Schuschke.png|miniatur|rechts|Alta Cienega Motel, in dem Jim Morrison mehrere Jahre hindurch das Zimmer 32 direkt über der Einfahrt bewohnte]] Seit einem TV-Auftritt bei „American Bandstand“ auf [[American Broadcasting Company|ABC]] am 22. Juli 1967 wurden US-Fernsehsender zunehmend auf die neue Gruppe aufmerksam. Unter anderem wurden die Doors zur [[Ed Sullivan|Ed Sullivan Show]] am 17. September 1967 eingeladen, einer beliebten, live ausgestrahlten [[Late-Night-Show]] am Sonntag bei [[Columbia Broadcasting System|CBS]], die ein breiteres amerikanisches Publikum 1956 mit [[Elvis Presley]] und 1964 mit den [[The Beatles|Beatles]] bekannt gemacht hatte. Die Doors sollten zwei Titel spielen. Da Morrison eine mit der Redaktion vereinbarte Änderung des Songtextes von ''Light My Fire'' nicht einhielt, blieb dies der letzte Fernsehauftritt der Doors für geraume Zeit.<ref>Weitere Fernsehauftritte folgten bei diversen europäischen Sendern während der Europa-Tournee der Doors im September 1968, am 15. Dezember 1968 in der CBS-[[Sitcom]] „The Smothers Brothers Show“ mit Orchesterbegleitung und am 23. Mai 1969 in der [[Public Broadcasting Service|PBS]]-Show „Critique“.</ref> Solche Ereignisse zeigten die Unberechenbarkeit Morrisons als Rocksänger, der schon zu Jahresbeginn in einer Pressemitteilung seiner Plattenfirma gegen etablierte Autoritäten Stellung bezogen hatte: {{Zitat|Ich mag Ideen über den Zusammenbruch oder den Umsturz der etablierten Ordnung. Mich interessiert alles, was mit Revolte, Unordnung, Chaos zu tun hat – ganz besonders Handlungen, die scheinbar keinen Sinn haben. Das scheint mir, ist die Straße zur Freiheit – äußere Freiheit ist ein Weg, innere Freiheit zu erreichen.|Jim Morrison, Januar 1967<ref>Auszüge aus einer Elektra-Pressemitteilung von 1967. Abgedruckt in Danny Sugerman: ''The Doors. The Illustrated History''. Quill / William Morrow, New York 1983. S. 9. – Übersetzung: Jerry Hopkins: ''Jim Morrison. Der König der Eidechsen.'' Schirmer/Mosel, München 1993. S. 232.</ref>}} Mit Rocksongs voller „erhabener Verheißungen, faszinierender [[Metaphorik]], hypnotischer Gebärden und zorniger Äußerungen“<ref>James Riordan, Jerry Prochnicky: ''Break on Through''. Quill, New York 1992. S. 126 [Übersetzung: Wikipedia].</ref> und seiner rigorosen Lebensmaxime „Die Zeit ist knapp, also macht am besten was draus!“<ref>Aussage aus dem Miami-Prozess vom September 1970, zitiert nach Thomas Collmer: ''Pfeile gegen die Sonne – Der Dichter Jim Morrison und seine Vorbilder''. Maro, Augsburg 2009. S. 885 [Übersetzung: Wikipedia].</ref> traf Morrison das Lebensgefühl einer Generation aufbegehrender junger Menschen, die sich unter anderem gegen den [[Vietnamkrieg]] wandten oder [[Psychotrope Substanz|bewusstseinserweiternde Drogen]] zu sich nahmen. Mit 24 Jahren – der Fotograf Joel Brodsky hatte Morrison im Januar 1967 in einer Serie von [[Schwarzweißfotografie|Schwarzweiß]]-Aufnahmen erotisch in Szene gesetzt – war der [[charisma]]tische Rock-Sänger das neue [[Sexsymbol]] Amerikas. Als die Doors im Oktober 1967 ihr zweites Album, ''Strange Days'', veröffentlichten, das 500.000 Vorbestellungen verzeichnet hatte, und ihre Singles ''People Are Strange'' und ''Love Me Two Times'' in den US-Charts erschienen, waren sie mit ihrem [[psychedelisch]] grundierten Musikstil aus Blues und Rock eine der beliebtesten Rockbands der Vereinigten Staaten. Die Zeitschrift [[Vogue (Zeitschrift)|Vogue]] schrieb in ihrer Ausgabe vom 15. November 1967, beeindruckt von Morrisons und Kriegers Songtexten: „Jim Morrison schreibt, als wäre [[Edgar Allan Poe]] in Gestalt eines [[Hippie]]s zurückgekehrt“. Im November 1967 wurden die Doors vom [[Recording Industry Association of America|Verband der amerikanischen Musikindustrie]] erstmals für die Single ''Light My Fire'' und ihr Debütalbum mit je einer [[Goldene Schallplatte|Goldenen Schallplatte]] ausgezeichnet. === Starruhm und Konflikte mit den Behörden === Die von Morrison betriebene Selbstmythisierung als Rockidol war von einer wachsenden Fangemeinde bereitwillig nachvollzogen worden, verselbständigte sich jedoch zunehmend. [[Thomas Collmer]] zufolge entwickelte sich Morrison immer stärker zur Kristallisationsfigur für unterschwellige Sehnsüchte vieler Doors-Anhänger, die eigene [[Soziale Rolle|Rollenerwartungen]] stellvertretend auf der Bühne ausgelebt sehen wollten ([[Imago (Psychologie)|„Stellvertreter-Imago“]]).<ref>Thomas Collmer: ''Pfeile gegen die Sonne – Der Dichter Jim Morrison und seine Vorbilder''. Maro, Augsburg 2009. S. 85.</ref> Auch angesichts des auf dem Frontmann der Doors lastenden Drucks und der Schar sensationslüsterner Anhänger suchte Morrison Erleichterung, indem er erhebliche Mengen Alkohol trank und unbeeindruckt von dem 1966 ergangenen LSD-Verbot in den USA zeitweilig weiter regelmäßig Drogen konsumierte.<ref>Jerry Hopkins, Daniel Sugerman: ''Keiner kommt hier lebend raus''. Heyne, München ³1991. S. 151. – Vgl. jedoch das „Los Angeles Free Press“-Interview, Januar 1971, in Jerry Hopkins: ''Jim Morrison. Der König der Eidechsen.'' Schirmer/Mosel, München 1993. S. 231–244, hier S. 243.</ref> Für die einseitige Wahrnehmung seiner Person machte Morrison in besonderem Maß die Massenmedien verantwortlich: {{Zitat|[…] sie haben sich zu sehr auf mein Fortpflanzungsorgan konzentriert und die Tatsache vernachlässigt, dass ich ein einigermaßen gesundes männliches Exemplar bin, das auch noch anderes hat als die üblichen Arme, Beine, Rippen, Thorax, Augen… sogar ein Kleinhirn.|Jim Morrison im „Circus“-Interview, Oktober 1970 (gedruckt im Dezember 1970)<ref>Jerry Hopkins: ''Jim Morrison. Der König der Eidechsen.'' Schirmer/Mosel, München 1993. S. 223.</ref>}} Wiederholt kam es Ende 1967 zu Tumulten vor, während und nach Konzerten. Oft waren Polizisten und Fans darin verwickelt, wie bei einem Konzert am 9. Dezember 1967 in der New Haven Arena in [[New Haven (Connecticut)|New Haven]] ([[Connecticut]]), wo Morrison nach dem Einsatz von [[Reizgas]] durch einen übereifrigen Ordnungshüter zur offenen Provokation gegen Polizisten auf der Bühne überging. Er wurde aufgrund von Landfriedensbruchs und Widerstands gegen die Staatsgewalt verhaftet.<ref>Jerry Hopkins, Daniel Sugerman: ''Keiner kommt hier lebend raus''. Heyne, München ³1991. S. 142-144.</ref> Neben Morrison wurden an diesem Abend zwei Musikjournalisten und ein Fotograf von „[[Life (Magazin)|Life]]“-Magazin und „[[The Village Voice]]“ sowie diverse Doors-Fans von der Polizei von New Haven verhaftet. Während der Nacht kam es zur Inhaftierung weiterer Morrison-Anhänger, die gegen die Festnahme des Sängers protestiert hatten. Während die lokale Polizeibehörde die Vorwürfe gegen den Sänger einige Wochen später wieder fallenließ, begann die Bundespolizei, in Übereinstimmung mit der [[COINTELPRO|Cointelpro]]-Strategie belastendes Material über den Sänger zu sammeln. Das [[Federal Bureau of Investigation|FBI]] hatte Morrison als [[Galionsfigur#Symbolische Wortbedeutung|Galionsfigur]] einer Jugendrevolte identifiziert und – als das FBI in folgenden Monaten Beschwerden aufgebrachter Radiomoderatoren erreichten – als potenzielle Gefahr für die staatliche Ordnung der USA.<ref>Stephen Davis: ''Jim Morrison – Life, Death, Legend''. Gotham, New York 2004. S. 240. – James Riordan, Jerry Prochnicky: ''Break on Through''. Quill, New York 1992. S. 209, 305, 375.</ref> Seit Dezember 1967 spielten die Doors zunehmend in großen Konzerthallen wie dem [[Shrine Auditorium]] in Los Angeles oder dem [[Fillmore East]] in New York sowie in Mehrzweckarenen wie dem [[Madison Square Garden]]. Diese konnten auch Morrisons mehrteilige Rocktheater-Kompositionen wie ''The Celebration of the Lizard'' besser zur Geltung bringen. Morrison und die Doors begannen, nach neuen Formen wie Theaterelementen und Filmeinspielungen zur Anpassung der Konzerte an größere räumliche Dimensionen zu suchen: {{Zitat|In einer Großkonzert-Situation, denke ich, ist es [das heißt Schauspielkünste] einfach… notwendig, weil das mehr wird als bloß ein musikalisches Ereignis. Es wird eine Art kleines Spektakel. Und es ist jedes Mal verschieden.|Jim Morrison im „Rolling Stone“-Interview, Juli 1969<ref>Jerry Hopkins: ''Jim Morrison. Der König der Eidechsen.'' Schirmer/Mosel, München 1993. S. 202.</ref>}} Im März 1968 zeigten die Doors in Boston erstmals den Kurzfilm zu ihrem Vietnamkriegssong ''The Unknown Soldier''. Dieser Protestsong richtete sich gegen einen Krieg, in dessen Ausbruch auch Morrisons Vater involviert war. George Stephen Morrison war 1964 mit seinem Flugzeugträger maßgeblich am [[Tonkin-Zwischenfall]] sowie an den anschließenden Kampfhandlungen zu Beginn des Vietnamkriegs beteiligt gewesen.<ref>Stephen Davis: ''Jim Morrison – Life, Death, Legend''. Gotham, New York 2004. S. 55, 246.</ref> 1967 hatte Morrisons Vater den Dienstgrad des Admirals erlangt. Auf stetes Drängen seiner Lebensgefährtin Courson hin verkündete Morrison im Juni 1968 während der Fertigstellung eines weiteren Albums in den neu angemieteten Aufnahmeräumen des „Doors Workshop“ in Los Angeles seine Absicht, nicht länger mit den Doors zusammenzuarbeiten. Manzarek konnte ihn jedoch von diesem Schritt abbringen.<ref>Jerry Hopkins, Daniel Sugerman: ''Keiner kommt hier lebend raus''. Heyne, München ³1991. S. 163-165.</ref> Anfang Juli 1968 erhielt Morrison Besuch von [[Mick Jagger]], der mit ihm über Konzertauftritte vor großem Publikum sprechen wollte; weitere Begegnungen ergaben sich im Folgejahr. Im Juli 1968 erschien das dritte und kürzeste Studioalbum der Doors, ''Waiting for the Sun''. Im selben Monat wurde der Morrison-Titel ''Hello, I Love You'' zum Nummer-eins-Hit in den amerikanischen „Billboard Hot 100“, zwei Monate später kletterte auch das Studioalbum an die Spitze der Plattencharts („[[Billboard 200|Billboard Top 200]]“). Bei anschließenden Konzerten wie dem in der Singer Bowl in [[Queens]], New York, kam es am 2. August 1968 auf einer teilweise defekten Bühne zu weiteren Ausschreitungen des Publikums, zu einer Zerstörung der Hallenbestuhlung, Prügeleien von Konzertbesuchern mit dem Sicherheitspersonal, demolierten Instrumenten und zahlreichen Verhaftungen.<ref>James Riordan, Jerry Prochnicky: ''Break on Through''. Quill, New York 1992. S. 259-263.</ref> Seit dem Vorfall in New Haven war Morrison zunehmend ein Dorn im Auge, dass zahlreiche Fans von Doors-Konzerten, die er selbst als „[[Séance]], in einer Umgebung, die lebensfeindlich geworden ist – kalt und restriktiv –,“<ref>Stephen Davis: ''Jim Morrison – Life, Death, Legend''. Gotham, New York 2004. S. 246.</ref> verstanden wissen wollte, weitere Gewalt und Krawalle geradezu erwarteten. Doch lotete der Sänger bei Live-Auftritten selbst regelmäßig Toleranzgrenzen seiner Umwelt aus, wollte herausfinden, zu welchen Schritten der Selbstentgrenzung er das Publikum bringen konnte, und regte Zuhörer zum Stürmen der Bühne an: {{Zitat|Als Darsteller bin ich nun der Mittelpunkt von jedermanns Aufmerksamkeit. Man muss nämlich eine Entschuldigung dafür haben, dass man sich zusammenrottet. Andernfalls wird es ein Aufstand. Bei den Doors hat es nie echte Aufstände gegeben. […] Also versuchte ich, ein paar kleine Unruhen anzustiften […]. Es führt zu gar nichts. […] es wäre besser, ein Konzert zu geben und all die Gefühle unten zu halten, so dass sie [das heißt die Zuschauer][…] diese Energie mit auf die Straße und nach Hause nehmen könnten.|Jim Morrison im „Los Angeles Free Press“-Interview, Januar 1971<ref>Jerry Hopkins: ''Jim Morrison. Der König der Eidechsen.'' Schirmer/Mosel, München 1993. S. 231–244, hier S. 237.</ref>}} Zu den professioneller gewordenen Aufnahmesessions erschien Morrison zunehmend angetrunken und verspätete sich zu Live-Auftritten. Zur Besänftigung des Publikums spielten die anderen Doors-Mitglieder Instrumentalstücke. Als die Doors im September 1968 während einer Europa-Tournee in [[London]], [[Frankfurt am Main|Frankfurt]], [[Kopenhagen]], [[Amsterdam]] und [[Stockholm]] auftraten, musste Manzarek in Amsterdam nach einem Ausfall Morrisons den Gesangspart übernehmen. Am Rande der Europa-Tournee besuchte Morrison die [[The Beatles|Beatles]] in den [[Abbey Road Studios]], die dort mit den Aufnahmen für ihr ''[[The Beatles (Album)|Weißes Album]]'' beschäftigt waren. Da Morrison mittlerweile nur noch an Wochenenden live auftreten wollte und die Einnahmen der Doors wegen negativer Schlagzeilen und seltener Konzerte hinter den Erwartungen zurückblieben, gab die Band im November 1968 die Rechte an einem Doors-Song ohne Morrisons Einverständnis für 60.000 Dollar für einen [[Buick]]-Werbespot frei. Als die Band das Angebot erreichte, war Morrisons Aufenthaltsort nicht bekannt. Er war seiner On-off-Partnerin Courson nachgereist, die in London eine Affäre mit dem US-Schauspieler Christopher Jones hatte. Nach Morrisons Rückkehr war der Sänger über den „Ausverkauf“ der Doors aufgebracht,<ref>Ray Manzarek: ''Light My Fire''. Century, London 1998. S. 305–309. – James Riordan, Jerry Prochnicky: ''Break on Through''. Quill, New York 1992. S. 270f.</ref> doch ließ sich der Vertrag mit dem Automobilkonzern nicht mehr revidieren. Der Werbespot wurde in begrenztem Umfang in den Bundesstaaten des Südens und Mittleren Westens ausgestrahlt.<ref>Stephen Davis: ''Jim Morrison – Life, Death, Legend''. Gotham, New York 2004. S. 297. – Anders dagegen Jerry Hopkins: ''Jim Morrison. Der König der Eidechsen.'' Schirmer/Mosel, München 1993. S. 177.</ref> Im Februar 1969 verzeichneten die Doors in der amerikanischen „Cash Box Top 100“-Hitparade ein letztes Mal einen Nummer-eins-Hit in den USA mit dem Krieger-Song ''Touch Me''. Dem Sänger hatte er nicht gefallen. === Der Miami-Vorfall === Unter dem unmittelbaren Eindruck mehrerer Aufführungen des New Yorker [[The Living Theatre|Living Theatre]] und über Manipulationen des lokalen Konzertveranstalters beim Ticketverkauf aufgebracht, versuchte Morrison bei einem Konzert am 1. März 1969 im „Dinner Key Auditorium“ in [[Miami]], Aufruhr im Publikum zu stiften („There are no rules! […] Let’s see some action out there. […] You wanna see my cock, don’t you?“). Außerdem hatte er an Kriegers Gitarre kniend [[Fellatio]] simuliert. Unter dem von Morrison provozierten Ansturm des Publikums brach die unzulängliche Bühne des „Auditorium“ zusammen. Nach einem „Sensations-Aufmacher über Anstiftung zum Aufruhr“<ref>Jerry Hopkins: ''Jim Morrison. Der König der Eidechsen.'' Schirmer/Mosel, München 1993. S. 235.</ref> in der lokalen Presse erließ die [[Miami-Dade County|Dade-County]]-Polizeidirektion am 5. März 1969 Haftbefehl gegen Morrison wegen des „Schwerverbrechens“ des „unzüchtigen und lasziven Verhaltens“ sowie fünf kleinerer [[Delikt]]e (darunter „unzüchtige Entblößung“, „vulgäre Sprache in der Öffentlichkeit“ und „öffentliche Trunkenheit“).<ref>James Riordan, Jerry Prochnicky: ''Break on Through''. Quill, New York 1992. S. 306.</ref> Gegenüber dem Musikjournalisten Jerry Hopkins deutete Morrison das entglittene Konzert als spielerisches Ereignis: {{Zitat|Sagen wir mal, ich wollte die Grenzen der Realität antesten. Ich war neugierig, was geschehen würde. […] Wenn du aus irgendeinem Grund auf einer anderen Spur fährst als die Leute um dich herum, dann wird es jedermanns Sensibilitäten beeinträchtigen. Und sie werden entweder weggehen oder dich dafür niedermachen. Es ist also bloß eine Frage, ob man zu weit abhebt für sie […]. Solange alle Verbindung miteinander haben und beieinander sind, kann man sich alles leisten.|Jim Morrison im „Rolling Stone“-Interview, Juli 1969<ref>Jerry Hopkins: ''Jim Morrison. Der König der Eidechsen.'' Schirmer/Mosel, München 1993. S. 206f.</ref>}} Morrison hatte bereits bei einem Konzert im November des Vorjahres diffuse Drohungen gegen den designierten US-Präsidenten [[Richard Nixon]] ausgesprochen („We’re gonna get him…“). Auf Ersuchen des [[Federal Bureau of Investigation|FBI]] erließ nunmehr ein Bundesrichter wegen vermeintlicher Landesflucht Morrisons einen Steckbrief.<ref>James Riordan, Jerry Prochnicky: ''Break on Through''. Quill, New York 1992. S. 292, 308.</ref> Schon kurz nach Beginn der Nixon-Ära bildeten sich Initiativen empörter Eltern und ehemaliger Fans gegen die Doors wie die „Kundgebung für den Anstand“ in der [[Orange Bowl Stadium|Orange Bowl]] in Miami am 23. März 1969, die der erst wenige Wochen amtierende US-Präsident Nixon brieflich unterstützte.<ref>Stephen Davis: ''Jim Morrison – Life, Death, Legend''. Gotham, New York 2004. S. 324. – James Riordan, Jerry Prochnicky: ''Break on Through''. Quill, New York 1992. S. 398–419. – Jerry Hopkins, Daniel Sugerman: ''Keiner kommt hier lebend raus''. Heyne, München ³1991. S. 185–196.</ref> 16 US-Bundesstaaten verhängten einen Bann über die Doors, zahlreiche Konzerte wurden abgesagt und in die Konzertverträge der Doors wurde eine [[Regress (Recht)|Regressklausel]] aufgenommen für den Fall, dass die Band weiterhin öffentlich Ärgernis erregte.<ref>Ray Manzarek: ''Light My Fire''. Century, London 1998. S. 331. – Teilweise anders hingegen James Riordan, Jerry Prochnicky: ''Break on Through''. Quill, New York 1992. S. S. 271f., 306.</ref> Im Juni und Juli 1969 spielte die Band in [[Mexiko-Stadt]]. Im Juli 1969 erschien auch das Album ''The Soft Parade''. Die Aufnahmesessions hatten sieben Monate gedauert und viel Geld gekostet. Morrison war verstimmt über die Texte, die zur Hälfte von Krieger verfasst waren. Das Album, das mit Blas- und Streichinstrumenten [[Arrangement|arrangiert]] war, verkaufte sich verhältnismäßig schlecht.<ref>Jerry Hopkins: ''Jim Morrison. Der König der Eidechsen.'' Schirmer/Mosel, München 1993. S. 216.</ref> Weil Morrison Freiluftkonzerte ablehnte, nahmen die Doors im August 1969 nicht am [[Woodstock-Festival]] teil. Ende 1969 war Morrison mit einem weiteren Prozess wegen Belästigung von Flugpersonal in [[Phoenix (Arizona)|Phoenix]] und mehreren Vaterschaftsklagen konfrontiert.<ref>Stephen Davis: ''Jim Morrison – Life, Death, Legend''. Gotham, New York 2004. S. 353f.</ref> Angesichts des drastischen öffentlichen Stimmungsumschwungs gegen die Doors zog Morrison sich zunehmend zurück. Der Miami-Vorfall hatte zugleich die Abkehr Morrisons vom Sexsymbol-Image bedeutet, das ihn zwei Jahre lang umgeben hatte. Er ließ sich einen Bart wachsen, nahm deutlich zu und trennte sich von dem [[Look]] mit Lederhose und Conchagürtel, den der Modedesigner January Jansen für ihn entworfen hatte. Im Februar 1970 erschien die von rauen [[Rhythm and Blues]]-Songs geprägte Schallplatte ''[[Morrison Hotel]]''. Zu den vielfältigen Turbulenzen in Morrisons Leben seit dem Miami-Vorfall zählte den Angaben der Musikkritikerin Patricia Kennely zufolge eine informelle, rechtlich unwirksame Eheschließung mit ihr am 24. Juni 1970. Acht Jahre nach Morrisons Tod änderte die Kritikerin und Schriftstellerin ihren Namen infolgedessen zu Patricia Kennealy Morrison.<ref>Patricia Kennealy Morrison: ''Strange Days: My Life With and Without Jim Morrison''. Harper Collins, London 1998 (= Harper Collins, London 1992). S. 211−224.</ref> Auf Einladung der französischen Filmemacherin [[Agnès Varda]] bereiste Morrison im Juni 1970 erstmals Frankreich. Er gab an, sich auf eine zu dieser Zeit für den September geplante zweite Europa-Tournee der Doors durch Deutschland, Frankreich, Italien und die Schweiz vorbereiten zu wollen.<ref>Jerry Hopkins: ''Jim Morrison. Der König der Eidechsen.'' Schirmer/Mosel, München 1993. S. 215.</ref> Auf der Suche nach seiner verschollenen Lebensgefährtin Courson fuhr Morrison im Juli nach [[Tanger]] weiter. Nach seiner Rückkehr nach Los Angeles war der Sänger aufgrund einer Lungenentzündung gesundheitlich stark angeschlagen. Von der geplanten zweiten Europa-Tournee blieb aufgrund der zeitlichen Verzögerung von Morrisons Miami-Prozess schließlich nur ein Auftritt beim [[Isle of Wight Festival#Isle of Wight Festival 1970|Isle of Wight-Festival]] übrig, den die Doors im August 1970 spielten. [[Datei:ChateauMarmont 01.jpg|thumb|Bei einem Sturz vom Dach des „Chateau“ verletzte sich Morrison im Januar 1971 auf dem Sunset Boulevard]] In dem Gerichtsprozess, der auf den Miami-Vorfall des Vorjahres folgte, wurde Morrison, der gefürchtet hatte, in seinem Heimatstaat Florida „gekreuzigt“<ref>James Riordan, Jerry Prochnicky: ''Break on Through''. Quill, New York 1992. S. 315.</ref> zu werden, im Oktober 1970 zu der von der Staatsanwaltschaft geforderten Höchststrafe verurteilt. Diese umfasste sechzig Tage harter Arbeit im [[Miami-Dade County]]-Gefängnis für den Tatbestand der vulgären Sprache in der Öffentlichkeit, sechs Monate harter Arbeit an selber Stelle sowie eine Geldstrafe von 500 Dollar aufgrund von öffentlicher Entblößung – ein Tatbestand, der von den Anklagevertretern nicht hatte bewiesen werden können. Beide Haftstrafen sollten unmittelbar nacheinander abgeleistet werden. Für die Verurteilung aufgrund von öffentlicher Entblößung wurde Morrison bei guter Führung eine Entlassung nach zwei Monaten und die Aussetzung der verbleibenden viermonatigen Haftstrafe auf Bewährung in Aussicht gestellt. Darüber hinaus wurde eine weitere zweijährige Bewährungsstrafe über ihn verhängt.<ref name="jm-rior417">James Riordan, Jerry Prochnicky: ''Break on Through''. Quill, New York 1992. S. 417.</ref> Der Doors-Sänger blieb nach Hinterlegung einer Kaution von 50.000 Dollar in Freiheit, und Morrisons Anwalt Max Fink kündigte eine Anfechtung des erstinstanzlichen Urteils vor dem Berufungsgericht von Florida an. Morrison deutete den Prozess als gegen den von ihm verkörperten Lebensstil gerichtet: {{Zitat|Ich glaube wirklich, es war mehr ein bestimmter Lebensstil angeklagt als irgendein bestimmter Vorfall.|Jim Morrison im „Circus“-Interview, Oktober 1970 (gedruckt im Dezember 1970)<ref>Jerry Hopkins: ''Jim Morrison. Der König der Eidechsen.'' Schirmer/Mosel, München 1993. S. 225, vgl. S. 236.</ref>}} Dennoch bedeutete die Verurteilung für Morrison, „dass sein gesamtes weiteres Leben einem juristischen Drahtseilakt gleichkommen würde.“<ref name="jm-rior417"/> Im Oktober 1970 kamen die Doors zusammen, um ihr letztes gemeinsames Album, ''[[L.A. Woman]]'', aufzunehmen, das starke [[Blues]]-Einflüsse aufwies. Am 11. Dezember 1970 spielten die Doors in [[Dallas]] das einzige Mal den Song ''[[Riders on the Storm (Lied)|Riders on the Storm]]'' live. Am folgenden Abend gab Morrison in [[New Orleans]] ein letztes unmotiviertes Konzert gemeinsam mit den Doors. Nachdem er seine Gesangseinsätze wiederholt verpasst und nach einem Tritt Densmores in einem Tobsuchtsanfall Teile der Holzbühne zerstört hatte, beschlossen die Doors einvernehmlich, weitere Konzerte auszusetzen. Bei einem Sturz vom Dach eines zweigeschossigen Bungalows des [[Chateau Marmont Hotel]] im späteren [[West Hollywood]] zog Morrison sich im Januar 1971 Rippenprellungen zu. === Auszeit in Paris und Tod === Pamela Courson hatte sich im Zusammenhang mit der erfolglosen Boutique „Themis“, deren Einrichtung Morrison ihr zum Dezember 1968 in West Hollywood anstelle der von ihr geforderten Eheschließung finanziert hatte,<ref>Stephen Davis: ''Jim Morrison – Life, Death, Legend''. Gotham, New York 2004. S. 220.</ref> bereits zuvor in Paris aufgehalten. Nach heftigen Auseinandersetzungen mit Morrison wegen ihres Heroinkonsums war sie Ende September 1970 nach Paris verreist und kehrte dorthin erneut im Februar 1971 zurück. Seiner Rolle bei den Doors überdrüssig und unter dem Eindruck des Miami-Urteils stehend, folgte Morrison seiner Langzeitfreundin nach Paris. Nach der umstrittenen Einschätzung des Morrison-Biografen Stephen Davis verstieß Morrison mit seinem Fortgang aus den Vereinigten Staaten gegen gerichtliche [[Kautionssystem (Vereinigte Staaten)|Kautionsvereinbarungen]].<ref>Stephen Davis: ''Jim Morrison – Life, Death, Legend''. Gotham, New York 2004. S. 415.</ref> Im März 1971 zog er mit Courson in den Pariser Stadtteil [[Marais]]. Morrison und Courson lebten in der Rue Beautreillis Nr. 17 im dritten Stock in einem luxuriös eingerichteten Appartement zur Untermiete bei einem Pariser Fotomodell.[[Datei: Rue Beautreillis Nr. 17 und 19 Schuschke.png|miniatur|rechts|Rue Beautreillis 17 und 19, Wohnhaus Jim Morrisons in Paris]] Morrison führte ein zurückgezogenes Leben. Er wollte vor allem an Gedichten und Drehbüchern arbeiten und eine Gedicht-LP vorbereiten. Da Morrison kein Französisch beherrschte, stellte er eine kanadische Sekretärin ein. Der Sänger klagte in Paris wiederholt über starke Atembeschwerden. Ärztlich verordnete [[Asthma bronchiale|Asthma]]-Medikamente führten zu keiner Linderung. Im April unternahmen Morrison und Courson auf den ärztlichen Rat hin, Morrison solle sich in einer warmen Region erholen,<ref>Stephen Davis: ''Jim Morrison – Life, Death, Legend''. Gotham, New York 2004. S. 420.</ref> eine Reise in den Südwesten Frankreichs, nach Spanien und Marokko. Im Mai bereisten sie [[Korsika]] und Anfang Juni London. [[Datei:Jim-Morrison Pere Lachaise 2.jpg|miniatur|Grab von Jim Morrison auf dem Friedhof [[Père Lachaise]] in Paris (mit Metallgitter, 2005)]] In den ersten Julitagen führte Morrison eine [[Selbstmedikation]] gegen seine ausgeprägten Atembeschwerden durch, indem er gemeinsam mit Courson [[Heroin]] schnupfte, das zu Beginn des 20. Jahrhunderts als [[Analgetikum|Schmerz]]- und [[Antitussivum|Hustenmittel]] galt. Am Morgen des 3. Juli 1971 starb Jim Morrison. Als offizielle Todesursache verzeichnete der „Gerichtsärztliche Bericht“ vom 3. Juli 1971 einen [[Herzversagen|Herzstillstand]], doch konnten die genauen Umstände von Morrisons Tod in Paris nicht mit letzter Sicherheit ermittelt werden. Da Courson den Tod Jim Morrisons später auf eine Überdosis [[Heroin]] zurückführte, Morrisons Leiche nicht obduziert und die Nachricht von seinem Tod erst am 9. Juli 1971, zwei Tage nach seiner Beerdigung, offiziell bekannt gegeben wurde, kam es zu umfangreichen Legendenbildungen um die Umstände seines Endes. Die Morrison-Biografen Hopkins/Sugerman hielten 1980 unter anderem für möglich, dass Morrison seinen Tod vorgetäuscht hatte, um „Frieden zum Schreiben zu finden“, und wollten auch die Möglichkeit nicht ausschließen, dass Morrison ermordet worden oder „Opfer einer politischen Verschwörung geworden“ war.<ref>Jerry Hopkins, Daniel Sugerman: ''Keiner kommt hier lebend raus''. Heyne, München ³1991. S. 303–310, hier S. 307, 309.</ref> Danny Sugerman machte 1989 in seiner Autobiografie ''Wonderland Avenue'' allgemein bekannt,<ref>Danny Sugerman: ''Wonderland Avenue: Tales of Glamour and Excess''. Sidgwick & Jackson, London 1989.</ref> dass Courson davon überzeugt war, ihr Freund sei an einer Heroinüberdosis gestorben. Im Anschluss an Sugermans Buch kursierten vermehrt Berichte von einem Drogentod Morrisons. Die Biografen Riordan/Prochnicky wiesen 1991 die Möglichkeit von Morrisons Überleben zurück und nahmen in Übereinstimmung mit Sugermans Autobiografie an, dass Morrison in seiner Pariser Wohnung an einer Heroin-Überdosis gestorben war.<ref>James Riordan, Jerry Prochnicky: ''Break on Through''. Quill, New York 1992. S. 457–472, hier S. 457–460.</ref> Der Biograf Davis ließ 2004 die eigentliche Todesursache offen, gab jedoch an, dass Pamela Courson am 3. Juli nach Morrisons Tod in der gemeinsamen Wohnung Unterstützung bei ihrem Heroindealer Jean de Breteuil sowie bei Morrisons Freunden Alain Ronay und Agnès Varda gesucht habe, bevor die Polizei eintraf.<ref>Stephen Davis: ''Jim Morrison – Life, Death, Legend''. Gotham, New York 2004. S. 442–459.</ref> === Rekonstruktion der Todesumstände und Beerdigung === Trotz zahlreicher Abweichungen im Detail geben Jim Morrisons Biografen mehrheitlich als „offizielle Lesart“<ref>Jerry Hopkins, Daniel Sugerman: ''Keiner kommt hier lebend raus''. Heyne, München ³1991. S. 305.</ref> den auf Pamela Courson zurückgehenden Bericht wieder, dass Courson Jim Morrison am Morgen des 3. Juli 1971 in ihrer Pariser Wohnung aufgeweckt habe, da sie wahrnahm, dass er starke Atembeschwerden hatte. Sie brachte Morrison in die Badewanne, um ihn kalt abzuduschen. In der Badewanne erbrach sich Morrison mehrmals und blutete aus der Nase. Schließlich setzte seine Atmung aus. Als der wegen [[Asphyxie]] zu Hilfe gerufene Rettungsdienst der [[Brigade de sapeurs-pompiers de Paris|Pariser Feuerwehr]] am 3. Juli 1971 wenige Minuten nach dem Hilferuf um 9.24 Uhr eintraf, war Morrison tot. Da der Rockstar nicht erkannt worden war und der untersuchende Kriminalbeamte mutmaßte, dass Drogen im Spiel waren, verzichtete der Gerichtsmediziner auf eine Obduktion, weil er sich sicher war, dass eine Obduktion den Verdacht des Drogenkonsums bestätigen würde. Die Untersuchungsbeamten gingen davon aus, dass Morrison im Fall einer Drogenüberdosis seinen Tod selbst verschuldet hatte.<ref>Jerry Hopkins, Daniel Sugerman: ''Keiner kommt hier lebend raus''. Heyne, München ³1991. S. 305f. – Zum Drogenverdacht vgl. insbesondere Bob Seymore: ''The End: Der Tod von Jim Morrison''. Palmyra, Heidelberg 1993. S. 122f., 127f. – James Riordan, Jerry Prochnicky: ''Break on Through''. Quill, New York 1992. S. 450–453. – Stephen Davis: ''Jim Morrison – Life, Death, Legend''. Gotham, New York 2004. S. 450f.</ref> Zahlreiche Publikationen sind vorrangig Morrisons letzten Lebenswochen und den näheren Umständen seines Todes gewidmet.<ref>Hervé Muller: ''Jim Morrison – Mort ou vif''. Ramsay, Paris 1991. – Bob Seymore: ''The End – The Death Of Jim Morrison''. Omnibus Press, London 1991. – Hervé Muller: ''Jim Morrison au-delà des Doors''. Editions Albin Michel, Paris 1993. – Jan-Erik Hubele: ''Zwischen Himmel und Hölle''. Kramer, Berlin 2000. – Sam Bernett: ''The End: Jim Morrison''. Editions Privé 2007. – Heinz Gerstenmeyer: ''Der mysteriöse Tod von Jim Morrison''. Books on Demand, Norderstedt 2009.</ref> Die relevanten Dokumente zu Morrisons Tod veröffentlichte erstmals Bob Seymore 1991 in seinem Buch ''The End – The Death Of Jim Morrison''.<ref>Bob Seymore: ''The End: Der Tod von Jim Morrison''. Palmyra, Heidelberg 1993. S. 98–118, 144–155 (Englisch: ''The End – The Death Of Jim Morrison''. Omnibus Press, London 1991).</ref> Sam Bernett gab an, Morrison sei in seinem Pariser Nachtklub, dem „Rock ’n’ Roll Circus“, auf der Toilette an einer Überdosis Heroin gestorben.<ref>Siehe Sam Bernett: ''The End: Jim Morrison''. Editions Privé, 2007 (französisch). Vgl. dazu auch einen „Time“-Artikel unter [http://www.time.com/time/world/article/0,8599,1643884,00.html ''How Jim Morrison Died''<!-- Automatisch generierter titel -->] sowie eine Dokumentation des Senders [http://www.phoenix.de/content/phoenix/die_sendungen/dokumentationen/144670?id=144670 Phoenix].</ref> Nach Heinz Gerstenmeyer ist Morrisons Tod – aufgrund eines [[Acute Respiratory Distress Syndrome|Lungenversagens]] nach einer länger anhaltenden [[Lungenblutung]] – erst wenige Minuten vor dem Eintreffen des Rettungsdiensts der Pariser Feuerwehr in Morrisons Wohnung eingetreten. Entgegen Coursons dringlicher Bitte verständigten Alain Ronay und Agnès Varda, zwei Freunde Morrisons, die Courson aufgrund ihrer Sprachprobleme telefonisch um Unterstützung gebeten hatte, den Rettungsdienst erst mit halbstündiger Verzögerung. Da Ronay fürchtete, mit Coursons und Morrisons Heroinkonsum in Verbindung gebracht zu werden, habe er sich zunächst selbst einen Eindruck vom Gesundheitszustand seines ehemaligen Studienfreundes verschaffen wollen.<ref>Heinz Gerstenmeyer: ''Der mysteriöse Tod von Jim Morrison''. Books on Demand, Norderstedt 2009. S. 48–130, hier S. 111f., 128f. – Zur Annahme eines späten Todeszeitpunkts vgl. Bob Seymore: ''The End: Der Tod von Jim Morrison''. Palmyra, Heidelberg 1993. S. 122.</ref> Am Tag nach Morrisons Tod entdeckte Courson, die in der Wohnung bis zur Erteilung der Bestattungserlaubnis zwei Nächte lang Totenwache hielt, in einem Notizbuch Morrisons die Zeilen: {{Zitat-en|Leave the informed sense in our wake / you be Christ on this package tour / –Money beats soul– / Last words, last words / out.|Übersetzung=Lass den aufgeklärten Verstand in unserem Kielwasser zurück / du wirst Christus sein auf dieser Pauschalreise / –Geld schlägt die Seele– / Letzte Worte, letzte Worte / Aus.|Jim Morrison, 1971<ref>James Riordan, Jerry Prochnicky: ''Break on Through''. Quill, New York 1992. S. 458. – Übersetzung Heinz Gerstenmeyer: ''Der mysteriöse Tod von Jim Morrison''. Books on Demand, Norderstedt 2009. S. 181.</ref>}} Morrison wurde am Morgen des 7. Juli 1971 auf dem Pariser Ostfriedhof [[Père Lachaise]] in der 6. Division, 2. Reihe, Grab 5 beigesetzt. An der Beerdigung nahmen nur Pamela Courson, der Doors-Manager Bill Siddons, Alain Ronay, Agnès Varda und Morrisons Sekretärin Robin Wertle teil. Nach dem Diebstahl einer kleinen Steintafel 1973 wurde erst im Juni 1981 ein Grabstein, den die drei verbliebenen Doors-Musiker finanziert hatten, errichtet. Im Dezember 1990 ließen Morrisons Eltern einen neuen monumentalen Grabstein mit einer Bronzeplatte errichten. Die Bronzeplatte trägt die [[Altgriechische Sprache|altgriechische]] Grabinschrift „κатá тоν δαίμονα ἑαυτοῦ“, die „gemäß seinem Dämonen“ oder „gemäß seinem Schicksal“ bedeutet. Obwohl die Außenmauer des Friedhofs kurz darauf um eine mit Eisenspitzen bewehrte Mauerkrone ergänzt wurde, um Morrison-Fans vom nächtlichen Vordringen auf den Friedhof abzuhalten, zog das Grab gerade während der neunziger Jahre zu Morrison-Gedenktagen wiederholt gewalttätige Randalierer an.<ref>Peter Jan Margry: ''The Pilgrimage to Jim Morrison’s Grave at Père Lachaise Cemetery: The Social Construction of Sacred Space''. In ders. (Hrsg.): ''Shrines and Pilgrimage in the Modern World. New Itineraries into the Sacred.'' Amsterdam University Press 2008. S. 143–171, hier S. 149.</ref> Nach Auseinandersetzungen um eine mögliche Verlegung des Grabes erklärte der vormalige französische Kulturminister und seinerzeitige Justizminister [[Jacques Toubon]] das Grab im März 1996 zum „schützenswürdigen Kulturdenkmal“.<ref>[[Siegfried Schmidt-Joos]], Wolf Kampmann: ''Rock-Lexikon 2''. Rowohlt, Reinbek 2008. S. 1160.</ref> Angaben der Friedhofsverwaltung aus dem Jahr 2004 zufolge handelt es sich bei dem Grab des Rocksängers um eine der populärsten Pariser Touristenattraktionen und um das [[Friedhofstourismus|meistbesuchte]] der 70.000 Gräber des Père Lachaise, auf dem zahlreiche bekannte Persönlichkeiten ruhen.<ref>Siegfried Schmidt-Joos, Wolf Kampmann: ''Rock-Lexikon 2''. Rowohlt, Reinbek 2008. S. 1160.</ref> Die Pariser Stadtverwaltung bezifferte die Anzahl der Besucher des Grabs im Jahr 2001 auf etwa 1,5 Millionen.<ref>Peter Jan Margry: ''The Pilgrimage to Jim Morrison’s Grave at Père Lachaise Cemetery''. In ders. (Hrsg.): ''Shrines and Pilgrimage in the Modern World.'' Amsterdam University Press 2008. S. 143–171, hier S. 170, Fußnote 12.</ref> Nach einer ersten zeitweiligen Sperrung von Morrisons Grab zwischen 1988 und 1989, die keinen Rückgang des Besucherzustroms bewirkte, ist die Grabstelle seit 2004 erneut durch ein Metallgitter abgesperrt.<ref>Stig Söderholm: ''Liskokuninkaan mytologia: rituaali ja rocksankarin kuolema. Jim Morrison-kultin etnografinen tulkinta''. Suomalaisen Kirjallisuuden Seura, Helsinki 1990. S. 303, zitiert nach Peter Jan Margry: ''The Pilgrimage to Jim Morrison’s Grave at Père Lachaise Cemetery''. In ders. (Hrsg.): ''Shrines and Pilgrimage in the Modern World.'' Amsterdam University Press 2008. S. 143–171, hier S. 148.</ref> In ethnologischen Feldstudien wurde das Grab als modernes Wallfahrtsziel und „[[Polymorphie|polymorphe]] heilige Stätte“ beschrieben, an der zumindest eine der unterschiedlichen Kategorien von Besuchern spirituelle Inspiration bei Morrison als einer „Gestalt von [[Transzendenz|transzendenter]] Bedeutung“ suche.<ref>Peter Jan Margry: ''The Pilgrimage to Jim Morrison’s Grave at Père Lachaise Cemetery''. In ders. (Hrsg.): ''Shrines and Pilgrimage in the Modern World.'' Amsterdam University Press 2008. S. 143–171, hier S. 158, 168f. – Vgl. Patricia Fournier, Luis Arturo Jiménez: ''Representaciones e interpretaciones del chamanismo en el rock clásico: el caso de Jim Morrison y The Doors''. In: Patricia Fournier, Walburga Wiesheu (Hrsg.): ''Arqueologia y Anropologia de las Religiones''. Mexiko-Stadt: Escuela Nacional de Antropología 2005. S. 293–314. – Jeannie Banks Thomas: ''Communicative Commemoration and Graveside Shrines: Princess Diana, Jim Morrison, My "Bro" Max, and Boogs the Cat''. In: ''Spontaneous Shrines and the Public Memorialization of Death''. Edited by J. Santino. New York, NY: Palgrave MacMillan 2006. S. 17–40.</ref> == Künstlerisches Werk und Wirkung == Zu Morrisons raschem Aufstieg als Rockstar und seiner außerordentlichen Popularität in den späten sechziger Jahren trugen zahlreiche Faktoren bei, darunter die von den Doors verkörperte Antithese zu den verklärten Traumwelten, für die Teile der [[Folk]]szene und die Flower-Power-Musik der sechziger Jahre standen, Morrisons „etwas raue Baritonstimme“<ref>''"Slightly-hoarse tenor baritone"'' in Jerry Hopkins, Daniel Sugerman: ''No One Here Gets Out Alive''. Warner Books, New York, 1980. S. 82.</ref> und seine erotische Ausstrahlung, seine dunklen, anspruchsvollen Texte und seine spektakulären Auftritte. Morrisons Selbstinszenierung, Selbstmythisierung und seine Manipulation der Medien mit griffigen Schlagwörtern, sein rebellischer und gegen etablierte Autoritäten gerichteter Habitus, sein selbstzerstörerischer Lebensstil und seine skandalösen Grenzüberschreitungen boten einem vorwiegend jugendlichen Publikum auf der Suche nach Orientierung und persönlicher Freiheit vielfältige Projektionsflächen. Unter Rückgriff auf [[Indigene Völker|indigen]] beeinflusste [[Chiffre (Literatur)|Chiffren]] wie den Rock-„[[Schamane]]n“ oder „Echsenkönig“ hatte Jim Morrison sich darauf verstanden, mit einem betont männlichen Erscheinungsbild aus Lederhose, weißem Hemd und dem Conchagürtel der [[Diné|Navajo-Indianer]] einen Mythos um die eigene Person zu bilden. Binnen weniger Jahre drohte er dauerhaft auf die Rolle des mysteriösen, erotischen und skandalösen Rockstars festgelegt zu werden. Je stärker das Bühnen-Image des [[Dionysos|dionysisch]]-rauschhaften „Weltenkünstlers“ im Sinne Nietzsches, dem Morrison sich auch durch Alkohol- und Drogenkonsum nicht entziehen konnte, außer Kontrolle zu geraten drohte, desto wichtiger wurde ihm „alles, was Leute zum Denken bringt“<ref>Jim Morrison im „Los Angeles Free Press“-Interview, Januar 1971, siehe Jerry Hopkins: ''Jim Morrison. Der König der Eidechsen.'' Schirmer/Mosel, München 1993. S. 231–244, hier S. 239.</ref> und die inhaltliche Auseinandersetzung des Publikums mit seinem künstlerischen Schaffen. Wenngleich Morrison vor allem durch seine Songs bekannt wurde, hinterließ er ein künstlerisches Gesamtwerk von insgesamt über 1600 Manuskriptseiten, darunter Gedichte, Anekdoten, [[Epigramm]]e, Essays, Erzählungen, Songtexte, szenische Texte und Drehbuchentwürfe.<ref>''Wilderness. The Lost Writings of Jim Morrison''. Penguin, London 1988. S. 211.</ref> Morrison versuchte, verschiedene Kunstformen miteinander in Einklang zu bringen und zu vereinen: {{Zitat|Anfangs wollte ich nicht Mitglied einer Band sein. Ich wollte Filme machen, Stücke schreiben, Bücher. Als ich in die Band kam, wollte ich einige dieser Ideen einbringen. Allzuviel ist nicht daraus geworden […].|Jim Morrison im „Circus“-Interview, Oktober 1970 (gedruckt im Dezember 1970)<ref>Jerry Hopkins: ''Jim Morrison. Der König der Eidechsen.'' Schirmer/Mosel, München 1993. S. 224.</ref>}} Als verbindendes Element von Morrisons musikalischen Arbeiten und seinen literarischen und filmischen Versuchen deutete Collmer Morrisons persönliche Befreiungsversuche und seine Absicht, „die Kontrolle über das eigene Leben so weit wie möglich zurückzugewinnen.“<ref>Thomas Collmer: ''Pfeile gegen die Sonne – Der Dichter Jim Morrison und seine Vorbilder''. Maro, Augsburg 2009. S. 117.</ref> Als Hintergrund seiner künstlerischen, insbesondere seiner literarischen Ambitionen nannte Morrison die Absicht zur Förderung eines neuen Bewusstseins: {{Zitat|Falls meine Dichtung irgendeinem Zweck dienen sollte, dann dem, die Menschen von den begrenzten Formen ihrer Wahrnehmung zu befreien.|Jim Morrison<ref>''Wilderness. The Lost Writings of Jim Morrison''. Penguin, London 1988. S. 2 [Übersetzung: Wikipedia].</ref>}} Morrison äußerte sich ungern über eigene Texte und warnte in einem Interview 1967 davor, seine vieldeutigen Arbeiten auf einfache Botschaften zu reduzieren. Nach Auffassung des Sängers – dem nach der im Elternhaus erlebten [[Autoritäre Erziehung#Autorit.C3.A4re Erziehungsstile|autoritären Erziehung]] die Vorstellung von eigener Autorität, die Übernahme von persönlicher Verantwortung und von Führungsrollen ohnehin fremd geblieben waren<ref>Glenn D. Walters: Jim Morrison, Pop Culture's Tragic Hero: A Lifestyle Analysis. In Glenn D. Walters: ''Lifestyle theory: past, present, and future''. Nova Publishers, Hauppauge 2006. S. 63–86, hier S. 74, S. 77f.</ref> – sollten Leser und Zuschauer seine Arbeiten auf ihre eigenen Kontexte übertragen: „Ich biete Bilder an. Ich beschwöre Erinnerungen an… Freiheit. Doch können wir nur Türen öffnen; wir können Leute nicht hindurchschleifen.“<ref>Stephen Davis: ''Jim Morrison – Life, Death, Legend''. Gotham, New York 2004. S. 175, 183. [Übersetzung: Wikipedia]</ref> === Musik und Live-Auftritte === Nach dem Verfall des [[Rock ’n’ Roll]] hatte an der US-Westküste in den frühen sechziger Jahren neben dem poppigen [[Soul]] des [[Motown]]-Labels und der [[Surfmusik]] die fast ausschließlich akustisch instrumentierte Folkmusik um Künstler und Bands wie [[Bob Dylan]] oder [[Simon and Garfunkel]] dominiert. Parallel zur [[British Invasion]] durch Gruppen wie die Beatles, die [[The Rolling Stones|Rolling Stones]], [[The Who]] oder [[The Kinks]] hatten US-Bands wie die [[The Byrds|Byrds]] und [[The Beau Brummels]] die Elektrifizierung der US-Folkszene betrieben. Damit einher ging die Entwicklung zum [[Psychedelic Rock]] mit seinen experimentelleren Songstrukturen und neuen Bands wie [[Jefferson Airplane]] und [[Grateful Dead]]. Im Gegensatz zu Teilen der „Flower Power“-Musik, bei der jedermann gemäß der „Love, Peace and Happiness“-Maxime „von Räucherstäbchen, Pfefferminz und orangefarbenen Himmeln zu singen schien,“<ref>Jerry Hopkins, Daniel Sugerman: ''Keiner kommt hier lebend raus''. Heyne, München ³1991. S. 123.</ref> strahlten die Songs der Doors eine ungewöhnlich düstere und aggressive Atmosphäre aus. Zugleich hoben die Doors sich durch ihren attraktiven Frontmann, poetische Songtexte, ihre psychedelischen Konzeptstücke und eine provokative Bühnenshow deutlich vom Auftreten anderer Gruppen der späten sechziger Jahre ab, was Morrison und seiner Band ab 1967 in den USA eine Sonderstellung im noch jungen [[Rockmusik]]-Genre verschaffte. Morrison verfasste den größten Teil der Songtexte der Doors, und er konzipierte die Grundmelodie zahlreicher Lieder. Da Morrison eine Ausbildung am Klavier nach wenigen Monaten abgebrochen hatte<ref name="jm-hop197"/> und keine [[Notation (Musik)|Notationstechniken]] beherrschte, bereitete es ihm anfangs Schwierigkeiten, die Melodien seiner Songs zu fixieren: {{Zitat|Zuerst kam die Musik, anschließend entwickelte ich einige Wörter, die ich über die Melodie legen konnte, weil ich nur auf diese Weise die Melodie im Kopf behalten konnte. Häufig blieben mir dann nur die Texte in Erinnerung, und ich habe die Melodie wieder vergessen.|Jim Morrison, 1968<ref>James Riordan, Jerry Prochnicky: ''Break on Through''. Quill, New York 1992. S. 76 [Übersetzung: Wikipedia]. – Vgl. Jerry Hopkins: ''Jim Morrison. Der König der Eidechsen.'' Schirmer/Mosel, München 1993. S. 183.</ref>}} Erst in der gemeinsamem Kompositions- und Probenarbeit mit den anderen Doors-Mitgliedern ließ sich das Problem der vergänglichen Melodien lösen, wie Manzarek sich erinnerte: „Jim sprach-sang die Wörter immer wieder, und währenddessen entwickelten sich langsam die dazu passenden Töne.“<ref>James Riordan, Jerry Prochnicky: ''Break on Through''. Quill, New York 1992. S. 88 [Übersetzung: Wikipedia].</ref> Seine Bandkollegen regte Morrison 1965 dazu an, eigene Songtexte zu verfassen, die sich auf [[Vier-Elemente-Lehre|Elementarkräfte]] und -bilder wie Erde, Luft, Feuer und Wasser beziehen sollten.<ref>Stephen Davis: ''Jim Morrison – Life, Death, Legend''. Gotham, New York 2004. S. 88.</ref> Dem intensiven gemeinsamen Schaffensprozess trug der Sänger Rechnung, indem er die Urheberschaft an den Liedern meist der gesamten Gruppe zuschrieb („All Songs Written by The Doors“).<ref>James Riordan, Jerry Prochnicky: ''Break on Through''. Quill, New York 1992. S. 122.</ref> Auch andere Künstler unterstützte er beim Songschreiben wie die deutsche Sängerin [[Nico (Sängerin)|Nico]], deren Album ''The Marble Index'' (1968) zahlreiche Anregungen Morrisons enthält.<ref>Stephen Davis: ''Jim Morrison – Life, Death, Legend''. Gotham, New York 2004. S. 192.</ref> Morrison schrieb über hundert Lieder mit einer großen Bandbreite musikalischer Stile: [[Blues]], [[Shanty|Seemannslieder]], [[Ballade (U-Musik)|Balladen]], [[Rockmusik|Rocksongs]], [[Psychedelic Rock]], [[Hard Rock]] oder [[A cappella|A-cappella-Gesang]]. Der Sänger betrachtete die Doors als weiße Bluesband und machte als Einflüsse neben Blues und Rock ’n’ Roll auch Jazz und einen kleinen Anteil klassischer Einflüsse geltend. Das musikalische Spektrum Morrisons und der Doors umfasste auch Elemente des [[Episches Theater|epischen Theaters]] der zwanziger Jahre (Coverversion des ''Alabama Song'' aus [[Bertolt Brecht|Brechts]] und [[Kurt Weill|Weills]] Oper ''[[Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny]]'') oder [[Barockmusik]], wie ein postum veröffentlichtes Lied belegt (''Woman in the Window'', 1971), das auf einer Melodie von [[Johann Sebastian Bach]] basiert.<ref>''The American Night. The Writings of Jim Morrison''. Viking, London 1990. S. 208.</ref> Zahlreiche von Morrisons Songtexten enthalten literarische Anspielungen und Zitate wie etwa ''End of the Night'' (1967), das im Wesentlichen auf Versen [[Louis-Ferdinand Céline]]s und [[William Blake]]s beruht.<ref>Ray Manzarek: ''Light My Fire''. Century, London 1998. S. 77f.</ref> Auf der Bühne setzte Morrison die Doors-Songs als Sänger, Performer und [[Perkussion (Musik)|Perkussionsspieler]] in Szene. Morrison hatte in seinen Schul- und Collegejahren mehrfach an Theateraufführungen mitgewirkt.<ref>Stephen Davis: ''Jim Morrison – Life, Death, Legend''. Gotham, New York 2004. S. 43.</ref> Beeinflusst von den Konzeptionen [[Antonin Artaud]]s oder von [[Julian Beck]]s „Living Theatre“, dessen Improvisationsstück ''Paradise Now'' den Doors-Sänger im Februar 1969 mehrfach spontan zum Mitspielen angeregt hatte, erweiterte Morrison das Repertoire der Rockmusik um Formen eines „Rocktheaters“.<ref>Jerry Hopkins, Daniel Sugerman: ''Keiner kommt hier lebend raus''. Heyne, München ³1991. S. 134.</ref> Besondere Bedeutung kam dabei epischen Konzeptstücken wie ''The End'' (1967), ''When the Music’s Over'' (1967), ''The Unknown Soldier'' (1968), ''The Celebration of the Lizard'' (1965-68), ''Rock is Dead'' (1969) oder ''The Soft Parade'' (1969) zu, die sowohl gesprochene als auch gesungene Passagen und Soundeffekte enthielten. Diese Stücke eigneten sich besonders für improvisatorische Variationen und zielten auf eine intensive Interaktion mit dem Publikum ab: {{Zitat|Es war nie in meinem Sinn, dass ein Publikum so passiv werden sollte, wie es das geworden ist. Ich glaube, ein Publikum sollte aktiv an dem teilnehmen, was abläuft.|Jim Morrison im „Los Angeles Free Press“-Interview, Januar 1971<ref name="jm-hop-242">Jim Morrison im „Los Angeles Free Press“-Interview, Januar 1971, in Jerry Hopkins: ''Jim Morrison. Der König der Eidechsen.'' Schirmer/Mosel, München 1993. S. 231–244, hier S. 242.</ref>}} Bei Livekonzerten nutzte der Sänger die offenen Konzeptstücke der Doors regelmäßig als „erweiterbares Gewebe für seine poetischen Stücke, Fragmente, kleinen [[Couplet]]s und die Dinge, die ihm gerade auf der Zunge lagen.“<ref>Stephen Davis: ''Jim Morrison – Life, Death, Legend''. Gotham, New York 2004. S. 133 [Übersetzung: Wikipedia].</ref> In einem Interview hob Morrison im Juni 1969 die Unabgeschlossenheit der Doors-Songs und die Möglichkeit hervor, bei Live-Auftritten unterschiedliche Versatzstücke assoziativ aneinanderreihen und ineinander übergehen lassen zu können: {{Zitat|Ich sing' gerne Blues – diese freien, langen Blues-Trips, wo es keinen klaren Anfang gibt und kein Ende. Es geht einfach in einen [[Groove (Musik)|Groove]] hinein, und ich kann improvisieren. Und jeder spielt solo. Ich mag diese Art von Songs lieber als einfach einen Song.|Jim Morrison im „Rolling Stone“-Interview, Juli 1969<ref>Jerry Hopkins: ''Jim Morrison. Der König der Eidechsen.'' Schirmer/Mosel, München 1993. S. 199.</ref>}} Die für Morrison charakteristische Technik der Verknüpfung von Musik mit literarischen Texten fand in Gestalt rezitativer Beiträge wie ''Horse Latitudes'' (1967) in die Studioalben der Doors Eingang. Zu den theatralen Einlagen von Morrisons Bühnenauftritten zählte ein indianischer [[Geistertanz]], der an die vielfältigen Anspielungen seiner Songtexte auf indianische Lebenswelten (Eidechsen, Schlangen, Wüsten etc.) anknüpfte. Nach Riordan/Prochnicky war Morrison 1966 zudem der erste Rock-Performer, der sich in das Publikum fallen ließ ([[Crowd surfing#Stagediving|Stagediving]]).<ref>Nach Thomas Collmer: ''Pfeile gegen die Sonne – Der Dichter Jim Morrison und seine Vorbilder''. Maro, Augsburg 2009. S. 101 [Dort ohne den ursprünglichen Literaturnachweis].</ref> === Lyrik === [[Datei:Umschlag Gedichtband An American Prayer von Jim Morrison (1970) Privatdruck Western Lithographers.JPG|miniatur|Jim Morrison, ''An American Prayer''. Privatdruck bei Western Lithographers vom Juli 1970, Auflage: 500 Exemplare]] Neben Morrisons Gesang und Songtexten fanden seine literarischen und filmischen Arbeiten nur geringe Beachtung. Der Rockstar gab an, die besondere Stärke der Poesie liege in ihrer Dauerhaftigkeit begründet: {{Zitat|Seit es Menschen gibt, können sie sich Wörter und Wortkombinationen merken. Nichts kann einen [[Holocaust]] überleben außer Gedichten und Liedern. Keiner kann sich einen ganzen Roman merken. Niemand kann einen Film, eine Skulptur, ein Gemälde beschreiben. Aber solange es Menschen gibt, können Lieder und Gedichte weiterleben.|Jim Morrison im „Rolling Stone“-Interview, Juli 1969<ref>Jerry Hopkins: ''Jim Morrison. Der König der Eidechsen.'' Schirmer/Mosel, München 1993. S. 198.</ref>}} In seiner umfangreichen Studie zum ''Dichter Jim Morrison'' urteilte Collmer, im Vergleich zu seinen literarischen Vorbildern sei Morrison „überhaupt nicht als literarisches Genie [zu] bezeichnen“, doch habe er, „vereinzelt, beachtenswerte literarische Leistungen“<ref>Thomas Collmer: ''Pfeile gegen die Sonne – Der Dichter Jim Morrison und seine Vorbilder''. Maro, Augsburg 2009. S. 65.</ref> hervorgebracht. Auf der Grundlage von Tageseindrücken habe Morrison in seinen Texten regelmäßig mehrschichtige Bedeutungsgehalte aufgebaut. Die Einflüsse auf Morrisons literarisches Schaffen sind vielfältig. Neben Versatzstücken der Kulturen der amerikanischen Ureinwohner spiegeln seine Texte Anregungen von Schriftstellern des 19. Jahrhunderts wie dem Naturmystiker [[William Blake]] oder den französischen [[Symbolismus (Literatur)|Symbolisten]] [[Charles Baudelaire]] und [[Arthur Rimbaud]] wider. Deutliche Spuren hinterließen die Autoren der Beat Generation der fünfziger Jahre wie Jack Kerouac (vor allem die „Beat-Romane“ ''Unterwegs'' und ''Doctor Sax'') oder [[Michael McClure]], deren Arbeiten von spontanen Schaffensformen und offenen Kompositionsprinzipien geprägt waren. Aus Kerouacs Werken übernahm Morrison indianische, [[Azteken|aztekische]] oder [[Ägypten|ägyptische]] Chiffren. Die Werke des Mythenforschers [[Joseph Campbell]] und des [[Sozialanthropologie|Sozialanthropologen]] [[James Frazer]] fanden Niederschlag in Arbeiten wie ''The Celebration of the Lizard''. Morrison war Autor des [[Aphorismus|aphoristischen]] Gedichtbands ''The Lords / Notes on Vision'', der sich auf „ein romantisches Geschlecht von Menschen, die einen Weg gefunden haben, ihre Umwelt und ihr eigenes Leben zu kontrollieren“,<ref>Jim Morrison im „Los Angeles Free Press“-Interview, Januar 1971, siehe Jerry Hopkins: ''Jim Morrison. Der König der Eidechsen.'' Schirmer/Mosel, München 1993. S. 231–244, hier S. 241.</ref> und auf filmästhetische Fragen konzentrierte. Sein zweiter Band ''The New Creatures'' (1969) griff im Titel ein [[Paulus von Tarsus|Paulus]]-Zitat auf ([[2. Brief des Paulus an die Korinther|2 Kor]] 5,17). Beide Gedichtbände erschienen im April 1970 gemeinsam als Hardcover bei [[Simon & Schuster]]. Im selben Jahr ließ Morrison in einem Privatdruck bei Western Lithographers den Gedichtband ''An American Prayer'' drucken. Einzelne Gedichte wurden in diversen amerikanischen und britischen Zeitschriften („16 Spec“, „Circus“, „Disc“, „Eye“, „The Los Angeles Image“, „[[Rolling Stone]]“) abgedruckt. Zu öffentlichen Lesungen kam es kaum, weil Morrison es „ziemlich hart [fand], etwas einfach so trocken vorzulesen.“<ref>Jerry Hopkins: ''Jim Morrison. Der König der Eidechsen.'' Schirmer/Mosel, München 1993. S. 193 [Morrison-Zitat aus der WNET-Show „Critique“, 23. Mai 1969].</ref> Während seiner Collegezeit in St. Petersburg hatte Morrison 1961/62 erstmals im Contemporary-Café eigene Texte vorgetragen und sich selbst auf der [[Ukulele]] begleitet.<ref>Stephen Davis: ''Jim Morrison – Life, Death, Legend''. Gotham, New York 2004. S. 32f.</ref> Im Mai 1969 trug der Doors-Frontmann seine Gedichte sowohl in der [[California State University, Sacramento|Sacramento State College Gallery]] als Gast Michael McClures als auch im Kino „Cinematheque 16“ in Los Angeles bei einer [[Benefiz]]-Veranstaltung des US-Schriftstellers [[Norman Mailer]] vor.<ref>Stephen Davis: ''Jim Morrison – Life, Death, Legend''. Gotham, New York 2004. S. 330. – Thomas Collmer: ''Pfeile gegen die Sonne – Der Dichter Jim Morrison und seine Vorbilder''. Maro, Augsburg 2009. S. 537.</ref> Mehrfach zeichnete der Sänger eigene Gedichte in Tonstudios auf. Die erste Aufnahme von 40 Gedichten entstand am 8. Juni 1969 im Elektra Sound Recorders-Studio in Los Angeles und wurde auszugsweise 1978 auf der Gedicht-LP ''[[An American Prayer]]'' der Doors veröffentlicht. Eine zweite Studio-Session, die 22 teilweise unvollendete Texte Morrisons umfasste, wurde am 8. Dezember 1970 im Village Recorders-Studio aufgezeichnet. Der Ruf Morrisons als amerikanischer [[Poète maudit]] wurde durch die nach dem Tod des Sängers veröffentlichten Gedichtsammlungen ''Far Arden'' (1985), ''Wilderness – The Lost Writings of Jim Morrison'' (1988) und ''The American Night'' (1990) weiter gefestigt. In Zusammenhang mit der allmählichen Publikation von Nachlasstexten seit den achtziger Jahren wurden Morrisons [[metapher]]nreiche Songtexte und Gedichte wiederholt zum Gegenstand literaturwissenschaftlicher Untersuchungen.<ref>Thomas Collmer: ''Pfeile gegen die Sonne – Der Dichter Jim Morrison und seine Vorbilder''. Maro, Augsburg 1994 (Neuausgaben 1997, 2002 und 2009). – Wallace Fowlie: ''Rimbaud and Jim Morrison. The Rebel as Poet. A Memoir.'' Duke University Press 1994. – Hans-Peter Rodenberg: ''Subversive Phantasie: Untersuchungen zur Lyrik der amerikanischen Gegenkultur 1960-1975. Allen Ginsberg, Gary Snyder, Bob Dylan, Leonard Cohen, Jim Morrison''. Focus, Giessen 1983. – Viktória Sereg: ''Jim Morrison – The Poet and the Singer.'' [[VDM Verlag Dr. Müller]], Saarbrücken 2008. – Tracey Simpson: ''L’intertextualité de l’œuvre poétique de Jim Morrison''. Univ., Diss., Pau 1997.</ref> Am 4. Februar 1998 erzielte eine Handschrift von ''The Celebration of the Lizard'' bei einer Auktion von [[Christie’s]] in New York den Preis von 40.000 Dollar.<ref>Siegfried Schmidt-Joos, Wolf Kampmann: ''Rock-Lexikon 1''. Rowohlt, Reinbek 2008. S. 492.</ref> === Filmprojekte === Morrison hatte zunächst Filmregisseur werden wollen. Während seiner Studienzeit produzierte er 1964/65 mit seinen Kommilitonen Phil O’Leno und John DeBella zwei unkonventionelle Kurzfilme in Montagetechnik.<ref>Häufig wird nur von einem einzelnen Film berichtet: James Riordan, Jerry Prochnicky: ''Break on Through''. Quill, New York 1992. S. 65f. – Ray Manzarek: ''Light My Fire''. Century, London 1998. S. 54–60, 65f.</ref> In seinem Gedichtband ''The Lords'' (1969), der von den Schriften des klassischen Philologen Norman O. Brown inspiriert ist, stellte Morrison das Kino als „totalitärste aller Kunstformen“ dar. Das Kino vermittle dem Zuschauer den Eindruck, dass der Schmerz der [[Individuation|Individualität]] vorübergehend aufgehoben sei.<ref>Thomas Collmer: ''Pfeile gegen die Sonne – Der Dichter Jim Morrison und seine Vorbilder''. Maro, Augsburg 2009. S. 97.</ref> Darüber hinaus entspreche der Film am stärksten der Alltagswahrnehmung: {{Zitat|Ich interessiere mich für Film, weil er für mich in der Kunst die größtmögliche Annäherung an den wirklichen Strom des Bewusstseins – im Traumleben wie im auch in der alltäglichen Wahrnehmung der Welt – darstellt, die wir haben.|Jim Morrison im „Rolling Stone“-Interview, Juli 1969<ref>Jerry Hopkins: ''Jim Morrison. Der König der Eidechsen.'' Schirmer/Mosel, München 1993. S. 201.</ref>}} Gemeinsam mit dem Beat-Schriftsteller Michael McClure, den Morrison im Mai 1967 in Los Angeles kennengelernt hatte, arbeitete der Sänger später an verschiedenen, nicht realisierten Filmprojekten. Im September 1968 planten beide in London eine Verfilmung von McClures Stück ''The Beard'' (1965), in der Morrison die Rolle des Gesetzlosen und Serienmörders [[Billy the Kid]] spielen sollte. Im selben Jahr trat Morrison als Statist in Agnès Vardas US-Filmkomödie ''Lions Love'' auf. Weitere Filmpläne Morrisons betrafen McClures mystischen Abenteuerroman ''The Adept'' (veröffentlicht erst 1971). Gemeinsam erstellten McClure und Morrison 1970 für [[Metro-Goldwyn-Mayer|MGM]] eine Drehbuchfassung des Romans, die mehrere hundert Seiten umfasste.<ref>Jerry Hopkins, Daniel Sugerman: ''Keiner kommt hier lebend raus''. Heyne, München ³1991. S. 170f., 228. – Thomas Collmer: ''Pfeile gegen die Sonne – Der Dichter Jim Morrison und seine Vorbilder''. Maro, Augsburg 2009. S. 538.</ref> Der von Morrison und den Doors als „Dokument dieser Ära“<ref name="jm-hop-242"/> produzierte kurze Konzertfilm ''A Feast of Friends'' wurde im Mai 1969 auf dem „Atlanta International Film Festival“ mit dem ersten Preis in der Kategorie „Dokumentarfilm“ ausgezeichnet. Morrisons bekanntestes, aber öffentlich nur in [[Vancouver]] 1970 und in Paris 1993 gezeigtes Filmprojekt ist ''HWY: An American Pastoral''. Das zwischen Frühjahr und Sommer 1969 entstandene, wenig strukturierte Spielfilmfragment im Stil des [[Direct Cinema]] weist starke Abweichungen vom unvollendeten Drehbuch auf.<ref>Jim Morrison: The Hitchhiker (An American Pastoral). In: ''The American Night. The Writings of Jim Morrison''. Viking, London 1990. S. 69-82.</ref> Morrison finanzierte das Low-Budget-Projekt über einen Anhalter, der in einer unwirtlichen Gegend seinen Fahrer tötet und dessen Auto stiehlt, durch die eigens gegründete Produktionsgesellschaft „HiWay Productions“. Als Collegestudent war Morrison 1962 regelmäßig per Anhalter von Tallahassee 450 Kilometer zu einer Freundin nach Clearwater gefahren.<ref>Stephen Davis: ''Jim Morrison – Life, Death, Legend''. Gotham, New York 2004. S. 35.</ref> Die in der [[Mojave-Wüste]] und in Los Angeles gedrehten Filmsequenzen über den Highway-Mörder – eine Vatermörder-Chiffre – sollten der Einholung weiterer Gelder dienen, mit denen das Projekt hätte abgeschlossen werden können.<ref>''The American Night. The Writings of Jim Morrison''. Viking, London 1990. S. 207.</ref> Im Oktober 1969 wurde die Filmhandlung durch die von besonderer Grausamkeit gekennzeichneten [[Sharon Tate|Tate]]-/[[Leno und Rosemary LaBianca|LaBianca]]-Morde, die Mitglieder der [[Manson Family]] in Los Angeles begingen, von der Wirklichkeit eingeholt. Unterstützt wurde Morrison bei ''HWY'' von seinen Freunden Paul Ferrara, Frank Lisciandro und Babe Hill. Den Soundtrack produzierte der mit Morrison befreundete Pianist Fred Myrow. 1971 wollte Morrison während seines zweiten Paris-Aufenthalts ''A Feast of Friends'' und ''HWY'' zur Aufführung bringen. Morrison arbeitete an weiteren Filmprojekten. Wie seit 1968 mehrfach geschehen, erreichten ihn auch in Paris Anfragen zur Übernahme von Rollen in Spielfilmen.<ref>Jerry Hopkins, Daniel Sugerman: ''Keiner kommt hier lebend raus''. Heyne, München ³1991. S. 270f.</ref> === Nach Morrisons Tod === [[Datei:Jim Morrison Memorial Berlin.jpg|miniatur|Morrison-Denkmal, das 2003 in [[Bezirk Treptow|Berlin-Treptow]] eingeweiht wurde]] [[Datei:Grab Jim Morrison Père La Chaise 8.12.2003 Schuschke.jpg|miniatur|Grab von Jim Morrison auf dem Père Lachaise in Paris an seinem 60. Geburtstag]] Trotz seiner nur wenige Jahre andauernden Karriere mit den Doors hat der Rockstarmythos um Morrison im Zusammenhang von Spielfilmen (darunter ''[[Apocalypse Now]]'' 1979 oder ''[[Forrest Gump]]'' 1994) und Buchpublikationen mehrere Renaissancen erlebt.<ref>Eine umfangreiche finnische Studie zur Rockidolkultur befasst sich vor allem mit Jim Morrison: Stig Söderholm: ''Liskokuninkaan mytologia: rituaali ja rocksankarin kuolema. Jim Morrison-kultin etnografinen tulkinta''. Suomalaisen Kirjallisuuden Seura, Helsinki 1990.</ref> Die verbliebenen Bandmitglieder der Doors haben sechs Jahre nach Morrisons Tod eine Auswahl hinterlassener Gedichtaufnahmen mit Musik unterlegt, sie um alte Doors-Livemitschnitte und eine Sequenz aus dem Morrison-Film ''HWY'' ergänzt und diese 1978 auf dem [[Spoken Word]]-Album ''An American Prayer'' veröffentlicht. Das Album klang mit [[Remo Giazotto]]s von [[Tomaso Albinoni]] inspirierter Komposition ''[[Adagio g-Moll (Giazotto)|Adagio g-Moll]]'' aus. ''An American Prayer'' wurde im Juni 1995 zum Nummer-eins-Album auf dem „Billboard’s Top Pop Catalogue Albums“ und war das einzige Doors-Album, das in den USA für einen [[Grammy Awards|Grammy]] nominiert war. Ebenfalls im Jahr 1978 entstand der Dokumentarfilm ''[[20 Stunden mit Patti Smith]]'', in dem sich die [[Punk]]sängerin [[Patti Smith]] beim Lesen von Morrison-Gedichten filmen ließ. Der US-Regisseur [[Francis Ford Coppola]], der gemeinsam mit Morrison das Filminstitut der UCLA besucht hatte, griff 1979 für den Soundtrack seines [[Antikriegsfilm]]s ''Apocalypse Now'' neben [[Richard Wagner]]s ''[[Die Walküre|Walkürenritt]]'' auch auf Doors-Musik zurück. Die Eingangssequenz des Films unterlegte Coppola mit dem Song ''The End''. Die erste Morrison-Biografie ''No One Here Gets Out Alive'' (deutsch: ''Keiner kommt hier lebend raus'') von Jerry Hopkins und Danny Sugerman wurde 1980 mit weltweit mehr als vier Millionen verkauften Exemplaren zu einem Kassenschlager und führte zu einem Wiederaufleben des Interesses an dem verstorbenen Doors-Sänger. Der Titel von Hopkins/Sugermans Rockstarbiografie war dem Doors-Song ''Five To One'' (1968) entlehnt. In Zusammenhang mit Hopkins/Sugermans Spekulationen über ein Überleben Morrisons entstand auch das Genre der fingierten Morrison-Biografien und -Romane, deren Gegenstand frei erfundene Abenteuer des weiterlebenden Doors-Frontmanns sind.<ref>Zu diesem Genre zählen unter anderem [[Craig Strete]]: ''Uns verbrennt die Nacht: Ein Roman mit Jim Morrison.'' Berlin u.a.: März 1983. – Mike Farren: ''Jim Morrison's Adventures in the Afterlife''. New York, NY: St. Martin's Press 1999. – Ineke Verheul: ''The Tenth Life of Jim Morrison''. Utrecht: Privat press 1999. – Marshal Lawrence Pierce III: ''The Lost Diaries of Jim Morrison''. Shelbyville, KY: Wasteland Press 2003.</ref> 1983 veröffentlichten die Doors den erfolgreichen Livesampler ''Alive, She Cried''. Der US-amerikanische Filmregisseur und Oscar-Preisträger [[Oliver Stone]] verfilmte 1990 die Morrison-Biografie und die Geschichte der Band unter dem Titel ''[[The Doors (Film)|The Doors]]''. Der Film, der hauptsächlich auf der Morrison-Biografie von Hopkins und Sugerman basierte, trug maßgeblich zur weiteren Mythologisierung Morrisons bei.<ref>Jerry Hopkins: ''Jim Morrison. Der König der Eidechsen.'' Schirmer/Mosel, München 1993. S. 172.</ref> Schauspieler wie [[Richard Gere]], [[Michael O’Keefe]] oder [[John Travolta]] hatten Interesse an der Rolle Morrisons gezeigt, die schließlich von [[Val Kilmer]] übernommen wurde. [[Meg Ryan]] spielte Pamela Courson. In [[Cameo-Auftritt]]en traten die britischen Rockmusiker [[Eric Burdon]] und [[Billy Idol]] und zudem Robbie Krieger, John Densmore sowie Patricia Kennealy auf. Die Authentizität von Stones cineastischem Porträt Morrisons als modernem Schamanen war umstritten.<ref>Siehe exemplarisch Jerry Hopkins: ''Jim Morrison. Der König der Eidechsen.'' Schirmer/Mosel, München 1993. S. 174–178.</ref> Stone hatte die Doors zu Morrisons Lebzeiten nicht live erlebt. Während Kilmers schauspielerische Leistung von der Kritik gelobt wurde, griffen vor allem die Doors-Mitglieder und Freunde Morrisons die Darstellung des Sängers als außer Kontrolle geratenen [[Soziopathie|Soziopathen]] an. Manzarek sagte nach der Filmpremiere, dass es ein guter Film sei, der eine amerikanische Rock-Band zeige, niemals aber die Doors und schon gar nicht Jim Morrison.<ref>http://www.the-doors-world.com/pages/PERE%20LACHAISE.htm, Zugriff am 2. September 2009</ref> Der Film endet mit einer Aufnahme des Grabs auf dem Pariser Friedhof Père Lachaise, für die kurzzeitig eine neue Morrison-Büste am Grab aufgestellt worden war. Stones Spielfilm machte eine neue Generation von Anhängern mit Jim Morrison vertraut, deren Begeisterung für die Rock-Ikone in den neunziger Jahren zeitweilig bizarre Formen annahm. Am 20. Todestag Jim Morrisons musste 1991 am Friedhof Père Lachaise die [[Compagnies Républicaines de Sécurité|CRS]], eine kasernierte Spezialeinheit der Nationalpolizei Frankreichs, einschreiten. Die Spezialeinheiten hinderten Morrison-Fans, die nach dem Fall des [[Eiserner Vorhang (Politik)|Eisernen Vorhangs]] vermehrt aus den ehemaligen Ostblock-Staaten angereist waren, an einem Durchbrechen der verriegelten Friedhofstüren mit einem gestohlenen Wagen und am gewaltsamen Vordringen auf den Friedhof.<ref>''Riot Rocks Remembrance''. In: [[Washington Post]], 5. Juli 1991. S. B3. – ''Jim Morrison Fans Riot at Paris Cemetery''. In: [[San Francisco Chronicle]], 5. Juli 1991. – Stephen Davis: ''Jim Morrison – Life, Death, Legend''. Gotham, New York 2004. S. 470.</ref> Das von Morrison geprägte Erscheinungsbild und der [[Habitus (Soziologie)|Habitus]] des revoltierenden Rockstars beeinflussten unterschiedliche Musiker und Bands wie [[Scott Stapp]] von [[Creed]], [[The Stooges|Iggy and the Stooges]], [[Ian Curtis]] von [[Joy Division]] oder [[Scott Weiland]] von den [[Stone Temple Pilots]]. Auch Jahrzehnte nach dem Tod des Doors-Sängers hält die Rezeption von Morrisons Songs und Texten an, wie ein 2003 in [[Bezirk Treptow|Berlin-Treptow]] eingeweihtes Morrison-Denkmal, eine US-Initiative zur [[Revision (Recht)|Revision]] des Miami-Urteils, eine Reihe neuer Veröffentlichungen in verschiedenen Sprachen, zahlreiche [[Sampling (Musik)|Samples]] aus Doors-Songs durch andere Bands, Fanclubs, Coverbands und der regelmäßige Besucherstrom an Morrisons Grabstätte dokumentieren. == Literatur == === Morrison-Texte === * ''Jim Morrison & The Doors – Die kompletten Songtexte''. Bearbeitet und übersetzt von Heinz Gerstenmeyer. Schirmer/Mosel, München 1992 (Neuauflagen: 2000, 2004). ISBN 3-88814-467-1 * ''The American Night''. Deutsche Übersetzung von Barbara Jung und Sabine Saßmann. Maro, Augsburg 1991. ISBN 978-3-87512-206-0 * ''Ein amerikanisches Gebet/An American Prayer und andere Gedichte''. Hrsg. und übersetzt von Reinhard Fischer und Werner Reimann. Kramer, Berlin 1996. ISBN 3-87956-098-6 * ''Fernes Arden. Far Arden''. Hrsg. und übersetzt von Werner Reimann. Kramer, Berlin 1985. ISBN 3-87956-173-7 * ''Die Herren und die neuen Geschöpfe. Texte und Gedichte zu Film, Sehen, Alchemie und Magie''. Hrsg. und übersetzt von Reinhard Fischer und Werner Reimann. Kramer, Berlin 1977. ISBN 3-87956-078-1 * ''Wildnis. Die verlorenen Schriften von Jim Morrison''. Übersetzt von Karin Graf, Nachwort von Arman Sahihi. Schirmer/Mosel, München 1989. ISBN 3-88814-337-3 === Sekundärliteratur === * [[Thomas Collmer]]: ''Pfeile gegen die Sonne. Der Dichter Jim Morrison und seine Vorbilder''. Maro-Verlag, Augsburg 1994, ISBN 3-87512-148-1; überarbeitete, aktualisierte & erweiterte Neuausgabe ebd. 1997, ISBN 3-87512-149-X; 2. (...) Neuausgabe ebd. 2002, ISBN wie zuvor; 3. überarbeitete und um ein langes Nachwort ergänzte Ausg. in 2 Bänden ebd. 2009, ISBN 978-3-87512-154-4 * Stephen Davis: ''Jim Morrison – Life, Death, Legend''. Gotham, New York 2004. ISBN 1-59240-099-X (Paperback), ISBN 1-59240-064-7 (Hardcover) * [[John Densmore]]: ''Riders on the Storm: Mein Leben mit Jim Morrison und den Doors''. Hannibal, Innsbruck 2001. ISBN 3-85445-066-4 (Englisch: ''Riders on the Storm – My Life With Jim Morrison And The Doors''. Delacorte Press, New York 1990. ISBN 0-385-30033-6) * The Doors mit Ben Fong-Torres: ''The Doors: Die illustrierte autorisierte Biographie der Band''. Schwarzkopf & Schwarzkopf, Berlin 2007. ISBN 978-3-89602-785-6 (Englisch: ''The Doors''. Hyperion, New York 2006. ISBN 1-4013-0303-X, ISBN 978-1-4013-0303-7) * Jerry Hopkins: ''Jim Morrison. Der König der Eidechsen: Die endgültige Biographie und die grossen Interviews.'' Schirmer/Mosel, München 1993. ISBN 3-88814-673-9 (Englisch: ''The Lizard King – The Essential Jim Morrison''. Charles Scribner’s Sons / Macmillan, New York 1992. ISBN 0-684-19524-0) * Jerry Hopkins, [[Danny Sugerman|Daniel Sugerman]]: ''Keiner kommt hier lebend raus. Die Jim-Morrison-Biografie''. Heyne, München 2001. ISBN 3-453-19784-4 (Englisch: ''No One Here Gets Out Alive''. Warner Books, New York 1980. ISBN 0-446-97133-2, deutsche Erstausgabe: Maro Verlag, Augsburg 1981. ISBN 3-87512-050-7) * Patricia Kennealy Morrison: ''Strange Days, mein Leben mit Jim Morrison''. Egmont, Kopenhagen 1998. ISBN 3-8025-2522-1 (Englisch: ''Strange Days – My Life With And Without Jim Morrison''. Dutton Books / Plume / Penguin Group, New York 1992) * Frank Lisciandro: ''Stunde der Magie''. Schirmer/Mosel, München 1994. ISBN 3-88814-715-8 (Englisch:''Jim Morrison – An hour for magic''. Delilah Communications, New York. 1982 ISBN 0-933328-22-2) * [[Ray Manzarek]]: ''Die Doors, Jim Morrison und ich: Mein Leben mit den Doors.'' Hannibal, Wien 1999. ISBN 978-3-85445-165-5 (Englisch: ''Light My Fire – My Life with The Doors''. G.P. Putnam’s Sons, New York 1998. ISBN 0-399-14399-8) * Rainer Moddemann: ''The Doors''. 2. überarbeitete Auflage. Heel, Königswinter 2001 (Erstauflage: Heel, Königswinter 1991). ISBN 3-89365-927-7 * James Riordan, Jerry Prochnicky: ''Break on Through. The Life and Death of Jim Morrison''. William Morrow, New York 1991. ISBN 0-688-08829-5 == Filme == === Morrison-Filmografie === * ''A Feast of Friends'' (1969), Regie: Paul Ferrara<ref>[http://imdb.com/title/tt0196551/ www.imdb.com: ''A Feast of Friends''.] Zugriff am 26. August 2009.</ref> * ''HWY: An American Pastoral'' (1969), Regie: Paul Ferrara<ref>[http://www.imdb.com/title/tt0388097/ www.imdb.com: ''HWY: An American Pastoral''.] Zugriff am 26. August 2009.</ref> === Dokumentationen === * ''The Doors Are Open'' (1968), Regie: John Sheppard * ''The Doors: Live in Europe 1968'' (1968), Regie: Paul Justman, Ray Manzarek et al. * ''Live at the Hollywood Bowl'' (1968), Regie: Ray Manzarek * ''The Doors: A Tribute to Jim Morrison'' (1981) * ''The Doors: Dance on Fire'' (1985), Regie: Ray Manzarek * ''The Soft Parade, a Retrospective'' (1991), Regie: Ray Manzarek * ''Die letzten Tage einer Legende – Jim Morrison'' (OT: ''Final 24: Jim Morrison'', Frankreich: [[France 2]] 2006), Regie: Michaelle Gagnet<ref>[http://www.phoenix.de/die_letzten_tage_einer_legende/2008/07/21/0/141985.1.htm www.phoenix.de: ''Inhaltsangabe von [[Phoenix (Fernsehsender)|Phoenix]]''.] Zugriff am 26. August 2009.</ref> * ''When You’re Strange'' (2009), Regie: [[Tom DiCillo]] === Doors-Spielfilm === * ''[[The Doors (Film)|The Doors]]'' (1991), Spielfilm von Oliver Stone mit Val Kilmer und Meg Ryan<ref>{{IMDb Titel|tt0101761|The Doors}}.</ref> == Weblinks == {{Commonscat}} * {{DNB-Portal|118584286}} * {{IMDb Name|0607186}} * [http://www.floridamemory.com/PhotographicCollection/VideoFilm2/video.cfm?VID=22 Früher Studienwerbefilm der Florida State University mit Jim Morrison] (englisch) * [http://www.the-doors-world.com/ the-doors-world.com], deutschsprachige Fanseite * [http://www.doors-online.de/ doors-online.de], älteste deutschsprachige Doors-Seite * [http://www.jim-morrison-doors.de/ jim-morrison-doors.de], deutschsprachige Morrison- und Doors-Webseite * [http://www.come.to/doors4ly/ come.todoors4ly], ehemaliger Doors Fanclub/Doors Quarterly Magazin (37 Ausgaben zwischen 1983 und 1999) (englisch) * [http://www.seelenkueche.com/ seelenkueche.com], deutsches Fanprojekt, Doors Fanclub == Einzelnachweise == <references /> {{Normdaten|PND=118584286}} {{SORTIERUNG:Morrison, James Douglas}} [[Kategorie:The Doors]] [[Kategorie:Rockmusiker]] [[Kategorie:Rocksänger]] [[Kategorie:US-amerikanischer Musiker]] [[Kategorie:Geboren 1943]] [[Kategorie:Gestorben 1971]] [[Kategorie:Mann]] {{Personendaten |NAME=Morrison, Jim |ALTERNATIVNAMEN=Morrison, James Douglas |KURZBESCHREIBUNG=US-amerikanischer Rock ’n’ Roll-Sänger und Lyriker |GEBURTSDATUM=8. Dezember 1943 |GEBURTSORT=[[Melbourne (Florida)]] |STERBEDATUM=3. Juli 1971 |STERBEORT=[[Paris]], Frankreich }} {{Exzellent|24. Oktober 2009|65932954}} [[af:Jim Morrison]] [[ast:Jim Morrison]] [[bar:Jim Morrison]] [[be-x-old:Джым Морысан]] [[bg:Джим Морисън]] [[bn:জিম মরিসন]] [[br:Jim Morrison]] [[bs:Jim Morrison]] [[ca:Jim Morrison]] [[cs:Jim Morrison]] [[cy:Jim Morrison]] [[da:Jim Morrison]] [[el:Τζιμ Μόρισον]] [[en:Jim Morrison]] [[eo:Jim Morrison]] [[es:Jim Morrison]] [[et:Jim Morrison]] [[eu:Jim Morrison]] [[fa:جیم موریسون]] [[fi:Jim Morrison]] [[fr:Jim Morrison]] [[ga:Jim Morrison]] [[gl:Jim Morrison]] [[he:ג'ים מוריסון]] [[hr:Jim Morrison]] [[hu:Jim Morrison]] [[io:Jim Morrison]] [[it:Jim Morrison]] [[ja:ジム・モリソン]] [[ka:ჯიმ მორისონი]] [[ko:짐 모리슨]] [[lt:Jim Morrison]] [[lv:Džims Morisons]] [[mk:Џим Морисон]] [[nl:Jim Morrison]] [[no:Jim Morrison]] [[oc:Jim Morrison]] [[pl:Jim Morrison]] [[pt:Jim Morrison]] [[ro:Jim Morrison]] [[ru:Моррисон, Джим]] [[simple:Jim Morrison]] [[sk:Jim Morrison]] [[sl:Jim Morrison]] [[sq:Jim Morrison]] [[sr:Џим Морисон]] [[sv:Jim Morrison]] [[ta:ஜிம் மோரிசன்]] [[tr:Jim Morrison]] [[uk:Джим Моррісон]] [[vi:Jim Morrison]] [[zh:吉姆·莫里森]] [[zh-yue:Jim Morrison]] 5xqu2bepmecjmk0464ho4oahjkcejel wikitext text/x-wiki Moschusochse 0 23955 26553 2010-04-28T15:54:04Z Howwi 0 Änderungen von [[Special:Contributions/77.58.194.246|77.58.194.246]] ([[User talk:77.58.194.246|Diskussion]]) rückgängig gemacht und letzte Version von [[User:Howwi|Howwi]] wiederhergestellt <!-- Für Informationen zum Umgang mit dieser Tabelle siehe bitte [[Wikipedia:Taxoboxen]]. --> {{Taxobox | Taxon_Name = Moschusochse | Taxon_WissName = Ovibos moschatus | Taxon_Rang = Art | Taxon_Autor = ([[Eberhard August Wilhelm von Zimmermann|Zimmermann]], 1780) | Taxon2_WissName = Ovibos | Taxon2_LinkName = nein | Taxon2_Rang = Gattung | Taxon3_Name = Ziegenartige | Taxon3_WissName = Caprinae | Taxon3_Rang = Unterfamilie | Taxon4_Name = Hornträger | Taxon4_WissName = Bovidae | Taxon4_Rang = Familie | Taxon5_Name = Paarhufer | Taxon5_WissName = Artiodactyla | Taxon5_Rang = Ordnung | Taxon6_WissName = Laurasiatheria | Taxon6_Rang = Überordnung | Bild = Ovibos moschatus qtl1.jpg | Bildbeschreibung = }} Der '''Moschusochse''' (''Ovibos moschatus''), auch als '''Bisamochse''' oder '''Schafsochse''' bezeichnet, ist ein [[Paarhufer]] aus der [[Familie (Biologie)|Unterfamilie]] der [[Ziegenartige]]n (Caprinae). Die bis zu 1,50&nbsp;m hohen männlichen und bis zu 1,30&nbsp;m hohen weiblichen Tiere sind Bewohner der [[arktis]]chen [[Tundra|Tundren]] und heute in [[Grönland]], [[Kanada]], [[Sibirien]] und [[Alaska]] zu finden. Kleinere Herden leben auch in [[Norwegen]] und [[Schweden]]. == Paläontologie == Die Vorläufer der heutigen Moschusochsen begannen sich vor etwa einer Million Jahren in der Tundra des nördlichen [[Zentralasien]]s zu entwickeln. Die ältesten Fossilien der Moschusochsen-Gattung Ovibos wurden in [[Deutschland]] gefunden und stammen aus der [[Elstereiszeit|Mindeleiszeit]]. Diese [[Pleistozän|pleistozänen]] Moschusochsen unterscheiden sich von der heutigen Form durch größere Körpermaße und sonstige Merkmale und werden deshalb zoologisch meist als eigene Art (''Ovibos pallantis'' im Gegensatz zu Ovibos moschatus) eingestuft. Ihr Verbreitungsgebiet erstreckte sich über die nördlichen Teile [[Eurasien]]s und [[Nordamerika]]s, das sie vor etwa 500.000 Jahren über die [[Beringstraße]] erreichten. In besonders kalten Zeitabschnitten zogen sie sich weit nach Süden zurück und gelangten bis nach [[Ungarn]], [[Frankreich]] und vermutlich sogar Nord[[spanien]]. Am Ende der [[Würmeiszeit]] gingen vor allem die Bestände der eurasischen Vorkommen zurück, vermutlich durch das Verschwinden der [[Mammutsteppe]]n und trockenen Tundren verursacht, die durch den Moschusochsen als Lebensraum wenig zusagende feuchte Moostundren und dichte Wälder abgelöst wurden. In Eurasien hielten sie sich am längsten auf der [[Taimyr-Halbinsel]], von wo sie erst vor etwa 4000 Jahren verschwanden. Das Aussterben dieser Moschusochsen fällt zeitlich mit dem der letzten [[Mammuts]] auf der [[Sibirien|nordsibirischen]] [[Wrangelinsel]] zusammen. Im Norden von Nordamerika und in Nordost[[grönland]] überlebten die Moschusochsen dagegen bis in die Gegenwart. [[Paläontologie|Paläontologische]] Funde zeigen, dass der Moschusochse die letzte nicht ausgestorbene Art eines mehrere Arten umfassenden Hornträger-Zweiges ist. Sein Überleben verdankt der Moschusochse offenbar der Anpassung an extrem kalte Standorte. Die ausgestorbenen Arten waren dagegen an wärmere Klimazonen angepasst (z. B. der ''Praeovibos priscus'', der trotz dieser Bezeichnung keinen Vorläufer, sondern eine parallel zu ''Ovibos moschatus'' existierende Art darstellte). Während des Pleistozäns war der größer und schlanker als Ovibos moschatus gewachsene [[Helm-Moschusochse]] (''Symbos cavifrons'' = ''Bootherium bombifrons'' oder ''Bootherium sargenti'') in Nordamerika weit verbreitet. Mit der Bestimmung seiner Fossilfunde tat sich die zoologische Forschung schwer: Zunächst hielt man den Helm-Moschusochsen für eine ausgestorbene [[Bison]]art (''Bison appalachicolus''), dann wurde Bootherium, heute allgemein als Weibchen von Symbos cavifrons eingestuft, als eigene Gattung beschrieben. Andere fossile Moschusochsen waren ''[[Euceratherium]] collinum'', eine an Gebirgsgegenden angepasste Moschusart, und ''Soergelia mayfieldi''. == Herkunft des Namens == Ihren Namen verdanken die Moschusochsen dem Umstand, dass die Männchen zur Paarungszeit eine Substanz in den [[Urin]] abgeben, die moschusartig süßlich riecht; eine [[Moschus]]-Drüse wie etwa der [[Moschushirsch]] besitzen die Moschusochsen nicht. In [[Inuktitut]], der Sprache der [[Inuit]], heißt der Moschusochse Umimmaq (d. h. Tier mit Fell wie ein Bart von umik, Bart). Der [[latein]]ische Artname ''Ovibos'' bedeutet Schafsochse und geht auf die obsolete Annahme zurück, Moschusochsen seien eine Kreuzung aus [[Rinder]]n und [[Schafe]]n. == Verbreitung == Heute leben Moschusochsen in größerer Zahl in Grönland, Kanada, Sibirien und Alaska sowie als kleinere Herden in Norwegen und Schweden. Allerdings ist nur ihr Vorkommen im Norden Kanadas und im Nordosten von Grönland natürlichen Ursprungs. In Alaska wurden die Moschusochsenbestände um die Wende zum 20. Jahrhundert ausgerottet. Eine Wiederansiedlung gelang, nachdem grönländische Moschusochsen in den 1930er Jahren auf der vor der Westküste Alaskas gelegenen Insel [[Nunivak]] ausgesetzt wurden und sich von dort wieder entlang des arktischen Festlands verbreiteten. [[Datei:Wrangel-island-sat.jpg|thumb|Auf der russischen [[Wrangelinsel]] lebt mittlerweile eine Herde von etwa 100 Tieren.]] Wiederansiedlungen in anderen Regionen Grönlands, in Sibirien und in Norwegen verliefen ebenfalls erfolgreich. Im norwegischen [[Dovrefjell]]-Nationalpark bedurfte es allerdings 20 Jahre dauernder Versuche, bis 1947 die Wiederansiedlung einer Moschusherde gelang. Heute in [[Schweden]] lebende Tiere entstammen einer aus einem Bullen, zwei Kühen und zwei Kälbern bestehenden Herde, die 1971 von Norwegen hierher wechselte. Auch auf der im [[Nordpolarmeer]] gelegenen russischen [[Wrangelinsel]], die 2004 von der [[United Nations Educational, Scientific and Cultural Organization|UNESCO]] zum [[Weltnaturerbe]] erklärt wurde, konnten Moschusochsen nachhaltig ausgesetzt werden; sie bilden inzwischen eine Herde von etwa 100 Tieren. Ansiedlungsversuche auf [[Island]] sind dagegen bislang gescheitert (siehe auch die unter ''Gefährdung'' aufgeführte Bestandstabelle). == Lebensraum und Lebensweise == [[Datei:Muskox 07-28.06.98.jpg|thumb|Moschusochsenherde (Victoria-Insel, Kanada)]] Moschusochsen bevorzugen als Lebensraum niederschlagsarme Tundren. Sie tolerieren große Kälte, sind aber empfindlich gegen anhaltende Feuchtigkeit. Überwiegend halten sie sich in tiefer gelegenen Ebenen und Flusstälern auf, in denen sich während des Sommers Schmelzwasser und die geringen Niederschläge auf dem [[Permafrostboden]] sammeln und eine für arktische Verhältnisse saftige Vegetation wachsen lassen. Sie ernähren sich von Holzgewächsen wie [[Birken]] und [[Weiden (Botanik)|Weiden]], von denen sie die Blätter abstreifen, und von [[Krautige Pflanze|Kräutern]] wie [[Sauergräser]]n, [[Süßgräser]]n, [[Flechte]]n und [[Moose]]n. Männliche Tiere weisen nur während einer Zeit von zwei Monaten im Jahr eine positive Nahrungsbilanz (Gewichtszunahme) auf, und während weiterer vier Monate ist ihre Nahrungsbilanz neutral (keine Gewichtsveränderung). Weibliche Tiere haben während fünf Monaten im Jahr eine positive Nahrungsbilanz und während der verbleibenden sieben Monate eine negative Nahrungsbilanz. Beide Geschlechter zehren während des langen arktischen Winters von ihren Fettreserven. Die Weibchen nutzen darüber hinaus ihre Fettreserven in den Zeiten, in denen sie ihre Kälber säugen. [[Datei:Muskox 04-26.06.98.jpg|thumb|Alter Bulle (Victoria-Insel, Kanada)]] Gelingt es einem Tier wegen schlechter Weide- und Wetterbedingungen nicht, eine für den Winter ausreichende Fettreserve aufzubauen, droht der Hungertod, meist im Spätwinter und zu Frühjahrsbeginn. Von der Anwesenheit der Moschusochsen profitieren eine Reihe anderer Tierarten: [[Schneeammer]]n und [[Spornammer]]n etwa polstern ihre Nester mit der überall in der Tundra zu findenden weichen Moschusochsenwolle aus; im Winter fressen [[Eishase]]n und [[Alpenschneehuhn|Schneehühner]] von den von Moschusochsen frei gescharrten Pflanzen. In der Nähe von Moschusochsen beobachtet man nicht selten auch [[Polarfuchs|Polarfüchse]], doch gibt es dafür bisher keine Erklärung. == Körperbau == === Gestalt und Größe === Moschusochsen besitzen eine stämmige Gestalt mit dicken, vor Kälte schützenden Fettpolstern. Auffällig sind der [[Buckel]] über der Schulter und der im Verhältnis zum übrigen Körper große Kopf. Ausgewachsene Tiere tragen außerdem eine ausgeprägte Mähne, die vom [[Widerrist]] bis zum Hornansatz reicht. Die männlichen Tiere wiegen 300–400&nbsp;kg, sind 2,50&nbsp;m lang und erreichen eine Schulterhöhe von ca. 1,50&nbsp;m. Die Kühe wiegen 200–300&nbsp;kg, werden 2,30&nbsp;m lang und bis zu 1,30&nbsp;m hoch. [[Datei:Moschusochse_fws.jpg|thumb|Moschusochsen im [[Yukon Delta National Wildlife Refuge]]]] === Hörner === Die bei beiden Geschlechtern kräftig ausgebildeten [[Horn|Hörner]] sind mit nach oben gerichteten Spitzen gebogen. Die Hornbasen an der Stirn der Männchen sind als elastische Wülste verdickt und verbreitert, die der Weibchen dagegen dichter beieinander. Die Hörner werden als Waffe gegen Raubtiere und von männlichen Tieren während der Brunft eingesetzt. Sie fangen schon beim vier- bis sechswöchigen Kalb zu wachsen an, doch ist die Hornbildung erst um das sechste Lebensjahr abgeschlossen. Etwa gleich lang dauert es auch, bis die Weibchen ihr Endgewicht erreicht haben, während bei den Männchen das Wachstum erst ein Jahr später endet. === Augen === [[Datei:Ovibos moschatus qtl2.jpg|miniatur|Portrait eines Moschusochsen]] Das [[Auge]] des Moschusochsen ist an die besonderen Bedingungen des arktischen Lebensraums gut angepasst: Große [[Pupille]] und hochempfindliche [[Netzhaut]] gewähren einerseits ausreichende Sehfähigkeit, wenn die Sonne während der Wintermonate unter dem Horizont bleibt und als einzige Lichtquelle Mond und Sterne dienen. Andererseits kann sich die Pupille zu einem horizontalen Schlitz verengen oder ganz verschließen und so vor [[Schneeblindheit]] schützen. Außerdem schützen Pigmentkörperchen die Netzhaut vor blendendem, von Schnee reflektiertem Sonnenlicht. === Hufe === Die Hufe sind breit, rund und scharfkantig. Mit den größeren Vorderhufen sind die Moschusochsen in der Lage, Schnee wegzukratzen oder Eis aufzubrechen. === Fell === [[Datei:Ovibos moschatus qtl3.jpg|miniatur|Moschusochse im Winterfell]] Das lange, dichte Fell der Moschusochsen ist aus mehreren unterschiedlichen Haararten zusammengesetzt und reicht fast bis zu den Hufen hinunter. Vor allem das sehr dichte [[Winterfell]] lässt die Tiere massig erscheinen. Gegen Ende des Winters ist dieses Haar ausgeblichen und die Fellfarbe überwiegend gelbbraun statt dunkel- bis schwarzbraun. Am Sattel und an den Füßen kommen auch hellbeige bis gelbbraune Haarfarben vor; [[Scrotum]] und [[Euter]] sind graubeige. Einzelne Tiere und auch manche Populationen haben helle Haare auch im Gesicht. Ältere Tiere sind generell etwas heller gefärbt. [[Datei:Muskox 02-25.06.98.jpg|thumb|Moschusochse zur Zeit des Fellwechsels auf der Victoria-Insel, Nunavut, Kanada]] Unmittelbar auf der Haut liegt ein dichtes, 5&nbsp;cm langes [[Unterfell]] aus feiner Wolle. Es bedeckt das ganze Tier außer an Hufen, Hörnern und einer kleinen Stelle zwischen Nüstern und Lippen; sein Wechsel erfolgt in den Monaten Mai bis Juli. Darüber liegt eine Schicht grober Schutz- oder Grannenhaare, die wesentlich länger (45 bis 62&nbsp;cm) sind und vor allem Hinterteil, Bauch, Flanken und Kehle bedecken. Das längste Schutzhaar wird an der Kehle getragen – daher der Name Umimmaq. Die Haut besitzt keine [[Talgdrüse]]n, weshalb die Haare Wasser und Regen nicht abweisen können. Die an eine überwiegende trockene Umgebung gewöhnten Tiere sind besonders gefährdet: Nässe führt bei ihnen nicht selten zu tödlich endenden Erkältungskrankheiten. Kälber haben bei der Geburt zimtfarbenes [[Deckhaar]] und ein Unterfell aus dunkler Wolle, das sie gemeinsam mit den isolierenden Fettdepots vor der Kälte schützt. Das längere Deckhaar erscheint erstmals am Ende des ersten Lebensjahres. Wie erwähnt verlieren die Moschusochsen zur Mitte des Sommers ihre Unterwolle. Da ihr Wechsel nicht gleichzeitig mit den Grannenhaaren erfolgt und die feinen Wollhaare an den Grannen haften bleiben, wirken die Tiere eine Zeitlang sehr zottig. Die Unterwolle der Moschusochsen zählt zu den feinsten natürlichen Fasern. Bezogen auf ihr Gewicht ist sie achtmal wärmer als Schafswolle und so weich wie die Unterwolle der [[Kaschmirziege]]n. In Alaska hat man deshalb Versuche unternommen, Moschusochsen als Wollelieferanten zu domestizieren. Aus dem Fell der halbzahmen Tiere wird die Unterwolle von Hand herausgekämmt und zu hochwertigen Schals und Pullovern verarbeitet. Ein domestizierter Moschusochse liefert durchschnittlich 2,5 kg Wolle im Jahr, woraus Wollgarn von rund 18&nbsp;km Länge mit einem Handelswert von ca. 8.200 US$ hergestellt wird. Die Wolle ist unter der [[Inuktitut]]-Bezeichnung [[Qiviut]] im Handel. == Fortpflanzung == [[Datei:Greenland-musk-ox_hg.jpg|thumb|Moschusochsenfamilie in Grönland]] Weibliche Moschusochsen werden im Alter von etwa vier Jahren fortpflanzungsfähig. Männliche Tiere erreichen ihre sexuelle Reife nach sechs Jahren. Nur in Lebensräumen mit außergewöhnlich guten Bedingungen, wie sie beispielsweise im norwegischen Dovrefjell gegeben sind, werden die Tiere früher geschlechtsreif. Die Paarungszeit liegt in den Sommermonaten Juli und August. Die Kuh ist 7 bis 9 Monate trächtig und gebiert meist nur ein Kalb, das bei der Geburt etwa 10 bis 14&nbsp;kg wiegt. Jährliche Geburten sind möglich; das hängt jedoch von den Bedingungen des Lebensraums ab. Bei der Geburt verfügt das Kalb über einen Vorrat an braunem Fettgewebe, das der Wärmeproduktion dient. Der Biogeograf Chris Lavers, University of Nottingham (Großbritannien), berichtet, dass es einem Moschusochsenkalb möglich ist, diesen Brennstoffvorrat so zu nutzen, dass 13 Mal so viel Wärme freigesetzt wird wie bei einem Menschen im Ruhezustand. Bei einem neugeborenen Kalb ist es daher nicht ungewöhnlich, dass sich seine Körpertemperatur deutlich über die Temperatur der Umgebung erhöht. Die Säugezeit beträgt bis zu 15 Monate, obwohl die Kälber bereits eine Woche nach der Geburt zu grasen beginnen. == Verhalten == === Verhalten in der Herde === Während des Sommers umfasst eine Herde 5 bis 15 Tiere; im Winter erreichen die Herden eine Anzahl von bis zu 100 Tieren. Wie problematisch es ist, aus einzelnen Beobachtungen auf die Herdenzusammensetzung und typische Verhaltensmuster zu schließen, beschreibt z. B. der Natur-Essayist und Fotograf [[Barry Lopez]]. Auch hebt er bei den Moschusochsen als einzigartig unter den Wiederkäuern hervor, dass sie besonders engen Körperkontakt zueinander halten und selbst während der Flucht Schulter an Schulter und Flanke an Flanke galoppieren.<ref name="Barry Lopez">Barry Lopez: Arktische Träume. 1987, S.96, 98f.</ref> Die Herden verhalten sich jedoch nicht nur während der Flucht synchron. Auch die Fress- und Ruhephasen, die jeweils 100 bis 150 Minuten dauern, werden von der gesamten Herde eingehalten. [[Datei:Muskox 08-28.06.98.jpg|thumb|Herde mit Kälbchen (Victoria-Insel, Nunavut, Kanada)]] [[Datei:Muskox 09-28.06.98.jpg|thumb|left|Zeit der Ruhe (Victoria-Insel, Nunavut, Kanada)]] [[Datei:Muskox 05-28.06.98.jpg|thumb|Moschusochsenherde auf dem Rückzug, links außen ein Wächterbulle]] [[Datei:Ovibos moschatus.jpg|thumb|Moschusochsen in typischer Verteidigungsstellung]] Anders als [[Ren|Rentiere und insbesondere Karibus]] unternehmen Moschusochsen keine großen Wanderungen, sondern durchziehen täglich langsam ihr Revier und legen dabei durchschnittlich etwa 2&nbsp;km zurück. Bullen wie Kühe beeinflussen die Bewegung der Herde und ihr Verhalten. So ergaben z.B. Beobachtungen in Norwegen, dass dort stets eine ältere Kuh die sich möglichst gradlinig bewegenden Tiere anführt. Auch liegen die Sommer- und Winterreviere häufig nur wenige Kilometer auseinander. Im norwegischen Dovrefjell, wo für die Tiere besonders gute Lebensbedingungen herrschen, halten sie sich das ganze Jahr über in einem Gebiet auf, das nur etwa 8 mal 13&nbsp;km misst. === Verhalten gegenüber Fressfeinden === Die natürlichen Feinde der Moschusochsen sind [[Polarwolf|Polarwölfe]], gelegentlich auch [[Eisbär|Eis-]] und [[Braunbär]]en (bzw. [[Grizzlybär]]en). Bei Angriffen fliehen die Tiere zunächst an einen etwas erhöhten oder flach mit Schnee bedeckten Ort und wenden sich dann in einer phalanxförmigen Aufstellung mit dem Gesicht dem Angreifer zu. Werden sie z. B. durch Wölfe eingekreist, ist diese Phalanx kreisförmig; die Jungtiere stehen geschützt innerhalb dieses Kreises. Einzelne Tiere – Bullen, Kühe, aber auch Halbwüchsige – brechen dann immer wieder aus dem Kreis aus und attackieren die Angreifer. Wölfe sind bei ihrem Angriff nur erfolgreich, wenn es ihnen gelingt, ein solches attackierendes Tier von der Herde abzudrängen oder wenn sie durch eine Lücke in der Phalanx ein Kalb ergreifen können. === Verhalten während der Brunft === Während der Brunftzeit kommt es unter den Bullen zu beeindruckenden Rangkämpfen. Zu den Drohgebärden vor dem eigentlichen Kampf gehören neben herausforderndem Brüllen das Reiben der Voraugendrüsen am Boden oder am Vorderbein und während eines langsamen und steifbeinigen Parallelschritts das seitliche Zeigen von Hörnern und Kopf. Beim eigentlichen Kampf galoppieren die Bullen frontal aufeinander zu und prallen mit den Stirnen voll Wucht aufeinander. Dies kann sich bis zu zwanzigmal wiederholen. Der Aufprall ist dabei so heftig, dass einer der beiden Kämpfer nicht selten auf die Hinterkeulen zurücksinkt oder beide Tiere sich aneinander hoch richten. Zum Kampfverhalten gehört es auch, dass die Widersacher einander in die Seiten stechen und sich so gelegentlich sogar tödlich verletzen. Verlierer sondern sich in der Regel von der Herde ab und leben in der Folge einzelgängerisch oder schließen sich mit anderen männlichen Tieren zusammen. In der Herde werden sie nur noch geduldet, wenn sie sich gegenüber dem Leitbullen unterwürfig verhalten. Die Werbung um die Weibchen beginnt im Juni. Der Leitbulle folgt dann seinen Weibchen, beriecht sie ausgiebig und beginnt mit angehobenem Kopf zu [[flehmen]]. Die Werbung wird bis August immer intensiver. Zur Paarung bleibt die Kuh stehen, während der Bulle aufreitet und ihre Flanken mit den Vorderläufen umklammert. == Natürliche Todesursachen == Die Weibchen werden selten älter als 20 Jahre; die Bullen vergreisen dagegen schon mit etwa 15 Jahren. Hauptsächliche Todesursache ist das Verhungern, wenn im Vorjahr nicht ausreichende Fettreserven aufgebaut werden konnten, um den langen arktischen Winter zu überstehen. Auch Tod durch Erfrieren oder Ertrinken ist üblich, wenn Tiere im Frühjahr durch das Eis der zugefrorenen Flüsse brechen. Meist werden die geschwächten Moschusochsen Opfer von Raubtieren. Manche sterben auch an Verletzungen, die sie sich während der Brunftkämpfe zugezogen haben. == Mensch und Moschusochse == === Gefährdung durch Menschen === Für einen mit Gewehr ausgerüsteten, von Jagdhunden begleiteten Jäger sind Moschusochsen leichte Beute, da die Tiere beim Angriff von Hunden wie bei dem von Wölfen ruhig in einem Verteidigungsring verharren und so ein ideales Ziel abgeben. Für die [[Inuit]] waren Moschusochsen seit jeher wertvolles Jagdwild, das ihnen neben Fleisch Haut und Wolle lieferte; selbst Horn und Knochen wurden genutzt und der kurze Schwanz als Mückenwedel. [[Datei:Muskox 03-25.06.98.jpg|thumb|Neugieriger Bulle auf der Victoria-Insel, Territorium Nunavut, Canada]] Die Jagd auf Moschusochsen erreichte gegen Ende des 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts ihren Höhepunkt. Die großen [[Expedition|Polarexpeditionen]] nutzten das Fleisch der Moschusochsen nicht nur zur menschlichen Ernährung, sondern auch als Futter für [[Schlittenhund]]gespanne. Auch Walfänger schätzten Moschusochsenfleisch. Die [[Hudson’s Bay Company]] (HBC) trieb schwunghaften Handel mit den Fellen; zwischen 1888 und 1891 verkaufte die HBC gemäß eigenen Berichten 5.408 Moschusochsenfelle. Zum Niedergang der Moschusochsenpopulation trug auch der Ankauf von Kälbern durch [[Zoo|zoologische Gärten]] bei: Zum Einfangen der Kälber schoss man die erwachsenen Tiere einer Herde einfach nieder, und auf diese Weise dürften für die 250 Moschusochsenkälber, die zwischen 1900 und 1925 an Zoos verkauft wurden, ca. 2.000 erwachsene Tiere hingemetzelt worden sein. Nach Bekanntwerden der Fangmethoden stellten die Zoos nach 1925 den Erwerb von Moschusochsen ein. In Kanada sind die Moschusochsen seit 1917 und in Teilen Grönlands seit 1974 unter Schutz gestellt. Die Bestände haben sich dadurch wieder deutlich erholt (siehe nachfolgende „Bestandstabelle“). Aus Gründen der Traditionspflege hat Kanada den dort lebenden Inuit eine beschränkte Bejagung erlaubt: Seit 1970 sind den Inuit jährlich 20 Moschusochsen zur Jagd freigegeben; Felle und Wolle dürfen verkauft werden. Auch in Grönland ist außerhalb der Nationalparks eine begrenzte Jagd erlaubt. In Alaska wird versucht, Moschusochsen so weit zu domestizieren, dass die Wolle gewonnen werden kann (siehe obigen Abschnitt „Fell“). === IUCN-Einstufung und Bestand === Die [[IUCN]] führt den Moschusochsen gegenwärtig nicht als bedroht. In Deutschland sind nach der aufgrund des [[Bundesnaturschutzgesetz]]es erlassenen [[Bundesartenschutzverordnung]] Handel und Einfuhr von Moschusochsen verboten, um die Jagd nicht zu begünstigen. '''Bestandstabelle''': {| class="prettytable" |- !Land !align="right"|ca. Anzahl |- |[[Grönland]] |align="right"|15.000 |- |[[Kanada]] |align="right"|10.000 |- |[[Alaska]] (USA) |align="right"|1.000 |- |[[Wrangelinsel]] (Russland) |align="right"|100 |- |[[Norwegen]] (Festland) |align="right"|80 |- |[[Svalbard]] (Norwegen) |align="right"|60 |- |[[Schweden]] |align="right"|20 |- |gesamt |25.000–30.000 |} === Gefährdung von Menschen === Moschusochsen sind dem Menschen relativ selten gefährlich. In Norwegen wurden z. B. bislang zwei Menschen von angreifenden Moschusochsen getötet. Da sich bedroht fühlende Moschusochsen nicht immer flüchten, sondern ihre Verteidigungsstellung einnehmen und von dieser aus unversehens angreifen können, wird den Besuchern des Dovrefjells nahegelegt, einen Abstand von mindestens 200&nbsp;m zu den Tieren einzuhalten, mit Hunden sogar von mindestens 500&nbsp;m. == Unterarten == * '''Alaska-Moschusochse''' (''Ovibos moschatus moschatus'') in Alaska, Kanada und Russland * '''Grönland-Moschusochse''' (''Ovibos moschatus wardi'') in Grönland, Svalbard, Norwegen und Schweden mit weißem Fellfleck auf der Stirn == Nächste verwandte Tierarten == [[Datei:Rupicapra rupicapra 0.jpg|thumb|Gämsen zählen zu den Tierarten, die dem Moschusochsen nahe stehen]] Als am nächsten verwandte Tierart galt nach bisherigem Wissensstand der [[Tibet|nordtibetische]] [[Takin]]. Als weitere Verwandte wurden der [[Serau]], die [[Gämse]], die [[Schneeziege]] und der [[Mähnenspringer]] angesehen. Die nahe Verwandtschaft zwischen dem Takin und dem Moschusochsen wurde von Wissenschaftlern seit 1850 vermutet, da sich beide Tiere in Körperbau und Verhalten ähneln. Genetische Untersuchungen der Wissenschaftlerin Pam Groves bestätigen dies jedoch nicht. Ihre Untersuchungen legen stattdessen nahe, dass der nächste Verwandte der [[Gorale|Goral]] ist, eine kleine Ziegenart aus Asien, die sich vom Moschusochsen äußerlich deutlich unterscheidet. == Quellenangaben == <references/> == Literatur == [[Datei:Ipy-conger1_figure-09.jpg|thumb|Darstellung in einem Bericht zum 1. Internationalen Polarjahr 1888]] * Wolf Keienburg (Hrsg): ''Grzimeks Enzyklopädie.'' Bd 5. Säugetiere. München 1988. ISBN 3-463-42005-8 * Jochen Niehammer, Franz Krapp (Hrsg.); ''Handbuch der Säugetiere Europas.'' Wiesbaden 1986. ISBN 3-89104-026-1 * Chris Lavers: ''Warum Elefanten große Ohren haben – dem genialen Bauplan der Tiere auf der Spur.'' Gustav Lübbe, Bergisch-Gladbach 2001. ISBN 3-7857-2047-5 * Barry Lopez: ''Arktische Träume.'' Düsseldorf 1987 ISBN 3-442-72642-5 (mit dem [[National Book Award]] ausgezeichnet) * Jork Meyer: ''[http://www.staff.uni-marburg.de/~meyerj/Ms%20Ovibos%20moschatus.pdf Sex ratio in muskox skulls (Ovibos moschatus) found at East Greenland - Geschlechterverhältnis bei Schädeln des Moschusochsen (Ovibos moschatus) in Ostgrönland.]'' in: ''Beiträge zur Jagd- und Wildforschung.'' 29.2004, 187-192. {{ISSN|1436-3895}} * Günter Biallawons: ''Mein Norwegen, Land der Stille, Land des Lichts.'' Die Moschusochsen vom Dovrefjell. Tecklenborg, Steinfurt 2000. ISBN 3-924044-85-6 == Weblinks == {{Commons|Ovibos moschatus|Moschusochse}} * [http://www.uaf.edu/seagrant/NewsMedia/98ASJ/12.14.98_MuskOxKin.html Takin als nächster Verwandte des Moschusochsen?] – Englische Mitschrift einer Radiosendung des ''Arctic Science Journeys'' * {{IUCN |Year=2006 |ID=29684 |ScientificName=Ovibos moschatus |YearAssessed=1996 |Assessor=Caprinae Specialist Group |Download=12. Mai 2006 }} * [http://www.alaska-info.de/landleute/tierwelt/alaska_tierwelt_1.html Mochusochsen in Alaska] * [http://www.muskoxfarm.org/ Moschusochsen-Farm] {{Exzellent}} [[Kategorie:Hornträger]] {{Link GA|sv}} [[ar:ثور المسك]] [[bg:Овцебик]] [[br:Ejen-musk]] [[ca:Bou mesquer]] [[cs:Pižmoň severní]] [[da:Moskusokse]] [[en:Muskox]] [[es:Ovibos moschatus]] [[fi:Myskihärkä]] [[fr:Bœuf musqué]] [[he:כבש המושק]] [[hu:Keleti pézsmatulok]] [[is:Sauðnaut]] [[it:Ovibos moschatus]] [[ja:ジャコウウシ]] [[jbo:baklanme]] [[ko:사향소]] [[lt:Avijautis]] [[nl:Muskusos]] [[nn:Moskusfe]] [[no:Moskusfe]] [[nv:Hakʼaz ayání]] [[pl:Piżmowół]] [[pt:Boi-almiscarado]] [[ru:Овцебык]] [[sv:Myskoxe]] [[zh:麝牛]] nis6fpgvlgobk6o2jd06myhd9qa4cjn wikitext text/x-wiki Moskau 0 23956 26554 2010-05-10T21:51:41Z ArthurBot 0 Bot: Ergänze: [[fj:Moscow]] {{Begriffsklärungshinweis}} {{Infobox Ort in Russland |deutscher Name = Moskau |Name in Landessprache = Москва |Wappen = Coat of Arms of Moscow.svg |Flagge = Flag of Moscow.svg |lat_deg= 55 |lat_min= 45 |lat_sec= 00 |lon_deg= 37 |lon_min= 37 |lon_sec= 00 |Art der Region = Stadt mit Subjektstatus |Region = Moskau |Region in der Tabelle = |Art des Gebietes = |Gebiet = |Gebiet in der Tabelle = |innere Gliederung = 10 [[Liste der Moskauer Verwaltungsbezirke und Stadtteile|Verwaltungsbezirke]] |Bezeichnung des Oberhaupts = Oberbürgermeister |Oberhaupt = [[Juri Michailowitsch Luschkow|Juri Luschkow]] |Gründungsjahr = 1147 |erste Erwähnung = |frühere Namen = |Status = Stadt |Status seit = 1147 |Fläche = 1081 |Art der Höhe = |Höhe des Zentrums = 156 |offizielle Sprache = |offizielle Sprache-ref = |Bevölkerung = 10508971 |Jahr der Zählung = 2009 |Ballungsraum = |nationale Zusammensetzung = |Zusammensetzung nach Religionen = |Telefonvorwahl = (+7)495, (+7)499 |Postleitzahl = 101xxx–129xxx |Gemeindeschlüssel = 45 |Webseite = http://mos.ru/ }} [[Datei:Clocher d'Ivan le Grand.jpg|miniatur|[[Glockenturm Iwan der Große]] im [[Moskauer Kreml]]]] [[Datei:Moscou (timbre soviétique).jpg|miniatur|Briefmarke ''Heldenstadt Moskau'']] '''Moskau''' ({{RuS|Москва́}} {{Audio-IPA|ru-Moskva.ogg|mʌs'kva}}, ''Moskwa'') ist die Hauptstadt der [[Russland|Russischen Föderation]] und mit rund 10,5 Millionen Einwohnern (2009)<ref name="gks_pop_2009">[http://www.gks.ru/free_doc/2009/demo/popul09.htm ''Föderaler Dienst für staatliche Statistik Russlands'']</ref> in der Stadt und 14,6 Millionen (2007)<ref>World Gazetteer: [http://bevoelkerungsstatistik.de/wg.php?x=1198463058&men=gpro&lng=de&dat=32&geo=-183&srt=pnan&col=aohdq&pt=a&va=&geo=-1049487 Bevölkerungszahlen im Ballungsraum]</ref> in der [[Agglomeration]] die größte Stadt und Agglomeration Europas. Sie ist das politische, wirtschaftliche und kulturelle Zentrum des Landes mit Hochschulen und Fachschulen sowie zahlreichen Kirchen, Theatern, Museen, Galerien und dem 540 Meter hohen [[Ostankino-Turm]]. Moskau ist Sitz der [[Russisch-Orthodoxe Kirche|Russisch-Orthodoxen Kirche]]: Der Patriarch residiert im [[Danilow-Kloster]], das größte russisch-orthodoxe Kirchengebäude ist die Moskauer [[Christ-Erlöser-Kathedrale (Moskau)|Christ-Erlöser-Kathedrale]]. Es gibt im Stadtgebiet von Moskau über 600 Kirchen. Seit dem 16.&nbsp;Jahrhundert wird Moskau auch als [[Drittes Rom]] bezeichnet. Nach Ende des [[Zweiter Weltkrieg|Zweiten Weltkriegs]] erhielt Moskau die Auszeichnung einer „[[Heldenstadt]]“. Der [[Moskauer Kreml|Kreml]] und der [[Roter Platz|Rote Platz]] im Zentrum Moskaus stehen seit 1990 auf der [[UNESCO]]-Liste des [[UNESCO-Welterbe|Weltkulturerbes]]. Mit acht Fernbahnhöfen, drei internationalen Flughäfen und drei Binnenhäfen ist die Stadt wichtigster Verkehrsknoten und größte Industriestadt Russlands. == Geographie == === Geographische Lage === Moskau befindet sich im europäischen Teil Russlands, im Durchschnitt 156 Meter über dem [[Meeresspiegel]] im Hügelland zwischen [[Oka]] und [[Wolga]] und an den zum Teil steilen Ufern der [[Moskwa]], einem Nebenfluss der Oka, die wiederum in die Wolga mündet. Die Moskwa durchquert das Stadtgebiet in [[Mäander (Flussschlinge)|Mäandern]] von Nordwest nach Südost auf einer Länge von circa 80 Kilometern. Innerhalb Moskaus beträgt die Breite des Flusses 120 bis 200 Meter. Ungefähr 120 kleine Flüsse strömen der Moskwa zu. Mit Ausnahme von 14 wurden sie alle in unterirdische Rohrsysteme verlegt. Der 1937 fertiggestellte, 128 Kilometer lange [[Moskau-Wolga-Kanal]], der im Westen der Stadt in Richtung Norden abzweigt, sorgt für die schiffbare Verbindung des Flusses zum [[Iwankowoer Stausee]] beziehungsweise zur Wolga. Die Stadtgrenze bildet, mit wenigen Ausnahmen, der 1962 angelegte, 109 Kilometer lange äußere Autobahnring ([[MKAD]]). Das Stadtgebiet hat eine Fläche von 1081 Quadratkilometern. Die Grünflächen machen etwa ein Drittel des Stadtgebietes aus. Dazu gehören circa 100 Parks und über 800 gepflegte Anlagen, bereichert durch ungefähr 500 Teiche. Um die Stadt zieht sich ein 30 bis 40 Kilometer langer [[Stadtwald]]<nowiki>gürtel</nowiki> mit zahlreichen Erholungs- und Vergnügungseinrichtungen. Die Fläche des Stadtwaldgürtels beträgt 1725 Quadratkilometer. Das größte Waldgebiet stellt mit über 120 Quadratkilometern der [[Nationalpark Lossiny Ostrow]] (zu deutsch: „Elchinsel“) im Nordosten der Stadt dar, das zweitgrößte ist der [[Bitza-Park]] am südwestlichen Stadtrand. === Stadtgliederung === Moskau ist Verwaltungssitz der [[Oblast Moskau]], welche den Großraum Moskau ohne die Stadt selbst umfasst. Innerhalb des [[Zentralrussland|Föderationskreises Zentralrussland]] ist Moskau ein eigenständiges [[Föderationssubjekt]]. Während die Oblast Moskau in 39 [[Rajon]]s (Kreise) unterteilt ist, gliedert sich die Stadt selbst in zehn [[Bezirk]]e, diese bestehen wiederum aus insgesamt 123 Stadtteilen (ebenfalls ''Rajon'' genannt). Ein Stadtteil besteht außerdem oft inoffiziell aus zwei oder mehreren kleineren Ortsteilen, was meist historisch bedingt ist. Jeder der zehn Stadtbezirke beziehungsweise Verwaltungsbezirke hat einen Präfekten, der dem Moskauer Bürgermeister direkt unterstellt ist. Die Präfekten werden vom Bürgermeister ernannt. Jeder der Stadtbezirke hat ein eigenes Parlament, das aus elf gewählten Abgeordneten besteht. Die Verwaltungsbezirke von Moskau sind: [[Datei:Msk all districts.svg|miniatur|300px|Bezirke Moskaus]] {| class="prettytable" |-class="hintergrundfarbe6" ![[Bezirk|Verwaltungsbezirk]] !Russischer Name !Einwohner<br /><small>(1. Januar 2006)</small> |- |bgcolor="#FFE9B2"|[[Nördlicher Verwaltungsbezirk (Moskau)|Norden]] (2) | align="right" |Северный | align="right" |1.104.186 |- |bgcolor="#FEFFCC"|[[Nordöstlicher Verwaltungsbezirk (Moskau)|Nordosten]] (3) | align="right" |Северо-Восточный | align="right" |1.236.205 |- |bgcolor="#FFCCB2"|[[Nordwestlicher Verwaltungsbezirk (Moskau)|Nordwesten]] (9) | align="right" |Северо-Западный | align="right" |790.801 |- |bgcolor="#CCFFB2"|[[Östlicher Verwaltungsbezirk (Moskau)|Osten]] (4) | align="right" |Восточный | align="right" |1.381.716 |- |bgcolor="#FFB073"|[[Selenograd]] (10) | align="right" |Зеленоградский | align="right" |215.764 |- |bgcolor="#CCE5FF"|[[Südlicher Verwaltungsbezirk (Moskau)|Süden]] (6) | align="right" |Южный | align="right" |1.581.064 |- |bgcolor="#B2FFF1"|[[Südöstlicher Verwaltungsbezirk (Moskau)|Südosten]] (5) | align="right" |Юго-Восточный | align="right" |1.139.559 |- |bgcolor="#CFCCFF"|[[Südwestlicher Verwaltungsbezirk (Moskau)|Südwesten]] (7) | align="right" |Юго-Западный | align="right" |1.209.408 |- |bgcolor="#FFBFFC"|[[Westlicher Verwaltungsbezirk (Moskau)|Westen]] (8) | align="right" |Западный | align="right" |1.073.829 |- |bgcolor="#FFB2B6"|[[Zentraler Verwaltungsbezirk (Moskau)|Zentrum]] (1) | align="right" |Центральный | align="right" |692.543 |} ''Siehe auch:'' [[Liste der Moskauer Verwaltungsbezirke und Stadtteile]] === Klima === [[Datei:Moscow satellite image.jpeg|miniatur|left|Satelliten-Aufnahme von Moskau]][[Datei:Klimadiagramm-Moskau-Russland-metrisch-deutsch.png|miniatur|Klimadiagramm von Moskau]] Moskau befindet sich mit seinem [[Humides Klima|vollhumidem Klima]] in der [[Gemäßigte Zone|kühlgemäßigten Klimazone]] mit [[Kontinentalklima]]. Die durchschnittliche Jahrestemperatur beträgt 5,4 Grad Celsius, der Jahresniederschlag liegt bei 705 Millimetern. Der meiste Niederschlag fällt im Juli (90 Millimeter), der wenigste im März (33 Millimeter). Im Winter beträgt die Temperatur in Moskau meist −4 bis −10 Grad Celsius, manchmal werden aber auch Temperaturen unter −20 Grad Celsius gemessen. Recht oft herrscht aber auch Tauwetter. Die Winde sind mäßig, die Luft ist trocken. Der [[Windchill]]-Faktor ist deshalb relativ niedrig. Stärkere Fröste sind also verhältnismäßig leicht zu ertragen. Im Sommer beträgt die durchschnittliche Temperatur zwischen 17 und 19 Grad. Das Moskauer Temperaturmittel beträgt im Dezember −5,4, im Januar −7,5 und im Februar −6,7 Grad Celsius. Der Sommer in der Hauptstadt ist in der Regel warm und sonnig, mitunter aber auch sehr heiß – Temperaturen von über 35 Grad Celsius sind keine Seltenheit. Die langjährige Durchschnittstemperatur beträgt im Juni 17,1, im Juli 18,4 und im August 16,4 Grad Celsius. Im Frühling beträgt die Durchschnittstemperatur im März −1,4, im April 6,3 und im Mai 12,8 Grad Celsius. Im Herbst liegt die Durchschnittstemperatur im September bei 10,8, im Oktober bei 5,0 und im November bei −1,6 Grad Celsius. Die Schneeschmelze in der Stadt beginnt nach Berechnungen Moskauer [[Phänologie|Phänologen]] um den 16. März, der Eisbruch auf der [[Moskwa]] um den 12. April. Mit den ersten Gewittern ist um den 2. Mai zu rechnen, mit den ersten Nachtfrösten um den 14. September, und dem ersten Schneefall um den 28. Oktober. Die Moskwa friert um den 18. November wieder zu. Eine feste Schneedecke bildet sich um den 23. November. In Moskau sind die Klimaverhältnisse in der Innenstadt, den Vororten und erst recht in der Umgebung unterschiedlich. In der Innenstadt ist es trockener und wärmer. In den Vororten ist die durchschnittliche Temperatur um 2–3 Grad Celsius niedriger als im Stadtzentrum. Die höchste Temperatur wurde offiziell am 2. August 1936 mit 36,7 Grad Celsius gemessen, die niedrigste am 17. Januar 1940 mit −42,2 Grad Celsius.<ref>Retromoscow.narod.ru: [http://www.retromoscow.narod.ru/retromoscow_statistics.html Moskauer Statistik] (in russisch)</ref> {{Klimatabelle | TABELLE = | DIAGRAMM TEMPERATUR = | DIAGRAMM NIEDERSCHLAG = | DIAGRAMM NIEDERSCHLAG HÖHE = | QUELLE = <ref>Pogoda.ru.net: [http://pogoda.ru.net/climate/27612.htm Погода и климат]</ref> | Überschrift = | Ort = Moskau <!-- durchschnittliche Höchsttemperatur für den jeweiligen Monat in °C --> | hmjan = -4.9 | hmfeb = -3.5 | hmmär = 2.2 | hmapr = 10.8 | hmmai = 18.2 | hmjun = 22.1 | hmjul = 23.2 | hmaug = 21.3 | hmsep = 15.1 | hmokt = 8.1 | hmnov = 0.6 | hmdez = -3.1 <!-- durchschnittliche Niedrigsttemperatur für den jeweiligen Monat in °C --> | lmjan = -10.3 | lmfeb = -9.9 | lmmär = -4.7 | lmapr = 2.1 | lmmai = 7.4 | lmjun = 12.0 | lmjul = 13.8 | lmaug = 12.0 | lmsep = 7.0 | lmokt = 2.0 | lmnov = -3.7 | lmdez = -7.9 <!-- durchschnittliche Temperatur für den jeweiligen Monat in °C --> | avjan = | avfeb = | avmär = | avapr = | avmai = | avjun = | avjul = | avaug = | avsep = | avokt = | avnov = | avdez = <!-- durchschnittliche Niederschlagsmenge für den jeweiligen Monat in mm --> | nbjan = 55 | nbfeb = 44 | nbmär = 41 | nbapr = 34 | nbmai = 53 | nbjun = 78 | nbjul = 85 | nbaug = 87 | nbsep = 65 | nbokt = 77 | nbnov = 53 | nbdez = 46 <!-- durchschnittliche Anzahl täglicher Sonnenstunden für den jeweiligen Monat in h/d --> | shjan = | shfeb = | shmär = | shapr = | shmai = | shjun = | shjul = | shaug = | shsep = | shokt = | shnov = | shdez = <!-- durchschnittliche Wassertemperatur (Meere, Seen u.ä.) für den jeweiligen Monat in °C --> | wtjan = | wtfeb = | wtmär = | wtapr = | wtmai = | wtjun = | wtjul = | wtaug = | wtsep = | wtokt = | wtnov = | wtdez = <!-- durchschnittliche Regentage für den jeweiligen Monat in d --> | rdjan = 10 | rdfeb = 9 | rdmär = 8 | rdapr = 7 | rdmai = 9 | rdjun = 12 | rdjul = 13 | rdaug = 13 | rdsep = 11 | rdokt = 12 | rdnov = 10 | rddez = 9 }} == Geschichte == === Ursprung === [[Datei:MemorialToJuriDolgoruky.jpeg|miniatur|Juri-Dolgoruki-Denkmal]] Jahrhundertelang hat Moskau eine wichtige Rolle im Leben des ganzen Landes gespielt. „Jeder russische Mensch fühlt, wenn er auf Moskau blickt, dass es seine Mutter ist“, sagte der Schriftsteller [[Lew Nikolajewitsch Tolstoi|Lew Tolstoi]]. Seit neun Jahrhunderten breitet sich Moskau zu beiden Seiten des [[Moskwa]]-Flusses aus. In zahlreichen Legenden, Liedern und Sagen besingt das russische Volk die Schönheit und Größe seiner Hauptstadt. Eine der Sagen kündet davon, dass der Fürst [[Juri Dolgoruki]] (1090–1157) eine hölzerne Stadt zu errichten befahl, und dass diese Stadt nach dem Fluss benannt wurde, an dessen Ufern sie emporwuchs. Die erste schriftliche Erwähnung Moskaus stammt aus dem Jahre 1147, das darum als das Gründungsjahr Moskaus gilt. Doch schon lange davor gab es an der Stelle, wo heute Moskau steht, menschliche Niederlassungen. Archäologische Ausgrabungen bezeugen, dass die ältesten von ihnen vor etwa 5000 Jahren entstanden waren. Seit seiner Entstehung ist Moskau mit dem Schicksal des russischen Volkes untrennbar verbunden. Nicht von ungefähr nannten die Ausländer früherer Zeiten den russischen Staat „Moskowia“ und seine Einwohner „Moskowiter“. Um 1156 entstand eine erste, noch hölzerne Wehranlage des [[Moskauer Kreml|Kremls]], in deren Schutz sich der Marktflecken allmählich zu einer beachtlichen Ansiedlung entwickelte. Im Jahre 1238 ist die Stadt von den [[Mongolei|Mongolen]] erobert und niedergebrannt worden. 1263 wurde Moskau zum Fürstentum erhoben. In der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts –&nbsp;die Stadt zählte mittlerweile 30.000 Einwohner&nbsp;– erkannte der [[Tataren|tatarische]] Großkhan den Moskauer Großfürsten als (ihm allerdings tributpflichtiges) Oberhaupt von Russland an. Der Sieg über die Tataren in der [[Schlacht auf dem Kulikowo Pole|Schlacht von Kulikowo]] am 8. September 1380, angeführt durch den Großfürsten [[Dmitri Donskoi]], befreite zwar nicht von der [[Hegemonie]] der [[Goldene Horde|Goldenen Horde]] (1382 wurde Moskau sogar abermals niedergebrannt und geplündert), doch die Stadt festigte dadurch ihr politisches und militärisches Ansehen erheblich und gewann mithin beständig an wirtschaftlicher Macht. 1480 konnte sie die [[Mongolische Invasion der Rus|Tatarenherrschaft]] endgültig abschütteln und wurde zur Hauptstadt des russischen Reiches. Der seit 1462 regierende Großfürst von Moskau [[Iwan III. (Russland)|Iwan&nbsp;III.]], der Große (1440–1505), heiratete 1472 die [[Byzantinisches Reich|byzantinische]] Prinzessin Sofia (Zoe) Palaiologos, eine Nichte des letzten oströmischen Kaisers [[Konstantin XI.|Konstantin&nbsp;XI. Palaiologos]], und übernahm von dort die autokratische Staatsidee und ihre Symbole: den Doppeladler und das Hofzeremoniell. Seither gilt Moskau als „[[Drittes Rom]]“ und Hort der [[Orthodoxie]]. === Moskau wird Großstadt === [[Datei:Basil-cathedral-morning.jpg|miniatur|links|[[Basilius-Kathedrale]]]] In den beiden letzten Jahrzehnten des 15. Jahrhunderts begann der Ausbau des Kreml, in dessen Umkreis sich nun in großer Zahl Handwerker und Kaufleute niederließen. Die Einwohnerzahl stieg bald darauf auf mehr als 100.000, so dass um 1600 eine Ringmauer um Moskau und eine Erdverschanzung hinzukamen, die die blühende Stadt fortan nach außen abschirmten. 1571 war sie ein letztes Mal von den Tataren heimgesucht worden, als die überwiegend aus Holz gebaute Stadt abbrannte. Bereits ein Jahr später war die Tatarengefahr in der [[Schlacht bei Molodi|Schlacht von Molodi]] südlich von Moskau aber endgültig gebannt. In der [[Smuta|Zeit der Wirren]], die durch unklare Thronfolgeverhältnisse ausgelöst wurde, rückten polnische Truppen in die Stadt und versuchten, eigene Marionetten zu installieren. Eine Volksarmee aus [[Nischni Nowgorod]] belagerte die Polen jedoch im Moskauer Kreml und zwang sie zur Kapitulation. Diese Ereignisse ebneten den Weg für die [[Romanow]]-Dynastie auf den russischen Thron. Während die ersten Tuch-, Papier- und Ziegelmanufakturen, Glasfabriken und Pulvermühlen entstanden, kulminierten die sozialen Gegensätze des Großreiches: 1667 erhoben sich die Bauern im [[Wolga]]- und [[Don (Russland)|Dongebiet]] gegen die wachsende Unterdrückung, ihr Führer, [[Stenka Rasin|Stepan Rasin]], wurde 1671 auf dem Roten Platz in Moskau hingerichtet. Im Jahre 1687 ist die erste Hochschule Russlands, die „Slawisch-Griechische Akademie“ eröffnet worden, 1703 erschien die erste gedruckte russische Zeitung „Wedomosti“. Im Jahre 1712 ging unter Zar [[Peter der Große|Peter dem Großen]] (1672–1725) das [[Privileg]] der Hauptstadt auf das neu gegründete [[Sankt Petersburg]] über, aber Moskau blieb das wirtschaftliche und geistig-kulturelle Zentrum des Landes. 1755 wurde in Moskau mit der heutigen [[Lomonossow-Universität]] die erste russische Universität eröffnet. [[Datei:Fire of Moscow 1812.jpg|miniatur|Flächenbrand von 1812]] [[Datei:Situationsplan von Moskau.jpg|miniatur|Historische Karte (um 1888)]] Mit dem Moskau des 18. Jahrhunderts ist das Schaffen hervorragender russischer Schriftsteller und Dichter verknüpft wie [[Alexander Sumarokow]], [[Denis Iwanowitsch Fonwisin|Denis Fonwisin]], [[Nikolai Michailowitsch Karamsin|Nikolai Karamsin]] und vieler anderer. In Moskau trat der große russische Gelehrte [[Michail Wassiljewitsch Lomonossow|Michail Lomonossow]] seinen Weg in die Wissenschaft an. Auch in späteren Zeiten lebten und wirkten in Moskau viele berühmte russische Schriftsteller und Dichter, Wissenschaftler und Künstler, die durch ihr Schaffen nicht nur zur russischen, sondern auch zur Weltkultur einen immensen Beitrag geleistet haben. Im [[Russlandfeldzug 1812|Vaterländischen Krieg]] von 1812, als [[Napoléon Bonaparte]] (1769–1821) mit seiner „Großen Armee“ auf Moskau zumarschierte, verlor die Stadt in einem Flächenbrand –&nbsp;die Bewohner zündeten ihre Häuser an und flohen aus der Stadt&nbsp;– zwei Drittel ihrer Bausubstanz. Aber in Moskau kam die [[Frankreich|französische]] Armee zum Stehen, hier wurde sie wegen Hunger und Kälte zur Umkehr gezwungen, die mit ihrem Untergang endete. Der im Frühjahr 1813 einsetzende großstilige Wieder- und Neuaufbau sprengte rasch den alten städtischen Verteidigungsring und verschaffte der Stadt von der Mitte des 19. Jahrhunderts an durch zügigen Straßen- und Bahnstreckenbau Anschluss an die wichtigsten Städte des Landes. 1890 fuhren die ersten elektrischen [[Straßenbahn]]en; die erste [[Volkszählung]] des Landes fand am 28. Januar 1897 statt, die Bevölkerung der Stadt war auf etwa eine Million angewachsen, und bis 1914 hatte sie sich verdoppelt. In den letzten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts nahmen die sozialen Spannungen zu. Die Konzentration der [[Industrie]], vornehmlich der Leichtindustrie, war hier, von Sankt Petersburg abgesehen, am weitesten fortgeschritten, die Aufhebung der [[Leibeigenschaft]] im Jahre 1861 hatte Zehntausende landloser Bauern zur Lohnarbeit in die Städte getrieben. 1898 wurde in Moskau die [[Sozialdemokratische Arbeiterpartei Russlands]] gegründet. === Die Übernahme der Macht durch die Kommunisten === [[Datei:Bundesarchiv Bild 183-R81527, Moskau, Pferdebahn.jpg|miniatur|[[Pferdebahn]] um 1900]] [[Datei:Strastnaya.jpg|miniatur|Puschkin-Platz 1920]] Die [[Russische Revolution 1905|russische Revolution]] von 1905 bis 1907 erfasste die Stadt im Dezember 1905, als die Moskauer Arbeiter vom politischen Massenstreik zum bewaffneten Aufstand übergingen. Das Wirtschafts- und Versorgungschaos im [[Erster Weltkrieg|Ersten Weltkrieg]] schürte die sozialen Spannungen weiter. 1917 wurde während der [[Februarrevolution 1917|Februarrevolution]] Zar [[Nikolaus II. (Russland)|Nikolaus&nbsp;II.]] (1868–1918) gestürzt. Im selben Jahr leitete [[Lenin]] (1870–1924) in Sankt Petersburg die [[Oktoberrevolution]] ein, was zum [[Russischer Bürgerkrieg|Bürgerkrieg]] von 1917 bis 1922 und zur Machtübernahme der kommunistischen [[Bolschewiki]] in Russland führte. Am 12. März 1918 wurde Moskau zur Hauptstadt des Landes erklärt und die Regierung zog in den [[Moskauer Kreml|Kreml]], der damit erstmalig seit dem frühen 18.&nbsp;Jahrhundert wieder zum russischen Machtzentrum wurde. Am 30. Dezember 1922 ist dort die [[Sowjetunion]] gegründet worden. Nach Beendigung des Bürgerkrieges wurde 1925 eine grundlegende Umgestaltung Moskaus nach neuen städtebaulichen Grundsätzen, die eine Verbesserung der Wohnverhältnisse der Bevölkerung und die Beseitigung der Elendsbehausungen am Stadtrand vorsahen, in Angriff genommen. 1926 zählte die Stadt wieder zwei Millionen Einwohner. 1935 begann mit dem von [[Josef Stalin]] beschlossenen „Generalplan zur Stadterneuerung“ eine komplexe Neugestaltung Moskaus&nbsp;– damals sind die breiten Radialstraßen angelegt und die [[U-Bahn]] eröffnet worden, über die Moskwa spannte man neue Brücken und baute den Moskau-Wolga-Kanal. Quer durch die Altstadt wurden neue Magistralen geschlagen, zahlreiche historische Baudenkmäler wie der [[Sucharew-Turm]] wichen überdimensionierten sowjetischen Prunkbauten. Etwa 200.000 Bauarbeiter –&nbsp;überwiegend politische Gefangene&nbsp;– waren an der Umsetzung des Generalplans beteiligt. Die vollständige Zerstörung des alten Moskau wurde paradoxerweise nur durch den [[Zweiter Weltkrieg|Zweiten Weltkrieg]] verhindert, der zur Einstellung der Arbeiten führte. Auch das höchste Gebäude der Welt, der 415 Meter hohe „[[Palast der Sowjets]]“, konnte nicht mehr fertiggestellt werden. Anstelle der am 5. Dezember 1931 gesprengten [[Christ-Erlöser-Kathedrale (Moskau)|Christ-Erlöser-Kathedrale]] sollte das gewaltige Politik- und Kulturforum die Überlegenheit des sozialistischen Gesellschaftsmodells zeigen. Zur Ausführung gelangte jedoch nur das Fundament, denn bei Ausbruch des „[[Krieg gegen die Sowjetunion 1941–1945|Großen Vaterländischen Krieges]]“ wurde das Projekt stillgelegt –&nbsp;und nach dem Krieg nicht wiederaufgenommen. === Der Zweite Weltkrieg === [[Datei:Eastern Front 1941-06 to 1941-12_de.png|miniatur|Verlauf der Ostfront zwischen dem 22. Juni und dem 5. Dezember 1941]] Nach dem Einmarsch der deutschen [[Wehrmacht]] am 22. Juni 1941 in die damalige Sowjetunion begann am 30. September des Jahres ihre Offensive auf Moskau. Rund 80 Divisionen, unter ihnen 14 Panzer- und acht mechanisierte Divisionen sowie hunderte Flugzeuge, tausende Panzer, Geschütze und Granatwerfer wurden gegen die Hauptstadt eingesetzt. [[Adolf Hitler]] erklärte, er werde in eigener Person die Parade seiner Truppen in Moskau abnehmen. Aus den geplanten Festlichkeiten wurde jedoch nichts. Eine andere Parade fand allerdings am 7. November auf dem Roten Platz statt, die traditionelle Militärparade der sowjetischen Armee. Am 15. November begann eine zweite Offensive der Deutschen, dabei konnten sie bis in einzelne südliche Vororte einrücken. Der sowjetische Gegenangriff begann am 5. Dezember 1941, währenddessen die deutsche Armee um 100 bis 300 Kilometer zurückgeschlagen wurde. Die deutsche Luftwaffe flog gegen Moskau 12.000 Einsätze, aber nur ein Teil der Maschinen konnte die Stadt erreichen. In der [[Schlacht um Moskau]] verloren die deutschen Truppen 250.000 Mann, 1300 Panzer, 2500 Geschütze, mehr als 15.000 Kraftfahrzeuge und vieles weitere Material. Etwa 700.000 sowjetische Soldaten wurden getötet, verwundet oder vermisst. Dies war die erste große Niederlage der deutschen Wehrmacht gegen die Sowjetunion und allgemein auf dem europäischen Festland, kaum sechs Monate nach dem Beginn des [[Blitzkrieg]]es gegen die UdSSR. Die Schlacht an der Wolga von Juli 1942 bis Februar 1943 leitete die Niederlage der deutschen Truppen in der damaligen Sowjetunion ein. Am 24. Juni 1945 fand auf dem Roten Platz in Moskau die Siegesparade der sowjetischen Armee statt. An der Kremlmauer ruht der Leichnam des Unbekannten Soldaten, der bei der Verteidigung der Hauptstadt fiel. Auf seinem Grabstein wurden die Worte gemeißelt: :: Dein Name ist unbekannt, :: deine Heldentat ist unsterblich. === Die Entwicklung nach dem Zweiten Weltkrieg === [[Datei:Changing Guard Alexander Garden Moscow.hires.jpg|miniatur|Grab des Unbekannten Soldaten]] Moskau wurde nach den schweren Zerstörungen im Krieg wieder aufgebaut. Im Jahre 1947 fasste man den Beschluss, die Stadt an acht ausgewählten Standorten mit Hochhäusern zu versehen. Denn Moskau hatte durch den Abriss zahlreicher Kirchen und Kathedralen sowie die nun allgemein höhere Bebauung nicht nur bedeutende Orientierungspunkte, sondern auch ihre einst malerische Silhouette verloren. Die Sowjetführung forderte dabei, dass die Gebäude keine Kopien ausländischer Wolkenkratzer sein dürfen, sondern von russischer Architekturtradition geprägt sein müssen. Am 5. März 1953 starb Josef Stalin auf seiner Datscha in [[Kunzewo (Moskau)|Kunzewo]] bei Moskau. Er wurde zunächst im [[Lenin-Mausoleum|Mausoleum]] am Roten Platz neben Lenin aufgebahrt. Im Zuge der beginnenden „Entstalinisierung“ unter Regierungschef [[Nikita Sergejewitsch Chruschtschow|Nikita Chruschtschow]] wurde Stalins Leichnam 1961 aus dem Mausoleum entfernt und an der [[Nekropole an der Kremlmauer|Kremlmauer]] beigesetzt. Ein besonders intensives Baugeschehen erlebte Moskau nach dem Jahre 1955. Allein in der Zeitspanne von 1961 bis 1970 machte die Neubaufläche zweieinhalbmal soviel aus wie die Gesamtwohnfläche des ganzen vorrevolutionären Moskau. 1970 war die Einwohnerzahl auf fast sieben Millionen angestiegen. 1980 war Moskau Austragungsort der XXII.&nbsp;[[Olympische Sommerspiele 1980|Olympischen Sommerspiele]]. Ende der 1980er-Jahre geriet die sowjetische Wirtschaft immer mehr in eine Krise. Im Zuge der Politik von Präsident [[Michail Sergejewitsch Gorbatschow|Michail Gorbatschow]] ([[Perestroika]] und [[Glasnost]]) wurde der wirtschaftliche Niedergang des Landes immer offensichtlicher. Auf einigen Gebieten der Versorgung herrschte großer Mangel. Der Unmut der Bevölkerung entlud sich immer offener. Im August 1991 wollte Gorbatschow einen Vertrag für eine neue Sowjetunion zur Unterschrift vorlegen. Um dies zu verhindern und die alte Union zu retten, initiierten in Moskau einige Generäle, Regierungsmitglieder und der [[KGB]]-Chef am 19. August desselben Jahres einen [[Augustputsch in Moskau|Putschversuch]] gegen den Präsidenten. Nach dessen Scheitern zwei Tage später trat vier Monate danach am 25. Dezember 1991 Gorbatschow von seinem Amt als Präsident zurück. Das Datum markiert gleichzeitig das Ende des ersten kommunistischen Staates. === Moskau seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion === [[Datei:Katedra Chrystusa Zbawiciela w Moskwie 2.jpg|miniatur|Christ-Erlöser-Kathedrale]] 1992 ließ der ein Jahr zuvor zum [[Präsident Russlands|Präsidenten Russlands]] gewählte [[Boris Nikolajewitsch Jelzin|Boris Jelzin]] einen Föderationsvertrag unterzeichnen, der den [[Föderationssubjekt]]en Russlands weitreichende Vollmachten zubilligte. Im September 1993 löste er den Kongress der Russischen Volksdeputierten und den [[Sowjet#Oberster Sowjet der UdSSR|Obersten Sowjet]] auf. Infolgedessen kam es am 3. und 4. Oktober desselben Jahres in Moskau während der [[Russische Verfassungskrise 1993|Russischen Verfassungskrise]] erneut zu einem Putschversuch konservativer Politiker und deren Anhänger. Als diese das [[Weißes Haus (Moskau)|Weiße Haus]] (damals Parlamentsgebäude), das Rathaus und den Fernsehturm in Moskau besetzten, ließ Jelzin den Aufstand mit Gewalt (190 Tote) niederschlagen, um so einen Verfassungskonflikt zu seinen Gunsten zu entscheiden.<ref>Moskau Online: [http://www.moskauonline.de/html/hist.htm Geschichte Russlands und der Stadt Moskau im Überblick]</ref> Am 12. Dezember 1993 verabschiedete das Volk eine neue [[Verfassung der Russischen Föderation|Verfassung]] und gleichzeitig fanden erstmals freie Wahlen mit mehreren konkurrierenden Parteien statt. Vom 5. bis 7. September 1997 feierte die Stadt mit insgesamt 450 Veranstaltungen den 850. Jahrestag ihrer Gründung. Im Jahre 1999 wurde Moskau von den verheerendsten Terroranschlägen seiner Geschichte erschüttert. Am 9. September führte ein Bombenattentat auf ein neunstöckiges Wohnhaus an der Gurjanow-Straße zu 95 Toten und 264 Verletzten. Am 13. September kamen bei einem Anschlag auf ein neunstöckiges Wohnhaus an der Kaschirskoje-Chaussee 121 Menschen ums Leben, neun wurden verletzt. Die Urheberschaft der Anschläge konnte bis heute nicht geklärt werden. Während die Regierung [[Tschetschenien|tschetschenische]] Terroristen verantwortlich macht, beschuldigen Kritiker des russischen Präsidenten Geheimdienstagenten, die Bomben in den Hauskellern deponiert zu haben.<ref name="Terroranschläge">Russland-Aktuell: [http://www.aktuell.ru/russland/hintergrund_information/die_terroranschlaege_33.html Die Terroranschläge]</ref> Am 19. August 2000 wurde die 1931 gesprengte [[Christ-Erlöser-Kathedrale (Moskau)|Christ-Erlöser-Kathedrale]], der größte russisch-orthodoxe Kirchenbau der Welt, wiedereröffnet. Anfang September 2002 musste in einigen Bezirken Moskaus der Notstand ausgerufen werden; der in die Stadt eingedrungene Rauch von mehreren Hundert Wald- und Torfbränden in der Umgebung brachte das öffentliche Leben in Moskau zeitweise zum Erliegen. Am 23. Oktober 2002 stürmte ein Kommando von 41 tschetschenischen Geiselnehmern, unter ihnen 19 Frauen, das [[Geiselnahme im Moskauer Dubrowka-Theater|Dubrowka-Theater]] während der Aufführung des [[Musical]]s „Nord-Ost“, brachte rund 800 Zuschauer, Musiker und Schauspieler in seine Gewalt. Den Überfall leitete der tschetschenische Rebell [[Mowsar Barajew]], als Organisator gilt der Feldkommandeur [[Schamil Salmanowitsch Bassajew|Schamil Bassajew]]. Bei der Erstürmung durch russische Sonderpolizeieinheiten kamen 170 Menschen, darunter 129 Geiseln, nach dem Einsatz eines Kampfgases ums Leben.<ref>Tagesschau: [http://www.tagesschau.de/ausland/meldung486894.html Geiseldrama in Moskau 2002]</ref> Bei einem Anschlag auf jugendliche Teilnehmer eines Rockfestivals nahe dem Moskauer Flugplatz [[Tuschino]] kamen am 5. Juli 2003 einschließlich der Selbstmordattentäterinnen 16 Menschen ums Leben. Am 6. Februar 2004 wurden bei einem [[Metro Moskau#Erster Selbstmordanschlag 2004|Bombenanschlag]] auf eine voll besetzte Metro in der Nähe der Station ''Awtosawodskaja'' 39 Menschen getötet und 140 verletzt.<ref name="Terroranschläge"/> === Einwohnerentwicklung === [[Datei:Kamenni.jpg|miniatur|Der Kreml am Moskwa-Ufer]] Moskau ist von alters her Anziehungspunkt für Ausländer. Die ersten Ansiedlungen wurden von angereisten Kaufleuten, Handwerkern, Lehnsleuten und deren Nachkommen schon im 16. Jahrhundert gegründet. Die [[Nemezkaja sloboda|deutsche Ansiedlung]] am [[Jausa]]-Ufer war die größte davon. Aber auch Menschen aus anderen Teilen Europas lebten dort. Damals hatte die Stadt etwa 100.000 Einwohner. Bei der Volkszählung 2002 waren es mit zehn Millionen einhundertmal so viel. Von der ethnischen Vielfalt der Bevölkerung in Moskau zeugen die alten Ortsnamen des kompakten Ansiedelns der nichtrussischen Völkerschaften. Insgesamt leben heute in Moskau Angehörige von mehr als hundert Nationalitäten und Ethnien. 84,83 % der Einwohner waren bei der Volkszählung 2002 ethnische [[Russen]]. Größte ethnische Minderheiten waren: [[Ukrainer]] (2,44 %), [[Tataren]] (1,60 %), [[Armenier]] (1,20 %), [[Aserbaidschaner]] (0,92 %), [[Juden]] (0,76 %, in der Moskauer Statistik sowohl als ethnische wie auch als religiöse Gruppe kategorisiert), [[Weißrussen]] (0,57 %), [[Georgier]] (0,52 %), [[Moldauer|Moldawier]] (0,35 %), [[Tadschiken]] (0,34 %), [[Usbeken]] (0,23 %), [[Mordwinen]] (0,22 %), [[Tschuwaschen]] (0,16 %), [[Vietnamesen]] (0,15 %), [[Tschetschenen]] (0,14 %), [[Han-Chinesen|Chinesen]] (0,12 %), [[Osseten]] (0,10 %), [[Koreaner]] (0,08 %), [[Kasachen]] (0,08 %), [[Paschtunen]] (0,06 %), [[Baschkiren]] (0,06 %) und [[Deutsche]] (0,05 %).<ref>Perepis2002.ru: [http://www.perepis2002.ru/ct/doc/English/4-2.xls Nationalitäten und Ethnien in Russland – Volkszählung 2002] (in englisch)</ref> Allerdings ist der Zustrom illegaler Zuwanderer aus dem Gebiet der ehemaligen Sowjetunion nicht erfasst. [[Xenophobie|Fremdenfeindlichkeit]] gibt es begrenzt gegen „Schwarze“, also Menschen mit dunkler Hautfarbe, worunter vor allem [[Einwanderung|Immigranten]] aus dem [[Kaukasus]] und auch aus [[Zentralasien]] subsumiert werden. Der Terror einzelner Tschetschenen in Moskau gilt als Ursache für stärkere Feindlichkeit den Einwanderern gegenüber. Die folgende Übersicht zeigt die Einwohnerzahlen nach dem jeweiligen Gebietsstand. Bis 1956 handelt es sich meist um Schätzungen, von 1959 bis 2002 um Volkszählungsergebnisse<ref>Pop-stat.mashke.org: [http://pop-stat.mashke.org/russia-cities.htm Cities & towns of Russia]</ref> und 2009 um eine Berechnung des Föderalen Dienstes für staatliche Statistik Russlands.<ref name="gks_pop_2009" /> Die Einwohnerzahlen beziehen sich auf die registrierten Bewohner mit [[Hauptwohnsitz]] in Moskau. Die Zahlen sind ungenau, da in Moskau sehr viele Menschen ohne Registrierung lebten und leben. Zum einen gibt es in Moskau viele „Illegale“ aus den übrigen Nachfolgestaaten der UdSSR, zum anderen durfte und darf nicht jeder Bürger der UdSSR beziehungsweise heute der Russischen Föderation in Moskau wohnen, es war und ist mit gewissen, nicht für alle überwindbaren, [[Bürokratie|bürokratischen]] Hürden verbunden. [[Datei:BevoelkerungsentwicklungMoskaus.png|miniatur|300px|Grafik: Bevölkerungsentwicklung]] {| | valign="top" | {| class="prettytable" ! style="background:#efefef;" | &nbsp; &nbsp; &nbsp; &nbsp; Jahr &nbsp; &nbsp; &nbsp; &nbsp; ! style="background:#efefef;" | Einwohner |- | 1350 || align="right" | 30.000 |- | 1400 || align="right" | 40.000 |- | 1600 || align="right" | 100.000 |- | 1638 || align="right" | 200.000 |- | 1710 || align="right" | 160.000 |- | 1725 || align="right" | 145.000 |- | 1738 || align="right" | 138.400 |- | 1750 || align="right" | 130.000 |- | 1775 || align="right" | 161.000 |- | 1785 || align="right" | 188.700 |- | 1800 || align="right" | 250.000 |- | 1811 || align="right" | 300.000 |- | 1813 || align="right" | 215.000 |- | 1825 || align="right" | 241.500 |- | 1840 || align="right" | 349.100 |- | 1852 || align="right" | 373.800 |- | 1858 || align="right" | 336.400 |- | 1864 || align="right" | 351.600 |- | 1868 || align="right" | 416.400 |} | valign="top" | {| class="prettytable" ! style="background:#efefef;" | &nbsp; &nbsp; &nbsp; &nbsp; Jahr &nbsp; &nbsp; &nbsp; &nbsp; ! style="background:#efefef;" | Einwohner |- | 1871 || align="right" | 601.969 |- | 1886 || align="right" | 753.459 |- | 1891 || align="right" | 822.400 |- | 1897 || align="right" | 1.038.591 |- | 1900 || align="right" | 1.175.000 |- | 1908 || align="right" | 1.359.200 |- | 1912 || align="right" | 1.617.157 |- | 1915 || align="right" | 1.817.000 |- | 1920 || align="right" | 1.028.200 |- | 1926 || align="right" | 2.019.453 |- | 1936 || align="right" | 3.641.500 |- | 1939 || align="right" | 4.182.916 |- | 1956 || align="right" | 4.847.000 |- | 1959 || align="right" | 5.045.905 |- | 1970 || align="right" | 6.941.961 |- | 1979 || align="right" | 7.830.509 |- | 1989 || align="right" | 8.769.117 |- | 2002 || align="right" | 10.126.424 |- | 2009 || align="right" | 10.508.971 |} |} == Politik == === Stadtregierung === [[Datei:Kremlin Spasskaya Tower.jpg|miniatur|[[Mauer und Türme des Moskauer Kremls#Erlöserturm|Erlöser-Turm]] des Kremls]] Da Moskau Sitz des [[Präsident Russlands|Präsidenten]] und seiner [[Russische Präsidialverwaltung|Präsidialverwaltung]], der [[Regierung der Russischen Föderation|Föderationsregierung]] sowie zahlreicher Ministerien und Behörden ist, ist die Politik der Stadtverwaltung Moskaus naturgemäß geprägt von [[Koexistenz]] aber auch Konflikten mit dem Kreml und der Regierung. Dies ist seit langer Zeit eine Konstante der Politik in der Hauptstadt Russlands. Der latente Konflikt wird verstärkt, wenn das Stadtoberhaupt Ambitionen auf die Führung des Staates anmeldet –&nbsp;oder sie ihm nachgesagt werden. Die wichtigsten Akteure in diesem Konflikt sind einmal der Präsident und der Premierminister mit den vielen Beamten und Staatsbediensteten sowie auf der anderen Seite der Bürgermeister Moskaus und die zahlreichen Mitarbeiter der Stadtverwaltung. Die Stadtverwaltung übt die [[Exekutive|Exekutivmacht]] (ausführende Gewalt) in Moskau aus, die aus der Regierung der Stadt und dem Oberbürgermeister besteht. Letzterer wird zusammen mit dem Vizebürgermeister auf Vorschlag des Staatspräsidenten vom Stadtparlament gewählt. Die [[Legislative]] (gesetzgebende Gewalt) wird von der Stadtduma Moskaus gestellt. Diese besteht aus insgesamt 35 Abgeordneten und überwacht in ihrer Funktion den Bürgermeister. Die Wähler in Moskau, die etwa zehn Prozent der gesamten Wählerschaft Russlands ausmachen, stimmten bei Wahlen seit Anfang der 1990er-Jahre in der Regel stärker für liberale oder sozialliberale Parteien der Opposition, als der restliche Teil des Landes. Eine Ausnahme von diesem Trend sind die überwältigenden Wahlergebnisse für den gegenwärtig amtierenden Bürgermeister [[Juri Michailowitsch Luschkow|Juri Luschkow]] von über 70 Prozent. Dabei wird Luschkow trotz seiner pragmatischen Wirtschafts- und Investitionspolitik in Richtung Westeuropa nicht als liberal betrachtet. Bei den Wahlen in das Stadtparlament Ende 2005 errang die „Partei der Macht“, [[Einiges Russland]], eine absolute Mehrheit. ''Siehe auch:'' [[Liste der Bürgermeister von Moskau]] === Städtepartnerschaften === Moskau unterhält mit folgenden Städten Partnerschaften: * seit November 1990: [[Datei:Coat_of_arms_of_Berlin.svg|20px]] [[Berlin]], [[Datei:Flag_of_Germany.svg|20px]] [[Deutschland]] * seit Juli 1991: [[Seoul]], [[Datei:Flag_of_South_Korea.svg|20px]] [[Südkorea]] * seit Juli 1991: [[Wien]], [[Datei:Flag_of_Austria.svg|20px]] [[Österreich]] * seit Juli 1991: [[Datei:Flag of Tokyo Prefecture.svg|20px]] [[Präfektur Tokio]], [[Datei:Flag_of_Japan.svg|20px]] [[Japan]] * seit Januar 1992: [[Datei:Blason_paris_75.svg|20px]] [[Paris]], [[Datei:Flag_of_France.svg|20px]] [[Frankreich]] * seit Juni 1992: [[Datei:Stadtwappen_der_kreisfreien_Stadt_Düsseldorf.png|20px]] [[Düsseldorf]], [[Datei:Flag_of_Germany.svg|20px]] [[Deutschland]] * seit Dezember 1992: [[Peking]], [[Datei:Flag_of_the_People%27s_Republic_of_China.svg|20px]] [[Volksrepublik China|VR China]] * seit Mai 1993: [[Datei:POL_Warszawa_COA.svg|20px]] [[Warschau]], [[Datei:Flag_of_Poland.svg|20px]] [[Polen]] * seit 1995: [[Datei:Praha_CoA_CZ.svg|20px]] [[Prag]], [[Datei:Flag_of_the_Czech_Republic.svg|20px]] [[Tschechien]] * seit Juni 1997: [[Datei:Escudo_de_Madrid.svg|20px]] [[Madrid]], [[Datei:Flag_of_Spain.svg|20px]] [[Spanien]] * seit 2000: [[Tel Aviv-Jaffa|Tel Aviv]], [[Datei:Flag_of_Israel.svg|20px]] [[Israel]] * seit :[[Datei:Athen_Siegel.png|20px]] [[Athen]], [[Datei:Flag_of_Greece.svg|20px]] [[Griechenland]] * seit :[[Datei:Yerevan_coa.gif|20px]] [[Eriwan]], [[Datei:Flag_of_Armenia.svg|20px]] [[Armenien]] <!-- (seit wann?) --> == Kultur und Sehenswürdigkeiten == === Theater === [[Datei:Bolshoi Theatre.JPG|miniatur|Bolschoi-Theater]] Das [[Bolschoi-Theater]] („Großes Theater“) in Moskau ist das bekannteste Theater der Stadt. Es besteht seit dem Jahre 1776. Damals erhielt Fürst Peter Urussow vom Zaren das Alleinrecht, in Moskau Schau- und Singspiele aufzuführen. Die ersten Schauspieler waren Leibeigene des Fürsten. Die Aufführungen fanden zuerst noch in einem Privathaus statt, erst im Jahre 1780 entstand der Theaterbau am heutigen Standort. Das Bauwerk steht auf Holzpfählen in einem sumpfigen Teil des Moskauer Zentrums. Zuerst war das Theater nach der vorbei führenden Straße „Petrowski-Theater“ benannt. Im 18. Jahrhundert wurden überwiegend Opern russischer Komponisten aufgeführt, aber auch Dramen und Ballette. 1805 brannte das Theatergebäude ab und wurde 20 Jahre später durch den Architekten [[Joseph Bové]] neu errichtet. Erst damals erhielt es den Namen „Bolschoi-Theater“. Am 18. Januar 1825 wurde das neue Bolschoi-Theater mit dem Prolog ''Der Triumph der Musen'' zur Musik von [[Alexei Nikolajewitsch Werstowski|Alexei Werstowski]] und [[Alexander Alexandrowitsch Aljabjew|Alexander Aljabjew]] wieder eröffnet. 1853 zerstörte erneut ein Brand die Inneneinrichtung des Theaters. Daraufhin stattete der Architekt [[Albert Cavos]] das Gebäude noch kostbarer aus. Bis heute ist bis auf kleinere Veränderungen diese Einrichtung erhalten geblieben. Durch seine außergewöhnliche Architektur im Stil des russischen [[Klassizismus]] gehört das Bolschoi-Theater heute zu den schönsten Theatern der Welt. Heute arbeiten dort etwa 900 Schauspieler, Tänzer, Sänger und Musiker. Die Stars sind meistens auf Tournee in aller Welt unterwegs und daher selten in Moskau anzutreffen. Das Bolschoi-Theater ist heute die Heimat einer der ältesten und besten [[Ballett]]<nowiki>kompanien</nowiki> der Welt, dem weltberühmten [[Bolschoi-Ballett]]. Weitere bekannte Theaterhäuser in Moskau sind beispielsweise das [[Wachtangow-Theater]] an der alten Arbat-Straße, das 1897 gegründete [[Tschechow-Künstlertheater Moskau|Tschechow-Künstlertheater]] sowie das in der späteren Sowjetzeit bekannt gewordene [[Taganka-Theater]]. === Museen === [[Datei:Moscow State Historical Museum.jpg|miniatur|Staatliches Geschichtsmuseum am Roten Platz]] [[Datei:Tsar Pushka 2005.jpg|miniatur|Zarenkanone im Kreml]] Unter den vielen [[Museum|Museen]] der Stadt besonders sehenswert ist das „[[Puschkin-Museum]] für Bildende Künste“ mit hervorragenden Exponaten zur Kulturgeschichte des Altertums, zur [[Renaissance]] und einer breitgefächerten Gemäldesammlung vornehmlich westeuropäischer Künstler. Sehr interessant ist auch die „[[Tretjakow-Galerie]]“ im historischen Stadtteil [[Samoskworetschje]]. Sie ist das größte Museum der russischen nationalen Kunst und präsentiert mehr als 100.000 Gemälde, Graphiken und Skulpturen vom 11.&nbsp;Jahrhundert bis zur Gegenwart. Die Galerie wurde 1902 erbaut. Der Gründer war der russische Kaufmann [[Pawel Michailowitsch Tretjakow|Pawel Tretjakow]] (1832–1898). Als ein leidenschaftlicher Sammler begann Tretjakow 1856, die Werke zeitgenössischer russischer Maler zu erwerben. 1892 betrug seine Sammlung, die nun auch [[Ikone]]n umfasste, ungefähr 2000 Werke. Im selben Jahr schenkte er seine Sammlung der Stadt Moskau. Nach Tretjakows Tod wurde das Museum von der [[Duma|Stadtduma]] geleitet. Zu den Mitgliedern der Duma gehörten meist russische Künstler wie Ilja Ostruchow. Nach der [[Oktoberrevolution]] im Jahre 1917 erlangte die Galerie nationalen Status. 1920 bis 1930 wurden Sammlungen zahlreicher anderer Museen in die Tretjakow-Galerie übertragen. Mitte der 1930er-Jahre fanden dort, wegen des auf den ständigen Zuwachs folgenden Raummangels, umfangreiche Erweiterungen statt. Auf Grund des großen Besucherandrangs erfolgte in den 1980er- und 1990er-Jahren ein weiterer Um- und Ausbau. 1995 wurde auch eine Abteilung für Moderne Kunst eröffnet. Einen Besuch wert ist auch das Panorama der [[Schlacht von Borodino]], geschaffen von [[Franz Roubaud]] (1856–1928), im [[Panoramamuseum der Schlacht von Borodino|Borodino-Panorama-Museum]], das [[Staatliches Historisches Museum Moskau|Staatliche Historische Museum]] am Roten Platz oder eine der zahlreichen Kunstausstellungen. Östlich des Stadtzentrums, im früheren Andronnikow-Kloster, befindet sich das Museum des Malers [[Andrei Rubljow]] (1360–1430), in dem der Meister der russischen Ikonenmalerei und Begründer der Moskauer Malschule im 15.&nbsp;Jahrhundert als Mönch lebte, starb und auch beigesetzt wurde. Das Museum beherbergt Ikonenmalerei des 14. bis 17.&nbsp;Jahrhunderts. Eines der schönsten [[Kloster|Klöster]] Moskaus ist das [[Nowodewitschi-Kloster]] am rechten Moskwa-Ufer südwestlich des Stadtzentrums. Es war für 400 Jahre Zeuge historischer Ereignisse in Zusammenhang mit Persönlichkeiten wie [[Iwan IV. (Russland)|Iwan der Schreckliche]], [[Boris Godunow]] und [[Peter der Große]]. Die architektonische Gesamtheit des Klosters entstand Ende des 17.&nbsp;Jahrhunderts und ist bis heute eines der Besten seiner Art in ganz Russland. In der Smolensker Kathedrale ist eine wertvolle Wandmalerei des 16.&nbsp;Jahrhunderts und eine prächtige Ikonostase mit den Ikonen der bekanntesten kaiserlichen Herrschaften jener Zeit zu besichtigen. In der Nähe des Klosters liegt der [[Nowodewitschi-Friedhof|Nowodewitschi-Ehrenfriedhof]], auf dem zahlreiche berühmte Persönlichkeiten ihre letzte Ruhestätte gefunden haben. === Bauwerke === [[Datei:Kremlevskaya Naberezhnaja Moscow.hires.jpg|miniatur|hochkant=1.0|Blick auf den [[Moskauer Kreml]] vom Ufer des [[Moskwa]]-Flusses]] [[Datei:Kremlin Kutafya and Troitskaya Towers.jpg|miniatur|hochkant=1.0|Der Kreml]] Zu den zahlreichen sehenswerten Bauwerken gehören viele Zeugnisse der Baukunst aus Vergangenheit und Gegenwart, Denkmäler berühmter Schriftsteller, Gelehrter und Staatsmänner sowie Monumente und Denkmäler zu Ehren großer historischer Ereignisse. Der Kreml und der Rote Platz stehen seit 1990 auf der [[UNESCO]]-Liste des [[UNESCO-Welterbe|Weltkulturerbes]]. Allein die Russisch-Orthodoxe Kirche hat seit 1990 im Großraum Moskau etwa 1000 Kirchen renoviert und 200 neue Kirchen gebaut.<ref>Radio Vatikan: [http://www.oecumene.radiovaticana.org/ted/Articolo.asp?c=150483 Russland: Orthodoxe Kirche restauriert und errichtet Kirchen], 20. August 2007</ref> ==== Der Kreml ==== Das bedeutsamste Bau- und Geschichtsdenkmal ist der [[Moskauer Kreml|Kreml]], der älteste Teil Moskaus. Dort befindet sich der Sitz des russischen Präsidenten. Die bis auf den heutigen Tag erhalten gebliebenen [[Mauer und Türme des Moskauer Kremls|Mauern und 19 Türme]] wurden im 15.&nbsp;Jahrhundert errichtet und waren damals eine beachtliche Befestigungsanlage. Die ältesten erhaltenen Baudenkmäler sind die [[Mariä-Entschlafens-Kathedrale (Moskau)|Mariä-Entschlafens-Kathedrale]] von 1479, die [[Mariä-Verkündigungs-Kathedrale (Moskau)|Verkündigungs-Kathedrale]] von 1489 und die [[Erzengel-Michael-Kathedrale|Erzengel-Kathedrale]] aus dem Jahre 1509, die [[Mariä-Gewandniederlegungs-Kirche]] von 1486, der [[Facettenpalast]] aus dem Jahre 1491 sowie der 80 Meter hohe [[Glockenturm Iwan der Große]] (Kolokolnja Iwana Welikogo) von 1508. Später kamen die [[Patriarchenpalast und Zwölf-Apostel-Kirche|Kirche zu den zwölf Aposteln]] mit dem Patriarchenpalast und der [[Terem-Palast]], beide erbaut im 17.&nbsp;Jahrhundert, das [[Arsenal des Moskauer Kremls|Arsenal]] von 1736, der [[Senatspalast]] aus dem Jahre 1787 und der 1849 vollendete [[Großer Kremlpalast|Große Kremlpalast]] hinzu. Im Senatspalast lebte und arbeitete von 1918 bis 1922 [[Lenin]]. Sein dortiges Arbeitszimmer und Wohnung sind heute originalgetreu in Lenins ehemaliger Vorstadtresidenz [[Gorki Leninskije]] nachgestellt. Das Gebäude der [[Rüstkammer des Moskauer Kremls|Rüstkammer]] von 1851 enthält ein einzigartiges Museum mit Sammlungen alter Waffen und Kriegstrophäen, der größten Sammlung von Zarengewändern, Insignien, Thronsesseln, Kutschen und anderen Meisterstücken des russischen und ausländischen Kunsthandwerks, die mit der Geschichte Russlands verbunden sind. Unweit des Glockenturms Iwan der Große stehen die [[Zarenkanone]] und die [[Zarenglocke]], einzigartige Denkmäler der russischen Gießerkunst des 16. bis 18.&nbsp;Jahrhunderts. 1961 wurde auf dem Kreml-Gelände der [[Staatlicher Kremlpalast|Kongresspalast]] errichtet, ein sachlicher und zugleich festlicher Bau, dessen großer Saal ein Fassungsvermögen von 6000 Personen hat. Hier finden wichtige öffentliche Veranstaltungen und internationale Kongresse statt, aber auch Schauspiele sowie Opern- und Ballettaufführungen des Bolschoi-Theaters. ==== Der Rote Platz ==== [[Datei:Redsquarenight.jpg|miniatur|Der Rote Platz bei Nacht]] An den Kreml grenzt der [[Roter Platz|Rote Platz]], der Hauptplatz Moskaus, auf dem sich das [[Lenin-Mausoleum]] befindet. Der Name leitet sich vom russischen ''Krasnaja Ploschtschad'' ab. Die Bezeichnung ''Roter Platz'' ist nicht politisch (aus der Zeit der [[Sowjetunion]]) motiviert und bezieht sich nicht auf die Farbe der Kremlmauern und -türme, deren Anstrich bis zum 19. Jahrhundert weiß war. Die Bezeichnung stammt aus dem 16.&nbsp;Jahrhundert, und bedeutet eigentlich „Schöner Platz“. Obwohl ''krasnaja'' auf Altrussisch „schön“ bedeutete, ist „rot“ die Hauptbedeutung dieses Wortes im heutigen Russischen geworden. Die Bezeichnung des Platzes wird meistens auch von den Russen in dem neuen Sinne verstanden und wird dementsprechend im Deutschen mit „rot“ übersetzt. Neben dem Platz befinden sich einige Gräber. In die [[Nekropole an der Kremlmauer|Kremlmauer]] sind [[Bestattungsurne|Urnen]] mit der Asche berühmter Persönlichkeiten aus Politik, Wissenschaft und Kultur eingelassen; beispielsweise von [[Josef Stalin]] und [[Juri Alexejewitsch Gagarin|Juri Gagarin]]. Auf dem Roten Platz stehen die [[Basilius-Kathedrale]], errichtet 1561, sowie ein Denkmal für [[Kusma Minin]] und Fürst [[Dmitri Michailowitsch Poscharski|Dmitri Poscharski]], die Führer der Volkswehr von [[Nischni Nowgorod]] und Helden des Befreiungskrieges gegen die polnisch-weißrussische [[Intervention (Politik)|Intervention]] zu Beginn des 17.&nbsp;Jahrhunderts; das Denkmal (siehe hierzu [[Minin-und-Poscharski-Denkmal]]) wurde 1818 von Iwan Petrowitsch Martos (1754–1835) fertiggestellt. [[Datei:Moskau Auferstehungs-Tor Nachts.jpg|miniatur|Auferstehungstor am Roten Platz]] Weitere markante Bauwerke am Roten Platz sind das [[Warenhaus GUM]] und das Gebäude des [[Staatliches Historisches Museum Moskau|Historischen Museums]] – beide Ende des 19.&nbsp;Jahrhunderts in einem stark an die altrussische Baukunst angelehnten Stil errichtet – sowie die [[Kasaner Kathedrale (Moskau)|Kasaner Kathedrale]], die ursprünglich Anfang des 17.&nbsp;Jahrhunderts erbaut, zu Sowjetzeiten abgerissen und 1993 wiederaufgebaut wurde. Ebenfalls in den 1930er-Jahren zerstört und nach Zusammenbruch der Sowjetunion wiederaufgebaut worden ist das [[Auferstehungstor]] aus dem Jahr 1680, das sich am nördlichen Zugang zum Roten Platz befindet. An der Kremlmauer befindet sich im [[Alexandergarten]] das [[Grabmal des unbekannten Soldaten#Russland|Grabmal des Unbekannten Soldaten]], ein 1967 errichtetes Ehrenmal für die Gefallenen des [[Zweiter Weltkrieg|Zweiten Weltkrieges]]. Ganz in der Nähe des Kreml und des Roten Platzes, angrenzend an das ehemalige [[Hotel Rossija]], sind einige der ältesten Steinbauten des [[Kitai-Gorod]], der Moskauer Altstadt, erhalten geblieben –&nbsp;unter ihnen Baulichkeiten des alten Zarenhofs, erbaut zwischen dem 16. und 18.&nbsp;Jahrhundert, das Haus des [[Bojaren]] Romanow, die Annen-Kirche aus dem 15.&nbsp;Jahrhundert sowie andere interessante Kirchen und Häuser. ==== Die Twerskaja-Straße ==== [[Datei:Tverskaya street buildings by Arkady Mordvinov.JPG|miniatur|Twerskaja-Straße]] Der Weg nach [[Twer]] und weiter nach [[Sankt Petersburg]] nimmt an der [[Twerskaja-Straße]], nur ein paar Hundert Meter von der Kremlmauer entfernt, seinen Anfang. Hier fuhr einstmals Tatjana Larina, die Heldin des Romans in Versen „[[Eugen Onegin]]“ von [[Alexander Sergejewitsch Puschkin|Alexander Puschkin]] (1799–1837), in die Stadt ein. In den 1930er- und 1940er-Jahren wurde die Straße erweitert und mit neuen Gebäuden bebaut, einige alte sind von ihrem Standort hin bewegt und in die Tiefe der Wohnviertel verschoben worden. Die Straße ist heute ein Sammelort von luxuriösen Hotels, Bars, Restaurants und Einzelhandels-Geschäften. 1782 ist hier nach einem Entwurf des Architekten [[Matwei Fjodorowitsch Kasakow|Matwei Kasakow]] (1733–1812) das Rathaus der Stadt Moskau errichtet worden. Gegenüber dem Rathaus erhebt sich das [[Reiterstandbild]] des Begründers der Stadt [[Juri Dolgoruki]]. Die Denkmäler der russischen Dichter Alexander Puschkin und [[Wladimir Wladimirowitsch Majakowski|Wladimir Majakowski]] (1893–1930), hergestellt durch die Bildhauer Alexander Opekuschin 1880 beziehungsweise Alexander Kibalnikow 1958, stehen an der Kreuzung der Straße mit dem Boulevard- und dem Gartenring. ==== Boulevard- und Gartenring ==== [[Datei:Stalinian architecture in Moscow.JPG|miniatur|Wohnhaus aus der Stalin-Zeit am Gartenring]] Straßen und Plätze des Stadtkerns umrahmen zahlreiche weitere Bau- und Geschichtsdenkmäler des 15. bis 18.&nbsp;Jahrhunderts. Ende des 16.&nbsp;Jahrhunderts wurde das Zentrum Moskaus mit einer neun Kilometer langen und rund 30 Türme zählenden Stadtmauer umgeben, die nicht erhalten blieb. An ihrer Stelle entstand der [[Boulevardring]]. Jenseits der Stadtmauer umzog die Stadt zusätzlich ein etwa 16 Kilometer langer Erdwall mit [[Palisade]]n und hölzernen Wehrtürmen. Den einstigen Verlauf des Wallgrabens markiert heute der [[Gartenring]], von dem sternförmig die größten Straßen Moskaus abgehen. Der [[Komsomolskaja-Platz]] etwas außerhalb des Gartenringes stellt das Haupteisenbahntor der Hauptstadt dar und ist einer der belebtesten Orte Moskaus. Von den drei hier gelegenen Bahnhöfen laufen Eisenbahnstrecken nach unterschiedlichen Richtungen auseinander. Das Bauensemble des Platzes ist beeindruckend. An seiner Schaffung nahmen berühmte Architekten teil. [[Konstantin Andrejewitsch Thon|Konstantin Thon]] entwarf den 1851 fertiggestellten Nikolai-Bahnhof (heute [[Leningrader Bahnhof]]), [[Fjodor Ossipowitsch Schechtel|Fjodor Schechtel]] den [[Jaroslawler Bahnhof]] von 1904, [[Alexei Wiktorowitsch Schtschussew|Alexei Schtschussew]] das 1926 eröffnete Gebäude des [[Kasaner Bahnhof]]s und das Klubgebäude und Leonid Poljakow das 28-geschossige Hotel „Leningradskaja“ von 1953. ==== Moscow City ==== ''Hauptartikel:'' [[Moscow City]] [[Datei:Moscow City on 21 July 2008.jpg|miniatur|[[Moscow City]], Juli 2008]] Fünf Kilometer westlich vom Kreml befindet sich das momentan größte Bauprojekt in Europa. Bereits in den 1990er-Jahren hatte man in Moskau von einem „russischen [[Manhattan]]“ geträumt, doch wegen Geldmangel wurde das Projekt aufs Eis gelegt. Mit dem Wirtschaftsaufschwung und durch private Investitionen wurde im Jahr 2001 der erste [[Wolkenkratzer]] fertiggestellt, nun befinden sich fast alle Projekte im Bau. Damit sollte die riesige Nachfrage nach Bürogebäuden in Moskau gedeckt werden. Die Fertigstellung aller Gebäude ist für das Jahr 2012 geplant, und die Kosten belaufen sich auf über zwölf Milliarden [[United States Dollar|US-Dollar]]. Zu Moscow City gehört auch das höchste Bürogebäude Europas, „[[Federazija]]“, auf deutsch „Föderation“. Am 9. Februar 2005 wurde der Grundstein für das 448 Meter hohe Gebäude gelegt. Mit der Fertigstellung wird im Jahre 2009 oder 2010 gerechnet. Rekordhalter ist bisher mit 264,1 Metern Höhe der [[Triumph-Palace]] (russisch Триумф-Палас) in Moskau. Die Gesamtplanung für die beiden Türme in Moskau erfolgte durch die deutsche Architektengemeinschaft [[Peter P. Schweger]]&nbsp;& Sergei Tschoban. Der höhere der beiden Türme wird 93 Stockwerke umfassen. In dem Gebäude in der Form zweier Spitzsegel werden sich Büroräume, Wohnungen, ein Hotel, ein Fitnessklub mit Schwimmbad und ein Aquarium befinden. ==== Weitere Bauwerke ==== [[Datei:Kotelincheskaya Naberezhnaja Moscow.hires.jpg|miniatur|[[Sieben Schwestern (Moskau)|Hochhaus]] aus der Stalin-Zeit an der Kotelnitscheskaja Nabereschnaja]] [[Datei:Triumph-Palace.jpg|miniatur|Der [[Triumph-Palace|Triumphpalast]]]] Sehenswert sind des Weiteren das „Schloss Ostankino“, ein einmaliges Architekturdenkmal des 18.&nbsp;Jahrhunderts; der [[Ostankino-Turm|Ostankino-Fernsehturm]] von 1967; der [[Schuchow-Radioturm]] aus dem Jahre 1922 und der ihm nachempfundene, 2006 fertiggestellte [[Oktod-Sendeturm]]; das zwischen 1888 und 1893 erbaute [[Warenhaus GUM]] am Roten Platz, das größte seiner Art in Russland; der [[Arbat]], ein altes historisches Stadtviertel, 1493 das erste Mal erwähnt; die [[Christ-Erlöser-Kathedrale (Moskau)|Christ-Erlöser-Kathedrale]], im Jahre 2000 wiedereröffnet; sowie die sieben „Wolkenkratzer“, erbaut im [[Sozialistischer Klassizismus|Zuckerbäckerstil]], auch „Stalinfinger“ oder „[[Sieben Schwestern (Moskau)|Sieben Schwestern]]“ genannt, wie zum Beispiel das [[Sieben Schwestern (Moskau)|Hotel Ukraina]], das Außenministerium und die [[Lomonossow-Universität]]. Mit einer Höhe von 537 Metern ist der Moskauer Fernsehturm in Ostankino der zweithöchste der Welt. Das Ausflugsziel im Norden der Stadt wurde in der Zeit von 1960 bis 1967 erbaut. Nach dem Brand im August 2000 wurde die Aussichtsplattform im Juni 2001 in 337 Metern Höhe wieder hergestellt, bleibt jedoch vorerst für Besucher unzugänglich. Mehrere Schnellaufzüge beförderten vor dem Feuer die Touristen innerhalb von 58 Sekunden in die Höhe. Bei Sturm kann die Turmspitze mehr als zehn Meter ausschwingen. Direkt neben dem Fernsehturm und dem Ostankino-Fernsehzentrum befindet sich der alte Adelssitz Ostankino. In vergangenen Epochen hatte das Schlösschen der russischen Fürstenfamilie [[Scheremetew]] als Landsitz gedient. Nach der Oktoberrevolution war hier das „Museum für das Kunstschaffen der Leibeigenen“ eingerichtet worden. Die Lomonossow-Universität befindet sich etwas außerhalb des Stadtzentrums. Über der Moskwa unverkennbar auszumachen das 240 Meter hohe Zentralgebäude der Universität, 1949 bis 1953 errichtet, um das sich vier 17-stöckige Seitenflügel gruppieren. Etwa 30.000 Studenten sind hier eingeschrieben, und um jeden der rund 45.000 Räume aufzusuchen, müsste man einen Weg von 145 Kilometern zurücklegen. Ganz in der Nähe liegt der Luschniki-Sportpark –&nbsp;wichtigster Austragungsort der [[Olympische Sommerspiele 1980|Olympischen Spiele]] 1980&nbsp;– mit dem 84.000 Gäste fassenden [[Olympiastadion Luschniki|Luschniki-Stadion]], erbaut in den Jahren 1955 und 1956, mehreren kleineren Wettkampfanlagen und dem [[Sportpalast Luschniki]] für 17.000 Zuschauer. === Parks === [[Datei:Moscow Park of the Arts.jpg|miniatur|Kunstpark]] Der „[[Gorki-Park|Gorki-Park für Kultur und Erholung]]“ ist der populärste unter den rund 100 [[Volksgarten|Parks]] in Moskau. Er befindet sich im Zentrum der Stadt, am Ufer der Moskwa. Hier gibt es zahlreiche Attraktionen, eine Bootsstation, Bars, Restaurants, Cafés und im Winter Eisbahnen. Auf den Freilichtbühnen treten hier Künstler auf, an Festtagen finden Volksvergnügungen statt und werden farbenprächtige Feuerwerke abgebrannt. Den älteren Teil des Parks bildet der Lustgarten ''(Neskutschny sad)'' mit malerischen Hügeln, Hainen und kleinen Brücken. Hier befanden sich im 18.&nbsp;Jahrhundert die Gutsgärten des Moskauer Adels. Weiter südlich geht der Lustgarten in die [[Sperlingsberge]] ''(Worobjowy gory)'' über, eine dicht durchgrünte Hügellandschaft, von der aus sich ein Ausblick auf das Stadtzentrum Moskaus eröffnet. Im Südosten der Stadt findet sich über der Moskwa der Park von [[Kolomenskoje]], heute ein [[Freilichtmuseum]]. Berühmt ist hier vor allem die Christi-Himmelfahrtskirche, die erste russische Zeltdachkirche aus Stein. Im Nordosten der Stadt befindet sich der etwa 300 Hektar große „[[Sokolniki]]-Park für Kultur und Erholung“ in herrlicher Waldlandschaft. Größter Moskauer Erholungspark –&nbsp;er umfasst rund 1800 Hektar&nbsp;– ist, ganz am nordöstlichen Stadtrand gelegen, der „[[Ismailowoer Park|Park von Ismailowo]]“, die einstige Vergnügungsstätte der letzten Zarendynastie; einige wenige Feudalbauten, unter anderen eine [[barock]]e Kathedrale vom Ende des 17.&nbsp;Jahrhunderts, haben sich zwischen modernen Cafés, Pavillons und ähnlichem noch erhalten. Erwähnenswert sind weiterhin der Park von [[Kuskowo]] im Osten der Stadt&nbsp;– ein [[Schlosspark]], teilweise im englischen und französischen Stil errichtet&nbsp;– sowie die Parks von [[Zarizyno-Park|Zarizyno]], [[Fili-Park|Fili]] und Ostankino mit dem angeschlossenen [[Botanischer Garten Moskau|Botanischen Garten]]. === Sport === [[Datei:Luschniki.jpg|miniatur|Luschniki-Stadion]] Die Stadt Moskau war im Laufe ihrer Geschichte immer wieder Austragungsort von Welt- und Europameisterschaften und anderen internationalen Wettkämpfen, wie der [[Eishockey-Weltmeisterschaft 1957|Eishockey-WM]] des Jahres 1957 oder der XXII.&nbsp;[[Olympische Sommerspiele 1980|Olympischen Spiele]] 1980. Die Stadt besitzt mehr als 6000 sportliche Einrichtungen, unter ihnen etwa 100 Stadien, sechs Sportpaläste, über 180 Schwimmhallen, mehr als 2500 Sportsäle und Turnhallen, 3500 Sportplätze, einen Ruderkanal, mehrere Sportkomplexe, ein Wasserstadion, eine Radrennbahn und 60 Schießsportplätze. Die größten Stadien der Hauptstadt sind: * das [[Olympiastadion Luschniki|Luschniki-Stadion]] mit 84.000 Plätzen, das 1956 eröffnet und für die Olympischen Spiele 1980 ausgebaut wurde; * das [[Dinamo (Stadion)|Dinamo-Stadion]] mit 51.000 Plätzen, hat außer der eigentlichen Arena Sportsäle, Schwimmbecken, Spielfelder, Trainingsplätze etc.; * das neue [[Lokomotive (Stadion)|Lokomotiv-Stadion]], das im Jahre 1923 erbaute Oval des Clubs [[Lokomotive Moskau]], welches zu Beginn des neuen Jahrtausends einer Generalüberholung unterworfen wurde. Heute hat das Stadion eine Kapazität von 33.979 Plätzen. Mit dem Lokomotiv-Stadion entstand eine der modernsten Arenen des Landes. Eingeweiht wurde es am 5. Juli 2002 mit dem Fußball-[[Premjer-Liga|Ligaspiel]] Lokomotive Moskau gegen [[FK Uralan]]. Neben den Heimspielen des Clubs Lokomotive Moskau finden hier immer wieder auch Länderspiele der [[Russische Fußballnationalmannschaft|russischen Nationalmannschaft]] sowie vereinzelte Europapokal-Spiele diverser Moskauer Clubs statt. Die Moskauer Clubs dominierten über Jahrzehnte die höchsten russischen Fußballligen. Erst seit der neueren Zeit muss man sich der namhaften Konkurrenz aus St.&nbsp;Petersburg erwehren. Die wichtigsten Moskauer Fußballteams sind [[Spartak Moskau|Spartak]], [[ZSKA Moskau|ZSKA]], Lokomotive, [[FK Dynamo Moskau|Dynamo]] und [[Torpedo Moskau|Torpedo]]. === Gastronomie === Das Restaurantangebot der Stadt ist kaum überschaubar, ständig sind neue Lokalitäten angesagt, andere werden wieder geschlossen. Die Preise sind sehr unterschiedlich. Es gibt Gaststätten, die der Unterhaltung dienen, Bars, Cafés, Nobelrestaurants, aber auch Fastfood-Ketten, Selbstbedienungsrestaurants und Kantinen. Eines der berühmtesten Gerichte ist ''[[Borschtsch]]'', eine ukrainische Suppe aus roter Bete, die auch in Russland und in Polen populär ist und dem Gast im Restaurant heiß mit saurer Sahne serviert wird und ähnlich wie ''Okroschka'' (kalte ''[[Kwas]]''-Suppe) schmeckt. Weltweit bekannt sind ''[[Bœuf Stroganoff]]'' (geschnetzeltes Rinderfilet, in saurer Sauce geschmort), ''Ikra'' oder ''Krasnaja Ikra'' (schwarzer oder roter [[Kaviar]]), ''[[Bliny]]'' (das russische Wort für [[Eierkuchen|Pfannkuchen]], eine Art [[Crêpe]]s meist mit Kaviar oder [[Lachse|Lachs]] und saurer Sahne serviert) und ''Oladji'' (süße Pfannkuchen mit Marmeladenfüllung). Zum Nachtisch besonders beliebt sind ''Blintschiki'' (eine Variation von Pfannkuchen) aus [[Grieß]] oder [[Echter Buchweizen|Buchweizen]] mit süßer Soße. === Handel === [[Datei:GUM department store exterior.jpg|miniatur|Warenhaus GUM]] Die Stadt bietet heute –&nbsp;im Gegensatz zu Sowjetzeiten&nbsp;– eine Vielzahl von Einkaufsmöglichkeiten. Die Auswahl und die Vielfalt sind weit größer als in anderen Städten Russlands, dafür ist auch das Moskauer Preisniveau eines der höchsten im Land. Viele Geschäfte und Kaufhäuser sind in Moskau nicht nur von Montag bis Sonnabend, sondern auch sonntags geöffnet, große Supermärkte meist rund um die Uhr. Für Antiquitäten, Kunstwerke, Manuskripte und andere wertvolle Gegenstände, die nicht in den Souvenirgeschäften gekauft werden, ist eine Exportgenehmigung notwendig. Beliebte Souvenirs sind [[Matrjoschka]]s (buntbemalte Holzpuppen), geschnitztes Spielzeug und Schatullen mit Märchenmotiven und Malereien auf Holz oder [[Email]]le. Das größte und bekannteste Kaufhaus in Moskau und eines der größten der Welt ist das [[Warenhaus GUM]]. Es befindet sich direkt am Roten Platz, gegenüber dem Lenin-Mausoleum und dem Kreml, mitten im Herzen Moskaus. Es wurde, ursprünglich als „Obere Handelsreihen“, zwischen 1890 und 1893 durch den Architekten [[Alexander Nikanorowitsch Pomeranzew|Alexander Pomeranzew]] und den Ingenieur [[Wladimir Grigorjewitsch Schuchow|Wladimir Schuchow]] im neorussischen Stil erbaut, einer [[Neoklassizismus (Kunst)|neoklassizistischen]] Spielart mit starken russisch-traditionalistischen Einflüssen. Zwei der beliebtesten Einkaufsstraßen in Moskau sind der Nowy Arbat, eine wichtige Durchgangsstraße westlich des Kremls und die [[Arbat]]-Straße, eine Parallelstraße zum Nowy Arbat und die älteste Fußgängerzone Moskaus. Die vom Roten Platz in nördlicher Richtung verlaufende [[Twerskaja-Straße]] ist die vornehmste Einkaufsstraße der Stadt und die Adresse einiger teurer [[Boutique]]n. Klassische russische Mode kann man bei [[Walentin Judaschkin]] am Kutusowski-Prospekt kaufen, einer der imposantesten Einkaufsstraßen Moskaus. Auch viele westliche Handelsketten sind mittlerweile in Moskau (wie auch zunehmend in anderen russischen Großstädten) präsent, so beispielsweise [[Metro AG|Metro Cash&Carry]], [[Real (Handelskette)|Real]], [[Marktkauf Holding|Marktkauf]], [[Spar]], [[Auchan]], [[Obi (Baumarkt)|Obi]] oder auch [[Ikea]]. An den großen Einfallstraßen aus und nach Moskau sowie am äußeren Autobahnring [[MKAD]] entstehen außerdem jedes Jahr neue [[Einkaufszentrum|Einkaufszentren]], die jeden Komfort bieten und auch jeden Einkaufswunsch erfüllen. Besonders beliebt ist die Kette von Megamalls „[[Mega (Einkaufszentren)|Mega]]“, die nicht nur vielfältige Shoppingmöglichkeiten, sondern mit Multiplex-Kinos und Kunsteisbahnen auch ein breites Unterhaltungsprogramm bieten. Hohe Umsätze werden auch auf den Märkten erzielt, wie auf dem, allerdings im Juni 2009 geschlossenen, [[Tscherkisowoer Markt]] im Osten der Stadt oder auf dem Luschniki-Markt in der Nähe des [[Olympiastadion Luschniki|Olympiastadions]]. == Wirtschaft und Infrastruktur == === Wirtschaft === [[Datei:ViewMoscowToMoscowCenter.jpeg|miniatur|Blick auf Moskau]] [[Datei:Moscow freeways.jpg|miniatur|Autobahnring]] Moskau spielt eine Schlüsselrolle in der [[Gesamtwirtschaftliche Entwicklung Russlands|Wirtschaft Russlands]]. Der Anteil der Stadt am [[Bruttoinlandsprodukt]] (BIP) des Landes beträgt 20 Prozent, am gesamten Einzelhandel Russlands etwa 30 Prozent. Das Wirtschaftswachstum liegt durchschnittlich bei rund zehn Prozent pro Jahr. 2005 wuchs das BIP der Hauptstadt gegenüber 2004 um rund 20 Prozent (Russland 6,4 Prozent).<ref>Russland.RU: [http://russland.ru/mos0010/morenews.php?iditem=573 Die ausländische Geschäftswelt in Moskau]</ref> Etwa ein Viertel der Industrieproduktion Moskaus entfallen auf den [[Maschinenbau]]. Seine Hauptzweige sind Werkzeugmaschinen- und Werkzeugbau, Elektroindustrie, Lagerfertigung, Kraftfahrzeugindustrie und Gerätebau. Weitere wichtige Industriezweige sind das Hüttenwesen, die Leicht-, Kraftfahrzeug-, Baustoff-, Chemie- und petrochemische Industrie. Die Stadt ist ein großes Zentrum des Militär-Industrie-Komplexes. In Moskau sind etwa 80 Prozent des Finanzpotenzials des Landes konzentriert. Zwei Drittel des Gesamtumfanges ausländischer Investitionen in die Wirtschaft Russlands geht in die Hauptstadt. Moskau ist damit das größte Betätigungsfeld ausländischer Investoren. In der Stadt befinden sich etwa 18.500 Handelsbetriebe, Gaststätten und Dienstleistungsbetriebe, 9000 Kleinhandelsobjekte und circa 150 Märkte in denen ungefähr eine Million Personen beschäftigt sind. In der Stadt gibt es etwa 1200 Banken, über 60 Versicherungsgesellschaften und mehrere Dutzend Börsen. Etwa ein Viertel aller Einnahmen des Staatshaushalts steuert Moskau bei. Bis zum Ausbruch der [[Finanzkrise ab 2007|internationalen Wirtschaftskrise]] Ende 2008 herrschte in Moskau fast [[Vollbeschäftigung]]. Das durchschnittliche Monatsbruttoeinkommen im Jahr 2006 lag bei umgerechnet rund 850 Euro&nbsp;.<ref>[http://www.mosstat.ru/social_sphere.php Moskauer Statistikamt MOSGORSTAT]</ref> Nicht berücksichtigt ist dabei, dass nach wie vor ein hoher Anteil der Löhne schwarz gezahlt wird, effektiv dürfte die Lohnsumme 30 bis 100 Prozent über den offiziellen Zahlen liegen. Ende April 2009 waren in Moskau nach offiziellen Angaben gut 50.000 Erwerbspersonen arbeitslos gemeldet<ref>[http://www.lenta.ru/news/2009/05/07/jobless/ Lenta.ru, 7. Mai 2009]</ref>. In Moskau verbesserte sich der Lebensstandard in den 2000er-Jahren erheblich. Die Stadt hat sich seit Anfang der 1990er-Jahre von einer der preiswertesten zu einer der teuersten Städte der Welt entwickelt. Nach dem Wert des Verbraucherkorbes, der über 150 Hauptwaren beinhaltet, nimmt sie den ersten Platz in Europa ein und steht nur den [[japan]]ischen Städten [[Tokio]] und [[Ōsaka]] nach. Etwa fünf bis zehn Prozent der Moskauer Bevölkerung zählen zur wohlhabenden oder reichen Schicht. Das heißt, rund eine Million Menschen besitzen eine hohe Kaufkraft. Rund 40 Prozent der Einwohner, das sind etwa vier Millionen Menschen, gehören der neuen Mittelschicht an.<ref>Moskau.RU: [http://www.moskau.ru/moskau/lexikon/wirtschaft/ Drei Viertel des Finanzpotenzials, relativ hohe Löhne]</ref> === Verkehr === ''Siehe auch:'' [[Liste der Bahnhöfe in Moskau]] ==== Fernverkehr ==== [[Datei:Moskau Bahnhof.jpg|miniatur|Der Kasaner Bahnhof]] Die zentrale Lage prädestiniert Moskau zum wichtigsten Verkehrsknotenpunkt des Straßen-, Schienen-, Schiffs- und internationalen Flugverkehrs im europäischen Teil des Landes. Ein Kanalsystem verbindet die Stadt mit fünf Meeren ([[Weißes Meer]], [[Ostsee]], [[Schwarzes Meer]], [[Asowsches Meer]] und [[Kaspisches Meer]]), Moskau wird daher auch „Hafen der fünf Meere“ genannt. Moskau besitzt drei internationale [[Flughafen|Flughäfen]]: [[Flughafen Moskau-Scheremetjewo|Scheremetjewo]] (1960 eröffnet), [[Flughafen Moskau-Domodedowo|Domodedowo]] (1964), [[Flughafen Moskau-Wnukowo|Wnukowo]] (1941). Der älteste Moskauer Passagierflughafen [[Flughafen Moskau-Bykowo|Bykowo]] (1933) wird ausschließlich für Inlandsflüge genutzt, während der im Jahr 2000 errichtete Flughafen [[Flughafen Moskau-Ostafjewo|Ostafjewo]] gegenwärtig noch keine regulären Linienflüge bedient. In Moskau laufen alle Hauptlinien der [[Eisenbahn]] im europäischen Teil Russlands zusammen. Die Stadt ist größter [[Rossijskije Schelesnyje Dorogi|Eisenbahnknotenpunkt]] des Landes mit mehreren [[Rangierbahnhof|Rangierbahnhöfen]]. Weitere Verkehrsverbindungen verlaufen sternförmig nach Europa, Zentralasien und zum Kaukasus. Moskau hat keinen einheitlichen Hauptbahnhof. Allerdings liegen einige wichtige Bahnhöfe am [[Komsomolskaja-Platz]] direkt nebeneinander: der [[Leningrader Bahnhof]] für den Verkehr nach [[Sankt Petersburg]] ([[Bahnstrecke Sankt Petersburg–Moskau|Nikolai-Bahn]]), der [[Jaroslawler Bahnhof]] für die [[Transsibirische Eisenbahn]] (nach [[Wladiwostok]] am [[Japanisches Meer|Japanischen Meer]]) und der [[Kasaner Bahnhof]] für den Verkehr in Richtung der Wolgarepubliken [[Tatarstan]] und [[Baschkortostan]]. Von Bedeutung sind außerdem der [[Kiewer Bahnhof]] für den Verkehr in die [[Ukraine]], der [[Kursker Bahnhof]] und der [[Pawelezer Bahnhof]] für Züge nach Südrussland, der [[Rigaer Bahnhof]] für Züge Richtung [[Lettland]] und der [[Weißrussischer Bahnhof|Weißrussische Bahnhof]] für Züge nach Mittel-/Westeuropa und nach [[Kaliningrad]]. Der [[Sawjolowoer Bahnhof]], vormals Fernbahnhof für Züge Richtung [[Rybinsk]], wird heute nur für den Regionalverkehr genutzt. Alle Fernbahnhöfe mit Ausnahme des Rigaer Bahnhofs sind mittels einer ringförmig verlaufenden U-Bahn-Linie ([[Kolzewaja-Linie]]) verbunden. Rund um Moskau existiert ein autobahnartig ausgebauter Fernstraßenring ([[MKAD]], von „Московская кольцевая автомобильная дорога“), der einen Umfang von 109 Kilometern besitzt, sowie ein 2003 in Betrieb genommener, innerhalb der Stadt gelegener [[Dritter Verkehrsring]] (russ. „Третье транспортное кольцо“). In den nächsten Jahren sollen die beiden noch zusätzlich um einen weiteren Autobahnring (den [[Vierter Verkehrsring|Vierten Verkehrsring]]) erweitert werden. ==== Nahverkehr ==== [[Datei:Moscow Metro Arbatskaja.jpg|miniatur|Moskauer Metro-Station „Arbatskaja“]] [[Datei:Monorail-timiryazevskaya.JPG|miniatur|Moskauer Monorail]] Der Autoverkehr wird durch Straßenringe in der Innenstadt und zwei Autobahnringe am Rande der Stadt verteilt. Man plant weitere Entlastungs- und Ringstraßen, da das Straßennetz überlastet ist. Oft kommt es auf den Autobahnringen und den Ausfallstraßen zu langen Staus. 1924 fuhren die ersten [[Omnibus]]se und am 15. November 1933 der erste [[Oberleitungsbus]] in Moskau. Die Stadt verfügt über das längste Oberleitungsbusnetz der Welt. Moskau verfügt über ein leistungsfähiges System von Untergrundlinien, die ''[[Metro Moskau]]'' genannt werden. 1932 wurde mit dem Bau begonnen und der erste Streckenabschnitt am 15. Mai 1935 eröffnet. Heute ist ein Netz von über 280 Kilometern mit zwölf Linien und über 170 Stationen in Betrieb. Es werden acht bis neun Millionen Personen pro Tag befördert. Zur Rush-Hour fahren die Züge auf einigen Linien alle 90 Sekunden, und auch zu normalen Verkehrszeiten beträgt der Abstand zwischen den Zügen auf den meisten Linien nicht mehr als zwei bis drei Minuten. Einige Bahnhöfe der Metro sind mit Mosaiken, Bronzestatuen und [[Marmor]] prunkvoll ausgestattet. Die tieferen Stationen können im Verteidigungsfall als [[Bunker (Bauwerk)|Bunker]] verwendet werden, indem Zugänge und Streckentunnel durch das Schließen entsprechender Schotts abgedichtet werden. Während der Bombenangriffe im Zweiten Weltkrieg wurden Metrostationen unter anderem als Lazarette und Kommandopunkte genutzt. Hauptzubringer der Metro in Moskau ist neben städtischen und privaten Buslinien die [[Straßenbahn Moskau|Moskauer Straßenbahn]]. Die erste fuhr am 22. Juni 1872 als [[Pferdebahn]]; der elektrische Betrieb der Straßenbahn wurde am 6. April 1899 eröffnet. Der innerstädtische Schienenverkehr Moskaus wird ferner durch [[Elektritschka|Nahverkehrszüge]] sowie die neue [[Monorail Moskau|Einschienenbahn]] ergänzt. Der Stadtbus-, Trolleybus- und Straßenbahnbetrieb wird vom staatlichen Verkehrsunternehmen [[Mosgortrans]] abgewickelt.<ref>Mosgortrans: [http://www.mosgortrans.com/about/Hist/ Geschichte des Bus- und Straßenbahnverkehrs in Moskau] (in russisch)</ref> === Medien === ==== Printmedien ==== [[Datei:Moskau1985.jpg|miniatur|Der Moskauer Fernsehturm und das [[Kosmonautenmuseum|Monument für die Eroberer des Weltraums]] 1985]] Bei den Printmedien liegen die Boulevardzeitungen [[Moskowski Komsomolez]] und [[Komsomolskaja Prawda]] auf Platz eins und zwei in der Anzahl der Leser, gefolgt von den früheren kommunistischen Zeitungen [[Trud (Russland)|Trud]], [[Iswestija]] und [[Prawda]]. Die Iswestija gilt dabei allgemein als die seriöseste Zeitung Moskaus. Sie hat mit ihrer kommunistischen Vergangenheit gebrochen und dient heute als anerkannte Informationsquelle für ein breites Publikum. Die Wirtschaftszeitung [[Kommersant]] ist bei den Werbeeinnahmen führend, liefert sich aber mit ihrem härtesten Konkurrenten, der Wirtschaftszeitung „[[Wedomosti]]“ einen harten Kampf. Zu den am meisten gelesenen Blättern gehört auch das Anzeigenblatt „Is ruk w ruki“, eine Art Tauschbörse mit hunderten von Kleininseraten. Im Bereich der Wochen- und Monatszeitschriften können die Hochglanzzeitschriften unterschiedlicher Ausrichtungen ihre Leserschaft kontinuierlich vermehren. In letzter Zeit gewinnen auch die Internetzeitungen wie zum Beispiel lenta.ru, strana.ru und polit.ru zunehmend an Bedeutung. Zu den deutschsprachigen Wochenzeitungen gehören die [[Moskauer Deutsche Zeitung]] und die ''Moskauer Nachrichten'', englischsprachige Tageszeitungen sind [[The Moscow Times]] und ''The Moscow Tribune''. Wöchentlich erscheint die [[Moskowskije Nowosti]]. ==== Hörfunk ==== In Moskau senden zahlreiche Radiostationen. Dazu gehört auch „[[Echo Moskwy]]“ („Echo Moskaus“) mit einem einzigartigen Format. Die Station strahlt fast keine Musik aus, dafür ist sie als kritischer Nachrichten- und Diskussionssender bekannt. Als in der Sowjetunion unter [[Michail Sergejewitsch Gorbatschow|Michail Gorbatschow]] im Jahre 1990 erstmals nichtstaatliche Medien zugelassen wurden, gründete eine Gruppe von Journalisten den Radiosender Echo Moskau. Auf die Sendelizenz Nummer eins sind die Mitarbeiter heute noch stolz. [[Alexei Wenediktow]] ist der Chefredakteur. Heute gehört der Sender dem quasi-staatlichen Energie-Riesen [[Gazprom]] und trotzdem ist es ihm weitgehend gelungen, die redaktionelle Unabhängigkeit zu bewahren. In Moskau hat der Sender etwa 500.000 Hörer. Fast jede Wohnung in Moskau besitzt auch heute noch einen [[Drahtfunk]]anschluss mit drei Kanälen, der noch aus sowjetischer Zeit stammt. Da er relativ preiswert ist, melden viele Bewohner diesen nicht ab, obwohl sie ihn nicht benutzen. Auf den beiden ersten Kanälen sind die staatlichen Sender „[[Radio Rossii]]“ („Radio Russlands“) und „Radio Majak“ („Radio Leuchtturm“) zu hören, die ein der Regierung nahes, aber breites Angebot an Informationen ausstrahlen. Auf dem dritten Kanal ist der kommerzielle Musikkanal „[[Jewropa Pljus]]“ aufgeschaltet. ==== Fernsehen ==== [[Datei:MoscowTVtower-2009-view08.jpg|miniatur|Das Fernsehstudiozentrum nahe dem Ostankino-Fernsehturm]] Die Moskauer sind stark auf das Fernsehen konzentriert. Die beiden staatlichen landesweit ausgestrahlten Fernsehsender „[[Perwy kanal]]“ (Erstes Programm) und „[[Rossija (Fernsehsender)|Rossija]]“ (Zweites Programm) sind in Moskau Marktführer. Sie strahlen ein breites Programm an Nachrichten und Unterhaltung aus und versuchen den Geschmack des Durchschnittsbürgers zu befriedigen. Der nichtkommerzielle Fernsehkanal „[[Kultura]]“ sendet ausschließlich kulturelle Beiträge, tagsüber ist der Sender „[[EuroNews]]“ aufgeschaltet. Der nichtstaatliche Fernsehsender [[NTW]], der ebenfalls im ganzen Land zu empfangen ist, hat Marktanteile verloren, seit er vom weltweit größten Erdgasförderunternehmen [[Gazprom]] übernommen wurde, bei dem der russische Staat 51 Prozent der Aktien besitzt. In der Stadt gibt es noch weitere kleinere private Fernsehsender, daneben existieren die Musikkanäle [[MTV]] und [[MUS-TW|Mus-TV]] sowie eine Anzahl regionaler Sender. Insgesamt sind mehr als zehn Sender über Antenne zu empfangen. Das Programmangebot reicht von alten sowjetischen Spielfilmen über Nachrichten bis hin zu Produktionen aus [[Hollywood]] (letztere werden überwiegend in schlechter Synchronisation ausgestrahlt). Ausländische Fernsehstationen sind nur per Parabolantenne zu empfangen, denn Satelliten- und auch Kabelfernsehen sind noch nicht sehr verbreitet. === Bildung === [[Datei:Moskau Uni.jpg|miniatur|Lomonossow-Universität]] [[Datei:Mgu 1798.jpg|miniatur|Staatliche Universität im 18. Jahrhundert]] 80 Hochschulen mit etwa 250.000 Studenten, die in 380 verschiedenen Fachrichtungen ausgebildet werden, und über 1000 Forschungsinstituten und Konstruktionsbüros machen Moskau zum überragenden Zentrum des wissenschaftlichen Lebens. Des Weiteren befinden sich in der Stadt etwa 4000 Bibliotheken, deren Buchbestand circa 400 Millionen Exemplare verschiedener Arten der Druckerzeugnisse beträgt. Zu den hervorragenden Bildungs- und Forschungseinrichtungen der Stadt gehören neben der berühmten staatlichen [[Lomonossow-Universität]], die staatliche Technische Universität für Bauwesen (MSUCE), die staatliche Technologische Universität Stankin, die Hochschule für Bergbau, das Institut für Kristallographie der [[Russische Akademie der Wissenschaften|Akademie der Wissenschaften]], die [[Moskauer Staatliches Luftfahrtinstitut|Russische Universität für Luft- und Raumfahrt (MAI)]], die [[Staatliche Technische Universität Moskau]], die [[Russische Universität der Völkerfreundschaft]], die Staatliche Akademie für Lebensmittelindustrie und die Hochschule für Energetik (MEI). Das staatliche [[Gerassimow-Institut für Kinematographie]] ''(WGIK)'' ist mit der Gründung im Jahre 1919 die erste [[Filmhochschule]] weltweit. Die Lomonossow-Universität ist die größte und älteste Universität Russlands. Sie wurde am 25. Januar 1755 per Erlass von [[Elisabeth (Russland)|Elisabeth&nbsp;I.]] auf Anregung des Universalgelehrten und Schriftstellers [[Michail Wassiljewitsch Lomonossow|Michail Lomonossow]] gegründet. Viele sowjetische und russische Persönlichkeiten aus Politik, Kunst und Wissenschaft waren Absolventen dieser Universität, zu denen auch Ex-Staatschef Michail Gorbatschow zählt. Gegenwärtig sind rund 30.000 Studenten aller Fachrichtungen dort eingeschrieben. ''Siehe auch:'' [[Liste weiterführender Bildungseinrichtungen in Moskau]] == Söhne und Töchter der Stadt == Moskau ist Geburtsort zahlreicher prominenter Persönlichkeiten. Siehe: [[Liste der Söhne und Töchter Moskaus]] == Literatur == * [[Klaus Bednarz]] (Hrsg.): ''Das Alte Moskau 1880–1920.'' C. J. Bucher, München 1983, ISBN 3-7658-0298-0 * [[Lew Alexandrowitsch Besymenski|Lew Besymenski]]: ''Die Schlacht um Moskau 1941.'' Pahl-Rugenstein, Köln 1987, ISBN 3-7609-0570-6 * [[Lion Feuchtwanger]]: ''Moskau 1937.'' Aufbau, Berlin 1993, ISBN 3-7466-5020-8 * Wolfgang Knackstedt: ''Moskau. Studien zur Geschichte einer mittelalterlichen Stadt.'' F.-Steiner-Verlag, Stuttgart 1998, ISBN 3-515-01881-6 * Monica Rüthers (Hrsg.): ''Moskau.'' Böhlau, Köln 2003, ISBN 3-412-04703-1 * Albert J. Schmidt: ''The Architecture and Planning of Classical Moscow. A Cultural History''. American Philosophical Society, Philadelphia 1989, ISBN 0-87169-181-7 ([http://books.google.de/books?id=igYNAAAAIAAJ Digitalisat]) * [[Jewgeni Wiktorowitsch Tarle|Eugen Tarlé]]: ''Der Brand von Moskau 1812.'' Rütten & Loening, Berlin 1951 == Weblinks == {{Portal|Moskau|Artikel, Bilder und mehr zu Moskau}} {{Commons|Москва|Moskau}} {{Wikiquote|Moskau}} {{Wiktionary|Moskau}} * [http://russland.ru/mos0010/ Aktuelles über Moskau] * [http://www.bahn-und-meer.de/moskau-meehr.html Fotogalerie Moskau und Umgebung] * [http://pinolino.uboot.com/gallery umfangreiche Fotogalerie von Moskau (März 2007)] == Einzelnachweise == <references/> {{Navigationsleiste Föderationssubjekte Russlands}} {{Exzellent}} [[Kategorie:Ort im Föderationskreis Zentralrussland]] [[Kategorie:Föderationssubjekt der Russischen Föderation]] [[Kategorie:Hauptstadt in Europa]] [[Kategorie:Moskau| ]] [[Kategorie:Millionenstadt]] [[Kategorie:Träger des Leninordens]] {{Link FA|af}} {{Link GA|es}} {{Link GA|lt}} [[ace:Moskow]] [[af:Moskou]] [[als:Moskau]] [[am:ሞስኮ]] [[an:Moscú]] [[ang:Moscoƿ]] [[ar:موسكو]] [[arc:ܡܘܣܩܒܐ]] [[arz:موسكو]] [[ast:Moscú]] [[av:Москва]] [[az:Moskva]] [[ba:Мәскәү]] [[bar:Moskau]] [[bat-smg:Maskva]] [[bcl:Mosku]] [[be:Горад Масква]] [[be-x-old:Масква]] [[bg:Москва]] [[bi:Moskow]] [[bn:মস্কো]] [[bo:མོ་སི་ཁོ།]] [[br:Moskov]] [[bs:Moskva]] [[bxr:Мушхаваа]] [[ca:Moscou]] [[ce:Москва]] [[co:Moscù]] [[crh:Moskva]] [[cs:Moskva]] [[csb:Mòskwa]] [[cu:Москъва́]] [[cv:Мускав]] [[cy:Moscfa]] [[da:Moskva]] [[diq:Moskowa]] [[dsb:Moskwa]] [[dv:މޮސްކޯ]] [[el:Μόσχα]] [[en:Moscow]] [[eo:Moskvo]] [[es:Moscú]] [[et:Moskva]] [[eu:Mosku]] [[ext:Moscú]] [[fa:مسکو]] [[fi:Moskova]] [[fiu-vro:Moskva]] [[fj:Moscow]] [[fo:Moskva]] [[fr:Moscou]] [[frp:Moscou]] [[fy:Moskou]] [[ga:Moscó]] [[gan:莫斯科]] [[gd:Moscobha]] [[gl:Moscova - Москва]] [[got:𐌼𐍉𐍃𐌺𐍅𐌰]] [[gv:Moscow]] [[haw:Mokekao]] [[he:מוסקבה]] [[hi:मास्को]] [[hif:Moscow]] [[hr:Moskva]] [[hsb:Moskwa]] [[ht:Moskou]] [[hu:Moszkva]] [[hy:Մոսկվա]] [[ia:Moscova]] [[id:Moskwa]] [[ie:Moskwa]] [[io:Moskva]] [[is:Moskva]] [[it:Mosca]] [[ja:モスクワ]] [[jbo:moskovas]] [[jv:Moskwa]] [[ka:მოსკოვი]] [[kk:Мәскеу]] [[kn:ಮಾಸ್ಕೋ]] [[ko:모스크바]] [[krc:Москва]] [[ku:Moskow]] [[kv:Канкар]] [[kw:Moskva]] [[ky:Москва]] [[la:Moscua]] [[lb:Moskau]] [[lbe:Москва]] [[li:Moskou]] [[lij:Mosca (çittæ)]] [[lt:Maskva]] [[lv:Maskava]] [[mdf:Моску]] [[mg:Moskva]] [[mhr:Моско]] [[mk:Москва]] [[ml:മോസ്കോ]] [[mn:Москва]] [[mr:मॉस्को]] [[ms:Moscow]] [[mt:Moska]] [[myv:Москов ош]] [[nah:Moscohuia]] [[nds:Moskau]] [[nds-nl:Moskou (stad)]] [[nl:Moskou]] [[nn:Moskva]] [[no:Moskva]] [[nov:Moskva]] [[nrm:Moscou]] [[oc:Moscòu]] [[os:Мæскуы]] [[pdc:Moscow]] [[pl:Moskwa]] [[pms:Mosca]] [[pnb:ماسکو]] [[pnt:Μόσχα]] [[ps:مسکو]] [[pt:Moscovo]] [[qu:Moskwa]] [[ro:Moscova]] [[ru:Москва]] [[sah:Москва]] [[sc:Mosca]] [[scn:Mosca (Russia)]] [[sco:Moscow]] [[sh:Moskva]] [[simple:Moscow]] [[sk:Moskva]] [[sl:Moskva]] [[sm:Moscow]] [[sq:Moska]] [[sr:Москва]] [[stq:Moskau]] [[sv:Moskva]] [[sw:Moscow]] [[szl:Moskwa]] [[ta:மாஸ்கோ]] [[te:మాస్కో]] [[tg:Маскав]] [[th:มอสโก]] [[tk:Moskwa]] [[tl:Moscow]] [[tpi:Mosko]] [[tr:Moskova]] [[tt:Mäskäw]] [[ty:Moscou]] [[udm:Муско]] [[ug:Moskwa]] [[uk:Москва]] [[ur:ماسکو]] [[uz:Moskva]] [[vec:Mosca (Rusia)]] [[vi:Moskva]] [[vo:Moskva]] [[wa:Moscou]] [[war:Moscow]] [[wo:Mosku]] [[xal:Москва балһсн]] [[yi:מאסקווע]] [[yo:Mọsko]] [[zh:莫斯科]] [[zh-classical:莫斯科]] [[zh-min-nan:Bo̍k-su-kho]] [[zh-yue:莫斯科]] b0ejndxzsqlzcp0air8hzwik31v4hyp wikitext text/x-wiki Moskauer Kreml 0 23957 26555 2010-05-04T15:18:30Z Florian Adler 0 /* Weblinks */Falschschreibungs-Linkfix mit [[Project:AWB|AWB]] {{Dieser Artikel|behandelt die ehemalige Moskauer Stadtfestung und heutigen Amtssitz des russischen Präsidenten. Zu anderen Bedeutungen von „Kreml“ siehe [[Kreml (Begriffsklärung)]].}} [[Datei:Moscow Kremlin from Kamenny bridge.jpg|miniatur|hochkant=1.5|Blick auf den Moskauer Kreml von der [[Große Steinerne Brücke|Großen Steinernen Brücke]] über dem [[Moskwa]]-Fluss]] [[Datei:Kreml-Mauer Moskwa b.jpg|miniatur|hochkant=1.5|Die Moskwa und der Kreml in der Abenddämmerung]] Der '''Moskauer Kreml''' ({{RuS|Московский Кремль}}; wiss. [[Transliteration]]: ''Moskovskij Kremlʹ'' ) ist der älteste Teil der [[Russland|russischen]] Hauptstadt [[Moskau]] und deren historischer und geografischer Mittelpunkt. Es handelt sich dabei um eine ursprünglich im [[Mittelalter]] entstandene [[Burg]], die ab Ende des 15.&nbsp;Jahrhunderts nach dem Muster einer [[Zitadelle]] neu errichtet wurde. Kennzeichnend für das architektonische [[Gebäudeensemble|Ensemble]] des Moskauer Kremls ist dessen aus der Begrenzungsmauer und ihren 20 Türmen bestehender Befestigungskomplex, der in seiner heutigen Form zum größten Teil in den Jahren 1485 bis 1499 erbaut wurde und bis heute gut erhalten ist. Nach seiner Fertigstellung diente er mehrfach als Vorbild für [[Liste der Kreml|ähnliche Festungen]], die in mehreren weiteren russischen Städten entstanden. Vor der Verlegung der russischen Hauptstadt nach [[Sankt Petersburg]] Anfang des 18.&nbsp;Jahrhunderts diente der Moskauer Kreml als Residenz der [[Zarentum Russland|russischen Zaren]] bzw. vor dem 16.&nbsp;Jahrhundert als Sitz der [[Großfürstentum Moskau|Moskauer Großfürsten]]. Noch bis ins 20.&nbsp;Jahrhundert hinein galt er außerdem als Zentrum des geistlichen und gesellschaftlichen Lebens der Moskowiter. 1918 wurde der Kreml wieder Sitz der Staatsmacht und hat diesen Status bis heute, wo er als Amtssitz des [[Präsident Russlands|russischen Präsidenten]] dient, beibehalten. Das architektonische Ensemble des Kremls, das neben den Befestigungsanlagen eine Reihe von aus verschiedenen Zeitepochen stammenden Sakral- und Profanbauten innerhalb seiner Mauern beinhaltet, hat gleichzeitig den Status eines Museums inne und steht seit 1990 auf der Liste des [[UNESCO-Welterbe]]s. Zusammen mit dem benachbarten [[Roter Platz|Roten Platz]], der sich ebenfalls auf dieser Liste findet, gilt der Kreml gemeinhin als die wichtigste Sehenswürdigkeit Moskaus. == Allgemeine Beschreibung == === Geografie und Verkehr === [[Datei:Kremlin birds eye view-1.jpg|miniatur|Kreml-Ansicht aus der Vogelperspektive]] Das 27,5&nbsp;Hektar große Gelände des Kremls befindet sich auf dem etwa 25&nbsp;Meter hohen<ref name="kremlenoved">[http://www.kremlenoved.ru/drevn/ kremlenoved.ru]; überprüft am 8. März 2009</ref> Borowizki-Hügel am linken Ufer der [[Moskwa]], eines in diesem Bereich rund 120&nbsp;Meter breiten Flusses aus dem Einzugsgebiet der [[Wolga]]. Unmittelbar westlich des Kremls mündet das Flüsschen [[Neglinnaja]], dessen Flussbett seit Anfang des 19.&nbsp;Jahrhunderts durchgehend in einem unterirdischen Kanal liegt, in die Moskwa. Zuvor floss die Neglinnaja entlang des westlichen Abschnittes der Kremlmauer (genau dort, wo sich heute die Grünanlagen des [[Alexandergarten]]s befinden) und stellte damit eines der beiden natürlichen Gewässer dar, die den Kreml umspült hatten und auf diese Weise einen zusätzlichen Schutz vor möglichen Überfällen boten. Wenige Hundert Meter weiter flussabwärts&nbsp;– bereits weitab der Kremlmauern&nbsp;– liegt die Mündung der [[Jausa]], eines weiteren Moskwa-Zuflusses. Bei dem Borowizki-Hügel, der oft einfach nur als ''Kremlhügel'' bezeichnet wird, handelt es sich um eine natürliche Erhebung, die ihren Namen vermutlich vom altrussischen Wort ''bor'' für „Nadelwald“ hat.<ref name="kremlenoved"></ref> Er ist einer der sieben Hügel, auf denen der heutige Moskauer [[Stadtkern]] aufgebaut wurde. Zur Zeit der Gründung Moskaus wies er eine besonders gute strategische Lage für den Bau einer Stadt auf: Er wurde an zwei Seiten von Flüssen umspült und bot seinen Bewohnern aufgrund der erhobenen Lage nicht nur relativ hohe Sicherheit vor Angreifern, sondern auch einen guten Schutz vor Überschwemmungen, die sich in Moskau vor dem Bau des [[Wasserumleitungskanal]]s Ende des 18.&nbsp;Jahrhunderts recht häufig ereigneten<ref>Aleksandr Možaev: ''[http://www.bg.ru/article/2301/ Povodʹ zelo velika]'', Bolschoi Gorod, 19. April 2003</ref>. Geografisch handelt es sich beim Borowizki-Hügel um eine der zahlreichen Erhebungen der [[Osteuropäische Ebene|Osteuropäischen Ebene]], in deren Bereich auch heute noch das gesamte Stadtgebiet liegt. [[Datei:Msk cao kitai gorod.png|miniatur|links|Der Kreml und Kitai-Gorod auf dem Moskauer Stadtplan]] Das heutige Kreml-Areal weist näherungsweise die Form eines Dreiecks auf. Dessen Südseite ist komplett dem Moskwa-Ufer zugewandt, während die Westseite vormals von der Neglinnaja umspült wurde und heute an den Alexandergarten angrenzt. An den östlichen und nordöstlichen Abschnitt der Kremlmauer schließt sich der historische Stadtteil [[Kitai-Gorod]] an, dessen zentraler Platz als [[Roter Platz]] bekannt ist und neben dem Kreml zu den beiden wichtigsten touristischen Attraktionen Moskaus gehört. Er erstreckt sich fast über den gesamten östlichen Abschnitt der Kremlmauer parallel zu dieser. Als geografisches Zentrum Moskaus befindet sich der Kreml mitten in dessen [[Historischer Stadtkern|historischem Stadtkern]] und stellt den Ausgangspunkt sämtlicher wichtiger [[Radialstraße]]n dar, die vom Moskauer Zentrum aus in mehrere Richtungen führen. Bei Betrachtung des Kremls auf dem Moskauer Stadtplan ist seine Stellung als Kern des städtebaulichen Grundgerüstes Moskaus sichtbar, welcher eine vergleichsweise symmetrische, „[[spinnennetz]]artige“ Verknüpfung mehrerer größerer Ring- und Radialstraßen darstellt. Bei den ersteren handelt es sich um den nicht vollständig geschlossenen [[Boulevardring]], der den Kreml etwa einen Kilometer von dessen Mauern entfernt umkreist, ferner um den gut einen Kilometer weiter außerhalb verlaufenden [[Gartenring]] sowie um die drei Moskauer [[Ringautobahn]]en (der [[Dritter Verkehrsring|Dritte Verkehrsring]], der noch nicht komplett ausgebaute [[Vierter Verkehrsring|Vierte Verkehrsring]] und schließlich der zu einem großen Teil mit der Stadtgrenze zusammenfallende [[MKAD|MKAD-Ring]]). Zu den wichtigsten Radialstraßen, die ihren Anfangspunkt vor den Kremlmauern haben, gehören die am Roten Platz beginnende [[Twerskaja-Straße]] (die stadtauswärts in die Fernstraße [[M10 (Russland)|M10]] nach [[Twer]] und [[Sankt Petersburg]] übergeht), die unmittelbar westlich des Kremls beginnende Wosdwischenka (die rund 500 Meter weiter westlich in den [[Arbat|Neuen Arbat]] und stadtauswärts in die Magistrale [[M1 (Russland)|M1]] nach [[Smolensk]], [[Minsk]] und [[Warschau]] übergeht) sowie die vor der südwestlichen Ecke der Kremlmauern beginnende Straße [[M3 (Russland)|M3]] nach [[Kaluga]], [[Brjansk]] und [[Kiew]]. Außer einem Straßenverkehrsknotenpunkt befindet sich in unmittelbarer Nähe des Kremls eine Vielzahl von Haltestellen und Stationen des öffentlichen Personennahverkehrs. So liegen allein vor dem [[Mauer und Türme des Moskauer Kremls#Kutafja-Turm und Dreifaltigkeitsbrücke|Kutafja-Turm]], dem heutigen Haupteingang des Kremls, die Zugänge zu vier Stationen der [[Metro Moskau|Moskauer Metro]], weitere acht U-Bahnhöfe sind ebenfalls in fußläufiger Nähe zum Kreml und zum Roten Platz zu finden. === Aufbau === Das Ensemble des Moskauer Kremls besteht einerseits aus dem Befestigungskomplex, der die aus dem späten 15.&nbsp;Jahrhundert stammenden Mauer und Wachtürme beinhaltet, andererseits aus der Gesamtheit der Bauwerke, Denkmäler, Straßen und Plätze innerhalb dieser Festungsmauern. ==== Befestigungsanlagen ==== → ''Siehe auch: [[Mauer und Türme des Moskauer Kremls]]'' [[Datei:Kreml-Ansicht.jpg|miniatur|Übersichtsplan des Moskauer Kremls]] Die dunkelrote [[backstein]]erne Kremlmauer ist auf ihrem gesamten Verlauf 2235&nbsp;Meter lang.<ref>Alle Höhen-, Längen-, Breiten- bzw. Flächenangaben hier und im Folgenden, soweit nicht anders angegeben, aus Romanjuk, 2004 bzw. Kiselëv, 2006 (siehe unter Literatur)</ref> Abhängig von den jeweiligen topografischen Verhältnissen weist sie ohne Berücksichtigung der in sie eingebauten Türme eine Höhe von 5 bis 19&nbsp;Meter auf und ist mindestens 3,5&nbsp;Meter dick; an einzelnen Stellen, die im Mittelalter als besonders angriffsgefährdet galten, beträgt die Dicke der Kremlmauer bis zu 6,5&nbsp;Meter. Neben der eigentlichen Mauer zählen die 20 Kremltürme zum Befestigungskomplex der Zitadelle. Mit Ausnahme des erst 1680 für rein dekorative Zwecke aufgestellten Zarenturms entstanden alle Türme zeitgleich mit der Mauer. Bei ihrem Bau hatten sie eine rein verteidigungstechnische Funktion und wurden erst im 17.&nbsp;Jahrhundert, als die Bedeutung des Kremls als [[Festung]] allmählich zurückging, für Repräsentationszwecke aufgestockt und dabei mit ihren charakteristischen Zeltdächern und Turmspitzen ausgestattet. Alle 20 Kremltürme sind in ihrer Form und Höhe unterschiedlich, wenngleich es mehrere Türme gibt, die beim oberflächlichen Vergleich sehr ähnlich aussehen. Der höchste Turm ist der im Mittelbereich des westlichen Mauerabschnittes stehende Dreifaltigkeitsturm, der einschließlich der Turmspitze und des sie krönenden roten Sterns eine Höhe von 80&nbsp;Meter aufweist. Vier Kremltürme verfügen in ihrem Basisteil über Durchfahrtstore, über die heute der Eingang bzw. die Einfahrt in den Kreml erfolgt. Es sind der Borowizki-Turm und der Dreifaltigkeitsturm am Westabschnitt der Mauer sowie der Nikolaus- und der Erlöserturm an der zum Roten Platz hin gewandten Seite. Über die ersteren beiden Tore können Besucher den Kreml betreten und verlassen, während die beiden am Roten Platz gelegenen Eingänge zurzeit dem Personal der im Kreml ansässigen Behörden und den Soldaten der Kreml-Garnison vorbehalten sind. ==== Innere Struktur ==== [[Datei:MoscowKremlinMap.jpg|miniatur|Lageplan der Kreml-Bauwerke]] Das von der Festungsmauer umgebene Areal des heutigen Kremls besitzt seit seiner Errichtung Ende des 15.&nbsp;Jahrhunderts seine annähernd dreieckige Form mit den drei nach Norden, Südwesten und Südosten gerichteten Spitzen. Einige der Bauwerke auf dem Kremlterritorium stehen unmittelbar an der Kremlmauer oder sind sogar&nbsp;– so das Arsenal&nbsp;– an sie angebaut. Lediglich der südliche Mauerabschnitt, der sich entlang der Moskwa erstreckt, verfügt heute nicht über zusätzliche Bauten. Dort erstreckt sich an den Abhängen von der Hügelspitze zum Ufer hin der sogenannte ''Geheimgangsgarten'' ({{lang|ru|Тайницкий сад}}), die größte Grünanlage auf dem Gelände des Kremls, die nach einem der Wachtürme am südlichen Mauerabschnitt benannt ist. Ein als dekorative Parkanlage ausgebauter Teil des oberen Bereichs dieses Gartens ist für die Öffentlichkeit zugänglich, während die Bereiche unmittelbar an der Kremlmauer gegenwärtig ausschließlich für Dienstzwecke verwendet werden. Dort befinden sich auch einige kleine Wirtschafts- und Verwaltungsbauten<ref>Darunter das 1989 erbaute ehemalige Gebäude einer Abteilung des [[KGB]]; vgl. [http://www.retromoscow.narod.ru/moscow_back-to-the-future_010.html retromoscow.narod.ru] (überprüft am 29. März 2009)</ref>, die keinen architektonischen Erhaltungswert haben und daher nicht zum eigentlichen Kremlensemble gehören. Ein großer Teil der Kreml-Bauwerke liegt etwas weiter hinter den Mauern und wird durch Straßen und Plätze getrennt, die ähnlich allen anderen Moskauer Straßen und Plätzen eigene Namen haben. Zu den bekannten Plätzen im Kreml zählen vor allem die beiden für Touristen zugänglichen Plätze: Der ''Iwanplatz'' und der ''Kathedralenplatz'' (russ. {{lang|ru|Ивановская площадь}} bzw. {{lang|ru|Соборная площадь}}). Der Erstere, benannt nach der einst hier stehenden Kirche des Heiligen [[Johannes Klimakos|Johannes (Iwan) Klimakos]], ist vor allem durch seine historische Bedeutung bekannt: Vom 14. bis zum 17.&nbsp;Jahrhundert war er der größte und wichtigste Moskauer Platz für Versammlungen und Volksfeste; hier wurden unter anderem Zarenerlasse dem Volk verkündet<ref>[http://www.gramma.ru/RUS/?id=14.29 gramma.ru]; überprüft am 29. März 2009</ref>. Der Kathedralenplatz ist durch sein in sich geschlossenes architektonisches Ensemble bekannt: Hier stehen mit der Mariä-Entschlafens-, der Erzengel-Michael- und der Mariä-Verkündigungs-Kathedrale sowie der Mariä-Gewandniederlegungs-Kirche und dem Glockenturm Iwan der Große die fünf erhaltenen kirchlichen Bauwerke des Kremls. Geographisch bildet der Kathedralenplatz zudem den Mittelpunkt des Kremlgeländes sowie den höchsten Punkt des Kremlhügels<ref>Makarevič et al., S.&nbsp;315 (siehe unter Literatur)</ref>. Das Wegenetz innerhalb des Kremls umfasst im Wesentlichen vier Hauptstraßen, die den Kern der Festung einschließlich des Iwanplatzes und des Kathedralenplatzes mit ihren Durchfahrtstoren verbinden. Die ''Borowizki-Straße'' (russ. {{lang|ru|Боровицкая улица}}) führt vom Tor des Borowizki-Turmes entlang des Geheimgangsgartens, vorbei an der Rüstkammer und dem Hauptgebäude des Großen Kremlpalastes, zum Iwanplatz. Dort geht sie in die ''Erlöserstraße'' ({{lang|ru|Спасская улица}}) über, die den Iwanplatz mit dem Erlöserturm und damit auch dem Roten Platz verbindet. In nördliche Richtung zweigt vom Iwanplatz die ''Nikolausstraße'' ({{lang|ru|Никольская улица}}) zum Nikolaus-Turm ab; an ihr liegen einander gegenüber die beiden aus dem 18.&nbsp;Jahrhundert stammenden Gebäude des Arsenals und des Senatspalastes sowie der nach Letzterem benannte kleine ''Senatsplatz'' ({{lang|ru|Сенатская площадь}}). Im Westen endet der Iwanplatz am Dreifaltigkeitsturm. Mit der Borowizki-Straße verbindet ihn und den Dreifaltigkeitsturm eine weitere Straße, die nach dem in ihrer Nähe gelegenen Großen Kremlpalast den Namen ''Palaststraße'' ({{lang|ru|Дворцовая улица}}) trägt. Der von Süden durch einen gusseisernen Zaun abgesperrte Platz am Kreuzungspunkt der Palast- und der Borowizkistraße wird gelegentlich als ''Palastplatz'' ({{lang|ru|Дворцовая площадь}}) oder auch als ''Kaiserplatz'' ({{lang|ru|Императорская площадь}}) bezeichnet.<ref>I.K.Kondratʹev: ''[http://www.outdoors.ru/book/msk/msk24.php Sedaja starina Moskvy. Ploščadi]''; Moskau 1893</ref> === Zugänglichkeit für Touristen === [[Datei:Kremlpolk.JPG|miniatur|Gedenktafel im Alexandergarten zum 70. Jahrestag der Gründung (1936) des Kremlregiments]] Seitdem der Moskauer Kreml Mitte des 20.&nbsp;Jahrhunderts nach einer dreißigjährigen Pause wieder öffentlich zugänglich wurde, erfüllt er gleichzeitig zwei Schlüsselfunktionen: Er ist einerseits Amtssitz des russischen Präsidenten (bzw. war vor der [[Geschichte der Sowjetunion|Auflösung der UdSSR]] im Jahre 1991 Sitz der [[Ministerrat der UdSSR|Sowjetregierung]]), andererseits aber ein [[Freilichtmuseum]] und eine Touristenattraktion. Bedingt durch die Funktion als Präsidentensitz ist der Kreml ein besonders gesicherter Bereich, der für die Öffentlichkeit&nbsp;– im Gegensatz zum Roten Platz, dem Alexandergarten und anderen Außenbereichen&nbsp;– nur mit bestimmten Einschränkungen zugänglich ist. Touristen können in den Kreml über die beiden Eingänge am Kutafja- und am Borowizki-Turm eintreten und müssen dabei eine [[Sicherheitskontrolle]] passieren. Größere Taschen und Rucksäcke dürfen nicht auf das Kremlterritorium mitgenommen werden. Der Eintritt in den Kreml ist kostenpflichtig; eine reguläre Eintrittskarte kostet 350&nbsp;[[Russischer Rubel|Rubel]] (Stand: März 2009; umgerechnet etwa acht&nbsp;Euro)<ref>[http://www.kreml.ru/ru/main/info/visitors/tickets/ Offizielle Kreml-Webseite: Besucherinformationen]; überprüft am 25. März 2009</ref>, erhältlich sind auch verbilligte Tickets z.&nbsp;B. für Schüler, Studierende oder Rentner. Für den Besuch der Rüstkammer und der Ausstellungen im Patriarchenpalast muss jeweils ein separates Ticket erworben werden. Innerhalb des Kremls ist eine Reihe von Bereichen für die Öffentlichkeit im Allgemeinen nicht zugänglich. Dies betrifft vor allem den zum Amtssitz des Präsidenten zählenden Gebäudekomplex rund um den Senatspalast, aber auch die Palaststraße, in der die Kreml-[[Kommandantur]] ihren Sitz hat. Eine Reihe von Bauwerken&nbsp;– darunter der Senatspalast, das Arsenal sowie sämtliche Kremltürme&nbsp;– sind gegenwärtig ebenfalls gesperrt und können nur von außen besichtigt werden.<ref>Siehe auch: ''[http://www.izvestiya.ru/moscow/article3097117/ Der Kreml mit doppeltem Boden]'' aus [[Iswestija|izvestia.ru]], 29. September 2006; überprüft am 25. März 2009</ref> Für die Sicherheit des Kremls und der umliegenden Bereiche ist neben der Kreml-Kommandantur der für den Personenschutz des Präsidenten zuständige Inlandsgeheimdienst [[Federalnaja Sluschba Ochrany|FSO]] zuständig<ref>[http://www.fso.gov.ru/ Offizielle FSO-Webseite]; überprüft am 29. März 2009</ref>. Unter dessen Federführung steht auch die im Arsenalgebäude ansässige Kreml-[[Garnison]], die gelegentlich auch als ''Präsidenten''- oder ''Kreml-Regiment'' (russ. {{lang|ru|Кремлёвский полк}}) bezeichnet wird. Neben der Bewachung der Kremlobjekte erfüllt sie zusätzlich rein repräsentative Zwecke: Ihre Soldaten halten [[Ehrenwache]] am Kriegsmahnmal mit dem [[Grabmal des unbekannten Soldaten|Grab des unbekannten Soldaten]] im Alexandergarten und begleiten mit feierlichen Aufmärschen wichtige Staatszeremonien. Zum Regiment gehört auch eine [[Kavallerie]]einheit, die in den Sommermonaten regelmäßig Wachablösungsschauen auf dem Kathedralenplatz des Kremls veranstaltet.<ref>Siehe auch: [http://www.kremlin.ru/articles/atributes07.shtml Beschreibung des Präsidentenregiments auf der offiziellen Webseite der Kremlbehörden]; überprüft am 25. März 2009</ref> == Geschichte == === Entstehung === Auch wenn die Entstehung des eigentlichen Kremls eng mit der vermutlich im 11. oder 12.&nbsp;Jahrhundert erfolgten Gründung und dem weiteren Aufbau der Stadt Moskau verbunden ist, konnte bei mehreren Ausgrabungen die Existenz noch weitaus älterer Menschenansiedlungen auf dem Borowizki-Hügel nachgewiesen werden. So fand man auf Teilen des heutigen Kremlgeländes Spuren des [[Finno-ugrische Sprachen|finno-ugrischen]] Volkes der [[Merja]] aus der [[Eisenzeit]]<ref>Romanjuk 2004, S.&nbsp;9 und 19</ref>. Die Besiedelung der Moskwa-Ufer mit [[Slawen|slawischen]] Völkern, die als Vorfahren der heutigen [[Russen]] bezeichnet werden können, setzte hingegen erst gegen Ende des 1.&nbsp;Jahrtausends ein. Damals erschlossen zahlreiche Siedler aus südlicheren Gebieten des [[Kiewer Rus]] die bis dato als unerforscht geltenden, sehr waldreichen Gebiete der [[Osteuropäische Ebene|Osteuropäischen Ebene]] rund um die [[Wolga]] und Flüsse aus ihrem Einzugsgebiet. Deren erste Siedlungen auf dem heutigen Moskauer Stadtgebiet lassen sich bis heute vor allem anhand zahlreicher Hügelgräber (sogenannter [[Kurgan (Grabhügel)|Kurganen]]) nachweisen. Auch unmittelbar auf dem Borowizki-Hügel wurden bei Ausgrabungen immer wieder Gegenstände und Befestigungsreste&nbsp;– darunter Spuren eines künstlichen Wassergrabens von bis zu neun Meter Tiefe und 3,8&nbsp;m Breite<ref>Makarevič et al., S.&nbsp;259</ref>&nbsp;– aus der Zeit vor der [[Christianisierung]] des Rus (Ende des 10.&nbsp;Jahrhunderts) gefunden. [[Datei:Founding of Moscow.jpg|miniatur|Gründung Moskaus durch Juri Dolgoruki. Ein [[Aquarell]] (1920) von [[Apollinari Michailowitsch Wasnezow|Apollinari Wasnezow]]]] Als sich etwa ab dem 10.&nbsp;Jahrhundert allmählich erste Städte und kleinere Staaten (Fürstentümer) quer über den europäischen Teil des heutigen Russlands zu bilden begannen, könnte auch am Moskwa-Ufer zwischen den Mündungen der Neglinnaja und der Jausa eine befestigte Siedlung entstanden sein, die als erster russischer Vorläufer des Kremls betrachtet werden kann. Der Kremlhügel eignete sich hierfür sehr gut: Jenes Grundstück auf einer natürlichen Erhebung, die an zwei Seiten von Flüssen umspült wurde und ursprünglich auch merklich höher und steiler war als heute<ref name="Borisevic">G.V.Borisevič: ''[http://www.rusarch.ru/borisevich1.htm Ob osnovnych ėtapach territorialʹnogo razvitija Moskovskogo Kremlja v XI–XV vv.]''; Moskau 1988; S.&nbsp;22–31</ref>, wies eine strategisch und verteidigungstechnisch äußerst günstige Lage auf. Die genauere Entstehungszeit der Befestigung lässt sich jedoch heute nicht bestimmen. Offiziell gilt zwar das Jahr 1147 als Gründungsjahr Moskaus, allerdings wurde Moskau in erhaltenen schriftlichen Urkunden jenes Jahres als eine bereits länger existierende Ortschaft erwähnt<ref>Romanjuk 2004, S.&nbsp;17</ref>. Eindeutig nachweisbar ist die Entstehung sowohl des Kremls als auch der eigentlichen Stadt Moskau erst aus Urkunden des späteren 12.&nbsp;Jahrhunderts. Eine davon stammt aus dem Jahr 1147 und gilt zugleich als Gründungsurkunde der Stadt: Dort ist von einer pompösen Feierlichkeit die Rede, die der [[Susdal]]er Großfürst [[Juri Dolgoruki]] (wörtlich „der Langhändige“) in dem vermeintlich von ihm gegründeten Moskau aus Anlass eines militärischen Sieges über Teile der damaligen [[Republik Nowgorod]] veranstalten ließ. Daher wird als Entstehungsdatum des Kremls im Allgemeinen das Jahr 1156 angenommen, als Juri Dolgoruki laut einer Urkunde aus dem [[Fürstentum Twer]] seine neugegründete Stadt im Kampf gegen verfeindete Fürstentümer als Burg ausbauen ließ<ref>[http://www.kreml.ru/ru/main/history/kremlin/XII-XIII/ Offizielle Kreml-Webseite: Geschichte des Kremls]; überprüft am 27. März 2009</ref>. === Frühgeschichte === Da von den ursprünglichen Bauwerken des Kremls heute nichts mehr erhalten ist, können Rückschlüsse auf das mögliche Aussehen der Burg im 12.&nbsp;Jahrhundert nur anhand archäologischer Funde gezogen werden. Offenbar war die Umfriedung wie auch andere Verteidigungsanlagen aus Holz errichtet worden, da man steinerne Festungen in russischen Landen erst einige Jahrhunderte später zu bauen begann. Die Gesamtlänge der Umfriedung betrug wahrscheinlich nur rund 500&nbsp;Meter<ref name="Voronin">N.N.Voronin: ''[http://www.rusarch.ru/voronin5.htm Moskovskij Kremlʹ (1156–1367 gg.)]''; Moskau 1958; S.&nbsp;52–66</ref>; somit war die Ausdehnung des Burggeländes weitaus geringer als die heutige und beschränkte sich auf ein kleines Dreieck im Bereich der Neglinnaja-Mündung. Genau dort, im südwestlichen Teil des heutigen Kremls, wurden Mitte des 19.&nbsp;Jahrhunderts beim Bau des [[Rüstkammer des Moskauer Kremls|Rüstkammergebäudes]] Reste von Holzpfählen aus der Kremlmauer des 12.&nbsp;Jahrhunderts entdeckt<ref name="Borisevic"></ref>. Die Bezeichnung ''Kreml'' tauchte zu jener Zeit noch nicht in Urkunden auf, statt dessen wurde der befestigte Ort an der Moskwa einfach nur ''die Stadt'' (russ. {{lang|ru|город}}) genannt. Der Begriff ''Kreml'' begann sich vermutlich erst ab dem 14.&nbsp;Jahrhundert durchzusetzen.<ref>Makarevič et al., S.&nbsp;262</ref> Dessen Herkunft wird am häufigsten im Russischen bzw. im [[Urslawisch]]en vermutet; so wurden befestigte Kerne größerer altrussischer Städte manchmal als ''krom'', ''krem'' oder ''kremnik'' bezeichnet (beispielsweise nannte sich der alte Stadtkern von [[Pskow]] ebenfalls ''[[Pskower Kreml|krom]]''<ref>[http://www.voskres.ru/architecture/kremlin2.htm voskres.ru]; überprüft am 25. März 2009</ref>). Es existieren aber auch Hypothesen, die eine fremdsprachige Herkunft des Begriffes annehmen: Eine davon besagt beispielsweise, ''Kreml'' sei vom altgriechischen Wort ''krimnos'' für „steiles [Fluss-]Ufer“ abgeleitet worden, das angeblich byzantinische Gäste nach [[Moskowien]] eingeschleppt hätten<ref>Evgenij Osetrov: ''[http://bibliotekar.ru/rusDrevnyaya/14.htm Skazanie o Kremle]''; Moskau 1970</ref>. Aufgrund häufiger Feuersbrünste und Überfälle waren die hölzernen Befestigungsanlagen nicht von Dauer und mussten immer wieder neu errichtet werden. Bekannt ist beispielsweise, dass der Kreml im Jahre 1179, somit nur etwa 20&nbsp;Jahre nach seiner vermuteten Entstehung, vom [[Rjasan]]er Fürsten [[Gleb Rostislawitsch]] niedergebrannt wurde. Auch im 13.&nbsp;Jahrhundert wurde Moskau mehrmals angegriffen, so im Jahr 1238 vom [[Goldene Horde|tatarischen]] Khan [[Batu Khan|Batu]] sowie 1293 erneut von Tataren unter [[Tohtu]]. Beide Male wurde die Burg verwüstet und ihre Bauwerke zerstört oder stark beschädigt. [[Datei:Vasnetsov Kreml pri Ivane kalite.jpg|miniatur|Der hölzerne Moskauer Kreml unter Iwan Kalita. Ein Aquarell (1921) von Apollinari Wasnezow]] Eine erste radikale Erneuerung des Kremls setzte gegen Mitte des 14.&nbsp;Jahrhunderts unter dem [[Fürstentum Wladimir-Susdal|Wladimir-Susdaler]] Großfürsten [[Iwan I. (Russland)|Iwan&nbsp;I. „Kalita“]] ein. Dieser ließ Moskau als Hauptstadt des neuen [[Großfürstentum Moskau|Moskauer Fürstentums]] einrichten, das er damals als Teil des Wladimir-Susdaler Großfürstentums regierte. Die veraltete und bei vorherigen Angriffen und Bränden vielfach beschädigte Burg wurde abgetragen, um an ihrer Stelle einen neuen Kreml zu errichten. Dessen nunmehr rund 1670&nbsp;m langen Mauern<ref name="Voronin"></ref> wurden aus massivem [[Eichen]]holz erbaut und zum besseren Schutz vor Feuer außen zusätzlich mit [[Ton (Bodenart)|Ton]] verkleidet. Fertiggestellt wurden die Anlagen Anfang des Jahres 1340 nach einer Bauzeit von nur wenigen Monaten. Außerdem ließ sich Iwan im Kreml einen ebenfalls hölzernen Großfürstenpalast bauen. Noch gut ein Jahrzehnt zuvor, im Jahr 1327, wurde im Kreml mit der Mariä-Entschlafens-Kathedrale, dem ersten Vorgängerbau der heutigen [[Mariä-Entschlafens-Kathedrale (Moskau)|gleichnamigen]] Kremlkathedrale, erstmals ein steinernes Kirchengebäude errichtet. Im übrigen ließ sich der Moskauer Metropolit [[Peter (Moskau)|Peter]] zur gleichen Zeit als erstes russisches Kirchenoberhaupt eine Residenz im Kreml bauen und markierte damit den Anfang des Kremls als Machtzentrum der [[Russisch-Orthodoxe Kirche|russisch-orthodoxen Kirche]]. Bei dem hölzernen Kreml aus der Herrschaftszeit Iwan Kalitas handelt es sich um den ersten Vorläufer des heutigen Kremls, dessen Aufbau und Struktur im Groben bis heute bekannt sind. Von der Ausdehnung her war sein Gelände wesentlich größer als im 12.&nbsp;Jahrhundert und nahm etwa zwei Drittel des heutigen Kremlterritoriums ein. Das eigentliche Moskau beschränkte sich schon damals nicht mehr auf den Kreml: Rund um diesen entstanden immer mehr kleine Händler- und Handwerkersiedlungen, die einige Jahrzehnte später durch eine zusätzliche Befestigungsmauer vor möglichen Angriffen geschützt wurden. Es blühten dort sowohl Handwerk als auch überregionaler Handel, der durch die Lage an der hier schiffbaren Moskwa sehr stark begünstigt wurde. Die heute bekannteste unter den Ansiedlungen am linken Moskwa-Ufer vor den Kremlmauern war die Vorstadt [[Kitai-Gorod]] unmittelbar östlich des Kremls. Deren zentraler Marktplatz&nbsp;– später als [[Roter Platz]] bekannt&nbsp;– schließt sich nach wie vor östlich an den Kreml an und ist mit diesem in seiner geschichtlichen Entwicklung überaus eng verbunden. === Erster steinerner Kreml === [[Datei:Vasnetsov Kreml pri Dmitrii Donskom.jpg|miniatur|Erster steinerner Kreml. Ein Aquarell (1922) von Apollinari Wasnezow]] Nach dem Tod Iwan Kalitas 1340 sollte sein hölzerner Kreml noch 25&nbsp;Jahre lang stehen, bis sich im Jahr 1365 eine besonders verheerende Feuersbrunst ereignete, bei der auch große Teile der Eichenholzmauern in sich zusammenfielen. Da sich Moskau damals immer noch im Krieg gegen mehrere benachbarte Fürstentümer befand, war ein schneller Neubau der Burg erforderlich. Den leitete der damalige Moskauer Herrscher, Großfürst [[Dmitri Donskoi]], ein. Der Bau begann im Frühjahr 1367. Zum Schutz gegen die häufigen Brände wurde erstmals beschlossen, den neuen Kreml aus Stein statt aus Holz errichten zu lassen. Hierzu wurden große Mengen an weißem [[Kalkstein]] aufbereitet, der in der Moskauer Umgebung in zahlreichen natürlichen [[Steinbruch|Steinbrüchen]] abgebaut wurde. Die noch 1367 fertiggestellten Mauern ähnelten von ihrem Aufbau her&nbsp;– erstmals wurden sie an strategisch besonders wichtigen Stellen mit Wehrtürmen versehen&nbsp;– ein wenig den heutigen Kremlmauern. Sie standen teilweise auf Fundamenten des hölzernen Vorgängerkremls und brachten Moskau aufgrund ihrer weißen Bausubstanz den gelegentlich noch bis heute verwendeten Beinamen ''Belokammennaja'', wörtlich also so viel wie „Stadt aus weißem Stein“ oder „weiße Stadt“. In seiner Ausdehnung entsprach der unter Dmitri Donskoi erbaute befestigte Stadtkern Moskaus mit Ausnahme des nördlichsten Zipfels dem heutigen Kreml; die Gesamtlänge der Mauern betrug knapp 2000&nbsp;Meter<ref name="Voronin"></ref>. Der neue, weißsteinerne Kreml bestand mit einigen Um- und Weiterbauten über ein Jahrhundert lang und erwies sich somit als ungleich langlebiger als alle seine hölzernen Vorgänger. Den Bewohnern und Verteidigern der Burg gelang es denn auch im späten 14. und im 15.&nbsp;Jahrhundert, mehrere feindliche Angriffe erfolgreich abzuwehren. So scheiterte 1368 und 1370, nur kurze Zeit nach Fertigstellung der Zitadelle, der litauische Fürst [[Algirdas]] gleich zweimal an der Festigkeit des Kremls und am Widerstand der Moskowiter. Weniger erfolgreich war allerdings die Abwehr Moskaus gegen den tatarischen Khan [[Toktamisch]] im Jahre 1382: Nach dreitägiger, zunächst erfolgloser Belagerung gelang es dessen Truppen, die Stadtverteidiger zu überlisten und in den Kreml vorzudringen. Es gab unter den Insassen über 20.000 Tote<ref>Andrej Dëmin: ''Zolotoe kolʹco Moskvy''; Verlagshaus Veče, Moskau 2006, ISBN 5-9533-1454-X; S.&nbsp;12</ref>; der weißsteinerne Kreml erlitt dabei erhebliche Schäden. In den 1390er-Jahren wurde er weitgehend wiederhergestellt; zu gleicher Zeit entstanden dort neue steinerne Kirchenbauten, unter ihnen 1393 die Gottesmutter-Geburtskirche, deren 1514 errichteter Nachbau als eine der Hauskirchen des [[Terem-Palast]]es bis heute erhalten ist. === Der Kreml nimmt seine heutige Gestalt an === Ein beträchtlicher Teil der heute erhaltenen Bausubstanz des Moskauer Kremls stammt aus der Zeit Ende des 15. und Anfang des 16.&nbsp;Jahrhunderts, als die Befestigungsanlagen abermals komplett neu errichtet wurden und innerhalb des Kremls etliche neue, teilweise ebenfalls bis heute bestehende Bauwerke hinzukamen. Es war die Herrschaftszeit des Großfürsten [[Iwan III. (Russland)|Iwan&nbsp;III.]], der die alte und inzwischen vielerorts baufällig gewordene Burg nicht mehr als ihrer Rolle angemessen ansah. Ursache hierfür war zum einen das erhebliche Wiedererstarken des Moskauer Staates, der nunmehr alle vormaligen russischen Fürstentümer in sich vereinigte und sich bis 1480 endgültig von der jahrhundertelangen [[Mongolische Invasion der Rus|mongolisch-tatarischen Invasion]] befreien konnte. Zum anderen spielte auch die 1472 erfolgte Heirat Iwans mit der [[Byzantinisches Reich|byzantinischen]] Kaisernichte [[Sofia Palaiologa]] eine Rolle: Aufgrund dieser Ehe sah sich Iwan&nbsp;III. als rechtmäßiger Erbe der Herrscher des untergegangenen Byzantinischen Reichs, weswegen seine Moskauer Residenz nunmehr als wichtiges Zentrum des [[Orthodoxe Kirchen|orthodoxen]] Christentums (sogenanntes „[[Drittes Rom]]“) aufwändig ausgebaut werden sollte. Dies veranlasste Iwan, für die Errichtung der neuen Festung unter anderem mehrere Baumeister aus [[Italien]] nach Moskau einzuladen, jenem Land, in dem auch seine Frau Sofia aufgewachsen war und dessen Architekten sich bereits im damaligen Russland eines hohen Ansehens erfreuen konnten. [[Datei:Vasnetsov Moskovsky Kreml pri Ivane III.jpg|miniatur|Der Kreml unter Iwan&nbsp;III. Ein Aquarell (1921) von Apollinari Wasnezow]] Der unter Iwan&nbsp;III. eingeleitete und bis dahin wohl umfassendste Um- und Ausbau des Kremls dauerte praktisch seine gesamte Herrschaftszeit an, also über 40&nbsp;Jahre lang von 1462 bis 1505. Zu den ersten dabei entstandenen Bauten gehört die heutige [[Mariä-Entschlafens-Kathedrale (Moskau)|Mariä-Entschlafens-Kathedrale]], die im Jahre 1479 fertiggestellt werden konnte. Sie wurde an Stelle der einige Jahre zuvor eingestürzten gleichnamigen Kathedrale errichtet, die wiederum ihre 1337 entstandene Vorgängerin ablösen sollte. Für ihren Neubau verpflichtete Iwan&nbsp;III. mit [[Aristotile Fioravanti]] aus [[Bologna]] erstmals einen italienischen Architekten. Er und einige andere aus Italien eingeladene Meister&nbsp;– darunter [[Pietro Antonio Solari]], [[Marco Ruffo]] oder [[Aloisio der Neue|Aloisio Lamberti da Montagnana]]&nbsp;– erschufen in der Herrschaftszeit Iwans eine Vielzahl der Kremlbauten, darunter vor allem die gesamte Befestigungsanlage samt Mauer und Wehrtürmen. Bei dieser in den Jahren 1485 bis 1499 errichteten Mauer handelt es sich im Wesentlichen um die bis heute erhaltene Kremlmauer, auch die zeitgleich errichteten Türme sind&nbsp;– wenn auch im Laufe der Jahrhunderte meist stark umgebaut&nbsp;– die gleichen. Die italienischen Bauschaffenden, die sich bei der Errichtung der Moskauer Stadtbefestigung nicht zuletzt an vergleichbaren Bauwerken in ihrem Heimatland&nbsp;– darunter dem Mailänder [[Castello Sforzesco]]&nbsp;– orientierten<ref>Makarevič et al., S.&nbsp;268</ref>, setzten erstmals in der Moskauer Stadtbaugeschichte [[Backstein|Ziegelstein]] ein, der dem Kreml bis heute seine typische dunkelrote Farbe&nbsp;– anstatt der vormals weißen&nbsp;– verleiht. Die Türme wurden in Schussweite voneinander erbaut; ihre heute charakteristischen [[Zeltdach|Zeltdächer]] und Spitzen erhielten sie allerdings erst Ende des 17.&nbsp;Jahrhunderts. Zum Schutz der Festung vor Bränden und zur Verbesserung ihrer Verteidigungsfähigkeit wurde ab 1493 per Erlass Iwans&nbsp;III. verboten, Holzhäuser im Umkreis von gut 200&nbsp;Metern außerhalb der Mauer zu errichten; auch bestehende Bauten wurden bald darauf verlegt.<ref>[http://www.russiancity.ru/text/mos04.htm russiancity.ru: Mauer und Türme des Moskauer Kremls]; überprüft am 25. März 2009</ref> Innerhalb der Kremlmauern ist unter den Bauwerken, die Ende des 15.&nbsp;Jahrhunderts entstanden sind, neben der Mariä-Entschlafens-Kathedrale vor allem der prunkvoll ausgestattete [[Facettenpalast]] zu nennen, der heute zum erst im 19.&nbsp;Jahrhundert abgeschlossenen Ensemble des [[Großer Kremlpalast|Großen Kremlpalastes]] gehört. Erbaut 1491 von Marco Ruffo und Pietro Antonio Solari als Ergänzung zu einem damals bereits bestehenden und heute nicht mehr erhaltenen Großfürstenpalais, diente der Facettenpalast von da an dem Großfürsten als repräsentativer Ort für feierliche Empfänge und Staatsakte. Ungefähr zur gleichen Zeit wurde das heutige Ensemble des Kathedralenplatzes des Kremls größtenteils abgeschlossen: Zu der Mariä-Entschlafens-Kathedrale und dem Facettenpalast kamen noch die [[Mariä-Gewandniederlegungs-Kirche]] (fertiggestellt 1486), die [[Mariä-Verkündigungs-Kathedrale (Moskau)|Mariä-Verkündigungs-Kathedrale]] (1489), die [[Erzengel-Michael-Kathedrale]] (1508) und schließlich der [[Glockenturm Iwan der Große]] (1508) hinzu. [[Datei:Kremlenagrad.jpg|miniatur|hochkant=1.2|Der sogenannte ''Kremlenagrad'', erstellt von einem unbekannten Autor um 1600, ist der erste bekannte Geländeplan des Moskauer Kremls. Mit seiner detaillierten und authentischen Darstellung der Bebauung des Kremls und des Roten Platzes jener Zeit ähnelt er einer Zeichnung des Geländes aus der Vogelperspektive.]] Der von Iwan&nbsp;III. initiierte Ausbau des Kremls dauerte&nbsp;– mit Unterbrechungen durch nach wie vor häufige Feuersbrünste&nbsp;– noch über seinen Tod hinaus etwa bis zum Jahr 1516 an, als entlang des östlichen, an den Roten Platz angrenzenden Abschnitts der Kremlmauer ein künstlicher Wassergraben von der Neglinnaja bis zur Moskwa verlegt wurde. Diesen Graben, der eine Breite von rund 32 und eine Tiefe von 12&nbsp;Meter hatte und mit künstlich aufgestautem Wasser der Neglinnaja gespeist wurde, erbaute der Italiener [[Aloisio der Neue|Aloisio Lamberti da Montagnana]]&nbsp;– in Russland damals einfach ''Alewis (der Neue)'' genannt, weswegen der Graben auch seine Bezeichnung ''Alewis-Graben'' erhielt. Bis zum Anfang des 19.&nbsp;Jahrhunderts, als der Graben zugeschüttet wurde, sicherte er dem Kreml einen zusätzlichen Schutz von der Ostseite her, an der es keine natürlichen Gewässer gab. Mit Abschluss des großen Umbaus durch Iwan&nbsp;III. war der Moskauer Kreml somit an allen drei Seiten von Wasser umgeben, so dass man in die Festung nur über spezielle Zugseilbrücken, die im Angriffsfall hochgeklappt wurden, eintreten konnte. Außerdem erreichte die Ausdehnung des Kremlgeländes damals ihre heutigen Ausmaße. Im weiteren Verlauf des 16.&nbsp;Jahrhunderts&nbsp;– so unter [[Iwan IV. (Russland)|Iwan&nbsp;IV. „dem Schrecklichen“]], als das Moskauer Fürstentum territorial weiter expandierte und 1547 schließlich zum einheitlichen [[Zarentum Russland]] erklärt wurde, womit der Kreml zur Residenz russischer [[Zar]]en avancierte&nbsp;– gab es nur vergleichsweise wenige Bautätigkeiten auf dem Kremlgelände. Es entstanden einzelne kleinere, heute nicht mehr erhaltene Kirchen- und Wohnbauten, außerdem die später nahezu vollständig zugebaute [[Großer Kremlpalast#Die Goldene Zarinnenkammer|Goldene Zarinnenkammer]] und der heute als ''Uspenski-Glockengestühl'' bekannte Anbau an den Glockenturm Iwan der Große. Der damals als abgeschlossen geltende Moskauer Kreml diente zu jener Zeit einer Reihe anderer russischer Städte als Muster, die sich aufgrund ihrer grenznahen Lage durch den Bau ähnlich konstruierter Zitadellen zu schützen wussten. So entstanden nach Moskauer Vorbild [[Liste der Kreml|Kremls]] in [[Rostow|Rostow am See]], [[Tula]], [[Serpuchow]] und anderen russischen Städten. Einige dieser ehemaligen Festungen sind zumindest in Teilen bis heute erhalten. Auch die in den 1550er-Jahren errichtete Befestigungsmauer mit Türmen des [[Dreifaltigkeitskloster von Sergijew Possad|Dreifaltigkeitsklosters von Sergijew Possad]], des damals wichtigsten russisch-orthodoxen Klosters, wurde in ihrem Aufbau stark an die Mauer des Moskauer Kremls angelehnt. === Der Kreml im 17. Jahrhundert === Noch Anfang des 17.&nbsp;Jahrhunderts plante Zar [[Boris Godunow]] in seiner kurzen Herrschaftszeit (1598–1605) neue ehrgeizige Bauvorhaben im Kreml, von denen aber nur die Aufstockung des Glockenturms Iwan der Große um dessen heutige Spitze sowie der Bau eines neuen Zarenpalais, das in den 1770er-Jahren abgerissen wurde, verwirklicht werden konnte. Wenige Jahre später kam jede Bauaktivität in Moskau und anderen russischen Städten vorläufig zum Erliegen, als große Teile des russischen Zarentums von [[Polen-Litauen|polnisch-litauischen]] Invasoren beherrscht wurden. In dieser unter dem Namen ''[[Smuta]]'' bekannten Zeit von 1598 bis 1613 geriet auch der Kreml zeitweilig in Mitleidenschaft, als seine Bauwerke in Kämpfen beschädigt und eine Vielzahl von Schätzen und Kunstwerken aus den Kremlkirchen geraubt wurden. Jegliche Restaurierungsarbeiten an bestehenden sowie Bauarbeiten an neuen Bauwerken konnten erst in der Regierungszeit des ersten Zaren aus der [[Romanow]]-Dynastie, [[Michael I. (Russland)|Michael&nbsp;I.]], aufgenommen werden. So ließ dieser 1624 den Glockenturm Iwan der Große um einen zusätzlichen Nebenturm mit Zeltdach, den sogenannten ''Philaret-Anbau'', erweitern. Im Jahre 1621 wurde der wichtigste Wachturm des Kremls&nbsp;– der Erlöserturm, in dem sich der Haupteingang vom Roten Platz aus befand&nbsp;– als erster Kremlturm umgebaut und aufgestockt. Auf ähnliche Weise wurden später, erst gegen Ende des Jahrhunderts, auch die meisten übrigen Kremltürme umgebaut, indem sie ihre bis heute charakteristischen dekorativen [[Zeltdach]]konstruktionen erhielten. [[Datei:Vasnetsov Plocshad Ivana Velikogo.jpg|miniatur|Der Iwanplatz des Kremls im 17.&nbsp;Jahrhundert mit dem Glockenturm Iwan der Große im Hintergrund. Ein Aquarell (1903) von Apollinari Wasnezow]] Ein weiterer markanter Neubau im Kreml des 17.&nbsp;Jahrhunderts entstand in den Jahren 1635–1636: Das ist der heute zum Großen Kremlpalast gehörende [[Terem-Palast]], der noch bis Ende des Jahrhunderts als Wohnresidenz russischer Zaren und ihrer Familienangehörigen diente. Zu erwähnen sind schließlich die in einem zusammenhängenden Gebäudekomplex errichteten Bauten der [[Patriarchenpalast und Zwölf-Apostel-Kirche|Zwölf-Apostel-Kirche]] und der Wohn- und Arbeitsresidenz des [[Liste der Metropoliten und Patriarchen von Moskau|Moskauer Patriarchen]]. Sie wurden 1656 fertiggestellt und vermochten seitdem die Bedeutung des Kremls nicht nur als Residenz weltlicher Herrscher, sondern auch als geistliches Zentrum der [[Russisch-Orthodoxe Kirche|russisch-orthodoxen Kirche]] in besonderem Maße zum Ausdruck zu bringen. Als ältester und am zentralsten gelegener Teil der inzwischen weit über die alten Festungsmauern hinaus in alle Himmelsrichtungen gewachsenen Zarentumshauptstadt Moskau diente der Kreml freilich nicht nur der Zarenfamilie und dem Kirchenoberhaupt als Wohnort. Bereits seit dem 14.&nbsp;Jahrhundert befand sich dort eines der damals bekanntesten russisch-orthodoxen Klöster&nbsp;– das Tschudow-Kloster, das Anfang des 20.&nbsp;Jahrhunderts der Abrisskampagne der Kommunisten zum Opfer fiel. Der Kreml galt deswegen im 17.&nbsp;Jahrhundert längst als eine hochverehrte Pilgerstätte, deren Haupteingangstor im Erlöserturm nur zu Fuß und mit unbedecktem Kopf passiert werden durfte<ref>[http://www.world-art.ru/architecture/architecture.php?id=599 world-art.ru: Erlöserturm]; überprüft am 29. März 2009</ref>. Er war aber auch das Zentrum des öffentlichen Lebens der Moskowiter; so wurden hier Staats- und Volksfeste veranstaltet und hier traten die Zaren bei besonderen Anlässen vor dem Volk auf oder ließen ihre [[Ukas|Erlasse]] und andere wichtige Bekanntmachungen dem Volk verkünden. Im 17.&nbsp;Jahrhundert war das Privileg, im Kreml zu wohnen, außer dem Zaren und den Geistlichen nur noch besonders reichen und ehrwürdigen Adligen ([[Bojaren]]) mit ihren Familien vorbehalten. Als einziges bis heute im Kreml erhaltenes Beispiel für ein Bojarenwohnhaus jener Zeit gilt der sogenannte [[Lustpalast]] aus dem Jahr 1651, der ursprünglich als Wohngebäude der Familie Miloslawski diente und einige Jahre später als einer der ersten russischen Aufführungsorte für Theatervorstellungen zur „Belustigung“ der Zarenfamilie umgebaut wurde. === Der Kreml vom 18. bis zum 19. Jahrhundert === {| style="float: right; margin-left: 0.6em; width: 33%; white-space: nowrap;" class="wikitable" |- bgcolor="#CFCFCF" ! colspan="5" | Chronologische Entstehung<br />der heutigen Kreml-Bauwerke |- bgcolor="#E8E8E8" ! Bauzeit || Gebäude || Um-/Ausbau |- | 1475–79 || [[Mariä-Entschlafens-Kathedrale (Moskau)|Mariä-Entschlafens-Kathedrale]] || |- | 1484–86 || [[Mariä-Gewandniederlegungs-Kirche]] || |- | 1484–89 || [[Mariä-Verkündigungs-Kathedrale (Moskau)|Mariä-Verkündigungs-Kathedrale]] || 1564 |- | 1485–99 || [[Mauer und Türme des Moskauer Kremls|Befestigungsmauer und Türme]] || 17.–19.&nbsp;Jh. |- | 1487–92 || [[Großer Kremlpalast#Der Facettenpalast|Facettenpalast]] || |- | 1505–08 || [[Erzengel-Michael-Kathedrale]] || 18.&nbsp;Jh. |- | 1505–08 || [[Glockenturm Iwan der Große]] || 1543, 1600, 1823 |- | Ende 16.&nbsp;Jh. || [[Großer Kremlpalast#Die Goldene Zarinnenkammer|Goldene Zarinnenkammer]] || |- | 1635–36 || [[Großer Kremlpalast#Der Terem-Palast|Terem-Palast]] || |- | 1651–52 || [[Lustpalast]] || u.&nbsp;a. 1875 |- | 1653–56 || [[Patriarchenpalast und Zwölf-Apostel-Kirche|Patriarchenpalast]] || |- | 1702–36 || [[Arsenal des Moskauer Kremls|Arsenal]] || 1796, 1828 |- | 1776–87 || [[Senatspalast]] || |- | 1838–49 || [[Großer Kremlpalast#Das zentrale Palastgeb.C3.A4ude|Großer Kremlpalast, Hauptgebäude]] || |- | 1844–51 || [[Rüstkammer des Moskauer Kremls|Rüstkammer]] || |- | 1930–34 || [[Verwaltungsgebäude des Moskauer Kremls|Verwaltungsgebäude]] || |- | 1960–61 || [[Staatlicher Kremlpalast]] || |} Der Anfang des 18.&nbsp;Jahrhunderts markierte für den Kreml zwei historische Ereignisse. Zum einen ließ der damalige Zar [[Peter der Große|Peter&nbsp;I. „der Große“]], welcher sich einige Jahre später zum ersten Kaiser des inzwischen weit bis ins asiatische Hinterland ausgedehnten [[Russisches Reich|Russischen Reichs]] erklärte, die neue Hauptstadt dieses Reichs von Moskau in das neu gegründete [[Sankt Petersburg]] verlegen, womit der Kreml seinen Status als Zarenresidenz verlor. Zum anderen wurde die Festung 1701 von einem der folgenschwersten Großbrände ihrer Geschichte heimgesucht, bei dem ein Großteil der dort noch verbliebenen Holzbauten zerstört wurde. Ungeachtet der Schäden gab dieser Brand einen neuen Schub für die Bauaktivität im Kreml: Am westlichen Abschnitt der Kremlmauer wurde ein größeres Grundstück freigelegt, auf dem Peter alsbald den Bau eines Waffenlagers (oder, wie er es selber bezeichnete, eines „[[Zeughaus]]es“) verfügte. So begann die Entstehung des heutigen [[Arsenal des Moskauer Kremls|Arsenalgebäudes]], das zu den markantesten Kreml-Bauwerken des 18.&nbsp;Jahrhunderts zählt. Der Bau ging allerdings aufgrund der durch den [[Großer Nordischer Krieg|Großen Nordischen Krieg]] bedingten finanziellen Schwierigkeiten nur langsam voran<ref>[http://www.kreml.ru/ru/main/kremlin/buildings/Arsenal/ Offizielle Kreml-Webseite: Das Arsenal]; überprüft am 27. März 2009</ref>, so dass das Arsenal erst 1736 fertiggestellt werden konnte. Unter Kaiserin [[Elisabeth (Russland)|Elisabeth]] wurde im Jahre 1753 auf dem Kremlgelände, nahe dem südlichen Mauerabschnitt, eine neue Moskauer Residenz des russischen Zaren errichtet, die den unmittelbaren Vorgängerbau des heutigen [[Großer Kremlpalast|Großen Kremlpalastes]] darstellt. 1787 entstand mit dem [[Senatspalast]], dem heutigen Kern des Amtssitzes des russischen Präsidenten, ein weiterer architektonisch reizvoller Bau im Kreml in der Nähe des Arsenals. Der Senatspalast war zugleich das einzige größere Bauprojekt im Moskauer Kreml, das unter [[Katharina II. (Russland)|Katharina&nbsp;II. „der Großen“]] verwirklicht wurde. Darüber hinaus plante Katharina einen radikalen Umbau des Kremls samt Errichtung einer neuen Kaiserresidenz riesigen Ausmaßes, der eine Vielzahl alter Bauwerke weichen sollte. Zwar mussten die Pläne in den 1770er-Jahren unter anderem wegen Geldmangels und heftiger Kritik verworfen werden<ref>Vgl. auch: [http://www.peoples.ru/art/architecture/bajenov/ peoples.ru: Ausführliche Biografie des Architekten Wassili Baschenow]; überprüft am 27. März 2009</ref>, zu dieser Zeit hatte man jedoch bereits Teile der südlichen Kremlmauer in Vorbereitung auf den Bau abgetragen. Während diese Mauerabschnitte wenige Jahre später wiederhergestellt wurden, verschwanden mehrere historische Gebäude im Südteil des Kremls, die ebenfalls zuvor abgerissen wurden&nbsp;– darunter das frühere Palais von Zar Boris Godunow&nbsp;– endgültig vom Stadtbild der Moskauer Zitadelle. [[Datei:Old Oruzheinaya Palata.jpg|miniatur|links|Der Kreml in den 1840er-Jahren: Links ist das alte Gebäude der Rüstkammer zu sehen, im Hintergrund der Dreifaltigkeitsturm, rechts das Arsenal]] [[Datei:Noël Paymal Lerebours 06 Moscow.jpg|miniatur|links|''Der Kreml in Moskau'' (1842) von [[Noël Marie Paymal Lerebours]]. Eine der ersten Fotoaufnahmen des Kremls.]] 1812 trug das Kremlensemble abermals erhebliche Zerstörungen davon, als die gesamte Stadt Moskau während des [[Russlandfeldzug 1812|Russlandfeldzugs]] von [[Napoléon Bonaparte]] zeitweilig unter [[Frankreich|französischer]] Besatzung stand. Während des Aufenthalts der Truppen Napoléons auf dem Kremlgelände wurde eine Vielzahl von Kirchenschätzen geraubt oder beschädigt, da die Soldaten die Kremlkathedralen als Kasernen oder Pferdeställe nutzten<ref>Kiselëv 2006, S.&nbsp;76</ref>. Noch schwerer traf es den Kreml, als die französische Armee den Rückzug antreten musste: Aus Rache für seine Niederlage wollte Napoléon den gesamten Kreml samt Befestigungsanlagen und anderen Architekturdenkmälern sprengen lassen. Das Gelände wurde vermint, jedoch kam es unter anderem aufgrund des starken Regens und des erbitterten Widerstands der Anwohner nur stellenweise zu Explosionen<ref>[http://www.kremlin.ru/articles/history_09.shtml kremlin.ru: Geschichte des Kremls]; überprüft am 29. März 2009</ref>. Dennoch wurden mehrere Kremltürme stark beschädigt, bei einigen von ihnen stürzte das Zeltdach um, erhebliche Schäden gab es außerdem am Glockenturm Iwan der Große, dem Facettenpalast und dem erst kürzlich nach einem Brand restaurierten Arsenalgebäude. Die Wiederaufbauarbeiten am Kreml dauerten bis in die 1830er-Jahre hinein. Einen großen Teil von ihnen leitete der Architekt [[Joseph Bové]]. Dabei gestaltete er auch die unmittelbare Umgebung des Kremls ganz neu: Das Flussbett der [[Neglinnaja]] wurde in einen unterirdischen Kanal verlegt, wo es sich bis heute befindet, und an seiner Stelle wurde entlang des Westabschnitts der Kremlmauer der [[Alexandergarten]], eine langgestreckte öffentliche Parkanlage mit Blumenbeeten und einer dekorativen Grotte, angelegt. Der Rote Platz wurde ebenfalls neu gestaltet, wobei der alte Alewis-Graben entlang der Kremlmauer zugunsten einer neuen [[Promenade]] zugeschüttet wurde. Zum Abschluss der Wiederaufbauarbeiten im Kreml wurde schließlich damit begonnen, eine neue Moskauer Residenz russischer Zaren zu errichten, und zwar genau dort, wo schon seit dem 14.&nbsp;Jahrhundert Großfürsten- und Zarengemächer standen, so zuletzt das 1812 ebenfalls stark beschädigte Palais aus dem Jahr 1753. Zar [[Nikolaus I. (Russland)|Nikolaus&nbsp;I.]] beauftragte mit der Umsetzung den bekannten Stadtbaumeister [[Konstantin Andrejewitsch Thon|Konstantin Thon]], der in den Jahren 1844 bis 1851 eine neue [[Klassizismus|klassizistische]] Kaiserresidenz errichtete, welche zusammen mit den bereits bestehenden Bauten des Facetten- und des Terem-Palastes das heutige Ensemble des [[Großer Kremlpalast|Großen Kremlpalastes]] bildet. Nahezu zeitgleich baute Thon linkerhand der neuen Zarenresidenz das stilistisch daran anknüpfende neue Gebäude der [[Rüstkammer des Moskauer Kremls|Rüstkammer]], das mit dem Palast durch eine überdachte Galerie verbunden wurde. Die Projekte Konstantin Thons stellten die letzten größeren Bauaktivitäten im Kreml des 19.&nbsp;Jahrhunderts dar und gaben dem südlichen, zum Moskwa-Fluss hin gewandten Teil des Kremls bis auf einige feine Details die bis heute erhaltene Gestalt. Noch Anfang des 20.&nbsp;Jahrhunderts war der Kreml mit seinen zwei Klöstern&nbsp;– dem Tschudow- und dem Himmelfahrtskloster&nbsp;– vor allem eine der wichtigsten orthodoxen Pilgerstätten. Ungeachtet der Verlegung der Zarenreichshauptstadt nach Sankt Petersburg blieb der Kreml zudem auch im 18. und 19.&nbsp;Jahrhundert eines der Zentren der Staatsmacht, denn sämtliche bedeutenden Staatsakte&nbsp;– darunter die feierlichen [[Krönung der russischen Zaren und Kaiser|Zarenkrönungszeremonien]]&nbsp;– fanden nach wie vor auch im Moskauer Kreml statt. Darüber hinaus stellte der Kreml noch zur Zarenzeit einen umfassenden Museumskomplex dar, dessen Besichtigung für jeden Moskau-Besucher als obligatorisch galt und der für die Öffentlichkeit denn auch nahezu uneingeschränkt zugänglich war. Letzteres änderte sich allerdings nach 1917. === Der Kreml zur Sowjetzeit === Mit der [[Oktoberrevolution]] des Jahres 1917 war für Moskau nicht nur der entscheidende gesellschaftliche Umbruch und das Ende des Russischen Zarenreichs verbunden, sondern auch mehrtägige erbitterte Kämpfe, unter denen insbesondere das Kremlensemble zu leiden hatte. Nachdem es antibolschewistischen Kräften am 28.&nbsp;Oktober gelang, den Kreml zeitweilig wieder unter ihre Kontrolle zu bringen, belagerten Einheiten der [[Rote Garde (Russland)|Roten Garde]] die Festung und beschossen sie dauerhaft mit [[Artillerie]]. Bis der Kreml am 2.&nbsp;November endgültig eingenommen werden konnte, trugen etliche Bauwerke sichtbare Schäden davon: So wurden mehrere Kremltürme&nbsp;– darunter der Erlöserturm und seine [[Turmuhr]]&nbsp;– teilweise stark beschädigt, erhebliche Zerstörungen gab es zudem am Komplex des Tschudow-Klosters und an der Mariä-Entschlafens-Kathedrale. Für die rund 250 damals gefallenen Rotgardisten<ref>[http://ratin.ru/nkre.shtml ratin.ru]; überprüft am 27. März 2009</ref><ref>Jan Peče: ''[http://scepsis.ru/library/id_2033.html Krasnaja gvardija v Moskve v bojach za Oktjabrʹ]; Moskau 1929</ref> wurde nach dem Ende der Kämpfe die sogenannte [[Nekropole an der Kremlmauer|Revolutionsnekropole]] vor der östlichen Kremlmauer am Roten Platz angelegt, wo später auch andere prominente Revolutionäre und Staatsmänner der [[Sowjetunion]] beigesetzt wurden. Die darauffolgenden Jahre markierten weitere einschneidende Veränderungen in der Geschichte des Moskauer Kremls. Die neue [[Sowjetrussland|sowjetrussische]] Regierung samt Revolutionsführer [[Lenin]] zog in einer geheimen Nacht-und-Nebel-Aktion am 12.&nbsp;März 1918 von Sankt Petersburg (zu jenem Zeitpunkt Petrograd genannt) nach Moskau, da sich die neuen Machthaber hinter den Mauern des Kremls einen besseren Schutz vor möglichen Aufständen, Staatsstreichen oder ausländischen Interventionen erhofften. So erhielt Moskau nach zwei Jahrhunderten wieder den Hauptstadtstatus, den es bis heute besitzt. Mehrere Kremlgebäude&nbsp;– darunter der ehemalige Kommandantensitz am Lustpalast, die Kasernen im Arsenal und auch Teile des Großen Kremlpalastes&nbsp;– wurden als Wohnhäuser für Staatsmänner und ihre Angehörigen und Bediensteten genutzt. Auch Lenin ließ sich im Senatspalast des Kremls Arbeitsräume und eine kleine Wohnung einrichten. Diese Wohnung mitsamt der Originalausstattung wurde nach Lenins Tod beibehalten und war noch bis in die 1990er-Jahre als Museum geöffnet<ref name="nasledie">[http://www.nasledie.ru/oboz/N01_02/1_17.HTM nasledie.ru]; überprüft am 15. März 2009</ref>. [[Datei:Spas-na-boru.jpg|miniatur|Die Erlöserkirche im Walde, die zuletzt vom Großen Kremlpalast umschlossen war (hier Aufnahme von 1882), wurde 1933 bei dessen Teilumbau abgerissen]] Dem Kreml, der nunmehr wieder Sitz der Staatsmacht war, brachte der Einzug der Regierung nicht nur einen raschen Wiederaufbau der während der Kampfhandlungen beschädigten Bauwerke. Als hochgesicherte Residenz schloss der Kreml im Jahr 1927 seine Tore für die breite Öffentlichkeit und konnte seitdem nicht mehr ohne [[Passierschein]] betreten werden<ref name="Citadel">Igorʹ Elkov: ''[http://www.rg.ru/2008/12/18/kreml.html Citadelʹ]'', [[Rossijskaja Gaseta]], 18. Dezember 2008</ref>. Sämtliche im Kreml ansässigen Geistlichen wurden im Laufe der 1920er-Jahre ebenfalls von dort vertrieben. Die beiden während der Kämpfe 1917 stark beschädigten Klöster auf dem Kremlgelände&nbsp;– das Tschudow- und das Himmelfahrtskloster&nbsp;– wurden im Rahmen der antireligiösen Kampagne der [[Bolschewiki]], der auch eine Vielzahl anderer [[Sakralbau]]ten russlandweit zum Opfer fiel, zunächst geschlossen und 1929 schließlich restlos abgerissen. Auf dem freigewordenen Grundstück entstand bis 1934 das im neoklassizistischen Stil ausgeführte neue Gebäude der Militärschule für Kommandeure der [[Rote Armee|Roten Armee]]. Heute ist es als [[Verwaltungsgebäude des Moskauer Kremls|Verwaltungsgebäude des Kremls]] (oder auch als ''Gebäude&nbsp;14'') bekannt und ist ein Teil des Präsidentensitzes innerhalb des Kremls. Unter Lenins Nachfolger [[Josef Stalin]], der sich im Senatspalast des Kremls ebenfalls eine Wohnung einrichten ließ, wurden weitere Abrisse und architektonisch nicht immer gelungene Umbauten an alten Bauwerken vorgenommen. 1933 wurde der Große Kremlpalast als Tagungsort hergerichtet, wozu eines der ältesten bis dahin erhaltenen Kremlbauwerke&nbsp;– die benachbarte Erlöser-Kirche im Walde aus den 1330er-Jahren&nbsp;– abgerissen sowie innerhalb des Palastes zwei historische Paradesäle zu einem großen Sitzungssaal zusammengelegt wurden. Von 1935 bis 1937 entfernte man schließlich von den Spitzen der vier Durchfahrtstürme des Kremls die vergoldeten [[Doppeladler]] aus der Zarenzeit und ersetzte sie durch [[Roter Stern|Sowjetsterne]] aus rotem [[Rubin]]glas, die die neue Ideologie und den Sieg der sozialistischen Revolution symbolisieren sollten. Auch an der Spitze des weithin sichtbaren Wasserzugturms an der südwestlichen Ecke der Kremlmauer wurde 1937 ein solcher Stern aufgesetzt. Während der [[Schlacht um Moskau]] im [[Krieg gegen die Sowjetunion 1941–1945|Zweiten Weltkrieg]] und den damals häufigen Luftangriffen auf Moskau blieben die Schäden am Kreml vergleichsweise gering, da die Festung durch Gebäudetarnung und zusätzliche [[Flugabwehr]]anlagen gut gesichert war. Die beweglichen Schätze, darunter Exponate aus der Rüstkammer, wurden schon vor Beginn der Kriegshandlungen vorsorglich ins sowjetische Hinterland evakuiert. Vereinzelt kam es dennoch zu Sach- und Personenschäden: So traf am 12.&nbsp;August 1941 eine Bombe das Arsenal und tötete dabei 20 Soldaten, und beim Bombardement am 29.&nbsp;Oktober des gleichen Jahres gab es im Kreml 41 Tote und über 100 Verletzte.<ref name="Citadel"></ref> [[Datei:Mosckwa Kremljowskaja Nabereznja.jpg|miniatur|hochkant=1.5|Panorama des Kremls (1968)]] Nach Stalins Tod ließ sein vergleichsweise liberaler Nachfolger [[Nikita Sergejewitsch Chruschtschow|Nikita Chruschtschow]] die Besuchsordnung des Kremls wieder lockern: Von 1955 an durfte das Ensemble innerhalb der Kremlmauern wieder von der Öffentlichkeit kostenlos betreten und besichtigt werden. Auch wurden bis 1961 die letzten noch verbliebenen Dienstwohnungen auf dem Kremlterritorium aufgelöst.<ref>Vladimir Snegirëv: ''[http://www.rg.ru/2005/07/21/kreml.html Za stenoj]'', [[Rossijskaja Gaseta]], 21. Juli 2005</ref> Große Teile des Ensembles wurden als Museum hergerichtet, auf dessen Basis der Kreml drei Jahrzehnte später den höchstmöglichen russischen [[Denkmalschutz]]status eines ''Staatlichen Museumsreservats'' erhielt<ref>[http://www.museum.ru/M287 museum.ru]; überprüft am 27. März 2009</ref>. Mit dem Kongresspalast des Moskauer Kremls, heute als [[Staatlicher Kremlpalast]] bekannt, entstand in der Regierungszeit Chruschtschows auch das bisher jüngste Gebäude auf dem Kremlgelände. Es ersetzte den Großen Kremlpalast als zentraler Tagungsort der [[Kommunistische Partei der Sowjetunion|KPdSU]] und wird heute vorwiegend für kulturelle Veranstaltungen genutzt. Seit der Fertigstellung des Kongresspalastes im Jahre 1961 wurde auf dem Kremlgelände nichts mehr neu gebaut, lediglich Restaurierungsarbeiten an bestehenden Bauwerken wurden noch durchgeführt, so in den 1970er-Jahren im Vorfeld der in Moskau ausgetragenen [[Olympische Sommerspiele 1980|XXII. Olympischen Spiele]]. === Vom Ende des 20. Jahrhunderts bis zur Gegenwart === Mit der Öffnung der [[Sowjetunion]] während der [[Perestroika]]-Zeit der späten 1980er-Jahre stieg die Bedeutung des Kremls als wichtige Sehenswürdigkeit des Landes zunehmend auch für ausländische Besucher. Trotz der durch die Bau- und Abrissaktionen des 20.&nbsp;Jahrhunderts verursachten und meist nicht wieder wettzumachenden Schäden an der Substanz des historischen Ensembles wurde der Kreml&nbsp;– zusammen mit dem benachbarten [[Roter Platz|Roten Platz]]&nbsp;– daher das erste Bauwerk auf russischem Staatsgebiet, das von der [[UNESCO]] in die Liste des [[UNESCO-Welterbe|Welterbes]] aufgenommen wurde. Die Aufnahme erfolgte im Dezember 1990 auf Basis einer Empfehlung des [[International Council on Monuments and Sites]] (ICOMOS) aus dem Vorjahr.<ref>[http://whc.unesco.org/archive/advisory_body_evaluation/545.pdf ICOMOS-Bericht vom 24. Oktober 1989]; überprüft am 25. März 2009</ref> Als nationales Kulturerbe steht der Kreml zusammen mit anderen als solches anerkannten Objekten gemäß dem 2002 verabschiedeten ''Gesetz über Objekte des Kulturerbes der Völker Russlands''<ref>[http://lawrussia.ru/texts/legal_712/doc712a850x809.htm Vollständiger Gesetzestext]; überprüft am 25. März 2009</ref> unter besonderem Schutz. [[Datei:Moscow Kremlin garden.jpg|miniatur|300px|links|Der Geheimgangsgarten im südlichen Teil des Kremls wird in jüngster Zeit als [[Landschaftspark|Landschaftsgarten]] hergerichtet. Der schmuck dekorierte Springbrunnen im Garten wurde im Mai 2008<ref>[http://www.newsmsk.com/article/24May2008/fountain_kreml.html newsmsk.com, 24. Mai 2008]; überprüft am 25. März 2009</ref> eingeweiht]] In den 1990er- und 2000er-Jahren erfolgten im Kreml weitere Restaurierungsarbeiten, die eine Erhaltung der historischen Substanz als [[Freilichtmuseum]] zum Ziel hatten. Einige aus der Sowjetzeit stammenden Eingriffe in das Ensemble wurden wieder rückgängig gemacht, so richtete man beispielsweise im Großen Kremlpalast die beiden in den 1930er-Jahren entwidmeten Paradesäle originalgetreu wieder her. Auch wenn der Kreml als Präsidentenresidenz gegenwärtig nur stellenweise öffentlich zugänglich ist, bleibt er als ältester Teil Moskaus unangefochten dessen wichtigste Touristenattraktion mit jährlich rund zwei Millionen Besuchern<ref>[http://www.newsru.com/cinema/26jun2007/kremlin.html newsru.com, 26. Juni 2007]; überprüft am 25. März 2009</ref>. Auch im geistlichen Leben Moskaus spielt der Kreml gegenwärtig wieder eine gewisse Rolle, wenngleich er heute nicht mehr, wie es vor der Oktoberrevolution der Fall war, als Pilgerstätte orthodoxer Gläubiger gilt. Die vier wichtigsten erhaltenen Kirchenbauten des Kremls&nbsp;– die Mariä-Entschlafens-, die Erzengel-Michael- und die Mariä-Verkündigungs-Kathedrale sowie die Mariä-Gewandniederlegungs-Kirche&nbsp;– wurden Anfang der 1990er-Jahre dem Moskauer Patriarchat der russisch-orthodoxen Kirche zurückgegeben und dienen heute nicht mehr ausschließlich als Museen, sondern auch als Gotteshäuser, in denen an bestimmten kirchlichen Festtagen feierliche Liturgien sowie Gottesdienste mit Beteiligung des Moskauer Patriarchen und oft auch hoher Regierungsmitglieder stattfinden. == Architektur == Neben den Befestigungsanlagen aus dem späten 15.&nbsp;Jahrhundert besteht das heutige architektonische Ensemble des Moskauer Kremls aus 15 einzelstehenden Gebäuden, die entweder Teil der Residenz des [[Präsident Russlands|russischen Präsidenten]] sind (Senatspalast, Verwaltungsgebäude, Großer Kremlpalast), der Kommandantur bzw. der Garnison des Kremls gehören (Arsenal, Lustpalast) oder aber Museumsstatus besitzen und daher für Touristen zugänglich sind (alle fünf Sakralbauten, Patriarchenpalast, Rüstkammer). === Mauer und Türme === → ''Hauptartikel: [[Mauer und Türme des Moskauer Kremls]]'' [[Datei:Kremlvariousflickr01.jpg|miniatur|Kremlmauer an ihrem Westabschnitt]] Das etwa dreieckige Gelände des heutigen Moskauer Kremls, der in seiner Ausdehnung dem unter Großfürst [[Iwan III. (Russland)|Iwan&nbsp;III.]] Ende des 15.&nbsp;Jahrhunderts errichteten Kreml entspricht, wird von einer Mauer aus rotem Backstein umgeben. Auf ihrem gesamten Verlauf wird diese Mauer von 19 an sie an- oder in sie eingebauten Türmen ergänzt, von denen 18 Türme sowie die Mauer selbst ebenfalls unter Iwan&nbsp;III. zwischen 1485 und 1499 erbaut wurden. Der Befestigungskomplex des Kremls beinhaltete bei seinem Bau darüber hinaus noch einen im 19.&nbsp;Jahrhundert zugeschütteten künstlichen Wassergraben entlang des Roten Platzes sowie mehrere hochklappbare hölzerne Brücken, die entweder über diesen Graben oder über den [[Neglinnaja]]-Fluss zu den über Durchgangstore verfügenden Türmen führten. Von diesem Teil der Befestigung ist heute jedoch einzig der außerhalb der Kremlmauer stehende ''Kutafja-Turm'' sowie eine backsteinerne Bogenbrücke, die ihn mit dem ''Dreifaltigkeitsturm'' in der Kremlmauer verbindet, erhalten geblieben. Charakteristisch für die heute für Touristen nicht begehbare Kremlmauer sind ihre dicht beieinander angeordneten, annähernd zahnförmigen Spitzen an der Außenseite. Diese jeweils gut zwei Meter hohen architektonischen Elemente der Mauer dienten ursprünglich der Aufstellung von Artilleriegeschützen für den Fall einer Verteidigung des Kremls von innen. Hinter den Spitzen verläuft, von außen unsichtbar, auf der gesamten Mauer eine bis zu 4,5&nbsp;Meter breite offene Galerie, von der aus es theoretisch möglich ist, über Treppen ins innere eines jeden Turms zu gelangen. [[Datei:Kremlin Spasskaya Tower.jpg|miniatur|links|Erlöserturm]] Von den 18 im Zeitraum von 1485 bis 1499 erbauten Wachtürmen an der Mauer lassen sich zum einen die vier heute noch über ein Durchgangstor verfügenden Türme und zum anderen die drei Ecktürme, an denen die Mauer jeweils einen Knick macht, besonders hervorheben. Bei den ersteren handelt es sich um den ''Borowizki''-, den ''Dreifaltigkeits''-, den ''Nikolaus''- und den ''Erlöserturm'', die drei Ecktürme sind der ''Wasserzugturm'', der ''Arsenal-Eckturm'' und der ''Beklemischew-Turm''. Da die Durchfahrtstürme des Kremls traditionell als die repräsentativsten in seinem Ensemble angesehen wurden, wurden sie im 17.&nbsp;Jahrhundert an ihren Spitzen zusätzlich jeweils mit einem das Zarenreich symbolisierenden vergoldeten Doppeladler geschmückt. Von 1935 bis 1937, zur Zeit der [[Sowjetunion]], wurden diese Doppeladler auf Geheiß der bolschewistischen Machthaber durch rotgläserne, von innen beleuchtete Sowjetsterne ersetzt, die diese vier Türme sowie zusätzlich den Wasserzugturm bis heute zieren. Von den vier Durchgangstürmen gilt der sich am Mauerstück vor dem Roten Platz erhebende Erlöserturm als der bekannteste: Sein Tor diente noch bis Anfang des 20.&nbsp;Jahrhunderts als der wichtigste Kremleingang, den unter anderem auch die Zaren bei Staatsakten und Feierlichkeiten passierten. Seit 1709 wird das Oberteil dieses Turms durch eine repräsentative [[Turmuhr]] mit einem ursprünglich niederländischen, sehr aufwändigen Uhrwerk und einem bis heute aktiven [[Glockenspiel (Spieluhr)|Glockenspiel]] geschmückt. Der etwas weiter nördlich am Roten Platz stehende Nikolausturm ist vor allem durch seine gotisch anmutende, mit zahlreichen weißsteinernen [[Ornament (Bildende Kunst)|Ornamenten]] ausgeschmückte Spitze bekannt. Diese beiden Türme wurden ursprünglich vom Italiener [[Pietro Antonio Solari]] errichtet und erfuhren in ihrer Geschichte mehrere größere Umbauten (so wurde die gotische Spitze des Nikolausturms erst im Jahre 1806 aufgestellt). Über den Dreifaltigkeitsturm am Westabschnitt der Kremlmauer treten heute die meisten Touristen in den Kreml ein und gehen nach einem Kreml-Rundgang durch das Tor des südlicher stehenden Borowizki-Turms wieder raus. [[Datei:Vodovzvodnaya Tower-1.jpg|miniatur|Wasserzugturm]] Die Hauptbesonderheit der drei Ecktürme besteht darin, dass ihre Basis einen (annähernd) kreisförmigen Grundriss hat, während sie bei allen anderen Türmen rechteckig ist. Bedingt durch ihre Lage spielten die Ecktürme bei der Verteidigung der Festung stets eine sehr wichtige Rolle, was an ihren zum Positionieren von Artillerieläufen gedachten [[Schießscharte]]n in der Basis gut zu erkennen ist. Ebenso spielten sie einst eine entscheidende Rolle bei der Trinkwasserversorgung der Zitadelle: Im Arsenal-Mittelturm und im Beklemischew-Turm gab es Brunnen zur Grundwasserentnahme, und im Wasserzugturm an der südwestlichsten Ecke des Kremls entstand 1633 eine mechanische Aufbereitungsanlage für Wasser aus der [[Moskwa]], die dem Turm auch seinen bis heute bestehenden Namen gab. Von den übrigen Kremltürmen weisen die meisten nach dem Ende des 17.&nbsp;Jahrhunderts erfolgten Umbau der Befestigungsanlage eine ähnliche Struktur auf: Auf eine rechteckige Basis folgt ein dekoratives Oberteil mit einer oft mit dunkelgrünen Dachziegeln ausgeschmückten Zeltdachkonstruktion. Hier ist unter anderem der am Moskwa-Ufer stehende ''Geheimgangsturm'' zu erwähnen, der 1485 erbaut wurde und damit der älteste aller 20 Kremltürme ist. Dort befand sich anfangs ein geheimer unterirdischer Gang zum Flussufer, wovon auch der Name des Turms abstammt. Der ''Sturmgeläutturm'' am südöstlichen Mauerabschnitt hat seinen Namen einer Alarmglocke zu verdanken, die bis zum 18.&nbsp;Jahrhundert am Turm hing und stets in Gefahrensituationen betätigt wurde, um die Moskowiter zu warnen. Mehrere kleinere Kremltürme wurden erst im 18. oder 19.&nbsp;Jahrhundert nach in ihrer Nähe entstandenen Bauwerken auf dem Kremlterritorium benannt, so der ''Rüstkammerturm'' (nach der [[Rüstkammer des Moskauer Kremls|Kreml-Rüstkammer]]) oder der ''Senatsturm'' (nach dem [[Senatspalast]]). Als einziger nach dem 15.&nbsp;Jahrhundert entstandener Kremlturm ist der sehr kleine ''Zarenturm'' zu nennen, der sich wenige Meter südlich des Erlöserturms befindet. Er wurde erst 1680 ausschließlich für dekorative Zwecke aufgestellt und ist&nbsp;– typisch für Werke altrussischer Baukunst&nbsp;– reichlich mit kunstvoll geformten Ornamenten und anderen auffälligen Details ausgeschmückt. === Einzelstehende Sakralbauten === ==== Mariä-Entschlafens-Kathedrale ==== → ''Hauptartikel: [[Mariä-Entschlafens-Kathedrale (Moskau)]]'' [[Datei:Moscow Dormition Cathedral.jpg|miniatur|Mariä-Entschlafens-Kathedrale]] Von den drei [[Kathedrale]]n, die das architektonische Ensemble des Kathedralenplatzes in der Mitte des Kremlgeländes prägen, stellt die ''Mariä-Entschlafens-'' oder, auf Russisch, die ''Uspenski-Kathedrale'', die älteste dar. Sie wurde 1475–79 errichtet und ist das älteste vollständig erhaltene Bauwerk in Moskau und damit auch unter allen Kremlbauten.<ref>Als ältestes erhaltenes Kremlbauwerk wird manchmal statt dessen eine der Hauskirchen des Terem-Palastes, die ''Gottesmutter-Geburts-Kirche'' aus den Jahren 1393–94, bezeichnet; vgl. [http://www.kremlin.museum.ru/ru/main/kremlin/buildings/Bogorodisty_Senyah/ Beschreibung unter kremlin.museum.ru]. Von ihr ist jedoch nur der untere Bereich der Grundmauern einschließlich des ehemaligen Eingangsportals erhalten. Auf diese Reste wurde Anfang des 16.&nbsp;Jahrhunderts die heutige Kirche herangebaut.</ref> Ihr erster bekannter Vorgängerbau entstand in den Jahren 1326–27, kurz vor dem Bau des neuen hölzernen Kremls unter Großfürst Iwan&nbsp;I. Nach Fertigstellung diente die Kathedrale als Hauskirche des Metropoliten von Moskau, der sich im gleichzeitig erbauten Vorgänger des späteren Patriarchenpalastes niederließ. Bis 1472 wurde die inzwischen baufällig gewordene Kathedrale abgetragen und daraufhin an ihrer Stelle ein Neubau errichtet. Dieser stürzte jedoch im Mai 1474, noch vor Fertigstellung&nbsp;– möglicherweise durch ein Erdbeben, anderen Hypothesen zufolge wegen baulicher Mängel<ref>B.M. Kloss, V.D. Nazarov: ''[http://www.russiancity.ru/books/b9.htm Letopisnye istočniki XV veka o stroitel'stve moskovskogo Uspenskogo sobora. Istorija i restavracija pamjatnikov Moskovskogo Kremlja]'', Band&nbsp;VI, Moskau 1989, S.&nbsp;27</ref>&nbsp;– in sich zusammen. Für einen neuen Anlauf verpflichtete der damalige Großfürst Iwan&nbsp;III., der einige Jahre später denn auch die Mauer und Türme der Festung durch italienische Meister neu errichten ließ, den Bologneser [[Renaissance]]-Architekten [[Aristotile Fioravanti]]. Dieser führte den Bau von 1475 bis zur [[Kirchweihe|Weihe]] am 15.&nbsp;August 1479 durch und orientierte sich dabei deutlich an der bereits bestehenden gleichnamigen Kathedrale in der alten Metropolitenresidenz [[Wladimir (Russland)|Wladimir]], mit der Fioravantis Kathedrale vor allem ihre schlichte rechteckige Struktur und den fünfkuppeligen Abschluss gemein hat. In einzelnen Elementen, so beispielsweise den Fassaden[[pilaster]]n in [[Toskanische Ordnung|toskanischer Ordnung]], knüpfte Fioravanti aber auch an die Renaissance-Architektur an. Die Bemalung der Innenräumlichkeiten der Kathedrale dauerte noch bis ins 16.&nbsp;Jahrhundert hinein. Von ihrer Fertigstellung bis zur Verlegung der Hauptstadt nach Petersburg galt die Mariä-Entschlafens-Kathedrale als Hofkirche der Moskauer Großfürsten und später der russischen Zaren. Insbesondere fanden hier&nbsp;– auch nach der Verlegung der Hauptstadt&nbsp;– Zeremonien im Rahmen der [[Krönung der russischen Zaren und Kaiser|Krönungsfeiern]] der Zaren statt. Von 1589 bis 1721, also während des Bestehens des Patriarchenamts in der russisch-orthodoxen Kirche, wurden hier alle [[Liste der Metropoliten und Patriarchen von Moskau|Moskauer Patriarchen]] geweiht und fast alle auch beigesetzt. Vom 16. bis zum 19.&nbsp;Jahrhundert wurde das Gotteshaus bei Bränden und militärischen Invasionen mehrmals beschädigt und immer wieder restauriert. Mit dem Aufkommen der Sowjetmacht wurde die Kathedrale für Gottesdienste geschlossen und war bis 1955, wie auch der gesamte Kreml, für die Öffentlichkeit unzugänglich. Danach wurde sie als Museum wiedereröffnet. Seit den 1990er-Jahren finden in ihr an bestimmten Tagen auch wieder Gottesdienste statt. Große Teile der ursprünglichen Schätze und Kunstwerke der Kathedrale befinden sich heute in der Rüstkammer des Kremls und auch in der Moskauer [[Tretjakow-Galerie]]. Ganz oder teilweise im Original erhalten sind die zahlreichen Wand- und Gewölbefresken aus dem Zeitraum vom 15. bis zum 17.&nbsp;Jahrhundert, die [[Ikonostase]] aus dem Jahr 1547, Ikonen, von denen die älteste aus dem 12.&nbsp;Jahrhundert stammt, ferner der 1551 für [[Iwan IV. (Russland)|Iwan&nbsp;IV. „den Schrecklichen“]] hergestellte ''Monomachsthron'' aus kunstvoll geschnitztem Linden- und Nussholz. Entlang der Wände befinden sich [[Gruft|Grüfte]] und [[Reliquienschrein]]e fast aller Moskauer Patriarchen bis zum Anfang des 18.&nbsp;Jahrhunderts. ==== Erzengel-Michael-Kathedrale ==== → ''Hauptartikel: [[Erzengel-Michael-Kathedrale]]'' [[Datei:Arhangelsky sobor (Kreml).JPG|miniatur|Erzengel-Michael-Kathedrale]] Die ''Erzengel-Michael-Kathedrale'' an der Südostseite des Kathedralenplatzes ist vor allem dadurch bekannt, dass dort vom 14. bis zum 17.&nbsp;Jahrhundert die Moskauer Großfürsten und die russischen Zaren beigesetzt wurden. Das dem als Schutzpatron russischer Herrscher verehrten [[Michael (Erzengel)|Erzengel Michael]] geweihte Gotteshaus entstand in den Jahren 1505–08 an der Stelle einer gleichnamigen Kirche aus dem Jahr 1333. Wie die Mariä-Entschlafens-Kathedrale wurde auch die Erzengel-Michael-Kathedrale durch einen italienischen Bauschaffenden, in diesem Fall den Mailänder [[Aloisio der Neue|Aloisio Lamberti da Montagnana]], errichtet. Größere nachträgliche Um- und Ausbauten an der Kathedrale gab es im späteren 16.&nbsp;Jahrhundert, als an die Ostfassade zwei [[Apsis|Apsiden]] angebaut wurden, sowie im 18.&nbsp;Jahrhundert, als das nahe dem Abhang zum Moskwa-Ufer stehende Gebäude zusätzlich gestützt werden musste damit es nicht abrutschte. Der architektonische Stil der Kathedrale gilt als eine Mischung aus traditioneller altrussischer Sakralbaukunst und Elementen der italienischen [[Renaissance]]: Für russische Kathedralen typisch und u.&nbsp;a. an die Mariä-Entschlafens-Kathedrale angelehnt ist vor allem die symmetrische Fünfkuppelkonstruktion und die halbkreisförmigen Fassadenabschlüsse (sogenannte ''Sakomary''), während die Dekoration der Fassaden&nbsp;– darunter die nach Muscheln stilisierten Ornamente in den oberen Bogennischen&nbsp;– zu den für die Renaissance typischen Details zählt. Die beiden reichlich mit Pflanzenornamenten versehenen Eingangsportale lehnte Montagnana ebenfalls an die Architektur seines Heimatlandes an. Im Inneren der Kathedrale, dessen größten Teil der einstöckige Altarraum und die ehemalige Sakristei einnehmen, fallen Wand- und Gewölbefresken aus dem 17.&nbsp;Jahrhundert auf, von denen mehrere dem für die Kirche namensgebenden Erzengel Michael gewidmet sind. Die vierrangige Ikonostase mit der vergoldeten ''Zarenpforte'' in der Mitte stammt ebenfalls aus dem 17.&nbsp;Jahrhundert. Besonders bekannt sind aber die insgesamt rund 50 durch große ornamentierte Gedenksteine markierten Begräbnisse von Großfürsten, Lehnfürsten, Zaren und deren nächsten Angehörigen, die sich über den ganzen Innenraum der Kathedrale verteilen. Hier fanden alle Moskauer Großfürsten seit Iwan Kalita (†&nbsp;1341) und nachfolgend alle Zaren vor [[Peter der Große|Peter&nbsp;I. „dem Großen“]] (mit Ausnahme von Boris Godunow) ihre letzte Ruhestätte. Die russischen Zaren ab Peter dem Großen wurden&nbsp;– mit Ausnahme von [[Peter II. (Russland)|Peter&nbsp;II.]], der ebenfalls in der Erzengel-Michael-Kathedrale ruht&nbsp;– allesamt in Sankt Petersburg in der dortigen [[Peter-und-Paul-Festung|Peter-und-Paul-Kathedrale]] beigesetzt. ==== Mariä-Verkündigungs-Kathedrale ==== → ''Hauptartikel: [[Mariä-Verkündigungs-Kathedrale (Moskau)]]'' [[Datei:Cathédrale de l'Annonciation.jpg|miniatur|Mariä-Verkündigungs-Kathedrale]] Einen weiteren historischen Kirchenbau auf dem Kathedralenplatz des Kremls stellt die ''Mariä-Verkündigungs-Kathedrale'' dar. Man findet sie an der südwestlichen Ecke des Platzes, in der Nähe der Borowizki-Straße und unmittelbar an den Großen Kremlpalast angrenzend. Um 1291 entstand an der gleichen Stelle vermutlich erstmals eine Holzkirche<ref>[http://www.russiancity.ru/text/mos03.htm russiancity.ru: Verkündigungskathedrale des Moskauer Kremls]; überprüft am 15. März 2009</ref>, die dem orthodoxen Fest der [[Verkündigung des Herrn|Mariä Verkündigung]] geweiht wurde. Im 14.&nbsp;Jahrhundert brannte sie ab und wurde durch eine steinerne Kirche ersetzt, die wiederum gegen Ende des 15.&nbsp;Jahrhunderts abgetragen wurde. Daraufhin begannen aus der russischen Stadt [[Pskow]] eingeladene Kirchenbaumeister mit der Errichtung der heutigen Kathedrale, die 1489 abgeschlossen wurde. Da sich schon damals in unmittelbarer Nähe des Gotteshauses, an Stelle des heutigen Großen Kremlpalastes, Gemächer der Moskauer Großfürsten befanden, nutzten Letztere die Verkündigungskathedrale als ihre Hauskirche und ließen dazu eine Übergangsgalerie vom Palais direkt in die Kathedrale errichten. Mitte des 16.&nbsp;Jahrhunderts wurde das Gotteshaus auf Geheiß [[Iwan IV. (Russland)|Iwan des Schrecklichen]], des ersten gekrönten russischen Zaren, erheblich ausgebaut. Noch bis zum Bau des Terem-Palastes in den Jahren 1635–1636 diente die Mariä-Verkündigungs-Kathedrale den Zaren als Hauskirche. Im 18., 19. und 20.&nbsp;Jahrhundert musste die Kathedrale erneut mehrfach umgebaut oder restauriert werden, da sie bei Bränden und Kampfhandlungen immer wieder in Mitleidenschaft gezogen wurde. Heute ist sie, wie die anderen beiden Kreml-Kathedralen, vorrangig ein Museum; Gottesdienste finden vereinzelt aber auch statt, so am Feiertag der Mariä Verkündigung. Die an ihren Fassaden weiß verkleidete Kirche hat heute neun [[Zwiebelturm|Zwiebeltürme]] (ursprünglich waren es nur drei). An die Südfassade ist ein Aufgang angebaut, der in den 1570er-Jahren auf Wunsch Iwan des Schrecklichen entstand. Betreten werden kann die Kathedrale gegenwärtig aber nur durch den Aufgang an der Ostseite. Der Innenraum ist in Seitengalerien sowie den Hauptaltarraum unterteilt, die voneinander durch kunstvoll ornamentierte Portale getrennt sind. Im Altarraum zählt die fünfrangige Ikonostase zu den Hauptsehenswürdigkeiten; an ihr sind auch bekannten Malern wie [[Andrei Rubljow]] oder [[Feofan Grek|Theophanes dem Griechen]] zugeschriebene Ikonen ausgestellt. Sowohl der Altarraum als auch die Galerien sind ausgiebig mit Wand- und Gewölbefresken aus dem frühen 16.&nbsp;Jahrhundert ausgeschmückt. ==== Mariä-Gewandniederlegungs-Kirche ==== → ''Hauptartikel: [[Mariä-Gewandniederlegungs-Kirche]]'' [[Datei:Cerkov Rizpolozhenia (Kreml).JPG|miniatur|Gewandniederlegungskirche]] Die ''Mariä-Gewandniederlegungs-Kirche'', die kleinste der vier Kirchen auf dem Kathedralenplatz, steht an dessen Westseite und in unmittelbarer Nähe zum Facettenpalast, zu den ehemaligen Hauskirchen des Terem-Palastes, zur Mariä-Entschlafens-Kathedrale sowie zum Patriarchenpalast. Genau wie die Mariä-Verkündigungs-Kathedrale wurde diese Kirche von einheimischen Bauschaffenden aus [[Pskow]] und ungefähr zur gleichen Zeit (nämlich im Jahr 1486) errichtet. Sie weist eine simple, im Vergleich zu den benachbarten Kathedralen überaus schlanke Gestalt auf und wird oben von einem einzigen, mit einer helmförmigen vergoldeten Kuppel gekrönten Kirchturm abgeschlossen. Errichtet wurde die Kirche zum Gedenken an einen überraschend schnellen Rückzug [[Goldene Horde|tatarischer]] Angreifer bei deren Belagerung des Kremls im Juli 1451. Da dieses Ereignis zeitlich mit dem orthodoxen Kirchenfest der [[Fest der Niederlegung der Muttergottesgewänder|Gewandniederlegung]] der [[Maria (Mutter Jesu)|Mutter Jesu]] zusammenfiel, weihte man das Gotteshaus diesem Fest. Nach Fertigstellung diente die Kirche eine Zeit lang als Hauskirche der Moskauer [[Metropolit]]en und [[Patriarch]]en, bis sie in dieser Funktion von der Zwölf-Apostel-Kathedrale im neu errichteten benachbarten Patriarchenpalast abgelöst wurde. Danach nutzten sie bis zum Umzug des Zarenhofes nach Sankt Petersburg Mitglieder der Zarenfamilie, die im benachbarten Terem-Palast zu Hause waren, als Gebetshaus. Heute finden in der Gewandniederlegungskirche einmal im Jahr, am namensgebenden Feiertag der Gottesmutter-Gewandniederlegung, Gottesdienste statt. Ansonsten hat die Kirche fast nur als Museum Bedeutung: In ihren Innenräumen sind vor allem die vielen Fresken mit Gottesmutter Maria gewidmeten Motiven sowie die vierrangige Ikonostase sehenswert. Darüber hinaus befindet sich dort eine Exposition von Gegenständen russisch-orthodoxer dekorativer Holzschnitzkunst aus dem Zeitraum vom 14. bis zum 17.&nbsp;Jahrhundert. ==== Glockenturm Iwan der Große ==== → ''Hauptartikel: [[Glockenturm Iwan der Große]]'' [[Datei:Clocher d'Ivan le Grand.jpg|miniatur|Glockenturm Iwan der Große]] Der ''Glockenturm Iwan der Große'' schließt den Kathedralenplatz von der Ostseite ab und trennt ihn zugleich vom Iwanplatz. Mit 81&nbsp;Metern ist er das höchste Gebäude im Ensemble des Kremls. Er wird bis heute als Glockenturm für die drei Kathedralen des Kremls, die selbst keine [[Glockenstuhl|Glockenstühle]] haben, verwendet. 1329 entstand ungefähr an der Stelle des heutigen Turms die kleine Kirche des Heiligen [[Johannes Klimakos]] (auf Russisch ''Iwan (Lestwitschnik)'', daher die spätere Bezeichnung des Glockenturms und auch des Iwanplatzes, auf dem die Kirche stand). Sie existierte bis zum Anfang des 16.&nbsp;Jahrhunderts, als sie, inzwischen baufällig, abgetragen wurde. Gleichzeitig ließ Großfürst Iwan&nbsp;III., unter dem der Kreml zu großen Teilen seine heutige Gestalt erhielt, den Glockenturm in den Jahren 1505–08 von einem unbekannten italienischen Architekten bauen. Nach Fertigstellung wurde in dessen Basisteil der [[Altar]] der alten Johannes-Kirche (heute entwidmet) untergebracht. Anfangs nur etwa 60&nbsp;Meter hoch, erhielt der Turm seine heutige Gestalt im Jahr 1600, als der oberste der drei Ränge auf Anweisung von Zar [[Boris Godunow]] auf die heutige Höhe aufgestockt wurde. Auch die beiden an den Turm nördlich anliegenden Bauten entstanden nachträglich: Das ebenfalls von einem Zwiebelturm gekrönte ''Uspenski-Glockengestühl'' wurde 1531–43 anfangs als Kirche erbaut, und der angrenzende ''Philaret-Anbau'' mit seinem originellen [[Gotik|gotisch]] ornamentierten Zeltdach stammt ursprünglich aus dem Jahr 1624. Beide Anbauten wurden im [[Russlandfeldzug 1812|Krieg gegen Napoléon]] von 1812 vollständig zerstört und noch in der ersten Hälfte des 19.&nbsp;Jahrhunderts weitgehend originalgetreu wiederhergestellt. Sowohl der 1508 erbaute Glockenturm als auch seine beiden Anbauten beherbergen eine Vielzahl von [[Glocke]]n unterschiedlicher Größen und Lauteigenschaften. Ihre Gesamtzahl beträgt heute 22; die vier größten Glocken hängen in den beiden Anbauten, darunter die 65,5&nbsp;Tonnen schwere ''Uspenski-Glocke'', die nur an bestimmten Kirchenfeiertagen betätigt wird, und die ''Reut'' mit einem Gewicht von 19,6&nbsp;Tonnen, für die ein besonders tieftöniger Laut charakteristisch ist<ref>Ende des 19.&nbsp;Jahrhunderts hatte Iwan der Große insgesamt 33 Glocken; vgl. Kiselëv, 2006</ref>. Alle 22 Glocken stammen aus dem Zeitraum vom 16. bis zum 19.&nbsp;Jahrhundert; einige von ihnen (darunter auch die Uspenski-Glocke) wurden im Laufe der Zeit einmal oder gar mehrmals eingeschmolzen und neu gegossen. === Paläste und Museen === ==== Großer Kremlpalast einschl. Facetten- und Terem-Palast ==== → ''Hauptartikel: [[Großer Kremlpalast]]'' [[Datei:Grand Kremlin Palace, Moscow.jpg|miniatur|Südfassade des Großen Kremlpalastes]] Bei dem ''Großen Kremlpalast'' handelt es sich um einen Komplex aus mehreren repräsentativen [[Profanbau]]ten, die in verschiedenen Jahrhunderten entstanden und allesamt als Wohn- und/oder Empfangsort für russische Großfürsten bzw. Zaren dienten. Noch lange vor der Fertigstellung des Komplexes im 19.&nbsp;Jahrhundert standen an dessen Stelle zuerst hölzerne und später steinerne Gemächer der Kremlherren. Der zentrale Bestandteil des Komplexes ist der in den Jahren 1838–1849 erbaute [[Klassizismus|klassizistische]] Kaiserpalast. Er steht fast unmittelbar am Abhang zur Moskwa hin und ist daher besonders gut aus südlicher Richtung sichtbar, beispielsweise vom gegenüberliegenden Flussufer aus. Erbaut nach einem Entwurf des bekannten Moskauer Architekten [[Konstantin Andrejewitsch Thon|Konstantin Thon]] im Auftrag des damaligen Zaren [[Nikolaus I. (Russland)|Nikolaus&nbsp;I.]], diente der Palast bis 1917 als Wohn- und Arbeitsresidenz für den Zaren, seine Familie und die Gefolgschaft während ihrer Aufenthalte in Moskau. Da der Palast aber auch repräsentative Zwecke zu erfüllen hatte und in dieser Funktion beispielsweise als Austragungsort feierlicher Empfangszeremonien genutzt wurde, wurde er in seinem Inneren mit äußerst prunkvollen Paradesälen ausgestattet, die heute als Hauptsehenswürdigkeit des Palastes gelten. Diese fünf im Erd- und im Obergeschoss gelegenen Säle wurden nach den höchsten Staatsauszeichnungen des Russischen Zarenreichs benannt, ihre Einrichtung und Ausstattung unterscheidet sich wesentlich voneinander und hat jeweils einen eigenen thematischen Schwerpunkt. Der bekannteste der fünf Paradesäle ist der ''Georgssaal'', der seinen Namen dem russischen [[Russischer Orden des Heiligen Georg|Georgskreuz]] verdankt und in dem bis heute Träger hoher Staatsauszeichnungen geehrt werden. Als sehr prachtvoll gelten darüber hinaus die ehemaligen Räumlichkeiten des Zaren und seiner Familie im Erdgeschoss des Palastes. Je nach ihrer ursprünglichen Bestimmung sind sie in verschiedenen Stilen möbliert und ähnlich den Paradesälen großzügig mit Erzeugnissen dekorativer und angewandter Kunst ausgeschmückt. [[Datei:Moscou-Kremlin-Теремной дворец.jpg|miniatur|Terem-Palast]] Vom Erdgeschoss des Thonschen Kaiserpalastes kann direkt in die beiden anderen Gebäude des Großen Kremlpalastes übergegangen werden, da der im 19.&nbsp;Jahrhundert entstandene Palast eng an den bestehenden Teil des Komplexes angebaut wurde, so dass die Sicht auf die alten Gebäude dadurch teilweise verdeckt wird. Besonders stark ist dies beim ''Terem-Palast'' ausgeprägt, der im 19.&nbsp;Jahrhundert nahezu komplett hinter dem großen Zarenpalast verschwand. Er wurde in den Jahren 1635–1636 erbaut und stand ursprünglich neben noch älteren Zarengemächern, die im 18.&nbsp;Jahrhundert abgerissen wurden. Die äußere Architektur des Terem-Palastes unterscheidet sich sehr stark von der des Thonschen Palastes aus dem 19.&nbsp;Jahrhundert: Während dieser mit seiner streng symmetrischen, einem Verwaltungsbau ähnelnden Struktur eher monoton wirkt, stellt der feierlich dekorierte Terem-Palast ein repräsentatives Beispiel für die einheimische Baukunst des 16. und 17.&nbsp;Jahrhunderts dar. Auffällig an dem fünfstöckigen Bau sind sowohl seine mit reichhaltigen Schnitzornamenten ausgeschmückten Fenstereinfassungen als auch das in Schachbrettmuster ausgeführtes Zeltdach. Von seiner Fertigstellung bis zum Ende des 17.&nbsp;Jahrhunderts diente der Terem-Palast, der auf Initiative des Zaren [[Michael I. (Russland)|Michael&nbsp;I.]] erbaut wurde, ihm und einigen seiner Nachfolger als Wohnresidenz. Aus diesem Grund verfügt der Palast in seinem Inneren über eine Vielzahl kunstvoll ausgestatteter Räumlichkeiten, von denen einige auch als repräsentative Empfangs- und Sitzungsräume genutzt wurden. Sehenswert sind beispielsweise das ehemalige Schlafzimmer des Zaren, das Arbeitskabinett oder die als ''Terem'' oder ''Teremchen'' bekannte Räumlichkeit direkt unter dem Zeltdach. An den Wänden und Gewölben dieser Zimmer sind reichhaltige Malereien und Pflanzenornamente zu sehen, bei denen es sich allerdings nicht um Originalarbeiten aus dem 17.&nbsp;Jahrhundert sondern um deren Nachstellungen aus den 1870er-Jahren handelt. Ebenfalls zum Terem-Palast und somit zum Komplex des Großen Kremlpalastes gehören die fünf kleinen Kirchen, die heute nicht mehr als Gotteshäuser gewidmet sind. Sie dienten einigen Mitgliedern der Zarenfamilie zu der Zeit, als diese den Terem-Palast bewohnte, als Hauskirchen. Von außen sind diese Kirchen durch ihre insgesamt elf Zwiebeltürmchen mit vergoldeten Kuppeln an der äußersten Westseite des Kathedralenplatzes, links neben der Mariä-Gewandniederlegungs-Kirche, zu erkennen. Dort in der Nähe befindet sich auch die sogenannte ''Goldene Zarinnenkammer'', die aus dem späten 16.&nbsp;Jahrhundert stammt und von den später entstandenen Bauwerken des Großen Kremlpalastes nahezu komplett überbaut wurde. [[Datei:Palais à facettes.jpg|miniatur|Facettenpalast]] Im Gegensatz zum Terem-Palast und zur Goldenen Zarinnenkammer ist der ebenfalls zum Großen Kremlpalast zählende ''Facettenpalast'' von außen gut sichtbar, da er mit seiner Hauptfassade dem Kathedralenplatz des Kremls zugewandt ist. Beim Facettenpalast handelt es sich um den ältesten Teil des Komplexes. Er wurde im Jahre 1492 erbaut und stellte eines jener Kreml-Gebäude dar, die Großfürst [[Iwan III. (Russland)|Iwan&nbsp;III.]] im Zuge seines Um- und Ausbaus des Kremls von italienischen Bauschaffenden (hier: [[Marco Ruffo]] und [[Pietro Antonio Solari]]) fertigen ließ. Seit seiner Fertigstellung diente der Facettenpalast fast ausschließlich repräsentativen Zwecken: Hier feierten die Zaren ihre wichtigsten militärischen Siege und hier wurden hohe ausländische Gäste empfangen oder wichtige Staatsakte unterzeichnet. Entsprechend dem Zweck des Gebäudes nimmt in seinem Inneren der einzige Paradesaal den meisten Platz ein. Ähnlich wie die Säle des Thonschen Kaiserpalastes ist er sehr prunkvoll ausgestattet. In den auch dort reichlich vorhandenen Wand- und Gewölbefresken lassen sich Motive aus der Geschichte des russischen Staates und der russisch-orthodoxen Kirche erkennen. Allen Gebäuden aus dem Komplex des Großen Kremlpalastes ist heute gemein, dass sie offiziell zur Arbeitsresidenz des russischen Präsidenten gehören. Auch wenn sie in dieser Funktion nur repräsentative Zwecke erfüllen, sind sie daher für die Öffentlichkeit nur sehr eingeschränkt zugänglich. ==== Patriarchenpalast ==== → ''Hauptartikel: [[Patriarchenpalast und Zwölf-Apostel-Kirche]]'' [[Datei:Kreml-12apostel.jpg|miniatur|Patriarchenpalast und Zwölf-Apostel-Kirche]] Im äußersten Norden des Kathedralenplatzes befindet sich mit dem ehemaligen ''Patriarchenpalast'' ein Bauwerk aus dem 17.&nbsp;Jahrhundert, an dessen Errichtung die gleichen russischen Meister beteiligt waren wie am Bau des Terem-Palastes. An ihn angebaut ist die gleichzeitig errichtete ''Zwölf-Apostel-Kirche'', so dass beide Bauwerke letztlich in einem einzelnen Gebäude vereinigt sind, welches somit ungewöhnlicherweise sowohl einen Profan- als auch einen Sakralbau in sich kombiniert. 1653–1656 ließ [[Nikon (Patriarch)|Nikon]], der damalige [[Patriarch]] der russisch-orthodoxen Kirche, für sich auf dem Kremlgelände eine repräsentative Wohn- und Arbeitsresidenz mit einer eigenen Hauskirche errichten. Diese Kirche, die eine der beiden Gebäudehälften einnimmt und mit ihrem fünfkuppeligen Abschluss architektonisch an die unmittelbar angrenzende Mariä-Entschlafens-Kathedrale angelehnt ist, war ursprünglich dem [[Philippus (Apostel)|Apostel Philippus]] geweiht, erst seit Ende des 17.&nbsp;Jahrhunderts besitzt sie ihren heutigen Namen. Nach der Amtsenthebung Nikons diente der Palast noch gut 50&nbsp;Jahre lang als Residenz Moskauer Patriarchen, bis die russisch-orthodoxe Kirche im Jahre 1721 dieses Amt abschaffte. Später waren die ehemaligen Gemächer für die Öffentlichkeit als Museum geöffnet, und im ehemaligen Paradesaal der Residenz richtete die Kirche 1763 einen Ofen zur Herstellung des [[Salböl]]s ein. Die Zwölf-Apostel-Kirche diente weiterhin als Gotteshaus, bis sie nach der Oktoberrevolution, zusammen mit den ehemaligen Gemächern, für die Öffentlichkeit geschlossen wurde. Erst mit der Wiedereröffnung des Kremls im Jahr 1955 wurde im ehemaligen Patriarchenpalast wieder ein Museum eingerichtet. Den zentralen Teil der Exposition des Museums stellt heute der ehemalige Paradesaal mit dem alten Salbölofen und anderen aufwändig gefertigten historischen Gegenständen zur Herstellung und Aufbewahrung des Salböls. Darüber hinaus werden in den Räumlichkeiten des Palastes zahlreiche luxuriöse Gegenstände aus dem Alltag der Patriarchen und Zaren in Russland des 16. und 17.&nbsp;Jahrhunderts sowie Kirchenutensilien, die teilweise im 20.&nbsp;Jahrhundert aus zerstörten Gotteshäusern hierher übertragen wurden, ausgestellt. In der Zwölf-Apostel-Kirche, in der seit den 1990er-Jahren wieder einmal jährlich Gottesdienste zelebriert werden, ist vor allem die prunkvolle Ikonostase aus dem 1929 zerstörten Himmelfahrtskloster des Kremls sehenswert. ==== Senatspalast ==== → ''Hauptartikel: [[Senatspalast]]'' [[Datei:Kremlin Senate-1.jpg|miniatur|Senatspalast; Ansicht vom Innenhof]] Der ''Senatspalast'' am östlichen Abschnitt der Kremlmauer dient heute als zentrale Arbeitsresidenz des [[Präsident Russlands|Präsidenten Russlands]]. Auch zur [[Sowjetunion|Sowjetzeit]] beherbergte er unter anderem den [[Ministerrat der UdSSR]] und war somit Regierungssitz. Das dreistöckige Gebäude, das mit seinem [[Klassizismus|frühklassizistischen]] Stil ein eher untypischer Bestandteil des Kremlensembles ist, entstand in den Jahren 1776–1787 nach einem Entwurf von [[Matwei Fjodorowitsch Kasakow|Matwei Kasakow]], einem der bekanntesten Moskauer Stadtarchitekten des späten 18.&nbsp;Jahrhunderts. Der Grundriss des Gebäudes besteht im Wesentlichen aus drei Hauptflügeln, die zusammen ein Dreieck bilden, dessen eine Seite unmittelbar an die Kremlmauer anliegt und vom jenseits der Mauer gelegenen Roten Platz aus sichtbar ist. Die beiden anderen Fassaden sind zum Senatsplatz und Arsenal einerseits bzw. zum Verwaltungsgebäude andererseits hin gewandt. Für Kreml-Besucher ist jedoch die südliche Eckfassade des Senatspalastes am besten sichtbar, da sie sich direkt am Iwanplatz befindet und von dessen südlichen, für die Öffentlichkeit zugänglichen Seite aus betrachtet werden kann. Die östliche Spitze des Dreiecks bildet eine mächtige [[Rotunde]], deren mit einem Nationalflaggenmast gekrönte Kuppel nur vom Roten Platz oder aber vom öffentlich unzugänglichen Innenhof des Dreiecks aus sichtbar ist. Das Innere des Palastes beinhaltet neben gewöhnlichen Arbeitsräumen des Präsidenten und seines Personals mehrere repräsentative Räumlichkeiten, die meist für besondere Anlässe verwendet werden. Die größte hiervon ist der kreisförmige Paradesaal (genannt ''Katharinensaal'') in der Rotunde direkt unter der Kuppel. Mit seinen zahlreichen Skulpturen und Ornamenten ist er mit den fünf Paradesälen des Großen Kremlpalastes vergleichbar und wird gelegentlich für Staatsakte mit Beteiligung des Präsidenten genutzt<ref>[http://www.kremlin.ru/articles/atributes09.shtml kremlin.ru: Senatspalast]; überprüft am 29. März 2009</ref>. Seiner ursprünglichen Bestimmung nach sollte der Senatspalast als Sitz des unter Zar [[Peter der Große|Peter dem Großen]] eingerichteten Regierenden Senats, eines hohen legislativen Staatsorgans im Russischen Reich des 18.&nbsp;Jahrhunderts, dienen. Hiervon stammt auch die bis heute bestehende Bezeichnung. Im 19.&nbsp;Jahrhundert beherbergte das Gebäude verschiedene Behörden und zeitweilig ein Gericht, bis es nach der [[Oktoberrevolution]] von der [[Sowjetrussland|sowjetrussischen]] Regierung beansprucht wurde. Anfang der 1920er-Jahre hatte Revolutionsführer [[Lenin]] im Senatspalast sowohl sein Arbeitskabinett als auch eine kleine Wohnung, die nach seinem Tod rund 70&nbsp;Jahre lang unter Beibehaltung der Originaleinrichtung als Museum geöffnet war.<ref name="nasledie"></ref> ==== Arsenal (Zeughaus) ==== → ''Hauptartikel: [[Arsenal des Moskauer Kremls]]'' [[Datei:Kremlvariousflickr06.jpg|miniatur|Arsenal, Südfassade]] Das ''Arsenal'' ist ein weiteres aus dem 18.&nbsp;Jahrhundert stammendes Bauwerk im Moskauer Kreml. Es nimmt die gesamte nordwestliche Ecke des Kremlgeländes ein und ist auch an mehreren Stellen außerhalb der Kremlmauer sichtbar, so beispielsweise vom [[Alexandergarten]] aus. Innerhalb des Kremls ist das Arsenal das erste Gebäude, das man beim Betreten der Zitadelle über das Dreifaltigkeitstor auf der linken Seite sieht. 1701 brannten mehrere an der Stelle des heutigen Arsenals stehende Privatbauten bei einer Feuersbrunst ab, die einen beträchtlichen Teil des Kremls erfasst hatte. Die auf diese Weise freigewordenen Grundstücke kaufte der russische Staat auf, um dort auf Initiative Peter des Großen ein [[Zeughaus]] errichten zu lassen, das unter anderem zur Aufbewahrung von in Kriegen erbeuteten Waffen dienen sollte. Der 1702 begonnene Bau konnte jedoch, vor allem bedingt durch finanzielle Schwierigkeiten<ref>[http://www.kreml.ru/ru/main/kremlin/buildings/Arsenal/ Offizielle Kreml-Webseite: Das Arsenal]; überprüft am 31. März 2009</ref>, erst 1736 abgeschlossen werden. Nur ein Jahr danach kam es im Kreml erneut zu einem Großbrand, der auch das neue Arsenal erheblich beschädigte. 1812 sprengten im [[Russlandfeldzug 1812|Krieg gegen Napoléon]] die Franzosen Teile des inzwischen wiedererrichteten Arsenals, das 1828 schließlich abermals komplett erneuert wurde. Wurde das Arsenal im 19.&nbsp;Jahrhundert gemäß seinem ursprünglichen Zweck als Waffenlager verwendet&nbsp;– einige besonders repräsentative Exemplare aus der früheren Exposition russischer und erbeuteter ausländischer Artilleriegeschützte sind bis heute an den ausgedehnten Fassaden des Gebäudes ausgestellt&nbsp;–, zog nach der Oktoberrevolution das Militär dort ein. Bis heute gehört das gesamte Gebäude der Kremlgarnison, die dort unter anderem ihre Kasernen hat. Die sehr dicken Grundmauern, erkennbar im Bereich der Fenstereinfassungen, verleihen dem Gebäude dessen charakteristische monumentale Gestalt, die seine rein militärische Nutzung visuell zu unterstreichen vermag. ==== Rüstkammer und Diamantenfonds ==== → ''Hauptartikel: [[Rüstkammer des Moskauer Kremls]]'' [[Datei:Kremlvariousflickr04.jpg|miniatur|Rüstkammer]] Das mit über 4000 Exponaten<ref>''Moskva. Vse kulturnye i istoričeskie pamjatniki. Ėnciklopedija.'' Algoritm, Moskau 2009, ISBN 978-5-699-31434-8, S.&nbsp;311</ref> größte Museum innerhalb des Kremls stellt heute die ''Rüstkammer'' dar. Sie befindet sich in einem 1851 fertiggestellten klassizistischen Palais nach einem Entwurf von [[Konstantin Andrejewitsch Thon|Konstantin Thon]], dem Architekten der benachbarten und vom Stil her vergleichbaren Zarenresidenz des Großen Kremlpalastes. Spätestens ab dem 16.&nbsp;Jahrhundert wurden im Kreml mehrere für den Zarenhof arbeitende Werkstätten, in denen renommierte Klingenmacher, Waffenschmiede, Juweliere oder Ikonenmaler einzigartige Werke der [[Kunstgewerbe|angewandten Kunst]] herstellten, als Rüstkammer bezeichnet. Mit der Verlegung der Zarenhauptstadt nach Sankt Petersburg wurden die Kreml-Werkstätten aufgelöst, jedoch blieben große Teile der historischen Bestände weiterhin in Moskau. Zunächst wurden sie in Ermangelung eines eigenen Gebäudes in verschiedenen Lagerräumlichkeiten aufbewahrt, bis Anfang des 19.&nbsp;Jahrhunderts erstmals ein eigenes Gebäude zur Aufbewahrung und Exposition der Kunstwerke errichtet wurde. Damit wurde die Rüstkammer zu einem der ersten öffentlichen Kunstmuseen im Russischen Zarenreich. 1851 zog die Rüstkammer des Kremls in das heutige Gebäude. Nach der Oktoberrevolution wurde sie zeitweilig geschlossen, jedoch 1924 wiedereröffnet, wobei die Exposition um eine Vielzahl von Schätzen aus Kreml-Kathedralen, dem ehemaligen Patriarchenpalast und anderen historisch bedeutenden Bauten erweitert wurde. [[Datei:Russian regalia.jpg|miniatur|Zareninsignien aus der Rüstkammer]] Heute verteilt sich die Exposition auf neun Säle im ersten und im zweiten Stock des Rüstkammergebäudes. In den architektonisch besonders prachtvollen fünf Sälen des zweiten Stockwerks findet sich eine Vielzahl von repräsentativen Gegenständen des Alltags, Kirchenutensilien und Kleinwaffen; viele wurden im Zeitraum vom 13. bis zum 19.&nbsp;Jahrhundert von renommierten einheimischen Gold- und Silberschmieden hergestellt, ein Teil der Exposition umfasst aber auch ausländische Meisterwerke, die einst dem Zaren als Geschenke anderer Monarchen überreicht wurden&nbsp;– darunter beispielsweise silbernes Geschirr aus [[Augsburg]] und [[Nürnberg]]. Hier sind auch mehrere berühmte dekorative Ostereier aus der Werkstatt des Petersburger Hofjuweliers [[Carl Peter Fabergé]] zu sehen. Thematischer Schwerpunkt der Exposition in den vier Sälen des ersten Stockwerks sind Statussymbole des russischen Zarenhofes, darunter speziell für [[Krönung der russischen Zaren und Kaiser|Krönungszeremonien]] hergestellte Paradegewänder der Kaiserinnen und andere Meisterwerke der einheimischen Stickereikunst, ehemalige Insignien der Moskauer Großfürsten und russischen Zaren (u.&nbsp;a. die [[Mütze des Monomach]], mit der die Zaren bis zum 17.&nbsp;Jahrhundert gekrönt wurden), historische Thronsessel sowie eine umfangreiche Sammlung von Original-[[Equipage]]n aus dem 17. und 18.&nbsp;Jahrhundert. Im gleichen Gebäude ist auch die ständige Ausstellung des Staatlichen Diamantenfonds untergebracht, die im Jahre 1967 erstmals für Besucher öffnete. Hier sind besonders wertvolle Unikate des Juwelierhandwerks und einzelne Diamanten, Edelsteine und [[Nugget (Metallurgie)|Goldnuggets]] ausgestellt, von denen die meisten nach der Oktoberrevolution aus Beständen des Zarenhofs von einer speziell hierzu geschaffenen Behörde (dem sogenannten ''Gochran'', der Schatzverwaltung des Finanzministeriums) konfisziert wurden. Vereinzelt sind aber auch erst zu Sowjetzeiten gefundene bzw. hergestellte Exponate zu sehen. Die beiden aus Beständen des Zarenhofs stammenden Einzeldiamanten gehören zu den weltweit bekanntesten Exemplaren dieses Edelsteins: Das ist zum einen der [[Orlow-Diamant]] aus dem Zarenzepter, zum anderen der [[Schah]]-Diamant, den Zar [[Nikolaus I. (Russland)|Nikolaus&nbsp;I.]] 1829 aus [[Iran|Persien]] geschenkt bekam. ==== Lustpalast ==== → ''Hauptartikel: [[Lustpalast]]'' [[Datei:Moscou Kremlin Потешный Дворец.jpg|miniatur|Lustpalast]] Der ''Lustpalast'' stellt innerhalb des Moskauer Kremls heute das einzige erhaltene Beispiel für ein [[Bojaren]]-Wohnhaus aus der Zeit vor dem 18.&nbsp;Jahrhundert dar. Diesen Zweck erfüllte er von seiner Fertigstellung im Jahre 1652 bis zum Jahr 1668, als Zar [[Alexei I. (Russland)|Alexei&nbsp;I.]] das Gebäude für sich und seine Familie als Aufführungsort für Theatervorstellungen umbauen ließ. Seitdem wurde der Palast als Lustpalast bezeichnet und behielt diesen Namen auch nach dem 18.&nbsp;Jahrhundert bei, als er wieder als Wohnhaus diente. Heute gehört der Lustpalast der Kreml-Kommandantur<ref>[http://www.kreml.ru/ru/main/kremlin/buildings/Poteshniy_dvorest/ Offizielle Kreml-Webseite: Der Lustpalast]; überprüft am 29. März 2009</ref>; die an ihn beidseitig angebauten zwei- bis dreistöckigen Gebäude stammen vorwiegend aus dem 19.&nbsp;Jahrhundert. Auffällig an dem Bauwerk ist vor allem seine schmucke Dachkonstruktion mit mehreren Kirchtürmchen, die ursprünglich zur im gleichen Gebäude geweihten Hauskirche des Palastherren gehörten. Die vier ebenfalls ungewöhnlichen [[Konsole (Architektur)|Konsolen]] an der Fassade stützen den ein wenig über die Fassade hinausragenden Altarraum dieser Kirche. Die Fassade bis zum dritten Stock hat indes mit ihren ausgiebig ornamentierten Fenstereinfassungen eine für Moskau des 17.&nbsp;Jahrhunderts typische Gestalt, die man in einer ähnlichen Form auch an dem nahe gelegenen Terem-Palast sehen kann. Der Lustpalast steht an der Palaststraße direkt zwischen dem Staatlichen Kremlpalast und dem Westabschnitt der Kremlmauer. Da diese Straße für Touristen gesperrt ist, kann auch der Palast nicht betreten werden und ist nur im Bereich des Dreifaltigkeitstors&nbsp;– sowohl innerhalb als auch außerhalb der Kremlmauer&nbsp;– sichtbar. === Weitere bekannte Gebäude === ==== Verwaltungsgebäude ==== → ''Hauptartikel: [[Verwaltungsgebäude des Moskauer Kremls]]'' [[Datei:Kreml-president.jpg|miniatur|Verwaltungsgebäude]] Das ''Verwaltungsgebäude des Moskauer Kremls'', manchmal auch ''Gebäude&nbsp;14'' genannt, steht an der Ostseite des Iwanplatzes in der Nähe des Erlösertors und ist, wenngleich es als ein weiterer Teil der Präsidentenresidenz weiträumig gesperrt ist, von der gegenüberliegenden Seite des Platzes aus gut sichtbar. Es handelt sich hierbei um eines der wenigen aus dem 20.&nbsp;Jahrhundert stammenden Bauwerke auf dem Kremlgelände. Dem Gebäude, welches ursprünglich als Militärschule diente, musste unter anderem das Tschudow-Kloster (siehe unten) weichen, das 1929 auf Geheiß der bolschewistischen Machthaber abgerissen wurde. Fünf Jahre später wurde das Verwaltungsgebäude nach einem Entwurf des bekannten Moskauer Bauingenieurs [[Iwan Iwanowitsch Rerberg|Iwan Rerberg]] fertiggestellt. Den sichtbaren Kontrast des [[Neoklassizismus (Kunst)|neoklassizistischen]] Bauwerks zu den benachbarten historischen Kremlbauten versuchte Rerberg zu lindern, indem er das Projekt von den Abmessungen und auch von der charakteristischen gelben Fassadenfarbe her an die nähere Umgebung anglich. Nach der ursprünglichen Nutzung als Militärschule befand sich im Gebäude in den 1950er-Jahren mehrere Jahre lang ein Theater<ref>[http://www.kreml.ru/ru/main/kremlin/buildings/Voennaya_Shkola/ Offizielle Kreml-Webseite: Militärschule]; überprüft am 27. März 2009</ref>, bis dort mehrere regierungsnahe Behörden sowie Abteilungen der Kreml-Kommandantur einzogen. Auch heute sind hier verschiedene Behörden ansässig, darunter die [[Russische Präsidialverwaltung|Präsidialverwaltung]]. ==== Staatlicher Kremlpalast ==== → ''Hauptartikel: [[Staatlicher Kremlpalast]]'' [[Datei:State Kremlin Palace-1.jpg|miniatur|Staatlicher Kremlpalast]] Der heute als ''Staatlicher Kremlpalast'' bezeichnete Zweckbau nahe dem Dreifaltigkeitstor entstand im Jahr 1961 und ist damit das jüngste Gebäude im Ensemble des Kremls. Ursprünglich hieß er ''Kongresspalast des Kremls'' und diente in erster Linie als Veranstaltungsort für größere politische Versammlungen in der [[Sowjetunion|Sowjetzeit]], so unter anderem für die regelmäßig veranstalteten Parteitage der [[Kommunistische Partei der Sowjetunion|KPdSU]]. Daneben wurde die Bühne des Palastes für Musikveranstaltungen (z.&nbsp;B. Ballettaufführungen des [[Bolschoi-Theater]]s) genutzt. Nach dem Zerfall der Sowjetunion entfiel der ursprüngliche Zweck des Gebäudes als Kongresspalast, weswegen es seine gegenwärtige Bezeichnung erhielt und heute nur noch für kulturelle Veranstaltungen (vorwiegend Konzerte national und international bekannter Interpreten der Popmusik) genutzt wird. Der Palast weist eine Höhe von 27&nbsp;Meter auf und ist an seiner Hauptfassade, die sich direkt gegenüber der Südfassade des Arsenals befindet, mit weißem Marmor und reichlich Glas ausgestattet. Im Inneren verfügt das Gebäude unter anderem über einen bis zu 6000 Zuschauer fassenden Hauptkonzertsaal und eine bis zu 4500 Personen Platz bietende Festhalle.<ref>Vgl. [http://www.gkd.ru/ offizielle Webseite des Staatlichen Kremlpalastes]; überprüft am 25. Januar 2009</ref> === Freistehende Denkmäler === ==== Zarenkanone ==== → ''Hauptartikel: [[Zarenkanone]]'' [[Datei:Moskau-Grosse-Kanone Mai 08.jpg|miniatur|Zarenkanone]] Die auf dem Iwanplatz stehende ''Zarenkanone'' stellt das bis heute wohl bekannteste Erzeugnis russischer Gusstechnik des 16.&nbsp;Jahrhunderts dar. Entgegen der Bezeichnung ist sie waffentechnisch keine [[Kanone]], sondern eine [[Steinbüchse]]. Mit ihrem Kaliber von 890&nbsp;mm zählt sie zu den größten Artilleriegeschützen weltweit, ist allerdings kein einziges Mal zum Einsatz gekommen.<ref>Vgl. zu den technischen Daten: M.E.Portnov: ''Carʹ-Puška i Carʹ-Kolokol''. Moskovskij Rabočij, Moskau 1990, ISBN 5-239-00778-0; S.&nbsp;9–33</ref> Die [[Lafette]], auf der die Kanone steht, sowie die neben ihr liegenden Kugeln wurden als reine Dekoration im 19.&nbsp;Jahrhundert gefertigt. 1586 stellte Andrei Tschochow, ein renommierter Moskauer Gießermeister, diese für die damalige Zeit überdimensional große Waffe her und schmückte ihren bronzenen Lauf mit reichhaltigen Ornamenten und einem Reiterbildnis des Zaren [[Fjodor I. (Russland)|Fjodor&nbsp;I.]]. Ursprünglich sollte die Kanone ihrem eigentlichen Zweck dienen, wozu man sie auf dem Roten Platz zur Verteidigung des Kremls vor möglichen Angriffen oder auch zur Abschreckung des Feindes aufstellte. Sie musste jedoch seitdem kein einziges Mal eingesetzt werden. 1706, als der Kreml seine ursprüngliche Bedeutung als Festung schon lange nicht mehr hatte, wurde die Zarenkanone als Denkmal russischer Gusskunst in den Kreml zunächst vor das Arsenal verlegt. Seit 1960 steht sie an ihrem heutigen Platz. ==== Zarenglocke ==== → ''Hauptartikel: [[Zarenglocke]]'' [[Datei:Moskau-Grosse-Glocke Mai 08.jpg|miniatur|Zarenglocke]] Ein weiteres markantes Erzeugnis russischer Gießermeister ist die 6,14&nbsp;Meter hohe ''Zarenglocke'', die ebenfalls am Iwanplatz an dessen Kreuzung mit der Borowizki-Straße auf einem speziell gefertigten Sockel steht. Auch sie wurde kein einziges Mal ihrem eigentlichen Zweck nach verwendet. Die Glocke wurde im Jahre 1735 vom Gießermeister Iwan Motorin und seinem Sohn Michail gefertigt. Dazu wurde an speziell aufgebauten Schmelzöfen rund 200.000&nbsp;kg Metall aufbereitet, wobei ein Großteil davon Reste einer 1655 hergestellten und 1701 bei einem Brand abgestürzten Glocke waren.<ref>M.E.Portnov: ''Carʹ-Puška i Carʹ-Kolokol''. Moskovskij Rabočij, Moskau 1990, ISBN 5-239-00778-0; S.&nbsp;40f.</ref> Der Gießvorgang brachte den Motorins enorme Schwierigkeiten und glückte erst im zweiten Anlauf. Noch bevor die fast fertige Riesenglocke aus ihrer Gießgrube gehoben werden konnte, kam es im Jahre 1737 im Kreml erneut zu einem Großbrand. Die Glocke wurde vom Feuer erfasst, erhitzte sich und zersprang schließlich, als kaltes Löschwasser auf sie gelangte. Es entstanden an mehreren Stellen Risse, und ein größeres Stück Metall spaltete sich ab. Bis heute steht dieses Stück neben der Glocke. Nach dem Feuer geriet die beschädigte Glocke, die nicht mehr zum Läuten zu verwenden war, über längere Zeit in Vergessenheit und wurde erst ein Jahrhundert später, nämlich im Jahre 1836, mit viel Aufwand aus der Grube gehoben und auf ihrem heutigen Standort aufgestellt. Seitdem zählt sie zu den bekanntesten Denkmälern auf dem Kremlgelände. Sehenswert sind an der Glocke neben ihren ungewöhnlich großen Ausmaßen die Ornamente, mit denen sie bei ihrer Herstellung ausgeschmückt wurde. Sie beinhalten unter anderem [[barock]]e Pflanzenornamente, [[Medaillon (Ornament)|Medaillonabbildungen]] von Heiligen sowie Ganzkörperporträts von Kaiserin [[Anna (Russland)|Anna]] und Zar [[Alexei I. (Russland)|Alexei]] in Paradegewändern. === Zerstörte Kreml-Bauwerke === → ''Siehe auch: [[Liste ehemaliger Bauwerke im Moskauer Kreml]]'' Von den heute erhaltenen Kreml-Bauwerken stammen die ältesten aus dem 15.&nbsp;Jahrhundert, wobei die Gründung der Moskauer Zitadelle spätestens im 12.&nbsp;Jahrhundert erfolgt haben muss (siehe Abschnitt Geschichte). Daraus lässt sich zwangsläufig die Existenz einer&nbsp;– heute unbekannten&nbsp;– Vielzahl nicht erhaltener Bauwerke innerhalb der Kremlmauern folgern, von denen etliche einst genau an Stelle bis heute erhaltener Gebäude standen. Da es noch bis zum 19.&nbsp;Jahrhundert in Russland keinen [[Denkmalschutz]] gab und dieser auch danach nicht immer konsequent eingehalten wurde, gingen mit den Umbauaktionen, die oft eine Erneuerung des gesamten Kremls zum Ziel hatten (wie es beispielsweise unter Großfürst Iwan&nbsp;III. der Fall war), auch etliche historisch wertvolle Architekturobjekte unwiederbringlich verloren. Zudem fielen unzählige, vor allem hölzerne, Bauten den noch bis zum 18.&nbsp;Jahrhundert häufigen Feuersbrünsten zum Opfer oder wurden bei Kriegshandlungen (so zuletzt 1812, während des Krieges gegen Napoléon) zerstört. [[Datei:Moscow, Kremlin, Chudov Monastery, 19th century etching.jpg|miniatur|Das 1929–30 abgerissene Tschudow-Kloster nahe dem Erlöserturm des Kremls. Ein [[Kupferstich]] aus dem 19.&nbsp;Jahrhundert]] Bis in die Gegenwart wurden Dokumentationen und/oder Abbildungen vorwiegend von jenen Kreml-Bauwerken überliefert, die etwa ab dem 18.&nbsp;Jahrhundert verschwanden, während noch ältere Bauten, selbst wenn es sich bei ihnen um äußerst repräsentative Objekte handelte, allenfalls oberflächliche Erwähnungen in Chroniken finden. Der älteste heute bekannte Fall einer großflächigen Abrissaktion im Moskauer Kreml war der in den 1770er-Jahren, unter [[Katharina II. (Russland)|Katharina der Großen]], begonnene und später verworfene Bau eines überdimensional großen Zarenpalastes. Damals wurden auch Teile der südlichen Kremlmauer abgetragen, da die Fassade des Palastes laut Projekt bis an das Ufer der Moskwa reichen sollte. Nach dem Baustopp wurde die Mauer mit vier ebenfalls abgetragenen Türmen wiederhergestellt, mehrere repräsentative Bauten entlang der südlichen Kremlmauer verschwanden jedoch endgültig von der Erdoberfläche&nbsp;– darunter das ehemalige Palais von Zar [[Boris Godunow]] und die vom italienischen Architekten [[Marco Ruffo]] erbaute ehemalige Schatzkammer des großfürstlichen Hofes. Die dramatischsten Verluste an seiner Bausubstanz erlitt der Kreml jedoch erst im 20.&nbsp;Jahrhundert, kurz nach der 1917 erfolgten Machtergreifung der [[Bolschewismus|Bolschewiki]] in Russland und Schaffung der [[Sowjetunion]]. Dabei sahen es die neuen Machthaber vor allem auf die Sakralbauten ab, so dass im Zeitraum von 1918 bis 1935 im Kreml insgesamt 12 Kirchen, fünf Kapellen sowie einzelne Profanbauten vernichtet wurden<ref>Kiselëv 2006, S.&nbsp;149</ref>. Einige Kirchen&nbsp;– wie beispielsweise die Kirche der Hl.&nbsp;Konstantin und Helena im Südosten des Kremls&nbsp;– wurden unter dem Vorwand der Baufälligkeit abgetragen, ohne dass an ihrer Stelle später ein neues Gebäude errichtet wurde. Die umfassendste Abrissaktion betraf jedoch die beiden zu jener Zeit noch existierenden, wenngleich bei Kämpfen im Oktober 1917 stark beschädigten, Klöster im Kreml&nbsp;– das Tschudow- und das Himmelfahrtskloster. Dabei wurden sämtliche Bauwerke aus dem Ensemble der beiden Klöster endgültig zerstört; einige Jahre später wurde an ihrer Stelle das heutige neoklassizistische [[Verwaltungsgebäude des Moskauer Kremls|Verwaltungsgebäude]] errichtet. Die zum Teil historisch wertvollen Schätze aus den Beständen der zerstörten Kirchen und Klöster wurden in Museen übertragen, darunter in die [[Rüstkammer des Moskauer Kremls|Kreml-Rüstkammer]], wo die repräsentativsten Exemplare heute ausgestellt sind. Mit der Zerstörung des alten Gebäudes der Rüstkammer aus dem Anfang des 19.&nbsp;Jahrhunderts, das Ende der 1950er-Jahre dem [[Staatlicher Kremlpalast|Staatlichen Kremlpalast]] (vormals Kongresspalast) weichen musste, fand der letzte Abriss eines historischen Bauwerks auf dem Kremlgelände vor der Unterschutzstellung des Ensembles durch die UNESCO statt. == Siehe auch == *[[Liste der Kreml]] *[[Liste der Burgen und Schlösser in Russland]] == Einzelnachweise und Anmerkungen == <references/> == Literatur == *''Moskauer Kreml – Reiseführer''. Art Courier, Moskau 2002, ISBN 5-93842-019-9 *M.P.Fabricius: ''Kremlʹ v Moskve''. Moskau 1883<!--kein Tippfehler, in der Tat 1883!--> *Valentina Gončarenko: ''Mauern und Türme''. Art-Courier, Moskau 2001 *A.J.Kiselëv (Hrsg.): ''Moskva. Kremlʹ i Krasnaja Ploščadʹ''. AST / Astrel, Moskau 2006, ISBN 5-17-034875-4 *G.V.Makarevič et al.: ''Pamjatniki architektury Moskvy. Kremlʹ, Kitaj-Gorod, Centralʹnye ploščadi''. Iskusstvo, Moskau 1982 *S.K.Romanjuk: ''Kremlʹ i Krasnaja Ploščadʹ''. Moskvovedenie, Moskau 2004, ISBN 5-7853-0434-1 == Weblinks == {{Commonscat|Moscow Kremlin|Moskauer Kreml}} {{Wiktionary|Kreml}} *{{Structurae|projects|p0000987|den Moskauer Kreml}} * [http://www.kreml.ru/ Offizielle Webseite des Staatlichen Museumsreservats „Moskauer Kreml“] (russisch, [http://www.kreml.ru/main_en.asp englisch], Fotos) * [http://www.kremlin.ru/ Offizielle Webseite des Präsidenten Russlands, mit einer virtuellen Tour durch den Kreml] (russisch, [http://www.kremlin.ru/eng/ englisch]) * [http://www.bundeskunsthalle.de/index.htm?ausstellungen/kreml/geschichte_links.htm Kurzgeschichte der Kremlarchitektur] mit [[Computer-aided design|CAD-Rekonstruktion]] historischer Ansichten {{Navigationsleiste Welterbe Russland}} {{Coordinate|NS=55/45/6/N|EW=37/37/4/E|type=landmark|region=RU-MOW}} {{Exzellent}} [[Kategorie:Moskauer Kreml| ]] [[Kategorie:Burg in Russland]] [[Kategorie:Festung in Russland]] [[Kategorie:Museum in Russland]] [[Kategorie:Bauwerk in Moskau|Kreml]] [[Kategorie:Geschichte Moskaus|Kreml]] [[Kategorie:Weltkulturerbe in Russland]] [[af:Moskouse Kremlin]] [[ar:كرملين]] [[arz:كريملين]] [[be:Маскоўскі Крэмль]] [[bg:Московски кремъл]] [[ca:Kremlin de Moscou]] [[cs:Kreml]] [[cv:Мускав Кремлĕ]] [[da:Kreml (Moskva)]] [[en:Moscow Kremlin]] [[eo:Kremlo#Kremlo en Moskvo]] [[es:Kremlin de Moscú]] [[eu:Kremlin]] [[fi:Moskovan Kreml]] [[fr:Kremlin de Moscou]] [[fy:Kremlyn fan Moskou]] [[he:הקרמלין]] [[hr:Moskovski kremlj]] [[hu:Kreml (Moszkva)]] [[id:Kremlin]] [[io:Moskva-kremlin]] [[it:Cremlino di Mosca]] [[ja:クレムリン]] [[ka:მოსკოვის კრემლი]] [[ko:크렘린]] [[ku:Kremlin]] [[kv:Канкарса Кремль]] [[lt:Maskvos Kremlius]] [[nl:Kremlin van Moskou]] [[nn:Kreml i Moskva]] [[no:Kreml (Moskva)]] [[pl:Kreml moskiewski]] [[pt:Kremlin de Moscovo]] [[ro:Kremlinul din Moscova]] [[ru:Московский Кремль]] [[sc:Kremlinu (Mosca)]] [[simple:Kremlin]] [[sk:Moskovský kremeľ]] [[sl:Moskovski kremelj]] [[sr:Московски Кремљ]] [[sv:Moskva Kreml]] [[ta:கிரெம்லின்]] [[tr:Kremlin]] [[uk:Московський кремль]] [[vi:Điện Kremli]] [[zh:克里姆林宫]] f5322y971at3g82v064kumxyhrmm6h7 wikitext text/x-wiki Motiv (Musik) 0 23958 27317 27316 2010-06-04T17:03:55Z YMS 441 In der [[Formenlehre (Musik)|musikalischen Formenlehre]] bezeichnet der Begriff '''Motiv''' (v. [[Latein|lat.]]: ''movere'' = bewegen; spätlat.: ''motivus'' = beweglich) die kleinste, meistens [[Melodie|melodische]] Sinneinheit. Sie ist ein typisches, herausgehobenes und einprägsames Gebilde, das als charakteristische Tonfolge für eine [[Komposition (Musik)|Komposition]] oder einen ihrer Formteile von Bedeutung ist und auch vom Hörer so wahrgenommen werden kann. Ein Motiv kann bereits aus nur zwei Tönen bestehen, zum Beispiel als aufsteigende [[Quarte]] (Jagdmotiv) oder als absteigende kleine [[Terz (Musik)|Terz]] ([[Kuckuck]]s<nowiki>motiv</nowiki>). Die Abgrenzung des Motivs ist meistens durch [[Phrasierung]]seinschnitte, [[Pause (Musik)|Pausen]] und anddere Zäsuren hörbar gemacht. Ein Motiv hat die Kraft zur Verselbstständigung: Es kann im weiteren Verlauf der Komposition wiederholt, auf andere Tonstufen versetzt, verändert oder mit anderen Motiven verbdfgunden werden. Darum ist das Motiv im Unterschied zu einer Begleitfigur oder Verzierung als melodische Keimzelle einer musikalischen Entwicklung in einem Werk anzusehen. In der [[Wiener Klassik|Klassik]] wird das Motiv durch seine vielfältige Verarbeitung zentraler Bestandteil der Komposition. [[Joseph Haydn|Haydn]] entwickelte diese Kompositionsweise entscheidend weiter und wurde damit zu einem Begründer der „klassischen“ Musik. [[Ludwig van Beethoven]] setzte die Verwandlung und Kombination von Motiven als elementares formbildendes Element ein. Fast alle auf ihn folgenden Komponisten wie [[Franz Schubert|Schubert]], [[Johannes Brahms|Brahms]], [[Pjotr Iljitsch Tschaikowski|Tschaikowski]], [[Anton Bruckner|Bruckner]] und [[Gustav Mahler|Mahler]] setzen diese Tradition fort. Auch in der [[Dodekaphonie]] spielt die [[Motivisch-thematische Arbeit|motivisch-thematische]] Arbeit eine zentrale Rolle. == Abgrenzung des Begriffs == In der [[Musikwissenschaft]] dient der Begriff des Motivs der Einzelanalyse von musikalischen Werken oder Arbeitsweisen einzelner [[Komponist]]en. Die genaue Abgrenzung eines Motivs von anderen musikalischen Einheiten – [[Figur (Musik)|Figur]], [[Phrase (Musik)|Phrase]], [[Periode (Musik)|Periode (Satz)]] und [[Thema (Musik)|Thema]] – ist jedoch für den Hörer eines Werks oft schwierig und auch in der Musiktheorie nicht eindeutig definiert. Ein Motiv ist als prägnantes melodisches Element meistens deutlich hörbar von anderen Tonfolgen einer Komposition unterscheidbar. Übergänge, Begleitungen, [[Verzierung (Musik)|Verzierungen]] und stilabhängige [[Floskel]]n haben eine geringere individuelle Gestalt und sind daher weniger charakteristisch. Sie haben oft eine rein [[Satztechnik (Musik)|satztechnische]] Funktion, das heißt: Sie verdeutlichen die Harmonie auf melodische Weise, oft als Akkordbrechung, oder als Begleitung einer übergeordneten Melodie. Sie können daher eher in den Begriff der Figur eingeordnet werden. Typisches Beispiel sind die so genannten „Albertibässe“: gebrochene Dreiklänge, die etwa in Klaviersonaten von [[Wolfgang Amadeus Mozart|Mozart]] häufig auftauchen. Solche Figuren bilden kein unabhängiges, zur Melodie gleichrangiges Kompositionsmaterial. Sie werden daher bei der musikalischen Betrachtung eines Stückes als weniger wesentlich erachtet. Die nächst größere melodische Sinneinheit nach dem Motiv ist die [[Phrase (Musik)|Phrase]]. Diese ist meistens durch Pausen abgegrenzt, die einem Sänger Gelegenheit zum Atemholend geben. Sie besteht aus mehreren, oft aus zwei melodisch miteinander kombinierten Motiven. Ist das Einzelmotiv selbst länger, kann es mit einer Phrase zusammenfallen. Phrasen wiederum verbinden sich zu so genannten [[Periode (Musik)|Perioden (Satz)]]: musikalischen „Sätzen“, die sich ihrerseits zu einem „Thema“ verbinden und dieses formal in – in der Klassik meistens symmetrische – [[Takt (Musik)|Takteinheiten]] gliedern, während ein Einzelmotiv nicht mit einer Takt-Dauer kongruent sein muss. Ein Thema bezeichnet eine größere musikalische Sinneinheit, die aus mehreren Motiven, Phrasen und Perioden besteht. Das Thema wird oft zu Beginn eines Stückes (in einem Stückzyklus: eines „Satzes“) vorgestellt und bildet dann so etwas wie die wichtigste „Aussage“ eines Stückes, auf die sich weitere Formteile beziehen. Daher verhalten sich Motiv, Phrase, Periode und Thema ungefähr so zueinander wie „Wort“, „Teilsatz“, „Satz“ und „Strophe“ in der gebundenen Sprache eines Gedichts. Das Thema ist also der umfassendere Begriff, der aber seinen Gehalt von den Motiven und Perioden bezieht. [[Datei:op10.jpg|Motiv-Thema-Periode → Beethoven op.10 Nr.1]] [[Datei:Speaker Icon.svg|15px]] [http://kola.cc.columbia.edu:8080/ramgen/music/humanities/cd5027/cd2/track01.rm Hörbeispiel] Die musikalische Analyse zerlegt Motive manchmal nochmals in Teilmotive und widerspricht damit eigentlich ihrer Definition als „kleinste musikalische Sinneinheit“. Der Begriff ''Motivgruppe'' bezeichnet eine Ansammlung von ähnlichen, oder von einander abgeleiteten Motiven. Bei der musikalischen Analyse werden zur Kennzeichnung einer Motiv[[hierarchie]] häufig, in nicht immer durchgängiger Art, [[alphanumerisch]]e Zeichen verwendet (zum Beispiel: A, B, A1, A', A2, B2, Aa1, Bb2, usw.). == Erscheinungsformen des Motivs == Man kann zwischen primär [[Melodie|melodisch]], [[Rhythmus (Musik)|rhythmisch]] und [[Harmonik|harmonisch]] geprägten Motiven unterscheiden. Natürlich können die drei Komponenten auch gleichwertig sein, wie etwa in dem obigen Notenbeispiel von Beethoven op.&nbsp;10 Nr.&nbsp;1 oder in der Sonate „Pathetique“ op.&nbsp;13, Takt 1-2. Primär rhythmisch geprägt sind zum Beispiel die Anfangstakte der [[5. Sinfonie (Beethoven)|5.&nbsp;Sinfonie]] von Beethoven oder das rhythmische Motiv des Todes in Schuberts [[Lied]] „Der Tod und das Mädchen“. Hier je ein Beispiel für melodische und harmonische Motive: [[Datei:Motiv-Schubert.jpg|Melodische Motiv]] [[Datei:HarmonischesMotiv.jpg|Harmonisches Motiv]] Außerdem unterscheidet die Musiktheorie so genannte [[Fortspinnungsmotiv]]e von [[Entwicklungsmotiv]]en. Beide beruhen auf der [[Lineare Melodik|linearen Melodik]]. In der [[Barockmusik]] ist das Fortspinnungsmotiv verbreitet, das selten Schwerpunkte bildet und die [[Symmetrie]] scheut. Auf den Anfangsimpuls der ersten Figur wird die Melodielinie meistens ohne größere Unterbrechungen weitergeführt, bis ein neues Motiv auftaucht. Aufgrund der fortwährenden Aneinanderreihung und Verknüpfung der melodischen Linien ist es oft sehr schwer, die Einzelmotive voneinander abzugrenzen. Daraus folgt ihre Tendenz zur Selbstauflösung in Figuren oder Zweitstimmen, die sie für ''motivisch-thematische Arbeit'' eher ungeeignet macht. Das Kompositionsprinzip des Barock ist eher auf den „Kontrapunkt“ und die [[Polyphonie]] (gleichwertige Mehrstimmigkeit) ausgerichtet, so dass Melodie und Harmonie einander durchdringen. [[Datei:Fortspinnungsmotiv.jpg|Fortspinnungsmotiv]] [[Datei:Speaker Icon.svg|15px]] [[Media:Brandb.mid|Hörbeispiel]] Das Entwicklungsmotiv dagegen herrscht in der [[Homophonie (Musik)|homophon]] orientierten Musik der [[Wiener Klassik|Klassik]] und [[Romantik]]. Es grenzt sich klar ab, tendiert zu gleich bleibenden [[Metrum (Musik)|metrischen]] Schwerpunkten und zur Symmetrie. Es bleibt in seiner [[Substanz]] erhalten und ist daher besser zur Verarbeitung geeignet (Beispiel: Der zweite Satz der [[94. Sinfonie (Haydn)|Sinfonie mit dem Paukenschlag]] von Joseph Haydn). In der Musikgeschichte wurde oft versucht, Motive nach ihrem [[emotion]]alen Gehalt, ihrem Bewegungsverhalten oder ihrer [[Intervall (Musik)|Intervallstruktur]] zu benennen und auf einen bestimmten Ausdrucksgehalt festzulegen. Dies galt besonders für die barocke Figurenlehre und [[Affektenlehre]], die über hundert sich an die [[Rhetorik]] anlehnende Figurennamen kannte. Ferner wurden in der Programm-Musik des [[19. Jahrhundert]]s das [[Leitmotiv]] mit einer außerhalb der Musik liegenden Bedeutungsebene (Gefühl, Person) als „[[Leitmotiv|idee fixe]]“ kombiniert ([[Richard Wagner]], [[Hector Berlioz]]). Das [[Volkslied]] war natürlich in allen Epochen der Musik vom Motiv geprägt. Hier seien nur einige besonders häufig anzutreffende Motiv-Namen genannt: ''[[Sekundschritt#Seufzermotiv|Seufzermotiv]] (lateinisch = Suspiratio)'' für steigende oder fallende, meistens [[Vorhalt (Musik)|vorhaltsartige]] [[Sekunde (Musik)|Sekundmotive]], [[Datei:Seufzer2.jpg|Seufzermotiv]] [[Datei:Speaker Icon.svg|15px]] [[Media:Seufzer.mid|Hörbeispiel]] ''[[Kreuzmotiv]]'': Bestehend aus vier Tönen, die, verbindet man die erste mit der vierten Note und die zweite mit der dritten, ein Kreuz ergeben. (z.B.:[[B-A-C-H]]) ''Kuckucksmotiv'' (absteigende kleine Terz, der [[Kuckuck]] singt eigentlich sehr unterschiedlich, meist aber ca. eine große Terz), ''Klopf-/Repetitionsmotiv'' („Regentropfen-Prelude“ von [[Frédéric Chopin]]), ''[[Tonleiter]]motiv'' für auf- oder absteigende [[Diatonik|diatonische]] oder [[Chromatische Tonleiter|chromatische]] Tonleitern bzw. Tonleiterausschnitte, ''[[Dreiklang]]smotiv'', ''Wölbungsmotiv'' für eine bogenförmig bzw. [[sinus]]förmig verlaufende Tonfolge, [[Datei:Woelbungsmotiv.jpg|Wölbungsmotiv]] ''Sprungmotiv'' für einen größeren Intervallsprung nach oben oder unten, ''Intervalldehnungsmotiv'' (z.&nbsp;B. f’–f’’–f’–g’’–f’–a’’...) für eine den Abstand zum Ausgangston vergrößernde Tonfolge, die Sprung und Tonleiter verbindet, ''[[Quinte|Quintmotiv]]'', ''[[Quarte|Quartmotiv]]'' usw., also Motive, die nach dem jeweils vorherrschenden Intervallsprung benannt sind: als „Quintfall“, wenn das Intervall absteigt, als „Quartsprung“, wenn es aufsteigt (zum Beispiel in dem Volkslied „Im Märzen der Bauer“). == Verarbeitungsmöglichkeiten des Motivs == Die Verarbeitungsmöglichkeiten des Motivs sind: Wiederholung, [[Variation (Musik)|Variation]] und Kontrast, wobei diese auch miteinander kombiniert werden können. Bei der Wiederholung sind zu unterscheiden: * die notengetreue Wiederholung direkt nach dem ersten Auftreten oder im weiteren Verlauf des Werkes. * die mehrmalige Wiederholung des Motivs. * die mehrmalige Wiederholung des Motivs auf anderen Tonstufen ([[Sequenz (Musik)|Sequenz]]). * die Wiederholung des Motivs in einer anderen Stimme ([[Imitation (Musik)|Imitation]]). Die Variation beruht auf der Wiederholung des melodisch, rhythmisch oder harmonisch veränderten Motivs. Melodische Veränderungsmöglichkeiten des Motivs sind: * die Verkleinerung oder Vergrößerung einiger oder aller Intervalle. * die Richtungsumkehrung der Intervalle ([[Inversion]]). * das Rückwärtsspielen des gesamten Motivs ([[Krebs (Musik)|Krebs]]). Rhythmische Veränderungsmöglichkeiten des Motivs sind: * die Vergrößerung ([[Augmentation (Musik)|Augmentation]]) und Verkleinerung ([[Diminution]]) der Notenwerte des gesamten Motivs. * die Verlängerung und Verkürzung einzelner Töne. Harmonische Variationen sind Wiederholungen des Motivs in verändertem harmonischen Kontext. Die mannigfaltigen Möglichkeiten dieser Technik zeigen einige Beispiele aus Joseph Haydns Streichquartett in d-[[Moll (Musik)|Moll]], [[Opus (Werk)|opus]] 76, 1.&nbsp;Satz: [[Datei:Haydn-neu.jpg|Verarbeitung des Motivs]] [[Datei:Speaker Icon.svg|15px]] [[Media:Haydn-1.mid|Hörbeispiel Zeile 1 und 2]] [[Datei:Speaker Icon.svg|15px]] [[Media:Haydn-2.mid|Hörbeispiel Zeile 3]] [[Datei:Haydn2.jpg|rhythmische Vergrößerung]] [[Datei:Speaker Icon.svg|15px]] [[Media:Haydn-3.mid|Hörbeispiel]] Die Gegenüberstellung des Motivs (Kontrast) mit einem anderen, sehr gegensätzlichen Motiv, kann dem Ursprungsmotiv neue Impulse verschaffen und Spannung schaffen. Hierbei verschmelzen die Motive im Zuge der [[Motivisch-thematische Arbeit|motivisch-thematischen Arbeit]] oft miteinander, woraus häufig neue Motive entstehen. Die erwähnten Verfahren wurden in der Zeitspanne von Joseph Haydn bis Gustav Mahler in der [[Sonatenhauptsatzform]] vor allem in den Gattungen der [[Sonate]], [[Sinfonie]] sowie dem [[Streichquartett]] (siehe Beispiel) angewandt. In der [[Musik des Mittelalters]] wurde die motivische Arbeit auch schon verwendet, war aber nicht immer zentral. Einerseits war es teilweise die Absicht der vom Prinzip der [[Varietas]] (lateinisch: Buntheit, Verschiedenartigkeit) geprägten Musik, Wiederholungen und Symmetriebildungen im rhythmischen und melodischen Bereich zu vermeiden ([[Guillaume Dufay]]). Andererseits finden sich im [[Chanson]], zum Beispiel bei [[Giles Binchois]], wieder motivisch recht klar gegliederte Themen. Ein Meister der ''motivisch-thematischen Arbeit'' war [[Ludwig van Beethoven]], der aus kleinen, unscheinbaren Motiven [[Dramatik|dramatisch]]-[[Dialektik|dialektische]] Sätze oder sogar ganze Werke formte. Franz Schuberts eher [[Lyrik|lyrisch]]-[[Modulation (Musik)|modulatorischer]] Ansatz scheut dagegen Motivzerlegung und motivisch-thematische Arbeit. Er verwendet eher variationsartige Umspielungen und wechselnde harmonische Ausdeutungen des Themas. In der Musik der [[Romantik]] werden die Töne des Themas oft wechselweise auf die Ober-, Unter- und Mittelstimmen verteilt, so dass weder die Begriffe Homophonie noch [[Polyphonie]] diese Schreibweise erfassen. [[Robert Schumann]] spricht hier von der ''inneren Stimme'' (Humoreske op.&nbsp;20), einer Art imaginären Melodie. Rhythmische Verschiebungen und harmonische Doppeldeutigkeiten erzeugen zusätzlich ein Moment der „romantischen Verschleierung und Verzauberung“. [[Datei:InnereStimme.jpg|Innere Stimme in der Musik der Romantik]] In der [[Spätromantik]] lässt [[Anton Bruckner]] das Motiv sich langsam aus einem „[[rudimentär]]en [[Motivkern]]“ entwickeln. Seine wesentlichen Intervalle werden am Anfang präsentiert (3.&nbsp;Sinfonie). Diese Vorgehensweise wandte Beethoven schon in seiner [[9. Sinfonie (Beethoven)|9.&nbsp;Sinfonie]] an. [[Datei:Beethoven9.jpg|Motiventwicklung bei Beethoven]] [[Datei:Speaker Icon.svg|15px]] [http://mfile.akamai.com/3171/rm/muze.download.akamai.com/2890/us/usrm/490/24490_5_01.ram?obj=v20205&urlid=1ac88d2638fd639e3232 Hörbeispiel] Die Anzahl der Motive und Motivabwandlungen hat – ebenso wie die Größe und Instrumentierung des Orchesters – beträchtlich zugenommen, und die Grenze zwischen [[Exposition (Musik)|Exposition]] und [[Durchführung (Musik)|Durchführung]] beginnt zu verschwimmen. Im [[Impressionismus]] treten Motiv und motivisch-thematische Arbeit zu Gunsten der Harmonik und ausgefeilten [[Instrumentierung]] zum Teil zurück.[[Datei:SchönbergOp24-1.png|thumb|right|500px|''Takt 1-5 aus dem ersten Satz von Schönbergs Op. 24'']] In der [[Neue Musik|Musik des 20.&nbsp;Jahrhunderts]] sind beide Tendenzen vorhanden. Die auch sonst formbewussten Komponisten [[Paul Hindemith]] und [[Igor Strawinsky]] verfolgen die motivisch-thematische Arbeit weiter, und auch die [[Zwölftontechnik]] gibt dieser Raum ({{Audio|SchönbergOp24-1.mid|Hörbeispiel}}). Sie ist dort umso wichtiger, weil der klassische Bezug der Motive zur tonalen Harmonik als Kompositionsprinzip zugunsten der horizontalen 12-Ton-Reihe aufgegeben wurde. So stellt das angeführte Beispiel Motivbezug durch rhythmische Gruppierung in von verschiedenen Instrumenten gespielten Dreitongruppen in unterschiedlichen Notenwerten(Sechzehntel, Achtel, Achteltriolen, Vierteltriolen) her. Melodisch ist der Bezug durch die Verwendung der Terz und des Intervalls der kleinen None gegeben. Nach einer Pause wird dieses Prinzip vom Klavier auf die Krebsumkehrung der 12-Tonreihe angewandt. Andere Komponisten wie [[Olivier Messiaen]] und [[Steve Reich]] gehen dem Motiv dagegen bewusst aus dem Weg. Auf Musik, die rein auf Klang- oder Geräuschstrukturen aufbaut ([[Cluster (Musik)|Cluster]], [[Minimal Music]], [[Klangflächenkomposition|Klangflächen]], [[Mikropolyphonie]], [[Aleatorik]], [[Musique concrète]]), lässt sich die herkömmliche Motivanalyse kaum anwenden: es sei denn, man erweitert den Begriff des Motivs auf rein rhythmische, klangliche oder sonstige Strukturen. Ein Baustein könnte dann der Klang 'A' sein, welcher immer eine bestimmte Länge hat und mit einer genau festgelegten Dynamik gespielt wird, wenn er auftritt. Dabei verzichtet diese so genannte [[Serielle Musik|punktuelle Musik]] auf die traditionelle motivisch-thematische Arbeit und propagiert die „Gleichberechtigung aller Elemente der Komposition“ ([[Karlheinz Stockhausen]]). == Historische Entwicklung des Begriffs == Von [[Angelo Berardi]] aus dem 17. Jahrhundert stammt der Begriff ''motivo di cadenza'' für einen Impuls der Grundstimmen zur [[Schlussbildung]]. Berardi verwandte denselben Ausdruck auch für ein Melodiefragment zur kontrapunktischen Gestaltung. [[Jean-Jacques Rousseau]] verstand unter dem Begriff ''motif'' die ursprüngliche und hauptsächliche kompositorische Idee eines Stückes. Die ersten Ansätze einer musikalischen Motivlehre liegen im 18. Jahrhundert, als [[Johann Mattheson]] und andere begannen, die Melodie in einzelne Satzglieder zu zerlegen. Der Begriff des Motivs war in der deutschen Musikwissenschaft noch nicht üblich, obwohl man den Hauptgedanken einer [[Arie]] ''motivo'' zu nennen pflegte. Die Begriffe Motiv, Thema und [[Soggetto]] wurden synonym verwendet. Mit [[Adolf Bernhard Marx]] (1837) fand der Begriff zu Beginn des 19. Jahrhunderts Eingang in die Musikwissenschaft. Marx sah das Motiv als „…Keim und Trieb… eine der musikalischen Gestaltung dienenden Formel von zwei oder mehr Tönen, aus dem die größere Tonreihe erwächst.“ wobei er schon zwischen Motiv und Thema unterschied. [[Hugo Riemann]] (1882) sah das Motiv als stets auftaktige Urzelle, was nicht unumstritten blieb. Die Bezeichnung ''thematische Arbeit'' beginnt sich ab dem 19. Jahrhundert durch [[Heinrich Christoph Koch]] (1802) und [[Johann Christian Lobe]] (1844) durchzusetzen. Mit dem Begriff ''thematische Arbeit'' wird ein qualitatives Element höchster [[Komposition (Musik)|Kompositionskunst]] verknüpft. Zugleich hebt man die so benannte Technik als zentrales Gestaltungsprinzip klassischer Musik vom älteren [[kontrapunkt]]ischen Verfahren ab. Als Folgeerscheinung der Differenzierung zwischen Thema und Motiv, kommt auch der Begriff ''motivische Arbeit'' auf. Hieraus erwächst der etwas indifferente Ausdruck ''motivisch-thematische Arbeit'' == Literatur == * [[Heinrich Lemacher]], [[Hermann Schroeder]]: ''Formenlehre der Musik''. Hans Gerig Verlag, Wien 1962, ISBN 3-87252-009-1 * Clemens Kühn: ''Formenlehre der Musik''. Bärenreiter, Kassel 1987, ISBN 3-7618-4460-3 * Erwin Ratz: ''Einführung in die musikalische Formenlehre; Über Formprinzipien in den Inventionen und Fugen J.&nbsp;S.&nbsp;Bachs und ihre Bedeutung für die Kompositionstechnik Beethovens''. Universal Edition, Wien 1973, ISBN 3-7024-0015-X * Günter Altmann: ''Musikalische Formenlehre''. Volk u. Wissen, Berlin 1960, 1970, K.&nbsp;G.&nbsp;Sauer, München 1989 (Lizenzausgabe), ISBN 3-598-10873-7 * Kurt von Fischer: ''Die Beziehungen von Form und Motiv in Beethovens Instrumentalwerken''. Georg Olms, Hildesheim 1972, ISBN 3-487-04294-0 * [[Ludwig Finscher]]: ''Joseph Haydn und seine Zeit''. Laaber, Regensburg 2000, ISBN 3-921518-94-6 * [[Hermann Erpf]]: ''Form und Struktur in der Musik''. Schott, Mainz 1967, ISBN 3-7957-2212-8 == Weblinks == * [http://www.tonalemusik.de/pdf/motiv.pdf Zu Motiv, Umkehrung, Imitation, usw.] (PDF-Datei; 159&nbsp;kB) * [http://www.tonalemusik.de/lexikon/melodik.htm#Motiv Das Motiv als Reflexionsbestimmung] * [http://www.mvkuenten.ch/Inhalte/Musiktheorie/Analsyse_Einleitung.html Seite zu Motiv, Periode, Vor- und Nachsatz, mit guten Notenbeispielen und Hörbeispielen] * [http://www.musipedia.org Suchmaschine für Musikmotive] {{Exzellent}} [[Kategorie:Musiktheorie]] [[da:Motiv (musik)]] [[en:Motif (music)]] [[eo:Motivo (muziko)]] [[es:Motivo (música)]] [[et:Motiiv (muusika)]] [[fr:Motif (musique)]] [[is:Leiðarminni]] [[ja:モチーフ (音楽)]] [[ko:동기 (음악)]] [[nl:Motief (muziek)]] [[no:Motiv (musikk)]] [[pl:Motyw (muzyka)]] [[pt:Motivo (música)]] [[ru:Мотив (музыка)]] [[sr:Мотив (музика)]] dmn1t9o9o0ny14rr0iljk64rlry47ci wikitext text/x-wiki Motorcortex 0 23959 26557 2010-03-23T09:42:46Z Uwe Gille 0 [[Datei:Gray756.png|thumb|280px|Funktionelle Organisation der Großhirnrinde, <small>Aufsicht auf die linke Hemisphäre von der Seite</small> {{Farblegende|#FFAABB|Primär-motorisches Areal}} {{Farblegende|#FFCCEE|Prä/Supplementär-motorische Areale}} {{Farblegende|#90BBDD|Primär-sensible Areale}} {{Farblegende|#AACCEE|Sensible Assoziationsareale}} {{Farblegende|#AACC99|Hörfelder}} {{Farblegende|#FFFFAA|Sehfelder}}]] Der '''Moto(r)cortex''' (v. [[Latein|lat.]] ''motor'' „Beweger“; v. lat. ''cortex'' „Rinde“), auch '''motorische''' bzw. '''somatomotorische Rinde,''' ist ein [[Histologie|histologisch]] abgrenzbarer Bereich der [[Großhirnrinde]] ([[Neocortex]]) und das [[Neurophysiologie|funktionelle]] System, von dem aus willkürliche Bewegungen gesteuert und aus einfachen Bewegungsmustern komplexe Abfolgen zusammengestellt werden. Er bildet die übergeordnete Steuereinheit des [[Pyramidales System|Pyramidalen Systems]] und liegt in den hinteren (''posterioren'') Zonen des [[Frontallappen]]s. Reflexhafte Bewegungen ([[Reflex|Muskeleigenreflexe und Fremdreflexe]]) entstehen hingegen auf niederem Niveau (im [[Rückenmark]] oder im [[Hirnstamm]]) und sind daher auch nicht willentlich beeinflussbar. Andere funktionelle Systeme wirken an Bewegungsleistungen mit: Für die Steuerung des [[Muskeltonus]] sind die [[Basalganglien]] wichtig. Zur räumlichen Bemessung, Abschätzung der nötigen Kraft und Schnelligkeit und Glättung der Bewegungen ist die Mitarbeit des [[Kleinhirn]]s notwendig. Diese sind wie die [[Nucleus olivaris|Olive]] und der ''[[Nucleus ruber]]'' Elemente des [[Extrapyramidalmotorisches System|extrapyramidalmotorischen Systems]]. Diese kategorische Einteilung (pyramidal-extrapyramidal) ist aber inzwischen verlassen worden, da sich die kortikalen und subkortikalen Systeme weitgehend überschneiden, und auch nicht-motorische Hirnareale, wie beispielsweise der hintere (posteriore) Parietalcortex, eine entscheidende Rolle für die Planung und Ausführung einfacher und komplexer motorischer Handlungen (z.&nbsp;B. zielgerichtetes Greifen von Objekten) besitzt. == Definition und anatomische Eingrenzung == Früher wurde die Gesamtheit des erregbaren Cortex als motorischer Cortex angesehen. Darunter verstand man die Summe der Großhirngebiete, bei deren äußerer elektrischer Stimulation sichtbare Bewegungen hervorgerufen werden können. Da dies bei ausreichend hohen Reizspannungen auch an praktisch allen assoziativen und einigen sensiblen Arealen möglich ist, tendiert man heute dazu, unter Motorcortex nur die vor der Zentralfurche (''[[Sulcus centralis]]'') gelegenen Areale, die einen typischen cytoarchitektonischen Aufbau besitzen, zu fassen. Dazu gehören der ''Gyrus praecentralis'' und die hinteren (posterioren) Anteile der ''Gyri frontalis superior'', ''frontalis medius'' und ''frontalis inferior'' sowie der vordere (anteriore) Abschnitt des ''Lobulus paracentralis''. == Histologie == [[Datei:Gray754.png|thumb|200px|Schichtaufbau der Hirnrinde</br>links: Golgi-Imprägnation (Zellen)</br>rechts: Weigertfärbung (Fasern)]] Histologisch gehört der Motorcortex zum [[Isocortex und Allocortex|Isocortex]]. Das bedeutet, dass er einen definierten sechsschichtigen Grundaufbau hat, den er mit allen [[Phylogenese|phylogenetisch]] jungen Arealen der Großhirnrinde teilt. Die innere Körnerzellschicht, die in sensorischen Arealen sehr ausgeprägt ist und auch in [[Präfrontaler Cortex|präfrontalen Regionen]] vorkommt, fehlt hier beziehungsweise ist nicht von der äußeren Pyramidenzellschicht abgrenzbar. Man spricht deshalb auch von ''agranulärem Cortex''. Aufgrund der nur hier vorkommenden Riesenneurone in der 5. Schicht ([[Betz-Zelle|Betz-Riesenzellen]]) wird die primär-motorische Rinde auch als ''Area gigantocellularis'' bezeichnet. Die frontal angrenzenden Felder sind ähnlich aufgebaut, besitzen allerdings keine Rieseneurone, sie werden deshalb auch als ''Area paragigantocellularis'' zusammengefasst. Die primärmotorische Rinde erreicht in einigen Gebieten (''Lobulus paracentralis'') mit 3 bis 5&nbsp;mm die größte Breite des Cortex überhaupt. Die Schichten heißen im einzelnen: * I. ''Lamina molecularis'' (Molekularschicht) * II. ''Lamina granularis externa'' (äußere Körnerzellschicht) * III. ''Lamina pyramidalis externa'' (äußere Pyramidenzellschicht) * (IV. ''Lamina granularis interna''; innere Körnerzellschicht)</br> :Diese Schicht ist im Motorcortex histologisch nicht sichtbar. Im Grunde ist es eine reine Definitionsfrage, ob man ihre Existenz dort ablehnt<ref name="Zilles">nach K. Zilles, G. Rehkämper: ''Funktionelle Neuroanatomie.'' Springer, Berlin 1993. ISBN 3-540-54690-1.</ref> oder sie als mit der III. Schicht verschmolzen ansieht<ref name="Benninghoff">nach D. Drenckhahn, W. Zenker (Hrsg.): ''Benninghoff. Anatomie.'' 15. Aufl. Urban & Schwarzenberg, München 1994. ISBN 3-541-00255-7.</ref>. * V. ''Lamina pyramidalis interna'' oder ''Lamina ganglionaris'' (innere Pyramidenzellschicht)</br> :Hier liegen die [[Pyramidenzelle]]n, die die Bewegungsanweisungen schließlich durch ihre Zellfortsätze ([[Axon]]e) an periphere [[Motoneuron]]e weiterleiten. Darunter sind in der primär-motorischen Rinde auch die sogenannten [[Betz-Zelle|Betz-Riesenzellen]], die zu den größten Zellen im menschlichen Organismus gehören. Sie sind allerdings deutlich in der Unterzahl. * VI. ''Lamina multiformis'' (vielformige Schicht) == Funktionelle und histologische Einteilung == Funktionell wird die '''primär-motorische Rinde''' (in angelsächsischer Literatur: '''M1''') von der '''supplementär-motorischen Rinde''' (''supplementary motor area'', '''SMA''') und der '''prämotorischen Rinde''' (''pre-motor area'', '''PMA''' oder auch nur '''PM''') unterschieden. Letztere dienen nach heutigem Verständnis dem Erstellen bestimmter Bewegungsabfolgen aus einem erlernten Fundus von Bewegungen und der Vorbereitung willkürlicher (sowohl bewusster als auch unbewusster) Bewegungen. Die in der primär-motorischen Rinde liegenden [[Motoneuron#Oberes Motoneuron (UMN)|Motoneurone]] sind der hauptsächliche gemeinsame Ausgang des Motorcortex, da vor allem ihre Axone das Rückenmark und die motorischen [[Hirnnervenkern]]e erreichen. Nach dortiger [[Synapse|Umschaltung]] auf das [[Motoneuron#Unteres Motoneuron (LMN)|periphere Motoneuron]] (Vorderhornzelle) gelangen die Befehle schließlich zur Willkür-[[Muskulatur]]. Nach dem histologischen Hirnatlas von [[Korbinian Brodmann]] (siehe [[Brodmann-Areal]]) entspricht das ''Areal 4'' der primär-motorischen Rinde; die supplementär-motorische Rinde und die prämotorische Rinde werden vom ''Areal 6'' gebildet. Moderne Unterteilungen, die sich mehr an der Funktion orientieren, unterscheiden insgesamt sieben bis neun Felder, wobei diese Unterteilungen nur auf Grund von Untersuchungen an nicht-humanen Primaten, wie z.&nbsp;B. Rhesus-Affen, erfolgt sind (z.&nbsp;B. nach G. Rizzolatti F1 [=M1] bis F7). === Primär-motorische Rinde (M1) === [[Datei:Homunculus-de.svg|thumb|280px|Motorischer (rechts) und sensorischer Homunculus]] Die primär-motorische [[Primäre Rinde|Rinde]] liegt zum überwiegenden Teil auf der Rindenwölbung vor der [[Sulcus centralis|Zentralfurche]] (''[[Gyrus praecentralis]]''). Bemerkenswert ist die sogenannte [[Somatotopie]], das heißt, dass benachbarte Regionen des Körpers auch in ihren Repräsentationen auf der primär-motorischen Rinde nebeneinander liegen. Der Körper ist somit verkleinert und kopfstehend als „[[Homunculus]]“ auf der Hirnrinde abgebildet. Allerdings sind die Proportionen des Homunculus verzerrt, da bestimmte Körperbereiche eine sehr fein abgestimmte [[Motorik]] besitzen, dies gilt beim Menschen vor allem für die [[Hand]] und die [[Phonation|Sprechmuskulatur]]. Andere Regionen können hingegen nur vergleichsweise grob bewegt werden ([[Rücken]]) oder haben einen höheren Anteil automatischer Regulation (Halte- und Stützmuskulatur). Die jeweiligen Rindenareale sind entsprechend größer oder kleiner. Die Somatotopie in M1 ist jedoch immer noch deutlich gröber ausgeprägt als die der primären sensorischen Hirnrinde (S1, Area 3b), welche eine punktgenaue Repräsentation der Körperoberfläche besitzt. Die absteigenden (''efferenten'') Bahnen, die die Hirnrinde verlassen, bilden zusammen den ''Tractus corticonuclearis'', der die motorischen Hirnnervenkerne versorgt, und den ''Tractus corticospinalis'', also die [[Pyramidenbahn]]. === Prämotorische Rinde (PMA/PM/PMC) === Dieses recht ausgedehnte Rindengebiet ([[Brodmann Area]]e 6 und 8, = Areae extrapyramidales) liegt vor der primär-motorischen Rinde und befindet sich etwas seitlicher (''lateral'') auf der Konvexität der Hirnoberfläche, während die supplementär-motorische Rinde zur Kopfmitte zu (''medial'') und überwiegend jenseits der Mantelkante, sozusagen auf den sich gegenüberliegenden Flächen der Hirnhemisphären lokalisiert ist. Die Aufgabe dieses Feldes ist es, Bewegungsentwürfe zu erstellen und mit dem [[Kleinhirn]] und den [[Basalganglien]] abzustimmen. Dabei fließen auch sensorische Informationen, die beispielsweise das notwendige Ausmaß einer Bewegung definieren, ein. Eine wichtige Unterteilung des Prämotorcortex ist die in den dorsalen Prämotorcortex (dPMC oder PMd) und in den etwas tiefer zur Sylvischen Fissur hin gelegenen ventralen Prämotorcortex (vPMC oder PMv). Beide Cortices sind insbesondere in die Transformation von visuellen Informationen (zum Beispiel Position und Form eines Gegenstandes) in motorische Programme involviert. Dabei kodieren Neurone des dPMC bevorzugt für die Position eines Objektes im Raum, wohingegen der vPMC die Hand- und Fingeröffnung zum Greifen eines Objektes steuert. Beide Areale besitzen intensive Verbindungen zum Parietalcortex, wobei dPMC eher vom Lobulus parietalis superior (SPL) und vPMC vom Lobulus parietalis inferior (IPL) und insbesondere vom Sulcus intraparietalis (IPS) Projektionen erhält. Die parietalen Areale sind dagegen stark mit den visuellen Rindenarealen verbunden. Auf Grund dieser anatomischen Begebenheiten hat Rizzolatti eine Theorie zur kortikalen Kontrolle von Greifbewegungen konzipiert, nämlich dass visuelle Information aus dem primären visuellen Cortex (V1) über höhere visuelle Areale (V2-V8) zum Parietalcortex gelangt, in welchem die Information auf Lokalisation und Form analysiert wird, welches an die entsprechenden prämotorischen Areale weitergeleitet wird, die letztendlich den primär-motorischen Cortex ansteuern. Die Prüfung dieses Konzepts ist Gegenstand der aktuellen Hirnforschung <ref name="Grefkes"> C. Grefkes, G.R. Fink: The functional organization of the intraparietal sulcus in humans and monkeys. ''J Anat. '' (2005) '''207(1):'''3-17 PMID 16011542.</ref>. Einige Nervenzellen im prämotorischen Areal sind sowohl bei der Planung und Ausführung als auch bei der passiven Beobachtung derselben Bewegung bei einem anderen Individuum aktiv (sogenannte [[Spiegelneuron]]e)<ref name="Rizolatti"> [[Giacomo Rizzolatti]] et al.: Premotor cortex and the recognition of motor actions. ''Brain Res Cogn Brain Res.'' (1996) '''3(2):'''131-41 PMID 8713554.</ref><ref name="Hari"> R. Hari et al.: Activation of human primary motor cortex during action observation: a neuromagnetic study. ''Proc Natl Acad Sci U S A.'' (1998) '''95(25):'''15061-5 PMID 9844015.</ref>. Man vermutet ihre Bedeutung in imitativen Lernprozessen (''siehe auch:'' [[Imitation]], [[Lernen am Modell]]). Neuere Hypothesen gehen aber eher davon aus, dass die Spiegelneurone (die auch in anderen Hirnarealen wie zum Beispiel dem Lobulus parietalis inferior zu finden sind) eher das „Verständnis“ einer Aktion kodieren: Bei Makaken feuern einige Spiegelneurone nur, wenn der Affe nach einem Apfel greift, nicht aber wenn die Bewegung ohne Apfel ausgeführt wird. Man vermutet, dass Störungen dieses „Verständnisnetzwerkes“ eine pathophysiologische Grundlage für [[Autismus]] sein könnte. Auch das für die [[Sprachproduktion]] wichtige [[Broca-Areal]] (motorisches Sprachzentrum, ''Areal 44'' und ''Areal 45'') und das sogenannte [[Frontales Augenfeld|frontale Augenfeld]] (''Areal 8'') gehören funktionell zum PMA, obwohl sie strukturell eher ein „[[Präfrontaler Cortex|präfrontales]]“ Muster besitzen (granulärer Cortex). Hier zeigt sich jedoch die ausgesprochene funktionelle Heterogenität des Prämotorcortex. === Supplementär-motorische Rinde (SMA) === [[Datei:Gray764.png|thumb|Die Pyramidenbahn besteht aus den Fortsätzen der zentralen Motoneurone]] Die supplementär-motorische Rinde spielt eine Rolle beim Erlernen von Handlungsabfolgen<ref name="Halsband"> U. Halsband, R. K. Lange: Motor learning in man: A review of functional and clinical studies. ''J Physiol Paris.'' (2006) '''99(4-6):'''414-24 PMID 16730432.</ref> und bei der Vorbereitung komplexer Bewegungsmuster<ref name="Cui"> R. Q. Cui, L. Deecke: High resolution DC-EEG analysis of the Bereitschaftspotential and post movement onset potentials accompanying uni- or bilateral voluntary finger movements. ''Brain Topogr.'' (1999) '''11(3):'''233-49 PMID 10217447.</ref>. Versuche an Affen zeigten, dass die vorübergehende Blockade der SMA zur Unfähigkeit führt, Bewegungen zu initiieren<ref name="Kermadi"> I. Kermadi et al.: Effects of reversible inactivation of the supplementary motor area (SMA) on unimanual grasp and bimanual pull and grasp performance in monkeys. ''Somatosens Mot Res.'' (1997) '''14(4):'''268-80 PMID 9443367.</ref>. Hinweis auf die vorbereitende und bewegungseinleitende Funktion der supplementär-motorischen Rinde ist auch eine gesteigerte [[Elektroenzephalografie|elektrophysiologische Aktivität]], die sich dort bereits mehr als eine Sekunde vor dem sichtbaren Einsetzen einer Bewegung nachweisen lässt: das sogenannte [[Bereitschaftspotential]]<ref name="Kornhuber"> [[Hans Helmut Kornhuber]], [[Lüder Deecke]]: Hirnpotentialänderungen bei Willkürbewegungen und passiven Bewegungen des Menschen: Bereitschaftspotential und reafferente Potentiale. ''Pfuegers Arch.'' (1965) '''281:'''1-17 </ref> (''Siehe auch:'' [[Libet-Experiment]]). Die SMA besitzt auch eine wichtige Funktion zur Kontrolle von bimanuellen, d.&nbsp;h. beidhändigen Bewegungen: Professor Tanji beschrieb in den 80er Jahren bei Makaken erstmals das Vorkommen von Neuronen, die sowohl bei einhändigen wie auch beidhändigen Handbewegungen feuerten. Die exklusive Rolle der SMA für bimanuelle Aktionen ist aber mittlerweile revidiert worden, da auch anderen Regionen -wie z.&nbsp;B. M1- bimanuelle Neurone besitzen. Funktionelle Bildgebungsstudien beim Menschen haben gezeigt, dass sich die Netzwerke, d.&nbsp;h. die beteiligten Regionen, nicht stark zwischen uni- und bimanuellen Bewegungen unterscheiden. Dahingegen haben Konnektivitätsuntersuchungen -also Untersuchungen, wie Areale miteinander interagieren- gezeigt, dass bei beidhändigen Bewegungen eine intensive Kopplung beider Hirnhemisphären auftritt und dass auch hier die SMA eine wichtige Integrationsrolle zu spielen scheint. Interessanterweise besitzt die linke SMA eine Dominanz über die rechte SMA, so dass einige Forscher hier ein biologisches Äquivalent für Händigkeit sehen. === Pyramidenbahn === Die [[Pyramidales_System#Pyramidenbahn|Pyramidenbahn]] (''Tractus corticospinalis'') ist die Zusammenfassung aller Nervenzellfortsätze, die aus der primär-motorischen Rinde stammen und Befehle an das Rückenmark oder [[Hirnnerv]]enkerne weiterleiten. Sie haben einen gemeinsamen und in sich wiederum somatotop gegliederten Verlauf. Rein funktionell betrachtet ist die Pyramidenbahn ein unmittelbarer Bestandteil der motorischen Rinde. Die absteigenden Axone stammen zu ca. 25&nbsp;% von kleineren [[Pyramidenzelle]]n der primär-motorischen Rinde, weitere 30 % entstammen den sekundär- und supplementärmotorischen Arealen und 40&nbsp;% haben ihr Soma sogar im somatosensorischen Cortex (Areae 1, 2, 3, 5 und 7 nach Brodmann). Nur etwa fünf Prozent gehen von den großen Betz-Riesenzellen des primären Motorcortex aus. Die somatosensorischen Fasern scheinen funktionell aber weniger bedeutsam zu sein, da sie keine monosynaptischen Verbindungen mit den motorischen Vorderhornzellen eingehen. Sie könnten jedoch eine wichtige Funktion für die Funktionserholung nach Hirnschädigungen, z.&nbsp;B. nach einem Schlaganfall, besitzen. <!--Quelle? Die Einteilung der Motorik in pyramidale und extrapyramidale Anteile wird besonders in der Grundlagenforschung als überholt angesehen. Als Gründe werden angebracht: * wichtige motorische Hirnstrukturen wie das Kleinhirn werden keinem der Systeme zugeordnet * bei der Initiierung einer Bewegung sind stets beide Anteile beteiligt, nie eines alleine * beide Systeme besitzen dieselbe sog. motorische Endstrecke (alpha-Motoneurone) Stattdessen wird eine alternative Einteilung in ein mediales und ein laterales motorisches System im Rückenmark bevorzugt. Klinisch hat sich die klassische Einteilung allerdings bewährt, sodass sie hier weiterhin benutzt wird. Quelle fehlt Ende--> == Neuronale Verbindungen == === Afferenzen === Die zuführenden Bahnen des Motorcortex stammen vorwiegend aus dem [[Thalamus]], insbesondere aus dessen [[ventral]]en Bezirken. Dort werden Informationen aus dem Kleinhirn und den Basalganglien sowie [[Sensibilität (Medizin)|sensible]] Reize aus dem [[Lemniskales System|lemniskalen System]] zusammengefasst. Die Bahnen aus den Basalganglien (vor allem aus dem ''[[Globus pallidus]]'') gelangen vorwiegend in die prä- und supplementär-motorische Rinde. Über Assoziationsfasern, also Verbindungen innerhalb der Hirnrinde einer Hemisphäre, erhalten die prämotorischen Gebiete umfangreiche sensible und sensorische Informationen aus dem [[Parietallappen]], die supplementär-motorischen Areale hingegen werden vor allem vom [[Präfrontaler Cortex|präfrontalen Cortex]] gespeist, der mit höheren kognitiven Leistungen (Bewusstsein, Absicht, Motivation) in Verbindung gebracht wird. Dies wird als Hinweis auf die Rolle der SMA als „Freigeber“ einer geplanten Bewegung interpretiert. Verbindungen aus dem ''[[Gyrus cinguli]]'', der dem [[Limbisches System|limbischen System]] zugerechnet wird, bestehen zu allen Teilen des Motorcortex. === Verbindungen innerhalb des Motorcortex === Innerhalb der motorischen Rinde verlaufen die Bahnen überwiegend von den prä- und supplementär-motorischen Feldern zur primär-motorischen Rinde. Die vorderen Anteile der PMA und SMA scheinen die Funktion der hinteren zu kontrollieren und gegebenenfalls zu hemmen, entsenden aber keine direkten Fasern in die M1. === Efferenzen === Die Riesenpyramidenzellen der primär-motorischen Rinde entsenden ihre Axone praktisch ausschließlich in die Pyramidenbahn, wo sie etwa 5&nbsp;% der Fasern ausmachen. Zudem strahlen dort die Axone der kleinen präcentralen Pyramidenzellen (25–45&nbsp;%) und Fasern aus der prämotorischen und supplementär-motorischen Rinde (5–10&nbsp;%) sowie aus dem somatosensiblen Cortex (20–50&nbsp;%) ein<ref name="Wiesendanger"> M. Wiesendanger: Organization of secondary motor areas of the cerebral cortex. in J. M. Brookhart, V. B. Mountcastle: ''Handbook of Physiology.'' American Physiol. Society, Bethesda/Ma. (1981) </ref><ref name="Toyoshima"> K. Toyoshima, H. Sakai: Exact cortical extent of the origin of the corticospinal tract (CST) and the quantitative contribution to the CST in different cytoarchitectonic areas. A study with horseradish peroxidase in the monkey. ''J Hirnforsch.'' (1982) '''23(3):'''257-69 </ref>. Kollateralen, das heißt Abzweigungen der Axone, der Motoneurone erreichen den ''[[Nucleus ruber]]'' und die [[Formatio reticularis|Reticularis-Kerne]] des [[Medulla oblongata|verlängerten Rückenmarks]]. Ein großer Teil der Bahnen endet zudem an den [[Nucleus (ZNS)|Kerngebieten]] der ''[[Pons]]'' und am ''[[Nucleus olivaris]]'', von wo sie in das Kleinhirn weitergeleitet werden, oder verlässt bereits in der ''[[Capsula interna]]'' die Pyramidenbahn, um den [[Thalamus]] und das ''[[Corpus striatum]]'' anzusteuern. Der Anteil der Nervenzellfortsätze, die die Pyramidenbahn bis in das Rückenmark begleiten, liegt bei 15&nbsp;%. Insgesamt verlassen die Axone von geschätzten zwei bis drei Millionen motorischen Neuronen die Großhirnrinde. Bei einer Gesamtzahl von rund zehn Milliarden Nervenzellen ist diese Zahl überraschend gering. Die prä- und supplementär-motorischen Felder entsenden ungeachtet ihrer Verbindungen zum primär-motorischen Cortex auch Efferenzen zur ''[[Formatio reticularis]]'' des Hirnstammes. Von dort wird vorwiegend die tonisch aktive Rumpfmuskulatur gesteuert. == Pathologie == === Folgen einer Läsion des Motorcortex === Eine Schädigung des ersten Motoneurons in der primär-motorischen Rinde führt unabhängig von der Schädigungsursache zu charakteristischen Bewegungsstörungen in den Muskelgruppen, die von dem betroffenen Rindenbezirk kontrolliert werden. Da die meisten absteigenden Bahnen (siehe [[Pyramidales System#Pyramidenbahn|Pyramidenbahn]]) im Hirnstamm auf die Gegenseite kreuzen (sogenannte Pyramidenkreuzung, ''Decussatio pyramidum''), tritt die Lähmung normalerweise vor allem an der gegenüberliegenden Körperseite in Erscheinung ([[Hemiparese]]). Praktisch immer ist die Kontrolle der rumpffernen (''distalen'') Muskulatur ausgeprägter eingeschränkt als die der rumpfnahen (''proximalen'') Muskulatur. [[John Hughlings Jackson]] teilte die Bewegungsstörungen in Plus- und Minussymptome ein. Plussymptome sind: * vermehrter muskulärer Widerstand bei passiver Bewegung ([[Spastik|spastische Tonuserhöhung]]) * gesteigerte Muskel[[eigenreflex]]e * die Auslösbarkeit von pathologischen Reflexen wie dem [[Babinski-Zeichen]] * Auftreten von Massenbewegungen sowie Mitbewegungen der Gegenseite Zu dem Minussymptomen gehören: * Minderung der entwickelten Muskelkraft ([[Parese]]) * Beeinträchtigung selektiver Bewegungen und Verlust von Präzisionsbewegungen * Beeinträchtigung der Fähigkeit zu schnell alternierenden Bewegungen ([[Dysdiadochokinese]]) * Beeinträchtigung der Fähigkeit, die Kraft rasch zu entwickeln und längere Zeit konstant zu halten (''motor impersistence''). Schädigungen der vorgelagerten Rindenareale kommen selten isoliert vor und führen zu komplexen Bewegungsstörungen. Ähnliche Störungen können auch bei Läsionen der parietalen Assoziationsrinde und – zumindest teilweise – bei krankhaften Prozessen der Basalganglien und des Kleinhirns auftreten: * allgemeine koordinative Ungeschicklichkeit ([[Ataxie]]), die aber auch bei Kleinhirnschädigung oder sensiblem Defizit auftreten kann * gestörtes Bewegungsgedächtnis * Unfähigkeit, Bewegungspläne korrekt umzusetzen ([[ideokinetische Apraxie]]) * Unfähigkeit, Bewegungspläne zu erstellen und dabei einzelne Handlungen sinnvoll und in der richtigen Reihenfolge zu kombinieren ([[ideatorische Apraxie]]) * gestörte Einleitung einer Bewegung (Starthemmung), die auch beim [[Morbus Parkinson]] auftritt === Wichtige Krankheitsbilder === Die häufigste Ursache einer akuten Hirnschädigung mit motorischer Beeinträchtigung ist der [[Ischämischer Schlaganfall|Hirninfarkt]] durch Gefäßverschluss im Gebiet der mittleren Hirnarterie (''[[Arteria cerebri media]]''). Wenn die bei den meisten Menschen dominante linke Hemisphäre betroffen ist, kommt es oftmals zusätzlich zu Sprachstörungen (siehe [[Aphasie]]). Gleichzeitig vorliegende apraktische und ataktische Symptome werden nicht selten durch die Lähmung maskiert. Auch beim viel selteneren Verschluss der vorderen Hirnarterie (''[[Arteria cerebri anterior]]'') ist ein Teil des Motorcortex einbezogen, typischerweise (entsprechend dem Homunculus) der für die Kontrolle der unteren Extremität. Andere Ursachen für Schädigungen der motorischen Rinde sind [[Hirnblutung]]en, [[Enzephalitis|Entzündungen]], [[Hirntumor]]en und [[Schädel-Hirn-Trauma|Verletzungen]]. Eine seltene Krankheit, die mit der [[Degeneration]] der corticalen Motoneurone einhergeht, ist die [[spastische Spinalparalyse]]. Auch bei [[Hypoxämie|Sauerstoffmangel]] während der [[Geburt]] kann eine Schädigung der empfindlichen Nervenzellen des Motorcortex auftreten, das daraus resultierende Krankheitsbild heißt [[infantile Zerebralparese]]. Eine [[neurodegenerative Erkrankung]] des älteren Menschen, die neben den Vorderhornzellen auch zentrale Motoneurone erfasst, ist die [[Amyotrophe Lateralsklerose]]. [[Epilepsie]]n sind kurz andauernde, anfallsartige Funktionsstörungen zahlreicher Nervenzellen. Beim [[Epilepsie#Generalisierte Epilepsien und Syndrome|generalisierten tonisch-klonischen Anfall]] (''grand mal'') wird die motorische Rinde beider Seiten massiv erregt. Folge ist – neben anderen Erscheinungen – das charakteristische „krampfhafte“ Zucken, das den gesamten Körper erfasst. Hingegen breiten sich bei einer anderen Form der Epilepsie, den [[Epilepsie#Stirnlappenepilepsie|fokalen Jackson-Anfällen]], die Krampfpotentiale langsam über die primär-motorische Rinde nur einer Seite aus und führen somit – entsprechend der Somatotopie – zu einem „Wandern“ der Zuckungen (''march of convulsion'') über die Muskelgruppen einer Gliedmaße. Das Bewusstsein ist dabei erhalten. Nach Abklingen der Krampfpotentiale ist die motorische Funktion fast immer ungestört. Eine Ausnahme hiervon ist die [[Toddsche Lähmung]], die einen Schlaganfall imitieren kann. == Evolutionäre Aspekte == Im Laufe der [[Evolution]] ist eine Tendenz zur Ausbildung einer immer höheren Komplexität der Gehirnstrukturen und zur zunehmenden Verlagerung von Steuerungsprozessen in die Hirnrinde (''corticalisation'') festzustellen. Der Motorcortex ist eine relativ junge Entwicklung und kommt nur bei [[Säugetier]]en vor. Die Ausführung von Bewegungen wird bei [[Fische]]n, [[Amphibien]], [[Reptilien]] und auch [[Vögel]]n von einem als ''Archistriatum'' bezeichneten Kerngebiet im Gehirn gesteuert, bei Säugern entspricht dem das ''[[Corpus striatum]]'', das auch hier an Bewegungsabläufen beteiligt ist. Besonders [[Primaten]] haben ein ausgeprägtes motorisches Rindengebiet. Zudem besitzen sie&nbsp;– anders auch als alle anderen Säuger&nbsp;– viele monosynaptische, also direkte Verbindungen des Motorcortex zu den Motoneuronen im Hirnstamm und Rückenmark. Daraus lässt sich ableiten, dass die bewusste, geplante und fein abgestufte Bewegung einzelner Muskeln nur ihnen möglich ist, während bei den meisten Tieren Bewegungsprogramme wahrscheinlich „automatischer“ und ohne große willkürliche Eingriffsmöglichkeiten ablaufen. [[Huftiere]] besitzen im Vergleich dazu eine schwach entwickelte Pyramidenbahn, die bereits in der Halsschwellung des [[Rückenmark#Äußere Erscheinung|Rückenmarks]] (''Intumescencia cervicalis'') endet und vor allem für die Mimik eine Rolle spielt. Bei [[Hunde]]n erreichen zwar noch etwa 30&nbsp;% der pyramidalen Fasern die Lendenschwellung des Rückenmarks (''Intumescencia lumbalis''), allerdings enden die Fasern immer an Interneuronen, nie direkt an der Vorderhornzelle. Eine komplette Schädigung des Motorcortex einer Seite führt daher bei fast allen Nicht-Primaten nie zu [[Plegie]]n, sondern zu kontralateralen Störungen der Haltungs- und Stellreaktionen. Beim [[Mensch]]en hat sich in seiner [[Hominisation|evolutionären Entwicklung]] insbesondere die Steuerung der Hand und der Sprechmuskulatur immer weiter verfeinert. Er besitzt zudem ein im Tierreich einmalig hohes Potential, lebenslang neue Bewegungsabläufe zu erlernen. == Geschichte == [[Datei:Jackson05.gif|thumb|John Hughlings Jackson]] Im Prinzip war schon seit 1870 bekannt, dass die Reizung bestimmter Rindenfelder zu definierten motorischen Reaktionen führt: [[Gustav Theodor Fritsch]] und [[Eduard Hitzig]] hatten damals aufschlussreiche Experimente am Hund durchgeführt<ref name="Fritsch"> [[Gustav Theodor Fritsch]], [[Eduard Hitzig]]: Über die elektrische Erregbarkeit des Grosshirns in: ''Archiv für Anatomie, Physiologie und wissenschaftliche Medicin:'' 300–332 (1870) </ref>, deren Ergebnisse von [[David Ferrier]] durch Versuche am Affen bestätigt und konkretisiert werden konnten<ref name="Ferrier"> [[David Ferrier]]: ''The functions of the brain.'' London (1876) </ref>. [[John Hughlings Jackson]] hingegen leitete allein aus der genauen Beobachtung [[Epilepsie#Lokalisationsbezogene_Epilepsien_und_Syndrome|fokaler Anfälle]] (vor allem der oben geschilderten und nach ihm benannten Jackson-Anfälle) im Wesentlichen zutreffende Theorien über die Organisation der motorischen Systeme ab. Die Entdeckung der Bedeutung und der somatotopen Gliederung der primär-motorischen Rinde beim Menschen geht auf den kanadischen [[Neurochirurg]]en [[Wilder Penfield]] zurück. Durch schwache elektrische Reizung der Hirnrinde von wachen Patienten bei offener Schädelkalotte (das Gehirn selbst ist nicht schmerzempfindlich) konnte er die Lage einiger Funktionen klären. 1949 entdeckte er so, dass sich durch Stimulation des ''Gyrus praecentralis'' Zuckungen in konkreten Muskelgruppen auslösen lassen<ref name="Penfield"> [[Wilder Penfield]], [[Theodore Rasmussen]]: ''The Cerebral Cortex of Man. A Clinical Study of Localization of Function.'' New York, The Macmillan Comp. (1950) </ref>. == Bedeutung == Die außerordentliche Bedeutung der motorischen Areale&nbsp;– auch hinsichtlich [[Philosophie des Geistes|philosophischer]] Erwägungen – liegt darin, dass sie gewissermaßen die Schnittstelle zwischen [[Bewusstsein]] und [[Materie]] darstellen. Nur über diese Verbindung ist der Mensch in der Lage, absichtsvoll und gerichtet seine Umwelt zu beeinflussen, sich fortzubewegen und [[Kommunikation|Kontakt]] zu anderen Individuen aufzunehmen. Eindrucksvoll offenbart sich die Wichtigkeit des Motorcortex dann, wenn bei vollständigem Verlust seiner Funktion&nbsp;– in der Regel durch Läsion der absteigenden (''efferenten'') Bahnen&nbsp;– jede willkürliche Kontrolle über den Körper verloren geht. Patienten mit dem so genannten [[Locked-in-Syndrom]] sind bei vollem Bewusstsein und nehmen ihre Umwelt wahr, können aber nicht mehr reagieren und sind somit praktisch völlig in sich selbst eingeschlossen (''locked in''). Lediglich über [[Lotrichtung|vertikale]] Augenbewegungen ist noch eine Verständigung möglich. == Ausblick == Derzeit gibt es vielversprechende Versuche, gelähmten Menschen mit intaktem Motorcortex (z.&nbsp;B. infolge einer [[Querschnittsyndrom|Querschnittsverletzung]]) über sogenannte ''[[Brain-Computer-Interface]]s'' einen (allerdings sehr begrenzten) Aktionsrahmen zurückzugeben. Die neuromotorischen Prothesen werden direkt auf die Hirnoberfläche im Gebiet der primär-motorischen Rinde gesetzt. Sie bestehen aus einem Feld von kleinen Elektroden, die die Potentiale abgreifen, die bei einer Bewegung entstehen (''movement-related potential''). Auch wenn die physiologische Fortleitung unterbrochen ist, können so eventuell in Zukunft in einem begrenzten Umfang [[Tetraplegie|tetraplegisch]] Gelähmten Handlungsoptionen gegeben werden, wie hier beispielsweise die Steuerung eines Cursors am Computerbildschirm oder die Kontrolle eines Roboterarms<ref>L. R. Hochberg et al.: Neuronal ensemble control of prosthetic devices by a human with tetraplegia. ''Nature'' (2006) '''442:'''164-171 [http://www.nature.com/nature/journal/v442/n7099/abs/nature04970.html Abstract (engl.)]</ref>. == Quellen == <references /> == Literatur == * [[Otto Detlev Creutzfeldt]]: ''Cortex cerebri.'' Springer, Berlin 1983. ISBN 3-540-12193-5. * Walle Nauta, Michael Feirtag: ''Neuroanatomie. Eine Einführung.'' Spektrum, Heidelberg 1991. ISBN 3-89330-707-9. * [[Karl Zilles]], G. Rehkämper: ''Funktionelle Neuroanatomie.'' Springer, Berlin 1993. ISBN 3-540-54690-1. * [[Detlev Drenckhahn]], W. Zenker: ''Benninghoff. Anatomie.'' Urban & Schwarzenberg, München 1994 ISBN 3-541-00255-7. * Alexa Riehle, Eilon Vaadia: ''Motor Cortex in Voluntary Movements (Methods and New Frontiers in Neuroscience).'' CRC Press Inc. 2004. ISBN 0-8493-1287-6. {{Exzellent|23. Juli 2006|19297942}} {{Navigationsleiste Funktionelle Felder der Großhirnrinde}} [[Kategorie:Telencephalon]] [[Kategorie:Motorik]] [[Kategorie:Neurophysiologie]] [[el:Κινητικός φλοιός]] [[en:Motor cortex]] [[fr:Cortex moteur]] [[nl:Motorische cortex]] [[ru:Проекционные зоны коры головного мозга]] gfh4abf7e77gbn0b8y76z4ybhz8tcsg wikitext text/x-wiki Gustave Moynier 0 23960 26558 2010-05-11T19:14:36Z UW 0 [[Bild:Geneva Bastions Monument Gustave Moynier 1.jpg|thumb|right|Gedenkbüste für Gustave Moynier im Genfer ''Parc des Bastions'']] '''Louis Gabriel Gustave Moynier''' (* [[21. September]] [[1826]] in [[Genf]]; † [[21. August]] [[1910]] ebenda) war ein [[Schweiz]]er [[Jurist]] und insbesondere in verschiedenen karitativen Organisationen und Vereinen seiner Heimatstadt Genf aktiv. Er war Mitbegründer des 1863 entstandenen ''Internationalen Komitees der Hilfsgesellschaften für die Verwundetenpflege'', das seit 1876 den Namen [[Internationales Komitee vom Roten Kreuz]] (IKRK) trägt. Ein Jahr nach der Gründung des Komitees übernahm er von [[Guillaume-Henri Dufour]] das Amt des Präsidenten und hatte es bis zu seinem Tod inne. Durch seine langjährige Tätigkeit als Präsident erwarb er sich große Verdienste um die Entwicklung des IKRK in den ersten Jahrzehnten nach der Gründung. Innerhalb des Komitees galt er allerdings als Widersacher [[Henry Dunant]]s, der mit seinem 1862 erschienenen Buch „Eine Erinnerung an Solferino“ den Anstoß zur Gründung der Rotkreuz-Bewegung gegeben hatte. Darüber hinaus hatte Gustave Moynier entscheidenden Anteil an der Gründung des [[Institut de Droit international]] im September 1873, einer wissenschaftlichen Vereinigung zur Weiterentwicklung des [[Völkerrecht|internationalen Rechts]]. Er war somit an der Entstehung von zwei mit dem [[Friedensnobelpreis]] ausgezeichneten Institutionen maßgeblich beteiligt, ohne jedoch trotz mehrfacher Nominierung selbst den Preis erhalten zu haben. Zu den zahlreichen Würdigungen seines Wirkens zählten neben verschiedenen rotkreuzspezifischen Ehrungen auch hochrangige staatliche Orden der damaligen Zeit, Mitgliedschaften in [[Gelehrtengesellschaft]]en und vergleichbaren Organisationen sowie [[Ehrendoktor]]titel verschiedener Universitäten in den Bereichen Rechtswissenschaften, Soziologie und Medizin. == Leben == === Studium und soziales Engagement === [[Bild:Gustave Moynier young-HaMF2.png|right|thumb|Gustave Moynier in jungen Jahren, genaue Datierung unbekannt]] Gustave Moynier wurde 1826 in [[Genf]] geboren und stammte aus einer wohlhabenden und angesehenen Familie von Händlern und Uhrmachern, die aus religiösen Gründen im 18. Jahrhundert aus dem französischen [[Languedoc]] nach Genf ausgewandert war und dort in einem bürgerlich geprägtem Teil der Stadt lebte. Sein Vater Jacques André Moynier (1801–1885) heiratete im November 1824 Laure Deonna und war zwölf Jahre lang in der Genfer Lokalpolitik aktiv, unter anderem von 1843 bis 1846 als Mitglied des [[Kantonsregierung|Conseil d'Etat]], des Staatsrates des [[Kanton Genf|Kantons Genf]]. Gustave Moynier war das einzige Kind aus der Ehe seiner Eltern. Er besuchte 1834 zunächst eine Genfer Privatschule und anschließend von 1835 bis 1842 das [[Collège Calvin]] sowie bis 1846 eine Akademie zur Vorbereitung auf ein Studium. Aufgrund der Unruhen in Genf, die sich im Oktober 1846 aus der Ablehnung der Auflösung des [[Sonderbund (Geschichte)|Sonderbundes]] durch den Staatsrat sowie den Genfer Großen Rat ergaben, ging die Familie Moynier im gleichen Jahr nach [[Paris]] ins Exil. Hier studierte er von 1846 bis 1850 [[Rechtswissenschaft]]en und schloss das Studium im März 1850 mit dem Doktortitel ab, im Juli des gleichen Jahres erhielt er seine Anwaltszulassung. In Paris lernte er darüber hinaus auch seine spätere Frau Jeanne-Françoise (1828–1912) kennen, eine Tochter des Bankiers Barthélemy Paccard. Sie heirateten am 14. Juni 1851 und hatten im Laufe der gemeinsamen Ehe zwei Töchter und drei Söhne. Drei der Kinder starben allerdings bereits früh. Die Heirat mit seiner Frau brachte ihm aufgrund ihrer Herkunft, noch über seine eigenen familiären Verhältnisse hinaus, Wohlstand, soziale Sicherheit und gesellschaftliche Anerkennung. Sie befreite ihn insbesondere von der Notwendigkeit einer geregelten Tätigkeit zum Lebensunterhalt. Aufgrund seiner [[Calvinismus|calvinistischen]] Überzeugungen begann er deshalb bald nach seiner Rückkehr nach Genf im Jahr 1851, sich mit sozialen Problemen und Fragen des Gemeinwohls zu beschäftigen. Ein zweiter Grund war wahrscheinlich, dass er sich selbst wegen seines introvertierten und scheuen Charakters als nicht geeignet für den Beruf des Anwalts sah. 1856 übernahm er den Vorsitz der Genfer Gemeinnützigen Gesellschaft. Er war darüber hinaus in etwa 40 weiteren karitativen Organisationen und Gruppen tätig, deren Spektrum von Verbesserungen der Situation von Gefängnisinsassen bis hin zur Versorgung von Waisenkindern reichte, und nahm an mehreren internationalen Wohltätigkeitskongressen teil. Im Zuge der Unruhen in den Jahren 1856 bis 1857 aufgrund des royalistischen Putsches in [[Kanton Neuenburg|Neuchâtel]] leistete Moynier Im Januar und Februar 1857 fünf Wochen Dienst in der [[Schweizer Armee]] als Soldat des Genfer Regimentes. 1862 bekam er von [[Henry Dunant]] ein Exemplar von dessen Buch „Eine Erinnerung an Solferino“ zugesandt. Er zeigte großes Interesse an der Realisierung von Dunants Ideen zur Gründung von freiwilligen Hilfsorganisationen für die Versorgung von Kriegsverletzten und brachte das Buch am 9. Februar 1863 in der Mitgliederversammlung der Genfer Gemeinnützigen Gesellschaft zur Diskussion. In der darauf folgenden Debatte überzeugte er die Mitglieder der Gesellschaft nach deren anfänglichen Bedenken von Dunants Vorschlägen. In der Folge entstand zunächst als ''Komitee der Fünf'' eine Kommission der Gesellschaft zur Untersuchung der Realisierbarkeit von Dunants Ideen. Mitglieder dieser Kommission waren außer ihm und Dunant die Ärzte [[Louis Appia]] und [[Théodore Maunoir]] sowie der Armeegeneral [[Guillaume-Henri Dufour]]. Bereits acht Tage später benannten die Mitglieder die Kommission in ''Internationales Komitee der Hilfsgesellschaften für die Verwundetenpflege'' um, und 1876 erhielt das Komitee seinen noch heute gültigen Namen ''Internationales Komitee vom Roten Kreuz''. Zum Präsidenten des Gremiums wurde nach der Gründung 1863 Dufour gewählt, Moynier wurde zunächst Vizepräsident. An der Ausarbeitung der ersten [[Genfer Konventionen|Genfer Konvention]], die ein Jahr später im August 1864 verabschiedet wurde, war er wesentlich beteiligt. === Der Konflikt mit Henry Dunant === [[Bild:Committee of Five Geneva 1863.jpg|thumb|right|Zeitgenössische Darstellung der fünf Gründungsmitglieder des Internationalen Komitees (Moynier oben links)]] Schon frühzeitig zeigten sich Differenzen zwischen Moynier und Dunant zur Frage, wie weit die Befugnisse der zu gründenden Hilfsorganisationen reichen sollten und wie die Gründung juristisch und organisatorisch zu erfolgen habe. Ausgangspunkt dieser Auseinandersetzung war die Idee Dunants, im Falle eines bewaffneten Konflikts die Hilfskräfte und Verwundeten zwischen den kriegsführenden Parteien unter den Schutz der [[Neutralität (Internationale Politik)|Neutralität]] zu stellen. Moynier war ein entschiedener Gegner dieser Idee, da er sie für kaum realisierbar hielt und bei einem Beharren ein Scheitern des gesamten Projekts befürchtete. Dunant warb jedoch bei politisch und militärisch einflussreichen Persönlichkeiten in ganz Europa eigenmächtig für seine Vorstellungen und hatte, als es 1864 zur Verabschiedung der ersten Genfer Konvention kam, damit auch Erfolg. Im gleichen Jahr wurde Moynier [[Liste der Präsidenten des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz|Präsident des Internationalen Komitees]] und setzte sich in dieser Funktion vor allem für die Verbreitung und Akzeptanz der Genfer Konvention ein. Nach seinem Amtsantritt kam es aber auch zu einer Zunahme der Spannungen zwischen dem Pragmatiker Moynier und dem Idealisten Dunant. Diese führten nach dem Bankrott Dunants im Jahr 1867 zu dessen hauptsächlich durch Moynier betriebenen Ausschluss aus dem Internationalen Komitee. Dunant verließ Genf und lebte in den folgenden Jahren unter ärmlichen Verhältnissen in verschiedenen europäischen Ländern. Es gilt als wahrscheinlich, dass Moynier durch seinen Einfluss mehrfach verhinderte, dass Dunant finanzielle Hilfe durch Unterstützer aus verschiedenen Ländern gewährt wurde. Aufgrund der Bestrebungen von Moynier wurde beispielsweise die Goldmedaille der ''Sciences Morales'' der Pariser Weltausstellung im Jahr 1867 nicht an Dunant, sondern zu gleichen Teilen an Moynier, Dufour und Dunant verliehen. Das Preisgeld kam somit nicht Dunant zugute, sondern wurde an das Internationale Komitee überwiesen. Ein Angebot des französischen Kaisers [[Napoléon III.]], die Hälfte von Dunants Schulden zu begleichen, wenn dessen Freunde die andere Hälfte übernehmen würden, wurde aufgrund von Moyniers Betreiben nie realisiert. === IKRK-Präsidentschaft === [[Bild:Geneva Convention 1864 from Flickr 160753851 743dd85bb4 o.jpg|thumb|right|Die Unterschrift von Gustave Moynier auf der Genfer Konvention von 1864 (zweite von oben)]] Bereits kurz nach seinem Amtsantritt begann er, neben der Hilfe für Kriegsverwundete als originärer Aufgabe des IKRK auch Möglichkeiten zur Verhinderung von bewaffneten Konflikten zu untersuchen. Ebenso beschäftigte er sich mit der Frage der Zusammenarbeit zwischen dem IKRK und den in den folgenden Jahrzehnten entstehenden [[Nationale Rotkreuz-Gesellschaft|nationalen Rotkreuz-Gesellschaften]]. Seine ursprüngliche Idee, dass jede Gesellschaft ein Mitglied des Komitees entsenden sollte, verwarf er allerdings später insbesondere aufgrund von Befürchtungen, dass dies im Fall von Konflikten zu Spannungen und Beeinträchtigungen der Tätigkeit des Komitees führen könnte. Bereits 1870 war er der Meinung, dass die nationalen Gesellschaften ein Bündnis bilden würden, das vor allem auf der Zusicherung gegenseitiger Unterstützung beruhen sollte. In gewisser Weise sah er damit die Gründung der [[Internationale Rotkreuz- und Rothalbmond-Bewegung|Liga der Rotkreuz-Gesellschaften]] voraus, die allerdings erst neun Jahre nach seinem Tod erfolgte. Um seine Vorstellungen zu veröffentlichen und zu verbreiten, nutzte er seinen Einfluss als Herausgeber des 1869 erstmals erschienenen ''Bulletin international des Sociétés de secours'', des offiziellen Organs des IKRK. 1873 veröffentlichte er in der Juli-Ausgabe des ''Bulletins'' einen Rückblick auf die ersten zehn Jahre der Rotkreuz-Bewegung. Henry Dunant wurde in diesem Artikel nicht erwähnt. Es ist historisch nicht eindeutig nachvollziehbar, ob Moynier Angst hatte vor negativen Folgen für das Internationale Komitee aufgrund von Dunants aus seiner Sicht zweifelhaftem Ruf, oder ob er bewusst sich selbst als den alleinigen Gründer des Roten Kreuzes darstellen wollte. Im Jahr 1874 formulierte er erstmals vier Grundsätze für die Tätigkeit des IKRK und der nationalen Gesellschaften, nämlich die Existenz einer einzigen Rotkreuz-Gesellschaft in jedem Land (Zentralisierung), die Vorbereitung der Gesellschaften auf den Einsatz im Kriegsfall (Bereitschaft), die unterschiedslose Behandlung der Opfer (Neutralität) und die Zusammenarbeit zwischen den Gesellschaften (Solidarität). In späteren Veröffentlichungen postulierte er Universalität, Nächstenliebe, Brüderlichkeit, Gleichheit und Nichtdiskriminierung als die Prinzipien, denen jede nationale Gesellschaft verpflichtet sei und deren Einhaltung er als Voraussetzung für eine Anerkennung durch das Internationale Komitee betrachtete. Insbesondere dem Zusammenhalt zwischen den nationalen Gesellschaften maß er bis zu seinem Tod besondere Bedeutung für die Verbreitung und Weiterentwicklung der Rotkreuz-Bewegung bei. 1882 veröffentlichte er unter dem Titel «La Croix-Rouge, son passé et son avenir» - «Das Rote Kreuz, seine Vergangenheit und seine Zukunft» - ein Buch zur Entstehungsgeschichte des Roten Kreuzes. Zu den Feierlichkeiten zum 25jährigen Bestehen der Rotkreuz-Bewegung schlug er am 18. September 1888 das noch heute gültige Motto ''Inter arma caritas'' - «Inmitten der Waffen Nächstenliebe» - als gemeinsame Losung aller Rotkreuz-Vereine vor. Im März 1889 verschickte er an alle nationalen Gesellschaften eine Publikation mit dem Titel «But et Organisation générale de la Croix Rouge», in der er wichtige allgemeine Prinzipien und Regeln für deren Tätigkeit zusammenfasste. Diese Broschüre wurde in den nächsten Jahrzehnten mehrfach erweitert und neu aufgelegt, ab 1930 erschien sie als «Handbuch des Internationalen Roten Kreuzes» (heute «Handbuch der Internationalen Rotkreuz- und Rothalbmond-Bewegung»). Im Oktober 1898 bat er das Internationale Komitee aufgrund gesundheitlicher Probleme, ihn von der Position des Präsidenten zu entbinden. Die anderen Mitglieder überzeugten ihn jedoch davon, sein Rücktrittsgesuch zurückzunehmen und stattdessen einige seiner bisherigen Aufgaben abzugeben, so beispielsweise die Position des Herausgebers des ''Bulletins''. Auch weitere Versuche in den Jahren 1904 und 1907, sich vom Amt zurückzuziehen, führten lediglich zur Befreiung von weiteren Verpflichtungen, so dass er weiterhin zumindest offiziell als Präsident fungierte. Er unterstützte die Initiative des russischen Zaren [[Nikolaus II. (Russland)|Nikolaus II.]] zur Einberufung der ersten [[Haager Friedenskonferenzen|Internationalen Friedenskonferenz]] in [[Den Haag]] im Jahr 1899, konnte jedoch aufgrund seiner Gesundheitsprobleme nicht selbst an dieser Konferenz teilnehmen. Das IKRK war deshalb nur durch [[Édouard Odier]] als Mitglied der Schweizer Delegation vertreten. Moynier begrüßte die im Rahmen dieser Konferenz erfolgte Annahme eines Abkommens zur Anwendung der Regeln der Genfer Konvention von 1864 auf den Seekrieg. Eine Überarbeitung der Konvention selbst sah er jedoch als Aufgabe des IKRK im Rahmen einer Konferenz in Genf an und widersetzte sich deshalb entsprechenden Bestrebungen im Vorfeld der Konferenz in Den Haag. Er hatte zwischen 1864 und 1885 mehrere Vorschläge zur Erweiterung der Konvention veröffentlicht und damit großen Anteil an der neuen Fassung, die im Juli 1906 beschlossen wurde. Eine der wichtigsten Neuerungen war dabei die explizite Anerkennung freiwilliger Hilfsgesellschaften zur Versorgung der Kriegsverletzten. === Das Institut de Droit international === [[Bild:Gustave Moynier.jpg|right|thumb|Gustave Moynier in späteren Jahren, genaue Datierung unbekannt]] Auf einer Zusammenkunft des Internationalen Komitees am 3. Januar 1872 unterbreitete Moynier, unter dem Eindruck massiver Verstöße gegen die Genfer Konvention während des [[Deutsch-Französischer Krieg|Preußisch-Französischen Krieges von 1870/71]], erstmals einen förmlichen Vorschlag zur Einrichtung eines Internationalen [[Schiedsgericht]]s zur Ahndung von Verstößen gegen das [[Humanitäres Völkerrecht|Kriegs- und Völkerrecht]]. Dieser Vorschlag wurde anschließend unter dem Titel «Note sur la création d’une institution judiciaire internationale propre à prévenir et à réprimer les infractions à la Convention de Genève» im ''Bulletin international des Sociétés de secours aux militaires blessés'' (Ausgabe 11, April 1872, S. 122) veröffentlicht. Moynier änderte damit grundlegend seine noch 1870 publizierte Auffassung, dass ein solcher Gerichtshof unnötig sei, da zur Durchsetzung der Genfer Konvention der Druck der öffentlichen Meinung ausreichen würde. Wie die Konvention von 1864 bestand auch dieser Entwurf aus zehn Artikeln. Zu einer Zeit, als viele [[Nationalstaat]]en gerade erst entstanden und somit Souveränitätsdenken und Nationalbewusstsein die Stimmung in Europa prägten, wurde dieser Vorschlag jedoch von keinem Land offiziell unterstützt und damit nicht umgesetzt. Ein Jahr später, am 8. September 1873, gründete Moynier mit zehn anderen Juristen aus verschiedenen Ländern im belgischen [[Gent]] das [[Institut de Droit international]] (Institut für Völkerrecht). Dieses Institut sollte als unabhängige Einrichtung zur Weiterentwicklung des Völkerrechts und dessen Implementierung beitragen. Moynier hatte neben dem [[Belgien|belgischen]] Juristen [[Gustave Rolin-Jaequemyns]], den er 1862 während eines Wohlfahrtkongresses in [[London]] kennengelernt hatte, den größten Anteil an der Idee zur Gründung. Am 9. September 1880 wurde das von ihm verfasste ''Manuel des lois de la guerre sur terre'' von der sechsten Sitzung des Instituts in Oxford einstimmig angenommen. Dieses auch als [[Oxford Manual]] bezeichnete Handbuch war vor allem als Grundlage für die nationale Gesetzgebung zum Kriegsrecht in den damaligen Staaten gedacht. Im Jahr 1892 leitete er die in Genf stattfindende 13. Sitzung des Instituts, zwei Jahre später wurde er als zweites Mitglied nach Rolin-Jaequemyns zum Ehrenpräsidenten ernannt. === Moynier und die Friedensbewegung === [[Bild:Geneva Villa Moynier 1.jpg|thumb|Das Familienanwesen, die Villa Moynier im Genfer Parc Moynier]] Im Mai 1868 war Moynier darüber hinaus Mitglied der ''Ligue internationale et permanente de la Paix'', der von Frédéric Passy ein Jahr zuvor gegründeten [[Internationale Friedensliga|Internationalen Friedensliga]], geworden. Da er innerhalb des ersten Jahres nach Gründung der Liga beigetreten war, gilt Moynier auch für die ''Ligue internationale et permanente de la Paix'' als Gründungsmitglied. Einer der Gründe für seinen Beitritt waren Vorwürfe von Friedensaktivisten, dass die Tätigkeit des Roten Kreuzes Kriege erträglicher und damit wahrscheinlicher machen würde. Er selbst war stets der Meinung, dass die Friedensbewegung und die Rotkreuz-Bewegung vereint seien in der Ablehnung des Krieges, jedoch unterschiedliche Mittel und Wege nutzen würden zum Erreichen dieses Ziels. Obwohl er Krieg als „düstere Krankheit“ und Schlichtung, Abrüstung sowie die Verbreitung pazifistischer Ideale als Ansätze zu deren Behandlung ansah, war er sich auch der Unzulänglichkeiten dieser Mittel bewusst. Den Beitrag der Idee des Roten Kreuzes zum Frieden sah er insbesondere im Abbau nationaler Egoismen, der aus der Verpflichtung der Rotkreuz-Gesellschaften zu unterschiedsloser Hilfeleistung resultierte. Moynier wurde in den Jahren 1901, 1902, 1903 und 1905 von [[Fredrik Herman Rikard Kleen]], einem Mitglied des Institut de Droit international, für den [[Friedensnobelpreis]] nominiert. Im Gegensatz zu Dunant, der 1901 zusammen mit [[Frédéric Passy]] bei der erstmaligen Verleihung des Preises ausgezeichnet wurde, erhielt er diesen jedoch nicht. Dem IKRK wurde in den Jahren 1917, 1944 und 1963 als bisher einzigem Preisträger dreimal der Friedensnobelpreis verliehen. Auch die Arbeit des Instituts de Droit international wurde im Jahr 1904, und damit noch zu Lebzeiten Moyniers, mit dem Preis gewürdigt. Obwohl ihm selbst diese Anerkennung nie zuteil wurde, ist es somit seine wesentliche Lebensleistung, an der Gründung und Entwicklung von zwei mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichneten Institutionen maßgeblich beteiligt gewesen zu sein. === Wirken als Generalkonsul des Kongo-Freistaates === Ab 1876 unterstützte Moynier die [[Belgische Kolonien|Kolonialbestrebungen]] [[Belgien]]s unter [[Leopold II. (Belgien)|König Leopold II.]] in der afrikanischen [[Geschichte der Demokratischen Republik Kongo|Kongo-Region]]. So begründete er 1879 die monatlich erscheinende Zeitschrift „L'Afrique explorée et civilisée“ und wurde von Leopold&nbsp;II. am 22. Mai 1890 zum Generalkonsul des Kongo-Freistaates ernannt. Ein Aufsatz von ihm, den er 1883 dem Institut de Droit international präsentiert hatte und der an alle europäischen Regierungen verschickt wurde, trug entscheidend zur Anerkennung des von Leopold II. ausgerufenen Kongo-Freistaates durch die internationale [[Kongokonferenz]] in Berlin im Jahr 1885 bei. Angesichts von Moyniers sonstigen Aktivitäten im Bereich des internationalen Rechts erscheint es aus heutiger Sicht fragwürdig, warum er die völkerrechtlich einzigartige Vereinnahmung des Kongos durch Leopold II. als dessen Privatbesitz unterstützte. Wahrscheinlich spielten dabei seine christlichen Überzeugungen zu Fragen der Wohltätigkeit und des Gemeinwohls eine Rolle. König Leopold II. hatte 1876 im Rahmen einer internationalen Konferenz die Gründung eines gemeinnützigen Komitees zur «Verbreitung der Zivilisation unter den Völkern der Kongoregion durch wissenschaftliche Untersuchung, legalen Handel und Kampf gegen arabische Sklavenhändler» vorgeschlagen und später die «Brüsseler Konferenzen» zur Bekämpfung des Sklavenhandels ins Leben gerufen. Die Ablehnung des Sklavenhandels durch Leopold II. war allerdings angesichts seines Vorgehens im Kongo kaum mehr als ein Versuch zur Verschleierung der dortigen kolonialen Realität. Sie deckte sich aber aus Moyniers Sicht mit dessen Forderungen nach einer Abschaffung der [[Sklaverei]], einer für die damalige Zeit nicht selbstverständlichen Position. Am 11. Januar 1904 trat er aus gesundheitlichen Gründen vom Amt des Kongo-Generalkonsuls zurück, im März es gleichen Jahres wurde er zum Ehrenkonsul ernannt. === Letzte Lebensjahre und Tod === [[Bild:Geneva Grave Gustave and Fanny Moynier.jpg|thumb|Grabstelle auf dem Cimetière des Rois in Plainpalais, Genf]] Im Jahr 1902 stiftete Gustave Moynier 20.000 Schweizer Franken, um aus den Erträgen dieses Kapitals die Finanzierung einer Bibliothek in Genf zu ermöglichen, die sich der Sammlung von Veröffentlichungen zum Völkerrecht und zu humanitären Themen widmen sollte. Diese Bibliothek wurde am 15. Januar 1905 eröffnet. Sie ist heute als ''Salle Moynier'' Teil der [[Universität Genf|Stadt- und Universitätsbibliothek Genf]] und umfasst etwa 1.200 Titel. Darüber hinaus richtete er in den letzten Jahren seines Lebens einen Raum seines Hauses als kleines Museum ein, in dem er seine zahlreichen Auszeichnungen und gesammelten Werke der Öffentlichkeit präsentierte. Er starb im Jahr 1910 in seiner Heimatstadt, zwei Monate vor Dunant, ohne dass es jemals zu einer Versöhnung zwischen ihnen gekommen war. Sein Grab befindet sich im Bereich&nbsp;G des ''[[Cimetière des Rois]]'', einem exklusiven Friedhof in Genf, auf dem neben anderen prominenten Bürgern der Stadt beispielsweise auch der Reformator [[Johannes Calvin]] beerdigt wurde. Obwohl Moynier in den letzten Jahren alle administrativen Aufgaben innerhalb des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz abgegeben hatte, blieb er bis zu seinem Tod dessen Präsident. In der Geschichte des Komitees war er damit der Präsident mit der längsten Amtszeit und, durch Dunants frühen Ausschluss und den Tod der anderen drei Gründer (1869 - Théodore Maunoir; 1875 - Guillaume-Henri Dufour; 1898 - Louis Appia), das letzte noch verbliebene Mitglied aus dem ursprünglichen ''Komitee der Fünf''. Sein Nachfolger im Amt des Präsidenten wurde sein Neffe [[Gustave Ador]], der bereits seit 1870 Mitglied des Komitees war. Auch sein Sohn Adolphe, der wie sein Vater Jura studiert hatte und als Börsenmakler tätig war, stand von 1898 bis 1918 als Schatzmeister im Dienst des IKRK. Die Villa Moynier am Genfer See, das frühere Familienanwesen und zwischenzeitlich Sitz des IKRK, wird heute von der [[Universität Genf]] und vom Europäischen Kulturzentrum Genf genutzt. == Rezeption und Nachwirkung == === Lebenswerk === Es ist angesichts von Moyniers Aktivitäten nicht angemessen, ihn hinsichtlich seiner historischen Bedeutung nur als den Widersacher von Henry Dunant zu betrachten. Durch sein langjähriges Wirken als Präsident des IKRK gelang es ihm, die entstehende Rotkreuz-Bewegung zu konsolidieren und damit wesentlich zur Verbreitung der Idee des Roten Kreuzes beizutragen. Sowohl mit seiner Arbeit im Internationalen Komitee vom Roten Kreuz als auch mit der Gründung und Tätigkeit des Institut de Droit international hatte er darüber hinaus entscheidenden Anteil an der Entstehung und Fortentwicklung des [[Humanitäres Völkerrecht|humanitären Völkerrechts]]. Durch seinen Einsatz für das humanitäre Völkerrecht trug er auch dazu bei, der Rotkreuz-Bewegung eine [[Säkularismus|säkulare]], auf juristischen Prinzipien beruhende [[normativ]]e Grundlage zu geben. Trotz seiner eigenen calvinistischen Überzeugungen gab er somit bewusst einer universell akzeptablen Basis den Vorzug vor den ursprünglich christlichen Idealen, die zur Gründung des Internationalen Komitees geführt hatten. Er verstand dabei die im humanitären Völkerrecht formulierten Regeln als «la philosophie naturelle», also als [[Naturrecht|natürliches Recht]], das unabhängig von religiösen Glaubensgrundsätzen gilt. Sein Wirken war jedoch auch, insbesondere in späteren Jahren, durch eine sehr konservative Grundhaltung geprägt. Er wollte vor allem Erreichtes beziehungsweise Bestehendes bewahren und es nicht durch Änderungen und Erweiterungen gefährden. Anders als Henry Dunant und Louis Appia widersetzte er sich beispielsweise während seiner gesamten Amtszeit einer Ausweitung der Zuständigkeiten der Rotkreuz-Bewegung auf Aktivitäten zugunsten von [[Kriegsgefangener|Kriegsgefangenen]] oder [[Flüchtling]]en, oder in Friedenszeiten für die Opfer von [[Naturkatastrophe]]n. Er trat diesbezüglich für eine Beibehaltung des ursprünglichen Mandates und für eine strikte Trennung zwischen verwundeten Soldaten und nicht verwundeten Kriegsopfern ein. Im Gegensatz zu Dunants charismatischem Idealismus beruhte die Tätigkeit – und der Erfolg – von Moynier auf pragmatischer Geduld, Diplomatie und Beharrlichkeit. Er galt als charakterfest und unerschütterlich hinsichtlich seiner moralischen und religiösen Prinzipien. Gleichwohl wurde seine Persönlichkeit als scheu, humorlos und selbstzweifelnd beschrieben, gekennzeichnet von einem religiös begründetem ängstlichen Streben nach Erfolg und Anerkennung sowie einem ausgeprägten Mangel an Selbstbewusstsein. Im Gegensatz zu Henry Dunants religiösen Vorstellungen insbesondere in dessen späteren Jahren war der Glauben von Moynier jedoch nicht von [[Mystik|mystischen Ideen]], sondern vor allem von Rationalismus geprägt. Sein persönlicher Umgang mit Dunant beruhte zum einen auf der Angst davor, dass dessen aus Moyniers Sicht übertriebener Eifer und Idealismus die Idee des Roten Kreuzes scheitern lassen würde. Ein weiterer Grund insbesondere in seinen späteren Lebensjahren war die vor allem in der Nobelpeisverleihung an Dunant zum Ausdruck kommende und nach Moyniers Meinung ungerechtfertigte Bewertung seines eigenen jahrzehntelangen Wirkens im Vergleich zu dem, was Dunant mit seinem Buch innerhalb kurzer Zeit erreicht hatte. Allerdings stellen einige Autoren auch die Sichtweise in Frage, dass Dunant und Moynier gleichermaßen an der Entstehung des Roten Kreuzes beteiligt gewesen wären und dass das Wirken von beiden eine wichtige Voraussetzung für den Erfolg gewesen sei. Aufgrund der grundlegend verschiedenen Ideale und Charaktereigenschaften beider Protagonisten sei es vielmehr sehr unwahrscheinlich, dass es eine substantielle Zusammenarbeit für ein gemeinsames Ziel mit sich gegenseitig ergänzenden Bestrebungen gegeben habe oder hätte geben können. Eine diesbezügliche Darstellung der Rotkreuz-Geschichte entspringt dieser Ansicht nach dem Bestreben, die Bedeutung der Aktivitäten Moyniers zu beschönigen (siehe dazu Ottaviani et al. in ''Vesalius'', 2005). === Auszeichnungen und Würdigung === [[Bild:Geneva Rue Gustave-Moynier street sign.jpg|thumb|right|''Rue Gustave-Moynier'' in Genf]] Das Wirken von Gustave Moynier wurde bereits zu seinen Lebzeiten in vielfältiger Weise gewürdigt. So ernannten ihn mehrere [[nationale Rotkreuz-Gesellschaft]]en zum Ehrenmitglied. Im Oktober 1867 erhielt er, wie sieben Jahre zuvor Henry Dunant und Louis Appia, mit dem „Orden des Heiligen Maurice und Heiligen Lazarus“ die zweithöchste Auszeichnung des Königreichs Italien und zwei Jahre später den [[Orden vom Niederländischen Löwen]]. Von Seiten der deutschen Königshäuser wurde er unter anderem im Juni 1869 zum Ritter zweiter Klasse des [[Kronenorden (Preußen)|preußischen Kronenordens]] ernannt, im Februar 1870 wurde er mit dem württembergischen [[Friedrichs-Orden]] ausgezeichnet. Im August 1871 erfolgte seine Aufnahme als Offizier in die französische [[Ehrenlegion]]. Die [[Universität Bern]] ernannte ihn im Oktober 1885 zum [[Ehrendoktor]] der Rechtswissenschaften. Zwei Jahre später erhielt er mit dem [[Orden der Aufgehenden Sonne]] die höchste Auszeichnung, die in [[Japan]] an Ausländer verliehen werden kann. Im Juni 1898 wurde in den [[Vereinigte Staaten|Vereinigten Staaten]] das erste [[Hospitalschiff]] in der Geschichte unter der Flagge des Roten Kreuzes auf den Namen „Moynier“ getauft. Die [[Universität Genf]] verlieh ihm im Juni 1901 das Ehrendoktorat in [[Soziologie]], ein Jahr später wurde er zum ausländischen assoziierten Mitglied des [[Institut de France]] ernannt. Im April 1903 erhielt er von der Medizinischen Fakultät der [[Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg|Universität Heidelberg]] zusammen mit Henry Dunant die Ehrendoktorwürde. Der ''Parc Moynier'' und die Straße ''Rue Gustave-Moynier'' in Genf sind nach ihm benannt worden, eine Gedenkbüste befindet sich im Genfer ''Parc des Bastions''. === Literarische Darstellung === Eine frühe Darstellung der Rolle von Gustave Moynier in der Rotkreuz-Geschichte ist das Werk „Le Berceau de la Croix Rouge“ des Historikers Alexis François von der Universität Genf, das 1918 in Genf und damit acht Jahre nach Moyniers Tod herausgegeben wurde und eine der ersten historischen Studien zur Entstehung des Roten Kreuzes war. Das 2005 erschienene Buch „The Geneva Convention: The Hidden Origins of the Red Cross“ der irischstämmigen und in Genf ansässigen Autorin Angela Bennett stellt die Phase des Lebens von Gustave Moynier dar, die 1864 zum Abschluss der ersten Genfer Konvention führte und dabei durch den sich verschärfenden Konflikt mit Henry Dunant geprägt war. Das Werk beschreibt wechselweise das Wirken beider Protagonisten und ihren jeweiligen Anteil am Erfolg der gemeinsamen Bemühungen. Eine umfassende Biographie wurde vom Genfer Juristen und Historiker Jean de Senarclens im Jahr 2000 in französischer Sprache und 2005 als englischsprachige Übersetzung veröffentlicht. == Werke (Auswahl) == * ''La guerre et la charité. Traité théoritique et pratique de philanthropie appliquée aux armées en campagne.'' Cherbuliez, Paris und Genf 1867 (zusammen mit Louis Appia) * ''Les institutions ouvrières de la Suisse. Mémoire.'' Cherbuliez, Genf 1867 * ''La Croix-Rouge, son passé et son avenir.'' Sandoz et Thuillier, Paris 1882 * ''But et Organisation générale de la Croix Rouge.'' Genf 1889 * ''L'institut de droit international.'' Picard, Paris 1890 * ''Conférence sur la Convention de Genève.'' Soullier, Genf 1891 == Literatur == * Jean de Senarclens: ''The Founding of the Red Cross: Gustave Moynier, its Master Builder.'' Editions Slatkine, Genf 2005, ISBN 2-83-210222-0; französischsprachige Originalausgabe: ''Gustave Moynier: le bâtisseur.'' Editions Slatkine, Genf 2000, ISBN 2-05-101839-1 * [[Pierre Boissier]]: ''History of the International Committee of the Red Cross. Volume I: From Solferino to Tsushima.'' Henry Dunant Institute, Genf 1985, ISBN 2-88-044012-2 * Caroline Moorehead: ''Dunant's Dream: War, Switzerland and the History of the Red Cross.'' HarperCollins, London 1998, ISBN 0-00-255141-1 (gebundene Ausgabe); HarperCollins, London 1999, ISBN 0-00-638883-3 (Taschenbuch-Ausgabe) * Angela Bennett: ''The Geneva Convention: The Hidden Origins of the Red Cross.'' Sutton Publishing, Gloucestershire 2005, ISBN 0-75-094147-2 * [[André Durand]]: ''Gustave Moynier and the Peace Societies.'' In: ''International Review of the Red Cross.'' 314/1996. ICRC, S. 532–550, {{ISSN|1560-7755}} * Christopher Keith Hall: ''The First Proposal for a Permanent International Criminal Court.'' In: ''International Review of the Red Cross.'' 322/1998. ICRC, S. 57–74, {{ISSN|1560-7755}} * [[André Durand]]: ''The International Committee of the Red Cross at the Time of the First Hague Peace Conference (1899).'' In: ''International Review of the Red Cross.'' 834/1999. ICRC, S. 353–364, {{ISSN|1560-7755}} * [[André Durand]]: ''The first Nobel Prize (1901) Henry Dunant, Gustave Moynier and the International Committee of the Red Cross as candidates.'' In: ''International Review of the Red Cross.'' 842/2001. ICRC, S. 275–285, {{ISSN|1560-7755}} * James Cockayne: ''Islam and International Humanitarian Law: From a Clash to a Conversation between Civilizations.'' In: ''International Review of the Red Cross.'' 847/2002. ICRC, S. 597–626, {{ISSN|1560-7755}} * Raimonda Ottaviani, Duccio Vanni, M.&nbsp;Grazia Baccolo, Elizabeth Guerin, Paolo Vanni: ''Rewriting the Biography of Henry Dunant, the Founder of the International Red Cross.'' In: ''Vesalius - Acta Internationalia Historiae Medicinae.'' 11(1)/2005. International Society for the History of Medicine, S.&nbsp;21–25 == Weblinks == {{Commons|Category:Gustave Moynier|Gustave Moynier}} * [http://www.redcross.int/en/history/not_moynier.asp Red Cross and Red Crescent Movement History - Gustave Moynier] (englisch) {{Exzellent}} {{Normdaten|PND=119011492|LCCN=n/90/631911|VIAF=66769358}} {{DEFAULTSORT:Moynier, Gustave}} [[Kategorie:Person (Genf)]] [[Kategorie:Person (Internationales Komitee vom Roten Kreuz)]] [[Kategorie:Mitglied des Institut de Droit international]] [[Kategorie:Person (Humanitäre Hilfe)]] [[Kategorie:Schweizer]] [[Kategorie:Geboren 1826]] [[Kategorie:Gestorben 1910]] [[Kategorie:Mann]] {{Personendaten |NAME=Moynier, Gustave |ALTERNATIVNAMEN= |KURZBESCHREIBUNG=Jurist und Mitbegründer des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz |GEBURTSDATUM=21. September 1826 |GEBURTSORT=[[Genf]] |STERBEDATUM=21. August 1910 |STERBEORT=Genf }} [[en:Gustave Moynier]] [[es:Gustave Moynier]] [[fr:Gustave Moynier]] [[no:Gustave Moynier]] 6xw41dtyep3zcecyl8rf5h3kx32ahhm wikitext text/x-wiki Mülheim an der Ruhr 0 23961 28136 26559 2010-08-26T20:10:27Z 212.52.41.213 {{Infobox Gemeinde in Deutschland |Art = Stadt |Wappen = Muelheimruhrwappen.svg |Breitengrad = 51/25/42.26/N |Längengrad = 6/52/43.88/E |Lageplan = North rhine w MH.svg |Lageplanbeschreibung= Lage in Nordrhein-Westfalen |Bundesland = Nordrhein-Westfalen |Regierungsbezirk = Düsseldorf |Kreis = Kreisfreie Stadt |Höhe = 26,0 bis 152,7 |Fläche = 91.29 |PLZ = 45468–45481 |PLZ-alt = 4330 |Vorwahl = 0208 |Kfz = MH |Gemeindeschlüssel = 05117000 |NUTS = DEA16 |LOCODE = DE MUH |Gliederung = 9&nbsp;[[Stadtteil]]e in 3&nbsp;[[Stadtbezirk]]en |Adresse = Ruhrstraße 1<br />45468 Mülheim an der Ruhr |Website = [http://www.muelheim-ruhr.de www.muelheim-ruhr.de] |Bürgermeister = [[Dagmar Mühlenfeld]] |Bürgermeistertitel= Oberbürgermeisterin |Partei = SPD }} '''Mülheim an der Ruhr''' ist eine [[kreisfreie Stadt]] im westlichen [[Ruhrgebiet]] in [[Nordrhein-Westfalen]]. Die Stadt ist als [[Mittelzentrum]] eingestuft. Sie liegt direkt an der [[Ruhr]], zwischen den angrenzenden [[Oberzentrum|Oberzentren]] [[Duisburg]] und [[Essen]] sowie der nahe gelegenen Landeshauptstadt [[Düsseldorf]]. Die Verleihung der Stadtrechte erfolgte 1808. Ein Jahrhundert später überschritt die Einwohnerzahl die Grenze von 100.000 Einwohnern und machte Mülheim an der Ruhr damit zur [[Großstadt]]. Zur Zeit ihres 200‑jährigen Jubiläums im Jahre 2008 zählte sie mit ihren etwa 170.000 Einwohnern zu den kleineren Großstädten des Landes. Mülheim wurde mit der Schließung der [[Zeche Rosenblumendelle]] zur ersten bergbaufreien Großstadt des Ruhrgebiets. Die einstige Leder- und [[Montanindustrie|Montanstadt]] hat den Wandel zu einem branchenvielfältigen Wirtschaftsstandort mittlerweile erfolgreich vollzogen. Die „Stadt am Fluss“ gilt mit über 50&nbsp;Prozent Grün- und Waldflächen als ein attraktiver Wohnort zwischen Düsseldorf und dem Ruhrgebiet, ist Sitz zweier [[Max-Planck-Gesellschaft|Max-Planck-Institute]] und seit 2009 Standort der neu gegründeten [[Hochschule Ruhr West]]. __TOC__ <br style="clear:both;" /> {{Großes Bild|Stadtpanorama MH S.JPG|2000|Panorama Mülheim an der Ruhr – Blick nach Süden}} == Geografie == === Geografische Lage === [[Datei:Mülheim an der Ruhr.png|thumb|Übersichtsplan]] [[Datei:Mülheim Luftbild.JPG|thumb|Innenstadt von Süden]] Mülheim an der Ruhr liegt am Kreuzungspunkt von niederbergischen Hügelland, Westhellweg und mittlerer Niederrheinebene. Die Innenstadt befindet sich etwa 12 Kilometer östlich der Mündung der Ruhr in den [[Rhein]] an beiden Ufern des Flusses, der das Stadtgebiet auf einer Länge von 14&nbsp;Kilometern von Südosten nach Nordwesten durchmisst. Zwischen [[Broich (Mülheim)|Broich]] am linken Ufer und dem [[Kirchenhügel]] auf der rechten Uferseite, der Mülheimer Pforte, verlässt die Ruhr die Ausläufer des [[Rheinisches Schiefergebirge|rheinischen Schiefergebirges]] und erreicht das [[Niederrheinisches Tiefland|niederrheinische Tiefland]]. Mit der Lage des Stadtzentrums direkt am Fluss zeigt sich ein Alleinstellungsmerkmal Mülheims im [[Ruhrgebiet]]. === Geologie === Hinsichtlich der geologischen Struktur liegt die Stadt ebenfalls in dem dreigeteilten [[Mergelgrenze|Grenzbereich]]. Die nordöstlich der Ruhr gelegenen Flächen zählen mit ihren reichen [[Löss]]böden zum Naturraum des [[Westenhellweg (Naturraum)|Westenhellwegs]]. Der Übergang zur Westfälischen Bucht lässt sich nur schwer anhand der Oberflächenformen abgrenzen, wohingegen die Formationen des Bergischen Landes und das Niederrheinische Tiefland deutlich erkennbar sind. Mit der markanten Felsformation des Kahlenberghanges [[streichen]] die im [[Karbon]] entstandenen [[Flöz|kohleführenden Schichten]] an den nördlichen Ausläufern des Schiefergebirges aus. Die Ruhr [[Erosion (Geologie)|erodierte]] hier über 50 Meter tief in dieses Mittelgebirge hinein und legte dabei die Steinkohleflöze teilweise frei, was das [[Schurf|Schürfen]] der [[Steinkohle]] im [[Stollen (Bergbau)|Stollenbetrieb]] ermöglichte. Nach Norden hin senken sich die kohleführenden Schichten immer tiefer unter die Erdoberfläche, was den Betrieb von [[Bergbau|Bergwerken]] zum Steinkohleabbau erfordert. Die breite Styrumer [[Flussaue]] zeigt demgegenüber mit ihren [[Altarm]]en die charakteristischen Züge der Niederrheinebene. === Klima === Mülheim weist, durch die Lage im Westen Deutschlands, ein ganzjährig [[Gemäßigte Zone|gemäßigtes Klima]] auf. Insgesamt ist das Klima eher [[Seeklima|maritim]] als kontinental geprägt und es zeigen sich typische [[Stadtklima|klimatische Merkmale besonders dicht besiedelter Räume]]. Der ostwärts steigenden Geländehöhe folgen die kleinklimatischen Verhältnisse, die bei den Niederschlägen von ca. 700&nbsp;mm/Jahr in der Styrumer Ruhraue auf bis zu 900&nbsp;mm/Jahr an der Stadtgrenze zu [[Essen-Fulerum]] ansteigen, während das [[Tagesmitteltemperatur|Tagesmittel]] von 9,5&nbsp;°C auf 8&nbsp;°C absinkt.<ref>[http://home.debitel.net/user/bund.muelheim/flora-2.htm BUND Mülheim]</ref> === Nachbarstädte und Stadtgebiet === [[Datei:Flaechennutzung MH 2006.jpg|thumb|Flächennutzung]] Die Stadt Mülheim an der Ruhr grenzt im Norden an die kreisfreie Stadt [[Oberhausen]] und im Osten an die kreisfreie Stadt [[Essen]]. Im Süden liegt der Ballungsraum [[Düsseldorf]] mit der Stadt [[Ratingen]] im [[Kreis Mettmann]] und im Westen die kreisfreie Stadt [[Duisburg]]. Die Gesamtlänge der Stadtgrenze zu den Nachbarstädten beträgt 49&nbsp;km. Das Stadtgebiet dehnt sich in Nord-Süd-Richtung 13,4&nbsp;km sowie in West-Ost-Richtung 10,7&nbsp;km aus. Der höchste Punkt im Stadtgebiet misst 152,7&nbsp;m über [[Normalhöhennull|NHN]] und liegt in der Nähe des [[Flughafen Essen-Mülheim]]. Der mit 26,0&nbsp;m über NHN niedrigste Punkt befindet sich am Übergang der Ruhr nach Duisburg. Die Gesamtfläche des Stadtgebiets umfasst 91,29&nbsp;km², die zu etwa gleichen Anteilen versiegelt sind (Gebäude, Freiflächen, Verkehrsflächen) und als Wald- und Grünflächen dienen oder landwirtschaftlich genutzt werden. Insbesondere der Mülheimer Süden bildet entlang der Hänge des Ruhrtals die grüne Lunge der Stadt. === Stadtgliederung === Aus historischer Sicht werden insgesamt neun [[Stadtteil]]e unterschieden, die bis zu ihrer Eingemeindung selbständige Ortschaften waren. Seit 1975 ist Mülheim zudem in die drei [[Stadtbezirk]]e ''Linksruhr'', ''Rechtsruhr-Nord'' und ''Rechtsruhr-Süd'' gegliedert. 1984 beschloss der Rat der Stadt für die Ausarbeitung langfristiger Entwicklungskonzepte und für statistische Zwecke die Einteilung des Stadtgebietes in sechs Teilräume, die unter Berücksichtigung der historischen und der strukturbedingten Zusammenhänge eingeteilt wurden. Diese Teilräume sind weiter gefasst als die historischen Stadtteile, führen jedoch teilweise deren Namen fort. {| class="prettytable sortable" |- class="hintergrundfarbe6" style="font-size:80%" ! Nr ! Stadtteil ! Teilraum ! Bezirk ! Fläche<br /><small>[km²]</small> ! Einwohner<br /><small>1)</small> ! Einwohner<br /><small>[pro km²]</small> ! class="unsortable" rowspan="10" | [[Datei:Stadtteile MH.svg|200px]] |- | align="right" |1 | [[Altstadt I (Mülheim an der Ruhr)|Altstadt I]] | 1 Stadtmitte | 1 Rechtsruhr-Süd | align="right" | 3,20 | align="right" | 19.701 | align="right" | 6.152 |- | align="right" |2 | [[Altstadt II (Mülheim an der Ruhr)|Altstadt II]] | 1 Stadtmitte <small>2)</small> | 1 Rechtsruhr-Süd <small>2)</small> | align="right" | 5,79 | align="right" | 24.717 | align="right" | 4.269 |- | align="right" |3 | [[Styrum (Mülheim)|Styrum]] | 2 Styrum | 2 Rechtsruhr-Nord | align="right" | 4,44 | align="right" | 15.467 | align="right" | 3.484 |- | align="right" |4 | [[Dümpten]] | 3 Dümpten <small>4)</small> | 2 Rechtsruhr-Nord <small>4)</small> | align="right" | 5,51 | align="right" | 18.899 | align="right" | 3.430 |- | align="right" |5 | [[Heißen]] | 4 Heißen <small>3)</small> | 1 Rechtsruhr-Süd <small>3)</small> | align="right" | 8,88 | align="right" | 21.484 | align="right" | 2.419 |- | align="right" |6 | [[Menden-Holthausen]] | 1 Stadtmitte | 1 Rechtsruhr-Süd | align="right" | 17,30 | align="right" | 13.611 | align="right" | 787 |- | align="right" |7 | [[Saarn]] | 5 Saarn | 3 Linksruhr | align="right" | 26,92 | align="right" | 23.736 | align="right" | 882 |- | align="right" |8 | [[Broich (Mülheim)|Broich]] | 6 Broich/Speldorf | 3 Linksruhr | align="right" | 8,78 | align="right" | 13.951 | align="right" | 1.589 |- | align="right" |9 | [[Speldorf]] | 6 Broich/Speldorf | 3 Linksruhr | align="right" | 10,46 | align="right" | 18.026 | align="right" | 1.723 |} <small>1) Stand: 31. Dezember 2008 <ref>[http://www.muelheim-ruhr.de/cms/bevoelkerungsbestand.html Offizielle Bevölkerungszahlen der Stadtverwaltung]</ref></small><br /> <small>2) Aus dem Stadtteil Altstadt II wurden Teile (Altstadt II-Nordost und Papenbusch) ausgesondert und dem Teilraum Dümpten im Bezirk Rechtsruhr-Nord zugeordnet</small><br /> <small>3) Aus dem Stadtteil Heißen wurden Teile (Winkhausen-Nord) herausgenommen und dem Teilraum Dümpten im Bezirk Rechtsruhr-Nord zugeordnet</small><br /> <small>4) Der Teilraum Dümpten besteht aus dem historischen Stadtteil und den oben unter Punkt 2 angegebenen Erweiterungen</small> == Geschichte == {{Hauptartikel|Geschichte der Stadt Mülheim an der Ruhr}} Im Jahre 1093 erfuhr die Stadt als ''Mulinhem'' ihre erste urkundliche Erwähnung als Gerichtsstätte innerhalb des [[Ruhrgau]]es. In jüngeren Urkunden wurde der Name zu ''Molenheim'' und ''Molnheim'' abgewandelt, aber die Deutung des Namens ''Mülheim'' als ''Heim der Mühlen'' weist darauf hin, dass die Bewohner im Mittelalter ihrer Siedlung als besonderes Charakteristikum die Existenz von Mühlen zuwiesen. Ob dies wegen der Vielzahl oder der herausragenden Bedeutung einer einzelnen Mühle erfolgte, ist nicht mehr feststellbar. === Mittelalter === [[Datei:Schloss Broich 0504.jpg|thumb|300px|Schloss Broich]] Die Geschichte der Stadt Mülheim ist eng verbunden mit den beiden historischen Siedlungszentren, dem [[Schloss Broich]] auf der linken und dem [[Kirchenhügel]] auf der rechten Ruhrseite. Schloss Broich, Sitz der Edelherren von Broich und später ihrer adligen Nachfolger, wurde im letzten Viertel des 9.&nbsp;Jahrhunderts, wahrscheinlich im Winter 883/884, als Wehranlage gegen die Überfälle der [[Wikinger]] an der historischen Ruhrfurt des alten [[Hellweg]]s errichtet. Der Kirchenhügel war immer der wirtschaftliche und religiöse Siedlungskern. Um 1200 wurde im Süden des heutigen Mülheimer Stadtgebiets das [[Zisterzienserinnenkloster Saarn]] gegründet, doch von den Gründern und den ersten Frauen im Kloster ist sehr wenig bekannt. Einige Jahrzehnte später, in einer zweiten Gründungsphase, wurde [[Engelbert I. von Köln|Erzbischof Engelbert&nbsp;I. von Köln]] im Rahmen seiner politischen Aktivitäten als Erzbischof, Graf von Berg und zugleich [[Reichsverweser]] und Erzieher des minderjährigen [[Heinrich (VII.) (HRR)|Königs Heinrichs&nbsp;VII.]] auf Kloster Saarn aufmerksam. Engelbert sorgte wahrscheinlich für die Aufnahme der Saarner Nonnen in den [[Zisterzienser]]orden und die Einführung einer strengen Klausur, außerdem für eine umfangreiche Privilegierung des Klosters durch den Papst und das Reich. In der Folgezeit erhielt das Kloster zahlreiche Schenkungen aus dem Mülheimer und dem benachbarten Raum und auch von den Herren von Broich. König Heinrich wurde&nbsp;–&nbsp;vermutlich auf Veranlassung Engelberts&nbsp;–&nbsp;von den Nonnen in ihrem Memorienbuch als ''fundator'' (Gründer) geehrt. Weil im Jahre 1372 die Herren von Broich ausstarben, fiel Schloss Broich zunächst an die [[Grafschaft Limburg|Grafen von Isenberg-Limburg]]. Dem [[Erzbistum Köln|Kölner Erzbischof]] [[Dietrich II. von Moers|Dietrich&nbsp;II. von Moers]] und Herzog [[Gerhard (Jülich-Berg)|Gerhard von Jülich-Berg]] gelang 1443 gemeinsam die Eroberung und Inbesitznahme Broichs, wobei die Burg stark zerstört wurde. Nach dem Aussterben der Grafen von Isenberg-Limburg-Broich in männlicher Linie im Jahr 1511 erbte 1508 [[Wirich V. von Daun-Falkenstein]] sowie später seine Nachfolger die Herrschaft. === Frühe Neuzeit === [[Datei:Mord an Wirich 1598.jpg||thumb|Der Mord an Wirich durch die Spanier, Kupferstich von [[Jan Luyken]] von 1698]] [[Datei:Karte MH um 1790.JPG|thumb|Karte der Herrschaft Broich um 1790]] Im 16.&nbsp;Jahrhundert entzogen sich die Landesherren der Herrschaft Broich mit Hilfe der Herzöge von Berg den kurkölnischen Ansprüchen auf Broich. Im 17. und 18.&nbsp;Jahrhundert gelang es dem [[Herzogtum Berg]], Souveränitätsrechte über die Herrschaft Broich geltend zu machen. Während des spanisch-niederländischen [[Achtzigjähriger Krieg|Achtzigjährigen Kriegs]], der auch den Niederrhein und Westfalen in Mitleidenschaft zog, belagerten im Jahre 1598 spanische Truppen Schloss Broich, das schließlich kapitulierte und besetzt wurde. Nach nur wenigen Tagen ermordeten die Spanier [[Wirich VI. von Daun-Falkenstein|Graf Wirich von Daun-Falkenstein]], den wichtigsten Führer der [[Protestantismus|Protestanten]] im Niederrheingebiet. Als die männliche Linie der Grafen zu Daun-Falkenstein im Jahre 1682 mit dem Tod Wilhelm Wirich ausgelöscht war, fiel das Lehen an die [[Leininger|Grafen von Leiningen]], welche die Broicher Herrschaft durch einen [[Rentamt|Rentmeister]] verwalten ließen. === Beginn der Industrialisierung === [[Datei:Stadtansicht MH 1840.jpg|thumb|Stadtansicht um 1840 – Erste Schlote sind am Horizont erkennbar, ebenfalls die namensgebenden Mühlen. Der rege Schiffsverkehr zeigt die Bedeutung, die Mülheim lange Zeit im Kohlenhandel hatte.]] Die Industrialisierung Mülheims begann um 1770 mit dem Ausbau der Ruhr zu einer [[Schifffahrtsstraße]]. Während auf dem Unterlauf, zwischen Duisburg und der Mülheimer Innenstadt, seit dem 14.&nbsp;Jahrhundert Schiffsverkehr möglich war und bereits 1716 in [[Ruhrort|Duisburg-Ruhrort]] der erste Rheinhafen entstand, wurde die Ruhr erst 1780 durch die Errichtung der ersten Schleuse auch oberhalb der Mülheimer Innenstadt schiffbar. Damit erfuhr der Kohlenhandel einen massiven Aufschwung, die [[Schleppkahn|Schleppkähne]] konnten nun von [[Hattingen]] bis zum [[Duisburger Hafen]] entlang des [[Leinpfad]]s [[Treideln|getreidelt]] werden. Mit [[Zeche Humboldt]] und [[Zeche Sellerbeck]] entstanden um die gleiche Zeit die ersten Zechen mit wirtschaftlicher Kohleförderung auf Mülheimer Stadtgebiet. Im Zuge der [[Napoléon Bonaparte|napoleonischen]] Eroberungen wurden 1806 die Herrschaften Broich und Styrum aufgelöst und es entstand das Amt Broich-Styrum, zu dem auch Mülheim gehörte. Nur zwei Jahre später, am 18.&nbsp;Februar 1808, wurde Mülheim von der französisch geprägten Regierung des [[Großherzogtum Berg|Großherzogtums Berg]] zur [[Munizipalität]] erklärt und nach französischem Vorbild als unterste staatliche Verwaltungseinheit eingerichtet. Verwaltungstechnisch erfolgte die Zuordnung zum neu geschaffenen [[Rhein-Departement]]. Im Jahre 1811 eröffnete Mechanikus [[Johann Dinnendahl]] eine mechanische Werkstatt und gemeinsam mit seinem Bruder, [[Franz Dinnendahl]], gründete er 1820 eine Eisenschmelze zur Herstellung von gegossenen Maschinenteilen, aus der später die [[Friedrich Wilhelms-Hütte]] hervorging. Nach den Beschlüssen des [[Wiener Kongress]]es wurde 1815 Mülheim in den [[Preußen|preußischen Staat]] eingegliedert und seit 1816 durch den [[Landkreis Essen]] verwaltet, der jedoch schon zum 27.&nbsp;September 1823 aufgelöst und, als Teil der [[Rheinprovinz]], mit dem [[Kreis Dinslaken]] zum neuen [[Landkreis Duisburg]] vereinigt wurde. [[Datei:Kettenbruecke MH 1890.jpg|thumb|Die historische Kettenbrücke auf einer Aufnahme vor 1905]] [[Datei:Karte MH um 1880.jpg|thumb|Karte der Stadt und des Landkreises um 1880]] [[Datei:Stadtansicht MH 1890.jpg|thumb|Ansicht auf die Innenstadt auf dem rechten Ruhrufer um 1890]] Der enorme wirtschaftliche Aufschwung ermöglichte 1837 die Inbetriebnahme der Sellerbecker Pferdebahn vom Hafen zur [[Zeche Sellerbeck]] in Dümpten und 1839 die Fertigstellung der privaten Aktienstraße vom Mülheimer Hafen nach [[Essen-Borbeck-Mitte|Essen-Borbeck]]. Zwischen 1842 und 1844 wurde an der Ruhrfurt zwischen Broich und Stadtmitte mit der Kettenbrücke die erste [[Hängebrücke]] Deutschlands in Eisenbauweise errichtet, an deren Bau die Friedrich Wilhelms-Hütte maßgeblich beteiligt war. Die Brücke musste 1909 einer Betonbrücke weichen, weil der zunehmende Verkehr für gefährliche Schwingungen in der Konstruktion verantwortlich war. Vierzig Jahre nach Erteilung der französischen Stadtrechte erhielt Mülheim 1846 das [[Stadtrecht]] nach [[Preußen|preußischem]] Recht. === Höhepunkte der Industrialisierung === Zwischen 1850 und 1890 wandelte sich Mülheim von einem beschaulichen Ort der Schifffahrt zu einem pulsierenden Industriestandort. 1849 wurde&nbsp;–&nbsp;erstmals im Ruhrgebiet&nbsp;–&nbsp;in der Friedrich Wilhelms-Hütte die [[Hochofen|Stahlproduktion]] mit [[Koks]]kohle aufgenommen und folgerichtig eröffnete an der [[Zeche Wiesche]] 1861 die erste Brikettfabrik des Ruhrgebiets. Zur Produktionssteigerung wurden viele der Kleingruben auf Mülheimer Gebiet zu vereinigten Tiefbauzechen zusammengelegt. So förderten Anfang der 1850er Jahre fünf Großschachtanlagen, doch das Ausbautempo der Kohleproduktion in Mülheim war bald darauf nicht mehr steigerungsfähig und im Zuge der [[Ruhrbergbau|Nordwanderung]] des Bergbaus begannen die Nachbarstädte die Mülheimer Gruben in Bezug auf Betriebsgröße und Förderung zu überrunden. Die Anbindung der Stadt an das Eisenbahnnetz der [[Bergisch-Märkische Eisenbahn-Gesellschaft|Bergisch-Märkischen Eisenbahn-Gesellschaft]] im Jahre 1862 und die Errichtung der [[Ruhrtal-Bahn]] (1872–1876) führten zu einem Niedergang der [[Ruhrschifffahrt]] und um 1890 fuhren die letzten [[Ruhraak]]en als Kohlenschiffe. In dieser Zeit der wirtschaftlichen Umstrukturierung erwarb [[August Thyssen]] 1871 den Heckhoffshof in Mülheim-Styrum und gründete dort die Firma [[ThyssenKrupp AG|Thyssen & Co.]], die zur Basis eines der größten deutschen [[Montanindustrie|Montankonzerne]] werden sollte. Das durch die Industrialisierung ausgelöste Wachstum des Ruhrgebiets machte Verwaltungsreformen, die teilweise in rascher Abfolge durchgeführt wurden, notwendig. So wurde Mülheim an der Ruhr 1873 der [[Sitz (juristische Person)|Sitz]] eines neu geschaffenen gleichnamigen [[Landkreis Mülheim an der Ruhr|Landkreises Mülheim an der Ruhr]], nachdem die Städte [[Duisburg]] und [[Essen]] kreisfrei geworden waren. Dieser Landkreis wurde 1887 schon wieder geteilt und der westliche Teil dem [[Landkreis Ruhrort]] zugeordnet. 1904, also wiederum nur 17&nbsp;Jahre später, wurde Mülheim gemäß der neuen Rheinischen Provinzialordnung nach Erreichen von mehr als 40.000 Einwohnern zum [[Stadtkreis]]. Fortschritt und stetes Wachstum war in den Folgejahren zu beobachten: Im Jahre 1897 fuhr die erste elektrische [[Straßenbahn]] in Mülheim und 1899 zog das [[Infanterie]]-Regiment 159 in die neue [[Kaserne]] an der Kaiserstraße ein und verhalf Mülheim damit zum Status einer [[Garnison]]sstadt. === Auf dem Weg zur Großstadt === [[Datei:Altstadt Kirchenhügel 1908.jpg|thumb|Altstadt mit Petrikirche 1908]] In der Zeit von 1904 bis 1928 formte [[Paul Lembke]] als Oberbürgermeister von Mülheim das Antlitz der Stadt maßgeblich nach seinen Vorstellungen. Im Jahr seines Amtsantritts wurde die Stadt mit der Eingemeindung der linksruhrischen Stadtteile flächenmäßig um das Siebenfache vergrößert und die Einwohnerzahl wuchs schlagartig von 40.000 auf über 93.000. Schon vier Jahre später&nbsp;–&nbsp;zum 100-jährigen Bestehen&nbsp;–&nbsp;überschritt Mülheim die 100.000-Einwohner-Grenze und konnte sich unter die [[Großstadt|Großstädte]] einreihen. Lembke verfolgte in dieser Zeit nicht die Strategie der Bevölkerungsvermehrung durch Eingemeindung um jeden Preis. So lehnte er die Angliederung von [[Alstaden]] und der nördlichen Teile von Dümpten und Styrum ab und überließ sie Oberhausen, weil ihm die Bezirke zu dicht besiedelt und vom Bergbau geprägt waren. Auf der anderen Seite forderte er die Eingemeindung von Heißen, Süd-Dümpten und vor allem von Menden und Raadt. Daran lässt sich das Ziel erkennen, welches Lembke verfolgte: ein „grünes Mülheim“ zu schaffen, denn diese Stadtteile rechnen zu den landwirtschaftlich geprägten Landstrichen mit alteingesessener Bevölkerung. Während dieser Zeitspanne legte die Stadt den kleinstädtischen Charakter ab und wandelte sich durch entscheidende Verbesserungen in der Infrastruktur und der Wirtschaft sowie durch wesentliche kulturelle Impulse zu einer modernen Großstadt. Dazu rechnet der Ausbau des Schulsystems, die Ansiedlung des [[Max-Planck-Institut für Kohlenforschung|Kaiser-Wilhelm-Instituts für Kohlenforschung]] (1912), die Eröffnung der Stadthalle (1926), der Bau von drei Ruhrbrücken und der Ausbau des Schifffahrtskanals mit den Hafenanlagen (1927). Nicht zuletzt ist die Schaffung großzügiger Naherholungsgebiete auf Mülheimer Stadtgebiet als bleibende Leistung zu nennen. 1925 wurde in einem rein agrarisch geprägten Gebiet zwischen den Städten Mülheim und [[Essen]] ein Verkehrslandeplatz errichtet, der im Jahr 1935 zum zentralen Landeplatz des gesamten rheinisch-westfälischen Industriegebietes ausgebaut wurde. Damit war er in dieser Zeit einer der bedeutendsten deutschen Flughäfen, weit vor dem [[Flughafen Düsseldorf]], der von hier aus verwaltet wurde. Für das Verwaltungs-, Flug- und Wartungspersonal wurde Ende der 1920er Jahre mit der [[Richthofensiedlung]] eine sogenannte [[Fliegersiedlung]] in unmittelbarer Nähe zum Flugplatz errichtet. === Nationalsozialismus === Aus den letzten freien [[Reichstagswahl]]en ging die [[Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei|NSDAP]] am 6. November 1932 in Mülheim mit 28,3 % der Stimmen als stärkste Partei hervor. Im Vergleich lag die Wählerzustimmung zum Nationalsozialismus in Mülheim damit unter dem deutschlandweiten Gesamtergebnis von 33,1 %. Ähnlich wie in anderen Städten des Ruhrgebiets wurde die NSDAP zwar stärkste Partei, aber die [[Kommunistische Partei Deutschlands|KPD]] mit 24,27 % und [[Sozialdemokratische Partei Deutschlands|SPD]] mit 13,53 % erzielten mit 37,81 % gemeinsam mehr Stimmen.<ref> [http://www.kpd-sozialgeschichte.homepage.t-online.de/ruhrgebiet.html#mue kpd-sozialgeschichte zum Ruhrgebiet]</ref> Dennoch brach in Mülheim Begeisterung über die Einsetzung [[Adolf Hitler]]s als [[Reichskanzler]] aus und die Bevölkerung feierte dies mit einem Fackelzug. Ab Mitte Februar kam es besonders im Stadtteil Dümpten zu ersten Hausdurchsuchungen bei vermuteten Kommunisten und Ende Februar übernahmen 200 [[Schutzstaffel|SS]]-, [[Sturmabteilung|SA]]- und [[Stahlhelm, Bund der Frontsoldaten|Stahlhelmangehörige]] offiziell die Polizeigewalt als Hilfspolizisten in der Stadt und verhafteten zahlreiche politische Gegner. In den ersten [[Kommunalwahl]]en nach der [[Machtergreifung]] holte die NSDAP 45,1 % der Stimmen. Im ersten Ratsbeschluss wurden Hitler und [[Paul von Hindenburg|Hindenburg]] die Ehrenbürgerwürde der Stadt verliehen. Am 30.&nbsp;September 1938 erfolgte die „Quasi-Enteignung“ der jüdischen Gemeinde in Mülheim: Mit Ratsbeschluss wurde die [[Synagoge]] am Viktoriaplatz für nur 56.000 [[Reichsmark]] an die Stadtsparkasse zwangsverkauft. Nur wenige Wochen später brannte in der [[Reichspogromnacht]] vom 9. auf den 10.&nbsp;November das jüdische Gotteshaus nieder. Der Brand wurde ausgerechnet von der Mülheimer Feuerwehr gelegt, die sich bei den Löscharbeiten entsprechend nur auf die Verhinderung des Übergreifens des Feuers auf benachbarte Häuser beschränkte.<ref> [http://www.derwesten.de/nachrichten/staedte/muelheim/2007/8/1/news-887285/detail.html DerWesten: Eine hohe Zierde der Stadt]</ref> Im Juni 1941 wurde am [[Flughafen Essen-Mülheim]] unter Verwaltung der Kölner [[Gestapo]] ein [[Arbeitserziehungslager]] eingerichtet. Als Wachen fungierten 26 Schutzpolizisten der Essener Polizei und der Arbeitseinsatz erfolgte über die Flughafengesellschaft. Bis März 1945 durchliefen nach Schätzungen 6000 bis 8000 Menschen das Lager, dabei kamen 130 Gefangene ums Leben. Im Verlauf der Jahre 1943 und 1944 wurde die Stadt mehrfach zum Ziel britischer Luftangriffe. Der schwerste Angriff fand in der Nacht vom 22. auf den 23. Juni 1943 statt. In drei dicht aufeinander folgenden Wellen flogen 242 [[Avro Lancaster|Lancaster-]], 155 [[Handley Page Halifax|Halifax-]], 93 [[Short Stirling|Stirling-]], 55 [[Vickers Wellington|Wellington-]] und 12 [[De Havilland Mosquito|Mosquito-]] Bomber die Stadt an. Hauptziele waren die Innenstadt, die Eisenbahnlinien, die Deutschen Röhrenwerke, die Firma Schmitz-Scholl als Provianthersteller für die [[Wehrmacht]], das Reichsbahnausbesserungswerk und der Hafen. Der Angriff forderte 530 Tote unter der Stadtbevölkerung und 1630 Gebäude (64 %) wurden zerstört oder beschädigt. Etwa 40.000 Einwohner mussten daraufhin evakuiert werden. Bei einem weiteren Bombenangriff, der eigentlich der Stadt [[Oberhausen]] galt, trafen in der Nacht vom 1. auf den 2.&nbsp;November 1944 einige Bomben den Stadtteil Dümpten. Dort und in umliegenden Stadtteilen kamen 33 Einwohner ums Leben. Am 24.&nbsp;Dezember 1944 erfolgte der letzte schwere Angriff: Zur Abwehr der deutschen [[Ardennenoffensive]], die Luftunterstützung durch den Mülheimer Flughafen bekam, griffen 338 britische Bomber den Flughafen Essen-Mülheim an. 74 Einwohner der Stadt verloren ihr Leben, davon allein 50 bei einem Volltreffer auf den Bunker in der Windmühlenstraße. Das Ende des Kriegs kam für die Stadt am 11.&nbsp;April 1945. Zur Verteidigung gegen die anrückenden Truppen befanden sich noch 200 Soldaten des 183.&nbsp;Volksgrenadierregiments auf Mülheimer Gebiet, die von etwa 3000 Angehörigen des Volkssturms unterstützt werden sollten. Am Morgen rückten die ersten Soldaten der [[17. US-Luftlandedivision]] von Essen über den Stadtteil Heißen in die Stadtmitte vor. Im Stadtgebiet kam es nur im Bereich der Kämpchenstraße zu einem kurzen Kampf zwischen einigen Volkssturmleuten und den Amerikanern. Dabei wurden zwei Volkssturmmänner und drei [[GI (Soldat)|GIs]] getötet. Oberbürgermeister Hasenjäger übergab um 9:40&nbsp;Uhr die Stadt den Amerikanern, die einige Monate später von den Briten als Besatzungsmacht abgelöst wurden. === Nachkriegszeit === [[Datei:Rathausturm MH II.jpg|thumb|Mülheim Stadtmitte mit Blick auf das Rathaus]] Bei Kriegsende lebten nur noch 88.000 Menschen in Mülheim, doch schon Ende 1945 war die Zahl durch Kriegsheimkehrer und Flüchtlinge wieder auf 125.441 angewachsen. Der Wiederaufbau begann zunächst unter dem Eindruck von [[Demontage]]n, die vor allem die [[Schwerindustrie|Eisen- und Stahlindustrie]] betrafen. Bereits 1950 waren die [[Mannesmann]]-Röhrenwerke wieder Westeuropas größter Röhrenproduzent. Die Beschäftigtenzahl des Werkes stieg von 6.000 (1950) auf über 10.500 (1961) und Ähnliches gilt für die Zahl der Gesamtbeschäftigten, die von 49.000 auf 82.000 anwuchs. 1964 begann für die Stadt der lange und schwierige [[Regionaler Strukturwandel|Strukturwandel]]. Bedingt durch die [[Stahlkrise|Stahl-]] und [[Kohlekrise]] wurde an den [[Hochofen|Hochöfen]] der ''Friedrich Wilhelms-Hütte'' die letzte Schicht gefahren. Mülheim besaß damit als erste Stadt im Ruhrgebiet keine [[Stahl#Stahlherstellung|Stahlproduktion]] mehr. Zwei Jahre später (1966) musste die Kohleförderung auf der [[Zeche Rosenblumendelle]] eingestellt werden. Damit war Mülheim als erste Ruhrgebietsstadt bergbaufrei. Der Umstrukturierungsprozess führte 1973 zur Eröffnung des [[RheinRuhrZentrum]]s auf dem Gelände der ehemaligen [[Zeche Humboldt]]. Deutschlands ehedem größtes überdachtes Einkaufszentrum steht seitdem symbolhaft für die Rückbesinnung auf die traditionsreiche Vergangenheit als Handelsstadt. 1974 folgte die Fertigstellung des ''City-Centers'' als innerstädtisches Einkaufszentrum und die Umgestaltung der Schloßstraße zur Fußgängerzone. Das ehrgeizige Projekt einer durchgängigen [[Stadtbahnnetz Rhein-Ruhr|Stadtbahnverbindung]] zwischen den Städten des westlichen Ruhrgebiets wurde 1979 mit der U-Stadtbahnstrecke von Mülheim-Hauptbahnhof bis Essen in einer ersten Etappe teilweise verwirklicht. Die 1992 in der Stadt durchgeführte nordrhein-westfälische Landesgartenschau ''MüGa'' führte im Mülheimer Ruhrtal zu erheblichen Umgestaltungen. Vor allem im Kernbereich der Ausstellung, um den Ringlokschuppen herum, wurden unansehnliche Industriebrachen in Grünanlagen verwandelt. Die Nachkriegszeit für Mülheim endete „offiziell“ 1994 mit dem Abzug der britischen Armee, die nach 48 Jahren Mülheim verließ. 1998 wurde mit der Eröffnung des Ruhrtunnels der Streckenverlauf der [[Stadtbahnnetz Rhein-Ruhr|Stadtbahnverbindung]] vom Hauptbahnhof in Richtung Broich und Duisburg fortgesetzt. Dem Strukturwandel werden seit Jahren immer wieder neue Impulse gegeben: So entsteht auf einer insgesamt 245.000&nbsp;Quadratmeter großen Industriebrache an der Mellinghofer Straße seit dem Jahre 2000 der [[Technologiepark|Siemens Technopark]] und mit dem Gründerzentrum im Haus der Wirtschaft, das 2005 eröffnet wurde, steht potentiellen [[Existenzgründung|Existenzgründern]] eine zentrale Niederlassungsmöglichkeit zur Verfügung. == Eingemeindungen und Einwohnerentwicklung == {{Siehe auch|Einwohnerentwicklung von Mülheim an der Ruhr}} {| class="prettytable float-right" |- style="background:#e3e3e3" ! colspan="2" | Bevölkerung <small>''(Stand: 31. Dezember 2006)''</small> |- | 0–18 Jahre || 16,0 %<ref>[http://www.muelheim-ruhr.de/cms/alles_ueber_muelheim_bevoelkerung1.html Bevölkerungsstatistik Stadt Mülheim]</ref> |- | 19–65 Jahre || 60,7 % |- | über 65 Jahre || 23,3 % |- | [[Ausländeranteil]] || 11,12 %<ref>[http://www.muelheim-ruhr.de/cms/shared/datei_download.php?uid=639a670b6ac9ba959d420c7a1a732187 Statistikinformationen 2007 der Stadt Mülheim.pdf]</ref> |} Mit über 10.000 Einwohnern war Mülheim bei der Stadtwerdung im Jahre 1808&nbsp;–&nbsp;nach [[Düsseldorf]] und [[Wuppertal]] (damals [[Elberfeld]] und [[Barmen]])&nbsp;–&nbsp;die drittgrößte Gemeinde in dem Bereich, der dem heutigen [[Regierungsbezirk Düsseldorf]] entspricht. Die Nachbargemeinden Duisburg (4.500 Einwohner) und Essen (3.700 Einwohner) hatten eine wesentlich geringere Bedeutung. Der Beginn der Industrialisierung hatte eine signifikante Bevölkerungszunahme zur Folge. Damit einher ging die Eingemeindung kleinerer Ortschaften in der Randlage zu Mülheim: * 1878 wurden Eppinghofen und Mellinghofen (beide aus der Bürgermeisterei [[Landkreis Mülheim an der Ruhr|Mülheim-Land]]) dem Stadtgebiet angegliedert. * 1904 folgte die Bürgermeisterei Broich mit den Gemeinden Broich, Saarn und Speldorf und ebenfalls [[Datei:Karikatur zu den Eingemeindungen.jpg|thumb|Zeitgenössische Karikatur zu der großen Eingemeindung von 1904]] * 1904 Holthausen (aus der Bürgermeisterei Heißen) und die Bürgermeisterei Styrum * 1910 erreichte Oberbürgermeister Dr. Lembke die Angliederung von Oberdümpten und der Bürgermeisterei Heißen mit den Ortsteilen Heißen, Winkhausen und Fulerum, während die hoch industrialisierten Bezirke Unterstyrum, Alstaden und Unterdümpten nach Oberhausen umgegliedert wurden * 1920 wurden Menden und Raadt, die bis 1910 Teil der Bürgermeisterei Heißen und anschließend selbständige Gemeinde waren, eingemeindet * 1929 wurde das Stadtgebiet erheblich nach Süden ausgedehnt und [[Selbeck (Mülheim an der Ruhr)|Selbeck]] (Amt Mintard), Ickten und Teile von Umstand (Amt Kettwig-Land) gingen an Mülheim * 1975 folgte die letzte Erweiterung: Mintard, seit 1930 Teil der Stadt [[Essen-Kettwig|Kettwig]], ging an Mülheim, während die Stadt Kettwig in Essen eingemeindet wird. [[Datei:Population Statistics Mülheim an der Ruhr.png|thumb|Bevölkerungsentwicklung]] 1904 verdoppelte sich die Bevölkerung von Mülheim nach der Eingemeindung mehrerer Ortschaften&nbsp;–&nbsp;darunter der Gemeinde Styrum (18.434 Einwohner 1900)&nbsp;–&nbsp;von etwa 40.000 auf über 93.000. Durch anhaltende Zuwanderung überschritt die Einwohnerzahl der Stadt 1908 die Grenze von 100.000, wodurch Mülheim zur [[Großstadt]] wurde. 1971 erreichte die Bevölkerungszahl mit 192.915 ihren historischen Höchststand. Am 31. Dezember 2008 lebten in Mülheim nach Fortschreibung des [[Landesamt für Datenverarbeitung und Statistik NRW|Landesamtes für Datenverarbeitung und Statistik Nordrhein-Westfalen]] 168.288 Menschen mit Hauptwohnsitz. == Religionen == === Christentum === [[Datei:MH-Stadtmitte von Schlossbrücke aus.jpg|thumb|Mülheim-Stadtmitte von der Schlossbrücke aus gesehen. Hinten links die Marienkirche und rechts die Petri-Kirche]] Mülheim an der Ruhr gehörte im Mittelalter zum [[Bistum Lüttich]], später zum [[Erzbistum Köln]]. Noch in der ersten Hälfte des 16.&nbsp;Jahrhunderts führten die Broicher Landesherren durch Bestellung eines geeigneten Pastors die [[Reformation]] ein. Zunächst handelte es sich um eine Gemeinde nach lutherischem, im letzten Viertel des 16.&nbsp;Jahrhunderts, wiederum durch Einsetzung eines entsprechenden Pastors, nach reformiertem Bekenntnis. Ab 1621 waren wieder [[Lutheraner|lutherische]] Gemeindeglieder vorhanden und diese gründeten 1658 eine eigene Gemeinde. Beide gehörten ab 1817 zur Evangelischen Kirche in Preußen und deren rheinischer Provinzialkirche. Auf der auf königliche Anordnung 1817 gegründeten Kreissynode Düsseldorf schlossen sich ''einmütig'' Gemeinden beider Konfessionen zusammen. Eine Vereinigung der beiden Gemeinden in Mülheim kam aber im Gegensatz zu Ratingen (1817), Essen (1819) Düsseldorf (1825) vorerst nicht zustande. Erst 1887 vereinigten sich die reformierte und die lutherische Gemeinde zur Evangelischen Gemeinde Mülheim an der Ruhr (''unierte'' Gemeinde). 1870 trennten sich die Gemeinden ''an der Ruhr'' von Düsseldorf und bildeten noch mit Essen (bis 1900, die Ruhrgemeinden Essens bis 1934) und Oberhausen (bis 1954) den ''[[Kirchenkreis]] an der Ruhr'' innerhalb der [[Evangelische Kirche im Rheinland|Evangelischen Kirche im Rheinland]]. Zu ihm gehören heute alle elf evangelischen Kirchengemeinden der Stadt Mülheim an der Ruhr (Mülheim/Ruhr-Altstadt, Broich, Dümpten, Heißen, Holthausen, Johanniskirchengemeinde (Mülheim/Ruhr-Altstadt&nbsp;2), Markuskirchengemeinde, Menden-Raadt, Saarn, Speldorf und Styrum) sowie die Kirchengemeinde Kettwig (Stadt [[Essen]]).<ref> Kapitel ''Kurze Geschichte der Kreissynode Düsseldorf - An der Ruhr 1817–1935'' in: Kreissynode an der Ruhr (Hg.): ''Gemeindebuch'', Essen, Lichtweg Verlag, 1952, S. 23 ff.</ref> Spätestens im 19.&nbsp;Jahrhundert zogen wieder [[Römisch-katholische Kirche|Katholiken]] nach Mülheim. Die neu errichteten Gemeinden gehörten zunächst zum [[Erzbistum Köln]], bis sie 1958 dem neu gegründeten [[Bistum Essen]] zugeordnet wurden. Nur die Pfarrgemeinde St. Laurentius des erst 1975 nach Mülheim eingegliederten Ortes [[Mintard]] gehört weiterhin zum [[Erzbistum Köln]]. Die zum Stadtdekanat Mülheim des Bistums Essen gehörenden 15 Pfarrgemeinden waren Christ König, Heilig Geist, Heilig Kreuz, Herz Jesu, St. Barbara, St. Elisabeth, St. Engelbert, St. Joseph, St. Mariä Geburt, St. Maria Himmelfahrt, St. Mariae Rosenkranz mit der Filialkirche St. Albertus Magnus (Fusion 2000), St. Michael, St. Raphael, St. Theresia von Avila und St. Theresia vom Kinde Jesu. Das Zukunftskonzept des Bistums Essen, das bis 2008 umgesetzt wurde, sah die Reduzierung auf drei Pfarrgemeinden mit neun Kirchen und vier Filialkirchen vor. Die Kirchen St. Raphael und Hl. Kreuz wurden [[Profan|profaniert]] und anderen Nutzungszwecken zugeführt. Daneben gibt es in Mülheim Gemeinden, die zu [[Freikirche]]n gehören: die [[Siebenten-Tags-Adventisten]] (STA), die Evangelisch-Freikirchliche Gemeinde ([[Baptisten]]), die [[Evangelisch-methodistische Kirche]] und die [[Freie evangelische Gemeinde]] (FeG). Eine besondere Bedeutung als Gründungsort hat die Stadt für den [[Pfingstbewegung|pfingstlerisch geprägten]] Freikirchenverband. Der 1905 gegründete [[Mülheimer Verband Freikirchlich-Evangelischer Gemeinden]] führte Anfang des 20.&nbsp;Jahrhunderts von Mülheim aus zu einer großen nationalen [[Erweckung]], in dessen Zuge sich die ''[[Christus Gemeinde Mülheim]]'' als erste Pfingstkirche in Deutschland gründete. Ferner sind in Mülheim an der Ruhr die [[Neuapostolische Kirche]] und die Gemeinschaft der [[Zeugen Jehovas]] vertreten. === Judentum === Über 500 Jahre lebten [[Juden]] in Mülheim an der Ruhr, oft als geduldete Minderheit, die für ihre Duldung hohe Abgaben zu zahlen hatten und nur zeitweise freie und angesehene Mitbürger waren. Zu Beginn der 1930er-Jahre gehörten rund 650 Mülheimer dem jüdischen Glauben an, die sich in zwei [[Synagoge]]n zum gemeinsamen Gebet trafen. Die [[Machtergreifung]] der [[Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei|Nationalsozialisten]] im März 1933 führte zu offenem [[Judenfeindlichkeit|Antisemitismus]]. Der Druck, der auf jüdische Geschäftsleute ausgeübt wurde, führte schnell zu ersten Geschäftsschließungen, zur täglichen Bedrohung in der Öffentlichkeit und am Arbeitsplatz, in Schulen und Vereinen und zu ersten [[Emigration]]en. Zwischen 1933 und 1936 wanderten rund 200 jüdische Mitbürger aus, darunter nur wenige der alteingesessenen jüdischen Mülheimer, die sich zu diesem Zeitpunkt trotz aller Schikanen noch sicher fühlten. 1938 war die jüdische Bevölkerung durch erste [[Deportation deutscher Juden|Deportationen]] und die Auswanderungen auf die Hälfte geschrumpft. Die große Synagoge am Viktoriaplatz musste aus Geldmangel und auf Druck der Stadt veräußert werden. Die [[Novemberpogrome 1938|Reichspogromnacht]] führte zu einer weiteren Verschlimmerung der Lage und in den Folgejahren bis 1943/1944 wurden die in Mülheim noch lebenden Juden in mehreren Häusern [[Getto|gettoisiert]] und schubweise in die [[Konzentrationslager]] verbracht. Insgesamt emigrierten 233 Mülheimer Juden, meist nach [[Palästina (Region)|Palästina]] oder nach [[Südamerika]]. Mindestens 266 jüdische Mülheimer wurden ermordet, wobei die exakte Zahl wegen der über 50 unbekannten Schicksale höher liegen dürfte. Mehr als 80 starben in Mülheim, einzelne begingen Selbstmord und entzogen sich so der Verfolgung, Demütigung und Deportation. Nur 39 jüdische Mülheimer kehrten aus den Konzentrationslagern oder Verstecken zurück und die nach Mülheim zurückgekehrten Überlebenden des [[Holocaust]] gründeten zu Beginn des Jahres 1946 die Jüdische Gemeinde Mülheim, deren Vorsitzender bis 1968 Salomon Lifsches war. 1955 erfolgte der Zusammenschluss mit der benachbarten Duisburger Gemeinde und die Zahl der Mitglieder wuchs auf 83 an. 1960 konnte die Mülheimer [[Synagoge]] in der Kampstraße eingeweiht werden. Im Jahre 1968 haben sich die jüdischen Gemeinden in Mülheim, [[Duisburg]] und [[Oberhausen]] zu einer gemeinsamen [[Israelitische Kultusgemeinde|Kultusgemeinde]] − der [[Jüdische Gemeinde Duisburg-Mülheim/Ruhr-Oberhausen|Jüdischen Gemeinde Duisburg-Mülheim/Ruhr-Oberhausen]] − zusammengeschlossen. In den 1990er Jahren wuchs die Zahl der Gemeindemitglieder durch die Zuwanderung von Juden aus der ehemaligen [[Sowjetunion]] auf über 2.800 Mitglieder an und machte den Neubau einer Synagoge erforderlich. Gemeinsam einigten sich die Jüdische Gemeinde und die drei Städte Mülheim, Duisburg und Oberhausen auf den Neubau im [[Duisburger Innenhafen]]. Und seit Einweihung des neuen Gemeindezentrums der Jüdischen Gemeinde Duisburg-Mülheim/Ruhr-Oberhausen in Duisburg im Jahre 1999 ist dieser Ort mit Leben gefüllt. Es finden dort u.a. Kulturveranstaltungen statt, so eine jährliche ''Jüdische Buchmesse'' sowie die ''[[Jüdische Kulturtage im Rheinland|Jüdischen Kulturtage im Rheinland]]''. Aber auch das Engagement im Bereich der Familien- und Jugendarbeit ist im Gemeindezentrum mit dem ''[[Kinder- und Jugendzentrum Tikwatejnu]]'' beheimatet − ''Tikwatejnu'' ist Hebräisch und bedeutet übersetzt „Unsere Hoffnung“. Aber auch in Mülheim und Oberhausen sind Büros und Räumlichkeiten vorhanden, um auch hier vor Ort Familien- und Jugendarbeit leisten zu können. === Islam === In Mülheim gibt es mehrere [[islam]]ische Gemeinden, insgesamt stellt die islamische Bevölkerung zwischen 8 % und 10 % der Gesamtbevölkerung und damit die drittgrößte Religionsgruppe der Stadt. Die türkische Fatih Camii Gemeinde verfügt über einen der größten islamischen Gebetsräume Deutschlands. Die arabische Islamische Gemeinde Mülheims sorgte im Jahre 2005 für überregionale Schlagzeilen, als die Pläne des Vereins bekannt wurden, das leerstehende Gebäude der [[Landeszentralbank]] zu erwerben. Obwohl der Abriss des bisherigen Gebetsraumes drohte, weil die Stadtverwaltung eine Straßenerweiterung plante, wurden die Umzugspläne in das gut gesicherte Bankgebäude von Politikern und Zeitungen als „Verschanzung hinter Panzerglas“ <ref> [http://www.mbi-mh.de/MBI-Arbeit/Initiativen/BIMS_Klottschen/bims_klottschen.html mbi Mülheim; Initiative Klöttschen] </ref> dargestellt. Erst nach langen Verhandlungen konnte dem Verein das ehemalige ''Haus der Wirtschaft'' zum Kauf angeboten werden. Die rund 280 Mitglieder finden in dem Haus, das im September 2006 eröffnet wurde, einen erheblich größeren Gebetsraum, eine Küche und verschiedene Unterrichtsräume. <ref>[http://www.nrz.de/nrz/nrz.region.volltext.php?kennung=on2nrzNRWNRWNational38964&zulieferer=nrz&kategorie=NRW&rubrik=NRW&region=National&auftritt=NRZ&dbserver=1 NRZ] </ref> == Politik und Verwaltung == [[Datei:Rathausturm MH.jpg|thumb|Mülheimer Rathausturm]] Die erste Verwaltung im modernen Sinne wurde 1808 eingerichtet, als Mülheim die [[Stadtrecht]]e erhielt und die verwaltungstechnische Verantwortung den drei Munizipalräten und einem Bürgermeister auferlegt wurde. 1846 folgte die revidierte Städteordnung mit einem [[Magistrat]] und der Stadtverordnetenversammlung und ab 1851 galt die neue [[Preußen|preußische]] Gemeindeordnung. An der Spitze der Stadt standen der Gemeindevorstand mit dem Bürgermeister und der Gemeinderat, ab 1856 der Magistrat mit dem Bürgermeister und die Stadtverordnetenversammlung (Rheinische Städteordnung). Ab 1895 trug das Stadtoberhaupt Mülheims meist den Titel [[Oberbürgermeister]]. Während der Zeit der [[Nationalsozialismus|Nationalsozialisten]] wurde der Oberbürgermeister von der [[Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei|NSDAP]] eingesetzt. Nach dem [[Zweiter Weltkrieg|Zweiten Weltkrieg]] setzte die [[Militärregierung]] der [[Britische Besatzungszone|Britischen Besatzungszone]] einen neuen Oberbürgermeister ein und führte 1946 die Kommunalverfassung nach britischem Vorbild ein. Danach gab es einen vom Volk gewählten ''Rat der Stadt'', dessen Mitglieder als ''Stadtverordnete'' bezeichnet wurden. Der Rat wählte anfangs aus seiner Mitte den [[Oberbürgermeister]] als Vorsitzenden und Repräsentanten der Stadt, welcher ehrenamtlich tätig war und einen hauptamtlichen [[Oberstadtdirektor]] als Leiter der Stadtverwaltung. 1999 wurde diese Doppelspitze in der Stadtverwaltung abgeschafft. Seither ist der hauptamtliche [[Oberbürgermeister]] als Vorsitzender des Rates, Leiter der Stadtverwaltung und Repräsentant der Stadt tätig. Er wird&nbsp;–&nbsp;ebenfalls seit 1999&nbsp;–&nbsp; direkt von der Mülheimer Bevölkerung gewählt. Seit 1975 das Stadtgebiet in die drei Stadtbezirke unterteilt ist, stellen diese je eine [[Bezirksvertretung]] mit einem [[Bezirksvorsteher]]. Die Bezirksvertretung hat 19 Mitglieder und wird bei jeder [[Kommunalwahl]] (alle fünf Jahre) von der Bevölkerung des Stadtbezirks gewählt. Die Stadt gehört verwaltungstechnisch zum [[Regierungsbezirk Düsseldorf]], [[Landschaftsverband Rheinland]] und [[Regionalverband Ruhr]]. Mülheim galt jahrzehntelang als traditionelle Hochburg der [[Sozialdemokratische Partei Deutschlands|SPD]], bis diese 1994 vom ersten [[Schwarz-Grüne Koalition|schwarz-grünen Bündnis]] in einer nordrheinwestfälischen Großstadt abgelöst wurden. Seitdem ist das lokale Parteienspektrum breiter geworden und auch bei Land- und Bundestagswahlen ist die bisherige absolute Mehrheit für den sozialdemokratischen Kandidaten nicht mehr selbstverständlich. Lokalpolitisches Hauptthema ist seit der Wahl von Dagmar Mühlenfeld zur Oberbürgermeisterin im Jahr 2003 das kontrovers diskutierte Stadtplanungsprojekt [[Ruhrbania]], das die Attraktivität Mülheims für Unternehmen und Bewohner erhöhen soll, dem aber auch Grünflächen und bestehende Infrastruktur weichen müssen. Am 30. September 2009 lagen die kurzfristigen Verbindlichkeiten der Stadt bei 405 Millionen Euro und die Investitionskredite einschließlich der [[Eigenbetrieb]]e wurden auf 469 Millionen Euro beziffert. Insgesamt ergeben sich kommunale Schulden von 874 Mio. Euro. <ref>http://www.derwesten.de/nachrichten/staedte/muelheim/2009/9/28/news-134955623/detail.html DerWesten.de: Gespräch mit Stadtkämmerer Uwe Bonan vom 28. September 2009</ref> === Bürgermeister und Oberbürgermeister seit 1808 === [[Datei:Chr. Weuste OB MH.JPG|thumb|100px|[[Christian Weuste]]; Bürgermeister von 1822 bis 1847]] Seit der Stadterhebung im Jahre 1808 hatten über 20 Personen das Amt des Bürgermeisters und Oberbürgermeisters inne. Die vollständige namentliche Liste mit den Daten zur Amtszeit befindet sich in der [[Liste von Persönlichkeiten der Stadt Mülheim an der Ruhr]]. Von herausragender Bedeutung für die Stadt waren die Amtszeiten von [[Christian Weuste]] (1822 bis 1847), von [[Karl Obertüschen]] (1857 bis 1873) und von [[Paul Lembke]] (1904 bis 1922). In den Jahren 1945 und 1946 wechselten die Bürgermeister an der Stadtspitze häufig. Die Oberbürgermeister wurden in diesen Nachkriegsjahren durch die [[Alliierte]]n kommissarisch in das Amt eingesetzt. Neben dem früheren Bürgermeister [[Edwin Renatus Hasenjaeger]], der von Oktober 1945 bis April 1946 amtierte, standen die vorherigen Beigeordneten Gustav Langweg und Werner Hoosmann sowie der spätere Stadtdirektor Josef Poell teilweise nur für wenige Tage an der Spitze der Stadt. Mit den ersten freien Kommunalwahlen im Herbst 1946 kam wieder eine gewisse Kontinuität in die Besetzung des Amtes und vor allem [[Heinrich Thöne]] prägte in seiner Amtszeit von 1948 bis 1969 das Bild der Stadt im Wiederaufbau. Seit 2003 steht [[Dagmar Mühlenfeld]] an der Spitze der Stadtverwaltung. === Oberstadtdirektoren 1946–1999 === {| class="prettytable" |- align="center" ! von ! bis ! Name |- | 1946 | 1953 | Josef Poell |- | 1953 | 1963 | Bernhard Witthaus |- | 1964 | 1974 | Heinz Heiderhoff |- | 1974 | 1991 | Heinz Hager |- | 1992 | 1995 | Ernst Gerlach |- | 1995 | 1999 | Hans-Peter Predeick |} === Wahlergebnisse === {{Siehe auch|Ergebnisse der Kommunalwahlen in Mülheim an der Ruhr}} Der [[Gemeinderat (Deutschland)|Gemeinderat]] der Stadt Mülheim an der Ruhr hat seit der letzten [[Kommunalwahl in Mülheim an der Ruhr 2009|Kommunalwahl vom 30.&nbsp;August 2009]] insgesamt 58 Mitglieder. Diese verteilen sich auf die einzelnen Parteien wie folgt: {| class="prettytable" |- align="center" ! Partei ! Stimmanteile ! Sitze im Rat |- | SPD | 34,3 % | 20 Sitze |- | CDU | 25,2 % | 15 Sitze |- | [[Mülheimer Bürgerinitiativen|MBI]] | 11,6 % | 7 Sitze |- | [[Freie Demokratische Partei|FDP]] | 11,2 % | 6 Sitze |- | [[Bündnis 90/Die Grünen|Grüne]] | 10,7 % | 6 Sitze |- | [[Die Linke]] | 4,4 % | 3 Sitze |- | [[Wir aus Mülheim|WIR AUS Mülheim]] | 2,6 % | 1 Sitz |} === Wappen, Logo und Flagge === [[Datei:Wappen Mülheim an der Ruhr.jpg|left|120px|Stadtwappen]] Der [[Wappenschild]] des [[Wappen]]s der Stadt Mülheim an der Ruhr zeigt in zweimal gespaltenem und einmal geteiltem Schild (in Klammern die Bedeutung der Darstellung): ** Feld 1: in Gold ein rotes Schräggitter (Herrschaft zu [[Daun]]) ** Feld 2: in Blau ein achtspeichiges silbernes Rad (Herrschaft zu [[Falkenstein (Hessisches Adelsgeschlecht)|Falkenstein]]) ** Feld 3: in Silber einen doppelschwänzigen, blau gekrönten und blau bewehrten roten Löwen (Herrschaft zu [[Grafschaft Limburg|Limburg]]) ** Feld 4 (geteilt): oben ein in Rot schreitender goldener Löwe; unten drei schwarze Balken in Silber (Herrschaft zu [[Oberstein]]) ** Feld 5: in Rot einen goldenen Leerschild (Herrschaft zu [[Schloss Broich|Broich]]) ** Feld 6: in Blau zwischen vier silbernen Kreuzen in den Ecken ein sechsspeichiges silbernes Rad (Herrschaft zu [[Reipoltskirchen]]) Das Wappen wurde 1890 eingeführt und 1925 vom preußischen Staatsministerium verliehen. Unter einer Burgmauer auf dem Schildhaupt ist das Schild des letzten Grafen von Daun-Falkenstein abgebildet. Die Herrschaften zu Daun-Oberstein und Falkenstein waren Vasallen des [[Herzogtum Berg|Herzogtums Berg]]. Die Falkensteiner Grafen gelangten durch Erbschaft (1608–1628) in den Besitz der Herrschaft [[Hohenfels-Essingen|Hohenfels]]-[[Reipoltskirchen]] (heute [[Verbandsgemeinde Wolfstein]] in [[Rheinland-Pfalz]]). [[Datei:LogoMH.svg|left|100px|Stadtlogo]]Das sehr viel jüngere Logo wurde 1971 von dem Mülheimer Künstler [[Peter-Torsten Schulz]] entworfen und ziert seitdem alle städtischen Schilder und Briefbögen. Das doppelte ''M'' steht als symbolische Brücke, die sich in der Ruhr widerspiegelt. [[Datei:Flagge der kreisfreien Stadt Mülheim an der Ruhr.svg|right|border|100px|Stadtflagge]] Der Wahlspruch der Stadt lautet ''Mölm boven aan!''. Der aus dem [[Mölmsch (Dialekt)|Mölmsch Platt]] stammende Spruch ist wörtlich mit ''Mülheim oben an'' übersetzt und bedeutet sinngemäß eher ''Mülheim nach vorn''. Die Flagge der Stadt Mülheim an der Ruhr ist [[gelb]]-[[rot]], welches die Farben der Herren von Broich im Mittelalter waren. === Städtepartnerschaften === Mülheim an der Ruhr unterhält [[Städtepartnerschaft]]en mit folgenden Städten: {| style="background: #F5F5F5; padding:0em 1em 0em 1em;" | width="400" valign="top" | * {{Flagicon|England}} [[Darlington]], [[England]], seit 1953 * {{Flagicon|France}} [[Tours]], [[Frankreich]], seit 1962 * {{Flagicon|Finland}} [[Kuusankoski]], [[Finnland]], von 1972 bis 2008 * {{Flagicon|Poland}} [[Oppeln]], [[Polen]], seit 1989 * {{Flagicon|Israel}} [[Kfar Saba]], [[Israel]], seit 1993 | valign="top" | | width="400" | * {{Flagicon|Turkey}} [[Beykoz|Istanbul-Beykoz]], [[Türkei]], seit 2007 * {{Flagicon|Finland}} [[Kouvola]], [[Finnland]], seit 2009 <ref>[http://www.muelheim-ruhr.de/cms/kuusankoski_finnland1.html Erklärung der Stadt Mülheim an der Ruhr: Städtepartnerschaften der Stadt Kouvola]</ref> * {{Flagicon|Germany}} [[Berlin-Tiergarten]] (innerdeutsche Städtefreundschaft) * {{Flagicon|Palestine}} [[Qalqiliya]], [[Palästinensische Autonomiegebiete|Palästina]] (Städtefreundschaft) |}<br /> Eine Patenschaft bestand von 1967 bis 2005 mit dem [[Schnellboot]] ''S70-Kormoran'' der [[Bundesmarine]]; eine solche besteht seit 1998 zum Jumbo-Jet [[Boeing 747]]-400 ''Mülheim an der Ruhr'' (Registriernummer D-ABVO) <ref>[http://www.fysb.de/fleetlist/photolist.php?registration=D-ABVO&airline=Lufthansa&aircraft=Boeing%20747-400&r=122179 Bilder der Boeing]</ref> der [[Deutsche Lufthansa|Deutschen Lufthansa AG]]. Der Jumbo-Jet ist auf dem [[Flughafen Frankfurt am Main]] stationiert. Seit dem 30.&nbsp;September 2004 hat die Stadt Mülheim an der Ruhr eine Patenschaft über den gleichnamigen [[ICE]] der [[Deutsche Bahn AG|Deutschen Bahn AG]] übernommen. == Kultur und Sehenswürdigkeiten == [[Datei:MH-Stadthalle.jpg|thumb|Mülheimer Stadthalle an der Ruhr]] In kultureller Hinsicht kann Mülheim nicht als Großstadt gelten, denn eine klassische Hochkultur mit [[Philharmonie]] oder gar Schauspiel- und Opernhaus hat sich, möglicherweise auch durch die Lage inmitten der viel bedeutenderen Nachbarstädte, nicht entwickelt. Die Mülheimer Kulturszene ist eher gekennzeichnet durch den Anspruch ''klein, aber fein'' und so bildete sich&nbsp;–&nbsp;neben einigen überregional wirkenden Kultureinrichtungen&nbsp;–&nbsp;vor allem eine abwechslungsreiche [[Subkultur]]. Diese brachte bekannte Künstler wie [[Helge Schneider]], [[Christoph Schlingensief]] und [[Dore O.]] hervor und steht mit Bands wie ''[[Bluttat (Band)|Bluttat]]'', ''[[Die Lokalmatadore]]'', die ''[[Die Ruhrpottkanaken]]'' und ''[[Bohren & der Club of Gore]]'' für eine intensive [[Punk (Musik)|Punk-]] und [[Heavy Metal|Heavy-Metal]]-Szene. [[Country-Musik|Country]] und [[Folk Rock]] werden schon seit Beginn der 1990er-Jahre von der Liedermacherin [[Corny Held]] und ihren Solo- und Bandprojekten vertreten. Seit 2006 hat sich dank ehrenamtlichen Wirkens die Veranstaltungsreihe „[[Sunset Folks]]“ auf der [[Europa-Freilichtbühne|Freilichtbühne]] zu einem festen kulturellen Veranstaltungsbestandteil etabliert. Das [[Mölmsch (Dialekt)|Mölmsch Platt]] als örtlicher Dialekt ist in seiner Bedeutung fast untergegangen. Diese Varietät der in den Niederlanden und am Niederrhein verbreiteten Dialektgruppe des [[Kleverländisch]]en ist eine [[ostbergisch]]e Mundart, die nur noch von wenigen älteren [[Mölmsche]]n, den echten Mülheimern in ihren Heimatgruppen gesprochen wird. Hingegen ist am [[Martinstag]] das mölmsche [[Martinssingen|Heischelied]] ''Ssinter Määtes Vöögelsche'' noch vielfach zu hören. Umgangssprachlich spricht man heute in Mülheim ein Mölmsches Hochdeutsch, das viele [[Niederrheinische Sprache|niederrheinische]] Elemente und Worte umfasst, und sich vom [[Ruhrdeutsch]]en unterscheidet. Erhalten geblieben sind die typisch mölmschen Spezialitäten: Endivien dore-in ([[Endivie]]n untereinander) mit [[Panhas]], Steelmoos (Stielmus) und Ssuure Kappes mit witte Boahne (Sauerkraut mit weißen Bohnen) <ref>[http://www.muelheim-ruhr.de/cms/moelmsche_rezepte1.html Mölmsche Rezepte]</ref>. Das ''Echt [[Mölmsch (Bier)|Mölmsch]]'', eine mit dem [[Kölsch (Bier)|Kölsch]] vergleichbare Mülheimer Bierspezialität, die von 1995 an einige Jahre lang nicht mehr gebraut wurde, seit 2008 jedoch wieder hergestellt wird. === Theater === [[Datei:Theater an der Ruhr.JPG|thumb|Theater an der Ruhr|right]] Das [[Theater an der Ruhr]] wurde 1980 von [[Roberto Ciulli]] und [[Helmut Schäfer (Dramaturg)|Helmut Schäfer]] gegründet. Die Schauspielbühne befindet sich im [[Gut Raffelberg]] und zählt durch ihre überregionale Bekanntheit zu den wichtigsten Kultureinrichtungen der Stadt. Das Theater an der Ruhr ist seit seiner Gründung ein Modell, das die strukturellen Schwächen der Staats - und Stadttheater vermieden hat und seiner Flexibilität wegen ein Beispiel für moderne Kultureinrichtungen ist. Stark entwickelt sind die internationalen Beziehungen: So hat das Theater selbst in über 30 Ländern weltweit gastiert und ebenso viele Theater aus dem Ausland zu seinen 'Internationalen Theaterlandschaften' eingeladen. 1999 war das Theater an der Ruhr das erste Theater aus dem Westen, das nach 1979 im Rahmen seines Projekts 'Seidenstraße' wieder in Teheran gespielt hat. Das [[Theater an der Ruhr]] ist regelmäßig Gastgeber des [[Theaterjugendclub]]-Festival [[Festival Unruhr|Unruhr]]. Die Stadthalle ist Austragungsort für den jährlich seit 1976 im Mai/Juni stattfindenden [[Stücke (Theater)|Stücke]]-Wettbewerb. Im Rahmen der Mülheimer Theatertage entscheidet eine Jury über die Vergabe des [[Mülheimer Dramatikerpreis]]es an neue Stücke in der Theaterwelt, wobei nur die Stücke selbst und nicht die [[Inszenierung]] gewertet werden sollen. Der Wettbewerb trägt dazu bei, dass jedes Jahr bis zu acht Stücke –&nbsp;meist die Uraufführungen&nbsp;– aus sämtlichen Teilen des deutschsprachigen Theaterraums in Mülheim zu sehen sind. Mülheim verfügt zudem über eine große [[Europa-Freilichtbühne|Freilichtbühne]], die 1936 eröffnet wurde und lange Zeit in Vergessenheit geriet, bevor im Jahre 2000 ein Förderverein die Wiederbelebung als ''Open-Air-Zentrum'' –&nbsp;insbesondere im Kontext der [[Kulturhauptstadt Europas|Kulturhauptstadt 2010]]&nbsp;– initiierte. Regelmäßig ist Mülheim an der Ruhr, neben [[Bochum]], [[Düsseldorf]] und [[Köln]], Spielort des Theaterfestival [[Impulse (Theaterfestival)|Impulse]], das Off Produktionen freier Bühnen aus [[Deutschland]], der [[Schweiz]] und [[Österreich]] einlädt. In dem Kulturzentrum [[Ringlokschuppen Mülheim|Ringlokschuppen]] wird seit der Spielzeit 2007/2008 vermehrt auf Theaterproduktionen gesetzt. Ab Juni 2008 inszeniert [[René Pollesch]] die erste von 3 Produktionen der Ruhrtrilogie in der Müga in Koproduktion mit dem Ringlockschuppen und der [[Volksbühne Berlin]]. Die Inszenierung „Tal der fliegenden Messer“ findet an der Ruhr in einer von [[Bert Neumann]] gebauten Bühne statt. Erwähnenswert sind schließlich noch die zwei Amateur-Spielgruppen, die sich beide 1990 etablierten. Die Theatergruppe für Senioren „Mülheimer Spätlese“ mit über 30 aktiven Mitgliedern in einem Alter zwischen 50 und über 80 Jahren hat sich zu einem der größten Seniorentheater in Deutschland entwickelt. Es hat bislang 18 Eigenproduktionen aufzuweisen. Landesweit beteiligt es sich an Festivals und lässt auswärtige Seniorentheater in der eigenen Spielstätte gastieren. Das „Mülheimer Backstein-Theater“ mit über 80 Mitgliedern auf und hinter der Bühne erreicht nahezu professionelle Qualität. Jährlich finden ca. 18 Aufführungen im Großen Kasino des Evangelischen Krankenhauses statt. === Kulturzentren === [[Datei:DSCN4028.JPG|thumb|Kloster Saarn|right]] [[Datei:Die Backsteinschule.jpg|thumb|Backsteinschule|right]] In den letzten Jahrzehnten hat sich das [[Kloster Saarn]] zu einem bedeutenden Kulturzentrum entwickelt. Neben den über die Stadtgrenzen hinaus beachteten geistlichen Konzerten sind die jährlich stattfindenden Saarner Orgeltage mit international bekannten Interpreten hervorzuheben. Aber auch als kultureller Treffpunkt für Jung und Alt mit Mal- und Fotokursen, Tanzveranstaltungen, Kindertheater, Cabarét und Popkonzerten hat das Kloster Saarn eine besondere Bedeutung für die Stadt. Zu erwähnen ist auch der Bürgersaal mit Cafeteria, die umfangreiche Pfarr-Bibliothek und das Klostermuseum (s.u.). Die evangelische Altstadtgemeinde mit der Petrikirche auf dem [[Kirchenhügel]] hat eine noch längere kulturelle Tradition. Hier wirkten [[Gerhard Tersteegen]] und Kirchenmusiker, von denen insbesondere [[Siegfried Reda]] als Komponist zu nennen ist. Er fand – bis heute – würdige Nachfolger, deren Reihe geistlicher Orgel- und Chorkonzerte in der Petrikirche das kulturelle Leben der Region bereichert. Das ''Autonome Zentrum Mülheim'' ist ein seit 1998 [[AJZ|selbstverwaltetes Jugendkulturzentrum]], in welchem Partys, Konzerte, Theateraufführungen und Workshops stattfinden. Neben einem Kneipenbetrieb und einem Internetcafé bietet es vielen lokalen und regionalen Gruppen von [[Antifa]] bis ''Zeche23'' ([[Chaos Computer Club|CCC]]) einen Treffpunkt. Nicht zuletzt sind auch in diesem Zusammenhang die Heinrich-Thöne-Volkshochschule, das [[Schloss Broich]] und der [[Ringlokschuppen Mülheim|Ringlokschuppen]] zu nennen, ein soziokulturelles Zentrum in dem 1995 umgebauten ehemaligen [[Lokschuppen]], in welchem regelmäßig Konzerte, Kabarett, Theateraufführungen und andere Kulturveranstaltungen stattfinden und der außerdem eine Gastronomie beherbergt. Die drei Einrichtungen gruppieren sich - zusammen mit dem umgebauten ehemaligen Wasserturm (Camera Obscura) - um den oberen (westlichen) Teil des MüGa-Geländes. Schließlich sei hier noch die [[Alte Dreherei]] erwähnt, das Haus der Vereine. === Museen === [[Datei:Aquarius-Wassermuseum.jpg|thumb|Das Aquarius-Wassermuseum]] [[Datei:TersteegenH Altstadt MH.PNG|thumb|left|Altstadt-Ensemble am [[Kirchenhügel]], links das Tersteegenhaus (Heimatmuseum).]] [[Datei:Museum Alte Post.jpg|thumb|left|Das Kunstmuseum „Alte Post“]] Das [[Aquarius-Wassermuseum]] am [[Schloss Styrum]] rechnet zu den Ankerpunkten der [[Route der Industriekultur]], deren [[Route der Industriekultur – Geschichte und Gegenwart der Ruhr|Themenroute&nbsp;12]] die Höhepunkte der Industriekultur und -geschichte der Ruhrlandschaft verbindet. Das [[Haus Ruhrnatur]] in der Nähe der [[Ruhrschleuse Mülheim|Ruhrschleuse]] wurde 1992 eingeweiht und beherbergt ein Museum, das die Flora und Fauna an und in der Ruhr zeigt. In einem [[Wasserturm]] in der Nähe des [[Ringlokschuppen Mülheim|Ringlokschuppens]] wurde&nbsp;–&nbsp;ebenfalls 1992&nbsp;–&nbsp;die größte begehbare [[Camera Obscura]] der Welt eingerichtet, die an klaren Tagen interessante Aus- und Einblicke in die Stadt gibt. Seit September 2006 ist in den unteren Etagen des Wasserturms das [[Museum zur Vorgeschichte des Films]] eingerichtet <ref> [http://www.camera-obscura-muelheim.de/cms/eroeffnung_292006.html Museum zur Vorgeschichte eingeweiht]</ref>, das sich mit zahlreichen Ausstellungsstücken der Frage widmet, „wie die Bilder laufen lernten.“ Im Oktober 2008 wurde im [[Kloster Saarn]] das Klostermuseum eröffnet, das die Geschichte des Lebens im Kloster und seiner Umgebung über einen Zeitraum von 1200 Jahren mit Fundstücken dokumentiert, die dort durch Ausgrabungen gewonnen wurden. Weitere Museen in Mülheim sind das [[Kunstmuseum Mülheim an der Ruhr|Kunstmuseum „Alte Post“]], das [[Büromuseum]] im Turm des Rathauses, das [[Leder- und Gerbermuseum]] in einer stillgelegten Lederfabrik und die Heimatmuseen im Tersteegenhaus und im Schloss Broich. === Bauwerke === [[Datei:Wasserbahnhof MH.PNG|thumb|left|Wasserbahnhof mit Blumenuhr]] [[Datei:Rosenhof und Hochhäuser.jpg|thumb|Rosenhof und Hochhäuser]] [[Datei:Altenhof MH.JPG|thumb|left|Der Altenhof]] [[Datei:Friedrichstraße.jpg|thumb|Gründerzeithäuser an der Friedrichstraße]] Die ältesten erhaltenen Bauwerke sind [[Schloss Broich]] und das [[Zisterzienserinnenkloster Saarn|Kloster Saarn]]. Nur noch einen Hauch von Beschaulichkeit der alten niederfränkischen Architektur bietet die Mülheimer Altstadt am Kirchenhügel, denn bis auf einige wenige Fachwerkhäuser rund um das Tersteegenhaus und die Petrikirche wurde die alte Bausubstanz zum großen Teil während des Zweiten Weltkriegs zerstört, zum Teil aber auch später abgerissen. Vom Krieg verschont blieb die historische Bebauung dagegen weitgehend in den östlichen Randbezirken der Altstadt und in den nobleren Wohngegenden hin zum Ruhrufer, wo die Häuser aus der [[Gründerzeit]] und dem [[Jugendstil]] noch immer bildbestimmend sind. Neben der fast durchgängigen Bebauung mit Jugendstilhäusern an der Friedrich- und der Kaiserstraße sowie ihren Seitenstraßen, sind als Einzelgebäude die [[Villa Josef Thyssen]] an der Dohne und [[Haus Urge]] am Kahlenberg hervorzuheben. Am nördlichen Rand der Innenstadt befindet sich das Rathaus, dessen Turm ein [[Wahrzeichen]] der Stadt ist. Der [[Wasserbahnhof]] mit seiner berühmten Blumenuhr liegt in Zentrumsnähe auf einer Insel im Fluss. Von hier fahren in den Sommermonaten die Schiffe der [[Weiße Flotte (MVG)|Weißen Flotte]] ruhraufwärts bis nach Kettwig und zum [[Baldeneysee]] in [[Essen]]. Weitere interessante Gebäude sind der Altenhof, der [[Bismarckturm (Mülheim an der Ruhr)|Bismarckturm]], die Fabrikgebäude der Friedrich Wilhelms-Hütte, die katholische Kirche St. Mariae Geburt, die Sankt-Laurentius-Kirche im Ortsteil Mintard. Sehenswert ist auch die [[Speldorf]]er Kirche und die historische Bebauung im Stadtteil [[Saarn]]. Im Ortsteil [[Heißen]] befindet sich die unter Denkmalschutz stehende [[Bergarbeitersiedlung Mausegatt]] und das [[RheinRuhrZentrum]], bei seiner Errichtung Deutschlands größtes überdachtes [[Einkaufszentrum]]. Als technisches Bauwerk besonders zu erwähnen ist die [[Ruhrtalbrücke Mülheim|Ruhrtalbrücke]], die seit 1966 das Ruhrtal in [[Mintard]] überspannt. Mit 1830&nbsp;Metern Länge ist sie die längste [[Stahlbrücke]] Deutschlands. === Parks, Grünflächen und Wälder === [[Datei:Broich-Speldorfer-Wald.jpg|thumb|left|Der Broich-Speldorfer Wald und der Duisburger Stadtwald bilden zusammen mit der Huckinger Mark die 30&nbsp;Quadratkilometer große grüne Lunge zwischen den Städten Mülheim und Duisburg]] [[Datei:MüGa-Rathausturm.JPG|thumb|MüGa-Park mit Stadtpanorama]] [[Datei:Streichelzoo im Witthausbusch.jpg|thumb|Streichelzoo im Witthausbusch|right]] [[Datei:Im Rumbachtal.JPG|thumb|Naturschutzgebiet im oberen [[Rumbach (Bach)|Rumbachtal]]|right]] Die Mülheimer Gartenschau (Müga) erstreckte sich, ausgehend von der Stadtmitte, entlang der Ruhr einige Kilometer sowohl in nördlicher als auch in südlicher Richtung. Für die [[Landesgartenschau]] im Jahr 1992 wurden im Wesentlichen zuvor industriell genutzte Flächen und Brachland umgewandelt. Auch nach dem offiziellen Ende der Gartenschau bildet das ehemalige [[MüGa-Park|Müga-Gelände]] einen 66 [[Hektar]] großen stadtnahen Erholungsraum, der sich als kilometerlanger Grüngürtel entlang der Ruhr ausbreitet. An der Stadtgrenze zu Duisburg bildet der [[Broich-Speldorfer Wald]], gemeinsam mit dem [[Duisburger Stadtwald]], ein etwa 30&nbsp;Quadratkilometer großes zusammenhängendes Waldgebiet im Grenzgebiet zwischen den Städten. Auf Mülheimer Seite umfasst der Wald eine Fläche von 1627&nbsp;Hektar, von denen rund 1000&nbsp;Hektar in kommunalem Eigentum stehen und den Mülheimer Stadtwald bilden.<ref> [http://www.muelheim-ruhr.de/cms/muelheimer_waldgeschichte1.html Mülheimer Waldgeschichte]</ref> Oberhalb des Kahlenbergs liegt jenseits der [[Bundesstraße 1|B&nbsp;1]] der [[Witthausbusch]]. Mülheims größte innerstädtische Parkanlage ist wegen ihrer vielfältigen Nutzungsmöglichkeiten vor allem bei Sportlern, Familien und Kindern beliebt. In dem 1909 in Speldorf geschaffenen [[Raffelbergpark]] befand sich bis 1992 ein [[Solebad]] mit Kureinrichtungen. === Regelmäßige Veranstaltungen === Die größte alljährlich wiederkehrende Veranstaltung ist die Saarner Kirmes, die in der ersten Juli-Woche in den Flussauen zwischen Ruhrufer und dem [[Saarn|Saarner Zentrum]] stattfindet. An insgesamt neun Tagen haben die über 100 Schausteller auf dem Kirmesplatz an der Mintarder Straße ihre Attraktionen aufgebaut. Überregionaler Bekanntheit erfreuen sich die Saarner Orgeltage und das Mitte Juni stattfindende Mülheimer Jazzfestival auf mehreren Bühnen in der Innenstadt, sowie Burgfolk und Castlerock auf [[Schloss Broich]]. Neben den [[Stücke (Theater)|Theaterstücken]] sind ein weiterer kultureller Höhepunkt die ''Weißen Nächte'' im [[Raffelbergpark]]. An mehreren Abenden spielt das [[Theater an der Ruhr]] kostenlos unter freiem Himmel seine bekanntesten Stücke. Die Ruhr ist Austragungsort für das [[Drachenboot]]festival, Europas größte Spaß-Regatta <ref> [http://www.muelheim-ruhr.de/cms/9_muelheimer_drachenboot-festival.html 11. Drachenbootfestival]</ref> und für die seit 1910 stattfindenden Jugendfestspiele ''Voll die Ruhr''. Am [[Nikolaus|6. Dezember]] findet in Saarn der Nikolausmarkt statt, für den regelmäßig die Haupteinkaufsstraße in diesem Stadtteil in voller Länge gesperrt wird. == Sport == Die Aktivitäten der Mülheimer [[Sportverein]]e bündeln sich im ''Mülheimer Sportbund a.&nbsp;d.&nbsp;Ruhr e.V.'', der wiederum dem [[Landessportbund Nordrhein-Westfalen|Landessportbund Nordrhein-Westfalen e.&nbsp;V.]] angeschlossen ist. Er ist die unabhängige Gemeinschaft der Sportvereine, die ihren Sitz in Mülheim an der Ruhr haben. === Sportvereine === Der erfolgreichste Sportverein in Mülheim ist der [[Uhlenhorst Mülheim|Hockey- und Tennisclub Uhlenhorst e.V.]]. Der Traditionsverein ist einer der bedeutendsten [[Feldhockey]]<nowiki />clubs in Europa. Seit 1950 wurden 16 [[Deutscher Meister (Hockey)|Deutsche Meisterschaften]] auf dem Feld und eine Meisterschaft in der Halle errungen. Dazu kamen neun [[Europapokal]]<nowiki />siege der Landesmeister in Folge zwischen 1988 und 1996, ein Serienerfolg, den vorher noch keine andere Mannschaft in diesem Wettbewerb geschafft hatte. Mit dem Rücktritt von [[Carsten Fischer]] verlor der HTCU 1997 seinen wohl bekanntesten Spieler. Er war zu diesem Zeitpunkt mit 259 Länderspielen für Deutschland und 154 Toren Rekordhalter in der deutschen Hockey-Torschützenliste. Eine weitere Mülheimer Traditionssportart ist der [[Rudersport]]. Der Wassersportverein Mülheim und die Mülheimer Rudergesellschaft bilden zusammen die Renn-Ruder-Gemeinschaft Mülheim/Ruhr. Die Ruderer haben schon mehrfach international für Aufsehen gesorgt. So konnte der RRGM-Ruderer [[Tim Wooge]] drei Mal beim legendären [[Boat Race]] zwischen Oxford und Cambridge als Schlagmann brillieren. Mark Kleinschmidt konnte dagegen bei den [[Olympischen Spielen 1996]] in Atlanta Silber im [[Deutschlandachter]] gewinnen. Zudem gehen zahlreiche Titel bei Deutschen Meisterschaften, aber auch bei Europameisterschaften und Weltmeisterschaften auf das Konto von RRGM-Ruderern. Der Mülheimer Bundesligaachter rudert zudem in der [[1. Ruder-Bundesliga]]. Im Fußball war der [[1. FC Mülheim]] in der Vergangenheit überregional erfolgreich. Er war in den Jahren 1952, 1953, 1971 und 1972 Niederrheinmeister, spielte von 1972 bis 1974 in der Regionalliga und von 1974 bis 1976 in der [[2. Fußball-Bundesliga|Zweiten Bundesliga]]. Die bekanntesten Spieler waren [[Holger Osieck]], der heute als Trainer arbeitet und [[Norbert Eilenfeldt]], der später bei [[Arminia Bielefeld]], [[FC Schalke 04]] und dem [[1. FC Kaiserslautern]] spielte. Derzeit der erfolgreichste Mülheimer Fußballverein ist der [[VfB Speldorf]], der in der Saison 2009/10 in der [[NRW-Liga]] spielt. Im Jahr 1956 stand der VfB im [[Olympiastadion Berlin|Berliner Olympiastadion]] im Finale um die [[Deutsche Amateurmeisterschaft (Fußball)|Deutsche Amateurmeisterschaft]] gegen die [[Spvgg. 03 Neu-Isenburg]]. Das Spiel ging 2:3 verloren. Zur damaligen Zeit waren einige Speldorfer Spieler wie [[Theo Klöckner]] und [[Helmut Hirnstein]] bis weit über die Stadtgrenzen Mülheims hinaus bekannt. Einen einmaligen Mannschaftsrekord brachten die Handballerinnen des ''Rasensportvereins Mülheim e.V.'' zwischen 1980 und 2000 zustande. Sie sind die einzige Mannschaft im [[Deutscher Handballbund|Deutschen Handballbund]], deren Mitglieder 20 Jahre von der Jugend bis zu den Senioren ohne Änderung ununterbrochen zusammen in einem Verein spielten. Im [[Boxen|Boxsport]] wurde der ''BC Ringfrei Mülheim'' 1979 und 1982 Deutscher Meister. In dieser Zeit boxte der [[Siegen]]er [[Schwergewicht]]ler und 16-fache Deutsche Meister [[Peter Hussing]] für den Verein. Der Schachverein [[SV Mülheim-Nord]] spielt zurzeit (2007/08) seine vierte Saison in der Schachbundesliga. Im Jahr 2004 war der Aufstieg in die höchste deutsche Spielklasse gelungen. Mülheim ist eine Hochburg des [[Badminton]] in NRW und verfügt über einige erfolgreiche Badmintonvereine, wie den TSV-Viktoria Mülheim oder den [[1. BV Mülheim an der Ruhr|1.&nbsp;BV Mülheim]], der zwischen 1968 und 1980 dreizehn Mal in Folge deutscher Mannschaftsmeister war. Der ''Post SV Mülheim'' war mit seiner [[Tischtennis]]-Herrenmannschaft mehrere Jahre in der [[Tischtennis-Bundesliga|Bundesliga]] vertreten. Mit Ausnahme der Spielzeiten 1988/89 und 1991/92, in denen das Team in die Zweite Bundesliga abgestiegen war, spielten sie von 1987 bis 1998 in der Ersten Bundesliga. Danach zog sich der Verein aus der Bundesliga zurück. === Sportanlagen === Mülheim besitzt eine Vielzahl an Sportanlagen, darunter 127 [[Tennisplatz|Tennisplätze]], 48 [[Sportplatz|Sportplätze]], zehn Sporthallen und 39 Turnhallen. Nach einer 2003 veröffentlichten Studie der Sporthochschule Köln wird sich der Zustand (Bausubstanz und Ausstattung) der öffentlichen Sportanlagen und der Bäder in den nächsten Jahren – im Vergleich zu 2003 – erheblich verschlechtern. <ref> [http://www.muelheimer-sportdialog.de/Download/03_Expertenbefragung.pdf Delphi-Studie der Sporthochschule Köln] </ref> Obwohl der Mülheimer-Sportservice bemüht ist, diesen Zustand zu verändern, hat sich die Prognose hinsichtlich einiger Sportstätten mittlerweile erfüllt.<ref> [http://www.wir-aus-muelheim.de/index.php?option=com_content&task=view&id=89&Itemid=26 Sanierung Wennmann-Bad kostet 1&nbsp;Mio.&nbsp;€] </ref> ==== Rennbahn Raffelberg ==== [[Datei:Naturfreibad MH.JPG|thumb|Das Naturbad am Ruhrstadion in Styrum]] [[Datei:RWE RRH 2007.PNG|thumb|Die RWE Rhein-Ruhr-Halle]] Im Stadtteil Speldorf an der Grenze zu Duisburg in der Nähe des [[Autobahnkreuz]]es [[Kaiserberg (Duisburg)|Duisburg-Kaiserberg]] liegt die [[Pferdesport|Galopprennbahn]] Raffelberg des ''Mülheimer Rennvereins''. Sie wurde im Jahr 1910 gegründet und ist damit eine der ältesten Sportstätten Mülheims. Bis zum Jahr 2003 wurde hier der ''Große Preis der Diana'', das Deutsche Stutenderby, ausgetragen. ==== Ruhrstadion ==== Das [[Ruhrstadion (Mülheim)|Ruhrstadion]] im Stadtteil Styrum, direkt zwischen der [[Bundesautobahn 40|A&nbsp;40]] und den Bahngleisen Richtung Duisburg gelegen, ist Mülheims größter Sportplatz. Das Stadion wurde 1925 erbaut. Es hat eine Aschenbahn und ein Rasenspielfeld. Im Jahr 1974 wurde an einer Geraden eine überdachte Tribüne mit 2000 Sitzplätzen gebaut. Hier fanden in den siebziger Jahren die Spiele des [[1. FC Mülheim]] in der Regionalliga (1972–1974), später in der zweiten Liga (1974–1976) statt. Das Fassungsvermögen betrug zu dieser Zeit 20.000 Plätze. Ausverkauft war das Stadion allerdings nie. In den 1990er Jahren drohte es zu verfallen und wurde renoviert. Die Stehränge in den Kurven wurden beseitigt und nur auf der Gegengerade einige Stehtraversen gebaut. Es fasst 6000 Zuschauer und war Austragungsort der Heimspiele des Landesligisten Galatasaray Mülheim. Es soll jedoch noch einmal bis zur Saison 2010/11 modernisiert werden, damit dort die Heimspiele des NRW-Ligisten [[VfB Speldorf]] dort stattfinden können. Direkt daneben befindet sich Mülheims größtes [[Freibad]], das im Jahre 2006 als [[Naturbad]] neu eröffnet wurde. ==== RWE Sporthalle ==== Die neue RWE Sporthalle wurde nach einer Bauzeit von etwa einem Jahr im Februar 2005 offiziell eröffnet. Sie steht an derselben Stelle wie die alte Carl-Diem-Halle und kann in vier separate Spielfelder unterteilt werden. Für Publikumsveranstaltungen stehen 2500 statt zuvor 1100 Plätze zur Verfügung. Die erste Großveranstaltung in der neuen Halle waren die [[German Open (Badminton)|German Open Badminton Championships]] im März 2005. == Verkehr und Infrastruktur == [[Datei:MH-Bahnstrecke Richtung DU.jpg|thumb|Bahnstrecke von Mülheim nach Duisburg im Stadtteil Styrum]] Nach einer im Jahre 2003 von der [[Europäische Kommission|Europäischen Kommission]] im Rahmen des Projektes ''Urban Audit II'' (Lebensqualität in den Regionen Europas) durchgeführten Studie, die sich mit der Erreichbarkeit von 258 Städten aus den 25 EU-Staaten beschäftigte, belegte Mülheim an der Ruhr nach [[Frankfurt am Main]], [[Düsseldorf]], [[Darmstadt]] und [[Mainz]] den fünften Platz und liegt damit auf dem gleichen Rang wie [[Brüssel]] und [[Paris]].<ref> [http://www.urbanaudit.org/rank.aspx urbanaudit]</ref> Die gute verkehrstechnische Anbindung Mülheims innerhalb Europas lässt sich an der zentralen Lage der Stadt in der „[[Blaue Banane|Blauen Banane]]“ erkennen. Die Nähe zum internationalen Flughafen Düsseldorf, die kurzen Wege zu den regionalen Flughäfen in Dortmund, Mönchengladbach und Weeze und der eigene Flughafen begründen die enge Luftverkehrsanbindung der Stadt. Für den Verkehrsbereich Schiene gilt die Einschränkung, dass die Bedeutung des Mülheimer Hauptbahnhofes bis auf Ausnahmen nur im Regionalverkehr zu sehen ist. Durch die Nähe zu den Eisenbahnknotenpunkten Essen und Duisburg wird dieser Nachteil wieder ausgeglichen. Für den Individualverkehr ist eine schnelle Anbindung an [[Fernverkehrsstraße]]n gegeben, die das Stadtgebiet in Form eines Dreiecks umgeben. === Schienen- und Busverkehr === [[Datei:MH-Industrie.jpg|thumb|Industriebahnverkehr in Mülheim. Im Hintergrund die vier Hochhäuser in der Innenstadt.]] Mülheim wurde 1862 durch die [[Bahnstrecke Witten/Dortmund–Oberhausen/Duisburg|Ruhrgebietsstrecke Witten/Dortmund–Oberhausen/Duisburg]] der [[Bergisch-Märkische Eisenbahn-Gesellschaft|Bergisch-Märkischen Eisenbahn-Gesellschaft]] an das Bahnnetz angeschlossen. Der heutige [[Mülheim (Ruhr) Hauptbahnhof|Hauptbahnhof]] ist [[Fernbahnhof|Fern-]], [[Regionalbahnhof|Regional-]] und [[S-Bahn]]hof. Daneben gibt es mit MH-Styrum und MH-West zwei weitere Bahnhöfe, die im S-Bahn-Verkehr bedient werden. Im [[Öffentlicher Personennahverkehr#Schienenpersonennahverkehr|Schienennahverkehr]] ab Hauptbahnhof verkehren [[Regional-Express]]- und [[S-Bahn]]-Linien in Richtung der [[Rheinschiene]] ([[Düsseldorf]], [[Köln]], [[Aachen]]), dem [[Region Niederrhein|Niederrhein]] ([[Krefeld]] und [[Mönchengladbach]]), dem östlichen [[Ruhrgebiet]] ([[Dortmund]] und [[Hamm]]) und [[Westfalen]] ([[Münster (Westfalen)|Münster]], [[Bielefeld]], [[Soest]] und [[Paderborn]]). Siehe dazu die ''[[Liste der SPNV-Linien in NRW]]''. Durchgeführt wird der Schienenpersonennahverkehr (SPNV) von der [[Deutsche Bahn AG|DB Regio NRW]]. Im [[Öffentlicher Personennahverkehr#Straßenpersonennahverkehr|Straßenpersonennahverkehr]] verfügt Mülheim über ein Netz von [[Stadtbahn]]en, [[Straßenbahn]]en und Stadtbuslinien. Es bestehen Straßenbahnverbindungen nach Essen, Oberhausen und Duisburg, eine [[Stadtbahn Essen|Stadtbahnverbindung]] nach Essen und Busverbindungen nach [[Ratingen]] und [[Düsseldorf]]. Für den gesamten [[Öffentlicher Personennahverkehr|Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV)]] gilt der Tarif des [[Verkehrsverbund Rhein-Ruhr|Verkehrsverbundes Rhein-Ruhr (VRR)]] und tarifraumüberschreitend der NRW-Tarif. ''Siehe auch:'' [[Mülheimer VerkehrsGesellschaft]], [[S-Bahn Rhein-Ruhr]], [[Stadtbahnnetz Rhein-Ruhr]] === Flugverkehr === [[Datei:Luftbild Flughafen Essen-Mülheim.JPG|thumb|Luftbild des Flughafens 2009]] Im Südosten an der Grenze zu Essen liegt der kleinere [[Flughafen Essen-Mülheim]]. Im Jahre 1935 wurde er als Zentralflughafen für das Ruhrgebiet ausgebaut und es wurden Flüge in fast alle europäischen Großstädte angeboten. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde der Platz als Reparaturflughafen der [[Alliierte]]n genutzt, da der Flughafen&nbsp;–&nbsp;im Gegensatz zu Düsseldorf&nbsp;–&nbsp;meist nebelfrei ist. Der [[Flughafen Düsseldorf International|Düsseldorfer Flughafen]] wurde so zum Zentrum der zivilen Luftfahrt in Nordrhein-Westfalen. Bekanntheit erlangte der Flughafen Essen-Mülheim durch die [[Prallluftschiff]]e der [[WDL Luftschiffgesellschaft]], die hier gefertigt und zu Rundflügen und Werbezwecken eingesetzt werden. Daneben erfolgt eine intensive Nutzung für Ausbildungsflüge verschiedener Flugschulen wie beispielsweise der [[Fachschule für Luftfahrzeugführer|Fachschule für Luftfahrzeugführer (FFL)]]. === Straßenverkehr === Das Stadtgebiet wird umrahmt von drei Autobahnen. Im Norden verläuft mit der [[Bundesautobahn 40|A&nbsp;40]], die von Duisburg nach Dortmund führt, die Schnellstraße mit einem der höchsten Verkehrsaufkommen (>130.000 Kfz/Tag <ref> [http://www.strassen.nrw.de/service/presse/meldungen/2003/030505-01.html Straßen in NRW] </ref>) in Deutschland. Die [[Bundesautobahn 52|A&nbsp;52]] von Essen nach Düsseldorf verläuft im Mülheimer Südosten und quert mit der [[Ruhrtalbrücke Mülheim|Mintarder Brücke]] die Ruhr. Im Westen des Stadtgebiets verbindet die [[Bundesautobahn 3|A&nbsp;3]] die Autobahnknotenpunkte [[Autobahnkreuz Kaiserberg|Kreuz Kaiserberg]], im Ruhrgebiet auch „Spaghettiknoten“ genannt, und das [[Ratingen|Kreuz Breitscheid]]. Die [[Bundesstraße 1|B&nbsp;1]] durchmisst das gesamte Stadtgebiet von Südwesten nach Nordosten. Südlich der Ruhr hat diese Bundesstraße den Beinamen ''Caravanstraße'' erhalten. Mehr als 25 Händler offerieren Wohnmobile, Mobilheime, Gartenhäuser, Caravane und Artverwandtes. Die [[Bundesstraße 223|B&nbsp;223]] zweigt von der B&nbsp;1 ab und führt unter Durchquerung der Innenstadt nach Oberhausen. === Wasser === Mülheims [[Rhein-Ruhr-Hafen]] ist neben dem [[Hafen Dortmund|Dortmunder]] und [[Duisburg-Ruhrorter Häfen|Duisburger]] Hafen einer der leistungsfähigsten Häfen des Ruhrgebietes. Er hat eine Wasserfläche von 86.000&nbsp;Quadratmetern und eine ausgebaute Uferlänge von 3,1&nbsp;Kilometern und ist über den [[Ruhrschifffahrtskanal]] mit den [[Duisburg-Ruhrorter Häfen]], dem [[Rhein-Herne-Kanal]] und dem [[Rhein]] verbunden. == Wirtschaft == === Allgemeines === [[Datei:Siemens AG im Rhein-Ruhr-Hafen Mülheim.JPG|thumb|Siemens AG im Rhein-Ruhr-Hafen]] Die Wirtschaft der Stadt war immer gekennzeichnet durch den Schnittpunkt der Ruhr mit dem [[Hellweg]] und entsprechend lag und liegt die Ausrichtung der Wirtschaft auf dem [[Handel]] und dem [[Dienstleistungssektor]]. So verlief die wirtschaftliche Entwicklung Mülheims zu Beginn der [[Industrielle Revolution in Deutschland|Industriellen Revolution]] im 19.&nbsp;Jahrhundert durch die günstige Verkehrslage völlig anders als in den übrigen Ruhrgebietsstädten.<ref>[http://www.ruhr-uni-bochum.de/iga/isb/isb-hauptframe/forschung/forsch-urban.htm RUB-Forschungsprojekt:Mülheimer Unternehmer; Pioniere der Wirtschaft]</ref> Die Ruhr, bis zur Mitte des 19.&nbsp;Jahrhunderts der meist befahrene deutsche Fluss, war die Grundlage für ersten Wohlstand und rasches Wachstum. Neben der Lederindustrie, die sich mit ihren Gerbereien am linken Flussufer niederließ, folgten im Zuge der erblühenden [[Ruhrschifffahrt]] mit ihrem Kohlenhandel die ersten unternehmerisch geführten Zechen im Ruhrgebiet. Doch Mülheim war auch die erste Stadt im Ruhrgebiet, in der [[Zeche|Kohleförderung]] und [[Hochofen|Stahlproduktion]] für immer beendet wurden. Die traditionelle Ausrichtung als Handelsstandort und die verkehrsgünstige Lage im Zentrum der [[Rhein-Ruhr|Region Rhein-Ruhr]], verbunden mit der guten Infrastruktur, führten zu einer breiten und branchenvielfältigen Wirtschaftsstruktur. Das Bruttoinlandsprodukt pro Einwohner beträgt etwa 25.900 Euro pro Jahr und liegt somit, ebenso wie die Kaufkraft, leicht über dem bundesweiten Durchschnitt (25.800)<ref>[http://stadt.cityreview.de/nordrhein-westfalen/muelheim-an-der-ruhr/statistik/ Cityreview.de Mülheim an der Ruhr]</ref>. Darüber hinaus hat die Stadt am Fluss eine für die Region vergleichsweise niedrige Arbeitslosenquote. Zum 31. März 2008 gab es 6990 [[Arbeitslose]], das entsprach einer [[Arbeitslosenquote]] von 8,5 %.<ref>[http://www.arbeitsagentur.de/Dienststellen/RD-NRW/Oberhausen/AA/A01-Allgemein-Info/Publikation/Arbeitsmarktbericht-2008-03.pdf Arbeitsagentur Oberhausen/Mülheim]</ref> {| class="prettytable" |+ Erwerbstätige nach Sektoren in Prozent <ref>[http://www.muelheim-ruhr.de/cms/shared/datei_download.php?uid=94b0d237555ef32eeb9a5404683357bf Statistisches Jahrbuch 2005/2006]</ref> |- class="hintergrundfarbe6" ! Gebiet ! 1998 ! 2000 ! 2002 ! 2003 ! 2004 ! 2005 |- style="text-align:right" | style="text-align:left" | Land-/Forstwirtschaft | 0,70 | 0,70 | 0,70 | 0,55 | 0,55 | 0,55 |- style="align:right" | style="align:left" | Produzierendes Gewerbe | 37,55 | 34,05 | 33,35 | 32,90 | 32,65 | 32,30 |- style="align:right" | style="align:left" | Handel, Verkehr, Nachrichtenübermittlung | 27,95 | 29,55 | 29,55 | 28,40 | 29,05 | 29,55 |- style="align:right" | style="align:left" | Sonstige Dienstleistungen | 33,80 | 35,70 | 36,40 | 38,15 | 37,75 | 37,55 |} === Ansässige Unternehmen === [[Datei:Aldi Zentrale MH.PNG|thumb|Zentrale von [[Aldi]] Süd]] Mülheim gilt als die deutsche Hauptstadt des Lebensmittel-Einzelhandels, denn die Unternehmen [[Aldi]] Süd und die [[Unternehmensgruppe Tengelmann|Tengelmann]]-[[Holding]] mit [[Plus Warenhandelsgesellschaft|Plus]] haben hier ihren Sitz. Die ehemalige [[Kraftwerk Union]] (KWU), gegründet durch die [[Siemens AG]] und [[AEG (Unternehmen)|AEG]] 1969, heute als [[Siemens Sector Energy|Sector Energy]] (ehemals [[Siemens Power Generation|Power Generation]]) direkt zur Siemens AG gehörend, hat in Mülheim große wirtschaftliche Bedeutung. Nachdem sowohl die KWU als auch die Mannesmannröhrenwerke Schrumpfungsprozessen unterworfen waren, hat sich auf den frei gewordenen Flächen neben einem Siemens [[Technopark]] ein Gewerbegebiet mit Ausrichtung auf den [[Logistik]]bereich angesiedelt. [[Datei:Mannesmann Roehren MH.PNG|thumb|Die Verwaltung der Mannesmannröhrenwerke]] Bis zur Übernahme durch die [[Vodafone|Vodafone AG]] im Januar 2000 waren die [[Mannesmann]]<nowiki>röhrenwerke</nowiki> AG einer der größten Arbeitgeber in Mülheim. Zu Hochzeiten, Anfang der 1970er, waren hier bis zu 12.000 Menschen beschäftigt. Heute gehören die Mannesmannröhren Werke zur [[Salzgitter AG]]. Das Großrohrwerk gehört nun der [[EUROPIPE|EUROPIPE GmbH]], einem [[Joint Venture]] von Salzgitter AG und [[Dillinger Hütte]]. Das Kontiwalzwerk wird von [[Vallourec & Mannesmann Tubes]] betrieben, einer Tochter der [[Vallourec|Vallourec Gruppe]]. Weitere [[Montanindustrie|Montanunternehmen]], die nach umfangreichen Umstrukturierungsmaßnahmen ihren Platz behaupten konnten, sind die Firmen [[Thyssen Schachtbau]], ein Unternehmen des Bergbaus (Bohrungen, Schachtbauten und Betrieb von Bergwerken), die [[Friedrich Wilhelms-Hütte]] und auch die [[Hugo Stinnes GmbH]]. In der Stadt hat die Niederlassung des Unternehmens [[Océ]] für Deutschland, die ''Océ-Deutschland GmbH'' ihren Sitz. Die [[Aon Jauch & Hübener|Aon Jauch & Hübener GmbH]], Tochter der US-amerikanischen [[Aon Corporation]], hat ihre NRW-Niederlassung in Saarn und die in Mülheim ansässige [[Rheinisch-Westfälische Wasserwerksgesellschaft]] (RWW) versorgt seit 1912 ein Gebiet mit über einer Million Kunden, das von der holländischen Grenze im Norden bis ins Bergische Land im Süden reicht. Von 1918 bis 2009 hat die [[Roeser Medical|Roeser Unternehmensgruppe]], ein mittelständischer Unternehmensverbund im Bereich Medizintechnik und Gesundheitsservice, ihren Sitz in der Stadt gehabt und befindet sich heute in Bochum. Die größte [[Non-Profit-Organisation]] Mülheims befindet sich in Selbeck. Die [[Theodor Fliedner Stiftung]] errichtete in den Jahren seit 1987 ''„Das Dorf“'' – eine Wohnanlage, in der 600 alte und junge Menschen mit und ohne Behinderung zusammenleben. <ref> [http://www.fliedner.de/leben_im_alter/das_dorf_wohnen_im_alter/das_dorf_wohnen_im_alter.php Das Dorf – Theodor Fliedner Werk]</ref> === Forschung und Bildung === [[Datei:Max-Planck-Institut für Kohlenforschung.jpg|thumb|Max-Planck-Institut für Kohlenforschung (Kaiser-Wilhelm-Institut)|right]] [[Datei:VHS-MH.JPG|thumb|Heinrich-Thöne-Volkshochschule|right]] Das [[Max-Planck-Institut für Kohlenforschung]] gehört zu den ältesten Forschungseinrichtungen seiner Art. Die 1912 für die Kohlenforschung gegründete Einrichtung war das erste Kaiser-Wilhelm-Institut außerhalb Berlins. Ihr Direktor war seit 1943 [[Karl Ziegler]], dem 1963 wurde für seine Arbeiten auf dem Gebiet der [[Polymer]]e der [[Nobelpreis]] für Chemie verliehen wurde. Das [[Max-Planck-Institut für bioanorganische Chemie]] ist jünger. Es wurde 1958 errichtet und trug bis zum 5.&nbsp;Juni 2003 den Namen ''Max-Planck-Institut für Strahlenchemie''. Das [[Zentrum für Innovation und Technik]] (ZENIT) widmet sich seit 1984 der Aufgabe, dem Mittelstand bei der Entwicklung und Einführung zukunftsweisender Innovationen zur Seite zu stehen und damit den Strukturwandel in Nordrhein-Westfalen zu unterstützen. Im Herbst 2008 beschloss die NRW-Landesregierung die Gründung der neuen [[Hochschule Ruhr West]], die ihren Hauptstandort in Mülheim und eine Dependance in [[Bottrop]] haben wird. Im Wintersemester 2009 haben die ersten 250 Studierenden ihr [[Ausbildungsintegrierter dualer Studiengang|duales Studium]] mit ingenieurwissenschaftlicher Ausrichtung - zunächst noch in behelfsmäßigen Interimsgebäuden im Siemens-[[Technologiepark]] begonnen. Die neu zu errichtenden Gebäude der Fachhochschule werden auf der westlichen Ruhrseite im Stadtteil [[Broich (Mülheim)|Broich]] errichtet.<ref>[http://www.derwesten.de/nachrichten/staedte/muelheim/2009/10/9/news-136315720/detail.html NRZ (9. Oktober 2009): Pinkwart entscheidet sich für die Duisburger Straße]</ref>. Daneben verfügt die Stadt über ein breites Angebot allgemeinbildender Schulen. Es existieren 29 Grundschulen, vier Förder- und Sonderschulen und als weiterführende Einrichtungen vier Hauptschulen und drei Realschulen. Dazu kommen insgesamt 11 Schulen der [[Sekundarstufe II]], darunter fünf Gymnasien, so die Karl-Ziegler-Schule, das [[Städtisches Gymnasium Broich|Gymnasium Broich]] und die [[Otto-Pankok-Schule]], drei [[Gesamtschule]]n, zwei [[Berufskolleg in Nordrhein-Westfalen|Berufskollegs]] und die [[Waldorfschule]] in Heißen.<ref> [http://www.muelheim-ruhr.de/cms/verzeichnis_der_weiterfuehrenden_schulen_sekundarstufe_ii1.html Verzeichnis der Schulen der Sekundarstufe II] </ref> Die [[Volkshochschule]] bietet über 770 Fortbildungskurse an, welche von knapp 10.000 Teilnehmern wahrgenommen werden. In der Musikschule unterrichten 50 Voll- und Teilzeitlehrer fast 2000 Schüler in musikalischer Früherziehung und Instrumentalkursen. === Medien === Die großen überregionalen Zeitungen [[Westdeutsche Allgemeine Zeitung]] und [[Neue Ruhr Zeitung]] berichten über ihre jeweiligen Lokalredaktionen vom regionalen Geschehen in Mülheim. Von 1949 bis 1955 gab es das Mülheimer Tageblatt, das ab 1955 unter dem Titel Ruhrnachrichten herausgegeben und 1976 eingestellt wurde. Das Anzeigenblatt Mülheimer Woche, das ausschließlich regionale Nachrichten aus Mülheim bringt, wird kostenlos donnerstags und am Wochenende an alle Haushalte verteilt. Der Regionalsender [[Antenne Ruhr]] versorgte die beiden Städte Mülheim an der Ruhr und Oberhausen seit dem 1.&nbsp;September 1990 mit Unterhaltung und regionalen Neuigkeiten. Am 5.&nbsp;August&nbsp;2007 wurde der Sender aufgeteilt und strahlt jetzt als [[92.9 Radio Mülheim]] und als [[106.2 Radio Oberhausen]] aus. == Persönlichkeiten == Die Persönlichkeiten, die mit Mülheim an der Ruhr verbunden sind bzw. waren oder die zu den Ehrenbürgern zählten sind in dem Hauptartikel ''[[Liste von Persönlichkeiten der Stadt Mülheim an der Ruhr]]'' aufgeführt. === Berühmte Söhne und Töchter der Stadt === Von den zahlreichen [[Liste von Persönlichkeiten der Stadt Mülheim an der Ruhr|Persönlichkeiten]] die hier geboren wurden oder hier wirkten sind die Kaufleute und Gründerpersönlichkeiten, die die Stadt prägten, an dieser Stelle besonders hervorzuheben. Dazu zählen die weltweit wirkenden Unternehmer und Industriellen [[Johann Dinnendahl]] (*1780), [[Mathias Stinnes]] (* 1790), [[Hugo Stinnes]] (* 1870), [[Fritz Thyssen]] (* 1873) und [[Kurt Conle]] (* 1918). Neben diesen Wirtschaftführern sind auf kulturell-religiöser Basis der Prediger, geistliche Dichter und Liederschreiber [[Gerhard Tersteegen]] (1697–1769), der Arzt und Schriftsteller [[Carl Arnold Kortum]] (* 1745), der Komponist [[August Bungert]] (* 1845) und der Maler und Bildhauer [[Otto Pankok]] (* 1893) prägend. Schließlich sind auch die beiden Wissenschaftler und Direktoren des [[Max-Planck-Institut]]es [[Franz Fischer (Chemiker)|Franz Fischer]] (*1877) und [[Karl Ziegler]] (* 1898) zu erwähnen. Bekanntere Persönlichkeiten der Gegenwart sind der Theatermacher [[Roberto Ciulli]] (* 1934), der Künstler [[Peter-Torsten Schulz]] (* 1944), der Musiker [[Helge Schneider]] (* 1955) und die Politikerin [[Hannelore Kraft]] (* 1961), sowie Fußball-Torhüter [[André Lenz]] (* 1973) vom VfL Wolfsburg. === Ehrenbürger === Die Stadt Mülheim an der Ruhr hat insgesamt zwölf Personen das [[Ehrenbürger]]recht verliehen, darunter 1888 an [[Friedrich Hammacher]] als Vertreter Mülheims im Reichstag, 1895 an den Reichsgründer [[Otto von Bismarck|Otto Fürst von Bismarck]], 1912 an den Gründer des [[RWE]] [[August Thyssen]], 1928 an [[Paul Lembke]] für die Gründung des [[Kaiser-Wilhelm-Institut]]s, 1960 an den mit fünf Legislaturperioden am längsten amtierenden Bürgermeister [[Heinrich Thöne]] und 1963 an [[Karl Ziegler]] für den Chemie-[[Nobelpreis]] 1963. == Literatur == * Otto R. Redlich: ''Mülheim a.d.Ruhr. Seine Geschichte von den Anfängen bis zum Übergang an Preußen 1815'', Mülheim an der Ruhr 1939, Nachdr. ebd. 1959 * Erich Keyser (Hrsg.): ''Rheinisches Städtebuch'', Band III, 3. Teilband aus „Deutsches Städtebuch. Handbuch städtischer Geschichte“ – Im Auftrage der Arbeitsgemeinschaft der historischen Kommissionen und mit Unterstützung des Deutschen Städtetages, des Deutschen Städtebundes und des Deutschen Gemeindetages. Kohlhammer, Stuttgart 1956. * Ilse Barleben: ''Mülheim a.d.Ruhr. Beiträge zu seiner Geschichte von der Erhebung zur Stadt bis zu den Gründerjahren'', Mülheim an der Ruhr 1959. * Geschichtsverein Mülheim an der Ruhr (Hrsg.): ''900 Jahre Mülheim an der Ruhr 1093–1993''. Jubiläumsschrift zur 900-jährigen Stadtgeschichte, Mülheim an der Ruhr 1993, {{ISSN|0343-9453}}. * Peter Grafe, [[Bodo Hombach]], Gerd Müller (Hrsg.): ''Mülheim an der Ruhr – Eine eigenwillige Stadt.'' Verlag Klartext, Essen 1990, ISBN 3-88474-342-2. * Barbara Kaufhold: ''Jüdisches Leben in Mülheim an der Ruhr.'' Verlag Klartext, Essen 2004, ISBN 3-89861-267-8. * Horst A. Wessel (Hrsg.): ''Mülheimer Unternehmer: Pioniere der Wirtschaft''. Herausgegeben im Auftrag des Förder- und Trägervereins Gründer- und Unternehmermuseum Mülheim an der Ruhr e.V.. Verlag Klartext, Essen 2006, ISBN 3-89861-645-2. * Hans-Werner Nierhaus: ''Die Stadt Mülheim an der Ruhr und der Zweite Weltkrieg 1939-1945.'' Verlag Klartext, Essen 2007, ISBN 978-3-89861-857-1. * Geschichtsverein Mülheim an der Ruhr (Hrsg.): ''Zeugen der Stadtgeschichte – Baudenkmäler und historische Orte in Mülheim an der Ruhr.'' Verlag Klartext, Essen 2008, ISBN 978-3-89861-784-0. *{{GKD|2019628-3}} == Einzelnachweise == <references/> == Weblinks == {{commons|Mülheim an der Ruhr}} {{Wikinews|Portal:Mülheim an der Ruhr|Mülheim an der Ruhr}} * [http://www.muelheim-ruhr.de/ Stadt am Fluss: Mülheim an der Ruhr] * [http://business.metropoleruhr.de/de/informieren_beraten/standortinformationen/stadt_und_kreisprofile/muelheim_an_der_ruhr.html Stadtportrait] * [http://www.it.nrw.de/kommunalprofil/l05117.pdf Kommunalprofil des Statistischen Landesamtes NRW über Mülheim an der Ruhr], Stand: 2. Januar 2009 (PDF-Datei; 191 kB) * [http://www.muelheim-ruhr.de/muelheim_in_google_earth.html Google-Earth-KMZ-Datei für einen virtuellen Stadtrundgang] * [http://www.muelheim-ruhr.de/cms/stadtarchiv3.html Das Stadtarchiv Mülheim an der Ruhr] * [http://www.uss-moelm.de/ Bildersammlung Mülheim an der Ruhr] * [http://www.muelheim-ruhr.de/wetterstation/ Wetterstation: Aktuelles Wetter in Mülheim] {{Navigationsleiste Kreise und kreisfreie Städte in Nordrhein-Westfalen}} {{Exzellent|9. Dezember 2007|39882125}} {{SORTIERUNG:Mulheim an der Ruhr}} [[Kategorie:Mülheim an der Ruhr| ]] [[Kategorie:Ort in Nordrhein-Westfalen]] [[Kategorie:Kreisfreie Stadt in Nordrhein-Westfalen]] [[Kategorie:Gemeinde in Nordrhein-Westfalen]] [[Kategorie:Träger des Europapreises]] [[Kategorie:Ort mit Binnenhafen]] [[Kategorie:Rheinland]] [[Kategorie:Ruhr]] [[af:Mülheim an der Ruhr]] [[ar:مولهايم]] [[bg:Мюлхайм]] [[da:Mülheim an der Ruhr]] [[el:Μίλχαϊμ]] [[en:Mülheim]] [[eo:Mülheim]] [[es:Mülheim an der Ruhr]] [[et:Mülheim]] [[fi:Mülheim an der Ruhr]] [[fr:Mülheim an der Ruhr]] [[he:מילהיים על הרוהר]] [[id:Mülheim an der Ruhr]] [[it:Mülheim an der Ruhr]] [[ja:ミュルハイム・アン・デア・ルール]] [[ksh:Möln (Ruhr)]] [[lt:Miulheimas prie Rūro]] [[nds:Mölm]] [[nl:Mülheim an der Ruhr]] [[nn:Mülheim an der Ruhr]] [[no:Mülheim an der Ruhr]] [[pl:Mülheim an der Ruhr]] [[pt:Mülheim]] [[ro:Mülheim an der Ruhr]] [[ru:Мюльхайм-на-Руре]] [[simple:Mülheim]] [[sr:Милхајм на Руру]] [[sv:Mülheim an der Ruhr]] [[vo:Mülheim an der Ruhr]] [[war:Mülheim]] [[zh:米尔海姆]] [[zh-min-nan:Mülheim an der Ruhr]] 8iu6pnhbbdjzst3qc3tkezi1qycacw2 wikitext text/x-wiki Multiple Sklerose 0 23962 26560 2010-05-02T19:21:44Z Marvin 101 0 /* Stammzellspende, Organtransplantation, Blutspende */ unbelegten Absatz nach Ansage entfernt und auf die Benutzerdiskussionsseite verschoben {{Infobox ICD | BREITE = | 01-CODE = G35 | 01-BEZEICHNUNG = Multiple Sklerose (''Encephalomyelitis disseminata'') }} Die '''Multiple Sklerose''' '''(MS)''', auch als '''Encephalomyelitis disseminata''' '''(ED)''' bezeichnet, ist eine chronisch-[[Entzündung|entzündliche]] [[Demyelinisierende Erkrankung|Entmarkungserkrankung]] des [[Zentralnervensystem|zentralen Nervensystems (ZNS)]], deren Ursache trotz großer Forschungsanstrengungen noch nicht geklärt ist. Sie ist neben der [[Epilepsie]] eine der häufigsten neurologischen Erkrankungen im jungen Erwachsenenalter und von erheblicher [[Sozialmedizin|sozialmedizinischer]] Bedeutung. Bei der Multiplen Sklerose treten in der weißen Substanz von [[Gehirn]] und [[Rückenmark]] verstreut vielfache (multiple) entzündliche [[Demyelinisation|Entmarkungsherde]] auf, die vermutlich durch den Angriff körpereigener Abwehrzellen auf die [[Myelin]]scheiden der [[Axon|Nervenzellfortsätze]] verursacht werden. Da die Entmarkungsherde im gesamten ZNS auftreten können, kann die Multiple Sklerose fast jedes neurologische [[Symptom]] verursachen. Sehstörungen mit Minderung der [[Visus|Sehschärfe]] und Störungen der Augenbewegung ([[internukleäre Ophthalmoplegie]]) sind relativ typisch, aber nicht spezifisch für die Multiple Sklerose. Die Erkrankung ist nicht heilbar, der Verlauf kann durch verschiedene Maßnahmen jedoch günstig beeinflusst werden. Entgegen der landläufigen Meinung führt die Multiple Sklerose nicht zwangsläufig zu schweren Behinderungen. Auch viele Jahre nach Beginn der Erkrankung bleibt die Mehrzahl der Patienten noch gehfähig. == Medizinhistorische Aspekte == Eine der ersten literarischen Beschreibungen der Erkrankung findet sich im Tagebuch des [[Augustus Frederick d'Este]] (1794 –1843),<ref>[http://collections.vam.ac.uk/item/O75276/miniature-unknown-boy-perhaps-sir-frederick/ Portrait] im [[Victoria and Albert Museum]] (nach Pearce: Historical descriptions of multiple sclerosis. Eur Neurol. 2005;54(1):49-53)</ref> eines Enkels von [[Georg III. (Vereinigtes Königreich)|Georg III.]]<ref>Firth: ''The case of August D`Este''. Cambridge University Press. Cambridge 1948</ref><sup>, </sup><ref>Pearce: ''Historical descriptions of multiple sclerosis.'' Eur Neurol. 2005;54(1):49-53. PMID 16103678 (Übersichtsarbeit)</ref> D'Este beschreibt zunächst eine bei ihm im Alter von 28 Jahren erstmals aufgetretene vorübergehende Sehschärfeminderung: :{| class="prettytable" |-class="hintergrundfarbe1" |{{lang|de|''„Im Dezember des Jahres 1822 reiste ich von Ramsgate in die schottischen Highlands um einige Tage mit einem Verwandten zu verbringen, für den ich die Gefühle eines Sohnes hegte. Bei meiner Ankunft war er verstorben …. Kurz nach der Beerdigung war ich gezwungen, mir die empfangenen Briefe vorlesen und meine Antwortbriefe schreiben zu lassen, da meine Augen so angegriffen waren, dass das Sehen undeutlich wurde, wenn ich kleine Dinge fixierte. Solange ich jedoch nicht versuchte zu lesen oder zu schreiben, war mir nicht im Geringsten gegenwärtig, dass meine Sehkraft eingeschränkt war. Kurz darauf reiste ich nach Irland und meine Augen erholten sich ohne jegliche Behandlung und gewannen ihre Stärke und klare Sicht zurück.“<ref name="deste">ins Deutsche übersetzt nach McDonald, WI: ''Physicians, subsequence and consequence''. J Neurol Neurosurg Psychiatry. 1999;67:282-9. PMID 10449547</ref>''}} |} In der Folge traten schubförmig weitere typische Symptome der Erkrankung wie Doppelbilder, eine Schwäche der Beine und Taubheitsgefühle auf: :{| class="prettytable" |-class="hintergrundfarbe1" | {{lang|de|''„17. Oktober 1827. Zu meiner Überraschung bemerkte ich (in Venedig) eine Erstarrung oder Undeutlichkeit der Empfindung in der Gegend der Schläfe über meinem linken Auge. In Florenz begann ich an einer Störung des Sehvermögens zu leiden: Um den 6. November herum nahm das Übel soweit zu, dass ich alle Dinge doppelt sah. Jedes Auge hatte sein eigenes Bild. Dr. Kissock nahm an, dass ein Übermaß an Galle die Ursache sei: zweimal wurden Blutegel im Bereich der Schläfe angesetzt, Einläufe wurden verabreicht, Erbrechen wurde ausgelöst und zweimal wurde ich zur Ader gelassen, was mit Schwierigkeiten verbunden war. Die Erkrankung meiner Augen klang ab, ich sah alle Dinge wieder natürlich in ihrem einzelnen Zustand. Ich war in der Lage auszugehen und zu spazieren. Nun begann sich eine neue Krankheit zu zeigen: Mit jedem Tag stellte ich fest, dass mich schrittweise meine Kraft verließ. Eine Taubheit und Empfindungstörungen traten an Steißbein und Damm auf. Schließlich hatte mich die Kraft der Beine um den 4. Dezember herum fast ganz verlassen. Ich verblieb in diesem außergewöhnlichen Zustande der Schwäche für etwa 21 Tage ….“<ref name="deste"/>''}} |} Eine der ersten medizinischen Beschreibungen der Multiplen Sklerose wird [[William MacKenzie]] (1791–1886) zugeschrieben. Der schottische Augenarzt berichtete die Krankengeschichte eines 23-jährigen Mannes, der, nachdem zunächst Sehstörungen aufgetreten waren, wegen zunehmender Lähmungen in das Londoner [[St. Bartholomew's Hospital]] aufgenommen worden war. Zusätzlich entwickelten sich eine Sprechstörung ([[Dysarthrie]]) und eine [[Harninkontinenz]]. Alle Symptome waren jedoch nach zwei Monaten wieder weitestgehend verschwunden.<ref>MacKenzie: A practical treatise on diseases of the eye. Longman, London 1840; zitiert nach McDonald: ''Physicians, subsequence and consequence.'' J Neurol Neurosurg Psychiatry. 1999;67:282-9. PMID 10449547 [http://jnnp.bmj.com/cgi/content/full/67/3/282 Volltext]</ref> Im Jahre 1868 beschrieb [[Jean-Martin Charcot]] die Erkrankung nicht nur umfassend klinisch, sondern auch detailliert pathologisch: etwa das Verteilungsmuster multipler sklerosierender Herde in der Nachbarschaft der Hirnventrikel und im Hirnstamm sowie mikroskopisch den Verlust der Markscheiden im Bereich dieser Herde. Er bezeichnete die Erkrankung als ''la sclerose en plaques''. Bereits 1877 schlug der Neurologe [[Julius Althaus]] (1833–1900) vor, die Erkrankung nach Charcot zu benennen; das [[Eponym]] ''Morbus Charcot'' ist jedoch für die Multiple Sklerose ungebräuchlich geworden, es wird heute vor allem für die [[Amyotrophe Lateralsklerose]] verwandt. == Epidemiologie == === Krankheitshäufigkeit === Die Multiple Sklerose ist in Mitteleuropa die häufigste chronisch-entzündliche Erkrankung des [[Zentralnervensystem]]s. Frauen sind ungefähr doppelt so häufig betroffen wie Männer ([[Gynäkotropie]]). Nach aktuellen Schätzungen liegt die Krankheitshäufigkeit ([[Prävalenz]]) in [[Deutschland]] bei 149 Erkrankten pro 100.000 Einwohnern, woraus sich eine Gesamtzahl von etwa 122.000 Erkrankten ergäbe.<ref>Hein & Hopfenmüller: ''Hochrechnung der Zahl an Multiple Sklerose erkrankten Patienten in Deutschland.'' Nervenarzt. 2000;71(4):288-94. PMID 10795096</ref> Andere Schätzungen gehen von 67.000 bis 138.000 erkrankten Patienten aus.<ref>Flachenecker &Zettl: ''Epidemiologie.'' In: Schmidt & Hofmann (Hrsg): ''Multiple Sklerose.'' Urban & Fischer, München 2002, ISBN 3-437-22080-2, S. 4–11</ref> Für Österreich werden vergleichbare Zahlen angegeben<ref>Baumhackl et al.: ''Prevalence of multiple sclerosis in Austria. Results of a nationwide survey.'' Neuroepidemiology. 2002;21(5):226-34. PMID 12207150</ref>, woraus eine Gesamtzahl von etwa 8.150 Erkrankten resultiert. Für die Gesamtschweiz liegen keine epidemiologischen Untersuchungen vor, für den [[Kanton Bern]] wurde jedoch mit 110 Erkrankten pro 100.000 Einwohner eine vergleichbare Prävalenz ermittelt.<ref>Beer & Kesselring: ''High prevalence of multiple sclerosis in Switzerland.'' Neuroepidemiology. 1994;13(1-2):14-8. PMID 8190201</ref> Weltweit sind etwa 2,5 Millionen Menschen an der MS erkrankt. === Sterblichkeit === Insbesondere bei Patienten, die keine höhergradigen Behinderungen aufweisen, ist die Sterblichkeit ([[Mortalität]]) nicht wesentlich erhöht.<ref>Poser et al.: ''Prognostic indicators in multiple sclerosis.'' Acta Neurol Scand. 1986;74(5):387-92. PMID 3825497</ref> Die Lebenserwartung von MS-Patienten liegt sechs bis zehn Jahre unter der von Nichterkrankten vergleichbaren Alters.<ref>Sadovnick et al.: ''Life expectancy in patients attending multiple sclerosis clinics.'' Neurology. 1992;42(5):991-4. PMID 1579256</ref> In den letzten Jahrzehnten ist jedoch ein deutlicher Rückgang der Sterblichkeit zu verzeichnen.<ref>Brønnum-Hansen et al.: ''Trends in survival and cause of death in Danish patients with multiple sclerosis.'' Brain. 2004;127(Pt 4):844-50. PMID 14960501 [http://brain.oxfordjournals.org/cgi/content/full/127/4/844 Volltext]</ref> === Geographische Verteilung === [[Datei:Multiple sclerosis world map - DALY - WHO2004.svg|thumb|400px|right|Durch Multiple Sklerose beeinträchtige Lebensqualität (''disability-adjusted life years'', [[DALY]] ). {| width="100 %" |----- | valign="top" | {{Farblegende|#ffff65|< 15}} {{Farblegende|#fff200|15-18}} {{Farblegende|#ffdc00|18-21}} {{Farblegende|#ffc600|21-24}} {{Farblegende|#ffb000|24-27}} {{Farblegende|#ff9a00|27-30}} | valign="top" | {{Farblegende|#ff8400|30-33}} {{Farblegende|#ff6e00|33-36}} {{Farblegende|#ff5800|36-39}} {{Farblegende|#ff4200|39-42}} {{Farblegende|#ff2c00|42-45}} {{Farblegende|#cb0000|> 45}} |----- |Quelle: WHO 2004<ref>[http://www.who.int/entity/healthinfo/global_burden_disease/gbddeathdalycountryestimates2004.xls Death and DALY estimates for 2004 by cause for WHO Member States (Excel-Tabelle)]</ref> |}]] [[Datei:MS Demyelinisation KB 10x.jpg|thumb|300px|Demyelinisierung bei Multipler Sklerose.<br />In der Markscheidenfärbung nach Klüver-Barrera ist eine deutliche Abblassung der (hier blau gefärbten) Markscheiden im Bereich der Läsion erkennbar<br />(Originalvergrößerung 1:100).]] [[Datei:MS_Demyelinisation_CD68_10xv2.jpg|thumb|300px|Demyelinisierung bei Multipler Sklerose.<br />In der [[Immunhistochemie|immunhistochemischen Färbung]] für [[CD68]] markieren sich (braungefärbt) zahlreiche [[Makrophage]]n im Bereich der Läsion.<br />(Originalvergrößerung 1:100)]] In der [[Äquator|äquatorialen Zone]] ist die Erkrankungshäufigkeit seltener als in den nördlichen oder südlichen Breiten. Menschen, die als Kinder und Jugendliche aus MS-reichen Zonen in MS-arme Zonen übersiedeln (zum Beispiel von [[Europa]] nach [[Südafrika]] oder von [[Amerika]] und Europa nach [[Israel]]) übernehmen das Erkrankungsrisiko des Ziellandes, während ältere Personen die Krankheitshäufigkeit ihres Herkunftslandes behalten. Dieser Befund stellt ein wichtiges Argument für die Beteiligung eines Umweltfaktors im Kinder- und Jugendlichenalter an der späteren Entstehung der Erkrankung dar ([[Multiple Sklerose#Infektionshypothese|Infektionshypothese]]).<ref>Gale & Martyn: ''Migrant studies in multiple sclerosis.'' Prog Neurobiol. 1995;47(4-5):425-48. PMID 8966212 (Übersichtsarbeit)</ref> == Neuropathologie == [[Neuropathologie|Neuropathologisch]] ist die MS durch herdförmige (fokale), entzündlich-entmarkende Läsionen im ZNS mit unterschiedlich ausgeprägtem Verlust an [[Axon]]en und reaktiver [[Gliose]] gekennzeichnet. Möglicherweise führen verschiedene immunologische Mechanismen zum Verlust der Markscheiden: Histologisch definierten Lassmann und Mitarbeiter vier verschiedene Subtypen, wobei Patienten mit einer primär immunologisch induzierten Entmarkung (Subtypen I und II) und solche mit einer primären Erkrankung der [[Oligodendrozyt|Oligodendrogliazellen]] (Subtyp III und IV) unterschieden werden.<ref>H. Lassmann et al.: ''Heterogeneity of multiple sclerosis pathogenesis: implications for diagnosis and therapy.'' In: ''Trends in Molecular Medicine.'' 2001;7(3),115–121 PMID 11286782</ref> Ob sich im Laufe der Chronifizierung der Erkrankung die Ausprägung der Subtypen ändert, bleibt unklar. Neue bildgebende Verfahren, wie etwa die [[Diffusions-Tensor-Bildgebung]], aber auch neuropathologische Untersuchungen haben seit einigen Jahren die Schädigung von Axonen bei der MS wieder zunehmend in den Vordergrund gerückt. Die Mechanismen, die zu dieser Art von Schäden führen, sind noch nicht vollständig geklärt. == Ätiologie und Pathogenese == Die [[Ätiologie]] (Ursache) der MS ist unbekannt. Hinsichtlich der [[Pathogenese]] (Entstehung) existieren zahlreiche Theorien. Die vorliegenden Befunde deuten auf eine multifaktorielle Krankheitsentstehung mit Beteiligung von genetischen Faktoren und Umwelteinflüssen als Auslöser einer immunvermittelten Schädigung hin. === Genetische Prädisposition === Die MS ist keine [[Erbkrankheit]] im klassischen Sinne. Es konnten jedoch eine Reihe von genetischen Variationen ([[Polymorphismus|Polymorphismen]]) identifiziert werden, die bei Erkrankten häufiger als in der Gesamtbevölkerung auftreten und möglicherweise zu einer [[Prädisposition]] für die Multiple Sklerose beitragen. Unter anderem Polymorphismen von am [[Interleukin|Interleukin-Signalweg]] beteiligten Genen sind von wissenschaftlichem Interesse.<ref>Gregory et al.: ''Interleukin 7 receptor alpha chain (IL7R) shows allelic and functional association with multiple sclerosis.'' Nat Genet 2007;39(9):1083-91. PMID 17660817</ref><sup>, </sup><ref>Lundmark et al.: ''Variation in interleukin 7 receptor alpha chain (IL7R) influences risk of multiple sclerosis.'' Nat Genet 2007;39(9):1108-13. PMID 17660816</ref><sup>, </sup><ref>Marrosu: ''Susceptibility to multiple sclerosis: the role of interleukin genes.'' Lancet Neurol. 2007;6(10):846-7. PMID 17884670</ref><sup>, </sup><ref>Sawcer: ''The complex genetics of multiple sclerosis: pitfalls and prospects.'' Brain. 2008 May 18. (elektronische Vorabpublikation doi 10.1093/brain/awn081) PMID 18490360 [http://brain.oxfordjournals.org/cgi/content/full/awn081v1 Volltext] (aktuelle Übersichtsarbeit)</ref> Das Erkrankungsrisiko ist auch abhängig von der [[Ethnie|ethnischen Zugehörigkeit]].<ref>Alter et al.: ''Multiple sclerosis frequency in Israel's diverse populations.'' Neurology. 2006;66(7):1061-6. PMID 16606919</ref> Epidemiologische Studien aus den Vereinigten Staaten weisen darauf hin, dass dort die Multiple Sklerose bei [[Hispanic]]s und [[Afroamerikaner]]n seltener auftritt.<ref>Williamson et al.: ''Prevalence of multiple sclerosis in 19 Texas counties, 1998-2000.'' J Environ Health. 2007;69(10):41-5. PMID 17583295</ref> Bei Zwillingen von MS-Patienten beträgt das Erkrankungsrisiko etwa 35 %, während die Wahrscheinlichkeit, an einer Multiplen Sklerose zu erkranken, bei Geschwistern (etwa 4 %) sowie Verwandten ersten Grades (etwa 3 %), zweiten Grades (etwa 1 %) oder dritten Grades (etwa 0,9 %) deutlich niedriger ist.<ref>Ebers GC. Yee IM, Sadovnick AD, Duquette P. ''Conjugal multiple sclerosis: population-based prevalence and recurrence risks in offspring. Canadian Collaborative Study Group.'' Ann Neurol 2000; 48:927-931 PMID 11117550</ref><sup></sup><ref>Robertson NP, Fraser M, Deans J et al. ''Age-adjusted recurrence risks for relatives of patients with multiple sclerosis.'' Brain 1996; 119:449-455 PMID 8800940 [http://brain.oxfordjournals.org/cgi/reprint/119/2/449 Volltext]</ref> Eine Untersuchung dreier eineiiger Zwillingspaare, von denen jeweils nur einer an Multiple Sklerose erkrankt war, ergab keine Unterschiede auf genetischer oder [[Epigenetik|epigenetischer]] Ebene; auch Unterschiede des [[Transkriptom]]s fanden sich nicht.<ref>Baranzini et al.: ''Genome, epigenome and RNA sequences of monozygotic twins discordant for multiple sclerosis.'' Nature 2010;464:1351-1356 doi:10.1038/nature08990</ref><ref>Katsnelson: ''Twin study surveys genome for cause of multiple sclerosis.'' Nature 2010;464:1259 doi:10.1038/4641259a [http://www.nature.com/news/2010/100428/full/4641259a.html#B1 Volltext] (Kommentar)</ref> === Infektionshypothese === Als auslösendes Agens wurde schon früh eine Infektion in der Kindheit mit einem Erreger, der [[Kreuzreaktivität]] mit Proteinbestandteilen des Myelins aufweist, vermutet. Der überzeugende Nachweis eines spezifischen Erregers konnte bisher jedoch nicht geführt werden. Gegen die Möglichkeit einer direkten Übertragung der MS sprechen Studien an Adoptiv- und Stiefkindern von MS-Patienten, bei denen keine erhöhte Erkrankungswahrscheinlichkeit nachgewiesen werden konnte.<ref>Dyment et al.:''Multiple sclerosis in stepsiblings: recurrence risk and ascertainment.'' J Neurol Neurosurg Psychiatry. 2006;77:258–9. PMID 16421134</ref> Zahlreichen Viren (unter anderem [[Epstein-Barr-Virus]] und [[Humanes Herpesvirus 6]]) ist eine mögliche Bedeutung bei der Krankheitsentstehung zugeschrieben worden. Tatsächlich ist insbesondere bei Kindern mit Multipler Sklerose eine Immunreaktion gegen das [[Epstein-Barr-Virus]] häufiger als bei nicht-erkrankten Kindern nachweisbar.<ref>Banwell et al.: ''Clinical features and viral serologies in children with multiple sclerosis: a multinational observational study.'' Lancet Neurol. 2007;6(9):773-81. PMID 17689148</ref><sup>, </sup><ref>Alotaibi et al.: ''Epstein-Barr virus in pediatric multiple sclerosis.'' JAMA 2004;291(15):1875-9. PMID 15100207</ref> Auch bakterielle Erreger (unter anderem [[Chlamydien]], [[Spirochaeten]], [[Rickettsien]] und [[Streptococcus mutans]]) sind mit der Entstehung der Multiplen Sklerose in Zusammenhang gebracht worden. Die Zunahme der Erkrankungsfälle auf den [[Färöer|Färöer-Inseln]], die mit der [[Färöer im Zweiten Weltkrieg|Stationierung Britischer Truppen]] im Jahr 1943 begann und in vier Wellen erfolgte, wird als Beleg für eine mögliche infektiöse Ursache angeführt.<ref>Kurtzke et al.:''Multiple sclerosis in the Faroe Islands. 5. The occurrence of the fourth epidemic as validation of transmission.'' Acta Neurol Scand. 1993;88(3):161-73. PMID 8256551</ref><sup>, </sup><ref>Kurtzke & Hyllested: ''Multiple sclerosis in the Faroe Islands: I. Clinical and epidemiological features.'' Ann Neurol. 1979;5(1):6-21. PMID 371519</ref> === Hygienehypothese === Vermutet wird ein Zusammenhang zwischen der Auseinandersetzung des Immunsystems mit Infektionskrankheiten und einer dadurch verminderten Anfälligkeit für die Multiple Sklerose. So reduziert das Zusammenleben mit Geschwistern in den ersten sechs Lebensjahren das Risiko, an MS zu erkranken, signifikant, was durch eine vermehrte gegenseitige Ansteckung von Geschwisterkindern mit Infektionskrankheiten erklärt wird.<ref>Ponsonby et al.: ''Exposure to infant siblings during early life and risk of multiple sclerosis.'' JAMA. 2005;293:463–9. PMID 15671431 [http://jama.ama-assn.org/cgi/content/full/293/4/463 Volltext]</ref> === Vitamin-D-Stoffwechselhypothese === Einen Erklärungsversuch für die in der äquatorialen Zone seltenere Erkrankungshäufigkeit stellt der [[Cholecalciferol|Vitamin-D-Stoffwechsel]] dar: Vitamin D wird beim Menschen hauptsächlich durch Sonneneinstrahlung in der Haut gebildet. Eine vermehrte Sonnenexposition im Kindesalter sowie erhöhte Vitamin-D-Serumspiegel gehen mit einem niedrigeren Risiko einher, im späteren Leben eine MS zu entwickeln.<ref>van der Mei et al.: ''Past exposure to sun, skin phenotype, and risk of multiple sclerosis: case-control study.'' BMJ. 2003; 327:316 PMID 12907484</ref><sup>, </sup><ref>Munger et al.: ''Serum 25-hydroxyvitamin D levels and risk of multiple sclerosis.'' JAMA. 2006;296:2832–8 PMID 17179460</ref> Die niedrige [[Inzidenz (Medizin)|Inzidenz]] der MS bei traditionell lebenden grönländischen [[Inuit]]<ref>Kromann & Green: ''Epidemiological studies in the Upernavik district, Greenland. Incidence of some chronic diseases 1950–1974.'' Acta Med Scand. 1980;208(5):401–6.PMID 7457208</ref> ist mit deren Vitamin-D-reicher Ernährung<ref>Deutch et al.: ''Traditional and modern Greenlandic food – Dietary composition, nutrients and contaminants.'' Sci Total Environ. 2007;384:106–19. PMID 17629548</ref> erklärt worden. === Umweltgifte === Für den häufig behaupteten kausalen Zusammenhang der Erkrankung mit verschiedenen [[Umweltgift]]en gibt es wenig [[Evidenzbasierte Medizin|Evidenz]]. So ergab eine [[Metaanalyse|Meta-Analyse]] keinen signifikanten Zusammenhang zwischen Erkrankungswahrscheinlichkeit und [[Amalgamfüllung]]sstatus.<ref>Aminzadeh & Etminan: ''Dental amalgam and multiple sclerosis: a systematic review and meta-analysis.'' J Public Health Dent. 2007;67(1):64-6. PMID 17436982</ref> === Rauchen === Ein möglicher Zusammenhang zwischen dem Risiko, an Multipler Sklerose zu erkranken, und dem Rauchen von Zigaretten wird seit Jahren erforscht. Mittlerweile zeichnet sich recht klar ab, dass Rauchen vor Erkrankungsbeginn das Risiko, an MS zu erkranken, steigert; eine Metaanalyse ergab eine 1,2- bis 1,5-fache Erhöhung des Erkrankungsrisikos.<ref>Hawkes: Smoking is a risk factor for multiple sclerosis: a metanalysis. Mult Scler. 2007;13(5):610-5. PMID 17548439</ref> In einer norwegischen Studie ergab sich gar eine Steigerung des Risikos um den Faktor 1,81.<ref>Riise et al.: Smoking is a risk factor for multiple sclerosis. Neurology. 2003;61(8):1122-4. PMID 14581676</ref> Auch auf die Progression eines [[Clinically isolated Syndrome|Clinically isolated Syndromes (CIS)]] zur Ausbildung einer sicheren MS scheint sich Rauchen negativ auszuwirken: So ergab sich bei 129 CIS-Patienten, die über 36 Monate beobachtet wurden, bei 75 % der Raucher, aber nur bei 51 % der Nicht-Raucher im weiteren Verlauf die Diagnose einer MS.<ref>Di Pauli et al.: Smoking is a risk factor for early conversion to clinically definite multiple sclerosis. Mult Scler. 2008 Jul (elektronische Publikation; doi:10.1177/1352458508093679) PMID 18632775</ref> Des Weiteren wurde untersucht, wie sich der Konsum von Zigaretten mittelfristig auf das Voranschreiten der Behinderung auswirkt und ob ein Zusammenhang zu den Verlaufsformen bestehen könnte. Dabei zeigte sich, dass die größten Unterschiede zwischen Patienten bestehen, die nie geraucht haben und denen, die schon sehr früh in Ihrem Leben damit begonnen haben. Frühe Raucher tendieren häufiger und nach kürzerer Erkrankungsdauer zu chronischen Verlaufsformen und das Risiko eines Voranschreitens der Behinderung ist signifikant erhöht.<ref>Sundström & Nyström: Smoking worsens the prognosis in multiple sclerosis. Mult Scler. 2008 Jul (elektronische Publikation; doi:10.1177/1352458508093615) PMID 18632778</ref> Welche durch das Rauchen ausgelösten pathologischen Veränderungen Entwicklung und Voranschreiten der MS beeinflussen, ist bisher nicht bekannt. === Impfungen === Ein ursächlicher Zusammenhang von [[Impfung]]en – und hier insbesondere der [[Hepatitis B#Impfung|Hepatitis-B-Impfung]] – und dem Auftreten einer MS ist nicht nachweisbar. Zahlreiche Studien mit großen Patientenkollektiven konnten einen aufgrund von Einzelfallberichten und Studien mit kleinen Patientenkollektiven<ref>Hernán et al.: Recombinant hepatitis B vaccine and the risk of multiple sclerosis: a prospective study. Neurology. 2004 Sep 14;63(5):838-42. PMID 15365133</ref> vermuteten Zusammenhang nicht bestätigen.<ref>Mikaeloff et al.: Hepatitis B vaccination and the risk of childhood-onset multiple sclerosis. Arch Pediatr Adolesc Med. 2007 Dec;161(12):1176-82. PMID 18056563</ref><sup>, </sup><ref>DeStefano et al.: Vaccinations and risk of central nervous system demyelinating diseases in adults. Arch Neurol. 2003 Apr;60(4):504-9. PMID 12707063</ref><sup>, </sup><ref>Mikaeloff et al.: Hepatitis B vaccine and risk of relapse after a first childhood episode of CNS inflammatory demyelination. Brain. 2007;130:1105-10. PMID 17276994</ref><sup>, </sup><ref>Zipp et al.: No increase in demyelinating diseases after hepatitis B vaccination.Nat Med. 1999;5(9):964-5. PMID 10470051</ref> === Chronische cerebrospinale venöse Insuffizienz === Basierend auf der engen räumlichen Beziehung von Entmarkungsherden und venösen Gefäßen war bereits in den 80er Jahren des letzten Jahrhunderts ein Zusammenhang zwischen einer Störung des venösen Abflusses in Gehirn und Rückmark und der Entstehung der MS postuliert worden.<ref>Schelling F.: ''Damaging venous reflux into the skull or spine: relevance to multiple sclerosis.'' Med Hypotheses 1986;21:141–8. PMID 3641027</ref> Die Hypothese einer [[Chronische Cerebro-Spinale Venöse Insuffizienz|chronischen cerebrospinalen venösen Insuffizienz]] wurde in jüngster Zeit wieder aufgenommen, wobei ein Zusammenhang zwischen MS und dem Auftreten einer [[Dopplersonographie|dopplersonographisch]] nachgewiesenen venösen Insuffizienz berichtet wurde.<ref>Zamboni P. et al.: ''Chronic cerebrospinal venous insufficiency in patients with multiple sclerosis.'' J Neurol Neurosurg Psychiatry. 2009 April; 80(4): 392–399. PMID 19060024 [http://jnnp.bmj.com/cgi/content/full/80/4/392 Volltext]</ref><sup>, </sup><ref>Simka M.: ''Blood Brain Barrier Compromise with Endothelial Inflammation may Lead to Autoimmune Loss of Myelin during Multiple Sclerosis.'' Curr Neurovasc Res. 2009; 6(2): 132 - 139. {{ISSN|1567-2026}} [http://www.bentham.org/cnr/contabs/cnr6-2.htm#8 Abstract]</ref> Welche klinischen Konsequenzen sich hieraus ergeben, bleibt abzuwarten.<ref>Deutsche Multiple Sklerose Gesellschaft: [http://dmsg.de/multiple-sklerose-news/index.php?kategorie=forschung&anr=1994 Ist ein gestörter Blutfluss im Gehirn aufgrund venöser Insuffizienz (CCSVI) die Ursache von MS?] abgerufen am 8. November 2009</ref> Eine aktuelle Stellungnahme des Ärztlichen Beirates der [[Deutsche Multiple Sklerose Gesellschaft|DMSG]] bewertet die bislang vorgestellten Studienergebnisse skeptisch.<ref>[http://www.dmsg.de/multiple-sklerose-news/index.php?w3pid=news&kategorie=forschung&anr=2043 Aktuelle Stellungnahme des Ärztlichen Beirates der DMSG zur Hypothese einer venös bedingten Ursache der Multiplen Sklerose.] abgerufen am 3. März 2010</ref> === Experimentelle Tiermodelle der MS === Experimentelle Tiermodelle werden in der MS-Forschung eingesetzt, um Mechanismen der Krankheitsentstehung zu untersuchen. Durch gezielte Variation der Experimente kann der Einfluss einzelner Faktoren (beispielsweise Gene und Proteine, die im Immunsystem eine wichtige Rolle spielen) auf die Krankheitsentstehung studiert werden. Auch neue Wirkstoffe mit therapeutischem Ansatz werden zunächst im Tiermodell getestet. Das wichtigste Tiermodell zur MS ist die [[Experimentelle allergische Enzephalomyelitis]] (EAE). Die Krankheit wird vor allem bei spezifischen Stämmen von Mäusen und Ratten untersucht. Die EAE weist neben vielen pathologischen und immunpathogenetischen Ähnlichkeiten auch wichtige Unterschiede zur MS auf, so dass sie mit dieser nicht gleichgesetzt werden darf. So wurde festgestellt, dass die EAE nicht die komplexe Pathologie der MS abbildet. Jedoch spiegeln unterschiedliche Varianten der EAE einzelne immunpathogenetische Aspekte der MS wider und können gezielt zur Untersuchung spezifischer Fragen eingesetzt werden.<ref>Lassmann H.: ''Experimental models of multiple sclerosis.'' Rev Neurol (Paris). 2007 Jun;163(6-7):651–5. PMID 17607184</ref> == Verlaufsformen == [[Datei:Typen_der_MS.png|thumb|300px|Verlaufsformen der Multiplen Sklerose]] Die Multiple Sklerose hat unterschiedliche Verlaufsformen. Wichtig für das Verständnis der Erkrankung und der Verlaufsformen ist der Begriff des ''Schubes''. Ein Schub ist definiert als das Auftreten neuer oder das Wiederaufflammen bereits bekannter klinischer Symptome, die länger als 24&nbsp;Stunden anhalten und denen eine entzündlich-entmarkende Schädigung des ZNS zugrunde liegt. Typischerweise treten neue Symptome bei der MS ''subakut'', also innerhalb von Stunden bis Tagen, auf. Um einen neuen Schub von einem vorangegangenen abgrenzen zu können, müssen definitionsgemäß mindestens 30&nbsp;Tage zwischen beiden klinischen Ereignissen liegen. Die Dauer eines Schubes beträgt meist einige Tage bis wenige Wochen. Je nachdem, ob sich die aufgetretenen Symptome vollständig oder nur unvollständig zurückbilden, spricht man von einer kompletten oder inkompletten Remission. Von echten Schüben sind sogenannte Pseudoschübe abzugrenzen, die im Rahmen einer Temperaturerhöhung ([[Uhthoff-Phänomen]]) oder infektassoziiert auftreten und zu einer vorübergehenden Verschlechterung klinischer Symptome führen können. Unterschieden werden folgende Verlaufsformen<ref>Lublin FD, Reingold SC: ''Defining the clinical course of multiple sclerosis: results of an international survey. National Multiple Sclerosis Society (USA) Advisory Committee on Clinical Trials of New Agents in Multiple Sclerosis. '' Neurology. 1996;46(4):907–11. PMID 8780061</ref>: === Schubförmig remittierende MS (RR-MS) und sekundär progrediente MS (SP-MS) === Bei der schubförmig remittierenden MS (englisch ''relapsing remitting'', kurz RR-MS) lassen sich einzelne Schübe abgrenzen, die sich vollständig oder unvollständig zurückbilden. Die sekundär progrediente MS (englisch ''secondary progressive'', SP-MS) ist durch eine langsame Zunahme neurologischer Dysfunktionen gekennzeichnet. Zusätzlich können sich aber hier noch Schübe auf den fortschreitenden Verlauf aufpfropfen. Nach etwa 10 bis 15 Jahren geht die RR-MS in etwa der Hälfte der Fälle in die sekundär progrediente Verlaufsform über.<ref>Weinshenker et al: ''The natural history of multiple sclerosis: a geographically based study. I. Clinical course and disability.'' Brain. 1989 Feb;112:133–46. PMID 2917275</ref> Für einige Faktoren konnte nachgewiesen werden, dass sie die Wahrscheinlichkeit einzelner Schübe erhöhen – diese werden als ''Triggerfaktoren'' bezeichnet. Als gesichert gilt, dass im unmittelbaren Zeitraum nach einer Infektion (wie der [[Influenza|Grippe]] oder der durch Viren verursachten [[Gastroenteritis|Infektionen des Magen-Darm-Traktes]]) die Schubwahrscheinlichkeit erhöht ist.<ref>Buljevac D et al: ''Prospective study on the relationship between infections and multiple sclerosis exacerbations.'' Brain. 2002 May;125(Pt 5):952–60. PMID 11960885</ref><sup>, </sup><ref>Confavreux C: ''Infections and the risk of relapse in multiple sclerosis.'' Brain. 2002 May;125(Pt 5):933–4. PMID 11960883</ref> Während der [[Schwangerschaft]] ist das Schubrisiko (insbesondere im dritten [[Trimenon]]) im Vergleich zur Krankheitsaktivität des vorausgegangenen Jahres deutlich reduziert. In den drei auf die Entbindung folgenden Monaten ist es hingegen erhöht. Im Verlauf der folgenden 21 Monate unterscheidet sich die Krankheitsaktivität nicht von der Situation vor der Schwangerschaft.<ref> Vukusic et al.: Pregnancy and multiple sclerosis (the PRIMS study): clinical predictors of post-partum relapse. Brain. 2004;127(Pt 6):1353-60. PMID 15130950 [http://brain.oxfordjournals.org/cgi/content/full/127/6/1353 Volltext]</ref> Kontrovers diskutiert wird der Einfluss psychischen Stresses (wie Beziehungs- und Eheprobleme, Stress am Arbeitsplatz, Verlust eines nahen Angehörigen) auf das Schubrisiko. Vielen früher durchgeführten Studien zu diesem Thema werden methodische Mängel vorgeworfen.<ref>Goodin DS et al: ''The relationship of MS to physical trauma and psychological stress: report of the Therapeutics and Technology Assessment Subcommittee of the American Academy of Neurology.'' Neurology. 1999 Jun 10;52(9):1737–45. PMID 10371517</ref> Neuere Studien deuten auf einen geringen bis moderaten Einfluss psychischen Stresses auf die Schubwahrscheinlichkeit hin.<ref>Mohr DC et al: ''Association between stressful life events and exacerbation in multiple sclerosis: a meta-analysis.'' BMJ. 2004 Mar 27;328(7442):731. PMID 15033880</ref><sup>, </sup><ref>Apel A et al: ''Stress und Krankheitsverlauf der Multiplen Sklerose.'' Fortschr Neurol Psychiatr. 2006 Oct;74(10):567–74. PMID 16586258</ref> === Primär progrediente MS (PP-MS) === Im Gegensatz zu den anderen Formen der MS beginnt die primär progrediente MS (englisch ''primary progressive'', PP-MS) nicht mit Schüben, sondern von Beginn an mit einer schleichenden Progression der neurologischen Defizite ohne Rückbildung. Selten können im weiteren Verlauf jedoch überlagerte Schübe auftreten. Zu Beginn ist die RR-MS die häufigste Form mit etwa 85 %, nur bei 15 % der Patienten wird die PP-MS diagnostiziert.<ref>Thompson et al: ''Primary progressive multiple sclerosis.'' Brain. 1997;120:1085–96. Review. PMID 9217691</ref> Die PP-MS kommt bei älteren Patienten häufiger vor als bei jüngeren. == Symptome == Die ersten Symptome treten meist zwischen dem 15. und 40. Lebensjahr im Rahmen eines Schubes auf. Während sich die Schübe bei Erkrankungsbeginn meist völlig zurückbilden, bleiben im späteren Krankheitsverlauf nach Schüben vermehrt neurologische Defizite zurück. Zu Beginn der Erkrankung werden Seh- und Sensibilitätsstörungen häufig beobachtet. Nicht selten beginnt die Erkrankung zunächst mit einem isolierten Symptom, wofür sich der englische Begriff des [[Clinically isolated Syndrome|Clinically isolated Syndrome (CIS)]] eingebürgert hat. Welches Symptom im einzelnen Schub entsteht, ist abhängig von der jeweiligen Lokalisation des aktiven Entmarkungsherdes im zentralen Nervensystem: So bewirken Entzündungen im Bereich des Sehnervs ([[Neuritis nervi optici|Retrobulbärneuritis]]) Sehstörungen, die sich als Sehunschärfe oder milchiger Schleier bemerkbar machen und auch mit Augenschmerzen<ref>Dargin & Lowenstein:''The painful eye.'' Emerg Med Clin North Am. 2008 ;26(1):199-216 PMID 18249263</ref> einhergehen können. Durch Entzündungsherde im Bereich sensibler Bahnsysteme können Sensibilitätsstörungen wie Missempfindungen ([[Parästhesie]]n), Taubheitsgefühle und Schmerzen auftreten. Häufig sind hierbei die Hände und Beine (Füße und Unterschenkel) betroffen. Schmerzen können auch durch eine [[Trigeminusneuralgie]], Krämpfe der Muskulatur sowie durch das [[Lhermitte-Zeichen|Lhermitte-Symptom]] verursacht sein.<ref>Solaro C. et al: ''The prevalence of pain in multiple sclerosis: a multicenter cross-sectional study.'' Neurology. 2004 Sep 14;63(5):919–21. PMID 15365151</ref> Das Lhermitte-Zeichen gilt als typisch für die MS und kann ein Hinweis auf Herde im Bereich des Halsteils des Rückenmarks sein. Ist das motorische System betroffen, treten Lähmungserscheinungen ([[Parese]]n) der Extremitäten auf, wobei durch eine abnorme unwillkürliche Erhöhung des [[Muskeltonus]] ([[Spastik|spastische Tonuserhöhung]]) die Bewegungsfähigkeit des Patienten zusätzlich eingeschränkt sein kann. Herde in [[Hirnstamm]] und [[Kleinhirn]] können zu Störungen der Augenbewegungen (Doppeltsehen und [[Nystagmus|Nystagmen]]), Schluckstörungen ([[Dysphagie]]), Schwindel sowie Störungen der Bewegungskoordination ([[Ataxie]]) und Sprechstörungen ([[Dysarthrie]]) führen. Als [[Charcot-Trias (Neurologie)|Charcot-Trias]] wird der bei Entmarkungsherden im Bereich des Kleinhirns auftretende Symptomenkomplex von Intentionstremor, Nystagmus und skandierender (abgehackter) Sprache bezeichnet. Sind vegetative Zentren und Bahnen betroffen, kann es zu Störungen der Kontrolle der Blasen- und Darmfunktion und zu sexuellen Funktionsstörungen kommen. Bei sehr vielen Patienten tritt im Verlauf eine gesteigerte körperliche und psychische Ermüdbarkeit ([[Fatigue-Syndrom|Fatigue]]) auf. Diese Ermüdbarkeit tritt unabhängig von körperlicher und psychischer Belastung auf und nimmt im Laufe des Tages zu. Wie auch die anderen Symptome kann sich die Fatigue im Rahmen des Uhthoff-Phänomens (deutlicheres Hervortreten der Symptome durch Temperaturerhöhung) verstärken. Nicht zu vernachlässigen sind kognitive und psychische Störungen. Insbesondere Störungen des [[Affekt#Symptome|Affekts]] treten häufig auf.<ref>Ghaffar & Feinstein: ''The neuropsychiatry of multiple sclerosis: a review of recent developments''.Curr Opin Psychiatry. 2007;20(3):278-85. PMID 17415083</ref> Im späten Stadium kann auch eine [[Subkortikale Demenzen|subkortikale Demenz]] auftreten.<ref>Rao SM. Multiple sclerosis. In: Cummings JL, editor. Subcortical dementia. New York: Oxford University Press, 1990: 164-180.</ref> Ein Mittel zur Quantifizierung der Beeinträchtigungen des Patienten ist die Bestimmung der ''[[Expanded Disability Status Scale]]'' (EDSS). In dieser Skala wird die aktuelle Beeinträchtigung des Betroffenen in sieben neurologischen Systemen bestimmt. Betrachtet man den gesamten Krankheitsverlauf, sind es die Fatigue, Störungen der Blasenfunktion sowie Störungen des motorischen Systems wie Lähmungen und spastische Tonuserhöhungen, die das Leben der Betroffenen häufig am meisten beeinträchtigen. == Diagnose == Vor der Ära der bildgebenden Verfahren war die Diagnose der Multiplen Sklerose vor allem auf die klinische Einschätzung von Symptomen und Anamnese gestützt. Heute wird die Diagnose nach einheitlichen [[Diagnosekriterien der Multiplen Sklerose]] gestellt. Als Grundlage für die Diagnosestellung dient die zuletzt 2005 überarbeitete Fassung der [[Diagnosekriterien der Multiplen Sklerose#McDonald-Kriterien von 2001 und ihre Revision von 2005|McDonald-Kriterien]]<ref>McDonald et al: ''Recommended diagnostic criteria for multiple sclerosis: guidelines from the International Panel on the diagnosis of multiple sclerosis.'' Ann Neurol. 2001;50(1):121–7. PMID 11456302</ref><sup>, </sup><ref name="Revisions">Polman et al: ''Diagnostic criteria for multiple sclerosis: 2005 revisions to the „McDonald Criteria“.'' Ann Neurol. 2005;58(6):840–6. PMID 16283615</ref><sup>, </sup><ref>[http://www.dmsg.de/multiple-sklerose-news/index.php?anr=1114&kategorie=forschung Übersicht über die Änderungen der überarbeitete Fassung der Mc-Donald-Kriterien bei der DMSG]</ref>. === Klinische Diagnosekriterien === Klinisches Hauptkriterium der MS-Diagnose bleibt der Nachweis einer ''räumlichen und zeitlichen'' Streuung ([[Dissemination]]) von Entzündungsherden. Mit räumlicher Dissemination ist das Vorliegen von Entzündungsherden an mehr als einem Ort im zentralen Nervensystem gemeint. Zeitliche Dissemination bedeutet, dass im Verlauf der Erkrankung neue Herde hinzukommen, die zu klinischen Symptomen führen können. Sind weder in der Anamnese noch in der neurologischen Untersuchung Symptome für in der Bildgebung nachweisbare Herde vorhanden, wird von ''klinisch stummen'' Läsionen gesprochen. Eine räumliche und zeitliche Dissemination von Krankheitsherden ist zwar typisch für die MS, sie kann jedoch auch durch andere Erkrankungen verursacht werden. Daher wird in den Diagnosekriterien ausdrücklich betont, dass die Diagnose einer MS nicht gestellt werden darf, wenn die Symptome und pathologischen Befunde von einer anderen Erkrankung besser erklärt werden können. Neben Anamnese und klinisch-neurologischer Untersuchung werden eine Reihe von Zusatzuntersuchungen zur Diagnose einer MS durchgeführt: === Bildgebende Untersuchungen === [[Datei:Monthly multiple sclerosis MRI.gif|thumb|upright=1.3|T1-gewichtete MRT nach Kontrastmittelgabe. Es wird dieselbe Schnittebene abgebildet und monatlich über ein Jahr hinweg verfolgt. An verschiedenen Stellen tauchen frische Entzündungsherde (durch Kontrastmittelaufnahme hier als weiße Flecken dargestellt) auf, besonders große im August und im November. Die Kriterien der zeitlichen und räumlichen Dissemination sind hier also in typischer Weise erfüllt.]] In den mittels [[Magnetresonanztomografie]] (MRT) gewonnenen Schichtbildern des Gehirns und des Rückenmarks können entzündete und vernarbte Gewebebereiche dargestellt werden. Mithilfe eines [[Gadolinium]]haltigen Kontrastmittels, wie beispielsweise [[Gadopentetat-Dimeglumin]] oder [[Gadotersäure]], können akute Krankheitsherde nachgewiesen werden, da in ihrem Bereich im Unterschied zu intaktem Gewebe die [[Blut-Hirn-Schranke]] durchlässig für Kontrastmittel ist. Typisch für die MS sind periventrikulär (um die [[Hirnventrikel|Seitenventrikel]]) gelegene Entzündungsherde im [[Marklager]] des Gehirns und sogenannte [[Corpus callosum|Balken]]<nowiki></nowiki>herde. Die MRT-Untersuchung kann wesentlich zur Diagnose beitragen. Zwar ist nach den McDonald-Kriterien eine Diagnosestellung auch ohne MRT-Bildgebung möglich (bei zwei Schüben und objektivierbaren Funktionsausfällen in mindestens zwei neurologischen Systemen), bei vielen Patienten mit klinischem Erstereignis ist jedoch zur frühen Diagnosestellung ein MRT notwendig. Mit der MRT-Untersuchung können sowohl die räumliche als auch die zeitliche Dissemination der Entzündungsherde in Gehirn und Rückenmark nachgewiesen werden. Die McDonald-Kriterien geben genau an, wie viele Entzündungsherde in welcher Region des ZNS nachweisbar sein müssen, um hinsichtlich der räumlichen Streuung von einem positiven MRT-Befund sprechen zu können. Für den Nachweis einer zeitlichen Dissemination mittels MRT müssen neue Entzündungsherde nach einem Zeitraum von mindestens drei Monaten nach dem klinischen Erstereignis nachgewiesen werden (optional können auch neue Herde nach einem Monat im Vergleich zu einer Referenzaufnahme die zeitliche Dissemination beweisen). Die Diagnose einer MS erfolgt üblicherweise nicht allein aufgrund bildgebender Befunde.<ref name="Revisions"/> === Laborchemische Untersuchungen === ==== Blutuntersuchungen ==== Ein für die Multiple-Sklerose spezifischer [[Biomarker]] im Blut ist nicht bekannt. Gängige Entzündungsparameter wie die Anzahl der [[Leukozyt|weißen Blutkörperchen]], die [[Blutsenkungsgeschwindigkeit]] oder das [[C-reaktives Protein|C-reaktive Protein]] sind bei der MS auch während eines Schubereignisses nicht zwangsläufig erhöht.<ref>Giovannoni et al.: ''Serum inflammatory markers and clinical/MRI markers of disease progression in multiple sclerosis.'' J Neurol. 2001;248(6):487-95. PMID 11499639</ref> Ob die Serumbestimmung von Antikörpern, die gegen das [[Myelin-Basisches Protein|Myelin-Basische Protein (MBP)]] oder das [[Myelin-Oligodendrozyten-Glykoprotein|Myelin-Oligodendrozyten-Glykoprotein (MOG)]] gerichtet sind, zur Diagnosestellung beitragen kann, bleibt umstritten.<ref>Berger et al.: ''Antimyelin antibodies as a predictor of clinically definite multiple sclerosis after a first demyelinating event.'' N Engl J Med. 2003;349(2):139-45. PMID 12853586</ref><sup>, </sup><ref>Kuhle et al.: ''Lack of association between antimyelin antibodies and progression to multiple sclerosis''. N Engl J Med. 2007;356(4):371-8. PMID 17251533 [http://content.nejm.org/cgi/content/full/356/4/371 Volltext]</ref> ==== Liquordiagnostik ==== Im [[Liquor cerebrospinalis]] hingegen ergibt sich bei über 95 % der Patienten ein pathologischer Befund. Daher ist bei Krankheitsverdacht eine [[Lumbalpunktion]] empfehlenswert. Bei 50 % der Patienten findet sich eine leichte Vermehrung lymphozytärer Zellen im Liquor (lymphozytäre [[Pleozytose]]). Eine [[intrathekal]]e Antikörpersynthese mit Nachweis oligoklonaler Banden in der [[Isoelektrische Fokussierung|isoelektrischen Fokussierung]] als Hinweis auf einen chronisch-entzündlichen Prozess im zentralen Nervensystem ist bei über 95 % der Patienten nachweisbar. Die genaue Sensitivität des Tests ist allerdings abhängig vom untersuchenden Labor.<ref>Link & Huang.: ''Oligoclonal bands in multiple sclerosis cerebrospinal fluid: an update on methodology and clinical usefulness.'' J Neuroimmunol. 2006;180:17-28. PMID 16945427 (Übersichtsarbeit)</ref> Eine intrathekale Synthese von Antikörpern gegen Masern, Röteln und Varizella-Zoster-Viren (MRZ-Reaktion) findet sich bei 89 % der Patienten.<ref>Reiber et al.: ''The intrathecal, polyspecific and oligoclonal immune response in multiple sclerosis.'' Mult Scler. 1998;4:111-7. PMID 9762657</ref> Diese Befunde sind typisch, aber nicht beweisend für die Multiple Sklerose. === Neurophysiologische Untersuchungen === Eine Verlängerung der Latenzzeiten bei der Untersuchung der [[Evozierte Potenziale|evozierten Potenziale]] (insbesondere der visuell und somatosensorisch evozierten Potentiale) kann auf die durch die Demyelinisierung gestörte Erregungsleitung hinweisen. Bei fortgeschrittener Erkrankung kann, bedingt durch die axonale Schädigung, auch eine Reduktion der Amplitude auftreten. === Differenzialdiagnose === Die [[Differenzialdiagnose]], also die Abgrenzung der MS gegenüber anderen Krankheitsbildern, umfasst eine Vielzahl von Erkrankungen. Neben [[Infektionskrankheit]]en (insbesondere die [[Neurosyphilis]], die [[Neuroborreliose]] oder die [[HIV-Infektion]]) müssen auch andere chronisch-entzündliche Krankheiten (wie [[Kollagenose]]n, [[Vaskulitis|Vaskulitiden]]) ausgeschlossen werden. Auch andere entzündlich-demyelinisierende Erkrankungen (zum Beispiel die [[Neuromyelitis optica]], die [[Tropische Spastische Paraparese]] oder die [[Akute disseminierte Enzephalomyelitis|Akute disseminierte Enzephalomyelitis (ADEM)]]) sind zu bedenken. Krankheiten des Stoffwechsels (wie [[Leukodystrophie]]n) können ebenso zu ähnlichen Symptomen und insbesondere bildgebenden Befunden wie bei einer MS führen. Ein Mangel an Vitamin B12 kann im Rahmen einer [[Funikuläre Myelose|Funikulären Myelose]] Symptome einer MS imitieren. Auch die Möglichkeit, dass den Beschwerden psychiatrische Erkrankungen zugrunde liegen, muss bedacht werden.<ref>Rolak & Fleming: The differential diagnosis of multiple sclerosis. Neurologist. 2007;13(2):57-72. PMID 17351525 [http://www.neurology.wisc.edu/publications/07_pubs/Neuro_2.pdf Volltext]</ref> Obligate Laboruntersuchungen in der diagnostischen Phase umfassen [[C-reaktives Protein]] (CRP), großes Blutbild, Serumchemie, Blutzucker, Vitamin-B12, [[Rheumafaktor]], [[Antinukleärer Antikörper]] (ANA), [[Anti-Phospholipid-Syndrom|Anti-Phospholipid-Antikörper]], Lupus-Antikoagulans, [[Angiotensin-konvertierendes Enzym]] (ACE), Borrelienserologie und [[Urinstatus]]. Fakultativ werden bei klinisch möglicher Differenzialdiagnose durchgeführt: [[ANCA|Anti-Neutrophile cytoplasmatische Antikörper]] (ANCA), ''Extractable Nuclear Antigens'' (ENA), HIV-Serologie, [[Humanes T-lymphotropes Virus 1]]<nowiki>-</nowiki> (HTLV-1)-Serologie, [[TPHA|Treponema-Pallidum-Hämagglutinations-Assay]] (TPHA), langkettige Fettsäuren, Mykoplasmen-Serologie. == Therapie == Multiple Sklerose ist nicht heilbar. Ziel aller therapeutischen Maßnahmen ist es, die Unabhängigkeit des Patienten im Alltag zu erhalten und die beste erreichbare Lebensqualität zu gewährleisten. Die bestehenden therapeutischen Möglichkeiten lassen sich in die ''Schubtherapie'', die ''immunmodulierende Langzeittherapie'' und die Behandlung symptomatischer Beschwerden unterteilen. Ein Schwerpunkt liegt auch auf der Verhinderung von Komplikationen der MS, die beispielsweise infolge der Immobilität des Patienten auftreten können. Das Erreichen dieser Therapieziele setzt eine gute Zusammenarbeit von Patient, Pflegenden, Umfeld des Patienten, Neurologen, Hausarzt, Physiotherapeuten und Vertretern weiterer Disziplinen voraus. Die Auswahl der therapeutischen Maßnahmen berücksichtigt immer den individuellen Fall des Patienten. === Schubtherapie === Eine Schubtherapie ist bei funktioneller Beeinträchtigung des Patienten angezeigt. Bei rein sensiblen Schüben ist eine Schubtherapie meist nicht notwendig. Die Gabe von hochdosierten therapeutischen [[Glucocorticoide]]n kann während eines Schubes die Rückbildung von Symptomen initiieren und beschleunigen. Glucocorticoide wirken entzündungshemmend. Unter anderem vermindern sie die Durchlässigkeit der [[Blut-Hirn-Schranke]], so dass weniger weiße Blutkörperchen in die Entzündungsherde im ZNS einwandern können. Es gibt bis heute keine studiengestützten Hinweise, dass therapeutische Glucocorticoide den Langzeitverlauf der Krankheit positiv beeinflussen. Üblich ist die intravenöse Therapie mit 1000&nbsp;mg [[Methylprednisolon]] über drei (bis fünf) Tage. Sind nach der ersten Pulstherapie die Auswirkungen eines Schubes nach mindestens zwei Wochen noch immer relevant, soll nach Empfehlung der Deutschen Multiple Sklerose Gesellschaft eine zweite Pulstherapie mit erhöhter Dosierung bis zu fünf Tage je 2 g stattfinden. Häufige Nebenwirkungen der Glucocorticoidtherapie sind Schlafstörungen und Stimmungsschwankungen. Da die Glucocorticoidgabe nur über eine kurze Zeit erfolgt, treten keine Nebenwirkungen auf, die für eine Langzeittherapie mit Glucocorticoiden typisch sind (beispielsweise [[Cushing-Syndrom]]). Sollte auch die zweite Pulstherapie nicht befriedigend wirken, kann zur Beendigung eines akuten Schubes eine [[Plasmapherese]] erwogen werden. Die Anwendung der Plasmapherese wird hauptsächlich bei Schüben erwogen, die den Patienten funktionell stark beeinträchtigen (beispielsweise bei Lähmungen). Bei etwa 40 % der Patienten kann durch die Plasmapherese eine Besserung der Beschwerden erreicht werden.<ref>Weinshenker BG et al.: ''A randomized trial of plasma exchange in acute central nervous system inflammatory demyelinating disease.'' Ann Neurol. 1999 Dec;46(6):878–86. PMID 10589540</ref> Ihre Durchführung bleibt spezialisierten Zentren vorbehalten, da als mögliche Komplikationen Störungen des Herz-Kreislauf-Systems und Infektionen auftreten, die in seltenen Fällen einen schwerwiegenden Verlauf nehmen können.<ref>Sutton DM et al.:''Complications of plasma exchange.'' Transfusion. 1989 Feb;29(2):124–7. PMID 2919422</ref><sup>, </sup><ref>Mokrzycki MH, Kaplan AA:''Therapeutic plasma exchange: complications and management.'' Am J Kidney Dis 1994 Jun;23(6):817–27. PMID 8203364</ref> === Immunmodulation und Immunsuppression === Die Begriffe [[Immunmodulation]] und [[Immunsuppression]] werden in der Literatur nicht immer klar abgegrenzt. Als immunmodulierende Therapie wird die Therapie mit [[Interferon#Beta-Interferon|Beta-Interferonen]], [[Glatirameracetat]], intravenösen Immunglobulinen (IVIG) und [[Natalizumab]] bezeichnet. Immunsuppressiva sind [[Mitoxantron]], [[Azathioprin]] und [[Cyclophosphamid]]. Ziel der Langzeittherapie mit diesen Substanzen ist es, neue neurologische Defizite zu verhindern und die Verschlechterung bestehender Defizite zu verzögern. Auf pathophysiologischer Ebene sollen die eingesetzten Wirkstoffe axonale Schäden verhindern, indem sie die Entzündungsreaktion im ZNS dämpfen. Die Immunsuppressiva erreichen dies, indem sie die Vermehrung von weißen Blutkörperchen hemmen. Die Wirkprinzipien der immunmodulierenden Substanzen sind vielfältig und nicht vollständig verstanden. Natalizumab wurde gezielt als ein Wirkstoff entwickelt, der das Einwandern von weißen Blutkörperchen in das ZNS verhindern soll. Grundlage der Behandlung im deutschsprachigen Raum ist die Therapieempfehlung der „Multiple Sklerose Therapie Konsensus Gruppe“ (MSTKG), der führende Forscher und spezialisierte Ärzte aus Deutschland, Österreich und der Schweiz angehören.<ref>[http://www.dmsg.de/dokumentearchiv/ist_stand_september_2006.doc.pdf Therapieempfehlung der „Multiple Sklerose Therapie Konsensus Gruppe“]</ref> Die Wahl der Therapie richtet sich zunächst danach, ob es sich um eine schubförmig verlaufende oder primär progrediente Form der Erkrankung handelt. ==== Schubförmiger Verlauf ==== {| class="prettytable float-right" |+ Medikamente zur Behandlung der RR-MS |- class="hintergrundfarbe6" ! Wirkstoff ! Markenname ! Publikationen |- class="hintergrundfarbe8" | colspan="3" | Basistherapie (nach den [[Medizinische Leitlinie|Leitlinien]] der [[Multiple Sklerose Therapie Konsensus Gruppe|MSTKG]]) |- | [[Interferon]]e || Betaferon<sup>®</sup>, Avonex<sup>®</sup>, Rebif<sup>®</sup>||<ref>Rieckmann et al.: ''Rekombinante Beta-Interferone: Immunmodulatorische Therapie der schubförmigen Multiplen Sklerose.'' Deutsches Ärzteblatt 93, Ausgabe 46 vom 15. November 1996, Seite A-3022 [http://www.aerzteblatt.de/v4/archiv/artikel.asp?id=3886 Volltext]</ref><sup>, </sup><ref>Filippini et al.: ''Interferons in relapsing remitting multiple sclerosis: a systematic review.'' Lancet. 2003;361(9357):545-52. PMID 12598138</ref> |- | [[Glatirameracetat]] || Copaxone<sup>®</sup>||<ref>Munari et al.: ''Therapy with glatiramer acetate for multiple sclerosis.'' Cochrane Database Syst Rev. 2004;(1):CD004678. PMID 14974077</ref> |- |- class="hintergrundfarbe8" | colspan="3" | Alternativtherapie (bei Kontraindikationen zur Basistherapie) |- | [[Azathioprin]] || Imurek<sup>®</sup> ||<ref>Casetta et al.: ''Azathioprine for multiple sclerosis.'' Cochrane Database Syst Rev. 2007; CD003982. PMID 17943809</ref> |- | [[Immunglobuline]] ||Gamunex<sup>®</sup> 10 %, Octagam<sup>®</sup>||<ref>Gray et al.:''Intravenous immunoglobulins for multiple sclerosis.'' Cochrane Database Syst Rev. 2003; CD002936. PMID 14583956</ref> |- |- class="hintergrundfarbe8" | colspan="3" | Eskalationstherapie |- | [[Natalizumab]] || Tysabri<sup>®</sup> ||<ref>Polman et al.: ''A randomized, placebo-controlled trial of natalizumab for relapsing multiple sclerosis.'' N Engl J Med. 2006;354(9):899-910. PMID 16510744</ref> |- | [[Mitoxantron]] || Ralenova<sup>®</sup> ||<ref>Martinelli Boneschi et al.: ''Mitoxantrone for multiple sclerosis.'' Cochrane Database Syst Rev. 2005; CD002127. PMID 16235298</ref> |- | [[Cyclophosphamid]] || Endoxan<sup>®</sup> ||<ref>La Mantia et al.: ''Cyclophosphamide for multiple sclerosis.'' Cochrane Database Syst Rev. 2007; CD002819. PMID 17253481</ref> |- |} Grundsätzlich wird bei der RR-MS eine frühestmögliche immunmodulatorische Therapie empfohlen, um bereits im Frühstadium der Erkrankung axonale Schäden zu begrenzen. Für diesen Ansatz spricht auch, dass die frühe Phase der MS meist durch eine besonders hohe entzündliche Aktivität im ZNS gekennzeichnet ist. Gleichberechtigte Therapeutika der ersten Wahl sind das Glatirameracetat und die Beta-Interferon-Präparate ''Betaferon''<sup>®</sup>, ''Avonex''<sup>®</sup> und ''Rebif''<sup>®</sup>. Wenn Kontraindikationen gegen diese Mittel bestehen, gelten Azathioprin und intravenöse Immunglobuline als Mittel der zweiten Wahl. Diese Therapie wird als Basistherapie bezeichnet. Kommt es unter dieser Therapie zu einem raschen Fortschreiten der neurologischen Defizite, wird statt der Basistherapie die Eskalationstherapie empfohlen. Wirkstoffe, die in der Eskalationstherapie eingesetzt werden, sind Mitoxantron, Natalizumab und in seltenen Fällen Cyclophosphamid. Nicht für alle Präparate konnte in [[Metaanalyse|Meta-Analysen]] ein überzeugender Wirksamkeitsnachweis geführt werden.<ref>de Jong et al.: ''Confusing Cochrane reviews on treatment in multiple sclerosis.'' Lancet Neurol. 2005;4(6):330-1. PMID 15907736 (Kommentar)</ref> Die Therapie wird im Allgemeinen fortgeführt, solange ein positiver Effekt auf die Entwicklung der MS festzustellen ist und keine schwerwiegenden Nebenwirkungen auftreten. Für Mitoxantron gibt es aufgrund schwerer dosisabhängiger Nebenwirkungen (Mitoxantron ist kardiotoxisch) eine begrenzte Lebensdosis, die etwa nach zwei bis fünf Jahren erreicht wird. Bei der Behandlung mit Interferon-Beta und Natalizumab kann es zur Entstehung von neutralisierenden Antikörpern (NAB) kommen. Während aktuelle Studien (2007) gezeigt haben, dass die Wirksamkeit der Interferone davon nicht beeinträchtigt wird, ist bei Natalizumab davon auszugehen, dass NAB die Effektivität verringern. Wird während der Basistherapie der Wechsel auf ein anderes Medikament erwogen, kann dazu je nach Beurteilung des behandelnden Arztes in Rücksprache mit dem Patienten entweder ein anderes Basistherapeutikum oder ein Arzneistoff aus der Gruppe der Eskalationstherapie gewählt werden. Die beiden Beta-Interferon-Präparate ''Betaferon''<sup>®</sup> und ''Avonex''<sup>®</sup> sind jeweils unter bestimmten Voraussetzungen auch zur Behandlung des [[Clinically isolated Syndrome]] zugelassen. ==== Chronisch progrediente Verlaufsformen ==== Für die Behandlung der sekundär progredienten MS wird in erster Linie der für diese Indikation seit 2002 zugelassene Arzneistoff Mitoxantron eingesetzt. Nach Erreichen der Höchstdosis von Mitoxantron und fortbestehender Krankheitsaktivität können Therapieversuche mit vierteljährlichen hochdosierten intravenösen [[Glucocorticoid]]stößen (üblicherweise [[Methylprednisolon]]) oder Cyclophosphamid versucht werden. Die primär progrediente Verlaufsform ist einer Behandlung nur wenig zugänglich. Nach Abwägen des Risiko-Nutzen-Verhältnisses und Abschätzung der Krankheitsaktivität können in einigen Fällen Therapieversuche ebenfalls mit Glucocorticoidstößen, Mitoxantron oder Cyclophosphamid unternommen werden. === Symptomatische Therapie === Im Verlauf der MS können viele Symptome zu einer Verminderung der Lebensqualität führen. Die jeweiligen Funktionsstörungen und ihr Ausmaß sind dabei bei jedem Patienten unterschiedlich ausgeprägt. Besonders häufig und einschränkend sind [[Spastik]], [[Schmerz]]en, [[Blasenfunktionsstörung]]en, Sprech- und Schluckstörungen, eine schnellere psychische und physische Ermüdbarkeit ([[Fatigue-Syndrom]]) sowie [[Depression|depressive Störungen]]. Zur Behandlung dieser Symptome eignen sich neben Änderungen der Lebensführung [[Physiotherapie|physiotherapeutische]],<ref>Rietberg et al.: ''Exercise therapy for multiple sclerosis.'' Cochrane Database Syst Rev. 2005; CD003980. PMID 15674920 (Meta-Analyse)</ref> [[Logopädie|logopädische]], [[Ergotherapie|ergotherapeutische]], psychotherapeutische, medikamentöse und operative Maßnahmen.<ref>Kesselring J, Beer S: ''Symptomatic therapy and neurorehabilitation in multiple sclerosis.'' Lancet Neurol. 2005;4(10):643–52 PMID 16168933 (Übersichtsarbeit)</ref> Besonders wichtig ist die Prophylaxe schwerwiegender Komplikationen wie [[Aspirationspneumonie]]n, [[Lungenembolie]]n, [[Thrombose]]n, [[Osteoporose]], [[Dekubitalgeschwür]]en, [[Gelenkkontraktur]]en, [[Harnwegsinfektion]]en und der [[Exsikkose]]. Diese Komplikationen sind mit für die im Vergleich zur Gesamtbevölkerung verminderte Lebenserwartung bei MS-Patienten verantwortlich. ==== Behandlung der Spastik ==== Spastische Tonuserhöhungen der Muskulatur kommen durch Herde in der [[Pyramidenbahn]] zustande. Sie können direkt Schmerzen oder ein Spannungsgefühl verursachen oder über Folgeerkrankungen wie Muskel- und Gelenkkontrakturen, Fehlstellungen und Immobilität zu Schmerzen führen. Eine [[Physiotherapie]] ist bei pathologischen Tonuserhöhungen immer geboten. Mittels des [[Bobath]]-Konzeptes lässt sich dabei die tonisch erhöhte Muskulatur inhibieren (hemmen) und detonisierte Muskulatur und Bewegungskoordination aktivieren bzw. fazilitieren (bahnen). Medikamentös kann oral beispielsweise mit [[Baclofen]] oder [[Tizanidin]] behandelt werden. Umschriebene spastische Tonuserhöhungen können auch mit Injektionen von [[Botulinumtoxin]] behandelt werden. Eine weitere Option besteht in der Gabe von Baclofen oder [[Triamcinolon]] direkt in den [[Subarachnoidalraum]] im Bereich der Lendenwirbelsäule (intrathekale Applikation).<ref>Shakespeare et al.:''Anti-spasticity agents for multiple sclerosis.'' Cochrane Database Syst Rev. 2003; CD001332. PMID 14583932</ref> ==== Schmerzbehandlung ==== Schmerzen können bei MS-Patienten vielfältige Ursachen haben. Die direkt durch Entzündungsherde verursachte [[Trigeminusneuralgie]], die anfallsweise auftritt, kann medikamentös mit [[Carbamazepin]], [[Gabapentin]] oder [[Pregabalin]] behandelt werden. Auch chronische Schmerzen meist der Extremitäten, die vermutlich durch Herde im Rückenmark entstehen, werden durch die MS selbst verursacht und können beispielsweise mit [[Amitriptylin]] behandelt werden. Schmerzen können auch indirekt durch Folgen der MS wie eine spastische Tonuserhöhung der Extremitäten oder Harnwegsinfekte verursacht sein. Die Therapie richtet sich in diesen Fällen nach der jeweiligen Ursache.<ref>Pöllmann et al: ''Therapie von Schmerzen bei MS - eine Übersicht mit evidenzbasierten Therapieempfehlungen.'' Fortschr Neurol Psychiatr. 2005 May;73(5):268–85. PMID 15880305 (Übersichtsarbeit)</ref> ==== Behandlung von Blasenfunktionsstörungen ==== Blasenfunktionsstörungen manifestieren sich in Harnwegsinfekten, imperativem Harndrang, [[Pollakisurie]] und Inkontinenz. Den Störungen zugrunde liegen kann eine Speicherstörung, Entleerungsstörung oder eine [[Detrusor-Sphinkter-Dyssynergie]] der Harnblase. Nach spezifischer urologischer Diagnostik kann eine entsprechende Therapie mit einer Einteilung der Flüssigkeitszufuhr, [[Beckenbodengymnastik]], Katheterisierung und Medikamenten erfolgen. Harnwegsinfekte müssen antibiotisch behandelt werden. [[Exsikkose]]n, die dadurch entstehen, dass die Patienten weniger trinken, um die Blasenstörungen zu minimieren, müssen vermieden werden.<ref>Kalsi & Fowler: ''Therapy Insight: bladder dysfunction associated with multiple sclerosis.'' Nat Clin Pract Urol. 2005;2(10):492–501. PMID 16474623 (Übersichtsarbeit)</ref> ==== Behandlung von Sprech- und Schluckstörungen ==== Sprech- und Schluckstörungen können zu einer erheblichen Belastung der Patienten führen. Akut im Rahmen eines Schubes entstandene Störungen werden mittels der Schubtherapie behandelt. Bleiben die Beschwerden bestehen, kommen hauptsächlich logopädische Maßnahmen zum Einsatz. Bei ausgeprägten Schluckstörungen können auch eine parenterale Ernährung und die Anlage einer [[Perkutane endoskopische Gastrostomie|PEG]] notwendig werden. Ziele hierbei sind eine ausreichende Nahrungszufuhr und das Vermeiden von Aspirationspneumonien.<ref>Merson & Rolnick: ''Speech-language pathology and dysphagia in multiple sclerosis.'' Phys Med Rehabil Clin N Am. 1998;9(3):631–41. Review. PMID 9894114</ref> ==== Behandlung des Fatigue-Syndroms und depressiver Störungen ==== Die Diagnosekriterien einer [[Fatigue-Syndrom|Fatigue-Symptomatik]] und einer [[Depression]] enthalten ähnliche Elemente. Bei vielen Patienten liegt beides vor. Eine depressive Störung kann medikamentös mit [[Antidepressiva]] beispielsweise aus der Gruppe der sogenannten [[SSRI|selektiven Serotonin-Wiederaufnahmehemmer]] (SSRI) behandelt werden. Eine psychologische Betreuung kann auch mit dazu beitragen, sekundär aufgetretene depressive Störungen zu behandeln und Krankheitsfolgen besser zu bewältigen.<ref>Thomas et al.: ''Psychological interventions for multiple sclerosis.'' Cochrane Database Syst Rev. 2006; CD004431. PMID 16437487</ref> Zur medikamentösen Behandlung des Fatigue-Syndroms können neben Antidepressiva auch [[Amantadin]], Acetyl-L-Carnitin<ref>Tomassini et al.: ''Comparison of the effects of acetyl L-carnitine and amantadine for the treatment of fatigue in multiple sclerosis: results of a pilot, randomised, double-blind, crossover trial.'' J Neurol Sci. 2004; 218:103–8. PMID 14759641</ref>, [[Acetylsalicylsäure]]<ref>Wingerchuk et al.: ''A randomized controlled crossover trial of aspirin for fatigue in multiple sclerosis.'' Neurology. 2005;64:1267–9 PMID 15824361</ref> und [[Modafinil]]<ref>Rammohan et al.: ''Efficacy and safety of modafinil (Provigil) for the treatment of fatigue in multiple sclerosis: a two centre phase 2 study.'' J Neurol Neurosurg Psychiatry. 2002;72:179–83 PMID 11796766</ref> eingesetzt werden. Die Wirksamkeit einiger dieser Präparate für diese [[Indikation]] ist jedoch nicht unumstritten.<ref>Pucci et al.: ''Amantadine for fatigue in multiple sclerosis.'' [[Cochrane Collaboration|Cochrane Database]] Syst Rev. 2007: CD002818 PMID 17253480 ([[Metaanalyse]])</ref><sup>, </sup><ref>Stankoff et al.: ''Modafinil for fatigue in MS: a randomized placebo-controlled double-blind study.'' Neurology. 2005;64:1139–43. PMID 15824337</ref> ==== Behandlung von Störungen der Sexualität ==== 50 bis 90 % der MS-Patienten geben im Verlauf Störungen der Sexualität an, wobei Männer häufiger betroffen zu sein scheinen.<ref>Hulter BM et al:''Sexual function in women with advanced multiple sclerosis.'' J Neurol Neurosurg Psychiatry. 1995 Jul;59(1):83–6. PMID 7608715</ref><sup>, </sup><ref>Zorzon M et al:''Sexual dysfunction in multiple sclerosis: a case-control study. I. Frequency and comparison of groups.'' Mult Scler. 1999 Dec;5(6):418–27. PMID 10618699</ref> Entzündliche Herde können unmittelbar organische Ursache der Störungen sein, indem sie zu Gefühlsstörungen im Genitalbereich führen oder Reflexbögen der Sexualfunktionen (beispielsweise für die [[Erektion]]) beeinträchtigen. Auch eine in der Folge der MS eingetretene Spastik der Oberschenkelmuskulatur der Beine oder der Muskulatur des Beckenbodens kann den Geschlechtsverkehr erschweren oder unmöglich machen. Eine verminderte [[Lubrikation]] kann zu Schmerzen beim Verkehr führen. Weiterhin können alle Einflüsse, die den Patienten aufgrund seiner Erkrankung in seinem sozialen, psychischen und existenziellen Gefüge betreffen, zu Störungen der Sexualität führen. So kann eine Fatigue oder eine depressive Episode mit einem [[Libido]]verlust einhergehen. Soziale Konflikte, Isolierung und Scham können ebenso die Sexualität beeinträchtigen. Ziel der therapeutischen Sexualberatung ist es, den Patienten (und seinen Partner) über mögliche Gründe der Störungen aufzuklären und mögliche Lösungen im Gespräch zu entwickeln und aufzuzeigen. Organische Ursachen können durch eine Optimierung der entsprechenden symptomatischen Therapie behandelt werden. Erektionsstörungen können – sofern sie nicht hauptsächlich psychischer Genese sind – mit Phosphodiesterasehemmern wie [[Sildenafil]], [[Tadalafil]] oder [[Vardenafil]] behandelt werden. Weiterhin können Hilfsmittel wie Gleitmittel bei geringer Lubrikation und Vibratoren zur sexuellen Stimulation benutzt werden. Ebenso ist zu bedenken, dass viele Medikamente, die im Rahmen der symptomatischen Therapie eingesetzt werden, zu Libidoverlust und sexuellen Funktionsstörungen führen können.<ref>Borello-France D et al:''Bladder and sexual function among women with multiple sclerosis.'' Mult Scler. 2004 Aug;10(4):455–61. PMID 15327046</ref><sup>, </sup><ref>DasGupta et al:''Sexual and urological dysfunction in multiple sclerosis: better understanding and improved therapies.'' Curr Opin Neurol. 2002 Jun;15(3):271 – 8. Review. PMID 12045724</ref> === Ernährung === Eine Meta-Analyse ergab keinen Hinweis auf einen wesentlichen Effekt verschiedener Ernährungsformen auf den Krankheitsverlauf.<ref>Farinotti et al.: '' Dietary interventions for multiple sclerosis.'' Cochrane Database Syst Rev. 2007; CD004192. PMID 17253500</ref> Gleichwohl kann nach Auffassung der Deutschen Multiple Sklerose Gesellschaft (DMSG) eine geeignete Ernährung zu einer Verbesserung der Lebensqualität führen.<ref>Pöhlau & Seidel: ''Ernährungsratschläge bei Multipler Sklerose.'' Deutsche Multiple Sklerose Gesellschaft, Bundesverband e.V. (Hrsg.), 11/1999. [http://dmsg.de/multiple-sklerose-infos/index.php?kategorie=datenbank&cnr=81&anr=188&searchkey=Ern&nbsp;%E4hrungsratschl&nbsp;%E4ge&wholewords=0 Volltext]</ref> Empfohlen wird eine ausgewogene, fettarme, ballaststoff- und vitaminreiche Ernährung bei ausreichender Kalorienzufuhr; Übergewicht sollte vermieden werden. Von einseitigen Diäten wird abgeraten. === Therapien außerhalb der evidenzbasierten Medizin === Viele MS-Patienten nehmen neben oder anstelle der [[Evidenzbasierte Medizin|evidenzbasiert-medizinischen]] Therapie komplementär- oder alternativmedizinische Behandlungen in Anspruch.<ref>Apel et al: ''Frequency of current utilisation of complementary and alternative medicine by patients with multiple sclerosis.'' J Neurol. 2006;253(10):1331–6. PMID 16786211</ref><sup>, </sup><ref>Pucci et al: ''Why physicians need to look more closely at the use of complementary and alternative medicine by multiple sclerosis patients.'' Eur J Neurol. 2004;11(4):263–7. PMID 15061828</ref> Der Gebrauch unkonventioneller Therapien ist häufiger bei Patienten anzutreffen, die stärker durch die MS eingeschränkt sind. Es besteht eine sehr große Zahl von Angeboten (wie beispielsweise spezielle Diäten, [[Akupunktur]], [[Homöopathie]]). Für keine der unkonventionellen Therapieangebote ist ein belastbarer Wirksamkeitsbeleg erbracht worden.<ref>Schwarz S et al: ''Alternative und komplementäre Therapien der Multiplen Sklerose.'' Fortschr Neurol Psychiatr. 2005 Aug;73(8):451–62. PMID 16052439 (Übersichtsarbeit)</ref> === Ausblick === → ''Hauptartikel: [[Liste von Multiple-Sklerose-Wirkstoffen in der Erprobung]]'' Neben den für die Behandlung der Multiplen Sklerose in Deutschland zugelassenen Medikamenten (drei Beta-Interferone, Glatirameracetat, Mitoxantron, Azathioprin und Natalizumab) gibt es eine Vielzahl von Wirkstoffen, die sich in verschiedenen Phasen der Prüfung befinden. In Deutschland werden derzeit für mindestens 18 laufende klinische Studien Patienten rekrutiert.<ref>[http://clinicaltrials.gov/ct2/results?term=multiple+sclerosis&recr=Open&type=Intr&cntry1=EU&nbsp;%3ADE Abfrage bei Clinicaltrials.org]</ref> Einen wichtigen Schwerpunkt der klinischen Forschung stellt die Weiterentwicklung von immunmodulatorischen Wirkstoffen dar, die ein Voranschreiten der Behinderung effektiver unterbinden. Andere Studien zielen darauf ab, den Anwendungskomfort durch längere Anwendungsintervalle oder eine orale Verabreichung zu erhöhen.<ref>Cohen &Riekmann: ''Emerging oral therapies for multiple sclerosis'' Int J Clin Pract. 2007; 61(11):1922-30. PMID 17784852 [http://www.blackwell-synergy.com/doi/pdf/10.1111/j.1742-1241.2007.01561..x Volltext]</ref><sup>, </sup><ref>Muraro & Bielekova: ''Emerging therapies for multiple sclerosis.'' Neurotherapeutics. 2007;4(4):676-92. PMID 17920549 (Übersichtsarbeit über aktuelle Forschungsschwerpunkte)</ref><sup>, </sup><ref>Kleinschnitz et al.: ''Multiple sclerosis therapy: An update on recently finished trials.'' J Neurol. 2007 Nov 15 (Epub ahead of print DOI 10.1007/s00415-007-0684-7) PMID 18004638 (Übersichtsarbeit über aktuelle Forschungsschwerpunkte)</ref> Der Stellenwert aggressiverer Behandlungsformen, die darauf abzielen, das gestörte Immunsystem zu eliminieren, um dann (durch entweder im Knochenmark verbliebene Stammzellen oder durch Reinfusion autologer Stammzellen) ein neues, tolerantes Immunsystem zu etablieren, bleibt im Rahmen randomisierter klinischer Studien zu klären<ref>Blanco et al.: ''Autologous haematopoietic-stem-cell transplantation for multiple sclerosis.'' Lancet Neurol. 2005;4(1):54-63. PMID 15620857 (Übersichtsarbeit zur autologen Stammzelltransplantation)</ref><sup>, </sup><ref>Gladstone et al.: ''High-dose cyclophosphamide for moderate to severe refractory multiple sclerosis.'' Arch Neurol. 2006;63(10):1388-93. PMID 16908728</ref>, wird aber sicherlich wenigen spezialisierten Zentren vorbehalten bleiben. Einen noch experimentellen Ansatz stellen Versuche dar, durch den Einsatz von Wachstumsfaktoren<ref>Vana et al.: ''Platelet-derived growth factor promotes repair of chronically demyelinated white matter.'' J Neuropathol Exp Neurol. 2007;66(11):975-88. PMID 17984680</ref> oder eine Modulation von Stammzellen<ref>Nait-Oumesmar et al.: ''Activation of the subventricular zone in multiple sclerosis: evidence for early glial progenitors.'' PNAS 2007;104(11):4694-9. PMID 17360586 [http://www.pnas.org/cgi/content/full/104/11/4694 Volltext]</ref> Remyelinisierung und Regeneration zu fördern<ref>Volltext 'MS in focus' 11/2008 Stem Cells and Remylination in MS http://www.msif.org/docs/MSinFocusIssue11EN.pdf</ref>. == Prognose == Bislang ist es zu Beginn der Erkrankung kaum möglich, eine Prognose über den weiteren Verlauf zu stellen, was die betroffenen Patienten belastet. In den letzten Jahren wurden einige epidemiologische Studien zur Prognose der Multiplen Sklerose veröffentlicht. Die Ergebnisse waren überwiegend positiv und zeigten, dass die Erkrankung nicht selten weniger schwer als allgemein angenommen verläuft.<ref>Pittock et al.: ''Change in MS-related disability in a population-based cohort: a 10-year follow-up study.'' Neurology. 2004; 62:51–9. PMID 14718697</ref> Basierend auf den Krankheitsverläufen von 1059 Patienten, ist von einer Münchener Arbeitsgruppe ein Web-basiertes Computerprogramm zur Bestimmung des individuellen Risikoprofils anhand von Krankheitsverlauf, ''Expanded Disability Status Scale'', Erkrankungsdauer, Schubfrequenz und Alter entwickelt worden.<ref>Daumer et al.: ''Prognosis of the individual course of disease-steps in developing a decision support tool for Multiple Sclerosis.'' BMC Med Inform Decis Mak. 2007;7:11 PMID 17488517 [http://www.biomedcentral.com/1472-6947/7/11 Volltext]; dort vorgestelltes [https://www.slcmsr.net/public/login.do Web-basiertes Programm zur Bestimmung des Risikoprofils]</ref> == Sonstiges == Seit 2009 wird jeweils am letzten Mittwoch im Mai der ''Welt-Multiple-Sklerose-Tag'' (''World MS Day'') begangen. Viele MS-Vereine und Selbsthilfegruppen, hierzulande allen voran die Deutsche Multiple Sklerose Gesellschaft e.V. (DMSG), nehmen ihn zum Anlass, um mit Aktionsveranstaltungen das öffentliche Bewusstsein für diese chronische Erkrankung zu schärfen, über Multiple Sklerose und ihre Auswirkungen zu informieren sowie Verständnis für die Belange von Menschen mit MS zu wecken. == Literatur == * Thomas Brandt, Johannes Dichgans, Hans-Christoph Diener: ''Therapie und Verlauf neurologischer Erkrankungen.'' Kohlhammer, Stuttgart 2007, ISBN 3-17-019074-1. * Rudolf M. Schmidt, Frank Hoffmann: ''Multiple Sklerose.'' Urban & Fischer, München 2006, ISBN 3-437-22081-0. * Ralf Gold, Peter Rieckmann: ''Pathogenese und Therapie der Multiple Sklerose.'' Uni-Med, Bremen 2004, ISBN 3-89599-785-4. * Alastair Compston: ''McAlpine's Multiple Sclerosis.'' Churchill Livingstone, Oxford 2005, ISBN 0-443-07271-X. == Einzelnachweise == <div class="references-small" style="column-count:2;-moz-column-count:2;"> <div class="references-small"> <references /> </div> </div> == Weblinks == <!-- [[WP:WEB]] beachten. Keine ominösen Beratungsseiten, keine Kliniken, keine Arztseiten u. a. --> {{Commonscat|Multiple sclerosis|Multiple Sklerose}} * {{dmoz|World/Deutsch/Gesundheit/Krankheiten_und_Beschwerden/Nervensystem/Multiple_Sklerose/|Multiple Sklerose}} * [http://www.msif.org/de/publications/ms_in_focus/index.html Veröffentlichungen des Magazins ''MS in Focus'' kostenlos zum herunterladen] * [http://www.acceleratedcure.org:8080/ Accelerated Cure Project] * [http://www.msrc.co.uk/ MS Ressource Center] === Dachorganisationen === * [http://www.msif.org/de MS International Federation] * [http://www.dmsg.de/ Deutsche Multiple Sklerose Gesellschaft] * [http://www.multiplesklerose.ch/ Website] der [[Schweizerische Multiple Sklerose Gesellschaft|Schweizerischen Multiple Sklerose Gesellschaft]] * [http://msges.at/ MS Gesellschaft Wien] === Leitlinien und Grundsätze === * {{AWMF|http://www.uni-duesseldorf.de/WWW/AWMF/ll/030-050.htm|Diagnostik und Therapie der Multiplen Sklerose||[[Deutsche Gesellschaft für Neurologie|Deutschen Gesellschaft für Neurologie]]|10/2004}} * [http://www.msif.org/document.rm?id=197 Grundsätze zur Verbesserung der Lebensqualität von Menschen mit Multipler Sklerose] (Deutschsprachige Publikation der Multiple Sclerosis International Federation) * S2-[[Medizinische Leitlinie|Leitlinie]]: ''Multiple Sklerose im Kindesalter'', [[AWMF]]-Registernummer 022/014 (online: [http://www.uni-duesseldorf.de/AWMF/ll/022-014.htm Volltext]), Stand 12/2008 {{Gesundheitshinweis}} {{Exzellent|2. Januar 2008|40686570}} [[Kategorie:Immunologie]] [[Kategorie:Autoimmunerkrankung]] [[Kategorie:Entzündliche Krankheit des Zentralnervensystems]] [[Kategorie:Neurodegenerative Erkrankung]] [[Kategorie:Rückenmark]] {{Link FA|cs}} {{Link FA|en}} {{Link GA|pl}} [[ar:مرض التصلب اللويحي]] [[bg:Множествена склероза]] [[ca:Esclerosi múltiple]] [[cs:Roztroušená skleróza]] [[da:Multipel sklerose]] [[el:Πολλαπλή σκλήρυνση]] [[en:Multiple sclerosis]] [[eo:Multloka sklerozo]] [[es:Esclerosis múltiple]] [[et:Multiipelskleroos]] [[eu:Esklerosi anizkoitz]] [[fa:اسکلروز چندگانه]] [[fi:MS-tauti]] [[fr:Sclérose en plaques]] [[he:טרשת נפוצה]] [[hu:Sclerosis multiplex]] [[id:Sklerosis multipel]] [[it:Sclerosi multipla]] [[ja:多発性硬化症]] [[ku:Skleroza enîfireh]] [[lt:Išsėtinė sklerozė]] [[lv:Izkaisītā skleroze]] [[nl:Multiple sclerose]] [[no:Multippel sklerose]] [[pl:Stwardnienie rozsiane]] [[pt:Esclerose múltipla]] [[ru:Рассеянный склероз]] [[sh:Multipla skleroza]] [[sk:Skleróza multiplex]] [[sl:Multipla skleroza]] [[sq:Multiple skleroza]] [[sr:Multipla skleroza]] [[sv:Multipel skleros]] [[ta:மல்ட்டிபிள் ஸ்களீரோசிஸ்]] [[tr:Multipl skleroz]] [[uk:Розсіяний склероз]] [[zh:多发性硬化症]] n2t3eyloo04vmi8x0nyqcjmfmrh2oo4 wikitext text/x-wiki Ludwig Münchmeyer 0 23963 26561 2010-05-07T07:15:57Z Eingangskontrolle 0 [[Datei:MünchmeyerLudwig.jpg|thumb|Ludwig Münchmeyer]] '''Ludwig Johannes Herbert Martin Münchmeyer''' (* [[2. Juni]] [[1885]] in [[Melle|Hoyel]]; † [[24. Juli]] [[1947]] in [[Böblingen]]) war ein evangelischer Pastor auf der ostfriesischen Nordseeinsel [[Borkum]], der sich durch besonders aggressive [[Antisemitismus|antisemitische]] Hetzreden hervortat. Reichsweites Aufsehen erregte er im sogenannten „Münchmeyer-Prozess“, in dessen Verlauf er sich gezwungen sah, sein Amt als Pastor aufzugeben. Danach wurde er „[[Reichsredner]]“ der [[Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei|NSDAP]]. Mit deren erstem größeren Wahlerfolg bei der [[Reichstagswahl 1930]] zog Münchmeyer als Abgeordneter des Wahlkreises 33 ([[Volksstaat Hessen|Hessen-Darmstadt]]) in den [[Reichstag (Weimarer Republik)|Reichstag]] ein. Er war mit Agnes Marie Margerete Maseberg, Tochter des Großkaufmanns Wilhelm Maseberg und dessen Ehefrau Marie Winkelmann, verheiratet und hatte mit ihr vier Kinder. == Elternhaus, Ausbildung, erste Pfarrstellen == Ludwig Münchmeyer entstammte einer alten, ursprünglich niedersächsischen Pastorenfamilie, deren direkte Stammreihe mit Heinrich [[Münchmeyer]] (um 1654–1728), Lizenzbeamter (Steuerbeamter) und Bürger zu [[Einbeck]], begann. Er wurde als Sohn des Carl Hans Wilhelm Ludwig Münchmeyer sowie Henriette Friederike Adelgunde Münchmeyer, geb. Brakebusch, geboren. In [[Rinteln]] besuchte er das humanistische Gymnasium. In [[Universität Erlangen|Erlangen]], [[Universität Leipzig|Leipzig]] und [[Universität Göttingen|Göttingen]] studierte er [[evangelische Theologie]] und legte im März 1911 seine Zweite theologische Prüfung ab. Am 17. Juni desselben Jahres wurde er ordiniert. Zunächst wurde er als Seemannspastor in [[Cardiff]] (Großbritannien) angestellt. Im März 1915 war er Felddivisionsprediger.<ref name=Bezeichnung>[http://www.ostfriesischelandschaft.de/obio/detail.php?id=161 Biografisches Lexikon für Ostfriesland: ''Ludwig Münchmeyer'']</ref> Anschließend wurde er als Lazarettpfarrer in [[Hannover]] angestellt. == Münchmeyer auf Borkum == [[Bild:Borkum_vom_alten_leuchtturm_aus.jpg|thumb|right|Borkum- Blick vom alten Leuchtturm Richtung Westen]] 1920 wurde Münchmeyer Pastor der evangelisch-lutherischen Kirchengemeinde auf Borkum. Dort hatte der sogenannte [[Bäder-Antisemitismus]]&nbsp;– die Ausgrenzung jüdischer Gäste&nbsp;– lange vor 1933 besonders starke Tradition. Bereits vor dem 1. Weltkrieg waren antisemitische Zwischenfälle zu verzeichnen. Im „Borkumlied“, das die Kurkapelle mit Billigung des Gemeinderates öffentlich intonierte, hieß es: <poem style="margin-left:2em; font-style:italic;"> Borkum, der Nordsee schönste Zier, bleib du von Juden rein, laß Rosenthal und Levinsohn in Norderney allein. </poem> Damit setzte Borkum antisemitische Rassenhetze im Konkurrenzkampf gegen das Seebad [[Geschichte der Juden auf Norderney|Norderney]] ein, um „völkisch-nationale“ Gäste zu gewinnen. Münchmeyer heizte die rechtsradikale und antisemitische Stimmung auf Borkum mit zahlreichen Vorträgen an. Diese behandelten Themen wie „Seid unverzagt, bald der Morgen tagt“, „Gott – Freiheit – Ehre – Vaterland“ oder „Borkum, der Nordsee schönste Zier, bleib du von Juden rein“.<ref name="wildt">Michael Wildt: „Der muß hinaus! Der muß hinaus! Antisemitismus in deutschen Nord- und Ostseebädern 1920–1935“ in: ''Mittelweg 36- Zeitschrift des Hamburger Instituts für Sozialforschung''. Heft 4, Jahr 2001, Jahrgang 10.</ref> Dabei unterstützte ihn der 1920 für antisemitische Kurgäste gegründete „Bund zur Wahrung deutscher Interessen auf Borkum“.<ref>[http://www.payer.de/religionskritik/karikaturen253.htm Kirche und Staat, Kirche und Politik ab 1900 (Antiklerikale Karikaturen und Satiren XXV)].</ref> Dieser wachte über die „Judenfreiheit auf der Insel“. In den Folgejahren trat Münchmeyer energisch für „deutsche Bezeichnungen“ auf den Speisekarten sowie „deutsche Ausdrücke“ an den Inschriften von Häusern ein und kontrollierte gelegentlich die Personalien von Borkumer Kurgästen, an deren „[[Arier #Rassenkundliche Theorien |arischer]]“ Abstammung er zweifelte.<ref>Frank Bajohr: ''Unser Hotel ist judenfrei. Bäder-Antisemitismus im 19. und 20. Jahrhundert'', Frankfurt/M. 2003, Fischer Verlag, S. 74.</ref> 1922 wies der hannoversche [[Oberpräsident]] und ehemalige Reichswehrminister [[Gustav Noske]] ([[Sozialdemokratische Partei Deutschlands|SPD]]) den Regierungspräsidenten [[Jann Berghaus]] (SPD) in [[Aurich]] mündlich an, dem „hetzerischen Treiben“ auf Borkum ein Ende zu machen. Er gab seinem „lebhaften Befremden darüber Ausdruck, dass dem Skandal auf Borkum nicht energisch entgegengetreten worden ist“. Im Wiederholungsfall drohte er die Herabsetzung der polizeilichen Sperrstunde auf 22 Uhr an.<ref>Frank Bajohr 2003, S. 78.</ref> Daraufhin wurde das „Borkumlied“ 1922/23 nicht mehr abgespielt. 1924 erneuerte der Landrat des Landkreises Emden, [[Walter Bubert]] (SPD), das Verbot. Dagegen organisierten der „Borkumpastor“ Münchmeyer und der völkische Badedirektor Hempelmann Protestkundgebungen, auf denen sie Bubert, Berghaus und Noske beschimpften und dazu aufriefen, das Spielverbot zu ignorieren. Die Protestversammlungen wurden jeweils mit demonstrativem Absingen des „Borkumliedes“ beendet. Auf Anweisung des Badedirektors begann die Kurkapelle bald darauf, das Lied wieder zu spielen. Landrat Bubert ging dagegen mit eigens verstärkter Borkumer Lokalpolizei vor, ließ einige Musiker noch während eines Konzerts in polizeilichen Gewahrsam nehmen und beschlagnahmte deren Instrumente. Er entließ zudem den Badedirektor mit sofortiger Wirkung. Dieser klagte dagegen vor dem Amtsgericht Emden und erhielt Recht: Das Urteil bezeichnete das Spielverbot als „vollendete Rechtsbeugung“ und damit als nichtig. Im Wiederholungsfalle drohte das Gericht dem preußischen Staat eine Geldbuße von 100.000 Goldmark an.<ref>Abschrift des Gerichtsbeschlusses in: Heheimes Preußisches Staatsarchiv Berlin-Dahlem, I. HA, Rep.84a 22035, Bl. 74–76.</ref> Die nächste Instanz, das [[Preußisches Oberverwaltungsgericht|Preußische Oberverwaltungsgericht]] in Berlin, bestätigte das Urteil. Münchmeyer feierte diesen Beschluss zum „Borkumlied“ als persönlichen Erfolg. 1924 ließ er sich als Kandidat der [[Deutschnationale Volkspartei|Deutschnationalen Volkspartei]] in den Gemeindeausschuss wählen und wurde Mitglied der Badedirektion. 1925 trat er der [[Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei|NSDAP]] (Mitglieds-Nummer: 80.984) bei. Nun fing er an, neben Juden auch Katholiken anzugreifen, wodurch sich viele rheinländische Badegäste verprellt fühlten. Die Rheinische Presse berichtete über die „Katholikenhetze auf Borkum“ und die Borkumer Badezeitung schrieb darüber 1924: „Alte Badegäste haben sich, durch diese Treibereien angewidert, mit den Worten verabschiedet: Auf Nimmerwiedersehen“. Daraufhin wuchs auf Borkum, das sich in seinen wirtschaftlichen Interessen bedroht sah, allmählich die Opposition gegen Münchmeyer. Die Badedirektion setzte sich vorsichtig von ihm ab. Auch die Leitung der [[Evangelisch-Lutherische Landeskirche Hannovers|Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Hannovers]], die seinen Antisemitismus nie öffentlich kritisiert hatte, begann sich nun von Münchmeyer zu distanzieren, bot ihm aber eine [[Superintendent]]ur an.<ref>Vgl. Nicolas Heutger: ''Die Fülle an Weisheit und Erkenntnis. Festschrift zum 70. Geburtstag.'' Besorgt von Achim Alexander Sahin, Oldenburg: Bibliotheks- und Informationssystem der Univ., 2001, S. 105, zugänglich unter [http://docserver.bis.uni-oldenburg.de/publikationen/bisverlag/2002/heufue01/heufue01.html].</ref> Nach weiteren Vorfällen entschloss sich der Deutsche Bäderverband, Fahrten nach Borkum nicht mehr zu empfehlen.<ref>Frank Bajohr 2003, S. 82.</ref> Im Herbst 1925 eröffnete schließlich das [[Konsistorium|Landeskirchenamt]] der Hannoverschen Landeskirche ein Disziplinarverfahren gegen Münchmeyer. == Der „Münchmeyer-Prozess“ == Etwa zur gleichen Zeit veröffentlichte der Borkumer Dr. Albrecht Völklein unter dem Pseudonym Doktor Sprachlos eine satirische Streitschrift gegen Münchmeyer mit dem Titel „Der falsche Priester oder der Kannibalenhäuptling der Nordsee-Insulaner“. Unterstützt wurde er dabei von [[Julius Charig]] vom [[Central-Verein deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens]] (C.V.) und dem jüdischen Kaufmann Lazarus Pels.<ref name>[http://www.ostfriesischelandschaft.de/obio/detail.php?id=117 Biografisches Lexikon für Ostfriesland/ Julius Charig].</ref> In der Schrift wurde Münchmeyer, ohne namentlich genannt zu werden, als „falscher Priester“ attackiert, der mit Gesinnungsgenossen in „heidnischer und kannibalischer Absicht“ die Insel terrorisiere. Weiterhin wurden ihm Erpressung, Falschaussage, Vorspiegelung falscher Tatsachen, Amtsanmaßung und sexuelle Verfehlungen vorgeworfen. Zu diesen Vorwürfen finden sich folgende Aussagen in Akten des NSDAP-Oberparteigerichts: <blockquote>„Herr Münchmeyer hat sich wiederholt an Frauen herangemacht und wollte sie gefügig machen, indem er sich als 'reichen Kaufmann' ausgab.</br> Herr Münchmeyer hat sich anläßlich eines Besuches, den er als Seelsorger einer jungen Dame im Krankenhause abstattete, unsittliche Berührungen zuschulden kommen lassen,<ref>Bundesarchiv OPG Akten (=Oberparteigericht (NSDAP)) 3406003425 G 109 288.</ref> unter der 'lächerlichen Ausrede', eine Narbe am Körper des Mädchens kontrollieren zu wollen.“<ref>Bundesarchiv OPG Akten (=Oberparteigericht (NSDAP)) 3406003425 G 109 290.</ref></blockquote> Der Evangelischen Landeskirche wurde vorgeworfen, „den falschen Priester als den ihren anzuerkennen“ und möglicherweise selbst von „falschen Priestern“ durchsetzt zu sein.<ref>Frank Bajohr 2003, S. 83.</ref> Damit wollte der C.V. eine Beleidigungsklage erzwingen, um vor Gericht die antisemitische Hetze Münchmeyers zu verhandeln. Tatsächlich strengte die Evangelische Landeskirche einen Prozess an und zwang Münchmeyer, als [[Nebenkläger]] aufzutreten.<ref name="wildt"/> Das Verfahren gegen Völklein, Charig und Pels wegen Beleidigung fand im Mai 1926 vor dem Großen Schöffengericht in Emden statt. Zur Verteidigung schickte der Centralverein den angesehenen Rechtsanwalt Dr. [[Bruno Weil (Jurist)|Bruno Weil]]. Durch dessen Verteidigungsstrategie wurde aus der Beleidigungsklage vor einem Provinzgericht ein reichsweit als „Münchmeyer-Prozess“ beachteter politischer Prozess, in dessen Verlauf Weil mit großem Aufwand die Richtigkeit der gegen Münchmeyer erhobenen Vorwürfe nachzuweisen versuchte. In der Urteilsverkündung am 18. Mai gab das Gericht der Verteidigung in fast allen Punkten Recht. Die Streitschrift wurde zwar als „formale Beleidigung“ eingestuft und die Angeklagten zu 1500 Reichsmark Strafe verurteilt, Münchmeyers Verhalten in der Urteilsbegründung aber wörtlich als „eines Geistlichen nicht würdig“ beschrieben, weshalb es legitim sei, dass dieser „als nicht richtiger Priester, als falscher Priester bezeichnet werden kann“ und sich weiterhin „ein falscher Priester nennen lassen muß“.<ref>Frank Bajohr 2003, S. 84.</ref> Im einzelnen wurde in dem Urteil<ref name="clemens">Clemens von Caramon, Führer des Dritten Reichs!, 3. Auflage, Berlin 1932.</ref> aufgeführt, dass Münchmeyer * sich „wiederholt an Frauen herangemacht habe“ und sie sich teils „unter Ausübung eines unzulässigen Druckes, teils indem er sich als reicher Kaufmann ausgab“, gefügig machen wollte. „Ein solcher Geistlicher verdiene den Namen eines Geistlichen nicht, sondern müsse sich gefallen lassen, wenn er als falscher Priester bezeichnet wird“. * sich wiederholt als Arzt und medizinischer Sachverständiger ausgegeben habe, ebenso als Jurist – ohne jemals Medizin oder Jura studiert zu haben. Die Behauptungen, die „wiederholt von Münchmeyer abgegeben wurden, waren wissenschaftlich falsch und eine Lüge, und eines Geistlichen unwürdig“. * unter der lächerlichen Ausrede, eine Narbe am Körper eines jungen Mädchens kontrollieren zu wollen, unsittliche Berührungen vorgenommen habe. * die Gewohnheit habe, „nach Art alter Klatschweiber Gerüchte in die Welt zu setzen, um einwandfreie Menschen in Mißkredit zu bringen“. Damit war Münchmeyer ruiniert. Die Ausführungen der Verteidigung in der Frage der sexuellen Übergriffe Münchmeyers gegenüber Mädchen seiner Gemeinde führten dazu, dass Münchmeyer seinen Dienst als Pfarrer quittierte, um sich dem immer noch gegen ihn laufenden Disziplinarverfahren des Landeskirchenamtes zu entziehen. Dieses verbot ihm dennoch einige Monate nach dem Prozess, den Titel „Pfarrer a. D.“ zu führen. Dessen ungeachtet taucht Münchmeyer in [[Cuno Horkenbach]]s 1931 erschienenem Handbuch „Das deutsche Reich von 1918 bis heute“ immer noch als „Pastor a. D.“ auf. Das Ende seiner Tätigkeit in der evangelisch-lutherischen Kirche wird dort, ohne Erwähnung des Prozesses, lakonisch wie folgt wiedergegeben: „Legte 1926 Pfarramt nieder, widmet sich ausschließlich der Politik.“<ref>Cuno Horkenbach: ''Das deutsche Reich von 1918 bis heute.'' Abteilung: Führende Persönlichkeiten. Berlin 1931.</ref> Am 26. Februar 1929 gab das evangelisch-lutherische Landeskirchenamt in Hannover eine Mitteilung heraus, dass Münchmeyer den Titel als Pastor, die Anstellungsfähigkeit im Kirchendienst, die Pensionsansprüche und die Fähigkeit zur Vornahme geistlicher Amtshandlungen endgültig verloren habe.<ref name="clemens"/> == Weiterer Lebensweg == 1928 verließ Münchmeyer Borkum, um fortan als Agitator und „Reichsredner“ für die NSDAP zu wirken. Dabei handelte es sich um eine parteiamtliche Funktion für rhetorisch bzw. propagandistisch als besonders befähigt beurteilte Parteifunktionäre, die z.&nbsp;B. im Wahlkampf auf Massenveranstaltungen auftreten sollten. Die [[NS-Propaganda]] setzte gezielt nationalsozialistisch gesinnte evangelische Pfarrer oder Theologiestudenten als Werberedner ein, die unermüdlich auf die Verankerung des Christentums in der NSDAP hinwiesen. Münchmeyer war einer der aktivsten NS-Redner im nordwestdeutschen Raum. Dabei hielt er auch auf Borkum Veranstaltungen ab. Mit dem ersten größeren Wahlerfolg der NSDAP bei den Reichstagswahlen am 14. September 1930 zog er als Abgeordneter des Wahlkreises 33 (Hessen-Darmstadt) in den Reichstag ein. Im Dezember 1930 war Münchmeyer an den Tumulten bei der dritten Vorführung des Filmes ''[[Im Westen nichts Neues (1930)|Im Westen nichts Neues]]'' beteiligt. Kurz nach Beginn der Aufführung im Berliner Mozartsaal begannen einige hundert Nationalsozialisten mit nationalistischen und antisemitischen Zwischenrufen, später warfen sie Stinkbomben und setzten weiße Mäuse aus. Dazu schrieb der [[Illustrierter Filmkurier|Filmkurier]] am 6. Dezember 1930:<ref>Film-Kurier, Nr. 288, 6. Dezember 1930.</ref> <blockquote>„Es waren mehrere nationalsozialistische Reichstagsabgeordnete anwesend, so Dr. Goebbels und Pfarrer Münchmeyer, die ihre Anhänger durch Zurufe aufmunterten und den Skandal dirigierten. Die Vorführung musste schließlich unterbrochen werden. Es kam zu Schlägereien mit Besuchern, die sich gegen den Terror wandten. Die inzwischen herbeigerufene Polizei musste den Saal gewaltsam räumen. Die Demonstranten hatten dann noch die Unverfrorenheit, ihr Eintrittsgeld wegen Abbruch der Vorstellung zurückzufordern, sie zerschlugen eine Scheibe der Kasse und bedrohten die Kassiererin. Auf dem Nollendorfplatz nahmen die Demonstrationen ihren Fortgang, Die Direktion des Mozartsaals sah sich genötigt, die 9-Uhr-Vorstellung ausfallen zu lassen.“</blockquote> Nach mehrfachen gewaltsamen Störaktionen durch SA-Schlägertrupps wurde der Film abgesetzt und bald darauf wegen „Gefährdung des deutschen Ansehens“ verboten.<ref>Cuno Horkenbach: ''Das deutsche Reich von 1918 bis heute''. Berlin 1931, S. 341.</ref> Die NSDAP verbuchte dies als ihren Sieg. Im August 1933 trat Münchmeyer nochmals auf Norderney auf. Er forderte von den Bewohnern, aus ihrer Insel unverzüglich eine „[[judenfrei]]e“ zu machen. Vor 1.200 Zuhörern sagte der NSDAP-Reichstagsabgeordnete: „Die Juden sind immer das störende Element der ganzen Welt zu allen Zeiten.“ 1934 veröffentlichte er sein Werk ''Kampf um deutsches Erwachen''. 1936 erschien ''Deutschland bleibe wach&nbsp;– 10 Jahre Redner der Partei'', welches er 1938 nochmals unter dem Titel ''Deutschland bleibe wach&nbsp;– 12 Jahre Redner der Partei'' veröffentlichte. Reichsredner der NSDAP zu sein sah Münchmeyer weiterhin als seine Hauptaufgabe. Im Lebenslauf in seinen Parteiakten heißt es: <blockquote>„Auch nach der Machtübernahme hat Pg. Münchmeyer wohl als einer der wenigen Kämpfer der alten Garde und der alten Reichsredner fast an jedem Abend weiter in irgend einer Großkundgebung einer Parteiformation im Reichsgebiet gesprochen, ganz sonders im rheinisch-westfälischen Industriegebiet. Alle Kundgebungen mit Pg. Münchmeyer sind auch heute noch durchschlagende Erfolge, sowohl was die Besucherzahl als auch was die Zustimmung und Begeisterung der Bevölkerung anbetrifft.“<ref>Bundesarchiv DS/Hauptarchiv der NSDAP 8270000099 G 147 2158.</ref></blockquote> Im Jahre 1935<ref>Im [[Berner Zionistenprozess]] ernannten die Beklagten Münchmeyer als ihren Experten; die vom Berner Gericht nach Oldenburg agbesandte Vorladung wurde jedoch von der deutschen Post retourniert, so dass schliesslich Ulrich Fleischhauer aus Erfurt 1935 als Experte in Bern auftrat.</ref> war sein Wohnsitz in Düsseldorf, Humboldstr. 51. Bis Mai 1945 war Münchmeyer Reichstagsmitglied, zuletzt als Abgeordneter des Wahlkreises 31 (Württemberg)<ref>[http://www.ostfriesischelandschaft.de/obio/detail.php?id=161 Biographisches Lexikon für Ostfriesland: ''Ludwig Münchmeyer''].</ref>, trat jedoch öffentlich nicht mehr in Erscheinung, so dass über sein weiteres Wirken keine Akten vorliegen. Von 1945 bis 1947 war Münchmeyer im Internierungslager. Bis zu seinem Tod am 24. Juli 1947 in Böblingen blieb Münchmeyer Nationalsozialist. == Schriften == * ''An die deutsche Jugend, Was kann Deutschlands Jugend schon jetzt tun, um eine bessere Zukunft vorbereiten zu helfen?'', Borkum, nach 1920 * ''Weiherede'', gehalten bei der Errichtung eines Denkmals für die Gefallenen der evangelisch-lutherischen Christus-Gemeinde auf Borkum. Ein Dankes- und Totenopfer, Borkum, nach 1920 * ''Gedächtnisrede für Deutschlands unvergeßliche Landesmutter'', Borkum 1921 * ''Eine Seepredigt'', gehalten an den Gestaden der deutschen Nordsee über den Psalm 93,1–4. Ein Loblied Gottes aus der Natur, Borkum, um 1921 * ''Bismarcks Vermächtnis an das deutsche Volk. Der einzige Weg zur Erkenntnis und zur Heilung unserer Krankheit'' Borkum 1923 * ''Der Sieg in der Sache des Borkum-Liedes'', Borkum 1924 * ''Sage mir, mit wem Du gehst, und ich will Dir sagen, wer Du bist!'', Borkum um 1924 * ''Krieg'', Borkum, um 1924 * ''Borkum die deutsche Insel'', Borkum, um 1925 * ''Das Sturmjahr 1925/26 oder: Unser Glaube ist doch der Sieg'', Borkum 1926 * ''Der Grund, warum ich mein Amt niederlegte'', Borkum 1926 * ''Auf Urkunden gestütztes Beweismaterial für den organisierten Landesverrat und den Dolchstoß der Marxisten aller Schattierungen, den Zerstörer deutscher Ehr und Wehr'', München 1930 * ''Meine Antwort an den C.V., zugleich eine Antwort auf die Fragen: Wann ruft der Jude „Alarm“? und Was versteht der Jude unter „Wahrheiten“?, München 1930 * ''Kampf um deutsches Erwachen'', Dortmund 1934 == Literatur == * ''Borkum, Veröffentlichungen zum Münchmeyerprozeß'', hrsg. vom Borkumer Beobachter, Borkum 1926 * Udo Beer: ''Der falsche Priester'' in [[Emder Jahrbuch für historische Landeskunde Ostfrieslands|Jahrbuch der Gesellschaft für bildende Kunst und vaterländische Altertümer zu Emden]] 66, 1986, S. 152–163 * Herbert Reyer (Bearb.): ''Das Ende der Juden in Ostfriesland. Katalog zur Ausstellung der Ostfriesischen Landschaft aus Anlaß des 50. Jahrestages der Kristallnacht''. Verlag Ostfriesische Landschaft, Aurich 1988 ISBN 3-925365-41-9 * Frank Bajohr: ''Unser Hotel ist judenfrei. Bäder-Antisemitismus im 19. und 20. Jahrhundert'', Frankfurt/M. 2003, Fischer Verlag ISBN 3-596-15796-X * Gerhard Lindemann: ''Typisch jüdisch. Die Stellung der Ev.-luth. Landeskirche Hannovers zu Antijudaismus, Judenfeindschaft und Antisemitismus 1919–1949'', Berlin 1998 ISBN 3-428-09312-7 * Alfred Hirschberg, ''Disziplinarverfahren gegen Münchmeyer?'', Central-Verein-Zeitung, 14. Mai 1926 * Alfred Hirschberg, ''Münchmeyer-Prozess auf Borkum'', Central-Verein-Zeitung, 21. Mai 1926 * Bruno Weil, ''Borkum'', Central-Verein-Zeitung, 28. Mai 1926 * A.W., ''Nachklänge zum 'Münchmeyer-Prozess''', Central-Verein-Zeitung, 1. September 1926 * {{BibISBN|3887411161}} == Weblinks == * {{DNB-Portal|122707397}} * [http://www.ostfriesischelandschaft.de/obio/detail.php?id=161 Eintrag im Biographischen Lexikon für Ostfriesland] * {{ReichstagDB|122707397}} == Quellen == <references/> {{Exzellent|27. Dezember 2006|25597033}} {{Normdaten|PND=122707397}} {{DEFAULTSORT:Munchmeyer, Ludwig}} [[Kategorie:Evangelischer Geistlicher (20. Jahrhundert)]] [[Kategorie:Reichstagsabgeordneter (Weimarer Republik)]] [[Kategorie:Reichstagsabgeordneter (Deutsches Reich 1933–1945)]] [[Kategorie:NSDAP-Mitglied]] [[Kategorie:Reichsredner]] [[Kategorie:Antisemitismus]] [[Kategorie:Geschichte (Ostfriesland)]] [[Kategorie:Borkum]] [[Kategorie:Deutscher]] [[Kategorie:Geboren 1885]] [[Kategorie:Gestorben 1947]] [[Kategorie:Mann]] {{Personendaten |NAME=Münchmeyer, Ludwig |ALTERNATIVNAMEN=Münchmeyer, Ludwig Johannes Herbert Martin (voller Name) |KURZBESCHREIBUNG=Pastor, Reichsredner der NSDAP, Reichstagsabgeordneter |GEBURTSDATUM=2. Juni 1885 |GEBURTSORT=[[Hoyel/Melle]] |STERBEDATUM=24. Juli 1947 |STERBEORT=[[Böblingen]] }} [[en:Ludwig Münchmeyer]] pc7qq72kjgqz5o5jr5502dav4r7na32 wikitext text/x-wiki Mungo Man 0 23964 26562 2010-04-10T16:22:10Z Gerbil 0 Änderungen von [[Special:Contributions/84.178.132.207|84.178.132.207]] ([[User talk:84.178.132.207|Diskussion]]) rückgängig gemacht und letzte Version von [[User:91.64.149.76|91.64.149.76]] wiederhergestellt [[Datei:Mungo Man.jpg|thumb|''Mungo Man'']] Als '''Mungo Man''', in der wissenschaftlichen Literatur ''Lake Mungo 3 (LM3)'' oder ''Willandra Lake Human 3 (WLH3)'', werden die [[fossil]]en Überreste eines frühen Bewohners des [[Australien (Kontinent)|australischen Kontinents]] bezeichnet, die auf ein Alter von etwa 40.000 Jahren datiert wurden. Das Fossil wurde 1974 am [[Lake Mungo]] in [[New South Wales]] entdeckt und stammt dieser Datierung zufolge aus der letzten [[Eiszeitalter|Eiszeit]], dem [[Jungpleistozän]]. Es gilt als der bisher älteste Überrest eines anatomisch modernen Menschen, den man in Australien gefunden hat; allerdings ist die Datierung umstritten. Ebenfalls umstritten ist, ob es sich tatsächlich um einen „grazilen“ Mann handelte: Das Skelett ist schlecht erhalten, so dass es möglicherweise auch einer „robusten“ Frau zugeschrieben werden kann. Bedeutend für die Paläanthropologie wurde ''Mungo Man'', weil seine [[Morphologie (Biologie)|morphologischen]] Eigenschaften und die Untersuchung seiner [[Mitochondriale DNA|mitochondrialen DNA]] (mtDNA) einige Forscher dazu veranlasste, die derzeit gängigste Theorie zur [[Ausbreitung des Menschen]] –&nbsp;die [[Out-of-Africa-Theorie]]&nbsp;– anzuzweifeln: Die morphologischen Unterschiede zu den etwa 10.000 bis 15.000 Jahre alten Überresten von Menschen aus [[Kow Swamp]] im Norden [[Victoria (Australien)|Victorias]] bildeten die Grundlage zu einer konträren, umstrittenen Theorie, wonach Australien in zwei Wellen durch Nachfahren des ''[[Homo erectus]]'' von Asien besiedelt wurde. Die Analyse der mitochondrialen DNA von ''Mungo Man'' ergab, dass ''Mungo Mans'' mtDNA-Linie dieser Studie zufolge ein tiefer, ausgestorbener Ast im mitochondrialen Stammbaum sei. Sollte dies zutreffen, hätten sich seine Vorfahren zu einem sehr frühen Zeitpunkt von der Vorfahrenlinie der heute lebenden Menschen separiert, was zugleich bedeuten würde, dass diesem Ast eine ältere [[mitochondriale Eva]] – eine hypothetische letzte gemeinsame Verwandte von ihm und den heutigen Menschen – zugeschrieben werden müsste als der mitochondrialen Eva aller heutigen Menschen.<ref name="Adcock"> Adcock G. et al (2002) [http://www.pnas.org/content/98/2/537.full.pdf ''Mitochondrial DNA sequences in ancient Australians: Implications for modern human origins''] Vol 99 (1): 541 (pdf) (englisch) PMID 11209053</ref> Andere Arbeitsgruppen haben Schwächen in diesen Arbeiten aufgedeckt und andere Erklärungsmodelle für die Ergebnisse angeboten, die mit der Out-of-Africa-Theorie vereinbar sind. == Entdeckung und Aufbewahrung == {{Coordinate |map=right |NS=-33.744154 |EW=143.069344 |type=landmark |region=AU-NSW |name=Lake Mungo}} [[Datei:Willandra Lakes with LM1 (red) and LM3 (blue).PNG|miniatur|Satellitenaufnahme der Willandra-Seenregion. Lake Mungo ist mit 5 bezeichnet. Der blaue Punkt stellt die Fundstelle von ''Mungo Man'' dar. (In rot: ''Mungo Lady'')]] ''Mungo Man'' wurde von dem Geologen [[James Bowler|Jim Bowler]] am 26. Februar 1974 entdeckt, nachdem starke Regenfälle dessen Gebeine bloßgelegt hatten. In den folgenden Tagen legte Bowler zusammen mit dem Archäologen Alan Thorne den Fund frei. Das Skelett wurde nahe dem [[Lake Mungo]] gefunden, einem von einer Reihe ausgetrockneter Seen im heutigen [[Mungo National Park]].<ref name="Prehistory">Mulvaney D.J. et al (1999) [http://books.google.com/books?id=K8Krrz1WWZcC&pg=PA162&dq=lake+mungo+3&ei=Z4i0Sp-gH42SkAS1nuD0Dw#v=onepage&q=lake%20mungo%203&f=false ''Prehistory of Australia''] S. 162 ff., ISBN 1864489502 </ref> Fünf Jahre zuvor hatte Bowler etwa 500 Meter westlich des Fundorts mit ''[[Mungo Lady]]'' ein weiteres, allerdings eingeäschertes, Skelett gefunden. Die [[Willandra-Seenregion]] wird seit 1981 unter anderem wegen der archäologischen Funde, zu denen ''Mungo Man'' gehört, als [[UNESCO-Welterbe|UNESCO-Weltkulturerbe]] geführt.<ref>UNESCO World Heritage [http://whc.unesco.org/en/list/167/documents/ ''Willandra Lakes Region''], zugegriffen am 16. Oktober 2009</ref> Nach seinem Tod war ''Mungo Man'' auf dem Rücken liegend und mit im Schoß verschränkten Händen etwa 80 bis 100 cm tief in den Sand gelegt worden. Sein Grab war mit tonhaltiger Erde aufgefüllt. In dem Grab wurde [[Ocker#Roter_Ocker|rotes Ocker]]-[[Granulare Materie|Granulat]] gefunden.<ref> Bowler J.M., Thorne A.G. (1976) ''Human remains from Lake Mungo: Discovery and excavation of Lake Mungo III.'' In (Kirk R.L. und Thorne A.G.) ''The Origin of the Australians'', Seiten 127–138. Canberra: Australian Institute of Aboriginal Studies, zitiert aus persönlicher Kommunikation Von Bowler J.M. mit [[Benutzer:schomynv|Schomynv]], E-Mail vom 15. Oktober 2009</ref> Es handelt sich damit um das früheste Vorkommen eines anspruchsvollen und künstlerischen Beerdigungsrituals in Australien; dieser Aspekt der Entdeckung galt als besonders bedeutsam, da sie darauf hinweist, dass kulturelle Traditionen in Australien bereits länger existierten als zuvor angenommen.<ref name="Bowler 2003">Bowler J.M. (2003) [http://www-personal.une.edu.au/~pbrown3/Bowler03.pdf ''New ages for human occupation and climatic change at Lake Mungo, Australia''] Nature 421: 837-840 PMID 12594511</ref> Darüber hinaus gilt der Fund von Ocker als bemerkenswert, weil Ocker nicht in der Umgebung des Lake Mungo vorkommt, sondern aus größerer Entfernung herangebracht worden sein muss; dies weise auf ein Netzwerk von Handelsbeziehungen hin.<ref>Hiscock P. (2007) [http://books.google.com/books?id=PiHSk5wwfX0C&pg=PA125&dq=burial+ochre+australia#v=onepage&q=burial%20ochre%20australia&f=false ''The archaeology of ancient Australia''] ISBN 0-415-33811-5</ref> Seit seiner Ausgrabung wird ''Mungo Man'' in einem Raum der [[Australian National University]] aufbewahrt; lediglich zeitweise wurden Knochen für Untersuchungen in andere Labore gebracht. Treuhänder der Gebeine sind neben Thorne die drei [[Völker der Aborigines]], die traditionelle Eigner des Landes um die Willandra Lakes sind: ''Paakantji'', ''Mutthi Mutthi'' und ''Ngyiampaa''. Es gibt Stimmen der [[Aborigines]], die fordern, dass die Gebeine ihres Vorfahren ungestört „in seinem traditionellen Land und nicht in einem Safe oder Büro in Canberra“ ruhen sollten. <ref>Colley S. (2002) S. 164</ref> Da der Mungo National Park erst seit 1979 unter dem ''National Parks and Wildlife Act of 1974'' geschützt ist, brauchen Artefakte wie ''Mungo Man'', die vor 1979 entfernt wurden, nicht den traditionellen Eignern übergeben zu werden. Erst seit 1992 hat die ''Australian Archaeological Association'' in einem ''Code of Ethics'' bestimmt, dass das Erbe der indigenen Bevölkerung den Nachkommen der indigenen Bevölkerung gehöre.<ref>Ormsby T. (2004) ''Kennewick Man Meets Lady Mungo: An International Look at Repatriation'' Diplomarbeit an der Flinders University</ref> Jim Bowler sagte mittlerweile in einem Interview, dass er mit dem, was er nun über die Kultur der Aborigines wisse, heutzutage anders handeln würde. Heutzutage würde er die traditionellen Eigner herausfinden und mit ihnen zusammenarbeiten.<ref> The Australian [http://www.theaustralian.news.com.au/story/0,,23429019-16947,00.html?from=public_rss ''art history archaeology museum artefacts remains ethics''] 29. März 2008, zugegriffen am 21. Oktober 2009</ref> == Beschreibung des Fossils == Das Skelett ist relativ schlecht erhalten. Beim [[Schädel#Die_Knochen_des_Hirnschädels|Hirnschädel]] fehlen die rechte Seite und die Schädelbasis; auch der [[Schädel#Die_Knochen_des_Hirnschädels|Gesichtsschädel]] ist nicht vollständig, aber der [[Unterkiefer]] ist gut erhalten. Abgesehen von der [[Ulna|Elle]] des rechten Unterarms weisen alle Knochen Schäden an den Gelenk-Oberflächen auf. Ferner fehlen Teile des [[Becken (Anatomie)|Beckens]].<ref name="Bowler1976"> Bowler J.M., Thorne A.G. (1976) ''Human remains from Lake Mungo: Discovery and excavation of Lake Mungo III.'' In (Kirk R.L. und Thorne A.G.) ''The Origin of the Australians'', Seiten 127–138. Canberra: Australian Institute of Aboriginal Studies, zitiert nach Brown (2000)</ref> Aufgrund einer [[Arthrose]] der [[Lendenwirbel]], am rechten Ellenbogen und dem rechten Handgelenk sowie schweren Abnutzungserscheinungen an den Zähnen, die das [[Zahnpulpa|Zahnmark]] freilegen, ist es wahrscheinlich, dass ''Mungo Man'' bei seinem Tod etwa 50 Jahre alt war.<ref name="Webb"> Webb S.G. (1989) ''The Willandra Lakes Hominids'' Canberra: Department of Prehistory, Australian National University, zitiert nach Brown (2000)</ref><ref name="Prehistory"/> Neue Studien schätzen ''Mungo Mans'' Größe anhand der Länge seiner [[Röhrenknochen]] auf 170&nbsp;cm.<ref name="Brown"/> === Geschlecht === Da entscheidende Teile des Beckens und des Schädels fehlen, wurde in der Erstbeschreibung von ''Mungo Man'' durch Bowler und Thorne der Kiefer herangezogen, um das Geschlecht zu bestimmen.<ref name="Bowler1976"/> Es zeigte sich, dass die Abmessungen des Kiefers gerade noch in den Bereich des männlichen Körperbaus fallen. Allerdings ist diese Bestimmungsmethode umstritten, da sie auf Vermessungen der Kiefer heutiger Aborigines basiert, die im Vergleich zu prähistorischen Funden ausgesprochen grazil sind; zudem gilt diese Methode selbst zur Geschlechtsbestimmung heutiger Aborigines nicht als zuverlässig.<ref name="Brown"> Brown P. (2000) [http://www-personal.une.edu.au/~pbrown3/brown%20jhe.pdf ''Australian Pleistocene variation and the sex of Lake Mungo 3''] Journal of Human Evolution 38, 743-749 (PDF) (englisch) PMID 10799264</ref> Diskussionen löste auch der Oberschenkelknochen aus: Der Mittelschaft sei so dick, dass er am ehesten einem Mann zugeordnet werden könne, allerdings einem robusten und nicht einem grazilen Mann.<ref name="Brown"/> Arthritische Veränderungen am rechten Ellenbogen werden als Folgeerscheinung von Speerwürfen bei der Jagd interpretiert, was gleichfalls auf einen Mann hindeutet.<ref name="Webb"/> Die Art der Abnutzungserscheinungen an den Zähnen wiederum wird als typisch weiblich angesehen, da diese üblicherweise vom Herstellen von Garnen herrühren.<ref name="Webb"/> Als weiteres Indiz für das männliche Geschlecht wurde von Thorne gewertet, dass die Hände von ''Mungo Man'' vor dem [[Schambein]] verschränkt wurden, wohl um den [[Penis]] zu schützen.<ref>Thorne A. et al (1999) ''Australia's oldest human remains: age of the Lake Mungo 3 skeleton'' Journal of Human Evolution 36: 519-612, zitiert nach Brown (2003)</ref> Dagegen wird eingewendet, dass es wohl zwar die bevorzugte Begräbnisstellung für Männer der Aborigines heutzutage ist, es aber keine Hinweise gebe, wonach diese Stellung in der Vergangenheit auf ein Geschlecht beschränkt gewesen sei.<ref name ="Brown"/> Der [[Paläanthropologie|Paläanthropologe]] Peter Brown stellte eigene Untersuchungen an und verglich eine Reihe von verfügbaren Messungen an Schädel und Kiefer zum einen mit Aborigines aus dem [[Holozän]] und zum anderen mit Überresten robuster Menschen aus dem Pleistozän aus den Grabungsstellen in Kow Swamp, [[Coobool Creek]] und [[Nacurrie]]. Im Vergleich mit den Werten heutiger Aborigines ist ''Mungo Man'' demnach als männlich einzuordnen, verglichen mit den Werten aus dem Pleistozän als weiblich. Brown merkte zudem an, dass die Morphologie oberhalb des Auges ausgesprochen weiblich sei, da der mittlere frontale und der Augenbrauen-Wulst fehle. Insgesamt fasst er zusammen, dass ''Mungo Man'', sollte es sich um einen Mann handeln, um einen – abgesehen vom Oberschenkelknochen – sehr grazilen und kleinen Mann handeln würde. Sollte ''Mungo Man'' eine Frau sein, so wäre sie recht robust und groß gewesen. Die morphologischen Werte würden beide Möglichkeiten unterstützen.<ref name="Brown"/> Die Frage, ob Mann oder Frau beziehungsweise grazil oder robust, spielte im Verlauf späterer Diskussionen zur Besiedlung Australiens eine Rolle: Thorne behauptete, dass ''Mungo Man'' einer anderen [[Population (Biologie)|Population]] als die Menschen von Kow Swamp angehörte. Demnach seien die Aborigines Nachfahren zweier verschiedener Einwanderungswellen: Die robusteren Menschen von Kow Swamp seien direkte Nachfahren des ''Homo erectus'' aus [[Java (Insel)|Java]], der [[Java-Mensch]]en, während die grazilen Menschen vom Lake Mungo vom grazileren ''Homo erectus'' aus China, dem [[Peking-Mensch]]en, abstammen.<ref name="Prehistory"/> Thorne steht damit in der Tradition jener, die die Theorie einer multiregionalen Entwicklung des modernen Menschen aus ''Homo erectus'' auf verschiedenen Erdteilen unterstützen und glauben, dass [[Genfluss]] die heutige genetische Uniformität verursachte und nicht die Wanderung einer einzigen Population aus Afrika. Er stellt damit die Out-of-Africa-Theorie der menschlichen Evolution in Frage, nach der alle Menschen von gemeinsamen Vorfahren aus Afrika abstammen, die den Kontinent während der letzten 200.000 Jahre verlassen haben. Andere Wissenschaftler weisen hingegen darauf hin, dass man diese wenigen Fossilien nicht notwendigerweise verschiedenen ethnischen Gruppen zuschreiben könne, sondern dass es sich zum einen um männliche, robuste und zum anderen um weibliche, grazile Gebeine handeln könne, da bei Aborigines ein ausgeprägter [[Sexualdimorphismus]] vorhanden sei.<ref name="Prehistory"/> Als die ersten Studien zur mitochondrialen Eva (1987) und zum [[Adam des Y-Chromosoms]] (2000) erschienen, die auch genetisches Material heutiger Aborigines einbezogen, verlor die Hypothese zur multiregionalen Entwicklung des Menschen an Gewicht: Diese Arbeiten weisen darauf hin, dass alle ''[[Mensch|Homo sapiens]]'' ausschließlich Vorfahren in Afrika entsprungen sind und sich nicht aus verschiedenen geographisch getrennten Vormenschengruppen entwickelt hatten. Die größte Anerkennung in der Wissenschaft genießt deswegen die Out-of-Africa-Theorie. === Datierung === [[file:Lake Mungo Stratigraphie.JPG|thumb|Stratigrafische Schichten nahe ''Mungo Man'']] Erste Schätzungen über das Alter von ''Mungo Man'' publizierte 1976 das Team von [[Paläoanthropologie|Paläoanthropologen]] der Australian National University, das das Fossil ausgegraben hatte. Sie schätzten, dass ''Mungo Man'' vor 28.000 bis 32.000 Jahren lebte. Sie testeten dabei nicht direkt die Überreste von ''Mungo Man'', sondern entwickelten ihre Schätzung aus [[Stratigraphie (Geologie)|stratigrafischen Vergleichen]] mit der ''Mungo Lady''.<ref name="Bowler1976"/> Im Jahr 1987 wurde eine [[Elektronenspinresonanz]]-Datierung an einem der Knochenfragmente von ''Mungo Mans'' Skelett vorgenommen, was zu einer Schätzung von 31.000 ± 7000 Jahren führte,<ref>Caddie D.A. et al (1987)'' The ageing chemist - can electron spin resonance (ESR) help'' In: (Ambrose W. und Mummery J. Hrsg.) ''Archaeometery: Further Australasian Studies'' Seiten 167–176</ref> allerdings gilt diese Methode der Datierung nur bei Zähnen und nicht bei Knochen als zuverlässig.<ref>Grün R. (1987). ''Some remarks on ESR dating of bones'' Ancient TL 5: 1–9</ref> Zu einer Kontroverse führte eine neuere Schätzung von 62.000 ± 6000 Jahren, die ein Team der Australian National University um Thorne 1999 veröffentlichte. Dieser Wert wurde ermittelt durch Kombination von Daten einer [[Uran-Thorium-Datierung]], einer Elektronenspinresonanz-Datierung und einer [[Thermolumineszenz|optisch stimulierten Lumineszenz]]-Datierung der Gebeine sowie von Bodenproben, die 300 Meter entfernt von der Grabstelle entnommen wurden.<ref> Thorne A. (1999) et al ''Australia's oldest remains: age of the Lake Mungo 3 skeleton'' Journal of Human Evolution 36: 591–692 PMID 10330330</ref> Thorne schloss aus diesen Daten, dass der australische Kontinent schon vor etwa 70.000 Jahren besiedelt gewesen sein musste. Diese Veröffentlichung im angesehenen ''Journal of Human Evolution'' veranlasste Bowler zwei Ausgaben später dazu, im selben Journal darauf hinzuweisen, dass die [[Bank (Geologie)|Bank]] am tiefsten Punkt der archäologischen Ausgrabungen am Lake Mungo bislang auf ein Alter von 43.000 Jahren bestimmt worden war, weswegen ''Mungo Man'' nicht älter sein könne, und sagt, dass Thornes Schlussfolgerungen „die bereits fragwürdigen Grenzen der Glaubwürdigkeit dieser Veröffentlichung noch weiter streckt“.<ref>Bowler J.M. et al (2000) ''Redating Australia's oldest human remains:a sceptic's view'' Journal of Human Evolution 38: 719-729 PMID 10799261 Seite 725 (''further stretch the already questionable limits of the paper's credibility'')</ref> Richard Gillespie, ein Spezialist für die Datierung von Fossilien, beschreibt ebenfalls in dieser Ausgabe welche Probleme mit der Uran-Thorium-Datierung am [[Zahnschmelz]] einhergehen, und hält ''Mungo Man'' ebenfalls für deutlich jünger als 60.000 Jahre.<ref>Gillespie R. et al (2000) ''On the reliability of age estimates for human remains at Lake Mungo'' Journal of Human Evolution 38: 727-732 PMID 10799262</ref> 2003 erreichte eine Gruppe von Wissenschaftlern aus verschiedenen australischen Universitäten unter der Führung von Bowler einen neuen Konsens, nach dem ''Mungo Man'' etwa 40.000 Jahre alt sei.<ref name="Bowler 2003"/> Dieses Alter entspricht weitgehend den [[Stratigrafie|stratigraphischen]] Hinweisen. Zur Bestimmung wurden dabei verschiedene Methoden der Datierung von Wissenschaftlern verschiedener Universitäten verwendet, unter anderem optisch stimulierte Lumineszenz am [[Quarz]] und [[Gammaspektroskopie]] von Proben, die neu gegrabenen Furchen nahe der Ausgrabungsstelle entnommen worden waren. Das Alter von 40.000 Jahren ist derzeit das am meisten akzeptierte Alter von ''Mungo Man'' und macht ihn zusammen mit ''Mungo Lady'' zu einem der ältesten anatomisch modernen [[Liste homininer Fossilien|Menschen, dessen Überreste]] außerhalb von Afrika gefunden wurden. === Mitochondriale DNA-Studie === [[file:Phylogenese Mungo Man.JPG|thumb|von Adcock et al (2001) vorgeschlagene [[Phylogenese]] der mtDNA früherer und heutiger [[Homo|Menschen]]]] Ein wissenschaftliches Team der Australian National University unter Greg Adcock analysierte 2001 die [[mitochondriale DNA]] der Knochenfragmente des Mungo-Man-Skeletts.<ref name="Adcock"/> Die mtDNA wurde mit Proben einer Reihe verschiedener anderer alter australischer Skelette, einer mt[[DNA-Sequenz]] eines [[Neandertaler]]s sowie heute lebender australischer Aborigines und anderer moderner Menschen verglichen. Die Resultate zeigten, dass ''Mungo Man'' –&nbsp;obwohl er sich anatomisch im Normalbereich eines modernen Menschen befindet&nbsp;– von einem anderen direkten weiblichen Vorfahren abstammt als der mitochondrialen Eva, der gemeinsamen Vorfahrin in der weiblichen Linie aller heute lebenden Menschen. Allerdings ist seine mtDNA nicht vollständig ausgestorben; ein Segment ist bei vielen modernen Menschen im [[Chromosom 11 (Mensch)|Chromosom 11]] noch vorhanden. Adcock interpretierte die Ergebnisse der mtDNA-Studie von ''Mungo Man'' in Bezug auf die Out-of-Africa-Theorie folgendermaßen: „Unsere Daten stellen eine ernsthafte Herausforderung für die Interpretation gegenwärtiger menschlicher mtDNA-Variationen als Indiz für die neue Out-of-Africa-Theorie dar. Eine separate mtDNA-Linie in einem Individuum, dessen Morphologie sich innerhalb des gegenwärtigen Bereichs befindet und der in Australien lebte, bedeutet, dass anatomisch moderne Menschen unter denen waren, die ersetzt wurden, und das Teile dieser Ersetzung in Australien geschahen.“<ref> Adcock G.J. (2000) Seite 541 (''Our data present a serious challenge to interpretation of contemporary human mtDNA variation as supporting the recent out of Africa model. A separate mtDNA lineage in an individual whose morphology is within the contemporary range and who lived in Australia would imply both that anatomically modern humans were among those that were replaced and that part of the replacement occured in Australia.'')</ref> Adcock unterstützt damit Thornes Hypothese, wonach Australien von zwei Einwanderungswellen besiedelt wurde: Demnach ist ''Mungo Man'' Nachfahre der ersten Welle von Siedlern, die aus Asien stammt. Danach erschien eine zweite Einwanderungswelle, aus Afrika kommend, und deren mitochondriale DNA habe sich auch bei den Aborigines durchgesetzt. Verschiedene Artikel griffen die Ergebnisse auf und kritisierten die Befunde. So sei es unwahrscheinlich, dass [[Ancient DNA]] (aDNA) in den Überresten von ''Mungo Man'' gefunden werden konnte, da Erfahrungen mit der Analyse von Neandertaler-DNA gezeigt hätten, wie schwierig es sei, derart alte DNA zu rekonstruieren, obwohl deren Gebeine in der kalten Umgebung Europas bessere klimatische Bedingungen als in Australien zum Überdauern gehabt hätten. Deswegen sei die Wahrscheinlichkeit, dass DNA aus den Gebeinen ''Mungo Mans'' entnommen werden konnte, als sehr gering einzuschätzen.<ref> Smith C. et al (2003) [http://www.eva.mpg.de/evolution/staff/c_smith/pdf/Smith_et_al_Therma_ageJHE03.pdf ''The thermal history of human fossils and the likelihood of successful DNA amplification''] Journal of Human Evolution 45: 203–217 PMID 14580590 </ref> Stattdessen wird vermutet, dass es sich um Verunreinigungen gehandelt haben könnte, da sich Adcocks Arbeitsgruppe nicht an die Standards zur Verarbeitung von aDNA gehalten habe.<ref name ="Cooper">Cooper A. et al (2001) [http://www.anthro.utah.edu/PDFs/courses/oconnell/3152/cooper2001.pdf ''Human Origins and Ancient Human DNA''] Science 292 (5522): 1655 PMID 11388352</ref> Schließlich gäbe es unterschiedliche mathematische Modelle, mit denen ein mtDNA-Stammbaum berechnet werden könnte; wenn eine größere Anzahl von Proben von Afrikanern und Aborigines eingeschlossen würde, dann wäre ''Mungo Man'' Teil des Stammbaums aus der Zeit ''nach'' der mitochondrialen Eva heute lebender Menschen.<ref name="Cooper"/> Außerdem seien die Resultate der mtDNA-Studie mit der Out-of-Africa-Theorie vereinbar, wenn die Typen der mitochondrialen Eva und von ''Mungo Man'' beide aus Afrika kamen und dabei eine Linie ausstarb, während die andere bis heute bestehen blieb. == Einzelnachweise == <references /> == Literatur == * Brown P. (2000b) [http://www-personal.une.edu.au/~pbrown3/aust%20sci%202000a.pdf ''The First Australians. The debate continous''] Australasian science (pdf) (englisch) * Cameron D.W. et al (2004) [http://books.google.com/books?id=SwzHI1vesyIC&pg=PA254&dq=lake+mungo+3&ei=Z4i0Sp-gH42SkAS1nuD0Dw#v=onepage&q=lake%20mungo%203&f=false ''Bones, stones, and molecules: "out of Africa" and human origins''] Seite 254 ff ISBN 0-12-156933-0 (englisch) * Colley S. (2002) [http://books.google.com/books?id=TWAw_W_kJiMC&pg=PA162&dq=lake+mungo+3&ei=Z4i0Sp-gH42SkAS1nuD0Dw#v=onepage&q=lake%20mungo%203&f=false ''Uncovering Australia: archaeology, indigenous people and the public''] Seite 162 ff ISBN 1-86508-209-0 (englisch) * Tuniz C. et al (2009) [http://books.google.com/books?id=LUq9Rlz-1GcC&pg=PA146&dq=mungo+man+aborigines#v=onepage&q=mungo%20man%20aborigines&f=false ''The Bone Readers: Atoms, Genes and the Politics of Australia's Deep Past''] ISBN 1-74114-728-X (englisch) == Weblinks == * {{cite web | title=Lake Mungo 3 | work=University of New England | url=http://www-personal.une.edu.au/~pbrown3/LM3.html | accessdate=11. September 2005 | dateformat=mdy}} * {{cite web | title=New age for Mungo Man, new human history | work=University of Melbourne | url=http://uninews.unimelb.edu.au/articleid_352.html | accessdate=11. September 2005 | dateformat=mdy}} * {{cite web | title=Mungo Mania | work=The Lab – Australian Broadcasting Corporation | url=http://www.abc.net.au/science/slab/mungoman/default.htm | accessdate=11. September 2005 | dateformat=mdy}} * {{cite web | title=Mungo Man – the missing link? | work=Convict Creations | url=http://www.convictcreations.com/aborigines/prehistory.htm | accessdate=11. September 2005 | dateformat=mdy}} [[Kategorie:Archäologischer Fund (Steinzeit)]] [[Kategorie:Archäologie (Australien)]] [[Kategorie:Geschichte der Aborigines]] [[Kategorie:Hominines Fossil]] [[en:Mungo Lake remains]] [[fr:Homme de Mungo]] [[ja:ムンゴマン]] [[lt:Mungo žmogus]] {{Exzellent|7. November 2009|66378494}} 2i0vcycsekr8lugtwwanat5k17b4jrb wikitext text/x-wiki Münster (Westfalen) 0 23965 26563 2010-05-06T14:52:52Z DaBroMfld 0 Änderung 74032961 von [[Special:Contributions/Fthobe|Fthobe]] wurde rückgängig gemacht. Bitte erst einfügen, wenn die Relevanz in einem eigenen Artikel dargestellt ist. {{Infobox Gemeinde in Deutschland |Art = Stadt |Name = Münster |Wappen = Wappen Münster Westfalen.svg |Breitengrad = 51/57/46.6/N |Längengrad = 7/37/43.3/E |Lageplan = North rhine w MS.svg |Lageplanbeschreibung= Lage in Nordrhein-Westfalen |Bundesland = Nordrhein-Westfalen |Regierungsbezirk = Münster |Kreis = Kreisfreie Stadt |Landschaftsverband= [[Landschaftsverband Westfalen-Lippe|Westfalen-Lippe]] |Höhe = 60 |Fläche = 302.93 |PLZ = 48143–48167 |Vorwahl = 0251<br /><small> 02501 (Hiltrup, Amelsbüren)<br /> 02506 (Wolbeck, Angelmodde)<br /> 02533 (Nienberge)<br /> 02534 (Roxel)<br /> 02536 (Albachten)</small> |Kfz = MS |Gemeindeschlüssel = 05515000 |NUTS = DEA33 |LOCODE = DE MSR |Gliederung = Sechs [[Stadtbezirk]]e |Adresse = Klemensstraße 10<br />48143 Münster |Website = [http://www.muenster.de www.muenster.de] |Bürgermeister = [[Markus Lewe]] |Bürgermeistertitel= Oberbürgermeister |Partei = CDU }} [[Datei:Muenstercenter.JPG|thumb|300px|Luftaufnahme der Innenstadt von Münster, 2008]] [[Datei:MünsterBronze.jpg|thumb|300px|Domplatz und Prinzipalmarkt im Modell für Blinde]] Die [[kreisfreie Stadt]] '''Münster''' ([[Münsterländer Platt|niederdeutsch]] ''Mönster'') in [[Westfalen]] ist Sitz des gleichnamigen [[Regierungsbezirk Münster|Regierungsbezirks]] im Bundesland [[Nordrhein-Westfalen]] und zugleich [[Oberzentrum]] des [[Münsterland]]es. Von 1815 bis 1946 war Münster Hauptstadt der damaligen preußischen [[Provinz Westfalen]]. Die Stadt an der [[Münstersche Aa|Münsterschen Aa]] liegt zwischen [[Dortmund]] und [[Osnabrück]] im Zentrum des Münsterlandes. Seit 1915 hat Münster offiziell den Status einer [[Großstadt]]. Derzeit leben in Münster rund 270.000 Einwohner. Allerdings sind darin die fast 48.500 Studenten nur zum Teil enthalten, da viele von ihnen lediglich mit Nebenwohnsitz in Münster gemeldet sind und daher nicht in der offiziellen Einwohnerstatistik erscheinen. Die Stadt gilt als Dienstleistungs- und Verwaltungsstandort und ist Sitz mehrerer Hochschulen. Wichtige Gerichte und Verwaltungseinrichtungen für das Land Nordrhein-Westfalen sind in Münster ansässig, darunter der [[Verfassungsgerichtshof für das Land Nordrhein-Westfalen|Verfassungsgerichtshof]] und das [[Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen|Oberverwaltungsgericht]]. Die alte westfälische Provinzialhauptstadt ist Sitz des [[Landschaftsverband Westfalen-Lippe|Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe]]. Münster ist Sitz eines katholischen Bischofs. 799 gründete Papst [[Leo III. (Papst)|Leo III.]] bei seinem Treffen mit Kaiser [[Karl der Große|Karl dem Großen]] das [[Bistum Münster]] sowie die [[Diözese]]n [[Bistum Osnabrück|Osnabrück]], [[Bistum Minden|Minden]] und [[Bistum Paderborn|Paderborn]]. 805 wurde der heilige [[Liudger|Ludgerus]] im [[Kölner Dom]] zum ersten Bischof von Münster geweiht. Bekannt ist Münster als [[Fahrradstadt Münster|Fahrradstadt]] sowie für seine historisch anmutende Altstadt. 2004 gewann die Stadt den [[LivCom-Award]] als ''lebenswerteste Stadt der Welt'' in ihrer Kategorie. 2009 landete Münster beim [[Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft|INSM]]-Ranking der erfolgreichsten Großstädte Deutschlands auf Platz 2 und ist damit nach INSM-Kriterien die erfolgreichste Großstadt Nordrhein-Westfalens.<ref>[http://www.insm-staedteranking.de/2009_ges_i_gesamtranking.html Gesamtranking nach INSM]</ref> __TOC__ <br style="clear:both" /> == Geographie == <div align="center"> [[Datei:Muenster Panorama Maerz 2006 Send Centered.jpg|800px|Panorama von Münster – links das Grün des Schlossgartens, in der Mitte die Türme der Innenstadtkirchen St. Lamberti und St.-Paulus-Dom, rechts das LVM-Gebäude]]<br /><small>Panorama – links das Grün des Schlossgartens, in der Mitte die Türme der Innenstadtkirchen [[St. Lamberti (Münster)|St. Lamberti]] und [[St.-Paulus-Dom]], rechts das LVM-Gebäude</small> </div> === Geographische Lage === [[Datei:EinzugdesGesandten AdriaenPauw.jpg|thumb|[[Gerard ter Borch]]: ''Einzug des holländischen Gesandten [[Adriaan Pauw]]'' (Stadtmuseum Münster)]] Münster liegt an der [[Münstersche Aa|Münsterschen Aa]], 15&nbsp;km südlich ihrer Mündung in die [[Ems]], in der von sandig-lehmigen Ablagerungen überdeckten [[Westfälische Bucht|Westfälischen Tieflandsbucht]] inmitten einer von Streusiedlungen und Einzelhöfen geprägten Landschaft, dem [[Münsterland]]. Die [[Saalekaltzeit|saaleeiszeitlichen]] [[Sedimentgestein|Sedimente]] des [[Münsterländer Kiessandzug]]es durchziehen die Stadt mittig in Nordsüdrichtung. Der höchste Punkt ist der ''[[Mühlenberg (Münster)|Mühlenberg]]'' in den [[Vorbergshügel]]n mit {{Höhe|97|DE-NN|link=true}}, der niedrigste Punkt befindet sich an der Ems auf einer Höhe von {{Höhe|44|DE-NN|link=false}}. Münsters Innenstadt liegt auf {{Höhe|60|DE-NN|link=false}}, gemessen auf dem [[Prinzipalmarkt]] vor dem [[Historisches Rathaus Münster|Rathaus]]. Die [[Niederlande|niederländische]] Stadt [[Enschede]] ist etwa 65&nbsp;km entfernt. Weitere Großstädte in der näheren Umgebung sind [[Osnabrück]], etwa 44&nbsp;km nördlich, [[Hamm]], etwa 34&nbsp;km südlich und [[Dortmund]], etwa 61&nbsp;km südlich sowie [[Bielefeld]], etwa 62&nbsp;km östlich. Münster ist einer der 42 deutschen [[Agglomeration|Verdichtungsräume]] und gehört zu den [[Liste der flächengrößten Städte und Gemeinden Deutschlands|flächengrößten Städten Deutschlands]]. Darin sind jedoch größere schwach besiedelte, ländliche Gebiete der 1975 eingemeindeten Orte enthalten. Nahezu die Hälfte des Stadtgebietes wird für die Landwirtschaft genutzt, woraus sich die relativ geringe Bevölkerungsdichte von knapp 900&nbsp;Einwohner pro km² ergibt. [[Datei:ModellMünster.jpg|thumb|left|Bronzemodell der Innenstadt von Münster]] Außerdem ist das zusammenhängend bebaute Stadtgebiet flächenmäßig vergleichsweise groß, da die Bebauung niedriger ist als in anderen Städten mit vergleichbarer Einwohnerzahl. Dies resultiert vor allem aus dem hohen Anteil an Einfamilienhäusern und Villen sowie der größtenteils nur zwei- bis dreistöckigen Mietshäuser. [[Hochhaus|Hochhäuser]] gibt es dagegen nur vereinzelt, [[Mietskaserne]]n und [[Wolkenkratzer]] finden sich in Münster nicht. Auffällig ist im Vergleich zu anderen deutschen Städten auch, dass die Häuser überwiegend in [[Backstein]]bauweise errichtet wurden und zu einem hohen Anteil giebel- statt [[Dachtraufe|traufenständig]] sind. Dennoch ergeben sich im Stadtzentrum rund um den historischen Kern in einigen Bereichen hohe Einwohnerdichten von bis zu 15.000&nbsp;Einwohner pro km².<ref>Stadt Münster – Amt für Stadtentwicklung, Stadtplanung, Verkehrsplanung: [http://www.muenster.de/stadt/stadtplanung/pdf/Darstellung_Stadtbezirke_und_Teilbereiche_Stadtteile_Stadtzellen_mit_Bevoelkerungsdichte.pdf Darstellung der Bevölkerungsdichte in den statistischen Bezirken], Seite 2</ref> Daraus ergibt sich eine Siedlungsdichte, das heißt die Einwohnerdichte im besiedelten Stadtgebiet, von rund 2.890&nbsp;Einwohner pro km².<ref>[http://www.statlas.nrw.de Regionalstatistischer Online-Atlas NRW] des Landesamts für Datenverarbeitung und Statistik Nordrhein-Westfalen</ref> Die Gesamtfläche des Stadtgebietes von 302,92&nbsp;km² teilt sich auf in 58,04&nbsp;km² Gebäudeflächen, 1,18&nbsp;km² Betriebsflächen, 25,86&nbsp;km² Verkehrsflächen, 155,53&nbsp;km² Agrar- und Grünflächen, 8,94&nbsp;km² Wasserflächen, 47,09&nbsp;km² Waldflächen sowie 6,28&nbsp;km² anderweitig genutzte Flächen.<ref>[http://www.muenster.de/stadt/stadtplanung/pdf/Jahres-Statistik-2007.pdf Jahresstatistik 2007 der Stadt Münster], Seite&nbsp;17</ref> Der Umfang beträgt dabei 107&nbsp;km, die Ausdehnung von Norden nach Süden 24,4&nbsp;km und von Westen nach Osten 20,6&nbsp;km.<ref>[http://www.muenster.de/stadt/tourismus/a-bis-z.html Münster von A–Z]; Informationsseite von Münster Marketing</ref> === Klima === [[Datei:Klimadiagramm-Muenster-Deutschland-metrisch-deutsch.png|thumb|350px|Klimadiagramm von Münster<ref>Geoklima 2.1</ref>]] Zwar heißt es in Münster oft ''„Entweder es regnet oder es läuten die Glocken. Und wenn beides zusammen fällt, dann ist Sonntag“'', tatsächlich aber entspricht die Niederschlagsmenge der Stadt mit rund 744&nbsp;mm pro Jahr etwa dem Durchschnitt in [[Deutschland]].<ref name="statistik_s11">[http://www.muenster.de/stadt/stadtplanung/pdf/Jahres-Statistik-2006.pdf Jahresstatistik 2006 der Stadt Münster], Seite&nbsp;11</ref> Der Eindruck, Münster sei eine regenreiche Stadt, entsteht nicht durch die absolute Summe der Niederschläge, sondern vielmehr durch relativ viele Regentage (durchschnittlich 190 pro Jahr) mit oft geringer Niederschlagsmenge. Die Durchschnittstemperatur beträgt 9,2&nbsp;°C bei ungefähr 1500&nbsp;Sonnenstunden im Jahr.<ref name="statistik_s11" /> Hinsichtlich der jährlichen Sonnenstunden liegt Münster im Vergleich zu anderen deutschen Städten im unteren Fünftel. Die münsterschen Winter sind im Bundesvergleich relativ mild, sodass es vergleichsweise selten schneit, während die Sommertemperaturen dem Bundesdurchschnitt entsprechen. === Nachbargemeinden und Kreise === Die Stadt grenzt an folgende Städte und Gemeinden&nbsp;– sie werden im Uhrzeigersinn genannt, beginnend im Nordwesten: [[Altenberge]] und [[Greven]] ([[Kreis Steinfurt]]), [[Telgte]], [[Everswinkel]], [[Sendenhorst]] und [[Drensteinfurt]] ([[Kreis Warendorf]]), sowie [[Ascheberg]], [[Senden (Westfalen)|Senden]] und [[Havixbeck]] ([[Kreis Coesfeld]]). === Stadtgliederung === Das Stadtgebiet Münsters ist gemäß §&nbsp;1 der [[Hauptsatzung]] der Stadt in die sechs [[Stadtbezirk]]e Mitte, Nord, Ost, West, Süd-Ost und Hiltrup gegliedert. In jedem Stadtbezirk gibt es eine [[Bezirksvertretung]] mit jeweils 19 Mitgliedern, die bei jeder Kommunalwahl von der Bevölkerung des Stadtbezirks gewählt werden. Vorsitzender der Bezirksvertretung ist der Bezirksvorsteher. Gemäß der Hauptsatzung gliedern sich die einzelnen Stadtbezirke weiter auf in ''Wohnbereiche''. Dieser offizielle Begriff wird jedoch sowohl im allgemeinen als auch im offiziellen Sprachgebrauch praktisch nicht verwendet. Stattdessen wird der Begriff des Stadtteils als Synonym für Wohnbereich benutzt. Zu statistischen Zwecken sind diese Wohnbereiche weitergehend in insgesamt 45 statistische Bezirke untergliedert. Nachfolgend sind die Stadtbezirke mit ihren zugehörigen Wohnbereichen und weiteren Wohnplätzen gemäß der Hauptsatzung der Stadt Münster aufgelistet. Es handelt sich dabei um die offiziellen Bezeichnungen, wie sie in der Satzung aufgeführt sind und die sich teilweise von der Bezeichnung im allgemeinen Sprachgebrauch unterscheiden:&nbsp;<ref>[http://www5.stadt-muenster.de/ortsrecht/dokumente/10_01.pdf Hauptsatzung der Stadt Münster vom 21. Dezember 1995, Anlage vom 1. Oktober 1999] – S. 13f.</ref> [[Datei:Muenster (Westfalen) Stadtbezirke.png|thumb|300px|Aufteilung der Stadt Münster in die Stadtbezirke&nbsp;– die dunklen Flächen kennzeichnen die bebauten Teile des Stadtgebietes]] * '''[[Münster-Mitte|Mitte]]''': ** Kernbereich * '''[[Münster-Nord|Nord]]''': ** [[Münster-Coerde|Coerde]] ** [[Münster-Kinderhaus|Kinderhaus]] ** [[Münster-Sprakel|Sprakel]] mit [[Münster-Sandrup|Sandrup]] * '''[[Münster-Ost|Ost]]''': ** [[Münster-Dyckburg|Dyckburg]], bestehend aus Mariendorf und Sudmühle ** [[Münster-Gelmer|Gelmer]] mit Gittrup ** [[Münster-Handorf|Handorf]] mit Kasewinkel, Kreuzbach, Laer, Dorbaum und Verth links der [[Ems]] und [[Werse]] ** Mauritz-Ost und Mondstraße, zusammengefasst bekannt als [[Münster-St. Mauritz|St. Mauritz]] * '''[[Münster-West|West]]''': ** [[Münster-Albachten|Albachten]] ** [[Münster-Gievenbeck|Gievenbeck]] ** [[Münster-Mecklenbeck|Mecklenbeck]] ** [[Münster-Nienberge|Nienberge]] mit [[Münster-Häger|Häger]], Schonebeck und [[Münster-Uhlenbrock|Uhlenbrock]] ** [[Münster-Roxel|Roxel]] mit Altenroxel und Oberort ** [[Münster-Sentrup|Sentruper Höhe]] * '''[[Münster-Süd-Ost|Süd-Ost]]''': ** [[Münster-Angelmodde|Angelmodde]] mit Hofkamp ** [[Münster-Gremmendorf|Gremmendorf]] mit [[Loddenheide]] ** [[Münster-Wolbeck|Wolbeck]] * '''[[Münster-Hiltrup|Hiltrup]]''': ** [[Münster-Amelsbüren|Amelsbüren]] mit Sudhoff, Loevelingloh und Wilbrenning ** [[Münster-Berg Fidel|Berg Fidel]] ** [[Münster-Hiltrup|Hiltrup]] Der Kernbereich der Stadt kann in historisch gewachsene Stadtviertel unterteilt werden. Die Grenzen dieser Stadtviertel sind oftmals nicht genau definiert. Zu den Stadtvierteln gehören unter anderem [[Münster-Aaseestadt|Aaseestadt]], [[Münster-Erphoviertel|Erphoviertel]], [[Münster-Geistviertel|Geistviertel]], [[Münster-Hansaviertel|Hansaviertel]], [[Münster-Herz-Jesu-Viertel|Herz-Jesu-Viertel]], [[Münster-Kreuzviertel|Kreuzviertel]], [[Münster-Kuhviertel|Kuhviertel]], [[Münster-Mauritzviertel|Mauritzviertel]], [[Münster-Pluggendorf|Pluggendorf]], [[Münster-Rumphorst|Rumphorst]], [[Münster-Südviertel|Südviertel]], [[Münster-Uppenberg|Uppenberg]] sowie das [[Münster-Zentrum Nord|Zentrum Nord]]. Die Stadtteile der fünf Außenbezirke umfassen größtenteils die Gebiete der ehemals selbständigen Gemeinden, bevor sie im Laufe der Zeit nach Münster eingemeindet wurden. === Demografie === → ''Hauptartikel: [[Einwohnerentwicklung von Münster]]'' Münster hat rund 270.000 Einwohner und mehr als 10.000 Menschen sind mit [[Wohnsitz|Nebenwohnsitz]] gemeldet. Etwa 9 % der Einwohner sind Ausländer. Die Arbeitslosenquote betrug 5,9 % im November 2008.<ref>[http://statistik.arbeitsamt.de/statistik/index.php?id=367&dbtyp=4&typ=LAA Statistik der Bundesagentur für Arbeit]</ref> Von den rund 132.000 sozialversicherungspflichtig Beschäftigten sind über 80 % im Dienstleistungssektor beschäftigt, 17 % im produzierenden Gewerbe und 1 % in der Landwirtschaft.<ref>[http://www.muenster.de/stadt/stadtplanung/pdf/Jahres-Statistik-2007.pdf Jahresstatistik 2007 der Stadt Münster] S.&nbsp;105</ref> Der Altersdurchschnitt der wohnberechtigten Bevölkerung lag im Jahre 2007 bei 40,2&nbsp;Jahren.<ref>[http://www.muenster.de/stadt/stadtplanung/pdf/Jahres-Statistik-2008.pdf Jahresstatistik 2007 der Stadt Münster] S.&nbsp;57</ref> Die [[Lebenserwartung]] liegt in Münster für Männer bei 76,3&nbsp;Jahren, für Frauen bei 83,1&nbsp;Jahren. Dies ist eine der höchsten Lebenserwartungen innerhalb aller deutschen Städte. == Geschichte == [[Datei:Muenster Braun-Hogenberg.jpg|thumb|center|800px|Blick von Süd-Westen auf Münster, eine Arbeit von Remigius Hogenberg aus dem Jahr 1570 basierend auf einer älteren Zeichnung von [[Hermann tom Ring]]. Links die Überwasserkirche noch mit der ursprünglichen Turmhaube, mittig der St.-Paulus-Dom, rechts davon die Lambertikirche und rechts außen die [[St. Ludgeri (Münster)|Ludgerikirche]]. Im Vordergrund vor dem Dom das Neuwerk als Teil der Stadtbefestigung am Eintritt der Aa in die Stadt.]] === Stadtgeschichte === → ''Hauptartikel: [[Geschichte der Stadt Münster]]'' [[Datei:Westfaelischer Friede in Muenster (Gerard Terborch 1648).jpg|thumb|Die Gesandten beschwören im Friedenssaal den Frieden von Münster.]] Schätzungsweise seit dem sechsten Jahrhundert lag im Bereich des [[Domplatz Münster|Domplatzes]] die kleine [[Sachsen (Volk)|sächsische]] Siedlung Mimigernaford. Im Jahre [[793]] gründete der [[Friesen|friesische]] Missionar [[Liudger]] an der [[Furt]] über die [[Münstersche Aa]] ein Kloster ([[latein]]isch: monasterium), das der sich hier entwickelnden Stadt ihren Namen gab. Im Jahre 805 wurde er zum ersten Bischof von Münster ernannt und die Bauarbeiten zum ersten Dom wurden aufgenommen. Aufgrund der wachsenden Einwohnerzahl erhielt Münster im Jahre 1170 das [[Stadtrecht]]. In diesen Zeitraum fällt auch der Bau der Stadtbefestigung. Die Stadtmauer war etwa vier Kilometer lang und wurde in der Mitte des 14. Jahrhunderts durch weitere Befestigungsanlagen verstärkt. Zu dieser Zeit war Münster die flächengrößte Stadt Westfalens. In der Kommunalverfassung der Stadt spielten im späten Mittelalter die [[Leischaft]]en eine wichtige Rolle, indem sie die Kurherren benannten, die an der Wahl der Ratsherren beteiligt waren. Zwischen 1358 und 1454 erlangte Münster als Mitglied und ab 1494 als Vorort der [[Hanse]] in Westfalen eine große Bedeutung. Davon zeugt beispielsweise der [[Prinzipalmarkt]], dessen prächtige Kaufmannshäuser aus dieser Epoche stammen, zu einem Großteil aber im Zweiten Weltkrieg zerstört und vielfach vereinfacht wiederaufgebaut wurden. [[Datei:Muenster Lamberti Koerbe 6428.jpg|thumb|left|upright|Die Körbe der Täufer am Turm von St. Lamberti.]] 1534 begann die dramatische Episode des [[Täuferreich von Münster|Täuferreichs von Münster]]. Sie gipfelte in der Proklamation des ''Königreichs Zion'' im September 1534 durch [[Jan van Leyden]] mit sich selbst als König. Dieses Königreich hatte jedoch nur bis zum [[24. Juni]] [[1535]] Bestand, als Truppen des Bischofs [[Franz von Waldeck]] die belagerte Stadt einnahmen. Die auf grausame Weise gefolterten und hingerichteten Täufer wurden anschließend in drei eisernen Körben an der [[St. Lamberti (Münster)|Lambertikirche]] zur Abschreckung aufgehängt. Die Originale der Körbe aus dem Jahre 1535 hängen dort noch immer. Fälschlicherweise werden sie oft auch als Käfige bezeichnet. Gründe hierfür sind vor allem Berichte von auswärtigen Autoren und Besuchern, die ab dem Ende des 18. Jahrhunderts mit negativ besetzten Begriffen über die Herrschaft der „Wiedertäufer“ berichteten, sowie Übersetzungsfehler lateinischer Handschriften über das Täuferreich.<ref>Karl-Heinz Kirchhoff: ''Die „Wiedertäufer-Käfige“ in Münster'', Aschendorff, Münster 1996, S. 25</ref><!-- Vor dem Ändern des vorangegangenen Absatzes bitte Diskussionsseite (Archiv 2005, Eintrag 53) lesen, Abschnitt „Körbe bzw. Käfige an der Lambertikirche“. --> 1648 fand in Münster und [[Osnabrück]] ein Ereignis von europäischem Rang statt. Der [[Westfälischer Friede|Westfälische Friede]] wurde geschlossen, mit welchem der [[Dreißigjähriger Krieg|Dreißigjährige Krieg]] und der [[Achtzigjähriger Krieg|Achtzigjährige Krieg]] beendet wurden. Gleichzeitig erreichte der Kampf um die Unabhängigkeit der Stadt ihren Höhepunkt. Er gipfelte in dem Versuch, Münster in den Stand einer [[Freie Reichsstadt|Freien Reichsstadt]] zu erheben. Damit war jedoch der Konflikt des Bürgertums mit dem kirchlichen Landesherrn vorbestimmt. Er resultierte in der offenen Konfrontation mit Fürstbischof [[Christoph Bernhard von Galen]], der 1661 nach achtmonatiger Belagerung die Stadt einnahm und ihr zeitweise sämtliche Rechte entzog. [[Datei:Muenster1.jpg|thumb|Blick auf den Prinzipalmarkt um 1900.]] [[Datei:MuensterPrinzipalmarkt1945.jpg|thumb|Blick von der Lambertikirche auf den zerstörten Prinzipalmarkt 1945.]] Nach dem Tode des letzten Fürstbischofs im Jahre 1801 wurde die Stadt ein Jahr später durch den preußischen General [[Gebhard Leberecht von Blücher]] besetzt. Diese Maßnahme wurde erst 1803 durch den [[Reichsdeputationshauptschluss]] legitimiert, bevor im Jahre 1806 Truppen [[Napoléon Bonaparte|Napoléons]] die Stadt einnahmen und besetzten. Erst im Jahre 1813 wurden die Franzosen durch preußische und russische Truppen aus der Stadt vertrieben. Seit der Neuordnung Europas durch den [[Wiener Kongress]] gehörte Münster ab 1815 offiziell zum Königreich Preußen und war Provinzialhauptstadt der neu gegründeten [[Provinz Westfalen]]. Aufgrund des wirtschaftlichen Aufschwungs in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts und Eingemeindungen kleinerer Umlandgemeinden überstieg die Einwohnerzahl im Jahre 1915 die Marke von 100.000 Einwohner und Münster wurde zur Großstadt. Zum Ende des [[Erster Weltkrieg|Ersten Weltkriegs]] wurde –&nbsp;wie in der Hauptstadt [[Berlin]]&nbsp;– am [[9. November]] [[1918]] auf dem Hindenburgplatz die Republik ausgerufen. Der kurze Zeit später eingesetzte [[Soldatenrat]] wurde erst einige Monate später im Februar 1919 durch General [[Oskar von Watter]] entmachtet. Während der Zeit des [[Nationalsozialismus]] war Münster Sitz der Gauleitung vom Gau „Westfalen-Nord“ sowie der [[Ordnungspolizei (Nationalsozialismus)|Ordnungspolizei]], unter deren Leitung circa 200.000 „Ordnungskräfte“ am Massenmord an Juden, Sinti, Roma, Homosexuellen und anderen Gruppen beteiligt waren. Eine herausragende Persönlichkeit des Widerstands gegen die Nationalsozialisten war [[Clemens August Graf von Galen]], der durch seinen Kampf gegen die Willkür der [[Gestapo]] gegenüber katholischen Einrichtungen und das menschenverachtende [[Aktion T4|Euthanasieprogramm]] der [[Nationalsozialismus|Nationalsozialisten]] weit über die Grenzen Münsters bekannt wurde und den Beinamen der ''Löwe von Münster'' erhielt. Während der Zeit des [[Zweiter Weltkrieg|Zweiten Weltkriegs]] gehörte Münster zu den am stärksten zerstörten Städten Deutschlands. Etwa 91 % der Altstadt und 63 % der gesamten Stadt wurden durch britische Bombenangriffe im Rahmen der [[Area Bombing Directive|Moral Bombing-Strategie]] zerstört.<ref>[http://www.muenster.de/stadt/tourismus/geschichte_1900-1945.html Münsters Geschichte von 1900 bis 1945] – Internetportal von Münster Marketing</ref> Auf Drängen der Bevölkerung wurde anders als in vielen anderen deutschen Großstädten ein Teil der historischen Altstadt in den 1950er-Jahren ähnlich dem Vorkriegszustand wieder errichtet. Am 18. Juni 1990 trafen sich [[Hans-Dietrich Genscher]] und [[Eduard Schewardnadse]] in Münster im historischen Rathaus, um die [[Zwei-plus-Vier-Vertrag|Zwei-plus-Vier-Gespräche]] vorzubereiten, die den Weg zur [[Deutsche Wiedervereinigung|Wiedervereinigung]] ebneten. Dabei bereiteten die Münsteraner den Politikern auf dem [[Prinzipalmarkt]] einen stürmischen Empfang, der Schewardnadse sichtlich rührte. === Eingemeindungen === [[Datei:GrenzsteinStadtMuenster1875.jpg|thumb|upright|Grenzstein nach der ersten Eingemeindung 1875 an der ''Grevener Straße'' in Höhe ''Meßkamp'']] Im Jahr 1816 war das 1,89&nbsp;km² große Münster mit 7.983 Menschen pro km² die am dichtesten besiedelte Stadt [[Provinz Westfalen|Westfalens]]. Auf dem Wege von der mittelalterlichen Stadt zu einer modernen Großstadt erlebte die Stadt mehrere [[Eingemeindung]]en: {| |- style="background:#efefef;" ! Jahr ! Eingemeindete Gebiete ! Fläche&nbsp;(km²) |- |style="padding-right:10px; white-space: nowrap; vertical-align: top"| 1875 || Teile der Gemeinden Lamberti, Sankt Mauritz und Überwasser ||style="text-align: right"| 8,9 |- | || entspricht ungefähr dem Gebiet des Innenstadtrings plus [[Münster-Kreuzviertel|Kreuzviertel]], [[Münster-Mauritzviertel|Mauritzviertel]], [[Münster-Hansaviertel|Hansaviertel]] sowie [[Münster-Geistviertel|Geistviertel]] |- |style="padding-right:10px; white-space: nowrap; vertical-align: top"| 1903 || Lamberti: [[Münster-Gremmendorf|Gremmendorf]] mit [[Loddenheide]], [[Münster-Berg Fidel|Berg Fidel]], [[Münster-Aaseestadt|Aaseestadt]] und [[Münster-Mecklenbeck|Mecklenbeck]] ||style="text-align: right"| 56,4 |- | || Überwasser: [[Münster-Kinderhaus|Kinderhaus]], [[Münster-Gievenbeck|Gievenbeck]] sowie [[Münster-Sentrup|Sentrup]] |- | || Teil von Sankt Mauritz: [[Münster-Rumphorst|Rumphorst]] sowie Teile des heutigen [[Münster-St. Mauritz|St. Mauritz]] |- |style="padding-right:10px; white-space: nowrap; vertical-align: top"| 1956 || Teile von Coerheide, Kemper und Gelmer, zusammengefasst zum Stadtteil [[Münster-Coerde|Coerde]] ||style="text-align: right"| 6,6 |- |style="padding-right:10px; white-space: nowrap; vertical-align: top"| 1975 || das ''Amt Sankt Mauritz'' mit den Gemeinden [[Münster-St. Mauritz|St. Mauritz]], [[Münster-Handorf|Handorf]], [[Münster-Hiltrup|Hiltrup]], [[Münster-Amelsbüren|Amelsbüren]] sowie [[Münster-Sprakel|Sprakel]] |- |style="padding-right:10px"| || vom ''Amt Roxel'' die Gemeinden [[Münster-Albachten|Albachten]], [[Münster-Nienberge|Nienberge]] und [[Münster-Roxel|Roxel]] (die restlichen Teile des Amtes, [[Bösensell]] und [[Havixbeck]], fielen an den [[Kreis Coesfeld]]) ||style="text-align: right"| 228,4 |- |style="padding-right:10px"| || vom ''Amt Wolbeck'' die Gemeinden [[Münster-Angelmodde|Angelmodde]] und [[Münster-Wolbeck|Wolbeck]] (die restlichen Teile des Amtes, [[Albersloh]], Alverskirchen und [[Rinkerode]], fielen an den [[Kreis Warendorf]]) |} == Religionen und Weltanschauungen == === Statistik === Im Jahr 2005 gehörten etwa 55 % der Einwohner der Stadt Münster der [[Römisch-Katholische Kirche|römisch-katholischen Kirche]] an, 20,5 % waren [[Evangelische Kirche|evangelisch]], weitere 3 % gehörten einer evangelischen [[Freikirche]] an. Etwa 3 % der Bewohner waren Muslime, 0,3 % waren jüdischen Glaubens. === Geschichte === ==== Christentum ==== [[Datei:Saintliudger.jpg|thumb|upright|Der heilige Liudger, Gründer der Stadt Münster und des gleichnamigen Bistums]] Nachdem der Friese [[Liudger]] 793 das Kloster als Sitz der fränkischen Missionierung der [[Sachsen (Volk)|Sachsen]] und [[Friesen]] gegründet hatte, wurde er am 30. März 805 zum Bischof geweiht. Das Bistum erstreckte sich von der [[Lippe (Fluss)|Lippe]] entlang der [[Ems]] bis nach [[Ostfriesland|Friesland]] und war seit 798 als [[Suffragan]] der [[Erzbistum Köln|Kirchenprovinz Köln]] unterstellt. Es wurde 1120 nach der Zerschlagung des [[Stammesherzogtum Sachsen|Herzogtums Sachsen]] zu einem Fürstbistum innerhalb des [[Heiliges Römisches Reich|Heiligen Römischen Reichs]] erhoben. Das [[Hochstift Münster]], bestehend aus dem [[Oberstift Münster]] und dem [[Niederstift Münster]], war das größte Fürstbistum des Reiches und fiel infolge des [[Reichsdeputationshauptschluss]]es 1803 an das protestantische [[Preußen]]. Eine starke katholische Ausprägung ist auch Grund dafür, dass die [[Reformation]], anders als im größten Teil des übrigen nördlichen Deutschlands, kaum Fuß fassen konnte. Zwar gab es ab 1524 reformatorische Predigten und auch Gewaltakte gegen Klöster, doch scheiterte die Einführung der Reformation 1543 am Widerstand des [[Domkapitel]]s und der [[Ritterschaft]], und sie wurde ab 1589 durch die [[Jesuiten]] nahezu vollständig verdrängt ([[Rekatholisierung]]). Geringe reformatorische Tendenzen im 17. Jahrhundert blieben erfolglos. Dennoch gab es in jener Zeit einige Protestanten in der Stadt, die eigene [[Zunft|Gildemeister]] hatten, bis die letzten verbleibenden Protestanten auf Befehl des Stadtrates im Jahre 1628 der Stadt verwiesen wurden. Münster blieb somit ein bedeutendes geistliches Zentrum des Katholizismus, was auch im Stadtbild an der im Verhältnis zur Größe der Stadt auffällig großen Anzahl katholischer Kirchen erkennbar ist. 1821 wurde das heutige [[Bistum Münster]] neu umschrieben. 1825 wurde das Stadtdekanat Münster errichtet, das heute aus den [[Dekanat]]en Hiltrup, Lamberti, Liebfrauen und Mauritz besteht und zu dem nahezu alle Pfarrgemeinden der Stadt Münster gehören. Lediglich die Pfarrgemeinden St.-Paulus-Dom und St. Peter sind keinem der vier Dekanate zugeordnet. Seit Anfang des 19. Jahrhunderts wurden auch [[Protestanten]] „geduldet“. Den historischen –&nbsp;heute wohl nur noch aus der Sicht weniger Münsteraner relevanten&nbsp;– Status der Münsteraner Protestanten als marginalisierter Minderheit spiegelt das alte Münsteraner Sprichwort wider, „evangelisch, kein Fahrradfahrer und zugereist“ seien die drei „Münsteraner Todsünden“. 1803 konnte die erste protestantische Kirchengemeinde gegründet werden, deren Mitgliederzahl im Jahr 1817 jedoch nur 534 betrug. Die Stadt wurde 1816 auch Sitz der Kirchenverwaltung (Konsistorium) für die gesamte [[Provinz Westfalen]] innerhalb der Evangelischen Kirche in Preußen sowie Sitz eines Superintendenten. Im Laufe des 19. und frühen 20. Jahrhunderts erhöhte sich der Anteil der Protestanten an der Münsteraner Gesamtbevölkerung allmählich durch den Zuzug preußischer Verwaltungsbeamter, die häufig evangelisch waren. In späteren Jahrzehnten, insbesondere nach dem Zweiten Weltkrieg, hat sich der Anteil der Protestanten durch Zuzug der häufig evangelischen Flüchtlinge aus den [[Ehemalige Deutsche Ostgebiete|ehemaligen deutschen Ostgebieten]] Ostpreußen, Hinterpommern und Niederschlesien sowie der mehrheitlich evangelischen [[Spätaussiedler]] stark erhöht, und so entstanden weitere Kirchengemeinden. Aus der früheren Superintendentur wurde der heutige [[Kirchenkreis Münster]], zu dem 26 Kirchengemeinden der Stadt Münster und einiger Nachbargemeinden gehören. Die Kirchenverwaltung der Provinz Westfalen (seit 1. Dezember 1953 [[Evangelische Kirche von Westfalen]]) zog jedoch 1956 nach [[Bielefeld]] um (Einweihung des neuen Kirchenamtes am 26. April 1956). Daneben bestehen in Münster auch noch Gemeinden verschiedener [[Freikirche]]n: eine [[Bund Freier evangelischer Gemeinden in Deutschland|Freie evangelische Gemeinde]], eine Evangelisch-Freikirchliche Gemeinde ([[Baptisten]]), eine Gemeinde der [[Evangelisch-methodistische Kirche|Evangelisch-methodistischen Kirche]], die [[Altkatholische Kirche]], zwei Gemeinden der [[Neuapostolische Kirche|Neuapostolischen Kirche]], die [[Jesus Freaks]], eine International Gospel Church und weitere. Auch die [[Mormonen]] und die [[Zeugen Jehovas]], die traditionell nicht zu den Protestanten gezählt werden, haben kleinere Gemeinden in Münster. ==== Judentum ==== [[Datei:Alte Synagoge Münster.jpg|thumb|Alte Synagoge (zerstört [[Reichspogromnacht|1938]])]] → ''Hauptartikel: [[Judentum in Münster]]'' Nach den Chroniken der Stadt Münster existierte bereits im 12. Jahrhundert eine jüdische Gemeinde in Münster. Sie ist damit eine der ältesten im Nordwesten Deutschlands. Ihr Zentrum befand sich am Ort des heutigen Rathausinnenhofs, ihr Friedhof am Ort des heutigen [[Gymnasium Paulinum|Paulinum-Gymnasiums]]. Bei den ältesten noch erhaltenen Funden jüdischer Kultur handelt es sich um mehrere jüdische Grabsteine, die im Jahre 1887 bei Bauarbeiten am Turm der Lambertikirche entdeckt wurden und dort im Mauerwerk eingelassen waren. Das älteste davon noch erhaltene Fragment trägt nach [[Jüdischer Kalender|jüdischem Kalender]] das Datum 25. Tammus 5084, welches dem 18. Juli 1324 nach dem [[Gregorianischer Kalender|gregorianischen Kalender]] entspricht.<ref>[http://www.gelsenzentrum.de/friedhofskultur.htm „Die Jüdische Friedhofskultur“] auf www.gelsenzentrum.de</ref><ref>Stadtmuseum Münster: ''Geschichte der Stadt Münster'', S. 20f</ref> Während der Zeit des ''[[Schwarzer Tod|schwarzen Todes]]'' in Europa um 1350 fielen die jüdische Gemeinde und ihr Friedhof [[Schwarzer Tod#Judenpogrome zur Zeit der Pest|Pogromen]] zum Opfer. Dies erklärt auch den Fund der Grabsteine im Mauerwerk der Lambertikirche. Um 1535, nach seinem Sieg über die Täufer, holte Fürstbischof [[Franz von Waldeck]] die Juden zurück nach Münster. Nach dem zweiten Restitutionsvertrag von 1553, in dem die Stadt Münster ihre Stadtrechte zurückbekam, insbesondere das Recht zur Gründung von Gilden, wurden die Juden – als traditionelle Konkurrenten der Gilden angesehen – erneut vertrieben, als sie bedingt durch den Tod des Fürstbischofs keinen Schutz mehr durch diesen genossen. Danach existierte bis ins 19. Jahrhundert hinein keine jüdische Gemeinde mehr in Münster. Allenfalls wurde Juden der Aufenthalt in der Stadt zeitlich befristet gestattet. Anzeichen für den Neubeginn des Judentums in Münster lassen sich für den Anfang des 19. Jahrhunderts finden. Im Jahre 1811 wurde ein [[Jüdischer Friedhof Münster|neuer jüdischer Friedhof]] in Münster angelegt. 1828 gründete der münsterländische [[Reformjudentum|Reformjude]] [[Alexander Haindorf]] mit der [[Marks-Haindorf-Stiftung]] eine jüdische Elementarschule. Im Jahre 1830 entstand die erste Synagoge seit dem Mittelalter in der Stadt, die um 1870 für die anwachsende Gemeinde mit ihren fast 400 Mitgliedern zu klein wurde. Eine neu errichtete, größere und prächtige Synagoge wurde am 27./28. August 1880 eingeweiht. Die Gemeinde wollte einen Bau errichten, ''„welcher der Provinzialhauptstadt zur Zierde gereichen und […] einen monumentalen Wert“''&nbsp;<ref>[http://www.jgms.org/geschichte/4.html Die (alte) Synagoge an der Klosterstraße]&nbsp;– Offizielle Webseite der Jüdischen Gemeinde Münster</ref> haben sollte. Sie erhoffte sich damit das Interesse der städtischen Behörden und der Bürger zu wecken. Allerdings blieben sowohl der Regierungspräsident als auch der Oberbürgermeister der Einweihungszeremonie fern. Die örtliche Presse erwähnte die Einweihung mit einer vierzeiligen Notiz. [[Datei:Synagoge Münster.jpg|thumb|left|Die Synagoge in der Klosterstraße]] Während der [[Zeit des Nationalsozialismus]] kam es wie überall in Deutschland auch in Münster zu [[Pogrom]]en, Vertreibungen und Ermordungen von jüdischen Einwohnern, wodurch deren Anteil an der Bevölkerung stark zurückging. Während der [[Reichspogromnacht]] 1938 wurde zudem am frühen Morgen des 10. November die [[Synagoge]] in Brand gesetzt und zerstört, jedoch 1961 durch einen Neubau ersetzt, der am 12. März 1961 eröffnet wurde. Von den im Jahre 1933 ursprünglich 708 Angehörigen der jüdischen Gemeinde wurden 299 Menschen in Konzentrationslager deportiert, von denen nur 24 überlebten. Insgesamt 280 jüdische Bürger verließen Münster und emigrierten ins Ausland, sieben begingen Selbstmord und vier überlebten den Nationalsozialismus in Münster im Untergrund. Abzüglich der 77 Personen, die in diesem Zeitraum eines natürlichen Todes starben, verbleiben 42 Menschen, deren Schicksal ungeklärt geblieben ist.<ref name="Kriegsbilanz">Internetportal „Kriegschronik“ des Stadtarchivs Münster: [http://www.muenster.de/stadt/kriegschronik/1945_kriegsende_bilanz.html Bilanz des Krieges]</ref> Seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs und des Nationalsozialismus ist die jüdische Gemeinde nicht zuletzt durch den Zuzug von jüdischen Flüchtlingen aus der ehemaligen [[Sowjetunion]] wieder angewachsen und umfasst etwa 800 Gläubige. ==== Islam ==== [[Datei:Münster-Hiltrup-Moschee.jpg|thumb|Bait ul-Mo’min, erste Moschee Münsters]] Die Einwanderer [[Islam|muslimischen]] Glaubens und deren Nachkommen gehören mehreren kleineren Gemeinden verschiedener, meist [[Sunniten|sunnitischer]] Richtungen an. Da der Ausländeranteil in Münster, anders als in [[Agglomeration|Ballungsgebieten]], nur etwa dem deutschen Durchschnitt entspricht, ist der Islam im Stadtbild Münsters bis auf die neue türkische Moschee am Bahnhof insgesamt kaum präsent. In [[Münster-Hiltrup|Hiltrup]] wurde Anfang 2003 das [[Bait ul-Momin|Bait ul-Mo’min]] als größte Moschee im heutigen Stadtgebiet feierlich in Anwesenheit von vielen Persönlichkeiten der Politik, Kirchen und einfachen Bürgern eröffnet. Sie steht im Gewerbegebiet an der Hansestraße. Das Bait ul-Momin wurde von der [[Ahmadiyya Muslim Jamaat]] gebaut. Hierbei handelt es sich um eine islamische Gemeinschaft, deren Gründer sich als der [[Messias]] und [[Mahdi]] verstand. Die Ahmadi-Muslime werden von den Sunniten nicht als Muslime anerkannt. Auch verschiedene [[Sufismus|Sufi-Orden]], die allgemein als Vertreter eines mystischen Islam angesehen werden, finden sich in Münster, so zum Beispiel der Orden der [[Burhani|Tariqah Burhaniya]], dem in Münster überwiegend deutsche Muslime angehören. ==== Andere Religionen und Konfessionslose ==== Der Anteil der Gläubigen anderer Religionen ist in Münster gering. Dennoch findet sich beispielsweise eine [[Bahai]]-Gemeinde in Münster. Infolge der Austritte aus den christlichen Kirchen und des Zuzugs häufig [[Konfessionslosigkeit|konfessionsloser]] Bürger aus den neuen Bundesländern seit 1990 wuchs der früher sehr niedrige Anteil konfessionsloser Einwohner. Unter den Anhängern anderer Religionen in Münster sind auch Hindus und Buddhisten zu nennen. == Politik == [[Datei:RathausMünster.jpg|thumb|upright|[[Historisches Rathaus Münster|Historisches Rathaus]]]] ''Für die geschichtliche Entwicklung siehe auch:'' [[Geschichte der Stadt Münster#Geschichte der städtischen Selbstverwaltung|Geschichte der städtischen Selbstverwaltung]] === Organe der Stadtverwaltung === Die Stadt Münster wird vom [[Stadtrat|Rat der Stadt]] sowie einem [[Oberbürgermeister]] regiert, der zugleich Vorsitzender des Rates ist. Der Rat besteht seit der [[Kommunalwahl]] im Jahre 2009 aus 80 Mitgliedern. Er ist für die Angelegenheiten der Stadt zuständig, sofern die Gemeindeordnung im Einzelfall nichts anderes bestimmt. Zu Beginn einer Amtsperiode wählen die Mitglieder des Rates aus ihrer Mitte Bürgermeister als ehrenamtliche Stellvertreter für die Leitung der Sitzungen und Repräsentation der Stadt. Der Oberbürgermeister ist der Repräsentant der Stadt und Leiter der Verwaltung. Er ist der Vorsitzende des Stadtrates und besitzt dort auch Stimmrecht, ohne jedoch ein Mitglied des Rates zu sein. Daneben besitzt er Stimmrechte im Haupt- sowie Finanzausschuss. Der Oberbürgermeister lädt auch zu Ratssitzungen ein und stellt die Tagesordnung auf. Im äußersten Fall kann er gegen Ratsbeschlüsse Widerspruch einlegen, sofern er dadurch das Wohl der Stadt gefährdet sieht. Die letzte Entscheidung über den Beschluss liegt jedoch nicht bei ihm, sondern beim Rat der Stadt. Zu den weiteren Aufgaben, Rechten und Pflichten des Oberbürgermeisters gehören unter anderem die Abwicklung des Tagesgeschäftes innerhalb der Verwaltung, die Beschlüsse der politischen Gremien vorzubereiten beziehungsweise bereits gefasste Beschlüsse auf ihre Rechtmäßigkeit zu überprüfen und auszuführen, sowie in dringenden Fällen zusammen mit einem Ratsmitglied eine Dringlichkeitsentscheidung zu treffen. Über die Angelegenheiten innerhalb eines Stadtbezirks entscheidet die Bezirksvertretung, beispielsweise die Unterhaltung und Ausstattung der Schulen, Sportplätze oder Park- und Grünanlagen. An der Spitze einer jeden Bezirksvertretung steht der Bezirksvorsteher, der zu Beginn der Amtszeit aus den Mitgliedern der Bezirksvertretung gewählt wird. Der Rat der Stadt sowie die Bezirksvorsteher werden alle fünf Jahre, der Oberbürgermeister alle sechs Jahre von den Bürgern der Stadt, das heißt den wahlberechtigten Einwohnern, im Rahmen der Kommunalwahl gewählt. Die Wahl des Oberbürgermeisters erfolgt direkt. Bei der [[Kommunalwahlen in Nordrhein-Westfalen 2009|Kommunalwahl 2009]] gewann [[Markus Lewe]] (CDU) die zeitgleich stattfindende Oberbürgermeisterwahl mit 49,5 % aller Stimmen gegen Wolfgang Heuer (SPD), der 45,4 % der Stimmen auf sich vereinigen konnte.<ref>[http://www.stadt-muenster.de/wahlen/kommunal2009/barrierefrei/ob2009.html Ergebnis der Wahl des Oberbürgermeisters der Stadt Münster]</ref> Gleichzeitig war diese Wahl die letzte, bei der gleichzeitig der Stadtrat und Oberbürgermeister gewählt wurde. Die nächste Oberbürgermeisterwahl findet also im Jahr 2015 unabhängig von den nächsten Kommunalwahlen 2014 statt, sodass die Wahl am 30. August 2009 die vorerst letzte parallele Wahl des Stadtrats und Oberbürgermeisters war.<ref>[http://www.nrw.de/presse/kommunalwahlen-2009-chefsessel-sehr-begehrt-265-kandidaten-7539/ ''Kommunalwahlen 2009: Chefsessel sehr begehrt - 265 Kandidaten''] vom 20. August 2009</ref> Weitere Bürgermeister/innen sind Beate Vilhjalmsson (SPD), Karin Reismann (CDU) und Holger Wigger (SPD).<ref>[http://www.westfaelische-nachrichten.de/lokales/muenster/nachrichten/1149069_SPD_erhaelt_zwei_Buergermeisterposten.html SPD erhält zwei Bürgermeisterposten] – [[Westfälische Nachrichten]] vom 28. Oktober 2009</ref> === Rat der Stadt === → ''Siehe auch: [[Ergebnisse der Kommunalwahlen in Münster]]'' Der Rat der Stadt Münster hat seit der [[Kommunalwahlen in Nordrhein-Westfalen 2009|Kommunalwahl 2009]] insgesamt 80 Mitglieder, die sich auf die einzelnen Parteien folgendermaßen verteilen: {| border="0" cellpadding="2" cellspacing="0" width="100%" |- bgcolor="#eeeeee" align="center" | [[Christlich Demokratische Union Deutschlands|CDU]] || [[Sozialdemokratische Partei Deutschlands|SPD]] || [[Bündnis 90/Die Grünen|GRÜNE]] || [[Freie Demokratische Partei|FDP]] || [[Unabhängige Wählergemeinschaft für Münster|UWG-MS]] ||[[Die Linke|LINKE]] || [[Ökologisch-Demokratische Partei|ödp]] || [[Piratenpartei Deutschland|Piraten]] || '''Gesamt''' |- align="center" | 31 || 20 || 16 || 7 || 1 || 3 || 1 || 1 ||80<ref>http://www.stadt-muenster.de/wahlen/kommunal2009/barrierefrei/rat2009.html</ref> |} === Abgeordnete für Münster === Für Münster sitzen im [[Liste der Mitglieder des Deutschen Bundestages (17. Wahlperiode)|17. Deutschen Bundestag]] bis auf eine Ausnahme dieselben Abgeordneten wie auch schon in den beiden vorangegangenen [[Legislaturperiode]]n. Dies sind neben [[Ruprecht Polenz]] (CDU), der das [[Direktmandat]] des [[Bundestagswahlkreis Münster|Wahlkreises 130]] gewann, [[Christoph Strässer]] (SPD), [[Daniel Bahr]] (FDP) und [[Maria Klein-Schmeink]] (Bündnis 90/Die Grünen), eingezogen über die jeweilige [[Landesliste]]. Nach zwei Duellen zwischen Polenz und Strässer mit knappem Wahlausgang zugunsten von Strässer in den Bundestagswahlen von [[Bundestagswahl 2002|2002]] (0,9 %) und [[Bundestagswahl 2005|2005]] (0,32 %) gewann Polenz bei der [[Bundestagswahl 2009]] mit 6,7 Prozentpunkten Vorsprung erneut das Direktmandat, was ihm zuletzt bei der [[Bundestagswahl 1998]] gelang. [[Winfried Nachtwei]] (Bündnis 90/Die Grünen), der seit 1994 im Bundestag saß, verzichtete auf eine erneute Kandidatur zugunsten von Maria Klein-Schmeink. Direkt gewählte Abgeordnete im [[Landtag Nordrhein-Westfalen]] sind in der 14. Wahlperiode (Landtagswahl am 22. Mai 2006) [[Marie-Theres Kastner]] (CDU) und [[Thomas Sternberg]] (CDU). Über die Landesliste wurden [[Svenja Schulze]] (SPD) und [[Rüdiger Sagel]] ([[Die Linke]]; ehemals [[Bündnis 90/Die Grünen]], vom 15. Juni bis 23. Oktober 2007 parteilos) in den Landtag gewählt. Am 14. Mai 2007 ist [[Anna Boos]] (SPD) in den Landtag nachgerückt. === Wappen === → ''Hauptartikel: [[Wappen von Münster (Westfalen)]]'' [[Datei:StadtwappenMünsterWestfalenSchmuck.jpg|thumb|Das große Wappen der Stadt Münster]] Das erste [[Siegel]] der Stadt ist nachweisbar um das Jahr 1231. Im Mittelalter zeigte das große Stadtsiegel eine stilisierte Stadt mit Mauern und Türmen. Der Siegelstempel wurde im Jahre 1534 von den [[Täuferreich von Münster|Täufern]] vernichtet. Nach der Niederlage der Täufer und der Übernahme der Stadt durch den Fürstbischof wurde ein neues Siegel in Gebrauch genommen, welches dem alten sehr ähnlich war, jedoch zusätzlich das fürstbischöfliche Balkenwappen enthielt. Dieses Wappen in Gold-Rot-Gold ist um 1300 als Wappen des ''Stifts Münster'' nachgewiesen. Neben diesem großen Siegel existierte noch ein kleineres Siegel, auch als Sekretus bezeichnet, das den heiligen [[Paulus von Tarsus|Paulus]] mit Schwert sowie Heiligenschein zeigte. Es wurde ebenfalls nach der Zerstörung durch die Täufer neu gefertigt und war bis zur Auflösung des [[Hochstift Münster|Fürstbistums Münster]] im Jahre 1802 im Gebrauch. Das [[Wappen]] der Stadt Münster zeigt einen von Gold, Rot und Silber geteilten Schild. Es ist eine Abwandlung des Stiftswappens des Bistums (Gold-Rot-Gold), das ab dem Jahr 1300 nachgewiesen ist. Andere Quellen sprechen auch von einer Kombination mit dem Wappen der [[Hanse]] (Rot und Silber). Die älteste bekannte Darstellung stammt aus dem Jahre 1368. Die erste farbige Abbildung des Stadtwappens ist aus dem 15. Jahrhundert überliefert. In der Schmuckfassung, die unter anderem den Briefkopf des Oberbürgermeisters ziert, wird der Schild von zwei aufrecht stehenden Löwen gehalten, deren Köpfe dem Schild zugewandt sind. Ihre Zungen und Krallen sind rot. Über dem Schild befindet sich ein blauer Helm, dessen fächerförmige Helmzier die Stadtfarben wiederholt. Es sind 17 Spitzen des Fächers vorgeschrieben. Schild und Helm werden von Decken in Gold und Rot umrahmt. Diese Form wurde 1928 festgelegt. === Städtepartnerschaften === {| class="float-right" ! colspan="2" | Städtepartnerschaften:<ref>http://www.muenster.de/stadt/partnerstaedte/index.html</ref> |- |[[Datei:Flag of the United Kingdom.svg|border|20px|Flagge des Vereinigten Königreichs]] || [[York]] in Großbritannien, seit 1958 |- |[[Datei:Flag of France.svg|border|20px|Flagge von Frankreich]] ||[[Orléans]] in Frankreich, seit 1960 |- |[[Datei:Flag of Norway.svg|border|20px|Flagge von Norwegen]] || [[Kristiansand]] in Norwegen, seit 1967 |- |[[Datei:Flag of Tunisia.svg|border|20px|Flagge von Tunesien]] || [[Monastir (Tunesien)|Monastir]] in Tunesien, seit 1969 |- |[[Datei:Flag of Israel.svg|border|20px|Flagge von Israel]] || [[Rischon leTzion|Rishon-Le-Zion]] in Israel, seit 1981 |- |[[Datei:Flag of the United States.svg|border|20px|Flagge der Vereinigten Staaten]] || [[Fresno]] in den USA, seit 1986 |- |[[Datei:Flag of Russia.svg|border|20px|Flagge von Russland]] || [[Rjasan]] in Russland, seit 1989 |- |[[Datei:Flag of Germany.svg|border|20px|Flagge von Deutschland]] || [[Mühlhausen/Thüringen|Mühlhausen]] in Thüringen, seit 1990 |- |[[Datei:Flag of Poland.svg|border|20px|Flagge von Polen]] || [[Lublin]] in Polen, seit 1991 |- ! colspan="2" | Städtefreundschaften: |- |[[Datei:Flag of Poland.svg|border|20px|Flagge von Polen]] || [[Braniewo]] in Polen, seit 1954 |- |[[Datei:Flag of France.svg|border|20px|Flagge von Frankreich]] || [[Beaugency]] in Frankreich, seit 1974 |} [[Datei:MuensterSkulpturPartnerstaedte.jpg|thumb|Bodenplatte einer Skulptur mit den Richtungen und Entfernungen zu den Partnerstädten in der [[Salzstraße (Münster)|Salzstraße]].]] [[Datei:Muenster Stadthausturm 3198.jpg|thumb|Der [[Stadthausturm Münster|Stadthausturm]] am Prinzipalmarkt.]] Seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges ist die Stadt Münster mit insgesamt neun Städten eine [[Städtepartnerschaft]] eingegangen. Als erstes Zeichen der Versöhnung bekundeten Münster und [[York]] im Jahre 1958 ihre Freundschaft. Die Verbindung zwischen beiden Städten kommt durch den heiligen [[Liudger]] zustande, der mit der Errichtung eines Klosters den Grundstein von Münster legte und zuvor an der Domschule in York ausgebildet wurde. Zentrales Element der Partnerschaft ist der Schüleraustausch, aber auch weitere Verbindungen sind seit dem Jahre 1961 entstanden. So bestehen Kontakte zwischen verschiedenen Vereinen, Verbänden und Gruppen sowie zwischen einzelnen Familien beider Städte. Eine besondere Bindung zwischen beiden Städten besteht seit 1996 durch ein Kooperationsabkommen zwischen den Universitäten in York und Münster. Im Jahre 1960 folgte eine zweite Partnerschaft mit der französischen Stadt [[Orléans]]. Ähnlich wie in Münster wurde der historische Stadtkern im Zweiten Weltkrieg weitgehend zerstört und anschließend weitestgehend originalgetreu wiederaufgebaut. Zudem markierten bedeutende Ereignisse in beiden Städten Wendepunkte in der Geschichte. [[Jeanne d’Arc]]s erfolgreiche Belagerung Orléans im Jahre 1429 war ein Wendepunkt zugunsten Frankreichs im [[Hundertjähriger Krieg|Hundertjährigen Krieg]], während der [[Westfälischer Friede|Westfälische Friede]] von 1648 das Ende des [[Dreißigjähriger Krieg|Dreißigjährigen Krieges]] einläutete. Wie schon bei der Partnerschaft mit York ist auch hier der Schüleraustausch das zentrale Bindeglied, das durch weitere Beziehungen von Vereinen und Organisationen sowie sportlichen Begegnungen untereinander erweitert wird. Zusätzlich besteht zwischen Orléans und Münster ein reger Austausch von Praktikanten, Stipendiaten oder auch Berufseinsteigern. Mit [[Kristiansand]] ging Münster im Jahre 1967 als erste deutsche Stadt eine Städtepartnerschaft mit einer norwegischen Stadt ein. Die Initiative ging von Kristiansand aus, als Delegationen beider Städte zu den Jeanne d’Arc-Feierlichkeiten in Orléans weilten, zu denen Vertreter aller Partnerstädte eingeladen waren. Obwohl die Unterschiede zwischen beiden Städten in den Bereichen Einwohnerzahl und Geschichte nicht offensichtlicher sein können, besitzen sie seit Ende der 1970er Jahre eine Gemeinsamkeit. Zeitgenössische Skulpturen zieren die Stadtbilder sowohl von Münster als auch von Kristiansand. Die Partnerschaft zwischen beiden Städten drückt sich vornehmlich durch viele Treffen zwischen Schulen und Vereinen, aber auch privaten Freundschaften aus. Weitaus ähnlicher sind sich demgegenüber Münster und die tunesische Stadt [[Monastir (Tunesien)|Monastir]]. Sie entstanden ungefähr zur selben Zeit im 8. Jahrhundert. Ursprung war in beiden Fällen ein Kloster, was noch immer an den Namen der Städte erkennbar ist. Sowohl „Münster“ als auch „Monastir“ sind vom lateinischen „monasterium“ abgeleitet. So gingen beide Städte im Jahre 1969 eine Partnerschaft ein, deren maßgebliches Ziel die Entwicklungszusammenarbeit und Wirtschaftsförderung war. Für die intensivierte Zusammenarbeit nicht nur mit Monastir sondern auch den anderen Partnerstädten bekam Münster im Jahre 1970 vom [[Europarat]] die „Europa-Flagge“ als Auszeichnung überreicht. Dementsprechend konzentriert sich die Partnerschaft vor allem auf die Bereiche Medizin, Wirtschaft und Kultur, insbesondere Musik. Die erste Partnerschaft mit einer israelischen Stadt wurde im Jahre 1981 mit [[Rischon leTzion|Rishon-Le-Zion]] unterzeichnet, nachdem bereits seit dem Jahre 1971 erste Kontakte auf sportlicher Basis geknüpft wurden. Obwohl Rishon-Le-Zion mit etwa einhundertjähriger Stadtgeschichte deutlich jünger als Münster ist, so ist es auch ein Verwaltungszentrum. Dennoch existiert ein besonders intensives gegenseitiges Interesse aneinander was Freundschaften aber auch Hilfe und Unterstützung anbelangt. Im Jahre 1986 schloss Münster eine Städtepartnerschaft mit [[Fresno]] in den USA. Dabei gingen die ersten Kontakte bereits bis zu Beginn der 1980er Jahre zurück, die sich zunächst hauptsächlich auf den Jugendaustausch konzentrierten. Seitdem wurden die Kontakte mit der etwa 100&nbsp;Jahre alten Stadt Fresno, einer der am schnellsten wachsenden Städte der USA, auch auf die Bereiche Sport und Musik sowie den Hochschulsektor ausgeweitet. Nach dem Ende des [[Kalter Krieg|Kalten Krieges]] entwickelte sich die Idee der Städtepartnerschaften Richtung Osten. Als erste Stadt des ehemaligen Ostblocks ging die russische Stadt [[Rjasan]] im Jahre 1989 eine Stadtpartnerschaft ein. Beide Städte pflegten bereits seit Beginn der 1980er Jahre eine freundschaftliche Beziehung. Insbesondere die humanitäre Hilfe stand hierbei im Vordergrund. Aber auch in den Bereichen Kunst, Medizin sowie in den Verwaltungen der Städte und den ansässigen Banken konnten seitdem Kontakte geknüpft werden. Im Jahre 1990 schlossen mit [[Mühlhausen/Thüringen|Mühlhausen]] in Thüringen und Münster erstmals zwei deutsche Städte aus den ehemaligen getrennten Teilen Deutschlands eine Partnerschaft, die beide über frei gewählte Kommunalparlamente verfügten. Trotz Unterschieden in der Größe verfügen beide Städte auch über Gemeinsamkeiten: Sowohl Mühlhausen als auch Münster sind geprägt von einer historischen Altstadt mit vielen Kirchen. Zudem waren beide Mitglied in der [[Hanse]] und sind führend im Bereich des Klimaschutzes. Aufgrund der geringen Entfernung zwischen den beiden Städten haben sich viele Kontakte entwickelt, insbesondere zwischen den Schulen und in den Bereichen Kunst, Kultur und Sport. Die bisher letzte Städtepartnerschaft wurde im Jahre 1991 mit [[Lublin]] in Polen geschlossen. Dabei gingen die ersten Kontakte bereits auf den Beginn der 1970er Jahre durch die Universitäten beider Städte zurück. Seitdem haben sich die Kontakte der sich deutlich voneinander unterscheidenden Städte auf weitere Bereiche ausgeweitet. Dazu gehören neben Schüleraustauschen auch Verbindungen zwischen Kirchengemeinden, Künstlern, Sportlern sowie Medienvertretern. Inzwischen ist es nicht nur bei den bilateralen Beziehungen geblieben. So haben sich mit Orléans – Kristiansand – Münster und Lublin – Rishon-Le-Zion – Münster bereits zwei Dreieckspartnerschaften entwickelt. Für die Aktivitäten der Städtepartnerschaften wurde Münster am 29. September 2007 mit dem Europapreis des „Instituts für europäische Partnerschaften und internationale Zusammenarbeit“ ausgezeichnet und erzielte die höchste Punktezahl aller bewerteten Städten und ihren Partnerschaften.<ref>[http://www.presse-service.de/data.cfm/static/675850.html „Münster erhält Europapreis – Anerkennung für Aktivitäten der Städtepartnerschaften“] – Pressemitteilung des Presse- und Informationsamtes der Stadt Münster</ref> Nach dem [[Erdbeben im Indischen Ozean 2004|Tsunami Weihnachten 2004 in Asien]] wurde deutschen Städten empfohlen, sich eine Stadt oder Region in den betroffenen Gebieten zu suchen, die ungefähr der Größe der deutschen Stadt entspricht und ihre Hilfe auf diese eine Stadt zu konzentrieren. Die Stadt Münster und ihre Umgebung wählten daraufhin die [[Indonesien|indonesische]] Insel [[Nias]]. Bis zum Abschluss der Aktion im Jahre 2008 konnten so insgesamt 689.500&nbsp;Euro an Spenden gesammelt werden, mit denen unter anderem Boote für die Fischer auf Nias bezahlt wurden, um die Eigenversorgung der Insel mit Nahrungsmitteln zu fördern.<ref>[http://www.muenster.de/stadt/pdf/nias-doku2008.pdf Abschlussbericht ''Helfen verbindet – Die Flutopferhilfer für Nias der Stadt Münster und ihrer Partner 2005 – 2008''], S. 45</ref> === Oberbürgermeister seit 1824 === {| class="wikitable" style="margin-top:0em;margin-bottom:0em;" |valign="top"| * 1824–1842: [[Joseph von Münstermann]] * 1842–1848: [[Johann Hermann Hüffer]] * 1848–1851: – [1] * 1851–1855: [[Johann Heinrich von Olfers]] [2] * 1856–1879: [[Caspar Offenberg]] * 1879–1886: [[Theodor Scheffer-Boichorst]] * 1887–1897: [[Karl Windthorst]] * 1898–1916: Dr. Mathias Maximilian Franziskus Jungeblodt * 1916–1920: Dr. [[Franz Dieckmann]], [[Deutsche Zentrumspartei|Zentrumspartei]] * 1920–1932: Dr. Dr. [[Georg Sperlich]] * 1932–1933: Dr. [[Karl Zuhorn]] * 1933–1945: Albert Anton Hillebrand * 1945: Dr. [[Fritz-Carl Peus]] |valign="top"| * 1945–1946: Dr. Karl Zuhorn, CDU * 1946: Dr. [[Wilhelm Siehoff]], Zentrum * 1946–1948: [[Franz Rediger]], CDU * 1948–1951: [[Gerhard Boyer]], CDU * 1951–1952: Dr. [[Wilhelm Siehoff]], Zentrum * 1952–1964: Dr. [[Busso Peus]], CDU * 1964–1972: Dr. [[Albrecht Beckel]], CDU * 1972–1984: Dr. [[Werner Pierchalla]], CDU * 1984–1994: Dr. [[Jörg Twenhöven]], CDU * 1994–1999: [[Marion Tüns]], SPD * 1999–2009: Dr. [[Berthold Tillmann]], CDU * seit 2009: [[Markus Lewe]], CDU |} * [1] Münster bleibt 28&nbsp;Monate ohne Oberbürgermeister. Ausgelöst durch Diskussionen in der [[Frankfurter Nationalversammlung]] um die Art der Anstellung der Bürgermeister entschied die Stadtverordnetenversammlung die vorläufige Aussetzung der Oberbürgermeisterwahl. * [2] Am 23. Oktober 1850 zum „Ersten Bürgermeister“ gewählt, wurde von Olfers der Titel „Oberbürgermeister“ am 7. Juni 1851 von [[Friedrich Wilhelm IV. (Preußen)|Friedrich Wilhelm IV.]], König von Preußen, verliehen. === Oberstadtdirektoren 1946 bis 1997 === In den Jahren von 1946 bis 1997 existierte im Rahmen der politischen [[Doppelspitze]] neben dem Amt des Oberbürgermeisters noch das Amt des [[Oberstadtdirektor]]s als Leiter der Stadtverwaltung. Folgende Personen bekleideten dieses Amt: * 1946–1952: [[Karl Zuhorn]], CDU * 1952–1973: [[Heinrich Austermann]], CDU * 1973–1989: Dr. [[Hermann Fechtrup]], CDU * 1989–1997: Dr. [[Tilman Pünder]], CDU == Wirtschaft und Infrastruktur == === Wirtschaft === Münsters größte Arbeitgeber waren nie Wirtschaftsbetriebe, sondern von jeher die Bildungs- und Verwaltungseinrichtungen der Stadt, unter anderem die Universität, der [[Landschaftsverband Westfalen-Lippe]] und die Bezirksregierung. Aus diesem Grund wird Münster vielfach auch als „der Schreibtisch Westfalens“ tituliert. Ferner ist Münster im Vergleich zu anderen etwa gleich großen Städten als Kaufmannsstadt überdurchschnittlich bedeutsam. Neben diesen Wirtschaftszweigen spielt jedoch auch die traditionelle Landwirtschaft&nbsp;– insbesondere in Randbereichen der eingemeindeten Orte&nbsp;– weiterhin eine wichtige Rolle. Große Industrieunternehmen gibt es in Münster nicht, stattdessen sind nur einzelne mittelgroße sowie ansonsten kleine ansässig. Erwähnenswert sind die [[BASF Coatings AG]], die Lacksparte von [[BASF]], die im Stadtteil [[Münster-Hiltrup|Hiltrup]] über 2.000 Menschen beschäftigt, die [[Brillux|Brillux Lacke- und Farbenwerke]], sowie die [[Westfalen AG]], ein Tankstellenkettenbetreiber und führender Flüssiggas-Versorger in Deutschland. Ebenfalls erwähnenswert ist die [[Hengst GmbH & Co. KG]], ein führender Hersteller von Filtern und Filter-Systemen für Autos, sowie [[Armacell]], einem weltweit führenden Hersteller von technischen Schäumen und Isolierungen. [[File:NRW-Bank Münster.JPG|thumb|Sitz der NRW.BANK in Münster]] Weit bedeutender ausgebaut ist in Münster der Sektor Finanzdienstleistung. So ist die Stadt unter anderem Sitz der [[Provinzial NordWest|Provinzial-Versicherung NordWest]], der [[LVM Versicherungen]] (Landwirtschaftlicher Versicherungsverein Münster a.&nbsp;G.), der [[Sparkasse Münsterland Ost]], der Westdeutschen Landesbausparkasse, der [[PSD Bank Westfalen-Lippe]], der [[Sparda-Bank Münster]], der [[Westdeutsche ImmobilienBank|Westdeutschen ImmobilienBank]], der [[WL Bank|WL BANK]] sowie (neben [[Düsseldorf]]) Sitz der [[WestLB]] und [[NRW.Bank|NRW.BANK]]. Als weitere Dienstleister haben ihren Sitz in Münster die [[Westdeutsche Lotterie]] GmbH & Co. OHG, der zweitgrößte deutschsprachige Internetbuchhändler [[buch.de]], sowie bis zum Wechsel des Unternehmenssitzes nach [[Wuppertal]] im November 2008 die Multiplex-Kinokette [[Cineplex]]. Ebenso ansässig sind die Rechenzentren der Volks- und Raiffeisenbanken für den norddeutschen Raum, die [[GAD (Unternehmen)|GAD eG]], und eine Niederlassung des Rechenzentrums der Sparkassen, die [[Finanz Informatik]]. Im Stadtteil [[Münster-Kinderhaus|Kinderhaus]] befindet sich der Sitz des [[Westfälisch-Lippischer Sparkassen- und Giroverband|Westfälisch-Lippischen Sparkassen- und Giroverbandes]], der als Spitzenverband für die Sparkassen in [[Westfalen-Lippe]] zuständig ist. Dort befindet sich auch in unmittelbarer Nachbarschaft die Westfälisch-Lippische Sparkassenakademie. Mit nahezu 30 [[Call-Center]]n ist Münster der größte Standort für [[Telefonmarketing]] und -umfragen in Nordrhein-Westfalen. Zudem ist Münster Hauptsitz von [[The Phone House Telecom|The Phone House]], einem [[Telekommunikationsdiensteanbieter]] mit insgesamt über 1000 Mitarbeitern. [[Datei:MuensterCenTech2.jpg|thumb|left|Das CeNTech im Technologiehof]] In der [[Biotech|Bio-]] und [[Nanotechnologie]] nimmt Münster eine führende Stellung ein. Der Grund hierfür sind unter anderem die enge Zusammenarbeit mit der Universität und die vielfältigen Möglichkeiten für Unternehmen, sich in Münster anzusiedeln. So gibt es neben dem ''Technologiehof'' mit 10.000&nbsp;m² Nutzfläche auch das nördlich des Biotech-Campus der Westfälischen Wilhelms-Universität angesiedelte [[CeNTech|Centrum für Nanotechnologie]], kurz ''CeNTech'', das Startup-Unternehmen der Nanotechnologiebranche Büro- und Forschungsräume auf insgesamt 2.400&nbsp;m² zur Verfügung stellt. Beispiele für Nano- und Biotechnologiefirmen in Münster sind die ''[[General Electric]] Healthcare Technologies'' im Bereich ''Radiopharmazie für [[Positronen-Emissions-Tomographie]]'' oder die ''Cilian AG'', eine Ausgründung der Zoologie der Universität, die sich mit Mikroorganismen beschäftigt, den [[Ciliaten]]. [[Covance]] Inc. ist als Auftragsforschungsinstitut eines der weltgrößten seiner Art zur Planung und Durchführung klinischer Prüfungen, ist aber wegen der dort durchgeführten [[Tierversuch]]e umstritten. Zur weiteren Stärkung des in der Öffentlichkeit weitgehend unbekannten Sektors haben sich die Hochschulen, Transfereinrichtungen und Sponsoren, Unternehmen und Forschungszentren im Verein ''bioanalytik-muenster'' zusammengeschlossen. Jüngstes Projekt, um Hochtechnologieunternehmen aus den Bereichen Life Science, Nanotechnologie sowie Informations- und Kommunikationstechnik einen Anreiz zur Ansiedlung in Münster zu geben, ist der knapp 66.000&nbsp;m² große ''Technologiepark'' im Nordwesten von Münster in unmittelbarer Nähe des ''Leonardo-Campus'' der Westfälischen Wilhelms-Universität. Insgesamt wurde in Münster zum Ende des Jahres 2002 ein [[Bruttoinlandsprodukt]] zu Marktpreisen von knapp 10,395 Milliarden Euro erwirtschaftet, was einen Anstieg von über 20 % seit dem Jahr 1996 darstellt&nbsp;<ref>[http://www.muenster.de/stadt/stadtplanung/pdf/Jahres-Statistik-2006.pdf Jahresstatistik 2006 der Stadt Münster] S. 336</ref>. Pro Kopf liegt die Wirtschaftsleistung somit im Durchschnitt bei etwa 38.200&nbsp;Euro. Münster ist damit einer der wirtschaftsstärksten Standorte in Nordrhein-Westfalen, was auch die im Vergleich zu anderen Städten geringe Arbeitslosenzahl zwischen 8 % und 9 % erklärt.&nbsp;<ref>[http://www.muenster.de/stadt/stadtplanung/pdf/Jahres-Statistik-2006.pdf Jahresstatistik 2006 der Stadt Münster], Seite 336</ref> === Bildung und Forschung === [[Datei:Schloss_Münster.jpg|thumb|Das fürstbischöfliche Schloss, Sitz und Wahrzeichen der Westfälischen Wilhelms-Universität]] Münster gilt als Universitätsstadt. Insgesamt studieren um die 50.000 Menschen in den Einrichtungen der Stadt, dazu kommen über 30.000 Schüler. Damit lernen und studieren mehr als ein Viertel der Gesamtbevölkerung der Stadt. Die rund 33.000 Schüler der Stadt verteilen sich auf 92 Schulen: Im Stadtgebiet existieren 47 Grundschulen mit fast 9.675 Schülern. Die weiterführenden Schulen teilen sich auf in acht Hauptschulen (2.558 Schüler), elf Sonderschulen (2.023 Schüler), neun Realschulen (4.490 Schüler) und 14 Gymnasien (etwa 12.412 Schüler). Außerdem gibt es mit der ''Friedensschule'' eine Gesamtschule mit 1.507 Schülern und eine Waldorfschule mit 458 Schülern (Stand jeweils Schuljahr 2007/2008).<ref name="statistik_s12">[http://www.muenster.de/stadt/stadtplanung/pdf/Jahres-Statistik-2007.pdf Jahresstatistik 2007 der Stadt Münster], Seite 12</ref> Als älteste Schule der Stadt gilt das [[Gymnasium Paulinum]], welches bereits im Jahr 797 gegründet worden sein soll. Die [[Westfälische Wilhelms-Universität]] (WWU) ist mit rund 40.500 Studierenden (Stand: Wintersemester 2006/2007) verteilt auf 130 verschiedenen Studienfächer in 15 Fachbereichen eine der größten Universitäten Deutschlands sowie größter Arbeitgeber der Stadt mit circa 13.000 Beschäftigten (inklusive dem [[Universitätsklinikum Münster|Universitätsklinikum]]). Sie wurde 1780 gegründet, seit 1805 war sie preußische Landesuniversität. 1818 gab es im Zuge der Gründung der [[Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität|Universität Bonn]] eine Herabstufung zur königlichen Akademie mit den Fakultäten Theologie und Philosophie, bis sie im Jahre 1902 wieder in den Stand einer Universität erhoben wurde. 1907 erhielt die Universität ihren heutigen Namen, ihr Namensgeber ist [[Wilhelm II. (Deutsches Reich)|Kaiser Wilhelm II]]. In den Jahren 1908, 1914 und 1925 wurde die Universität erweitert. Seit 1. April 2004 gehört auch die „Musikhochschule Münster“ zur Westfälischen Wilhelms-Universität Münster. Da die Westfälische Wilhelms-Universität keine Campus-, sondern eine Standort-Universität mit mehr als 280 auf das Stadtgebiet verteilten Gebäuden ist, prägen fahrradfahrende Studenten das Stadtbild, die zwischen den einzelnen Standorten pendeln. [[Datei:MuensterFachhochschule2.jpg|thumb|Fachhochschulzentrum Münster]] Ebenfalls zu den größten Hochschulen ihrer Art gehört die [[Fachhochschule Münster]] mit fast 9.000 Studierenden in zwölf Fachbereichen und drei zentralen, fachbereichsübergreifenden Instituten mit etwa 30 Studiengängen (inklusive der Abteilung [[Steinfurt]]). Sie wurde 1971 durch den Zusammenschluss von acht Vorgängereinrichtungen gegründet und ist die viertgrößte Fachhochschule in Deutschland. Weitere Hochschulen in Münster sind die [[Fachhochschule des Bundes für öffentliche Verwaltung]] (Fachbereich Finanzen) in [[Münster-Gievenbeck|Gievenbeck]]. Diese wurde 1978 gegründet und hat 750 Studenten. Die [[Kunstakademie Münster]]&nbsp;– Hochschule für Bildende Künste&nbsp;– wurde 1971 aus einem Institut, das zur [[Kunstakademie Düsseldorf]] gehörte gegründet und ist seit 1987 selbständige Kunsthochschule, an der 2850 Studenten im Wintersemester 2006/2007 eingeschrieben waren. Die Vorgängereinrichtung der [[Philosophisch-Theologische Hochschule Münster|Philosophisch-Theologischen Hochschule Münster]] wurde ebenfalls 1971 gegründet durch die Vereinigung der Hochschulen der Sächsischen Franziskanerprovinz und der Rheinisch-Westfälischen Kapuzinerprovinz. Sie erhielt 1983 die kirchliche und staatliche Anerkennung. An ihr werden etwa 60 Studenten unterrichtet. Auch die [[Katholische Hochschule Nordrhein-Westfalen]] (KatHO NRW) wurde im Jahr 1971 aus mehreren Vorgängereinrichtungen gegründet, unter anderem der Sozialen Frauenschule in Aachen (gegründet 1916) und der Westfälischen Wohlfahrtsschule in Münster (gegründet 1917). Sitz der Fachhochschule ist [[Köln]]. Am Standort Münster sind 618 Studenten immatrikuliert.<ref name="statistik_s12" /> [[Datei:MuensterMPI.jpg|thumb|Das Max-Planck-Institut für molekulare Biomedizin.]] Weitere Bildungseinrichtungen sind das [[Institut der Feuerwehr Nordrhein-Westfalen]] und die „Westfälisch-Lippische Sparkassenakademie“ sowie im Stadtteil [[Münster-Hiltrup|Hiltrup]] die [[Deutsche Hochschule der Polizei]] mit knapp 200 Studenten. Zusätzlich existieren zehn [[Berufskolleg]]s und 39 [[Fachschule]]n. Als führende Forschungseinrichtung in Münster agiert das [[Max-Planck-Institut für molekulare Biomedizin]]. Es wurde am 1. August 2001 in Münster gegründet und besteht aus den drei Abteilungen ''Vaskuläre Zellbiologie'', ''[[Zellbiologie|Zell-]] und [[Entwicklungsbiologie]]'' sowie ''Gewebebiologie und Morphogenese''. Daneben ist am ''Institut für Neutestamentliche Textforschung'' der ''Evangelisch-Theologischen Fakultät'' der WWU die Erstellung des [[Novum Testamentum Graece]] beheimatet. Der hier zusammengestellte Text bildet mitsamt seinem [[Kritischer Apparat|Kritischen Apparat]] die Grundlage für fast alle Übersetzungen des [[Neues Testament|Neuen Testaments]] der [[Bibel]] und die Forschungsgrundlage für christliche Theologen weltweit. === Öffentliche Einrichtungen === Die traditionelle Funktion als Verwaltungshauptstadt des Landesteiles [[Westfalen]] ist infolge der bereits zahlreichen von Münster weg verlagerten Behörden und der vorgesehenen weiteren Straffung der Verwaltungsorganisation gefährdet. Unter anderem wird die Neuordnung der Regierungsbezirke in Nordrhein-Westfalen und damit die Auflösung der Bezirksregierung diskutiert. Öffentliche Einrichtungen in Münster sind das ''Bildungszentrum der Bundesfinanzverwaltung'', die [[Handwerkskammer]] Münster, die [[Industrie- und Handelskammer]] (IHK) Nord Westfalen (Kammerbezirk beider Kammern ist jeweils der [[Regierungsbezirk Münster]]), die [[Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen]], die [[Ärztekammer (Deutschland)|Ärzte-]], [[Zahnärztekammer|Zahnärzte-]] sowie [[Apothekerkammer]] Westfalen-Lippe, das [[Krebsregister]] für Nordrhein-Westfalen, die [[Oberfinanzdirektion Münster]], die [[Wasser- und Schifffahrtsdirektion West]], sowie die [[Deutsche Rentenversicherung Westfalen]]. Von Münster aus koordiniert das so genannte ''Rescue Coordination Centre'' (RCC) der [[Luftwaffe (Bundeswehr)|Luftwaffe]] Einsätze des [[Such- und Rettungsdienst]]es (SAR) in Deutschland. Davon ausgenommen sind die Seegebiete sowie das Bundesland [[Schleswig-Holstein]]. [[Datei:MuensterDeutschNiederlaendischesKorps.jpg|thumb|Hauptquartier des Deutsch/Niederländischen Korps]] In Münster hat das [[Lufttransportkommando]] (LTKdo) seinen Sitz. Dieses plant, steuert, koordiniert und überwacht sämtliche Transporteinsätze der [[Bundeswehr]] weltweit. Etwa 180 [[Transall C-160|Transall]]- und [[Airbus]]-Maschinen werden vom westfälischen Stützpunkt verwaltet. Die Stadt ist auch Sitz des [[1. Deutsch-Niederländisches Korps|1. Deutsch-Niederländischen Korps]] und somit eines Krisen-Reaktionsstabs im [[NATO]]-Verbund. Weiterhin ist die Lehrgruppe B der [[Unteroffizierschule des Heeres]] in der [[Lützow-Kaserne (Münster-Handorf)|Lützow-Kaserne]] in Handorf stationiert. Die Stadt Münster ist Sitz des [[Verfassungsgerichtshof für das Land Nordrhein-Westfalen|Verfassungsgerichtshofs]] und des [[Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen|Oberverwaltungsgerichts]] für das Land [[Nordrhein-Westfalen]]. Darüber hinaus finden sich die folgenden [[Gericht]]e in Münster: [[Verwaltungsgericht Münster|Verwaltungsgericht]], [[Finanzgericht Münster|Finanzgericht]], [[Sozialgericht Münster|Sozialgericht]], [[Landgericht Münster|Landgericht]], [[Amtsgericht Münster|Amtsgericht]] und [[Arbeitsgericht Münster|Arbeitsgericht]] sowie das [[Truppendienstgericht Nord]]. In der ''Gartenstraße'' befindet sich mit [[Justizvollzugsanstalt Münster]] eines der ältesten Gefängnisse Deutschlands. Außerdem gibt es ein [[Generalkonsulat]] der [[Türkei]] sowie [[Honorarkonsulat]]e von [[Frankreich]] und den [[Niederlande]]n. === Gesundheit === [[Datei:MuensterUniversityHospitalTowers.jpg|thumb|Das Wahrzeichen der Universitätsklinik: Die Türme des Zentralklinikums]] Münster gilt als Gesundheitszentrum im nördlichen Westfalen. So existieren im Rahmen der Krankheitsversorgung in Münster neun Krankenhäuser. Vier von ihnen, das [[Clemenshospital Münster|Clemenshospital]], das [[Herz-Jesu-Krankenhaus Münster-Hiltrup|Herz-Jesu-Krankenhaus]], die [[Raphaelsklinik Münster|Raphaelsklinik]] sowie das [[St. Franziskus-Hospital Münster|St. Franziskus-Hospital]], besitzen dabei als Krankenhäuser der [[Versorgungsstufe|Schwerpunktversorgung]] eine überörtliche Bedeutung über die Stadt hinaus. Das größte und bedeutendste Krankenhaus ist das [[Universitätsklinikum Münster]], ein Krankenhaus der Maximalversorgung, das in der Entzündungs- und Transplantationsmedizin, Herz- und Gefäßmedizin, Prä-, Perinatal- und Reproduktionsmedizin, Neuromedizin sowie Tumormedizin einen internationalen Ruf besitzt und jährlich über 50.000 stationäre und 400.000 ambulante Patienten behandelt. Zusätzlich existieren weitere Spezialkliniken mit der [[Fachklinik Hornheide]] im Bereich von Hauterkrankungen, im Bereich psychischer Erkrankungen die [[LWL-Klinik Münster]] und das ''Alexianer-Krankenhaus'' sowie eine Vielzahl von Spezialkliniken für diverse ambulante Eingriffe. Neben den Krankenhäusern existieren an die 30 ambulante Pflegeeinrichtungen, rund 35 Pflegeheime und nahezu 100 Apotheken im Stadtgebiet.<ref>[http://www.muenster.de/stadt/stadtplanung/pdf/Faltblatt_Muenster_im_Spiegel_2008.pdf Münster im Spiegel der Zahlen 2008]</ref> === Verkehr === ==== Eisenbahn ==== [[Datei:MuensterHauptbhf7843.jpg|thumb|Das [[Empfangsgebäude]] des Hauptbahnhofes von Münster]] → ''Hauptartikel: [[Münster (Westfalen) Hauptbahnhof]]'' Münster ist mittelgroßer [[Eisenbahnknoten|Knotenpunkt]] des Eisenbahnpersonenverkehrs an der Hauptstrecke [[Hamburg]] – [[Bremen]] – [[Osnabrück]] – Münster – [[Lünen]] – [[Dortmund]] und weiter über [[Essen]] – [[Duisburg]] – [[Düsseldorf]] oder [[Hagen]] – [[Wuppertal]] nach [[Köln]]. Weitere Hauptstrecken bestehen nach [[Rheine]] – [[Emden]], [[Hamm]] und [[Wanne-Eickel Hauptbahnhof]] – [[Essen]]/[[Oberhausen]]. Nebenstrecken führen nach [[Enschede]], [[Coesfeld]] („[[Baumbergebahn]]“) und [[Rheda-Wiedenbrück|Rheda]] (– [[Bielefeld]]). Wesentliche Mängel des örtlichen Eisenbahnsystems sind die zu langsame Direktverbindung in die Nachbarstadt Bielefeld, die Einschränkung der Leistungsfähigkeit der Hauptstrecke Hamburg – Dortmund durch ihren [[Mehrgleisigkeit|einspurigen]] Abschnitt Münster – Lünen und die hierdurch verursachte erhöhte Verspätungsanfälligkeit sowie der schlechte bauliche Zustand des Empfangsgebäudes des Hauptbahnhofes. Entgegen früheren Ankündigungen ist die Beseitigung der beiden zuerst genannten Mängel nicht vorgesehen. Der Umbau des Hauptbahnhofs ist finanziell gesichert und bedarf nur noch der Entscheidung der Bahn im Planungsverfahren.<ref>[http://www.westfaelische-nachrichten.de/wna/lokales/muenster/nachrichten/Jubel_ueber_Geld_fuer_Bahnhof.html Jubel über Geld für Bahnhof] – Westfälische Nachrichten vom 9. November 2007</ref> Neben dem Hauptbahnhof bestehen anders als in größenmäßig vergleichbaren Städten im geschlossen bebauten Stadtgebiet keine Vorortbahnhöfe mehr, sondern nur in den eingemeindeten Orten [[Münster-Nienberge|Nienberge]] (Ortsteil [[Münster-Häger|Häger]]), [[Münster-Sprakel|Sprakel]], [[Münster-Hiltrup|Hiltrup]], [[Münster-Amelsbüren|Amelsbüren]] und [[Münster-Albachten|Albachten]] sowie am Dienstleistungsstandort [[Münster-Zentrum Nord|Zentrum Nord]]. Daneben existieren Planungen seitens der Stadt Münster, weitere Haltepunkte in [[Münster-Mecklenbeck|Mecklenbeck]] und [[Münster-Roxel|Roxel]] einzurichten.<ref>[http://www.muenster.de/stadt/stadtplanung/pdf/Erneuerungsschwerpunkt_Hauptbahnhof.pdf Zentraler Umsteigepunkt Hauptbahnhof – Situation und Perspektive], Seite 2</ref> Dem Personenbahnhof ist ein Abstellbahnhof für [[Reisezugwagen|Reisezugwaggons]] angeschlossen. Der südlich des Hauptbahnhofes gelegene [[Güterbahnhof]] wurde als [[Eisenbahnknoten|Knotenbahnhof]] 1994 stillgelegt und besitzt wegen der geringen und zurückgegangenen Bedeutung der Industrie in Münster sowie der Verkehrsverlagerung auf die Straße auch im Ortsverkehr nur noch einen Kunden (Firma ''Waggonbau Kiffe''), so dass der Abbruch der Gleisanlagen im sogenannten „Flächennutzungsplan 2010“ angedacht ist. Einen [[Rangierbahnhof]] hat es in Münster anders als in den meisten vergleichbaren Städten nie gegeben, nachdem in Folge der [[Deutsche Inflation 1914 bis 1923|Hyperinflation Anfang der 1920er]] die bereits existierenden Pläne hierfür im Jahre 1924 verworfen wurden. Auch gibt es bahnseitige Überlegungen, den noch mehrheitlich über Münster laufenden durchgehenden Eisenbahngüterverkehr zwischen den Nordseehäfen und dem [[Ruhrgebiet]] durch weitere Rationalisierungsmaßnahmen auf andere Strecken über [[Minden]] zu verlegen, wobei in diesem Zusammenhang auch die 1930 eröffnete, aber unvollständig gebliebene und ausbesserungsbedürftige [[Güterumgehungsbahn Münster|Güterumgehungsbahn]] am östlichen und südlichen Stadtrand stillgelegt werden soll. Die von der [[Westfälische Landeseisenbahn|Westfälischen Landeseisenbahn]] betriebene [[Bahnstrecke Münster–Warstein|Bahnstrecke nach Neubeckum]] (– [[Beckum]] – [[Lippstadt]] – [[Warstein]]) wird seit 1975 nur noch für den Güterverkehr genutzt. Der Eisenbahngüterverkehr ist in Münster im Gegensatz zum Personenverkehr nahezu bedeutungslos geworden. Es hat in den letzten Jahren immer wieder Überlegungen gegeben den Personenverkehr auf der WLE-Strecke zu reaktivieren. Der Umbau der maroden Strecke zu einem modernen [[stadtbahn]]-ähnlichen Betrieb scheiterte bisher an der Finanzierung. ==== Fahrrad ==== [[Datei:Muenster Radstation7847.jpg|thumb|[[Radstation Münster|Radstation]] am Hauptbahnhof]] → ''Hauptartikel: [[Fahrradstadt Münster]] Eine besondere Bedeutung hat im innerstädtischen Verkehr das [[Fahrrad]] (in Münster im Volksmund auch mit dem Begriff ''Leeze'' aus der Sondersprache ''[[Masematte]]'' bezeichnet), wofür ein gut ausgebautes [[Radverkehrsanlage|Radwegenetz]] besteht und am Bahnhof das [[Fahrradparkhaus]] ''[[Radstation Münster]]'' mit Fahrradwaschanlage errichtet wurde. Von den täglich etwa 1,3 Millionen durchgeführten Fahrten in der Stadt werden etwa 40 % per Fahrrad durchgeführt&nbsp;– eine drei Mal höhere Quote als in vergleichbar großen Städten. Gefördert wird der Fahrradverkehr unter anderem durch die als „Fahrradautobahn“ bezeichnete [[Promenade (Münster)|Promenade]], eigene Fahrstreifen für Radler auf großen Kreuzungen, Ausnahmen von der vorgeschriebenen Fahrtrichtung an Kreuzungen und Einmündungen, die Einrichtung von so genannten „unechten“ Einbahnstraßen (das heißt Verbot der Einfahrt von einer Seite mit der Ausnahme von Radfahrern) und damit die Nutzungsmöglichkeit in beiden Fahrtrichtungen, sowie die elf [[Fahrradstraße]]n. Da Münster bereits mehrmals als fahrradfreundlichste Stadt Deutschlands ausgezeichnet wurde, kommen häufig Stadtplaner aus aller Welt hierher, um ihre Städte fahrradfreundlicher zu gestalten: Unter anderem gab es bereits Hilfe für [[Florenz]], [[Kristiansand]] und [[Richfield (Minnesota)]]. Münster liegt am [[Europaradwanderweg R1]], der von [[Sankt Petersburg]] ([[Russland]]) über [[Berlin]] nach [[Calais]] ([[Frankreich]]) führt. Auf dem Stadtgebiet führt der Weg grob gesehen von der Pleistermühle über die Straßen ''Zum guten Hirten'', ''Warendorfer Straße'', ''Promenade'', ''Wilhelmstraße'' und ''Horstmarer Landweg''. ==== Fußverkehr ==== In der Innenstadt innerhalb des [[Promenade (Münster)|Promenadenrings]] besitzt größtenteils der [[Fußverkehr]] zusätzlich zum Fahrrad eine hohe Priorität. Dies gilt insbesondere für die ehemaligen Marktstraßen wie den [[Prinzipalmarkt]], den [[Roggenmarkt (Münster)|Roggenmarkt]], die [[Salzstraße (Münster)|Salzstraße]] und die Ludgeristraße. Sie dürfen teilweise nur noch unter bestimmten Voraussetzungen mit einem Kfz befahren werden, beispielsweise zur Anlieferung oder im Rahmen des ÖPNV. Die Haupteinkaufsmeilen der Innenstadt befinden sich somit fest in der Hand der Fußgänger. Aber auch die meisten anderen Straßen innerhalb des Stadtzentrums, die für den Individualverkehr freigegeben sind, unterliegen besonderen Einschränkungen wie beispielsweise Einbahnstraßenregelungen und vorgegebenen Fahrtrichtungen beim Abbiegen. Da sie zudem häufig mit Überquerungshilfen für Fußgänger durchsetzt sind, liegt der Fokus bei diesen Straßen ebenfalls sehr stark auf dem Bereich Fußverkehr. ==== Stadtverkehr ==== [[Datei:100 6864 2849 Hbf.JPG|thumb|Ein Bus der Stadtwerke am Hauptbahnhof]] Die Stadt gehört der [[Verkehrsgemeinschaft Münsterland]] an. Seit Stilllegung der [[Straßenbahn Münster (Westfalen)|Straßenbahn]] 1954 und des [[Oberleitungsbus|Trolleybusbetriebes]] 1968 besteht der von den [[Stadtwerke Münster|Stadtwerken Münster]] betriebene städtische [[Öffentlicher Personennahverkehr|öffentliche Personennahverkehr]] (ÖPNV) in Münster nur noch als [[Omnibus]]betrieb. Somit ist Münster zusammen mit Wiesbaden und Aachen eine der größten deutschen Städte ohne Schienen-ÖPNV-System. Jedoch wird der Busverkehr durch die Schaltung von Ampeln auf [[Grüne Welle]] sowie durch separat eingerichtete Fahrspuren für Busse vor PKW bevorzugt. Laut eigenen Aussagen betreiben die Stadtwerke Münster eine der modernsten Busflotten in Deutschland. Wegen der Bedeutung Münsters als Kaufmannsstadt wird von der städtischen [[Verkehrspolitik]] vorrangig der Straßenverkehr gefördert. Es wird davon ausgegangen, dass Münster als überregional bedeutender Standort für den [[Einzelhandel]] und für [[Pendler]], die in Münster arbeiten, ausreichende Parkmöglichkeiten bieten muss. Die Wiedereinführung schienengebundenen Stadtverkehrs ist in Münster im Gegensatz zu einigen anderen größenmäßig vergleichbaren deutschen Städten, zum Beispiel in [[Karlsruhe]], daher nicht vorgesehen. Die hohe Nutzung von Fahrrädern in Münster trägt dazu bei, dass die Nachfrage nach öffentlichen Verkehrsmitteln nicht so hoch ist wie in vergleichbaren Städten. Der am schnellsten wachsende Stadtteil [[Münster-Gievenbeck|Gievenbeck]] befindet sich nicht an einer der vorhandenen [[Eisenbahnstrecke]]n, sondern ist nur auf der Straße erreichbar. ==== Straßenverkehr ==== [[Datei:Muenster Umgehungsstr 7228.jpg|thumb|Blick auf die Umgehungsstraße B&nbsp;51 mit der Kreuzung mit dem ''Albersloher Weg'' und dem [[Gasometer (Münster)|Gasometer]] im Hintergrund.]] [[Datei:MuensterSteinfurterStrasseNW.jpg|thumb|Die ''Steinfurter Straße'' (B&nbsp;54) in nordwestlicher Richtung zum Stadtausgang hin gesehen.]] Durch das Stadtgebiet der Stadt Münster verläuft als eine wichtige Fernverkehrsstraße die [[Bundesautobahn 1|Autobahn&nbsp;1]] seit 1965 in Nord-Süd-Richtung. Die hier auch als ''Hansalinie'' bezeichnete Trasse verläuft in einem weiten Bogen durch den Westen der Stadt und sorgt für eine räumliche Abtrennung der Stadtteile [[Münster-Nienberge|Nienberge]] und [[Münster-Roxel|Roxel]] vom übrigen Stadtgebiet. Seit dem Jahr 1981 besteht ein Anschluss an die [[Bundesautobahn 43|Autobahn&nbsp;43]], die von [[Wuppertal]] über [[Bochum]] und [[Recklinghausen]] kommend die A&nbsp;1 am [[Autobahnkreuz Münster-Süd]] unterquert und wenige Kilometer weiter in die Bundesstraßen [[Bundesstraße 219|219]] und [[Bundesstraße 51|51]] übergeht. Während die B&nbsp;219 in nördlicher Richtung durch das Stadtgebiet nach [[Greven]] und [[Ibbenbüren]] führt, verläuft die B&nbsp;51 im einem weiten Bogen in nordöstlicher Richtung als Umgehungsstraße um Münster herum über [[Georgsmarienhütte]], [[Osnabrück]] und [[Diepholz]] nach [[Bremen]]. Als dritte übergeordnete Straße durchquert die [[Bundesstraße 54|Bundesstraße&nbsp;54]] in südöstlicher Richtung die Stadt. Dabei kreuzt sie am Kreuz Münster-Nord die Autobahn A&nbsp;1, vereint sich im Bereich des historischen Stadtkerns mit der Bundesstraße&nbsp;219, um dann über den [[Ludgeriplatz]] und die ''Hammer Straße'' in Richtung [[Dortmund]] und im weiteren Verlauf in Richtung [[Wiesbaden]] weiterzuführen. Neben diesen übergeordneten Straßen existieren noch weitere Hauptachsen des Straßenverkehrs. Aufgrund Münsters Rolle als Oberzentrum des [[Münsterland]]es und ehemalige Provinzialhauptstadt führen mehrere wichtige [[Ein- und Ausfallstraße|Einfallstraßen]] sternförmig in die Stadt. Dabei handelt es sich neben den bereits erwähnten Bundesstraßen noch um den ''Schiffahrter Damm'', die ''Wolbecker Straße'', den ''Albersloher Weg'' und die ''Weseler Straße''. Innerhalb der Stadt wird die Hauptlast des Verkehrs über zwei Ringstraßen geführt. Der innere Ring verläuft rund um den historischen Stadtkern. Im Norden durch die ''Münzstraße'' und Westen durch die Straßen ''Hindenburgplatz'' und ''Am Stadtgraben'' verläuft sie innerhalb des [[Promenade (Münster)|Promenadenrings]], im Osten und Süden verläuft sie unweit außerhalb des Promenadenrings. Der äußere Ring, von Münsters Bürger oft einfach nur als ''Der Ring'' bezeichnet, verläuft in einem Abstand von rund einem Kilometer um den inneren Ring. Allerdings ist dieser nicht komplett vollendet worden, so dass der südliche Abschnitt zwischen der ''Weseler Straße'' und dem [[Münster (Westfalen) Hauptbahnhof|Hauptbahnhof]] fehlt und der Verkehr über den inneren Ring und den Ludgeriplatz geführt wird. Neben den beiden Ringstraßen bestehen Pläne für den Bau eines dritten, äußeren Rings. Die Umgehungsstraße B&nbsp;51 als Teil hiervon ist im Süden und Osten bereits fertiggestellt, bevor sie in die ''Warendorfer Straße'' einmündet. Die Verlängerung in Richtung Norden zum ''Schiffahrter Damm'' auf Höhe der Schleuse am [[Dortmund-Ems-Kanal]] bei [[Münster-Coerde|Coerde]] ist bereits genehmigt und befindet sich in der Planungsphase. In diesem Zusammenhang soll auch die bislang ab Höhe des ''Albersloher Weg'' als einspurig geführte Trasse zweispurig ausgebaut werden. Weitere Überlegungen existieren für den Bau des noch fehlenden nördlichen Abschnitts zur ''Steinfurter Straße'' und der Autobahn&nbsp;1 als westliche [[Tangente (Verkehr)|Tangente]]. Wegen der hohen [[Feinstaub]]belastung im Stadtzentrum wurde von der Bezirksregierung Münster ein Luftqualitätsplan mit dem Ziel aufgestellt, die Schadstoffemmissionen zu reduzieren. In diesem Rahmen wurde ab 1. Januar 2010 in Münster eine [[Umweltzone]] eingerichtet, die nur von Fahrzeugen der Feinstaubgruppen 3 und 4 befahren werden darf. Die Umweltzone wird von der ''Münzstraße'' und ''Breul'' im Norden bis zur ''Moltke''- und ''Hafenstraße'' im Süden reichen. In Ost-West-Richtung wird sie sich von der ''Bahnhof''- und ''Eisenbahnstraße'' bis zum ''Hindenburgplatz'' und ''Am Stadtgraben'' sowie den weiteren Verläufen der genannten Straßen erstrecken. Die Umweltzone umfasst damit ungefähr das Gebiet innerhalb des [[Promenade (Münster)|Promenadenrings]]. ==== Luftverkehr ==== [[Datei:Flughafen Münster Osnabrück, Terminal I + II.JPG|thumb|Blick auf die beiden Terminals des Münster-Osnabrück International Airport. Im Vordergrund Terminal&nbsp;I, dahinter zum Teil durch Bäume verdeckt Terminal&nbsp;II.]] Auf dem Gebiet der benachbarten Stadt [[Greven]] befindet sich der internationale [[Flughafen Münster/Osnabrück|Flughafen Münster-Osnabrück International Airport]] (FMO, internationale Kennung EDDG), von wo neben Linienflugverbindungen innerhalb Deutschlands sowie in einige europäische Länder vor allem [[Charterflug]]verbindungen in verschiedene Urlaubsgebiete bestehen. Jährlich werden circa 1,8 Millionen Passagiere abgefertigt. Der geplante weitere Ausbau der Start- und Landebahn (inzwischen finanziell gesichert) von derzeit 2.170 Meter auf zunächst 3.000 Meter (Endausbau 3.600 Meter) ermöglicht die Bedienung mittlerer Langstrecken ([[Dubai]], [[Dominikanische Republik]] usw.), wodurch eine weitere positive Verkehrsentwicklung des Flughafens erwartet wird. Ein weiterer Flugplatz besteht mit dem als Verkehrslandeplatz eingestuften [[Flugplatz Münster-Telgte]] auf dem Gebiet der Stadt [[Telgte]], nordöstlich von [[Münster-Wolbeck|Wolbeck]]. Neben der Funktion für den regulären privaten und geschäftlichen stattfindenden Flugverkehr dient er auch als Basis für drei Flugvereine aus Münster. ==== Schifffahrt ==== [[Datei:MuensterDortmundEmsKanal36.JPG|thumb|Dortmund-Ems-Kanal]] Bereits in Jahre 1724 wurde in Münster mit dem Bau eines Kanals begonnen. Der so genannte [[Max-Clemens-Kanal|Münstersche Canal]] sollte das niederländische Wasserstraßennetz und die Nordsee erreichen, wurde aber nur bis [[Clemenshafen]] ([[Neuenkirchen (Kreis Steinfurt)|Neuenkirchen]]) und später bis [[Maxhafen]] ([[Wettringen (Münsterland)|Wettringen]]) gebaut. Der Kanal war bis 1840 in Betrieb. Die Überreste sind als technisches Bodendenkmal geschützt und unter der Bezeichnung ''Max-Clemens-Kanal'' bekannt. Durch Münster verläuft auch der [[Dortmund-Ems-Kanal]] zwischen dem [[Emder Hafen|Nordseehafen Emden]] und seinem Endpunkt im großen [[Hafen Dortmund|Binnenhafen Dortmund]]. Am nördlichen Stadtrand besteht eine [[Schiffsschleuse|Schleuse]]. Anders als im Güterverkehr ist der Kanal im Personenverkehr, abgesehen von einem geringen Ausflugsverkehr, bedeutungslos. Der [[Hafen Münster|Binnenhafen in Münster]] ist aufgrund seiner zurückgegangenen Bedeutung in großen Teilen stillgelegt worden und wurde im Jahr 2006 nur noch von 141 Frachtschiffen angelaufen.<ref>[http://www.muenster.de/stadt/stadtplanung/pdf/Jahres-Statistik-2006.pdf Jahresstatistik 2006 der Stadt Münster] S. 173</ref> Viele Flächen mit Gebäuden ehemals dort ansässig gewesener Betriebe wurden neuen Nutzungen zugeführt. Dabei wird besonderer Wert darauf gelegt, Künstler anzusiedeln und durch die in den letzten Jahren stark zunehmende Gastronomie auch ein neues Freizeitgebiet zu schaffen. Während diese Umstrukturierung nördlich des Hafens am ''Kreativkai'' bereits weitgehend abgeschlossen ist, ist der südliche Teil noch industriell geprägt. Mittelfristig soll der Hafen selbst zu einer [[Marina (Hafen)|Marina]] umgebaut werden. === Medien === ==== Zeitungen ==== [[Datei:Muenster Aschendorff0183.jpg|thumb|upright|Verlagshaus Aschendorff, Stammsitz bis 2008, heute Sitz des Buchverlages]] Für Münster selbst und das Umland existieren zwei [[Tageszeitung]]en. Dies sind zum einen die ''[[Westfälische Nachrichten|Westfälischen Nachrichten]]'' mit einer täglichen Auflage von 210.000 Exemplaren bei [[Aschendorff|Aschendorff Medien]], zum anderen die ''[[Münstersche Zeitung]]'' im [[Medienhaus Lensing|Verlag Lensing-Wolff]] mit einer täglichen Auflage von 63.466 Exemplaren (jeweilige Auflagenhöhe laut [[Informationsgemeinschaft zur Feststellung der Verbreitung von Werbeträgern|IVW]]). Des Weiteren erscheinen mit lokalem Bezug die beiden wöchentliche Terminkalender ''na dann …'' und ''Wochenschau'' sowie das 14-tägliche [[Stadtmagazin]] ''ultimo'' und die monatlich erscheinende ''GIG'', welche in hoher Auflage kostenlos verteilt werden, die [[Obdachlosenzeitung]] ''draußen!'', die monatliche Arbeitslosenzeitung ''Sperre'', das zweimonatlich kostenlos erscheinende, regionale Interviewmagazin ''Stadtgeflüster Münster'', die regionale Kulturzeitschrift [[Westfalenspiegel]], die überregionale, alternative Monatszeitung ''[[Graswurzelrevolution]]'', sowie das bundesweit erscheinende Monatsmagazin ''[[Jazzthetik]]''. Daneben erscheinen in Münster zwei große Gratiszeitungen. Dies sind zum einen die ''Kaufen und Sparen'' mit einer Auflage für Münster von 119.000 Exemplaren und zum anderen seit 2006 die Gratiszeitung ''HALLO'' mit einer Auflage für Münster von 133.000 Exemplaren. Ebenfalls gratis ist die seit 1993 im Zentrum der Stadt wöchentlich erscheinende Sonntagszeitung ''MS – Münster-am-Sonntag''. ==== Fernsehen ==== Der [[Westdeutscher Rundfunk|WDR]] betreibt im Osten Münsters ein Lokalstudio, in dem unter anderem die ''Lokalzeit aus dem Münsterland'' für das WDR-Fernsehen produziert werden. Seit 2002 dreht der WDR in Münster eine „[[Tatort (Fernsehreihe)|Tatort]]“-Reihe mit Hauptkommissar Frank Thiel ([[Axel Prahl]]) und Rechtsmediziner Prof. Boerne ([[Jan Josef Liefers]]). Ebenfalls eine Krimireihe produziert das [[ZDF]] in Münster mit dem Titel „[[Wilsberg (Fernsehserie)|Wilsberg]]“ und mit [[Leonard Lansink]] in der Hauptrolle als Privatdetektiv Wilsberg. Daneben existierte bis zum 31. Dezember 2008 der kleine Spartensender [[Offener Kanal]] Münster (''OK-Münster''/''TV-Münster''), der über das Kabelnetz empfangen werden konnte. Aufgrund der geänderten Finanzierung durch die [[Landesanstalt für Medien Nordrhein-Westfalen]] wurde der Sendebetrieb über Kabelfernsehen eingestellt. Seit dem 1. Januar 2009 erfolgt die Ausstrahlung über die Internetplattform ''open. web. tv''. Das Programm selbst wird im ''Bürgerhaus Bennohaus'' produziert. Ab dem 1. Februar wird auch der Regionalsender [[wm.tv]] in Münster senden, dessen Sendezentrale in [[Bocholt]] beheimatet ist. ==== Hörfunk ==== Der [[Westdeutscher Rundfunk|Westdeutsche Rundfunk]] (WDR) ist mit seinen fünf Spartensendern im gesamten Stadtgebiet zu empfangen. Im Münsteraner Lokalstudio des WDR werden die Lokalnachrichten für das Münsterland (''Nachrichten aus dem Münsterland'') für den Sender [[WDR 2]] produziert. Ebenfalls ansässig in Münster ist der private Radiosender [[Antenne Münster]]. Er wird von der Lokalradio Münster Betriebsgesellschaft mbH betrieben und sendet außerhalb der lokalen Option das Rahmenprogramm von [[Radio NRW]]. Im Stadtgebiet kann er auf [[Ultrakurzwelle|UKW]] 95,4&nbsp;MHz empfangen werden, die Kabelfrequenz beträgt 91,2&nbsp;MHz. Als dritter Sender in Münster wird das [[Hochschulradio]] ''[[Radio Q]]'' vom Hochschulrundfunk Münster e.&nbsp;V. betrieben und kann auf UKW 90,9&nbsp;MHz im Stadtgebiet empfangen werden, die Kabelfrequenz beträgt 105,3&nbsp;MHz. Münster verfügt darüber hinaus über vier durch die [[Landesanstalt für Medien Nordrhein-Westfalen]] anerkannte Radiowerkstätten, in denen Bürgergruppen Beiträge für den [[Bürgerfunk]], der über Antenne Münster ausgestrahlt wird, herstellen können. Diese Radiowerkstätten werden jeweils unterhalten von dem Verein [[Medienforum münster|medienforum münster e.&nbsp;V.]], der ''Volkshochschule Münster'', dem ''Offenen Bürgerkanal Münster e.&nbsp;V.'' sowie der [[Katholische Akademie Franz-Hitze-Haus|katholisch-sozialen Akademie Franz-Hitze-Haus]]. ==== Verlage ==== Neben den Zeitungsverlagen sitzen auch traditionelle Buchverleger in Münster. Unter diesen befinden sich der [[Aschendorff Verlag]] mit Schwerpunkt Theologie, Regional- und Kulturgeschichte, der [[Fachbuchverlag]] [[Verlag Klemm & Oelschläger|Klemm & Oelschläger]] sowie der Kinderbuchverlag [[Coppenrath Verlag|Coppenrath]], der regionale [[Ardey-Verlag]] und der [[OWC-Verlag für Außenwirtschaft]]. In Münster-Nienberge ist mit der [[LexisNexis|LexisNexis Deutschland GmbH]] ein juristischer Fachverlag ansässig, der Offline- und Online-Datenbanken zu den Themenbereichen Recht und Wirtschaft vertreibt. Dem Unternehmen angeschlossen ist der [[ZAP-Verlag]], in dem pro Jahr mehr als fünfzig Printwerke und mehrere Fachzeitschriften erscheinen. LexisNexis ist als Teil des [[Reed Elsevier|Reed-Elsevier-Konzerns]] der weltweit größte Rechtsdatenbank-Anbieter und hat allein in Münster über 300 Mitarbeiter. === Tourismus === [[Datei:Eurocityfest.jpg|thumb|Prinzipalmarkt während des Eurocityfestes]] Jährlich kommen rund fünf Millionen Touristen nach Münster. Ungefähr 497.000 Gäste, davon etwa 54.000 Gäste aus dem Ausland, bleiben für mehrere Tage in Münster und buchen im Durchschnitt zwei Übernachtungen. Für sie stehen in den 80 Beherbergungsbetrieben innerhalb der Stadtgrenzen ungefähr 7.100 Betten zur Verfügung.&nbsp;<ref>[http://www.muenster.de/stadt/stadtplanung/pdf/Jahres-Statistik-2006.pdf Jahresstatistik 2006 der Stadt Münster], Seiten 160, 162</ref> Hauptanziehungspunkte sind die Museen und Kirchen sowie die historische Altstadt. Besonders für Eintagesgäste ist Münster als Einkaufsstadt beliebt, aber auch die regionalen Feste wie das ''[[Eurocityfest]]'', der [[Weihnachtsmarkt]] und der Jahrmarkt ''[[Send (Münster)|Send]]'' ziehen Gäste aus dem [[Ruhrgebiet]], dem [[Emsland]] und den [[Niederlande]]n an. Zur besseren Verständigung werden deshalb bei großen Veranstaltungen auch niederländische Polizisten in Münster eingesetzt. Der Tourismus trägt jährlich rund 850 Mio. Euro nach Münster, wie eine Münchner [[Unternehmensberater|Unternehmensberatung]] 2006 im Auftrag von ''Münster Marketing'' herausgefunden hat&nbsp;<ref>''Westfälische Nachrichten'' vom 18. November 2006, Seite 5 des Lokalteils Münster</ref>. Die Stadt Münster bietet über den Verein ''StadtLupe'' Münster e.&nbsp;V. eigene Rundgänge an, zum Beispiel eine Altstadt-Tour oder eine „ArchitekTour“. Etwas andere Rundgänge werden vom gemeinnützigen Verein ''StattReisen Münster'' organisiert. Der Verein will dabei helfen, ''die Stadt und ihre Umgebung „zu entziffern“''. Dabei wird unter anderem die ''Jagd auf Mister X'' inszeniert, ein Totengräber lädt zur ''Gruselnacht''. Alternativ besteht seit dem 1. Juni 2007 die Möglichkeit mit einem Spezialbus der ''Münsteraner Stadtrundfahrten'' die Sehenswürdigkeiten der Stadt zu besichtigen. Während der Sommermonate startet diese rund 50-minütige Tour durch die Altstadt im Stundentakt. Auf die Spuren der Münsteraner Frauen können sich Besucher bei den ''Stadtrundgängen zur Frauengeschichte in Münster'' begeben. Seit dem Gewinn des [[LivCom-Award]]s wirbt Münster mit dem Titel ''lebenswerteste Stadt der Welt''. Unter anderem wurden Plakate mit dem Satz „Münster ist die lebenswerteste Stadt der Welt“ und Szenen aus dem Stadtleben verteilt. Jeder münstersche Haushalt bekam außerdem zwei Postkarten mit Werbung für die Stadt. 2005 startete die Stadt die Image-Kampagne ''geheimtipp-muenster''. == Kultur und Sehenswürdigkeiten == [[Datei:Muenster Hafen0197.jpg|thumb|Münsters Hafen mit dem ''Kreativkai'']] Neben vielen historischen Gebäuden wird die Kultur der Stadt nicht zuletzt durch ihre zahlreichen Studierenden (rund 48.000) geprägt, die eine ''lässige'' Atmosphäre entstehen lassen. Es gibt&nbsp;– in Relation zur Größe der Stadt&nbsp;– zahlreiche Cafés, Kneipen und Klubs. Dies gilt in den letzten Jahren insbesondere für das [[Münster-Hansaviertel|Hansaviertel]]. Auffällig sind die unzähligen Fahrräder, die sich nicht nur auf der innerstädtischen [[Promenade (Münster)|Promenade]] tummeln. Die im Jahre 1770 durch [[Wilhelm Ferdinand Lipper]] angelegte Promenade ist ein Rad- und Fußweg, der die gesamte Altstadt Münsters ringförmig umgibt. Sie liegt zum großen Teil auf den ehemaligen Wallanlagen. Die Promenade ist circa 4,5 Kilometer lang und gilt als eine homogene städtebauliche Einheit. Die ehemaligen Industriegebiete ''Am Hawerkamp'' und ''Hafen'' im Hansaviertel wurden umgewandelt und bieten neben Galerien und Gastronomie viel ''alternatives'' Leben. Münster hatte sich in Kooperation mit [[Osnabrück]] als [[Europäische Kulturhauptstadt]] für das Jahr 2010 beworben. Von den drei Bewerber-Städten aus Nordrhein-Westfalen ([[Essen]], [[Köln]], Münster) wurde Essen als Kandidat nominiert. === Architektur === [[Datei:ArchitekturMünster.jpg|thumb|left|Moderne und historische Architektur gehen in Münster Hand in Hand]] Architektonisch gesehen ist Münster eine Stadt voller Widersprüche. Die Wahrnehmung wird geprägt von der Altstadt im Bereich des Prinzipalmarkts, während die Stadt bezogen auf ihre Gesamtfläche überwiegend im Stil der Nachkriegs- und Postmoderne bebaut ist. Das Erscheinungsbild der Innenstadt rund um den [[Prinzipalmarkt]] mit [[Arkade]]ngang und Giebelhäusern ist seit dem 12. Jahrhundert fast vollständig erhalten geblieben, obwohl die einzelnen Gebäude selbst überwiegend zerstört und wiederaufgebaut wurden. Andererseits entstanden nach dem [[Zweiter Weltkrieg|Zweiten Weltkrieg]] vom Aussehen her entweder funktionelle oder moderne Gebäude in direkter Nachbarschaft. Deutlich wird dies am Beispiel des Krameramtshauses von 1589, neben dem 1993 das Glas-Beton-Bauwerk der Stadtbibliothek entstanden ist. Im Gegensatz zu vielen anderen Städten (zum Beispiel [[Dortmund]], [[Frankfurt am Main]], [[Kassel]]) hat sich der Wiederaufbau der nahezu völlig zerstörten Innenstadt am alten Stadtbild orientiert. Im Bereich des Kuhviertels, des Aegidiiviertels, der [[Engelenschanze]] und des [[Hindenburgplatz (Münster)|Hindenburgplatzes]] wurden Durchbrüche vorgenommen und neue Straßen geschaffen. Allerdings wurde der Promenadenring erhalten und im Bereich von Domplatz und Prinzipalmarkt die Straßen nicht verbreitert, so dass hier der [[Mittelalter|mittelalterliche]] Stadtgrundriss weitgehend erhalten blieb, auch wenn die Bebauung größtenteils aus den Fünfziger Jahren des 20. Jahrhunderts stammt. [[Datei:Muenster,Prinzipalmarkt06.jpg|thumb|upright|Prinzipalmarkt mit Lambertikirche]] Außerhalb der Innenstadt dominieren in Münster Wohnhäuser in Backsteinbauweise, die immer häufiger von modernen Stahl/Glas-Bauten durchsetzt werden. Ein Beispiel hierfür ist der Büro-Tower aus dem Jahre 2002 an der Hammer Straße. ==== Historische Architektur ==== [[Datei:PrinzipalmarktMuensterNacht.JPG|thumb|left|[[Prinzipalmarkt]] nachts von der Lambertikirche gesehen]] In Münster finden sich zahlreiche architektonische Meisterwerke historischer Baukunst. An vorderster Stelle sei der [[Prinzipalmarkt]] genannt. Diese historische Kaufmannsstraße besteht aus einer Vielzahl aneinander gereihter Giebelhäuser mit einem durchgehenden Bogengang. Nach der fast vollständigen Zerstörung im Zweiten Weltkrieg wurde er in Anlehnung an das historische Vorbild wieder aufgebaut. Teil des Prinzipalmarktes ist das [[Wahrzeichen]] der Stadt, das [[Historisches Rathaus Münster|historische Rathaus]] mit dem originalen „Friedenssaal“, in dem zwischen 1643 und 1648 die Verhandlungen zum [[Westfälischer Frieden|Westfälischen Frieden]] stattfanden und am 15. Mai 1648 der [[Friede von Münster]] geschlossen wurde. An den Prinzipalmarkt schließt sich eine der ältesten Marktstraßen Münsters an, der [[Roggenmarkt (Münster)|Roggenmarkt]]. Neben der [[Tuckesburg]], dem Haus des ehemaligen Zoo-Direktors Professor [[Hermann Landois]], finden sich in Münster zahlreiche weitere Bauten von [[Johann Conrad Schlaun]]. Dazu gehören unter anderem das [[Fürstbischöfliches Schloss Münster|fürstbischöfliche Schloss]] für den damaligen Fürstbischof [[Maximilian Friedrich von Königsegg-Rothenfels]] (1767–1787), das [[Haus Rüschhaus]] (1753–1757), das Stadthaus (1767–1773) sowie der vielfach als sein Meisterwerk angesehene [[Erbdrostenhof]] (1755). Die meisten der historischen Gebäude und Skulpturen wurden unter Verwendung von [[Baumberger Sandstein]] geschaffen. ==== Historische Bauten ==== [[Datei:MuensterZwinger24.JPG|thumb|[[Zwinger (Münster)|Zwinger]] an der Promenade]] Zusätzlich zu den historischen Bauwerken mit außergewöhnlicher Architektur gibt es noch weitere Bauwerke mit historischer Bedeutung in der Westfalenmetropole. Zu nennen ist unter anderem der [[Zwinger (Münster)|Zwinger]] an der Promenade. Er wurde im Jahre 1528 als Festungsbauwerk errichtet. Nach einem Umbau durch Johann Conrad Schlaun in den Jahren von 1732 bis 1734 wurde er bis zum Ende des 19. Jahrhunderts als Gefängnis genutzt. Während der Zeit des [[Nationalsozialismus]] diente der Zwinger seit 1938 als ein Kulturheim für die Hitlerjugend, bevor er 1944 zu einer Inhaftierungs-, [[Folter]]- und [[Hinrichtung]]sstätte der [[Gestapo]] umfunktioniert wurde. Mittlerweile dient das zwischen 1995 und 1997 komplett restaurierte Gebäude als Mahnmal und beherbergt die Arbeit ''„Das gegenläufige Konzert“'' von [[Rebecca Horn]]. Mit dieser Arbeit, die zu den wenigen Werken der zeitgenössischen Kunst gehört, die sich mit einem ganz konkreten Ort auseinandersetzen, hatte die Künstlerin die Öffnung des bis dahin als Tabu behandelten und ummauerten Ortes erzwungen. [[Datei:MuensterOberverwaltungsgerichtNebenstelle.jpg|thumb|upright|left|Heeremann’sche Hof]] In der Königstraße befindet sich der „Heereman’sche Hof“. Der Adelshof mit rückwärtigem Steinwerk von 1549 und Werksteinfassade am Vorderhaus von 1564 befand sich seit 1834 im Besitz der Freiherrn [[Heereman von Zuydtwyck]]. Der Entwurf stammt vermutlich von Hermann tom Ring. Die reichgegliederte, vom herkömmlichen [[Giebelständig|Giebelhaus]] abweichende Schaufront, ist eines der bedeutendsten Bauwerke der [[Renaissance]] in Münster. Über dem Mittelfenster im 1. Stockwerk ist ein Zitat aus der [[Vulgata]] ''„Post tenebras spero lucem“'' (dt. „Nach der Finsternis, hoffe ich das Licht“) in die Fassadenoberfläche eingearbeitet. Nachdem ein Brand das Gebäude im Zweiten Weltkrieg beschädigte, wurde der Außenbau in alter Form wiederhergestellt. 1963 bezog das [[Verwaltungsgericht Münster]] das Anwesen. Seit 1984 ist dort eine Nebenstelle des [[Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen|Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen]] untergebracht. [[Datei:Muenster,Germany,Buddenturm21.JPG|thumb|upright|Buddenturm]] Ein weiteres sehenswertes historisches Bauwerk ist der [[Buddenturm]] am nördlichen Teil der Promenade. Der Turm ist ein Rest der ehemaligen Stadtbefestigung vor dem Jahre 1200. Nach dem Abriss der Stadtmauer gegen Ende des 18. Jahrhunderts wurde er 1878 zu einem Wasserturm umgebaut. Dazu wurde dem Turm ein Zinnenkranz aufgesetzt, hinter dem sich der Wasserbehälter befand. Nach 1945 wurde er restauriert und wieder mit der alten Form des Kegeldachs versehen. Zusammen mit dem Zwinger, zwei Wasserbären und den Überresten des „Neuwerk“ ist er eines der letzten noch erhaltenen Bauwerke der ehemaligen Stadtbefestigung. Das 1589 erbaute „Krameramtshaus“ ist eines der ältesten [[Zunft|Gildehäuser]] in Münster. Während der Verhandlungen zum [[Westfälischer Friede|Westfälischen Frieden]] im Jahre 1648 waren hier die Gesandten der Niederländischen Generalstaaten einquartiert. Seit 1995 ist hier das „[[Haus der Niederlande]]“ untergebracht, ein in Deutschland einzigartiges akademisches Wissenschafts- und Kulturzentrum. Es befindet sich nördlich der Lambertikirche. ==== Moderne Architektur (Nachkriegsarchitektur) ==== [[Datei:Muenster,Stadtbücherei9477.JPG|thumb|Stadtbücherei Münster]] Bei Besuchern der Stadt ist Münster vor allem für seine historische Architektur bekannt. Jedoch wurden in den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg mehrere Gebäude geschaffen, die das Attribut ''modern'' verdienen und interessante architektonische Leistungen darstellen. So ist als einer der ersten Theaterneubauten nach dem Zweiten Weltkrieg vom Architektenteam [[Harald Deilmann|Deilmann]], von Hausen, Rave und Ruhnau für die [[Städtische Bühnen Münster|Städtischen Bühnen Münster]] 1954 eine ineinander geschachtelte Beton-/Glasblockkonstruktion entstanden. Von Deilmann stammt auch das in den frühen siebziger Jahren auf dem ehemaligen Zoogelände errichtete Verwaltungsgebäude der nordrhein-westfälischen Landesbausparkasse. Die von Architekturkritikern vielgerühmte und von der Bürgerschaft gut angenommene [[Stadtbücherei Münster|Stadtbücherei]] von 1993 (Architekturbüro [[Bolles+Wilson]]), nahe der historischen Altstadt gelegen, stellt ebenfalls einen reizvollen Gegensatz zur klassischen „Münster-Architektur“ dar: Der Bau aus Backstein, Beton und Glas hat die Form eines Schiffes, das metallene Eingangsportal stammt aus einer [[Rostock]]er Werft. [[Datei:MuensterLVM.jpg|thumb|left|upright|Bürohochhaus der [[LVM Versicherungen]]]] Münsters erstes Hochhaus ist das Iduna-Hochhaus am [[Servatiiplatz]]. Das Gebäude wurde von [[Friedrich Wilhelm Kraemer]], Ernst Sieverts und Günter Pfennig in den Jahren 1960 und 1961 gebaut und steht unter [[Denkmalschutz]]. In den letzten Jahren des 20. Jahrhunderts und zu Beginn des 21. Jahrhunderts kamen Diskussionen über neue Hochhäuser in Münster auf. In den Jahren 2001 bis 2002 wurde der „Bürotower“ an der Hammer Straße als Glas-/Metallkonstruktion inmitten eines Umfeldes von Backsteinhäusern gebaut. Kontrovers diskutiert wird in Münster ebenfalls der Entwurf eines Bürohochhauses in Münsters Norden an der ''Steinfurter Straße''. Die Pläne des zunächst geplanten 60&nbsp;m hohen, aus 18 Stockwerken bestehenden York-Towers wurde im Jahre 2005 nach Bürgerprotesten auf eine Höhe von 50&nbsp;m und 14 Stockwerke reduziert. Hauptkritikpunkt war insbesondere der negative Einfluss auf die historische Stadtsilhouette. Nach der ausbleibenden [[Kaufentscheidung]] des potenziellen Investors wurde das zwischenzeitlich als „T14“ neu geplante Hochhaus nicht realisiert. Im März 2007 bekundete die [[Zeb/rolfes.schierenbeck.associates|zeb/]] Interesse an der Realisierung eines neuen Bürohochhauses an diesem Standort in Anlehnung an die ursprünglichen Pläne.&nbsp;<ref>[http://www.westline.de/nachrichten/archiv/index_mono.php?file_name=20070327230200_323cc0f.nit&jahrgang=2007 Neuauflage für den 60-Meter-Tower] – Artikel auf westline.de vom 28. März 2007</ref> Fast schon sicher scheint dagegen jedoch der Neubau eines 20-stöckigen, insgesamt 66&nbsp;m hohen Bürogebäudes im Verwaltungs- und Dienstleistungszentrum im [[Münster-Zentrum Nord|Zentrum Nord]], das nach den Vorstellungen des Projektträgers unter anderem Büros sowie ein exklusives Hotel und Restaurant beherbergen soll. Das aufgrund der geplanten Architektur in Form eines Schmetterlings auch „Butterfly“ genannte Projekt befindet sich in der letzten Genehmigungsphase. [[Datei:MuensterArkaden72.JPG|thumb|Einkaufszentrum [[Münster Arkaden]]]] [[Datei:FernmeldeturmMuenster.JPG|thumb|upright|right|Fernmeldeturm Münster beim Sonnenaufgang]] Ebenfalls kontrovers diskutiert wird die Aufwertung des bislang als Parkplatz genutzten [[Hindenburgplatz (Münster)|Hindenburgplatzes]] vor dem Schloss. Dazu war zunächst der Bau des „[[Musikhalle Münster|Kulturforum Westfalen]]“ geplant, bestehend aus einem Museum für Gegenwartskunst des Landschaftsverbands Westfalen-Lippe und einer Musikhalle. Kern dieser Diskussion war unter anderem, wie der auftretende Verlust von Parkplätzen hätte kompensiert und zugleich sichergestellt werden können, dass ausreichend Stellfläche vor dem Schloss für die Durchführung der dreimal jährlich stattfindenden Kirmes ''Send'' verblieben wäre. Mehrere unterschiedliche Konzepte wurden bereits diesbezüglich im Rahmen eines Realisierungswettbewerbs eingereicht. Da die Frage der Finanzierung abschließend nicht geklärt werden konnte, sprach sich der Landschaftsverband Anfang Dezember 2006 gegen den Bau des Museums aus. Am Konzept der Musikhalle wurde unterdessen weiter festgehalten.<ref>[http://www.westline.de/nachrichten/archiv/index_mono.php?file_name=20061207231128_630_001_3234027&jahrgang=2006 Zeitungsartikel] in der [[Münstersche Zeitung|Münsterschen Zeitung]] vom 8. Dezember 2006</ref> Nachdem er Rat der Stadt im Oktober 2007 seine finanzielle Unterstützung zugesagt hatte, sprachen sich am 27. April 2008 in einem Bürgerentscheid rund 70 % der Wähler gegen diese Unterstützung aus und stoppten den Bau der Musikhalle. [[Datei:Muenster Dioezesanbibliothek 5963.jpg|thumb|upright|left|Diözesanbibliothek mit Turmspitze der Überwasserkirche]] Der größte Neubau seit dem Zweiten Weltkrieg in der Innenstadt von Münster sind die [[Münster Arkaden]], ein Einkaufszentrum. Auch hier gab es Kontroversen um die Gestaltung in [[Kolonnade]]nform, die von einem Teil als sehr passend zu den [[Arkade]]ngängen des Prinzipalmarktes bewertet wird, vom Anderen hingegen als „rechteckige Rundbögen“ verspottet wird. Als besondere architektonische Herausforderung ist der 2005 erstellte Neubau der [[Diözesanbibliothek Münster|Diözesanbibliothek]] im Überwasserviertel um die [[Überwasserkirche]] herum zu betrachten. Der Schweizer Architekt [[Max Dudler]] gestaltete insgesamt drei Bauten in Kubusform, die sich in die historische Architektur einfügen. Die nach dem Krieg auf dem zerbombten Grundstück erstellten Ergänzungsbauten und die bisher um das gesamte Gelände gezogene Mauer wurden abgerissen. Dabei entstand unter anderem ein Bibliotheksgang, der öffentlich zugänglich ist und einen neuen Blick auf die Überwasserkirche ermöglicht. Das höchste Gebäude in Münster ist der [[Fernmeldeturm Münster|Fernmeldeturm]] mit 229,5&nbsp;Metern. Er steht im Süden des Stadtteils [[Münster-St. Mauritz|St. Mauritz]], südlich der Wolbecker Straße in der Nähe der [[Bundesstraße 51]]. <br style="clear:all;" /> ==== Kirchen ==== [[Datei:Bild Muenster St Paulus-Dom.jpg|thumb|[[St.-Paulus-Dom]]]] [[Datei:StMauritz.jpg|thumb|upright|St.-Mauritz-Kirche in Münster]] → ''Hauptartikel: [[Liste der Kirchen in Münster]]'' Da die Kirchen das Stadtbild von Münster sehr prägen, bekam Münster schon früh die Bezeichnung „Nordisches Rom“. Als Fabio Chigi –&nbsp;der spätere Papst [[Alexander VII.]]&nbsp;– Mitte des 17. Jahrhunderts in Münster für die Verhandlungen zum Westfälischen Frieden weilte, sagte er über die Stadt: ''„Bis in die Wolken erheben sich die spitzen Türme, von denen, für alle hörbar, melodisches Glockengeläut klingt.“''&nbsp;<ref>[http://www.muenster.de/stadt/kongress1648/02_stadt/stadt1_1.html Portrait über Fabio Chigi]; dort zitiert nach: Hans Galen (Hrsg.): ''Münster und Westfalen zur Zeit des Westfälischen Friedens: geschildert durch den päpstlichen Gesandten Fabio Chigi'', S. 35-39</ref> Die zahlreichen Kirchen sind immer noch prägnant für die ''[[Skyline]]'' von Münster. Nicht umsonst lautet ein bekanntes, etwas selbstironisches [[Bonmot]] der Münsteraner über ihre Stadt: ''„Entweder es regnet oder die Glocken läuten&nbsp;– und wenn beides zusammenfällt, dann ist Sonntag.“'' Die beiden wichtigsten Kirchen in Münster sind der [[St.-Paulus-Dom]], dessen erster Bau bereits 805 begonnen wurde, und die Lambertikirche. Der heutige Dom entstand in den Jahren von 1225 bis 1264 und wurde unter anderem nach dem Zweiten Weltkrieg auf Grund starker Zerstörung umgebaut. Beim Wiederaufbau in den Fünfziger Jahren des 20. Jahrhunderts setzte der damalige Bischof [[Michael Keller (Bischof)|Michael Keller]] gegen den Willen eines Großteils der Münsteraner und der Denkmalpflege durch, dass das architektonisch bedeutende „Westwerk“ (das Westportal des Doms zwischen den beiden Türmen) nicht wiedererrichtet und durch eine schlichte Sandsteinwand mit 16 kleinen, im Kreis angeordneten Fenstern ersetzt wurde. Sie werden oftmals auch als „Kellerfenster“ tituliert. Weithin sichtbar ist der Dom vor allem auf Grund seiner inzwischen grünen [[Kupfer]]dächer. Die [[St. Lamberti (Münster)|Lambertikirche]] ist die von den Kaufleuten der Stadt finanzierte „Gegenkirche“ zum bischöflichen Dom. Die erste Kirchengründung ist um das Jahr 1000 nachweisbar, die heutige Kirche existiert seit 1375. Bekannt wurde die Kirche durch die Körbe am Turm, in denen die „[[Täuferreich von Münster|Wiedertäufer]]“ nach ihrem Tod weithin sichtbar aufgehängt wurden. Die zwischenzeitlich restaurierten Originale der Körbe hängen noch immer dort, ergänzt durch die im Rahmen der [[Skulptur.Projekte]] des Jahres 1997 von [[Lothar Baumgarten]] installierten ''Drei Irrlichter'' als „Erscheinung von drei Seelen oder inneren Feuern, die keine Ruhe finden können“. Der älteste Sakralbau Münsters ist die [[St.-Mauritz-Kirche (Münster)|St.-Mauritz-Kirche]]. Das [[Stift (Kirche)|Stift]] wurde bereits Ende des 11. Jahrhunderts gegründet. Nach dem Zweiten Weltkrieg war sie zeitweilig die einzige benutzbare historische Kirche der Stadt. Die [[Apostelkirche (Münster)|Apostelkirche]] ist die erste rein [[Gotik|gotische]] Kirche in Münster und die älteste evangelische Kirche der Stadt. Sie wurde 1270 als Klosterkirche des [[Franziskanische Orden|franziskanischen]] Minderbrüderordens erbaut. In preußischer Zeit wurde sie evangelische Garnisons- und Gemeindekirche. Zwischen 1590 und 1597 entstand die [[St. Petri (Münster)|Petrikirche]] als erste Jesuitenkirche der „Rheinischen“ Ordensprovinz. Die Kapuzinerkirche der Pfarrgemeinde St. Ludgeri und Aegidii wurde zwischen 1724 und 1728 nach Plänen von [[Johann Conrad Schlaun]] erbaut und ist eine ehemalige Ordenskirche des [[Kapuziner]]ordens. Die St.-Joseph-Kirche von 1905 ist eine große Kirche im [[Neugotik|neugotischen]] Stil südlich der Innenstadt, die Hl.-Geist-Kirche ist eines der wenigen bedeutenden Bauwerke der Stadt im [[Bauhaus]]stil. Eine der wenigen bekannten protestantischen Kirchen in Münster ist die Erlöser-Kirche, deren erster Bau um das Jahr 1900 geweiht wurde. Direkt nach der Zerstörung des ursprünglichen Gebäudes im Zweiten Weltkrieg erfolgte ein Neubau von [[Otto Bartning]] als so genannte Notkirche mit Industrieverglasung und Neonlicht. In dem Bau finden regelmäßig die ''Erlöserkonzerte'' statt. === Kultur === Aufgrund der Vielzahl an kulturellen Einrichtungen und Vereinen in Münster können diese im Rahmen dieses Artikels natürlich nicht alle aufgelistet werden. Es wird daher nur auf die wichtigsten und bekanntesten eingegangen. Eine komplettes Verzeichnis befindet sich jedoch auf der Webseite des Stadtnetzes Münster. Die Adresse befindet sich bei den [[Münster (Westfalen)#Weblinks|Weblinks]]. ==== Theater ==== [[Datei:Muenster Stadttheater (81).JPG|thumb|Stadttheater Münster]] [[Datei:Muenster Theater im Pumpenhaus 6407.jpg|thumb|Das „Theater im Pumpenhaus“]] Die [[Städtische Bühnen Münster|Städtischen Bühnen Münster]], mit Großem und Kleinem Haus, befinden sich nördlich der Altstadt an der Neubrückenstraße. Sie bieten Vorstellungen aus den vier Sparten Musiktheater ([[Oper]], [[Operette]], [[Musical]]), Schauspiel, Tanztheater ([[Ballett]]) sowie Kinder- und Jugendtheater. Ergänzt wird das Programm durch die Produktionen der Niederdeutschen Bühne, zahlreichen Gastspielen, Lesungen, Vorträge und Ausstellungen. Das Gebäude der Städtischen Bühnen Münster wurde im Zweiten Weltkrieg völlig zerstört. Im Jahre 1955 wurde es wieder aufgebaut, womit es sich um den ersten Theaterneubau Deutschlands nach dem Zweiten Weltkrieg handelt. An das alte Gebäude erinnert noch eine erhaltene Ziegelwand im Innenhof des Theaters. Es fällt durch seine einzigartige, modern anmutende Architektur sofort ins Auge. Am Kreativkai im [[Hafen Münster|Hafen]] liegt das [[Wolfgang Borchert Theater]], das bundesweit älteste, renommierte Privattheater, das 1956 als literarisch orientierte Avantgardebühne gegründet wurde. Der Spielplan des professionellen Theaters mit eigenem Ensemble umfasst eigenwillige Klassikerinszenierungen und moderne Dramatik, Musik- und Tanztheater. Unter der Intendanz von [[Meinhard Zanger]] erhielt das Theater im August 2006 seine zweite feste Spielstätte. Neben dem 100 Zuschauer fassenden Saal kann im WBT-Magazin, das Platz für 75 Zuschauer bietet, hinreichend experimentiert werden. Das [[Theater im Pumpenhaus]] ist das erste unabhängige Theater in Münster und nicht weit vom Zentrum Nord entfernt. Das 1985 gegründete Theater bietet abseits großer Kassenerfolge erfolgreiche Co-Produktionen ohne festes Ensemble und ohne homogene Dramaturgiespielpläne. Darüber hinaus bietet es Laientheatergruppen aus Münster und Umgebung einen festen Spielort. Im [[Münster-Hansaviertel|Hansaviertel]] gelegen, bietet das Kammertheater „Der kleine Bühnenboden“ seit 1984 experimentellen Tanz, Pantomime, Drama und Figurentheater als Privattheater in Münster. Das Programm besteht dabei aus Eigenproduktionen und ausgesuchten Gastspielen. Das Besondere ist durch die bis zu 45 Zuschauerplätze die Nähe des Publikums zum theatralischen Geschehen. Einen anderen Ansatz verfolgt dagegen das „Theaterpädagogische Zentrum“ in Münster. Es bietet eine Vielzahl von Eigenproduktionen, wobei die Darsteller allesamt Schüler des Zentrums sind. Im „GOP-Varieté“ direkt gegenüber dem Hauptbahnhof werden moderne [[Varieté]]shows von internationalen Weltklasseartisten dargeboten. In Verbindung mit einer kreativen Küche werden die Akzente hier auf eine anspruchsvolle Live-Unterhaltung gesetzt. ==== Kinos ==== → ''Hauptartikel: [[Kinos in Münster]]'' [[Datei:Muenster Cineplex8668.jpg|thumb|Cineplex-Kino am Albersloher Weg]] [[Datei:Sommerkino.JPG|thumb|Alljährliches Open-Air-Kino vor dem Schloss in Münster]] Münster gilt aufgrund seines hohen Anteils an Studenten als Kinostadt. So werden die erfolgreichsten Filme von bis zu 80.000 Besuchern gesehen, in Relation zum Bundesdurchschnitt erreicht Münster vom 1,5- bis zum 6-fachen an Besuchern. Das größte Kino in der Stadt ist das [[Cineplex]], nahe dem Hafen gelegen, mit neun Sälen und 2.761 Plätzen, welches alle [[Blockbuster]] zeigt. Neben diesem Kino für den Massengeschmack existieren noch zwei [[Programmkino]]s, deren Programme regelmäßig preisgekrönt werden, das „Cinema“ mit „Kurbelkiste“ östlich und das „Schloßtheater“ nördlich der Innenstadt. Vor Eröffnung des Cineplex im Jahre 2000 gab es noch fünf weitere Kinos, die auf Hollywood-Mainstream spezialisiert waren, und Schritt für Schritt bis Ende 2007 geschlossen wurden: Das „Roland-Theater“ und das „Metropolis“, beide direkt am Hauptbahnhof, das „Apollo-Theater“ und der „Fürstenhof“, beide an der Ludgeri-Kirche gelegen, und das „Stadt New York“, vormals „Schauburg“, an der Salzstraße. Im „Apollo-Theater“ hatte 1967 der in Münster gedrehte Film [[Alle Jahre wieder (Film)|Alle Jahre wieder]] von [[Ulrich Schamoni]] seine Kinopremiere. Der Film gewann [[Bundesfilmpreis]]e und einen [[Silberner Bär|Silbernen Bären]] auf der [[Berlinale 1967]]. ==== Musik ==== ===== Orchester ===== Das [[Sinfonieorchester Münster]], dessen Träger die Stadt Münster ist, hat seinen Sitz im Stadttheater. Regelmäßig veranstaltet das Orchester neben den dort stattfindenden Sinfoniekonzerten auch Konzerte im Rathaus und Erbdrostenhof sowie Kinderkonzerte. Daneben existieren mehrere Studentenorchester in Münster: Das [[Studentenorchester Münster]], ein von den etwa 75 Mitgliedern (größtenteils Studenten) selbst organisiertes [[Orchester#Sinfonieorchester|Sinfonieorchester]], ist sowohl für seine mitunter ausgefallenen Konzertumsetzungen, wie zum Beispiel Einbindungen von Filmen oder Theaterszenen und ein sehr breit gefächertes Repertoire bekannt, wie auch für seine seit über zwanzig Jahren halbjährlich stattfindenden Kinderkonzerte. Das „Junge Sinfonieorchester Münster“ ist ebenfalls ein von den etwa 70 Mitgliedern selbst organisiertes Studentenorchester, das ursprünglich aus dem Studentenorchester Münster hervorging. Das „collegium musicum instrumentale“ ist ein hauptsächlich aus Studenten und ehemaligen Studenten bestehendes Orchester des Instituts für [[Musikwissenschaft]] und [[Musikpädagogik]] der Universität. Es bietet nicht nur Repertoirestücke, sondern auch historisch interessante, unbekannte Werke, in denen auch eher unbekannte Instrumente zum Einsatz kommen. Die „Alte Philharmonie Münster“ besteht aus ehemaligen Studenten, die aus den Studentenorchestern ausgeschieden sind. In ihrem Konzertprogramm werden moderne Musik des 20. Jahrhunderts mit klassischen und romantischen Werken kombiniert. Das Kammerorchester „Amici Musici“ der [[Westfälische Wilhelms-Universität|Westfälischen Wilhelms-Universität]] Münster setzt hingegen einen Schwerpunkt auf [[Barockmusik|barocke Musik]]. ===== Chöre ===== Der Kammerchor ''canticum novum'' ist ein Vokalensemble mit rund 30 Sängern, das sich vor allem der Pflege geistlicher A-cappella-Chormusik widmet. Seit seiner Gründung im Jahr 2000 durch Michael Schmutte hat sich der Chor ein anspruchsvolles Repertoire von Werken der Renaissance bis zur Neuzeit erarbeitet und nimmt einen festen Platz im Kulturleben der Region ein. Beim achten Landeschorwettbewerb des Landesmusikrates Nordrhein-Westfalen vom 7. bis 8. November 2009 gewann ''canticum novum'' den ersten Platz in der Kategorie „Gemischter Chor bis 40 Mitglieder“. Der ''Kammerchor Münster'' ist 1997 aus dem ''Kammerchor der Musikhochschule Münster'' hervorgegangen, der 1975 vom Kirchenmusikdirektor und Dozent für Chorleitung [[Hermann Kreutz]] gegründet wurde. Auftritte beim [[Deutscher Evangelischer Kirchentag|Evangelischen Kirchentag]] in Leipzig 1997 waren der Schlusspunkt der Verbindung mit der Hochschule. Seitdem setzen rund 40 Sänger die intensive Probenarbeit mit Hermann Kreutz als freier Chor fort. Das Repertoire umfasst vorwiegend anspruchsvolle alte und neue geistliche Musik, die in der Regel in drei Konzertprogrammen pro Jahr zu Gehör gebracht werden. Hinzu kommen regelmäßige jährliche Konzertreisen ins Ausland. Der ''Westfälische Kammerchor Münster'' wurde 1978 gegründet und musiziert seitdem unter der künstlerischen Leitung von Markus Föhrweißer. Der Chor, der sich aus Studierenden und Berufstätigen unterschiedlichster Bereiche zusammensetzt, pflegt ein umfangreiches Repertoire geistlicher und weltlicher A-cappella-Musik und legt einen besonderen Schwerpunkt auf die Erarbeitung anspruchsvoller Chorwerke des 19. und 20. Jahrhunderts. Zahlreiche Konzerte in Münster und anderen Städten Deutschlands, regelmäßige Konzertreisen ins europäische Ausland und in die USA, Produktionen für den WDR sowie Auszeichnungen im Rahmen der Deutschen Chorwettbewerbe (unter anderem dritter Preis in Regensburg 1998) machten den Chor über die Region Westfalens hinaus bekannt und bestätigten zugleich sein hervorragendes Niveau. Die ''Kantorei an der Apostelkirche'' besteht seit 1946. Sie feierte im Jahre 2006 ihr 60-jähriges Jubiläum. Sie besteht aus der Kantorei (großer Chor) mit etwa 80 aktiven Mitgliedern, dem Figuralchor bestehend aus etwa 20 Mitgliedern und dem Kammerorchester. Der ''Heinrich-Schütz-Chor Münster'' ist der Kirchenchor der evangelischen Erlöserkirchengemeinde Münster/Westfalen und zugleich ein überregional tätiger Konzertchor. Er existiert unter diesem Namen seit Anfang der 1960er Jahre. Konzertreisen führten den Heinrich-Schütz-Chor unter anderem nach [[England]], [[Frankreich]] und in die [[Niederlande]]. In Münster gestaltet der Chor zwei bis drei größere Konzerte pro Jahr. Seit 1992 leitet Winfried Berger das Ensemble und schult es besonders in der [[Historische Aufführungspraxis|historischen Aufführungspraxis]]. Zum 350-jährigen Jubiläum des Westfälischen Friedens 1998 nahm der Chor die komplette Geistliche Chormusik von 1648 von [[Heinrich Schütz]] auf. Der ''Konzertchor Münster'' wurde 1816 als Chor des Musikvereins gegründet und umfasst 50 Sänger. Seit 1919 besteht eine Kooperation mit dem Sinfonieorchester Münster, dessen Generalmusikdirektor auch immer musikalischer Leiter des Chores ist. Der Schwerpunkt liegt auf großen Werken für Chor und Orchester, im Bedarfsfall ist der Chor auch in größere Opernproduktionen der Städtischen Bühnen eingebunden. Der ''Universitätschor'' bildet gemeinsam mit dem Studentischen Madrigalchor und dem Ensemble 22 das Collegium musicum vocale der Universität Münster. Der Universitätschor wurde im Jahre 1981 von Prof. [[Herma Kramm]] (1920–1998) gegründet. Der Madrigalchor wurde im Jahr 1947 von Prof. Herma Kramm gegründet, die für Ihre jahrzehntelange Verdienste um die Musik und die Völkerverständigung mit dem Verdienstorden des Landes Nordrhein-Westfalen und der Ehrensenatorenwürde der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster ausgezeichnet wurde. Das Collegium musicum vocale wird seit April 1998 von Dr.&nbsp;Ulrich Haspel geleitet. Das Repertoire beinhaltet große Chorwerke mit und ohne Orchester vom Barock bis zum 20. Jahrhundert. ===== Andere ===== Seit 1999 gibt es das ''Freie Musical Ensemble Münster'', das von [[Anatevka]] über das selten gespielte [[Candide (Musical)|Candide]], [[The Scarlet Pimpernel]], bis hin zu den sogenannten Grusicals [[Tanz der Vampire (Musical)|Tanz der Vampire]] und [[Der seltsame Fall des Dr. Jekyll und Mr. Hyde|Jekyll & Hyde]] aufführte und mit Gastspielen in anderen Städten auch deutlich über die Grenzen Münsters hinaus bekannt wurde. ==== Museen ==== ===== Geschichte ===== [[Datei:StadtmuseumMünster.jpg|thumb|Das Stadtmuseum im ''Salzhof'']] Münster beherbergt mehrere Museen, die sich mit dem Thema Geschichte in der einen oder anderen Art und Weise auseinandersetzen. Dazu gehört das 1883 gegründete [[Archäologisches Museum Münster|Archäologische Museum]] der Universität im Fürstenberghaus am [[Domplatz Münster|Domplatz]]. Die Sammlung besteht im Wesentlichen aus drei Bereichen: Neben diversen Kleinkunst-Objekten aus der griechischen und römischen [[Antike]] und einer Abgusssammlung antiker Skulpturen werden dreidimensionale, großformatige Modelle verschiedener antiker griechischer Stätten und Heiligtümer ausgestellt. Besonders erwähnenswert ist, dass die ursprüngliche Ausstellung während des Zweiten Weltkriegs im Jahre 1944 komplett zerstört wurde. Einen ganz besonderen Blick zurück in die Vergangenheit ermöglicht das 1959/1960 eröffnete [[Mühlenhof-Freilichtmuseum Münster|Mühlenhof-Freilichtmuseum]] in [[Münster-Sentrup|Sentrup]] in unmittelbarer Nähe zum [[Allwetterzoo Münster]] und dem [[Aasee (Münster)|Aasee]]. Hierbei handelt es sich um ein Museumsdorf, in dem das Leben in [[Westfalen]] im 17., 18. und 19. Jahrhundert mit über 30 Gebäuden darstellt wird. Bei diesen Gebäuden handelt es sich ausnahmslos um historische Bauten, die von ihren originalen Standplätzen in das Freilichtmuseum versetzt wurden. Das bekannteste Bauwerk ist die aus dem [[Emsland]] stammende [[Bockwindmühle]] aus dem Jahre 1748. An der Salzstraße in der Einkaufspassage ''Salzhof'' nahe dem [[Servatiiplatz]] befindet sich das [[Stadtmuseum Münster]]. Das 1979 gegründete Museum zeigt in einer Dauerausstellung die Geschichte der Stadt Münster von den Anfängen im Jahre 793 bis in die Gegenwart. Zusätzlich werden zeitlich limitierte Sonderausstellungen aus dem Themenkreis Münster gezeigt. Ein weiteres sehenswertes Museum ist die [[Villa ten Hompel]] am Kaiser-Wilhelm-Ring. Diese ehemalige Fabrikantenvilla war während der Zeit des Nationalsozialismus ab dem Jahre 1940 der Sitz der [[Ordnungspolizei (Nationalsozialismus)|Ordnungspolizei]] für den Wehrkreis IV, von wo aus rund 40 Mitarbeiter den Einsatz von circa 200.000 so genannten „Ordnungskräften“ leiteten. Sie war maßgeblich am Massenmord von Juden, Sinti und Roma beteiligt. Nachdem in dieser Villa unter anderem von 1953 bis 1968 die Behörde für Wiedergutmachung ihren Sitz hatte, beherbergt sie seit 1999 eine Gedenkstätte zum Nationalsozialismus in Deutschland. ===== Kunst ===== [[Datei:MuensterDruffelscherHof293.jpg|thumb|Das „Graphikmuseum Pablo Picasso Münster“ im Druffelschen Hof]] Inmitten Münsters historischer Altstadt nahe der Rothenburg, umschlossen von den Münster Arkaden, befindet sich in dem von 1784 bis 1788 nach den Plänen des Baumeisters [[Clemens August von Vagedes]] im Auftrag der Familie von Druffel errichteten ''Druffel’schen Hof'' das [[Graphikmuseum Pablo Picasso Münster]]. Das Museum wurde von den westfälisch-lippischen Sparkassen, der WestLB, den Provinzial-Versicherungen sowie den Eheleuten Huizinga gestiftet. Die Sammlung umfasst Werke von [[Pablo Picasso]] aus mehreren Schöpfungsperioden. Es handelt sich hierbei insbesondere um [[Lithografie]]folgen, den Stierkampf, Faune und Kentauren während seines Aufenthaltes in [[Antibes]], Stillleben, Bilder nach Bildern sowie Maler und Modell. [[Datei:Münster (Westfalen) Museum für Lackkunst.jpg|thumb|left|„Museum für Lackkunst“]] An der Windhorststraße, direkt an der Promenade und in unmittelbarer Nähe zum Hauptbahnhof, befindet sich das [[Museum für Lackkunst]]. Diese Einrichtung der [[BASF Coatings AG]] ist die weltweit einzige Einrichtung dieser Art. Sie beherbergt eine umfangreiche Sammlung von Lackkunst aus Ostasien, Europa und der islamischen Welt mit rund 1000 Objekten aus mehr als zweitausend Jahren. [[Datei:WestfLandesmuseum.jpg|thumb|Altbau des Landesmuseums]] Das [[LWL-Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte]] am Domplatz zeigt bedeutende Kunstwerke vom frühen [[Mittelalter]] bis in die Gegenwart. Die Schwerpunkte der Ausstellung liegen auf romanischen und gotischen Monumentalskulpturen und der frühwestfälischen Tafelmalerei, auf der Kunst der Klassischen Moderne sowie der Gegenwart. Bekannt ist das Museum unter anderem für das Soester [[Antependium]], Bilder von [[Conrad von Soest]] und die berühmten romanischen Glasfenster des Meisters Gerlachus aus der Sammlung des [[Freiherr vom Stein|Freiherrn vom Stein]]. Die Renaissance ist vertreten durch die münstersche Malerfamilie [[tom Ring]]. Die großen Ereignisse der Geschichte in Westfalen, etwa die Zeit der Täufer und der Westfälische Friede, werden in der Sammlung ebenso lebendig wie die Kunst des Barock und der frühen Bürgerzeit. Die Epoche des Jugendstils wird durch die in Münster geborenen Künstler [[Bernhard Pankok]] und [[Melchior Lechter]] dokumentiert. Darüber hinaus werden umfangreiche Bestände des deutschen [[Impressionismus]], unter anderem von [[Max Liebermann]] und [[Lovis Corinth]], und des [[Expressionismus]] gezeigt. Einen besonderen Schwerpunkt bilden Werke der Künstlergruppen [[Brücke (Künstlergruppe)|Brücke]] und [[Blauer Reiter]]. Insbesondere der aus Westfalen stammende Künstler [[August Macke]] ist mit umfangreichen Beständen vertreten. Seit 1977 veranstaltet das Museum im zehnjährigen Rhythmus die Ausstellung [[Skulptur.Projekte]], bei der zeitgenössische Künstler im gesamten Stadtgebiet ihre Werke ausstellen. Ein Großteil der Exponate des Museums ist eine Dauerleihgabe des [[Westfälischer Kunstverein|Westfälischen Kunstvereins]], einem bedeutenden Kunstverein und zugleich einem der ältesten in Deutschland, der zudem Mitbegründer des Museums ist. Neben der Sammlung von Kunstwerken aus dem westfälischen Raum aus unterschiedlichsten Epochen und der Organisation von Ausstellungen innerhalb und außerhalb des Museums verleiht er weiterhin einen Förderpreis an Nachwuchskünstler. Im Hafengebiet der Stadt befindet sich seit 2004 die [[Ausstellungshalle zeitgenössische Kunst Münster]], kurz AZKM. Hier finden regelmäßig Einzel- und Gruppenausstellungen zeitgenössischer Künstler statt. Ausgestellt werden sowohl etablierte Größen des Kunstgeschäfts als auch Nachwuchskünstler. Seit 1919 ist die [[Freie Künstlergemeinschaft Schanze]] durch rege Ausstellungstätigkeit wichtiger Bestandteil des kulturellen Lebens in Münster. Die „Schanze“ vermittelt außerdem immer wieder Kontakte zu Künstlern im europäischen Ausland. Südlich von Münster liegt das [[Kunsthaus Kannen]], ein Kunstmuseum für [[Art brut]] beziehungsweise Outsider Art und zeitgenössische Kunst. Es beherbergt nach der „Sammlung [[Hans Prinzhorn|Prinzhorn]]“ in [[Heidelberg]] eine der umfangreichsten deutschen Sammlungen von [[Outsider Art|Outsider-Kunst]] im psychiatrischen Kontext. Die Sammlung umfasst rund 5000 Bilder und Objekte von lebenden und bereits verstorbenen Künstlern/Patienten. Zu den wichtigsten Künstlern des Kunsthauses zählt unter anderem auch [[Robert Burda]], Preisträger des [[Euward|EUWARD]] 2004. ===== Weitere ===== [[Datei:Münster Geologisch-Paläontologisches Museum 4650.jpg|thumb|left|Geologisch-Paläontologisches Museum]] Neben den bereits erwähnten Museen finden sich noch weitere, zahlreiche Ausstellungen in Münster. So werden in der „Domschatzkammer im St.-Paulus-Dom“ Objekte der [[Goldschmied|Goldschmiede-]] und Textilkunst ausgestellt. Sie gilt als eine der bedeutendsten Schatzkammern Europas. Das [[Bibelmuseum Münster|Bibelmuseum]] der Universität an der Pferdegasse im Stadtzentrum zeigt anhand von Originalen die Geschichte der [[Bibel]] von den handschriftlichen Anfängen bis in die Gegenwart. Ebenfalls zur Universität gehört der [[Botanischer Garten Münster|Botanische Garten]] im Schlossgarten. Es handelt sich dabei sowohl um einen großzügig angelegten Park nahe der Innenstadt als auch um ein Forschungsobjekt. Zu den weiteren Museen der Universität gehören auch noch das [[Mineralogisches Museum Münster|Mineralogische Museum]] mit [[Kristall]]en, [[Mineral]]ien und Gesteinen auf einer Ausstellungsfläche von etwa 500&nbsp;m², das [[Geologisch-Paläontologisches Museum Münster|Geologisch-Paläontologische Museum]], in dem unter anderem ein [[Mammuts]]kelett ausgestellt wird und das [[Archäologisches Museum Münster|Archäologische Museum]], das Kunstwerke der Antike zeigt. [[Datei:Allwetterzoo Muenster Hippomax 3239.jpg|thumb|Westfälisches Pferdemuseum – Hippomaxx]] Neben dem [[Westfälisches Pferdemuseum Münster|Westfälischen Pferdemuseum]] im [[Allwetterzoo Münster|Allwetterzoo]] befindet sich dort ebenfalls das [[LWL-Museum für Naturkunde]]. Neben der Ausstellung über die Entwicklung Westfalens von der Mammutsteppe zur Agrarlandschaft werden hier die Überreste von Dinosauriern gezeigt, darunter das 16&nbsp;Meter lange Skelett eines [[Tyrannosaurus Rex]]. Daran angeschlossen ist ein [[Planetarium]], ausgestattet mit einem [[Carl Zeiss (Unternehmen)|Zeiss]]-Planetariumsprojektor Modell ''Universarium VIII''. Erwähnenswert sind weiterhin das [[Westfälisches Eisenbahnmuseum Münster|Westfälische Eisenbahnmuseum]] in der Nähe der Halle Münsterland, das „[[Westpreußisches Landesmuseum|Westpreußische Landesmuseum]]“ im ''Drostenhof'' im Stadtteil [[Münster-Wolbeck|Wolbeck]] mit einer Dauerausstellung zur Geschichte, Kunst und Kultur [[Westpreußen]]s, sowie das [[Lepramuseum Münster|Lepramuseum]] im Stadtteil [[Münster-Kinderhaus|Kinderhaus]] mit Dokumentationsstelle zur Erforschung der [[Lepra]]geschichte. ==== Kunstereignisse ==== [[Datei:MuensterGiantPoolBalls255.jpg|thumb|Claes Oldenburgs „Giant Pool Balls“ am Aasee]] Seit 1977 findet im zehnjährigen Rhythmus die Skulptur-Ausstellung ''[[Skulptur.Projekte]]'' statt, die vom Kunsthistoriker [[Klaus Bußmann]] und dem Kunstprofessor [[Kasper König]] initiiert wurde. Internationale Künstler werden dabei eingeladen, ''in-situ'' zu arbeiten, das heißt spezifisch auf den gegebenen Kontext der Stadt und ihrer Umgebung in ihren Arbeiten einzugehen. Sie können sich Orte im gesamten Stadtgebiet aussuchen, wo ihre [[Skulptur]]en über einen Zeitraum von mehreren Monaten von den Münsteranern ebenso wie von einem internationalen Publikum angeschaut und erfahren werden können. Einige dieser Skulpturen sind im Besitz der Stadt, so dass seit 2004 über 60 von ihnen das Stadtbild prägen. Am bekanntesten sind wohl die ''Giant Pool Balls'' von [[Claes Oldenburg]] am [[Aasee (Münster)|Aasee]]. ==== Veranstaltungen ==== Zweimal wöchentlich findet jeweils am Mittwoch und Samstag auf dem [[Domplatz Münster|Domplatz]] ein großer [[Wochenmarkt]] statt, auf dem Blumen, Lebensmittel, lebende Tiere, Wollwaren und vieles mehr gehandelt wird. Der Markt spielte seit jeher eine zentrale Rolle im Leben der Stadt, wie die [[Kiepenkerl]]-Statue beweist: Ein Marktbeschicker mit [[Kiepe]] auf dem Rücken. [[Datei:Send Münster.jpg|thumb|Der Send in Münster]] Der Jahrmarkt [[Send (Münster)|Send]] (''von: Synode'') ist einer der größten in Nordrhein-Westfalen und findet dreimal jährlich statt (als Frühjahrssend, Sommersend, und Herbstsend bezeichnet). Neben zahlreichen Fahrgeschäften findet sich dort auch ein Markt für Töpfe und andere Haushaltsgegenstände. Jeweils am Freitag wird vor dem [[Fürstbischöfliches Schloss Münster|Schloss]] ein großes Feuerwerk abgebrannt. In Münster findet jedes Jahr am [[Rosenmontag]] ein großer Karnevalsumzug statt. Über 100.000 Zuschauer säumen hierbei die Straßen. Der Ruf der Jecken ist dabei ''Helau''. Von den über 80 Wagen, die 2005 mitfuhren, kam jeder Vierte aus den Niederlanden, was den Einzugsbereich des Münsterschen Karnevalsumzug deutlich macht. Zusätzlich marschieren rund 70 Fußgruppen mit. Der Zug startet am [[Hindenburgplatz (Münster)|Hindenburgplatz]] und zieht über den [[Servatiiplatz]] und den [[Ludgeriplatz]], anschließend über den [[Prinzipalmarkt]] zurück zum Hindenburgplatz. Des Weiteren findet seit dem Jahr 2000 alljährlich im Frühling das ''[[Eurocityfest]]'' statt, eine zentrale Freiluftveranstaltung in Münsters Innenstadt. Im Jahr 2006 spielten beispielsweise über 70 Bands spielten auf den acht Innenstadtbühnen. Im Rahmen dieses Stadtfestes hat sich seit 2002 das von der Gruppe [[6-Zylinder (Band)|6-Zylinder]] ins Leben gerufene [[A cappella|A-cappella]]-Festival EuropaVokal etabliert, auf dem neben 6-Zylinder weitere renommierte europäische A-cappella-Gruppen auftreten. Seit dem Jahr 2006 findet alljährlich am ''Hawerkamp'' das [[Vainstream Rockfest]] statt, bei dem Bands aus den Bereichen [[Metal]], [[Punk]], [[Hardcore-Punk]] und ähnlichen verwandten Stilrichtungen auftreten. Im Jahre 2009 fand das [[Musikfestival|Festival]] erstmals an zwei Tagen statt und war mit etwa 16.000 Besuchern komplett ausverkauft.<ref>[http://www.westfaelische-nachrichten.de/lokales/muenster/nachrichten/1085674_Vainstream_Rockfest_2009_Der_schwarze_Ball.html Vainstream-Rockfest 2009: Der schwarze Ball] – [[Westfälische Nachrichten]] vom 5. Juli 2009</ref> Das [[JuWi-Fest]] ist ein seit 1975 jeweils im Juni veranstaltetes Open-Air-Musikfestival, das von Studenten der Westfälischen-Wilhelms-Universität gegründet wurde. Seit 1979 veranstaltet der Literaturverein Münster in Kooperation mit dem Kulturamt der Stadt Münster im zweijährigen Rhythmus das ''Internationale Lyrikertreffen Münster'', in dessen Rahmen der [[Preis der Stadt Münster für Europäische Poesie]] verliehen wird. In unregelmäßigem, mehrjährigem Turnus verleiht die traditionsreiche Stadt des [[Westfälischer Frieden|Westfälischen Friedens]] gemeinsam mit ihrer Universität den renommierten [[Historikerpreis der Stadt Münster]] an durch ihr Lebenswerk herausragende [[Geschichtswissenschaftler]]. Alljährlich wird in Münster Anfang August das [[Turnier der Sieger]] durchgeführt, ein hochrangiges Reitturnier, das vom [[Westfälischer Reiterverein|Westfälischen Reiterverein von 1835]] ausgetragen wird. Bei dem zeitweise zur [[Riders Tour]] gehörenden internationalen Turnier treten die Sieger der nationalen Reitturniere im Spring- als auch Dressurreiten nochmals gegeneinander an. Vom 4. bis 6. November 2005 fand in Münster erstmalig der ''[[Elternalarm]]'' statt, ein Tag der offenen Tür an sämtlichen Hochschulen für die Eltern der 48.000 Studenten. Aufgrund der positiven Resonanz seitens der Eltern und Studenten sowie den Hochschulen findet diese Aktion seitdem alljährlich im November statt. Auch wenn einzelne Hochschulen in Deutschland den Eltern einen Einblick in das Leben ihrer Studenten ermöglichen, so ist das Konzept des Elternalarms einzigartig, da es sich hierbei eine Kooperation aller Hochschulen innerhalb Münsters handelt. Zur Weihnachtszeit verwandelt sich Münsters Innenstadt in einen [[Weihnachtsmarkt]], der Besucher aus dem gesamten Umland bis hinein in die [[Niederlande]] anzieht. Deshalb werden routinemäßig niederländische Polizisten nach Münster abgestellt, die mit deutschen Kollegen über die Plätze patrouillieren. Die 250 bis 300 Stände verteilen sich auf insgesamt sieben Plätze. Auf dem Platz des Westfälischen Friedens findet hierbei der größte Markt mit etwa 120 Ständen statt. Die anderen drei „traditionellen“ Weihnachtsmärkte liegen nur wenige Gehminuten entfernt im Aegidiimarkt, an der [[St. Lamberti (Münster)|Lambertikirche]] und an der Kiepenkerl-Figur. Dazu haben sich in den letzten Jahren kleinere Märkte am [[Münster (Westfalen) Hauptbahnhof|Hauptbahnhof]] sowie zwischen dem [[LWL-Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte]] und Aegidiimarkt etabliert. Seit Weihnachten 2009 gibt es außerdem einen Markt vor der Überwasserkirche. Zudem finden in Münster regelmäßig Tagungen und Kongresse mit zum Teil internationaler Beteiligung statt, vorwiegend im [[Halle Münsterland|Messe und Congress Centrum Halle Münsterland]]. ==== Bekannte Musiker ==== Die wohl erfolgreichste Band aus Münster sind die aus [[Münster-Wolbeck|Wolbeck]] stammenden [[H-Blockx]], die seit 1994 Erfolge mit ihrer [[Crossover (Musik)|Crossover]]-Musik für sich verbuchen können. In den 1980er und 1990er Jahren sehr erfolgreich war die Band [[Alphaville (Band)|Alphaville]], deren Debüt ''Big in Japan'' und vor allem auch die Single ''Forever Young'' die [[New Wave|New Wave]] deutlich mitprägen konnte. Ebenfalls aus Münster stammt die erste deutschsprachige [[Ska]]band [[El Bosso & die Ping-Pongs]]. Aus dieser Band ging auch [[Dr. Ring-Ding]] hervor, der im Jahr 2000 mit den H-Blockx den Hit ''Ring of Fire'' sang. Eine der führenden [[A cappella|A-cappella]]-Gruppen in Deutschland sind die münsterschen [[6-Zylinder (Band)|6-Zylinder]], die seit 1983 existieren und 1989 den ersten in Deutschland erschienen A-cappella-Pop-Tonträger herausbrachten (''Vokal Total''). Zu den weiteren bekannten Bands gehören [[Neaera (Band)|Neaera]], [[Helrunar]], [[Misery Speaks]], [[Muff Potter]] und [[Mr. Irish Bastard]]. Ebenfalls aus Münster stammen die Musical-Sängerin [[Ute Lemper]], der Schlagersänger [[Roland Kaiser]], der Entertainer [[Götz Alsmann]] sowie die Sängerin [[Tanita Tikaram]]. Der DJ [[WestBam]] wurde als Maximilian Lenz in Münster geboren. Auch [[Steffi Stephan]] als Bassist in Udo Lindenbergs ''[[Panikorchester]]'', Organisator des alljährlichen Eurocityfestes und Besitzer des ''[[Jovel Music Hall|Jovel]]'', einer ehemaligen Diskothek, ist in Münster bekannt. === Parks und Grünanlagen === [[Datei:MuensterPromenadePanoramaAegidiitor.jpg|thumb|Blick von der Promenade über die Aegidiischanze in Richtung Aasee.]] [[Datei:MuensterLoddenheideFriedensparkTreeDalaiLama.jpg|thumb|Die vom Dalai Lama gepflanzte [[Rosskastanie]] im Friedenspark.]] Innerhalb des Stadtgebietes von Münster sowie in der Peripherie gibt es mehrere Park- und Grünanlagen. Von besonderer Bedeutung für das Stadtzentrum sind dabei die Promenade sowie die ehemaligen Befestigungsanlagen, von denen einige nach deren Schleifung zu Grünanlagen umfunktioniert wurden. Hierbei handelt es sich insbesondere um die [[Aegidiischanze]], die [[Engelenschanze]], die [[Kreuzschanze]], den [[Coerdeplatz]] sowie den [[Hörsterplatz]]. Daneben existieren noch diverse kleinere und größere Grünanlagen im Bereich der Promenade, die ebenfalls von der Bevölkerung zu Freizeit- und Erholungszwecken genutzt werden. Eine im Vergleich zu den zentrumsnahen Anlagen relativ große Grünanlage befindet sich etwa 2&nbsp;km nördlich des Stadtzentrums auf halber Strecke zum Stadtteil [[Münster-Kinderhaus|Kinderhaus]] mit dem 26&nbsp;ha großen [[Wienburgpark]]. Der 1986/87 entstandene Park kombiniert die Funktion eines Stadtgartens mit der eines Naturschutzgebiet, allerdings ohne eines zu sein und die damit verbundenen Einschränkungen. Dennoch bietet er neben Lebensraum für viele Arten von Tieren und Pflanzen gleichzeitig Platz zum Entspannen für die Bevölkerung. Auf der gegenüberliegenden Seite der Innenstadt in direkter Nähe der St.-Joseph-Kirche an der ''Hammer Straße'' liegt der [[Südpark (Münster)|Südpark]]. Inmitten der zwischen 1975 und 1979 auf dem Gelände einer ehemaligen Kaserne und Gewerbefläche entstandenen Anlage befindet sich ein großes, flaches Wasserbecken, das im Sommer zur Abkühlung genutzt werden kann und auch für Kinder gefahrlos zugänglich ist. Weitere Sehenswürdigkeit im Park ist der versteckt gelegene Staudengarten sowie eine aus Fahrradteilen zusammengeschweißte Skulptur am Eingang des Parks. Neben mehreren Spielplätzen am Rand des Parks gibt es zusätzlich einen Bolzplatz sowie mehrere Ballspielflächen. Im Westen der Stadt liegen neben dem [[Botanischer Garten Münster|Botanischen Garten]] im Schlossgarten mit über 8.000 verschiedenen Pflanzenarten gleich mehrere Parkanlagen. Nördlich davon liegt auf der anderen Seite des Schlossgrabens der ehemalige Friedhof der Gemeinde Liebfrauen-Überwasser. Nachdem die Verstorbenen ab 1887 auf dem [[Zentralfriedhof Münster|Zentralfriedhof]] bestattet wurden, übernahm das Grünflächenamt der Stadt im Jahre 1926 den bis dahin vernachlässigten Friedhof und verwandelte ihn in einen Stadtpark. Aufgrund seiner ehemaligen Funktion befinden sich dort noch zahlreiche Denkmäler sowie Grabdenkmäler von Persönlichkeiten, die auf dem Gelände ihre letzte Ruhe gefunden haben. Darunter sind beispielsweise die der Generäle [[Heinrich Wilhelm von Horn]] und [[Ludwig Roth von Schreckenstein]], die schlichte Urne des protestantischen Philosophen [[Johann Georg Hamann]] oder das Ehrenmal an die Opfer des [[Deutsch-Französischer Krieg|Deutsch-Französischen Krieges]]. Südlich des Botanischen Gartens befindet sich die Parkanlage auf dem Gelände des ehemaligen [[Allwetterzoo Münster|Zoos]]. Neben einigen Teichen und Überresten von Tiergehegen befinden sich hier auch die „Tuckesburg“, das ehemalige Wohnhaus von [[Hermann Landois]], dem Gründer des Zoos, sowie das ehemalige Naturkundemuseum, in dem die städtische Musikschule untergebracht ist. Zusätzlich befinden sich im beziehungsweise in unmittelbarer Nähe des Parks die „Wasser-Plastik“ von [[Heinz Mack]], die Bronzeskulptur „Wirbel“ von [[Henry Moore]] sowie weitere Skulpturen. Direkt an den Park schließen sich der in die Innenstadt hereinreichenden Aasee mit seinen weitläufigen Grünanlagen sowie der [[Zentralfriedhof Münster|Zentralfriedhof]] an, der zum Entspannen und spazieren gehen, aber auch zur Andacht und zum Gedenken einlädt. Ganz auf der gegenüberliegenden Seite von Münster, bereits auf dem Gebiet der Stadt [[Telgte]], befindet sich mit dem zur Stadt Münster gehörende [[Waldfriedhof Lauheide]] ein weitläufiger Waldfriedhof, der den Einwohnern zur Entspannung und als Rückzugsgebiet für bedrohte Tiere und Pflanzen dient. Weitere Parks existieren östlich der Innenstadt im Erphoviertel mit dem ehemaligen „Hörster Friedhof“, der wie der Liebfrauen-Überwasser-Friedhof im Jahre 1926 zu einer Parkanlage umgestaltet wurde, und dem Park des Vorsehungsklosters zwischen den Stadtteilen [[Münster-Coerde|Coerde]] und [[Münster-Handorf|Handorf]]. Mit dem [[Wolbecker Tiergarten|Tiergarten]] im Stadtteil [[Münster-Wolbeck|Wolbeck]] existiert ganz am östlichen Stadtrand von Münster ein Staatsforst, der von den Fürstbischöfen als Jagdrevier genutzt wurde und seit 2005 unter Naturschutz steht. Auf der [[Loddenheide]], einem ehemaligen Flugplatz und Militäranlage, entstand ab Mitte der 1990er Jahre ein Gewerbegebiet mit einem integrierten „Friedenspark“, einer großzügig angelegten Parkanlage mit See, einem Kinderspielplatz sowie der „Friedenskapelle“. Inmitten des Parks befindet sich neben der Skulptur „Die alte Schießmauer“ eine am 7. Juni 1998 vom 14. [[Dalai Lama]] [[Tendzin Gyatsho (Dalai Lama)|Tendzin Gyatsho]] gepflanzte Rosskastanie. === Freizeit === [[File:Panorama Aasee Münster.jpg|thumb|upright=1.8|Aasee mit Gastronomie an den „Aaseeterrassen“]] Als [[Naherholungsgebiet]]e in Münster dienen mehrere ausgedehnte Grün- und Wasseranlagen. Eines davon ist der nahe dem Stadtzentrum gelegene [[Aasee (Münster)|Aasee]], der sowohl zum Ausspannen auf den Uferwiesen wie auch zum Joggen oder gemütlichen spazieren gehen einlädt. Aber auch Segeln oder Tretbootfahren ist auf dem See möglich. Ein weiteres Naherholungsgebiet sind die [[Rieselfelder Münster|Rieselfelder]]. Diese etwa 6&nbsp;km nördlich des Stadtzentrums von Münster gelegene ehemalige Verrieselungsfläche für das Abwasser der Stadt beherbergt ein Europäisches Vogelschutz- sowie [[Naturschutzgebiet]]. Neben diesen beiden großen Naherholungsgebieten existiert mit dem [[Hiltruper See]] ein weiteres mit einer relativ großen Wasseranlage ganz im Süden der Stadt südlich des Dortmund-Ems-Kanals und des Stadtteils Hiltrup. [[Datei:MuensterKuhviertelCavete.jpg|thumb|left|Das Studentenlokal „Cavete“]] Für Familien interessant sind unter anderem der [[Allwetterzoo Münster]] und die neun Hallen- sowie sechs Freibäder der Stadt, wovon allerdings fünf bis 2008 geschlossen werden sollen. Besonders Jugendliche benutzen im Sommer auch den [[Dortmund-Ems-Kanal]] als Schwimmbad. Von Ende August bis Ende Mai steht eine Eislaufhalle mit besonderen Events zur Verfügung. Etwa 1000 Kneipen, Restaurants, Gasthöfe, Cafés und Biergärten existieren in Münster. Die urige ''Cavete'' im [[Münster-Kuhviertel|Kuhviertel]] ist das älteste reine Studentenlokal der Universitätsstadt und wurde bereits am 28. März 1959 eröffnet. Es verdankt seine Gründung einem Artikel im Semesterspiegel von 1956, in welchem die Langweiligkeit und Spießigkeit Münsters beklagt wurde. Münster und das [[Münsterland]] sind für Fahrradfahrer gut ausgebaut und ausgeschildert. Sehenswert ist insbesondere die [[100-Schlösser-Route]], die an vielen historischen Burgen und Schlössern vorbeiführt. Ein besonderes Gebiet in Münster zum Ausgehen ist der Hawerkamp im [[Münster-Hansaviertel|Hansaviertel]]. In der Nähe vom Hafen gelegen, bietet er Jugendkultur in all seinen verschiedenen Farben. Am Hawerkamp hat sich eine für eine Stadt der Größe Münsters außergewöhnliche künstlerische und musikalische Szene etabliert, die jährlich über 120.000 Besucher anzieht. Neben den zahlreichen Musikevents in den einzelnen Clubs ist diese Besucherzahl auch auf das jährlich stattfindende Hawerkamp-Festival und den offenen Ateliers der über 50 Künstler zurückzuführen. Bei der Bewerbung Münsters zur Kulturhauptstadt Europas 2010 war der Hawerkamp einer der kulturellen Schwerpunkte neben [[Prinzipalmarkt]] und [[Graphikmuseum Pablo Picasso Münster|Picasso-Museum]]. In einem bundesweit einzigartigen Projekt wird seit dem 1. Januar 2006 das alternativ geprägte Gelände durch den Verein „Erhaltet den Hawerkamp“ eigenverantwortlich verwaltet. Auch im Hafen gibt es Kneipen und auf einzelne Musikrichtungen spezialierte Clubs wie den [[Hot Jazz Club]]. === Sport === [[Datei:Preußenstadion Münster.jpg|thumb|350px|Blick ins Preußenstadion.]] Im Vereinssport ist in Münster vor allem der Volleyballverein [[USC Münster]] bekannt. Die Bekanntheit in ganz Europa bezieht sich dabei auf die Damen-Mannschaft, die in der [[Deutsche Volleyball-Bundesliga (Damen)|1.&nbsp;Bundesliga]] spielt und deutscher Rekordmeister ist. Er trägt seine Spiele in der Halle am [[Münster-Berg Fidel|Berg Fidel]] aus. Der erfolgreichste lokale Fußballverein ist der [[Preußen Münster|SC Preußen 06 e.&nbsp;V. Münster]], dessen größter Erfolg die deutsche Vizemeisterschaft im Jahre 1951 war, und der zu den Gründungsmitgliedern der [[Fußball-Bundesliga|Bundesliga]] (1963/64) gehört. Die Preußen tragen ihre Heimspiele im [[Preußenstadion]] am Berg Fidel aus und spielen seit der Saison 2008/09 in der neu gegliederten [[Fußball-Regionalliga|Regionalliga]]. Beste Damenfußballmannschaft ist die erste Mannschaft des „BSV Fortuna Münster“, welche in der Verbandsliga Westfalen spielt. Den Radsport vertritt mit dem „Radsportverein Münster von 1895 e. V.“ einer der ältesten Sportvereine in Münster, dessen Vorläufer von A. Lilienbeck, Fr. Wagner und anderen als „Schwalbe 1895“ gegründet wurde. Heimrennen ist „66 mal rund um die Marktallee“ im Stadtteil [[Münster-Hiltrup|Hiltrup]]. Schwerpunkte dieses Vereins sind neben dem Rennsport der Breitensport, die Jugendarbeit und Radball. Seit 1983 gibt es außerdem die „Radsportfreunde Münster e.V.“, die vor allem den Breitensport betreiben. Daneben gibt es noch den lokalen [[American Football|American-Football]]-Verein, die „Münster Mammuts“, die 1983 gegründet wurden und in der Oberliga NRW spielen. Erfolgreichster Basketballverein ist der [[UBC Münster]], dessen Herrenmannschaft in der Saison 2009/10 in der 1. Regionalliga West spielen wird. Im [[Handball]]sport dominieren die Vereine „DJK Sparta Münster“ und „SC Westfalia Kinderhaus 1920 e.&nbsp;V.“ Die Herren von Sparta und die Damen von SC Westfalia Kinderhaus 1920 e.&nbsp;V. spielen jeweils in der Verbandsliga Westfalen. Die „Laufsportfreunde Münster e.&nbsp;V.“ sind der größte Laufsportverein der Stadt. Der 1988 gegründete Verein organisiert den „LSF Straßenlauf“, jeweils im März, und den „Internationalen Silvesterlauf“. Das „Allgemeine Bürgerschützen Corps der Stadt Münster von 1842 e.V.“ (ABC Münster) schießt mit der ersten Mannschaft in der Bundesliga des [[Deutscher Schützenbund|Deutschen Schützenbundes]]. Die erste Tischtennismannschaft der „DJK Borussia 07 Münster“ spielte in der Saison 2005/2006 in der 2.&nbsp;Bundesliga, stieg aber am Ende der Saison in die Regionalliga ab. Seit der Saison 2008/2009 spielt die 1. Damenmannschaft in der Regionalliga. Der Verein war mehrere Jahre Ausrichter der „Enzborn Open“ (ehemals „Münsterland Meisterschaften“), einem der bundesweit größten Tischtennisturniere mit bis zu 1000 Startern. Im Schwimmsport war die [[SG Schwimmen Münster]] bereits in der 1. Bundesliga erfolgreich. Seit November 2004 kann in Münster [[Unihockey]] beim „UHC Münster“ gespielt werden. Der Verein spielt in der Saison 2007/2008 seine vierte Spielzeit in der Regionalliga West in Nordrhein-Westfalen. Dabei handelt es sich um eine Kleinfeld-Liga, bei der sich die beiden Erstplatzierten für die Deutsche Meisterschaft qualifizieren. Große sportliche Events in Münster sind der [[Münster-Marathon]], der mit über 3000 Zielläufern zu den zehn größten Marathonläufen in der Bundesrepublik zählt. Er wird seit 2002 jährlich im September ausgetragen. Seit 2006 ist Münster der Zielort des zur [[UCI Europe Tour]] gehörenden Eintagesradrennen [[Sparkassen Münsterland GIRO]]. Von 1981 bis 1998 fanden und wieder seit 2005 finden in Münster in der [[Halle Münsterland]] die Skateboard-Weltmeisterschaften statt, die ''Münster Monster Mastership''. Die enge Verbindung zwischen den Skateboardsport und Münster begründet sich in [[Titus Dittmann]], dem aus Münster stammenden, in der Szene bekannten Skateboardhersteller und Gründer der nach ihm benannten [[Titus Dittmann GmbH]]. Für die Bevölkerung der Westfalenmetropole wird im Sommer im Zweiwochen-Rhythmus die [[Inline-Skating]]-Tour „Skatenight“ veranstaltet, bei der bis zu 7.000 Teilnehmer über extra abgesperrte Straßen rollen. Zum Segeln lädt in Münster der [[Aasee (Münster)|Aasee]] ein, auf dem bei guten Wetter zahlreiche Segel- und [[Tretboot]]e zu sehen sind. Hier befinden sich unter anderem auch die Clubhäuser des [[Segel-Club Münster|Segel-Clubs Münster]] und des [[Segelclub Hansa Münster|Segelclubs Hansa Münster]]. Münster gilt zudem als Hochburg des [[Speckbrett]]-Spiels, was die vier entsprechenden Vereine und zahlreiche öffentliche Speckbrett-Plätze erklärt. == Auszeichnungen == === LivCom === [[Datei:MuensterPromenade26.jpg|thumb|Die [[Promenade (Münster)|Promenade]]: Grüner Ring um die Innenstadt und zugleich „Fahrradautobahn“]] Einen besonderen Titel hat Münster Ende 2004 erworben. Beim [[LivCom-Award]] 2004 in [[Niagara Falls (Ontario)|Niagara]] ([[Kanada]]) setzte sich Münster&nbsp;– als einzige deutsche Großstadt im Finale&nbsp;– in der Klasse der Städte mit 200.000 bis 750.000 Einwohnern durch. Der LivCom-Award wird vom [[United Nations Environment Programme|Umweltprogramm der Vereinten Nationen]] (UNEP) und der Internationalen Vereinigung der Gartenbauamtsleiter (IFPRA) getragen. Münster darf sich mit der gewonnenen Goldmedaille daher mit dem Titel „Lebenswerteste Stadt der Welt“ schmücken. Der zehnminütige [[Trailer (Vorschau)|Trailer]], den Oberbürgermeister Tillmann in Niagara präsentiert hat, lässt sich von der Homepage der Stadt herunterladen (siehe [[Münster (Westfalen)#Weblinks|Weblinks]]). === Fahrradfreundlichste Stadt === Jährlich wird vom [[Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland|Bund für Umwelt und Naturschutz]] und dem [[Allgemeiner Deutscher Fahrrad-Club|Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Club]] (ADFC) der so genannte [[Fahrradklimatest]] durchgeführt, eine Umfrage, bei der die fahrradfreundlichste Stadt Deutschlands gekürt wird. Nach 1991 gewann Münster auch in den Jahren 2004 und 2005 den Titel (zwischen 1991 und 2004 fanden keine Erhebungen statt). Auch in Tests der [[Stiftung Warentest]] schneidet Münster regelmäßig mit einem Spitzenplatz ab. === European Energy Award in Gold === Mit dem am 3. November 2005 erstmals an eine deutsche Großstadt verliehenen „European Energy Award Gold“ reiht sich ein weiterer Preis in die Reihe der Auszeichnungen ein. Dieser Preis wird vom Forum European Energy Award an europäische Städte und Kommunen verliehen, die sich erfolgreich an einem Qualitätsmanagement- und Zertifizierungsverfahren zum schonenden Einsatz von Energie beteiligt haben. Münster erhielt diese Auszeichnung insbesondere für ein Konzept der Altbausanierung, bei dem zwischen 1997 und 2005 insgesamt 1050 Wohnungen für 35,1 Millionen Euro energetisch saniert wurden. Ein weiterer Aspekt war das neue [[GuD-Kraftwerk|Gas- und Dampfturbinenkraftwerk]] der Stadtwerke Münster mit einer Leistung von 570.000 Megawattstunden pro Jahr, mit der rund die Hälfte des Energiebedarfs der Stadt gedeckt werden kann.&nbsp;<ref>[http://www.westline.de/nachrichten/archiv/index_mono.php?file_name=20051103231045_630_001_2252249&jahrgang=2005 Oskar für das Energiekonzept] – Münstersche Zeitung vom 4. November 2006 auf westline.de</ref> === Bundeswettbewerb „Unsere Stadt blüht auf“ === Beim Wettbewerb „[[Unsere Stadt blüht auf]]“ des Jahres 2006 wurde Münster am 8. August 2006 in [[Mainz]] mit der Goldmedaille ausgezeichnet und setzte sich gegen 14 weitere Städte auf Bundesebene durch, um Deutschland beim Europawettbewerb der [[Entente Florale]] 2007 zu vertreten. Entscheidenden Anteil zur Wahl hatte die seit dem Jahr 1770 das Stadtzentrum umgebende Promenade sowie die nachhaltige Gestaltung der städtischen Grünflächen unter Mitwirkung der münsterschen Bürger.<ref>[http://www.presse-service.de/data.cfm/static/642299.html Meldung des Presse- und Informationsamt der Stadt Münster vom 8. August 2006]</ref> Im Wettbewerb setzte sich die einzige deutsche Stadt im Jahre 2007 gegen Städte aus elf weiteren Nationen durch und wurde am 21. September 2007 in [[Harrogate]] mit Gold ausgezeichnet.<ref>[http://www.westfaelische-nachrichten.de/wna/lokales/muenster/nachrichten/Entente_Florale_Muenster_blueht_in_Gold.html Entente Florale: Münster blüht in Gold] – Westfälische Nachrichten vom 21. September 2007</ref> === Sonstige Auszeichnungen === Im Jahre 2004 wurde Münster von der Initiative „[[Ein Herz für Kinder]]“ zur Kinderfreundlichsten Stadt Deutschlands ausgezeichnet, die „Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft und WirtschaftsWoche“ vergab einen Top Ten-Platz an Münster als eine der „reformfreudigsten Städte Deutschlands“. Im selben Jahr bekam Münster für den Betrieb von [[Solaranlage]]n an Schulen den „Climate Star“ verliehen, eine europäische Auszeichnung für lokale Klimaschutz-Aktivitäten. Beim [[ADAC]]-Städtewettbewerb „Erreichbarkeit von Zentren und Innenstädten“ im Aktionsfeld „Neue Ansätze, Visionen, Konzepte“ belegte Münster im Jahre 2001 den ersten Platz und wurde somit Bundessieger. Bereits 1997 wurde Münster von der [[Deutsche Umwelthilfe|Deutschen Umwelthilfe]] zur Klimahauptstadt Deutschlands gekürt. Diese Auszeichnung konnte die Stadt im Jahre 2006 erneut in Empfang nehmen.&nbsp;<ref>[http://www.presse-service.de/static/65/652086.html Pressemitteilung zur Auszeichnung „Bundeshauptstadt im Klimaschutz“ 2006]</ref> == Persönlichkeiten == → ''Hauptartikel: [[Liste von Persönlichkeiten der Stadt Münster]]'' === Ehrenbürger === {{:Liste der Ehrenbürger von Münster}} === In Münster geboren === Hier eine kleine Auswahl: * 1498/99, [[Johann Brabender]], † 1561/62 in Münster, Bildhauer * 1811, 25. Dezember, [[Wilhelm Emmanuel von Ketteler]], † 13. Juli 1877 in [[Burghausen]], [[Bischof]] von [[Mainz]] („Arbeiterbischof“), Mitbegründer der [[Deutsche Zentrumspartei|Zentrumspartei]], [[Mitglied des Reichstages|MdR]]. * 1885, 26. November, [[Heinrich Brüning]], † 30. März 1970 in Norwich/Vermont (USA), [[Reichskanzler]] 1930–32 * 1799, 15. August, [[Wilhelm Achtermann]], † 26. Mai 1884 in Rom, Bildhauer, Ehrenbürger der Stadt Münster * 1920, 10. Dezember, [[Alfred Dregger]], † 29. Juni 2002 in [[Fulda]], Politiker, Vorsitzender der [[CDU/CSU-Bundestagsfraktion]] 1982–1991 * 1956, 13. Juli, [[Günther Jauch]], Fernsehshowmaster und Fernsehjournalist * 1957, 12. Juli, [[Götz Alsmann]], Musiker und Moderator * 1963, 4. Juli, [[Ute Lemper]], Schauspielerin, Sängerin * 1969, 12. August, [[Tanita Tikaram]], britische Musikerin * 1974, 22. Juli, [[Franka Potente]], Schauspielerin * '''[[Liste von Persönlichkeiten der Stadt Münster#In Münster geboren|mehr …]]''' === Mit Münster verbunden === Mit Münster in enger Verbindung stehen unter anderem: * [[Johann Conrad Schlaun]], * 5. Juni 1695 in Nörde bei Warburg, † 21. Oktober 1773 in Münster, Baumeister und General * [[Franz von Fürstenberg|Franz Freiherr von Fürstenberg]], * 7. August 1729 in Schloss Herdringen, Arnsberg; † 16. September 1810 in Münster, Staatsmann im Fürstbistum Münster * [[Annette von Droste-Hülshoff]], * 10. Januar 1797 auf Burg Hülshoff bei Münster, † 24. Mai 1848 in Meersburg am Bodensee, [[Dichter]]in * [[Johann Wilhelm Hittorf]], * 27. März 1824 in Bonn, † 28. November 1914 in Münster, Physiker * [[Clemens August Graf von Galen]], * 16. März 1878 in Dinklage, † 22. März 1946 in Münster, Kardinal und Gegner des NS-Regimes, am 9. Oktober 2005 in Rom selig gesprochen * [[Edith Stein]], * 12. Oktober 1891 in Breslau, † 9. August 1942 im KZ Auschwitz-Birkenau, deutsche Philosophin jüdischer Herkunft, [[Atheistin]], später [[Karmeliterinnen|Karmeliterin]], [[Märtyrer]]in, [[Heilige]], lehrte in Münster * [[Euthymia]], eigentlich Emma Üffing, * 8. April 1914 in Hopsten-Halverde, † 9. September 1955 in Münster, Clemensschwester, am 7. Oktober 2001 in Rom selig gesprochen * [[Jürgen Möllemann]], * 15. Juli 1945 in Augsburg, † 5. Juni 2003 in Marl-Loemühle, Politiker (FDP) * '''[[Liste von Persönlichkeiten der Stadt Münster#Mit Münster verbunden|mehr …]]''' == Sonstiges == [[Datei:2006-07-19 Schwanenliebe Muenster.jpg|thumb|Petra und ihr Tretboot im Sommer 2006]] Nach der Stadt benannt wurde im Jahre 2004 eine an der [[Westfälische Wilhelms-Universität|Westfälischen Wilhelms-Universität]] entdeckte [[Meerschweinchen]]-Art, die nun ''[[Münstersches Meerschweinchen]] (Galea monasteriensis)'' heißt. Ebenfalls nach ihr benannt ist die texanische Stadt [[Muenster (Texas)|Muenster]]. Weltweite Schlagzeilen machte im Jahr 2006 der [[Trauerschwan]] „[[Petra (Schwan)|Petra]]“, der sich in ein Tretboot in Form eines übergroßen Schwans verliebte. Das weibliche Tier wich seinem „Artgenossen“ auf dem Aasee den ganzen Sommer nicht von der Seite, im November wurden die beiden in den [[Allwetterzoo Münster|Allwetterzoo]] umgesiedelt. Dabei wurde festgestellt, dass es sich um ein Weibchen handelt. Der bereits zuvor vergebene Name „Peter“ musste angepasst werden und der Schwan wurde in „Petra“ umbenannt. Neben deutschen Medien wie dem [[Der Spiegel|Spiegel]] und dem [[Stern (Zeitschrift)|Stern]] berichteten unter anderem auch Fernsehteams aus den USA, Japan, Indien <ref name="Schwan">[http://www.stern.de/politik/panorama/:M%FCnster-Der-Schwan-Tretboot/575372.html Bericht auf stern.de, erwähnt auch weltweite Beachtung]</ref> und aus der Arabischen Welt <ref>[http://www.almotamar.net/news/55709.htm السبت, 29-مارس-2008 المؤتمرنت - بجعة تعود إلى قاربها بعد تجربة حب فاشلة]</ref>. Nach zwei Jahren Liebe zum Tretboot suchte sich Petra im Dezember 2007 einen echten Schwan als Partner aus, der sie im März 2008 wieder verließ. == Zitate == * „Eine schöne, ja geradezu vornehme Stadt. Hier korrespondiert große Vergangenheit mit dynamischer Gegenwart. Beeindruckend.“ ''[[Papst]] [[Benedikt XVI.]], während seiner Zeit als Dozent an der Universität Münster'' * „Ich war oft mutlos, ob meine Bestrebungen für den Frieden ein rechtzeitiges Resultat haben würden. Aber in Münster gewann ich wieder das Vertrauen zu den Menschen, dass sie das tun, denken und wollen, wie es sein muss.“ ''[[Friedensnobelpreis]]träger [[Albert Schweitzer]]'' * „Von meiner Reise bin ich recht befriedigt zurückgekehrt. Sie war anstrengend, bot aber viel Anregendes und Lehrreiches. […] Namentlich aber Münster in Westfalen, eine ganz überraschende Stadt, tief katholisch bei ausgesprochen nord- und niederdeutscher Bevölkerung und voller altertümlicher Schönheiten. Die modernen beschränken sich auf die große Fenstermalerei von [[Melchior Lechter]] (einem gebürtigen Münsteraner) im Museum, deren Farben freilich alles derartige übertreffen, auch die Ste. Chapelle in Paris. Ganz wundervoll.” ''[[Thomas Mann]] am 26. Januar 1911 an seinen Bruder [[Heinrich Mann]]'' * „Es gibt in Münster alle Behörden, die man sich vorstellen kann und auch einige, die man sich nicht vorstellen kann.“ ''[[Volkmar Hopff]], ehemaliger Präsident des [[Bundesrechnungshof]]es'' * „Wenn ich in einer schönen Stadt war, habe ich immer gesagt, sie sei die zweitschönste in Deutschland, ob es nun Bamberg oder Bremen war. Damit provozierte ich die Frage, welche denn die schönste sei. Und dann habe ich gesagt: Münster.“ ''[[Theodor Heuss]], erster [[Bundespräsident (Deutschland)|Bundespräsident]] der [[Bundesrepublik Deutschland]]''. * „Münster&nbsp;– da sind Einbahnstraßen, die mich zur Verzweiflung bringen, aber auch herrlich restaurierte Gebäude aus frühen Jahrhunderten. Ich möchte verweilen, finde aber keinen Parkplatz. Auf Wiedersehen, Münster!“ ''[[Erich von Däniken]], Schriftsteller'' * „In Münster habe ich die ungewöhnliche Gelegenheit gehabt, einem bemerkenswerten Stück Geschichte zu begegnen und daran teilzuhaben.“ ''[[Henry Kissinger]], ehemaliger [[US-Außenministerium|US-Außenminister]]'' * „Münster und die Münsteraner gefall’n mich nich’!“ ''[[Gebhard Leberecht von Blücher]], preußischer General und Feldmarschall'' * „Das war alles zerstört? Davon bemerkt man ja überhaupt nichts mehr.“ '' Sowjetischer Außenminister [[Eduard Schewardnadse]] über die Innenstadt'' * „Eine der schönsten Städte Deutschlands.“ [[Hans Günter Winkler]], deutscher Springreiter. * „Von allen Städten Westfalens ist Münster die vornehmste, ja in ganz Deutschland gibt es keine, die ihr darin gleichkommt.” (Ricarda Huch. ''Im alten Reich. Lebensbilder deutscher Städte'', Neuauflage Köln: Kiepenheuer und Witsch 1967 (= ''Schriftstellerin [[Ricarda Huch]]. Gesammelte Werke'', hrg. von Wilhelm Emrich, Bd. 8), Orig. von 1927.) == Literatur == * {{Literatur | Autor=Klaus Baumeister | Titel=Münster für Anfänger | Verlag=[[Aschendorff Verlag|Aschendorff]] | Ort=Münster | Jahr=2009 | ISBN=9783402127735 }} * {{Literatur | Autor=Christa Farwick, Adam Riese | Titel=Das Münsterbuch. Der Stadtführer | Verlag=Daedalus | Ort=Münster | Jahr=2006 | ISBN=9783891262023 }} * {{Literatur | Autor=Sylvaine Hänsel, Stefan Rethfeld | Titel=Architekturführer Münster | Verlag=Dietrich-Reimer-Verlag | Ort=Berlin | Jahr=2008 | ISBN=9783496012764 }} * {{Literatur | Autor=Werner Hager | Titel=Münster in Westfalen | Herausgeber=[[Westfälische Kunst]] | Auflage=3. | Ort=München/Berlin | Jahr=1979 }} * {{Literatur | Autor=[[Bernd Haunfelder]] | Titel=Münster. Wiederaufbau und Wandel | Verlag=[[Aschendorff Verlag|Aschendorff]] | Ort=Münster | Jahr=2000 | ISBN=3402051710 }} * {{Literatur | Autor=[[Bernd Haunfelder]], Ute Olliges-Wieczorek | Titel=Münster. Stadt des westfälischen Friedens | Verlag=[[Aschendorff Verlag|Aschendorff]] | Ort=Münster | Jahr=2000 | ISBN=3402053640 }} * {{Literatur | Herausgeber=Walther Hubatsch | Titel=Grundriss zur deutschen Verwaltungsgeschichte 1815–1945 | TitelErg=Westfalen | Band=8. Bd. | Ort=Marburg an der Lahn | Jahr=1980 | ISBN=3879691231 }} * {{Literatur | Herausgeber=Franz-Josef Jakobi | Titel=Geschichte der Stadt Münster | Auflage=3. | Verlag=[[Aschendorff Verlag|Aschendorff]] | Ort=Münster | Jahr=1994 | ISBN=3402053705 }} * {{Literatur | Herausgeber=Erich Keyser | Titel=Deutsches Städtebuch. Handbuch städtischer Geschichte | TitelErg=Westfälisches Städtebuch. 2. Teilband | Band=3. Bd. | Verlag=Kohlhammer | Ort=Stuttgart | Jahr=1954 | Kommentar=Im Auftrage der Arbeitsgemeinschaft der historischen Kommissionen und mit Unterstützung des Deutschen Städtetages, des Deutschen Städtebundes und des Deutschen Gemeindetages. }} * {{Literatur | Autor=Karl-Heinz Kirchhoff, Mechtild Siekmann | Titel=Stadtmappe Münster | Ort=Dortmund-Altenbeken | Jahr=1994 | ISBN=3891151349 }} * {{Literatur | Autor=Bettina Meyer, Roman Skarabis | Titel=Münster Architektur 1997–2007 | Verlag=zeichen+raum | Ort=Münster | Jahr=2007 | ISBN=9783000219047 }} * {{Literatur | Autor=Christoph Nübel | Titel=Die Mobilisierung der Kriegsgesellschaft. Propaganda und Alltag im Ersten Weltkrieg in Münster | Ort=Münster | Jahr=2008 | ISBN=9783830920304 }} * {{Literatur | Autor=Erhard Obermeyer | Titel=Münster – Impressionen einer Stadt | Verlag=[[Aschendorff Verlag|Aschendorff]] | Ort=Münster | Jahr=2008 | ISBN=9783402127476 }} * {{Literatur | Autor=Michael Römling | Titel=Münster – Geschichte einer Stadt | Verlag=Tertulla | Ort=Soest | Jahr=2006 | ISBN=3981071018 }} * {{Literatur | Herausgeber=Heinz Stoob, Wilfried Ehbrecht | Titel=Westfälischer Städteatlas | TitelErg=3. Teilband | Band=4. Bd. | Verlag=GSV Städtealtas | Ort=Dortmund-Altenbeken | Jahr=1993 | ISBN=3891151349 | Kommentar=Im Auftrage der Historischen Kommission für Westfalen und mit Unterstützung des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe. }} * {{GKD|2029094-9}} == Filme == * [[Bilderbuch Deutschland]]: ''Münster.'' Dokumentation, 45 Minuten. Ein Film von Martina Müller, Produktion: [[Westdeutscher Rundfunk|WDR]], Erstsendung: 12. November 2006 * ''Münster zwischen den Kriegen – Filmaufnahmen von den 1920er Jahren bis zur Zerstörung.'' Dokumentation des [[LWL-Medienzentrum für Westfalen|LWL-Medienzentrums für Westfalen]], Deutschland 2006, circa 45 Minuten. == Weblinks == [[Datei:Stadtwappen der kreisfreien Stadt Münster.svg|15px|Wappen der Stadt Münster]] '''[[Portal:Münster (Westfalen)]]'''&nbsp;– Das Wikipedia-Portal zum Einstieg in weitere Artikel {{Commonscat|Münster}} {{BAM|Münster|Westfalen}} * [http://www.muenster.de Webseite der Stadt Münster] * [http://www.muenster.de/kultur Kultur im Stadtnetz Münster] * [http://www.muenster.de/stadt/umweltamt/livcom/livcom2004.avi Bewerbungsvideo von Münster beim LivCom-Award] * [http://www.lwl.org/LWL/Kultur/Westfalen_Regional/Siedlung/Stadtmarketing/Lebenswerteste_Stadt Westfalen regional: Münster – lebenswerteste Stadt der Welt?] * {{dmoz|World/Deutsch/Regional/Europa/Deutschland/Nordrhein-Westfalen/St%c3%a4dte_und_Gemeinden/M/M%c3%bcnster|Münster (Westfalen)}} {{Gesprochene Version |datei = DE-M%C3%BCnster_%28Westfalen%29_%28Geographie%2C_Geschichte%2C_Glauben%29-article.ogg |titel = Geographie, Geschichte, Glauben |datei2 = DE-M%C3%BCnster_%28Politik%2C_Wirtschaft%2C_Infrastruktur%29-article.ogg |titel2 = Politik, Wirtschaft, Infrastruktur |datei3 = DE-M%C3%BCnster_%28Westfalen%29_%28Medien%2C_Architektur%2C_Kultur%29-article.ogg |titel3 = Medien, Architektur, Kultur |datei4 = DE-M%C3%BCnster_%28Westfalen%29_%28Kultur%2C_Sport%2C_Sonstiges%29-article.ogg |titel4 = Kultur, Sport, Sonstiges }} == Einzelnachweise == <references /> {{NaviBlock |Navigationsleiste Kreise und kreisfreie Städte in Nordrhein-Westfalen |Navigationsleiste Kreise und kreisfreie Städte in der Provinz Westfalen }} {{Exzellent|21. 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Seine beiden Vorgänger entstanden nach der Ernennung [[Liudger]]s zum ersten Bischof von Münster im Jahre 805 und vermutlich während der Zeit des Bischofs [[Dodo (Münster)|Dodo]] zwischen 967 und 993. Zum letztgenannten existieren jedoch keine präzisen Daten, so dass diverse Quellen auch von 1071 oder 1090 ausgehen. === Erster Dom (805 bis 1377) === Der erste Bau, auch als „Dom des heiligen Liudger“ oder „Ludgerus-Dom“ bezeichnet, entstand nach der Ernennung des heiligen Liudger zum Bischof von Münster im Jahre 805. Lange Zeit wurde angenommen, dass es sich dabei um eine kleinere Kirche gehandelt haben muss, insbesondere nach der Gründungsgeschichte von Tibus. Erst 1904 wurde von Savels die Vermutung aufgestellt, dass der ursprüngliche Dom eine dreischiffige Basilika war. Die Breite berechnete er anhand der nördlichen Flucht des Domplatzes und kam auf einen Wert von etwa 20&nbsp;Meter. Weitaus gesicherte Erkenntnisse ergaben sich aus Ausgrabungen von Dr. Wieschebrink, dem ehemaligen Direktor des Bischöflichen Museums, die er im Jahre 1936 durchführte. Demnach lag der Dom des heiligen Liudger zu großen Teilen an der Stelle, die jetzt vom Kreuzgang und dem Domherrenfriedhof eingenommen wird. Aus den gefundenen Überresten der Fundamente konnte die Breite des nördlichen Seitenschiffs ermittelt werden. Es war einschließlich der Außenmauer bzw. der Untermauer der Pfeiler in etwa 8,3&nbsp;Meter breit. Wird für das Hauptschiff die doppelte Breite wie die eines Seitenschiffs unterstellt, so wie es bei frühen Kirchenbauten des Mittelalters üblich war, so ergibt sich für den gesamten Dom eine Breite von 8,3&nbsp;+&nbsp;11&nbsp;+&nbsp;8,3&nbsp;=&nbsp;27,6&nbsp;Meter. Die Länge wurde den Ausgrabungen nach auf 31,2&nbsp;Meter ermittelt. Innerhalb der nordwestlichen Ecke des Bauwerkes fand Dr. Wieschebrink zusätzliche, rechtwinklig angeordnete Mauerfundamente. Diese sind zudem mit einen Stärke von 2&nbsp;Meter erheblich dicker als die restlichen Mauern. Aus diesen Überresten rekonstruierte er einen quadratischen Turm mit einer Kantenlänge von etwa 8,3&nbsp;Meter. Dieser erste Dombau besaß drei Funktionen. Zum einen war er seit dem Jahr 805 die Bischofskirche des [[Bistum Münster|Bistums Münster]]. Gleichzeitig war er die Stiftskirche für die nach der Regel des heiligen [[Chrodegang]]s lebenden Brüder des von Liudger gegründeten Klosters. Die dritte Funktion war die einer Pfarrkirche, ursprünglich für ganz Münster. Dieser Pfarrbezirk sollte im Jahre 1090 jedoch auf die alte [[Domburg (Städtebau)|Domburg]] und [[Domfreiheit|Domimmunität]] beschränkt werden, nachdem weitere Pfarrbezirke gegründet wurden. === Zweiter Dom (um 990 bis 1225) === Der zweite Dom entstand in unmittelbarer Nähe südlich zum ersten Dom. Über seine Bauzeit existieren keine gesicherten Erkenntnisse. Während beispielsweise das Bistum Münster hierfür eine Bauzeit um 1071 oder 1090 angibt, schätzt [[Max Geisberg]] die Entstehung dieses Doms während der Amtszeit von Bischof Dodo, der von 967 bis zu seinem Tod 993 dieses Amt bekleidete. Seine Vermutung wird dadurch unterstützt, dass bereits im 10. und frühen 11.&nbsp;Jahrhundert andere bedeutende Dombauten mit einem Westquerschiff versehen waren. Dieses Querschiff wurde demnach beim Bau des dritten Doms wiederverwendet. Entsprechend dieser Bauzeit, während der Zeit der [[Liudolfinger|Ottonen-Herrschaft]], wird dieser Dom auch als „Ottonischer Dom“ bezeichnet. Die Angaben des Bistums müssen jedoch nicht zwangsläufig mit Geisenbergs Schätzung im Widerspruch stehen. Sie beruhen auf einer urkundlichen Erwähnung über Weihe der Domkirche im Jahre 1090, was auch nach dem Wiederaufbau nach einem Feuer stattgefunden haben kann. So brannte beispielsweise die [[Überwasserkirche]] nur wenige hundert Meter entfernt im Jahre 1071 vollständig nieder. Da dieser Bau für den dritten Dom größtenteils abgebrochen wurde, um den Neubau an derselben Stelle errichten zu können, konnten keine Ausgrabungen zur Bestimmung der Ausmaße vorgenommen werden. Auch existieren keinerlei Baupläne hierüber. Maßgeblich erhalten geblieben von der ursprünglichen Version sind weite Teile des westlichen Querschiffs: Auf der westlichen Seite ist die Mauer fast vollständig erhalten bis auf den mittleren Teil, in dem Bischof Hermann um 1190 den „Alten Chor“ erbauen ließ. Die südliche Mauer wurde zur nördlichen Innenwand der „Paradiesvorhalle“. Von der Ostseite des westlichen Querschiffs sind nur noch Teile der Wände des Obergeschosses vorhanden, während große Teile der nördlichen Wand noch vom zweiten Dom stammen. Aus diesen alten Mauern ergeben sich daraus die Abmessungen von etwa 36,6&nbsp;×&nbsp;12,4&nbsp;Meter für das westliche Querschiff des ottonischen Doms. Aus der ebenfalls teilweise erhaltenen südlichen Mauer des Seitenschiffes lässt sich die Breite aus Doms selbst auf fast 30&nbsp;Meter schätzen. Sie setzt sich zusammen aus den jeweils etwa 6&nbsp;Meter breiten Seitenschiffen mit ihren etwa 1&nbsp;Meter dicken Außenwänden und dem mit etwa 12&nbsp;Meter doppelt so breiten Hauptschiff, sowie den etwa 1,5&nbsp;Meter starken Bögen zwischen den einzelnen Schiffen. Über die Länge des Doms lassen sich jedoch keine Rückschlüsse ziehen. Eine weitere Erweiterung durch Bischof [[Hermann II. von Katzenelnbogen]] war das um 1192 entstandene [[Westwerk]], das in seinen Grundzügen noch immer erhalten ist und in den dritten Dombau integriert wurde. Dabei handelt es sich um den Anbau der beiden Türme im Stile der [[Romanik]] an der Westseite der Domkirche sowie in deren Mitte der „Alte Chor“, der die bisherige [[Apsis|Westapsis]] komplett ersetzte. Dieser Anbau soll alleine vom Bischof auf eigene Kosten errichtet worden sein. Besonders an diesem zweiten Dom ist die Tatsache, dass er zeitgleich zum alten, ersten Dom bestand. Nachdem dieser Bau die Funktion der Bischofskirche übernommen hatte, blieb der erste Dom fast 100 Jahre nahezu unbenutzt. Daher hatte Bischof Dodo keine Bedenken, einen Teil der Südwestecke davon für den Bau einer Kapelle abzutrennen. Erst mit der Gründung des „[[Kollegiatstift Alter Dom (Münster)|Kapitel des Alten Doms]]“ durch Bischof Burchard fiel diesem Dom bis zu seinem Abriss im Jahre 1377 wieder eine Funktion zu, als das Kapitel ihn als [[Chor (Architektur)|Chor]] nutzte. === Dritter Dom (1225 bis Gegenwart) === [[Datei:MuensterDomGrundriss1761.jpg|thumb|300px|Grundriss des Domes um 1761 (Norden oben)]] [[Datei:Cloister Münster.JPG|thumb|Kreuzgang, Westflügel]] [[Datei:Domfriedhof Münster.JPG|thumb|Domfriedhof im Innenhof des Kreuzgangs]] Die Grundsteinlegung zum dritten Dom fand im Jahre 1225 statt. Entgegen den beiden Vorgängerbauten war bei diesem nicht mehr der Bischof selbst der Bauherr, sondern das „Kapitel des Neuen Domes“, das zwischenzeitlich deutlich an Einfluss gegenüber dem Bischof gewonnen hatte. Die Bauzeit betrug fast 40 Jahre. Am 30. September 1264 wurde er vollendet und durch Bischof [[Gerhard von der Mark]] geweiht. Die Zahlen und Buchstaben in Klammern zu Begriffen im nachfolgenden Teil verweisen auf die Position im Grundrissplan auf der rechten Seite. Es entstand eine gewölbte Basilika mit einem doppelten Querschiff im Stile der [[Gotik]]. Seine Länge beträgt 108,95&nbsp;Meter, die Breite des westlichen Querschiffs inklusive der Paradiesvorhalle 52,85&nbsp;Meter, ohne sie 40,53&nbsp;Meter. Das Langhaus zwischen den beiden Querschiffen misst inklusive den Seitenschiffen eine Breite von 28,3&nbsp;Meter, das östliche Querschiff 43,3&nbsp;Meter. Für den Bau wurden weite Teile seines Vorgängers abgetragen, jedoch auch Teile wiederverwendet. Dazu gehörten zum Beispiel das Westwerk, Teile des westlichen Querschiffs sowie Mauerteile des südlichen Seitenschiffs. Hieraus ergibt sich eine Mischung von Stilelementen der [[Romanik]] –&nbsp;hauptsächlich in Form der beiden romanischen Türme des Westwerks&nbsp;– und der Gotik. Seine Funktion als Pfarrkirche verlor der Dom jedoch bereits während seiner Bauphase, als in der ersten Hälfte des 13.&nbsp;Jahrhunderts auf dem [[Domplatz Münster|Domplatz]] die Jakobikirche erbaut wurde. Es sollte bis zu deren Abbruch im Jahre 1812 dauern, bevor ihm wieder der Status einer Pfarrkirche zuteil wurde. Bis in das Jahr 1377 bestand neben diesem mittlerweile dritten Dom weiterhin der alte ludgerianische Dom in unmittelbarer Nähe. Am 18.&nbsp;August 1377 bestätigte dann Bischof [[Florenz von Wevelinghofen]], dass sie sich gegenseitig das Licht nehmen würden, und gestattete den Abriss des Ludgerus Domes. Da jedoch das Kapitel des Alten Domes in diesem seinen Chor besaß, war gleichzeitig ein Ersatz notwendig. Es entstand etwas weiter nördlich als der erste Dom der sogenannte „Alte Dom“ (V), der erst 1875 abgebrochen wurde und wie der dritte Dom ebenfalls im Stile der Gotik gebaut war. Mit dem Bau des [[Klostergeviert|Kreuzganges]] (T) zwischen 1390 und 1395 musste jedoch bereits 18 Jahre nach dem Bau des Alten Domes ein Teil desselben wieder abgetragen und nach Westen hin versetzt werden und wurde seitdem im Osten durch die Achse des Westquerschiffes des dritten Domes und den Kreuzgang begrenzt. Der Kreuzgang selbst wurde auf der Ostseite durch die im Jahre 1390 erbaute „Marienkapelle“ (Q) begrenzt. Um das Jahr 1400 entstand mit dem ersten, im hochgotischen Stil errichteten Westportal innerhalb des Westwerkes der Vorläufer des späteren, weitaus bedeutenderen Westportals. Damit war erstmalig ein Betreten des dahinterliegenden „Alten Chores“ möglich. Die um 1516 entstandene Erweiterung des Portals im spätgotischen Stil war eine der bedeutendsten Erweiterungen des Bauwerks. Es sollte fast 450 Jahre Bestand haben, bis es bei einem der zahlreichen Bombentreffer des Doms im Zweiten Weltkrieg zerstört und nicht wiederaufgebaut wurde. Während der [[Täuferreich von Münster|Herrschaft der Täufer]] in Münster in den Jahren 1534 und 1535 war auch der Dom vor den Verwüstungen der Täufer nicht sicher. Im Rahmen des [[Bildersturm]]es 1534 wurden zahlreiche Bilder und Figuren wie die [[Heinrich Brabender]]s zerstört sowie die erste [[Astronomische Uhr]] aus dem Jahre 1408, da sie mit biblischen Bildern verziert war. Nach dem blutigen Ende der Täuferherrschaft fand eine Neugestaltung im Inneren des Domes statt. Betroffen davon waren unter anderem der [[Lettner]], die Astronomische Uhr und der Kapitelsaal (P). Heinrich Brabenders Sohn [[Johann Brabender]] schuf neue Skulpturen als Ersatz für die zerstörten Exemplare, und neue Malereien wurden angebracht von [[Ludger tom Ring der Ältere|Ludger]] und [[Hermann tom Ring]], zwei bedeutenden westfälischen Malern. Gegen Ende des 16.&nbsp;Jahrhunderts entstand am östlichen Ende des Gebäudes das Armarium in der späteren „Kreuzkapelle“ (H). Fürstbischof [[Christoph Bernhard von Galen]] ließ diesen Anbau im Jahre 1663 durch die nach ihm benannten „von Galenschen Kapellen“ (G) erweitern, die von der Form her Kopien des Armarium darstellen. Eine weitere Erweiterung erfuhr der Dom im Jahre 1697 durch die „Vikariensakristei“ (J) im Winkel zwischen dem nördlichen Teil des Ostquerschiffs, dem sogenannten „Stephanuschor“, und dem nördlichen Seitenschiff. Nachdem sie zwischenzeitlich die Domschatzkammer beherbergte, ist dieser Anbau nun die sogenannten „Sakramentskapelle“. Die zwischen der Marienkapelle und dem Ostquerschiff gelegene „St.-Anna-Kapelle“ (R), die auch als „Margareten-Kapelle“ bekannt war, der sich daran nach Osten anschließende ins Freie führende Gang sowie die zwischen diesem Gang und dem nördlichen Ende des Stephanuschors gelegene „St.-Elisabeth-Kapelle“ (S) mussten im Jahre 1885 dem Neubau einer Sakristei weichen. [[Datei:Dom Muenster 1784.jpg|thumb|Die Westfassade mit Domplatz im Jahr 1784]] Im südlichen Seitenschiff befindet sich das [[Epitaph (Grabinschrift)|Epitaph]] des Domseniors Anton Heinrich Hermann von Velen, das dieser noch zu seinen Lebzeiten bei dem Holzbildhauer [[Johann Heinrich König]] in Auftrag gegeben hatte und 1738 angebracht wurde. [[Datei:Muenster Dom 4778.jpg|thumb|Dom in der Abenddämmerung]] Während des [[Zweiter Weltkrieg|Zweiten Weltkriegs]] wurde der Dom durch Bombentreffer schwer beschädigt und nahezu komplett zerstört. Die Zerstörungen betrafen jedoch fast ausschließlich das Gebäude selbst, da sämtliches Inventar ausgelagert und somit gerettet werden konnte. Nicht gerettet werden konnten die Wand- und Deckenmalereien von Hermann tom Ring aus der Mitte des 16.&nbsp;Jahrhunderts sowie das bedeutende Westportal aus der ersten Hälfte des 16.&nbsp;Jahrhunderts. Sie gingen beim Einsturz der Decke und der Wände verloren. Der Wiederaufbau dauerte von 1946 bis 1956. Viele Teile des Domes wurden dabei originalgetreu rekonstruiert. So befinden sich die Altäre und [[Epitaph (Grabinschrift)|Epitaphen]] auch weiterhin an ihren ursprünglichen Plätzen. Nicht rekonstruiert wurden dagegen die bereits erwähnten Malereien und das Westportal. Anstelle des Portals befindet sich am westlichen Ende des Domes nun eine schlichte Wand aus Sandstein, die mit einer schlichten Anordnung von runden Fenstern versehen ist. In der Vierung vollzog [[Emil Steffann]] 1955/56 eine liturgische Neuordnung, indem er den Altar freistehend und zentral in den Raum stellte („Volksaltar“). Die Bänke für die Gläubigen gruppierte Steffann von drei Seiten um den Altar. Kathedra und Chorgestühl wurden in den Ostchor gestellt, der alte Hochaltar an die Wand des Westchors versetzt.<ref>Bühren 2008, S. 176, 208, 914 (Abb. 48).</ref> Im Jahre 1981 fand die Eröffnung der neuen Domkammer statt. Sie befindet sich nördlich des Kreuzganges und beherbergt Kunst- und Kulturgegenstände aus mehr als 1200 Jahren seit der Gründung des Bistums. Einige der dort ausgestellten Gegenstände befinden sich noch immer im Gebrauch im Rahmen der [[Liturgie]] des Domes. Für den Kapellenkranz und die Seitenwände des Chorumgangs entwarf [[Georg Meistermann]] 1985–1990 einen Zyklus von 17 Glasfenstern. Die Kompositionen der Fenster sind von abstrakt-geometrischen Farbflächen und symbolhaft-biblischen Motiven bestimmt.<ref>Werner Thissen: ''Einsichten in Unsichtbares''. Die Fenster Georg Meistermanns im Dom zu Münster, Freiburg im Breisgau 1992 (2. Auflage: Dialogverlag Münster 1998) (ISBN 3-933144-12-4).</ref><ref>Bühren 2008, S. 617.</ref> == Architektur == === Westwerk === [[Datei:MuensterDomWestwerkAussen1900.jpg|thumb|upright|Westwerk mit bedeutendem spätgotischen Westportal um 1900]] Das Westwerk in seinen Grundzügen stammt den Bischofschroniken nach aus der Zeit um 1192 und entstand somit als Anbau zum zweiten, ottonischen Dom. Dabei handelt es sich um die beiden Türme an der Westseite der Domkirche sowie in deren Mitte der „Alte Chor“, der die bisherige Westapsis komplett ersetzte. Das bedeutende, spätgotische Westportal war im ursprünglichen Westwerk noch nicht erhalten und entstand erst in der Zeit um 1516. Zwei Konsolsteine des Bildhauers [[Heinrich Brabender]] vom Westwerk, von denen wahrscheinlich eines das Selbstbildnis Brabenders zeigt, befinden sich im [[LWL-Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte]]. ==== Portal und Alter Chor ==== Der sogenannte ''Alte Chor'' besitzt eine Ausdehnung in Nord-Süd-Richtung von 17,6&nbsp;Meter außen und 12,1&nbsp;Meter innen. In Ost-West-Richtung sind es 16,9&nbsp;Meter außen bzw. 13,55&nbsp;Meter innen. Er wurde zunächst als separater Anbau an der Westseite des Doms errichtet und durch die westliche Außenmauer des Querschiffs des ottonischen Doms räumlich von diesem getrennt. Sie sollte erst etwa 60 Jahre später um 1250 entfernt werden, als sich der dritte Dom im Bau befand. Doch kurz nach dem Ende der Täuferzeit in den 1530er Jahren wurde er erneut vom restlichen Dom abgetrennt. Diesmal geschah die Abtrennung jedoch durch einzelne Wände und Eisengitter. Diese räumliche Trennung sollte zumindest bis 1870 bestehen bleiben. Während dieser Zeit diente der Alte Chor im zweiten Viertel des 17.&nbsp;Jahrhunderts den [[Weihbischof|Weihbischöfen]] als Ort, wo sie sowohl die [[Firmung]] spendeten als auch [[Weihesakrament|Priesterweihen]] durchführten. [[Datei:MuensterDomWestwerkInnen.jpg|thumb|left|upright|Alter Chor mit Taufbecken und dem Hochaltar]] Im Jahre 1836 führte die Stiftung des Bursars von Landsberg eine große Umgestaltung des Alten Chors durch. In diesem Rahmen wurde er mit einer großen Orgeltribüne versehen, blieb aber auch weiterhin in sich abgeschlossen. Die zur Abtrennung genutzten und mit dem Schriftzug „v. Landsperg“ in kursiven Buchstaben geschmückten Eisengitter schlossen ab 1870 die unteren Kapellen der beiden Türme ab. Die Landsbergsche Ausstattung des Chors wurde bereits im Jahre 1856 wieder entfernt. Die letzte große Veränderung des Alten Chores fand im Rahmen des Wiederaufbaus nach dem Zweiten Weltkrieg statt. Neben dem bereits im 18.&nbsp;Jahrhundert dort befindlichen Taufstein mit dem Taufbecken wurde der Hochaltar dorthin versetzt. Zu Baubeginn besaß das ''Westwerk'' noch nicht das im Zweiten Weltkrieg zerstörte, im spätgotischen Stil errichtete Westportal. Vielmehr ist sehr wahrscheinlich, dass es kein eigenes Portal besaß und der Alte Chor durch einen Zugang im Bereich südlichen Endes der Ostwand betreten werden musste. Diese Situation hat sich schätzungsweise um das Jahr 1400 geändert. Zunächst bekam das Westwerk ein Portal im hochgotischen Stil. Es entsprach in etwa dem späteren Portal im spätgotischen Stil. Die Nischen des Türbogens waren mit Figuren verziert. Es ist anzunehmen, dass auf der linken Seite eine [[Sirene (Mythologie)|Sirene]], ein Lamm und Löwe angebracht waren, auf der rechten Seite [[Phönix (Mythologie)|Phönix]], ein Pelikan und ein Adler. Zusätzliche Verzierungen bestanden aus [[Wimperg|Blendmaßwerk-Wimpergen]] sowie mit Blattschmuck und gekrönten, langhaarigen Frauenköpfen verzierte [[Konsole (Architektur)|Konsolen]]. Diese Letztgenannten sollen jedoch während der [[Täuferreich von Münster|Herrschaft der Täufer]] in Münster in den Jahren 1534/35 sehr gelitten haben, nachdem die Täufer einen [[Bildersturm]] entfachten und somit viele Skulpturen und Figuren zerstörten. Schätzungsweise im Jahre 1516 entstand das Westportal im spätgotischen Stil als Erweiterung des bereits vorhandenen Portals. Das Giebeldreieck aus Bruchstein wurde durch ein Dreieck aus Werksteinquadern ersetzt und zudem mit Bildern und Skulpturen reich verziert. Über dem Portal wurde eine [[Maßwerk]]galerie mit riesigen 9,62&nbsp;Meter hohen und 6,7&nbsp;Meter breiten Maßwerkfenstern angelegt. An den Seiten waren Figuren von [[Paulus von Tarsus|Paulus]] und [[Simon Petrus|Petrus]] angebracht. Oberhalb der Maßwerkgalerie zeigten drei Spitzbogennischen lebensgroße Figuren vom Einzug Christi. Die Figurenbilder Christi waren in der mittleren Nische 2,4&nbsp;×&nbsp;2,3&nbsp;Meter groß, in der linken Nische 1,98&nbsp;×&nbsp;1,54&nbsp;Meter und in der rechten 1,84&nbsp;×&nbsp;1,37&nbsp;Meter. Sie wurden durch [[Heinrich Brabender]] gefertigt und überstanden als einzige Figuren in Münster den Zerstörungen der Täufer, wahrscheinlich weil sie aufgrund der hohen Anbringung nicht einfach zugänglich waren. [[Datei:MuensterDomWestside.jpg|thumb|200px|Vereinfacht wiederaufgebautes Westwerk]] Im Jahre 1850 war eine Renovierung des Westportals nötig geworden, bei dem die Maßwerkgalerien und [[Fiale]]n oberhalb des Giebels erneuert wurden. Doch bereits im Jahre 1901 war eine erneute Renovierung derselben fällig. Die zunächst eingesetzte Verglasung durch Butzenscheiben wurde 1904 durch ein von Kaiser [[Wilhelm II. (Deutsches Reich)|Wilhelm II.]] geschenktes und von [[Carl de Bouché]] hergestelltes Glasgemälde ersetzt. Dieses zeigte das Treffen von [[Karl der Große|Karl dem Großen]], Papst [[Leo III. (Papst)|Leo III.]] sowie Liudger im Jahre 799 in [[Paderborn]]. Im Zweiten Weltkrieg wurde das Portal sowie der Rest des Doms schwer beschädigt. Obwohl der Dom in weiten Teilen originalgetreu wiederhergestellt wurde, war dies beim Westportal nicht der Fall. Es wurde durch eine schlichte Wand ersetzt, in der sich - entworfen von Professor Fritz Thoma, Trier - zwölf, in einem Kreis angeordnete Rundfenster befinden. In der Mitte des Kreises befinden sich weitere vier Rundfenster, die in einem Quadrat angeordnet sind. Es soll sich dadurch an das ursprüngliche romanische Westwerk anlehnen, zeigt aber deutliche Spuren der Baukunst der 1950er Jahre. Unter der Bevölkerung kursieren zum Teil auch die Bezeichnungen „Kellerfenster“, „Seelenbrause“ oder „Wählscheibe Gottes“ für diese Rekonstruktion. Vor dem Wiederaufbau kam es zu hitzigen Diskussionen sowohl unter Denkmalpflegern als auch innerhalb der Bevölkerung Münsters, wie das Portal letztendlich wiederaufgebaut werden sollte. Die Pläne des damaligen Bischofs [[Michael Keller (Bischof)|Michael Keller]] für das ursprüngliche romanische Westportal führten zu einem Ansturm von Protestleserbriefen an die [[Westfälische Nachrichten|Westfälischen Nachrichten]]. Aber auch sie änderten nichts mehr an der Entscheidung des Bischofs. Seit der ersten Hälfte des 18.&nbsp;Jahrhunderts war das Westportal mit einem durch eine [[Balustrade|Steinbalustrade]] und hohen Eisengittern vom Domplatz abgetrennten Vorhof versehen. Er entstand frühestens 1710, spätestens 1748. Den Zugang zierten auf der einen Seite eine von [[Johann Christoph Manskirch]] geschaffene, 1,66&nbsp;Meter hohe und 1,74&nbsp;Meter breite Darstellung der Religion in Form einer auf Wolken thronenden Frau mit Kreuz und Gesetzestafeln. Während ein kleiner Engel auf die Gesetze verweist, ist zudem ein in die Tiefe stürzender Knabe mit einer Schlange in der Hand dargestellt gewesen. Die Darstellung auf der anderen Seite ist nicht überliefert und auch aus alten Lichtbildern nicht zweifelsfrei zu erkennen. Max Geisberg schätzt sie als eine Darstellung der Kirche, Guilleaume hingegen als eine Darstellung des Alten und Neuen Testaments. Entfernt wurde der Vorhof auf Beschluss vom 4.&nbsp;Juni 1873, wobei die Eisengitter an die Grafen von Landsberg verkauft worden sein sollen. ==== Türme ==== Die beiden romanischen Westtürme erscheinen auf den ersten Blick nahezu identisch, unterscheiden sich jedoch zum Teil deutlich in ihren Abmessungen. Der nördliche Turm ist in Nord-Süd-Richtung 12,05&nbsp;Meter breit, in Ost-West-Richtung 13,6&nbsp;Meter. Dabei erstreckt er sich 57,7&nbsp;Meter in die Höhe. Sein südliches Gegenstück misst 11,5&nbsp;×&nbsp;12,95&nbsp;Meter und ist 55,5&nbsp;Meter hoch. Da die jeweils im Erdgeschoss befindliche Kapelle im Südturm zudem kleiner ist als die im Nordturm, sind seine Mauern in den unteren drei Geschossen deutlich schmaler. Darüber hinaus nähern sich die beiden Türme von ihren Maßen her an. Bis zum teilweisen Einsturz und dem Wiederaufbau des Nordturmes nach dem Zweiten Weltkrieg betrug der Unterschied im Dachansatz nur noch 25&nbsp;Zentimeter. Dieser große Unterschied in den unteren Stockwerken lässt sich unter anderem damit erklären, dass die jeweiligen Kapellen im Erdgeschoss mit den Seitenschiffen des Doms in einer Flucht liegen sollten. Da diese in ihren Grundmauern noch vom zweiten, ottonischen Dom stammen und bereits dort eine unterschiedliche Breite aufwiesen, mussten entsprechende Anpassungen bei den Türmen vorgenommen werden. Um diese offensichtliche Asymmetrie auszugleichen, nähern sie sich nach oben von den Abmessungen her an. Neben den bereits erwähnten unteren Kapellen existieren darüber jeweils eine weitere Kapelle, die jedoch nie mit Altären ausgestattet gewesen sind. Um diese erreichen zu können, führen jeweils [[Gewölbe|tonnengewölbte]] Steintreppen vom westlichen Querschiff in westlicher Richtung hinauf und folgen dem Winkel beim Erreichen der Außenmauern der Türme. Aufgrund der Stärke der Mauer des Nordturmes verläuft die Treppe bei diesem komplett im Inneren der Mauer. Beim Südturm wird sie als Schräge sichtbar. Diese Art der Treppenführung gilt als ein bedeutendes, maßgebendes Beispiel für viele westfälische Kirchenbauten. [[Datei:Muenster PaulusDom Tuerme 6440.jpg|thumb|Turmspitzen im Detail. Links im Vordergrund der südliche Turm.]] Auf Höhe der oberen Kapellen führt zudem jeweils eine Tür zu Laufgängen hinter den Säulengalerien des Alten Chores. Über diese Gänge sind die beiden Türme miteinander verbunden. Folgt man den zuvor genannten Treppen bis zum Ende, gelangt man jeweils in einen Raum oberhalb der Turmkapellen. An deren westlichen Außenmauern sind enge Fensterschlitze eingelassen, die jeweils 54&nbsp;Zentimeter breit sind. Ab diesem Raum führen Holztreppen und Holzleitern in die oberen vier Stockwerke der beiden Türme. Sie lassen sich von Außen gut durch die Fenster in den Turmspitzen sowie den darunter liegenden Spitzbogennischen erkennen und liegen 18,37&nbsp;Meter oberhalb des Sockels. Erzeugt werden die Nischen durch [[Lisene]]n aus Werkstein. Sie sind jedoch nicht auf jeder Turmseite identisch. Nach Westen hin befinden sich oben vier, unten fünf Lisenen. Am Nordturm nach Norden hin sowie am Südturm nach Süden hin sind auf beiden Ebenen nur vier Lisenen angebracht, die jedoch in einer Flucht liegen. In den beiden obersten Geschossen befinden sich neben den jeweils zwei Fenstern in Spitzbogenform in der Mitte an den Außenseiten weitere Spitzbogennischen. Im Nordturm sind diese Nischen mit jeweils drei Spitzbögen versehen, im Südturm nur mit zweien. Ganz oben auf dem Türmen befindet sich ein Dach in Pyramidenform, das seit dem Jahr 1725 mit Kupfer verkleidet ist. Anscheinend handelt es sich bei dieser Form jedoch nicht um die ursprüngliche. Vor der Zeit der Täufer in den Jahren 1534/35 sollen die damals mit Blei gedeckten Turmspitzen deutlich höher und eine Zierde der Stadt gewesen sein. Ähnlich wie den Turm der [[Überwasserkirche]] sollen die Täufer die Turmspitzen heruntergestürzt haben. ===== Nordturm ===== [[Datei:MuensterDomNordturmUntereKapelle.jpg|thumb|Untere Kapelle des Nordturmes]] Die untere Kapelle des Nordturmes liegt 75&nbsp;Zentimeter unterhalb des Flurs des Westquerschiffs und restlichen Domes. Sie ist dem heiligen Petrus geweiht und beherbergte höchstwahrscheinlich seit dem 14.&nbsp;Jahrhundert zusätzlich die Schatzkammer. Dazu war der Zugang vom Westquerschiff her durch eine Wand mit zwei Türen abgeschlossen, von denen die südliche durch einen schmalen Gang zur Kapelle selbst führte und die nördliche den Zugang zur Schatzkammer gewährte, die wohl im Mauerwerk untergebracht war. Ab dem 15.&nbsp;Jahrhundert wird der Nordturm zusätzlich als Armarium erwähnt, das heißt als Aufbewahrungsort der heiligen Schriften. Diese Funktion behielt er schätzungsweise bis ins Jahr 1859 bei, nachdem das Domkapitel am 1. März 1859 die Entfernung der Trennwand zwischen Querschiff und Kapelle anordnete. Während seiner Zeit als Schatzkammer beherbergte er nicht nur den münsterschen Domschatz, sondern auch vom 21.&nbsp;November 1793 bis zum 27.&nbsp;März 1794 auch den Kölner Domschatz, der vor den Franzosen nach Münster in Sicherheit gebracht wurde. Nach einem Beschluss vom 21. Dezember 1870 wurde das Taufbecken in die untere Kapelle verlegt. Dazu wurde sie zusätzlich mit den Landsbergschen Eisengittern verschlossen, die zuvor den Zugang zum Alten Chor und der darin befindlichen Orgeltribüne abschlossen. Eine Besonderheit des Turmes existiert auf Höhe der oberen Kapelle, die jedoch zu keiner Zeit einen Altar besessen hat. In einer kleinen Kammer wurde ein 0,8&nbsp;Meter hoher und 1,4&nbsp;Meter breiter Grabstein eingemauert, der eine betende Frau zeigt. Er wurde anscheinend bereits einige Jahrzehnte vor dem Bau des Westwerks um 1190 gefertigt, da es keine Bedenken gab, den Stein als Baumaterial für den Dom zu verwenden. Im Zweiten Weltkrieg wurde der Turm schwer beschädigt, wobei die oberen zwei Geschosse teilweise eingestürzt sind. Während des Wiederaufbaus wurden die entsprechenden Stockwerke sowie das Dach wiederhergestellt. Gleichzeitig wurde auch das Innere des Turms renoviert, wobei die untere Kapelle wieder zur Schatzkammer umgebaut wurde. Nach der Fertigstellung der neuen Domschatzkammer nördlich des Kreuzganges im Jahre 1981 zog der Domschatz nach dorthin um. ===== Südturm ===== In der unteren Kapelle des Südturmes, der Katharinenkapelle, befand sich vermutlich seit dem Beginn des 17.&nbsp;Jahrhunderts das „Heilige Grab“, worüber am 31.&nbsp;Januar 1685 beschlossen wurde, es in ein beständiges Grab umzuwandeln. Dazu wurde die Wegnahme des Altars beschlossen und den Gottesdienst zum Primaltar zu verlegen. Nach dem Tod des damaligen Dechanten Johann Rotger, der maßgeblichen Anteil am Umbau der Kapelle hatte, wurden seine beiden Grabsteine in die Kapelle versetzt. Ab dem Jahr 1935 diente Raum als Gedächtniskapelle für die ''„Gefallenen des Krieges und der Arbeit“''. Dazu bekam die Kapelle einen neuen Altar sowie Altarkreuz. Als weitere Ausstattung diente ein umgebautes schmiedeeisernes Gehänge aus dem 17.&nbsp;Jahrhundert als Totenlicht sowie ein spätgotischer Zahltisch und zwei Steinengel. Nachdem der Südturm im Zweiten Weltkrieg komplett ausbrannte, wurden die Schäden an den Außenwänden beseitigt sowie beide Kapellen instand gesetzt. Daraufhin diente die Katharinenkapelle lange Zeit als Taufkapelle, bis am 7. November 2003 der Altar mit dem [[Triptychon]] „Pietá und Auferstehung“ einen neuen Aufsatz bekam. === Paradies === [[Datei:MuensterDomParadiesvorhalleAussen.jpg|thumb|upright|Westquerschiff mit der Vorhalle des Paradieses]] Beim Paradies handelt es sich um einen zweigeschossigen Vorbau am südlichen Ende des Westquerschiffs. Aufgrund von Mauerresten im Querschiff selbst ist es wahrscheinlich, dass bereits der zweite, ottonische Dom über eine Vorhalle verfügt haben muss. Der Vorbau entstand zunächst dreigeschossig mit dem Bau des dritten Doms ab dem Jahre 1225 und misst 5,83&nbsp;Meter in Nord-Süd-Richtung sowie 14,92&nbsp;Meter in Ost-West-Richtung. Ursprünglich war sie nach Süden hin offen, da sie als Ort für [[Send]]- und [[Hofgericht]]e genutzt wurde, die nach dem auch in Münster geltendem [[Sachsenspiegel]] unter freiem Himmel stattzufinden hatten. Nachdem Gerichtsverhandlungen mit der Erweiterung des [[Historisches Rathaus Münster|Rathauses]] um 1395 dort stattfanden, dürfte die Südwand spätestens ab diesem Zeitpunkt geschlossen worden sein. Im Inneren des Paradieses ziert ein 69&nbsp;Zentimeter hoher, abgeschrägter Sockel alle vier Wände. Darüber, in einer Höhe von 2,04&nbsp;Meter, umrandet ein 21&nbsp;Zentimeter hoher und mit Ranken als Hauptschmuck verzierter [[Fries (Architektur)|Fries]] den Raum und dient als Basis für die darüber angebrachten Figuren. Zusätzlich schmücken Menschen- und Tierfiguren den Fries. Die ältesten davon sind wohl die verschlungenen Drachenfiguren am nördlichen Ende der Ostwand. Am östlichen Teil der Nordwand sind drei Menschenfiguren zu sehen, während der Eckpfeiler zehn gleichmäßig verteilte [[Palmette]]n zeigt. Unterhalb des Fensters in der Ostwand zieren Andeutung der Arbeitstätigkeiten in den jeweiligen Monaten den Fries. Auf dem westlichen Teil der Nordwand ist [[David (Israel)|König David]] mit seinen Musikanten abgebildet, der Pfeiler der nordwestlichen Ecke zeigt die Darstellungen einer Hasenjagd sowie einer Weinernte. Unterhalb des Fensters auf der Westseite zeigte der Fries bis zur Renovierung des Doms 1880 [[Hexameter]] mit Bezug auf die darüber angebrachte Figur der heiligen [[Maria Magdalena]]. Sie wurden jedoch ersetzt durch kleine Figuren der Bauleute und Steinmetze. Dieses Vorgehen war jedoch wohl nicht unüblich, sondern der Schmuck des Frieses wurde über längere Zeit aus den zunächst eingesetzten, unbearbeiteten Steinblöcken herausgearbeitet. [[Datei:MuensterDomParadiesvorhalleInnen.jpg|thumb|Inneres der Paradiesvorhalle mit dem Nordportal]] Oberhalb des Frieses zieren überlebensgroße Steinfiguren der zwölf [[Apostel]], von Heiligen sowie Stiftern den Raum. Auch hierbei handelt es sich nicht mehr um die originale Anordnung. So wurden beispielsweise zwei Figuren vom östlichen Fenster direkt auf die rechte Seite des Portals in der Nordwand versetzt und eine Nische in der Ostwand mit einer Figur von [[Johannes der Täufer|Johannes dem Täufer]] gefüllt, die ursprünglich aus [[Metelen]] stammt. Die Mitte zwischen den beiden Türen des Nordportals schmückt die Figur des [[Heiland]]s [[Jesus Christus]]. Obwohl die ursprüngliche Zusammenstellung des Figurenbildes aufgrund der Verwüstungen und Zerstörungen der Täufer nicht zweifelsfrei geklärt ist, so wird dennoch angenommen, dass sie das Ergebnis einer einheitlichen Planung waren. Auch kann aufgrund der Entstehungszeit der Figuren während des 13.&nbsp;Jahrhunderts nicht jede Figur eindeutig identifiziert werden, da die Bedeutung von Figuren durch Attribute erst während der Zeit der Spätgotik kenntlich gemacht wurde. Die Anbringung der Figuren in den Wandnischen legt zudem die Vermutung nahe, dass ursprünglich eine andere Gestaltung der Wände geplant war. Hintergrund dieser Vermutung ist die Tatsache, dass die Figuren deutlich die [[Kapitell]]e der tragenden Säulen der Halle überragen und die Trennsäulen zwischen den einzelnen Figuren außergewöhnlich unsymmetrisch mit 51&nbsp;Zentimeter unten und 90&nbsp;Zentimeter oben geteilt sind. So wurde offensichtlich noch während der Bauzeit der Ausgestaltungsplan geändert und sorgt so mit der Größe der Figuren für einen überwältigenden Eindruck innerhalb der Halle. == Ausstattung == [[Datei:Astroclock BMK.jpg|thumb|upright|Astronomische Uhr]] === Astronomische Uhr === In Inneren des Doms befindet sich eine [[astronomische Uhr]] mit [[Glockenspiel (Spieluhr)|Glockenspiel]]. Sie ist einige der wenigen existierenden links-drehenden (entgegen dem üblichen Uhrzeigersinn) öffentlichen Großuhren.<ref>[http://www.swetzel.ch/uhren/astuhr/astuhr.html ''Astrolabium, Uhr und Uhrzeigersinn: Anmerkung 5'']</ref> Sie zeigt auch [[Mondphase]]n und [[Planeten]]stellungen an. Ihr [[ewiger Kalender]] reicht bis zum Jahr 2071. Zu voller Stunde trompetet ein hölzernes ''Tutemännchen'', dessen Frau einen Glockenschlag auslöst. Der Viertelstundenschlag erfolgt von ''Tod'', während der Zeitgott [[Chronos]] eine Sanduhr umdreht. Einmal täglich, mittags um 12&nbsp;Uhr verlassen metallene [[Heilige Drei Könige|heilige Drei Könige]] mit zwei Holzdienern ihre Unterkunft und umringen eine Jesusfigur im Schoße der Maria. Das Glockenspiel der Uhr kann auch vom Orgelspieltisch aus über ein eigenes kleines Manual bedient werden. ==== Geschichte der Uhr ==== Die erste astronomische Uhr im Dom aus dem Jahre 1408 wurde 1534 beim [[Bildersturm]] während der [[Täuferreich von Münster|Zeit der Täuferherrschaft]] zerschlagen. Die zweite, bis heute erhaltene Uhr aus der Zeit von 1540 bis 1542 wurde durch den Buchdrucker und Mathematiker Dietrich Tzwyvel errichtet. Der Gang der Uhr wurde von Tzwyvel und dem Franziskaner und Domprediger [[Johann von Aachen]] berechnet. Geschmiedet hat das Werk der Schlosser Nikolaus Windemaker, bemalt wurde es von [[Ludger tom Ring der Ältere|Ludger tom Ring d.&nbsp;Ä.]]<ref name="Otto-Ehrenfried Selle">Otto-Ehrenfried Selle: ''Die Astronomische Uhr im Dom zu Münster''. Informationsblatt aus dem Dom (2008).</ref> Mit der [[Kalenderreform]] 1582 wurde der Kalender „vorgestellt“ (auf den 4. Oktober folgte der 15. Oktober) und eine neue Regelung der Schaltjahre eingeführt. Die Berechnung der Osterdaten und Wochentage aus dem Kalendarium ist seitdem erschwert.<ref name="Otto-Ehrenfried Selle"/> Die Weltkarte wurde – spiegelverkehrt, da für astronomische Zwecke – kurz nach 1660 auf den Hintergrund des Zifferblattes aufgemalt und das hölzerne [[Astrolabium|Rete]] (durchbrochene Bronzescheibe innerhalb des Stundenkreises mit 15 Fixsternen)<ref>[http://www.horo.ch/astro/sys/index_de.html www.horo.ch] – Astrolabium.</ref> durch ein neues in barocken Formen ersetzt. 1696 wurde das Uhrwerk erneuert und ein Viertelstundenschlag mit den Figuren [[Chronos]] (Gott der Zeit) und Tod hinzugefügt. Chronos dreht die [[Sanduhr]] um, der Tod schlägt das Stundenviertel.<ref name="Otto-Ehrenfried Selle"/> 1818 führte der Einbau eines Scheren-Stiftganges mit einem vier Meter langen [[Pendeluhr|Pendel]] zu erheblicher Lärmbelästigung im Dom und im ganzen 19. Jahrhundert zu ständigen Klagen über den schlechten Zustand der Uhr.<ref name="Otto-Ehrenfried Selle"/> 1927 schlug die Uhr das letzte Mal und sollte entfernt werden, wurde dann aber 1929–1932 gründlich erneuert und erhielt ein neues Werk. Die Berechnungen dazu lieferten Ernst Schulz und Erich Hüttenhain vom astronomischen Seminar in Münster, gebaut wurde das Werk von Turmuhrmeister Heinrich Eggeringhaus von der Turmuhrenfabrik Korfhage in [[Melle-Buer|Buer]].<ref name="Otto-Ehrenfried Selle"/> Im [[Zweiter Weltkrieg|Zweiten Weltkrieg]] wurde das Werk ausgelagert, während das Gehäuse im Dom verblieb, jedoch nicht beschädigt wurde. Am 21. Dezember 1951 wurde die astronomische Uhr – nach Beseitigung der Kriegsschäden am Dom – wieder in Betrieb genommen.<ref name="Otto-Ehrenfried Selle"/> ==== Technische Daten ==== ::{| |- | Höhe der Uhr || 7,8&nbsp;m || |- | Breite des Mittelteils || 4,1&nbsp;m || |- | Durchmesser des Zifferblattes || 3,0&nbsp;m || |- | Durchmesser der Kalenderscheibe || 1,5&nbsp;m || |- | Höhe der Planetentafeln || 2,3&nbsp;m || |- | Gewicht des Retes || 110&nbsp;kg || |} === Triumphkreuz === [[Datei:MuensterDomTriumpfkreuz.jpg|thumb|upright|Triumphkreuz]] Das Altarkreuz stammt aus dem ausgehenden 13.&nbsp;Jahrhundert und wurde ursprünglich als Wandkreuz angefertigt. Das Kreuz ist 3,55&nbsp;Meter hoch und 2,62&nbsp;Meter breit und besteht aus Eichenholz. Als 1973 entschlossen wurde, das Kreuz als Altarkreuz im Hochchor des Domes aufzuhängen, befand sich das Kreuz, das vorher im Kreuzgang ausgestellt war, in schlechtem Zustand. So waren Teile der Balken ganz verloren, die Christusfigur war durch Rissbildung beschädigt, weshalb das Kreuz 1973 und 1974 in [[Osnabrück]] restauriert und ergänzt wurde. Ob die Enden des Kreuzes dabei, wie heute, in achtförmiger Rosettenform originalgetreu wiederhergestellt wurden, ist unklar, da Analogien aus der Zeit auch figürlichen Schmuck zeigen. Die Figur selbst ist 2,22&nbsp;Meter groß und 1,98&nbsp;Meter breit und trägt eine [[Tunika]]. Die Hände sind an das Kreuz genagelt, die Füße auf dem [[Suppedaneum]] jedoch nicht. Eine Krone, die die Figur ursprünglich getragen haben muss, war verloren und wurde nicht wiederhergestellt. Vermutlich waren Figur und Kreuz bemalt, heute ist es schlicht braun. === Orgel === [[Datei:Muenster_domorgel.jpg|thumb|400px|upleft|Domorgel]] Das Gehäuse sowie die gesamte (mechanisch/elektrische) Spieltechnik der im Johanneschor aufgestellten Orgel stammt aus dem Jahr 1987 und wurde von der Firma [[Orgelmanufaktur Klais|Johannes Klais Orgelbau]] (Bonn) im Rahmen der Renovierung des Doms angefertigt. Die Pfeifen hingegen stammen aus der Vorgänger-Orgel, erbaut von Hans Klais als rein elektrisch traktierte Schleifladenorgel im Jahre 1956, die sich noch im Stephanuschor befand. 2002 wurde diese Orgel renoviert, wobei einige ihrer Register ausgetauscht wurden. Für besseren Klang im hinteren Bereich des Doms steht im Westwerk ein Hilfswerk (Auxiliar) mit 14 Registern, welches vom Hauptspieltisch angesteuert wird. Im Westchor befindet sich außerdem ein [[Positiv (Musikinstrument)|Positiv]] aus dem 17.&nbsp;Jahrhundert, das der Begleitung der gesungenen [[Vesper (Liturgie)|Vesper]] dient. Die Hauptorgel hat folgende Disposition: {| border="0" cellspacing="0" cellpadding="10" style="border-collapse:collapse;" | style="vertical-align:top" | {| border="0" | colspan=2 | '''I Positiv''' C–a<sup>3</sup> ---- |- |1. || Praestant || 8′<sup><ref group="Anm." name="prospekt">Prospekt.</ref></sup><sup><ref group="Anm." name="neu1987">1987.</ref></sup> |- |2. || Koppelflöte || 8′ |- |3. || Lieblich Gedackt || 8′ |- |4. || Quintadena || 8′ |- |5. || Principal || 4′ |- |6. || Blockflöte || 4′ |- |7. || Nasard || 2<sup>2</sup>/<sub>3</sub>′ |- |8. || Principal || 2′ |- |9. || Rohrflöte || 2′ |- |10. || Terz || 1<sup>3</sup>/<sub>5</sub>′ |- |11. || Sifflöte || 1<sup>1</sup>/<sub>3</sub>′ |- |12. || Septime || 1<sup>1</sup>/<sub>7</sub>′ |- |13. || Octävchen || 1′ |- |14. || Mixtur IV–VI || |- |15. || Cromorne || 8′<sup><ref group="Anm." name="neu2002">2002.</ref></sup> |- |16. || Trompete || 8′<sup><ref group="Anm." name="neu2002"/></sup> |- | |- | || ''Tremulant'' |- | || ''Glockenspiel der</br>astronomischen Uhr ||des<sup>1</sup>–f<sup>2</sup> |} </br> {| border="0" | colspan=2 | '''II Hauptwerk''' C–a<sup>3</sup> ---- |- |1. || Principal || 16′<sup><ref group="Anm." name="prospekt"/></sup> |- |2. || Metalloctave || 8′</sup><sup><ref group="Anm." name="neu1987"/> |- |3. || Holzoctave || 8′ |- |4. || Grobgedackt || 8′ |- |5. || Große Quinte || 5<sup>1</sup>/<sub>3</sub>′ |- |6. || Octave || 4′ |- |7. || Spillflöte || 4′ |- |8. || Große Terz || 3<sup>1</sup>/<sub>5</sub>′ |- |9. || Quinte || 2<sup>2</sup>/<sub>3</sub>′ |- |10. || Superoctave || 2′ |- |11. || Mixtur VI–VIII || </sup><sup><ref group="Anm." name="neu1987"/> |- |12. || Acuta IV || </sup><sup><ref group="Anm." name="neu1987"/> |- |13. || Cornet V || |- |14. || Trompete || 16′ |- |15. || Trompete || 8′</sup><sup><ref group="Anm." name="neu1987"/> |- |16. || Trompete || 4′</sup><sup><ref group="Anm." name="neu1987"/> |} | style="vertical-align:top" | {| border="0" | colspan=2 | '''III Récit''' C–a<sup>3</sup> ---- |- |1. || Principal || 8′ |- |2. || Gedacktflöte || 8′ |- |3. || Spitzgedackt || 8′ |- |4. || Principal || 4′ |- |5. || Querflöte || 4′ |- |6. || Schwegel || 2′ |- |7. || Rauschpfeife II–III || |- |8. || Mixtur V–VI || |- |9. || Fagott || 16′ |- |10. || Trompette harmonique || 8′ |- |11. || Hautbois || 8′ |- |12. || Clairon || 4′<sup><ref group="Anm." name="neu2002"/></sup> |- | || ''Tremulant'' |} </br> {| border="0" | colspan=2 | '''IV Schwellwerk''' C–a<sup>3</sup> ---- |- |1. || Gedacktpommer || 16′ |- |2. || Holzprincipal || 8′ |- |3. || Rohrflöte || 8′ |- |4. || Gamba || 8′<sup><ref group="Anm." name="neu2002"/></sup> |- |5. || Vox coelestis || 8′</sup><sup><ref group="Anm." name="neu1987"/> |- |6. || Octave || 4′ |- |7. || Quintadena || 4′ |- |8. || Hohlflöte || 2′ |- |9. || Sesquialter II || |- |10. || Mixtur IV || |- |11. || Terzcymbel III–IV || |- |12. || Regal || 16′ |- |12. || Rohrschalmey || 8′ |- |14. || Vox humana || 8′ |- | |- | || ''Tremulant'' |} | style="vertical-align:top" | {| border="0" | colspan=2 | '''Pedal''' C–g<sup>1</sup> ---- |- |1. || Untersatz || 32′ |- |2. || Offenflöte || 16′<sup><ref group="Anm." name="prospekt"/></sup> |- |3. || Principalbass || 16′ |- |4. || Subbass || 16′ |- |5. || Octavbass || 8′ |- |6. || Rohrgedackt || 8′ |- |7. || Tenoroctave || 4′ |- |8. || Spitzflöte || 4′ |- |9. || Octave || 2′ |- |10. || Mixtur VI || |- |11. || Hintersatz IV || |- |12. || Contraposaune || 32′ |- |13. || Posaune || 16′</sup><sup><ref group="Anm." name="neu1987"/> |- |14. || Bombarde || 16′ |- |15. || Trompete || 8′ |- |16. || Clarine || 4′ |} </br> {| border="0" | colspan=2 | '''Manualwerky</br>(Auxiliarwerk)''' C–a<sup>3</sup> ---- |- |1. || Principal || 8′<sup><ref group="Anm." name="prospekt"/></sup> |- |2. || Gamba || 8′ |- |3. || Gedacktflöte || 8′ |- |4. || Octave || 4′ |- |5. || Rohrflöte || 4′ |- |6. || Superoctave || 2′ |- |7. || Cornet V || |- |8. || Mixtur V || |- |9. || Trompete || 8′ |- |10. || Tuba episcopalis || 16′<sup><ref group="Anm." name="hochdruck">Hochdruck.</ref></sup><sup><ref group="Anm." name="nr11">Extendiert Nr. 11.</ref></sup> |- |11. || Tuba episcopalis || 8′<sup><ref group="Anm." name="hochdruck"/></sup> |- |12. || Tuba episcopalis || 4′<sup><ref group="Anm." name="hochdruck"/></sup><sup><ref group="Anm." name="nr11"/></sup> |} </br> {| border="0" | colspan=2 | '''Pedal</br>(Auxiliarwerk)''' C–a<sup>3</sup> ---- |- |1. || Subbass || 16′ |- |2. || Posaune || 16′ |} |} * ''[[Koppel (Orgel)|Koppeln]]:'' I/II, III/II, IV/II, III/I, IV/I, IV/III, I/P, II/P, III/P, IV/P, Auxiliar/I, Auxiliar/II, Auxiliar/III, Auxiliar/P, Tuba/I, Tuba/II, Tuba/III, Tuba/P, Auxiliar Superoktave/I, Auxiliar Superoktave/II, Auxilar Superoktave/III, Auxiliar Superoktave/P, Auxiliar Suboktave/I, Auxiliar Suboktave/II, Auxiliar Suboktave/III, Auxiliar Suboktave/P.. * ''[[Spielhilfen]]:'' Elektronische Setzerkombinationen</sup><sup><ref group="Anm." name="neu1987"/>. * Kuckuck. ;Anmerkungen <references group="Anm." /> === Glocken === Bis 1945 befand sich im Südturm des Domes eines der bedeutendsten Geläute Westfalens, das aus großen und wertvollen Glocken aus den Jahren 1911, 1890, 1856, 1675, 1638, 1538 und aus dem 13.&nbsp;Jahrhundert bestand. Im März 1945 – kurz vor Kriegsende – brannte der Turm aus, wobei alle acht [[Glocke]]n (Schlagtöne g<sup>0</sup>, a<sup>0</sup>, c<sup>1</sup>, f<sup>1</sup>, g<sup>1</sup>, h<sup>1</sup>, d<sup>2</sup> und fis<sup>2</sup>) zerstört wurden. Die ''Marienglocke'' (d<sup>1</sup>) von 1890 wurde bereits 1917 beschlagnahmt. Die drei kleinsten Glocken wurden als ''Englische Jagd'' bezeichnet, weil sie ''„in rascher Folge als jagende Melodie [[Beiern|gebeiert]]“'' wurden.<ref name="Glocken">Martin Goebel: ''Das Domgeläut zu Münster in Westfalen – zum 40. Geburtstag der Domglocken am 21. 9. 1996''. CD mit Beiheft, 2. Aufl., 2000, S.&nbsp;1–4.</ref> Im Jahre 1954 wurde die alte ''Ludgerusglocke'' der Pfarrkirche St.&nbsp;Ludgerus zu [[Schermbeck]] an den Dom verkauft.<ref name="Glocken" /> Diese wurde 1526 von [[Wolter Westerhues]], einem Schüler von [[Gerhard van Wou]], gegossen. Die anderen neun Glocken wurden 1956 von der Glockengießerei [[Feldmann & Marschel]] in Münster als ihr größtes Geläut gegossen<ref>Kurt Kramer: ''Die Glocke und ihr Geläute. Geschichte, Technologie und Klangbild vom Mittelalter bis zur Gegenwart''. Deutscher Kunstverlag, 3. Aufl., München 1990, S.&nbsp;51.</ref><ref>[http://www.paulusdom.de/index.php?myELEMENT=183329 paulusdom.de Domglocken.]</ref>, wobei man sich überwiegend an die [[Schlagton|Schlagtöne]] der alten Glocken hielt. Die Schlagtonfolge der neuen Glocken entsprach jedoch nicht den Vorgaben; sieben von zehn kamen verstimmt aus dem Guss. Trotz dieses Umstandes wurden die Glocken am 29.&nbsp;September&nbsp;1956 geweiht und aufgehängt. Erst 1979 wurden die betroffenen Glocken tiefer gestimmt, nachdem sich der zuständige [[Glockensachverständiger|Glockensachverständige]] dafür eingesetzt hatte. Diese Tonkorrektur richtete sich nach den drei größten Glocken, die als einzige tonlich stimmig waren. Das Landesdenkmalamt bewilligte eine weitere Nachstimmung der historischen ''Ludgerusglocke''; sie war bereits von Feldmann & Marschel korrigiert worden.<ref name="Glocken" /><ref name="Korrektur">Claus Peter und Jan Hendrik Stens: ''Das Münstersche Domgeläute in Geschichte und Gegenwart''. In: Konrad Bund u.a.: ''Jahrbuch für Glockenkunde''. Bd. 9/10, MRV, Brühl 1998, S.&nbsp;62–63.</ref> Zwei angekaufte Glocken aus der Barockzeit befinden sich im [[Dachreiter]] auf der Vierung und dienen dem [[Uhrschlag|Stunden- und Viertelstundenschlag]]. Das Uhrwerk wird von der Astronomischen Uhr gesteuert.<ref name="Glocken"/> {| class="wikitable" |- style="background-color:#dddddd;vertical-align:top" ! Nr. ! Name ! Gussjahr ! Gießer, Gussort ! Ø<br/>(mm) ! Gewicht<br/>(kg) ! [[Nominal (Glocke)|Nominal]] <br/>([[Halbton|HT]]-<sup>1</sup>/<sub>16</sub>)<br/>[vor Tonkorrektur]<ref name="Korrektur" /> ! Läuteanlass<br/>(solistisch) |- | 1 || [[Clemens August Graf von Galen|Kardinal]] || align="center"|1956 || Feldmann & Marschel, Münster || align="right"|2267 || align="right"|7604 || '''fis<sup>0</sup>''' –7 || Wandlung (Hochfeste 1. Ord./Primiz), Tod Papst/Bischof |- | 2 || [[Johannes Bernhard Brinkmann|Bernardus]] || align="center"|1956 || Feldmann & Marschel, Münster || align="right"|1983 || align="right"|4490 || '''gis<sup>0</sup>''' –7 || Wandlung (Hochfeste 2. Ord.), Tod Weihbischof |- | 3 || [[Paulus (Apostel)|Paulus]] || align="center"|1956 || Feldmann & Marschel, Münster || align="right"|1675 || align="right"|2940 || '''h<sup>0</sup>''' –6 || Wandlung (Sonntage/übr. Anlässe), Tod Domkapitular |- | 4 || [[Petrus (Apostel)|Petrus]] || align="center"|1956 || Feldmann & Marschel, Münster || align="right"|1469 || align="right"|2036 || '''cis<sup>1</sup>''' –7 [+2] || Tod Gemeindeangehöriger |- | 5 || [[Liudger|Ludgerus]] || align="center"|1526 || Wolter Westerhues || align="right"|1141 || align="right"|1000 || '''e<sup>1</sup>''' –5 [+4] || Werktagsmesse Advent/Fastenzeit, Fastenpredigt |- | 6 || [[Andreas (Apostel)|Andreas]] || align="center"|1956 || Feldmann & Marschel, Münster || align="right"|1074 || align="right"|790 || '''fis<sup>1</sup>''' –5 [+1] || Angelusläuten um 7/12/18 Uhr, Vesper Advent/Fastenzeit |- | 7 || [[Maria (Mutter Jesu)|Maria]] || align="center"|1956 || Feldmann & Marschel, Münster || align="right"|959 || align="right"|535 || '''gis<sup>1</sup>''' –4 [–1] || Vesper der Klarissen Advent/Fastenzeit |- | 8 || [[Erzengel Michael|Michael]] || align="center"|1956 || Feldmann & Marschel, Münster || align="right"|835 || align="right"|363 || '''h<sup>1</sup>''' –3 [±0] || rowspan="3"|Glocken 8–10 gemeinsam als ''Englische Jagd'': <br/>Segen Ewiges Gebet/Vierzigstündiges Gebet, <br/>Sakramentaler Segen |- | 9 || [[Erzengel Gabriel|Gabriel]] || align="center"|1956 || Feldmann & Marschel, Münster || align="right"|712 || align="right"|213 || '''cis<sup>2</sup>''' –3 [±0] |- | 10 || [[Erzengel Raphael|Raphael]] || align="center"|1956 || Feldmann & Marschel, Münster || align="right"|578 || align="right"|120 || '''e<sup>2</sup>''' –2 [–1] |- | <code>I</code> || Stundenglocke || align="center"|1766 || Christian August Becker, Hildesheim || align="right"|600 || align="right"|150 || '''g<sup>2</sup>''' –1 || Uhrschlag, volle Stunden |- | <code>II</code> || Viertelstundenglocke || align="center"|1772 || unbekannt || align="right"|470 || align="right"|60 || '''a<sup>2</sup>''' ±0 || Uhrschlag, Viertelstunden |} [[Pontifikalamt|Pontifikalämter]] an [[Hochfest]]en 1.&nbsp;Ordnung werden 30&nbsp;Minuten vor Beginn mit dem Teilgeläut der Glocken&nbsp;1, 2, 3, 4 und 5 – mit der größten Glocke beginnend – vorgeläutet.<ref>[http://www.youtube.com/watch?v=H6bjtXxpv8g Vorläuten zu Hl. Drei Könige / Erscheinung des Herrn (6. Januar 2009, 18:00).]</ref> 15 Minuten vor Beginn setzt das Vollgeläut ein; von Glocke&nbsp;10 bis Glocke&nbsp;1.<ref>[http://www.youtube.com/watch?v=Ogv8EFYJIX4 Plenum zu Hl. Drei Könige / Erscheinung des Herrn (6. Januar 2009, 18:15).]</ref> An Hochfesten 2.&nbsp;Ordnung wird 30&nbsp;Minuten vor Beginn mit dem Teilgeläut der Glocken&nbsp;2, 3, 4, 5 und 6 – mit der größten Glocke beginnend – vorgeläutet.<ref>[http://www.youtube.com/watch?v=0XRCD2i4_fg Vorläuten zu Maria Empfängnis (8. Dezember 2009, 18:00).]</ref> 15 Minuten vor Beginn setzt das Zusammenläuten ein; von Glocke&nbsp;9 bis Glocke&nbsp;2. Allgemein gibt es zu jedem Hochamt ein Vorläuten mit mindestens zwei Glocken, die auch beim Zusammenläuten vorhanden sind. Dabei werden die Geläute in den Bußzeiten ([[Advent]] und [[Fastenzeit|Österliche Bußzeit]]) reduziert und in den festlicheren Zeiten erweitert oder vertieft. Je nach Rang des Tages läutet im Hochamt während der [[Transsubstantiation|Wandlung]] entweder die ''Paulusglocke'' (3), die ''Bernardusglocke'' (2) oder die ''Kardinalsglocke'' (1). Um 7, 12 und 18 Uhr läutet die ''Andreasglocke'' (6) zum [[Angelusläuten|Angelus]]. Jeden Samstag und am Vorabend von Hochfesten, die nicht auf einen Sonntag fallen, wird nach dem 18-Uhr-Läuten der Sonntag oder das Hochfest eingeläutet. == Domkammer == Der Domschatz des St.-Paulus-Domes wird in der 1981 in modernen Stil nördlich des Kreuzgangs angebauten Domkammer aufbewahrt. Ein Teil der liturgischen Gegenstände befindet sich noch in liturgischer Nutzung. Die Ausstellung erstreckt sich über drei Ebenen, in der untersten werden vor allem historische [[Parament]]e gezeigt, während die oberste anhand ausgesuchter Beispiele einen Rundgang durch die am Dom zu findenden kunstgeschichtlichen Epochen ermöglicht. Die mittlere Ebene enthält die bedeutendsten Stücke des Domschatzes, darunter den ins 11. Jahrhundert datierte [[Pauluskopf]], der eines der ältesten erhaltenen [[Reliquie|Bildnisreliquiare]] ist, und ehemalige Ausstattungselemente des Domes, etwa einen Bilderzyklus [[Hermann tom Ring]]s, Reste des [[Lettner]]s [[Johann Brabender|Brabenders]] und eine Reihe monumentaler Reliefs [[Johann Mauritz Gröninger|Gröninger]]s. == Dommusik == <!--siehe auch 'Kirchenmusik im St.-Paulus-Dom' bei den Weblinks--> Es sind mehrere Chöre am St.-Paulus-Dom aktiv: * Domchor St. Paulus * Mädchenkantorei * Capella Ludgeriana – Knabenchor am Dom zu Münster Teile der Chöre bilden zusätzlich noch den Kammerchor der Dommusik und eine Gregorianikschola. Die Leitung des Domchores (Erwachsenenchor) und der Capella Ludgeriana liegt seit Januar 2005 bei Domkapellmeister Andreas Bollendorf. Domkantorin Verena Lebschi leitet die Mädchenkantorei. Die Domorgel wird seit 2003 von Domorganist [[Thomas Schmitz (Organist)|Thomas Schmitz]] gespielt. == Gottesdienste und Veranstaltungen == An Sonn- und Feiertagen ist um 10:00&nbsp;Uhr Kapitelsamt; an Hochfesten ist Pontifikalamt. Es singt, außer in den Ferien, die Dommusik. Weitere Messfeiern an Sonntagen sind um 7:00, 8:30, 11:30 und 18:30&nbsp;Uhr. An Sonntagen und Feiertagen ist um 15:00&nbsp;Uhr gesungene deutsche Vesper. An den Werktagen wird um 7:00, 8:30 und 12:15&nbsp;Uhr die heilige Messe am Hauptaltar gefeiert. Um 17:15&nbsp;Uhr ist deutsche Vesper im Westchor. Es singen die Klarissenschwestern am Dom gemeinsam mit allen Anwesenden. Samstags ist um 15:00&nbsp;Uhr lateinische Vesper in der Sakramentskapelle. Neben den Gottesdiensten wird der Dom regelmäßig für Orgelkonzerte genutzt. So findet jeden dritten Mittwoch im Monat ein so genannter ''orgel.punkt'' statt, bei dem wechselnde Organisten etwa 45&nbsp;Minuten lang spielen. In der Osterzeit werden außerdem samstagabends Orgelkonzerte gegeben. Auf dem [[Domplatz Münster|Domplatz]] findet mittwochs und samstags Münsters größter Wochenmarkt statt. == Maße == * Länge des Doms: 109,00&nbsp;m * Breite (mit Paradiesvorhalle): 52,85&nbsp;m * Breite des Hauptschiffs: 28,30&nbsp;m * Höhe des Hauptschiffs: 22,50&nbsp;m * Breite des Ostquerschiffs: 43,30&nbsp;m * Breite des Westquerschiffs 40,55&nbsp;m * Höhe Nordturm: 57,70&nbsp;m * Höhe Südturm: 55,50&nbsp;m * Etwa 700 Sitzplätze * Glocken: 12 (Größte Glocke: 7.604&nbsp;kg) == Literatur == * Ralf van Bühren: ''Kunst und Kirche im 20. Jahrhundert. Die Rezeption des Zweiten Vatikanischen Konzils'', Paderborn: Verlag Ferdinand Schöningh 2008 (ISBN 978-3-506-76388-4) * [[Bernd Haunfelder]], Edda Baußmann, Axel Schollmeier: ''„Ein wunderherrliches Werk“. Die Feierlichkeiten zum Wiederaufbau des Domes in Münster 1956''. Aschendorff, Münster 2006 (ISBN 978-3-402-00428-9) * Domkapitel der Kathedralkirche zu Münster: ''Den Dom zu Münster virtuell erleben'', 1200 Jahre Glaubensgeschichte in Bauwerken, in Kunstschätzen, in Gottesdiensten - DVD mit 8-seitigem Beiheft, Dialogverlag Münster 2005 (ISBN 3-937961-07-0) * Alexandra Pesch: ''Der Dom zu Münster. Das Domkloster. Archäologie und historische Forschung zu Liudgers honestum monasterium in pago Sudergoe. Die Ausgrabungen 1936-1981 am Horsteberg in Münster'' (Denkmalpflege und Forschung in Westfalen Bd. 26, 4), Mainz 2005 (ISBN 3-8053-3515-6) * Simone Epking, Christoph Hellbrügge, Uwe Lobbedey, Juliane Moser, Kristin Püttmann-Engel, Ulrike Rülander, Ulrich Schäfer und Peter Schmitt: ''Der Dom zu Münster 793-1945-1993. Die Ausstattung'' (Denkmalpflege und Forschung in Westfalen Bd. 26, 2), Mainz 2004 (ISBN 3-8053-3416-8) * Martin Goebel: ''Das Domgeläut zu Münster in Westfalen'', CD mit Beiheft, Münster (2. Auflage) 2000 * Uwe Lobbedey: ''Der Dom zu Münster 793-1945-1993. Der Bau'' (Denkmalpflege und Forschung in Westfalen Bd. 26, 1), Bonn 1993 (ISBN 3-7749-2571-2) * [[Max Geisberg]]: ''Die Bau- und Kunstdenkmäler von Westfalen'', Band 41: Die Stadt Münster Teil 5: Der Dom. Münster 1977 (ISBN 3-402-05094-3) * Géza Jászai / Rudolf Wakonigg: ''Der Dom zu Münster und seine Kunstschätze'', Dialogverlag Münster (ISBN 3-933144-28-0) * Domkapitel der Kathedralkirche zu Münster: ''Weg der Hoffnung'', Kreuzweg im St.-Paulus-Dom Münster, Dialogverlag Münster (ISBN 3-933144-05-1) == Weblinks == {{Commonscat|St. Paul's Cathedral (Münster)|St.-Paulus-Dom}} * [http://www.paulusdom.de Internetpräsenz des St.-Paulus-Domes] * [http://www.tychobrahe.de/boecker/dom/paradies.htm Virtueller Rundgang durch den St.-Paulus-Dom, Besuch der Dombibliothek] * [http://www.orgelmagazin.de/orgeln/muenster/paulusdom/orgel_1.php Die Orgeln des St.-Paulus-Doms] * [http://www.dommusik-muenster.de Kirchenmusik im St.-Paulus-Dom] == Einzelnachweise == <references /> {{Exzellent}} {{DEFAULTSORT:Munster Dom}} [[Kategorie:Gotisches Bauwerk in Nordrhein-Westfalen]] [[Kategorie:Romanisches Bauwerk in Nordrhein-Westfalen]] [[Kategorie:Kirchengebäude in Münster (Westfalen)|St.-Paulus-Dom]] [[Kategorie:Baudenkmal in Münster (Westfalen)|St.-Paulus-Dom]] [[Kategorie:Katholische Bischofskirche (Deutschland)]] [[Kategorie:Rekonstruiertes Bauwerk]] [[Kategorie:Kirchengebäude im Bistum Münster| ]] [[Kategorie:Pauluskirche]] [[Kategorie:Disposition einer Orgel|Munster, St.-Paulus-Dom]] {{Coordinate|article=/|NS=51/57/47/N|EW=7/37/32/E|type=landmark|dim=100|region=DE-NW}} [[no:Münsterdomen]] [[pl:Katedra Świętego Pawła w Monastyrze]] ck8yfoqr65b7pdgjmpbb6cltghqjraq wikitext text/x-wiki Historisches Rathaus Münster 0 23967 26565 2010-04-26T05:37:30Z LaaknorBot 0 Bot: Ändere: [[pl:Ratusz w Münster]] [[Datei:RathausMünster.jpg|thumb|300px|Historisches Rathaus der Stadt Münster]] Das '''Historische Rathaus''' von [[Münster (Westfalen)|Münster]] in [[Westfalen]] am [[Prinzipalmarkt]] ist neben dem [[St.-Paulus-Dom]] eines der Wahrzeichen der Stadt. Bekanntheit erlangte es während der Verhandlungen zum [[Westfälischer Friede|Westfälischen Frieden]] in Münster und [[Osnabrück]], der den [[Dreißigjähriger Krieg|Dreißigjährigen Krieges]] in Europa beendete. Zugleich ist es der Geburtsort der modernen [[Niederlande]], da mit dem [[Friede von Münster|Frieden von Münster]] während des Kongresses am 15. Mai 1648 auch der 80-jährige [[Spanisch-Niederländischer Krieg|Spanisch-Niederländische Krieg]] beendet wurde. Bis zu der weitgehenden Zerstörung des ursprünglichen Bauwerkes im [[Zweiter Weltkrieg|Zweiten Weltkrieg]] und dem Wiederaufbau galt es als eines der bedeutendsten Baudenkmäler sowie einer der schönsten Profanbauten der Gotik. == Geschichte == Da sämtliche Dokumente des Archivs der Stadt mit ihrer Geschichte während der [[Täuferreich von Münster|Herrschaft der Täufer]] in den Jahren 1534 und 1535 vernichtet wurden, beruhen alle Informationen bis in die 1530er-Jahre auf Dokumenten, die außerhalb der Stadt beziehungsweise des Stadtarchivs aufbewahrt wurden. Dementsprechend sind die geschichtlichen Abschnitte bis in die Zeit der 1530er-Jahre nicht exakt datierbar. === Entstehung === [[Datei:MuensterPrinzipalmarkt09.JPG|thumb|250px|Der charakteristische Bogengang des Prinzipalmarktes]] Als Münster um das Jahr 1170 das [[Stadtrecht]] erhielt, benötigten die Ratsmitglieder des Stadtrates, das heißt Richter und Schöffen, einen Ort, an dem Versammlungen und Gerichte abgehalten werden konnten. Es entstand ein erstes einfaches Gebäude direkt gegenüber dem Michaelistor zur [[Domburg (Städtebau)|Domburg]] und dem bischöflichen [[Domplatz Münster|Dombereich]] in der Nähe des [[Prinzipalmarkt]]es. Dieser wurde bereits einige Jahre zuvor gegen Mitte des 12. Jahrhunderts angelegt. Bei diesem ersten Bau eines Rathauses handelte es sich um einen einfachen und schnell errichteten Fachwerkbau. Es ist davon auszugehen, dass er um 1170 oder kurz danach errichtet wurde, um den Ratsmitgliedern möglichst kurzfristig ein eigenes Versammlungsgebäude zur Verfügung stellen zu können. Bereits bei der ersten Parzellierung des Prinzipalmarktes wurde vermutlich der Platz für ein Rathaus an diesem Ort freigehalten, da auf alten Katasterkarten an der Position des Rathauses eine freie Fläche mit doppelter Parzellenbreite der übrigen Gebäude vermerkt ist. Die Wahl dieser Position zeugt von einem hohen Selbstbewusstsein der Bürger von Münster, da sie damit das Rathaus in direkter Sichtlinie zum [[St.-Paulus-Dom]] und dem bischöflichen Palais bauten, um ihrem Streben nach Freiheit und dem Machtanspruch auf Selbstverwaltung gegenüber dem Bischof Nachdruck zu verleihen.<ref>Klaus Gruna: ''Das Rathaus zu Münster.'' Schnell Kunstführer. Nr. 1722. München/Zürich 1988, S.&nbsp;3.</ref> Für den Bischof selbst kam der Bau an diesem Ort jedoch eher einer offenen Provokation gleich, musste er doch auf dem Weg von seinem Palais zum Dom gezwungenermaßen auf das Rathaus der Bürger schauen.<ref>Bezirksregierung Münster: ''[http://www.bezreg-muenster.nrw.de/service/Gesichtswandel_neue_Ansichten/index.html Gesichtswandel&nbsp;–&nbsp;neue Ansichten.]''</ref> Zusätzlich hervorgehoben werden sollte das Selbstbewusstsein der Bürger gegenüber ihrem bischöflichen Landesherren gegen Ende des 14. Jahrhunderts, als das Rathaus auch noch mit einer prachtvollen Fassade geschmückt werden sollte. [[Datei:MuensterRathausAnbauBogenhalle.jpg|thumb|upright|Deutlich zu erkennen, wo die Bogenhalle an die ältere Bürgerhalle angebaut wurde.]] Dieser anfängliche Fachwerkbau stand noch mit einem Abstand von circa 12&nbsp;m zur Marktstraße des Prinzipalmarkts und wurde wahrscheinlich bereits vor dem Jahr 1200 durch einen massiven Steinbau mit den Abmessungen 14,50&nbsp;m&nbsp;×&nbsp;18&nbsp;m ersetzt. Für das Jahr 1250 ist dieser Bau dann das erste Mal als Versammlungsort der Schöffen bezeugt. Dessen unterer Teil, die Ratskammer, ist auch als ''Friedenssaal'' bekannt. Zu Beginn des 14. Jahrhunderts wurde vor dem bereits existierenden Bau ein weiteres Gebäude direkt bis an den Prinzipalmarkt heran gebaut, um der Bürgerschaft einen Ort für Versammlungen verfügbar zu machen. Die Erweiterung zur Vorderseite hin kann auf das weiter gestiegene Selbstbewusstsein der Bürger zurückgeführt werden, die sich mit ihrem Rathaus nicht mehr in der Häuserzeile des Prinzipalmarktes „verstecken“ wollten. Diese Bürgerhalle entstand vermutlich um das Jahr 1320.<ref>Otto-Ehrenfried Selle: ''Rathaus und Friedenssaal zu Münster.'' Westfälische Kunststätten. H. 93. Münster 2002, S.&nbsp;6.</ref> Gegen Ende des 14. Jahrhunderts, vermutlich um 1395, wurde die Halle durch einen 4&nbsp;m langen Vorbau erweitert, der in den Markt hineinragt. Getragen wurde und wird dieser Vorbau durch fünf Rundpfeiler direkt am Straßenrand. Er ist Teil des charakteristischen Bogengangs des Prinzipalmarktes. Seine Fassade wurde mit kostbaren Verzierungen versehen, insbesondere dem sogenannten Schaugiebel. === 15. Jahrhundert bis Zweiter Weltkrieg === In den Jahren 1576 und 1577 wurde das Dach des hinteren Gebäudeteils über der Ratskammer und der darüberliegenden Rüstkammer umgebaut. Das ursprüngliche Satteldach in Nord-Süd-Richtung wurde abgetragen und durch ein neues Giebeldach in Ost-West-Richtung wie das des vorderen Gebäudeteils ersetzt. Die beim Umbau beteiligten Handwerksmeister sind durch ihre Meisterzeichen in blauen Klinkersteinen im Ostgiebel zu erkennen. Zusätzlich entstand zum östlich des Rathauses errichteten „Gruthaus“ ein Anbau, die auch als „kleine Ratskammer“, „Stoveken“ („Stübchen“, ab 1602) oder „Winterratskammer“ (1773/76) bezeichnet wurde und aus zwei Etagen bestand. Die Bezeichnung als Winterratskammer verdankte es dem Problem der Beheizung der Ratskammer: Während die in der Nähe des Kamins sitzenden Ratsmitglieder schweißgebadet waren, froren die am anderen Ende des Raumes befindlichen Mitglieder. In den Wintermonaten wurden Ratssitzungen daher oft in die kleine Ratskammer verlegt. Dieser 1892 um eine dritte Etage erweiterte Anbau existiert seit der Zerstörung im Zweiten Weltkrieg und dem Wiederaufbau in den 1950er-Jahren allerdings nicht mehr. Er wurde durch einen neuen Treppenturm ersetzt. [[Datei:Westfaelischer Friede in Muenster (Gerard Terborch 1648).jpg|thumb|left|250px|Beschwörung des Spanisch-Niederländischen Friedens im Rathaus zu Münster]] Berühmtheit erlangte das Rathaus neben dem [[Rathaus Osnabrück|Osnabrücker Rathaus]] während des Westfälischen Friedenskongresses zwischen 1643 und 1648, der den [[Dreißigjähriger Krieg|Dreißigjährigen Krieg]] in Europa beendete. In Vorbereitung auf den Kongress wurde die Stadt für neutral erklärt. Am 27. Mai 1643 verlas der kaiserliche Reichshofrat [[Johann Krane]] in der Ratskammer die Neutralitätserklärung des Kaisers, ein Vertreter des Fürstbischofs verlas eine entsprechende Erklärung. Sie entband die Stadt für die Zeit der Verhandlungen von ihren Pflichten dem Reich und dem [[Hochstift Münster|Fürstbistum]] gegenüber. Den nach und nach zum Kongress angereisten über 150 Gesandten wurde in der Ratskammer jeweils ein städtischer Empfang bereitet. Dabei wurden sie mit einem Schluck aus einem Pokal, dem sogenannten „Goldenen Hahn“, begrüßt. Eigens zum Anlass der Verhandlungen erhielt der Maler und Künstler [[Everhard Alerdinck]] den Auftrag, das Rathaus zu verschönern. Dazu bemalte er den Giebel 1646 mit Ölfarbe neu und „illuminierte“ ihn mit Bleiweiß. Seit dem 18. Jahrhundert setzte sich für die Ratskammer die heute gebräuchliche Bezeichnung ''Friedenssaal'' durch. Der [[Westfälischer Friede|Westfälische Friede]] wurde jedoch weder im Rathaus verhandelt noch ratifiziert. Allenfalls der [[Friede von Münster]] vom [[15. Mai]] [[1648]] wurde in der Ratskammer durch den Austausch der unterzeichneten Verträge beschworen. Er gilt als Geburtsstunde der [[Niederlande]], nachdem [[Spanien]] und die sieben [[Republik der Sieben Vereinigten Niederlande|niederländischen Provinzen]] nach dem [[Achtzigjähriger Krieg|80jährigen Krieg]] Frieden schlossen und den Niederlanden ihre Unabhängigkeit gewährt wurde. Ansonsten diente das Rathaus den Gesandten auch zu regelmäßigen Treffen außerhalb der Verhandlungen in den einzelnen Quartieren. Gegen Ende der 1850er Jahre entstand der Wunsch nach einem städtischen Festsaal im Obergeschoss des Rathauses. Dazu sollte der Dachraum miteinbezogen werden, der bis dahin weitestgehend ungenutzt war. Am 29. April 1858 entschlossen sich die Stadtverordneten daraufhin zunächst nur eine Skizze und einen Kostenvoranschlag einzuholen. Der Umbau wurde am 12. Dezember 1858 beschlossen und Entwürfe vom Bauinspektor Hauptner sowie vom Eisenbahn-Inspektor Keil angefordert. Der Baubeginn verzögerte sich jedoch unter anderem weil der beauftragte Baumeister [[Julius Carl Raschdorff]] ablehnte und zudem vorgenommene Änderungen am Bauplan aufgrund politischer Verhältnisse vertagt wurden. Für diese Veränderungen wurden drei Entwürfe in Auftrag gegeben. Sie wurden dem verantwortlichen Regierungsbaurat [[Wilhelm Salzenberg]] am 25. Oktober 1860 vorgelegt, dem sie aber alle missfielen. In seinem Gutachten vom 21. Februar 1861 hieß es, sie ließen ''„Würde, Architekturstil und den kunstgerechten Anschluss an den vorderen Giebel“'' vermissen. Gleichzeitig reichte er einen eigenen Alternativentwurf ein, für dessen Ausführung sich die Stadtverordnetenversammlung entschied. So entstand im Obergeschoss ein großer Saal mit [[Gewölbe|Tonnengewölbe]]. Der Landesbaupfleger Gustav Wolf beurteilte diesen Eingriff 1949 in der Lokalpresse ([[Westfälische Nachrichten]]) negativ, da seiner Meinung nach durch den Eingriff die klare Trennung zwischen Hauskörper-Rechteck und Dach-Dreieck und somit der Einklang zwischen Innen und Außen zerstört wurde. === Zerstörung und Wiederaufbau === [[Datei:MuensterRathausOktober1944.jpg|thumb|250px|Das Rathaus nach den Bombentreffern am 28. Oktober 1944. Kurz nach dieser Aufnahme fiel der Giebel um 18:25 Uhr in sich zusammen. Deutlich zu erkennen wie sich die Spitze bereits nach vorne neigt.]] Im [[Zweiter Weltkrieg|Zweiten Weltkrieg]], am [[28. Oktober]] [[1944]], wurde das Rathaus von mehreren Bomben getroffen und brannte vollständig aus. Als der Schaugiebel keinen Halt mehr durch das stützende Dach erfuhr, brach er gegen 18:25&nbsp;Uhr zusammen und fiel laut Augenzeugen in voller Länge auf den Prinzipalmarkt. Nur die unteren Bögen und die Arkaden der beiden äußeren Maßwerkfenster blieben erhalten. Nach dem Krieg dauerte es einige Zeit, bis die finanziellen Mittel zum Wiederaufbau zur Verfügung standen. Außerdem war ein Großteil der Trümmer im Rahmen der Aufräumarbeiten und des Neuaufbaus fortgeräumt worden und somit verloren. Noch vorhandene Teile der Giebelfront wurden schließlich für den Neuaufbau abgerissen. 1948 wurde beschlossen, anlässlich des 300. Jahrestages des Westfälischen Friedens zunächst den Friedenssaal wiederherzustellen. Zwar war 1942 vorsorglich die gesamte [[Täfelung|Vertäfelung]], die Decke und das Inventar des Friedenssaales auf das [[Lippe (Land)|lippische]] [[Schloss Wöbbel]] ausgelagert worden, doch die kunstvoll verzierten Fenster und der prunkvolle Kamin in der Südmauer waren nicht entfernt worden und somit zerstört. Der verlorene Kamin wurde durch den des [[Haus der Niederlande|Krameramtshauses]] ersetzt, der in Größe und Alter in etwa dem zerstörten Kamin entsprach. Noch unter dem Eindruck der Feierlichkeiten der Friedenswoche in Münster mehrten sich bald danach in der Bürgerschaft Stimmen, die verlangten, den Wiederaufbau des Rathauses nun nicht mehr länger hinauszuzögern. So trat auch der „Verein der Kaufmannschaft zu Münster von 1835“ an die Stadt mit dem Anliegen des Wiederaufbaus heran. Kurz zuvor hatte er sich bei seiner ersten Sitzung nach Kriegsende am 23. November 1948 entschlossen, die Initiative zu ergreifen. Es wurde ein beschränkter Wettbewerb ausgelobt, zu dem drei münstersche Architekten eingeladen wurden. Für diesen Wettbewerb gab es keine klare Raumbestimmung und keine Vorgaben zur Saalfrage des Festsaals, also ob ursprüngliche flache Decke oder Salzenbergsches Tonnengewölbe. Nachdem die drei Architekten ihre Vorschläge eingereicht hatten, gab es eine zweite Wettbewerbsrunde, in der verschiedene Lösungsvarianten für einen Festsaal mit Tonnengewölbe erarbeitet werden sollten. Zwar ging der Architekt [[Heinrich Bartmann]] als Sieger aus den Wettbewerben hervor, die Pläne wurden aber aufgrund von Geldmangel nicht umgesetzt. Wichtiger als der Wiederaufbau des Rathauses erschien der Stadtverwaltung die Investition der knappen Mittel in dringend benötigte Infrastrukturobjekte, beispielsweise die Wasser- und Gasversorgung sowie Schulen und Krankenhäuser. Erst 1950 begann der Wiederaufbau, als die Stadt im Mai der Initiative der Kaufmannschaft zustimmte, den Wiederaufbau auch ohne finanzielle Unterstützung seitens der Stadt durchzuführen und einen „Ausschuss für den Wiederaufbau des Rathauses zu Münster“ ins Leben zu rufen. Die Grundsteinlegung fand am 9. Juli statt. Mehr als 30.000 Menschen waren zu den Feierlichkeiten erschienen, darunter auch der ehemalige Reichskanzler und Ehrenbürger der Stadt Münster, [[Heinrich Brüning]]. Die Finanzierung wurde zur Sache aller Bürger gemacht. Jeder war aufgerufen, Sach- und Geldspenden oder handwerkliche Arbeiten beizutragen. Die Zustimmung zu diesem Projekt des Wiederaufbaus übertraf alle Erwartungen. Durch eine eigens initiierte, insgesamt achtmal durchgeführte ''Rathauslotterie'' konnten 873.000&nbsp;DM eingenommen werden, wobei jedes Los 50&nbsp;Pfennig kostete.<ref name="PresseInfo19092008">[http://www.presse-service.de/data.cfm/static/707819.html ''Das Rathaus zu Münster – ein Geschenk an die Stadt''] – Pressemitteilung der Stadt Münster am 19. September 2008.</ref> Diese Summe entsprach fast der Hälfte der Gesamtkosten. Aber nicht nur in Münster, sondern auch im Münsterland und großen Teilen Westfalens breitete sich eine Euphorie hinsichtlich des begonnenen Wiederaufbaus aus. Viele Spenden kamen daher auch von anderen Städten sowie vom Handel und der Industrie außerhalb Münsters. [[Datei:Muenster Rathaus verpackt 8759.jpg|thumb|250px|Das eingerüstete und mit einem Poster im Maßstab 1:1 verkleidete Rathaus im Sommer 2006.]] Für die [[Bauleitplanung]] zeichnete sich Heinrich Benteler zuständig, der auch den Wiederaufbau des [[St.-Paulus-Dom]]s leitete. Er sprach sich gegen eine „originalgetreue“ [[Rekonstruktion]] aus. Stattdessen favorisierte er nachempfundene Fassadenelemente, die sich jedoch nur in Kleinigkeiten gegenüber dem Original unterscheiden. Auch die Bauweise selbst unterschied sich von der des ursprünglichen Rathauses. So besteht der Baukörper unter anderem aus Betonträgern und Backsteinwänden, die nach außen mit dünnen Sandsteinplatten versehen sind. Nur der Giebel selbst besteht aus echtem Baumberger Sandstein. Für den Innenausbau war zunächst Heinrich Bartmann, später der Stadtbaupfleger Edmund Scharf zuständig. Gegen den Wunsch der Stadt, wieder ein Deckengewölbe im Festsaal einzuziehen, intervenierte der Landesbaupfleger. So wurde eine flache Holzbalkendecke eingezogen, was der ursprünglichen Gestaltung aus dem 14. Jahrhundert entsprach. Zwei Jahre nach der Grundsteinlegung konnte bereits am 9. Juli 1952 das [[Richtfest]] gefeiert werden. 1953 war der Ostgiebel zum ''Syndikatsplatz'' hin, und einige Monate später auch der Treppenturm mit dem Zugang zum Friedenssaal fertig. Im Oktober 1954 wurde die Giebelfassade am [[Prinzipalmarkt]] fertiggestellt. Am 30. Oktober 1958, also zum 310. Jubiläum des Westfälischen Friedens, war das gesamte Gebäude fertiggestellt. Das Urteil der Öffentlichkeit war überwiegend positiv. Es gab aber auch einige kritische Stimmen, so zum Beispiel in der [[Frankfurter Allgemeine]]n (11. November 1958): ''„Was sich der leitende Architekt hat einfallen lassen, ist eine völlig triviale Mischung aus Großbank und Grandhotel, hie und da mit schmiedeeisernem lokalen Einschlag. Münster kann seinen Dom, das Theater und den Friedenssaal zeigen, das neue Innere vom alten Rathaus scheint höchstens für den Heimgebrauch dienlich.“'' Wie auch bei den Wiederaufbauten anderer historischer Gebäude am Münsteraner Prinzipalmarkt, die durch den Krieg zerstört wurden, wird sowohl von manchen Historikern als auch Architekten eine historisierende Fassadenarchitektur vorgeworfen; schließlich handele es sich technisch gesehen um Neubauten verlorener Vorbilder (Repliken).<ref>Wolfgang Pehnt: ''Deutsche Architektur seit 1900'' (DVA). München 2005, S.&nbsp;275–276.</ref> Dennoch waren und sind die Münsteraner stolz auf ihr neues „historisches“ Rathaus. Der gemeinsame Wiederaufbau war ein wichtiges Symbol für den lokalen wirtschaftlichen Aufschwung. Nach einer Restaurierung des Giebels im Jahre 1992 und weiteren Teilen im unteren Bereich desselben in den Jahren 2002 und 2004 erfolgte im Jahre 2006 eine erneute großangelegte Restaurierung. Dazu wurde der komplette Giebel zum Prinzipalmarkt hin eingerüstet. Um den Bewohnern Münsters und den Touristen dennoch den Anblick des Rathauses zu ermöglichen, schenkten zwei in Münster ansässige Unternehmen der Stadt ein 538&nbsp;m² großes Poster, auf dem die Front des Gebäudes im Maßstab 1:1 abgebildet war und mit dem das Baugerüst verkleidet wurde. Das Rathaus ist eine der Hauptattraktionen für Touristen, die Münster besuchen. Es wird hauptsächlich nur noch für kulturelle oder repräsentative Anlässe wie zum Beispiel dem großen Bankett zum 350-jährigen Jubiläum des Westfälischen Friedens oder offiziellen Empfängen genutzt. Ratssitzungen finden hier allerdings immer noch statt, wenn auch nicht in der Ratskammer, sondern im Festsaal. == Architektur und Erscheinung == [[Datei:MuensterRathaus1900.jpg|thumb|250px|Das historische Rathaus um das Jahr 1900]] === Gliederung === Vertikal betrachtet verfügt das Gebäude über vier Etagen: Arkaden- und Hauptgeschoss sowie einen Keller und einen Dachboden. Wird das Rathaus aus horizontaler Perspektive betrachtet, so ergeben sich im unteren Arkadengeschoss drei, im oberen Hauptgeschoss zwei Nutzungsbereiche. Im Arkadengeschoss sind dies die ''Bogenhalle'' mit dem darüber befindlichen ''Schaugiebel'', gefolgt von der ''Bürgerhalle'' und der dahinterliegenden ''Ratskammer'', die seit dem 18. Jahrhundert auch als ''Friedenssaal'' bekannt ist. Im Hauptgeschoss befindet sich im vorderen Bereich zum Prinzipalmarkt und hinter dem Schaugiebel gelegen der ''Festsaal'' des Rathauses. Im hinteren Teil über der Ratskammer liegt die ''Rüstkammer''. === Fassade === Die reich verzierte Fassade aus [[Baumberger Sandstein]] im [[Architekturstil|Stil]] der [[Gotik]] ragt mit einer Höhe von 31&nbsp;m hoch über das eigentliche Dach des Rathauses hinaus. [[Alexander VII.|Fabio Chigi]], päpstlicher Friedensvermittler während den Verhandlungen zum Westfälischen Frieden, schrieb über sie: ''„Der Giebel des prachtvollen Rathauses ragt weit über die anderen Dächer hinaus und berührt scheinbar fast den Himmel“''.<ref>[http://www.muenster.de/stadt/kongress1648/02_stadt/stadt1_1.html Portrait über Fabio Chigi]; dort zitiert nach: Hans Galen (Hrsg.): ''Münster und Westfalen zur Zeit des Westfälischen Friedens: geschildert durch den päpstlichen Gesandten Fabio Chigi.'' S.&nbsp;35–39.</ref> Durch die wertvollen und prächtigen Verzierungen, wie sie sonst nur an kirchlichen Bauwerken aufgrund der hohen Kosten zu finden waren, sollten möglicherweise zusätzlich zur Lage des Rathauses das Selbstbewusstsein und der Machtanspruch der Bürger gegenüber ihrem Bischof erhöht werden. Der Bau einer solch kostspieligen Fassade ist nur in einer Zeit wirtschaftlicher Blüte möglich gewesen und entstand somit schätzungsweise gegen Ende des 14. Jahrhunderts, als die Stadt Münster durch die Mitgliedschaft in der [[Hanse]] einen starken wirtschaftlichen Aufschwung erfuhr. Weiterhin hilfreich dürfte die Kontinuität im Bürgermeisteramt mit Johann Kerckerinck (26-mal zwischen 1371 und 1399) sowie Johann Warendorp (31-mal zwischen 1379 und 1418) während dieser Zeit gewesen sein.<ref>Otto-Ehrenfried Selle: ''Rathaus und Friedenssaal zu Münster.'' Westfälische Kunststätten. H. 93. Münster 2002, S.&nbsp;7.</ref> Der Aufbau der Fassade gliedert sich in drei Ebenen: Arkadengeschoss, Hauptgeschoss und Giebelgeschoss. Zusätzlich lassen sie sich in zwei Gruppen aufteilen: Den Bogengang bestehend aus dem Arkadengeschoss und dem Schaugiebel bestehend aus Hauptgeschoss und Giebelgeschoss. Jede dieser Ebenen wurde im Laufe der Zeit durch Zerstörungen, Reparaturen und Restaurierungen mehrfach verändert. Während die Bedeutungen der Verzierungen auf den unteren beiden Ebenen nahezu geklärt sind, existieren für das Bildprogramm des Schaugiebels auf Höhe des Giebelgeschosses mehrere, zum Teil widersprüchliche Theorien. ==== Arkadengeschoss ==== [[Datei:MuensterRathaus1800.jpg|thumb|250px|Das Rathaus um 1800. Kolorierte Federzeichnung nach einer französischen Handschrift. An den linken vier Säulen hängen die Zangen, mit denen die Anführer der Täufer 1536 vor dem Rathaus gefoltert wurden.]] Die Fassade des Arkadengeschosses besteht aus vier Spitzarkaden und wird von fünf Rundsäulen getragen. Ursprünglich zeigten die [[Kapitell]] der Säulen symbolische Tier- und Pflanzenornamente, die Sinnbilder von Tugenden und Lastern darstellen sollten. Sie waren folgendermaßen auf die Säulen verteilt: Das linke Kapitell enthielt eine Verzierung mit Eichenlaub, dem Symbol für Beständigkeit und Dauerhaftigkeit. Das Kapitell rechts daneben war mit den Fabelwesen Sirene, Basilisk, Drache und Onozentaur verziert, den Symbolen Satans für Betrug, Tod, Sünde und Falschheit. Die mittlere Säule enthielt ein Kapitell, das Sanftmut, Stärke, Mut und Erneuerung darstellte, repräsentiert durch Panther, Löwe, Adler und Phönix. Rechts daneben zeigte das Kapitell die Symbole der Verdammten im Dämonenwald, dargestellt durch vier Blattmasken. Das Kapitell der rechten und letzten Säule war mit Weinlaub verziert, dem Symbol für Mäßigkeit und Weisheit. [[Datei:MuensterRathausKapitellAussen.jpg|thumb|left|200px|Kapitell an der äußerst linken Säule]] Diese ursprünglichen Verzierungen der Kapitell sind jedoch nicht mehr erhalten, nachdem das Rathaus im Zweiten Weltkrieg stark zerstört wurde. Im Zuge der Wiederherstellung wurden sie erst 1963/64 aus Unkenntnis der Bedeutungen der Symbole durch schlichte Verzierungen ersetzt. Dabei erhielten die Kapitell der beiden Ecksäulen Krabbenschmuck und die mittlere eine allegorische Darstellung der vier Elemente Wasser, Luft, Wind und Feuer. Das Kapitell links von der Mittleren zeigt die Anführer der Täufer und das rechts der Mittleren die vier Lebensalter. Neben diesen Veränderungen wurden bei der Wiederherstellung die fünf Rundsäulen um 65&nbsp;cm verlängert. Die Flächen zwischen den einzelnen Arkadenbögen waren bis 1824 mit Malereien geschmückt. Dann wurden sie auf Empfehlung des Bauinspektors Teuto sowie des Bürgermeisters und des Gemeinderates übermalt. Die erste Version der Bemalung lässt sich für das zweite Viertel des 15. Jahrhunderts bestimmen. Die Zwischenräume schmückten fünf Kreise mit einem Durchmesser von jeweils 1,88&nbsp;m. In der Mitte war vermutlich ein schwarzer Adler wie im Wappen des Heiligen Römischen Reiches zu sehen. Eindeutig verifiziert werden konnte sie jedoch nicht. Die Zwischenräume zu beiden Seiten des Wappens schmückte jeweils das Stiftswappen des [[Fürstbistum Münster|Fürstbistums Münster]]. Diese Anbringung war jedoch mehr als ungewöhnlich, waren die Bürger der Stadt doch stets um ihre Unabhängigkeit vom fürstbischöflichen Landesherrn bemüht. Zusammen mit der [[Siegelkapsel]] und dem [[Wappen]] des damaligen Bischofs [[Heinrich II. von Moers]] jeweils in den beiden äußeren Feldern zwischen den Arkaden liegt die Vermutung nahe, dass sie um das Jahr 1447 geschaffen wurden. Zu jener Zeit war der Bruder Heinrichs&nbsp;II., Erzbischof [[Dietrich II. von Moers]] von [[Köln]], auf die Restaurierung seiner Herrschaft bedacht. Aus Furcht vor einer möglichen Belagerung könnte sich die Stadt aus vorauseilendem Gehorsam Heinrich&nbsp;II. untergeben haben, der daraufhin die Anbringung entsprechender Wappen am Rathaus anordnete.<ref>Max Geisberg: ''Die Bau- und Kunstdenkmäler von Westfalen.'' Bd. 41. Die Stadt Münster, Teil 2. Die Dom-Immunität, die Marktanlage, das Rathaus. Aschendorff, Münster 1976, S.&nbsp;308–310.</ref> Dietrich Moll veränderte diese ursprüngliche Bemalung im Jahre 1588. Im Zuge der Verschönerung des Rathauses für die Verhandlungen zum Westfälischen Frieden erneuerte sie der Maler Everhard Alerdinck im Jahre 1646. Die letzte Erneuerung fand 1780 durch Johann Georg Legleitner statt. In der Mitte dieser Malereien war der gekrönte [[Karl der Große]] in voller Rüstung mit Schwer und Doppeladler-Schild zu sehen. Die beiden umgebenden Flächen der Arkaden schmückten zwei Ritter, die das Wappen der Stadt Münster trugen. Außen waren zwei weitere Ritter abgebildet, die mit abgenommenem Helm dem Kaiser die Ehre erweisen. ==== Hauptgeschoss ==== [[Datei:MuensterRathausFigurLudgerus.jpg|thumb|left|150px|Bischof Ludgerus an der nördlichen Außenwand]] [[Datei:MuensterRathausFigurLambertus.jpg|thumb|150px|Bischof Lambertus an der südlichen Außenwand]] Das Hauptgeschoss wird maßgeblich durch die vier großen Maßwerkfenster in Form von Spitzarkaden dominiert, hinter denen sich der große Festsaal befindet. Es lehnt sich damit an die Aufteilung des Arkadengeschosses an. Zwischen den Fenster befindet sich seit dem Wiederaufbau ab 1950 kein Bildschmuck mehr, der diese Ebene Jahrhunderte lang geziert hat. Ob es sich hierbei um das ursprüngliche Aussehen handelt, ist nicht bekannt. Allerdings ist für das Ende des 16. Jahrhunderts überliefert, dass während der [[Täuferreich von Münster|Zeit der Täufer]] 1535 am Ort des Rathauses Bischofsfiguren im Rahmen des [[Bildersturm]]es zerschlagen wurden. Um 1646 wurden Verschönerungen des Rathauses während des Kongresses zum Westfälischen Friedens vorgenommen, wobei der Teil der Fassade farblich neu gestaltet und die Felder zwischen den Fenster mit Figuren versehen wurden. Der münstersche Bildhauer Johann Katmann fertigte dazu fünf lebensgroße Baldachinstatuen von Jesus Christus, Maria, [[Michael (Erzengel)|Erzengel Michael]] und den Bischöfen [[Liudger|Ludgerus]] und [[Lambert von Lüttich|Lambertus]] an. Die Figuren erlebten bis zur Zerstörung des Rathauses im Zweiten Weltkrieg mehrfache Veränderungen. In der ursprünglichen Version von Katmann war Jesus Christus in der Mitte angebracht, umgeben von Maria rechts und Erzengel Michael links von ihm. Rechts außen befand sich die Figur des Bischofs Ludgerus und links außen die Figur des Bischofs Lambertus. Beide waren mit bischöflichen [[Ornat]] sowie [[Mitra (Bischofsmütze)|Mitra]] und [[Krummstab|Hirtenstab]] ausgestattet. Zusätzlich trug Ludgerus ein Modell von [[St. Ludgeri (Münster)|St. Ludgeri]] und Lambertus einen Pfeil als Werkzeug seines Martyriums. Wahrscheinlich aufgrund starker Verwitterung wurden die Figuren 1865/66 durch Versionen von Bernhard Allard ersetzt. Von diesen erneuerten Figuren sind nur noch die beiden Bischofsfiguren erhalten. Da sie jeweils außen angebracht waren, überstanden sie den Einsturz des Giebels nach der Zerstörung im Oktober 1944. Sie hängen seit dem Wiederaufbau des Rathauses an der Nord- und Südseite des Gebäudes. ==== Giebelgeschoss ==== Das Giebelgeschoss mit dem dahinterliegenden Dachboden ist in sieben Achsen aufgeteilt, die sich stufenförmig in die Höhe erheben. Bis auf die mittlere Achse sind alle als [[Blendarkade]]n in die Höhe gezogen und mit insgesamt sechs Blendfenstern in Arkadenform versehen. Jeweils zwei von ihnen befinden sich übereinander links und rechts der Mitte und jeweils eines in der entsprechend nächsten Achse. In der mittleren Achse befinden sich drei übereinander angeordnete Nischen, ebenfalls in Arkadenform. Bis 1774 verschlossen Holztüren die Öffnungen, die das Ein- und Auslagern von Waren auf den Dachboden ermöglichten. Unterteilt werden die sieben Achsen des Giebelgeschosses durch acht schmale, in [[Fiale]]n endende Pfeiler, die sich über die Achsen hinaus erheben und mit filigranen Verzierungen mit dem jeweiligen Nachbarpfeiler verbunden sind. Die vier mittleren und gleichzeitig höchsten Pfeiler wurden auf dieselbe Höhe gezogen, höchstwahrscheinlich um einer Monotonie vorzubeugen. Auf den einzelnen Spitzen der Fialen befinden sich jeweils Figuren: Vier Engel oben, zwei stehende Gestalten auf den mittleren und einem blasende sowie einem Ausschau haltenden Wächter auf den unteren Fialen. [[Datei:MuensterRathausGiebel.jpg|thumb|400px|Der Giebel des Rathauses mit dem Bildnis der „Marienkrönung“ und der Statue des Königs]] Neben den Figuren auf den Fialen befinden sich noch weitere Verzierungen an der Fassade. An der Spitze des Giebels ist ein Bildnis der fälschlicherweise häufig sogenannten „[[Marienkrönung]]“ zu sehen. Der Begriff Marienkrönung kann daher als falsch bezeichnet werden, weil Maria auf gleicher Höhe zu Jesus Christus sitzend bereits die Krone auf ihrem Haupt trägt. Nur in Verbindung mit den vier Engeln der über dem Marienschrein hinausragenden Fialen wäre eine Deutung als Krönungszeremonie denkbar, wie sie ab dem 12. Jahrhundert auf verschiedene Weisen darzustellen versucht wurde. Am ehesten würde die Version zutreffen, bei der Maria auf gleicher Höhe neben Jesus Christus sitzt und ihr die Krone durch einen von oben heranschwebenden Engel aufgesetzt wird. Vielfach wurde dieses Bild durch musizierende oder weihrauchschwenkende Engel unterstützt, die am Münsterschen Rathaus durch die Engel auf den oberen Fialen dargestellt würde. Jedoch ist die Darstellung des herabschwebenden Engel in Münster nicht vorhanden und die Krönungszeremonie daher fragwürdig.<ref>Otto-Ehrenfried Selle: ''Rathaus und Friedenssaal zu Münster.'' Westfälische Kunststätten. H. 93. Münster 2002, S.&nbsp;18, 20–25.</ref> Eine Interpretation und Deutung des Bildes ist auch deshalb so schwierig, weil die Darstellung im Laufe der Zeit immer wieder durch Reparaturen verändert wurde. Da auch die ursprüngliche Darstellung nicht überliefert ist, kann über die wahren Hintergründe und Bedeutung des Bildes nur spekuliert werden. Neueren Theorien zufolge könnte es dazu gedient haben, den Bürgern der Stadt Hoffnung in einer Zeit von Pest, Kriegen und Elend zu geben. Obwohl die theologische Bedeutung nicht genau geklärt ist, so ist die baugeschichtliche jedoch eine besondere. Denn obwohl so ein Bildnis an vielen europäischen Kirchen und Kathedralen zwischen dem Ende des 12. Jahrhunderts und dem 16. Jahrhundert angebracht wurde, ist die Darstellung an einem Profanbau einzigartig. [[Datei:WappenMünsterGreif.jpg|framed|left|Ein Greif mit dem Stadtwappen]] Direkt darunter befindet sich das Bildnis eines Königs mit Zepter und Reichsapfel. Unter Experten ist umstritten, ob es sich hierbei um König Salomon oder Karl dem Großen handelt. Unter seinen Füßen ist das Wappen des [[Heiliges Römisches Reich|Heiligen Römischen Reiches]] zu sehen, der [[Doppeladler]]. Etwas tiefer, zu beiden Seiten des Giebels, ist zweimal das Wappen der Stadt Münster angebracht, das von zueinander zugewandten [[Greif]]en gehalten wird. [[Datei:MuensterRathausGiebelfiguren.jpg|thumb|250px|Die alten Giebelfiguren in der Bürgerhalle.]] Ähnlich wie die Erscheinung der übrigen Fassade war auch das Bildprogramm des Giebels im Laufe der Jahrhunderte mehreren Änderungen unterworfen. Vom ursprünglichen Schmuck des Giebels sind nur noch eine stark verwitterte Statue der Maria aus dem Bildnis der „Marienkrönung“ und die Königsfigur mit dem 1865 erneuerten Haupt vorhanden. Beide Figuren sind in der Bürgerhalle des Rathauses ausgestellt. ===== Deutungsmodell von Josef Vennemann ===== Einzeln betrachtet scheinen die Figuren und Bilder nicht oder im Falle des Marienschreins nur teilweise in einer Verbindung zueinander zu stehen. Der ehemalige Stadtdechant Josef Vennemann stellte bei seiner Festpredigt zum vollendeten Wiederaufbau des Rathauses am 30. Oktober 1958 zum Bildprogramm der Fassade ein brauchbares Deutungsmodell vor, nachdem sämtliche Bilder des Giebels in einem zeitlichen Zusammenhang stehen und die Ankunft des Messias beschreiben. Den ersten zeitlichen Abschnitt markieren die Figuren auf den [[Fiale]]n, beginnend bei den beiden Äußeren. Der in die Ferne schauende und der blasende Wächter halten Ausschau nach dem Messias während der „Stufe der Erwartung“. Hierzu heißt es in der Liturgie des vierten Adventssonntags nach Joel 2,1 ''„Stoßt in die Posaune auf Zion! Denn nahe ist der Tag des Herrn!“'' sowie in der Liturgie des ersten Adventssonntags ''„In die Ferne schaue ich aus. Siehe, die Macht Gottes kommt“''. Die nächste Stufe, die „Stufe der Verheißung“, wird durch die mittlere Ebene der Fialen beschrieben. Die Figuren stellen [[Mose|Moses]] und [[Elija|Elias]] dar, die im Mittelalter als Künder von Jesus Christus galten. Auf der höchsten Stufe vollzieht sich die „Stufe der Erfüllung“ mit der Krönung von Jesus Christus im Zusammenspiel der vier huldigenden Engel auf den oberen vier Fialen und dem Bildnis der „Marienkrönung“ darunter. [[Datei:MuensterRathaus2422.jpg|thumb|200px|Das Rathaus bei Dunkelheit]] Direkt unter dem Bildnis des geistlichen Herrschers steht mit der Abbildung eines Königs die irdische Macht. Während durchaus umstritten ist, ob es ein Bildnis von König Salomon oder Karls der Großen ist, beschreibt das Denkmodell nach Vennemann es als das von Karl dem Großen, dem die Gründung der Stadt Münster zu verdanken ist. Begründet wird die Annahme durch die Darstellung der Figur mit der für ihn charakteristisch hohen Bügelkrone und dem Reichswappen des Doppeladlers direkt zu seinen Füßen, obwohl dieser erst seit der Zeit [[Friedrich III. (HRR)|Friedrich III.]] gegen Ende des 15. Jahrhunderts verwendet wurde. Auch die beiden [[Greif]]en als Wappenträger des Wappens der Stadt Münster stehen in diesem Zusammenhang. Ein Greif als zusammengesetztes Tier der Mythologie aus Löwe, dem Symbol für Erde, und Adler, dem Symbol für Luft, repräsentiert zugleich Jesus Christus, da er einerseits menschlich (Erde), andererseits jedoch auch göttlich (Luft) ist. Durch die Umklammerung des Wappens erhöhen sie die Bedeutung der Stadt gegenüber ihrem Bischof, da sie bildlich gesehen in direkter Korrespondenz und unter Umgehung des Bischofs mit ihrem Gründer Karl dem Großen in Verbindung stehen. === Bogenhalle === Die Bogenhalle ist der vorgelagerte, offene und überdachte Teil direkt zwischen den vier Spitzarkaden der Fassade und der etwa 4&nbsp;m dahinter liegenden Bürgerhalle. Sie entstand vermutlich um 1395 im Zuge der Verlängerung des im Hauptgeschoss befindlichen Festsaals. Bis zum Anfang des 17. Jahrhunderts diente sie als Wetterschutz für den vom Bischof eingesetzten Stadtrichter und seine zwei von der Stadt bestellten Beisitzern, da nach dem auch in Münster geltenden sächsischen Recht in Form des [[Sachsenspiegel]]s eine Gerichtsverhandlung unter freiem Himmel stattzufinden hatte. Eine Gerichtslaube zum Schutz vor dem Wetter war daher in Münster nicht notwendig und hat es dementsprechend auch nicht gegeben. Ab dem Jahr 1586 wurde im nördlichen Teil der Bogenhalle eine kleine Gerichtsstube eingerichtet. Hintergrund dieses Einbaus war der Wunsch nach einer kürzeren Verbindung zwischen dem in der Ratskammer tagenden hohen Gericht und dem vor dem Rathaus tagenden niederen Gericht. Im Jahre 1599 folgte im südlichen Teil der Bogenhalle das sogenannte „Wachthaus“. Nach dem Konflikt mit dem fürstbischöflichen Landesherrn [[Christoph Bernhard von Galen]] und der Kapitulation der Stadt im Jahre 1661 wurde die Gerichtsstube als Sitz der militärischen Hauptwache genutzt. Da von Galen Münster sämtliche Rechte und damit auch die Gerichtsbarkeit entzog, wurde diese Stube nicht mehr benötigt. Sie erhielt seit diesem Zeitpunkt auch den Namen „Offiziersstube“. Diese Hauptwache hatte ihren Sitz fast 200&nbsp;Jahre im Rathaus und verließ es erst am 29. Januar 1847, als die Stadtwache in das benachbarte Stadtweinhaus umzog. Sowohl die Gerichtsstube als auch das Wachthaus wurden jedoch bereits um das Jahr 1803 aus der Bogenhalle entfernt. === Bürgerhalle === [[Datei:MuensterRathausBuergerhallePanorama.jpg|thumb|250px|Bürgerhalle]] Die Bürgerhalle entstand als ein Versammlungsraum für die münstersche Bürgerschaft. Er wurde um 1335 an die zum Prinzipalmarkt zeigende Seite der Ratskammer angebaut. Eine genaue Jahreszahl ist nicht überliefert. Spätestens seit dem Jahre 1337 wird jedoch eine Zweiteilung des Rathauses belegt, wonach sich die Ratsherren im hinteren Teil des Rathauses versammelten. [[Datei:MuensterRathausEingangFriedenssaal.jpg|thumb|left|200px|Sturz der Tür zum Friedenssaal]] Bei der Bürgerhalle handelt es sich im Wesentlichen um einen einzigen großen Raum, dessen Decke von vier Stützpfeilern getragen wird. Er wird daher für Veranstaltungen und kleinere Ausstellungen genutzt. Auch befindet sich die Touristeninformation in der Halle. An der hinteren Wand führt auf der linken Seite eine steinerne Treppe hinauf ins benachbarte, in den Jahren 1615 und 1616 erbaute Stadtweinhaus und in den großen Festsaal. Auf der rechten Seite befindet sich die Tür in die auch als Friedenssaal bekannte Ratskammer. Der massive Sturz über der Tür trägt die Inschrift „Pax Optima Rerum“&nbsp;–&nbsp;„Frieden ist das höchste Gut“. Er unterscheidet sich jedoch deutlich vom ursprünglichen, im Zweiten Weltkrieg zerstörten Sturz. Jener besaß einen massiven Aufbau in Dreiecksform mit einer Breite von 2&nbsp;m und einer Höhe von 1,37&nbsp;m. Auf ihm war das [[Wappen von Münster (Westfalen)|Wappen der Stadt Münster]] in der Schmuckfassung zu sehen, das heißt der Wappenschild mit gefächertem Helm, gehalten von jeweils einem Löwen zu beiden Seiten. Darüber war der Sturz mit einem Frauenkopf verziert, sowie links und rechts neben den beiden Löwen jeweils mit einem nackten [[Putte]] mit Füllhorn und Schild. Zur weiteren Ausstattung der Halle gehören auch Teile von Rüstungen und Waffen aus städtischem Besitz sowie die Replik des Sendschwertes, nachdem das Originalschwert von Dieben in der Nacht auf den 24. Oktober 2000 entwendet wurde und bisher nicht wieder aufzufinden war. Weitere Ausstellungsstücke sind eine stark verwitterte Skulptur aus dem Bildnis der „Marienkrönung“ sowie die Skulptur des Königs, die beide aus dem Bildprogramm des Schaugiebels stammen und im Rahmen von Restaurierungsarbeiten ersetzt wurden. === Ratskammer (Friedenssaal) === [[Datei:MuensterRathausFriedenssaalWestwand.jpg|thumb|250px|Die Westwand des Friedenssaals mit der korrigierten Reihenfolge der Portraits]] Die Ratskammer, seit dem 18. Jahrhundert auch als ''Friedenssaal'' bekannt, ist ein knapp 10&nbsp;m&nbsp;×&nbsp;15&nbsp;m großer Saal, der rundherum in Holz im Stile der [[Renaissance]] getäfelt ist. Der Boden ist als Kontrast zum warmen Holz grau gefliest. Die Vertäfelungen an den Längsseiten des Saals, d.h. die Westwand sowie die östliche Fensterwand, entstanden im Jahre 1577, ersichtlich an einer Füllung an der Eingangstür zum Saal. Diese Tür der '''Westwand''' ist zudem geschmückt mit dem Abbild von Salvator, der Figur des auferstandenen [[Jesus von Nazaret|Jesus Christus]]. Entworfen wurden die Täfelungen von [[Hermann tom Ring]], einem bedeutenden westfälischen Maler des 16. Jahrhunderts. Neben der Eingangstür an der Westwand befindet sich eine Sitzbank, die zwölf Personen Platz bietet. Die Vertäfelungen oberhalb der Sitzplätze entlang der Wand zeigen Bildnisse von Jesus Christus, den zwölf [[Apostel]]n und [[Paulus von Tarsus|Paulus]], dem Namenspatron des [[St.-Paulus-Dom]]s in Münster. Die Bilder sind in folgender Reihenfolge zu sehen: [[Bartholomäus (Apostel)|Bartholomäus]], [[Thomas (Apostel)|Thomas]], [[Andreas (Apostel)|Andreas]], [[Jakobus, Sohn des Alphäus|Jakobus der Jüngere]], [[Matthäus (Evangelist)|Matthäus]], [[Philippus (Apostel)|Philippus]], [[Simon Petrus|Petrus]], Jesus Christus, [[Johannes (Apostel)|Johannes]], [[Jakobus der Ältere]], [[Simon Zelotes|Simon]], [[Judas Thaddäus]], [[Matthias (Apostel)|Matthias]] und Paulus. Getrennt voneinander werden die einzelnen Bilder durch schmale Säulen, die am oberen Ende durch einen verzierten Dreiecksgiebel miteinander verbunden sind. [[Datei:MuensterRathausFriedenssaalMose.jpg|thumb|left|150px|Moses an der Ostwand]] [[Datei:MuensterRathausFriedenssaalOstwand.jpg|thumb|250px|Die Ostwand mit den Täfelungen zwischen den Fenstern]] In die '''Ostwand''', die Fensterwand, sind vier große Fenster eingelassen. Die ursprüngliche Rautenverglasung, die insgesamt acht [[Allegorie|allegorische]] Figuren der göttlichen sowie Kardinaltugenden enthielt und die mit dem Rest des Rathauses im Oktober 1944 zerstört wurde, ist durch eine schlichte getönte Verglasung ersetzt worden. Die Wandflächen sind wie die Westwand vertäfelt. Die Täfelung besteht aus drei verschiedenen Themengebieten: Die vier in den Raum zeigenden Flächen der Pfeiler zeigen die Abbildungen der vier Evangelisten in der üblichen Reihenfolge Matthäus, Markus, Lukas und Johannes. Erschaffen wurden sie nach Stichen des Künstlers [[Heinrich Aldegrever]] aus dem Jahre 1549. Die nördlichste Fensternische zeigt das Bildnis von [[Mose|Moses]] als Gesetzgeber. Die übrigen sieben Seiten der Fensternischen beschreiben die sieben freien Künste ''Grammatica'', ''Dialectica'', ''Arithmetica'', ''Rhetorica'', ''Musica'', ''Geometrica'' sowie ''Astronomica'', die an einer Universität gelehrt wurden. Wie auf der gegenüberliegenden Westwand sind auch diese Abbildungen durch schmale Säulen zu beiden Seiten begrenzt und über einen verzierten Dreiecksgiebel miteinander verbunden. Unterhalb der Vertäfelung befindet sich eine in den Raum gerichtete Sitzbank, die 14 Personen Platz bietet. [[Datei:MuensterRathausFriedenssaalSchrankwand.jpg|thumb|250px|Die Nordwand mit dem dominierenden Wandschrank]] Wie auch beim Giebel lässt sich ein Zusammenhang zwischen den einzelnen Abbildungen der Holzvertäfelung herstellen. Als sie knapp 40 Jahren nach der [[Täuferreich von Münster|Herrschaft der Täufer]] in Münster entstanden, können sie als Mahnung angesehen werden, wie ein friedliches Zusammenleben auf christlicher Basis aussehen kann: Der Glaube an Jesus Christus und die Auferstehung, die Verbreitung des Glaubens durch die zwölf Apostel sowie die geschichtliche Überlieferung durch die vier Evangelisten. Die wichtigsten Gesetze werden durch Mose und die [[Zehn Gebote]] festgelegt. Demgegenüber steht auf der weltlichen Seite die gute Ausbildung, wie sie an einer Universität gelehrt wird. Die '''Nordwand''' wird maßgeblich durch eine große Schrankwand dominiert. Vor der Schrankwand befindet sich ein Richtertisch und die Bürgermeisterbank, auf der die beiden Bürgermeister, also der [[Syndikus|Stadtsyndikus]] und der [[Stadtschreiber (Kanzleivorsteher)|Stadtschreiber]] saßen. In die Schrankwand sind insgesamt 22 kleine Fächer in zwei Reihen übereinander eingelassen. Diese sind aufgeteilt in zwölf Fächer auf der linken sowie zehn Fächer auf der rechten Seite und mit Abbildungen verziert. Vier von ihnen zeigen biblische Szenen, sechs zeigen Heiligenfiguren als Patrone münsterscher Pfarrkirchen, drei sind mit heraldische Abbildungen versehen und sieben mit menschlichen Lastern verziert. Zwei weitere lassen sich keiner bestimmten Gruppe zuordnen. Die genaue Anordnung ist in der folgenden Tabelle dargestellt. Die Fächer scheinen bereits um das Jahr 1536 entstanden zu sein, einige eventuell auch schon früher, erkennbar an der Anbringung der Beschläge. Diese sind im Rahmen der Montage offensichtlich verändert worden. Offensichtlich wurden bei der Umgestaltung des Raumes frühere Einrichtungsgegenstände zusammengeführt. In der Mitte befinden sich keine Schrankfächer, sondern ein Kreuz mit Jesus Christus, dessen Körper in weiß gehalten wurde. Vor diesem für das Jahr 1540 datierte Kreuz wurden alle Ratsmitglieder sowie städtische Amtsträger vereidigt und werden es noch immer. {| class="wikitable" |- bgcolor="#FFDCB9" | colspan="6" align="center" | Linke Schrankwand (Westseite) |- align="center" bgcolor="#E1E1E1" | width="17%" | Maria Magdalena mit Salbbüchse und Beutel (Patron) || width="17%" | Trinkender, taumelnder Mann (Trunksucht) || width="17%" | Der heilige Georg auf einem Drachen stehend und dabei das Schwert schwingend (Patron) || width="17%" | Simson auf einem Löwen sitzend und ihm dabei den Rachen aufreißend (Altes Testament) || width="17%" | Jonas, wie er aus dem Rachen eines Fisches auftaucht (Altes Testament) || width="15%" | Zwei stehende Wölfe mit einem gespaltenen Schild (Heraldik) |- align="center" bgcolor="#EBEBEB" | width="17%" | Sankt Martin zu Pferd und der Bettler (Patron) || width="17%" | Der Heilige Lambertus, wie er vor einem Altar stehend von hinten erdolcht wird (Patron) || width="17%" | Eine Hirschkuh, die zum heiligen Ägidius flüchtet und ein Jäger, der mit Pfeil und Bogen auf sie zielt (Patron) || width="17%" | Der heilige Ludgerus mit einem Modell seiner Kirche und seinen Gänsen (Patron) || width="17%" | Ein streitendes Ehepaar (Herrschsucht) || width="15%" | Sitzender Löwe, der ein Wappenschild der Stadt Münster hält (Heraldik) |} {| class="wikitable" |- bgcolor="#FFDCB9" | colspan="5" align="center" | Rechte Schrankwand (Ostseite) |- align="center" bgcolor="#E1E1E1" | width="20%" | Sitzender Greif mit leerem Wappenschild (Heraldik) || width="20%" | Zwei um einen Kopf kämpfende kopflose Männer (Streitsucht) || width="20%" | Simson mit ausgehobenen Torflügeln (Altes Testament) || width="20%" | Landsknecht mit abgebrochener Hellebarde, der auf einen Dudelsack spielenden Narren zugeht (Dummheit) || width="20%" | Ein Mann, der eine nur mit einem Lendentuch bekleidete Leiche davonträgt (Keine Zuordnung) |- align="center" bgcolor="#EBEBEB" | width="20%" | Eine Frau schlägt einen Bären mit einem Knüppel (Wehrhaftigkeit) || width="20%" | Hund mit einem Knochen im Maul (Keine Zuordnung) || width="20%" | Josua und Karleb mit einer riesigen Weintraube (Altes Testament) || width="20%" | Zwei kämpfende Affen. Der linke mit einem Knüppel, der rechte mit einem Beil. (Rauflust) || width="20%" | Ein Mann schwingt ein Schwert über ein auf dem Boden sitzenden Mann (Rauflust) |} [[Datei:MuensterRathausFriedenssaalSchrankwandMitte.jpg|thumb|left|250px|Die Mitte der Schrankwand]] Die Wandverkleidung oberhalb des eigentlichen Schrankes besteht aus 22 Feldern. Während die neun linken (Westseite) und sieben rechten (Ostseite) über Verzierungen durch einfache Holzfalten verfügen, sind die mittleren sechs mit Holzschnitzereien versehen. Das Linke von ihnen trägt drei miteinander verschränkte und mit Blattwerk gefüllte Kreise. Gefolgt wird es von einem Feld, in dem kunstvoll verziert in gotischen Buchstaben „ihs“ als Abkürzung für Jesus Christus eingeschnitzt wurde. Das Feld links der Mitte zeigt das Wappen des [[Fürstbistum Münster|Fürstbistums Münster]] in den Farben Gold – Rot - Gold und mit Büffelhörnern verzierten Helm, während das rechts der Mitte das Wappen der Stadt Münster in den Farben Gold – Rot - Silber und mit einem Fächer verzierten Helm zeigt. Als Gegenstück zum Jesus Christus gewidmeten Feld folgt anschließend eines, das Maria gewidmet ist und die Inschrift „ma“ trägt. Das letzte der verzierten Felder besteht aus zwei Kreisen. Der untere Kreis enthält eine Taube, der obere erinnert an die Darstellung eines Kretins aus [[Johann Wolfgang von Goethe|Goethes]] [[Götz von Berlichingen (Goethe)|Götz-von-Berlichingen]]. <br style="clear:both;"/> [[Datei:MuensterRathausFriedenssaalKaminplatte.jpg|thumb|left|200px|Gusseiserne Ofenplatte des Kamins]] [[Datei:MuensterFriedenssaalKaminOriginal1885.jpg|thumb|250px|Holzstich aus dem Jahre 1885 des ursprünglichen Kamins]] [[Datei:MuensterRathausFriedenssaalKamin.jpg|thumb|250px|Der „neue“ Kamin aus dem Krameramtshaus]] An der '''Südwand''' befindet sich ein mächtiger Kamin. Allerdings handelt es sich hierbei nicht um das Original aus dem Jahre 1577, da jener zusammen mit dem Rathaus im Oktober 1944 zerstört wurde. Er zeigte eine Darstellung des salomonischen Urteils aus der Bibel ([[1. Buch der Könige]], Kapitel 3, Verse 16-28). Stattdessen befindet sich an dieser Stelle nun der Kamin des [[Haus der Niederlande|Krameramtshauses]] aus dem Jahre 1621. Dieser zeigt das Gleichnis des Reichen und des armen Lazaraus ([[Evangelium nach Lukas]], Kapitel 16, Verse 19-31). Der Kamin besitzt im oberen Teil einen großen Giebel, der mit der Person der Justitia mit Schwert und Waage verziert wurde. Neben Symbolen und Emblemen des Handels und der Schifffahrt an den Seiten des Kamins erinnert eine gusseiserne Ofenplatte an den Abschluss des Westfälischen Friedens. Sie zeigt ein Kissen mit einer Krone und einem Zepter darauf, darüber drei Tauben mit einem Ölzweig im Schnabel. Zusätzlich befindet sich eine Inschrift auf der Platte: „Anno 1648. Pax optima rerum, 24. Oct.“ Frei übersetzt bedeutet diese Inschrift: „Der Friede ist das höchste Gut, 24. Oktober 1648“. Über den Sitzbänken der Westwand sowie an der Südwand hängen 37 Portraits der Souveränen und Abgesandten während der Zeit der Verhandlungen zum Westfälischen Frieden. Davon hängen 29 an der Westwand, 25 von ihnen rechts der Eingangstür mit dem großen Windfang und vier links davon. An der Südwand zwischen Westwand und dem Kamin hängen weitere sechs Bilder und zwei links neben dem Kamin. Die Reihenfolge beginnt rechts oben an der Westwand mit Kaiser [[Ferdinand III. (HRR)|Ferdinand III.]] und den beiden Friedensvermittlern [[Alvise Contarini]] und [[Fabio Chigi]], gefolgt von seinen kaiserlichen Gesandten und Kurböhmen, den Abgesandten aus Frankreich, Spanien, Schweden und den Niederlanden. Danach folgen sechs kurfürstliche Abgesandte des deutschen Reiches (die sechs Portraits rechts neben dem Kamin), [[Johann Rudolf Wettstein]] als Gesandter der Stadt [[Basel]] und Vertreter der [[Schweiz|Schweizerischen Eidgenossenschaft]] sowie [[Johann von Reumont]], dem Stadtkommandanten der Stadt Münster zu jener Zeit und Verantwortlichen für die Sicherheit der Kongressteilnehmer (beide links neben dem Kamin). Im Rahmen der umfangreichen Restaurierungsarbeiten zum 350-jährigen Jubiläum des Westfälischen Friedens im Jahre 1998 wurden Ziffern auf den Bildern entdeckt. Da angenommen wird, dass sie die ursprüngliche Reihenfolge angeben, wurden die Bilder nach Abschluss der Arbeiten in dieser Reihenfolge neu aufgehängt. Sie unterscheidet sich daher von der Reihenfolge auf älteren Fotos des Friedenssaals. Die folgenden beiden Tabellen veranschaulichen die korrigierte Aufhängung: <br style="clear:both;"/> {| class="wikitable" |- bgcolor="#FFDCB9" | colspan="2" width="15,4%" | Niederlande || colspan="2" width="15,4%" | Schweden || colspan="2" width="15,4%" | Spanien || colspan="2" width="15,4%" | Frankreich || colspan="3" width="23,1%"| Kaiserliche Gesandte, Kurböhmen || colspan="2" width="15,3%" | Kaiser, Friedensvermittler |- align="center" bgcolor="#E1E1E1" | width="7,7%" | Johann von Mathenesse || width="7,7%" | [[Adriaan Pauw]] || width="7,7%" | [[Johan Adler Salvius]] || width="7,7%" | Johann Oxenstierna || width="7,7%" | [[Gaspar de Bracamonte y Guzmán|Gaspar de Bracmonte y Guzmán Graf von Peñaranda]] || width="7,7%" | [[Philipp IV. (Spanien)|Philipp IV.]] || width="7,7%" | Henri II. de Bourbon Orléans || width="7,7%" | [[Ludwig XIV. (Frankreich)|Ludwig XIV.]] || width="7,7%" | Johann Maximilian Graf von Lamberg || width="7,7%" | [[Johann Ludwig (Nassau-Hadamar)|Johann Ludwig Graf von Nassau]] || width="7,7%" | [[Maximilian von und zu Trauttmansdorff]] || width="7,7%" | [[Ferdinand III. (HRR)|Ferdinand III.]] || width="7,6%" | &nbsp; |- align="center" bgcolor="#EBEBEB" | width="7,7%" | Frans van Donia || width="7,7%" | Johann de Knuyt || width="7,7%" | Matthias Mylonius Biörenklou || width="7,7%" | Scherin Roesenhane || width="7,7%" | Antoine Brun || width="7,7%" | Joseph de Bergaigne || width="7,7%" | Abel Servien || width="7,7%" | [[Claude de Mesmes]] Comte d’Avaux || width="7,7%" | Ferdinand Graf von Walnstein || width="7,7%" | Isaac Volmar || width="7,7%" | [[Johann Krane]] || width="7,7%" | [[Alvise Contarini]] || width="7,7%" | [[Alexander VII.|Fabio Chigi]] |} {| class="wikitable" |- bgcolor="#FFDCB9" | width="11%" | Stadt Basel, Stadtkommandant || rowspan="3" width="11%" align="center" | Kamin || colspan="3" width="34%" | Kurfürstliche Gesandte || rowspan="3" align="center" width="11%" | Ecke Südwand / Westwand || colspan="2" width="22%" | Niederlande || rowspan="3" width="11%" align="center" | Windfang |- align="center" bgcolor="#E1E1E1" | width="11%" | [[Johann Rudolf Wettstein]] || width="11%" | [[Johann VIII. (Sayn-Wittgenstein-Hohenstein)|Graf Johann von Sayn-Wittgenstein]] || width="11%" | Georg Christoph Freeherr von Haslang || width="11%" | Hugo Everhard Cratz Graf von Scharfenstein || width="11%" | Barthold von Gent || width="11%" | [[Godart van Reede]] |- align="center" bgcolor="#EBEBEB" | width="11%" | [[Johann von Reumont]] || width="11%" | Franz Wilhelm von Wartenberg || width="11%" | Johann Ernst von Pistorius || width="11%" | Hugo Friedrich Freiherr von und zu Eltz || width="11%" | Adriaen Clant van Stedum || width="11%" | [[Willem Ripperda]] |} Von den insgesamt 37 Bildern wurden 34 durch den Portraitmaler [[Anselm van Hulle]] beziehungsweise durch seinen Gehilfen Jan Baptist Floris gemalt, der Kopien von den durch van Hulle erstellten Portraits anfertigte. Sie wurden am 7. Juli 1649 in der Ratskammer aufgehängt. Das Bild von Münsters Stadtkommandaten Johann von Reumont sowie das des schwedischen Gesandten Matthias Mylonius Biörenklou stammen nicht von Floris. Erst 1966 kam das Portrait des Gesandten der Stadt Basel, Johann Rudolf Wettstein, hinzu, als Geschenk des Kantons [[Kanton Basel-Stadt|Basel-Stadt]]. [[Datei:MuensterRathausFriedenssaalTafel.jpg|thumb|left|250px|Tafel unter der Decke]] [[Datei:MuensterRathausFriedenssaalKronleuchter.jpg|thumb|200px|Der massive Kronleuchter]] Neben der Funktion als Sitzungssaal für die Ratsherren diente der Saal auch als Gerichtsstätte. Die Ratsherren waren dabei für die höhere Rechtsprechung zuständig. Dementsprechend finden sich in diesem Saal auch noch entsprechende Relikte. Eines davon ist die mitten im Raum stehende Gerichtsschranke, die Richter und Beisitzer von den Gerichtsparteien und Zuschauern trennte. Oberhalb der Schranke unter der Decke aufgehängt befindet sich eine Tafel, die die Richter zur Unparteilichkeit ermahnen sollte. Auf ihr steht „Audiatur et altera pars – Men hoere beide Parte“ geschrieben, was „man höre beide Parteien an“ bedeutet. Weiterhin befindet sich unter der Decke des Saals aufgehängt ein massiver Kronleuchter, der von flämischen Kunstschmieden geschaffen wurde. Er ruht auf dem Geweih eines ungeraden Achtenders und ist mit Jagdszenen und Tierdarstellungen verziert. Weitere Verzierungen bestehen aus dem Stadtwappen, einer spätgotischen Madonnenfigur, einer goldenen Krone sowie zwei goldenen Kugeln und einer geschnitzten Rose, aus der die Deckenaufhängung entspringt. Der äußere Ring des Kronleuchters ist mit einer Umschrift aus Goldbuchstaben aus dem „[[Buch der Weisheit]]“, Kapitel 1, Vers 1, versehen. Sie lautet „Diligite iustitiam, qui iudicatis terram“ und bedeutet in der Übersetzung „Liebet die Gerechtigkeit, ihr, die ihr über die Erde richtet.“ Zusätzlich diente der Saal zwischen 1826 und 1862 als Sitzungssaal des Landtages der preußischen [[Provinz Westfalen]], der alle zwei Jahre tagte, nachdem Münster durch den [[Wiener Kongress]] in den Jahren 1814/15 dem Königreich [[Preußen]] zugeordnet und zur Hauptstadt der Provinz Westfalen ernannt wurde. Zudem tagte hier im Jahre 1848 die Stadtverordnetenversammlung, als es zur [[Märzrevolution]] im [[Deutscher Bund|Deutschen Bund]] und somit auch in Preußen kam. === Festsaal === Die Nutzung des Raumes vor dem Jahre 1861 ist unbekannt. Allerdings ist anzunehmen, dass er als zusätzliche Lagerfläche für Händler und Kaufleute diente, die ihre Waren auf den regelmäßig stattfindenden Märkten feilboten. Er befand sich jedoch in einem desolaten Zustand, so dass Wünsche zur Umgestaltung und Nutzung in der Bevölkerung aufkamen, insbesondere nachdem Pläne zur Verlegung des westfälischen Provinziallandtags in das Obergeschoss fallengelassen wurden. Die Umgestaltung in jenem Jahr nahm der geheime Regierungsbaurat Salzenberg vor und ermöglichte die Nutzung des Saals für Empfänge und größere Geselligkeiten. Salzenberg versah den Raum mit einem hochsteigenden Tonnengewölbe im Stile der Gotik, passend zu den großen gotischen Maßwerkfenstern auf der zum Prinzipalmarkt gelegenen Seite. Zur Realisierung des hochgezogenen Gewölbes bezog er die darüberliegenden Dachböden mit ein, so dass sich die Decke des Saals bis hoch unter den Giebel erstreckte. Die Längsseiten zierten zahlreiche lebensgroße Figurengemälde von Personen, die sich um die Stadt Münster verdient gemacht haben, unter anderem Karl der Große, Luidger und Freiherr [[Franz von Fürstenberg]]. Nachdem der bei der münsterschen Bevölkerung durchaus beliebte Saal bei der Zerstörung des Rathauses im Zweiten Weltkrieg ein Raub der Flammen wurde, ist er während des Wiederaufbaus im vollkommen neuer Form „rekonstruiert“ worden. Dabei wurde das Tonnengewölbe durch eine flache Deckenkonstruktion ersetzt, was der ursprünglichen Form der Decke entsprach. Auch kam es zu einer farblichen Umgestaltung. So ist der Raum seitdem in den Stadtfarben Gold, Rot und Silber gehalten. An der grundlegenden Funktion hat sich seit der Umwandlung in einen Festsaal 1861 allerdings nichts verändert. Jedoch dient der Saal auch regelmäßig als Tagungsort des münsterschen Stadtrates. === Rüstkammer === [[Datei:MuensterRathausBackside.jpg|thumb|200px|Die Rückseite des Rathauses. Links der neue Treppenturm, der die kleine Ratskammer ersetzt.]] Die Rüstkammer befindet sich im Hauptgeschoss oberhalb der Ratskammer und entspricht ihr in den Ausmaßen. Während früher in diesem Raum das Waffenarsenal der Stadtwache untergebracht war, ist er nun ein großzügiger Kaminraum, was nicht zuletzt der zurückhaltenden Einrichtung zu verdanken ist. === Keller === Sowohl die Bürgerhalle als auch die Ratskammer sind unterkellert und wurden ab 1545 zur Lagerung von Wein verwendet. Bereits ab 1550 gab es einen „Rats-Weinschenk“ im Keller des Rathauses. Die alte Balkenkonstruktion der Decke wurde im vorderen Teil unterhalb der Bürgerhalle 1563 und unterhalb der Ratskammer beim großen Umbau des Rathauses 1576 durch gemauerte [[Kreuzgewölbe]] ersetzt. Bis zur Eröffnung des ''Stadtweinhauses'' im Jahre 1616 lagerten bis zu 20.000 Liter Wein in den Fässer im Rathauskeller. Nachdem der Wein daraufhin umgelagert wurde, diente der Keller als Lagerfläche, die an Kaufleute vermietet wurde. Zwischen 1924 und der Zerstörung des Rathauses gab es eine Gaststätte im Rathauskeller. === Dachboden === Der große Dachboden besteht aus vier Teilen. Drei davon wurden zur Lagerung von Tüchern, Holz und Getreide genutzt. Ab dem Jahr 1664 mussten die Kaufleute eine Pacht bezahlen, die ihre Waren dort einlagerten. Die Ein- beziehungsweise Auslagerung der Waren fand durch drei Öffnungen in Spitzarkadenform im vorderen, zum Prinzipalmarkt zeigenden Giebel statt. Verschlossen waren sie mit Holztüren. Die Lagerung von diesen leicht brennbaren Waren wurde im Jahr 1774 durch den Rat der Stadt aufgrund der bestehenden Brandgefahr für das historische Gebäude verboten. Nachdem die Öffnungen für den Transport der Waren keine Funktion mehr hatten, wurden sie 1863 zugemauert. Sie sind als drei vertikal übereinander angeordnete Nischen in der Mitte des Rathausgiebels zu erkennen. == Nutzungsarten == [[Datei:MuensterRathausGrundrissErdgeschoss1815.jpg|thumb|350px|Grundriss des Erdgeschosses um 1815. Auf der linken Hälfte im vorderen, linken Teil die Wachtstuben und Arrestzellen, in der Mitte die Bürgerhalle und rechts die Ratskammer mit der im unteren Tell angebauten kleinen Ratskammer. Auf der rechten Hälfte Teile der Nebengebäude.]] Das deutsche Rathaus im Mittelalter besaß mitunter mehr Funktionen als reiner Versammlungsort. Für das münstersche Rathaus treffen neben den Funktionen als Bürgerhalle und Ratskammer die eines Richt-, Kauf-, Tuch-, Spiel-, Tanz-, Korn-, Rüst- und Weinhauses sowie der einer Hauptwache zu. Wie bereits erwähnt diente es als Gerichtshaus sowohl für die höhere Gerichtsbarkeit durch die Ratsherren in der Ratskammer als auch für die niedere Gerichtsbarkeit durch den von bischöflichen Landesherren eingesetzten Stadtrichter vor dem Rathaus beziehungsweise unter der Bogenhalle. Dabei beschränkten sich die Aufgaben des Stadtrichters im Wesentlichen auf die Ankündigung des Gerichtstages und die Verkündung des durch das hohe Gericht gefällte Urteil. Dennoch erhielt auch er ein Gerichtsbild zur Ermahnung an eine gerechte Urteilsfindung. Hermann tom Ring erschuf dieses Bild mit der Darstellung des Jüngsten Gerichts gegen 1558 am gegenüberliegenden Michaelistor. Auch als Spielhaus für öffentliche Aufführungen trat das Rathaus in Erscheinung. Allerdings war diese Art der Nutzung eher selten. Bezeugt sind nur Aufführungen in den Jahren 1537, 1552, 1601, 1611, 1612 und 1645. Über Tanzveranstaltung finden sich noch weniger Überlieferungen. Wesentlicher Grund war das um 1265 erbaute Gruthaus, das für Veranstaltungen solcher Art wesentlich besser ausgestattet war. Auch die Feste und Feiern der ortsansässigen Gilden fanden in den eigenen Gildehäusern statt. Die einzige Überlieferung einer Tanzveranstaltung fällt in die Episode der Täufer, als Jan van Leyden im Jahre 1534 mit seinen Frauen und den Stadträten an drei aufeinanderfolgenden Tagen mit jeweils einem Drittel der Stadtbevölkerung getanzt und getafelt hat. [[Datei:MuensterRathausPreussischeHalbeRute2805.jpg|thumb|300px|Die „Preußische Halbe Ruthe“ an der Nordwand des Rathauses.]] Wesentlich wichtiger war die Funktion eines Kaufhauses. So war es während der Zeit der Jahrmärkte auch ortsfremden Händlern und Bürgern, die nicht Mitglied einer Gilde waren, gestattet, Waren innerhalb der Stadt zu verkaufen. Dazu erhielten die ortsansässigen Gilden die Genehmigung, ihre Stände im Rathaus aufzustellen, während sich die zuerstgenannten Gruppen den Platz im oberen Hauptgeschoss teilen mussten. Zur Lagerung entsprechender Waren wie Tüchern, Holz und Vorräte waren die vier Dachböden des Rathauses vorgesehen, die seine Funktion als Tuch- beziehungsweise Kornhaus beschreibt. Auch die Keller wurden zur Lagerung von Waren genutzt. Bei diesen Waren handelte es sich jedoch hauptsächlich um Wein, der ab 1616 im fertiggestellten benachbarten Stadtweinhaus gelagert wurde. Gleichzeitig bekam es die Funktion als Wiegehaus übertragen und die Stadtwaage wurde dementsprechend davor aufgebaut. An die Funktion eines Kaufhauses erinnert die an der Nordseite des Rathauses angebrachte Tafel mit einer „[[Rute (Einheit)|Preußischen Halben Ruthe]]“, der gesetzlichen Längeneinheit des Jahres 1816, mit der in Münster zu jener Zeit gemessen wurde und an die sich auch Händler beim Verkauf ihrer Waren halten mussten. Bei Streitigkeiten zwischen Käufer und Verkäufer diente sie zudem als Referenz für das im Rathaus tagende Gericht. Eine Nutzung als Hauptwache ist ab dem Jahr 1637 bezeugt, als eine Offiziersstube am Markt erwähnt wird. Nach der Niederlage und Kapitulation im Konflikt mit dem fürstbischöflichen Landesherren Christoph Bernhard von Galen 1661 befand sie sich durchgehend bis in das Jahr 1843 im Rathaus. Danach wurde sie ebenfalls in das benachbarte Stadtweinhaus versetzt. Die Waffen der Stadt befanden sich ebenfalls im Rathaus. Sie waren in der Rüstkammer im oberen Hauptgeschoss über der Ratskammer eingelagert. == Das Rathaus als Museum == Neben der Aufbewahrung und Ausstellung von diversen Kunstgegenständen sowie Kunstschätzen der Stadt kann das Rathaus bereits ab der Mitte des 16. Jahrhunderts als Vorläufer eines modernen Museums angesehen werden, dass an bedeutende Ereignisse erinnern und gleichzeitig ermahnen soll. Aufgrund des Kapitels der Herrschaft der Täufer in Münster zierten die vier ''Folterzangen'' alsbald die Pfeiler der Bogenhalle. Neben den Käfigen der [[St. Lamberti (Münster)|Lambertikirche]], in denen die Leichen der Täufer zur Schau gestellt wurden, dienten sie als mahnendes Beispiel und zur Abschreckung. Erst bei der Renovierung des Giebels im Jahre 1848 wurden sie von dort entfernt und in den Friedenssaal verbracht. Dort hingen sie bis ins Jahr 1921, als sie an das Landesmuseum verliehen wurden. Ein weiterer Gegenstand des Ensembles war das ''Folterhalseisen''. Dabei handelt es sich um eisernes Halsband, an dem eine ebenfalls eiserne, bewegliche, 15&nbsp;cm hohe und 14&nbsp;cm breite Gesichtsmaske angebracht ist. Auf der Innenseite des Halsbandes befinden sich vorne acht 1,6&nbsp;cm lange und hinten sechs 2&nbsp;cm lange Stacheln, die sich dem Träger in den Hals bohrten. Obwohl es anzunehmen ist, dass es nicht bei der Folter des Täuferkönigs Jan van Leyden verwendet worden ist, so stammt es zumindest aus derselben Epoche. Wahrscheinlich wurde er zur Folter der Gefangenen nach der Niederwerfung des Aufstandes von Heinrich Mollenhecke verwendet, der sich gegen die Einführung der Polygamie durch die Täufer zur Wehr setzte und von ihnen deshalb gefoltert wurde. Ganz im Gegensatz zu den Erinnerungen an die Epoche der Täufer steht der Friedenssaal als Zeugnis für die Bemühungen um Frieden und Sicherheit in Europa. Aufgrund seiner historischen Bedeutung wurde er seit dem Abschluss des Westfälischen Friedens im Jahre 1648 nicht mehr verändert. Spätestens im Jahre 1803 nach der Besetzung des [[Fürstbistum Münster|Fürstbistums Münster]] und der Stadt selbst durch die [[Preußen]] war man sich der Funktion als Gedenkstätte bewusst. So wurde bei der Umgestaltung des Rathauses vorgeschlagen, den Friedenssaal in seiner Form zu erhalten. Auch beim großen Umbau und der Renovierung des Rathauses im Jahre 1848 blieb er unberührt. Maßgeblichen Einfluss hatte die Bestimmung des preußischen Königs [[Friedrich Wilhelm III. (Preußen)|Friedrich Wilhelm III.]] bei seinem Besuch am 21. September 1817, dass der Friedenssaal zu erhalten sei und nie für andere Zwecke benutzt werden sollte. === Historische Waffen und Gegenstände === Das Rathaus beherbergt auch eine Sammlung weiterer historischer Gegenstände. Der Kunstbesitz der Stadt hingegen ist weitestgehend als Leihgabe im Landesmuseum ausgestellt. Ebenso befinden sich Teile der Gegenstände im Landesmuseum, von denen einige allerdings nicht mehr alle erhalten sind, da sie dem Zweiten Weltkrieg zum Opfer fielen. ==== Waffen ==== [[Datei:MuensterRathausRiesenschwert.jpg|thumb|150px|Das Riesenschwert]] Beim ersten Teil der Exponate handelt es sich größtenteils um alte Waffen aus städtischem Besitz. Erhalten sind zwei von drei historischen [[Harnisch]]en, die alle um 1550 geschaffen wurden. Sie sind in der Bürgerhalle ausgestellt. Dort finden sich ebenfalls drei [[Richtschwert]]er, die jeweils eine Länge zwischen 82&nbsp;cm und 86&nbsp;cm aufweisen. Das älteste von ihnen datiert um das Jahr 1550, das jüngste um das Jahr 1600. Auch acht [[Schlachtschwert]]er sind erhalten. Sie gehörten einst der ''Großen Schützenbrüderschaft'', die nach der Herrschaft der Täufer in Münster im Jahre 1557 neu gegründet wurde. Entstanden sind die mit einer 1,20&nbsp;m langen Klinge versehenen Schwerter vermutlich um das Jahr 1570. Ein weiteres Exponat ist eine Sammlung von zehn Stangenwaffen. Bei dreien dieser Waffen handelt es sich um [[Partisane]]n. Zwei von ihnen entstanden um das Jahr 1600, eine gegen Ende des 16. Jahrhunderts. Ebenfalls aus der Jahrhundertwende des 16. und 17. Jahrhunderts stammen insgesamt sechs eiserne [[Hellebarde]]n. Die letzte dieser Stangenwaffen ist ein [[Kriegsflegel]]. Allerdings ist dieser spätestens seit dem Jahre 1933 kein Original mehr, da dieser vom Holzwurm zerfressen wurde. Ein besonderes Exponat ist ein 2,49&nbsp;m langes ''Riesenschwert'' mit einer 1,45&nbsp;m langen und durchschnittlich 15&nbsp;cm breiten, geschärften Klinge. Geschmiedet wurde es wahrscheinlich in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts. Die größte Waffe überstand den Zweiten Weltkrieg jedoch nicht. Es handelte sich dabei um eine 3,78&nbsp;m lange ''Riesenhellebarde'', die zusammen mit dem Riesenschwert angefertigt wurde. Welchem Zweck diese beiden monumentalen Waffen dienten ist nicht hinreichend geklärt. Sie könnten jedoch Teil einer Theateraufführung von David und Goliath im 16. oder 17. Jahrhundert gewesen sein. Zur Ausstellung des Rathauses gehörten auch eine ''Wallbüchse'' aus dem Jahre 1586 mit einem Kaliber von 3&nbsp;cm und ein ''Wallbüchsenlauf'' aus der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts mit einem Kaliber von 3,3&nbsp;cm. Es ist unbekannt, wie die Stadt in den Besitz dieser Waffen gekommen ist. Erhalten von diesen beiden Stücken ist noch der einzelne Lauf. ==== Fahnen und Standarten ==== [[Datei:MuensterRathausSchlachtschwerter.jpg|thumb|250px|Vier der Schlachtschwerter]] Alle im Rathaus ausgestellten Fahnen haben den Zweiten Weltkrieg überstanden und sind im Landesmuseum ausgestellt. Dabei handelt es sich um die beiden ''Friedensfahnen'' aus dem Jahre 1648 sowie die Fahne von der Einführung des Fürstbischofs [[Ferdinand von Fürstenberg]] von 1678. Ebenfalls zur Ausstellung gehören zwei Standarten des ''Freiwilligenkorps der bürgerlichen [[Kavallerie]]''. Sie wurden am 3. Mai 1763 geweiht und gelangten durch einen Nachlass in den Besitz der Stadt. Aus den Jahren 1780 und 1781 stammten drei ''Laischafts-Fahnen'' aus den Laischaften Lamberti, Ludgeri sowie Liebfrauen, das heißt den weltlichen Gesellschaften aus den jeweiligen Pfarrbezirken. Bei den letzten historischen Fahnen handelte es sich drei Fahnen der ''Bürgergarde'' aus dem Jahre 1815. ==== Ratssilber ==== Zur Ausstellung gehört auch das erhaltene Ratssilber. Obwohl es sich hierbei um eine stattliche Sammlung handelte, kann sie sich mit denen anderer Städte nicht verglichen. Das liegt daran, dass die Stadt Münster ihr Ratssilber öfters neu aufbauen musste. So zerstörten die Täufer während ihrer Herrschaft 1534/35 die komplette Sammlung. Auch in Notzeiten wurde es eingeschmolzen und veräußert, zum Beispiel während der Belagerung durch Fürstbischof [[Christoph Bernhard von Galen]] im Jahre 1661. Aber nicht nur Not und Zerstörung trugen zum Verlust bei. Oftmals wurde das Silber an wichtige und einflussreiche Personen und Offiziere verschenkt. Letztendlich blieben nur drei Teile erhalten. ==== Weitere Gegenstände ==== [[Datei:MuensterRathausVierterHarnisch.jpg|thumb|150px|Einer der Harnische]] Die Liste der Einzelstücke ohne eine besondere Zuordnung beginnt mit dem ''Stab des Türwärters''. Dieser 128,4&nbsp;cm lange, 1,7&nbsp;cm bis 2,3&nbsp;cm dicke und mit zwei Kugeln mit je 6,7&nbsp;cm und 18,8&nbsp;cm Durchmesser versehene Stab entstand vermutlich im Jahre 1545. Als gesichert gilt aber ein Entstehungsdatum vor der Wiedereinführung der Gilden im Jahre 1553, da dem Stab ein Stadtbeschauzeichen und ein Meistervermerk fehlt. Der zweite Gegenstand ist ein ''Spielmannswappen'' aus vergoldetem Silber mit einem Durchmesser von 13,3&nbsp;cm. Die Vorderseite des Wappens zeigt das Wappen der Stadt Münster in der Schmuckfassung mit Helm und Löwen. Obwohl es das Entstehungsdatum 1606 auf der Rückseite trägt, ist auf der Rechnung des Stadtkämmerers für das Jahr 1605 vermerkt. Dieser Umstand lässt sich durch die Ratswahl am 20. Januar 1606 erklären, dass Rechnungen bis zu diesem Zeitpunkt unter dem Jahr 1605 weitergeführt wurden. Das Besondere am ''[[Münzbecher]]'' ist nicht seine Entstehungszeit in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts, sondern die in das Metall eingelassenen Münzen. An der Außenseite befinden sich in zwei Reihen übereinander jeweils sieben, meist sächsische Taler. Den Boden des Bechers ziert eine Gedenkmünze Engelbert Kettlers an den Westfälischen Frieden von 1648. In den Deckel ist einer Nachprägung einer Münze der Täufer eingelassen. Ebenfalls in Verbindung mit Münzen stehen haben die ''Münzprägemaschinen'', die von einem Münzfälsche um 1686 zum prägen von falschen Münzen verwendet worden sein sollen. Beide Exponate befinden sich als Leihgabe im Landesmuseum. [[Datei:MuensterRathausSitzkissen.jpg|thumb|left|250px|Jeweils ein Sitzkissen der beiden Gruppen. Links ein Kissen der jüngeren Gruppe um 1553, rechts eines der älteren um 1537.]] Ebenfalls im Landesmuseum sind die Reste eines ''Himmelbettes'' zu sehen. Sie wurden zunächst als Bettlade des Anführers der Täufer, Jan van Leyden, angesehen. Allerdings stammen sie aus dem Wohnhaus eines anderen Täufers, nämlich von [[Bernd Knipperdolling]], um das Jahr 1550. Zu welchem Zeitpunkt sie in den Besitz der Stadt übergingen ist nicht bekannt. Der Zeitraum lässt sich jedoch zwischen 1759 und 1836 begrenzen. Abschließend befinden sich noch 26 ''Sitzkissen'' im Rathaus für die Sitzbänke in der Ratskammer. Sie dienten als Sitzunterlage für die 24 Ratsherren und die beiden Bürgermeister. Dabei sind die Kissen in zwei Gruppen zu je 13 Kissen aufteilen, erkennbar an der unterschiedlichen Gestaltung des aufgebrachten Stadtwappens. Die erste Hälfte entstand vermutlich um das Jahr 1537, die zweite Hälfte um 1553. <br style="clear:both;"/> == Besonderheiten == [[Datei:MuensterRathausSendschwert2800.jpg|thumb|250px|Das Sendschwert am Rathaus als Zeichen des Marktrechts der Stadt Münster während des dreimal im Jahr stattfindenden Sends.]] Am 22. Januar 1536 war das Rathaus Schauplatz der öffentlichen Hinrichtung der drei Anführer der [[Täuferreich von Münster|Täufer von Münster]] durch die wiedererstarkte katholische Kirche. Gegen 8&nbsp;Uhr Vormittags wurden sie dazu auf ein Podest vor dem Rathaus geführt. [[Jan van Leyden]], selbsternannter König des sogenannten ''Königreiches Zion'', wurde an einen Pfahl gebunden und durch glühende Zangen zu beiden Seiten durch einen Henker aus [[Paderborn]] und einen aus Münster zerrissen, bevor er durch einen Messerstich in die Brust erdolcht wurde. Es soll noch über eine Stunde gedauert haben, bis van Leyden daran gestorben ist. Die Hinrichtung der beiden anderen Anführer, [[Bernd Krechting]] und [[Bernd Knipperdolling]], erfolgte auf dieselbe Art und Weise. Die vier dafür verwendeten Zangen wurden anschließend an den Säulen der Bogenhalle angebracht. Sie dienten zur Mahnung und Abschreckung möglicher Aufrührer gegen den Bischof, und wie mit ihnen in Münster verfahren wird. Seit dem Jahr 1578 wird während der Zeit des dreimal jährlich stattfindenden Jahrmarktes, dem [[Send (Münster)|Send]], das sogenannte Sendschwert an der nordwestlichen Ecke des Rathauses aufgesteckt. Die Wahl fiel auf diese Ecke, weil das Sendschwert so vom Markt auf dem [[Domplatz Münster|Domplatz]] aus durch das Michaelistor der Domburg noch zu sehen war. Es dokumentiert das Marktrecht der Stadt Münster und zugleich ein verschärftes Strafrecht während der Zeit des Jahrmarktes. In den Zeiträumen zwischen den Jahrmärkten hängt es in der Bürgerhalle des Rathauses. Seit dem Jahr 2001 handelt es sich bei dem Schwert jedoch um eine Replik, nachdem das über 400&nbsp;Jahre alte Original von Dieben in der Sendnacht auf den 24. Oktober 2000 gestohlen wurde und bislang unauffindbar ist. Der Arm aus Holz, der das Schwert hält, wurde schon 1923 durch eine Replik ersetzt, da der originale Arm vom Holzwurm durchlöchert worden war. [[Datei:MuensterRathausGoldenerHahn.jpg|thumb|left|150px|Der Goldene Hahn]] [[Datei:MuensterRathausSteinFrauenkirche.jpg|thumb|150px|Stein der Dresdner Frauenkirche]] Im Friedenssaal des Rathauses befinden sich in Vitrinen ausgestellt drei, teils mysteriöse Gegenstände aus Münsters Vergangenheit. Ein Gegenstand ist der ''Goldene Hahn'' der Stadt, ein Trinkgefäß aus vergoldetem Silber, das in Nürnberg gefertigt wurde. Das Jahr lässt sich nicht genau beziffern. Einige Quellen gehen vom Jahr 1600<ref name="Friedenssaalflyer22">Stadt Münster: ''[http://www.muenster.de/stadt/tourismus/pdf/friedenssaalflyer.pdf Münster historisch, Rathaus des Westfälischen Friedens.]'' S.&nbsp;22.</ref>, andere von 1621<ref>Max Geisberg: ''Die Bau- und Kunstdenkmäler von Westfalen.'' Bd. 41. Die Stadt Münster, Teil 2. Die Dom-Immunität, die Marktanlage, das Rathaus. Aschendorff, Münster 1976, S.&nbsp;388.</ref> aus. Dieses Gefäß wird heute vor allem für die Begrüßung von Ehrengästen eingesetzt, die daraus nach dem Eintrag ins Goldene Buch der Stadt trinken. Dazu wird der Hahn mit Wein gefüllt. Er fasst ungefähr den Inhalt einer normalen Weinflasche. Einer Sage nach wurde der Goldene Hahn durch einen münsterschen Ratsherrn gestiftet, nachdem der letzte Hahn der Stadt während der Belagerung durch Fürstbischof [[Christoph Bernhard von Galen]] kurz vor seiner Köpfung entwischte und auf der Stadtmauer entlang lief. Dies brachte den Fürstbischof zu der Einsicht, dass eine Belagerung der Stadt und das Warten auf eine Hungersnot sinnlos sei, da noch genug Essensvorräte in der Stadt seien, und er daraufhin die Belagerung abbrach. Dies steht im Widerspruch zur Zeit der Erschaffung des Hahns, da eine Belagerung der Stadt durch von Galen frühestens im Jahre 1657 stattfand. Bei dem zweiten Gegenstand handelt es sich um einen Pantoffel aus den Jahren zwischen 1620 und 1640. Die Herkunft sowie der Grund der Aufbewahrung sind nicht überliefert. Ursprünglich wurde der Pantoffel Elisabeth Wandscherer zugeschrieben, einer der vielen Ehefrauen des Anführers der [[Täufer]] in Münster, [[Jan van Leyden]], der sie 1535 eigenhändig geköpft hat. Neuere Quellen gehen jedoch davon aus, dass der Schuh [[Anne Geneviève de Bourbon-Condé|Anne von Bourbon]], der Herzogin von Longueville gehörte, die ihren Ehemann [[Henri II. d’Orléans-Longueville‎|Henri II. d'Orleans]] und [[Herzog von Longueville]] zu den Friedensverhandlungen zum Westfälischen Frieden begleitet hatte.<ref name="Friedenssaalflyer22"/> [[Datei:MuensterRathausHandPantoffel.jpg|thumb|left|200px|Abgeschlagene Hand & Pantoffel]] Der wohl merkwürdigste Gegenstand sind die Überreste einer abgeschlagenen Hand, die auf einem Kästchen aus Eichenholz ruht. Wie schon beim Pantoffel ist über die Herkunft wenig bekannt. Fest steht nur, dass das Kästchen aus der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts stammt. Glaubt man einer Überlieferung, soll es sich um die Hand des Urkundenfälschers Küster Brand zu Löhningen handeln, die ihm am 14. Januar 1705 abgehackt wurde und zur Abschreckung möglicher Straftäter diente.<ref>Max Geisberg: ''Die Bau- und Kunstdenkmäler von Westfalen.'' Bd. 41. Die Stadt Münster, Teil 2. Die Dom-Immunität, die Marktanlage, das Rathaus. Aschendorff, Münster 1976, S.&nbsp;382.</ref> Allerdings könnte sie auch eine Ermahnung an Prozessbeteiligte gegen Falschaussage und Meineid gewesen sein.<ref>Klaus Graf: ''[http://projekte.geschichte.uni-freiburg.de/mertens/graf/strafj.htm Das leckt die Kuh nicht ab&nbsp;–&nbsp;„Zufällige Gedanken“ zu Schriftlichkeit und Erinnerungskultur der Strafgerichtsbarkeit.]'' Anm. 219.</ref> Neben den Gegenständen des Friedenssaals ist eine weitere Besonderheit ein Originalstein aus der am 15. Februar 1945 zerstörten und mittlerweile wieder aufgebauten [[Frauenkirche (Dresden)|Dresdner Frauenkirche]], der sich in der Eingangshalle des Rathauses auf der Innenseite der vorderen Wand zum Prinzipalmarkt hin befindet und im Mai 2005 als Zeichen für die Dankbarkeit für 60 Jahre Frieden in Europa angebracht wurde. Im Gegenzug wurde ein Stein des in Münster während des Zweiten Weltkriegs zerstörten Klarissenklosters beim Wiederaufbau der Frauenkirche sichtbar vermauert. Im Rathausinnenhof befindet sich die Plastik „Toleranz durch Dialog“ des baskischen Bildhauers [[Eduardo Chillida]]. Sie entstand im Jahre 1993 und besteht aus zwei überdimensionalen Bänken aus Stahl, deren Sitzflächen einander zugewandt sind und teilweise vom Künstler ausgehölt wurden. Damit sollen die Gegensätze zwischen Material und Leere, Schwergewicht und Leichtigkeit sowie Offenheit und Geschlossenheit symbolisiert werden. Durch die einander zugewandte Anordnung der Bänke möchte der Künstler ausdrücken, dass die Annäherung dieser gegensätzlichen Zustände durch einen Dialog möglich ist. <br style="clear:both;"/> == Nebengebäude == Neben dem Hauptgebäude gehörten zeitweise auch noch weitere Nebengebäude zum Rathaus. Bis auf das Stadtweinhaus existieren jedoch keine dieser Gebäude mehr. Sie werden im Folgenden vorgestellt. === Stadtweinhaus === [[Datei:MuensterStadtweinhaus2427.jpg|thumb|250px|Das Stadtweinhaus unter nächtlicher Beleuchtung.]] Das Stadtweinhaus wurde in den Jahren 1615/16 durch [[Johann von Bocholt]] erbaut und ist das einzige noch erhaltene Nebengebäude. Es befindet sich nördlich vom eigentlichen Rathaus, nur durch eine schmale Gasse von ihm getrennt. Im ersten Obergeschoss befindet sich ein Übergang zwischen den beiden Gebäuden, der den Festsaal des Rathauses mit dem großen Saal des Stadtweinhauses verbindet. Es diente ursprünglich als Lagerhaus für den Wein der Stadt, der zuvor in den Kellern des Rathauses gelagert wurde. Ab dem Jahr 1843 wurde die Stadtwache in das Stadtweinhaus einquartiert. Sie befand sich zuvor seit der Niederlage der Stadt gegen Fürstbischof [[Christoph Bernhard von Galen]] im Jahre 1661 im Rathaus selbst. Ebenso war vor dem Haus die Stadtwaage aufgebaut, die in vielen anderen Rathäusern normalerweise innerhalb des Rathausgebäudes untergebracht war. An die Funktion als Lagerstätte für den Wein des Stadtrates erinnert eine Weinschenke im Erdgeschoss. Im Sommer ist die Weinprobe auch vor dem Gebäude möglich, wobei der Außenbereich mitunter weit in die Marktstraße des Prinzipalmarktes hineinreicht. Der große Saal, der sich hinter dem Balkon im Inneren des Gebäudes erstreckt, dient einerseits als Veranstaltungsort von Sitzungen des Stadtrates und andererseits als Festsaal. Sollten sich sowohl der Festsaal des Rathauses als auch des Stadtweinhauses als zu klein erweisen, so besteht über die Verbindung der beiden Räume die Möglichkeit auch große Festivitäten im historischen Ambiente abzuhalten. Der vorgelagerte Balkon dient unter anderem zur Begrüßung des alljährlich stattfindenden Rosenmontagszuges durch den Oberbürgermeister sowie anderen feierlichen und repräsentativen Anlässen. === Gruthaus === Das Gruthaus (siehe Grundrissplan Nr. 11) stellte das größte Nebengebäude dar. Der Name leitet sich von einer [[Gagelstrauch|Heidepflanze]] und der im weiteren Verlauf daraus gewonnenen Mischung zum Brauen von Bier ab. Entsprechend seinem Namen wurde in diesem Haus das [[Grutbier]] gebraut, das bis zum Ende des 15. Jahrhunderts das einzige in Münster gebraute Bier darstellte. Da das Monopol der Herstellung und des Verkaufs der Grut beim Landesherren lag, erwarb die Stadt zunächst ab 1265 ein Drittel davon sowie ab 1278 die gesamte Menge vom bischöflichen Landesherren und braute ihr eigenes Bier im Gruthaus gegen eine jährliche Zahlung an das [[Domkapitel]]. Am 23. November 1663 übernahm sie mit einer Zahlung von 30.000 Talern das Grutmonopol. Entsprechend wird angenommen, dass das Gruthaus um 1265 mit dem Beginn des [[Bierbrauen]]s durch die Stadt entstanden ist. Es wurde vermutlich gegen Ende des 15. Jahrhunderts beziehungsweise Anfang des 16. Jahrhunderts durch einen Neubau ersetzt und 1867/68 abgebrochen. Bis dahin beherbergte es mit dem Grutsaal den Repräsentationssaal der Stadt. Neben Festen und Feierlichkeiten konnten auch anderen Gesellschaften ihn für ihre Feiern anmieten. === Schreiberei === Über die im Jahre 1870 abgebrochene Schreiberei (siehe Grundrissplan Nr. 10) liegen nur äußerst wenige Informationen anhand von Grundrissen um 1815 und einiger weniger Fotografien vor. Dabei handelte es sich bei diesem Gebäude um ein dreigeschossigen Anbau aus Backsteinen mit einem schlichten Dreiecksgiebel. Sie entstand vermutlich gegen Ende des 15. oder Anfang des 16. Jahrhunderts. Fest steht jedoch, dass [[Jan van Leyden]], der Anführer der Täufer in Münster, im Jahre 1535 in das Gefängnis der Schreiberei verbracht wurde. Dieses befand sich im Kellergeschoss und bestand aus einigen wenigen Zellen. Im Erdgeschoss besaß die Schreiberei eine Zweiteilung durch eine Kaminwand in Nord-Süd-Richtung. Über die ursprüngliche Lage der Treppe in das Obergeschoss finden sich keinerlei Informationen. Bei der beim Abriss des Gebäudes im Jahre 1870 entfernten Treppe handelt es sich jedenfalls nicht um das Original, da unter ihr ein alter Kamin zum Vorschein kam, der zudem mit dem [[Wappen von Münster (Westfalen)|Stadtwappen der Stadt Münster]] geschmückt war. Über den Verbleib des Kamins existieren keinerlei Informationen. === Schmiedeturm/Archiv === Der Schmiedeturm (siehe Grundrissplan Nr. 9) entstand vermutlich gegen Ende des 16. Jahrhunderts als eigenständiges Gebäude nordöstlich des Hauptgebäudes. Seinen Namen verdankt es vier verhafteten Gesellen des Schmiedeamtes, die Anfang März 1618 in den Gewölben des Turms eingeschlossen wurde. Die Gesellen waren indes jedoch nicht die Einzigen, die eine Zeit lang im Turm verbringen mussten. Bis ins Jahr 1772 sind Inhaftierungen nachgewiesen. Die eigentliche Funktion des Gebäudes war jedoch nicht die eines Gefängnisses –&nbsp;Gefangene wurden wie oben erwähnt im Keller der Schreiberei inhaftiert&nbsp;– sondern die das Stadtarchivs. Das zweigeschossige Gebäude war zu diesem Zweck durch eine Wand in Nord-Süd-Richtung zweigeteilt. Während die Gefangenen im westlichen Gebäudeteil des Erdgschosses untergebracht wurden, begann der Umbau des östlichen Teils zum Archiv im Jahre 1576. Die Erweiterung des Obergeschosses zum Archiv wurde im Jahre 1624 durchgeführt. Es war über eine kleine Wendeltreppe in der Südostecke zugänglich. Seine Funktion als Archiv behielt das Gebäude auch nach seinem Umbau von 1869 bis zur Übersiedlung des Archivs im Jahre 1906 in das neue Stadtverwaltungsgebäude, von dem nur noch der [[Stadthausturm Münster|Turm]] erhalten ist. Ab dem Jahre 1918 diente der freigewordene Raum im Obergeschoss als Asyl für Obdachlose. Nach starken Zerstörungen im Zweiten Weltkrieg im Jahre 1944 wurde der Schmiedeturm nicht wieder aufgebaut. === Steveninks Hof === Früheste Erwähnung des ''Steveninks Hof'' finden sich für das Jahr 1503. Seinen Namen erhielt es nach dem damaligen Besitzer Kordt Stevenink. Nachdem es von einem Stadtrat im Jahre 1571 für 2400 Reichsmark gekauft wurde, fand ab 1594 ein Umbau statt und der Stadtsyndikus wohnte fortan bis ins Jahr 1704 in diesem Gebäude. Gleichzeitig erhielt es die Bezeichnung ''Syndikatshaus''. Eine Ausnahme stellte die Zeit der Verhandlungen zum [[Westfälischer Friede|Westfälischen Frieden]] dar, als der Stadtkommandant [[Johann von Reumont]] im Steveninks Hof sein Quartier bezog. Am 1. Oktober 1704 entscheidet der damalige Bischof [[Friedrich Christian von Plettenberg]], dass von diesem Zeitpunkt an der Stadtrichter im Hof zu wohnen hat, um näher am Markt zu sein, wo die Gerichte abgehalten wurden. Das Gebäude wurde seitdem auch als ''Richthof'' bezeichnet. Weitere Nutzungen fanden durch die Jesuiten im [[Siebenjähriger Krieg|Siebenjährigen Krieg]] statt, die es als Schule nutzten, nachdem in ihrem Gymnasium ein Lazarett untergebracht worden war. Im Jahre 1806 versuchte die Stadt zweimal das Gebäude zu versteigern. Nachdem der bei der ersten Versteigerung erfolgreiche Weinhändler Gräser das Haus doch nicht übernahm und die zweite Versteigerung aufgrund der erzielten Summe für ungültig erklärt wurde, bewohnte der Postsekretär Dieckmann das Haus ab 1812. In den Jahren von 1818 bis 1851 bewohnte es der damalige Stadtsekretär Höttger. Nach seinem Tod im Jahre 1851 wurde das Gebäude abgebrochen. === Weinhof === [[Datei:MuensterRathausRatsstall1900.jpg|thumb|250px|Der Ratsstall kurz vor dem Abriss um 1900.]] Der im Jahre 1853 abgebrochene Weinhof beherbergte ab dem Jahre 1604 die Wohnung des Stadtsekretärs. Vor dieser Funktion und der damit aufgegeben Funktion als Weinhof diente das Gebäude offensichtlich als Synagoge für die erste jüdische Gemeinde in Münster. Nachdem die Juden für den [[Schwarzer Tod|Schwarzen Tod]] verantwortlich gemacht und um 1350 aus der Stadt vertrieben wurden, konnte der Bischof als Landesherr frei über das Gebäude verfügen und verlieh es später an die Familie Stevenink, was wohl die Grundlage des großen Besitzes der Familie im Bereich des Rathauses erklärt. === Ratsstall === Das letzte der Nebengebäude stellte der um 1900 abgebrochene Ratsstall (siehe Grundrissplan Nr. 12) dar, über dessen Zeitraum der Erbauung nichts bekannt ist. Erstmalige Erwähnung des östlich der Schreiberei befindlichen Gebäudes finden sich für das Jahr 1546. Er wurde vom Rat der Stadt vor allem im 16. und 17. Jahrhundert genutzt, als dieser umfangreiche Pferdezucht und Pferdehandel betrieb. == Literatur == * [[Max Geisberg]]: ''Die Bau- und Kunstdenkmäler von Westfalen.'' Bd. 41. Die Stadt Münster, Teil 2. Die Dom-Immunität, die Marktanlage, das Rathaus. Aschendorff, Münster 1976, ISBN 3-402-05091-9. * Klaus Gruna: ''Das Rathaus zu Münster.'' Kleine Kunstführer. Bd. 1722. Schnell&Steiner, München/Zürich 1988. * Otto-Ehrenfried Selle: ''Rathaus und Friedenssaal zu Münster.'' Westfälische Kunststätten. Bd. 93. Münster 2002. {{ISSN|0930-3952}} == Weblinks == {{Commons|Category:Historisches Rathaus (Münster)|Historisches Rathaus Münster}} * [http://www.muenster.de/stadt/tourismus/pdf/friedenssaalflyer.pdf Die Stadt Münster über den Friedenssaal] (PDF; 961 KB) == Adresse == * Prinzipalmarkt 10, 48143 Münster. == Einzelnachweise == <references/> {{Coordinate |NS=51/57/42/N |EW=7/37/41/E |type=landmark |region=DE-NW}} {{Exzellent}} {{SORTIERUNG:Munster, Historisches Rathaus}} [[Kategorie:Rathaus in Nordrhein-Westfalen|Munster]] [[Kategorie:Baudenkmal in Münster (Westfalen)]] [[Kategorie:Gotisches Bauwerk in Nordrhein-Westfalen]] [[Kategorie:Rekonstruiertes Bauwerk]] [[en:Historical City Hall of Münster]] [[is:Ráðhúsið í Münster]] [[pl:Ratusz w Münster]] c2xv9xlf2m6untycf9bs03by6y4r8qs wikitext text/x-wiki Museum kunst palast 0 23968 26566 2010-04-24T15:57:21Z Jesi 0 /* Architektur */ BKL-Link {{DISPLAYTITLE:museum kunst palast}} [[Datei:Museumkp03.jpg|thumb|Zentraler Bereich des Museumsgebäudes]] [[Datei:Museumkp05.jpg|thumb|Statue vor dem Eingang]] Das '''museum kunst palast''' ist ein [[Kunstmuseum]] in [[Düsseldorf]]. Es liegt nördlich der Altstadt zwischen dem [[Rhein]] und dem [[Hofgarten (Düsseldorf)|Düsseldorfer Hofgarten]] und bildet den nördlichen Teil des zwischen den Weltkriegen errichteten Ehrenhof-Komplexes, zu dem ferner die Gebäude der [[Tonhalle Düsseldorf|Tonhalle]] und des [[NRW-Forum|NRW-Forums Kultur und Wirtschaft]] zählen. Bis 2001 wurde diese Institution allein von der Stadt Düsseldorf unter dem Namen ''Kunstmuseum Düsseldorf im Ehrenhof'' geführt. Seitdem wird das museum kunst palast von einer Stiftung getragen, hinter der die Stadt und Investoren aus der Wirtschaft stehen. Die Sammlung des Museums umfasst [[Gemälde]] und [[Skulptur]]en vom [[Mittelalter]] bis zur [[Gegenwart]]. Daneben sind Spezialsammlungen zu [[Kunstgewerbe]], [[Kunsthandwerk]] und [[Design]] sowie eine bedeutende [[Glas]]sammlung zu sehen. == Geschichte == === Gründung === Die Geschichte des museum kunst palast begann im Jahr 1846<ref name="gründung verein">[http://www.museum-kunst-palast.de/doc101a.html Informationen zur Geschichte des Museums auf museum-kunst-palast.de, Zugriff am 28. Juni 2008]</ref> mit der Gründung des ''Vereins zur Errichtung einer Gemäldegalerie zu Düsseldorf'', der vor allem Werke der [[Düsseldorfer Malerschule]] ankaufte. Jedoch wurde lange Zeit kein eigenes Museum gegründet. Der Beschluss, ein eigenes Museumsgebäude für die Präsentation des Kunstbesitzes zu errichten, fiel am 1. Juli 1913 und damit später als in den anderen rheinischen Großstädten. Als Gründungsdirektor wurde der Berliner [[Karl Koetschau]] angestellt; wegen des Ausbruchs des [[Erster Weltkrieg|Ersten Weltkrieges]] konnten Pläne für den Neubau jedoch nicht umgesetzt werden.<ref name="mkp7">''museum kunst palast, Düsseldorf.'' Mit Beiträgen von Bettina Baumgärtel, Sonja Brink, Christoph Danelzik-Brüggemann, Jean-Hubert Martin, Helmut Ricke, Dieter Scholz, Barbara Til, Stephan von Wiese. Buchreihe der Fondation BNP Paribas. Paris 2003. Seite 7.</ref> Koetschau wollte die Sammlung von alter Kunst durch Zukäufe ergänzen und plante eine ''Modernen-Galerie'', um so eine einem Museum angemessene Sammlung aufzubauen. Jedoch stieß er dabei auf Widerstände. So konnte er aufgrund der nationalistischen Stimmung keine französischen Werke erwerben, mit denen er die internationale Kunstentwicklung in der Sammlung hätte aufnehmen können. Damit blieb als Grundstock nur der bereits vorhandene Bestand an Werken der Düsseldorfer Malerschule, der den Großteil der Kunstsammlung der Stadt Düsseldorf ausmachte. Zusammen mit dem Kurator [[Walter Cohen]] erwarb Koetschau moderne deutsche Werke, beispielsweise der Gruppe ''[[Das Junge Rheinland|Junges Rheinland]]''. Daneben blieb in den Anfangsjahren des Museums das Problem des Fehlens eigener Räumlichkeiten, weshalb es seine Sammlung nur in wenigen Räumen der [[Kunsthalle Düsseldorf]] präsentieren konnte. === Eigenes Museumsgebäude === Ein eigenes Gebäude erhielt das Museum nach der ''[[GeSoLei]]'', der Großausstellung für ''Gesundheitspflege, soziale Fürsorge und Leibesübungen'', die 1926 in Düsseldorf stattfand. Die Planungen sahen vor, dass nach Ende der Ausstellung der nordwestliche Flügel der [[Ehrenhof (Schloss)|Ehrenhof]]-Anlage als Museumsgebäude dienen sollte. Nach dem Ende der ''GeSoLei'' wurden die Räumlichkeiten deshalb den Möglichkeiten entsprechend nochmals der Verwendung als Museum angepasst. Im Jahr 1928 eröffnete dann das ''Kunstmuseum der Stadt Düsseldorf''. In der Folge wurde die Sammlung des Museums durch Ergänzungen geprägt, die zu einer besonderen Vielfalt von Exponaten führten. So löste der ''Central-Gewerbe-Verein'' das 1883 von ihm gegründete ''Düsseldorfer Gewerbemuseum'' auf, da das im [[Historismus]] begründete Konzept, nach dem Werke aus der Vergangenheit dem heutigen Gewerbe als Vorbild dienen sollten, überholt war. Die Bestände wurden in das neue Zentralmuseum eingegliedert. 1928 wurde die [[Keramik|keramische Spezialsammlung]] des [[Hetjens-Museum]] eingegliedert, die bis 1967 Bestandteil des Museums blieb. Dadurch veränderte sich das Konzept des Museums, das vorher eine Gemäldegalerie mit angegliedertem [[Kupferstich]]kabinett war. Diese Entwicklung wurde von Karl Koetschau mit seiner Einkaufspolitik noch verstärkt. 1932 wurde die Sammlung der [[Kunstakademie Düsseldorf]] mit einem langfristigen Leihvertrag dem Museum übergeben. === Die Zeit des Nationalsozialismus und des Zweiten Weltkrieges === 1933 verließ Karl Koetschau das ''Kunstmuseum der Stadt Düsseldorf'' und ging nach Berlin, wo er Leiter der Gemäldegalerie des ''[[Bode-Museum|Kaiser-Friedrich-Museums]]'' wurde. Neuer Museumsdirektor wurde der [[Nationalsozialismus|Nationalsozialist]] [[Hans Wilhelm Hupp]]. Dieser arbeitete zwar an der zentralisierenden Umgestaltung der Düsseldorfer Museenlandschaft mit, vertrat aber unabhängige künstlerische Ansichten. Er forderte die ''Galerie der Neuzeit'', die in der alten Kunsthalle realisiert wurde. Sie war jedoch umstritten und musste in den folgenden Jahren mehrmals kurz nach der Eröffnung wieder geschlossen werden, weil die dort ausgestellten Kunstwerke innerhalb der [[Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei|NSDAP]] auf Kritik stießen.<ref name="mkp9">''museum kunst palast, Düsseldorf.'' Seite 9.</ref> Mit Verkäufen aus dem Museumsbestand versuchte Hupp Eingriffe der [[Reichskulturkammer]] in das Museum zu verhindern, trotzdem wurden 1937 900 Werke als [[Entartete Kunst]] konfisziert, von denen einige in der [[Entartete Kunst (Ausstellung)|Ausstellung „Entartete Kunst“]] präsentiert wurden. In den 1930er Jahren wurden große Geldmittel für den Ankauf älterer Kunstwerke ausgegeben, besonders im Bereich Mittelalterliche Skulpturen. Den [[Zweiter Weltkrieg|Zweiten Weltkrieg]] überstand die Sammlung aufgrund frühzeitiger Auslagerungen unbeschadet. Hupp erwarb bis zu seinem Tod Ende 1943 für große Geldsummen Kunstwerke in den besetzten Niederlanden und Frankreich, die nach Kriegsende nach einem Beschluss der [[Alliierte|alliierten]] Verwaltung an die Herkunftsländer zurückgegeben wurden.<ref name="mkp9"/> Die Nachfolge Hupps trat der Maler [[Fred Kocks]] an, der unter Hupp Ausstellungsleiter gewesen war. === Nachkriegszeit === Nach Kriegsende wurde Kocks als Direktor abgelöst. Nach dem Einmarsch der amerikanischen Truppen wurde er durch den politisch unbelasteten [[Kunsthistoriker]] [[Werner Doede]] ersetzt, der die Rückführung der Sammlung und erste Ausstellungen organisierte. So zeigte er im unbeschädigten ''Hetjens-Museum'' 1946 in der Ausstellung ''Lebendiges Erbe'' Werke, die unter der nationalsozialistischen Herrschaft als ''entartet'' galten. Die Ausstellungsaktivitäten erstreckten sich wieder mehr auf das eigentliche Museumsgebäude, das leicht beschädigt war und teilweise von der [[Telegrafie|Telegraphenverwaltung]] genutzt wurde. Am 19. Juli 1949 wurde das renovierte und in Teilen neu gegliederte Museum endgültig wiedereröffnet. Werner Doede, der Ende 1953 wegen dauernder Konflikte mit der Düsseldorfer Kulturverwaltung kündigte, begann damit, die von den Nationalsozialisten mit der Verfolgung von [[Entartete Kunst|Entarteter Kunst]] in die Sammlung geschlagene Lücke wieder zu füllen. [[Meta Patas]], die 1954 die kommissarische Leitung des Museums innehatte, wie auch ihr Nachfolger [[Gert Adriani]], der 1958 ebenfalls unter Protest kündigte und dem wieder Patas nachfolgte, führten diese Ankaufpolitik fort. Die Kündigungen lagen darin begründet, dass das Museum von der Expansion des angrenzenden [[Messe Düsseldorf|Messegeländes]] bedroht wurde und zeitweise Teile des Museums für Messen geräumt werden mussten.<ref name="mkp11">''museum kunst palast, Düsseldorf.'' Seite 11.</ref> Über einen Museumsneubau wurde zwar diskutiert, jedoch kam es zu keinen genaueren Planungen. Im Jahr 1958 wurde das Museum für zwei Jahre geschlossen, die ausgestellten Werke im Magazin eingelagert und die Räumlichkeiten durch die Messegesellschaft [[NOWEA]] genutzt. === Wiedereröffnung === 1964 übernahm mit [[Wend von Kalnein]] ein neuer hauptamtlicher Direktor die Leitung des Museums. Kalnein versuchte, das Museum mit intensiver Öffentlichkeitsarbeit, wissenschaftlicher Arbeit und einem weiteren Sammlungsausbau neu zu positionieren. Die Ausstellungsräume wurden renoviert. 1968 wurde die Düsseldorfer Messe an einen anderen Ort verlegt, so dass der Standort des Museums am Ehrenhof gesichert war. Wend von Kalnein legte einen besonderen Schwerpunkt auf die Kunstvermittlung. So wurde 1970 die Pädagogische Abteilung gegründet, die mit Düsseldorfer Schulen kooperierte. Zudem wurden ab 1977 spezielle kindgerechte Ausstellungen veranstaltet. In den 1970er Jahren richtete das Museum erste groß angelegte, katalogbegleitete Sonderausstellungen aus. Zum Teil wurden diese international wahrgenommen, wie eine Ausstellung von Werken der [[Russische Avantgarde|Russischen Avantgarde]] aus der Sammlung von [[George Costakis]], was die Position des Museums weiter stärkte. Dies führte in den 1970er Jahren zu Ausstellungen des Museums in [[Irland]] und [[Finnland]] sowie in den 1980er Jahren in den [[Vereinigte Staaten|Vereinigten Staaten]] und [[Japan]]. Nachdem Kalnein 1979 in den Ruhestand eingetreten war, übernahm [[Hans Albert Peters]] den Posten des Museumsdirektors. Unter seiner Leitung musste die Museumsarbeit auf verschiedene andere Gebäude, darunter die [[Kreuzherrenkirche (Düsseldorf)|Kreuzherrenkirche]], aufgeteilt werden, da im Ehrenhof schwere [[Baumangel|Baumängel]] festgestellt worden waren, die die Räumung und Schließung des eigentlichen Museumsgebäudes im Juli 1979 zur Folge hatten.<ref name="mkp13">''museum kunst palast, Düsseldorf.'' Seite 13.</ref> Die Planungs- und Bauphase mit der Entkernung und Kompletterneuerung des Gebäudes dauerte sechs Jahre, bis es 1985 wiedereröffnet werden konnte. Die Sanierung löste aber nicht die räumlichen Probleme des Museums, so dass 1988 ein Wettbewerb für eine Nutzung des gegenüberliegenden [[Kunstpalast]]es ausgeschrieben wurde. Das Ergebnis hätte zwar die Anforderungen des Museums erfüllt, konnte jedoch aufgrund einer verschlechterten Wirtschaftslage nicht umgesetzt werden. In Folge eines Brandes 1993 im Museum kam es zu einer [[Kontamination|Kontaminierung]] des Gebäudes. Die Sanierungsmaßnahmen dauerten bis in den Dezember 1994, als das Museum wiedereröffnet wurde. Hans Albert Peters ging 1995 aus gesundheitlichen Gründen vorzeitig in den Ruhestand, in einer Phase, in der über die Zusammenlegung des Kunstmuseums mit der Kunsthalle nachgedacht wurde und neue Pläne bezüglich des Kunstpalastes bestanden. Den Posten des Direktors übernahm [[Helmut Ricke]]. === Neuere Geschichte === Um die Vereinigung von Kunstmuseum und Kunsthalle zu verwirklichen, wurde 1997 die Stiftung ''museum kunst palast'' gegründet, deren Gründungsdirektor [[Jürgen Harten]] war. Es dauerte sechs Jahre, bis die Neuordnung der Museen, die seit 1995 diskutiert worden war, umgesetzt wurde. Die Leitung des Museums hatte von 1999 bis 2006 [[Jean-Hubert Martin]], der frühere Direktor des [[Musée National d’Art Moderne]] und des [[Musée du quai Branly#Sammlungen|Musée national des arts d’Afrique et d'Océanie]]. Am 1. September 2001 wurde das museum kunst palast eröffnet, nachdem ein Neubau des Kunstpalastes fertiggestellt worden war. Seit März 2007 leitet der Schweizer [[Beat Wismer]], früherer Direktor des [[Aargauer Kunsthauses]], als Generaldirektor das Museum.<ref name="beat wismer">[http://www.museum-kunst-palast.de/doc1399A.html Informationen zu Beat Wismer auf museum-kunst-palast.de, Zugriff am 19. August 2008]</ref> Neuer kaufmännischer Direktor der Stiftung museum kunst palast ist seit 1. Juli 2008 [[Carl Grouwet]].<ref name="beat wismer">[http://www.museum-kunst-palast.de/doc2699A.html Informationen zu Carl Grouwet auf museum-kunst-palast.de, Zugriff am 17. September 2008]</ref> Nach der Neuordnung ist das museum kunst palast keine rein städtische Einrichtung mehr sondern wird von einer Stiftung betrieben, deren finanzielle Mittel von der Stadt Düsseldorf zusammen mit privatwirtschaftlichen Geldgebern wie [[E.ON]], [[Metro AG|Metro]] und [[Evonik Industries|Evonik]] aufgebracht werden. Diese Stiftung war die erste große [[Public Private Partnership]] im Museumsbereich. Mit dem Energiekonzern e.on wurde Ende 2008 der Vertrag zur Sicherung der Betriebskosten um weitere fünf Jahre verlängert. Seit 2006 sponsert der Partner e.on nicht mehr allgemein die Ausstellungstätigkeit des Hauses, sondern ausgewählte Ausstellungen. == Architektur == [[Datei:Museumkp04.jpg|thumb|Haupteingang des Museums]] [[Datei:Museumkp10.jpg|thumb|Fassade des Museums]] [[Datei:Museumkp12.jpg|thumb|Mosaik]] Das museum kunst palast liegt zwischen dem Rhein und dem Hofgarten, nördlich der Düsseldorfer Altstadt. Es befindet sich auf dem 1926 von [[Wilhelm Kreis]] für die Großausstellung GeSoLei zum kulturellen Zentrum ausgebauten Areal, das von der Altstadt durch die Auffahrt zur Rheinbrücke nach [[Düsseldorf-Oberkassel|Oberkassel]] getrennt ist. Das Gelände liegt zwar außerhalb des Stadtkerns, aber dennoch zentral. Vor dem Ausbau befand sich dort nur der 1902 parallel zum Fluss gebaute [[Neobarock|neobarocke]] Kunstpalast. Kreis ließ eine neue Fassade für dieses Gebäude anbringen und integrierte es in eine hufeisenförmige Anlage, die als [[Ehrenhof (Schloss)|Ehrenhof]] bezeichnet wird. Das Gebäude wirkt mit den breiten Baukörpern, die auf Sockeln aus [[Muschelkalk]] ruhen, monumental. Damit spielte Wilhelm Kreis auf eine Grab- und Pyramidenarchitektur an, was er jedoch mit den um das ganze Gebäude verlaufenden Fenstern wieder zurücknahm. Diese Fensterreihe scheint von der [[Industriearchitektur]] inspiriert worden zu sein.<ref name="mkp17">''museum kunst palast, Düsseldorf.'' Seite 17.</ref> Unter- und oberhalb der Fenster befinden sich vor- und zurückspringende rote Klinkersteine, die typisch für die Architektur der 1920er Jahre, aber ebenso für die Bautradition der Region [[Niederrhein (Region)|Niederrhein]] sind. Die regelmäßige Architektur des Gebäudes wird von den hohen [[Neoklassizismus (Kunst)|neoklassizistischen]] Portalen unterbrochen. Die nördliche Durchfahrt wurde als ein [[Würfel (Geometrie)|kubisch]] abgewandelter [[Triumphbogen]] konzipiert.<ref name="mkp17"/> Das Gebäude wird von offenen Säulenhallen mit [[Mosaik]]en von [[Heinrich Nauen]] und [[Jan Thorn Prikker (Künstler)|Johan Thorn-Prikker]] flankiert. Der Außenraum des Museums ist mit Skulpturen geschmückt. Auf dem Dach befindet sich die Skulptur ''Aurora'' von [[Arno Breker]], vor dem Eingang stehen zwei Aktfiguren [[Ernst Gottschalk (Bildhauer)|Ernst Gottschalks]]. Neben Gottschalks Arbeiten befanden sich dort zwei von [[Bernhard Sophers]], die von den Nationalsozialisten aufgrund der nicht-arischen Abstammung Sophers eingeschmolzen wurden. Mit der [[Glasmalerei]] von [[Jan Thorn Prikker (Künstler)|Johan Thorn-Prikker]] erinnert die Eingangshalle des Museums an einen sakralen Bau. Zu beiden Seiten erstrecken sich die Ausstellungsräume, zu denen eine zweiflügelige Treppe ins Obergeschoss führt. Die Räumlichkeiten, in denen die Sammlung präsentiert wird, sind sachlich und neutral gestaltet. Hinter der Fassade befindet sich eine moderne Stahlbetonkonstruktion, so dass das Gebäude die Bombenangriffe im Zweiten Weltkrieg relativ unbeschadet überstand. Bei der Sanierung des Museums in der ersten Hälfte der 1980er Jahre wurde der Übergang zum Kunstpalast verglast und der Ausstellungsbereich um ein zweites Obergeschoss erweitert. Diese Sanierung war vom Gesichtspunkt des [[Denkmalschutz]]es nicht unproblematisch. Zudem verschwand die ursprünglich großzügig angelegte Raumstruktur und es entstanden stattdessen kleine, verwinkelte Räume. Nach dem Beschluss von 1998, Kunstpalast und Kunstmuseum zu vereinigen, wurde ersterer abgerissen. An seiner Stelle entstand hinter der denkmalgeschützten Fassade ein Neubau, der von [[Oswald Mathias Ungers]] entworfen wurde. Dieser bietet 3000 Quadratmeter Fläche für Wechselausstellungen, womit das Museum insgesamt eine Fläche von etwa 9000 Quadratmetern umfasst. Von einem Foyer, das mit einer [[Kuppel]] überspannt ist, zweigen vier Galeriehallen ab. Im neu erbauten Teil des museum kunst palast befinden sich die [[Bibliothek|Präsenzbibliothek]] und die Bestände der Graphischen Sammlung, die dem Publikum in einem Studiensaal zugänglich sind. Dem Haus angegliedert ist mit dem Robert-Schumann-Saal ein Konzert- und Theatersaal mit rund 800 Plätzen, der ebenfalls von Ungers entworfen wurde und für verschiedene kulturelle Anlässe genutzt wird und.<ref name="mkp18">''museum kunst palast, Düsseldorf.'' Seite 18.</ref> == Sammlung == Die Gemäldesammlung des museum kunst palast hat drei Schwerpunkte, die Alte Malerei, die Malerei des 19. Jahrhunderts mit besonderem Augenmerk auf die [[Düsseldorfer Malerschule]] und die [[Moderne Kunst|Moderne Malerei]]. Die Kunst des 20. Jahrhunderts und die zeitgenössische Kunst sind in der Modernen Abteilung zusammengefasst, hier werden neben Gemälden auch Skulpturen und Objektkunst Neue Medien gesammelt. === Gemäldegalerie === Die Wurzeln des ersten Sammlungsbereiches liegen in der Kurfürstlichen Sammlung von [[Johann Wilhelm (Pfalz)|Johann Wilhelm]] begründet, der die kleine Sammlung, die er in Düsseldorf vorfand, erweiterte und die Stadt zu einer Kunstmetropole machte. Die Sammlung gelangte jedoch 1805 durch Erbfolge nach München, wo sie heute zum Bestand der [[Alte Pinakothek|Alten Pinakothek]] zählt. Drei der Werke aus dieser Sammlung gehören als [[Dauerleihgabe]]n zum Museumsbestand: ''Himmelfahrt Mariae'' und ''Venus und Adonis'' von [[Peter Paul Rubens]], sowie ''Samson und Delila'' von [[Jodocus van Winghe]].<ref name="zwei rubens">[http://www.museum-kunst-palast.de/doc78A.html Informationen zur Sammlung auf museum-kunst-palast.de, Zugriff am 28. Juni 2008]</ref> Als Entschädigung für den Verlust wurden 1846 dem ''Verein zur Errichtung einer Gemäldegalerie zu Düsseldorf'' 415 Gemälde, vor allem der Düsseldorfer Malerschule, aus den Depotbeständen der Königlichen Museen Breslau zugesprochen.<ref name="mkp37">''museum kunst palast, Düsseldorf.'' Seite 37.</ref> Zu den heutigen Sammlungsbeständen zur Alten Malerei gehört unter anderem ''Das ungleiche Paar'' von [[Lucas Cranach der Ältere|Lucas Cranach dem Älteren]], ein moralisierendes [[Genremalerei|Genrebild]] mit einer Darstellung des Lasters. Im Gegensatz dazu stellt die [[Allegorie]] ''Der Kuß von Gerechtigkeit und Friede'' eines Antwerpener Meisters die Tugend heraus. Mit dem Gemälde ''Landschaft mit Tobias und dem Engel'' von [[Jan van Scorel]] befindet sich ein bedeutendes Werk der [[Landschaftsmalerei]] in der Sammlung des Museums. Ein weiteres wichtiges Werk ist das Gemälde ''Mann mit brennender Kerze'', das einem Nachfolger [[Godfried Schalcken]]s zugeschrieben wird; es handelt sich um ein virtuoses Beispiel der einfigurigen Bildnis- und Genremalerei und weist ein außergewöhnliches Spiel von Licht und Schatten auf.<ref name="mkp43">''museum kunst palast, Düsseldorf.'' Seite 43.</ref> Das Bild ''Tod der Kleopatra'' von [[Jean-Baptiste Regnault]] ist ein Beispiel für die französische Malerei des 18. Jahrhunderts mit dem Napoleonischen Klassizismus. <div align="center"> <gallery> Datei:Rubens-Himmelfahrt Mariae.jpg|''Himmelfahrt Mariae'' von [[Peter Paul Rubens]] Datei:Winghe-Samson und Delila.jpg|''Samson und Delila'' von [[Jodocus van Winghe]] Datei:Lucas Cranach der Ältere-Das Ungleiche Paar.jpg|''Das ungleiche Paar'' von [[Lucas Cranach der Ältere]] Datei:Der Kuß von Gerechtigkeit und Friede.jpg|''Der Kuß von Gerechtigkeit und Friede'' (Künstler unbekannt) </gallery> <gallery> Datei:Jan van Scorel-Landschaft mit tobias und dem Engel.jpg|''Landschaft mit Tobias und dem Engel'' von [[Jan van Scorel]] Datei:Mann mit brennender Kerze.jpg|''Mann mit brennender Kerze'' von Nachfolger [[Godfried Schalcken]] Datei:Regnault-Der Tod der Kleopatra.jpg|''Der Tod der Kleopatra'' von [[Jean-Baptiste Regnault]] </gallery> </div> Von den Werken der Malerei des 19. Jahrhunderts wird beispielsweise das Gemälde ''Die Flucht nach Ägypten'' von [[Julius Schnorr von Carolsfeld]] gezeigt. Ein weiteres Gemälde aus dieser Zeit ist die Landschaft ''Frühlingsabend'' von [[Ludwig Richter]] aus dem Jahr 1844, der erst recht spät diese Motive für sich entdeckt hatte. Von [[Caspar David Friedrich]] befindet sich das Bild ''Das Kreuz im Gebirge'' in der Sammlung wie auch Werke von [[Adolph Menzel]], [[Max Liebermann]] und [[Arnold Böcklin]]. Die Düsseldorfer Malerschule ist in der Museumssammlung ebenfalls vertreten. Von den Werken der Künstler dieser Schule befinden sich beispielsweise ''Die alte Akademie'' von [[Andreas Achenbach]], ''Das Wetterhorn'' von [[Johann Wilhelm Schirmer]] sowie ''Arbeiter vor dem Magistrat'' von [[Johann Peter Hasenclever]] im Museum. Viele dieser Bilder haben einen engen Bezug zur Stadt Düsseldorf und zur Düsseldorfer Akademie. <div align="center"><gallery> Datei:Carolsfeld-Die Flucht nach Ägypten.jpg|''Die Flucht nach Ägypten'' von [[Julius Schnorr von Carolsfeld]] Datei:Caspar David Friedrich 025.jpg|''Das Kreuz im Gebirge'' von [[Caspar David Friedrich]] Datei:Die alte Akademie in Duesseldorf by Andreas Achenbach 1831.jpg|''Die alte Akademie'' von [[Andreas Achenbach]] Datei:Arbeitermagistrat.jpg|''Arbeiter vor dem Magistrat'' von [[Johann Peter Hasenclever]] </gallery></div> === Moderne Abteilung === Die Moderne Abteilung umfasst die Gemälde, Skulpturen, Objektkunstwerke und die Kunst der Neuen Medien des gesamten 20. Jahrhunderts bis hin zur zeitgenössischen Kunst. Angeschlossen ist das Archiv künstlerischer Fotografie der rheinischen Kunstszene (AFORK). Hauptschwerpunkte der Sammlung sind der Expressionismus, der Sonderbund, das Junge Rheinland, die Neue Sachlichkeit und die Bauhauskunst (Konstruktivismus), das Informel, die Kunst um die Gruppe ZERO, Joseph Beuys und seine Schüler und die junge zeitgenössische Kunst. Zur Sammlung gehören Werke des frühen 20. Jahrhunderts wie ''Stillende Mutter'' von [[Paula Modersohn-Becker]] aus dem Jahr 1902 und ''Murnau (Landschaft mit Baumstamm)'' von [[Wassily Kandinsky]] aus dem Jahr 1909. Ebenso zählen Werke wie ''Herbstrausch (Bacchanal)'' von [[Walter Ophey]] von 1912, [[Franz Marc]]s ''Die Füchse'' aus dem Jahr 1913 und [[August Macke]]s ''Vier Mädchen'' von 1912 dazu. Weiterhin gehören Bilder von [[Otto Dix]], [[Erich Buchholz (Maler)|Erich Buchholz]], [[Giorgio de Chirico]], [[Emil Nolde]] und [[Ernst Ludwig Kirchner]] zu den Sammlungsbeständen, ebenso der ZERO-Raum ''Lichtraum. Hommage à Fontana'', 1964 und ''Eurasienstab'', 1968, von Joseph Beuys. Ein Beispiel für ein Werk der jüngeren Kunst ist ''Razzia in der Kiefernstrasse'' von [[Bertram Jesdinsky]] aus dem Jahr 1987. <div align="center"><gallery> Datei:Modersohn-Becker, Stillende Mutter.jpg|''Stillende Mutter'' von [[Paula Modersohn-Becker]] Datei:Ophey-Herbstrausch.jpg|''Herbstrausch (Bacchanal)'' von [[Walter Ophey]] Datei:Franz Marc 010.jpg|''Die Füchse'' von [[Franz Marc]] Datei:Macke-Vier Mädchen.jpg|''Vier Mädchen'' von [[August Macke]] </gallery></div> === Alte Skulptur und Kunsthandwerk === Die Sammlung von Skulpturen und Kunsthandwerk des museum kunst palast basiert auf der Sammlung des alten Kunstgewerbemuseums. Beim weiteren Ausbau der Sammlung wurde ein Schwerpunkt auf die Plastik des Mittelalters gelegt. So wurden 1929 hochrangige mittelalterliche Bildwerke aus der Sammlung [[Hohenzollern-Sigmaringen]] erworben und in den 1930er Jahren weitere Werke angekauft.<ref name="mkp21">''museum kunst palast, Düsseldorf.'' Seite 21.</ref> Aus aufgelösten Privatsammlungen stammen Skulpturen wie die ''Oertelmadonna'' oder der ''Heilige Christopherus'' des [[Meister von Ottobeuren|Meisters von Ottobeuren]], beides bedeutende Werke der süddeutschen [[Gotik|Spätgotik]]. Ebenso wurden niederrheinische und niederländische Plastiken gesammelt. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden weniger Werke angekauft, jedoch gab es vermehrt Schenkungen und Leihgaben.<ref name="mkp21"/> So gelangten mit der Sammlung [[M. J. Binder]] Kleinplastiken und Skulpturen aus Spätgotik, [[Renaissance]] und [[Barock]] in die Museumssammlung. Die Sammlung umfasst bedeutende [[Maria (Mutter Jesu)|Madonnen-Darstellungen]] wie die ''Regensburger Madonna'', in der die künstlerische Darstellung der menschlichen Annäherung und Zwiesprache zwischen Maria und dem [[Jesus von Nazaret|Jesus]]kind in den Vordergrund tritt. Zudem enthält die Sammlung eine ''[[Weicher Stil|Schöne Madonna]]'' aus der Epoche der internationalen Gotik Ende des 14. Jahrhunderts vom Salzburger Hof. Neben diesen Skulpturen umfasst die Sammlung jedoch auch Werke wie den ''Dreikönigsaltar'' aus dem Jahr 1516 vom Oberrhein oder die Kupfertafel ''Prophet Ezechiel'' aus Hildesheim, die zwischen 1160 und 1180 entstand. Dieses Täfelchen ist ein Beispiel der mittelalterlichen Schmelztechnik und steht in Verbindung zu Werken, die unter anderem in St. Petersburg und im [[Louvre]] gezeigt werden.<ref name="mkp28">''museum kunst palast, Düsseldorf.'' Seite 28.</ref> Die Gestaltung ist, wie in der [[Romanik]] üblich, streng formal und knüpft an die [[Buchmalerei]] an. Der Sammlungsbestand von Werken der [[Renaissance]] umfasst eine größere Kollektion italienischer [[Bronzebildwerk|Bronzen]] wie ''Judith mit dem Haupt des Holofernes'' von [[Alessandro Vittoria]]. Aus derselben Epoche stammen die zwei [[Walnussgewächse|Nussbaumfiguren]] ''Adam und Eva'' aus Süddeutschland oder den südlichen Niederlanden, die mit ihrem anatomischen Aufbau den für die Hochrenaissance typischen Formenkanon bereits in Frage stellen. Die beiden Figuren stehen mit ihrer Gestik und Blickrichtung miteinander in Beziehung. Der Schwerpunkt der [[Barock]]sammlung bildet die 1932 übernommene Akademiesammlung, die unter anderem eine Gruppe von Skulpturen des Hofbildhauers [[Gabriel de Grupello]] enthält. Daneben werden vor allem Werke der süddeutsche Barockplastik gezeigt. Aus der Sammlung des alten Kunstgewerbemuseums stammen Möbel, [[Essgeschirr|Geschirr]] und [[Essbesteck|Bestecke]]. Eines der ausgestellten Stücke ist ein Kabinettschrank aus Süddeutschland vom Beginn des 17. Jahrhunderts, der die italienischen Einflüsse nördlich der Alpen deutlich zeigt. Des Weiteren sind Pokale, Becher und Humpen aus [[Gold]] sowie Tafelgedecke Bestandteile der Sammlung. Ein besonders herausragendes Stück ist eine ''Kuß- und Paxtafel'' aus gegossenem [[Silber]], die vom Anfang des 17. Jahrhunderts aus Antwerpen stammt. Im Gegensatz zu den sonst dargestellten Leiden Christi enthält die Düsseldorfer Tafel die Wandlungs-Worte Jesu beim Abendmahl. === Graphische Sammlung === Die Graphische Sammlung umfasst 70.000 [[Zeichnung (Kunst)|Zeichnungen]] und [[Grafik|Druckgraphik]]en vom 15. bis zum 21. Jahrhundert. Sie beinhaltet Werke aus allen bedeutenden europäischen Kunstlandschaften. Mit ihrem Bestand an italienischen [[Barock]]zeichnungen zählt sie neben dem [[Louvre]], der [[Albertina (Wien)|Albertina]], [[Windsor Castle]] und der [[Villa Farnesina|Farnesina]] zu den wichtigen Referenzsammlungen.<ref name="mkp4">''museum kunst palast, Düsseldorf.'' Seite 4.</ref> Den Kern der Sammlung bildet die 14.000 Zeichnungen umfassende Sammlung der [[Kunstakademie Düsseldorf]], die sich seit 1932 als Dauerleihgabe im Museum befindet. Diese Sammlung war von [[Lambert Krahe]] aufgebaut worden; 1778 verkaufte er sie an die [[Bergische Landstände|Bergischen Landstände]], die sie der Akademie zu Studienzwecken übereigneten. Sie bietet einen Überblick über die Zeichenkunst in Deutschland vom 16. bis zum 18. Jahrhundert.<ref name="mkp109">''museum kunst palast, Düsseldorf.'' Seite 109.</ref> Darunter befinden sich mit einer ''Verklärung Christi'' eines von nur zehn bekannten Blättern mit szenischem Inhalt von [[Hermann tom Ring]] sowie Arbeiten von [[Christoph Schwartz]] und [[Carl Loth]]. Mit der Zeichnung ''Susanna im Bade'' von [[Albrecht Altdorfer]] enthält die Sammlung den einzigen bildmäßig ausgeführten Gesamtentwurf zu einem seiner Gemälde. Daneben sind Zeichnungen aus dem 16. und 17. Jahrhundert aus den [[Niederlande]]n Bestandteile der Sammlung. Unter ihnen befindet sich beispielsweise der [[Allegorie|allegorische]] Holzschnitt ''Herkules tötet Cacus'' von [[Hendrick Goltzius]] und die [[Sittenmalerei|Genreszene]] ''Die Neugierigen'' von [[Leonaert Bramer]], die eine Gruppe von Menschen zeigt, die durch ein Schlüsselloch späht. Zu den französischen Zeichnungen gehören mit 40 Blatt die umfassendste Gruppe von Landschaftszeichnungen [[Gaspard Poussin|Gaspard Dughets]] sowie eine Gruppe von Kreidezeichnungen [[Jean Charles Frontier]]s. Werke der Professoren der Kunstakademie und der Künstler der [[Düsseldorfer Malerschule]] sind ebenfalls Bestandteil der Sammlung. <div align="center"><gallery> Datei:Albrecht Altdorfer- Skizze Susanna im Bade.jpg|Gesamtskizze ''Susanna im Bade'' von [[Albrecht Altdorfer]] Datei:Hendrick Goltzius-Herkules tötet Cacus.jpg|''Herkules tötet Cacus'' von [[Hendrick Goltzius]] Datei:Leonaert Bramer-Die Neugierigen.jpg|''Die Neugierigen'' von [[Leonaert Bramer]] </gallery></div> Der bedeutendste Teil der Sammlung der Kunstakademie besteht aus den italienischen Zeichnungen. Sie stammen unter anderem von [[Domenico Campagnola]], [[Bartolomeo Passarotti]], [[Andrea del Sarto]] und [[Luca Cambiaso]], sowie so bekannten Künstlern wie [[Michelangelo]], [[Paolo Veronese]] und [[Raffael]]. Werke der Sammlung sind unter anderem das ''Bildnis eines jungen Mannes'' von [[Lorenzo di Credi]]. Besondere Berühmtheit besitzen aber die Werke des Römischen Barocks, von dessen Künstlern das Museum zum Teil mehrere Hundert Zeichnungen besitzt. So werden zum Beispiel einige Studien und Skizzen für eine Figur des ''Heiligen Longinus'' und die Zeichnung ''Grotesker Kopf'' von [[Gian Lorenzo Bernini]] gezeigt, von [[Pietro da Cortona]] die Zeichnung ''Thronende Madonna mit Kind, Johannes dem Täufer und dem Heiligen Stefan''. Von [[Giuseppe Passeri]] befinden sich 1000 Zeichnungen wie der Kompositionsentwurf für das Fresko ''Rückkehr Jasons aus Kolchis'' in der Sammlung. <div align="center"><gallery> Datei:Lorenzo di Credis-Bildnis eines jungen Mannes.jpg|''Bildnis eines jungen Mannes'' von [[Lorenzo di Credi]] Datei:Gian Lorenzo Bernini-Grotesker Kopf.jpg|''Grotesker Kopf'' von [[Gian Lorenzo Bernini]] Datei:Pietro da Cortona-Thronende Madonna Mit Kind.jpg|''Thronende Madonna mit Kind, Johannes dem Täufer und dem Hl. Stefan'' von [[Pietro da Cortona]] </gallery></div> Ein weiterer Teil der Sammlung des Museums stammt aus dem 1926 aufgelösten Kunstgewerbemuseum. Er umfasst vor allem [[Stich und Schnitt|Porträt- und Ornamentstiche]], aber auch vier [[Radierung]]en von [[Juste de Juste]]. Diese zeigen bizarre Pyramiden von Männern und haben keinen auf ihren Zweck ausgerichteten, sondern experimentellen Charakter.<ref name="mkp109" /> Dieser Teil der Sammlung wurde 1928 mit Arbeiten aus der Sammlung von [[Laurenz Heinrich Hetjen]] 1928 ergänzt, zu denen auch [[Hendrick Goltzius]]' [[Holzschnitt]] ''Clair-obscur'', auf dem eine der [[Herakles#Taten|Heraklestaten]] zu sehen ist, gehört. Weiterhin wurde die Sammlung um Werke von Künstlern ergänzt, die im 19. Jahrhundert in Düsseldorf studiert hatten. Trotz des Schwerpunktes der Sammlung von Zeichnungen des 19. Jahrhunderts der ''Düsseldorfer Malerschule'' wurden aber auch Zeichnungen von [[Caspar David Friedrich]], [[Karl Friedrich Schinkel]] und [[Adolph Menzel]] erworben. Auch Zeichnungen des 20. Jahrhunderts wurden seit Bestehen des Museums gesammelt, aber durch die Verfolgung von [[Entartete Kunst|Entarteter Kunst]] der Nationalsozialisten gingen mehr als 500 graphische Arbeiten verloren.<ref name="mkp117">''museum kunst palast, Düsseldorf.'' Seite 117.</ref> 1964 erbte das Museum von einem Düsseldorfer Bürger Drucke und Aquarelle des [[Expressionismus]], unter anderem von [[Ernst Ludwig Kirchner]], [[August Macke]] und [[Wassily Kandinsky]]. Zudem sind Werke der [[Moderne|Klassischen Moderne]] von [[Max Ernst]], [[Lyonel Feininger]] und [[Paul Klee]] Bestandteil der Sammlung, wie auch [[Max Beckmann]]s Vorzeichnungen für das Gemälde ''Die Nacht''. Mit über 560 [[Lithografie]]n, Holzschnitten und Radierungen besitzt die Sammlung einen Großteil der druckgraphischen Werke [[Conrad Felixmüller]]s, ebenso befinden sich rund 2000 Werke [[Walter Ophey]]s im Besitz des Museums.<ref name="mkp117"/> <div align="center"><gallery> Datei:Juste de Juste-Pyramide aus sechs Männern.jpg|''Pyramide aus sechs Männern'' von [[Juste de Juste]] Datei:Walter Ophey-Haus und Bäume.jpg|''Haus und Bäume'' von [[Walter Ophey]] Datei:August Macke-Vier Mädchen auf einer Altane.jpg|''Vier Mädchen auf einer Altane'' von [[August Macke]] Datei:Kunisada-Der Schauspieler Ichikawa Danjurò VIII.jpg|''Der Schauspieler Ichikawa Danjurò VIII'' von [[Kunisada]] </gallery></div> Neben der europäischen Kunst beinhaltet die Sammlung jedoch auch einige orientalische Miniaturen und [[Japanischer Farbholzschnitt|Japanische Farbholzschnitte]] aus dem 19. Jahrhundert. Sie stammen von Künstlern wie [[Kunisada]], von dem sich zum Beispiel der Druck ''Der Schauspieler Ichikawa Danjurò VIII'' im Museumsbesitz befindet, und [[Hokusai]]. === Glasmuseum Hentrich === Die Glassammlung im Glasmuseum Hentrich ist die jüngste Sammlung dieser Art von Bedeutung in Europa und neben der des [[Victoria and Albert Museum]]s die umfassendste.<ref name="mkp4"/> Den Ausgangspunkt bilden die Glasprodukte der Vorbildersammlung des ehemaligen ''Düsseldorfer Kunstgewerbemuseums''. Zwischen 1928 und 1940 wurde diese Sammlung durch den Ankauf bedeutender Privatsammlungen allmählich zu der heutigen weltweiten Bedeutung geführt, die aber erst 1963 mit der Entscheidung [[Helmut Hentrich]]s, seine Sammlung dem Museum in Jahresschenkungen zuzuführen, erreicht war. Bis zu seinem Tod 2001 wurden mit den Schenkungen und seiner weiteren Sammeltätigkeit die Bestände der Sammlung ergänzt, die seit 1990 zu seinen Ehren die Bezeichnung ''Glasmuseum Hentrich'' trägt.<ref name="mkp123">''museum kunst palast, Düsseldorf.'' Seite 123.</ref> Mit der Sammlung Hentrich wurde die Glassammlung besonders gestärkt, weil ihre Schwerpunkte mit antiker und [[Islamische Kunst|islamischer]] Glaskunst, sowie der des [[Jugendstil|Art Nouveau]], [[Art Déco]] und [[Jugendstil]]s die bis dahin im Museum nur schwach vertretenen Bereiche ergänzten. Die Sammlung wird weiterhin durch bedeutende Schenkungen, Vermächtnisse und Dauerleihgaben, wie italienische und tschechische Gläser aus den Beständen der [[Steinberg Foundation]], mittelalterliche Gläser der Sammlung [[Karl Amendt]] und niederländische Gläser der [[Sammlung Knecht-Drenth]] erweitert. Die eigenen Ankäufe des Museums seit den 1960er Jahren konzentrieren sich auf die moderne und zeitgenössische Glaskunst. Die ältesten Stücke der Sammlung stammen aus vorrömischer Zeit.<ref name="mkp124">''museum kunst palast, Düsseldorf.'' Seite 124.</ref> Das bedeutendste Gefäß aus dieser Zeit ist eine [[Achämenidenreich|achämenidische]] Schale mit geschliffenem [[Lanzettdekor]] aus dem späten fünften Jahrhundert vor Christus. Die Glaskunst des [[Römisches Reich|Römischen Reiches]] ist mit über 300 Gefäßen in der Sammlung vertreten. Ebenso sind Objekte der geläufigen Gefäßtypen aus den islamischen Reichen des Nahen Ostens Bestandteil der Sammlung. Aus der Zeit vor der Epoche des [[Waldglas]]es im Mittelalter stammt eine aufgrund ihres vollständigen Erhaltungszustandes einzigartige Schale aus der Zeit um das Jahr 1300.<ref name="mkp124"/> In der Sammlung sind zudem Werke der [[Venedig|venezianischen]] Glaskunst des 15. Jahrhunderts vorhanden, wie zum Beispiel ein Ziergefäß in der Form einer Moscheeampel, das nach bisherigem Kenntnisstand ein Einzelstück ist und die Einflüsse der islamischen Glasherstellung in Europa aufzeigt. Hinzu kommen höfische Glasgefäße des 17., 18. und 19. Jahrhunderts. Die [[Jugendstil]]-Glaskunst wird unter anderem mit Arbeiten von [[Louis Comfort Tiffany]] wie einem ''Blütenkelch'' und einer ''Blattschale'' aus der Zeit zwischen 1897 und 1905 präsentiert. Die Glaskunst des 20. Jahrhunderts wird in ihrer Vielgestaltigkeit ebenfalls im Museum gezeigt. So gibt es Werke der Glaskunst der [[Deutscher Werkbund|Werkbundbewegung]], des [[Art Déco]], des [[Bauhaus]]es, sowie der nordeuropäischen Länder und aus Italien. Ein Beispiel dieser Werke ist die ''Mosaik-Schale'' von [[Carlo Scarpa]]. Seit August 2008 leitet der Kunsthistoriker [[Dedo von Kerssenbrock-Krosigk]] das Glasmuseum. Damit trat er die Nachfolge des langjährigen Leiters [[Helmut Ricke]] an.<ref name="neuer Leiter">[http://www.wz-newsline.de/?redid=280202 Artikel über den neuen Leiter des Glasmuseums, Zugriff am 19. August 2008]</ref> == Sonderausstellungen == Die ersten groß angelegten, katalogbegleiteten Sonderausstellungen im Kunstmuseum wurden in den 1970er Jahren ausgerichtet.<ref name="mkp13" /> Den Auftakt bildete die 1971 von [[Christian Theuerkauff]] konzipierte Ausstellung ''Europäische Barockplastik am Niederrhein – Grupello und seine Zeit''. In der Folge konzentrierten sich die Ausstellungen auf die klassische und die zeitgenössische Moderne. International wahrgenommen wurde vor allem die Ausstellung von Werken der [[Russische Avantgarde|Russischen Avantgarde]] aus der Sammlung von [[George Costakis]], in der unter anderem Werke von [[Marc Chagall]] und [[Wassily Kandinsky]] gezeigt wurden. Auch Ausstellungen zum Einfluss der [[Düsseldorfer Malerschule]] auf die skandinavische und amerikanische Kunst, sowie zur Geschichte der [[Glaskunst]] fanden Beachtung.<ref name="mkp13"/> Zur Wiedereröffnung des Museums im Dezember 1994 wurde die bis dahin aufwendigste Sonderausstellung mit Werken bedeutender Künstler der Moderne aus der Sammlung des Pariser Kunsthändlers [[Daniel-Henry Kahnweiler]] gezeigt. Diese Ausstellung zog über 160.000 Besucher an.<ref name="mkp14">''museum kunst palast, Düsseldorf.'' Seite 14.</ref> Große Resonanz fanden zudem Ausstellungen zur Glaskunst, zum zeitgenössischen Design und von [[Japanischer Farbholzschnitt|japanischen Farbholzschnitten]]. Im Sommer 2006 realisierte [[Spencer Tunick]] seine ersten Körperinstallationen aus nackten Menschen in Deutschland im und rund um das museum kunst palast. Die dabei entstandenen Fotografien und Videoinstallationen wurden im Herbst desselben Jahres in einer Sonderausstellung im Museum präsentiert. Vom 15. September 2007 bis zum 6. Januar 2008 wurden in der Ausstellung ''[[Bonjour Russland]]'' Werke aus den Sammlungen der [[Eremitage (Sankt Petersburg)|Eremitage Sankt Petersburg]], des [[Russisches Museum|Russischen Museums]], des [[Puschkin-Museum]]s und der [[Tretjakow-Galerie]] gezeigt, darunter Bilder von [[Claude Monet]], [[Pierre-Auguste Renoir]], [[Paul Cézanne]], Kandinsky, Chagall, [[Henri Matisse]] und [[Kasimir Sewerinowitsch Malewitsch]]. Insgesamt kamen ca. 256.000 Besucher zu dieser Ausstellung. == Literatur == * ''museum kunst palast, Düsseldorf.'' Mit Beiträgen von Bettina Baumgärtel, Sonja Brink, Christoph Danelzik-Brüggemann, Jean-Hubert Martin, Helmut Ricke, Dieter Scholz, Barbara Til, Stephan von Wiese. Buchreihe der Fondation BNP Paribas. Paris 2003, ISBN 2-7118-4673-3 (deutsch, auch französische und englische Ausgaben) * Bogomir Ecker, Thomas Huber: ''Künstlermuseum. Eine Neupräsentation der Sammlung des museum kunst palast, Düsseldorf.'' Herausgegeben von Jean-Hubert Martin mit Barbara Til und Andreas Zeising. Düsseldorf 2002, ISBN 3-9808208-5-8 == Weblinks == {{Commonscat|Museum kunst palast}} * [http://www.museum-kunst-palast.de/ Offizielle Webpräsenz] == Einzelnachweise == <references/> {{Coordinate |NS=51/14/03.6/N |EW=06/46/24.0/E |type=landmark |region=DE-NW}} {{Exzellent}} [[Kategorie:Kunstmuseum in Deutschland]] [[Kategorie:Kunstsammlung]] [[Kategorie:Museum in Düsseldorf]] [[Kategorie:Baudenkmal in Düsseldorf]] [[en:Museum Kunst Palast]] [[es:Museo Palacio de Arte de Düsseldorf]] dzgziuaz72hyuqkta2y0f4t6tqctupk wikitext text/x-wiki Mykerinos 0 23969 26567 2010-04-09T15:05:09Z David Sallaberger 0 {{Infobox Pharao |TITEL_BILD = [[Datei:Menkaure and Chamerernebti II.jpg|230px]] |TITEL_BILDBESCHREIBUNG = Statue des Mykerinos und der Königin Chamerernebti II.; [[Museum of Fine Arts, Boston|Museum of Fine Arts]], [[Boston]] |EIGENNAME = <hiero>N5:Y5-D28*D28:D28</hiero> |EIGENNAME-ERKLÄRUNG = Menkaure <br /> ''{{Unicode|Mn k3.w Rˁ}}'' <br /> ''Mit bleibenden [[Ka (Ägyptische Mythologie)|Ka]]-Kräften, ein [[Re (Ägyptische Mythologie)|Re]]'' <small><ref group="A"> Übersetzung nach [[Thomas Schneider (Ägyptologe)|Thomas Schneider]] </ref></small> |EIGENNAME2 = <hiero>N5:Y5-D28</hiero> |EIGENNAME2-ERKLÄRUNG = Menkaure <br /> ''{{Unicode|Mn k3(.w) Rˁ}}'' <br /> ''Mit bleibenden Ka-Kräften, ein Re'' |EIGENNAME3 = <hiero>N5:Y5-D32</hiero> |EIGENNAME3-ERKLÄRUNG = Menkaure <br /> ''{{Unicode|Mn k3(.w) Rˁ}}'' <br /> ''Mit bleibenden Ka-Kräften, ein Re'' |THRONNAME = |THRONNAME-ERKLÄRUNG = |HORUSNAME = <hiero>D28-E1:X</hiero> |HORUSNAME-ERKLÄRUNG = Ka-chet <br /> ''{{Unicode|K3-ẖ.t}}'' <br /> ''Stier der Götterschaft'' |HORUSNAME2 = <hiero>D28-D52:X</hiero> |HORUSNAME2-ERKLÄRUNG = Ka-chet <br /> ''{{Unicode|K3-ẖ.t}}'' <br /> ''Stier der Götterschaft'' |NEBTINAME = <hiero>D28-E1</hiero> |NEBTINAME-ERKLÄRUNG = Ka-nebti <br /> ''{{Unicode|K3-nb.tj}}'' <br /> ''Stier der beiden Herrinnen'' |GOLDNAME = <hiero>R8*G7:S12</hiero> |GOLDNAME-ERKLÄRUNG = Bik-nebu-netjer </br> ''{{Unicode|Bjk-nbw-nṯr.j}}'' <br /> ''Göttlicher Goldfalke'' |SAQQARA-KÖNIGSLISTE =<hiero>N5-HASH-HASH-D28:D28</hiero> |SAQQARA-KÖNIGSLISTE-ERKLÄRUNG =…kaure<br /> ''{{Unicode|…k3.w Rˁ}}'' <br /> (stark beschädigt) |ABYDOS-KÖNIGSLISTE = <hiero>N5:Y5:n-D28:Z2</hiero> |ABYDOS-KÖNIGSLISTE-ERKLÄRUNG = Menkaure <br /> ''{{Unicode|Mn k3.w Rˁ}}'' <br /> ''Mit bleibenden Ka-Kräften, ein Re'' |ABYDOS-KÖNIGSLISTE-NR =24 |TURIN-KÖNIGSLISTE = <small>Im Original ist der Name des Herrschers herausgebrochen, erhalten sind nur die Jahresangaben <ref>Alan H. Gardiner: ''The royal canon of Turin''. Bildtafel 2</ref></small> |TURIN-KÖNIGSLISTE-OHNE-KARTUSCHE =ja |TURIN-KÖNIGSLISTE-ERKLÄRUNG = |TURIN-KÖNIGSLISTE-NR =III./14 |GRIECHISCH =<br />[[Sextus Iulius Africanus|Africanus]]: Mencheres <small><ref group="A">Regierungsdauer 63 Jahre.</ref></small><br />[[Eusebius von Caesarea|Eusebius]]: fehlt<br />[[Eusebius von Caesarea|A.V.-Eusebius]]:fehlt<br /><br />Mycerínus<br /><br /><br />Moscheres<small><ref>Alan B. Lloyd: ''Herodotus, book II.''. S.77ff.</ref></small> |GRIECHISCH-ERWEITERT =<br />[[Manetho]]- Varianten<br /><br /><br />nach [[Herodot]]: <br /><br />nach [[Eratosthenes]]: }} '''Menkaure''' ([[Griechische Sprache|griechisch]] '''Mykerinos''') war der sechste König ([[Pharao]]) der [[Altes Ägypten|altägyptischen]] 4. Dynastie im [[Altes Reich (Ägypten)|Alten Reich]]. Er herrschte etwa von 2530 bis 2510 v. Chr.<ref>Jahreszahlen nach Schneider: ''Lexikon der Pharaonen''.</ref> Über seine Person und seine Regierungszeit existieren nur sehr wenige Zeugnisse. Bekannt ist er vor allem durch den Bau der [[Mykerinos-Pyramide|dritten Pyramide]] von [[Pyramiden von Gizeh|Gizeh]] und durch zahlreiche, zum Teil hervorragend erhaltene [[Statue]]n, die in ihrer Umgebung gefunden wurden. == Herkunft und Familie == Mykerinos war wahrscheinlich ein Sohn von Pharao [[Chephren]] und der [[Chamerernebti I.]] Dies wird angenommen, da im Pyramidenbezirk des Mykerinos ein Messer gefunden wurde, das den Namen Chamerernebtis trägt.<ref>Reisner, ''Mycerinus'', S. 18, 233, Taf. 19</ref> Die einzige bekannte Gemahlin des Mykerinos war [[Chamerernebti II.]] In ihrem Grab wird ihre Mutter gleichen Namens erwähnt, die den Titel einer Königsmutter trägt. Daraus zog [[George Andrew Reisner]] den heute allgemein akzeptierten Schluss, dass ihre Mutter ebenfalls Chamerernebti I. war. Mykerinos war demzufolge mit seiner Schwester ersten Grades verheiratet. Das einzige bekannte Kind aus dieser Ehe war Prinz [[Chuenre]], der nahe der Pyramide seines Vaters bestattet wurde und bei dem es sich laut [[George Andrew Reisner|Reisner]] um den früh verstorbenen Kronprinzen handelte.<ref name="Janosi-I">Peter Jánosi: ''Giza in der 4. Dynastie. Die Baugeschichte und Belegung einer Nekropole des Alten Reiches. Band I: Die Mastabas der Kernfriedhöfe und die Felsgräber''. Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, Wien 2005, S. 66, ISBN 3-7001-3244-1</ref> Völlig unklar ist die familiäre Verbindung zwischen Mykerinos und seinem Nachfolger [[Schepseskaf]]. Dieser ließ zwar den Totentempel des Mykerinos vollenden und dort ein [[Dekret]] anbringen, was Reisner zu dem Schluss führte, in ihm ebenfalls einen Sohn zu sehen. Allerdings ist die Vollendung des Tempels allein kein ausreichendes [[Indiz]], da jeder ägyptische König die ordnungsgemäße Bestattung seines Vorgängers gewährleisten musste, unabhängig von der verwandtschaftlichen Beziehung. Auch eine Abstammungsangabe (Filiationsangabe) lässt sich aus den Resten des stark zerstörten Dekrets nicht eindeutig herauslesen.<ref name="Janosi-I"/> == Regentschaft == Mykerinos folgte seinem Cousin [[Bicheris]] auf den [[Thron]], der nur für kurze Zeit regiert hatte. In einer Inschrift ist der Regierungswechsel im [[Ägyptischer Kalender|ägyptischen Kalender]] belegt; zugleich der Beweis eines schon verwendeten 365-Tageskalenders.<ref>Siegfried Schott: ''Altägyptische Festdaten'', Verlag der Akademie der Wissenschaften und der Literatur, Mainz/Wiesbaden 1950, S.&nbsp;54.</ref> Die genaue Regierungslänge des Mykerinos ist unbekannt. Der [[Königspapyrus Turin]], der im [[Neues Reich|Neuen Reich]] entstand und ein wichtiges Dokument zur [[Ägyptische Chronologie|ägyptischen Chronologie]] darstellt, ist an der entsprechenden Stelle beschädigt und es lässt sich nur noch die Angabe x + 8 Jahre ablesen, es könnten also 18 oder 28 Jahre gemeint gewesen sein. Der im 2. Jahrhundert v. Chr. lebende ägyptische Priester [[Manetho]] gibt ihm 63 Jahre, was aber viel zu hoch angesetzt sein dürfte. Das höchste zeitgenössisch belegte Datum ist ein „11. Mal der Zählung“ (gemeint ist eine landesweite Zählung des Viehs zum Zwecke der Steuererhebung), möglicherweise auch ein „Jahr nach dem 11. Mal der Zählung“. Problematisch hieran ist, dass diese Zählungen ursprünglich alle zwei Jahre stattfanden (d. h. auf ein „x-tes Jahr der Zählung“ folgte ein „Jahr nach dem x-ten Mal der Zählung“), später aber zum Teil auch jährlich stattfinden konnten (auf ein „x-tes Jahr der Zählung“ folgte das „y-te Jahr der Zählung“).<ref>siehe hierzu Verner: ''Archaeological Remarks''.</ref> Ob unter Mykerinos eine regelmäßige zweijährliche Zählung stattfand, lässt sich aus dem vorhandenen Quellenmaterial nicht herauslesen. Sollte es so gewesen sein, würden sich über 20 Regierungsjahre ergeben. Außer dem Bau seines Pyramidenkomplexes sind aus der Regierungszeit des Mykerinos keinerlei Ereignisse bekannt.<ref>Schneider: ''Lexikon der Pharaonen''. S. 164</ref> == Hofstaat == Die einzigen hohen Beamten aus der Regierungszeit des Mykerinos, die namentlich bekannt sind, waren die [[Tjati]]u (eine Amtsbezeichnung, die häufig mit „Wesir“ übersetzt wird, einem Amt, das allerdings mehr als drei Jahrtausende später aufkam). Dieses Amt war während der [[4. Dynastie]] ausschließlich Mitgliedern der königlichen Familie vorbehalten. Unter Mykerinos wurde es von seinen Halbbrüdern [[Nikaure]], [[Iunmin]], [[Nebemachet]], [[Anchmare]] und [[Duaenre]] bekleidet. == Bautätigkeit == === Die Mykerinos-Pyramide === [[Datei:Cairo, Gizeh, Pyramid of Menkaure, Egypt, Oct 2005.jpg|thumb|Die Mykerinos-Pyramide mit ihren drei Königinnenpyramiden]] → ''Hauptartikel: [[Mykerinos-Pyramide]]'' Mykerinos war der Erbauer der dritten und letzten der drei [[Pyramiden von Gizeh]]. Mit einem Basismaß von 102,2 x 104,6 m und einer ursprünglichen Höhe von 65,55 m ist sie deutlich kleiner als die [[Pyramide (Bauwerk)|Pyramiden]] von [[Cheops]] und Chephren. Als Baumaterial für das Kernmauerwerk diente [[Kalkstein]] aus der unmittelbaren Umgebung des Bauwerks, die Verkleidung bestand bis zu einer Höhe von 15 m aus [[Rosengranit]] und in den restlichen Lagen aus [[Tura (Ägypten)|Tura]]-Kalkstein. Von der Nordseite aus führt ein Gang hinab zu einer unterirdisch gelegenen Vorkammer. In diese mündet noch ein weiterer Gang, der oberhalb des ersten verläuft und etwa auf Höhe der Pyramidenbasis blind im Mauerwerk endet. Offenbar handelt es sich hierbei um den ursprünglichen Zugangskorridor, der nach einer Änderung des Bauplans aufgegeben wurde. Unterhalb der Vorkammer liegt die eigentliche Grabkammer. Der dort aufgefundene Granit-[[Sarkophag]] maß 2,43 × 0,94 × 0,88 Meter.<ref>Anna Maria Donadoni Roveri: ''I sarcofagi egizi dalle origini alla fine dell'Antico Regno''. Rom 1969, S. 105 ([http://www.gizapyramids.org/pdf%20library/roveri_sarcofagi.pdf PDF; 46,5 MB])</ref> und war erstmals mit Vor- und Rücksprüngen im Palastfassadenstil gearbeitet. Er unterschied sich somit recht deutlich von den sehr schlicht gestalteten Sarkophagen seiner Vorgänger. Er sollte 1838 nach Großbritannien überführt werden, dort kam er jedoch nie an, da das Schiff, welches ihn transportierte, in einem Sturm sank. === Der Pyramidenkomplex === [[Datei:Giza pyramid complex (map).svg|thumb|Plan der Nekropole von Gizeh]] An der Ostseite der Pyramide steht der [[Totentempel]], der in seinem Grundriss dem des Cheops ähnelt. Über einen 600 Meter langen Aufweg ist er mit dem [[Taltempel]] verbunden. Die Tempelanlagen sollten ursprünglich in Stein errichtet werden, allerdings starb Mykerinos noch vor ihrer Fertigstellung. Erst sein Nachfolger [[Schepseskaf]] vollendete beide Tempel sowie den Aufweg, verwendete dafür aber die zeitsparende Ziegelbauweise. Das Gebiet unmittelbar vor dem Taltempel des Mykerinos konnte noch nicht vollständig ausgegraben werden, da sich über ihm ein islamischer Friedhof befindet. Die Pyramide besitzt drei Nebenpyramiden. Die östliche (G III-a) ist eine echte Pyramide und wird aufgrund ihrer Substruktur teilweise für die ursprüngliche [[Kultpyramide]] des Mykerinos gehalten, die als symbolisches Grab für sein [[Ka (Ägyptische Mythologie)|Ka]] dienen sollte. Da in ihr jedoch ein Sarkophag gefunden wurde, scheint sie wohl nachträglich zu einem Königinnengrab (wahrscheinlich für Chamerernebti II.) umfunktioniert worden zu sein. Bei den beiden anderen Bauwerken (G III-b und G III-c) handelt es sich um [[Stufenpyramide]]n, die von Anfang an als Königinnengräber konzipiert waren. In G III-b konnten sogar noch Knochenreste einer jungen Frau gefunden werden. Das ausgedehnte Gräberfeld in Gizeh scheint unter Mykerinos keine bedeutende Erweiterung erfahren zu haben. Erwähnenswert ist dort lediglich das Felsgrab seines Sohnes Chuenre, das in einem Steinbruch südöstlich der Mykerinos-Pyramide angelegt wurde. Auch Bootsgruben, wie sie bei den Grabanlagen von Cheops und Chephren gefunden wurden, konnten in der Umgebung der Mykerinos-Pyramide nicht ausfindig gemacht werden. ''Siehe auch: [[Nekropole von Gizeh]]'' == Statuen == Fast alle bekannten Statuen des Mykerinos stammen aus Grabungen, die George Andrew Reisner ab 1908 in dessen Pyramidenkomplex durchführte. Die meisten Stücke wurden im Taltempel gefunden, unter ihnen auch die berühmten Mykerinos-[[Symbol-Triade|Triaden]]. Weitere Funde wurden im Totentempel gemacht. Die Fundstücke befinden sich heute im [[Museum of Fine Arts, Boston|Museum of Fine Arts]] in [[Boston]] und im [[Ägyptisches Museum (Kairo)|Ägyptischen Museum]] in [[Kairo]]. === Die Mykerinos-Triaden === {| class="wikitable" width="100%" |- | align="center" width="25%"|[[Datei:Menkaura.jpg|x200px]] | align="center" width="25%"|[[Datei:GD-EG-Caire-Musée017.JPG|x200px]] | align="center" width="25%"|[[Datei:Menkaura-FragmentaryTriad MuseumOfFineArtsBoston.png|x200px]] | align="center" width="25%"|[[Datei:TriadStatueDepictingHareNomeGoddessHathorAndMekaura MuseumOfFineArtsBoston.png|x200px]] |- | <small>Triade mit 7. oberägyptischen [[Gau (Ägypten)|Gau]] (Diospolis Parva); Ägyptisches Museum Kairo, Inv.-Nr. JE 46499</small> | <small>Triade mit 17. oberägyptischen Gau (Schakalgau); Ägyptisches Museum Kairo, Inv.-Nr. JE 40679</small> | <small>fragmentierte Triade mit Gau; Boston Museum, Inv.-Nr. 11.3147 (Kopf in Brüssel)</small> | <small>Triade mit 15. oberägyptischen Gau (Hasengau); Boston Museum, Inv.-Nr. 09.200</small> |} Reisner entdeckte insgesamt vier hervorragend erhaltene Triaden, eine weitere wies größere Beschädigungen auf, mehrere weitere waren nur noch in [[Scherbe|Fragmenten]] erhalten. Alle Triaden bestehen aus [[Grauwacke]] und zeigen den König zusammen mit der Göttin [[Hathor (Ägyptische Mythologie)|Hathor]], die dort als „Herrin der [[Sykomore]]“ bezeichnet wird, und einem personifizierten [[Gau (Ägypten)|ägyptischen Gau]]. Der König ist, soweit noch erkennbar, auf allen Triaden im gleichen [[Ornat]] dargestellt. Er trägt die weiße Krone Oberägyptens, den zeremoniellen Kinnbart und einen [[Plissee (Stoff)|plissierten]] Schurz. Die erste der gut erhaltenen Triaden (Kairo JE 46499)<ref>Reisner, ''Mycerinus''. S. 109–110 (Nr. 12); Berta Porter, Rosalind L. B. Moss: ''Topographical Bibliography of Ancient Egyptian Hieroglyphic Texts, Reliefs and Paintings. III. Memphis''. 2. Auflage. Oxford University Press, Oxford 1974, S. 28 ([http://www.gizapyramids.org/pdf%20library/porter-moss_III_giza.pdf PDF 30,5 MB]); [http://www.ancient-egypt.org/kings/04/0406_mykerinos/art.html ancient-egypt.org]</ref> ist 93 cm hoch. Sie zeigt Mykerinos in der Mitte stehend, das linke Bein nach vorn setzend. Zu seiner Rechten steht Hathor, zu erkennen an ihrem über dem Kopf befindlichen Attribut der Sonnenscheibe zwischen zwei Kuhhörnern. Zur Linken des Königs steht der durch eine Frau personifizierte 7. oberägyptische Gau (Diospolis Parva), erkennbar an der Gaustandarte mit dem Zeichen der Göttin [[Bat (Ägyptische Mythologie)|Bat]]. Praktisch identisch aufgebaut ist eine zweite Triade (Kairo JE 40679)<ref>Reisner, ''Mycerinus''. S. 109 (Nr. 11); Berta Porter, Rosalind L. B. Moss: ''Topographical Bibliography of Ancient Egyptian Hieroglyphic Texts, Reliefs and Paintings. III. Memphis''. 2. Auflage. Oxford University Press, Oxford 1974, S. 28 ([http://www.gizapyramids.org/pdf%20library/porter-moss_III_giza.pdf PDF 30,5 MB]); [http://www.ancient-egypt.org/kings/04/0406_mykerinos/art.html ancient-egypt.org]</ref>. Mit einer Höhe von 92,5 cm ist sie annähernd gleich groß. Hier steht zur Linken des Königs der 17. oberägyptische Gau (Schakalgau). Eine dritte Gruppe (Kairo 40678)<ref>Reisner, ''Mycerinus''. S. 109 (Nr. 10); Berta Porter, Rosalind L. B. Moss: ''Topographical Bibliography of Ancient Egyptian Hieroglyphic Texts, Reliefs and Paintings. III. Memphis''. 2. Auflage. Oxford University Press, Oxford 1974, S. 28 ([http://www.gizapyramids.org/pdf%20library/porter-moss_III_giza.pdf PDF 30,5 MB]); [http://www.ancient-egypt.org/kings/04/0406_mykerinos/art.html ancient-egypt.org]</ref> ist mit 95,5 cm nur unwesentlich höher. Auch hier sind die Personen in gleicher Weise angeordnet, der abgebildete vierte oberägyptische Gau (Thebanischer Gau) ist allerdings deutlich kleiner dargestellt als die beiden zuvor genannten Gau-Personifizierungen. Bei zwei weiteren Exemplaren gibt es größere Unterschiede. Das erste ist ein beschädigtes Exemplar (11.3147)<ref>Reisner, ''Mycerinus''. S. 110 (Nr. 13); Berta Porter, Rosalind L. B. Moss: ''Topographical Bibliography of Ancient Egyptian Hieroglyphic Texts, Reliefs and Paintings. III. Memphis''. 2. Auflage. Oxford University Press, Oxford 1974, S. 28–29 ([http://www.gizapyramids.org/pdf%20library/porter-moss_III_giza.pdf PDF 30,5 MB]); [http://mfa.org/collections/search_art.asp?recview=true&id=140084&coll_keywords=&coll_accession=&coll_name=Menkaure&coll_artist=&coll_place=&coll_medium=&coll_culture=&coll_classification=Sculpture&coll_credit=&coll_provenance=&coll_location=&coll_has_images=&coll_on_view=&coll_sort=2&coll_sort_order=0&coll_view=0&coll_package=0&coll_start=1 Boston Museum of Fine Arts]</ref>, das sich in [[Boston]] befindet. Das erhaltene Stück misst noch 80 cm; zu ihm gehört ein Königskopf von 30 cm Höhe, der sich in Brüssel befindet.<ref>Berta Porter, Rosalind L. B. Moss: ''Topographical Bibliography of Ancient Egyptian Hieroglyphic Texts, Reliefs and Paintings. III. Memphis''. 2. Auflage. Oxford University Press, Oxford 1974, S. 28−29 ([http://www.gizapyramids.org/pdf%20library/porter-moss_III_giza.pdf PDF 30,5 MB]); [http://www.ancient-egypt.org/kings/04/0406_mykerinos/art.html ancient-egypt.org]</ref> Es zeigt den König in der Mitte stehend, rechts von ihm eine weibliche Figur, wahrscheinlich Hathor, und links von ihm wohl wieder einen personifizierten Gau, der hier allerdings männlich dargestellt ist. Das zweite Bostoner Stück (09.200)<ref>Reisner, ''Mycerinus''. S. 109 (Nr. 9); Berta Porter, Rosalind L. B. Moss: ''Topographical Bibliography of Ancient Egyptian Hieroglyphic Texts, Reliefs and Paintings. III. Memphis''. 2. Auflage. Oxford University Press, Oxford 1974, S. 27 ([http://www.gizapyramids.org/pdf%20library/porter-moss_III_giza.pdf PDF 30,5 MB]); [http://mfa.org/collections/search_art.asp?recview=true&id=138424&coll_keywords=&coll_accession=&coll_name=Menkaure&coll_artist=&coll_place=&coll_medium=&coll_culture=&coll_classification=Sculpture&coll_credit=&coll_provenance=&coll_location=&coll_has_images=&coll_on_view=&coll_sort=2&coll_sort_order=0&coll_view=0&coll_package=0&coll_start=31 Boston Museum of Fine Arts]</ref> stellt eine völlig andere Figurenkomposition dar: Hier sitzt Hathor in der Mitte auf einem Thron, Mykerinos steht zu ihrer Linken, und die weibliche Personifizierung des 15. oberägyptischen Gaus (Hasengau) befindet sich dieses Mal zu ihrer Rechten. Ein ebenfalls in Boston befindliches Fragment (12.1514)<ref>Reisner, ''Mycerinus''. S. 110 (Nr. 14); [http://mfa.org/collections/search_art.asp?recview=true&id=140441&coll_keywords=&coll_accession=&coll_name=Menkaure&coll_artist=&coll_place=&coll_medium=&coll_culture=&coll_classification=Sculpture&coll_credit=&coll_provenance=&coll_location=&coll_has_images=&coll_on_view=&coll_sort=2&coll_sort_order=0&coll_view=0&coll_package=0&coll_start=1 Boston Museum of Fine Arts]</ref> könnte ursprünglich ähnlich wie das zuletzt genannte aufgebaut gewesen sein. Neben diesen Stücken existieren noch weitere, kleinere Fragmente aus Grauwacke, sowie solche aus [[Alabaster]]. Letztere lassen sich aber nur mit großer Unsicherheit zu Triaden rekonstruieren. Reisner vermutete, dass Grauwacke für die Triaden der oberägyptischen Gaue verwendet wurde, während Alabaster für die unterägyptischen vorgesehen war.<ref>Reisner, ''Mycerinus''. S. 110 (Nr. 15–16)</ref> === Weitere Statuen === {| class="wikitable" width="100%" |- | align="center" width="33%"|[[Datei:Menkaure and Chamerernebti II.jpg|x200px]] | align="center" width="33%"|[[Datei:Menkaura-FragmentarySeatedStatue MuseumOfFineArtsBoston.png|x200px]] | align="center" width="33%"|[[Datei:Menkaura-FragmentaryStatueHead MuseumOfFineArtsBoston.png|x200px]] |- | <small>Mykerinos und Chamerernebti II.; Ägyptisches Museum Kairo, Inv.-Nr. 11.1738</small> | <small>fragmentierte Sitzstatue; Boston Museum, Inv.-Nr. 09.202</small> | <small>Kopf des Mykerinos oder des Schepseskaf; Boston Museum, Inv.-Nr. 09.203</small> |} Neben den Triaden wurden im Taltempel noch zahlreiche weitere Statuen gefunden. Eine der bekanntesten ist eine hervorragend erhaltene Doppelstatue (Boston 11.1738)<ref>Reisner, ''Mycerinus''. S. 110 (Nr. 17); Berta Porter, Rosalind L. B. Moss: ''Topographical Bibliography of Ancient Egyptian Hieroglyphic Texts, Reliefs and Paintings. III. Memphis''. 2. Auflage. Oxford University Press, Oxford 1974, S. 29 ([http://www.gizapyramids.org/pdf%20library/porter-moss_III_giza.pdf PDF 30,5 MB]); [http://mfa.org/collections/search_art.asp?recview=true&id=230&coll_keywords=&coll_accession=&coll_name=Menkaure&coll_artist=&coll_place=&coll_medium=&coll_culture=&coll_classification=Sculpture&coll_credit=&coll_provenance=&coll_location=&coll_has_images=&coll_on_view=&coll_sort=2&coll_sort_order=0&coll_view=0&coll_package=0&coll_start=31 Boston Museum of Fine Arts]</ref>. Sie zeigt den König stehend mit dem [[Nemes-Kopftuch]], dem Kinnbart und einem Schurz. Zu seiner Linken steht eine Königin, wahrscheinlich Chamerernebti II. Sie legt Mykerinos ihren rechten Arm um die Schultern und fasst ihn mit der linken Hand am linken Oberarm. Die Statue ist aus Grauwacke und misst 139×57×54 cm. Darüber hinaus fand Reisner im Taltempel zwei unvollständig erhaltene Sitzstatuen aus Alabaster (Boston 09.202<ref>Reisner, ''Mycerinus''. S. 111 (Nr. 19); Berta Porter, Rosalind L. B. Moss: ''Topographical Bibliography of Ancient Egyptian Hieroglyphic Texts, Reliefs and Paintings. III. Memphis''. 2. Auflage. Oxford University Press, Oxford 1974, S. 29–30 ([http://www.gizapyramids.org/pdf%20library/porter-moss_III_giza.pdf PDF 30,5 MB]); [http://mfa.org/collections/search_art.asp?recview=true&id=138426&coll_keywords=&coll_accession=&coll_name=Menkaure&coll_artist=&coll_place=&coll_medium=&coll_culture=&coll_classification=Sculpture&coll_credit=&coll_provenance=&coll_location=&coll_has_images=&coll_on_view=&coll_sort=2&coll_sort_order=0&coll_view=0&coll_package=0&coll_start=1 Boston Museum of Fine Arts]</ref> und Kairo JE 40703<ref>Reisner, ''Mycerinus''. S. 110 (Nr. 18); Berta Porter, Rosalind L. B. Moss: ''Topographical Bibliography of Ancient Egyptian Hieroglyphic Texts, Reliefs and Paintings. III. Memphis''. 2. Auflage. Oxford University Press, Oxford 1974, S. 29 ([http://www.gizapyramids.org/pdf%20library/porter-moss_III_giza.pdf PDF 30,5 MB])</ref>), zwei unvollendete Sitzstatuen<ref>Reisner, ''Mycerinus''. S. 110 (Nr. 20–21)</ref>, einen Statuenkopf aus Alabaster (Kairo JE 40704)<ref>Reisner, ''Mycerinus''. S. 111 (Nr. 22); Berta Porter, Rosalind L. B. Moss: ''Topographical Bibliography of Ancient Egyptian Hieroglyphic Texts, Reliefs and Paintings. III. Memphis''. 2. Auflage. Oxford University Press, Oxford 1974, S. 30 ([http://www.gizapyramids.org/pdf%20library/porter-moss_III_giza.pdf PDF 30,5 MB])</ref>, der den König mit Nemes-Kopftuch zeigt, einen weiteren Statuenkopf aus Alabaster (Boston 09.203)<ref>Reisner, ''Mycerinus''. S. 112 (Nr. 23); Berta Porter, Rosalind L. B. Moss: ''Topographical Bibliography of Ancient Egyptian Hieroglyphic Texts, Reliefs and Paintings. III. Memphis''. 2. Auflage. Oxford University Press, Oxford 1974, S. 30 ([http://www.gizapyramids.org/pdf%20library/porter-moss_III_giza.pdf PDF 30,5 MB]); [http://mfa.org/collections/search_art.asp?recview=true&id=138427&coll_keywords=&coll_accession=&coll_name=Menkaure&coll_artist=&coll_place=&coll_medium=&coll_culture=&coll_classification=Sculpture&coll_credit=&coll_provenance=&coll_location=&coll_has_images=&coll_on_view=&coll_sort=2&coll_sort_order=0&coll_view=0&coll_package=0&coll_start=1 Boston Museum of Fine Arts]</ref>, der teilweise auch für ein Bildnis des Schepseskaf gehalten wird, ein Gesichtsfragment (Boston 11.717)<ref>Reisner, ''Mycerinus''. S. 112 (Nr. 24); Berta Porter, Rosalind L. B. Moss: ''Topographical Bibliography of Ancient Egyptian Hieroglyphic Texts, Reliefs and Paintings. III. Memphis''. 2. Auflage. Oxford University Press, Oxford 1974, S. 30 ([http://www.gizapyramids.org/pdf%20library/porter-moss_III_giza.pdf PDF 30,5 MB]); [http://mfa.org/collections/search_art.asp?recview=true&id=136507&coll_keywords=&coll_accession=&coll_name=Menkaure&coll_artist=&coll_place=&coll_medium=&coll_culture=&coll_classification=Sculpture&coll_credit=&coll_provenance=&coll_location=&coll_has_images=&coll_on_view=&coll_sort=2&coll_sort_order=0&coll_view=0&coll_package=0&coll_start=31 Boston Museum of Fine Arts]</ref>, zwei kopflose Statuetten, die den König stehend zeigen, davon eine aus [[Elfenbein]] (Boston 11.280a-b)<ref>Reisner, ''Mycerinus''. S. 114 (Nr. 48); Berta Porter, Rosalind L. B. Moss: ''Topographical Bibliography of Ancient Egyptian Hieroglyphic Texts, Reliefs and Paintings. III. Memphis''. 2. Auflage. Oxford University Press, Oxford 1974, S. 30 ([http://www.gizapyramids.org/pdf%20library/porter-moss_III_giza.pdf PDF 30,5 MB]); [http://mfa.org/collections/search_art.asp?recview=true&id=137972&coll_keywords=&coll_accession=&coll_name=Menkaure&coll_artist=&coll_place=&coll_medium=&coll_culture=&coll_classification=Sculpture&coll_credit=&coll_provenance=&coll_location=&coll_has_images=&coll_on_view=&coll_sort=2&coll_sort_order=0&coll_view=0&coll_package=0&coll_start=31 Boston Museum of Fine Arts]</ref> und eine aus [[Porphyr]] (Boston 11.739a-c)<ref>Reisner, ''Mycerinus''. S. 113 (Nr. 40); Berta Porter, Rosalind L. B. Moss: ''Topographical Bibliography of Ancient Egyptian Hieroglyphic Texts, Reliefs and Paintings. III. Memphis''. 2. Auflage. Oxford University Press, Oxford 1974, S. 30 ([http://www.gizapyramids.org/pdf%20library/porter-moss_III_giza.pdf PDF 30,5 MB]); [http://mfa.org/collections/search_art.asp?recview=true&id=136727&coll_keywords=&coll_accession=&coll_name=Menkaure&coll_artist=&coll_place=&coll_medium=&coll_culture=&coll_classification=Sculpture&coll_credit=&coll_provenance=&coll_location=&coll_has_images=&coll_on_view=&coll_sort=2&coll_sort_order=0&coll_view=0&coll_package=0&coll_start=31 Boston Museum of Fine Arts]</ref>, sowie 14 unvollendete Statuetten des sitzenden Königs, die sich teils in Kairo, teils in Boston und New York befinden.<ref>Reisner, ''Mycerinus''. S. 112–113; Berta Porter, Rosalind L. B. Moss: ''Topographical Bibliography of Ancient Egyptian Hieroglyphic Texts, Reliefs and Paintings. III. Memphis''. 2. Auflage. Oxford University Press, Oxford 1974, S. 30–31 ([http://www.gizapyramids.org/pdf%20library/porter-moss_III_giza.pdf PDF 30,5 MB]); [http://mfa.org/collections/search_art.asp?coll_keywords=&coll_accession=&coll_name=Menkaure&coll_artist=&coll_place=&coll_medium=&coll_culture=&coll_classification=Sculpture&coll_credit=&coll_provenance=&coll_location=&coll_has_images=&coll_on_view=&coll_sort=2&coll_sort_order=0&coll_view=0&coll_package=0&coll_start=31 Boston Museum of Fine Arts (S. 4–5)]</ref> {| class="wikitable" width="100%" |- | align="center" width="50%"|[[Datei:StagesInCarvingAStatue-AllDepictingPharaohMenkaura.png|x200px]] | align="center" width="25%"|[[Datei:Boston museum Egyptology USA.jpg|x200px]] | align="center" width="25%"|[[Datei:Menkaura-FragmentaryStatueTorso MuseumOfFineArtsBoston.png|x200px]] |- | <small>unvollendete Statuetten; Boston Museum</small> | <small>überlebensgroße Sitzstatue; Boston Museum, Inv.-Nr. 09.204</small> | <small>Torso einer Statue; Boston Museum, Inv.-Nr. 11.3146</small> |} Den reichhaltigen Funden aus dem Taltempel stehen nur wenige Stücke aus dem Totentempel gegenüber. Neben einigen kleineren Fragmenten aus Alabaster, Grauwacke und möglicherweise Kupfer fand Reisner nur zwei Statuen. Eine davon ist allerdings eine überlebensgroße Sitzstatue des Herrschers (Boston 09.204).<ref>Reisner, ''Mycerinus''. S. 108 (Nr. 1); Berta Porter, Rosalind L. B. Moss: ''Topographical Bibliography of Ancient Egyptian Hieroglyphic Texts, Reliefs and Paintings. III. Memphis''. 2. Auflage. Oxford University Press, Oxford 1974, S. 32–33 ([http://www.gizapyramids.org/pdf%20library/porter-moss_III_giza.pdf PDF 30,5 MB]); [http://mfa.org/collections/search_art.asp?recview=true&id=138532&coll_keywords=&coll_accession=&coll_name=Menkaure&coll_artist=&coll_place=&coll_medium=&coll_culture=&coll_classification=Sculpture&coll_credit=&coll_provenance=&coll_location=&coll_has_images=&coll_on_view=&coll_sort=2&coll_sort_order=0&coll_view=0&coll_package=0&coll_start=1 Boston Museum of Fine Arts]</ref> Sie besteht aus Alabaster und ist 235&nbsp;cm hoch. Die Statue wurde in mehreren Bruchstücken aufgefunden und ist in restauriertem Zustand ausgestellt. Die zweite Statue (Boston 11.3146)<ref>Reisner, ''Mycerinus''. S. 108 (Nr. 2); Berta Porter, Rosalind L. B. Moss: ''Topographical Bibliography of Ancient Egyptian Hieroglyphic Texts, Reliefs and Paintings. III. Memphis''. 2. Auflage. Oxford University Press, Oxford 1974, S. 33 ([http://www.gizapyramids.org/pdf%20library/porter-moss_III_giza.pdf PDF 30,5 MB]); [http://mfa.org/collections/search_art.asp?recview=true&id=140083&coll_keywords=&coll_accession=&coll_name=Menkaure&coll_artist=&coll_place=&coll_medium=&coll_culture=&coll_classification=Sculpture&coll_credit=&coll_provenance=&coll_location=&coll_has_images=&coll_on_view=&coll_sort=2&coll_sort_order=0&coll_view=0&coll_package=0&coll_start=31 Boston Museum of Fine Arts]</ref> besteht ebenfalls aus Alabaster, ist nur etwa zwei Drittel lebensgroß und nur sehr unvollständig erhalten. Lediglich der [[Torso]] ist in einem guten Zustand. Bei weiteren Funden königlicher Statuen, die auf dem Westfriedhof der [[Cheops-Pyramide]] gemacht wurden, ist unklar, ob es sich um Mykerinos oder um Chephren handelt.<ref>[http://mfa.org/collections/search_art.asp?coll_keywords=&coll_accession=&coll_name=Menkaure&coll_artist=&coll_place=&coll_medium=&coll_culture=&coll_classification=Sculpture&coll_credit=&coll_provenance=&coll_location=&coll_has_images=&coll_on_view=&coll_sort=2&coll_sort_order=0&coll_view=0&coll_package=0&coll_start=1 Boston Museum of Fine Arts (S. 1–3)]</ref> Auch außerhalb Gizehs wurden zwei Statuen des Mykerinos gefunden. Die erste stammt aus der Umgebung des [[Ptah]]-Tempels in [[Memphis (Ägypten)|Memphis]]. Sie hat eine Höhe von 55&nbsp;cm und besteht aus hellgrauem Diorit mit schwarzen Sprenkeln. Der König ist auf einem Thron sitzend dargestellt und trägt das Nemes-Kopftuch. Diese Statue befindet sich heute im Ägyptischen Museum in Kairo (Kairo CG 42).<ref>Ludwig Borchardt: ''Catalogue Général des Antiquités Égyptiennes du Musée de Caire. Statuen und Statuetten von Königen und Privatleuten. Teil 1''. Berlin 1911, S. 39</ref> Die zweite Statue wurde 2004 im Besitz eines Antikenhändlers in [[Luxor]] ausfindig gemacht. Ihr ursprünglicher Herkunftsort ist unbekannt. Die aus Diorit gefertigte Statue ist 66 cm hoch, 19,5 cm breit und 25 cm tief. Mykerinos ist sitzend auf einem lehnenlosen Thron dargestellt. Er trägt einen Schurz und das Nemes-Kopftuch.<ref>Zahi Hawass: ''A Statue of Menkaure Found in Luxor''. In: Eva-Maria Engel, Vera Müller und Ulrich Hartung (Hrsg.): ''Zeichen aus dem Sand. Streiflichter aus Ägyptens Geschichte zu Ehren von Günter Dreyer''. Menes, Bd. 5, Otto Harrassowitz Verlag, Wiesbaden 2008, S. 211–218. ([http://www.gizapyramids.org/pdf%20library/hawass_fs_dreyer_211-218.pdf PDF; 5,5 MB])</ref> == Mykerinos im Gedächtnis des Alten Ägypten == <div style="float: right;"><gallery widths="138" heights="200"> Datei:Menkaura-AnthropoidCoffinFragment-Drawing1840.png|Reste eines menschengestaltigen Holzsarges mit dem Namen des Mykerinos; Spätzeit </gallery></div> === Altes Reich === Für Mykerinos lässt sich ein Totenkult nachweisen, der bis zum Ende der [[6. Dynastie]] andauerte. Aus diesem Zeitraum sind 21 Totenpriester und mit dem Totenkult in Zusammenhang stehende Beamte belegt.<ref>Wildung: ''Rolle ägyptischer Könige''. S. 213–214</ref> Diese Anzahl ist zwar geringer als bei Cheops und Chephren mit 73<ref>Wildung: ''Rolle ägyptischer Könige''. S. 152–156</ref> bzw. 32<ref>Wildung: ''Rolle ägyptischer Könige''. S. 200–202</ref> Totenpriestern und Beamten, ist aber immer noch die dritthöchste der 4. Dynastie. Die wirtschaftliche Bedeutung des Totenkultes hatte unter Mykerinos allerdings stark nachgelassen. Für die Versorgung mit Opfergaben wurden üblicherweise zahlreiche landwirtschaftliche Güter ([[Staatsdomäne|Domänen]]) angelegt. So sind für Cheops 60<ref>Wildung: ''Rolle ägyptischer Könige''. S. 156–158</ref> und für Chephren 51<ref>Wildung: ''Rolle ägyptischer Könige''. S. 202–204</ref> Domänen bezeugt, für Mykerinos hingegen lediglich zwei.<ref>Wildung: ''Rolle ägyptischer Könige''. S. 215</ref> Im Totentempel des Mykerinos wurden Dekrete der Könige [[Merenre I.]] und [[Pepi II.]] gefunden, in denen der Priesterschaft gewisse [[Privileg]]ien zugestanden wurden. Der Name des Mykerinos ist hier stets mit dem [[Determinativ]] der sitzenden Königsstatue geschrieben, was darauf schließen lässt, dass der Kult zu dieser Zeit nicht mehr dem verstorbenen König, sondern lediglich dessen Statuen galt. Aus dem Dekret Pepis II. geht außerdem hervor, dass zu dieser Zeit Restaurierungsarbeiten am Totentempel vorgenommen wurden.<ref>Wildung: ''Rolle ägyptischer Könige''. S. 216–217</ref> === Mittleres und Neues Reich === In der [[13. Dynastie]] hielt Mykerinos Einzug in die religiösen [[Sargtexte]] und im Neuen Reich dann auch in das aus ihnen entstandene [[Ägyptisches Totenbuch|Totenbuch]]. Die Totenbuch-Sprüche 30 B, 64 und 148 enthalten in mehreren Handschriften eine Nachschrift, in der auf die angebliche Geschichte dieser Sprüche eingegangen wird. Sie werden als ein Werk des Gottes [[Thot]] angesehen und sollen unter der Herrschaft des Mykerinos durch den Prinzen [[Hordjedef]] gefunden worden sein.<ref>Wildung: ''Rolle ägyptischer Könige''. S. 217–221</ref> === Spätzeit === Der Totentempel der zum Cheops-Komplex gehörenden Königinnenpyramide G-I-c diente wahrscheinlich schon während der [[18. Dynastie]] als Heiligtum der [[Isis (Ägyptische Mythologie)|Isis]]. In der [[21. Dynastie]], während der Regierungszeit der Pharaonen [[Psusennes I.]] und [[Amenemope]], wurde dieser Tempel stark ausgebaut. Im Zuge des Isiskultes wurde auch wieder eine Priesterschaft für Cheops etabliert. Neben Cheops wurden auch vereinzelt andere Könige verehrt. Für Mykerinos sind aus der [[26. Dynastie]] zwei Priester bezeugt, die ebenfalls Priester des Cheops bzw. von dessen Pyramide waren. Durch zwei Siegelabdrucke ist aber auch ein aus der [[27. Dynastie]] stammender Priester namens Henat bezeugt, der lediglich den Titel ''Priester des Mykerinos'' trug. Mykerinos genoss also offenbar in der Spätzeit auch einen eigenständigen Kult.<ref>Wildung: ''Rolle ägyptischer Könige''. S. 168, 222–223</ref> In die [[26. Dynastie]] oder in spätere Zeit datiert ein hölzerner, menschengestaltiger Sarg, der in der vorderen Grabkammer der Mykerinos-Pyramide gefunden wurde und der wohl für eine Erneuerung der königlichen Bestattung vorgesehen war. Zusammen mit dem Sarg wurden auch Teile eines menschlichen Skeletts gefunden, das allerdings aus frühchristlicher Zeit stammt.<ref>Wildung: ''Rolle ägyptischer Könige''. S. 168, 223–224; Renate Germer: ''Überreste von Königsmumien aus Pyramiden des Alten Reiches – Gibt es sie wirklich?'' In: Sokar 7, 2003, S. 39</ref> == Griechische Überlieferungen == Der griechische Geschichtsschreiber [[Herodot]] (490/480 bis um 425 v. Chr.) überliefert nur einige [[Anekdote|anekdotenhafte]] Erzählungen über die drei in Gizeh bestatteten Könige. Cheops und Chephren werden von ihm als grausame [[Tyrann]]en beschrieben, die alle Tempel des Landes schlossen und das Volk zwangen, ihre Pyramiden zu errichten. Mykerinos hingegen wird von ihm als gütiger und mildtätiger Herrscher beschrieben, der die Tempel wieder für das Volk öffnete. Trotz seiner gerechten Herrschaft soll ihm laut Herodot viel Unglück widerfahren sein. Zuerst sei seine geliebte Tochter gestorben, die er daraufhin in [[Sais]] in einem kuhförmigen Sarg beisetzen ließ. Der zweite Schicksalsschlag war ein [[Orakel]], welches ihm [[Prophezeiung|prophezeite]], dass er nur noch sechs Jahre zu leben habe. Mykerinos, der es als ungerecht empfand, dass sein Leben so viel kürzer sein sollte als das seiner beiden tyrannischen Vorgänger, bekam hierfür die Erklärung, für Ägypten sei eine 150jährige Zeit der Unterdrückung vorgesehen gewesen, was Cheops und Chephren erkannt hätten, Mykerinos jedoch nicht.<ref>Herodot: ''Historien''. II, 129–134</ref> Bei [[Diodor|Diodor von Sizilien]] (1. Jh. v. Chr.) findet sich eine kürzere Beschreibung von Mykerinos, die mit den Angaben bei Herodot inhaltlich aber praktisch identisch ist.<ref>Diodor: ''Bibliotheca Historica''. I, 64 ([http://www.nubien.de/diodor6.shtml Onlineversion])</ref> Der [[Geographie|Geograf]] [[Strabon]] (um 63 v. Chr. bis nach 23 n. Chr.) schließlich erwähnt Mykerinos nicht, berichtet allerdings von einer Legende, die sich um dessen Pyramide rankte. Darin heißt es, sie sei das Grabmal einer Frau namens Rhodopsis. Als diese einmal badete, sei ein Adler gekommen, habe einen ihrer Schuhe mit sich genommen und ihn einem nicht namentlich genannten König in den Schoß geworfen, der gerade in [[Memphis (Ägypten)|Memphis]] Recht sprach. Der König ließ daraufhin nach der Besitzerin des Schuhs suchen und fand sie in [[Naukratis]]. Er machte sie zu seiner Gemahlin und ließ ihr schließlich die besagte Pyramide errichten.<ref>Strabo: Geographika. 17. Buch, I, 33 ([http://www.chufu.de/Strabon/31-35.htm Onlineversion])</ref> == Moderne Rezeption == Der englische Dichter [[Matthew Arnold]] verfasste 1849 ein Gedicht mit dem Titel ''Mycerinus''<ref>[http://rpo.library.utoronto.ca/poem/97.html Onlineversion]</ref>, in dem er Herodots Überlieferung des angeblichen Orakelspruches thematisierte. Der französische Schriftsteller und Archäologe [[Guy Rachet]] veröffentlichte in den Jahren 1997 und 1998 fünf Romane über die Pyramidenbauer der 4. Dynastie. Der letzte Band ''Die göttliche Pyramide'' beschäftigt sich mit Mykerinos. Nach Mykerinos sind zwei [[Asteroidengürtel|Hauptgürtel]]-[[Asteroid]]en benannt: [[(4413) Mycerinos]] und [[Menkaure (Asteroid)|(4568) Menkaure]]. == Verweise == === Literatur === '''Allgemeines''' * Peter A. Clayton: ''Die Pharaonen''. Bechtermünz Verlag, Augsburg 1994, S. 31, 45, 49, 55f., 58, 59, 60f. ISBN 3-8289-0661-3 * Jean-Jacques Fiechter: ''Mykérinos le dieu englouti''. Maisonneuve & Larose, Paris 2001, ISBN 2-7068-1488-8 ([http://books.google.de/books?id=ohWU-ck97OUC&printsec=frontcover&dq=Myk%C3%A9rinos:+le+dieu+englouti+%09+Myk%C3%A9rinos:+le+dieu+englouti&as_brr=3&sig=ACfU3U07VGV-gIMv6evAbilwvlrQa9uC5w#PPP1,M1 Onlineversion]) * Thomas Schneider : ''Lexikon der Pharaonen''. Albatros Verlag, Düsseldorf 2002, S. 163–164 ISBN 3-491-96053-3 '''Zum Namen''' * Jürgen von Beckerath: ''Handbuch der ägyptischen Königsnamen''. Deutscher Kunstverlag, München-Berlin 1984, S. 52, 179–180 ISBN 3-422-00832-2 * Peter Kaplony: ''Die Rollsiegel des Alten Reiches''. Fondation Egyptologique, Brüssel 1981, Band III, Tafel 34,35 '''Zur Pyramide''' * Zahi Hawass: ''Die Schätze der Pyramiden''. Weltbild Verlag, Augsburg 2003, S. 134–137 ISBN 3-8289-0809-8 * Mark Lehner: ''Geheimnis der Pyramiden''. Econ Verlag, Berlin 1997, S. 134–137, ISBN 3-572-01261-9 * George Andrew Reisner: ''Mycerinus. The Temples of the Third Pyramid at Giza''. Harvard University Press, Cambridge (Massachusetts) 1931 ([http://www.gizapyramids.org/pdf%20library/reisner_gn_books/mycerinus/reisner_mycerinus.pdf PDF; 176 MB]) * Rainer Stadelmann: ''Die ägyptischen Pyramiden''. Zabern Verlag, Mainz 1991 S. 140–152 u. Tff. 54–59a ISBN 3-8053-1142-7 * Rainer Stadelmann: ''Die großen Pyramiden von Giza''. 1990, S. 192–204 u. Abb. 125–134, 143–153 * Miroslav Verner: ''Die Pyramiden''. Rowohlt Verlag, Reinbek 1999, S. 272–285, ISBN 3-499-60890-1 ''Für weitere Literatur zur Pyramide siehe unter [[Mykerinos-Pyramide#Literatur|Mykerinos-Pyramide]]''. '''Detailfragen''' * Jürgen von Beckerath: ''Chronologie des pharaonischen Ägypten''. Zabern Verlag, Mainz 1997, S. 26, 28, 33–34, 39, 155–159, 175, 179, 188 ISBN 3-8053-2310-7 * Aidan Dodson, Dyan Hilton: ''The Complete Royal Families of Ancient Egypt''. The American University in Cairo Press, London 2004, S. 52–61, ISBN 977-424-878-3 * Peter Lacovara, Nicholas Reeves: ''Revue d´Egyptologie 38''. 1987, S. 111–115 * Miroslav Verner: ''Archaeological Remarks on the 4th and 5th Dynasty Chronology''. In: ''Archiv Orientální'', Bd. 69, Prag 2001, S. 363–418 ([http://www.gizapyramids.org/pdf%20library/verner_archiv_or_69.pdf PDF; 31 MB]) * [[Dietrich Wildung]]: ''Die Rolle ägyptischer Könige im Bewußtsein ihrer Nachwelt. Teil I. Posthume Quellen über die Könige der ersten vier Dynastien''. Münchener Ägyptologische Studien, Bd. 17, Deutscher Kunstverlag, München/Berlin, 1969, S. 213–224 === Weblinks === {{Commons|Category:Menkaura|Mykerinos}} * [http://www.digitalegypt.ucl.ac.uk/chronology/kingmykerinos.html Mykerinos auf Digital Egypt (engl.)] * [http://www.ancient-egypt.org/kings/04/0406_mykerinos/history.html Informationen über Mykerinos, seine Pyramide und seine Statuen (engl.)] * [http://guardians.net/hawass/menkaure.htm Zahi Hawass: Menkaure (engl.)] == Anmerkungen == <references group="A"/> === Einzelnachweise === <references/> <br /> {{Folgenleiste |VORGÄNGER=[[Bicheris]] |NACHFOLGER=[[Schepseskaf]] |AMT=[[Liste der Pharaonen|Pharao von Ägypten]] |ZEIT=[[Altes Reich (Ägypten)|4. Dynastie]] }} {{Exzellent}} [[Kategorie:Altägyptischer König (Altes Reich)]] [[Kategorie:26. Jahrhundert v. Chr.]] [[Kategorie:Mann]] [[Kategorie:Geboren im 26. Jahrhundert v. Chr.]] [[Kategorie:Gestorben im 26. Jahrhundert v. Chr.]] {{Personendaten |NAME=Mykerinos |ALTERNATIVNAMEN= |KURZBESCHREIBUNG=altägyptischer König der 4. Dynastie |GEBURTSDATUM=vor 2539 v. Chr. |GEBURTSORT= |STERBEDATUM=um 2511 v. Chr. |STERBEORT= }} [[ar:من كاو رع]] [[arz:من كاو رع]] [[bg:Микерин]] [[br:Menkaoura]] [[ca:Menkaure]] [[cs:Menkaure]] [[en:Menkaura]] [[eo:Micerino]] [[es:Micerino]] [[eu:Mizerino]] [[fi:Menkaure]] [[fr:Mykérinos]] [[gl:Micerinos]] [[hr:Mikeren]] [[hu:Menkauré]] [[id:Menkaura]] [[it:Kakhet]] [[ko:멘카우레]] [[lt:Mikerinas]] [[nl:Menkaura]] [[oc:Menkaorà]] [[pl:Mykerinos]] [[pt:Menkauré]] [[ro:Menkaura]] [[ru:Микерин]] [[sh:Mikerin]] [[sr:Микерен]] [[sv:Menkaura]] [[tr:Mikerinos]] [[vi:Menkaure]] [[zh:孟卡拉]] ffyvqz3risaxgp8cah1kjt79bz1ctj4 wikitext text/x-wiki Myxobolus cerebralis 0 23970 26568 2010-03-30T08:50:21Z LinkFA-Bot 0 Bot: [[Template:Link GA|Link GA]] +es <!-- Für Informationen zum Umgang mit dieser Tabelle siehe bitte [[Wikipedia:Taxoboxen]]. --> {{Taxobox | Taxon_WissName = Myxobolus cerebralis | Taxon_Rang = Art | Taxon_Autor = [[Bruno Hofer|Hofer]], 1903 | Taxon2_WissName = Myxobolus | Taxon2_Rang = Gattung | Taxon3_WissName = Myxobolidae | Taxon3_Rang = Familie | Taxon4_WissName = Myxozoa | Taxon4_Rang = ohne Rang | Taxon5_WissName = Incertae sedis | Taxon5_Rang = ohne Rang | Taxon6_Name = Nesseltiere | Taxon6_WissName = Cnidaria | Taxon6_Rang = Stamm | Bild = Fdl17-9-grey.jpg | Bildbeschreibung = ''Myxobolus cerebralis'' }} '''''Myxobolus cerebralis''''' ist ein [[Parasit]] aus der Gruppe der [[Myxozoa]]. Er befällt [[Forellenfische]] (Salmonidae) wie [[Forelle]]n, [[Saiblinge]] und [[Lachse]] und verursacht bei ihnen die ''Drehkrankheit''. Die frühesten Beschreibungen der Krankheit stammen von Beständen der [[Regenbogenforelle]] in Deutschland um 1900, die Erstbeschreibung des Parasiten durch [[Bruno Hofer]] erfolgte 1903. Seitdem hat sich die Krankheit weltweit ausgebreitet und ist nun unter anderem in fast ganz Europa einschließlich [[Russland]]s, in den [[USA]] und in [[Südafrika]] verbreitet. In den 1980er Jahren wurde bekannt, dass der Parasit für seine Entwicklung ''[[Tubifex tubifex]]'', einen [[Ringelwürmer|Ringelwurm]] aus der Gruppe der [[Tubificidae]] als Zwischenwirt benötigt. Seinen Endwirt, den Fisch, befällt er, indem er einen Polfaden aus einer Kapsel, die einer [[Nesselzelle|Nesselkapsel]] ähnelt, ausschleudert, der in die Haut des Wirtes eindringt. ''Myxobolus cerebralis'' war die erste Art der Myxozoa, die wissenschaftlich beschrieben wurde. == Morphologie == ''M. cerebralis'' kommt in verschiedenen morphologischen Stadien vor, die ein Spektrum von einzelnen Zellen bis zu relativ komplexen Sporen aufweisen. Einige der Stadien sind heute noch nicht vollständig erforscht. === Triactinomyxon-Stadium === Das Triactinomyxon-Stadium ist das Stadium, in dem die Fische parasitiert werden. Es besteht aus einer langen Schale von etwa 150 Mikrometern Länge und drei langen Fortsätzen oder „Schwänzen“, die jeweils 200 Mikrometer lang sind. Am Ende der langen Schale befindet sich ein [[Sporoplasma]]-Paket mit 64 [[Keimzelle]]n, die von weiteren Zellen umhüllt sind. Außerdem existieren drei Polkapseln, die jeweils ein aufgewickeltes Polfilament mit einer Länge von 170 bis 180 Mikrometer enthalten. Diese Filamente können sowohl in diesem als auch im Myxospora-Stadium abgeschossen werden und eine Öffnung im Gewebe des Fisches bilden, in die das Sporoplasma eindringt. === Sporoplasma-Stadium === Nach dem Kontakt mit dem Fisch und dem Abschuss der Polfilamente dringt das Sporoplasma, welches aus [[Amöbe|amöboiden]] Zellen besteht, in das Gewebe ein. Hier teilt es sich [[Mitose|mitotisch]] und produziert auf diesem Weg weitere amöboide Zellen, welche weiter in das Gewebe bis in das [[Nervengewebe]] vordringen. === Myxospora-Stadium === Im Zellgewebe innerhalb des Wirtes entstehen linsenförmige Myxospora mit einem Durchmesser von etwa 10 Mikrometern, die aus jeweils sechs Zellen bestehen. Zwei dieser Zellen bilden Polkapseln, zwei weitere verändern sich in ein zwei[[Zellkern|kerniges]] Sporoplasma und die beiden letzten bilden wieder eine Hülle darum, die als [[Valve]] bezeichnet wird. Diese Myxospora dringen in die Zwischenwirte, die Tubificiden, die sich von den Resten der gestorbenen Fische ernähren, ein. == Lebenszyklus == ''Myxobolus cerebralis'' ist ein Parasit mit [[Generationswechsel]], der für seine Entwicklung zwei unterschiedliche Wirte benötigt: einen Forellenfisch und einen Tubificiden. Der bislang einzige bekannte Wurm, in dem sich ''Myxobolus cerebralis'' entwickeln kann, ist dabei ''Tubifex tubifex'', wobei dieser eventuell keine einzelne Art, sondern einen Artenkomplex darstellt. Die Würmer nehmen die Myxosporen auf, wenn sie sich von dem Gewebe der toten, infizierten Fische ernähren. Im Darm der Würmer verankern sich die Myxosporen durch das Polfilament in der Innenauskleidung. Hier öffnen sich die Valven und das zweikernige Zellgewebe verlässt die Schalen und dringt zwischen die [[Epithelium|Epithel-]] Zellen des Darmes ein. Die Keimzellen vermehren sich und produzieren weitere amöboide Zellen durch einen asexuellen Mechanismus der als [[Merogonie]] bekannt ist. Durch diesen Prozess können durch einen einzigen aufgenommenen Parasiten die Zellzwischenräume von 10 hintereinanderliegenden Segmenten des Wurmes infiziert werden. Denn man vermutet, dass hier vollständige Zellen aus Zellteilen gebildet werden können. Nach 60 bis 90 Tagen bilden sich sexuelle Stadien des Parasiten, die Sporen in Form von Pansporocyten bilden, die jeweils acht Triactinomyxon-Stadien beinhalten. Diese verlassen den Wurm durch dessen Darmausgang in das freie Wasser und können hier einen Fisch über die Haut infizieren. Betroffene Tubificiden können auf diesem Weg über ein Jahr lang adulte Triactinomyceten ausscheiden. Alternativ können auch Fische infiziert werden, die Tubificiden mit Parasiten fressen. In diesem Fall geschieht die [[Infektion]] durch die Darmwand. Dieser Vorgang dauert nur einige Sekunden, in denen der Fisch erst von den Polfilamenten penetriert und mit dem Sporoplasma infiziert wird. Innerhalb einiger Stunden beginnt die asexuelle Zellteilung des Sporoplasmas in weitere amöboide Zellen, die sich im Fischgewebe ausbreiten. Im Fisch reproduzieren sich die Parasiten durch eine asexuelle [[Endogonie]], bei der in alten Parasitenzellen neue Zellen entstehen. Das Endstadium im Fisch bildet das Myxospora-Stadium. Dieses wird erst wieder freigesetzt, wenn der Fisch gestorben ist und sich zersetzt oder wenn er gefressen wird. Nach neueren Erkenntnissen ist es allerdings vielleicht auch möglich, dass Myxosporen abgegeben werden, während der Fisch noch lebt. Die Myxosporen sind sehr resistent gegenüber Umwelteinflüssen. In Experimenten konnte nachgewiesen werden, dass die Sporen auch überleben, wenn sie für drei Monate bei -20 Grad Celsius eingefroren werden. Im [[Schlamm]] bleiben sie für etwa 5 Monate infektiös und auch eine Darmpassage bei Enten überstehen sie unbeschädigt. Die Triactinomyxone leben dagegen maximal 34 Tage, abhängig von der Temperatur. == Pathologie == [[Bild:Deformed Brook Trout.jpg|thumb|300px|Deformierter Bachsaibling]] Die Drehkrankheit tritt bei Jungfischen auf und verursacht eine [[Deformierung]] des [[Skelett]]s sowie eine Schädigung des [[Zentrales Nervensystem|Zentralen Nervensystems]]. Dadurch ist es den Fischen nicht mehr möglich, normal durch das Wasser zu schwimmen, stattdessen bewegen sie sich spiralig vorwärts. Sie werden leichter zur Beute für Räuber und können nur sehr erschwert jagen. Etwa 90 Prozent der befallenen Fische sterben als „Fingerlinge“ und die überlebenden Tiere bleiben sowohl im Skelett als auch im Gewebe deformiert. Die Parasiten leben weiter in den Fischen bis zu deren natürlichem Tod, nachdem sie wieder ins Freiwasser entlassen werden. Durch die hohe [[Mortalität]]srate gehört ''Myxobolus cerebralis'' zu den gefährlichsten Erregern und zugleich größten wirtschaftlichen Schädlingen der [[Fischwirtschaft]]. Eine Übertragung auf den Menschen ist nicht möglich. Bislang wurde die Infektion mit ''Myxobolus cerebralis'' bei einer Reihe von Arten der Forellenfische nachgewiesen. Sicher ist die Infektion bei acht Arten der Gattung ''[[Salmo]]'', vier Arten der Gattung ''[[Oncorhynchus]]'', vier Arten der [[Saiblinge]] (''Salvelinus'') sowie der [[Europäische Äsche|Europäischen Äsche]] (''Thymallus thymallus'') und dem [[Huchen]] (''Hucho hucho''). Eine Schädigung der Fische erfolgt durch das Eindringen der Parasiten und deren Ausbreitung im Gewebe sowie dadurch, dass sich die Parasiten vom Fischgewebe ernähren. Äußerlich erkennbar kommt es zu einer Dunkelfärbung der Schwanzflosse und zu Skelettdeformierungen durch die Gewebezerstörung an den sich bildenden Knochen. Außerdem treten die beschriebenen Schwimmstörungen auf, die für die Drehkrankheit namensgebend sind und durch Beschädigungen des [[Rückenmark]]s und des [[Hirnstamm]]s hervorgerufen werden. Die inneren Organe sind im Normalfall unbeschädigt, Gewebeschäden sind allerdings im Muskelgewebe erkennbar. Experimentell konnte nachgewiesen werden, dass das [[Immunsystem]] der Fische zwar eindringende Sporen bekämpft und auch abtöten kann, dass es jedoch keine Immunreaktion mehr gibt, sobald sich die Parasiten im Nervensystem etabliert haben. Die Immunreaktion ist dabei artabhängig. Für die Wurmart ''Tubifex tubifex'' ist der Parasitenbefall nicht tödlich. Hier kommt es vor allem zu einer Beschädigung der Darmschleimhäute durch das Entlassen der Parasiten aus der Darmwand. Da dies in einem Wurm mehrere tausend Male passiert, kommt es auch zu einer Beeinträchtigung der Nahrungsaufnahme. Infizierte Würmer sind meistens kleiner und weniger stark gefärbt als uninfizierte Vertreter. Die Parasiten verlassen den Wurm nur bei Wassertemperaturen zwischen 10 und 15 °C, sodass Fische in kälteren oder wärmeren Gewässern nicht infiziert werden können. Entsprechend schwankt die Befallsrate auch jahreszeitlich. === Anfälligkeit === Die Anfälligkeit der Fische für den Parasitenbefall ist abhängig von ihrem Alter, ihrer Größe und natürlich von der Konzentration der Parasitensporen im Wasser. Außerdem spielt die Wassertemperatur eine große Rolle. Am anfälligsten sind Fische mit einem Alter von weniger als fünf Monaten, bei denen das Skelett noch nicht vollständig verknöchert ist. Dadurch werden die Tiere auch anfälliger für Deformationen. Auch die Artzugehörigkeit der Fische spielt eine bedeutende Rolle. In Untersuchungen konnte festgestellt werden, dass etwa Regenbogenforellen und [[Bachsaibling]]e deutlich häufiger parasitiert sind als andere Forellenarten während der [[Königslachs]], die [[Bachforelle]] und die [[Arktische Äsche]] kaum betroffen waren. Die Bachforelle zeigt zudem kaum Symptome bei einem Befall mit dem Parasiten, weshalb man davon ausgeht, dass es sich hierbei um den Originalwirt handelt. Die großflächige Verbreitung des Parasiten ist demnach erst aufgetreten, als die Bachforelle mit eingeführten neuen Arten wie der Regenbogenforelle ([[Neozoen]]) in Berührung kam, die für die Erkrankung anfälliger sind. === Diagnose === [[Bild:Whirling disease pathology.jpg|thumb|240px|Gewebe einer Forelle mit Läsionen und sich entwickelnden Sporen]] Eine starke bis sehr starke Infektion mit den Parasiten kann äußerlich bereits an den angesprochenen Deformationen sowie der Verhaltensänderung erkannt werden. Dies geschieht im Normalfall 35 bis 80 Tage nach der Infektion, allerdings kann auch eine Unterversorgung mit [[Tryptophan]] oder [[Ascorbinsäure]] ähnliche Auswirkungen haben. Eine eindeutige Diagnose ist also nur möglich, wenn Myxosporen im Gewebe der Fische nachgewiesen werden. Bei starkem Befall ist dieser Nachweis bei einer Gewebeuntersuchung mit einem [[Mikroskop]] leicht möglich. Bei geringerem Befall wird eine Probe des Gewebes mit den [[Protease]]n [[Pepsin]] und [[Trypsin]] anverdaut, um die Sporen erkennbar zu machen. Das Gewebe wird nachfolgend auf typische Kennzeichen der ''Myxobolus-cerebralis''-Infektion untersucht. Auch eine [[Serologie|serologische]] Untersuchung des Gewebes mit Hilfe von spezifischen [[Antikörper]]n ist möglich. Eine sichere Methode ist ebenfalls die Suche nach spezifischen Genen im Gewebe, wobei nach einer [[Polymerase-Kettenreaktion]] mit speziellen [[Marker]]n nach einem bekannten Gen auf der 18S [[rRNA]] gesucht wird. Diese Untersuchungen werden routinemäßig in verschiedenen Regionen durchgeführt, vor allem dort, wo der Parasit größeren Schaden anrichten kann. In [[Australien]] und [[Kanada]], wo bislang noch keine Parasiten aufgetreten sind, werden die Tests eingesetzt, um frühzeitig einen Befall erkennen und bekämpfen zu können. == Ausbreitung == [[Bild:Worldwide distribution of Mcerebralis.png|thumb|260px|''M. cerebralis'' ist bekannt in Deutschland (1893), Italien (1954), Russland (1955), USA (1958), Bulgarien (1960), Jugoslawien (1960), Schweden (1966), Südafrika (1966), Schottland (1968), Neuseeland (1971), Ecuador (1971), Norwegen (1971), Kolumbien (1972), Libanon (1973), Irland (1974), Spanien (1981) und England (1981)]] Während ''Myxobolus cerebralis'' lange Zeit nur ein eher harmloser Fischparasit der Bachforelle in Europa und einiger weniger weiterer Arten in Asien war, hat er sich durch die starke weltweite Ausbreitung der Regenbogenforelle ebenfalls verbreitet. Mit einer Erhöhung der Anzahl parasitierter Regenbogenforellen nahm auch die Anzahl der gebildeten Sporen zu, sodass die Gewässer stärker durchseucht wurden. Mit der sehr viel höheren Anzahl der Parasiten wurde nun auch der Infektionsdruck auf die weniger anfälligen Arten größer; auch diese konnten nun vom Parasiten erheblich dezimiert werden. In einigen Gebieten führte dies zu einem starken Rückgang der Fischpopulationen oder gar zu einem vollständigen Verschwinden einzelner Arten. === Ausbreitung in Europa === Wie bereits angesprochen stellt Europa den natürlichen Verbreitungsraum des Parasiten dar und hier heimische Arten sind an die Parasitierung durch ''Myxobolus cerebralis'' angepasst. Die Erkrankung läuft bei diesen Arten also im Regelfall sehr mild und ohne erkennbare Symptome ab. Erst durch die sehr anfällige Regenbogenforelle konnte sich der Parasit drastisch ausbreiten. Dabei gibt es nur sehr wenige wilde Populationen dieser Fische in europäischen Gewässern, vielmehr werden die Bestände regelmäßig durch [[Sportfischerei|Sportfischer]] ergänzt, da die Forellen beliebte Angeltiere sind. Als Reaktion auf die starke Parasitierung wurden in Europa entsprechend die Zuchtverhältnisse angepasst. Die Aufzucht der Jungfische erfolgt in Wasser, welches sicher sporenfrei ist und eine Freisetzung erfolgt erst, wenn die Verknöcherung des Skeletts vollkommen abgeschlossen ist und die Tiere entsprechend nicht mehr anfällig für die Parasiten sind. === Ausbreitung in Neuseeland === In Neuseeland wurden die ersten Parasiten im Jahr 1971 entdeckt, wobei sich die Funde nur auf Flüsse der Südinsel beschränkten und damit keine Nähe zu den ökonomisch wichtigen Fischbeständen und -zuchten bestand. Die heimischen Forellenfische waren zudem nicht anfällig für den Parasiten, sodass eine größere Ausbreitung ausblieb. Die Entdeckung führte jedoch zu starken Exporteinschränkungen von Fischen in den Nachbarstaat Australien, wo eine Einfuhr des Parasiten verhindert werden soll. === Ausbreitung in den USA === [[Bild:US Range of Mcerebralis.png|thumb|260px|In den USA sind über 20 Staaten betroffen]] In Nordamerika wurde ''Myxobolus cerebralis'' erstmals 1956 in [[Pennsylvania]] entdeckt. Der Parasit war durch Fischimporte aus Europa eingeführt worden und verbreitet sich seitdem vor allem süd- und westwärts. Bis in die 1990er Jahre stellte die [[Drehkrankheit]] nur in den Fischzuchtanstalten der Regenbogenforellen ein Problem dar, welches zeitweise recht leicht unter Kontrolle gehalten werden konnte. Seitdem hat sich der Parasit jedoch in den natürlichen Gewässern einiger Gebiete vollständig etabliert und stellt vor allem in den Gebieten der Staaten an den [[Rocky Mountains]] ([[Colorado]], [[Wyoming]], [[Utah]], [[Montana]], [[Idaho]], [[New Mexico]]) ein ernsthaftes Problem dar. In einigen Flüssen dieser Gebiete ging der Bestand der Forellen und Lachse um bis zu 90 Prozent zurück. Vor allem die Gebiete, in denen die Sportfischerei einen großen Anteil der [[Tourismus]]einnahmen ausmacht, sind von der Drehkrankheit betroffen. So wird etwa der Schaden in Montana auf etwa 300 Millionen US-Dollar geschätzt. Hinzu kommt, dass einige der betroffenen Forellenarten mittlerweile vom [[Aussterben]] bedroht und in einigen Regionen vollständig verschwunden sind. == Bekämpfung == Um die Epidemie der Parasiten unter Kontrolle zu bekommen, haben einige Biologen begonnen, Wege zu suchen, mit denen die Sporen effektiv bekämpft werden können. Es soll vor allem ein Weg gefunden werden, wie man die Polkapseln dazu bringt, vorzeitig die Polfäden abzuschießen, sodass diese dann nicht mehr gegen Fische eingesetzt werden können. Bei Laborversuchen konnte festgestellt werden, dass die Sporen nur bei hohen Konzentrationen von [[Säure]]n oder [[Base (Chemie)|Basen]], Salzzugabe oder Elektrizität mit einem Abschuss reagierten. Weder [[Neurochemikalien]], Stoffe, die bei Nesseltieren die Kapseln sensitivieren, noch der Schleim der Forellen, Betäubungsmittel oder tote Fische lösten die Kapseln aus. Auch wenn Stoffe gefunden werden, die eine Auslösung bewirken, stellt sich die Frage, ob diese auch im Freiland eingesetzt werden können. Ein weiterer Ansatz nutzt die unterschiedliche Anfälligkeit von Fischen, die teilweise auch innerhalb der Arten sehr stark ausgeprägt ist. Mit Hilfe besonders resistenter [[Zuchtlinie]]n soll die Anfälligkeit der Fische in den Gewässern reduziert werden. Hinzu kommt, dass die Fischzucht dazu übergeht, keine potenziell verseuchten Sedimente mehr zu nutzen und so die Fischzuchtbecken frei von Parasiten zu halten, wie dies in Europa bereits erfolgreich durchgeführt werden konnte. Durch regelmäßige [[Desinfektion]]en des Substrates soll die Vermehrung der [[Tubificiden]] verringert oder komplett unterbunden werden. Auch vollständig substratfreie Becken, in denen sich keine Würmer halten können, sind im Gebrauch. Die medikamentöse Behandlung von Fischen ist ebenfalls eine Option, die jedoch nicht bei Wildfischpopulationen angewendet werden kann. Zur Auswahl stehen hier [[Furazolidon]], [[Furoxon]], [[Benomyl]], [[Fumagillin]], [[Proguanil]] und [[Clamoxyquin]]. In Experimenten konnte durch die Zufütterung mit Fumagillin eine Reduktion des Parasitenbefalls von ursprünglich 73 bis 90 Prozent auf 10 bis 20 Prozent bei Regenbogenforellen erreicht werden. == Taxonomie == Der wissenschaftliche Name ''cerebralis'' entstammt der frühen Vorstellung, dass der beschriebene Parasit vor allem das Zentrale Nervensystem und das [[Gehirn]] (Cerebrum) des Wirtes befällt. Nachdem man feststellte, dass dies nicht der Fall ist und der Parasit stattdessen im Gewebe und dort vor allem am Skelett zu finden ist, sollte er in ''Myxobolus chondrophagus'' umbenannt werden. Dies ist jedoch aufgrund der [[International Code of Zoological Nomenclature|zoologischen Nomenklaturregeln]] nicht möglich. Hinzu kam, dass man feststellte, dass es sich bei Organismen, die vorher als ''Triactinomyxon dubium'' und ''T. gyrosalmo'' in einer eigenen Klasse "Actinosporea" geführt wurden, um Stadien des ''Myxobolus cerebralis'' handelt (Triactinomyxon-Stadium), die entsprechend ebenfalls diesen Namen erhielten. == Literatur == <!-- Die folgende Literatur wurde für den Originaltext in englischer Sprache verwendet --> * Andree, K.B., MacConnell, E. and Hedrick, R.P. (1998): ''A nested polymerase chain reaction for the detection of genomic DNA of Myxobolus cerebralis in rainbow trout Oncorhynchus mykiss'', Diseases of Aquatic Organisms 34, 145–54 * Bartholomew, J.L. and Reno, P.W. 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Aus der Verfassung ergibt sich, dass –&nbsp;falls der [[Präsident der Vereinigten Staaten|Präsident]] aus irgendwelchen Gründen aus dem Amt scheidet&nbsp;– der [[Vizepräsident der Vereinigten Staaten|Vizepräsident]] nachrückt. Ist dieses Amt unbesetzt, so rücken nach dem ''Presidential Succession Act'' in dieser Reihenfolge der [[Sprecher des Repräsentantenhauses der Vereinigten Staaten|Sprecher]] des [[Repräsentantenhaus der Vereinigten Staaten|Repräsentantenhauses]], der [[Präsident pro tempore des Senats der Vereinigten Staaten|Präsident ''pro tempore'']] des [[Senat der Vereinigten Staaten|Senats]] und danach die Mitglieder des [[Kabinett der Vereinigten Staaten|Kabinetts]] in einer im Gesetz festgelegten Reihenfolge nach. Durch die Einfügung des [[25. Zusatzartikel zur Verfassung der Vereinigten Staaten|25.&nbsp;Zusatzartikels zur US-Verfassung]] 1967, der die Nachnominierung eines Vizepräsidenten ermöglicht, wurde es deutlich unwahrscheinlicher, dass die Liste zur Ersatznachfolge des Präsidenten zur Anwendung kommt. In der Geschichte der Vereinigten Staaten wurden bisher nur Vizepräsidenten Nachfolger von vorzeitig aus dem Amt geschiedenen Präsidenten. Da, anders als in [[Parlamentarisches Regierungssystem|parlamentarischen Regierungssystemen]], der Präsident im [[Politisches System der Vereinigten Staaten|amerikanischen politischen System]] vom Volk gewählt wird und eine Verkürzung der Amtszeit nicht erwünscht ist, bedarf es einer genauen Regelung, wie mit dem Wegfall des Präsidenten umzugehen ist: Eine einfache Nachwahl etwa durch das Parlament ist nicht möglich. Andererseits ist eine auch zeitlich lückenlose Ersatznachfolge unbedingt erforderlich, da der Präsident gleichzeitig [[Staatsoberhaupt]], [[Regierungschef]] und [[Oberbefehlshaber]] der [[Streitkräfte der Vereinigten Staaten|Streitkräfte]] ist: Eine Vakanz in diesem Amt würde die gesamte amerikanische Bundesexekutive lähmen. == Presidential Succession Act von 1947 == Da die Verfassung der Vereinigten Staaten nur die direkte Nachfolge des Vizepräsidenten vorsieht, enthielt der ursprüngliche Verfassungstext die Bestimmung, dass der Kongress durch einfaches Gesetz festlegen kann, wie im Falle des Wegfalls von Präsident und Vizepräsident weiterverfahren wird. Diese Möglichkeit hat er durch die Verabschiedung der drei ''Presidential Succession Acts'' (1792, 1886 und 1947) wahrgenommen. Das derzeit gültige Gesetz aus dem Jahr 1947 ist in Title 3, Chapter 1, Section 19 des [[United States Code]], der amtlichen Sammlung amerikanischen Bundesrechts, festgehalten: === Unterabsatz (a) === Unterabsatz (a) regelt, dass in allen Fällen, in denen weder Präsident noch Vizepräsident ihr Amt ausüben können, der Sprecher des Repräsentantenhauses als Präsident amtiert. Hierzu muss er jedoch aus diesem Parlamentsamt zurücktreten und sein Mandat niederlegen. Der Sprecher des Repräsentantenhauses ist der gewählte Vorsitzende der Kammer und dem Präsidenten des [[Deutscher Bundestag|Deutschen Bundestages]] vergleichbar. : (a) (1) If, by reason of death, resignation, removal from office, inability, or failure to qualify, there is neither a President nor Vice President to discharge the powers and duties of the office of President, then the Speaker of the House of Representatives shall, upon his resignation as Speaker and as Representative in Congress, act as President. : (2) The same rule shall apply in the case of the death, resignation, removal from office, or inability of an individual acting as President under this subsection. : ''(a) (1) Wenn aufgrund des Todes, des Rücktrittes, der Amtsenthebung, der Amtsunfähigkeit oder Fehlens der Wählbarkeit weder ein Präsident noch ein Vizepräsident zur Verfügung steht, um die Rechte und Pflichten des Amtes des Präsidenten auszuüben, amtiert der Sprecher des Repräsentantenhauses –&nbsp;nach seinem Rücktritt als Sprecher und als Mitglied des Repräsentantenhauses&nbsp;– als Präsident.'' : ''(2) Die gleiche Regel findet Anwendung im Fall des Todes, des Rücktrittes, der Amtsenthebung oder der Amtsunfähigkeit einer Person, die nach diesem Unterabsatz als Präsident amtiert.'' === Unterabsatz (b) === Unterabsatz (b) bestimmt, was passiert, wenn auch der Sprecher des Repräsentantenhauses das Amt nicht ausüben kann: In diesem Fall wird der vom Senat gewählte ''[[Präsident pro tempore des Senats der Vereinigten Staaten|Präsident Pro Tempore]]'' amtierender Präsident. Allerdings muss auch dieser zuvor von seinem Amt im Senat und von seinem Mandat als Senator zurücktreten. Präsident des Senates ist an sich der Vizepräsident. Dieser übt allerdings ausschließlich im Falle einer Stimmengleichheit ein Stimmrecht aus und sitzt den Verhandlungen im Senat nur selten vor. Der Senat wählt deswegen den Präsidenten Pro Tempore, der im Falle der Abwesenheit des Vizepräsidenten formal die Sitzungen leitet. Es handelt sich dabei stets um den dienstältesten Senator der Mehrheitspartei; dieser überträgt die tatsächliche Sitzungsleitung aber meist seinerseits auf einen jüngeren Senator. : (b) If, at the time when under subsection (a) of this section a Speaker is to begin the discharge of the powers and duties of the office of President, there is no Speaker, or the Speaker fails to qualify as Acting President, then the President pro tempore of the Senate shall, upon his resignation as President pro tempore and as Senator, act as President. : ''(b) Wenn zu der Zeit, zu welcher nach Unterabsatz (a) dieses Absatzes der Sprecher [des Repräsentantenhauses] die Ausübung der Rechte und Pflichten des Amtes des Präsidenten auszuüben beginnen müsste, kein Sprecher im Amt ist, oder wenn dem Sprecher die Wählbarkeit als amtierender Präsident fehlt, amtiert der Präsident Pro Tempore des Senats –&nbsp;nach seinem Rücktritt als Präsident Pro Tempore und als Senator&nbsp;– als Präsident.'' === Unterabsatz (c) === Unterabsatz (c) sieht vor, dass ein ''amtierender Präsident'' (also die durch dieses Gesetz als Nachfolger des Präsidenten bestimmte Person) grundsätzlich bis zum Ende der Amtsperiode die Befugnisse des Präsidenten ausübt. Allerdings gibt es zwei Ausnahmen von dieser Regel: Wenn Präsident oder Vizepräsident nur wegen des Fehlens der Wählbarkeit oder wegen einer Amtsunfähigkeit ausgefallen sind, übernehmen diese nach Beseitigung dieses Mangels ihre Ämter wieder. Der englische Begriff „failure to qualify“ kann auch bedeuten, dass noch kein Präsident gewählt ist: Wenn in der Volkswahl kein Kandidat die absolute Mehrheit der Wahlmännerstimmen erhält, so wird es Aufgabe des Repräsentantenhauses, einen Präsidenten zu wählen. Kann sich diese Kammer jedoch nicht bis zum Stichtag für den Amtsantritt (20. Januar) auf einen Präsidenten einigen, so unterliegt der Präsident dem „failure to qualify“. Also amtiert für die Zeit, bis die Kammer einen Präsidenten gewählt hat, ihr (bisheriger) Sprecher als Präsident. : (c) An individual acting as President under subsection (a) or subsection (b) of this section shall continue to act until the expiration of the then current Presidential term, except that – : (1) if his discharge of the powers and duties of the office is founded in whole or in part on the failure of both the [[Gewählter Präsident der Vereinigten Staaten|President-elect]] and the Vice-President-elect to qualify, then he shall act only until a President or Vice President qualifies; and : (2) if his discharge of the powers and duties of the office is founded in whole or in part on the inability of the President or Vice President, then he shall act only until the removal of the disability of one of such individuals. : ''(c) Eine Person, die nach Unterabsatz (a) oder (b) dieses Absatzes als Präsident amtiert, bleibt amtierender Präsident bis zum Ende der dann laufenden Amtszeit, mit folgenden Ausnahmen:'' : ''(1) Wenn ihre Ausübung der Rechte und Pflichten des Amtes vollständig oder teilweise auf dem Fehlen der Wählbarkeit sowohl des neugewählten Präsidenten wie des neugewählten Vizepräsidenten beruht, so bleibt die Person nur solange amtierender Präsident, bis ein Präsident oder ein Vizepräsident die Wählbarkeit erlangt hat.'' : ''(2) Wenn ihre Ausübung der Rechte und Pflichten des Amtes vollständig oder teilweise auf der Amtsunfähigkeit des Präsidenten oder Vizepräsidenten beruht, so bleibt die Person nur bis Wiederherstellung der Amtsfähigkeit einer dieser Personen amtierender Präsident.'' === Unterabsatz (d) === Unterabsatz (d) definiert ferner, was passiert, wenn auch der Präsident Pro Tempore des Senats das Amt nicht ausüben kann. In diesem Fall wird die Liste der Minister abgearbeitet. Auch eine solche Amtsübernahme bedarf des Rücktrittes als Minister, der durch das Ablegen des Amtseides automatisch eintritt. Ein Minister, der als Präsident amtiert, bleibt solange im Amt, bis die Amtszeit des Präsidenten ausläuft, es sei denn, dass sich vorher ein Präsident, Vizepräsident, Sprecher des Repräsentantenhauses oder Präsident Pro Tempore des Senates findet, der dann das Amt ausüben kann. Die Wiederherstellung der Amtsfähigkeit eines eigentlich höher stehenden Ministers (Beispiel: Der Außenminister war amtsunfähig, deshalb wurde der Finanzminister amtierender Präsident. Danach wird der Außenminister wieder amtsfähig.) beeinträchtigt den amtierenden Präsidenten nicht (im Beispiel bleibt der Finanzminister damit amtierender Präsident). : (d) (1) If, by reason of death, resignation, removal from office, inability, or failure to qualify, there is no President pro tempore to act as President under subsection (b) of this section, then the officer of the United States who is highest on the following list, and who is not under disability to discharge the powers and duties of the office of President shall act as President: Secretary of State, Secretary of the Treasury, Secretary of Defense, Attorney General, Secretary of the Interior, Secretary of Agriculture, Secretary of Commerce, Secretary of Labor, Secretary of Health and Human Services, Secretary of Housing and Urban Development, Secretary of Transportation, Secretary of Energy, Secretary of Education, Secretary of Veterans Affairs. : (2) An individual acting as President under this subsection shall continue so to do until the expiration of the then current Presidential term, but not after a qualified and prior-entitled individual is able to act, except that the removal of the disability of an individual higher on the list contained in paragraph (1) of this subsection or the ability to qualify on the part of an individual higher on such list shall not terminate his service. : (3) The taking of the oath of office by an individual specified in the list in paragraph (1) of this subsection shall be held to constitute his resignation from the office by virtue of the holding of which he qualifies to act as President. : ''(d) (1) Wenn aufgrund des Todes, des Rücktrittes, der Amtsenthebung, der Amtsunfähigkeit oder Fehlens der Wählbarkeit kein Präsident Pro Tempore zur Verfügung steht, um nach Unterabsatz (b) als Präsident zu amtieren, so amtiert derjenige Amtsträger der Vereinigten Staaten, der auf der folgenden Liste am höchsten steht und nicht gehindert ist, die Rechte und Pflichten des Amtes des Präsidenten auszuüben, als Präsident: Außenminister, Finanzminister, Verteidigungsminister, Generalstaatsanwalt (Justizminister), Innenminister, Landwirtschaftsminister, Handelsminister, Arbeitsminister, Gesundheitsminister, Bauminister, Verkehrsminister, Energieminister, Bildungsminister, Kriegsveteranenminister.'' : ''(2) Eine Person, die nach diesem Unterabsatz als Präsident amtiert, tut dieses bis zum Ende der dann laufenden Amtszeit, allerdings nicht, wenn zuvor eine wählbare und höher eingestufte Person amtieren kann, mit der Ausnahme, dass die Entfernung der Amtsunfähigkeit einer auf der Liste nach Paragraph (1) dieses Unterabsatzes höher eingestuften Person oder das Erlangen der Wählbarkeit einer Person, die auf ebendieser Liste steht, die Amtszeit des amtierenden Präsidenten nicht beendet.'' : ''(3) Die Ableistung des Amtseides durch eine in der Liste nach Paragraph (1) dieses Unterabsatzes gilt als Rücktritt von dem Amt, kraft dessen er für das Amt des amtierenden Präsidenten wählbar geworden ist.'' === Unterabsatz (e) === Unterabsatz (e) enthält technische Details: Er sieht vor, dass alle amtierenden Präsidenten auch als Präsident wählbar sein müssten. Er schließt damit etwa eingebürgerte Bürger, die zwar Minister, aber nicht Präsident werden können, aus der Nachfolgeliste aus. Weiter muss ein Minister schon vor dem Beginn der Abarbeitung der Ministerliste ordnungsgemäß, d. h. mit Zustimmung des Senates, ernannt worden sein. Schließlich ist festgehalten, dass der amtierende Präsident das Präsidentengehalt bekommt. : (e) (1) Subsections (a), (b), and (d) of this section shall apply only to such officers as are eligible to the office of President under the Constitution. Subsection (d) of this section shall apply only to officers appointed, by and with the advice and consent of the Senate, prior to the time of the death, resignation, removal from office, inability, or failure to qualify, of the President pro tempore, and only to officers not under impeachment by the House of Representatives at the time the powers and duties of the office of President devolve upon them. : (2) During the period that any individual acts as President under this section, his compensation shall be at the rate then provided by law in the case of the President. : ''(e) (1) Die Unterabsätze (a), (b) und (d) dieses Absatzes finden nur Anwendung auf Amtsträger, die nach der Verfassung für das Amt des Präsidenten wählbar sind. Unterabsatz (d) findet nur Anwendung auf Amtsträger, die vor dem Zeitpunkt des Todes, des Rücktrittes, der Amtsenthebung, der Amtsunfähigkeit oder dem Fehlen der Wählbarkeit des Präsidenten Pro Tempore mit Zustimmung des Senates ernannt worden sind, und nur auf Amtsträger, die zum Zeitpunkt, zu dem die Rechte und Pflichten des Amtes des Präsidenten auf sie übergehen, nicht vom Repräsentantenhaus nach dem Impeachment-Verfahren angeklagt sind.'' : ''(2) Während des Zeitraums, in dem eine Person nach diesem Absatz als Präsident amtiert, erhält er das Gehalt, welches durch Gesetz für den Präsidenten vorgesehen ist.'' == Aktuelle Reihenfolge == [[Datei:Joe Biden official portrait cropped.jpg|miniatur|US-Vizepräsident Joe Biden]] Nach aktuellem Stand würden im Falle des Ausscheidens von Präsident [[Barack Obama]] folgende Personen in dieser Reihenfolge amtierender Präsident: # Vizepräsident [[Joe Biden]]; # die [[Sprecher des Repräsentantenhauses der Vereinigten Staaten|Sprecherin]] des [[Repräsentantenhaus der Vereinigten Staaten|Repräsentantenhauses]], [[Nancy Pelosi]]; # der [[Präsident pro tempore des Senats der Vereinigten Staaten|Präsident pro tempore des Senats]], [[Robert Byrd]]; # [[Außenminister der Vereinigten Staaten|Außenministerin]] [[Hillary Clinton]]; # Finanzminister [[Timothy F. Geithner]]; # Verteidigungsminister [[Robert Gates]]; # [[United States Attorney General|Justizminister]] [[Eric Holder]]; # Innenminister [[Ken Salazar]]; # Landwirtschaftsminister [[Tom Vilsack]]; # Handelsminister [[Gary Locke]]; # Arbeitsministerin [[Hilda Solis]]; # Gesundheitsministerin [[Kathleen Sebelius]]; # Bauminister [[Shaun Donovan]]; # Verkehrsminister [[Ray LaHood]]; # Energieminister [[Steven Chu]]; # Bildungsminister [[Arne Duncan]]; # Kriegsveteranenminister [[Eric K. Shinseki]]; # Heimatschutzministerin [[Janet Napolitano]]. Der Vizepräsident rückt nach dem 25. Zusatzartikel aus dem Jahr 1967 im Falle der endgültigen Erledigung des Präsidentenamtes in dieses Amt nach, er wird also „Präsident“ und nicht nur „amtierender Präsident“. Im Falle einer vorübergehenden Amtsunfähigkeit des Präsidenten wird auch der Vizepräsident nur amtierender Präsident. Diese Frage, ob ein Vizepräsident beim endgültigen Wegfall des Präsidenten tatsächlich „Präsident“ oder „amtierender Präsident“ wird, war vor dem 25. Zusatzartikel verfassungsrechtlich nicht unumstritten gewesen, durch den Präzedenzfall von [[John Tyler]] im Jahr 1841 und seinen Nachfolgern allerdings politisch entschieden. Die seit damals gängige Praxis der tatsächlichen Amtsnachfolge wurde dann 1967 nur noch verfassungsrechtlich kodifiziert. Jede andere Person als der Vizepräsident kann –&nbsp;unabhängig davon, ob der Präsident dauerhaft oder nur vorübergehend wegfällt&nbsp;– nur „amtierender Präsident“ sein. Ein „amtierender Präsident“ besitzt allerdings die gleichen Befugnisse wie der Präsident; es handelt sich also um eine rein technische Unterscheidung. == Historische Entwicklung der Präsidentennachfolge == Die Präsidentennachfolge wurde durch den ursprünglichen Verfassungstext und drei (vom Kongress beschlossene) einfache Gesetze, die Presidential Succession Acts von 1792, 1886 und 1947, bestimmt. Hinzu kamen zwei Zusatzartikel zur Verfassung: der 20. Zusatzartikel von 1933 und der 25. Zusatzartikel von 1967, die Einfluss auf die Präsidentennachfolge nahmen. Diese Verfassungszusätze wurden vom Kongress und drei Vierteln der amerikanischen Bundesstaaten ratifiziert und damit Bestandteil der amerikanischen Verfassung. === Der ursprüngliche Verfassungstext von 1787 === Die Verfassung der Vereinigten Staaten sieht im zweiten Artikel, erster Abschnitt des ursprünglichen Textes vor, dass ''„[i]n Case of the Removal of the President from Office, or of his Death, Resignation, or Inability to discharge the Powers and Duties of the said Office, the same shall devolve on the Vice President, and the Congress may by Law provide for the Case of Removal, Death, Resignation or Inability, both of the President and Vice President, declaring what Officer shall then act as President, and such Officer shall act accordingly, until the Disability be removed, or a President shall be elected“'', dass also im Falle der Amtsenthebung des Präsidenten, seines Todes, seines Rücktrittes oder seiner Unfähigkeit, die Rechte und Pflichten des Amtes auszuüben, dasselbe auf den Vizepräsidenten übergeht. Ferner regelt der Satz, dass der Kongress durch Gesetz Vorsorge für den Fall des Verlustes beider Amtsträger treffen kann, indem er definiert, welcher Amtsträger dann als Präsident amtieren soll. Der 25. Zusatzartikel klärte einige bis dahin umstrittene Interpretationen dieses Satzes auf; sie spielten für die Präsidentennachfolge jedoch nie eine Rolle. === Diskussionen im ersten Kongress 1791 === Im Januar 1791, also kurz vor dem Ende der Legislaturperiode des ersten Kongresses, schlug ein Ausschuss des Repräsentantenhauses vor, im Falle der Notwendigkeit der Nachfolge den Außenminister amtieren zu lassen, da dieses Ministerium das älteste war. Weil zu diesem Zeitpunkt jedoch der den [[Föderalistische Partei|Federalists]] ablehnend gegenüberstehende [[Thomas Jefferson]] Außenminister war, provozierte dieser Vorschlag Proteste (Jefferson wurde schließlich 1801–1809 doch noch Präsident). Ein anderer Vorschlag war, den Vertreter des Präsidenten Pro Tempore, auch als ersten Nachrücker ins Präsidentenamt vorzusehen. Diese Idee stieß auf Ablehnung, da nicht klar war, ob der Präsident Pro Tempore weiter Senator bliebe und damit die [[Gewaltenteilung]] unterlaufen würde. Außerdem wurde noch vorgeschlagen, den Obersten Richter der Vereinigten Staaten (englisch: Chief Justice) in die Reihenfolge mitaufzunehmen. Schlussendlich vertagte sich der Kongress und überließ das Problem dem zweiten Kongress. === Der Presidential Succession Act von 1792 === Der zweite Kongress einigte sich schließlich 1792 auf eine Fassung, die nach dem Vizepräsidenten den Präsidenten Pro Tempore des Senats, dann den Sprecher des Repräsentantenhauses in der Liste sah. Der Chief Justice wurde aus Gründen der Gewaltenteilung außen vor gelassen, obwohl gleichzeitig zwei Vertreter der Legislative in die Liste mitaufgenommen wurden. Bis heute wurde der Chief Justice nie zu einem potentiellen Ersatzmann für den Präsidenten. Der Presidential Succession Act von 1792 wurde nie angewandt. Dennoch gab es einige Fälle, in denen zu seiner Anwendung nicht viel gefehlt hat. In der Zeit zwischen 1792 und 1886 starben fünf Vizepräsidenten, einer trat zurück und vier Vizepräsidenten folgten dem Präsidenten während der laufenden Amtszeit ins Amt nach: Insgesamt gab es also zehn Zeiträume, in denen es keinen Vizepräsidenten gab. Wäre in einem dieser zehn Zeiträume der Präsident weggefallen, so wäre nach dem Presidential Succession Act von 1792 der Präsident Pro Tempore des Senates amtierender Präsident geworden. Um ein Haar wäre dieser Fall 1868 eingetreten: Vizepräsident [[Andrew Johnson]] war dem im April 1865 ermordeten [[Abraham Lincoln]] als Präsident ins Amt gefolgt. Johnson wurde einige Zeit später vom Repräsentantenhaus angeklagt, da er gegen einige Bürgerrechtsgesetze des Kongresses sein Veto eingelegt hatte. Bei der entscheidenden Abstimmung über die Amtsenthebung 1868 schließlich verpassten seine Gegner die notwendige Zweidrittelmehrheit im Senat um eine Stimme. Es gibt Spekulationen, nach denen einige Senatoren, die eigentlich für Johnsons Amtsenthebung gestimmt hätten, angesichts seines potentiellen Nachfolgers, des Präsidenten Pro Tempore, [[Benjamin Wade]], dem extreme Ansichten in Richtung verschärfter Niederhaltung und weiterer Bestrafung der Südstaaten unterstellt wurden, gegen eine Verurteilung Johnsons stimmten. Ein Zeitungsartikel lautete: ''„Andrew Johnson is innocent because Ben Wade is guilty of being his successor.“'' („Andrew Johnson ist unschuldig, weil Ben Wade schuldig ist, sein Nachfolger zu sein.“) === Der Presidential Succession Act von 1886 === 1886 beschloss der Kongress ein neues Gesetz über die Nachfolge des Präsidenten: Er entfernte die Vorsitzenden der beiden Kammern aus der Liste und nahm stattdessen die Minister auf, beginnend mit dem Außen-, dem Finanz- und dem Kriegsminister. Die Reihenfolge entsprach der Reihenfolge der Gründung der Ministerien. Diese neue Reihenfolge erschien politisch sinnvoller, da zu diesem Zeitpunkt bereits sechs Außenminister Präsident geworden waren, jedoch noch kein Vorsitzender aus dem Kongress, und wurde weithin angenommen. Auch das Gesetz von 1886 fand nie Anwendung, obwohl auch zwischen 1886 und 1947 drei Vizepräsidenten starben und drei ihrem Präsidenten ins Amt nachfolgten. === Der 20. Zusatzartikel von 1933 === Der 20. Zusatzartikel von 1933, der im Wesentlichen ein neues Datum für die Vereidigung des Präsidenten, des Vizepräsidenten und der Mitglieder des Kongresses festsetzt, enthält in seinem dritten Absatz auch eine Regelung, dass für den Fall des Fehlens der Wählbarkeit sowohl von Präsident wie Vizepräsident der Kongress bestimmen kann, wer sodann als Präsident amtiert. Dies ist neben dem ursprünglichen Verfassungstext die zweite Stelle in der amerikanischen Verfassung, die den Presidential Succession Act zur näheren Bestimmung des Verfassungswortlautes vorsieht. Der 20. Zusatzartikel war jedoch keine Voraussetzung für die Verabschiedung des Presidential Succession Acts von 1947. === Der Presidential Succession Act von 1947 === Nach dem [[Zweiter Weltkrieg|Zweiten Weltkrieg]] und dem Tode von Präsident [[Franklin D. Roosevelt]] unterstützte Präsident [[Harry S. Truman]] aktiv eine neue Nachfolgegesetzgebung, die schließlich zum aktuellen Presidential Succession Act führte. Dabei wurden die Vorsitzenden der beiden Kongresskammern erneut eingefügt, diesmal jedoch in der Reihenfolge Sprecher des Repräsentantenhauses vor Präsident Pro Tempore des Senates. Die Kabinettsmitglieder folgten in der Reihenfolge der Entstehung ihrer Ministerien, wobei das Verteidigungsministerium den Platz des Kriegsministeriums einnahm. === Der 25. Zusatzartikel von 1967 === Im 25. Zusatzartikel wurde 1967 nach fast 200 Jahren eine Möglichkeit geschaffen, nachträglich einen Vizepräsidenten zu ernennen, wenn beide Häuser des Kongresses einem solchen Vorschlag zustimmen. Diese Änderung erfolgte in der Zeit nach der Ermordung [[John F. Kennedy]]s 1963 und stellte zudem einige weitere Fragen, insbesondere nach der Feststellung der Amtsunfähigkeit des Präsidenten, verfassungsrechtlich klar. Die Reihenfolge der möglichen Nachfolger wurde durch den 25. Zusatzartikel zwar nicht verändert. Er reduzierte jedoch drastisch die Wahrscheinlichkeit, dass überhaupt ein anderer als der Vizepräsident dem Präsidenten nachfolgt. == Anwendungen und Änderungen seit 1947 == Auch der Presidential Succession Act von 1947 ist bisher nie tatsächlich zur Anwendung gekommen. Nach dem Tod John F. Kennedys 1963 war das Amt des Vizepräsidenten knapp eineinhalb Jahre unbesetzt, da [[Lyndon B. Johnson]] Kennedy ins Amt nachgefolgt war und ein Vizepräsident noch nicht nachnominiert werden konnte (der 25. Zusatzartikel wurde erst vier Jahre später verabschiedet). Mitte der 1970er Jahre, in der Endphase der Amtszeit [[Richard Nixon]]s, gab es zwei weitere Situationen, in denen der Sprecher des Repräsentantenhauses dem Präsidenten ins Amt nachgefolgt wäre: Im Oktober 1973 war [[Spiro Theodore Agnew|Spiro T. Agnew]] wegen eines Bestechungsskandals zurückgetreten, erst im Dezember 1973 wurde [[Gerald Ford]] zum neuen Vizepräsidenten ernannt. In dieser Zeit erwartete man allgemein, dass Präsident Nixon im Zuge der [[Watergate-Affäre]] zurücktreten würde. In diesem Fall wäre mit dem demokratischen Sprecher des Repräsentantenhauses, [[Carl Albert]], ein politischer Gegner des bisherigen Präsidenten ins Amt gekommen. Albert war der Ansicht, dass er kein Recht habe, ein Amt, das die Wähler einem Republikaner anvertraut hätten, auszuüben, und kündigte für den Fall seiner amtierenden Präsidentschaft an, bald einen republikanischen Vizepräsidenten zu ernennen und anschließend zu dessen Gunsten zurückzutreten. Auch wenn der Fall so nicht eintrat, wird Alberts Ankündigung als wichtiger Präzedenzfall angesehen. Mit dem Rücktritt Richard Nixons im August 1974 und dem Nachrücken Fords ins Präsidentenamt wurde das Amt des Vizepräsidenten erneut vakant. Erst im Dezember 1974 wurde [[Nelson A. Rockefeller]] als Vizepräsident vereidigt. Beim [[Attentat auf Ronald Reagan|Attentat]] auf [[Ronald Reagan]] am 30. März 1981 war Vizepräsident [[George H. W. Bush|George Bush]] gerade im heimischen [[Texas]] und Außenminister [[Alexander Haig]] rief sich wenige Stunden nach dem Anschlag vor laufenden Fernsehkameras im Weißen Haus zum verfassungsmäßigen Amtsinhaber aus, obwohl ihm als ehemaligem [[Stabschef des Weißen Hauses|Stabschef]] in der Spätphase der Watergate-Affäre die verfassungsmäßige Reihenfolge bewusst hätte sein müssen. Dies sorgte innerhalb der US-Regierung und -Öffentlichkeit für erhebliches Befremden. Die Situation wurde dadurch bereinigt, dass Bush am Abend des gleichen Tages die Amtsgeschäfte bis zu Reagans Genesung übernahm<ref>[http://wissen.spiegel.de/wissen/image/show.html?did=14325226&aref=image036/2006/06/16/cq-sp198101501300135.pdf&thumb=false ''USA: Ronald Reagans größter Auftritt'', Der Spiegel, Nr. 15/1981, S. 131]</ref>. Der Presidential Succession Act ist seit 1947 einige Male geändert worden, um Änderungen der Ministerialstruktur abzubilden beziehungsweise neu geschaffene Ministerien (am Ende der Liste) einzufügen. Nach den [[Terroranschläge am 11. September 2001|Terroranschlägen vom 11. September 2001]] wurden einige potenzielle Nachfolger wie der Sprecher des Repräsentantenhauses, [[Dennis Hastert]], an sichere Orte gebracht, um die Nachfolge abzusichern. Viele Abgeordnete wollten in der Folge der Terroranschläge die Einfügung des neuen [[Heimatschutzministerium]]s in einer höheren Position als am Ende der Liste erreichen und argumentierten, dass der Heimatschutzminister in einem solchen Notstandsfall für das Amt des Amtierenden Präsidenten besser geeignet wäre als etwa der Bauminister. Tatsächlich wurde der Heimatschutzminister kurzzeitig nach dem Justizminister an achter Stelle der Nachfolge eingefügt, doch dieses Gesetz endete mit der Amtszeit des 109. Kongresses und wurde seither nicht wieder eingebracht. Durch die House Resolution 3199 wurde der Presidential Succession Act am 9. März 2006 zum bislang letzten Mal dahingehend ergänzt, den Heimatschutzminister nun wieder am Ende der Reihenfolge hinter dem Minister für Kriegsveteranen in die Nachfolgeregelung aufzunehmen. == Verfassungsrechtliche Diskussion == Einige bedeutende amerikanische Verfassungsrechtler wie [[Akhil Reed Amar]] bezweifeln die Verfassungsmäßigkeit der Aufnahme des Sprechers des Repräsentantenhauses und des Präsidenten pro Tempore des Senats in die Liste. Sie argumentieren, dass der Begriff „officer“ im verfassungsrechtlichen Sinne nur Angehörige der Exekutive und der Judikative, nicht jedoch der Legislative umfasse. Ferner hatte schon [[James Madison]] 1792 angemerkt, dass die Verfassung ausdrücklich die Gewaltenteilung gebiete. In diesem Zusammenhang sei die Einbeziehung von Personen aus einer anderen Gewalt als der Exekutive in eine Nachfolgeregelung für die Exekutive verfassungsrechtlich fragwürdig. == Vorkehrungen für das Ausreichen der Liste == === Spekulationen über eine erweiterte Liste === Bezüglich der Nachfolgeregelung des Präsidenten bestehen auch Verschwörungstheorien über die Existenz einer deutlich längeren und geheimen Liste, die Hunderte Politiker einschließlich aller Gouverneure und Senatoren enthalten soll. Sollte eine solche Liste existieren, so wäre angesichts der Eindeutigkeit des Presidential Succession Act ihre verfassungsrechtliche Bindungswirkung höchst fragwürdig. Prinzipiell wäre es jedoch möglich, den Presidential Succession Act so zu erweitern, dass die genannten Gouverneure oder Senatoren mit aufgenommen werden. === Designated survivor === Zur Sicherstellung, dass mindestens ein Amtsträger der Liste auch im schlimmsten Fall überlebt, wird für den Fall der Zusammenkunft aller Listenmitglieder ein Minister als „designated survivor“ bestimmt, der sich weitab von [[Washington D.C.|Washington]] für den Fall eines Terroranschlages oder großen Unfalls zur Übernahme des Präsidentenamtes bereithält. Ein solcher „designated survivor“ wird regelmäßig für die [[State of the Union Address|Rede zur Lage der Nation]] bestimmt, bei der ansonsten der Vizepräsident, alle Kabinettsmitglieder und die Mitglieder des Kongresses anwesend sind. Jedoch wird von jeder Partei und von jedem Haus je ein Abgeordneter als weiterer „designated survivor“ bestimmt, sodass diese vier Personen im Notfall die Vorsteher ihres Hauses wählen könnten, welche danach unverzüglich das Amt als amtierender Präsident anträten. Sollten jedoch auch diese Personen umkommen, gibt es keine ausdrücklichen Regelungen, wer dann die Nachfolge antritt: Stellvertretende Minister kämen nicht in Frage, da sich die Nachfolgeregelung ausdrücklich auf vollwertige Kabinettsmitglieder bezieht. Siehe: [[Liste der Designated survivors]] == Fiktionale Anwendung der Präsidentennachfolge über den Vizepräsidenten hinaus == Die Übernahme des Präsidentenamtes durch den Vizepräsidenten erscheint in vielen amerikanischen Print- und Filmerzeugnissen. Seltener dagegen sind die Werke, in denen über den Vizepräsidenten hinaus die Amtsnachfolge besprochen wird, mithin der Presidential Succession Act als solcher angewandt wird: * Im Roman ''The Man'' von Irving Wallace aus dem Jahr 1964, also noch vor der Ratifikation des 25. Zusatzartikels, stirbt der Vizepräsident an einem Herzinfarkt. Der Präsident und der Sprecher des Repräsentantenhauses sterben beide bei einem Unfall in Europa, sodass der Präsident Pro Tempore des Senates, ein [[Afroamerikaner]], amtierender Präsident wird. Konservative Mitglieder beider Parteien finden schnell Vorwände, ihn des Amtes zu entheben. Der Roman wurde 1972 verfilmt. * ''Line of Succession'' von Brian Garfield (1972) enthält das Szenario, dass zwischen dem Tag der Wahl und dem der Vereidigung der designierte Präsident, der designierte Vizepräsident und der Sprecher des Repräsentantenhauses durch Terroristen getötet werden. Der [[Präsident pro tempore des Senats der Vereinigten Staaten|Präsident Pro Tempore]] gilt als inakzeptabel für das Amt des Präsidenten. Deshalb versucht der noch im Amt befindliche, abgewählte Präsident im Amt zu bleiben. * Im Roman ''Thirty-four East'' von Alfred Coppel aus dem Jahr 1974 wird der Vizepräsident von arabischen Terroristen entführt. Gleichzeitig kommt der Präsident bei einem Flugzeugabsturz ums Leben. Da der Vizepräsident offenbar amtsunfähig ist, übernimmt der Sprecher des Repräsentantenhauses als amtierender Präsident die Macht. Er wird dabei aber als schwacher Charakter dargestellt, der vom [[Stabschef des Weißen Hauses|Stabschef]] manipuliert wird. * Im Roman ''Trinity’s Child'' von William Prochnau aus dem Jahr 1983 (1990 als ''[[Condition Red|By Dawn’s Early Light]]'' verfilmt) fällt Washington einem Nuklearangriff zum Opfer, bei dem das halbe Kabinett stirbt. Der Innenminister übernimmt die Präsidentschaft und führt den Dritten Weltkrieg fort. Es stellt sich jedoch heraus, dass der Präsident noch lebt. Allerdings weigert sich der Innenminister, sein Amt wieder abzugeben, sodass es für einige Zeit kollidierende Befehle gibt. * In der Fernsehserie ''[[The West Wing]]'' aus dem Jahr 2003 wird die Tochter des Präsidenten entführt, woraufhin der Präsident seine Amtsunfähigkeit erklärt, um nicht erpressbar zu sein. Da der Vizepräsident kurz zuvor zurückgetreten war, übernimmt der oppositionelle Sprecher des Repräsentantenhauses die amtierende Präsidentschaft, bis der Präsident nach der Rettung seiner Tochter sein Amt wieder übernimmt. * In der Fernsehserie ''[[Welcome, Mrs. President]]'' aus dem Jahr 2005 erleidet die Präsidentin einen Blinddarmdurchbruch. Ähnlich wie beim vorherigen Beispiel ist auch hier der Vizepräsident kurz zuvor zurückgetreten, so dass der oppositionelle Sprecher des Repräsentantenhauses die Präsidentschaft übernimmt. Nach der Entlassung aus dem Krankenhaus kehrt die Präsidentin in ihr Amt zurück. * Im Film xXx 2 -The Next Level, plant der US-Verteidigungsminister einen Militärputsch, bei dem der Präsident und alle vor ihm stehenden Nachfolger des Präsidenten getötet werden sollen, damit er selbst nächster US-Präsident werden kann. Als Nachfolger auf einem Schaubild genannt werden explizit aber nur Vizepräsident, Präsident pro tempore des Senats und Außenminister. Der Sprecher des Repräsentantenhauses und der Finanzminister fehlen. == Literatur == * Ruth Caridad Silva: ''Presidential Succession.'' Greenwood, New York 1968, ISBN 0-8371-0229-4 * Stephan W. Stathis: ''Presidential Succession.'' In: Leonard W. Levy, Louis Fischer (Hrsg.): ''Encyclopedia of the American Presidency.'' MacMillan Reference Books, Houndmills, Basingstoke, Hampshire und New York 1998, ISBN 0-02-865052-2 == Weblinks == * [http://www.doctorzebra.com/prez/a_succession.htm Chronologie der Gesetzgebung] (englisch) * [http://thomas.loc.gov/cgi-bin/query/z?c109:H.R.1943: Gesetzentwurf House Resolution 1943] (englisch) * [http://thomas.loc.gov/cgi-bin/query/z?c108:H.R.2319: Gesetzentwurf House Resolution 2319] (englisch) * [http://thomas.loc.gov/cgi-bin/query/D?c109:6:./temp/~c109Qq8TJU: House Resolution 3199, USA PATRIOT Improvement and Reauthorization Act of 2005, SEC. 503] (englisch, wie verabschiedet durch Senat und Repräsentantenhaus) == Einzelnachweise == <references /> {{DEFAULTSORT:Nachfolge des Prasidenten der Vereinigten Staaten}} {{Exzellent}} [[Kategorie:Exekutive der Vereinigten Staaten]] [[bg:Поредност на заместниците на президента на САЩ]] [[cs:Nástupnictví na úřad prezidenta Spojených států amerických]] [[en:United States presidential line of succession]] [[fr:Ordre de succession présidentielle des États-Unis]] [[it:Linea di successione presidenziale negli Stati Uniti]] [[ja:アメリカ合衆国大統領の継承順位]] [[pl:Linia sukcesji prezydenckiej (USA)]] [[ro:Actuala listă a liniei de succesiune prezidenţiale SUA, 2006]] [[simple:U.S. Presidential line of succession]] [[sv:Successionsordningen för USA:s president]] [[zh:美國總統繼任順序]] 3ukd8emwxemqqcikyhjxs3leezvnm1i wikitext text/x-wiki Nachtschattengewächse 0 23972 26570 2010-05-06T11:16:16Z Wiki-Hypo 0 /* Einsatz in der Medizin */ Wikilink <!-- Für Informationen zum Umgang mit dieser Tabelle siehe bitte [[Wikipedia:Taxoboxen]]. --> {{Taxobox | Taxon_Name = Nachtschattengewächse | Taxon_WissName = Solanaceae | Taxon_Rang = Familie | Taxon_Autor = [[Antoine Laurent de Jussieu|Juss.]] | Taxon2_Name = Nachtschattenartige | Taxon2_WissName = Solanales | Taxon2_Rang = Ordnung | Taxon3_Name = Euasteriden I | Taxon3_Rang = ohne | Taxon4_Name = Asteriden | Taxon4_Rang = ohne | Taxon5_Name = Kerneudikotyledonen | Taxon5_Rang = ohne | Taxon6_Name = Eudikotyledonen | Taxon6_Rang = ohne | Bild = Illustration_Solanum_dulcamara0_clean.png | Bildbeschreibung = [[Bittersüßer Nachtschatten]] (''Solanum dulcamara''), Illustration }} Die '''Nachtschattengewächse''' (Solanaceae) sind eine [[Familie (Biologie)|Familie]] der [[Bedecktsamer|Bedecktsamigen Pflanzen]] (Magnoliopsida). Zu ihr gehören etwa 90 bis 100 [[Gattung (Biologie)|Gattungen]], die Zahl der zugehörigen [[Art (Biologie)|Arten]] wird mit etwa 2.700<ref name="Olmstead07">Richard Olmstead und Lynn Bohs: ''A Summary of Molecular Systematic Research in Solanaceae: 1982-2006.'' In: D.M. Spooner et al. (Hrsg.): ''Solanaceae VI: Genomics Meets Biodiversity'', ISHS Acta Horticulturae 745, Juni 2007. ISBN 9-789066-054271</ref> angegeben. Die größte Gattung innerhalb der Familie sind die [[Nachtschatten]] (''Solanum''), zu denen meist zirka 1.000 bis 2.300 Arten gezählt werden. Innerhalb der Familie gibt es sowohl wichtige [[Nahrungspflanze]]n als auch [[Zierpflanzen]], durch den Gehalt an [[Alkaloide]]n und [[Steroide]]n gelten sie auch als bedeutende [[Heilpflanze|Medizin-]], [[Droge|Rausch-]] und [[Zauberpflanze|Kultpflanzen]]. Charakteristische Merkmale sind vor allem die fünfzähligen Blüten mit verwachsenen [[Kelchblatt|Kelchblättern]], teilweise verwachsenen [[Kronblatt|Kronblättern]], fünf [[Staubblatt|Staubblättern]] und meist zwei miteinander verwachsenen [[Fruchtblatt|Fruchtblättern]]. Die Früchte der Nachtschattengewächse sind meist [[Beere]]n oder [[Kapselfrucht|Kapselfrüchte]]. == Beschreibung == === Habitus === [[Bild:Solanum nigrum ellywa.png|thumb|left|Zeichnung des [[Schwarzer Nachtschatten|Schwarzen Nachtschattens]] (''Solanum nigrum'')]] [[Bild:Tabak 9290019.JPG|thumb|Pflanzen des [[Virginischer Tabak|Virginischen Tabaks]] (''Nicotiana tabacum'')]] Nachtschattengewächse sind [[Einjährige Pflanze|einjährige]], [[Zweijährige Pflanzen|zweijährige]] oder [[Mehrjährige Pflanze|mehrjährige]] Pflanzen, die sowohl krautig als auch verholzend wachsen können. Meist erreichen sie Wuchshöhen von 0,5 bis 4&nbsp;m, jedoch gibt es auch Vertreter, die als [[Liane (Pflanze)|Liane]]n mit bis zu 15&nbsp;m Länge oder als kleine Bäume 5 bis 10&nbsp;m, in Ausnahmen bis zu 25&nbsp;m Höhe erreichen. Daneben gibt es auch pygmäische Vertreter (z. B. ''[[Solanum euacanthum]]'' oder ''[[Petunia patagonica]]''), die nur Wuchshöhen von 5 bis 20&nbsp;cm erreichen. Nachtschattengewächse wachsen meist aufrecht, teilweise kletternd, [[Epiphyt|epiphytisch]] oder [[Hemiepiphyt|hemiepiphytisch]], nicht selten auch [[myrmecophil]]. Es gibt einige niederliegende Vertreter (vor allem die Gattungen ''[[Lycianthes]]'' und ''[[Exodeconus]]''), selten sind wie bei den [[Alraunen]] (''Mandragora'') [[Rosette (Botanik)|Rosette]]nbildungen zu beobachten. Die [[Sprossachse]] ist normalerweise massiv, teilweise aber auch hohl, beispielsweise bei den Gattungen ''[[Markea]]'', [[Giftbeere]]n (''Nicandra''), ''[[Deprea]]'' oder ''[[Witheringia]]''. Der Sprossaufbau ist oft aufgrund von Verwachsungen und Verschiebungen der Achsen und Blätter schwer durchschaubar. Nachtschattengewächse bilden verschiedene Wurzeltypen aus, unter anderem dicke, fleischige Pfahlwurzeln, für die beispielsweise die Alraunen (''Mandragora'') bekannt sind, Wurzelsysteme mit [[Adventivwurzel]]n (bei den ''[[Leptoglossis]]'' sowie bei diversen Arten der [[Blasenkirschen]] (''Physalis'') und Nachtschatten (''Solanum'')), mit extremen Anschwellungen (in der Gattung ''Lycianthes'') oder mit Knollen oder [[Stolonen]] (vor allem in der ''Solanum''-Sektion ''Petota''). Selten treten auch [[Rhizom (Botanik)|Rhizome]] auf, unter anderen bei den ''[[Salpichroa]]'' und ''[[Nectouxia]]''. [[Bild:Tomato leaf x-section 2.jpg|thumb|[[Rasterelektronenmikroskop|REM]]-Aufnahme eines [[Tomate]]nblattes (''Solanum lycopersicum''). Besonders auffällig ist die unterschiedliche [[Trichom]]verteilung auf der Ober- und Unterseite.]] Vor allem an den Blättern und Sprossen, gelegentlich auch an den Blüten, bilden viele Nachtschattengewächse eine Behaarung aus [[Trichome]]n aus. Da diese Behaarung sehr unterschiedlich ausfällt, dient sie als ein wichtiges morphologisches Merkmal zur Bestimmung und Klassifizierung. Eine häufig vorkommende Form sind einfache, drüsige Trichome. Diese können wie in der ''Solanum''-Sektion ''Rhynchantherum'', der Untertribus Nierembergiinae einen einzelligen Kopf oder auch einen mehrzelligen Kopf − wie etwa bei diversen Arten des [[Tabak]] (''Nicotiana'') − besitzen. Verzweigte Trichome können entweder baumartig verzweigen oder mit [[Wirtel|quirlartigen]] Zweigen besetzt sein, ersteres ist unter anderem in den Gattungen ''Sessea'' und ''Juanulloa'' zu finden, letzteres tritt in den Anthocercidoideae auf; in der ''Solanum''-Untergattung ''Brevantherum'' sind auch sternförmige, seeigelförmige oder schildförmige Trichomköpfe zu finden. [[Stachel (Botanik)|Stacheln]] treten nur in der ''Solanum''-Untergattung ''[[Leptostemonum]]'' auf. Bei jüngeren Trieben der ''[[Saracha]]'' treten bräunliche, baumartig verzweigte, mehrzellige [[Emergenz (Botanik)|Emergenzen]] auf. [[Kristallsand]] ist vor allem in den Pflanzen der Unterfamilie Solanoideae zu finden, unter anderem in den [[Tribus (Biologie)|Triben]] Atropeae, Jaboroseae, Solaneae, Datureae, Lycieae und Hyoscyameae. === Blätter === Die [[Blatt (Pflanze)|Laubblätter]] sind meist ganzrandig, oft unregelmäßig gezähnt oder gespalten. Sie sind normalerweise einfach, gelegentlich auch zusammengesetzt, dann unpaarig gefiedert oder dreiteilig, immer [[Nebenblatt|nebenblattlos]]. Gelegentlich treten dicke und ledrige Blätter auf. Die Blätter stehen einzeln, manchmal in [[Wirtel|Quirlen]] aus drei Blättern oder in Büscheln aus drei bis sechs Blättern. Es gibt sowohl aufsitzende Blätter als auch solche mit Blattstielen. === Blütenstände und Blüten === [[Bild:Petunia flowerdiagram.png|thumb|left|[[Blütendiagramm]] von ''[[Petunia]]'']] [[Bild:Potato flowers.jpg|thumb|Blütenstand der [[Kartoffel]] (''Solanum tuberosum'')]] [[Bild:Cestrum nocturnum.jpg|thumb|Blütenstand des [[Nachtjasmin|Nachtjasmins]] (''Cestrum nocturnum'')]] Die Blüten sind zum Teil einzelstehend, meist aber in verschiedenen geformten Blütenständen, teilweise mit bis zu 200 Blüten. Die Blüten oder Blütenstände stehen in den Sprossachseln (axillar), außerhalb der Achseln (extra-axillar), den Blättern gegenständig, terminal (dabei oft in scheinachseligen Gruppen, die zu lockeren [[Rispe]]n oder engen [[Traube]]n geformt sind) oder in vielblütigen terminalen Rispen, manchmal auch büschelweise in Gruppen. In der Untergattung ''Lyciosolanum'' der Nachtschatten (''Solanum'') fehlen die Blütenstiele, Stammblütigkeit ist nur aus der Gattung ''[[Dyssochroma]]'' bekannt. Die längsten Blütenstände kommen in den Gattungen ''[[Cuatresia]]'' (bis 25&nbsp;cm) und ''[[Merinthopodium]]'' (bis zu 90&nbsp;cm) vor. In den meisten Fällen sind die [[Blüte (Botanik)|Blüten]] der Nachtschattengewächse zwittrig, nur in Ausnahmen gibt es zweihäusige Pflanzen, dazu gehört mindestens je eine Art in ''[[Dunalia]]'' und ''[[Withania]]'', zwei Arten in ''[[Symonanthus]]'' und je vier Arten in den Gattungen ''[[Deprea]]'' und den [[Bocksdorne]]n (''Lycium''). In der Gattung der [[Spaltblumen]] (''Schizanthus'') gibt es auch andromonoezische Pflanzen, das heißt sie haben sowohl zwittrige als auch männliche Blüten an einer Pflanze. Die Blüten sind meist fünfzählig, selten vier- oder sechs- bis neunzählig. Die [[Blütenformel]] ist <math>\star</math> bis <math>\downarrow K_5 \; {[C_{(5)} \; A_5]} \; \ G_{\underline{(2)}}</math>, Abweichungen werden im Folgenden erwähnt. ==== Kelch ==== Der [[Kelchblatt|Kelch]] ist meist radiärsymmetrisch, nur selten monosymmetrisch ([[zygomorph]]) wie bei den [[Engelstrompeten]] (''Brugmansia''). Die Kelchblätter sind miteinander verwachsen, der Kelchrand ist ganzrandig oder mit fünf bis zehn geraden Zähnen versehen. In den meisten Fällen bleibt die Größe des Kelches nach der Blühphase konstant, jedoch ist eine Vergrößerung des Kelches sehr oft in der Familie zu finden. Teilweise ist diese Vergrößerung so stark, dass der Kelch sich um die Beere oder Kapsel herum vergrößert, bis er fast geschlossen ist und die Frucht fast vollständig einschließt. Diese Kelchvergrößerung tritt beispielsweise in den Gattungen der [[Blasenkirschen]] (''Physalis'') oder ''[[Quincula]]'' auf. Eine andere Art der Kelchvergrößerung kommt unter anderem in den Gattungen ''[[Chamaesaracha]]'' und ''[[Leucophysalis]]'' vor, hier liegt der Kelch eng am [[Perikarp]] der Frucht an, ist jedoch meist nach oben offen. Selten wölbt sich der Kelch nach außen und gibt so die reife Frucht frei, dies tritt vor allem in der Gattung ''[[Jaltomata]]'' auf. ==== Krone ==== [[Bild:Nicandra physalodes flower.jpg|thumb|Blüte der [[Giftbeere]] (''Nicandra physalodes'')]] [[Bild:Eggplant flower.JPG|thumb|Blüte der [[Aubergine]] (''Solanum melongena'')]] [[Bild:Capsicum bacatuum flower.jpg|thumb|Blüte von ''[[Capsicum baccatum]]'']] [[Bild:Nierenbergia frutenscens0.jpg|thumb|Blüte von ''[[Nierembergia scoparia]]'']] [[Bild:Brugmansia yellow ebre.jpg|thumb|Blüten einer [[Engelstrompeten|Engelstrompete]] (''Brugmansia sp.'')]] [[Bild:Juanulloa-mexicana.jpg|thumb|Blüten einer ''[[Juanulloa mexicana]]'']] Die [[Kronblatt|Kronblätter]] sind, wie auch die Kelchblätter, miteinander verwachsen. Teilweise sind sie wie in der Gattung ''[[Melananthus]]'' mit 2,5 bis 8&nbsp;mm sehr klein, können aber beispielsweise in der Gattung ''[[Solandra]]'' auch 100 bis 370&nbsp;mm lang werden. Die Kronen sind normalerweise radiärsymmetrisch, nur selten zygomorph, beispielsweise in der Tribus Browallieae und in den Gattungen ''[[Rahowardiana]]'' oder ''[[Schultesianthus]]'', manchmal ist die Krone sogar zweilippig (Spaltblumen (''Schizanthus'')). Als Blütenformen treten vor allem auf: radförmig, sternförmig, röhrenförmig, trichterförmig und überbecherförmig. ==== Androeceum ==== Der [[Androeceum]] genannte männliche Blütenanteil besteht meist aus fünf, nur sehr selten aus vier (''[[Nothocestrum]]'') oder zwei (Spaltblumen (''Schizanthus'')) [[Staubblatt|Staubblättern]]. Sie stehen in nur einem Kreis, sind untereinander nicht verwachsen. Sie sind zwischen den Kronblättern angeordnet und sind mit ihnen verwachsen. Bei vielen Vertretern sind in einer Blüte Staubblätter unterschiedlicher Länge zu finden, jedoch sind gleichlange Staubblätter ähnlich häufig. Zum Teil überragen die Staubblätter die restliche Blüte (''[[Vestia]]'', ''Dunalia''), jedoch können sie auch innerhalb der Blüte liegen (''Lycianthes'', ''[[Juanulloa]]'' etc.) ===== Antheren ===== Die Staubbeutel ([[Anthere]]n) bestehen meist aus zwei Theken<!-- mit vierteiligen [[Spore]]n-->. Es gibt sowohl mit 0,2 bis 2&nbsp;mm Länge kleine (''Deprea'', [[Hammersträucher]] (''Cestrum''), Tribus Schwenckieae usw.) als auch große Antheren (6 bis 13&nbsp;mm bei ''Solandra'' oder 12 bis 40&nbsp;mm bei Engelstrompeten (''Brugmansia'')). Sie sind für gewöhnlich gerade, Ausnahmen sind die Gattung ''[[Normania]]'' und die Art ''[[Solanum pennellii]]'', welche gebogene Antheren besitzen. Die Theken sind im Allgemeinen gleich groß, in Ausnahmen, wie bei ''[[Schwenckia]]'', ''Melananthus'', ''[[Heteranthia]]'' oder ''Normania'' geschwungen. Durch Verkümmerung jeweils einer der Theken sind die Antheren der Tribus Browallieae deutlich unsymmetrisch. Meist sind die Antheren unbehaart, in den Gattungen Hammersträucher (''Cestrum'') und ''[[Hawkesiophyton]]'' sind sie mit [[Papille (Botanik)|Papillen]] besetzt, in einigen Gattungen existieren Vertreter mit − im Vergleich zu den Antheren − relativ großen, einfachen [[Trichom]]en auf den Antheren (Datureae, [[Giftbeere]]n (''Nicandra''), ''[[Streptosolen]]'', ''[[Solanum pennellii]]'' sowie bei [[Tomate]]n (''Solanum lycopersicum''). ===== Staubfäden ===== Die [[Staubfaden|Staubfäden]] sind normalerweise gerade und zylindrisch oder leicht zusammengedrückt. Eine Ausnahme ist die Gattung ''[[Browallia]]'' mit gekrümmten und abgeflachten Staubfäden. Die Staubfäden sind ähnlich lang oder länger als die Antheren. Davon abweichend sind die Gattungen ''Nothocestrum'' mit stark reduzierten, fast inexistenten Staubfäden, ''Hawkesiophyton'' mit sehr kurzen Staubfäden, ''[[Nectouxia]]'' mit laminar vergrößerten Staubfäden und ''Vestia'' mit sehr langen Staubfäden. Die Länge der Staubfäden einer Blüte ist im Allgemeinen gleich, aber es kommen auch unterschiedlich lange Staubfäden vor, beispielsweise bei ''Lycianthes'', ''[[Capsicum campylopodium]]'', ''[[Fabiana]]'', ''Vestia'' und anderen. [[Didynamie]] (das Auftreten zweier unterschiedlicher Typen von Staubfäden innerhalb einer Blüte) tritt unter anderen bei ''[[Anthocercis]]'', ''[[Crenidium]]'', ''[[Cyphanthera]]'' und ''[[Duboisia]]'' sowie in der Unterfamilie Salpiglossideae auf. Manchmal sind die Staubfäden oder ihr oberer Teil zum Blüteninneren gebogen (u.a. bei den Tribus Atropeae und Mandragoreae sowie bei diversen Arten der Gattung ''[[Jaborosa]]''), sind schräg geneigt (''Schultesianthus'', ''Solandra'') oder am oberen Ende verbreitert (in der Tribus Jaboroseae). Weiterhin kommen knieförmig umgebogene Staubfäden sowohl am oberen (unter anderem in den Giftbeeren (''Nicandra''), Hammersträuchern (''Cestrum''), [[Petunien]] (''Petunia''), ''Fabiana'', ''[[Sessea]]'' und ''[[Trianaea]]'') als auch am unteren Ende (Petunien (''Petunia''), ''Fabiana'' und ''Streptosolen''), sowie hakenförmige Staubfäden (Jaboroseae) vor. ===== Pollen ===== Die [[Pollen]]körner der Nachtschattengewächse kommen in sehr vielen unterschiedlichen Gestalten vor, so dass sie auch als ein wichtiges morphologisches Merkmal zur Bestimmung herangezogen werden können. Erster Unterscheidungspunkt ist die Größe der Pollenkörner − sie können klein (''[[Latua]]'', ''Hawkesiophyton'', ''Fabiana'', Tribus Lycieae und andere), mittelgroß (''Sessea'', Hammersträucher (''Cestrum''), ''Juanulloa'', ''Rahowardiana'' und andere) und auch groß (''[[Metternichia]]'', ''Vestia'', ''[[Merinthopodium]]'', [[Weißbecher]] (''Nierembergia'')) sein. Die absoluten Größen reichen dabei von ca. 20 µm bei den kleinen bis zu ca. 70 µm bei den großen Pollenkörnern. Weiterhin gibt es starke Unterschiede im Aussehen der Pollenkornoberfläche. Die äußere Pollenwand (Exine) kann [[Ubisch-Körper]] (eine Schicht von Plättchen auf der Pollenkornoberfläche) besitzen (''[[Markea sessiliflora]]'', ''[[Markea venosa]]'', sowie diverse Arten von ''Schultesianthus'') oder nicht (''Trianaea'', ''Juanulloa'', ''Dyssochroma'', ''Solandra'', ''Rahowardiana''), kann stachelig (''Metternichia'', [[Alraunen]] (''Mandragora'')), faltig (''Sessea''), netzartig-faltig (''Merinthopodium''), gerillt oder glatt (Hammersträucher (''Cestrum'')), glatt (''Rahowardiana''), glatt oder schwach gekörnt (''Nothocestrum''), schuppig (''Hawkesiophyton'', ''Juanulloa''), gedoppelt oder gerillt ([[Trompetenzungen]] (''Salpiglossis'')), feinstachelig (''Lycianthes''), papillar oder warzig (''Normania'') sowie netzartig (''Dyssochroma'') sein. ==== Gynoeceum ==== Bei den Blüten der meisten Nachtschattengewächse besteht der weibliche Blütenanteil, das [[Gynoeceum]], aus zwei verwachsenen [[Fruchtblatt|Fruchtblättern]], welche meist schräg zur Medianebene der Blüte stehen. Es gibt jedoch mit der Gattung der Giftbeeren (''Nicandra'') und zwei Arten der Gattung ''Jaborosa'' sowie ''Trianaea'' auch Gymnoeceen mit drei bis fünf Fruchtblättern, die Art ''Iochroma umbellatum'' besitzt vier , die Gattung ''[[Nolana]]'' fünf Fruchtblätter<ref name="Dillon07">Michael O. Dillon et al.: ''Phylogeny of Nolana (Nolaneae, Solanoideae, Solanaceae) as inferred from granule-bound starch synthase I (GBSSI) sequences''. In: ''Taxon'', Volume 56, Nummer 4, November 2007. Seiten 1000−1011.</ref> und die Gattung ''Melananthus'' besitzt wahrscheinlich nur ein Fruchtblatt. In einigen kultivierten Formen, beispielsweise der [[Tomate]] (''Solanum lycopersicum''), kommen auch größere Zahlen von Fruchtblättern vor. In der Gattung ===== Fruchtblätter ===== Die verwachsenen Fruchtblätter bilden einen oberständigen [[Fruchtknoten]], nur die Gattungen [[Stechäpfel]] (''Datura''), ''Solandra'' und ''Nothocestrum'' haben teilweise unterständige Fruchtknoten. Bis auf kleine drüsige (''[[Athenaea]]'') oder starre (''Browallia'') [[Trichom]]e, sowie kleine fleischige Dornen (Stechäpfel (''Datura'')) sind die Fruchtknoten kahl. Normalerweise besitzt der Fruchtknoten genau so viele Fruchtknotenfächer wie Fruchtblätter, Ausnahme davon sind die ''Trianaea'' mit acht bis zehn und die ''Solandra'' mit vier Fruchtknotenfächern. Daneben gibt es in zwei Gattungen Fruchtknoten mit teilweise vier Fruchtknotenfächern: bei den ''[[Grabowskia]]'' in der oberen Hälfte, bei den ''[[Vassobia]]'' in Teilen der unteren Hälfte. ===== Nektarien ===== Normalerweise befindet sich am Boden der Fruchtknoten Honigdrüsen ([[Nektarien]]), die wie in den ''[[Benthamiella]]'' und einigen Bocksdornen (''Lycium'') verdeckt sein, oder auch wie bei den [[Weißbecher]]n (''Nierembergia'') und der Untertribus Solaninae komplett fehlen können. Wenn Honigdrüsen vorhanden sind, sind sie im Allgemeinen ringförmig und leicht hervorstehend, nur in den Giftbeeren (''Nicandra'') sind sie umschlossen. Es existieren jedoch auch zwei Varianten eingestülpter Honigdrüsen: beckenförmig-eingestülpt, ohne Lappen oder Einschnitte in der Gattung ''Schwenckia'' oder zweilappig-eingestülpt mit zwei Lappen und zwei Einschnitten, wie es in der Untertribus Nicotianinae und den Gattungen ''[[Bouchetia]]'', ''[[Phrodus]]'' und einigen anderen zu finden ist. Eine weitere Variante von Honigdrüsen ist die dick-kissenförmige der ''[[Protoschwenckia]]''. ===== Samenanlagen ===== Die [[Samenanlage]]n stehen an einer recht fleischigen [[Plazenta (Botanik)|Plazenta]] und können sowohl umgewendet (z. B. in ''Metternichia'' und den Weißbechern (''Nierembergia'')), umgewendet bis krummläufig (''Phrodus'', ''Grabowskia'' und ''Vassobia''), halb umgewendet (Hammersträucher (''Cestrum'') und andere) oder halb krummläufig ([[Paprika]] (''Capsicum''), Spaltblumen (''Schizanthus''), Bocksdorne (''Lycium'') und andere) sein. Normalerweise sind in jedem Fruchtknotenfach viele Samenanlagen zu finden, zum Teil sind es aber auch deutlich weniger, beispielsweise in ''Grabowskia'' mit zwei Samenanlagenpaaren in jedem Fruchtknoten, oder in den Bocksdornen (''Lycium'') mit nur einem Samenanlagenpaar je Fruchtknoten. Als Ausnahme gilt die einzelne Samenanlage, wie sie in der Gattung ''Melananthus'' auftritt. ===== Griffel ===== Die Form des [[Griffel (Botanik)|Griffels]] ist normalerweise zylindrisch, manchmal gestaucht (''Bouchetia'') oder mit zwei seitlichen Auswüchsen am oberen Ende versehen (Unterfamilie Salpiglossoideae und Untertribus Leptoglossinae), gelegentlich terminal (''[[Salpichroa]]'', ''[[Saracha]]'', ''[[Eriolarynx]]'' und andere) oder in einer Zwischenform zwischen terminal und gymnobasisch (''Vassobia'', ''Jaborosa'', Paprika (''Capsicum''), ''Dunalia'' und andere). Der Griffel ist für gewöhnlich massiv, nur gelegentlich hohl mit einem Griffelkanal (Trompetenzungen (''Salpiglossis''), ''Bouchetia'' und andere), normalerweise glatt oder stark runzelig (''Browallia''). Selten ist er mit den Fruchtknoten verbunden (''Withania'', ''[[Triguera]]'', ''[[Tubocapsicum]]''). Manchmal treten zwei verschiedene Griffellängen an der gleichen Pflanze auf (''[[Aureliana]]'', ''Athenaea'', ''[[Capsicum baccatum]]'' var. ''umbilicatum'' und andere). Ausnahmen bilden auch ''[[Discopodium]]'' und ''[[Jaborosa ameghinoi]]'', an deren Griffeln anthrorse [[Trichom]]e zu finden sind. ===== Narbe ===== Die [[Narbe (Botanik)|Narbe]] ist gewöhnlich scheibenförmig und leicht kopfförmig oder kopfförmig-gelappt (Giftbeeren (''Nicandra''), Alraunen (''Mandragora'')), selten fast kugelig oder halbkugelig wie in der Gattung Paprika (''Capsicum''), manchmal sattelförmig (Datureae, Juanulloeae, ''Nothocestrum'' und andere). Ausnahmen sind fünfteilige Narben wie bei ''[[Jaborosa odonelliana]]'' oder zweilappige Narben (''Normania''). Innerhalb der Familie treten sehr kleine und unauffällige Narben (Spaltblumen (''Schizanthus'')), aber auch relativ große Narben (''[[Ectozoma]]'') auf. Sie sind für gewöhnlich drüsig und feucht, Ausnahmen davon sind die drüsenlosen Narben der Spaltblumen (''Schizanthus'') und ''[[Nierembergia linariaefolia]]'' und die trockenen einzelligen Drüsen von ''Solandra''. === Früchte === [[Bild:Atropa bella-donna0.jpg|thumb|Beerenfrüchte der [[Schwarze Tollkirsche|Schwarzen Tollkirsche]] (''Atropa belladonna'')]] [[Bild:Datura_Stramonium_Samenkapsel.jpg|thumb|Kapselfrüchte des [[Gemeiner Stechapfel|Gemeinen Stechapfels]] (''Datura stramonium'')]] Die [[Frucht (Botanik)|Früchte]] sind meist vielsamige [[Beere]]n oder verschiedenförmige [[Spaltkapsel]]n (in der Gattung ''[[Markea]]'', der Unterfamilie Cestroideae und anderen), zum Teil kommen auch Zwischenformen zwischen beiden Fruchttypen vor. Ausnahmen sind die [[Deckelkapsel]]n in der Tribus Hyoscyameae, die [[Steinfrucht|Steinfrüchte]] in einigen Vertretern der Tribus Lycieae, sowie die Sammelfrüchte der Gattung ''Nolana''<ref name="Dillon07" />. Obwohl entwicklungsgeschichtlich die Kapsel die ursprünglichere Fruchtform ist, kommen sie heute nur noch in einigen [[Kladistik|basalen Kladen]] und in der Gattung der [[Stechäpfel]] (''Datura'') vor. Die in der Familie überwiegenden Beeren haben [[Phylogenetik|phylogenetischen]] Untersuchungen zufolge drei verschiedene Quellen, was entweder auf eine [[monophyletisch]]e Klade, in der die Eigenschaft der Beerenbildung dreimal verloren wurde, oder auf eine dreimalige Entwicklung der gleichen Eigenschaft hinweist.<ref name="Knapp02">Sandra Knapp: ''[http://jxb.oxfordjournals.org/cgi/content/abstract/53/377/2001 Tobacco to tomatoes: a phylogenetic perspective on fruit diversity in the Solanaceae]''. In: ''Journal of Experimental Botany.'' Volume 53, Nummer 377, ''Fruit Development and Ripening Special Issue'', Oktober 2002. Seiten 2001-2022.</ref> Oftmals sind die Früchte nicht sehr groß, teilweise unter 1&nbsp;cm Durchmesser, jedoch können beispielsweise kultivierte Sorten von [[Tomate]]n und [[Aubergine]]n Früchte mit einem Gewicht von mehreren Kilogramm haben. Doch auch bei wildwachsenden Vertretern können sehr große Früchte vorkommen, so hat die Frucht von ''[[Solanum lycocarpon]]'' einen Durchmesser von bis zu 15&nbsp;cm.<ref name="Knapp02" /> Bei den beerenartigen Früchten können sich das [[Perikarp]] und die [[Plazenta (Botanik)|Plazenta]] soweit vergrößern, dass sie miteinander komplett verschmelzen, so zum Beispiel in den Gattungen ''[[Tubocapsicum]]'', ''[[Acnistus]]'' oder ''[[Iochroma]]'', sowie bei den [[Tomate]]n (''Solanum lycopersicum'') und anderen Arten der Nachtschatten (''Solanum''). Es kommt allerdings auch oft vor, dass beide Strukturen nicht verschmelzen, so dass im Inneren der Frucht ein Hohlraum entsteht, beispielsweise bei den [[Paprika]] (''Capsicum''), ''[[Schultesieanthus]]'', ''[[Lycianthes rantonnei]]'' und anderen. Das Perikarp kann dick und saftig sein und [[Sklerenchym|Steinzellen]] enthalten (''Witheringia'', ''Acnistus'', einige [[Blasenkirschen]] (''Physalis'')) oder nicht (die meisten Blasenkirschen (''Physalis''), ''[[Jaltomata]]'', Tomaten (''Solanum lycopersicum'')). Es kann aber auch dünn und ohne Steinzellen aufgebaut sein, wie in den Gattungen ''[[Chamaesaracha]]'' und ''[[Quincula]]'' oder nur kleine Steinzellen besitzen, wie in der Gattung ''[[Darcyanthus]]''. In Ausnahmefällen ist das Perikarp zerbrechlich und bricht leicht in unregelmäßige Stücke, so zum Beispiel bei ''Quincula'' und ''Chamaesaracha''. Die Kapselfrüchte öffnen sich entweder durch Zerbrechen der Scheidewand mit zwei oder vier Klappen ([[Stechäpfel]] (''Datura'')), springen scheidewandspaltig ([[Petunien]] (''Petunia''), ''[[Fabiana]]'') oder scheidewand- bis fachspaltig (in der Unterfamilie Salpiglossoideae und den Gattungen ''[[Metternichia]]'', Tabak (''Nicotiana'') und der Unterfamilie Anthocercidoideae) auf. Die Anzahl der Samen je Frucht schwankt sehr stark: Während in der Gattung [[Tabak]] (''Nicotiana'') bis zu 5000 Samen zu finden sind, sind es in der Gattung [[Petunien]] (''Petunia'') bis zu 1200, in den ''Fabiana'' etwa 30 bis 50 und in den ''Metternichia'' vier bis fünf. In den ''[[Melananthus]]'' ist nur ein Samen pro Frucht zu finden. === Samen === [[Bild:Solanum seed de.jpg|thumb|left|Schematische Darstellung eines [[Nachtschatten]]-Samens]] [[Bild:Solanum nigrum seeds.jpg|thumb|Samen des [[Schwarzer Nachtschatten|Schwarzen Nachtschattens]] (''Solanum nigrum'')]] [[Bild:Cestrum nocturnum seed.jpg|thumb|Samen des [[Nachtjasmin]]s (''Cestrum nocturnum'')]] Die Größe der [[Same (Pflanze)|Samen]] beträgt zwischen 0,75&nbsp;mm (''[[Darcyanthus]]'') bzw. 0,6 bis 1&nbsp;mm (''[[Schwenckia]]'', in ''[[Schwenckia micrantha]]'' nur 0,3 bis 0,4&nbsp;mm) und 7 bis 8&nbsp;mm (''[[Jasminosolanum]]'') großen Samen. Die Form ist mehr oder weniger gestaucht, scheiben- oder nierenförmig (in der Unterfamilie Solanoideae und in den Gattungen ''[[Combera]]'', [[Spaltblumen]] (''Schizanthus''), [[Trompetenzungen]] (''Salpiglossis'')), linsen- bis nierenförmig (in der [[Nachtschatten]]- (''Solanum'') Untergattung ''Leptostemonum''), bumerangförmig oder bacilliform (viele Vertreter der Unterfamilie Juanulloideae), gestreckt und dünn (''[[Trianaea]]'') oder relativ dick und nicht gestaucht in verschiedenen Formen (innerhalb der Unterfamilie Cestroideae). ==== Samenschale ==== Die [[Samenschale]]n treten in verschiedensten Varianten auf: In den Gattungen ''[[Sessea]]'' und ''[[Oryctes nevadensis|Oryctes]]'' ist ein dünner, peripherer, verholzter Flügel ein alleinstellendes Merkmal; in einigen Arten der ''Leptostemonum'', einer Untergattung der Nachtschatten (''Solanum''), ist ein breiter Flügel ausgebildet; manchmal ist die Samenschale bemerkenswert dick, so wie bei den [[Engelstrompeten]] (''Brugmansia''). Die Oberfläche kann glatt (''Melananthus''), netzartig (''[[Juanulloa]]''), höckerig (''[[Solanum chamaesarachidium]]'', ''[[Chamaesaracha]]'' Sektion ''Capsicophysalis'') oder wabenartig (''[[Acnistus]]'', ''[[Witheringia]]'') sein. Die Zellen der Samenschalen können dickwandig (Spaltblumen (''Schizanthus'')), mit einem gewellten oder welligen Rand versehen (''[[Ectozoma]]'', Spaltblumen (''Schizanthus'')), tief (''[[Triguera]]'', ''[[Witheringia]]'', ''[[Jaborosa]]'') oder flach (''[[Brachistus]]''), eiförmig oder netzartig-eiförmig (''[[Hyoscyamus]]'') sein. Ein besonderer Fall sind die Samen der [[Tomate]]n (''Solanum lycopersicum''), deren äußerste Schicht der Samenschale schleimig ist und, wenn diese trocknet, den Samen wie mit [[trichom]]artigen Härchen bedeckt erscheinen lässt. ==== Embryo ==== Ein wichtiges Merkmal zur [[Morphologie (Biologie)|morphologischen]] Bestimmung und Systematisierung von Nachtschattengewächsen sind die in den Samen enthaltenen [[Embryo (Pflanze)|Embryos]]. Die Form der Embryos kann dick (''[[Schultesianthus]]'') oder schlank (''[[Markea]]''), gerade, manchmal lang (in ''Metternichia'': 17 bis 19 mm), manchmal kurz (in ''Sessea'' nur knapp 2 bis 3&nbsp;mm), leicht gekurvt (in den Unterfamilien Anthocercidoideae, Cestroideae und Juanulloideae), wurmförmig (''[[Ectozoma]]'', ''[[Anthocercis]]''), ringförmig (Tribus Benthamielleae) oder schraubenförmig bis fast schraubenförmig (in den Unterfamilien Solanoideae, Salpiglossoideae und den Gattungen der Spaltblumen (''Schizanthus'') und ''[[Solandra]]'') sein. Zudem gibt es unterschiedliche Möglichkeiten, wie die [[Kotyledon]]en geformt sein können: Drei Arten der Tribus Cestreae und die Gattungen ''[[Merinthopodium]]'', ''[[Markea]]'' und ''[[Juanulloa]]'' haben durchgehend Embryos mit breiten Kotyledonen, während der Rest der Familie Kotyledonen aufweist, die genauso breit sind wie der restliche Embryo. Weiterhin ist das Verhältnis der Größe von Embryo und Kotyledonen innerhalb der Familie unterschiedlich: Die Unterfamilie Anthocercidoideae sind die Kotyledonen nur ein Sechstel bis ein Achtel so lang wie der restliche Embryo, in allen anderen Unterfamilien kommen Kotyledonen vor, die genauso lang bis 2,5 bis dreimal kürzer als der restliche Embryo sind. Große Aufmerksamkeit bei morphologischen Untersuchungen der Samen erhält auch die Art, in der die Kotyledonen innerhalb des Samens angeordnet sind. In den Unterfamilien Solanoideae, Cestroideae, Salpiglossoideae und Schizanthoideae liegen die Kotyledonen oben oder leicht schief, die Juanulloideae haben hingegen anliegende, in seltenen Fällen schiefliegende Kotyledonen. Ölige [[Endosperm]]e sind innerhalb der Familie sehr selten. Dieses Merkmal vor allem in der Unterfamilie Juanulloideae und in der Gattung ''Metternichia'' zu finden. Die Entwicklung des Endosperms ist für gewöhnlich zellulär, Ausnahme ist die Gattung der Spaltblumen (''Schizanthus'') mit nukleärer Entwicklung. == Verbreitung == [[Bild:Solanaceae map.svg|thumb|Skizze des Verbreitungsgebietes der Nachtschattengewächse]] Die Gattungen der Nachtschattengewächse sind weit über die gesamte Welt verteilt. Es gibt einige kosmopolitisch vorkommende Gattungen wie [[Bocksdorne]] (''Lycium''), [[Blasenkirschen]] (''Physalis'') und Nachtschatten (''Solanum''), aber auch Gattungen, die nur in einzelnen [[Florenreich]]en vorkommen. Es gibt einige [[endemisch (Biologie)|endemisch]] vorkommende Gattungen, so beispielsweise ''[[Nothocestrum]]'' auf [[Hawaii]], ''[[Normania]]'' auf den [[Kanarische Inseln|Kanarischen Inseln]] sowie ''[[Combera]]'' und ''[[Benthamiella]]'' in [[Patagonien]]. Die Gattungen ''[[Bouchetia]]'', ''[[Grabowskia]]'', ''[[Leptoglossis]]'', ''[[Leucophysalis]]'', [[Weißbecher]] (''Nierembergia'') und die [[Petunien]] (''Petunia'') haben [[Disjunktion (Biologie)|disjunkte Verbreitungsgebiete]]. Die [[Genzentrum|Mannigfaltigkeit]] der Nachtschattengewächse [[Südamerika]]s übertrifft die aller anderen Kontinente und Subkontinente. Neben den kosmopolitisch verbreiteten Gattungen sind in den [[Anden]] 13 nur dort vorkommende Gattungen zu finden, in den Anden und Südost-Südamerika weitere drei Gattungen. Eine Gattung (''[[Sessea]]'') kommt sowohl in Südamerika als auch auf den [[Antillen]] vor, es existieren 14 Endemiten und die schon erwähnten Gattungen mit disjunkten Verbreitungsgebieten. Südamerika ist mit einer großen Anzahl an vorkommenden Wildarten ebenfalls das [[Genzentrum]] wichtiger Kulturpflanzen wie Kartoffel, Paprika, Tabak und Tomate. Geht man von der Anzahl der vorhandenen Gattungen aus, sind die Nachtschattengewächse in [[Afrika]] mit nur acht Gattungen relativ schwach vertreten. Mit den Nachtschatten (''Solanum'') und Bocksdornen (''Lycium'') findet man zwei der drei kosmopolitisch vorkommenden Gattungen; daneben mit ''[[Triguera]]'' und den [[Alraunen]] (''Mandragora'') zwei Gattungen, die Afrika mit Europa gemeinsam hat. Des Weiteren gibt es mit den [[Bilsenkräuter]]n (''Hyoscyamus'') und ''[[Withania]]'' zwei Gattungen, die sowohl in Asien, Europa und Afrika vorkommen und eine einzelne Art des [[Tabak]]s (''Nicotiana'') aus [[Namibia]], sowie die endemische Gattung ''[[Discopodium]]''. In [[Asien]] kommen zum einen die drei kosmopolitischen Gattungen vor, weiterhin die nur in Asien vorkommende Gattung ''[[Tubocapsicum]]''. Zudem existieren hier die auch in Europa zu findenden [[Tollkirschen]] (''Atropa'') und die Alraunen (''Mandragora'') und die mit Amerika gemeinsamen Gattungen ''[[Lycianthes]]'', Bilsenkräuter (''Hyoscyamus'') und ''Withania''. Somit gibt es in Asien insgesamt neun der Nachtschatten-Gattungen. Die Unterfamilie Anthocercidoideae mit sieben Gattungen kommt ausschließlich in [[Australien]] vor. Zudem gibt es hier 18 endemische Arten der Gattung Tabak (''Nicotiana'') und eine große Anzahl Arten aus anderen Gattungen. == Chromosomenzahl == Mehr als 50 % der untersuchten Arten der Nachtschattengewächse weisen eine Basis-[[Chromosom]]enzahl von <math>x = 12</math> auf, wobei auch <math>x = 7</math> und <math>x = 13</math> häufig vorkommen. Die größte Varianz ist innerhalb der Unterfamilie Cestroideae zu finden, in der alle Chromosomenzahlen von <math>x = 7</math> bis <math>x = 13</math> auftauchen. Große Unterschiede treten auch in der Unterfamilie Solanoideae auf, hier wurden neben den häufigen <math>x = 10, 12, 14, 17</math> auch Chromosomenzahlen von <math>x = 13</math> (bei einigen Arten des [[Paprika]] (''Capsicum'')<ref name="Pozzobon06">Marisa Toniolo Pozzobon, Maria-Teresa Schifino-Wittmann und Luciano de bem Bianchetti: ''Chromosome numbers in wild and semidomesticated Brazilian Capsicum L. (Solanaceae) species: do x = 12 and x = 13 represent two evolutionary lines?'' In: ''Botanical Journal of the Linnean Society'', Volume 151, 2006. Seiten 259-269. {{DOI|10.1111/j.1095-8339.2006.00503.x}}</ref> und einem Kultivar der [[Tomate]] (''Solanum lycopersicum'')), <math>x = 15</math> (''Solanum bullatum'') und <math>x = 23</math> (Nachtschatten (''Solanum''), Untergattung ''[[Archaesolanum]]'') festgestellt. Die weiteren Unterfamilien besitzen Chromosomenzahlen von <math>x = 12</math> (Juanulloideae), <math>x = 11</math> (Salpiglossoideae), <math>x = 10</math> (Schizanthoideae, Anthocercidoideae) oder <math>x = 9</math> (Anthocercidoideae). Nicht selten tritt [[Polyploidie]] innerhalb der Familie auf, bekannt ist diese Vervielfältigung der Chromosomenzahl aus den [[Weißbecher]]n (''Nierembergia''), ''[[Withania]]'', [[Blasenkirschen]] (''Physalis''), ''[[Quincula]]'', ''[[Chamaesaracha]]'', Nachtschatten (''Solanum'')-Sektionen ''Solanum'' und ''Petota'' und -Unterfamilien ''[[Leptostemonum]]'' und ''Archaesolanum'', [[Alraunen]] (''Mandragora'') und [[Bocksdorne]]n (''Lycium''). Zwei Berichten zufolge<ref name="Edmonds97" /> wurden aus der Nachtschatten (''Solanum'')-Sektion ''Solanum'' Pflanzen gefunden, die octoploide Chromosomensätze mit <math> 2n = 8x = 96</math> Chromosomen besitzen. == Systematik == Obwohl die Familie der Nachtschattengewächse schon immer sehr umfangreich erforscht wurde, existiert bisher noch keine vollständig akzeptierte Systematik. Dies liegt zum einen an der Größe der Familie, zum anderen daran, dass vor allem [[Morphologie (Biologie)|morphologische]] Merkmale nicht unbedingt eindeutige Schlüsse auf die Systematik zulassen. Dies gilt sowohl auf Familien- wie auch auf Gattungs- und Artebene. So kommt es oft vor, dass der [[Phänotyp]] einer Art oder Gattung sowohl durch genetische Unterschiede als auch durch die phänotypische Flexibilität der Pflanzen hervorgerufen wird.<ref name="Edmonds97">Jennifer M. Edmonds und James A. Chweya: ''[http://www.bioversityinternational.org/publications/pdf/337.pdf Black Nightshades - Solanum nigrum L. and related species]''. International Plant Genetic Resources Institute, Rom, Italien, 1997, ISBN 92-9043-321-3.</ref> Zudem sind verschiedene Merkmale, wie beispielsweise [[zygomorph]]e Blüten oder die fleischigen [[Beere]]n mehrmals parallel innerhalb der Familie entstanden.<ref name="Knapp04">Sandra Knapp, Lynn Bohs, Michael Nee und David M. Spooner: ''Solanaceae − a model for linking genomics with biodiversity''. In: ''Comparative and Functional Genomics'', Volume 5, 2004. S. 285-291. {{DOI|10.1002/cfg.393}}</ref> Die Anzahl der Gattungen innerhalb der Familie liegt bei 90 bis 100, die Angabe zur Anzahl der Arten schwankt je nach Quelle und Autor zwischen 2.300<ref name="FOC">Vgl. [http://www.efloras.org/florataxon.aspx?flora_id=2&taxon_id=10828 Solanaceae in Flora of China].</ref> bis hin zu 9.000 bis 10.000<ref name="Knapp02" /> Arten. Eine Schätzung aus dem Jahr 2007 geht von 2716 anerkannten Arten aus.<ref name="Olmstead07" /> Die letzte, bis auf Art-Ebene vollständige, taxonomische Darstellung der Familie wurde 1852 von [[Michel Felix Dunal]] veröffentlicht, spätere Arbeiten betrachten meist nur einen kleinen, botanisch oder regional begrenzten Teil der Familie, oder sind nur bis auf Gattungs-Ebene vollständig.<ref name="Knapp04" /> Neuere, [[Phylogenetik|phylogenetische]] Untersuchungen sind aufgrund der Größe der Gattung noch nicht vollständig vorhanden, so dass in Zukunft mit neuen Erkenntnissen über die Familien-Systematik und damit weiteren Umordnungen gerechnet werden muss. Im folgenden werden drei verschiedene Systematiken für die Nachtschattengewächse vorgestellt. Die von D'Arcy und [[Armando Hunziker|Hunziker]] aufgestellten Systematiken berufen sich vor allem auf morphologische Eigenschaften, während die Systematik Olmsteads auf verschiedenen [[Molekularbiologie|molekularbiologischen]] Untersuchungen basiert. Für entsprechende Übersichten über die Systematiken inklusive der zugeordneten Gattungen siehe [[Systematik der Nachtschattengewächse]]. === Systematik nach D'Arcy === Neuere Erkenntnisse zur Systematik der Nachtschattengewächse sind vor allem den morphologischen Arbeiten der Arbeitsgruppen um William D'Arcy und Armando T. Hunziker zu verdanken. Lange Zeit wurde von beiden Wissenschaftlern die Aufteilung der Nachtschattengewächse in nur zwei Unterfamilien als richtig anerkannt. Eine erste umfassende systematische Klassifikation der Familie stellte D'Arcy 1976 auf dem ersten „International Symposium of the Biology and Taxonomy of the Solanaceae“ in Birmingham vor, die 1979 veröffentlicht wurde. Eine Revision dieser Systematik auf der Grundlage neuerer Erkenntnisse wurde von D'Arcy 1991 in einer Veröffentlichung im Buch ''Solanaceae: Taxonomy, Chemistry, Evolution'' vorgestellt. Trotz der intensiven Arbeiten, sowohl der Forschergruppen um D'Arcy als auch um Hunziker, konnten einige Gattungen nicht zufriedenstellend innerhalb der Familie platziert werden.<ref name="Darcy_sys">J.A.M. van Balken: ''[http://www.hvanbalken.com/images/Species.pdf Overview of Solanaceae Species ]'', online</ref> <div class="rahmenfarbe2" style="margin:0; border-style: solid;"> * Unterfamilie Solanoideae ** Tribus Solaneae ** Tribus Daturae ** Tribus Jaboroseae ** Tribus Lycieae ** Tribus Nicandreae ** Tribus Solandreae ** Tribus Juanulloeae ** Tribus Hyoscyameae ** nicht-eingeordnete Gattungen innerhalb der Unterfamilie * Unterfamilie Cestroideae ** Tribus Cestreae ** Tribus Nicotianea ** Tribus Salpiglossideaea ** Tribus Schwenckieae ** Tribus Parabouchetieae ** Tribus Anthocercideae ** nicht-eingeordnete Gattungen innerhalb der Unterfamilie </div> === Systematik nach Hunziker === Im Buch ''Genera Solanacearum - The genera of Solanaceae illustrated, arranged according to a new system'' (2001) stellt [[Armando Hunziker|Armando T. Hunziker]] eine neue Systematik der Nachtschattengewächse auf, die er als Schlussfolgerung aus seiner über 50jährigen Erforschung und Untersuchung der Familie ansieht. Er teilt die 92 Gattungen der Familie in 6 Unterfamilien auf, welche wiederum in Triben organisiert sind. Bei den Triben Nicotianeae und Solaneae erkannte er die Notwendigkeit, die Gattungen zusätzlich in Untertriben zu kategorisieren. Die Gattungen ''[[Duckeodendron]]'', ''[[Eutheta]]'', ''[[Goetzea]]'', ''[[Espadaea]]'', ''[[Coeloneurum]]'', ''[[Bissea]]'', ''[[Lithophytum]]'', ''[[Nolana]]'', ''[[Parabouchetia]]'', ''[[Retzia]]'', ''[[Sclerophylax]]'', ''[[Tsoala]]'', ''[[Tunaria]]'' und ''[[Valerioa]]'' werden nach dieser Zuordnung nicht zu den Nachtschattengewächsen gezählt.<ref>Siehe Hunziker, S. 23-25 oder [http://www.hvanbalken.com/Hunziker.html Systematik auf hvanbalken.com]</ref> <div class="rahmenfarbe2" style="margin:0; border-style: solid;"> * Unterfamilie Cestroideae ** Tribus Cestreae ** Tribus Metternichieae ** Tribus Latueae ** Tribus Nicotianeae ** Tribus Benthamielleae ** Tribus Francisceae ** Tribus Browallieae ** Tribus Schwenckieae * Unterfamilie Juanulloideae * Unterfamilie Solanoideae ** Tribus Nicandreae ** Tribus Mandragoreae ** Tribus Datureae ** Tribus Lycieae ** Tribus Solaneae *** Untertribus Witheringinae *** Untertribus Physalinae *** Untertribus Iochrominae *** Untertribus Capsicinae *** Untertribus Solaninae ** Tribus Atropeae ** Tribus Jaboroseae ** Tribus Solandreae ** Tribus Hyoscyameae * Unterfamilie Salpiglossoideae * Unterfamilie Schizanthoideae * Unterfamilie Anthocercidoideae </div> === Systematik nach Olmstead === Durch Fortschritte in der Erforschung genetischen Materials ist es seit einigen Jahren möglich, [[Phylogenetik|phylogenetische]] Zusammenhänge zwischen Pflanzen zu erkennen und auf dieser Grundlage systematische Klassifizierungen zu erstellen. Eine häufig dazu genutzte Methode ist die Untersuchung der [[Desoxyribonukleinsäure|DNA]] der [[Chloroplast]]en (cpDNA-Analyse). Mit Hilfe dieser Methode konnte auch die Systematik der Nachtschattengewächse weiter untersucht werden, das Genom der Chloroplasten des [[Virginischer Tabak|Virginischen Tabaks]] (''Nicotiana tabacum'') war das erste vollständig bekannte Genom einer [[Bedecktsamige Pflanzen|Bedecktsamigen Pflanze]]. So wurden beispielsweise die [[Windengewächse]] als nahe verwandte Familie der Nachtschattengewächse klassifiziert und konnten der Ordnung der [[Nachtschattenartige]]n zugeordnet werden.<ref name="Olmstead99">R. G. Olmstead et al.: ''[http://depts.washington.edu/phylo/OlmsteadPubs/Solanaceae_IV.pdf Phylogeny and Provisional Classification of the Solanaceae Based on Chloroplast DNA]''. In ''Solanaceae IV, Advances in Biology and Utilization'', Editoren: M. Nee, D. E. Symon, J. P. Jessup, and J. G. Hawkes, Royal Botanic Gardens, Kew. 1999. Seiten 111-137.</ref> Olmsteads umfangreiche Untersuchungen der cpDNA-Struktur innerhalb der Nachtschattengewächse führten zu einer 1999 provisorisch vorgestellten Systematik, die die Gattungen der Familie in [[monophyletisch]]e Unterfamilien, Triben und Untertriben aufteilt. Die von der klassischen Systematik beschriebene Unterfamilie der Cestroideae wurde beispielsweise in fünf kleinere, monophyletische Unterfamilien unterteilt. Als weitere Ergebnisse der Untersuchungen werden die von Hunziker aus der Familie entfernten Gattungen ''Coelonorum'', ''Espadaea'', ''Goetzea'' und ''Henoonia'' von Olmstead als Unterfamilie Goetzeoideae wieder der Familie der Nachtschattengewächse untergeordnet. Auch die Gattung ''Nolana'', die Hunziker einer monotypischen Familie unterordnete, wird von Olmstead wieder in der Unterfamilie Solanoideae, Tribus Nolaneae zu den Nachtschattengewächsen eingeordnet.<ref name="Olmstead99" /> 2007 veröffentlichte Olmstead eine Überarbeitung der systematischen Aufteilung, in der er verschiedene, seit 1999 erzielte Forschungsergebnisse in die [[Kladistik|kladistische]] Darstellung der Familie einarbeitete. Größte Unterschiede zur Systematik Hunzikers sind die Wiedereingliederung der Nolanaceae, Goetzeaceae, ''Duckeodendron'' und ''Sclerophylax'' in die Familie. Die Arbeit umfasst 90&nbsp;% aller Gattungen und 37&nbsp;% aller Arten der Familie.<ref name="Olmstead07" /> <div class="rahmenfarbe2" style="margin:0; border-style: solid;"> * Nicht in umfassendere Kladen eingeordnet :* ''[[Duckeodendron]]'' :* ''[[Schizanthus]]'' * Goetzeoideae (entspricht der ehemaligen Familie Goetzeaceae und der Gattung ''[[Metternichia]]'') * Benthamielleae * Cestroideae :* Browallieae :* Cestreae :* Salpiglossideae :* Nicht in eine umfassendere Klade innerhalb der Cestreae eingeordnet: ''[[Protoschwenckia]]'' * Petunieae * Schwenckieae * "x = 12 Klade" (ohne Rang) :* Nicotianoideae ::* Anthocercideae ::* Nicht in eine umfassendere Klade innerhalb der Nicotianoideae eingeordnet: ''[[Nicotiana]]'' :* Solanoideae ::* "Atropina" (ohne Rang) :::* Hyoscyameae :::* "Lyciina" (ohne Rang) (inklusive der ehemaligen Familie Nolanaceae, sowie der Gattungen ''[[Lycium]]'' und ''[[Sclerophylax]]'') :::* Nicht in umfassendere Kladen innerhalb der Atropina eingeordnet: ''[[Jaborosa]]'', ''[[Latua]]'' ::* Capsiceae ::* Datureae ::* Physaleae :::* Iochrominae :::* Physalinae :::* Withaninae :::* Nicht in umfassendere Kladen innerhalb der Physaleae eingeordnet: ''[[Nectouxia]]'', ''[[Salpichroa]]'' ::* Solaneae ::* Juanulloeae ::* Nicht in umfassendere Kladen innerhalb der Solanoideae eingeordnet: ''[[Exodeconus]]'', ''[[Mandragora]]'', ''[[Nicandra]]'', ''[[Schultesianthus]]'', ''[[Solandra]]'' </div> == Inhaltsstoffe == Vor allem aufgrund der großen Anzahl und der unterschiedlichen Einsatzgebiete von Nahrungs- und Heilpflanzen innerhalb der Nachtschattengewächse wurde die Familie relativ früh in phytochemischen Arbeiten untersucht. Mit der Untersuchung neuer Arten wurden immer weitere Inhaltsstoffe gefunden, so dass die Arbeit an dieser Familie weiterhin interessant blieb und damit eine sehr große Anzahl an phytochemischen Untersuchungen zu den Nachtschattengewächsen vorliegt.<ref name="Pedersen02">P.A. Pedersen: ''[http://www.merkurstab.de/Dateien/Leseproben/pedersen.pdf Charakteristische Inhaltsstoffe der Tomatenpflanze und der Nachtschattengewächse.]'' In: ''Der Merkurstab'', Jahrgang 55, Heft 4, 2002. Seiten 278-285.</ref> Vor allem [[Alkaloide]] und [[Steroide]] haben eine bedeutende Stellung als charakteristische [[sekundäre Pflanzenstoffe]] innerhalb der Familie. === Alkaloide === Insgesamt wurden neun Alkaloid-Gruppen innerhalb der Familie nachgewiesen, wobei die [[Tropan]]alkaloide (Beispiel [[Atropin]]) die am meisten verbreitete Gruppe ist und in fünf Unterfamilien (Solanoideae, Cestroideae, Salpiglossoideae, Schizanthoideae und Anthoceridoideae) in mindestens 33 Gattungen auftaucht. Andere nachgewiesene Alkaloid-Gruppen sind [[Steroid]]alkaloide, [[Pyrrole|Pyrrol]]alkaloide, [[Pyrazole|Pyrazol]]alkaloide, [[Pyridin]]alkaloide, [[Imidazole|Imidazol]]alkaloide, Aliphatische Alkaloide oder alkaloide [[Amine]] und [[Amide]], [[Chinolin]]alkaloide und [[Indolalkaloide]]. Das bekannteste Alkaloid der Nachtschattengewächse ist das Pyridinalkaloid [[Nikotin]] aus der [[Tabak]]pflanze (''Nicotiana sp.''), weitere bekannte Alkaloide sind [[Hyoscyamin]], [[Atropin]], [[Scopolamin]] und [[Capsaicin]]. === Steroide === Die meisten Steroide der Nachtschattengewächse sind vor allem als primäre Inhaltsstoffe eingeordnet, nur wenige können zu den sekundären Inhaltsstoffen gezählt werden. Vor allem [[Phytosterine]] wie [[Cholesterin]], [[β-Sitosterol]], [[Stigmasterin]] und [[Campesterin]] sowie deren Glykoside und Ester, aber auch Steroid[[lactone]] in zahlreichen Varianten sind innerhalb der ganzen Familie vorhanden.<ref name="Pedersen02" /> Eine der phytochemisch interessantesten Gruppen der Steroidlactone ist die der [[Withanolide]], von denen bisher über 300 aus der Unterfamilie Solanoideae isoliert werden konnten, in allen anderen Unterfamilien jedoch kein einziges. Sie dienen der Pflanze, ähnlich wie die Alkaloide, zur Abwehr von [[Fressfeind]]en. === Weitere Inhaltsstoffe === Charakteristisch für Nachtschattengewächse ist das Vorkommen von [[Cumarine]]n, welche auch von den [[Doldenblütler]]n bekannt sind. Cumarinfreie Arten sind innerhalb der Nachtschattengewächse nicht bekannt. Nachtschattengewächse enthalten selten größere Mengen an [[Ätherisches Öl|ätherischen Ölen]], [[iridoide]] Verbindungen scheinen in der Familie nicht vorzukommen. Nachtschattengewächse bilden zwar [[Polyphenole]], jedoch keine echten [[Gerbstoffe]]. An [[Flavonoide]]n sind mit [[Kaempferol]] und [[Quercetin]] vor allem [[Flavonole]] vorhanden, [[Flavone]] sind weniger verbreitet.<ref name="Pedersen02" /> == Bedeutung für den Menschen == === Nahrungsmittel === [[Bild:Pommes-1.jpg|thumb|[[Pommes frites]], eines der vielen Lebensmittel auf Grundlage der [[Kartoffel]]]] [[Bild:Caprese-1.jpg|thumb|[[Tomate]]n mit [[Mozzarella]], [[Basilikum]] und [[Olivenöl]]]] Viele Nachtschattengewächse werden vom Menschen als Nahrungsmittel genutzt. Obwohl meist die Früchte geerntet werden, wird bei der wichtigsten Nahrungspflanze, der [[Kartoffel]], ein anderer Pflanzenteil, nämlich die unter der Erde wachsende Knolle, verwendet. 2005 lag die Weltproduktion von Kartoffeln bei 324,5 Mio. Tonnen. Weitere wichtige Nahrungsmittel unter den Nachtschattengewächsen sind [[Tomate]]n mit einer Jahresproduktion von 124,7 Mio. Tonnen, [[Aubergine]]n mit 30,8 Mio. Tonnen und [[Paprika]] bzw. Chilis mit 24,7 Mio. Tonnen frischen und 2,6 Mio. Tonnen getrockneten Früchten. Alle Angaben beziehen sich auf das Jahr 2005.<ref name="faostat">Quelle: [http://faostat.fao.org/site/567/DesktopDefault.aspx?PageID=567 faostat], abgerufen am 5. März 2007</ref> Weitere als Nahrungspflanzen genutzte Vertreter der Familie, deren Produktionszahlen nicht an die bisher genannten heranreichen, sind einige Arten der Gattung Nachtschatten, wie [[Pepino]], [[Tamarillo]], [[Lulo]]<ref name="Bruecher68">Heinz Brücher: ''Die genetischen Reserven Südamerikas für die Kulturpflanzenzüchtung.'' In: ''Theoretical and Applied Genetics'', Volume 38, 1968. Seiten 9-22. {{DOI|10.1007/BF00934308}}</ref>, verschiedene Arten der [[Blasenkirschen]]<ref name="Mansfeld54">Rudolf Mansfeld: ''Die Obst liefernden Blasenkirschen (Physalis)''. In: ''Der Züchter''. Band 24, Heft I. Springer Berlin / Heidelberg, 1954. S. 1-4, ISSN 0040-5752. {{DOI|10.1007/BF00712104}}</ref>, seltener auch [[Bocksdorn]] oder [[Jaltomata]]. Gelegentlich wird berichtet, dass selbst als Giftpflanzen behandelte Arten als Nahrungsmittel genutzt werden. Beispielsweise werden laut verschiedenen Veröffentlichungen die Blätter und jungen Sprosse des [[Schwarzer Nachtschatten|Schwarzen Nachtschattens]] als Gemüse zubereitet. Oftmals wird der Giftgehalt durch mehrmaliges Kochen, bzw. Zugabe von möglicherweise entgiftenden Zutaten, wie Milch, gemindert. Auch die reifen Früchte des Schwarzen Nachtschattens und verwandter Arten sollen gelegentlich, zum Teil nachdem sie zuvor gekocht worden sind, gegessen werden.<ref name="Edmonds97" /> Die drei wichtigsten Nahrungspflanzen unter den Nachtschattengewächsen − Kartoffel, Tomate und Paprika − stammen ursprünglich aus Süd- und Mittelamerika, wo sie zum Teil schon seit mehreren tausend Jahren als Nahrung genutzt wurden. Reste von Kartoffelschalen wurden bei Ausgrabungen in [[Chile]] gefunden und auf etwa 11.000 Jahre v. Chr. datiert.<ref name="history1">The Colonial Williamsburg Foundation: ''[http://history.org/history/CWLand/resrch11.cfm Solanaceae]''. Abgerufen am 16. März 2007.</ref><ref name="history2">The Colonial Williamsburg Foundation: ''[http://history.org/history/CWLand/resrch8.cfm Root Crops]''. Abgerufen am 16. März 2007.</ref> Die ältesten bekannten Belege über die Kultivierung und damit Zuchtformen von Nachtschattengewächsen sind in etwa 6.000 Jahre alt und stammen von Arten des Paprika.<ref>Linda Perry et al.: ''Starch Fossils and the Domestication and Dispersal of Chili Peppers (Capsicum spp. L.) in the Americas''. In: ''Science'', 16. Februar, Vol. 315, Nr. 5814, 2007. Seiten 986-988, {{DOI|10.1126/science.1136914}}</ref> Der Zeitpunkt, zu dem die Aubergine über die arabische Welt nach Europa eingeführt wurde, ist nicht genau zu bestimmen. Es ist wahrscheinlich, dass die römischen und griechischen Kulturen die Pflanze noch nicht kannten, die Verwendung im arabischen Raum ist seit dem 11. Jahrhundert belegt. Die erste Beschreibung der Aubergine aus Europa stammt aus der ''Historia stirpium''&nbsp;(1542) von [[Leonhart Fuchs]], der dort bereits ihren Einsatz als Nahrungsmittel erwähnt.<ref name="history1" /> Vor allem die aus Amerika eingeführten Pflanzen wurden zunächst meist als exotische Zierpflanzen gezogen, der kulinarische Wert wurde oft erst nach langer Zeit entdeckt. Jedoch erreichten in Europa vor allem die Kartoffel, aber auch die Tomate bis zum 18. Jahrhundert eine wichtige Rolle als Nahrungsmittel, so dass beide Pflanzen von europäischen Auswanderern erneut über den Atlantik gebracht wurden, um sie in Nordamerika zu kultivieren.<ref name="history1" /><ref name="history2" /> Die gewachsene Abhängigkeit von der Kartoffel als Nahrungsmittel wurde vor allem während der [[Große Hungersnot in Irland|Großen Hungersnot in Irland]] in der Mitte des 19. Jahrhunderts deutlich, die durch mehrere krankheits- und schädlingsbedingte Missernten der bis dahin üblichen Kartoffel-[[Monokultur]]en ausgelöst wurde. === Mystische Pflanzen, Genuss- und Rauschmittel === [[Bild:Michel Gobin 001.jpg|thumb|''Junger Mann mit Pfeife'' (Michel Gobin, 17. Jahrhundert)]] [[Bild:NaplesDioscuridesMandrake.jpg|thumb|Darstellung der [[Alraunen]]wurzel als menschlicher Körper, 7. Jahrhundert]] Viele der in Nachtschattengewächsen enthaltenen [[Alkaloide]] stellen einen Schutz vor Fressfeinden dar, da sie oftmals giftig sind und vor allen bei [[Säugetiere]]n und dem Menschen auf das [[Zentrales Nervensystem|zentrale Nervensystem]] wirken und unter anderem [[Halluzination]]en oder [[Drogenpsychose]]n auslösen, jedoch auch bis zum Tod führen können. Belege über den Einsatz von Nachtschattengewächsen als Rauschmittel sind schon aus den antiken Kulturen der [[antikes Griechenland|Griechen]], [[Römisches Reich|Römer]], [[Araber]] und [[Hebräer]] bekannt<ref name="Lee06II">M. R. Lee: ''[http://www.rcpe.ac.uk/publications/articles/journal_36_3/W_Lee_2.pdf The Solanaceae II: The mandrake (Mandragora officinarum); in League with the Devil]''. In: ''Journal of the Royal College of Physician of Edinburgh'', Volume 36, August 2006. Seiten 278-285.</ref><ref name="Lee06III">M. R. Lee: ''[http://www.rcpe.ac.uk/publications/articles/october_06/280306_A_LEE.pdf Solanaceae III: henbane, hags and Hawley Harvey Crippen]''. In: ''Journal of the Royal College of Physician of Edinburgh'', Volume 36, August 2006.</ref>, aber auch aus vielen anderen Kulturen sind Berichte über Einsatzmethoden zur Erzeugung rauschartiger Zustände überliefert.<ref name="Fuehner25">H. Fühner: ''Solanazeen als Berauschungsmittel - Eine historisch-ethnologische Studie''. In: ''Naunyn-Schmiedebergs Archiv für experimentelle Pathologie und Pharmakologie'', Band 111, 1925. Seiten 281-294. {{DOI|10.1007/BF01867633}}</ref> Als Rauschmittel bekannte Nachtschattengewächse sind unter anderem die [[Gemeine Alraune]] (''Mandragora officinarum''), die [[Schwarze Tollkirsche]] (''Atropa belladonna''), das [[Schwarzes Bilsenkraut|Schwarze Bilsenkraut]] (''Hyoscyamus niger''), verschiedene [[Stechäpfel]] (''Datura sp.'') und die [[Engelstrompeten]] (''Brugmansia''). Die wirtschaftlich bedeutendste Genuss- und Rauschpflanze unter den Nachtschattengewächsen ist jedoch der [[Tabak]] (''Nicotiana tabacum'' u. a.), dessen Welternte 2005, unverarbeitet 6,6 Mio. Tonnen betrug.<ref name="faostat" /> Um die Rauschwirkung zu erzielen, werden verschiedene Methoden beschrieben, unter anderem Essen verschiedener Pflanzenteile, Rauchen von Blättern und Früchten, Einreiben mit Salben aus Pflanzenextrakten, Versetzen von Getränken mit Früchten und Samen.<ref name="Fuehner25" /> Eine besondere Bedeutung als mystische Pflanze erhielt vor allem die Gemeine Alraune (''Mandragora officinarum''), deren verzweigte Pfahlwurzel oft mit der Form eines menschlichen Körpers verglichen wurde. In einer der ältesten Geschichten der Bibel, {{B|Genesis|30|14−16|EU}}, wird eine Pflanze namens ''dudai'' erwähnt, die mit hoher Wahrscheinlichkeit mit der Alraune identisch ist. Aus dem antiken Griechenland sind erste Erwähnungen der Pflanze aus der Zeit um 400 v. Chr. bekannt, [[Theophrastus]] erwähnte um 230 v. Chr. neben medizinischen Einsatzmöglichkeiten auch die Verwendung als [[Aphrodisiakum]]. Weitere Erwähnungen der Pflanze finden sich auch in Aufzeichnungen aus dem Römischen Reich, nach dessen Zusammenbruch wird die Alraune zunächst wenig erwähnt.<ref name="Lee06II" /> Erst zwischen 1200 und 1600 gewinnt die Pflanze wieder an mystischer und spiritueller Bedeutung, sie wird als [[Talisman]] geschätzt. Es ranken sich jedoch zugleich diverse Mythen um die Pflanze. Oftmals wird berichtet, dass die Pflanze die Kraft besitze, Menschen zu töten, die die Wurzel ausgraben wollen. Mit der stärker werdenden [[Hexenverfolgung]] taucht die Alraune immer wieder als Zutat der sogenannten [[Hexensalbe]]n auf, auch andere Nachtschattengewächse wie [[Bilsenkraut]], Stechapfel oder Tollkirsche findet man in diesem Zusammenhang.<ref name="Lee06II" /> Die Legende von [[Odysseus]], dessen Gefährten durch die Zauberin [[Circe]] in Schweine verwandelt werden, wird oft auf eine Gabe von Bilsenkraut (''Hyoscyamus'') und die dadurch hervorgerufenen Halluzinationen zurückgeführt. Das Bilsenkraut wird auch als Zugabe zu Bädern in mittelalterlichen Badestuben aufgeführt, um dort die Freizügigkeit zu fördern. Weiterhin wurden die Samen auch als Zusatz zu Bier verwendet. Oftmals wurde dies verboten, beispielsweise durch eine Polizeiordnung von 1507 aus [[Eichstätt]] oder das bayrische [[Reinheitsgebot]] von 1516.<ref name="Fuehner25" /> Weitere zweifelhafte Berühmtheit erlangte das Bilsenkraut durch den Mordprozess aus dem Jahr 1910 gegen [[Hawley Crippen]], der seine Ehefrau mit [[Hyoscin]], dem giftigen Alkaloid der Pflanze, umbrachte. Besondere Beachtung erlangte der Fall zum einen dadurch, dass die Verhaftung Crippens möglich gemacht wurde, indem erstmals die Kommunikation per [[Telegramm]] zwischen Europa und Amerika für diese Zwecke benutzt wurde. Andererseits gilt die Ermittlung und Beweisführung vor Gericht als erster Einsatz der [[Forensische Medizin|forensischen Medizin]]: Der Toxikologe Dr. William Willcox extrahierte aus dem Mageninhalt, dem Darm, den Nieren und der Leber der Leiche das Alkaloid, das zur Vergiftung führte und konnte anhand des Siedepunktes nachweisen, dass es sich dabei um Hyoscin handelte.<ref name="Lee06III" /> Ende der 1990er Jahre wurde bei Untersuchungen des Drogenkonsumverhaltens Jugendlicher eine verstärkte Einnahme pflanzlicher Halluzinogene festgestellt. Dabei wurden den Umfrageergebnissen zufolge pflanzliche „Modedrogen“ der 1970er Jahre, wie der [[Peyote]]-Kaktus oder [[Ayahuasca]] kaum noch verwendet. Es wurde jedoch neben verstärkter Verwendung verschiedener psychoaktiver Pilze (z. B. ''[[Psilocybe]] sp.'') eine Zunahme des Konsums von Nachtschattengewächsen wie Engelstrompeten und Stechapfel festgestellt. Von den Konsumenten werden diese Rauschmittel fälschlicherweise oft als ungefährlich eingestuft.<ref name="Loehrer99">F. Löhrer und R. Kaiser: ''Biogene Suchtmittel: Neue Konsumgewohnheiten bei jungen Abhängigen?'' In: ''Der Nervenarzt'', Volume 70, November 1999. Seiten 1029-1033.{{DOI|10.1007/s001150050534}}</ref> === Einsatz in der Medizin === Die Entwicklung der medizinischen Nutzung der Nachtschattengewächse ist eng mit der Geschichte als Rauschmittel verbunden, oftmals lässt sich die historisch belegte Verwendung schlecht in eine der Kategorien einordnen. Eine erste belegte rein medizinische Verwendung der Nachtschattengewächse stammt bereits aus dem ersten Jahrhundert n.&nbsp;Chr. vom griechischen Arzt [[Pedanios Dioscurides|Dioskurides]], der beschreibt, wie mit Alraunenwurzel versetzter süßer Wein zur Narkose von Patienten vor chirurgischen Eingriffen benutzt wird.<ref name="Roth">Lutz Roth, Max Daunderer, Kurt Kormann: ''Giftpflanzen - Pflanzengifte: Vorkommen, Wirkung, Therapie, allergische und phototoxische Reaktionen''. 4. Auflage, ecomed verlagsgesellschaft, Landsberg 1994, ISBN 3-609-64810-4</ref> Viele Nachtschattengewächse sind in verschiedenen Kulturen in der Volksmedizin bekannt, beispielsweise wird das [[Schwarzes Bilsenkraut|Schwarze Bilsenkraut]] zur Schmerzbekämpfung, bei Keuchhusten, Geschwüren oder Unterleibsentzündungen eingesetzt.<ref name="Hiller">Karl Hiller, Matthias F. Melzig: ''Lexikon der Arzneipflanzen und Drogen.'' Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg, Berlin 1999, ISBN 3-8274-0387-1.</ref> Zur Verwendung des [[Schwarzer Nachtschatten|Schwarzen Nachtschatten]] (''Solanum nigrum'') und verwandten Arten gibt es fast weltweit Belege als Mittel verschiedene Erkrankungen, vor allem gegen Fieber und Entzündungen des Verdauungstraktes<ref name="Edmonds97" />. In Brasilien gilt die [[Dama da Noite]] (''Cestrum laevigatum'') nicht nur als Rauschmittel, sondern auch als [[Antiseptikum]], [[Sedativa|Sedativum]], [[Emolliens]] (Linderungsmittel) und Leber[[stimulans]].<ref name="Hiller">Karl Hiller, Matthias F. Melzig: ''Lexikon der Arzneipflanzen und Drogen.'' Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg, Berlin 1999, ISBN 3-8274-0387-1.</ref> Lange Zeit galt auch das Verbrennen und Einatmen des Rauches von Datura-Blättern als Mittel gegen Asthma.<ref name="Braun">Hans Braun, Dietrich Frohne: ''Heilpflanzenlexikon: Wirkung, Verordnung, Selbstmedikation''. 6. Auflage, Gustav Fischer Verlag, Stuttgart, Jena, New York 1994, ISBN 3-437-11551-0.</ref> Bekanntestes aktuelles Einsatzgebiet der Nachtschattengewächse ist die Verwendung von aus Paprika (''Capsicum'') gewonnenen Capsaicin-Extrakten zur Durchblutungsförderung unter anderem bei Rheuma. Obwohl der Name des [[ABC-Pflaster]]s noch auf den Inhaltsstoff ''Belladonna'' (Tollkirsche (''Atropa belladonna'')) hinweist, wird dieser heute nicht mehr verwendet. Jedoch werden Extrakte aus der [[Tollkirsche]] in der Augenheilkunde zur Pupillenerweiterung und bei Magen-Darmerkrankungen verwendet. Weiterhin werden Extrakte aus den Samen des Stechapfels gegen Asthma, Extrake aus dem Bittersüßem Nachtschatten (''Solanum dulcamara'') gegen [[Ekzem|Ekzeme]] und [[Rheuma]] sowie das Nikotin verschiedener [[Tabak]]e zur Entwöhnung von Rauchern beispielsweise mit Nikotinpflastern oder -kaugummis verwendet. [[Kartoffel]]stärke wird als Zusatz zu medizinischen Pudern gebraucht. Das Bilsenkraut hat heute nur noch selten Bedeutung in der Medizin, Extrakte sind nur noch in wenigen Asthmamitteln und Salben zu finden.<ref name="Braun" /> === Zierpflanze === [[Bild:Petunia hybrida0.jpg|thumb|[[Petunien]]-Hybriden (''Petunia'') als Ampelpflanze]] Durch die meist zahlreichen und vielfarbigen, zum Teil auch ungewöhnlich geformten Blüten der Nachtschattengewächse werden viele Vertreter der Familie als Zierpflanzen geschätzt. Verschiedene [[Hybride]]n der [[Petunien]] wie die Surfinia-Petunien zählen zu den beliebtesten und wirtschaftlich bedeutendsten Balkonblumen, [[Engelstrompeten]] werden aufgrund ihrer außergewöhnlich großen Blüten in Kübeln gezogen. Als Ziertabak bezeichnete Arten und Hybriden des [[Tabak]]s zeichnen sich durch auffällige, stark duftende Blüten in verschiedenen Farben aus. In den letzten Jahren wurde ''[[Lycianthes rantonnei]]'', auch Enzianstrauch oder Kartoffelbaum genannt, durch seine vielen dunkelblauen Blüten als Kübelpflanze sehr beliebt. Verschiedene buntblühende Büsche, beispielsweise aus den Gattungen [[Bocksdorne]] oder [[Spaltblumen]] (''Schizanthus'') werden gerade in wärmeren Lagen zur Grünflächengestaltung genutzt. Aber auch wegen der dekorativ aussehenden Früchte einiger Nachtschattengewächse werden diese in Zierformen gezogen, beispielsweise die [[Lampionblume]] (''Physalis alkegengi''), verschiedene Züchtungen des [[Paprika]], der [[Korallenstrauch]] (''Solanum pseudocapsicum'') oder die [[Kuheuterpflanze]] (''Solanum mammosum''). == Namensherkunft == Sowohl der deutsche als auch der wissenschaftliche Name der Familie leitet sich vom Namen der Gattung Nachtschatten (''Solanum'') ab. Die Zusätze ''-aceae'' bzw. ''-gewächse'' weisen auf den Familienstatus hin. Der Name Nachtschatten leitet sich vom [[althochdeutsch]]en ''nahtscato'' bzw. [[mittelhochdeutsch]]en ''nahtschade'' ab. Für die Deutung des Namens gibt es mehrere Theorien. Zum einen könnten mit „nächtlicher Schatten“ die dunklen Beeren des [[Schwarzer Nachtschatten|Schwarzen Nachtschattens]] gemeint sein, andererseits ist auch die medizinische Wirkung der Pflanzen eine mögliche Herleitung. [[Otto Brunfels]] schreibt 1532 in seinem ''Contrafayt Kreüterbuch'': „Diß kraut würt auch sonst gebraucht, wider die schäden die die hexen den leuten zufügen, und das uff mancherley weiße, noch gelegenheit des widerfarenden schadens, nicht on sonderliche supersticion und magia. Würt deßhalb in sonderheyt ''Nachtschatt'' genannt.“<ref name="MarzellZit">Zitiert nach Marzell, Band 4, Seite 366</ref> [[Johann Christoph Adelung]] (1808) sieht den Ursprung des Namens in Verbindung mit den Kopfschmerzen (Schaden), welche die nachts stark duftenden Blüten der Pflanzen verursachen.<ref name="Marzell">Heinrich Marzell, Heinz Paul: ''Wörterbuch der Deutschen Pflanzennamen''. Lizenzausgabe Parkland Verlag, Köln, 2000. Fotomechanischer Nachdruck der Erstausgabe 1979, ISBN 3-88059-982-3.</ref> Der Name ''Solanum'' wurde durch [[Carl von Linné|Linné]] von anderen Autoren übernommen, die damalige Bedeutung umfasste unter anderem [[Tollkirsche]] (''Atropa''), [[Paprika]] (''Capsicum''), [[Stechapfel]] (''Datura''), [[Blasenkirschen]] (''Physalis'') und Nachtschatten (''Solanum''). Zum Teil wurden jedoch auch ganz andere Pflanzengruppen diesem Namen untergeordnet, beispielsweise [[Wunderblumen]] (''Mirabilis''), [[Einbeere]]n (''Paris'') und [[Kermesbeeren]] (''Phytolacca''). Die Herkunft des wissenschaftlichen Namens ist ebenso wie die des deutschen Namens nicht geklärt. Die Verbindung zum lateinischen ''sōl'' (Sonne), die von einigen Autoren genannt wird, ist laut [[Genaust]] nicht anzunehmen, wahrscheinlicher ist die Ableitung vom lateinischen ''sōlārī'' (trösten, lindern), was auf die medizinische Wirkung geringer Dosen von Nachtschattengewächsen hinweisen könnte.<ref name="Genaust">Helmuth Genaust: ''Etymologisches Wörterbuch der Botanischen Pflanzennamen''. 3. Auflage, Birkhäuser Verlag, Basel, Boston, Berlin 1996, ISBN 3-7643-2390-6</ref> == Quellen und weiterführende Informationen == === Hauptquellen === * Armando T. Hunziker: ''The Genera of Solanaceae.'' A.R.G. Gantner Verlag K.G., Ruggell, Liechtenstein 2001, ISBN 3-904144-77-4. * J. G. Hawkes et. al. (Editoren): ''Solanaceae III: Taxonomy, Chemistry, Evolution''. Royal Botanic Gardens, Kew, 1991, ISBN 0-947643-31-1. * M. Nee et. al. (Editoren): ''Solanaceae IV, Advances in Biology and Utilization''. Royal Botanic Gardens, Kew, 1999, ISBN 1-900347-90-3. <small>Anmerkung: Um eine Einheitlichkeit in der Bezeichnung der Untertaxa zu gewährleisten, wird im Artikel die Systematik nach Hunziker ''The Genera of Solanaceae'' verwendet. Spätere, allgemein anerkannte Umordnungen, beispielsweise die Einordnung der Gattungen ''Lycopersicon'' und ''Cyphomandra'' in die Gattung ''Solanum'' wurden ebenfalls berücksichtigt.</small> === Einzelnachweise === <references /> === Weblinks === {{Commons|Category:Solanaceae|{{PAGENAME}}}} *[http://www.mobot.org/MOBOT/Research/APweb/orders/solanalesweb.htm#Solanaceae Solanaceae bei APG] (englisch) *[http://www.tu-darmstadt.de/fb/bio/bot/solanaceae/ Beschreibung der Familie] (deutsch) *[http://www.hvanbalken.com/ The Plant Family Of The Solanaceae.] Beschreibung der Familie, Überblick über die Systematik, Beschreibung einzelner Gattungen (englisch) *[http://www.sgn.cornell.edu/ SOL Genomics Network] (englisch) {{Exzellent}} [[Kategorie:Nachtschattengewächse| ]] {{Link GA|es}} [[ar:باذنجانية]] [[bg:Картофови]] [[ca:Solanàcia]] [[cs:Lilkovité]] [[da:Natskygge-familien]] [[en:Solanaceae]] [[eo:Solanacoj]] [[es:Solanaceae]] [[eu:Solanaceae]] [[fa:سیب‌زمینیان]] [[fi:Koisokasvit]] [[fr:Solanaceae]] [[he:סולניים]] [[hsb:Wrónidłowe rostliny]] [[hu:Burgonyafélék]] [[id:Solanaceae]] [[is:Náttskuggaætt]] [[it:Solanaceae]] [[ja:ナス科]] [[jv:Solanaceae]] [[ko:가지과]] [[la:Solanaceae]] [[lmo:Solanaceae]] [[lt:Bulviniai]] [[nap:Solanaceae]] [[nl:Nachtschadefamilie]] [[nn:Søtvierfamilien]] [[no:Søtvierfamilien]] [[pl:Psiankowate]] [[pt:Solanaceae]] [[qu:Papa yura rikch'aq ayllu]] [[ro:Solanaceae]] [[ru:Паслёновые]] [[simple:Nightshade]] [[sl:Razhudnikovke]] [[sv:Potatisväxter]] [[te:సొలనేసి]] [[tr:Patlıcangiller]] [[uk:Пасльонові]] [[vi:Họ Cà]] [[wa:Crompiracêyes]] [[zh:茄科]] 8oy5xr1hd04lp1wrse8aq2e5rczdkv2 wikitext text/x-wiki Nagetiere 0 23973 26571 2010-04-14T10:16:26Z HDQuednau 0 /* Vielfalt im Körperbau */ <!-- Für Informationen zum Umgang mit dieser Tabelle siehe bitte [[Wikipedia:Taxoboxen]]. --> {{Taxobox | Taxon_Name = Nagetiere | Taxon_WissName = Rodentia | Taxon_Rang = Ordnung | Taxon_Autor = [[Thomas Edward Bowdich|Bowdich]], 1821 | Taxon2_WissName = Euarchontoglires | Taxon2_Rang = Überordnung | Taxon3_Name = Höhere Säugetiere | Taxon3_WissName = Eutheria | Taxon3_Rang = Unterklasse | Taxon4_Name = Säugetiere | Taxon4_WissName = Mammalia | Taxon4_Rang = Klasse | Taxon5_Name = Landwirbeltiere | Taxon5_WissName = Tetrapoda | Taxon5_Rang = Reihe | Taxon6_Name = Kiefermäuler | Taxon6_WissName = Gnathostomata | Taxon6_Rang = Überklasse | Bild =Apodemus_sylvaticus_bosmuis.jpg | Bildbeschreibung = [[Waldmaus]] (''Apodemus sylvaticus'') | Subtaxa_Rang = Unterordnung | Subtaxa = *[[Hörnchenverwandte]] (Sciuromorpha) * [[Biberverwandte]] (Castorimorpha) * [[Mäuseverwandte]] (Myomorpha) * [[Dornschwanzhörnchenverwandte]] <br />(Anumaluromorpha) * [[Stachelschweinverwandte]] (Hystricomorpha) }} Die '''Nagetiere''' (Rodentia) sind eine [[Ordnung (Biologie)|Ordnung]] der [[Säugetiere]] (Mammalia). Mit etwa 2.280 Arten stellen sie rund 42 % aller Säugetierspezies<ref>Zahlen nach D. Wilson und D. Reeder (2005)</ref> und sind somit die bei weitem artenreichste Ordnung dieser Gruppe. Sie sind nahezu weltweit verbreitet und haben eine Vielzahl von verschiedenen Lebensräumen besiedelt. Nur sehr wenige Nagetiere sind als [[Hemerophil|Kulturfolger]] oder [[Heimtier]]e verbreitet, jedoch prägen sie das Bild der gesamten Gruppe. Viele Arten sind hingegen kaum erforscht und haben ein sehr eingeschränktes Verbreitungsgebiet. == Körperbau == Die Mehrzahl der Nagetiere ist kurzbeinig, quadruped (sich auf allen Vieren fortbewegend) und relativ klein. Wichtigstes gemeinsames Merkmal sind die jeweils zwei vergrößerten, dauerwachsenden [[Nagezahn|Nagezähne]] im Ober- und Unterkiefer, die nur auf der äußeren Seite von [[Zahnschmelz|Schmelz]] umgeben sind. Je nach Lebensraum und Lebensweise haben sich jedoch die unterschiedlichsten Formen gebildet. === Äußerer Körperbau === [[Datei:Callosciurus prevosti.jpg|miniatur|[[Schönhörnchen]] zählen zu den am auffälligsten gefärbten Nagetieren.]] Die Größe der Nagetiere variiert zwischen Zwergformen wie der [[Afrikanische Zwergmaus|Afrikanischen Zwergmaus]] (''Mus minutoides'') und der [[Zwergmaus|Eurasischen Zwergmaus]] (''Micromys minutus''), die oft weniger als 5 Gramm wiegen, und dem [[Capybara]], dem größten lebenden Nagetier, das eine Kopfrumpflänge von 100 bis 130 Zentimetern und ein Gewicht von 50 bis 60 Kilogramm erreichen kann. Andere großgewachsene Nagetiere sind beispielsweise [[Biber]], [[Pakarana]]s und [[Paka]]s. Die meisten Nagetiere sind jedoch etwa mäuse- bis rattengroß und erreichen Kopf-Rumpflängen von etwa 8 bis 30 Zentimetern. Nagetiere haben meist ein dichtes [[Fell]] aus Woll- und Deckhaaren. Nur der Schwanz ist bei manchen Arten nahezu unbehaart, und es gibt nur eine einzige generell fast haarlose Art, den [[Nacktmull]]. Die Fellfärbung ist meist in unauffälligen, tarnenden Farben gehalten, oft grau oder braun, bei Wüstenbewohnern auch gelblich. Allerdings kommen bei manchen tropischen [[Hörnchen]] wie [[Schönhörnchen|Schön-]] oder [[Riesenhörnchen]] auch bunte Fellfarben vor. Der Mehrzahl der Nagetiere besitzt einen [[Schwanz]], lediglich bei einigen großgewachsenen oder unterirdisch lebenden Arten ist er nur rudimentär ausgebildet und äußerlich nicht vorhanden. Bei manchen baumbewohnenden Arten ist er zum Greifschwanz ausgebildet, bei den Bibern zu einem abgeplatteten, unbehaarten Steuerorgan. Bei vielen Arten kann der Schwanz leicht abbrechen, um so die Flucht vor Fressfeinden zu erleichtern; in solchen Fällen wächst er zum Teil wieder nach. An der Spitze der [[Schnauze]] haben Nagetiere eine meist kurze, abgerundete [[Nase]]. Der [[Nasenspiegel]] ist nur ansatzweise ausgebildet oder fehlt völlig. Die [[Mundhöhle]] ist durch eine enge Öffnung in zwei Teile geteilt, der vordere Teil enthält die Schneidezähne, der hintere die Backenzähne. Die dazwischen liegende [[Diastema|zahnfreie Lücke]] ermöglicht das Einziehen der [[Lippe]]. Zudem setzt sich hinter den Schneidezähnen die behaarte Haut des Gesichts fort ([[Inflexum pellitum]]). Beides verhindert, dass beim Nagen unverdauliche Fremdkörper in die Mundhöhle gelangen. Die Oberlippe ist häufig gespalten, so dass die Schneidezähne auch bei geschlossenem Maul sichtbar sind. Die [[Zunge]] ist kurz und kompakt mit einer stumpfen Spitze, die niemals über die Schneidezähne hinausragt. Die zur Zungenspitze hin befindlichen [[Geschmackspapille]]n sind klein und fadenartig, bei den Stachelschweinen auch teilweise vergrößert und hart. An der Zungenwurzel gibt es bei den meisten Arten drei Wallpapillen. Manche Arten haben große, bis hinter die Ohren reichende, mit Fell ausgekleidete [[Backentasche]]n, die zum Reinigen ausgestülpt werden können. Bei [[Hamster]]n befinden sich deren Öffnungen in den Mundwinkeln, bei [[Taschennager]]n an den Außenseiten der Wangen. === Schädel === <!--Quelle, wenn nicht anders angegeben: Lydekker, 1911--> [[Datei:Ratufa skull.JPG|miniatur|Der Schädel eines [[Riesenhörnchen]]s: Deutlich zu sehen sind der vergrößerte [[Jochbogen]], der kräftige [[Unterkiefer]], die großen [[Nagezahn|Nagezähne]], die [[Diastema|zahnfreie Lücke]] und die [[Molar (Zahn)|Backenzähne]].]] <!--[[Datei:Wasserschwein_Schaedelskelett-drawing.jpg|miniatur|Der Schädel des [[Capybara]]s.]]--> <!--[[Datei:Biberschaedel-drawing.jpg|miniatur|Der Schädel eines [[Biber]]s.]]--> Der [[Schädel]] der Nagetiere ist wie bei kaum einer anderen Säugetiergruppe auf eine Stärkung des Kauapparates ausgelegt.<!--Quelle?--> Die [[Augenhöhle]] ist hinten immer offen und nie von Knochen umgeben. Der hinter der Augenhöhle liegende Jochbeinfortsatz<!--Name?--> des [[Stirnbein]]s ist nur ansatzweise ausgebildet oder fehlt ganz. Eine Ausnahme bilden die Hörnchen, bei denen dieser Fortsatz vorhanden ist. Auch das [[Jochbein]] bildet selten einen entsprechenden Stirnbeinfortsatz<!--Name?--> aus, so dass die Augenhöhle mehr oder weniger vollständig in die [[Schläfengrube]] übergeht. Das [[Tränenloch]] befindet sich immer im Augenhöhlenrand. Bei vielen Arten ist das ''[[Foramen infraorbitale]]'' sehr groß, bei manchen so groß wie die Augenhöhle, und wird von einem Teil des [[Masseter]] durchzogen. Der [[Jochbogen]] ist unterschiedlich entwickelt und setzt vor der Backenzahnreihe an.<!--Quelle?--> [[Datei:VolRenderShearWarp.gif|miniatur|links|[[Volumengrafik]] eines Mausschädels]] Das [[Nasenbein]] ist mit wenigen Ausnahmen groß und erstreckt sich weit nach vorn. Es ist durch das große [[Zwischenkieferbein]] vollständig vom [[Oberkiefer]] getrennt. Die [[Schneidezahnloch|Schneidezahnlöcher]] des [[Gaumen]]s sind klein und deutlich ausgeprägt. Das [[Gaumenbein]] ist kurz, bei den Sandgräbern sogar kürzer als ein Backenzahn. Zwischen Schneide- und Backenzähnen befindet sich eine große [[Diastema|zahnfreie Lücke]]. Der [[Hirnschädel]] ist im Vergleich zum Gesichtsschädel klein.<!--Quelle?--> Das [[Scheitelbein]] ist klein, das [[Zwischenscheitelbein]] dagegen gewöhnlich deutlich ausgeprägt. Die das [[Mittelohr]] umgebende ''[[Bulla tympanica]]'' ist immer vorhanden und grundsätzlich groß. Bei Renn- und Springmäusen bildet die zusätzliche ''[[Bulla mastoidea]]'' große, halbkugelförmige Schwellungen an der Rückseite des Schädels. Bei diesen Tieren ist der [[Gehörgang]] röhrenförmig ausgebildet und verläuft nach oben und hinten. Der Körper des [[Unterkiefer]]s ist vorne verengt und abgerundet und trägt die unteren Schneidezähne. Der Muskelfortsatz ist klein, das kantige, untere Hinterteil<!--Name!?--> des Unterkiefers groß und ausgeprägt. Der Gelenkkopf und die dazugehörige Gelenkhöhle des [[Kiefergelenk]]s sind nach hinten verlängert. Die Anordnung des Jochbeins und die Form des Unterkiefers sind Merkmale zur Klassifizierung der [[Familie (Biologie)|Familien]]. === Gebiss === Das relativ einheitliche [[Gebiss]] der Nagetiere ist trotz der Vielfalt in Körperbau und Lebensweise ihr deutlichstes [[Morphologie (Biologie)|morphologisches]] Kennzeichen. Ursprünglich besaßen Nagetiere 22 [[Zahn|Zähne]]: vier Schneidezähne, sechs vordere Backenzähne, davon vier im Oberkiefer und zwei im Unterkiefer, und zwölf hintere Backenzähne.<!--Bell 2004 (S. 33)--> Während die Anzahl der [[Schneidezahn|Schneidezähne]] immer gleich blieb<!--Wood 1999-->, hat sich in vielen Gruppen die Anzahl der [[Backenzahn|Backenzähne]] verringert. [[Eckzahn|Eckzähne]] waren nie vorhanden<!--Quelle ???--> und zwischen Schneide- und Backenzähnen befindet sich eine große [[Diastema|zahnfreie Lücke (Diastema)]]. ==== Nagezähne ==== [[Datei:Capybara Detail Schneidezahne.jpg|miniatur|Gefurchte Nagezähne eines [[Capybara]]s]] Die als [[Nagezahn|Nagezähne]] bezeichneten vier vergrößerten Schneidezähne sind das charakteristischste Merkmal der Nagetiere. Schon bei den ersten bekannten Nagetieren waren diese auf je ein Paar in Ober- und Unterkiefer reduziert.<!--Wood 1999--> Die Nagezähne sind [[Zahn#Wurzellose Zähne|wurzellos]] oder besitzen kleine, offene [[Zahnwurzel]]n,<!--MEYER 1976 (Nagezähne)--> haben eine zum [[Zahnfach]] hin offene [[Zahnhöhle]]<!--Quelle ???--> und wachsen ein Leben lang nach. Durch das Benagen von hartem Futter oder sonstigen Gegenständen<!--Quelle ???--> und durch den Abrieb an den gegenüberliegenden Zähnen<!--Quelle ???--> bleiben sie in einer gewissen Längenkonstanz. Die Wachstumsrate der Nagezähne schwankt zwischen zwei bis drei Millimetern pro Woche bei nichtgrabenden Arten und fünf Millimetern bei den mit den Nagezähnen grabenden [[Taschenratten]].<!--Wood 1999--> Bei [[Winterschlaf]] haltenden Tieren wachsen sie mit verminderter Geschwindigkeit weiter.<!--Wood 1999--> Die vorderen 30 bis 60 % der Nagezähne sind mit [[Zahnschmelz]] bedeckt,<!--Wood 1999--> so dass bei der schnelleren Abnutzung der weicheren Bestandteile dahinter eine scharfe, meißelförmige Kante stehen bleibt.<!--Lydekker 1911 (S. 438)--> Die Nagezähne sind regelmäßig gekrümmt, die des Oberkiefers mehr als die des Unterkiefers.<!--Lydekker 1911 (S. 438)--><!--Wood 1999--> Bei fehlender Abnutzung wachsen die Nagezähne immer weiter und können einen Teil des Schädels durchstoßen.<!--Lydekker 1911 (S. 438)--> Die unteren Nagezähne wachsen dabei nach vorn und oben aus der Mundhöhle heraus und werden vollständig unbenutzbar.<!--Wood 1999--> Die oberen Nagezähne dagegen krümmen sich um sich selbst und können spiralförmig aus der Mundhöhle heraus wachsen oder nach Austritt aus der Mundhöhle Unter- und Oberkiefer von unten nach oben durchstoßen und die Schnauze damit verschließen.<!--Wood 1999--> Diese Entwicklung endet tödlich, wurde von wildlebenden Nagetieren jedoch schon längere Zeit überlebt.<!--Wood 1999--> Die Nagezähne können zu verschiedensten Zwecken verwendet werden, dienen meist jedoch dem Aufbrechen hartschaliger Nahrung. Die südamerikanischen [[Fischratten]], deren Nagezähne zugespitzt sind, verwenden sie zum Erlegen ihrer Beute und einige unterirdisch lebende Gruppen wie die [[Taschenratten]] und die [[Sandgräber]] zum Graben. Bei diesen Arten wachsen die Lippen nach innen und trennen so die Nagezähne von der Mundhöhle. Das bewirkt, dass bei der Nagetätigkeit keine Partikel nach hinten gelangen können. Die Kraft und Schärfe der Nagezähne kommt unter anderem darin zum Ausdruck, dass Biber einen Baum mit 12 Zentimetern Durchmesser in einer halben Stunde fällen können<!--Nowak 1999 (S. 1306)--> und von manchen Arten berichtet wird, dass sie mit ihren Zähnen sogar Konservendosen aufbrechen können.<!--Nowak 1999 (S. 1546)--> ==== Backenzähne ==== Von den [[Prämolar|vorderen Backenzähnen]] (Prämolaren) ist bei vielen Familien einer pro Kieferhälfte vorhanden, nur wenige Hörnchen und [[Sandgräber]] haben zwei. Bei den [[Mäuseartige]]n sind hingegen nie Prämolaren ausgebildet. Bei den allermeisten Arten sind pro Kieferhälfte drei [[Molar (Zahn)|hintere Backenzähne]] (Molaren) vorhanden. Einige wenige Arten der Mäuseartigen haben nur zwei, die [[Shaw-Mayer-Maus]] (''Mayermys germani'') aus [[Neuguinea]] nur einen Molar pro Kieferhälfte – insgesamt also nur acht Zähne und somit die wenigsten aller Nagetiere. Die Gesamtzahl der Zähne liegt bei den Nagetieren nie über 22, mit Ausnahme des [[Silbergrauer Erdbohrer|Silbergrauen Erdbohrers]] (''Heliophobius argenteocinereus''), einer [[Sandgräber]]art, der aufgrund einer sekundären Zahnvermehrung 28 Zähne besitzt.<!-- Quelle? --> Die Backenzähne haben im Gegensatz zu den Nagezähnen bei vielen Arten ein begrenztes Wachstum. Bei einigen Gruppen jedoch, beispielsweise den [[Stummelschwanzhörnchen]], [[Taschenratten]], [[Springhase]]n, [[Chinchillas]] und [[Meerschweinchen]], sind auch die Backenzähne wurzellos und wachsen somit zeitlebens. Ein [[Zahn#Zahnwechsel|Zahnwechsel]] findet bei den Nagezähnen meist nicht statt (''Monophyodontie''), lediglich manche [[Meerschweinchenartige]] (Cavioidea) besitzen hier Milchzähne, die allerdings schon vor der Geburt durch die bleibenden ersetzt werden.<!-- Westheide --> === Skelett === [[Datei:Ratufa_skeleton.JPG|miniatur|Das komplette Skelett des Riesenhörnchens.]] Das [[Skelett]] der Nagetiere ist üblicherweise das eines vierfüßigen, sich laufend fortbewegenden Säugetiers mit gedrungenem Körperbau, kurzen Vorderbeinen, etwas längeren Hinterbeinen, Sohlengang und langem Schwanz.<!--Wood 1999, Singleton et al. 2001--> In Anpassung an verschiedenste Lebensräume haben sich jedoch auch andere Formen entwickelt. Die [[Wirbelsäule]] besteht gewöhnlich aus sieben [[Halswirbel]]n, dreizehn [[Brustwirbel]]n, sechs [[Lendenwirbel]]n und einer unterschiedlichen Anzahl von [[Schwanzwirbel]]n.<!--Lydekker 1911--> Die Form der Wirbel ist unterschiedlich. Bei sich rennend oder springend fortbewegenden Arten sind die beiden Querfortsätze der Lendenwirbel gewöhnlich sehr lang.<!--Lydekker 1911--> Die Länge der Schwanzwirbelsäule schwankt zwischen sehr kurz und über körperlang.<!--Lydekker 1911--> <!--Brustkorb, Rippen?--> Die [[Gliedmaßen]] sind je nach Lebensweise unterschiedlich entwickelt. Das [[Schulterblatt]] ist üblicherweise schmal und besitzt ein langes Acromion.<!--Lydekker 1911--> Ein [[Schlüsselbein]] ist bei den meisten Arten vorhanden, bei einigen jedoch unvollständig entwickelt oder es fehlt ganz.<!--Lydekker 1911--> Das [[Becken (Anatomie)|Becken]] besitzt große [[Sitzbein|Sitz-]] und [[Schambein]]e mit einer langen und gewöhnlich knöchernen [[Schambeinfuge]].<!--Lydekker 1911--> Die [[Vorderbein]]e weisen eine ausgeprägte Trennung zwischen [[Ulna|Elle]] und [[Radius (Anatomie)|Speiche]] auf.<!--Lydekker 1911--> Die [[Vorderpfote]]n besitzen meist fünf [[Zehe (Fuß)|Zehen]] mit normal entwickelten [[Zehenknochen]].<!--Lydekker 1911--> Die [[Großzehe]] ist allerdings bei einigen Arten zurückgebildet oder fehlt ganz und kann den anderen Zehen nicht oder kaum gegenüber gestellt werden.<!--Lydekker 1911, Wood 1999--> Die [[Hinterbein]]e besitzen einen in der Form beträchtlich schwankenden [[Oberschenkelknochen]], der jedoch am Gelenkkopf gewöhnlich drei Rollhügel aufweist.<!--Lydekker 1911--> [[Schienbein]] und [[Wadenbein]] sind bei sich springend fortbewegenden Arten miteinander verwachsen.<!--Lydekker 1911--> Dies sorgt für eine größere Stabilität des oberen [[Sprunggelenk]]s.<!--Quelle?--> Das Wadenbein bildet kein Gelenk mit dem [[Fersenbein]].<!--Lydekker 1911--> Bei den Springmäusen weisen die [[Hinterpfote]]n stark verlängerte [[Mittelfußknochen]] auf, bei manchen Arten sind diese auch miteinander verwachsen.<!--Lydekker 1911--> Die Anzahl der Zehen an den Hinterpfoten schwankt zwischen drei und fünf.<!--Lydekker 1911--> === Innere Anatomie === Die [[Kiefer (Anatomie)|Kiefer]] sind mit einer ausgesprochen starken [[Kaumuskulatur]] versehen, deren Anordnung auch eine wichtige Rolle bei der Klassifizierung dieser Tiere spielt. Der [[Musculus masseter|Masseter]] ist groß und bringt die Hauptkraft beim Nagen auf. Er ist dreigeteilt und erstreckt sich von der Unterseite des Jochbogens vorne bis zur Außenseite des senkrechten Teils des Unterkieferastes hinten. Dadurch zieht er den Unterkiefer nicht nur nach oben, sondern auch nach vorne und sorgt somit für die Nagebewegung. Der [[Musculus temporalis|Schläfenmuskel]] ist im Vergleich zum Masseter vergleichsweise klein. Der zweibäuchige ''[[Musculus digastricus]]'' besitzt eine klar abgegrenzte, mittige [[Zwischensehne]]. Bei vielen Arten sind die beiden vorderen Bäuche des Muskels zwischen den beiden Unterkieferästen vereint. [[Datei:Felsenmeerschweinchen.jpg|miniatur|[[Bergmeerschweinchen]] praktizieren wie alle Meerschweinchen [[Caecotrophie]].]] Der [[Verdauungstrakt]] der Nagetiere ist auf eine pflanzliche Nahrung ausgerichtet, ungeachtet der Tatsache, dass es auch einige alles- oder vorwiegend fleischfressende Arten gibt. Sie sind Enddarmfermentierer, das heißt, sie können in ihrem [[Blinddarm]] (Caecum) mittels symbiotischer Bakterien auch [[Zellulose]] aufschließen. Der [[Colon|Grimmdarm]] (Colon) ist zu diesem Zweck modifiziert und weist oft komplexe Falten auf. Viele Arten praktizieren [[Caecotrophie]], das heißt, sie scheiden vorverdaute Darminhalte (Caecotrophe) aus und nehmen sie erneut auf, um sie der endgültigen Verdauung zuzuführen. Der [[Magen]] ist bei den meisten Arten einkammerig und einfach gebaut, einige [[Wühlmäuse]] wie die [[Lemmini|Lemminge]] haben – ähnlich den [[Wiederkäuer]]n – einen drüsenlosen Magenabschnitt, in dem ebenfalls eine Vorverdauung stattfindet. Das [[Urogenitalsystem]] entspricht in weiten Zügen dem der übrigen [[Höhere Säugetiere|Höheren Säugetiere]]. Die Geschlechtsorgane sind sehr unterschiedlich gebaut. In den [[Penis]] ist meist ein [[Penisknochen]] (Baculum) eingelagert, die Hoden können entweder in der Bauchhöhle oder außerhalb liegen, bei einigen Arten kommt es zu einem saisonalen [[Descensus testis|Hodenabstieg]]. Die Weibchen haben stets eine paarige [[Gebärmutter]] (Uterus duplex). Das [[Gehirn]] ist klein und die meist glatten (''[[Lissenzephalie|lissenzephalen]]'') Hemisphären des [[Großhirn]]s erstrecken sich nicht weit nach hinten und ragen somit nicht über das [[Kleinhirn]] hinaus. === Vielfalt im Körperbau === [[Datei:Glaucomys sabrinus 2.jpeg|miniatur|Die [[Gleithörnchen]] können mittels ihrer [[Flugmembran]] Gleitflüge durchführen.]] Als Anpassung an verschiedenste [[Habitat]]e und die Realisierung unterschiedlicher [[Ökologische Nische|ökologischer Nischen]] haben die Nagetiere eine bemerkenswerte Vielfalt in ihrem Körperbau entwickelt. Zwei Gruppen, die [[Gleithörnchen]] und die [[Dornschwanzhörnchen]], haben unabhängig voneinander eine [[Gleitmembran]] zwischen den Gliedmaßen ausgebildet, mit deren Hilfe sie Segelflüge zwischen Bäumen unternehmen können. Einige Nagetiere haben sich mit einem plumpen, walzenförmigen Körper, kurzen Gliedmaßen, verkleinerten oder rückgebildeten Augen und teilweise vergrößerten Grabhänden an eine unterirdisch grabende Lebensweise angepasst. Dazu zählen unter anderem die [[Taschenratten]], die [[Blindmäuse]] und [[Blindmulle|-mulle]] aus der Gruppe der [[Spalacidae]], die [[Kammratten]] und die [[Sandgräber]]. Bei einigen Arten kam es zu einer Verlängerung der Hinterbeine und damit zu einer hüpfenden Fortbewegungsweise, wie etwa bei den [[Kängururatten]], den [[Springmäuse]]n und dem [[Springhase]]n. Die [[Agutis]] und die [[Pampashasen]] [[Amerika]]s entwickelten verlängerte Gliedmaßen mit hufähnlichen Zehen und bilden gewissermaßen das [[Stellenäquivalenz|ökologische Äquivalent]] kleiner [[Paarhufer]] und [[Echte Hasen|Hasen]]. Zahlreiche Arten haben sich unabhängig voneinander mittels stromlinienförmigem Körper, wasserabweisendem Fell und teilweise Schwimmhäuten zwischen den Zehen und Ruderschwanz an eine aquatische (im Wasser stattfindende) Lebensweise angepasst. Beispiele hierfür sind die [[Biber]], die [[Bisamratte]], die [[Biberratte]] oder Nutria, die südamerikanischen [[Fischratten]] oder die australischen [[Schwimmratten]]. Zur Abwehr von Fressfeinden haben mehrere Nagergruppen wie etwa [[Stachelschweine]], [[Baumstachler]] oder teilweise die [[Stachelratten]] ein stacheliges Fell. Ein Gutteil der Arten schließlich ist in seinem gedrungenen Körperbau mit den eher kurzen Beinen und dem kurzen Hals den [[Ratten]] oder [[Mäuse]]n ähnlich, dazu zählen viele [[Mäuseartige]], die Bilche und andere Gruppen. == Verbreitung == [[Datei:London Scruffy Rat.jpg|miniatur|[[Wanderratte]]n zählen zu den Nagetieren, die im Gefolge des Menschen eine weltweite Verbreitung erreicht haben]] Nagetiere haben eine nahezu weltweite Verbreitung erreicht, sie fehlten ursprünglich lediglich in der [[Antarktis]] und auf abgelegenen Inseln – etwa [[Neuseeland]] und den meisten [[Pazifik|pazifischen]] Inseln. Sie sind neben den [[Fledertiere]]n das einzige Taxon der [[Höhere Säugetiere|Plazentatiere]], das ohne menschlichen Einfluss den [[Australien (Kontinent)|australischen Kontinent]] besiedelt hat, nämlich in Gestalt einiger [[Altweltmäuse]] (Murinae). Obgleich es eine Reihe aquatischer (im Wasser lebender) Arten gibt, haben die Nagetiere die Meere nicht als Lebensraum erobert. Als [[Hemerophil|Kulturfolger]] haben einige Arten, etwa die [[Hausmaus]], die [[Hausratte|Haus-]] oder die [[Wanderratte]] eine weltweite Verbreitung erreicht, daher sind Nagetiere heute faktisch überall zu finden, wo es Menschen gibt. == Lebensweise == Nagetiere haben fast alle Lebensräume der Erde besiedelt, man findet sie sowohl in [[Wüste]]n wie auch in [[Tropischer Regenwald|tropischen Regenwäldern]], im [[Hochgebirge]] und in [[Polargebiet|Polarregionen]]. Auch aufgrund der vielfältigen [[Habitat]]e und der unterschiedlichsten Formen im Körperbau lassen sich über die Lebensweise der Nagetiere nur sehr wenige verallgemeinernde Aussagen treffen. === Sozialverhalten und Aktivitätszeiten === [[Datei:Marmota_marmota_Alpes2.jpg|miniatur|Insbesondere in unterirdischen Bauen lebende Nagetiere wie das [[Alpenmurmeltier]] haben ein ausgeprägtes Sozialverhalten entwickelt]] Die Aktivitätszeiten der Nagetiere sind je nach Art und Lebensraum unterschiedlich, allerdings ist die Mehrzahl dämmerungs- oder nachtaktiv. Bei einigen Gruppen, beispielsweise den Hörnchen, finden sich jedoch vorwiegend tagaktive Tiere. Manche Bewohner kälterer Regionen halten einen ausgeprägten [[Winterschlaf]] (bekannte Beispiele aus dem europäischen Raum sind [[Siebenschläfer]] und [[Murmeltiere]]), andere wie etwa die Lemminge sind auch während des Winters aktiv. Manche Bewohner tropischer Regionen fallen im Gegenzug während der heißen oder trockenen Jahreszeit in eine [[Torpor|Hitze- oder Trockenstarre]], z. B. [[Fettmäuse]]. Auch im Hinblick auf das Sozialverhalten finden sich innerhalb der Nagetiere sämtliche Formen, von strikt einzelgängerischen Arten, die außerhalb der Paarungszeit jeden Kontakt zu Artgenossen meiden, über Arten, die paarweise zusammenleben bis zu Arten, die ein ausgeprägtes Sozialsystem entwickelt haben. Insbesondere die in großen unterirdischen Bauen lebenden Nager wie beispielsweise [[Viscacha]]s oder [[Präriehunde]] sind dafür bekannt. Einzigartig unter den Säugetieren ist die [[Eusozialität|eusoziale]] Lebensweise mancher [[Sandgräber]] wie des [[Nacktmull]]s oder der [[Graumulle]]: Ähnlich wie bei manchen Insekten ist in einer Kolonie ein einziges Weibchen, die „Königin“, fruchtbar und paart sich mit mehreren Männchen, während die übrigen Tiere als unfruchtbare Arbeiter die notwendigen Tätigkeiten zur Versorgung der Gruppe verrichten. === Ernährung === [[Datei:Roedor Orange-rumped agouti GFDL.jpg|miniatur|Wie die meisten Nagetiere ernähren sich [[Agutis]] vorwiegend von Pflanzen]] Nagetiere sind überwiegend, jedoch nicht ausschließlich, [[Pflanzenfresser]]. Je nach Art, Lebensraum oder Jahreszeit werden alle Teile von Pflanzen konsumiert: Gräser, Blätter, Früchte, Samen und Nüsse, aber auch Zweige, Rinde, Wurzeln und Knollen. Als einer der Hauptgründe für den evolutionären Erfolg der Nagetiere gilt vermutlich die Tatsache, dass sie wie kaum eine andere Säugetiergruppe Herbivorie (pflanzliche Ernährung) mit geringer Körpergröße verbinden – die meisten anderen pflanzenfressenden Säuger sind deutlich größer. Es gibt zahlreiche rein herbivore Arten, einige Arten sind jedoch zum Teil [[Allesfresser]] (omnivor) und nehmen zumindest als Beikost Insekten, Würmer und andere Wirbellose, aber auch Vogeleier und kleine Wirbeltiere zu sich, dazu zählen unter anderem die Hörnchen, die Bilche, einige [[Mäuseartige]] oder die [[Sandgräber]]. Es gibt jedoch auch einige wenige Arten, die sich vorrangig oder fast ausschließlich von Insekten und anderen Kleintieren ernähren. Beispiele hierfür sind einige Gattungen der [[Neuweltmäuse]], wie etwa die [[Grashüpfermäuse]] (''Onychomys'', benannt nach ihrer Hauptnahrung), die [[Grabmäuse]] (''Oxymycterus'') oder die Gruppe der [[Fischratten]] (Ichthyomyini), die sich von Wasserinsekten, Krebsen und Fischen ernähren. Auch die [[Afrikanische Wasserratte]] und die australischen [[Schwimmratten]] (Hydromyini), die vorzugsweise Fische verzehren, oder Vertreter der [[Deomyinae]] wie die [[Kongo-Waldmaus]] oder die [[Bürstenhaarmäuse]], die sich hauptsächlich von Insekten ernähren, zählen dazu. === Fortpflanzung und Entwicklung === [[Datei:Goldhamster 2.jpg|miniatur|[[Hamster]] haben die kürzeste Tragzeit aller [[Höhere Säugetiere|Plazentatiere]]]] Die Nagetiere gehören zu den [[Höhere Säugetiere|Plazentatieren]] oder Höheren Säugetieren (Eutheria), als solche ist ihre Fortpflanzung charakterisiert durch die [[Plazenta]] und den [[Trophoblast]] (die äußere Zellschicht des [[Blastozyste|frühen Embryos]]), der eine immunologische Barriere darstellt und ein im Vergleich zu den [[Beutelsäuger]]n längeres Heranwachsen der [[Fötus|Föten]] im Mutterleib ermöglicht. Abgesehen davon lässt sich aber kaum etwas Allgemeines über die Fortpflanzung dieser Tiergruppe feststellen. Viele Arten, etwa die [[Mäuseverwandte]]n, sind durch eine ausgesprochen hohe [[Fruchtbarkeit|Fertilität]] gekennzeichnet ([[r-Strategie]]). Das Weibchen kann mehrmals im Jahr Nachwuchs zur Welt bringen, die Trächtigkeitsdauer ist kurz und die [[Wurfgröße]] hoch. Die Neugeborenen sind [[Nestling|Nesthocker]], oft unbehaart und hilflos, wachsen aber sehr schnell und erreichen binnen Wochen oder Monaten die Geschlechtsreife. So haben manche [[Hamster]]arten mit nur 16 Tagen die kürzeste Tragzeit aller Plazentatiere und sind bereits mit sieben bis acht Wochen geschlechtsreif, [[Vielzitzenmäuse]] haben bis zu 24 Zitzen und [[Nacktmull]]e können bis zu 27 Neugeborene pro Wurf austragen <ref> Sämtliche Zahlen nach Nowak (1999) </ref>. Auf der anderen Seite gibt es auch eine Reihe von Gruppen, bei denen es geradezu umgekehrt ist, etwa bei den [[Meerschweinchenverwandte]]n. Deren Tragzeit ist vergleichsweise lang (beispielsweise bis zu 280 Tage bei der [[Pakarana]]), es gibt nur wenige Jungtiere pro Wurf und der Entwicklungsstand bei der Geburt ist recht hoch ([[K-Strategie]]). Gerade der Nachwuchs größerer Arten kommt mit vorhandenem Fell und geöffneten Augen zur Welt; viele Jungtiere können schon nach wenigen Stunden laufen und sind kurze Zeit später von der Mutter unabhängig. === Feinde und Lebenserwartung === [[Datei:Predatorycat ubt.jpeg|miniatur|Nagetiere haben zahlreiche Fressfeinde]] Nagetiere haben zahlreiche Fressfeinde und sind aufgrund ihrer Häufigkeit Nahrungsgrundlage vieler Beutegreifer. Viele [[Säugetiere]], [[Vögel]], [[Reptilien]] und [[Amphibien]], aber auch Wirbellose – wie etwa manche [[Vogelspinnen]] – machen Jagd auf sie. Gerade die kleineren Vertreter verfügen kaum über aktive Verteidigungsstrategien, dafür vertrauen sie auf Vorsicht, Tarnung, Verbergen oder Flucht – einigen Arten hilft auch ihr gut entwickeltes Sozialverhalten. Krankheiten und Parasiten stellen weitere Bedrohungen für Nagetiere dar. Für zahlreiche Arten bildet der Mensch die größte Bedrohung. Während die gezielte Bejagung von als „[[Schädling]]en“ betrachteten Nagetieren oft nicht den gewünschten Erfolg bringt, haben die Zerstörung des Lebensraumes und die Einschleppung von [[Neozoen]] zur Ausrottung einiger Arten geführt, etliche andere wurden bereits an den Rand des Aussterbens gedrängt (Näheres siehe unten). Die Lebenserwartung ist sehr variabel. Auch ohne die Bedrohung durch die allgegenwärtigen Fressfeinde erreichen viele Arten, etwa [[Mäuseartige]], nur ein Höchstalter von ein bis zwei Jahren. Es gibt aber auch längerlebige Nagetiere. Beim [[Gewöhnliches Stachelschwein|Gewöhnlichen Stachelschwein]] ist ein Höchstalter von 27 Jahren bekannt, den Altersrekord hält – soweit bekannt – ein Nacktmull mit geschätzten 28 Jahren <ref> [http://www.ncbi.nlm.nih.gov/entrez/query.fcgi?cmd=Retrieve&db=PubMed&list_uids=14602989&dopt=Abstract R. Buffenstein und J. U. Jarvis: The naked mole rat--a new record for the oldest living rodent]</ref>. == Systematik und Stammesgeschichte == === Äußere Systematik === Die Nagetiere werden im Regelfall als [[Ordnung (Biologie)|Ordnung]] Rodentia mit den [[Hasenartige]]n (Ordnung Lagomorpha), ihrer vermutlichen [[Schwestergruppe]], als [[Glires]] zusammengefasst. Die Glires werden innerhalb der [[Euarchontoglires]] den als [[Euarchonta]] zusammengefassten Ordnungen der [[Spitzhörnchen]], [[Riesengleiter]] und [[Primaten]] gegenübergestellt. Eine [[Kladogramm|grafische Darstellung]] der möglichen Verwandtschaftsbeziehungen sieht wie folgt aus: ──┐ Euarchontoglires │ ├──┐ Euarchonta │ ├─── Spitzhörnchen (Scandentia) │ └──┬─── Riesengleiter (Dermoptera) │ └─── Primaten (Primates) │ └──┐ Glires ├─── Hasenartige (Lagomorpha) └─── Nagetiere (Rodentia) Die Verwandtschaft mit den Hasenartigen ist [[Morphologie (Biologie)|morphologisch]] gut begründet, und jene wurden schon 1735 in Carl von Linnés ''[[Systema Naturae]]'' als Untergruppe zu den Nagetieren (Ordnung Glires) gestellt. Anfang des 20. Jahrhunderts aufgekommene Zweifel an dieser Verwandtschaft, die sich auch in einer Aufspaltung in zwei Ordnungen spiegelten, konnten durch neuere [[Molekulargenetik|molekulargenetische]] Untersuchungen weitgehend ausgeräumt werden. Demnach trennten sich Nagetiere und Hasenartige vermutlich in der mittleren [[Oberkreide]]. Die Einordnung in die Euarchontoglires ist noch jung und wird bisher lediglich durch die Molekulargenetik gestützt. Sowohl die gemeinsame Abstammung als auch die Schwestergruppenverhältnisse innerhalb der Euarchontoglires sind noch unsicher. Einige Säugetiere werden aufgrund äußerer Ähnlichkeiten als „Mäuse“ oder „Ratten“ bezeichnet, ohne dass sie zu den Nagetieren gehören. Dazu gehören die [[Spitzmäuse]] aus der Ordnung der [[Insektenfresser]], die [[Beutelmaus|Beutelmäuse]] und [[Beutelratten]] aus der Gruppe der [[Beutelsäuger]] und andere. Auch die [[Fledermäuse]] sind keine Nagetiere. === Innere Systematik === Die Nagetiere sind die bei weitem größte Ordnung der Säugetiere. Nachdem ihr [[Artenreichtum]] noch in der Mitte des 20. Jahrhunderts durch die unkritische Anwendung des [[Art (Biologie)|biologischen Artbegriffs]] verschleiert wurde, setzt sich die Anerkennung neuer Arten in jüngerer Zeit stetig fort:<!--Wilson et Reeder 2005 (S. 745)--> * 1980 <ref name="Corbet et Hill 1980">Gordon Barclay Corbet, John Edwards Hill: ''[[A World List of Mammalian Species]].'' Comstock, London 1980, VIII + 226 Seiten.</ref>: 1591 Arten * 1982 <ref name="Honacki et al. 1982">James H. Honacki, Kenneth E. Kinman, James W. Koeppl (Hrsg.): ''[[Mammal Species of the World]]. A Taxonomic and Geographic Reference.'' Allen Press, Inc. and The Association of Systematics Collections, Lawrence, Kansas 1982, IX + 694 Seiten, ISBN 0-942924-00-2.</ref>: 1719 Arten bzw. etwa 41,2 % aller Säugetiere * 1986 <ref name="Corbet et Hill 1986">Gordon Barclay Corbet, John Edwards Hill: ''[[A World List of Mammalian Species]].'' 2. Ausgabe. Facts on File Publications, New York 1986, 254 Seiten, ISBN 0-565-00988-5.</ref>: 1738 Arten * 1993 <ref name="Wilson et Reeder 1993">Don E. Wilson, DeeAnn M. Reeder (Hrsg.): ''[[Mammal Species of the World]]. A Taxonomic and Geographic Reference.'' 2. Ausgabe. Smithsonian Institution Press, Washington, D.C. 1993, XVIII + 1207 Seiten, ISBN 1-56098-217-9.</ref>: 2015 Arten bzw. etwa 43,5 % aller Säugetiere * 2005 <ref name="Wilson et Reeder 2005">Don E. Wilson, DeeAnn M. Reeder (Hrsg.): ''[[Mammal Species of the World]]. A Taxonomic and Geographic Reference.'' 3. Ausgabe. The Johns Hopkins University Press, Baltimore 2005, XXXV + XVII + 2142 Seiten, ISBN 0-8018-8221-4.</ref>: 2277 Arten bzw. etwa 42,0 % aller Säugetiere und 481 Gattungen Die hier vorgenommene Unterteilung der [[Rezent (Biologie)|rezenten]] Nagetiere in fünf Unterordnungen mit 34 [[Familie (Biologie)|Familien]] folgt weitgehend Carleton & Musser (2005).<ref name="Carleton et Musser 2005">Michael D. Carleton, Guy G. Musser: ''Rodentia.'' In: Don E. Wilson, DeeAnn M. Reeder (Hrsg.): ''[[Mammal Species of the World: A Taxonomic and Geographic Reference]].'' 3.&nbsp;Auflage. The Johns Hopkins University Press, Baltimore 2005, S.&nbsp;745–752, ISBN 0-8018-8221-4 (englisch).</ref> '''Ordnung''' Nagetiere (Rodentia) [[Datei:MattiParkkonen Orava.jpg|miniatur|Das [[Eichhörnchen]] ist ein Vertreter der [[Hörnchen]].]] * '''Unterordnung''' Hörnchenverwandte (Sciuromorpha) ** Die '''[[Bilche]]''' oder Schläfer (Gliridae) sind äußerlich hörnchen- oder mausähnliche Tiere der Alten Welt, dazu gehören unter anderem der [[Siebenschläfer]] und die [[Haselmaus]] . ** Überfamilie Hörnchenartige (Sciuroidea) *** Das '''[[Stummelschwanzhörnchen]]''' (''Aplodontia rufa'', Aplodontiidae) ist ein urtümlich wirkendes Nagetier des westlichen Nordamerikas. *** Die '''[[Hörnchen]]''' (Sciuridae) sind eine artenreiche, vielgestaltige und nahezu weltweit verbreitete Gruppe. Dazu gehören beispielsweise [[Eichhörnchen]], [[Gleithörnchen]], [[Ziesel]] und [[Murmeltiere]]. * '''Unterordnung''' [[Biberverwandte]] (Castorimorpha) ** Die '''[[Biber]]''' (Castoridae) sind große, aquatische Nager mit zwei Arten in Nordamerika und Eurasien. ** Die [[Taschennager]] (Geomyoidea) sind nach ihren außenliegenden Backentaschen benannt und leben in Nord- und Mittelamerika. *** Die '''[[Taschenratten]]''' (Geomyidae) sind maulwurfähnliche, grabend lebende Nager. *** Die '''[[Taschenmäuse]]''' (Heteromyidae) umfassen neben einigen mäuseartigen Arten auch die springmausähnlichen [[Kängurumäuse]] und [[Kängururatten]]. [[Datei:Pocket gopher.jpg|miniatur|[[Taschenratten]] leben grabend unter der Erde]] * '''Unterordnung''' [[Dornschwanzhörnchenverwandte]] (Anomaluromorpha) ** Der '''[[Springhase]]''' (''Pedetes capensis'', Pedetidae) ist ein känguruähnlicher Nager aus Afrika. ** Die '''[[Dornschwanzhörnchen]]''' (Anomaluridae) sind ebenso in Afrika beheimatet. Die meisten Arten besitzen eine Flughaut. * '''Unterordnung''' [[Mäuseverwandte]] (Myomorpha) ** Die '''[[Springmäuse]]''' (Dipodidae) einschließlich [[Hüpfmäuse|Hüpf-]] und [[Birkenmäuse]] sind durch verlängerte Hinterbeine gekennzeichnet und kommen in der Alten Welt und Nordamerika vor. ** Überfamilie [[Mäuseartige]] (Muroidea) *** Die '''[[Stachelbilche]]''' (Platacanthomyidae) leben im tropischen Asien und ähneln äußerlich den Bilchen. *** Die '''[[Spalacidae]]''' bestehend aus [[Blindmäuse]]n und [[Blindmulle|-mullen]] sowie [[Wurzelratten|Wurzel-]] und [[Maulwurfsratte]]n sind vorwiegend unterirdisch lebende Tiere. *** Eumuroida **** Die '''[[Maushamster]]''' (Calomyscidae) sind eine artenarme Gruppe hamsterähnlicher Tiere aus West- und Zentralasien. **** Die '''[[Nesomyidae]]''' sind mausähnliche Tiere aus Madagaskar ([[Madagaskar-Ratten]]) und Afrika (z.&nbsp;B. [[Baummäuse]]). **** Die '''[[Wühler]]''' (Cricetidae) fassen die [[Hamster]], [[Wühlmäuse]] und [[Neuweltmäuse]] zusammen. Die artenreiche Gruppe lebt in Amerika und Eurasien. **** Die '''[[Langschwanzmäuse]]''' (Muridae) sind eine artenreiche, ursprünglich in Eurasien, Afrika und Australien verbreitete Gruppe. Dazu gehören [[Altweltmäuse]] (wie [[Mäuse]] und [[Ratten]]), aber auch [[Rennmäuse]] und andere Gruppen. [[Datei:Rötelmaus.jpg|miniatur|Die [[Rötelmaus]] ist ein Vertreter der [[Wühlmäuse]].]] [[Datei:Stachelschwein2.jpg|miniatur|[[Stachelschweine]] sind eine von mehreren Gruppen, die Stacheln entwickelt haben.]] [[Datei:Mara 1.jpg|miniatur|Die [[Pampashasen]] oder Maras zählen zur Familie der [[Meerschweinchen]].]] [[Datei:Myocastor coypus.jpg|miniatur|Die [[Biberratte]] oder Nutria ist als Neozoon mittlerweile auch in Europa heimisch]] * '''Unterordnung''' [[Stachelschweinverwandte]] (Hystricomorpha) ** Die '''[[Laotische Felsenratte]]''' (''Laonastes aenigmamus'', Diatomyidae (''[[incertae sedis]]'')) wurde erst 2005 entdeckt. Ihre Systematische Stellung ist noch unklar. ** Kammfingerartige (Ctenodactylomorphi) *** Die '''[[Kammfinger]]''' oder Gundis (Ctenodactylidae) leben in trockenen Regionen Afrikas und haben eine gewisse Ähnlichkeit mit den Meerschweinchen. ** Hystricognathi *** Die '''[[Stachelschweine]]''' (Hystricidae) sind durch lange Stacheln charakterisierte Tiere aus Eurasien und Afrika. *** Teilordnung Phiomorpha **** Die '''[[Sandgräber]]''' (Bathyergidae) wie der [[Nacktmull]] sind unterirdisch grabende Tiere aus Afrika. **** Überfamilie Thryonomyoidea ***** Die '''[[Felsenratte]]''' (''Petromus typicus'', Petromuridae) bewohnt trockene Gebiete im südlichen Afrika. ***** Die '''[[Rohrratten]]''' oder Grasnager (Thryonomyidae) sind große Nagetiere aus Afrika, die auch wegen ihres Fleisches gezüchtet werden. *** Die [[Meerschweinchenverwandte]]n (Teilordnung Caviomorpha) leben auf dem amerikanischen Doppelkontinent. **** Überfamilie Baumstachlerartige (Erethizontoidea) ***** Die '''[[Baumstachler]]''' (Erethizontidae) einschließlich des [[Borstenbaumstachler]]s ähneln den altweltlichen Stachelschweinen, sind aber vorwiegend Baumbewohner. **** Überfamilie Meerschweinchenartige (Cavioidea) ***** Die '''[[Pakas]]''' (Cuniculidae) sind zwei Arten relativ großer, stämmiger Waldbewohner. ***** Die '''[[Meerschweinchen]]''' (Caviidae) umfassen auch [[Pampashasen]] und das [[Capybara]]. ***** '''[[Agutis und Acouchis]]''' (Dasyproctidae) sind große, eher langbeinige Tiere. **** Überfamilie Chinchillaartige (Chinchilloidea) ***** Die '''[[Pakarana]]''' (''Dinomys branicki'', [[Dinomyidae]]) ist ein großes, scheues Tier aus dem nördlichen Südamerika. ***** Die '''[[Chinchillas]]''' (Chinchillidae) umfassen auch [[Hasenmäuse]] und [[Viscachas]]. **** Überfamilie Trugrattenartige (Octodontoidea) ***** Die '''[[Chinchillaratten]]''' (Abrocomidae) bewohnen Gebirgsregionen in den Anden. Ihr Fell ähnelt dem der Chinchillas. ***** Die '''[[Trugratten]]''' (Octodontidae) leben im südlichen Südamerika. Dazu gehört der [[Gewöhnlicher Degu|Degu]]. ***** Die '''[[Kammratten]]''' (Ctenomyidae) bilden eine Gruppe in unterirdischen Bauen lebender Nagetiere. ***** unbenanntes Taxon (N. N.) ****** Die '''[[Stachelratten]]''' (Echimyidae) sind durch ihr meist borstiges oder stacheliges Fell charakterisiert und kommen auch auf den Westindischen Inseln vor. ****** Die '''[[Biberratte]]''' oder Nutria (''Myocastor coypus'', Myocastoridae) ist als Gefangenschaftsflüchtling mittlerweile auch in Europa beheimatet. ****** Die '''[[Baumratten]]''' oder Hutias (Capromyidae) leben auf den Westindischen Inseln. Viele Arten sind hochgradig gefährdet oder bereits ausgestorben. ****** Die '''[[Riesenhutias]]''' (Heptaxodontidae) waren auf den Westindischen Inseln lebende, zum Teil riesige Tiere, die allesamt ausgestorben sind. Ihre systematische Stellung ist noch unklar. Die Nagetiere bilden aufgrund einiger abgeleiteter, morphologischer Merkmale ([[Synapomorphie]]n) und molekulargenetischer Ergebnisse eine gut begründete [[Klade|Verwandtschaftsgruppe]]. Die Verwandtschaftsverhältnisse innerhalb der Nagetiere sind dagegen noch in wesentlichen Punkten unklar. Eine [[Kladogramm|grafische Darstellung]] der möglichen phylogenetischen Verwandtschaftsverhältnisse nach Poux et al. (2006) <ref name="Poux et al. 2006">Céline Poux, Pascale Chevret, Dorothée Huchon, Wilfried W. de Jong, Emmanuel J. P. Douzery: ''Arrival and Diversification of Caviomorph Rodents and Platyrrhine Primates in South America.'' In: ''Systematic Biology.'' Jg. 55, Nr. 2, April 2006, S. 228–244, {{ISSN|1063-5157}}.</ref> sieht wie folgt aus: --+ Nagetiere (Rodentia) +--- [[Hörnchenverwandte]] (Sciuromorpha) ¦ +------ [[Biberverwandte]] (Castorimorpha) ¦ +--- [[Dornschwanzhörnchenverwandte]] (Anomaluromorpha) ¦ +--- [[Mäuseverwandte]] (Myomorpha) ¦ +--+ [[Stachelschweinverwandte]] (Hystricomorpha) +--- [[Kammfinger]] (Ctenodactylomorphi) ¦ +--+ Hystricognathi +--- [[Stachelschweine]] (Hystricidae) ¦ +------ [[Sandgräber]], [[Felsenratte|Felsen-]] und [[Rohrratten]] (Phiomorpha) +--- [[Meerschweinchenverwandte]] (Caviomorpha) Innerhalb der Hörnchenverwandten bilden Stummelschwanzhörnchen und Hörnchen eine seit langem gut belegte Verwandtschaftsgruppe. Die vermutete Verwandtschaft mit den Bilchen hat in letzter Zeit vermehrt Unterstützung erfahren, ist jedoch noch nicht gesichert. Auch die Verwandtschaft der Biber und Taschennager miteinander und damit die Zusammenfassung als Biberverwandte ist noch nicht sicher. Ob Dornschwanzhörnchen und Springhase miteinander verwandt sind und wo die Dornschwanzhörnchenverwandten dann einzuordnen wären ist ebenfalls noch unklar. Die Mäuseverwandten dagegen bilden eine gut belegte Verwandtschaftsgruppe. Die Verwandtschaftsverhältnisse innerhalb der Stachelschweinverwandten sind inzwischen recht gut belegt. Demnach bilden die Kammfinger die Schwestergruppe aller anderen Familien. Auch die Phiomorpha und die Meerschweinchenverwandten erfahren als Verwandtschaftsgruppen gute Unterstützung. Lediglich das Schwestergruppenverhältnis zwischen Phiomorpha, Meerschweinchenverwandten und Stachelschweinen ist noch nicht klar. === Traditionelle Klassifizierungsmerkmale === Traditionell werden zwei morphologische Merkmale zur Klassifizierung der Familien herangezogen. Zwei Ausprägungen des Unterkiefers werden unterschieden: * ''sciurognath'': Der Unterkieferkörper und die Außenseite des Unterkieferastes liegen auf einer nahezu geraden Linie. * ''hystricognath'': Der Unterkieferkörper und die Außenseite des Unterkieferastes bilden einen Winkel. Vier Ausprägungen der Kaumuskulatur werden unterschieden:<ref name="Bell 2004">Sean D. Bell: ''Aplodontid, Sciurid, Castorid, Zapodid and Geomyoid Rodents of the Rodent Hill Locality, Cypress Hills Formation, Southwest Saskatchewan.'' Saskatoon, Dezember 2004 ([http://library.usask.ca/theses/available/etd-12222004-162111/unrestricted/Sean_Bell_Thesis.pdf PDF]; 6.092&nbsp;KB).</ref> * ''protrogomorph'': Bei der ursprünglichen Ausprägung ist die Schnauze unverändert. Der Masseter-Muskel ist klein und setzt nur an der Unterseite des Jochbogens an. Diese Ausprägung findet sich bei ausgestorbenen Familien aus dem [[Paläozän]] und bei den [[Stummelschwanzhörnchen]]. Bei den [[Sandgräber]]n hat sich dieses Merkmal aus der Ausprägung ''hystricomorph'' zurückentwickelt. * ''sciuromorph'': Die Unterseite des Jochbogens neigt sich vorne zu einer senkrechten Fläche. Der ''Masseter lateralis'' setzt zwischen Auge und Schnauze an und bewegt den Unterkiefer beim Nagen vorwärts. Der ''Masseter superficialis'' setzt entlang des Jochbogens und der ''Masseter medialis'' an der Unterseite des Jochbogens an. Er ist kurz und dient nur zum Schließen des Kiefers. Diese Ausprägung findet sich bei den meisten Hörnchen, den [[Biber]]n, den [[Taschennager]]n sowie der ausgestorben Familie Eomyidae. * ''hystricomorph'': Der ''Masseter medialis'' ist vergrößert, durchzieht das ebenfalls vergrößerte ''Foramen infraorbitale'' und ist für das Nagen zuständig. Der ''Masseter superficialis'' setzt an der Vorderkante des Jochbogens an, während der ''Masseter lateralis'' entlang des Jochbogens ansetzt. Beide dienen nur zum Schließen des Kiefers. Diese Ausprägung findet sich bei den [[Stachelschweinverwandte]]n, den [[Dornschwanzhörnchen]] und dem [[Springhase]]n, den [[Springmäuse]]n, einigen fossilen [[Mäuseartige]]n und bei den [[Afrikanische Bilche|Afrikanischen Bilchen]]. * ''myomorph'': Die Unterseite des Jochbeins neigt sich wie bei der Ausprägung ''sciuromorph'' vorne zu einer senkrechten Fläche, der ''Masseter lateralis'' setzt zwischen Auge und Schnauze an und der ''Masseter superficialis'' entlang des Jochbogens. Beide setzen weit hinten am Unterkiefer an und ersterer kreuzt den vergrößerten ''Masseter medialis''. Dieser verläuft unter dem Jochbogen, durchzieht wie bei der Ausprägung ''hystricomorph'' das ebenfalls vergrößerte ''Foramen infraorbitale'' und führt durch die Augenhöhle zum vorderen Oberkiefer. Diese Ausprägung ermöglicht das effektivste Nagen und findet sich bei den [[Mäuseartige]]n sowie [[Konvergenz (Biologie)|konvergent]] bei einigen Bilchen (hier manchmal auch als ''pseudomyomorph'' bezeichnet). Eine ähnliche Ausprägung findet sich eventuell auch bei den ausgestorbenen [[Cedromurinae]]. === Geschichte der Systematik === [[Datei:Mountain_Hare_Scotland.jpg|miniatur|[[Hasenartige]] wie der [[Schneehase]] wurden ursprünglich bei den Nagetieren eingeordnet.]] ''Hauptartikel:'' [[Geschichte der Systematik der Nagetiere]] Schon [[Carl von Linné]] fasste in seiner ''[[Systema Naturae]]'' ab 1735 ursprünglich alle Nagetiere einschließlich der [[Hasenartige]]n in der Ordnung [[Glires]] zusammen. Daneben enthielt diese Ordnung mit [[Spitzmäuse]]n, [[Desmane]]n, [[Beutelratten]], [[Nashörner]]n, [[Fledermäuse]]n und dem [[Fingertier]] zeitweise auch nicht verwandte Säugetierarten. Von 1821 stammt die Bezeichnung Rodentia für die Ordnung der Nagetiere einschließlich der Hasenartigen. Nach der unterschiedlichen Ausprägung ihrer [[Kaumuskulatur]] wurden diese 1855 in Sciuromorpha („Hörnchenartige“), Myomorpha („Mäuseartige“), Hystrichomorpha („Stachelschweinartige“) und Lagomorpha („Hasenartige“) unterteilt. Erstere drei Gruppen, die Nagetiere im heutigen Sinn, wurden 1876 als Simplicidentata zusammengefasst und den Hasenartigen (Duplicidentata) gegenübergestellt. Nach der Struktur ihres [[Unterkiefer]]s hingegen wurden die Nagetiere im heutigen Sinn 1899 in die Sciurognathi und die Hystricognathi unterteilt. Neben der Dreiteilung in Sciuromorpha, Myomorpha und Hystricomorpha ist diese Zweiteilung bis in die heutige Zeit weit verbreitet. 1912 wurde erstmals vermutet, dass Nagetiere und Hasenartige nicht näher miteinander verwandt sind, und die beiden Gruppen wurden fortan als separate Ordnungen geführt. Anfang der 1990er-Jahre wurde mit der provokanten Veröffentlichung ''Is the Guinea-Pig a Rodent?'' („Ist das Meerschweinchen ein Nagetier?“) in der Zeitschrift ''[[Nature]]'' die Theorie aufgestellt, die Meerschweinchenverwandten seien nicht mit den übrigen Nagetieren verwandt, sondern hätten sich zu einem früheren Zeitpunkt als andere Säugetierordnungen abgespalten. Andere Untersuchungen von [[Morphologie (Biologie)|morphologischen]] und molekularer Daten bestätigten hingegen die [[Kladistik|Monophylie]] (die gemeinsame Abstammung aller Arten von einem gemeinsamen Vorfahren) der Nagetiere, was heute weitgehend als Konsens betrachtet wird. === Stammesgeschichte === [[Datei:Masillamys Senckenberg 2007-01.JPG|miniatur|[[Grube Messel|Messel-Fossil]]: ''[[Masillamys]]'', eines der ältesten Nagetiere der Erdgeschichte. Aus der Sammlung [[Forschungsinstitut Senckenberg|Senckenberg]]]] [[Datei:Capybara01.jpg|miniatur|Die in Amerika lebenden [[Meerschweinchenverwandte]]n wie das [[Capybara]] haben einige für Nagetiere untypische ökologische Nischen besetzt]] Die ersten zweifellos den Nagetieren zuzuordnenden Funde stammen aus dem oberen [[Paläozän]], entstanden dürfte die Gruppe aber bereits in der [[Kreide (Geologie)|Kreidezeit]] sein. Als [[Mesozoikum|mesozoische]] Vorläufer werden manchmal die [[Zalamdalestidae]] angeführt, eine in der Oberkreide in Asien lebende Gruppe. Diese für mesozoische Säugetiere relativ großen Tiere hatten einen den [[Rüsselspringer]]n vergleichbaren Körperbau und wiesen im Bau der vergrößerten unteren [[Schneidezahn|Schneidezähne]] Ähnlichkeiten mit den Nagern auf. Ob sie tatsächlich die Vorfahren der Nagetiere oder der [[Glires]] (des gemeinsamen [[Taxon]]s aus Nagern und [[Hasenartige]]n) darstellen, ist umstritten. Im unteren Paläozän lebte in Asien die Familie der [[Eurymylidae]], die wie die heutigen Nager bereits nur mehr zwei vergrößerte Schneidezähne pro Kiefer aufwies, sich in Details im Aufbau der Zähne aber von diesen unterscheidet. Heute werden die Eurymylidae eher als Schwestergruppe der Nagetiere und nicht als dessen basale Vertreter klassifiziert. Ähnliches gilt für die [[Alagomyidae]], die ebenfalls im Paläozän in Asien und Nordamerika lebte. Als älteste bekannte Vertreter der Nagetiere gelten die [[Ischiomyidae]] (auch Paramyidae genannt), die im späten Paläozän in Nordamerika verbreitet waren und die bereits den noch heute vorhandenen Bau des Gebisses aufwies. Die Aufspaltung in die fünf Unterordnungen war bereits gegen Ende der [[Kreide (Geologie)|Kreidezeit]] vollendet. Im [[Eozän]] breiteten sich die Nagetiere dann auch in [[Eurasien]] und [[Afrika]] aus, und gegen Ende dieser Epoche kam es zu einer fast explosionsartigen Radiation und viele der heutigen Gruppen entstanden. Unter anderem sind Hörnchen, [[Biber]], [[Dornschwanzhörnchen]], [[Mäuseartige]], [[Kammfinger]] und Bilche aus dieser Zeit oder spätestens aus dem frühen [[Oligozän]] belegt. Eine Gruppe von Nagern, die heute als [[Meerschweinchenverwandte]] zusammengefasst werden, erreichte im frühen [[Oligozän]] (vor rund 31 Millionen Jahren) [[Südamerika]] – vermutlich von Afrika auf Treibholz über den damals viel schmaleren [[Atlantischer Ozean|Atlantik]] schwimmend. Südamerika war damals – wie während des größten Teils des [[Känozoikum]]s – von den übrigen Kontinenten isoliert, sodass sich eine eigene Fauna bilden konnte, vergleichbar mit der Situation in [[Australien]]. Es gab dort nur wenige Säugetiergruppen (die [[Beutelsäuger]], die ausgestorbenen [[Südamerikanische Huftiere|Südamerikanischen Huftiere]] und die [[Nebengelenktiere]]), weswegen die Meerschweinchenverwandten einige [[ökologische Nische]]n einnehmen konnten, die für Nagetiere untypisch sind und sich in dieser Form nur bei dieser Gruppe finden. Einige grasfressende Arten stellen gewissermaßen das ökologische Äquivalent zu den [[Paarhufer]]n dar, auch entwickelten sich riesenhafte Formen. Noch heute gehört mit dem [[Capybara]] der größte Nager zu dieser Gruppe, ausgestorbene Formen wie ''[[Phoberomys]]'' erreichten sogar die Ausmaße von [[Flusspferd]]en. Bemerkenswert ist, dass die Nagetiere vor der weltweiten Ausbreitung des Menschen als einzige Gruppe landgebundener [[Höhere Säugetiere|Plazentatiere]] den [[Australien (Kontinent)|australischen Kontinent]] besiedeln konnten. Diese Einwanderung geschah in mehreren Wellen vor fünf bis zehn Millionen Jahren. Heute gibt es eine Reihe auf diesem Kontinent endemischer Gattungen, darunter die [[Schwimmratten]], die [[Australische Kaninchenratten|Australischen Kaninchen-]] und die [[Australische Häschenratten|Häschenratten]]. Zu einem späteren Zeitpunkt haben auch die [[Ratten]] mit mehreren Vertretern Australien erreicht. == Nagetiere und Menschen == === Nagetiere als Nutztiere === [[Datei:Peru Guinea Pig.jpg|miniatur|Gebratenes Hausmeerschweinchen mit Beilagen]] Eine Reihe von Nagetierarten wird vom Menschen als [[Nutztier]]e gehalten, das heißt um sich einen wirtschaftlichen Zweck zugute zu machen. Die wichtigsten Zwecke sind der Genuss ihres Fleisches, die Verwendung des Fells und die Tierversuche. Der Genuss des [[Fleisch]]es von Nagetieren ist heute im mitteleuropäischen Kulturraum unüblich, wenn auch in früheren Zeiten insbesondere in Notsituationen auch diese Tiere verspeist wurden. In anderen Regionen der Erde hingegen werden sie gegessen, manche Arten gelten sogar als Delikatesse. Bekannte Beispiele sind die [[Hausmeerschweinchen]], die in Südamerika – insbesondere in [[Peru]] – millionenfach gezüchtet und verspeist werden, die [[Rohrratten]], die in einigen westafrikanischen Ländern wie [[Ghana]] gehalten werden und deren Zucht von der [[Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation]] der UNO (FAO) propagiert wird, oder der [[Siebenschläfer]], der im alten Rom als Leckerbissen galt und in eigens angelegten Glirarien gemästet wurde. Daneben werden Nagetiere nicht nur für den Genuss des Menschen gezüchtet, sondern auch als Futtertiere verwendet, beispielsweise für [[Echsen]] und [[Schlangen]] und andere in Zoos oder privaten [[Terrarium|Terrarien]] gehaltene Tiere. Einige Nagetiere werden auch ihres [[Fell]]es wegen gejagt oder auch gezüchtet. Die hierzulande bekanntesten Vertreter sind die [[Eigentliche Chinchillas|Eigentlichen Chinchillas]], die [[Bisamratte]] und die [[Biberratte]] oder Nutria; weltweit dienen jedoch die verschiedensten Arten als Pelzlieferanten. [[Datei:Naked lab rats.jpg|miniatur|Unbehaarte Laborratten]] Einen bedeutenden Bereich der Nutzung von Nagetieren stellen [[Tierversuch]]e dar. Diese Tiere werden vorwiegend verwendet, da sie klein, leicht zu züchten und zu halten sind und sich sehr schnell vermehren. Über 80 %, teilweise sogar über 90 %, der eingesetzten Tiere sind Nagetiere, allen voran [[Hausmaus|Hausmäuse]], gefolgt von [[Wanderratte]]n und Hausmeerschweinchen <ref> Tierversuchsstatistik [http://www.bmbwk.gv.at/forschung/recht/tierversuche/tierversuchsstatistik_2005.xml Österreichs], der [http://www.bvet.admin.ch/tv-statistik/Jasta-05/D/Index.html Schweiz] und [http://www.bmelv.de/cln_044/nn_753004/DE/07-SchutzderTiere/Tierschutz/Tierversuchszahlen.html__nnn=true Deutschlands]</ref>. Die Kontroverse um den tatsächlichen Nutzen dieser Praktiken wird äußerst heftig geführt. Ebenfalls zu den Tierversuchen kann die Verwendung von Nagetieren in der [[Raumfahrt]] gezählt werden. Erstmals wurden Hausmäuse und Hausmeerschweinchen an Bord des sowjetischen Raumschiffs [[Wostok (Raumschiff)|Wostok 3&nbsp;A]] im März 1961 ins All geflogen, später kamen auch [[Wanderratte]]n und [[Taschenmäuse]] hinzu. === Nagetiere als Heimtiere === [[Datei:Phodopus sungorus - Hamsterkraftwerk.jpg|miniatur|[[Dsungarischer Zwerghamster]] in einem [[Laufrad (Kleintier)|Laufrad]]]] Zahlreiche Nagetiere werden auch als [[Heimtier]]e oder Streicheltiere gehalten, das heißt aus Freude und persönlicher Zuneigung und nicht aus einem direkten wirtschaftlichen Nutzen. Die Gründe für die Haltung von Nagern sind unter anderem die geringe Körpergröße und die damit verbundenen niedrigen Haltungskosten. Etliche Arten sind jedoch aufgrund ihrer nachtaktiven Lebensweise und ihrer Unwilligkeit gegenüber Berührungen nur bedingt als Heimtier geeignet, auch ist bei vielen Arten, die in großen Gruppen leben oder viel Auslauf brauchen, eine [[artgerechte Haltung]] kaum realisierbar. Zu den Arten, die als Heimtiere gehalten werden, zählen [[Hausmeerschweinchen]], [[Goldhamster|Gold-]], [[Kurzschwanz-Zwerghamster|Zwerg-]] und andere [[Hamster]], [[Hausmaus|Haus-]], [[Rennmäuse|Renn-]], [[Springmäuse|Spring-]] und andere [[Mäuseverwandte|Mäuse]], [[Wanderratte]]n, [[Gewöhnlicher Degu|Degus]], [[Eigentliche Chinchillas|Chinchillas]], [[Gleithörnchen|Gleit-]], [[Streifenhörnchen|Streifen-]] und andere Hörnchen, mehrere Bilcharten und andere mehr. === Nagetiere als „Schädlinge“ und Gefahr für den Menschen === [[Datei:2005 mousetrap cage 1.jpg|miniatur|miniatur|Maus in einer [[Mausefalle]]]] Etwa 200 bis 300 Arten gelten als Landwirtschafts- oder Nahrungsmittelschädlinge. Zum Teil halten sie sich in den zur [[Nahrungsmittel]]produktion genutzten Flächen auf, wo sie die Feldfrüchte selbst verzehren oder durch ihre unterirdische Lebensweise an Wurzeln und Knollen der Pflanzen Schäden anrichten. Häufig ist der Mensch die Hauptursache dafür, indem er massiv in den natürlichen Lebensraum der Tiere eingreift. Durch die Umwandlung der Habitate in landwirtschaftlich genutzte Flächen und die Verringerung des Nahrungsangebotes werden viele Arten gezwungen, sich neue Nahrungsquellen zu erschließen. In Indonesien gehen beispielsweise 17 % der Reisernte durch Nagetiere verloren. <ref> Maier (2004), S. 532 </ref> Diese stehen dann in Konkurrenz zu den wirtschaftlichen Interessen und leiten die Verfolgung ein. Die [[hemerophil]]en Arten (Kulturfolger), beispielsweise [[Mäuse]] und [[Ratten]], suchen auch direkt in den Aufbewahrungsorten von Lebensmitteln nach Nahrung. Darüber hinaus kommt es durch die Nagetätigkeit oft zu weiteren materiellen Schäden, zum Beispiel an Dämmmaterialien, Strom- und Wasserleitungen. Neben den materiellen Schäden, die Nagetiere anrichten, sind einige Arten auch als Überträger von Krankheiten bekannt und stellen so eine Bedrohung für den Menschen dar. [[Infektion]]en können auf verschiedenste Weise geschehen: durch Bisse können unter anderem [[Pasteurellose]] und [[Tollwut]] übertragen, wenngleich Nagetiere seltener vom Tollwutvirus betroffen sind als andere Säugetiergruppen. Durch ihre Exkremente kann es unter anderem zur Übertragung von [[Salmonellose]] und [[Leptospirose]] ([[Weil-Krankheit]]) sowie von [[Hämorrhagisches Fieber|hämorrhagischem Fieber]] ([[Hantaviren]]) kommen; durch den Verzehr von Nagern, der wie oben erwähnt in außereuropäischen Ländern recht häufig vorkommt, zur [[Trichinose]]. Am bekanntesten sind wohl die Krankheiten, die von auf diesen Tieren parasitierenden [[Flöhe]]n übertragen werden wie das murine [[Fleckfieber]] und die [[Pest]], die in mehreren [[Pandemie]]n Millionen Menschen das Leben gekostet hat. === Bedrohung === [[Datei:Capromys pilorides.jpg|miniatur|Die [[Baumratten]], deren bekanntester Vertreter die [[Hutiaconga]] ist, zählen zu den bedrohtesten Nagetieren]] Die weite Verbreitung einiger kulturfolgender Arten darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass viele Nagetierarten ein kleines Verbreitungsgebiet haben und zu den gefährdeten oder bedrohten Arten zählen. Die Gründe dafür sind unter anderem die gezielte Verfolgung von als Schädlinge betrachteten Tieren (zum Beispiel bei den [[Präriehunde]]n), die Bejagung aufgrund des Fleisches oder des Felles (wie beim [[Kurzschwanz-Chinchilla]]), die Zerstörung des Lebensraumes, die vor allem waldbewohnende Arten trifft und die Verdrängung durch eingeschleppte oder eingewanderte [[Neozoen]]. Die [[IUCN]] listet 31 Nagetierarten als ausgestorben, neben einigen australischen handelt es sich dabei vorwiegend um Arten, die auf Inseln [[Endemit|endemisch]] waren. Dazu zählen unter anderem sämtliche [[Riesenhutias]], einige Vertreter der [[Baumratten|Baum-]] und [[Stachelratten]] der Karibischen Inseln, die [[Karibische Riesenreisratten]], eine [[Südamerikanische Baumstachler]]art, die [[Kanarische Riesenratten|Kanarische Riesenratte]], sowie aus Australien die [[Australische Kaninchenratten|Weißfuß-Kaninchenratte]], die [[Australische Häschenratten|Kleine Häschenratte]] und mehrere Arten der [[Australische Hüpfmäuse|Australischen Hüpfmäuse]]. Des Weiteren gelten laut IUCN 56 Arten als vom Aussterben bedroht (''critically endangered'') und 98 als stark gefährdet (''endangered''), für viele Arten liegen zu wenig Daten vor, weswegen sie als ''data deficient'' gelistet werden. <ref> Zahlen nach [http://www.iucnredlist.org/ The IUCN Red List of Threatened Species], abgerufen am 12. September 2006</ref> === Nagetiere in der Kultur === [[Datei:Ganesha on mouse.jpg|miniatur|Der [[Hinduismus|hinduistische]] Gott [[Ganesha]] wird oft auf einer Maus oder Ratte reitend dargestellt]] Nur sehr wenige Nagetiergattungen spielen in der menschlichen Kultur eine Rolle. Auffallend ist jedoch, dass sie im Gegensatz zu ihrem Ruf als Schädlinge häufig positive Rollen einnehmen. Sie werden – vermutlich aufgrund ihrer Anpassungsfähigkeit – oft als klug und gewieft dargestellt, die sich gegen größere, oft dümmere Gegner erfolgreich zur Wehr setzen. [[Mäuse]] und [[Ratten]] sind sicher die häufigsten derart dargestellten Nagetiere. In der [[Chinesische Astrologie|Chinesischen Astrologie]] gelten Menschen, die im [[Chinesischer Kalender|Jahr der Ratte oder Maus]] (鼠, shu) geboren sind als angriffslustig, aber auch intelligent und selbstbewusst. Auch in [[Indien]] sind Ratten ein Symbol für Intelligenz und Stärke, beispielsweise wird der Gott [[Ganesha]] häufig auf einer Ratte oder Maus reitend dargestellt. Im westlichen Kulturkreis sind Ratten deutlich negativer besetzt, sie gelten oft als bösartig. Die weit verbreitete Abscheu oder Angst vor Ratten wird etwa in ''[[Die Rättin]]'' von [[Günter Grass]] oder in ''[[1984 (Roman)|1984]]'' von [[George Orwell]] zur Sprache gebracht. Mäuse hingegen verkörpern eher den „süßen“, gutartigen Charakter. Dementsprechend häufig tauchen positiv besetzte Mäuse insbesondere in [[Kinderliteratur]] und [[Zeichentrick]] auf, beispielsweise [[Walt Disney]]s ''[[Micky Maus]]'' oder die Figur in der ''[[Die Sendung mit der Maus|Sendung mit der Maus]]''. Der stereotype Kampf Mäuse gegen [[Hauskatze|Katzen]], bei dem meist die Katzen unterliegen, wird ebenfalls oft dargestellt, etwa in Trickfilmserien wie ''[[Tom und Jerry]]'' oder ''[[Speedy Gonzales]]''. In [[Allegorie|allegorischer]] Weise finden sich Mäuse beispielsweise in [[Franz Kafka]]s ''[[Josefine, die Sängerin oder das Volk der Mäuse]]'' oder in dem die NS-Zeit behandelnden Comic ''[[Maus – Die Geschichte eines Überlebenden]]''. Die Tätigkeiten oder Eigenschaften einiger weiterer Nagetiere sind sprichwörtlich geworden, beispielsweise die langen [[Winterschlaf]]e der [[Murmeltiere]] oder [[Siebenschläfer]]. Die Sammeltätigkeit der [[Hamster]] steht Pate für einen übertriebenen [[Hortung]]sdrang, und die Bautätigkeit der [[Biber]] wird als Inbegriff des [[Fleiß]]es betrachtet. == Literatur == * Michael D. Carleton, Guy G. Musser: ''Order Rodentia''. In: Don E. Wilson, DeeAnn M. Reeder (Hrsg.): ''[[Mammal Species of the World]]''. 3. Ausgabe. The Johns Hopkins University Press, Baltimore 2005, S. 745–752, ISBN 0-8018-8221-4. * Thomas S. Kemp: ''The Origin & Evolution of Mammals''. Oxford University Press, Oxford 2005, 331 Seiten, ISBN 0-19-850761-5. * Wolfgang Maier: '' Rodentia, Nagetiere''. In: Wilfried Westheide, Reinhard Rieger (Hrsg.): ''Spezielle Zoologie. Teil 2: Wirbel- oder Schädeltiere''. Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg – Berlin 2004, 712 Seiten, ISBN 3-8274-0307-3. * Grant Singleton, Christopher R. Dickman, D. Michael Stoddart: ''Nager.'' In: David W. Macdonald (Hrsg.): ''Die große Enzyklopädie der Säugetiere.'' Könemann Verlag, Königswinter 2004, S. 578–587, ISBN 3-8331-1006-6 (deutsche Übersetzung der Originalausgabe von 2001). * {{ISBN|0801857899}} * Malcolm C. McKenna, Susan K. Bell: ''[[Classification of Mammals: Above the Species Level]]''. Columbia University Press, New York 1997, XII + 631 Seiten, ISBN 0-231-11013-8. * Hans-Albrecht Freye: ''Die Nagetiere.'' In: Bernhard Grzimek et al. (Hrsg.): ''[[Grzimeks Tierleben]].'' Bd. 11. ''Säugetiere 2.'' Kindler Verlag, Zürich 1969, S. 204–211. * Richard Lydekker: ''Rodentia.'' In: ''The [[Encyclopædia Britannica]].'' 11. Ausgabe. Bd. 13. University of Cambridge, New York 1911, S. 437–446 ([http://en.wikipedia.org/wiki/Encyclop%C3 %A6dia_Britannica_Eleventh_Edition Englischer Wikipedia-Artikel]). == Einzelnachweise == <references /> == Weblinks == * {{Commons|Category:Rodentia|Nagetiere}} {{Exzellent}} [[Kategorie:Nagetiere| ]] {{Link FA|ca}} [[als:Nagetiere]] [[ar:قوارض]] [[az:Gəmiricilər]] [[bar:Fieslfiecha]] [[be:Грызуны]] [[bg:Гризачи]] [[br:Krigner]] [[bs:Glodari]] [[ca:Rosegador]] [[cs:Hlodavci]] [[cv:Кăшлакансем]] [[cy:Cnofil]] [[da:Gnavere]] [[el:Τρωκτικά]] [[en:Rodent]] [[eo:Ronĝuloj]] [[es:Rodentia]] [[eu:Karraskari]] [[fa:جوندگان]] [[fi:Jyrsijät]] [[fo:Gnagdýr]] [[fr:Rodentia]] [[gl:Roedor]] [[he:מכרסמים]] [[hi:गिलहरी]] [[hr:Glodavci]] [[hsb:Hrymzaki]] [[hu:Rágcsálók]] [[id:Hewan pengerat]] [[io:Rodero]] [[is:Nagdýr]] [[it:Rodentia]] [[ja:ネズミ目]] [[ka:მღრღნელები]] [[ko:설치류]] [[la:Rodentia]] [[lb:Knabberdéieren]] [[li:Knaagdiere]] [[lij:Rodentia]] [[lt:Graužikai]] [[lv:Grauzēji]] [[mk:Глодари]] [[mn:Мэрэгч]] [[mr:कुरतडणारे प्राणी]] [[nds:Gnaagdeerter]] [[nl:Knaagdieren]] [[nn:Gnagarar]] [[no:Gnagere]] [[nov:Rodentia]] [[nrm:Grugeux]] [[nv:Tsin Deigházhígíí]] [[oc:Rodentia]] [[pl:Gryzonie]] [[pt:Roedores]] [[qu:Khankiq]] [[ro:Rozătoare]] [[ru:Грызуны]] [[simple:Rodent]] [[sk:Hlodavce]] [[sl:Glodavci]] [[sr:Глодари]] [[stq:Gnauedierte]] [[sv:Gnagare]] [[ta:கொறிணி]] [[th:สัตว์ฟันแทะ]] [[tl:Daga]] [[tr:Kemiriciler]] [[uk:Гризуни]] [[vi:Bộ Gặm nhấm]] [[wa:Rawiant]] [[zh:啮齿目]] 8ne9znou63ngozocyhoo8eip89p54yp wikitext text/x-wiki Nahrungstabu 0 23974 26572 2010-05-08T21:29:28Z CommonsDelinker 0 Ersetze 670px-Cow_on_Delhi_street.jpg durch [[commons:File:Cow_on_Delhi_street_colorcorr.jpg|Cow_on_Delhi_street_colorcorr.jpg]] (von [[commons:User:Túrelio|Túrelio]] angeordnet: File renamed) Als '''Nahrungstabu''' wird das Phänomen bezeichnet, dass bestimmte [[Tiere]] oder [[Pflanzen]], die prinzipiell essbar sind, von einer bestimmbaren sozialen Gruppe oder in einem [[Kulturraum]] bewusst nicht verzehrt werden und als nicht essbar gelten. Es gibt kein Nahrungstabu, das universelle Gültigkeit besitzt. Viele dieser [[Tabu]]s sind nicht schriftlich fixiert, werden jedoch im jeweiligen Gültigkeitsbereich dennoch als bindend aufgefasst und beachtet. Da [[Genussmittel]] nicht zu den [[Nahrungsmittel]]n gezählt werden, wird zum Beispiel das Alkoholverbot im [[Islam]] wissenschaftlich nicht als Nahrungstabu aufgefasst. Nicht als Nahrungstabu behandelt wird auch die zeitlich begrenzte Meidung bestimmter Nahrungsmittel beim [[Fasten]]. Mit der Erforschung von Nahrungsverboten beschäftigen sich mehrere Wissenschaften, vor allem [[Anthropologie]], [[Ethnologie]], [[Ernährungssoziologie]] und [[Nahrungsforschung]]. == Einführung == Die meisten Wissenschaftler vertreten die Auffassung, dass der Mensch prinzipiell ein [[Allesfresser]] (Omnivore) ist, also sowohl tierische als auch pflanzliche [[Nahrung]] aufnehmen und [[Verdauung|verdauen]] kann. Dennoch wird in allen bekannten Kulturen eine Nahrungsauswahl getroffen, so dass unterschieden wird zwischen bevorzugten, weniger bevorzugten, zu meidenden und verbotenen [[Nahrungsmittel]]n. Nur die strikte Meidung unverdaulicher und giftiger Substanzen ist physiologisch begründbar. Alle anderen Nahrungsverbote und -meidungen gelten als sozio-kulturell erworben und differieren in verschiedenen Kulturen, Nationen oder Gruppen. Die menschliche Nahrungsauswahl wird im Unterschied zu der bei Tieren nicht durch den [[Instinkt]] gesteuert. Studien haben ergeben, dass Kleinkinder bis zum Alter von etwa zwei Jahren noch grundsätzlich bereit sind, alles in den Mund zu stecken und zu essen, also auch Steine, Käfer oder Kot. [[Ekel]]gefühle werden sozial erworben und auf Grund des Verhaltens der Umwelt erlernt, sind also nicht angeboren. Bei Tieren wurden noch nie wirkliche Ekelreaktionen beobachtet.<ref>vgl. [http://www.sge-ssn.ch/d/printmedien/zeitschrift_tabula/jahrgang_2005/2_2005/report_tabula_2-2005.pdf#search=%22ekel%20nahrung%20angst%22 Rolf Degen: Nicht nur Verdorbenes macht Angst, in: Tabula 02/2005]</ref> Auch verbotene Nahrungsmittel werden oft mit einem Gefühl des [[Ekel]]s assoziiert. Da dasselbe Nahrungsmittel, das in einem Kulturraum entschieden als nicht essbar angesehen wird, in einem anderen als Delikatesse gelten kann, zum Beispiel [[Hundefleisch]], kann diese Reaktion nicht als [[Instinkt]] interpretiert werden; sie steht offenkundig nicht in Zusammenhang mit den Eigenschaften des prinzipiell essbaren Objekts. Die Fähigkeit, in Notsituationen wie einer [[Hungersnot]] Ekelreaktionen unterdrücken zu können und etwas Tabuisiertes zu essen, ist individuell unterschiedlich. Im Regelfall löst starker Widerwille beim Essen einen [[Brechreiz]] aus, der eine Nahrungsaufnahme unmöglich macht.<ref>Eva Barlösius, Soziologie des Essens, S. 45</ref> Der überwiegende Teil der weltweit bekannten Nahrungstabus bezieht sich auf Fleisch und tierische Produkte, nur ein kleiner Teil auf Pflanzen. Daniel Fessler und Carlos David Navarrete fanden in zwölf untersuchten Kulturräumen insgesamt 38 Fleischtabus, aber nur sieben Pflanzentabus.<ref>Daniel Fessler/Carlos Navarrete, Meat is Good to Taboo, S. 4</ref> Weltweit gelten die Chinesen als das Volk mit den wenigsten Nahrungstabus, in Mitteleuropa die Franzosen. Anhand historischer Quellen lässt sich belegen, dass die Zahl der Nahrungstabus in Europa in der [[Neuzeit]] deutlich zugenommen hat. == Erklärungsmodelle == Es gibt mehrere Ansätze, um die Entstehung und Aufrechterhaltung von Nahrungstabus zu erklären. Die bekanntesten sind: # der '''kulturmaterialistische oder ökonomisch-rationalistische Ansatz'''. Der bekannteste Vertreter des [[Kulturmaterialismus]] ist der amerikanische Anthropologe [[Marvin Harris]] (''Good to eat. Riddles of Food and Culture'', 1985). Dieser Ansatz geht davon aus, dass Nahrungstabus immer rational begründbar sind und Folge einer Kosten-Nutzen-Analyse im Hinblick auf effiziente Nahrungsversorgung. Das ist die „Theorie der optimalen Futtersuche“. Jede Kultur und jede soziale Gruppe entwickelt demnach Ernährungsgewohnheiten, die auf Grund der regionalen Gegebenheiten ökologisch und ökonomisch sinnvoll sind und den höchsten Nutzen versprechen. So weist Harris nach, dass die Kühe in [[Indien]] lebend sehr wertvoll sind bzw. waren, so dass es unklug wäre, sie zu schlachten und zu verspeisen; aus dieser Einsicht heraus entstand nach dieser Argumentation das Tabu der [[Heilige Kuh|Heiligen Kühe]]. # der '''sozio-kulturelle oder funktionalistische Ansatz'''. Die Vertreter dieses Modells gehen davon aus, dass Tabus in erster Linie der Stärkung der Gruppenidentität und der Abgrenzung von anderen Gruppen dienen. Die Nahrungstabus stehen somit im Dienst einer sozialen Ordnung. Tabuisiert werden gezielt solche Speisen und Lebensmittel, die von den Gruppen gegessen werden, von denen eine Abgrenzung angestrebt wird. Ein bekannter Vertreter ist [[Frederick J. Simoons]] (''Eat not this Flesh. Food avoidances in the Old World'', 1967). Dieser Ansatz kann in der Regel jedoch nicht erklären, warum gerade ein bestimmtes Nahrungsmittel tabuisiert wird, nicht irgendein anderes. Die Bedeutung der jeweiligen Nahrung wird nicht weiter hinterfragt.<ref>Monika Setzwein, Zur Soziologie des Essens, S. 109 f.</ref> # der '''strukturalistische Ansatz''', der vor allem von [[Mary Douglas]] (''Purity and Danger'', 1966), [[Claude Lévi-Strauss]] und in Deutschland von [[Ulrich Tolksdorf]] vertreten wird. Nahrungsmittel werden bei diesem Erklärungsmodell als [[Symbol]]e angesehen, die dabei helfen sollen, eine gewisse gedachte Ordnung in die Umwelt zu bringen. Jede Kultur trennt daher nicht nur Nahrung in rein und unrein, heilig und profan. Reine Nahrung gilt als essbar, unreine als nicht essbar. Für die Klassifikation werden bestimmte Kriterien gebildet. Abgelehnt werden von manchen sozialen Gruppen die Tiere, die in keine Kategorie hineinpassen. # Ein abgewandeltes strukturalistisches Ernährungsmodell hat der [[Ethnosoziologie|Ethnosoziologe]] [[Edmund Leach]] eingeführt (''Kultur und Kommunikation'', 1974). Nicht essbar sind danach in der Regel Tiere, die entweder als zu fremd oder zu verwandt eingestuft werden, in Mitteleuropa also Raubtiere oder Insekten, aber auch Affen oder Hunde. Leach hat die Essbarkeit von Tieren in Beziehung gesetzt zu Regeln für eheliche Verbindungen. Ist die Beziehung zum „Objekt“ sehr nahe, dann gilt das [[Inzesttabu]] und ein Heiratsverbot, entsprechend sind ''Schoßtiere'' nicht essbar. Nähere Verwandtschaft bzw. räumliche Nähe bedeuten die Missbilligung einer Heirat, aber die Erlaubnis zu sexuellen Kontakten; entsprechend seien Haustiere (Nutztiere) als Jungtiere essbar. Nicht verwandt, aber auch nicht sehr fern entsprechen der Heiratserlaubnis und der Essbarkeit von Wildtieren. „Sehr fern“ schließt engere soziale Kontakte bei Menschen aus und die Essbarkeit von Tieren, die als „zu wild“ oder „zu fremd“ abgelehnt werden. # der '''evolutionspsychologische Ansatz''', vertreten von Fessler/Navarrete.<ref name="fessler">Daniel Fessler/Carlos David Navarette: ''Meat is good to taboo. Dietary proscriptions as a product of the interaction of psychological mechanisms and social processes'', in: Journal of Cognition and Culture 2003(1), S. 1-40</ref> Diese Forscher gehen davon aus, dass [[Emotion]]en die Basis von Nahrungstabus sind und argumentieren damit, dass das Gefühl des [[Ekel]]s sich im Laufe der [[Evolution]] herausgebildet habe, um die Nahrungsauswahl zu erleichtern und das Risiko, an „falscher Nahrung“ zu sterben, zu minimieren. Dieses Risiko sei bei Fleisch größer als bei Pflanzen. Diese Ekelgefühle seien durch [[Übelkeit]] und [[Erbrechen]] nach Verzehr des Falschen gewissermaßen im Gehirn verankert worden. Die Autoren schreiben: „... für viele Tabus war Ekel der Auslöser, der ein Kaskaden-Phänomen in Gang setzte, bei dem normative Moralisierung und egozentrische [[Empathie]] erst später eine Rolle spielten.“<ref> Fessler/Navarette a.a.O. Originalzitat: ... for many taboos, disgust was the spark that initiated a cascade phenomenon in which normative moralization and egocentric empathy then played later roles.</ref> Fleisch biete sich durch seine animalische Herkunft auch stärker als Projektionsobjekt für symbolische Zuschreibungen und so genanntes [[Magisches Denken]] an als pflanzliche Lebensmittel, was zur Verstärkung der Tabuisierung beitrage. Dieser Ansatz ist angreifbar, denn es scheint durch Studien erwiesen, dass Ekel nicht angeboren und daher kein [[Instinkt]] ist; angeboren sind lediglich gewisse, sehr elementare [[Geschmack (Sinneseindruck)|Geschmackspräferenzen]], die bei allen Menschen relativ ähnlich sind, wie die Vorliebe für Zucker, und im Laufe des Erwachsenwerdens häufig verschwinden. Alle diese Überlegungen haben den Nachteil, dass sie nicht einmal die Mehrzahl aller bekannten Nahrungstabus zufriedenstellend erklären können. Eva Barlösius: „Es ist höchst unwahrscheinlich, daß so unterschiedlichen Phänomenen wie dem Tötungsverbot von Rindern in Indien, der Ablehnung von Pferdefleisch in Nordeuropa, dem Widerwillen gegen Hunde- und Katzenfleisch in Europa und Nordamerika und dem mosaischen und islamischen Schweinefleischtabu jeweils das gleiche verursachende Prinzip zugrundeliegt.“<ref name="eb104">Eva Barlösius, Soziologie des Essens, S. 104</ref> == Religiös begründete Nahrungstabus == === Rindfleisch === [[Datei:Krishna.jpg|thumb|[[Krishna]] mit heiliger Kuh]] Eines der bekanntesten Nahrungstabus ist das religiös begründete Verbot für [[Hinduismus|Hindus]], Rinder zu schlachten und zu essen. Vor allem milchgebende [[Milchkuh|Kühe]] gelten als heilig und unantastbar. Die Kuh gilt als Verkörperung der Göttin Prithivi Mata, Mutter Erde. Außerdem wuchs [[Krishna]], eine [[Inkarnation]] des Gottes [[Vishnu]], hinduistischer Überlieferung zufolge in der Familie eines Kuhhirten auf und wird auf Abbildungen häufig als Hirte mit einer Kuh dargestellt. Ein [[Stier (Mythologie)|Stier]] namens [[Nandi (Religion)|Nandi]] ist das Begleittier des Gottes [[Shiva]]. Für manche Hindus bedeutet die [[Reinkarnation|Wiedergeburt]] als Kuh die Stufe direkt unterhalb der des Menschen und wer eine Kuh tötet, dessen Seele soll wieder auf die unterste von 87 Stufen zurück sinken. Auch gelten die Kuhmilch und alle Ausscheidungen von Kühen als rein. In den meisten [[Indien|indischen]] Bundesstaaten und Unionsterritorien ist das Schlachten von Rindern gesetzlich verboten oder nur eingeschränkt zulässig, eine einheitliche unionsweite Regelung gibt es in Indien jedoch nicht<ref>[http://dahd.nic.in/ch2/an2.8.htm Gesetzliche Bestimmungen zum Schutz von Kühen vor Schlachtungen in den indischen Bundesstaaten und Unionsterritorien]</ref>. Von [[Mohandas Karamchand Gandhi|Mahatma Gandhi]] ist das Zitat überliefert: „The central fact of Hinduism is cow protection. Cow protection to me is one of the most wonderful phenomena in human evolution. (...) Cow protection is the gift of Hinduism to the world. And Hinduism will live so long as there are Hindus to protect the cow“<ref>[http://www.mkgandhi.org/momgandhi/chap81.htm Gandhi-Zitat]</ref>. (dt.: Im Mittelpunkt des Hinduismus steht der Schutz des Rindes. Der Schutz des Rindes ist für mich eines der wundervollsten Phänomene in der menschlichen Evolution. (...) Der Schutz des Rindes ist das Geschenk des Hinduismus an die Welt. Und der Hinduismus wird leben, solange es Hindus gibt, die das Rind schützen.) Die Rinderverehrung unter Hindus ist jedoch durchaus unterschiedlich stark ausgeprägt. Während einige, besonders im Norden Indiens, ein enges emotionales Verhältnis zu den Tieren haben, verzichtet man im südlichen Kerala lediglich auf das Schlachten und verkauft alte Tiere an christliche oder muslimische Metzger; Rindfleisch wird dort auch gegessen. Von den 450 unteren [[Kaste]]n, die es offiziell in Indien gibt, ist 117 der Verzehr von Rindfleisch erlaubt.<ref>Nicolai Schirawski, Sehr verehrte Kuh, in: P.M.Magazin 09/2002</ref> Aus finanziellen Gründen kommt für sie meist nur das Fleisch verendeter Tiere in Frage. Für die Mehrheit der Hindus ist Rindfleisch jedoch tabu. Altersschwache und unproduktive Kühe können meist im Stall bleiben und werden weiter gefüttert; manchmal bringt man sie in speziellen Tierheimen unter, wo sie das Gnadenbrot erhalten. Laut dem Anthropologen Marvin Harris gab es in den 1980er-Jahren in Indien rund 3000 solcher „Altersheime“ für Kühe, in denen etwa 580.000 Tiere lebten. Die meisten davon gehörten Anhängern des [[Jainismus]].<ref>Marvin Harris, S. 61</ref> [[Datei:Cow_on_Delhi_street_colorcorr.jpg|thumb|Kuh auf den Straßen von Delhi]] Die meisten Hindus glauben, dass die Inder auch in alter Zeit bereits Rinder verehrt und grundsätzlich nicht geschlachtet haben – der Rindfleischverzehr sei erst mit den Muslimen im Land verbreitet worden. Diese Meinung lässt sich jedoch anhand von Quellen widerlegen.<ref>[http://www.countercurrents.org/comm-puniyani150803.htm Ram Puniyani: Beef Eating: Strangulating History, in: The Hindu (2003)]</ref><ref>[http://www.abc.net.au/rn/relig/ark/stories/s848973.htm Interview mit dem indischen Historiker D.N. Jha]</ref> Von 1800 bis 800 vor unserer Zeitrechnung lebten die [[Indoarier|indoarischen]] Träger der [[Veda|vedischen]] Kultur in Nordindien, ein [[Nomaden]]volk, das den Quellen zufolge Rinder sowohl aß als auch als Teil religiöser Rituale opferte. Die [[Opfer (Religion)|Opfertiere]] wurden nach der Tötung unter den Gefolgsleuten der Priester und Krieger aufgeteilt. Diese Darstellung entspricht den Forschungserkenntnissen der [[Indologie|Indologen]] auf Grund der Auswertung altindischer Quellen.<ref>Renate Syed, Das heilige Essen - Das Heilige essen. Religiöse Aspekte des Speiseverhaltens im Hinduismus, in: Perry Schmidt-Leukel (Hg), Die Religionen und das Essen, Kreuzlingen, 2000, S. 131 ff.</ref> „Das Rind war in vedischer Zeit nicht nur eines der wichtigsten Opfertiere, sondern wurde auch im alltäglichen Leben gerne und viel verspeist, wie aus (...) zahlreichen (...) Texten hervorgeht. Noch zu Zeiten des Kaisers [[Ashoka]] in der Mitte des 3. Jahrhunderts v. Chr. gab es kein Rindertötungstabu. Die Brahmanen aßen Rindfleisch, und vor allem Gäste wurden mit Rindfleisch bewirtet (...). Im Laufe der Zeit wird Rindfleisch aber schließlich völlig und für alle Hindus tabu, während die von der Kuh stammenden Produkte für heilig, rein und purifizierend erklärt werden.“<ref>Renate Syed, S. 135</ref> Zu vedischer Zeit gab es bereits vier Kasten: die Priesterkaste der [[Brahmane]]n, eine Kriegerkaste, eine Bauern- und Handwerkerkaste und eine Knechtkaste. Als die Bevölkerung wuchs, wurde zunehmend mehr Ackerland gebraucht, so dass es weniger Weideland gab und damit auch weniger Rinder. So aßen bald nur noch die privilegierten Kasten das begehrte Fleisch. Um 600 vor unserer Zeitrechnung kam es durch Kriege und Überschwemmungen zu Hungersnöten, und zu dieser Zeit entstand der [[Buddhismus]] als konkurrierende Religion. Er verurteilte Tieropfer und das Schlachten von Tieren generell.<ref>Marvin Harris, S. 48 ff.</ref> Das Ergebnis dieses „Konkurrenzkampfs“ in Indien führte laut Harris zur Entstehung des Nahrungstabus im Zusammenhang mit den Rindern: „Neunhundert Jahre lang kämpften Buddhismus und Hinduismus um die Mägen und Köpfe der indischen Bevölkerung. Am Ende konnte der Hinduismus den Kampf für sich entscheiden, aber erst, nachdem die Brahmanen sich von der Tieropferfixierung des Rigweda gelöst, das Tötungsverbot […] als Prinzip übernommen und sich selbst als Beschützer des Rindes statt als sein Vernichter etabliert hatten. […] Statt Fleisch wurde jetzt Milch zur wichtigsten rituellen Nahrung im Hinduismus […]“.<ref>Marvin Harris, S. 53</ref> Wären die Rinder mit einem negativen Tabu belegt worden, hätte das das Aus für die Rinderzucht bedeutet, denn „unreine“ Tiere werden von Gläubigen nicht gehalten. Die Rinder spielten und spielen jedoch auch heute noch für die Ackerbau treibende Bevölkerung in Indien eine wichtige Rolle und sind unverzichtbar, denn sie dienen als Zugtiere auf dem Feld, liefern Milch, und der Kuhdung wird sowohl als [[Dünger]] als auch als Heizmaterial gebraucht. Außerdem sichert der Besitz auch nur einer einzigen Kuh vielen Kleinbauern überhaupt ihren Status als Besitzer eines winzigen Stück Landes. Das ist nach der Argumentation von Harris der Grund für die Ausbildung des Tabus der ''Heiligen Kühe''. Das eigentliche Motiv habe mit der Religion nichts zu tun, sondern sei ökonomischer Art.<ref>Marvin Harris, S. 60 ff.</ref> Nach dem sozio-kulturellen Erklärungsmodell dient das Nahrungstabu der Stärkung der eigenen Identität der Hindus und der Abgrenzung von anderen Religionsgruppen wie Christen und Muslimen. Für die Entstehung des Tabus ist dieser Ansatz weniger überzeugend als der von Harris, er kann jedoch das Aufrechterhalten des Tabus ebenso schlüssig erklären. === Schweinefleisch === [[Datei:Schweinenacken-1.jpg|thumb|Schweinenacken mit Knochen]] Sowohl für [[Judentum|Juden]] als auch für [[Islam|Moslems]] ist [[Schweinefleisch]] tabu. In beiden Religionen ist dieses Speiseverbot schriftlich fixiert. Die [[Tora]] verbietet den Verzehr einer ganzen Reihe von Tieren, darunter auch den des [[Hausschwein|Schweins]]. So heißt es im [[Wajikra]], dem 3.Buch Mose: ''„Alles, was gespaltene Hufe, und zwar ganz gespaltene Hufe hat, und wiederkäut unter den Tieren, das sollt ihr essen. […] und das Schwein, denn es hat gespaltene Hufe, und zwar ganz gespaltene Hufe, aber es wiederkäut nicht: Unrein soll es euch sein. Von ihrem Fleische sollt ihr nicht essen und ihr Aas nicht anrühren: Unrein sollen sie euch sein.“'' (3. Buch Mose 11) Auch die so genannten [[Judenchristen]] in der [[Jerusalemer Urgemeinde]] befolgten die jüdischen Speiseverbote. Der Erfolg der christlichen Mission auch unter Nichtjuden warf nun die Frage auf, in wie weit man von bekehrten Heiden verlangen konnte, diese Vorschriften ebenfalls einzuhalten. Auf dem „[[Apostelkonzil]]“ um 48/49 n.C. einigte man sich zunächst auf einen Kompromiss, um weiterhin das gemeinsame Mahl von Judenchristen mit [[Heidenchristen]] zu ermöglichen: die Heidenchristen sollten sich zumindest der „Unzucht“ enthalten, sowie dem Genuss von Ersticktem, Blut und Götzenopferfleisch (Apg 15, 1-29. Schweinefleisch wird hier nicht explizit erwähnt, gehörte bei Griechen und Römern aber mit zu den am häufigsten im Kult verwendeten Opfern.) Besonders der „Heidenapostel“ [[Paulus von Tarsus|Paulus]] lehnte die jüdischen Speisevorschriften jedoch grundsätzlich ab. Er hielt sie für ein Anzeichen von Glaubensschwäche (Röm 14, 1-23), und schon in den Pastoralbriefen wird jeglicher Speiseverzicht als Undankbarkeit gegen die Gaben Gottes und als „Lehre der Dämonen“ gebrandmarkt (1 Tim 4, 1-5). Die judenchristlichen Ansichten verloren nun schnell an Bedeutung und konnten sich nur noch lokal bis ins 4. nachchristliche Jahrhundert halten, besonders im Ostjordanland und in Syrien. Die Speisevorschriften im [[Koran]] sind denen des „Apostelkonzils“ auffallend ähnlich. Der Koran verbietet explizit nur das Schwein als einziges Tier: ''„Verboten hat Er euch nur (den Genuss von) natürlich Verendetem, Blut, Schweinefleisch und dem, worüber etwas anderes als Allah angerufen worden ist. Wenn aber jemand (dazu) gezwungen ist, ohne (es) zu begehren und ohne das Maß zu überschreiten, so trifft ihn keine Schuld […]“.'' (Koran 2,173) Allerdings gibt es auch im Islam eine grundsätzliche Einteilung der [[Lebensmittel]] in rein (''halal'') und unrein (''haram''), die als bindend gilt, auch wenn sie nicht explizit auf dem Korantext basiert. Das Schweinefleischtabu in Judentum und Islam wird heute oft damit begründet, dass Schweine eben im wahrsten Sinne des Wortes unsaubere Tiere seien, die sich mit Vorliebe im Dreck wälzten und ihren eigenen [[Kot]] fressen. Außerdem könne man durch den Verzehr von Schweinefleisch an [[Trichinose]] erkranken. Tatsächlich fressen Schweine aber nur dann Kot, wenn sie keine andere Nahrung finden. Da sie keine [[Schweißdrüse]]n haben, wälzen sie sich zur Abkühlung im Schlamm. Reines Wasser würde auf ihrem Fell wesentlich schneller verdunsten und kühlt daher weniger. Und auch Hühner und Ziegen fressen mitunter Kot. Die Trichinose wurde von Wissenschaftlern erst Ende des 19. Jahrhunderts entdeckt und kann daher nicht der Grund für die Entstehung dieses Tabus gewesen sein.<ref>Marvin Harris, Wohlgeschmack und Widerwillen, S. 67 ff.</ref> „Wäre der hygienische Aspekt die Hauptursache für das Verbot, dann müsste Rindfleisch noch dringender verboten werden, da es einen Parasiten enthalten kann, der die tödliche Krankheit des [[Milzbrand]]es hervorruft, während die Folgen einer Trichinenkontamination weniger schwerer Natur sind (...)“.<ref>Peter Heine, Nahrung und Nahrungstabus im Islam, in: Perry Schmidt-Leukel (Hg): Die Religionen und das Essen, S. 90</ref> [[Datei:Korsenschweinchen01.jpg|thumb|left|Halbwilde Hausschweine auf Korsika]] Archäologische Funde belegen, dass früher auch in der Region des [[Naher Osten|Nahen Ostens]] Schweine gehalten und auch gegessen wurden. Zur Zeit des [[Neolithikum]]s gab es dort noch ausreichend Eichen- und Buchenwälder, in denen Schweineherden Futter und Schatten fanden. Auch im Neuen Testament wird noch eine Schweineherde im Gebiet der [[Hellenismus|hellenistischen]] [[Dekapolis]] erwähnt (Mt 8,30-33; Mk 5,11-14; Lk 8,32,34). Auf Grund des Bevölkerungswachstums wurden aber immer mehr Wälder gerodet, um Ackerland zu gewinnen. So wurde die Schweinehaltung in dieser heißen Gegend zunehmend unökonomischer, denn Schweine sind zwar Allesfresser, können im Gegensatz zu [[Wiederkäuer]]n aber keine Pflanzen mit hohem [[Zellulose]]gehalt verdauen, also kein Gras. Als Haustiere müssen sie mit [[Getreide]] oder anderen Feldfrüchten gefüttert werden, wodurch sie, im Unterschied zu den Wiederkäuern, zu Nahrungskonkurrenten der Menschen werden. Im Gegensatz zu Rindern sind Schweine auch nicht als Zugtiere geeignet, sie sind keine Reittiere, sie lassen sich nicht melken, und ihr Fell ist weniger vielseitig verwertbar. Ihre Haltung war damit laut Harris unter Kosten-Nutzen-Gesichtspunkten ab einem bestimmten Zeitpunkt unökonomisch und daher unerwünscht.<ref>Marvin Harris, Wohlgeschmack und Widerwillen, S. 72 ff.</ref> Sowohl das Kerngebiet des Judentums als auch das des Islam liegen im Nahen Osten. „Das wiederholte Auftreten der Aversionen gegen das Schwein in verschiedenen Kulturen des Vorderen Orients stützt […] unsere Ansicht, dass das Schweinefleischverbot der alten Israeliten eine Reaktion auf weit verbreitete Lebensbedingungen und nicht die Folge eines Glaubenssystems war, das den Vorstellungen einer bestimmten Religion über reine und unreine Tiere entsprang.“<ref>Marvin Harris, Wohlgeschmack und Widerwillen, S. 82 f.</ref> Das strukturalistische Erklärungsmodell geht im Gegensatz dazu davon aus, dass Nahrungstabus die Denkmodelle einer Gesellschaft widerspiegeln. [[Mary Douglas]] interpretiert die Speisegesetze des Alten Testaments als Teil einer Ordnung, in der die Attribute „rein“ und „unrein“ eine wichtige Rolle spielen. Heilig und rein seien alle Dinge, die makellos, vollkommen und eindeutig einzuordnen seien. Für Tiere werden in den Büchern [[Mose]] drei Gruppen gebildet für Tiere im Wasser, in der Luft und auf dem Land, wobei es für jede Gruppe bestimmte Kriterien gibt. Tiere, die alle Kriterien erfüllen, gelten als rein und damit essbar, die anderen als unrein. Das Schwein wird laut Douglas als unrein eingestuft, weil es den Kriterien für essbare Landtiere nicht entspricht.<ref>Eva Barlösius, Soziologie des Essens, S. 102</ref> Allerdings räumt die Forscherin selbst ein, dass diese Kriterien offenkundig erst später schriftlich festgelegt wurden, um bereits bestehende Essgewohnheiten zu stützen und zu begründen. Eva Barlösius: „Einige der tabuisierten Speisen wurden lange, bevor die mosaischen Speisegesetze entstanden, nicht gegessen. Die Klassifikation der Tiere nach dem Kriterium ‚paarzehige Wiederkäuer‘ wurde demnach erst im nachhinein erfunden.“<ref name="eb104"/> Frederick J. Simoons als Vertreter der funktionalistischen Theorie sieht in dem Schweinefleischtabu die Folge eines Konflikts zwischen sesshaften und nicht-sesshaften Gruppen. Die Schweinehaltung sei für die Lebensform der [[Nomade]]n, also der alten [[Israeliten]], ungeeignet gewesen und daher aufgegeben worden. Das Schwein sei so zu einem Symbol der [[Sesshaftigkeit]] geworden und aus diesem Grund abgelehnt worden. Sein Verzehr sei mit Volksstämmen assoziiert worden, die das Volk Israel bedroht hätten.<ref>Monika Setzwein, Zur Soziologie des Essens, S. 103 f.</ref> Diese Erklärung hält auch der Islamwissenschaftler Peter Heine für plausibel, der darauf verweist, dass im alten Ägypten Schweine geschätzte Opfertiere waren. Er sieht als Hauptgrund des Tabus die „Betonung des [[Monotheismus]] gegenüber einer [[Polytheismus|polytheistischen]] Umgebung“<ref>Peter Heine, S. 91</ref> an. Sowohl islamische, wie auch jüdische Gelehrte lehnen solche Interpretationen und Überlegungen als „menschliche Auslegungsversuche des göttlichen Willens“ ab und berufen sich einfach auf die Festlegung Gottes, die ein Mensch weder interpretieren kann noch darf. === Pferdefleisch === [[Datei:15th century egyptian anatomy of horse.jpg|thumb|Anatomie eines Pferdes nach einer ägyptischen Darstellung aus dem 15. Jahrhundert]] [[Pferdefleisch]] gilt in manchen Ländern als ganz normales Nahrungsmittel wie Rind- oder Schweinefleisch, in anderen Ländern wird es tabuisiert oder zumindest gemieden. Die [[Jüdische Speisegesetze|jüdischen Speisegesetze]] untersagen unter anderem auch den Verzehr von Pferdefleisch, im Islam gelten [[Hauspferd|Pferde]] und [[Hausesel|Esel]] ebenfalls nicht als reguläre Lebensmittel, da sie als Nutztiere nicht „[[halal]]“ sind. Und auch im Christentum galt lange Zeit ein päpstliches Schlachtverbot für Pferde als verbindlich. Tabu ist Pferdefleisch in Großbritannien, in den Vereinigten Staaten und Australien, während es in Frankreich, Belgien, den Niederlanden, Italien, Polen und in der Schweiz im Supermarkt verkauft wird. In Deutschland, in Österreich und in der Schweiz gibt es [[Pferdemetzger]], das Fleisch wird aber nur von einer Minderheit gegessen und von vielen gemieden; [[Rheinischer Sauerbraten]] wurde früher aber üblicherweise mit Pferdefleisch zubereitet. [[Leberkäse]] mit Pferdefleisch gilt vor allem in Ostösterreich als Delikatesse. Im Jahr 2002 waren China, Mexiko, Kasachstan, Italien, Argentinien und die Mongolei weltweit die Länder, in denen die meisten Pferde für den Verzehr geschlachtet und verarbeitet wurden. Im Jahr 2001 wurden allein in Europa rund 153.000 Tonnen Pferdefleisch konsumiert.<ref>englischer Wikipedia-Artikel ''Horse meat''</ref> Ernährungsphysiologisch spricht nichts gegen den Verzehr von Pferden. Das Fleisch gilt als sehr mager, kalorienarm und eisenhaltig. Knochenfunde und Höhlenmalereien aus der [[Steinzeit]] belegen, dass die Menschen damals häufig Pferde erlegt und gegessen haben. Als in Europa auf Grund der Klimaveränderung die ausgedehnten Weideflächen von Wäldern verdrängt wurden, wurde Pferdefleisch hauptsächlich von typischen Reitervölkern, wie den [[Mongolen]] und [[Hunnen]], gegessen. Die Pferde wurden jedoch nie nur für den Verzehr gezüchtet, denn als reine Fleischlieferanten sind Rinder und Schweine auf Grund der effektiveren Futterverwertung besser geeignet. Die [[Römisches Reich|Römer]] der [[Antike]] aßen den Quellen zufolge keine Pferde, allerdings Esel. Sie waren kein Reitervolk und setzten bei Kriegen daher unterworfene Volksstämme als berittene Truppen ein.<ref>Marvin Harris, Wohlgeschmack und Widerwillen, S. 89 ff.</ref> Die [[Mauren]] verfügten über berittene Heere. Sie eroberten im Jahr [[711]] Spanien und überquerten 720 die [[Pyrenäen]]; [[732]] konnten sie in der [[Schlacht von Tours]] durch das Heer von [[Karl Martell]] mit Mühe geschlagen werden, sodass ihr weiterer Vormarsch gestoppt wurde. Die [[Kavallerie]] soll bei diesem Sieg eine wichtige Rolle gespielt haben. Zu dieser Zeit waren bei vielen heidnischen Völkern, auch den [[Germanen]], Tieropfer für die Götter üblich; auch Pferde wurden regelmäßig geschlachtet. Nach der Schlacht von Tours im Jahr 732 schrieb Papst [[Gregor III. (Papst)|Gregor III.]] einen Brief an den Missionar [[Bonifatius]], in dem er ihn aufforderte, den Verzehr von Pferden ab sofort zu untersagen: „Unter anderem hast du auch erwähnt, einige äßen wilde Pferde und sogar noch mehr äßen zahme Pferde. Unter keinen Umständen, heiliger Bruder, darfst du erlauben, daß dergleichen jemals (wieder, erg.) geschieht. […] Denn dieses Tun ist unrein und verabscheuungswürdig.“<ref>zitiert nach Marvin Harris, S. 98</ref> [[Datei:Szene Rußlandfeldzug.png|thumb|Französische Soldaten beim Verzehr von Pferdefleisch auf dem [[Russlandfeldzug 1812|Russlandfeldzug]]]] Marvin Harris sieht einen eindeutigen Zusammenhang zwischen der Bedeutung der Pferde für die [[Ritter]] und dem drohenden Vormarsch der islamischen Mauren sowie dem päpstlichen Verbot. Die Pferde waren zu kostbar für die Verteidigung der christlichen Gebiete als dass man sie hätte schlachten dürfen, folgert er. Dennoch wurden zu Tode gekommene Tiere in Europa auch weiterhin von den unteren Bevölkerungsschichten gegessen, die sich kaum anderes Fleisch leisten konnten. In Frankreich wurden im 18. Jahrhundert wiederholt Verordnungen erlassen, die den Verzehr von Pferdefleisch untersagten, was ein Hinweis darauf ist, dass dies immer wieder vorkam. Ein Meinungsumschwung soll durch die [[Schlacht bei Eylau]] im Jahr 1807 erfolgt sein, als der oberste Heeresarzt in [[Napoléon Bonaparte|Napoleons]] Armee, Baron [[Dominique Jean Larrey]], den hungrigen Soldaten empfahl, das Fleisch getöteter Pferde zu essen. Mehrere französische Wissenschaftler betonten im 19. Jahrhundert den Nährwert dieses Fleisches und empfahlen es ausdrücklich für ärmere Familien. Während der Belagerung von [[Paris]] im Jahr [[1871]] durch die deutsche Armee sollen in der Stadt massenweise Pferde geschlachtet worden sein, um die Versorgung der Bevölkerung zu sichern.<ref>Marvin Harris, Wohlgeschmack und Widerwillen, S. 98 ff.</ref> [[Datei:Horsemeatsandwich.jpg|thumb|Ein Brot mit Schinken aus Pferdefleisch]] Während in Frankreich und einigen anderen europäischen Ländern der Konsum von Pferdefleisch im 19. Jahrhundert wieder zugelassen und sogar gefördert wurde, trifft dies auf Großbritannien und die Vereinigten Staaten nicht zu, obwohl dort der [[Katholizismus]] keine wichtige Rolle spielt. Harris erklärt das damit, dass es in England auf Grund seines Handelsimperiums seit dem 18. Jahrhundert keinen Mangel an anderem essbarem Fleisch gegeben habe, auch nicht für die unteren Schichten. Das gelte ebenso für die Vereinigten Staaten. Allerdings räumt er ein, dass Pferdefleisch in diesen Ländern nicht einfach als Lebensmittel ignoriert wird, sondern dass der Verzehr von den meisten Bewohnern ganz entschieden abgelehnt wird; es wird als „nicht essbar“ betrachtet, also tabuisiert. Dennoch behauptet er, dass viele Amerikaner bereit wären, Pferdefleisch zu essen, wenn es deutlich billiger als Rind- oder Schweinefleisch wäre. Er führt die existierenden [[Aversion]]en auch auf eine „Rindfleisch-Lobby“ und anhaltende Proteste von [[Tierschutz|Tierschützern]] zurück, deren Motive er jedoch nicht hinterfragt.<ref>Marvin Harris, Wohlgeschmack und Widerwillen, S. 105 ff.</ref> In [[Texas]] gibt es zwei große Pferdeschlachthöfe, die das Fleisch fast ausschließlich ins Ausland liefern; ein Teil wird zu [[Hundefutter]] verarbeitet. Die Aufrechterhaltung des Pferdefleischtabus auch in der heutigen Zeit und in Ländern, die überwiegend [[Protestantismus|protestantisch]] sind, lässt sich schlüssiger mit einem anderen soziologischen Ansatz erklären, der davon ausgeht, dass einige Tiere nicht gegessen werden, weil sie als [[Haustier]]e gelten, nicht als [[Nutztier]]e, und damit den Menschen zu nahe stehen, um als Nahrungsmittel in Frage zu kommen.<ref>[http://etnhum.etn.lu.se/eth_scand/text/2000/s%2062-75.pdf#search=%22food%20hunting%20taboo%22 vgl. Niels Kayser Nielsen, Food, Hunting, and Taboo, S. 66]</ref> === Blut === [[File:Boudin2.jpg|thumb|Blutwurst im Sud]] Sowohl im [[Judentum]] wie im [[Islam]] ist der Verzehr von [[Blut (Lebensmittel)|Blut]], blutigem Fleisch und Lebensmitteln, die Blut enthalten, tabu. In der Bibel heißt es im 5. Buch Mose (12,23): „Doch beherrsche dich und genieße kein Blut, denn Blut ist Lebenskraft, und du sollst nicht zusammen mit dem Fleisch die Lebenskraft verzehren.“ Dieses Verbot wird in der [[Tora]] wiederholt; es heißt in [[Leviticus]] (7,26–27): „In all euren Wohnstätten dürft ihr keinerlei Blut genießen, weder von Vögeln noch von Vierfüßlern. Wer nur immer etwas Blut genießt, der soll aus seinem Volk hinweggetilgt werden.“ Im [[Koran]] lautet das entsprechende Verbot in Sure 5,4: „Verboten ist euch der Genuss von Fleisch verendeter Tiere, Blut, Schweinefleisch […]“. Diesem Tabu wird in beiden Religionen durch das [[Schächten]] als [[Schlachten|Schlachtmethode]] entsprochen, wobei das Tier ausbluten soll. Die [[Jüdische Speisegesetze|jüdischen Speisegesetze]] schreiben auch vor, wie das Fleisch der als rein geltenden Tiere zuzubereiten ist, um das Blut daraus vor dem Verzehr zu entfernen.<ref>[http://www.payer.de/judentum/jud504.htm Alois Payer: Die jüdischen Speisegesetze]</ref>. Selbst bei den [[Opfer (Religion)|Opferungen]] im [[Tempel]], bei der die jüdischen [[Priester]] das Fleisch einiger Opfertiere essen durften, war der Genuss des Blutes der Opfertiere immer streng tabu. In einer Koranauslegung (Razi, Bd.&nbsp;2) heißt es, das Schächten sei notwendig, da sich bei anders geschlachteten Tieren das Blut in den Adern staue, dort verderbe und somit das Fleisch ungenießbar mache; dessen Verzehr sei gesundheitsschädlich.<ref>[http://www.vikz.de/public/schaechten_dr_manfred_goetz.html Manfred Goetz: Schächten von Opfer- und Nutztieren]</ref> Diese Annahme ist aber nicht haltbar, weil auch bei der konventionellen Schlachtung der Tod durch Ausbluten erfolgt, jedoch unter vorheriger Betäubung des Tieres. Weniger bekannt ist, dass der Verzehr von Blut auch in der Frühzeit des [[Christentum]]s von Seiten der Kirche untersagt wurde und als heidnisch galt. In der [[Bibel]] verbietet beispielsweise das [[Apostelkonzil|Apostolische Dekret]] ({{B|Apg|15|19–21}}) den Verzehr von Blut. Überliefert ist auch ein [[Blutwurst]]-Verbot des oströmischen Kaisers [[Leo VI. (Byzanz)|Leo VI.]]: „Es ist uns zu Ohren gekommen, dass man Blut in Gedärme, wie in Röcke, einpackt und so als ganz gewöhnliches Gericht dem Magen zuschickt. Es kann unsere kaiserliche Majestät nicht länger zusehen, dass die Ehre unseres Staates durch eine so frevelhafte Erfindung (...) fresslustiger Menschen geschändet werde. Wer Blut zu Speisen umschafft, der wird hart gegeisselt, bis auf die Haut geschoren und auf ewig aus dem Lande verbannt.“<ref>Erich Lissner, Wurstologia oder Es geht um die Wurst, Wiesbaden 1939, S. 43</ref> Mit den bekannten Erklärungsmodellen für Nahrungstabus (Unreinheit) ist das Bluttabu nicht oder nur unzureichend erklärbar. Nach jüdischem Glauben ist Blut aber nicht unrein, sondern "der Sitz der Seele". Wenn eine Frau nach der [[Menstruation]] sieben Tage lang als unrein gilt, so bezieht sich das nicht auf ihre Blutung an sich, sondern weil in ihr ein Absterbeprozess stattgefunden hat, der den betroffenden Menschen unrein macht. Blut aus Wunden eines tödlich verletzten Menschen (auch in Kleidungen) muss so weit wie möglich mit beerdigt werden, damit kein Blut verloren geht. Das Nahrungstabu kann also nicht isoliert gesehen werden. == Nichtreligiöse Nahrungstabus == === Hundefleisch === [[Datei:Chowchow.jpg|thumb|Auch der [[Chow-Chow]] wurde in China früher als Fleischlieferant geschätzt. Heute bevorzugt man andere Hunde.]] [[Hundefleisch]] gilt nur in wenigen Ländern als Nahrungsmittel, während es in zahlreichen Ländern absolut tabu ist. Es ist jedoch nicht so, dass der Verzehr von [[Haushund|Hunden]] in Europa nie üblich oder nur auf Notzeiten beschränkt war. Dieses Nahrungstabu hat sich hier den Quellen zufolge erst in jüngerer Vergangenheit entwickelt und weitgehend durchgesetzt, parallel zur wachsenden Bedeutung der [[Tierschutz]]bewegung in Europa. Hundefleisch wird unter anderem in China, Korea, Vietnam, auf den Philippinen, Osttimor und im Kongo gegessen.<ref>[http://www.alternet.org/story/13387/ John Feffer: The Politics of Dog, 2002]</ref> Es gibt jedoch ernsthafte Hinweise darauf, dass zumindest bis in die jüngste Zeit hinein in der Schweiz und auch in Deutschland Hunde gegessen wurden.<ref name="Rohner">[http://forum.maulkorbzwang.de/cgi-bin/ultimatebb.cgi?ubb=get_topic;f=109;t=000996;p=0 Markus Rohner: Nicht nur Asiaten lieben Hundefleisch] und [http://tierfreund.anecken.de/hundefleisch.html Artikel über Hundefleischverzehr in der Schweiz]</ref> Für die Zeit um 1900 gibt es offizielle Angaben über Hundeschlachtungen für [[Chemnitz]], [[Dresden]] und [[Zwickau]].<ref>Erhard Oeser, Hund und Mensch: die Geschichte einer Beziehung, Darmstadt 2004, S. 143 ff.</ref> Im Mai 2006 erregte ein [[Interview]] von [[Prinz Henrik von Dänemark]] Aufsehen, das in einer dänischen Zeitschrift erschien und in dem er offen äußerte, dass er sowohl ein Liebhaber lebender Hunde als auch von Hundefleisch sei, denn zum Verzehr bestimmte Hunde würden eigens dafür gezüchtet, das sei also vergleichbar mit Hühnern. Der Geschmack von Hunden erinnere an [[Kalbfleisch]].<ref>[http://www1.mdr.de/brisant/koenigshaeuser/2818371.html MDR: Prinz Henrik isst gern Hundefleisch]</ref> Der Prinz ist Franzose und in [[Indochina]] aufgewachsen, wo er Gerichte aus Hundefleisch kennen lernte. Rein ernährungsphysiologisch gesehen ist Hundefleisch zum Verzehr geeignet. Die Akzeptanz oder Ablehnung dieses Fleisches als Nahrung durch eine Gesellschaft oder soziale Gruppe ist, wie bei anderen Fleischsorten auch, als kulturell erworben anzusehen. Da Hunde in Europa und den Vereinigten Staaten beliebte [[Haustier]]e sind, wird die Diskussion über dieses Nahrungstabu bzw. dessen Nichtexistenz in manchen Ländern häufig sehr emotional geführt. Im Zusammenhang mit der [[Fußball-Weltmeisterschaft 2002]] in [[Südkorea]] gab es internationale Kritik daran, dass der Verzehr von Hundefleisch in [[Korea]] nicht explizit verboten ist. Die Schauspielerin und Tierschützerin [[Brigitte Bardot]] sprach beispielsweise von „barbarischen Unsitten“ und handelte sich dafür den Vorwurf des [[Rassismus]] ein.<ref name="tafelspitz">[http://www.zeit.de/2002/22/Der_Tafel-Spitz?page=all ZEIT-Artikel über Hundefleischverzehr in Korea (2002)]</ref> Haustiere, die gewissermaßen als Teil der Familie gelten und „gehätschelt“ werden, werden von Anthropologen wie Harris als ''Schoßtiere'' bezeichnet, um sie von Haustieren abzugrenzen, die eher als [[Nutztier|Nutztiere]] gelten wie Kühe und Schweine. In Europa und den Vereinigten Staaten gelten ''Schoßtiere'' wie Hunde überwiegend als nicht essbar. Harris bestreitet jedoch auf Grund seiner sozioökonomischen Theorie, dass die emotionale Bindung an Tiere der wesentliche Grund für die Entstehung eines Nahrungstabus sei. Er führt als Begründung Beispiele von ursprünglich lebenden Ethnien an, die Hunde oder auch Schweine im Haus halten und hätscheln, diese Tiere aber dennoch auch schlachten und essen, zum Beispiel die [[Maori]]. Nach Harris ist das Hundetabu ein weiteres Beispiel einer Kosten-Nutzen-Rechnung: „Wir im Westen verzichten darauf, Hunde zu essen, nicht weil Hunde unsere Lieblinge unter den Tieren sind, sondern im Grunde deshalb, weil Hunde, da sie selbst Fleischfresser sind, eine ineffektive Fleischquelle darstellen; wir verfügen über eine große Fülle alternativer Quellen tierischer Nahrung, und Hunde können uns lebendig zahlreiche Dienste leisten, die den Wert ihres Fleisches und Kadavers weit übertreffen.“<ref>Marvin Harris, S. 193</ref> Er stellt die [[Hypothese]] auf, dass in China Hunde gegessen werden, weil anderes Fleisch dort immer wieder knapp sei. „Und was den Dienst angeht, den Hunde anderswo als Gesellschafter für den Menschen leisten, so ist Gesellschaft das einzige, wovon man in einem Land mit einer Milliarde Einwohner jede Menge kriegt.“<ref>Marvin Harris, S. 194</ref> Auch diese soziale Funktion von Hunden ist laut Harris eine „Dienstleistung“ und hat damit einen reinen Nutzwert. ==== Asien ==== [[Datei:Dog meat hotpot.JPG|thumb|Hundefleisch-Gericht in [[China]] mit zur Garnierung an den Tellerrand gestecktem Schwanz]] Es ist bekannt, dass in mehreren asiatischen Ländern Hundefleisch verzehrt und teilweise auch in Restaurants angeboten wird. Es handelt sich dabei aber nicht um eine Alltagsspeise; Hundefleisch gilt in diesen Ländern unter Liebhabern als hochwertige Spezialität und hat fast den Rang eines [[Heilmittel]]s, ist also auch nicht billig. Zahlreiche Menschen in diesen Ländern lehnen den Verzehr von Hunden jedoch generell ab.<ref name="tafelspitz"/> Das bekannteste koreanische Gericht mit Hundefleisch ist eine Suppe namens ''poshintang'', es gibt jedoch auch noch einige andere Speisen. Es trifft zumindest für Restaurants nicht zu, dass beliebige Haushunde im Kochtopf oder in der Pfanne landen; für den Verzehr werden so genannte „Tafelhunde“ gezüchtet, die ''gu'' genannt werden, während die üblichen Haushunde ''gyun'' heißen. Dem Verzehr von Hundefleisch werden in Korea gesundheitsfördernde Wirkungen zugeschrieben, darunter die Förderung der [[Rekonvaleszenz]] nach Krankheiten, Heilung von [[Tuberkulose]], Bekämpfung von „Hitzeauszehrung“ im Sommer sowie die Anregung der männlichen [[Erektion|Potenz]].<ref name="tafelspitz"/> Auch in China, [[Malaysia]], [[Taiwan]] und auf den [[Philippinen]] gilt Hundefleisch als Delikatesse und auch als männliches [[Aphrodisiakum]]. Besonders beliebt ist angeblich das Fleisch von [[Bernhardiner]]n, die aus Europa importiert und dann weitergezüchtet werden, um „Fleischhunde“ zu produzieren. In Asien soll es über 60 entsprechende Zuchtstätten geben. Tierschützer aus Deutschland und der Schweiz haben offiziell gegen den Verzehr von Bernhardinern in China protestiert. In der Schweiz sammelte der Verein „SOS Saint Bernard Dogs“ rund 11.000 Unterschriften.<ref>[http://www.ndrtv.de/doku/20010726/folge3/china.html NDR-Bericht über Hundefleischverzehr in China (2002)]</ref> Der Verzehr von Hundefleisch im eigenen Land wurde in diesem Zusammenhang nicht erwähnt. Da Hundefleisch in Asien keine Alltagsspeise ist und als seltene Delikatesse gilt, scheint Harris' These, es diene als Ersatz für anderes Fleisch, wenig schlüssig. Stattdessen wäre die Hypothese zu überprüfen, dass Hunde in Asien im Gegensatz zu Europa und den Vereinigten Staaten keinen ausgeprägten Status als ''Schoßtiere'' haben, sondern wie Rinder und Schweine eher als Nutztiere angesehen werden. Für [[Thailand]] hingegen kann man dies nicht so formulieren. Es gibt Gegenden, in denen Hunde gegessen werden, zwar nicht als Alltagsspeise, aber auch nicht im Sinne besonderer Leckerbissen, sondern eher aus Laune, zur Abwechslung oder aus Verlegenheit. Doch selbst in Dörfern, wo dies stattfindet, tun es auch nur bestimmte Familien, während die Nachbarn nie auf den Gedanken kommen würden. In Thailand wird allerdings sehr wohl zwischen gewöhnlichen Haus- und Hofhunden und niedlichen gehätschelten Schoßhunden unterschieden, wobei letztere als etwas Besonderes gerade nicht gegessen werden. Anders ist es bei der chinesischen Minderheit im Lande und bei einigen Ethnien der sogenannten Bergvölker, bei denen Verzehr vom Fleisch normaler Haushunde gängiger ist. ==== Europa ==== Für die meisten Europäer ist der Verzehr von Hundefleisch ebenso wie für US-Amerikaner ein Tabu. Innerhalb der [[EU]] ist das Schlachten von Hunden und der Handel mit Hundefleisch seit 1986 verboten. In der Schweiz ist zwar der Handel verboten, private Schlachtungen dagegen nicht. Medienberichte über den Verzehr von Hundefleisch in der Schweiz auch in jüngster Zeit sind durchaus als seriös einzustufen, und es scheint sich auch nicht um Einzelfälle zu handeln. Die Tierschützerin Edith Zellweger hat sich dazu wiederholt in Interviews geäußert und Beispiele genannt. Hundefleisch werde in der Schweiz auch illegal gehandelt, wobei es im Land drei große Anbieter gebe; ein Kilo koste rund 25 Schweizer Franken. „Nicht nur im Rheintal und im Appenzell, in der ganzen Schweiz werden Hunde und Katzen gegessen“, so Zellweger. Der Journalist Markus Rohner hat Interviews mit „Hundeessern“ geführt und veröffentlicht. Der Verzehr von Hundefleisch soll vor allem im ländlichen Raum üblich sein, wobei es auch Abnehmer in Deutschland geben soll.<ref name="Rohner"/> Außerdem gilt das Fett von Hunden als altes Heilmittel bei Husten und [[Atemwegserkrankungen]]. Die weite Verbreitung von Hunde- und Katzenfett, aber auch von Hundefleisch innerhalb der deutschsprachigen [[Volksmedizin]] ist belegt. Und schon [[Hippokrates von Kos|Hippokrates]] empfahl gekochten Hund bei weiblicher [[Unfruchtbarkeit]].<ref>[[Oeconomische Encyclopädie]] von Krünitz, Artikel ''Hund''</ref> Dass in mittelalterlichen Heilkundebüchern von Hunde- und Katzenfleisch abgeraten wird, lässt den Schluss zu, dass es im gesamten deutschen Sprachraum auch gegessen wurde. Im Quellenkatalog zum [[Wörterbuch der bairischen Mundarten in Österreich]] (WBÖ) gibt es etliche Belege für den Verzehr dieses Fleisches in ärmeren Familien noch im 20. Jahrhundert. Bei [[Hungersnot|Hungersnöten]] wurden häufig auch Hunde und Katzen gegessen.<ref name="blaschitz">[http://www.imareal.oeaw.ac.at/seiten/texte/katze.html Gertrud Blaschitz: Der Mensch und seine Beziehung zu seinen Haustieren Hund und Katze]</ref> Dass Hunde getötet und deren Felle bzw. Häute verwertet wurden, lässt sich im deutschen Sprachraum durch Quellen belegen und somit auch ihr Status als Nutztiere. Die Häute wurden von [[Gerben|Gerbern]], [[Schuhmacher|Schustern]], [[Handschuhmacher]]n und [[Kürschner]]n verarbeitet. Es gab die Bezeichnung ''Hundeschläger''; der so genannte ''Hundeschlag'' war eine Aufgabe der [[Abdecker]], um die Zahl herrenloser Hunde in den Städten zu verringern. Die von Archäologen gefundenen Knochen aus der Zeit des [[Mittelalter]]s belegen, dass zahlreiche Hunde gehäutet wurden, wobei die Tiere in der Regel Jungtiere waren. Die große Zahl solcher Funde lässt den Schluss zu, dass diese gezielt getötet wurden und keines natürlichen Todes gestorben waren.<ref name="blaschitz"/> All das belegt jedoch nicht, dass die Tiere auch verzehrt wurden. Für das Deutsche Reich existieren amtliche Statistiken über Hundeschlachtungen, die wie andere Schlachtungen offiziell angezeigt werden mussten. Vor dem [[1. Weltkrieg]] wurden pro Jahr etwa 7000 Hundeschlachtungen registriert, wobei von zahlreichen illegalen Schlachtungen auszugehen ist.<ref>Uwe Spiekermann, Das Andere verdauen. Begegnungen von Ernährungskulturen, in: U. Spiekermann (Hg): Ernährung in Grenzsituationen, Berlin 2002, S. 92</ref> „Rechnet man die offiziellen Zahlen in Mengen um, so wurden vor dem Krieg in Deutschland pro Jahr ca. 84 t Hundefleisch geschlachtet, zwischen 1920 und 1924 waren es jeweils ca. 115 t - bei einer vielfach höheren Dunkelziffer.“<ref name="spiekermann">Uwe Spiekermann, S. 93</ref> Die Statistiken zeigen regionale Schwerpunkte, die meisten offiziellen Schlachtungen gab es in [[Sachsen]], [[Thüringen]] und [[Schlesien]]. „In [[Chemnitz]] gab es ein eigenes Hundeschlachthaus und auch eine Reihe von Wirtschaften, wo man Hundefleisch essen konnte. (...) Besonders als roher [[Tatar]] galt Hundefleisch als regionale Delikatesse (...)“<ref name="spiekermann"/>. Zwischen 1899 und 1901 wurden in Chemnitz amtlich 884 Hunde geschlachtet, in [[Dresden]] 120, in [[Zwickau]] 93, in [[Leipzig]] 52.<ref>Uwe Spiekermann, S. 102</ref> Hundefleisch galt auch zur Zeit des 1. Weltkriegs in Deutschland als Armenkost. Das deutsche Fleischbeschaugesetz aus den 1940er-Jahren führt unter § 1 aber immer noch den Hund als Schlachttier auf.<ref>Lothar Penning, Kulturgeschichtliche und sozialwissenschaftliche Aspekte des Ekels, 1984, S. 80</ref> Die gehaltenen Haustiere hatten früher eine eindeutige Funktion. [[Schoßhund]]e kamen in der frühen Neuzeit zuerst bei adligen Damen in Mode, die diese mit sich herumtrugen. In England gewann die Tierschutzbewegung nachweislich erst im 19. Jahrhundert an Bedeutung, in dieser Zeit entstand parallel auch die [[Vegetarismus|Vegetarier-Bewegung]], die jeglichen Fleischverzehr vor allem aus ethischen Gründen ablehnte. Gleichzeitig wurde die öffentliche Schlachtung in [[Schlachthaus|Schlachthäuser]] verlegt und damit den Blicken der Öffentlichkeit entzogen, die an diesen Vorgängen erstmals in der Geschichte zunehmend Anstoß nahm.<ref>vgl. Stephen Mennell, Die Kultivierung des Appetits, S. 386 ff.</ref> Nach einem ethnosoziologischen Ansatz (Leach) gelten Hunde in den Gesellschaften als nicht essbar, in denen diese gewissermaßen als Familienmitglieder betrachtet werden und den Menschen auf Grund der emotionalen Bedeutung dieser Tiere zu nahe stehen, um als Nahrung in Frage zu kommen. „Hundefleisch wird in unserer Kultur nicht zurückgewiesen, weil es ernährungsphysiologisch nicht wertvoll wäre, sein Genuß gesundheitliche Schädigungen nach sich zöge oder weil es der Stabilisierung unserer kollektiven Identität diente, sondern weil mit ihm eine Bedeutung verknüpft ist.“<ref>Hans-Werner Prahl/Monika Setzwein, Soziologie der Ernährung, 1999, S. 97</ref> === Insekten === [[Datei:fried_grasshoppers_in_Bangkok.jpg|thumb|Gegrillte Heuschrecken in einer [[Garküche]] in [[Bangkok]]]] [[Insekt]]en werden von der Mehrheit der Europäer überhaupt nicht als Nahrungsmittel in Betracht gezogen, obwohl viele Arten prinzipiell essbar sind und in vielen Kulturen Asiens, Afrikas und Südamerikas auch verzehrt werden. In Europa und in den Vereinigten Staaten werden Insekten jedoch in der Regel mit Schmutz assoziiert und rufen häufig [[Ekel]]gefühle hervor. Für den Verzehr von Insekten gibt es im westlichen Kulturraum den Fachbegriff [[Entomophagie]], woraus hervorgeht, dass dies als ungewöhnliches und abweichendes Verhalten betrachtet wird. Anthropologen gehen jedoch davon aus, dass einige Insekten früher durchaus auch Bestandteil der europäischen Nahrung waren. Der antike Dichter [[Aristophanes]] bezeichnete [[Heuschrecke]]n als „vierflügeliges Geflügel“, und die Römer aßen gerne die [[Raupe (Schmetterling)|Raupen]] eines Schmetterlings namens ''Cossus'' ([[Weidenbohrer]]). Im [[Mittelalter]] veränderten sich jedoch die europäischen Essgewohnheiten, und die Insekten verschwanden aus dem Speiseplan. Dennoch soll noch zu Anfang des 20. Jahrhunderts in [[Nordhessen]] und in [[Frankreich]] [[Maikäfersuppe]] zubereitet worden sein.<ref name="insekten">[http://insecteneten.nl/de/snacks.html Insekten essen – Ekel oder Genuss?]</ref> Sowohl in der [[Bibel]] als auch im [[Koran]] wird der Verzehr von Heuschrecken erwähnt. Angesichts befürchteter Versorgungsengpässe mit Fleisch bei einem stetigen Anstieg der Weltbevölkerung gibt es bei Ernährungsexperten Überlegungen, Insekten als geeignete Nahrung auch in Europa populärer zu machen. Vereinzelt werden „Insektenmenüs“ auch von Restaurants angeboten, es sind auch entsprechende Kochbücher erschienen, doch sprechen sie in unserem Kulturraum bislang nur eine Randgruppe an. Zum Verzehr bestimmte Insekten fallen innerhalb der EU unter die [[Novel Food|Novel-Food]]-Verordnung und müssen für den Handel zugelassen werden. Ohne es zu wissen, essen jedoch auch westliche Verbraucher angeblich jedes Jahr eine gewisse Menge Insekten, da zermahlene Spuren davon zum Beispiel in [[Marmelade]], [[Erdnussbutter]] oder tief gekühltem Gemüse enthalten seien.<ref name="insekten"/> Auch [[Echte Feige|Feigen]] enthalten zahlreiche Feigenwespen in ihren Fruchtständen. [[Datei:fried_crickets_in_Cambodia.jpg|thumb|Frittierte Grillen auf einem Markt in [[Kambodscha]]]] [[Datei:Witchetty-Made.jpg|thumb|Witchetty-Maden können mancherorts in Australien abgepackt im Supermarkt gekauft werden.]] Ernährungsphysiologisch gesehen sind viele Insekten eine gute [[Protein]]quelle, vor allem [[Larve]]n. 100 Gramm afrikanische [[Termiten]] enthalten 610 [[Kalorie|Kilokalorien]], 38 Gramm Protein und 46 Gramm Fett; 100 Gramm [[Nachtfalter]]larven haben rund 375 Kilokalorien bei 46 Gramm Protein und 10 Gramm Fett. Getrocknete [[Bienen]]larven bieten zu 90 Prozent Proteine und acht Prozent Fett. Dass Insekten eine unverdauliche Substanz namens [[Chitin]] enthalten, spricht nicht gegen ihre Verzehrbarkeit, da sich diese entfernen lässt; auch [[Hummer]] und [[Garnele]]n müssen vor dem Verzehr davon befreit werden. Larven enthalten gar kein Chitin.<ref>Marvin Harris, S. 172 f.</ref> Der Geschmack von Termiten und [[Echte Grillen|Grillen]] soll an [[Kopfsalat]] erinnern, frittierte Heuschrecken schmecken süßlich. Es sind jedoch nicht alle Insekten essbar, ein Teil ist giftig.<ref name="insekten"/> Weltweit gibt es zahlreiche Beispiele für Kulturen, die Insekten als Nahrungsmittel ansehen. In ganz Asien werden die [[Riesenwanzen|Riesenwasserwanzen]] verzehrt, in [[Thailand]] werden frittierte Heuschrecken auf jedem Markt angeboten, in [[Mexiko]] [[Kurzfühlerschrecken|Grashüpfer]] und andere Insektenarten, die teilweise mit Schokolade überzogen als [[Süßwaren]] verkauft werden. In [[Australien]] soll es vereinzelt Supermärkte geben, in denen [[Witchetty-Made]]n im Kühlregal angeboten werden.<ref name="insekten"/> Diese Insekten waren in Australien traditionelles [[Bush Food]] der [[Aborigines]] der zentralen Wüsten. Viele [[Indianer]]stämme ernährten sich teilweise von Insekten. In [[Nevada]] und in [[Kalifornien]] trieben sie Heuschreckenschwärme systematisch auf Flächen mit glühender Kohle, wo sie direkt zum Verzehr geröstet wurden.<ref>Marvin Harris, S. 167</ref> Die Frage, wieso Insekten trotz ihrer Essbarkeit in Europa und den Vereinigten Staaten tabuisiert sind, beantwortet Harris wie immer mit seiner Theorie der „optimalen Futtersuche“ und einem ungünstigen Kosten-Nutzen-Verhältnis. Nur Insekten, die eine bestimmte Größe haben und gleichzeitig in Schwärmen auftreten, seien als Nährstoffquelle wirklich interessant. ''„Wenn ''[…]'' eine natürliche Umgebung arm an Insektenfauna ist –&nbsp;besonders an großen und/oder schwarmbildenden Arten&nbsp;– und wenn sie gleichzeitig reich an domestizierten oder wildlebenden großen Wirbeltierarten ist, dann werden im Zweifelsfall zur Nahrung keine Insekten gehören.“''<ref>Marvin Harris, S. 185</ref> Dieser Ansatz erklärt jedoch nur, wieso Insekten als Nahrung gemieden werden, er erklärt nicht die ausdrückliche Tabuisierung und den damit verbundenen Ekel. Das räumt Harris auch selbst ein; schon der Hautkontakt mit krabbelnden Insekten wird von vielen als ekelhaft empfunden. Seine Erklärung dafür ist: ''„Ob eine Tierart zur Gottheit gemacht oder verabscheut wird, hängt davon ab, ob sie sonst noch einen Nutzen hat oder nur schädlich ist. ''[…]'' Ein Schwein, das nicht gegessen wird, ist nutzlos ''[…]'' Deshalb wird es verabscheut. Insekten, die nicht gegessen werden, sind schlimmer als Schweine ''[…]'' Sie verschlingen nicht nur die Frucht auf den Feldern, sie fressen uns auch das Essen vor der Nase vom Teller weg, beißen uns, stechen uns, verursachen uns Juckreiz und trinken unser Blut. ''[…]'' Sie sind durch und durch schädlich und haben nicht den geringsten Nutzen. ''[…]'' Da wir sie ja nicht essen, steht es uns frei, sie mit dem Inbegriff des Bösen zu identifizieren ''[…]'' und Sinnbilder des Schmutzes, des Angsterregenden, des Verhaßten aus ihnen zu machen.“''<ref>Marvin Harris, S. 186 f.</ref> Diese Erklärung hat den Nachteil, dass sie auf andere Kulturraume offenkundig nicht zutrifft, denn dort werden –&nbsp;auch laut Harris&nbsp;– Insekten, die die Ernte gefährden und damit Nahrungskonkurrenten sind, bevorzugt gegessen, um ihre Zahl zu reduzieren. Harris schreibt beispielsweise: ''„Angesichts der Zerstörung, die die Heuschrecken im Bereich der pflanzlichen und der tierischen Nahrungsquellen anrichten, bleibt den davon Betroffenen gar nichts anderes übrig, als ihren Speiseplan zu erweitern und die Verzehrer zu verzehren.“''<ref>Marvin Harris, S. 182 f.</ref> Auch in Europa sind schon Heuschreckenschwärme als Plage aufgetreten. [[Datei:Garnelen im Verkauf fcm.jpg|thumb|upright=0.5|Garnelen]] [[Datei:fried_tarantula_Cambodia.jpg|thumb|left|Geröstete [[Vogelspinne]]n in Skun in [[Kambodscha]]]] David Gordon, Autor eines Insekten-Kochbuchs, widerspricht Harris und geht im Gegenteil davon aus, dass Insekten gerade deshalb in [[Agrargesellschaft]]en tabuisiert werden, weil sie die Ernte und damit die Nahrungsgrundlage von Menschen zerstören. Das mache sie zu verhassten [[Schädling]]en. ''„Ungeziefer zu essen wäre dann ja, wie mit dem Feind ins Bett zu gehen.“''<ref name="insekten"/> Allerdings erklärt dies nicht, warum auch Insektenarten tabuisiert werden, die unschädlich bis nützlich für den Menschen sind. Es gibt also völlig unterschiedliche Deutungsversuche, je nachdem, welcher Kulturraum betrachtet wird. Neben den bereits genannten Problemen ist mit rationalen Argumenten auch schwer erklärbar, wieso andere [[Gliederfüßer]] wie [[Garnelen]] oder [[Nordseegarnele|Krabben]] in Europa von vielen nicht als ekelhaft eingestuft, sondern als Lebensmittel und zum Teil sogar als [[Delikatesse]] akzeptiert werden. === Pflanzentabus === Während es in allen Kulturräumen Fleischtabus gibt, sind Pflanzentabus selten und vor allem von kleineren Ethnien bekannt; diese Tabus können geschlechtsspezifisch sein, also nur für Männer oder nur für Frauen gelten. Sie werden nur von wenigen Autoren überhaupt erwähnt, einige setzen den Begriff Nahrungstabu sogar pauschal mit Fleischtabu gleich. Die Ethnologin Anne Meigs hat die Kultur und das soziale Leben des Stammes der [[Hua]] in [[Neuguinea]] erforscht und unter anderem eine Liste mit den Nahrungstabus der [[Initiation|initiierten]] Männer erstellt. Alle tabuisierten Lebensmittel werden mit Weiblichkeit und weiblicher Sexualität [[Assoziation (Psychologie)|assoziiert]]. Tabu sind zum Beispiel rote Gemüsearten, rötliche Früchte und rote Pilze, die mit der [[Menstruation]] in Verbindung gebracht werden, außerdem unter anderem „behaartes“ Gemüse (Schamhaar), Lebensmittel mit einem bestimmten Geruch (eine Pilzart und zwei Arten von [[Yamswurzelgewächse|Yamswurzeln]]), die angeblich an menstruierende Frauen erinnern sowie wild wachsende Pflanzen wie wilde Bananen (wild = schädlich für Männer). Die Männer rechnen mit Sanktionen für den Fall, dass sie diese Nahrungstabus brechen.<ref>Monika Setzwein, Zur Soziologie des Essens, S. 137 f.</ref> Es handelt sich dabei um eine Form von [[Magisches Denken|magischem Denken]], bei dem Lebensmitteln besondere Eigenschaften zugeschrieben werden. Im westlichen Kulturraum wurden einige Pflanzen früher ebenfalls mit Sexualität assoziiert, allerdings wurden diese nicht mit einem Tabu belegt, sondern als [[Aphrodisiakum|Aphrodisiaka]] verzehrt. [[Datei:Tuinboon zaden in peul.jpg|thumb|Dicke Bohnen, auch Saubohnen genannt]] Ein Beispiel für ein historisches Pflanzentabu ist die Tabuisierung von [[Bohnen]] durch die ''Pythagoräer'', die Anhänger des [[Pythagoras von Samos]], und die [[Orphiker]]. Die Existenz dieses Tabus ist durch antike Quellen überliefert. Beide Gruppen haben selbst keine Erklärung für das Speiseverbot angegeben, so dass bereits von Zeitgenossen mehrere Deutungen gegeben wurden. Die verbreitetste Erklärung basiert auf dem Glauben an [[Reinkarnation|Wiedergeburt]] und Seelenwanderung bei Pythagoras und den Orphikern. Deshalb durfte nichts „Beseeltes“ gegessen werden, was ein Speiseverbot für Tiere (Fleisch und Fisch) bedeutete; daneben galten aber auch Bohnen als „beseelt“.<ref>[http://edoc.hu-berlin.de/dissertationen/pungs-birgit-2006-05-02/PDF/pungs.pdf vgl. Birgit Punks: Vegetarismus. Religiöse und politische Dimensionen eines Ernährungsstils, S. 22 ff.]</ref> Diese Annahme beruhte laut [[Aristoteles]] auf der Tatsache, dass der Bohnenstängel hohl und ungeteilt aus der Erde wächst, so dass eine direkte Verbindung zum Reich der Toten, zum [[Hades]] angenommen wurde, aus dem die [[Seele]]n aufstiegen. So sei der Ausspruch zu verstehen: „Bohnen zu essen ist so wie die Köpfe der Eltern zu essen“.<ref name="dye">[http://users.ucom.net/~vegan/beans.htm James Dye: Explaining Pythagorean Abstinence from Beans]</ref> Pythagoras soll unter Berufung auf [[Zarathustra]] auch erklärt haben, dass nach Entstehung der Erde zuallererst die Bohne entstanden und somit der Ursprung allen Lebens sei. Als Beweis führte er den Quellen zufolge an, dass eine zerbissene Bohne, die man in die Sonne legt, nach einiger Zeit den Geruch von [[Sperma]] abgebe. Ein anderer Beleg sei, dass eine in einem Topf in der Erde vergrabene Bohnenblüte, die nach einigen Tagen wieder ausgegraben wird, den weiblichen [[Genitalien]] ähnele und bei genauem Hinsehen dem Kopf eines Kindes.<ref>Hippolytos von Rom, Widerlegung aller Häresien, Buch 1, Kap. 2</ref> Die antiken Griechen sollen ausschließlich [[Ackerbohne]]n (Saubohnen) gekannt haben. Eine weitere Begründung für das Bohnentabu der asketisch lebenden Orphiker und Pythagoräer ist die im antiken Griechenland verbreitete Vorstellung, der Verzehr von Bohnen verstärke das sexuelle Verlangen.<ref>[http://www.findarticles.com/p/articles/mi_m2242/is_n1533_v263/ai_14550658/pg_2 Pythagoras and the Bean]</ref> Zu den von [[Aristoteles]] genannten möglichen Gründen gehört auch, dass die Bohnen Genitalien ähneln.<ref name="dye"/> Schließlich gibt es noch die Vermutung, die gasbildende Wirkung von Bohnen bei der [[Verdauung]] habe eine Rolle gespielt, da [[Flatulenz]]en als animalisch betrachtet worden seien, die zudem die geistige Konzentration und die Träume stören würden.<ref name="dye"/> Die Krankheit [[Favismus]] war in der Antike noch unbekannt und wurde erst im 19. Jahrhundert mit dem Verzehr von Bohnen in Zusammenhang gebracht. Ein anderes historisches Pflanzentabu ist aus dem [[Antikes Griechenland|antiken Griechenland]] überliefert. Der Verzehr von [[Knoblauch]] galt als unerwünscht, und Knoblauchesser wurden von der Teilnahme an [[Kult|kultischen]] Handlungen für bestimmte Götter ausgeschlossen. Sie durften außerdem die [[Tempel]] der Göttin [[Kybele]] nicht betreten.<ref>Hans Wiswe, Kulturgeschichte der Kochkunst, München 1970, S. 117</ref> == Übersicht verschiedener Nahrungstabus == {| class="prettytable" |- class="hintergrundfarbe6" ! Bezeichnung <!--singular oder plural ? - pl. finde ich besser--> ! Nahrungstabu z.&nbsp;B. in ! Lebensmittel z.&nbsp;B. in |- | Frosch | Vereinigte Staaten, Vereinigtes Königreich, Judentum, Islam | Frankreich, Asien |- | Hund | Europa, Vereinigte Staaten, Judentum, Islam | China, Korea, Kongo |- | Insekten | Europa, Vereinigte Staaten, Judentum, Islam | Asien, Afrika |- | Kaninchen, Hase | Judentum | Asien, Afrika, Europa, Vereinigte Staaten, Islam |- | Katze | Europa, Vereinigte Staaten, Judentum, Islam | China, Korea |- | Krebse, Krabben, Garnelen, Hummer | Judentum, Islam | Asien, Afrika, Europa, Vereinigte Staaten |- | Meerschweinchen | Europa, Vereinigte Staaten, Judentum, Islam | Peru, Ecuador |- | Muscheln | Judentum, Islam | Asien, Afrika, Europa, Vereinigte Staaten |- | Pferd | Vereinigte Staaten, Vereinigtes Königreich, Australien, Judentum, Islam | Frankreich, Italien, Deutschland |- | Ratte | Europa, Vereinigte Staaten, Judentum, Islam | Ghana, Thailand |- | Rind | Hinduismus | Christentum, Judentum, Islam |- | Schildkröte | Judentum | Asien, Südamerika |- | Schnecken | Judentum, Islam | Asien, Afrika, Europa, Vereinigte Staaten |- | Schwein | Judentum, Islam | Christentum |- | Singvogel | Deutschland, Judentum | Italien, Frankreich |- | Spinne | Europa, Vereinigte Staaten, Judentum, Islam | Laos, Thailand, Kambodscha |} == Verbote und Meidung von Nahrungsmitteln == Der Verzehr einiger Tierarten oder zumindest die [[Jagd]] auf diese ist aus Gründen des [[Artenschutz]]es gesetzlich verboten. Zu diesen Arten gehören beispielsweise [[Schildkröte]]n, [[Biber]], einige [[Robbe]]narten und [[Wale]]. Allerdings haben nicht alle Staaten das [[Washingtoner Artenschutz-Übereinkommen|Washingtoner Artenschutzabkommen]] unterzeichnet. Innerhalb der [[Europäische Union|EU]] ist dieses Abkommen flächendeckend in Kraft, und darüber hinaus gelten weitere Verbote, zum Beispiel für den Verzehr von Hunden und Katzen, die im Zusammenhang mit dem [[Tierschutz]] zu sehen sind. Ein gesetzliches Verbot ist nicht mit einem [[Tabu]] gleichzusetzen. Es gibt Tierarten, die unabhängig von einem Verbot von der Bevölkerungsmehrheit einzelner Länder gemieden werden – zwar werden sie noch als (potentielle) Lebensmittel angesehen, de facto aber nur von wenigen gegessen. Der Übergang zwischen grundsätzlichem Nahrungstabu und bloßer ''Meidung'' ist fließend. Die meisten Autoren nehmen daher keine definitive Unterscheidung vor und behandeln beide Phänomene als Tabu. Die Soziologin Monika Setzwein unterscheidet zwischen Verbot, Tabu und Meidung, wobei sie die allgemeine Akzeptanz von Tabus und von Meidungen höher einschätzt als die von Verboten. Sie definiert Tabu als „inneres Verbot“, das keiner besonderen Begründung bedarf, da es als Selbstverständlichkeit gilt. „Ein wesentliches Merkmal des Tabus ist seine emotionale Besetzung und sein häufig ambivalenter Charakter, in dem sich Ehrfurcht und Abscheu vereint finden. […] Von Verboten und Tabus können Nahrungsmeidungen abgegrenzt werden, die auf den sozialen Konnotationen der Speisen beruhen. Meidungen betreffen Substanzen, die […] nicht ausdrücklich verboten sind, jedoch aufgrund der gesellschaftlichen Assoziationen, die sie hervorrufen, von jeweils unterschiedlichen Teilen der Gesellschaft abgelehnt werden.“<ref>Monika Setzwein, Zur Soziologie des Essens, S. 79</ref> Laut Setzwein können sich sowohl Meidungen als auch Verbote im Laufe der Zeit in Tabus verwandeln. Für Klaus Eder sind Nahrungstabus grundsätzlich mit [[Emotion]]en und [[Moral|moralischen]] Aspekten verknüpft: „Eßtabus sind kulturell tiefsitzende und zugleich emotional hochbesetzte Eßverbote. Sie drücken ein kollektives moralisches Gefühl oder moralisches Empfinden aus […]“<ref>Klaus Eder, Die Vergesellschaftung der Natur, Frankfurt/M. 1988, S. 111</ref> Diese Definitionen werden allerdings nicht von allen Autoren geteilt. Der nicht religiös begründete Nichtverzehr mancher Tierarten kann daher sowohl als Meidung als auch als Tabu interpretiert werden. === Singvögel === [[Datei:Hylocichla mustelina FWS.jpg|thumb|upright=0.8|Drosselzungen waren einst eine erlesene Speise des Adels, doch auch die ganzen Vögel wurden gegessen. Das Bild zeigt eine Walddrossel.]] Für [[Singvögel]] gibt es innerhalb der EU keine Verzehrsbeschränkungen, lediglich für den [[Vogelfang]] existieren im Sinne des Tierschutzes Einschränkungen. Dennoch gelten Singvögel in den Ländern nördlich der [[Alpen]] seit geraumer Zeit nicht mehr als akzeptables Nahrungsmittel, während sie südlich der Alpen, vor allem in [[Italien]] und in [[Frankreich]], als [[Delikatesse]] in Restaurants serviert werden. Anhand von historischen Kochbüchern konnte man nachweisen, dass Singvögel jahrhundertelang auch im nördlichen Europa gegessen wurden, und zwar prinzipiell von allen Bevölkerungsschichten. Erst mit dem Erstarken der bürgerlichen [[Tierschutz]]bewegung im 19. Jahrhundert wandelte sich die Einstellung zum damals verbreiteten Vogelfang, wie der Kulturwissenschaftler Friedemann Schmoll gezeigt hat, der der Frage nachgegangen ist, wie aus „selbstverständlichen Lebensmitteln“ allmählich „unantastbare Geschöpfe“ wurden.<ref name="schmoll">Friedemann Schmoll: Der Mensch ist, was er nicht isst, in: Science Lunch, Okt. 2004</ref> Der Autor behandelt den Nichtverzehr von Singvögeln als Nahrungstabu, nicht als Meidung. Bekannte deutsche Vogelgerichte waren zum Beispiel ''Thüringer Meisensuppe'', ''Helgoländer Drosselsoop'' oder die international bekannten und beliebten ''[[Leipziger Lerche (Gericht)|Leipziger Lerchen]]''. Schmoll stellt fest, dass seit dem 18. Jahrhundert in Nordeuropa zunehmend Protest gegen den Verzehr von Singvögeln laut wurde. Die Forstwissenschaft habe zu dieser Zeit begonnen, den Wert dieser Vögel als biologische Schädlingsbekämpfer zu betonen. Diese Auffassung habe allmählich zu einem öffentlichen Meinungsumschwung geführt, die Vögel seien zunehmend als „gefiederte Freunde“ angesehen worden. „Damit war auch die Eßbarkeit von Vögeln schwieriger geworden, denn gute Freunde –&nbsp;so die Gesetze des freundschaftlichen Umgangs&nbsp;– bringt man nicht einfach um die Ecke, um sie zu verspeisen.“<ref name="schmoll"/> Generell begann das [[Bürgertum]] laut Schmoll in dieser Zeit – im Gegensatz zu [[Adel]] und Bauernschaft – eindeutige Sympathien für Tiere zu entwickeln und damit eine stärker emotional motivierte Einstellung zu Tötung und Verzehr von Tieren. Außerdem verlor der Vogelfang im 19. Jahrhundert wirtschaftlich stark an Bedeutung, da genügend anderes Fleisch zur Versorgung der Bevölkerung vorhanden war. Vogelfleisch wurde von einer gesuchten Delikatesse zu einer Speise für die Armen, die sich sonst kein Fleisch leisten konnten. In Bezug auf [[Nationalismus|nationalistisches Gedankengut]] erhoben einige Autoren die Ablehnung des Singvogelverzehrs zu einem Zeichen der hochstehenden [[Zivilisation]] und Kultur eines Volkes. So erklärte [[Ludwig Reinhard]] 1912, dass die Deutschen sich als „Kulturmenschen“ so positiv von anderen Kulturen unterschieden: „Anders die gefühlsrohen, noch von der römischen Kaiserzeit (sich, erg.) an Blutvergießen und Tierquälerei […] erfreuenden Romanen, die diese kleinen Leichname gerupft, an dünnen Weidenruten aufgezogen, auf den Markt bringen und ihren Volksgenossen […] verkaufen.“<ref name="schmoll"/> Allerdings musste Reinhard zugeben, dass Lerchen in [[Aspik]] ein bevorzugtes Gericht des deutschen Kaisers [[Wilhelm I. (Deutsches Reich)|Wilhelm I.]] waren. === Schildkröten === [[Datei:Suppenschildkroete 01.jpg|thumb|Suppenschildkröte]] [[Datei:Slaughtered turtle Hanoi Vietnam.jpg|thumb|geschlachtete Schildkröte auf einem Markt in [[Hanoi]], [[Vietnam]]]] Ein Beispiel für ein gesetzlich begründetes Nahrungsverbot ist das Importverbot für [[Meeresschildkröte]]n, wobei die Art, die für die Fleischeinlage der echten [[Schildkrötensuppe]] verwendet wurde, [[Suppenschildkröte]] genannt wird. Dieses Verbot trat in Deutschland 1984 in Kraft; seit Ende der 1980er-Jahre sind keine Produkte aus Meeresschildkröten mehr im Handel. Die Meeresschildkröte gilt als gefährdete Art und steht unter dem Schutz des [[Washingtoner Artenschutzabkommen]]s. Nach den jüdischen Speisegesetzen sind Schildkröten ''unrein'' und daher tabu. Die Schildkrötensuppe wurde im 18. Jahrhundert in [[Vereinigtes Königreich von Großbritannien und Irland|Großbritannien]] erfunden und galt in Europa sehr bald als besondere exotische Delikatesse für das gehobene Bürgertum. Das Essen dieser Suppe wurde zum [[Statussymbol]]. Der Verzehr von Schildkrötenfleisch war jedoch schon vorher populär gewesen, es wurde ab dem 16. Jahrhundert in großen Mengen importiert und galt als sehr nahrhaft. Da die Wasserschildkröten als „Fische“ eingestuft wurden, war ihr Verzehr in der [[Fastenzeit]] zulässig, was den Konsum deutlich steigerte. Noch heute gelten diese Schildkröten in Südamerika als Fastenspeise. Allein in [[Mexiko]] werden nach Angaben von Tierschützern in der Woche vor [[Ostern]] trotz des Fangverbots etwa 10.000 Exemplare gegessen.<ref>[http://www.wwf.de/presse/details/news/lecker_schildkroeten/3011/cHash/26594ed8ab/ WWF-Infos (2006)]</ref> Der Import von Schildkröten nach Europa nahm im 19. Jahrhundert weiter zu, so dass ihr Bestand schon in dieser Zeit stark abnahm, was jedoch das [[Image]] der Exklusivität noch steigerte. Auch das Fleisch in Konserven war recht teuer. In der [[Nachkriegszeit]] wurde Schildkrötensuppe in Dosen in [[Westdeutschland]] ein begehrtes Produkt, das nun auch für die [[Mittelschicht]] erschwinglich war. Seit den 1970er-Jahren verstärkte sich mit der wachsenden Bedeutung der [[Ökologie]]-Bewegung jedoch die Kritik am Verzehr von Schildkröten.<ref>[http://www.mare.de/mare/hefte/beitrag-buend.php?id=765&&heftnummer=41 mare-Artikel]</ref> Zwar gab es schon seit der Mitte des 18. Jahrhunderts als Ersatz die [[Mockturtlesuppe]] aus [[Kalbskopf]], jedoch nicht aus Artenschutzgründen, sondern wegen des hohen Preises der echten Schildkrötensuppe. Deutschland war bis 1984 ein bedeutendes Importland von Schildkrötenfleisch. Es ist davon auszugehen, dass es ohne Verbot nur von einem Teil der Bevölkerung in Europa gemieden und von vielen weiterhin gegessen würde. In [[Südamerika]] und Asien werden nach wie vor verschiedene Landschildkrötenarten, aber auch Suppenschildkröten verzehrt; in China werden Schildkröten auch zu angeblichen [[Potenzmittel]]n und diversen Arzneien verarbeitet. Allein in China sollen jährlich rund 20 Millionen Exemplare verzehrt werden.<ref>[http://www.prowildlife.de/de/Presse/Archiv_2002/PM-Schildkroeten-Entscheidung/pm-schildkroeten-entscheidung.html Pro Wildlife (2002)]</ref> Auch [[Biber]] stehen unter [[Artenschutz]], waren allerdings schon einige Zeit vorher aus den Kochbüchern verschwunden – die Art war vielerorts schon im 19. Jahrhundert ausgestorben. Ebenso wie die Suppenschildkröte waren Biber auf Grund ihres schuppigen Schwanzes im [[Mittelalter]] als „Fisch“ deklariert worden, so dass sie in der Fastenzeit gegessen werden durften. Vor allem der Schwanz galt als Delikatesse.<ref>[http://www.hr-online.de/website/fernsehen/sendungen/index.jsp?rubrik=27632&key=standard_document_29546232 HR-Beitrag: Wie der Biber zum Fisch wurde]</ref> [[Eichhörnchen]] wurden früher in Europa ebenfalls gegessen. In Deutschland fallen sie unter die [[Bundesartenschutzverordnung]], in der Schweiz ist die Jagd seit 1989 verboten. In der ''Basler Kochschule'' von Amalie Schneider-Schlöth war noch in den 1950er-Jahren zu lesen: „Eichhörnchenfleisch ist sehr fein und zart und gilt als ein besonders beliebtes Gericht.“ Es werde am besten als [[Ragout]] zubereitet.<ref>[http://www.woz.ch/archiv/old/04/13/5517.html Andreas Grossweiler: Hirnpudding und Eichhörnchenpfeffer]</ref> === Innereien === [[Datei:Lammnieren.jpg|thumb|Frische Lammnieren]] Traditionell wurden nach der [[Schlachtung]] von Rindern, Schweinen und Geflügel alle verwertbaren Teile gegessen und in irgendeiner Weise verarbeitet, nicht nur in armen Haushalten. Mittlerweile finden [[Innereien]] jedoch nur noch selten Verwendung in der Küche, der Anteil entsprechender Rezepte in [[Kochbuch|Kochbüchern]] ist seit dem 19. Jahrhundert stark zurückgegangen. Der Engländer Stephen Mennell stellt fest: „Den heftigsten Widerwillen empfinden viele Menschen heute nicht gegenüber dem Fleischverzehr überhaupt, sondern insbesondere gegenüber bestimmten eßbaren Teilen von Tieren, die man als Innereien bezeichnet.“<ref>Stephen Mennell: Die Kultivierung des Appetits. Geschichte des Essens vom Mittelalter bis heute, S. 392</ref> Innereien lassen sich daher als Beispiel für die Meidung von Nahrungsmitteln auffassen, wobei die Ablehnung in einzelnen Ländern und auch regional unterschiedlich stark ausgeprägt ist. Der zunehmende Widerwille betrifft nicht alle Innereien gleichermaßen; außerdem kann etwas, das von weiten Bevölkerungskreisen entschieden abgelehnt wird, von einer Minderheit gleichzeitig als Delikatesse angesehen werden, zum Beispiel [[Kalbsbries]]. [[Datei:Porkbrain.jpg|thumb|left|Hirn vom Schwein]] „Sozialpsychologen könnten wahrscheinlich eine [[Guttman-Skala]] der Einstellungen zu Innereien aufstellen, mit steigender Ablehnung von Leber über Niere, Zunge, Bries, [[Hirn]], [[Kutteln]] bis zu Hoden und Augen, in der die Amerikaner die höchste Stufe der Ablehnung, die Engländer einen Mittelplatz und die Franzosen […] die niedrigste Stufe einnehmen würden.“<ref>Stephen Mennell, S. 392</ref> In Deutschland ist der Verzehr von Innereien nach Angaben des Fleischerhandwerks vor allem durch die Angst vor [[BSE]] deutlich zurückgegangen. Für 1985 wurde noch ein jährlicher Pro-Kopf-Verzehr von 2,1&nbsp;kg angegeben, 1995 waren es nur noch 1,2&nbsp;kg, im Jahr 2003 sogar nur noch 600 Gramm.<ref>Pressemitteilung des Deutschen Fleischerverbands (2003)</ref> Da Innereien auch früher als weniger wertvoll und nahrhaft galten als das Muskelfleisch, wurden sie des Öfteren nach dem Schlachten an [[Suppenküche]]n für Arme und arme Familien verschenkt, was sie im Laufe der Zeit als typische Armenkost erscheinen ließ. Schon im 17. Jahrhundert enthielten englische Kochbücher weniger Rezepte für Innereien als französische.<ref name="mennell">Stephen Mennell: Die Kultivierung des Appetits</ref> Im 20. Jahrhundert ging die Anzahl der Rezepte deutlich zurück. 1939 heißt es in einem Artikel in ''Wine and Food'': „Es gibt eine ganze Reihe von Teilen des Tieres, die man gewöhnlich als unpassend für ein korrektes Essen betrachtet und die von Liebhabern meist mit leichten Schuldgefühlen verzehrt werden […]“<ref>Stephen Mennell, S. 395</ref> 1969 nannten bei einer Umfrage in Frankreich zu [[Aversion]]en gegen Lebensmittel zwar 4,1 Prozent der Befragten Innereien, aber doppelt so viele [[Echter Sellerie|Sellerie]] und [[Rübe]]n.<ref name="mennell"/> === Milch === [[Datei:Milk glass.jpg|thumb|upright=0.8|Ein Glas Milch]] Während [[Milch]] und [[Milchprodukt]]e in Europa und in den Vereinigten Staaten beliebte Nahrungsmittel sind, werden sie in anderen Kulturräumen von vielen Menschen abgelehnt und gemieden, zum Beispiel von vielen Asiaten. Das hat nichts mit dem [[Geschmack (Sinneseindruck)|Geschmack]] der Milch zu tun, sondern basiert auf der Tatsache, dass die Mehrheit der Weltbevölkerung im Erwachsenenalter nicht über das [[Enzym]] [[Lactase]] verfügt, das nötig ist, um den in der Milch enthaltenen [[Milchzucker]] (Lactose) abzubauen und zu verdauen. Dieses Phänomen heißt [[Lactoseintoleranz]] und ist genetisch bedingt. [[Säugling]]e verfügen dagegen in allen Kulturen noch über dieses Enzym, das sie benötigen, um [[Muttermilch]] verdauen zu können. Der Körper stellt die Produktion im Regelfall nach etwa drei Jahren ein; die Lactoseverträglichkeit ist daher nicht die Regel, sondern eine genetische Abweichung.<ref name="planet">[http://www.planet-wissen.de/pw/Artikel,,,,,,,AD0C1DA99DD425D1E034080009B14B8F,,,,,,,,,,,,,,,.html Planet Wissen zu Milchunverträglichkeit]</ref> Ohne das Enzym gelangt der Milchzucker unverdaut in den [[Dickdarm]] und gärt dort, was zu Bauchschmerzen, [[Meteorismus|Blähungen]] und [[Durchfall]] führt, wobei das Ausmaß der Beschwerden von der Menge abhängt. Der Verzicht auf Milch bei vielen Völkern ist keine Tabuisierung, sondern ein Beispiel für eine Meidung aus physiologischen Gründen. Wissenschaftlich wird die Bildung von Lactase noch im Erwachsenenalter mit der [[Evolutionstheorie]] begründet. Die [[Viehzucht]] wurde erst vor rund 10.000 Jahren eingeführt, wahrscheinlich in der [[Ural]]region, von wo aus sie sich ausbreitete. Erst seit diesem Zeitpunkt kamen Milch und Milchprodukte für die menschliche Ernährung in Frage, denn Wildtiere lassen sich nicht [[melken]]. Viehzüchter, die durch eine genetische [[Mutation]] in der Lage waren, sich von Milch zu ernähren, waren nach dieser Theorie überlebensfähiger und daher bei der Fortpflanzung im Vorteil, da Milch außer Fett und Eiweiß auch [[Kalzium]] enthält. Ein Kalziummangel führt bei Kindern zu [[Rachitis]]. Da Lactose im Darm die Absorption von Kalzium fördert, war Lactosetoleranz auch in dieser Hinsicht von Vorteil. Dies könnte vor allem in nördlichen Regionen gelten, wo auf Grund eher geringer Sonneneinstrahlung die körpereigene Bildung von [[Vitamin D]] nicht ausreicht, das ebenfalls die Kalziumaufnahme begünstigt. Die ethnischen Gruppen, die heute Milch vertragen, sind die Nachfahren dieser Viehzüchterstämme. In vielen Regionen der Erde spielte Viehzucht bis in die jüngste Vergangenheit hinein jedoch keine Rolle, so dass das Enzym Lactase überflüssig war.<ref name="planet"/><ref>Marvin Harris, S. 146</ref> Im Gegensatz zu den Chinesen sind die meisten Inder in der Lage, Milch problemlos zu verdauen. In Indien spielt die Rinderhaltung traditionell eine große Rolle. Harris erklärt die unterschiedliche Entwicklung damit, dass in der chinesischen Feldwirtschaft auf Bewässerungsbasis und mit Terrassenanbau keine Zugtiere eingesetzt werden können, so dass die Haltung von Rindern sinnlos gewesen wäre. Schweine lassen sich nicht melken. Da [[Kalzium]] auch in dunklen [[Blattgemüse]]n enthalten ist, war Milch als Kalziumquelle nicht nötig.<ref>Marvin Harris, S. 159 ff.</ref> [[Datei:Camembert (Cheese).jpg|thumb|left|[[Camembert (Käse)|Camembert]] gilt bei Chinesen als „verschimmelte Milch“]] Dennoch hat sich in der jüngsten Vergangenheit in [[Volksrepublik China|China]] die [[Milchwirtschaft]] entwickelt. Nach der Gründung der Volksrepublik im Jahr 1949 gab es bereits 120.000 [[Milchkuh|Milchkühe]], der jährliche Milchertrag betrug 250.000 Tonnen. Milch wurde nicht als Lebensmittel, sondern als [[Heilmittel]] angesehen und galt als Stärkungsmittel für Kranke.<ref name="china">[http://www.chinatoday.com.cn/chinaheute/2005n/5nn7/2n1.htm China today: Der heiß umkämpfte Markt für Milchprodukte (2005)]</ref> Seit einigen Jahren fördert die chinesische Regierung den Milchkonsum; seit 1999 gibt es die Kampagne „ein Glas Milch zur Stärkung unseres Volkes“ und das „Projekt Schulmilch“. Damit soll nach offiziellen Angaben die Kalziumversorgung der Bevölkerung verbessert werden.<ref name="china"/> 2004 gab es rund 10 Millionen Milchkühe in der VR China, es wurden knapp 22 Millionen Tonnen Milch produziert. Der jährliche durchschnittliche Pro-Kopf-Konsum wurde mit 12 Liter angegeben, in den Städten lag er bei 25 Litern, in [[Peking]] bei 47 Litern. Rund 200 Millionen Chinesen (von 1,3 Mrd. Einwohnern) trinken angeblich mittlerweile zumindest in kleinen Mengen Milch.<ref name="china"/> [[Käse]] gilt in China für die meisten jedoch weiterhin als „verdorbene Milch“ und ungenießbar.<ref>Frederick J. Simoons, Food in China. A Cultural and Historical Inquiry, 1990, S. 466</ref> === Meidung von Fleischsorten (Tabelle) === Die Tabelle enthält die Ergebnisse einer repräsentativen Meinungsumfrage in sechs Ländern aus dem Jahr 1992 zur Einstellung gegenüber verschiedenen Tieren als Lebensmittel (Angaben in Prozent). Quelle: <ref>[http://luna.pos.to/whale/icr_pub_pall.html Fukuzo Nagasaki: Pro- and Anti-Whaling Attitudes as Revealed in Public Opinion Polls (Table 11)]</ref> {| class="prettytable" |- class="hintergrundfarbe6" ! Fleisch ! Australien ! England ! Deutschland ! USA ! Japan ! Norwegen |- | '''[[Hirsche|Hirsch]]''' |- |Ablehnung | 49,7 | 62,6 | 35,7 | 61,3 | 23,9 | 39,2 |- | Akzeptanz | 27,5 | 17,6 | 40,2 | 17,2 | 51,5 | 38,2 |- | '''[[Pferdefleisch]]''' | | | | | |- | Ablehnung | 72,3 | 84,9 | 60,2 | 52,2 | 51,4 | 80,6 |- | Akzeptanz | 13,4 | 4,4 | 23,1 | 26,3 | 27,1 | 10,0 |- | '''[[Kängurufleisch]]''' | | | | | | |- | Ablehnung | 47,7 | 80,9 | 64,1 | 67,7 | 55,2 | 79,6 |- |Akzeptanz | 28,2 | 6,8 | 15,9 | 13,2 | 12,9 | 7,5 |- | '''[[Lammfleisch]]''' | | | | | | |- |Ablehnung | 9,8 | 16,1 | 29,0 | 33,0 | 7,2 | 30,9 |- |Akzeptanz | 66,6 | 61,3 | 45,3 | 40,1 | 80,6 | 45,2 |- | '''[[Hummer]]''' | | | | | |- |Ablehnung | 16,6 | 26,3 | 48,2 | 21,2 | 10,4 | 13,3 |- |Akzeptanz | 63,9 | 49,9 | 30,4 | 57,1 | 68,6 | 67,5 |- | '''[[Robbenfleisch]]''' | | | | | |- |Ablehnung | 89,0 | 91,1 | 86,6 | 65,6 | 44,2 | 87,8 |- |Akzeptanz | 5,2 | 2,9 | 6,3 | 14,4 | 31,7 | 6,3 |- | '''[[Wale|Walfleisch]]''' | | | | | |- | Ablehnung | 93,1 | 92,8 | 79,1 | 40,7 | 38,5 | 87,7 |- | Akzeptanz | 2,0 | 2,3 | 8,5 | 32,5 | 37,4 | 6,7 |- | '''Wildvögel''' | | | | | |- | Ablehnung | 48,8 | 44,7 | 78,1 | 42,2 | 32,2 | 38,2 |- | Akzeptanz | 24,1 | 30,6 | 10,7 | 31,1 | 34,1 | 38,5 |- |} == Kannibalismus == [[Datei:Cannibals.23232.jpg|thumb|Kannibalismus durch die [[Tupinambá]], Illustration zu einem Reisebericht von [[Hans Staden]], 1557]] Mittlerweile gilt [[Kannibalismus]] in fast allen Kulturen als starkes Tabu, das häufig als Maßstab für [[Zivilisation]] angesehen wird. Sozial akzeptiert wird der Verzehr von Menschenfleisch nur in Ausnahmesituationen, zum Beispiel bei [[Schiffbruch|Schiffbrüchigen]], die nur so überleben können. Marvin Harris begrenzt den Begriff auf „den gesellschaftlich sanktionierten Verzehr von Menschenfleisch bei gleichzeitigem Vorhandensein anderer Nahrungsmittel“,<ref>Marvin Harris, S. 216</ref> wobei der Ausdruck Nahrungsmittel in diesem Fall umstritten ist. Archäologische Funde deuten darauf hin, dass Kannibalismus in der Frühgeschichte der Menschheit verbreitet war. Die ältesten entsprechenden Knochenfunde sind rund 350.000 Jahre alt und wurden in [[China]] gefunden. Auch aus der Zeit der [[Neandertaler]] gibt es solche Funde, die eindeutige Bearbeitungs- und auch Feuerspuren aufweisen, denn das Fleisch wurde offenkundig nicht roh verzehrt. Menschenopfer als Teil eines religiösen [[Kult (Religion)|Kultes]] wurden in [[Bad Frankenhausen]] in [[Thüringen]] entdeckt.<ref>[http://www.go-with-us.de/pressemitteilung/steinzeit_grausame_menschenopfer_und_kannibalis Kannibalismus in der Frühzeit der Menschen]</ref> Anthropologen und Ethnologen unterscheiden im Allgemeinen vier Formen von Kannibalismus: * den so genannten ''profanen Kannibalismus'', bei dem Menschenfleisch als Nahrungsmittel angesehen wird * den ''antisozialen Kannibalismus'', auch ''Kriegskannibalismus'' genannt, bei dem gefangene Feinde getötet und gegessen werden * den ''gerichtlichen Kannibalismus'', bei dem Verurteilte (oft aus der eigenen Gemeinschaft) zur Strafe gegessen werden * den ''rituellen Kannibalismus'' als Teil eines religiösen Kultes<ref>[http://rcswww.urz.tu-dresden.de/~frnz/trinken/essen6.htm Susanne Wetzel: Kannibalismus]</ref> Kannibalismus als Merkmal einer [[Psychische Störung|psychischen Störung]] ist ein Thema der Fachgebiete [[Psychiatrie]], [[Sexualmedizin]] und [[Psychologie]]. Zum rituellen Kannibalismus werden zum Beispiel Begräbnisrituale gezählt, zu denen der Verzehr der Asche Verstorbener gehörte, etwa bei [[Indianer]]n im [[Amazonas]]gebiet. Hintergrund ist die Vorstellung, dass der Geist der Toten so nicht verloren geht, sondern im Körper der Verwandten weiterlebt. Beim Stamm der [[Fore]] in [[Papua-Neuguinea]] wurden die bestatteten Toten nach kurzer Zeit durch die Frauen wieder ausgegraben, die dann das Fleisch verzehrten. Diese Praxis entstand nach Harris erst in den 1920er-Jahren, früher waren lediglich die Knochen nach einer gewissen Zeit wieder ausgegraben worden. In den 1950er-Jahren erkrankten vor allem Frauen dieses Stammes an einer bis dahin unbekannten Krankheit namens [[Kuru (Krankheit)|Kuru]], die wahrscheinlich durch den Verzehr infizierter menschlicher Gehirne ausgelöst wurde. Harris erklärt die Einführung des Kannibalismus bei den Fore damit, dass die Frauen und Kinder des Stammes deutlich weniger Fleisch größerer Tiere zugeteilt bekamen als die Männer und sich überwiegend von Pflanzen, Fröschen und Insekten ernähren mussten. Sie litten daher unter [[Protein]]mangel, so dass der Kannibalismus als Ausweg gedient habe.<ref>Marvin Harris, S. 220 f.</ref> Marvin Harris geht davon aus, dass in den meisten Kulturen Menschenfleisch nur im Zusammenhang mit Kriegskannibalismus verzehrt wurde. Es sei für sie sinnvoller gewesen, Gefangene zu töten und zu essen als diese als [[Sklave]]n zu halten. „Die [[Tupinamba]], [[Huronen]] oder [[Irokesen]] zogen nicht in den Krieg, um Menschenfleisch zu erbeuten; sie erbeuteten Menschenfleisch als ein Abfallprodukt ihrer Kriegszüge. […] Was sie taten, war ein ernährungspraktisch vernünftiges Vorgehen, wenn sie nicht eine tadellose Quelle tierischer Nahrung ungenutzt lassen wollten […]“.<ref>Marvin Harris, S. 235</ref> Die Tabuisierung des Kannibalismus habe nicht aus ethischen und moralischen Gründen eingesetzt, sondern sei ebenfalls Folge einer Kosten-Nutzen-Rechnung, da größere staatlich organisierte Gesellschaften andere Interessen hätten als kleine Gruppen; sie benötigten zum einen mehr Arbeitskräfte und zum anderen Steuerzahler. Außerdem nahm die Haltung von [[Nutztiere]]n zu. So folgert Harris, „[…] daß Menschenfleisch aus den prinzipiell gleichen Gründen seine Eignung zum Verzehr einbüßte wie das Rindfleisch bei den Brahmanen und Hundefleisch bei den Amerikanern: die Bilanz zwischen Kosten und Nutzen sprach dagegen.“<ref>Marvin Harris, S. 241</ref> === Der Opferkult der Azteken === [[Datei:Azteken-Menschenopfer.jpg|thumb|Darstellung einer Opferung bei den Azteken aus dem „Codex Florentino“, um 1570]] Der [[Kannibalismus]] der [[Azteken]] scheint Harris' Theorie zu widersprechen, denn bei ihnen wurde er nicht parallel zur Entwicklung des Staatswesens aufgegeben. Bei den Azteken gehörten massenhafte rituelle [[Menschenopfer]] zu ihrem [[Opferkult der Azteken|Opferkult]], und zwar in erheblichem Ausmaß. Umfangreiche [[Knochen]]funde und gebaute [[Schädel]]türme belegen diese jahrhundertelang geübte Praxis, die erstmals von [[Hernán Cortés]] [[1519]] beschrieben wurde. Die Opferungen fanden in [[Tenochtitlán]] auf der obersten Plattform von [[Pyramide (Bauwerk)|Pyramiden]] im [[Tempel]]bezirk statt. Den Opfern wurde dort von mehreren [[Priester]]n das Herz aus dem Brustkorb geschnitten, das jeweils einer Gottheit geopfert wurde. Der Kopf wurde für die Schädelgerüste abgetrennt, der übrige Körper ging an den Besitzer, der das Opfer bei einem Kriegszug gefangen genommen hatte. Die [[Leiche]] wurde dann als Eintopf bei einem Festmahl verzehrt. Schätzungen der jährlichen Opferzahlen reichen von 15.000 bis 250.000. Geopfert wurden Frauen und Männer, selten Kinder.<ref>Marvin Harris, S. 247 ff.</ref> Dass die Azteken potenzielle [[Sklaverei|Sklaven]] und Steuerzahler aufaßen, erklärt Harris damit, dass sie nicht über eine nennenswerte [[Viehzucht]] verfügten; ihre einzigen [[Haustier]]e waren [[Truthahn|Truthähne]] und [[Hund]]e. Er geht davon aus, dass dies der Oberschicht als [[Fleisch]]quelle nicht ausreichte. Dennoch lehnt er die These von [[Michael Harner]] ab, dass der Kannibalismus eine Folge des Haustiermangels war und der Opferkult gewissermaßen „Fleischbeschaffung auf aztekische Weise“ gewesen sei; in diesem Fall wären seiner Ansicht nach die Kosten für die Beutezüge höher gewesen als der Nutzen.<ref>Marvin Harris, S. 254</ref> „Die Knappheit an tierischer Nahrung bei den Azteken zwang diese nicht notwendig zum Verzehr von Menschenfleisch; sie machte einfach […] die politischen Vorteile einer Unterdrückung des Kannibalismus weniger zwingend.“<ref>Marvin Harris, S. 256</ref> Harris bezeichnet den Kannibalismus der Azteken als Kriegskannibalismus, nach Harner ist es profaner Kannibalismus, im Zusammenhang mit dem religiösen Kult ist es jedoch auch ritueller Kannibalismus. Harris erwähnt nicht, dass im Zentrum des aztekischen Kultes die Sonne stand, die nach der mythischen Überlieferung aus dem Fleisch und Blut geopferter Götter entstanden ist. Das Leben im [[Jenseits]] galt als wichtiger als das irdische Dasein, Zugang zum [[Paradies]] hatten nach ihrem Glauben Geopferte und in der Schlacht gefallene Krieger. Beide Todesarten galten auf einer Skala mit 13 Stufen als die höchsten. Der Lauf der Sonne konnte nach aztekischem Glauben nur durch das Opfern von menschlichem Blut gesichert werden, da sich zuvor die Götter für die Existenz der Welt geopfert hatten.<ref>[http://www.aola.de/21.0.html Infos zur Kultur der Azteken]</ref> Die Fortsetzung des Kannibalismus bei den Azteken lässt sich folglich auch damit erklären, dass sie ihren [[Kult]] nicht mit der Etablierung eines [[Staat]]swesens aufgegeben haben. == Literatur == * [[Eva Barlösius]]: ''Soziologie des Essens.'' Juventa, München 1999, ISBN 3-7799-1464-6 * [[Mary Douglas]]: ''Reinheit und Gefährdung.'' (Originaltitel: ''Purity and Danger: An Analysis of Concepts of Pollution and Taboo.'' 1966.) Berlin 1985, ISBN 3-518-28312-X * [[Marvin Harris]]: ''Wohlgeschmack und Widerwillen. Die Rätsel der Nahrungstabus.'' (Originaltitel ''Good to eat. Riddles of Food and Culture.'' 1985.) Klett-Cotta, Stuttgart 1988, ISBN 3-608-93123-6 * [[Jerry Hopkins]] ''Strange Food. Skurrile Spezialitäten. Insekten, Quallen und andere Köstlichkeiten'' Komet 2001, ISBN 3-89836-106-3 * Dwijendra Narayan Jha: ''The Myth of the Holy Cow.'' Verso Books, Kondon 2002, ISBN 1-85984-676-9 * Stephen Mennell: ''Die Kultivierung des Appetits. Geschichte des Essens vom Mittelalter bis heute'' (Originaltitel: ''All Manners of Food.''). Athenäum, Frankfurt/Main 1988. ISBN 3-610-08509-6 * Perry Schmidt-Leukel (Hrsg.): ''Die Religionen und das Essen.'' Hugendubel, Kreuzlingen 2000, ISBN 3-7205-2115-X * Calvin W. Schwabe: ''Unmentionable Cuisine'', University of Virginia Press 1988, ISBN 0-8139-1162-1 * Monika Setzwein: ''Zur Soziologie des Essens. Tabu, Verbot, Meidung.'' Leske + Budrich, Opladen 1997, ISBN 3-8100-1797-3 * Frederick J. Simoons: ''Eat Not This Flesh. Food Avoidances from Prehistory to the Present'' Wisconsin Press, Madison 1994 (2. Aufl.), ISBN 0-299-14254-X * Sabine Wilke: ''Die verspeiste Esskultur. Nahrung und Nahrungstabus.'' Tectum Verlag, Marburg 2005, ISBN 3-8288-8789-9 == Weblinks == * Rolf Degen: [http://www.sge-ssn.ch/d/printmedien/zeitschrift_tabula/jahrgang_2005/2_2005/report_tabula_2-2005.pdf#search=%22ekel%20nahrung%20angst%22 ''Nicht nur Verdorbenes macht Angst.''] in: ''Tabula.'' SVE, Bern 2005,02. * Daniel M. T. Fessler, Carlos David Navarrete: [http://www.sscnet.ucla.edu/anthro/faculty/fessler/pubs/MeatIsGoodToTaboo.pdf ''Meat is Good to Taboo.''] in: ''Journal of Cognition and Culture.'' Brill, Leiden 2003 (pdf). {{ISSN|1567-7095}} * Nicolai Schirawski: [http://www.pm-magazin.de/de/heftartikel/artikel_id283.htm ''Sehr verehrte Kuh.''] in: ''[[P.M. Magazin]].'' München 2002,09. {{ISSN|0176-4152}} * Ram Puniyani: [http://www.countercurrents.org/comm-puniyani150803.htm ''Beef Eating, Strangulating History.''] in: ''The Hindu.'' Madras 2003. * Alexander Rabl: ''[http://www.alacarte.at/cgi-bin/page.pl?id=1035 Tabuzone Teller.]'' in: ''A La Cart.'' Gourmet-Magazin. D+R Verlag, Wien 2006. == Quellennachweise == <div style="-moz-column-count:3"> <references/> </div> <!--Kategorie:Ernährung--> {{Exzellent}} [[Kategorie:Esskultur]] [[Kategorie:Soziale Norm]] {{Link FA|eo}} {{Link FA|pl}} [[en:Taboo food and drink]] [[eo:Nutrotabuo]] [[es:Alimentos tabú]] [[fr:Tabou alimentaire]] [[he:מאכלות אסורים]] [[ja:食のタブー]] [[pl:Tabu pokarmowe]] [[pt:Tabu alimentar]] [[ru:Запретная пища]] f6bm1giyjhqtxh1mip6c403ci24vdim wikitext text/x-wiki Narzissen 0 23975 26573 2010-04-22T13:34:09Z Bdk 14 f., +bilder zum anbau <!-- Für Informationen zum Umgang mit dieser Tabelle siehe bitte [[Wikipedia:Taxoboxen]]. --> {{Taxobox | Taxon_Name = Narzissen | Taxon_WissName = Narcissus | Taxon_Rang = Gattung | Taxon_Autor = [[Carl von Linné|L.]] | Taxon2_LinkName = nein | Taxon2_WissName = Narcisseae | Taxon2_Rang = Tribus | Taxon3_WissName = Amaryllidoideae | Taxon3_Rang = Unterfamilie | Taxon4_Name = Amaryllisgewächse | Taxon4_WissName = Amaryllidaceae | Taxon4_Rang = Familie | Taxon5_Name = Spargelartige | Taxon5_WissName = Asparagales | Taxon5_Rang = Ordnung | Taxon6_Name = Monokotyledonen | Taxon6_WissName = | Taxon6_Rang = ohne | Bild = Illustration Narcissus poeticus0.jpg | Bildbeschreibung = [[Weiße Narzisse]], auch Dichternarzisse genannt ''(Narcissus poeticus)'' }} Die '''Narzissen''' ''(Narcissus)'' bilden eine [[Gattung (Biologie)|Pflanzengattung]] in der [[Familie (Biologie)|Unterfamilie]] der [[Amaryllidoideae]] innerhalb der [[Familie (Biologie)|Familie]] der [[Amaryllisgewächse]] (Amaryllidaceae). Die Art ''Narcissus pseudonarcissus '' wird oft auch '''[[Osterglocke]]''' genannt. Der natürliche Verbreitungsschwerpunkt liegt in Südwesteuropa und Nordwestafrika. Nur wenige Arten kommen auch im Küstengebiet des östlichen Mittelmeers vor. Eine Bedeutung in der mitteleuropäischen [[Gartenkunst]] haben Narzissen seit der sogenannten [[orientalischen Phase]] von 1560 bis 1620, als sie gemeinsam mit [[Tulpen]] und [[Hyazinthen]] in die Gartenkultur gelangten. Heute gibt es mehr als 24.000 Kulturformen. Im Spätwinter und Frühjahr gehören Narzissen zu den wichtigsten Pflanzen des Blumenhandels. == Der Name == Die Bezeichnung Narzisse leitet sich von dem [[Griechische Sprache|griechischen]] Wort νάρκειν ''narkein'' ab, welches „betäuben“ bedeutet (vgl. ''Narkose''). Die [[Dichternarzisse]], die auch in [[Griechenland]] wächst, strömt tatsächlich einen sehr intensiven und betäubenden Geruch aus. Die [[Römisches Reich|Römer]] übernahmen den griechischen Pflanzennamen als ''narcissus''. [[Ovid]] hatte in seinen [[Metamorphosen (Ovid)|Metamorphosen]] die Sage von [[Narkissos]] geschildert und dabei die Pflanze so eindeutig beschrieben, dass es sich zweifelsfrei um die heute als Narzissen bezeichneten Pflanzen handelte. Als [[Carl von Linné]] sein binäres System der Pflanzennamen schuf, behielt er das Wort ''Narcissus'' bei. Die Bezeichnung ''Narcissus poeticus'' für die Dichternarzisse ist allerdings erstmals von [[Matthias Lobelius]] verwendet worden. == Beschreibung == === Habitus und Laubblätter === [[Datei:Untere Narzissensprossachsel beim Entfalten.JPG|thumb|Austreibende Narzissen, deutlich zu erkennen sind die Scheidenblätter, die die Blätter köchergleich zusammenhalten]] Narzissen sind mehrjährige [[krautige Pflanze]]n, die [[Zwiebel (Pflanzenteil)|Zwiebeln]] als Überdauerungsorgane ausbilden und je nach Art Wuchshöhen zwischen 5 bis 80 Zentimeter erreichen. Zu den Zwergen unter den Narzissen zählt ''[[Narcissus asturiensis]]'', die zwischen fünf und acht Zentimeter hoch wird. Zu den größten Arten zählt die in Mitteleuropa nur sehr selten angebaute [[Italienische Narzisse]], die bis zu 80 Zentimeter lange [[Stängel]] ausbildet. Die Form der [[Blatt (Pflanze)|Laubblätter]] einer Narzisse reicht von linealisch bis riemenförmig. Bei einigen Arten wirken die Laubblätter fast grasartig oder sie sind gar stielrund. Blühstarke Narzissen haben drei, in seltenen Fällen sogar vier Laubblätter. Noch nicht blühfähige Zwiebeln bilden dagegen meist nur zwei Laubblätter aus. Die Laubblätter besitzen eine dicke, stark [[Cutin]]-haltige [[Cuticula]]. Dies verleiht ihnen eine glatte, wachsartige Oberfläche. Bei den meisten Arten überragen die Laubblätter im ausgewachsenen Zustand den Blütenstängel. Bei wenigen Arten biegt sich das Laub während der Blüte in Richtung Boden. Am unteren Ende, knapp über dem Boden, werden die Blätter von zwei farblosen Scheidenblättern umfasst. Die Blattfarbe variiert zwischen mittelgrün und blaugrün. Bei im Frühjahr blühenden Narzissen vergilben die Blätter im Hochsommer und sterben ab, sobald die Samenkapseln reif werden. === Zwiebel === Die Zwiebelbasis bei Narzissen wird von einer korkartigen Bodenplatte gebildet. Aus dieser entspringen die Saugwurzeln, die sich ringförmig am äußeren Rand befinden und bis zu 40 Zentimeter lang werden. Wenn die Pflanze im Hochsommer ihre Blätter einzieht, werden diese Saugwurzeln gleichfalls abgebaut. Ab dem dritten Jahr bilden Sämlinge auch Ziehwurzeln aus. Sie verkürzen sich im Laufe einer Wachstumsperiode um mehrere Millimeter und sind daher in der Lage, die Zwiebeln tiefer in den Boden zu ziehen. Das Wachstum der Zwiebel erfolgt von innen nach außen, so dass die im Vorjahr gebildeten Zwiebelschalen nach außen gedrängt werden. Diese verfärben sich braun und werden trocken, so dass sie die Zwiebel wie eine lose sitzende Schale umgeben. Insbesondere die Wildarten können sehr viele solcher Zwiebelhäute ausbilden. Bei einigen Naturarten hat man bis zu 60 gezählt. Auf dem Zwiebelboden entwickelt sich der Blütenstängel, auf dem in einem knospigen Zustand die Blütenanlage des folgenden Frühjahrs vorhanden ist. Darum herum befinden sich jeweils zwei bis drei Laub- und Scheidenblätter. Der Blütenstängel und die Blütenanlage des übernächsten Jahres befinden sich in der Achsel des zweiten Laubblattes. === Blütenstände und Blüten === [[Datei:Jonquil up close.jpg|thumb|Noch knospige Blüte einer Narzissensorte mit nur einer Blüte je Blütenstand.]] [[Datei:Narzissen im Perlenbachtal.jpg|thumb|Wilde [[Gelbe Narzisse|Osterglocken]] im [[Perlenbachtal]]]] Die [[Blütenstände]] tragen zwischen ein und zwanzig Blüten. Die stark gestauchten traubigen Blütenstände erscheinen doldig. Narzissen haben blattlose und ungeteilte Blütenstandstängel. Die Form des Stängels ist artabhängig. Einige Arten haben etwas zusammengedrückte Stängel mit einem deutlich sichtbaren Kiel. Bei anderen Arten ist der Stängel rund. Grundsätzlich steht der Stängel aufrecht und befindet sich in der Mitte der Blätter, da das apikale [[Meristem]] erst das Laub und zuletzt die Blüte anlegt. Der Stängel ist dabei im oberen Teil hohl und in Richtung Zwiebel zunehmend mit einem schwammigen Gewebe gefüllt. Bei einigen wenigen Arten wie etwa ''[[Narcissus hedraeanthus]]'' steht der Stängel schräg. Die Blütenfarbe der Narzissen reicht von Weiß über Gelb bis Orange. Die zwittrigen [[Blüte]]n sind dreizählig. Die Blütenhülle ist, wie bei monokotylen Pflanzen üblich, nicht in [[Kelchblatt|Kelch]] und [[Kronblatt|Krone]] gegliedert, sondern besteht aus gleichaussehenden Blütenhüllblättern. Man spricht daher von einem [[Perigon]] mit sechs [[Tepal]]en (Perigonblätter). Diese Blütenform ist auch für [[Tulpen]] und [[Lilien]] typisch. Zusätzlich besitzen Narzissen eine Nebenkrone. Die Blütenform ist sehr variabel. Die Perigonblätter – im folgenden auch zusammenfassend als Hauptkrone bezeichnet – können je nach Art im rechten Winkel zur Blütenachse stehen, sich nach vorne neigen oder nach hinten umgeschlagen sein. Letzteres ist vor allem bei den [[Alpenveilchen-Narzisse]]n und der von ihr abstammenden Sorten typisch. Bei einigen Arten wie beispielsweise der [[Reifrock-Narzisse]] ist die Hauptkrone sehr klein und unauffällig. Der Reiz dieser Narzissen liegt in der dominierenden Nebenkrone. Die Nebenkrone (manchmal auch Paracorollar genannt) wurde im Lauf der Entwicklung der Narzissen-Blüte aus den in der Blüte vorhandenen [[Staubfaden|Staubfäden]] gebildet. Diese verwuchsen zu einem röhrenförmigen Gebilde. Anfangs noch vorhandene, innen anheftende [[Staubbeutel]] wurden reduziert. Im Laufe der weiteren Entwicklung bildete die Blüte neue Staubblätter aus. Die übrig gebliebene Nebenkrone bildet an ihrer Basis intensiv riechende Duftstoffe, weshalb sie auch als Duftmal bezeichnet wird. Aufgrund dieser Funktion fördert die Nebenkrone den Besuch der Blüte durch potentielle Bestäuber. Die Nebenkrone war und ist das Ziel intensiver züchterischer Bearbeitung und bildet je nach Länge eine Trompete, einen Becher oder eine Schale aus oder ist, wie bei der Dichternarzisse, sehr stark zurückgebildet. Des Weiteren besitzt die Blüte sechs [[Staubblatt|Staubblätter]] und einen [[Stempel (Botanik)|Stempel]] mit einem drei[[Narbe (Botanik)|narbigen]] [[Griffel (Botanik)|Griffel]]. === Früchte und Samen === Aus befruchteten Blüten entwickeln sich dreikammerige [[Kapselfrüchte]] mit zahlreichen [[Same (Pflanze)|Samen]]. Bei den meisten Arten enthält jede der Kammern 12 Samenanlagen, so dass maximal 36 Samenkörner gebildet werden. Bei einigen wenigen Arten, wie beispielsweise der [[Reifrock-Narzisse]] ist die Zahl der Samen höher. Keine der Arten bildet jedoch mehr als 60 Samen aus. Bis zu ihrer Reife benötigen Samen etwa fünf bis sechs Wochen. Bei den Narzissen der Sektion Jonquillae und der Sektion Bulbocodium sind die reifen Samen keilförmig und mattschwarz, bei den anderen Sektionen länglichrund und glänzend schwarz. Bei den Kapselfrüchten handelt es sich um [[Spaltkapsel]]n, die bei Reife an den Rückennähten jeden [[Fruchtblatt]]es aufreißen. Man bezeichnet diese Kapseln entsprechend auch als rücken- oder fachspaltig beziehungsweise als [[Lokulizide Kapsel|lokulizid]]. Lokulizide Kapseln treten neben den Narzissen auch bei [[Schwertlilien]] und [[Nachtkerzen]] sowie bei einer Reihe von [[Liliengewächse]]n auf. Narzissen sind dabei [[Windstreuer|Wind-]] und [[Tierstreuer]]. Ein Windstoß oder die Bewegung durch ein vorbeistreifendes Tier reicht aus, um den Samen aus der Kapsel herausfallen zu lassen. == Verbreitung == [[Datei:Narcissus.poeticus.1658.jpg|thumb|[[Dichter-Narzisse]] in der [[Steiermark]], [[Österreich]] auf etwa 1750 NN.]] [[Datei:Narzissenfeld.jpg|thumb|Wildnarzissen im Eifeler [[Perlenbachtal]]]] Narzissen waren ursprünglich im südlichen Europa beheimatet mit Hauptverbreitungsschwerpunkt auf der [[Iberische Halbinsel]]. Von dort aus haben einige Arten den Sprung über die Meerenge von [[Gibraltar]] geschafft und besiedeln heute auch die [[Nordafrika|nordwestafrikanische Küste]]. Die herbstblühende ''[[Narcissus elegans]]'' ist beispielsweise heute an der Küste von [[Marokko]] bis [[Libyen]] zu finden. Sie kommt außerdem an den Küsten [[Korsika]]s, [[Sardinien]]s und [[Italien]]s vor. Ähnliches gilt für die [[Reifrock-Narzisse]] ''(Narzissus bulbocodium)'', die in Nordafrika in einem schmalen Verbreitungsband von [[Tanger]] bis nach [[Algier]] vorkommt. Zwischen [[Tanger]] und [[Marrakesch]] weist sie außerdem ein [[Disjunktion (Biologie)|disjunktes]] Verbreitungsgebiet auf und ist außerdem auf der westlichen Iberischen Halbinsel zu finden. Die Küsten des gesamten Mittelmeerraumes dagegen hat ''[[Narcissus serotinus]]'' besiedelt. Die [[Tazette]] findet man auch im [[Iran]] und im [[Kaschmir]]. Da diese Narzissenart zu den ältesten in Kultur befindlichen und am frühesten züchterisch bearbeiteten Narzissen gehört, muss man davon ausgehen, dass sie zumindest im Kaschmir eingeführt wurde. Besonders großräumige Verbreitungsgebiete weisen die [[Dichter-Narzisse]] ''(Narcissus poeticus)'' und die als [[Osterglocke]] bekannte ''Narcissus pseudonarcissus'' auf. Das Verbreitungsgebiet der Dichternarzisse reicht in östlicher Richtung von den [[Pyrenäen]] entlang der [[Rumänien|rumänischen]] [[Karpaten]] bis zum [[Schwarzes Meer|Schwarzen Meer]] und entlang der dinarischen Küste bis nach [[Griechenland]]. Die Osterglocke kommt von der Iberischen Halbinsel über die Vogesen bis nach Nordfrankreich und Belgien vor und hat auch den Sprung nach [[Großbritannien (Insel)|Großbritannien]] geschafft, wo es wilde Bestände noch in [[Schottland|Südschottland]] gibt. Das einzige Vorkommen in [[Luxemburg]] befindet sich in der Nähe von Lellingen, einem Ortsteil der Gemeinde [[Kiischpelt]]. In [[Deutschland]] ist es vor allem das [[Naturschutzgebiet Perlenbach-Fuhrtsbachtal]] und der [[Nationalpark Eifel]], wo man im Frühjahr unweit von [[Monschau]] auf Wiesen mit den gelbblühenden Wildnarzissen trifft. Eines der östlichsten Vorkommen findet man in [[Misselberg]] bei Nassau an der [[Lahn]]. Die überwiegende Zahl der Narzissenarten hat, verglichen mit den oben genannten Arten, nur ein sehr kleines Verbreitungsgebiet. Die Verbreitungsgebiete der Arten überlappen sich dabei und bilden an diesen Stellen auch [[Hybride|Naturhybriden]] aus. So findet man in der Nähe der [[Portugal|portugiesischen]] Stadt [[Porto]] eine Region, in der sowohl die Osterglocke als auch ''[[Narcissus triandrus]]'' vorkommen. Dort treten verschiedene Kreuzungen aus den beiden Arten auf. In einem kleinen Teilabschnitt entlang des portugiesischen Flusses [[Montego]] findet man dagegen Kreuzungen zwischen ''[[Narcissus scaberulus]]'' und ''Narcissus triandrus''. == Standortanforderungen == Die Standortanforderungen der einzelnen Narzissenarten sind sehr variabel. Überwiegend bevorzugen sie jedoch saure Böden; einige wenige Arten wachsen allerdings auch auf Kalk, andere, wie etwa ''[[Narcissus scaberulus]]'', wachsen auf [[Granit]]böden, die während der Wachstumsperiode sehr feucht sind, aber in den Sommermonaten vollständig austrocknen. Auch ''[[Narcissus dubius]]'' gedeiht nur in Regionen mit heißen und trockenen Sommern. Die auch in Deutschland wildwachsende Osterglocke schätzt dagegen kalkarme, lichte Standorte auf Bergwiesen oder in [[Mischwald|Mischwäldern]] aus [[Tannen]], [[Buchen]], [[Eichen]], [[Erlen (Botanik)|Erlen]], [[Eschen (Pflanzengattung)|Eschen]] und [[Birken]] und bevorzugt einen gut dränierten Stand in kleinen Gruppen. == Krankheiten und Schädlinge == === Virus- und Pilzkrankheiten === [[Datei:Narcissus pseudonarcissus 030405.jpg|thumb|[[Osterglocke]]n – Die Krankheiten und Schädlinge der Narzissen können vor allem im kommerziellen Anbau erhebliche finanzielle Schäden nach sich ziehen]] Vor allem durch [[Blattläuse]] werden gelegentlich Virenkrankheiten auf Narzissen übertragen, die Färbung und Form der Blätter verändern. Dazu zählen [[Narzissen-Mosaik]], [[Narzissen-Grauvirus]], [[Braunfleckigkeit]] und [[Silberblättrigkeit]]. Problematisch sind diese Krankheiten nur in auf Narzissen spezialisierte Gärtnereien, da Blattläuse nur selten Narzissen befallen. Die Wachstumshemmungen, die durch die Virenkrankheiten ausgelöst werden können, können einen erheblichen wirtschaftlichen Schaden anrichten. Problematischer auch für Privatgärtner ist dagegen die [[Zwiebelbasalfäule]], eine durch den [[Pilze|Pilz]] ''[[Fusarium bulbigenum]]'' verursachte Krankheit, bei der die Zwiebeln verfaulen und die Narzissenblätter weit vor der normalen Zeit vergilben. Befallene Pflanzen müssen sofort entfernt werden, da der Pilz für mehrere Jahre im Erdboden verbleiben kann. An den Stellen, an denen erkrankte Narzissen gestanden haben, sollten für die nächsten fünf Jahre keine Narzissen mehr gepflanzt werden. Einige Narzissenarten und die von ihnen abstammenden Sorten sind jedoch resistent gegen diese Pilze. Dazu zählen die [[Engelstränen-Narzisse]]n, die [[Tazette]]n und die [[Jonquille]]n. Befall mit dem Schimmelpilz ''[[Botrytis narcissicola]]'' führt gleichfalls zum Verlust der Zwiebeln. Er entsteht vor allem bei nicht sachgerechter Lagerung. Gärtnereien behelfen sich mit [[Kupfersulfat|kupfersulfathaltigen]] Mitteln oder verbrennen stark infizierte Zwiebeln. Der Pilz ''[[Sclerotinia polyblastis]]'' greift dagegen nicht die Zwiebeln an, sondern bildet auf den Blütenknospen und schnittreifen Stängeln kleine wässrige oder braune Flecken. Diese Krankheit ist vor allem für den kommerziellen Anbau bedrohlich, da sie insbesondere bei feuchter Witterung zum völligen Ausfall der Schnittblumenernte führen kann. Zu einer Blattschädigung führt auch der Schimmelpilz ''[[Raumlaria vallisumbrosae]]'', der nur in wärmeren Regionen auftritt. Er führt zu gräulichen oder gelblichen Flecken auf den Laubblättern. Der Pilz ''[[Stagonospokra curtisii]]'' dagegen führt zu bräunlichen Blattspitzen beziehungsweise zu bräunlichen Flecken auf den Blättern. Beide letztgenannten Pilze greifen jedoch nur die Blätter an. Die Zwiebeln werden nicht befallen. === Tierische Schädlinge === [[Datei:Narcissus.calcicola.7113.jpg|thumb|hochkant|''[[Narcissus calcicola]]'']] Es gibt drei Fliegenarten, deren Larve Narzissenzwiebeln schädigen. Dies sind die [[Große Narzissenfliege]] (''Merodon equestris'') und die zwei Fliegenarten ''[[Eumerus tuberculatus]]'' und ''[[Eumerus strigatus]]'', die im Deutschen beide als Kleine Narzissenfliege bezeichnet werden. Die Fliegen legen bis Ende Juni ihre Eier am Grund der Narzisse ab, wobei ein einziges Fliegenweibchen bis zu fünfzig Eier legen kann. Die schlüpfenden Maden bohren sich durch den Boden zur Zwiebel und fressen deren Inneres. Sie überwintern in der leeren Zwiebelhülle, verlassen diese im April und [[Puppe (Insekt)|verpuppen]] sich dann im Boden, um im Mai auszufliegen. [[Milben]] befallen vor allem gelagerte Zwiebeln und vermehren sich besonders bei hoher Umgebungstemperatur. Bei gepflanzten Zwiebeln können sie keinen großen Schaden mehr anrichten. Hier sind es vor allem [[Nematoden]], die bei starkem Befall das Leitungssystem verstopfen können, so dass die Laubblätter langsam verkrüppeln oder vergilben, während gleichzeitig höckerige Ausbuchtungen sichtbar werden. Hauptverantwortlich für dieses Erscheinungsbild ist vor allem ''[[Ditylenchus dipsaci]]'', der auch andere Pflanzen wie ''[[Allium]]'', ''[[Stellaria]]'', ''[[Plantago]]'' und ''[[Hieracium]]'' befällt. Befallene Zwiebeln müssen vernichtet werden. Auf Flächen, auf denen Narzissen einen starken Nematodenbefall aufwiesen, sollten für die nächsten fünf Jahre keine anfälligen Pflanzenarten gepflanzt werden. Im Hausgarten werden solche Flächen häufig mit [[Tagetes]] bepflanzt. [[Schnecken]] schädigen bei aus kräftigen Zwiebeln hervorwachsende Narzissen weder Laub noch die Zwiebel. Sie können jedoch die Blüten abfressen. Gefährdet sind außerdem die Sämlinge aus Narzissensamen. == Gift- und Heilpflanze Narzisse == Narzissen enthalten wie alle Amaryllisgewächse Amaryllidaceen-Alkaloide. Je nach Art können dies unterschiedliche sein. Die [[Gelbe Narzisse]] beispielsweise enthält die [[Alkaloid]]e [[Narcissin]], [[Galantamin]] und [[Lycorin]]. Die [[Dichternarzisse]] enthält statt dem Lycorin [[Narcipoetin]]. Für die Pflanze stellen die Alkaloide einen natürlichen Schutz gegen [[Parasiten]]befall dar. Narzissen enthalten außerdem [[Fruktane]] und niedermolekulare [[Glukomannane]], die unter anderem in den Blättern und Pflanzenstängeln reichlich enthalten sind. [[Datei:Narcissus.requienii.7103.jpg|thumb|''[[Narcissus assoanus]]'', gelegentlich auch noch als ''N. juncifolius'' oder ''N. requienii'' bezeichnet]] Zu Vergiftungen kommt es gelegentlich, weil die Zwiebeln im Ruhezustand denen der [[Zwiebel|Küchenzwiebel]] sehr ähnlich sehen. Der Verzehr von Narzissenzwiebeln kann zu Würgereiz, [[Erbrechen]], [[Diarrhoe]], Schläfrigkeit, Schweißausbruch, Benommenheit, Kollaps und Lähmungserscheinungen führen. Bei sehr großen Dosen kann es auch zum Tod kommen. Ärzte behandeln Vergiftungen durch Narzissenzwiebeln häufig mit [[Aktivkohle|Kohlegaben]] und symptomatischen Therapien. Bei Tieren hat man bei Narzissenvergiftungen eine [[Degeneration]] der Leber festgestellt. Durch den Saft der Pflanze können lokal Hautreizungen auftreten. Es handelt sich dabei um eine [[Kontaktdermatitis]], die auch als „Narzissenkrankheit“ bezeichnet wird und vor allem bei Gärtnern auftritt. Die Symptome klingen nach der Narzissenernte auch ohne Behandlung wieder ab. Es handelt sich dabei um eine toxische Reaktion auf Inhaltsstoffe der Narzisse wie [[Oxalsäure]], [[Chelidonsäure]] und Lycorin. Das Alkaloid Galantamin, das beispielsweise in der Gelben Narzisse vorkommt, hat eine Zulassung zur symptomatischen Behandlung leichter bis mittelgradiger [[Demenz]] bei [[Alzheimer-Krankheit|Alzheimer-Erkrankten]] erhalten. Es wurde 1953 erstmals aus den Zwiebeln des [[Kaukasisches Schneeglöckchen|Kaukasischen Schneeglöckchens]] isoliert und anfangs unter anderem zur Aufhebung der durch [[Curare]]-Verbindungen ausgelösten Muskelentspannung bei Operationen und krankhafter Muskelschwäche eingesetzt. Narzissen besitzen heute allerdings keine arzneiliche Bedeutung mehr. Die Galantamin-Synthese ist in industriellem Maßstab möglich. In der [[Volksheilkunde]] haben Narzissen nur gelegentlich eine Rolle gespielt und wurden überwiegend für Hauterkrankungen, als [[Brechmittel]] sowie als Heilmittel bei Erkältungskrankheiten und [[Keuchhusten]] verwendet. == Kulturgeschichte == === Altertum === Der älteste Beleg, dass Narzissen als Blumenschmuck verwendet wurden, ist ein in einem altägyptischen Grab gefundener Kranz aus weißblühenden Tazetten. Der im achten oder siebten Jahrhundert vor Christus lebende griechische Dichter [[Stasinos]] erwähnt in den sogenannten zyprischen Gesängen, in denen er die Blumenpracht der Insel Zypern besingt, ebenfalls Narzissen ''(Wie Ambrosia die Blüten der Narzissen)''. [[Theophrastos von Eresos|Theophrast]] erwähnt gleichfalls eine Blume mit der Bezeichnung ''narkissos'' und dürfte damit vermutlich die ''[[Narcissus serotinus]]'' gemeint haben, die in den Küstengebieten Griechenlands und im südlichen [[Kleinasien]] vorkommt. Die in [[Pompeji]] ausgegrabenen [[Wandmalerei|Wandgemälde]] weisen darauf hin, dass die Römer neben der Dichternarzisse auch die Osterglocke bereits kannten. === Gartenkultur im westlichen Europa === [[Datei:Narcissus tazetta L. var chinensis Roemer.jpg|thumb|Dichter Bestand von [[Tazette]]n – Tazetten wurden bereits im alten Ägypten als Blumenschmuck verwendet]] In Mitteleuropa wird die Narzisse bis nach dem [[Mittelalter]] kaum in Schriften erwähnt. Sie ist gelegentlich in der Buchmalerei zu sehen und erscheint im späten Mittelalter auch auf mittelalterlichen [[Tafelgemälde]]n, und zwar insbesondere auf solchen, die die [[Kreuzigung]]sszene darstellt. Im [[Wallraf-Richartz-Museum]] in [[Köln]] gibt es ein als „Kalvarienberg“ bezeichnetes Gemälde eines unbekannten Meisters aus dem ausgehenden Mittelalter, auf dem Narzissen als Symbol der Hoffnung auf die Wiederauferstehung zu sehen sind. Zu den wenigen, die die Narzisse auch schriftlich erwähnen, zählt [[Albertus Magnus]], der ein Kraut namens ''narcissus'' erwähnt, dessen Blätter er mit denen von Lauch vergleicht. Während der Renaissance wurde es in Mittel- und Zentraleuropa üblich, Gärten und Parkanlagen mit möglichst exotischen Zierpflanzen zu gestalten. In der als [[orientalische Periode]] bezeichneten Zeit von 1560 bis 1620 wurden insbesondere aus dem südlichen und südöstlichen Europa vor allem [[Tulpen]], [[Hyazinthen]] sowie Narzissen eingeführt. [[Joachim Camerarius der Jüngere|Joachim Camerarius]] pflegte 1588 in seinem [[Nürnberg]]er Garten bereits neun unterschiedliche „Sippen“ von Narzissen; der [[Hortus Eystettensis]] verzeichnet für das Jahr 1613 bereits 43. Die Narzisse erlangte in dieser Zeit keine so große Popularität wie die Tulpe, die vor allem in der sogenannten [[Tulpenmanie]] zu einem begehrten Spekulationsobjekt wurde. Man baute aber bereits im größeren Stile Trompetennarzissen an und verkaufte Dichter- und Reifrocknarzissen. Auch erste gefüllte Narzissen wurden aus [[Istanbul]] importiert. Im [[Barock|frühbarocken]] Garten zählte die Narzisse gemeinsam mit den Tulpen zu den wichtigsten Blütenprachtpflanzen im Frühjahr. Und der [[Pfarrer]] und [[Kirchenlied]]dichter [[Paul Gerhardt]] widmete ihnen eine [[Strophe]] seines bekannten [[Lied]]es ''Geh aus, mein Herz und suche Freud:'' : ''Narzissus und die Tulipan'' : ''Die ziehen sich viel schöner an, : ''Als Salomonis Seide'' Ein Katalog einer holländischen Gärtnerei aus dem Jahre 1739 zählte bereits 50 Sorten auf, darunter mit 'Soleil d'Or' sogar eine Sorte, die bis heute im Handel erhältlich ist. Narzissen wurden zu dieser Zeit vor allem im Haus gepflegt; ein besonderes Interesse brachte man mehrblütigen Tazetten entgegen. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurden allein 50 Millionen Zwiebeln der Tazettensorte 'Paper White' von Holland aus in die [[Vereinigte Staaten|USA]] exportiert. Insbesondere Großbritannien hat in der Narzissenkultur eine große Rolle gespielt. 1804 widmete [[William Wordsworth]], eine der führenden Figuren der englischen [[Romantik]]bewegung den Narzissen sein Gedicht ''I wandered lonely as a cloud'', dessen erste Strophe lautet: : ''I wandered lonely as a cloud : ''That floats on high o'er vales and hills, : ''When all at once I saw a crowd, : ''A host, of golden daffodils; : ''Beside the lake, beneath the trees, : ''Fluttering and dancing in the breeze Die erste Narzissenkonferenz wurde 1884 von der [[Royal Horticultural Society]] in Großbritannien veranstaltet. 1898 folgte in [[Birmingham]] die Gründung der Vorläuferorganisation der jetzigen [[Daffodil Society]], einer Organisation, die besonders attraktive Narzissen jährlich mit Preisen auszeichnet. Die weltweit bekannteste Fachzeitschrift zur Narzissenkultur wird allerdings heute von der [[American Daffodil Society]] herausgegeben. === Narzissen in der chinesischen Kultur === Narzissen, die zu der Gruppe der Tazetten zählen, gelangten vermutlich durch [[Araber|arabische]] Händler über die [[Seidenstraße]] nach [[Kaiserreich China|China]]. Als Gartenpflanze hat sie in der [[Gartenkunst in China|chinesischen Gartenkunst]] keine besondere Bedeutung errungen. Sie gilt jedoch als Glückssymbol. [[Marianne Beuchert]], die zu den besten Kennern der chinesischen Gartenkunst zählt, schildert, dass Narzissen bis heute als sogenannte ''einhundertköpfige Wasserfee'' beim chinesischen Neujahrsfest als besonderes Glückszeichen gelten. Die Narzissenzwiebeln werden dazu nach ihrer Rodung mehrfach eingeschnitten, so dass bis zu zehn Blütenstiele aus einer Narzissenzwiebel wachsen. Da es sich um mehrblütige Narzissen handelt und mehrere Zwiebeln eng in Schalen gepflanzt werden, können so in einer kleinen Schale bis zu 100 Blüten entstehen. === Narzissen in der islamischen Kultur === Narzissen zählen in der [[Islam|islamischen Kultur]] zu den beliebtesten Gartenblumen. Vom [[Perserreich|persischen]] Herrscher [[Chusrau Anuschirwan]], der von 537 bis 579 regierte, wird überliefert, dass er Narzissen so sehr verehrte, dass er nicht an [[Gelage]]n teilnehmen könne, da ihre Blüte ihn an Augen erinnere. In der arabischen Dichtkunst ist seit dem ausgehenden 8. Jahrhundert die Gleichsetzung von Narzisse und Auge festgelegt. Dieses Bild besteht bis heute. Im 19. Jahrhundert hat der [[Indien|indische]] [[Urdu]]-Dichter [[Mirza Ghalib]] deshalb festgehalten: : ''Damit sie das Grün und die Rose erblicken kann, : ''hat Gott dem Auge der Narzisse die Kraft zum Sehen verliehen'' (<small>zit. n. Schimmel, 2001, S. 103</small>) [[Datei:Narcissus poeticus.jpg|thumb|Blüte einer Dichternarzisse – in der arabischen Dichtkunst wird die Blüte dem Auge gleichgesetzt]] Nicht immer ist das Bild so positiv. Das weiße Auge der Narzisse kann auch ein blindes Auge sein oder auch ein von Schlaflosigkeit gezeichnetes. Gelegentlich wird die Narzissenblüte auch als Symbol für ein von Liebessehnsucht blind geweintes Auge verwendet. Eines der berühmtesten Narzissengedichte der arabischen Dichtkunst stammt von [[Abu Nuwas]] aus dem 9. Jahrhundert. : ''Schau an der Erde Gärten und betrachte : ''die Spur des Künstlerwerks von Gott dem Herrn, : ''wo Silberaugen, in die Höhe blickend : ''mit wie aus Gold geschmolznem Augenstern : ''auf dem smaragdnen Stiele Zeugnis geben, : ''dass Gott erkennet keinen Nebenherrn.'' (<small>zit. n. Schimmel, 2001, S. 99</small>) Die [[Islamwissenschaft]]lerin [[Annemarie Schimmel]] hat dazu auf die im arabischen Raum verbreitete Legende hingewiesen, dass der wegen seiner Trinklieder und obszönen Liebeslieder eigentlich zum Sünder verdammte Abu Nuwas eben wegen dieses Narzissengedichtes doch noch in das [[Garten Eden|Paradies]] aufgenommen wurde. Die hohe Wertschätzung, die Narzissen im Vorderen Orient erfuhren und erfahren, drückt sich auch in einem [[Mohammed]] zugeschriebenen Ausspruch aus: : ''Wer zwei Brote hat, verkaufe eines und kaufe sich Narzissenblüten dafür; denn Brot ist nur dem Körper Nahrung, die Narzisse aber nährt die Seele.'' (<small>zit. n. [[Heinz-Dieter Krausch|Krausch]], 2003, S. 305</small>) == Narzissen als Gartenpflanzen == Während einige Wildnarzissenarten spezielle Anforderungen an den Boden stellen, kommen die Narzissensorten, die im Gartenhandel angeboten werden, mit den meisten Gartenböden gut zurecht. Bei wasserspeichernden und lehmigen Böden muss allerdings dafür gesorgt werden, dass durch Beimischung von Sand ein besserer Wasserabzug gewährleistet ist. Neutrale Böden mit einem [[pH-Wert]] von 7 sind am besten für die Narzissenkultur geeignet. [[Datei:Narzissen Gartenpflanze.jpg|thumb|Narzissenblüte Anfang April in einem Garten in der [[Südsteiermark]] (Österreich)]] Narzissenzwiebeln kommen entweder als [[Rundnase]]n oder [[Doppelnase]]n in den Handel. Als „Nase“ bezeichnet man dabei die Zwiebelenden, an denen die Laubblätter entsprangen. Doppelnasen bilden in der Regel zwei Gruppen von Laubblätter aus und dementsprechend auch zwei Blütenstängel. Zwiebeln mit mehr Nasen sind überaltert und werden im Handel normalerweise nicht angeboten. Während der Anlage einer Hauptknospe bildet die Tochterzwiebel einer gepflanzten Doppelnase eine Nebenknospe in der Blattachsel einer Zwiebelschale aus. Diese rückt mit dem Absterben der äußeren Speicherblätter langsam nach außen und wird zu einer weiteren Tochterzwiebel werden. Um zu verhindern, dass eine einmal eingepflanzte Zwiebel immer mehr kleine und damit blühfähige Zwiebeln ausbildet, ist es daher notwendig, die Zwiebeln nach fünf bis sieben Jahren auszugraben. Tochterzwiebeln werden dann von der Hauptzwiebel abgenommen und getrennt eingepflanzt. Wesentlich ist dabei, dass die Zwiebeln ein Stück der Bodenplatte der Zwiebel mitenthalten, da hier die Saugwurzeln gebildet werden. Narzissen eignen sich besonders gut zur Unterpflanzung von Gehölzgruppen, wo sie in Gruppen von sechs bis zwölf Zwiebeln je Sorte eingesetzt werden. Im [[Staudenbeet]] eignen sie sich besonders für die Kultivierung in Nachbarschaft mit [[Taglilien]]. Taglilien beginnen mit dem Austrieb ihrer Blätter zur Blütezeit der Narzissen. Sie erleben einen Wachstumsschub etwa um die Zeit, zu der die Narzissenblüten verblüht sind und die Narzissenlaubblätter anfangen zu vergilben. Sehr viele Wildarten und einige der Hybriden wie etwa 'Dutch Master', 'Golden Harvest', 'Carlton', 'Kings Court' und 'Yellow Sun' eignen sich auch für die Verwilderung in Rasenflächen. Narzissen sollten nicht abgemäht werden, bevor das Laub vergilbt, da ihre Zwiebeln sonst nicht ausreichend Nährstoffe für die nächste Blüte sammeln können. Blaublühende Zwiebelgewächse wie die der Gattungen ''[[Blausterne|Scilla]]'' und ''[[Muscari]]'' eignen sich ebenfalls zur Verwilderung in Rasenflächen und ergeben mit diesen gelbblühenden Narzissen einen reizvollen Farbkontrast. Narzissenzwiebeln werden im Gegensatz zu Tulpenzwiebeln nicht von [[Wühlmäuse]]n gefressen. Diese Gattung eignet sich daher besonders für Gärtner, die gelegentlich Probleme mit diesen [[Nagetiere]]n haben. In [[Obstgarten|Obstgärten]] werden Narzissen daher sogar gelegentlich auf die sogenannten [[Baumscheibe]]n, um die [[Obstbaum|Obstbäume]] herum gepflanzt, um deren Wurzeln auf diese Weise vor einer Benagung durch Wühlmäuse zu schützen. == Narzissen im kommerziellen Anbau == [[Datei:New Holland TL 90 and field sprayer 2.jpg|thumb|[[Spritze (Gerät)|Feldspritze]] im Einsatz in der europäischen Narzissenproduktion]] [[Datei:Narcissus field near Keukenhof.jpg|thumb|Narzissenanbau in den Niederlanden]] === Hauptanbauland Niederlande === [[Datei:Yate.daffodils.arp.jpg|thumb|Straßenbild in [[Yate]], [[Vereinigtes Königreich|Großbritannien]] – nach Holland zählt Großbritannien zu den großen Anbauländern von Narzissen]] Die [[Niederlande]] ist das Land, das im Anbau von Blumenzwiebeln weltweit eine Sonderstellung einnimmt. Auch der kommerzielle Anbau von Narzissen findet vor allem hier statt. Auf etwa 16.700 Hektar werden Blumenzwiebeln angebaut, davon entfallen auf Narzissen etwa 1.800. In den 1990er Jahren wurden hier jährlich etwa 260 Millionen Narzissenzwiebeln herangezüchtet. Bedeutsamer als diese Gattung sind lediglich die [[Tulpen]], [[Gladiolen]], [[Schwertlilien]] (Iris), [[Krokusse]] und [[Lilien]]. Die Anzahl der produzierten Sorten ist verhältnismäßig gering. Auf 20 Hybriden entfallen etwa zwei Drittel der Anbaufläche. Wichtigste Sorten sind die gelbe 'Carlton' und die weiße 'Ice Follies', die beide in der weiter unten dargestellten Klassifikation von Narzissensorten zur Klasse zwei gehören. Ebenso wie die beiden weiteren Hauptanbausorten 'Dutch Master' und 'Golden Harvest' handelt es sich um Sorten, die schon lange angebaut werden. 'Carlton' und 'Golden Harvest' wurden bereits 1927 als Sorte eingeführt, 'Ice Follies' ist die jüngste Sorte und stammt aus dem Jahre 1953. Neben Holland bestehen vor allem in [[Vereinigtes Königreich|Großbritannien]] große kommerzielle Betriebe, die sich auf den Anbau von Narzissen spezialisiert haben. === Der kommerzielle Anbau === Kommerziell werden Narzissenzwiebeln über das sogenannte [[Twin-scaling]] vermehrt. Dazu werden Zwiebeln in kleinste Teile zerteilt, so dass zwei nebeneinanderliegende Zwiebelschalen noch durch ein winziges Stück Zwiebelboden miteinander verbunden sind. Nach einer Desinfektion werden sie auf speziellen Nährböden herangezogen. Aus einer einzigen Mutterzwiebel können so etwa 25 bis 35 neue Pflanzen gezogen werden, die nach vier Jahren blühfähig sind. Die „Ernte“ von Zwiebeln, die in den Handel kommen sollen, erfolgt im Sommer. Aufgenommene Zwiebeln werden zunächst sortiert. Um einen Schädlingsbefall zu verhindern, werden Narzissenzwiebeln üblicherweise nach einer Lagerphase von zwei bis drei Wochen einer Heißwasserbehandlung unterzogen. Dieses Bad in 43,5 °C heißem Wasser, dem meist noch ein Beizmittel beigegeben ist, beugt sowohl der Schädigung durch Narzissenfliegen als auch dem Befall durch Nematoden vor. Anschließend werden die Zwiebeln bei relativ hoher Temperatur getrocknet. Große kommerzielle Anbauer, die sich vor allem in Holland befinden, lagern ihre Zwiebeln bis zum Verkauf in speziellen Schuppen, in denen eine konstante Raumtemperatur von 15,5 °C herrscht. === Der Handel === [[Datei:Kuekenhoff 006.jpg|thumb|Narzissenanlage auf dem holländischen [[Keukenhof]], einer aus einem [[Sichtungsgarten]] hervorgegangene Touristenattraktion]] Früher ersteigerten Großkunden auf Feldern mit blühenden Pflanzen ganze Flächen und erhielten dann die geernteten Zwiebeln dieser Fläche. Dies ist heute nicht mehr üblich. Vermarktungsbüros verkaufen die Zwiebeln, wobei die Zwiebeln allerdings immer noch weit vor der Ernte verkauft werden. Für Aufkäufer von Blumenzwiebeln gibt es in Holland spezielle [[Sichtungsgarten|Sichtungsgärten]], wo sich Großkunden einen Eindruck von blühenden Pflanzen verschaffen und verschiedene Sorten miteinander vergleichen können. Ausgestellt werden dort neben Narzissen auch andere Zwiebelgewächse wie etwa Tulpen und Hyazinthen. Einzelne sehr große Sichtungsgärten zeigen dabei mehr als 1.000 Narzissenhybriden. Anders als der [[Keukenhof]], eine sehr bekannte holländische Gartenanlage, die vor allem im Frühjahr von tausenden von Touristen besucht wird und auf dessen Fläche nur etwa 100 Narzissenhybriden angebaut werden, sind in diesen Sichtungsgärten Bustouristen nicht erwünscht. Für Individualbesucher sind dagegen diese Gärten frei zugänglich. Ein Kauf von Zwiebeln ist hier für den Einzelkunden allerdings nicht möglich. Kommt es in Sichtungsgärten zu Geschäftsabschlüssen, werden meist mehrere Zentner Narzissenzwiebeln verkauft. Schnittblumen gelangen über die üblichen Handelswege in den Handel. Hochwertige Narzissen werden gelegentlich auch in Treibkisten an Floristen ausgeliefert. Im Einzelhandel werden die Blüten dann je nach Bedarf geerntet. === Narzissentreiberei === Narzissen kommen bereits ab Weihnachten als Schnitt- oder blühende Topfpflanzen in den Handel und werden bis in die Osterzeit angeboten. Um den Markt über diese lange Periode mit Narzissen versorgen zu können, müssen die Anbaubetriebe die Narzissenzwiebeln entsprechend vorbehandeln. Sollen sie bereits im Dezember blühen, werden die Zwiebeln im Juni gerodet, anschließend getrocknet und dann zunächst vier Tage lang bei einer Raumtemperatur von 34 Grad gelagert. Dem folgen zwei Wochen Lagerung bei 30 Grad und weitere zwei Wochen bei 17 Grad Raumtemperatur. Die Blühfähigkeit wird über eine dann anschließende Kältelagerung bei konstant 9 Grad erreicht. Pflanzen, die zu Weihnachten zur Blüte gebracht werden sollen, werden in der Regel dicht in magerer Komposterde in Obststeigen ausgepflanzt. Bei einer Kultur im Gewächshaus dauert es je nach Sorte zwischen 19 und 30 Tagen, bis die Pflanzen blühen. Bei Narzissen, die man als Schnitt- oder Topfpflanzen ab Mitte Januar ernten möchte, entfällt die Lagerung bei hohen Temperaturen. Nach der Ernte werden sie zunächst bei 17 Grad zwischengelagert und ab September auf 9 Grad heruntergekühlt. Sie können dann auch schon im Freiland ausgepflanzt werden, wenn sie durch sogenannte Rollhäuser vor zu starken Kälteeinbrüchen geschützt werden. Oft werden in Gärtnereien Narzissen- und andere Blumenzwiebeln auch in mit Erde gefüllten Holzsteigen ausgelegt, mit einer dicken Sandschicht bedeckt und in mit Strohmatten abgedeckten Frühbeetkästen im Freiland ausgestellt. Je nach Bedarf werden dann die Steigen freigelegt und im Gewächshaus bis zur Blüte vorgetrieben. === Zuchtziele === [[Datei:Yellow Daffodil.jpg|thumb|Blüte einer unbekannten Narzissensorte – die Heranzüchtung neuer Sorten mit deutlich farbig abgesetzten Nebenkronen gehört zu den Zuchtzielen]] Die Royal Horticultural Society ist die internationale Registrierungsstelle für neue Narzissenhybriden. Anfang der 1990er Jahre waren mehr als 24.000 Sorten eingetragen. Bei Sorten, die sich auch für den kommerziellen Anbau eignen sollen, gehört es zu den Zuchtzielen, dass die Stiellänge 30 Zentimeter nicht unterschreitet. Dadurch eignen sie sich für den Anbau als [[Schnittblume]]n. Knospig geschnittene Blüten sollen außerdem erst nach einigen Tagen aufgehen. Dies ermöglicht, sie als [[Bundware]] in den Handel zu bringen und zu gewährleisten, dass sie erst beim Floristen, der sie verarbeitet, aufzublühen beginnen. Trotz der sehr hohen Zahl von Sorten werden auch für die Anpflanzung im Garten immer neue Sorten gezüchtet. Hier sind die Zuchtziele vor allem neue Farbkombinationen. So gibt es heute Sorten, deren Nebenkrone rosafarben ist. Gerne im Garten gepflanzt werden vor allem die kleinwüchsigen Sorten. Hier gehört es zu den Zuchtzielen, die Farbpalette der Blüte zu erweitern und vor allem winterharte Hybriden heranzuziehen. == Einteilung der Arten und Sorten == === Die Einteilung der Narzissen in Klassen === Aus gärtnerischer Sicht werden die Narzissenarten und ihre Hybriden in 12 unterschiedliche Klassen, gelegentlich auch als Divisionen bezeichnet, eingeteilt. Ausschlaggebend für diese Einteilung ist meist die Form und Länge der Nebenkrone, die Anzahl der Blüten je Stängel, aber auch die Blühzeit. Diese Form der Klassifizierung ist ein Hilfsmittel, um Bepflanzungen zu planen. Die meisten im Handel erhältlichen Narzissen stammen aus der Klasse 1, den Trompetennarzissen; der Klasse 2, den großkronigen Narzissen und der Klasse 8, den Tazetten, die allerdings in der Gartenkultur bereits anspruchsvoller sind. Die Wildarten stellen innerhalb dieser Klassifizierung eine Ausnahme dar, da sie und die in der Natur vorkommenden Arthybriden grundsätzlich in die Klasse zehn gestellt werden. Eine ausführliche Beschreibung dieser Klassifizierung und den jeweiligen Kulturbedingungen ist im Artikel [[Klassifizierung der Narzissen]] wiedergegeben. === Systematik der Wildarten === [[Datei:NarcissiWithDew.jpg|thumb|[[Strauß-Narzisse]]]] Die Artanzahl innerhalb der Gattung der Narzissen ist nach wie vor umstritten. Walter Erhardt (1993) geht in seiner sehr umfassenden Darstellung der Gattung von 66 verschiedenen Arten aus. Die Gattung der Narzissen ist im Laufe der Gartengeschichte mehrfach nach unterschiedlichen Kriterien klassifiziert worden. 1966 wurde eine Einteilung durch [[Frederick Meyer]] vorgenommen, der bis heute viele deutsche Gärtnereien folgen. In England und in wissenschaftlichen Kreisen wurde dagegen lange Zeit der 1968 veröffentlichen Einteilung von [[Abilio Fernandes]] gefolgt. 1990 erfolgte eine neue Klassifikation durch [[John Blanchard]], bei der auch Varietäten und Subspezies berücksichtigt wurden. Die Darstellung der Narzissenarten im Artikel [[Systematik der Wildnarzissen]] gibt diese Systematik wieder. == Die Narzisse in der griechischen Mythologie == In zwei Sagen der [[Griechische Mythologie|griechischen Mythologie]] spielt die Narzisse eine Rolle. Sie sind von [[Homer]] beziehungsweise von [[Pausanias Periegetes|Pausanias]] überliefert und wurden später von den [[Römisches Reich|römischen]] Dichtern wie etwa [[Ovid]] in ihren Dichtungen verarbeitet. === Der Raub der Persephone === Der Raub der jungen [[Persephone (Mythologie)|Persephone]], der Tochter der [[Demeter]], durch [[Hades]] wird in der homerischen Hymne (5,21) an Demeter geschildert: : ''Fern von Demeter, der Herrin der Ernte, die mit goldener Sichel schneidet, spielte sie und pflückte Blumen mit den Töchtern des Okeanos, Rosen, Krokus und schöne Veilchen, Iris, Hyazinthen und Narzissen. Die Erde brachte die Narzisse hervor als wundervolle Falle für das schöne Mädchen nach Zeus' Plan, um Hades, der alle empfängt, zu gefallen. Sie war für alle, unsterbliche Götter und sterbliche Menschen, ein wundervoller Anblick, aus ihrer Wurzeln wuchsen einhundert Köpfchen, die einen so süßen Duft verströmten, dass der ganze weite Himmel droben und die ganze Erde lachten und die salzige Flut des Meeres. Das Mädchen war bezaubert und streckte beide Hände aus, die Pracht zu greifen. Doch als sie es tat, öffnete sich die Erde und der Herrscher Hades, dem wir alle begegnen werden, brach hervor mit seinen unsterblichen Pferden auf der Ebene von Nysa. Der Herr Hades, Sohn des Kronos, der mit vielen Namen genannte. Um Erbarmen flehend, wurde sie in den goldenen Wagen gezerrt.'' (zit. n. Beuchert, S. 233 f) === Die Sage von Narziss === [[Datei:Michelangelo Caravaggio 065.jpg|thumb|„Narziss“, [[Michelangelo Merisi da Caravaggio|Caravaggio]]]] Die Sage von Ovid berichtet von einem Jüngling mit dem Namen [[Narziss]] oder Narkissos, der von ungewöhnlich reizvollem Erscheinungsbild war. In ihn verliebte sich die [[Nymphe|Quellnymphe]] [[Echo (Mythologie)|Echo]]. Ihr Schicksal war es aber, dass der Jüngling ihr Werben um ihn nicht vernehmen konnte, da sie stets nur die zur ihr gesprochenen Worte zurückgeben konnte. Narziss dagegen spottete über sie, während sie sich so nach ihm verzehrte, dass sie dahinschwand und nur noch ihr Echo zu vernehmen war. Dafür wurde er von [[Nemesis (Mythologie)|Nemesis]], nach anderen Quellen durch [[Aphrodite]], dadurch bestraft, dass er in unstillbare Liebe zu seinem eigenen im Wasser widergespiegelten Abbild verfiel. Damit erfüllte sich die [[Vorhersage]] des Sehers [[Teiresias]], wonach er ein langes Leben nur dann haben werde, wenn er sich nicht selbst kennen lerne. Eines Tages setzte Narziss sich an den See, um sich seines Spiegelbildes zu erfreuen. Durch göttliche Fügung fiel ein Blatt ins Wasser und die so erzeugten Wellen trübten sein Spiegelbild – schockiert von der vermeintlichen Erkenntnis, er sei hässlich (wegen der Wellen, die sein Spiegelbild verzerrten), starb er. Nach seinem Tode wurde er in eine Narzisse verwandelt ([[Pausanias Periegetes|Pausanias]] 9.31,7). == Literatur == * [[Marianne Beuchert]]: ''Symbolik der Pflanzen – Von Akelei bis Zypresse.'' Frankfurt M 1995. ISBN 3-458-34694-5 * John W. Blanchard: ''Narcissus. A Guide to Wild Daffodils.'' Alpine Garden Society, Woking 1990. * ''Blumenzwiebeln und Knollen.'' Dumont's Gartenhandbuch. Dumont, Köln 1998. ISBN 3-7701-4336-1 * Walter Erhardt: ''Narzissen – Osterglocken, Jonquillen, Tazetten.'' Ulmer, Stuttgart 1993. ISBN 3-8001-6489-2 * [[Heinz-Dieter Krausch]]: ''Kaiserkron und Päonien rot... – Entdeckung und Einführung unserer Gartenblumen.'' Dölling und Galitz, Hamburg 2003. ISBN 3-935549-23-7 * [[Annemarie Schimmel]]: ''Kleine Paradiese – Blumen und Gärten im Islam.'' Herder, Breisgau 2001. ISBN 3-451-05192-3 == Weblinks == {{Commons|Narcissus|Narzissen}} * [http://www.narzissenfest.at/ Narzissenfest im Salzkammergut] * [http://www.wdr.de/themen/freizeit/freizeitgestaltung/ostern_2004/freizeittipps/monschau.jhtml Beschreibung eines Wildnarzissenstandortes] * [http://www.giftpflanzen.com/narcissus_pseudonarcissus.html Die Narzisse als Giftpflanze] * [http://www.nrw-stiftung.de/mitgliedschaft/puetz_projekt.php Kurzer Artikel über Narzissentäler in der Eifel] * [http://www.bartleby.com/145/ww260.html Der vollständige Text des Gedichtes ''I wandered lonely as a cloud'' von William Wordsworth] * [http://www.webwalking.lu/de/projects/krauter/Maerz Narzissen in Luxemburg] {{Exzellent}} [[Kategorie:Narzissen| ]] [[Kategorie:Zierpflanze]] [[ar:نرجس (نبات)]] [[bs:Narcis]] [[ca:Narcís (gènere)]] [[ckb:نێرگس]] [[cs:Narcis (rostlina)]] [[da:Narcis]] [[el:Νάρκισσος (βοτανική)]] [[en:Narcissus (plant)]] [[eo:Narciso (floro)]] [[es:Narcissus]] [[et:Nartsiss]] [[fa:نرگس (گل)]] [[fi:Narsissit]] [[fr:Narcissus]] [[fy:Titelroas]] [[he:נרקיס]] [[hi:नरगिस (फूल)]] [[hr:Sunovrat]] [[hsb:Narcisa]] [[hu:Nárcisz]] [[id:Bunga Narcissus]] [[it:Narcissus]] [[ja:スイセン属]] [[ka:ნარგიზი]] [[ko:수선화]] [[la:Narcissus]] [[lb:Narzissen]] [[lt:Narcizas]] [[ms:Pokok Narcissus]] [[nl:Narcis]] [[no:Narsiss]] [[pl:Narcyz]] [[pt:Narcissus]] [[ro:Narcisă]] [[ru:Нарцисс (растение)]] [[sco:Lily]] [[simple:Narcissus (genus)]] [[sl:Narcisa]] [[sv:Narcissläktet]] [[tl:Narsiso]] [[tr:Nergis]] [[vi:Chi Thủy tiên]] 8ux4cz092narcy327aknqqfb5as6f6s wikitext text/x-wiki Nataraja-Tempel 0 23976 26574 2010-05-01T18:27:08Z Aka 244 Tippfehler entfernt [[Datei:Temple Tangore 1.jpg|thumb|upright=1.6|Blick über den Tempelteich auf den Nordgopuram des Nataraja-Tempels]] Der '''Nataraja-Tempel''' (auch ''Sabhanayaka-Tempel'') ist ein [[Hindu-Tempel]] in der Stadt [[Chidambaram]] im [[Indien|südindischen]] Bundesstaat [[Tamil Nadu]]. Er ist [[Nataraja]], einer Erscheinungsform des Gottes [[Shiva]], geweiht. Als Ort, an welchem dem Mythos zufolge Shiva als „König des Tanzes“ seinen kosmischen Tanz vollführt haben soll, gehört der Nataraja-Tempel zu den wichtigsten [[Shivaismus|shivaitischen]] Heiligtümern Indiens. Chidambaram scheint bereits früh ein religiöses Zentrum gewesen zu sein und wird ab dem 7. Jahrhundert in der Dichtung erwähnt. In seiner heutigen Form stammt der Nataraja-Tempel im Wesentlichen aus der Spätzeit der [[Chola]]-Dynastie (11.–13. Jahrhundert) mit einigen Zusätzen aus der [[Pandya]]- und [[Vijayanagar]]-Zeit (13.–16. Jahrhundert). Der Nataraja-Tempel ist ein hervorragendes Beispiel der [[Dravida-Stil|dravidischen Tempelarchitektur]]. Wie es für diesen Baustil kennzeichnend ist, hat der Tempel einen rechteckigen Grundriss und ist nach geometrischen Prinzipien aufgebaut. Der mit über 15 [[Hektar]] sehr weitläufige Tempelkomplex besteht aus vier konzentrischen Bereichen, die um den dem Gott Nataraja geweihten Hauptschrein herum aufgebaut sind. Daneben gehören zu dem Tempelkomplex zahlreiche weitere Bauteile, darunter Nebenschreine, mehrere große Tempelhallen, ein Tempelteich und vier hoch aufragende [[Gopuram]]s (Tortürme). == Geschichte == Der Nataraja-Tempel ist ein gewachsener Gebäudekomplex mit Bauteilen sehr unterschiedlichen Alters, die teilweise mehrfach umgebaut sein können.<ref>Zur Baugeschichte des Nataraja-Tempels siehe u.&nbsp;A. Paul Younger: ''The home of dancing Śivaṉ. The traditions of the Hindu temple in Citamparam'', New York u.a. 1995, S. 81–117.</ref> Daher ist es oft sehr schwierig, das Alter von Gebäudeteilen zu bestimmen. Kein Teil des Tempels lässt sich mit Sicherheit vor die Zeit der späten Chola-Könige (1070–1279) datieren.<ref>Gerd J. R. Mevissen: „Chola Architecture and Sculpture at Chidambaram“, in: Vivek Nanda (Hrsg.): ''Chidambaram. Home of Nataraja'', Mumbai 2004, S. 83.</ref> Es ist aber davon auszugehen, dass die Ursprünge etwa des Hauptschreins weiter in die Vergangenheit zurückreichen. Die frühe Geschichte des Tempels von Chidambaram liegt weitgehend im Dunkeln. Sicher ist, dass das Heiligtum bereits zur Zeit der Dichter [[Appar]], [[Sambandar]] und [[Sundaramurti]] existierte, die im 7. und 8. Jahrhundert in ihren devotionalen ''[[Tevaram]]''-Hymnen Shivas Tanz in Tillai (so der alte Name Chidambarams) besangen.<ref>Younger 1995, S. 83.</ref> Für den Bau des Nataraja-Tempels sind im Westentlichen die [[Chola]]-Könige verantwortlich, die zwischen dem 9. und 13. Jahrhundert über große Teile Südindiens herrschten. Die Cholas machten Nataraja zu ihrer Familiengottheit und begannen, den Tempel von Chidambaram zu fördern. König [[Aditya I.]] (871–907) oder sein Sohn [[Parantaka I.]] (907–955) ließ das Dach des Schreines mit Gold, das die Cholas durch ihre Kriegszüge angehäuft hatten, überziehen.<ref>Younger 1995, S. 94 f.</ref> [[Rajaraja I.]] (985–1014), zu dessen Zeit das Chola-Reich den Höhepunkt seiner Macht erreichte, vernachlässigte den Nataraja-Tempel und ließ stattdessen in der Hauptstadt [[Thanjavur]] den [[Brihadisvara-Tempel]] als Zeichen seiner imperialen Herrschaft errichten. Sein Nachfolger [[Rajendra I.]] (1014–1044) verlegte die Hauptstadt nach [[Gangaikonda Cholapuram]] und erbaute dort ebenfalls einen großen Tempel. Erst unter [[Kulottunga I.]] (1070–1120) wandte sich das Interesse der Chola-Könige wieder dem Nataraja-Tempel zu. Die späten Chola-Könige wählten Chidambaram als ihre Krönungsstätte und scheinen teilweise über längere Zeit im Tempel Residenz gehalten zu haben.<ref>Younger 1995, S. 40.</ref> Der größte Teil des Tempelkomplexes, wie er heute existiert, entstand unter der Herrschaft Kulottungas und seiner Nachfolger im 12. Jahrhundert. Mit dem Niedergang des Chola-Reiches geriet Chidambaram im 13. Jahrhundert in den Einflussbereich lokaler Machthaber sowie der in [[Madurai]] residierenden [[Pandya]]-Könige, die einige Umbauten im Nataraja-Tempel veranlassten. Nach einem kurzen muslimischen Zwischenspiel kam Chidambaram gegen Ende des 14. Jahrhunderts wie ganz Südindien unter die Herrschaft des [[Vijayanagar]]-Reiches. Während die Könige von Vijayanagar an anderen Orten große Tempelbauprojekte unternahmen, veranlassten sie im Nataraja-Tempel nur kleinere Baumaßnahmen. Im Laufe des 18. Jahrhunderts nutzten die Kolonialmächte [[Vereinigtes Königreich|Großbritannien]] und [[Frankreich]] während der [[Karnataka-Kriege]], in denen sie um die Vorherrschaft in Südindien rangen, mehrfach den wehrhaften Nataraja-Tempel als Festung. Wegen der Kriegswirren wurde das Götterbild des Nataraja nach [[Tiruvarur]] in Sicherheit gebracht und kehrte erst 1773 wieder nach Chidambaram zurück.<ref>Younger 1995, S. 146.</ref> Mit dem Beginn der [[Britisch-Indien|britischen Kolonialzeit]] endete die Förderung des Nataraja-Tempels durch königliche Herrscher. Hingegen machten sich ab dem 19. Jahrhundert vor allem reiche Händler aus der Kaste der [[Nattukottai Chettiar]]s um den Tempel verdient und finanzierten zahlreiche kleinere Umbau- und Instandhaltungsmaßnahmen. Die letzte große Renovierung des Tempels kulminierte 1987 in einer großen Neueinweihungszeremonie (''Mahakumbhabhisheka''). == Lage == Der Nataraja-Tempel ist nicht nur die alles überragende Sehenswürdigkeit des ansonsten eher unbedeutenden 60.000-Einwohner-Stadt Chidambaram, sondern bildet auch den Mittelpunkt des Ortes. Der Stadtgrundriss Chidambarams richtet sich nach dem Nataraja-Tempel: Mehrere rechteckige Straßenringe umgeben ihn seinen Umrissen folgend, Querstraßen laufen axial auf die Eingangstore zu. Der innerste der Straßenringe wird durch die Straßen ''East Car Street'', ''South Car Street'', ''West Car Street'' und ''North Car Street'' gebildet. Die Straßen sind mit 18 Metern auffällig breit. Sie werden bei den Tempelfesten für die großen Prozessionen genutzt. Der Name ''Car Street'' rührt von den großen [[Ratha|Tempelwagen]] (englisch: ''car'') her, die dabei um den Tempel herum gezogen werden und für die restliche Zeit an der East Car Street gegenüber dem Osteingang des Tempels abgestellt sind. Die zwischen der der Car Street und der Tempelmauer gelegenen Häuser bilden das Wohnviertel der Priester des Tempels. Mit seinem konzentrisch um den Nataraja-Tempel herum aufgebauten Stadtgrundriss verkörpert Chidambaram den klassischen Typus der südindischen Tempelstadt. == Architektur == === Überblick === [[Datei:Chidambaram Nataraja-Tempel Grundriss Nummern.png|thumb|upright=1.4|Grundriss (Zahlen beziehen sich auf den Text)]] Der Nataraja-Tempel umfasst einen weitläufigen Komplex mit einem rechteckigen Grundriss von rund 450&nbsp;×&nbsp;330 Metern Ausmaßen und einer Fläche von über 15 Hektar.<ref name="Zahlen Nanda">Zahlen nach Vivek Nanda: „Chidambaram: A Ritual Topography“, in: Vivek Nanda (Hrsg.): ''Chidambaram. Home of Nataraja'', Mumbai 2004, S. 8–21. Es finden sich abweichende Größenangaben.</ref> Den Mittelpunkt des Tempels bildet das Allerheiligste mit dem Götterbild Natarajas. Vier Mauerringe, welche das zentrale Heiligtum umgeben, gliedern den Tempelkomplex in vier konzentrische Bereiche (''Prakaras'' genannt). Je näher man sich dem Mittelpunkt nähert, desto heiliger wird der Bereich. So müssen Tempelbesucher ihre Schuhe an der dritten Umfassungsmauer ablegen, ab den beiden innersten Bereichen ist das Fotografieren verboten, den Nataraja-Schrein schließlich dürfen allein die Tempelpriester betreten. Der äußerste Prakara gehört im engeren Sinn nicht zum eigentlichen Tempel. Er besteht aus Gärten und Palmenhainen, die für die Öffentlichkeit nicht zugänglich sind. Die äußerste Umfassungsmauer besitzt in jeder der vier Himmelsrichtungen ein einfaches Eingangstor, von dem jeweils ein Durchgang zum dritten Prakara führt. Die vier Tore in der dritten Umfassungsmauer werden von jeweils einem massiven Gopuram (1–4) bekrönt. Der dritte Prakara ist nicht komplett rechteckig, sondern verfügt in der Nordwestecke über eine Ausbuchtung. Er besteht größtenteils aus gepflasterten Hofflächen und beherbergt den Tempelteich (5), zwei große Säulenhallen&nbsp;– die Hundert-Säulen-Halle (6) und die Tausend-Säulen-Halle (7)&nbsp;– sowie Nebenschreine für Shivas Gattin Shivakamasundari (8) und seine Söhne Murugan (9) und Ganesha (10). Der Bereich innerhalb der beiden innersten Mauerringe ist größtenteils überdacht. Hier verbinden sich zahlreiche Bauteile zu einem verwinkelten und schwer zu überschauenden Komplex. Zum zweiten Prakara gehören neben zahlreichen Kolonnaden und Korridoren zwei Tempelhallen&nbsp;– die Deva Sabha (11) und die Nritta Sabha (12)&nbsp;– der Mulasthana-Schrein (13) sowie weitere kleinere Schreine. Im innersten Prakara liegen der Govindaraja-Schrein (14) sowie schließlich das Allerheiligste des Tempels, die Chit Sabha samt der direkt daran angeschlossenen Kanaka Sabha (15). Der Nataraja-Tempel vertritt den [[Dravida-Stil]], die in Südindien vorherrschende Richtung der Tempelbaukunst. Kennzeichnend sind vor allem die markanten Gopurams und der nach geometrischen Prinzipien konzentrisch um den Hauptschrein herum aufgebaute und an den Himmelsrichtungen orientierte Grundrissplan. Jedoch weist der Nataraja-Tempel nicht dieselbe strenge Symmetrie auf wie etwa die Tempel von [[Minakshi-Tempel|Madurai]] oder [[Srirangam]]. So stehen die Gopurams nicht in einer Linie, sondern sind seitlich voneinander versetzt. === Schreine === Das Allerheiligste des Nataraja-Tempels trägt den Namen Chit Sabha und beherbergt ein rund einen Meter hohes Bronzebildnis Shivas in seiner [[Anthropomorphismus|anthropomorph]]en Form als Nataraja („König des Tanzes“). Unter dem [[tamil]]ischen Namen ''Chitrambalam'' („kleine Halle“) wird sie bereits in den ''Tevaram''-Hymnen erwähnt. Später wurde der Name auf [[Sanskrit]] umgedeutet und in ''Chit Sabha'' („Halle des Bewusstseins“) abgeändert. Auch wenn nicht genau feststellbar ist, wie alt die Chit Sabha in ihrer heutigen Bausubstanz ist, scheint sie doch auf einen sehr alten Schrein zurückzugehen.<ref>Younger 1995, S. 84−87.</ref> In architektonischer Hinsicht ist die Chit Sabha sehr ungewöhnlich: Sie hat einen rechteckigen Grundriss mit Ausmaßen von weniger als 8 × 4 Metern, ist aus Holz gebaut und hat ein vergoldetes Dach, dessen gewölbte Form an ein Strohdach erinnert, zudem blickt das Standbild Natarajas nach Süden. Üblicherweise sind im Dravida-Stil Schreine dagegen aus Stein gebaut, quadratisch, werden von einem pyramidalen ''[[Vimana (Architektur)|Vimana]]'' bedeckt und sind nach Osten ausgerichtet. Die Chit Sabha steht auf einer rund einen Meter hohen Plattform und öffnet sich nach Süden hin zu der direkt angebauten Kanaka Sabha („goldene Halle“), die als eine Art Vorhalle des Hauptschreins dient. Das Dach der Kanaka Sabha hat dieselbe Form wie das der Chit Sabha, ist aber kupferfarben. Eine doppelte Kolonnade umgibt Chit Sabha und Kanaka Sabha. [[Datei:TempleChidambaram1.JPG|thumb|Shivakamasundari-Schrein]] Der zweitwichtigste Schrein des Nataraja-Tempels ist Shivas Gattin Shivakamasundari (Beiname [[Parvati]]s) geweiht. Der Shivakamasundari-Schrein stammt aus der Chola-Zeit. Er befindet sich im dritten Prakara und hat eine eigene Umfassungsmauer mit einer zweistöckigen Kolonnade. Dem Schrein vorgebaut ist eine Säulenhalle aus dem 17. Jahrhundert, deren Dach mit reichen Malereien verziert ist. Ebenfalls auf den Hof des dritten Prakaras befinden sich zwei Nebenschreine für die Söhne Shivas und Parvatis, [[Kartikeya|Subramanya]] (Murugan) und [[Ganesha|Vinayaka]] (Ganesha). Der Murugan-Schrein stammt aus der Pandya-Zeit des 13. Jahrhunderts und zeichnet sich durch seine kunstvoll verzierten Säulen aus. Außer in seiner Gestalt als Nataraja wird Shiva im Mulasthana-Schrein auch in Form eines nicht-bildhaften [[Linga]]s verehrt. Der Schrein liegt im zweiten Prakara nördlich des Hauptschreins und wurde vermutlich im 13. Jahrhundert erbaut. Im innersten Prakrama in unmittelbarer Nachbarschaft zum Nataraja-Schrein befindet sich ein 1539 fertiggestellter Schrein für Govindaraja ([[Vishnu]]). Hinzu kommen zahlreiche weitere, weniger bedeutende Schreine, die anderen Erscheinungsformen Shivas und weiteren Gottheiten gewidmet sind, sowie den 63 ''[[Nayanmars]]'', den in Tamil Nadu als shivaitische Heilige verehrten Hymnendichtern. === Tempelhallen === [[Datei:Chidambaram Nataraja Temple pillars.jpg|thumb|upright|Säulen im Inneren des Nataraja-Tempels]] Zum Komplex des Nataraja-Tempels gehören mehrere Tempelhallen. Im zweiten Prakara befindet sich in einer Linie mit der Chit Sabha die Nritta Sabha („Tanzhalle“). Aus architektonischer Sicht ist sie der Chola-Zeit zuzuordnen, doch mag sich an ihrer Stelle bereits früher ein Schrein befunden haben, der möglicherweise der Göttin [[Kali (Göttin)|Kali]] geweiht war.<ref>Younger 1995, S. 89 f.</ref> Mit ihren 54 reich skulpturierten Steinsäulen und den Verzierungen in Form von Wagenrädern und Pferden an den Außenwänden, die einen Tempelwagen (''[[Ratha#Tempelbauten als Rathas|Ratha]]'') nachbilden, gehört die Nritta Sabha zu den kunstvollsten Gebäuden des Tempelkomplexes.<ref>Mevissen 2004, S. 83 f.</ref> Ebenfalls im zweiten Prakara liegt östlich des Hauptschreins die Deva Sabha („Götterhalle“). Die geräumige Halle hat eine Fläche von rund 15 × 15 Metern, erreicht eine Höhe von 19,5 Metern und wird ebenfalls von einem hohen gewölbten Dach gedeckt. Sie dient zur Aufbewahrung der bronzenen Prozessionsstandbilder der Götter, die bei den Tempelfesten heraus getragen werden, sowie als Versammlungshalle der Priester. Auf dem Hof im dritten Prakara befinden sich zwei große Säulenhallen, die Hundert-Pfeiler-Halle und die Tausend-Säulen-Halle. Die ca. 48 × 35 Meter große Hundert-Pfeiler-Halle und liegt im westlichen Bereich an die dritte Umfassungsmauer und die Mauer des Shivakamasundari-Schreines angelehnt. Die Tausend-Säulen-Halle befindet sich freistehend im nordöstlichen Bereich des Tempelareals und ist mit 106 × 58 Metern die größte der Tempelhallen.<ref name="Zahlen Nanda"/> Sie ist auch als Raja Sabha („Königshalle“) bekannt, weil sie ursprünglich Mitte des 12. Jahrhunderts als Audienzhalle der Chola-Könige entstanden war. Heute nutzt man sie für bestimmte Zeremonien bei den großen Tempelfesten. === Tempelteich === [[Datei:Chidambaram Nataraja temple tank.JPG|thumb|Der Shivaganga-Tempelteich]] Wie fast alle großen Tempel Tamil Nadus verfügt der Tempel von Chidambaram über einen Tempelteich. Dieser ist als Shivaganga-Teich bekannt, nach der Göttin [[Ganga]], der Personifikation des Flusses [[Ganges]]. Es handelt sich um ein 105 × 61 Meter<ref name="Zahlen Nanda"/> großes rechteckiges Becken im Hofbereich des dritten Prakara. Während der Chola-Zeit wurde der Teich mit zum Wasser führenden Treppenstufen (''[[Ghat (Indien)|Ghats]]'') und einem Säulengang eingefasst. Der Shivaganga-Teich dient Gläubigen als Ort für rituelle Waschungen. Er ist einer von insgesamt zehn heiligen Badeplätzen, den ''[[Tirtha]]s'', in Chidambaram. Dazu zählt auch der Paramananda-Kupa-Brunnen nahe der Chit Sabha, aus welchem das Wasser für die Rituale im Allerheiligsten stammt, sowie weitere Teiche in und um Chidambaram und schließlich das nahe gelegene Meer. === Gopurams === [[Datei:Chidambaram Nataraja temple East Gopuram.JPG|thumb|upright|Ostgopuram des Nataraja-Tempels]] Das markanteste Bauelement des Nataraja-Tempels sind die für den Dravida-Stil typischen [[Gopuram]]s (Tortürme). Diese vier weithin sichtbaren Türme in der dritten Umfassungsmauer erreichen Höhen von bis zu 42 Metern. Der älteste der Gopurams ist der Westgopuram (um 1175), gefolgt von dem Ost- (um 1200) und Südgopuram (1250). Der Nordgopuram wurde wahrscheinlich im 13. Jahrhundert begonnen, aber erst im 16. Jahrhundert unter dem Vijayanagar-Herrscher [[Krishnadevaraya]] fertiggestellt.<ref>Mevissen 2004, S. 88.</ref> Alle vier Gopurams folgen aber demselben Bauplan: Sie bestehen aus einem massiven zweistöckigen Steinsockel, einem sieben Stockwerke hohen pyramidalen Überbau und einem Dachaufsatz. Die Sockel enthalten Nischen mit Statuen verschiedener Erscheinungsformen Shivas, anderer Götter und mythischer Gestalten. Im Ost- und Westgopuram befinden sich an den Seiten des Tordurchgangs Reliefdarstellungen, welche die 108 Tanzpositionen des klassischen [[Indischer Tanz|indischen Tanzes]] zeigen. Die bunt bemalten Überbauten sind mit Stuckfiguren geschmückt. Der Haupteingang des Tempels führt durch den Ostgopuram. Hier steht ein Tempelelefant, der die Besucher gegen eine Geldspende durch eine Berührung mit dem Rüssel segnet. Im Tempelinneren befinden sich weitere, deutlich niedrigere Gopurams. Die zweite Umfassungsmauer hat im Westen und Osten jeweils ein Gopuram, der in einer Linie mit dem Nataraja-Schrein steht. In der innersten Umfassungsmauer befinden sich drei Tortürme: Einer im Süden und einer im Osten, beide ebenfalls am Hauptschrein orientiert, sowie ein weiterer im Osten, der in einer Linie mit dem Govindaraja-Schrein steht. Auch der Shivakamasundari-Schrein verfügt in seiner Umfassungsmauer über ein Ostgopuram. == Religiöse Bedeutung == === Mythos === [[Datei:Chidambaram Nataraja temple fresco.jpg|thumb|upright|Shivas Tanz als Nataraja. Fresko im Nataraja-Tempel.]] Wie fast jeder wichtige südindische Tempel besitzt auch der Tempel von Chidambaram eine eigene Ortslegende, welche die Gründungsgeschichte des Tempels erzählt. Sie ist in zwei Versionen überliefert: Im auf [[Sanskrit]] geschriebenen ''Chidambaramahatmya'' aus dem 12. oder 13. Jahrhundert und in einer tamilischsprachigen Paraphrase mit dem Titel ''Koyil Purana'', die der Autor Umapati Shivacharya rund ein Jahrhundert später verfasste.<ref>Younger 1995, S. 163.</ref> Das Chidambaramahatmya erzählt: Ein Weiser begab sich in einen Wald von ''[[Excoecaria agallocha|Tillai]]''-Bäumen in Chidambaram, um [[Askese]] zu üben, und verehrte dort am Ufer eines Teiches ein Linga, indem er es mit Blumen schmückte. Er bat Shiva, ihm die Klauen eines Tigers zu verleihen, damit er auf die Bäume klettern und dort die besten Blumen für die Verehrung seines Herrn pflücken könne. Shiva gewährte dem Weisen diese Bitte, und seitdem nennt man ihn Vyaghrapada, Tigerfuß. Shiva begab sich in der Gestalt eines Asketen zusammen mit [[Vishnu]], der die Form einer schönen Frau angenommen hat, in den Wald Daruvana, wo eine Schar von Sehern ([[Rishi]]s) lebte. Während Vishnu die Rishis betörte, verführte Shiva ihre Frauen. Die Seher wurden zornig und hetzen nacheinander einen Tiger, eine Schlange sowie eine Antilope auf Shiva, um ihn zu töten. Shiva aber besiegte die Tiere und trug ihre Haut als Schmuck. Auch einen zwergenhaften Dämon bezwang Shiva und begann auf seinem Rücken zu tanzen. Vishnu, der den Tanz verfolgt hatte, berichtete der Schlange [[Shesha]] von dem, was er gesehen hatte. Shesha wünschte den Tanz Shivas sehen, daher [[Inkarnation|inkarnierte]] er sich in halb-menschlicher Form als [[Patanjali]] und begab sich nach Chidambaram. Dort führte Shiva vor Vyaghrapada, Patanjali und einer Schar von dreitausend [[Brahmane]]n seinen Tanz auf. Später kam ein [[Bengalen|bengalischer]] König namens Hiranyavarman nach Chidambaram. Nach einem Bad im Teich des Tillai-Waldes erhielt er einen goldenen Körper und wurde zu einem Verehrer Shivas. Hiranyavarman erbaute in Chidambaram einen Tempel und holte die dreitausend Priester, die sich zwischenzeitlich nach Nordindien begeben hatten, dorthin zurück.<ref>Zusammenfassung nach [[Hermann Kulke]]: ''Cidambaramahatmya. Eine Untersuchung der religionsgeschichtlichen und historischen Hintergründe für die Entstehung der Tradition einer südindischen Tempelstadt,'' Wiesbaden 1970, S. 1–29.</ref> === Shivaismus === [[Datei:India statue of nataraja.jpg|thumb|upright|Bronzestandbild Natarajas aus der Chola-Zeit, [[Metropolitan Museum of Art]], New York]] Der Tempel von Chidambaram ist ein shivaitischer Tempel (der [[Shivaismus]] ist neben dem [[Vishnuismus]] eine der beiden Hauptströmungen des [[Hinduismus]]). Die Hauptgottheit des Tempels ist [[Shiva]] in seiner Form als [[Nataraja]], „König des Tanzes“. Chidambaram gilt als der Ort, an dem Nataraja seinen kosmischen „Tanz der Glückseligkeit“ (''Ananda Tandava''), der den Prozess von Schöpfung, Zerstörung und Wiedererschaffung des Universums symbolisiert, aufgeführt haben soll. Der Tempel von Chidambaram ist der einzige Hindu-Tempel, dessen Hauptgottheit Nataraja ist. Zwar finden sich auch in zahlreichen anderen südindischen Shiva-Tempeln Nataraja-Bronzen in Nebenschreinen, doch verkörpert sich Shiva dort im Hauptschrein stets als nicht-bildhaftes [[Linga]].<ref>John Guy: "The Nataraja Murti and Chidambaram: Genesis of a Cult Image", in: Vivek Nanda (Hrsg.): ''Chidambaram. Home of Nataraja'', Mumbai 2004, S. 73.</ref> Mit dem Nataraja-Kult ist eine Gruppe von fünf Tempeln in Tamil Nadu assoziiert, die als „fünf Tanzhallen“ (''Pancha Sabha'') bekannt sind. Während die anderen vier Tempel jeweils einen Aspekt von Shivas Tanz (Schöpfung, Erhaltung, Verhüllung und Erlösung) verkörpern, sind in seinem Tanz in Chidambaram alle diese Taten gleichzeitig präsent.<ref>Saskia Kersenboom: "Dort, wo Shiva tanzt", in: Johannes Belz (Hrsg.): ''Shiva Nataraja. Der kosmische Tänzer'', Zürich 2008, S. 63.</ref> Als Ort von Shivas kosmischen Tanz gehört Chidambaram zu den heiligsten Orten Indiens. Südindische Shivaiten betrachten den Nataraja-Tempel als das wichtigste Shiva-Heiligtum überhaupt und bezeichnen ihn schlicht als „''den'' Tempel“.<ref>David Smith: ''The dance of Siva. Religion, art and poetry in South India'', Cambridge u.a. 1996, S. 1.</ref> Im Hauptschrein des Nataraja-Tempels wird außerdem das sogenannte ''Chidambara Rahasya'' („Geheimnis von Chidambaram“) verehrt. In einem durch einen Vorhang abgetrennten leeren Raum soll sich Shiva im unsichtbaren [[Äther (Physik)|Äther]] (''akasha'') manifestieren.<ref>B. Natarajan: "Chidambara Rahasya: The 'Secret' of Chidambaram", in: Vivek Nanda (Hrsg.): ''Chidambaram. Home of Nataraja'', Mumbai 2004, S. 55–59.</ref> Damit gehört der Nataraja-Tempel zu den „Fünf-Elemente-Tempeln“ (''Pancha Bhuta Sthalangal''), in denen man Shiva als Manifestation der Elemente Feuer, Erde, Wasser, Wind und Äther (wird im Hinduismus als Element verstanden) verehrt. === Vishnuismus === Obgleich der Nataraja-Tempel ein shivaitischer Tempel ist, beherbergt er auch einen Schrein für [[Vishnu]], den Hauptgott des Vishnuismus, der hier unter dem Namen Govindaraja verehrt wird. Dank des Govindaraja-Schreins gehört Chidambaram unter dem Namen ''Tiruchitrakudam'' zu den 108 heiligen Orten (''[[Divya Desam]]s'') des Vishnuismus. Der Schrein wurde 1539 während der Vijayanagar-Zeit erbaut. Der Bauherr, König [[Achyutadevaraya]], berief sich darauf, die Verehrung Vishnus „wiederherzustellen“.<ref>Younger 1995, S. 111 f.</ref> Tatsächlich spricht die Tatsache, dass Chidambaram im 7. und 8. Jahrhundert von zwei vishnuitischen Hymnendichtern besungen wurde, dafür, dass es dort bereits in früherer Zeit einen Vishnu-Kult gab. Von König [[Kulottunga II.]] (1133–1150) wird berichtet, er habe ein Bildnis Vishnus bei Chidambaram im Meer versenken lassen. Zeitgenössische europäische Berichte aus dem 16. Jahrhundert berichten von erbitterten Auseinandersetzungen über den Bau des Govindaraja-Schreines, bei denen sich shivaitische Priester aus Protest von der Spitze eines Gopurams gestürzt haben sollen.<ref>B. Natarajan: ''The City of the Cosmic Dance. Chidambaram'', New Delhi 1974, S. 59.</ref> == Religiöses Leben == === Priester und Tempelverwaltung === [[Datei:Dikshitar.JPG|thumb|upright|Dikshitar-Priester in Chidambaram, um 1900]] Die Priester des Nataraja-Tempels gehören der rund 1000 Mitglieder starken, in Chidambaram ansässigen Gemeinschaft der Dikshitar an. Wie alle hinduistischen Tempelpriester gehören die Dikshitars zur Kaste der [[Brahmane]]n, sie bilden aber eine eigene, [[Endogamie|endogame]] Gemeinschaft, die sich stark von den Tempelpriestern der übrigen Shiva-Tempel Tamil Nadus, die allesamt zur Unterkaste der Adishaiva gehören, unterscheidet. Die rund 200 verheirateten Dikshitar-Männer haben eine besondere Initiation durchlaufen, die sie dazu befähigt, im Tempel als Priester zu dienen.<ref>Younger 1995, S. 13.</ref> Die Dikshitars führen ihren Ursprung auf die Gemeinschaft der „Dreitausend“ (''Muvayiravar'') zurück, die der legendäre König Hiranyavarman dem Mythos zufolge nach Chidambaram geholt haben soll. Äußerlich sind die Priester an ihrer traditionellen Kleidung und ihrem Haarknoten auf der linken Kopfseite zu erkennen. Während die Priesterschaft in anderen Tempeln streng hierarchisch ist, sind die Dikshitar-Priester egalitär organisiert und wechseln sich in der Durchführung der verschiedenen Rituale ab. Da nur verheiratete Männer als Priester dienen können, werden die Kinder der Dikshitars sehr jung verheiratet – Jungen um das Alter von zwölf, Mädchen von sieben Jahren. Die Dikshitar-Gemeinschaft erwartet von allen ihren männlichen Mitgliedern Priester zu werden und erlaubt ihnen nur in Ausnahmefällen, eine Arbeit außerhalb Chidambarams anzunehmen.<ref>Younger 1995, S. 22 ff.</ref> Hieraus resultiert auch die außergewöhnlich hohe Zahl an Priestern, die im Nataraja-Tempel dienen – im ähnlich großen [[Minakshi-Tempel]] von Madurai arbeiten etwa nur 60 Priester.<ref>C. J. Fuller: ''Servants of the Goddess. The Priests of a South Indian Temple'', Cambridge u. A. 1984, S. 25.</ref> Traditionell wird der Nataraja-Tempel durch einen demokratischen Rat geleitet, den die zweihundert Dikshitar-Priester bilden.<ref>Younger 1995, S. 19 f.</ref> Hierin unterscheidet er sich von den anderen großen Tempeln Tamil Nadus, die durch den Staat verwaltet werden. Seit der Unabhängigkeit Indiens hat die Regierung des Bundesstaates mehrfach versucht, den Nataraja-Tempel unter ihre Kontrolle zu bringen. Zwei Gerichtsentscheidungen in den Jahren 1954 und 1981 sprachen den Dikshitars noch das Recht zu, den Tempel selbst zu verwalten.<ref>Younger 1995, S. 148.</ref> Im Februar 2009 entschied der oberste Gerichtshof Tamil Nadus hingegen nach einem langwierigen Rechtsstreit, dass die Einsetzung eines Geschäftsführers für den Tempel durch die Regierung rechtens war, und machte damit den Weg für eine staatliche Verwaltung des Nataraja-Tempels frei.<ref>[[The Hindu]]: [http://www.hindu.com/thehindu/holnus/004200902081352.htm ''Court order ends an era in Chidambaram temple''], 8. Februar 2009.</ref> === Rituale === Die ausgefeilten [[Ritual]]e, die täglich von den Priestern des Nataraja-Tempels ausgeführt werden, folgen einem genau festgelegten Ablauf. Während der Öffnungszeiten des Tempels von 6 bis 13 und von 17 bis 22 Uhr finden am Hauptschrein jeden Tag sechs [[Puja]]s statt. Bei der ersten Puja wird morgens gegen 6.30 Uhr ein Bildnis der Füße Shivas aus seinem „Schlafgemach“, einem separaten Raum, in dem es über Nacht aufbewahrt worden war, zurück in den Hauptschrein gebracht. Zu den Ritualen, die im Laufe des Tages folgen, gehören die Waschung der Götterbilder sowie das Schwenken von [[Campher|Kampfer]]lichtern vor der Gottheit. Dabei versammeln sich die Tempelbesucher vor dem Schrein, um die Gottheit zu erblicken (''[[Darshan]]a''). Am Abend bringt man das Bildnis wieder in den Raum zurück, um die Gottheit zeremoniell zum Schlaf zu betten.<ref>Younger 1995, S. 24–28.</ref> Ähnliche, jedoch schlichtere Rituale finden in den Nebenschreinen statt. Anders als die anderen Shiva-Tempeln in Tamil Nadu folgen die Priester in Chidambaram nicht den shivaitischen Ritualhandbüchern, den ''Shaiva Agamas'', sondern einem eigenen Handbuch, das angeblich der Sanskrit-Grammatiker [[Patanjali]] im 2. Jahrhundert v.&nbsp;Chr. niedergeschrieben haben soll. Nach Ansicht der Priester geht der von ihnen praktizierte Ritus letztlich auf die [[Veda|Veden]], die ältesten heiligen Schriften des Hinduismus, zurück.<ref>Younger 1995, S. 24.</ref> === Tempelfeste === [[Datei:Chidambaram festival.jpg|thumb|Tempelwagen bei einer Prozession]] Chidambaram feiert jährlich mehrere Tempelfeste. Das wichtigste findet im [[Tamilischer Kalender|tamilischen Monat]] Markali (Dezember/Januar) statt. Das zehntägige Fest beginnt mit der Zeremonie des Flaggehissens und umfasst mehrere Prozessionen, bei denen die Gläubigen Götterbilder durch die Stadt tragen. Ihren Höhepunkt erreichen die Feierlichkeiten am neunten Tag, an dem Nataraja sein Heiligtum verlässt und sich dem Umzug anschließt. Während normalerweise die Hauptgötterbilder eines Hindutempels unbeweglich sind und man für die Tempelfeste spezielle Prozessionsfiguren benutzt, wird in Chidambaram das Bronzebildnis Natarajas aus dem Allerheiligsten herausgetragen und auf einem großen Wagen um den Tempel herum gezogen. Am zehnten und letzten Tag wird die Gottheit in der großen ''Abhisheka''-Zeremonie gesalbt.<ref>Younger 1995, S. 54–67.</ref> Diese Tage bilden in Chidambaram den Höhepunkt des Jahres und ziehen regelmäßig bis zu 200.000 Besucher an.<ref>The Hindu: [http://www.hinduonnet.com/thehindu/2001/12/31/stories/2001123101825300.htm '' 2 lakh devotees throng Chidambaram''], 31. Dezember 2001.</ref> Ein zweites großes Tempelfest findet im Monat Ani (Juni/Juli) statt. Es dauert ebenfalls zehn Tage und ähnelt in seinem Ablauf dem Markali-Fest. Bei einem weiteren Fest im Monat Masi (Februar/März) bringt man das Bildnis Natarajas an die Meeresküste. == Einzelnachweise == <references/> == Literatur == * James C. Harle: ''Temple Gateways in South India. The Architecture and Iconography of the Cidambaram Gopuras.'' Oxford 1963. * Vivek Nanda (Hrsg.): ''Chidambaram. Home of Nataraja.'' Mumbai 2004. * B. Natarajan: ''Tillai and Nataraja.'' Madras 1994. * David Smith: ''The dance of Siva. Religion, art and poetry in South India.'' Cambridge u.a. 1996. * Paul Younger: ''The home of dancing Śivaṉ. The traditions of the Hindu temple in Citamparam.'' New York u.a. 1995. == Weblinks == * {{Commonscat|Nataraja temple|Nataraja-Tempel}} * [http://www.tillai.com/home.aspx Website des Nataraja-Tempels] * [http://www.kultur-in-asien.de/Indien/Sonstige/seite587.htm Bernhard Peter: ''Der Nataraja-Tempel von Chidambaram''] * [http://espace.library.uq.edu.au/eserv/UQ:13430/n04_108_Croker.pdf Alan Croker: ''Temple Architecture in South India.'' In: Robert Irving (Hrsg.): The Journal of the Society of Architectural Historians, Australia and New Zealand, Nr. 4, 1. Juni 1993, S. 109–123] (PDF-Datei; 345 kB) * [http://www.templenet.com/Tamilnadu/chidambaram.html TempleNet: ''Chidambaram''] (engl.) {{Coordinate |NS=11/23/58/N |EW=79/41/36/E |type=landmark |region=IN}} {{Exzellent}} [[Kategorie:Hinduistischer Tempel in Indien]] [[Kategorie:Shivaismus]] [[Kategorie:Bauwerk in Tamil Nadu]] [[Kategorie:Religion (Tamil Nadu)]] [[en:Chidambaram Temple]] s7eyd6jf3lxlsjxqi1spiw3eq1arq91 wikitext text/x-wiki Nationalpark Schleswig-Holsteinisches Wattenmeer 0 23977 26575 2010-03-18T09:30:47Z Friedjof 0 {{Infobox Nationalpark |title = Nationalpark Schleswig-Holsteinisches Wattenmeer |altmap = Karte natpark wattenmeer.jpg |altmap_name = |latitude = 54/27.37812//N |longitude = 8/38.78448//E |region-ISO = DE-SH |nearest_city = Westerland, Husum. Tönning. Heide |specific = |area = 441.500 |area_unit = ha |acres = |length = |established = 1. Oktober 1985 |visitation_num = 1.746.293 |visitation_year = 2002 |address = [http://www.wattenmeer-nationalpark.de/main.htm Webseiten des Nationalparks]<br />Schlossgarten 1<br />D–25382 Tönning |map = |map_name = Die drei Nationalparks im deutschen Wattenmeer |img1 = Wattenmeer-Nordfriesland.jpg |img1_name = Luftaufnahme mit Trischen, Eiderstedt und den südlichen nordfriesischen Außensänden |img2 = |img2_name = |img3 = |img3_name = |img4 = |img4_name = |img5 = |img5_name = }} Der '''Nationalpark Schleswig-Holsteinisches Wattenmeer''' ist ein [[Nationalpark]] im [[Schleswig-Holstein|schleswig-holsteinischen]] Teil des [[Wattenmeer (Nordsee)|Wattenmeers der Nordsee]]. Der [[Landtag Schleswig-Holstein|Landtag]] begründete ihn durch das Nationalparkgesetz vom 22. Juli 1985 zum [[1. Oktober]] [[1985]] und erweiterte ihn 1999 signifikant. Zusammen mit dem [[Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer]], dem [[Nationalpark Hamburgisches Wattenmeer]] und nicht dem Naturschutz unterliegenden Teilen der Elbmündung bildet er den deutschen Teil des [[Wattenmeer]]s. Der Nationalpark reicht von der deutsch-dänischen Seegrenze im Norden bis hin zur [[Elbe|Elbmündung]] im Süden. Im nordfriesischen Teil umfasst er das Watt um die [[Nordfriesische Inseln|Geestkern- und Marscheninseln]] und [[Hallig]]en. Dort ist das Watt teilweise 40 Kilometer breit. Weiter südlich liegen Wattengebiete, in denen es vor allem größere [[Sandbank|Sandbänke]] gibt. Neben den Pflanzen und Tieren, die für das gesamte Wattenmeer der [[Nordsee]] typisch sind, finden sich im schleswig-holsteinischen Teil besonders viele [[Gewöhnlicher Schweinswal|Schweinswale]], [[Brandgans|Brandgänse]] und [[Seegräser]]. Mit einer Fläche von 4410 [[Quadratmeter|km²]] handelt sich um den mit Abstand größten Nationalpark in Deutschland. Davon liegen 68&nbsp;Prozent permanent unter Wasser und 30&nbsp;Prozent fallen periodisch trocken. Der Landteil besteht zum größten Teil aus [[Salzwiese]]n. Seit 1990 ist der Nationalpark zusammen mit den nordfriesischen Halligen ein von der UNESCO anerkanntes [[Biosphärenreservat]], zusammen mit anderen deutschen und niederländischen Wattenmeergebieten läuft eine Bewerbung als [[UNESCO-Welterbe|Weltnaturerbe]] der UNESCO, die am 26. Juni 2009 dazu führte, dass das Wattenmeer nun ein UNESCO-Welterbe ist. == Geographie == === Nationalparkgebiet === [[Datei:SLH.wattenmeer.png|thumb|upright|Karte des Nationalparks mit eingezeichneten Schutzzonen]] Der Nationalpark umfasst das [[Schleswig-Holstein|schleswig-holsteinische]] Küstengebiet der [[Nordsee]] von der [[Dänemark|dänischen]] Grenze im Norden bis zur [[Elbe|Elbmündung]] im Süden. Im nördlichen Bereich (bis etwa [[Amrum]]) verläuft die Nationalparkgrenze an der [[Hoheitsgewässer|Zwölfmeilenlinie]], südlich davon etwa auf der Dreimeilenlinie. An der Landseite verläuft sie im Wattenmeer 150 Meter vor der Küste.<ref name="Legler2"/> [[Deich|Seedeiche]] und unmittelbares Deichvorland sind nicht Teil des Nationalparks, auch Badestrände sind damit weitgehend aus dem Schutzgebiet ausgenommen.<ref name="Kelch"/> Ausgenommen aus dem Nationalpark sind auch die bewohnten Gebiete im Meer, darunter die fünf deutschen [[Nordfriesische Inseln|nordfriesischen Inseln]] und die großen [[Hallig]]en: [[Langeneß]], [[Hooge]], [[Gröde]], [[Oland]] und [[Nordstrandischmoor]]. Teil des Nationalparks sind unbewohnte Inseln, Halligen und Sandbänke wie [[Trischen]], [[Blauort]] oder die [[Nordfriesische Außensände|Nordfriesischen Außensände]]. Nach der Gliederung der [[Naturräumliche Haupteinheiten Deutschlands|Naturräumlichen Haupteinheiten Deutschlands]] gehört das Gebiet des Nationalparks zur Einheit „Schleswig-Holsteinisches Wattenmeer, Inseln und Halligen“<ref>http://www.bfn.de/0311_landschaft.html?landschaftid=68000</ref> in der Gruppe [[Liste der naturräumlichen Einheiten in Schleswig-Holstein|Schleswig-Holsteinische Marschen]] und zur Haupteinheit [[Deutsche Bucht]]. Der Nationalpark lässt sich in zwei Gebiete teilen. Im Norden zwischen der dänischen Grenze und der Halbinsel [[Eiderstedt]] liegt der [[Kreis Nordfriesland|nordfriesische]] Teil, an der Südküste Eiderstedts bis hin zur Elbmündung der [[Kreis Dithmarschen|Dithmarscher]] Teil. Das nordfriesische Wattenmeer gehört zusammen mit dem dänischen Wattenmeer zum nördlichen Wattenmeer der Nordsee. Es wird durch die nordfriesischen Inseln und Halligen gegen die offene See abgeschirmt. Die Inseln entstanden vor allem aus Festlandgebieten, die bedingt durch [[Sturmflut|Katastrophenfluten]] vom Land abgetrennt wurden. Das Wattengebiet ist geschützter, der Übergang zwischen Watt und Meer oft klarer, da erstes an der Ostseite der großen Inseln liegt, zweites an der Westseite. Es gibt keine großen Flussmündungen, der Tidenunterschied ist mit unter zwei Meter verhältnismäßig gering. Nur im nördlichen Wattenmeer finden sich noch [[Geest]]-Kliffs aus den Eiszeiten, so dass hier an den Küsten auch die größten Höhenunterschiede im an sich sehr flachen Gebiet vorkommen. Der Dithmarscher Teil und die Südküste Eiderstedts zwischen Elb- und Eidermündung bildet einen Teil des zentralen Wattenmeers. Ein Tidenhub von über drei Metern verhindert weitgehend das Entstehen von Inseln. Einige Sandbänke erheben sich aus dem Meer, einzig [[Trischen]] erreicht genug Höhe und damit Sturmflutsicherheit, um auch salzwasserempfindliche Vegetation zu ermöglichen. Im Vergleich zu den geologisch ähnlichen [[Ostfriesische Inseln|Ostfriesischen Inseln]] des südlichen Wattenmeers ist Trischen jedoch wesentlich kleiner und jünger. Alle Versuche menschlicher Bewohner, die Insel zu befestigen, sind gescheitert. Durch mehrere große [[Ästuar]]e liegt der Salzgehalt im zentralen Wattenmeer niedriger als im restlichen Wattenmeer und unterliegt höheren Schwankungen.<ref name="CWSS Geo">CWSS S. 19–30</ref> === Schutzzonen des Nationalparks === Der Nationalpark ist in zwei Zonen aufgeteilt, die verschiedenen Schutzstufen entsprechen. Zone I bildet dabei den Kernbereich des Schutzgebiets. Die 162.000 Hektar große Zone umfasst ein gutes Drittel des Nationalparks. Sie besteht aus zwölf größeren Raumeinheiten, die jeweils [[Salzwiese]], [[Watt (Küste)|Schlick-, Misch- und Sandwatt]], flache und tiefe dauerhaft unter Wasser liegende Gebiete ([[Sublitoral]]) sowie [[Priel]]ströme aufweisen. Dazu kommen kleinere Einheiten um besonders sensible Gebiete wie Seehundsbänke oder die Brutkolonien der Seevogelarten, Plätze, an denen sich viele Zugvögel mausern, sowie [[Geomorphologie|geomorphologisch]] bedeutsame Gebiete mit nahezu natürlichen Oberflächenstrukturen.<ref name="MLUL Zone">MLUL S. 32–34</ref> Die Zone I ist prinzipiell für die Öffentlichkeit geschlossen, Ausnahmen bilden lediglich direkt an die Küste angrenzende Wattgebiete für Wattwanderer, Routen für geführte Wattwanderungen und die Fischerei.<ref name="CWSS Mean">CWSS S. 125–131</ref> Südlich des [[Hindenburgdamm]]s auf der Landseite Sylts ist innerhalb der Schutzzone I eine menschliche Nutzung völlig ausgeschlossen („Nullnutzungszone“). Diese nimmt 12.500 Hektar ein, wovon etwa 3.500 Hektar permanent von Wasser bedeckt sind. Zone II bildet eine so genannte „Pufferzone“ um die Zone I herum, in der eine nachhaltige Nutzung ermöglicht wird. In Schutzzone II liegt das Kleinwalschutzgebiet westlich der Sylter Küste, das eine Größe von 124.000 Hektar besitzt. Bei diesem Gebiet handelt es sich um ein wichtiges Fortpflanzungsgebiet der [[Gewöhnlicher Schweinswal|Schweinswale]], deren Nordseebestand im 20. Jahrhundert um 90&nbsp;Prozent zurückgegangen ist. Während Nutzungen wie Baden, Segeln oder traditionelle Krabbenfischerei weiterhin im Gebiet möglich sind, soll es internationale Industrie- und Stellnetzfischerei, Jet-Skis, Schiffsgeschwindigkeiten über zwölf Knoten, Aktivitäten des Militärs und Ressourcenausbeutung (Sand, Kies, Gas oder Öl) verhindern.<ref>[http://www.schutzstation-wattenmeer.de/wissen/walschutzgebiet.html Schutzstation Wattenmeer: Walschutzgebiet]</ref> === Wasser, Land und Watt === [[Datei:Vollerwiek Pink wadden sea.JPG|thumb|upright|Im Nationalpark erscheinen die Übergänge zwischen den Elementen fließend.]] Die Küste der Nordsee ist flach; der Meeresboden fällt teilweise nur wenige Zentimeter pro Kilometer ab. Zweimal täglich trägt die Flut Sand, Ton und Schluff in das Gebiet des Wattenmeeres. Der [[Tidenhub]] im Schleswig-Holsteinischen Wattenmeer beträgt dabei zwischen 1,5 und 3,7 Meter, wobei er von Norden nach Süden zunimmt: Die geringsten Gezeitenunterschiede bestehen an der Sylter Nordküste, die höchsten im südlichen Dithmarschen.<ref>Petra Witez: „Abschlussbericht zum Forschungsvorhaben MTK 0608 (03 KIS 3160): Programme zur langfristigen Erhaltung des Wattenmeers – Prowatt“, Hrsg. vom Bundesministerium für Bildung und Forschung Laboe 2002 S. 7–8</ref> Überall im Wattenmeer beträgt die Zeitdauer des Wasserauflaufs nur etwa 85&nbsp;Prozent der Zeit, die das Wasser dafür braucht, wieder abzulaufen. Die Strömung beim Wasserauflauf ist also stärker, und die Ebbe hat nicht die Kraft, die durch die Flut angespülten Sedimente wieder abzutragen.<ref>Petra Witez: „Abschlussbericht zum Forschungsvorhaben MTK 0608 (03 KIS 3160): Programme zur langfristigen Erhaltung des Wattenmeers – Prowatt“, Hrsg. vom Bundesministerium für Bildung und Forschung Laboe 2002 S. 18–19</ref> Über zwei Drittel der Fläche des Nationalparks werden von Gebieten eingenommen, die ständig unter Wasser stehen ([[Sublitoral]]), 30 Prozent vom [[Watt (Küste)|Watt]], das bei Niedrigwasser trocken liegt und bei Hochwasser überspült ist ([[Eulitoral]]).<ref name="Stock1"/> Der Rest sind Landgebiete ([[Supralitoral]]), die nur unter besonderen Umständen überspült werden. Die Wassergebiete bestehen zum einen aus dem seewärtigen Teil des Parks, zum anderen aus größeren [[Gezeitenstrom|Gezeitenströmen]] wie dem [[Lister Tief]], dem [[Heverstrom]], dem [[Purrenstrom]], dem [[Wesselburener Loch]] oder dem [[Piep]]. Direkt vor dem Watt verläuft eine beständige starke Strömung von Süd nach Nord, die aus der südlichen Nordsee kommt und sich bis zur [[Norwegische Rinne|Norwegischen Rinne]] fortsetzt. Da die Strömung die Mündungsgewässer großer europäischer Flüsse wie Rhein oder Elbe mit sich trägt, liegt der Salzgehalt mit 20 bis 30 psu unter dem im Meer, aber noch über dem von Flussmündungen.<ref name="CWSS Geo"/> Da bewohnte Gebiete nicht Teil des Nationalparks sind, bestehen die Landgebiete fast ausschließlich aus [[Salzwiese]]n, ein kleiner Rest aus [[Sandbank|Sandbänken]] und [[Küstendüne|Dünen]]. Die Salzwiesen nehmen dabei über 10.000 Hektar Fläche ein, von diesen wiederum sind 70&nbsp;Prozent am Festland im Schutz von [[Lahnung]]en entstanden, 10&nbsp;Prozent befinden sich auf den windabgewandten Seiten der Inseln und der Rest hat sich um die Halligen herum gebildet. Zwischen 1988 und 2001 hat sich dabei die Fläche der Salzwiesen um etwa 700 Hektar ausgedehnt. Weitgehend natürliche, nutzungsfreie Salzwiesen befinden sich vor allem vor den Inseln, am Festland kommt dies nur vor [[Schobüll]] und [[Sankt Peter-Ording]] vor.<ref name="Stock1"/> Wie im gesamten Wattenmeer ist das Klima atlantisch, immerfeucht und warmgemäßigt. Starke Westwinddrift und die Wärmespeicherkapazität sind bestimmende Faktoren, was zwar für häufige Starkwindlagen sorgt, auf die Temperaturen jedoch ausgleichend wirkt, so dass das Gebiet kühle Sommer (Juli: 14,5 Grad Celsius) und milde Winter (Januar: 1,8 Grad Celsius) erfährt.<ref name="MLUL Phys">MLUL S. 11–31</ref> == Flora und Fauna == ''Siehe auch [[Wattenmeer (Nordsee)]]'' Salzwasser, der Wechsel zwischen Ebbe und Flut und Starkwindlagen mit Neigung zum Sturm prägen die Umweltbedingungen im Wattenmeer. Zu den Lebewesen, die sich hier dauerhaft etablieren können, zählen wenige Meerestiere, besonders ausgeprägte Spezialisten. Das Gebiet dient Fischen ebenso wie Meeressäugern vor allem als Kinderstube; neben zahlreichen Brutvögeln nutzen riesige Zugvogelschwärme das Watt im Frühjahr und Herbst als Rastgebiet zum Auffrischen der Nahrungsreserven. Im Schleswig-Holsteinischen Wattenmeer gibt es insgesamt etwa 700 Pflanzen- und 2.500 Tierarten. 250 der Tierarten sind im Wattenmeer [[Endemit|endemisch]].<ref name="MLUL Phys"/> === Pflanzen === [[Datei:Wesselburenerkoog salzwiese.JPG|thumb|Salzwiesen bilden die überwiegende Vegetation des Nationalparks.]] Im Wasser leben [[Alge]]n und Seegräser. [[Seegräser]] sind die einzigen unter Wasser wachsenden Blütenpflanzen des Wattenmeers. Nachdem um 1930 die meisten Seegräser des Atlantiks einer Epidemie zum Opfer fielen, haben sie sich im gesamten Wattenmeer nicht mehr davon erholt. Sie finden sich fast ausschließlich im nördlichen Schleswig-Holstein, wo sie etwa 6.000 Hektar bedecken, verglichen mit 705 Hektar in Niedersachsen oder 130 in den Niederlanden. Sie stellen das Habitat für zahlreiche Wasserlebewesen dar und dienen zum Beispiel der Brandgans als wichtige Nahrungsquelle.<ref name="CWSS Habi"/> Zumindest im nordfriesischen Teil scheinen sich die Seegräser im Gegensatz zum weltweiten Trend auch in den letzten Jahren weiter auszubreiten, so dass sie bei maximaler Ausdehnung im August bis zu elf Prozent des nordfriesischen Wattenmeers bedecken.<ref name="Seegras">[http://www.bsh.de/de/Meeresdaten/Beobachtungen/MURSYS-Umweltreportsystem/Mursys_031/seiten/nobent01.jsp Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie: „Seegräser und Grünalgenbestand im Schleswig-holsteinischen Wattenmeer“]</ref> Auf den [[Salzwiese]]n, die etwa zehn bis 250 Mal im Jahr vom Meerwasser überflutet werden, bilden sich einzelne Zonen, je nachdem, wie stark die Salzbelastung eines einzelnen Abschnitts ist. Insgesamt finden sich etwa 50 Blütenpflanzenarten auf den Salz- und den angrenzenden Brackwiesen. Am niedrigsten und der See am nächsten liegt die Quellerzone, die fast bei jeder Flut überflutet wird, darauf folgt die Andelzone, am höchsten und am nächsten am Land schließlich ist die Rotschwingelzone. In der Quellerzone sind nur [[Europäischer Queller|Queller]] und [[Salz-Schlickgras|Schlickgras]] den stetigen Überflutungen gewachsen. Die [[Andelrasen|Andelzone]], die noch bei jeder Springtide und anderen erhöhten Wasserständen erreicht wird, prägt das namensgebende [[Andel (Gras)|Andelgras]] ebenso wie salztolerante Arten wie [[Strand-Aster]], [[Strand-Sode]], [[Gewöhnlicher Strandflieder]] und [[Keilmelde]]. Die Rotschwingelzone, benannt nach dem [[Salzwiesen-Rot-Schwingel]], wird nur noch in seltenen Ausnahmefällen überflutet. Der Artenreichtum vergrößert sich erheblich, besonders prägnante Arten sind Tausendgüldenkräuter ([[Strand-Tausendgüldenkraut]], [[Kleines Tausendgüldenkraut]], [[Echtes Tausendgüldenkraut]]), [[Roter Zahntrost]], [[Strand-Wegerich]] und [[Lückensegge]].<ref name="SchuPfla"/> Auf den Dünen schließlich finden sich auch noch einige Pflanzen, wegen der dortigen Extrembedingungen meist aber nur die artenarme Dünenheide, einzig in regenreichen Dünentälern ähnelt die Besiedlung mit [[Wollgräser|Wollgras]], [[Sonnentau]] und [[Lungen-Enzian]] einem Moor.<ref name="SchuPfla">[http://www.schutzstation-wattenmeer.de/wissen/pflanzenimwatt.html Schutzstation Wattenmeer: „Pflanzen im Watt“]</ref> === Tiere === ==== Säugetiere ==== [[Datei:Seehunde auf Duene.jpg|thumb|Seehunde stellen in der Ikonographie des Wattenmeers die beliebtesten Motive dar. Sie nutzen es als Ruheraum, auch zur Aufzucht der Jungen. Zur Jagd schwimmen sie auf das offene Meer und wechseln dabei zwischen den Positionen Wattenmeer und Helgoland.]] Eine besondere Konzentration auf das Nationalparkgebiet und die seewärtig angrenzenden Gebiete weist der [[Gewöhnlicher Schweinswal|Gewöhnliche Schweinswal]] auf.<ref name="CWSS Habi"/> Auf den Sandbänken im gesamten Wattenmeer sind [[Seehund]]e und in kleinerer Anzahl [[Kegelrobbe]]n zu beobachten. 2002 tötete die [[Seehundstaupe]] die Hälfte der Tiere. 2004 zählte das Nationalparkamt im schleswig-holsteinischen Teil des Wattenmeers 6.044 Tiere und kam so zu einer Schätzung von insgesamt 8.000 Tieren, davon ein hoher Jungtieranteil.<ref name="NPA2004">Nationalparkamt Schleswig-Holsteinisches Wattenmeer (Hrsg.): „Jahresbericht 2003/2004 des Nationalparkamtes“, Tönning 2005</ref> 2005 zählte das Nationalparkamt etwa 2.000 Jungtiere, womit diese etwa die Hälfte des Bestands im gesamten Wattenmeer ausmachten.<ref name="CWSS Spec"/> Die Kegelrobbenpopulation ist mit 160 Tieren im Vergleich zu den Niederlanden immer noch sehr gering, vergrößert sich aber jedes Jahr um vier bis fünf Prozent.<ref name="CWSS Spec"/> ==== Insekten ==== Insekten kommen im Nationalpark fast nur auf den Salzwiesen vor, die allerdings einer hochspezialisierten Artengemeinschaft als Lebensraum dienen. Etwa die Hälfte aller 2.000 Arten, die in den Salzwiesen des Nationalparks bekannt sind, kommen ausschließlich in natürlichen oder naturnahen Salzwiesen vor. Zum Schutz vor dem Salzwasser verbringen viele Tiere ihr Larvenstadium entweder innerhalb einer Pflanze oder im Boden. Als Nahrung bevorzugen sie Pflanzenteile, die das Salzwasser schon ausgeschieden haben. Relativ bekannte Beispiele dafür sind der [[Halligflieder-Spitzmaus-Rüsselkäfer]] oder der [[Strandwegerichgallrüsselkäfer]] (''Mecinus collaris''), die in den jeweiligen Pflanzen leben. Der [[Prächtiger Salzkäfer|Prächtige Salzkäfer]] (''Bledius spectabilis'') hingegen buddelt sich im Watt in eine Bodenröhre.<ref name="SchuTie">[http://www.schutzstation-wattenmeer.de/wissen/tiere.html Schutzstation Wattenmeer:„Tiere“]</ref> Strandflieder dient der Raupe des seltenen [[Salzwiesen-Kleinspanner]]s (''Scopula emutaria'') als Futterpflanze, der in Deutschland nur noch im Küstenbereich der Nordseeinseln Amrum und Sylt sicher nachgewiesen werden kann.<ref>Manfred Gerstberger:''Die Schmetterlingsfauna der Salzstellen Deutschlands'', Stand XI/ 2006[http://www.orion-berlin.de/projekte/schmetter/binnen.htm], abgerufen am 11. März 2007</ref><ref>''Bilanz und Anmerkungen zur Gefährdungssituation'' von Schmetterlingen in Schleswig-Holstein[http://www.umweltdaten.landsh.de/nuis/upool/gesamt/schmetter/bilanz/bilanz.htm], abgerufen am 25. Januar 2008</ref> ==== Vögel ==== <gallery> Datei:Wesselburenerkoog nonnengaense fressen.JPG|[[Nonnengans|Nonnengänse]] Datei:Eidersperrw Sterna paradisaea mit fish unten.jpg|[[Küstenseeschwalbe]] Datei:Tringa totanus3beschnitten.jpg|[[Rotschenkel]] Datei:Wesselburenerkoog austernfischer vonseite beschnitten.jpg|[[Austernfischer]] </gallery> Die Vogelwelt des Nationalparks ist im Wesentlichen mit der anderer Wattgebiete vergleichbar. Mit zehn Millionen anwesenden Zugvögeln im Frühjahr und Herbst ist Schleswig-Holstein dann das vogelreichste Gebiet Europas.<ref name="MLUL Phys"/> Ebenso wie zahlreiche Küstenvögel im geschützten Watt brüten, ist das nährstoffreiche Gebiet regelmäßiger Rastplatz von Zugvögeln auf Atlantikrouten. Da sich das Wattenmeer permanent wandelt und verändert, lassen sich die Effekte des Nationalparks nur schwer abschätzen. Insgesamt nahmen jedoch in den zehn Jahren zwischen 1994 und 2004 nur drei Arten ([[Löffelreiher]], [[Kormoran (Art)|Kormoran]] und [[Sandregenpfeifer]]) zu, während 18 Arten weiter im Bestand verloren. Darunter befinden sich gerade typische Wattenmeerarten mit großer Verbreitung wie [[Brandgans]], [[Grünschenkel]], [[Großer Brachvogel]], [[Lachmöwe]], [[Heringsmöwe]], [[Austernfischer]], [[Säbelschnäbler]] oder [[Ringelgans]].<ref name="CWSS Spec">CWSS S. 94–100</ref> Der Rückgang trifft vor allem typische und vergleichsweise zahlreiche Wattbewohner, möglicherweise weil die [[Schleppnetzfischerei]] ihre Nahrungsgrundlage schädigt. Besonders erfolgreich in den letzten Jahren sind Arten, die eigentlich eher im Binnenland zu finden sind. Sie bevorzugen große neu eingedeichte und damit vom Salzwasser weitgehend abgeschnittene Flächen ([[Beltringharder Koog]], [[Hauke-Haien-Koog]], [[Speicherkoog (Dithmarschen)|Speicherkoog]], [[Rickelsbüller Koog]]) als süßwasserreiche Rast- und Brutgebiete. Seit 2000 finden sich auch einige beständige [[Seeadler (Art)|Seeadlerbrutpaare]] in einigen Gebieten des schleswig-holsteinischen Wattenmeers.<ref name="Rastvögel">Landesamt 2001 S. 64–67</ref> Die etwa 180.000 Vögel zählende nordwesteuropäische [[Brandgans]]-Population verbringt ihre [[Mauser (Vögel)|Mauserzeit]] zwischen Juli und September im Wattenmeer, größtenteils auf und um die geschützte Insel [[Trischen]]. Damit finden sich dort über 80&nbsp;Prozent des gesamten nordwesteuropäischen Bestands.<ref>CWSS S. 53</ref> Dieses Phänomen der Massenmauser bei der Brandgans ist weltweit einmalig.<ref name="MLUL Phys"/> Etwa 200.000 [[Eiderente]]n verbringen hier ihre Mauserzeit; etwa 1000 Eiderentenpaare nutzen das Watt der Nordsee als Brutgebiet. Die meisten davon brüten auf der Insel [[Amrum]]. Große Bestände erreichen die [[Nonnengans|Nonnengänse]] mit über 60.000 Stück und die [[Ringelgans|Ringelgänse]] mit 84.000, fast ausschließlich an Halligen und Inseln. Bei der Nonnengans lässt sich zusätzlich feststellen, dass sie ihre Aufenthaltsdauer im Wattenmeer stetig ausbaut.<ref name="Rastvögel"/> Vor den nordfriesischen Inseln, bei Wassertiefen zwischen zwei und zehn Metern, erreichen [[Trauerente]]n international bedeutsame Bestände.<ref name="CWSS Habi">CWSS S. 89–93</ref> ==== Fische, Muscheln, Krebstiere ==== [[Datei:Seepocke fg02.jpg|thumb|Seepocken (vor Sylt)]] Zu den typischen Muscheln des Wattenmeers zählen die [[Gemeine Herzmuschel|Herzmuschel]] und die [[Miesmuscheln|Miesmuschel]]. Während Herzmuscheln fast allgegenwärtig sind, sind wild wachsende Miesmuscheln weit weniger häufig als im südlicheren Wattenmeer und leiden zunehmend unter der Verbreitung der Pazifischen Auster, die wiederum von den wärmeren Wintern profitiert.<ref name="CWSS Habi"/> Ebenso prägen diverse [[Neobiota]] das Bild. Die [[Sandklaffmuschel]] brachten vermutlich die Wikinger mit aus Amerika, die [[Amerikanische Bohrmuschel]] kam Ende des 19. Jahrhunderts, die [[Amerikanische Scheidenmuschel]] 1976.<ref name="SchuTie"/> Unter den Krebstieren hat insbesondere die [[Strandkrabbe]] große Bedeutung, die allein etwa zehn Prozent der Biomasse im Wattenmeer verzehrt. Zahlreich sind ebenso die [[Nordseegarnele]] und die [[Seepocken|Seepocke]]. Das neben dem Seehund wohl bekannteste Tier des Wattengebiets ist der [[Wattwurm]]. Ganz im Watt heimisch sind nur kleine Fischarten wie [[Aalmutter]], [[Sandgrundel]] (''Pomatoschistus minutus'') und [[Seeskorpion]]. Zahlreiche andere Arten nutzen das sauerstoff- und nahrungsreiche und vor Raubfischen geschützte Wattenmeer als Laichgrund. Insbesondere sind hier [[Plattfische]] wie [[Scholle (Fisch)|Schollen]] wichtig, aber beispielsweise auch [[Gewöhnlicher Hornhecht|Gewöhnliche Hornhechte]] (''Belone belone''), die in den Küstengewässern des Ostatlantiks aktiv sind.<ref name="SchuTie"/> == Der Nationalpark == === Geschichte === [[Datei:Sylt beach.jpg|thumb|upright|Sylt-Nord ist zusammen mit dem [[Morsum-Kliff]] seit 1923 das älteste Naturschutzgebiet Schleswig-Holsteins und ein früher Vorläufer des Naturschutzes im Wattenmeer.]] Das Schleswig-Holsteinische Wattenmeer war schon vergleichsweise früh Ziel des Naturschutzes. Einzelne [[Naturschutzgebiet]]e im Gebiet gibt es seit den 1920ern, erste Pläne das gesamte Wattenmeer zu schützen seit den 1960ern. Trotzdem verlief die Auszeichnung als Nationalpark 1985 und die Erweiterung 1999 nur unter erheblichen politischen Auseinandersetzungen, die bis hin zu Eierwürfen auf den zuständigen Minister und eine Krabbenkutterdemonstration in der [[Kieler Förde]] führten. ==== Vorgeschichte ==== Naturschutzbestrebungen im Wattenmeer gibt es bereits seit der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. So befinden sich die beiden 1923 gegründeten ältesten Naturschutzgebiete Schleswig-Holsteins, Sylt-Nord und [[Morsum-Kliff]], auf der Insel Sylt im Wattenmeer. Bis 1940 gab es in Nordfriesland und da vor allem in der Nähe der Wattgebiete elf Naturschutzgebiete. Auch heute noch hat der Kreis selbst ohne den Nationalpark die meisten Naturschutzgebiete mit der größten Fläche in Schleswig-Holstein.<ref name="75JN">[http://www.umweltdaten.landsh.de/nuis/upool/gesamt/jahrbe98/75jahr/75jahr.htm Reinhard Schmidt-Moser: „75 Jahre Naturschutzgebiete in Schleswig-Holstein“]</ref> Seit 1927 siedelt ein Vogelwärter des [[Naturschutzbund Deutschland|Bunds für Vogelschutz]] (heute NABU) auf Trischen, seit 1937 ist das Wattgebiet nördlich des [[Hindenburgdamm]]s ein Naturschutzgebiet.<ref name="NABU Nord">[http://schleswig-holstein.nabu.de/m04/m04_01/03020.html NABU: „NABU-Schutzgebiet: Wattenmeer nördlich des Hindenburgdamms“]</ref> Konzentrierte sich Naturschutz im Wattenmeer lange auf einzelne Arten und nahm dabei insbesondere der Vogelschutz eine wichtige Rolle ein, setzte sich im Laufe der Zeit ein umfassenderer Ansatz hin zum [[Biotop]]schutz durch. Erste Forderungen, das Wattenmeer insgesamt zu schützen, gab es seit den 1960er Jahren. 1963 erhob die [[Schutzstation Wattenmeer]] die Forderung nach einem „Großschutzgebiet Halligmeer“, der Landesjagdverband verwendete 1972, zwei Jahre nach der Gründung des [[Nationalpark Bayerischer Wald|Nationalparks Bayerischer Wald]], erstmals den Begriff Nationalpark in Bezug auf das Wattenmeer. 1973 legte das Landwirtschaftsministerium unter [[Ernst Engelbrecht-Greve]] (CDU) einen Gesetzentwurf vor, zog ihn aufgrund vehementen Widerstands in den betroffenen Regionen aber schon 1974 wieder zurück.<ref name="20 Jahre">Nationalparkamt Schleswig-Holsteinisches Wattenmeer (Hrsg.): „Nationalpark Nachrichten – 20 Jahre Schleswig-Holsteinisches Wattenmeer 1985–2005“, Tönning 2005 [http://www.wattenmeer-nationalpark.de/archiv/nachrichten/NPN_20Jahre.pdf als pdf]</ref> Ab 1975 gab es die ersten internationalen wissenschaftlichen Konferenzen zum Schutz des Wattenmeers, die erste trilaterale Regierungskonferenz mit deutschen, niederländischen und dänischen Teilnehmern fand 1978 statt. 1982 verfassten die Regierungen der angrenzenden Länder in [[Den Haag]] die „Gemeinsame Erklärung zum Schutz des Wattenmeers“.<ref name="prot">CWSS S. 116–125</ref> Nachdem sich Ministerpräsident [[Gerhard Stoltenberg]] (CDU) nach dem ersten gescheiterten Versuch nicht wieder an das Nationalparkthema herantraute, begann das Kabinett [[Uwe Barschel]] (CDU) mit Landwirtschaftsminister [[Günter Flessner]] (CDU) noch im Jahr des Amtsantritts 1982 mit einem erneuten Vorstoß. Wieder brandete entschiedener Widerstand an der Westküste auf, [[Dithmarschen|Dithmarscher]] und [[Nordfriesen|Friesen]] beschworen ihren jahrhundertealten Freiheitsdrang und Widerstand gegen ein Eingreifen von Außen in ihre Gebiete. Diesmal ließ sich die Regierung jedoch nicht genügend beeindrucken.<ref name="20 Jahre"/> ==== Erstes Nationalparkgesetz 1985 ==== [[Datei:Keineökodiktatur.JPG|thumb|upright|Gelegentlich finden sich noch alte Zeichen des Protestes gegen den Nationalpark]] Die damalige CDU-Regierung gründete den Nationalpark Schleswig-Holsteinisches Wattenmeer als dritten Nationalpark in Deutschland. Er folgte damit dem Bayerischen Wald und dem [[Nationalpark Berchtesgaden]].<ref name="20 Jahre"/> Schließlich verabschiedete der [[Landtag Schleswig-Holstein]] im Juli 1985 das Nationalparkgesetz, das einen 272.000 Hektar großen Nationalpark mit drei verschiedenen Schutzzonen vorsah. Er begann im Wattenmeer 150 Meter vor der Küstenlinie und reichte bis zu einer Tiefenlinie von fünf bis zehn Meter Wassertiefe. Am 1. Oktober 1985 trat das Gesetz in Kraft.<ref name="SterrNP">[http://www.sterr.geographie.uni-kiel.de/ergebnisse/ueff_ikzm_ws0001/naturschutz/entwicklung_np.htm Horst Sterr: „Nationalparke“]</ref> 1986 zogen [[Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer|Niedersachsen]] und 1990 [[Nationalpark Hamburgisches Wattenmeer|Hamburg]] nach. Dänisches und Niederländisches Wattenmeer unterliegen anderen Schutzmaßnahmen des Naturschutzes, zum Frühjahr 2009 wird allerdings auch das dänische Wattenmeer Nationalpark werden. Im Nationalparkgesetz heißt es: : ''Die Errichtung des Nationalparks dient dem Schutz des schleswig-holsteinischen Wattenmeeres und der Bewahrung seiner besonderen Eigenart, Schönheit und Ursprünglichkeit. Seine artenreiche Pflanzen- und Tierwelt ist zu erhalten und der möglichst ungestörte Ablauf der Naturvorgänge zu sichern. Jegliche Nutzungsinteressen sind mit dem Schutzzweck im Allgemeinen und im Einzelfall gerecht abzuwägen.'' Insbesondere die Menschen vor Ort fühlten sich übergangen – das Wattenmeer war in seiner heutigen Form erst in Jahrhunderten durch die Menschen vor Ort geschaffen worden, bei denen sich dadurch eine besonders ausgeprägte Einstellung der Unabhängigkeit und Eigenständigkeit entwickelt hatte. Dass der Nationalpark direkt vom „fernen Kiel“ aus verwaltet werden sollte, empfanden sie als Fremdbestimmung durch Politiker, die weder direkte Erfahrung mit der Landwirtschaft vor Ort, der Fischerei und auch nicht mit der Gefahr der Sturmfluten hatten.<ref name="Legler3"/> Aber auch die Opposition und die Naturschutzverbände standen dem neuen Nationalpark eher skeptisch gegenüber. Sie empfanden die Regelungen als nicht weitgehend genug und hatten Sorge, dass die zusätzlichen Touristen, die der Nationalpark anlocken sollte, mehr zerstören würden als der Park in dieser Form selbst schützen könnte.<ref name="20 Jahre"/> ==== Synthesebericht, Diskussion und Proteste ==== [[Datei:Keitum Wattenmeer.jpg|thumb|Mit dem Versuch, das Wattenmeer östlich von Keitum/Sylt zur Nullnutzungszone zu erklären, konnten sich die Naturschützer nicht gegen die Fischer durchsetzen.]] Das zweite Nationalparkgesetz ging im Ursprung auf den etwa 800 Seiten starken „Synthesebericht/Ökosystemforschung Wattenmeer – Grundlagen für einen Nationalparkplan“ von 1996 zurück. Die Landesregierung ließ Wissenschaftler erst sieben Jahre lang ein umfangreiches Monitoring des bisherigen Nationalparks durchführen und auf diesen Ergebnissen basierend verschiedene Vorschläge für Änderungen im Nationalparkgesetz erarbeiten und im Bericht zusammenstellen. Dieser vom Umweltminister [[Berndt Heydemann]] (parteilos) initiierte Bericht, wurde etwa zwei Jahre lang in über 200 Versammlungen vor Ort und bei 15 Sitzungen der Nationalparkkuratorien besprochen.<ref name="Müller">Lars Müller: ''New Law for the National Park in Schleswig-Holstein.'' In: Wadden Sea Newsletter 2000–1 S. 20–21 [http://www.waddensea-secretariat.org/news/publications/Wsnl/Wsnl00-1/articles/10Mueller.pdf als pdf]</ref> Daraus folgend gaben das Kuratorium und die angrenzenden Landkreise 1998 umfangreiche Stellungnahmen ab. Das Landeskabinett diskutierte den Bericht offiziell erstmals Ende 1998, Mitte 1999 begann der Landtag mit den Lesungen des Gesetzes, um es am 31. Oktober 1999 zu verabschieden. Aufgrund kleinerer Nachbesserungen trat es am 29. Dezember 1999 in Kraft.<ref name="SterrG">[http://www.sterr.geographie.uni-kiel.de/ergebnisse/ueff_ikzm_ws0001/naturschutz/neues_npg.htm Horst Sterr:„Nationalparkgesetz“]</ref> Der Synthesebericht sah unter anderem vor, die Fläche des Parks von 273.000 auf 349.000 Hektar zu erweitern. Das [[Lister Tief]] (bei Sylt, nördlich des Hindenburgdamms) und das [[Wesselburener Loch]] (nahe der Eidermündung) sollten als Nullnutzungszonen ausgewiesen werden. Im südlichen Dithmarscher Wattenmeer sollte während der Mauser der [[Brandgans]] von Juli bis September jegliche Sportschifffahrt untersagt werden.<ref name="Zabel"/> Während sich im politisch-repräsentativen Raum insbesondere der nordfriesische Landrat Dr. [[Olaf Bastian]] (CDU) als entschiedener Gegner einer Nationalparkausweitung aufstellte und eine Verwaltung durch die Landkreise forderte, fanden auch im breiteren Rahmen Proteste an der Westküste statt. In Büsum protestierten 1.000 Menschen, besonders prononciert Deichschäfer und Krabbenfischer. Am 26. August 1999 fuhren letztere mit 143 Krabbenkuttern im Konvoi durch den Nord-Ostsee-Kanal bis vor Kiel, um während einer Gesetzeslesung vor dem an der [[Kieler Förde]] gelegene Landtag zu protestieren. Bei einer Veranstaltung in Tönning bewarfen Einwohner den mittlerweile ins Amt gekommenen Grünen Umweltminister [[Rainder Steenblock]] mit Eiern.<ref name="Zabel"/> Im November 1999, kurz vor der Verabschiedung des Gesetztes, brannten 160 Mahnfeuer an der gesamten Westküste des Bundeslandes.<ref name="SterrP">[http://www.sterr.geographie.uni-kiel.de/ergebnisse/ueff_ikzm_ws0001/naturschutz/proteste.htm Horst Sterr: „Proteste“]</ref> Proteste gab es dabei insbesondere um Zahl und Größe der Nullnutzungszonen, in denen auch nicht gefischt werden dürfte, und die landseitige Grenze des Parks. Diese sollte vom 150-Meter-Streifen direkt an die Außenkante der Deiche heranrücken, so dass beispielsweise Salzwiesen und vor allem Badestrände auch Teil des Parks geworden wären.<ref name="Zabel">[http://www.boyens-medien.de/dlz-bz/archiv/natpark1.html Frank Zabel: „Das Ende der Debatte?“ Boyens Medien/Dithmarscher Landeszeitung]</ref> ==== Zweites Nationalparkgesetz 1999 ==== [[Datei:Tuemmler-drawing.jpg|thumb|Das Zweite Nationalparkgesetz schuf unter anderem ein sogenanntes Walschutzgebiet zum Schutz des [[Gewöhnlicher Schweinswal|Gewöhnlichen Schweinswals]]]] Schließlich änderte der [[Landtag Schleswig-Holstein]] das Gesetz am 17. Dezember 1999 umfassend.<ref name="Müller">Lars Müller: „New Law for the National Park in Schleswig-Holstein.“ In: Wadden Sea Newsletter 2000–1 S. 20–21 [http://www.waddensea-secretariat.org/news/publications/Wsnl/Wsnl00-1/articles/10Mueller.pdf als pdf]</ref> Das Parlament weitete den Schutzzweck vom ''möglichst ungestörten Ablauf der Naturvorgänge'' aus, der Nationalpark soll nun ''als Lebensstätte der dort natürlich vorkommenden Tier- und Pflanzenarten dienen um diese Arten und die in den Lebensstätten bestehenden Lebensbeziehungen zu erhalten.'' Trotzdem gilt weiter ein Vorrang des Küstenschutzes vor dem Naturschutz; der Nationalpark soll nicht die Interessen und herkömmlichen Nutzungen der Bewohner beeinträchtigen und explizit ''positive Rückwirkungen auf den Tourismus und das Ansehen der Region'' haben.<ref name="Legler2">Legler S. 189–208</ref> Das Gesetz weitete die Nationalparkfläche in Richtung Meer aus. Die Landgrenze blieb entgegen erster Planungen 150 Meter vom Deich entfernt. Es führte eine Nullnutzungszone ein, die allerdings südlich des Hindenburgdamms liegt – kaum von Fischern genutzt aber auch ökologisch weniger wertvoll als Lister Tief oder Wesselburener Loch.<ref name="Zabel"/> Dafür führt das Gesetz das Walschutzgebiet ein, verbot die Jagd im Park endgültig, ebenso wie es die Muschelfischerei einschränkte. Das Gesetz vergrößerte Schutzzone I erheblich, vor allem um die Flächen der Wattstromgebiete, und vereinfachte das Zonensystem, in dem es die Schutzzone III abschaffte.<ref name="Müller"/> Nebenerwerbsfischerei war nun auch in Zone I erlaubt.<ref name="Kelch">Rudolf Eugen Kelch: „Viel Lärm um nichts oder wie Schleswig-Holstein sein Nationalparkgesetz novelliert“ [http://www.sdn-web.de/fileadmin/sdn/pdf/themen/nationalpark/th_1998-03-06_gesetzesnovelle.pdf als pdf]</ref> Sportbootfahrer und Fischer hatten sich bereits vor dem Gesetz mit der Landesregierung geeinigt, die Mausergebiete der Brandgans zu meiden. Ebenso sah das Gesetz eine Geschwindigkeitsbegrenzung für Schiffe und Boote im gesamten Nationalpark vor.<ref name="SterrG"/> Das Gesetz schuf zahlreiche Plattformen, Arbeitskreise und kooperative Projekte, um einerseits die Bevölkerung und die Nutzer vor Ort besser einzubinden, zum anderen aber auch um die Kritik in nicht-öffentliche Kanäle zu leiten, so dass die öffentliche Auseinandersetzung um den Park seit 1999 bedeutend zurückgegangen ist.<ref name="Legler3"/> === Verwaltung === [[Datei:Nordstrand, Nationalpark Wattenmeer 0022.JPG|thumb|Zu den Aufgaben des Nationalparkservice gehört unter anderem die Information der Öffentlichkeit]] 99,9&nbsp;Prozent des Nationalparkgebiets befindet sich in öffentlichem Eigentum. Davon wiederum befinden sich 99&nbsp;Prozent im Eigentum der Bundesrepublik Deutschland, der Rest im Eigentum des Landes Schleswig-Holstein.<ref name="CWSS Own">CWSS S. 115</ref> Seit dem 1. Januar 2008 obliegt die Verwaltung des Nationalparks dem neu gegründeten Landesbetrieb Küstenschutz, Nationalpark und [[Meeresschutz]] mit Sitz in [[Husum]]. Die Nationalparkverwaltung befindet sich seit der Nationalparkgründung in [[Tönning]]. Damit sollen die überlappenden Aufgabengebiete des [[Küstenschutz]]es, den vorher das Amt für Ländliche Räume betreute, und des Nationalparks in einer Behörde koordiniert werden.<ref name="NABU05-08"/> Hoffnungen, insbesondere wieder von Bastian, den Nationalpark endlich zu kommunalisieren und damit direkt dem Einfluss der Menschen vor Ort zu öffnen, traten Naturschutzverbände, andere Parteien und letztlich auch Landwirtschafts- und Umweltminister [[Christian von Boetticher]] (CDU) entgegen.<ref name="NABU05-08">[http://schleswig-holstein.nabu.de/m09/m09_03/08362.html NABU Schleswig-Holstein: „Bilanz 2005–2008: Nationalpark schleswig-holsteinisches Wattenmeer“]</ref> Die Verwaltung des Nationalparks erfolgte bis 2007 durch das Nationalparkamt in [[Tönning]], das direkt dem Schleswig-Holsteinischen Ministerium für Natur, Umwelt und Landesentwicklung unterstellt war.<ref name="Legler1"/> Obwohl der Nationalpark regional auf die beiden Landkreise Dithmarschen und Nordfriesland begrenzt ist und größtenteils auf dem Gemeindegebiet von über 250 Gemeinden liegt, begründet das Land Schleswig-Holstein seine Zuständigkeit mit der hohen Effizienz, einer einheitlichen Verwaltungspraxis und dem möglichst klein zu haltenden Einfluss lokaler Sonderinteressen in der Verwaltung. Landkreise und Gemeinden sind weiter über beratende Kuratorien eingebunden. Größeren Einfluss haben die Kreise auf die Inseln und Halligen sowie den 150 Meter breiten Küstenstreifen, die nicht zum Nationalpark gehören, ihn aber trotzdem stark beeinflussen.<ref name="Legler1">Legler S. 181–189</ref> Das Nationalparkamt hat 30 Mitarbeiter, zum Teil in Teilzeit, und verfügt über einen Jahresetat von etwa drei Millionen Euro.<ref name="NPA2004"/> Öffentlichkeits-, Überwachungs- und Bildungsfunktionen übernimmt allerdings seit 1999 die rechtlich unabhängige NationalparkService GmbH mit knapp 50 Mitarbeitern. Gesellschafter des Nationalparkservice sind das Land Schleswig-Holstein (55 Prozent), die Kreise [[Kreis Dithmarschen|Dithmarschen]] und [[Kreis Nordfriesland|Nordfriesland]], der [[WWF]], [[Naturschutzbund Deutschland|NABU]], [[Verein Jordsand]], [[Schutzstation Wattenmeer]] und der Fachverband der Wattführer ([[Verein de Wattenlöpers]]). Der Nationalparkservice verfügt im Gegensatz zum Nationalparkamt auch über Mitarbeiter im Außendienst, die im Park selber oder in Infozentren anzutreffen sind.<ref name="Legler3">Legler S. 209–212</ref> Der Nationalparkservice finanziert sich aus Eigenmitteln, unter anderem über den Eintritt im [[Multimar Wattforum]], die Herstellung von Merchandiseartikeln oder Infotafeln, die im Landes- oder Kommunenauftrag hergestellt werden, Spenden und Sponsoring.<ref name="Legler4">Legler S. 212–221</ref> Daneben bemüht sich die Nationalparkverwaltung Konflikte zu entschärfen und effizienter zu arbeiten, indem sie Abkommen mit Nutzergruppen und Betroffenen abschließt, um die Details der Nationalparknutzung zu regeln. Sie handelt Verträge mit Fischern, dem Sportbootverband, den Wattführern, Betreibern von Ausflugsschiffen, aber auch einzelnen Gemeinden wie [[Sankt Peter-Ording]], [[Westerhever]] oder der [[Hamburger Hallig]] aus.<ref name="CWSS Mean"/> === Andere Schutzmaßnahmen === Seit 1987 haben die dänische, deutsche und niederländische Regierung ein gemeinsames [[Wattenmeersekretariat]] (Common Wadden Sea Secretariat – CWSS) in [[Wilhelmshaven]] initiiert, das die Schutzmaßnahmen koordinieren soll. Seit 1990 besitzen die Nationalpark-Flächen und fünf im Nationalpark gelegene Halligen zusätzlich den Status eines Biosphärenreservates ([[Biosphärenreservat Schleswig-Holsteinisches Wattenmeer]]). Die Wasserstraßen im Gebiet unterliegen Bundesrecht. Das neueste Gesetz zum Wasserverkehr im Wattenmeer stammt aus dem Jahr 1997, es regelt unter anderem Geschwindigkeitsbegrenzungen und die zeitweilige Sperrung ganzer Seegebiete.<ref name="prot"/> International unterliegt der gesamte Nationalpark der internationalen [[Ramsar-Konvention]] zum Schutz von Feuchtgebieten. Seit 2002 ist das Gebiet ebenfalls als [[Particularly Sensitive Sea Area]] (PSSA) ausgezeichnet. Das Gebiet unterliegt einem trilateralen Sonderabkommen zum Schutz der Seehunde und zum Schutz von Kleinwalen ([[ASCOBANS]]), sowie dem Abkommen zur Erhaltung der afrikanisch-eurasischen wandernden Wasservögel ([[Abkommen zur Erhaltung der afrikanisch-eurasischen wandernden Wasservögel|AEWA]]).<ref name="env"/> Das Gebiet ist als spezielle Schutzzone im Sinne der [[Richtlinie 79/409/EWG über die Erhaltung der wildlebenden Vogelarten|Vogelschutzrichtlinie]] der Europäischen Gemeinschaft (79/409/EWG) ausgewiesen ebenso wie als Schutzgebiet im Sinne der [[Richtlinie 92/43/EWG (FFH-Richtlinie)|FFH-Richtlinie]]. Im Sinne der [[Richtlinie 2000/60/EG (Wasserrahmenrichtlinie)|Wasserrahmenrichtlinie]] gehört der Nationalpark fast komplett zur Flussgebietseinheit (FGE) [[Eider]], einzig ein kleiner Teil in der Elbmündung gehört zur FGE [[Elbe]].<ref name="prot"/> Am 30. Januar 2008 reichten die deutsche und die niederländische Regierung den Antrag ein, das Gebiet des niederländischen, niedersächsischen und schleswig-holsteinischen Wattenmeers als [[UNESCO-Welterbe|Weltnaturerbe]] der [[UNESCO]] anzuerkennen. Nicht dabei sind jedoch das hamburgische und dänische Wattenmeer. Das Welterbekomitee wird nach Abschluss der Evaluierungsarbeiten wahrscheinlich bei der Sommerkonferenz 2009 über den Antrag entscheiden.<ref>[http://www.waddensea-secretariat.org/management/whs/whs.html Wattenmeer-Sekretariat: „The Wadden Sea has been Nominated as World Heritage Site“]</ref> == Menschliche Nutzung == [[Datei:Sudfall P5232285jm.JPG|thumb|Auf Südfall leben im Sommer zwei der insgesamt fünf Bewohner des Nationalparks. In den direkt angrenzenden Gemeinden sind dies allerdings 290.000 Einwohner, zusätzlich kommen bis zu vier Millionen Touristen]] Im Nationalpark leben zwei Menschen auf der Hallig [[Süderoog]] ganzjährig sowie drei Menschen zusätzlich im Sommer (einer auf [[Trischen]], zwei auf [[Südfall]]). An den Nationalpark grenzen 70 Gemeinden mit etwa 290.000 Einwohnern, dazu kommen im Sommer etwa zwei bis vier Millionen Touristen. Das Gebiet des Parks dient dem [[Tourismus|Fremdenverkehr]], der [[Fischerei]], der [[Erdölförderung in Deutschland|Erdölförderung]], dem [[Küstenschutz]], der Beweidung, dem Schiffsverkehr, dem Flugverkehr, der Kies- und Sandentnahme, der Muschelzucht und wird militärisch genutzt. Der größte Teil dieser Nutzungen erfolgt jedoch unmittelbar an der Küste, so dass die seewärtigen Teile des Nationalparks dem Schutzziel der freien, vom Menschen unbeeinflussten Entwicklung weitgehend folgen können.<ref name="Legler2"/> Seit der Novellierung des Nationalparkgesetzes von 1999 dienen vor allem freiwillige Vereinbarungen zwischen Nationalparkverwaltung und Nutzergruppen dazu, die menschliche Nutzung einzuschränken. Der im Gesetz enthaltene Abwägungsparagraph hat die Akzeptanz des Parks vor Ort stark erhöht.<ref name="Legler4"/> Bestimmte Nutzungen, die kaum Beeinträchtigungen mit sich bringen, sind seit 1987 wieder zugelassen, dazu gehört beispielsweise das Sammeln von Wattwürmern durch Angler, das Pflücken kleiner Blumensträuße nicht geschützter Arten und die Entnahme kleiner Mengen von Pflanzen und Tieren für Forschung und Bildung, zum Beispiel bei [[Wattwanderung]]en.<ref name="MLUL Phys"/> === Akzeptanz bei Bevölkerung und Touristen === Regelmäßige Umfragen, die besonders im Rahmen des Sozial-Ökonomischen Monitorings (SÖM) des Parks durchgeführt werden, zeigen, dass Touristen an der Nordseeküste nicht nur ähnlich gut über den Nationalpark informiert sind wie die Einheimischen selbst, sondern ihm auch generell positiver gegenüberstehen.<ref name="Legler3"/> Nach dem Bayerischen Wald ist der ''Nationalpark Wattenmeer'' der bekannteste Nationalpark Deutschlands, allerdings unterscheiden nur wenige Menschen zwischen den drei einzelnen Nationalparks, die im öffentlichen Bewusstsein ein einziges Schutzgebiet darstellen.<ref name="SÖM"/> Umfragen ergaben aber auch unter Einheimischen hohe generelle Zustimmungsraten zum Nationalpark. So würden laut Umfragen aus den Jahren 2000 und 2001 insgesamt 76&nbsp;Prozent der Bewohner Dithmarschens und Nordfriesland bei einer Volksabstimmung für die Weiterführung des Nationalparks stimmen, nur 2&nbsp;Prozent würden ihn wieder abschaffen. Das Ergebnis schwankte in den Folgejahren zwischen 76 und 63&nbsp;Prozent, um 2007 mit 78&nbsp;Prozent einen bisherigen Höchststand zu erreichen. Weitere 14&nbsp;Prozent würden im Jahr 2007 den Nationalpark unter bestimmten Bedingungen weiterführen. Dabei war den Einwohnern insbesondere wichtig, dass die Landwirtschaft nicht eingeschränkt wird, die Wirtschaft inklusive des Tourismus nicht übermäßig behindert wird und allgemein die Einheimischen nicht übermäßig behindert würden. Immerhin 35&nbsp;Prozent der Einwohner waren auf den Nationalpark stolz, weitere 55&nbsp;Prozent fanden ihn wichtig, noch 3&nbsp;Prozent bewerteten ihn überwiegend negativ. Dabei bewerteten jüngere Menschen und Frauen den Park im Schnitt positiver als ältere Menschen und Männer. Besonders hohe Zustimmungsraten erhielt er bei einheimischen Hobby-Ornithologen, Naturschützern und Surfern, besonders niedrige bei Seglern, Motorbootfahrern und [[Boßeln|Boßlern]]. Die Jäger lagen im Durchschnitt.<ref name="SÖM"/> Wie weit es die Nationalparkverwaltung allerdings geschafft hat, die Einheimischen wirklich über die Details der Schutzregelungen aufzuklären, ist fraglich: der Nationalpark kann die Landwirtschaft kaum einschränken, da im Gebiet schon vor Nationalparkgründung kaum Landwirtschaft stattfand. Auch der genaue Status des Schutzgebiets ist weitgehend unbekannt: So können selbst 2007, also 22 Jahre nach Einführung des Nationalparks, erst 16&nbsp;Prozent der Einheimischen ohne Hilfe benennen, dass das Wattenmeer als ''Nationalpark'' geschützt ist, die Bekanntheit der Schutzkategorie Biosphärenreservat befindet sich im nicht mehr messbaren Bereich.<ref name="SÖM"/> === Küstenschutz === Vorrang vor allen anderen Belangen hat im Nationalparkgebiet der [[Küstenschutz]], von dem auch zugunsten des Umweltschutzes keinerlei Abstriche gemacht werden. Das bedeutet für die Festlands- und viele Inselbereiche den Ausbau und die Verstärkung der Seedeiche, in einigen Gebieten wie der Sylter Westküste auch das Anlagern von Sand. Anders als in anderen Nationalparks ist der Küstenschutz allerdings auch integraler Bestandteil des Nationalparks selber, da er seit mehreren hundert Jahren stattfindet und die heutige Form des Wattenmeers geprägt hat.<ref name="Legler2"/> Das Wattenmeer in der Form, wie es unter Schutz gestellt ist, ist eine seit dem Mittelalter durch den Menschen geschaffene Landschaft, die ihr Gesicht ohne den Küstenschutz stark verändern würde.<ref name="Legler2"/> Ein Beispiel bilden hier die Salzwiesen, die oft von künstlichen Entwässerungsgräben durchzogen sind, die den eigentlich amphibischen Charakter des Biotops stark verändern. Während die Menschen allerdings seit der ersten Besiedlung bestrebt waren, dem Meer weitere Gebiete abzuringen und anzulanden, bestehen zur Landgewinnung nur noch minimale Planungen, vor [[Schardeich]]en Deichvorland zu befestigen, um so die Sturmflutsicherheit zu erhöhen.<ref name="MLUL Phys"/> === Tourismus === [[Datei:Buesum sunset mu kuestenwache.JPG|thumb|Beim Wattwandern können Touristen direkt in das Nationalparkgelände gelangen.]] Das Nationalparkgesetz weist neben dem Naturschutz auch explizit die Tourismusförderung als Ziel des Nationalparks aus.<ref name="Legler4"/> Der Nationalpark liegt in einer traditionellen deutschen Ferienregion, die auch ohne den Nationalpark schon ein populäres Urlaubsziel war. Zudem ist Tourismus die mit Abstand wichtigste Einnahmequelle der Region. So sorgen etwa 1,7 Millionen Urlauber und Ausflügler jährlich für knapp 16 Millionen Übernachtungen im angrenzenden Küstenstreifen und auf den Nordseeinseln und -halligen.<ref name="env"/> Die tatsächlichen Zahlen sind unklar und liegen wahrscheinlich weit über den offiziell bekanntgegebenen, da die offiziellen Statistiken nur Besucher von Betrieben mit mehr als acht Gästebetten umfassen, gerade an der Nordsee ein Großteil der Betriebe aber kleiner ist und auch Besuch bei Freunden und Verwandten einen nennenswerten Teil der Besucher ausmacht.<ref name="env"/> Ebenso lässt sich die Zahl der Tagesgäste schwer erfassen, das Nationalparkamt geht hier von etwa vier Millionen jährlich aus.<ref name="20 Jahre"/> Etwa 9.000 Beschäftigte arbeiten im Tourismus.<ref name="Legler2"/> ==== Nordseetourismus im Nationalpark ==== [[Datei:Langeness-wattex.jpg|thumb|Wattexkursion der [[Schutzstation Wattenmeer]] im Nordwatt vor Hallig Langeness]] Aufgrund der großen Besucherzahl, der großen Fläche und langen Grenze ebenso wie aufgrund der relativ bescheidenen Mitarbeiterzahl zur Überwachung gestaltet sich die Besucherlenkung und -überwachung schwierig. Während die meisten anderen deutschen Nationalparks einen Haupteingang und explizit ausgewiesene Nebeneingänge haben, ist es bei den Wattenmeernationalparks möglich, sie entlang des ganzen Küstenstreifens zu betreten, die Zahl der möglichen Zugänge geht also nahe an eine unendliche Zahl. Es erfolgt zwar eine enge Kooperation zwischen Kommunen, Naturschutzverbänden und Nationalparkservice, trotzdem aber weist die Überwachung erhebliche Lücken auf. Die vor allem stattfindenden Versuche, Einheimische und Touristen zu überzeugen, sind zumindest bei den Einheimischen schwierig, da weder Zivildienstleistende noch Mitglieder der Naturschutzverbände bei diesen ein sonderlich hohes Ansehen genießen.<ref name="Legler4"/> Die Wirkungen des Tourismus reichen zwar weit in den Nationalpark hinein, im Normalfall aber befinden sich die Urlauber selbst außerhalb des Parks. Direkt in den Park dringen vor allem [[Wattwanderung|Wattwanderer]] ein. Die Zahl der privat laufenden Wattwanderer ist dabei nicht bekannt, die Zahl der Teilnehmer an geführten Touren ist vor allem wetterabhängig, erreichte 2007 aber mit 125.000 Teilnehmern an 6.200 einzelnen Touren Rekordwerte. Geführt werden diese zu etwa zwei Dritteln von Angehörigen der [[Schutzstation Wattenmeer]], der größte Teil des Rests entfällt auf Nationalpark-Wattführer.<ref name="SÖM"/> ==== Nationalparktourismus ==== [[Datei:Multimar eingang.JPG|thumb|Das [[Multimar Wattforum]] ist mit 200.000 Besuchern jährlich das wichtigste Informationszentrum über den Nationalpark]] Inwieweit sich der Nationalpark wirklich förderlich auf die Touristenzahlen auswirkt, ist unsicher. Die Zahl der Gästeankünfte und Übernachtungen erhöhte sich seit 1984 zwar stetig. Im Vergleich zu ähnlichen Kreisen ohne Nationalpark (Schleswig-Flensburg und Rendsburg-Eckernförde) und deren ebenfalls steigenden Besucherzahlen hat sich die Ausweisung laut einer statistischen Untersuchung von Julia Schmid „mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht ausgewirkt“. Zeitlich fallen die starken Anstiege auch eher mit der deutschen Wiedervereinigung 1989/1990 zusammen als mit der Nationalparkausweisung 1986.<ref name="Schmid"/> Laut der Nationalparkbefragung von Katja Korff von 2003 allerdings erbringt der Nationalpark jährlich eine touristische Bruttowertschöpfung von 6,8 Millionen Euro und ist für 260.000 Übernachtungen im Jahr verantwortlich.<ref name="NPA2004"/> Die Zahl der reinen Nationalparkbesucher liegt verglichen mit den anderen Nordseeurlaubern auf niedrigem Niveau, steigt aber langsam: gaben 2004 nur 1,4&nbsp;Prozent der Gäste an, dass sie ohne den Nationalpark nicht gekommen wären.<ref name="20 Jahre"/>, ist die Zahl 2007 auf 4&nbsp;Prozent der Nationalparkbesucher gestiegen.<ref name="SÖM">SÖM-Bericht 2008</ref> Der Nationalpark selbst soll der Öffentlichkeitsarbeit dienen. Zu diesem Zweck vertreibt der Nationalparkservice Informationstafeln, die dann vom Land, Gemeinden oder privaten Trägern aufgestellt werden können und als umfassendes Besucherinformationssystem an den Grenzen des Nationalparks dienen. Vor allem aber betreibt er seit 1999 ein Hauptzentrum (das [[Multimar Wattforum]] in [[Tönning]]), fünf Bezirkszentren und 22 Ortszentren, die über den Nationalpark informieren. Die Ortszentren werden von verschiedenen Trägern wie Umweltverbänden betrieben und unterscheiden sich deshalb in Qualität und Ausstattung erheblich.<ref name="Legler2"/> Neben dem Multimar Wattforum in Tönning sind dies insbesondere das Nationalparkhaus in Husum und das Nationalpark-Zentrum in [[Wyk auf Föhr]]. Gut besuchte Touristenattraktionen, die auch umfassend über den Nationalpark informieren, sind beispielsweise die Seehundstation in Friedrichskoog (knapp 170.000 Besucher im Jahr 2007), die InfoBox Erlebniszentrum Naturgewalten List auf Sylt (160.000) und der Westküstenpark in Sankt Peter Ording (rund 120.000).<ref name="SÖM"/> === Fischerei, Jagd und Landwirtschaft === [[Datei:Krabbenkutter Ivonne Pellworm P5242390jm.JPG|thumb|Traditionelle Krabbenkutter mit Baumkurren stellen die meisten Schiffe im Wattenmeer, verlieren ökonomisch aber auch stetig an Bedeutung.]] Konflikte provoziert insbesondere die Koexistenz von Nationalpark und Fischerei. Die größte wirtschaftliche Bedeutung innerhalb der Fischerei besitzt der [[Krabbenkutter|Krabbenfang]], da [[Nordseegarnele|Krabben]] nicht bestandsgefährdet sind und keinerlei Fischereiquoten unterliegen. [[Kabeljau]], [[Scholle (Fisch)|Schollen]] und [[Seezunge]]n hingegen werden kaum noch gefischt und unterliegen diversen Schutzbestimmungen und Quotenregelungen. Die industrielle sogenannte [[Gammelfischerei]] ist bereits seit den 1970ern in den Küstengewässern der Nordsee verboten.<ref name="Fisch"/> Insgesamt trägt die Fischerei weniger als ein Prozent zum Bruttosozialprodukt der Westküste bei und ist damit ökonomisch relativ unbedeutend. Wichtiger ist ihre Existenz jedoch für den Tourismus, vermittelt sie doch typisches maritimes Flair, das die Nordseeurlauber erwarten. Während die Landwirtschaft an sich an der Westküste eine ökonomisch wesentlich größere Bedeutung hat, findet sie fast ausschließlich außerhalb des Nationalparkgebiets statt. Einzig die Beweidung der Salzwiesen durch Schafe stellt einen Konfliktpunkt dar.<ref name="MLUL Men"/> ==== Krabbenfang ==== 2003 waren 99 schleswig-holsteinische Krabbenkutter vor der schleswig-holsteinischen Küste unterwegs, oft noch ergänzt um Kutter aus den Niederlanden, die um die 11.000 Tonnen Krabben im Jahr fangen.<ref name="CWSS Exploit"/> Dabei kann es bei Hochwasser auch vorkommen, dass sie im eulitoralen Bereich unterwegs sind.<ref name="MLUL Phys"/> Der Kutterbestand ist seit einigen Jahrzehnten stark rückläufig: So gab es 1999 beispielsweise noch 144 Kutter. Betroffen sind hiervon vor allem kleinere handwerklich arbeitende Schiffe. Stetig nimmt hingegen die Zahl größerer Schiffe zu, die aus den Niederlanden kommen, länger und bei schlechterem Wetter draußen bleiben können und auch das deutsche Wattenmeer als lukrativen Fischgrund entdecken.<ref name="Fisch">Bericht der Landesregierung über die Situation und Entwicklung der Fischerei in Nord- und Ostsee sowie die Binnen- und Teichfischerei. Drucksache 15/452 des Schleswig-Holsteinischen Landtags [http://www.landtag.ltsh.de/infothek/wahl15/drucks/0400/drucksache-15-0452.pdf als pdf]</ref> ==== Muschelfang ==== Auf 2.200 Hektar werden noch [[Miesmuscheln]] aus Besatzmuschelzonen gefischt. Dabei können maximal acht Lizenznehmer im Schnitt 16.500 Tonnen anlanden. Wildmuschelfang ist ebenso verboten wie insgesamt 135.000 Hektar des Nationalparks nicht mehr befischt werden dürfen, darunter seit 1997 alle trockenfallenden Bereiche des Wattenmeeres.<ref name="CWSS Exploit"/> In Schutzzone I dürfen die Muschelkulturen dabei gar nicht angelegt werden, von Mitte April bis Mitte Juli herrscht ein generelles Anlandeverbot.<ref name="Frisk">[http://www.royal-frysk.de/start_d.html Maarten Ruth: „Die Muschelfischerei in Deutschland seit dem zweiten Weltkrieg“]</ref> Während Miesmuscheln im ganzen Wattenmeer angelandet werden, ist das Fischen von [[Gemeine Herzmuschel|Herzmuscheln]] und [[Amerikanische Scheidenmuschel|Schwertmuscheln]] seit 1990 verboten. Dies war wegen der hohen Verluste in kalten Wintern in Schleswig-Holstein allerdings schon vorher weitgehend ohne wirtschaftliche Bedeutung.<ref name="CWSS Exploit"/> Die [[Pazifische Auster]] kann von einem Lizenznehmer vor Sylt auf maximal 30 Hektar gezogen werden und versorgt etwa 20&nbsp;Prozent des deutschen Marktes für Austern. Ist es im Nordseeklima jedoch eigentlich nötig, die Austern zum Überwintern in geschützte und geheizte Becken zu bringen, scheint sich dies durch die Klimaerwärmung zu ändern, so dass immer mehr Austern auch wild überleben und als invasive Spezies die Miesmuscheln bedrohen. Versuche, auch die [[Feste Trogmuschel]] zu fischen, verliefen Anfang der 1990er erfolgreich. Im strengen Winter 1995/1996 fielen jedoch sämtliche fischbaren Muscheln dem ungewöhnlich kalten Wetter zum Opfer. Die Konzessionen bestehen noch, die Fischerei ruht aber seitdem; die Fischer hoffen, dass die Trogmuschel aus anderen Teilen der Nordsee wieder in das Wattenmeer einwandert.<ref name="Frisk"/> ==== Aquakulturen und Jagd ==== In Büsum befindet sich eine Versuchsanlage für marine Aquakulturen, die über eine Pipeline mit Nordseewasser aus dem Nationalpark versorgt wird.<ref name="Fac"/> Während die Jagd im Nationalpark seit 1999 verboten ist, sind auf den vom Park umgebenen Halligen weiterhin Jäger aktiv, die sich besonders auf Wasservögel spezialisiert haben.<ref name="MLUL Phys"/> ==== Landwirtschaft ==== [[Datei:Wesselburenerkoog nonnengaense in luft.JPG|thumb|Bauern machen insbesondere Nonnengänse für Fraßschäden in den angrenzenden Gebieten verantwortlich. Diese profitieren aber vor allem davon, dass viele Salzwiesen nicht mehr durch Schafe beweidet werden.]] Die Landwirtschaft stellt neben dem Tourismus eine wichtige Einnahmequelle der Küstengebiete dar. Insbesondere der südlichere Dithmarscher Teil war schon im Mittelalter Agrarexportgebiet und verfügt noch heute über eine intensive Landwirtschaft. Während diese mit Ausnahme der Schafzucht nicht direkt im Nationalparkgebiet stattfindet, so hat sie doch Auswirkungen auf dieses, da viele Vögel auch den Deich überfliegen und Wasser von und über die Felder durch [[Grüppe]]n (Entwässerungskanäle) und Siele direkt in den Nationalpark gelangt.<ref name="MLUL Men">MLUL S.&nbsp;35–43</ref> Unmittelbar haben Landwirtschaft und Nationalpark jedoch nur wenig miteinander zu tun. Einzig auf den Salzwiesen stellt die Beweidung mit [[Hausschaf|Schafen]] ein Problem dar. Seit Beginn der Besiedlung dienten die Salzwiesen zur Viehhaltung. Bis in die 1980er hinein wurde diese, zum größten Teil angetrieben durch staatliche Subventionen, intensiviert. Während es aus Küstenschutzgründen notwendig ist, den [[Seedeich]] und das direkte [[Deichvorland]] zu beweiden, den Bewuchs kurz zu halten und die Erde durch die Schaftritte zu verdichten, soll weiter seewärts möglichst darauf verzichtet werden.<ref name="Stock1">Stock 2006 S. 8–23</ref> Im Rahmen des Küstenrandstreifenprogramms, das von 1991 bis 1996 finanzielle Ausgleichszahlungen vorsah, verzichteten die Schäfer seit 1990 auf intensive Beweidung vieler Salzwiesen, und die Entwässerung wurde in vielen Bereichen wieder von künstlich angelegten Gräben auf natürlich entstehende Priele umgestellt. In den Jahren 1988 bis 2001 konnte sich der Salzwiesenbestand vor den Küsten Nordfrieslands und Dithmarschens um 17&nbsp;Prozent vergrößern,<ref name="Stock2">Stock S. 24–30</ref> gleichzeitig stieg die Zahl überhaupt nicht beweideter Salzwiesen von sieben Prozent der Fläche Ende der 1980er auf 36&nbsp;Prozent im Jahr 2005, die intensiv genutzte Fläche ging von 80&nbsp;Prozent auf 45&nbsp;Prozent zurück.<ref name="MLUL Phys"/> === Verkehr und Infrastruktur === [[Datei:Eidersperrwerk schiff aus schleuse.jpg|thumb|Fast der gesamte Schiffsverkehr im Nationalpark findet für Touristen statt. Diverse Reedereien arbeiten deshalb mit dem Nationalparkamt zusammen und lassen sich als nationalparkfreundliche Reederei auszeichnen.]] An der schleswig-holsteinischen Küste existieren kleinere und mittelgroße Häfen ([[Friedrichskoog]], [[Büsum]], [[Husum]], [[Nordstrand]], [[Pellworm]], [[Dagebüll]], [[Wyk auf Föhr]], [[Amrum]], [[Hörnum]] und [[List (Sylt)|List]]), deren Anfahrt nur durch den Nationalpark möglich ist. Der größte Teil der Schiffsbewegungen findet in den Fahrrinnen des Fährverkehrs zu den Inseln statt.<ref name="env"/> Für das gesamte Seegebiet gilt eine besondere Befahrensverordnung des Bundes. Diese lässt beispielsweise die Absperrung zeitweiliger Schutzzonen zum Schutz von Seevögeln und Robben ebenso wie Befahrensverbote bei Niedrigwasser zu.<ref name="MLUL Phys"/> Der seewärtige Teil des Nationalparks selbst ist als PSSA ([[Particularly Sensitive Sea Area]]) ausgezeichnet, was diverse Einschränkungen für den Schiffsverkehr bedeutet und vor allem Schiffen mit gefährlichen Frachten weiter seewärts gelegene Routen vorschreibt. Allerdings sind die wichtigsten Schifffahrtsrouten, wie insbesondere die direkt südlich des Nationalparks gelegene Elbmündung, davon ausgenommen.<ref name="env"/> Das Schleswig-Holsteinische Wattenmeer befindet sich direkt nördlich einer der am stärksten befahrenen Schifffahrtsstrecken der Welt, der südlichen Nordsee. In einer Gegend mit schnell wechselndem Wetter und oftmals starken Stürmen mit schlechter Sicht besteht immer das Risiko eines Schiffsunglücks mit erheblichen potenziellen Schäden auch für das Nationalparkgebiet. Im Alltag deutlicher sind allerdings ölverschmutzte Vögel, die verenden weil Kapitäne auf hoher See illegal Öl verklappen. Seine größte Gefährdung erlebte der Park am 25. Oktober 1998 bei der Havarie des Frachtschiffs [[Pallas (Schiff)|Pallas]] vor Amrum, bei der 600 Tonnen Öl in die Nordsee liefen.<ref name="env">CWSS s.!08–109</ref> [[Datei:Adler-express.jpg|thumb|Der [[Adler-Express]] ist eine Schnellfähre zwischen den Inseln und dem Festland. Sie ist nicht als "Nationalparkpartner" zertifiziert. Da sie im Linienverkehr mit hoher Geschwindigkeit unterwegs ist besteht die Gefahrt, dass Meeressäuger zuwenig Zeit zur Flucht haben. Deshalb wird die Fähre im Volksmund häufig als "Robben-Schreder" bezeichnet.]] Da bewohnte Inseln und Halligen komplett vom Nationalparkgebiet umgeben sind, erfolgt ihre Versorgung und Anbindung zwangsläufig durch dieses hindurch. Neben dem Schiffsverkehr betrifft das auch diverse Leitungen (Energie, Daten, Wasser) sowie zivilen Flugverkehr.<ref name="MLUL Phys"/> === Öl, Windkraft und Sand === [[Datei:Mittelplate pipeline construction site 2a.jpg|thumb|Bau der Pipeline durch den Nationalpark, um Mittelplate A mit dem Festland zu verbinden.]] Mitten im Nationalpark nahe der Vogelinsel [[Trischen]] befindet sich die einzige verbliebene deutsche Offshore-Ölbohrplattform [[Mittelplate|Mittelplate A]], die das mit Abstand bedeutendste deutsche Ölfeld ausbeutet. Die Ölförderung aus 2000 bis 3000 Meter Tiefe läuft dort seit 1987, seit 2000 ergänzt durch eine Schrägbohrung vom Festland aus ([[Friedrichskoog]]). Wurde das Öl ursprünglich mit Tankern nach Brunsbüttel transportiert, läuft es seit 2005 durch eine unterirdische Pipeline. Offiziellen Stellen zufolge ist die Abschirmung der Insel gut genug, dass sie als „Nullemissionseinheit“ aufgefasst werden kann.<ref name="CWSS Exploit">CWSS S. 62–66</ref> Natürlich entwickeln aber auch Beleuchtung, Lärm und die Versorgung der Bohrinsel vom niedersächsischen [[Cuxhaven]] aus ein gewisses Störpotenzial für die Umwelt vor Ort.<ref name="MLUL Phys"/> Die Errichtung weiterer Bohrinseln ist weder nach dem Nationalparkgesetz noch nach dem Trilateralen Wattenmeerabkommen erlaubt. Allerdings befinden sich wahrscheinlich weitere Vorkommen südlich des Feldes bis hin zum Elbstrom sowie auf den Salzstöcken vor Büsum und Oldenswort. Es ist nicht sicher, ob diese vollständig von Stationen außerhalb des Nationalparks erschlossen werden können; sehr unwahrscheinlich ist, dass Mittelplate A ausreicht, um alle Erdölquellen zu erschließen.<ref name="Fac">CWSS S. 100–107</ref> Die [[RWE Dea]] hat fünf weitere Probebohrungen im Nationalpark beantragt. Um die Treffsicherheit zu erhöhen, soll dabei direkt senkrecht gebohrt werden, was aber auch bedeutet, dass dies nicht von Mittelplate A aus möglich ist.<ref name="FAZ">[http://www.faz.net/s/RubB8DFB31915A443D98590B0D538FC0BEC/Doc~EB27E0B49F9AC47779B9593CCB4323DCB~ATpl~Ecommon~Scontent.html Werner Sturbeck: ''Unter dem Wattenmeer ruht ein kleiner Schatz.'' FAZ v. 21. Juli 2008]</ref> Dafür liegt zwar eine Genehmigung der Bergbehörde vor, einem Rechtsgutachten des Schleswig-Holsteinischen Landtags zufolge ist diese allerdings rechtswidrig. Die politische Auseinandersetzung um weitere Ölbohrungen läuft weiterhin.<ref name="Etap">[http://www.schutzstation-wattenmeer.de/aktuell/2008.html?ausgabe=0812 Schutzstation Wattenmeer: Etappensieg gegen Ölförderung, 12.August 2008]</ref> Während die Windenergie bisher erst in den Landgebieten der angrenzenden Küstenregionen von Bedeutung ist, laufen bereits die Planungen für Offshore-Windparks. Diese sind zwar im Nationalpark verboten, die Anbindung an das Land (Kabel, Versorgung) wird jedoch zwangsläufig durch das Gebiet des Nationalparks führen und dabei zumindest bei der Verlegung der Kabel für Beeinträchtigungen der Natur sorgen.<ref name="Schmid">Julia Schmid: ''Regionalökonomische Wirkungen von Großschutzgebieten. Eine empirische Studie zu den Nationalparken in Deutschland.'' Schriftenreihe Agraria: Studien zur Agrarökologie, Dr. Kovač, Hamburg 2006, {{ISSN|0945-4888}}, S. 94–106</ref> Während es verboten ist, Rohstoffe für kommerzielle Zwecke aus dem Meer zu entnehmen und etwa an Bauunternehmen zu verkaufen, kommt es doch zu größeren Sand- und Kiesentnahmen zugunsten des Küstenschutzes. Im Schnitt 1,1 Millionen Kubikmeter werden jedes Jahr entnommen, um beispielsweise vor Sylt oder die Halligen Sand zu spülen oder um neue Deichbauten zu verstärken.<ref name="CWSS Exploit"/> === Militär === Seit Einrichtung des Nationalparks hat die Bundeswehr ihren Schießplatz auf Sylt ganz aufgegeben, im militärischen Testgebiet im Südteil der [[Meldorfer Bucht]] werden weder Bomben noch [[Napalm]] wie in früheren Zeiten getestet. Noch in den 1960ern schossen die Rüstungsfirmen an 130 Tagen im Jahr ins Watt und bargen die meisten Projektile wieder mit Hubschraubern. Allerdings führen Privatfirmen im Auftrag der Bundeswehr weiterhin an zwei Tagen im Jahr Rüstungs- und Raketentests durch, die die Organismen im Zielgebiet massiv und direkt sowie das weitere Umfeld - durch die Bergung der Geschosse mit Hubschraubern - beeinträchtigen.<ref name="NPA2004"/> Ebenso finden regelmäßig militärische Übungsflüge über dem Nationalparkgelände statt, die für Düsenflugzeuge eine Mindesthöhe von 900 Metern jedoch nicht unterschreiten dürfen.<ref name="20 Jahre"/> Weitgehend unklar ist immer noch, wieviel Munition aus dem Zweiten Weltkrieg vor der schleswig-holsteinischen Küste liegt. Diese Munition wurde vielfach undokumentiert nach Kriegsende von der deutschen Marine im Meer versenkt. Obwohl anscheinend der größte Teil im niedersächsischen Wattenmeer ruht, dürften sich bei 400.000 bis 1.300.000 Tonnen Gesamtmenge auch im schleswig-holsteinischen Teil erhebliche Altlasten befinden. Bekannt sind solche an einigen Stellen westlich von Sylt, weitgehend unbekannt an anderen. Die Munition setzt durch Korrosion mittlerweile wahrscheinlich erhebliche Schadstoffmengen frei, bei unsachgemäßer Handhabung beispielsweise durch Fischer oder Touristen kann ein größeres Unglück, auch mit gravierenden Auswirkungen auf die Umwelt, nicht ausgeschlossen werden.<ref name="Nehring">Stefan Nehring: „Rüstungsaltlasten in den deutschen Küstengewässern – Handlungsempfehlungen zur erfolgreichen Umsetzung der Europäischen-Wasserrahmenrichtlinie“ in Rostocker Meeresbiologische Beiträge Heft 14, Rostock 2005 S. 109–123 (als pdf)</ref> == Literatur == * Common Wadden Sea Secretariat (CWSS) (Hrsg.): ''Nomination of the Dutch-German Wadden Sea as World Heritage Site'' 2008 [http://www.waddensea-secretariat.org/management/whs/WHS-Final-Dossier(08-01-16).pdf als PDF] * Landesamt für den Nationalpark Schleswig-Holsteinisches Wattenmeer (Hrsg.): Wattenmeermonitoring 2000 – Schriftenreihe des Nationalparks Schleswig-Holsteinisches Wattenmeer, Sonderheft, Tönning 2001 * Landesamt für den Nationalpark Schleswig-Holsteinisches Wattenmeer (Hrsg.): SÖM-Bericht 2008 [http://www.nationalpark-sh-wattenmeer.de/themen/SOEM_Bericht_2008.pdf als pdf] * Landesamt für den Nationalpark Schleswig-Holsteinisches Wattenmeer / Landesamt für den Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer / Umweltbundesamt (Hrsg.): Umweltatlas Wattenmeer. Bd. 1 (Nordfriesisches und Dithmarscher Wattenmeer), Verlag Ulmer, Stuttgart ISBN 3-8001-3492-6 * Ministerium für Landwirtschaft, Umweltschutz und Ländliche Räume des Landes Schleswig-Holstein (MLUL) (Hrsg.): ''Bericht zur Überprüfung des Biosphärenreservats Schleswig-Holsteinisches Wattenmeer und Halligen durch die UNESCO. Berichtszeitraum 1990 bis 2005.'', Juni 2005 [http://www.wattenmeer-nationalparke.de/ueber/EVA-Bericht_2005.pdf als pdf] * Dirk Legler: ''Die Organisation deutscher Nationalparkverwaltungen.'' Baden-Baden, Nomos 2006, ISBN 3-8329-1978-3 * Martin Stock et. al.: ''Salzwiesen an der Westküste von Schleswig-Holstein 1986–2001.'' Heide Boyens Buchverlag 2005, ISBN 3-8042-0703-0 * {{GKD|5005053-9|text=der Nationalparkverwaltung Schleswig-Holsteinisches Wattenmeer}} == Filmographie == * ''Im Nationalpark Wattenmeer''. Dokumentarfilm, 45 Min., Deutschland, 1998, von Jens-Uwe Heins und Michael Sutor, Produktion: Komplett-Media-GmbH, Grünwald (ISBN 3-89672-492-4), [http://programm.daserste.de/archiv_detail.asp?dscroll=1&dpointer=14&sdatlo=27.04.04&anzahl=42 Kurzbeschreibung] der ''ARD'' == Weblinks == {{Commonscat}} * [http://www.wattenmeer-nationalpark.de/ Offizielle Website] * [http://www.schutzstation-wattenmeer.de/ Schutzstation Wattenmeer] == Einzelnachweise == <references /> {{Normdaten|GKD=5005053-9|SWD=4198663-5}} {{Navigationsleiste Nationalparks in Deutschland}} {{Exzellent}} [[Kategorie:Nationalpark in Europa|Schleswig-Holsteinisches Wattenmeer]] [[Kategorie:Nationalpark in Deutschland|Schleswig-Holsteinisches Wattenmeer]] [[Kategorie:Weltnaturerbe (Europa)]] [[Kategorie:Geographie (Schleswig-Holstein)]] [[Kategorie:Friesland]] [[Kategorie:Kreis Nordfriesland]] [[Kategorie:Kreis Dithmarschen]] [[Kategorie:Wattenmeer]] [[Kategorie:Meeresschutz]] [[da:Schleswig-Holsteinisches Wattenmeer]] [[en:Wadden Sea National Parks]] [[eo:Nacia parko Vadmaro]] [[pl:Park Narodowy Szlezwicko-Holsztyńskiego Morza Wattowego]] [[sv:Nationalpark Schleswig-Holsteinisches Wattenmeer]] [[tr:Wadden Denizi Ulusal Parkı]] [[vi:Các vườn quốc gia biển Wadden]] tncyoilg55hrpx4mvu53o0uv1h7qga7 wikitext text/x-wiki Nationalratswahl in Österreich 2008 0 23978 26576 2010-05-02T22:06:11Z Luckas-bot 0 Bot: Ergänze: [[it:Elezioni legislative austriache del 2008]] [[Datei:Österreichisches Parlament.svg|thumb|upright=1.4|Logo des österreichischen Parlaments]] Die '''24.&nbsp;[[Wahlsystem (Österreich)#Nationalratswahl|Nationalratswahl]] in [[Österreich]]''' fand am 28.&nbsp;September 2008 statt. Infolge einer Änderung des Wahlrechts in der vorangehenden 23.&nbsp;[[Legislaturperiode]] lag das Mindestwahlalter erstmals bei 16&nbsp;Jahren, die Legislaturperiode beträgt erstmals fünf Jahre. Stimmenstärkste Partei wurde die Sozialdemokratische Partei Österreichs (SPÖ) mit [[Werner Faymann]], die große Stimmverluste gegenüber der Wahl 2006 hinnehmen musste. Mit noch schwereren Verlusten wurde die Österreichische Volkspartei (ÖVP) mit [[Wilhelm Molterer]] Zweitplatzierte. Beide „[[Volkspartei]]en” erreichten bei dieser Wahl ihr schlechtestes Ergebnis in der Geschichte der Zweiten Republik. Stark profitieren konnte als Drittplatzierte die Freiheitliche Partei Österreichs (FPÖ) und das viertplatzierte Bündnis Zukunft Österreichs (BZÖ), welches seinen Stimmenanteil mehr als verdoppelte und somit die Grünen überholte. Nicht in den Nationalrat kamen von den bundesweit angetretenen Parteien das Bürgerforum Österreich/Liste Fritz Dinkhauser (FRITZ), Die Christen (DC), die Kommunistische Partei Österreichs (KPÖ), das Liberale Forum (LIF) und die Unabhängige Bürgerinitiative Rettet Österreich (RETTÖ). Darüber hinaus traten die Liste Stark (STARK) und die Liste Dipl.-Ing. Karlheinz Klement (KHK) in Kärnten sowie in Wien die Tierrechtspartei earth-human-animals-nature (TRP) an, die ebenso nicht den Einzug in den Nationalrat schafften. Das Ergebnis führte nach 56 Tagen Koalitionsverhandlungen zu einer Weiterführung der [[Große Koalition|Großen Koalition]], diesmal unter dem neuen Bundeskanzler Werner Faymann und Vizekanzler [[Josef Pröll]]. [[Datei:Nationalratswahl 2008 österreich.svg|thumb|upright=1.6|Amtliches Endergebnis (inklusive aller Wahlkarten), in heller Schattierung die Ergebnisse von 2006. (n.k. = nicht kandidiert)]] [[Datei:Mandatsverteilung nach der Nationalratswahl in Österreich 2008.PNG|thumb|upright=1.6|Mandatsverteilung]] == Gesamtergebnis == === Ergebnisse in den Bundesländern === Während die SPÖ sich in [[Burgenland]], [[Oberösterreich]], [[Steiermark]] und [[Wien]] durchsetzen konnte, lag die ÖVP in [[Niederösterreich]], [[Salzburg]], [[Tirol (Bundesland)|Tirol]] und [[Vorarlberg]] vorne. Nachdem 2006 die Steiermark knapp an die ÖVP ging, wurde die SPÖ diesmal dort stimmenstärkste Partei. Das BZÖ konnte sich in Kärnten mit mehr als 10 Prozentpunkten vor der SPÖ durchsetzen und somit erstmals bei einer Nationalratswahl in einem Bundesland gewinnen. Die FPÖ erreichte ihr bestes Resultat in Wien, wo sie 20,4 % Wählerzustimmung erhielt und den zweiten Platz hinter der SPÖ belegte. Besonders in den Außenbezirken konnten die Freiheitlichen punkten. Die Grünen bekamen ihren Wählerzuspruch hauptsächlich aus Vorarlberg und Wien, wo sie von Verlusten der Großparteien profitierten. In Wien verloren sie viele Stimmen an das Liberale Forum und erzielten ein prozentuell schlechteres Ergebnis als bei der [[Nationalratswahl in Österreich 2006|Nationalratswahl 2006]], jedoch gingen sie in fünf Wiener Gemeindebezirken als stimmenstärkste Partei hervor, das sind zwei Bezirke mehr als 2006.<ref>{{Literatur | Autor=Thomas Hofer| Titel=Wahl 2008 – Strategien, Sieger, Sensationen| Verlag=molden| Ort=Wien| Jahr=2008| Seiten=182–185 | ISBN=978-3-85485-235-3 }}</ref> === Wählerströme === Während die SPÖ bei ehemaligen FPÖ-, ÖVP- und Grünwählern gewinnen konnte, kam der einzige nennenswerte Stimmenzuwachs der ÖVP ausschließlich von den Grünen. Auffällig bei beiden Großparteien sind die massiven Verluste an FPÖ und BZÖ, wobei die FPÖ stärker an ehemaligen SPÖ-Wählern und das BZÖ mehr ÖVP-Wähler dazugewann. Bei den Grünen gingen die größten Verluste an Sonstige und Nichtwähler.<ref>{{internetquelle |hrsg=SORA |url=http://www.sora.at/images/doku/SORA_ISA_Analyse_NRW_2008.pdf |titel=Wählerstromanalyse Österreich NRW06–NRW08 |werk= |seiten= |datum= |zugriff=6. Jänner 2009}}</ref> === Endergebnis === Amtliches Endergebnis (inklusive aller Wahlkarten)<ref>Bundesministerium für Inneres: [http://wahl08.bmi.gv.at/ ''Österreich, Endergebnis (inklusive aller Wahlkartenergebnisse)''], (abgerufen am 17.&nbsp;Oktober 2008)</ref> {| class="prettytable" | align=center valign=center rowspan=3 | [[Datei:Österreichisches Parlament.svg|125px]] ! align=center valign=center colspan=4 bgcolor=#FFFFFF | Ergebnisse 2008 ! align=center valign=center colspan=4 bgcolor=#FFFFE1 | Ergebnisse 2006 ! align=center valign=center colspan=4 bgcolor=#E1E1E1 | Veränderung 2008 zu 2006 |- ! align=center valign=center bgcolor=#008080 colspan=12 | Wahldaten |- ! align=center valign=center bgcolor=#FFFFFF | Anzahl ! align=center valign=center bgcolor=#FFFFFF | Anteil | align=center valign=center bgcolor=#FFFFFF colspan=2 rowspan=5 | &nbsp; ! align=center valign=center bgcolor=#FFFFE1 | Anzahl ! align=center valign=center bgcolor=#FFFFE1 | Anteil | align=center valign=center bgcolor=#FFFFE1 colspan=2 rowspan=5 | &nbsp; ! align=center valign=center bgcolor=#E1E1E1 | Anzahl ! align=center valign=center bgcolor=#E1E1E1 | Anteil | align=center valign=center bgcolor=#E1E1E1 colspan=2 rowspan=5 | &nbsp; |- | valign=bottom | Wahlberechtigte | align=right valign=center bgcolor=#FFFFFF | 6.333.109 | align=right valign=center bgcolor=#FFFFFF | – | align=right valign=center bgcolor=#FFFFE1 | 6.107.892 | align=right valign=center bgcolor=#FFFFE1 | – | align=right valign=center bgcolor=#E1E1E1 | +225.217 | align=right valign=center bgcolor=#E1E1E1 | – |- | valign=bottom | [[Wahlbeteiligung|abgegeben]] | align=right valign=center bgcolor=#FFFFFF | 4.990.952 | align=right valign=center bgcolor=#FFFFFF | 78,81 % | align=right valign=center bgcolor=#FFFFE1 | 4.793.735 | align=right valign=center bgcolor=#FFFFE1 | 78,48 % | align=right valign=center bgcolor=#E1E1E1 | +197.217 | align=right valign=center bgcolor=#E1E1E1 | +0,33 % |- | valign=bottom | ungültig | align=right valign=center bgcolor=#FFFFFF | 103.643 | align=right valign=center bgcolor=#FFFFFF | 2,08 % | align=right valign=center bgcolor=#FFFFE1 | 85.454 | align=right valign=center bgcolor=#FFFFE1 | 1,78 % | align=right valign=center bgcolor=#E1E1E1 | 18.189 | align=right valign=center bgcolor=#E1E1E1 | +0,29 % |- | valign=center | gültig | align=right valign=center bgcolor=#FFFFFF | 4.887.309 | align=right valign=center bgcolor=#FFFFFF | 97,92 % | align=right valign=center bgcolor=#FFFFE1 | 4.708.281 | align=right valign=center bgcolor=#FFFFE1 | 98,22 % | align=right valign=center bgcolor=#E1E1E1 | 179.028 | align=right valign=center bgcolor=#E1E1E1 | -0,29 % |- ! align=center valign=center bgcolor=#008080 colspan=13 | Wahlergebnisse |- ! align=center valign=center bgcolor=#FFFFFF | Wahlwerber ! align=center valign=center bgcolor=#FFFFFF | Stimmen ! align=center valign=center bgcolor=#FFFFFF | Anteil ! align=center valign=center bgcolor=#FFFFFF | relativ ! align=center valign=center bgcolor=#FFFFFF | Man-<br />date ! align=center valign=center bgcolor=#FFFFE1 | Stimmen ! align=center valign=center bgcolor=#FFFFE1 | Anteil ! align=center valign=center bgcolor=#FFFFE1 | relativ ! align=center valign=center bgcolor=#FFFFE1 | Man-<br />date ! align=center valign=center bgcolor=#E1E1E1 | Stimmen ! align=center valign=center bgcolor=#E1E1E1 | Anteil ! align=center valign=center bgcolor=#E1E1E1 | relativ ! align=center valign=center bgcolor=#E1E1E1 | Man-<br />date |- ! align=center valign=center bgcolor=#FFE1E1 | [[Sozialdemokratische Partei Österreichs|SPÖ]] [[Datei:Logo SPÖ.svg|20px]] | align=right valign=center bgcolor=#FFFFFF | 1.430.206 | align=right valign=center bgcolor=#FFFFFF | 29,26 % | align=right valign=center bgcolor=#FFFFFF | 22,58 % | align=right valign=center bgcolor=#FFFFFF | 57 | align=right valign=center bgcolor=#FFFFE1 | 1.663.986 | align=right valign=center bgcolor=#FFFFE1 | 35,34 % | align=right valign=center bgcolor=#FFFFE1 | 27,24 % | align=right valign=center bgcolor=#FFFFE1 | 68 | align=right valign=center bgcolor=#E1E1E1 | -233.780 | align=right valign=center bgcolor=#E1E1E1 | -6,08 % | align=right valign=center bgcolor=#E1E1E1 | -4,66 % | align=right valign=center bgcolor=#E1E1E1 | -11 |- ! align=center valign=center bgcolor=#808080 | [[Österreichische Volkspartei|ÖVP]] [[Datei:Oevplogo.JPG|40px]] | align=right valign=center bgcolor=#FFFFFF | 1.269.656 | align=right valign=center bgcolor=#FFFFFF | 25,98 % | align=right valign=center bgcolor=#FFFFFF | 20,05 % | align=right valign=center bgcolor=#FFFFFF | 51 | align=right valign=center bgcolor=#FFFFE1 | 1.616.493 | align=right valign=center bgcolor=#FFFFE1 | 34,33 % | align=right valign=center bgcolor=#FFFFE1 | 26,47 % | align=right valign=center bgcolor=#FFFFE1 | 66 | align=right valign=center bgcolor=#E1E1E1 | -346.837 | align=right valign=center bgcolor=#E1E1E1 | -8,35 % | align=right valign=center bgcolor=#E1E1E1 | -6,42 % | align=right valign=center bgcolor=#E1E1E1 | -15 |- ! align=center valign=center bgcolor=#C0FFC0 | [[Die Grünen – Die grüne Alternative|GRÜNE]] [[Datei:Logo Die Gruenen.svg|20px]] | align=right valign=center bgcolor=#FFFFFF | 509.936 | align=right valign=center bgcolor=#FFFFFF | 10,43 % | align=right valign=center bgcolor=#FFFFFF | 8,05 % | align=right valign=center bgcolor=#FFFFFF | 20 | align=right valign=center bgcolor=#FFFFE1 | 520.130 | align=right valign=center bgcolor=#FFFFE1 | 11,05 % | align=right valign=center bgcolor=#FFFFE1 | 8,52 % | align=right valign=center bgcolor=#FFFFE1 | 21 | align=right valign=center bgcolor=#E1E1E1 | -10.194 | align=right valign=center bgcolor=#E1E1E1 | -0,61 % | align=right valign=center bgcolor=#E1E1E1 | -0,46 % | align=right valign=center bgcolor=#E1E1E1 | -1 |- ! align=center valign=center bgcolor=#C0C0FF | [[Freiheitliche Partei Österreichs|FPÖ]] [[Datei:FPÖ.svg|20px]] | align=right valign=center bgcolor=#FFFFFF | 857.029 | align=right valign=center bgcolor=#FFFFFF | 17,54 % | align=right valign=center bgcolor=#FFFFFF | 13,53 % | align=right valign=center bgcolor=#FFFFFF | 34 | align=right valign=center bgcolor=#FFFFE1 | 519.598 | align=right valign=center bgcolor=#FFFFE1 | 11,04 % | align=right valign=center bgcolor=#FFFFE1 | 8,51 % | align=right valign=center bgcolor=#FFFFE1 | 21 | align=right valign=center bgcolor=#E1E1E1 | +337.431 | align=right valign=center bgcolor=#E1E1E1 | +6,50 % | align=right valign=center bgcolor=#E1E1E1 | +5,03 % | align=right valign=center bgcolor=#E1E1E1 | +13 |- ! align=center valign=center bgcolor=#FFE1C0 | [[Bündnis Zukunft Österreich|BZÖ]] [[Datei:BZÖ.svg|40px]] | align=right valign=center bgcolor=#FFFFFF | 522.933 | align=right valign=center bgcolor=#FFFFFF | 10,70 % | align=right valign=center bgcolor=#FFFFFF | 8,26 % | align=right valign=center bgcolor=#FFFFFF | 21 | align=right valign=center bgcolor=#FFFFE1 | 193.539 | align=right valign=center bgcolor=#FFFFE1 | 4,11 % | align=right valign=center bgcolor=#FFFFE1 | 3,17 % | align=right valign=center bgcolor=#FFFFE1 | 7 | align=right valign=center bgcolor=#E1E1E1 | +329.394 | align=right valign=center bgcolor=#E1E1E1 | +6,59 % | align=right valign=center bgcolor=#E1E1E1 | +5,09 % | align=right valign=center bgcolor=#E1E1E1 | +14 |- ! align=center valign=center bgcolor=#C0C0C0 | [[Liste Fritz Dinkhauser|FRITZ]] | align=right valign=center bgcolor=#FFFFFF | 86.194 | align=right valign=center bgcolor=#FFFFFF | 1,76 % | align=right valign=center bgcolor=#FFFFFF | 1,36 % | align=right valign=center bgcolor=#FFFFFF | 0 | align=center valign=center bgcolor=#FFFFE1 colspan=4 | ''nicht kandidiert'' | align=right valign=center bgcolor=#E1E1E1 | +86.194 | align=right valign=center bgcolor=#E1E1E1 | +1,76 % | align=right valign=center bgcolor=#E1E1E1 | +1,36 % | align=right valign=center bgcolor=#E1E1E1 | ±0 |- ! align=center valign=center bgcolor=#FFE1FF | [[Christliche Partei Österreichs|DC]] [[Datei:Logo Die Christen.svg|20px]] | align=right valign=center bgcolor=#FFFFFF | 31.080 | align=right valign=center bgcolor=#FFFFFF | 0,64 % | align=right valign=center bgcolor=#FFFFFF | 0,49 % | align=right valign=center bgcolor=#FFFFFF | 0 | align=center valign=center bgcolor=#FFFFE1 colspan=4 | ''nicht kandidiert'' | align=right valign=center bgcolor=#E1E1E1 | +31.080 | align=right valign=center bgcolor=#E1E1E1 | +0,64 % | align=right valign=center bgcolor=#E1E1E1 | +0,49 % | align=right valign=center bgcolor=#E1E1E1 | ±0 |- ! align=center valign=center bgcolor=#FFC0C0 | [[Kommunistische Partei Österreichs|KPÖ]] [[Datei:Kpoe.jpg|30px]] | align=right valign=center bgcolor=#FFFFFF | 37.362 | align=right valign=center bgcolor=#FFFFFF | 0,76 % | align=right valign=center bgcolor=#FFFFFF | 0,59 % | align=right valign=center bgcolor=#FFFFFF | 0 | align=right valign=center bgcolor=#FFFFE1 | 47.578 | align=right valign=center bgcolor=#FFFFE1 | 1,01 % | align=right valign=center bgcolor=#FFFFE1 | 0,78 % | align=right valign=center bgcolor=#FFFFE1 | 0 | align=right valign=center bgcolor=#E1E1E1 | -10.216 | align=right valign=center bgcolor=#E1E1E1 | -0,25 % | align=right valign=center bgcolor=#E1E1E1 | -0,19 % | align=right valign=center bgcolor=#E1E1E1 | ±0 |- ! align=center valign=center bgcolor=#FFFFC0 | [[Liberales Forum|LIF]] [[Datei:Liberales Forum logo.svg|30px]] | align=right valign=center bgcolor=#FFFFFF | 102.249 | align=right valign=center bgcolor=#FFFFFF | 2,09 % | align=right valign=center bgcolor=#FFFFFF | 1,61 % | align=right valign=center bgcolor=#FFFFFF | 0 | align=center valign=center bgcolor=#FFFFE1 colspan=4 | ''nicht kandidiert'' <small><sup>&nbsp;1)</sup></small> | align=right valign=center bgcolor=#E1E1E1 | +102.249 | align=right valign=center bgcolor=#E1E1E1 | +2,09 % | align=right valign=center bgcolor=#E1E1E1 | +1,61 % | align=right valign=center bgcolor=#E1E1E1 | ±0 |- ! align=center valign=center bgcolor=#E1FFFF | [[Unabhängige Bürgerinitiative Rettet Österreich|RETTÖ]] | align=right valign=center bgcolor=#FFFFFF | 35.718 | align=right valign=center bgcolor=#FFFFFF | 0,73 % | align=right valign=center bgcolor=#FFFFFF | 0,56 % | align=right valign=center bgcolor=#FFFFFF | 0 | align=center valign=center bgcolor=#FFFFE1 colspan=4 | ''nicht kandidiert'' | align=right valign=center bgcolor=#E1E1E1 | +35.718 | align=right valign=center bgcolor=#E1E1E1 | +0,73 % | align=right valign=center bgcolor=#E1E1E1 | +0,56 % | align=right valign=center bgcolor=#E1E1E1 | ±0 |- ! align=center valign=center bgcolor=#C0C000 | [[Linke (Partei)|DIE LINKE]]<small><sup>&nbsp;2)</sup></small> [[Datei:Wahlbündnis LINKE logo.svg|30px]] | align=right valign=center bgcolor=#FFFFFF | 349 | align=right valign=center bgcolor=#FFFFFF | 0,01 % | align=right valign=center bgcolor=#FFFFFF | 0,01 % | align=right valign=center bgcolor=#FFFFFF | 0 | align=center valign=center bgcolor=#FFFFE1 colspan=4 | ''nicht kandidiert'' | align=right valign=center bgcolor=#E1E1E1 | +349 | align=right valign=center bgcolor=#E1E1E1 | +0,01 % | align=right valign=center bgcolor=#E1E1E1 | +0,01 % | align=right valign=center bgcolor=#E1E1E1 | ±0 |- ! align=center valign=center bgcolor=#8080FF | [[Karlheinz Klement|KHK]]<small><sup>&nbsp;3)</sup></small> | align=right valign=center bgcolor=#FFFFFF | 347 | align=right valign=center bgcolor=#FFFFFF | 0,01 % | align=right valign=center bgcolor=#FFFFFF | 0,01 % | align=right valign=center bgcolor=#FFFFFF | 0 | align=center valign=center bgcolor=#FFFFE1 colspan=4 | ''nicht kandidiert'' | align=right valign=center bgcolor=#E1E1E1 | +347 | align=right valign=center bgcolor=#E1E1E1 | +0,01 % | align=right valign=center bgcolor=#E1E1E1 | +0,01 % | align=right valign=center bgcolor=#E1E1E1 | ±0 |- ! align=center valign=center bgcolor=#C0C000 | [[Linke (Partei)|LINKE]]<small><sup>&nbsp;2)</sup></small> [[Datei:Wahlbündnis LINKE logo.svg|30px]] | align=right valign=center bgcolor=#FFFFFF | 1.789 | align=right valign=center bgcolor=#FFFFFF | 0,04 % | align=right valign=center bgcolor=#FFFFFF | 0,03 % | align=right valign=center bgcolor=#FFFFFF | 0 | align=center valign=center bgcolor=#FFFFE1 colspan=4 | ''nicht kandidiert'' | align=right valign=center bgcolor=#E1E1E1 | +1.789 | align=right valign=center bgcolor=#E1E1E1 | +0,04 % | align=right valign=center bgcolor=#E1E1E1 | +0,03 % | align=right valign=center bgcolor=#E1E1E1 | ±0 |- ! align=center valign=center bgcolor=#FFC020 | STARK<small><sup>&nbsp;4)</sup></small> | align=right valign=center bgcolor=#FFFFFF | 237 | align=right valign=center bgcolor=#FFFFFF | 0,00 % | align=right valign=center bgcolor=#FFFFFF | 0,00 % | align=right valign=center bgcolor=#FFFFFF | 0 | align=right valign=center bgcolor=#FFFFE1 | 312 | align=right valign=center bgcolor=#FFFFE1 | 0,01 % | align=right valign=center bgcolor=#FFFFE1 | 0,01 % | align=right valign=center bgcolor=#FFFFE1 | 0 | align=right valign=center bgcolor=#E1E1E1 | -75 | align=right valign=center bgcolor=#E1E1E1 | -0,00 % | align=right valign=center bgcolor=#E1E1E1 | -0,00 % | align=right valign=center bgcolor=#E1E1E1 | ±0 |- ! align=center valign=center bgcolor=#E1E1C4 | TRP<small><sup>&nbsp;5)</sup></small> | align=right valign=center bgcolor=#FFFFFF | 2.224 | align=right valign=center bgcolor=#FFFFFF | 0,05 % | align=right valign=center bgcolor=#FFFFFF | 0,04 % | align=right valign=center bgcolor=#FFFFFF | 0 | align=center valign=center bgcolor=#FFFFE1 colspan=4 | ''nicht kandidiert'' | align=right valign=center bgcolor=#E1E1E1 | +2.224 | align=right valign=center bgcolor=#E1E1E1 | +0,05 % | align=right valign=center bgcolor=#E1E1E1 | +0,04 % | align=right valign=center bgcolor=#E1E1E1 | ±0 |- ! align=center valign=center bgcolor=#FFFFFF | ''[[Liste Dr. Martin|MARTIN]]'' | align=center valign=center bgcolor=#FFFFFF colspan=4 | ''nicht kandidiert'' | align=right valign=center bgcolor=#FFFFE1 | ''131.688'' | align=right valign=center bgcolor=#FFFFE1 | ''2,80 %'' | align=right valign=center bgcolor=#FFFFE1 | ''2,16 %'' | align=right valign=center bgcolor=#FFFFE1 | ''0'' | align=right valign=center bgcolor=#E1E1E1 | ''-131.688'' | align=right valign=center bgcolor=#E1E1E1 | ''-2,80 %'' | align=right valign=center bgcolor=#E1E1E1 | ''-2,16 %'' | align=right valign=center bgcolor=#E1E1E1 | ''±0'' |- ! align=center valign=center bgcolor=#FFFFFF | ''NFÖ'' | align=center valign=center bgcolor=#FFFFFF colspan=4 | ''nicht kandidiert'' | align=right valign=center bgcolor=#FFFFE1 | ''10.594'' | align=right valign=center bgcolor=#FFFFE1 | ''0,23 %'' | align=right valign=center bgcolor=#FFFFE1 | ''0,17 %'' | align=right valign=center bgcolor=#FFFFE1 | ''0'' | align=right valign=center bgcolor=#E1E1E1 | ''-10.594'' | align=right valign=center bgcolor=#E1E1E1 | ''-0,23 %'' | align=right valign=center bgcolor=#E1E1E1 | ''-0,17 %'' | align=right valign=center bgcolor=#E1E1E1 | ''±0'' |- ! align=center valign=center bgcolor=#FFFFFF | ''IVE'' | align=center valign=center bgcolor=#FFFFFF colspan=4 | ''nicht kandidiert'' | align=right valign=center bgcolor=#FFFFE1 | ''592'' | align=right valign=center bgcolor=#FFFFE1 | ''0,01 %'' | align=right valign=center bgcolor=#FFFFE1 | ''0,01 %'' | align=right valign=center bgcolor=#FFFFE1 | ''0'' | align=right valign=center bgcolor=#E1E1E1 | ''-592'' | align=right valign=center bgcolor=#E1E1E1 | ''-0,01 %'' | align=right valign=center bgcolor=#E1E1E1 | ''-0,01 %'' | align=right valign=center bgcolor=#E1E1E1 | ''±0'' |- ! align=center valign=center bgcolor=#FFFFFF | ''SAU'' | align=center valign=center bgcolor=#FFFFFF colspan=4 | ''nicht kandidiert'' | align=right valign=center bgcolor=#FFFFE1 | ''1.514'' | align=right valign=center bgcolor=#FFFFE1 | ''0,03 %'' | align=right valign=center bgcolor=#FFFFE1 | ''0,02 %'' | align=right valign=center bgcolor=#FFFFE1 | ''0'' | align=right valign=center bgcolor=#E1E1E1 | ''-1.514'' | align=right valign=center bgcolor=#E1E1E1 | ''-0,03 %'' | align=right valign=center bgcolor=#E1E1E1 | ''-0,02 %'' | align=right valign=center bgcolor=#E1E1E1 | ''±0'' |- ! align=center valign=center bgcolor=#FFFFFF | ''SLP'' | align=center valign=center bgcolor=#FFFFFF colspan=4 | ''nicht kandidiert'' | align=right valign=center bgcolor=#FFFFE1 | ''2.257'' | align=right valign=center bgcolor=#FFFFE1 | ''0,05 %'' | align=right valign=center bgcolor=#FFFFE1 | ''0,04 %'' | align=right valign=center bgcolor=#FFFFE1 | ''0'' | align=right valign=center bgcolor=#E1E1E1 | ''-2.257'' | align=right valign=center bgcolor=#E1E1E1 | ''-0,05 %'' | align=right valign=center bgcolor=#E1E1E1 | ''-0,04 %'' | align=right valign=center bgcolor=#E1E1E1 | ''±0'' |- ! align=center valign=center bgcolor=#008080 colspan=13 | Nicht- und Ungültigwähler |- ! align=center valign=center bgcolor=#FFFFFF | – | align=right valign=center bgcolor=#FFFFFF | 1.445.800 | align=right valign=center bgcolor=#FFFFFF | – | align=right valign=center bgcolor=#FFFFFF | 22,83 % | align=right valign=center bgcolor=#FFFFFF | – | align=right valign=center bgcolor=#FFFFE1 | 1.399.611 | align=right valign=center bgcolor=#FFFFE1 | – | align=right valign=center bgcolor=#FFFFE1 | 22,91 % | align=right valign=center bgcolor=#FFFFE1 | – | align=right valign=center bgcolor=#E1E1E1 | 46.189 | align=right valign=center bgcolor=#E1E1E1 | – | align=right valign=center bgcolor=#E1E1E1 | -0,09 % | align=right valign=center bgcolor=#E1E1E1 | – |- ! align=left valign=center bgcolor=#FFFFFF colspan=13 | Anmerkungen:<br /> {{0}}<small><sup>1)</sup> War in der vorhergehenden Legislaturperiode über ein Wahlbündnis mit der SPÖ im Nationalrat vertreten.</small><br /> {{0}}<small><sup>2)</sup> Das Wahlbündnis Linke trat im Burgenland, in Oberösterreich, Salzburg und Wien als „Linke“, in Tirol als „Die Linke“ an.</small><br /> {{0}}<small><sup>3)</sup> Dipl.-Ing. Karlheinz H. Klement (Kandidatur nur in Kärnten)</small><br /> {{0}}<small><sup>4)</sup> Liste Stark (Kandidatur nur in Kärnten)</small><br /> {{0}}<small><sup>5)</sup> Tierrechtspartei earth-human-animals-nature (Kandidatur nur in Wien)</small> |- |} {| border="0" style="border-collapse:collapse; background-color:transparent;" cellpadding="2" align="left" | [[Datei:Austrian legislative election 2008 result by state.png|thumb|upright=1.75|Länderergebnisse bei der Nationalratswahl 2008 nach dem Endergebnis (mit Wahlkarten und Briefwahl)]] | [[Datei:Nationalratswahl 2008 (Staerkste Partei im Regionalwahlkreis).png|thumb|upright=1.75|Wahlkreisergebnisse bei der Nationalratswahl 2008 nach dem Endergebnis (mit Wahlkarten und Briefwahl)]] |- | [[Datei:Austrian legislative election 2008 result by district.png|thumb|upright=1.75|Bezirksergebnisse bei der Nationalratswahl 2008 nach dem Endergebnis (mit Wahlkarten und Briefwahl)]] | [[Datei:Austrian legislative election 2008 result by municipality.png|thumb|upright=1.75|Gemeindeergebnisse bei der Nationalratswahl 2008 nach dem vorläufigen Endergebnis (ohne Wahlkarten und Briefwahl)]] |} <br clear="all" /> == Änderungen im Wahlrecht == Nach der am 1.&nbsp;Juli 2007 eingetretenen Änderung des Wahlrechts war es im Jahr 2008 erstmals bei einer Wahl zum österreichischen Nationalrat möglich, ab dem vollendeten 16.&nbsp;Lebensjahr das aktive Wahlrecht wahrzunehmen. Das [[Passives Wahlrecht|passive Wahlrecht]] trat allerdings ab Vollendung des 18.&nbsp;Lebensjahres ein. Auch bestand zum ersten Mal die Möglichkeit, eine [[Wahlkarte]] für eine Briefwahl zu beantragen. Dazu waren jene Personen berechtigt, die am Wahltag ortsabwesend, inhaftiert oder bettlägerig waren. In letzterem Fall konnte die Wahlbehörde auch Hausbesuche abstatten.<ref>{{internetquelle |hrsg=Bundesministerium für Inneres |url=http://www.bmi.gv.at/wahlen/wahlrecht_ueberblick.asp |titel=Wahlrecht in Österreich, Überblick |zugriff=1. Mai 2009}}</ref> Die Frist zur Beantragung einer Wahlkarte bestand bis zum 26. September 2008.<ref>{{internetquelle |hrsg=Bundesministerium für Inneres |url=http://www.bmi.gv.at/wahlen/wahldownloads/NRW_08/NRW_08_Wahlkalender_E.pdf |format=PDF |titel=Wahlkalender |zugriff=4. Mai 2009}}</ref> == Hintergrund == [[Datei:Alfred Gusenbauer Linz 2008.jpg|thumb|upright=1|Bundeskanzler Alfred Gusenbauer (2008)]] Auf die [[Nationalratswahl in Österreich 2006|Nationalratswahl am 1.&nbsp;Oktober 2006]] folgte am 11.&nbsp;Jänner<!--in Österreich heißt es „Jänner“ und nicht „Januar“--> 2007 die [[Bundesregierung Gusenbauer]], eine Koalition der zwei stimmenstärksten Parteien [[SPÖ]] und [[ÖVP]]. Die SPÖ verfügte über 68, die ÖVP über 66 von 183 Nationalratsmandaten. Diese Koalition, die der [[Bundesregierung Schüssel II|Regierung Schüssel&nbsp;II]] (ÖVP/BZÖ) folgte, wurde zu Beginn vor allem von der Opposition, von linken und SPÖ-nahen Organisationen kritisiert, weil die Sozialdemokraten nur wenige Forderungen aus dem Wahlkampf 2006 durchsetzen konnten. Die Regierung wurde sich selten über große Sachthemen einig. Der noch während der Koalitionsverhandlungen von der SPÖ gemeinsam mit [[Die Grünen – Die grüne Alternative|Grünen]], [[Freiheitliche Partei Österreichs|FPÖ]] und [[Bündnis Zukunft Österreich|BZÖ]] beschlossene und von der ÖVP vehement abgelehnte parlamentarische Untersuchungsausschuss über mögliche Verfehlungen früherer [[Innenminister der Republik Österreich|Innenminister]] der ÖVP wurde zu einem fortdauernden Konfliktherd. Zu einer schweren Regierungskrise führten im Februar und März 2008 Forderungen der SPÖ, inflationsbetroffene Haushalte mit 100&nbsp;€ zu fördern<ref>{{internetquelle |hrsg=[[Österreich (Zeitung)|Österreich]]| url=http://www.oe24.at/zeitung/oesterreich/politik/article229130.ece |titel=Absage an "Gusi-Hunderter" |datum=8. Februar 2008| zugriff=13. Juli 2008}}</ref> und die geplante Steuerreform von 2010 auf 2009 vorzuziehen, was die ÖVP ablehnte.<ref>{{internetquelle|autor=[[Austria Presse Agentur]]| hrsg=[[Die Presse]]| url=http://diepresse.com/home/politik/innenpolitik/367954/index.do?from=suche.intern.portal |titel=Steuerreform: Streit um Führung der Reform-Kommission |datum=6. März 2008| zugriff=13. Juli 2008}}</ref> Das Nachrichtenmagazin [[Profil (Zeitschrift)|profil]] publizierte ein ihm zugespieltes Strategiepapier der ÖVP, wonach diese die Auflösung der Koalition und die Neuwahlen bereits im Juni geplant habe.<ref>{{internetquelle |autor=Die Presse |hrsg=Die Presse| url=http://diepresse.com/home/politik/innenpolitik/370197/index.do |titel=Wahl: SPÖ will Klarheit von ÖVP |datum=16. März 2008|zugriff=25. Juli 2008 }}</ref> Am 8.&nbsp;Juni erreichte der damalige ÖVP-Politiker [[Fritz Dinkhauser]] mit einer eigenen Liste bei der [[Landtagswahl in Tirol 2008|Landtagswahl in Tirol]] auf Anhieb 18 % der Stimmen, während sowohl ÖVP (minus 9,39 %) als auch SPÖ (minus 10,39 %) stark verloren. Bei der ÖVP wechselte in der Folge [[Bundesministerium für Inneres|Innenminister]] [[Günther Platter]] als [[Landeshauptmann]] nach Tirol und löste [[Herwig van Staa]] ab. In der SPÖ wurde Kritik am Parteivorsitzenden und Bundeskanzler Gusenbauer laut, die nach der [[Landtagswahl in Niederösterreich 2008|Landtagswahl in Niederösterreich]] (SPÖ: minus 9,39 %) aufgekommen war. Mitte Juni 2008 wurde der Beschluss gefasst, Infrastrukturminister [[Werner Faymann]] als Parteichef zu designieren. Geplant war zunächst, dass Gusenbauer als amtierender Bundeskanzler auch der Spitzenkandidat der Partei in der nächsten Wahl sein solle, während Faymann die Parteiagenden leitet.<ref> {{internetquelle| | hrsg=news.orf.at| url=http://news.orf.at/080617-26268/?href=http%3A%2F%2Forf.at%2F080617-26268%2F26269txt_story.html| titel=Faymann will "Positionen schärfen"|zugriff=13. Juli 2008}}</ref> Am 26.&nbsp;Juni verkündeten Faymann und Gusenbauer in einem Leserbrief an die [[Kronen Zeitung]], ''„dass zukünftige Vertragsänderungen, die die österreichischen Interessen berühren, durch eine Volksabstimmung in Österreich entschieden werden sollen“''. Am 7.&nbsp;Juli, gab ÖVP-Bundesparteiobmann und Vizekanzler [[Wilhelm Molterer]] mit der Aussage „''Es reicht''“ den Beschluss bekannt, die Zusammenarbeit mit den Sozialdemokraten zu beenden.<ref>[http://www.kleinezeitung.at/nachrichten/politik/regierung/1372939/index.do Molterer zieht Reißleine: "Es reicht"] [[Kleine Zeitung]] 8.&nbsp;Juli 2008, abgerufen am 11.&nbsp;August 2008</ref> Molterer begründete die Forderung nach Neuwahlen damit, dass die SPÖ ''„orientierungs- und führungslos“'' sei und deshalb eine neue Regierung erforderlich sei.<ref>{{internetquelle | hrsg=ÖVP]| url=http://www.oevp.at/index.aspx?pageid=29168 |titel=Erklärung von Bundesparteiobmann und Vizekanzler Wilhelm Molterer am 7. Juli 1945 |datum=7. Juli 2008|zugriff=25. Juli 2008|kommentar=|zitat=}}</ref> == Angetretene Parteien == Mit zehn bundesweit antretenden Parteien standen mehr zur Wahl als jemals zuvor in der Zweiten Republik. Zusätzlich kandidierten noch vier weitere Parteien in einzelnen Bundesländern. === Sozialdemokratische Partei Österreichs (SPÖ) === [[Datei:Werner Faymann Wien08-2008a.jpg|thumb|upright=0.6|Werner Faymann, Spitzenkandidat der SPÖ]] Alfred Gusenbauer verlautbarte nach der Neuwahlankündigung der ÖVP, dass er nicht als Spitzenkandidat für die Wahl im September zur Verfügung stehen werde. Zum Spitzenkandidaten wurde der bisherige Infrastrukturminister [[Werner Faymann]]. Zur Wahlkampfleiterin wurde die Bundesgeschäftsführerin der Partei, [[Doris Bures]], ernannt. Die [[Fraktion Sozialdemokratischer Gewerkschafter]] präsentierte am 14.&nbsp;Juli 2008 ihren Listenkandidaten [[Wilhelm Haberzettl]], er tritt auf der SPÖ-Liste hinter Nationalratspräsidentin [[Barbara Prammer]] und vor [[Laura Rudas]] an dritter Stelle an. Noch bei der Nationalratswahl 2006 wurden Gewerkschafter wegen der [[BAWAG-Affäre]] nicht auf aussichtsreichen Listeplätzen gereiht.<ref>{{internetquelle |hrsg=news.orf.at| url=http://news.orf.at/080714-27294/27300txt_story.html |titel=FSG tritt mit Haberzettl an |datum=14. Juli 2008|zugriff=14. Juli 2008 }}</ref> Das offizielle Wahlkampfbudget betrug 9,5&nbsp;Millionen Euro.<ref name="SN220808">{{Salzburger Nachrichten||Titel=ÖVP-Länder knausern| Jahr=2008 | Monat=August | Tag= 22}}</ref> Als zentralen Punkt ihres Wahlprogramms nannte die SPÖ eine Reform des [[Arbeitsrecht (Österreich)|Arbeitsrechts]], etwa ein Verbot benachteiligender Vertragsklauseln und eine Stärkung der Rechte von [[Teilzeitarbeit|Teilzeitbeschäftigten]]. Als Maßnahmen gegen die Teuerung will sie die [[Bundeswettbewerbsbehörde]] stärken und die [[Umsatzsteuer]] auf Lebensmittel auf fünf Prozent senken. Weiters soll die [[Pendlerpauschale (Österreich)|Pendlerpauschale]] erhöht werden. Außerdem hielt die SPÖ an Forderungen des vorhergehenden Wahlkampfs fest, wie der Einführung einer [[Bedarfsorientierte Mindestsicherung|Grundsicherung]] oder der [[Vermögenszuwachssteuer]]. Im Bereich der Kinderbetreuung soll es „leistbare“ Kinderbetreuungsplätze geben. Zudem soll die Betreuung für Kinder unter drei Jahren schrittweise ausgebaut und die Schulpflicht auf ein Alter von fünf Jahren gesenkt werden.<ref name="SPOEWP">[http://spoe.at/bilder/d265/wahlmanifest08.pdf Wahlprogramm] der SPÖ (PDF)</ref> Laut Faymann schließt die SPÖ eine Koalition mit der Freiheitlichen Partei Österreichs sowie dem Bündnis Zukunft Österreich aus. === Österreichische Volkspartei (ÖVP) === [[Datei:Wilhelm Molterer ÖVP-Bauernbund-Erntedankfest 2008a.jpg|thumb|upright=0.7|Wilhelm Molterer, Spitzenkandidat der ÖVP]] Für die [[Österreichische Volkspartei]] trat [[Wilhelm Molterer]] als Spitzenkandidat an. Wahlkampfleiter war Generalsekretär [[Hannes Missethon]]. Im Vergleich zur letzten Wahl schloss die ÖVP diesmal keinen Koalitionspartner aus, jedoch müsste sich dieser zur Europäischen Union bekennen. Molterer sprach sich überdies für eine Koalition mit den Grünen aus.<ref name="ORF-18. Juli 2008-lust-auf-schwarz-gruen"/> Das offizielle Wahlkampfbudget betrug 8,5&nbsp;Millionen Euro.<ref name="SN220808" /> Als Wahlkampfthemen nannte die ÖVP die Senkung der Steuer- und [[Abgabenquote]] auf unter 40&nbsp;Prozent im Rahmen einer Steuerreform 2010 und die Erreichung eines [[Nulldefizit]]s 2011. Im Zuge dieser Steuerreform soll zudem ein stärkerer Anreiz für die [[Gewinnbeteiligung|Erfolgsbeteiligung]] von Mitarbeitern in Unternehmen gesetzt werden. Weiters will die ÖVP ein „Österreich-Ticket“ einführen, das die bundesweite Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel ermöglicht. Im Bereich der Zuwanderung fordert sie verpflichtende Deutschkurse für Zuwanderer.<ref>{{Salzburger Nachrichten||Titel=Die halbherzige Offensive | Jahr= 2008 | Monat=August | Tag= 28 }}</ref> Im Bereich der Kinderbetreuung soll es ein verpflichtendes, kostenloses Kindergartenjahr geben.<ref>{{internetquelle | hrsg=der Standard | url=http://derstandard.at/?url=/?id=1216918646308 | titel=Wiener VP gegen lächelnden Faymann|datum={{FormatDate|2008-08-06}}|zugriff={{FormatDate|2008-08-10}}}}</ref> Mit einem neuen Vorschlag antwortete die ÖVP auf das ''Fünf-Punkte-Programm'' der SPÖ. Sie möchte bei einer Karenzzeit von bis zu 14&nbsp;Monaten nicht mehr ein fixes [[Kinderbetreuungsgeld]], sondern 80 % des letzten Verdienstes an die betreuenden Personen auszahlen.<ref>{{internetquelle|hrsg=Wiener Zeitung | url=http://www.wienerzeitung.at/DesktopDefault.aspx?TabID=3858&Alias=wzo&cob=368743| titel=Die Volkspartei bewegt sich| datum={{FormatDate|2008-09-01}}| zugriff={{FormatDate|2008-09-05}}}}</ref> === Die Grünen – Die Grüne Alternative (GRÜNE) === [[Datei:Vdb2.jpg|thumb|left|upright=0.6|Vorsitzender der Grünen, Alexander Van der Bellen]] [[Die Grünen – Die grüne Alternative|Die Grünen]] begrüßten die Neuwahlankündigung. Der Parteivorsitzende und Spitzenkandidat [[Alexander Van der Bellen]] kündigte an, dass seine Partei nach den Wahlen einer Regierung angehören wolle.<ref>{{internetquelle |autor=Austria Presse Agentur |hrsg=Die Presse |url=http://diepresse.com/home/politik/innenpolitik/396587/index.do |titel=Grüne wollen Vizekanzler stellen |datum=7. Juli 2008| zugriff=8. Juli 2008|kommentar=|zitat=}}</ref> Sicherheitssprecher [[Peter Pilz]] sieht als Bedingung für eine Koalition mit der ÖVP die Abkehr von deren „Machtmissbrauch“ wie etwa ''Postenschacher'''<ref>{{internetquelle|autor=Austria Presse Agentur|hrsg=Die Presse |url=http://diepresse.com/home/politik/innenpolitik/399438/index.do |titel=Pilz zu ÖVP: "Grüne sind nicht flirtbereit"|datum=18. Juli 2008|zugriff=19. Juli 2008}}</ref> und die illegale Weitergabe vertraulicher Daten, wie etwa im Fall der [[Abschiebung von Familie Zogaj]].<ref>{{internetquelle|autor=Peter Pilz |url=http://www.peterpilz.at/html/tageb.php?jahr=2008&monat=7 |titel=Umstrittene Datenabfragen zu Fall Zogaj| |datum=15. Juli 2008 |zugriff=19. Juli 2008 }}</ref> Als Voraussetzung nannte Van der Bellen ebenso, dass sich die ÖVP ändern müsse.<ref name="ORF-18. Juli 2008-lust-auf-schwarz-gruen">{{internetquelle|hrsg=ORF |url=http://orf.at/ticker/296326.html |titel=Van der Bellen: Lust auf Schwarz-Grün „sehr groß“ |datum=18. Juli 2008| zugriff=19. Juli 2008}}</ref> Auch eine Zusammenarbeit mit der SPÖ sei denkbar, jedoch sehen die Grünen im geänderten EU-Kurs der SPÖ ein großes Problem.<ref name="ORF-18. Juli 2008-lust-auf-schwarz-gruen" /> Das Wahlkampfbudget soll bis zu drei Millionen Euro betragen haben. Als ein zentrales Wahlkampfthema nennen die Grünen den langfristigen Ausstieg aus Öl und Gas. Dafür sollen [[Öffentlicher Verkehr|öffentliche Verkehrsmittel]] ausgebaut und stärker [[subvention]]iert werden, um die Qualität des Angebots zu verbessern und Studenten eine kostenlose Benützung zu ermöglichen. Zur Eindämmung der Heizkosten soll es eine gesetzliche Sanierungspflicht für Besitzer von [[Mietshaus|Zinshäusern]] geben, der Umstieg von [[Ölheizung]] auf eine umweltfreundliche Heizung soll zu 50&nbsp;Prozent subventioniert werden. Weiters soll der [[Mittelschicht|Mittelstand]] durch eine Senkung der [[Lohnsteuer (Österreich)|Lohnsteuer]] und Reform der [[Vermögensteuer]] entlastet werden. Im Bereich der Bildung soll die [[Gesamtschule]] eingeführt und mehr Geld für die Universitäten zur Verfügung gestellt werden. Die Ausbildung von [[Pädagoge]]n soll vereinheitlicht werden.<ref>Die Grünen: [http://www.gruene.at/uploads/media/GRUENES_PR_WAHL08.pdf ''Wahlprogramm 2008''] (pdf-Datei, 881&nbsp;KB; abgerufenen am 28.&nbsp;August 2008</ref> === Freiheitliche Partei Österreichs (FPÖ) === [[Datei:Heinz-Christian Strache 02092008.jpg|thumb|upright=1|Heinz-Christian Strache, Spitzenkandidat der FPÖ]] Der Chef der [[Freiheitliche Partei Österreichs|Freiheitlichen Partei]], [[Heinz-Christian Strache]], kritisierte die ÖVP für die Neuwahlankündigung und forderte, die administrativen Kosten für die Neuwahl den Koalitionsparteien aufzubürden.<ref>{{internetquelle|autor=Austria Presse Agentur |hrsg=Kurie r|url=http://www.kurier.at/nachrichten/173850.php|titel=Reaktionen: Opposition begrüßt Neuwahlen |datum=8. Juli 2008|zugriff=8. Juli 2008 }}</ref> Strache schloss eine Zusammenarbeit mit der ÖVP unter Wilhelm Molterer sowie mit der SPÖ unter Werner Faymann aus. Strache hoffte vielmehr darauf, dass die Großparteien Stimmen einbüßen.<ref>{{internetquelle|autor=Austria Presse Agentur|hrsg[Der Standard |url=http://derstandard.at/?url=/?id=1216325142002 |titel=Strache will nicht mit Faymann oder Molterer koalieren |datum=18. Juli 2008 |zugriff=19. Juli 2008 }}</ref><ref>{{internetquelle|autor=Austria Presse Agentur|hrsg=Der Standard |url=http://derstandard.at/?url=/?id=1216325089822 |titel=FPÖ will „gleich große Distanz“ zu SPÖ und ÖVP halten |datum=18. Juli 2008|zugriff=20. Juli 2008 }}</ref> Am 29.&nbsp;Juli 2008 wurde Strache offiziell zum Spitzenkandidaten gewählt. Die FPÖ wollte laut eigenen Angaben maximal drei Millionen Euro Wahlkampfbudget aufbringen.<ref>{{internetquelle|autor=Austria Presse Agentur |hrsg=Kurier |url=http://www.kurier.at/nachrichten/175522.php |titel=Wahlkampf kostet ein Vermögen |datum=11. Juli 2008|zugriff=27. August 2008}}</ref> Im Bereich der Gesundheits- und Zuwanderungspolitik sollen [[Drittstaatsangehörige]] eine eigene [[Sozialversicherung (Österreich)|Sozialversicherung]] erhalten. Weiters forderte die FPÖ eine strengere Bestrafung von „Sozialmissbrauch“. Die FPÖ wollte Österreichs Zahlungen beziehungsweise Nettobeitrag an die Europäische Union verringern und zog, falls sich die Bevölkerung in einer Volksabstimmung gegen die EU aussprechen würde, einen EU-Austritt in Betracht. Im Sozialbereich sollten die Pensionen anhand des so genannten „Pensionistenpreisindex“ erhöht und die „Hacklerregelung“ verlängert werden.<ref>[http://www.vol.at/news/politik/artikel/fpoe-setzt-auf-sozial--und-auslaenderpolitik/cn/apa-114418016 ''FPÖ setzt auf Sozial- und Ausländerpolitik''], Vorarlberg Online. 4.&nbsp;September 2008</ref> === BZÖ – Liste Jörg Haider (BZÖ) === [[Datei:Jörg Haider 28082008.jpg|thumb|left|upright=1|Jörg Haider, Spitzenkandidat des BZÖ]] Zunächst beabsichtigte [[Peter Westenthaler]] als Spitzenkandidat anzutreten, bis Anfang August wurde jedoch offiziell kein Spitzenkandidat festgelegt.<ref>{{internetquelle |hrsg[Bündnis Zukunft Österreich |url=http://www.nachrichten.at/politik/innenpolitik/714933' |titel=BZÖ: Harte Töne, auch ohne Spitzenkandidat |datum=29. Juli 2008|zugriff=29. Juli 2008 }}</ref> Der Bundesvorstand der Partei beauftragte Westenthaler mit der Bildung eines Wahlkampfteams bis Ende Juli 2008. Am 29.&nbsp;Juli 2008 verkündete der stellvertretende Bundesparteichef [[Stefan Petzner]], dass Westenthaler nicht antreten werde, nachdem er wegen [[Meineid|falscher Zeugenaussage]] in erster Instanz zu neun Monaten bedingter Haft verurteilt worden war.<ref>{{internetquelle |hrsg=[[Austria Presse Agentur]]|url=http://www.apa.at/cms/site/news_item.html?channel=CH0069&doc=CMS1217331568501 |titel= Neun Monate bedingt für BZÖ-Obmann Westenthale |datum=29. Juli 2008|zugriff=29. Juli 2008 }}</ref> Am 14.&nbsp;August 2008 wurde bekannt gegeben, dass [[Jörg Haider]] zwar als Spitzenkandidat antreten, jedoch ein etwaiges Nationalratsmandat nicht annehmen werde, sondern weiterhin Landeshauptmann von Kärnten bleiben wolle. Haider sehe nur in der Funktion des Bundeskanzlers eine größere Herausforderung als der des Landeshauptmannes. Der offizielle Listenname wurde daher auf „BZÖ – Liste Jörg Haider“ geändert und am 30.&nbsp;August in [[Graz]] auf einem Sonderparteitag bestätigt.<ref>{{internetquelle |hrsg=ORF |url=http://news.orf.at/080814-28410/28411txt_story.html' |titel=BZÖ: Haider als Bundesparteichef designiert |datum=15.August 2008|zugriff=15. August 2008 }}</ref> Laut Angabe der Partei sollte rund eine Million Euro in den Wahlkampf fließen, welche aus Ersparnissen hervorgingen.<ref>{{internetquelle |hrsg=[[Österreich (Tageszeitung)|Österreich]]| url= http://www.oe24.at/zeitung/oesterreich/politik/neuwahlen/article345723.ece' |titel=BZÖ mit Marke Eigenbau |datum=14.August 2008|zugriff=27. August 2008 }}</ref> Ein zentrales Wahlkampfthema war wie bei der Nationalratswahl 2006 die Zuwanderung. Jörg Haider forderte, Asylwerber, die sich einer schweren Straftat schuldig gemacht haben, in einer „Sonderunterbringung“ ständig zu bewachen. Dies sei bereits bei laufenden Strafverfahren von Asylanten der Fall, ein Ausgang erfolge nur unter Begleitung.<ref>{{internetquelle |hrsg=Die Presse|url=http://diepresse.com/home/politik/innenpolitik/401771/index.do |titel=Haider will "Sonder-Unterbringung" für Asylwerber |datum=28. Juli 2008 |zugriff=11. August 2008}}</ref> Weiters forderte das BZÖ eine Senkung der [[Mineralölsteuer (Österreich)|Mineralölsteuer]] für Treibstoffe.<ref>{{internetquelle|autor=[[Martin Fritzl]]| hrsg=Die Presse |url=http://diepresse.com/home/politik/innenpolitik/398057/index.do?direct=397993&_vl_backlink=/home/index.do&selChannel=555 |titel=Der Kampf der Parteien gegen die Inflation |datum=11. Juli 2008|zugriff=13. Juli 2008}}</ref> Haider forderte, sogenannte ''Billig-Tankstellen'', die in Kärnten dank seiner Initiative Diesel verbilligt anbieten, in ganz Österreich zu errichten.<ref>{{internetquelle |hrsg=ORF |url=http://oesterreich.orf.at/kaernten/stories/104387/ |titel=Billigtankstellen drücken Benzinpreis |datum=22. April 2006|zugriff=1. September 2008 }}</ref><ref>{{internetquelle|autor=Gernot Bauer, Rosemarie Schwaiger |hrsg= [[Profil (Zeitschrift)|profil]] |url=http://www.profil.at/articles/0834/560/216755/ | titel=Landeshauptmann Haider im profil Interview |datum=|zugriff=1. September 2008 }}</ref> === Bürgerforum Österreich – Liste Fritz Dinkhauser (FRITZ) === [[Datei:Fritz DINKHAUSER 23-09-2008 Wien 02.jpg|thumb|upright=0.7|Fritz Dinkhauser, Spitzenkandidat des Bürgerforums Österreich]] Nach den Erfolgen seines [[Liste Fritz Dinkhauser - Bürgerforum Tirol|Bürgerforums Tirol]] bei der Landtagswahl in Tirol entschied sich Parteigründer [[Fritz Dinkhauser]] für eine Kandidatur unter dem Namen [[Liste Fritz Dinkhauser|Bürgerforum Österreich – Liste Fritz Dinkhauser]] (FRITZ). Zentrale Themen der Partei waren eine „gerechtere Verteilungspolitik“, die durch Wiedereinführung der [[Vermögensteuer]] und Senkung des Einstiegssteuersatzes erreicht werden sollte.<ref name="Kleinparteien" /> Unterstützt wurde die Partei von der [[Freie Bürgerliste|Plattform Freie Bürgerlisten]] aus dem Burgenland und vom ''IG-Milch''-Gründer Leo Steinbichler aus Oberösterreich. === Die Christen (DC) === [[Datei:Alfons Adam.jpg|thumb|left|upright=0.6|Alfons Adam, Spitzenkandidat der Christenpartei]] [[Christliche Partei Österreichs|Die Christen]] traten nach den [[Landtagswahl in Niederösterreich 2008|Landtagswahlen in Niederösterreich]] und [[Landtagswahl in Tirol 2008|Tirol]] erstmals bei Nationalratswahlen an. Spitzenkandidat der Partei war der Rechtsanwalt Alfons Adam. ''Die Christen'' stellten die Familie in den Mittelpunkt des Parteiprogramms und forderten die Einführung eines „Müttergehalts“ und die Abschaffung der [[Fristenlösung]].<ref name="Kleinparteien" /> Weiters sollte die Familienbeihilfe erhöht und ein freiwilliges [[Familiensplitting]] eingeführt werden.<ref name="SN170908">[http://www.salzburg.com/nwas/index.php?article=DText/t3~qmon5p837c70nemm3dec&img=&text=&mode=&section=suche&channel=service&sort= ''Von Millionären, Monopolen und einer „versauten“ Gesellschaft''], Artikel der [[Salzburger Nachrichten]] vom 17.&nbsp;September 2008</ref> === Kommunistische Partei Österreichs (KPÖ) === [[Datei:MessnerKlaus.jpg|thumb|upright=1.2|Mirko Messner und Melina Klaus (beide KPÖ)]] Die [[KPÖ]] trat bei dieser Wahl mit [[Mirko Messner]] und Melina Klaus an. In ihrem „Sofortprogramm” zur Wahl forderten sie die [[Umverteilung]] durch Besteuerung von Kapital und Vermögen, eine Vermögenssteuer, eine Wertschöpfungsabgabe und die Abschaffung von Privatstiftungen. Um die Teuerung zu stoppen, wollte die KPÖ einen Ausgleich bei Löhnen, Gehältern und Pensionen, sowie einen gesetzlichen Mindestlohn von zehn Euro pro Stunde und eine [[Mindestsicherung]].<ref>{{internetquelle |autor= |hrsg=Kommunistische Partei Österreichs |url=http://www.kpoe.at/home/aktuelles/anzeige-aktuelles/article/123/Sofortprogramm-der-KPOE.html |format= |sprache= |titel=Sofortprogramm der KPÖ |werk= |seiten= |datum= |zugriff=29. August 2008}}</ref> Das erklärte Wahlziel der Partei war laut [[Ö1]]-Morgenjournal, der Einzug in den Nationalrat. Als Wahlkampfthema nannte die KPÖ die Anhebung des Spitzensteuersatzes von gegenwärtig (2008) 50 auf 60&nbsp;Prozent für Jahreseinkommen über 70.000&nbsp;Euro, sowie die Wiedereinführung der Vermögens- und Erbschaftssteuer zwecks „Umverteilung von oben nach unten“.<ref name="SN170908"/> === Liberales Forum (LIF) === [[Datei:Heide Schmidt Wien2008.jpg|thumb|left|upright=0.6|Heide Schmidt, Spitzenkandidatin des LIF]] Am 25.&nbsp;Juli wurde verkündet, dass das [[Liberales Forum|Liberale Forum]] mit [[Heide Schmidt]] als Spitzenkandidatin in die Wahl gehen wird.<ref>{{internetquelle |hrsg=Der Standard|url=http://derstandard.at/?url=/?id=1216917788568 |titel=Heide Schmidt kehrt als LIF-Spitzenkandidatin zurück |datum=25. Juli 2008|zugriff=28. Juli 2008 }}</ref> Das LIF erreichte die für eine bundesweite Kandidatur nötige Anzahl an Unterstützungserklärungen.<ref>[http://www.oe24.at/zeitung/oesterreich/politik/neuwahlen/article347133.ece Artikel] auf oe24.at</ref> Als Spitzenkandidat in Kärnten trat der [[Kärntner Slowenen|Kärntner Slowene]] [[Rudolf Vouk]] an. Das Wahlkampfbudget betrug laut eigenen Angaben 1,5&nbsp;Millionen Euro.<ref>{{internetquelle |hrsg=news.orf.at|url=http://www.orf.at/080725-27685/index.html |titel=Auch Haselsteiner wieder mit an Bord |datum=25. Juli 2008|zugriff=29. Juli 2008 }}</ref> Als zentrales Thema ihres Wahlkampfes nannten Schmidt und [[Hans Peter Haselsteiner]] eine Steuerreform mit einer Grundsicherung, die in der kommenden Legislaturperiode durchgeführt werden sollte.<ref>[http://www.liberale.at ''Die Liberalen treten zur Nationalratswahl an''], abgerufen am 21. August 2008</ref> Als Wahlziel wurde von Schmidt der Einzug ins Parlament genannt, um eine Dreierkoalition ohne FPÖ und BZÖ zu ermöglichen.<ref>[http://derstandard.at/?url=/?ressort=wahlchat Heide Schmidt im Standard-Chat: ''Grüne als "natürliche Partner" einer Dreierkoalition''], abgerufen am 4.&nbsp;September 2008</ref> === Unabhängige Bürgerinitiative Rettet Österreich (RETTÖ) === [[Datei:Wilfried Auerbach.jpg|thumb|upright=0.4|Wilfried Auerbach (RETTÖ)]] Die Unabhängige Bürgerinitiative [[Rettet Österreich]] (RETTÖ) trat erstmals bei Nationalratswahlen in Österreich an. Zuvor war sie durch die Veranstaltungen von Demonstrationen gegen den Vertrag von Lissabon bekannt geworden. Spitzenkandidat war der Unternehmensberater und ehemalige Olympia-Teilnehmer [[Wilfried Auerbach]].<ref name="Kleinparteien">{{internetquelle |hrsg=Der Standard |url=http://derstandard.at/?url=/?id=1219060333917 |titel=Zehn Parteien treten an |datum=22. August 2008|zugriff=23. August 2008 }}</ref> RETTÖ forderte eine Volksabstimmung zum [[Vertrag von Lissabon|EU-Reformvertrag]], die Beibehaltung des [[Gentechnik]]-Verbots und die Beibehaltung der [[Österreichische Neutralität|Neutralität]].<ref>Vienna Online: [http://www.vienna.at/news/wien/artikel/liste-rettet-oesterreich-titt-zu-wahlen-an/cn/news-20080821-02392974 ''Liste "Rettet Österreich" tritt zu Wahlen an'']</ref> === Sonstige Parteien === Neben den bundesweit antretenden Parteien kandidierten weiters „die [[Linke (Partei)|Linke]]“, die in Salzburg, Wien, Oberösterreich, Tirol und Burgenland die erforderlichen Unterstützungserklärungen erreichte. Die „Liste Stark“ und die Liste „Dipl.-Ing. Karlheinz Klement“ traten in Kärnten an, die „Tierrechtspartei earth-human-animals-nature“ in Wien.<ref>{{internetquelle|autor=[[Bundesministerium für Inneres]] |url=http://www.bmi.gv.at/wahlen/NRW_08_parteien.asp |titel=Nationalratswahl 2008; die kandidierenden Parteien|datum=18. September 2008|zugriff=18. September 2008}}</ref> == Wahlkampf == Zu Beginn des Wahlkampfs wurde zwischen ÖVP und SPÖ ein Stillhalteabkommen getroffen, um sich in den übrigen Parlamentssitzungen nicht zu überstimmen. Gegen Ende Juli präsentierte Wilhelm Molter mit der Einführung der 13.&nbsp;Familienbeihilfe erstmals eine zentrale Forderung der ÖVP für den Wahlkampf. Innerparteilich stieß die Wahlkampfführung Molterers auf Kritik. Anfang August trat Peter Westenthaler als BZÖ-Chef zurück, da er zu neun Monaten bedingter Haft aufgrund einer Falschaussage verurteilt wurde. Jörg Haider löste ihn darauf an der Parteispitze ab, ein Spitzenkandidat stand zu dem Zeitpunkt noch nicht fest. Am 8.&nbsp;August 2008 wurde Werner Faymann mit 98 % zum neuen Vorsitzenden der Sozialdemokraten gewählt. Kurze Zeit später beschloss die Große Koalition ein Pflege-Paket, das am 1.&nbsp;Jänner 2009 in Kraft trat. Es enthielt unter anderem eine Erhöhung des Pflegegelds und eine höhere Forderung der 24-Stunden-Betreuung. Der Rechnungshof zog Ende August eine kritische Bilanz über die Verhandlungen zum [[Eurofighter]]-Vertrag, worauf [[Norbert Darabos]] von allen Seiten heftige Kritik einsteckte. Einige Tage später kündigte die SPÖ das Stillhalteabkommen mit der ÖVP auf und veröffentlichte das ''5-Punkte-Programm'', welches Maßnahmen gegen die Teuerung enthielt. Mit innerparteilichen Affären der FPÖ und der Grünen wurde Anfang September für mediale Resonanz gesorgt. Während die Grünen einen kurz zuvor aus der Untersuchungshaft entlassenen Tierschützer auf ihrer Bundesliste präsentierten, wurden neue Bilder von Heinz-Christian Strache veröffentlicht, die ihn bei Wehrsportübungen zeigen. Kurz vor der Wahl sorgte ein Lobbying-Skandal rund um den damaligen LIF-Chef Alexander Zach für Aufregung. Dieser trat wegen des Drucks seiner Partei zurück, Heide Schmidt übernahm den Parteivorsitz. In einer Nationalratssitzung am 24.&nbsp;September 2008 wurden vier der fünf Punkte aus dem 5-Punkte-Programm der SPÖ verabschiedet. Einzig die geforderte Halbierung der Umsatzsteuer konnte nicht beschlossen werden.<ref>[[#Literatur|Lit.]] {{Literatur| Autor= Hofer, Toth | Titel=Wahl 2008 | Seiten=175–181}}</ref> === Kampagnen === [[Datei:Nationalratswahlen 2008-1.JPG|thumb|Wahlkampfplakat der SPÖ]] ==== Konzepte ==== Die SPÖ wendete im Wahlkampf ein Triangel-Konzept an, das aus den Bereichen ''Stilwende'', ''Rasch in der Krise helfen'' und ''Der Mensch zuerst'' bestand und konnte so die erwarteten Verluste gegenüber den rechten Parteien FPÖ und BZÖ klein halten. Nach Meinung des Politikexperten [[Thomas Hofer]] lässt sich dadurch eine Parallele zu [[Bill Clinton]]s Wahlkampf 1992 ziehen, der durch die drei Aussagen ''Change'', ''Rebuild economy'' und ''People first'' geprägt war. Ähnlich wie die Sozialdemokraten tat es die ÖVP, deren zentrale Themen ''Stilwende'', ''Sicherheit und Stabilität'' und ''Budgetdisziplin'' waren. Die Oppositionsparteien Grüne, FPÖ und BZÖ waren hauptsächlich darauf konzentriert, eine Wahl gegen eine erneute Große Koalition anzuregen.<ref>{{Literatur | Autor= Hofer, Toth | Titel=Wahl 2008 | Seiten=19–21}}</ref> Nach der Entscheidung Jörg Haiders, das BZÖ in die Wahl zu führen, gab sich die Partei zunehmend als staatsmännisch und kampagnisierte wesentlich positiver als FPÖ und Grüne. Anfänglich wollte Haider Ewald Stadler als Spitzenkandidat präsentieren, wofür bereits Fotoserien abgelichtet worden waren, dies stieß jedoch auf innerparteilichen Widerstand.<ref>{{Literatur | Autor= Hofer, Toth | Titel=Wahl 2008 | Seiten=16}}</ref> ==== „Es reicht!” ==== Mit dem Ausspruch Wilhelm Molterers „''Es reicht!''” wurde die Anfangsphase des Wahlkampfes eingeleitet. Damit wollte die ÖVP die Gefühlslage der Wähler genau treffen. Zu dem Zeitpunkt stand die Volkspartei in den Umfragen bis zu fünf Prozentpunkten vor der SPÖ. Die ÖVP verwendete darauf den Ausspruch Molterers auch als Werbeslogan. Der Wahlkampf der Volkspartei verlief weitgehend uneinheitlich; die Wahlkampfstrategen wollten sowohl auf Molterer als Person, als auch auf zentrale Aussagen bauen. Werner Faymann und Alfred Gusenbauer zogen sich für einige Zeit aus der Öffentlichkeit zurück. Während Alfred Gusenbauer aus wahlstrategischen Gründen medial zurückgehalten wurde, musste Faymann seine Partei neu formieren und positionieren.<ref name="th2008">{{Literatur | Autor= Hofer, Toth | Titel=Wahl 2008}}</ref> ==== Wahlkampfstil ==== Der Großteil des Wahlkampfs wurde über die Medien zwischen den Spitzenkandidaten ausgetragen, die direkte Ansprache an den Wähler kam kaum vor. Für die Kampagnenführung wurden von den Parteien außerdem keine Wahlkampfberater mehr aus dem Ausland engagiert, womit die Wahlkampfleiter selbst dafür zuständig waren.<ref>{{Literatur | Autor= Hofer, Toth | Titel=Wahl 2008 | Seiten=14}}</ref> Im Vergleich zur letzten Wahl setzte die SPÖ nach außen hin nicht mehr auf „Negative Campaigning”, um einen neuen Stil zu signalisieren. Sie konnte durch die Auslagerung des negativen Wahlkampf an die [[Kronen Zeitung]], dessen Herausgeber mit Faymann eng befreundet ist, sich ganz auf einen Personenwahlkampf konzentrieren. Die ÖVP hingegen war diesmal stärker darauf fokussiert, die Kampagne gegen die SPÖ deutlich negativer zu führen.<ref>{{Literatur | Autor= Hofer, Toth | Titel=Wahl 2008 | Seiten=25–26 | Autor= Hofer, Toth | Titel=Wahl 2008}}</ref> === Themen === [[Datei:Inflation 2000 bis 2008.svg|thumb|Veränderung des Verbraucher-Preis-Index von 2000 bis 2008]] Der Wahlkampf wurde von allen Parteien ausgehend hauptsächlich durch [[Inflation]] und [[Teuerung]] bestimmt. Laut [[Wirtschaftskammer Österreich]] war die Inflation 2008&nbsp;um 3,5 % gestiegen. Während die ÖVP weitgehend auf Budgetdisziplin achtete, präsentierte die SPÖ ein Fünf-Punkte-Programm als Maßnahme gegen die Auswirkungen der Teuerung. Dieses enthielt die Halbierung der [[Umsatzsteuer]], die Erhöhung der [[Familienbeihilfe]], die Verlängerung der [[Hacklerregelung]], die Abschaffung der [[Studiengebühren]] und die Erhöhung des [[Pflegegeld]]s. Das Programm wurde in einer Sondersitzung des Nationalrats kurz vor der Wahl eingebracht. Nebenbei führten das BZÖ mit Jörg Haider und die FPÖ mit Heinz-Christian Strache als Rechtsparteien einen „Ausländerwahlkampf”. Auf ein besonders großes mediales Echo stieß die Forderung des BZÖ, Fußfesseln für kriminelle Asylwerber einzuführen.<ref name="th2008"/> Medial großteils unbeachtet setzten die Grünen im Wahlkampf auf Themen wie die Einführung alternativer Energieformen, Reichenbesteuerung, Bildungsreform, Frauengleichstellung und Menschenrechte.<ref>{{Literatur | Autor= Hofer, Toth | Titel=Wahl 2008| Seiten=79}}</ref> === Rolle der Kronen Zeitung === Seitdem Werner Faymann über einen Leserbrief an die [[Kronen Zeitung]] die SPÖ-Positionen zur [[Europäische Union|Europäischen Union]] veröffentlichte, ist dessen Verhältnis zu Herausgeber [[Hans Dichand]] sehr umstritten gewesen. Die Kronen Zeitung gilt als eine der einflussreichsten Zeitungen in Österreich, was in der Meinungsforschung zu einer Debatte über die Rolle im Wahlkampf 2008 führte. Auffällig im Wahlkampf war die teils stark negative Berichterstattung der Kronen Zeitung über die ÖVP, während vermehrt positive Meldungen über die SPÖ kamen. Das Fessel-GfK-Institut führte im Sommer 2008 eine Umfrage durch, welche ergab, dass rund 17 % der Leser der Kronen Zeitung Exklusiv-Leser sind. Außerdem konnte festgestellt werden, dass rund 36 % der Leser der Kronen Zeitung SPÖ, etwa 26 % die FPÖ, 17 % die ÖVP, 12 % das BZÖ und knapp 1 % die Grünen wählten.<ref>{{Literatur | Autor= Hofer, Toth | Titel=Wahl 2008 | Seiten=103–116}}</ref> == Wahlprogramme == Die im Parlament vertretenen Parteien veröffentlichten zum Wahlkampf ihre eigenen Programme. Die wichtigsten Aussagen in Kernthemen im Überblick<ref>{{internetquelle |hrsg=Sozialdemokratische Partei Österreichs |url=http://www.spoe.at/bilder/d265/wahlmanifest08.pdf |format=pdf |titel=Wahlmanifest der Sozialdemokratischen Partei Österreichs Nationalratswahl 2008 |zugriff=6. Jänner 2009}}</ref><ref>{{internetquelle |hrsg=Die Grünen – Die grüne Alternative |url=http://www.gruene.at/programm/wahlprogramm_2008/ |titel=Wahlprogramm 2008 |zugriff=6. Jänner 2008}}</ref><ref>Siehe Wahlprogramme ÖVP, FPÖ und BZÖ</ref>: === Arbeit und Soziales === * SPÖ: Bekämpfung von Diskriminierung am Arbeitsmarkt; Anstrebung der Vollbeschäftigung in Österreich durch Förderung der [[Forschung]] sowie Integration von [[Arbeitslosigkeit|Langzeitarbeitslosen]]; Einführung der [[Bedarfsorientierte Mindestsicherung|bedarfsorientierten Mindestsicherung]]. * ÖVP: Förderung der Arbeitsplätze im Bereich [[Tourismus]]; Reform der [[Lohnsteuer (Österreich)|Lohnsteuer]] 2010 ohne Gegenfinanzierung durch Erhöhung von Steuern; Verlängerung der „[[Hacklerregelung]]“ bis 2013; Investitionen in die Forschung. * GRÜNE: Einführung der Grundsicherung; Versicherungsschutz für alle Arbeitsverhältnisse; Senkung der Normal- und Höchstarbeitszeiten; Senkung der Lohnsteuer. * FPÖ: Vorantreibung der Umschulungs- und Weiterbildungsmaßnahmen des [[Arbeitsmarktservice]]; Nichtbesteuerung der Überstunden; steuerliche Absetzbarkeit der haushaltsnahen Dienstleistungen; Senkung der Lohnsteuer. * BZÖ: Praxisorientierte Umschulung; Arbeitsplatzprämie für Ein-Personen-Unternehmen; Erhöhung eines gesetzlichen Mindestlohns auf 1000&nbsp;€ netto; Einführung des „[[Müttergehalt]]s“. === Budget und Finanzen === * SPÖ: Einführung der [[Vermögenszuwachssteuer]]; Entlastung der mittleren und niedrigeren Einkommen durch Vorziehung der geplanten [[Steuerreform]] auf 2009. * ÖVP: Finanzierung der Steuerreform durch Staats- und Verwaltungsreform; Verhinderung der Wiedereinführung der [[Erbschaftsteuer|Erbschafts- und Schenkungssteuer]]; Steuerbegünstigungen für Unternehmer. * GRÜNE: Erhöhung der Vermögenssteuern; Einführung der Vermögenszuwachssteuer und Umverteilung durch Erhöhung der [[Negative Einkommensteuer|Negativsteuer]]. * FPÖ: Senkung der Mehrwertsteuer auf Grundnahrungsmittel und Medikamente; Anpassung der [[Körperschaftssteuer]] an den Humanaufwand des Unternehmens; Abschaffung von [[Bagatellsteuer]]n (wie Bodenwertabgabe, Kreditgebühren, Schaumweinsteuer, Feuerschutzsteuer und Werbesteuer). * BZÖ: Senkung der Steuern auf Grundnahrungsmittel, Medikamente und Mieten; Preiskontrolle für Treibstoffe; Senkung der [[Mineralölsteuer (Österreich)|Mineralölsteuer]] und der Heizölsteuer. === Gesundheit und Pflege === * SPÖ: Verhinderung der Entwicklung zur Zwei-Klassen-Medizin; Verbesserung der Ausbildung im Gesundheitsbereich; stärkere Finanzierung der [[Krankenkasse]]n; zweckorientiertes [[Pflegegeld]] und bedarfsorientierte Pflegeangebote; Erhöhung des Pflegegelds. * ÖVP: Förderung der Betreuungskräfte; Erhöhung des Pflegegelds; Ausbau der [[Hospiz]]versorgung; Abschaffung der Vermögensgrenzen. * GRÜNE: Erhöhung des Pflegegelds; Einklagbares Recht auf Pflege und Betreuung. * FPÖ: [[Inflation]]sabgeltung des Pflegegelds; Kostenübernahme des Staates bei Pflege von kinderlosen Personen. * BZÖ: Umschulungen der Pflegekräfte; Reduktion der illegalen ausländischen Pflegekräfte; Erhöhung des Pflegegelds um zehn Prozent; Strukturreform des Gesundheitssystems; Zusammenlegung der 20 Sozialversicherungen. === Wirtschaft und Geld === * SPÖ: Staat als Träger aktiver Wirtschaftspolitik; Schaffung einer staatlichen [[Holding|Gründungs- und Auffangsholding]]; Stärkung der Infrastruktur. * ÖVP: Ausbau der [[Ökosoziale Marktwirtschaft|ökosozialen Marktwirtschaft]]; Absicherung des Wirtschaftswachstums durch Budgetdisziplin; Einführung einer europaweiten Steuer für besonders spekulative Anlagen; Vorantreibung der Privatisierungen. * GRÜNE: Förderung der Ökoindustrie; Förderung der Frauen im Bereich Wirtschaft; Einführung einer Spekulationssteuer. * FPÖ: Abschaffung der Mindestkörperschaftssteuer; Förderung der Landwirtschaft. * BZÖ: Einführung einer Spekulationssteuer; Konjunkturprogramm zur Förderung mittelständischer Unternehmen; Gleichstellung aller Unternehmen bei Besteuerung. === Äußeres und Europa === * SPÖ: Bekennung zur [[Neutralität (Internationale Politik)|Neutralität Österreichs]]; Anstreben einer Mitgliedschaft im UNO-Sicherheitsrat; Ausbau der zivilen Auslandseinsatzkapazitäten; Stärkung der Arbeiter- und Arbeitnehmerrechte, Ausbau der Infrastruktur und verstärkte Förderung der Forschung auf Europaebene; Volksabstimmung bei künftigen Änderungen im [[EU-Vertrag]]. * ÖVP: Bekenntnis zur Europäischen Union; Beitritt Kroatiens zur Europäischen Union. * GRÜNE: Volksbefragung zu Änderungen im EU-Vertrag; Einführung sozialer Mindeststandards auf Europaebene; militärische Einsätze nur auf Basis des Völkerrechts, Austritt aus dem [[EURATOM]]-Vertrag. * FPÖ: Bekennung zur Neutralität; Ablehnung des EU-Reformvertrags und des EU-Beitritts der Türkei; Volksabstimmung über Änderungen im EU-Vertrag und Türkei-Beitritt; Inbetrachtnahme eines Austritts aus der EU; Verringerung der Nettozahlungen an die EU. * BZÖ: Finanzielle Stärkung des Bundesheers; Volksabstimmung über EU-Vertrag und Türkei-Beitritt zur EU; Engagement gegen Atomkraftwerke und Gentechnik in Europa. === Bleiberecht und Integration === * SPÖ: Bekenntnis zu den europäischen Grundwerten als Zuwanderungskriterium; Abschiebung illegaler Zuwanderer; Zugang zum Arbeitsmarkt für Zuwanderer; Sprachförderung Integrationsbedürftiger. * ÖVP: Ausweisung von Hasspredigern und Straffälligen; raschere Asylverfahren; Konsequente Verfahren bei Asylmissbrauch; verpflichtende Deutschkurse bei Zuwanderung aus Drittstaaten. * GRÜNE: Ausbau der Sprachkurse für Zuwanderer; Achtung der Flüchtlingskonventionen; raschere Asylverfahren. * FPÖ: Bekämpfung von Asyl- und Sozialmissbrauch durch Ausweisung straffälliger Zuwanderer; Auslieferung ins Heimatland und lebenslanges Einreiseverbot für straffällige Zuwanderer; Differenzierung im Sozialsystem. * BZÖ: Abschiebung ausländischer Straftäter; Einführung einer Green Card nach kanadischem Vorbild; Bauverbot von Moscheen und Minaretten; Verbot der Ganzkörperverschleierung. === Energie und Umwelt === * SPÖ: Einsatz für eine Umweltorganisation der Vereinten Nationen; Sicherstellung natürlicher Ressourcen; Effiziente Wärmedämmung; Verwendung alternativer Energie; Ablehnung der Kernenergie. * ÖVP: Einsatz für erneuerbare Energie im landwirtschaftlichen Bereich; Einführung eines Österreichtickets für den [[Öffentlicher Verkehr|öffentlichen Verkehr]]. * GRÜNE: Ausbau alternativer Energieformen; Stärkung der Abfallvermeidung; Verkehrsbeschränkungen für Feinstaub belastete Ballungsräume; ökologischer Hochwasserschutz; Einbindung von Bürgerinitiativen und Nichtregierungsorganisationen; Erhöhung der [[Mineralölsteuer (Österreich)|Mineralölsteuer]]. * FPÖ: Einsatz erneuerbarer Energie; Ausbau von Sonnen-, Wasser-, Wind- und Bioenergieanlagen. * BZÖ: In der Verfassung verankertes Klimaschutzgesetz; Ausbau von Wasserkraft und Biomasse; Förderung des öffentlichen Nahverkehrs. == Berichterstattung == === Fernsehen === [[Datei:Werner Faymann mit Ingrid Thurnher und Alexander Wrabetz retouched.jpg|thumb|Werner Faymann mit ORF-Generalintendant [[Alexander Wrabetz]] und Ingrid Thurnher vor einer Fernsehkonfrontation]] Die Wahl-Berichterstattung des Österreichischen Rundfunks begann am 22.&nbsp;August 2008 mit einer Fernseh-Konfrontation zwischen Heinz-Christian Strache (FPÖ) und Jörg Haider (BZÖ).<ref>{{internetquelle |autor=Austria Presse Agentur |hrsg=Der Standard |url=http://derstandard.at/?url=/?id=1219060462697 |titel=Bis zu 915.000 Zuseher sahen ORF-TV-Konfrontation Strache - Haider |datum=24. August 2008 |zugriff=16. September 2008}}</ref> Dies war die erste von zehn Diskussionssendungen, in denen sich die Spitzenkandidaten zweier im Parlament vertretener Parteien gegenüber saßen. Die Fragen stellte Moderatorin [[Ingrid Thurnher]]. Die Konfrontationen zur Wahl 2008 erzielten eine höhere [[Reichweite (Medien)|Reichweite]] als jene zur [[Nationalratswahl in Österreich 2006|Nationalratswahl 2006]].<ref>{{internetquelle |autor=Alexander Krei |hrsg=Quotenmeter.de |url=http://quotenmeter.de/index.php?newsid=29572 |titel=Wahl-Duelle: Haider & Co. bringen Top-Quoten |werk= |seiten= |datum=5. September 2008 |zugriff=16. September 2008}}</ref> Am 8.&nbsp;September 2008 veröffentlichte die Tageszeitung ''[[Salzburger Nachrichten]]'' eine Analyse der ersten fünf TV-Duelle. Dieser zufolge habe Jörg Haider die erste Diskussion gegen Heinz-Christian Strache knapp für sich entschieden. Entscheidend sei dabei Haiders Betonung seiner Arbeit als Landeshauptmann von [[Kärnten]] gewesen.<ref name="SalzburgTVDuelle">{{Salzburger Nachrichten | |Autor= |Titel=Im Paarlauf zur Wahl| Jahr=2008 | Monat=September | Tag=8 }}</ref> In der zweiten Auseinandersetzung zwischen Werner Faymann und Alexander Van der Bellen habe es Überraschungen geben, so sei Faymann in die ''Rolle des Oppositionellen'' geschlüpft, während sich Van der Bellen staatstragend präsentiert habe.<ref name="SalzburgTVDuelle"/> Die dritte Konfrontation habe neue Seiten der Spitzenkandidaten Jörg Haider und Wilhelm Molterer aufgezeigt. Während Jörg Haider als ''gütiger Landesvater'' aufgetreten sei, habe der ÖVP-Chef sich eher passiv verhalten.<ref name="SalzburgTVDuelle"/> Molterer habe sich im darauf folgenden Duell gegen Strache wesentlich angriffslustiger gegeben. Der Spitzenkandidat der FPÖ habe ihm wenig entgegenzusetzen gehabt.<ref name="SalzburgTVDuelle"/> Ohne nennenswerte Höhepunkte verlief die Diskussion zwischen Jörg Haider und Alexander Van der Bellen. Beide waren die meiste Zeit bemüht, sich voneinander abzugrenzen, weil in ''völlig konträren Wählerpools'' gefischt wurde.<ref name="SalzburgTVDuelle"/> Der ORF verzichtete diesmal darauf, Vertreter der nicht im Parlament vertretenen Parteien zum letzten Fernsehduell einzuladen. Stattdessen sendete er eine Woche vor der Wahl eine Spezialausgabe des Diskussionsformates „Im Zentrum”, in der Vertreter des Liberalen Forums, der Liste Fritz Dinkhauser, der Christenpartei, der KPÖ und der Unabhängigen Bürgerinitiative Rettet Österreich zu Gast waren. Neben den Fernsehkonfrontationen zeigte der ORF auf Erstwähler ausgerichtete Fragerunden mit dem Namen „Wahl 2008 – Ihre Frage”. Für jede Ausgabe wurden Schulklassen der zehnten und elften Schulstufe eingeladen, und die jeweiligen Spitzenkandidaten befragt.<ref name="Standard15/8">{{internetquelle |autor=Austria Presse Agentur |hrsg=Der Standard |url=http://derstandard.at/?url=/?id=1218534091401 |titel=Wahlkampf im ORF, auf ATV und Puls 4 |werk= |seiten= |datum=15. August 2008 |zugriff=16. September 2008}}</ref> Die privaten Fernsehsender [[Austria Television|ATV]] und [[Puls 4|Puls&nbsp;4]] berichteten ebenfalls über die Nationalratswahl. Nach dem Vorbild der Fernsehdiskussionen im Wahlkampf zur [[Präsidentschaftswahl in den Vereinigten Staaten 2008|Präsidentschaftswahl in den USA 2008]] startete ATV den Aufruf, selbst erstellte Videos mit eigenen Fragen an die Spitzenkandidaten der im Parlament vertretenen Parteien auf der Internet-Videoplattform [[YouTube]] hochzuladen. Diese wurden in [[ATV Meine Wahl|ATV – Meine Wahl]] am 21.&nbsp;September 2008 von einer [[Elefantenrunde#Österreich|Elefantenrunde]] von Spitzenkandidaten, mit Ausnahme von Werner Faymann, beantwortet.<ref name="Standard15/8"/> Puls&nbsp;4 zeigte Spezialfolgen der Sendung ''talk of town'' mit den Listenersten der antretenden Parteien.<ref name="Standard15/8"/> Am 17.&nbsp;September fand ''Die Wahl-Arena'' auf Puls&nbsp;4 statt, bei der die Spitzenkandidaten der ÖVP, der Grünen, der FPÖ, des BZÖ und des LIF zu Gast waren. === Hörfunk === Von 1.&nbsp;bis 5.&nbsp;September waren die Spitzenkandidaten aller im Nationalrat vertretenen Parteien bei ''[[Ö3]]'' zu Gast. Die Zuhörer konnten diese zu ihren Wahlkampfthemen befragen. Außerdem sendete ''[[FM4]]'' am 6.&nbsp;September eine Spezialausgabe von ''Reality Check'', bei der die Leiterin des SORA-Forschungsbereichs, Eva Zeglovits, der Journalist Herbert Lackner und der Politikberater Thomas Hofer über Wahlversprechen, die Unentschlossenheit vieler Wähler und Wahlstrategien diskutierten. Ähnlich wie bei Ö3 waren auch bei FM4 die Spitzenkandidaten bei ''FM4 Connected'' zu Gast. Der Privatsender ''[[88.6]]'' lud alle Kandidaten in der Woche vor der Wahl zu einem einstündigen Gespräch ein. Jeden Tag war ein Kandidat zwischen acht und neun Uhr in der Sendung zu Gast. Werner Faymann sagte das Gespräch wegen Terminproblemen ab. == Umfragen == === Verlauf ohne Kleinparteien === Die zwischen 21.&nbsp;Juni und 16.&nbsp;August 2008 erhobenen Umfragen zeigten starke Differenzen in den prognostizieren Stimmanteilen der Parteien. Bei den Befragungen belegte die ÖVP durchwegs den ersten Platz, nur zwei Umfragen sahen ÖVP und SPÖ gleichauf. Der ÖVP wurde nach dem 7.&nbsp;Juli 2008 ein Ergebnis zwischen 28 % und 35 % prognostiziert, die SPÖ lag zwischen 25 % und 33 %. Die FPÖ stand klar an dritter Position, wobei die Ergebnisse der Meinungsforscher zwischen 16 % und 22 % schwankten. Die Grünen, bei der Wahl 2006 noch drittstärkste Fraktion, lagen auf dem vierten Platz, wobei der Abstand zur FPÖ mehrere Prozent betrug. Die Meinungsforscher sahen die Grünen seit dem 8.&nbsp;Juli bei 11 % bis 16 %. Das BZÖ lag zumeist über der für den Einzug relevanten 4 %-Hürde, wobei die Bandbreite zwischen 2 % und 6 % lag. === Verlauf mit Kleinparteien === Das Antreten der Kleinparteien hatte große Auswirkungen auf die Umfragen. Eine von der Tageszeitung ''[[Österreich (Zeitung)|Österreich]]'' in Auftrag gegebene Umfrage sah neben den Großparteien überdies Chancen für den bei der letzten Nationalratswahl angetretenen EU-Parlamentsabgeordneten [[Hans-Peter Martin]] und die Liste des Schauspielers [[Karlheinz Hackl]]. Während Martin nicht antrat, scheiterte Hackl beim Versuch die notwendige Zahl an Unterstützungserklärungen zu erhalten. Die im späteren Wahlkampf durchgeführten Umfragen zeigten zumindest für die beiden Großparteien keine klaren Ergebnisse. Die Umfrageergebnisse der SPÖ schwankten zu Beginn zwischen 21 % und 28 % und pendelten sich später zwischen 28 % und 32 % ein. Für die Volkspartei war der durch die Umfragen gegebene Rahmen mit Stimmanteilen zwischen 23 % und 31 % ebenfalls sehr groß. Nachdem die ÖVP die Führung in den Umfragen an die SPÖ abgegeben hatte, zeigten die Meinungsforscher bis auf eine Ausnahme Ergebnisse bei rund 25 % bis 27 %. Die Grünen hingegen stagnierten bei 11 % bis 15 %. Einen großen Stimmenzuwachs durfte sich nach Befragungen die FPÖ erwarten. Die Institute rechneten mit 15 % bis 20 %. Das BZÖ schien seinen Stimmanteil verdoppeln zu können: lag das Bündnis in der Anfangsphase des Wahlkampf an der 4 %-Hürde, so schaffte es in den Umfragen auf bis zu 10 %. Der Einzug für die Kleinparteien wie FRITZ oder LIF schien schwer möglich. Während der Tiroler Dinkhauser von 7 % bis auf 1 % zurückfiel, blieben die Werte des Liberalen Forums in den meisten Umfragen bei 4 %. == Mediale Rezeption des Ergebnisses == === Internationale Presse === Auf das Ergebnis der Nationalratswahl reagierten sowohl die nationalen als auch die internationalen Medien überrascht, speziell das Abschneiden des BZÖ schien aufgrund der deutlich niedrigeren Umfragewerte unerwartet. Es wurde jedoch an den Wahlerfolg Jörg Haiders bei der [[Nationalratswahl in Österreich 1999|Nationalratswahl 1999]] erinnert. Hervorgehoben wurden Strache und Haider als Wahlsieger und, dass das [[Drittes Lager|dritte Lager]] gesamtheitlich gesehen auf dem zweiten Platz zu finden wäre. International renommierte Zeitungen deuteten das Ergebnis einhellig als Rechtsruck und benannten die in Österreich durchwegs „rechtspopulistisch“ bezeichneten Parteien häufig als „[[Rechtsextremismus|extreme Rechte]]“. Vor allem in deutschen Medien wurde auch die Position und das Verhalten der Großparteien und der Kronen Zeitung heftig kritisiert. Folgende Pressestimmen sollen einen Querschnitt durch die internationalen Reaktionen auf das Wahlergebnis geben: Vorherrschender Tenor der internationalen Berichterstattung war die Betonung, dass eine extreme Rechte, ausländerfeindliche und antieuropäische Politik erstarkt sei: :{{Zitat-en|''Far-Right, Anti-Immigrant Parties Make Gains in Austrian Elections.''|Übersetzung=Rechtsextreme, ausländerfeindliche Parteien verzeichnen Gewinne bei den österreichischen Wahlen.|[[The New York Times]], 29. September 2008<ref>{{internetquelle |autor=Nicholas Kulish |hrsg=[[The New York Times]] |url=http://www.nytimes.com/2008/09/29/world/europe/29austria.html?_r=1&scp=2&sq=austria&st=nyt&oref=slogin |titel=Far-Right, Anti-Immigrant Parties Make Gains in Austrian Elections. |sprache=engl. |datum=29. September 2008 |zugriff=27. Oktober 2008}}</ref>}} :{{Zitat|Österreich wurde von einem politischen Erdbeben erschüttert, als die neo-faschistische Rechte erstmals gemeinsam als stärkste politische Kraft des Landes aus einer Parlamentswahl hervorging.|[[The Guardian]], [[London]] <ref name="OÖN">zitiert nach: ''So sieht die Welt die Wahl in Österreich.'' [[Oberösterreichische Nachrichten]], 30. September 2008, S. 6</ref>}} :{{Zitat|Die extreme Rechte hat in Österreich ein großes Comeback gefeiert. […] Die österreichischen Wähler dürften beide Parteien (die ÖVP und die SPÖ) für ihre Unfähigkeit bestraft haben, zusammen zu regieren.|[[The Times]], London <ref name="OÖN"/>}} :{{Zitat|Die 30 Prozent für die Rechtsaußen-Parteien, die mit ausländerfeindlichen und Anti-EU-Positionen auf Stimmenfang gingen, sind ein atemberaubender Schlag für das politische Establishment Österreichs.|[[Daily Telegraph]], London <ref name="OÖN"/>}} :{{Zitat|Antieuropäische und populistische Welle bei der österreichischen Wahl. […] Es ist ein massives antieuropäisches Parlament, das Sonntag aus den Urnen hervorgegangen ist.|[[Liberation]], [[Paris]] <ref name="OÖN"/>}} :{{Zitat|Starker Aufschwung der extremen Rechten in Österreich. […] Es wird sehr schwierig sein, knapp ein Drittel der Wähler zu ignorieren.|[[Le Figaro]], Paris <ref name="OÖN"/>}} :{{Zitat-es|''La extrema derecha resurge en Austria.''|Übersetzung=Die extreme Rechte in Österreich erstarkt wieder.|[[El País]], 29. September 2008<ref>{{internetquelle |autor= |hrsg=[[El País]] |url=http://www.elpais.com/articulo/internacional/extrema/derecha/resurge/Austria/elpepiint/20080929elpepiint_2/Tes |format= |sprache=Spanisch |titel=La extrema derecha resurge en Austria. |werk= |seiten= |datum=29. September 2008 |zugriff=26. Oktober 2008}}</ref>}} :{{Zitat|Die Österreicher haben beschlossen, den rechten Nationalisten den roten Teppich auszurollen.|[[El Mundo]], Spanien <ref name="OÖN"/>}} :{{Zitat|Der Albtraum kehrt zurück. In Österreich räumt die radikale und türkenfeindliche Rechte ab. […] Dass in Österreich, das sich seit dem Zweiten Weltkrieg bisher vom Rassismus distanziert hatte, zwei rechtsradikale Parteien so viele Stimmen holten, hat die ganze Weltpresse überrascht.|[[Vatan (Tageszeitung)|Vatan]], Türkei <ref name="OÖN"/>}} Als Ursachen für das Erstarken der extremen Rechten wurde vor allem das Scheitern der SPÖ und ÖVP genannt, die keine brauchbaren politischen Alternativen anzubieten hätten, sich in die als erfolglos herausgestellte Anpassung an die rechtspopulistischen Parteien geflüchtet hätten und unwillens seien, sich unangenehmen Themen zu stellen: :{{Zitat|Was, ins Grundsätzliche gewendet, ist los mit den Österreichern? Die Frage werden jetzt vor allem die Partner Wiens in der Europäischen Union stellen. Schließlich kommen die drei Parteien, die mit harter bis haarsträubender Agitation und/oder mit unschuldig daherkommender Polemik gegen die EU warben, auf zusammen knapp sechzig Prozent der Stimmen. Die Saat, welche eine Zeitung seit Jahren aus uneinsichtigen Gründen auswirft, trägt offenbar reiche Früchte. Es wird noch der Tag kommen, da die SPÖ-Führung es bereuen wird, dass sie sich den Betreibern dieser weniger euro-skeptischen als anti-europäischen Kampagne unterworfen hat.|[[Frankfurter Allgemeine Zeitung]], [[Frankfurt am Main]] <ref name="OÖN"/>}} :{{Zitat|Eine triumphierende extreme Rechte, eine für ihren streitsüchtigen Stil vom Wähler abgestrafte Koalition der Etablierten: Das ist das enttäuschende Ergebnis des Wiener Wahlsonntags. Das österreichische Beispiel lehrt, dass es kontraproduktiv sein kann, zu versuchen, rechtspopulistische Parteien mit den eigenen Waffen zu schlagen.|[[Basler Zeitung]], [[Basel]] <ref name="OÖN"/>}} :{{Zitat|Das Ergebnis ist auch eine Niederlage für das nationale politische System. Es gelingt in unserem Nachbarland einfach nicht, seriöse politische Alternativen zu den beiden gar nicht mehr so großen Volksparteien aufzubauen.|[[Stuttgarter Zeitung]], [[Stuttgart]] <ref name="OÖN"/>}} :{{Zitat|Nach der Parlamentswahl beweist Österreich, dass in europäischen Ländern die extreme nationalistische Rechte gestärkt wird, wenn die politische Mitte ihre Logik akzeptiert und ihre Argumente nicht genügend verurteilt.|[[Delo (Tageszeitung)|Delo]], Slowenien <ref name="OÖN"/>}} :{{Zitat|Das Ergebnis der österreichischen Wahlen ist eine Warnung an jene Politiker, die sich nicht mit unangenehmen Themen beschäftigen wollen. Wie irrational der Widerwille gegen die Einwanderung und gegen Brüssel auch sein mag, diese Themen zu ignorieren, hat nur den Extremisten Auftrieb gegeben.|[[Lidov noviny]], Tschechien <ref name="OÖN"/>}} :{{Zitat|Die 6,3 Millionen Österreicher, die zu den Urnen gerufen waren, haben zu einem großen Teil die populistischen und intoleranten Slogans einer extremen Rechten bevorzugt, die bei der Wahlkampagne auf die Ängste der normalen Bürger in einem Land gesetzt hat, das traditionsgemäß stark an seine alpinen Traditionen gebunden ist und Angst vor Änderungen hat.|[[Il Messaggero]], Italien <ref name="OÖN"/>}} :{{Zitat|Es ist erschütternd: Fast jeder dritte Österreicher hat gestern rechtsradikal gewählt. Klar, dass da auch abstruse Fragen gestellt werden: Tickt der Homo Austriacus womöglich anders als der Durchschnittseuropäer? Plakativ sind solche Zuweisungen auf jeden Fall – die Realität treffen sie natürlich nicht.|[[Berner Zeitung]], [[Bern]] <ref name="OÖN"/>}} Die Frage, ob FPÖ und BZÖ als „rechtspopulistisch“ oder „rechtsextrem“ anzusehen seien, wurde vereinzelt ebenso thematisiert: :{{Zitat|Der Blick der gesamten Welt richtete sich am Sonntag auf Österreich, als klar wurde, dass die großen Gewinner jene Parteien waren, die als rechtsextrem angesehen werden. […] Während die westliche Welt diese beiden Parteien als rechtsextrem einstufen könnte, sehen die Österreicher selbst sie nicht unbedingt als radikal an.|[[Yedioth Aharonoth]] <ref name="OÖN"/>}} Als Folgen des Wahlergebnisses für die Großparteien und die Regierungsbildung wurden schwierige Verhandlungen sowie die Schwierigkeit, die Rechtsparteien nicht zu beteiligen genannt, und eine Neuauflage der großen Koalition als wahrscheinlich betrachtet: :{{Zitat|Die Wählerinnen und Wähler sind berechenbarer als die Politiker. Sie haben den beiden gross<!--sic! NZZ verwendet seit 1978 kein ß mehr; bei Zitaten wird das beibehalten.-->en Parteien SPÖ und ÖVP jene Quittung verpasst, die diese mehr als verdient haben. Man kann erahnen, wie schwierig es sein wird, aus diesem Schlamassel wieder eine handlungsfähige Regierung zu bilden.|[[Neue Zürcher Zeitung]], [[Zürich]] <ref name="OÖN"/>}} :{{Zitat|Die Wiederauflage einer Großen Koalition ist wohl eine der wahrscheinlichsten Hypothesen, nachdem die Stimmen ausgezählt sind.|[[Le Soir]], Belgien <ref name="OÖN"/>}} :{{Zitat|Die Österreicher haben ihre Unzufriedenheit geäußert und eine Koalition nahezu unmöglich gemacht.|[[De Standaard]], Belgien <ref name="OÖN"/>}} :{{Zitat|Das Ergebnis scheint einen antieuropäischen Boom in Österreich widerzuspiegeln. Sozialdemokraten und Konservative müssen nun ihre Führungsspitze und Parteistrategie neu überdenken.|[[ABC (Spanien)|ABC]], Spanien <ref name="OÖN"/>}} === Verhalten der Jungwählerschaft === Als besonders auffällig galt das Wahlverhalten der Jungwähler. Während die Grünen bei der [[Nationalratswahl in Österreich 1999|Wahl 1999]] besonders gute Ergebnisse bei jungen Leuten erzielte, waren dieses Mal die beiden rechten Parteien, FPÖ und BZÖ, in der Wählergruppe beliebt. Im Auftrag des Magazins „[[Profil (Zeitschrift)|profil]]” führte GfK Austria eine Nachwahl-Befragung bei Erstwählern und 18- bis 19-jährigen Wählern durch. Bei den 16- bis 29-Jährigen konnte die FPÖ 44 % erreichen, Zweitplatzierter wurde in dieser Gruppe die ÖVP mit 25 %. Die 18- bis 29-Jährigen wählten ebenfalls überwiegend die Freiheitlichen und das BZÖ, während SPÖ, ÖVP und Grüne weitaus schlechtere Ergebnisse erzielten.<ref>profil, Nr.&nbsp;41, 39. Jahrgang, vom 6.&nbsp;Oktober 2008</ref> === Wahlanalysen === In den Tagen nach der Wahl wurden mehrmals Demoskopen zum Wahlergebnis befragt. Mehrmals wurde behauptet, dass das Ergebnis eher auf eine verstärkte Protestwahl und nicht – wie von den Medien publiziert – auf einen Rechtsruck zurückzuführen sei.<ref>{{internetquelle |hrsg=Die Presse |url=http://diepresse.com/home/politik/innenpolitik/424931/index.do |titel=Nationalratswahl: Denkzettel für die Regierung, kein Rechtsruck |datum=23. Oktober 2008 |zugriff=26. Oktober 2008}}</ref> Die Tageszeitung „[[Die Presse]]“ veröffentlichte am Tag nach der Wahl eine Wahlanalyse. Demnach wäre das Hauptmotiv der Wähler die Kanzlerfrage gewesen. Besonders gut schnitten dabei [[Jörg Haider]] (59 %) und [[Werner Faymann]] (53 %) ab. Die geringste Zustimmung der Wähler erhielt der ÖVP-Spitzenkandidat [[Wilhelm Molterer]]; nur ein Viertel der ÖVP-Wähler gaben ihn als Motiv für die Wahl an. Weiters wollten die Wähler einen Protest gegen die Regierung ausdrücken.<ref>{{internetquelle |hrsg=Die Presse |url=http://diepresse.com/home/politik/neuwahlen/418225/index.do?from=suche.intern.portal |titel=Wahlmotive: Protest und Spitzenkandidaten |datum=29. September 2008 |zugriff=27. Oktober 2008}}</ref> Auch die Wochenzeitschrift „profil“ nahm das Wahlverhalten auf Basis einer repräsentativen Umfrage des GfK-Instituts unter die Lupe. Demnach lag die SPÖ bei den männlichen Wählern mit 29 % und bei den Frauen mit 30 % voran. Einzig die Teilwählerschaft der nicht erwerbstätigen Frauen konnte die ÖVP knapp mit einem Prozent Vorsprung gewinnen. In den Altersgruppen war die FPÖ besonders bei den jüngeren Wählern beliebt und gewann bei den 16- bis 30-Jährigen. Bei den Älteren (in den Wählergruppen über 30&nbsp;Jahren) konnte die SPÖ punkten. Während die SPÖ bei den Angestellten, Beamten und Pensionisten die größte Zustimmung erhielt, wählten die die meisten Arbeiter und Facharbeiter die FPÖ, die ÖVP gewann bei den Selbstständigen und Unternehmern knapp vor den Grünen.<ref>profil, Nr.&nbsp;40, 39.&nbsp;Jahrgang, vom 29.&nbsp;September 2008</ref> == Folgen == === Parteipolitik === In der Woche nach der Wahl gab es Rochaden im Spitzenpersonal der ÖVP und der Grünen. Bereits am 29.&nbsp;September 2008 gab [[Wilhelm Molterer]] auf Grund des schlechten Wahlergebnisses seinen Rücktritt als Bundesobmann der Volkspartei bekannt und schlug Umweltminister und Bauernbündler [[Josef Pröll]] als neuen Parteivorsitzenden vor.<ref>{{internetquelle |autor=Claudia Dannhause |hrsg=Die Presse |url=http://diepresse.com/home/politik/innenpolitik/418412/index.do?from=rss |titel=ÖVP: Molterer tritt zurück, Pröll neuer Parteichef |datum=29. September 2008 |zugriff=8. Oktober 2008}}</ref> Überdies wurde Pröll zum Klubchef gewählt. Der Parteichef der Grünen, Alexander Van der Bellen, trat am 3.&nbsp;Oktober 2008 von der Parteispitze zurück, wird jedoch als Abgeordneter im Nationalrat verbleiben. Als Nachfolgerin wurde [[Eva Glawischnig-Piesczek]] designiert, die zudem zur Vorsitzenden des Parlamentsklubs gewählt wurde.<ref>{{internetquelle |hrsg=Der Standard |url=http://derstandard.at/Text/?id=1220459868971 |titel=Alexander Van der Bellen tritt zurück – Eva Glawischnig folgt nach |datum=3. Oktober 2008 |zugriff=8. Oktober 2008}}</ref> Nach dem Tod des am 11.&nbsp;Oktober 2008 verstorbenen BZÖ-Chefs Jörg Haider wurde [[Stefan Petzner]] als Bündnisobmann designiert. Dieser gab seine Funktion als geschäftsführender Bündnisobmann Ende November an [[Herbert Scheibner]] ab. Zum Klubchef wurde [[Josef Bucher]] gewählt. Das Liberale Forum zog Konsequenzen aus der gescheiterten Wahl und wählte [[Werner Becher]] zum Parteichef. <center> <gallery> Datei:Josef_Pröll_ÖVP-Bauernbund-Erntedankfest_2008.jpg|Josef Pröll Datei:Glawischnig1.jpg|Eva Glawischnig-Piesczek Datei:HScheibner1.jpg|Herbert Scheibner Datei:Werner_Becher.jpg|Werner Becher </gallery> </center> === Koalitionsverhandlungen === Bundespräsident [[Heinz Fischer]] erteilte dem Spitzenkandidaten der erstplatzierten Partei, Werner Faymann, am 8.&nbsp;Oktober 2008 den Regierungsauftrag. Dieser bestätigte daraufhin nochmals, vorerst ausschließlich mit der Österreichischen Volkspartei und ihrem designierten Parteichef Josef Pröll Koalitionsverhandlungen zu führen.<ref>{{internetquelle |hrsg=news.orf.at |url=http://news.orf.at/081008-30312/index.htm |titel=Faymann will sofort Gespräche aufnehmen |datum=8. Oktober 2008 |zugriff=8. Oktober 2008}}</ref> Als einzige weitere Möglichkeit sah die SPÖ die Bildung einer [[Minderheitsregierung]], bis zur Angelobung der Regierung erklärten sich jedoch nur die Grünen zur Duldung einer solchen bereit.<ref>[[Zeit im Bild]] am 7.&nbsp;September 2008 in einem Interview-Beitrag</ref> Rechnerisch wären auf Grund der Verteilung der Mandate mehrere Regierungskonstellationen möglich gewesen; bei jeder von diesen schloss jedoch zumindest eine der Parteien eine Koalition mit mindestens einer anderen aus. So stand beispielsweise die Möglichkeit einer Mitte-Rechts-Koalition zwischen ÖVP, FPÖ und BZÖ im Raum, die anfangs von Josef Pröll und anfangs Heinz-Christian Strache ausgeschlossen wurde.<ref>{{internetquelle |hrsg=[[Kleine Zeitung]] |url=http://www.kleinezeitung.at/nachrichten/politik/regierung/1574368/index.do |titel=Pröll winkt ab: Koalition mit FPÖ und BZÖ "nicht sehr wahrscheinlich" |datum=10. Oktober 2008 |zugriff=27. Oktober 2008}}</ref> In den Medien wurde außerdem mehrmals um eine Koalition zwischen SPÖ und FPÖ spekuliert, da diese bereits vor der Wahl im Parlament zu Gesetzesbeschlüssen kooperierten. Faymann schloss jedoch nach wie vor der Wahl eine Regierungsbildung mit dem BZÖ und der FPÖ aus.<ref>{{internetquelle|hrsg=APA-OTS im Auftrag der SPÖ |url=http://www.ots.at/presseaussendung.php?schluessel=OTS_20081019_OTS0017&ch=politik |titel=Faymann: SPÖ wird Haltung nicht aufgeben - keine Koalition mit FPÖ oder BZÖ |datum=19. Oktober 2008 |zugriff=27. Oktober 2008}}</ref> Der Vorstand der ÖVP sprach sich am 14.&nbsp;Oktober 2008 für die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen mit der SPÖ aus.<ref>[[Die Presse]]: ''[http://diepresse.com/home/politik/innenpolitik/422615/index.do ÖVP stimmt für Koalitionsverhandlungen mit der SPÖ]'', 14.&nbsp;Oktober 2008 (aufgerufen am 14.&nbsp;Oktober 2008).</ref> Am 16.&nbsp;November 2008 trafen sich Werner Faymann und Josef Pröll zu einem Vieraugengespräch, nachdem zuvor eine große Verhandlungsrunde zwischen SPÖ und ÖVP abgesagt worden war. Pröll legte Faymann ein Zehn-Punkte-Forderungsprogramm vor, die Koalitionsverhandlungen wurden darauf bis zur Beantwortung Faymanns am Tag danach ausgesetzt.<ref>{{internetquelle |autor=Austria Presse Agentur |hrsg=Die Presse |url=http://diepresse.com/home/politik/neuwahlen/430674/index.do?_vl_backlink=/home/index.do |titel=Koalitionsverhandlungen vorerst auf Eis |datum=16. November 2008 |zugriff=16. November 2008}}</ref> {| style="text-align:center" |- ! colspan="3" style="background-color:#FFE1C0" | Verhandlungsteams und Themen |- ! style="width:150px; background-color:#FFE1E1" | SPÖ ! style="width:250px;" | Thema ! style="width:150px; background-color:#E1E1E1" | ÖVP |- | style="background-color:#FFE1E1" | [[Doris Bures]] | Arbeitsplätze und Standortpolitik | style="background-color:#E1E1E1" | [[Karlheinz Kopf]] |- | style="background-color:#FFE1E1" | [[Andreas Schieder]] | Außen- und Europapolitik | style="background-color:#E1E1E1" | [[Ursula Plassnik]] |- | style="background-color:#FFE1E1" | [[Claudia Schmied]] | Bildung, Kultur und Medien | style="background-color:#E1E1E1" | [[Johannes Hahn (Politiker)|Johannes Hahn]] |- | style="background-color:#FFE1E1" | [[Christoph Matznetter]] | Budget, Steuern und Nachhaltigkeit | style="background-color:#E1E1E1" | [[Wilhelm Molterer]] |- | style="background-color:#FFE1E1" | [[Barbara Prammer]] | Gesellschaft, Chancenpolitik und Sport | style="background-color:#E1E1E1" | [[Christine Marek]] |- | style="background-color:#FFE1E1" | [[Norbert Darabos]] | Inneres, Justiz und Landesverteidigung | style="background-color:#E1E1E1" | [[Maria Fekter]] |- | style="background-color:#FFE1E1" | [[Hans Niessl]] | Leistungsfähiger Staat | style="background-color:#E1E1E1" | [[Herbert Sausgruber]] |- | style="background-color:#FFE1E1" | [[Wilhelm Haberzettl]] | Soziales und Gesundheit | style="background-color:#E1E1E1" | [[Fritz Neugebauer]] |- |} === Verhandlungsabschluss === Am Abend des 23.&nbsp;November 2008 erklärten Werner Faymann und Josef Pröll, dass sie sich auf eine erneute [[Große Koalition]] mit Werner Faymann als [[Bundeskanzler (Österreich)|Bundeskanzler]] geeinigt haben.<ref>[[Neue Zürcher Zeitung]]: ''[http://www.nzz.ch/nachrichten/zuerich/spoe_und_oevp_einigen_sich_auf_grosse_koalition_in_oesterreich_1.1303210.html SPÖ und ÖVP einigen sich auf gro<!--sic!-->ss<!--sic!-->e Koalition in Österreich] - Werner Faymann wird neuer Bundeskanzler'', 23.&nbsp;November 2008</ref> Die Ressortaufteilung zwischen ÖVP und SPÖ änderte sich wenig: Das Gesundheitsministerium kam zur SPÖ, dafür wurde das Justizministerium der ÖVP zugesprochen. Anders als in Italien oder Deutschland werden damit die Ministerien für Inneres und Justiz durch Minister der gleichen Partei geleitet. Die bisherige Außenministerin [[Ursula Plassnik]] kündigte an, dass sie aus der Regierung ausscheiden werde. Als Grund gab sie Differenzen bei der Frage, ob künftige EU-Vertragsänderungen auf parlamentarischem Wege oder über Volksabstimmungen zu entscheiden sind. Werner Faymann sollte als Kanzler kein Ressort haben. Innerhalb der Ministerien gab es einige Umverteilungen: Der Bereich ''Arbeit'' ging vom Wirtschaftsministerium wieder an das Sozialressort, der Sportbereich ging ins Verteidigungsministerium. Gegenüber 2006 gibt es nur noch vier statt sechs Staatssekretäre.<ref>[[Der Standard]]: ''[http://derstandard.at/?id=1227286869318 Im Detail: Die Ressortverteilung]'', 23.&nbsp;November 2008</ref><ref>[[Die Presse]]: ''[http://diepresse.com/home/politik/innenpolitik/432588/index.do?_vl_backlink=/home/politik/innenpolitik/index.do konnte EU-Linie nicht folgen]'', 23.&nbsp;November 2008</ref> Die [[Angelobung]] der [[Bundesregierung Faymann]] fand am 2.&nbsp;Dezember 2008 statt. === Verteilung der Ministerien und Staatssekretariate === {| class=float-left border-collapse:collapse" border=0 cellspacing=1 cellpadding=2 |- ! colspan="2" style="background-color: red; color: white" | SPÖ ! colspan="2" style="background-color: black; color: white" | ÖVP |- ! width:195px; style="background-color: red; color: white" | Ressort ! width:195px; style="background-color: red; color: white" | verantwortlich ! width:195px; style="background-color: black; color: white" | Ressort ! width:195px; style="background-color: black; color: white" | verantwortlich |- | bgcolor=#FFE1E1 | Bundeskanzler | bgcolor=#FFE1E1 | [[Werner Faymann]] | bgcolor=#E1E1E1 | Vizekanzler und BM für Finanzen | bgcolor=#E1E1E1 | [[Josef Pröll]] |- | bgcolor=#FFE1E1 | BM für Gesundheit, Familie<br />und Jugend | bgcolor=#FFE1E1 | [[Alois Stöger (Politiker)|Alois Stöger]] | bgcolor=#E1E1E1 | BM für europäische und<br />internationale Angelegenheiten | bgcolor=#E1E1E1 | [[Michael Spindelegger]] |- | bgcolor=#FFE1E1 | BM für Frauenangelegenheiten<br />und Öffentlichen Dienst | bgcolor=#FFE1E1 | [[Gabriele Heinisch-Hosek]] | bgcolor=#E1E1E1 | BM für Inneres | bgcolor=#E1E1E1 | [[Maria Fekter]] |- | bgcolor=#FFE1E1 | BM für Soziales und<br />Konsumentenschutz | bgcolor=#FFE1E1 | [[Rudolf Hundstorfer]] | bgcolor=#E1E1E1 | BM für Wirtschaft und Arbeit | bgcolor=#E1E1E1 | [[Reinhold Mitterlehner]] |- | bgcolor=#FFE1E1 | BM für Verkehr, Innovation<br />und Technologie | bgcolor=#FFE1E1 | [[Doris Bures]] | bgcolor=#E1E1E1 | BM für Wissenschaft und<br />Forschung | bgcolor=#E1E1E1 | [[Johannes Hahn (Politiker)|Johannes Hahn]] |- | bgcolor=#FFE1E1 | BM für Unterricht, Kunst<br />und Kultur | bgcolor=#FFE1E1 | [[Claudia Schmied]] | bgcolor=#E1E1E1 | BM für Justiz | bgcolor=#E1E1E1 | [[Claudia Bandion-Ortner]] |- | bgcolor=#FFE1E1 | BM für Landesverteidigung<br />und Sport | bgcolor=#FFE1E1 | [[Norbert Darabos]] | bgcolor=#E1E1E1 | BM für Land- und Forstwirtschaft,<br />Umwelt und Wasserwirtschaft | bgcolor=#E1E1E1 | [[Nikolaus Berlakovich]] |- | bgcolor=#FFE1E1 | Staatssekretariat im<br />Bundeskanzleramt | bgcolor=#FFE1E1 | [[Josef Ostermayer]] | bgcolor=#E1E1E1 | Staatssekretariat im BM<br />für Wirtschaft und Arbeit | bgcolor=#E1E1E1 | [[Christine Marek]] |- | bgcolor=#FFE1E1 | Staatssekretariat im BM<br />für Finanzen | bgcolor=#FFE1E1 | [[Andreas Schieder]] | bgcolor=#E1E1E1 | Staatssekretariat im BM<br />für Finanzen | bgcolor=#E1E1E1 | [[Reinhold Lopatka]] |- |} <br clear="all" /> Das Bundesministerium für Justiz wurde bis 16.&nbsp;Jänner 2009 interimistisch von Johannes Hahn geführt, da die dafür vorgesehene, parteiunabhängige Claudia Bandion-Ortner als Richterin im [[BAWAG-Affäre|BAWAG-Prozess]] noch mit der schriftlichen Abfassung des Urteils befasst war und damit ihr Amt noch nicht antreten konnte. Die Angelobung von Claudia Bandion-Ortner erfolgte am 16.&nbsp;Jänner 2009.<ref>[[Kurier (Tageszeitung)|KURIER]], Artikel vom 2.&nbsp;Jänner 2009: [http://www.kurier.at/nachrichten/283783.php ''Bandion-Ortner ab 16. Jänner Ministerin''] (abgerufen am 3.&nbsp;Jänner 2009)</ref> === Arbeit im Nationalrat === Durch die neue Konstellation im Nationalrat wurde der Opposition, bestehend aus FPÖ, BZÖ und Grünen, eine stärkere Rolle zugesprochen. Da SPÖ und ÖVP nach der Nationalratswahl massive Verluste einstecken mussten, ging die für Verfassungsänderungen benötigte Zweidrittelmehrheit verloren. Die Regierung hat rund 59 % der Mandatare, die restlichen 41 % gehen an die Opposition. == Literatur == * [[Thomas Hofer]], [[Barbara Toth]]: ''Wahl 2008 – Sieger, Strategien, Sensationen'' molden, Wien 2008, ISBN 3-85485-235-5 == Weblinks == {{Wikinews|Kategorie:Österreichische Nationalratswahl 2008|Berichte zur Nationalratswahl 2008}} * [[Bundesministerium für Inneres]]: [http://www.bmi.gv.at/wahl08/ Informationen zur Nationalratswahl 2008] * [[Österreichischer Rundfunk]]: [http://wahl08.orf.at/ Informationsseite] des ORF zur Nationalratswahl 2008 == Einzelnachweise == <references /> {{Navigationsleiste Nationalratswahlen in Österreich}} {{Exzellent}} [[Kategorie:Wahl 2008|Nationalratswahl in Österreich 2008]] [[Kategorie:Nationalratswahl in Österreich]] [[bs:Skupštinski izbori u Austriji 2008.]] [[ca:Eleccions legislatives austríaques de 2008]] [[en:Austrian legislative election, 2008]] [[eo:Parlamenta baloto en Aŭstrio 2008]] [[et:2008. aasta Austria parlamendivalimised]] [[fi:Itävallan parlamenttivaalit 2008]] [[fr:Élections législatives autrichiennes de 2008]] [[it:Elezioni legislative austriache del 2008]] [[nl:Oostenrijkse parlementsverkiezingen 2008]] [[pl:Wybory parlamentarne w Austrii w 2008 roku]] [[pt:Eleições legislativas na Áustria em 2008]] [[ro:Alegeri legislative în Austria, 2008]] [[tr:2008 Avusturya Millî Meclis Seçimi]] [[uk:Парламентські вибори в Австрії 2008]] cawlesjmxbjj1jjhnyhnf3216lcix3e wikitext text/x-wiki Nationalsozialistische Filmpolitik 0 23979 26577 2010-05-07T07:08:51Z Eingangskontrolle 0 [[Bild:Universum Film AG (alt).svg|thumb|Logo der 1942 verstaatlichten Universum Film AG]] Die '''nationalsozialistische Filmpolitik''' wurde im Wesentlichen nach der [[Machtergreifung|Machtübernahme]] Hitlers und seiner [[Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei|NSDAP]] zur Errichtung einer völkisch-nationalistischen [[Diktatur]] im Deutschen Reich betrieben (vgl. [[Zeit des Nationalsozialismus]]). Sie ist untrennbar mit [[Joseph Goebbels]]’ [[Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda]] verbunden. Goebbels ernannte sich selbst zum „Schirmherrn des deutschen Films“, der durch eine Vielzahl von Maßnahmen wie Steuerung und Kontrolle der Filmproduktion, [[Filmzensur|Zensur]], „[[Arisierung]]“, Repressionen sowie [[Filmförderung|Förderung]] einzelner Künstler und Unternehmer die deutsche Filmindustrie zu einem wichtigen Teil des [[NS-Propaganda]]apparates machte. Da Unterhaltung im Nationalsozialismus eine politische Funktion hatte, ist es kein Widerspruch, dass die Mehrzahl der Spielfilme scheinbar unpolitischer Natur war. Nachdem die NSDAP bereits in der Stummfilmzeit Erfahrung mit der Produktion von Wahlkampffilmen gesammelt hatte, konzentrierte sich die nationalsozialistische Filmpolitik nach dem Regierungsantritt (1933) auf die [[Gleichschaltung]] und Indienstnahme der deutschen Filmindustrie. Dieser Gleichschaltungsprozess verlief außerordentlich erfolgreich und integrierte 1938 auch die Filmwirtschaft des angeschlossenen Österreichs (Ostmark bzw. Alpen- und Donaugaue). Der Prozess erreichte seinen Abschluss mit der Gründung des staatsmonopolistischen [[Universum Film#Staatliches Filmmonopol: Die UFI (1942-1945)|UFI]]-Konzerns im Jahre 1942. Über alle politischen Ziele hinaus waren Joseph Goebbels, [[Hermann Göring]] und [[Adolf Hitler]] vom Film auch persönlich fasziniert. == Ziele der nationalsozialistischen Filmpolitik == Goebbels ging davon aus, dass ein unterhaltsames Medium wie das des Films ein wirkungsvolles Werbemittel wäre, das dem nationalsozialistischen Regime Glamour verleihen sollte. Eine Filmlandschaft, in der die NSDAP und ihre Tagespolitik allgegenwärtig gewesen wäre, hätte dieses Ziel kaum erreicht. Die offene Propaganda fand ihren Platz in [[Wochenschau]]en, [[Unterrichtsfilm|Lehr-]] und [[Dokumentarfilm]]en. Im Spielfilm erscheinen die [[NSDAP]] und ihre Symbole bzw. Organisationen&nbsp;– wie [[Sturmabteilung|SA]], [[Hitler-Jugend]] oder [[Reichsarbeitsdienst]]&nbsp;– nur vereinzelt. Selbst die so genannten [[Propagandafilm]]e politisch linientreuer Regisseure wie [[Veit Harlan]] oder [[Karl Ritter (Regisseur)|Karl Ritter]] bildeten gegenüber der Flut der mehr oder weniger leichten „[[Unterhaltungsfilme im Nationalsozialismus|Unterhaltungsfilme]]“ eine Minderheit von weniger als 20 Prozent. == Vorgeschichte == Bereits lange vor 1933 hatte die NSDAP begonnen, das Medium Film für ihre Zwecke zu nutzen. So besaß die im Juni 1926 eingerichtete [[Reichspropagandaleitung der NSDAP]] ein „Amt Film“, das den Einsatz von Propagandafilmen vorbereitete. 1927 wurde der erste parteiamtliche Film über einen [[Reichsparteitage|Nürnberger Parteitag]]&nbsp;– „Eine Symphonie des Kampfwillens“&nbsp;– produziert. Nachdem solche Filme anfangs nur für die interne Verwendung hergestellt wurden, übernahm im November 1930 die neu gegründete [[Reichsfilmstelle|Reichsfilmstelle der NSDAP]] die Produktion und Verbreitung von Filmen, die nun auch zur Wahlkampfwerbung eingesetzt wurden. == Behörden und Dienststellen == Nach dem Machtantritt der NSDAP im Januar 1933 liefen die Fäden der nationalsozialistischen Filmpolitik vor allem in zwei Behörden zusammen: in der Abteilung Film des [[Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda|Reichsministeriums für Volksaufklärung und Propaganda]] und in der [[Reichsfilmkammer]]. Einfluss nahmen jedoch auch die [[Reichskulturkammer]] und das Amt Film der [[Reichspropagandaleitung der NSDAP]]. Goebbels stand all diesen Behörden und Dienststellen vor. Daher konnte er&nbsp;– dem nationalsozialistischen [[Führerprinzip]] entsprechend&nbsp;– in einer Fülle filmischer und filmpolitischer Belange direkt entscheiden; die eigentlich zuständigen Stellen musste er nicht anhören. Einfluss nahm er überliefertermaßen auf die Rollenbesetzung mancher Filme; auch bei der [[Filmzensur]] und der [[Filmprädikat]]isierung hatte er das letzte Wort. In welchem Umfang Goebbels diese Sonderbefugnisse angesichts seiner Arbeitsbelastung tatsächlich in Anspruch nahm, ist heute jedoch umstritten. Der einzige Bereich, für den ein anderes Reichsministerium die Kompetenzen besaß, war der [[Unterrichtsfilm]]. Hier entschieden Kultusminister [[Bernhard Rust]] und die von ihm eingerichtete [[Reichsstelle für den Unterrichtsfilm]]. == Filmpolitische Maßnahmen (Übersicht) == Die wichtigste Maßnahme zur politischen Indienstnahme und Gleichschaltung des Films im deutschen Reich zwischen 1933 und 1945 war die Unterstellung unter das [[Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda]]. Das Propagandaministerium war dadurch vom März 1933 an mit einem Kompetenzmonopol ausgestattet. Es musste keine Einmischungen aus anderen Ministerien erdulden und konnte eine hocheffiziente Filmpolitik verwirklichen. Ein großer Teil der filmpolitischen Maßnahmen der NSDAP zielte auf eine Umstrukturierung der [[Filmwirtschaft]] ab. Durch staatliche Eingriffe konnte die Branche nach und nach vollständig saniert und damit zu einer schlagkräftigen Propagandaindustrie ausgebaut werden. Der erste Schritt bestand in der Gründung der [[Filmkreditbank|Filmkreditbank GmbH]], mit deren Hilfe politisch linientreuen [[Filmproduktionsgesellschaft|Produktionsgesellschaften]] finanzielle Aufbauhilfen zugeschoben wurden. Da eine zusammengefasste Filmindustrie nicht nur effizienter funktionieren würde als eine unübersichtliche Landschaft aus Hunderten von Kleinunternehmen, sondern auch leichter zu kontrollieren und zu steuern wäre, folgte dann die radikale Konzentration des gesamten [[Filmproduktion|Produktions-]] und [[Filmverleih|Verleihsektors]]. Von über 100 Produktionsgesellschaften, die zwischen 1930 und 1932 im republikanischen Deutschen Reich aktiv gewesen waren, blieb 1942 nur noch ein einziges Unternehmen&nbsp;– der staatseigene [[Universum Film|Ufi-Konzern]] (Ufa-Film GmbH)&nbsp;– übrig. Über die Zwangskonzentration hinaus hatte die nationalsozialistische Politik von vornherein im Sinn, der deutschen Filmwirtschaft die europäischen Absatzmärkte zu sichern und sie von der existenzbedrohenden US-amerikanischen Konkurrenz zu befreien. Diesem Ziel diente 1935 die Gründung einer [[Internationale Filmkammer|Internationalen Filmkammer]]. Auch der deutsche [[Zweiter Weltkrieg|Invasionskrieg]] ab 1939 war für die deutsche Filmindustrie&nbsp;– wirtschaftlich gesehen&nbsp;– ein Glücksfall. Denn in den besetzten Ländern wurde nicht nur deutsche Filme mit Profit vermarktet, sondern auch die Produktionseinrichtungen geraubt und der deutschen Filmindustrie einverleibt. Diese [[Protektionismus|protektionistische]] Politik dankte die „gesund“ geschrumpfte Filmbranche dem nationalsozialistischem Regime mit bedingungsloser Loyalität. Über die Förderung der Filmindustrie hinaus kam es auch zu direkten Gleichschaltungsmaßnahmen. So wurde ein [[Reichsfilmdramaturg]] eingesetzt, der sämtliche Drehbücher, Manuskripte und Filmentwürfe noch vor Produktionsbeginn zu prüfen hatte. Die [[Filmzensur]], die bereits in der [[Weimarer Republik]] bestanden hatte, wurde fortgeführt und verschärft. Von 1934 an konnten auch solche Filme verboten werden, die in den Augen der Staatsführung geeignet waren, ''„das nationalsozialistische, religiöse, sittliche oder künstlerische Empfinden zu verletzen, verrohend oder entsittlichend zu wirken, das deutsche Ansehen oder die Beziehungen Deutschlands zu auswärtigen Staaten zu gefährden“''. Gesellschaftskritische Filme wie ''[[Kuhle Wampe]]'' (1932) oder [[Robert Siodmak]]s ''Voruntersuchung'' (1931), aber auch filmhistorisch bedeutende Filme von [[Fritz Lang]] und [[Georg Wilhelm Pabst]] durften nicht mehr gezeigt werden. Aufgrund der sehr wirksamen Vorzensur war es praktisch ausgeschlossen, dass neue, politisch missliebige Filme überhaupt noch fertiggestellt wurden. Manche Filme, die zur Drehzeit noch als unbedenklich gegolten hatten, wurden nach ihrer Fertigstellung jedoch verboten, weil sie angesichts einer politischen Lage, die sich inzwischen verändert hatte, nicht mehr opportun erschienen. Dies gilt z.&nbsp;B. für den 1935 fertiggestellten Film ''[[Friesennot]]'', der nach dem [[Deutsch-sowjetischer Nichtangriffspakt|Hitler-Stalin-Pakt]] ein merkwürdiges Licht auf die zeitweilig vorgegebene Freundschaft des Deutschen Reiches zur UdSSR geworfen hätte. Auch die [[Filmkritik]] wurde schließlich verboten. Die Produktion politisch erwünschter Filme sollte durch die Einführung neuer [[Filmprädikat]]e und die Vergabe eines nationalen [[Filmpreis]]es („Deutscher Staatspreis“) gefördert werden. Auf eine personelle Gleichschaltung zielte die Zwangserfassung der in der Filmbranche Tätigen in nationalsozialistischen Berufsverbänden ([[Reichsfachschaft Film]]) und die Einrichtung einer staatlichen Ausbildungseinrichtung für linientreue Filmkünstler ([[Deutsche Filmakademie Babelsberg]]) ab. Alle Personen die im Deutschen Reich beim Film tätig waren, mussten Mitglied in der Reichsfachschaft sein. Unerwünschten Personen wie Regimekritikern oder Juden wurde die Mitgliedschaft verweigert, was einem Berufsverbot gleich kam. == Filmproduktion == Die deutsche Filmindustrie geriet Mitte der 1930er Jahre in ihre bis dahin schwerste Krise. Das hatte mehrere Ursachen. Erstens hatten viele der besten Filmkünstler das Reich nach dem Machtantritt Hitlers verlassen; andere waren von der Reichsfilmkammer unter Berufsverbot gestellt worden. Ersatz war nicht leicht zu beschaffen. Zweitens stiegen die Gagen der verbliebenen Filmkünstler und damit die Filmherstellungskosten, und zwar zwischen 1933 bis 1936 um 95 %. Häufig gelang es nicht, die hohen Produktionskosten in den Kinos wieder einzuspielen. Drittens wurden Filme aus dem Reich im Ausland zunehmend boykottiert, sodass die Exportzahlen dramatisch sanken. Hatte der Export im Jahr 1933 noch 44 % der Herstellungskosten gedeckt, so waren es 1935 noch 12 % und 1937 nur noch 7 %. Mehr und mehr Filmproduktionsunternehmen gingen in Konkurs. Von den 114 [[Liste deutscher Filmproduktionsgesellschaften|deutschen Produktionsgesellschaften]], die in den Jahren 1933–1935 Spielfilme hervorgebracht haben, arbeiteten in den Jahren 1936-38 noch 79. 1939 traten noch 32 Unternehmen, 1940 25 Unternehmen und 1941 16 Unternehmen in Erscheinung. Die Gesamtzahl der produzierten Filme sank dadurch keineswegs, denn den wenigen verbliebenen Unternehmen ging es immer besser und sie produzierten immer mehr Filme. Goebbels ging noch weiter und ließ durch eine private [[Holdinggesellschaft]], die [[Cautio Treuhand GmbH]], die Aktienmehrheiten aller verbliebenen Filmproduktionsgesellschaften aufkaufen. 1937 erwarb die Cautio die größte deutsche Filmgesellschaft, die [[Universum Film AG|Ufa-Film GmbH]], die 1942 mit den fünf daneben noch verbliebenen Unternehmen&nbsp;– [[Terra Film]], [[Tobis-Tonbild-Syndikat]], [[Bavaria Film|Bavaria]], [[Wien-Film]] und [[Berlin-Film]]&nbsp;– zum [[Universum Film#Staatliches Filmmonopol: Die UFI. 281942-1945.29|UFI-Konzern]] zusammengeschlossen wurde. Die Filmproduktion war damit praktisch [[Verstaatlichung|verstaatlicht]], behielt&nbsp;– anders als z.&nbsp;B. in der [[Sowjetunion]] unter dem [[Stalinismus]]&nbsp;– aber ihre privatwirtschaftliche Struktur. Zwar wurde zur Unterstützung der Filmindustrie die [[Filmkreditbank|Filmkreditbank GmbH]] eingerichtet, diese trieb ihre Geldmittel jedoch bei privaten Investoren auf. Eine staatliche Bezuschussung der Filmindustrie gab es im Nationalsozialismus nicht. Die Filmindustrie war damit weiterhin gezwungen, zu [[Rentabilität|rentieren]] und die Erwartungen des Kinopublikums zu befriedigen. Kassenergebnisse spielten selbst dann eine vorrangige Rolle, wenn der NSDAP an Filmprojekten besonders gelegen war. In den Produktionsgesellschaften wurde unter dem Nationalsozialismus das [[Führerprinzip]] eingeführt. Während der Regisseur für die künstlerische Gestaltung des Filmvorhabens verantwortlich war, kümmerte der Herstellungsgruppenleiter sich um alle nicht-künstlerischen Belange. Beiden übergeordnet war der Produktionschef, der das Jahresprogramm der Filmgesellschaft ausarbeitete und die Stoffe vorgab. Von 1942 an war den Produktionschefs wiederum ein [[Reichsfilmintendant]] übergeordnet. Ganz im Sinne des Führerprinzips hat Joseph Goebbels sich in praktische Produktionsfragen häufig auch direkt eingeschaltet. == Filmverleih und Bildstellen == Eine Konzentration wurde auch im Verleihsektor herbeigeführt. Die Deutsche Filmvertriebs GmbH (DFV), eine Tochtergesellschaft der verstaatlichten Ufa mit Sitz in [[Berlin]], löste 1942 alle bis dahin noch bestehenden Verleihunternehmen ab. Das System der Bildstellen, das bereits in der [[Weimarer Republik]] bestanden hatte, wurde der [[Reichsstelle für den Unterrichtsfilm]] unterstellt und weiter ausgebaut. 1943 gab es im Reichsgebiet 37 Landesbildstellen, zu denen ein Subsystem von 12.042 Stadtbildstellen gehörte. Parallel bestand das Bildstellennetz der [[Reichspropagandaleitung]], die bereits 1936 über 32 Gau-, 171 Kreis- und 22.357 Ortsgruppenfilmstellen verfügte. Diese Bildstellen hatten gut sortierte Filmlager und verliehen auch transportable Projektoren für 16mm-Filme, mit denen in Schulräumen, in den Seminarräumen der Universitäten und bei Heimabenden Filme vorgeführt werden konnten. == Kinos und Publikum == Anders als im Produktions- und Verleihsektor fand bei den Lichtspielhäusern keine Verstaatlichung statt. Abgesehen von der [[Ufa-Kinos|Ufa-Kino-Kette]] waren die meisten der 5.506 Lichtspieltheater, die 1939 im sog. Altreich (ohne Österreich und Sudetenland) existierten, Kleinunternehmen in privater Hand. Die unternehmerische Freiheit dieser Kinos war durch Gesetze und durch Anordnungen der Reichsfilmkammer allerdings stark eingeschränkt. Vorgeschrieben war z.&nbsp;B. ein Beiprogramm aus Kultur- bzw. [[Dokumentarfilm]] und [[Wochenschau]]. Festgelegt war auch, dass an bestimmten Feiertagen ernste Filme gezeigt werden mussten. Mit dem ''Gesetz über die Vorführung ausländischer Bildstreifen vom 23. Juni 1933'' war die Reichsregierung auch ermächtigt, die Vorführung ausländischer Filme zu verbieten. Bereits aus der [[Weimarer Republik]] stammte eine [[Kontingent]]regelung, die festlegte, wieviele ausländische Filme importiert werden durften. Nach Beginn des [[Zweiter Weltkrieg|Zweiten Weltkrieges]] wurde der Import von Filmen aus bestimmten Ländern erstmals ganz verboten. Ab 1941 z.&nbsp;B. durften in deutschen Kinos keine amerikanischen Filme mehr gezeigt werden. Die nationalsozialistische Medienpolitik setzte ganz auf die emotionale Wirkung, die das Ansehen von Spielfilmen und Wochenschauen in großen, vollbesetzten Kinosälen auf den einzelnen Menschen ausübte. Auch in Kasernen und Betrieben wurden daher Filmprogramme veranstaltet. Das Massenerlebnis verstärkte die Effekte der Propaganda, besonders beim jugendlichen Publikum. Um alle Altersgruppen mit der Filmpropaganda erreichen zu können, wurde mit dem Lichtspielgesetz vom 16. Februar 1934 die bis dahin noch bestehende Altersgrenze von 6 Jahren für Kinobesuche aufgehoben. Der [[Hitler-Jugend]] wurden Kinosäle für die so genannten [[Jugendfilmstunden]] zur Verfügung gestellt. Um auch ländliche Gegenden mit Filmprogrammen versorgen zu können, stellte die Reichspropagandaleitung Tonfilmwagen zur Verfügung, die alles Gerät enthielten, das gebraucht wurde, um Filmveranstaltungen z.&nbsp;B. in Sälen von Gastwirtschaften durchzuführen. Dann fand nachmittags eine Filmveranstaltung für die Hitler-Jugend statt und abends ein normales Kinoprogramm für die Erwachsenen. Mit Hilfe dieser Wanderkinos erreichte die nationalsozialistische Filmpropaganda in erheblichem Umfange auch solche Zuschauer, die bis dahin noch nie Gelegenheit gehabt hatten, ein Kino zu besuchen. Durch den Rückgang der Arbeitslosigkeit und die damit verbundene Verbesserung des Lebensstandards stieg der Kinobesuch im Deutschen Reich von Jahr zu Jahr: 1939 wurden 624 Millionen Kinokarten verkauft, 1944 waren es 1,1 Milliarden. Von den [[Vereinigte Staaten|USA]] abgesehen, hatte kein Land der Erde mehr Kinositzplätze als Deutschland. Während Schulen und Theater ihre Tore schlossen, wurde der Kinobetrieb trotz schwierigster Bedingungen bis zum Kriegsende aufrechterhalten. In Berlin z.&nbsp;B. wurden noch 1944 Flak-Truppen zum Schutz von Kinos abgestellt. Sogar der Umbau von Kinos in Hospitäler und Lazarette, der durch die massiv ansteigende Anzahl von Kriegsverletzten in Folge der zunehmenden alliierten Luftangriffe gegen das Reichsgebiet dringend erforderlich gewesen wäre, wurde von politischen Entscheidungsträgern oftmals verhindert. Ab 1. September herrschte für sämtliche Theater Spielverbot. Die Kinos durften jedoch weiterbespielt werden. Daraus resultierte, dass manche Theater vorübergehend zu Kinos umfunktioniert wurden. Die [[Wiener Volksoper]] war ab 6. Oktober für mehrere Monate das zweitgrößte Kino der Stadt. == Nationalsozialistische Filmpropaganda == Offen wurde die nationalsozialistische Ideologie in den nicht-fiktionalen Genres propagiert: in den Wochenschauen, in Unterrichts-, Kultur- und Dokumentarfilmen. Die [[Deutsche Wochenschau]] wurde von einer Unterabteilung der Abteilung Film im Reichspropagandaministerium produziert und von Goebbels in jeder Phase der Herstellung überwacht. Bis zum Winter 1942/43 übernahm Hitler die Kontrolle oft sogar selbst. [[Unterrichtsfilm]]e, die an Universitäten und Schulen eingesetzt wurden, dienten in vielen Fällen der direkten Verbreitung zentraler Elemente der nationalsozialistischen Ideologie wie [[Sozialdarwinismus]], [[Rassenlehre]] und [[Antisemitismus]]. [[Kulturfilm]]e, die in den Kinos ein breites Publikum fanden, erfüllten häufig denselben Zweck. Hier kamen auch solche Themen zur Sprache, die im Spielfilm normalerweise nicht behandelt wurden. So wurde dem Thema „[[Geschichte der Euthanasie|Euthanasie]]“ bzw. „Tötung Behinderter“ nur ein einziger Spielfilm (''[[Ich klage an (1941)|Ich klage an]]'', 1941) gewidmet; es gab jedoch eine ganze Reihe von nichtfiktionalen Filmen, die dieselbe Sache propagierten (z.&nbsp;B. ''Das Erbe'', 1935, ''Erbkrank'', 1936, ''Opfer der Vergangenheit'', 1937, ''Alles Leben ist Kampf'', 1937, ''Was du ererbt'', 1939). Anders als in der [[Sowjetunion]], wo die Spielfilmregisseure darum wetteiferten, dem Diktator [[Josef Stalin|Stalin]] ein Denkmal zu errichten, wurde im Reich kein einziger Spielfilm über die Person des Diktators Hitler produziert. Nachdem sich die Filmindustrie 1933 beim neuen Regime in vorauseilendem Gehorsam mit drei hastig abgedrehten NSDAP-Spielfilmen (''SA-Mann Brand'', ''[[Hitlerjunge Quex]]'', ''Hans Westmar'') angedient hatte, wurden solche Filme später nur noch vereinzelt hergestellt. Breiten Raum zur Selbstdarstellung fand die NSDAP hingegen in den Wochenschauen und in [[Dokumentarfilm]]en wie ''[[Der Marsch zum Führer]]'' und [[Leni Riefenstahl]]s Parteitagsfilmen ''[[Sieg des Glaubens]]'' (1933) und ''[[Triumph des Willens]]'' (1935). Unter den Filmen, die im In- und Ausland für das nationalsozialistische Deutschland werben sollten, war der im Staatsauftrag produzierte und ebenfalls von Leni Riefenstahl inszenierte zweiteilige Film ''[[Olympia (Film)|Olympia]]'' anlässlich der [[Olympische Sommerspiele 1936|Olympischen Sommerspiele 1936]] in Berlin das erfolgreichste Beispiel. Eine Reihe von biografischen Spielfilmen, die thematisch unter der Überschrift „Große Deutsche“ zusammengefasst werden können, erfüllten jedoch dieselbe Funktion, z.&nbsp;B. ''Das unsterbliche Herz'', ''Robert Koch, der Bekämpfer des Todes'' (beide 1939), ''[[Friedrich Schiller – Triumph eines Genies]]'' (1940), ''[[Friedemann Bach (Film)|Friedemann Bach]]'' (1941), ''Andreas Schlüter'' (1942) und ''Der unendliche Weg'' (1943). Mit Portraits wie ''Das große Eis. Alfred Wegeners letzte Fahrt'' (1936), ''Joseph Thorak&nbsp;– Werkstatt und Werk'' (1943) und ''Arno Breker&nbsp;– Harte Zeit, starke Kunst'' (1944) griff auch der Kulturfilm das Motiv bereitwillig auf. Die Zahl der Spielfilme mit eindeutig [[Antisemitismus|antisemitischem]] [[Sprache des Nationalsozialismus|Sprachgebrauch]] oder Inhalt ist relativ klein; unverhüllten Antisemitismus propagierten die Filme ''[[Die Rothschilds]]'' und '' [[Jud Süß (Film)|Jud Süß]]'' (beide 1940). Wiederum waren es die nichtfiktionalen [[Genre]]s, in denen die antisemitische Propaganda ihr eigentliches Forum fand, z.&nbsp;B. in ''[[Der ewige Jude]]'' (1940), aber auch in weniger bekannten Dokumentarfilmen wie ''Juden ohne Maske'' (1937), ''Juden, Läuse, Wanzen'' (1941) und ''Aus Lodz wird Litzmannstadt'' (1941/42). Obwohl diese Filme bis zum Äußersten gingen und sensible Zuschauer leicht erraten konnten, auf welche Maßnahmen diese Propaganda letztlich hinauslief, sucht man nach expliziten Hinweisen auf den bevorstehenden [[Holocaust|Massenmord]] in diesen Filmen vergeblich. Im Gegenteil, mit Filmen wie ''[[Theresienstadt (Film)|Theresienstadt. Ein Dokumentarfilm aus dem jüdischen Siedlungsgebiet]]'' (1945), lenkten die Filmemacher von der politischen Realität noch ab, als Millionen von Juden bereits deportiert oder ermordet waren. Wochenschauaufnahmen, die die unsäglichen Lebensbedingungen im [[Warschauer Ghetto]] kurz vor der Deportation der Bewohner in die [[Vernichtungslager]] zeigten, wurden zurückgehalten. Andere dunkle Konzepte der nationalsozialistischen Ideologie, wie der Germanenkult oder das [[Blut-und-Boden-Ideologie|Blut-und-Boden]]-Motiv, fanden ihren filmischen Niederschlag fast ausschließlich in den nichtfiktionalen Genres, z.&nbsp;B. in Hanns Springers Filmepos ''Ewiger Wald'' (1936). Ähnliches gilt für das emotional hochbesetzte Thema des überseeischen [[Kolonialismus]] bzw. der ehemaligen deutschen [[Kolonie]]n (von den 1880er Jahren bis 1918), womit sich nur wenige Spielfilme (''Die Reiter von Deutsch-Ostafrika'', 1934; ''[[Ohm Krüger (Film)|Ohm Krüger]]'', 1941), aber viele Kulturfilme beschäftigten, z.&nbsp;B. ''Unser Kamerun'' (1936/37) und ''Sehnsucht nach Afrika'' (1938). Den bequemsten, am wenigsten auffälligen Einzug in die Spielfilmlandschaft hatte die nationalsozialistische Kriegspropaganda, da das [[Kriegsfilm]]genre beim Publikum noch aus der Zeit des [[Erster Weltkrieg|Ersten Weltkrieges]] gut eingeführt war. Allerdings wurden kriegskritische Filme wie die nicht lange vor der Machtergreifung der Nationalsozialisten international erfolgreichen Produktionen ''Westfront 1918'' von G. W. Pabst oder die [[Oscar]]-prämierte US-amerikanische Verfilmung des [[Erich Maria Remarque|Remarque]]-Klassikers ''[[Im Westen nichts Neues (1930)|Im Westen nichts Neues]]'' verboten. Bei Letzterem konnte Goebbels ein zeitweiliges Verbot der Aufführung bereits vor der Machtergreifung Hitlers noch während der [[Weimarer Republik]] durchsetzen. 3 % der NS-Spielfilme waren Kriegsfilme (33 Filme), darunter viele hoch prädikatisierte Filme wie ''[[Der alte und der junge König]]'' (1935), ''Patrioten'', ''Urlaub auf Ehrenwort'' (beide 1937), ''Pour le Mérite'' (1938), ''[[Kampfgeschwader Lützow]]'' (1939), ''Der große König'' (1942) und der Durchhaltefilm ''[[Kolberg (Film)|Kolberg]]'' (1945). Die schärfste Kriegshetze fand sich jedoch wiederum in Dokumentarfilmen wie ''Der Westwall'' (1939), ''Feuertaufe'' (1939/40) und ''[[Feldzug in Polen]]'' (1940). Die politische Propaganda im nationalsozialistischen Spielfilm konzentrierte sich weitgehend auf die Themen Opfer, Gefolgschaft, Verherrlichung des Deutschtums, Kriegswerbung und Feindbilder (Engländer, Kommunisten, Juden). Über den genauen Anteil der Propagandafilme an der gesamten Spielfilmproduktion besteht wenig Einigkeit. Von der nationalsozialistischen Filmprüfstelle erhielten 7 % aller vorgelegten Spielfilme das Prädikat „staatspolitisch wertvoll“ oder „staatspolitisch besonders wertvoll“; am höchsten ausgezeichnet wurden die Filme ''[[Ohm Krüger (Film)|Ohm Krüger]]'', ''[[Heimkehr (1941)|Heimkehr]]'', der Bismarck-Film ''Die Entlassung'' und zwei Filme von [[Veit Harlan]]: der [[Fridericus-Rex-Filme|Fridericus-Rex-Film]] ''Der große König'' und der im Staatsauftrag produzierte Durchhaltefilm ''[[Kolberg (Film)|Kolberg]]''. == Unterhaltungsfilm == In den [[Kurzfilm|Kurz-]] und [[Spielfilm]]en lassen sich politisch-propagandistische Inhalte grundsätzlich seltener nachweisen als in den nichtfiktionalen Genres. Der Filmhistoriker Gerd Albrecht, der in den späten 1960er Jahren die erste umfangreiche Datenerhebung zum NS-Spielfilm durchführte, bezifferte den Anteil der Propagandafilme an der gesamten Spielfilmproduktion auf 14,1 %. Wenn man ein vollständigeres [[Sample]] zugrundelegt, als Albrecht zur Verfügung stand&nbsp;– z.&nbsp;B. hat er keine internationalen Koproduktionen berücksichtigt&nbsp;–, beträgt der Anteil der Propagandafilme sogar nur 12,7 %. Die größte Gruppe innerhalb der Spielfilmproduktion der NS-Zeit bilden die heiteren Filme. 569 Filme&nbsp;– das sind 47,2 % der Gesamtproduktion&nbsp;– lassen sich als [[Komödie]], Verwechslungslustspiel, [[Schwank]], [[Groteske]], [[Satire]] oder ähnliches einstufen. Dass die Zugehörigkeit zum heiteren Genre nicht immer ideologische Unbedenklichkeit garantiert, zeigen etwa die zeitgenössischen Militärkomödien (z.&nbsp;B. ''Soldaten – Kameraden'', 1936), aber auch Lustspiele wie ''Robert und Bertram'' (1939) und ''Venus vor Gericht'' (1941), in denen starke antisemitische Momente nachgewiesen worden sind. In der Mehrzahl der heiteren Filme, für die ''[[Die Feuerzangenbowle (1944)|Die Feuerzangenbowle]]'' das bekannteste und noch heute populärste Beispiel bildet, finden sich jedoch kaum Hinweise auf nationalsozialistische Propaganda. Die zweite große Gruppe bilden Filme, die vor allem an ein weibliches Publikum adressiert sind und für die der burschikose Ausdruck ''"Chick Flick"'' nur deshalb nicht verwendet werden sollte, weil es ihn damals noch nicht gab. 508 NS-Spielfilme (42,2 %) sind [[Liebesfilm|Liebes-]] oder Ehefilme bzw. lassen sich einem der verwandten Genres – wie Frauenfilm, Psychologischer Film, Sittenfilm, Arztfilm, Schicksalsfilm, Jungmädchenfilm usw. – zuordnen. Auch in dieser Gruppe gibt es Filme, die eine hochbrisante Mischung aus Propaganda und Unterhaltung boten: z.&nbsp;B. ''Annemarie'' (1936), ''[[Wunschkonzert (Film)|Wunschkonzert]]'' (1940), ''Auf Wiedersehn, Franziska!'' (1941) und ''[[Die große Liebe (1942)|Die große Liebe]]'' (1942). ''Wunschkonzert'' und ''Die große Liebe'' waren sogar die kommerziell erfolgreichsten Filme der gesamten NS-Zeit. Diesen offensichtlich mit NS-Ideologie angereicherten Filmen stand jedoch wiederum eine Vielzahl von weitgehend unauffälligen Filmen gegenüber, die&nbsp;– wie ''Der Schritt vom Wege'' (1939) oder ''[[Romanze in Moll]]'' (1943)&nbsp;– noch heute ihr Publikum finden. Die Tatsache, dass in der Mehrzahl der NS-Spielfilme offene NS-Propaganda kaum nachzuweisen ist, hat Filmhistoriker und Filmsoziologen immer wieder herausgefordert, in den Unterhaltungsfilmen der Zeit nach Spuren subtiler und verborgener Propaganda zu forschen. Auch den gesellschaftlichen Grundaussagen dieser Filme&nbsp;– z.&nbsp;B. dem Frauenbild&nbsp;– ist besondere Aufmerksamkeit geschenkt worden. Der Erkenntnisgewinn aus diesen Untersuchungen ist insgesamt jedoch gering, denn das Menschenbild der NS-Spielfilme stimmt mit den Vorgaben der nationalsozialistischen Ideologie nur selten eng überein. Die meisten der Hauptfiguren entsprechen dem Typus des Durchschnittsmenschen, der mit den zu Gebote stehenden Mitteln um sein kleines persönliches Glück kämpft und dabei durchaus modernen Werten huldigt. Obwohl in Einzelfällen Frauen als aufopferungsvolle Mütter einer vielköpfigen Kinderschar gezeigt werden (z.&nbsp;B. in ''Mutterliebe'', 1939), ist die Mehrzahl der weiblichen Hauptfiguren kinderlos und berufstätig. Unter den männlichen Hauptfiguren bilden nicht Soldaten und Helden, sondern ganz alltägliche Zivilisten die wichtigste Gruppe, besonders solche Männer, die als Liebhaber zwar etwas ungeschickt und hölzern, dafür jedoch durch und durch nett und verlässlich sind. Eine Idealisierung der Filmfiguren im Sinne des nationalsozialistischen Menschenbildes hätte dem Publikum die Möglichkeit der Identifikation und dem Medium die Attraktivität geraubt. Der hohe Anteil der scheinbar unpolitischen Spielfilme ist nur dann überraschend, wenn man nicht in Rechnung stellt, dass Spielfilme im Kino immer mit einem Beiprogramm aus Wochenschau und Dokumentarfilm gezeigt wurden. Bei alledem sorgten die Unterhaltungsfilme mit ihrer Illusion einer heilen Welt mit ''[[Happy End]]'' auch in scheinbar aussichtslosen Situationen in den letzten Kriegsjahren für eine gewünschte Zerstreuung und Ablenkung von der immer deutlicher werdenden Alltagsrealität des Krieges. Vor der Situation der Zeit waren diese Filme oft einer subtilen Form der Durchhaltepropaganda geschuldet. Gute Laune sollten auch die Musikfilme verbreiten. Genau beziffern lässt sich diese Gruppe nicht. Zwar können 194 Filme (16,1 %) eindeutig einem musikalischen Genre&nbsp;– wie Musikfilm, [[Operette]], Sängerfilm oder [[Revuefilm]]&nbsp;– zugeordnet werden, die Zahl der Filme, in denen gesungen oder getanzt wird oder mit denen ein neuer Schlager herausgebracht werden sollte, ist jedoch beträchtlich höher. Selbst einschlägige Propagandafilme wie [[Jud Süß (Film)|''Jud Süß'']] (1940), [[Ohm Krüger (Film)|''Ohm Krüger'']] (1941) oder [[Kolberg (Film)|''Kolberg'']] (1945) hatten ihre musikalischen „Ohrwürmer“. Wenn Liebes- und Ehefilme auf der Skala der Filmgenres den weiblichen Pol markieren, so findet man am „männlichen“ Ende die aktionsbetonten Genres. 333 NS-Spielfilme (27,6 %) sind Abenteuer-, Kriminal-, Kriegs-, Spionage- oder Sensationsfilme. Der Anteil der Propagandafilme ist in dieser Gruppe auffällig hoch, es sind 75 Einzelfilme, also fast ein Viertel aller vornehmlich für ein männliches Publikum produzierten Spielfilme. Am stärksten belastet sind die [[Kriegsfilm|Kriegs-]] und Spionagefilme. [[Kriminalfilm]]e dienen in Einzelfällen (z.&nbsp;B. ''Im Namen des Volkes'', 1939) propagandistischen Zwecken und suchen die Ursache für Verbrechen grundsätzlich eher in der charakterlichen Veranlagung der Täter als in ihrer sozialen Situation; diese Dramaturgie ist jedoch keine Besonderheit des NS-Kinos; in den Kriminalfilmen der präfaschistischen und der Nachkriegszeit findet man sie ebenso. Am niedrigsten ist der Anteil der Propagandafilme bei den [[Abenteuerfilm|Abenteuer-]] und Sensationsfilmen, in denen die [[Eskapismus|eskapistischen]] Momente überwiegen und deren Protagonisten&nbsp;– z.&nbsp;B. [[Hans Albers]], [[Harry Piel]] und [[Luis Trenker]]&nbsp;– zu den populärsten männlichen Stars des NS-Kinos zählten. Eine vierte große Gruppe von Unterhaltungsfilmen wird durch die [[Heimatfilm]]e begründet, die in den 1950er Jahren angesichts von mehr als 14 Millionen [[Vertreibung|Vertriebenen]] zwar zusätzliche emotionale Bedeutung erlangten, als Genre jedoch keine Neuigkeit waren. 179 NS-Spielfilme (14,8 %) sind im Hochgebirgs- oder Dorfmilieu angesiedelt, darunter klassische Heimatfilme wie ''Der Jäger von Fall'' (1936), ''Der Edelweißkönig'' (1938) und ''Die Geierwally'' (1940). Fast 90 % dieser Filme weisen keine offene Propaganda auf. Eine Sondergruppe stellen die Filmbiografien und Historienfilme dar, die an der Spielfilmproduktion der NS-Zeit einen Anteil von 5,9 % haben. Auffällig viele dieser Filme besitzen politisch-propagandistischen Charakter; fast alle der 19 [[Historienfilm]]e, von denen viele den [[Preußen|preußischen]] Königshof zum Schauplatz haben, nutzen die Gelegenheit zu einer Geschichtslektion im Sinne der nationalsozialistischen Ideologie. Von den 52 [[Filmbiografie]]n enthält fast jede zweite propagandistische Elemente, bilden die Helden dieser Filme in ihrer Gesamtheit doch sozusagen eine „[[Hall of Fame]]“ von&nbsp;– in den Augen der nationalsozialistischen Machthaber&nbsp;– herausragenden Deutschen. Obwohl Filmbiografien und Historienfilme von den Nationalsozialisten besonders häufig als Propagandamedium genutzt worden sind, sind sie andererseits keine Erfindung des NS-Kinos, sondern Teil einer langen Tradition des Genres, die bereits vor dem Ersten Weltkrieg einsetzt, weit in die Geschichte des Nachkriegsfilms hinein reicht und keineswegs auf Deutschland beschränkt war. (Die Zahlen in diesem Abschnitt summieren sich zu mehr als 100 % auf, weil die meisten Filme mehreren Genres gleichzeitig angehören.) ''Siehe auch:'' [[Unterhaltungsfilme im Nationalsozialismus]] == Starsystem und Medienverbund == Im Deutschen Reich hatte es vor 1933 zwar [[Star (Person)|Filmstars]] gegeben, das [[Starsystem]] jedoch steckte&nbsp;– vor allem im Vergleich zu [[Hollywood]]&nbsp;– noch in den Kinderschuhen. Um das Image des Hitler-Reiches aufzubessern, trieb Goebbels die Entwicklung des Starsystems massiv voran. Dies gelang nicht auf Anhieb, da viele Filmgrößen nicht bereit waren, sich der Diktatur zur Verfügung zu stellen. [[Marlene Dietrich]] hatte das Reich ebenso verlassen wie die erfolgreichen Regisseure [[Ernst Lubitsch]], [[Georg Wilhelm Pabst]] und [[Fritz Lang]]. Sowohl Marlene Dietrich, die das NS-Regime offen ablehnte, als auch die im Reich ebenfalls erfolgreiche Schwedin [[Greta Garbo]] ließen sich trotz verlockender Angebote von Joseph Goebbels nicht als Galionsfiguren vorspannen. Andere, wie [[Heinrich George]] oder [[Gustaf Gründgens]], die der Hitler-Diktatur anfangs ebenfalls unverhohlen kritisch gegenübergestanden hatten, ließen sich schließlich doch auf eine Zusammenarbeit ein. Wieder andere Stars wurden neu aufgebaut. Eines der bekanntesten Beispiele dafür ist die Schwedin [[Zarah Leander]], die 1937 von der [[Universum Film AG|Ufa]] verpflichtet wurde und sich innerhalb weniger Jahre zur prominentesten und bestbezahlten deutschen Filmschauspielerin entwickelte. Den Werbefeldzug für Zarah Leander führte die Pressestelle der Ufa. Ihre früheren, in Schweden produzierten Filme wurden verschwiegen; es wurde gleich auf ihren Nimbus als Gesangsstar gesetzt. Die Presse wurde durch vorverfasste Personenbeschreibungen darüber informiert, wie der neue Star zu präsentieren sei. Zarah Leander wurde detailliert angewiesen, wie sie in der Öffentlichkeit aufzutreten habe. Spielfilme dienten sehr oft auch als Werbemaßnahmen für neue [[Schlager]]. Nicht nur Zarah Leander, auch andere populäre Filmstars&nbsp;– wie [[Hans Albers]], [[Marika Rökk]], [[Johannes Heesters]], [[Ilse Werner]], sogar [[Heinz Rühmann]]&nbsp;– bescherten der Schallplattenindustrie Rekordumsätze. Die Filmstars nahmen durch Platteneinspielungen oft mehr Geld ein als mit ihren Filmgagen. Manche Schlager&nbsp;– wie „Ich weiß, es wird einmal ein Wunder gescheh’n“ und „Davon geht die Welt nicht unter“ (beide von Zarah Leander 1942 in [[Die große Liebe (Film)|''Die große Liebe'']] gesungen)&nbsp;– wurden gezielt in Umlauf gebracht, da sie neben ihrer sentimentalen Bedeutung auch einen politischen [[Subtext]] besaßen, der als [[Slogan]] im Sinne der nationalsozialistischen Durchhaltepolitik genutzt wurde. Filmstars waren im Alltagsleben nicht nur durch Film und Schallplatte, sondern auch im Hörfunkprogramm des [[Großdeutscher Rundfunk|Großdeutschen Rundfunk]] allgegenwärtig. Sogar im Programm des [[Fernsehsender Paul Nipkow|Fernsehsenders Paul Nipkow]], der im Großraum Berlin seit 1936 ein regelmäßiges Programm ausstrahlte, hatten Filme und Filmstars ihren festen Platz. Darüber hinaus schloss der Medienverbund auch Printmedien wie [[Ross-Verlag|Künstlerpostkarten]], die überaus populären Zigarettensammelbilder und den täglich erscheinenden [[Illustrierter Filmkurier|Illustrierten Filmkurier]] ein, der in vielen Haushalten die Tageszeitung ganz ersetzte. Wie untrennbar das NS-Kino mit anderen Medien verwoben war, zeigt z.&nbsp;B. der Erfolgsfilm [[Wunschkonzert (Film)|''Wunschkonzert'']], in dessen Mittelpunkt eine reale Berliner Schlagerveranstaltung steht, die während des Krieges allwöchentlich im Hörfunk übertragen wurde. Ein Novum in der Selbstdarstellung von Politik war, dass hochrangige Politiker wie Hitler, Goebbels und [[Hermann Göring|Göring]] sich in der Öffentlichkeit mit Filmstars präsentierten. Besonders die weiblichen Stars sollten dem männerbündischen Charakter der nationalsozialistischen Veranstaltungen Glamour verleihen. Zu Hitlers bevorzugten Tischdamen gehörten [[Olga Tschechowa]] und [[Lil Dagover]]. [[Hermann Göring]] heiratete 1935 die beliebte Schauspielerin [[Emmy Sonnemann]]. Auch über Joseph Goebbels Beziehungen zu prominenten Filmschauspielerinnen sind zahlreiche Einzelheiten überliefert. Die persönliche Nähe zur politischen Führung bestimmte oftmals darüber, ob Karrieren gefördert oder gebremst wurden. [[Renate Müller]] zum Beispiel machte sich Goebbels zum persönlichen Feind. Es gab Listen, die darüber entschieden, wie häufig ein Darsteller eingesetzt wurde. Es gab fünf Kategorien. Diese reichten von „Unter allen Umständen ohne Vakanz zu besetzen“ (z.&nbsp;B. Zarah Leander, Lil Dagover, Heinz Rühmann) bis zu „Einsatz unter keinen Umständen mehr erwünscht“. Wie wichtig die Filmstars für das Image des nationalsozialistischen Regimes waren, wird auch daraus ersichtlich, dass Hitler 1938 Steuererleichterungen für prominente Künstler (Filmschauspieler und Regisseure) erließ, die von da an 40 Prozent ihrer Einnahmen als Werbungskosten absetzen konnten. Der [[Zweiter Weltkrieg|Krieg]] bewirkte eine Profanierung des Images der Stars. Sie traten im Rahmen der Truppenbetreuung auf kleinen Frontbühnen auf und sammelten auf der Straße fürs [[Winterhilfswerk]]. Obwohl die meisten männlichen Filmstars unabkömmlich gestellt waren, gab es auch Schauspieler wie z.&nbsp;B. Heinz Rühmann, die&nbsp;– von Drehteams der [[Wochenschau]] begleitet&nbsp;– an militärischen Lehrgängen teilnahmen. An die Front geschickt wurden Filmkünstler nur, wenn sie sich missliebig gemacht hatten. == Personalpolitik == Jede Tätigkeit in den Bereichen Filmproduktion, Verleih und Kino war seit 1933 an die Mitgliedschaft in der [[Reichsfachschaft Film]] der [[Reichsfilmkammer]] gebunden. Diese Behörde diente neben der Kontrolle der in der Filmindustrie Tätigen vor allem dem Ausschluss unerwünschter Personen. In einem Fragebogen mussten die Bewerber Angaben nicht nur zu ihrer politischen Vorgeschichte (z.&nbsp;B. Parteimitgliedschaften), sondern auch zu ihrer „rassischen Abstammung und Religion“&nbsp;– einschließlich der ihrer Ehepartner, Eltern und Großeltern&nbsp;– machen. Die Angabe „jüdisch“ bzw. ein vorausgegangenes Engagement in einer linken Partei oder Organisation führte fast immer zur Ablehnung des Bewerbers. Die Nichtaufnahme in die Reichsfachschaft Film bzw. der Ausschluss aus ihr kam einem Berufsverbot gleich. Es wird geschätzt, dass die Zahl der auf diese Weise arbeitslos gewordenen Personen mehr als 3.000 betrug. Viele davon gingen ins Ausland, andere wurden verhaftet oder deportiert. Bei sehr populären Künstlern wurde in Einzelfällen eine Sondergenehmigung erteilt. Die Weiterarbeit ermöglichte Goebbels etwa den Regisseuren [[Curtis Bernhardt|Kurt Bernhardt]] und [[Reinhold Schünzel]], dem Schauspieler [[Horst Caspar]] und dem Sänger [[Jan Kiepura]]. Wegen ihrer „[[Mischehen im Dritten Reich|Mischehen]]“ waren auch die Schauspieler [[Paul Bildt]], [[Karl Etlinger]], [[Paul Henckels]], [[Wolfgang Kühne (1905)|Wolfgang Kühne]], [[Theo Lingen]], [[Hans Moser]], [[Heinz Rühmann]], [[Wolf Trutz]] und [[Erich Ziegel]] und der Regisseur [[Frank Wysbar]] auf eine Sondererlaubnis angewiesen. Bei [[Gustaf Gründgens]] wurde über dessen Homosexualität und [[Sozialismus|sozialistische]] Vergangenheit ebenso hinweggesehen wie über Heinrich Georges frühere [[Kommunistische Partei Deutschlands|KPD]]-Mitgliedschaft. Von manchen Regisseuren, die politisch bisher nicht eingeordnet werden konnten, oder deren bisherige Filme zwar von nationalsozialistischen Vorstellungen abwichen, aber künstlerisch und kommerziell sehr erfolgreich waren, wurden zu einem filmischen „Treuebekenntnis“ aufgefordert. Hierbei wurden die Regisseure zur Inszenierung eines in jeder Hinsicht der nationalsozialistischen Ideologie entsprechenden Filmes aufgefordert, oder es wurde ihnen unmissverständlich nahe gelegt, solch einen Film herzustellen. Erfüllten die Regisseure ihre „Aufgabe“, konnten sie ihre Karriere im Reich bis auf weiteres fortsetzen. Weigerten sie sich, so war ihre Karriere vorbei, und es folgte häufig die Einberufung an die Front. So geschehen bei [[Werner Hochbaum]], der „Drei Unteroffiziere“, ein Loblied auf soldatische Pflichterfüllung, inszenieren sollte, den Film aber mit kritischen Untertönen unterlegte. Auch [[Peter Pewas]] ereilte dieses Schicksal. [[Carl Junghans]] wiederum weigerte sich auf andere Weise, einen „linientreuen“ Film herzustellen. Bei Einreichung von „Altes Herz geht auf die Reise“ (1938) wurde ihm ein NS-Propagandist zur Seite gestellt, der das Drehbuch entsprechend überarbeitete, woraufhin Junghans die Drehgenehmigung erteilt wurde. Junghans wagte dennoch mit der Originalversion des Drehbuchs zu arbeiten, was bei der internen Uraufführung auch durchschaut wurde. Er floh daraufhin umgehend über die Schweiz in die Vereinigten Staaten. Ein letzter Ausweg für Filmschaffende, die nicht mit dem Nationalsozialismus kooperieren wollten, war die Einstellung oder Einschränkung der Tätigkeit beim Film. Dies erforderte zumeist das Abtauchen in den Untergrund, um auch der Einberufung zum Kriegsdienst zu entgehen, was natürlich eine anstrengende und riskante Methode war. Der gefragten Kostümdesignerin [[Gerdago]] gelang es, so den Nationalsozialisten zu entkommen. Andere Künstler traf die Politik in ihrer ganzen Wucht. [[Joachim Gottschalk]] z.&nbsp;B. beging 1941 mit seiner ganzen Familie Selbstmord, weil seine Frau, die Schauspielerin [[Meta Wolff]], ins [[Konzentrationslager]] deportiert werden sollte. Ein ähnliches Schicksal erlitten der Drehbuchautor [[Walter Supper (Drehbuchautor)|Walter Supper]] und seine Frau. Um einer angekündigten Deportation zuvorzukommen, gingen auch zwei weitere Schauspieler&nbsp;– [[Paul Otto (Schauspieler)|Paul Otto]] und [[Hans Henninger]]&nbsp;– in den Freitod; ersterer wurde als Jude verfolgt, letzterer wegen seiner Homosexualität. Der Schauspieler [[Theodor Danegger]] und der Schlagertexter [[Bruno Balz]] saßen wegen homosexueller Handlungen zeitweilig in Haft. Im [[Konzentrationslager|KZ]] oder auf der Deportation dorthin starben die Schauspieler [[Ernst Arndt]], [[Eugen Burg]], [[Max Ehrlich]], [[Maria Forescu]], [[Kurt Gerron]], [[Fritz Grünbaum]], [[Kurt Lilien]], [[Paul Morgan (Schauspieler)|Paul Morgan]] und [[Otto Wallburg]] und der Regisseur [[Hans Behrendt]]. Hingerichtet bzw. von Nationalsozialisten ermordet wurden die Schauspieler [[Horst Birr]], [[Robert Dorsay]], [[Hans Meyer-Hanno]] und [[Hans Otto]]. Auf der anderen Seite wurden politisch linientreue Künstler gelegentlich mit hohen Posten in der Filmbürokratie belohnt. Zu höchsten Ehren gelangte auf diese Weise z.&nbsp;B. der Regisseur [[Carl Froelich]], der seit 1937 den Kunstausschuss der Ufa leitete und seit 1939 als Präsident der Reichsfilmkammer vorstand. Der Schauspieler und Regisseur [[Wolfgang Liebeneiner]] durfte nicht nur die Reichsfachschaft Film, sondern auch die künstlerische Fakultät der [[Deutsche Filmakademie Babelsberg|Deutschen Filmakademie Babelsberg]] leiten. Auch die Regisseure [[Fritz Hippler]] und Willi Krause und der Schauspieler [[Carl Auen]] übten hohe Ämter aus. Andere, wie der Regisseur [[Karl Ritter (Regisseur)|Karl Ritter]] und die Schauspieler [[Eugen Klöpfer]], [[Paul Hartmann (Schauspieler)|Paul Hartmann]] und [[Mathias Wieman]], wurden in den Aufsichtsrat der Ufa berufen. Heinrich George, Gustaf Gründgens, [[Karl Hartl]], Heinz Rühmann und andere nahmen in der Filmindustrie als [[Filmherstellungsleitung|Herstellungsleiter]] zeitweilig einflussreiche Positionen ein. Wenn die Zahl der vakanten Posten nicht ausreichte, konnte&nbsp;– wie im Falle von [[Veit Harlan]]&nbsp;– auch ein [[Professur|Professorentitel]] verliehen werden. Viele Propagandafilme wurden als Staatsauftragsfilme produziert und Joseph Goebbels hat sich in praktische Produktionsfragen wie z.&nbsp;B. die Rollenbesetzung häufig direkt eingeschaltet. Welchem Druck Filmregisseure in der NS-Zeit wirklich ausgesetzt waren, ist unter Filmhistorikern heute jedoch umstritten. Neben politisch angepassten oder eindeutig für den Nationalsozialismus eintretenden Regisseuren, die&nbsp;– wie [[Fritz Peter Buch]], Carl Froelich, Wolfgang Liebeneiner, [[Herbert Maisch]], [[Johannes Meyer]], [[Heinz Paul]], Karl Ritter, [[Hans Steinhoff]], [[Gustav Ucicky]] und Veit Harlan&nbsp;– bereitwillig immer wieder Propagandafilme inszeniert haben, gab es auch solche, die gar keine Propagandafilme gedreht haben, darunter z.&nbsp;B. [[Boleslaw Barlog]], [[Harald Braun]], [[Erich Engel]], [[Willi Forst]], [[Carl Hoffmann]], [[Theo Lingen]], [[Karl Heinz Martin]], [[Harry Piel]], Reinhold Schünzel und [[Detlef Sierck]]. Obwohl die meisten NS-Spielfilme auf künstlerische Experimente und Innovationen vollständig verzichteten, gingen manche Regisseure – wie [[Géza von Bolváry]], Erich Engel, [[Arnold Fanck]], Gustaf Gründgens, [[Rolf Hansen]], Wolfgang Liebeneiner, [[Arthur Maria Rabenalt]], Detlef Sierck, [[Herbert Selpin]], Hans Steinhoff, Gustav Ucicky, [[Viktor Tourjansky]], [[Paul Verhoeven (Deutschland)|Paul Verhoeven]] und [[Frank Wysbar]] – wiederholt doch über das Mittelmaß hinaus. Wie die künstlerisch überaus interessanten Filme von [[Helmut Käutner]] beweisen, hatten Regisseure auch innerhalb der engen Vorgaben der NS-Filmpolitik weitaus mehr Freiheit, als die meisten Zeitgenossen in Anspruch zu nehmen gewagt haben. == Expansion der Filmindustrie == Mit der Expansion des Reiches erlangte die Reichsfilmindustrie neue Absatzmärkte. Die Produktionseinrichtungen der besetzten Länder wurden, wo immer es lohnend erschien, geraubt und reichsdeutschen Unternehmen einverleibt; einheimische Künstler wurden vielfach zwangsverpflichtet und in den Dienst der großdeutschen Propaganda gestellt. Noch vor dem Anschluss 1938 wurde das deutsche Österreich das erste Land in Europa, dessen Filmindustrie unter den direkten Einfluss der Politik Hitlers geriet. Bereits am 20. April 1936 wurden die Bestimmungen über den Film und seine Mitwirkenden fast eins zu eins auf den deutschen Film aus Österreich umgelegt. Die Reichsfilmkulturkammer unterzeichnete mit dem Bund österreichischer Filmproduzenten in Berlin einen dementsprechenden Vertrag. Von Beginn an setzte das nationalsozialistische Regime das austrofaschistische Regime in Österreich unter Druck, im Reich missliebige Personen von der Mitarbeit am Film abzuhalten. Als stärkstes Druckmittel wurde die Androhung eines totalen Importverbotes eingesetzt, wobei bereits ab 1934 ohnehin sämtlichen Filmen von im Reich missliebigen Personen die Einfuhr verweigert wurde. Die größte österreichische [[Filmproduktionsgesellschaft]], die [[Wien]]er [[Sascha-Film|Tobis-Sascha Film AG]], die sich bereits vor 1938 nach Androhung eines Exportverbotes ins Reich zur Umsetzung der antijüdischen Politik Hitlers gezwungen sah und keine jüdischen Künstler mehr beschäftigte, wurde als [[Wien-Film|Wien-Film GmbH]] neu gegründet. Da die [[Cautio Treuhand]]gesellschaft in Kooperation mit der [[Creditanstalt]] bereits einige Monate zuvor die Aktienmehrheit an der Tobis-Sascha erworben hatte, war diese Übernahme praktisch legal. Wien wurde danach neben Berlin und München mit Regisseuren wie [[Willi Forst]], [[Gustav Ucicky]], [[Hans Thimig]], [[Leopold Hainisch]] und [[Géza von Cziffra]] zu einem Zentrum der nationalsozialistischen Filmproduktion. Viel beschäftigte Schauspieler waren hier etwa [[Paula Wessely]], [[Marte Harell]], [[Hans Moser]] sowie [[Attila Hörbiger|Attila]] und [[Paul Hörbiger]]. Es entstanden rund 50 Spielfilme sowie 60 [[Kulturfilm]]e. (Siehe auch [[Geschichte des frühen österreichischen Tonfilms]].) Auf die Heimat Hitlers Österreich folgte die [[Tschechoslowakei]], die am 30. September 1938 zunächst das gesamte von Deutschen besiedelte Grenzgebiet an das Großdeutsche Reich völkerrechtlich verbindlich abtreten musste und deren verbliebenes Staatsgebiet der Diktator am 15. März 1939 von Wehrmachtstruppen besetzen ließ und den tschechischen Teil zum [[Protektorat Böhmen und Mähren]] erklärte. Das tschechische Produktionsunternehmen AB-Filmfabrikations AG mit seinen berühmten Atelieranlagen in [[Barrandov]] und Hostivař wurde „[[Arisierung|arisiert]]“ und am 21. November 1941 in die [[Prag-Film|Prag-Film AG]] umgewandelt, die&nbsp;– meist mit einheimischen Regisseuren&nbsp;– von 1942 an als Filiale des Ufi-Konzerns deutsch- und tschechischsprachige Filme produzierte. Nur zwei tschechische Unternehmen – National Film und Lucerna Film – durften weiter arbeiten. Als während des Bombenkrieges Filmaufnahmen im Reich immer schwieriger wurden, wurde Prag für die deutsche Filmproduktion eine unverzichtbare Ausweichadresse. Die [[Polen|polnische]] Filmindustrie hörte nach dem Einmarsch der Wehrmacht am 1. September 1939, der Besetzung des Landes und der Einrichtung des [[Generalgouvernement]]s offiziell auf zu existieren; die Künstler gingen in den Untergrund, die Filmproduktion wurde gänzlich eingestellt. (Siehe auch [[Polnische Filmgeschichte]].) Am 9. April 1940 besetzte die Wehrmacht auf Befehl Hitlers auch [[Dänemark]], dessen Filmindustrie von der Reichsfilmpolitik weitgehend unberührt blieb. Deutsche Filme wurden vom dänischen Publikum stillschweigend boykottiert. Die Filmwirtschaft des Nachbarlandes [[Norwegen]] war zum Zeitpunkt der deutschen Besetzung zu wenig entwickelt, als dass sie bei den Besatzern Interesse hätte erregen können. Die wenigen aktiven norwegischen Filmregisseure konnten fast ungestört weiterarbeiten. Am 10. Mai 1940 folgte die Besetzung der [[Benelux]]-Staaten. In den [[Niederlande]]n wurden die drei aktiven Ateliers, die durch die Fluchtwelle aus Nazi-Deutschland bis dahin geblüht hatten, der Ufa einverleibt, die keine holländischen Filme drehte und die Einrichtungen für eigene Zwecke nutzte. Viele niederländischen Regisseure verließen das Land. Die [[Belgien|belgische]] Filmindustrie war trotz ihrer bedeutenden Dokumentarfilmschule ebenso wie die norwegische zu wenig entwickelt, um bei den Besatzern Begehrlichkeiten zu wecken. Die Weiterarbeit der Filmleute wurde weitgehend toleriert. [[Frankreich]] zerfiel nach der militärischen Niederlage und dem Waffenstillstand von Compiègne am 22. Juni 1940 in einen besetzten Teil und den unbesetzt gebliebenen [[Marionettenregierung|Marionettenstaat]] von [[Vichy-Regime|Vichy]]. In Vichy-Frankreich wurde die Industrie zwar nach dem Muster des faschistischen Italien reorganisiert, die südfranzösische Filmindustrie mit ihrem Hauptstandort [[Nizza]] konnte ihre Arbeit jedoch weitgehend uneingeschränkt fortsetzen. In [[Paris]] und dem gesamten Norden Frankreichs hingegen regierte das deutsche Militär. Dieser Landesteil wurde mit synchronisierten deutschen Wochenschauen und Spielfilmen überschwemmt. Anfang 1941 wurde die Continental Film gegründet, ein Tochterunternehmen von Ufa und [[Tobis-Tonbild-Syndikat|Tobis]], das über alle Filmateliers im Großraum Paris verfügte und das bis zur Befreiung des Landes 27 französischsprachige Filme produzierte. (Siehe auch [[Französische Filmgeschichte]].) Mit der Fortführung des Expansionskrieges 1941 auf das Gebiet der [[Sowjetunion|UdSSR]] erlangte die nationalsozialistische Führung Zugriff auch auf sowjetische Filmproduktionsanlagen, vor allem im [[Lettland|lettischen]] [[Riga]], im [[Estland|estnischen]] Reval (heute: [[Tallinn]]) und im [[Ukraine|ukrainischen]] [[Kiew]]. Die beschlagnahmten Einrichtungen wurden in den Besitz der im November 1941 gegründeten [[Zentralfilmgesellschaft Ost]] überführt, die von Berlin aus die Filmpropaganda in den besetzten sowjetischen Gebieten organisierte. (Siehe auch [[Russische Filmgeschichte]].) == Umgang mit der NS-Filmpropaganda nach 1945 == Nach dem Ende des [[Zweiter Weltkrieg|Zweiten Weltkrieges]], dem Tod des Diktators und der Zerschlagung der NS-Diktatur leiteten die alliierten Siegermächte im Rahmen der [[Entmilitarisierung]], [[Demokratisierung]] und [[Entnazifizierung]] des besetzten Landes verschiedene Programme zur Ausschaltung der noch verbliebenen nationalsozialistischen Ideologie ein. Unter anderem unterzog das Oberkommando der Alliierten alle im Umlauf befindlichen deutschen Filme einer [[Zensur (Informationskontrolle)|Zensur]] und stellte dabei 19 % der Spielfilme unter Aufführungsverbot, weil ihre Prüfungskommission sie als NS-Propaganda einstufte. Gerd Albrecht hat den Anteil der Propagandafilme an der gesamten Spielfilmproduktion auf 14,1 % beziffert. Während der Anteil bis 1939 11 % betrug, stieg er im Zeitraum 1940–42&nbsp;– also nach Beginn des Zweiten Weltkrieges&nbsp;– auf 24 % an und ging in der zweiten Hälfte des Krieges auf 6 % zurück. Die Erklärungsansätze für den 1942 erfolgten Umschwung in der Filmpolitik konzentrieren sich auf die Vermutung, dass das Publikum inzwischen propagandamüde war und dass ein Kino, das gute Laune verbreitete, unter den Lebensbedingungen des beginnenden Bombenkrieges selbst eine bessere Werbung für das NS-Regime darstellte als jeder Propagandafilm. Die meisten der von den alliierten Besatzungsbehörden verbotenen Filme erhielten in der 1949 neu gegründeten Bundesrepublik Deutschland eine [[Freiwillige Selbstkontrolle der Filmwirtschaft|FSK]]-Freigabe. Eine kleine Zahl so genannter [[Vorbehaltsfilm]]e&nbsp;– darunter viele Kriegsfilme und alle antisemitischen Propagandafilme&nbsp;– ist der Öffentlichkeit weiterhin nur eingeschränkt zugänglich. == Siehe auch == *[[Deutsche Filmgeschichte]] ''(Filme der NS-Zeit)'' *[[Österreichische Filmgeschichte]] ''(Die [[Wien-Film]] in der NS-Zeit)'' *[[Unterhaltungsfilme im Nationalsozialismus]] *[[Kinder- und Jugendfilm im Nationalsozialismus]] *[[Liste der Darsteller des deutschsprachigen Films]] ''(Schauspieler der NS-Zeit)'' *[[Liste der Regisseure des deutschen Films]] ''(Regisseure der NS-Zeit)'' *[[Liste bekannter deutschsprachiger Emigranten und Exilanten (1933–1945)]] *[[Liste der am höchsten prädikatisierten NS-Spielfilme]] *[[Liste der im Nationalsozialismus verbotenen Filme]] *[[Liste der unter der alliierten Militärzensur verbotenen deutschen Filme]] == Literatur == * Gerd Albrecht: ''Nationalsozialistische Filmpolitik.'' Hanser, München 1969. * Wolfgang Becker: ''Film und Herrschaft.'' Organisationsprinzipien und Organisationsstrukturen der nationalsozialistischen Filmpropaganda. Volker Spiess, Berlin 1973. * Pierre Cadars/ Francis Courtade: ''Geschichte des Films im Dritten Reich.'' Hanser, München/Wien 1975. * Thomas Hanna-Daoud: ''Die NSDAP und der Film bis zur Machtergreifung.'' Böhlau, Köln/Weimar/Wien 1996, ISBN 3-412-11295-X * Bogusław Drewniak: ''Der deutsche Film 1938-1945. Ein Gesamtüberblick'', Droste, Düsseldorf 1987, ISBN 3-7700-0731-X * Bernd Kleinhans: ''Ein Volk, ein Reich ein Kino.'' Lichtspiel in der braunen Provinz. Papyrossa Verlag, Köln 2003, ISBN 3-89438-262-7 * Klaus Kreimeier: ''[http://www.kreimeier-online.de/NS-Film.htm Antisemitismus im nationalsozialistischen Film.]'' In: Cilly Kugelmann/ Fritz Backhaus (Hrsg.): ''Jüdische Figuren in Film und Karikatur.'' Frankfurt/M 1996. * Felix Moeller: ''Der Filmminister.'' Goebbels und der Film im Dritten Reich. Henschel, Berlin 1998. * Constanze Quanz: ''Der Film als Propagandainstrument Joseph Goebbels’.'' Teiresias, Köln 2000. * Cornelia Hecht; Ernst Seidel, Hrsg., ''"Jud Süss" – Propagandafilm im NS-Staat'' (Ausstellungskatalog, Stuttgart, 14. Dezember 2007 bis 7. September 2008 Haus der Geschichte Baden-Württemberg) Stuttgart 2007, ISBN 978-3-933726-24-7 * Gerhard Stahr: ''Volksgemeinschaft vor der Leinwand? Der nationalsozialistische Film und sein Publikum.'' Theissen, Berlin 2001, ISBN 3-935223-00-5 * Jürgen Spiker: ''Film und Kapital.'' Der Weg der deutschen Filmwirtschaft zum nationalsozialistischen Einheitskonzern. Volker Spiess, Berlin 1975. * Jerzy Toeplitz: ''Geschichte des Films,'' Bände 2 (1928-1933), 3 (1933-1939) und 4 (1939-1945), Henschelverlag Kunst und Gesellschaft, Berlin (Ost) 1976, 1979 und 1982. * David Welch: ''Propaganda and the German cinema 1933-1945.'' Tauris, London/New York 2001 (Cinema and society series). * Joseph Wulf: ''Theater und Film im Dritten Reich.'' rororo, Reinbek 1966. == Weblinks == * [http://akademische-blaetter.de/kultur/film-und-fernsehen/film-im-nationalsozialismus Der Film im Nationalsozialismus] * [http://www.filmportal.de/df/3b/Artikel,,,,,,,,EE2FB9C5E643DFC2E03053D50B375E4B,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,.html Film im NS-Staat] * [http://www.shoa.de/drittes-reich/der-aufstieg-der-nsdap/153-die-gleichschaltung-der-medien-im-dritten-reich.html Guido Schorr: Die Gleichschaltung der Medien im Dritten Reich.] * [http://www.kinematographie.de/LSG1934.HTM#name32 Lichtspielgesetz vom 16. Februar 1934] * [http://www.kinematographie.de/AUSL.HTM#name58 Gesetz über die Vorführung ausländischer Bildstreifen vom 23. Juni 1933] * [http://www.stern.de/politik/historie/:Kriegsende-Besiegt,-Deutschland-1945-48/538367.html?eid=537265&s=7&nv=ex_rt NS-Film: Drehen bis zum Untergang] * [http://www.mgb.essen.de/projekte/beckmann_06/UU%20Anmerkungen_1_Goebbels_Gleichschaltung_Filmpolitik.pdf Anmerkungen zur nationalsozialistischen Filmpolitik] Joseph Goebbels – Hitlers Medienminister (PDF-Datei; 339&nbsp;kB) * [http://www.opus-bayern.de/uni-regensburg/volltexte/2001/18/pdf/RSL15.pdf „Sinn und Geschichte“, Die filmische Selbstvergegenwärtigung der nationalsozialistischen „Volksgemeinschaft“] (PDF-Datei; 899&nbsp;kB) [[Kategorie:Kultur (Nationalsozialismus)]] [[Kategorie:Kulturpolitik]] [[Kategorie:NS-Propaganda]] [[Kategorie:Film in Deutschland]] [[Kategorie:Joseph Goebbels]] {{Exzellent|22. April 2006|15909054}} [[en:Nazism and cinema]] [[it:Cinema nel Terzo Reich]] [[ru:Кинематограф Третьего рейха]] 8w9x9i0jb9y30rh1btcbi0iednjyv5f wikitext text/x-wiki Nationaltheatret 0 23980 26578 2010-02-20T00:00:52Z Happolati 0 /* Geschichte */ NBSP [[Datei:Nationaltheatret E.jpg|miniatur|330px|Nationaltheatret in Oslo, Frontseite (mit Ibsen- und Bjørnson-Statue)]] [[Datei:Oslo Nationaltheater-1.jpg|miniatur|330px|Nationaltheatret in Oslo, Rückseite]] '''Nationaltheatret''' („Das Nationaltheater“), 1899 in [[Oslo]] eröffnet, ist das größte [[Sprechtheater]] [[Norwegen]]s. Mit seinen Klassikerinszenierungen – vor allem der Stücke [[Henrik Ibsen]]s – hat es sich einen internationalen Bekanntheitsgrad erworben. Besonders in den sechziger und siebziger Jahren und seit etwa 1990 hat das Nationaltheatret auch systematisch die Gegenwartsdramatik gefördert. Das vom Architekten [[Henrik Bull]] entworfene Theatergebäude steht seit 1983 unter [[Denkmalschutz]]. == Name == Ihren Namen bekam die neue Hauptbühne Oslos erst während der Bauphase in den 1890er Jahren. Seit der Einweihung des Gebäudes befindet sich unter dem [[Tympanon (Architektur)|Tympanon]] der Frontseite der Schriftzug ''Nationaltheater''. Parallel dazu gelangte die bestimmte Form des Wortes (d.&nbsp;h. ''Nationaltheatret'', auch ''National-Theatret'') rasch in Umlauf. Nach der norwegischen [[Rechtschreibreform]] von 1917, die darauf abzielte, die Orthografie stärker der mündlichen Aussprache anzupassen, hätte das Haus eigentlich in ''Nasjonalteater'' bzw. ''Nasjonalteatret'' umgetauft werden müssen, analog zur benachbarten, schon seit 1842 existierenden ''Nasjonalgalleriet''. Offenbar lag der Leitung des Theaters jedoch daran, für das damals erst 18&nbsp;Jahre alte Haus die ehrwürdigere und [[Tradition]] verheißende Bezeichnung ''Nationaltheatret'' beizubehalten. Die zunächst wichtigste Aufgabe der Kulturinstitution, die darin bestanden hatte, die Bevölkerung mit der noch jungen, nach Selbständigkeit von [[Schweden]] drängenden [[Nation]] zu identifizieren, erhielt dadurch einen Anstrich von Feierlichkeit. == Geschichte == === Das ''Christiania Theater'' === [[Datei:Christiania theater.jpg|thumb|Das 1837 erbaute Christiania Theater am Bankplassen]] Die Geschichte des Hauses geht auf das vom Architekten [[Christian Heinrich Grosch]] erbaute ''Christiania Theater'' zurück, das sich seit 1837 am ''Bankplassen'' befunden hatte und unmittelbar vor der Eröffnung des ''Nationaltheatret'' geschlossen wurde. Aufgrund der über 400&nbsp;Jahre währenden kulturellen Abhängigkeit Norwegens von [[Dänemark]] (1380–1814) galt die [[norwegische Sprache]] zunächst noch als unfein und ungehobelt. Vereinzelte Versuche, Norwegisch als Bühnensprache zu etablieren, stießen auf breite Ablehnung der gebildeten Osloer Bürger, die sich von dem so bezeichneten „Rinnstein“-Idiom heftig distanzierten. Folglich waren in den ersten Jahrzehnten überwiegend dänische Schauspieler am ''Christiania Theater'' beschäftigt, die mehrheitlich dänische [[Drama|Dramen]] und [[Vaudeville]]s zur Aufführung brachten. [[Datei:Festforestilling Holberg.jpg|miniatur|links|200px|Plakat vom Eröffnungsabend am 1.&nbsp;September 1899]] Erst ab den 1860er Jahren, nachdem die Bühne eine Fusion mit dem ''Kristiania Norske Theater'' eingegangen war, hielt die norwegische Sprache allmählich Einzug auf der Bühne und es wurden immer häufiger norwegische Stücke inszeniert. Der Trend vollzog sich parallel zur Genese eines neuen [[Patriotismus|patriotischen]] Bewusstseins, das in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts den Wunsch nach voller Unabhängigkeit entstehen ließ und die [[Personalunion]] mit Schweden (1814–1905) zunehmend in Frage stellte. === Eröffnung 1899 === An diese Entwicklung schloss das ''Nationaltheatret'' konsequent an. Es wurde im September 1899 mit gleich drei Festvorstellungen eröffnet: am ersten Abend (1. September) wurden Auszüge aus zwei [[Komödie]]n von [[Ludvig Holberg]] gespielt, am zweiten Abend (2. September) ging Henrik Ibsens Schauspiel [[Ein Volksfeind]] über die Bühne, am dritten Abend schließlich (3. September) stand [[Bjørnstjerne Bjørnson]]s [[Kreuzzug|Kreuzfahrer]]-Drama ''Sigurd Jorsalfar'' auf dem Programm. Zu den Höhepunkten dieses dritten Tages zählte, dass [[Edvard Grieg]] die Aufführungsfassung seiner bekannten Bühnenmusik zu Bjørnsons Stück selbst dirigierte. An allen drei Abenden waren Bjørnson und Ibsen persönlich anwesend, am ersten auch der schwedisch-norwegische König [[Oskar II. (Schweden)|Oskar II]]. Das ''Nationaltheatret'' entstand auf private Initiative und wurde zunächst mit rein privaten Mitteln betrieben. Schon 1906, ein Jahr nach der inzwischen erfolgten Unabhängigkeit Norwegens von Schweden, erlebte es seine erste ökonomische Krise. Erst 1927 jedoch gewährte die Stadt Oslo der Bühne einen [[Zuschuss]] von relativ bescheidenen 123.000 Kronen<ref>vgl. Lise Lyche, Norges teaterhistorie, Asker 1991, S. 178</ref>. Der norwegische Staat beteiligte sich erstmals 1933 mit einer kleinen Summe an den Kosten, die seitdem jedoch kontinuierlich anstieg. In den 1970er Jahren deckten die Zuwendungen der öffentlichen Hand zeitweise 94 % des [[Budget|Etats]] ab<ref>vgl. Nils Johan Ringdal, Nationaltheatrets historie 1899–1999, Oslo 2000, S. 416</ref>. Diese Rekordhöhe wurde seitdem allerdings nie wieder erreicht. === Die ersten Intendanten === [[Datei:Bjoernson Bjoern2.jpg|miniatur|hochkant=0.8|Bjørn Bjørnson]] Der erste [[Intendant]] des Hauses war [[Bjørn Bjørnson]], ein Sohn des Dramatikers [[Bjørnstjerne Bjørnson]], der seine umfassende Theaterausbildung unter anderem am [[Burgtheater]] in [[Wien]] erhalten hatte. Für eine Art ''Goldenes Zeitalter'' der neuen Bühne sorgten seine Nachfolger: der norwegische Autor Vilhelm Krag und der Schauspieler und Regisseur Halfdan Christensen. Das Projekt der [[Nationenbildung]] trat vorübergehend in den Hintergrund, so dass ausländische Gegenwartsdramatik stärker Fuß zu fassen begann. Standen während des [[Erster Weltkrieg|Ersten Weltkrieges]] noch überwiegend deutsche und französische [[Lustspiel]]e auf dem Programm, wurde das [[Repertoire]] nach 1918 ernster. Stücke des lange vernachlässigten schwedischen Ibsen-Rivalen [[August Strindberg]] gelangten nun ebenso auf die Bühne wie sozialkritische Dramen von [[George Bernard Shaw]] oder [[Arthur Schnitzler]]. Die Zeit zwischen etwa 1908 und 1933 war nicht zuletzt von Darbietungen großer Schauspieler geprägt: Namen wie August Oddvar, Egil Eide, Ingolf Schanche oder Ragna Wettergreen sind noch heute jedem norwegischen Theaterliebhaber geläufig. Die bedeutendste Schauspielerin dieser Periode war jedoch ohne Zweifel [[Johanne Dybwad]], nach der seit 1989 der Platz vor dem Theatergebäude benannt ist. Ihre Popularität war so groß, dass ihr alle Intendanten bedeutende Privilegien einräumten. Sie konnte zeitweise selbst bestimmen, welche Stücke inszeniert und welche Schauspieler eingesetzt wurden<ref>vgl. Lise Lyche, Norges teaterhistorie, Asker 1991, S. 134</ref>. 1908 besetzte sich die damals schon 41jährige Diva als Hedvig in Ibsens [[Die Wildente]]&nbsp;– ungeachtet der Tatsache, dass die Rollenfigur in dem Stück gerade erst ihren 14. Geburtstag feiert. === Das ''Nationaltheatret'' während der Besatzungszeit === Am 9. April 1940 wurde das Theater nur wenige Stunden nach der [[Geschichte Norwegens#Zweiter Weltkrieg|Okkupation Norwegens]] durch deutsche Truppen vorübergehend in eine [[Kaserne]] für Hitlers Soldaten verwandelt. Später erzwang die Besatzungsmacht mehrfach Gastspiele deutscher Theater, die [[Richard Wagner|Wagner]]-Opern, Wiener Operetten und deutsche Klassiker aufführten. Der deutschfreundliche Schauspieler Gustav Berg-Jæger löste den Intendanten Axel Otto Normann ab. Im Mai 1941 verhörte die [[Gestapo]] sechs Schauspieler, die im Verdacht standen, Widerstandsaktionen vorzubereiten&nbsp;– mit dem Resultat, dass ihnen mit sofortiger Wirkung untersagt wurde, ihren Beruf weiter auszuüben. Daraufhin traten viele ihrer Kollegen, trotz massiver Drohungen des Reichskommissars [[Josef Terboven]], in einen [[Streik]], der kurz darauf auch die Bühnen in [[Bergen (Norwegen)|Bergen]] und [[Trondheim]] erfasste. Am 24. Mai 1941 wurden 13 Schauspieler des ''Nationaltheatret'' verhaftet und erst zwei Wochen später, nach etlichen Verhandlungen, wieder auf freien Fuß gesetzt. Nach der Sommerpause dieses Jahres nahmen die Schauspieler auf nachdrückliche Anordnung der Besatzungsmacht ihre Arbeit wieder auf. Im Oktober 1943 gerieten bei einer Sabotageaktion, die von der norwegischen [[Widerstand gegen den Nationalsozialismus|Widerstandsbewegung]] koordiniert worden war, das Bühnenhaus, der [[Schnürboden (Theater)|Schnürboden]] und das Dach des Theaters in Brand. Das ''Nationaltheatret'' war daraufhin monatelang nicht bespielbar; die Proben und Vorstellungen mussten in das Gebäude von ''Det Nye Teater'' (Das Neue Theater) verlegt werden<ref>vgl. Carola Peckolt, Das norwegische Theater während der deutschen Besatzung 1940 bis 1945, in: ''Skandinavistik'', 20, 1990, S. 24–39</ref>. === Theaterbrand 1980 === Ein weiterer verheerender Brand, der die Theaterleitung zu allerlei Improvisationen zwang, ereignete sich am 9. Oktober 1980. Das Feuer brach gegen 21 Uhr während einer Vorstellung der Komödie ''Der Eisvogel'' von William Douglas Home aus. Die ''grande dame'' des Theaters, die Schauspielerin [[Wenche Foss]], teilte dem verdutzten Publikum von der Bühne herab mit, dass es das Theater auf direktem Weg zu verlassen habe. Auf der sogenannten ''Amfiscenen'' (Amphibühne) über dem Hauptsaal ging die Vorstellung des Abends unterdessen zunächst noch weiter; die Zuschauer und Schauspieler hatten den rasch ausgelösten Alarm zwar wahrgenommen, aber vermutet, dass in einem anderen Teil des Gebäudes eine Brandübung stattfindet. Mit roher Muskelkraft gelang es dem [[Inspizient]]en und einigen Bühnenarbeitern, den elektrisch nicht mehr zu bedienenden [[Eiserner Vorhang (Theater)|Eisernen Vorhang]] herunterzulassen, so dass die Flammen den Zuschauerraum der Hauptbühne nicht erreichen konnten. Niemand kam zu Schaden, das Bühnenhaus jedoch war komplett zerstört. Ein explodierter [[Scheinwerfer]] wurde später als Brandursache ausgemacht. Bis zur Wiedereröffnung des Theaters im August 1985, mit einer Produktion von Ibsens [[Peer Gynt]], fanden die Vorstellungen in einem Zelt vor dem Theater oder auf kleineren Spielflächen im Haus statt. == Profil == === Anfänge als Drei-Sparten-Theater === In den ersten Jahren fungierte das ''Nationaltheatret'' nicht nur als Sprechtheater, sondern auch als Institution für Opern- und Operettenaufführungen. Die weltbekannte norwegische Sopranistin [[Kirsten Flagstad]] feierte hier 1913 ihre ersten Erfolge (als Nuri in [[Eugen d’Albert]]s Oper ''[[Tiefland (Oper)|Tiefland]]''). Vor allem in ökonomischen Notzeiten sorgten Inszenierungen z.&nbsp;B. von [[Franz Lehár]]s ''Die lustige Witwe'' für wichtige Einnahmen. Bis 1919 unterhielt das Theater ein eigenes [[Orchester]], aus dem sich das heute noch existierende ''Oslo Filharmoniske Orkester'' entwickelte. Zwischen 1910 und 1922 war dem Theater darüber hinaus ein eigenes [[Ballett]]ensemble angeschlossen. Erst im Lauf der zwanziger Jahre wurde aus dem klassischen [[Mehrspartentheater|Drei-Sparten-Haus]] (Schauspiel, Musik, Tanz) ein Sprechtheater. === Holberg, Bjørnson, Ibsen === Von Beginn an&nbsp;– und bis in die Gegenwart hinein&nbsp;– spielte das Werk der Autoren-Trias Holberg, Bjørnson und vor allem Ibsen eine große Rolle für das Repertoire des ''Nationaltheatret''. Die Namen dieser oft so bezeichneten ''Säulen'' des Theaters prangen seit jeher an dessen Frontseite.[[Datei:Ibsen photography.jpg|miniatur|links|Henrik Ibsen]] Bjørnson Doppeldrama ''Über die Kraft I&nbsp;– II'' erlebte noch in der Eröffnungssaison seine norwegische [[Erstaufführung]], ebenso wie zwei Jahre später sein Schauspiel ''Paul Lange und Tora Parsberg'', das seit 1901 zum [[Kanon der Literatur|Kanon]] der Osloer Bühne gehört. Letzteres gilt auch für die Komödien Holbergs, die regelmäßig in den Spielplänen auftauchen. Sein wohl populärstes Werk, ''Jeppe vom Berge'', wurde zwischen 1903 und 2003 auf höchst unterschiedliche Weise zehnmal inszeniert. Bereits im März 1900 produzierte das Theater Henrik Ibsens damals sehr umstrittenes Drama [[Gespenster (Ibsen)|Gespenster]], das nach jahrelangem Verbot zuvor erst zweimal in Norwegen aufgeführt worden war. In den ersten fünf Jahren nach der Eröffnung des Hauses hatte das Publikum nicht weniger als zwölf Ibsen-Premieren erleben dürfen; das ''Nationaltheatret'' schloss damit an die Tradition des ''Christiania Theater'' an, das nicht zuletzt durch nationale Erstaufführungen zahlreicher Dramen Ibsens bekannt geworden war. Noch während der Okkupationszeit galten Ibsen-Inszenierungen als Zankapfel. In einzelnen Fällen, z.&nbsp;B. anlässlich einer Produktion von ''Brand'' 1942, beriefen sich sowohl Funktionäre der Besatzungsmacht als auch Teile der Widerstandsbewegung auf den norwegischen Nationaldichter<ref>vgl. Eric Samuelson, Occupation Theatre: Ibsen’s ''Brand'' in Performance in Norway, 1940–1942, in: ''Scandinavian Studies'', 66, 1994, S. 488–520, hier: S. 491</ref>. === Internationales Ibsen-Festival === Da die Wirkung der Texte Ibsens bis in die Gegenwart anhält, entschloss sich der damalige Intendant Stein Winge im Jahr 1990, ein jährliches ''Internationales Ibsen-Festival'' am ''Nationaltheatret'' zu veranstalten. Interessante Ibsen-Produktionen aus vielen Ländern der Welt, so aus [[Dänemark]], [[Schweden]], [[Deutschland]], [[Österreich]], dem [[Baltikum]], [[Frankreich]], [[Vereinigtes Königreich|Großbritannien]], den [[Vereinigte Staaten|USA]], ja selbst aus [[Burkina Faso]], [[Volksrepublik China|China]], [[Iran]] oder [[Nepal]] wurden seitdem&nbsp;– jeweils zum Beginn der neuen Saison&nbsp;– nach Oslo eingeladen. Diesen Gastspielen werden regelmäßig mehrere Eigenproduktionen von Ibsen-Dramen gegenübergestellt. Seit 2002 findet das Festival in zweijährigem Rhythmus statt. 2006, zum 100. Todestag Ibsens, waren 31 internationale Produktionen am ''Nationaltheatret'' sowie einigen kooperierenden Bühnen zu sehen. Begleitet werden die Festivals jeweils von internationalen [[Symposion|Symposien]] zu Ibsens Dramatik. Weltweit dürfte sich keine andere Institution so sehr für das Werk des norwegischen Autors eingesetzt haben wie das ''Nationaltheatret''; die Zahl entsprechender Aufführungen auf allen Bühnen des Hauses übersteigt inzwischen 3000<ref>vgl. Alf G. Andersen, [http://www.hovedstaden.info/news.asp?articleID=220 Et nasjonalt symbol], www.hovedstaden.no (abgerufen am 1. September 2009)</ref>. === Gegenwartsdramatik === Schon der erste Intendant Bjørn Bjørnson setzte sich sehr für die norwegische Gegenwartsdramatik seiner Zeit ein. So gelangten mehrere Stücke des damals renommierten Dramatikers [[Gunnar Heiberg]] zur Uraufführung am ''Nationaltheatret''. [[Datei:Gunnar Heiberg.JPG|miniatur|links|220px|Gunnar Heiberg (Zeichnung von Erik Werenskiold, 1878)]] Auch Schauspiele in der Minoritätensprache [[Nynorsk]] waren von Beginn an zu sehen, so etwa das überaus erfolgreiche Musiktheaterstück ''Fossegrimen'' von Sigurd Eldegard. Später jedoch erhielt die Nynorsk-Dramatik ihre Heimstatt am 1912 gegründeten [[Det Norske Teatret]], auch wenn Nynorsk-Vorstellungen noch heute vereinzelt im Repertoire des ''Nationaltheatret'' zu finden sind. Eine besondere Nähe zum Zeitstück hatte der Intendant Arild Brinchmann, der die künstlerische Leitung der Bühne 1967 mit dem Anspruch übernahm, ein politisch radikales Theater zu präsentieren. In Form einer Gruppenarbeit und mit den ästhetischen Mitteln von [[Revue]] und [[Dokumentartheater]] entstand z.&nbsp;B. 1974 die Produktion ''Jenteloven'' (wörtlich: Das Mädchengesetz, in Anlehnung an [[Aksel Sandemose]]s Begriff [[Janteloven]]). Auf der Grundlage von Interviews wurde in dem Stück vor allem die Situation von Frauen am Arbeitsplatz beleuchtet. Arbeiten dieser Art trugen dem Intendanten heftige Kritik selbst von der staatlichen Aufsichtsbehörde ein<ref>vgl. Lise Lyche, Norges teaterhistorie, Asker 1991, S. 218</ref>. Brinchmanns Renommé als Theatermacher litt darunter jedoch kaum, zumal er dafür gesorgt hatte, das norwegische Publikum mit Dramatikern wie [[Samuel Beckett]], [[Harold Pinter]] oder [[Peter Weiss]] vertraut zu machen. Daneben gelang es ihm, europaweit bekannte Regisseure wie [[Ingmar Bergman]] oder [[Hansgünther Heyme]] für einzelne Inszenierungen zu verpflichten. Das Theater hat seit Mitte der 1990er Jahre auch Anteil am internationalen Erfolg des norwegischen Dramatikers [[Jon Fosse]], dessen Bühnenarbeiten weltweit rezipiert werden. Mehrere Fosse-Dramen, z.&nbsp;B. ''Das Kind'' (1996) und ''Traum im Herbst'' (1999), erlebten ihre Uraufführung am ''Nationaltheatret''. Gleichzeitig standen Texte weiterer europäischer Gegenwartsdramatiker (z.&nbsp;B. von [[Sarah Kane]], [[Michael Frayn]], [[Robert Woelfl]], [[Elfriede Jelinek]] oder [[Wassilij Sigarew]]) auf den Spielplänen. 2003 wurde erstmals das ''Samtidsfestivalen'' (Festival der Gegenwartsdramatik) ausgerichtet, das seitdem im alternierenden Rhythmus mit dem Internationalen Ibsen-Festival stattfindet. == Gebäude und Bühnen == === Architektur === [[Datei:Ibsen sculpture Nationaltheatret.jpg|miniatur|Ibsen-Statue des Bildhauers Stephan Sinding]] Schon Ende der 1870er Jahre begannen die Planungen für einen Theaterneubau, der das ''Christiania Theater'' ersetzen sollte. Ein eigens ausgelobter [[Architekturwettbewerb]] brachte 14 Entwürfe zutage, von denen nach Ansicht der Jury zunächst keiner ganz zufriedenstellend war. Nach einigen Änderungen wurde der Vorschlag des damals erst 27jährigen Architekten [[Henrik Bull]], der sein Studium in [[Berlin]] absolviert hatte, angenommen. Der erste Spatenstich erfolgte im November 1891, doch wegen ständiger Finanzierungsprobleme und aufwendiger Fundamentierungsarbeiten in einem weitgehend sumpfigen Gelände wurde das neue Haus am ''Studenterlunden'', unweit von Schloss, [[Storting]] und dem historischen Universitätsgelände an der ''Karl Johans gate'', erst 1899 fertiggestellt. Bulls Entwurf orientierte sich an der damals gebräuchlichen deutschen Theaterarchitektur. Er kombinierte Elemente des [[Jugendstil]]s, des Berliner [[Klassizismus]] jener Zeit und des [[Rokoko|Neorokoko]] miteinander und war auf ganzheitliche Wirkung angelegt. Das Interieur, z.&nbsp;B. die Einrichtung des [[Parkett]]s und die Möblierung im Vestibül, sollte stilistisch mit dem Außeneindruck des Hauses harmonieren, wovon noch heute die erhalten gebliebene erste Stuhlreihe des Hauptsaales zeugt. An der Ausschmückung der Publikumsbereiche beteiligten sich neben [[Stuckateur]]en aus Deutschland und [[Italien]] zahlreiche bekannte norwegische [[Malerei|Maler]], z.&nbsp;B. [[Christian Krohg]] und dessen Sohn [[Per Krohg]], [[Erik Werenskiold]] und [[Peder Severin Krøyer]]. Vor der Frontseite des Theaters befinden sich seit dessen Eröffnung zwei vom Bildhauer [[Stephan Sinding]] geschaffene Statuen der Dramatiker Bjørnstjerne Bjørnson und Henrik Ibsen. Sie stehen auf übereinandergeschichteten, kreisförmigen Fundamenten, die die Bevölkerung Oslos spöttisch als ''Käsesockel'' bezeichnet. An der Nordseite ist seit 1939 die Holberg-Statue des Bildhauers [[Dyre Vaa]] zu sehen. Neben Holberg stehen zwei seiner bekanntesten Bühnenfiguren: das aus der [[Commedia dell'arte]] entlehnte pfiffige Dienerpaar ''Henrik'' und ''Pernille''. Letztere Figur ist Namenspatronin eines in unmittelbarer Nähe des Theaters gelegenen Freiluft-Restaurants, das traditionell ein Künstlertreffpunkt sowie der Mittelpunkt sogenannter [[Russfeier]]n ist. [[Datei:Oddvar.jpg|miniatur|Das Engagement des Schauspielers August Oddvar, einer Institution des Hauses, währte von der ersten Saison 1899/1900 bis 1960 (Zeichnung des Kostümbildners Andreas Bloch)]] === Hauptbühne === Die von einem mächtigen Goldbogen umrahmte Hauptbühne von 1899, die nach diversen Umbauten und Modernisierungen noch heute genutzt wird, war als klassisches [[Guckkastentheater]] konzipiert. Ihr [[Orchestergraben]] bietet 45 Musikern Platz; schon seit 1917 ist sie drehbar. Ursprünglich war der Saal der Hauptbühne für 1268 [[Zuschauer]] ausgelegt; nach dem Bau der ''Amfiscenen'' in der Rundkuppel des Gebäudes finden noch 741 Besucher Platz in dem prachtvoll dekorierten Raum. Auf der Hauptbühne werden nationale wie internationale Klassiker, regelmäßig aber auch Kinder- und Jugendtheaterstücke, gespielt. === Weitere Bühnen === Als die ''Amfiscenen'' 1963 im dritten Stock des Hauses eröffnet wurde, war sie die erste norwegische Nebenbühne, die sich im Hauptgebäude eines Theaters befand. Nach Umbauten in den Jahren 1980 (im Anschluss an den Theaterbrand) sowie 1999 ist der Raum aufgrund einer flexiblen Bestuhlung sehr variabel nutzbar. Je nach Raumlösung fasst der kleine Saal bis zu 230 Besucher. Die ''Amfiscenen'' beheimatet Theaterliteratur aller [[Genre]]s und wird gerne auch für Gastspiele zur Verfügung gestellt. 2004 zeigte dort z.&nbsp;B. das [[Ensemble (Theater)|Ensemble]] ''Mabou Mines'' aus [[New York City|New York]] eine spektakuläre Adaption des Stückes [[Nora oder ein Puppenheim|Nora]] von Ibsen. 1983 wurde ein Teil der Werkstätten in den Osten Oslos verlegt. Seitdem fungiert der ehemalige ''Malersalen'' ([[Malersaal]]) des Theaters als weitere Spielfläche. Der intime Raum, für den maximal 60 Zuschauer pro Vorstellung vorgesehen sind, hat sich zu einem wichtigen Forum für die norwegische und internationale Gegenwartsdramatik entwickelt. Auch Lyrikabende oder Autorenpräsentationen finden hier gelegentlich statt. Eher sporadisch zum Einsatz kommt die ''Bakscenen'' (Hinterbühne), die nur dann bespielt werden kann, wenn sie nicht als Lagerstätte für [[Kulisse (Bühne)|Kulissen]] und [[Requisite]]n in Zusammenhang mit materialaufwendigen Inszenierungen auf der Hauptbühne benötigt wird. === Torshovteatret === [[Datei:Torshov2.jpg|thumb|Torshovteatret in der Vogts gate]] Ebenfalls dem ''Nationaltheatret'' angeschlossen ist das 1977 gegründete ''Torshovteatret'', das sich in einem 1928 erbauten ehemaligen Bibliotheksgebäude in der ''Vogts gate'' befindet. Es entsprach dem Zeitgeist jener siebziger Jahre, ein reines Stadtteiltheater in den östlichen, kulturell eher unterversorgten Bezirken Oslos zu etablieren. Mit einem dezidiert volkstümlichen, dabei aber politisch keineswegs indifferenten Programm sollte dem Institutionstheater ein neues Publikum jenseits des [[Bildungsbürgertum]]s gewonnen werden. Den Schauspielern wiederum wurde ein größeres [[Mitbestimmungsrecht]] in allen Repertoirefragen zugestanden. Noch heute liegt die künstlerische Leitung in den Händen einer drei- bis vierköpfigen Schauspielergruppe, die über einen Zeitraum von zwei Jahren ein gemeinsames ästhetisches Konzept entwickelt und weitgehend selbständig über einen bestimmten Etat verfügt. Eröffnet wurde das ''Torshovteatret'' mit einem Drama über die Nöte alter Menschen im [[Wohlfahrtsstaat]], das sich als Kassenschlager entpuppte und nicht weniger als 63-mal vor ausverkauften Rängen lief. Ein ähnlich großer Erfolg war die kurz darauf im Frühjahr 1978 produzierte [[Farce (Theater)|Farce]] ''[[Bezahlt wird nicht!]]'' von [[Dario Fo]]. Seitdem haben die Vorstellungen auf der zirkusartigen, runden Bühne immer wieder zu künstlerischen und politischen Diskussionen provoziert. == Gegenwart == === Ziele und Perspektiven === Das ''Nationaltheatret'' hat sich das künstlerische Ziel gesetzt, ein führendes Theater in Europa zu werden und profiliert sich dabei nach wie vor unter anderem über das Ibsen-Festival und das ''Samtidsfestivalen''. Darüber hinaus ist das Theater in den letzten Jahren punktuelle Kooperationen mit den Nationalbühnen Dänemarks und Schwedens ([[Det Kongelige Teater]]; [[Königliches Dramatisches Theater|Kungliga Dramatiska Teatern]]) eingegangen. Unter der Federführung der staatlichen norwegischen [[Entwicklungshilfe]] arbeitete das ''Nationaltheatret'' zwischen 2002 und 2006 mit dem ''Carrefour International de Théâtre de Ouagadougou'' in Burkina Faso zusammen. Dieses Engagement nahm seinen Anfang in multikulturellen Inszenierungen des ''Torshovteatret'' und führte zur Entwicklung von gemeinsamen Produktionen in Afrika (unter anderem von ''Ein Volksfeind'', 2002), die anschließend nach Oslo eingeladen wurden. Der Schauspieler Issaka Sawadogo aus [[Ouagadougou]] war zeitweise festes Ensemblemitglied des ''Torshovteatret''. Weitere Kooperationen in Westafrika sind geplant. === Ensemble und Aufführungen === Am ''Nationaltheatret'' sind knapp 90 Schauspieler engagiert, die zu den besten des Landes gezählt werden und Erfolge teilweise auch mit nationalen und internationalen [[Film]]projekten erzielt haben. Dieses Ensemble erarbeitete 2008 insgesamt 771 Aufführungen, die von 212.000 Zuschauern gesehen wurden, was einer Sitzauslastung von 78 Prozent entsprach.<ref Name="Nationaltheatret 2008"> [http://www.nationaltheatret.no/Nationaltheateret/Om_oss/Arsmeldinger/filestore/rsmelding08.pdf Årsberetning 2008] </ref> Öffentlich bezuschusst wurde das Theater 2008 – bei Karteneinnahmen von 49,2 Millionen Kronen (circa 5,7 Millionen Euro) – mit einem Betrag von 135 Millionen Kronen (circa 15,8 Millionen Euro)<ref Name="Nationaltheatret 2008"></ref>. Mit privaten Firmen wie dem Finanzdienstleistungsunternehmen [[DnB NOR]] hat das Theater mehrjährige [[Sponsoring|Sponsorenverträge]] abgeschlossen. Intendantin des ''Nationaltheatret'' ist seit dem 1. Januar 2009 Hanne Tømta. == Intendanten == {|width="100%" align="center| |width="50% valign="top"| * 1899&ndash;1907 Bjørn Bjørnson * 1908&ndash;1911 Vilhelm Krag * 1911&ndash;1923 Halfdan Christensen * 1923&ndash;1927 Bjørn Bjørnson * 1928&ndash;1930 Einar Skavlan * 1930&ndash;1933 Halfdan Christensen * 1933&ndash;1934 Anton Rønneberg * 1934&ndash;1935 Johan Henrik Wiers-Jensen * 1935&ndash;1941 Axel Otto Normann * 1941&ndash;1945 Gustav Berg-Jæger * 1945&ndash;1946 Axel Otto Normann |width="50% valign="top"| * 1946&ndash;1960 Knut Hergel * 1960&ndash;1961 Carl Fredrik Engelstad * 1962&ndash;1967 Erik Kristen-Johanssen * 1967&ndash;1978 Arild Brinchmann * 1978&ndash;1986 Toralv Maurstad * 1986&ndash;1988 Kjetil Bang-Hansen * 1988&ndash;1990 Ellen Horn, Ole-Jørgen Nilsen und Sverre Rødahl * 1990&ndash;1992 Stein Winge * 1992&ndash;2000 Ellen Horn * 2000&ndash;2008 Eirik Stubø * seit 2009&nbsp; Hanne Tømta |- |} == Einzelnachweise == <references /> == Literatur == * Lise Lyche: ''Norges teaterhistorie''. Tell, Asker 1991, ISBN 82-7522-006-8. * Nils Johan Ringdal: ''Nationaltheatrets historie 1899–1999''. Gyldendal, Oslo 2000, ISBN 82-05-26482-1. * Anton Rønneberg: ''Nationaltheatret gjennom femti år''. Gyldendal, Oslo 1949. * Anton Rønneberg: ''Nationaltheatret 1949–1974''. Gyldendal, Oslo 1974, ISBN 82-05-06253-6. == Weblinks == * [http://www.nationaltheatret.no/ Website des Theaters] * [http://www.ibsenfestivalen.no/ Ibsenfestival 2008] {{Coordinate |NS=59/54/51.49/N |EW=10/44/3.3/E |type=landmark |region=NO}} {{Exzellent}} [[Kategorie:Theater (Norwegen)]] [[Kategorie:Theatergebäude]] [[Kategorie:Kultur (Oslo)]] [[da:Nationaltheatret]] [[en:National Theatre, Oslo]] [[et:Norra Rahvusteater]] [[ka:ნორვეგიის ეროვნული თეატრი]] [[nn:Nationaltheatret]] [[no:Nationaltheatret]] [[pt:Nationaltheatret]] [[ru:Норвежский национальный театр]] [[sv:Nationaltheatret]] cgn0gz7ruzdjiqai406hjvo3wli3hqn wikitext text/x-wiki Nauru 0 23981 26579 2010-04-28T21:59:20Z LinkFA-Bot 0 Bot: [[Template:Link GA|Link GA]] +pl {{Infobox Staat |NAME = <span style="font-size:1.4em">'''Ripublik Naoero'''</span> (nauru.)<br /> <span style="font-size:1.4em">'''Republic of Nauru'''</span> (engl.)<br /> Republik Nauru |BILD-FLAGGE = Flag of Nauru.svg |ARTIKEL-FLAGGE = Flagge Naurus |BILD-WAPPEN =Coat of arms of Nauru.svg |BILD-WAPPEN-BREITE = 120px |ARTIKEL-WAPPEN = Wappen Naurus |WAHLSPRUCH = ([[Englische Sprache|engl.]]): ''God’s Will First''<br /> „Gottes Wille zuerst“ |AMTSSPRACHE = [[Nauruische Sprache|Nauruisch]], [[Englische Sprache|Englisch]] |HAUPTSTADT = [[Yaren (Distrikt)|Yaren]] ''(inoffizielle Hauptstadt)''<sup>(1)</sup> |STAATSFORM = [[Parlamentarische Demokratie|Parlamentarische demokratische]] [[Republik]] |STAATSOBERHAUPT = Präsident [[Marcus Stephen]] |REGIERUNGSCHEF = |FLÄCHE = [[Größenordnung (Fläche)#10 km² bis 100 km²|21,30]] |EINWOHNER = 13.770 (Stand 2008) |BEV-DICHTE = 646,5 |WÄHRUNG = [[Australischer Dollar]] |UNABHÄNGIGKEIT = [[31. Januar]] [[1968]] |NATIONALHYMNE = ''[[Nauru Bwiema]]'' |ZEITZONE = [[Koordinierte Weltzeit|UTC]] + 12 |KFZ-KENNZEICHEN = NAU |INTERNET-TLD = .nr |TELEFON-VORWAHL = +674 |ANMERKUNGEN = <sup>(1)</sup> Eine offizielle Hauptstadt gibt es in Nauru nicht; die Regierungsbehörden sind im Distrikt [[Yaren (Distrikt)|Yaren]] angesiedelt. |BILD-LAGE = Nauru-Pos.png |BILD1 = Nauru-Hauptkarte.png }} '''Nauru''' {{Audio-IPA|en-us-Nauru.ogg|/nɑːˈuːruː/}} (''Ripublik Naoero,'' ''Republic of Nauru'') ist ein [[Inselstaat]] mit etwa 13.000 Einwohnern. Die [[Republik]] ist nach Fläche und Einwohnerzahl der drittkleinste [[Staat]] der Erde. Nauru liegt im [[Pazifischer Ozean|Pazifischen Ozean]] und besteht aus der gleichnamigen [[Korallen]]insel, die zur Inselwelt [[Mikronesien]]s gehört (nicht zu verwechseln mit dem Staat [[Föderierte Staaten von Mikronesien]]), sowie den zum Staat gehörenden [[Hoheitsgewässer]]n im Umkreis von 12 [[Seemeile]]n. Der Inselstaat grenzt im Westen an die Föderierten Staaten von Mikronesien, im Norden an den Inselstaat der [[Marshallinseln]], im Osten an den Inselstaat [[Kiribati]] und im Süden an den Inselstaat der [[Salomonen]]. Die Einwohner von Nauru konnten lange Zeit vom Abbau der reichen [[Phosphat]]bestände leben. Als diese zur Neige gingen, zeigte sich, dass der Staat und die meisten Bürger die Gewinne nicht zukunftssicher investiert hatten. Nauru, das zur Zeit des Phosphatabbaus noch das höchste [[Pro-Kopf-Einkommen]] weltweit vorweisen konnte, verarmte nach dem vollständigen Abbau der einzigen [[Ressource]] zunehmend. Regelmäßig bewegen sich die Staatsfinanzen daher am Rande des [[Bankrott]]s, konnten aber in den letzten Jahren durch vom [[Pacific Islands Forum]] koordinierte Unterstützungsmaßnahmen stabilisiert werden. Nauru war von Dezember 2005 bis September 2006 von der Außenwelt isoliert, da Air Nauru als einzige [[Fluggesellschaft]], die die [[Insel]] anfliegt, ihren Betrieb eingestellt hatte. Mittlerweile konnte die in [[Our Airline]] umbenannte Fluggesellschaft mit Hilfe [[Republik China|taiwanischer]] Finanzmittel ihren Betrieb wieder aufnehmen. == Etymologie == {{Quelle}} Die Herkunft des Wortes „Nauru“ ist nicht geklärt. Die [[Nauruer]] nannten ihre Insel früher wie heute „Naoero“. Der Deutsche [[Paul Hambruch]], der die Insel im Mai 1909 und von September bis November 1910 besuchte, gab die etymologische Erklärung, dass „Naoero“ als Kontraktion des Satzes „a-nuau-a-a-ororo“ interpretiert werden muss (würde heute „A nuaw ea arourõ“ geschrieben werden), was soviel wie „Ich gehe an den Strand“ bedeutet. Im ''Deutschen Koloniallexikon (1920)'' wurde dann auch Hambruchs Erklärung mit dem Wort „Anáoero“ übernommen. Der elsässische katholische Missionar [[Alois Kayser]], der mehr als 30 Jahre auf Nauru missionierte und die [[nauruische Sprache]] intensiv studierte, lehnte Hambruchs Erklärung ab, da im Nauruischen das Wort „Strand“, als Ziel eines Verbs der Bewegung, das richtungsweisende Wort „rodu“, was „abwärts“ heißt, benötige. Die Nauruer halten den Strand für den geografisch tiefsten Punkt der Insel – sowohl in Bezug auf das Land wie auf das Meer. Die Tatsache, dass „rodu“ in Hambruchs Worterklärung fehlt, macht seine Etymologie des Wortes „Naoero“ und damit auch von „Nauru“ unhaltbar. Die Insel hatte auch weitere Namen: Die englischen Kolonialisten vor 1888 nannten die Insel ''Pleasant Island'' oder ''Shank Island,'' die deutschen Kolonialherrscher ''Nawodo'' oder ''Onawero.'' Das Wort „Nauru“ wurde später aus „Naoero“ geschaffen, damit Europäer und Amerikaner den Namen der Insel richtig aussprechen können. == Geographie == [[Datei:Nauru-EEZ.gif|thumb|270px|Nauru: [[Ausschließliche Wirtschaftszone]]]] [[Datei:Nauru satellite.jpg|thumb|Satellitenaufnahme von Nauru (Quelle: [http://www.arm.gov/ ARM.gov])]] Die Insel liegt im westlichen [[Pazifik|pazifischen Ozean]] bei 0°&nbsp;32’ südlicher Breite und 166°&nbsp;55’ östlicher Länge. Die nächstgelegene Insel ist [[Banaba]] 290&nbsp;km weiter östlich, die zu [[Kiribati]] gehört und die eine ähnliche Bedeutung wegen reicher Phosphatlagerstätten hatte (die dritte bedeutende Phosphatinsel im Pazifik ist [[Makatea]] im [[Tuamotu-Archipel]]). Nauru hat eine [[Ausschließliche Wirtschaftszone]] mit einer Größe von 308.480&nbsp;km² (einschließlich der [[Hoheitsgewässer]] von rund 570&nbsp;km²), die an die entsprechende Zone von Kiribati im Osten (290&nbsp;km bis zur Insel Banaba) und von den [[Marshall-Inseln]] im Norden (600&nbsp;km bis zum Ebon-Atoll) grenzt. Weiter entfernte Nachbarn sind [[Föderierte Staaten von Mikronesien|Mikronesien]] ([[Kosrae]]) im Nordwesten, die [[Salomon-Inseln]] im Südwesten, [[Papua-Neuguinea]] ([[Bismarck-Archipel]]) im Westen und [[Tuvalu]] im Südosten. Nauru ist ein [[Atoll]] auf der Spitze eines unterirdischen erloschenen [[Vulkan]]s. Der riesige [[Korallen]]stock reicht etwa 2.000 Meter tief in das Meer und erhebt sich maximal etwa {{Höhe|60|link=true}}. Dieser höchste Punkt befindet sich im Osten [[Aiwo]]s entlang einer Plateaukante, die ''{{lang|en|Command Ridge}}'' genannt wird. Im Vergleich mit anderen Atollen hat Nauru eine sehr kleine [[Lagune]]. Einen Kilometer von der Küste entfernt beträgt die Meerestiefe bereits mehr als 1.000 Meter, und der Steilhang reicht bis auf den Meeresboden. Bis auf einen schmalen Küstenstreifen wurde der innere Teil der Insel von Phosphat ([[Nauruit]]) bedeckt, der sich aus den Exkrementen von Seevögeln bildete. Etwa 2&nbsp;km² der Insel sind bewaldet. [[Datei:Klima yaren.png|thumb|left|Klimadiagramm Yaren]] [[Datei:Klimadiagramm-deutsch-Nauru-Nauru.png|thumb|left|Klimadiagramm von Nauru]] [[Datei:Klima aiwo.png|thumb|Klimadiagramm Aiwo]] Aufgrund der Lage Naurus in unmittelbarer Nähe des [[Äquator]]s sind die Temperaturen ganzjährig ausgeglichen mit etwa 27,5&nbsp;[[Grad Celsius|°C]] monatlicher Durchschnittstemperatur. Die [[Passatwind]]e wehen das ganze Jahr Niederschläge zur Insel, die sich im Jahr auf durchschnittlich 1.900&nbsp;mm belaufen. Landwirtschaft wird durch das poröse Kalkgestein erheblich erschwert, da das Wasser sehr schnell versickert. Nauru ist von der globalen Erwärmung direkt betroffen, da die Insel bei weiterem drastischen Anstieg des Meeresspiegels im Ozean zu versinken droht. Die Regierung hat diesbezüglich bereits mehrmals bei der [[Vereinte Nationen|UNO]] die Dringlichkeit der Angelegenheit dargelegt und einige Treffen mit den [[Vereinigte Staaten|USA]] und anderen Industrienationen gefordert. === Flora und Fauna === Auf Nauru gibt es keine großen Tiere: Neben [[Insekten]] sind dort lediglich verschiedene Arten von Seevögeln wie zum Beispiel der [[Bindenfregattvogel]] beheimatet. Es kommt nur eine einzige [[Singvögel|Singvogelart]] vor, der [[Nauru-Rohrsänger]] ''(Acrocephalus rehsei),'' der hier [[Endemit|endemisch]] ist. Häufig anzutreffende streunende Haustiere wie [[Hauskatze|Katzen]], [[Haushund|Hunde]] und [[Hausschwein|Schweine]] wurden von der Bevölkerung aus dem Ausland eingeführt. Um die Insel verläuft ein breiter Flachwassersaum, der bei [[Ebbe]] abtrocknet und begehbar ist; hier lebt eine Vielfalt von Meerestieren wie [[Seeigel]], [[Mollusken]] und [[Krabben]], außerdem wachsen im davorliegenden flachen Wasser Korallen. Mit diesem Saum verbunden ist ein schmaler, wenige hundert Meter breiter Landstreifen mit schneeweißem Korallensand, auf dem [[Kokospalme]]n, [[Schraubenbäume]] und andere Hölzer gedeihen. Entlang der gesamten Küste, an der sich fast alle Gebäude der Insel befinden, verläuft die Hauptverkehrsstraße. Weiter landeinwärts erhebt sich eine zweite Hochterrasse, auf der die natürliche Landschaft noch weitgehend erhalten ist. Hier erstrecken sich lichte Wälder mit Kokospalmen, [[Feigen]]bäumen, [[Calophyllum inophyllum|Rosenholz]] (lokal ''Tomano'' genannt), [[Hibiskus]]. Andere Baumarten wie der [[Vogel-Kirsche|Kirschbaum]], der [[Mandel]]baum oder der [[Mango]]baum sind den intensiven Abholzungen und der Umweltzerstörung zum Opfer gefallen. Bemerkenswert ist im Inselinnern der Unterschied zwischen den inzwischen abgeminten Phosphatflächen und der noch einigermaßen erhaltenen natürlichen Landschaft. Während in tieferen Lagen sich eine etwas dichtere und niedrigere Vegetation zeigt, finden sich um die höchsten Punkte der Insel vermehrt Hartholzbäume. Diese Unterschiedlichkeit lässt sich durch das Fehlen eines Abflusses des Regenwassers in den Ozean erklären. Es versickert rasch in den porösen Kalk- und Phosphatboden, dessen Grund (und damit auch der [[Grundwasser]]spiegel) tief liegt. === Korallen === [[Datei:Staghorn coral in seagrass.jpg|thumb|Korallen]] An der Küste und unmittelbar davor leben eine große Anzahl Mollusken und Krebstiere sowie [[blaue Koralle]]n mit ihrem schimmernden blauen Kalkskelett. Diese gelten als [[lebende Fossilien]] und sind die einzigen Vertreter der Familie Helioporidae aus der Ordnung der [[Octocorallia]]. Sie sind selten und kommen nur in Meeresgebieten um den [[Äquator]] vor, in denen eine Wassertemperatur von 24&nbsp;°C nicht unterschritten wird. === Geologie === [[Datei:Karst following phosphate mining on Nauru.jpg|thumb|Karstlandschaft im Inneren Naurus, ein Relikt des Phosphatabbaus]] Der bemerkenswerteste Teil im Innern der Insel sind fantastisch anmutende [[Kalkstein]]zacken und -pyramiden, die sich in den ausgebeuteten Phosphorittagebauen gebildet haben. Sie sind vier bis zehn Meter hoch, und zwischen ihnen ist ein ganzes Labyrinth von Kesseln und tiefen Mulden entstanden. Der übrige Teil der Insel ist eine fast ebene Tafel. Das von Baggern abgebaute Phosphat wurde mit einer Schmalspurbahn abgefahren; eine eigentümliche, unbelebte Mondlandschaft blieb übrig. Die Steinzacken und -pyramiden haben keine Bodendecke und sind vegetationslos. Das [[Regenwasser]] läuft in den Mulden zusammen und versickert schnell durch den porösen Riffkalkstein. [[Geographie|Geographen]], [[Geomorphologie|Geomorphologen]] und [[Geologie|Geologen]] untersuchten Relief, Boden und geologischen Bau der Insel und leiteten daraus eine sehr abwechslungsreiche Entwicklungsgeschichte ab: Das Nauru-Atoll existiert bereits seit sehr langer Zeit. Das ringförmige Saumriff aus Korallen des [[Tertiär (Geologie)|Tertiärs]] ist bis heute erhalten geblieben. Im [[Paläogen]], dem Alttertiär, lag der Boden der [[Buada-Lagune|Lagune]] 60 Meter unter dem heutigen Meeresspiegel. Im [[Miozän]], einem Abschnitt des Jungtertiärs, wurde das Atoll stark angehoben, so dass der Boden der [[Buada-Lagune|Lagune]] zehn Meter höher lag als der heutige Meeresspiegel. Wahrscheinlich unterlag die Oberfläche der Insel in dieser Zeit einer starken [[Erosion (Geologie)|Erosion]], wodurch ein [[Karst]]relief geformt wurde. Dies sind die heutigen Steinzacken und -pyramiden, die den Tagebauen ein so seltsames Aussehen geben. Im Anschluss daran wurde die Insel überflutet, und es bildete sich eine Seichtwasserlagune. In den Mulden und anderen Hohlräumen zwischen den Zacken des Riffkalksteins setzten sich mit [[Phosphor]] angereicherte [[Sedimentation|Sedimente]] ab. Die Überflutung der Insel hielt längere Zeit an. Dabei erfuhren die Lagunensedimente beträchtliche Veränderungen, die möglicherweise dazu beitrugen, dass sich die in den Sedimenten enthaltenen [[Karbonat]]e auflösten und die Sedimente mit Phosphorverbindungen angereichert wurden. Danach trat eine längere Periode der Hebung der Insel ein, der Boden der früheren Lagune stieg aus dem Wasser empor, und Pflanzen begannen die Insel zu besiedeln. Gegenwärtig liegt der gesamte innere Teil der Insel zwanzig bis dreißig Meter über dem Meeresspiegel. Es ist nur eine kleine Vertiefung erhalten geblieben, die von einem See –&nbsp;der [[Buada-Lagune]]&nbsp;– eingenommen wird. Dieses Bild der geologischen Geschichte Naurus enthält zwei strittige Punkte: Etwas zweifelhaft ist die Erklärung, die für die Entstehung des eigenartigen Reliefs gegeben wird. Außer der Vermutung, dass es eine starke Verkarstung gegeben hat, dass also die Riffkalke gelöst worden sind, lässt sich noch eine andere Auffassung vertreten: Am Strand und im steinigen Flachwasser gibt es besonders an der [[Anibare|Ostseite der Insel]] recht viele als „Zeugen“ erhalten gebliebene kleine Steinsäulen. Sie sind merkwürdig geformt und haben sich infolge der Zerstörung des Riffmassivs durch die Meereswogen gebildet. Man kann sich vorstellen, dass der gesamte Seichtwasserteil der Inseloberfläche in Hebungsperioden einer intensiven Bearbeitung durch die Wellen unterworfen war. Dieser Raum war nicht geschützt, jedenfalls hat es in dem ringförmigen Riff sehr breite Durchlässe gegeben. Die weitere Hebung der Insel hat dann lediglich zur Folge gehabt, dass die vorausgegangene Ausspülung fortgesetzt wurde, wobei das [[Regenwasser]] die als Reste stehen gebliebenen Steinsäulen und Steinzacken geglättet hat. Der zweite strittige Punkt ist die Entstehung der [[Phosphorit]]e. In den Tagebauen und an Stellen, wo der so genannte [[Nauruit]] zutage tritt, kann man erkennen, dass die Schicht der Phosphoritsedimente kompliziert gebaut ist. Am typischsten ist das Bild zerstückelter Trümmer von unterschiedlicher Größe: teilweise Krusten und Schollen von einem Meter Durchmesser, zumeist kleinere kantige Trümmerstücke, seltener abgeschliffene Phosphoritnieren, die mit Feinerde vermischt sind. Dieses ganze Material ist nicht sortiert und sehr verschiedenartig. Demnach ist die ursprüngliche Anhäufung von Phosphorit, der sich gewöhnlich in Flachwasser nach dem Tod großer [[Plankton]]massen bildet, bei starker Erosion und mehrfacher Umlagerung, wiederholt umgeformt worden. In der komplizierten und langen Geschichte der Insel hat es zweifellos auch Perioden gegeben, in denen starke [[Taifun]]e über sie hinweg zogen. Dann erfolgten eine sehr intensive Auswaschung und Umlagerung des Trümmermaterials. Derartige katastrophale Veränderungen sind auch von heutigen Atollen beschrieben worden. In jedem Fall wird dann darauf hingewiesen, dass auf der Insel und im Flachwasser an der Küste riesige Massen von Trümmermaterial umgelagert und umgeformt worden sind. Dabei wurde die Feinerde auf die offene See hinausgetragen, während die größeren Stücke, vorwiegend Phosphoritknollen und Bruchstücke der durch Tropfen entstandenen Krusten, auf der Insel blieben. Geröll und Bruchstücke wurden in den Hohlformen des Reliefs festgehalten, und in einem verkarsteten Relief füllten sie vor allem die Mulden und Taschen zwischen den Zacken und Pyramiden aus Riffkalk. Zur Entstehung des Phosphatgesteins existiert noch eine andere Version, die als wahrscheinlicher angesehen wird: In dem leicht löslichen, der Verwitterung ausgesetzten Kalkgestein bildeten sich an der Oberfläche tiefe Trichter und spitze Kegel, ideale Nistplätze für Seevögel. Im Laufe von Hunderttausenden von Jahren häuften sich die Exkremente von Millionen und Abermillionen von Seevögeln in den Trichtern und bedeckten schließlich fast die gesamte Insel meterhoch. Der [[Guano]], wie die Ablagerungen von Vogelexkrementen genannt werden, wandelte sich mit der Zeit unter dem Einfluss der Witterung zu [[Calciumphosphat]] von höchster Reinheit um. Das Gestein enthielt teilweise über 90 % reines Phosphat. == Bevölkerung == [[Datei:NRU-PopPyr.png|thumb|Bevölkerungspyramide in Nauru (2005)]] Die 13.287 Bewohner (2006) Naurus setzen sich zu 69 % aus [[Nauruer]]n, 13 % [[Kiribatier]]n, 9 % [[Tuvaluer]]n, 2,5 % Filipinos und 2 % [[Chinesen]] zusammen (% Zählung 1992). Seitdem dürfte die Bevölkerungszahl kaum gestiegen sein (Britannica: 10200 für 2005), da aufgrund o.g. Bedingungen die Ausländer abwandern. Die durchschnittliche [[Lebenserwartung]] ist mit 63.81 Jahren (Männer 60,2, Frauen 67,6 Jahre) relativ niedrig. Ein Grund dafür ist die hohe Verbreitung von [[Diabetes mellitus|Diabetes]]. 2003 waren 30,2 % der Erwachsenen an Diabetes erkrankt. Damit ist Nauru weltweit das Land mit dem höchsten Anteil an Diabeteskranken. Das jährliche Bevölkerungswachstum liegt bei 1,87 %; 38,2 % der Bevölkerung sind unter 14 Jahre alt, 60 % zwischen 15 und 64 Jahre und 1,9 % älter als 64. Die Kindersterblichkeit liegt bei 1,014 %. Die Fruchtbarkeitsquote beträgt 3,61 Geburten pro Frau. Die Geburtenrate liegt bei 2,73 %, die Sterberate bei 0,72 % pro Jahr. Die [[Urbanisierung]] liegt bei 48 %, die [[Alphabetisierungsquote]] bei über 99 %, die mit Abstand höchste Quote in [[Ozeanien]] und auch weltweit eine der höchsten, was der Investition der Regierung in die Erziehung zu verdanken ist. Auf einen Arzt kommen etwa 700 Einwohner. === Religion === In Nauru leben heute überwiegend [[Christentum|Christen]]. Die meisten [[Nauruer]] sind [[Protestanten]] (insgesamt 57 %). 44 % der Bevölkerung sind unabhängige Christen, deren Gemeinde die ''Nauru Congregational Church'' ist. Diese hat ihre Hauptkirche in [[Aiwo]] und Kapellen in [[Meneng]], [[Buada]], [[Anabar (Distrikt)|Anabar]] und [[Nibok]]. Die übrigen 13 % der Protestanten sind evangelisch. Etwa 24 % der Einwohner Naurus sind [[Römisch-katholische Kirche|Katholiken]]. Diese besitzen in [[Yaren (Distrikt)|Yaren]] eine Kirche und eine Schule sowie in [[Ewa (Distrikt)|Ewa]] das [[Kayser College]]. Jeweils 5 % der Bewohner sind [[Buddhismus|Buddhisten]] und [[Taoismus|Taoisten]]; 2 % gehören der [[Bahai|Bahai-Religion]] an. Noch etwa 7 % der Menschen auf Nauru sind Gläubige der ursprünglichen einheimischen Religion, dies vor allem als Reaktion auf die vielen westlichen Einflüsse im nauruischen Lebensstil und die Dominanz des [[Christentum]]s. Diese Religion ist ein [[Monotheismus|monotheistisches]] Glaubenssystem, das eine weibliche Gottheit namens [[Eijebong]] und eine Insel der Geister namens [[Buitani]] kennt. Gläubige sagen, dass der Himmel und der [[Ozean]] von einer Spinne namens [[Areop-Enap]] erschaffen wurden und dass die ersten Bewohner der Insel Nauru aus zwei Felsen zur Welt gebracht wurden. Deshalb ist übrigens auch das Flaggentuch der [[Flagge Naurus]] in zwei gleich große Teile geteilt. [[Liste nauruischer Persönlichkeiten#Gestalten der nauruischen Mythologie|Weitere Figuren der nauruischen Mythologie]] === Gesundheitliche Probleme === Die Menschen auf Nauru essen gerne – vor allem viel und fettig. Diese Esskultur spiegelt sich im Erscheinungsbild der Bevölkerung wider. 80 % der männlichen Einwohner hatten 2007 einen [[Body-Mass-Index|BMI]] von über 30 und gelten somit als fettleibig<ref>International Obesit Taskforce, London, Januar 2007</ref>. Auf Nauru leben einige der dicksten Menschen der Welt. Mit Fettleibigkeit hat beinahe der gesamte Pazifikraum zu kämpfen, wobei in diesem Kulturkreis Übergewicht allerdings kaum als Problem gesehen wird. Dicke Menschen gelten hier als sehr angesehen, eine hohe körperliche Fülle steht als Zeichen für Reichtum. Bemerkenswert ist auch die enorm hohe Rate der [[Diabetes mellitus|Diabetespatienten]]: je nach Altersgruppe ist jeder zweite oder dritte Nauruer zuckerkrank. Die Gründe dafür liegen in der [[Selektion (Evolution)|Selektion]]. Menschen mit Gengruppen, die (a) die Fettanlagerung verbesserten und (b) die Effizienz der Nahrungsverwertung steigerten, hatten bei Hungersnöten eine größere Überlebenschance als diejenigen Menschen, die solche Gene nicht besaßen. Bei jeder Hungersnot stieg daher der Anteil der Bevölkerung mit derartigen Genen. Der Anteil der Bewohner, die nicht mit diesen Genen ausgestattet waren, sank hingegen stetig. Heute besteht die Bevölkerung also überwiegend aus Menschen, die genetisch an Hungersnöte angepasst sind. Durch das Einkommen aus den Schürfrechten für die Phosphatvorkommen der Insel leben viele Menschen heute im Überfluss, ihre Gene jedoch bewirken noch immer die hohe Fettanlagerung und dadurch bedingt schon in frühen Jahren Altersdiabetes. Der erste Diabetesfall datiert von 1925. Heute hat Nauru prozentual gesehen den weltweit höchsten Anteil an Diabetikern in seiner Bevölkerung. == Geschichte == → ''Hauptartikel: [[Geschichte Naurus]]'' In Nauru lebten ursprünglich zwölf Stämme: die ''Deiboe,'' ''Eamwidamit,'' ''Eamwidara,'' ''Eamwit,'' ''Eamgum,'' ''Eano,'' ''Emeo,'' ''Eoraru,'' ''Irutsi,'' ''Iruwa,'' ''Iwi'' und ''Ranibok.'' Sie sind heute im zwölfzackigen [[Stern]] der [[Flagge Naurus|Staatsflagge]] verewigt, ihre Nachkommen leben noch immer auf Nauru, ordnen sich aber nicht mehr dem Stamm zu, sondern dem Distrikt, in dem sie wohnen. Eine Besonderheit ist der Stamm Iruwa, der ursprünglich von den [[Gilbertinseln]] stammt, also nicht ursprünglich nauruisch ist. Weitere Ausnahmen bilden die Stämme Irutsi und Iwi, von denen es keine Nachkommen gibt. Sie sind vermutlich ausgestorben, als 1942 etwa 1200 Nauruer von den [[japan]]ischen Besetzern als Zwangsarbeiter auf die mikronesische Insel [[Truk]] verschleppt wurden, von denen nur 737 nach Nauru zurückkehrten. Dass dabei ausgerechnet diese zwei Stämme ausstarben, ist Zufall. Nach einem 1886 zwischen Deutschland und Großbritannien geschlossenen Abkommen über die Einflusssphären im Westpazifik wurde die Insel 1888 von [[Deutsches Kaiserreich|Deutschland]] annektiert, angeblich zum Schutze der deutschen Seefahrer. Nachdem 1900 die riesigen Phosphatvorkommen entdeckt worden waren, beteiligte sich Deutschland am Abbau. Nach dem [[Erster Weltkrieg|Ersten Weltkrieg]] ging das Land an [[Australien]], [[Vereinigtes Königreich|Großbritannien]] und [[Neuseeland]]. Das Phosphat wurde seitdem von Australien abgebaut und verkauft, den einheimischen Nauruern blieb nur ein geringer Anteil am Ertrag. [[Datei:NRU-Gadabu-DeRoburt-1968.jpg|thumb|[[Hammer DeRoburt]] (Mitte) mit [[Raymond Gadabu]] (links)]] 1968 erlangte Nauru unter Führung von Oberhäuptling [[Hammer DeRoburt]] die Unabhängigkeit von Australien und die [[völkerrecht]]liche [[Souveränität]] als [[Republik]]. 1970 wurde die australische Phosphatabbaugesellschaft verstaatlicht, und Nauru baute die Phosphate selbst ab. Dadurch wurde es (pro Kopf gerechnet) zum zweitreichsten Staat der Welt. Die immensen Gewinne wurden einerseits der nauruischen Bevölkerung zur freien Verfügung gestellt, andererseits in verschiedene Geschäfte investiert, so zum Beispiel in eine eigene [[Fluggesellschaft]] und eine [[Reederei]], aber auch in ein erfolgloses [[Musical]] in London. Seit den 1990er Jahren nahm der Phosphatabbau ab, und Armut begann sich auszubreiten. Korrupte Finanzgeschäfte und Fehlinvestitionen ließen Nauru auf den Stand eines [[Entwicklungsland]]es zurückfallen. Politisch gipfelte die Krise in den Jahren 2003 und 2004, als sich die Präsidenten [[Bernard Dowiyogo]], [[René Harris]] und [[Ludwig Scotty]] alle paar Monate durch [[Misstrauensvotum|Misstrauensvoten]] abwechselten. Am 1. Oktober 2004 löste der damals amtierende Präsident Scotty das [[Nauruisches Parlament|nauruische Parlament]] auf und setzte Neuwahlen für den 23. Oktober 2004 fest. Jene Wahlen konnten Scotty und seine Gefolgschaft deutlich für sich entscheiden und erreichten eine historische Mehrheit im Parlament von 16 der insgesamt 18 Sitze. Im Januar 2005 wurde Nauru als potenzieller Standort für die [[Endlagerung]] von australischem [[Atommüll]] genannt. Im Oktober 2005 wurde der Inselstaat von der [[NCCT|Schwarzen Liste unkooperativer Staaten]] in Bezug auf [[Geldwäscherei]] der [[FATF]] gestrichen. Im Juli 2007 zog Scotty die für Oktober angesetzten Wahlen um zwei Monate vor. Am 25. August 2007 wählte das nauruische Volk ein neues Parlament; es ergab sich für Scotty ein haushoher Wahlsieg. Drei Tage später wurde Scotty vom neuen Parlament im Amt bestätigt. Am 10. November 2007 traten drei Minister der Scotty-Regierung zurück nach einem Zerwürfnis mit Außenminister [[David Adeang]]. Er und Präsident Scotty wurden kritisiert, das Reformprogramm zu untergraben und nicht genügend voranzutreiben. Am 19. Dezember 2007 wurde Scotty schließlich per [[Misstrauensvotum]] von 10 zu 7 Stimmen vom Parlament abgesetzt und durch [[Marcus Stephen]] ersetzt, der sogleich ein neues Kabinett ernannte. Nach fortwährenden Machtkämpfen zwischen der Regierung von Stephen und der Opposition um Adeang löste Präsident Stephen im [[April 2008]] das Parlament auf und setzte erneut Wahlen für den 26. April an. <ref> [http://www.nzz.ch/nachrichten/kultur/aktuell/notstand_auf_der_suedsee-insel_nauru_ausgerufen_1.713420.html Notstand auf der Südsee-Insel Nauru ausgerufen], [[NZZ]] Online (18. April 2008)</ref> Die Regierung um Stephen konnte bei den Wahlen um drei Sitze zulegen und verfügt nun über eine solide Mehrheit im Parlament, wodurch die Krise beendet werden konnte. == Politik == Nauru ist eine [[Parlamentarische Demokratie|parlamentarisch-demokratische]] [[Republik]]. === Politisches System === [[Datei:NRU-Gewalten.png|miniatur|Nauruische Gewaltenteilung]] Das politische System besteht aus: * dem Kabinett (''Cabinet,'' Präsident und Minister; oberstes Glied der [[Exekutive]]) ** [[Marcus Stephen]] (Staatspräsident; Ministerium für Inneres, Öffentlichkeitsdienste und Phosphatgewinnverwaltung) ** [[Kieren Keke]] (Ministerium für Äußeres, Verkehr und Telekommunikation) ** [[Frederick Pitcher]] (Ministerium für Finanzen und Wirtschaftsplanung) ** [[Fabian Ribauw]] (Ministerium für Handel und Industrie) ** [[Roland Kun]] (Ministerium für Justiz, Erziehung und Fischerei) ** [[Matthew Batsiua]] (Ministerium für Gesundheit und Sport) * dem Staatssekretär ''(Chief Secretary)'' ** Staatssekretärin im Amt: [[Camilla Solomon]] * dem [[Nauruisches Parlament|Parlament]] (''Parliament,'' ''the House;'' oberstes Glied der [[Legislative]]) * einem Parlamentssprecher und dessen Stellvertreter ''(Speaker/Deputy Speaker)'' ** Parlamentssprecher im Amt: [[Valdon Dowiyogo]] * einem Parlamentssekretär ''(Clerk)'' ** Parlamentssekretär im Amt: [[Helen Bogdan]] (Australien) * einem Staatsrichter (''Chief Justice;'' oberstes Glied der [[Judikative]]) ** Staatsrichter im Amt: [[Barry Connell]] * weiteren Richtern ''(Court Judges)'' * dem Obersten Gericht ''(Supreme Court)'' Das aus 18 Abgeordneten in einer Kammer bestehende [[Nauruisches Parlament|Nauruische Parlament]], in Nauru auch ''House'' genannt, wird in der Regel alle drei Jahre gewählt. Es wählt aus seiner Mitte einen [[Präsident]]en, der üblicherweise nach den nationalen Parlamentswahlen von den neugewählten Parlamentsabgeordneten mit einer relativen Mehrheit gewählt wird. Der Präsident benennt danach meistens aus Parteigenossen im Parlament sein Kabinett, das aus fünf bis sechs Ministern besteht. Der Präsident ist gleichzeitig Staats- und Regierungschef. === Parteien === Es gibt ein kleines Mehrparteiensystem. Die zwei formellen Parteien sind die Oppositionspartei ''Naoero Amo'' und die ebenfalls opponierende ''Democratic Party of Nauru.'' Außerdem existiert eine konservative, jedoch informelle Partei, die ''Centre Party.'' Beide Oppositionsparteien wurden gegründet, um die Rolle des [[Nauruisches Parlament|Parlaments]] zu stärken und um die Macht der früheren Präsidenten, denen oft Korruption nachgesagt wird, einzudämmen. Heute spielt vor allem die ''Naoero Amo'' eine bedeutende Rolle, während die DPN und die CP nur wenig politische Macht haben. * [[Naoero Amo]], ''Nauru First Party;'' christlich-liberal (formal) * [[Demokratische Partei Nauru]], ''Democratic Party'' (formal; ehemalige informelle ''Nauru Party'') * [[Nauruische Zentrumspartei]], ''Centre Party;'' christlich-konservativ (informal) === Präsidenten seit der Unabhängigkeit === {| class="wikitable" |- !rowspan=2| Name!!colspan=3| Daten der<br />Präsidentschaft |- ! Beginn!! Ende!! Beendigungsgrund |- | [[Hammer DeRoburt]] || 31. Januar 1968 || 22. Dezember 1976 || Abwahl |- | [[Bernard Dowiyogo]] || 22. Dezember 1976 || 19. April 1978 || Rücktritt |- | [[Lagumot Harris]] || 19. April 1978 || 15. Mai 1978 || Misstrauensvotum |- | [[Hammer DeRoburt]] || 15. Mai 1978 || 17. September 1986 || Misstrauensvotum |- | [[Kennan Adeang]] || 17. September 1986 || 1. Oktober 1986 || Misstrauensvotum |- | [[Hammer DeRoburt]] || 1. Oktober 1986 || Dezember 1986 || Misstrauensvotum |- | [[Kennan Adeang]] || Dezember 1986 || Dezember 1986 || Misstrauensvotum |- | [[Hammer DeRoburt]] || Dezember 1986 || 17. August 1989 || Misstrauensvotum |- | [[Kenos Aroi]] || 17. August 1989 || 12. Dezember 1989 || Rücktritt |- | [[Bernard Dowiyogo]] || 12. Dezember 1989 || 22. November 1995 || Abwahl |- | [[Lagumot Harris]] || 22. November 1995 || 11. November 1996 || Misstrauensvotum |- | [[Bernard Dowiyogo]] || 11. November 1996 || 26. November 1996 || Misstrauensvotum |- | [[Kennan Adeang]] || 26. November 1996 || 19. Dezember 1996 || Misstrauensvotum |- | [[Ruben Kun]] || 19. Dezember 1996 || 13. Februar 1997 || Abwahl |- | [[Kinza Clodumar]] || 13. Februar 1997 || 18. Juni 1998 || Misstrauensvotum |- | [[Bernard Dowiyogo]] || 18. Juni 1998 || 27. April 1999 || Abwahl |- | [[René Harris]] || 27. April 1999 || 20. April 2000 || Abwahl |- | [[Bernard Dowiyogo]] || 20. April 2000 || 30. März 2001 || Misstrauensvotum |- | [[René Harris]] || 30. März 2001 || 9. Januar 2003 || Misstrauensvotum |- | [[Bernard Dowiyogo]] || 9. Januar 2003 || 17. Januar 2003 || Misstrauensvotum |- | [[René Harris]] || 17. Januar 2003 || 18. Januar 2003 || Misstrauensvotum |- | [[Bernard Dowiyogo]] || 18. Januar 2003 || 10. März 2003 || Tod |- | [[Derog Gioura]] || 10. März 2003 || 29. Mai 2003 || Abwahl |- | [[Ludwig Scotty]] || 29. Mai 2003 || 8. August 2003 || Misstrauensvotum |- | [[René Harris]] || 8. August 2003 || 22. Juni 2004 || Misstrauensvotum |- | [[Ludwig Scotty]] || 22. Juni 2004 || 19. Dezember 2007 || Misstrauensvotum |- | [[Marcus Stephen]] || 19. Dezember 2007 || || |} Die offizielle Präsidialresidenz war früher die ''Bush Lodge'' in [[Aiwo]] oberhalb der Verladekräne. Das Gebäude wurde 2001 bei Demonstrationen gegen den damaligen Präsidenten [[René Harris]] und seine verschwenderische Finanz- und Flüchtlingspolitik niedergebrannt. In [[Meneng]] befindet sich auf dem Gelände einer weiteren ehemaligen Präsidialresidenz das heutige Flüchtlingslager ''State House'' als Hauptbestandteil des ''[[Nauru Detention Centre]].'' === Rechtssystem === Das nauruische Recht basiert auf dem englischen [[Common Law]] und auf Beschlüssen des [[Nauruisches Parlament|nauruischen Parlaments]]. Entscheidungen werden durch das Oberste Gericht getroffen. Vorsitzender des Obersten Gerichts ''(Supreme Court)'' ist der Staatsrichter ''(Chief Justice),'' der vom Präsidenten ernannt wird. Rekurse gegen Urteile des Obersten Gerichts gehen an das Anhörungsgericht ''(Appellate Court),'' das aus zwei Richtern besteht. Solche Rekurse sind jedoch relativ selten. Das Parlament kann keine gerichtlichen Entscheide revidieren. Dem Amtsgericht ''(District Court)'' sitzt ein Residentrichter ''(Resident Magistrate)'' vor, der auch der Standesbeamte des Obersten Gerichtes ist. Das Familiengericht ''(Family Court)'' wird auch vom Residentrichter als Vorsitzender eines [[Triumvirat]]s präsidiert. Die Verfassung sieht noch zwei weitere Quasigerichte vor, den Anhörungshof des öffentlichen Dienstes ''(Public Service Appeal Board)'' und den Anhörungshof der Polizei ''(Police Appeal Board).'' Beide werden vom Staatsrichter als Vorsitzender eines Gremiums mit zwei Mitgliedern jedes Hofes präsidiert. === Militär === Nauru besitzt keine [[militär]]ischen Verteidigungskräfte; aufgrund eines informellen Abkommens ist [[Australien]] für die Verteidigung der Insel verantwortlich. Dennoch sind über 3.000 [[Nauruer]] für eine [[Rekrut]]ierung verfügbar und etwas weniger als 2.000 davon sind gesundheitlich für militärische Einsätze geeignet. Naurus innere Sicherheit ist durch eine kleine [[Polizei]]einrichtung unter bürgerlicher Kontrolle gewährleistet. Die schwersten vorherrschenden Gesetzesbrüche sind Autoraserei, [[Fahrraddiebstahl]], [[Hausfriedensbruch]] und Unruhestiftung. === Außenpolitik === Die Republik Nauru unterhält zurzeit engere diplomatische Beziehungen mit [[Australien]], [[Fidschi]], [[Vereinigtes Königreich|Großbritannien]], [[Indien]], [[Japan]], [[Kuba]], [[Neuseeland]], den [[Philippinen]], [[Südkorea]], [[Republik China|Taiwan]], [[Thailand]] und den [[Vereinigte Staaten|USA]]. <small>([http://www.un.int/nauru/foreignaffairs.html Vollständige Liste])</small> Im August 1995 stellte Nauru zusammen mit [[Kiribati]] nach französischen [[Kernwaffentest|Atomtests]] im Pazifik die diplomatischen Beziehungen zu [[Frankreich]] ein. Ende 1997 nahm Nauru die diplomatischen Beziehungen mit Frankreich wieder vollständig auf. Anlässlich eines Staatsbesuch von [[Jacques Chirac]] in [[Französisch-Polynesien]] im Juli 2003 wurden diese Beziehungen durch ein kurzes Treffen Chiracs mit Präsident [[Ludwig Scotty]] nochmals gestärkt. Am 21. Juli 2002 brach Nauru, das bislang Taiwan offiziell anerkannt hatte, seine diplomatischen Beziehungen mit [[Taipeh]] ab und stellte sich auf die Seite der [[Volksrepublik China]]. Der damalige Präsident [[René Harris]] unterzeichnete in [[Hongkong]] eine gemeinsame Erklärung mit Chinas damaligem Vizeaußenminister [[Zhou Wenzhong]]. Nauru erhielt dafür von China finanzielle Unterstützung in zweistelliger [[Million]]enhöhe. Mit dem Schwenk Naurus sank die Zahl der Staaten, die Taiwan offiziell anerkannten, auf 27. Im Jahre 2003 erklärte sich China bereit, nauruische Schulden (Kauf einer [[Boeing 737]]) bei der [[Export-Import Bank of the United States]] in Höhe von 2,7 Mio. Dollar zu zahlen. Am 4. März 2004 unterzeichneten der nauruische [[Vereinte Nationen|UN]]-Botschafter [[Vinci Clodumar]] und der [[Island|isländische]] Vertreter [[Hjálmar Hannesson]] ein Abkommen über die Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen Nauru und Island. Nauru erhofft sich von Island Hilfe beim Aufbau einer eigenen Fischereiindustrie. Im März 2005 sprach sich der amtierende chinesische Vize-Außenminister [[Yang Jiechi]] nach einem Treffen mit Präsident Scotty für weitergehende diplomatische Beziehungen zwischen China und Nauru aus. Gleichzeitig erklärte Scotty, Nauru unterstütze das chinesische Programm, Taiwan mit China wieder zusammenzuschließen. Am 9. Mai 2005 jedoch trafen sich Scotty und der taiwanische Präsident [[Chen Shui-bian]] kurz in [[Majuro]], worauf am 14. Mai offiziell die diplomatischen Beziehungen zwischen Nauru und Taiwan wiederaufgenommen wurden. Scotty begründete die Entscheidung damit, dass der damalige Abbruch der Beziehungen mit Taiwan durch René Harris falsch war und er stets dagegen war. Es ist aber zu vermuten, dass wieder zu Taiwan gewechselt wurde, weil China sein Versprechen, die Schulden für das Boeing-Flugzeug zu bezahlen, niemals eingelöst hatte. Zudem versprach Taiwan, [[Entwicklungshilfe]] in den Bereichen [[Erziehung]], [[Landwirtschaft]], [[Fischerei]] und [[Tourismus]] zu leisten. Im Gegenzug wird Taiwan von Nauru bei Beitrittsgesuchen in internationale Organisationen wie die [[Weltgesundheitsorganisation|WHO]] und die [[Vereinte Nationen|UNO]] unterstützt. Am 21. Januar 2006 wurde ein nauruisches [[Generalkonsulat]] in [[Bangkok]] (Thailand) eröffnet, ein Jahr nach der Aufnahme von diplomatischen Beziehungen zwischen beiden Ländern im Januar 2005. Nauru hat zurzeit als einziger [[Ozeanien|ozeanischer]] Staat neben Australien und Neuseeland eine diplomatische Vertretung in Thailand. Der Eröffnungszeremonie wohnten die jeweiligen Außenminister [[David Adeang]] und [[Kantathi Suphamongkhon]] bei. Wenige Tage zuvor hatte ein thailändisches Unternehmen einen Vertrag mit der [[Nauruische Phosphatgesellschaft|nauruischen Phosphatgesellschaft]] über den wiederaufgenommenen Phosphatabbau unterzeichnet. Im Oktober 2007 errichtete Nauru zusammen mit Kuba eine gemeinsame Regierungskommission zur Förderung der wirtschaftlichen Zusammenarbeit und der allgemeinen bilateralen Beziehungen der beiden Länder. Im Dezember 2009 erkannte Nauru als viertes Land der Erde – nach [[Russland]], [[Nicaragua]] und [[Venezuela]] – die Unabhängigkeit der abtrünnigen [[Georgien|georgischen]] Regionen [[Abchasien]] und [[Südossetien]] an. Naurus Außenminister [[Kieren Keke]] besuchte die südossetische Hauptstadt [[Zchinwali]]. Medienberichten zufolge sicherte Russland Nauru Entwicklungshilfe in Höhe von 50 Millionen US-Dollar zu.<ref>{{Internetquelle|titel=Nauru recognises South Ossetia and Abkhazia|Datum=2009-12-15|url=http://www.telegraph.co.uk/news/worldnews/australiaandthepacific/nauru/6813915/Nauru-recognises-South-Ossetia-and-Abkhazia.html|werk=Telegraph.co.uk|zugriff=2009-12-15|sprache=en}}</ref> Nauru hat sowohl [[Abchasien]] als auch das [[Kosovo]] anerkannt. Es ist das einzige Land, das beide Länder anerkennt. ==== Deutschland ==== [[Deutschland]] unterhält seit dem 20. September 1984 offizielle diplomatische Beziehungen mit Nauru. Auf Grund der großen Entfernung und der geringen Größe Naurus sind diese jedoch nicht intensiv. Deutschland besitzt daher keine eigene Botschaft in Nauru; für Nauru zuständig ist die deutsche Botschaft in Australien. Deutsche [[Missionar]]e sind deshalb weiterhin die einzigen Träger deutscher [[Kultur]], die auf Dauer in Nauru wirken. Sie haben sich durch ihre Bemühungen um den Erhalt und die Fixierung der nauruischen Sprache besondere Verdienste erworben. Deutschland zahlte an Nauru im Rahmen eines Programms der [[Europäische Union|Europäischen Union]] bis zum Jahr 2007 Entwicklungshilfe in einer Größenordnung von 2,7 Mio. €. ==== Österreich ==== Die Republik [[Österreich]] steht in diplomatischem Kontakt mit Nauru und unterschrieb 1980 in [[London]] einen bilateralen Staatsvertrag zur Rechtshilfe in Zivil- und Handelssachen, der seit dem 1. Februar 1981 in Kraft ist. Die weiteren diplomatischen Beziehungen zwischen den beiden Republiken sind jedoch gering. Österreich hat keinen Botschafter nach Nauru entsandt; die österreichische Botschaft in [[Canberra]] ist für Nauru zuständig. ==== Schweiz ==== Die [[Schweiz]] hat Nauru erst im Jahr 2001 völkerrechtlich anerkannt und der Aufbau von diplomatischen Beziehungen ist gegenwärtig im Gang. Die Schweiz unterhält keine diplomatische Vertretung, da auch kein Schweizer Staatsbürger einen permanenten Wohnsitz in Nauru hat. Nicht zuletzt deshalb fehlen auch engere politische, wirtschaftliche, kommerzielle und kulturelle Beziehungen. Für Nauru zuständig ist die Botschaft in Canberra. === Mitgliedschaft in internationalen Organisationen === Nauru ist Mitglied der folgenden Organisationen: [[AKP-Staaten]], [[Asiatische Entwicklungsbank]], [[Commonwealth]], [[International Civil Aviation Organization|ICAO]], [[Internationaler Strafgerichtshof]], [[Interpol]], [[Internationale Fernmeldeunion]], [[Internationales Übereinkommen zur Regelung des Walfangs|Internationale Walfangkommission]], [[Organisation für das Verbot chemischer Waffen]], [[Pacific Islands Forum]], [[Pacific Community]], [[Vereinte Nationen]], [[UNESCO]], [[Weltpostverein]], [[Weltgesundheitsorganisation]]. === Wahlsystem === Nauru hat ein Prioritätswahlsystem, bei dem die Wähler die Kandidaten ihres Wahlkreises in der Reihenfolge ihrer Priorität wählen. Eine Erstprioritätsstimme zählt eine ganze Stimme, eine Zweitprioritätsstimme zählt eine halbe Stimme, eine Drittprioritätsstimme zählt eine Drittel-Stimme. Gibt es in einem Wahlkreis beispielsweise 21 Kandidaten, so zählt die letzte Stimme ein Einundzwanzigstel. Wählen kann jede Person, die die nauruische Staatsbürgerschaft besitzt und am Wahltag 20 Jahre oder älter ist. Um sich als Kandidat aufstellen zu lassen, muss man die erwähnten Bedingungen erfüllen und seine Nominierung mit seiner Unterschrift sowie den Unterschriften zweier oder mehrerer Wähler seines Distrikts spätestens 14 Tage vor dem Wahltag einreichen. === Wahlkreise === [[Datei:Nauru-Wahlkreise.png|thumb|Die nauruischen Wahlkreise]] → ''Hauptartikel: [[Administrative Gliederung Naurus]]'' {| | valign="top" width="50%" | * [[Aiwo]] * [[Anabar (Wahlkreis)|Anabar]] * [[Anetan]] * [[Boe (Distrikt)|Boe]] | valign="top" | * [[Buada]] * [[Meneng]] * [[Ubenide]] * [[Yaren (Distrikt)|Yaren]] |} === Wahlen Mai 2003 === Die nationalen [[Parlament]]swahlen 2003 hatten am 3. Mai 2003 stattgefunden. Sie wurden aufgrund des plötzlichen Todes des damals amtierenden Präsidenten [[Bernard Dowiyogo]] vorgezogen. 3 der 18 Parlamentssitze gingen an die [[Naoero Amo|Naoero-Amo]]-Partei, die restlichen 15 Gewählten waren parteilos. Für die Präsidentschaftswahl gab es drei Kandidaten: [[Ludwig Scotty]], [[Kinza Clodumar]] und [[Derog Gioura]], der Interimspräsident. Nach dem ersten Wahlgang hatte jeder Kandidat sechs Stimmen, was zu einem dreiwöchigen politischen Stillstand führte. Erst als am 20. Mai Derog Gioura nach einem Herzinfarkt ausschied, konnte [[Ludwig Scotty]] im zweiten Wahlgang mit 9 zu 7 Stimmen gegen [[Kinza Clodumar]] die Wahl für sich entscheiden. Vorangegangene Wahlen fanden statt: * am 18. November 1995 * am 8. Februar 1997 (vorgezogen) * am 8. April 2000 === Wahlen Oktober 2004 === Nachdem Präsident [[Ludwig Scotty]] per 2. Oktober 2004 das Parlament aufgelöst hatte, setzte er für den 23. Oktober 2004 vorgezogene Neuwahlen an. Zunächst war die Legalität dieser Wahlen umstritten, da der suspendierte Parlamentssprecher [[Russell Kun]] gegen das aus seiner Sicht verfassungswidrige Vorgehen des Präsidenten einen Rekurs an das Oberste Gericht eingereicht hatte. Doch Staatsrichter [[Barry Connell]] wies die Vorwürfe zurück, so dass die Wahlen verfassungskonform waren. Wahlprognosen sagten eine deutliche Mehrheit der Reformisten um Präsident Scotty voraus, denn im Wahlkreis [[Ubenide]] wurden bei Wahlkampfveranstaltungen ehemalige Parlamentarier und Anhänger von [[René Harris]] ausgebuht und Mitglieder der [[Naoero Amo|Naoero-Amo]]-Partei gefeiert. Die Wahllokale öffneten um 8 Uhr Ortszeit ([[Mitteleuropäische Zeit|MEZ]] 21 Uhr (22. Oktober)) und schlossen um 18 Uhr Ortszeit ([[Mitteleuropäische Zeit|MEZ]] 7 Uhr (23. Oktober)). Erstmals konnten auch im Ausland lebende Nauruer an der Wahl teilnehmen. Entsprechende Formulare waren an die in [[Australien]], [[Neuseeland]], [[Fidschi]], den [[Vereinigte Staaten|USA]] und [[Vereinigtes Königreich|Großbritannien]] wohnhaften Nauruer geschickt worden. Die Regierung um Scotty gewann die Parlamentswahlen mit großem Vorsprung. Während die liberal-reformistische Regierung alle ihre 9 der insgesamt 18 Parlamentssitze halten konnte, verlor die konservative Opposition 7 ihrer 9 Sitze an die Regierung. Wahlbeobachter des [[Pacific Islands Forum]] und des [[Commonwealth]] beurteilten die Wahlen als frei und fair. Damit dürfte die seit Jahren anhaltende politische Instabilität überwunden sein, denn Scotty und seine Gefolgschaft haben nun eine Mehrheit von 16 gegen 2, was die größte Parlamentsmehrheit in der Geschichte Naurus bedeutet. Die Präsidentschaftswahlen fanden am 26. Oktober 2004 statt. [[Ludwig Scotty]] wurde ohne Gegenkandidaten als Präsident der Republik Nauru wiedergewählt. Zum Parlamentssprecher wurde [[Vassal Gadoengin]] gewählt. Da Gadoengin am 16. Dezember starb, wurde am 21. Dezember [[Valdon Dowiyogo]] zum neuen Parlamentssprecher gewählt. === Wahlen August 2007 === Nach der ersten regulären Legislaturperiode ohne Misstrauensvoten seit Jahrzehnten und ohne größere politische Unruhen zog Scotty im Juli 2007 die für Oktober angesetzten Wahlen um zwei Monate vor. Am 25. August 2007 wählte das nauruische Volk ein neues Parlament; erste zuverlässige Resultate werden Anfang September erwartet. Trotz der teils unpopulären Reformpolitik Scottys konnte dieser gemäß ersten Hochrechnungen 15 der 18 Sitze gewinnen. Am 28. August wurde Präsident Scotty im [[Nauruisches Parlament|Nauruischen Parlament]] im Amt bestätigt. Die auf drei Parlamentarier geschrumpfte Opposition um Ex-Präsident [[René Harris]] nominierte zuerst Scottys Vize [[David Adeang]] für das Amt, der mit der Begründung, es sei kein Spiel, ablehnte. Daraufhin nominierte die Opposition [[Marcus Stephen]], während Adeang Scotty nominierte. Scotty gewann die Wahl schließlich deutlich mit 14 zu 3 Stimmen. Scotty nominierte daraufhin sein gewohntes Ministerkabinett vor der Wahl, mit Adeang als Außenminister und [[Valdon Dowiyogo]] als Parlamentssprecher. == Distrikte == [[Datei:Nauru-Distrikte.png|thumb|Die nauruischen Distrikte]] → ''Hauptartikel: [[Administrative Gliederung Naurus]]'' ''Siehe auch:'' [[Liste der Orte in Nauru]] Nauru ist unterteilt in 14 Distrikte. Die Grenzen der Distrikte sind die ehemaligen Grenzen der früheren Gaue, die bis 1968 jeweils aus einigen Dörfern bestanden. {| | valign="top" width="50%" | * [[Aiwo]] * [[Anabar (Distrikt)|Anabar]] * [[Anetan]] * [[Anibare]] * [[Baiti]] * [[Boe (Distrikt)|Boe]] * [[Buada]] | valign="top" | * [[Denigomodu]] * [[Ewa (Distrikt)|Ewa]] * [[Ijuw]] * [[Meneng]] * [[Nibok]] * [[Uaboe]] * [[Yaren (Distrikt)|Yaren]] |} == Infrastruktur == Das [[Straße]]nnetz umfasst insgesamt 41 Kilometer; 29 Kilometer sind befestigte [[Asphalt]]straßen, davon entfallen 17 Kilometer auf die Küstenstraße rund um die Insel. Die übrigen etwa 12 Kilometer sind unbefestigte Straßen, die ins Zentralplateau führen und vor allem für Phosphatminen-Zwecke genutzt werden. Die einzige, fünf Kilometer lange [[Bahn (Verkehr)|Bahnstrecke]] ist eine Schmalspurbahn und bedient das Phosphatabbaugebiet. Sie verläuft von der Sammelstelle im Westen von [[Anibare]] zur Aufbereitungsanlage in [[Aiwo]]. Der öffentliche Personenverkehr erfolgt durch Busse, die bei den Hotels in Aiwo und Meneng, beim Flughafen in [[Yaren (Distrikt)|Yaren]], beim Krankenhaus in Denigomodu und beim [[Nauru College]] in [[Ewa (Distrikt)|Ewa]] halten. Mietwagen sind beim ''Menen Hotel'' gegen Vorlage eines [[Führerschein und Fahrerlaubnis|Führerscheins]] erhältlich. [[Datei:Nauru airport entrance.jpg|thumb|left|Eingang des [[Flughafen Nauru|Nauru International Airport]]]] Der internationale Reiseverkehr war bislang neben dem internationalen [[Seehafen]] ''([[Aiwo Harbour]])'' durch einen internationalen [[Flughafen]] ''([[Flughafen Nauru|Nauru International Airport]])'' gewährleistet. Die Flugzeit zwischen [[Flughafen Frankfurt am Main|Frankfurt]] und [[Flughafen Nauru|Yaren]] ([[IATA]]-Code INU) betrug mit Zwischenaufenthalten etwa 30 Stunden. Die gefahrenreiche Küste zwingt größere Schiffe, in einiger Entfernung von der Insel vor Anker zu gehen. Im Dezember 2005 wurde das einzige Flugzeug der Air Nauru – heute [[Our Airline]] genannt – von dessen Gläubiger, der [[Export-Import Bank of the United States]], zurückverlangt. Bis September 2006 wurde die kleine Inselrepublik nicht angeflogen und war gewissermaßen isoliert. Mittlerweile kann Nauru, nachdem [[Taiwan]] finanziell aushalf, wieder per Flugzeug erreicht werden. == Wirtschaft == Die Wirtschaft ist immer noch sehr abhängig vom [[Phosphat]]abbau. [[Datei:View of Nauru NOAA 2.jpg|thumb|Verladung von Phosphat auf Schiffe vor [[Aiwo]]]] Nauru verfügte über die [[Phosphat]]vorkommen mit dem höchsten Phosphatgehalt der Welt. Sie hatten sich durch chemische Prozesse im Laufe von Jahrmillionen aus den Exkrementen von Seevögeln ''([[Guano]])'' gebildet, die auch heute noch in großer Zahl bei ihren saisonalen Wanderungen Nauru als „Basis“ nutzen. Rund 75 Prozent des [[Bruttosozialprodukt]]s wurden durch den [[Export (Wirtschaft)|Export]] dieses Rohstoffes erwirtschaftet. Der größte Teil der üppigen Einnahmen aus dem Phosphatabbau wurde dem nauruischen Volk zur Verfügung gestellt. Bis 2001 war die medizinische Behandlung kostenlos, es gab weder Steuern noch Gebühren für öffentliche Dienstleistungen. So lebten die Nauruer recht sorglos und hatten oft keinen geregelten Tagesablauf. Ein beliebter Zeitvertreib war das Fangen und Züchten von Fregattvögeln. Jeder Nauruer besaß im Schnitt 2–3 Autos (bei nur 29 Kilometern asphaltierter Straßen) und ein Motorboot. Viele Nauruer flogen häufig nach Australien, um sich mit den neuesten und modernsten Konsumgütern einzudecken. Zahlreiche Feste und die allgemeine ungesunde Ernährung führten dazu, dass heute nahezu die Hälfte der Nauruer fettleibig und/oder zuckerkrank ist. Seit 2000 wird jedoch wegen Erschöpfung der Vorkommen nur noch sehr wenig Phosphat abgebaut. Trotzdem arbeiten im [[Phosphatbergbau]] noch immer knapp die Hälfte der Erwerbstätigen. Die Beschäftigten der früheren Phosphatmine sind fast ausschließlich Gastarbeiter aus [[Kiribati]], [[Tuvalu]], den [[Philippinen]], [[Hongkong]], [[Australien]] und [[Neuseeland]]. Die Gastarbeiter und deren Familien stellen rund 40 Prozent der Inselbewohner. [[Datei:Nauru Denigomodu-Nibok.jpg|thumb|Distrikte [[Denigomodu]] (oben) mit den Unterkünften der Gastarbeiter, und [[Nibok]] (unten)]] Die Regierung versuchte mehrmals, den hohen Lebensstandard auch ohne die Einnahmen aus den erschöpften Phosphatvorkommen zu sichern. Zu diesem Zweck wurde ein [[Staatsfonds|Kapitalfonds]] gebildet, der [[Immobilien]] und [[Aktie]]n in den pazifischen Nachbarstaaten und in den [[Vereinigte Staaten|USA]] und Australien erwarb, etwa einen Wolkenkratzer in [[Melbourne]], das ''[[Nauru House]],'' das dort abschätzig ''birdshit tower'' genannt wird. Außerdem bemühte sich die ''Nauru Finance Industry,'' den Inselstaat durch erhebliche Steuervergünstigungen zu einem Steuerparadies für die internationale Geschäftswelt zu machen. Bald geriet das naurische Finanzsystem jedoch in den Verdacht, Geldwäsche und Anlagebetrug in großem Stil zuzulassen. Daraufhin wurden gegen Nauru als ersten Staat in der Geschichte Sanktionen durch die ''Financial Action Task Force on Money Laundering'' ([[FATF]]) der ''Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung'' ([[OECD]]) verhängt und Nauru auf die schwarze Liste der Geldwäscheoasen gesetzt. Nachdem im Jahr 2003 sämtliche Banklizenzen widerrufen wurden, zogen auch die [[FATF]] und [[OECD]] ihre Maßnahmen wieder zurück. Wegen gravierender Fehlinvestitionen und korrupter Geschäfte der Regierung während der 1990er Jahre verlor der Staat jedoch fast seinen gesamten Reichtum und der hohe Wohlstand schwand. Beispielsweise hatte der Staat ein erfolgloses Musical in [[London]] finanziert, das nach der Premiere sofort abgesetzt wurde, man leistete sich auch einen unrentablen Ableger der [[University of the South Pacific]]. 1994 vergab der Staat ein Darlehen an einen Australischen Football-Klub, der bald darauf seinen Spielbetrieb einstellen musste. Löhne werden zurzeit teilweise nicht bezahlt, der Abfall häuft sich an, der Staat hat erhebliche Schulden zu bezahlen und steht vor dem Bankrott. Außerdem gibt es in Nauru ein „Gefängnis“ für [[Afghanistan|afghanische]], [[pakistan]]ische und [[irak]]ische Asylsuchende, die von der australischen Regierung im ''[[Nauru Detention Centre]]'' festgehalten werden. Nauru hofft derzeit auf Entschädigungszahlungen Australiens, das vor der Unabhängigkeit die Phosphatvorkommen ohne Gegenleistung ausgebeutet hatte. Außerdem bezahlt Australien Nauru für die Unterbringung der inhaftierten Flüchtlinge; diese Zahlungen machen momentan fast das gesamte Staatseinkommen aus. Weiterhin versucht Nauru, seine Gläubiger und die [[Vereinte Nationen|UNO]] von seiner Notlage zu überzeugen und bittet um Schuldenerlass sowie um Subventionen der UNO. Im Jahr 2004 mussten schließlich Immobilien wie das [[Nauru House]] und das Mercure Hotel in Sydney verkauft werden, um einige Schulden zu bezahlen. Mit dem Reichtum verschwanden auch die kostenlosen Dienstleistungen. Die Regierung konnte die medizinische Behandlung nicht mehr kostenlos zur Verfügung stellen, und auch Steuern werden mittlerweile erhoben. Als nahezu einziger Wirtschaftszweig bleibt für die Zukunft Fischfang und Fischverarbeitung, obwohl die [[Fischerei]] heute noch eine untergeordnete Rolle spielt. Die [[Landwirtschaft]] ist wegen des porösen Bodens und der unregelmäßigen Regenfälle auf die Küstenzone beschränkt, wo [[Kokospalme]]n, [[Bananen]], [[Ananas]] und etwas [[Gemüse]] angebaut werden. Man versucht nun, auf den abgebauten Phosphatfeldern die Korallenfelsen wegzuräumen und Humus aufzutragen, um die landwirtschaftlichen Flächen auszudehnen. Schätzungsweise 20 Prozent aller Bewohner betreiben mittlerweile in ihren Gärten landwirtschaftlichen Anbau. Im September 2004 wurde bei Bodenuntersuchungen entdeckt, dass noch weit mehr Phosphat im Abbaugebiet vorhanden wäre als bisher angenommen; weitere Tests wurden veranlasst. Im Dezember 2004 wurde schließlich erstmals seit Monaten wieder eine größere Menge Phosphat exportiert. Die Schiffslieferung nach [[Südkorea]] betrug etwa 10.000 Tonnen. Im Oktober 2005 ließen Scotty und Außenminister [[David Adeang]] verkünden, das im September 2004 entdeckte übrige Phosphat würde Naurus Exportrate innerhalb sechs Monaten um 300 Prozent steigern. Die gesamte Elektrizität für die Insel wird im ''Power House'' in [[Aiwo]] erzeugt, jedoch sind Stromausfälle sehr häufig. Das [[Trinkwasser]] wird wie die meisten anderen Lebensmittel vor allem aus [[Australien]] mit Schiffen importiert. Da die chronische Wasserknappheit ein großes Problem ist, wurde eine [[Meerwasserentsalzung]]sanlage gebaut. Der [[industrie]]lle Sektor spielt nur eine geringe Rolle. Einziger größerer Arbeitgeber ist die staatliche [[Nauruische Phosphatgesellschaft|Phosphatraffinerie]]. Kürzlich wurden 800 Stellen gestrichen, die Hälfte aller Arbeitskräfte, was einen Anstieg der [[Arbeitslosigkeit]] um 10 Prozent bedeutete. Der [[Dienstleistung]]ssektor hingegen ist mit rund 35 Prozent der Beschäftigten ein wichtiger Pfeiler der nauruischen [[Wirtschaft]]. Hauptarbeitgeber sind die Verwaltung der Phosphatminen ''([[Nauru Phosphate Royalties Trust]])'' und die staatliche [[Reederei]] ''([[Nauru Pacific Line]])'' und die nationale [[Fluggesellschaft]] ''([[Our Airline]]),'' die gelegentlich ihren Betrieb einstellt, wenn sie sich den Treibstoff oder Reparaturen nicht leisten kann. Sowohl die ''Nauru Pacific Line'' als auch die ''Our Airline'' werden zu großen Teilen vom [[Staat]] [[subvention]]iert. === Kanäle === In Nauru gibt es keine Flüsse, jedoch wurden einige Kanäle künstlich angelegt. Die Kanäle sind vorwiegend künstlich errichtete Öffnungen im Saumriff, die die ganze Insel umrunden. Durch diese Kanäle gibt es vermehrt Möglichkeiten, mit Booten und Yachten an- und abzulegen. {| | valign="top" | * Gabab, bei [[Yaren (Distrikt)|Yaren]] (Todesort [[Auweyida]]s; hier befindet sich die ''[[Moqua Cave]]'') * Gadu, bei [[Denigomodu]] * Gago (auch Gato) * Gagori, bei [[Waboe]] * Ganaba * Ganabereber * Ganama, bei [[Ewa (Distrikt)|Ewa]] * Ganara | valign="top" | * Ganeno * Ganiamwe * Ganibawo, bei [[Boe (Distrikt)|Boe]] * Ganiwuro * Ganokwang * Gatoe * Gonge, bei [[Ewa (Distrikt)|Ewa]] (auch Onge) * Gonokwoy |} == Kultur == === Frühkultur === Die frühe Kultur Naurus basierte auf den zwölf Stämmen. Ein gemeinsames Oberhaupt über alle Stämme gab es nicht. Jeder Stamm hatte seine eigene Abstammungsgeschichte. Jeder Stamm zerfiel noch in einige Familien, von denen jede ein besonderes Wappen besaß. Die Angehörigen der Stämme verteilten sich auf vier verschiedene Rangklassen namens ''Temonibe,'' ''Emo,'' ''Amenengame'' und ''Engame;'' daran schlossen sich zwei besitzlose Klassen an, die ''Itsio'' und die ''Itiora.'' Bestimmend für die Zugehörigkeit zu einer Klasse war stets die Klasse der Mutter. Bis zur Geburt eines Sohnes, der die Rangklasse der Mutter besaß, traten vorher geborenen Töchter in die gleiche Klasse ein, die nachfolgenden Kinder gehörten den nächstfolgenden Klassen an. Einige ''Temonibe'' hatten die Rechte über das [[Riff (Geographie)|Riff]] und Teile des tiefen Wassers und gestatteten die [[Fischerei]] gegen Abgaben. Die Siedlungen lagen damals bereits an der Küste, nur wenige befanden sich bei der [[Buada-Lagune]]. Die Insulaner wohnten in aus zwei bis drei Häusern bestehenden Gehöften, mehrere Gehöfte schlossen sich zu Dörfern zusammen, die teilweise unmerklich ineinander übergingen. Insgesamt gab es 168 Dörfer. Eine Anzahl Dörfer bildeten einen Gau, von denen es insgesamt 14 gab. Diese damaligen Gaue sind die heutigen [[Administrative Gliederung Naurus|Distrikte]]. Zu jedem Gehöft gehörte eine Reihe von [[Grundstück]]en und teilweise Besitzanrechten an den Fischteichen der Buada-Lagune. Jedes Grundstück hatte einen besonderen Namen und durfte in [[Erbpacht]] gegeben werden. Dieser persönliche Besitz wurde durch Grenzsteine und Erdwälle festgelegt. Ferner gehörten zum persönlichen Besitz [[Gerät]]e und [[Werkzeug]] sowie [[Schmuck]]sachen, [[Fregattvögel]], [[Möwen]], [[Haushund|Hunde]], Schweine, und [[Palmengewächse|Palmen]], die äußerlich besondere Erkennungsmarken trugen. === Heutige Kultur === Die Verdrängung der herkömmlichen Kultur durch zeitgenössische, westliche Einflüsse ist auf Nauru sehr deutlich sichtbar. Nur wenig ist von den alten Sitten und Bräuchen erhalten geblieben. An die Stelle der traditionellen Musik ist [[Popmusik|Unterhaltungsmusik]] getreten. Bei ''Radio Nauru'' hat man zahlreiche Aufzeichnungen mit hiesiger Volksmusik gesammelt, die aber selbst von alten Menschen nicht immer verstanden wird. Auch die Traditionen des Kunsthandwerks sind fast gänzlich verloren gegangen. Im Alltagsleben hat sich fast nichts Althergebrachtes erhalten. Die Einwohner tragen die übliche Tropenkleidung: kurze Hosen und leichte Hemden. Noch am ehesten wird wohl der Fischfang in der traditionellen Art ausgeübt, teilweise mit Hilfe von dressierten [[Fregattvogel|Fregattvögeln]]. Diese stehen in Nauru als Nationaltier unter besonderem Schutz und werden nur zum Fischfang und teilweise noch zur Übermittlung von Briefen gehalten. Die wenige indigene Kultur, die noch übrig geblieben ist, ist ähnlich wie auf allen Inseln Mikronesiens. Musik und Tanz zählen zu den beliebtesten Kunstformen. Rhythmische Gesänge und traditionelle [[Reigen (Tanz)|Reigen]] werden vor allem zu Festen und an Feiertagen auf dem [[Aiue Boulevard]] aufgeführt. Kunsthandwerker stellen aus Kokosfasern und den Blättern des [[Schraubenbaum]]es Kleidungsstücke und Fächer her und verwenden geometrische Muster, die jenen der indonesischen Kultur ähneln. Auch das Holz der Kokospalme wird zur Herstellung von Kunsthandwerk genutzt. Die traditionellen Schnitzereien verzieren häufig Alltagsgegenstände wie Schalen und Proviantbehälter. Die Zeremonie der Zubereitung und des Trinkens von [[Kava]] gilt als traditioneller Brauch, der ursprünglich nur von Männern begangen werden durfte; heute sind aber auch Frauen zugelassen. Das Nachtleben findet überwiegend in Restaurants und Bars statt. Das einzige Kino befindet sich in Aiwo. Die Sprache Naurus ist eine Mischung aus den Sprachen der Nachbarinseln. [[Nauruisch]] ist die Nationalsprache, [[Englische Sprache|Englisch]] wird jedoch weitgehend verstanden und gesprochen, ebenso wie [[Französische Sprache|Französisch]]. Es besteht allgemeine [[Schulpflicht]] vom sechsten bis zum sechzehnten Lebensjahr. Schulen sind unter anderem das [[Kayser College]] und das [[Nauru College]]. Zur weiteren Universitätserziehung gehen die Nauruer ins Ausland, meist nach Australien. Der staatliche [[Rundfunk]] sendet ganztägig. === Sport === [[Australian Football in Nauru|Australian Football]] ist Nationalsport, gefolgt von [[Gewichtheben]], [[Softball]], [[Basketball]] und [[Tennis]]. Andere auf Nauru praktizierte Sportarten sind in geringem Maße [[Cricket]], [[Golf (Sport)|Golf]], [[Segeln]], [[Schwimmsport|Schwimmen]] und [[Fußball]]. Die Regierung unterstützt dabei vor allem das Gewichtheben, da in dieser Disziplin die meisten internationalen Erfolge erzielt wurden. Daneben werden Australian Football und Golf noch geringfügig unterstützt. Im ''East End Club'' in [[Meneng]] stehen einige [[Billard]]tische für [[Poolbillard|Pool]] und Snooker. Australian Football ist in Nauru von großer Bedeutung für die Bevölkerung. Es gibt vielen Jugendlichen etwas zu tun, da es sonst nicht viele Alternativen in der Freizeit gibt, und es lässt Tausende von Leuten daran teilhaben, ob Spieler oder Zuschauer. Es gibt einige Australian-Football-Mannschaften, die in einer eigenen nauruischen Liga spielen. Auch eine [[nauruische Fußballnationalmannschaft]] existiert, jedoch wurde der Verband sowohl von der [[Oceania Football Confederation|OFC]] als auch von der [[FIFA]] mangels Professionalität und Stadion noch nicht aufgenommen. Es gibt einige Sportplätze in Nauru. Das einzige Stadion, das ''Linkbelt Oval,'' steht in [[Aiwo]], ist jedoch überaltert und genügt nicht internationalen Ansprüchen. Ein größeres und moderneres Sportstadion ist im Distrikt [[Meneng]] im Bau, wird aber mangels Geld momentan nicht weiter gebaut. Geplant war früher auch ein größeres Stadion in [[Yaren (Distrikt)|Yaren]] und [[Boe (Distrikt)|Boe]], dessen Gelände bereits vorbereitet war. Man entschied sich jedoch für das ''Menen Stadium,'' weil dort keine Platzprobleme herrschen. Die „Stadien“ im einzelnen sind: * das ''[[Linkbelt Oval]]'' oder ''[[Aida Oval]]'' in [[Aiwo]] * das ''[[Menen Stadium]]'' in [[Meneng]] * das ''[[Denig Stadium]]'' in [[Denigomodu]] Nirgends war und ist Nauru sportlich erfolgreicher als im [[Gewichtheben]]. Der sensationelle Gewinn der Goldmedaille bei den [[Commonwealth Games 1990]] im [[Gewichtheben]] durch [[Marcus Stephen]] initiierte die Gründung des [[Nauruisches Nationales Olympisches Komitee|Nauruischen Nationalen Olympischen Komitees]]. Die Gewichtheberin [[Reanna Solomon]] holte in der Folge ebenfalls mehrere Medaillen bei den Commonwealth Games. 1992 startete Marcus Stephen als erster Nauruer bei den [[Olympische Sommerspiele 1992|Olympischen Spielen in Barcelona]]. Seit 1996 ist Nauru offiziell bei den Olympischen Spielen vertreten. Die offiziell ersten Athleten waren neben Stephen seine Gewichtheber-Kollegen [[Gerard Garabwan]] und [[Quincy Detenamo]]. Am 2. Oktober 1994 fand das erste Spiel der Fußballnationalmannschaft statt. Die in blauen Trikots mit gelben Querstreifen spielenden Nauruer besiegten die [[Salomonische Fußballnationalmannschaft|Mannschaft der Salomonen]] mit 2:1. Dies stellte einen Achtungserfolg dar, da die Salomonen eine der stärksten Mannschaften Ozeaniens stellen. 1998 beschloss der Gewichtheber-Weltverband ([[International Weightlifting Federation|IWF]]) in [[Lahti]], die Weltmeisterschaften 2001 in Nauru durchzuführen. Dieser Tag wurde in Nauru als „der größte Tag in der Geschichte unseres Volkes“ tituliert. Nauru hatte bei der Kampfabstimmung in Lahti den [[Deutschland|deutschen]] Mitbewerber [[Riesa]] vor allem durch seine Finanzkraft aus dem Feld gedrängt. Die Nauruer wollten das Spektakel nebst Flugreise und Aufenthalt der Sportfunktionäre finanzieren. Und zum ersten Mal in der WM-Geschichte sollte es auch Geld für die Besten geben: 6.500 [[D-Mark|DM]] (ca. 3.330 [[Euro]]) pro Goldmedaille. Jedoch wurden diese Wettkämpfe seitens Nauru aufgrund der inzwischen fehlenden Geldmittel in letzter Minute abgesagt. Austragungsort wurde notgedrungen [[Antalya]], in der [[Türkei]]. Bei den [[Olympische Sommerspiele 2000|Spielen in Sydney 2000]] startete Stephen zum dritten und letzten Mal sowie Gewichtheberin [[Sheba Peo]]. Für die [[Olympische Sommerspiele 2004|Spiele in Athen 2004]] wurden die Gewichtheber [[Yukio Peter]], [[Itte Detenamo]] und [[Reanna Solomon]] nominiert. Peter konnte dabei erstmals ein [[olympisches Diplom]] für Nauru gewinnen. [[Olympische Sommerspiele 2008|2008 in Peking]] nahm [[Itte Detenamo]] als einziger [[Olympische Sommerspiele 2008/Teilnehmer (Nauru)|Nauruischer Vertreter]] teil und belegte Platz 10 im Gewichtheben seiner Klasse. === Feiertage === Der offizielle Nationalfeiertag ist der Unabhängigkeitstag am 31. Januar, jedoch gilt der [[Angam Day]] als weiterer staatlicher Nationalfeiertag. {| class="wikitable" |- ! Datum ! Lokaler Name ! Deutsche Übersetzung ! Bemerkungen |- | width="20%" | '''[[1. Januar]]''' || width="20%" | New Year’s Day | width="20%" | [[Neujahr]]stag || width="40%" | |- | width="20%" | '''[[31. Januar]]''' || width="20%" | Independence Day | width="20%" | [[Unabhängigkeitstag]] | width="40%" | Jahrestag der 1968 erlangten Unabhängigkeit |- | width="20%" | '''März/April''' || width="20%" | Easter | width="20%" | [[Ostern]] || width="40%" | |- | width="20%" | '''[[17. Mai]]''' || width="20%" | Constitution Day | width="20%" | Verfassungstag | width="40%" | Jahrestag der nauruischen Verfassung von 1968 |- | width="20%" | '''[[26. Oktober]]''' || width="20%" | [[Angam Day]] | width="20%" | Tag der Heimkehr | width="40%" | Jahrestag des erstmaligen Erreichens von 1.500 Einwohnern |- | width="20%" | '''[[25. Dezember|25.]]/ [[26. Dezember]]''' | width="20%" | Christmas || width="20%" | [[Weihnachten]] | width="40%" | |} == Tourismus == Man kann die Insel in einem Tagesausflug gut zu Fuß umrunden. Dabei stößt man immer wieder auf Relikte aus dem [[Zweiter Weltkrieg|Pazifikkrieg]], beispielsweise Bunker der [[Kaiserliche Japanische Armee|japanischen Armee]] entlang der Küste. Viele Relikte sind im ''Nauru Museum'' gesammelt. Ein Besichtigungsziel sind auch die [[Phosphat]]minen im Inselinnern, die nach ihrer Ausbeutung eine triste, zerstörte [[Natur]] hinterlassen haben. Beim Rundgang durch [[Chinatown]] im Südwesten fällt das große Warenangebot auf, was nicht weiter verwunderlich ist, denn alle Konsumgüter der Insel werden meist in [[Konserve]]n importiert. Daher gibt es auch keine typischen Landesspeisen. Die chinesische Gastronomie ist qualitativ höher einzustufen als die nauruische. Trinkgeld wird nur selten erwartet. Den schönsten [[Strand]] Naurus findet man an der [[Anibare Bay]], nördlich des einzigen großen Hotels, dem [[Menen Hotel]] (eine weitere Unterkunft für Touristen ist das [[OD-N-Aiwo Hotel]]). Weitab von der mondähnlichen Landschaft der Phosphatfelder können hier Einheimische ebenso wie die wenigen [[Fremdenverkehr|Urlauber]], die die Südseeinsel besuchen, noch weitgehend intakte Natur erleben. Das Baden ist allerdings riskant, da vor der Ostküste gefährliche Unterwasserströmungen und eine starke [[Brandung]] herrschen. Außerdem kommt in dieser Gegend die [[Portugiesische Galeere]] vor, eine [[Staatsquallen|Quallenart]] mit giftigen Tentakeln von bis zu 50 Metern Länge. == Siehe auch == {{Portal|Nauru}} == Literatur == * Paul Hamburch: ''Nauru. Ergebnisse der Südsee-expedition, 1908–1910, II, Ethnographie: B. Mironesien, Bd. 1: 1-2''. Hamburg, L. Friedrichsen, 1914–15. * Ferdinand Karl, Hermann Mückler: ''Oasen der Südsee. Die größten „Kleinststaaten“ der Welt. Ostmikronesien: Marshall-Inseln, Gilbert-Inseln, Nauru.'' Gnas 2002: Weishaupt Verlag, ISBN 3-7059-0121-4. * K. E. Kretzschmar: ''Nauru.'' Festschrift. Nauru, Druckerei d. ev. Mission 1913. == Einzelnachweise == <references /> == Weblinks == {{Commons|Category:Nauru|Nauru}} {{Wiktionary|Nauru|Nauru}} {{Wikiatlas|Nauru}} * [http://www.janeresture.com/nauru_home/ Jane’s Nauru Home Page] * [http://www.un.int/nauru/ Webpräsenz der UN-Vertretung Naurus] * [http://www.y-land.net/nauru/fakten_visum.php Infos zum Einreise-Visum] * [https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/nr.html Nauru im CIA World Factbook] * [http://www.paclii.org/nr/legis/num_act/con256/ Die Verfassung Naurus] * [http://www.arte.tv/de/geschichte-gesellschaft/arte-reportage/Reportagen/1323776.html „Nauru, der Untergang eines Atolls“] (22-minütiges Video) – Reportage von Laurent Cibien und Pascal Carcanade, [[ARTE|arte]] Frankreich 2006 * [http://www.cenpac.net.nr/ CenpacNet Inc., nauruischer Internetprovider] * [http://www.cenpac.net.nr/dns/index.html Domainvergabe .nr] * [http://www.southpacific.org/map/airnauru.html Air Nauru (AN)/Our Airline] * [http://www.auswaertiges-amt.de/diplo/de/Laenderinformationen/01-Laender/Nauru.html Länder- und Reiseinformationen] des [[Auswärtiges Amt|Auswärtigen Amtes]] * [http://www.aussenministerium.at/view.php3?f_id=2290&LNG=de&version=&dv_staat=119 Länderinformation des österreichischen Außenministeriums] * [http://www.wetteronline.de/Yaren.htm Wettervorhersage für die Region Yaren] * [http://www.nauru.de Deutsch-Nauruanische Gesellschaft, Berlin] * [http://www.naurugov.nr Website der Regierung von Nauru] {{NaviBlock |Navigationsleiste Staaten in Ozeanien |Navigationsleiste Pacific Islands Forum |Navigationsleiste Mitgliedstaaten des Commonwealth of Nations }} {{Exzellent}} {{Coordinate |NS=0/31/41/S |EW=166/56/13/E |type=country |region=NR}} [[Kategorie:Nauru| ]] [[Kategorie:Insel (Australien und Ozeanien)]] [[Kategorie:Insel (Pazifischer Ozean)]] [[Kategorie:Gehobenes Atoll]] [[Kategorie:Mikronesien]] [[Kategorie:Staat in Australien und Ozeanien]] {{Link GA|es}} {{Link GA|pl}} {{Link FA|en}} {{Link FA|hr}} {{Link FA|no}} {{Link FA|ru}} [[ace:Nauru]] [[af:Nauru]] [[als:Nauru]] [[an:Nauru]] [[ar:ناورو]] [[arz:ناورو]] [[ast:Nauru]] [[az:Nauru]] [[bat-smg:Nauru]] [[bcl:Nauru]] [[be:Науру]] [[be-x-old:Науру]] [[bg:Науру]] [[bn:নাউরু]] [[bo:ནའུ་རུ།]] [[bpy:নাউরু]] [[bs:Nauru]] [[ca:Nauru]] [[ceb:Nauru]] [[crh:Nauru]] [[cs:Nauru]] [[cu:Наоуроу]] [[cy:Nauru]] [[da:Nauru]] [[diq:Nauru]] [[dv:ނައުރޫ]] [[el:Ναουρού]] [[en:Nauru]] [[eo:Nauro]] [[es:Nauru]] [[et:Nauru]] [[eu:Nauru]] [[fa:نائورو]] [[fi:Nauru]] [[fiu-vro:Nauru]] [[fr:Nauru]] [[frp:Naouru]] [[fy:Naurû]] [[ga:Nárú]] [[gd:Nauru]] [[gl:Nauru - Naoero]] [[gv:Naaroo]] [[he:נאורו]] [[hi:नौरु]] [[hif:Nauru]] [[hr:Nauru]] [[ht:Naorou]] [[hu:Nauru]] [[hy:Նաուրու]] [[ia:Nauru]] [[id:Nauru]] [[ie:Nauru]] [[ilo:Nauru]] [[io:Nauru]] [[is:Nárú]] [[it:Nauru]] [[ja:ナウル]] [[jv:Nauru]] [[ka:ნაურუ]] [[kk:Науру]] [[ko:나우루]] [[ks:Nauru]] [[ksh:Nauru]] [[ku:Naûrû]] [[kw:Nauru]] [[la:Nauruna Insula]] [[lb:Nauru]] [[li:Naoeroe]] [[lij:Nauru]] [[lmo:Nauru]] [[lt:Nauru]] [[lv:Nauru]] [[mi:Nauru]] [[mk:Науру]] [[ml:നൗറു]] [[mr:नौरू]] [[ms:Nauru]] [[mt:Nawru]] [[na:Naoero]] [[nah:Nauru]] [[nds:Nauru]] [[new:नाउरु]] [[nl:Nauru]] [[nn:Nauru]] [[no:Nauru]] [[nov:Nauru]] [[oc:Nauru]] [[os:Науру]] [[pam:Nauru]] [[pih:Nauruu]] [[pl:Nauru]] [[pms:Nauru]] [[pnb:ناورو]] [[pt:Nauru]] [[qu:Nawru]] [[rm:Nauru]] [[ro:Nauru]] [[roa-rup:Nauru]] [[ru:Науру]] [[sa:नौरु]] [[sah:Науру]] [[scn:Nauru]] [[sco:Nauru]] [[se:Nauru]] [[sh:Nauru]] [[simple:Nauru]] [[sk:Nauru]] [[sl:Nauru]] [[sm:Nauru]] [[sq:Naurua]] [[sr:Науру]] [[sv:Nauru]] [[sw:Nauru]] [[szl:Nauru]] [[ta:நவூரு]] [[tg:Науру]] [[th:ประเทศนาอูรู]] [[tl:Nawru]] [[tpi:Nauru]] [[tr:Nauru]] [[tt:Науру]] [[ug:ناۋرۇ]] [[uk:Науру]] [[ur:ناورو]] [[uz:Nauru]] [[vi:Nauru]] [[vo:Naureän]] [[war:Nauru]] [[wo:Nauru]] [[yo:Nauru]] [[zh:諾魯]] [[zh-min-nan:Nauru]] [[zh-yue:瑙魯]] hm3hdqmhsqn0aeus8q8k6k7ahrxkrvj wikitext text/x-wiki Nazarener (Kunst) 0 23982 26580 2010-04-18T18:30:02Z Frank Reinhart 252 Änderung 73239090 von [[Special:Contributions/84.167.231.45|84.167.231.45]] wurde rückgängig gemacht. bitte erst kläre [[Bild:Peter von Cornelius 001.jpg|thumb|320px|[[Peter von Cornelius]]: ''[[Die klugen und die törichten Jungfrauen]]'', Öl auf Leinwand, 1813 - 1819, [[Düsseldorf]], Kunstmuseum]] [[Image:Friedrich Wilhelm Schadow 001.jpg|thumb|320px|[[Friedrich Wilhelm Schadow]]; ''Der blutige Rock'', Fresken der Casa Bartholdy, [[Berlin]]]] Als '''Nazarenische Kunst''' wird eine romantisch-religiöse Kunstrichtung bezeichnet, die zu Beginn des [[19. Jahrhundert]]s deutsche Künstler in [[Wien]] und [[Rom]] begründeten. Sie hatten sich zum Ziel gesetzt, die Kunst aus der Wiederentdeckung alter italienischer und deutscher Kunst heraus im Geist des Christentums zu erneuern. Vertreter dieser Stilrichtung, die man als '''Nazarener''' bezeichnete, standen überwiegend dem [[Katholizismus]] nahe. Sie beeinflussten die Kunst der gesamten [[Romantik]]. == Die Bezeichnung ''Nazarener'' == Die Bezeichnung ''Nazarener'' ist zunächst [[Bibel|biblischen]] Ursprungs. Mit diesem Begriff wurden die Anhänger [[Jesus von Nazaret|Jesu]] nach dessen Kreuzestod bezeichnet. Im 17. Jahrhundert kannte man in Rom ''alla nazarena'' als Bezeichnung einer Haartracht, bei der das Haar lang und in der Mitte gescheitelt getragen wurde. Sowohl [[Raffael]] als auch [[Albrecht Dürer]] haben solche Frisuren getragen und die in Rom lebenden Künstler, die man später als Nazarener bezeichnete, sollen zumindest eine Zeit lang ihr Haar ebenfalls so getragen haben. Eine Theorie besagt, dass die Bezeichnung ''Nazarener'' für die Anhänger dieser Kunstrichtung auf die spottlustigen Römer zurückzuführen sei, die damit die Künstler karikieren wollten. Belegt ist, dass [[Johann Wolfgang von Goethe|Goethe]] diesen Begriff in seinem Briefwechsel mit [[Johann Heinrich Meyer (Maler)|Johann Heinrich Meyer]] verwendete. Er taucht auch in den Briefen des Kunstagenten und Bildhauers [[Johann Martin Wagner]] auf, der die Künstler unter anderem auch als ''langhaarige Altkatholiken'' bezeichnete. Der Name ''Nazarener'' im stilkundlichen Sinn wurde wahrscheinlich erst im Nachhinein geprägt. Zum ersten Mal in schriftlicher Form findet er sich in diesem Sinne [[1891]] in den Jugenderinnerungen des Malers [[Wilhelm von Schadow]]. Die Gründungsmitglieder des [[Lukasbund]]es, der Keimzelle dieser Kunstrichtung, haben sich selbst so nicht bezeichnet. Kunsthistorisch hat es sich eingebürgert, den Begriff Nazarener auf solche Maler des 19. und frühen 20. Jahrhunderts anzuwenden, die religiöse Inhalte in Altarbildern und Kirchenfresken behandelt haben und dabei der Kunstauffassung der ursprünglichen Lukasbrüder nahestanden. == Geschichte == === Die Wiener Kunstakademie === [[Bild:Friedrichoverbeck.jpg|thumb|Selbstporträt Friedrich Overbeck, 1840]] Die Kunstrichtung wurde von Studenten, die seit [[1804]] an der kaiserlichen [[Akademie der bildenden Künste Wien]] studierten, ins Leben gerufen. Die Kunstakademie in Wien besaß zu dieser Zeit in ganz Europa einen hervorragenden Ruf. Das war der Grund, warum sowohl der Lübecker Patriziersohn [[Friedrich Overbeck]] als auch [[Franz Pforr]], Sohn eines [[Frankfurt am Main|Frankfurter Maler]]s dort ihre Ausbildung begannen. Die Ausbildung an der von [[Friedrich Heinrich Füger]] geprägten Akademie folgte einem strengen Lehrplan. Die technischen Aspekte der künstlerischen Fertigkeit hatten Vorrang vor dem künstlerischen Ausdruck. Hauptaufenthaltsort der Studenten war der Antikensaal mit Abgüssen antiker [[Statue]]n und [[Relief (Kunst)|Reliefs]], nach denen die Schüler zu zeichnen hatten. Bei den Themen in den weiterführenden Malklassen orientierte man sich, der damaligen [[Klassizismus|klassizistischen]] Auffassung folgend, streng an antiken Vorbildern. Maler wie [[Albrecht Dürer]], [[Hans Holbein]] oder [[Hans Baldung Grien]] wurden vom Klassizismus als ''Primitive'' gewertet. === Die Gründung des Lukasbundes === Einige Akademiestudenten vermissten bei dieser Ausbildung etwas ihrer Ansicht nach Wesentliches: :''Man lernt einen vortrefflichen Faltenwurf malen, eine richtige Figur zeichnen, lernt Perspektive, Architektur, kurz alles - und doch kommt kein richtiger Maler heraus. Eins fehlt ... Herz, Seele und Empfindung'', schrieb der 19-jährige Friedrich Overbeck am 27. April [[1808]] in einem Brief an seinen Vater. Pforr, der in besonderer Weise von den altdeutschen Malern begeistert war und in ihnen jenen emotionalen Ausdruck sah, den er bei seiner Ausbildung vermisste, war zu dieser Zeit mit Overbeck bereits befreundet. Beide teilten ihre kritische Auffassung über die Ausbildung an der Wiener Kunstakademie. Im Laufe des Sommers 1808 erweiterte sich der Freundeskreis um [[Joseph Sutter]], [[Josef Wintergerst]], [[Johann Konrad Hottinger]] und [[Ludwig Vogel]]. Ab Juli 1808 trafen sich die sechs Künstler regelmäßig, um jeweils über ein künstlerisches Thema zu sprechen. Ein Jahr später, als die Freunde das einjährige Jubiläum ihres Treffens feierten, beschlossen sie den Orden des ''Lukasbundes'' zu konstituieren. Sie wählten den Namen, weil der Evangelist [[Lukas (Evangelist)|Lukas]] auch als Schutzpatron der Maler gilt. In der Literatur bezeichnet man die Künstlergruppe auch als ''Lukasbrüder''. Obwohl in technischer Hinsicht von der Akademieausbildung geprägt, entfernten sich diese Künstler inhaltlich rasch von den durch die Akademie vorgegebenen Themen. Im Einklang mit den [[Romantik|romantischen]] und [[Pietismus|pietistischen]] Idealen jener Zeit fanden sie den von ihnen angestrebten Ausdruck in romantischen und insbesondere in religiösen Themen. Ihr religiös motiviertes Erneuerungsideal für Kunst und Gesellschaft entnahmen sie den [[Kunsttheorie]]n der deutschen Romantiker [[Wilhelm Heinrich Wackenroder]], [[Friedrich Schlegel]], [[Novalis]] und [[Ludwig Tieck]]. Aus Sicht Schlegels war es die ursprüngliche Bestimmung der Kunst, die ''Religion zu verherrlichen und die Geheimnisse derselben noch schöner und deutlicher'' zu machen. Neben den biblischen Themen waren aus seiner Sicht nur die Stoffe von Dichtern wie [[Shakespeare]] und [[Dante]] als Bildinhalt geeignet. Tieck beeinflusste die Lukasbrüder durch seinen im Jahre 1789 erschienen Roman ''Franz Sternbalds Wanderungen''. Darin schildert Tieck in seiner Hauptfigur Franz einen Künstler, der sein Leben allein der religiösen Kunst weiht und bescheiden, treu und aufrichtig sein Handwerk ausführt. So wie dieser wollten die Lukasbrüder sich vorrangig der religiösen Kunst widmen. Ihre Vorbilder suchten sie im Spätmittelalter, beispielsweise in [[Albrecht Dürer]] und in italienischen Malern aus der Zeit vor [[Raffael]] wie [[Fra Angelico]] und [[Giotto di Bondone|Giotto]]. Der künstlerische Gegensatz zur Akademieausbildung führte schließlich zum offenen Konflikt. Als im Jahre [[1809]] die Akademie die Anzahl ihrer Schüler reduzieren musste, wurden die Lukasbrüder nicht wieder aufgenommen. === Die Künstlerkolonie in Rom === ==== Kloster Sant'Isidoro==== [[Bild:OverbeckItaliaUndGermania.jpg|thumb|Friedrich Overbeck: ''Italia und Germania'', 1811, [[München]], [[Neue Pinakothek]]]] [[Image:Philipp Veit 001.jpg|thumb|[[Philipp Veit]], ''Die sieben fetten Jahre'', Lunette des Freskenzyklus der Casa Bartholdy, Berlin, Alte Nationalgalerie]] [[1810]] verließen Franz Pforr, Friedrich Overbeck, Ludwig Vogel und Johann Konrad Hottinger Wien, um nach [[Rom]] zu ziehen und dort ihre italienischen Vorbilder studieren zu können. Sie bezogen Quartier im leerstehenden Franziskanerkloster ''Sant'Isidoro'' auf dem Pincio (in der Nähe der heutigen Pza. del Popolo) und führten ein künstlerisches Außenseiterleben abgesondert von der Welt (Overbeck: „Unter sich im Stillen der alten heiligen Kunst nachzuarbeiten“). Im Unterschied zu den „Deutschrömern“, die schon in früheren Zeiten nach Italien und besonders nach Rom gepilgert waren, suchten die Nazarener nicht das Rom der Antike, sondern das der mittelalterlichen Kirchen und Klöster, das „christliche“ Rom. Rom hatte seit mehr als einem halben Jahrhundert Künstler und Kunsttheoretiker wie [[Johann Joachim Winckelmann]], [[Raphael Mengs]], [[Jacques-Louis David]], [[Antonio Canova]] und [[Bertel Thorvaldsen]] angezogen, die das Schönheitsideal der Antike wiederbeleben wollte. In Rom herrschte zu dieser Zeit künstlerische Stagnation. Es fehlte sowohl an einer liberalen Mittelklasse als auch an einer fortschrittlich eingestellten Oberschicht, die neue Kunstrichtungen hätte anregen können. Nachdem 1814 die französische Besetzung Roms endete, war die Stadt vor allem vom [[Vatikanstadt|Vatikan]] politisch und künstlerisch dominiert. Die Angehörigen des Lukasbundes verstanden sich vor diesem Hintergrund bald als die wahren Nachfolger von Roms spirituellem und künstlerischem Erbe und waren davon überzeugt, dass die Vereinigung klassischer Schönheit, deutscher Innigkeit und eines wahren Christentums zu einer neuen [[Renaissance]] führen würde. In Overbecks Gemälde ''Italia und Germania'', in der zwei Frauenfiguren die Kunst ihres jeweiligen Landes symbolisieren, spiegelt sich diese Auffassung wider. Das Bild, das im Hintergrund eine römische [[Basilika]] und eine deutsche, mittelalterliche Stadt zeigt, wird daher gelegentlich als Programmbild der Lukasbrüder bezeichnet: Die blondhaarige Germania beugt sich zu Italia vor und unterweist die geduldig Zuhörende. Nahezu jeder der Künstler, die dem Lukasbund nahestanden, konvertierte zum [[Katholizismus]]. Bei Overbeck war das entscheidende Erlebnis, das ihn im Frühsommer 1813 zum katholischen Glauben übertreten ließ, der frühe Tod seines Freundes Franz Pforr, der am 12. Juni 1812 an [[Tuberkulose]] verstarb. Die Gruppe der Lukasbrüder in Rom zog von 1811 an zahlreiche weitere junge Maler aus Deutschland an. Sie alle wurden freundschaftlich aufgenommen. In den Jahren [[1811]]-[[1816]] stießen unter anderem [[Ludwig Ferdinand Schnorr von Carolsfeld|Ludwig Schnorr von Carolsfeld]], [[Philipp Veit]], [[Peter von Cornelius]]<ref>Empfehlungsschreiben [[Karl Ludwig Roeck]]s an seinen Jugendfreund Overbeck:[[s:de:Karl Ludwig Roeck an Friedrich Overbeck, 1810]]</ref>, [[Franz Ludwig Catel]], [[Joseph Anton Koch]], [[Wilhelm von Schadow]] und [[Carl Philipp Fohr]] zu ihr. Ein Teil dieser Männer zog allerdings eine lockerere künstlerische Verbundenheit dem klösterlichen Leben in Sant'Isidoro vor. Johann Konrad Hottinger dagegen schied aus dem Lukasbund aus - er fühlte sich vor allem den moralischen Anforderungen dieses ''Ordenslebens'' nicht gewachsen. Auch Ludwig Vogel musste sich 1812 von den Freunden trennen, weil ihn Familienverpflichtungen nach Zürich zurückbeorderten. Beide sind als Künstler später nicht mehr aktiv gewesen. Unter den neuen Mitgliedern des Lukasbundes war vor allem Peter von Cornelius prägend. Er lehnte die romantische Anlehnung an das Altdeutsche als zu treuherzig ab. Er erweiterte auch die Themenkreise, in denen die Lukasbrüder ihre Motive fanden. Die Antike wurde dank seines Einflusses nicht mehr als dem Christentum entgegengesetzte Mythologie gesehen, sondern als Vorläufer des Christentums. Auch die Landschaftsmalerei wurde für die Lukasbrüder ein akzeptiertes Bildthema. In letzterer taten sich vor allem Carl Philipp Fohr und Schnorr von Carolsfeld hervor. Die neue Kunstrichtung errang ihren Durchbruch und öffentliche Anerkennung durch zwei Großaufträge: den Freskenzyklus für die ''Casa Bartholdy'' und den Freskenzyklus für die ''Casa Massimo''. Diese zwei Großaufträge sind die wichtigsten Arbeiten, die die Nazarener als Gruppe während ihrer frühen Jahre in Rom ausführten. ==== Die Fresken für die Casa Bartholdy ==== [[Image:Peter von Cornelius 002.jpg|thumb|[[Peter von Cornelius]], ''Joseph deutet die Träume des Pharaos'', Freskenzyklus der Casa Bartholdy, [[Berlin]], [[Alte Nationalgalerie]]]] [[Image:Friedrich Overbeck 002.jpg|thumb|Friedrich Overbeck: ''Verkauf Josephs an die ägyptischen Händler'', Freskenzyklus der Casa Bartholdy, Berlin, Alte Nationalgalerie]] Der [[Fresko|Freskenzyklus]] der ''Casa Bartholdy'' entstand 1815 bis 1817 im Auftrag des preußischen Generalkonsuls [[Jakob Ludwig Salomon Bartholdy]]. Bartholdy lebte zu dieser Zeit in einer Wohnung im [[Palazzo Zuccari]], unweit des Klosters Sant'Isidoro. Die Fresken waren für den Empfangsraum dieser Wohnung bestimmt. Der Palazzo Zuccari wurde später in ''Casa Bartholdy'' umbenannt und ist heute die ''[[Bibliotheca Hertziana]]''. Kunstgeschichtlich werden diese Gemälde daher als „Fresken der ''Casa Bartholdy''“ bezeichnet. Die Lukasbrüder waren in der Freskomalerei nicht geübt, da die Freskomalerei zugunsten der [[Tafelbild (Malerei)|Tafelmalerei]] seit mehreren Jahrzehnten aus der Mode gekommen war. Sie besaßen daher auch keinerlei Kenntnis der handwerklichen Voraussetzungen dieser Maltechnik, zu der unter anderem mehrere Jahre [[Sumpfkalk|eingesumpfter Kalk]], ein Auftrag des Putzes in feiner werdenden Schichten sowie eine Nass-in-Nass-Malerei in verschiedenen, vorher genau geplanten Schritten gehört. Sie fanden jedoch nach einigem Suchen einen noch lebenden römischen Handwerker, der für den 1779 verstorbenen [[Raphael Mengs]] Putzwände für Freskenmalerei vorbereitet hatte. Ohne diesen Handwerker wären die vier an den Fresken beteiligten Künstler wahrscheinlich nicht in der Lage gewesen, den Auftrag durchzuführen. Die Fresken zeigen Szenen aus der [[Altes Testament|alttestamentlichen]] [[Joseph (Ägypten)|Joseph]]-Geschichte. An der Ausführung waren Friedrich Overbeck, Philipp Veit, Wilhelm von Schadow und Peter von Cornelius beteiligt. Cornelius hatte zugunsten dieses ersten Großauftrags sogar die Arbeit an seinem Gemälde ''Die klugen und die törichten Jungfrauen'' aufgegeben, an dem er seit 1813 arbeitete und das er bereits 1814 als sein bis dahin bestes Gemälde bezeichnete. Hinsichtlich ihres Stils und ihrer Qualität sind die Fresken der vier Künstler sehr uneinheitlich. Kunsthistoriker werten heute die Arbeiten von Cornelius und Overbeck als die künstlerisch interessanteren unter den ausgeführten Fresken. In ''Joseph interpretiert die Träume des Pharaos'' kontrastiert Cornelius die ruhige Figur des Joseph mit einer Gruppe von [[Höfling]]en, die Zweifel, Neid, Verblüffung und Bewunderung ausdrücken. Die im Hintergrund befindliche Landschaft erinnert an frühe Renaissance-Gemälde. Im Fresko ''Joseph wird von seinen Brüdern erkannt'' porträtierte Cornelius den Auftraggeber der Arbeiten, den Konsul Salomon Bartholdy, als vornehm gekleideten Zuschauer. Overbecks [[Lunette]] ''Die sieben mageren Jahre'' dagegen zeigt ein bedrückendes Bild von Hunger und Not. Die verzweifelte Mutter, die er malte, erinnert an [[Michelangelo]]s Sibylle. Der ''Verkauf Josephs an die ägyptischen Händler'', das ebenfalls von Overbeck stammt, ist in einer ausgewogenen, an Raffael erinnernden Kompositionsweise mit harmonischem, vorwiegend aus Erdfarben gemischten Kolorit und feiner Lichtperspektive gemalt. Von Wilhelm von Schadow stammen die drei Fresken ''Der Segen Jakobs'', ''Josephs Traumdeutung im Gefängnis'' und ''Jakob erkennt Josephs blutbeflecktes Gewand'', bei denen sich noch am stärksten die Verbindung zum klassizistischen Historienbild erkennen lässt. Die Arbeiten von Veit, der neben der Lunette ''Die sieben fetten Jahre'' das Fresko ''Joseph und das Weib Potiphars'' malte, reichen nicht an die Qualität seiner Kollegen heran. 1886-1887 wurden die Fresken aus der ''Casa Bartholdy'' entfernt und in die Sammlung der Nationalgalerie in Berlin aufgenommen, wo sie sich heute ebenso wie eine Aquarellkopie befinden. Die Abnahme war möglich, weil sich die Außenschicht zu einer festen Sinterschale verbunden hatte. Sie konnten daher ohne größere Schäden in die Nationalgalerie überführt werden. ==== Die Fresken für die Casa Massimo ==== [[Image:Julius Schnorr von Carolsfeld 004.jpg|thumb|[[Julius Schnorr von Carolsfeld]], ''Das Heer der Franken unter Karl dem Großen in der Stadt Paris'', Freskenzyklus Casa Massimo, [[Rom]]]] Trotz der unterschiedlichen Qualität erregten die Fresken sehr viel Aufmerksamkeit. Überliefert ist, dass nach der Fertigstellung Schaulustige vor der Casa Bartholdy Schlange standen, um das Werk zu besichtigen. Generalkonsul Bartholdy sendete Kopien der Arbeiten sogar an den preußischen Kanzler Prinz [[Karl August von Hardenberg]]. Bei den Kopien handelte es sich um [[Aquarell]]e, die jeder der einzelnen Künstler anfertigte, nachdem er seinen Teil der Arbeit an den Fresken für die ''Casa Bartholdy'' beendet hatte. Fünf Aquarelle wurden anschließend auf eine gemeinsame Leinwand aufgezogen und durch gemalte Architekturmotive miteinander verbunden. Das erste Mal wurden diese Arbeit auf der Herbstausstellung der [[Akademie der Künste (Berlin)|Berliner Kunstakademie]] im Jahre 1818 öffentlich gezeigt. Ziel sowohl von Bartholdy als auch den Künstlern war es, damit für die Arbeiten der Künstler in Rom zu werben und mit ähnlichen Großaufträgen auch in Deutschland beauftragt zu werden. Der nächste große Folgeauftrag für die Künstler des Lukasbundes kam jedoch erneut aus Rom. Bereits 1817 beauftragte der Marchese Massimo, ein Mitglied des römischen [[Hochadel]]s, Mitglieder des Lukasbunds damit, in seiner nahe dem [[Lateran]] gelegenen Casa Massimo drei Räume nach den Erzählungen von [[Dante]], [[Torquato Tasso]] und [[Ludovico Ariosto]] zu gestalten. Cornelius jedoch brach seine Arbeiten an den Dante-Fresken ab, nachdem er 1819 vom Kronprinzen [[Ludwig I. (Bayern)|Ludwig von Bayern]] an die königliche Akademie nach [[München]] berufen wurde. Auch Overbeck vollendete seine Arbeit an den Tasso-Fresken nicht, da er sich entschloss, nur noch religiöse Motive zu malen. Philipp Veit und Joseph Anton Koch führten diese Arbeiten aus. Nur Julius Schnorr von Carolsfeld vollendete seinen Ariosto-Zyklus wie vorgesehen. === Weitere Entwicklung in Wien === In Wien, ihrem Ausgangspunkt, hatte die neue künstlerische Bewegung es schwerer, sich durchzusetzen. [[1812]] zog der Deutsch-Römer [[Joseph Anton Koch]] von Rom nach Wien um. Er fand Aufnahme in einen Zirkel romantisch gesinnter Bürger und Künstler, unter ihnen [[Wilhelm von Humboldt]] und seine Frau Karoline, [[Joseph von Eichendorff]], [[Clemens Brentano|Clemens]] und [[Bettina von Arnim|Bettina Brentano]], und einen Kreis junger Maler, die sich im Hause der Brüder [[August Wilhelm Schlegel|August Wilhelm]] und [[Friedrich Schlegel]] trafen. Gestützt durch Aufträge aus diesem Umfeld, entstanden eine ganze Reihe von Landschaftsbildern mit religiösen Themen, insbesondere durch [[Ferdinand Olivier]] und [[Julius Schnorr von Carolsfeld]]. [[Image:Julius Schnorr von Carolsfeld 002.jpg|thumb|300px|Julius Schnorr von Carolsfeld: Die Hochzeit zu Kana, 1819]] Trotz der Unterstützung durch das romantisch gesinnte Bürgertum traf die Bewegung im offiziellen, staatlich dominierten Kunstbetrieb auf scharfe Ablehnung. [[1812]] wurde [[Klemens Wenzel Lothar von Metternich|Fürst Metternich]] zum Kurator der Wiener Akademie ernannt. Diese sah sich weiterhin den Idealen der klassizistischen Kunst verpflichtet, und der in allen Dingen politisch denkende Metternich sah in der Kunst eine Domäne des Staates und in jeglicher Abweichung von der offiziellen Linie bereits Ansätze von Geheimbündelei. Bereits [[1815]] begannen sich die Wiener Lukasbrüder wieder zu zerstreuen. Ferdinand Olivier scheiterte [[1816]] mit einer Ausstellung an der beißenden Kritik seitens der Akademie: man nannte seine Kunstauffassung rücksichtslos, ihn selbst einen Sonderling, einen Don Quichote, einen [[Manierismus|Manieristen]], der von der Natur abweiche. Ludwig Schnorr von Carolsfeld bewarb sich [[1818]], nach Friedrich Heinrich Fügers Tod, auf die Direktorenstelle an der Akademie und fiel mit dieser Bewerbung durch. Erst ab [[1830]], als sich der romantische Nationalismus als politische Einstellung im gesamten deutschen Sprachraum durchsetzte, konnte die nazarenische Kunst, von Bayern und Preußen ausgehend, auch an ihrem Entstehungsort Wien wieder Fuß fassen. === Das Fest in der Villa Schultheiß === Der Durchbruch der Nazarener zu öffentlicher Anerkennung in Deutschland begann [[1818]] mit einem Besuch des bayrischen Kronprinzen [[Ludwig I. (Bayern)|Ludwig]] in Rom. Der Kronprinz hatte während seiner beschwerlichen Reise [[Sizilien]] und einen Teil [[Griechenland]]s besucht und traf am 21. Januar 1818 in Rom ein. Der Kronprinz galt als der neuen Kunst zugeneigt und man wusste von ihm, dass er München zum neuen Zentrum der romantischen Kunst in Deutschland und Italien erheben wollte. Ihm zu Ehren veranstalteten die zahlreichen in Rom weilenden deutschen Künstler ein Fest in der Villa Schultheiß, bei dem die gesamte Dekoration die nazarenische Auffassung von der Rolle der Künstler und der Mäzene zum Motto hatte. [[Image:Philipp Veit 007.jpg|thumb|300px|[[Philipp Veit]]: ''Die Einführung der Künste in Deutschland durch das Christentum'', Wandbild für das alte [[Städel|Städelsche Kunstinstitut]] in [[Frankfurt am Main]], 1834]] Die Idee dafür war offenbar von Cornelius ausgegangen, und die beteiligten Künstler schufen in großer Eile dazu passende Transparente und Dekorationen. Die großen Gemälde, die den Kronprinzen im Hauptraum der Villa Schultheiß begrüßten, stammten von Cornelius, Fohr, Veit und Overbeck sowie Wilhelm von Schadow und Julius Schnorr von Carolsfeld. Zu den Gemälden zählte eine Allegorie auf die Poesie, die auf einem Thron unter einer deutschen Eiche sitzt; ein Gemälde ''Die Arche der wahren Kunst, getragen von Raffael und Dürer''; ein Gemälde Overbecks, auf dem die ''größten Kunstpfleger aller Zeiten'' dargestellt und auf dem unter anderem Kaiser Maximilian, ein Doge von [[Venedig]] und die kunstfördernden Päpste [[Leo X.]] und [[Julius II.]] zu erkennen waren, und ein Gemälde mit den vornehmsten Dichtern und Künstlern. Auf diesem waren unter anderem Raffael, Dürer, Michelangelo, [[Wolfram von Eschenbach]], [[Erwin von Steinbach]], [[Homer]] und König David dargestellt. Einige Darstellungen waren kritisch-satirisch gemeint. Die einstürzenden Mauern von [[Jericho]] stellten die einstürzenden Mauern der falschen Kunst dar, die unter den Posaunenklängen der Maler der Romantik zusammenfallen würden. In ähnlicher Richtung zielte auch die Darstellung des [[Herakles|Herkules]], der bei der Säuberung der Ställe des [[Augias]] gezeigt wurde. Kronprinz Ludwig war von dem ihm zu Ehren veranstalteten Fest zutiefst beeindruckt. Überliefert ist, dass ihm beim Abschied vom Fest die Stimme vor Rührung versagte und er nur die Worte: ''Auf Wiedersehen in Deutschland'' hervorbrachte. Aus München sendete er als Dank für das Fest den ''Teutschen Künstlern in Rom'' ein von ihm verfasstes Gedicht zu, in dem er gleichfalls noch einmal die Überzeugung zum Ausdruck brachte, dass diese Kunst sich in Deutschland durchsetzen werde. [[1819]] berief er auch folgerichtig [[Peter von Cornelius]] auf eine Lehrstelle an der königlichen Akademie in [[München]]. === Durchbruch in Deutschland === ==== Der Münchner Erfolg ==== Wenige Jahre nach dem Fest in der Villa Schultheiß waren die Direktorenstellen an den Akademien in [[Düsseldorf]], [[Berlin]] und [[Frankfurt am Main]] mit Nazarenern besetzt. Dies ist sowohl der erfolgreichen Arbeit von Cornelius zu verdanken als auch der Protektion durch den bayerischen König sowie dem aufkommenden romantischen Nationalismus. Der erste bedeutende Auftrag, den Cornelius durch [[Ludwig I. (Bayern)|Ludwig I.]] erhielt, waren die Fresken der [[Glyptothek (München)|Glyptothek]], die von 1820 bis 1830 entstanden. Der Bau, ein Entwurf von [[Leo von Klenze]], sollte als Skulpturenmuseum dienen, in dem vor allem antike Statuen zu sehen waren. Die Fresken sollten dazu passende Einzeldarstellungen aus der griechischen Mythologie zeigen. An der Ausführung waren wie zu Zeiten Raffaels nicht nur Cornelius beteiligt, sondern auch seine Schüler. Schon nach der Vollendung des Göttersaales im Jahre 1824 wurde Cornelius zum Akademiedirektor ernannt. :''Glück wünsch' ich der Kunst in Bayern, einen herzlich lichten Tag seh' ich werden. Seit den Cinquecentis gab's keinen Maler wie meinen Cornelius'' (Schindler, S. 47) [[Bild:Ferdinand Olivier 003.jpg|thumb|300px|[[Ferdinand Johann von Olivier|Ferdinand Olivier]]:''Jesus mit seinen Jüngern'', Öl auf Pappe, 1840,[[Schweinfurt]], Museum Georg Schäfer]] schrieb der bayerische König auf die Ernennungsurkunde. Die im [[Zweiter Weltkrieg|Zweiten Weltkrieg]] zerstörten Fresken erregten weitreichende Aufmerksamkeit. Mit dem Erfolg war es Cornelius möglich, auch eine Reihe weiterer Nazarener an die Münchener Akademie zu holen. Dazu zählten [[Julius Schnorr von Carolsfeld]] sowie [[Heinrich Maria von Hess|Heinrich Heß]] und [[Friedrich von Olivier|Friedrich]] und [[Ferdinand Johann von Olivier|Ferdinand Olivier]]. 1830 war die Münchner Akademie von Nazarenern dominiert. Friedrich Overbeck hatte einen Ruf an die Münchner Akademie immer abgelehnt, während seines vierwöchigen Besuches in München im Jahre 1831 wurde er jedoch in ungewöhnlicher Weise geehrt. Künstler und Kunstfreunde empfingen ihn bereits vor den Toren der Stadt, spannten ihm die Kutschpferde aus und zogen ihn bis zur Wohnung von Cornelius. Auch Ludwig I. empfing den Künstler. Dank der Protektion durch Ludwig I. entstanden in München zahlreiche nazarenische Kunstwerke. Dazu gehörten Arbeiten wie die von [[Wilhelm von Kaulbach]] geschaffenen Flußallegorien an den Stirnseiten der Hofgartenarkaden in München und Kirchenausmalungen wie die der [[Allerheiligen-Hofkirche]], die von Heinrich Maria Heß ausgeführt wurden und die Kunsthistoriker als die bedeutendste monumentale Leistung der nazarenischen Bewegung bezeichnet haben. Sie ist im Zweiten Weltkrieg ebenso zerstört worden wie die Bonifatius-[[Basilika]], die gleichfalls im nazarenischen Stil ausgemalt worden war. Auch die sogenannten Bayern-Fenster im [[Kölner Dom]] von [[Joseph Anton Fischer]] und die nazarenische Ausmalung des [[Speyerer Dom]]s von 1844 bis 1853, die [[Johann von Schraudolph]] gemeinsam mit seinem Bruder Claudius und einer großen Schar von Gehilfen durchführte, sind auf den Münchner Erfolg zurückzuführen. ==== Die Auswirkung im übrigen Deutschland ==== Als zweiter Hauptort der Nazarenerbewegung etablierte sich vor allem [[Frankfurt am Main]]. [[Philipp Veit]] wurde 1830 als ''Vorsteher der Malschule und Direktor der Galerie'' nach Frankfurt berufen. [[Johann David Passavant]] wurde zum Inspektor des [[Städel]]s und trug maßgeblich dazu bei, dass dieses Museum heute eine so umfangreiche Sammlung an mittelalterlicher Kunst besitzt. Auf ihn ist beispielsweise auch der Ankauf der [[Lucca-Madonna]] von [[Jan van Eyck]] zurückzuführen. Zunehmend erhielten die Nazarener auch Aufträge außerhalb Münchens. Philipp Veit schuf für das [[Städel]] Fresken und arbeitete später an denen für den [[Mainzer Dom]]. Von ihnen sind heute nur noch die [[Neues Testament|neutestamentarischen]] Bibelszenen in den Wandbögen des Mittelschiffs erhalten. Der Bildhauer [[Christian Mohr]] stattete, nach zeichnerischen Entwürfen von [[Ludwig Schwanthaler]], die Südfront mit Skulpturen aus. <ref>„Nach dem von [[Sulpiz Boisserée]] entworfenen und vom [[Mainzer Domkapitel]] beschlossenen Programm fertigte der hochangesehene Münchener Bildhauer bereits 1847 Bleistiftzeichnungen für sämtliche Figuren an. Nach seinem Tode beauftragte man Christian Mohr aus Andernach mit der Ausführung. Sein Verdienst war es, die noch recht klassizistischen Entwürfe Schwanthalers in eine neugotische Formensprache übersetzt zu haben, die sich am Werk der in Rom lebenden deutschen Maler, vor allem Friedrich Overbecks, orientierte. Seine Skulpturen gelten als der Gipfel romantisch-nazarenischer Bildhauerkunst in Deutschland“ (Arnold Wolff).</ref> [[Eduard von Steinle]] schuf Fresken für den [[Kölner Dom]], die Ägidienkirche in [[Münster (Westfalen)|Münster]], den Kaisersaal und den [[Kaiserdom St. Bartholomäus|Kaiserdom]] in [[Frankfurt am Main]] und die Marienkirche in [[Aachen]]. Nachdem Cornelius sich 1839 dem bayerischen König Ludwig I. entfremdet hatte, ging er nach [[Berlin]] und sollte dort für den in der Nähe des wiedererrichteten [[Berliner Dom]]s geplanten [[Campo Santo]] ebenfalls Fresken malen. In der Folge der [[Revolution von 1848]] gab [[Friedrich Wilhelm IV.]] allerdings die Pläne für den Bau des Campo Santo wieder auf. Cornelius, der seit 1843 an den Vorstudien arbeitete, setzte allerdings seine Arbeit daran bis zu seinem Tod fast zwanzig Jahre später fort. Dabei war ihm bewusst, dass sie wahrscheinlich nie zur Ausführung kommen würden, da aufgrund ihrer Ausmaße kein anderer Ort als der geplante Campo Santo in Frage kam. Die Kohlezeichnungen, die Cornelius als seine wichtigsten künstlerischen Arbeiten betrachtete, werden heute in den Lagerräumen der Nationalgalerie in Berlin aufbewahrt. Besonders beeindruckend unter ihnen ist die 472 Zentimeter hohe und 588 Zentimeter breite Kohlezeichnung ''Die [[Apokalyptische Reiter|Apokalyptischen Reiter]]''. === Der Ausklang der Bewegung === ==== Zwischen Säkularisation und Kulturkampf ==== [[Image:Friedrich Overbeck 001.jpg|thumb|300px|[[Friedrich Overbeck]], ''Triumph der Religion in der Kunst'', [[Frankfurt am Main]], [[Städel]]]] Der anschließende Ausklang der nazarenischen Kunst wurde durch innere und äußere Gründe verursacht. Zum einen verengte sich der künstlerische Horizont bei vielen Nazarenern auf ausschließlich religiöse Themen, während zuvor historische Themen, Landschaften und Porträts einen wichtigen Anteil am Gesamtwerk hatten. Die thematische Behandlung geriet immer häufiger süßlich-penetrant. Ein äußerer Grund für dieses Abgleiten ins rein Religiöse waren die Revolutionen von [[Julirevolution von 1830|1830]] und [[Revolution von 1848/49|1848/49]] und die damit verbundene Polarisierung innerhalb der Romantik zwischen Religiosität und politischem [[Sturm und Drang]]. Ein weiterer Grund war die preußische politische Dominanz ab 1848, verbunden mit einer aggressiven Kulturpolitik [[Preußen]]s: Der preußische ''[[Kulturkampf]]'' richtete sich gegen alle Strömungen, die mit römisch-katholischen Geisteshaltungen verbunden waren, und drängte die Nazarener vielerorts aus den öffentlichen Einrichtungen wieder hinaus. Parallel zu dieser politischen Verdrängung suchte die religiöse Erneuerung zwischen [[Säkularisation]] und [[Kulturkampf]] nach einer ihr angemessenen Bildsprache. Diesem Bedarf entsprachen die Nazarener mit ihrem religiösen Ernst. Zahllose [[Neugotik|neugotische]] Kirchenneubauten wurden in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts mit Werken von Nazarenern der zweiten und dritten Generation ausgeschmückt. Diese zahlreichen öffentlichen Aufträge trugen zwar zur Popularisierung der nazarenischen Kunst bei, zu einer künstlerischen Weiterentwicklung kam es jedoch nicht. Einen letzten Aufschwung gab das Wirken des Professors für Religiöse Malerei an der Akademie für Bildende Künste in München, (Ritter) [[Martin von Feuerstein]] (1856-1931). ==== Die Trivialisierung eines Kunstideals ==== Während der [[Impressionismus]] in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zunehmend an Bedeutung gewann, hatte sich das Kunstideal der Nazarener inhaltlich verbraucht und war zur Schablone herabgekommen. Die gesamte Kunstrichtung wurde von Kunstkennern zunehmend geringgeschätzt und geriet in Vergessenheit. :''Nazarenisch bezeichnet im Sprachgebrauch der Nichtfachleute eine blutleere und sentimentale religiöse Imagerie, die bis zum Zweiten Weltkrieg lebendig war und in ihren letzten Ausläufern noch heute faßbar ist. Es wird in etwa als deutsches Äquivalent jenes kirchlichen [[Kunstgewerbe]]s verstanden, das in [[Paris]] um die Kirche Saint-Sulpice angesiedelt war und dessen standardisierte Serienproduktion als Inbegriff schlechten Geschmacks gelten.'' (Gallwitz, S. 365 ff.) fasste Sigrid Metken die Auswirkung der in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts einsetzenden Popularisierung zusammen. Dieses Urteil schloss meist auch ihre frühen Protagonisten ein, die hervorragende Maler und zu ihrer Zeit mutige Neuerer waren. Zu diesem Urteil trug wesentlich die Fülle an süßlichen, qualitativ schwachen und frömmelnden Bildern bei, die in billigen Drucken ihren Abklatsch fanden und in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhundert Pfarrhäuser und Wohnungen füllten. Diese Trivialkunst wurde industriell hergestellt und auf Jahrmärkten vertrieben. Auch bei den Reproduktionen von Werken der Hauptvertreter der Nazarener wie beispielsweise Overbeck und Steinle kam es im Prozess der Herstellung der Druckgraphiken zu einer sentimentalen Vereinfachung der Originale. Dies verstärkte sich noch, als der Farbdruck aufkam. Sigrid Metken hat in ihrer Untersuchung gezeigt, wie Bildmotive von [[Julius Schnorr von Carolsfeld|Schnorr]], Overbeck und Steinle für die Herstellung von Heiligen- und Andachtsbildchen aufgegriffen und zunehmend verkitscht wurden, um einem breiten Publikumsgeschmack entgegenzukommen. Diese zunehmende Trivialisierung hat wesentlich dazu beigetragen, dass die Kunst der Nazarener lange Zeit als eine nur religiös motivierte eingeordnet wurde, die künstlerisch ohne Kraft war. == Die Wiederentdeckung der Nazarener == Die ersten kunsthistorischen Arbeiten über die zum Kreis der Nazarener gehörenden Maler, die mehr als eine reine Quellen- und Materialsammlung waren, wurden in den 1920er und in den 1930er Jahren veröffentlicht. Es waren Monographien, die sich vor allem mit den Hauptfiguren unter den Lukasbrüdern beschäftigten. In den 1930er Jahren wurde dies durch eine umfangreichere Arbeit über die Fresken in der Casa Massimo erweitert. Die ausführliche Auseinandersetzung mit der nazarenischen Kunst setzte allerdings erst in der zweiten Hälfte des 20sten Jahrhunderts ein. 1964 erschien ''The Nazarenes - A Brotherhood of German Painters in Rome'' von Keith Andrews, ein Buch, das ebenso wie mehrere kleine Ausstellungen, darunter eine im [[Germanisches Nationalmuseum|Germanischem Nationalmuseum]] in Nürnberg, eine ausführlichere und sachliche Auseinandersetzung mit der Kunstauffassung der Nazarener einleitete. Ab den [[1970er]] Jahren kam es zu einer Neubewertung des künstlerischen [[Historismus]] des [[19. Jahrhundert]]s und in diesem Zusammenhang zu einem erneuten Interesse an nazarenischer Kunst. 1977 widmete sich eine große Ausstellung im Städel zu Frankfurt am Main den Nazarenern und vereinte im Ausstellungskatalog grundlegende Artikel zu dieser Kunstrichtung. Dem folgte 1981 eine ähnlich große Ausstellung in Rom, in deren Folge auch die Fresken im Casa Massimo umfangreich restauriert wurden. In der ersten Jahreshälfte 2005 zeigte die [[Schirn Kunsthalle Frankfurt|Schirn]] in [[Frankfurt am Main]] erneut Werke der Nazarener in einer ihnen gewidmeten Ausstellung. Eines der Zentren der Kunst der Nazarener ist heute das [[Behnhaus|Museum Behnhaus/Drägerhaus]] in [[Lübeck]], Overbecks Heimatstadt. Das Museum besitzt seit 1914 seinen künstlerischen Nachlass. == Merkmale nazarenischer Kunst == [[Bild:PorträtFranzPforr.jpg|thumb|300px|Friedrich Overbeck: Porträt Franz Pforr, 1810]] In einer Hinsicht gleicht die nazarenische Kunst der klassizistischen Schule, aus der sie sich entwickelt hat: Die klare, konturierte Form hat Vorrang vor der Farbe, das Zeichnerische hat Vorrang vor dem Malerischen. Vorherrschendes Kompositionselement ist die menschliche Figur. Protagonist dieser Richtung war [[Johann Gottfried Herder]] (1744-1803), der führende Theoretiker des Sturm und Drang. Er wandte sich gegen einige der zentralen Lehren der Aufklärung (Klassizismus) und betonte die Schönheit auch der regellosen, urtümlichen Dinge, die Gegen-Antike (Mittelalter). Begonnen hatte diese Entwicklung schon im 17. Jahrhundert, aber eher in elitären Kreisen und mit geringen technischen Möglichkeiten. Im 18. und besonders im 19. Jahrhundert wurden diese Bestrebungen beträchtlich intensiviert. Jetzt erschienen auch Bücher, die Kunstwerke dieser Epochen wiedergeben sollten. Aber da man weder über Fotografie noch über Farbdruck verfügte, wurden diese Werke in Holzstiche oder Holzschnitte umgewandelt – und in dieser Form wurden die Werke der sog. „Primitiven“ populär. Die ''Betonung des linearen Elements'' – als Hauptcharakteristikum des Holzschnitts – in der Kunst der Nazarener kommt also von dort her, aus einer aus technischen Gründen missverstandenen Sicht der mittelalterlichen Kunst. Das zweifellos sowieso schon vorhandene Übergewicht des Zeichnerischen und Konturhaften der älteren Malerei wurde durch die Erfordernisse des damaligen Buchdrucks noch zusätzlich betont. Diese Version der „vor-raffaelischen“ Malerei lernte Overbeck kennen und lieben als Werke von frommer Einfalt und mönchischer Werkergebenheit, bevor er in Rom die Originale sah. Die heute manchmal spürbare Süßlichkeit und Blutleere der nazarenischen Kunst stammt also aus diesen begrenzten Möglichkeiten der technischen Reproduktion. Die Farben haben vor allem die Funktion, die Szene zu verinnerlichen und zu vergeistigen. In warmem, pastelligem Schmelz werden Figuren und Landschaft miteinander verbunden. Besonderen Wert wird auf die Lichtführung gelegt, die zu den zentralen Figuren hinleitet. In vielen nazarenischen Bildern ist sie das einzige dramatische Element in einer Bildkomposition, die im übrigen von tiefer Ruhe, Innerlichkeit und Ernst bestimmt ist. Diese Feierlichkeit entrückt Szenen, die thematisch sehr alltäglich scheinen, ins Überirdische. Die luftigen, durchsichtigen Blautöne des [[Barock-Klassizismus]], welche die Szene in allegorische Ferne entrücken, sind tabu. Die geringe räumliche Tiefenwirkung und das Vermeiden greller Farbkontraste unterstützen die Feierlichkeit. Sie sind äußere Merkmale, die die Nazarener mit ihren mittelalterlichen Vorbildern verbinden. Der Gesichtsausdruck der dargestellten Figuren ist ernst und verinnerlicht; man sieht kein einziges heiteres oder gar lachendes Gesicht. Auffällig sind die weichen, glatt rasierten Gesichtszüge der Männer. Auch in dieser Hinsicht ist die nazarenische Kunst mittelalterlichen Vorbildern ähnlich. Dies gilt auch für die nazarenische Porträtkunst. Als exemplarisch für diese gilt wiederum ein Gemälde von Overbeck, bei dem es sich um ein sogenanntes Freundschaftsbild handelt, wie die Lukasbrüder die Porträts nannten, die sie voneinander malten. Mit ernsten, großen Augen schaut in dem 1810 entstandenen Gemälde Franz Pforr den Betrachter an. Pforr trägt „altdeutsche“ Kleidung und lehnt sich über die Brüstung eines von Wein umrankten Fensters. Hinter ihm ist seine imaginäre zukünftige Ehefrau zu sehen, die strickt und gleichzeitig in einem religiösen Buch liest. Eine [[Madonnenlilie]], ein mittelalterliches [[Mariensymbole|Mariensymbol]], setzt sie einer [[Madonna (Kunst)|Madonna]] gleich. Das gegenüberliegende Fenster gibt den Blick auf eine mittelalterliche nordeuropäische Straße frei, in deren Hintergrund jedoch eine italienische Küstenlandschaft zu erkennen ist. Die Erotik wird als Thema in der nazarenischen Malerei fast völlig ausgeklammert. Die Menschen auf nazarenischen Bildern sind meist völlig bekleidet, auffällig oft in wallende Gewänder mit starkem Faltenwurf und klassizistischer Anmutung. Darstellungen fast nackter Körper, wie in Friedrich Overbecks 1820 vollendetem römischen Monumentalfresko ''Olindo und Sophronia auf dem Scheiterhaufen'', sowie die Aktbilder von [[Julius Schnorr von Carolsfeld]], sind absolute Ausnahmen. == Einfluss der Nazarenischen Kunst auf andere Stilrichtungen == Der künstlerische Einfluss der Nazarener war weitreichend und langanhaltend. '''Italien''': Erste Erfolge für die Nazarener gab es natürlich in Italien, wo sie lange beheimatet waren, sogar im Vatikan und in Assisi (Overbeck in der Porciuncula-Kapelle in [[Santa Maria degli Angeli (Assisi)|Santa Maria degli Angeli]]). Vor allem [[Tommaso Minardi]] folgte ihrem Stil, der seinen caravaggesken Frühstil um 1820 aufgab und Wortführer der Bewegung „Il Purismo“ wurde, der die nazarenischen Prinzipien in die religiöse italienische Malerei einführte <ref name="Vaughan">Vaughan, S. 53</ref>. '''Frankreich''': In Frankreich führte ihr Einfluss zu einer Erneuerung der religiösen Kunst in der Schule von Lyon und prägte den Maler [[Maurice Denis]]. Nazarenische Elemente gibt es in der Kirchenmalerei von [[Jean-Auguste-Dominique Ingres]]. Sein Schüler [[Hippolyte Flandrin]] schuf ein großes Wandgemälde in [[St. Germain-des-Prés]] 1846. Zentrum des deutschen Einflusses in Frankreich war [[Lyon]], wo Paul Chenavard riesige Wandgemälde mit komplizierten philosophischen Themen entwarf <ref name="Vaughan"/>. '''Holland''': Der Holländer [[Ary Scheffer]] führte nazarenische Schlichtheit in seine Salonmalerei ein. '''England''': In Großbritannien übten vor allem Julius Schnorr von Carolsfelds 240 Bibelillustrationen, die 1860 veröffentlicht wurden, großen Einfluss aus. Bereits die [[Präraffaeliten]], eine von den Malern [[Dante Gabriel Rossetti]] und [[Everett Millais]] 1848 gegründete englische Künstlervereinigung, hatten Ideen der Nazarener aufgegriffen. Auch die Präraffaeliten strebten nach einer religiös-seelischen Vertiefung der Kunst und betrachteten die italienische Kunst der Frührenaissance als Vorbild. Man vermisste schmerzlich eine Tradition in der Historienmalerei. Und als 1840 das [[Palace of Westminster|House of Parliament]] mit Wandgemälden ausgestattet werden sollte, tat man das in deutscher Manier. '''Deutschland''': In Deutschland war es vor allem die [[Beuroner Kunstschule|Schule von Beuron]], die in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts das Gedankengut der Nazarener aufgriff. Die Beuroner Richtung war von dem Baumeister, Bildhauer und Maler [[Peter Lenz]] sowie [[Jakob Wüger]] und [[Friedolin Steiner]] im [[Benediktiner]]kloster Beuron begründet worden mit dem Ziel, die religiöse Kunst wiederzubeleben. == Nazarenische Künstler == [[Image:Joseph Anton Koch 004.jpg|thumb|300px|[[Joseph Anton Koch]], Detail des Dante-Zyklus in der Casa Massimo]] --> siehe [[Liste nazarenischer Künstler]] ==Einzelnachweise== <references/> == Literatur == *Christa Steinle, Max Hollein: ''Religion Macht Kunst. Die Nazarener. Katalog zur Ausstellung in der Schirn Kunsthalle Frankfurt.'' Walther König, Köln 2005. ISBN 3-88375-940-6 *Rudolf Bachleitner: ''Die Nazarener.'' Heyne, München 1976. ISBN 3-453-41182-X *[[Klaus Gallwitz]]: ''Die Nazarener.'' Katalog. Städel'sches Kunstinstitut und Städtische Galerie, Frankfurt am Main 1977. Der Ausstellungskatalog enthält unter anderem die Beiträge: * Klaus Gallwitz: ''Die Nazarener in Rom''. Ausstellungskatalog. Prestel, München 1981. ISBN 3-7913-0555-7 * Bradfort D. Kelleher (Hrsg): ''German Masters of the Nineteenth Century.'' Ausstellungskatalog des ''The Metropolitan Museum of Art''. New York 1981. ISBN 0-87099-263-5 * [[Herbert Schindler]]: ''Nazarener - Romantischer Geist und christliche Kunst im 19. Jahrhundert.'' Friedrich Pustet, Regensburg 1982. ISBN 3-7917-0745-0 * William Vaughan: Europäische Kunst im 19. Jahrhundert. Band 1: 1750-1850. Vom Klassizismus zum Biedermeier [1989]. Herder, Freiburg-Basel-Wien 1990, ISBN 978-3451211447 == Weblinks == * [http://kuenstlerleben-in-rom.de/html/die_nazarener.html Die Nazarener in Rom] * [http://www.forum-rom.de/Chronologie/chronologie%20start.htm künstlerische Beziehungen zwischen Deutschland und Italien (1751 - 1835)] [[Kategorie:Christliche Kunst]] [[Kategorie:Stilrichtung in der Malerei]] [[Kategorie:Künstlergruppe]] [[Kategorie:Nazarener| ]] {{Exzellent}} [[ca:Natzarenisme]] [[da:Nazarenerne]] [[en:Nazarene movement]] [[es:Nazarenos (arte)]] [[fi:Nasareenit]] [[fr:Mouvement nazaréen]] [[hu:Nazarénusok]] [[it:Nazareni]] [[nl:Nazareners]] [[no:Den nasarenske bevegelse]] [[pl:Nazareńczycy]] [[pt:Nazarenos (grupo artístico)]] [[ru:Назарейцы]] [[sr:Назарени]] [[sv:Nasarenerna]] jakcxgxfie94kj5z0t8r5nmfbx55eyd wikitext text/x-wiki Neaira (Hetäre) 0 23983 26581 2010-03-29T13:21:18Z APPERbot 0 Bot: veraltete PND-Vorlage durch Normdaten- und DNB-Portal-Vorlage ersetzt; VIAF ergänzt Die [[Hetäre]] '''Neaira''' ({{ELSalt|Νέαιρα}}) lebte im [[4. Jahrhundert v. Chr.]] im [[Antikes Griechenland|antiken Griechenland]]; über ihr genaues Geburts- und Sterbedatum gibt es keine zuverlässigen Angaben. Sie wurde zur Schlüsselfigur mehrerer aufsehenerregender [[Prozess (Recht)|Prozess]]e, deren Dokumentation ein lebendiges Bild der Lebensumstände von Frauen in den Gesellschaften der griechischen [[Polis|Stadtstaaten]] vermittelt. Dank einer umfangreichen schriftlichen Überlieferung ist Neaira heutzutage diejenige [[Prostitution in der Antike|Prostituierte der Antike]], über deren Lebensumstände die meisten Details bekannt sind. <ref>Der Artikel in [http://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Neaira_%28Het%C3%A4re%29&oldid=20609504 dieser] Form basiert, wenn nicht anders angegeben, auf Debra Hamel, ''Der Fall Neaira. Die wahre Geschichte einer Hetäre im antiken Griechenland'', Primus-Verlag, Darmstadt 2004, ISBN 3-89678-255-X.</ref> == Leben == === Die frühen Jahre === Neaira wurde vermutlich um das Jahr 400 v. Chr. geboren. Ihre Herkunft ist ungewiss, möglicherweise war sie ein Findelkind oder stammte aus einem der Randgebiete Griechenlands, vielleicht [[Thrakien]]. Wohl um 390 wurde sie von [[Nikarete aus Korinth|Nikarete]], einer [[Bordell]]wirtin aus [[Korinth]], gekauft. Nikarete betrieb ein „besseres“ Etablissement in Korinth, einer Stadt, die in der [[Antike]] für ihre florierende [[Prostitution]]swirtschaft berühmt war. Davon zeugt das in der Literatur überlieferte [[Verb]] ''korinthiazein'', das in etwa mit „(herum)huren“ übersetzt werden kann. Nikarete gab Neaira als ihre Tochter aus und sorgte für die „Ausbildung“ zur Prostituierten. Durch das vorgegebene Verwandtschaftsverhältnis versuchte Nikarete den Preis, den die Kunden zu zahlen hatten, in die Höhe zu treiben: Es war üblich, dass freie Frauen höhere Preise für ihre Dienstleistungen verlangten.<ref>zu Nikarete und ihrem Bordell: Pseudo-Demosthenes 59,18 & 19</ref> Nach dem Bekunden des griechischen Schriftstellers [[Apollodor (Politiker aus Athen)|Apollodoros]] (der Neaira in seinen Texten allerdings fast ausschließlich negativ entgegentritt), begann sich Neaira schon vor der Pubertät zu verkaufen, was in der Praxis nichts anderes bedeutet, als dass Nikarete sie schon als Kind zur Prostitution zwang. Ihre Ausbildung schloss nicht nur den Umgang mit Männern, sexuelle Praktiken, Körperpflege und Schönheitstipps ein; zum Berufsbild einer Hetäre gehörte es auch, den Kunden bei [[Symposion|Symposien]] intellektuell anregende Gesellschaft zu leisten. Daher hatten sich die jungen Mädchen auch umfangreiche kulturelle Kenntnisse, etwa in den Bereichen Literatur, Kunst und Musik, anzueignen, über die griechische Frauen damals gewöhnlich nicht verfügten.<ref>Pseudo-Demosthenes 59,22</ref> [[Bild:Griechen31.jpg|thumb|Ein Mann und eine Hetäre (an der Wand hängt eine Geldbörse, die den Charakter dieser Darstellung beschreiben soll) beim Geschlechtsverkehr; Innenbild einer [[Rotfigurige Vasenmalerei|rotfigurigen]] Trinkschale des [[Hochzeits-Maler]]s; Privatbesitz, München (um 480–470 v. Chr.)]] Neben Neaira lebten im Bordell Nikaretes noch sechs weitere namentlich bekannte Mädchen unterschiedlichen Alters: [[Metaneira (Hetäre)|Metaneira]], Anteia, Stratola, Aristokleia, Phila und Isthmias. Wahrscheinlich waren sie alle zu ihrer Zeit sehr prominent. Nach Anteia wurden seinerzeit mehrere Dramen benannt, und der Dichter [[Philetairos (Dichter)|Philetairos]] erwähnt in seinem Stück ''Die Jägerin'' sogar drei von Nikaretes Mädchen (Neaira, Phila und Isthmias). Die Kundschaft gehörte größtenteils zur besseren Gesellschaft der Zeit. Oft kam sie auch von außerhalb Korinths, da die Stadt dank ihrer günstigen Lage am [[Isthmus von Korinth|Isthmus]] ein Handelszentrum war. Als Kunden sind namentlich Politiker, Sportler, Philosophen und Dichter bekannt, darunter der Dichter [[Xenokleides (Athen)|Xenokleides]] und der Schauspieler [[Hipparchos (Schauspieler)|Hipparchos]].<ref>Pseudo-Demosthenes 59,19; Athenaios, Deipnosophisten 13 567c & 586e</ref> Ein prominenter Gast im Bordell Nikaretes und Stammkunde bei Metaneira war der Redner [[Lysias]]. Da sein Geld nur Nikarete zugute kam und er auch seiner Geliebten einen Gefallen erweisen wollte, finanzierte er dieser Mitte der 380er Jahre eine Reise nach [[Eleusis]] bei Athen, wo sie auf seine Kosten in den dortigen [[Mysterien von Eleusis|Mysterienkult]] eingeführt wurde. Bei dieser Reise nach Athen wurden beide nicht nur von Nikarete, sondern auch von Neaira begleitet. Es war wohl Neairas erster Aufenthalt in der attischen Metropole.<ref>Pseudo-Demosthenes 59,22 & 23</ref> 378 kam sie erneut in die Stadt, dieses Mal zu den [[Panathenäen]], wobei sie sich diesmal in der Begleitung ihrer Herrin und ihres eigenen Stammkunden [[Simos aus Thessalien]] befand. Letzterer gehörte der bedeutenden [[Thessalien|thessalischen]] Familie der [[Aleuadei]] an und war Mitte des 4. Jahrhunderts eine Berühmtheit in Griechenland, wenn auch über seinen Status zur Zeit der Reise heute nichts Genaues mehr gesagt werden kann.<ref>Pseudo-Demosthenes 59,24</ref> Wie die Verbindungen Metaneiras zu Lysias und Neairas zu Simos zeigen, musste eine Verbindung zu Nikaretes Hetären keineswegs ein einmaliges, schnelles Vergnügen sein, sondern konnte zu einer längerfristigen Beziehung werden. Trotzdem kann man sie nicht zur höchsten Klasse der Prostituierten zählen, da sie als Sklavinnen keinerlei Wahlfreiheit in Bezug auf ihre Kundschaft hatten. === Zwischen Bordell und Freiheit === [[Bild:Sg2537.jpg|thumb|Athenische [[Tetradrachme]] aus Athen aus der Zeit der Neaira (etwa 393–355 v. Chr.)]] Die finanziell ergiebigste Zeit für Nikarete waren die Lebensjahre zwischen der Pubertät und dem beginnenden dritten Lebensjahrzehnt ihrer Sklavinnen, danach begann deren Attraktivität für interessierte Kunden zu sinken. Somit kam es Nikarete wohl nicht ungelegen, als Timanoridas aus Korinth und Eukrates aus [[Leukas]] wahrscheinlich kurz nach der Reise nach Athen im Jahr 376 Neaira kauften. Sie gehörten wohl zu Neairas Stammkunden und waren der Meinung, dass es für beide auf Dauer preisgünstiger war, wenn sie sich gleich die ganze Frau kauften, auch wenn sich erwies, dass die Transaktion beide noch einmal einen stattlichen Betrag kosten sollte.<ref>Pseudo-Demosthenes 59,30</ref> Nikarete forderte nicht weniger als 3.000 [[Griechische Drachme|Drachmen]] (das Zehnfache des Preises, den ein gelernter Handwerkssklave erzielte, und das fünf- bis sechsfache Jahreseinkommen eines Arbeiters). Obwohl beide damit an ihre finanziellen Grenzen gingen, wurde das Geschäft getätigt. Nun hatte Neaira zwei neue Besitzer, die mit ihr nach Belieben umgehen konnten. Diese Praxis war nichts Ungewöhnliches und ist mehrfach in antiken Quellen bezeugt. Anders als bei anderen ähnlichen Arrangements kam es in diesem Falle jedoch zu keinem Streit zwischen beiden Besitzern.<ref>Pseudo-Demosthenes 59,30</ref> Nach wohl etwa einem Jahr wollte einer der beiden (oder gar beide) heiraten. Eine Hetäre zu unterhalten war teuer, weshalb nach einem Ausweg gesucht werden musste. Die drei kamen zu der Übereinkunft, dass Neaira sich für 2.000 Drachmen freikaufen konnte, wenn sie danach Korinth für immer verließe. Mit Hilfe früherer Kunden, vor allem eines Mannes namens [[Phrynion]], brachte sie das Geld auf und kaufte sich frei. Mit Phrynion ging sie in dessen Heimatstadt Athen, wo das Paar für einige Zeit zusammen lebte. <ref>Pseudo-Demosthenes 59,30–32</ref> Phrynion war ein Lebemann und nahm, wie Apollodoros schildert, Neaira regelmäßig zu seinen Ausschweifungen mit. Dabei soll er mit Neaira sogar öffentlich Geschlechtsverkehr gehabt haben, was im alten Griechenland ungewöhnlich und selbst in offen gesinnten Kreisen nicht statthaft war. In aller Ausführlichkeit wird ein Gelage im Spätsommer des Jahres 374 beim athenischen Strategen [[Chabrias]] geschildert, der gerade seinen Sieg bei den [[Pythische Spiele|Pythischen Spielen]] feierte. Während des Festes soll Neaira sich bis zur Bewusstlosigkeit betrunken haben, so dass sich in ihrem trunkenen Zustand viele der Gäste und sogar Sklaven an ihr vergingen.<ref>Pseudo-Demosthenes 59,33</ref> Irgendwann zwischen den Sommern der Jahre 373 und 372 packte Neaira ihre Habseligkeiten und verließ Phrynion. Es ist unklar, warum sie diesen Schritt tat; wahrscheinlich wurde sie von ihm schlecht behandelt. Neben ihren eigenen Besitztümern nahm sie wohl auch ein paar Gegenstände aus dem Besitz Phrynions mit. Ihr Ziel war [[Megara]], wie Korinth ein Zentrum der Prostitution. Neaira hätte wohl ein gutes Auskommen gehabt, wenn nicht zu dieser Zeit der [[Boiotischer Krieg|Boiotische Krieg]] ausgetragen worden wäre, der den Handel (und auch die Prostitution) zum Erliegen brachte, weil die Kundschaft der Stadt fernblieb. Neaira blieb für zwei Jahre in der Stadt und bestritt in dieser Zeit mehr schlecht als recht ihren Lebensunterhalt als Prostituierte, wobei zu bedenken ist, dass sie nicht nur sich selbst zu versorgen hatte, sondern auch ihre beiden Sklavinnen Thratta und Kokkaline, die sie wohl schon erworben hatte, während sie mit Phrynion lebte.<ref>Pseudo-Demosthenes 59,35 & 36</ref> === Leben mit Stephanos === Nach der [[Schlacht bei Leuktra]], die die Machtverhältnisse in Griechenland zu Ungunsten der Spartaner und zu Gunsten der Thebaner verschob, kam der reiche Athener [[Stephanos (Athener)|Stephanos]] nach Megara und blieb offenbar eine Weile in Neairas Haus. Hier begannen die beiden eine Affäre und verliebten sich allem Anschein nach ineinander. Möglich ist jedoch auch, dass Neaira zwar nicht verliebt war, aber die Sicherheit bei Stephanos dem unsicheren und unsteten Leben vorzog. Auch nach der Schlacht von Leuktra hatte sich ihre Situation in Megara nicht gebessert, daher kehrte sie mit Stephanos wieder nach Athen zurück. Sie glaubte wahrscheinlich, in Stephanos einen Beschützer zu haben, der ihr auch vor Phrynion Sicherheit bieten konnte.<ref>Pseudo-Demosthenes 59,37</ref> Interessant ist, dass Apollodoros nun behauptete, Neaira habe beim Verlassen Megaras drei eigene Kinder mit nach Athen genommen: die beiden Söhne Proxenos und Ariston sowie eine Tochter namens Strybele, die im späteren Leben [[Phano]] genannt wurde. Apollodoros berichtet weiterhin, dass Phano mittlerweile auch Hetäre geworden war und als solche eine ernsthafte Konkurrentin für ihre Mutter darstellte. Angeblich musste Neaira nach der Rückkehr nach Athen sogar als Hetäre für den Lebensunterhalt des Stephanos sorgen. All diese Aussagen sind jedoch kaum haltbar, und Apollodoros bietet keine Beweise für diese Behauptungen.<ref>Pseudo-Demosthenes 59,38 & 119</ref> Ein Problem war zunächst, dass Phrynion erwartungsgemäß, sobald er von der Anwesenheit Neairas in Athen erfuhr, diese mit Hilfe mehrerer Freunde aus Stephanos' Haus verschleppte. Eine solche Handlungsweise bedeutete, dass er Rechte geltend machen wollte, die ein Herr seiner Sklavin gegenüber hatte. Doch ist es mehr als fragwürdig, dass Neaira in einem solchen Falle zurück nach Athen gegangen wäre. Stephanos brachte daraufhin eine Klage gegen Phrynion ein, und dieser wiederum antwortete mit einer Gegenklage. Somit musste der Status Neairas vor Gericht geklärt werden.<ref>Pseudo-Demosthenes 59,40</ref> Zunächst konnte sie zu Stephanos zurückkehren, der mit zwei Freunden für sie bürgte; zu einer Verhandlung kam es jedoch nie. Beide Seiten einigten sich darauf, private Schlichter (''[[diaitetai]]'') zu konsultieren. Sie wählten jeder je einen Schlichter aus sowie einen dritten, der beiden genehm war. Ebenso vereinbarten sie, sich dem Schiedsspruch zu unterwerfen und keine weiteren rechtlichen Schritte zu unternehmen.<ref>Pseudo-Demosthenes 59,45</ref> Das Ergebnis war, wie oft in solchen Schlichtungsverfahren, ein Kompromiss, mit dem sowohl Phrynion als auch Stephanos leben konnten, Neaira hatte ohnehin von vornherein keine Wahl. Es wurde festgestellt, dass sie keine Sklavin, sondern eine [[Freigelassener|Freigelassene]] sei. Sie musste jedoch außer Kleidung, Schmuck und ihren selbst gekauften Sklavinnen alles zurückgeben, was sie aus dem Haushalt Phrynions mitgenommen hatte. Außerdem sollte sie beiden Männern zu gleichen Teilen zur sexuellen Verfügung stehen. Für ihren Lebensunterhalt musste jeweils der Mann aufkommen, bei dem sie gerade lebte. Wie lange diese Übereinkunft eingehalten wurde, ist unklar, weil Phrynion von da an nie wieder in den Quellen genannt wird.<ref>Pseudo-Demosthenes 59,46–48</ref> === Affären um Phano === Mehr als zehn Jahre nach diesem Ereignis wurde Phano, von der Apollodoros später behaupten sollte, sie sei Neairas leibliche Tochter gewesen, zum ersten Mal verheiratet. Ihr Ehemann war ein Athener namens [[Phrastor]]. Doch verlief diese Ehe nicht glücklich, sie wurde nach etwa einem Jahr, als Phano gerade schwanger war, geschieden. Als Scheidungsgrund gab Phrastor an, er habe entdeckt, dass Phano nicht die Tochter des Stephanos und seiner ersten Frau war, sondern die der Neaira. Ehen zwischen Athenern und Nichtathenern waren jedoch nicht gestattet. Der wahre Grund war aber wohl, dass Phano ihm seines Erachtens nicht genug Respekt entgegenbrachte und damit nicht das Ideal der athenischen Hausfrau verkörperte.<ref>Pseudo-Demosthenes 59,50</ref> Was nun folgte, war ein verworrenes Spiel. Da Phrastor die Mitgift von 3.000 Drachmen nicht herausgeben wollte, verklagte ihn Stephanos, woraufhin Phrastor eine Gegenklage einreichte, in der er Stephanos bezichtigte, ihm eine Nichtathenerin zur Frau gegeben zu haben. Weil die athenische Gerichtsbarkeit in den Händen von Laienrichtern lag und vor Gericht am Ende die Partei gewann, deren [[Rhetorik]] am überzeugendsten wirkte, bestand immer die Gefahr von eklatanten Fehlurteilen. Dieser Umstand veranlasste Stephanos, seine Klage zurückzuziehen, was ihm Phrastor kurz darauf gleichtat. Für Stephanos standen im Falle einer Niederlage nicht nur die 3.000 Drachmen, sondern auch der Verlust seiner Bürger- und Ehrenrechte auf dem Spiel, wie auch Phano ihr Status als Bürgerin hätte aberkannt werden können. <ref>Pseudo-Demosthenes 59,50–53</ref> Kurz nach dieser Episode wurde Phrastor ernsthaft krank. Trotz allem, was vorgefallen war, pflegten ihn Phano und Neaira, wohl nicht ohne Hintergedanken. Während seiner Krankheit erkannte Phrastor in seinem Testament Phanos Sohn –&nbsp;der ja auch sein Nachkomme war&nbsp;– als legitimes Kind und rechtmäßigen Erben an.<ref>Pseudo-Demosthenes 59,55–59</ref> In den mittleren oder späten 350er Jahren führte eine neue Affäre Stephanos ein weiteres Mal vor Gericht. Er ertappte einen Gast der Familie –&nbsp;[[Epainetos von Andros]], der angeblich ein früherer Kunde der Neaira war&nbsp;– beim Geschlechtsverkehr mit Phano. Als ''[[Kyrios (Recht)|kyrios]]'', als Hausvorstand und Schutzherr aller in seinem Haushalt lebenden Personen, hatte Stephanos das Recht, Epainetos zu bestrafen, ihn sogar zu töten. Doch forderte er nur 3.000 Drachmen Schadensersatz, und Epainetos war klug genug, darauf einzugehen, wofür er zwei Bürgen bestellte.<ref>Pseudo-Demosthenes 59,64–66</ref> Kaum wieder in Freiheit, verklagte der Ertappte seinerseits Stephanos wegen angeblich ungerechtfertigter Gefangennahme. Weiterhin behauptete er, selbst kein ''[[moichos]]'' (Ehebrecher) zu sein. Zudem sei Phano eine Prostituierte und Stephanos' Haus ein Bordell. Alles sei nur ein Komplott gewesen, um Geld von ihm zu erpressen, und auch Neaira habe von dem Vorhaben gewusst. Eigentlich wären alle diese Aussagen zu entkräften gewesen, da Epainetos kaum Zeugen gefunden hätte, die vor Gericht zu Ungunsten Phanos ausgesagt hätten. Dennoch hätten die Richter womöglich unterstellt, dass ein Mädchen, das im Haus der berüchtigten Neaira aufwuchs, gleichfalls eine Hetäre sei.<ref>Pseudo-Demosthenes 59,67</ref> Erneut verzichtete Stephanos auf sein Recht und damit auf die 3.000 Drachmen. Selbst, wenn er Recht bekommen hätte, wäre die Affäre vor einem Gericht gelandet, wo sich die Promiskuität Phanos nicht hätte verheimlichen lassen – die Chancen für eine erneute respektable Verehelichung der jungen Frau wären beträchtlich gesunken. In einem Schlichtungsverfahren wurde Stephanos immerhin ein Betrag von 1.000 Drachmen zuerkannt. Eine kurz darauf geschlossene zweite Ehe Phanos war zwar tatsächlich überaus prestigeträchtig, verlief aber schließlich wiederum nicht glücklich.<ref>Pseudo-Demosthenes 59,69–71</ref> === Der Prozess === [[Bild:Fryne przed areopagiem.jpg|thumb|[[Jean-Léon Gérôme]]: „Phryne vor dem Areopag“, 1861, [[Hamburger Kunsthalle]] – Fiktive Darstellung eines Prozesses um eine Hetäre ([[Phryne]]) vor einem Athener Gericht.]] Nicht nur familiäre Probleme beschäftigten Stephanos: Er war auch ein politisch aktiver Mensch und als solcher oftmals in Prozesse verwickelt. Zu einem seiner wichtigsten Gegenspieler entwickelte sich der schon mehrfach erwähnte [[Apollodor (Politiker aus Athen)|Apollodoros]], der zu den reichsten Athenern seiner Zeit gehörte. Stephanos hatte diesem bei mehreren Gerichtsverhandlungen gegenübergestanden und ihm auch schmerzhafte Niederlagen zugefügt.<ref>Pseudo-Demosthenes 59,3–5</ref> Zwischen 343 und 340 brachte [[Theomnestes]] als Stellvertreter für Apollodoros eine [[xenias graphe|Klage wegen angemaßten Bürgerrechts]] (''xenias graphe'') gegen Neaira ein, die Stephanos treffen sollte. Laut dieser Anklage war Neaira zu Unrecht mit Stephanos verheiratet, und ihre Kinder wurden widerrechtlich als Athener Bürger ausgegeben.<ref>Pseudo-Demosthenes 59,2</ref> Die meiste Zeit über führte Apollodoros das Wort der Anklage und versuchte, Neaira einen großangelegten Betrug nachzuweisen. Von Beginn an wurde offen erwähnt, dass es nur um die Rache an Stephanos ging. Dabei wurde eine Klage gegen eine dritte, unbeteiligte Person wie Neaira als legitim angesehen.<ref>Pseudo-Demosthenes 59,13–15</ref> Apollodoros legte ausführlich die Lebensgeschichte der Neaira dar und schilderte, wo er nur konnte, ihre angebliche Verderbtheit. Ebenso versuchte er mit heute zum Teil abenteuerlich anmutenden Argumenten zu beweisen, dass alle Kinder des Stephanos Kinder der Neaira waren. Stephanos habe gegen Gesetze verstoßen, die Ehen mit Nicht-Athenerinnen und ehemaligen Prostituierten untersagten. Auch die Beweise, die Apollodoros für eine Ehe vorbrachte –&nbsp;die sich kaum vom [[Konkubinat]] unterschied und vor allem an der Stellung gemeinsamer Kinder zu erkennen war&nbsp;– sind nicht sehr stichhaltig.<ref>Hamel (siehe Literaturliste), S. 61–132</ref> Doch ist heute nur noch die Anklagerede und nicht das Ergebnis des Prozesses bekannt. Die erhaltenen Quellen berichten nichts vom weiteren Schicksal der wichtigsten Beteiligten. Neaira durfte, entsprechend den Gepflogenheiten der athenischen [[Patriarchat (Soziologie)|Männergesellschaft]], nicht einmal als Zuschauerin am Prozess teilnehmen, obwohl ihre Niederlage die erneute Versklavung nach sich gezogen hätte. Darüber hinaus wäre in diesem Fall der rechtliche Status der Kinder äußerst unsicher geworden, und Stephanos hätte auf sein Vermögen sowie seine Bürger- und Ehrenrechte verzichten müssen.<ref>Hamel, S. 179</ref> == Rezeption == [[Bild:RGM 079.jpg|thumb|Eine vor 1818 zu Demosthenes umgearbeitete antike römische Skulptur, heute im [[Römisch-Germanisches Museum|Römisch-Germanischen Museum]] in Köln]] Obwohl zu keiner anderen Prostituierten des Altertums so umfangreiche Informationen überliefert sind, ist Neaira in unserem heutigen Bewusstsein weniger präsent als beispielsweise [[Lais]], [[Thaïs]] oder [[Phryne]]. Die Anklageschrift gegen Neaira bietet den Historikern eine Schlüsselquelle zur Kultur-, Familien- und Ehegeschichte Athens sowie zur Prostitution und zum Hetärenwesen im antiken Griechenland. Überliefert wurde die Anklage, die Theomnestes und Apollodoros vor Gericht gehalten hatten, in einer Sammlung von Reden des [[Demosthenes]], dem Apollodoros politisch nahe stand. Heute gilt jedoch als gesichert, dass diese Rede zu den [[Pseudo-Demosthenes|pseudo-demosthenischen]] Reden gehört und fälschlicherweise unter seinem Namen überliefert wurde. Die tatsächliche Persönlichkeit der Hetäre ist aus den Quellen schwerlich zu rekonstruieren, Neaira fungierte während der Prozesse als Spielball verschiedener Interessen und tritt selbst in den Hintergrund. Keiner der Autoren –&nbsp;am allerwenigsten Apollodoros&nbsp;– ist ernsthaft an einer Charakterisierung einer Frau von zweifelhaftem Ruf interessiert. Wenn einmal etwas Vergleichbares erfolgt, dann nur, um die Anklage zu unterstützen, nicht jedoch zum Zwecke einer objektiven Darstellung. Somit kennen wir zwar viele Einzelheiten aus verschiedenen Abschnitten ihres Lebens, über ihre eigenen Wünsche, Sorgen und Nöte, geschweige denn ihren Charakter im Ganzen können wir jedoch nichts Sicheres sagen und bleiben auf Vermutungen angewiesen. Gerade in den letzten Jahren wurde die Rede und das Leben der Neaira immer öfter Gegenstand von Spezialuntersuchungen. Debra Hamel schrieb 2004 eine Monografie zu ihrer Person, die ebenso wie die Rede selbst von [[Kai Brodersen]] ins Deutsche übersetzt wurde. Trotz der neuesten Untersuchungen finden sich auch heute noch Historiker und Historikerinnen, die die Anklageschrift des Apollodoros für bare Münze nehmen und in der wissenschaftlichen Literatur die leicht zu widerlegenden Behauptungen des Anklägers weitertragen. So behauptet noch [[Sarah B. Pomeroy]]<ref>''Frauenleben im Klassischen Altertum'', Kröner, Stuttgart 1985, S. 136; Original: Women in classical antiquity, Schocken Books, New York 1975</ref>, dass Phano Tochter der Neaira war und sie allein und als Hetäre drei Kinder aufgezogen hätte. Bildnisse Neairas, auch spätere Phantasieprodukte, sind aus der Antike nicht überliefert. Die deutsche Melodic Death Metal-Band [[Neaera (Band)|Neaera]] ist nach Neaira benannt. == Quellen == * [[Athenaios]] 13,593f.–594a * [[Pseudo-Demosthenes]] or. 59 [http://www.perseus.tufts.edu/hopper/text?doc=Perseus%3Atext%3A1999.01.0079%3Aspeech%3D59 in der Edition von Rennie (1931) im Perseus-Projekt]<br /> Deutsche Übersetzung in: [[Kai Brodersen]]: ''Antiphon, Gegen die Stiefmutter, und Apollodoros, Gegen Neaira (Demosthenes 59). Frauen vor Gericht''. Wiss. Buchgesellschaft, Darmstadt 2004 (Texte zur Forschung, 84), ISBN 3-534-17997-8. == Literatur == * [[James N. Davidson]]: ''Kurtisanen und Meeresfrüchte. Die verzehrenden Leidenschaften im klassischen Athen''. Siedler, Berlin 1999, Berliner Taschenbuch, Berlin 2002. ISBN 3-833-30199-6 (Original: ''Courtesans and Fishcakes: The Consuming Passions of Classical Athens''. London 1997.) ** Kurzweilige, manchmal jedoch etwas oberflächliche Einführung ins Privatleben der antiken Athener. Auffällig ist, dass dem Werk der rote Faden fehlt. * [[Debra Hamel]]: ''Der Fall Neaira. Die wahre Geschichte einer Hetäre im antiken Griechenland''. Primus-Verlag, Darmstadt 2004. ISBN 3-89678-255-X ** Debra Hamel beleuchtet in ihrem Buch zwar auf eindringliche Weise die Hintergründe der Lebenswelt Neairas, schafft es aber nicht immer, Distanz zum Thema zu wahren, sondern versucht, eine Ehrenrettung für Neaira zu liefern, die aus den wenigen Quellen jedoch nur schwer belegbar ist. ** Rezensionen: [http://www.powells.com/review/2003_07_24.html Ingrid D. Rowland (engl.)] == Weblinks == * {{DNB-Portal|128963573}} == Anmerkungen == <div class="references-small" style="-moz-column-count:2; column-count:2;"> <references /></div> {{Gesprochene Version |datei=De-neaira(hetaere)-article.ogg |länge=22:09 min |größe=6,64 MB |version=http://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Neaira_(Het%C3%A4re)&oldid=52934722 }} {{Normdaten|PND=128963573|VIAF=23206183}} {{DEFAULTSORT:Neaira (Hetare)}} [[Kategorie:Grieche (Antike)]] [[Kategorie:Hetäre]] [[Kategorie:Geboren im 4. Jahrhundert v. Chr.]] [[Kategorie:Gestorben im 4. Jahrhundert v. Chr.]] [[Kategorie:Frau]] {{Exzellent}} {{Personendaten |NAME=Neaira |ALTERNATIVNAMEN= |KURZBESCHREIBUNG=griechische Hetäre |GEBURTSDATUM=4. Jahrhundert v. Chr. |GEBURTSORT= |STERBEDATUM=4. Jahrhundert v. Chr. |STERBEORT= }} [[en:Neaira (hetaera)]] [[la:Neaera]] jv1rpyror0lxsvjr5nlfu048qlbi9mx wikitext text/x-wiki Neon Genesis Evangelion 0 23984 26582 2010-05-02T18:13:17Z Franczeska 0 typo {{Medienbox | Titel = Neon Genesis Evangelion | Originaltitel = {{lang|ja-Jpan|新世紀エヴァンゲリオン}} | Transkription = Shin Seiki Evangerion | Bild = Neon Genesis Evangelion Logo.svg | Bildunterschrift = | Genre = [[Science-Fiction]], [[Mecha]], [[Actionserie]] | Inhalt = {{Infobox Fernsehsendung | Franchise = ja | PL = [[Japan]] | PJ = 1995 | PRO = [[Noriko Kobayashi]] (TV Tōkyō), [[Yutaka Sugiyama]] | LEN = 25 | EA = 26 | ST = 1 | OS = [[Japanische Sprache|Japanisch]] | SONG = ''Zankoku na Tenshi no These'' | IDEE = [[Hideaki Anno]] | EAS = 4.&nbsp;Oktober 1995&nbsp;– 27.&nbsp;März 1996 | SEN = [[TV Tokyo]] | EASDE = 27.&nbsp;November 2000&nbsp;– 1.&nbsp;Januar 2001 | SENDE = [[VOX]] | SYN = ja }} {{Medienbox/Verweis | Art = Mangas | Titel_1 = [[Neon Genesis Evangelion (Manga)|Neon Genesis Evangelion]] | Titel_2 = [[Shin Seiki Evangelion: Kōtetsu no Girlfriend|Neon Genesis Evangelion – Iron Maiden]] }} {{Medienbox/Verweis | Art = Filme | Titel_1 = [[Neon Genesis Evangelion: Death & Rebirth]] | Titel_2 = [[Neon Genesis Evangelion: The End of Evangelion]] | Titel_3 = [[Evangelion:1.01 – You are (not) alone.]] | Titel_4 = [[Evangelion Shin-Gekijōban: Ha|Evangelion:2.0 – You can (not) advance.]] }} {{Medienbox/Verweis | Art = Yonkoma und Fernsehserie | Titel_1 = [[Petit Eva: Evangelion@School]] }} {{Medienbox/Verweis | Art = Computerspiele | Titel_1 = [[Computerspiele zu Neon Genesis Evangelion]] }} {{Infobox Comic | Franchise = ja | Art = manga | Titel = Shin Seiki Evangelion: Ikari Shinji Ikusei Keikaku | Originaltitel = | Transkription = Shin Seiki Evangerion: Ikari Shinji Ikusei Keikaku | Autor = Osamu Takahashi | Verlag = [[Kadokawa Shoten]] | Magazin = Shōnen Ace | Datum = | Von = 2005 | Bis = | Ausgaben = 5 }} {{Infobox Comic | Franchise = ja | Art = manga | Titel = Shin Seiki Evangelion: Gakuen Datenroku | Originaltitel = 新世紀エヴァンゲリオン 学園堕天録 | Transkription = Shin Seiki Evangerion: Gakuen Datenroku | Autor = Min Min | Verlag = [[Kadokawa Shoten]] | Magazin = Asuka | Datum = | Von = Oktober 2008 | Bis = | Ausgaben = }} }} '''Neon Genesis Evangelion''' ([[Japanische Schrift|jap.]] {{lang|ja-Jpan|新世紀エヴァンゲリオン}} ''Shin Seiki Evangerion'', auch kurz '''NGE''' oder '''EVA''') ist eine international erfolgreiche [[Anime]]-[[Fernsehserie]] aus dem Jahr 1995. Sie bildet die Grundlage für mehrere später erschienene Filme, [[Manga]]s und Videospiele und gilt als eine der bedeutendsten Anime-Produktionen.<ref name="Azuma">[[Hiroki Azuma]]: [http://www.ntticc.or.jp/pub/ic_mag/ic018/intercity/higashi_E.html#top ''Anime or something like it: Neon Genesis Evangelion''], Essay</ref><ref name="rev"/><ref name="japrev">{{internetquelle |url=http://news.livedoor.com/article/detail/2231472/ |titel={{lang|ja-Jpan|永久不滅のエヴァ人気}} |hrsg=livedoor |autor=Momoko Yasuda ({{lang|ja-Hani|安田 モモコ}}) |datum=23. Juli 2006 |zugriff=9. Februar 2009 |sprache=japanisch}}</ref> Das Werk nimmt Bezug auf viele ältere Filme, Serien und Bücher und hatte großen Einfluss auf folgende Produktionen. NGE erschloss dem Medium Anime in Japan und international ein neues Publikum. Die Serie handelt vom Kampf gegen ''Engel'' genannte Kreaturen unbekannter Herkunft, die die Menschheit angreifen. Ihnen werden von Jugendlichen gesteuerte Kampfmaschinen entgegengesetzt, die ''Evangelions''. Mit fortschreitender Handlung werden zunehmend auch die psychischen Probleme der Charaktere thematisiert. Der Anime ist in die [[Genre]]s [[Science-Fiction]], [[Action (Film)|Action]] und [[Mecha]] einzuordnen und enthält verschiedene Elemente aus [[Philosophie]] und [[Psychologie]]. == Handlung == Im Laufe der Serie werden nach und nach die Ereignisse erklärt, die vor der von der Serie erzählten Handlung stattfanden. Diese werden im Abschnitt „Vorgeschichte“ erläutert; die eigentliche Handlung der Serie beginnt im Abschnitt „Haupthandlung“. === Vorgeschichte === [[Datei:Seelelogo.jpg|thumb|Logo der Organisation SEELE]] Am 13.&nbsp;September 2000 ereignet sich am [[Südpol]] eine [[Kataklysmus|kataklysmische]] Explosion, die zum vollständigen Abschmelzen des [[Antarktischer Eisschild|Polareises]] in der [[Antarktis]] und zum Kippen der [[Erdachse]] führt. Der darauf folgende [[Meeresspiegelanstieg|Anstieg des Meeresspiegels]], massive [[Klimaveränderung]]en und weltweit ausbrechende Konflikte um die verbleibenden Ressourcen führen zum Tod von drei Milliarden Menschen, was der Hälfte der Weltbevölkerung entspricht. Offiziell gilt der mit annähernd [[Lichtgeschwindigkeit]] erfolgte Einschlag eines Mini-[[Meteorit]]en als Auslöser dieser Katastrophe. In Anlehnung an das Ereignis, das zum Aussterben der [[Dinosaurier]] führte, wird sie deshalb als ''{{lang|en|Second Impact}}'' („Zweiter Einschlag“) bezeichnet. Die wahre Ursache der Katastrophe ist jedoch ein „Kontaktexperiment“, das von den Mitgliedern einer Expedition mit einem kurz zuvor in der Antarktis entdeckten [[humanoid]]en Wesen, das man als den ''ersten [[Engel]] Adam'' bezeichnet, durchgeführt wird. Hinter dieser von Dr. Katsuragi geleiteten Expedition und dem Experiment steht die mysteriöse Organisation ''SEELE''. Diese handelt nach einem Szenario, das aus den [[Schriftrollen vom Toten Meer|Schriftrollen von Qumran]], die sich in SEELEs Besitz befinden, entwickelt wurde. SEELE beabsichtigt, die Menschheit im Rahmen der für die nähere Zukunft vorausgesagten [[Apokalypse]] auf eine höhere, gottgleiche Stufe der [[Evolution]] zu stellen. Zur Durchführung dieses ''Plans zur Vollendung der Menschheit'' wird die Geheimorganisation ''GEHIRN'' gegründet, deren Aufgabe die Erforschung und Entwicklung geeigneter Abwehrmaßnahmen gegen die laut Szenario noch zu erwartenden Engel ist. Das Hauptquartier der Organisation wird in einem riesigen unterirdischen Hohlraum am Ufer des [[Ashi-See]]s in der Nähe von [[Hakone]] errichtet. An der Erdoberfläche über dieser Höhle entsteht die Stadt Neo Tokyo-3. Unter dem Deckmantel des ''Forschungslabors für künstliche Evolution'' in Hakone, das von Gendō Ikari geleitet wird, entwickelt GEHIRN auf Grundlage der Arbeiten von Yui Ikari, Gendōs Ehefrau, die sogenannten ''Evangelions (EVAs)''. Dabei handelt es sich um riesige, künstliche Humanoide, die aus Adam oder dem zweiten Engel ''Lilith'' geklont wurden und von einem Menschen gesteuert gegen die Engel kämpfen sollen. Im Jahr 2004 löst sich Yui Ikari beim Testlauf eines Evangelion-Prototypen spurlos in dessen Pilotenkapsel auf. Im folgenden Jahr verliert Kyōko Zeppelin Sōryū, die Mutter von Asuka Langley Sōryū, bei einem ähnlichen Experiment einen Teil ihrer Seele und erhängt sich kurze Zeit später. Im Jahr 2010 wird der Bau der ''MAGI'', der drei Supercomputer der Organisation, abgeschlossen. Naoko Akagi, die Konstrukteurin der MAGI, fühlt sich von Gendō Ikari, mit dem sie ein Verhältnis hat, ausgenutzt und hintergangen. Im Zorn erwürgt sie dessen vorgebliches [[Mündel]] Rei Ayanami, bei der es sich in Wahrheit um einen Klon aus Bestandteilen von Gendōs Ehefrau Yui und des Engels Lilith handelt, und begeht im Anschluss Selbstmord. Kurz darauf wird die Geheimorganisation GEHIRN, deren Forschungs- und Entwicklungsaufgaben erfüllt sind, aufgelöst und unter dem Namen ''NERV'' als [[Exekutivorgan]] für SEELEs Pläne neu gegründet. Rei wird durch einen neuen Klon ersetzt. === Haupthandlung === [[Datei:Nervlogo.jpg|thumb|Logo von NERV]] Im Jahr 2015 kommt der 14-jährige Schüler Shinji Ikari, der nach dem Tod seiner Mutter Yui bei einem Lehrer aufgewachsen ist, auf Wunsch seines Vaters Gendō nach Neo Tokyo-3. Er soll hier als sogenanntes ''{{lang|en|Children}}'' die Steuerung der Evangelion-Einheit 01 übernehmen und gegen die Engel kämpfen, die die Menschheit bedrohen. Aufgrund des sehr distanzierten Verhältnisses zu seinem Vater wird Shinji der NERV-Offizierin Misato Katsuragi anvertraut, bei der er auch wohnt. Die Eingewöhnung in seine neue Umgebung ist für Shinji mühsam. Rei Ayanami, die Pilotin des Evangelion-Prototypen Einheit 00, mit der er zusammen die Schule besucht, scheint nur zu seinem Vater eine engere Beziehung zu haben und ist allen anderen Menschen gegenüber sehr verschlossen. Auch zu anderen Schülern und Schülerinnen kann Shinji nur schwer Kontakte knüpfen. Als er, ohnehin an seiner Befähigung zum Piloten zweifelnd, von seinem Mitschüler Tōji Suzuhara geschlagen wird, weil dessen kleine Schwester bei Shinjis erstem Einsatz schwer verletzt wurde, will er NERV und Neo Tokyo-3 verlassen. Kurz vor seiner Abreise kann er jedoch von Tōji und dessen Freund Kensuke Aida von der Wichtigkeit seiner Aufgabe als EVA-Pilot überzeugt werden und bleibt. Bald darauf kommt das {{lang|en|Second Children}} Asuka Langley Sōryū zusammen mit EVA-02 aus Deutschland an und zieht ebenfalls bei Misato ein. Ihr selbstbewusstes Auftreten und ihr aufbrausendes Temperament sorgen für häufige Reibereien mit Misato, Shinji und dessen neuen Freunden Tōji und Kensuke. Im Kampf gelingt es den drei {{lang|en|Children}} Asuka, Rei und Shinji hingegen trotz diverser Unstimmigkeiten, ein Team zu bilden und die Angriffe der Engel erfolgreich abzuwehren. Zusammen mit Asuka kommt auch Misatos Exfreund Kaji Ryōji nach Japan. Er schmuggelt im Auftrag von NERV den auf die Größe eines [[Embryo]]s geschrumpften Engel Adam nach Neo Tokyo-3 und übergibt ihn an Gendō Ikari. Offiziell ist Kaji NERV-Mitarbeiter und wird ins Hauptquartier versetzt, inoffiziell ist er jedoch als Spion für die japanische Regierung und für SEELE tätig. Er findet heraus, dass das ''Marduk-Institut'', das vorgeblich für die Suche nach geeigneten Evangelion-Piloten zuständig ist, eine Scheinfirma ist. Tatsächlich werden die {{lang|en|Children}} von NERV und SEELE unter Shinjis Mitschülern ausgewählt, bei denen es sich ausnahmslos um potenzielle EVA-Piloten handelt. Beim Angriff des zwölften Engels wird Shinji von einem [[Dirac-See]] verschlungen und gelangt in das Innere des Engels, wo er mehrere Stunden gefangen ist. Dort hat er eine Erscheinung seiner Mutter, deren Seele sich in EVA-01 befindet. Daraufhin wird der Evangelion selbstständig aktiv und kann den Engel von innen heraus zerstören und sich befreien. Als bei einem missglückten Experiment EVA-04 und eine NERV-Außenstelle in den USA vollständig ausgelöscht werden, soll der ebenfalls in den USA gebaute Evangelion Einheit 03 nach Japan gebracht werden. Dort stellt sich bei der ersten Aktivierung heraus, dass die Einheit von einem Engel übernommen wurde. Shinji erhält den Befehl, den außer Kontrolle geratenen EVA-03 zu zerstören, weigert sich jedoch, da er dessen Piloten nicht gefährden will. Daraufhin lässt sein Vater Gendō das sogenannte ''Dummy-Plug-System'' aktivieren, mit dem Shinjis Evangelion vom NERV-Hauptquartier ferngesteuert werden kann. EVA-01 zerfetzt den übernommenen Evangelion-03 und zerquetscht dessen Pilotenkapsel. Der Pilot, Shinjis Freund Tōji, überlebt schwer verletzt. Nach diesem Erlebnis will Shinji NERV und Neo Tokyo-3 endgültig verlassen und nie wieder einen Evangelion steuern. Er ändert seine Meinung jedoch, als der 14.&nbsp;Engel die Stadt angreift und Reis und Asukas Evangelions praktisch mühelos besiegt und kampfunfähig macht. Als auch Shinji mit EVA-01 dem Engel zu unterliegen droht, kommt es erneut zu einem Amoklauf des Evangelion, der den Engel schließlich besiegt und auffrisst. Shinji wird dabei, wie seine Mutter mehrere Jahre zuvor, vom Evangelion absorbiert, kann jedoch später gerettet werden. Bei SEELE mehren sich die Zweifel an Gendō Ikaris Zuverlässigkeit bei der Umsetzung des Szenarios, sodass sie Gendōs Stellvertreter Fuyutsuki durch Kaji entführen lassen, um ihn über Gendōs Absichten zu befragen. Fuyutsuki wird jedoch vorzeitig von Kaji aus der Gefangenschaft von SEELE befreit. Kurz darauf wird Kaji von einer unbekannten Person erschossen. Asukas Selbstwertgefühl leidet unter der Niederlage gegen den letzten Engel und der Tatsache, dass Shinji sie mit seinen Leistungen als Pilot überflügelt hat. Als sich der 15.&nbsp;Engel nähert, sieht Asuka die Chance, sich den Anderen zu beweisen. Durch eine Psychoattacke des Engels, die sie mit ihrer eigenen Unzulänglichkeit konfrontiert, verliert Asuka jedoch den Lebensmut und ist daraufhin nicht mehr in der Lage, EVA-02 zu steuern. Besiegt wird der Engel, der sich im Erdorbit außerhalb der Reichweite konventioneller Waffen befindet, schließlich mithilfe der ''Longinuslanze'', die von Rei in EVA-00 auf ihn geschleudert wird und dann in eine Mondumlaufbahn eintritt. Bei der Longinuslanze handelt es sich um einen riesigen Speer, der bis dahin der unter dem NERV-Hauptquartier ans Kreuz geschlagenen Lilith in der Brust steckte und für SEELEs Pläne von großer Bedeutung ist. Der Angriff des 16.&nbsp;Engels wird von Rei vereitelt, indem sie sich selbst zusammen mit ihm und EVA-00 in die Luft sprengt. Als sie kurz darauf jedoch wieder auftaucht, offenbart die NERV-Wissenschaftlerin Ritsuko Akagi Misato und Shinji, dass Rei ein Klon aus Lilith und Shinjis Mutter Yui ist. Zahlreiche Rei-Klone ohne Seele und Bewusstsein bilden das Herz des Dummy-Plug-Systems oder dienen als Ersatzkörper für das Bewusstsein der einen wahren Rei. Weil sie sich von Gendō Ikari, mit dem sie ein Verhältnis hat, ausgenutzt fühlt, zerstört Ritsuko die verbliebenen Klone. Bald darauf wird von SEELE das fünfte {{lang|en|Children}} Kaworu Nagisa als Ersatz für Asuka zu NERV geschickt. Der freundliche, unbefangene und naiv wirkende Kaworu schließt schnell Freundschaft mit Shinji, entpuppt sich jedoch schließlich als der 17.&nbsp;Engel. Er bringt EVA-02 unter seine Kontrolle und dringt mit diesem in die unterste Ebene des NERV-Hauptquartiers ein, wo sich der erste Engel Adam befinden soll, mit dem Kaworu sich vereinigen will. Im sogenannten ''Terminaldogma'' angekommen erkennt er jedoch, dass nicht Adam, sondern Lilith dort gefangen gehalten wird. Shinji, der Kaworu mit EVA-01 gefolgt ist, tötet diesen nach langem Zögern auf dessen ausdrücklichen Wunsch, macht sich danach aber schwere Vorwürfe, da er glaubt, Kaworu sei ein besserer Mensch gewesen als er selbst und hätte deshalb überleben sollen. Nach dem Tod des letzten Engels beginnt die Vollendung der Menschheit mit einer Reise durch die Gedankenwelt der unterschiedlichen Charaktere, wobei deren Ängste und psychische Probleme dargestellt werden. Die eigentliche Vollendung wird exemplarisch an Shinjis Geist gezeigt, dem es schließlich gelingt, seine Ängste zu überwinden. == Charaktere == {{Zitat|Es ist seltsam, dass Evangelion so ein Erfolg wurde – alle Charaktere sind so krank!|Hideaki Anno<ref name="Wong">{{internetquelle|url=http://www.aoianime.hu/evangelion/index.php?page=interanno|titel=Interview with Hideaki Anno, director of 'Neon Genesis Evangelion'|zugriff=28. Februar 2009|kommentar=Interview von Amos Wong mit Hideaki Anno aus dem Aerial Magazine, Januar 1997|sprache=englisch}}</ref>}} === Children === Als ''Children'' werden die Piloten der Evangelion-Einheiten bezeichnet. Der Begriff ist dabei als dem Plural des englischen ''{{lang|en|child}}'' entlehnter Eigenname zu verstehen, weshalb auch ein einzelner Pilot als Children bezeichnet wird. In der deutschen Synchronisation wird jedoch im Gegensatz zum japanischen Original im Singular die Bezeichnung ''Child'' verwendet. Im Anime werden auch die [[Kanji]] {{lang|ja-Hani|適格者}} für ''Children'' angegeben.<ref>Kanji für ''Children'' im Zwischentitel von Episode 14, ca. 2:00</ref> Diese bedeuten „qualifizierte Person“. Allen Children ist gemeinsam, dass sie nach dem Second Impact geboren wurden und keine Mutter mehr haben. Des Weiteren werden alle Children und potenziellen Children in einer gemeinsamen Schulklasse unterrichtet. ; Shinji Ikari ({{lang|ja-Jpan|碇 シンジ}}) Shinji kapselt sich immer mehr von der Außenwelt ab, seit er nach dem Tod seiner Mutter von einem Lehrer statt von seinem Vater erzogen wird. Mit 14 Jahren ist er ein schüchterner, introvertierter Einzelgänger, der praktisch über keinerlei Selbstvertrauen verfügt und sich im Umgang mit anderen Menschen und sich selbst schwer tut. Er ist das dritte Children und steuert die EVA-Einheit 01. Hierfür ist er als einziger wirklich geeignet, da sich die Seele seiner Mutter Yui Ikari in dem Evangelion befindet. Obwohl ihm dies zunächst nicht bewusst ist, übernimmt Shinji die Steuerung des EVA, da er um die Anerkennung und Liebe seines Vaters ringt, zu dem er ein zerrüttetes Verhältnis hat. Misato Katsuragi, die die [[Vormundschaft]] für Shinji übernimmt, wird ihm bald zur Ersatzmutter und durch den Kampf gegen die Engel gewinnt er zunehmend an Selbstvertrauen. Shinjis Nachname ''Ikari'' bedeutet ''Anker'' aber – in anderer Schreibweise – auch ''Wut'' oder ''Hass''.<ref>{{internetquelle |url=http://www.imdb.com/title/tt0112159/trivia |titel=Trivia for "Shin seiki evangerion" (1995) |hrsg=Internet Movie Database |zugriff=29. November 2008 |sprache=englisch}}</ref> Der Vorname stammt von [[Shinji Higuchi]], einem der Gründer von GAINAX.<ref name="Anno zakki">{{Internetquelle|url=http://www.gainax.co.jp/hills/anno/essay1.html|autor=Hideaki Anno|titel={{lang|ja|雑記}}|datum=2. November 2000|archiv-url=http://web.archive.org/web/20070927213943/www.gainax.co.jp/hills/anno/essay1.html|archiv-datum=27. September 2007|sprache=Japanisch|zugriff=27. Mai 2009|kommentar=[http://www.evacommentary.org/appendix/character-names.html Kommentierte, englische Übersetzung]}}</ref> [[Datei:Uniform Asuka.JPG|thumb|Schuluniform, wie sie von Rei und Asuka getragen wird.]] ; Rei Ayanami ({{lang|ja-Jpan|綾波 レイ}}) Rei Ayanami ist das erste Children und Pilotin von EVA-Einheit 00. Ihre biographischen Daten wurden gelöscht. Sie ist ein [[Klonen|Klon]] aus Komponenten von Shinjis Mutter Yui Ikari und dem zweiten Engel Lilith und wächst in einem [[Technokratie|technokratisch]] kalten Laborraum im GEHIRN-Hauptquartier auf. Zum Zeitpunkt der Handlung lebt sie in einer kahlen und düsteren Wohnung in einem abgelegenen und heruntergekommenen Stadtteil von Neo Tokyo-3. Rei ist noch verschlossener als Shinji. Sie zeigt nur in den seltensten Fällen Emotionen und ihr Gesichtsausdruck wirkt wie versteinert. Wenn sie doch einmal spricht, sind es kurze, lakonische Phrasen mit monotoner und [[roboter]]hafter Stimme. Allein Shinjis Vater Gendō gegenüber vermag sie sich zu öffnen. Ihr Körper ist austauschbar, da weitere Klone als Ersatz zur „Beseelung“ bereitstehen; Rei ist sich dieser Tatsache auch bewusst. Der erste Rei-Klon wird im Alter von vier Jahren von Ritsukos Mutter Naoko Akagi erwürgt, der zweite stirbt bei der Selbstzerstörung von EVA-00. Der Vorname ''Rei'', der nur in Lautschrift angegeben wird, kann Verschiedenes bedeuten: ''Geist'', ''Dankbarkeit'', ''Befehl'' oder auch ''Null''. Anno entlieh ihn der Figur Rei Hino aus ''[[Sailor Moon]]'' mit dem vergeblichen Ziel [[Kunihiko Ikuhara]], der bei dieser Serie als Regisseur mitwirkte, als Mitarbeiter zu gewinnen. Der Nachname ''Ayanami'' stammt von einer Flugzeugträgerklasse der japanischen Marine.<ref name="Anno zakki" /> Ein Charakter wie Rei Ayanami, der seiner ganzen Umwelt gegenüber verschlossen ist und scheinbar keine Gefühle besitzt, ist vor NGE noch in keinem Werk aufgetreten und stellt somit eine völlige Neuschöpfung dar.<ref name="Azuma"/><ref name="nettime"/> Nach der Veröffentlichung von ''Evangelion'' traten Charaktere mit ähnlichem Aussehen (hellblauen Haaren und roten Augen) und einem zurückgezogenen, unnahbaren und geheimnisvollen Wesen auch in anderen Serien auf, wie ''[[Kidō Senkan Nadeshiko]]'', ''[[Gasaraki]]'' oder ''[[Blue Submarine No. 6]]''. Diese Figuren, die nach Rei Ayanami entstanden, werden von Patrick Drazen als ''impassive waifs'' (deutsch etwa ''ungerührte Heimatlose'') bezeichnet.<ref name="EvaDrazen"/> ; Asuka Langley Sōryū ({{lang|ja-Jpan|惣流・アスカ・ラングレー}}) Asuka Langley Sōryū ist gebürtige Deutsche japanischer Abstammung. Ihre Mutter, Kyōko Zeppelin-Sōryū, arbeitet bei der NERV-Zweigstelle&nbsp;3 in Deutschland. Nach einem fehlgeschlagenen Synchrontest, bei dem sie den Verstand verliert, erkennt sie Asuka nicht mehr und hält eine Puppe für ihre Tochter. Als sie sich bald darauf erhängt, schwört sich Asuka, wegen nichts mehr eine einzige Träne zu vergießen oder sonst eine Schwäche zu zeigen. Stets muss sie sich selbst und allen anderen beweisen, dass sie die Beste ist. Shinji und seine beiden Freunde Tōji und Kensuke werden von ihr gehänselt, wo es nur geht. Asuka verfügt über eine überdurchschnittlich hohe [[Intelligenz]] und besitzt im Alter von 14 Jahren bereits einen Hochschulabschluss. [[Sōryū]] und [[USS Langley (CV-1)|USS Langley]] sind ein japanischer beziehungsweise US-amerikanischer Flugzeugträger. [[Langley]] ist unter anderem der Name mehrerer US-amerikanischer Städte, beispielsweise von [[Langley (Virginia)]], wo sich der Sitz der [[Central Intelligence Agency]] (CIA) befindet. Der Name Asuka, zurückgehend auf die [[Asuka-kyō|gleichnamige]] japanische Hauptstadt des Altertums, wurde der Protagonistin des Manga ''Chōshōjo Asuka'' von [[Shinji Wada]] entliehen.<ref name="Anno zakki" /> === Weitere Hauptcharaktere === ; Misato Katsuragi ({{lang|ja-Jpan|葛城 ミサト}}) Die 1986 geborene Misato Katsuragi ist die Tochter des Metabiologen Dr. Katsuragi, unter dessen Leitung im Jahr 2000 die Expedition in die [[Antarktis]] stattfindet. Die damals 14-jährige Misato, die die Expedition begleitet, überlebt den Second Impact nur, weil ihr Vater sie in eine Rettungskapsel setzt. Zunächst hasst sie ihren Vater, der seine Familie oft allein lässt und nur für seine Arbeit zu leben scheint. Doch nachdem er sein Leben für sie opfert, weiß sie nicht, ob sie ihn nun hassen oder lieben soll. Der Second Impact löst bei ihr eine [[Psychose]] aus, sodass sie sich von der Außenwelt abschottet. Erst später öffnet sie sich wieder, besonders gegenüber Ritsuko. Während ihres Studiums hat sie eine stürmische Beziehung mit Kaji, die sie jedoch bald wieder auflöst, da sie in ihm ihren Vater wiederzuerkennen glaubt. In ihr erwächst ein Hass auf die Engel, der sie dazu veranlasst, taktische Offizierin bei NERV zu werden. Sie ist dabei unmittelbar für die Einsätze der Children und der Evangelions verantwortlich. Misato ist nicht in die wahren Pläne von SEELE und NERV eingeweiht und glaubt, nach dem erfolgreichen Kampf gegen die Engel solle das Leben weitergehen wie vor den Angriffen. Sie übernimmt die [[Vormundschaft]] für Shinji und Asuka, die beide bei ihr einziehen. Dies führt aufgrund der sehr unterschiedlichen Mentalitäten zu häufigen Reibereien untereinander. In ihrer Freizeit trinkt Misato viel Alkohol, ist unordentlich und zu Hause ungeniert. Ihren Beruf verrichtet sie dagegen mit feurigem Eifer und höchster Professionalität. Misatos häufig recht knappe Bekleidung freut zwar Shinjis Mitschüler, ihm selbst ist sie jedoch peinlich. Misato hat ein besonderes Haustier: Den Warmwasserpinguin Pen-Pen (oder Pen²), ein Versuchstier, das sie bei sich aufgenommen hat, als es nicht mehr gebraucht wurde und entsorgt werden sollte. Ihr Nachname „Katsuragi“ stammt von einem [[Katsuragi (1944)|japanischen Flugzeugträger]]. Ihr Vorname, ebenso wie der von Ryōji Kaji, gehen auf Protagonisten eines Manga von [[Minako Narita]] zurück.<ref name="Anno zakki" /> ; Gendō Ikari ({{lang|ja-Jpan|碇 ゲンドウ}}) Gendō Ikari, der vor seiner Heirat mit Yui Ikari den Namen Rokubungi trägt, ist der Vater des dritten Children, Shinji Ikari, und Kommandant von NERV. Nach dem Tod seiner Frau will er zu keinem Menschen, seinen Sohn inbegriffen, mehr tiefer gehende Beziehungen aufbauen und verbirgt deshalb seine Gefühle. Wenn er Entscheidungen trifft, steht dabei allein die Effektivität im Kampf im Vordergrund&nbsp;– selbst Menschenleben haben dahinter zurückzustehen. Er handelt oft nach den Befehlen des SEELE-Komitees, im Laufe der Handlung entstehen jedoch zunehmend Differenzen zwischen ihm und der Organisation. Der Charakter Gendō Ikari ist in Japan nicht sehr beliebt, da er als zu streng empfunden wird. Jedoch lag gerade dies in der Absicht Hideaki Annos, da er glaubt, die modernen japanischen Väter seien „verweichlicht“.<ref name="Kazuya">{{internetquelle |url=http://www.tomodachi.de/html/archiv/funime/f27_kurz_1.html |titel=Interview mit Tsurumaki Kazuya (Studio GAINAX) |hrsg=Anime no Tomodachi |zugriff=28. Februar 2009}}</ref> Gendōs Geburtsname Rokubungi bedeutet auf Deutsch [[Sextant]]. == Evangelions == Die ''Evangelion''s, oder kurz EVAs, sind etwa 40&nbsp;Meter große künstliche Lebensformen von menschlicher Gestalt, die in ''Neon Genesis Evangelion'' als Hauptwaffe gegen die ''Engel'' eingesetzt werden. Der Name ''Evangelion'' für die Kampfeinheiten wurde laut Hideaki Anno gewählt, weil er ''„kompliziert klingt“''.<ref name="Annotokids">{{internetquelle |url=http://www.animenewsnetwork.com/buried-treasure/2007-05-03 |titel=Hideaki Anno talks to Kids |hrsg=[[Anime News Network]] |datum=3. Mai 2007 |zugriff=28. Februar 2009 |sprache=englisch}}</ref> Bis auf Einheit 01, die aus Lilith [[Klonen|geklont]] wurde, sind alle weiteren EVAs Klone des Engels Adam. Schöpferin der EVAs ist Shinjis Mutter Yui Ikari. Evangelions verfügen über einen schnellen [[Stoffwechsel]] und können sich so in kurzer Zeit selbst heilen, wenn nicht mehr als 50 % der Einheit beschädigt sind und damit die sogenannte [[Hayflick-Grenze]] überschritten wird. Die EVAs sind äußerlich nahezu vollständig von einer schützenden Rüstung aus [[Titan (Element)|Titanstahl]] umgeben, was ihnen ein [[roboter]]ähnliches Aussehen verleiht. In der Rüstung befindet sich diverse Bewaffnung wie ein [[Positron]]engewehr oder das Progressivmesser, dessen Klinge in hochfrequente Schwingungen versetzt wird. Die Titanrüstung dient neben ihrer Schutzfunktion auch dazu, den EVA kontrollieren zu können. Das wichtigste Verteidigungssystem eines Evangelion ist das AT-Feld, das er durch seinen Piloten erhält. „AT-Feld“ (''Absolute Terrorfield'') ist der technische Begriff für die Kraft der Seele oder Aura, einen starken energetischen Schutzschild, der von EVAs und Engeln gleichermaßen eingesetzt wird. Der EVA wird über ein ''Umbilikalkabel'', das mit dem [[Rückenmark]] verbunden ist, mit [[Elektrizität|elektrischer Energie]] versorgt. Wegen der Angreifbarkeit dieses Kabels wird versucht, ein ''S²-Organ'', das seine unerschöpfliche Energie direkt aus dem [[Dirac-See]] bezieht, in die Evangelions zu integrieren. Ein entsprechender Versuch mit Einheit 04 schlägt jedoch fehl und führt zur Auslöschung der gesamten Forschungseinrichtung. EVA-01 gelangt im Laufe der Serie an ein S²-Organ, indem er während eines Amoklaufs die Energiequelle eines Engels verspeist. Auch bei den Massenproduktionsmodellen 05 bis 13 gelingt der Einbau schließlich. Die Organe basieren auf der ''Supersolenoid-Theorie'' (S²-Theorie), nach der es möglich ist, Materie verlustfrei in Energie umzuwandeln, da diese nur ein „Schatten“ aus der Welt des Dirac-Sees ist. Die Evangelions werden von den Children gesteuert, die sich im ''{{lang|en|Entry Plug}}'' befinden, einer länglichen Kapsel, die in den Nacken des EVAs eingeführt wird und deren unteres Ende sich in Herznähe befindet. Das Children trägt einen ''{{lang|en|Plug Suit}}'' zum Schutz vor Verletzungen und ein [[Headset]] mit zwei ''Nervenkoppeln'', die der Gedankensynchronisation mit dem EVA dienen. Das wichtigste Medium im {{lang|en|Entry Plug}} ist das ''{{lang|en|Link Connection Liquid}}'' (dt. etwa „Verbindungskoppelflüssigkeit“), kurz ''LCL'', das der Versorgung des Piloten mit Sauerstoff und der Dämpfung mechanischer Stöße sowie der [[Telepathie|telepathischen]] Verbindung zwischen Pilot und Evangelion dient. Es wird aus dem Blut von Lilith gewonnen und auch als ''Wasser des Lebens'' bezeichnet. Das LCL ist eine Art [[Chemische Evolution|Ursuppe]], aus der Körper und Seele bestehen. Bei der Aktivierung eines Evangelion nimmt das Children in voller Montur im {{lang|en|Entry Plug}} Platz, das danach mit LCL geflutet wird, um die Synchronisation zu starten. Ein Evangelion kann auch mithilfe eines ''{{lang|en|Dummy Plugs}}'' gesteuert werden. Dabei handelt es sich um ein System, das die Gedankenmuster eines Piloten gespeichert hat und dem EVA damit die Anwesenheit eines menschlichen Piloten vortäuscht. Auf diese Weise kann der EVA ferngesteuert werden, verfügt dabei jedoch nicht über ein AT-Feld. ; Evangelion Einheit 00 ({{lang|ja-Jpan|零号機}}, ''Zerogōki''): Bei dem in Japan gebauten Evangelion-Prototyp Einheit 00 handelt es sich um die erste erfolgreich „zum Leben erweckte“ EVA-Einheit, die aus Adam geklont wurde. EVA-00 weist hinsichtlich seiner Funktionstüchtigkeit erhebliche technische Mängel auf. Bei mehreren Testläufen gerät er außer Kontrolle und attackiert dabei Gendō Ikari, Ritsuko Akagi oder seine Pilotin Rei Ayanami. ; Evangelion Einheit 01 ({{lang|ja-Jpan|初号機}}, ''Shogōki''): Einheit 01 wurde als Testmodell gebaut und wird von Shinji Ikari gesteuert. Der Evangelion wurde als einziger aus Lilith geklont und ist deshalb von besonderer Bedeutung. Nachdem er sich ein S²-Organ einverleibt hat und damit über eine eigene, unabhängige Energiequelle verfügt, wird er zum zentralen Bestandteil des Plans zur Vollendung der Menschheit im Kinofilm ''[[Neon Genesis Evangelion: The End of Evangelion|The End of Evangelion]]''. Die Synchronisationsfähigkeit der Einheit mit Shinji wird durch die Seele seiner Mutter Yui Ikari gewährleistet, die während eines missglückten Testlaufs mit dem Evangelion verschmolzen ist. ; Evangelion Einheit 02 ({{lang|ja-Jpan|弐号機}}, ''Nigōki''): Im Gegensatz zu den Einheiten 00 und 01 ist EVA-02 die erste richtige Produktionseinheit und explizit auf den Kampf mit den Engeln ausgerichtet. Entsprechend ist der Evangelion in der Lage, mit dem gesamten Waffenarsenal umzugehen, was seine Vorgänger noch nicht vermochten. Aufgrund der Mentalität seiner Pilotin und der Tatsache, dass die Einheit für den Plan zur Vollendung der Menschheit nur von untergeordneter Bedeutung ist, kommt EVA-02 bei Kämpfen meist an vorderster Front zum Einsatz. Die Kompatibilität der Einheit mit Asuka Langley Sōryū rührt aus einem missglückten Synchrontest, bei dem ein Teil der Seele ihrer Mutter mit dem Evangelion verschmolzen ist. == Engel == Die im Anime vorkommenden Engel, deren Namen und Eigenschaften teilweise der [[Jüdische Mythologie|jüdischen Mythologie]] entlehnt sind, werden zumeist als riesenhafte Wesen von bis zu mehreren Hundert Metern Länge dargestellt, treten jedoch auch mit geringen Größen bis hinab in den [[Vorsätze für Maßeinheiten|Nanobereich]] in Erscheinung. Sie bestehen aus einer Materie, die sowohl die Charakteristika von [[Welle (Physik)|Wellen]] als auch von [[Teilchen]] aufweist und wie „erstarrtes [[Licht]]“ wirkt. Diese Materie enthält Strukturen, die zu 99,98 % mit der menschlichen [[Desoxyribonukleinsäure|DNA]] übereinstimmen, womit die Menschen mit den Engeln näher verwandt sind als mit den Schimpansen (lediglich 97 % Übereinstimmung). Sie sind bis auf Tabris, den 17. Engel, immer von abstrakter Gestalt, bis hin zu bloßen geometrischen Formen. Die Herkunft der Engel wird in der Serie nicht geklärt. Der erste Engel ist Adam, nach dem biblischen ersten Menschen [[Adam und Eva|Adam]] und dem [[Kabbala|kabbalistischen]] Begriff des [[Adam Kadmon]], der Erscheinung Gottes als Schöpfer und Urbild des Menschen,<ref>[[Gershom Scholem]]: Zur Kabbala und ihrer Symbolik. Suhrkamp, 1981</ref> der in ''Evangelion'' den Second Impact verursacht. Ihm folgt als zweiter Engel Lilith, nach der jüdischen Mythologie die erste Frau Adams, die in einer Höhle unterhalb Japans gefunden wird. Die weiteren Engel, gegen die gekämpft wird, sind nach ihrem Auftreten durchnummeriert. Der letzte Engel ist Lilim, die Menschheit selbst. Im [[Talmud]] sind [[Lilim]] die Dämonen, die Lilith gebiert, nachdem sie aus dem Paradies verstoßen wurde. Der im Japanischen für diese Wesen verwendete Begriff ''Shito'' ({{lang|ja-Jpan|使徒}}) bedeutet auf Deutsch eigentlich ''Apostel''. Die Übersetzung mit dem englischen Begriff ''{{lang|en|Angel}}'', also Engel, war jedoch von Hideaki Anno selbst so gewollt.<ref name="napier96">Susan J. Napier: ''Anime from Akira to Princess Mononoke: Experiencing Contemporary Japanese Animation'', S. 96 ff. Palgrave, 2001.</ref> == Entstehung und Produktion == {{Zitat|‚Evangelion‘ ist mein Leben und ich habe alles, was ich weiß, in dieses Werk gesteckt. Das ist mein ganzes Leben. Mein Leben selbst.|Hideaki Anno<ref name="zitat">{{internetquelle |url=http://www.cjas.org/~echen/articles/spring97/05_03b.html |titel=In the Eyes of Hideaki Anno, Writer and Director of Evangelion |autor=[[Lawrence Eng]] |kommentar=Zitat aus dem Magazin [[Newtype]] 11/96, Protoculture Addicts #43 [Essay] |sprache=englisch |zugriff=28. Februar 2009 |datum=16. Dezember 2004}}</ref>}} === Produktion === [[Datei:Studio GAINAX.jpg|thumb|Gebäude des Studios Gainax in Tokio]] Die Planungen an der [[Anime]]-[[Fernsehserie]] bei Studio [[Gainax]] begannen im Juli 1993<ref name=notenki>Yasuhiro Takeda: ''The Notenki Memoirs - Studio Gainax and the Man who created Evangelion''. ADV Manga, 2005</ref>, die Produktion dauerte bis 1996. Neben [[Hideaki Anno]] als Regisseur, Co-Produzent, Co-Charakterdesigner und Co-Musikschreiber waren [[Yoshiyuki Sadamoto]] als Charakterdesigner und [[Hiroshi Kato]] als künstlerischer Leiter beteiligt. Regieassistent war [[Kazuya Tsurumaki]], zweiter Drehbauchautor [[Akio Satsugawa]]. [[Ikuto Yamashita]] war zusammen mit Hideaki Anno für das Mecha-Design verantwortlich. Die Produzenten waren Noriko Kobayashi und Yutaka Sugiyama. Die Animationen wurden teilweise auch vom Studio [[Production I.G]] und in Folge 11 vom [[Studio Ghibli]] erstellt. An der Produktion waren außerdem [[Tatsunoko]] und [[TV Tokyo]] beteiligt.<ref>{{internetquelle |url=http://www.animenewsnetwork.com/encyclopedia/anime.php?id=49 |titel=Neon Genesis Evangelion (TV) |hrsg=[[Anime News Network]] |zugriff=19. März 2009}}</ref><ref name=McCarthy/> === Motivation und Entstehung === Vor der Produktion der Serie war das Studio Gainax in eine schwere Krise geraten. Für das im März 1992 begonnene Projekt ''Aoki Uru'', das als Fortsetzung des Films ''[[Wings of Honneamise]]'' geplant war, konnten kaum Sponsoren gefunden werden und das Studio geriet in Geldnöte. Als das Projekt im Juli 1992 eingestellt wurde, verließen auch viele Mitarbeiter das Studio und die Leitung begann, die Ausgaben so weit wie möglich zu kürzen. Im gleichen Monat begann Gainax mit den Planungen zu ''Neon Genesis Evangelion''. Noch während der Produktion von ''Evangelion'' spaltete sich im September 1994 die Gruppe von Mitarbeitern um [[Takami Akai]], die am Computerspiel ''[[Princess Maker|Princess Maker 2]]'' arbeiteten, vom Studio ab und gründeten die Firma AKAI.<ref name=notenki/> Hideaki Anno litt in der Zeit bis vor der Produktion der Serie an einer schweren [[Depression]], die auch die Inhalte von NGE beeinflusste.<ref name="EvaDrazen"/> Mit der Idee der neuen Serie fasste er wieder Lebensmut. Aus dem Grundthema von ''Aoki Uru'', „nicht wegzurennen“, entwickelte er das Konzept von ''Evangelion''.<ref name=notenki/> Zu Beginn stand bei der Produktion Annos Idee im Vordergrund, durch die Serie die Zahl der Anime-Fans, der [[Otaku]]s, zu vervielfachen. So wollte er die zu dieser Zeit vorherrschende Isolation der Fans aufbrechen.<ref name="nettime"/> Die Handlung sollte einen Kampf zwischen den Menschen und Göttern darstellen. Als Hauptcharakter war zunächst ein Mädchen geplant, wie es in vorherigen Produktionen des Studios, zum Beispiel ''[[Gunbuster]]'' oder ''[[Die Macht des Zaubersteins]]'', der Fall war. Dieser Entwurf war der späteren Asuka ähnlich, wurde jedoch verworfen, weil man das Konzept der anderen Serien nicht wiederholen wollte und sich einen Jungen eher als Piloten einer Kampfmaschine vorstellen konnte. Die Idee, dass die toten Mütter der Piloten in den EVAs weiterleben würden, hatte Yoshiyuki Sadamoto nach einer Fernseh-Dokumentation über den A10-[[Nerv]]. Durch den frühen Tod der Mütter hätten die Piloten außerdem eine besondere Entwicklung erfahren. Das Verhältnis von Asuka zu Shinji wurde dem von Nadia zu Jean aus ''Die Macht des Zaubersteins'' nachempfunden. Rei wurde als Gegensatz zu Asuka entworfen.<ref name="SadaMond"/> Der Handlungsverlauf der Serie war ursprünglich anders geplant, als er später realisiert wurde. In der ersten Folge sollte bereits ein Kampf zwischen Rei und einem Engel gezeigt werden; Shinji sollte erst nach dem Sieg des Engels über Rei eingesetzt werden. Die meisten anderen frühen Folgen entsprechen jedoch in etwa dem zu Beginn geplanten Konzept. Ab Folge 13 wurde die Handlung aber immer weiter abgeändert. Nur Folge 16 entspricht im ersten Teil noch dem ursprünglich Plan. In der ersten Version des Endes sollte ein Engel vom Mond die Menschheit bedrohen, die UN sich vom Projekt zur Vollendung der Menschheit abwenden und Ritsuko und Gendō als Verteidiger des Projekts verbleiben. Ein finaler Kampf in einer antiken Ruine „Aluka“ würde die Entscheidung gegen das Projekt bringen, wodurch auch NERV zerstört würde.<ref>{{internetquelle |url=http://eva.onegeek.org/pipermail/oldeva/1998-April/013136.html |titel=EVA – Tom's take on the Newtype 100% art book (Part 00) |kommentar=Ursprüngliche Handlung von Neon Genesis Evangelion aus dem Artbook ''100% Newtype Collection'', inoffizielle Übersetzung des japanischen Textes ins Englische. |sprache=englisch |datum=15. April 1998 |zugriff=28. Februar 2009}}</ref> Das Drehbuch wurde allerdings erst während der Produktion der Serie geschrieben und deren Ausstrahlung hatte begonnen, als erst einige Folgen fertig produziert waren. So wurde der spätere Handlungsverlauf auch von den Reaktionen der Fans und dem Umdenken Hideaki Annos beeinflusst, sowie der Zeitknappheit, die gegen Ende der Serie eintrat.<ref name="EyesofAnno">{{internetquelle |url=http://www.cjas.org/~echen/articles/spring97/05_03b.html |titel=In the Eyes of Hideaki Anno, Writer and Director of Evangelion |autor=[[Lawrence Eng]] |kommentar=Zitat aus dem Magazin [[Newtype]] 11/96, Protoculture Addicts #43 [Essay] |sprache=englisch |zugriff=28. Februar 2009 |datum=16. Dezember 2004}}</ref> Außerdem wurde das Szenario wegen des Giftgasanschlags der [[Aum-Sekte]] verändert, da das ursprünglich Geplante zu dicht an den tatsächlichen Ereignissen war. Anno wollte aber der Serie nicht ihren fiktiven Charakter und damit das Interpretationspotenzial nehmen und änderte die Handlung so, dass die Parallelen zur Realität weniger offensichtlich waren. Jedoch sagte Anno auch, dass hinter den Vorfällen mit der Aum-Sekte und NGE das gleiche gesellschaftliche Problem der Abgrenzung von der Gesellschaft und der Entfremdung stehe.<ref name="nettime"/> Ab der 16. Folge, ''Zwischen Leben und Tod'' ({{lang|ja-Jpan|死に至る病、そして}} / {{lang|en|Splitting of the Breast}}), veränderte sich die Konzeption der Serie und die Handlung entfernte sich mehr und mehr vom Originalentwurf. Dies lag darin begründet, dass Hideaki Anno mit den Reaktionen auf die Serie unzufrieden war.<ref name="Tsurumaki"/> Daraufhin änderte sich die Serie in eine kritischere Richtung; es wurden besonders Anime-Fans und ihre Lebensweise kritisiert.<ref name="Azuma"/> Anno wollte zudem durch Gewalt- und Sexszenen ein Verständnis für das ''wahre Leben'' vermitteln und die Geschichte so weiterentwickeln. Außerdem sollten die Zuschauer, darunter besonders Kinder, abgehärtet und auf das Leben vorbereitet werden. Dazu kam, dass Hideaki Anno in dieser Zeit begann, Bücher über [[Psychologie]] und psychische Krankheiten zu lesen. Davon fasziniert, wollte er zeigen, was im menschlichen Geist vorgeht. Nun wollte Anno mit der Serie auch etwas Neues schaffen und den Anime weiterentwickeln.<ref name="EyesofAnno"/> Laut Regisseur Kazuya Tsurumaki bildet die 16. Folge die Grenze zwischen den beiden Teilen von NGE&nbsp;– der erste, actionreiche Teil der Episode gehöre zum ersten Teil der Serie, der zweite Teil mit Shinjis Selbstgesprächen im Engel sei dem zweiten Teil der Serie zuzuordnen. In der zweiten Hälfte der Produktion nahm auch die Anspannung im Team zu, da man die ursprüngliche Planung ignorierte und dadurch auch Zeit und Geld knapper wurden. So zeigt die weitere Entwicklung der Serie den Zustand des Produktionsteams. Einige der Mitarbeiter wollten aufhören, da es ihnen nicht möglich schien, den Anime in ausreichender Qualität fertig zu stellen.<ref name="Tsurumaki">{{internetquelle |url=http://www.evaotaku.com/html/rcb-tsurumaki.html |titel=A STORY OF COMMUNICATION: The Kazuya Tsurumaki Interview |hrsg=evaotaku.com |zugriff=28. Februar 2009 |kommentar=Interview mit Regisseur Kazuya Tsurumaki in der englischen Übersetzung des Filmbuchs zu ''The End of Evangelion'', dem Red Cross Book |sprache=englisch}}</ref> Die letzten beiden Folgen wurden dann nicht nach dem ursprünglichen Drehbuch produziert, obwohl einige Szenen der 25. Folge schon fertiggestellt und in der Vorschau gezeigt worden waren. Stattdessen wurden beide Folgen in der verbliebenen Zeit neu konzipiert und produziert.<ref name="RCBP">[http://www.evaotaku.com/html/rcb-production.html Englische Übersetzung des ''Red Cross Book''], Kapitel ''Production''</ref> Hideaki Anno wollte mit der Serie auch das Mecha-Genre und den Anime an sich neu beleben und in eine neue Richtung führen. Seiner Meinung nach wurden in den zehn Jahren zuvor im Bereich der Science-Fiction immer wieder dieselben Geschichten erzählt.<ref name="Wong"/> Der Charakter Shinji stellt Annos Aussage nach sein eigenes Ich dar. Jedoch ist dies vor allem symbolisch zu sehen, nicht wörtlich.<ref name="Wong"/> Hideaki Anno hat, besonders im zweiten Teil, viel von sich selbst eingebracht. Jedoch sagt er auch, dass ihm gerade diese Stellen nicht gefallen.<ref name="Annotokids"/> == Konzeption und Stil == {{Zitat|Evangelion ist wie ein Puzzle. Jeder kann es sich anschauen und seine eigenen Antworten suchen. Mit anderen Worten, wir erlauben den Zuschauern, selbst zu denken, so dass jeder seine ganz eigene Welt kreieren kann. Wir werden niemals selbst alle Antworten geben, nicht einmal in den Kinofilmen. Viele Evangelion-Fans hoffen darauf, dass wir ihnen eine Art „Alles über EVA“-Nachschlagewerk in die Hand drücken&nbsp;– aber ein solches gibt es nicht. Erwartet nicht, dass andere euch die Antworten auf eure Fragen geben, dass euch alles vorgesetzt wird. Wir alle müssen unsere eigenen Antworten finden.|Hideaki Anno<ref name="zitat"/>}} === Grafischer Stil === Rein äußerlich ist die Serie stark beeinflusst von den [[Mecha]]-Anime der 70er-Jahre, deren leidenschaftlicher Liebhaber Anno war und ist. In der zweiten Hälfte der Serie wird zunehmend mit Einblendungen von weißem Text vor schwarzem Hintergrund gearbeitet. Dieser Text kommuniziert dabei auch mit den Charakteren, vor allem mit Shinji. Besonders häufig wird diese Technik in den letzten beiden Folgen verwendet. Sie lässt sich auf [[Jean-Luc Godard]] zurückführen, der diese Technik ebenfalls verwendete.<ref name="Azuma"/> Im Gegensatz zu den Anime-Filmen ''[[Akira (Manga)|Akira]]'' und ''[[Ghost in the Shell]]'', die ebenfalls zu dieser Zeit herauskamen und den Anime weiterentwickelten, werden in NGE nicht die Bilder detaillierter, um mehr Informationen zu vermitteln. Stattdessen werden schnelle Schnitte verwendet. Jedoch werden in anderen Szenen lange Standbilder verwendet oder nur wenige langsame Bewegungen in eine Richtung gezeigt.<ref name="nettime"/> === Animationstechnik === Die Serie wurde wie alle Produktionen von Studio Gainax als [[Limited Animation]] produziert. Dabei entsteht die Illusion der Bewegung weniger durch die Abfolge vieler verschiedener Einzelbilder, als durch besondere Einstellungen der simulierten Kamera und Rhythmus und Geschwindigkeit der Schnitte. Die Technik ist dabei die [[Cel-Animation]]. Dabei verwendet Hideaki Anno häufig die ''Folientechnik'', bei der die Folie mit dem zu bewegenden Teil des Bilds gegen den Hintergrund gekippt wird, um so eine Tiefenwirkung zu erzielen. Im späteren Teil der Serie, insbesondere in den letzten beiden Folgen, werden auch häufig Montagen verwendet, das heißt Abfolgen einfacher Bilder, Texte und übereinander gestapelter Bildfolien ([[Cel]]s). Die Schnitte sind dabei bewusst zu schnell oder zu langsam gesetzt.<ref name=full>[[Thomas Lamarre]]: ''Full Limited Animation'' in ''ga-netchû! Das Manga Anime Syndrom''. Henschel Verlag, 2008.</ref> In der Serie werden in einigen Traumsequenzen auch Techniken des abstrakten Animators [[Norman McLaren]] verwendet, so das Erzeugen von Bildern durch Kratzen auf dem Filmmaterial oder das Malen der Bilder direkt auf den Film.<ref name=Drazen17>Patrick Drazen: ''Anime Explosion! – The What? Why? & Wow! of Japanese Animation'', S. 17. Stone Bridge Press, 2002.</ref> === Anmerkungen zum Titel === Der japanische Titel ''Shin Seiki Evangelion'' besteht aus einem japanischen und einem griechischen Teil. ''„Shin Seiki“'' ({{lang|ja-Jpan|新世紀}}) bedeutet ''Neue Ära'' oder ''Neues Jahrhundert''. Das [[Altgriechisch|altgriechische]] ''Evangelion'' (εὐαγγέλιον) heißt ''gute/frohe Nachricht''.<ref name=EvaDrazen>Patrick Drazen: ''Evangelion''; in ''Anime Explosion! – The What? Why? & Wow! of Japanese Animation''. Stone Bridge Press, 2002.</ref> Die Entscheidung, die internationale Version ''Neon Genesis Evangelion'' (νέον γένεσις εὐαγγέλιον) zu nennen, wurde von Gainax selbst getroffen. Der Titel entspricht dabei nicht gänzlich der altgriechischen Grammatik. ''Neon'' bedeutet ''neu'', ''Genesis'' ''Ursprung/Quelle'' oder ''Geburt/Herkunft''. Es bezeichnet auch das erste Buch der [[Bibel]] und der [[Tora]], in dem die Erschaffung der Welt geschildert wird. ''Euangelion'' (latinisiert ''Evangelium'') setzt sich aus ''eu'' (ευ), ''gut'', und ''angelos'' (άγγελος), ''Botschafter'', zusammen. Als Titel war zunächst ''Alcion'' (jap. ''Arushion'') vorgesehen, Yoshiyuki Sadamoto setzte aber ''Evangelion'' durch.<ref name="SadaMond">[http://eva.onegeek.org/pipermail/evangelion/2006-November/003855.html Interview mit Charakterdesigner Yoshiyuki Sadamoto], erstveröffentlicht in der Luxusausgabe des Artbooks ''Der Mond'', September 1999</ref> === Inhaltliche Einflüsse === [[Datei:Kircher Tree of Life.png|thumb|Der Baum des Lebens mit den 10 Sephiroth wird im Vorspann der Serie gezeigt.]] Neben der [[Psychoanalyse]] haben verschiedene [[Religion]]en die Arbeit an ''Neon Genesis Evangelion'' beeinflusst. Religiöse Anspielungen, vor allem Begriffe aus dem für Japaner eher exotischen [[Judentum]] und [[Christentum]] spielen eine zentrale Rolle. Diese sollten aber vor allem dazu dienen, die Serie exotischer und so interessanter zu machen.<ref name="Kazuya"/> So beruft sich die Organisation SEELE auf die Schriftrollen von [[Qumran]]. In der Verwendung des [[Sephiroth]] und Liliths wird auf Elemente der [[Kabbalah]] zurückgegriffen. Die ''[[Lanze des Longinus]]'' erinnert an den Speer, mit dem ein römischer Soldat die Brust des gekreuzigten Jesus durchstieß. Doch erinnert diese Lanze in ihren Ausmaßen eher an die der japanischen Schöpfungsgötter [[Izanagi und Izanami]], die nach dem [[Shintoismus|shintoistischen]] Schöpfungsmythos mit diesem Speer das Land erschufen. Laut Patrick Drazen können Shinji, Asuka und Rei auch als Verkörperung der japanischen Gottheiten [[Susanoo]], [[Amenouzume|Uzume]] und [[Amaterasu]] gesehen werden. So handelt Shinji wie Susanoo auf eine Weise, die von seinem Umfeld nicht akzeptiert wird, Asuka ist wie Uzume stolz auf ihren Körper und Rei wird, ähnlich Amaterasu, „wiedergeboren“.<ref name=EvaDrazen/> Auch andere Religionen finden Verwendung. So besteht die Scheinfirma ''Marduk-Institut'' aus 108 Zweigstellen, der Zahl der [[Buddhismus|buddhistischen Verfehlungen]]. [[Marduk]] selbst war die Hauptgottheit der [[babylon]]ischen Religion. Die Gestalt der Evangelion-Einheiten sei auch einer Gestalt der japanischen Mythologie, dem [[Oni]] nachempfunden, der ebenfalls Hörner auf dem Kopf trägt.<ref name="Wong"/> Doch wurden alle religiösen Zitate nicht wahrheitsgetreu wiedergegeben, sondern verfremdet, wie es die Handlung erforderte.<ref name=EvaDrazen/> Des Weiteren wird auf aktuelle und historische Ereignisse Bezug genommen. Der Begriff ''Second Impact'' bezieht sich auf den ''First Impact'' als den [[Impakt|Meteoriteneinschlag]], der zum Aussterben der [[Dinosaurier]] führte. Zudem bewirkt dieser Einschlag das Abschmelzen der Südpolkappe und eine Erwärmung der Nordhalbkugel, was den Folgen des [[Treibhauseffekt]]s ähnelt. Die ''Impact''s und die Bedrohung durch die Engel ist auch eine Abstrahierung der Bedrohung durch die [[Atombombe]].<ref>Susan J. Napier: ''Anime - from Akira to Princess Mononoke: Experiencing Contemporary Japanese Animation'', S. 166. Palgrave, 2001.</ref> Der Angriff der Engel wiederholt die Ereignisse des [[Pazifikkrieg]]s aus japanischer Sicht.<ref name=McCarthy/> Es gibt auch verschiedene [[Hommage]]n an Science-Fiction-Klassiker, wie zum Beispiel den Titel der letzten Folge, ''„{{lang|en|The Beast That Shouted ‚I‘ at the Heart of the World}}“''. Das in [[Katakana]] geschriebene ''I'' wird oft als englisches „I“ interpretiert. Gelesen als „ai“, japanisch für „Liebe“, ist es eine Hommage an ''„{{lang|en|The Beast that Shouted Love at the Heart of the World}}“'' (1969) von [[Harlan Ellison]]. Die Uniform von Gendō Ikari ist eine Anspielung auf ''[[Space Battleship Yamato]]'', eine Animeserie von 1974.<ref name="nettime">[http://amsterdam.nettime.org/Lists-Archives/nettime-l-9802/msg00101.html Krystian Woznicki für das BLIMP Filmmagazin, auf Nettime mailing list archives], mit Interview mit [[Hiroki Azuma]]; vom 20. Februar 1998</ref> Der in der Serie zentrale Begriff ''Human Instrumentality Project'' geht auf die Reihe ''Instrumentality of Man'' von [[Paul Linebarger|Cordwainer Smith]] zurück.<ref name="Horn"/> Zudem waren Anno und Sadamoto stark beeinflusst vom Mangaka [[Go Nagai]] und dessen Serie ''[[Devilman]]'' sowie ''[[Densetsu Kyojin Ideon]]'', aus dem unter anderem das Konzept für NERV und die von Kindern gesteuerten Roboter herrührt. Die Figur Gendō Ikari und sein Untergebener Fuyutsuki basieren auf Commander Ed Staker und Col. Alec Freeman aus der Fernsehserie ''[[UFO (Fernsehserie)|UFO]]''.<ref name="SadaMond"/> Nach Patrick Drazen sind außerdem Einflüsse aus anderen Serien zu erkennen, wie ''[[Giant Robo]]'', Jugendliche und Roboter retten die Welt, ''[[Three Days of the Condor]]'', politische Intrigen, und ''[[Ordinary People]]'', wegen der Darstellung von Shinjis Psyche und der sozialen Probleme. Außerdem habe ''[[Nummer 6|The Prisoner]]'' zur spezifischen Erzählstruktur beigetragen.<ref name=EvaDrazen/> Die Serie wiederholt mit der psychologischen Handlung zu Ende teilweise auch Elemente der früheren Gainax-Produktion ''[[Gunbuster]]''.<ref name=McCarthy>Jonathan Clements, Helen McCarthy: ''The Anime Encyclopedia. Revised & Expanded Edition'' S. 185. Berkeley 2006, Stone Bridge Press.</ref> === Themen === Neben dem vordergründig die Handlung beherrschenden Kampf der Children gegen die Engel werden in der Serie die Angst vor Veränderung und Technologie beziehungsweise die Beziehung zwischen Mensch und Technik,<ref>Susan J. Napier: ''Anime - from Akira to Princess Mononoke: Experiencing Contemporary Japanese Animation'', S. 88f. Palgrave, 2001.</ref> aber auch der Missbrauch von Technik behandelt.<ref>Susan J. Napier: ''Anime - from Akira to Princess Mononoke: Experiencing Contemporary Japanese Animation'', S. 202. Palgrave, 2001.</ref> Außerdem geht es um das Erwachsenwerden Shinjis und die Identitätssuche, bei dem die EVAs und die Engel für die Aspekte seiner selbst und der Anderen stehen, denen er sich stellen muss. Zudem wird die Eigenschaft von Menschen beleuchtet, sich mit ihrem Charakter von Anderen abzuschotten und sich so selbst Schmerz zuzufügen. Dies wird durch die EVAs dargestellt, die als Rüstungen schützen sollen, die Charaktere aber nicht vor Schaden bewahren können.<ref name="napier96"/> Dabei werden gescheiterte Erwachsene und durch diese geschädigte Jugendliche gezeigt.<ref name="napier210">Susan J. Napier: ''Anime - from Akira to Princess Mononoke: Experiencing Contemporary Japanese Animation'', S. 210ff. Palgrave, 2001.</ref> === Erster Teil === Da es während der Produktion zu einer Änderung der geplanten Handlung kommt, lässt sich die Serie in zwei Teilen betrachten. Die Erzählgeschwindigkeit der ersten sieben Folgen ist recht hoch, aber gleichbleibend. Während dieser werden die Charaktere von Shinji und Rei sowie auch philosophische Aspekte betrachtet, wie das ''[[Die Stachelschweine (Parabel)|Stachelschwein-Dilemma]]'' [[Schopenhauer]]s in Folge 4, die auch diesen Namen trägt. Dabei geht es um den Konflikt zwischen dem Bedürfnis der Menschen nach Nähe und den Schmerzen, die diese Nähe verursacht. Darauf folgen einige Episoden mit mehr Humor und Action. Der erste Teil beinhaltet viele humoristische und actionbetonte Szenen, beschäftigt sich aber auch bereits mit den Problemen der vier Charaktere Shinji, Asuka, Rei und Misato, die aufgrund von psychischen [[Trauma (Psychologie)|Traumata]] nur schwer Kontakt mit ihrer Außenwelt knüpfen können. Die Folgen vermitteln dennoch eine Botschaft der Erlösung, es wird eine langsamen Öffnung der Figuren zu ihrer Umgebung und somit eine Lösung der Probleme vermittelt. Zudem ist der erste Teil der Serie sehr an vorherigen Produktionen orientiert und zitiert viele Anime- und Science-Fiction-Serien. Dabei beinhaltet er damals als typisch angesehene Elemente des Animes, wie viele schöne Mädchen und hochtechnisierte Maschinen, konzentriert diese aber zusätzlich noch und übersteigert sie.<ref name="Azuma"/> === Zweiter Teil === Ab der 16. Folge, ''Zwischen Leben und Tod'', in der Shinji in seiner Pilotenkapsel gefangen ist, ändert Anno die Entwicklung der Handlung. Die folgenden Episoden werden gewalttätiger als die vorherigen, der Humor und besonders die Hoffnung auf Erlösung verschwinden. Die Serie wendet sich von den typischen Elementen des Animes ab und kritisiert zunehmend die Lebensweise insbesondere der Fans. Dabei werden die Erzählformen und Stilmittel der vorherigen Produktionen nicht verworfen, sondern konzentriert und bis an ihre Grenzen getrieben. Dadurch sollte die Identifikation des Publikums mit dem Hauptcharakter unterbunden werden, um so die Fans anzugreifen, die Werke nur dann schätzen können, wenn sie durch Identifikation ihre Gefühle auf die Charaktere projizieren können. Zudem wird im zweiten Teil die Handlung beschleunigt. So stirbt Rei in Folge 23, ''Rei III&nbsp;– Tränen'', innerhalb von nur zwei Minuten. Auch wird nun die Reihenfolge der Ereignisse weniger chronologisch, wenn Rätsel auftauchen, die in der ersten Hälfte bereits gelöst wurden. Zugleich werden viele Ereignisse, wie der Wurf der Longinuslanze und dessen Wirkung, überhaupt nicht mehr erklärt. Zu deren Verständnis ist Wissen nötig, das die Serie nicht vermittelt.<ref name="Azuma"/> === Die letzten beiden Folgen === Die letzten beiden Folgen fallen aus der Erscheinung der Serie heraus. Die japanischen Kritiker Eiji Otsuka und Tetsuya Miyazaki beschreiben diese wie eine Gehirnwäsche oder Psychotherapie.<ref name="essay">{{internetquelle |url=http://www001.upp.so-net.ne.jp/tsuribe/anime/critique/evae.html#(2)b |titel=Prison of Self-consciousness: an Essay on Evangelion |autor=Manabu Tsuribe |datum=Februar 1999 |zugriff=28. Februar 2009 |sprache=englisch}}</ref> Eine fortschreitende Handlung fällt dabei völlig weg.<ref name="Azuma"/> Die Folgen bestehen gänzlich aus Traumsequenzen, in denen Shinji oder andere Charaktere mit sich selbst oder mit anderen sprechen. Dies geschieht häufig vor schwarzem Hintergrund oder auch mit Standbildern früherer Episoden. Ähnlich waren schon kurze Traumszenen in vorherigen Folgen gestaltet. Häufig sitzt einer der Charaktere auf einem Klappstuhl, sieht sich mit einem jüngeren Ich oder vergangenen Begebenheiten konfrontiert. Die Auseinandersetzungen Shinjis, die in der letzten Folge eine tragende Rolle spielen, finden teilweise in einem leeren Theaterraum statt. Die Folgen bieten eine Analyse des Charakters von Shinji Ikari.<ref name="napier96"/> == Veröffentlichung == [[Datei:TV Tokyo Senderlogo.svg|thumb|Logo des Senders TV Tokyo]] Eine Rohfassung der ersten beiden Folgen wurde bereits im Juli 1995 vor 200 Besuchern des GAINAX-Festivals gezeigt.<ref name=notenki/> Die Erstausstrahlung der 26-teiligen Serie erfolgte in Japan vom 4.&nbsp;Oktober 1995 bis 27.&nbsp;März 1996 auf [[TV Tokyo]]. Später folgten Ausstrahlungen auf den Sendern [[Animax]] und [[WOWOW]]. In englischer Sprache wurde der Anime in den USA und Großbritannien durch [[ADV Films]] und in Australien durch [[Madman Entertainment]] veröffentlicht. Die Ausstrahlung dieser Sprachfassung erfolgte unter anderem auf den Sendern [[Cartoon Network]], [[SciFi-Channel]] und [[Special Broadcasting Service]]. Eine französische Fassung wurde von [[Dybex]] veröffentlicht und von den Sendern [[Canal+]] und [[Mangas (Fernsehsender)|Mangas]] ausgestrahlt. Die spanische Übersetzung wurde in Spanien und Lateinamerika im Fernsehen gesendet, [[MTV|MTV Italia]] zeigte den Anime in italienischer Sprache. Des Weiteren wurde die Serie auf Arabisch, Koreanisch, Polnisch, Portugiesisch, Russisch, Schwedisch und [[Tagalog]] übersetzt. In Deutschland wurde ''Neon Genesis Evangelion'' erstmals von [[OVA Films]] in japanischer Sprache mit deutschen Untertiteln auf insgesamt sieben [[Video Home System|VHS]]-Kassetten veröffentlicht.<ref name="ofdb">[http://www.ofdb.de/film/1873,Neon-Genesis-Evangelion Sendedaten der Fernsehausstrahlung auf VOX] in der [[Online-Filmdatenbank]]</ref> Im Fernsehen war der Anime zwischen 27.&nbsp;Oktober 2000 und 1.&nbsp;Januar 2001 im Rahmen des [[dctp]]-Nachtprogramms auf [[VOX]] zum ersten Mal zu sehen. Die Ausstrahlung erfolgte wöchentlich, wobei die 26 Episoden inhaltlich ungekürzt zu sechs Filmen zusammengefasst in Originalsprache mit deutschen Untertiteln gezeigt wurden.<ref name="ofdb"/><ref>[http://epguides.de/evangelion.htm Sendedaten der Fernsehausstrahlung auf VOX] bei epguides.de</ref> Ebenfalls in japanischer Sprache mit Untertiteln erschien die Serie im Mai 2001 bei OVA Films auf drei DVDs in zwei Sammlerboxen. Diese auf jeweils 2999 Exemplare limitierten Boxen unterscheiden sich lediglich durch die abweichende Gestaltung des Covers; der Inhalt ist identisch.<ref>[http://www.animeaufdvd.info/reviews/1062674342.php?from=rel Review der Neon Genesis Evangelion 3-DVD-Box] bei animeaufdvd.info</ref> Von Dezember 2004 bis Februar 2006 wurde ''Neon Genesis Evangelion'' von ADV Films mit deutscher Synchronisation als ''Platinum Edition'' auf sieben DVDs herausgebracht.<ref name="ofdb"/> Im Fernsehen wurde diese Fassung ab 10.&nbsp;Juni 2008 durch den Sender Animax zum ersten Mal ausgestrahlt.<ref>[http://www.animey.net/news/2323 Sendedaten der Fernsehausstrahlung auf Animax] bei AnimeY</ref> === Synchronisation === Die Sprecherinnen von Rei und Misato, [[Megumi Hayashibara]] und [[Kotono Mitsuishi]], waren bereits vor ''Evangelion'' in Japan berühmt, spielten in der Serie jedoch für sie ungewöhnliche Rollen.<ref name=McCarthy/> Die deutsche Synchronisation wurde 2005 für die Veröffentlichung der ''Platinum Edition'' von der [[Deutsche Synchron Filmgesellschaft mbH]] auf Grundlage der englischen Übersetzung erstellt. {| class="wikitable" |- class="hintergrundfarbe5" ! Rolle ! Deutsche Stimme ! Japanische Stimme ([[Seiyū]]) |- | Shinji Ikari | [[Hannes Maurer]] | [[Megumi Ogata]] |- | Asuka Langley Sōryū | [[Julia Ziffer]] | [[Yuko Miyamura]] |- | Rei Ayanami | [[Marie Bierstedt]] | [[Megumi Hayashibara]] |- | Misato Katsuragi | [[Julia Kaufmann]] | [[Kotono Mitsuishi]] |- | Gendō Ikari | [[Erich Räuker]] | [[Fumihiko Tachiki]] |- | Kensuke Aida | [[Gerrit Schmidt-Foß]] | [[Tetsuya Iwanaga]] |- | Tōji Suzuhara | [[Julien Haggége]] | [[Tomokazu Seki]] |- | Ritsuko Akagi | [[Peggy Sander]] | [[Yuriko Yamaguchi]] |- | Kōzō Fuyutsuki | [[Hans-Werner Bussinger]] | [[Motomu Kiyokawa]] |- | Lorenz Kiel | [[Horst Lampe]] | [[Mugihito]] |- | Kaji Ryōji | [[Marcel Collé]] | [[Kōichi Yamadera]] |- | Hikari Horaki | [[Ilona Brokowski]] | [[Junko Iwao]] |} === Musik === Die Musik besitzt meist klassischen Charakter, was darauf zurückzuführen ist, dass Hideaki Anno Liebhaber [[Wiener Klassik|klassischer Musik]] ist.<ref name="Kazuya"/> In Episode 24 werden Ausschnitte aus [[Ludwig van Beethoven|Beethovens]] ''[[9. Sinfonie (Beethoven)|9.&nbsp;Sinfonie]]'' gespielt, wobei die Handlung teilweise in Anlehnung an deren Text verläuft. Beispielsweise singt der Chor, als Kaworu das Terminaldogma erreicht: ''„Und der [[Cherub]] steht vor Gott“''. Der [[Vorspann (Fernsehen)|Vorspanntitel]] ''Zankoku na Tenshi no These'' ({{lang|ja-Jpan|残酷な天使のテーゼ}}, dt. „These des grausamen Engels“) wurde von [[Yōko Takahashi]] gesungen. Der [[Abspann]] ist unterlegt mit Interpretationen des Titels ''[[Fly Me to the Moon]]'' von [[Bart Howard]]. In der Fernsehfassung wurden 14 verschiedene Versionen von [[Swing (Musikrichtung)|Swing]] bis [[Techno]] verwendet, die von Claire Littley, [[Megumi Hayashibara]] oder Yōko Takahashi gesungen wurden oder rein instrumental sind. Für die DVD-Fassung der ''Platinum Edition'' wurden zusätzlich Interpretationen von Kotono Mitsuishi und Yuko Miyamura verwendet. == Kinofilme == === Filme 1997 === Aufgrund zahlreicher Proteste von Fans, die mit dem Ende der Serie unzufrieden waren, wurden unter der Leitung von Hideaki Anno zwei Kinofilme produziert, die ein alternatives Ende der Handlung präsentieren: * ''[[Neon Genesis Evangelion: Death & Rebirth]]'' * ''[[Neon Genesis Evangelion: The End of Evangelion]]'' Daneben existiert noch der Film ''Revival of Evangelion'', bei dem es sich um eine Kombination der beiden vorherigen Kinofilme handelt. Hierfür wurde unter dem Namen ''Death (true)²'' eine neue Schnittfassung des ersten Teils von ''Death & Rebirth'' erstellt, bei der einige für die ursprüngliche Kinoauswertung neu erstellte Szenen wieder entfernt wurden. Im Anschluss daran folgt das unveränderte ''The End of Evangelion''. Der überarbeitete Film wurde 1998 veröffentlicht und gilt als die finale Version der Kinofilme. === Rebuild of Evangelion === Bei ''Rebuild of Evangelion'' handelt es sich um eine [[Neuverfilmung]] der Fernsehserie in Form von vier Filmen, die unter der Leitung von Hideaki Anno produziert werden sollen.<ref name="rebuild">[http://www.geosektor.de/index.php?site=story/rebuild Meldung bei Geosektor.de] über ''Rebuild of Evangelion''</ref> Dabei will man sich nicht zu eng an die bereits etablierte Serie halten, sondern die Handlung zum Teil neu interpretieren und aktualisieren. Dazu zählt auch die Einführung neuer Charaktere oder der vermehrte Einsatz von Computergrafik, der 1995 in dieser Form noch nicht möglich war. Laut Hideaki Anno ist „Evangelion alt, aber seitdem gab es keinen neueren Anime.“ Er will Evangelion einem neuen Publikum nahe bringen und eine neue Sicht auf die Welt hervorrufen. Die Drehbücher der Filme schrieb Anno selbst, die Regiearbeit teilt er sich mit [[Kazuya Tsurumaki]] und Masayuki. Der erste Film der Reihe war ab 1.&nbsp;September 2007 in den japanischen Kinos zu sehen, die Fortsetzung folgte am 27.&nbsp;Juni 2009. * ''[[Evangelion:1.0 – You are (not) alone.]]'' * ''[[Evangelion:2.0 – You can (not) advance.]]'' Die letzten beiden Filme sind angekündigt, von denen bisher aber nur die vorläufigen Titel bekannt sind. * ''Evangelion:3.0 – Q'' * ''Evangelion:Final'' Auf DVD erschien am 25.&nbsp;April 2008 eine überarbeitete Fassung der Kinoversion ''Evangelion:1.01 – You are (not) alone'', die auch in Deutschland am 20.&nbsp;Oktober 2008 von [[Universum Film|Ufa Anime]] auf DVD veröffentlicht wurde. Mit der Version ''Evangelion:1.11 – You are (not) alone'' wurde der Film am 27.&nbsp;Mai 2009 erstmals hochauflösend auf BD und zusätzlich auf DVD herausgegeben. == Adaptionen == === Manga === Basierend auf der Fernsehserie erscheint seit 1995 ein [[Manga]] von [[Yoshiyuki Sadamoto]], der die Handlung neu interpretiert. In Deutschland erschien dieser unter dem Titel ''[[Neon Genesis Evangelion (Manga)|Neon Genesis Evangelion]]'' im [[Carlsen Verlag]]. Des Weiteren erschien eine sechsbändige [[Ableger (Medien)|Spin-Off]]-Reihe unter dem Titel ''[[Neon Genesis Evangelion – Iron Maiden]]'', die auf dem gleichnamigen Computerspiel basiert und in Deutschland ebenfalls im Carlsen Verlag veröffentlicht wurde. Auf Grundlage des Computerspiels ''Shin Seiki Evangerion: Ikari Shinji Ikusei Keikaku'' wird in Japan seit 2005 ein gleichnamiger Manga von Osamu Takahashi im Magazin [[Shōnen Ace]] veröffentlicht, der bislang fünf Bände umfasst. Seit Dezember 2006 erscheint im Magazin [[Shonen Ace]] ein Manga zum Spiel ''Meitantei Evangelion''.<ref>[http://www.broccoli.co.jp/game/meitantei_eva/news/index.html {{lang|ja-Jpan|名探偵エヴァンゲリオン}}]</ref> Unter dem Titel ''[[Petit Eva: Evangelion@School]]'' erscheint in Japan seit Mai 2007 ein Manga, der auf der gleichnamigen [[Super Deformed|SD]]-Figurenreihe basiert. Seit Oktober 2007 erscheint das Spin-Off ''Petit Eva: Bokura Tanken Dōkōkai''. Seit Oktober 2008 erscheint in Japan der Manga ''Shin Seiki Evangelion: Gakuen Datenroku'' ({{lang|ja-Jpan|新世紀エヴァンゲリオン 学園堕天録}}) des Zeichners Min Min im Magazin [[Asuka (Magazin)|Asuka]] des Verlags [[Kadokawa Shoten]]. === Realfilm === Der Stoff der Serie wird für einen [[Realfilm]] aufbereitet. Verantwortlich hierfür sind [[GAINAX]], [[ADV Films]] und die neuseeländische Firma [[Weta Workshop]], die unter anderem für die Effekte in der Verfilmung von ''[[Der Herr der Ringe]]'' zuständig war.<ref>{{internetquelle|url=http://www.animenewsnetwork.com/encyclopedia/anime.php?id=3123 |titel=Neon Genesis Evangelion (live-action movie) |hrsg=Anime News Network |zugriff=28. Februar 2008}}</ref> === Bücher === Als Begleitmaterial zu den beiden Kinofilmen wurden in geringer Auflage zwei Hefte veröffentlicht, die Hintergrundinformationen enthalten, die in den Filmen nicht gegeben werden. Das zweite Begleitheft, das bei Aufführungen von ''The End of Evangelion'' verkauft wurde, ist aufgrund seines Titelbildes auch als ''Red Cross Book'' bekannt. Des Weiteren wurden zwei [[Artbook]]s mit den Titeln ''Der Mond'' und ''Die Sterne'' herausgegeben. Diese tragen auch im Japanischen die deutschsprachigen Titel. === Tonveröffentlichungen === Der [[Vorspann (Fernsehen)|Vorspanntitel]] ''Zankoku na Tenshi no These'' von [[Yōko Takahashi]] und der [[Abspann]]titel ''[[Fly Me to the Moon]]'' sind als [[Single (Musik)|Singles]] auf den Markt gekommen. Des Weiteren erschienen 15 Alben mit Hintergrundmusik und fünf [[DVD-Audio|Audio-DVDs]]. 1996 erschien außerdem ein Hörspiel zur Fernsehserie.<ref name=McCarthy/> === Videospiele === {{Hauptartikel|Computerspiele zu Neon Genesis Evangelion}} Zu Neon Genesis Evangelion erschienen über 20 Spiele für [[Spielkonsole|Konsole]] und [[Personal Computer|PC]]. Außerdem gibt es zur Serie über 20 von Fans programmierte Computerspiele.<ref>Alexander Zahlten: ''Something for Everyone – Anime und Politik'' in ''ga-netchû! Das Manga Anime Syndrom'', 2008, Henschel Verlag</ref> === Merchandise === Neben den weiteren Umsetzungen in verschiedenen Medien wurde und werden in Japan verschiedenste Lizenzartikel zu ''Evangelion'' veröffentlicht. Dies sind neben Postkarten, Spielzeug, Postern, Schreibwaren und Modellen der Charaktere auch Waschzubehör, Besteck, Geschirr und Kleidung mit Abbildungen aus der Serie oder Kleidungsstücke einzelner Figuren. Darunter zum Beispiel auch ein wie das Prog-Knife der Evangelions geformtes Messer.<ref name=Books/> In verschiedenen Restaurants in Japan wurde für einige Zeit speziell zur Serie konzipiertes Essen angeboten. So gibt es im ''Cure Maid Café'' in Tokio LCL-Drinks und Sachiel-Pasta.<ref>[http://www.animenewsnetwork.com/news/2008-05-06/tokyo-restaurants-offer-limited-evangelion-menu-items Anime News Network] über Nahrungsmittel zu ''Neon Genesis Evangelion''</ref> Zuletzt kam eine von ''Evangelion'' inspirierte Modekollektion auf den Markt.<ref>[http://www.animenewsnetwork.com/news/2009-01-31/evangelion-one-piece-dresses-offered-in-japan ''Evangelion One-Piece Dresses Offered in Japan''], Anime News Network über die EVA-Modekollektion.</ref><ref>[http://www.evastore.jp/ Evangelion Store] – Offizieller Fanshop zu ''Neon Genesis Evangelion''</ref> == Rezeption und Bedeutung == === In Japan === ==== Erfolg und Reaktionen ==== Der Serie wurde in Japan von Seiten der Zuschauer große Aufmerksamkeit zuteil, mehr als der ebenfalls zu dieser Zeit laufenden erfolgreichen Serie ''[[Gundam Wing]]'' von [[Bandai]]. [[Dōjinshi]]s zu NGE waren zu der Zeit die beliebtesten auf dem japanischen Markt.<ref name="Horn">{{internetquelle |url=http://www.stanford.edu/~fenn/eva/eva1.html |titel=Speaking Once as They Return: Gainax's Neon Genesis Evangelion |zugriff=28. Februar 2009 |sprache=englisch |kommentar=Artikel aus dem Online-Magazin AMPlus von Carl G. Horn}}</ref> Allein in Japan wurden mit Verkäufen der Videos über 800 Millionen und mit [[Merchandising]]-Artikeln über 400 Millionen US-Dollar Gewinn gemacht.<ref name="Wong"/> Die letzte Folge der Serie wurde von über 10 Millionen Menschen gesehen.<ref name="rev"/><ref name="kings">Lawrence Eng: ''The Fans who became Kings – Gainax und die Otaku-Kultur'' in ''ga-netchû! Das Manga Anime Syndrom'', 2008, Henschel Verlag</ref> Charakterdesigner Yoshiyuki Sadamoto erklärt den Erfolg damit, dass NGE das war, wonach die Menschen suchten.<ref name="SadaAnimerica">[http://eva.onegeek.org/pipermail/oldeva/1999-January/024322.html Interview mit Yoshiyuki Sadamoto] in der ''[[Animerica]]'' Ausgabe 6 Nr. 8 1998</ref> Laut [[Lawrence Eng]] lag dies auch an der gut durchdachten Mischung von Genres, die dem Anime eine große Zielgruppe erschloss.<ref name="rev"/> Hideaki Anno wurde nach dem Ende der Serie von Fans angegriffen. Ihm und dem Studio wurde vorgeworfen, die Serie verdorben zu haben. Anno verteidigte das Ende aber und bedauerte, dass die Arbeit des Studios von den Fans nicht anerkannt werde. Es gab zudem Vermutungen, er sei nach dem Ende der Serie selbstmordgefährdet. In Folge dessen war Anno gestresst und lehnte weitere Diskussionen über das Ende ab. Zudem war er enttäuscht, da er die gewünschte Revolutionierung des Animes nicht eintreten sah.<ref name="EyesofAnno"/> Es gab außerdem Vermutungen, dass das Ende zensiert worden sei, was jedoch vom Produktionsteam abgestritten wurde und von Kritikern für unwahrscheinlich gehalten wird.<ref name="McCarthy"/> Nach Ausstrahlung der ersten Hälfte wurde ''Neon Genesis Evangelion'' bereits als beste Serie seit ''[[Mobile Suit Gundam]]'' bezeichnet.<ref name="Azuma"/> Später wurde die Serie von einer Gruppe japanischer Kritiker, darunter Noburo Ishiguro, zu einer der vier Revolutionen des Animes gekürt. Dabei wurde nach den Kriterien Innovation, Einfluss auf das Medium und Erfolg der Serie bewertet.<ref name="japrev"/><ref name="rev">[[Lawrence Eng]]: [http://www.cjas.org/~leng/revolution.htm ''A look at „The Four Revolutions of Anime“'']</ref> 2006 wurde die Serie in einer Umfrage zum zehnten [[Japan Media Arts Festival]], an der über 80.000 Fans teilnahmen, zum beliebtesten Anime gewählt.<ref>[http://www.animenewsnetwork.com/news/2006-10-04/top-10-anime-and-manga-at-japan-media-arts-festival Anime News Network] über das Ergebnis der Umfrage zum zehnten [[Japan Media Arts Festival]]</ref> Bei einer Umfrage von [[TV Asahi]] im Jahr 2006 wurde die Serie zur zweitbeliebtesten Animeserie gewählt.<ref>[http://www.animenewsnetwork.com/news/2006-10-13/japan's-favorite-tv-anime Anime News Network] über die Ergebnisse der Umfrage von TV Asahi im Jahr 2006</ref> ==== Interpretationen ==== Der japanische Kulturkritiker [[Hiroki Azuma]] hebt besonders die Gestalten der Engel als Materialisierungen von ''Angst ohne Ursache'' hervor, sowie Rei als Verkörperung der Sterilität, Ungeschöntheit und Kälte der modernen Wissenschaft, insbesondere der Labore. Beides bringt er insbesondere mit den Vorfällen um die [[Ōmu Shinrikyō|Aum-Sekte]] in Zusammenhang, da auch hier die ''Angst ohne Ursache'' und Kälte der Wissenschaft eine Rolle spielten. So lege die Serie die verschiedenen sozialen Probleme des damaligen Japans offen. Nach Azuma beinhaltet die zweite Hälfte ein zweites Ereignis, das eine Wiederbelebung des Animes bedeute. Anno habe hier die im ersten Teil geschaffenen Standards bei weitem übertroffen, habe sich dabei jedoch in eine völlig andere Richtung gewandt. In der Serie würde Anno den Anime zugleich zu einem Ende bringen und ihn neu beleben.<ref name="Azuma"/> Andere Kritiker sehen unter anderem den Konflikt zwischen dem [[Patriarchat (Soziologie)|patriarchalischen]] System von NERV und dem femininen Charakter der EVAs, deren es sich bedient. Ebenso werden die Engel als Vaterfiguren interpretiert, an denen Shinji den Hass auf seinen Vater auslebt. Neben der Identifikation der Evangelions als „Mutter und Selbst“ tritt die Identifikation der Engel als „Vater und Selbst“. Das Schwimmen der Piloten im LCL im Inneren der EVAs wird häufig als Sinnbild für Schwangerschaft und Geburt gesehen; die EVAs werden somit auch als „Mütter“ der Children dargestellt.<ref name="napier96"/> Die letzten beiden Episoden werden auch sinnbildlich für die Weltflucht gesehen, die oft von [[Otaku]]s vollzogen wird, zurückgezogenen Animefans oder überhaupt Menschen, die sich von ihrer Umwelt entfremden. Es ist jedoch nicht sicher, ob Anno diese Abgeschiedenheit kritisieren oder unterstützen wollte.<ref name="essay"/> ==== Auswirkungen und Bedeutung ==== Einige sehen die Serie als bedeutendsten Wendepunkt in der Geschichte der Anime- und Otaku-Kultur, jedoch ist diese Einschätzung nicht unumstritten.<ref name="kings"/> Hideaki Anno wendete verschiedene Techniken aus ''Neon Genesis Evangelion'', wie Montagen mit Bildern und Text, auch in seinen nächsten Werken an. So etwa in der Fernsehserie ''[[Kareshi Kanojo no Jijo]]'', bei der er 1998 Regie führte. Dabei fügte er aber auch Bilder aus dem Manga und [[Super-Deformed]]-Zeichnungen in seine Montagen ein.<ref name=Drazen17>Patrick Drazen: ''Anime Explosion! – The What? Why? & Wow! of Japanese Animation'', S. 126 f., 2002, Stone Bridge Press</ref> Außerdem brachte er diese Techniken in den Realfilm ''[[Love and Pop]]'' von 1999 mit ein. Der Komponist Shiro Sagisu verwendete Teile seiner Arbeit an ''Evangelion'' in der Serie ''Bayside Shakedown'' wieder.<ref name=McCarthy/> Für das Studio Gainax, das zuvor in finanziellen Schwierigkeiten und auf Sponsoren angewiesen war, brachte der Erfolg von ''Evangelion'' ein stetiges Einkommen aus den Merchandising-Produkten.<ref name=notenki/> In Japan wurden verschiedene Bücher veröffentlicht, die Hintergrundinformationen zur Serie liefern, sich mit Architektur und Technik in der Serie befassen oder die Gestaltung und die psychologischen Hintergründe von ''Neon Genesis Evangelion'' betrachten. Weiterhin erschienen eine Zahl von offiziellen und inoffiziellen [[Dōjinshi]]s und Adaptionen anderer Künstler.<ref name=Books>[http://www.evamonkey.com/writings_horn13.php Viz Media-Redakteur Carl Horn] über Bücher über und zu ''Neon Genesis Evangelion'', erstveröffentlicht in ''Neon Genesis Evangelion'' Band 8. Viz Media, San Francisco.</ref> Hiroki Azuma beschreibt die Wirkung von NGE als Schock für Animefans wie auch für andere Zuschauer. Dieser stellte sich umso mehr ein, da die Serie nur in begrenztem Umfang beworben wurde und nur eine gewöhnliche Animeserie des [[Mecha]]-Genres erwartet wurde. Doch ''Neon Genesis Evangelion'' ging über die vorherigen Serien hinaus und wurde mit seinem Ende zu einem großen Ereignis. Hiroki Azuma führte den Erfolg zum einen auf eine qualitativ hochwertige und detailreiche Animation zurück und zum anderen darauf, dass die Serie die verschiedenen sozialen Probleme des damaligen Japans offenlegt. Anno verwendet in der Serie neue erzählerische Techniken und produziert bleibende Bilder, wie es in Japan seit den frühen 1980er Jahren nicht mehr geschehen ist. Zudem würde er dem Anime, der laut Azuma in einer inhaltlichen Unergiebigkeit stecke, neue Impulse geben. Dies gelänge ihm durch die Konzentration dessen, was Animes der vorherigen zehn Jahre ausgemacht habe. Daher bezeichnet er bereits den ersten Teil der Serie als ein Ereignis. Die Qualität des Handlungsaufbaus spräche für eine hohe Geschicktheit Annos als Autor.<ref name="Azuma"/> Laut Azuma kam es mit ''Neon Genesis Evangelion'' 1995 zu einer Spaltung der Anime-Industrie. Dabei orientiere sich die eine Richtung an der Realität, die andere produziere mehr fantastische Werke. Auch sei NGE in den zehn Jahren danach nie übertroffen worden.<ref>[http://www.animenewsnetwork.com/convention/2005/substantive-images Interview mit unter anderem Hiroki Azuma] über die [[Otaku]]-Kultur in Japan vom Dezember 2005, auf Anime News Network</ref> Die Serie führte des Weiteren zu einem größeren Interesse des erwachsenen Publikums an Animes.<ref name="SadaAnimerica"/> Die Serie hat viele Zuschauer, die sich zu Beginn der 1990er Jahre vom Medium abgewandt haben, wieder zurückgebracht. ''Neon Genesis Evangelion'' führte sowohl zu einem Anime-Boom in Japan, wie auch zum Erfolg späterer, anspruchsvoller und ebenso düster gehaltener Serien wie ''[[Serial Experiments Lain]]'', ''[[Cowboy Bebop]]''<ref name="rev"/>, ''[[Blue Submarine No. 6]]'', ''[[Kidō Senkan Nadeshiko]]'' und ''[[Gasaraki]]''.<ref name=McCarthy/> Mit ''Evangelion'' wurden die Fernsehserien zum Wachstumsbereich der Anime-Industrie.<ref name=McCarthy/> Im Jahr 2003 kam es in Japan zu einem Mordfall, bei dem ein 22-Jähriger seine Mutter erschlug. Er begründete dies damit, dass er durch die Serie ''Neon Genesis Evangelion'' überzeugt sei, dass „das Ende der Evolution der Untergang“ sei und die Menschen unnütz und für die Zerstörung der Erde verantwortlich wären. Er wollte später weitere Menschen umbringen und wurde 2004 verurteilt.<ref>Anime News Network über den [http://www.animenewsnetwork.com/news/2003-12-02/evangelion-brings-man-to-kill-mother Mordfall] und das [http://www.animenewsnetwork.com/news/2004-02-25/eva-killer-guilty Urteil]</ref> [[File:HIGASIURA-LAWSON.JPG|thumb|Eine Filiale von Lawson]] Ein [[Convenience Shop]] von [[Lawson (Handelskette)|Lawson]] thematisierte kurz vor der Blu-ray-Veröffentlichung des Films ''[[Evangelion Shin-Gekijōban: Ha]]'' die Serie und wurde entsprechend dekoriert. In der Zeit vom 23. April bis 17. Mai 2010 sollte er als Werbung für die bevorstehende Veröffentlichung dienen. Bereits im Vorfeld verbreitete sich diese Meldung, sodass kurz nach der Öffnung das abgelegen in [[Hakone]] gelegene Geschäft derart belagert wurde, dass es zu zahlreichen Problemen wegen Überfüllung kam. Dies betraf auch insbesondere den Ort, da die Parkplätze ausgingen. Als Folge dessen musste die Niederlassung bis auf weiteres geschlossen werden.<ref>{{internetquelle |url=http://www.cnngo.com/tokyo/drink/2-new-animethemed-establishments-gundam-cafe-and-evangelion-lawson-005728 |titel=2 new anime-themed establishments: Gundam Cafe and Evangelion Lawson |autor=W. David Marx |hrsg=Cable News Network |datum=2010-04-27 |zugriff=2010-04-30 |sprache=en}}</ref> === International === Die Serie war in Nordamerika sehr erfolgreich und ist bis heute in Fankreisen sehr bekannt.<ref name="Kazuya"/> Laut Marvin Gleicher von [[Manga Entertainment]] hat die Serie mit der Tradition der Nacherzählung bereits bestehender Geschichten in der Animation gebrochen und so dem Medium neue Möglichkeiten eröffnet. Hideaki Anno hätte so besonders das Mecha-Genre neu belebt und ein eindringliches Bild einer psychologischen Lähmung gezeichnet. Die große Zahl von Fans in Japan und in Amerika würde die Bedeutung des Werkes belegen.<ref>[http://www.animenewsnetwork.com/news/2002-11-08/manga-criticizes-newtype Marvin Gleicher von Manga Entertainment an das Magazin Newtype] auf Anime News Network</ref> Thomas Lamarre sieht insbesondere in den letzten beiden Folgen der Serie einen [[Avantgarde|avantgardistischen]] und experimentellen Gebrauch der Möglichkeiten von [[Limited Animation]], die diese auch als eine Kunstbewegung zeigen. Zuvor wurde Limited Animation meist als Ergebnis wirtschaftlicher Zwänge und als billigere Produktionsvariante gesehen. Laut Lamarre führt Anno die Limited Animation an einen Punkt, an der der häufig aufgestellte Gegensatz zwischen Bewegungsbild der [[Full Animation]] und Standbild der Limited Animation nicht mehr haltbar ist. Anno besetze so die Animationen anders, sodass sie die räumlichen und zeitlichen Eigenschaften der Bewegung als bildlich-inhaltliche Montage darstellen.<ref name=full/> Laut Patrick Drazen ist ''Evangelion'' die kontroverseste Fernsehserie der 1990er Jahre, die neue Impulse für den Animationsfilm brachte. Die Serie, insbesondere die letzten beiden Folgen, sei auch Ausdruck der Unsicherheit, die in Japan 1995 während der Wirtschaftskrise und nach den Anschlägen der Aum-Sekte herrschte. Der Anime zeige aber auch Hideaki Annos Selbstfindung. ''Evangelion'' habe aber für jeden eine andere Bedeutung und biete viel Stoff zum Nachdenken.<ref name=EvaDrazen/> [[Susan J. Napier]] zählt ''Neon Genesis Evangelion'' neben ''[[Prinzessin Mononoke]]'' und ''[[Ghost in the Shell]]'' zu den Werken, die nicht nur in Japan ein Bild des intellektuellen Animes prägten und Thema vieler wissenschaftlicher Arbeiten wurden. Die Serie stehe mit anderen Werken für ein ''Erwachsenwerden'' des Animes in den 1990er Jahren.<ref>Susan J. Napier: ''Anime - from Akira to Princess Mononoke: Experiencing Contemporary Japanese Animation'', S. 18. Palgrave, 2001.</ref> Sie bezeichnet ''Evangelion'' als ''außergewöhnlich komplexes Werk'', das sich als Dekonstruktion des Mecha-Genres betrachten lasse. Dabei würden die zunächst eingeführten genretypischen Merkmale wie der junge Held, ein böser Feind und eine hochtechnisierte nahe Zukunft im Laufe der Handlung umgekehrt und ließen so den Zuschauer verwirrt zurück. So sei bereits in Shinjis erstem Kampf gegen einen Engel sein Verhältnis zu seinem Mecha ein ungewöhnliches, furchtsames. Der Kampf sei kein visuelles Spektakel, sondern einfach gestaltet und die Musik dränge sich in den Vordergrund. Shinji verwendet als Waffe keine Hochtechnologie, sondern ein großes Messer. Die letzte Folge habe viele Zuschauer aufgrund der fehlenden Action und Effekte enttäuscht, biete jedoch eine klassische Psychoanalyse der Hauptfigur Shinji Ikari<ref name="napier96"/> und eine persönliche, psychische Form der Apokalypse.<ref name="napier210"/> Während der Serie nähmen die bewegungslosen Szenen eine besondere Bedeutung ein, da sie den psychologischen Teil der Handlung unterstützten. Szenen mit physischer Gewalt seien brutaler als im üblichen Fernseh-Anime.<ref name="napier210"/> Laut der ''Anime Encyclopedia'' gehört die Serie zu den einflussreichsten und bedeutendsten Animes, erzeugt aber auch die Illusion einer tiefergehenden Bedeutung, die sie unter Umständen gar nicht hat. Der Anime habe wesentlich dazu beigetragen, dass auch in den USA mehr längere Serien veröffentlicht werden und ein Angebot für das Publikum geschaffen wurde, die nach Pokemon nach weiteren Serien verlangte.<ref name="McCarthy" /> Bilder und Musikthemen der Serie wurden von der britischen Band [[Fightstar]] in ihrem Album ''Grand Unification'' von 2005 verwendet.<ref name="McCarthy" /> === In Deutschland === In Deutschland gilt ''Evangelion'' in Fankreisen als Kultserie und Klassiker, ist darüber hinaus jedoch kaum bekannt.<ref name=funime1>''Neon Genesis Evangelion'' in Funime Nr. 19/2001 S. 22</ref><ref>''Neon Genesis Evangelion Platinum'' in Funime Nr. 41 1/2005 S. 33</ref> Kritisiert wird häufig die schwankende Bildqualität, die sich zwischen sehr guter Animation und extensivem Einsatz von Standbildern bewege.<ref name=funime1/><ref name=funime2/> Das Wichtigste sei jedoch die Handlung, die ein aktives Mitdenken des Zuschauers erfordere, vieles nur andeuten würde und sehr komplex sei. Das Ende ist umstritten; teils wird gelobt, dass es ohne Action auskomme, die Serie abrunde und Raum für Interpretationen lasse.<ref name=funime2/> Andere kritisieren, dass ''Evangelion'' überfrachtet sei, die Überraschungen und psychologischen Szenen auf Dauer abschreckten und nervten.<ref name=funime1/> Für viele Zuschauer sei das Ende unverständlich und ungewöhnlich.<ref name=animania>[[Animania]], Ausgabe 7/2005, S.10</ref> Übereinstimmend werden der Serie aber gut ausgearbeitete Charaktere und gute Musik bescheinigt.<ref name=funime1/> Auch der Humor käme nicht zu kurz.<ref name=funime2>[http://www.tomodachi.de/html/reviews/anime/rev_neon_genesis_evangelion_1.html Review der Fernsehserie] durch Karsten Schubert auf der Webseite der [[Funime]] und des [[Anime no Tomodachi]]</ref><ref>[http://www.tomodachi.de/html/reviews/anime/rev_neon_genesis_evangelion_0.html Kurzreview von Karsten Schubert] auf der Webseite der [[Funime]] und des [[Anime no Tomodachi]]</ref> Die Fachzeitschrift [[Animania]] bezeichnet den Anime als ''„Mischung aus ergreifender Sci-Fi-Story, wegweisenden Animationen und philosophischen Untertönen“''.<ref>[[Animania]], Ausgabe 7/2005, S.10</ref> == Einzelnachweise == <references/> == Literatur == * Patrick Drazen: ''Evangelion''; in ''Anime Explosion! – The What? Why? & Wow! of Japanese Animation''. Stone Bridge Press, 2002. (englisch) * Susan J. Napier: ''Anime from Akira to Princess Mononoke: Experiencing Contemporary Japanese Animation''. Palgrave, 2001. (englisch) * Hiroshi Yamaguchi: ''2015: The Last Year of Ryoji Kaji''. [[Newtype]] (japanisch) * Kaichiro Morikawa: ''The Evangelion Style''. (japanisch) * Ikuto Yamashita und Seiji Kio: ''Sore wo nasumono - Neon Genesis Evangelion Concept Design Works''. (japanisch) * GAINAX, Yoshiyuki Sadamoto: ''Neon Genesis Evangelion Artbook. 100% New Type Collection''. Carlsen Verlag, 2001. == Weblinks == {{Commonscat|Neon Genesis Evangelion}} * [http://www.gainax.co.jp/anime/eva/index.html Offizielle Seite] (japanisch) * [http://www.animenewsnetwork.com/encyclopedia/anime.php?id=49 Anime News Network] über die Serie (englisch) * [http://www.evapedia.de/wiki/Hauptseite Evapedia], Internet-Enzyklopädie zu Neon Genesis Evangelion * {{IMDb Titel|tt0112159|Neon Genesis Evangelion}} * {{OFDb|1873|Neon Genesis Evangelion (TV-Serie)}} * {{dmoz|/Arts/Animation/Anime/Titles/N/Neon_Genesis_Evangelion/|Neon Genesis Evangelion}} {{Navigationsleiste Neon Genesis Evangelion}} {{Exzellent|20. März 2009|58098910}} [[Kategorie:Anime-Fernsehserie]] [[Kategorie:Zeichentrickserie]] [[Kategorie:Science-Fiction-Fernsehserie]] [[Kategorie:Actionfernsehserie]] [[Kategorie:Manga (Werk)]] {{Link GA|sv}} [[ar:العصر الجديد إيفانجيليون]] [[ca:Evangelion]] [[cs:Neon Genesis Evangelion]] [[cv:Çĕнĕ ăру Евангелионĕ]] [[da:Neon Genesis Evangelion]] [[el:Neon Genesis Evangelion]] [[en:Neon Genesis Evangelion]] [[eo:Neon Genesis Evangelion]] [[es:Neon Genesis Evangelion]] [[fa:نئون جنسیس اونگلیون]] [[fi:Neon Genesis Evangelion]] [[fr:Neon Genesis Evangelion]] [[gl:Neon Genesis Evangelion]] [[he:נאון ג'נסיס אוונגליון]] [[hr:Shin Seiki Evangelion]] [[hu:Neon Genesis Evangelion]] [[id:Neon Genesis Evangelion]] [[it:Neon Genesis Evangelion]] [[ja:新世紀エヴァンゲリオン]] [[ko:신세기 에반게리온]] [[la:Neon Genesis Evangelion]] [[nl:Neon Genesis Evangelion]] [[no:Neon Genesis Evangelion]] [[pl:Neon Genesis Evangelion]] [[pt:Neon Genesis Evangelion]] [[ro:Neon Genesis Evangelion]] [[ru:Евангелион]] [[simple:Neon Genesis Evangelion]] [[sk:Šinsejki Evangelion]] [[sr:Neon Genesis Evangelion]] [[sv:Neon Genesis Evangelion]] [[th:อีวานเกเลียน]] [[tr:Neon Genesis Evangelion]] [[uk:Neon Genesis Evangelion]] [[vi:Shin Seiki Evangelion]] [[zh:新世纪福音战士]] [[zh-yue:新世紀福音戰士]] bv5b85f5f570v1edfskadulglu1n9nd wikitext text/x-wiki Nepenthes rajah 0 23985 26583 2010-01-17T06:58:56Z TobeBot 0 Bot: Ergänze: [[ka:ნეპენთეს რაჯა]] <!-- Für Informationen zum Umgang mit dieser Tabelle siehe bitte [[Wikipedia:Taxoboxen]]. --> {{Taxobox | Taxon_WissName = Nepenthes rajah | Taxon_Rang = Art | Taxon_Autor = [[Joseph Dalton Hooker|Hook.f.]] | Taxon2_Name = Kannenpflanzen | Taxon2_WissName = Nepenthes | Taxon2_Rang = Gattung | Taxon3_Name = Kannenpflanzengewächse | Taxon3_WissName = Nepenthaceae | Taxon3_Rang = Familie | Taxon4_Name = Nelkenartige | Taxon4_WissName = Caryophyllales | Taxon4_Rang = Ordnung | Taxon5_Name = Kerneudikotyledonen | Taxon5_Rang = ohne | Taxon6_Name = Eudikotyledonen | Taxon6_Rang = ohne | Bild = Nep rajah26.jpg | Bildbeschreibung = ''Nepenthes rajah'' }} '''''Nepenthes rajah''''' ist eine [[Kannenpflanzen]]art aus der Familie der [[Kannenpflanzengewächse]] (Nepenthaceae). Sie ist eine [[Fleischfressende Pflanzen|fleischfressende Pflanze]] und kommt nur in einem kleinen Gebiet der Insel [[Borneo]] vor. Ihre Kannen sind mit die größten aller [[Kannenpflanzen]], wodurch sie nicht nur [[Insekten]], sondern auch größere Tiere fangen und verdauen kann. == Beschreibung == === Vegetative Merkmale === ''Nepenthes rajah'' ist ein [[Halbstrauch]], der, einer [[Ackerwinde|Winde]] vergleichbar, am Boden entlangwächst, aber zu klettern beginnt, sobald er mit einem Objekt in Kontakt kommt, an dem die Pflanze sich hochranken kann. Die [[Sprossachse]] ist bis zu drei Zentimeter dick und wird in der Regel bis zu drei Meter lang, große Exemplare können jedoch auch bis zu sechs Meter Länge erreichen. ''Nepenthes rajah'' bildet – anders als andere Arten der Gattung – keine [[Stolonen|Ausläufer]], ältere Pflanzen bilden jedoch Sprösslinge an der Stängelbasis. Es handelt sich, bedingt durch ihr [[Habitat]], um eine sehr langsam wachsende Pflanzenart. Bis zur ersten Blüte vergehen mindestens zehn Jahre und bis die Pflanze ihre volle Größe erreicht hat, rund einhundert Jahre. Alle Teile junger Pflanzen sind mit langen, weiß-braunen Haaren bewachsen, ausgewachsene Pflanzen sind jedoch unbehaart. [[Datei:Nep_rajah12.jpg|thumb|upright|Blattwerk mit neu austreibender Kanne ]] Die lederigen [[Blatt (Pflanze)|Blätter]] werden in gleichmäßigen Abständen von ungefähr zwanzig Zentimetern entlang der [[Sprossachse]] gebildet. An jedem [[Knoten (Botanik)|Knoten]] sitzt ein bis zu fünfzehn Zentimeter langer, längsgerillter [[Blatt (Pflanze)#Blattstiel|Blattstiel]], der in eine bis zu achtzig Zentimeter lange und fünfzehn Zentimeter breite, breitlinealisch-lanzettliche scheinbare [[Blatt (Pflanze)#Blattspreite|Blattspreite]] übergeht, die aber im strengen Sinne nur einen umgebildeten [[Blatt (Pflanze)#Blattgrund|Blattgrund]] darstellt. Dieser wird geteilt von einer starken [[Mittelrippe]], ab ihrem Ansatz verlaufen von der Mittelrippe aus sechs bis zehn Seitenrippen, von diesen aus wiederum laufen verzweigte Adern schräg zum Blattrand. Rund drei Zentimeter vor dem stumpf abgerundeten Ende des Blattgrundes tritt die Mittelrippe unterhalb aus dieser heraus und geht in eine bis zu fünfzig Zentimeter lange und bis zu drei Zentimeter dicke Ranke über, die am Kannenansatz endet. Erst die Kanne selbst ist dann die eigentliche Blattspreite. [[Datei:Kinabalu_Mesilau_N._rajah_upper_pitcher_4.jpg|thumb|upright|Luftkanne von ''Nepenthes rajah'']] Die Kannen von ''Nepenthes rajah'' (siehe obere Abb.) gelten gemeinhin als die größten aller Kannenpflanzen, obgleich auch die Kannen der weniger bekannten Arten ''[[Nepenthes merrilliana]]'' und ''[[Nepenthes truncata]]'' ähnlich groß werden können. Wie viele Kannenpflanzen bildet ''Nepenthes rajah'' zwei verschiedene Kannenarten aus (''Kannendimorphismus''), nämlich Boden- und Luftkannen (siehe untere Abb.). Luftkannen, die sich im Gegensatz zu den am Boden liegenden Kannen frei hängend in den oberen Regionen der Pflanzen finden, sind bei ''Nepenthes rajah'' allerdings sehr selten. Die urnen- bis eiförmigen Bodenkannen sind außen rostrot und innen hellgrün bis rot. Sie werden bis zu 35 Zentimeter hoch und erreichen einen Durchmesser von bis zu 18 Zentimetern. Vom Rankenansatz an aufwärts bis zum Peristom (dem Rand der Kannenöffnung) verlaufen zwei im Abstand von rund zwei Millimetern von Fransen gesäumte, bis zu 25 Millimeter breite Flügel. Die Kannenöffnung ist [[Ellipse|elliptisch]], abgeflacht und um 45° von außen nach innen geneigt. Das [[Peristom]] ist bis zu vier Zentimeter breit und auf jeder Seite fünf- bis sechsmal bogig eingedreht, die sich so bildenden Zähne stehen von oben nach unten in abnehmender Distanz zueinander. Das Peristom wird aus zahlreichen feinen, querstehenden Rippen gebildet, die im Abstand von 0,5 bis 2 Millimeter voneinander stehen und sich als Zähne über das Peristom hinaus bis zu 5 Millimeter in das Innere der Kanne biegen. Ein typisches Merkmal der Kannen ist der große, gewölbte Deckel. Er ist eiförmig bis breitlinealisch geformt, herzförmig am Ansatz und stumpf abgerundet an der Spitze. Er wird bis zu 20 Zentimeter lang und 13 Zentimeter breit und hat eine tief eingesenkte, kielartige Mittelrippe. Am Ansatz des Deckels steht ein bis zu zwei Zentimeter langer Sporn, auf seiner Unterseite finden sich mit bloßem Auge sichtbare Nektardrüsen eingelassen. Das Innere der Kannen ist vollständig mit 300 bis 800 Drüsen pro cm² bedeckt, die der zum Fang ausgerüsteten oberen Hälfte sind dabei ausgesprochen klein, die der unteren, verdauenden Hälfte bedeutend größer. Die Kannen enthalten bei einem Gesamtvolumen von bis zu vier Litern bis zu zwei Liter Flüssigkeit. Die erheblich kleineren Luftkannen der Pflanzen sind trichterförmig, ihre Flügel zu Rippen reduziert und weniger intensiv eingefärbt, sind ansonsten aber den Bodenkannen gleich. Bekannt ist ''Nepenthes rajah'' auch wegen ihres Beutespektrums. Obwohl sich die Beute in der Regel aus Insekten zusammensetzt, sind in ihren Kannen wiederholt auch Ratten gefunden worden. Es wird angenommen, dass diese beim Versuch, die Kannenflüssigkeit zu trinken, abrutschten und ertranken. ''Nepenthes rajah'' galt lange Zeit als einzige Karnivore, die zumindest gelegentlich [[Säugetiere]] fangen konnte, wenngleich eine zweifelsfreie dokumentarische Belegung eines Säugetierfangs fehlte. Im September 2006 sorgte die Entdeckung einer bereits halbverdauten Maus im Kelch einer ''[[Nepenthes truncata]]'' im [[Botanischer Garten|Botanischen Garten]] von [[Lyon]] für eine Relativierung der These, ''Nepenthes rajah'' sei die einzige Kannenpflanze, die in der Lage sei Säugetiere zu fangen. [[Datei:Nep_rajah2_flower.jpg|thumb|left|Blühende ''Nepenthes rajah'']] === Blüten, Früchte und Samen === ''Nepenthes rajah'' kann zu jeder Zeit des Jahres blühen. Wie alle Kannenpflanzen ist auch sie [[zweihäusig]], das heißt, eine Pflanze ist entweder weiblich oder männlich, nie aber zwittrig. Die am Ansatz zehn und an der Spitze bis zu sieben Millimeter dicken Blütenstandsstiele sind bis zu achtzig Zentimeter, die [[Traube|Blütentrauben]] bis zu vierzig Zentimeter lang. Der Blütenstand ist im Anfangsstadium dicht behaart, mit zunehmender Reife verringert sich die Behaarung vor allem im unteren Bereich, bleibt aber dicht im oberen Bereich, am Blütenstiel und dem [[Perigon]] sowie an den [[Fruchtknoten]]. [[Datei:Nep_rajah28.jpg|thumb|upright|Fruchtstand von ''Nepenthes rajah'']] Die zahlreichen Blüten sind innen grünlich weiß, außen braun und riechen stark süßlich. Im unteren Bereich des Blütenstands stehen je zwei Blüten an einem der bis zu 25 Millimeter langen Blütenstiele, die zum oberen Bereich hin zunehmend kürzer werden und nur noch eine Einzelblüte tragen. Die bis zu acht Millimeter langen Blütenblätter sind elliptisch bis breitlinealisch und stumpf gerundet, bei der weiblichen Blüte sind die Blütenblätter schmaler als bei der männlichen. Die Staubfäden sind drei bis vier Millimeter, die Staubbeutel bis zu einem Millimeter lang. Die Pollen der Pflanze werden bis zu zehn Kilometer weit verbreitet, was die Bildung von Hybriden begünstigt (siehe unten). Die gelbbraunen [[Kapselfrucht|Kapselfrüchte]] sind ein bis zwei Zentimeter lang, verdickt und leicht behaart, die Samen sind fadenförmig, drei bis acht Millimeter lang und werden vom Wind verbreitet ([[Anemochorie]]). == ''Nepenthes rajah'' als Lebensraum == Die Kannen aller Kannenpflanzenarten sind nicht nur Fallen, die zum Fang und der Verdauung von Tieren dienen. Sie bieten auch vielen, teils spezialisierten, Tier- und Insektenarten Unterschlupf oder gar einen Lebensraum. Da Gestalt und Größe der Kannen ebenso stark differieren wie die Areale der Arten, gibt es zahlreiche Organismen, die auf einzelne Arten spezialisiert sind, so auch bei ''Nepenthes rajah''. Die Kannenflüssigkeit ist die Heimat der Larven zweier nach ihr benannter [[Stechmücken]]arten, nämlich ''[[Culex rajah]]'' und ''[[Toxorhynchites rajah]]'', neben diesen finden sich aber auch unspezialisierte Larven der Arten ''[[Culex jenseni]]'', ''[[Uranotaenia moultoni]]'' und einer noch unbeschriebenen Art der Gattung ''[[Tripteroides]]''. Von einigen Affenarten, darunter [[Koboldmakis]], ist bekannt, dass sie die Kannen seitlich aufschlitzen und sich am Inhalt der Kannen gütlich tun. == Verbreitung und Habitat == ''Nepenthes rajah'' ist in [[Borneo]] im Nordosten des Landes [[Endemisch (Biologie)|endemisch]] in den Regenwaldgebieten des [[Kinabalu]] und des benachbarten [[Tambuyukon]] angesiedelt. [[Datei:Mount kinabalu 01.png|thumb|Kinabalu, Borneo]] ''Nepenthes rajah'' ist ein Spezialist, der ausschließlich auf dünnen, nährstoffarmen Böden auf [[Ultrabasisches Gestein|ultrabasischem Gestein]] mit einem hohem Gehalt an [[Magnesium]] sowie [[Nickel]] und [[Chrom]] siedelt. Die beiden letzten Metalle sind für die meisten Pflanzen giftig, ''Nepenthes rajah'' ist diesen gegenüber jedoch resistent und kann so konkurrenzarm diese ökologische Nische besetzen. Die Pflanzen wachsen auf offenen, losen Grasböden, die starken Regenfällen ausgesetzt sind, die jedoch wegen der mangelnden Fähigkeit des Bodens zur Wasserspeicherung extrem schnell wieder ablaufen. Sie finden sich häufig begleitet von [[Seggen]] (''Carex''). ''Nepenthes rajah'' ist eine sogenannte Hochlandart, da sie nur in Höhe von 1500 bis 2650&nbsp;m&nbsp;NN vorkommt. In diesen Höhen können die Temperaturen nachts bis auf den Gefrierpunkt fallen, tagsüber erreichen die Temperaturen nur selten mehr als 25&nbsp;°C. Die relative Luftfeuchtigkeit schwankt dabei von 65 % am Tage bis 95 % in der Nacht. Auch tagsüber können diese Faktoren stark schwanken, da hohe Temperaturen und, abhängig von diesen, niedrigere Luftfeuchtigkeit nur durch die intensive Sonneneinstrahlung entstehen. Durch (häufig auftretende) Bewölkung fällt dann die Temperatur und die Luftfeuchtigkeit steigt rapide; ein Effekt, der durch die offene Vegetation und die zunehmende Höhe begünstigt wird. Zusätzlich sind die Habitate heftigen Winden und starken Regenfällen ausgesetzt, die durchschnittlichen jährlichen Niederschlagswerte liegen bei 3000 mm. == Systematik == ''Nepenthes rajah'' ist als Art nur wenig variabel, es existieren weder Unterarten, Varietäten noch Formen, wegen seiner Unverkennbarkeit kam es auch nie zu Synonymien. Die Art stand in der Gattung bisher isoliert ohne engere Verwandte, 1998 jedoch kam es auf den [[Philippinen]] zur Entdeckung einer neuen Art, die insbesondere nach kannenmorphologischen Gesichtspunkten mit ''Nepenthes rajah'' verwandt sein könnte. Die Art wurde 2007 als ''[[Nepenthes mantalingajanensis]]'' erstbeschrieben, nachdem sie lange als ''Nepenthes spec. Palawan 1'' geführt worden war. Da eine molekulargenetische Untersuchung der Gattung noch aussteht, konnte auch diese Methode noch keinen näheren Aufschluss über die genaue Position von ''Nepenthes rajah'' innerhalb der Gattung geben. == Natürliche Hybriden == ''Nepenthes rajah'' hybridisiert mit einigen anderen Kannenpflanzenarten, begünstigt wird dies durch das relativ weite Verwehen der Pollen und die ganzjährige Blütezeit. Nachgewiesen sind Hybriden mit allen anderen am Kinabalu vorkommenden Kannenpflanzenarten (mit der Ausnahme von ''[[Nepenthes lowii]]''). Derzeit sind folgende natürlichen Hybriden bekannt: * ''[[Nepenthes edwardsiana|N. edwardsiana]] × N. rajah'' * ''[[Nepenthes fusca|N. fusca]] × N. rajah'' * ''[[Nepenthes macrovulgaris|N. macrovulgaris]] × N. rajah'' * ''[[Nepenthes stenophylla|N. stenophylla]] × N. rajah'' * ''[[Nepenthes tentaculata|N. tentaculata]] × N. rajah'' * ''[[Nepenthes x alisaputrana|N. × alisaputrana]]'' [[J. H. Adam|Adam]] & [[C. C. Wilcock|Wilcock]] (1992) [=''[[Nepenthes burbidgeae|N. burbidgeae]] × N. rajah''] * ''[[Nepenthes x kinabaluensis|N. × kinabaluensis]]'' [[Shigeo Kurata|S. Kurata]], [[Nomen nudum|nom. nud.]] (1976) [=''[[Nepenthes villosa|N. villosa]] × N. rajah''] Die beiden letzten Hybriden sind formal beschrieben worden und haben eigene Namen bekommen. Beide sind auch zur sexuellen Vermehrung fähig, sie sind daher als bereits „stabilisierte Hybriden“ bezeichnet worden, die möglicherweise Vorstufen zu neuen Arten darstellen. Dieser Rang wurde für sie bereits auch diskutiert, hat sich aber nicht durchgesetzt. == Status == ''Nepenthes rajah'' ist von der [[IUCN]] auf ihrer Roten Liste als bedrohte Art (EN – B1+2e) eingestuft worden und seit 1981 auf Anhang 1 des [[Washingtoner Artenschutzabkommen]]s gelistet, der höchsten CITES-Schutzstufe überhaupt, die jedweden Handel mit Wildpflanzen untersagt. Dies war notwendig geworden, weil durch ihre Beliebtheit bei Sammlern ihre Bestände insbesondere in den 1970er Jahren stark übersammelt wurden. Durch diese Unterschutzstellung, kommerzielle Nachzuchten, das gestiegene Umweltbewusstsein bei Sammlern und aufgrund der Tatsache, dass ein Großteil der Vorkommen im ''Kinabalu National Park'' liegen, haben sich die Bestände inzwischen wieder erholt, so dass eine Abstufung auf Gefährdet (VU) gerechtfertigt erscheint. == Botanische Geschichte == [[Datei:Nepenthes_rajah_Life_in_the_forests_of_the_Far_East.png|thumb|upright|Coloriertes Bild von ''Nepenthes rajah'' aus dem Jahr 1863]] ''Nepenthes rajah'' wurde 1851 von Hugh Low während seiner ersten Besteigung des Kinabalu entdeckt und 1859 von [[Joseph Dalton Hooker]] beschrieben. Spencer St. John fand 1862 erstmals eine [[Ratten|Ratte]] und damit ein [[Säugetier]] in einer der Kannen. 1878 sammelte Frederick William Burbidge erstmals lebende Exemplare für die britische Firma ''[[Veitch and Sons]]'', die ab 1881 interessierten (Privat-)Gärtnern angeboten und im Folgejahr erstmals auf der Jahresausstellung der [[Royal Horticultural Society]] öffentlich präsentiert wurden. Weil die Kulturbedingungen jedoch sehr anspruchsvoll waren, sich das modische Interesse an den Kannenpflanzen allgemein wieder verlor und mit dem Niedergang der Firma Veitch ab 1905 auch keine Nachzuchten mehr kamen, verschwanden die Pflanzen allmählich wieder aus menschlicher Hand, die letzte bekannte Pflanze der Zeit war die der [[Irish National Botanic Gardens]] in [[Dublin |Glasnevin]], Irland, aber auch sie überlebte nicht. Erst in den 1970er Jahren erwachte das Interesse der Öffentlichkeit an den Kannenpflanzen wieder, insbesondere aufgrund der allgemein stärker werdenden Beliebtheit fleischfressender Pflanzen. Insbesondere das Buch ''Nepenthes of Mount Kinabalu'' von Shigeo Kurata rückte dabei den Fokus wieder auf die Arten des Kinabalu, darunter auch auf ''Nepenthes rajah''. In ihrer Heimat werden Abbildungen der Pflanze häufig als Postkartenmotiv und zu Werbezwecken für entsprechende Touristenziele, insbesondere den ''Kinabalu National Park'', verwandt. 1996 veröffentlichte Malaysia eine vierteilige Briefmarkenserie mit Motiven zum Thema Kannenpflanzen, eines der Motive war ''Nepenthes rajah''. == Etymologie == Der Name „rajah“ stammt aus dem malayischen und bedeutet „König“. Der Name wurde zu Ehren des Abenteurers [[James Brooke]] gewählt, dem ersten [[Weiße Rajas|Weißen Raja]] von [[Sarawak]], daher findet sich im Englischen auch gelegentlich der Name „Rajah Brooke's Pitcher Plant“. == Literatur == Große Teile des Artikels entstammen dem englischsprachigen Artikel [[:en:Nepenthes rajah]] in der Version vom 1. Juni 2006. === Quellen === * C. Clarke: ''Nepenthes of Borneo.'' Natural History Publications, Kota Kinabalu Borneo 1997. ISBN 983-812-015-4 * M. Cheek, M. Jebb: ''Nepenthaceae.'' Flora Malesiana. Bd 15. Leiden 2001, 1-164. ISBN 90-71236-49-8 * B. H. Danser: ''The Nepenthaceae of the Netherlands Indies.'' in: ''Bulletin de Jardin de Botanique /Bulletin of the Botanic Gardens/'s Lands Plantentuin.'' Série III. Buitenzorg 9.1928,3-4, 249-438. {{ISSN|0852-8756}} ([http://www.omnisterra.com/botany/cp/pictures/nepenthe/dansermg/dans49.htm ''N. rajah''-Text online]) * R. Ellis: ''[http://www.carnivorousplants.org/cpn/samples/Cons293Stamps.htm Carnivores on Stamps and Currency.]'' in: ''Carnivorous Plant Newsletter.'' Fullerton Ca 29.2000,3, 90-92. {{ISSN|0190-9215}} * M. Tsukamoto: ''[http://www.wrbu.org/REF1/133700-0.pdf Two New Mosquito Species from a Pitcher Plant of Mt. Kinabalu, Sabah, Malaysia, Culex rajah and Toxorhynchites rajah (Diptera: Culicidae).]'' in: ''Japanese Journal of Tropical Medicine and Hygiene.'' Nagasaki 17.1989, 3, 215-228 (pdf). {{ISSN|0304-2146}} === Weiterführende Literatur === * — . ''Nepenthes Rajah J. D. Hooker.'' in: ''Gartenflora.'' 32.1883, 213. * —. ''Nepenthes Rajah.'' in: ''Curtis's Botanical Magazine.'' 4th series, I. 81.1905, t.8017. * S. Kurata: ''Nepenthes of Mount Kinabalu''. Sabah National Parks Trustees, Kota Kinabalu 1976. * J. H. Macfarlane: ''Nepenthes sp.'' in: ''Biological Journal of the Linnean Society.'' 42.1914. * M. T. Masters: ''Nepenthes Rajah Hook. f.'' in: ''The Gardeners' Chronicle.'' 2nd series. 16.1881, 2, S. 492, ic. 91. * A. Phillipps: ''A Second Record of Rats as Prey in Nepenthes rajah.'' in: ''Carnivorous Plant Newsletter.'' 17.1988,2, 55. * A. Phillipps, A. Lamb: ''Pitcher Plants of Borneo.'' Kota Kinabalu 1996. ISBN 983-812-009-X * H. Steiner: ''Borneo. Its Mountains and Lowlands with their Pitcher Plants.'' Kota Kinabalu 2002. ISBN 983-40421-1-6 == Weblinks == {{Commons|Nepenthes rajah}} * [http://www.fleischfressendepflanzen.de/db/species.ffp?id=435 Nepenthes rajah auf FleischfressendePflanzen.de] [[Kategorie:Kannenpflanzengewächse]] [[Kategorie:Fleischfressende Pflanze]] [[Kategorie:Nepenthaceae]] {{Exzellent}} {{Link GA|en}} [[en:Nepenthes rajah]] [[eo:Nepenthes rajah]] [[fr:Nepenthes rajah]] [[it:Nepenthes rajah]] [[ka:ნეპენთეს რაჯა]] [[lt:Didysis ąsotenis]] [[ru:Непентес Раджа]] [[sv:Kungskannranka]] [[th:Nepenthes rajah]] [[zh:王侯豬籠草]] ojdvfjuwoqp1fobjux4m2a74pb88l3w wikitext text/x-wiki Nesseltiere 0 23986 26584 2010-05-05T12:49:55Z GrouchoBot 0 Bot: Ergänze: [[az:Dalayıcılar]] <!-- Für Informationen zum Umgang mit dieser Tabelle siehe bitte [[Wikipedia:Taxoboxen]]. --> {{Taxobox | Taxon_Name = Nesseltiere | Taxon_WissName = Cnidaria | Taxon_Rang = Stamm | Taxon_Autor = [[Berthold Hatschek|Hatschek]], 1888 | Taxon2_Name = Gewebetiere | Taxon2_WissName = Eumetazoa | Taxon2_Rang = Abteilung | Taxon3_Name = Vielzellige Tiere | Taxon3_WissName = Metazoa | Taxon3_Rang = Unterreich | Taxon4_Name = Tiere | Taxon4_WissName = Animalia | Taxon4_Rang = Reich | Taxon5_Name = Eukaryoten | Taxon5_WissName = Eucaryota | Taxon5_Rang = Domäne | Bild = Anemone.bristol.750pix.jpg | Bildbeschreibung = [[Seeanemonen|Seeanemone]] (Actiniaria) und [[Lederkorallen|Lederkoralle]] (Alcyonacea) | Subtaxa_Rang = Klasse | Subtaxa = * [[Blumentiere]] (Anthozoa) * [[Stiel- oder Becherquallen]] (Staurozoa) * [[Würfelquallen]] (Cubozoa) * [[Schirmquallen]] (Scyphozoa) * [[Hydrozoen]] (Hydrozoa) }} Die '''Nesseltiere''' (Cnidaria) sind einfach gebaute, vielzellige Tiere, die die Küsten, den Grund und das offene Wasser der Weltmeere und einige Süßgewässer bewohnen und durch den Besitz von [[Nesselkapsel]]n gekennzeichnet sind. Bekannte Untergruppen sind [[Schirmquallen|Schirm-]] und [[Würfelquallen]], die [[sessil]]en [[Blumentiere]] mit den [[Seeanemonen]], [[Steinkorallen|Stein-]] und [[Weichkorallen]] sowie die vielgestaltigen [[Hydrozoen]], zu denen auch die [[Staatsquallen]] und der in Bächen und Flüssen in Mitteleuropa heimische [[Süßwasserpolyp]] gehören. Sie umfassen derzeit über 11000 rezente Arten<ref>Marymegan Daly, Mercer R. Brugler, Paulyn Cartwright, Allen G. Collin, Michael N. Dawson, Daphne G. Fautin, Scott C. France, Catherine S. McFadden, Dennis M. Opresko, Estefania Rodriguez, Sandra L. Romano & Joel L. Stake: ''The phylum Cnidaria: A review of phylogenetic patterns and diversity 300 years after Linnaeus.'' Zootaxa, 1668: 127–182, Wellington 2007 {{ISSN|1175-5326}} [http://www.mapress.com/zootaxa/2007f/zt01668p182.pdf Abstract - PDF]</ref>. Einige Arten (z.B. ''[[Polypodium hydriforme]]'') sind Parasiten geworden. == Aufbau == Nesseltiere besitzen als [[Gewebetiere]] echte [[Gewebe (Biologie)|Gewebe]] und [[Organ (Biologie)|Organe]]. Sie sind ihrem vielfach variierten Grundbauplan nach [[radialsymmetrisch]] gebaut und bestehen aus zwei [[Zelle (Biologie)|Zellschichten]], der äußeren [[Epidermis (Wirbellose)|Epidermis]] oder [[Ectoderm]]is und der inneren [[Gastrodermis]] oder [[Entoderm]]is. Dazwischen befindet sich die [[Mesogloea]]. [[Datei:HydomedusaeAglanthaDigitale.jpg|left|thumb|Bei ''[[Aglantha digitale]]'' sieht man den einfachen, glockenförmigen Körperbau.]] Die Gastrodermis umfasst den „Magen“ der Nesseltiere, den sogenannten [[Gastralraum]]. Er besitzt nur eine einzige Öffnung, durch die nicht nur die Nahrung aufgenommen, sondern Abfallprodukte auch wieder ausgeschieden werden. Gleichzeitig dient er neben der Mesogloea als hydrostatisches Stützskelett. Hartskelette kommen dagegen nur bei Polypen vor, die dazu gezielt Kalk ablagern (z.B. [[Octocorallia]]). Ein echtes [[Blutgefäßsystem]] ist bei den Nesseltieren nicht vorhanden. Der Gasaustausch erfolgt durch [[Diffusion]], daneben spielt sowohl für die Vorverarbeitung und gleichzeitig für die Verteilung von Nährstoffen und den Abtransport von Stoffwechselendprodukten das sogenannte Gastrovaskularsystem eine Rolle: Dies umfasst den zentralen Hohlraum, den Gastralraum sowie dessen Ausläufer in die [[Tentakel]] der Polypen. Das Gastrovaskularsystem übernimmt damit zweierlei Funktionen, Verdauung und Stofftransport. Nahrungspartikel werden in erster Linie von den Nährmuskelzellen des Gastroderms aufgenommen. [[Datei:Ohrenquallen aurelia aurita.jpg|thumb|Die [[Ohrenqualle]] der deutschen Küsten]] Die Nesseltiere besitzen echte Nervenzellen, die ein diffuses Netz bilden, welches aber nur eine geringe Zentralisierung zeigt. Nervenzellkonzentrationen liegen bei Polypen im Mundfeld ([[Hypostom]]), an den Tentakeln und am Fußstiel (Pedunculus), bei den Quallen findet sich häufig ein Nervenring um den Schirm. Auch eine spezialisierte Signaltransportrichtung hat sich vielfach noch nicht herausgebildet, die Verschaltung der Nerven über sogenannte „[[gap junction]]s“ erlaubt jedoch einigen Arten eine hohe Geschwindigkeit bei der Erregungsleitung, eine Vielzahl von [[Neuropeptide]]n erlaubt die Modulation von Erregungen. Lange wurde angenommen, dass Cnidarier zu den sogenannten [[Diploblasten]], den zweikeimblättrigen Tieren gehören. Neuere Forschungsergebnisse weisen darauf hin, dass Cnidarier neben dem [[Ektoderm|Ekto-]] und [[Entoderm]] auch ein [[Mesoderm]] zu besitzen scheinen. Aus dem [[Mesoderm]] entwickelt sich unter anderem die Muskulatur der Medusen. Doch eben jenes Mesoderm, aus dem sich beispielsweise bei den Säugetieren die Muskulatur und viele innere Organe bilden, sprechen die Taxonomen den Nesseltieren bislang ab, was sie in der Ordnung des Lebens zu höchst primitiven Lebensformen klassifiziert. Diese neuen Ergebnisse moderner Forschung scheinen eine Neuklassierung der Cnidarier zu rechtfertigen. [[Datei:Hydra nematocyst firing 01.png|thumb|Ausschleudern des Nesselfadens beim [[Süßwasserpolyp]]en (''Hydra'')]] Das namensgebende Merkmal der Nesseltiere ist ein spezialisierter Zelltyp, die [[Nesselzelle]] (Cnidocyste). Zellen dieses Typs befinden sich auf den um die Mundöffnung herum angeordneten Tentakeln und enthalten die charakteristischen Nesselkapseln (Cniden). Diese enthalten einen spiralig aufgewickelten Nesselfaden, der auf Berührungsreize explosiv ausgestoßen wird und hochtoxische Stoffe in das Opfer injiziert, die dieses schnell abtöten oder zumindest lähmen. Die Nesselzellen dienen sowohl dem Beutefang als auch der Verteidigung gegen Fressfeinde. Ein weiterer wichtiger Zelltyp sind die i- oder interstitiellen Zellen. Dies sind [[pluripotente Zelle]]n, was bedeutet, dass sie sich in andere Zelltypen wie Geschlechtszellen, Drüsenzellen oder Nervenzellen, allerdings nicht in Epithelmuskelzellen oder Nährmuskelzellen verwandeln können. Letztere beiden Zelltypen können nur aus ihresgleichen hervorgehen. Viele Nesseltiere haben dank dieses Systems eine enorme Regenerationsfähigkeit. Insbesondere die Süßwasserpolypen der Gattung [[Süßwasserpolyp|Hydra]] dienen in der Forschung als Modelle für Musterbildungsprozesse. Die zwei wichtigsten Formentypen sind [[Polyp (Nesseltiere)|Polyp]] und [[Qualle]], die als unterschiedliche Lebensstadien bei ein und derselben Art auftreten können, also keine systematische Bedeutung haben. [[Datei:Cnidaria medusa n polyp.png|thumb|Meduse und Polyp (Schema)]] * Polypen sind durch die sogenannte Basalscheibe fest auf einem Substrat verankert, obwohl einige Arten sich auch in kuriosen Zeitlupen-Salti fortbewegen können. Naturgemäß zeigen ihre Tentakel nach oben, vom Substrat weg. Polypen treten oft in großen Kolonien auf. Zusammenfassend besteht ein Polyp aus: Fußscheibe, (das proximale, aborale) Körperende, aus einem Stiel, dem sog. Scapus und dem Mundfeld (Peristom) mit der einzigen Körperöffnung, die umgeben von Fangtentakeln ist. Innerhalb der 4 Gruppen gibt es charakteristische Unterschiede hinsichtlich der Septen, die den Gastralraum in einzelne Gastraltaschen aufgliedern. Vergleichsweise einfach sind Cubozoa und Hydrozoa aufgebaut, denen diese Septen fehlen. Die Quallen lassen sich ohne Probleme aus den Polypen herleiten, indem Fußscheibe und Scapus zur Oberseite, der Exumbrella, und das Mundfeld zur Unterseite, der Subumbrella, werden. * Die auch Medusen genannten Quallen haben ein hut- oder glockenförmiges Aussehen und schwimmen meist passiv in den Meeresströmungen mit. Ihre Tentakel hängen frei nach unten. Durch koordinierte Muskelkontraktionen gegen das im Gastralraum enthaltene Wasser können sie sich allerdings auch aktiv fortbewegen – sie nutzen dabei das [[Rückstoßantrieb|Rückstoßprinzip]]. Nesseltiere zeigen ein breites Größenspektrum: Die meisten Arten sind nur wenige Millimeter klein, manche noch kleiner. Auf der anderen Seite können ''Cyanea''-Quallen einen Durchmesser von zwei Metern umfassen und Polypen der Gattung ''Branchiocerianthus'' eine ebensolche Länge erreichen. Bei manchen Arten werden die Tentakel bis zu dreißig Meter lang. [[Datei:Corallo vivo.jpg|thumb|Die [[Edelkoralle]] lebt in Höhlen im [[Mittelmeer]]]] == Verbreitung und Lebensraum == Nesseltiere finden sich weltweit im Meer, seltener auch im Süßwasser. Viele bewohnen als Quallen das offene Wasser und sind, auch durch die verschiedenen Larvenstadien, ein bedeutender Teil des [[Zooplankton]]s. An den Küsten dominieren sessile, meist [[Kolonie (Biologie)|kolonial]] lebende Nesseltiere oft die Hartböden und schufen mit den tropischen [[Korallenriff]]en einen der artenreichsten und produktivsten Lebensräume der Erde. Mit den [[Seefedern]] gehört zu ihnen auch eine Gruppe, die sich auf weiche und schlammige Meeresböden spezialisiert hat und auch die [[Tiefsee]], sowie das [[Südpolarmeer]] bewohnt. == Ernährung == [[Datei:Sea Fan.jpg|thumb|Zum Nahrungsfang geöffnete Polypen einer Gorgonie]] Die meisten Nesseltiere ernähren sich von Beutetieren, die mit ihren Tentakeln in Berührung gekommen sind. Dies sind vor allem Tiere des Zooplanktons, wie [[Protisten]], diverse [[Würmer]], [[Krebstiere|Krebse]] und andere [[Quallen]]. Größere Nesseltiere überwältigen auch größere Beute wie [[Knochenfische|Fische]]. [[Weichkorallen]] und [[Gorgonien]] fangen auch [[Phytoplankton]]. Manche Gruppen, darunter die meisten [[Steinkorallen|Stein-]], aber auch viele Weichkorallen, Gorgonien, [[Seeanemonen]] und [[Feuerkorallen]] leben [[Symbiose|symbiotisch]] mit [[Photosynthese]] betreibenden Algen zusammen, meist [[Dinoflagellaten]] (Dinoflagellata), manchmal aber auch [[Grünalgen]] (Chlorophyta). Diese nehmen von ihren Nesseltierpartnern produziertes [[Kohlenstoffdioxid|Kohlendioxid]] auf und produzieren unter Ausnutzung des Sonnenlichts und unter Abgabe von [[Sauerstoff]] die energiehaltigen [[Kohlenhydrate]], die den Nesseltieren als Hauptnahrung dienen. == Fortpflanzung == [[Datei:Schleiden-meduse-2.jpg|thumb|Entwicklungsstadien einer Qualle]] Weit verbreitet bei den Nesseltieren ist die ungeschlechtliche Fortpflanzung durch [[Knospe (Zoologie)|Knospung]]. In den Klassen der [[Blumentiere]] (Anthozoa) und der [[Hydrozoen]] (Hydrozoa) ist sie besonders weit verbreitet. Dabei trennt sich vom erwachsenen Polypen seitlich eine ungeschlechtliche Larve, die so genannte Schwimmknospe ab, die sich zum Polypen fortentwickelt. Oft ist die Knospung unvollständig, so dass physisch miteinander verbundene Kolonien genetisch identischer Polypen entstehen. Allerdings können sich die Nesseltiere auch geschlechtlich fortpflanzen. Ein charakteristisches Merkmal ist hier der so genannte [[Generationswechsel]], der bei Tieren sonst nicht so häufig wie bei Pflanzen, Pilzen oder Protisten anzutreffen ist. Dabei wechseln Generationen, die sich ungeschlechtlich fortpflanzen, und sich geschlechtlich fortpflanzende Generationen einander ab. Diese Art des Generationswechsels wird als ''[[Metagenese]]'' bezeichnet. Der erwachsene Polyp bildet dazu auf ungeschlechtlichem Wege männliche oder weibliche Quallen. Es gibt drei prinzipielle ungeschlechtliche Vorgänge: * Knospung findet sich besonders häufig in den Klassen der [[Blumentiere]] und der [[Hydrozoen]]. * [[Strobilation]], ein Vorgang, bei dem Quallen scheibenweise am oberen (oralen) Ende des Polypen abgeschnürt werden, ist dagegen für [[Schirmquallen]] charakteristisch. * Schließlich findet man auch die komplette Umwandlung (Metamorphose) des Polypen zur Quallenform – bei [[Würfelquallen]]. Diese entwickeln sich zunächst zur Geschlechtsreife. Dann werden die männlichen und weiblichen [[Gamet]]en freigesetzt, die sich jeweils zur [[Zygote]] vereinigen. Diese entwickelt sich durch Zellteilung zunächst zu einer kugelförmigen Struktur, der so genannten [[Blastula]], aus der dann die [[Planula-Larve|Planula]] genannte Larve entsteht. Diese ist begeißelt und schwimmt so lange, bis sie auf ein festes Substrat trifft, auf dem sie sich verankert und dann eine Verwandlung ([[Metamorphose (Zoologie)|Metamorphose]]) zum Polypenstadium durchläuft. Dieses Schema ist in den fünf Nesseltier-Klassen mannigfaltig variiert und abgewandelt. So verbleiben bei vielen Hydrozoen die Quallen in reduzierter Form am Polypen, welcher damit so genannte ''Gonophoren'' hat. Einige Hydrozoen, wie die [[Süßwasserpolyp]]en (''Hydra'') haben überhaupt kein Quallenstadium. Stattdessen bildet der Polyp selbst männliche oder weibliche Keimzellen. Die Würfelquallen wiederum haben das Polypenstadium reduziert. Bei den Blumentieren gibt es kein Quallenstadium. == Riffbildung == [[Datei:Coral reef PloS.jpg|thumb|[[Steinkorallen]] im hellen Flachwasserbereich. Nur dort sind die symbiotischen Algen zur [[Photosynthese]] in der Lage]] Große ökologische Bedeutung haben [[Korallenriff]]e die von einer Untergruppe der Nesseltiere, den skelettbildenden [[Steinkorallen]] aufgebaut werden. Diese Riffe treten in zwei ökologischen Bereichen auf: Zum einen als [[Korallenriff#Tiefwasserriffe|Tiefwasserriffe]] in kaltem Wasser ab 60 Metern Tiefe, so zum Beispiel entlang des europäischen Kontinentalhangs, zum anderen als Flachwasserriffe in warmen Meeren mit Wassertemperaturen über 20&nbsp;°C. Wichtig für deren Riffbildung sind die bereits angesprochenen [[Endosymbiont|endosymbiotischen]] Algenpartner. Bei übermäßiger Erwärmung kommt es oft zur [[Korallenbleiche]] in der die [[Symbiose]] durch das Abstoßen der Algen beendet wurde. Aufgrund der notwendigen Sonneneinstrahlung gibt es Korallenriffe nur in tropischen Gewässern. Die Korallenpolypen scheiden dort neben anderen Tieren wie bestimmten Röhrenwürmern, aber auch diversen [[Rotalgen]] oder [[Grünalgen]], Kalk ([[Calciumcarbonat]]) als Außen- oder [[Skelett|Exoskelett]] ab, der sich mit der Zeit zu wahren Gebirgen auftürmen kann. Sobald die Lichtausbeute zu gering wird – dies ist auf jeden Fall ab einer Wassertiefe von 60 Metern der Fall – sterben die Korallen ab, auf ihren Skeletten haben sich dann schon die nachfolgenden Generationen festgesetzt. Auf diese Weise können Korallenriffe bei langsam steigendem Meeresspiegel in die Höhe wachsen. Korallenriffe sind sehr artenreiche Ökosysteme, die durch die Beeinflussung von Meeresströmungen auch globale Auswirkungen haben. Sie sind von einer Vielzahl von Organismen, [[Schwämme]]n, diversen [[Würmer]]n, [[Korallenfische|Fischen]], aber auch [[Algen]] und verschiedenen [[Protisten]] bewohnt. In erdgeschichtlicher Zeit haben sich zahlreiche [[Gestein]]sformationen aus dem unter anderem von Korallen abgelagerten Kalkstein gebildet: So gehen beispielsweise die reichen Vorkommen der [[Eifel]] und des [[Bergisches Land|Bergischen Landes]] auf Hunderte Millionen Jahre alte [[Devon (Geologie)|devonische]] Korallenriffe zurück. Jüngeren Datums sind die [[Bermuda]]-Inseln und die [[Bahamas]], aber auch zahlreiche [[Pazifischer Ozean|pazifische]] Inselgruppen, die auf Korallenriffe zurückgehen. == Nesseltiere als Fossilien == [[Datei:RugosaOrdovician.jpg|thumb|[[Rugosa|Rugose Koralle]] ''Grewingkia'' aus dem Ordoviziums von Indiana.]] Nesseltiere sind eine sehr alte Tiergruppe. Schon in der so genannten [[Ediacara-Fauna]] des späten [[Proterozoikum]]s vor etwa 550 Millionen Jahren sind sie vertreten und gehören damit zu den ersten bekannten Tierfossilien überhaupt. Die Kenntnis fossiler Gruppen ist je nach Untergruppe allerdings sehr unterschiedlich: Während sich aus weichem Gewebe bestehende Quallen nur in extremen Ausnahmefällen erhalten haben, ist beispielsweise die stammesgeschichtliche Entwicklung der Korallen durch die von ihnen hinterlassenen harten Kalkskelette fossil sehr gut bekannt. Die ersten Korallenriffe stammen demnach aus dem erdgeschichtlichen Zeitalter des frühen [[Ordovizium]]s vor etwa 500 Millionen Jahren, die damaligen Formen unterschieden sich aber noch deutlich von den heutigen Korallen, die erst nach dem großen [[Massenaussterben]] am Ende des [[Perm (Geologie)|Perm]] vor 240 Millionen Jahren etwa in der Mitte der [[Trias (Geologie)|Trias]] vor etwa 220 Millionen Jahren das erste Mal auftreten. == Nesseltiere und der Mensch == [[Datei:PortugeseMan-O-War.jpg|thumb|Das Gift der [[Portugiesische Galeere]] (''Physalia physalis'') kann Schwimmern gefährlich werden.]] Nesseltiere haben Menschen zunächst einmal dadurch beeinflusst, dass letztere auf ihnen leben: Wie bereits erwähnt gehen eine ganze Reihe von Inseln auf abgestorbene Nesseltierskelette zurück. Der von ihnen hinterlassene [[Kalkstein]] wird an vielen Stellen kommerziell abgebaut. Aus besonderen, insbesondere bunt gefärbten Korallen werden darüber hinaus seit vorgeschichtlicher Zeit Schmuckstücke gefertigt. Andererseits kommen insbesondere an der Nordküste [[Australien (Kontinent)|Australiens]] regelmäßig Menschen durch Kontakt mit den Nesselzellen hochgiftiger Quallen zu Tode oder werden durch ihr [[Nervengift]] lebenslang geschädigt. Auch die in der Nordsee vorkommenden Quallen können zu äußerst schmerzhaften Hautverletzungen führen. Umgekehrt wirkt sich die Ausbreitung des menschlichen Tourismus oft sehr negativ auf die den Nesseltieren zugehörigen Korallen aus. Das global zu beobachtende Korallensterben gilt unter Riffbiologen als äußerst bedenklich, da Korallen Schlüsselorganismen sind, deren Tod oft das Absterben des ganzen reichhaltigen [[Ökosystem]]s nach sich zieht. Neben der Einleitung von nitratbelasteten Abwässern ist hier unter anderem die [[Cyanidfischerei]] zu nennen, die in kurzer Zeit weiträumige Lebensräume vernichten kann. Eine weitere Gefahr für Korallen sind die in Folge des Klimawandels steigenden Wassertemperaturen: Überschreiten sie eine kritische Grenze, stoßen die Korallen oft ihre symbiotischen Algenpartner ([[Zooxanthellen]]) ab und bleichen damit aus. Nach dieser [[Korallenbleiche]] können die Korallen nur schwer allein überleben. Kehren die Zooxanthellen über einen langen Zeitraum nicht zurück, sterben die Korallen ab. == Systematik == Die Nesseltiere bilden in der klassischen Systematik einen [[Stamm (Biologie)|Stamm]] innerhalb der [[Abteilung (Biologie)|Abteilung]] der [[Gewebetiere]] (Eumetazoa) und wurden traditionell zusammen mit den [[Rippenquallen]] (Ctenophora) zur Unterabteilung der [[Hohltiere]] (Coelenterata) vereinigt. Aus Sicht der heute vorherrschenden Systematik, der [[Kladistik]], ist diese Gruppe allerdings vermutlich paraphyletisch, das heißt, sie umfasst nicht alle Nachkommen ihres letzten gemeinsamen Vorfahren: Trotz der äußeren Ähnlichkeit der beiden [[Taxon|Taxa]], die sich unter anderem in der beiden Gruppen eigenen radialsymmetrischen Körperstruktur bemerkbar macht, sind die Rippenquallen sehr wahrscheinlich näher mit den zweiseitig-symmetrisch aufgebauten [[Bilateria]] verwandt als mit den Nesseltieren. Aus kladistischer Sicht bilden die Hohltiere daher eine künstliche Gruppe. Die Nesseltiere werden in fünf [[Klasse (Biologie)|Klassen]] unterteilt: * Die [[Blumentiere]] (Anthozoa) umfassen ungefähr 7500 Arten, darunter die [[Seeanemonen]], die [[Steinkorallen|Stein-]] und [[Weichkorallen]]. Ein Medusenstadium ist in dieser Klasse unbekannt. * Die [[Stielquallen]] (Staurozoa) sind [[sessil]]e Quallen mit einem polypenartigen Stiel. Es gibt etwa 50 Arten. * Die [[Würfelquallen]] (Cubozoa) umfassen etwa 50 Arten. Zu ihnen zählen unter anderem die als [[Seewespe]]n bezeichneten Arten ''Chironex fleckerii'' und ''Chiropsalmus quadrigatus'', die über ein hochpotentes Gift verfügen. * Zu den [[Schirmquallen]] (Scyphozoa) gehören etwa 200 Arten, die meist als Medusen auftreten. * Die [[Hydrozoen]] (Hydrozoa) sind die vielgestaltigste Gruppe und enthalten etwa 3500 Arten. Das Spektrum reicht hier von vielen quallenartigen Formen über die [[Staatsquallen]], den [[sessil]]en [[Nesselfarne]]n, den tropischen [[Feuerkorallen|Feuer-]] und [[Filigrankorallen]] bis zu den [[Bäumchenpolypen]] (''Sertularia''), die auch in der Nordsee vorkommen. Auch die [[Süßwasserqualle]]n zählen zu den Hydrozoen. Die Hydrozoa zeigen häufig einen [[Generationswechsel]] zwischen Medusen- und Polypform. Die wahrscheinlichen stammesgeschichtlichen Abstammungsverhältnisse der fünf Gruppen lassen sich dem folgenden Diagramm entnehmen: <ref>Allen Collins u. a.: ''[http://qsb.ucmerced.edu/mmedina/publications/Collins_etal_2006_SystBiol.pdf Medusozoan Phylogeny and Character Evolution Clarified by New Large and Small Subunit rDNA Data and an Assessment of the Utility of Phylogenetic Mixture Models.''] (PDF)</ref> Kladogramm der Cnidaria nach Collins (2002) {{Klade|style=font-size:100%;line-height:100% |label1=&nbsp;Cnidaria&nbsp; |1={{Klade |1={{Klade |1=&nbsp;[[Hexacorallia]]&nbsp; |2=&nbsp;[[Octocorallia]]&nbsp; |label3=&nbsp;[[Medusozoa]]&nbsp; |3={{Klade |1={{Klade |1=&nbsp;[[Scyphozoa]]&nbsp; |2={{Klade |1=&nbsp;[[Staurozoa]]&nbsp; |2=&nbsp;[[Cubozoa]]&nbsp; }} }} |2=&nbsp;[[Hydrozoa]]&nbsp; }} }} }} }} == Quellenangaben == <references/> == Literatur == * D. T. Anderson: ''Invertebrate Zoology.'' Kap. 3. Oxford Univ. Press, Oxford 2001 (2. Aufl.), S.31. ISBN 0-19-551368-1 * P. Ax: ''Das System der Metazoa I. Ein Lehrbuch der phylogenetischen Systematik.'' Gustav Fischer, Stuttgart-Jena 1999. ISBN 3-437-30803-3 * R. S. K. Barnes, P. Calow, P. J. W. Olive, D. W. Golding, J. I. Spicer: ''The invertebrates – a synthesis.'' Kap. 3.4.2. Blackwell, Oxford 2001 (3. Aufl.), S.54. ISBN 0-632-04761-5 * R. C. Brusca, G. J. Brusca: ''Invertebrates.'' Kap. 8. Sinauer Associates, Sunderland Mass 2003 (2. Aufl.), S.219. ISBN 0-87893-097-3 * J. Moore: ''An Introduction to the Invertebrates.'' Kap. 4. Cambridge Univ. Press, Cambridge 2001, S.30. ISBN 0-521-77914-6 * E. E. Ruppert, R. S. Fox, R. P. Barnes: ''Invertebrate Zoology – A functional evolutionary approach.'' Kap. 7. Brooks-Cole, Belmont 2004, S. 111. ISBN 0-03-025982-7 * W. Schäfer: ''Cnidaria, Nesseltiere.'' in: Rieger, Westheide (Hrsg.): ''Spezielle Zoologie. Teil 1. Einzeller und Wirbellose Tiere.'' Gustav Fischer, Stuttgart-Jena 1997, Spektrum, Heidelberg 2004. ISBN 3-8274-1482-2 * B. Werner: ''4. Stamm Cnidaria.'' in: v. Gruner (Hrsg.): ''Lehrbuch der speziellen Zoologie.'' Begr. von Kaestner. 2 Bde. Gustav Fischer, Stuttgart-Jena 1954, 1980, 1984, Spektrum, Heidelberg/Berlin 1993 (5.Aufl.). ISBN 3-334-60474-8 ;Wissenschaftliche Literatur * D. Bridge, B. Schierwater, C. W. Cunningham, R. DeSalle R, L. W. Buss: ''Mitochondrial DNA structure and the molecular phylogeny of recent cnidaria classes.'' in: ''Proceedings of the Academy of Natural Sciences of Philadelphia.'' Philadelphia USA 89.1992, S.8750. {{ISSN|0097-3157}} * D. Bridge, C. W. Cunningham, R. DeSalle, L. W. Buss: ''Class-level relationships in the phylum Cnidaria – Molecular and morphological evidence.'' in: ''Molecular biology and evolution.'' Oxford University Press, Oxford 12.1995, S.679.{{ISSN|0737-4038}} * D. G. Fautin: ''[http://www.ucihs.uci.edu/biochem/steele/Fautin.pdf Reproduction of Cnidaria].'' in: ''Canadian Journal of Zoology.'' Ottawa Ont. 80.2002, S.1735. {{ISSN|0008-4301}} * G. O. 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Ottawa Ont. 80.2002, S.1772. {{ISSN|0044-3808}} == Weblinks == {{Commons|Category:Cnidaria|Nesseltiere}} * [http://cnidarian.info/ The Cnidarian Tree of Life project] * [http://www.ucmp.berkeley.edu/cnidaria/cnidariasy.html Cnidaria-Webseiten des Museum of Paleontology der University of California] (englisch) * [http://www.ucihs.uci.edu/biochem/steele/default.html The Cnidaria Home Page] (englisch) * [http://biodidac.bio.uottawa.ca/Thumbnails/catquery.htm?Phylum=Cnidaria&Sujet=animalia Bildersammlung Cnidaria] (englisch) * [http://pages.unibas.ch/dib/zoologie/research/schmid/abstracts/horizonte.html Artikel über neue Forschungsergebnisse von Volker Schmid. Volker Schmid gilt als führend in der Cnidarierforschung] {{Exzellent}} [[Kategorie:Nesseltiere| ]] {{Link GA|en}} [[ar:لاسعات]] [[az:Dalayıcılar]] [[bg:Мешести]] [[br:Knidaried]] [[bs:Žarnjaci]] [[ca:Cnidari]] [[cs:Žahavci]] [[cy:Cnidariad]] [[da:Nældecelledyr]] [[en:Cnidaria]] [[eo:Knidulo]] [[es:Cnidaria]] [[et:Ainuõõssed]] [[eu:Knidario]] [[fa:کنیداریا]] [[fi:Polttiaiseläimet]] [[fr:Cnidaria]] [[gl:Cnidarios]] [[gv:Cnidaria]] [[he:צורבים]] [[hi:निडारिया]] [[hr:Žarnjaci]] [[hu:Csalánozók]] [[id:Cnidaria]] [[io:Knidulo]] [[is:Holdýr]] [[it:Cnidaria]] [[ja:刺胞動物]] [[ko:자포동물]] [[la:Cnidaria]] [[lb:Nesseldéieren]] [[lt:Duobagyviai]] [[lv:Dzēlējzarndobumaiņi]] [[mk:Жаркари]] [[nds:Cnidaria]] [[nl:Neteldieren]] [[nn:Nesledyr]] [[no:Nesledyr]] [[oc:Cnidaria]] [[pl:Parzydełkowce]] [[pt:Cnidários]] [[qu:K'arachiq]] [[roa-rup:Cnidari]] [[ru:Стрекающие]] [[scn:Cnidaria]] [[sh:Žarnjaci]] [[simple:Cnidaria]] [[sk:Pŕhlivce]] [[sl:Ožigalkarji]] [[sr:Жарњаци]] [[sv:Nässeldjur]] [[te:నిడేరియా]] [[th:พวกสัตว์ลำตัวกลม]] [[tr:Knidliler]] [[uk:Кнідарії]] [[zea:Cnidaria]] [[zh:刺胞動物門]] 2o3xz1i8nx03cw7ad6eybbyrqeczn2v wikitext text/x-wiki Nesselzelle 0 23987 26585 2010-04-13T07:32:56Z Uwe Gille 0 /* Bildung von Nesselzellen */ Lf Die '''Nesselzellen''', auch als '''Nematocyten''' oder '''Cnidozyten''' bezeichnet, sind ein spezieller Zelltyp, der ausschließlich bei den [[Nesseltiere]]n (Cnidaria) zu finden ist. Es handelt sich dabei um Zellen, die in der äußeren Schicht ([[Epidermis (Wirbellose)|Epidermis]]) der Tiere eingebettet sind und zum Beutefang oder zur Abwehr von Feinden oder Konkurrenten eingesetzt werden können. Bei Reizung wird ein Nesselschlauch ausgeschleudert, der häufig ein hochwirksames Gift in das Opfer injiziert. Obwohl sie bei Menschen in der Regel nur Reizungen der Haut und leichtere Verbrennungen auslösen, sind die Nesselgifte einiger Arten so wirksam, dass sie zum Zusammenbruch des Herz-Kreislauf-Systems und somit zum Tode führen können. == Lage der Nesselzellen == [[Bild:Scyphomedusae_Chrysaora_melanaster.jpg|thumb|230px|right|Nesselzellen sitzen an den feinen Tentakeln dieser Schirmqualle]] Die Anordnung der Zellen auf dem Körper der Tiere ist nicht gleichmäßig. In der Außenhaut, der Epidermis, finden sich Nesselzellen auf allen Strukturen, die zum Beutefang oder zur Verteidigung eingesetzt werden, in besonders hoher Dichte - man nennt diese Ansammlungen dann auch ''Batterien''. Sie sitzen in erster Linie auf den Tentakeln, aber auch auf speziellen Strukturen: Dazu zählen etwa die ''Acontia'' der [[Seeanemonen]] (Actinaria), die normalerweise als feine Fäden im Körperhohlraum, dem ''Coelenteron'', liegen, aber bei Gefahr durch kleine Öffnungen desselben, die ''Cincliden'', nach außen geschleudert werden. Seeanemonen besitzen darüber hinaus zur Verteidigung gegen genetisch fremde Artgenossen ''Acrorhagi'', fadenförmige Strukturen, die unterhalb der echten Tentakel liegen und als Waffe eingesetzt werden - nach einem Acrorhagi-Duell zieht sich die unterlegene Anemone meist mit erheblichen Gewebeschäden zurück. [[Steinkorallen]] (Scleractinia) haben zwar weder Acontia noch Acrorhagi, können aber Nesselzellen tragende Bänder, die auf den Scheidewänden des Coelenterons sitzen, nach außen ausstülpen und zum Beutefang und zur externen Verdauung einsetzen. Bei den [[Hydrozoen]] (Hydrozoa) gibt es spezialisierte Polypen ohne Mund oder [[Tentakel]], die aber dicht mit Nesselzellen besetzt sind und nur der Verteidigung dienen. Sie heißen je nach Taxon ''Dactylozooide'' oder ''Nematophoren''. Lokalisiert kommen Nesselzellen bei allen Nesseltieren auch in der Innenhaut, der Gastrodermis vor. Sie dienen dort dazu, verschlungene, aber noch nicht gänzlich abgetötete Beute während des Verdauungsprozesses in gelähmtem Zustand zu erhalten. Manche Nesseltiere verfügen über bis zu sechs Millionen Nesselzellen, die in über 1000 Batterien angeordnet sind. == Aufbau der Nesselzellen == [[Bild:Grafik_nesselzelle.png|thumb|230px|Ursprüngliche Nesselzelle im unentladenen Zustand]] Nesselzellen enthalten als Hauptbestandteil eine Nesselkapsel oder Nematocyste, die fast den gesamten Zellraum einnimmt. Sie ist von einer Kapselhülle umgeben, die durch eine zusätzliche [[Kollagen]]schicht versteift ist. Der Zellkern sowie andere [[Zellkompartiment]]e liegen am Rand der Zelle zwischen dieser Kapsel und der [[Zellmembran]]. Die Kapsel selbst enthält einen mehr oder weniger aufgewickelten und 5 bis 100 Mikrometer langen Nesselschlauch, der als Einbuchtung (Invagination) der Kapselmembran anzusehen ist und abhängig vom Typ der Zelle mit unterschiedlichen Strukturen wie Stiletten, Stacheln oder Klebeelementen ausgestattet ist. Die Nesselzelle ist flüssigkeitsgefüllt und enthält einzelne Aminosäuren, einige Proteine, oft mit toxischer Wirkung, sowie in hoher Konzentration saure Peptide wie Poly-Gamma-Glutaminsäure. Am oberen, der Außenwelt zugerichteten, Ende besitzt die Zelle einen [[Rezeptor]]pol, der auf mechanische Reize reagiert ([[Mechanorezeptor]]). Bei den [[Blumentiere]]n (Anthozoa) findet man als Rezeptor den wahrscheinlich ursprünglicheren Typ. Er besteht aus einer normalen Sinnesgeißel, der [[Cilie]], mit zugehörigem [[Basalkörper]] und Cilienwurzel sowie einem [[Akzessorisches Zentriol|akzessorischen Zentriol]]. Dieser Grundaufbau entspricht dem einer Reihe anderer [[Mechanorezeptor]]en wie etwa den Hautsensoren verschiedenster Tiergruppen oder auch den Rezeptoren im [[Innenohr]] der [[Wirbeltiere]]. Die anderen [[Taxon|Taxa]] der Nesseltiere besitzen demgegenüber ein so genanntes [[Cnidocil]], welches aus einer speziell umgewandelten, versteiften Cilie mit darum angeordneten [[Mikrovilli]] (Stereocilien) besteht. Einen Basalkörper besitzt auch diese Struktur, die Wurzel und das akzessorische Centriol fehlen. Die Nesselzelle ist eingebettet in die äußere Zellschicht der Nesseltiere, die Epidermis, wobei immer mehrere Nesselzellen mit einer [[Epithelmuskelzelle]] verbunden sind. An den Kontaktstellen verlaufen in beiden Zellen vertikal zu der Zelloberfläche feine, aus Proteinen bestehende Röhrchen, die [[Mikrotubulus|Mikrotubuli]], die offensichtlich eine mechanische Verbindung der beiden Zelltypen darstellen. In diesem Zellkomplex enden außerdem [[Nervenzelle]]n, deren Enden Vesikel mit chemischen [[Neurotransmitter]]n enthalten können. Sowohl der Epithelmuskelzelle als auch der Nervenendigung kommt wahrscheinlich eine Funktion bei der Aktivierung der Nesselzelle zu: Lange Zeit wurde angenommen, Nesselzellen seien autonome Systeme, die auf einen entsprechenden Reiz aus der Umgebung unabhängig von allen anderen Zellen die Entladung auslösen. Aus diesem Grunde wurden sie auch als unabhängige Rezeptor-Effektoren bezeichnet, um darauf hinzuweisen, dass sie sowohl Reize aus der Umgebung empfangen (Rezeptor-Funktion) als auch nachfolgend eine entsprechende Aktion auslösen (Effektor-Funktion). Dagegen gilt es heute als sehr wahrscheinlich, dass die Auslösung der Zelle durch umfangreichere Rezeptor-Effektor-Komplexe gesteuert wird, in welche die individuelle Nesselzelle zwar eingebettet ist, zu der aber auch noch weitere Hilfszellen und eventuell sensorische Nervenzellen gehören. == Funktion der Nesselzellen == [[Bild:kapsel_final3gr.jpg|thumb|230px|Bildung und Entladung der Nesselkapsel]] Die Funktion der Nesselkapsel ist es, den darin enthaltenen Nesselschlauch auszuschleudern. Einige Kapseltypen (z.&nbsp;B. Volventen) bilden einen klebrigen Wickelschlauch, der relativ langsam ausgestoßen wird. Andere Kapseltypen (z.&nbsp;B. Penetranten) bilden zusätzlich zum Nesselschlauch ein Stilett aus, das extrem schnell ausgestoßen wird und ein Loch in die Körperwand der Beute schlägt. Durch dieses Loch wird dann der Nesselschlauch ausgestülpt und das Nesselgift in die Beute injiziert (Abb.). Der Nesselschlauch mit den zelltypischen Stiletten, Stacheln oder Klebeelementen wird mit einer [[Beschleunigung]] von (nach neuesten Messungen von Mai 2006) zu Beginn 1,4 Millionen g (Nesselzelle einer [[Süßwasserpolypen|Hydra]]) ausgeschleudert. Die Beschleunigung steigert sich dann innerhalb von 700 Nanosekunden auf 5,41 Millionen g. Die Spitze erreicht eine Endgeschwindigkeit von 9,3 bis 18,6 Metern pro Sekunde. <!--Current Biology, Vol. 16, No. 9, S. 316-318 --> Der ganze Vorgang dauert je nach Zelltyp weniger als zwei Millisekunden oder einige Sekunden. Bisher war man der Meinung, dass ein hoher osmotischer Innendruck von ca. 140 bar die schnelle Entladung und die hohe Durchschlagskraft ermöglicht. Der Druck soll durch die in der Kapsel (der Penetrante von Hydra) nachgewiesene Poly-Gamma-Glutaminsäure (ca. 20 Untereinheiten pro Molekül) erzeugt werden. Der kolloidosmotische Druck wurde jedoch falsch berechnet, denn jedes Molekül Poly-Gamma-Glutaminsäure trägt nicht 20fach sondern nur einfach zum osmotischen Druck bei. Der vorhandene Druck ist demnach mindestens um den Faktor 20 geringer als bisher angenommen. Neue Messungen ergaben im Inneren der Kapsel einen sehr niedrigen pH-Wert. Bei diesem pH-Wert ist die Poly-Gamma-Glutaminsäure nicht dissoziiert, sie bildet über Wasserstoffbrücken Aggregate und trägt daher kaum zum osmotische Wert bei. Wahrscheinlich gibt es in der schussbereiten Kapsel gar keinen Überdruck. [[Bild:coulomb finalgr.jpg|thumb|230px|Coulomb Explosion]] Nach neuerer Vorstellung <!--Helgol. Mar. Res. 60: 180-188 --> wird die extrem schnelle Entladung z. B. der Stenothelen durch eine Coulombexplosion hervorgerufen. In einer schussbereiten Nesselkapsel herrscht ein niedriger pH-Wert und daher sind die Poly-Glutaminsäure-Moleküle entladen und dicht gepackt. Das Auslösen der Entladung lässt den Protonengradienten zum Zytoplasma der Nesselzelle zusammenbrechen. Protonen verlassen daraufhin die Kapsel. Dadurch sind die Säuregruppen der Poly-Glutaminsäuren gleichzeitig und schlagartig geladen, sie stoßen sich ab: eine sog. Coulombexplosion findet statt. Der Prozess ist deshalb so extrem schnell, weil die Protonen sich im Wasser viel schneller bewegen als andere Ionen (es wird nur die Ladung transportiert) und weil ein Protonen-Konzentrationsgefälle von mehreren Zehnerpotenzen zwischen dem Zytoplasma der Nesselzelle und dem Inneren der Kapsel existiert. Die Coulombexplosion führt zum Aufsprengen des Kapseldeckels und zum schnellen Ausstoßen des Stiletts. In einer zweiten, längeren Phase strömen aufgrund der jetzt vorhandenen negativen Ladungen viele Ionen und Wasser in die Kapsel und bewirken einen weiteren, relativ langsamen Druckanstieg durch osmotische Kräfte. Jetzt wird der Nesselschlauch aus- und umgestülpt. In einer dritten, möglicherweise mit der zweiten gleichzeitig stattfindenden Phase, könnten durch den pH-Wert Anstieg die Proteine der Schlauchwand ihre Konformation so ändern, dass sie die Ausstülpung des Schlauches unterstützen. Der hohe Innendruck ist also nicht permanent vorhanden, sondern wird erst im Moment des Auslösens erzeugt. == Kontrolle der Nesselzellen == Sobald die Nesselkapsel entladen ist, degeneriert die Nesselzelle, stirbt ab und wird innerhalb von 48 Stunden ersetzt. Der [[Hydrozoen]]-Polyp ''Hydra littoralis'' verliert auf diese Weise beim Fang eines [[Salinenkrebs]]es (''Artemia salina'') etwa ein Viertel seiner auf den Tentakeln sitzenden Nesselzellen. Um unnötige Nesselzellverluste, etwa bei der Berührung durch harmlose Gegenstände zu vermeiden, besitzen Nesseltiere daher verschiedene Anpassungen. Zum einen sind meist zwei voneinander unabhängige Reizungen, zum Beispiel mechanischer und chemischer Art, notwendig, um ein großflächiges Entladen von Nesselzellen auszulösen. Eine geringe Zahl "feuert" allerdings schon bei kleinsten Berührungen, während chemische Reizung allein grundsätzlich nicht zur Auslösung führt. Die mechanischen Rezeptoren reagieren darüber hinaus auf Schwingungsfrequenzen und -amplituden besonders empfindlich, mit der sich die Gliedmaßen ihrer Beutetiere bewegen. Die Gegenwart spezieller Aminosäuren und Zucker oder kleiner Peptide wie [[Glutathion]], die auf schleimige Absonderungen von Beute oder Fressfeinden hinweisen könnten, setzt die Auslöseschwelle ebenfalls herab. Es gibt Hinweise darauf, dass beide Informationen integriert werden: Ein für bestimmte Beutetiere charakteristischer chemischer Reiz stellt also die mechanischen Rezeptoren auf die Wahrnehmung einer dazu passenden Schwingungsfrequenz ein. So liegt die normale Auslösefrequenz bei Süßwasserpolypen der Gattung ''[[Süßwasserpolypen|Hydra]]'' zwischen 50 und 75 Hertz, in zuckerhaltiger Lösung dagegen bei nur 5 bis 30 Hertz, in Gegenwart großer Mengen der Aminosäure [[Prolin]] wiederum bei 90 bis 100 Hertz. Diese Daten werden etwa wie folgt gedeutet: Kleinere Beutetiere wie etwa [[Krebstiere]] aus dem [[Plankton]] mit ihren schleimigen Absonderungen geben immer auch kleinere Mengen an Zuckern an ihre Umgebung ab. Diese setzen zunächst die Reizschwelle der Nesselzellen herab, so dass es bei mechanischer Berührung zu einem Entladen zahlreicher Zellen in das Beutetier kommt. Verwundet setzt dieses aus der Wunde zusätzliche Zucker und kleinere Peptide frei und beginnt gleichzeitig mit heftigen Strampelbewegungen, die ihre höchste Amplitude im niederfrequenten Bereich bei weniger als 30 Hertz aufweisen. Da dies dem Auslöseprofil in der Gegenwart von Zuckern entspricht, entladen sich daraufhin weitere Nesselzellbatterien in die Beute. Diese ist nun stark verwundet; aus der Körperhöhlung treten verstärkt Aminosäuren wie Prolin aus. Dies wiederum erhöht die Auslösefrequenz der Nesselzellen nun auf so hohe Werte, dass sie außerhalb des Bewegungsspektrums der Beute liegt - mit der Folge dass keine weiteren Nesselzellen mehr entladen werden. Der Einsatz von Nesselzellen ist also ökonomisch auf frische und verwundete, aber noch kämpfende Beutetiere beschränkt. Nicht zuletzt hängt die Empfindlichkeit der Nesselzellen auch vom Ernährungszustand ihrer Träger ab; es ist bekannt, dass die Auslöseschwelle bei ausgehungerten Tieren erheblich reduziert ist; diese Information wird vermutlich durch das Nervensystem vermittelt. == Bildung von Nesselzellen == Die Nesselzellen bilden sich aus den [[Interstitielle Zelle|interstitiellen Zellen]] (I-Zellen) an der Basis der Epidermis. Dabei handelt es sich um [[Embryo|embryonal]] angelegte Zellen, die sich in alle Zelltypen der Nesseltiere mit Ausnahme der [[Keimzelle]]n und der Epithelzellen entwickeln können. Die I-Zellen teilen sich, und die Bildung der Nesselzellen, deren Bildungszellen dann als Cnido- oder Nematoblasten bezeichnet werden, beginnt mit einer räumlichen Vergrößerung des [[Golgi-Apparat]]es und des [[Endoplasmatisches Reticulum|rauen endoplasmatischen Reticulums]] in der interstitiellen Zelle. In diesen Zellkompartimenten wird das Material für die spätere Nesselkapsel gebildet, die zunächst als homogene [[extrazelluläre Matrix|Matrix]] erscheint und durch Verschmelzung mit [[Vesikel (Biologie)|Vesikeln]] des Golgi-Apparates an Größe zunimmt. Dabei handelt es sich also strenggenommen um ein [[Sekretion]]sprodukt der sich bildenden Nesselzelle. Offensichtlich als Transportstrukturen für die Vesikel bilden sich [[Mikrotubulus|Microtubuli]] zwischen dem Golgi-Apparat und der Matrix. In der Matrix bildet sich ein randlicher Bezirk aus, der die spätere Kapsel bildet, sowie ein zentraler Bereich, in dem sich (abhängig vom Nesselzelltyp) Stilette, oder andere Strukturen herausbilden. Auch der Nesselfaden bildet sich im Inneren der Zelle. Am oberen Rand der Kapsel setzt sich ein Deckel ([[Operculum]]) gegenüber der Restkapsel ab. Zum Abschluss der Nesselzellenbildung wird die Größe des Golgi-Apparates wieder reduziert und das Endoplasmatische Reticulum zerfällt in freie [[Ribosom]]en und einzelne Vesikel. Die Zelle wandert nun an ihre endgültige Position innerhalb der Epidermis und der Binnendruck der Kapsel wird aufgebaut. Die Bildung dieser Zellen ist irreversibel. == Typen von Nesselzellen == Insgesamt sind bis heute etwa 30 verschiedene morphologische Haupttypen von Nesselzellen bekannt<ref>Fautin (2009: S.1054)</ref>, die bei unterschiedlichen Vertretern der Nesseltiere gefunden wurden und somit für die systematische Einordnung der Tiere eine große Rolle spielen. Allerdings gibt es bisher kein einheitliches System der Benennung bzw. keines der Benennungssysteme ist einheitlich anerkannt. Durch weitere kleinere Unterschiede lassen sich die etwa 30 Haupttypen wiederum in etwa 50 bis 60 Kapselformen unterteilen. Dabei sind manche Haupttypen auf bestimmte Großgruppen beschränkt. Bei einer [[Art (Biologie)|Art]] kommen in der Regel mehrere Typen gleichzeitig vor. So besitzen etwa die Süßwasserpolypen der [[Gattung (Biologie)|Gattung]] ''Hydra'' vier verschiedene Nesselzelltypen. Die Gesamtheit der Nesselzellen einer Art, also die Anordnung und Verteilung der Nesselzellen sowie die grundsätzlichen Nesselzellentypen und deren Verteilung über den Körper wird als Cnidom bezeichnet. Unterschieden werden zunächst drei verschiedene Grundtypen von Nesselkapseln i.w.S., die als ''Nematocysten'' im engeren Sinne, ''Spirocysten'' und ''Ptychocysten'' bezeichnet werden. Die im folgenden vorgestellten Begriffe sind häufig auch Synonyme bzw. kann in unterschiedlichen Benennungssysteme derselbe Typ unterschiedlich benannt sein. Am besten erforscht sind bisher die Nematocysten; hier lassen sich zwei Gruppen aufgrund des Aufbaus des Nesselschlauches unterscheiden: *Die ''Astomocniden'' besitzen am Ende des Nesselschlauches keine Öffnung. In diese Gruppe gehören die **Desmonemen oder Volventen (Wickelkapseln), die einen langen, in der Kapsel aufgewickelten Faden besitzen, mit dem Beutetiere oder Teile derselben umwickelt und festgehalten werden. ** Auch die Rhopalonemen mit einem keulig endenden Schlauch werden dieser Gruppe zugeordnet. *Bei den ''Stomocniden'' ist immer eine Öffnung am Ende des Nesselfadens vorhanden. In diese Gruppe gehören ** die Haplonemen mit einem gleichmäßig aufgebauten Schlauch inklusive der Glutinanten (Klebkapseln), die etwa bei ''Hydra'' als Haftkapseln auch die Fortbewegung unterstützen. In ihrer Wirkungsweise haben diese Kapseln große Ähnlichkeit mit den [[Collocyte]]n der [[Rippenquallen]] (Ctenophora), die jedoch in ihrer Entstehung und in ihrem Aufbau nichts mit den Nesselzellen gemein haben. Die größte Gruppe der Stomocniden bilden die ** Heteronemen, deren Nesselschlauch sich in einen Schaft und einen Faden unterteilen lässt. Dabei werden wiederum verschiedene Untertypen unterschieden wie etwa ***die Rhabdoide mit einem gleich mäßig dicken Schaft, *** die Rhopaloide besitzen einen Schaft mit ungleichem Durchmesser. Dazu gehören die ****die Eurytelen mit einem keulenförmig erweiterten Schaft, ****die Birhopaloide, mit zwei Anschwellungen und regulär angeordneten Dornen, und die **** Trirhopaloide, mit drei Anschwellungen, die mittlere Anschwellung ist mit Dornen besetzt. Im Prinzip gehören zu dieser Großgruppe auch die Stenotelen und Tumitelen. ***die Mastigophoren. Es werden B- und P-Mastigophoren unterschieden. Bei den B-Mastigophoren geht der Schaft allmählich in den Schlauch über, während bei den P-Mastigophoren der Schlauch etwas abrupt am Schaft ansetzt (jeweils gut sichtbar, nachdem die Zelle explodiert ist). P-Mastigophoren können im nicht-ausgelösten Zustand durch eine ausgeprägte, v-förmige Einbuchtung am distalen Ende des Schafts erkannt werden. Die P-Mastigophoren werden häufig noch in vier weitere Typen untergliedert, die mit den römischen Zahlzeichen I bis IV bezeichnet werden. Typ I: alle Dornen sind im rechten Winkel zur Kapsellängsachse angeordnet, Typ II: alle Dornen zeigen zur Kapsel, Typ III: kürzere Dornen zeigen zur Kapsel, längere Dornen nach vorne, Typ IV: alle Dornen sind lang und zeigen von der Kapsel weg ***Isorhizen. eine Nesselzelle ohne klar erkennbaren Schaft, d.h. der Schlauch hat über seine gesamte Länge ungefähr die gleiche Dicke, oder wird nur am distalen Ende etwas dünner. Nesselzellen mit einem Schlauch, der am unteren Ende etwas dicker ist, werden als Anisorhizen bezeichnet. ***die komplex aufgebauten Stenotelen, auch Penetranten oder Durchschlagskapseln, mit einem aus drei Dornen aufgebauten Stilettapparat. Sie enthalten in der Kapsel außerdem hochwirksame Nesselgifte, mit denen die Tiere ihre Opfer lähmen oder töten können. *** Tumitelen sind durch einen median etwas dickeren Schaft charakterisiert; die Anschwellung trägt Dornen. Die meisten Bearbeiter erkennen diesen Typ nicht an, sondern fassen ihn mit den Eurytelen zusammen. Durch die nach hinten zeigenden Dornen besitzen sie eine gewisse Ähnlichkeit mit P-Mastigophoren. *** Eurytelen sind durch ein einzige Anschwellung am distalen Ende des Schafts charakterisiert (sie gehören auch zu den den Rhopaloiden). Sie kommen bei allen Nesseltierklassen vor, mit Ausnahme der [[Blumentiere]] (Anthozoa). Zur weiteren Charakterisierung werden häufig Adjektive vor die verschiedenen Typen gesetzt. * heterotrich/holotrich/homotrich/basitrich/atrich: diese Begriffe bezeichnen den unterschiedlichen Besatz des Nesselschlauches mit Dornen (atrich = völlig ohne Dornen, homotrich = durchgehend mit gleichen Dornen besetzt, holotrich = durchgehend mit Dornen besetzt, heterotrich = mit unterschiedlichen Dornen besetzt, basitrich = Dornen nur an der Basis des Schlauchs) * makrobasisch/mikrobasisch: bezieht sich auf die Länge des Schafts bei einer ausgelösten Nesselkapsel. Traditionell wurde mikrobasisch so definiert, wenn der Schaft das dreifache (oder weniger) der Länge der Kapsel hat, während mit makrobasisch die vierfache (oder mehr) Länge des Schaftes bezeichnet wird. In neueren Arbeiten werden die Begriffe in einem etwas vereinfachten Sinn gebraucht; mikrobasisch = der Schaft passt in die ausgelöste Kapsel ohne sie zu verwinden oder zu falten, makrobasisch = der Schaft ist für die Kapsel zu lang und faltet sich oder verdreht sich. Der zweite Grundtyp von Nesselkapseln sind die ''Spirocysten'', die sich nur bei den [[Blumentiere]]n (Anthozoa) finden. Sie besitzen im Gegensatz zu den Nematocysten nur eine dünne Kapselwand. Der Nesselschlauch ist wie eine Spiralfeder aufgerollt und nicht mit Dornen besetzt, sondern trägt stattdessen seitlich feine Klebefädchen. Cilien oder Cnidocile als Auslösemechanismus kommen bei den Spirocysten nicht vor. ''Ptychocysten'' schließlich, die man nur bei [[Zylinderrosen]] (Ceriantharia) findet, sind stark abgewandelte Nesselkapseln, die nicht der Verteidigung dienen. Der klebrige Nesselschlauch ist hier nicht spiralig, sondern zickzackförmig zusammengefaltet, trägt aber anders als bei den Spirocysten keine Seitenfäden. Durch Cilien ausgelöst verfilzen sich die klebrigen Fasern und bilden so eine feste, feingewebte Hülle um den Polypen, die als Schutz und Wohnröhre dient. == Nesselgifte == Bei den Nesselgiften der Nesseltiere handelt es sich zum einen um Gifte, die auf das Nervensystem wirken, also den [[Neurotoxin]]en zugeordnet werden. Sie führen zu einer Blockade des [[Natrium]]-Ionen-Transportes an der Zellmembran der Nerven und verhindern damit die Bildung von [[Aktionspotenzial]]en. Das Resultat sind [[Lähmung]]en. In [[Herzmuskel]]zellen kann ein anderer Effekt entstehen. Hier werden [[Kalzium]]-Ionen freigesetzt, wobei Krämpfe bis hin zum [[Herzversagen]] sowie ein Ausfall des gesamten Herz-Kreislaufsystems die Folge sein können. Gifte, die auf diese Weise wirken, bezeichnet man als [[Cardiotoxin]]e. Neben den Neurotoxinen finden sich im Nesselgift auch Gifte, die eine abbauende Wirkung auf [[Protein]]e oder eine blutzersetzende Wirkung haben und als [[Enzym]]e bereits die externe Verdauung in der Beute einleiten. == Nesselzellen und der Mensch == [[Bild:PortugeseMan-O-War.jpg|thumb|150px|right|Die Portugiesische Galeere kann auch Menschen gefährlich werden]] Die meisten Nesselgifte rufen beim Menschen Hautreizungen oder leichtere Verbrennungen hervor, ernsthaftere [[Verbrennung (Medizin)|Verbrennung]]en, [[Nekrose]]n und tiefe Wunden auf der Haut kommen relativ selten vor. Der Kontakt mit den Nesselzellen einiger Arten wie der [[Portugiesische Galeere|Portugiesischen Galeere]] (''Physalia physalis'') oder der zu den allgemein hochgefährlichen [[Würfelquallen]] zählenden [[Seewespe]]n (''Chironex fleckeri'' und ''Chiropsalmus quadrigatus'') kann jedoch tödlich verlaufen; ihr Gift ist wirksamer als [[Kobragift|Kobratoxin]]. So sterben in [[Australien]] jedes Jahr mehr Menschen durch Seewespen als durch [[Haie|Hai]]-Angriffe. Der Tod tritt meist innerhalb von Minuten ein und wird durch die Einwirkung der Toxine auf das Herz-Kreislauf-System herbeigeführt. Inwiefern sich die Wirkung für die Herstellung von [[Medikament]]en zur Steigerung der Pumpkraft bei Patienten mit [[Herzinsuffizienz]] nutzen lässt, wird noch erforscht. Bei Vergiftungen durch Nesselgifte der Seewespen werden Spülungen mit Essig oder Soda empfohlen, da Nesselzellen sowohl in [[Säure|saurem]] als auch in [[Base (Chemie)|basischem]] Milieu kaum auslösen. In Notsituationen kann auch der saure [[pH-Wert]] menschlichen Urins genutzt werden. Auf eine Spülung mit [[Cola]] und anderen [[Limonade]]n sollte trotz des niedrigen pH-Wertes dennoch verzichtet werden, da Nesselzellen in zuckerhaltiger Lösung häufiger auslösen. == Kleptocniden == Obwohl die Nesseltiere die einzigen Tiere sind, die selbst Nesselzellen ausbilden, kann man sie auch bei einigen anderen Meerestieren finden. Dies ist dann der Fall, wenn sich die Tiere von den Polypen oder Medusen der Nesseltiere ernähren und Mechanismen entwickelt haben, die Nesselzellen aufzunehmen. Nesselzellen werden dann nicht verdaut, sondern in die eigene Epidermis eingelagert und dienen dort nun dem Schutz der Tiere vor Fressfeinden oder dem Beutefang. Nesselzellen, die auf diese Weise bei Nicht-Nesseltieren vorkommen, werden als Kleptocniden, also "''geklaute Nesselzellen''", bezeichnet. Eine neue Vorstellung (s. oben Abschnitt 'Funktion der Nesselzellen') liefert eine Erklärung: Für die Bildung und die Funktion der Nesselkapsel ist eine Ansäuerung der Kapselmatrix von zentraler Bedeutung. Nacktschnecken, Plattwürmer und andere Organismen, die Nesseltiere fressen, versuchen auch die (unfertigen) Nesselkapseln zu verdauen. Dabei werden die Kapseln angesäuert und werden so -unfreiwillig- abschussbereit gemacht. Wie diese Kapseln an den Abschussort gelangen, ist ungeklärt. So kommen Nesselzellen etwa bei verschiedenen Rippenquallen (Ctenophora) vor, was die Annahme einer nahen Verwandtschaft dieser beiden Gruppen lange Zeit unterstützte. Auch verschiedene [[Meeresschnecke]]n und [[Plattwürmer]] besitzen Nesselzellen, die in die Epidermis eingelagert sind. == Stammesgeschichtlicher Ursprung der Nesselzellen == Die Herkunft der Nesselzellen ist bis heute unbekannt. Vorgeschlagen wurde ein ''symbiogenetischer'' Ursprung, also eine symbiotische Beziehung zweier Partner, bei der beide schließlich ihre Eigenidentität verloren haben. Demnach wäre ein einfach gebautes [[Gewebetiere|Gewebetier]], etwa nach Art von ''[[Placozoa|Trichoplax adhaerens]]'' eine [[Symbiose]] mit einem [[Protisten]]-Partner, etwa aus den Reihen der (heute) parasitischen [[Sporozoen]] oder der [[Microsporidia]] eingegangen, der bereits über eine cnidenähnliche Struktur verfügte. Solange dies die evolutionäre Fitness beider Partner erhöht hätte, könnte sich durch [[Koevolution]] eine immer engere Beziehung ausgebildet haben, die schließlich zur Verschmelzung zweier verschiedener Stammlinien und zur Integration der genetischen Information in einem [[Zellkern]] geführt hätte. Dieses Szenario ist aber hochgradig spekulativ. Zu seiner Begründung werden die folgenden Beobachtungen angeführt: *Zwischen den gewöhnlichen Epithel-Zellen und den interstitiellen Zellen (I-Zellen), aus denen die Nesselzellen hervorgehen, bestehen große Unterschiede in Hinblick auf [[Morphologie (Biologie)|Morphologie]], [[Zelldifferenzierung]] und Zellteilung, so dass von zwei Zellpopulationen gesprochen werden kann, die sich einen gemeinsamen Körper teilen. *Die Zellpopulationen können getrennt voneinander existieren: Während I-Zellen im Reagenzglas unter bestimmten Bedingungen außerhalb ihrer normalen zellulären Umgebung existieren können, sind ''Hydra''-Polypen wie auch ihre [[Planula-Larve]]n, denen man sämtliche I-Zellen und deren Differenzierungsprodukte wie Nesselzellen entnommen hat, lebensfähig, solange sie mit Nährstoffen versorgt werden. Auch Zellteilungen finden weiterhin statt. *Bei der Rekombination beider Zelltypen durch "Impfung" der auf epitheliale Zellen reduzierten Tiere mit I-Zellen bildet sich wieder ein intakter Polyp heraus. *Die Vorgängerzellen der Nesselzellen, die Cnidoblasten, zeigen eine Form der Zellteilung, die der [[Merogonie]] [[Parasit|parasitischer]] Protisten ähnelt. *Zahlreiche Symbiosen von Nesseltieren mit Protisten, in erster Linie diversen Algen, sind bekannt. Dennoch ist das vorstehende Modell lediglich als ein mögliches Szenario zu verstehen - die tatsächliche Entstehung der Nesselzellen muss bis auf weiteres als ungeklärt gelten. Eine neue Vorstellung (s. oben, Abschnitt "Funktion der Nesselzellen") liefert auch Erklärungen für die Entstehung der Nesselkapseln. Nach dem neuen Modell ist für die Bildung und die Funktion der Kapsel eine Ansäuerung der Kapselmatrix von zentraler Bedeutung. Vermutet wird daher, dass die Nesselkapseln ihren Ursprung in Lysosomen oder ähnlichen Zellorganellen haben. Allerdings muss in der Kapsel ein pH-Wert erreicht werden, der niedriger ist als der in Lysosomen. == Quellen == === Literatur === * Berking S, Herrmann K (2006) ''Formation and discharge of nematocysts is controlled by a proton gradient across the cyst membrane'', Helgol. Mar. Res. '''60''', 180-188 * Hessinger DA, Lenhoff HM (Hrsg., 1988): ''The Biology of Nematocysts'', Academic Press, San Diego ** ''darin speziell:'' Holstein T, Hausmann K: ''The Cnidocil Apparatus of hydrozoans: A progenitor of higher metacoans mechanoreceptors?'' * Holstein T (1981): ''The morphogenesis of nematocysts in ''Hydra'' and ''Forskalia'': An ultrastructural study.'' J. Ultrastruct. Res. '''75''', 276-290 * Holstein T, Tardent P (1984): ''An ultrahigh-speed analysis of exocytosis: Nematocyst discharge'', Science '''223''', 830-833 * Nüchter et al. (2006): ''Nanosecond-scale kinetics of nematocyst discharge'', Current Biology '''16''', R316-R318 * Schäfer W (1996): ''Cnidarier, Nesseltiere'' in Westheide W, Rieger R: ''Spezielle Zoologie - Teil 1: Einzeller und Wirbellose Tiere'', Gustav Fischer Verlag Stuttgart, Jena * Shostak, S (1993): ''A symbiogenetic theory for the origins of cnidocysts in Cnidaria'', Biosystems '''29''', 49-58 * Shostak, S, Kollavi V: ''Symbiogenetic origins of cnidarian cnidocysts'', Symbiosis '''19''', 1-29 * Watson GM, Hessinger DA (1989): ''Cnidocyte mechanoreceptors are tuned to the movements of swimming prey by chemoreceptors'', Science '''243''', 1589-1591 * Watson GM, Mire-Thibodeaux P (1994): ''The cell biology of nematocysts'', International Review of Cytology '''156''', 275-300 * Welsch U, Storch V (1973): ''Einführung in Cytologie und Histologie der Tiere'', Gustav Fischer Verlag, Stuttgart === Einzelnachweise === <references/> {{Exzellent}} [[Kategorie:Zelltyp]] [[ar:خلية لاسعة]] [[ca:Cnidòcit]] [[da:Nældecelle]] [[en:Cnidocyte]] [[eo:Knido (ĉelo)]] [[es:Cnidoblasto]] [[fr:Nématocyste]] [[he:תא צורב]] [[hr:Žarne stanice]] [[it:Nematocisti]] [[ja:刺胞]] [[lt:Knidocitas]] [[nl:Netelcel]] [[pl:Komórki parzydełkowe]] [[pt:Cnidoblasto]] [[ru:Книдоцит]] [[sr:Жарна ћелија]] [[sv:Nässelcell]] [[uk:Кнідоцит]] 3gy70dil7ce7v2p1b57qie4rsfmrizs wikitext text/x-wiki Neues Königliches Opernhaus Berlin 0 23988 26586 2010-02-20T22:38:27Z Liesel 9 keine feste bildgröße Das '''Neue Königliche Opernhaus Berlin''' war ein nie realisiertes Projekt der wilhelminischen Zeit zum Bau eines neuen Operngebäudes in [[Berlin]]. Die Entwicklung des Projektes erfolgte im Auftrag der preußischen Regierung und des Kaisers [[Wilhelm II. (Deutsches Reich)|Wilhelm II.]] zu Beginn des [[20. Jahrhundert]]s. Nach verschiedenen Anläufen sollte es unter der Führung des Berliner Architekten und Stadtbaurates [[Ludwig Hoffmann]] [[1914]] realisiert werden, aufgrund des [[Erster Weltkrieg|Ersten Weltkrieges]] sowie der in der [[Weimarer Republik]] herrschenden Finanzknappheit wurde das Gebäude allerdings nie erbaut. Trotzdem handelte es sich um eines der langwierigsten und verworrensten Bauvorhaben der Kaiserzeit. 1924 bezeichnete der Kritiker und Journalist [[Paul Westheim]] es als die „''groteskeste Architekturkomödie aller Zeiten''“ (Das Kunstblatt 8, S. 135). == Vorgeschichte == [[Image:Berlin staatsoper 1832.jpg|thumb|Königliche Oper Berlin 1832]] Die Planungen um die Errichtung des neuen Opernhauses gehören zu den langwierigsten eines Bauvorhabens in der Zeit Kaiser Wilhelms II. Im Januar 1904 stellte ein großer Theaterbrand in [[Chicago]] das Startsignal für die Planungen des Gebäudes dar. Die bereits vorher aufgrund ihrer Größe als unzureichend eingestufte Berliner Oper [[Unter den Linden]], die heutige [[Berliner Staatsoper]] mit 1.500 Sitzplätzen, geriet in der Folge der Brandkatastrophe auch aufgrund mangelhafter Sicherheitsvorgaben in die Kritik. Kurz nach dem Chicagoer Brand schickte der Kaiser ein Telegramm an seinen Finanzminister, in dem er einen „''schleunigen Neubau''“ anregt. Er beendet das Telegramm mit den Worten: „''Ich kann keine Nacht mehr ruhig schlafen''“. In der Folgezeit versuchte die preußische Regierung durch gezielte Aufträge, beschränkte Wettbewerbe und schließlich auch einem offenen Wettbewerb einen Architekten für die Errichtung eines neuen Opernhauses in Berlin zu finden. Das geplante Bauwerk sollte gegenüber der Lindenoper mindestens 2.500 Menschen Platz bieten. Nach den ersten Plänen sollte die alte Oper für den Neubau abgerissen werden und die Neue Königliche Oper am selben Bauplatz errichtet werden. == Die Entwürfe von Felix Genzmer == [[Bild:Felix August Helfgott Genzmer 1900.jpg|thumb|Felix Genzmer]] [[Bild:Staatstheater.jpg|thumb|Hessisches Staatstheater in [[Wiesbaden]]]] [[Image:Kroll-Oper 1900.jpg|thumb|Kroll-Oper Berlin um 1900]] Die erste Wahl für das Neubauprojekt war der Architekt [[Felix August Helfgott Genzmer|Felix Genzmer]], der nach dem Bau des Foyers am [[Hoftheater Wiesbaden]], dem heutigen [[Hessisches Staatstheater Wiesbaden|Hessischen Staatstheater]], als Architekt der königlichen Theater in Berlin und als [[Professor]] an der [[Technische Universität Berlin|Technischen Hochschule Charlottenburg]] tätig war. Genzmer wurde vom Generalintendanten der Königlichen Schauspiele [[Georg Graf von Hülsen-Haeseler]] vorgeschlagen und war durch seine Arbeit in [[Wiesbaden]] auch beim Kaiser bekannt und beliebt. Zwischen 1904 und 1905 baute Genzmer die Innenräume des von [[Karl Friedrich Schinkel]] erbauten [[Berliner Schauspielhaus]]es um, wobei hier neben der feuerpolizeilichen Sicherheit auch die repräsentative Ausstattung im Vordergrund stand, parallel dazu begann er mit den Plänen zum neuen Opernhaus. Die Wahl des Architekten stieß vor allem bei den nationalen Architektenverbänden auf Kritik. Der Opernbau stellte zu diesem Zeitpunkt das einzige geplante Großprojekt dar und die Architekten forderten einen Wettbewerb zur Errichtung des Gebäudes. Der Kaiser lehnte demgegenüber Wettbewerbe grundsätzlich ab. Auch die Person Genzmer selbst stieß auf Missmut, so etwa beim Publizisten [[Maximilian Harden]], der 1906 in der „''Zukunft''“ schrieb: : „''Außer [[Alfred Messel|Messel]] haben wir [[Gabriel von Seidl|Gabriel Seidl]] in München, [[Theodor Fischer|Fischer]] in Stuttgart, [[Paul Wallot|Wallot]] in Dresden, [[Peter Behrens|Behrens]] in Düsseldorf, [[Hugo Licht|Licht]] in Leipzig, vielleicht noch manchen anderen. Warum muß der Untüchtigste zu einer Aufgabe berufen werden, die der Lebenstraum jeden Künstlers ist? Weil der Kaiser ihn nicht untüchtig findet und gern mit dem bequemen Mann arbeitet? Wirklich nur deshalb? Das allein soll entscheiden?''“ (Aus: Maximilian Harden: ''Das neue Opernhaus'', Die Zukunft 55, 1906) 1906 legte Genzmer seine ersten Pläne vor, diese wurden jedoch vom Kaiser abgelehnt, da dieser mittlerweile einen neuen Bauplatz ins Auge gefasst hatte. Der geplante Abriss der alten Lindenoper stieß in der Bevölkerung auf starken Widerspruch, die ein Umdenken wohl forciert hat. Er selbst begründete seine Entscheidung damit, dass er : „''die in der Umgebung des jetzigen Opernhauses dominierende einfache aber vornehme Architektur aus Friedrichs des Großen Zeit durch einen Kolossalbau nicht geschädigt sehen''“ wollte. (nach Seidel: „''Der Kaiser und die Kunst''“ 1907) Genzmer sollte ein neues Projekt für den Königsplatz gegenüber dem [[Reichstagsgebäude]], den heutigen Platz der Republik, erarbeiten. Hier besaß das Kaiserhaus bereits seit 1896 die [[Krolloper]] und es war deutlich mehr Platz vorhanden. Die Pläne, die Felix Genzmer 1909 vorlegte, sahen den Bau der Oper südlich der Ost-West-Achse auf dem Königsplatz vor, außerdem sollte ein zweites Gebäude an der Nordseite errichtet werden. Dieser Entwurf wurde vom Ministerium der öffentlichen Arbeiten abgelehnt mit der Begründung: :„''Der Gedanke, ein Gebäude von der Bedeutung und Größe des Opernhauses seitlich der Mittellinie des Königsplatzes zu errichten, muß als verfehlt und von allgemein künstlerischen Gesichtspunkten aus als unannehmbar bezeichnet werden.''“ (Aus dem Gutachten vom 4. Dezember 1909, nach Döhl 2004) Das Ministerium hatte außerdem ein Problem mit der Höhe der Kosten des Neubaus – vor allem, weil die Finanzierung zu diesem Zeitpunkt nicht geklärt war. Dabei ging es in erster Linie um die Anteile, die der preußische Staat und die Krone zu bezahlen hatten. Die Krone wollte keinen wesentlichen Beitrag zum Bau leisten, obwohl der Kaiser den Neubau als „seine“ Oper betrachtete. So wurde sogar der entschädigungslose Beitrag des Grundstücks der Kroll-Oper durch die Krone intern in Frage gestellt. Der kaiserliche Berater [[Philipp zu Eulenburg|Philipp Graf zu Eulenburg]] bezeichnete den Bau als eine Kulturaufgabe des Staates, auf der anderen Seite konnte das preußische Finanzministerium keinen Grund dafür finden, einen Bau mit Räumen für den Hof ohne einen Beitrag desselben zu errichten. Aus Sicht des Finanzministers war es fast unmöglich, dem preußischen Abgeordnetenhaus diese Kostenverteilung zu erklären und sie auch durchzusetzen. Nachdem auch die zweite Planung Genzmers abgelehnt wurde, setzte sich Ansicht durch, dass er für den geplanten Bau nicht der richtige Architekt war, zumal der äußere Druck durch die Architektenverbände und die Öffentlichkeit stieg. Graf von Hülsen-Haeseler, auf dessen Vorschlag bereits Genzmer ausgewählt wurde, wollte offensichtlich erst einen weiteren Architekten auf das Projekt ansetzen und fragte aus diesem Grunde am 11. Januar 1910 unverbindlich den Berliner Stadtbaurat [[Ludwig Hoffmann]], der jedoch ablehnte. == Der 1. Architektenwettbewerb == Am 28. März 1910 unterbreitete Graf von Hülsen-Haeseler Wilhelm II. vorsichtig den Vorschlag, zum Bau des Opernhauses mehrere Architekten in einer geschlossenen Konkurrenz (einem beschränkten Wettbewerb) gegeneinander antreten zu lassen. Er argumentierte mit der Bedeutung des Gebäudes, das zu einem gebauten Denkmal der glorreichen Regentschaft Wilhelms II. hätte werden sollen. Er betonte das Interesse der Architekten an dem Bauwerk und stellte heraus, dass es sich bei dem Wettbewerb um eine unverbindliche Ausschreibung (Ideenwettbewerb) handeln sollte, die die besten Ideen zutage fördern solle. Die letzte Entscheidungsinstanz sollte weiterhin der Kaiser selbst bleiben. Der Kaiser willigte in den Wettbewerb schließlich ein, lehnte jedoch eine Prüfkommission (Preisgericht) ab und stellte klar, dass er den Architekten auf gar keinen Fall freie Hand lassen würde. Er kommentierte entsprechend den Vorschlag: : „''Bei dem Wettbewerbe - ad informationem Regis - soll der Standpunkt festgehalten werden, daß es keine Concurrenz im gewöhnlichen Sinne ist, sondern nur Bereitstellung von Ideenmaterial für MICH, den ERBAUER, gleichgültig, welchem Manne ich MEINEN IDEENNIEDERSCHLAG nachher zur Ausführung übertrage. Der Bau soll den Ruhm aller Betheiligten verkünden.''“ (Randbemerkungen an einem Bericht von Graf Hülsen-Haeseler an Wilhelm II, Großschreibung nach Quelle. Nach Döhl 2004) Der Vorschlag traf ebenfalls auf Zustimmung des Ministeriums der öffentlichen Arbeiten und des Ministeriums der Finanzen, die in der Konkurrenz eine Möglichkeit sahen, die kritische Frage der Finanzierung zu lösen. Durch eine Ausschreibung sollte die Budgetkommission des preußischen Abgeordnetenhauses zu einer Zustimmung zur Kostenübernahme gebracht werden. Am 28. Juni entwickelten die beteiligten Ministerien die Rahmenbedingungen für den Wettbewerb. Als Ort wurde weiterhin das Grundstück der Kroll-Oper ins Auge gefasst, die Architekten durften jedoch auch Alternativen vorschlagen. Die Oper selbst sollte über 2.250 Sitzplätze verfügen, wobei neben dem Parkett und vier Rängen ein „[[Amphitheater]]“ als abschließender Rang existieren sollte. Vor dem Zuschauerraum sollte ein Eingangstrakt mit einer repräsentativen Eingangshalle ([[Vestibül]]) und Kassenräumen sowie eine Treppenhalle mit Zugängen zum Parkett und zum ersten Rang entstehen. Zwei [[Foyer]]s für die unterschiedlichen Ränge und das Parkett sollten ebenfalls eingeplant werden. Ein wichtiger Teil der Planung umfasste den Bereich für den Hof. Dieser sollte eine große Festloge im ersten Rang für 80 Plätze sowie weitere Plätze im Parkett und im ersten Rang des linken Bühnenvorraums ([[Proszenium]]) umfassen. Die Logen sollten mit verschiedenen Salons ausgestattet werden, außerdem sollte als Zugang ein getrennter Eingang an der linken Seite eingeplant werden. Alle Hofbereiche sollten miteinander verbunden, vom restlichen Publikum jedoch getrennt sein. Im August 1910 wurden die ausgewählten Architekten benachrichtigt, dabei handelte es sich neben Felix Genzmer um [[Eduard Fürstenau]], Ludwig Hoffmann, [[Ernst von Ihne]], [[Anton Karst]], [[Max Littmann]], [[Heinrich Seeling]] und [[Friedrich von Thiersch]]. Die Auswahl fiel dabei auf Architekten, die bereits erfolgreich für den Kaiser gearbeitet hatten und deren Arbeiten ihn überzeugten. Anton Karst wurde aufgrund seines Neubaus des Königlichen Hoftheaters in [[Kassel]] (Vorgängerbau des heutigen [[Staatstheater Kassel|Staatstheaters Kassel]]) vom Kaiser selbst hinzugezogen. Besonders Max Littmann und Heinrich Seeling waren bekannte Theaterarchitekten. Die von den ausgewählten Architekten eingereichten Entwürfe sollten gegen die Zahlung eines Honorars als Eigentum mit uneingeschränktem Verfügungsrecht an den Staat übergehen. Ludwig Hoffmann nahm an dieser Ausschreibung nicht teil und begründete dies mit seinen vielfältigen Aufgaben für die Stadt Berlin sowie einem Bebauungsplan für die Stadt [[Athen]], an dem er gerade arbeitete. [[Bild:Palais garnier bs.jpg|thumb|Opéra Garnier, Paris]] Gegenüber der Öffentlichkeit rechtfertigten die Ministerien den beschränkten Wettbewerb mit den besonderen technischen Schwierigkeiten des Baus. Dies konnte die Kritik jedoch nicht beruhigen, die sowohl von der Presse als auch aus den Architekturverbänden laut wurde. Letztere forderten einen offenen Wettbewerb und verwiesen dabei vor allem auf den Bau der [[Pariser Oper]]. Weitere Kritik rief die fehlende Jury sowie die fehlende Verbindlichkeit einer Auftragserteilung an den Wettbewerbssieger hervor, was gegen die von den Verbänden postulierten, elementaren Grundregeln des Wettbewerbswesens verstieß. Im [[Berliner Tageblatt]] vom 2. September 1910 war deshalb zu lesen: : „''Wenn man oben keine besseren Männer kannte oder nicht dem Kaiser vorzuschlagen wagte, dann mußte man eben einen allgemeinen Wettbewerb ausschreiben. Für Verlegenheits- und Rücksichtskandidaten ist eine solche Aufgabe nicht da. Und mehr als die Achtzigtausend Mark die den Teilnehmern an dieser im höheren Sinne doch kaum fruchtbaren engen Konkurrenz gezahlt werden, hätte auch die allgemeine kaum gekostet. Die Entscheidung, die sich, wie es scheint, die Ministerien selbst vorbehalten haben – Preisrichter werden nicht genannt –, wird keineswegs eine endgültige sein. Der Landtag hat ja noch ein Wort mitzureden, und die Architektenschaft wird es sich sicher nicht nehmen lassen, ihn über die Konkurrenz und ihren Charakter aufzuklären.''“ (aus: Fritz Stahl: ''Das neue Berliner Opernhaus. Ein sehr enger Wettbewerb'', Berliner Tageblatt vom 2. September 1910) [[Bild:Wien Staatsoper.jpg|thumb|Wiener Staatsoper]] Die Ergebnisse lagen Anfang Dezember 1910 vor. Vor allem von Ihne und Littmann integrierten wesentliche Elemente der Pariser Oper von [[Charles Garnier]] in ihren Entwurf, darunter die zentrale mehrgeschossige Festtreppe innerhalb eines eigenen zentralen Raumes zwischen dem Foyer und dem [[Auditorium]]. Weitere Ideen lieferte die [[Wiener Staatsoper]] von [[Eduard van der Nüll]] und [[August Siccard von Siccardsburg]]. Auf der Basis der Ergebnisse regten die beteiligten Minister die gemeinsame Erstellung eines Grundrisses an. Sie schlugen vor, dies durch die die Teilnehmer Ernst von Ihne, Heinrich Seeling und Friedrich von Thiersch durchführen zu lassen. Auf Druck des Hofes erklärten sich das Ministerium für öffentliche Arbeiten und das Finanzministerium Ende 1910 bereit, den Bau der Oper als preußischen Staatsbau anzusehen und damit die Finanzierung auf Staatskosten mit Zuschuss der Krone vorzunehmen. Die weitere Organisation unterlag vollständig dem Ministerium für öffentliche Arbeiten. Als Beitrag der Krone legte der Kaiser eine Gesamtsumme von drei Millionen [[Goldmark|Mark]] fest. Der Kaiser willigte außerdem in einen engeren Wettbewerb zwischen Ernst von Ihne, Heinrich Seeling und (im Gegensatz zum Vorschlag der Ministerien) Max Littmann ein. == Der 2. Architektenwettbewerb == In Vorbereitung auf diesen Nachfolgewettbewerb erstellte der Regierungsbaumeister [[Hans Grube]] im Ministerium für öffentliche Arbeiten einen Vorentwurf als Grundlage für die weiteren Planungen. Dazu gehörten Grundrisse sowie eine Fassadenansicht des geplanten Gebäudes. Die Entwürfe fanden großen Zuspruch und Grube wurde als vierter Teilnehmer am Wettbewerb nachträglich zugelassen, seine Pläne bildeten die Vorlage für die offizielle Programmskizze und damit die verbindliche Voraussetzung, auf der die Teilnehmer ihre neuen Entwürfe aufbauen mussten. Am 3. Oktober wurden die Architekten um ihre neuen Entwürfe gebeten, die Ergebnisse lagen im Februar 1912 vor. Die Ergebnisse beider Runden des Wettbewerbes wurden im März 1912 öffentlich im Abgeordnetenhaus ausgestellt, wobei die Pläne aus dem engeren Wettbewerb die Grundlage für den endgültigen Bau darstellen sollten. Wilhelm II. bevorzugte dabei sehr eindeutig die Ergebnisse des Beamten Grube. Am 6. März stellte der [[Geheimer Baurat|Geheime Baurat]] [[Richard Saran]] aus dem Ministerium für öffentliche Arbeiten den aktuellen Stand der Diskussionen in einer Rede vor dem Abgeordnetenhaus vor: : „''Wir haben uns in gemeinschaftlicher sorgfältiger Beratung dem Urteil nicht verschließen können, daß die Entwürfe von Seeling und Littmann den berechtigten Ansprüchen der Verwaltung nicht entsprechen, sodaß sie trotz sonstiger Vorzüge, Schönheit der Architektur und reizvoller Einzelheiten für die fernere Bearbeitung ausscheiden müssen. Auch für den Ihneschen Entwurf trifft dies, wenn auch nicht so unumwunden, zu. Als die beste Grundlage für die Ausarbeitung des eigentlichen Bauentwurfs wurde der Grubesche Vorentwurf von der Theaterverwaltung angesehen und wir konnten dieser Ansicht nicht widersprechen.''“ (aus Saran 1912) Als Baubeginn sah man den April 1913 vor. Die Entscheidung stieß auf starke Kritik in der Presse und der Öffentlichkeit. Vor allem das Vorgehen der Ministerien in dem beschränkten Wettbewerb und die Tatsache, dass am Ende ein unbekannter Regierungsbeamter den Siegerentwurf lieferte, wurde sehr negativ kommentiert. Die Presse forderte erneut einen offenen Wettbewerb, die [[Vereinigung Berliner Architekten]] schrieb am 14. März 1912 eine [[Resolution]] mit derselben Forderung. Am 20. April des Jahres beschloss der [[Bund Deutscher Architekten]], dass nach einer entsprechenden Neufestlegung des Bauprogramms und der Abstimmung im Abgeordnetenhaus ein offener Ideenwettbewerb zum Bau der Oper gefordert werden sollte. Diese Kritik, in der sich alle Fraktionen gegen die geplante Fortführung des Projektes aussprachen, trug sich entsprechend bis ins Abgeordnetenhaus. Am 2. Mai verabschiedete das Abgeordnetenhaus einen Entwurf, der einen neuen Entwurf unter „''Einbeziehung weiterer Kreise der deutschen Künstlerschaft''“ verlangte. Nach dem Beschluss wurde ein offener Wettbewerb vorgesehen, bei dem die Teilnehmer von der Programmskizze auch abweichen durften und bei dem eine abschließende Beurteilung durch die Akademie des Bauwesens stattfinden sollte. Damit entschieden sich die Abgeordneten ganz klar gegen die Intentionen des Kaisers Wilhelms II. Der [[Sozialdemokratische Partei Deutschlands|SPD]]-Abgeordnete [[Karl Liebknecht]] stellte sehr deutlich dar: : „''Es besteht die außerordentlich große Gefahr,&nbsp;– da über das Bauwerk schließlich nur ein ‚Bauherr‘ die ‚nutznießende Instanz‘, wie sie dann und wann bezeichnet worden ist&nbsp;– zu befinden hat, obwohl wir hier das Geld zu bewilligen haben, daß nicht der künstlerische Ausdruck irgendeiner maßgeblichen künstlerischen Stimmung und Auffassung unserer Zeit oder der besten Kräfte unserer Zeit gefunden werden wird, sondern daß schließlich nur die künstlerische Stimmung und Auffassung einer einzigen Person entscheidet.''“ (aus der 62. Sitzung des Hauses der Abgeordneten am 2. Mai 1912, nach Döhl 2004) == Der 3. Architektenwettbewerb == Der dritte Wettbewerb um das Opernhaus wurde im Juni 1912 vom Ministerium für öffentliche Arbeiten ausgeschrieben. Obwohl dieser Wettbewerb nun tatsächlich offen war, wurden die Architekten Prof. [[Hermann Billing]] in Karlsruhe, [[Wilhelm Brurein]] in Berlin, Prof. [[Martin Dülfer]] in Dresden, Prof. [[Theodor Fischer]] in München, Prof. [[Georg Frentzen]] in Aachen, [[Otto March]] in Berlin, Prof. [[Bruno Möhring]] in Berlin, [[Carl Moritz]] in Köln, Prof. [[Bruno Schmitz]] in Berlin sowie die Architektengemeinschaft [[Lossow & Kühne]] in Dresden (William Lossow und Max Hans Kühne) direkt angeschrieben und zur Teilnahme aufgefordert. Wie die erste Auswahl bestand auch diese vor allem aus Architekten, die bereits Erfahrungen beim Bau von Theatern oder ähnlichen Gebäuden besaßen und dem Kaiser positiv aufgefallen waren. Von den Eingeladenen sagte nur Theodor Fischer ab, alle anderen bestätigten ihre Teilnahme. Neben diesem Personenkreis war jedem die Teilnahme erlaubt, der Mitglied im [[Verband Deutscher Architekten]] oder im Bund Deutscher Architekten war. Die Basis für die Arbeit bildeten drei Grundrisszeichnungen, auf denen die Projekte aufbauen sollten. Im Oktober 1912 lagen insgesamt 68 Entwürfe vor, zu der die Akademie des Bauwesens Stellung nahm. Die Jury urteilte in der Form, dass von sämtlichen Entwürfen keine den bisherigen Entwürfen so sehr überlegen war, dass sie als Grundlage für den Bau empfohlen werden konnte. Besonders hervorgehoben wurden die Entwürfe von Otto March, Richard Seel, Martin Dülfer, Carl Moritz sowie der Beitrag des Architekturbüros von [[Peter Jürgensen]] und [[Jürgen Bachmann]] (Berlin). Die Jury empfahl außerdem eine Vereinfachung des Bauprogramms, die jedoch vom Generalintendanten abgelehnt wurde. Zu den Gutachtern der Abteilung Hochbau der Akademie gehörte auch Ludwig Hoffmann. <gallery> Image:Wettbewerb Erdgeschoss.jpg|Erdgeschoss Image:Wettbewerb Oberparkett.jpg|Oberparkett Image:Wettbewerb 1.Rang.jpg|1. Rang </gallery> Die Ergebnisse des dritten Wettbewerbs wurden im Januar 1913 öffentlich ausgestellt. Obwohl man sich in der Presse darüber einig war, dass die Konkurrenz einen Fortschritt darstellte, gab es jedoch kein Ergebnis zu der Frage, welcher Entwurf nun der beste war. Der Favorit war offensichtlich der Entwurf von Otto March, doch auch er konnte nicht endgültig überzeugen. Wieder kam auch Kritik am gesamten Baukonzept auf, so wurde vor allem auch die Neuplanung des gesamten Königsplatzes gefordert. Ein Ergebnis war jedoch deutlich: Der dritte Wettbewerb brachte keinen Gewinner hervor und damit auch keinen Architekten für das Opernhaus. Am 13. Februar 1913 nahm das preußische Abgeordnetenhaus eine Resolution an, nach der die Regierung einen freien Architekten suchen und beauftragen sollte, der die besten Anregungen aller bisherigen Konzepte in einen Entwurf einbringen sollte. Für den Königsplatz sollte ein neuer Wettbewerb ausgeschrieben werden. Allerdings war diese Resolution nicht einstimmig, Karl Liebknecht etwa kritisierte sie stark: :„''Es ist ein Feigenblatt auf die Tatsache, daß das Abgeordnetenhaus, nachdem es im vergangenen Jahre, aufgestachelt von der Künstlerschaft und ihrer Opposition, ein klein wenig zu widersprechen gewagt hat, sich jetzt vor der Königlichen Staatsregierung, vor der Bauverwaltung vollkommen gekuscht hat.''“ (aus der 131. Sitzung des Hauses der Abgeordneten am 13. Februar 1913, nach Döhl 2004) == Die Entwürfe Ludwig Hoffmanns == [[Image:Ludwig Hoffmann 1.png|thumb|Ludwig Hoffmann]] Für die Auswahl eines bislang weitestgehend unbeteiligten Architekten kamen nur sehr wenige Personen in Frage, da sich alle bekannten Architekten und Spezialisten bereits zur Opernhausfrage geäußert hatten. Einer der wenigen war der Berliner Stadtbaurat Ludwig Hoffmann, der zwar mehrfach angefragt worden war, bislang die Aufgabe aber jedes Mal abgelehnt hatte. Im April 1913 wurde er erneut gefragt, ob er dieses Gebäude entwerfen und bauen möchte. Hoffmann zeigte allerdings weiterhin kein Interesse daran, vor allem aufgrund seiner eher schlechten Erfahrungen bei der Ausführung des von [[Alfred Messel]] entworfenen [[Pergamon-Museum]]s auf der [[Museumsinsel (Berlin)|Berliner Museumsinsel]]. Die Zusammenarbeit mit der Generalintendanz der Königlichen Theater schreckte ihn ab, außerdem lag zu diesem Zeitpunkt das Hauptinteresse Hoffmanns auf dem Bau von Sozial- und Wohlfahrtsbauten. In seinen Lebenserinnerungen schrieb er dazu: :„''Nach meinen Erfahrungen beim Museumsbau erschien mir ein erfolgreiches Arbeiten mit der Generalintendantur der Theater als Bauherrn recht zweifelhaft, dabei war ich mit großen Aufgaben so überbürdet, daß ich nach einer neuen mich zur Zeit nicht sehnte. Auch lag mir jetzt mehr daran, in den großen städtischen Wohlfahrtsbauten mit den Jahren vielen Tausenden ihre bedrängte Lebenslage zu erleichtern, als einem theaterlastigen Publikum Prunkräume zu errichten.''“ (Aus Ludwig Hoffmann: ''Lebenserinnerungen eines Architekten'') Nachdem jedoch auch Kaiser Wilhelm II. wünschte, dass Ludwig Hoffmann den Bau übernehme und der Oberbürgermeister [[Adolf Wermuth]] darauf bestand, stimmte Hoffmann letztlich doch zu. Am 4. Mai 1913 gab er dem Ministerium seine Zusage, an dem Neubau mitzuwirken. Er selbst wollte sich dabei auf die künstlerischen Fragen konzentrieren und das Ministerium sollte die bautechnischen Aufgaben übernehmen. Bereits am 9. Mai 1913 legte Ludwig Hoffmann ein Exposee vor, in dem er seine Gedanken zu dem neuen Opernhaus mitteilte. Da er bereits 1912 Teil der Gutachtergruppe der Entwürfe war, hatte er sich bereits eingehend mit dem Gebäude befasst. Die ersten Entwürfe in Form von Fassadenzeichnungen legte Hoffmann zu Pfingsten des Jahres vor. Die drei Bleistiftzeichnungen waren mit dem 11. Mai 1913 datiert und zeigten alternative Fronten des Operngebäudes, teilweise flankiert von weiteren, bislang nicht vorgesehenen Gebäuden, um die weitere Bebauung des Platzes darzustellen. Die Öffentlichkeit erfuhr erst Ende Mai von der Beteiligung Hoffmanns am Bau, die Resonanz in der Presse auf diese Auswahl war allerdings sehr positiv und zugleich mit hohen Erwartungen verbunden. Der Entwurf sollte zusammen mit einem Kostenvoranschlag im Dezember fertig sein, dabei sollte sich auch Hoffmann weitestgehend an die Programmskizze halten. Am 5. November ließ sich Hoffmann die Genehmigung seiner Entwürfe durch den Kaiser bestätigen, im Dezember legte er einen Kostenvoranschlag über 19,5 Millionen Mark vor. Nach einem Zusammentreffen mit dem Finanzminister wurden einige Einsparungen beschlossen, vor allem bei der Gestaltung der Innenräume sowie am Depotbau, der mit der Oper assoziiert sein sollte. Im Januar 1914 präsentierte Ludwig Hoffmann ein Modell des Gebäudes dem Kaiserpaar in einem eigens dafür eingerichteten [[Atelier]]. Der Kaiser zeigte sich zufrieden und willigte in den Bau des Opernhauses nach Hoffmanns Entwürfen ein. Am 19. Mai 1914 wurde die erste Baurate vom preußischen Arbeitsministerium bewilligt, der Ausbruch des Ersten Weltkrieges verhinderte allerdings die Realisierung. == Architektonische Betrachtung des Hoffmann-Entwurfs == [[Image:Opernhaus Fassade 1.png|thumb|1. Fassadenentwurf mit Zentralgiebel und Seitenrisaliten]] Ludwig Hoffmann sollte sich als beauftragter Architekt noch enger an die vorgegebenen Grundpläne halten als die Teilnehmer des Wettbewerbs. Hoffmann versuchte allerdings trotzdem, vor allem die Fassade seinen Vorstellungen entsprechend zu verändern. Während etwa der ursprüngliche Plan auf Wunsch des Kaisers einen großen Dreiecksgiebel mit acht tragenden Säulen ([[Portikus]]) vorsah, plante Hoffmann eine geräumige Vorhalle mit einer [[Kolonnade]] aus korinthischen Säulen mit nur dezentem Giebel. Außerdem setzte er die Fensterachsen enger als vorgesehen und plante den Gesamtbau mit 96 Metern Breite um vier Meter breiter als in den Vorgaben gewünscht. Hinter der Säulenhalle sollte ein geräumiges Foyer entstehen. Die Kassen, die nach der Vorgabe seitlich eines zentralen [[Vestibül]]s entstehen sollten, platzierte Hoffmann an die beiden äußersten Enden und stattete diese Bereiche mit jeweils einem eigenen Gebäudevorsprung ([[Risalit]]) aus, der weitere Nebenräume aufnehmen sollte. [[Image:Opernhaus Fassade 3.png|thumb|endgültiger Fassadenentwurf]] Eines der Hauptprobleme des Grundrisses war der starke Eindruck des viereckigen Kastenbaus, der bereits in den Entwürfen der verschiedensten Wettbewerbsteilnehmer durch Vorbauten und Ausgestaltungen des Portikus verdeckt werden sollte. Hoffmann versuchte, durch das Vorziehen des Bühnenkörpers über den Zuschauerraum sowie die Anlage der zentralen Treppenhalle einen lang gestreckten Eindruck zu vermitteln, die er optisch an das Berliner Schauspielhaus anglich. Im Gesamtbild stellte allerdings die Ausdehnung in die Länge das größere Problem dar, zumal der Bau aus Kostengründen nicht die gesamte Breite des Königsplatzes ausfüllen sollte und so das Missverhältnis noch deutlicher auffiel. Hoffmann plante aus diesem Grund direkt beidseitig anschließende Funktionsbauten und eine Betonung der Außenkanten während er auf eine Betonung des Zentralteiles eher verzichten wollte. Neben den bereits erwähnten Risaliten sollte die Kolonnade als eine über zwei Geschosse gebaute offene Säulenvorhalle diesen Effekt verstärken. Für das Hauptgeschoss waren große Rundbogenfenstern vorgesehen. Durch aufwändigen Figurenschmuck sollte die umlaufende Balustrade des Gebäudes akzentuiert werden. [[Image:Opernhaus Foyer.png|thumb|Entwurf des Foyers]] [[Image:Opernhaus Treppenhaus.png|thumb|Entwurf des Treppenhauses]] Im Inneren gliederte Hoffmann den Bau in einen Bühnen- und einen Zuschauerteil. Dabei bildet der Zuschauerteil das Zentrum des Gebäudes, ihm sind ein großes Treppenhaus und ein Foyer vorgelagert. Vier [[Hof_(Architektur)#Unterscheidung_nach_der_Lage|Lichthöfe]] gliedern das Gebäude weiter. Der Zentraleingang sollte sich am Königsplatz befinden, durch diesen sollte man in eine quer angelegte Vorhalle gelangen, die die gesamte Breite des Gebäudes einnehmen sollte. Über einige Stufen gelangte man in das zentrale Treppenhaus oder in die Seitengänge. Eine breite Treppe im zentralen Treppenraum sowie weitere Treppen in den seitlichen Gängen führen in den ersten Rang, zwei Treppen hinter der Haupthalle in das Oberparkett. Das [[Auditorium]] sollte aus vier Rängen bestehen, überspannt durch zusätzliche Sitzreihen in der Art eines [[Amphitheater]]s, architektonisch herausgestellt wurden die Festloge sowie die dreigeteilten Proszeniumslogen. Ein großes Foyer sollte oberhalb der Eingangshalle für die Pausengestaltung eingerichtet werden, weitere Aufenthaltsräume befanden sich im gesamten Gebäude. Separat angelegt wurde ein seitlicher Eingang für die Besucher der kaiserlichen Loge. Dieser führte über ein Treppenhaus in einen großen Salon vor der Festloge. Den Zuschauerweg sollte dieser Zugang nur seitlich des Salons kreuzen, sodass die beiden Besuchergruppen gut voneinander getrennt waren. Weitere Räume für die Angehörigen des Hofes gruppierten sich um den hinteren linken Lichthof. Über einen Speisesaal und einen Teesalon wurde ein Durchgang zu den Proszeniumslogen geschaffen. == Das Volksopernhaus == Nach dem Ersten Weltkrieg wurde Ludwig Hoffmann von [[Adolph Hoffmann]], dem neuen preußischen Kultusminister aus den Reihen der [[USPD]], gebeten, das Projekt als Volksopernhaus neu ins Auge zu fassen. Dabei sollten die Zuschauerkapazität auf 3.000 Plätze erhöht werden, woraufhin Ludwig Hoffmann das Parkett durch eine steilere Höhenkurve erweiterte. Der zur Beratung herangezogene Komponist [[Richard Strauss]] war von der Idee begeistert, da auf diese Weise die Zuschauer über die Köpfe der vor ihnen Sitzenden hinweg die Sänger in ihrer ganzen Gestalt sehen konnten. Diese Pläne verliefen allerdings im Sande und statt des Volksopernhauses wurde in den Jahren 1920 bis 1923 die auf dem vorgesehenen Grundstück stehende alte Krolloper modernisiert. ==Literatur== * ''Die Bauwerke und Kunstdenkmäler von Berlin.'' Beiheft 10. Lebenserinnerungen eines Architekten - Ludwig Hoffmann. Veröffentlicht u. hrsg. von [[Wolfgang Schäche]]. Gebr. Mann, Berlin 1983. ISBN 3-7861-1388-2 * Dörte Döhl: ''Ludwig Hoffmann - Bauten für Berlin 1896-1924.'' Ernst Wasmuth, Tübingen 2004. ISBN 3-8030-0629-5 * Hans Schliepmann: ''Die neuen Entwürfe zum Berliner Königlichen Opernhaus.'' in: ''Berliner Architekturwelt.'' 12. Sonderheft. Berlin 1913. * Saran: ''Die bisherige Entwicklung der Vorbereitungen zum Neubau eines Königlichen Opernhauses in Berlin.'' in: ''Zentralblatt der Bauverwaltung.'' Ernst, Berlin 32.1912, 133f. {{ISSN|0372-8021}} * Maximilian Harden: ''Das neue Opernhaus.'' in: ''Die Zukunft.'' Hrsg. v. Maximilian Harden. Die Zukunft, Berlin 55.1906. ISBN 3-89131-445-0 * Fritz Stahl: ''Das neue Berliner Opernhaus. Ein sehr enger Wettbewerb.'' in: ''Berliner Tageblatt.'' Mosse, Berlin 2. September 1910. * Paul Seidel: ''Der Kaiser und die Kunst.'' Schall, Berlin 1907. * Paul Westheim, in: ''Das Kuntblatt.'' Hrsg. Paul Westheim. Reckendorf, Berlin 8.1924, S. 135. {{DEFAULTSORT:Neues Konigliches Opernhaus Berlin}} {{Exzellent}} [[Kategorie:Berliner Geschichte (20. Jahrhundert)]] [[Kategorie:Architekturprojekt]] lyezm4hoj0os99w2oug5ykzqcjpesa7 wikitext text/x-wiki Neues Museum (Berlin) 0 23989 26587 2010-05-09T20:05:43Z Archidux 0 /* Auszeichnungen */ Ergänzung [[Datei:Berlin Neues Museum 001.JPG|miniatur|hochkant=1.5|Westfassade des Neuen Museums, 2009]] [[Datei:Neues Museum Aegyptischer Hof.jpg|miniatur|hochkant=1.5|Der Ägyptische Hof, aus: ''Friedrich August Stüler, Das Neue Museum in Berlin, Riedel 1862''. Die Säulen wurden 1987 zur Restaurierung entfernt.<ref>Kristian Ludwig: [http://www.stadtbild-berlin.de/Stadtbild/neues_museum.htm „Das Neue Museum. Vom Juwel der Museumsinsel zum Kuckucksei der Denkmalpflege und Museologen“], 2006</ref>]] Das '''Neue Museum''' ist Teil des [[UNESCO-Welterbe|Weltkulturerbes]] [[Museumsinsel (Berlin)|Berliner Museumsinsel]]. Das zwischen 1843 und 1855 errichtete Gebäude gilt als Hauptwerk des Architekten und [[Schinkelschule|Schinkel-Schülers]] [[Friedrich August Stüler]] und ist sowohl als Teil der Gesamtanlage der Museumsinsel wie auch als Einzelbauwerk des späten [[Klassizismus]] einer der bedeutendsten Museumsbauten des 19.&nbsp;Jahrhunderts. Mit seinem industrialisierten Bauverfahren und mit der Verwendung von Eisenkonstruktionen schrieb das Museum zudem ein Stück [[Technikgeschichte]]. Nach den Verlusten klassizistischer Innenausstattungen in der [[Glyptothek (München)|Glyptothek]] und in der [[Alte Pinakothek|Alten Pinakothek]] in [[München]] als Folge des Zweiten Weltkriegs gehört seine teilzerstörte Innenausstattung zu den letzten verbliebenen Zeugnissen des Museumsbaus dieser Zeit in Deutschland. Nach Zerstörungen im Zweiten Weltkrieg blieb das Museum jahrzehntelang als Ruine stehen, deren Wiederaufbau seit 1986 vorbereitet und 1999 begonnen wurde. Seit der 70 Jahre nach seiner Schließung erfolgten Wiedereröffnung am 16. Oktober 2009 beherbergt das Neue Museum nunmehr das ''[[Ägyptisches Museum Berlin|Ägyptische Museum]]'' mit der Papyrussammlung und der [[Büste der Nofretete|Büste]] der [[Altes Ägypten|ägyptischen]] Königin [[Nofretete]], das [[Museum für Vor- und Frühgeschichte (Berlin)|Museum für Vor- und Frühgeschichte]] sowie Teile der [[Antikensammlung Berlin|Antikensammlung]]. == Überblick == [[Datei:Berlin Neues Museum Ostfassade.jpg|miniatur|hochkant=3.0|Ostfassade des Neuen Museums mit Verbindungsgalerie zum [[Altes Museum|Alten Museum]] und den Kolonnaden, aus Friedrich August Stüler, ''Das Neue Museum in Berlin'', Riedel 1862]] Das zweite Museum auf der Museumsinsel wurde als Erweiterungsbau für die im [[Altes Museum|Alten Museum]] nicht unterzubringenden Sammlungen erforderlich. Dies waren die Sammlung der Gipsabgüsse, das Ägyptische Museum, die Ur- und Frühgeschichtliche Sammlung ''(Museum der vaterländischen Altertümer)'', die Ethnografische Sammlung und das Kupferstichkabinett. Es ist damit die „Urzelle“ des [[Museum für Vor- und Frühgeschichte (Berlin)|Museums für Vor- und Frühgeschichte]], des [[Ägyptisches Museum Berlin|Ägyptischen Museums]], des [[Ethnologisches Museum|Ethnologischen Museums]] und des Kupferstichkabinetts. In seiner Konzeption als Universalmuseum für einen abgeschlossenen Sammlungsbestand und in der Entwicklung seiner Sammlungsbestände durch Erweiterungen und den Auszug einzelner Sammlungen wie zum Beispiel der Ethnografischen Sammlung in eigene Museen dokumentiert es in seiner Geschichte beispielhaft die Hinwendung vom Universal- zum Spezialmuseum als allgemeine Entwicklung in der Geschichte der Museen im Verlauf des 19.&nbsp;Jahrhunderts. Das Neue Museum zählt darüber hinaus zu den bedeutenden Denkmälern der Konstruktions- und Technikgeschichte. Mit seinen vielfältigen Eisenkonstruktionen ist es der erste Monumentalbau [[Preußen]]s mit konsequenter Anwendung neuer, durch die [[Industrialisierung]] ermöglichter Bautechniken. Als weitere Innovation kam während der Bauarbeiten erstmals in Berlin eine [[Dampfmaschine]] zum Einsatz, die unter anderem das Rammen der zahlreichen Pfähle in den Baugrund erleichterte. Der weiche, sandige und schwammige Boden des [[Spree]]- beziehungsweise [[Berliner Urstromtal]]s erfordert eine tiefe Verankerung der Bauten im zentralen Berliner Bereich. == Geschichte == === Die Bauphase === [[Datei:Neues Museum Ansicht Payne um 1850.jpg|miniatur|hochkant=1.8|Neues Museum um 1850, Ansicht von der Friedrichsbrücke]] Die Arbeiten zum Bau des Neuen Museums begannen am 19. Juni 1841 unter der Leitung einer von [[Friedrich Wilhelm IV. (Preußen)|Friedrich Wilhelm&nbsp;IV.]] eingesetzten Kommission, der unter anderem der Generaldirektor der Königlichen Museen [[Ignaz von Olfers]] und Friedrich August Stüler angehörten. Zuvor hatte der König Stüler bereits mit Kabinettsorder vom 8. März 1841 mit der Planung beauftragt. Der schlechte Baugrund machte sich schnell bemerkbar, als die Arbeiter nur wenig unter der Oberfläche auf ''Infusorienerde'', Ablagerungen von [[Kieselgur]], stießen. Daher wurde unter dem ganzen Gebäude ein Pfahlrost erforderlich, dessen 2344 hölzerne Gründungspfähle zwischen 6,90 und 18,20&nbsp;Meter lang waren. Zum Rammen der Pfähle kam eine [[Dampfmaschine]] mit 5&nbsp;[[Pferdestärke|PS]] Leistung zum Einsatz, deren Leistung bei Bedarf auf 10&nbsp;PS gesteigert werden konnte. Sie trieb die Pumpen zur Entwässerung der Baustelle, die Aufzüge und die Mörtelmischmaschinen an. Das ''[[Notizblatt des Architektenvereins zu Berlin]]'' berichtete jeweils von der Baustelle und den neuartigen technischen Vorrichtungen. Am 6. April 1843 erfolgte die feierliche Grundsteinlegung auf den bereits bis zur Kellersohle aufgeführten Fundamenten. Die Mauern waren seit Ende desselben Jahres bis zum Dach aufgemauert, sodass 1844 die Bauarbeiter die Gesimse versetzen und die Dächer vollenden konnten. Im Jahr 1845 wurden die Eisenkonstruktionen eingezogen, die Gewölbe der Decken ausgemauert und die Verbindungsgalerie zum Alten Museum fertiggestellt. Eine [[Eisenbahn|Hilfseisenbahn]] transportierte die Baumaterialien vom Kupfergraben zum dampfmaschinenbetriebenen Aufzug. Auch auf den einzelnen Stockwerken des Museums erfolgte der Transport auf Schienen. 1846 war der Außenbau, abgesehen von den [[Skulptur]]en in den Giebelfeldern, abgeschlossen und die Arbeiter begannen mit dem Verputzen der Innenräume, dem Versetzen der Treppenstufen und dem Ausführen der Fußböden. Diese Arbeiten waren 1847 soweit gediehen, dass mit dem aufwendigen Innenausbau begonnen werden konnte. Die [[Deutsche Revolution 1848/49|Märzrevolution]] 1848 führte zu Verzögerungen bei den Bauarbeiten, die aber zu keiner Zeit vollständig unterbrochen wurden. Sobald die jeweiligen Räume vollendet waren, begann die Aufstellung der Sammlung, bis das Museum schließlich 1855 für das Publikum eröffnet wurde. Arbeiten an Teilen der Innenausstattung, vor allem an den Wandfresken im Treppenhaus, zogen sich jedoch noch bis 1866 hin. === Von der Eröffnung bis zur Nachkriegszeit === Bei der Eröffnung befanden sich die Ägyptische, Vaterländische und Ethnografische Sammlung im Erdgeschoss. Das erste Obergeschoss nahm die Sammlungen der Gipsabgüsse von Skulpturen der griechischen und römischen Antike, der byzantinischen Kunst, der [[Romanik]], [[Gotik]], [[Renaissance]] und des [[Klassizismus]] auf. Das zweite Obergeschoss teilten sich das Kupferstichkabinett und die sogenannte „Kunstkammer“, eine ''Sammlung von Architekturmodellen, Möbeln, Ton- und Glasgefäßen, kirchlichen Gegenständen und kleineren Kunstwerken des [[Mittelalter]]s und der [[Neuzeit]]''. Das 1873 gegründete Völkerkundemuseum bezog 1886 ein eigenes, im [[Zweiter Weltkrieg|Zweiten Weltkrieg]] zerstörtes Gebäude an der Königgrätzer Straße, der heutigen Stresemannstraße. Damit verbunden war der Auszug der Ethnografischen Sammlung, der Sammlung der Vaterländischen Altertümer und von Teilen der Kunstkammer. Das neugegründete [[Kunstgewerbemuseum Berlin|Kunstgewerbemuseum]] übernahm 1875 die verbliebenen fast 7000 Objekte der Kunstkammer und bezog 1881 ebenfalls ein eigenes Gebäude, den heutigen [[Martin-Gropius-Bau]]. Die freigewordenen Räume im Erdgeschoss belegte die Ägyptische Sammlung, die Räume im zweiten Obergeschoss übernahm das Kupferstichkabinett. [[Datei:Bundesarchiv Bild 183-S89884, Berlin, Neues Museum, Ruine, Ägyptische Statue.jpg|miniatur|hochkant|links|Kriegsschäden im Ägyptischen Hof, 1949]] In den Jahren 1883 bis 1887 wurde das Neue Museum um ein zusätzliches, nach außen hin nicht sichtbares [[Mezzanin]]geschoss erhöht. Die Sammlung der Gipsabgüsse, zum Zeitpunkt der Erbauung Mittelpunkt der Sammlungen, wuchs im Verlauf des 19.&nbsp;Jahrhunderts zu einer der umfangreichsten und umfassendsten Abgusssammlungen. Aufgrund veränderter Wertschätzung wurde sie jedoch mit Ausnahme der Kolossalstatuen zwischen 1916 und 1920 der Berliner Universität übergeben, wo sie im Zweiten Weltkrieg größtenteils zerstört wurde. In den Sälen des ersten Obergeschosses wurde die Vasensammlung des Antikenmuseums sowie die [[Papyrus (Beschreibstoff)|Papyrus]]<nowiki>sammlung</nowiki> des Ägyptischen Museums neu aufgestellt. Umbauten im Erdgeschoss in den Jahren 1919 bis 1923 führten erstmals zu größeren Eingriffen in die Bausubstanz. Im Griechischen Hof wurden die Apsis abgebrochen, der Hof mit einem Glasdach überdeckt, ein neuer Boden auf Höhe des normalen Niveaus des Erdgeschosses eingezogen und damit mehrere Säle und Kabinette zur Aufnahme der Amarna-Sammlung geschaffen. Auch in den angrenzenden Räumen des Erdgeschosses verdeckten abgehängte Decken und Platten die ursprüngliche Dekoration und erzeugten so moderne, neutrale Ausstellungsräume. 1929 wurde der Übergang zum Pergamonmuseum errichtet. 1939 wurden die Sammlungen geschlossen, eine Vielzahl der Artefakte ausgelagert und gesichert. Kurz darauf begannen die Zerstörungen im Zweiten Weltkrieg. Bei Bombardierungen am 22./23. November 1943 brannte das zentrale Treppenhaus mit den Wandfresken zur Geschichte der Menschheit aus. Im Februar 1945 zerstörten Bomben den Nordwestflügel sowie den Übergang zum Alten Museum und beschädigten den Südwestflügel sowie den [[Risalit|Südostrisalit]]. Im [[Schlacht um Berlin|Endkampf um Berlin]] zwischen den verbliebenen Wehrmachts- und SS-Einheiten und den sowjetischen Streitkräften Ende April 1945 kam es zu weiteren Zerstörungen. === Dornröschenschlaf nach 1945 und Wiederaufbau === [[Datei:Neues Museum Suedkuppelsaal 1984 neu.jpg|miniatur|hochkant=1.2|Ruine des Neuen Museums, 1984<br />Blick in den Südkuppelsaal]] In der Nachkriegszeit versank die Ruine des Neuen Museums in einen Dornröschenschlaf. Andere Museen der Museumsinsel nutzten die weniger beschädigten Räume als Magazin. Erst 1986 begannen Arbeiten zum Wiederaufbau, die vorerst mit weiteren (vermeidbaren und unvermeidbaren) Abbrüchen und damit Verlust an historischer Bausubstanz verbunden waren. Dabei wurden zum Beispiel die letzten Reste des Ägyptischen Hofes beseitigt und die Verbindungsgalerie zum Alten Museum vollständig abgetragen. Für die vorgesehene Rekonstruktion wurden zahlreiche Bauteile und Fragmente entnommen und eingelagert. Im September 1989 erfolgte die Grundsteinlegung zur originalgetreuen Rekonstruktion. Dieses Vorhaben wurde allerdings nach der Wiedervereinigung beendet. Nach der aufwendigen Sicherung der Fundamente und Mauern wurde das Museum zwischen 1999 und 2009 im Rahmen des [[Museumsinsel (Berlin)#Masterplan Museumsinsel|Masterplans Museumsinsel]] für etwa 295&nbsp;Millionen&nbsp;Euro wiederaufgebaut. Bei der Wiederherstellung wurden der gänzlich zerstörte Nordwestflügel und der Südostrisalit in enger Anlehnung an die ursprünglichen Volumina und Raumfolgen nach Plänen des englischen Architekten [[David Chipperfield]] neu errichtet und die erhaltenen Bauteile restauriert und ergänzt. Seit der Wiedereröffnung am 16. Oktober 2009 sind zwei Berliner Museen an ihren Ursprungsort zurückgekehrt: das Ägyptische Museum mit der Papyrussammlung und das Museums für Vor- und Frühgeschichte. == Das Gebäude == {| align="right" | style="width:380px"|[[Datei:Plan Neues Museum mit Nummern.png|380px|rahmenlos|zentriert]] | style="width:180px"|<small>'''Grundriss Erdgeschoss:'''</small> <small>'''1'''&nbsp;Griechischer Hof '''2'''&nbsp;Ägyptischer Hof '''3'''&nbsp;Hauptvestibül '''4'''&nbsp;Vaterländischer Saal '''5'''&nbsp;Südvestibül '''6'''&nbsp;Flachkuppelsaal '''7'''&nbsp;Ethnografischer Saal '''8'''&nbsp;Saal hinter der Treppe '''9'''&nbsp;Historischer Saal '''10'''&nbsp;Hypostyl '''11'''&nbsp;Gräbersaal '''12'''&nbsp;Mythologischer Saal</small> <small>'''Grundriss Obergeschoss:'''</small> <small>'''13'''&nbsp;Großes Treppenhaus '''14'''&nbsp;Bacchussaal '''15'''&nbsp;Römischer Saal '''16'''&nbsp;Südkuppelsaal '''17'''&nbsp;Übergang zum Alten Museum '''18'''&nbsp;Mittelalterlicher Saal '''19'''&nbsp;Bernwardzimmer '''20'''&nbsp;Moderner Saal '''21'''&nbsp;Griechischer Saal '''22'''&nbsp;Laokoonkabinett '''23'''&nbsp;Apollosaal '''24'''&nbsp;Nordkuppelsaal '''25'''&nbsp;Niobidensaal</small> |} Das Neue Museum ist ein beinahe rechteckiger Baukörper von 105&nbsp;Metern Länge und 40&nbsp;Metern Breite, ausgerichtet von Süden nach Norden parallel zum Kupfergraben und senkrecht zum Alten Museum, mit dem es durch eine im Zweiten Weltkrieg zerstörte 6,90&nbsp;Meter breite und 24,50&nbsp;Meter lange Verbindungsgalerie mit drei Rundbögen über die Bodestraße verbunden war. Der höchste Gebäudeteil ist der 31&nbsp;Meter hohe Mittelbau mit Treppenhaus. Mit der später erstellten, in der Planung Stülers aber bereits vorgesehenen [[Alte Nationalgalerie|Nationalgalerie]] ist es durch [[Kolonnade]]n mit dorischen Säulen verknüpft. Die dreigeschossigen Gebäudeflügel gruppieren sich um zwei Innenhöfe, den Griechischen und den Ägyptischen Hof. Ursprünglich war nur der nördliche Ägyptische Hof glasbedeckt, der südliche Griechische Hof wurde erst bei Umbaumaßnahmen zwischen 1919 und 1923 mit einem Glasdach versehen. Die zentrale Treppenhalle ist nach außen als Mittelrisalit mit flachen Giebeln ausgebildet und überragt die Seitenflügel nur leicht. Seine Tempelfronten stehen für den geistigen Anspruch des Gebäudes als Museum. Die östliche Hauptfront gegen die Alte Nationalgalerie mit dem Eingang wird von zwei fensterlosen Eckbauten eingefasst, deren Kuppeln in der Form denjenigen auf den Kolonnaden entsprechen und das Gegengewicht zu dem Mittelrisalit bilden. Hinter der schlichten, eher konventionellen Fassade im klassizistischen Stil verbergen sich vielfältige und in den 1840er-Jahren äußerst innovative Eisenkonstruktionen. Sie ermöglichten trotz des schwierigen Baugrundes bei ungefähr gleicher Höhe ein Geschoss mehr als bei Schinkels Altem Museum und eine außerordentliche Vielfalt von Deckenformen. Dieses eiserne Skelett verbirgt sich innen hinter einer reichen Architekturkulisse mit eigentlichen „Inszenierungen“ im ägyptischen, griechischen oder römischen Stil. Die Bedeutung des Neuen Museums liegt also weniger in der äußeren Architektur, sondern in der reichen Innenarchitektur und in seinen Eisenkonstruktionen, die Zeugnis ablegen von den mit der Industrialisierung verbundenen Veränderungen und neuen Möglichkeiten in der Baukunst. == Fassaden == [[Datei:Berlin Neues Museum Suedrisalit.jpg|miniatur|hochkant=1.5|Details Südrisalit, aus Friedrich August Stüler, ''Das Neue Museum in Berlin'', Riedel 1862]] [[Datei:Berlin Neues Museum Westtympanon August Kiss.JPG|miniatur|hochkant=1.5|Zinkgussrelief ''Die Kunst unterweist Industrie und Kunstgewerbe'' im Westgiebel von [[August Kiß]] (Abbildung: Mai 2005)]] Stüler hat das Äußere des Neuen Museums im Hinblick auf die Verbindung mit dem Alten Museum wie auch auf das geplante Kulturforum sehr zurückhaltend und schlicht gestaltet. So schreibt er in den Erläuterungen seiner Publikationen von 24 [[Lithografie]]n zum Neuen Museum 1862: ''„Durch seine Lage und den Zusammenhang mit der grösseren Bauanlage entbehrte das neue Museum der Motive für eine ähnlich grossartige und charakterisierende Anordnung, wie sie die Säulenhalle des älteren Museums zeigt: daher konnte nur in den Detailformen und in der Anordnung von Sculpturen die Bestimmung des Gebäudes näher angedeutet werden.“''<ref name="Stüler 1">Friedrich August Stüler: ''Das neue Museum in Berlin: 24 Tafeln.'' Ernst & Korn, Berlin 1862 – Erläuterungen Tafeln I – XII</ref> Der sparsame bauplastische Schmuck beschränkt sich so im Wesentlichen auf den Mittelrisalit an der Fassade gegen den Kupfergraben und gegen die Nationalgalerie, die Fensterkreuze und den Süd- und Nordrisalit. Das Neue Museum ist ein verputzter Ziegelbau, dessen Fassaden durch eine Ritzquaderung gegliedert werden. Die Ausführung in verschiedenfarbigem Putz war eine zur damaligen Zeit ungewöhnliche Art der Gestaltung und sollte wohl die Illusion einer [[Naturstein]]fassade verstärken. Die östliche Hauptfront ist [[Symmetrie|symmetrisch]] gegliedert durch einen giebelbekrönten Mittelrisalit und zwei kuppelbekrönte, fensterlose Eckrisalite. Je fünf Fensterachsen in den Wänden zwischen den Risaliten zeigen in jedem Geschoss Fenster anderer Größe und Form entsprechend der Raumhöhe und der Bedeutung der dahinterliegenden Innenräume. Die in gleicher Höhe durchlaufenden [[Gesims]]e verknüpfen zwischen dem ersten und zweiten Obergeschoss mit dem Alten Museum und verstärken den ruhigen Charakter der Fassade. Die Tempelfront des Mittelrisalits zeigt die Bestimmung des Gebäudes als Museum und nennt in der in vergoldeten Kupferbuchstaben ausgeführten Giebelinschrift MUSEUM A PATRE BEATISSIMO CONDITUM AMPLIAVIT FILIUS MDCCCLV – ''Der Sohn vergrößerte das durch den hochseligen Vater gegründete Museum 1855'' – alle wesentlichen Elemente: MUSEUM – der Zweck des Gebäudes als Museum, AMPLIAVIT – die Erweiterung (des Alten Museums) und MDCCCLV – das offizielle Eröffnungsjahr 1855. Der Erbauer Friedrich Wilhelm&nbsp;IV. wie auch sein Vater [[Friedrich Wilhelm III. (Preußen)|Friedrich Wilhelm&nbsp;III.]] werden (im Unterschied zur zweiten Widmungsinschrift in Hieroglyphen im Ägyptischen Hof) nicht namentlich benannt. Das 1854 vom Bildhauer [[Friedrich Drake]] ausgeführte [[Stuck]]relief ''Die Geschichte unterweist die Baukunst, Bildhauerei, Malerei, und Grafik'' illustriert den erzieherischen Charakter des Museums. Den Giebel krönt eine [[Borussia]] von [[Gustav Blaeser]] und weist das Gebäude wohl als Museum des Staates Preußen aus. Die [[Akroterion|Eckakroterien]], zwei Greifen aus Bronze, sind ein Werk des Berliner Bildhauers [[Albert Wolff]]. Als Begleiter [[Apollon]]s verweisen sie auf ihn in seiner Rolle als Gott der Künste. Die monumentale, dreiachsige Fenstergruppe dominiert durch ihre Einfassung mit Säulen und [[Pilaster]]n in [[Dorische Ordnung|dorischer]] im ersten und [[Korinthische Ordnung|korinthischer]] Ordnung im zweiten Obergeschoss den Mittelrisalit. In der Mittelachse befindet sich im Erdgeschoss der Haupteingang, flankiert von zwei Fenstern. Die beiden Eckrisalite sind mit Kugelnischenköpfen und [[Allegorie]]n der Künste und Wissenschaften geschmückt, welche durch die Sammlungen des Museums repräsentiert werden. Sie wurden von den Bildhauern [[August Wredow]], [[Carl Heinrich Gramzow]], [[Wilhelm Stürmer]], [[Karl Heinrich Möller]] und [[Heinrich Berges]] in [[Sandstein]] ausgeführt. Die marmorierten Felder zwischen den Figuren, gut sichtbar in der nebenstehenden Zeichnung des Südrisalits, setzen einen farbigen Akzent an der Außenfassade. Die steinernen Fensterkreuze der Fenster des ersten Obergeschosses in den Wänden zwischen den Risaliten zeigen Kinderfiguren aus [[Zinkguss]] als Allegorien der Gegenstände der Sammlungen. Die Gestaltung der Westfassade gegen den Kupfergraben als zweite Schauseite orientiert sich an der Ostfassade. Anstelle der beiden Eckrisalite treten je drei weitere Fensterachsen und anstelle der Kuppeln betonen zwei Zinkgussfiguren die Ecken. Die Gestaltung des Mittelrisalits mit den monumentalen Fenstern ist gleich wie an der Vorderfront, dem Haupteingang im Erdgeschoss entspricht ein zusätzliches Fenster. Unter der unbekannten Giebelfigur unterweist die Allegorie der Kunst Industrie und Kunstgewerbe, ein Zinkgussrelief des Bildhauers [[August Kiß]] von 1862. Die Bauinschrift ARTEM NON ODIT NISI IGNARUS – ''Nur der Unwissende verachtet die Kunst'' – wiederum in vergoldeten Kupferbuchstaben wurde von Friedrich Wilhelm&nbsp;IV. selbst gewählt. Der etwas merkwürdige Spruch, der zwar auch zum Erwerb von Wissen aufruft, gibt in seiner [[Negation]] Raum zu Spekulationen. Ist er bloß ein Zitat, Ausdruck einer gewissen [[Resignation]] oder eine versteckte Anspielung auf den hochseligen Vater der Inschrift der Hauptfassade? <br style="clear:both;" /> == Eisenkonstruktion und Leichtbauweise – der Einzug der Industrialisierung in die Baukunst == [[Datei:Berlin Neues Museum Schnitt Nordflügel.jpg|miniatur|hochkant=1.5|Schnitt durch den Nordflügel – Eisenkonstruktionen als sichtbare Bogensehnenträger im ersten und zweiten Geschoss, eingemauerte Bogensehnenträger in der Decke des Mythologischen Saales im Nordostflügel (rechts), Glasdach und abgehängte Glasdecke über dem Ägyptischen Hof]] [[Datei:Berlin Neues Museum Eisenkonstruktionen.jpg|miniatur|hochkant=1.5|Konstruktion der Gewölbe und verschiedene Verkleidungen der Bogensehnenträger im Nordflügel]] [[Datei:Berlin Neues Museum Schnitt Südflügel.jpg|miniatur|hochkant=1.5|Schnitt durch den Südflügel mit dem Griechischen Hof – Eisenkonstruktionen in den Kunstkammersälen im dritten Geschoss als entmaterialisierte Variante der Bogenstellungen in den unteren Geschossen]] Zwischen dem Baubeginn von [[Karl Friedrich Schinkel|Schinkels]] Altem Museum und dem Baubeginn des Neuen Museums liegen nur 17&nbsp;Jahre. Während sich Schinkel in der herkömmlichen Massiv- und Holzbauweise bewegt und sein Bau damit technologisch noch dem 18.&nbsp;Jahrhundert zuzurechnen ist, bedient sich Stüler beim Neuen Museum mit Eisenkonstruktionen, Leichtziegeln und Gewölben aus Topfziegeln neuer Technologien, die durch die [[Industrielle Revolution in Deutschland|Industrialisierung]] ermöglicht im weiteren Verlauf des 19.&nbsp;Jahrhunderts intensiver eingesetzt wurden. Auf dieser Ebene bekommen die Bezeichnungen Altes Museum – Neues Museum eine weitere Bedeutung als Ausdruck alter Pfade und neuer Wege. === Die Konstruktion === Stülers Museum wird innen von einem eigentlichen Eisenskelett, einem vielfältigen und raffinierten System von eisernen Stützen, Trägern und Balken durchzogen. Der nebenstehende Schnitt durch den Nordostflügel zeigt einige Beispiele. Sichtbare, mit Messingblech und Zinkguss verkleidete Bogensehnenträger tragen im Niobidensaal, im Griechischen Saal und in den Sälen des [[Kupferstichkabinett]]es die flachgewölbten Decken. Die darunterstehende Abbildung zeigt neben den verschiedenartigen Verkleidungen die standardisierte, in allen Sälen gleiche Kernform der Bogensehnenträger. Diese bestehen aus einem [[Gusseisen|gusseisernen]] Bogen aus zwei Stücken und einem Paar schmiedeeiserner Sehnen, die sorgfältig aus sieben zusammengebündelten Rundeisenstäben ''aus dem besten Eisen von Staffordshire''<ref name="Stüler 1"/> zu einem einzigen Rundstab zusammengeschmiedet und auf 2<small><sup>1</sup></small>/<small><sub>3</sub></small>&nbsp;Zoll für die geringere Belastung des dritten Geschosses und auf 3&nbsp;Zoll für das zweite Geschoss ausgewalzt wurden. Große Spannschrauben am Auflager der Bogensehnenträger erlauben eine feine Justierung der Spannung der Sehnen. Diese kluge Kombination des leicht formbaren Gusseisens mit [[Zugfestigkeit|zugfesterem]] [[Schmiedeeisen]] war eine technische Innovation. In die angegossenen [[Flansch (Stahlbau)|Flanschen]] wurden gusseiserne Balken gesteckt, die die Länge der Säle überspannten und mit leichten Topfziegeln aus der Tonwarenfabrik von [[Ernst March]] ausgemauert wurden. Im Mythologischen Saal im Erdgeschoss verbergen sich hinter einer verputzten Ummauerung die gleichen Bogensehnenträger, die eine massive Bauweise vortäuschen – in den Worten Stülers ''…[denen] durch Ausmauerung und Bewurf das Ansehen von Steinbalken verliehen werden''.<ref name="Stüler 1"/> Alle Eisenbauteile lieferte die Fabrik von [[August Borsig]] an der [[Chausseestraße]]. Die Fabrikanstalten von [[Simeon Pierre Devaranne]] und [[Moritz Geiß]] lieferten die Zinkgussteile und vermutlich auch die Messingverkleidungen. Eine im Zweiten Weltkrieg zerstörte Eisenkonstruktion war das doppelte Glasdach über dem Ägyptischen Hof, dessen Konstruktion den Besuchern aber durch eine abgehängte Milchglasdecke verborgen blieb. Ohne Stützen überdeckte es eine Fläche von ungefähr 380&nbsp;m². Der glasüberdeckte Innenhof, der erste seiner Art in Berlin, wurde später bei weiteren Museumsbauten aufgenommen wie etwa dem ehemaligen Kunstgewerbemuseum von [[Martin Gropius]], findet sich aber auch in der Warenhausarchitektur. Die schlanken eisernen Säulen, Bogen und Balken in den Räumen der Kunstkammer im dritten Obergeschoss des Südflügels sind ein weiterer Typ von Eisenkonstruktion im Neuen Museum. Sie können beinahe als entmaterialisierte Variante der Bogenstellungen der Untergeschosse betrachtet werden. Wie die Bogensehnenträger im Nordflügel verkleideten Dekorationen aus Messingblech und Zinkguss die Kernform aus Eisen. Faszinierend in der Form ist die ebenfalls zerstörte, mit Maschendraht bespannte Eisenkonstruktion, die sich hinter dem „[[Gotik|gotischen]]“ Gewölbe des Sternensaales versteckt. Hier waren für Stüler statische Gründe für die Wahl der Lösung entscheidend, da die dünnen Wände des dritten Geschosses dem Druck eines echten gotischen Gewölbes nicht standgehalten hätten. Im [[Vestibül]] ruht die [[Kassettendecke|Kassettierung]] der Decke auf Eisenbalken, ''an welchen unterhalb verzierte Bronzeleisten befestigt sind, um die Metall-Construction auch in der Decoration erscheinen zu lassen.''<ref name="Stüler 2">Friedrich August Stüler: ''Das neue Museum in Berlin: 24 Tafeln.'' Ernst & Korn, Berlin 1862 – Erläuterungen Tafeln XIII – XVI</ref> Stülers Umgang mit den Eisenkonstruktionen ist voller Facetten. Zum Teil werden sie bewusst nicht als solche gezeigt, eingemauert und verdeckt wie im Mythologischen Saal, im Sternensaal oder wie beim Glasdach des Ägyptischen Hofes. Teilweise werden sie – obwohl verborgen – in der Dekoration sichtbar gemacht wie im Vestibül und zum Teil verkleidet wie in den Sälen des Nordflügels oder in den Kunstkammersälen. Die Dekorationen zeigen in ihren Formen durchaus die Funktion des Eisenkerns, allerdings auch hier nicht die ''Eisenkonstruktion'', sondern ein ''Bild der Eisenkonstruktion'', oft in der Formensprache der [[Antike]] wie beispielsweise die als „Seile“ verkleideten Sehnen und statisch sinnlosen Konsolen der Bogensehnenträger in den Räumen des Nordflügels. Die Zerstörungen des Zweiten Weltkriegs haben in einigen Räumen Teile der ursprünglich verborgenen Eisenkonstruktionen freigelegt und sichtbar gemacht und öffnen so ein Fenster zur technisch innovativen Seite des Gebäudes. === Zwang zur Eisenkonstruktion === Neben Vorteilen wie der Reduktion der Bauzeit und der Kosten durch industrielle Fertigung oder der erhöhten Feuersicherheit durch den Wegfall der Holzdecken gab es Faktoren, die Stüler regelrecht zur Verwendung von Eisenkonstruktionen anstelle eines konventionellen Massivbaus zwangen. Diese waren hauptsächlich der schlechte Baugrund, der ein möglichst geringes Gewicht des Museums und damit dünne und leichte Wände und Decken mit keinem oder geringem Horizontalschub erforderte. Als weiteres Erschwernis kam die Vorgabe hinzu, bei etwa gleicher Höhe ein Geschoss mehr als im Alten Museum unterzubringen. Der Architekt wählte die Materialien sehr bewusst, was sich am Dach des großen Treppenhauses zeigt, das in Holz und nicht in Eisen ausgeführt wurde. Seine Überlegungen: ''Bei einem Gebäude, welches seiner Bestimmung nach vorzugsweise auf Feuersicherheit Ansprüche zu machen hat, kann es auffallen, dass das Dachgerüst in Holz ausgeführt ist. Die Gründe dafür waren folgende: Eiserne Dächer, bei denen das Blech der Dachbedeckung ohne Vermittelung einer hölzernen Verschalung aufgelegt ist, gewähren eine zu dünne, dem Temperaturwechsel zu sehr ausgesetzte Decke. Zumal in geheizten Gebäuden beschlagen daher die unteren Flächen des Metalles im Winter so ausserordentlich<!-- sic! Zitat! --> stark, dass der Tropfenfall sehr lästig und schädlich wird. Dies vermindert sich in dem Maße, als Holz zur äußeren Decke verwendet wird. Da aber bei der Entbehrlichkeit eines durchreichenden Gebälkes der zum Dachgerüst nothwendige Holzverbrauch nur gering und die Wölbconstruction so stark ist, dass sie beim Abbrennen des Daches nicht beschädigt werden kann, so hoben sich die Bedenken gegen die Anwendung des in anderer Beziehung Vortheile gewährenden Holzes.''<ref name="Stüler 1"/> Im Verhältnis zum Eisenbau nimmt Stüler eine Mittelstellung ein zwischen den Antipoden [[Gottfried Semper]], der den Bau mit Eisen wegen des damit verbundenen Verlustes an Masse ablehnte, und dem Eisen-Enthusiasten [[Henri Labrouste]], der in der ungefähr zeitgleich entstandenen [[Bibliothek Sainte-Geneviève]] und später 1858/1868 in den Lesesälen im Altbau der [[Bibliothèque nationale de France|Bibliothèque nationale]] in [[Paris]] die Eisenkonstruktionen unverhüllt zeigt. Die Faktoren Baumaterial, industrielle Fertigung, Entwurf und Bauablauf beeinflussten sich gegenseitig. Die serielle industrielle Fertigung erforderte eine [[Standardisierung]] der zu fertigenden Tragglieder, sollten sie schnell und kostengünstig fabriziert werden. Die standardisierten Bauteile setzten im Entwurf Räume gleicher Dimensionen voraus, die aber nicht eintönig wirken sollten. Die Fertigung verlagerte sich vom Bauplatz in die Fabrik, was eine Beschleunigung des Bauablaufes ermöglichte, aber auch höhere Anforderungen an den Transport und die [[Logistik]] stellte. Borsig geriet zeitweise in Lieferschwierigkeiten aufgrund des rasanten Bauablaufs, wie aus der in den Bauakten erhaltenen Korrespondenz hervorgeht. Vor der Serienfertigung wurde ein Prototyp getestet, indem ''mittelst einer sehr starken [[Hydraulik|hydraulischen]] Presse, einer der Anker mit einer Kraft von 64.000&nbsp;[[Pfund]] auf den [[Zoll (Einheit)|Quadratzoll]] seines Querschnittes geflissentlich zerrissen wurde''.<ref name="Stüler 1"/> Neu war auch die Qualitätssicherung, indem alle von August Borsig gelieferten Zuganker vor Verlassen der Fabrik getestet wurden. Damit findet sich bereits in den 1840er Jahren in Berlin ein Beispiel der Anwendung industrieller Fertigung bei einem Gebäude, was üblicherweise erst mit [[Joseph Paxton]]s [[Crystal Palace (Gebäude)|Crystal Palace]] für die [[Great Exhibition|Londoner Weltausstellung 1851]] verbunden wird. <br style="clear:both;" /> == Innengestaltung == === Stülers Leitlinien der Gestaltung === [[Datei:Berlin Neues Museum Schnitt Roemischer Saal (Ausschnitt).jpg|miniatur|hochkant=1.8|left|Wandgestaltung am Beispiel des Römischen Saals, von unten nach oben: Sockelzone – ruhige, einfarbige Mittelzone als Hintergrund für die Skulpturen – Oberzone mit Wandgemälden]] Der sparsame äußere Schmuck steht im Gegensatz zur außerordentlich reichen und bedeutenden Innenausstattung. Stüler beschreibt die Leitlinien für die dekorative Gestaltung mit ''„… erschien es als angemessen, die Räume mit größtmöglicher Harmonie mit den aufzustellenden Gegenständen zu halten“.'' Der Zweck von Museen sei es ''„ausser<!-- sic! Zitat! --> dem Genusse schöner Kunstwerke auch eine möglichst klare und ausgedehnte Uebersicht der Kunstübungen verschiedener Völker und Zeiten zu gewähren“'' und da ''„[…] die Künste aber nie für sich abgesondert, sondern stets im Zusammenhang mit den Schwesterkünsten richtig zu würdigen sind, so glaubte der Architekt die Verpflichtung zu haben, in der Haltung und Decoration der Localien die Sammlungen so viel als möglich zu ergänzen, zumal in allen guten Kunstepochen die Architektur Träger der Sculptur und der Malerei war.“'' Eine Konkurrenz der Dekoration und der Exponate sollte aber vermieden werden, ''so sind z.&nbsp;E. die Sculptursäle nur mit Malereien, die andere Gegenstände als die Bildwerke behandeln, geschmückt und ihr letztere ein ruhiger, isolirender Hintergrund angeordnet.''<ref name="Stüler 1"/> Nach diesen Prinzipien erzeugten Kopien architektonischer Details, Wandbilder und reiche ornamentale Bemalung mit Bezügen zu den jeweiligen Sammlungen ein zu den [[Ausstellung|Exponaten]] passendes Ambiente. Die zeitgenössische Publikation ''Berlin und seine Kunstschätze'' bezeichnet das Neue Museum aufgrund der reichen Symbolik und den vielfältigsten Beziehungen und Verbindungen denn auch als ''Labyrinth der Symbolik'' und als ''steinernes Kompendium der Kultur- und Kunstgeschichte''.<ref name="Kunstschätze">ohne Autorenangabe: ''Berlin und seine Kunstschätze. Die königlichen Museen in Berlin: Eine Auswahl der vorzüglichsten Kunstschätze der Malerei, Sculptur und Architektur der norddeutschen Metropole dargestellt in einer Reihe der ausgezeichnetsten Stahlstiche mit erläuterndem Texte.'', Payne Leipzig und Dresden 1855; Seiten 215-251</ref> Die Wände in den Sammlungsräumen waren dreigeteilt, auf dem gemalten Sockel in Höhe der Podeste und Vitrinen folgte ein mittlerer Wandbereich in kräftigen, die Ausstellungsstücke kontrastierenden Farben. In den meisten Ausstellungsräumen ein pompejanisches Rot, aber auch Grün und Purpur. Die obere Wandzone schmückten Wandbilder, deren Größe durch architektonische Gliederungselemente bestimmt war. Sie zeigten mythologische Themen wie die Nordischen Götter im Vaterländischen Saal, die ägyptischen Götter im Mythologischen Saal oder Helden der antiken Sagen im Niobidensaal. Im Ägyptischen Hof, im Griechischen und im Römischen Saal bezogen sich Landschaftsmalereien und Rekonstruktionen historischer Architekturen auf die Sammlungen. Ein weiterer Typus war die Darstellung historischer Ereignisse wie etwa im Südkuppelsaal. === Kritik der Gestaltung === Im [[Nachschlagewerk|Kompendium]] zur Mark Brandenburg und zu Berlin aus dem Jahr 1881 betont [[Ernst Friedel]] in drei Zeilen die ''Größe'', ''Sauberkeit'', ''mannichfaltige Ausstattung des Innern'', den ''Geschmack'' und die ''Dekorationsgabe Stülers'', um seine folgende ausführliche Kritik wie folgt einzuleiten: ''„Damit ist aber das Verdienst dieses Gebäudes zusammengefaßt, während es im übrigen zu vielfachen Ausstellungen herausfordert.“'' Neben kleineren Punkten wie Bemängelung des Putzbaus und aus seiner Sicht zum Teil missglückten Kompositionen der ''Kolossalbilder'' stellt Friedel die mangelnde Berücksichtung der bald notwendigen Erweiterungen in das Zentrum seiner Kritik.<ref name="Friedel">[[Ernst Friedel]]: ''Stüler und sein königlicher Schüler'', in: Ernst Friedel und Oskar Schwebel: ''Bilder aus der Mark Brandenburg, vornehmlich der Reichshauptstadt'', Verlag von [[Otto Spamer]], Leipzig 1881; Seiten 39–43, Zitat: S. 40</ref> Die enge Verbindung der Exponate mit den Ausstellungsräumen erwies sich in der weiteren Entwicklung tatsächlich als eher hinderlich beim Auszug oder bei der Verschiebung einzelner Sammlungen. Erstmals war dies in den 1870er Jahren mit dem Auszug der Kunstkammer und der ethnografischen Sammlung als Folge der Eröffnung des Völkerkundemuseums der Fall. Dies war auch der Hauptkritikpunkt der Architekten, wie ihn zum Beispiel 1893 das Handbuch der Architektur äußert: ''Stüler war bestrebt, die architektonische Ausbildung der Räume ihrer Bestimmung anzupassen. Die Gestaltung derselben hat sich jedoch hier und dort als Hindernis für die Verschiebung der einzelnen Sammlungen, die in Folge ihrer Vermehrung nothwendig wurde, herausgestellt.''<ref name="Handbuch der Architektur">[[Josef Durm]] (Herausgeber): ''Handbuch der Architektur. IV.&nbsp;Theil: Entwerfen, Anlage und Einrichtung der Gebäude. 6. Halbband: Gebäude für Erziehung, Wissenschaft und Kunst.'' Verlag Arnold Bergsträsser, Darmstadt 1893; S. 284</ref> Die Kritik der Wissenschaftler richtete sich gegen das ''romantisierende'' und ''exotisierende'' Interieur, wie auch gegen Darstellungen, die inzwischen wissenschaftlich überholt waren. Trotzdem wurden die Innenräume auch bei Umgestaltungen sehr behutsam behandelt mit Ausnahme der größeren Umbauten zur Präsentation der [[Amarna]]<nowiki>funde</nowiki> in den 1920er Jahren. Den Armanahof nahm denn der irische Schriftsteller [[Samuel Beckett]] in seiner Kritik am ''Drunter und Drüber'' im Museum auch ausdrücklich aus. Beckett notierte am 7. Januar 1937 in einem Tagebucheintrag: ''„Higgledypiggledy presentation except in Amarnahof“''. == Ein Rundgang durch das Neue Museum == Die folgenden Abschnitte beschreiben die Räume des Neuen Museums zum Zeitpunkt seiner Eröffnung in Form eines Rundgangs. Die Zitate und Bilder stammen mehrheitlich aus Stülers ''“Das neue Museum in Berlin: 24 Tafeln.“'' und aus ''“Berlin und seine Kunstschätze“''. Manche Säle und Einrichtungen wurden seither verändert oder sind im Zweiten Weltkrieg beschädigt oder zerstört worden. Totalverluste sind der Nordwestflügel mit dem Historischen Saal, dem Griechischen Saal, dem Blauen Saal, dem Apollosaal und dem Grünen Saal zusammen mit dem Ägyptischen Hof sowie der Südkuppelsaal mit dem Übergang zum Alten Museum. Ebenfalls ein Totalverlust ist die Innenausstattung des Treppenhauses, insbesondere die Fresken zur Geschichte der Menschheit. Der Erhaltungszustand der übrigen Räume variiert zwischen weitgehend erhaltenen Räumen wie dem Niobidensaal bis zu auf ihren Rohbauzustand reduzierten Räumen wie dem Modernen Saal. === Vestibül und Treppenhaus {{Anker|Treppenhaus}} === [[Datei:Treppenhaus Neues Museum um 1850.jpg|miniatur|hochkant=1.2|Treppenhaus im Neuen Museum um 1850]] Durch den Haupteingang in der Mitte der Ostfassade gelangten die Besucher ins '''Hauptvestibül''', dessen kassettierte Decke von vier dorischen Säulen aus Pavonazetto-Marmor aus Carrara getragen wurde. Der helle Marmor mit dem kräftigen, dunkelvioletten Geäder setzte sich gut vom rotbraunen Sockel und den polierten, gelblichen Wänden aus dem Marmorimitat [[Marmorino]] ab. Die Deckenkonstruktion war eine Konstruktion aus Eisenbalken, ''an welchen unterhalb verzierte Bronzeleisten befestigt sind, um die Metall-Construction auch in der Decoration erscheinen zu lassen''<ref name="Stüler 2"/> – diese Eisenkonstruktion wollte Stüler offenbar zumindest indirekt zeigen. Links führte eine Tür aus poliertem Palisanderholz zur Sammlung der nordischen Altertümer, rechts in die Ägyptische Sammlung. {| align="left" width="120" |- | {| align="left" style="background:#f7f8ff; border:1px solid #8888aa; border-collapse:collapse; margin:10px 0; padding:5px; font-size:90%;" | [[Datei:Der Babelthurm Merz nach Wilhelm von Kaulbach.jpg|100px]] |- | [[Datei:Homer und die Griechen Raab nach Wilhelm von Kaulbach.jpg|100px]] |- | [[Datei:Die Zerstörung Jerusalems Gustav Eilers nach Wilhelm von Kaulbach.jpg|100px]] |- | [[Datei:Die Hunnenschlacht Raab nach Wilhelm von Kaulbach.jpg|100px]] |- | [[Datei:Die Kreuzfahrer Schultheiss nach Wilhelm von Kaulbach.jpg|100px]] |- | [[Datei:Die Reformation Gustav Eilers nach Wilhelm von Kaulbach.jpg|100px]] |} |} [[Datei:Neues Museum Treppenhaus Schnitt.jpg|miniatur|hochkant=1.2|Schnitt Treppenhaus, Ostwand mit Korenhalle und Türumrahmung des [[Erechtheion]]s, aus ''Friedrich August Stüler, Das Neue Museum in Berlin, Riedel 1862'']] [[Datei:Neues Museum Treppenhaus Laengsschnitt.jpg|miniatur|hochkant=1.75|Längsschnitt Treppenhaus, Südwand mit Wandgliederungssystem, aus ''Friedrich August Stüler, Das Neue Museum in Berlin, Riedel 1862'']] Eine breite einläufige Treppe aus grauem schlesischem Groß-Kunzendorfer-Marmor mit gleicher Gestaltung der Seitenwände wie im Vestibül führte in das erste Obergeschoss durch die große '''Treppenhalle''', die bereits beim Eintreten ins Hauptvestibül sichtbar war. Mit 38&nbsp;Meter Länge, 15,70&nbsp;Meter Breite und 20,20&nbsp;Meter Höhe reichte sie durch die ganze Tiefe des Gebäudes und durch die zwei Geschosse und war damit der größte Raum. Die Größe, die ausgedehnten Wandflächen an den Längswänden und die gute Beleuchtung durch die Fenster an den beiden Schmalseiten bestimmten ihn zur Aufstellung großer Skulpturen und Reliefs. In der Gestaltung des Treppenhauses orientierte sich Stüler an einem bekannten Entwurf seines Lehrers [[Karl Friedrich Schinkel]] für einen Königspalast auf der [[Akropolis (Athen)|Akropolis]] für König [[Otto (Griechenland)|Otto&nbsp;I.]] von 1834: ''„Die Decke wurde nach dem schönen Entwurf Schinkel's für den grossen Saal des Königs-Palastes auf der Akropolis zu Athen ausgeführt, indem der Architect es sich nicht versagen konnte, seinem innigst verehrten Meister, dessen schönste Entwürfe leider nicht ins Leben traten, hierdurch ein Andenken zu stiften.“''<ref name="Stüler 2"/> Auf dem Absatz standen zwei monumentale 5,50&nbsp;Meter hohe Abgüsse der Rossebändiger [[Kastor (Mythologie)|Kastor]] und [[Polydeukes|Pollux]] von der [[Piazza di Monte Cavallo]] vor dem [[Quirinalspalast]] in [[Rom]]. Von diesem Absatz führten zwei Treppenläufe, unterbrochen durch Zwischenpodeste, an den beiden Längswänden in das zweite Obergeschoss. Die beiden Treppenläufe vereinigten sich nach einem Viertelpodest vor dem Austritt unter einer Kopie der [[Kore (Skulptur)|Korenhalle]] des [[Erechtheion]]s in Athen. Auch die Türumrahmung unterhalb der Korenhalle war ein Architekturzitat des Erechtheions. Mit der plastischen Gestaltung des Treppengeländers hatte Stüler den Bildhauer Gustav Blaeser beauftragt, der auch an der Fassade mitgewirkt hatte. An der gegenüberliegenden Querwand stützten vier [[Ionische Ordnung|ionische]] Säulen eine Quergalerie, welche die gegenüberliegenden Türen des zweiten Obergeschosses verband. Das erste und zweite Obergeschoss wurden durch einen [[Architrav|Wandarchitrav]] getrennt, der den Sockel für die Wandgemälde des Obergeschosses bildete. In Stülers ursprünglichem Entwurf waren die Wände durch korinthische [[Pilaster]] einfach gegliedert. Friedrich Wilhelm&nbsp;IV. bestimmte persönlich die Wände des zweiten Obergeschosses für großflächige Freskenmalereien in der Absicht, ''„… auch der neuern monumentalen Kunst ein Feld der Entfaltung einzuräumen, wodurch sie sich als ebenbürtig mit der antiken erweise, und beförderten bei dem Künstler die Freude an dem übernommenen Auftrag, die hauptsächlichsten Epochen der Weltgeschichte in 6 grossen Bildern darzustellen.“''<ref name="Stüler 3">Friedrich August Stüler: ''Das neue Museum in Berlin: 24 Tafeln.'' Ernst & Korn, Berlin 1862 – Erläuterungen Tafeln XVII – XX</ref> Der Künstler war der damals bekannte Münchner Hofmaler [[Wilhelm von Kaulbach]], der für die Fresken eigens aus München abgeworben wurde. Friedrich Wilhelm IV. nahm regen Einfluss auf die Gestaltung der Wandgemälde, beratend wirkten unter anderem der Generaldirektor der Königlichen Museen, Ignaz von Olfers, [[Friedrich Wilhelm Joseph Schelling|Friedrich Wilhelm Joseph von Schelling]] aber auch [[Alexander von Humboldt]] und andere Geistesgrößen der Zeit. In Analogie zu den sechs Schöpfungstagen sollten sechs Wendepunkte der Weltgeschichte dargestellt werden. Der Zyklus ist beeinflusst von der [[Georg Wilhelm Friedrich Hegel|Hegelschen]] Geschichtsphilosophie der Höherentwicklung des Menschen, der Aufwärtsentwicklung durch permanente Selektion, der Emanzipation von äußeren religiösen Mächten. Zwischen dem König und dem Künstler entstand ein zähes Ringen um die darzustellenden Themen, das teilweise Jahre dauerte. Kaulbachs Zyklus mit den Fresken ''Der Babylonische Turm'', ''Homer und die Griechen oder die Blüte Griechenlands'', ''Die Zerstörung von Jerusalem'', ''Die Hunnenschlacht'', ''Die Kreuzfahrer vor Jerusalem'' und ''Das Zeitalter der Reformation'' durchzog das gesamte Obergeschoss des monumentalen Treppenhauses und war damit gegen 75&nbsp;Meter lang. Die Breite der einzelnen Fresken war etwa 7,50&nbsp;Meter, die Höhe 6,70&nbsp;Meter. Die Bilder wurden von Kaulbach von 1847 bis 1866 in [[Stereochromie]] ausgeführt. Mit dieser Technik lassen sich die Bilder wie mit Öl malen und werden nachträglich erst mit [[Alkalisilikate|Wasserglas]] mit dem Mauerwerk fest verbunden, wobei sich ein Freskeneffekt einstellt. Die Malereien im Neuen Museum waren die erste Anwendung im großen Maßstab der kurz zuvor erfundenen Technik. Beim Bau wurden bereits Vorkehrungen getroffen für schnelles Austrocknen der Wandflächen und damit ein schnelles Anbringen der Fresken, indem durch Hochstellen jeder zweiten Ziegellage im Innern der Wand und durch unregelmäßige Öffnungen eigentliche Luftkanäle im Mauerwerk geschaffen wurden. Zur Trennung der Hauptbilder ließ Stüler die Bilder über den Türen und zwischen den Fresken auf Goldgrund malen. Die Bilder über den Türen zeigten eine [[Allegorie]] der Sage, mit einem Runenstab im Boden nach der Vergangenheit wühlend, während die Raben [[Hugin und Munin]] ihr Haupt umkreisen, [[Klio (Muse)|Klio]] als [[Muse (Mythologie)|Muse]] der Geschichte, die Geschichte der Völker auf eine Tafel eintragend, die Allegorie der Kunst und die Allegorie der Wissenschaft. Die Zwischenbilder auf Goldgrund zwischen den Fresken stellten die großen Gesetzgeber als Sitzfiguren dar, über denen schwebende Figuren die Länder ihres Wirkens charakterisierten. Die Paare sind [[Solon]] mit der von [[Eroten]] umschwebten [[Venus (Mythologie)|Venus]] als Verkörperung Griechenlands, [[Mose]]s mit den Gesetzestafeln, den Fuß auf das zertrümmerte [[Goldenes Kalb|Goldene Kalb]] setzend, und [[Isis (Ägyptische Mythologie)|Isis]] als Verkörperung Ägyptens, [[Karl der Große]] und die Verkörperung [[Italien]]s und [[Friedrich II. (Preußen)|Friedrich&nbsp;II.]] und [[Nationalallegorie Germania|Germania]] als Verkörperung Deutschlands. Das restliche Wandgliederungssystem war in [[Grisaille]]malerei im zurückhaltendem Grüngrau gehalten, den oberen Abschluss bildete ein Fries von [[Putte]]n und Kindern mit [[Parodie]]n ägyptischer, griechischer und römischer Geschichtsereignisse. Die Schmalseiten links und rechts der Fenster schmückten Allegorien der Baukunst, der Bildhauerkunst, der Malerei und der grafischen Kunst. Die Farbe der nicht von Malereien bedeckten Wände war ein tiefes pompejanisches Rot mit mildem Glanz. Die flachgeneigte [[Kassettendecke]] war mit [[Arabeske (Dekoration)|Arabeskenmalerei]] auf tiefrotem Grund bemalt und wurde durch ein offenes [[Pfettendach]] mit sechs mächtigen [[Binder (Tragwerk)|Bindern]] getragen. Das eigentliche Dach war von innen nicht sichtbar und lag ungefähr 2,50&nbsp;Meter höher. Die Binder waren mit vergoldeten [[Leopard|Panther]]n, [[Damhirsch]]en, [[Hippogryph]]en, [[Löwe]]n, [[Hausrind|Stieren]] und [[Greif]]en sowie Ornamenten aus Zinkguss verziert, die Stüler direkt aus dem Entwurf Schinkels für den Königspalast übernommen hatte. === Erdgeschoss === Im Erdgeschoss waren die Ägyptische Sammlung, die Sammlung der Vaterländischen Altertümer und die Ethnografische Sammlung untergebracht. Der architektonische Charakter wurde den ''einfachen Schematen der aufzustellenden Gegenstände möglichst angepasst''.<ref name="Stüler 1"/> So tragen entwicklungsgeschichtlich ältere Konstruktionen wie auf Wandstützen oder Pfeilern aufliegende Balken, ägyptische und dorische Säulen die Decken, während im ersten Obergeschoss vorwiegend ionische Säulen und im Obergeschoss korinthische Säulen verwendet wurden. Dieser Hierarchie der Säulenformen entsprach eine der Materialien: die Säulen des Erdgeschosses wurden aus Sandstein gehauen und mit [[Stuck|Stucco]] verkleidet, die Säulen des vornehmen ersten Obergeschosses waren aus italienischem, französischem und böhmischem Marmor und die Säulen des zweiten Obergeschosses aus mit vergoldetem Zinkguss umkleidetem Gusseisen. Kostbarer und belastbarer Naturstein bedeckte den Boden des Vestibüls, in den meisten Ausstellungsräumen war der Boden aus farbigem [[Terrazzo]]. ==== Die Ägyptische Abteilung ==== {| align="left" width="110" |- | {| align="left" style="background:#f7f8ff; border:1px solid #8888aa; border-collapse:collapse; margin:10px 0; padding:5px; font-size:90%;" | [[Datei:Der Hathortempel zu Dendera - French nach Graeb.jpg|90px]] |- | [[Datei:Der Tempel zu Karnak - Payne nach Pape.jpg|90px]] |- | [[Datei:Die Memnonstatuen zu Theben - French nach Schirmer.jpg|90px]] |- | [[Datei:Der Vorhof des Tempels von Edfu - Heawood nach Biermann.jpg|90px]] |- | [[Datei:Die Insel Philae - Payne nach Biermann.jpg|90px]] |- | [[Datei:Der Felsentempel von Abu Simbel - Payne nach Schmidt.jpg|90px]] |- | [[Datei:Die Pyramiden von Meroe French nach Schmidt.jpg|90px]] |- | [[Datei:Der Tempel zu Gerf Hussein - Gray nach Schirmer.jpg|90px]] |} |} [[Datei:Berlin Neues Museum Mythologiescher Saal oder Graebersaal um 1850.jpg|miniatur|hochkant=1.2|Sicht aus dem ''Gräbersaal'' in den ''Mythologischen Saal'' um 1850]] [[Datei:Berlin Neues Museum Mythologischer Saal.jpg|miniatur|hochkant=1.2|Deckenmalerei im ''Mythologischen Saal'': Zodiakus aus Dendera mit Beschädigungen durch den Umbau um 1920]] Die Ägyptische Abteilung umfasste im Erdgeschoss mit fünf Räumen den gesamten Nordflügel rund um den Ägyptischen Hof. Für die Gestaltung des Ägyptischen Hofes und der Säle der Ägyptischen Abteilung wurde [[Karl Richard Lepsius|Richard Lepsius]], der führende Ägyptologe seiner Zeit, beigezogen. Lepsius hatte zwischen 1842 und 1845 die von Friedrich Wilhelm&nbsp;IV. ausgesandte Expedition nach Ägypten geleitet, deren reiche Sammlung in den neu erstellten Räumen untergebracht und ausgestellt werden sollte. Stülers Anspruch war groß: ''Schon während der Sammlung der von der ägyptischen Expedition zurückgebrachten Denkmäler war hauptsächlich der Gesichtspunkt im Auge behalten worden, ein &nbsp;h&nbsp;i&nbsp;s&nbsp;t&nbsp;o&nbsp;r&nbsp;i&nbsp;s&nbsp;c&nbsp;h&nbsp;e&nbsp;s&nbsp; Museum zu bilden, welches im Gegensatze zu den bisherigen, zufällig und je nach der Gelegenheit angehäuften Sammlungen von Alterthümern, alle wesentlichen Seiten und Kunst-Epochen des ägyptischen Alterthums möglichst gleichmässig durch characteristische Proben vor Augen führen sollte. Derselbe Zweck waltete auch bei der Einrichtung und Ausschmückung der zur Aufstellung bestimmten Räumlichkeiten vor.''<ref name="Stüler 1"/> Die ausgeführten Malereien und Dekorationen dokumentierten den damals aktuellen Stand der [[Ägyptologie]] und hatten nichts mehr gemein mit der romantischen Ägyptenmode in der Folge von [[Ägyptische Expedition|Napoleons Ägyptenexpedition]]. Durch einen kleinen Vorraum gelangte man vom Hauptvestibül in das Herz der Ägyptischen Abteilung, dem von einem doppelten Glasdach bedeckten '''Ägyptischen Hof'''. In seiner Architektur war er eine auf ein Drittel verkleinerte Kopie des Säulenhofes des [[Ramesseum]]s in [[Karnak]]. Das [[Peristyl]] von 16 Säulen mit Lotuskapitellen, die eine Galerie trugen, umschloss den rechteckigen Raum. Auf dem Gesims über den Säulen war ''für den Kundigen''<ref name="Stüler 1"/> folgende Widmungsinschrift in [[Ägyptische Hieroglyphen|Hieroglyphen]] angebracht: ::::: ''Der königliche Sonnenaar, der Rächer Preußens, der König, der Sohn der Sonne, Friedrich Wilhelm&nbsp;IV., Philopator [griechisch für „der Vaterliebende“], Euergetes [griechisch für „Wohltäter“], Eucharistos [griechisch für „der Wohlgefällige“], von [[Thot]] und der [[Seschat|Safech]] geliebt, der siegreiche Herr des Rheins und der Weichsel, der erkoren ist von der Germania, hat aufrichten lassen in diesem Gebäude Kolosse, Statuen, Bilder und Bildwerke, Steine, Säulen und Särge, und vieles anderes Gute, was herbeigeführt ist aus Ägypten und dem Mohrenlande.''<ref name="Kunstschätze"/> Die Rückwände des Peristyls waren mit Ansichten von Landschaften und rekonstruierten [[Monument]]en Ägyptens geschmückt. Im Uhrzeigersinn vom Eingang des Hofes gesehen waren dies ''Die Pyramiden von [[Pepi-I.-Pyramide|Memphis]] oder [[Pyramiden von Gizeh|Gizeh]]'', ''Hathortempel und das Typhonium zu [[Dendera]]'' von [[Carl Graeb]], ''Das [[Ramesseum]] in Theben'', ''Die [[Memnon (Mythologie)|Memnonstatuen]] zu Theben'' von [[Wilhelm Schirmer]], ''Hypostyl oder Säulensaal zu [[Karnak]]'', ''Der Tempel zu Karnak'' von [[Eduard Pape]], ''Der Tempel zu [[Gerf Hussein]]'' von Wilhelm Schirmer, ''Die Felsengräber von [[Beni Hasan]]'' von Carl Graeb, ''Die Steinbrüche von Silfilis'' von [[Karl Eduard Biermann|Eduard Biermann]], ''Die Obelisken in dem kleinen Tempelhof zu [[Karnak]]'' von Eduard Biermann, ''Vorhof des Tempel zu [[Edfu]]'' von Eduard Biermann, ''Die Insel [[Philae]]'' von Eduard Biermann, ''Der Felsentempel von [[Abu Simbel]]'' von [[Max Schmidt (Maler)|Max Schmidt]], ''Der [[Barkal|Berg Barkal]]'' von Max Schmidt und ''Die [[Pyramiden von Meroe]]'' von Max Schmidt. Die Galerie und ihre Rückwände dienten der Aufstellung von Abgüssen aus Ägypten, Abgüssen [[Assyrer|assyrischer]] Kunstwerke aus [[Khorsabad]] und [[Nimrud]] und [[Perser (Volk)|persischer]] aus [[Persepolis]] und [[Pasargadae]]. Zugänglich war die Galerie über das große Treppenhaus im ersten Stock durch eine Tür unter der Treppe, die ins zweite Obergeschoss führte. Im an den Hof anschließenden [[Hypostyl]] trugen acht mit Hieroglyphen bemalte Säulen die blaue, mit gelben Sternen verzierte Decke. Die Tür rechts führte in den '''Historischen Saal''', dessen Wände geschmückt waren mit ''eine[r] Auswahl der bemerkenswerthesten historischen Darstellungen in möglichst treuen, farbigen Copieen der ägyptischen Originale''.<ref name="Stüler 1"/> Darunter waren Darstellungen aus dem Privatleben der Pharaonen, Schlacht- und Jagdszenen und religiöse Zeremonien als Kopien von Malereien aus den Tempeln von [[Medinet Habu]] und [[Karnak]], aus Gräbern und von Papyri. Über den Wandmalereien bildeten die [[Hieroglyphenkartusche|Kartuschen]] aller Pharaonen einen Fries. Zwölf Säulen trugen die Decke mit einer Dekoration aus sich fortlaufend wiederholenden Geiern als Kopie der Deckenmalereien aus dem Grab des [[Psammetich]]. In Glaskästen und offenen Schränken wurden einbalsamierte Tiere, kleine und größere Götterstatuen aus Erz und Stein, Schmuck, Kleidung und Gegenstände des täglichen Lebens gezeigt. Die Tür links führte in den '''Gräbersaal''', so benannt nach drei integrierten originalen Grabkammern. Im anschließenden säulenlosen '''Mythologischen Saal''' ruhte die Decke unterstützt von acht Wandpfeilern, eingemauerten Eisenbalken und -bindern auf den Längsmauern. Die untere Hälfte der Wände bedeckte eine gemalte, gelbliche Holztäfelung, darüber zeigten ein etwa gleich breites Band die Hauptgötter der ägyptischen Mythologie als Kopien ägyptischer Malereien. Ein schmaleres, etwa ein Drittel so hohes Band mit Darstellungen zum Totenkult, so zum Beispiel mit dem Totengericht des Osiris, zog sich in der obersten Wandzone auch über die Tragbalken mit den eingemauerten Eisenbindern. Die Decke zeigte auf tiefblauem Grund in Goldfarbe astronomische Darstellungen, zum Beispiel die Monatsgötter oder den [[Tierkreiszeichen|Zodiakus]] aus dem Tempel von [[Dendera]]. Zahlreiche Mumien und Sarkophage waren neben Grabbeigaben in diesem letzten Saal der Ägyptischen Abteilung ausgestellt. <br style="clear:both;" /> ==== Die Nordische Abteilung ==== [[Datei:Berlin Neues Museum vaterländischer Saal Drachen restored.jpg|miniatur|hochkant=1.2|Riesen im Kampf mit Drachen, Nixen im Spiel mit Bestien, 2000]] [[Datei:Berlin Neues Museum vaterlaendischer Saal Nornen restored.jpg|miniatur|hochkant=1.2|Die Nornen unter der Weltesche [[Yggdrasil]], 2000]] Aus dem Hauptvestibül gelangte man durch die Tür mit der Überschrift ''Nordische Alterthümer'' in den '''Vaterländischen Saal''', manchmal auch als '''Saal der nordischen Altertümer''' bezeichnet. Diese Sammlung urgeschichtlicher und bronzezeitlicher Funde ist die Urzelle des heutigen Museums für Vor- und Frühgeschichte. Die Decke ruhte mit Gurtbögen auf sechs Sandsteinsäulen, deren dorische [[Kannelierung|Kanneluren]] und [[Kapitell]]e aus weißem Marmorino geformt waren. Die Funde waren in Schränken aus Eichenholz zwischen den Säulen ausgestellt. Die Grundfarbe der Wände war ein Violettgrau. Die Malereien entstammten dem [[Nordische Mythologie|nordischen Sagenkreis]] der [[Edda]], ausgeführt von den Malern [[Gustav Richter (Maler)|Gustav Richter]], [[Robert Müller (Künstler)|Robert Müller]] und [[Gustav Heidenreich]]. Auf der Längswand gegen die Innenseite des Museums erschienen links auf dem ersten Gemälde [[Odin]], der König der Lichtgötter, auf seinem Thron in der Götterburg [[Asgard (Mythologie)|Asgard]] mit den beiden Raben [[Hugin und Munin]] und die Erdenmutter [[Hertha]] auf ihrem Wagen, dazwischen die Göttin der Nacht [[Nott]], mit ihrem Sohn [[Dag (Mythologie)|Dag]] zu Ross den Himmel umkreisend. Das nächste Fresko stellte [[Balder|Baldur]] und seinen Tod durch die List [[Loki]]s dar. Es folgte eine Darstellung des Frühlingsgottes [[Freyr]] und seiner Schwester [[Freya]] und als letztes Gemälde [[Tyr]], der Gott der Schlacht, und die Fahrt nach [[Walhall]]a. Auf der Längswand gegen die Außenseite war auf dem ersten Bild [[Thor]] zu sehen, auf seinem von zwei Steinböcken gezogenen Wagen zum Kampf gegen die [[Troll (Mythologie)|Bergtrolle]] aufbrechend, ihm gegenüber [[Elfen]] im Mondschein, ihrer Königin [[Titania (Elfenkönigin)|Titania]] Blumen und Kränze darreichend. Auf dem nächsten Fresko folgte eine Darstellung der Kämpfe der Riesen gegen die Drachen, gegenüber die Wassernixen in heiterem Spiel mit den Bestien. Das dritte Bild stellte die drei [[Nornen]] dar, die erste die Wurzel der Weltenesche [[Yggdrasil]] begießend, die zweite den Lebensfaden spinnend und die dritte am Strom der Zeiten sitzend, die Taten der Vergangenheit auf einen Schild zeichnend. Das letzte Gemälde stellte den bösen Gott Loki und seine Tochter [[Hel (Mythologie)|Hel]], die Herrscherin der Unterwelt, dar. Auf der Wand gegen das Eingangsvestibül stellten drei Gemälde Walhalla, den nordischen Himmel, [[Gimil]], die Au der Seligen und den Pfad in die Unterwelt dar. Im Durchgangsraum zum Südvestibül befanden sich zwei weitere Wandgemälde von [[Ferdinand Konrad Bellermann]], ''Arkona auf Rügen mit den Hünengräbern'' und ''Stubbenkammer mit einem Opferringe''. ==== Die Ethnografische Abteilung ==== [[Datei:Berlin Neues Museum Decke Ethnographischer Saal.jpg|miniatur|hochkant=1.2|Decke des Flachkuppelsaals]] In den anschließenden drei Sälen der Ethnografischen Abteilung, dem '''Flachkuppelsaal''' mit den namengebenden flachen Kuppelgewölben aus Tontöpfen und dem nischenartigen Abschluss, dem Nebensaal für kleinere Gegenstände und dem '''Ethnografischen Saal''' mit den dorischen Säulen, waren die völkerkundlichen Exponate ausgestellt. Aufgrund der zeitlichen und regionalen Inhomogenität beschränkte Stüler in diesem Räumen die mehrfarbige Dekoration auf die Decken, die Wände waren einfarbig in hellen Wachsfarben gehalten. Der Aufsatz ''„Das neue Museum zu Berlin“'' in der ''Zeitschrift für Bauwesen'' 1853 beschreibt die damalige Aufstellung. Die Kunst der nach dem damaligen Verständnis ''vollkommen barbarischen Völker, wie sie Africa und Oceanien bietet'' und die ''schon bedeutsamere[n] Gegenstände, wie sie Polynesien und Indien liefern'', waren im Flachkuppelsaal und im Saal für kleinere Gegenstände ausgestellt. Die ''Sachen aus China, Japan und Mexico'', in denen sich ''theils ein ganz besonderer Kunstfleiß bei der Behandlung des Materials ausspricht, theils auch schon die Andeutung einer geistvolleren Auffassung erscheint'', fanden ihren Platz im Hauptsaal der Sammlung, dem Ethnografischen Saal und im anschließenden '''Saal hinter der Treppe'''.<ref name="ZfB">[[Friedrich Adler (Baurat)|Friedrich Adler]]: ''Das Neue Museum in Berlin''. In: ''Zeitschrift für Bauwesen''. 3, 1853, S.&nbsp;23–34 und S.&nbsp;571–586, Zitat S.&nbsp;26</ref> Die Säle der Nordischen und der Ethnografischen Abteilung umfassten den südlichen Hof des Museums, '''Griechischer Hof''' genannt nach Köpfen der griechischen Götter [[Zeus]], [[Hera]] und [[Athene]] an der Außenwand des Treppenhauses. In der Höhe zwischen dem zweiten und dritten Stockwerk war der auf drei Seiten den Hof umlaufende 1,50&nbsp; Meter hohe Relieffries ''Die Zerstörung von Pompeji'' von [[Hermann Schievelbein]] angebracht. Auf der Höhe des ersten Stockwerkes umgab ein 1,70&nbsp;Meter ausladendes Schutzdach als Wetterschutz den Hof auf drei Seiten, um die Aufstellung von frühchristlichen und mittelalterlichen Architekturfragmenten zu ermöglichen. Eine kunstvolle Pflasterung und die Aufstellung eines alten Brunnens von [[Pankraz Labenwolf]] sollten in Analogie zum Ägyptischen Hof die Atmosphäre eines mittelalterlichen Klosterhofes erzeugen. Der Hof war durch eine doppelläufige Treppe vom zentralen Treppenhaus erreichbar. An der nördlichen Schmalseite ragte eine Apsis in den Hof. === Erstes Obergeschoss – die Sammlung der Gipsabgüsse === Das ganze erste Obergeschoss war ''für die Aufstellung einer möglichst vollständigen Sammlung von Gypsabgüssen nach der Antike und nach den besten Werken des Mittelalters und der nachfolgenden Zeiten bestimmt, so dass in derselben eine Uebersicht der Geschichte der Sculptur in ihren besten Erzeugnissen gegeben wird''<ref name="Stüler 1"/>, wie Stüler in seiner Publikation zum Neuen Museum schreibt. Die Lage im Obergeschoss ermöglichte einerseits über den Verbindungsgang den Anschluss an die Skulpturengalerie im Alten Museum, die ausschließlich Originale aus Marmor und Erz enthielt. Andererseits verdeutlicht die erhöhte Lage im [[Piano Nobile|piano nobile]] über den nach damaligem Verständnis primitiveren Kunstwerke im Untergeschoss die Bedeutung als ''eigentlicher Mittelpunkt aller Sammlungen''. Für die Präsentation der Abgüsse entwarf Stüler eine Folge von Ausstellungsräumen mit verschiedensten Grundformen und dem Wechsel von Seiten- und Oberbeleuchtung. Die bunten, dekorativen Mosaikfußböden wurden mit Steingutplättchen aus der Fabrik von Ernst March in aufwändiger Arbeit verlegt, kombiniert mit eingefärbtem [[Fußboden|Gipsestrich]] oder Naturstein. ==== Griechischer Saal ==== [[Datei:Griechischer Saal um 1850.jpg|miniatur|hochkant=1.2|Der Griechische Saal um 1850]] Der Griechische Saal erstreckte sich über den gesamten Nordwestflügel des ersten Obergeschosses. Seine Decke, ein gemaltes [[Velarium]] in lichtem Gelb, wurde von sieben Bogensehnenträgern aus Eisen getragen, verkleidet durch vergoldete Figuren aus Zinkguss und Messing. Die Wände waren im unteren Bereich in pompejanischem Rot bemalt und poliert, oben zeigten zehn Landschaftsbilder Stülers Rekonstruktionen griechischer Architekturen in Griechenland, Sizilien und Kleinasien (''[[Athen]] mit der [[Akropolis (Athen)|Akropolis]]'' von [[Carl Graeb]], ''Die Akropolis'' von [[Eduard Pape]], ''Die Zeusstatue des [[Phidias]] im Tempel zu [[Olympia (Griechenland)|Olympia]]'' von Eduard Pape, ''Das Denkmal des [[Lysikrates]] in Athen'' von Eduard Pape, ''Der Tempel des [[Zeus|Zeus Panhellenios]] zu [[Ägina (Griechenland)|Aegina]]'' von [[Wilhelm Schirmer]], ''Der heilige Hain zu Olympia'' von Carl Graeb, ''Der [[Apollontempel bei Bassae|Phigalia]] mit dem Tempel des [[Apollon|Apollo Epikurios]]'' von Wilhelm Schirmer, ''Das Theater von [[Syrakus]]'' von [[Karl Eduard Biermann]], ''[[Lykier|Lykische]] Grabmäler'' von [[Max Schmidt (Maler)|Max Schmidt]] und ''Hain und Altar des [[Zeus|Zeus Lykaios]] in [[Arkadien]]'' von Max Schmidt). Die Landschaftsbilder mit der heilen, rekonstruierten Architektur standen in bewusstem Gegensatz zu den meist verstümmelten Statuen und sollten ''[…] wie eine farbige Verklärungsglorie über den Trümmerresten […] schweben, deren Abgüsse dieser Saal beherbergt.''<ref name="Kunstschätze"/> Die Glanzlichter unter den aufgestellten Gipsabgüssen griechischer Bildhauerkunst waren der Giebel des Tempels in Aegina (Original in der [[Glyptothek (München)|Glyptothek in München]]) und der [[Parthenon]]fries (Original im [[British Museum|Britischen Museum]]). Stüler plante ursprünglich die Aufstellung des Parthenonfrieses auf der Galerie des Ägyptischen Hofes. Diese Wandflächen wurden dann aber für die ägyptischen und assyrischen Skulpturen gebraucht. Daher musste der Griechische Saal durch niedrige Querwände geteilt werden. Der bekannte Architekturtheoretiker und Kunsthistoriker [[Karl Bötticher]] rekonstruierte den Ostgiebel des Aeginatempels ''in den ursprünglichen Farben''.<ref name="Stüler 1"/> Stüler bezieht sich hier auf den seinerzeitigen [[Antike Polychromie#Unterschiedliche Ansichten|Polychromiestreit]] und zeigt sich gut informiert und interessiert an damals aktuellen Fragen. Wie in den Räumen der Ägyptischen Sammlung zeigt sich so der Wechsel von der romantischen Begeisterung und Verklärung zur wissenschaftlichen Methodik. [[Datei:Berlin Neues Museum Laokoonkabinett AS.jpg|miniatur|hochkant|links|Purpurfarbene Wand und Decke mit pompejanischen Malereien im Laokoonkabinett, 1874]] ==== Laokoonkabinett und Apollosaal ==== Durch das ebenfalls mit Hilfe Karl Böttichers gestaltete Laokoonkabinett ''in dem antiken Purpur ähnlichen Ton''<ref name="Stüler 1"/>, wo ein Abguss der berühmten [[Laokoon-Gruppe]] aufgestellt war, gelangt man in den Apollosaal. Der rechteckige Saal erhielt Seiten- und Oberlicht durch einen erkerartigen Vorbau an der Nordwand mit zwei kleinen Nischen links und rechts des Fensters, die wie die größeren Nischen in der Mitte der Längswände der Aufstellung berühmter Statuen wie etwas des ''[[Endymion (Griechische Mythologie)|Endymion]] von Stockholm'', der ''[[Diana (Mythologie)|Diane]] von Versailles'' oder des ''Apollo vom Belvedere'' dienten. Der eigentliche Raum mit seiner den Bädern in Pompeji nachgebildeten Tonnendecke wurde dominiert durch einen Abguss des ''Farnesischen Stieres''. Durch eine Tür an der dem Fenster gegenüberliegenden Wand gelangte man über einige Stufen auf den Umgang des Ägyptischen Hofes. Das Farbkonzept mit violetten Wänden und vorherrschend weißer Decke mit leichten pompejanischen Malereien glich dem des Laokoonkabinetts. [[Datei:Berlin Neues Museum Nordkuppelsaal Stueler.jpg|miniatur|hochkant=1.2|Schnitt durch den Nordkuppelsaal]] ==== Nordkuppelsaal ==== Der folgende achteckige Nordkuppelsaal von über 12&nbsp;Meter Höhe nahm die Nordwestecke des Gebäudes ein und war nur durch Oberlicht erhellt. Vier runde wechselten mit vier eckigen Nischen. Zwei davon verbanden als Türen mit dem Apollosaal und dem Niobidensaal. In den übrigen waren Statuen aufgestellt. Die Wände waren in grünem [[Porphyr]] gehalten. In den halbkreisförmigen Feldern über den viereckigen Nischen und Türen zeigten Heroenbilder die Taten griechischer Helden (''[[Herakles|Herkules]] bezwingt die goldbekrönte [[Kerynitische Hirschkuh|Hirschkuh von Kerynea]]'', ''[[Bellerophon]] auf [[Pegasos (Mythologie)|Pegasus]] tötet die [[Chimäre (Mythologie)|Chimäre]]'', ''[[Perseus (Mythologie)|Perseus]] befreit [[Andromeda (Mythologie)|Andromeda]] und ''[[Theseus]] tötet den [[Minotauros|Minotaurus]]) nach Entwürfen der Maler [[Eduard Daege]], [[August Ferdinand Hopfgarten]], [[Eduard Steinbrück]] und [[Adolf Schmidt (Maler)|Adolf Schmidt]] ausgeführt von Eltester und Bögel. In den Kassetten der Kuppel waren 16 Genien im Spiel mit den Göttern geheiligten Tieren und Attributen der Götter dargestellt, ausgeführt von Eduard Daege, August Ferdinand Hopfgarten, Eduard Steinbrück und Adolf Schmidt. [[Datei:Berlin Neues Museum Niobidenssal.jpg|miniatur|hochkant=1.2|left|Niobidensaal gegen den Nordkuppelsaal]] ==== Niobidensaal ==== Den anschließenden Niobidensaal betreten die Besucher durch ein Portal, eingefasst durch die Abgüsse zweier [[Karyatide]]n nach Originalen aus der [[Villa Albani]]. Über der Tür steht in goldener Schrift auf schwarzem Grund ES SCHUF PROMETHEUS JEDE KUNST DEN STERBLICHEN. – ein Zitat aus [[Der gefesselte Prometheus (Aischylos)|Der gefesselte Prometheus]] von [[Aischylos]]. Das ähnlich gestaltete Portal an der gegenüberliegenden Wand zum Bacchussaal ist überschrieben mit STAUNLICHES WALTET VIEL UND DOCH NICHTS ERSTAUNLICHRES ALS DER MENSCH. – ein Zitat aus [[Antigone (Sophokles)|Antigone]] von [[Sophokles]]. Den Saal gestaltete Stüler sehr ähnlich wie den Griechischen Saal – Wände in pompejanischem Rot, die Decke in etwas dunkleren gelben Dekorationsmalereien mit gemalten Terrakottareliefs und zehn mit vergoldeten Zinkgussteilen verzierte Bogensehnenträger. In den oberen Wandzonen erzählten 21 Wandgemälde in viereckigen, achteckigen oder runden vergoldeten Rahmen antike Sagen (''[[Orpheus]] in der Unterwelt'', ausgeführt von [[Wilhelm Peters (Maler)|Wilhelm Peters]] nach dem Entwurf von [[Bonaventura Genelli]], ''[[Kadmos|Cadmus]] tötet den Drachen'' von [[Karl Becker (Maler)|Karl Becker]], ''[[Hypsipyle]] findet den von einer Schlange getöteten [[Opheltes]]/[[Opheltes|Archemoros]]'' von Karl Becker, ''[[Merkur (Mythologie)|Merkur]] schläfert [[Argos (Riese)|Argus]] ein'' von Karl Becker, ''Der aus Theben vertriebene blinde [[Ödipus]] wird von seiner Tochter [[Antigone]] geführt'' von [[August Theodor Kaselowsky]], ''[[Pelops]] und [[Hippodameia (Pisa)|Hippodamia]] nach dem Sieg im Wagenrennen'' von August Theodor Kaselowsky, ''[[Tantalos]] und [[Sisyphos]] im Hades'' von August Theodor Kaselowsky, ''[[Iason|Jason]] und [[Medea]] mit dem Goldenen Vlies und dem getöteten Drachen'' von August Theodor Kaselowsky, ''[[Diana (Mythologie)|Diana]] bewahrt [[Iphigenie]] vor der Opferung'' von [[Adolf Henning]], ''[[Achilleus|Achilles]] empfängt von [[Thetis (Mythologie)|Thetis]] eine neue Rüstung bei der Leiche des [[Patroklos]]'' von Adolf Henning, ''Rettung des [[Odysseus]] durch den Schleier der [[Leukothea (Mythologie)|Leukothea]]'' von Adolf Henning, ''[[Aeneas|Äneas]] flieht mit [[Anchises]] und [[Iulus|Ascanius]] aus dem brennenden [[Troja]]'' von Adolf Henning, ''[[Daidalos|Dädalus]] fertigt die Flügel für [[Ikarus]] an'' ausgeführt von Wilhelm Peters nach dem Entwurf von Bonaventura Genelli, ''[[Prometheus]] am Felsen'' ausgeführt von Wilhelm Peters nach dem Entwurf von Bonaventura Genelli, ''Der pflügende [[Romulus und Remus|Romulus]]'' von Adolf Henning, ''Der Zorn des [[Ajax der Große|Ajax]]'' von Adolf Henning, ''[[Meleagros (Mythologie)|Meleager]] überreicht [[Atalante]] das Haupt des [[Kalydonischer Eber|Calydonischen Ebers]]'' von August Theodor Kaselowsky, ''[[Peleus]] entführt [[Thetis (Mythologie)|Thetis]]'' von August Theodor Kaselowsky, ''[[Hyllos]], Sohn des [[Herakles|Herkules]], bringt seiner Mutter das Haupt des [[Eurystheus]] von Karl Becker, ''[[Kekrops I.|Kekrops]] betet die Statue der [[Athene]] an'' von Karl Becker, ''Die Erziehung des [[Achilleus|Achilles]] durch [[Cheiron|Chiron]]'' ausgeführt von Wilhelm Peters nach dem Entwurf von Bonaventura Genelli). Die Einfassungsarabesken in [[Grisaille]] führte ebenfalls Wilhelm Peters aus. Der Saal erhielt seinen Namen von der hier aufgestellten Statuengruppe der [[Niobe (Mythologie)|Niobe]], im übrigen waren hier Abgüsse aus dem Übergang der griechischen zur römischen Kunst ausgestellt. ==== Bacchussaal ==== Der folgende Bacchussaal lag wieder im Mittelbau des Mittelbaus des Museums unter dem Treppenaustritt und dem Verbindungsgang zwischen den Sälen des dritten Geschosses. So bestand der Saal aus einem höheren Teil mit flacher Decke, in dem die Fenster lagen, und einem niederen Teil, wo drei Tonnengewölbe auf Säulen aus violett-braunem Pyrenäen-Marmor die Treppe trugen. Die Gewölbe waren im pompejanischen Stil mit um ein Bronzegitter rankendem Weinlaub ausgemalt. Die Wände in einem dunklen gesättigtem Violett verliehen dem eher kleinen Raum einen intimen Charakter, dazu passend wurden darin häusliche Gerätschaften und Gebrauchsgegenstände der Antike sowie Abgüsse antiker Kleinkunst präsentiert. ==== Römischer Saal ==== {| align="right" | valign="top"|[[Datei:Eduard Pape Kaiserpaläste und Circus maximus in Rom.jpg|thumb|upright=1.2|Römischer Saal: Kaiserpaläste und Circus maximus in Rom, 2001]] | valign="top"|[[Datei:Berlin Neues Museum Decke römischer Saal.jpg|thumb|upright=1.5|Entwurf der Decke des Römischen Saales (in der Ausführung abweichend)]] |} Im Römischen Saal, so benannt nach den hier ausgestellten Abgüssen römischer Skulpturen, wurde die Decke nicht wie in den vorangegangenen durch eine Eisenkonstruktion, sondern durch drei Bogenstellungen auf Säulen aus braunem böhmischen Marmor mit ionischen Kapitellen getragen, die den Raum gleichzeitig in vier Abschnitte aufteilten. In der Längswand gegen den Griechischen Hof war pro Abschnitt eine Nische eingelassen, die zusammen mit dem durch die vorgemauerte Heizungsverkleidung entstehenden Absatz zur Aufstellung kleinerer Exponate genutzt wurden. Die mit Goldleisten unterteilte Decke mit bunten Kassettenfeldern zeigte in der Mitte je drei Städtewappen nach griechisch-römischen Städtemünzen. Der Maler [[Eduard Pape]] malte die 17 Prospekte römischer Städte und Landschaften mit Rekonstruktionen römischer Architekturen in der oberen Wandzone (''Das [[Forum Romanum]]'', ''Das [[Trajansforum|trajanische Forum]]'', ''Die Römischen Kaiserpaläste mit dem Circus maximus'', ''Die Villa Tiburtina des [[Trajan]]'', ''Die [[Caracalla-Thermen|Thermen des Caracalla]]'', ''Der Tempel in [[Praeneste]]'', ''Das Forum in [[Pompeji]]'', ''Die [[Tiber]]insel in Rom'', ''Die Gräberstrasse in Pompeji'', ''Triumphzug durch den [[Konstantinsbogen]]'', ''Die [[Porta Nigra]] in [[Trier]]'', ''Hof der Casa delle fontana in Pompeji'', ''[[Stibadium]] im Tuscum des Plinius'', ''Grabmal der Familie der Plautier bei Tivoli'', ''Inneres des [[Grab der Scipionen|Scipionen-Grabes]] bei Rom'', ''Columbarium der Livia Augusta in Rom'' und ''Der [[Isis (Ägyptische Mythologie)|Isis]]-Tempel in Pompeji''). Die dunkelgrünen Wände waren mit leistenartigen Goldlinien verziert, mit ähnlichen Goldlinien war die Kannelierung der Säulen versehen. Die mit Mosaiken verzierten Säulen der Portale trugen im Architrav auf der Seite gegen den Bacchussaal ein Bild ''[[Poseidon]] und sein Gefolge'', ausgeführt durch Eduard Pape und [[Carl Friedrich Seiffert]]. ==== Südkuppelsaal ==== {| align="right" | valign="top"|[[Datei:Berlin Neues Museum Suedkuppelsaal Stueler.jpg|miniatur|200x216px|Der Südkuppelsaal gesehen vom Römischen Saal, 1862]] | valign="top"|[[Datei:Berlin Neues Museum Verbindung altes Museum.jpg|miniatur|hochkant=1.45|Die Verbindungsgalerie zum Alten Museum, Blick Richtung Südkuppelsaal, 1862]] |} Der Südkuppelsaal bekam sein Licht über das Oberlicht in der Kuppel und aus dem Verbindungsgang zum Alten Museum, zu dem eine Treppe mit elf Stufen führte. Durch diese Verbindung hatte der Südkuppelsaal für die Besucher aus dem Alten Museum auch die Funktion eines Vestibüls, was sich in der aufwändigen Gestaltung äußerte. Die Kuppel füllte ein rotes, mit goldenen Sternen verziertes [[Velarium]], in den [[Kuppel|Pendentifs]] trugen [[Medaillon (Ornament)|Medaillons]] die [[Kardinaltugend]]en mit den Allegorien der vier Hauptstädte des christlichen Altertums und des frühen Mittelalters, [[Rom]], [[Jerusalem]], [[Konstantinopel|Byzanz]] und [[Aachen]], auf Goldgrund, gemalt von [[Eduard Daege]]. Die Wände waren in einem schlichten, lichten Braun gehalten. In den oberen Zonen zeigten großformatige Historiengemälde den Umbruch von der Antike zum christlichen Mittelalter. In der [[Konche (Architektur)|Konche]] in Richtung des Römischen Saals verkörperte ein Porträt des Kaisers [[Augustus]] die Antike. Im Bogenfeld über dem Portal zum Verbindungsgang zum Alten Museum, also in der Blickrichtung des Besuchers, markierte ''Die Anerkennung des Christentums durch Konstantin'' von [[Hermann Stilke]] die Wende von der heidnischen Antike zur christlichen Spätantike. Im Deckenbild im Scheitel des Gewölbes thronte die ''Religion, die heilige Kunst erweckend und belebend'', begleitet von zwei weiteren Gemälden mit Förderern des christlichen Glaubens und christlicher Kunst: ''[[Theodosius I.|Theodosius]] begrüßt in Constantinopel den Goten-Fürsten [[Athanarich]]'' und ''[[Theoderich der Große|Theoderich]] empfängt zu Ravenna die Gesandten verschiedener Völker, die seiner Größe huldigen''. Immer noch im Themenkreis Byzanz/Spätantike zeigte das dazwischenliegende große Wandgemälde an der Außenwand ''Die Einweihung der [[Hagia Sophia|Sophienkirche zu Constantinopel]] durch Kaiser [[Justinian I.|Justinian]] im Jahre 549'' des Malers [[Julius Schrader]] – wiederum mit wissenschaftlichem Anspruch bei der Darstellung der Hagia Sofia, ''wofür die neuern Aufnahmen dieses Vorbildes der griechischen Kirchen benutzt wurden''. Der Zyklus schloss an der gegenüberliegenden Wand mit der ''Versöhnung des Sachsenherzoges [[Widukind (Sachsen)|Wittekind]] mit [[Karl der Große|Karl dem Großen]]'', ausgeführt von [[Gustav Graef]] nach dem Karton von Wilhelm von Kaulbach, dem Maler der Fresken im großen Treppenhaus. Dieses letzte Gemälde symbolisierte den Beginn des christlichen deutschen Kaisertums, befriedigte aber vermutlich in den Augen der Zeitgenossen wie die Allegorien der christlichen Hauptstädte Legitimationsansprüche der sich bildenden deutschen Nation. ==== Saal für Kunstwerke des Mittelalters ==== [[Datei:Berlin Neues Museum Decke Saal für Kunstwerke des Mittelalters.jpg|miniatur|Decke Mittelalterlicher Saal]] Den Mittelalterlichen Saal oder Saal für Kunstwerke des Mittelalters gestaltete Stüler nach den Formen einer dreischiffigen Basilika mit Apsis. Vier dunkle Marmorsäulen trugen die Decke und unterteilten sie dadurch in neun flache Kuppeln. Die Maler [[Eduard Holbein]], Schütz und [[Karl Stürmer]] führten die Porträts der Kaiser des Heiligen Römischen Reiches von [[Heinrich I. (Ostfrankenreich)|Heinrich&nbsp;I.]] bis [[Maximilian I. (HRR)|Maximilian&nbsp;I.]] auf Goldgrund im Zentrum der Kuppeln aus. In den [[Kuppel|Pendentifs]] wurden Allegorien deutscher Städte angebracht, stellvertretend für mittelalterliche Bauwerke, die mit der Regentschaft des jeweiligen Kaisers in Verbindung gebracht wurden. ''In jeder der neun Kuppeln befindet sich das Bildnis eines der deutschen Kaiser, unter welchem die Ausübung der Künste blühte, umgeben von den Darstellungen derjenigen Personen und der Namen der Städte, welche die Geschichte und die uns überkommenen Denkmale als nach dieser Richtung besonders thätig bezeichnen.''<ref name="Stüler 3"/> [[Heinrich IV. (HRR)|Heinrich&nbsp;IV.]] war zum Beispiel von [[Worms]], [[Speyer]], [[Trier]] und [[Corvey]] umgeben. Die durch Oberlicht erhellte Apsis mit fünf Nischen schloss den Raum gegen den Griechischen Hof ab. In dieser ''stillen Kapelle'' nach dem ''rauschenden Bacchanal des heidnischen Polytheismus''<ref name="Kunstschätze"/> waren die Abgüsse mittelalterlicher Kunstwerke aufgestellt, wie auch im anschließenden '''Bernwardzimmer''' mit dem Deckengemälde ''Der heilige [[Bernward von Hildesheim|Bernward]] gießt die [[Christussäule (Hildesheim)|Bernwardsäule]]'' an der Südwestecke des Museums. <br style="clear:both;" /> ==== Moderner Saal ==== {| align="right" | [[Datei:Berlin Neues Museum Moderner Saal Stueler.jpg|miniatur|Der Moderne Saal, 1862]] | [[Datei:Berlin Neues Museum Wand Moderner Saal.jpg|miniatur|hochkant=1.8|Wandsystem gegen den Griechischen Hof mit Nischen, Wandmalereien und Heizungssystem]] |} Der Moderne Saal bildete den Abschluss der Gipssammlung und war den Skulpturen der Renaissance bis zum frühen 19.&nbsp;Jahrhundert gewidmet. Sechs Bogenstellungen mit je zwei Säulen aus violett-bräunlichem Marmor mit ionischen Kapitellen trugen die Decke und unterteilten den Raum in sieben kleinere Abteilungen, zusätzlich durch zwischen den Säulen stehende Zwischenwände getrennt. Wie im Griechischen Saal erforderte die Menge der Ausstellungsstücke mehr Hängefläche, gleichzeitig erlaubten sie eine ''strengere Sonderung der Kunstwerke nach Schulen und Zeitepochen''.<ref name="Stüler 4">Friedrich August Stüler: ''Das neue Museum in Berlin: 24 Tafeln.'' Ernst & Korn, Berlin 1862 – Erläuterungen Tafeln XXI – XXIV</ref> An der Innenwand gegen den Griechischen Hof war pro Abteilung eine Nische mit darüberstehenden Wandmalereien angebracht. Die Haupt- und Zwischenwände waren gelblichbraun getönt, der Sockelbereich violettgrau. Die Malereien im oberen Wandbereich waren in steingrauen Tönen gehalten, einen Farbakzent bildete der blaue Hintergrund der Figuren links und rechts der Nischen. Gurtungen in Arabeskenmalereien zwischen den einander gegenüber stehenden Säulen gliederten die Decke und in den Scheiteln des Mittelganges schilderten sieben achteckige Wandgemälde die Entwicklung der Industrie und der Künste in Allegorien der Landwirtschaft, des Prägewesen, der Bildenden Kunst, der Architektur, der Gold- und Eisenschmiedekunst sowie des Maschinenbaus. Die durchbrochenen Mäntel der Wasserheizungsöfen und die anstoßenden, 90&nbsp;Zentimeter hohen Wandtische, die die Heizröhren verdeckten, wurden zur Aufstellung größerer und kleinerer Bildwerke genutzt. An der Südwand war ein Abguss der Paradiespforte des [[Baptisterium San Giovanni|Baptisteriums von San Giovanni]] in [[Florenz]], ein Werk von [[Lorenzo Ghiberti]] eingelassen. <br style="clear:both;" /> === Zweites Obergeschoss – Kupferstichkabinett und Kunstkammer === Das dritte Geschoss teilten sich das Kupferstichkabinett und die Kunstkammer, neben einigen Nebenräumen für die Museumsdiener und die Direktion. Für gute Lichtverhältnisse sollten die Räume möglichst hoch sein, was durch ''die Rücksicht beschränkt wurde, das neue Museum über das bereits bestehende nicht auffallend zu erheben und die ohnehin wenig tiefen Räume nicht durch Gewölbewiderlagen zu beengen.''<ref name="Stüler 1"/> Stüler löste diese Herausforderung, indem er im dritten Geschoss ausnahmslos Eisenkonstruktionen für die Decken verwendete, die ''obschon nach der Linie der Deckenwölbung construirt, doch keinen Schub auf die Umfassungsmauern ausüben, sondern nur dazu dienen durften, die Wölbeconstructionen zu tragen und zugleich die Mauern zu verankern.''<ref name="Stüler 1"/> Die Beleuchtung verbesserte er, indem die Räume zusätzlich Fenster gegen den Luftraum des Griechischen und Ägyptischen Hofes erhielten, also von zwei Seiten. Die geringere Raumhöhe gegenüber den anderen Geschossen erlaubte keine großangelegten Wandbildzyklen, die dort jeweils in den oberen Wandzonen angelegt wurden. Die Fußböden wurden in Eichenparkett ausgeführt, also einem eher weichen und empfindlichen Material. Dies war gerechtfertigt durch die im Gegensatz zu den teilweise tonnenschweren Exponate der Sammlungen der unteren Geschosse wesentlich leichteren Ausstellungsstücke und den kleineren Besucherstrom in diesen Spezialsammlungen. ==== Kupferstichkabinett ==== [[Datei:Berlin Neues Museum Decke Gruener Saal.jpg|miniatur|hochkant=2.0|Decke im Grünen Saal, um die Mitte vier Medaillons mit Porträts von Rembrandt, Van Dyck, Lucas van Leyden und Hans Holbein, Gemälde links ''Die Industrie des Kupferdruckes'', Gemälde rechts ''Die Erfindung der Malerei''; Tafel von Friedrich August Stüler, 1862]] Im Nordflügel um den Luftraum des Ägyptischen Hofes befanden sich die Räume des Kupferstichkabinetts, das auch eine Sammlung von Handzeichnungen berühmter Meister umfasste. Im allen Besuchern zugänglichen, langgestreckten '''Roten Saal''', so benannt nach der Farbe der Wände, trugen zehn flachbogige Eisenbinder die einfach bemalte Decke. Die künstlerische Ummantelung der Eisenbinder mit vergoldeten Figuren und Arabesken aus Zinkguss war weniger aufwändig als im darunterliegenden Niobidensaal. Über den Fenstern zeigten Medaillons ''Celebritäten des Grabstichels und des Crayons''.<ref name="Kunstschätze"/> In einer Nische in der Nordwand des Saales Stand eine Büste von [[Albrecht Dürer]]. Im anschließenden '''Grünen Saal''' oder '''Saal der Handzeichnungen''', so benannt nach der lichtgrünen Färbung seiner Wände, wurde die zum Zeitpunkt der Museumseröffnung ungefähr 30.000&nbsp;Blätter umfassende Sammlung der Handzeichnungen aufbewahrt. Prunkstück der Innenausstattung war die flachgewölbte, durch vier gemalte Gurtbögen ''in der Farbe des gebrannten Thones''<ref name="Stüler 4"/> und durch vergoldete Zinkgussleisten gegliederte Decke. Um ein kräftig dunkelblaues Feld in der Mitte tanzte eine Gruppe kranztragender Kinder. Vier erhabene Medaillons zeigten die berühmten Kupferstecher und Zeichner [[Rembrandt van Rijn]], [[Anthonis van Dyck]], [[Lucas van Leyden]] und [[Hans Holbein der Jüngere|Hans Holbein den Jüngeren]]. Im vorderen und hinteren Feld der Decke schilderten die beiden rechteckigen Gemälde ''Die Erfindung der Malerei'' und ''Die Industrie des Kupferdruckes'', die dazwischenliegenden Flächen füllten Szenen mit kleineren Figuren, Allegorien, Ornamente und Arabesken in hellen Farben. Wiederum acht Bogensehnenträger trugen die einfach bemalte Decke im '''Blauen Saal''', der ''[…] durch sein sanftes Hellblau ein überaus zartes, leichtes und luftiges Ansehn gewinnt, das unsere Seele mit heitrem Behagen füllt.''<ref name="Kunstschätze"/> In diesem Saal war die Studiensammlung des Kupferstichkabinetts untergebracht, die ''nur auf besonderen Wunsch einer oder mehr vertrauten Personen geöffnet wird''.<ref name="Stüler 1"/> Die Zahl der zum Zeitpunkt der Eröffnung verwahrten Blätter der Kupferstichsammlung betrug eine halbe Million. Das damalige Ausstellungskonzept in den Worten Stülers: ''In allen diesen Räumen sind die Wände und Glas-Schränke zur Ausstellung des Bedeutendern der Sammlung benutzt, so dass namentlich die Geschichte der Kupferstecher- und Holzschneidekunst selbst dem flüchtigen Besucher in den besten Erzeugnissen vorgeführt wird und zum weitern Verfolg und Genuss, welcher in der sehr reichen Sammlung die vollkommenste Befriedigung findet, auffordern. Bilder, die mehr in das Gebiet der Handzeichnungen gehören, schmücken die Wände, kleinere sind auf beweglichen Schirmwänden angeordnet.''<ref name="Stüler 1"/> [[Datei:Berlin Neues Museum Eisenkonstruktuktion Kunstkammersaal.jpg|miniatur|hochkant=0.7|left|Verkleidete Eisenkonstruktion in den Kunstkammersälen]] ==== Kunstkammer ==== Die Räume der '''Kunstkammer''', eine Sammlung ''historische<nowiki>[r]</nowiki> Merkwürdigkeiten und Werke der Kunstindustrie des Mittelalters wie der neueren Zeit, herrliche Elfenbeinarbeiten und Schnitzeleien in Holz, Raritäten in Glas, Porzellan usw. ''<ref name="Kunstschätze"/>, gruppierten sich um den Luftraum des Griechischen Hofes im Südflügel. Die massiven Säulen und Bogenstellungen aus Marmor der unteren Geschosse waren hier durch leichte, platzsparende Eisenkonstruktionen ersetzt. Die filigranen Verzierungen waren nicht aus Eisenguss, ''da erfahrungsmässig feinere Ornamente an solchen grossen Constructionstheilen aus dem [Eisen]-Guss sehr unrein und unvollkommen hervorgehen.''<ref name="Stüler 1"/> Stüler ließ deshalb die Ornamente in Zinkguss herstellen und wie die aus Zinkblech getriebenen Gesimse vergolden und damit die durchaus sehr modern wirkende Eisenkernform durch diese Kunstform verkleiden. ''Trotz der Verkleidung fielen die Abmessungen der Stärken in allen Architektur- und Ornamentformen sehr mässig aus und es konnte diese ganze Metall-Architektur vergoldet werden, ohne den Eindruck überladener Pracht hervorzubringen. Durch einfache Schablonenmalerei in braunen Tönen an passenden Stellen wurde dieser Eindruck noch gemildert und dem Ganzen noch mehr der Character einer feinen und sorgfältigen Ausführung, wie derselbe den Metallarbeiten der Antike und des 16.&nbsp;Jahrhunderts eigen ist, aufgeprägt. Einfache Schablonenmalereien verzierten die flachgewölbten Decken im '''Östlichen Kunstkammersaal''' und im '''Westlichen Kunstkammersaal''', die Wände waren in allen Sälen rot gehalten, insgesamt zeigen die Säle aber ''in ihrer Farbendecoration nichts der Erwähnung werthes''.<ref name="Stüler 1"/> Der zwischen dem Westlichen und dem Östlichen Kunstkammersaal liegende '''Majolikasaal''' trug auf seiner Eisenkonstruktion sechs Flachkuppeln, ähnlich wie der Flachkuppelsaal im Erdgeschoss. Die Kuppeln waren ''in reicherer Haltung verziert'',<ref name="Stüler 1"/> motiviert durch die Bestimmung des Saales für die Aufstellung der reichen Sammlung von Majoliken und Emaillen. Stüler hatte dafür eigens 2,9&nbsp;Meter hohe und 3,1&nbsp;Meter breite Glasschränke entworfen. An der Südwestecke des Gebäudes befand sich der '''Sternensaal''' oder '''Gotische Saal''', ein vieleckiger Raum zur Aufnahme kirchlicher Geräte. Unter dem „gotischen“ Gewölbe, das den Raum überdeckte, verbarg sich eine weitere Eisenkonstruktion – dem Gewölbedruck eines echten Gewölbe hätten die dünnen, leichten Wände im dritten Geschoss nicht standhalten können. Verschraubte Winkel verbanden die einfachen Flacheisen zu einer Rippenstruktur. Dazwischen spannte sich ein Gitter aus feinem Maschendraht, das verputzt und bemalt wurde. Stüler nutzte die unregelmäßige Form des Raumes und der Decke, um den schiefwinkligen Grundriss des Museums zu kaschieren. == Wiederaufbau == === Rekonstruktion oder ergänzende Wiederherstellung – wechselnde Wiederaufbaukonzepte === [[Datei:Neues Museum 06b Treppenhalle.jpg|250px|thumb|Eingangsbereich des wiedereröffneten restaurierten Museums im März 2009]] Zusammen mit der Sicherung des Baues 1986 begannen die Planungen zum Wiederaufbau des Neuen Museums. Die zahlreich entnommenen Bauteile – Säulen, Kapitelle, Gesimse, Böden, Wandbilder – sollten als Kopiervorlagen bei der geplanten weitgehenden [[Rekonstruktion]] des Gebäudes dienen. Auch die große Treppenhalle mit Kaulbachs Zyklus zur Geschichte der Menschheit sollte anhand der in der Nationalgalerie verwahrten [[Karton (Kunst)|Originalkartons]] originalgetreu wiederhergestellt werden. Die Wende 1989/1990 machte die Planungen aus [[Deutsche Demokratische Republik|DDR]]-Zeiten hinfällig. Der Wiederaufbau im Rahmen des [[Museumsinsel (Berlin)#Masterplan Museumsinsel|Masterplan Museumsinsel]] folgt seither dem Konzept der ''ergänzenden Wiederherstellung''. Dies beinhaltet die Schließung der Hof- und Außenfassaden des Baus über dem historischen Grundriss. Gliedernde Elemente der erhaltenen Fassaden sollen in den ergänzten Fassaden aufgenommen, Originalbefunde am Bau erhalten und die zahlreich entnommenen Bauteile wieder integriert werden. Die Ergänzungen müssen offen gezeigt und ablesbar sein. Dieses Konzept war bindend für den 1993 international ausgeschriebenen Architekturwettbewerb für den Wiederaufbau des Neuen Museums, der keine befriedigenden Resultate brachte. 1997 beauftragte die [[Stiftung Preußischer Kulturbesitz]] den Architekten [[David Chipperfield]] mit dem Wiederaufbau des Neuen Museums. In seinen Planungen ersetzt er den zerstörten Südostrisalit und den Nordwestflügel durch Ersatzbauten mit gleichem Volumen. Das Ziegelmauerwerk der neuen Fassaden folgt in Material und Gliederung dem erhaltenen Nordrisalit und dem Südwestflügel. Er verzichtet auf die Rekonstruktion verlorener Innenausstattungen, insbesondere des großen Treppenhauses. Chipperfield sichert, repariert und vervollständigt die Ruine des Neuen Museums, das in seinen Worten ''einer enthistorisierenden Rekonstruktion ebenso entgehen [soll] wie einer romantisierenden Alt-Neu-Rhetorik oder der Monumentalisierung seiner Zerstörung''.<ref name="Chipperfield">David Chipperfield Architects (Herausgeber): ''Neues Museum: Museumsinsel Berlin; Dokumentation und Planung.'' Druckteam Berlin 2003, ohne ISBN, S.&nbsp;5</ref> === Besucherzentrum und Archäologische Promenade === Der Masterplan Museumsinsel beinhaltet neben der Sanierung der einzelnen Museen die Zusammenfassung der Häuser zu einem Museumskomplex. Zentrale Elemente dieser Zusammenfassung sind das neue Empfangsgebäude mit Besucherzentrum, die [[James Simon-Galerie]], und die ''Archäologische Promenade'', die als unterirdischer Rundgang alle Bauten der Museumsinsel bis auf die Alte Nationalgalerie verbindet. Die Promenade durchläuft das Neue Museum im Griechischen Hof, unter der großen Treppenhalle und im Ägyptischen Hof mit Ausstellungen zu den Themen ''Chaos und Kosmos'', ''Zeit und Geschichte'' sowie ''Tod und Verklärung''. Während der Sanierungsphase entstehen aber lediglich die Räume innerhalb des Neuen Museums. Die Verbindungsstücke zum Alten Museum und zum [[Pergamonmuseum]] werden nachträglich ergänzt. Die James Simon-Galerie, ebenfalls nach Entwürfen von David Chipperfield, soll zwischen Kupfergraben und Neuem Museum entstehen. Die vorgezogene Freigabe von 73&nbsp;Mio.&nbsp;Euro nach einem längeren Planungsstopp für das Besucherzentrum am 9. November 2006 lässt auf einen Baubeginn 2009 und eine Fertigstellung 2011/2012 schließen. Damit soll eine weitgehende Überarbeitung der ursprünglichen Entwürfe einhergehen, die Kritiker als zu modern und unpassend zur Umgebung beanstandeten.<ref name="Spiegel">[http://www.spiegel.de/kultur/gesellschaft/0,1518,454175,00.html „Architekt kündigt Neuplanung an“], [[Deutscher Depeschendienst|ddp]] / [[Spiegel Online]], 13. Dezember 2006</ref> Am 24. Juni 2003 hatte [[Beauftragter der Bundesregierung für Kultur und Medien|Kulturstaatsministerin]] [[Christina Weiss]] anlässlich des Festaktes zum Baubeginn des Neuen Museums ausgeführt, der Masterplan ''„habe fast die Quadratur des Kreises geschafft: die Gebäude als historisches Erbe zur Geltung zu bringen, die Besucherströme vernünftig zu lenken und eine moderne Infrastruktur […] bereit zu stellen.“''<ref name="Weiss">[http://archiv.bundesregierung.de/bpaexport/rede/11/495611/multi.htm Rede von Kulturstaatsministerin Christina Weiss am 24. Juni 2003]</ref> Mit den absehbaren Verzögerungen bei der Verwirklichung der James Simon-Galerie und der Archäologischen Promenade wird das wiederhergestellte Museum bei der Wiederöffnung 2009 die Besucherströme vorerst allein zu bewältigen haben. Auf jeden Fall wird das wiederhergestellte Gebäude aber ein bleibendes steinernes Denkmal für seinen ersten Baumeister Friedrich August Stüler darstellen, nach dessen Wunsch ''das Ganze einen Mittelpunkt für die höchsten geistigen Interessen des Volkes bilden [sollte], wie ihn wohl keine andere Hauptstadt aufzuweisen hätte.''<ref name="Stüler 1"/> === Kritik am Wiederaufbaukonzept – Petitionen und Volksbegehren === [[Datei:Berlin Neues Museum Bauteile.jpg|miniatur|Eingelagerte Konsolen und zwei Kapitelle aus dem Ägyptischen Hof]] Die [[Gesellschaft Historisches Berlin|Gesellschaft Historisches Berlin e.V.]] kritisiert neben dem Neubau des Eingangsgebäudes die Art des Wiederaufbaus. In ihrer im März 2006 eingereichten Petition mit über 14.000 Unterschriften an den Deutschen Bundestag wandte sich die Gesellschaft gegen die Errichtung des nach einem Entwurf von David Chipperfield 2001 zunächst geplanten gläsernen Eingangsgebäudes. Begründet wurde das mit der Befürchtung, dass der Neubau des Eingangsgebäudes zwei Drittel der Westfassade des Neuen Museums verdecken könnte. Als Argument wurde auch der möglicherweise drohende Verlust des Weltkulturerbe-Status der Museumsinsel als Folge der Gestaltung des Neubaus angeführt.<ref name="GHB">[http://www.ghb-online.de/de/scripts/cms/projekte/attach/32_Microsoft%20Word%20-%20Petition%20-%20Schriftverkehr_doc.pdf Schriftverkehr Gesellschaft Historisches Berlin e.V. zur Petition]</ref> Die Gesellschaft forderte die originalgetreue Wiederherstellung der Fassaden und der großen Treppenhalle. Seit dem 5. März 2007 sammelte die Berliner Initiative ''Volksbegehren – Rettet die Museumsinsel'' Unterschriften für ein [[Volksbegehren (Deutschland)|Volksbegehren]].<ref name="Volksbegehren">[http://www.volksbegehren-museumsinsel.de/ Website der Initiative „Rettet die Museumsinsel“ mit genauem Wortlaut des Volksbegehrens und weiteren Dokumenten]</ref> Der [[Senat von Berlin|Berliner Senat]] wird darin aufgefordert, die Unversehrtheit des Weltkulturerbes Berliner Museumsinsel strikt zu wahren und sicherzustellen, dass jede bauliche Weiterentwicklung in Form eines Neubaus auf der Museumsinsel unterbleibt. Der Berliner Senat solle festlegen, dass sich die Innen- und Außengestaltung des Neuen Museums so weit wie möglich an den Originalplänen Stülers orientiere. Insbesondere begegnet die Initiative dem Ansatz des Berliner Denkmalschutzes und der Bauträger mit Unverständnis, die Konservierung von Kriegs- und Verwitterungsschäden womöglich höher bewerten als die Wiederherstellung des Originalzustandes. Insbesondere wird der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, die unter anderem im Besitz der Kartons des Kaulbachschen Gemäldezyklus’ für das Große Treppenhaus ist, mangelnde Verantwortung im Umgang mit einem einzigartigen Museumsgebäude aus der klassizistischen Epoche vorgeworfen, da sie sich nicht für die originalgetreue Wiederherstellung entschieden hat. Am 27. Juni 2007 stellte David Chipperfield die erste Überarbeitung seines allgemein kritisierten Entwurfs von 2001 unter dem Titel ''Berliner Akropolis'' vor. Der transparent und filigran wirkende Kolonnaden-Bau auf einem hohen Sockelgeschoss zum Westarm der Spree hin stieß in der Berliner Öffentlichkeit auf ein breites Echo und überwiegend positive Reaktionen.<ref>Christina Tilmann: [http://www.tagesspiegel.de/kultur/Museumsinsel-Chipperfield;art772,2329669 ''Säulen nach Athen.''] [[Der Tagesspiegel]], 27. Juni 2007</ref><ref>Isabell Jürgens: [http://www.morgenpost.de/ausgabe/2007/06/28/berlin/907700.html ''Kolonnaden als neuer Eingang.''] [[Berliner Morgenpost]], 28. Juni 2007</ref> === Eindrücke nach Restaurierung und Wiedereröffnung === In seiner „Brüchige Sensation“ überschriebenen Schilderung von Eindrücken zu den wiederhergestellten Innenräumen des Neuen Museums nimmt [[Heinrich Wefing (Journalist)|Heinrich Wefing]] die von Bomben schwer getroffene Ruine der vergangenen Jahrzehnte als Kontrastvorlage: „Durch brandgeschwärzte Säulenhallen wehte der Wind, grandiose Gewölbe bröselten vor sich hin. Ein bezwingender Torso, ganz Schmerz und Schönheit.“ Chipperfields Restaurierungssansatz, die Bruchstücke der Originalsubstanz Raum für Raum zu erhalten und zu ergänzen, gründe in einem „Respekt vor dem Historischen, der jede Totalrekonstruktion von selbst verbietet.“ Daraus entstehe trotz einer reduzierten Materialpalette mit dunkler Eiche, Bronze und feinem Beton mit Marmorbeimischungen allerdings keine Harmonie: {{Zitat|Dieses Haus ist eine dreidimensionale Collage, ein Wirbelsturm von Eindrücken, Raumstimmungen, emotionalen und architektonischen Verwerfungen. […] Die eigentliche Sensation des Neuen Museums aber ist die Erkenntnis, dass dieses Nebeneinander der Gegensätze, das Fehlen eines großen homogenen Ganzen dem Sehvergnügen keinen Abbruch tut. Im Gegenteil, der Besucher wandert staunend durch das Haus, mal beglückt, mal kopfschüttelnd, nie sicher, was hinter der nächsten Tür wartet, und fühlt sich sinnlich ergriffen wie selten in einem Museum.“<ref>[[Die Zeit]] Nr. 10, 26. Februar 2009, [http://www.zeit.de/2009/10/Neues-Museum S.&nbsp;47]</ref>}} Im vollständig mit Exponaten bestückten, wiedereröffneten Gebäude – „Ob Kult, Kunst oder Alltag, ob Ur- oder Neuzeit – dieses Museum wagt wie kaum ein anderes den Überblick.“ – behaupten sich nach Auffassung [[Hanno Rauterberg]]s die meisten Exponate gut gegenüber der architektonischen Vielfalt: „Klug gestaltete Vitrinen binden die Aufmerksamkeit, eindrücklich gruppierte Skulpturen ziehen alle Blicke auf sich.“ Auch zeige sich „viel Zusammenspiel, viele rasante Blickschneisen, etwa von der Nofretete quer durch die Jahrhunderte hinüber zu Helios, von einer Sonnenherrschaft zur nächsten.“ Das wiedereröffnete Neue Museum ist für Rautenberg Ausdruck eines ganz anderen Geschichtsbewusstseins, als es bei der Einweihung im 19.&nbsp;Jahrhundert vorherrschte: {{Zitat|Einst kündete dieses Geschichtsbild vom ewigen Fortschritt, er durchzog das gesamte Haus, und jeder, der es betrat, sollte mitgezogen werden, aus der Steinzeit immer weiter hinauf, durch Antike und Renaissance bis hinein in die glorreiche Gegenwart. Angeregt von Hegels Philosophie, erschien hier die Menschheitsgeschichte als geradlinige Entwicklung, als unaufhaltsamer Aufstieg – und selbstverständlich war Preußen die Krönung allen Strebens. Das Museum, ein Ort staatlicher Selbstinszenierung.}} Während im ursprünglichen Zustand Sarkophage oder Vasen sich nahtlos eingefügt hätten in die wandgemalten „begehbaren Geschichtspanoramen“, seien heute alle Kulissen, alle Geschichtsillusionen durchlöchert, und so stehe das Neue Museum der Gegenwart im Zeichen der Demut: {{Zitat|Es ist eine sehr verlockende Form, in der sich nicht nur die Hermeneutik von Archäologen und Historikern reflektiert, sondern interessanterweise auch etwas vom Wesen der ausgestellten Kunstwerke. Viele verdanken sich ja dem Wunsch, das Ende, den Tod zu überwinden. Gerade die überbordende Kunst der Ägypter wäre ohne das Streben nach ewigem Diesseits nicht entstanden. Im Museum, einer modernen Form der Grabkammer, scheint sich dieser Traum zu erfüllen, wenn auch abermals in einem paradoxen Sinne. Die Ruinenhaftigkeit des Bauwerks zeugt einerseits von der Vergänglichkeit alles Irdischen; anderseits wird hier alles Vergängliche unvergänglich. So tröstet das Museum über die Endlichkeit hinweg – gerade indem es seine Wunden herzeigt, verheißt es das Überzeitliche.<ref>Die Zeit Nr. 42, 8. Oktober 2009, [http://www.zeit.de/2009/42/Museumsinsel?page=1 S.&nbsp;51]</ref>}} == Auszeichnungen == 2010 wurde das Museum mit dem [[Nostra Award]] der Europäischen Kommission und des Verbandes für Kulturerbe [[Europa Nostra]] für außergewöhnliche Leistungen auf dem Gebiet der Restaurierung ausgezeichnet.<ref>http://www.europanostra.org/projects/13/</ref> Ebenfalls 2010 erhielt der Umbau den Architekturpreis „[[Große Nike]]“ (Hauptpreis) sowie eine Nike in der Kategorie „Detailvollkommenheit“ des [[Bund Deutscher Architekten|Bundes Deutscher Architekten]] (BDA).<ref>[http://www.bda-nike.de/preistraeger/grosse-nike/preis/wiederaufbau-neues-museum-3.html Bund Deutscher Architekten – Große Nike 2010: Wiederaufbau Neues Museum], Verleihung am 8. Mai 2010.</ref> == Literatur == * Eva Börsch-Supan, Dietrich Müller-Stüler: ''Friedrich August Stüler. 1800–1865''. Deutscher Kunstverlag, München und Berlin 1997, ISBN 3-422-06161-4, S.&nbsp;67–74, 262, 314–322, 907–911. * ''Die königlichen Museen in Berlin. Eine Auswahl der vorzüglichsten Kunstschätze der Malerei, Sculptur und Architektur der norddeutschen Metropole dargestellt in einer Reihe der ausgezeichnetsten Stahlstiche mit erläuterndem Texte''. Payne, Leipzig und Dresden 1855, S.&nbsp;215–251. * Friedrich August Stüler: ''Das neue Museum in Berlin. 24 Tafeln''. Ernst & Korn, Berlin 1862. * Christine Wolf (Red.): ''Das Neue Museum in Berlin. Ein denkmalpflegerisches Plädoyer zur ergänzenden Wiederherstellung''. Kulturbuch-Verlag, Berlin 1994, ISBN 3-88961-150-8 (=&nbsp;''Beiträge zur Denkmalpflege in Berlin''. Heft&nbsp;1). * Zentralinstitut für Kunstgeschichte, München (Hrsg.): ''Berlins Museen. Geschichte und Zukunft''. Deutscher Kunstverlag, München und Berlin 1994, ISBN 3-422-06135-5, S.&nbsp;59–144. * Staatliche Museen zu Berlin, Bundesamt für Bauwesen, Landesdenkmalamt Berlin (Hrsg.): ''Das Neue Museum Berlin. Konservieren, Restaurieren, Weiterbauen im Welterbe'', Leipzig, E. A. Seemann Verlag 2009, ISBN 978-3-86502-204-2 (englischsprachige Ausgabe ISBN 978-3-86502-207-3) * Andreas Kilger ''Das Neue Museum, Berlin – Der Bauzustand um 1990'', Deutscher Kunstverlag, Berlin und München 2009 ISBN 978-3-422-06888-9 * Friederike von Rauch, David Chipperfield: ''Neues Museum''. Interview mit David Chipperfield, engl./dt., Hatje Cantz Verlag, Ostfildern 2009, ISBN 978-3-7757-2376-3 == Weblinks == * {{Commons|Neues Museum (Berlin)}} {{BAM|Neues+Museum+Berlin}} * [http://www.smb.spk-berlin.de/smb/standorte/index.php?lang=de&p=2&objID=25&n=1&r=3 Internetauftritt des Neuen Museums Berlin] * {{LDLBerlin|09030058|ja}} * [http://www.wiederaufbauneuesmuseumberlin.de/ Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung: Wiederaufbau und Restaurierung des Neuen Museums mit vielen Bildern] * [http://www.museumsinsel-berlin.de/ Masterplan für die Museumsinsel] * [http://www.bundesregierung.de/nn_1264/Content/DE/Artikel/2009/10/2009-10-16-neues-museum-wiedereroeffnet.html Pressemitteilung der Bundesregierung zur Eröffnung des Neuen Museums] (vom 16. Oktober 2009) * [http://www.de-cn.net/mag/ins/de5588792.htm Huang Rui: Neues Museum in Berlin: Abschied vom Neuen Bauen], Deutsch-chinesisches Kulturnetz, Januar 2010 ;Bilder * [http://architekturmuseum.ub.tu-berlin.de/index.php?set=1&p=61&D1=St%FCler&D2=August&D3=Neues+Museum+auf+der+Museumsinsel+in+Berlin Zeichnungen Stülers für das Neue Museum im Architekturmuseum der TU Berlin] * Das [[Zentralinstitut für Kunstgeschichte]] verwahrt in seinem Farbdiaarchiv zur Wand- und Deckenmalerei in den Jahre 1943 bis 1945 entstandene Farbaufnahmen, die den Zustand einiger Innenräume des Neuen Museums vor der Zerstörung dokumentieren ([http://www.zi.fotothek.org/obj/obj19002207/Galerie Apollosaal], [http://www.zi.fotothek.org/obj/obj19002211/Galerie Kupferstichkabinett], [http://www.zi.fotothek.org/obj/obj19002203/Galerie Nordkuppelsaal] [http://www.zi.fotothek.org/obj/obj19002202/Galerie Nordkuppelsaal], [http://www.zi.fotothek.org/obj/obj19002210/Galerie Südkuppelsaal] [http://www.zi.fotothek.org/obj/obj19002209/Galerie Südkuppelsaal] [http://www.zi.fotothek.org/obj/obj19002208/Galerie Südkuppelsaal], [http://www.zi.fotothek.org/obj/obj19002204/Galerie Niobidensaal] und [http://www.zi.fotothek.org/obj/obj19002206/Galerie Römischer Saal] [http://www.zi.fotothek.org/obj/obj19002205/Galerie Römischer Saal]) * [http://www.tagesspiegel.de/medien/cme1,305420 Das Neue Museum], [[Tagesspiegel]], 2009, Bilderserie == Einzelnachweise == <references /> {{Navigationsleiste Museumsinsel (Berlin)}} {{Exzellent}} {{Coordinate|article=/|NS=52/31/14/N|EW=13/23/52/E|type=landmark|region=DE-BE}} <!--Jahr der Fertigstellung maßgeblich für diese Kategorie--> [[Kategorie:Museumsinsel Berlin]] [[Kategorie:Museum in Berlin]] [[Kategorie:Baudenkmal (Berlin)]] [[Kategorie:Klassizistisches Bauwerk in Berlin]] [[Kategorie:Architektur (Preußen)]] [[Kategorie:Berlin-Mitte]] [[Kategorie:Erbaut in den 1850er Jahren]] [[ar:متحف برلين الجديد]] [[br:Neues Museum]] [[en:Neues Museum]] [[es:Neues Museum]] [[fr:Neues Museum]] [[he:המוזיאון החדש (ברלין)]] [[hu:Új Múzeum (Berlin)]] [[id:Neues Museum]] [[it:Neues Museum]] [[ja:新博物館 (ベルリン)]] [[ka:ახალი მუზეუმი (ბერლინი)]] [[nl:Neues Museum]] [[no:Neues Museum (Berlin)]] [[pt:Neues Museum]] [[ru:Новый музей]] [[sv:Neues Museum]] [[tr:Neues Museum]] [[vi:Neues Museum]] [[zh:柏林新博物馆]] ttzmbt4ci8pbz0mgdf26314ui38bnq5 wikitext text/x-wiki Gotthard Neumann 0 23990 26588 2010-03-17T15:27:55Z APPERbot 0 Bot: veraltete PND-Vorlage durch Normdaten- und DNB-Portal-Vorlage ersetzt; VIAF ergänzt '''Gotthard Arno Ernst Neumann''' (* [[8. Juni]] [[1902]] in [[Wiegendorf|Schwabsdorf]]; † [[29. April]] [[1972]] in [[Jena]]), deutscher [[Ur- und Frühgeschichte|Prähistoriker]], der von 1934 bis 1941 und 1953 bis 1967 als [[Ur- und frühgeschichtliche Sammlung der Universität Jena|Professor für Ur- und Frühgeschichte]] an der [[Friedrich-Schiller-Universität Jena]] wirkte und einen wesentlichen Anteil an der Entwicklung der [[Ur- und Frühgeschichte|Ur- und Frühgeschichtsforschung]] und [[Bodendenkmal]]pflege in Thüringen hat. == Ausbildung, Studium und erste Berufstätigkeit == Gotthard Arno Ernst Neumann wurde am 8. Juni 1902 in Schwabsdorf im heutigen Landkreis Weimar (Thüringen) geboren. Nach dem Schulbesuch in [[Apolda]] und [[Jena]] studierte er ab 1921 in Jena (vier Semester) bei [[Gustav Eichhorn]] und [[Wilhelm Dörpfeld]], [[Ludwig-Maximilians-Universität München|München]] (ein Semester) und [[Philipps-Universität Marburg|Marburg (Lahn)]] (sechs Semester) die Fächer Vorgeschichte, [[Geschichte]] und [[Germanistik|Deutsch]] (besonders germanische Religionsgeschichte). Daneben beschäftigte Neumann sich im Studium ebenso mit [[Klassische Archäologie|Klassischer Archäologie]], [[Kunstgeschichte]], [[Pleistozän|Diluvialgeologie]], [[Anthropologie]], [[Philosophie]] und [[Christentumsgeschichte|Kirchengeschichte]] sowie [[Historische Hilfswissenschaften|historischen Hilfswissenschaften]]. Bereits als Schüler hatte er bei [[Armin Möller]] an Ausgrabungen des Städtischen [[Museum für Ur- und Frühgeschichte Thüringens|Museums für Urgeschichte]] in Weimar teilgenommen, als Student war er unter [[Walter Bremer]] in der Bodendenkmalpflege in [[Hessen]] tätig und wirkte bei einer der ersten Großgrabungen in Deutschland auf dem [[Goldberg]] bei [[Nördlingen]] unter [[Gerhard Bersu]] mit. 1926 wurde Neumann unter [[Gustav Behrens]] (für den verstorbenen Walter Bremer) mit einer Arbeit über ''„Die [[Aunjetitzer Kultur]] in [[Mitteldeutschland]]“'' promoviert. 1927 trat er die Stelle eines wissenschaftlichen Hilfsarbeiters am [[Museum für Mineralogie und Geologie Dresden|Staatlichen Museum für Mineralogie, Geologie und Vorgeschichte]] in [[Dresden]] an. In [[Sachsen]] führte Neumann mehrere moderne [[Ausgrabung]]en, vor allem auf großen [[bronzezeit]]lichen [[Gräberfeld]]ern – u.a. in [[Leuben]] und dem [[Slawen|slawischen]] [[Burgwall]] „Alte Schanze“ in [[Köllmichen]] (Ortsteil von [[Mutzschen]], [[Muldentalkreis]]) durch und schuf, ''„um der Jugenderziehung zu helfen“'', nach der Ausgrabung von zwei [[Grabhügel]]n der jüngeren Bronzezeit in [[Gävernitz]] (Ortsteil von [[Priestewitz]], [[Landkreis Riesa-Großenhain]]) 1930 ein archäologisches [[Freilichtmuseum]] mit einer Rekonstruktion der beiden Hügel. Ab Sommersemester 1929 bot Neumann als Assistent des Institutes für Mineralogie und Geologie ([[Eberhard Rimann]]) Übungen in Vorgeschichte an der [[Technische Universität Dresden|Technischen Hochschule Dresden]] an. == Neumann als Vorstand des Germanischen Museums und Professor in Jena 1930 bis 1945 == 1930 folgte Neumann dem Ruf des ersten [[Nationalsozialismus|nationalsozialistischen]] thüringischen Ministers [[Wilhelm Frick]] und ging als Vorstand an das Germanische Museum der Universitätsanstalt für Vor- und Frühgeschichte nach Jena. Seine Lehrtätigkeit setzte er zunächst als Volontärassistent des Historischen Seminars bei seinem ehemaligen Lehrer [[Alexander Cartellieri]] fort. 1932 bestellte ihn das thüringische Ministerium für Volksbildung aufgrund des ersten thüringischen Ausgrabungsgesetzes vom 1. Juli 1932 ehrenamtlich zum Vertrauensmann für kulturgeschichtliche Denkmale bzw. 1934 zum Staatlichen Vertrauensmann für die vor- und frühgeschichtlichen Bodenaltertümer Thüringens. Unter Leitung von Neumann wurden mit Studierenden, auch unter Einsatz des [[Reichsarbeitsdienst]]es eine Reihe von größeren archäologischen Forschungs- und Rettungsgrabungen durchgeführt wie z. B. die [[Jungpaläolithikum|jungpaläolithische]] Freilandsiedlung von [[Oelknitz]], Ortsteil der Gemeinde [[Rothenstein]] 1932, [[spätbronzezeit]]liche Brandgräber und ein frühmittelalterliches [[Reihengräberfeld]] 1933 und 1936 in [[Zöllnitz]], in der mittelalterliche [[Wasserburg Kapellendorf]] 1933, auf der mittelalterlichen Turmhügelburg [[Jenalöbnitz]] 1934, in der mittelalterlichen [[Reichsburg Kyffhausen]] 1934 bis 1938 und der [[Burg Camburg]] 1935, je sechs [[Schnurkeramik|schnurkeramische]] [[Grabhügel]] in [[Lucka]]-Breitenhain 1935/1936 bzw. 1941/1942, ein weiterer [[Neolithikum|jungneolithischer]] Grabhügel in [[Stobra]] 1935/1936, ein Urnengräberfeld der frühen [[Eisenzeit]] und frühmittelalterliches Reihengräberfeld in [[Dreitzsch]] 1936, [[Bandkeramische Kultur|bandkeramische]] Bestattungen sowie Siedlungsgruben und Bestattung der [[Aunjetitzer Kultur]] in [[Arnstadt]] 1937, bronzezeitliche Grabhügel in [[Völkershausen]]-Willmanns 1940 und andere mehr. Es handelte sich dabei um für ihre Zeit moderne Ausgrabungen, die wesentliche Erkenntnisfortschritte erbrachten und deren Ergebnisse zumeist noch heute Gültigkeit besitzen. 1934 ernannte ihn Thüringens [[Reichsstatthalter]] [[Fritz Sauckel]] ohne vorherige [[Habilitation]] zum beamteten außerordentlichen Professor für Vorgeschichte an der [[Universität Jena]]. Mit 32 Jahren war er einer der jüngsten Professoren für Vorgeschichte in Deutschland, wobei derart junge Wissenschaftler, bedingt durch die vergleichsweise späte Institutionalisierung des Faches an den Universitäten, nicht ungewöhnlich waren. 1935 übernahm Neumann ferner ehrenamtlich die Kuratel des Städtischen Museums für Urgeschichte in Weimar und 1937 wurde er als ordentliches Mitglied in die neugeschaffene Thüringische Historische Kommission berufen. Im Januar 1941 wurde Neumann zur [[Wehrmacht]] einberufen und diente während des [[Zweiter Weltkrieg|Zweiten Weltkriegs]] als [[Wachtmeister]] ([[Feldwebel]]) einer Nachrichtentruppe. Inwieweit sich Neumann während des Krieges, besonders während seines Einsatzes in der [[Ukraine]], an sogenannten „Beutezügen“ beteiligte, kann bisher nicht eindeutig bestimmt werden. Er war nach eigenen Angaben an Aktivitäten des „Sonderstabs Vorgeschichte“ im „[[Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg]]“ (ERR) beteiligt, ohne dort jedoch eine führende Position zu übernehmen. Nach mehreren gescheiterten Anläufen unter den Jenaer Rektoren [[Abraham Esau]] (1939) und [[Karl Astel]] (1944), Neumann zum ordentlichen Professor zu erheben, erfolgte kurz vor Kriegsende im Februar 1945 die Ernennung zum [[Professor|Ordinarius]] durch das Reichsministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung, die jedoch nicht mehr wirksam wurde. == Betätigung und Mitgliedschaften in fachlichen und politischen Organisationen im „[[Drittes Reich|Dritten Reich]]“ == Gotthard Neumann entstammte einem [[Christentum|christlich]]-[[Konservatismus|konservativen]] Umfeld und war, wie auch sein Vater Dr. phil. Arno Neumann († 1926), der [[evangelisch]]er [[Pfarrer]] in Schwabsdorf bei Weimar, später Direktor des Realgymnasiums in Weimar und von 1920 bis 1924 Landtagsabgeordneter der [[Deutsche Volkspartei|Deutschen Volkspartei]] (DVP) war, ursprünglich eher [[Liberalismus|nationalliberal]] orientiert. Nach eigenem Bekunden wandte er sich jedoch am Beginn der 1930er Jahre ''„unter dem Einfluß der Ereignisse im Vaterlande […] mehr und mehr von liberalen Ansichten [ab] und […] der [[NSDAP]] zu“''. Die Hoffnungen, die sich für viele Prähistoriker mit dem Namen [[Adolf Hitler]] verknüpften, waren auch für den für sein Fach stark engagierten Neumann groß. Entsprechend übernahm Neumann eine Reihe von höheren Positionen in Fachverbänden, was jedoch weniger als Bekenntnis für die NSDAP und ihre Organisationen, sondern mehr als Versuch einer weiteren Popularisierung der Ur- und Frühgeschichtsforschung gewertet werden kann. Als langjähriges Mitglied der „[[Gesellschaft für Deutsche Vorgeschichte]]“ (seit 1919) ging Neumann 1934 mit in den „[[Reichsbund für Deutsche Vorgeschichte]]“ über. Bereits 1933 war er von [[Hans Reinerth]] zum Landesleiter von Thüringen bestellt und in den erweiterten Beirat berufen worden. Ebenfalls 1933 trat er [[Alfred Rosenberg]]s „[[Kampfbund für deutsche Kultur]]“ bei und wurde Leiter der „Fachgruppe Vorgeschichte“ in Jena, wobei die Funktion als Landesleiter wenig später mit derselben, ohnehin in Personalunion besetzten Funktion im Reichsbund verschmolz. Von 1933 bis zu seiner Einberufung 1941 war Neumann Mitglied im [[Nationalsozialistischer Lehrerbund|Nationalsozialistischen Lehrerbund]] (NSLB) und ab 1938 auch hier als Gausachbearbeiter für Vorgeschichte tätig. Darüber hielt er ab 1933 eine große Zahl von Vorträgen an den Staatsschulen [[Egendorf]] und [[Blankenhain]], bei der [[Schutzstaffel|SS]], der [[Sturmabteilung|SA]], der NSDAP, bei der [[Hitler-Jugend]], dem [[Bund Deutscher Mädel|BDM]], dem Reichsarbeitsdienst und der Landesbauernschaft und organisierte Ausstellungen, Führungen, Lehrwanderungen und dergleichen, um ''„Tausende von alten und jüngeren Volksgenossen mit dem weltanschaulichen Gehalt der Vorgeschichte bekannt“'' zu machen. Im April 1934 schloss er sich der Schutzstaffel (SS) als Förderndes Mitglied (F. M.) an. Von 1937 bis 1941 war Neumann nach eigenen Angaben Anwärter der NSDAP. Ob und wann sein Eintritt von Seiten der Partei realisiert wurde, konnte bisher nicht sicher ermittelt werden. Seine anfängliche Euphorie für das Regime war jedoch schnell verflogen und die Archivalien lassen auf eine zunehmend gespannte Beziehung zur NSDAP und SS schließen. Im Zuge der [[Entnazifizierung]] führte Neumann zu seiner Entlastung 1947 an: ''„So also war meine Stellung als Universitätsprofessor, obwohl ich nur ein vollkommen unpolitisches Amt streng wissenschaftlich verwalten wollte, durchaus gefährdet, kurz, wenn ich nicht Arbeit und Autorität überhaupt verlieren wollte, musste ich mich bereit erklären, der NSDAP beizutreten“'', und nannte dabei eine Reihe von überwiegend auch anderweitig belegbaren Konflikten und Auseinandersetzungen. Als Beispiele hierfür können Kontroversen mit der SS-Führung über Zuständigkeiten und ethnische Interpretationen der vorgeschichtlichen Befunde während der Ausgrabungen auf der [[Reichsburg_Kyffhausen#Die_arch.C3.A4ologischen_Ausgrabungen_1934-1938|Reichsburg Kyffhausen]] (1934–1938) oder Angriffe auf ihn und seine Schüler [[Heinrich Rempel]] und Erwin Schirmer wegen ihrer Forschungen zur Archäologie der Slawen genannt werden. Andere dürften vermutlich auch damit zusammenhängen, dass Neumann sich ''„unbeirrt zur evangelischen Kirche bekannte“.'' == Seine Tätigkeit an der Universität Jena in der Zeit der [[Sowjetische Besatzungszone|SBZ]] und der [[Deutsche Demokratische Republik|DDR]] == Nach der [[Kapitulation]] am 8. Mai 1945 und amerikanischer [[Kriegsgefangenschaft]] kehrte Neumann im Juni 1945 nach Jena zurück und begann sofort, das Institut zu reorganisieren. Mitte September übernahm er die Aufgabe, die Verbindung zwischen dem Antifaschistischen Studentenausschuss und dem Lehrkörper herzustellen. Unter der [[Sowjetische Militäradministration in Deutschland|Sowjetischen Militäradministration]] Thüringen (SMATh) wurde Neumann zunächst im November 1945 als Wissenschaftler bestätigt, am 15. Dezember 1945 aber aufgrund seiner NSDAP-Anwärterschaft zusammen mit seinem Assistenten Dr. Heinrich Rempel dienstentlassen, obwohl sich der Landespräsident [[Rudolf Paul]] und mehrere Universitätsangehörige für seine Weiterbeschäftigung einsetzen. Im Dezember 1945 trat Neumann in die [[Liberal-Demokratische Partei Deutschlands|LDP]] ein. Für die spätere Zeit ist eine überwiegend passive gesellschaftliche Einstellung festzustellen, jedoch war er weiterhin in der evangelischen Kirche in Thüringen als [[Synode (Evangelische Kirchen)|Synodaler]] aktiv. Er arbeitete zunächst als freier Schriftsteller und Gelegenheitsarbeiter, konnte aber schon 1947 als [[Restaurierung|„Präparator“]] an das Vorgeschichtliche Museum der Universität Jena zurückkehren. 1950 wurde er wissenschaftlicher Assistent und 1953 schließlich wissenschaftlicher Oberassistent in Jena. Noch im selben Jahr wurde Neumann zum Professor mit vollem Lehrauftrag für Ur- und Frühgeschichte und Direktor des Vorgeschichtlichen Museums, Institut für prähistorische Archäologie, an der Jenaer Universität ernannt, 1956 zum Professor mit Lehrstuhl. Als solcher war er Fachrichtungsleiter für Ur- und Frühgeschichte und Mitglied des wissenschaftlichen Beirates beim Staatssekretariat für das Hoch- und Fachschulwesen der DDR. 1967 ist Neumann [[Emeritierung|emeritiert]] worden. Die Schließung seines Instituts und des Museums und die Auslagerung der Sammlung im Zuge der „Dritten Hochschulreform der DDR“ im Jahr darauf bedeutete einen schweren Schlag für ihn. Am 29. April 1972 verstarb Gotthard Neumann in Jena. Von seinen Grabungen zwischen 1953 und 1967 sind besonders hervorzuheben: die Forschungsgrabung der [[mittelalter]]lichen [[Wüstung]] Gumprechtsdorf im ehemaligen Staatsforst [[Klosterlausnitz]] 1952 bis 1953, die [[Mittelalterarchäologie|stadtarchäologischen]] Untersuchungen in Jena 1953 bis 1956 (Stadtkirche St. Michael, Paulinerkloster und Jenergasse), die Ausgrabungen eines Flachgräberfeldes in [[Einhausen (Thüringen)|Einhausen]] 1954 und von früheisenzeitlichen Grabhügeln in [[Harras]] 1955 bis 1956, die Untersuchungen des bronzezeitlichen und frühmittelalterlichen Burgwalls auf dem [[Johannisberg (Jena-Lobeda)|Johannisberg bei Jena-Lobeda]] 1957 und 1959, die Rettungsgrabung eines schnurkeramischen Grabhügels 1960 in [[Dornburg/Saale|Dornburg]]. In seinen letzten Schaffensjahren widmete es sich nahezu ausschließlich der [[Mittelalterarchäologie]], so bei der Untersuchung der mittelalterlichen [[Burg]]anlage in [[Gerstungen]] 1960, der [[Nikolaikirche (Oberndorf)|Nikolaikirche]] in [[Angelhausen-Oberndorf|Oberndorf]] bei [[Arnstadt]] 1962 und der Schillerkirche in Jena-Ost 1963 sowie der mittelalterlichen Burg und des [[Benediktiner]]klosters auf dem Petersberg in [[Saalfeld/Saale|Saalfeld]] 1964. Neumann wurde 1953 wurde zum korrespondierenden und 1956 zum ordentlichen Mitglied des [[Deutsches Archäologisches Institut|Deutschen Archäologischen Institutes]] (DAI) gewählt. Er war ferner Mitglied der Sektion für Vor- und Frühgeschichte der [[Akademie der Wissenschaften der DDR|Deutschen Akademie der Wissenschaften]] zu Berlin (1952), der [[Sächsische Akademie der Wissenschaften|Sächsischen Akademie der Wissenschaften]] zu Leipzig (1964) sowie der [[Berliner Gesellschaft für Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte]]. == Bedeutung für die Ur- und Frühgeschichtsforschung und Bodendenkmalpflege in Thüringen == In Thüringen hat Neumann die Ur- und Frühgeschichtsforschung und Bodendenkmalpflege in den 1930er Jahren teilweise völlig reformiert. Er war maßgeblich beteiligt an neuen Ausgrabungs[[gesetz]]en von 1932 und 1933, veranlasste in mehreren bedeutenden Museen in Thüringen wie z. B. in [[Gera]] und [[Gotha]] die Neuaufstellung der vorgeschichtlichen Sammlungen und baute aus dem Jenaer Universitätsinstitut als Landesanstalt für Vorgeschichte heraus die landesweite staatliche Bodendenkmalpflege auf. Neumann führte zwischen 1930 und 1944 zahlreiche wichtige Ausgrabungen und Notbergungen in den nichtpreußischen Gebietsteilen Thüringens durch und gilt mit seinen Untersuchungen von mittelalterlichen Burgen, Kirchen, Städten und Wüstungen als einer der Väter der [[Mittelalterarchäologie]]. Um die Ergebnisse seiner Forschungen und die seiner Schüler im Fach und der Öffentlichkeit bekanntzumachen, hat Neumann die Zeitschrift „Der Spatenforscher“ (1936–1943) und das vorgeschichtliche Jahrbuch „Irmin“ des Germanischen Museums der Friedrich-Schiller-Universität (1939–1942) herausgegeben. Eine Analyse des Schrifttums ergab, dass Neumann auch während des Nationalsozialismus, bis auf wenige Ausnahmen, um Wissenschaftlichkeit in der Darstellung seiner Funde und Ergebnisse bemüht war, die Ideologisierung der Ur- und Frühgeschichte bei ihm somit in den Hintergrund trat. Von seinen Überzeugungen wich nicht er ab und war nicht bereit, auch nur die Möglichkeit der Überlegenheit einer Kultur über eine andere Kultur anzuerkennen, geschweige denn die der [[Germanen]]. Für die ''„Germanen“'' der [[La-Tène-Zeit]] hat er bei öffentlichem Anlass provozierend von ''„stärkstem [[Kelten|keltischen]] Kultureinflusse“'' gesprochen und [[Völkische Bewegung|völkischer]] Gesinnung und ''„Germanomanie“'' eine völlige Absage erteilt. Mehrfach beschäftigte er sich bei Ausgrabungen und in Vorlesungen, Vorträgen oder Publikationen mit den [[Slawen]] auf dem [[Germania Slavica|Gebiet Deutschlands]], denen er nicht nur eine eigene Kultur zugestand, sondern auch einen Anteil an der Geschichte des deutschen Volkes. Auch nach 1945 war Neumann nach kurzer Unterbrechung wieder als Hochschullehrer tätig und setzte seine Ausgrabungen und Forschungen in Thüringen fort. Die führende Rolle seines Instituts musste er jedoch zunehmend an das heutige [[Thüringisches Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie|Thüringische Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie]] in Weimar abtreten. Nach dem Tod von [[Alfred Götze (Prähistoriker)|Alfred Götze]] übernahm er dessen Wunsch folgend die Erforschung der [[Steinsburg]] bei [[Römhild]] und setzte damit seine Erforschung ur- und frühgeschichtlicher und mittelalterlicher Burganlagen fort. Sowohl seine Ausgrabungen als auch die in seinen Lehrveranstaltungen und wissenschaftlichen Arbeiten behandelten Themen deckten nahezu die gesamte Breite der Prähistorie in Thüringen ab. Letztere sind das Ergebnis sorgfältiger, am Fundmaterial ausgerichteter und in erster Linie beschreibender und vergleichender archäologischer Forschung und somit von bleibendem Wert für die Ur- und Frühgeschichtsforschung insbesondere in der mitteldeutschen Landschaft. == Literatur == === Schriften === * ''Die Gliederung der Glockenbecherkultur in Mitteldeutschland''. In: ''Prähistorische Zeitschrift.'' Band 20, de Gruyter, Berlin 1929, S. 3–69. {{ISSN|0079-4848}} * ''Die Entwicklung der Aunjetitzer Keramik in Mitteldeutschland''. In: ''Prähistorische Zeitschrift.'' Band 20, de Gruyter, Berlin 1929, S. 70–144. {{ISSN|0079-4848}} * ''Das große Grab von Gävernitz, Amtshauptmannschaft Großenhain, Sachsen.'' Mitteilungen aus dem Museum für Mineralogie, Geologie und Vorgeschichte zu Dresden. Vorgeschichtliche Reihe. Band 13. Dresden 1930. * ''Die Vor- und Frühgeschichte Mitteldeutschlands''. In: ''Das Thüringer Fähnlein.'' Band 7, Neuenhahn, Jena 1938, S. 362–369. * ''Sieben Gleichbergburgen nach dem Forschungsstande von 1952''. In: ''Frühe Burgen und Städte. Beiträge zur Burgen- und Stadtkernforschung.'' Festschrift Wilhelm Unverzagt. Deutsche Akademie der Wissenschaften zu Berlin. Schriften der Sektion für Vor- und Frühgeschichte. Band 2. Berlin 1954, S. 7–16. * Mehrere kurze Überblicke über verschiedene ur- und frühgeschichtliche Kulturen, In: ''Ausgrabungen und Funde.'' Band 3, Akademie-Verlag, Berlin 1958. {{ISSN|0004-8127}} * Gotthard Neumann: ''Die Fibeln vom Kleinen Gleichberge bei Römhild''. In: ''Abhandlungen der Sächsischen Akademie der Wissenschaften zu Leipzig, Philologisch-Historische Klasse.'' Band 64, Heft 3, Leipzig 1973. {{ISSN|0080-5297}} Eine [http://web11.p15166456.pureserver.info/justorange_cms-66.html Bibliografie] befindet sich auf der Webseite des [http://www.uni-jena.de/philosophie/ufg Bereichs für Ur- und Frühgeschichte der FSU Jena]. === Nachrufe und Würdigungen === * Karl Peschel: ''Nachruf Gotthard Neumann 1902–1972.'' In: ''Zeitschrift für Archäologie.'' Band 6, Hüthig, Heidelberg 1972, S. 286f. {{ISSN|0044-233X}} * Werner Coblenz: ''Gotthard Neumann †''. In: ''Ausgrabungen und Funde.'' Band 17, Akademie-Verlag, Berlin 1972, S. 97f. {{ISSN|0004-8127}} * Werner Coblenz: ''Gotthard Neumann 8.6.1902–29.4.1972.'' Mit Bibliographie Gotthard Neumann nach Unterlagen von Dr. phil. Karl Peschel. In: ''Jahrbuch für Regionalgeschichte und Landeskunde.'' Hrsg. v. der Sächsischen Akademie der Wissenschaften zu Leipzig. Böhlau, Weimar 1971–72 (1974), S. 316–332. {{ISSN|0085-2341}} * Werner Coblenz: ''Prähistoriker in der Sächsischen Akademie der Wissenschaften zu Leipzig. Ihre Beiträge zur Geschichtsforschung.'' In: ''Wege und Fortschritte der Wissenschaft.'' Beiträge von Mitgliedern der Sächsischen Akademie der Wissenschaften zu Leipzig zum 150. Jahrestag ihrer Gründung. Berlin 1996, S. 421–436, hier S. 428f. ISBN 3-05-003134-4 * Wolfgang Pape: ''Zehn Prähistoriker aus Deutschland.'' In: [[Heiko Steuer]] (Hrsg.): ''Eine hervorragend nationale Wissenschaft. Deutsche Prähistoriker zwischen 1900 und 1995.'' Ergänzungsbände zum Reallexikon der Germanischen Altertumskunde. Band 29, Berlin 2001, S. 55–88, ISBN 3-11-017184-8 * Rosemarie Müller: ''Gotthard Neumann und das Problem der Kelten und Germanen in Thüringen.'' In: [[Heiko Steuer]] (Hrsg.): ''Eine hervorragend nationale Wissenschaft. Deutsche Prähistoriker zwischen 1900 und 1995.'' Ergänzungsbände zum Reallexikon der Germanischen Altertumskunde. Band 29. Berlin 2001, S. 89–107, ISBN 3-11-017184-8 * Roman Grabolle, Uwe Hoßfeld und Klaus Schmidt: ''Ur- und Frühgeschichte in Jena 1930–1945. Lehren, Forschen und Graben für Germanien?'' In: Uwe Hoßfeld, Jürgen John, Oliver Lemuth und Rüdiger Stutz (Hrsg.): ''Kämpferische Wissenschaft.'' Studien zur Universität Jena im Nationalsozialismus. Köln-Weimar-Wien 2003, S. 868–912, ISBN 3-412-04102-5. Weitere Würdigungen und Nachrufe in der [http://web11.p15166456.pureserver.info/justorange_cms-66.html Bibliografie]. == Weblinks == * {{DNB-Portal|138433143}} {{Normdaten|PND=138433143|VIAF=89224508}} {{DEFAULTSORT:Neumann, Gotthard}} [[Kategorie:Prähistoriker]] [[Kategorie:NSDAP-Mitglied]] [[Kategorie:KfdK-Mitglied]] [[Kategorie:LDPD-Mitglied]] [[Kategorie:Person (Weimar)]] [[Kategorie:Hochschullehrer (Jena)]] [[Kategorie:Mitglied des Deutschen Archäologischen Instituts]] [[Kategorie:Militärperson im Nationalsozialismus]] [[Kategorie:Deutscher]] [[Kategorie:Geboren 1902]] [[Kategorie:Gestorben 1972]] [[Kategorie:Mann]] {{Personendaten |NAME=Neumann, Gotthard |ALTERNATIVNAMEN=Neumann, Gotthard Arno Ernst (voller Name) |KURZBESCHREIBUNG=deutscher Prähistoriker |GEBURTSDATUM=8. Juni 1902 |GEBURTSORT=[[Schwabsdorf]], Landkreis [[Weimar]], [[Thüringen]] |STERBEDATUM=29. April 1972 |STERBEORT=[[Jena]] }} {{Exzellent}} ezac2n7xlz1dl1204mprvoe9f3tevfs wikitext text/x-wiki Neumarkt (Dresden) 0 23991 26589 2010-04-12T13:20:58Z Paulae 0 ist eine andere {{Infobox Platz |Name=Neumarkt |Alternativnamen= |Stadtwappen=Dresden Stadtwappen.svg |Kategorie=Platz in Dresden |Bild=Frauenkirche-dresden.jpg |Bild zeigt=Frauenkirche und die ersten fertiggestellten Quartiere |Ort=Dresden |Ortsteil=[[Innere Altstadt]] |Angelegt=13. Jahrhundert |Neugestaltet=seit 1950 (besonders seit 1990) |Straßen=Münzgasse, Salzgasse, Rampische Straße, Landhausstraße, Moritzgasse, Galeriestraße, Jüdenhof |Bauwerke=[[Frauenkirche (Dresden)|Frauenkirche]], [[Hochschule für Bildende Künste Dresden|Kunstakademie]], [[Johanneum (Dresden)|Johanneum]] |Nutzergruppen=[[Fußverkehr]], [[Radverkehr]], [[Öffentlicher Verkehr]], [[Tiefgarage]] |Platzgestaltung= |Platzfläche= |Baukosten= }} [[Bild:Dresden 001.jpg|thumb|upright|Die Münzgasse – Der älteste Teil der wiedererbauten Neumarktquartiere]] Der '''Neumarkt in Dresden''' zwischen [[Altmarkt (Dresden)|Altmarkt]] und [[Elbe]] ist ein bekannter Platz der [[Dresden|Dresdner]] Innenstadt. Er wird begrenzt durch die Dresdner [[Frauenkirche (Dresden)|Frauenkirche]], das [[Johanneum (Dresden)|Johanneum]], den [[Kulturpalast (Dresden)|Kulturpalast]] und das [[Kurländer Palais]]. Durch die rege Bautätigkeit, ausgelöst durch den Wiederaufbau der Frauenkirche, verändert der heutige Platz seine Gestalt fortlaufend. Die Neubebauung zielt auf eine [[Rekonstruktion]] vieler historischer Gebäude und Gebäudegrundrisse, die den Neumarkt in der Vergangenheit kennzeichneten. Als ''Neumarktareal'' oder ''Neumarktquartiere'' wird eine Reihe von Parzellen rund um Neumarkt und Frauenkirche beziehungsweise zwischen Kulturpalast, [[Dresdner Residenzschloss|Schloss]], [[Sekundogenitur (Dresden)|Sekundogenitur]], [[Hochschule für Bildende Künste Dresden|Kunsthochschule]], [[Albertinum (Dresden)|Albertinum]] und [[Landhaus (Dresden)|Landhaus]] bezeichnet, die teilweise bebaut, teilweise noch unvollendet sind. == Geographie == === Lage === [[Bild:Neumarkt Karte.png|thumb|Straßen und Quartiere des Neumarkts]] Der Dresdner Neumarkt liegt zentral in der [[Innere Altstadt|Inneren Altstadt]] zwischen dem, bis zum Wiederaufbau 2008 als letzte Innenstadtruine vorhandenen, [[Kurländer Palais]] und dem wiederaufgebauten [[Taschenbergpalais]]. Er ist umgeben von Bebauung der [[Brühlsche Terrasse|Brühlschen Terrasse]] im Norden und der [[Wilsdruffer Straße]] im Süden. An ihm liegt das [[Coselpalais]]. Der Markt galt bis zu seiner Zerstörung als ein geschlossenes Ensemble des bürgerlichen Barocks von weltweitem Rang. Von allen Gebäuden, die bis 1945 am Neumarkt standen, blieben lediglich das Johanneum und (als Ruine bis zu ihrem Wiederaufbau) die Frauenkirche erhalten. Alle anderen Gebäude wurden zerstört, die Ruinen nach 1945 vollständig abgetragen. === Gliederung === [[Bild:Dresden Luftbild Stadtteil Altstadt Ostansicht 2005.jpg.jpg|thumb|left|Luftbildansicht des Neumarkts (zentral im Bild) im Jahr 2005]] Der Neumarkt besteht aus drei Teilplätzen, dem Jüdenhof im Westen dem Johanneum vorgelagert, dem Neumarkt zentral und den Flächen um die Frauenkirche herum. Den Planungen zufolge soll er wieder einer der belebtesten Plätze der Dresdner Innenstadt werden. Die Bebauung am Platz wird in acht Quartiere geteilt. Am Neumarkt beginnen zahlreiche Straßen und Gassen, die teilweise erst nach der Errichtung der fehlenden Quartiere erkennbar werden. Wichtige Straßen sind die Landhausstraße, die den Markt mit dem Pirnaischen Platz verbindet und die Rampische Straße, die Richtung Rathenau-Platz verläuft. Die Galeriestraße trifft am Kulturpalast auf die Wilsdruffer Straße und den Altmarkt. Die [[Augustusstraße (Dresden)|Augustusstraße]], an der der [[Fürstenzug]] angebracht ist, läuft Richtung Schlossplatz und [[Augustusbrücke]]. In Richtung Augustusstraße verläuft noch die Töpferstraße, die durch den Aufbau des 1. Quartiers auch wieder beidseitig bebaut ist. Von den Gassen sei vor allem die Münzgasse erwähnt, die Richtung Terrassenufer also nach Norden verläuft und die Salzgasse die parallel zur Rampischen Straße läuft. Andere Gassen wie die Kanzleigasse oder die Sporergasse sind gegenwärtig nicht erkennbar. === Verkehr === [[Bild:Neumarkt Karte 1895.png|thumb|Neumarkt und Altmarkt um 1895: Es entstanden Innenstadtumfahrungen für den Straßenverkehr und neue Durchgangswege am Neumarkt vorbei]] Der Neumarkt ist eine Fußgängerzone. Bis zu seiner Umgestaltung in den letzten Jahren diente er vor allem als Parkfläche. Unter dem Neumarkt erstreckt sich eine Tiefgarage. Durchlässig für den Straßenverkehr sind nur die Brühlsche Gasse zum Terrassenufer, die Landhausstraße zum Pirnaischen Platz, über die die Zuführung für die Tiefgaragen erfolgt, und die Salzgasse zum Rathenauplatz. Bis 1948 verlief noch eine Straßenbahntrasse von der Moritzstraße zur Augustusstraße über den Neumarkt, diese wurde nach einem Beschluss im selben Jahr stillgelegt und abgebaut. Der angrenzende [[Pirnaischer Platz|Pirnaische Platz]] und der [[Postplatz (Dresden)|Postplatz]] sind durch den Wiederaufbau die Hauptknoten des Straßenbahnnetzes geworden. Sowohl Altmarkt als auch Neumarkt verloren ihre Stellung als Knotenpunkt im starken Stadtwachstum der Gründerzeit zugunsten dieser beiden Plätze. Seit den 1950er Jahren verläuft die Hauptachse des Straßenbahnnetzes über die südlich zum Neumarkt verlaufende Wilsdruffer Straße. Die enge Gassenstruktur um beide Märkte stellte für den anwachsenden Verkehr ein zunehmendes Problem dar. So entstanden auch mehrere Straßenringe um die Innere Altstadt (Marienstraße, Johannes- und Moritzallee) und mit dem [[26er Ring]] später auch um die Vorstädte. Schon vor 1945 wurde die enge Wilsdruffer Gasse verbreitert, um in Verlängerung der neu geschaffenen König-Johann-Straße als Durchgangsstraße dienen zu können. == Geschichte == === Spätmittelalter === [[Bild:Dresden Stadtkarte 1634.jpg|thumb|Ansicht der Stadt Dresden um 1634; Der Neumarkt ist der untere der beiden Plätze]] Der Neumarkt liegt auf einer seichten Erhebung und gehört deswegen wohl zu den ältesten Siedlungsorten im Stadtkern Dresdens. Die [[Elbe]] war zu der Zeit nicht so eingefasst wie in der Gegenwart, sondern war im gesamten [[Elbtalkessel]] [[Binnendelta|verzweigt]] und schloss so wohl auch das Fischerdorf auf dem Gebiet des Neumarkts ein. Auf der anderen Seite des Hauptstroms lag die Siedlung, die später ''[[Altendresden]]'' und seit der Neuerrichtung ''[[Innere Neustadt|Neustadt]]'' genannt wird. Zwischen diesen Siedlungen bestand eine Fährverbindung etwa auf Höhe der Münzgasse. Durch die [[Augustusbrücke]], die wohl seit dem 13. Jahrhundert besteht, wurde die Überquerung der Elbe später westlich des Neumarkgebietes einfacher. Weiter südwestlich entstand ein weiterer Ortskern um die [[Kreuzkirche (Dresden)|Kreuzkirche]]. Mit Vergabe des Stadtrechts Anfang des 13. Jahrhunderts entstand dort auf Basis des [[Stapelrecht]]s ein Marktplatz und später eine Stadtmauer um die Siedlung. Obgleich die Siedlung ''Dresdene'' und das Dorf um die Kirche ''Zu Unsrer Lieben Frauen'' sehr nah aneinander lagen, wurden sie durch die Stadtmauer getrennt. Warum die Siedlungen nicht gemeinsam umfasst wurden, ist nach wie vor nicht geklärt. Die These, auf dem Gebiet des Neumarkts hätten vorwiegend Slawen gewohnt, wurde durch archäologische Erkenntnisse widerlegt (''siehe unten''). Noch bis ins 16. Jahrhundert gehörte der Platz um die Kirche ''Zu Unsrer Lieben Frauen'' nicht zur ummauerten Stadt Dresden. Vielmehr änderte die Wehranlage die Siedlung so, dass sie sich wie eine [[Dresdner Vorstädte|Vorstadt]] an das ''Frauentor'' vorlagerte. Später wurde die Fläche der Neumarktquartiere – gleichzeitig mit dem Ausbau Dresdens zur kurfürstlichen Residenz um 1530 – eingemeindet, vor allem um die Stadtbefestigung ausbauen zu können. Dresden besaß von da an zwei Marktplätze: Der Markt an der Kreuzkirche wurde von diesem Zeitpunkt an [[Altmarkt (Dresden)|Altmarkt]] und der hinzugewonnene Platz Neumarkt genannt. Die Kirchgemeinde der Frauenkirche erstreckte sich aber weiterhin weit in das östliche Umland, das erst später nach Dresden eingegliedert wurde. Durch die Verlagerung der Stadtfestung änderte sich auch die Aufteilung der Gebäude am Neumarkt. Die nunmehr innere Stadtmauer konnte geschleift werden und ließ Platz für neue Gebäude. So entstand das alte [[Gewandhaus (Dresden)|Gewandhaus]]; der Jüdenhof (einst ein kleiner Platz in der Stadt an der Stadtmauer) wurde eine Teilfläche des Neumarkts. Über den Neumarkt verlief eine der Hauptstraßen durch die Stadt, die das [[Pirna]]ische Tor mit der Augustusbrücke verband. Schon 1591 wurde das [[Johanneum (Dresden)|Johanneum]] als [[Remise|Wagenremise]] des Schlosses erbaut und war, wie die gesamte Bebauung mit Ausnahme der Kirche, von der [[Renaissance]] geprägt. Die sonstige Bebauung war vorrangig bürgerlich und bestand aus für die Renaissance typischen [[Giebel (Bauteil)|Giebelhäusern]]. === Barock === [[Bild:Dresden1750.jpg|thumb|Dresden um 1750: Der Neumarkt befindet sich zwischen östlichem Stadttor und der Elbbrücke (Die Karte ist zur Einnordung 90° gegen den Uhrzeigersinn zu drehen)]] Im Zeitalter [[August II. (Polen)|Friedrich Augusts I.]] (genannt ''August der Starke'') wandelte sich der Platz unter dem Einfluss des [[Barock]]. Der Bebauung am Neumarkt ging die völlige Neugestaltung Altendresdens zur [[Innere Neustadt|Neuen Königlichen Stadt]] am anderen Elbufer voraus. Durch einen verheerenden Stadtbrand konnte diese mit symmetrischen Straßenzügen und stilreinen Gebäuden bebaut werden. Sowohl in den kurfürstlichen Bauwerken, als auch an den bürgerlichen Häusern, bildete sich der [[Dresdner Barock]] heraus. Am Neumarkt wurden im Frühbarock einzelne Wohnhäuser umgestaltet, andere verblieben im Stil der Renaissance. Auch der Platzgrundriss des Platzes verblieb in seiner ursprünglichen Form: Um die [[Romanik|romanische]] Frauenkirche befand sich ein ausgedehnter Friedhof. Friedrich August und die Bürgerschaft ergriffen erste Regulierungen der Bebauung, die vor allem die [[Dachtraufe|Traufhöhe]]n betrafen. Zwischen 1726 und 1746 entstand die barocke Frauenkirche mit ihrer bekannten Kuppel am Ort der romanischen Kirche. Trotz Aufgliederung der Gemeinde durch neue Kirchen im Umland Dresdens wurde das romanische Bauwerk zu klein. Mit Fertigstellung der Kirche wurden erstmals Eingriffe in die Platzbebauung erwogen um die Wirkung der Kirche zu verstärken. So wurde der Abriss der Altstädter Wache, die den Platz mittig teilte, geplant aber nie vollzogen. Im [[Siebenjähriger Krieg|Siebenjährigen Krieg]], während einer Belagerung im Juli 1760, wurde die Kuppel der Frauenkirche Ziel eines preußischen Artilleriebeschusses. Die Kirchkuppel wurde stark beschädigt, blieb aber erhalten. Die umliegende Wohnbebauung sowie die Altstädter Wache und das Gewandhaus fielen dem Beschuss zum Opfer. Die schon vorher als störend angesehenen Gebäude wurde abgerissen und die umschließende Bebauung vollständig im Stil des [[Rokoko]]s bzw. Spätbarocks wieder hergestellt. === 19. Jahrhundert === [[Bild:Dresden Frauenkirche 1880.jpg|thumb|Der Neumarkt um die Frauenkirche 1880]] Später kam es nur zu vereinzelten Änderungen an Gebäuden. Das Johanneum wurde fortlaufend weiter verändert und erhielt erst 1872 seine endgültige Form. Mit der Auflösung der Stadtmauer schloss sich an das Neumarktareal in unmittelbarer Nähe die [[Pirnaische Vorstadt]] an. Am Anfang des 19. Jahrhunderts wuchs Dresden vor allem durch die Anlage der [[Dresdner Vorstädte]]. Die Innenstadt nahm immer mehr den Charakter eines [[Historischer Stadtkern|historischen Stadtkerns]] an. [[Bild:Dresden-Maiaufstand .jpg|thumb|left|Der Neumarkt (im Hintergrund das [[Hotel Stadt Rom (Dresden)|Hotel Stadt Rom]]) war Mittelpunkt des Dresdner Maiaufstands 1849]] Während des [[Dresdner Maiaufstand]]s war der Neumarkt durch die Nähe zum [[Dresdner Zeughaus|Zeughaus]] der Dresdner Garnison Zentrum der [[Barrikade|Barrikadenkämpfe]]. Der Maiaufstand war eine der letzten Auseinandersetzungen der [[Märzrevolution]], die darauf abzielte, den sächsischen König zu stürzen. In unmittelbarer Nähe des Neumarkts befand sich das wichtigste [[Dresdner Zeughaus]] mit angeschlossenem Pulverturm der Stadt, das von den Revolutionären eingenommen wurde. [[Bild:Dresden-blickvomrathausturm1910.jpg|thumb|left|Blick vom Rathausturm über den Neumarkt um 1910]] Erst preußische Truppen ermöglichten es dem sächsischen König [[Friedrich August II. (Sachsen)|Friedrich August II.]] nach Dresden zurückzukehren. Bei der Rückeroberung der Stadt kam es auf dem Neumarkt zu Gefechten zwischen Revolutionären und den preußischen und sächsischen Armeen. Die Fassaden der Neumarktbebauung wurden dabei beschädigt. [[Albert (Sachsen)|König Albert]] veränderte die Bebauung am Neumarkt am Ende des 19. Jahrhunderts noch einmal durch die neoklassizistischen Bauten der Kunstakademie und des [[Albertinum (Dresden)|Albertinums]] an Stelle des Zeughauses. === 20. Jahrhundert === [[Bild:Bundesarchiv Bild 146-1994-041-07, Dresden, zerstörtes Stadtzentrum.jpg|thumb|left|Zerstörtes Neumarktgebiet 1945. In der Bildmitte die Frauenkirchruine, links der Neumarkt.]] Durch die [[Luftangriffe auf Dresden]] am 13. und 14. Februar 1945 wurde die Bebauung des Neumarkts weitestgehend zerstört. Nach der Beseitigung der Trümmer blieben nur Teile eines der vier Treppentürme und der Choranbau der Frauenkirche von der historischen Bebauung bestehen. Die Trümmer wurden aus der Innenstadt geräumt und die weitestgehend erhaltenen Keller verfüllt. Durch den Wiederaufbau der südlichen Innenstadt änderte sich vor allem der Straßengrundriss. Die Wilsdruffer Straße wurde als direkte Verbindung zwischen [[Pirnaischer Platz|Pirnaischem Platz]] und [[Postplatz (Dresden)|Postplatz]] angelegt. Die Ruine der Frauenkirche wurde als ''Mahnmal gegen den Krieg'' belassen und nicht beseitigt. [[Bild:Dresden Johanneum 01.jpg|thumb|Der Wiederaufbau des Johanneums begann 1950]] Während Gebäude des sächsischen Hofstaats wie [[Zwinger (Dresden)|Zwinger]] oder [[Hofkirche (Dresden)|Hofkirche]] rekonstruiert wurden, blieb der Neumarkt für viele Jahre frei von Bebauung. Erst 1969 wurde der [[Kulturpalast (Dresden)|Kulturpalast]] als Abtrennung zwischen Alt- und Neumarkt eröffnet. Etwa in selber Zeit wurde der Wiederaufbau des Johanneums abgeschlossen. Dem historistischen [[Polizeipräsidium (Dresden)|Polizeipräsidium]] wurde 1979 ein stufenförmiger Plattenbau angefügt. Ab Mitte der 1980er Jahre wurde noch zu Zeiten der DDR eine historisierende Wiederherstellung der Umgebung des Neumarktes mit dem Fernziel des Neubaus der Frauenkirche diskutiert, zum Teil geplant und in Ansätzen realisiert. An der Töpferstraße begann Ende der 1980er Jahre der Bau des [[Postmoderne Architektur|postmodernen]] Hotels [[Hilton Hotels|Hilton]], daneben entstanden postmoderne Plattenbauten mit Wohnungen. Die Umsetzung der ehrgeizigen Ziele verhinderte die Wirtschaftskrise in der kollabierenden DDR. [[Bild:Dresden.Frauenkirche.Kuppelfragment.JPG|thumb|Ein Kuppelfragment der alten Frauenkirche wurde zum Gedenken der Zerstörung aufgestellt]] Durch die [[Deutsche Einheit|Deutsche Wiedervereinigung]] und den [[Ruf aus Dresden]] für einen Wiederaufbau der Frauenkirche, wurde eine Neubebauung des Neumarktes möglich. Diese wird sich noch bis weit in die Zukunft erstrecken. === Ausgrabungen und Archäologie === Im Zuge der Baufeldberäumungen konnten auch die Keller im Untergrund des Neumarkts untersucht werden. Weitere Objekte von Interesse waren die alte Stadtfestung und das Frauentor sowie der Friedhof der alten Frauenkirche. Eine Besiedlung des Gebiets um die Frauenkirche ist bereits um 700 vor Christus über Siedlungsspuren nachweisbar. Nach längerer Pause entstand im 12. Jahrhundert eine städtische Siedlung, die dann in einer ins Jahr 1206 datierten erhaltenen Urkunde als „Dresdene“ erwähnt wurde. Anfangs bildeten die Stadträume um Altmarkt und Frauenkirche wohl noch eine geschlossene Siedlungsfläche. Quer durch das Neumarktviertel verlief dann spätestens Ende des 13. Jahrhunderts die älteste Stadtmauer; erst als einfache Mauer, dann als [[Zwinger (Architektur)|Zwingerbauwerk]] angelegt. Ihr vorgelagert war ein Wassergraben über den am Frauentor eine Holzbrücke führte. Überraschend fanden sich bei den Ausgrabungen Reste der Stadtmauer mit dem erhaltenen Frauentor, vorgelagerter Brücke und daneben eine weitgehend erhaltene "Barbakane", eine halbkreisförmige Bastion. Die Überreste der Brücke, des Frauentors und der Barbakane wurden abgerissen, um einer Tiefgarage Platz zu machen. Ebenfalls gefunden wurden Überreste eines angestauten Sees. Archäologen schließen daraus, dass in der Siedlung vor der Stadtmauer vor allem Mühlenhandwerk ansässig war. Funde im Schlick des verlandeten Sees deuten auch auf Metallverarbeitung hin. Schon bei der Eingliederung der Flächen nach Dresden war der See verlandet und die Abführungsgräben verfüllt. An Stelle des Sees wurden einfache Holzhäuser in Fachwerkbauweise gebaut, die im Falle der Stadtverteidigung abgerissen werden konnten, um dem Belagerer keine Deckung zu bieten. <ref name="arch">Landesamt für Archäologie: [http://www.archsax.sachsen.de/Themenportal/download/II_21_neum3.pdf Ausgrabungen am Neumarkt]</ref> Um die romanische Frauenkirche befand sich ein Friedhof, der ebenfalls untersucht wurde. Unterschiede zeigten sich vor allem im Aufwand für die Bestattungen zwischen Spätmittelalter und Barock. Zwar konnten vereinzelt Särge des Spätmittelalters gefunden werden, die meisten Toten wurden aber nur im Leichentuch und mit aufgelegtem Holzkreuz begraben. Aus der Lage der Toten und der wenigen Grabbeigaben wird geschlossen, dass es sich bei diesen um slawische Christen handelt. Gräber des Barock unterscheiden sich durch ihre aufwändigeren Grabbeigaben wie Goldringe oder [[Totenkrone]]n. Der Friedhof war bis zu seiner Schließung 1715 eng belegt. <ref name="arch">Landesamt für Archäologie: [http://www.archsax.sachsen.de/Themenportal/download/II_21_neum3.pdf Ausgrabungen am Neumarkt]</ref> == Bebauung == {{Großes Bild|Dresden-Neumarkt-pano.jpg|800|Panorama mit Verkehrsmuseum (links), Frauenkirche (mittig) und Neuem Rathaus (rechts im Hintergrund)}} Es bestehen am Neumarkt noch viele Freiflächen, bedingt durch Kriegszerstörungen und den folgenden großflächigen Beräumungen. Eine Erweiterung des alten Polizeipräsidiums aus DDR-Zeiten in [[Plattenbau|Plattenbauweise]] wurde von März bis Juli 2005 abgerissen. Nicht zuletzt langjährige Meinungsverschiedenheiten über den Wiederaufbau verzögerten eine Bebauung des Neumarkts. Die [[Neumarkt (Dresden)#Kontroverse um die Bebauung|Kontroverse um die Bebauung]] thematisiert dabei nicht nur Fragen und Ansprüche an die Architektur sondern auch philosophische Aspekte der Rekonstruktion zerstörter Gebäude sowie den Umgang mit Gegenwartskunst. In den 1980er Jahren wurde der Gedanke der sogenannten „Leitbauten“ entwickelt: ein Wiederaufbau jener gut dokumentierten Gebäude, die kulturhistorisch und städtebaulich von besonderem Wert sind (z.&nbsp;B. Dinglingerhaus, Kopfbau Rampische Straße 33). Eine nicht rechtskräftige Gestaltungssatzung für das Neumarktgebiet in aktueller Fassung vom 1.&nbsp;März 2002 sieht in den acht Quartieren auf über 100 zu bebauenden Parzellen mehr als 60 Leitbauten und zu rekonstruierende Fassaden vor. Gebäude, die weder den Status von Leitbauten haben noch deren Fassade nach historischem Vorbild zu gestalten vorgesehen ist, sollen sich harmonisch einfügen und mit Putzfassade zurückhaltend zeitgenössisch (in dem Sinne [[Postmoderne|postmodern]]) gestaltet werden. Auf dem Platz zur Zeit aktive Bauträger sind unter anderem [[Arturo Prisco]] (Quartier I, „Quartier Frauenkirche“), das Dresdner Unternehmen V.V.K. (Quartier II) sowie die [[BayWobau]] (Quartier IV). === Profan- und Sakralbauwerke === [[Bild:Dresden Überblick 4.jpg|thumb|Der nordöstliche Abschluss des Neumarktareals durch die Kunstakademie (von der Frauenkirche gesehen)]] Zentrales und wichtigstes Gebäude am Neumarkt ist die [[Frauenkirche (Dresden)|Frauenkirche]], an der sich der Platz in südlicher Richtung ausrichtet. Die Kirche wurde an ihrem alten Ort und so weit wie möglich mit authentischem Baumaterial rekonstruiert. Der bürgerlich [[barock]]e Kuppelbau entstand zwischen 1726 und 1743. Die Höhe der senkrechten Mauern der Kirche bzw. der Anker der Kuppel definieren am Neumarkt die Traufhöhen der umliegenden Bebauung. Außer an der Südseite ist die Kirche eng umbaut. Im Westen wird der ''Jüdenhof'' als Teilfläche des Neumarkts vom [[Johanneum (Dresden)|Johanneum]] begrenzt. Das Johanneum gehört als ehemalige Wagenremise zum [[Dresdner Residenzschloss]]. Mehrfach in der Geschichte umgebaut und mit neuartigen Baustilen überbaut, zeigt es mit einer klassizistischen Hauptfassade zum Neumarkt. Markant ist die Englische Treppe, an der sich der Eingang zum [[Verkehrsmuseum Dresden]] befindet. An das Neumarktareal grenzt auch der Osteingang zum [[Stallhof (Dresden)|Stallhof]] des Schlosses. Nordöstlich des Neumarkts befindet sich die [[Hochschule für Bildende Künste Dresden|Kunstakademie]], die den kleinen Platz „an der Frauenkirche“ abschließt. Sie wirkt auf dem Platz vor allem durch ihre Glaskuppel. [[Bild:Dresden_Neumarkt_Quartier1.JPG|left|thumb|Quartier&nbsp;I zwischen Johanneum und Frauenkirche: Haus Neumarkt 3 (links, Fassadenrekonstruktion) neben modernen Fassaden, dahinter der Leitbau Neumarkt 2 mit rekonstruiertem Lichthof]] === Quartier I === [[Bild:Dresden_Frauenkirche_Tuerkenbrunnen_C.Muench.jpg|thumb|Leitbau „Weigelsches Haus“ (Neumarkt 2) nebst Fassadenrekonstruktionen „Hotel Stadt Berlin“ (Neumarkt 1) und „Goldener Ring“ (Neumarkt 3), vom Jüdenhof aus betrachtet]] Das erste Quartier („Quartier an der Frauenkirche“) wird im Osten durch den Platz „An der Frauenkirche“ und im Norden durch die Töpferstraße begrenzt. Südwestlich läuft die Augustusstraße im spitzen Winkel auf die Töpferstraße zu. Die südliche Häuserfront begrenzt den Neumarkt. Das Areal setzt sich aus eigentlich drei Parzellen zusammen und deutet über die Fassaden mehrere Häuser an. Der einzige Leitbau des Quartiers ist das Haus Neumarkt 2, das umgeben ist von zwei Häusern mit Fassaden nach historischem Vorbild auf der Linken und einem solchen Haus auf der Rechten. Auffällig davon ist das links benachbarte Haus Neumarkt 1 am Übergang zur Augustusstraße mit seiner bogenförmigen Fassade (ehemaliges „Hotel Stadt Berlin“). Im Quartier befinden sich etwa 50 Geschäfte, Restaurants und Bars, daneben viele Büroflächen und 27 Wohnungen. Nach Fertigstellung der ersten Gebäude ist festzustellen, dass die genannte Satzung nicht befolgt wurde, denn es entstanden mehrere Betonbauten mit Steinverkleidungen ohne die geforderte Putzfassade. Vor allem direkt gegenüber der aus Sandstein wiedererrichteten Frauenkirche fallen zwei Bauten auf, da die Fassade des einen Gebäudes zu etwa 1/3 aus Glas besteht, des anderen aus grauen Verblendungsplatten, die in der Häuserflucht hervorstehen. Das Quartier und dessen glasüberdachter Innenhof warfen Kritik an der Bauqualität auf (''Siehe [[Neumarkt (Dresden)#Kritik an der Umsetzung|Kritik an der Umsetzung]]''). [[Bild:Dresden_Neumarkt_Quartier2.JPG|left|thumb|Quartier&nbsp;II vor [[Albertinum (Dresden)|Albertinum]] und [[Kurländer Palais]]: „Haus zum Schwan“ (links, Leitbau), Haus Rampische Straße 1 (rechts, Leitbau), „Haus zur Glocke“ (dazwischen, Fassadenrekonstruktion)]] === Quartier II === [[Bild:Dresden_Neumarkt_Quartier2_Rampische_Strasse.JPG|thumb|Quartier&nbsp;II: Fassaden zur Rampischen Straße (Nummerierung von links nach rechts)]] [[Bild:Dresden_Neumarkt_Quartier2_Salzgasse_West.JPG|thumb|Quartier&nbsp;II: Fassaden zum Westteil der Salzgasse]] Das Quartier II befindet sich östlich der Frauenkirche zwischen Salzgasse und Rampischer Straße. Es ist dem Neumarkt bzw. dem Platz „An der Frauenkirche“ nur über drei Gebäude zugeneigt und streckt sich an beiden Gassen in die Tiefe Richtung Tzschirnerplatz. Auf der anderen Seite der nördlichen Salzgasse begrenzt das Coselpalais den Raum um die Frauenkirche. Rekonstruiert wurden zunächst die drei Häuser an der Frauenkirche bzw. die ersten vier Häuser in der Rampischen Straße, darunter die Leitbauten An der Frauenkirche 13 („Haus zum Schwan“, nördliches Eckhaus) sowie Rampische Straße 1 (südliches Eckhaus) und 7. Dabei wurde vor allem darauf geachtet, dass die Fassaden in ihrem ursprünglichen Erscheinungsbild aus dem 18. Jahrhundert, das durch die berühmten Stadtansichten Bernardo Belottos (genannt Canaletto) dokumentiert wurde, wiederentstehen. Einen Höhepunkt des Dresdner Barocks stellt die besonders bewegte Fassade des Hauses Rampische Straße 7 dar. Es wurde 1715 von Maurermeister Georg Hase errichtet und ist geprägt durch überreiche Fensterverdachungen über profilierten Sandsteineinfassungen mit betontem Schlussstein. Abgeschlossen wird dieser Abschnitt des Quartiers durch zwei Neubauten von Architekt Dr. Walter Köckeritz in der Salzgasse, die schlicht modern interpretiert wurden. Sie erhielten eine traditionelle Putzfassade, Ziegeldach und hochstehende Fenster mit vom Putz abgesetztem Gewände. Anschließend entstand auf ursprünglichen sieben Parzellen der Rampischen Straße und der entsprechenden Länge der Salzgasse ein Hotelbau, dessen Fassade im Wesentlichen modern ausgeführt wurde mit schlichter Putzfassade und abweichend grau gedecktem Mansarddach und lediglich zwei der historischen Fassaden nachbildet, nämlich die des Hauses Rampische Straße 9 und die des Leitbaus Rampische Straße 19, welcher einen 1727/28 entstandenen Bau nach einem Entwurf des Zwinger-Architekten [[Matthäus Daniel Pöppelmann]] nachbildet, obwohl ursprünglich die Planung der Stadt die Rekonstruktion von vier historischen Fassaden vorgesehen hatte, d.h. auch der der Häuser Rampische Straße 17 und 21. Anstelle der Fassade des letztgenannten Hauses wurde eine teilweise mit Steinverblendung versehene schlicht-moderne Fassade unter einem rot gedeckten Mansarddach verwirklicht; die Fassade des Hauses Rampische Straße 17 ging in der zuerst beschriebenen modernen Fassade auf, sodass diese nach der Ausführung vier frühere Parzellen umfasst. Vor der Zerstörung 1945 befanden sich in der Salzgasse auf der Länge der Köckeritz-Neubauten sowie des Hotels einfache, angepasste 4-stöckige Neubauten aus der Stadtsanierung und -modernisierung Mitte der 30er Jahren, die die baufälligen niedrigen Gebäude aus dem 18. Jh. an dieser Stelle ersetzten. Die alten Gebäude wurden bereits im 19. Jahrhundert teilweise aufgestockt oder verändert. Weiterhin entsteht derzeit das Haus Rampische Straße 29 als eine möglichst originalgetreue Rekonstruktion des durch Georg Haase errichteten Baus von 1715/1720 durch die Gesellschaft Historischer Neumarkt Dresden e.V. Außerdem im Bau befinden sich die Häuser Rampische Straße 23, 25 und 27 bzw. Salzgasse 3, 2 und 1; hierbei sollen die Fassaden in der Rampischen Straße nach den historischen Vorlagen wiederentstehen, die in der Salzgasse angepasst modern gestaltet werden. Mit dem Kopfbau Rampische Straße 31, an dem Rampische Straße und Salzgasse in den Zschirnerplatz münden, soll, dem Kurländer Palais vis-à-vis, ein weiterer Leitbau entstehen. [[Bild:Dresden_Neumarkt_Quartier3_Quartier4.JPG|left|thumb|Quartiere&nbsp;III (vorn) und IV: Leitbau An der Frauenkirche 16 (Quartier&nbsp;III, links) sowie Leitbau „British Hotel“ Landhausstraße 6 (Quartier IV, im Bau), jeweils neben gemischter Fassadengestaltung]] === Quartier III === [[Bild:Dresden_Neumarkt_Quartier3_Landhausstrasse.JPG|thumb|Quartiere&nbsp;III und IV (rechts): Fassaden Neumarkt 4-7 und Landhausstraße 1 sowie Neumarkt 8 (rechts)]] Das Quartier III ist derzeit zum Teil bebaut. Im Sommer 2006 begann der Wiederaufbau der Gebäude „An der Frauenkirche 16 und 17“ durch einen privaten Investor. Die Arbeiten an dem sich südwestlich davon anschließenden Teilareal des Quartiers begannen am 13. Dezember 2006. Das durch den Investor als „Juwel an der Frauenkirche“ angekündigte Quartier wurde historisch (Fassadenrekonstruktionen: An der Frauenkirche 20, Eckhaus Neumarkt 4, Neumarkt 6 und 7) und in moderner Architektursprache bebaut. Eine [[Baugrube]] wurde schon vor längerem angelegt. Von Seiten der Gesellschaft Historischer Neumarkt Dresden e.V. wird die mangelhafte Umsetzung der Rekonstruktionen kritisiert, denn die Fassaden wurden zumeist in Beton gegossen, anstatt eine traditionelle Ziegelbauweise durchzuführen. Zudem wurde die Fassade des Hauses Neumarkt 4 willkürlich auf das Nebenhaus verdoppelt. Das Quartier III bildet das größte Bauareal am Platz und schließt an das Polizeipräsidium am Pirnaischen Platz an. Im Süden liegt es an der Landhausstraße, benannt nach dem [[Landhaus (Dresden)|Landhaus]] (Stadtmuseum und früherer Sitz des kurfürstl. Landtags) gegenüber dem Quartier. Im Vergleich zum Quartier sind in diesem Bereich der Bebauung wenige Leitbauten vorgesehen: auf der noch unbebauten Fläche lediglich das [[Palais Hoym]]. === Quartier IV === Auf dem Quartier IV befinden sich einige Bauwerke, die zu den ersten fertiggestellten Häusern zählen. Den Neumarkt begrenzt das „Hotel de Saxe“ der [[Steigenberger Hotels|Steigenberger Hotelkette]]. Zum Hotel gehört auch die als niedrigeres, separates Eckhaus angedeutete frühere Salomonisapotheke (Neumarkt 8), in der sich das „[[Freiberger Brauhaus|Freiberger]] Schankhaus“ befindet, sowie der Bau Landhausstraße 4 (beide mit rekonstruierten Fassaden). Die dem Neumarkt zugeneigte Front des Quartiers ist geschlossen. Weitere Bebauung im Quartier an der Landhausstraße sind derzeit im Bau (Leitbau „British Hotel“, Landhausstraße 6) oder in konkreten Planungsphasen. [[Bild:Dresden_Neumarkt_Quartier5.JPG|left|thumb|Quartier&nbsp;V: Leitbauten „Köhlersches Haus“ (rechts) und „Heinrich-Schütz-Haus“ mit Anbau]] === Quartier V === Das vergleichsweise kleine Quartier V liegt ganz im Süden des Areals am Neumarkt. Es wird nördlich von der Frauenstraße und östlich durch die Galeriestraße begrenzt. Im Süden grenzt die Bebauung der Wilsdruffer Straße an. Durchbrochen wird es von der kleinen Schuhmachergasse, die derzeit nicht existiert. Die ersten Bauarbeiten am bereits fertiggestellten östlichen Teilquartier V/2 mit den Leitbauten „Köhlersches Haus“ (Frauenstraße 14) und „Heinrich-Schütz-Haus“ (Neumarkt 12) sowie einem modern gestalteten südlichen Anbau begannen Ende 2007. [[Bild:Dresden Überblick 17.jpg|left|thumb|Das Quartier VI wird den Neumarkt räumlich vom Kulturpalast trennen. Im Hintergrund der Altmarkt]] === Quartier VI === Das Quartier VI befindet sich südwestlich der großen Neumarktfläche und gegenüber dem [[Johanneum (Dresden)|Johanneum]]. Es grenzt also den Jüdenhof südlich ein. Die Bebauung des Quartiers wird die Sichtbeziehung zwischen Frauenkirche und Kulturpalast auflösen. Als Quartier des ehemaligen [[Gewandhaus (Dresden)#Frühere Dresdner Gewandhäuser|Gewandhauses]] ist die Fläche einer besonderen Kontroverse ausgesetzt. Die Gesellschaft Historischer Neumarkt sieht die Platzwirkung durch das rechteckig in den Neumarkt ragende Gewandhaus gefährdet und argumentiert vehement gegen den Bau. Sie beruft sich u.a. auf ein Zitat des Oberlandbaumeisters Schwarze von 1762: „Da die Lage des Gewandhauses so beschaffen ist, dass selbiges wegen seines Vorliegens dem Neumarkt Platze großen Übelstand verursacht, so wäre zu wünschen, dass dieses Gewand- und Fleischhaus weggerissen und anderweit platziert würde [...]. Durch diese Verlegung würde der Raum des jetzigen Gewandhauses zur Vergrößerung besagten Neumarktplatzes angewendet werden können.“ Das Gewandhaus wurde nach dem Beschuss des Neumarkts im Siebenjährigen Krieg abgerissen und der Platz danach begradigt. Der Wegfall des Gewandhauses führte zu einer Vereinheitlichung des aus drei Teilplätzen zusammengesetzten Neumarktes. Die Stadt Dresden rief einen Realisierungswettbewerb zum Neubau des Gewandhauses aus, den ein Glas und Putz betonender Entwurf der Gegenwartsarchitektur gewann. In dem Gebäude ist eine Galerie für zeitgenössische Kunst vorgesehen. Alternativ dazu könnte ohne einen Gewandhausneubau die dem Neumarkt zugewandte Fassade so wiederhergestellt werden, wie sie zwischen 1803 und 1945 bestand; dabei könnten auch die von [[Gottfried Semper]] entworfene Umgestaltung des Erdgeschosses in eine Ladenzeile mit großen Fensterflächen von 1840 sowie der Umbau des Gebäudes Neumarkt 13 von 1851 nach Entwurf von Heinrich Hermann Bothen zum Kaufhaus "Au petit Bazar", einem der ersten Kaufhäuser in Deutschland, Berücksichtigung finden. === Quartier VII === Im Quartier VII ist die Wiederherstellung des Dinglingerhauses (Galeriestraße 18), des Trierschen Hauses (Sporergasse 2) und des Caesarschen Hauses (Schössergasse 25) als Leitbau geplant. Weiters sollen mehrere historische Fassaden bei einer Neubebauung des Areals Berücksichtigung finden. === Quartier VIII === Das 5.700 Quadratmeter große Areal zwischen [[Schloßstraße (Dresden)|Schlossstraße]] und Johanneum wurde im Dezember 2007 an die schon in anderen Quartieren am Neumarkt tätig gewordene Baywobau verkauft. Diese will dort zwischen Schlossstraße und Schössergasse ein Nobelhotel der 5-Sterne-Klasse errichten. Östlich der Schössergasse sollen Wohnungen entstehen. Leitbauten sind in diesem Areal das Bosesche Haus (Schössergasse 16), das Löwenhaus (Schössergasse 18), das Zechsche Haus (Schössergasse 27) und das Gräfl. Hoffmannseggsche Haus (ehemaliges Wohnhaus [[Matthäus Daniel Pöppelmann|Pöppelmanns]], Schlossstraße 34). Darüber hinaus sollen die meisten historischen Fassaden rekonstruiert werden. === Skulpturen und Denkmäler === [[Bild:Bundesarchiv Bild 183-1983-0505-300, Dresden, Luther-Denkmal.jpg|thumb|left|150px|Lutherdenkmal 1983]] [[Bild:Statue Friedrich August II König von Sachsen in Dresden.JPG|thumb|150px|Statue Friedrich Augusts II.]] Vor der Frauenkirche steht ein großes Standbild von [[Martin Luther]], eine bronzene Skulptur von [[Adolf von Donndorf]], die 1885 in der Dresdner Kunstgießerei C. Albert [[Bierling]] gegossen und an dieser Stelle aufgestellt wurde. Der Kopf beruht auf einem Tonmodell [[Ernst Rietschel]]s für das [[Lutherdenkmal]] in Worms, das Rietschel für diesen Zweck aber verworfen hatte. Die Bronze fiel 1945 durch den [[Luftangriff auf Dresden]] um, wurde aber an selber Stelle wieder aufgestellt und seitdem nur zu Sanierungen an andere Orte verbracht. Vor dem „Hotel de Saxe“ befindet sich ein weiteres Standbild zum Gedenken an [[Friedrich August II. (Sachsen)|Friedrich August II.]]. Dieses wurde nach Entwürfen von [[Ernst Hähnel]] um 1867 geschaffen. An der Frauenkirche Richtung Münzgasse wurde ein großes Segment der alten Frauenkirchkuppel aufgestellt. Auf einer Inschrift wird dargestellt von welchem Teil des Mauerwerks sie stammt. Da im Kuppelbereich nur neues Baumaterial verwendet werden konnte, wird der etwa drei mal drei Meter große Steinblock als Mahn- und Denkmal genutzt. Vor dem Johanneum steht der [[Friedensbrunnen (Dresden)|Friedensbrunnen]] (auch ''Türkenbrunnen''), der an die Teilnahme des Kurfürsten [[Johann Georg III. (Sachsen)|Johann Georgs III.]] an der siegreichen [[Schlacht am Kahlenberg]] erinnert. == Kontroverse um die Bebauung == [[Bild:Eckhaus An der Frauenkirche 3.jpg|thumb|Sowohl die Ausführung der zeitgenössischen als auch der historischen Bebauung der Neumarktquartiere ist umstritten. Im Bild: Eckhaus an der Frauenkirche 3 im Quartier I]] Wie kaum ein anderes Bauprojekt in Deutschland ist die Bebauung des Neumarkts umstritten. Dabei gibt es verschiedene Ansichten und Forderungen. Der größte Konsens herrscht wohl noch um die Berücksichtigung der historischen Parzellen und Relationen. Diskussionsgegenstand und -argumentation insbesondere zur vollständigen Rekonstruktion verlorener Bauwerke wird auch auf andere Städte, Plätze und Einzelbauwerke übertragen (zum Beispiel auf die [[Frankfurt-Altstadt#Rekonstruktion historischer Bauwerke|Altstadt]] [[Frankfurt am Main|Frankfurts am Main]] oder auf das [[Berliner Stadtschloss]]). === Gesellschaft Historischer Neumarkt Dresden e. V. === Der Verein Gesellschaft Historischer Neumarkt Dresden e. V. (GHND) befasst sich mit dem stadtbildprägenden Platz. Ziel des Vereins ist es, dass sich die Neubebauung weithin an historischen Vorbildern orientiert. Der Neumarkt mit seiner früheren Bebauung und Blickbeziehungen sollen wieder erlebbar werden. Städtebaulich und unter denkmalpflegerisch-kunsthistorischen Aspekten setzt sich die Gesellschaft für die Vorkriegsfassung des Neumarktes ein, welche mit wenigen gründerzeitlichen Veränderungen das Platzbild um 1800 darstellt. Gefordert werden eine geschlossene Bebauung unter genauer Beachtung der historischen Straßen- und Platzwände, Blickbeziehungen, eine Orientierung am typischen Dresdner Hofhaus sowie eine weitgehende Wiederaufnahme der historischen Parzellengrößen, der Traufhöhen und der Dachlandschaft. Zur Verwirklichung ihrer Ziele wirbt die Gesellschaft bei der Dresdner Bevölkerung, der Stadtverwaltung, der Gewinnung von geeigneten Investoren und den Gästen der Stadt mittels Veröffentlichungen, Vorträgen, Symposien, Führungen und stellt ihr Wissen über das Neumarktgebiet anhand von Fotografien, Plänen, Fragmenten, wissenschaftlichen Bearbeitungen sowie baupraktischen Informationen bereit. Der Verein betreibt einen Informationspavillon gegenüber vom Polizeipräsidium, in dem ein Modell des historischen Neumarkts und zahlreiche Schautafeln besichtigt werden können. Andere Möglichkeiten, vor allem für ortsunkundige Touristen, sich direkt vor Ort über die Bebauung des Neumarkts zu informieren, gibt es nicht. Ein besonderes Anliegen der Gesellschaft ist die rechtzeitige Information und Anhörung der Bürgerschaft durch das Dresdner Stadtplanungsamt über anstehende Bauvorhaben und -entscheidungen im Neumarktgebiet. Mit dem Neumarkt beschäftigen sich auch Vereine in den USA, zum Beispiel [[Vision of Europe]] oder [[Friends of Dresden]]. Die GHND wird zudem finanziell von der [[Max Kade|Max-Kade-Stiftung New York]] unterstützt. === Bürgerbegehren === Die Gesellschaft Historischer Neumarkt Dresden e.V. wollte im Jahr 2002 mit einem [[Bürgerbegehren]] einen Bürgerentscheid zur Art und Weise der Neumarktbebauung herbeiführen. Sie konnte nach knapp sieben Monaten rund 68.000 Unterschriften einreichen und übertraf damit das damals in Dresden geltende [[Quorum|Unterschriftsquorum]] (57.000 Unterschriften = 15% der Stimmberechtigten). Allerdings wurde das Bürgerbegehren von der Stadtverwaltung 2003 wegen Verstoßes gegen die gesetzlichen Richtlinien für unzulässig befunden. Ein Bürgerbegehren dürfe sich lediglich befürwortend oder ablehnend zu einem Bauplan äußern. Eine Abstimmung über die Art und Weise der Umsetzung bestehender Baupläne, wie sie die Frage des Bürgerbegehrens (Abstimmungsfrage: „Wollen Sie den historischen Neumarkt zurück?“) in Kombination mit einem angehängten historischen Entwurf nach Auffassung der Stadtverwaltung impliziere, ginge weit über die Festlegung von Bebauungsplänen oder die Gestaltungssatzung hinaus, verstoße weiterhin gegen das Baugesetzbuch und sei damit unzulässig. Die GHND hat Klage gegen diese Entscheidung erhoben.<ref>Gesellschaft „Historischer Neumarkt Dresden“ e. V.: [http://www.neumarkt-dresden.de/buergerbegehren1.html ''Bürgerbegehren'']</ref> === Positionen === ==== Positionen zur Gestaltung ==== [[Bild:Canaletto (I) 006.jpg|Historische Ansicht um 1750|thumb]] Die Gestaltung des Neumarkts rief eine Kontroverse hervor, die ein zentrales Detail in den [[Dresden#Kritik am Städtebau|Diskussionen zum Dresdner Städtebau]] thematisiert. Die Sinnhaftigkeit von Rekonstruktionen oder der Stellenwert der Gegenwartsarchitektur am Neumarkt werden um abstrakte Begriffe wie [[Identität]], [[Authentizität]] und [[Individualität]] erörtert. ===== Identität ===== Die Gesellschaft „Historischer Neumarkt Dresden“ begründet ihr Anliegen einer Fassadenrekonstruktion kunst- und kulturgeschichtlicher Bauwerke am Platz damit, dass im Wiederaufbau die „letzte Chance“ bestünde, der Stadt ihre „alte Identität“ zurückzugeben, was die „gesichtslosen“ und „funktionalen“ Neubauten der Nachkriegszeit nicht hätten leisten können.<ref>Gesellschaft „Historischer Neumarkt Dresden“ e. V.: [http://www.neumarkt-dresden.de/anliegen.html ''Anliegen'']</ref> Das Gebiet und Umfeld des Dresdner Neumarktes mit der Frauenkirche wird in der Präambel der Gesellschaft „Historischer Neumarkt zu Dresden“ als ein architektonischer und städtebaulicher Höhepunkt Dresdens definiert. Aus dem Wiederaufbau der maßstabsetzenden Frauenkirche entstehe die Verpflichtung, auch den umgebenden Neumarkt in seinem historischen Bild als städtebauliche Einheit mit seinen kunst- und kulturgeschichtlich bedeutenden Bauten wiederherzustellen. Zu rekonstruieren seien die kunst- und kulturhistorisch wie auch städtebaulich bedeutenden Häuser, die das Gebiet einst prägten. Für Parzellen, für die Hausgrundrisse oder andere Dokumente nicht überliefert sind, seien zeitgemäße, aber dem Charakter der historischen Gebäude entsprechende Lösungen zu verfolgen. Neubauten sollen in ihrer künstlerischen Gestaltung den historischen Maßstab der Platz- und Straßenräume weitestgehend nahekommen. Dem gegenüber stehen Positionen, die die Identität Dresdens auch anders begründen. Der moderne [[Kulturpalast (Dresden)|Kulturpalast]], der sich unmittelbar am Neumarkt befindet, wird von der „Klasse Baukunst der Sächsischen Akademie der Künste“ als „identitätsstiftender Ort“ und „bauhistorisches Zeugnis“ bezeichnet. <ref>Sächsische Akademie der Künste: [http://www.sadk.de/nachkriegsmoderne.html ''Offener Brief der Klasse Baukunst der Sächsischen Akademie der Künste an den Oberbürgermeister der Stadt Dresden zu den Umbauplänen für den Kulturpalast Dresden'']</ref> Der Architekturkritiker Andreas Ruby sieht die Verflechtung von Stadt und Landschaft, auch außerhalb der Innenstadt, als das, was Dresden von anderen Städten unterscheide. Die Frauenkirche, als zentrales Element des Wiederaufbaus, sieht Ruby als „gebaute Garantie einer Identität“, die er mit Bauwerken vergleicht, die zuletzt in anderen Städten entstanden. Gleichwohl kritisiert er, dass man diese Identität nicht in der Zukunft, sondern in der Vergangenheit suche.<ref name="ruby">Andreas Ruby: [http://www.zeit.de/2000/46/200046_dresden.xml?page=1 ''Las Vegas an der Elbe''] in: ''Die Zeit''. Hamburg, 2000</ref> [[Bild:Jüdenhof 1910.jpg|thumb|Einzelne Objekte wie das „Eckhaus Rampische Straße 1“ (rechts neben der Frauenkirche) werden nicht in den Vorkriegszustand, sondern in einen Zustand der bereits im 19. Jahrhundert verändert wurde, rekonstruiert; Ansicht um 1910]] Ruby hinterfragt, ob sich hinter dem Motiv des Wiederherstellens einer Identität durch die „Simulation des barocken Neumarkts“ nicht ein „Bedürfnis nach Vergangenheit“ verstecke. Er sieht in den Neubauten der Nachkriegszeit architektonischen Wert und meint, dass sie vielleicht schon allein die „historische Komplizenschaft mit dem politischen System der DDR zur ''architectura non grata''“ mache.<ref name="ruby">Andreas Ruby: [http://www.zeit.de/2000/46/200046_dresden.xml?page=1 ''Las Vegas an der Elbe''] in: ''Die Zeit''. Hamburg, 2000</ref> Für Ivan Reimann, Professor für öffentliche Bauten an der Fakultät Architektur der Technischen Universität Dresden, ist „[d]ie Sehnsucht nach dem Alten“ nicht nur ein „Ausdruck von Nostalgie“, sondern „Ausdruck einer Suche nach Identität, nach gemeinsamen Werten und Inhalten, nach einer allgemein verständlichen architektonischen Sprache.“ Er erklärt, dass „[d]ie Ablehnung von Geschichte und Formensprachen, die sich über Jahrhunderte entwickelt und legitimiert haben“, zu einem „Zustand der Sprachlosigkeit“ geführt hätten. Daraus schließt er, dass „[w]enn es nichts Gemeinsames zu vermitteln gibt, bzw. wenn sich das Gemeinsame in einem belanglosen Minimalkonsens aufgelöst hat“, die gebaute, „sich im öffentlichen Raum manifestierende Vergangenheit das Einzige“, bliebe, dem alle Bedeutung beimessen würden können. Die „Kopie der Vergangenheit“ als Versuch einen Konsens bezüglich einer gemeinsamen Beimessung von Bedeutung herzustellen, bezeichnet er als „auf [den] ersten Blick widerspruchslose Illusion“, die die „widersprüchliche Wirklichkeit“ ersetzen solle. <ref name="Reimann">[http://www.neumarkt-dresden.de/pdf-dateien/unloesbares-dilemma.pdf Ivan Reimann: „Ein unlösbares Dilemma“, Vortrag zur Tagung der Akademie der Künste am 21. April 2007]</ref> [[Peter Kulka]] meint, historisierendes Bauen vermittle die „Identität der Vorfahren“, nicht die eigene. Darin sieht er die große Gefahr,„dass dadurch Geschichtsfälschung zumindest aber Verzeichnungen passieren“. Tieferliegende Ursachen für den Willen nach Rekonstruktion sieht er darin, dass Geschehenes ungeschehen gemacht werden solle sowie Schuld und Verdrängung. Weitere Ursachen sind für ihn Mythos, verlorene Identität und versuchte Heilung.<ref name="Kulka2010">[http://www.sz-online.de/nachrichten/dokumente/reden/kulka.zip Vortrag in der Reihe ''Dresdner Reden'' am 28. Februar 2010]</ref> ===== Authentizität ===== Andreas Ruby wirft dem Streben nach historischem Wiederaufbau vor, dass es aus der „lebendigen Sequenz ihrer Geschichte“ ein Zustand auswählen und zum „eigentlichen Wesen“ Dresdens erklären würde. Dass ausgerechnet die [[Zeitalter|Epoche]] des Barocks als wiederherstellungswürdig gesehen wird, hängt nach Ruby damit zusammen, dass diese über die [[Vedute]]n [[Bernardo Bellotto]]s „extensiv“ bebildert ist und damit „das heutige Dresden-Bild maßgeblich [...] geprägt“ habe.<ref name="ruby">Andreas Ruby: [http://www.zeit.de/2000/46/200046_dresden.xml ''Las Vegas an der Elbe''] in: ''Die Zeit''. Hamburg, 2000</ref> Die Gesellschaft „Historischer Neumarkt Dresden“ hält dieser Haltung entgegen, dass die Platzaufteilung des spätbarocken Neumarkts nach Korrekturen, die durch den [[Siebenjähriger Krieg|Siebenjährigen Krieg]] 1760 bedingt waren, im Vergleich zum „unübersichtlichen“ Neumarkt des Frühbarock einen „Klang von Harmonie und Klarheit“ hätte entfalten können.<ref>Gesellschaft „Historischer Neumarkt Dresden“ e. V.: [http://www.neumarkt-dresden.de/geschichte.html ''Geschichte'']</ref> Ruby vergleicht die Situation am Dresdner Neumarkt mit einer Simulation Venedigs in der Hotelanlage [[Venetian Resort Hotel]] in [[Las Vegas]] und hinterfragt, ob diese authentisch sein könne. <ref name="ruby">Andreas Ruby: [http://www.zeit.de/2000/46/200046_dresden.xml?page=1 ''Las Vegas an der Elbe''] in: ''Die Zeit''. Hamburg, 2000</ref> Den häufig analog zu Las Vegas gezogen Vergleich mit [[Disneyland]], kritisiert das Mitglied der Klasse Baukunst Jürgen Paul. Er verwirft den Vergleich und meint, dass „der Unterschied zwischen Disneyland (oder einem historischen Themenpark) und dem Dresdner Neumarkt“ sei, „dass Disneyland eine ortlose, klischeehafte Erfindung“ sei, während am Neumarkt versucht würde, einen „authentischen historischen Ort als gebautes Bild“ zurückgewinnen zu können. <ref name="Jürgen Paul">[http://www.neumarkt-dresden.de/pdf-dateien/Akademie-Vortrag-Paul-17-03-07.pdf „Der neue, wiedererstehende Neumarkt in Dresden“ Jürgen Paul Vortrag gehalten am 17. März 2007]</ref> Auch Peter Kulka sieht am Neumarkt einen Bruch zwischen Äußerlichkeit und innerer Funktion der Architektur: „Da wo am Dresdner Neumarkt einst das Zentrum aus Parzellen von Bürgerhäusern bestand, entsteht heute hinter Attrappen von Bürgerhausfassaden – zum Teil als Leitbauten deklariert – eine ganz andere Welt aus Passagen, Hotels und – noch mal Hotels.“ Er meint, dass diese auf „Leinwände projiziert[en]“ Gebäude mit den historischen Strukturen nur wenig gemein hätten und in „maskenhaft erstarrten Zügen“ kulissenhaft wirkten.<ref name="Kulka2010">[http://www.sz-online.de/nachrichten/dokumente/reden/kulka.zip Vortrag in der Reihe ''Dresdner Reden'' am 28. Februar 2010]</ref> Thomas Will, Professor für Denkmalpflege und Entwerfen an der [[Technische Universität Dresden|Technischen Universität Dresden]], verneint, dass es sich bei der Rekonstruktion der Fassaden um Denkmalschutz handele. Er sieht zwar „Umgebungsschutz“ um den Monumentalbau Frauenkirche als Aufgabe der Denkmalpflege, allerdings sieht er in den Schutzbestimmungen der Denkmalpflege nicht verankert, wie die (gegenwärtig in Teilen) noch nicht vorhandene Umgebung neu zu erbauen sei. Er kritisiert die [[Positivismus|positivistische]] Auffassung, „verlorene Kulturdenkmäler kraft moderner Wissenschaft und Technik weitgehend ebenbürtig reproduzieren zu können“, da sie seiner Auffassung nach diesen Kulturdenkmälern ihre Geschichtlichkeit absprechen würde und da sie die „Autorität des historischen Originals“ leugnen und es zur Imitation freigeben würde.<ref name="will1">Prof. Dr. Ing. Thomas Will: [http://www.neumarkt-dresden.de/Texte/thomas-will_zur-rekonstruktion-europaeischer-stadt.html ''Rekonstruktion der europäischen Stadt? Zur Diskussion um den Dresdner Neumarkt''] in: ''deutsche bauzeitung (db), ''. 3/2001</ref> Er kritisiert, dass „[l]ediglich die Baugesetze des 18. Jahrhunderts und die Ausdrucksformen der damaligen Baumeister [..] zurückersehnt [werden], ganz so, als ob diese mit dem übrigen nichts zu tun hätten.“ Daraus folgert er, dass man „die historische Architektur zum reinen Bildschmuck und die heutige gleich mit dazu“ degradiere.<ref name="ThomasWill2">TU Dresden, Fakultät Architektur, Thomas Will: [http://www.arch.tu-dresden.de/ibad/Denkmalpflege%20und%20Entwerfen/veroeff/downloads/Neumarkt%20Dresden%20Gewandhaus.pdf Baukultur und Demokratie - Ein kritischer Kommentar zur Debatte um das Neue Gewandhaus Dresden]</ref> Der Architekturhistoriker [[Wolfgang Schäche]] sieht dagegen keine rationalen Argumente, die den Nachbau historischer Gebäude ausschließen können. Er relativiert auch den Begriff der Authentizität, dadurch, dass Kulturgüter durch „subjektive Aufmerksamkeit“ erhalten werden müssen. Daraus schließt er, dass auch das „auf diese Weise Konstruierte“ „mit der real nicht mehr nachvollziehbaren Vergangenheit“ nicht deckungsgleich sein müsse. Das Verständnis von irreversibler Authentizität kritisiert er als ein Gleichnis mit dem biologischen Leben. Die Verneinung der Wiedergeburt eines Hauses, sieht er durch die Ablehnung einer „unvorstellbare[n] Infragestellung der göttlichen Ordnung“ begründet. Damit werde, so Wolfgang Schäche, „jeder Wiederaufbau eines einmal ausgelöschten Gebäudes zur Glaubensfrage und jeder rationellen Argumentation entzogen“. <ref name="Schäche1">Wolfgang Schäche: [http://www.neumarkt-dresden.de/prorekonstruktion.html ''Für ein Recht auf Rekonstruktion''], in einer Diskussionsreihe „Zukunft Schlossplatz“ in Berlin</ref> ===== Gegenwart ===== Thomas Will kritisiert in Bezug auf die Kontroverse um das Neue Gewandhaus die Argumentation gegen zeitgenössisches Bauen: „Wenn in einer Stadt, [..], einige Hüter des guten Geschmacks glauben, das Image damit pflegen zu müssen, dass sie am Neumarkt eine „gute Stube“ einrichten wollen, bei der es für zeitgenössische Architektur, für aufgeschlossene Bauherrn, für die eigenen Fachgremien und für auswärtige Architekten heißt: „Wir müssen draußen bleiben“, dann zeigt das, dass es ihnen nicht um Baukultur geht oder um Ästhetik im Sinne eines Erlebens schöner, interessanter Stadträume. Worum geht es dann? Um Ausgrenzung der Gegenwart unter dem Vorwand einer zurückholbaren Vergangenheit, oder um plumpen Touristenfang.“ Damit Dresden angenehmer Heimat- oder Aufenthaltsort sein könne, bedarf es nach seiner Auffassung „das richtige Maß sowohl an Vertrautheit wie auch an Neuem“. Er sieht den Gegensatz zwischen Dorf und Stadt darin, dass die Stadt „beides bieten können sollte“. Nach seiner Auffassung kann das Neue nicht vom Neumarkt ferngehalten werden, „wenn nicht etwas Enttäuschendes entstehen soll“.<ref name="ThomasWill2">TU Dresden, Fakultät Architektur, Thomas Will: [Baukultur und Demokratie - Ein kritischer Kommentar zur Debatte um das Neue Gewandhaus Dresden]</ref> Eine Angst vor dem Neuem erkennt Peter Kulka in den Umsetzungen am Neumarkt. Diese Angst sei kein Klima, „in dem gute anspruchsvolle und zukunftsweisende Architektur gedeihen kann“. Durch diese Angst und beschwerliche Diskussionen seien häufig „‚modernen‘<!-- Grammatisch gehört hier "moderne" hin; habe es aber nicht entsprechend geändert, weil ich nicht weiß, wie ich mit dieser Anführungszeichenkonstruktion umgehen kann. --> Bauten“ als „kraftlose Gebäude“ entstanden. Er meint aber auch, dass dort, „[w]o neue gute Bilder fehlen“, in die Vergangenheit zurückgeblickt wird. In Bezug auf die Gegenwartsarchitektur meint Kulka, dass die [[Postmoderne Architektur]] einer „belanglosen Beliebigkeit und Austauschbarkeit Platz gemacht“ habe.<ref name="Kulka2010">[http://www.sz-online.de/nachrichten/dokumente/reden/kulka.zip Vortrag in der Reihe ''Dresdner Reden'' am 28. Februar 2010]</ref> ==== Kritik an der Umsetzung ==== Dass auf dem Neumarkt einige Bebauungsprozesse schief laufen würden, resümierte die [[Sächsische Akademie der Künste]] im Kolloquium „Stadt, Raum, Fluß“, das sich mit dem Städtebau Dresdens im Allgemeinen befasste. Bei diesem Kolloquium kamen fast ausschließlich alle Experten zu dem Ergebnis, dass die Dresdner Stadtentwicklung viele Fehler machen würde, die nun nur schwerlich zu beseitigen wären. Bezüglich des neuerrichteten Quartiers I neben der Frauenkirche hält Dresdens ehemaliger Baubürgermeister Gunter Just die entstandene Passage im Quartier F für einen „Skandal“ da man italienisches Flair versprochen hätte und jetzt „jegliche Noblesse“ fehle. Der ausgebildete Architekt Just meint, dass im Quartier I „die schlechteste Einkaufspassage“ der Stadt erbaut worden wäre. Er macht dies an der Qualität der Bebauung fest, die man neben der Frauenkirche hätte erwarten dürfen. Konkret bezieht er sich auf die Materialien, ein seiner Ansicht nach grob verarbeitetes Glasdach, das keine Spur von Eleganz zeige und außerdem einen Ausblick auf Rückfassaden biete, die zum großen Teil trist gestaltet wären. Das „Hotel de Saxe“ wurde in der Akademiesitzung ebenso kritisiert. Speziell richten sich die Kritikpunkte auf den Charakter der Bebauung, die die innere Hotelnutzung über den ganzen Block entgegen der äußern auf die Fassade kaschierte Kleinteiligkeit als Mogelpackung kritisiert. Auch an diesem Quartier wurde die Innenhofgestaltung kritisiert: „Eigentlich sollten die Höfe offen gehalten werden“, formulierte Architekt Dieter Schölzel den bisher nicht eingehaltenen Anspruch. Die Kritiker fordern, die Ansprüche nach oben zu schrauben, um der Fehlentwicklung, die sie in der Bebauung sehen, entgegenzuwirken. Der Architekturhistoriker Falk Jaeger schlägt vor, dass die Bauverwaltung Einfluss auf die Architektenwahl der Investoren nehme könne. Weiterhin wird gefordert, nicht ganze Blöcke für eine Nutzung freizugeben. [[Engelbert Lütke Daldrup]], ehemaliger Staatssekretär im [[BMVBS|Bundesbauministerium]], meinte, dass man, um Kleinteiligkeit zu erreichen, solche Bauherren suchen sollte, die nur ein kleineres Haus bauen wollen. Dafür müsse allerdings die Stadt ihre Vermarktungsstrategien ändern. Wie Kunsthistoriker Jürgen Paul in dem Kolloquium angab, habe es einen Investor gegeben, der vorhatte, nur das Dinglinger-Haus&nbsp;– aber das originalgetreu&nbsp;– wieder aufzubauen. Dies wäre durch das Bestreben der Stadt, die einzelnen Quartiere im Ganzen bebauen zu lassen, unmöglich gewesen. Eine andere Möglichkeit wäre, sich Zeit zu lassen, nicht an den erstbesten Investor zu verkaufen, sondern auf den besten zu warten. <ref>[[Dresdner Neueste Nachrichten]], 24. Oktober 2006: [http://www.dnn-online.de/dnn-heute/66542.html „Diese Einkaufspassage ist ein Skandal“]</ref> == Einzelnachweise == <references/> == Literatur == *Fritz Löffler: ''Das alte Dresden. Geschichte seiner Bauten.'' Seemann, Leipzig 1981, 1994. ISBN 3-363-00007-3 *Stefan Hertzig: ''Das Dresdner Bürgerhaus in der Zeit August des Starken. Zu Entstehung und Wesen des Dresdner Barock.'' Dresden 2001. ISBN 3-9807739-0-6 *Stefan Hertzig (Hrsg.): ''Der historische Neumarkt zu Dresden. Seine Geschichte und seine Bauten.'' Sandstein, Dresden 2005. ISBN 3-937602-46-1 *Matthias Donath: ''Der Dresdner Neumarkt. Ein Platz kehrt zurück''. Edition Sächsische Zeitung, Dresden 2006. ISBN 3-938325-26-7 *''Atelier Neumarkt Dresden 2000.'' Veranstaltet vom Dezernat Stadtentwicklung und Bau der Landeshauptstadt Dresden unter der Schirmherrschaft der [[Sächsische Akademie der Künste|Sächsischen Akademie der Künste]]. Herausgegeben von der Landeshauptstadt Dresden. Stadtplanungsamt, Dresden 2001. == Weblinks == {{Commons|Neumarkt (Dresden)}} *[http://www.neumarkt-dresden.de Gesellschaft Historischer Neumarkt Dresden e. V.] *[http://panorama.dresden.de Webkamera Neumarkt mit Panorama- und Historienfunktion] *[http://www.digitalelectronic.de/projekte/vrneumarkt/index.html Virtuelles Stadtmodell Neumarkt(Dresden)] *[http://www.virtualcitydresden.de/start Neumarkt aktuelle Panoramaansichten in Virtualcity Dresden] [[Kategorie:Platz in Dresden]] [[Kategorie:Projekt (Städtebau)]] [[Kategorie:Neumarkt (Dresden)| ]] {{Coordinate |NS=51/3/5.58/N |EW=13/44/25.23/E |type=landmark |region=DE-SN}} {{Exzellent}} [[en:Neumarkt (Dresden)]] [[no:Neumarkt, Dresden]] [[pl:Neumarkt w Dreźnie]] [[zh:新市场 (德累斯顿)]] bzt6v70tsxxt1rf8gb0zkuc4nuv139r wikitext text/x-wiki Neumarkt in der Oberpfalz 0 23992 26590 2010-04-22T23:07:55Z Chriss505 0 /* Einwohnerentwicklung */ {{Infobox Gemeinde in Deutschland |Art = Stadt |Name = Neumarkt i.d.OPf. |Wappen = Wappen Neumark Oberpfalz.svg |Breitengrad = 49/17//N |Längengrad = 11/28//E |Lageplan = Neumarkt in der Oberpfalz in NM.svg |Bundesland = Bayern |Regierungsbezirk = Oberpfalz |Landkreis = Neumarkt in der Oberpfalz |Höhe = 424 |Fläche = 79.03 |PLZ = 92318 |Vorwahl = 09181 |Kfz = NM |Gemeindeschlüssel = 09373147 |Gliederung = 45 [[Ortsteil]]e bzw. [[Stadtbezirk]]e |Adresse = Rathausplatz 1<br />92318 Neumarkt i.d.OPf. |Website = [http://www.neumarkt.de/ www.neumarkt.de] |Bürgermeister = Thomas Thumann |Bürgermeistertitel= Oberbürgermeister |Partei = Freie Wähler }} [[Datei:Neumarkt_Oberpfalz_11052008.jpg|miniatur|300px|right|Altstadt mit St. Johannes, Rathaus und Schloßviertel]] '''Neumarkt in der Oberpfalz''' (amtlich: ''Neumarkt i.d.OPf.'', [[Bairische Dialekte|bairisch]]: ''Neimack'', ''Neimoark'') ist eine [[Große Kreisstadt]] im [[Landkreis Neumarkt in der Oberpfalz|gleichnamigen Landkreis]] im [[Bayern|bayerischen]] Regierungsbezirk [[Oberpfalz]] sowie der Verwaltungssitz des Landkreises. Sie ist Sitz verschiedenster Unternehmen und stellt das wirtschaftliche und kulturelle Zentrum der westlichen [[Oberpfalz]] zwischen [[Nürnberg]], [[Ingolstadt]] und [[Regensburg]] dar. Mit etwa 40.000 Einwohnern ist Neumarkt nach Regensburg, [[Weiden in der Oberpfalz|Weiden]] und [[Amberg]] die viertgrößte Stadt in der Oberpfalz und im bayerischen Landesentwicklungsplan als mögliches [[Oberzentrum]] eingetragen. Im 15. und 16. Jahrhundert war Neumarkt eine Residenzstadt der [[Wittelsbacher|wittelsbachischen]] Linien [[Pfalz-Neumarkt]] und [[Pfalz-Mosbach]]. Ab dem 19. Jahrhundert entwickelte die Stadt sich zunehmend zu einem Wirtschafts- und Industriestandort, mehrere größere Unternehmen haben hier heute ihren Sitz. Wahrzeichen der Stadt sind die markanten Kirchtürme der Altstadt und vor allem die [[Burgruine Wolfstein]], die auf einem Bergrücken über der Stadt liegt. 1998 fand hier die bayerische [[Landesgartenschau]] statt. == Geografie == [[Datei:Talkessel_neumarkt.jpg|miniatur|rechts|Der Neumarkter Talkessel mit Buchberg und Staufer Berg]] Neumarkt liegt am Westrand der Fränkischen Alb bzw. des [[Oberpfälzer Jura]] eingebettet in einen Talkessel. Das Stadtgebiet reicht im Osten bis auf die Hochfläche des Oberpfälzer Jura, ansonsten ist es begrenzt durch die [[Zeugenberge]] [[Dillberg]], Staufer Berg und [[Buchberg (Oberpfalz)|Buchberg]]. Der Neumarkter Talkessel entwässert nach Norden über die [[Schwarzach (Rednitz)|Schwarzach]] und [[Regnitz]] in den [[Main]], nach Süden über [[Sulz (Altmühl)|Sulz]] und [[Altmühl]] in die [[Donau]]. Der [[Ludwig-Donau-Main-Kanal]] durchquert das Stadtgebiet in Nord-Süd-Richtung und überwindet hier die [[Europäische Wasserscheide]]. Die Höhenlage variiert zwischen 406 Metern an der Beckenmühle im Norden und 595 Metern in der Nähe des Stadtteils Fuchsberg, als Richtwert wird die Höhe des Rathauses von 423 Meter über [[Normalnull]] angegeben. Die folgenden Gemeinden, die alle zum [[Landkreis Neumarkt in der Oberpfalz|Landkreis Neumarkt]] gehören, grenzen an die Große Kreisstadt. Sie werden im Uhrzeigersinn im Norden beginnend genannt: [[Berg bei Neumarkt in der Oberpfalz]], [[Pilsach]], [[Velburg]], [[Deining]], [[Sengenthal]], [[Berngau]] und [[Postbauer-Heng]]. === Geologie === Neumarkt befindet sich an der westlichen Kante eines einstigen [[Korallenriff]]es (des heutigen Oberpfälzer Juras) der ehemaligen [[Tethys (Ozean)|Tethys]] der [[Jura (Geologie)|Jurazeit]]. Der Boden im Talkessel ist überwiegend sandig (daher auch der frühere Name ''Neumarkt auf dem Sand''), am Rand gibt es vereinzelt [[Lehm]]vorkommen. Die Berge und die Jura-Hochfläche bestehen aus härteren [[Kalkstein|Jurakalken]], denen mehrere Quellen entspringen, so beispielsweise auch die [[Weiße Laber]] im Stadtteil Voggenthal. === Stadtgliederung und Flächennutzung === [[Datei:Neumarkt_kohlenbrunnermuehle.jpg|miniatur|rechts|Stadtteile Kohlenbrunnermühle und Altenhof]] {| class="prettytable" style="text-align:left" |- style="background-color:#efefef" ! align="center" colspan="2" | Fläche und Flächennutzung |- | Fläche in [[Hektar|ha]] || 7901 |- | [[Siedlungsfläche|Siedlungs-]] und [[Verkehrsfläche]] in % || 24,3 |- | Landwirtschaftsfläche in %|| 39,6 |- | Waldfläche in % || 34,9 |} Das Stadtgebiet Neumarkts besteht aus der eigentlichen Kernstadt Neumarkt sowie mehreren Dörfern und Einödhöfen. Die Große Kreisstadt setzt sich aus neun [[Gemarkung]]en zusammen, die Flächen der ehemals selbständigen Gemeinden darstellen. {| | valign="top" | {| class="prettytable" style="text-align:left" |- style="background-color:#efefef" ! align="center" | Gemarkung || align="center" | Fläche in Hektar |- | Helena || 1125 |- | Holzheim || 473 |- | Labersricht || 549 |- | Lippertshofen || 549 |- | Mühlen || 748 |} | valign="top" | {| class="prettytable" style="text-align:left" |- style="background-color:#efefef" ! align="center" | Gemarkung || align="center" | Fläche in Hektar |- | Neumarkt i.d.OPf. || 1461 |- | Pelchenhofen || 715 |- | Pölling || 1057 |- | Stauf || 575 |- | Woffenbach || 644 |} |} ==== Stadt Neumarkt ==== [[Datei:Neumarkt schlossviertel.jpg|miniatur|rechts|Altstadt: Schlossviertel mit Pfalzgrafenschloss, Hofkirche und Reitstadel]] Kern des Stadtgebiets ist die Altstadt in ihren noch erkenntlichen Umrissen. Sie wird noch heute in die historischen Viertel Schlossviertel, Kastenviertel, Johannesviertel und Kreuzviertel eingeteilt, die durch die Achsen Marktstraße und Hallertorstraße/Klostergasse getrennt werden. Ab 1850 entstanden erste Wohnsiedlungen außerhalb der Stadtmauer in Richtung Osten, entlang der heutigen Mühlstraße, Mariahilfstraße und Badstraße. Im Süden entwickelte sich ab 1920 das Industriegebiet Süd. Nach 1945 wurde die Stadt auch nach Westen und Norden erweitert und wuchs mit den Gemeinden Woffenbach und Holzheim zusammen. Es entstanden zahlreiche weitere Siedlungsgebiete um das Zentrum, im Uhrzeigersinn von Nord nach Süd sind dies: Altenhof, Koppenmühle, Kohlenbrunnermühle, Mühlen, Wolfstein, Weinberg, Schlosserhügel und Hasenheide. Geografisch wird das geschlossene Stadtgebiet heute von der Stadtumgehung ''Berliner Ring'' beziehungsweise ''Münchener Ring'' im Norden, Westen und Süden sowie vom Albtrauf des Oberpfälzer Jura im Osten (Mariahilfberg, Wolfsteinberg) begrenzt. ==== Ehemalige Gemeinden ==== Durch die [[Gebietsreform in Bayern|Gebietsreform 1972]] wurden neun Gemeinden der Stadt angeschlossen und das Stadtgebiet damit erheblich erweitert. Im Norden befinden sich die Stadtteile Ischhofen und Rödelberg, die die ehemalige Gemeinde [[Mühlen (Neumarkt in der Oberpfalz)|Mühlen]] bildeten, sowie das ehemals selbstständige Labersricht. Die beiden ebenfalls eingegliederten Gemeinden [[Pölling (Neumarkt in der Oberpfalz)|Pölling]] und [[Woffenbach (Neumarkt in der Oberpfalz)|Woffenbach]] sowie Rittershof stellen die westlichsten Stadtteile dar, daran schließt sich im Nordosten die ehemalige Gemeinde [[Holzheim (Neumarkt in der Oberpfalz)|Holzheim]] an. Im Südwesten gehört [[Stauf (Neumarkt in der Oberpfalz)|Stauf]], Hauptort der ehemaligen Gemeinde, zur Stadt. Auf der Jura-Hochfläche der Fränkischen Alb im Osten bestehen die Stadtteile Frickenhofen, Fuchsberg, Höhenberg, Höhenberg im Tal, Lampertshofen, [[Lippertshofen (Neumarkt in der Oberpfalz)|Lippertshofen]], Ottosau, [[Pelchenhofen (Neumarkt in der Oberpfalz)|Pelchenhofen]], [[St. Helena (Neumarkt in der Oberpfalz)|St. Helena]] und Voggenthal noch als dörflich geprägte Ortschaften. Außerdem befinden sich im Stadtgebiet verschiedene Mühlen und Einödhöfe, beispielsweise Tiefenbrunn, Bodenmühle und Habershöhe. ==== Gebäudeverteilung ==== {| class="prettytable" style="text-align:left" |- style="background-color:#efefef" ! align="center" colspan="2"| Gebäudebestand am 31.12.2007 |- | Wohngebäude je 1000 Einwohner || 243,0 |- | Anteil der Gebäude mit 1 Wohnung || 72,3 % |- | Anteil der Gebäude mit 2 Wohnungen || 17,6 % |- | Anteil der Gebäude mit 3 oder mehr Wohnungen || 10,2 % |- | Durchschnitt Einwohner je Wohnung || 2,2 |- | Durchschnittl. Wohnfläche je Einwohner || 95,1 m² |} →''Quelle''<ref name="Regionalkarte">Bayerisches Landesamt für Statistik und Datenverarbeitung: [http://www.statistik.bayern.de/daten/intermaptiv/ Regionalkarten]</ref> === Bevölkerung === {| | valign="top" | {| class="prettytable" style="text-align:left" |- style="background-color:#efefef" ! align="center" colspan="2"| Bevölkerungsverteilung am 31.12.2008 |- | Bevölkerung gesamt || 38.759 |- | Bevölkerung je km² || 491 |- | Anteil 0-4 Jahre in % || 3 |- | Anteil 5-14 Jahre in % || 9 |- | Anteil 15-29 Jahre in %|| 18 |- | Anteil 30-44 Jahre in % || 22 |- | Anteil 45-64 Jahre in % || 28 |- | Anteil 65-79 Jahre in % || 15 |- | Anteil über 80 Jahre in % || 5 |} | valign="top" | {| class="prettytable" style="text-align:left" |- style="background-color:#efefef" ! align="center" colspan="2"| Geburten/Sterbefälle 2007 |- | Lebendgeborene auf 1000 Einwohner || 7,3 |- | Sterbefälle auf 1000 Einwohner || 9,7 |} |} →''Quelle''<ref name="Regionalkarte">Bayerisches Landesamt für Statistik und Datenverarbeitung: [http://www.statistik.bayern.de/daten/intermaptiv/ Regionalkarten]</ref> ==== Einwohnerentwicklung ==== Seit dem 19. Jahrhundert ist die Einwohnerzahl bis 2005 ständig angewachsen und liegt heute bei 39.267. Ein außergewöhnlicher Wachstumsschub war 1972 zu verzeichnen, als sich im Rahmen der Gebietsreform das Stadtgebiet mehr als verdoppelte. Seit 1995 hatte die Bevölkerung um etwa 2,2 Prozent zugenommen. 2006 stagnierte die Einwohnerzahl und ging bis 2009 leicht zurück. {| | valign="top" | {| class="prettytable" style="text-align:right" |- style="background-color:#efefef" ! align="center" | Stand || align="center" | Einwohner |- | 1. Dezember 1840 || 6.676 |- | 1. Dezember 1871 || 6.714 |- | 1. Dezember 1900 || 8.365 |- | 16. Juni 1925 || 10.467 |- | 17. Mai 1939 || 13.470 |} | valign="top" | {| class="prettytable" style="text-align:right" |- style="background-color:#efefef" ! align="center" | Stand || align="center" | Einwohner |- | 13. September 1950 || 16.556 |- | 6. Juni 1961 || 22.320 |- | 27. Mai 1970 || 27.395 |- | 25. Mai 1987 || 32.924 |- | 31. Dezember 2007 || 39.351 |} | valign="top" | {| class="prettytable" style="text-align:right" |- style="background-color:#efefef" ! align="center" | Stand || align="center" | Einwohner |- | 31. Dezember 2009 || 39.267 |- |} |} === Klima === Durch seine Lage in Mitteleuropa befindet sich Neumarkt in der [[Warmgemäßigtes Klima|warmgemäßigten Klimazone]]. Dabei liegt die Stadt im Übergangsbereich zwischen dem feuchten atlantischen und dem trockenen [[Kontinentalklima]]. {{Klimatabelle| | TABELLE = | DIAGRAMM TEMPERATUR = | DIAGRAMM NIEDERSCHLAG = | QUELLE = [http://weather.msn.com/monthly_averages.aspx?&wealocations=wc%3a23009&setunit=C MSN Weather - Neumarkt in der Oberpfalz, DEU] | Überschrift = Durchschnittliche Temperatur- und Niederschlagswerte | Ort = Neumarkt in der Oberpfalz | hmjan = 2 | hmfeb = 4 | hmmär = 9 | hmapr = 14 | hmmai = 19 | hmjun = 22 | hmjul = 24 | hmaug = 24 | hmsep = 19 | hmokt = 14 | hmnov = 7 | hmdez = 3 | lmjan = -2 | lmfeb = -1 | lmmär = 1 | lmapr = 4 | lmmai = 8 | lmjun = 11 | lmjul = 13 | lmaug = 13 | lmsep = 10 | lmokt = 6 | lmnov = 2 | lmdez = -1 | avjan = | avfeb = | avmär = | avapr = | avmai = | avjun = | avjul = | avaug = | avsep = | avokt = | avnov = | avdez = | nbjan = 29.5 | nbfeb = 27.5 | nbmär = 35.0 | nbapr = 30.0 | nbmai = 33.7 | nbjun = 50.8 | nbjul = 56.7 | nbaug = 40 | nbsep = 37.5 | nbokt = 41.3 | nbnov = 37.4 | nbdez = 35.5 }} == Geschichte == === Überblick === ''→ Hauptartikel [[Geschichte der Stadt Neumarkt in der Oberpfalz]]'' [[Datei:Friedrich_II_pfalz.jpg|miniatur|rechts|Friedrich II. von der Pfalz]] [[Datei:Neumarkt merian.jpg|miniatur|rechts|Neumarkt um 1644 (Merian)]] [[Datei:Rathaus_st_johannes_nm.jpg|miniatur|rechts|Klostergasse, Blick auf Rathaus und St. Johannes]] Spuren einer ersten Besiedlung lassen sich bis in die [[Jungsteinzeit]] zurückverfolgen, rund um Neumarkt existieren zahlreiche Grabhügel und mehrere keltische Wallanlagen. Erste Ortsgründungen werden für das 6. und 7. Jahrhundert durch die [[Bajuwaren]] vermutet, zum Beispiel der heutige Stadtteil Pölling. Die genauen Gründungsdaten von Neumarkt sind nicht bekannt, aber die Gründung als „neuer Markt“ wird für den Anfang des 12. Jahrhunderts an der Handelsstraße zwischen Nürnberg und Regensburg angenommen. 1135 und 1160 wird die Stadt erstmals urkundlich erwähnt, 1315 wird zum ersten Mal von einer Stadtbefestigung berichtet. Im 13. Jahrhundert gewährt Kaiser [[Friedrich II. (HRR)|Friedrich II.]] Zollfreiheit zwischen Neumarkt und Nürnberg und der Stadt damit auch die [[Reichsunmittelbarkeit]]. Diesen Status kann die Stadt jedoch nie durchsetzen, 1329 fällt die Stadt durch den [[Hausvertrag von Pavia]] an die [[Wittelsbach]]er. Im 15. und 16. Jahrhundert war Neumarkt pfälzische Residenzstadt. [[Johann (Pfalz-Neumarkt)|Pfalzgraf Johann]] verlegte seinen Regierungssitz hierher und begann damit, die Stadt zur Residenz auszubauen, es entstanden unter anderem die Kirche [[St. Johannes (Neumarkt in der Oberpfalz)|St. Johannes]], die [[Hofkirche (Neumarkt in der Oberpfalz)|Hofkirche]] und das [[Pfalzgrafenschloss Neumarkt|Pfalzgrafenschloss]]. Johann folgten die Pfalzgrafen [[Otto I. (Pfalz-Mosbach)|Otto I.]], sein Sohn [[Otto II. (Pfalz-Mosbach)|Otto II.]] und [[Friedrich II. (Pfalz)|Friedrich II. von der Pfalz]], der später Kurfürst wurde und nach [[Heidelberg]] übersiedelte. Nach den Pfalzgrafen verlor Neumarkt immens an Bedeutung. Im politischen und wirtschaftlichen Leben spielte die Stadt anschließend nur noch für die umgebende Region eine Rolle, das Wachstum kam nahezu zum Stillstand. Erst in der Mitte des 19. Jahrhunderts machte sich wieder ein Aufschwung bemerkbar. Bedeutende Ereignisse waren in den nächsten 300 Jahren nicht zu verzeichnen. Im [[Dreißigjähriger Krieg|Dreißigjährigen Krieg]] wird Neumarkt von [[Schweden|schwedischen]] Truppen besetzt, nämlich von 1633 bis 1635 und von 1646 bis 1649. In beiden Fällen wird die Stadt geplündert und teilweise zerstört. In den [[Koalitionskriege]]n kam es im Sommer 1796 zu einer dramatischen Begegnung zwischen französischen und österreichischen Truppen, als sich die Franzosen in der Stadt verbarrikadierten und die Österreicher die komplette Zerstörung androhten. Nur durch das beherzte Eingreifen eines Neumarkter Schmiedes, der eigenmächtig das Obere Tor aufschlug, konnte Schlimmeres verhindert werden. Als Bayern ab 1806 unter [[Napoléon Bonaparte|Napoleon I.]] [[Königreich Bayern|Königreich]] wurde, erhielt Neumarkt den Status einer königlich-bayerischen Stadt und wurde Sitz eines Landgerichts. Im 19. Jahrhundert wandelte sich Neumarkt allmählich zum Industriestandort. Ab 1830 arbeiteten auch im Raum Neumarkt mehrere Tausend Menschen am Bau des Ludwigskanals, mit seiner Fertigstellung 1846 wurde Neumarkt Hafenstadt. 1884 entstand mit den ''[[Express Werke]]n'' die erste Fahrrad-Fabrik in Kontinentaleuropa. Die wirtschaftlichen und politischen Auswirkungen des [[Erster Weltkrieg|Ersten Weltkriegs]] wurden auch in Neumarkt bald spürbar. Über 300 Neumarkter blieben als Gefallene auf den Schlachtfeldern dieses Krieges. In den 20er Jahren war die Stadtverwaltung sehr bemüht, neue Industrien anzusiedeln. 1921 wurde der ehemalige Exerzierplatz an die „Holzgroßhandlung Pfleiderer“ aus Heilbronn verkauft, die später als [[Pfleiderer AG]] ihren Firmensitz hierher verlegt. 1922 gründete die „Bleistiftfabrik Eberhard Faber“ ein Werk an der heutigen EFA-Straße. Im September 1923 wurde in Neumarkt eine erste Ortsgruppe der [[NSDAP]] gegründet, die bereits am [[Deutscher Tag|Deutschen Tag]] am 23. September öffentlich auftrat. Der Wegzug aktiver Parteigänger aus Neumarkt führte jedoch dazu, dass die nationalsozialistische Bewegung bald wieder zerfiel. Erst 1928 gelang eine Neugründung der Partei. Ab 1933 übernahm auch in Neumarkt die NSDAP die Macht. Als Geburtsort von [[Dietrich Eckart]] trug sie den offiziellen Namenszusatz ''Dietrich-Eckart-Stadt''. Für die zahlreichen Zwangsarbeiter in der Industrie richteten die Nationalsozialisten 1942 im heutigen Stadtteil Wolfstein ein Internierungslager ein. Wie im ganzen Reich fanden auch hier umfangreiche Judenverfolgungen statt, die Synagoge in der Hallertorstraße wurde im November 1938 zerstört. Am Karfreitag 1942 wurde Neumarkt „[[judenfrei]]“, als die 15 letzten Juden in [[Konzentrationslager]] gebracht wurden. Kurz vor Kriegsende wurde Neumarkt durch zwei Luftangriffe am 23. Februar und am 11. April 1945 größtenteils zerstört. Versuche der Bevölkerung, die Stadt kampflos an die amerikanischen Truppen zu übergeben, scheiterten an den in Neumarkt stationierten SS-Truppen, die zudem noch von einer ungarischen SS-Division verstärkt wurden. Erst als am 22. April 1945 der Widerstand der SS nach einer Häuserschlacht gebrochen war, konnten die amerikanischen Truppen die Stadt einnehmen. Der dem Weltkrieg folgende Wiederaufbau führte zu einem Überwiegen der zeittypischen Architektur im Stadtbild. Jedoch gelang es, den historischen Charakter der Altstadt zu bewahren. Im Rahmen der [[Gebietsreform in Bayern|Gebietsreform von 1972]] wurde die [[kreisfreie Stadt]] Neumarkt am 1. Juni in den Landkreis Neumarkt eingegliedert und zur [[Große Kreisstadt|Großen Kreisstadt]] erklärt. Die 1990 begonnene Altstadtsanierung belebt das Stadtbild ganz erheblich, der Rathausplatz und die Klostergasse wurden in eine [[Fußgängerzone]] umgewandelt. 1997 wurde der ehemalige Schlachthof abgerissen, um Platz für die ''Jura-Galerie'', ein modernes Einkaufszentrum, zu schaffen. Das Vorhaben war von Anfang an umstritten, ein [[Bürgerentscheid]] 2000 stoppte das Projekt zunächst. Die Neuplanungen dauern bis heute an. 1998 fand vom 24. April bis zum 4. Oktober in Neumarkt die 8. Bayerische [[Landesgartenschau]] statt, der Zuschlag dafür wurde erst 1995, nachdem [[Landshut]] aus finanziellen Gründen zurücktrat, erteilt. Im Juli 2004 wurde das viel diskutierte [[Museum Lothar Fischer]] eröffnet. == Religionen == [[Datei:St johannes neumarkt aussen.jpg|miniatur|rechts|St.-Johannes-Kirche in der Altstadt]] [[Datei:Hofkirche NM.JPG|miniatur|rechts|Hofkirche]] [[Datei:Ev. Kirche Neumarkt.JPG|miniatur|rechts|Evangelische Christuskirche]] [[Datei:Wallfahrtskirche MariaHilf Neumarkt außen.JPG|miniatur|rechts|Wallfahrtskirche Maria-Hilf]] Wie in der gesamten Oberpfalz ist auch in Neumarkt der überwiegende Teil der Bevölkerung römisch-katholisch, der Anteil liegt bei circa 66,4 Prozent. 16,4 Prozent der Neumarkter Bevölkerung sind Mitglieder der evangelischen Kirche. 17,2 Prozent sind entweder konfessionslos oder gehören einer anderen Religion an.<ref>''Zahlenspiegel der Stadt Neumarkt 2008'', Stand: 31. Dezember 2008; ausgeteilt an alle Haushalte am 9. April 2009</ref> === Christentum === Das katholische Dekanat Neumarkt gehört zum [[Bistum Eichstätt]], das evangelische Dekanat Neumarkt untersteht dem lutherischen [[Regionalbischof]] in Regensburg, der wiederum der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche in Bayern untersteht. ==== Römisch-katholische Kirche ==== Die ersten [[Römisch-Katholische Kirche|katholischen]] Pfarrgemeinden waren die heutigen [[Pfarrei]]en ''[[St. Johannes (Neumarkt in der Oberpfalz)|St. Johannes]]'' und ''[[Hofkirche Neumarkt|Zu Unserer Lieben Frau]]''. Die Kirche St. Johannes, an deren Stelle sich bereits um 1200 eine Vorgängerkirche befand, ist Pfarrkirche der ältesten Pfarrei der Stadt. Diese ist heute mit knapp 13.800 Katholiken die größte Pfarrei in der Diözese Eichstätt. Zu ihr gehören die Kirchen St. Helena im gleichnamigen Stadtteil, St. Anna am Klinikum, St. Pius im Stadtteil Hasenheide und die [[Wallfahrtskirche Maria Hilf (Neumarkt in der Oberpfalz)|Wallfahrtskirche Maria Hilf]] auf dem Mariahilfberg sowie kirchenrechtlich das Kloster St. Josef und die kleine Klinikkapelle. ''Zu unserer Lieben Frau'' entstand ab 1410, die neue Kirche diente zunächst als [[Hofkirche]] für das benachbarte Pfalzgrafenschloss. Zu ihr gehören heute etwa 10.100 Katholiken. Die Pfarrkirche ''Heilig Kreuz'' ist die Hauptkirche der gleichnamigen Pfarrei mit etwa 3.100 Katholiken in den Stadtteilen Mühlen, Labersricht und Wolfstein. Die Pfarrei ''St. Ägidius'' als Filiale der Pfarrei Heilig Kreuz umfasst neben Pelchenhofen auch noch die Kirche in Lampertshofen sowie die Kapellen in Steinberg, Lippertshofen und Voggenthal. In den äußeren Stadtteilen befinden sich noch weitere katholische Pfarrgemeinden: In Pölling existiert die Pfarrei ''St. Martin'' mit der Kirche St. Martin, zu der auch die Kirchen und Kapellen in Holzheim und Rittershof gehören. Ihr gehören etwa 3.400 Katholiken an. Die Kirche St. Willibald in ''Woffenbach'' ist Zentrum der Pfarrei Woffenbach mit etwa 2.900 Katholiken, zu der auch die Kirche St. Walburga in Stauf gehört. Am ehemaligen Schloss in Woffenbach befindet sich auch die evangelische Schlosskapelle. ==== Evangelisch-Lutherische Kirche ==== Als sich im beginnenden 16. Jahrhundert die Lehren [[Martin Luther]]s auch in die katholische Oberpfalz verbreiteten, wurde auch hier die [[Evangelische Kirche]] zunehmend favorisiert und unter Pfalzgraf [[Friedrich II. (Pfalz)|Friedrich II.]] als Staatsreligion eingeführt. Die nächsten 100 Jahre waren geprägt von einem ständigen Wechsel der religiösen Lehren, je nachdem, ob der jeweilige Pfalzgraf gerade Lutheraner oder [[Calvinist]] war. 1628 kam Neumarkt an das Kurfürstentum Bayern und wurde rekatholisiert, vorerst nur kurz, da schwedische Truppen von 1633 bis 1635 und von 1646 bis 1649 Neumarkt besetzten und die Protestanten schützten. Erst danach wurde Neumarkt endgültig katholisch. Die evangelische Hauptkirche ist die ''Christuskirche'' in der Kapuzinerstraße. Sie war Klosterkirche des ehemaligen [[Kapuzinerkloster (Neumarkt in der Oberpfalz)|Kapuzinerklosters]], das bis zur Säkularisation 1803 bestand. Weitere evangelische Gemeinden existieren in den Stadtteilen Wolfstein, Altenhof und Hasenheide. ==== Klöster ==== In der Badstraße im ehemaligen Kurhaus Wildbad befindet sich heute das [[Kloster Sankt Josef (Neumarkt in der Oberpfalz)|Kloster St. Josef]], das zum Orden der [[Schwestern vom Göttlichen Erlöser|Niederbronner Schwestern]] gehört und bis 2005 Provinzmutterhaus war. Neben der Wallfahrtskirche auf dem Mariahilfberg existierte von 1907 bis 2001 ein Kloster des Ordens der [[Unbeschuhte Karmeliten]]. Seit 2004 leben dort wieder zwei polnische [[Redemptoristen|Redemptoristen-Patres]]. An die Christuskirche grenzen heute noch die Gebäude des ehemaligen [[Kapuzinerkloster (Neumarkt in der Oberpfalz)|Kapuzinerklosters]] an, welches von etwa 1650 bis 1802 existierte. Das ehemalige Klostergebäude ist in einem schlechten Zustand und vom Abriss bedroht. Das [[Kloster Heilig Geist (Neumarkt in der Oberpfalz)|Kloster Heilig Geist]] befand sich in etwa an der Stelle des heutigen Klinikums und übernahm im Mittelalter auch die Krankenversorgung. === Judentum === Spätestens seit dem 13. Jahrhundert existierte auch in Neumarkt eine [[Judentum|jüdische]] Gemeinde. Im Zuge des [[Rintfleisch-Pogrom|Rintfleischpogroms]], der am 27. Juli 1298 die nördliche Oberpfalz erreichte, wurden in Neumarkt mehr als 66 Juden umgebracht. Dies ist der erste Beleg für die Existenz von Juden in Neumarkt.<ref name="Synagogen-Gedenkband, S.253">''Neumarkt''. In: Mehr als Steine…Synagogengedenkband Bayern, Band 1, Lindenberg im Allgäu 2007, S. 253</ref> Der [[Pestpogrom]] 1348/49 forderte ebenfalls Opfer. Die Synagoge, die damals in den Besitz der Kurfürsten überging, wurde am 27. April 1362 durch Kurfürst [[Ruprecht I. (HRR)|Ruprecht I.]] zurückgegeben. Bereits um 1391 wurden jedoch alle Kurpfälzer Juden des Landes verwiesen.<ref name="Synagogen-Gedenkband, S.253">''Neumarkt''. In: Mehr als Steine…Synagogengedenkband Bayern, Band 1, Lindenberg im Allgäu 2007, S. 253</ref> Nach der Teilung der Kurpfalz 1410 wurde [[Johann (Pfalz-Neumarkt)|Johann]] Herrscher des pfälzischen Teilfürstentums [[Pfalz-Neumarkt]]. Er sicherte den Juden für vier Jahre freies Geleit zu. Damit begann eine Periode, die von einem gewissen Wohlwollen gegenüber Juden geprägt war. Diese Zeit endete mit dem Tod des Pfalzgrafen [[Otto II. (Pfalz-Mosbach)|Otto II.]] im Jahr 1499 und dem Rückfall seines Erbes an die Kurlinie. Die Neumarkter Juden mussten die Stadt verlassen und wurden endgültig von 1556 bis 1577 aus allen pfälzischen Gebieten ausgewiesen. Ein Teil der aus Neumarkt vertriebenen Juden wurden von den Freiherren von [[Wolfstein (Adelsgeschlecht)|Wolfstein]] in [[Sulzbürg]] aufgenommen.<ref name="Synagogen-Gedenkband, S.253">''Neumarkt''. In: Mehr als Steine…Synagogengedenkband Bayern, Band 1, Lindenberg im Allgäu 2007, S. 253</ref> Juden kamen seitdem nur noch als Händler nach Neumarkt. Am 13. Mai 1661 verbot der Rat der Stadt Juden über Nacht zu beherbergen. 1712 wurde von der kurpfälzischen Regierung in Amberg noch einmal das Verbot der dauernden Niederlassung von Juden bestätigt. Am 9. Mai 1755 wurde das Verbot, Juden zu beherbergen, etwas gelockert, so dass sie wenigstens für eine Nacht Quartier nehmen konnten.<ref name="Synagogen-Gedenkband, S.253">''Neumarkt''. In: Mehr als Steine…Synagogengedenkband Bayern, Band 1, Lindenberg im Allgäu 2007, S. 253</ref> Erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts konnten sich wieder Juden in Neumarkt niederlassen. Bis 1867 zogen zwölf Familien nach Neumarkt, wovon elf aus Sulzbürg kamen. In diesem Jahr wurde die Gründung einer Kultusgemeinde beschlossen. Die Gemeinde schloss sich dem Rabbinat Sulzbürg an und erhielt am 28. März 1868 endgültig ihren ersten Vorstand.<ref name="Synagogen-Gedenkband, S.254">''Neumarkt''. In: Mehr als Steine…Synagogengedenkband Bayern, Band 1, Lindenberg im Allgäu 2007, S. 254</ref> 1868 wurde ein Anwesen mit einer Fläche von etwa 170 m² in der Hafnergasse 10 (heute: Hallertorstr. 9a) erworben und anschließend um- und ausgebaut. Das Gebäude beherbergte von nun an die [[Synagoge]], die [[Mikwe]], eine Wohnung für den Vorbeter und ab 1872 die israelitische Primarschule. Am 1. August 1868 wurde die Synagoge vom Sulzbürger Rabbiner Dr. Mayer Löwenmayer eingeweiht - unter Anwesenheit hoher weltlicher und geistlicher Würdenträger und unter Mitwirkung des Gesangsvereins der Stadt. Ebenfalls 1868 wurde der erste Religionslehrer eingestellt; er übernahm auch die Aufgaben des Vorbeters und des Schächters. 1872 hat die Regierung die Einrichtung einer jüdischen Primarschule genehmigt, obwohl zu diesem Zeitpunkt nur sechs Kinder gemeldet waren, die bis dahin die katholische Schule besucht hatten. In den folgenden Jahrzehnten besuchten durchschnittlich zehn bis zwanzig Kinder den Unterricht. Die Schule bestand bis 1923, als nur noch ein Schüler die Schule besuchte.<ref name="Synagogen-Gedenkband, S.254f.">''Neumarkt''. In: Mehr als Steine…Synagogengedenkband Bayern, Band 1, Lindenberg im Allgäu 2007, S. 254 f.</ref> 1879 erwarb die Gemeinde ein Grundstück (heute: Gießereistraße 3) und richtete dort einen Friedhof ein, der 1880 mit einer Mauer umgeben wurde. Bis dahin hatte die Gemeinde seit 1868 den Friedhof in Sulzbürg nützen können.<ref name="Synagogen-Gedenkband, S.256">''Neumarkt''. In: Mehr als Steine…Synagogengedenkband Bayern, Band 1, Lindenberg im Allgäu 2007, S. 256</ref> Von 1867 bis 1885 wuchs die jüdische Gemeinde von 53 auf 150 Einwohner an, nahm dann wieder ab und hatte 1900 138, 1925 114 und 1933 105 Mitglieder.<ref name="Synagogen-Gedenkband, S.259">''Neumarkt''. In: Mehr als Steine…Synagogengedenkband Bayern, Band 1, Lindenberg im Allgäu 2007, S. 259</ref> Im [[Erster Weltkrieg|Ersten Weltkrieg]] verloren elf Gemeindemitglieder ihr Leben. Für sie wurde im Gebetsraum der Synagoge bei der 50-Jahr-Feier am 6. April 1919 eine Ehrentafel enthüllt, vor der von nun an eine Ewige Lampe brannte.<ref name="Synagogen-Gedenkband, S.256">''Neumarkt''. In: Mehr als Steine…Synagogengedenkband Bayern, Band 1, Lindenberg im Allgäu 2007, S. 256</ref> Die Synagoge wurde im Zuge der [[Novemberpogrome 1938]] demoliert und bei Luftangriffen im Februar 1945 zerstört. Am Karfreitag 1942 wurden die letzten Juden deportiert. Heute existiert wieder eine kleine jüdische Gemeinde in Neumarkt, ein jüdischer Friedhof liegt neben dem Hauptfriedhof an der Ingolstädter Straße. Trotz der nicht so großen Anzahl von Juden spielten diese eine wichtige Rolle im Neumarkter Wirtschaftsleben. Die Brüder Goldschmidt gründeten 1882 die „Velozipedfabrik“ in der Ingolstädter Straße, wo alle damals gängigen Fahrradmodelle produziert wurden. Aus der Fabrik gingen die [[Express Werke]] hervor.<ref name="Synagogen-Gedenkband, S.256">''Neumarkt''. In: Mehr als Steine…Synagogengedenkband Bayern, Band 1, Lindenberg im Allgäu 2007, S. 256</ref> === Weitere Religionsgemeinschaften === Ein geringer Prozentsatz der Bevölkerung bekennt sich zum [[Islam]], eine Moschee existiert in der Regensburger Straße. Zurzeit wird die Errichtung eines eigenen Friedhofteils für die Verstorbenen der islamischen Gemeinde erörtert. Besonders Gläubige der so genannten „Dritten Generation“ hätten oftmals das Bedürfnis, sich in ihrer Geburtsstadt beerdigen zu lassen. Für dieses Projekt ist der Friedhof an der Schafhofstraße im Stadtteil Wolfstein vorgesehen.<ref>Quelle: Neumarkter Nachrichten − „Neumarkt Stadt und Land“, 3. Dezember 2007</ref> Weitere Glaubensgemeinschaften sind: * die [[Freie evangelische Gemeinde]] * die [[Siebenten-Tags-Adventisten|evangelische Freikirche der Siebenten-Tags-Adventisten]] * die [[Gemeinde der Christen Ecclesia]] * die [[Neuapostolische Kirche]] sowie * die [[Zeugen Jehovas]]. == Politik == [[Datei:Neumarkt brache unterestor.jpg|miniatur|rechts|Lange Streitpunkt der Stadtpolitik: Die Brachfläche am Unteren Tor. ]] Das politische Leben Neumarkts ist seit 1945 von einer Dominanz der CSU geprägt, die bis 2005 durchgehend auch den Oberbürgermeister stellte. Während die drei großen Volksvertreter im Stadtrat, CSU, SPD und Freie Wähler, bei zahlreichen Themen zumindest in Teilbereichen übereinstimmen, bilden die Stadträte der Freien Liste Zukunft und der Grünen die kritische Sektion des Gremiums. Die Kommunalwahl 2008 hat die Mehrheitsverhältnisse erstmals erheblich zu Gunsten der Freien Wähler verschoben. Größere Diskussionen und Debatten zwischen den einzelnen Lagern im Stadtrat drehten sich in den letzten Jahren um die Gestaltung des Geländes am Unteren Tor, um die Errichtung einer Stadthalle im Stadtpark oder um den Neubau eines Ganzjahresbades. === Stadtrat === Der [[Stadtrat]] besteht aus 40 ehrenamtlichen Mitgliedern und setzt sich seit 2. März 2008 wie folgt zusammen:<ref>[http://wahl.neumarkt.de/Kommunalwahl_2008/Stadtrat_2008/S_MAIN_E_STADTRATSWAHL_2008.html Ergebnisse der Stadtratswahl in Neumarkt i.d.OPf.]</ref> {| class="prettytable" style="text-align:left" |- style="background-color:#efefef" !Partei !Prozent !Sitze |- |'''[[Christlich-Soziale Union|CSU]]''' |align="right" | 39,30 % |align="right" | 16 |- |[[Wählergruppe#Bayern|Unabhängige Parteifreie Wahlvereinigung/Freie Wähler (UPW/FW)]] |align="right" | 36,27 % |align="right" | 15 |- |'''[[Sozialdemokratische Partei Deutschlands|SPD]]''' |align="right" | 10,22 % |align="right" | 4 |- |'''[[Bündnis 90/Die Grünen]]''' |align="right" | 6,00 % |align="right" | 2 |- |Freie Liste Zukunft (FLitZ) |align="right" | 5,78 % |align="right" | 2 |- |'''[[FDP Bayern|FDP]]''' |align="right" | 2,43 % |align="right" | 1 |- |} Parteien in '''Fettschrift''' sind Parteien, die mit Fraktionen im [[Deutscher Bundestag|Deutschen Bundestag]] vertreten sind. ==== Fraktionsvorsitzende im Stadtrat ==== {| class="prettytable" style="text-align:left" |- style="background-color:#efefef" |'''Name''' |'''Partei''' |'''Im Amt seit …''' |- |Dr. Heinz Sperber |CSU |08.04.2008 |- |Gertrud Heßlinger |SPD |06.05.2008 |- |Dr. Werner Mümmler |UPW/FW |24.01.2006 |- |} === Oberbürgermeister und Bürgermeister === {| class="prettytable" style="text-align:left" |- style="background-color:#efefef" |'''Name''' |'''Partei''' |'''Funktion''' |'''Im Amt seit …''' |- |Thomas Thumann |UPW/FW |Oberbürgermeister |2005 |- |Ruth Dorner |CSU |Bürgermeister |2008 |- |Franz Düring |UPW |2. Bürgermeister |2008 |- |} === Liste der Neumarkter Oberbürgermeister === {| class="prettytable" style="text-align:left" |- style="background-color:#efefef" |'''Name''' |'''Partei''' |'''Funktion''' |'''Regierungszeit''' |- |colspan="4" align="center" |'''[[Königreich Bayern]] (1868−1918)''' |- |Josef Max Feldbauer |[[Bayerische Patriotenpartei]] |Bürgermeister |1868−1876 |- |Josef Weißenfeld |Bayerische Volkspartei |Bürgermeister |1879−1915 |- |Dr. Friedrich Gruber |''unbekannt'' |Bürgermeister (1916–1919), danach Oberbürgermeister |1916−1920 |- |colspan="4" align="center" |'''[[Weimarer Republik]] (1918−1933)''' |- |Georg Weidner |[[Deutsche Demokratische Partei|DDP]] |Oberbürgermeister |1920−1931 |- |Thomas Rössert |''unbekannt'' |Oberbürgermeister |1931−1934 |- |colspan="4" align="center" |'''[[Zeit des Nationalsozialismus]] (1933−1945)''' |- |Johann Baptist Dotzler |[[NSDAP]] |Oberbürgermeister |1934−1941 |- |Karl Gortner |NSDAP |Oberbürgermeister |1941−1945 |- |colspan="4" align="center" |'''[[Alliierte]] Verwaltung (1945−1949)''' |- |Theo Betz |[[CSU]] |Oberbürgermeister unter US-Kontrolle |1945–1949 |- |colspan="4" align="center" |'''[[Bayern]] bis zur Gebietsreform (1949−1972)''' |- |Theo Betz |CSU |Oberbürgermeister der Kreisfreien Stadt Neumarkt |1949–1972 |- |colspan="4" align="center" |'''[[Bayern]] nach der Gebietsreform (1972−heute)''' |- |Kurt Romstöck |CSU |Oberbürgermeister der Großen Kreisstadt Neumarkt |1972–1990 |- |[[Alois Karl]] |CSU |Oberbürgermeister |1990–2005 |- |Thomas Thumann |UPW/FW |Oberbürgermeister |seit 2005 |- |} === Haushalt === Neumarkt wird immer wieder als Beispiel für eine florierende Kommune herangezogen. Die Pro-Kopf-Verschuldung wird derzeit mit 16,78&nbsp;€ angegeben ( Der Durchschnitt in Bayern liegt bei 1500 €). Die in den letzten Jahrzehnten gebildeten Rücklagen werden für 2010 mit einem Betrag von 90 Millionen € angegeben.Dem gegenüber stehen Investitionen von 48 Millionen €. Das Haushaltsvolumen wird mit 114,1 Millionen € angegeben. === Projekt: Zukunftsfähiges Neumarkt === Zum ersten Mal in Deutschland wurde im Juli 2004 unter diesem Motto ein Leitbild beschlossen, das im Rahmen des Projekts [[Agenda 21]] eine [[Lokale Nachhaltigkeitsstrategie]] in der Stadtentwicklung sicherstellen soll. Zahlreiche Bürgerbefragungen, ein ''Tag der Visionen'', Bürgerkonferenzen und Workshops mit mehreren Tausend Teilnehmern gingen diesem Stadtratsbeschluss voraus. Das ''Bürgerhaus Neumarkt'' als offenes Forum für alle interessierten und engagierten Bürger ist ein erstes Ergebnis dieses Prozesses. Für dieses Projekt wurde Neumarkt neben [[Hamburg]] und [[Heidelberg]] der Titel „[[Offizielle Stadt der Weltdekade]]“ durch die [[UNESCO]] verliehen.<ref name='dekadenstadt'>[http://www.neumarkt.de/hp316893/Stadt-Neumarkt-erhaelt-Internationale-Auszeichnung-der-UNESCO.htm Presseerklärung der Stadt Neumarkt]</ref> === Projekt: Soziale Stadt === Die Altstadt ist seit Januar 2002 offiziell ein Teil des Förderprogramms 'Stadt- und Ortsteile mit besonderem Entwicklungsbedarf - die Soziale Stadt'. Dieses Programm besteht nicht nur aus herkömmlicher Städtebauförderung, sondern zielt vor allem auch darauf ab, den Lebenswert in Vierteln zu steigern, indem Problemgebiete sozial stabilisiert werden. Dabei stehen neben städtebaulichen Aufgaben auch soziale, ökologische und beschäftigungspolitische Ziele im Vordergrund. === Wappen === [[Datei:Siebmacher225.jpg|miniatur|rechts|Wappen der Stadt Neumarkt um 1605: Darstellung im Wappenbuch [[Johann Siebmacher]]s (2. Zeile, 1. von links)]] Das Stadtwappen zeigt einen schwarzen Adler auf rotem Grund, der auf die zumindest theoretische [[Reichsunmittelbarkeit]] der Stadt vom 13. Jahrhundert bis ins 16. Jahrhundert hinweist. Der Adler tauchte erstmals auf einem Siegel im Jahr 1260 auf. Im Wernigeroder Wappenbuch von 1486 wurde das Wappen erstmals farbig dargestellt. In den nächsten Jahrhunderten wurde das Wappen nicht einheitlich verwendet: Der schwarze Adler auf rotem Grund überwiegt zwar, in einigen Fällen zeigt es den Adler jedoch auf silbernem oder goldenem Grund. Am Mittelpfeiler des Unteren Tors befindet sich ein steinernes Wappen aus dem 19. Jahrhundert, das nach der Zerstörung des Tores 1945 aus den Trümmern gerettet, restauriert und nach dem Wiederaufbau 1989 wieder an seinem alten Platz angebracht wurde. === Städtepartnerschaften und -patenschaften === Partnerschaften bestehen zu [[Issoire]] ([[Frankreich]]) und [[Mistelbach (Niederösterreich)|Mistelbach]] ([[Österreich]]). Diese Partnerschaften werden intensiv gepflegt, beispielsweise durch gegenseitige Besuche offizieller Delegationen während der Altstadtfeste. Das [[Ostendorfer-Gymnasium]] betreibt ebenso wie das [[Willibald-Gluck-Gymnasium]] einen jährlichen [[Schüleraustausch]] mit einer Schule in Issoire. Mehrere Parks und Straßennamen würdigen in Neumarkt diese Partnerschaften (Mistelbacher Allee, Parc d'Issoire, Abtsdorfer Gasse). Die Stadt Neumarkt hat 1988 die Patenschaft für die aufgrund der [[Beneš-Dekrete]] vertriebenen Deutschen aus der Gemeinde [[Opatov v Čechách]] (Abtsdorf) im ehemaligen [[Sudetenland]] übernommen. Seit März 2005 trägt ein Flugzeug der [[Lufthansa CityLine]] den Namen ''Neumarkt i.d.OPf.'' Das Flugzeug vom Typ ''Canadair Jet CRJ 700'' ist in großen Teilen des europäischen Flugstreckennetzes unterwegs.<ref>[http://www.charliebravo.de/imgview.php?id=2346 Bild von der „Neumarkt i.d.OPf. − Citylinemaschine“]</ref> == Kultur und Sehenswürdigkeiten == [[Datei:Burg_wolfstein_01.jpg|miniatur|rechts|Burgruine Wolfstein]] Zu den Sehenswürdigkeiten zählen vor allem die historische Altstadt mit der Kirche St. Johannes und dem Rathaus, das Schlossviertel um das [[Pfalzgrafenschloss Neumarkt|Pfalzgrafenschloss]] mit der Hofkirche und das [[Landesgartenschau]]gelände (heutiger LGS-Park) am [[Ludwig-Donau-Main-Kanal]]. Am Stadtrand bzw. außerhalb der Stadt lohnen die barocke [[Wallfahrtskirche Maria Hilf (Neumarkt in der Oberpfalz)|Wallfahrtskirche Mariahilf]] und die [[Burgruine Wolfstein]] einen Besuch. Neben thematischen Stadtführungen werden auch Führungen in den Museen sowie auf der Burgruine Wolfstein angeboten. Neumarkt kann über die Touristik-Route [[Straße der Kaiser und Könige]] erreicht werden. Pro Jahr werden circa 45.000 bis 50.000 Übernachtungen gezählt.<ref>[http://www.neumarkt.de/hp1837/Fremdenverkehr.htm www.neumarkt.de - Zahlen Fremdenverkehr]</ref> === Museen === [[Datei:NeumarktMuseumLotharFischer.jpg|miniatur|rechts|Museum Lothar Fischer im Stadtpark]] Das ''[[Stadtmuseum Neumarkt in der Oberpfalz|Stadtmuseum]]'' in der Adolf-Kolping-Straße zeigt Exponate und wechselnde Themen-Ausstellungen zur Geschichte der Stadt (zum Beispiel „Alle Neune für Neumarkt“ zur Gebietsreform 1972). Eine Abteilung befasst sich mit dem bäuerlichen und bürgerlichen Leben im 19. Jahrhundert, in einer weiteren Abteilung können alte Fahr- und Motorräder der in Neumarkt produzierten Marke Express besichtigt werden. Das im Sommer 2004 eröffnete ''[[Museum Lothar Fischer]]'' am Stadtpark zeigt zum einen Werke [[Lothar Fischer (Bildhauer)|Lothar Fischers]], zum anderen bietet es aber auch Platz für wechselnde Ausstellungen mit Arbeiten anderer namhafter Künstler. Diese orientieren sich zumeist an Lothar Fischer oder stehen zumindest mit ihm in Verbindung (zum Beispiel Mitglieder der [[SPUR|Gruppe SPUR]]); zusätzlich stellt eine Ausstellung pro Jahr beispielhafte Werke des Empfängers des ''Lothar-Fischer-Preises'' des Vorjahres vor. Das am 31. März 2009 eröffnete ''[[Museum für historische Maybach-Fahrzeuge]]'' in den ehemaligen Express-Werken stellt Fahrzeuge der früheren Nobelmarke [[Maybach-Motorenbau|Maybach]] aus und zeigt auch Fahr- und Motorräder der früheren Express Werke. Es ist das weltweit einzige Museum, das sich ganz der Automobilmarke Maybach widmet. Das ''Brauereimuseum der Brauerei Glossner'' in der Schwesternhausgasse gibt Auskunft über die Geschichte des Brauereiwesens seit dem Mittelalter, die am Beispiel der Brauereifamilie Glossner dargestellt wird. Gerätschaften, Dokumente und auch eine Braumeister-Galerie erlauben einen näheren Blick auf dieses Handwerk. Bis 2003 existierte in den Kellern der Stadtbücherei ein ''Modelleisenbahnmuseum'', das jetzt ein neues Domizil sucht. Neben typischen Modellbahnanlagen konnte hier auch eine komplett selbst entworfene und konstruierte Modellbahn besichtigt werden. Das [[Bayerisches Nationalmuseum|Bayerische Nationalmuseum]] unterhielt bis 1997 im Westflügel des Pfalzgrafenschlosses eine Außenstelle, in der barocke Krippenkunst ausgestellt wurde. Mangelndes Interesse führte zur Schließung und Rückverlegung des Museums nach [[München]]. Daneben ist auch der Bau eines Museums auf der Burgruine Wolfstein geplant, das zum einen Funde und Ergebnisse der dortigen Grabungsarbeiten vorstellen, zum anderen aber auch über Geologie und Erdgeschichte des Neumarkter Raumes informieren soll. === Bauwerke === [[Datei:pfalzgrafenschloss_neumarkt.jpg|miniatur|rechts|Pfalzgrafenschloss am Residenzplatz]] [[Datei:hofkirche_neumarkt.jpg|miniatur|rechts|Hofkirche „Zu unserer lieben Frau“]] [[Datei:NeumarktReitstadel.jpg|miniatur|rechts|Reitstadel]] [[Datei:City_Hall_Neumarkt_Germany.jpg|miniatur|rechts|Rathaus]] ==== In der Altstadt ==== Trotz schwerer Zerstörungen im Zweiten Weltkrieg gelang es, die historischen Gebäude in der Altstadt weitgehend zu bewahren. Dominiert wird die Altstadt von den drei großen Kirchtürmen der Kirche St. Johannes, der Hofkirche und der Christuskirche. ''[[St. Johannes (Neumarkt in der Oberpfalz)|St. Johannes]]'' wurde unter Pfalzgraf [[Johann (Pfalz-Neumarkt)|Johann]] von 1404 bis 1434 als gotische Hallenkirche errichtet und erinnert vor allem im Turm stark an die Lorenzkirche in [[Nürnberg]]. Die ''[[Hofkirche Neumarkt|Hofkirche „Zu unserer Lieben Frau“]]'', eine ehemalige Marienkapelle, wurde ab 1418 zur Schlosskirche erweitert und unter [[Friedrich II. (Pfalz)|Friedrich II.]] um 1523 vollendet. Die ''evangelische Christuskirche'' war Bestandteil des ehemaligen [[Kapuzinerkloster (Neumarkt in der Oberpfalz)|Kapuzinerklosters]], das ab 1670 bestand und befindet sich außerhalb der Stadtmauer, auf dem Gelände des ehemaligen Schlossgartens. Das ''[[Pfalzgrafenschloss Neumarkt|Pfalzgrafenschloss]]'' am Residenzplatz besteht seit etwa 1200 und wurde in seiner heutigen Form als ehemaliges [[Wasserschloss (Gebäude)|Wasserschloss]] im Stil der [[Renaissance]] von Friedrich II. zwischen 1520 und 1539 vollendet. Der ''[[Reitstadel]]'' (um 1415), ebenfalls im Schlossviertel gelegen, diente zunächst als Zeughaus und später als Pferdestallung. 1945 brannte das Gebäude komplett aus, erst 1980 erfolgte der Wiederaufbau als Konzertsaal. Der langgezogene Straßenmarkt als Hauptachse der Altstadt wird vom ''Rathaus'' in den Oberen und den Unteren Markt geteilt. Es wurde ebenfalls um 1415 als gotisches Ratsgebäude errichtet und nach der Zerstörung 1945 in den Jahren 1956 und 1957 originalgetreu wieder aufgebaut. Umgeben wird die Altstadt von der ''Stadtmauer'', die, ebenso wie der Stadtgraben nur noch teilweise erhalten ist. An ihr befinden sich der ''Pulverturm'', der ''Schuldturm'', der ''Bertleinsturm'' und der ''Gimplturm''. Von den ehemals drei Stadttoren haben sich nur noch das ''Klostertor'' als Durchgang zur Christuskirche und das ''Untere Tor'' erhalten, das nach der Sprengung 1945 ab 1989 wieder aufgebaut wurde. Bestandteil der Stadtbefestigung sind die ''ehemaligen Kasernen'' aus dem Jahr 1720, die von 1814 bis 1909 bayerische [[Chevauleger]]-Regimenter beherbergten. In der Bräugasse wird das wohl älteste noch erhaltene Bürgerhaus der Stadt saniert, das sog. ''Schreiberhaus''. Bestandteile der Mauern lassen sich teilweise bis 1430 zurückdatieren. ==== Außerhalb der Stadtmauern ==== Am ehemaligen ''Siechenhaus'', dem heutigen Klinikum des Landkreises, steht die restaurierte barocke ''Kirche St. Anna''. Ganz in der Nähe liegt der Hafen des Ludwig-Donau-Main-Kanals, der das Stadtgebiet von Nord nach Süd durchzieht. Am Hang des Wolfsteinberges kann die moderne ''Heilig-Kreuz-Kirche'' besichtigt werden, die in den Jahren 1959 und 1960 errichtet wurde. Weitere Kirchenbauwerke der Moderne sind die ''Willibaldskirche'' (1966) im Stadtteil Woffenbach und die ''Kirche St. Pius'' in der Hasenheide. Das ''Kloster St. Josef'' mit der dazugehörigen Klosterkirche beherbergt seit 1920 den Orden der [[Niederbronner Schwestern]], die Gebäude wurden zuvor seit etwa 1850 als ''Kurhaus Wildbad'' genutzt. Eine dort noch heute vorhandene Heilquelle ermöglichte einen umfassenden Kurbetrieb im Bad Neumarkt, der erst um 1900 eingestellt wurde. 2006 wurde durch die Neumarkter Lammsbräu und das Kloster eine Quelle errichtet, die seitdem unter dem Namen „Kloster St. Josef-Wasser“ firmiert. Auch eine kleine öffentliche Abfüllanlage befindet sich auf dem Areal des Klosters. Hoch über der Stadt kann man bereits von weitem die ''[[Burgruine Wolfstein]]'' sehen, eine Burganlage aus dem 12. Jahrhundert. Von hier aus bietet sich ein großartiger Ausblick. Archäologische Ausgrabungen und umfangreiche Instandsetzungen bewahren die Ruine vor dem weiteren Verfall. Auf dem benachbarten Mariahilfberg liegt im Wald die ''[[Wallfahrtskirche Maria Hilf (Neumarkt in der Oberpfalz)|Wallfahrtskirche Maria-Hilf]]'' mit Karmeliterkloster, ein wahres Kleinod des [[Barock]], das um 1727 errichtet wurde. Die Kirche ist zugleich Endpunkt des Kreuzweges, auf dem auf 367 Stufen die zwölf Stationen der [[Jesus von Nazareth|Passion Jesu Christi]] verfolgt werden können. Etwas unterhalb liegen die kleine ''Hl.-Grab-Kapelle'' und eine Nachbildung der berühmten [[Marienerscheinungen und Wallfahrt in Lourdes|Mariengrotte in Lourdes]]. === Parks === [[Datei:fischer 3 reiter.jpg|miniatur|rechts|„3 Reiter“ von Lothar Fischer am Residenzplatz]] [[Datei:lgspark_neumarkt.jpg|miniatur|rechts|Im LGS-Park]] [[Datei:ludwigskanal_neumarkt.jpg|miniatur|rechts|Der Ludwigskanal im Stadtteil Holzheim]] ==== Stadtpark mit Ludwigshain ==== Die Altstadt wird im Bereich des ehemaligen Stadtgrabens fast durchgehend von einem Grüngürtel umgeben. Hinter dem Schloss liegt der im Jahr 2004 neu gestaltete ''Stadtpark'' Leitgraben zum Ludwigskanal und dem anschließenden Schlossweiher. Vom Museum Lothar Fischer aus ist hier über den Residenzplatz bis hin zum Rathaus die Anlage eines Skulpturenpfades mit Werken des Künstlers geplant. Die geplante Stadthalle soll sich im Norden an der Mühlstraße an den Park anschließen. Ein Denkmal erinnert an den in Neumarkt geborenen [[Christoph III. (Dänemark)|Christoph von Neumarkt]], der später als Christoph III. von Dänemark, Schweden und Norwegen in die Geschichte einging. Die Schanze ist ein Relikt der ehemaligen Befestigungsanlagen, hier wurde der Stadtgraben mit einer Zugbrücke direkt zum Schloss überwunden. Der Schlossweiher wurde im 15. Jahrhundert angelegt und diente als Fischteich für die Schlossküche. Später wurde hier auch das Eis für die Kühlräume der Neumarkter Brauereien gewonnen. Als Statue bewacht der Hl. [[Johann von Nepomuk|Nepomuk]] den Übergang über den Stadtgraben am Klostertor. Zwischen Weißenfeldplatz und Theo-Betz-Platz bildet der ''Ludwigshain'' einen weiteren Teil des Grüngürtels. Hier befindet sich u.&nbsp;a. ein Kriegerdenkmal für die Gefallenen der beiden Weltkriege. Das zentrale Mahnmal Neumarkts steht jedoch im ''Eichelgarten'' am Hauptfriedhof. Der Grüngürtel wird entlang der Freystädter Straße und der Ringstraße fortgesetzt; in Höhe der Hallertorstraße bewahrt ein Gedenkstein die Erinnerung an die in der NS-Zeit ermordeten Juden in Neumarkt. An der Kreuzung Viehmarkt/Freystädter Straße befindet sich ein ehemaliger Schutzbunker aus dem Zweiten Weltkrieg. Entlang des Kurt-Romstöck-Rings und der Mühlstraße wird wieder der Ausgangspunkt des Grüngürtels hinter der Residenz erreicht. ==== Entlang des Ludwigskanals ==== Zum Volksfestplatz führen entlang des Ludwig-Donau-Main-Kanals zwei weitere Grünanlagen, die an die beiden Partnerstädte Neumarkts erinnern. In der ''Mistelbacher Allee '' fristete versteckt eine alte Weinpresse aus Mistelbach ihr Dasein, sie wurde restauriert und steht heute im LGS-Park. Im ''Parc d'Issoire'' können verschiedene Skulpturen besichtigt werden. 1998 fand in Neumarkt die 8. Bayerische [[Landesgartenschau]] statt. Das zu diesem Zweck in eine Parklandschaft umgewandelte Gelände der ehemaligen Kläranlage stellt heute eine vielbesuchte Grün- und Freizeitanlage in der Stadt dar. Der sogenannte ''LGS-Park'' fügt sich ein in das Gebiet zwischen dem Stadtteil Holzheim und der Altdorfer Straße und wird vom [[Ludwig-Donau-Main-Kanal]] durchgezogen. Im Sommer lädt die Veranstaltungsreihe „Sommer im Park“ mit Konzerten und Kleinkunst zum Besuch ein. Im Norden ist der LGS-Park entlang der ''Schwarzachaue'' bis zum Stadtrand am Berliner Ring verlängert. Dort kann neben einem [[Keltischer Baumkalender|keltischen Baumkalender]] und einer Sonnenuhr auch eine Kopie des „[[Goldblechkegel von Ezelsdorf-Buch|Goldkegels]]“ besichtigt werden, der bei Ezelsdorf gefunden wurde und heute im [[Germanisches Nationalmuseum|Germanischen Nationalmuseum]] in Nürnberg steht und eine Büste [[Sebastian Kneipp]]s. Im Juli 2005 wurde eine Statue des Hl. Christophorus aufgestellt. ==== Parks in den Stadtteilen ==== Im Süden der Stadt, versteckt hinter mehreren Industriebetrieben, befindet sich der ''Wasag-Park''. Ende der 1980er Jahre geriet diese Grünanlage in die Schlagzeilen wegen Schadstoffbelastungen, die noch von der Waffen- und Sprengstofffabrik aus den 1930er und 1940er Jahren stammten. Deren bauliche Überreste sind heute noch im Park zu finden. Ganz in der Nähe erinnerte ein Denkmal an [[Friedrich Ebert]], dieses wurde im Juni 2009 in die Weinbergerstraße an eine wesentlich stärker frequentierte Stelle verlegt. Der ''Faberpark'' an der Pelchenhofener Straße dient vor allem dem Stadtteil Mühlen als Naherholungsgebiet. Rund um das ehemalige Schloss in Woffenbach liegt der ''Woffenbacher Schlosspark'', durch den der gleichnamige Woffenbach fließt. Am östlichen Stadtrand bietet der ''Wolfstein-Park'' einen [[Trimm-Dich-Pfad]] an. Dieser Park geht fließend in die Wälder des Wolfsteinberges und des Mariahilfberges über. Am Föhrenweg liegt eine der größten [[Kriegsgräberstätte]]n Süddeutschlands. Hier liegen 5.049 ausländische Kriegsopfer begraben, darunter 3.373 [[sowjetisch]]e Frauen, Kinder und Männer, die Opfer der [[Zwangsarbeit in der Zeit des Nationalsozialismus|Zwangsarbeit]] wurden, wozu sie nach Deutschland verschleppt worden waren.<ref>Gedenkstätten für die Opfer des Nationalsozialismus. Eine Dokumentation, Band 1. Bundeszentrale für politische Bildung, Bonn 1995, ISBN 3-89331-208-0, S. 177</ref> <!-- === Naturdenkmäler === --> === Sport === ==== Sportanlagen und Ereignisse ==== [[Datei:Flugplatz_Neumarkt_20062009.jpg|miniatur|rechts|Flugplatz am Klinikum]] Über das Stadtgebiet verteilt befinden sich zahlreiche Fußball- und Bolzplätze, außerdem einige Tennisanlagen (zum Beispiel Holzheim, Höhenberg, Pölling und Woffenbach). Im Stadtteil Pölling wurde der [[Golfplatz]] „Herrenhof“ als 18-Loch-Meisterschaftsanlage errichtet. Zusammen mit den nahegelegenen Golfplätzen „Am Habsberg“ und „Jura-Golfpark Hilzhofen“ in Lauterhofen wirbt die Region mit dem Slogan „Golfdorado Neumarkt“. Im LGS-Park gibt es eine [[Minigolf]]anlage. Das wichtigste Sportereignis ist der ''[[Neumarkter Stadtlauf]]'', ein [[Halbmarathon]], der jedes Jahr im September stattfindet und mehrere tausend Laufsportler anzieht. Das [[Freibad]] bietet im Sommer ein beheiztes Erlebnisbecken an, mit Wasserrutschen, Sprungtürmen, Wildwasseranlage usw. Im Winter kann das Hallenbad benutzt werden. Auf der Jura-Hochebene werden vom Stadtteil Höhenberg aus im Winter zahlreiche Loipen gespurt, außerdem wird im Stadtteil Voggenthal ein Skilift betrieben. Die Stadtwerke installieren in den Wintermonaten eine Kunsteislaufbahn auf dem Volksfestplatz, die bis zu Temperaturen von über 10&nbsp;°C benutzt werden kann. Ein Flugplatz für [[Motorsegler]] befindet sich an der Nürnberger Straße, einen Flugplatz für [[Segelflugzeug]]e gibt es auf dem Ottenberg bei Pilsach. Auf dem Mariahilfberg besteht ein Flugplatz für [[Modellflugzeug]]e. ==== Fußball ==== Die Hauptsportart in Neumarkt ist der [[Fußball]]. Die höchstklassige Neumarkter Fußballmannschaft ist derzeit der [[ASV Neumarkt|ASV 1860 Neumarkt]], der in der bayerischen [[Landesliga Bayern|Landesliga Mitte]] spielt. Daneben gibt es acht weitere Fußballabteilungen innerhalb der großen Mehrspartenvereine: den DJK Neumarkt, den FC Neumarkt-Süd, den FC Holzheim, den SV Pölling, den SV Stauf, den BSC Woffenbach und den TSV Wolfstein. Der FC Holzheim und der TSV Wolfstein haben inzwischen als Gemeinschaftsprojekt eine Jugendfördergemeinschaft gegründet, die den Namen JFG Neumarkt Stadt und Land trägt. Von 2007 bis 2009 war auch die DJK Neumarkt diesem Verbund als dritter Verein angeschlossen. ==== Tanzen ==== Im Bereich [[Tanzsport]]/Freizeittanz gibt es die [[ADTV]]-Tanzschule Tanzcentrum Neumarkt (TCN), die Tanzsportabteilung Blau-Silber des ASV-Neumarkt sowie die "Rock and Roll Gruppe Funny City Rollers". Die Tanzsportabteilung Blau Silber des ASV Neumarkt hat im Bereich Standard und Latein schon mehrmals die bayerischen Meister und die bayerischen Vizemeister bis in die höchsten [[Tanzsport#Startklassen|Klassen]] der Amateurliga (S-Klasse Hauptgruppe und Senioren, A-Klasse Jugend) gestellt. Die [[Lateinformation]] der TSA war bereits in der zweiten Bundesliga vertreten. Die Dancefloorformation des ADTV-Tancentrums belegte auch schon mehrfach den deutschen Meister und den deutschen Vizemeistertitel im Bereich Formation Dancefloor. ==== Radsport ==== Darüber hinaus entwickelt sich Neumarkt immer mehr zur Radsport-Stadt. 2003 und 2005 war die Stadt jeweils das Ziel der finalen Etappe der [[Bayern-Rundfahrt]], 2004 führte eine Etappe der [[Deutschland Tour 2004|Deutschland Tour]] durch Neumarkt. Radfahrer erreichen Neumarkt über den ''[[5-Flüsse-Radweg]]'' oder die ''Tour de Baroque'', sowie entlang des [[Ludwig-Donau-Main-Kanal]]s. Verschiedene regionale Radrouten haben in Neumarkt ihren Ausgangspunkt. Im Stadtteil Hasenheide entsteht derzeit eine [[BMX]]-Anlage. ==== Wandern ==== [[Datei:Ludwigskanal_Wandertafel-Zeugenbergrunde.jpg|miniatur|Wanderzirkus Neumarkt]]Neumarkt liegt im Bereich von drei Qualitätswanderwegen des [[Verband Deutscher Gebirgs- und Wandervereine|Deutschen Wanderverbands]]: Die [[Zeugenbergrunde]] führt als 48,3&nbsp;Kilometer langer Rundwanderweg rings um die Stadt herum. Der [[Frankenweg]] folgt dem [[Albtrauf]] der Fränkischen Alb und führt durch die Stadtteile Labersricht und Höhenberg. Der dritte Qualitätswanderweg, der [[Jurasteig]], führt in seiner Hauptroute östlich an der Stadt vorbei, doch einer seiner Schlaufenwege, die Mariahilf-Schlaufe, erreicht Höhenberg mit der Wallfahrtskirche Maria Hilf. Daneben führen zahlreiche weitere markierte Wege zum Beispiel durch das Lengenbachtal nach Deining oder auf den [[Buchberg (Oberpfalz)|Buchberg]]. In und um Neumarkt sind diese Wanderwege alle mit dem Label "Wanderzirkus Neumarkt" markiert. === Theater, Kino und Nachtleben === Regelmäßige Veranstaltungen finden vor allem im Reitstadel und im Festsaal der Residenz statt (''Neumarkter Konzertfreunde'', ''Kleinkunst in der Residenz''). Die ''Neumarkter Schlossspiele'', eine Theatergruppe, treten im Sommer im Innenhof der Residenz auf. Seit 1973 führt das ''Woffenbacher Bauerntheater'' jedes Jahr im Spätherbst ein heiteres Volksstück in bayerischer Mundart auf. Und auch die Theatergruppe der [[Kolpingsfamilie]] Neumarkt tritt regelmäßig mit komödiantischen Stücken auf. In der Altstadt befinden sich zwei Kinos, das ''Bavaria-Filmtheater'' und der ''Rialto-Palast''. Jährlich im August findet mit der Reihe ''Kino im Park'' im LGS-Park ein Open-Air-Kino statt, bei dem etwa zehn Tage lang ausgesuchte Filme sowie Kino-Höhepunkte der Saison aufgeführt werden. Der Bau eines Kinocenters ist seit mehreren Jahren immer wieder im Gespräch. Das Nachtleben wird geprägt von mehreren Kneipen, Cafés und Diskotheken, die sich in und um die Altstadt angesiedelt haben. Aber auch das Nachtleben Nürnbergs und Regensburgs konnten ihre Einzugsbereiche bis nach Neumarkt ausdehnen. === Musik === <!-- zum Beispiel Orchester, Chöre, Vereine etc. --> Seit dem Wiederaufbau des Reitstadels als Konzertsaal hat sich in Neumarkt mit dem ''Neumarkter Konzertfreunde e.&nbsp;V.'' und dem ''Neumarkter Musikverein e.&nbsp;V.'' eine Musikszene etabliert, die im Reitstadel regelmäßig klassische Konzerte mit zum Teil internationalen Stars aufführt. Auf Grund seiner sehr guten Akustik wird der Reitstadel außerdem auch oft für CD-Aufnahmen verschiedener Chöre und Orchester verwendet. Namhafte Künstler der [[Rock (Musik)|Rock-]] und [[Pop-Musik]] wie beispielsweise [[Die Ärzte]], [[Robert Plant]], die [[Ramones]], [[Tokio Hotel]] oder [[Wir sind Helden]] treten in der ''Großen Jura-Halle'' und der ''Kleinen Jura-Halle'' auf, dazu finden auch immer wieder Open-Air-Konzerte auf dem Volksfestplatz statt. In der Stadt existiert eine aktive Musikszene, die sich aus Gruppen und Künstlern der unterschiedlichsten Richtungen zusammensetzt. Punk-, Rock- und Metalbands sind ebenso zu finden wie [[Blaskapelle]]n, Chöre und [[Folk]]music-Gruppen. Mehrere Kneipen stellen jungen Nachwuchstalenten ihre Bühnen zur Verfügung. === Circus Sambesi === Der ''Circus Sambesi'' ist auf den ersten Blick ein gewöhnlicher [[Zirkus]], unterscheidet sich jedoch von seinen weltberühmten Gegenstücken ganz erheblich: Zusammen mit dem Neumarkter Zirkusverein betreibt Karl Nidermayer seit 1987 diesen Zirkus ehrenamtlich, ebenso treten alle Künstler umsonst auf. Der Eintritt ist frei, Spenden sind jedoch erwünscht, die dann in vollem Umfang an die Afrika-Stiftung [[Menschen für Menschen]] unter der Leitung von [[Karl-Heinz Böhm]] gehen. Bis heute konnten so über 400.000&nbsp;€ für notleidende Menschen in [[Äthiopien]] gesammelt werden. Die Tournee führt den Zirkus meist in den Sommermonaten durch die Oberpfalz, [[Mittelfranken]] und [[Oberbayern]]. === Regelmäßige Veranstaltungen === ==== Feste und Festivals ==== [[Datei:Juravolksfest Neumarkt 2008-08-09.jpg|miniatur|Im August: Jura-Volksfest]] Das ''Frühlingsfest'' findet Anfang Mai auf dem Volksfestplatz und in den [[Jura-Hallen]] statt und wird seit 2003 durch eine Landwirtschaftsausstellung erweitert. Während des ''Altstadtfestes'' im Juni verwandelt sich die Altstadt für drei Tage in eine quirlige Flaniermeile. Konzerte verschiedener Musikrichtungen auf mehreren Bühnen, Führungen und Theater bieten einen bunten Veranstaltungsmix, der rege besucht wird. Anfang Juli zieht auch die Willibaldskirchweih in Woffenbach viele Besucher an. Das große, zehntägige ''[[Neumarkter Jura-Volksfest]]'' im August ist der Höhepunkt des jährlichen Veranstaltungskalenders. Allein der große Festzug durch die Innenstadt am ersten Sonntag und der traditionelle ''Rossmarkt'' am letzten Montag locken jeweils bis zu 20.000 Besucher aus ganz Nordbayern an. Von Mai bis August finden im LGS-Park im Rahmen der Reihe ''Sommer im Park'' verschiedene Konzerte und andere künstlerische Darbietungen statt, direkt im Anschluss daran kann Mitte August das ''Open-Air-Kino'' am Kanalufer besucht werden. Unter dem Motto ''Bands & Clubs'' findet im April und im Oktober jeweils das ''Neumarkter Kneipenfestival'' statt, bei dem in zahlreichen Kneipen, Diskotheken und Cafés Live-Bands auftreten. ==== Wochen- und Jahrmärkte ==== Auf dem Unteren Markt finden zwei Wochenmärkte statt. Der ''Wochenmarkt'' (donnerstags) wartet mit Waren verschiedenster Herkunft (u.&nbsp;a. Kleidung, Lebensmitte, Haushaltsgeräte, Schmuck) auf. Der ''Bauernmarkt'' am Samstag bietet Lebensmittel und Erzeugnisse vorwiegend regionaler Landwirte an. Auf dem Volksfestplatz finden neben den beliebten monatlichen Flohmärkten auch mehrere Jahrmärkte statt wie zum Beispiel der ''Michaelismarkt'' oder der ''Lichtmessjahrmarkt'', die meist auch mit einem verkaufsoffenen Sonntag in der Altstadt verknüpft sind. Auf dem Platz vor dem Rathaus in unmittelbarer Nähe zur Johanneskirche findet in der Adventszeit der ''Neumarkter Weihnachtsmarkt'' statt. Seit 2007 findet in diesem Rahmen auf dem Unteren Markt eine Art „Künstler-Weihnachtsmarkt“ statt, bei dem man selbstgebastelte und selbstproduzierte Waren von Privatleuten oder Sozialprojekten im Raum Neumarkt erwerben kann. ==== Neumarkter Passionsspiele ==== ''→ Hauptartikel [[Neumarkter Passionsspiele]]'' Bereits im 17. und 18. Jahrhundert wurden [[Passionsspiel]]e in Neumarkt aufgeführt, zum letzten Mal 1793. 1901 organisierte dann der Katholische Gesellenverein eine erneute Aufführung, die 1922 wiederholt wurden. Bereits hier entstand die Idee, die Spiele alle fünf Jahre aufzuführen, was jedoch auf Grund der wirtschaftlichen und politischen Umstände dann nicht mehr geschah. Später übernahmen dann die Kolpingsfamilie die Verantwortung für die Spiele und arrangierte Aufführungen in den Jahren 1959, 1964, 1984 und 1989. Hier wurde dann auch der aktuelle zehnjährige Rhythmus eingeführt. 1999 und 2009 fanden wieder Passionsspiele statt, die nächste Aufführung folgt im Frühjahr 2019.<ref>Website zu den Neumarkter Passionsspielen: [http://www.passionsspiele-neumarkt.de Neumarkter Passionsspiele]</ref> == Wirtschaft und Infrastruktur == Bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts war Neumarkt industriell völlig unbedeutend. Erst danach begann auch hier, zunächst mit Holz und Metall verarbeitender Industrie, die [[Industrialisierung]] sich durchzusetzen. Die günstige Lage zum Großraum Nürnberg und die Schaffung einer guten Infrastruktur trugen dazu bei, dass sich hier auch bedeutende Traditionsunternehmen wie zum Beispiel die ''[[Express Werke]]'' (bis 1959), die ''[[Pfleiderer AG]]'' oder die ''[[Dehn und Söhne|Dehn und Söhne GmbH]]'' ansiedelten. Die Arbeitslosenquote liegt seit mehreren Jahren zwischen 6 % und 7 %. === Verkehr === [[Datei:Plan_neumarkt_in_der_oberpfalz.png|miniatur|rechts|Karte von Neumarkt mit Hauptverkehrsadern]] ==== Individualverkehr ==== Neumarkt liegt direkt an der [[Bundesautobahn 3]] zwischen Nürnberg und Regensburg, etwa 30&nbsp;Kilometer vom Großraum Nürnberg entfernt. Westlich bzw. nördlich in jeweils 20&nbsp;Kilometer Entfernung verlaufen die Bundesautobahnen [[Bundesautobahn 9|9]] (Ausfahrten [[Hilpoltstein]] bzw. [[Allersberg]]) und [[Bundesautobahn 6|6]] (Ausfahrten [[Alfeld (Mittelfranken)|Alfeld]] und [[Amberg]]-West). An der A&nbsp;3 ist der Bau einer zweiten [[Anschlussstelle (Autobahn)|Anschlussstelle]] ''Neumarkt-Ost'' in Höhe des Stadtteiles Frickenhofen geplant. Die bisherige Anschlussstelle ''Neumarkt in der Oberpfalz'' wird umbenannt in ''Neumarkt-Nord''. Die [[Bundesstraße]]n [[Bundesstraße 8|8]] und [[Bundesstraße 299|299]] kreuzen sich in Neumarkt und werden heute über die Stadtumgehung (''Berliner Ring'' und ''Münchener Ring'') geführt. Der Bau eines kompletten Rings um die Stadt mit einem Tunnel unter dem Mariahilfberg war in den 1970ern geplant. Von 2001 bis 2008 wurde über eine Tangente von den südlichen Stadtteilen auf die Jura-Hochebene zur neuen Ausfahrt Neumarkt-Ost diskutiert, welche aus wirtschaftlichen und ökologischen Gründen wieder verworfen wurde. Im August 2008 wurde der letzte Abschnitt der Stadtumgehung eröffnet, die B&nbsp;299 führt jetzt von Süden kommend nicht mehr direkt an Sengenthal und Neumarkt-Hasenheide vorbei, sondern geht direkt in den Münchener Ring über. Bedeutende Straßen im Stadtgebiet sind die ''Amberger Straße'', die ''Dammstraße'' und der ''Kurt-Romstöck-Ring'', die fast durchgehend mit zwei Fahrspuren je Richtung ausgebaut sind. Die ''Nürnberger Straße'', die ''Freystädter Straße'', die ''Pelchenhofener Straße'' und die ''Regensburger Straße'' stellen weitere wichtige Einfallstraßen dar. Der Bau von [[Kreisverkehr]]en wird immer weiter vorangetrieben. Ist der Miniaturkreisverkehr im Stadtteil Wolfstein noch als misslungen anzusehen, so tragen die neuen Kreisverkehre am Weißenfeldplatz oder auch im Verlauf des Berliner Rings zu einer Entzerrung des Verkehrsflusses bei. Eine größere Umstrukturierung der Verkehrsströme ist im Bereich des Unteren Tores am Schnittpunkt von Nürnberger Straße, Amberger Straße, Altdorfer Straße, Mühlstraße und Kurt-Romstöck-Ring zu erwarten, wenn dort die Bauarbeiten für ein Einkaufszentrum aufgenommen werden. In Neumarkt gibt es zwei Parkhäuser (''Ringstraße'' und ''Rosengasse'') und eine Tiefgarage (''Residenzplatz''), die von den Stadtwerken Neumarkt betrieben werden. Das Parkhaus ''Dammstraße'' wurde im Frühjahr 2007 abgerissen, im Zuge der Errichtung des Einkaufszentrums am Unteren Tor wird dort eine neue Tiefgarage errichtet. Eine weitere Tiefgarage soll gegenüber am Rande des Stadtparks zusammen mit der Stadthalle entstehen. Daneben existieren noch größere Parkplätze am Festplatz neben den Jura-Hallen, sowie an der Ringstraße und der Freystädter Straße. Das Radwegenetz hat eine Länge von circa 70 Kilometern und erschließt fast alle Stadtteile. Entlang der Hauptstraßen sind fast durchgehend Radwege auf beiden Straßenseiten angelegt, Problemstellen sind noch an der Querung einiger Straßen vorhanden. Durch den Bau von Ampeln, Unterführungen oder Querungshilfen in Form von Verkehrsinseln wird diesen Gefahrenpunkten vermehrt entgegen gewirkt. Die Marktstraße wurde im Bereich des Rathausplatzes in eine Fußgängerzone umgewandelt, ebenso die komplette Klostergasse. In den Wohngebieten sind mehrere Straßen verkehrsberuhigt (sogenannte Spielstraßen). ==== Bahn- und Busverkehr ==== [[Datei:bahnhof_neumarkt.jpg|miniatur|rechts|Bahnhof mit Bahnhofplatz]] [[Datei:Bus neumarkt oberermarkt.jpg|miniatur|rechts|Stadtbusse am Oberen Markt]] ''→ Hauptartikel [[Bahnhöfe in Neumarkt in der Oberpfalz]]'' ''→ Hauptartikel [[Stadtbus Neumarkt]]'' Neumarkt verfügt über zwei [[Bahnhof|Bahnhöfe]] an der [[Bahnstrecke Nürnberg–Regensburg]], die Realisierung einer [[S-Bahn Nürnberg|S-Bahn]] von Nürnberg nach Neumarkt ist für 2010 vorgesehen. Der Bahnhof ''Neumarkt (Oberpfalz)'' wird von Regionalzügen mindestens stündlich bedient, außerdem halten einzelne [[Intercity]]-Züge der Linien Passau–Karlsruhe und Hamburg–Passau. Es gibt Überlegungen, den Bahnhof mit Eröffnung der S-Bahn in ''Neumarkt Hauptbahnhof'' umzubenennen. Der Haltepunkt ''Pölling'' befindet sich am Rande des gleichnamigen Stadtteils und wird nur von Regionalbahnen bedient. Ein weiterer Haltepunkt ''Neumarkt-Woffenbach'' sollte im Zuge der S-Bahn an der Woffenbacher Straße entstehen, diese Planungen wurden vorerst eingestellt. Die [[Sulztalbahn]] mit dem Haltepunkt ''Neumarkt-Hasenheide'' im Süden wurde 1988 endgültig stillgelegt. Der regionale Busverkehr ist zentralistisch auf Neumarkt ausgerichtet. Zahlreiche Buslinien bedienen alle Gemeinden des Landkreises, weitere Linien führen nach Amberg, Allersberg und Kinding. Den innerörtlichen Nahverkehr bedienen die Stadtwerke Neumarkt (SWN) mit 13 Buslinien (Linien 561–570 und 573–575), die werktags von etwa 5:45 bis 19:00 Uhr zum Teil im 20-Minuten-Takt verkehren, Samstags wird von 8 bis 14 Uhr ein 60- beziehungsweise 30-Minuten-Takt angeboten. Eine Ausdehnung des Busverkehrs auf die Abendstunden und auf das Wochenende wird angestrebt. Neumarkt ist in den [[Verkehrsverbund Großraum Nürnberg]] (VGN) und in den [[Regensburger Verkehrsverbund]] (RVV) integriert. Im Winterhalbjahr verkehrt an Samstagen sowie an Silvester und Fasching der ''Nachtschwärmer'': sechs Buslinien verbinden zwischen 19 Uhr und etwa 3 Uhr nachts die umliegenden Gemeinden mit Neumarkt. Die Versorgung des Stadtgebietes ist dabei nur unbefriedigend, lediglich in den außerhalb gelegenen Stadtteilen wie zum Beispiel Pölling oder Höhenberg werden einzelne Haltestellen bedient. Haltestellen im Stadtgebiet selber oder direkt im Zentrum sind nicht ins Netz integriert, alle Linien halten nur am Busbahnhof am Bahnhof. Die Busse verkehren im Auftrag des Landkreises und sind nicht in das Tarifsystem des VGN integriert. ==== Schiffs- und Flugverkehr ==== An der ''Nürnberger Straße'' in der Nähe des Klinikums befindet sich ein [[Sonderlandeplatz]], einen Helikopterlandeplatz gibt es am Klinikum. Die nächsten Verkehrsflughäfen befinden sich in [[Flughafen Nürnberg|Nürnberg]] und [[Flughafen München Franz Josef Strauß|München]]. Der [[Rhein-Main-Donau-Kanal]] durchquert den Landkreis Neumarkt. Im südlichen Landkreis befinden sich die Häfen [[Mühlhausen (Oberpfalz)|Mühlhausen]], [[Berching]] und [[Dietfurt an der Altmühl|Dietfurt]]. Der Schiffsverkehr auf dessen Vorgänger, dem Ludwigskanal, wurde bereits 1945 eingestellt. === Ansässige Unternehmen === [[Datei:Pfleiderer AG Spanplattenwerk Neumarkt in der Oberpfalz.JPG|miniatur|rechts|Industriegebiet Süd]] [[Datei:Pfleiderer_AG_Hauptverwaltung_Neumarkt_in_der_Oberpfalz.JPG|miniatur|rechts|Firmensitz der Pfleiderer AG]] Neumarkt ist Standort industrieller Unternehmen in verschiedenen Wirtschaftszweigen, insgesamt haben 3780 Gewerbebetriebe ihren Sitz hier. Bedeutendstes Wirtschaftsunternehmen ist die ''[[Pfleiderer AG]]'', die in der Holzverarbeitung und dem Anlagenbau bereits seit nahezu 90 Jahren am Standort Neumarkt tätig ist. Die vorher sehr umfangreiche Produktionspalette wurde mittlerweile aufgelockert und einige Zweige verkauft, so zum Beispiel die Fertigung von Stahl-, GfK- und Betonmasten, die jetzt von der ''[[Pfleiderer Europoles|Pfleiderer Europoles GmbH & Co. KG]]'' selbstständig weiterhin in Neumarkt betrieben wird. Im Frühjahr 2006 trennte sich auch der Bereich Pfleiderer-Infrastrukturtechnik, der jetzt als ''[[RAIL.ONE GmbH Pfleiderer track systems]]'' Schwellen und Fahrwegsysteme für die Eisenbahn produziert. Weitere bekannte Produktionsunternehmen in Neumarkt sind beispielsweise der [[Pharma]]-Hersteller ''[[Bionorica|Bionorica AG]]'', der Zulieferer für die Flugzeugindustrie ''SMI Products and Services GmbH'' und die ''[[Eberhard Faber|Eberhard Faber GmbH]]'', deren Stifte und Büromaterialien weltweit vertrieben werden. Im Bereich der Elektro- und der Blitzschutztechnik sind vor allem ''[[Dehn und Söhne]]'' und ''Dehn Instatec'' zu nennen, die hier und in Nürnberg tätig sind, ebenso wie ''[[Delphi Corporation|Delphi Product & Service Solutions]]'', die zwei Werke in Neumarkt unterhält sowie die ''Blitzschutz Pröbster GmbH''. Als Bauunternehmen international tätig ist die ''[[Klebl GmbH]]'', die außerdem im Süden der Stadt den Abbau von Sand betreibt. Die ''Fritz Berger GmbH'' (Campingartikel) sowie die ''[[Tchibo|Tchibo GmbH]]'' betreiben im Gewerbegebiet Habershöhe jeweils ein Logistikzentrum. In Neumarkt ansässige Lebensmittelhersteller sind unter anderem die ''Burgis GmbH'', deren Kartoffel und Nudelprodukte deutschlandweit vertrieben werden, sowie ''Der Bäcker Feihl'', ein Familienbetrieb aus Neumarkt-Pölling, der heute 35 Filialen im Raum Nürnberg-Neumarkt betreibt und sich mittlerweile in Berlin ein zweites Standbein geschaffen hat und dort wiederum 21 Filialen im Stadtbereich unterhält. Die ''Otto Richter KG'' ist Deutschland größter Kissenproduzent. Die Firma ''Tschu Tschu'' produziert als einziges Unternehmen auf der Welt die sogenannten „Tschu-Tschu-Bahnen“, die vor allem im Touristik-Bereich zum Beispiel für Stadtrundfahrten auf der ganzen Welt anzutreffen sind. === Brauereien === Zahlreiche [[Brauerei]]en existierten in Neumarkt, von denen sich bis heute drei, die allesamt in privatem Besitz sind, erhalten haben. Die ''Brauerei Glossner'', die in der 13. Generation seit 1574 das Braurecht hat, bietet neben ihren verschiedenen Bierspezialitäten und Erfrischungsgetränken auch ein eigenes Mineralwasser an, das dem betriebseigenen Brunnen am Ludwigshain aus circa 70 Meter Tiefe entnommen wird. Ein eigenes Brauereimuseum informiert über Kunst und Geschichte der Bierherstellung. Der 1628 erstmals urkundlich erwähnte ''[[Neumarkter Lammsbräu]]'' ist heute die größte Neumarkter Brauerei. Bereits in den 1970er Jahren begann man dort Zutaten aus [[Ökologische Landwirtschaft|ökologischer Landwirtschaft]] zum Brauen zu verwenden, 1980 gab sich die Brauerei dann ein ganzheitliches ökologisches Unternehmenskonzept. Seither kommen ausschließlich Bio-Rohstoffe zum Einsatz, und die erzeugten Getränke werden grundsätzlich nur in [[Mehrwegflasche]]n abgefüllt. Mit dieser Strategie entwickelte sich Lammsbräu zu einem der umsatzstärksten Bierproduzenten im Biobereich. 2001 wurde die Lammsbrauerei als erste Brauerei mit dem [[Deutscher Umweltpreis|Deutschen Umweltpreis]] ausgezeichnet. Die ''Gansbrauerei'' als kleinste der drei Brauereien konzentriert sich nur auf die Herstellung von Pils, hellem und dunklem Bier, das in verschiedenen Variationen auf den Markt kommt. Die drei Brauereien erhalten jeweils im Drei-Jahres-Rhythmus die Ausschankrechte am Jura-Volksfest. === Medien === Die Medienlandschaft Neumarkts ist für eine Stadt dieser Größe vielfältig ausgeprägt. Neben den beiden Tageszeitungen ''Neumarkter Nachrichten'' (Lokalausgabe der ''[[Nürnberger Nachrichten]]'') und ''Neumarkter Tagblatt'' (Lokalausgabe der ''[[Mittelbayerische Zeitung|Mittelbayerischen Zeitung]]'') erscheint unter ''neumarktonline.de'' außerdem eine Internet-Zeitung, die online einen Zugriff auf aktuelle Nachrichten aus der Stadt und dem Landkreis bietet. Über das Nacht- und Kulturleben berichtet außerdem das monatlich erscheinende Stadtmagazin ''Hugo Neumarkt''. Der Radiosender [[Radio_Charivari_Regensburg|Radio Charivari]] ist ein privater Hörfunksender für die Region Ostbayern. Frequenzen für den Landkreis Neumarkt sind 93.3 und 94.0 MHz. Die Lokalsender ''intv'' und ''Franken TV'' zeigen jeweils eine feste wöchentliche Nachrichtensendung aus Neumarkt (''studio neumarkt'' bzw. ''neumarkt tv − marktplatz'').<ref>[http://www.franken-tv.de/default.aspx?ID=1098&showSendung=47 Franken TV über das Neumarkter Regionalformat]</ref><ref>[http://www.neumarkt-tv.de Die Homepage von „neumarkt tv“]</ref> Der [[Sender Dillberg]], der auf dem [[Dillberg|gleichnamigen Berg]] bei Neumarkt steht, strahlt seit 1955 Rundfunk- und Fernsehsendungen aus. Von einer Sendeanlage auf dem Burgfried der [[Burgruine Wolfstein]] wird das Programm des Senders ''Charivari'' mit dem Lokalfenster Neumarkt ausgestrahlt. Am 30. Mai 2005 startete vom Dillberg (neben München, dem [[Sendeanlage Wendelstein|Sender Wendelstein]] und Nürnberg) das erste [[DVB-T]]-Angebot Bayerns.<ref>[http://www.br-online.de/unternehmen/technik/rundfunktechnik-DID1207508151625/rundfunktechnik-dvb-t-nuernberg-suedbayern-ID1208819123069.xml Rundfunktechnik: DVB-T in der Region Nürnberg | Technik | Unternehmen | BR]</ref> Außerdem wird von dort ''[[Campus Radio]]'', ein von Studenten der [[Georg-Simon-Ohm-Hochschule Nürnberg|Georg-Simon-Ohm-Fachhochschule Nürnberg]] betriebenes [[Hochschulradio]], im [[Digital Radio Mondiale|DRM]]-Modus verbreitet.<ref>[http://www.ai.fh-nuernberg.de/Professors/Lauterbach/CampusRadio/index_Stand0703.htm Projekt Campus-Radio]</ref><ref>[http://www.ukwtv.de/sender-tabelle/UKW/Deutschland/Bayern.htm#Campus www.ukwtv.de – Campus Radio]</ref> === Öffentliche Einrichtungen === [[Datei:Klinikum Neumarkt in der Oberpfalz.JPG|miniatur|rechts|Klinikum Neumarkt]] Als Kreisstadt und mögliches Oberzentrum ist die Stadt zugleich Sitz verschiedener Behörden und Institutionen. So findet man in Neumarkt unter anderem das ''[[Finanzamt]]'' für Stadt und Landkreis, das ''[[Landratsamt]]'' des Landkreises Neumarkt sowie das ''[[Gesundheitsamt|Gesundheits-]]'', das ''Wasserwirtschaftsamt'' und das ''[[Forstamt]]'' des Kreises. Die ''[[Arbeitsagentur]]'' unterhält eine Außenstelle in der Mariahilfstraße sowie ein Schulungszentrum in der Regensburger Straße. Die ''[[Straßenmeisterei]]'' betreut das Straßennetz des nördlichen Landkreises, die ''[[Autobahnmeisterei]]'' an der A&nbsp;3 ist für den Abschnitt dieser Autobahn zwischen dem Autobahnkreuz Nürnberg und der Ausfahrt Parsberg zuständig. Das ''Jugendbüro JA!'' ist die städtische Anlaufstelle für Freizeit- und Kulturveranstaltungen für Kinder und Jugendliche. Es bietet unter anderem jedes Jahr im August die Ferienspiele im LGS-Park an. Am Volksfestplatz entstand 2006 das ''Haus für Jugend, Bildung und Kultur'', das Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen heute Platz für Veranstaltungen aus den unterschiedlichsten Bereichen bietet. Das ''[[Klinikum Neumarkt in der Oberpfalz]]'' ist mit 429 Betten das größte Krankenhaus im Landkreis, außerdem dient es der [[Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg|Universität Erlangen]] als Lehrkrankenhaus. === Bildung === [[Datei:Neumarkt gymnasien.jpg|miniatur|rechts|Willibald-Gluck-Gymnasium und Ostendorfer-Gymnasium]] ==== Allgemeinbildende Schulen ==== Als Zentrum der westlichen Oberpfalz verfügt Neumarkt über ein umfangreiches Bildungsangebot, fast alle gängigen Schularten sind vertreten. Die Grundversorgung wird durch sieben [[Grundschule]]n und drei [[Hauptschule]]n übernommen, die über das Stadtgebiet verteilt sind. An weiterführenden Schulen stehen eine staatliche [[Realschule für Knaben (Neumarkt in der Oberpfalz)|Realschule für Knaben]] und eine für Mädchen zur Verfügung. Diese geschlechterbezogene Trennung einer allgemeinbildenden Schule ist heute nur noch sehr selten anzutreffen. Zwei [[Gymnasium|Gymnasien]], das ''[[Ostendorfer-Gymnasium]]'' als humanistisches, sprachliches und musisches Gymnasium und das naturwissenschaftlich-technologische bzw. wirtschafts- und sozialwissenschaftliche ''[[Willibald-Gluck-Gymnasium]]'' erlauben den Weg zum [[Abitur]]. {| | valign="top" | {| class="prettytable" style="text-align:left" |- style="background-color:#efefef" ! align="center" colspan="2"| Schulwesen im Schuljahr 2007/2008 |- | Durchschnittliche Klassenstärke an [[Volksschule]]n || 23,3 |- | Anteil der ausländischen Schüler an Grundschulen || 6,6 % |- | Anteil der ausländischen Schüler an Hauptschulen || 11,8 % |- | Durchschnittliche Klassenstärke an Realschulen || 29,0 |- | Anteil der ausländischen Schüler an Realschulen || 1,1 % |- | Durchschnittliche Klassenstärke an Gymnasien|| 29,0 |- | Anteil der ausländischen Schüler an Gymnasien || 1,8 % |} | valign="top" | {| class="prettytable" style="text-align:left" |- style="background-color:#efefef" ! align="center" colspan="2"| Kindergärten im Jahr 2005 |- | Anzahl Kindergärten || 15 |- | Anzahl Kindergartenplätze || 1070 |- | Anteil der ganztagsbetreuten Kinder || 59,9 % |} |} <ref name="Regionalkarte">Bayerisches Landesamt für Statistik und Datenverarbeitung: [http://www.statistik.bayern.de/daten/intermaptiv/ Regionalkarten]</ref> ==== Berufsbildende Schulen ==== Neben einer [[Berufsschule]], die vor allem in Handwerksberufen ausbildet, sind in Neumarkt auch noch eine [[Berufliche Oberschule Bayern]] (''[[Maximilian-Kolbe-Schule (Neumarkt in der Oberpfalz)|Maximilian-Kolbe-Schule]]''), eine Landwirtschaftsschule, sowie Berufliche Schulen in den Bereichen Hauswirtschaft, Kinder-, Sozial- und Altenpflege und eine Fachakademie für Hauswirtschaft (''Haus St. Marien'' neben dem Kloster St. Josef) und eine Krankenpflegeschule am Klinikum vorhanden. ==== Hochschulen ==== [[Datei:Neumarkt_LGS-Turm1.jpg|miniatur|rechts|Fachhochschule für angewandtes Management im LGS-Park]] Die [[Fachhochschule für angewandtes Management]] im LGS-Park, eine private, jedoch staatlich anerkannte Fachhochschule, bietet seit 2001 als Studiengänge [[Betriebswirtschaftslehre]] und [[Baumanagement]] an. Sie verfolgt, wie auch an den anderen Standorten in [[Erding]] und [[Bad Tölz]] das Konzept eines virtuellen Studiengangs, bei dem die Studieninhalte online vermittelt werden und sich die Studenten nur selten an der Fachhochschule zu vertiefenden Seminaren und Prüfungen einfinden. Eine Erweiterung des Fächerangebots ist geplant. Die [[Georg-Simon-Ohm-Hochschule Nürnberg]] unterhält Zweigstelle in der Krankenpflegeschule am Klinikum, in der zunächst der Studiengang Betriebswirtschaft mit Schwerpunkt [[Gesundheitsökonomie]] angeboten wird. Immer wieder bemühte sich Neumarkt in den 1980er- und 1990er-Jahren um die Ansiedelung einer staatlichen [[Fachhochschule]], was jedoch wegen der Nähe zu den bereits vorhandenen Hochschulen bzw. Fachhochschulen in [[Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg|Nürnberg]], [[Universität Regensburg|Regensburg]], [[Hochschule Amberg-Weiden|Amberg]], [[Hochschule Ingolstadt|Ingolstadt]] bzw. [[Katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt|Eichstätt]] nicht geschah. ==== Förderschulen und -zentren ==== Die ''Erwin-Lesch-Schule'' als Förderschule für lernbehinderte Kinder übernimmt Förder- und Vorbereitungsaufgaben im Hinblick auf das Schulleben für Kinder ab dem Vorschulalter. Die Bildung und Förderung behinderter und psychisch kranker Menschen findet in Neumarkt hauptsächlich bei der Lebenshilfe Neumarkt e.&nbsp;V. statt, so beispielsweise im lernpädagogischen Zentrum im Stadtteil Höhenberg oder in den Jura-Werkstätten. ==== Sonstige Bildungseinrichtungen ==== [[Datei:Sternwarte_neumarkt.jpg|miniatur|rechts|Fritz-Weithas-Sternwarte auf dem Mariahilfberg]] Die [[Volkshochschule]] Neumarkt bietet in der Stadt und auch im Landkreis vielfältige Weiterbildungsmöglichkeiten, ebenso das katholische und das evangelische Kreisbildungswerk. Die Städtische Sing- und Musikschule bildet die Bevölkerung an zahlreichen Instrumenten und auch im Gesang aus. Vorträge, Himmelsführungen und Kurzlehrgänge über [[Astronomie]] und [[Raumfahrt]] bietet die [[Fritz-Weithas-Sternwarte]] auf dem Mariahilfberg an, die dort bereits seit 1972 ehrenamtlich betrieben wird. Die [[Bibliothek|Stadtbücherei]] im Martin-Schrettinger-Haus umfasst ein umfangreiches Bücherrepertoire, verschiedene kirchliche Büchereien runden das Angebot ab. == Persönlichkeiten == === Ehrenbürger === Folgende Personen sind zurzeit [[Ehrenbürger]] der Stadt Neumarkt: * Emil Silberhorn (ehemaliger Bürgermeister) * Kurt Romstöck (Alt-Oberbürgermeister) * Willi Gebhard (Alt-Bürgermeister) * Leokardia und Johann Donauer (Gründer der Donauer-Stiftung, die unter anderem den Kindergarten Heubrücke und eine Erweiterung des Klinikums finanzierte)<ref>[http://www.neumarktonline.de/art.php?newsid=55708 Ehrenbürgerwürde an das Ehepaar Donauer verliehen]</ref> * Kaspar Hirschbeck (Pfarrer i.R. von St. Johannes, Förderer der kirchlichen Kunst und Kultur in der Stadt)<ref>[http://www.neumarktonline.de/art.php?newsid=55895 Ehrenbürgerwürde an den ehemaligen Pfarrer von St. Johannes, Hirschbeck, verliehen.]</ref> Immer wieder wird angesprochen, dass die Stadtverwaltung sich nicht von der Verleihung der Ehrenbürgerwürde an [[Adolf Hitler]] im Dritten Reich distanziert bzw. ihm diese offiziell wieder aberkennt. Begründet wird diese Zurückhaltung damit, dass die Ehrenbürgerwürde in Bayern mit dem Tode automatisch erlischt. === Söhne und Töchter der Stadt === [[Datei:Christopher of Bavaria.jpg|miniatur|175px|right|Christoph III. von Dänemark]] * [[Christoph III. (Dänemark)|Christoph III.]] (1416–1448), König von [[Kalmarer Union|Dänemark, Norwegen und Schweden]] * [[Otto II. (Pfalz-Mosbach)|Otto II. von Pfalz-Neumarkt]] (1435–1499), Pfalzgraf, Brautführer bei der „Landshuter Hochzeit“, Astronom und Mathematiker * [[Hartmann Schopper]] (1542–nach 1595), humanistischer Dichter * [[Caspar Schoppe]] (1576 Neumarkt (?)–1649), Publizist der [[Gegenreformation]] * [[Veit Jung]], der sogenannte "Torschmied", bewahrte die Stadt vor der Zerstörung durch österreichischen Truppen (siehe auch ''[[Neumarkt in der Oberpfalz#Sagen und Legenden, Helden|Sagen und Legenden, Helden]]'') * [[Martin Schrettinger]] (1772–1851), Bibliothekswissenschaftler * [[Lorenz Hiltner]] (1862–1923), Agrarwissenschaftler und Direktor der kgl. bayerischen Agrikulturbotanischen Anstalt * [[Josef Goldschmidt]], Mitbegründer der Express-Fahrradwerke AG, der ersten Fahrradfabrik auf dem europäischen Kontinent * [[Dietrich Eckart]] (1868–1923), Dichter, Ideengeber Adolf Hitlers, Herausgeber des [[Völkischer Beobachter|Völkischen Beobachters]] * [[Max Feldbauer]] (1869–1948), Maler * [[Ernst Hierl]] (1880–1981) Sozialdemokrat, expressionistischer Literat und Reformpädagoge. * [[Johann Baptist Kurz]] (1881–1968), katholischer Priester, Heimatforscher zu [[Wolfram von Eschenbach]] und Stiftskanonikus in Regensburg, Ehrenbürger der Stadt [[Wolframs-Eschenbach]] * [[Käthe Dorsch]] (1890–1957), Schauspielerin * [[Ludwig Ott]] (1906–1985), katholischer Theologieprofessor, Dogmatiker und Mediävist * [[Theo Betz]] (1907–1996), Oberbürgermeister a.&nbsp;D., Förderer des Wiederaufbaus, Träger der [[Bundesverdienstkreuz]]es * [[Martin Albert]] (1909–1991), Politiker, ehemaliges Mitglied des Bayerischen Landtags * [[Margret Hölle]] (* 1927), Lyrikerin * [[Adolf Beck (Politiker)|Adolf Beck]] (1938−2009), Politiker, ehemaliges Mitglied des Bayerischen Landtags * [[Herbert Fischer (CSU)|Herbert Fischer]] (* 1940), Stadtrat und Festreferent, ehemaliges Mitglied des Bayerischen Landtags * [[Hans Georg Huber|Hans G. Huber]] (* 1942), Unternehmer, Träger des Bundesverdienstkreuzes am Bande * [[Alois Karl]] (* 1950), Oberbürgermeister a.&nbsp;D., [[Deutscher Bundestag|Bundestagsabgeordneter]] * [[Karl-Heinz Radschinsky]], (* 1953), Gewichtheber * [[Mark Bender]] (* 1959), Sänger, Songwriter und Musikproduzent * [[Harry Meyer]] (* 1960), Maler * [[Peter-Maria Anselstetter]] (* 1961), Schauspieler und Regisseur, künstlerischer Leiter des Theater Courage in Essen * [[Lizzy Aumeier]] (* 1964), Musikkabarettistin und Kontrabassistin === Weitere Persönlichkeiten, die mit der Stadt in Verbindung stehen === * [[Eppelein von Gailingen]], fränkischer Raubritter, wurde am 15. Mai 1381 in Neumarkt durch [[Rädern|das Rad]] hingerichtet. Die damals entstandenen Kosten für die Hinrichtung wurden erst 1998 anlässlich der Landesgartenschau in Neumarkt durch die Stadt Nürnberg mit symbolischen Schokoladen-Talern beglichen * [[Johann (Pfalz-Neumarkt)|Johann von Pfalz-Neumarkt]], Pfalzgraf in Neumarkt, bedeutender Baumeister der Stadt, kämpfte mehrmals gegen die [[Hussiten]] * [[Friedrich II. (Pfalz)|Friedrich II. von der Pfalz]], Pfalzgraf in Neumarkt und später Kurfürst von der Pfalz, errichtete das Pfalzgrafenschloss in seiner heutigen Form * [[Michael Ostendorfer]], Maler und Zeichner, Hofmaler unter Pfalzgraf Friedrich II. * [[Dorothea von Dänemark und Norwegen|Dorothea von der Pfalz]], Kurfürstin und Frau Friedrichs II., widersetzte sich bis zu ihrem Tod der Reformation * [[Christian (Hohenlohe-Waldenburg-Bartenstein)|Christian von Hohenlohe-Waldenburg-Bartenstein]], Statthalter in Neumarkt und Mitglied der [[Fruchtbringende Gesellschaft|Fruchtbringenden Gesellschaft]] * [[Gustav Adolf Pfleiderer]], gründete 1894 die ''Pfleiderer AG'', die 1919 in Neumarkt ein Sägewerk übernahm und 1944 die Leitung des Konzerns hierher verlegte * Anna Stephan, mit 111 Jahren (1892–2003) eine der [[Ältester Mensch|ältesten Frauen Deutschlands]] * [[Fritz Weithas]], Gründer der [[Fritz-Weithas-Sternwarte]] auf dem Mariahilfberg, Träger des Verdienstkreuzes am Bande * [[Lothar Fischer (Bildhauer)|Lothar Fischer]], aufgewachsen in Neumarkt, bedeutender Bildhauer der Nachkriegszeit, Mitbegründer der [[Künstlergruppe Spur]] * [[Prälat]] [[Christoph Kühn]], früher Kaplan in der Pfarrei St. Johannes, Nuntiaturrat sowie Leiter der deutschsprachigen Abteilung der I. Sektion des [[Staatssekretariat (Vatikan)|Kardinalstaatssekretariats]], ab 1. Juli 2008 an die Apostolische Nuntiatur nach Wien abgeschickt == Sagen und Legenden, Helden == [[Sage]]n ranken sich vor allem um die Burgruine Wolfstein. So wird dort von einem großen Schatz berichtet, der in den Kellergewölben von einem schwarzen Pudel bewacht wird. Ein geheimer unterirdischer Gang soll die Ruine direkt mit dem Pfalzgrafenschloss verbinden. Besonders verdient um Neumarkt machte sich der Schmied Veit Jung am Oberen Markt. Als sich 1796 im österreichisch-französischen Krieg französische Truppen in der Stadt verbarrikadierten, belagerten österreichische Soldaten Neumarkt und drohten die komplette Zerstörung an. Unter Todesgefahr und Beschuss der Franzosen begab sich Jung schließlich zum Oberen Tor und schlug das Schloss mit seinem Schmiedehammer auf. Die Österreicher drangen in die Stadt ein, während die Franzosen durch das Untere Tor flohen. Neumarkt blieb dadurch von der Zerstörung verschont. Veit Jung brachte diese durchaus heldenhafte Tat den Beinamen „Torschmied“ ein. == Literatur == Verschiedene Bücher berichten über die Neumarkter Stadtgeschichte, geben nähere Informationen über Bauwerke und Kulturdenkmäler der Stadt oder zeigen historische Ansichten, so unter anderem die Bücher * ''Alte Ansichten und Bilder aus Neumarkt in der Oberpfalz'', MK-Verlag Fürth, 1979 * ''Zerstörung und Wiederaufbau der Stadt Neumarkt in der Oberpfalz 1945 - 1995'', Wünsch Offset-Druck Neumarkt, 1995 * Simon Federhofer: ''Herrschaftsbildung im Raum Neumarkt vom 12. bis 17. Jahrhundert'', Hist. Verein für Neumarkt in der Oberpfalz und Umgebung, 1995 * Kurt Romstöck: ''Die Neumarkter Residenz und ihre Regenten'', MZ-Druck Regensburg, 1980 * Kurt Romstöck: ''Neumarkt in der Oberpfalz von 1500 bis 1945'', MZ-Druck, 1985 * Kurt Romstöck: ''Neumarkt in der Oberpfalz von 1945 bis 1995'', Druckzentrum der Mittelbayerischen Zeitung, 1994 * Friedrich Mader, Hans Braun: ''Neumarkt in der Oberpfalz - Bild einer Stadt'', Hoffmann, 1992 * Gabriele Moritz, Hans Braun: ''Stadtspaziergänge - Neumarkter Altstadtführer'', Fremdenverkehrsverein Neumarkt, 1996 * Petra Henseler, Rudolf Müller-Tribbensee, Stefan Weithas: ''Stadt Neumarkt i.d.OPf.- 25 Jahre Altstadtsanierung'', dessign Werbeagentur Röckersbühl - Druckerei Wünsch Neumarkt, Dezember 2002 * Frank Präger: ''Archivbilder Neumarkt in der Oberpfalz.'' Sutton Verlag, Erfurt 2006, ISBN 978-3-86680-053-3 * Christine Rädlinger: ''Generation für Generation/ Geschichte der Braufamilie Gloßner''. Neumarkt 2009, ISBN 978-3-9813190-4-0. == Einzelnachweise == <references /> == Weblinks == {{commonscat|Neumarkt in der Oberpfalz}} * [http://www.oberpfalz-luftbild.de/neumarkt.htm Luftbilder der Stadt] * {{HdBG GKZ|9373147}} {{NaviBlock |Navigationsleiste Stadtteile von Neumarkt in der Oberpfalz |Navigationsleiste Städte und Gemeinden im Landkreis Neumarkt in der Oberpfalz }} {{Exzellent}} [[Kategorie:Ort im Landkreis Neumarkt in der Oberpfalz]] [[Kategorie:Neumarkt in der Oberpfalz| ]] [[Kategorie:Ehemaliger Residenzort in Bayern]] [[da:Neumarkt in der Oberpfalz]] [[en:Neumarkt in der Oberpfalz]] [[eo:Neumarkt (Supra Palatinato)]] [[it:Neumarkt i.d.OPf.]] [[nl:Neumarkt in der Oberpfalz]] [[no:Neumarkt]] [[pl:Neumarkt w Górnym Palatynacie]] [[pt:Neumarkt in der Oberpfalz]] [[ro:Neumarkt in der Oberpfalz]] [[ru:Ноймаркт (Верхний Пфальц)]] [[vi:Neumarkt in der Oberpfalz]] [[vo:Neumarkt in der Oberpfalz]] gdlw0s62hg18ylxl6wh7msn0gxtbfwe wikitext text/x-wiki Neuntöter 0 23993 28128 26591 2010-08-08T21:18:37Z 82.39.208.196 rm misident pics <!-- Für Informationen zum Umgang mit dieser Tabelle siehe bitte [[Wikipedia:Taxoboxen]]. --> {{Taxobox | Taxon_Name = Neuntöter | Taxon_WissName = Lanius collurio | Taxon_Rang = Art | Taxon_Autor = [[Carl von Linné|Linnaeus]], 1758 | Taxon2_Name = Würger | Taxon2_WissName = Lanius | Taxon2_Rang = Gattung | Taxon2_LinkName = Würger (Gattung) | Taxon3_Name = Würger | Taxon3_WissName = Laniidae | Taxon3_Rang = Familie | Taxon4_Name = Singvögel | Taxon4_WissName = Passeri | Taxon4_Rang = Unterordnung | Taxon5_Name = Sperlingsvögel | Taxon5_WissName = Passeriformes | Taxon5_Rang = Ordnung | Bild = Neuntoeter.JPG | Bildbeschreibung = Neuntöter (''Lanius collurio''), Männchen }} Der '''Neuntöter''' (''Lanius collurio'') oder '''Rotrückenwürger''' ist eine [[Vögel|Vogel]]art aus der [[Familie (Biologie)|Familie]] der [[Würger]] (Laniidae) und in Mitteleuropa die häufigste Würgerart. Er ist vor allem durch sein Verhalten bekannt, Beutetiere auf Dornen aufzuspießen. Zu seiner Nahrung zählen vorwiegend Großinsekten, aber auch kleine Säugetiere und Vögel. In großen Teilen Europas und dem westlichen Asien heimisch, brütet er in halboffenen Landschaften, die ein gutes Angebot an Hecken und Sträuchern aufweisen. Die Nester werden bevorzugt in Dornsträuchern angelegt. Durch die Intensivierung der Landwirtschaft musste der Neuntöter in Mitteleuropa in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts große Bestandseinbußen hinnehmen. Der [[Zugvogel]] überwintert im südlichen Teil Afrikas. == Namensgebung == Der Name Neuntöter bezieht sich auf den irrigen Volksglauben, er würde erst neun Beutetiere aufspießen, bevor er sie verspeist.<ref name="bund"/> Oder wie der [[Grosses_vollständiges_Universal-Lexicon_Aller_Wissenschafften_und_Künste|Zedler]] es im 18. Jh. ausdrückte: „''… und wollen etliche, wiewohl ohne genungsamen Grund, davor halten, es genieße dieser Vogel nichts, er habe denn neunerley todt gemachet, als wovon er den Namen Neuntödter erhalten haben soll.''“ Hieraus entstanden auch ähnliche Namen wie ''Neunmörder'' (niederdeutsch ''Negenmörder''<ref name="ndt"/>) oder ''Neunwürger''. Ebenfalls auf das „Spießen“ bezieht sich der Name ''Dorndreher'' (niederdeutsch ''Dorndreier''<ref name="ndt"/>), ''Dornreich'', ''Dornkreul''<ref name="adelung"/> oder ''Dorntreter''<ref name="zedler"/>. Die Bezeichnung ''Falkensänger'' scheint auf seinen falkenartigen Schnabel hinzudeuten. Im [[Niederdeutsche Sprache|Niederdeutschen]] ist ferner der Name ''Dickkopp''<ref name="ndt"/> bekannt, was die würgertypischen Proportionen lapidar, aber recht treffend beschreibt. Da selbst noch im 18. Jahrhundert nicht einwandfrei zwischen den Arten (oder Geschlechtern) unterschieden wurde, sondern bisweilen alle einheimischen Würger als „''Neuntödter''“ bezeichnet wurden, sind nicht alle volkstümlichen Namen eindeutig ''Lanius collurio'' zuzuordnen. Diese Art wurde offensichtlich auch als „''kleiner Neuntödter''“ bezeichnet.<ref name="zedler"/> Namen mit Bezug zur Elster wie z.&nbsp;B. ''Berg-''<ref name="adelung"/>, ''Wild-'', oder ''Kruckelster''<ref name="zedler"/> bezeichnen vermutlich, da sie sich wohl auf die schwarz-weiße Färbung beziehen<ref name="zedler"/>, eher den [[Nördlicher Raubwürger|Raubwürger]]. Weitere Namen, die sich in alten Nachschlagewerken finden, sind ''Quargringel'' (oder ''Quarkringel''<ref name="br"/>, vielleicht auf Ruf und Bänderung bezugnehmend) oder ''Rabraker''. == Beschreibung == [[Datei:Lanius collurio male am.jpg|thumb|Neuntöter, Männchen]] [[Datei:Neuntoeter-Jungvogel.jpg|thumb|Neuntöter (Weibchen) mit deutlich erkennbarer Zähnung hinter der Schnabelspitze]] Der Neuntöter ist mit 16–18&nbsp;cm Länge die kleinste mitteleuropäische Würgerart. Die [[Flügellänge]] beträgt durchschnittlich 93 (91–95)&nbsp;mm, beim Männchen liegt sie zwischen 88 und 100&nbsp;mm, beim Weibchen zwischen 82 und 98&nbsp;mm. Die Länge des Schwanzes liegt beim Männchen zwischen 71 und 90&nbsp;mm, beim Weibchen zwischen 68 und 85&nbsp;mm. Er zeigt einen sehr ausgeprägten [[Sexualdimorphismus]] – Männchen und Weibchen unterscheiden sich deutlich in der Färbung. Das Durchschnittsgewicht liegt bei den Männchen etwa bei 28&nbsp;Gramm. Bei den Weibchen kann es sich während der Brutzeit auf 32,8&nbsp;Gramm erhöhen und liegt außerhalb der Brutzeit etwa bei 28,5&nbsp;Gramm. Vor dem Zug können Fettdepots gebildet und das Gewicht auf maximal 37&nbsp;g erhöht werden. Dies ist aber anscheinend nicht die Regel.<ref name="gb1152f"/> === Männchen === Das Männchen hat, worauf der Name „Rotrückenwürger“ hinweist, einen rostrotbraunen bis kastanienbraunen Rücken und ebensolches Schultergefieder. Oberkopf und Nacken heben sich mit ihrem hellen Blaugrau deutlich davon ab. Wie auch andere ''Lanius''-Arten haben Neuntöter eine schmale, schwarze Gesichtsmaske, in der das dunkle Auge aus der Entfernung gesehen oft optisch fast völlig verschwindet. Die Maske wird manchmal vom grauen Oberkopf durch einen undeutlichen, verwaschen weißen [[Überaugenstreif]] begrenzt, der oft hinter dem Auge etwas ausgeprägter ist. Die Deckfedern der Flügel sind rötlichbraun mit deutlich hellerer und rötlicherer Randung; die Handschwingen sind kastanienbraun mit hellerer Randung und die Armschwingen ungerandet dunkelbraun. In seltenen Fällen tritt ein weißer [[Spiegel (Gefieder)|Handschwingenspiegel]] auf. Dieser wird von einer mehr oder weniger ausgeprägten Weißzeichnung an der Basis der Handschwingen gebildet. Der [[Bürzel]] ist – teilweise bis auf den unteren Rücken – grau gefärbt. Der Schwanz zeigt eine kontrastreich schwarz-weiße, löffelförmige Zeichnung: die mittleren Steuerfedern sind größtenteils schwarz, dann folgen Federn mit viel Weiß im oberen Bereich, das zu den äußeren Schwanzfedern hin zunimmt. Die Steuerfedern sind an den Spitzen schmal weiß gesäumt. Die Unterseite ist meist weißlich bis cremefarben, oft sind Flanken und Brust leicht lachs- bis rosafarben getönt. === Weibchen === [[Datei:Neuntöter w c.JPG|miniatur|Neuntöterweibchen, die Brustschuppung ist gut zu erkennen ]] Das Weibchen zeigt im Gegensatz zum Männchen keinen grauen Oberkopf. Beim Weibchen ist die gesamte Oberseite einfarbig rötlich braun, meist etwas weniger lebhaft als beim Männchen. Die Gesichtsmaske ist undeutlicher, meist dunkelbraun bis schwärzlich angedeutet, das Auge hebt sich deutlicher davon ab. Dafür tritt der helle Überaugenstreif deutlicher hervor. Der Schwanz ist meist einfarbig braun mit weißen Säumen. Die Unterseite ist rahmfarben bis beige und zeigt an Brust und Flanken eine teils nur angedeutete, teils kräftige dunkle Schuppung („[[Sperberung]]“). Diese ist manchmal auch sehr blass auf dem Rücken zu sehen. Mit dem Alter kann die Schuppung verblassen, das Weibchen nähert sich in der Färbung dann immer mehr dem Männchen an. === Variation === Der Neuntöter zeigt in der Färbung des Gefieders selbst innerhalb lokaler Populationen in Mitteleuropa eine große Variation. Neben dem oben beschriebenen Normaltypus kommen bei Männchen häufig bedeutend grauere Individuen vor, bei denen das Grau von Kopf und Bürzel bis weit auf den Rücken und auch in den Schulterbereich ausgedehnt sein kann. Die Hand- und Armschwingen sind bei dieser [[Morphe]] oft schiefergrau, ein eventuell vorhandener [[Flügelspiegel]] ist daher besonders auffällig. Bei einer zweiten vom Normaltypus abweichenden Färbungsvariante dominieren die rötlichen Partien und dehnen sich weit bis in den Nacken und den Rücken aus. Auf dem Flügel beschränkt sich die rötliche Gefiederfärbung nicht, wie sonst weitestgehend, auf die Säume, sondern erstreckt sich auf große Teile der Fahnen des Deckgefieders und der Schwingen. Auch bei den Weibchen gibt es eine breite Variationsspanne von oberseits besonders grauen, intensiv rotbraunen und „normal“ (rost)bräunlichen Färbungstypen. === Jungvögel === Die beim Weibchen mitunter nur angedeutete dunkle Schuppung ist beim Jugendkleid sehr viel ausgeprägter, zieht sich über Kopf und Rücken und bedeckt die ganze Unterseite. Zudem weist der Rücken meist eine dunklere Grundfarbe auf. === Schnabel und Füße === Der Schnabel des Neuntöters ist – wie bei allen Würgern der Gattung ''Lanius'' – kräftig, seitlich abgeflacht und hat einen ausgeprägten Haken sowie eine leichte Zähnung kurz vor der Spitze des Oberschnabels, die in eine entsprechende Vertiefung des Unterschnabels greift. An der Basis ist er mit ausgeprägten Schnabelborsten versehen. Er ist bei den Jungvögeln hornfarben mit dunkler Spitze, bei den Altvögeln schwarz. Die schwarze Färbung verblasst im Laufe des Jahres und erneuert sich jährlich auf dem Heimzug. Die kräftigen Füße sind bei Jungvögeln graubraun, bei Altvögeln schwärzlich. == Mauser == Bei der Jugendmauser werden durchschnittlich zwischen dem 28. und 45. Tag das Kleingefieder, sowie die mittleren Arm- und Randdecken erneuert.<ref name="hbv_mauser"/> Dieses Kleid, das wesentlich haltbarer und daher besser für den Zug geeignet ist als das erste Jugendgefieder, tragen die diesjährigen Vögel etwa vier Monate. In den Winterquartieren wechseln sie in einer Vollmauser in das Kleid der Altvögel.<ref name="es"/> Bei einigen adulten Vögeln findet bereits gegen Ende der Brutzeit eine Teilmauser statt, bei der Teile des Kleingefieders sowie einige der äußeren Armschwingen erneuert werden können. Auch fehlende Steuerfedern oder Schwingen werden dann oft ersetzt. In jedem Fall setzt – sowohl bei Altvögeln als auch bei Diesjährigen – gegen Ende des Herbstzuges eine Vollmauser ein, deren Höhepunkt im Januar liegt und bisweilen erst zu Beginn des Heimzugs im April abgeschlossen ist. Bei dieser wird, sofern nicht bereits geschehen, das gesamte Groß- und Kleingefieder erneuert. Die Großgefiedermauser dauert dabei zwischen 80 und 85 Tagen. Bei den Altvögeln setzt diese Vollmauser meist früher ein als bei den Diesjährigen.<ref name="hbv_mauser"/> == Stimme == === Gesang === [[Datei:Lanius collurio 1.jpg|thumb|Neuntöter auf Warte]] Der Gesang ist ein reiner Balzgesang, der nicht der Revierabgrenzung dient. Er beginnt und endet oft mit den arttypischen, rauen „Dschää“-Lauten und besteht aus leise schwatzenden Reihen von gepressten, rauen Tönen. Diese werden oft mit Imitationen anderer Arten (zahlreiche Singvogelarten, aber auch [[Nonpasseriformes]] wie [[Rebhuhn (Art)|Rebhuhn]], [[Zwergtaucher]] oder [[Bekassine]]) abgewechselt, wobei die Imitationen meist sehr viel leiser und gepresster sind als im Original. Dem Vogel Schwierigkeiten bereitende Teile können auch weggelassen oder durch arttypische Laute ersetzt werden. Berichten zufolge beherrschte ein offensichtlich besonders begabtes Männchen längere Passagen des [[Feldlerche]]ngesangs<ref name="gb-et2"/> sowie mehrere Varianten des [[Buchfink]]enschlages<ref name="gb-et1"/>. === Gesangsaktivität === Auf dem Zug ist allenfalls sehr verhaltener Gesang zu vernehmen. Erste deutliche Gesangsaktivität setzt aber sofort nach Besetzung der Brutreviere ein. Später ist der Gesang vor allem in Anwesenheit von Weibchen zur Balz zu vernehmen, nach der Verpaarung nur noch gelegentlich (z. B. nach Aufforderung des Weibchens durch dessen rhythmisches Schwanzschlagen) und nach Abschluss des Nestbaus gar nicht mehr. Erst nach dem Flüggewerden der Jungen, etwa im Juli, beginnt das Männchen wieder zu singen. Von nichtbrütenden Männchen ist der Gesang während der gesamten Brutzeit zu hören. Der Gesang wird meist in aufrecht sitzender Haltung mit kaum geöffnetem Schnabel vorgetragen. Er kann bis zu zehn Minuten oder sogar länger dauern. Dabei sitzt das Männchen oft hoch in den Bäumen. Die Gesangsaktivität beginnt etwa eine halbe Stunde nach Sonnenaufgang. === Rufe === Unter den Rufen ist besonders häufig ein raues „Gwää“ oder „Gää“ zu hören. Es dient der Kontaktaufnahme und wird daher in der Phase nach dem Ausfliegen auch oft gegenüber Jungvögeln geäußert. Eine schärfere und kürzere Variante dieses Rufes wird bei Erregung abgegeben – ein „Tschä“ oder „Tschäck“. Der Erregungs- oder Alarmruf ist ein gereihtes, langgezogenes „Dschrä dschrä dschrä“. Als Warnlaut in Anwesenheit von Feinden dient ein lautes, hartes „Teck-teck“. Der Imponierruf des Männchens ist ein „Tschock“, „Chee-uk“ oder „Ko-ick“<ref name="pa53"/>, das anstelle eines Reviergesanges meist von Warten aus oder beim Überfliegen des Reviers geäußert wird und auf das andere Männchen antworten oder sogar aggressiv reagieren. == Verhalten == Vor allem das Männchen sitzt gern – oft weithin sichtbar – auf Warten, von denen aus das Revier gut überblickt werden kann. Dies können Sträucher, junge Bäume, Zaunpfähle, [[Heuballen]], [[Baumstumpf|Stubbenwälle]] oder andere exponierte Orte sein. Vor der Bebrütung des Geleges ist das Weibchen meist in der Nähe des Männchens zu finden. In der Regel wird ohne Ortswechsel lange Zeit auf der gleichen Warte verharrt, auf der der Vogel auch längere Zeit ruht, sich putzt oder sonnt. Wird es ihm dabei zu heiß, sucht der Neuntöter kurzfristig Schatten auf. Zwischendurch werden immer wieder Jagdflüge, z. B. auf Großinsekten unternommen, teilweise sind diese mit einem Ortswechsel verbunden. Die favorisierte Warte eines Revierinhabers kann je nach Tageszeit und Sonnenstand wechseln. Der charakteristische Anflug auf Warten erfolgt zielgerichtet und schnell, dann bremst der Vogel kurz ab und lässt sich das letzte, kurze Stück hinaufgleiten. Der Flug ist meist geradlinig mit unregelmäßigen Flügelabschlägen und – im Unterschied zu anderen Würgern – ohne Bögen. Bei Flügen im Revier wurde eine durchschnittliche Geschwindigkeit von 33,4&nbsp;km/h festgestellt.<ref name="gb-js"/> Bei drohender Gefahr am Nest wird oft der Körper nach unten gebeugt, der Schwanz aufgestellt und mit den Flügelspitzen seitwärts geschlagen. Bei geringerer Erregung wird der aufgestellte Schwanz oft leicht seitwärts gedreht und aufgespreizt.<ref name="panow"/> Übernachtet wird meist mit aufgeplustertem Gefieder in Sträuchern, dabei wird der Kopf nicht unter den Flügel gesteckt. Vor Bebrütung des Geleges übernachten Paare in unmittelbarer Nähe zueinander. Neuntöter verhalten sich das ganze Jahr territorial. Zu Zusammenschlüssen kommt es auch auf dem Zug nicht. Größere Ansammlungen, beispielsweise an beliebten Rastplätzen, entstehen nur zufällig. Lediglich zum Ende der Brutsaison, nach dem Ausfliegen der Jungvögel, schließen sich manchmal nichtbrütende Männchen den Familien an, beteiligen sich an der Fütterung der Jungen oder betätigen sich als „Vorsänger“. Teilweise vergesellschaften sich nach der Auflösung der Familien Jungvögel verschiedener Bruten mit nichtbrütenden Junggesellen oder Männchen, deren Brutgeschäft abgeschlossen ist. Durch den Wegzug lösen sich diese Gruppen aber schnell wieder auf. Auch in den Winterquartieren kann es bisweilen zu solchen losen Vergesellschaftungen kommen.<ref name="gb1204"/> == Verbreitung == [[Datei:NT map.png|thumb|hochkant=1.2|Brutverbreitung, Winterquartiere und Zugbewegungen (schematisiert)|left]]Das Brutgebiet des Neuntöters beschränkt sich auf die westliche [[Paläarktische Region|Paläarktis]]. Im Westen reicht seine Verbreitung bis [[Portugal|Nordportugal]], auf der [[Iberische Halbinsel|Iberischen Halbinsel]] kommt er nur im nördlichen Teil vor. In Frankreich fehlt er in der [[Bretagne]], der [[Normandie]] und an der Küste des [[Ärmelkanal]]s. Ein umfangreiches Brutvorkommen auf den [[Britische Inseln|Britischen Inseln]] ist erloschen (siehe [[#Bestandsentwicklung|Bestandsentwicklung]]). In Skandinavien besiedelt er Südnorwegen und den Ostseeraum. Im Mittelmeerraum kommt er auf [[Korsika]] und [[Sardinien]], in Italien, auf der Balkanhalbinsel und in Kleinasien vor, ferner besiedelt er am östlichen Rand des Mittelmeers einen schmalen Küstenstreifen bis nach [[Israel]]. Auf [[Sizilien]], [[Kreta]] und [[Zypern]] (nur 1–2 Brutpaare<ref name="pdf"/>) fehlt er weitgehend. Südlich des [[Kaspisches Meer|Kaspischen Meeres]] kommt er ebenfalls in einem schmalen Streifen vor, östlich davon endet seine Verbreitung. Nördlich davon erstreckt sie sich aber bis etwa 90° Ost bis in den [[Altai]]. Die Nordgrenze der Verbreitung verläuft in einem Bogen nordöstlich der Wolga etwa zwischen 48° und 64° Nord. Die natürliche Verbreitung der Art scheint im Nordwesten durch häufige Niederschläge, im Norden durch sehr niedrige Tiefsttemperaturen und im Süden entlang der 26°-Juli-[[Isotherme]] von sehr trockenem Sommerwetter begrenzt zu sein.<ref name="lf-anm"/> Im Osten überschneidet sich sein Verbreitungsgebiet mit dem des nahe verwandten [[Isabellwürger]]s (''Lanius isabellinus'') und dem des [[Rotschwanzwürger]]s (''Lanius cristatus''). == Wanderungen == [[Datei:Tarangire-Natpark800600.jpg|thumb|Trockensavanne in Tansania]] [[Datei:Kalahari C17.JPG|thumb|Die Kalahari an der Grenze von Namibia zu Botsuana]] Der Neuntöter ist ein [[Langstreckenzieher]], der im südlichen Teil Afrikas überwintert. Das Hauptüberwinterungsgebiet liegt südlich des [[Äquator]]s und erstreckt sich, die [[Tropischer Regenwald|Regenwaldzone]] mit dem [[Kongobecken]] auslassend, bis in den Norden und Osten [[Südafrika]]s. Vereinzelt wurden in nördlicheren Gebieten bis hinein in den [[Sudan|Südsudan]] oder in südlicheren bis zum [[Kap der guten Hoffnung|Kap]] Überwinterer beobachtet. Die meisten Vögel überwintern in [[Mosambik]], [[Simbabwe]], [[Botsuana]] und [[Namibia]]. Besonders trockene Gebiete, wie das Innere der [[Kalahari]], werden weitgehend gemieden. Im Winterquartier besetzt der Neuntöter geeignete Standorte in der [[Savanne|Dornbusch- und Trockensavanne]]. Er teilt hier seinen Lebensraum bisweilen mit bis zu 12 einheimischen Würgerarten und dem [[Schwarzstirnwürger]], verhält sich territorial und verteidigt sein Revier teilweise auch gegen andere Arten. In günstigen Habitaten findet sich bis zu ein Revier pro Hektar.<ref name="gb-bb"/> Der Wegzug beginnt im August und wird von den Altvögeln eingeleitet. 1–2&nbsp;Wochen später folgen die Jungvögel. Die ersten Neuntöter erreichen Nordostafrika bereits im August, Südafrika im September. Ende September ist der Abzug meist abgeschlossen. Seltene Nachweise aus den Brutgebieten stammen aus dem Oktober. Bei diesen handelt es sich meist um Jungvögel aus sehr späten Bruten. Den Tag zur Nahrungsaufnahme nutzend, zieht der Neuntöter vermutlich ausschließlich nachts. In der Mittagszeit wird geruht. Bei einer Untersuchung auf [[Karpathos]] wurden 70–75&nbsp;km/h Zuggeschwindigkeit festgestellt.<ref name="gb-bi"/> Bei den Zugbewegungen kann grob zwischen den europäischen und den weiter östlich brütenden Populationen unterschieden werden. Jene Vögel, die den Ostteil [[Russland]]s und [[Westsibirien]] besiedeln, ziehen in Richtung Südsüdwest über die [[Arabische Halbinsel]] in die Winterquartiere. Ostwärts gibt es dabei zu Zugzeiten einzelne Nachweise bis in den Westen des [[Indischer Subkontinent|Indischen Subkontinents]]. Der Rückzug erfolgt etwa auf den gleichen Routen: Nach dem Flug über das [[Iranisches Hochland|Iranische Hochland]] wird das Kaspische Meer im Süden umrundet und [[Pamir (Gebirge)|Pamir]] und [[Altai]] westlich umflogen.<ref name="pa52"/> Die westlichen Populationen hingegen weisen einen ausgeprägten [[Schleifenzug]] auf; der Frühjahrszug verläuft auf einer wesentlich östlicher gelegenen Route als der Herbstzug. Im Herbst wird die südliche Mittelmeerküste in einem Bereich gequert, der etwa zwischen der [[Libyen|libyschen]] [[Kyrenaika]] und dem [[Suezkanal]] liegt. Um diesen Bereich zu erreichen, müssen die Populationen Spaniens oder Frankreichs zunächst ostwärts ziehen, um sich dann über den östlichen Mittelmeerraum südostwärts zu bewegen. Die Brutvögel Skandinaviens ziehen demnach südost- bis südwärts über die [[Balkanhalbinsel]] und die [[Ägäis]]. Vom Rand des afrikanischen Kontinents erfolgt der Zug darauf in einem schmalen Korridor zwischen 25°–35° Ost gerade südwärts und fächert sich erst nach dem Regenwaldgürtel wieder auf. Einzelne Vögel gelangen dabei aber auch weiter westwärts bis in den [[Tschad]]. Im Frühjahr ziehen die europäischen Neuntöter bereits südlich des Äquators auf östlicheren Routen gen Norden. Diese führen über [[Äthiopien]], [[Somalia|Nordsomalia]] und [[Eritrea]], entlang der Küsten des [[Rotes Meer|Roten Meeres]] an den östlichen Rand des Mittelmeers und über den [[Sinaihalbinsel|Sinai]]. Das Mittelmeer wird im Wesentlichen östlich von [[Zypern]] überquert, die Ägäis auf dem Landweg über [[Anatolien]] umflogen. Die ersten Heimzügler treffen Anfang Mai in den Brutgebieten ein. Aufgrund der Zugrouten wurde vermutet, dass der evolutionsgeschichtliche Ursprung der Art im Gebiet um das [[Kaspisches Meer|Kaspische Meer]] liegt und sie sich von dort aus verbreitet hat.<ref name="es-gm"/> == Systematik == === Geografische Variation === [[Datei:Lanius isabellinus1.jpg|thumb|Der nah verwandte Isabellwürger bildet mit dem Neuntöter eine [[Superspezies]]]] Einige Autoren behandeln die Art als monotypisch, andere sehen eine Unterteilung (u. a. aufgrund von Maßen und Gefiedermerkmalen) vor: * ''Lanius collurio collurio'' – Kontinentaleuropa * ''L. c. juxtus'' – [[Großbritannien (Insel)|Großbritannien]] (vermutlich ausgestorben) * ''L. c. tauricus / kobylini'' – Südliche [[Balkanhalbinsel]], [[Krim]] und [[Transkaukasien]] bis [[Iran|Nordiran]] * ''L. c. palladifrons / loudoni'' – [[Westsibirien]] bis [[Altai]] === Externe Systematik === Bisweilen wurden auch der in Mittel- und Zentralasien vorkommende [[Isabellwürger]] (''Lanius isabellinus''), bzw. seine Unterarten ''isabellinus, phoenicuroides, speculigerus'' und ''tsaidamentis'' als Unterarten des Neuntöters beschrieben. Meistens wird der Isabellwürger jedoch als eigene Art angesehen, die wegen der engen Verwandtschaft mit dem Neuntöter eine [[Superspezies]] bildet. Innerhalb der sogenannten „Rotrückenwürger-Gruppe“ (''L. collurio'', ''L. cristatus'', ''L. isabellinus'' und Subspecies, bzw. ''L. phoenicuroides'' und ''L. speculigerus'') ist der Artstatus des Rotschwanzwürgers (''L. cristatus'') weitgehend unumstritten. Hybriden mit ''L. collurio'' sind nur in zwei Fällen bekannt geworden.<ref name="panow"/> === Hybriden === In den Überschneidungsgebieten ihrer Verbreitung kommt es häufig zu einer [[Hybride|Hybridisierung]] zwischen Neuntöter und Isabellwürger (bzw. Turkestan- und Weißstirnwürger). Es wurden zahlreiche Hybriden-Typen beschrieben und mit eigenen Namen belegt (z. B. ''bogdanowi, karelini, darwini, raddei, pseudocollurio, dichraus, elaeagni, infuscatus, zarudnii''), hauptsächlich scheint es jedoch zwei Typen von Hybriden zu geben: In einer schmalen Zone in [[Kasachstan|Ostkasachstan]] und nördlich des [[Aralsee]]s bis in den Nordosten des [[Iran]] kreuzt sich der Neuntöter mit Isabellwürgern der Unterart ''phoenicuroides'' (''L. collurio'' X ''L. (i.) phoenicuroides''), im südöstlichen Altai (Kuraigebirge) in Mittelasien vermischt er sich mit der Unterart ''speculigerus'' (''L collurio'' X ''L. (i.) speculigerus''), wobei es meist zu fruchtbarem Nachwuchs kommt. In sieben Fällen gab es zudem Mischbruten mit dem [[Rotkopfwürger]], wobei nur in einem Fall das Weibchen ein Neuntöter war. Außerdem brüteten zweimal Neuntötermännchen mit Weibchen des [[Schwarzstirnwürger]]s.<ref name="hf198"/> == Lebensraum == [[Datei:Schwanheimer Düne Weg 1.jpg|thumb|Ein typisches Neuntöterhabitat bietet – neben Dornsträuchern – offene, insektenreiche Flächen und exponierte Warten]] [[Datei:Hecke5.JPG|thumb|Ein Wirtschaftsweg, der beidseitig von reich strukturierten Hecken gesäumt ist, bietet dem Neuntöter idealen Lebensraum]] Der Neuntöter besiedelt gut überschaubares, sonniges Gelände, welches offene Bereiche mit niedrigem oder kargem Bewuchs (z. B. [[Hochstaudenflur|Staudenfluren]], [[Wiese (Grünland)|Wiesen]], [[Trockenrasen]]) im Wechsel mit versprengten Hecken oder Gehölzen mit weniger als 50&nbsp;Prozent Deckung aufweist. Als Warten zur [[Ansitzjagd]] und Revierbeobachtung sowie als Neststandort benötigt er ein bis drei Meter hohe Sträucher. Hierbei werden Dornsträucher wie [[Schlehen]], [[Weißdorne]] oder [[Hunds-Rose|Heckenrosen]] bevorzugt (siehe [[#Nest und Neststandort|Nest und Neststandort]]), die aber unter sonst günstigen Bedingungen nicht in großer Zahl vorhanden sein müssen.<ref name="hbv_biotop"/><ref name="ne32f"/> Demnach besiedelt der Neuntöter gerne heckenreiches [[Grünland|Grün-]] und [[Weide (Grünland)|Weideland]], Feuchtbrachen, teilentwässerte Moore mit Dammkulturen, Obstgärten sowie Lichtungen, Windwurf- und Kahlschlagflächen oder Jungpflanzungen innerhalb von Forsten. In naturbelassenen Regionen sind vor allem Waldränder oder Lichtungen, insbesondere feuchte Standorte, also z. B. Säume von [[Erlenbruchwald|Erlenbrüchen]] oder Weidenwäldern von Bedeutung.<ref name="hbv_biotop"/> Das Ursprungshabitat des Neuntöters liegt vermutlich im Übergang von geschlossenen Wäldern zur Grassteppe oder ähnlich offenen Habitaten (z. B. Niedermooren oder Verlandungszonen), d.&nbsp;h. in Waldsteppen, Buschland und an Waldrändern sowie verschiedenen frühen Stadien in der [[Sukzession (Biologie)|Sukzession]] von Wäldern oder Regenerationsstadien nach Waldbränden oder Sturmschäden. Die bevorzugten Dornsträucher kommen in Primärhabitaten oft an Standorten vor, die regelmäßigem Verbiss durch verschiedene [[Huftiere]] ausgesetzt sind.<ref name="hbv_biotop"/> Diese Lebensraumansprüche prädestinieren den Neuntöter für die extensiv genutzte [[Kulturlandschaft]] – also kleinteilige, durch Hecken und Gehölze zerteilte und durch weiträumig betriebene Weidewirtschaft geprägte Habitate. Er dürfte also im Verlauf der [[Jungsteinzeit]], in der sich [[Ackerbau]] und [[Viehzucht]] großräumig entwickelten, neu entstehende Besiedelungsmöglichkeiten erheblich ausgeschöpft haben. So wird er nicht nur in Bestandszahlen und Siedlungsdichte erheblichen Zuwachs, sondern zudem eine deutliche Ausdehnung seines Verbreitungsgebietes erreicht haben. Die für den Neuntöter positiven Einflüsse der kleinteiligen Bewirtschaftung wie Windschutz, Entwässerung oder Rodung und Bewirtschaftung sonniger Standorte ermöglichten eine Ausbreitung auch in kühlere oder klimatisch exponierte Gebiete.<ref name="hbv_biotop"/> Mit dem Einzug der intensiven Landwirtschaft in der zweiten Hälfte des 20. Jh. kehrte sich diese Entwicklung um: Im Rahmen der Flurbereinigung wurden Hecken und Gehölze beseitigt, um die Bewirtschaftung mit großen Erntemaschinen zu ermöglichen. Die extensive Weidewirtschaft wich intensiver Beweidung oder Stallhaltung, Streuobstwiesen wurden in Plantagen umgewandelt, naturnah bewirtschaftete Weinberge durch monokulturartigen Terrassenbau ersetzt. Mähwiesen wurden intensiver und unter hohem Einsatz von Pestiziden bewirtschaftet, was u. a. das Angebot an Großinsekten verknappte und in Folge ab den 1950er-Jahren zu großen Bestandseinbußen in ganz Europa führte (siehe [[#Bestandsentwicklung|Bestandsentwicklung]]). Heute ist der Neuntöter in der Kulturlandschaft oft nur noch in geeigneten Randgebieten zu finden, so zum Beispiel auf brachliegenden, verbuschenden Flächen, auf Kahlschlagflächen und Jungpflanzungen auch innerhalb geschlossener Forsten, an Deponien, Kiesgruben oder Autobahnböschungen und Bahndämmen. == Siedlungsdichte == In eng besetzten, optimalen Habitaten liegt die Reviergröße zwischen 0,08 und 1,52&nbsp;ha, durchschnittlich sind es 0,48 ha.<ref name="gb1180ff"/> Die Reviergröße kann zur Brutzeit stark variieren, dazu sind klare Grenzen oft nicht zu ermitteln (siehe [[#Ankunft im Brutrevier|Revier und Paarbildung]]). Entlang von Hecken oder Säumen sind Reviere oft linear und weisen eine entsprechend winzige Fläche auf. In dünn besiedelten Gebieten, wie z. B. in Südschweden beobachtet, kann es auch Reviergrößen von bis zu 3,38 ha geben. Normale Siedlungsdichten schwanken je nach Lebensraum zwischen 0,2 (z. B. in der offenen Feldflur<ref name="wob"/>) und etwa 4 Revieren pro 10 ha bei günstigen Habitaten wie heckenreichem Feuchtgrünland oder feuchten Waldsäumen. In Ausnahmefällen werden aber auch höhere Siedlungsdichten erreicht, wie etwa 5,4 Brutpaare/10 ha auf einer [[Hutweide]] mit viel Dorngebüsch<ref name="gb1181-zo"/>, 6,7 Brutpaare/10 ha auf einer Deponie am [[Berlin-Wannsee|Wannsee]]<ref name="mf-st"/> oder sogar 15 Reviere auf 10 ha in der Slowakei.<ref name="gb1181-ra"/> == Ernährung == Der Neuntöter hat ein breites Beutespektrum an Kleintieren und weist ein dementsprechendes Repertoire an Jagdtechniken auf. Die Insektenjagd macht den größten Teil seiner Ernährung aus, er erweitert diese aber sehr wirkungsvoll durch die Jagd auf kleine Wirbeltiere. === Nahrungsspektrum === [[Datei:Sympetrum vulgatum 6 (2005 08 29).jpg|thumb|Großinsekten, wie Käfer oder diese Heidelibelle, bilden die Hauptnahrung des Neuntöters]] [[Datei:Mouse eating leaf.JPG|thumb|Kleinsäuger wie Mäuse erweitern das Nahrungsspektrum]] Bei der Insektennahrung überwiegen meist große [[Käfer]], häufig sind auch [[Hautflügler]] ([[Hummeln]], [[Bienen]] und [[Echte Wespen|Wespen]]), aber auch größere [[Zweiflügler]] vertreten. Vorwiegend sind dies [[Imago (Zoologie)|Imagines]], [[Larve]]n (beispielsweise [[Schmetterlinge|Schmetterlingsraupen]]) spielen vor allem eine Rolle als Nestlingsnahrung. Gelegentlich kommen andere [[Gliederfüßer|Arthropoden]] wie [[Webspinnen|Spinnen]], [[Asseln]] oder [[Tausendfüßer]], aber auch [[Regenwürmer]] hinzu. Eine eher untergeordnete Rolle spielen [[Schnecken]], die nur von einigen Individuen ins Nahrungsspektrum einbezogen werden. In Jahren von [[Gemeine Feldmaus|Feld-]] oder [[Erdmaus]]-[[Gradation (Zoologie)|Gradationen]] können diese den größten Teil der Beute stellen. Ansonsten sind Kleinsäuger ([[Spitzmäuse]], [[Waldmaus|Wald-]],&nbsp;[[Hausmaus|Haus-]] oder [[Rötelmaus|Rötelmäuse]]), obwohl sie gewichtsmäßig oft einen großen Anteil an der Beute ausmachen, eher Nahrungsergänzung bei schlechtem Wetter. In Feuchtgebieten können auch [[Amphibien]] einen großen Teil ausmachen, ebenso werden Reptilien ([[Echte Eidechsen|Eidechsen]], [[Blindschleiche]]n oder junge [[Ringelnatter]]n) erbeutet. Auch Kleinvögel fallen in das Beutespektrum. Dabei handelt es sich eher selten um Altvögel – wobei hier Arten bis zur Größe einer [[Goldammer]] erjagt werden – und meist um Nestlinge oder Jungvögel. Festgestellt wurden vor allem junge Singvögel, insbesondere [[Grasmücken]] oder [[Finken]], aber auch Küken größerer Arten wie [[Rallen]] oder [[Hühnervögel]]. Möglicherweise wurden diese nicht erjagt, sondern bereits tot aufgefunden. Auf dem Zug scheint Vögeln als Beute ein größerer Stellenwert zuzukommen – teils in Ermangelung anderer Nahrung, teils wegen der guten Verfügbarkeit. So wurden Neuntöter bei der Jagd auf vom Zug erschöpfte Kleinvögel beobachtet.<ref name="gb-dr"/> An einer Oase im Sudan ernährten sich mehrere Würgerarten, darunter der Neuntöter, vorwiegend von toten oder verendenden Vögeln. Pflanzliche Nahrung spielt ausschließlich in Form von Beeren (beispielsweise [[Holunder]]beeren, [[Himbeere]]n, [[Vogelbeeren]]) im Spätsommer und Herbst eine Rolle. Früchte, die früh genug reifen, wie beispielsweise [[Heckenkirschen|Hecken-]] oder [[Sauerkirsche]]n werden auch an die Nestlinge verfüttert. === Jagdtechniken === Die [[Lauerjagd]] kommt vor allem bei Kleinsäugern zum Einsatz, aber auch bei Insekten wie beispielsweise Käfern und Heuschrecken. Von einer Warte aus werden dabei Beutetiere auf dem Boden im Umkreis von etwa 10&nbsp;m angegriffen. Der Zielflug ist geradlinig und kann mit kurzen Flügelschlägen beschleunigt werden. Gegen Ende folgt meist ein kurzes Stück Gleitflug. Entweder wird dabei das Beutetier direkt angeflogen oder der Kurs durch kurzes Abbremsen mit den Flügeln noch einmal korrigiert. Insekten werden zu einem Teil durch Flugjagd erbeutet. Bei der von einer Warte ausgehenden Insektenjagd ist der Jagdradius mit etwa 30&nbsp;m größer als bei der Jagd auf Kleinsäuger. Dabei wird versucht, die Beute durch gezielten Anflug aus der Bahn zu werfen und dann zu ergreifen. Je geradliniger dabei der Flug des Insekts ist, desto höher ist die Trefferquote. Hummeln oder Falter werden daher öfter verfehlt. Häufig werden Insekten auch in schnellem Flug verfolgt, schwärmende Insekten sogar bis in große Höhen. Kleinvögel oder Heuschrecken werden zuweilen auf einer Art Pirschjagd erbeutet, wobei der Vogel sich in kleinen Etappen annähert und sich desinteressiert gibt, um dann überraschend zuzuschlagen. Die Jagd auf andere Vögel ist eher selten von Erfolg gekrönt, es wurden aber Individuen beobachtet, die hierbei einen hohen Spezialisierungsgrad und eine dementsprechende Erfolgsquote erreicht hatten. Der Neuntöter betätigt sich bei Gelegenheit auch als Nesträuber, ein systematisches Suchen nach Nestern wurde seltener beobachtet. Auf Mähwiesen wird mitunter zu Fuß gejagt, was häufig bei Jungvögeln oder Weibchen beobachtet wurde, die durch ihr hohes Gewicht vor der Eiablage beeinträchtigt waren. === Nahrungsaufbereitung === [[Datei:Wasp jhman.jpg|thumb|Wehrhafte Hautflügler wie diese Wespe werden oft aufwändig „entstachelt“]] Nach erfolgreicher Jagd wird die Beute meist mehr oder weniger umständlich zum Verzehr aufbereitet und von schlecht verdaulichen Bestandteilen befreit. Bei akutem Hunger wird die Beute aber auch in großen Teilen oder wenn möglich im ganzen verschlungen. Unverdauliche Bestandteile werden als [[Gewölle|Speiballen]] ausgewürgt. Diese haben bei einer ungefähren Länge von 25&nbsp;mm meist 8–9&nbsp;mm Durchmesser und zerfallen in trockenem Zustand leicht. Gewölle mit Mäusebestandteilen sind meist kompakter und können größer sein. Die Nahrungsaufbereitung kann bis zu zehn Minuten in Anspruch nehmen. Bei Insekten werden dabei beispielsweise Fühler, Flügel und Beine fein säuberlich abgetrennt. [[Raupe (Schmetterling)|Raupen]] werden gegen Zweige geschlagen und vom Kopf bis zum Ende durchgewalkt. Schneckengehäuse werden auf Steinen zertrümmert. Größere Früchte oder Beeren werden oft zerteilt und zu diesem Zweck auch auf Dornen gespießt. Stachelbewehrte Insekten, wie beispielsweise [[Echte Wespen|Wespen]] oder [[Hornissen]] werden meist nach dem Ergreifen am [[Thorax (Gliederfüßer)|Thorax]] sofort weggeschleudert und wieder aufgegriffen, was so lange wiederholt wird, bis die Beute sich nicht mehr regt. Danach wird durch Reiben auf einer festen Unterlage versucht, den Stachel durch Herausquetschen zu entfernen. An von Hand aufgezogenen Neuntötern wurde mittels Attrappenversuchen ermittelt, dass der Vogel die Gefährlichkeit instinktiv an Elastizität und Größe des Insektenkörpers erkennt.<ref name="bund"/><ref name="gb1198f"/> Bei einigen Individuen wurde aber auch beobachtet, dass größere [[Hautflügler]] mitsamt Stachelapparat verschlungen wurden. Auch gegenüber anderen Abwehrmechanismen, wie beispielsweise stinkenden oder ätzenden Absonderungen einiger Käferarten, erweist sich der Neuntöter als unempfindlich. Wirbeltiere werden durch einen Biss in den Nacken getötet und vom Kopf her zerteilt und angefressen. Oft wird zunächst der Schädel geöffnet und das Hirn verspeist. Bei Attrappenversuchen wurden auch vermeintliche Rivalen mit Bissen in den Nacken angegriffen.<ref name="js247-251"/> Auch Insekten werden möglichst hinter dem Kopf am Thorax gepackt und zerquetscht. Beim Halten lässt sich der Vogel nie auf der Beute nieder, sondern hält sie nur mit einem Fuß, wobei er Standfestigkeit durch Auflegen des [[Tarsometatarsus|Laufbeins]] erlangt. Zum Tragen der Beute wie auch zum sogenannten „Fressen aus der Faust“<ref name="S1199"/> werden ebenfalls oft und geschickt die Füße eingesetzt. === „Spießen“ === Im Allgemeinen setzt der Neuntöter auf die Jagd nach Insekten. Bei schlechter Witterung kann diese aber wenig ertragreich sein. Um beispielsweise mehrere Regentage oder feuchtkalte Morgenstunden<ref name="S1199"/> zu überbrücken, neigt er darum zum Anlegen von Vorräten, indem er größere Beutetiere – meistens kleine Wirbeltiere, aber auch größere Insekten – auf [[Dorn (Botanik)|Dornen]] oder [[Stachel (Botanik)|Stachel]] sowie auf Stacheldraht von Weidezäunen spießt. Seltener kommt das Aufhängen der Beute in Astgabeln oder Verzweigungen vor. Das angeborene Verhalten des „Spießens“ wird durch Erfahrung in der Geschicklichkeit verfeinert. Teilweise dient das Aufspießen nur dem Zerteilen größerer Beutestücke. In dieser Form kann es hin und wieder auch in den Winterquartieren beobachtet werden. Zumeist (und während der Brutzeit ausschließlich) dient das Spießen aber der Vorratshaltung. Dabei werden Vorratsplätze meist vom Männchen, seltener vom Weibchen bestückt, es bedienen sich aber beide daran. Vorratsplätze liegen nie im Nestbusch, aber meistens in dessen unmittelbarer Nähe an ein oder zwei Plätzen im Revier konzentriert. Verwesende Beutestücke werden regelmäßig entfernt. Es wurden teils sehr umfangreiche Vorratsplätze gefunden, beispielsweise mit bis zu sieben Mäusen<ref name="gb-sc"/>, ebenso vielen jungen [[Dorngrasmücke]]n<ref name="gb-ba"/> oder 30 [[Maikäfer]]n.<ref name="gb-js"/> == Fortpflanzung == === Revier- und Paarbildung === [[Datei:Lanius collurio 4.jpg|thumb|Die Männchen treffen meist zuerst im Brutrevier ein]] Neuntöter verpaaren sich meistens nur für die Dauer einer Brutsaison. Kehren sowohl Männchen als auch Weibchen in dasselbe Revier zurück, sind Wiederverpaarungen im Folgejahr möglich. Dies ist aber aufgrund der geringen Reviertreue der Weibchen selten. Nach Verlust einer Brut kann es später auch zu Umpaarungen kommen. Einjährige Vögel sind bereits im ersten Jahr geschlechtsreif und brüten in der Regel. Dazu suchen sie aber nur sehr selten ihren Geburtsort auf. Erstbrüter ohne Bruterfolg kehren ebenfalls nur sehr selten in das Vorjahresrevier zurück. Mit dem Alter der Vögel scheint die Reviertreue zuzunehmen. ==== Ankunft im Brutrevier ==== Bisweilen werden schon auf dem Zug Paarbindungen geschlossen<ref name="pa55f"/>, zumeist treffen Neuntöter aber unverpaart in den Brutrevieren ein. Die Männchen sind dabei meist die ersten, die Weibchen folgen bis zu fünf Tage später. Wenn ein Männchen innerhalb dieser Frist keine Partnerin findet, sucht es zumeist ein neues Revier. Weibchen wechseln ihren Standort aus dem gleichen Grund oft schon nach Minuten.<ref name="js83"/> Kurz nach Ankunft im Brutrevier verhalten sich die Männchen noch ziemlich zurückhaltend, rückt die Ankunft der Weibchen näher, wird das Revierverhalten auffälliger. Oft sind die Reviere anfangs sehr umfangreich, können aber unter wachsendem Druck durch andere ankommende Männchen massiv zusammenschrumpfen. Zu Beginn des Brutgeschehens kann es ebenfalls noch einmal zu Raumverlusten kommen, da das Paar zu diesem Zeitpunkt seinen Aktionsradius sehr begrenzt und das Männchen anstelle der Revierverteidigung vorwiegend darauf bedacht ist, das Weibchen gegen paarungswillige Rivalen zu verteidigen. Die genauen Revierabmessungen sind kaum zu ermitteln, da eine Verteidigung gegen Eindringlinge meist nicht an den Grenzen erfolgt, sondern erst, wenn ein Rivale in das Zentrum vordringt.<ref name="panow"/> ==== Balzverhalten ==== [[Datei:Lanius_collurio_courtship.jpg|thumbnail|Balzverhalten des Neuntöters, unten die so genannte Nickbalz]] Sobald ein Weibchen in das Revier eines unverpaarten Männchens kommt, steigert sich dessen Gesangslautstärke und es beginnt mit auffälligen Imponierflügen das Weibchen zu umwerben, bevor es dessen unmittelbare Nähe aufsucht, was immer wieder durch ein Abfliegen des Weibchens unterbrochen werden kann.<ref name="hbv_balz"/><ref name="panow_balz"/> Gelingt es dem Männchen in der Nähe des Weibchens zu bleiben, beginnt es dieses –&nbsp;unter ständigem Kopfdrehen mit abwechselndem Zuwenden von weißer Kehle und grauem Oberkopf&nbsp;– für sich einzunehmen. Nach längerem erfolgreichem Werben folgt ein rituelles Füttern des Weibchens, das mit einem leichten Flügelzittern und Spreizen der Steuerfedern reagiert.<ref name="panow_balz"/> Die Fütterungsintervalle sind mit etwa 8 Fütterungen pro Stunde am ersten Tag recht klein, werden aber später größer. Erst vor der Eiablage wird das Füttern wieder intensiver.<ref name="hbv_balz"/> Nach den ersten Fütterungen folgt immer wieder die sogenannte „Nickbalz“, bei der das Männchen unter intensivem Gesang in einem rhythmischen Ablauf<ref name="hbv_balz"/> abwechselnd in aufgereckter Haltung den Kopf in den Nacken legt und den Schnabel senkrecht in die Höhe streckt, um sich darauf mit gerade durchgestrecktem Rücken vom Weibchen abgewandt zu verbeugen. Nach anfänglichem Ausweichen reagiert das Weibchen ebenfalls mit rhythmischem Nicken.<ref name="hbv_balz"/> Nach etwa einer Viertelstunde des Werbens nähert sich das Weibchen auch aus eigenem Antrieb dem Männchen, es folgen kleine Verfolgungsflüge durch das Geäst und eine ritualisierte Suche nach einem Nistplatz.<ref name="panow_balz"/> Nach der Paarbildung wird das Weibchen kaum aus den Augen gelassen und intensiv gegen Rivalen verteidigt. Dies ist offensichtlich nötig, denn unverpaarte Männchen – deren Aktionsradius meist größer ist als das der Paare – versuchen sehr aufdringlich, bereits verpaarte Weibchen zu umwerben. Die Phase der Störung durch noch alleinstehende Rivalen, deren Anteil in Mitteleuropa meist recht konstant zwischen 5 und 16 %<ref name="js83"/><ref name="neuschulz"/> liegt, kann sich über mehrere Tage erstrecken, da die Weibchen meist äußerst zeitversetzt in den Brutgebieten eintreffen. ==== Kopulation ==== Etwa drei Tage vor der Eiablage kommt es zu den ersten [[Begattung|Kopulationen]], diese wiederholen sich bis etwa zum Ende der Legetätigkeit. Die Kopulation wird von Seiten des Männchens mit Flügelzittern und Bettelrufen eingeleitet, auf die das Weibchen ähnlich reagiert. Dieses „Vorspiel“ kann 3–10&nbsp;Sekunden dauern, die Kopulation dauert etwa zwischen 2 und 4&nbsp;Sekunden.<ref name="hbv_balz"/> === Nestbau und Neststandort === [[Datei:Lanius collurio female 02.jpg|thumb|Neuntöterweibchen in einem Gebüsch aus Heckenrose]] Bei der Suche nach einem Nistplatz zeigt das Männchen verschiedene Möglichkeiten auf, die endgültige Entscheidung geht vom Weibchen aus. Als Neststandort werden Dornsträucher von 1,5–2,5&nbsp;m Höhe bevorzugt. Hierbei sind in Mitteleuropa [[Schlehdorn|Schwarz-]] und [[Weißdorn]], [[Hunds-Rose|Heckenrose]] oder [[Brombeeren|Brombeere]] die häufigsten.<ref name="js-nest"/> In anderen Regionen können dies u. a. [[Stechginster]], [[Stechpalme]] oder [[Berberitze]] sein. In Ermangelung von Dornsträuchern werden auch gerne [[Nadelbäume]] wie [[Fichten]] (z. B. auf Jungpflanzungen) oder [[Wacholder]] angenommen. Seltener, in einigen Regionen aber recht häufig, steht das Nest in Laubgehölzen. Besonders gerne werden Sträucher oder Bäume ausgesucht, die durch dichten Bewuchs mit Schlingpflanzen wie [[Waldrebe]] oder [[Echter Hopfen|Hopfen]] gute Deckung bieten. Hier kann das Nest durchaus auch in Bodennähe gefunden werden. Die Höhe des Neststandorts hängt sonst meist von der Höhe der gewählten Vegetation ab. Sie liegt in Sträuchern meist durchschnittlich zwischen 80 und 160&nbsp;cm<ref name="js1981"/>, in Bäumen um 3,5&nbsp;m Höhe. In Ausnahmen, z. B. in alten Obstbäumen wurden auch Nester in 12 <ref name="gb-cr"/> oder sogar 25&nbsp;m <ref name="gb-to"/> Höhe gefunden. Als Reaktion auf den Verlust der Erstbrut werden Nester von Ersatzbruten in größerer Höhe gebaut, also weniger gut erreichbar.<ref name="js1981"/> Das Nest wird innerhalb von 4 bis 6&nbsp;Tagen von beiden Partnern gebaut. Es ist napfförmig und misst bei durchschnittlich 95&nbsp;mm Höhe etwa 120&nbsp;×&nbsp;140&nbsp;mm im Durchmesser. Die Nistmulde hat durchschnittlich 70&nbsp;×&nbsp;80&nbsp;mm Durchmesser und ist etwa 50&nbsp;mm tief. Es besteht meist aus drei unterschiedlichen Schichten: Der lockere Außenbau besteht aus lose ineinandergeflochtenen, groben Stängeln von Kräutern (z. B. [[Waldrebe]], [[Labkraut]], [[Schafgarbe]]), Grashalmen oder feinen Zweigen von Sträuchern, bisweilen wird grobes Material wie Baumrinde eingebaut. Die mittlere Schicht macht die Stabilität des Nestes aus und besteht aus gut aneinander haftenden, wollig-voluminösen Baustoffen, die fest zusammengefügt sind, wie etwa Moos und feine Halme, Pflanzenwolle (Grasrispen, Korbblütler-, Weiden- oder Rohrkolbensamen), Wurzelgeflecht, Federn oder Haare. Die innere Polsterung besteht aus ähnlichem Material, das aber meist in der Konsistenz viel feiner und locker verarbeitet ist. Bei entsprechend einseitigem oder aber reichhaltigem Angebot kann das Nest auch ausschließlich oder zum größten Teil nur aus einem der genannten Baustoffe gefertigt sein. So wurden Nester gefunden, die nur aus Hühnerfedern oder der Füllung eines alten Autositzes gebaut waren.<ref name="gb-as"/> === Gelege und Bebrütung === [[Datei:Kuckuck-Neuntöter.JPG|thumbnail|Zwei Eier des Neuntöters und ein entsprechendes Ei des [[Kuckuck]]s (vorne links)]] Die Eiablage erfolgt meist direkt oder wenige Tage nach Fertigstellung des Nestes, in Einzelfällen wird noch nach der Eiablage am Nest weitergebaut. In Süddeutschland und im Alpenraum liegt der früheste Legetermin um den 5. Mai, in Norddeutschland um den 13. Mai, insgesamt fällt die Hauptlegezeit in die dritte Maidekade. Spätes Ausschlagen der Vegetation oder schlechtes Wetter können die Legetätigkeit hinauszögern. Während der Phase der Eiablage legt das Weibchen jeden Tag in den Morgenstunden ein Ei. Das Weibchen übernachtet auch vor der Eiablage bisweilen schon auf dem Nest, die Bebrütung wird allerdings erst nach der Ablage des vorletzten (manchmal des letzten) Eis begonnen, sodass alle Jungvögel etwa am selben Tag schlüpfen. Das Gelege besteht aus 2 bis maximal 8, zumeist 5–6&nbsp;Eiern. Diese sind oval und durchschnittlich 22 × 17&nbsp;mm groß. Die möglichen Grundfärbungen – weißlich (weiß, gelblich, hellgrau oder beige), grünlich oder rötlich – tragen eine Obersprenkelung, die zwischen verschiedenen Brauntönen variieren kann. Darunter liegt eine blassere Sprenkelung in je nach Farbtyp unterschiedlich getöntem Grau. Auch die Verteilung der Sprenkelung kann recht unterschiedlich sein. Die ausschließlich vom Weibchen vorgenommene Bebrütung dauert etwa 14–15&nbsp;Tage, unter schlechten Witterungsbedingungen auch länger. Sie wird meist stündlich durch durchschnittlich fünfminütige, maximal etwa viertelstündige Pausen unterbrochen, in denen das Weibchen sich nicht mehr als 100&nbsp;Meter vom Nest entfernt<ref name="gb1207f"/> und eigenständig Beute erjagt oder sich am „Spießplatz“ (siehe [[#„Spießen“|Ernährung]]) des Männchens versorgt. Ansonsten wird es während der Bebrütung durchschnittlich achtmal pro Stunde vom Männchen gefüttert.<ref name="gb1207f"/> === Schlüpfen der Jungvögel === Die frühesten Bruten schlüpfen in Mitteleuropa in der 3.&nbsp;Maidekade, die spätesten Anfang August; der größte Teil der Jungvögel schlüpft in der 2.&nbsp;Julidekade. Das Schlüpfen der Jungen wird von diesen durch Anritzen der Eischale mit dem [[Eizahn]] bereits bis zu 10&nbsp;Stunden vorher vorbereitet, beim Vorgang des Schlüpfens wird die Schale in einem längeren Prozess durch heftige Bewegungen gesprengt, dies dauert pro Jungvogel etwa 5–6&nbsp;Stunden.<ref name="gb1028"/> Vom Schlüpfen des ersten Jungvogels bis zum letzten verstreichen meist mehr als 24&nbsp;Stunden. Währenddessen trippelt das Weibchen immer wieder auf dem Nestrand herum und bearbeitet die Eier. Nach dem Schlüpfen werden die Eierschalen weggetragen, unbefruchtete Eier bleiben meist liegen. === Nestlingszeit === Die [[Nestlingsdauer]] beträgt 14–16 Tage, unter ungünstigen Bedingungen ist sie 1–2 Tage länger. Während der ersten drei Tage versorgt das Männchen das Weibchen mit Nahrung, welches das Nest kaum verlässt. Dieses zerteilt und verfüttert das Futter an die Jungvögel, seltener stillt es den eigenen Hunger. Ab dem vierten Tag unterbricht das Weibchen das [[Hudern]] immer öfter durch Jagdflüge. Nach dem siebten Tag wird das Hudern dann seltener, kann aber je nach Wetterlage noch bis zum 10. oder 12. Tag anhalten. Es jagen und füttern nun beide Partner, teils mit unterschiedlichen Anteilen. Fällt ein Partner aus, kann auch ein Vogel allein selbst größere Bruten versorgen. Die Fütterungsintensität nimmt mit dem Wachstum der Jungen stark zu. Bis zum Ende der ersten Woche wird durchschnittlich etwa 9–10 Mal pro Stunde gefüttert, danach von etwa 12 bis zu 28 Mal.<ref name="js83"/> Ist das Angebot an Großinsekten spärlich, wird vermehrt durch Verfüttern von größeren Beutetieren ausgeglichen, wodurch die Anzahl der Fütterungen deutlich kleiner sein kann, da die verfütterten Portionen dann größer sind. Die Kotballen werden anfangs oft gefressen, sind die Nestlinge älter, werden sie abtransportiert und in einer Entfernung von bis zu 90 Metern fallengelassen. Bei intensiver Sonneneinstrahlung kommt es vor, dass das Weibchen die Nestlinge mit den Flügeln beschirmt. Ab dem Alter von etwa zehn Tagen verlassen aber die Jungvögel schon vorübergehend das Nest, sei es um Schatten aufzusuchen oder um bei Störungen ein Versteck in der Vegetation zu finden. === Nestlingsentwicklung === Direkt nach dem Schlüpfen sind die Nestlinge bis auf einen leichten Daunenflaum am Bauch nackt, die Augen sind noch komplett geschlossen. Sie liegen flach im Nest und richten sich bei der Fütterung mit geöffnetem Sperrrachen senkrecht auf. Zur Kotabgabe heben sie einfach das Hinterteil senkrecht in die Höhe. Nach zwei Tagen ist das Wachstum der Befiederung auf Kopf und Rücken anhand von schwarzen Punkten zu erkennen. Ab dem vierten Tag öffnen sich langsam die Augen und die Blutkiele der Schwingen durchstoßen die Haut. Die Nestlinge sitzen nun mit hängendem Kopf auf Steiß und Fersen. Beim Koten wird das Hinterteil über den Nestrand gereckt. Nach 5–6&nbsp;Tagen sind die Augen bereits spaltförmig geöffnet und an der Brust öffnen sich die Federfahnen des Kleingefieders. Nun hocken die Nestlinge am Rande der Nistmulde und legen den Schnabel auf den Rand des Nestes. Nach etwa einer Woche öffnen sich die Fahnen des Rückengefieders und an den Schwingen bilden sich kleine Federspitzen. Nach spätestens acht Tagen haben sich die Augen vollkommen geöffnet und erste visuelle Reize werden erfasst. Trotzdem wird erst ab dem 11.&nbsp;Tag den Eltern der Sperrrachen zielgerichtet entgegengestreckt. Ab dem 12.&nbsp;Tag bedeckt die Befiederung den gesamten Körper, nach 15&nbsp;Tagen ist das Kleingefiederwachstum im Wesentlichen abgeschlossen. Lediglich Schirmfedern, Schwingen und Steuerfedern sind noch sehr kurz. Erstere sind etwa nach einem knappen Monat (26.–30.&nbsp;Tag) auf volle Länge ausgewachsen, der restliche Flügel braucht noch etwa 10 Tage länger (36–40.&nbsp;Tag) und der Stoß erreicht wenige Tage danach (40.–42.&nbsp;Tag) seine volle Länge. === Ausfliegen === Auch nach dem Ausfliegen werden die Jungen noch intensiv gefüttert und im Familienverband geführt. Ab dem 26.&nbsp;Lebenstag beginnen die Jungvögel selbst, Nahrung zu erbeuten, werden aber erst nach mindestens 37&nbsp;Tagen in die Selbständigkeit entlassen. Mit 42&nbsp;Tagen sind junge Neuntöter ausgewachsen, bis zum 47.&nbsp;Tag wurden aber noch Familien beobachtet, bei denen die Altvögel fütterten. Eine so lange Fütterungszeit ist meist vor allem durch schlechte Witterung bedingt. === Brutverlust und Bruterfolg === Bei Verlust einer Brut wird fast immer ein neues Nest gebaut. Dabei ist die Anzahl der Eier meist geringer als beim ersten Versuch. Erfolgt der Verlust später als Anfang Juli, wird meist kein zweites Mal gebrütet. Es sind aber einige Fälle von sehr späten Bruten dokumentiert, bei denen z. B. die Jungvögel erst im September ausflogen. Zweitbruten gibt es in der Regel nicht. Die Anzahl der Nester mit Totalverlust ist oft relativ hoch (bis zu 40&nbsp;%). Etwa 70&nbsp;% der Eier erreichen meist das Schlupfstadium, durchschnittlich 40 % der Jungvögel überleben bis zum Ausfliegen.<ref name="gb1192ff"/> Der Anteil der unbefruchteten Eier oder solchen mit toten Embryonen liegt meist zwischen 2,5<ref name="gb1193"/> und 5,2 %.<ref name="js1983BE">Jakober & Stauber (1983) in Glutz v. Blotzheim, S. 1192, s. Literatur</ref> Bei Paaren mit Bruterfolg fliegen durchschnittlich 4 Jungvögel aus. Eine langjährige Untersuchung in Baden-Württemberg ergab, dass mit der Gelegegröße die durchschnittliche Anzahl der ausgeflogenen Jungvögel nur sehr geringfügig ansteigt.<ref name="js1983BE"/> Verlustursache sind zumeist [[Prädator]]en<ref name="js83"/><ref name="gb1194-le"/>, vorwiegend [[Rabenvögel]] (besonders [[Eichelhäher]] und [[Elster]]), seltener Säugetiere wie [[Hauskatze]]n, [[Marderartige]] oder [[Nagetiere]] ([[Bilch]]e oder [[Mäuse]]). In Ausnahmefällen wurden Bruten auch durch [[Ameisen]] vernichtet. Als zweithäufigste Ursache wurde schlechte Witterung festgestellt, dabei wirken sich offenbar niedrige Temperaturen in der 2. Julihälfte besonders deutlich aus. Auch eine mehrere Tage anhaltende kühle und regnerische Witterung kann hohe Verluste nach sich ziehen, hiervon sind die älteren Jungvögel, die nicht mehr gehudert werden, meist besonders betroffen.<ref name="S1194"/> Durch den Menschen verursachte Verluste (z. B. durch Landwirtschaft, Störungen u. a.) können ebenfalls einen hohen Prozentsatz ausmachen. Der Neuntöter ist nicht selten [[Kuckuck]]swirt. Die Häufigkeit variiert in verschieden Regionen, eine besondere Häufung scheint aber in [[Sachsen]] und umliegenden Regionen vorzuliegen.<ref name="S1194"/> == Bestandsentwicklung == [[Datei:Champs DSC01357.JPG|thumb|Die Intensivierung der Landwirtschaft verdrängte den Neuntöter weiträumig aus der Kulturlandschaft]] Generell unterliegt der Bestand meist größeren lokalen oder regionalen Schwankungen. Dies ist auf die Kurzlebigkeit einiger bevorzugter Habitattypen zurückzuführen: Flächen wie Jungpflanzungen oder [[Sukzession (Biologie)|Sukzessionsstadien]] (wie beispielsweise der nach der [[Deutsche Wiedervereinigung|Wiedervereinigung]] zuwachsende ehemalige „[[Todesstreifen]]“ an der innerdeutschen Grenze<ref name="wob">M. Flade, J. Jebram et. al.: ''Die Vögel des Wolfsburger Raumes im Spannungsfeld zwischen Industriestadt und Natur'', Hrsg. NABU, Wolfsburg 1995, ISBN 3-00-000113-1</ref>) bieten für den Neuntöter nur wenige Jahre günstige Bedingungen. Oft werden kleinflächige Habitatverluste, wie sie vor allem die [[Extensive Landwirtschaft|extensiv]] bewirtschaftete Kulturlandschaft auszeichnen (z. B. durch das Zurückschneiden von Hecken bis auf den Stock), dadurch ausgeglichen, dass andernorts durch fortschreitende Vegetationsentwicklung neue Brutmöglichkeiten entstehen.<ref name="neuschulz"/> Davon abgesehen ließ sich in West- und Mitteleuropa ein massiver Einbruch der Bestände verzeichnen, der in einigen Ländern bereits Anfang des 20. Jahrhunderts eingesetzt hat, in anderen Ländern erst etwa in den 1960/70er Jahren. Dieser hat sich bis in die späten 1980er-Jahre fortgesetzt. Seit den 1990er-Jahren ist nach den großen Bestandseinbußen der vorigen Jahrzehnte vielerorts eine Stabilisierung oder sogar eine leichte Erholung der verbliebenen Bestände eingetreten.<ref name="wob"/><ref name="ebcc"/> So ist ein umfangreiches Brutvorkommen in England und [[Wales]], wo der Neuntöter noch im 19. Jh. ein verbreiteter Brutvogel war, bis 1980 auf ein Restvorkommen zusammengeschrumpft, welches 1989 erlosch. Lediglich in Nordschottland konnten in den 1990er-Jahren noch Brutnachweise erbracht werden, inzwischen scheint der Neuntöter auf den Britischen Inseln ausgestorben zu sein. In den [[Niederlande]]n gingen die Bestände von 5.000–15.000 Brutpaaren (1900) innerhalb eines knappen Jahrhunderts auf 150–220 Brutpaare (1989/90) zurück.<ref name="hb"/> Aus anderen Ländern wurde ein Bestandsrückgang von mindestens 20 % gemeldet.<ref name="ebcc"/> Lediglich im Zentrum des Verbreitungsgebiets, dem östlichen Mitteleuropa also, scheinen die Bestände stabil geblieben zu sein, wobei die Art hier aber ungenügend erfasst wurde.<ref name="ebcc"/> Im [[Skandinavien|skandinavischen Raum]], wo der Neuntöter sogar noch an Ausbreitung gewann, war die Bestandsentwicklung hingegen zeitweise stark positiv.<ref name="gb1168f"/> Im atlantischen Raum wurde bisweilen die klimatische Entwicklung – hin zu kühleren, niederschlagsreicheren Sommern – für den Bestandsrückgang verantwortlich gemacht.<ref name="ebcc"/> Die Ursachen in Mitteleuropa liegen jedoch mit großer Gewissheit vor allem in der Intensivierung der Landwirtschaft und entsprechenden Begleitumständen wie der [[Flurbereinigung]] in den 1960er-Jahren und dem massiven Einsatz von Pestiziden<ref name="wob"/><ref name="ebcc"/><ref name="bund"/>. Aber auch auf dem Zug und in den Winterquartieren sind Ursachen für Bestandsrückgänge zu vermuten. Anhaltende [[Dürre|Trockenheit]] in der [[Kalahari]] – einem bedeutenden Überwinterungsgebiet<ref name="ebcc"/> – mag eine Ursache sein. In Äthiopien wurde in den 1970er-Jahren eine bedeutende Abnahme von Durchzüglern festgestellt<ref name="as"/>, in Namibia nahmen die Zahlen der Überwinterer ab.<ref name="hf"/> 1994 wurden die Bestände in Europa auf 6,3–13 Mio. Brutpaare geschätzt. Der Bestandstrend ist immer noch leicht rückläufig. Die größte Population ist in Rumänien zu finden, hier leben schätzungsweise 1,4–2,6 Mio. Brutpaare. Ebenso wie in Polen (200.000–400.000 Brutpaare) scheint hier der Trend etwas aufwärts zu gehen. Der deutsche Bestand (90.000–190.000 Brutpaare) ist weitgehend stabil.<ref name="pdf"/> Die Art wird aber auf einigen Roten Listen der Länder (z. B. Niedersachsen) immer noch als gefährdet aufgeführt. In der Schweiz wird der Bestand auf 20.000–25.000 Brutpaare geschätzt.<ref name="vogelwarte"/> In einigen Gebieten Mitteleuropas, beispielsweise in Österreich, ist gerade in den letzten Jahren eine weitere Bestandserholung zu verzeichnen. Dies kann mit dem vermehrten Schutz der Bruthabitate, aber auch mit der für den Neuntöter positiven Klimaentwicklung zusammenhängen. Weltweit gilt die Art laut [[International Union for Conservation of Nature and Natural Resources|IUCN]] als nicht gefährdet, da sie innerhalb der letzten 10 Jahren nicht um 30 % im Bestand abgenommen hat.<ref name="iucn"/> == Sonstiges == In vielen Bereichen des Brutgebietes der [[Sperbergrasmücke]] wurde eine enge Bindung dieser Art an den Neuntöter beobachtet. So suchen Sperbergrasmücken während der Phase der Revierbildung offenbar gezielt die Nähe des Würgers und verlegen sogar ihr Revier in die Nähe eines anderen Paares, wenn ein Neuntöter sein Revier vom Vorjahr nicht erneut aufsucht. Oft wird das Nest im gleichen Nistbusch errichtet. Eine Hassreaktion der Sperbergrasmücke gegenüber dem Neuntöter ist nicht ausgeprägt, umgekehrt werden vor allem die Männchen der Sperbergrasmücke durchaus vom Neuntöter aggressiv vertrieben. Auffällig ist ebenso, dass das Brutgebiet der Sperbergrasmücke sich großräumig mit dem des Neuntöters deckt. Über den Zweck der Bindung, die offenbar recht einseitig ist, wurden verschiedene Vermutungen angestellt. Eine Theorie ist, dass die aggressive Feindabwehr der Würger der Grasmücke Schutz bietet und sich diese dadurch Reproduktionsvorteile verschafft. Es wird auch vermutet, dass die [[Synökie]] sich noch in der evolutionären Entwicklung befindet. Bis genauere Forschungsdaten vorliegen bleiben diese Annahmen jedoch Spekulation. Ähnliche Phänomene wurden bei [[Orpheusgrasmücke]] und Rotkopfwürger sowie – im Osten von deren Verbreitung – bei Sperbergrasmücke und Isabellwürger beobachtet.<ref name="ne212ff"/> In [[Abchasien]] wird der Neuntöter bevorzugt von [[Beizjagd|Falknern]] als [[Lockvogel]] zum Fang von [[Sperber (Art)|Sperbern]] benutzt, die wiederum für die Jagd auf [[Wachtel (Art)|Wachteln]] eingesetzt werden.<ref name="pa46"/> Der Neuntöter war 1985 in Deutschland [[Vogel des Jahres (Deutschland)|Vogel des Jahres]]. == Literatur == * {{Anker|gb}}U. N. Glutz von Blotzheim, K. M. Bauer: ''Handbuch der Vögel Mitteleuropas'' (HBV). Band 13/II, Passeriformes (4. Teil): Sittidae – Laniidae, AULA-Verlag, ISBN 3-923527-00-4 * {{Anker|pa}}E. N. Panow: ''Die Würger der Paläarktis'', Die neue Brehm-Bücherei, A. Ziemsen, Wittenberg Lutherstadt 1983, ISBN 3-89432-495-3 * {{Anker|js}}H. Jakober, W. Stauber: ''Habitatsansprüche des Neuntöters'', Hrsg. DBV, Landesverband Baden-Württemberg e. V., Stuttgart 1981, keine ISBN-Nr. * {{Anker|ne}}F. Neuschulz: ''Zur Synökie von Sperbergrasmücke und Neuntöter'', Lüchow-Dannenberger Ornithologische Jahresberichte, Band 11, 1988, ISBN 3-926322-05-5 * {{Anker|hf}}T. Harris, K. Franklin: ''Shrikes & Bush-Shrikes''. Helm Identification Guides, London 2000, ISBN 0-7136-3861-3 == Weblinks == === Allgemein === {{Commons|Lanius collurio|Neuntöter}} * [http://www.nabu.de/aktionenundprojekte/vogeldesjahres/1985-derneuntoeter NABU-Eintrag mit Klangbeispiel]. Abgerufen am 3. August 2009. * [http://www.skullsite.com/completelist/speciesinfo.cfm?spec=233 Bilder vom Schädel des Neuntöters] (siehe Zähnung des Schnabels). Abgerufen am 3. August 2009. * {{IUCN |ID=146414 |ScientificName=Lanius collurio }} * {{IBC|ID=red-backed-shrike-lanius-collurio|Titel=Lanius collurio}} === Gesang === * [http://aves.desdeinter.net/alcador02.htm Gesangsbeispiel]. Abgerufen am 3. August 2009. * [http://www.salzburg.gv.at/lanius.collurio.mp3 Gesangbeispiel] (mp3). Abgerufen am 3. August 2009. * [http://www.birdsongs.it/songs/lanius_collurio/lanius_collurio.html Weitere Gesangbeispiele]. Abgerufen am 3. August 2009. == Einzelnachweise == <references> <ref name="gb1028">Korodi Gál (1969) in Glutz v. Blotzheim, S. 1028, [[#gb|s. Literatur]]</ref> <ref name="gb1152f">Glutz v. Blotzheim, S. 1152 f., [[#gb|s. Literatur]]</ref> <ref name="hbv_mauser">Glutz v. Blotzheim, s. 1153, [[#gb|s. Literatur]]</ref> <ref name="gb1168f">Glutz v. Blotzheim, S. 1168f, [[#gb|s. Literatur]]</ref> <ref name="hbv_biotop">Glutz v. Blotzheim, S. 1178f, [[#gb|s. Literatur]]</ref> <ref name="gb1180ff">Glutz v. Blotzheim, S. 1180ff, [[#gb|s. Literatur]]</ref> <ref name="gb1181-ra">Randík (1970) in Glutz v. Blotzheim, S. 1181, [[#gb|s. Literatur]]</ref> <ref name="gb1181-zo">Zolner (1983) in Glutz v. Blotzheim, S. 1181, [[#gb|s. Literatur]]</ref> <ref name="js1983BE">Jakober & Stauber (1983) in Glutz v. Blotzheim, S. 1192, [[#gb|s. Literatur]]</ref> <ref name="gb1192ff">Glutz v. Blotzheim, S. 1192ff, [[#gb|s. Literatur]]</ref> <ref name="gb1193">Korodi Gál (1969) in Glutz v. Blotzheim, S. 1193, [[#gb|s. Literatur]]</ref> <ref name="S1194">Glutz v. Blotzheim, S. 1194, [[#gb|s. Literatur]]</ref> <ref name="js83">Jakober & Stauber in Glutz v. Blotzheim, S. 1194, [[#gb|s. Literatur]]</ref> <ref name="gb1194-le">Lefranc (1979) in Glutz v. Blotzheim, S. 1194, [[#gb|s. Literatur]]</ref> <ref name="gb1198f">Glutz v. Blotzheim, S. 1198f, [[#gb|s. Literatur]]</ref> <ref name="S1199">Durango (1950) in Glutz v. Blotzheim, S. 1199, [[#gb|s. Literatur]]</ref> <ref name="hbv_balz">Glutz v. Blotzheim, S. 1204ff, [[#gb|s. Literatur]]</ref> <ref name="gb1204">Harris & Arnott (1988) in Glutz v. Blotzheim, S. 1204, [[#gb|s. Literatur]]</ref> <ref name="gb1207f">Jakober & Stauber (1983) in Glutz v. Blotzheim, S. 1207f, [[#gb|s. Literatur]]</ref> <ref name="gb-as">Ash (1970) in Glutz v. Blotzheim, [[#gb|s. Literatur]]</ref> <ref name="gb-ba">Baggaley, Brit. Birds 35 (1942) in Glutz v. Blotzheim, [[#gb|s. Literatur]]</ref> <ref name="gb-bb">B. Bruderer in Lefranc (1993), aus Glutz v. Blotzheim, [[#gb|s. Literatur]]</ref> <ref name="gb-bi">Biebach et al. (1983) in Glutz v. Blotzheim, [[#gb|s. Literatur]]</ref> <ref name="gb-cr">Chessex & Ribaut / Lanz & Kehrli-Zenger (1979) in Glutz v. Blotzheim, [[#gb|s. Literatur]]</ref> <ref name="gb-dr">Drost in Glutz v. Blotzheim, [[#gb|s. Literatur]]</ref> <ref name="gb-et1">Ebenfalls E. Tretzel (1964) in Glutz v. Blotzheim, [[#gb|s. Literatur]]</ref> <ref name="gb-et2">Sonogramm von E. Tretzel (1964) in Glutz v. Blotzheim, [[#gb|s. Literatur]]</ref> <ref name="gb-js">Jakober und Stauber (1983) in Glutz v. Blotzheim, [[#gb|s. Literatur]]</ref> <ref name="gb-sc">Schreurs (1936) in Glutz v. Blotzheim, [[#gb|s. Literatur]]</ref> <ref name="gb-to">Todte (1983) in Glutz v. Blotzheim, [[#gb|s. Literatur]]</ref> <ref name="pa46">Panow, S. 46, [[#pa|s. Literatur]] und genauer beschrieben auf http://www.lanius.ch/georgien_01.htm</ref> <ref name="pa52">Panow, S. 52, [[#pa|s. Literatur]]</ref> <ref name="panow_balz">Panow, S. 52ff, [[#pa|s. Literatur]]</ref> <ref name="pa53">Sonagramm in Panow, S. 53, [[#pa|s. Literatur]]</ref> <ref name="pa55f">Panow, S. 55f, [[#pa|s. Literatur]]</ref> <ref name="panow">Panow (1983), [[#pa|s. Literatur]]</ref> <ref name="ne32f">Neuschulz (1988), S. 32f, [[#ne|s. Literatur]]</ref> <ref name="ne212ff">Neuschulz (1988), S. 212ff, [[#ne|s. Literatur]]</ref> <ref name="neuschulz">Neuschulz (1988), [[#ne|s. Literatur]]</ref> <ref name="ebcc">L. Fornasi, P. Kurlavičius, R. Massa in W. J. M. Hagemeijer, M. J. Blair: ''The EBCC Atlas of European Breeding Birds - their distribution and abundance'', T & A D Poyser, London 1997, ISBN 0-85661-091-7</ref> <ref name="lf-anm">L. Fornasi, P. Kurlavičius, R. Massa in W. J. M. Hagemeijer, M. J. Blair: ''The EBCC Atlas of European Breeding Birds – their distribution and abundance'', T & A D Poyser, London 1997, ISBN 0-85661-091-7<br /> ''Anmerkung:'' Bei der in der Quelle aufgeführten Angabe „16°-Juli-Isotherme“ handelt es sich, wie der Vergleich mit einer Isothermenkarte ergab, vermutlich um einen Satzfehler. Am südlichen Rand des Verbreitungsareals verläuft die 26°-Juli-Isotherme.</ref> <ref name="as">Ash (1993), zitiert in W. J. M. Hagemeijer, M. J. Blair: The EBCC Atlas of European Breeding Birds - their distribution and abundance, T & A D Poyser, London 1997, ISBN 0-85661-091-7</ref> <ref name="hb">Hustings & Bekhuis (1993), zitiert in W. J. M. Hagemeijer, M. J. Blair: The EBCC Atlas of European Breeding Birds - their distribution and abundance, T & A D Poyser, London 1997, ISBN 0-85661-091-7</ref> <ref name="hf198">Harris & Franklin, S. 198, [[#hf|s. Literatur]]</ref> <ref name="hf">Harris & Franklin (2000), [[#hf|s. Literatur]]</ref> <ref name="js1981">Jakober & Stauber (1981), [[#js|s. Literatur]]</ref> <ref name="js-nest">Eine sehr ausführliche Untersuchung zu Nestbüschen und Nesthöhe liefern Jakober & Stauber (1981), [[#js|s. Literatur]]</ref> <ref name="adelung">Adelung: ''[http://www.zeno.org/Adelung-1793/A/Neuntödter Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart]'' von 1793</ref> <ref name="br">[http://www.zeno.org/Brockhaus-1911/A/Quarkringel Brockhaus] von 1911</ref> <ref name="bund">H. Stern, G. Thielcke, F. Vester, R. Schreiber: ''Rettet die Vögel'', F. A. Herbig Verlagsbuchhandlung, München/Berlin 1978, ISBN 3-453-02169-X</ref> <ref name="es">E. Stresemann: ''The Nomenclature Of Plumages And Molts'', ''[[The Auk]]'', Vol. 80, No. 1, Januar 1963 [http://elibrary.unm.edu/sora/Auk/v080n01/p0001-p0008.pdf]</ref> <ref name="es-gm">G. Mauersberger, L. A. Portenko in E. Streseman et al.: ''Atlas der Verbreitung palaearktischer Vögel'', Lieferung 3 (1971) [http://www.staff.uni-mainz.de/martens/atlas/03_lanius_collurio.pdf]</ref> <ref name="iucn">{{IUCN |Year=2008 |ID=146414 |ScientificName=Lanius collurio |YearAssessed=2008 |Assessor=BirdLife International |Download=18. November 2008 }}</ref> <ref name="js247-251">H. Jakober, W. Stauber: ''Attrappenversuche am Neuntöter (Lanius collurio)'', J. Orn. 130, 1989: S. 247–251</ref> <ref name="mf-st">Steiof in M. Flade: „Die Brutvogelgemeinschaften Mittel- und Norddeutschlands: Grundlagen für den Gebrauch vogelkundlicher Daten in der Landschaftsplanung“, IHW-Verlag, Eching 1994, ISBN 3-930167-00-X</ref> <ref name="ndt">http://www.ornithologie-niedersachsen.de/news/NOV_Mitteilungen_9/nov_mitteilungen_9.html#plattnamen</ref> <ref name="pdf">http://www.birdlife.org/datazone/species/BirdsInEuropeII/BiE2004Sp5526.pdf</ref> <ref name="vogelwarte">http://www.vogelwarte.ch/home.php?lang=d&cap=voegel&file=detail.php&WArtNummer=5160</ref> <ref name="wob">M. Flade, J. Jebram et. al.: Die Vögel des Wolfsburger Raumes im Spannungsfeld zwischen Industriestadt und Natur, Hrsg. NABU, Wolfsburg 1995, ISBN 3-00-000113-1</ref> <ref name="zedler">siehe z. B. [http://www.zedler-lexikon.de/blaettern/einzelseite.html?seitenzahl=162&bandnummer=24&dateiformat=1&supplement=0&view=150 Zedlers Universal-Lexicon, Bd. 24, S. 162f]</ref> </references> [[Kategorie:Würger]] {{Exzellent|10. September 2009|64349811}} [[bg:Червеногърба сврачка]] [[br:Pig-spern kein rous]] [[ca:Capsot d'esquena roja]] [[cs:Ťuhýk obecný]] [[da:Rødrygget tornskade]] [[en:Red-backed Shrike]] [[eo:Ruĝdorsa lanio]] [[es:Lanius collurio]] [[et:Punaselg-õgija]] [[fi:Pikkulepinkäinen]] [[fr:Pie-grièche écorcheur]] [[gl:Picanzo vermello]] [[hu:Tövisszúró gébics]] [[it:Lanius collurio]] [[ja:セアカモズ]] [[lt:Paprastoji medšarkė]] [[nl:Grauwe klauwier]] [[nn:Tornskate]] [[no:Tornskate]] [[pl:Gąsiorek]] [[pt:Picanço-de-dorso-ruivo]] [[ru:Обыкновенный жулан]] [[sk:Strakoš obyčajný]] [[sl:Rjavi srakoper]] [[sv:Törnskata]] [[tr:Kızıl sırtlı örümcek kuşu]] [[zh:红背伯劳]] 9adka9hz4klwiq0lxggo6bkdfc2ait8 wikitext text/x-wiki Neuroethik 0 23994 26592 2010-02-11T12:34:12Z Quästor 0 /* Neuro-Enhancement */ Die '''Neuroethik''' (engl. „neuroethics“) ist eine relativ neue Disziplin im Grenzgebiet zwischen den [[Neurowissenschaften]] und der [[Philosophie]]. In der Forschung herrscht noch Uneinigkeit über den Themenbereich der Neuroethik. Einige Wissenschaftler sehen die Neuroethik als den Teil der [[Bioethik]] an, der sich mit der [[Moral|moralischen]] Bewertung von neurowissenschaftlichen [[Technologie]]n beschäftigt. So definierte [[William Safire]] (* 1929) die Neuroethik als „den Bereich der Philosophie, der die Behandlung oder Verbesserung des menschlichen Gehirns moralisch diskutiert.“<ref name="Saf1">[[Judy Illes]] (Hrsg.): ''Neuroethics: defining the issues in theory, practice, and policy.'' Oxford University Press, Oxford 2006, ISBN 0-19-856721-9, S. v.</ref> Typische Fragen der so verstandenen Neuroethik sind: In welchem Maße darf man in das Gehirn eingreifen, um Krankheiten zu heilen, oder kognitive Fähigkeiten wie [[Aufmerksamkeit]] oder [[Gedächtnis]] zu verbessern? Die meisten Forscher verwenden den Begriff der Neuroethik jedoch in einem weiteren Sinne. Für sie steht das Verhältnis zwischen neurowissenschaftlichen Erkenntnissen und moralisch relevanten Konzepten, wie etwa „Verantwortung“, „Freiheit“, „Rationalität“ oder „Personalität“ ebenfalls im Zentrum neuroethischer Überlegungen. So versteht der Neurowissenschaftler [[Michael Gazzaniga]] unter dem Begriff der Neuroethik „die sozialen Fragen nach Krankheit, Normalität, Sterblichkeit, [[Lebensstil]] und der Philosophie des Lebens, informiert durch unser Verständnis der grundlegenden Gehirnmechanismen“.<ref name="Gaz">[[Michael Gazzaniga]]: ''The ethical brain.'' Dana Press New York, 2005, ISBN 1-932594-01-9, S. </ref> Die grundlegende Idee des, von Jorge Moll entwickelten [[EFEC]] ist, das Entstehen moralischer Empfindung aus der Kombination von strukturiertem Ereigniswissen, sozial wahrnehmenden und funktionellen Eigenschaften, sowie zentralen Motivationszuständen zu erklären.<ref>Jorge Moll, Roland Zahn, Ricardo de Oliveira-Souza, Frank Krueger & Jordan Grafman : [http://www.nature.com/nrn/journal/v6/n10/fig_tab/nrn1768_F3.html ''The event–feature–emotion complex framework''], in ''Nature Reviews Neuroscience'' '''6''', 799-809 (October 2005)</ref><ref>Changeux, J.-P.; Damasio, A.R.; Singer, W.; Christen, Y. (Eds.) : ''Neurobiology of Human Values'', 2005, ISBN 978-3-540-26253-4</ref> Eine derart definierte Neuroethik fragt letztlich nach der Bedeutung der Hirnforschung für das menschliche Selbstverständnis. Während der Begriff der Neuroethik in den Neurowissenschaften bereits weite Verwendung gefunden hat, stößt er in der Philosophie nicht nur auf Zustimmung. Viele Fragen der Neuroethik sind bereits seit langer Zeit Thema der allgemeinen Philosophie. Dies trifft etwa auf die Frage nach dem Verhältnis von naturwissenschaftlichen Erkenntnissen und menschlichem Selbstverständnis und auch auf die Debatte um technische Eingriffe in die menschliche Natur zu. Daher wird gelegentlich die Notwendigkeit einer Disziplin „Neuroethik“ bestritten. == Übersicht == [[Bild:Quetiapine.png|thumb|Die Verwendung von Neuroleptika – hier Quetiapin – ist ein typisches Problem der angewandten Neuroethik]] Unter dem Begriff der Neuroethik werden recht verschiedene Forschungsprogramme zusammengefasst. Von der Philosophin [[Adina Roskies]] vom [[Dartmouth College]] stammt die Unterscheidung zwischen einer ''[[Ethik]] der Neurowissenschaften'' und einer ''Neurowissenschaft der Ethik''.<ref name="Ros1">Adina Roskies: ''Neuroethics for the new millennium''. In: ''Neuron'', 2002, S. 21–23, PMID 12123605.</ref> === Ethik der Neurowissenschaften === Bei der Ethik der Neurowissenschaften handelt es sich um eine philosophische Disziplin, die nach der moralphilosophischen Relevanz neurowissenschaftlicher Ergebnisse fragt. Man kann wiederum zwischen einer angewandten und einer allgemeinen Ethik der Neurowissenschaften unterscheiden: Die ''angewandte Ethik der Neurowissenschaften'' hinterfragt konkrete Technologien und Forschungsprojekte. Ein Beispiel ist die Anwendung von [[Bildgebendes Verfahren (Medizin)|bildgebenden Verfahren]]. Ist es etwa legitim, [[Lüge]]n mittels Daten der [[Funktionelle Magnetresonanztomografie|funktionellen Magnetresonanztomografie]] (fMRT) ausfindig zu machen? Tatsächlich gibt es in den USA bereits kommerzielle Firmen, die fMRT-basierte [[Lügendetektor|Lügendetektion]] versprechen.<ref name="Lue">[http://www.noliemri.com/ No Lie MRI] und [http://www.cephoscorp.com/ Cephos].</ref> Von angesehenen Neurowissenschaftlern werden derartige Projekte jedoch als unseriös eingestuft.<ref ="nat">Editorial. In: ''Nature'' 441, 2006, S. 907.</ref> Andere, wichtige Anwendungsgebiete finden sich in der [[Neurochemie]]. Es ist möglich, die Aktivität des Gehirns gezielt mittels pharmakologischer Substanzen zu verändern. Ein bekanntes Beispiel sind etwa [[Neuroleptikum|Neuroleptika]], die zur Behandlung von [[Psychose|psychotischen-]] und anderen [[Psychische Störung|psychischen Störungen]] eingesetzt werden. Ein anderes, in der Öffentlichkeit viel diskutiertes Beispiel ist die Verwendung von [[Ritalin]], das von etwa ein bis zwei Prozent aller US-amerikanischen Schulkinder zur Beruhigung und Konzentrationssteigerung genommen wird.<ref name="Jen">Peter Jensen, Lori Kettle, Margaret T. Roper, Michael T. Sloan, Mina K. Dulcan, Christina Hoven, Hector R. Bird, Jose J. Bauermeister, and Jennifer D. Payne. ''Are stimulants overprescribed? Treatment of ADHD in four U.S. communities.'' In: ''Journal of the American Academy of Child and Adolescent Psychiatry'', 1999, S. 797–804, PMID 10405496.</ref> Das nicht unumstrittene Ritalin soll Kindern mit einer [[Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung]] helfen. Die angewandte Neuroethik fragt, in welchem Ausmaß solche Eingriffe moralisch gerechtfertigt sind, und wann wiederum [[Sozialpädagogik|sozialpädagogische]], [[Psychotherapie|psychotherapeutische]], [[Soteria]]-, [[Meditation]]s-, [[Seelsorge]]- und ähnliche Konzepte als ethischer zu betrachten sind. Derartige Fragen gewinnen zunehmend an Brisanz, da [[Psychopharmaka|neuropharmakologische Substanzen]] mittlerweile auch oft über den engeren medizinischen Rahmen hinaus verwendet werden. Die ''allgemeine Ethik der Neurowissenschaften'' untersucht hingegen, welche Rolle neurowissenschaftliche Ergebnisse für das allgemeine Selbstverständnis von moralischen Subjekten spielen. Die [[Willensfreiheit]] ist nach mehrheitlich akzeptierter Auffassung eine Voraussetzung für die moralische Bewertung von Handlungen. Die Neurowissenschaften betrachten das Gehirn jedoch als ein System, das vollständig durch seine vorherigen Zustände und den [[Input]] determiniert ist. In der allgemeinen Neuroethik wird nun danach gefragt, wie diese Vorstellungen zusammen passen. Ähnliche Problemstellungen ergeben sich durch Begriffe wie „Person“, „Verantwortung“, „Schuld“ oder „Rationalität“. All diese Termini spielen eine zentrale Rolle in der moralischen bzw. ethischen Betrachtung von Menschen. Gleichzeitig haben sie jedoch keinen Platz in der Beschreibung neuronaler Dynamiken durch die [[Hirnforschung]]. Die allgemeine Neuroethik behandelt im Wesentlichen ein Thema, das in der Philosophie schon von [[David Hume]] und [[Immanuel Kant]] in aller Schärfe formuliert und diskutiert wurde: Menschen lassen sich als biologische, [[Determinismus|determinierte]] Systeme und als freie, selbstverantwortliche Wesen betrachten. Wie kann man diesem scheinbaren Widerspruch begegnen? Ein Zugeständnis seitens einiger Neurobiologen ist die herausragende Rolle des [[Präfrontaler Cortex|Präfrontalen Cortex]] für die moralische Entscheidungsfindung.<ref>[http://www.welt.de/wissenschaft/article771805/Wo_Moral_und_Emotionen_herkommen.html Populärwissenschaftlicher Artikel hierzu] auf ''welt.de''.</ref> === Neurowissenschaft der Ethik === Die ''Neurowissenschaft der Ethik'' beschäftigt sich mit der Untersuchung von Gehirnprozessen, die mit moralisch bedeutsamen Gedanken, Empfindungen oder Urteilen einhergehen ([[Neuronales Korrelat des Bewusstseins|korrelieren]]). So kann etwa danach gefragt werden, was im Gehirn passiert, wenn Personen moralisch relevante Empfindungen haben oder wann ein [[Kognition|kognitiver]] Zugriff auf diese Empfindungen nachzuweisen ist. Derartige Untersuchungen sind zunächst rein beschreibend ([[Deskription|deskriptiv]]). Demgegenüber ist die [[Ethik]] eine [[normativ]]e Disziplin, sie prüft, was sein ''sollte''. Dies hat zu dem Einwand geführt, es sei missverständlich, die Ergebnisse empirischer Arbeiten unter dem Begriff der Neuroethik zu diskutieren. Als deskriptive Disziplin sei die Neurowissenschaft der Ethik eben selbst kein Teil der Ethik.<ref name="ChRi1">[[Jean-Pierre Changeux]], [[Paul Ricoeur]]: ''What makes us think? A neuroscientist and a philosopher argue about ethics, human nature, and the brain.'' Princeton University Press, Chichester 2002, ISBN 0-691-09285-0.</ref> Dem wird entgegengehalten, dass die neurowissenschaftlichen Ergebnisse dennoch wichtig für ethische Debatten sind. Es wird konstatiert, dass es ein [[naturalistischer Fehlschluss]] wäre, von deskriptiven Aussagen allein auf normative Aussagen zu schließen. Das Wissen darüber, wie die Welt ''ist'' (deskriptiv), genüge nicht, um Hinweise darauf zu geben, wie die Welt sein ''soll'' (normativ). Allerdings wird den deskriptiven [[Prämisse]]n eine entscheidende Rolle in jeder moralischen Argumentation zugesprochen. Daraus ergibt sich eine moralphilosophische Bedeutung von neurowissenschaftlichen Erkenntnissen. Demnach wird die ethische Bewertung einer Person ganz anders aussehen, wenn man etwa erfährt, dass sie eine [[Läsion|Gehirnläsion]] hat, die [[Empathie]] unmöglich macht.<ref name="Dam1">[[Antonio Damasio]]: ''Descartes’ Irrtum: Fühlen, Denken und das menschliche Gehirn.'' Dt. Taschenbuch-Verlag, München 1997, ISBN 3-423-30587-8.</ref> Derartige Beispiele zeigen nach Ansicht vieler Forscher, dass neurowissenschaftliche Erkenntnisse bei der moralischen oder sogar juristischen Bewertung von Handlungen eine zentrale Rolle spielen können. Zudem sei die Neurowissenschaft befähigt, Erkenntnisse über den Zusammenhang zwischen Empfindungen, rationalem Denken und Handlungsmotivation zu liefern. == Geschichte == Als eine eigenständige Disziplin existiert die Neuroethik noch nicht lange. Allerdings sind einige der neuroethischen Fragen durchaus älteren Ursprungs. Dies gilt vor allem für die Frage nach dem Verhältnis zwischen moralisch-psychologischer und biologischer Beschreibung des Menschen. Schon [[David Hume]] und [[Immanuel Kant]] haben den scheinbaren Widerspruch diskutiert, dass der Mensch zum einen ein freies, selbstverantwortliches Individuum ist und zum anderen ein biologisches System, das durch strikte [[Physikalisches Gesetz|Naturgesetze]] [[Determinismus|determiniert]] ist. Hume glaubte, dass dieser Widerspruch nur oberflächlich existiere und dass beide Beschreibungen letztlich vereinbar sind. Kant reagierte auf dieses Problem mit einer Zwei-Welten-Lehre: Er argumentierte, dass Menschen nur in der Welt der Erscheinungen determinierte Systeme sind, während die Rede von determinierenden Naturgesetzen in der Welt der [[Ding an sich|Dinge an sich]] keinen Sinn ergebe. Da sich nach Kant über die Erscheinungen hinaus keine gesicherten Aussagen machen lassen, bleibt die Idee der Willensfreiheit ein [[Ideal (Philosophie)|Ideal]], an dem man sich orientieren sollte. [[Bild:ThomasMetzinger.JPG|thumb|Thomas Metzinger gilt als einer der wichtigsten Vertreter der Neuroethik in Deutschland]] Viele Fragen der angewandten Neuroethik sind hingegen neueren Ursprungs. Dies liegt darin begründet, dass die meisten Neurotechnologien erst in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts entwickelt worden sind. Allerdings wurden schon in den 1950ern und 1960ern Jahren Experimente durchgeführt, die offensichtlich einer neuroethischen Diskussion bedurft hätten. Der Bioethiker Arthur Caplan beschreibt etwa CIA-Experimente mit [[LSD]], die das Ziel hatten, [[Bewusstseinszustand|Bewusstseinszustände]] von Tieren und Menschen zu kontrollieren.<ref name="Saf2">Judy Illes (Hg.): ''Neuroethics: defining the issues in theory, practice, and policy.'' Oxford University Press, Oxford 2006, ISBN 0-19-856721-9, S. vii.</ref> Derartige Anwendungen von neuronal aktiven Substanzen sind ein klassisches Thema der Neuroethik. Institutionell hat sich die Neuroethik allerdings erst in den letzten Jahren geformt. Von herausragender Bedeutung war hier eine 2002 in San Francisco veranstaltete Konferenz über Neuroethik. Auf dieser Konferenz wurde der Begriff der Neuroethik popularisiert, aus den Konferenzbeiträgen entstand das erste Buch mit dem Titel „Neuroethics“.<ref name="Dan">Steven Marcus: ''Neuroethics: mapping the field.'' Dana Press, New York 2002, ISBN 0-9723830-0-X.</ref> Seitdem hat sich das Thema rasant entwickelt. Dabei wird die Neuroethik zur Zeit vorwiegend von Neurowissenschaftlern und weniger von Philosophen diskutiert. Bekannte Neurowissenschaftler, die im Bereich der Neuroethik arbeiten, sind der Nobelpreisträger [[Eric Kandel]], [[Martha Farah]], [[Michael Gazzaniga]], [[Howard Gardner]] und [[Judy Illis]]. Allerdings wird die Neuroethik auch von Philosophen wie [[Patricia Churchland]] und [[Thomas Metzinger]] diskutiert. Institutionell bedeutend ist etwa die ''Neuroethics Imaging Group'' an der [[Stanford University]].<ref name="Stan1">[http://neuroethics.stanford.edu/ Neuroethics Imaging Group, Stanford].</ref> 2006 wurde zudem die ''Society for Neuroethics'' gegründet.<ref name="Soc">[http://neuroethicssociety.org/ Neuroethics Society].</ref> == Allgemeine Neuroethik == === Die personale und die subpersonale Ebene === Zentral für die Einordnung der Neuroethik ist die Unterscheidung zwischen zwei Beschreibungsebenen. Zum einen kann man Menschen als psychologische Wesen mit Wünschen, Empfindungen und Überzeugungen, zum anderen als biologische Systeme erfassen. [[Daniel Dennett]] präzisiert diesen Unterschied, indem er von einer personalen und einer subpersonalen Betrachtung spricht.<ref ="Den">Daniel Dennett: ''Content and Consciousness''. Routledge & Kegan Paul, London 1969, ISBN 0-7100-6512-4.</ref> Es ist offensichtlich, dass das moralisch relevante Vokabular auf der personalen Ebene liegt. Es sind [[Person]]en, die frei handeln, verantwortlich oder schuldig sind. Demgegenüber finden neurowissenschaftliche Beschreibungen auf einer subpersonalen Ebene statt, auf der moralische Wertungen keine Bedeutung haben. Es wäre sinnlos, zu sagen, dass eine neuronale Aktivität verantwortlich oder schuldig ist. Für die Neuroethik ist die Frage entscheidend, wie das Verhältnis zwischen personaler und subpersonaler Ebene zu denken ist. Bedeutet der Fortschritt auf der subpersonalen Ebene, dass personale (und damit moralische) Beschreibungen zunehmend als falsch verworfen werden müssen? Die meisten Philosophen verneinen diese Frage. Dies gilt unabhängig von den [[Metaphysik|metaphysischen]] Positionen – [[Physikalismus|Physikalisten]], [[Dualismus (Philosophie)|Dualisten]] und Vertreter anderer Position sind sich hier meist einig. Allein [[eliminativer Materialismus|eliminative Materialisten]] behaupten, dass die personale Beschreibung des Menschen falsch ist und vollständig durch eine geeignete neurowissenschaftliche Beschreibung ersetzt werden sollte. Solche Philosophen postulieren in letzter Konsequenz, dass die uns bekannte [[Moral]] durch ein neurowissenschaftlich informiertes Verfahren ersetzt oder ganz abgeschafft werden sollte. Bei den Kritikern des eliminativen Materialismus unterscheiden sich die konkreten Vorstellungen über die Beziehung zwischen beiden Ebenen deutlich. Dualisten sind der Meinung, dass sich die Begriffe der personalen Ebene auf einen immateriellen [[Geist]] beziehen, während sich die Begriffe der subpersonalen Ebene auf das materielle Gehirn beziehen. Demnach sind die beiden Ebenen nicht miteinander verbunden, da sich Aussagen jeweils auf verschiedene Bereiche der [[Wirklichkeit]] berufen. Zeitgenössische Philosophen sind häufig [[Monismus|Monisten]] und lehnen die dualistische Idee von zwei gänzlich verschiedenen Wirklichkeitsbereichen ab. Dieser Monismus kann die Form eines [[Reduktionismus]] annehmen. Reduktionisten argumentieren, dass sich die personale Ebene letztlich durch die subpersonale Ebene erklären lässt. Andere Vertreter des Monismus behaupten hingegen, dass es sich bei den beiden Beschreibungsebenen um gleichwertige Perspektiven handelt, die sich nicht aufeinander zurückführen lassen. Sie verwenden oft die Analogie eines [[Kippbild]]es: Manche Bilder lassen sich aus verschiedenen Perspektiven betrachten und können so sehr unterschiedliche Merkmale besitzen. In gleicher Weise sollen sich Menschen aus einer personalen und einer subpersonalen Perspektive betrachten lassen, keine dieser Perspektiven sei die eigentlich grundlegende. === Willensfreiheit === → ''Hauptartikel: [[Freier Wille]]'' Der Eindruck eines generellen Konflikts zwischen der personal-moralischen und der subpersonal-neurowissenschaftlichen Ebene entsteht in der Debatte um die [[Willensfreiheit]] schnell. Die moralische Bewertung von [[Handeln|Handlungen]] setzt eine gewisse Freiheit der handelnden Person voraus. Dies wird auch im Strafrecht unter dem Thema der [[Schuldunfähigkeit]] reflektiert. Nach § 20 [[Strafgesetzbuch (Deutschland)|StGB]] kann ein Mensch nicht bestraft werden, wenn er durch eine Bewusstseinsstörung zu seiner Tat getrieben wurde.<ref name="Stra">„Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung oder wegen Schwachsinns oder einer schweren anderen seelischen Abartigkeit unfähig ist, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln.“ [http://dejure.org/gesetze/StGB/20.html Strafgesetzbuch §20].</ref> Dahinter steht die Idee, dass die entsprechende Person sich nicht ''frei'' zu der Tat entschieden hat, weil ihr etwa die notwendige Fähigkeit zum rationalen Überlegen fehlte oder weil sie durch eine unkontrollierbare [[Wahnvorstellung]] getrieben wurde. Diese Gesetzgebung steht scheinbar oder wirklich im Konflikt mit den neueren neurowissenschaftlichen Erkenntnissen. Die meisten Neurowissenschaftler betrachten alle menschlichen Handlungen als Produkte neuronaler Prozesse, die durch die vorhergehenden biologischen Zustände und den [[Input]] determiniert sind. Alle Handlungen sind demnach im Rahmen physischer naturwissenschaftlich erklärbarer Prozesse festgelegt und ''können'' nicht anders geschehen. Die Welt ist durch strenge [[Physikalisches Gesetz|Naturgesetze]] geordnet, ein Zustand der Welt wird durch ihren vorherigen Zustand bestimmt. Außerdem weisen Neurowissenschaftler darauf hin, dass sie gegenwärtig zumindest grob jeder Handlung eine biologische Tatsache mit bildgebenden Verfahren zuordnen können: Wenn eine Person etwa einen Schlag ausführt, so kann man bestimmte Aktivitäten im Gehirn beobachten. Aus dem Gehirn werden Signale in die Muskeln gesendet, die schließlich den Schlag realisieren. Der „freie Wille“ hat, so die meisten Neurowissenschaftler, in dieser Abfolge von biologischen Ursachen keine Bedeutung, die Handlung ist vielmehr nur durch naturwissenschaftlich erklärbare Abläufe zu beschreiben. Einige Neurowissenschaftler postulieren dennoch, dass Gesetze und deren Durchsetzung für die menschliche Gesellschaft erforderlich sind. Ein grundsätzlicher Einwand gegen die These, der freie Wille sei ein geisteswissenschaftliches Konstrukt ohne Bezug zur Realität, ist die Frage nach der Verantwortung für individuelle Handlungen, wenn doch alle Aktionen durch physische Prozesse erklärbar sind. Vielfach ist aus anderen Wissenschaftsbereichen zu hören, dass die Postulate der Neurowissenschaftler selbst auf [[Metaphysik|metaphysischen]] und damit nicht beweisbaren Annahmen beruhen und dem wissenschaftlichen [[Determinismus]] zugeordnet werden können. Eine moralische Beurteilung von Taten setzt eine mehr oder weniger begrenzte Willensfreiheit voraus oder zumindest die Lösung des Widerspruchs zwischen der personal-moralischen und der subpersonal-neurowissenschaftlichen Beschreibung. Der Interpretation von Ergebnissen der Neurowissenschaften als Beweis gegen die Existenz einer individuellen Verantwortung steht die These von unterschiedlich bestimmten personal-moralischen Gegebenheiten gegenüber. In Deutschland haben insbesondere die Neurowissenschaftler [[Wolf Singer]] und [[Gerhard Roth (Biologe)|Gerhard Roth]] argumentiert, dass ihre Forschungsergebnisse über das Gehirn als alleiniger Faktor menschlichen Handelns zu einer Aufgabe der Idee der Willensfreiheit führen müssen. Eine solche Position hat enorme Auswirkungen auf die Vorstellungen von [[Ethik]]. Wäre die Freiheitsidee abzulehnen, so könnten Personen ihren Willen nicht selbst bestimmen. Man könnte sie daher nicht mehr für ihre Handlungen verantwortlich machen, moralische Urteile und [[Emotion]]en hätten keinen Sinn mehr. Auch die juristisch bedeutsame Unterscheidung zwischen freien und unfreien Taten würde entfallen. Letztlich müsste man alle Täter als Schuldunfähige behandeln. Im Gegensatz dazu steht die Aussage z.&nbsp;B. Singers, im Interesse der Allgemeinheit könnten Straftäter eingesperrt und therapiert werden, eine Schuld sei jedoch nicht feststellbar, die Idee der Strafe folglich zwar notwendig, aber [[Kohärenz|inkohärent]]. [[Bild:David Hume.jpg|thumb|Schon David Hume entwickelte eine Variante des Kompatibilismus.]] Es existieren verschiedene Strategien, mit diesem Problem umzugehen. Die meisten Philosophen vertreten eine Position, die sie in ihrer Fachsprache als „[[Kompatibilismus und Inkompatibilismus|Kompatibilismus]]“ bezeichnen. Kompatibilisten argumentieren, dass der Widerspruch zwischen Willensfreiheit und Determinismus nur oberflächlich existiert und bei einer genaueren Betrachtung verschwindet. Der zentrale Fehler ist demnach die Identifizierung von Freiheit mit dem Fehlen ''jeglicher'' Festlegungen. Eine solche Konzeption sei selbstwidersprüchlich: Wäre der eigene Wille durch ''nichts'' festgelegt, so wäre der Wille nicht frei, sondern einfach zufällig.<ref name="Bi1">Dieses Argument wird ausführlich diskutiert in: [[Peter Bieri]]: ''Das Handwerk der Freiheit. Über die Entdeckung des eigenen Willens.'' Hanser, München 2001, ISBN 3-596-15647-5.</ref> „Frei sein“ könne daher nicht „durch nichts festgelegt sein“ bedeuten. Vielmehr komme es darauf an, wodurch der Wille begrenzt wird. Eine Richtung der Kompatibilisten vertritt die Auffassung, dass der Mensch genau dann frei ist, wenn der eigene Wille durch die eigenen Gedanken und Überzeugungen festgelegt ist. Unfrei ist hingegen derjenige, dessen Willensbildung unabhängig von seinen Überzeugungen ist. Man kann sich diese Idee durch ein einfaches Beispiel verdeutlichen: Ein Raucher ist genau dann unfrei, wenn er überzeugt davon ist, dass er mit dem Rauchen aufhören sollte und dennoch immer wieder zu den Zigaretten greift. Eine solche Situation kann das beklemmende Gefühl der Unfreiheit hervorrufen, und es ist klar, dass die Freiheit des Rauchers nicht in der völligen Grenzenlosigkeit seiner Handlungen liegen würde. Vielmehr wäre der Raucher genau dann frei, wenn seine Überzeugungen seinen Willen unter Kontrolle hätten und er sich nicht mehr neue Zigaretten anstecken würde. Eine solche Konzeption löst den Konflikt zwischen Freiheit und Determinismus auf. Im Rahmen des Kompatibilismus gibt es daher auch keinen Widerspruch zwischen der moralischen und der neurowissenschaftlichen Beschreibungsebene. Die meisten Gegenwartsphilosophen sind Kompatibilisten, bekannte Vertreter sind [[Harry Frankfurt]], [[Daniel Dennett]] und [[Peter Bieri]]. In gewisser Weise kann auch [[David Hume]] als Vater des Kompatibilismus gelten. Er vertrat die Auffassung, dass Willensfreiheit und Begrenzung des Menschen durch Charaktereigenschaften, Überzeugungen und Wünsche – aufgrund von Sinneseindrücken -miteinander zu vereinbaren sind. Freie Handlungen beruhen demnach auf der Fähigkeit, unterschiedliche Entscheidungen zu treffen, je nach psychologischer Disposition. Nicht alle Philosophen sind mit der kompatibilistischen Antwort auf das Problem der Willensfreiheit einverstanden. Sie bestehen darauf, dass die Idee der Freiheit nur dann zu verstehen ist, wenn der Wille und die Handlung ''nicht'' durch physische Prozesse festgelegt sind. Vertreter einer solchen Position werden in der philosophischen Fachsprache „[[Kompatibilismus und Inkompatibilismus|Inkompatibilisten]]“ genannt. Unter den Inkompatibilisten kann man wiederum zwischen zwei Lagern unterscheiden. Zum einen gibt es Philosophen und Naturwissenschaftler, die die Idee der Willensfreiheit aufgeben (s.&nbsp;o.). Andere Theoretiker halten an der Idee der Willensfreiheit fest, geben jedoch das Konzept des Determinismus auf. Wichtige Vertreter dieser Position sind [[Peter van Inwagen]], [[Karl Popper]] und [[John Carew Eccles]]. Popper und Eccles argumentieren, dass ein Gehirnzustand nicht durch den vorherigen Gehirnzustand und den Input festgelegt ist. Als Begründung geben sie an, dass auf der physischen Ebene der [[Quanten]] das Geschehen nicht determiniert sei. Nach Popper und Eccles hat ein immaterieller [[Geist]] auf eben dieser Quantenebene Einfluss auf das physische Geschehen. In diesem Einwirken des Geistes zeigt sich der freie, unbegrenzte Wille. == Angewandte Neuroethik == === Neuro-Enhancement === [[Bild:Converging technologies.png|thumb|Visualisierung der verschiedenen [[Enhancementtechnologie]]n. Grafik der US-amerikanischen National Science Foundation]] Insbesondere in den USA wird unter dem Stichwort „[[enhancement]]“ (engl. für „[[Steigerung]]“ und „[[Verbesserung]]“) eine erbitterte Debatte darüber geführt, ob es legitim ist, kognitive und emotionale Fähigkeiten mit Hilfe von Neurotechnologien zu verbessern.<ref name="Par1">Erik Parens: ''Enhancing human traits: ethical and social implications.'' Georgetown University Press, Washington D.C. 1998, ISBN 0-87840-703-0.</ref> Vertreter der Enhancementtechnologien weisen darauf hin, dass im [[Medizin|medizinischen]] Kontext derartige Verfahren bereits etabliert und zudem notwendig seien. Die Anwendung von [[Neuroleptikum|Neuroleptika]] stellt etwa einen direkten Eingriff in die neuronale Aktivität der Patienten dar. Dennoch sei bei [[Psychose]]n ein derartiger Eingriff vorteilhaft, da er den Patienten neue Handlungsmöglichkeiten eröffne. Vertreter von „Enhancementtechnologien“ argumentieren nun, dass durch den Fortschritt der Neurotechnologien Verbesserungen zunehmend auch bei gesunden Menschen möglich werden. Warum sollte man Menschen nicht etwa die Möglichkeit einer höheren Konzentration geben, wenn entsprechende neurotechnologische Eingriffe keine [[Nebenwirkung]]en haben?<ref>[[nature]]: ''[http://repository.upenn.edu/neuroethics_pubs/42/ Towards responsible use of cognitive-enhancing drugs by the healthy]''. 7. Dezember 2008.</ref> An dieser Stelle wenden Kritiker ein, dass man zwischen medizinischen und [[Wunscherfüllende Medizin|nichtmedizinischen]] Eingriffen unterscheiden müsse. Zwar sei es gerechtfertigt, Menschen mit Störungen durch Neurotechnologien zu helfen, allerdings gebe es keinen Grund, Menschen durch Technologien zu „perfektionieren“. Hierauf gibt es gleich zwei Entgegnungen der Technologieoptimisten: Zum einen argumentieren sie, dass die Unterscheidung zwischen medizinischen und nichtmedizinischen Anwendungen unscharf und letztlich nicht durchzuhalten sei. Zum anderen wird erklärt, dass die Ablehnung technologischer Verbesserungen kognitiver Fähigkeiten letztlich [[Inkohärenz|inkohärent]] sei. So sei ja schon jedes [[Erziehung]]ssystem eine Technologie, die das Ziel habe, kognitive Fähigkeiten zu steigern und letztlich durch die Veränderungen, die Lernen zweifelsfrei im Gehirn hervorruft, ebenfalls ein Eingriff in die neuronalen Funktionswege des Körpers. Wenn man jedoch eine solche Technologie befürworte, könne man nicht ''generell'' gegen neurotechnologische Verbesserungen votieren.<ref name="Par">All diese Argumente werden z. B. diskutiert in: Erik Parens: ''Creativity, graditude, and the enhancement debate.'' In: Judy Illes (Hg.): ''Neuroethics: defining the issues in theory, practice, and policy'' Oxford University Press, Oxford 2006, ISBN 0-19-856721-9.</ref> Weiter weisen Gegner der Human Enhancement Bewegung darauf hin, dass es – genauso wie beim Begriff der [[Gesundheit]] – unmöglich ist, unabhängig von kulturellen Vorstellungen zu definieren, welche Eingriffe in die menschliche Natur zu einer Verbesserung führen und welche nicht. Besonders an [[Schönheitsoperation]]en ist dieses Phänomen leicht zu erkennen, siehe auch [[Bodyismus]]. Befürworter von Enhancementtechnologien sehen aber genau hier einen Ansatzpunkt, indem sie dieses Argument umkehren und auf die Ablehnung von [[Körpermodifikation]]en anwenden. Ihm entsprechend ist sie genauso zu hinterfragen, weil es offensichtlich unmöglich ist festzulegen, wie ein Mensch idealerweise sein soll. Einige Vertreter von Enhancementtechnologien widersprechen dieser Aussage aber und erklären, dass man angebliche Verbesserungen („fake enhancement“) von echten Verbesserungen (z. B. Eingriffe ins Gehirn bei Parkinsonkranken) unterscheiden könne.<ref name="Par">All diese Argumente werden diskutiert in: Erik Parens: ''Creativity, graditude, and the enhancement debate'' In: Judy Illes (Hg.): ''Neuroethics: defining the issues in theory, practice, and policy'' Oxford University Press, Oxford 2006, ISBN 0-19-856721-9.</ref> Gegner von Enhancementtechnologien befürchten weiter, dass Optimierungen am Menschen gesellschaftlichen Zwängen entsprechend nur zu einer erhöhten Uniformität und Anpassung an gesellschaftliche oder ökonomische Normen führen. Nicht nur Schönheitsoperationen gelten hierfür als Beispiel, auch arbeitsunterstützende Drogen gehören in diesen Bereich. Neue Studien belegen beispielsweise, dass an einigen US-amerikanischen Universitäten 25 % der Studenten mit neuronal aktiven Substanzen ihre [[Schlaf]]dauer senken und die Arbeitskraft erhöhen.<ref name="Far">Martha Farah: Unpublizierter Vortag auf der 10. Konferenz der [[Association for the Scientific Study of Consciousness]] im Juni 2006 in Oxford.</ref> Besonders nicht rückgängig machbare Enhancements würden hier ein großes Risiko für die Freiheit und Unabhängigkeit der Menschen von wirtschaftlichen und politischen Machthabern darstellen. In diesem Zusammenhang bleibt aber auch zu bedenken, dass für eine Teilnahme am Herrschaftssystem einer Gesellschaft bestimmte geistige Eigenschaften, wie eine hohe [[Intelligenz]] nötig sind, über die von Natur aus nicht jeder Mensch verfügt und dass biologische Unterschiede soziale Ungleichheit und Armut in starkem Maße mit verursachen. Hier könnte ein Recht auf staatlich geförderte Enhancements Abhilfe schaffen. Ähnlich wie für Bildung gilt auch für verbessernde Technologien, dass sie wohl nur für einen Teil der Gesellschaft selbst finanzierbar wären und sie, wenn auf staatlich Umverteilung verzichtet werden würde, bestehende soziale [[Ungerechtigkeit]] noch verschärfen würden. Mit Hinblick auf die Kritik an Enhancements stellt sich schließlich auch die Frage, ob es sinnvoll ist, Kritik an einer Technologie zu üben, die es erlaubt, gesellschaftliche Normen zu erfüllen. Sollten die Normen, deren Erfüllung angestrebt wird, fehlerhaft sein, müssten sie direkt kritisiert werden. Sind die Normen dagegen angemessen, ist die Kritik an der Anpassung an gesellschaftliche Normen offensichtlich nicht haltbar. Es ist auch vollkommen unklar, ob sich durch Enhancementtechnologien nicht eher eine Pluralisierung der körperlichen und neurobiologischen Eigenschaften der Bevölkerung vollziehen könnte. Zudem sind Enhancementtechnologien ein medizinisches Risiko und wie jedes komplexe System fehlerbehaftet. Ihre körperlichen Langzeitfolgen werden nicht immer abzuschätzen sein. Schließlich wird von Kritikern noch ein weiteres Problem des Cognititve Enhancement angesprochen. Mit einer zunehmenden Einführung biologischer Eingriffe, die die Psyche verändern, werde die personale Beschreibungsebene durch die subpersonale Ebene verdrängt. Dies bedeute allerdings den schleichenden Niedergang all der Aspekte der personalen Ebene, die bisher als wichtig galten, etwa die Ideen von Selbstbestimmung und Verantwortung. Enhancementbefürworter dagegen halten es für eine Voraussetzung für Selbstbestimmung und Verantwortung, dass ein Mensch Kontrolle über seine Neurobiologie ausübt. Dazu sind die ihnen vorschwebenden Technologien allerdings unbedingt nötig. Der neuroethische Streit um Eingriffe ins Gehirn ist folglich noch vollkommen ungelöst. Einig sind sich die Teilnehmer an der Debatte allerdings darin, dass das Thema in den nächsten Jahren und Jahrzehnten enorm an Aktualität und Brisanz gewinnen wird. Starke Befürworter der Enhancementtechnologien sind oft auch Anhänger des [[Transhumanismus]]. === Bildgebende Verfahren === [[Bildgebendes Verfahren (Medizin)|Bildgebende Verfahren]] ermöglichen die Visualisierung von neuronalen Prozessen im menschlichen Gehirn und stellen zentrale Methoden der neurowissenschaftlichen Forschung dar. Die Entwicklung derartiger Verfahren begann in den 1920er Jahren mit der [[Elektroenzephalografie]] (EEG). Elektrische Aktivitäten des Gehirns führen zu Spannungsschwankungen an der Kopfoberfläche, die durch entsprechende Geräte aufgezeichnet werden können. Die heutige kognitive Neurowissenschaft stützt sich in besonderem Maße auf das Verfahren der [[Funktionelle Magnetresonanztomografie|funktionellen Magnetresonanztomografie]] (fMRT). Gleichzeitig werfen diese Verfahren eine Reihe von ethischen Problemen auf. Mit Hilfe der fMRT können Aktivitäten im Gehirn mit recht hoher räumlicher und zeitlicher Auflösung gemessen werden. Zu ethischen Problem führt diese Technik insbesondere, wenn zumindest grob [[neuronales Korrelat des Bewusstseins|neuronale Korrelate von Bewusstseinszuständen]] gefunden werden. Wie geht man damit um, wenn man durch neurowissenschaftliche Methoden und nicht durch persönliche Berichte weiß, dass eine Person etwas bestimmtes denkt oder fühlt? Ein klassisches Beispiel ist der neurotechnologische [[Lügendetektor]]. Zwar befinden sich entsprechende fMRT-Technologien noch in der Entwicklung, allerdings gibt es schon seit längerem kommerzielle EEG-basierte Lügendetektoren. Die ''Brain Fingerprinting Laboratories'' vermarkten solche Technologien und geben an, dass sie vom [[FBI]], der US-amerikanischen Polizei und anderen Organisationen genutzt werden. Viele Neuroethiker sehen sich bei derartigen Technologien vor ein [[Dilemma]] gestellt: Zum einen könnten entsprechende Lügendetektoren vor Gericht etwa Unschuldige vor der Inhaftierung bewahren. Zum anderen wird häufig vorgebracht, dass derartige Technologien die [[Selbstbestimmung]] der Personen verletzten und zudem für [[Missbrauch]] anfällig seien. [[Bild:Fmrtuebersicht.jpg|thumb|Die Entwicklung von bildgebenden Verfahren – hier ein fMRT-Scan – wirft zahlreiche neuroethische Probleme auf.]] Hinzu kommt, dass entsprechende Technologien nicht vollständig verlässlich sind. Judy Illis und Kollegen der ''Neuroethics Imaging Group'' von der Stanford University weisen auf die Suggestivkraft von fMRT-Bildern hin, die oft die konkreten Probleme der [[Datenanalyse]] verdecke.<ref name="Il3">Judy Illes, Eric Racine und Matthew Kirschen: ''A picture is worth 1000 words, but which 1000?''. In: Judy Illes (Hg.): ''Neuroethics: defining the issues in theory, practice, and policy.'' Oxford University Press, Oxford 2006, ISBN 0-19-856721-9.</ref> Die bekannten fMRT-Bilder (siehe etwa Abbildung) sind immer schon sehr weit von [[Interpretation]]en mitbestimmt. Bei einer kognitiven Leistung ist das Gehirn stets sehr weiträumig aktiv, die fMRT-Bilder zeigen aber nur die Auswahl der vermeintlich relevanten Aktivitäten. Eine solche Auswahl findet über die [[Subtraktionsmethode]] statt: Interessiert man sich etwa für eine kognitive Leistung K, so misst man zum einen die Gehirnaktivität in einer Situation S1, in der K gefordert ist. Zudem misst man die Gehirnaktivität in einer Kontrollsituation S2, die sich von S1 möglichst nur darin unterscheidet, dass in S2 nicht K gefordert ist. Schließlich subtrahiert man die Aktivitäten in S2 von den Aktivitäten in S1, um zu sehen, welche Aktivitäten für K spezifisch sind. Illis betont, dass derartige interpretative Aspekte immer mit berücksichtigt werden müssen, was etwa vor Gericht leicht übersehen werden kann, da es sich bei den Juristen um neurowissenschaftliche Laien handelt. Turhan Canli erklärt: „Das Bild eines Aktivierungsmusters, das auf einer schlecht gemachten Studie basiert, ist visuell nicht von dem Bild einer exemplarischen Studie zu unterscheiden. Man braucht einen geschickten Fachmann, um den Unterschied zu bemerken. Es besteht daher die große Gefahr des Missbrauchs der Daten bildgebender Verfahren vor einem ungeschulten Publikum, wie der Jury in einem Strafprozess. Wenn man auf die Bilder schaut, kann man leicht vergessen, dass sie [[Statistik|statistische]] Folgerungen und keine absoluten Wahrheiten repräsentieren.“<ref name="Can1">[[Turhan Canli]], Zenab Amin: ''Neuroimaging of emotional and personality: Scientific evidence and ethical considerations''. In: ''Brain and Cognition'', 2002, S. 414–431, PMID 12480487.</ref> Ein weiteres Problem ergibt sich aus der Erweiterung der Anwendung bildgebender Verfahren. In dem Maße, in dem aus Hirnscans [[Persönlichkeitsmerkmal]]e oder Präferenzen entnommen werden, werden bildgebende Verfahren für breite kommerzielle Anwendungen attraktiv. Canli diskutiert das Beispiel des Arbeitsmarktes und erklärt: „Es gibt bereits Literatur zu Persönlichkeitszügen, wie etwa [[Extraversion]] und [[Neurotizismus]], Beharrlichkeit, moralischer Verarbeitung und Kooperation. Es ist daher nur eine Frage der Zeit, bis Arbeitgeber versuchen, diese Ergebnisse für Fragen der Einstellung zu nutzen.“<ref name="Can2">Turhan Canli: ''When genes and brains unite: ethical implications of genomic neuroimaging''. In: Judy Illes (Hg.): ''Neuroethics: defining the issues in theory, practice, and policy.'' Oxford University Press, Oxford 2006, ISBN 0-19-856721-9.</ref> Auch die Werbeindustrie wird versuchen, die Ergebnisse der Forschung mit bildgebenden Verfahren zu nutzen, denn schließlich werden durch diese Methoden auch [[unbewusst]]e Informationsverarbeitungen registriert. Mittlerweile haben US-amerikanische [[Verbraucherschutz|Verbraucherorganisationen]] dieses Thema entdeckt und wenden sich gegen die kommerzielle Ausdehnung der bildgebenden Verfahren.<ref name="Com1">Etwa [http://www.commercialalert.org Commercial Alert].</ref> == Neurowissenschaft der Ethik == === Überblick === Ein im engeren Sinne empirisches Projekt ist die Suche nach neuronalen [[Korrelation|Korrelaten]] von moralisch relevanten Gedanken oder Empfindungen. Typische Forschungsfragen können lauten: Zu welchen spezifischen Aktivitäten führt das Nachdenken über moralische Dilemmata? Wie ist die funktionelle Verknüpfung von neuronalen Korrelaten moralischer Empfindungen und moralischer Gedanken? Welchen Einfluss haben welche Beschädigungen des Gehirns auf das moralische Entscheidungsvermögen? Derartige Fragen haben zunächst einen rein empirischen Charakter und keine normativen Konsequenzen. Der unmittelbare Schluss von [[Deskription|deskriptiven]] Dokumentationen neuronaler Aktivitäten auf normative Handlungsanweisungen wäre ein [[naturalistischer Fehlschluss]], was auch von den meisten Forschern akzeptiert wird. Dennoch wird oft die Position vertreten, dass die entsprechenden wissenschaftlichen Erkenntnisse von einem großen Nutzen für ethische Debatten sein könnten. Zum einen würden neurowissenschaftliche Forschungsergebnisse zu einem neuen Verständnis darüber führen, wie Menschen ''de facto'' moralische Probleme entscheiden. Zum anderen können neurowissenschaftliche Erkenntnisse in konkreten Situationen die moralische Bewertung verändern. Eine Person, die durch Gehirnschädigung nicht mehr zu [[Empathie]] fähig ist, wird man moralisch anders beurteilen, als einen gesunden Menschen. In Folgendem wird ein klassisches Fallbeispiel für eine derartige Schädigung darstellt. === Ein Fallbeispiel: Phineas Gage === [[Bild:Phineas Gage Death Mask.jpg|thumb|Die Totenmaske von Phineas Gage]] Das tragische Schicksal von [[Phineas Gage]] gehört zu den bekanntesten Fällen der [[Neuropsychologie]]. Gage erlitt als Eisenbahnarbeiter bei einem Unfall eine schwere Schädigung des Gehirns. Der Neurowissenschaftler [[Antonio Damasio]] beschreibt die Situation wie folgt: „Die Eisenstange tritt durch Gages linke Wange ein, durchbohrt die Schädelbasis, durchquert den vorderen Teil des Gehirns und tritt mit hoher Geschwindigkeit aus dem Schädeldach aus. In einer Entfernung von mehr als dreißig Metern fällt die Stange herunter.“<ref name="Dam1">[[Antonio Damasio]]: ''Descartes’ Irrtum: Fühlen, Denken und das menschliche Gehirn.'' Dt. Taschenbuch-Verlag, München 1997, ISBN 3-423-30587-8, S. 29.</ref> Erstaunlicher als dieser Unfall sind jedoch die Konsequenzen. Trotz der grausamen Verletzungen und der Zerstörung eines Teils des Gehirns starb Gage nicht, er wurde nicht einmal bewusstlos. Nach weniger als zwei Monaten galt er als geheilt. Er hatte keine Probleme mit dem Sprechen, rationalem [[Denken]] oder dem [[Gedächtnis]]. Dennoch hatte sich Gage tiefgreifend verändert. Sein Arzt, John Harlow, erklärt, er sei nun „launisch, respektlos, flucht manchmal auf abscheulichste Weise, was früher nicht zu seinen Gewohnheiten gehörte, erweist seinen Mitmenschen wenig Achtung, reagiert ungeduldig auf Einschränkungen und Ratschläge.“<ref name="Dam1">[[Antonio Damasio]]: ''Descartes’ Irrtum: Fühlen, Denken und das menschliche Gehirn.'' Dt. Taschenbuch-Verlag, München 1997, ISBN 3-423-30587-8, S. 31.</ref> Gage hatte seine intellektuellen Kapazitäten behalten, aber seine [[Emotion|emotionalen]] Fähigkeiten verloren. Dies hatte unter anderem zur Folge, dass Gage nicht mehr nach moralischen Standards handelte. [[Bild:Ventromedialer praefrontaler Cortex.png|thumb|left|Großhirnrinde aus der lateralen Sicht. Der ventromediale, präfrontale Teil (Gages Schädigung) ist schwarz eingefärbt]] Neuere neurowissenschaftliche Studien haben eine genauere Lokalisierung von Gages Hirnschaden ermöglicht. Die Metallstange hatte den [[Präfrontaler Cortex| präfrontalen Cortex]] teilweise zerstört, d.&nbsp;h. den Teil der [[Großhirnrinde]], der der Stirn am nächsten liegt. In diesem Fall war nur der ventromediale Teil des präfrontalen Cortex beschädigt – siehe Abbildung. Neuropsychologische Studien haben gezeigt, dass Gage kein Einzelfall war. Alle Patienten, die im ventromedialen präfrontalen Cortex eine Störung haben, zeigen jenen Verlust der emotionalen Fähigkeiten bei gleichbleibenden intellektuellen Fähigkeiten. === Bedeutung der neurowissenschaftlichen Forschung === Es ist allerdings nicht ausschließlich der ventromediale präfrontale Cortex, der bei moralischen Entscheidungen relevant ist. Wie von verschiedenen Seiten betont worden ist, existiert kein „moralisches Zentrum“ im Gehirn.<ref name="Church1">William Casebeer, [[Patricia Churchland]]: ''The neural mechanisms of moral cognition: A multiple aspect approach to moral judgement and decision making''. In: ''Philosophy and Biology'', 2003, S. 169–194.</ref><ref name="Ros2">Adina Roskies: ''A case study of neuroethics: The nature of moral judgement''. In: Judy Illes (Hg.): ''Neuroethics: defining the issues in theory, practice, and policy.'' Oxford University Press, Oxford 2006, ISBN 0-19-856721-9.</ref> Moralische Entscheidungen entstehen vielmehr aus einem komplexen Wechselspiel von Emotionen und Gedanken. Und selbst für die moralischen Emotionen gilt, dass sie auf verschiedene Gehirnregionen angewiesen sind. Neben dem ventromedialen präfrontalen Cortex ist hier zum einen die sensomotorische Region zu erwähnen. Eine Schädigung dieses Teils der Großhirnrinde führt zur [[Anosognosie]], einer Störung, bei der die Patienten ihre eigene Krankheit nicht erkennen. Anosognostiker haben etwa eine halbseitige Lähmung und sind dennoch überzeugt, dass ihr Körper normal funktioniere. Fordert man sie auf, einen gelähmten Körperteil zu heben, so erklären sie, dass sie keine Lust dazu hätten oder leugnen gar, dass der Körperteil zu ihrem Körper gehöre. Solche Patienten leiden auch unter Verlusten ihrer emotionalen Fähigkeiten. Selbst schwerste Schicksalsschläge berühren sie nicht stark. Eine weitere wichtige Region ist der Mandelkern (oder [[Amygdala]]), der nicht zur Großhirnrinde, sondern zum tieferen (subcortikalen) Bereich des Gehirns gehört. Der Mandelkern ist eine Ansammlung von Neuronen. Auch Schädigungen dieses Bereichs führen zum Verlust von emotionalen Fähigkeiten. [[Bild:Amyg.png|thumb|Position der Amygdala im menschlichen Gehirn]] Neuroethisch können derartige Ergebnisse auf verschiedene Weisen reflektiert werden. Zum einen muss die Frage nach der moralischen und juristischen Schuldfähigkeit von solchen Menschen gestellt werden. Bedeutet die anatomisch bedingte Unfähigkeit zu moralischen Gedanken und Emotionen, dass man auch nach der Ausführung von Verbrechen die entsprechende Person als Patienten und nicht als Täter behandeln muss? Müsste man Menschen wie Phineas Gage nach einer Straftat nicht in eine Klinik statt in ein Gefängnis schicken? Wenn man diese Fragen bejaht, so muss man sich allerdings festlegen, ab welchem Störungsausmaß eine entsprechende Einschränkung der Schuldfähigkeit vorgenommen werden sollte. Schließlich zeigen viele Gewaltverbrecher neurophysiologisch auffindbare Gehirnanomalien. Diese könnten womöglich als Folge wiederholter unethischer Gedanken und Emotionen entstanden sein. Aus neurowissenschaftlichen Studien können sich jedoch auch Erkenntnisse über die allgemeinen Mechanismen moralischen Urteilens ergeben. So versucht [[Adina Roskies]] etwa mit neuropsychologischen Daten die These zu belegen, dass moralische Emotionen keine notwendige Bedingung für moralische Urteile sind.<ref name="Ros3">Adina Roskies: ''Are ethical judgement intrinsically motivational? Lessons from acquired ’sociopathy’''. In: ''Philosophical Psychology'', 2003, S. 51–66.</ref><ref name="Ros2">Adina Roskies: ''A case study of neuroethics: The nature of moral judgement''. In: Judy Illes (Hg.): ''Neuroethics: defining the issues in theory, practice, and policy'' Oxford University Press, Oxford 2006, ISBN 0-19-856721-9.</ref> Dabei stützt sie sich auf Patienten mit einer Schädigung des ventromedialen präfrontalen Cortex – also der Schädigung, die auch Phineas Gage hatte. Entsprechenden Individuen fehlen zwar die moralischen Emotionen, und sie handeln im Alltag auch oft grausam, dennoch entsprechen ihre Urteile über moralische Fragen weitgehend denen gesunder Menschen. Roskies argumentiert, dass man die Urteile von derartigen Patienten letztlich nur als ursprünglich moralische Urteile verstehen könne, und bezeichnet ihre Position als einen moralphilosophischen [[Kognitivismus]]: Zwar mögen im Alltag moralische Emotionen das moralische Urteilen stark beeinflussen, allerdings seien sie keine notwendige Voraussetzung. == Einzelnachweise == <references/> == Literatur == * Dominik Groß, Sabine Müller (Hrsg.): ''Sind die Gedanken frei? Die Neurowissenschaften in Geschichte und Gegenwart.'' Medizinisch Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft, Berlin 2007, ISBN 978-3-939069-24-9. * Leonhard Hennen, Reinhard Grünwald, Christoph Revermann, Arnold Sauter: ''Einsichten und Eingriffe in das Gehirn. Die Herausforderung der Gesellschaft durch die Neurowissenschaften.'' Edition Sigma, Berlin 2008, ISBN 978-3-8360-8124-5. * Steven Marcus: ''Neuroethics: mapping the field.'' Dana Press, New York 2002, ISBN 0-9723830-0-X. <small>(Sammelband mit Beiträgen einer Neuroethikkonferenz in San Francisco, die zentral für die Entstehung der Disziplin Neuroethik war.)</small> * [[Judy Illes]] (Hrsg.): ''Neuroethics: defining the issues in theory, practice, and policy.'' Oxford University Press, Oxford 2006, ISBN 0-19-856721-9. <small>(Sammelband mit Aufsätzen vieler wichtiger Vertreter der Neuroethik.)</small> * Frank Ochmann: ''Die gefühlte Moral. Warum wir Gut und Böse unterscheiden können.'' Ullstein, Berlin 2008, ISBN 978-3-550-08698-4. * Carsten Könneker (Hrsg.): ''Wer erklärt den Menschen? Hirnforscher, Psychologen und Philosophen im Dialog.'' Fischer TB Verlag, Frankfurt 2006, ISBN 3-596-17331-0. <small>(Sammelband mit Beiträgen u.&nbsp;a. von Thomas Metzinger, Wolf Singer, Eberhard Schockenhoff; Kap. 6: Neuroethik und Menschenbild, S. 207–283.)</small> * [[Martha Farah]]: ''Neuroethics: the practical and the philosophical.'' In: ''Trends in Cognitive Sciences.'' 2005, Ausgabe 1, Januar 2005, S. 34–40. * [[Thomas Metzinger]]: ''Unterwegs zu einem neuen Menschenbild.'' In: ''Gehirn & Geist.'' 11/2005, S. 50–54. * [[Thomas Metzinger]]: ''Der Preis der Selbsterkenntnis.'' In: ''Gehirn & Geist.'' 7–8/2006, S. 42–49 ([http://www.wissenschaft-online.de/artikel/848187 Online]). * Stephan Schleim, Christina Aus der Au: ''Selbsterkenntnis hat ihren Preis (Replik).'' In: ''Gehirn & Geist'' ([http://www.gehirn-und-geist.de/artikel/856047 Online]). == Weblinks == * [http://www.neuroethik.ifzn.uni-mainz.de/index.php?id=2&L=0/ ''Neuroethik''.] Webportal des Philosophischen Seminars der Johannes-Gutenberg Universität Mainz * [http://www.neuroethics.upenn.edu/ Übersichtsseite zur Neuroethik von Martha Farah] * [http://neuroethicssociety.org/ Webseite der Neuroethics Society] * [http://www.information-philosophie.de/index.php?a=1&t=571&n=2&y=5&c=29 Deutschsprachiger Überblicksartikel zur Neuroethik] * [http://neuroethics.stanford.edu/ Webseite der Neuroethics Imaging Group in Stanford] {{Exzellent|11. September 2006|21338382}} [[Kategorie:Neurowissenschaften]] [[Kategorie:Medizinethik]] [[Kategorie:Philosophie des Geistes]] [[Kategorie:Anthropologie]] [[en:Neuroethics]] [[ja:脳神経倫理]] [[lt:Neuroetika]] [[ro:Neuroetică]] hisu0dxwgxg9dswe7glw3kikyejcxrx wikitext text/x-wiki Neurofibromatose Typ 1 0 23995 26593 2010-04-16T19:29:31Z 91.20.62.81 /* Pigmentstörungen */ K -Leer Zeichen {{Infobox ICD | BREITE = | 01-CODE = Q85.0 | 01-BEZEICHNUNG = Neurofibromatose (nicht bösartig)<br />- von-Recklinghausen-Krankheit }} Die '''Neurofibromatose Typ 1''', auch '''Morbus Recklinghausen''' oder '''Periphere Neurofibromatose''' genannt, ist eine [[Erbgang (Biologie)|autosomal dominant]] und [[Monogenie|monogen]] vererbte Multiorganerkrankung, die vor allem [[Haut]] und [[Nervensystem]] betrifft. Daher wird sie den [[Neurokutane Erkrankung|neurokutanen Erkrankungen]] ([[Phakomatose]]) zugeordnet. Typische Veränderungen an der Haut sind mehrere [[Café-au-lait-Fleck]]en sowie [[Neurofibrom]]e. Im [[Zentralnervensystem|zentralen Nervensystem]] treten gehäuft [[Tumor]]en verschiedener Lokalisationen auf. Patienten können [[Minderbegabung|minderbegabt]] sein und an [[Epilepsie|epileptischen Anfällen]] leiden. Des Weiteren sind regelmäßig [[Auge]]n und [[Knochen]] mitbetroffen. Als Café-au-lait-Flecken bezeichnet man milchkaffeefarbene [[Hyperpigmentierung]]en der Haut. Sie liegen im Niveau der Haut, können bei allen Menschen auftreten und sind harmlos. Bei Menschen mit einer Neurofibromatose Typ 1 treten sie gehäuft auf. Als Neurofibrom bezeichnet man gutartige Tumoren, die von den Zellen der [[Myelinscheide|Schwannschen Scheiden]] kleiner in der Haut verlaufender Nervenfasern ausgehen. Die Neurofibromatose wird durch eine Veränderung in einem [[Gen]] hervorgerufen, welches normalerweise hemmend auf die [[Zellteilung]] Einfluss nimmt. Es kommt daher zu überschießender Gewebsvermehrung und damit zu den typischen Veränderungen. Die Diagnose wird meist anhand des klinischen Bildes bereits in der Kindheit gestellt. Da es sich bei der Neurofibromatose Recklinghausen um eine genetische Erkrankung handelt, ist eine Therapie, welche die Ursache beseitigt, nicht möglich. Es werden daher nur Veränderungen behandelt, die für den Patienten störend oder gefährlich sind. Eine weitere bekannte Form der [[Neurofibromatose]] ist die [[Neurofibromatose Typ 2]]. == Geschichte == Eine eher anekdotische Erstbeschreibung findet sich bei [[Robert William Smith]] 1849. [[Friedrich Daniel von Recklinghausen]] legte 1882 die erste präzise klinische und pathologische Charakterisierung vor. [[Alex Thomsen]] gab um 1900 die ersten statistischen Daten und eine ausführliche Bibliographie heraus. [[Joseph Merrick]], der so genannte „Elefantenmensch“, galt lange Zeit als ein Beispiel für die entstellenden Auswirkungen der Recklinghausenschen Krankheit. Sein Leben im viktorianischen England war Grundlage für Bücher und Filme, insbesondere [[David Lynch]]s ''[[Der Elefantenmensch]]''. Merricks schwere Entstellungen prägten die weitverbreiteten falschen Vorstellungen von der Monstrosität der Patienten mit einer Neurofibromatose Typ 1. Nach einer [[DNA-Analyse]] im Jahre 2003 litt Merrick aber am [[Proteus-Syndrom]], wobei eine zusätzliche Erkrankung an Neurofibromatose Typ 1 wahrscheinlich ist. Die ältesten noch erhaltenen schriftlichen Schilderung über die Erkrankung stammen aus dem 13. Jahrhundert. == Inzidenz, Erbgang und Epidemiologie == [[Bild:Autodominant 01.png|thumb|Der autosomal-dominante Erbgang]] Man schätzt etwa 30–40 Erkrankte auf 100.000 Einwohner, was einer Erwartung von einem betroffenen Kind pro 2.500–3.300 Geburten entspricht. In der Hälfte der Fälle geht man davon aus, dass eine [[Mutation|Neumutation]] zu den Veränderungen im Erbgut führt. Alle bisherigen Beobachtungen bestätigen den [[Erbkrankheit|autosomal dominanten Erbgang]], was bedeutet, dass ein betroffener Elternteil mit einer Wahrscheinlichkeit von 50 Prozent (oder je nach [[Genotyp]] auch 100 Prozent) die Erkrankung an seine Kinder weitergibt. Man findet keine unterschiedlichen Häufigkeiten in verschiedenen Regionen der Erde oder unter Angehörigen anderer ethnischer Gruppen. Allerdings erkranken Männer etwas häufiger als Frauen. Die hohe Rate der Neumutation wird mit dem Umstand erklärt, dass das NF-1-Gen sehr groß ist und somit viel Angriffsfläche für genetische Veränderungen bietet.<ref name=riede>M. Deckert, G. Reifenberger, U.-N. Riede, W. Schlote, D.R. Thal, O.D. Wiestler : ''Nervensystem'' in Ursus-Nikolaus Riede, Martin Werner, Hans-Eckart Schäfer : ''Allgemeine und Spezielle Pathologie'', 5. Auflage, Stuttgart, 2004 S. 1104</ref> == Pathogenese und Molekularbiologie == [[Image:PBB Protein NF1 image.jpg|thumb|right|Neurofibromin 1]] Die Neurofibromatose Typ 1 war eine der ersten erbliche Tumorerkrankungen, deren Genetik aufgeklärt werden konnte.<ref>Bruce Ponder: ''Neurofibromatosis gene cloned''. in: ''[[Nature]]'', a weekly journal of science. Nature Publishing Group. Macmillan Journals, London 346.1990, p 703. PMID 2117711</ref> Der Neurofibromatose-Typ-1-[[Genort|Lokus]] liegt auf dem [[Chromosom 17 (Mensch)|Chromosom 17]] [[Genlocus]] q11.2.<ref>David Viskochil: ''Deletions and a Translocation Interrupt a Cloned Gene at the Neurofibromatosis Type 1 Locus''. in: ''Cell.'' Cell Press, Cambridge Mass 62.1990, 187-192. PMID 1694727</ref> Er ist komplex und kodiert möglicherweise für ein den intrazellulären [[Signaltransduktion|Signalpfad]] modulierendes Protein. Der Neurofibromatose-Typ-1-Genlokus umspannt ca. 400.000 [[Basenpaar]]e. In einem mehr als 40.000 Basenpaare großen [[Intron]] dieses Lokus finden sich drei Gene in entgegengesetzter Leserichtung: OMPG codiert für ein membrangebundenes [[Glykoprotein]] des Oligodendrozyten-[[Myelin]]s, EVI2A und EVI2B codieren für virale [[Insertionssequenz]]en. Am Neurofibromatose-Typ-1-Lokus sind [[Translokation (Genetik)|Translokationen]] (1,17) und (17,22), [[Deletion]]en, [[Gap (Bioinformatik)|Insertionen]] und [[Punktmutation]]en beschrieben.<ref>Margaret R. Wallace: ''Type 1 Neurofibromatosis Gene, Identification of a Large Transcript Disrupted in Three NF1 Patients''. in: ''[[Science]].'' American Association for the Advancement of Science. Washington DC 249.1990, 181-186. PMID 2134734</ref> Die über 50 [[Exon]]s des Gens kodieren für verschiedene ca. 9–11 kB große [[Transkription (Biologie)|Transkripte]].<ref>Toru Nishi: ''Differential expression of two types of the neurofibromatosis type 1 (NF1) gene transscripts related to neuronal differentiation''. in: ''Oncogene, an international journal.'' Nature Publ. Group, Basingstoke 6.1991, 1555-1599. PMID 1923522</ref> Ein ca. 7.800 Basenpaare umfassender [[Offener Leserahmen|open reading frame]] des genomischen Lokus erlaubt die Ableitung eines Peptids mit ca. 2.500 [[Aminosäuren]]. Das [[Neurofibromin 1|Neurofibromatose-Typ-1-Peptid]] zeigt Sequenz-Homologien mit dem von Säugetieren bekannten GAP ([[GTPase]] aktivierendes Protein)<ref>Gangfeng Xu: ''The Neurofibromatosis Type 1 Gene Encodes a Protein Related to GAP''. in: ''Cell.'' Cell Press, Cambridge Mass 62.1990, 599-608. PMID 2116237</ref> und den IRA1- und IRA2-Genen der [[Backhefe|Hefe]].<ref>Roymarie Ballester: ''The NF1 Locus Encodes a Protein Funtionally Related to Mammalian GAP and Yeastt IRA Proteins''. in: ''Cell.'' Cell Press, Cambridge Mass 63.1990, 851-859. PMID 2121371</ref> Die GAP-verwandte Domäne des NF-1-Peptids bindet in vitro (im Reagenzglas) an das „ras p21“-Protein.<ref>George A. Martin: ''The GAP-related Domain of the Neurofibromatosis Type 1 Gene Product interacts with ras p21''. in: ''Cell.'' Cell Press, Cambridge Mass 63.1990, 843. PMID 2121370</ref> Die [[Enzym|katalytische Domäne]] von NF-1 stimuliert die GTPase-Aktivität von ras p21.<ref>Gangfeng Xu: ''The Catalytic Domain of the Neurofibromatosis Type 1 Gene Product Stimulates ras GTPase and Complements ira Mutants of S. cerevisiae''. in: ''Cell.'' Cell Press, Cambridge Mass 63.1990, 835-841. PMID 2121369</ref> Wenn GTPasen durch ihr (individuelles) GAP aktiviert werden, dann [[Hydrolyse|hydrolysieren]] sie das gebundene GTP zu GDP und sind als solche nicht mehr in der Lage, ihren Effektor zu stimulieren. Dieser Effektor ist im Falle von ras p21 ein über den [[Inositoltrisphosphat|Phosphatidylinositol]]-Pfad vermitteltes mitogenes (die Zellteilung stimulierendes) Signal. Defekte GAPs können somit ein mitogenes Signal nicht mehr abschalten, die Zellen proliferieren unkontrolliert. == Pathologie == === Tumoren === Bei der Neurofibromatose kommen eine Reihe von Tumoren, die sowohl das zentrale Nervensystem betreffen als auch außerhalb davon auftreten können, gehäuft vor.<ref name="dp-nft1">von Deimling & Perry: Neurofibromatosis type 1. In: WHO classification of central nervous system tumors. Lyon, IAR Press, 2007</ref> ==== Tumoren des zentralen Nervensystems ==== =====Neurofibrome===== [[Image:Plexiform neurofibroma WHO grade I.jpg|thumb|right|Plexiformes Neurofibrom]]Für die Erkrankung besonders charakteristisch ist das Auftreten von [[Neurofibrom]]en, bei denen es sich im Gegensatz zu sporadisch auftretenden Neurofibromen häufig um Neurofibrome der Haut (dermale Neurofibrome) oder so genannte plexiforme Neurofibrome handelt. Dermale Neurofibrome sind gutartige gut abgrenzbare unter der Haut gelegene von kleinen Hautnervenästen ausgehende Tumoren, die aus [[Schwann-Zelle]]n und [[Fibroblasten]]-ähnlichen Zellen bestehen. Plexiforme Neurofibrome infiltrieren diffus größere Nervenästen und führen so zu einer kolbenförmigen Auftreibung. Im Gegensatz zu gewöhnlichen Neurofibromen ist das Risiko einer bösartigen Entartung mit etwa zehn Prozent deutlich erhöht. =====Bösartige periphere Nervenscheidentumoren===== [[Maligner peripherer Nervenscheidentumor|Bösartige periphere Nervenscheidentumoren]] treten bei der Neurofibromatose bereits im jüngeren Lebensalter auf und können histologisch an [[Skelettmuskulatur]] erinnernde rhabdomyoblastische oder [[Drüse|drüsenähnliche]] glanduläre Elemente enthalten. Solche Tumoren, die auch als [[Triton-Tumor]] bezeichnet werden sind hochcharakteristisch für die Neurofibromatose Typ 1. =====Gliome===== Den Großteil der bei Neurofibromatose Typ 1 auftretenden [[Gliom]]e machen die im Bereich des [[Sehnerv]]s (Nervus opticus) lokalisierten gutartigen [[pilozytisches Astrozytom|pilozytischen Astrozytome]] aus, die bei dieser Lokalisation auch als Optikusgliome bezeichnet werden. Bei der Neurofibromatose Typ 1 treten Optikusgliome charakteristischerweise bilateral auf und betreffen so beide Sehnerven. Optikusgliome können bei Patienten mit Neurofibromatose Typ 1 einen über viele Jahre statischen Verlauf haben. Andere Gliome, die bei Neurofibromatose Typ 1 vermehrt auftreten sind diffuse [[Astrozytom]]e und das bösartige [[Glioblastom]]. ==== Tumoren außerhalb des Nervensystems ==== Das Auftreten von [[Phäochromozytom]]en, Tumoren des [[Nebennierenmark]]s, ist erhöht.<ref name="ak-dgd">Anthony Killen, Emanuel Rubin, David Strayer ''Developmental and Genetic Diseases'' in Raphael Rubin, David Strayer : ''Rubin's Pathology'', 5. Auflage, Philadelphia, 2008 S. 201</ref> Dasselbe gilt für andere seltene Tumoren wie [[Rhabdomyosarkom]]e, das [[juveniles Xanthogranulom|juvenile Xanthogranulom]], [[gastrointestinaler Stromatumor|gastrointestinale Stromatumoren (GIST)]], [[Schilddrüsenkarzinom|medulläre Schilddrüsenkarzinome]] sowie die [[Chronische myelomonozytäre Leukämie]].<ref name="dp-nft1"/> === Pigmentstörungen === Café-au-lait-Flecken, Freckling im Bereich beider Achselhöhlen (so genanntes ''Axillary Freckling'') und Lisch-Knötchen gehen auf Veränderungen der [[Melanozyt]]en der Haut zurück und sind häufig die erste Manifestation der Erkrankung. Histologisch ist das Verhältnis von Melanozyten zu Keratinozyten, das bei der Neuofibromatose Typ 1 bereits in der nicht betroffenen Haut verschoben ist, im Bereich von Café-au-Lait Flecken und Freckling weiter erhöht. Bei den im Bereich der [[Iris (Auge)|Iris]] des Auges auftretenden Lisch-Knötchen handelt es sich histologisch um kleine pigmentierte [[Hamartom]]e. === Veränderungen des Knochens und der Blutgefäße === Die [[Orbita|Augenhöhle]] ist bei der Neuofibromatose Typ 1 häufig durch eine [[Dysplasie]] des [[Keilbein|Keilbeinflügels]] deformiert. Verformungen der Wirbelkörper führen häufig zu einer schweren [[Skoliose]]. Auch die langen Röhrenknochen der Extremitäten können verformt sein. Im Bereich der Blutgefäße kann eine [[fibromuskuläre Dysplasie]] auftreten, die insbesondere die Nierenarterien betreffen kann. == Klinische Manifestationen == === Haut === [[Image:NF-1-Tache cafe-au-lait.jpg|thumb|right|Café-au-lait-Fleck]] Café-au-lait-Flecken und Farbveränderungen der [[Achsel]] sind auffällige Hauterscheinungen. In mehr als 95 Prozent der Fälle finden sich Café-au-lait-Flecken bei Patienten mit der Neurofibromatose Recklinghausen.<ref name="ak-dgd"/> Etwa 80 Prozent weisen mehr als sechs große hyperpigmentierte Areale auf. Allerdings kommen Café-au-lait-Flecken auch bei etwa zehn Prozent der nicht betroffenen Bevölkerung vor. Es handelt sich bei dieser Veränderung um große (bis zu mehreren Zentimetern), scharf und unregelmäßig begrenzte hell- bis dunkelbraune Flecken. Sie sind am Körper ohne erkennbare Ordnung verteilt. Es liegt eine Vermehrung von [[Melanozyt]]en vor. Das sogenannte Freckling (engl. ''freckle'' = Sommersprossen, Tüpfel, Sprenkel) ist eine Sommersprossen-ähnliche Verfärbung an Körperstellen, die normalerweise keiner Sonnenbestrahlung ausgesetzt sind. Am auffälligsten sind diese Veränderungen in der Achselhöhle und Leistenregion. Da in etwa 90 Prozent das Freckling bei Patienten mit Neurofibromatose Typ 1 auftritt, ist es eine diagnostisch wegweisende Erscheinung. Daneben werden auch diffuse Farbveränderungen des Rumpfes ([[Lentiginose]]) beschrieben, welche ebenso gehäuft im Bereich der Axillen auftreten. [[Image:Early neurofibromatosis.jpg|thumb|right|Multiple kleine kutane Neurofibrome und ein "Café-au-lait"-Fleck]] [[Neurofibrom]]e sind Tumore des [[Peripheres Nervensystem|Peripheren Nervensystems]], welche sich vor allem im Bereich der Haut bemerkbar machen. Sie treten typischerweise kutan (Kutis = Gewebe der Haut), subkutan (Subkutis = Unterhautzellgewebe) oder als plexiforme Neurofibrome auf. Die Haut der Patienten kann mit bis zu 10.000 Tumoren unterschiedlicher Größe bedeckt sein. Sie variieren im Durchmesser von wenigen Millimetern bis zu mehreren Zentimetern je Läsion. Die Neurofibrome können unter der Oberfläche liegen und dann als hügelige Oberflächenstruktur der Haut auffallen. Andere können halbkugelig auf der Haut aufsitzen oder in Form eines Sackes anhaften. Auffällig ist, dass sie bei Druck in die Tiefe ausweichen, was als Knopflochphänomen bezeichnet wird. Mit diesem einfachen Versuch kann man sehr leicht ein Neurofibrom von einem [[Lipom]] unterscheiden. Die Tumore sind normalerweise hautfarben, können aber auch rötlich, bläulich oder violett erscheinen. Die kutanen Neurofibrome weisen eine weiche, homogene Konsistenz auf. Die tiefer gelegenen subkutanen Neurofibrome sind derbe Verdickungen, welche von den peripheren Nerven ausgehen. Da die Wucherungen auch auf die Nerven selbst drücken, führen sie häufig zu Schmerzen und Empfindungsveränderungen. Die plexiformen Tumore sind nicht selten im Gesicht, im Nacken, an der Hüfte und am Unterschenkel lokalisiert. Sie erreichen teilweise eine enorme Größe und zeigen den ungewöhnlichen Tastbefund multipler strangförmiger Gewächse („Sack voll Würmer“). === Neurologie === ZNS-Tumore (zum Beispiel das [[Pilozytisches Astrozytom]] bei NF 1 und das [[Schwannom]] bei [[Neurofibromatose_Typ_2|NF 2]]) und neurologische Symptome treten als ernstzunehmende Probleme der Neurofibromatose auf. Vor allem Tumore der [[Hirnnerven]] können chirurgische Interventionen notwendig machen. [[Akustikusneurinom|Akustikus-]] und [[Trigeminusneuralgie|Trigeminus-Neurinome]] verursachen besonders Hörverlust aber auch Schmerzen. Ein [[Nervus vagus|Foramen-Jugulare-Syndrom]] und [[Nervus hypoglossus|Hypoglossus-Tumore]] bewirken entsprechende Symptome, ein [[Sehnerv|Optikus-Gliom]] kann eine einseitige Blindheit und Tumore der [[Wirbelsäule|Spinalwurzeln]] können Lähmungen und Schmerzen verursachen. Darüber hinaus werden verschiedene neurologische Symptome beschrieben: Schulschwierigkeiten, eher selten eine Epilepsie und bei [[Hypothalamus]]-Hamartomen eine [[Geschlechtsreife|Pubertas Präcox]]. Manchmal verursachen Gliawucherungen im Aquäduktbereich, aber auch durchaus die Neurinome einen obstruktiven [[Hydrozephalus]]. Besonders ernst nimmt man das Auftreten von epileptischen Anfällen bei Patienten mit einer Neurofibromatose, da dies als Zeichen dafür gelten kann, dass sich ein Hirntumor entwickelt. === Augen === [[Image:Lisch nodules.gif|thumb|right|Lisch-Knötchen]] Die Lisch-Knötchen der Augen gelten als ein sehr hilfreiches diagnostisches Kriterium, da sie sich bei nahezu allen Patienten mit Neurofibromatose Typ 1 über 20 Jahren finden. Dabei handelt es sich um kleine, rundliche, scharf begrenzte und leicht erhabene Veränderungen in der [[Iris (Auge)|Regenbogenhaut]]. Sie haben einen hellen, gelblich bis bräunlichen Farbton. Die Anzahl dieser Veränderungen nimmt mit dem Alter der Patienten zu. Diese von [[Melanozyt]]en abstammenden gutartigen Gewebsveränderungen ([[Hamartom]]e) der Iris wurden bereits 1918 von [[Petrus Johannes Waardenburg|Waardenburg]] beschrieben.<ref>P. J. Waardenburg: ''Heterochrome en melanosis.'' in: ''Nederlands tijdschrift voor geneeskunde.'' Haarlem 62.1918, 1453-1455.</ref> Ihre Bedeutung für die Diagnose der Neurofibromatose wurde 1937 von Karl Lisch entdeckt. 1981 wurde durch die Arbeiten von Vincent M. Riccardi<ref>* VM Riccardi: ''Neurofibromatosis, an overview and new directions in clinical investigation.'' in: ''Advances in neurology'' (Adv. Neurol). Raven Press, New York NY 88.1981, 348-354. PMID 6798831</ref> und 1991 durch eine Studie von Marie Louise Lubs<ref>Marie-Louise Lubs: ''Lisch-Nodules in Neurofibromatosis Type I''. in: ''The New England journal of medicine'' (NEJM). Massachusetts Medical Society, Boston Mass 324.1991, p 1264. PMID 1901624</ref> der außerordentlich große Wert der Lisch-Knötchen für die Differentialdiagnose der Neurofibromatose Typ 1 herausgestellt. === Knochen === [[Image:Scoliosis recklinghausen.jpg|thumb|right|100px|Kyphoskoliose]] Skelettveränderungen treten bei einem Drittel der Patienten auf und bringen die Neurofibromatose-Patienten zum Orthopäden. Extrem ausgeprägte [[Skoliose|Kyphoskoliosen]] aufgrund von Fehlentwicklung der Wirbelkörper können vorkommen. Knochenzysten, Hypertrophien, pathologische Frakturen (Knochenbruch aufgrund einer Erkrankung des Knochens) und habituelle Luxationen (immer wiederkehrende Gelenk-Auskugelung) machen chirurgische Eingriffe notwendig. Minderwuchs und Vergrößerung oder Asymmetrie des Kopfes stellen für die Patienten belastende Symptome dar. Defekte der Orbitahinterwand verursachen manchmal einen pulsierenden [[Exophthalmus]] und täuschen so einen Tumor in der Augenhöhle vor. == Diagnose == Als Kardinalsymptome oder Kernsymptome bezeichnet man Merkmale, durch deren gemeinsames Auftreten eine Krankheit definiert ist. Bei Neurofibromatose Typ 1 werden folgende zwei Kardinalsymptome beschrieben. Mehr als 95 Prozent der Patienten mit einer gesicherten Neurofibromatose Typ 1 haben mehr als fünf Café-au-lait-Flecken und bei mehr als 90 Prozent der Patienten findet man kutane Tumoren. Als klinisches Spektrum bezeichnet man alle Symptome, die ein Patient mit einer bestimmten Erkrankung bekommen kann und deren Entstehung in einen kausalen Zusammenhang mit der Erkrankung gebracht wird, also nicht bloß zufällig ist. Bei den meisten Autoren gelten folgende Symptome als obligatorisches klinisches Spektrum der Neurofibromatose Typ 1: Café-au-lait-Flecken und kutane Neurofibrome zählen dazu. Der Nachweis von Lisch-Noduli gelingt je nach Studie bei 90 bis 100 Prozent der Patienten. Bei ca. 80 Prozent der Patienten findet sich eine Pigmentierung der Achselhöhle. Bei 20 Prozent der Patienten findet man große plexiforme Tumore. Alle anderen Tumoren (spinale und periphere [[Neurofibrom]]e, [[Schwannom]]e der peripheren Nerven et cetera) finden sich bei weniger als fünf Prozent der Patienten. Etwa ein Drittel der Patienten hat darüber hinaus unspezifische Symptome wie Schulprobleme (30 Prozent), Minderwuchs (15 Prozent), Macrozephalie (25 Prozent) und Skoliosen (30 Prozent). Pseudoarthrosen und Epilepsien treten bei weniger als fünf Prozent der Patienten auf. Ein Teil der Patienten entwickelt ein [[Multiple endokrine Neoplasie|Phäochromozytom]]. Zu den diagnostischen Kriterien zählen die Symptome, die der allergrößte Teil der Patienten im Laufe der Erkrankung bekommt. Es entwickeln aber nicht alle Patienten alle diese Symptome, sondern lediglich eine mehr oder weniger zufällige Kombinationen daraus. Ärzte treffen eine statistisch geschickte Auswahl von Durchschnittssymptomen und benutzen diese als diagnostische Kriterien, um vorherzusagen ob ein Mensch die jeweilige Krankheit hat. Die folgende Tabelle gibt die diagnostischen Kriterien für die Neurofibromatose Typ 1 gemäß der NIH Consensus Development Conference von 1987 an:<ref>''Neurofibromatosis.'' Conference Statement, NIH Consensus Development Conference. in: ''Archives of neurology.'' official organ of the American Neurological Association. Chicago Ill 45.1988,575-578.</ref> {| border="0" cellpadding="2" cellspacing="3" align=center | style="background:#FFCC99;;text-align:center" colspan="2" | '''Diagnostische Kriterien'''<br />''(zwei oder mehrere zutreffende Kriterien)'' |- style="background:#FFFFAB;" |width="40" valign="center" align=center| '''1)''' |width="400" valign="top"| '''sechs Café-au-lait-Flecken'''<br /> (vor Pubertät größer als 5 mm, danach größer als 15 mm) |- style="background:#FFFFCC;" |valign="center" align=center| '''2)''' |valign="top"| '''axilläre oder inguinale Pigmentierung''' |- style="background:#FFFFAB;" |valign="center" align=center| '''3)''' |valign="top"| '''zwei oder mehr Neurofibrome'''<br />oder<br />'''ein plexiformes Neurofibrom''' |- style="background:#FFFFCC;" |valign="center" align=center| '''4)''' |valign="top"| '''ein Verwandter''' ersten Grades mit Neurofibromatose Typ 1 |- style="background:#FFFFAB;" |valign="center" align=center| '''5)''' |valign="top"| '''zwei oder mehr Lisch-Knötchen''' |- style="background:#FFFFCC;" |valign="center" align=center| '''6)''' |valign="top"| '''Knochenläsionen''' |- |} == Behandlung == Da es sich bei der Neurofibromatose Typ 1 um eine genetisch bedingte Erkrankung handelt, ist eine Therapie, die auf Heilung der zugrunde liegenden Störung abzielt, zurzeit nicht möglich. Die einzige Behandlungsmöglichkeit besteht daher in der operativen Entfernung der Neurofibrome und Tumore oder ausnahmsweise in deren Bestrahlung. Dabei sollte man allerdings sehr zurückhaltend vorgehen, denn die Operation eines Neurofibroms kann den Funktionsausfall des betreffenden Nerven mit bleibenden Lähmungen zur Folge haben. Tumore des zentralen Nervensystems können derart lokalisiert sein, dass ein operatives Vorgehen ohne Veränderungen an gesundem Gewebe nicht möglich ist. Es besteht außerdem die Möglichkeit, dass Operation und Bestrahlung ein Wachstum der Tumore begünstigen können. Daher wird eine sehr genaue Risiko-Nutzen-Abwägung verlangt. Es werden üblicherweise nur solche Veränderungen entfernt, die das Risiko einer bösartigen Entwicklung besitzen. Auch eine schwere neurologische oder orthopädische Symptomatik, gravierende kosmetische Probleme sowie eine drohende Erblindung stellen Gründe für eine Operation dar. == Prognose == Aufgrund des in dem Abschnitt Pathogenese beschriebenen Mechanismus entwickeln sich alle Symptome der Erkrankung erst im Laufe der Zeit. In diesem Sinne besteht auch eine [[Progredienz]]. Mit der Vielfalt der genetischen Befunde geht eine Vielfalt der Symptome und Verläufe der Erkrankung einher. Die Sterblichkeit der Patienten ist im Allgemeinen erhöht. Wegen des autosomal dominanten Erbganges wird eine kritische Überprüfung des Kinderwunsches angeraten. Es scheinen Fertilitätsstörungen vorzukommen. == Einzelnachweise == <references /> == Literatur == === Bücher === * Klaus Poeck, Werner Hacke: ''Neurologie.'' Springer, Berlin 2001 (11. Aufl.), ISBN 3-540-41345-6 * Peter Fritsch: ''Dermatologie und Venerologie.'' Springer, Berlin 2003 (2. Aufl.), ISBN 3-540-00332-0 * Lewis P. Rowland: ''Merrits Textbook of Neurology''. Williams & Wilkins, Baltimore 1995. ISBN 0-683-07400-8 * VM Riccardi (Hrsg.): ''Neurofibromatosis, phenotype, natural history and pathogenesis.'' Johns Hopkins University Press, Baltimore 1986, 1992. ISBN 0-8018-4348-0 * Raymond D. Adams: ''Neurocutaneous Diseases.'' in: T. B. Fitzpatrick, A. Z. Eisen, K. Wolff (Hrsg.): ''Dermatology in General Medicine.'' 2 Bd. McGraw-Hill, New York 1987, 1993, 2003. ISBN 0-07-138076-0 (Set) === Artikel in Zeitschriften === * B. Castle: ''Evaluation of genotype-phenotype correlations in neurofibromatosis type 1.'' in: ''Journal of medical genetics.'' BMJ Publishing Group, London 40.2003,10 (Oct), 109. PMID 14569132 (Frei zugängliche Übersichtsarbeit) === Weblinks === *[http://www.von-recklinghausen.org/index.php?id=94 Deutsche Übersetzung der Leitlinien der Behandlung der Neurofibromatose] {{Exzellent}} {{Gesundheitshinweis}} [[Kategorie:Erbkrankheit]] [[Kategorie:Krankheitsbild in der Neurologie]] [[Kategorie:Hautkrankheit]] {{Link GA|pl}} [[en:Neurofibromatosis type I]] [[es:Neurofibromatosis]] [[fi:Neurofibromatoosi 1]] [[fr:Neurofibromatose de type I]] [[ja:神経線維腫症1型]] [[nl:Ziekte van Von Recklinghausen]] [[pl:Nerwiakowłókniakowatość typu 1]] [[sr:Неурофиброматоза тип 1]] lxlmpvv5f3b6anpzdwtbplgdxularnf wikitext text/x-wiki Neuseeländische Rugby-Union-Nationalmannschaft 0 23996 26594 2010-04-28T11:44:21Z Daniel Brendan Carroll 0 Boxergänzung {{Infobox Rugbynationalmannschaft | land = Neuseeland | image = [[Datei:Logo All Blacks.svg|100px|Logo]] | verband = [[New Zealand Rugby Football Union|New Zealand Rugby<br />Football Union]] | spitzname = ''All Blacks'' | trainer = [[Datei:Flag of New Zealand.svg|20px]] [[Graham Henry]] | kapitaen = [[Richie McCaw]] | pattern_la1 = | pattern_b1 = | pattern_ra1 = | pattern_socks1 = | pattern_shorts1 = | leftarm1 =000000 | body1 = 000000 | rightarm1 =000000 | shorts1 = 000000 | socks1 = 000000 | pattern_la2 = | pattern_b2 = | pattern_ra2 = | pattern_socks2 = | pattern_shorts2 = | leftarm2 =C0C0C0 | body2 = C0C0C0 | rightarm2 =C0C0C0 | shorts2 = 000000 | socks2 = C0C0C0 | spiele = [[Sean Fitzpatrick]] (92) | punkte = [[Daniel Carter]] (994) | versuche = [[Doug Howlett]] (49) | erstes = {{AUSrugby}} 3:22 Neuseeland [[Datei:Flag of New Zealand.svg|20px]]<br /><small>(15. August 1903)</small> | sieg = [[Datei:Flag of New Zealand.svg|20px]] Neuseeland 145:17 [[Japanische Rugby-Union-Nationalmannschaft|Japan]] [[Datei:Flag of Japan.svg|border|20px]]<br /><small>(4. Juni 1995)</small> | nieder = {{AUSrugby}} 28:7 Neuseeland [[Datei:Flag of New Zealand.svg|20px]]<br /><small>(28. August 1999)</small> | wm = Teilnahmen: 6 <br />Bestes Ergebnis: Weltmeister 1987 | IRB_abkürzung = NZL }} Die '''neuseeländische Rugby-Union-Nationalmannschaft''' der Männer vertritt [[Neuseeland]] auf internationaler Ebene in der Sportart [[Rugby Union]]. Sie ist weitaus bekannter unter ihrem Spitznamen '''''All Blacks''''', weil die Spieler ganz in Schwarz gekleidet sind (die Spieler werden gelegentlich auch als ''Men in Black'' bezeichnet). Rugby Union ist Neuseelands [[Nationalsport]] und die All Blacks gelten als beste Mannschaft der Welt, da sie gegen jedes andere Land eine positive Bilanz aufweisen und die [[IRB-Weltrangliste]] in der Regel anführen. Jedes Jahr treten die All Blacks beim [[Tri Nations (Rugby Union)|Tri-Nations-Turnier]] gegen [[Australische Rugby-Union-Nationalmannschaft|Australien]] und [[Südafrikanische Rugby-Union-Nationalmannschaft|Südafrika]] an. Sie tragen regelmäßig Spiele gegen die besten Mannschaften Europas aus und nehmen an den alle vier Jahren stattfindenden [[Rugby-Union-Weltmeisterschaft|Weltmeisterschaften]] teil. Obwohl sie jedes Mal zu den aussichtsreichsten Favoriten zählten, konnten sie bisher nur bei der ersten Austragung 1987 den Weltmeistertitel sichern. Die [[Rugby-Union-Weltmeisterschaft 2011|Weltmeisterschaft 2011]] wird in Neuseeland stattfinden. Bei der Integration der [[Māori]] in die britisch geprägte neuseeländische Gesellschaft spielte Rugby Union eine wichtige Rolle, da der Sport den physischen Fähigkeiten des [[Indigene Völker|indigenen Volks]] Neuseelands entgegenkam und diese rasch als gleichwertige Mitspieler akzeptiert wurden. Vor jedem ihrer Spiele tanzen die All Blacks traditionellerweise einen [[Haka#Haka und Rugby|Haka]] (Ritualtanz der Māori), um die gegnerische Mannschaft einzuschüchtern und um sich selbst zu motivieren. == Organisation == :''Hauptartikel: [[Rugby Union in Neuseeland]]'' Verantwortlich für den Spielbetrieb auf sämtlichen Stufen ist die [[New Zealand Rugby Football Union]] (NZRFU). Neben der eigentlichen Nationalmannschaft stellt die NZRFU weitere Auswahlmannschaften auf. Die talentiertesten Jugendlichen, die noch schulpflichtig sind, bilden die Mannschaft ''NZ Schools''. Die zwei weiteren Stufen auf dem Weg zum Kader der All Blacks sind die Juniorennationalmannschaften der U-19 und U-21. Neben diesen gemäß dem Alter zusammengesetzten Mannschaften gibt es solche, die nach besonderen Kriterien aufgestellt werden. Die ''[[Junior All Blacks]]'' sind trotz ihres Namens keine Juniorennationalmannschaft, sondern die altersunabhängige Reservemannschaft der All Blacks. Sind ausländische Mannschaften in Neuseeland zu Gast, treten diese in der Regel auch gegen die ''[[New Zealand Māori (Rugby Union)|New Zealand Māori]]'' an. Um dieser Mannschaft anzugehören, muss ein Spieler zu mindestens 1/16 [[māori]]scher Abstammung sein. Die Mannschaft ''Heartland XV'' ist aus Amateurspielern zusammengesetzt. Auf nationaler Ebene spielen Vereine nur eine lokale oder regionale Rolle. Von weitaus größerer Bedeutung sind die 26 Regionalverbände (17 auf der [[Nordinsel (Neuseeland)|Nordinsel]] und 9 auf der [[Südinsel (Neuseeland)|Südinsel]]), die je eine Auswahlmannschaft in der Profiliga [[Air New Zealand Cup]] oder in der Amateurliga [[Heartland Championship]] stellen. Der nationalen Meisterschaft übergeordnet ist die zusammen mit Mannschaften aus [[Australien]] und [[Südafrika]] ausgetragene internationale Meisterschaft [[Super 14]]. Da sich die Spielzeiten nur wenig überschneiden, kommen zahlreiche Spieler in beiden Ligen zum Einsatz. Die Statuten der NZRFU schreiben zwingend vor, dass Spieler bei neuseeländischen Mannschaften im Air New Zealand Cup und/oder in der Super 14 unter Vertrag stehen müssen, wenn sie dem Kader der All Blacks angehören wollen. Ist ein Spieler im Ausland engagiert, ist er automatisch nicht für die Nationalmannschaft spielberechtigt. Diese Regelung, die andere bedeutende Rugbynationen nicht kennen, hat zur Folge, dass die besten Spieler zunächst einige Jahre in Neuseeland bleiben und dann ihren Rücktritt aus der Nationalmannschaft erklären, um bei den meist finanzkräftigeren Vereinen der englischen [[Guinness Premiership]] und der französischen [[Top 14]] zu spielen. == Geschichte == === Einführung von Rugby in Neuseeland === [[Datei:New-Zealand-in-NSW,.jpg|thumb|Die neuseeländische Auswahl des Jahres 1884]] Eingeführt wurde Rugby in Neuseeland Ende der 1860er Jahre durch Charles Monro. Der Sohn des damaligen [[Speaker]]s des neuseeländischen Repräsentantenhauses hatte das Spiel kennengelernt, als er Schüler des ''Christ's College Finchley'' in [[London]] gewesen war.<ref>[http://news.bbc.co.uk/sport2/hi/rugby_union/5387120.stm All Blacks magic: New Zealand rugby] auf der Website der [[BBC]]</ref> Das erste Spiel in Neuseeland fand am 14. Mai 1870 in [[Nelson (Neuseeland)|Nelson]] statt und der erste Verband, die [[Canterbury Rugby Football Union]], wurde 1879 gegründet. 1882 wurde das erste internationale Spiel ausgetragen, als die Auswahlmannschaft der Southern Rugby Union (die spätere [[New South Wales Rugby Union]]) eine Tour durch Neuseeland unternahm. Die Australier spielten je zweimal gegen Provinzmannschaften aus [[Auckland]] und [[Wellington]] sowie einmal gegen [[Canterbury (Neuseeland)|Canterbury]], [[Otago]] und die Westküste der [[Nordinsel (Neuseeland)|Nordinsel]]; sie gewannen vier Spiele und verloren dreimal. Zwei Jahre später reiste die erste neuseeländische Auswahlmannschaft ins Ausland, sie spielte gegen verschiedene Teams aus New South Wales und gewann acht Spiele. Die erste Begegnung mit einer britischen Mannschaft fand 1888 statt, als die [[British and Irish Lions|British Lions]] auf Tournee in Australien und Neuseeland waren. Allerdings wurden keine Länderspiele im eigentlichen Sinne ausgetragen, sondern Spiele gegen Auswahlmannschaften der Provinzen. === Die ersten internationalen Spiele === [[Datei:1905 All Blacks.jpg|thumb|Die [[Original All Blacks]] von 1905]] 1888 und 1889 waren die ''[[New Zealand Natives]]'', eine von Privatleuten gesponserte, inoffizielle und fast ausschließlich aus [[Māori]] zusammengesetzte Mannschaft, die erste Auswahl aus einer britischen Kolonie, die in [[Vereinigtes Königreich|Großbritannien]] Spiele austrug. Im Jahr 1892 erfolgte die Gründung der [[New Zealand Rugby Football Union]] (NZRFU). Der Verband repräsentierte zunächst sieben Provinzen. Die Provinzverbände von Canterbury, [[Otago Rugby Football Union|Otago]] und [[Southland Rugby|Southland]] von der [[Südinsel (Neuseeland)|Südinsel]] traten erst einige Jahre später bei.<ref>Sämtliche Mitglieder des NZRFU-Exekutivkomitees mussten in [[Wellington]] Wohnsitz nehmen, diese Regelung wurde erst 1986 abgeschafft.</ref> Die erste offizielle, von der NZRFU sanktionierte neuseeländische Mannschaft reiste 1894 durch New South Wales und trug am 15. September desselben Jahres ihr erstes „internationales“ Heimspiel aus, wobei sie mit 6:8 gegen New South Wales verlor.<ref>[http://stats.allblacks.com/tourbreak.asp?IDID=3 Spielstatistik New South Wales - Neuseeland] auf der Website der All Blacks</ref> Das erste Länderspiel im heutigen Sinne fand am 15. August 1903 in [[Sydney]] statt und endete mit einem 22:3-Sieg der Neuseeländer über Australien.<ref>[http://stats.allblacks.com/teamsheet.asp?MT_ID=1045 Spielstatistik des ersten Länderspiels] auf der Website der All Blacks</ref> 1905 reiste erstmals eine offizielle neuseeländische Auswahl durch Großbritannien, [[Irland]], [[Frankreich]] und [[Kalifornien]]. Während dieser Tour entstand der Begriff ''All Blacks'' (dt. etwa „die ganz in Schwarz Gekleideten“), weshalb man diese Mannschaft auch als ''[[Original All Blacks]]'' bezeichnet. Sie trugen 35 Spiele aus, darunter fünf Länderspiele. Die einzige Niederlage mussten die Neuseeländer in [[Cardiff]] gegen die [[Walisische Rugby-Union-Nationalmannschaft|walisische Nationalmannschaft]] hinnehmen, ansonsten feierten sie ausnahmslos Siege.<ref>[http://stats.allblacks.com/tourbreak.asp?IDID=11 Statistik der Tour der Original All Blacks 1905/06] auf der Website der All Blacks</ref> Mit dieser Tour begründeten die Neuseeländer ihren Ruf, eine der besten Rugby-Mannschaften der Welt zu sein. 1908 stattete eine aus Engländern und Walisern zusammengesetzte britische Auswahl Neuseeland einen Besuch ab, sie verlor zwei Spiele gegen die All Blacks und erreichte ein Unentschieden. Mit Ausnahme einer zweimonatigen Tour 1913 durch den Westen der [[Vereinigte Staaten|USA]] und [[British Columbia]] spielten die All Blacks bis nach dem [[Erster Weltkrieg|Ersten Weltkrieg]] ausschließlich gegen die australische Nationalmannschaft und diverse Provinzmannschaften. In den Jahren 1915 bis 1919 war der internationale Spielbetrieb eingestellt. Nach Kriegsende spielte eine Auswahl der neuseeländischen Armee in England an einem internationalen Turnier um den [[King’s Cup (Rugby)|King’s Cup]]. Das Team gewann den Pokal und bildete in den folgenden Jahren die Kerngruppe der All Blacks. === Zwischenkriegszeit === Die bis heute andauernde Rivalität mit Südafrika nahm im Jahr 1921 ihren Anfang, als die ''[[Südafrikanische Rugby-Union-Nationalmannschaft|Springboks]]'' (wie die südafrikanische Mannschaft üblicherweise genannt wird) erstmals nach Neuseeland kamen. Die aus drei Begegnungen bestehende Länderspielserie (engl. ''test series'') endete ausgeglichen mit je einem Sieg, einem Unentschieden und einer Niederlage. Der Gegenbesuch der All Blacks erfolgte 1928, auch diese Serie endete ausgeglichen. Nach einer Unterbrechung von fast zwanzig Jahren organisierte die NZRFU im Jahr 1924 wieder eine Tour nach Europa, die neben 28 Spielen gegen Vereine und Provinzmannschaften auch vier Länderspiele umfasste. Die Mannschaft erhielt den Spitznamen ''The Invincibles'' („die Unbesiegbaren“), weil sie kein einziges Spiel verlor.<ref>[http://stats.allblacks.com/tourbreak.asp?IDID=22 Statistik der Tour der Invincibles 1924/25] auf der Website der All Blacks</ref> Allerdings wurde ihr die Chance verwehrt, den ersten [[Grand Slam#Rugby Union|Grand Slam]] (Siege gegen alle britischen Mannschaften in derselben Saison) zu erzielen: Schottland weigerte sich zu spielen, da in der Frage der Aufwandsentschädigung keine Einigung erzielt werden konnte. Die erste wirklich repräsentative britische Mannschaft, bestehend aus Spielern aus allen vier Landesteilen und heute unter der Bezeichnung [[British and Irish Lions]] bekannt, unternahm 1930 eine Tour nach Neuseeland. Obwohl die Lions das erste Länderspiel gewannen, siegten die All Blacks nach einer Umstellung der Mannschaft in den drei weiteren Spielen und konnten die Serie mit 3:1 für sich entscheiden. Die nächste Europatour der All Blacks folgte 1935/36. Von den 30 ausgetragenen Spielen verloren sie nur drei, darunter zwei Länderspiele.<ref>[http://stats.allblacks.com/tourbreak.asp?IDID=33 Statistik der Tour der All Blacks 1935/36] auf der Website der All Blacks</ref> Erstmals gelang dem Rugby-Mutterland [[Englische Rugby-Union-Nationalmannschaft|England]] ein Sieg gegen Neuseeland, dank zwei erfolgreichen [[Versuch (Rugby)|Versuchen]] des emigrierten russischen Fürsten [[Alexander Sergejewitsch Obolenski|Alexander Obolenski]].<ref>[http://www.telegraph.co.uk/sport/main.jhtml?xml=/sport/2006/11/02/srgall02.xml The day a Russian prince in an England shirt beat the All Blacks] - Bericht auf telegraph.co.uk</ref> Als die Südafrikaner 1937 zu Besuch in Neuseeland waren, gewannen sie die Länderspielserie mit 2:1. Die All Blacks siegten zwar im ersten ''test match'', verloren aber die zwei darauf folgenden. In der Folge wurde die 1937er-Mannschaft Südafrikas oft als die beste bezeichnet, die jemals in Neuseeland gespielt hat. In den Jahren 1939 bis 1945 konnten die All Blacks wegen des [[Zweiter Weltkrieg|Zweiten Weltkriegs]] erneut kein einziges Spiel austragen. === 1940er bis 1970er Jahre === Die nächste größere Tour außerhalb Ozeaniens folgte im Jahr 1949, als die All Blacks Südafrika besuchten. An einem Tag mussten die All Blacks gleich zwei Niederlagen in Länderspielen hinnehmen. Dies war möglich, weil Australien zur selben Zeit in Neuseeland tourte und gegen die Reservemannschaft antrat. Am Nachmittag des 3.&nbsp;September (neuseeländische Zeit) unterlag das B-Team in [[Auckland]] den Australiern 3:9. Am selben Nachmittag (südafrikanische Zeit) verlor die erste Mannschaft in [[Durban]] mit 6:11 gegen Südafrika. Die Viererserie in Südafrika endete mit vier Niederlagen, bis heute eine der schlechtesten Leistungen in der Geschichte der All Blacks. Die in Neuseeland verbliebene Reservemannschaft verlor auch das zweite Länderspiel gegen Australien, was dem Nachbar den erstmaligen Gewinn des [[Bledisloe Cup]] ermöglichte. Die NZRFU beschloss als Folge der Niederlagenserie, künftig die Kräfte zu bündeln und keine zweite Mannschaft gleichzeitig spielen zu lassen. Als die Südafrikaner 1956 in Neuseeland zu Besuch waren, gelang den All Blacks die Revanche: Sie gewannen drei der vier Länderspiele und konnten die Serie erstmals für sich entscheiden. Der 3:1-Erfolg in der Länderspielserie gegen die British and Irish Lions im Jahr 1959 war der Beginn einer besonders erfolgreichen Phase. Während der 1960er Jahre dominierten die All Blacks die britischen Teams fast nach Belieben. Bei ihrer Europatour 1964 verpassten sie den Grand Slam denkbar knapp: Nach Siegen gegen Irland, Wales und England verhinderte das punktelose Unentschieden gegen Schottland den totalen Triumph. Eine weitere Chance, den Grand Slam zu schaffen, bot sich 1967. Doch nach drei gewonnenen Spielen musste die Begegnung mit Irland wegen eines Ausbruchs der [[Maul- und Klauenseuche]] abgesagt werden. Von 1965 bis 1970 blieben die All Blacks in allen 17 Länderspielen ungeschlagen, bis heute die längste Siegesserie. Unter anderem wurden 1966 die Lions in allen vier Spielen geschlagen, als diese auf Tour in Neuseeland waren. 1971 kehrten die Lions nach Neuseeland zurück. Dieses Mal entschieden sie die Länderspielserie mit 2:1 Siegen für sich. Bis heute ist dies die einzige Serie, welche die Briten in Neuseeland gewinnen konnten. 1972/73 reisten die All Blacks erneut nach Europa und unternahmen einen weiteren Versuch, einen Grand Slam zu erzielen, doch die Iren rangen ein Unentschieden ab. 1978 waren die Bemühungen schließlich erfolgreich, als die All Blacks alle britischen Mannschaften bezwingen konnten. Das Spiel gegen Wales, das mit 13:12 endete, wurde allerdings erst in der letzten Spielminute entschieden, nachdem der Schiedsrichter einen umstrittenen [[Penalty]] pfiff. Die einzige Niederlage während dieser Tour mussten die All Blacks gegen eine Provinzmannschaft hinnehmen, als sie in [[Limerick]] mit 0:12 gegen das Team von [[Munster Rugby]] verloren. Der sensationelle Erfolg Munsters inspirierte den irischen Theaterregisseur John Breen, das Stück ''Alone it Stands'' zu schreiben, welches das Spiel zum Thema hat.<ref>[http://nbr.co.nz/smythe/2005/04/alone-it-stands-at-court-theatre.html Alone It Stands - at Court Theatre] - Theaterkritik von John Smythe</ref> === Kontroversen === [[Datei:NoMaorisNoTour.jpg|thumb|Ankündigung einer Versammlung der Citizens' All Black Tour Association (1960). Die Vereinigung forderte, die Mannschaft vor Spielen gegen Südafrika nicht aufgrund der Kriterien der Apartheid zusammenzustellen.]] Aus rein sportlicher Sicht war die 24 Spiele umfassende Tour nach Südafrika im Jahr 1976 wenig erfolgreich: Die All Blacks verloren drei Spiele gegen Provinzmannschaften und auch drei der vier Länderspiele gegen die ''Springboks''.<ref>[http://stats.allblacks.com/tourbreak.asp?IDID=74 Statistik der Südafrika-Tour 1976] auf der Website der All Blacks</ref> Weitaus größere Auswirkungen hatte die Tour auf politischer Ebene. Wegen der [[Apartheid]]-Politik Südafrikas weigerten sich zahlreiche Māori, dort zu spielen. Seit Beginn der 1960er Jahre war immer wieder durch öffentliche Proteste und politischen Druck versucht worden, die NZRFU dazu zu bewegen, entweder überhaupt keine Māori zu nominieren oder ganz auf Spiele in Südafrika zu verzichten. Während Premierminister [[Norman Kirk]] 1973 eine Tour der All Blacks untersagte, gab sein Nachfolger [[Robert Muldoon]] die Erlaubnis dazu. Er vertrat den Standpunkt, die Politik dürfe sich nicht in den Sport einmischen. Dieser kontroverse Beschluss hatte den Protest zahlreicher afrikanischer Staaten zur Folge, die ultimativ den Ausschluss Neuseelands von den [[Olympische Sommerspiele 1976|Olympischen Sommerspielen 1976]] forderten. Das [[Internationales Olympisches Komitee|Internationale Olympische Komitee]] ging nicht darauf ein, mit der Begründung, Rugby sei keine olympische Sportart. 28 afrikanische Staaten boykottierten daraufhin die Spiele in [[Montreal]]. Als Reaktion auf diese umstrittene Tour unterzeichneten die Regierungen der [[Commonwealth of Nations|Commonwealth]]-Staaten 1977 die [[Gleneagles-Vereinbarung]], die sportliche Beziehungen mit Südafrika ächtete.<ref>[http://www.nzhistory.net.nz/culture/1981-springbok-tour/gleneagles-agreement From Montreal to Gleneagles] - Artikel auf nzhistory.net</ref> Noch umstrittener war die Tour der ''Springboks'' nach Neuseeland im Jahr 1981. Von Ende Juli bis Mitte September trugen die von der NZRFU eingeladenen Südafrikaner mehrere Spiele aus, darunter drei Länderspiele gegen die All Blacks. Schon lange vorher war die Tour stark umstritten. Viele verurteilten sie als Unterstützung der weißen Herrschaft in Südafrika, während andere auf angespannte Beziehungen zu den Māori im eigenen Land hinwiesen. Erneut lehnte Robert Muldoon jegliche Einmischung ab. Die Spiele waren gut besucht, doch in zahlreichen Städten gab es zum Teil heftige Protestkundgebungen. In [[Hamilton (Neuseeland)|Hamilton]] rissen 350 Demonstranten die Abschrankungen nieder, stürmten das Spielfeld und erzwangen den Abbruch des Spiels. Auch in [[Timaru]] musste ein Spiel abgesagt werden. In [[Wellington]] kam es mehrmals zu Straßenschlachten und während des letzten Spiels in [[Auckland]] wurden von einem tief fliegenden Flugzeug aus Mehlsäcke auf das Spielfeld im [[Eden Park]] abgeworfen.<ref>[http://www.nzherald.co.nz/section/4/story.cfm?c_id=4&ObjectID=10390269 Protests a turning point in the history of New Zealand] - Artikel des New Zealand Herald, 8. Juli 2006</ref> 1985 plante die NZRFU erneut eine Tour nach Südafrika. Zwei Anwälte reichten eine Klage ein und argumentierten, dieses Vorhaben sei ein Verstoß gegen die Verbandsstatuten. Das Oberste Gericht verbot daraufhin die Durchführung dieser Tour. Zahlreiche Spieler, die sich selbst als ''The Cavaliers'' („die Kavaliere“) bezeichneten, hielten sich nicht an das Verbot und organisierten 1986 eine inoffizielle Tour nach Südafrika. Nach ihrer Rückkehr wurden sie vom Verband mit mehrmonatigen Spielsperren bestraft. Erst 1994, nach Aufhebung der Apartheid, fanden wieder Länderspiele zwischen Neuseeland und Südafrika statt. === Die ersten Weltmeisterschaften === [[Datei:Webb Ellis Cup.jpg|thumb|Der [[Webb Ellis Cup]], die WM-Siegertrophäe]] 1987 veranstalteten Neuseeland und Australien gemeinsam die erste [[Rugby-Union-Weltmeisterschaft 1987|Rugby-Union-Weltmeisterschaft]]. Die All Blacks wurden ihrer klaren Favoritenrolle gerecht. Nach drei deutlichen Siegen in der Vorrundengruppe 1 gegen Italien, Fidschi und Argentinien bezwangen sie ebenso deutlich Schottland im Viertel- und Wales im Halbfinale. Das Endspiel im Eden Park in [[Auckland]] gegen Frankreich gewannen sie mit 29:9. In sechs Spielen erzielten sie 43 Versuche und mussten nur 52 Punkte hinnehmen.<ref name="RUWC">[http://stats.allblacks.com/rwc.asp Ergebnisse bei Weltmeisterschaften] auf der Website der All Blacks</ref> Die Überlegenheit der All Blacks zeigte sich auch 1988 während der Tour in Australien, als die Mannschaft unbesiegt blieb (zwölf Siege und ein Unentschieden).<ref>[http://stats.allblacks.com/tourbreak.asp?IDID=107 Statistik der Australien-Tour 1988] auf der Website der All Blacks</ref> Noch besser lief es 1989, als die All Blacks sämtliche 19 ausgetragenen Spiele gewannen (darunter sieben Länderspiele). Im August 1990 verloren sie gegen Australien nach vier Jahren erstmals wieder ein Spiel. Bei der [[Rugby-Union-Weltmeisterschaft 1991|Weltmeisterschaft 1991]] galt die Mannschaft als überaltert. Sie gewann zwar alle drei Vorrundenspiele, konnte sich dabei aber gegen England und Italien nur knapp durchsetzen. Nachdem sie im Viertelfinale Kanada besiegt hatten, verloren die All Blacks das Halbfinale gegen den späteren Weltmeister Australien. Gegen Schottland sicherten sie sich den dritten Platz.<ref name="RUWC" /> Nach Ende dieser Weltmeisterschaft gab es zahlreiche Rücktritte. Die deutlich verjüngte Mannschaft spielte vorerst nicht auf dem gewohnt hohen Niveau und verlor unter anderem 1994 zwei Heimspiele hintereinander gegen Frankreich. Die [[Rugby-Union-Weltmeisterschaft 1995|Weltmeisterschaft 1995]] fand in Südafrika statt, und wieder galten die All Blacks als Favoriten. Diese Favoritenrolle bestätigten sie mit Siegen gegen Irland und Wales in der Vorrunde. Japan wurde mit 145:17 geschlagen, dies ist bis heute der deutlichste Sieg der All Blacks. Nach dem Viertelfinalsieg über Schottland wurden sie den Vorschusslorbeeren auch im Halbfinale gerecht, als sie mit 45:29 gegen England gewannen. Doch am Tag vor dem Endspiel litt fast die gesamte Mannschaft aufgrund einer Lebensmittelvergiftung an [[Gastroenteritis]] (Magen-Darm-Grippe). Die geschwächten Neuseeländer verloren schließlich mit 12:15 nach Verlängerung gegen den Gastgeber Südafrika.<ref name="RUWC" /> === Professionelle Ära === [[Datei:All Blacks Wallabies.jpg|thumb|All Blacks gegen Australien]] Im August 1995 beschloss der [[International Rugby Board]], Rugby Union für [[Profi]]spieler zu öffnen, um so der zunehmenden Abwerbung guter Spieler durch finanzkräftige [[Rugby League]]-Vereine zu begegnen. Noch im selben Jahr gründeten die Verbände Südafrikas, Neuseelands und Australiens das Konsortium SANZAR. Dieses war mit dem Zweck gegründet worden, Fernsehübertragungsrechte für zwei neu eingeführte Wettbewerbe zu verkaufen, die internationale Liga Super 12 (später [[Super 14]]) und das [[Tri Nations (Rugby Union)|Tri-Nations]]-Turnier. Da die neuen Wettbewerbe keine Zeit für monatelange Überseetouren mehr ließen, nahm diese Tradition der [[Amateur]]ära ein rasches Ende. Die erste Austragung von Tri Nations im Jahr 1996 wurde von den All Blacks gewonnen. Dieser Erfolg hatte auch eine besondere historische Bedeutung. Erstmals überhaupt war es den Neuseeländern gelungen, eine Länderspielserie in Südafrika für sich zu entscheiden. Die All Blacks gewannen 1997 bei Tri Nations alle Spiele und verteidigten den Titel. 1998 jedoch gingen alle vier Spiele verloren. Es war das erste Mal seit 1949, dass die All Blacks vier Mal in Folge als Verlierer vom Platz gehen mussten. Am 28. August 1999 verloren sie in [[Sydney]] mit 7:28 gegen Australien, was bis heute ihre höchste Niederlage ist. Nur knapp einen Monat später konnten sich die All Blacks während der [[Rugby-Union-Weltmeisterschaft 1999|Weltmeisterschaft 1999]] in Wales wieder auffangen. Sie dominierten ihre Vorrundengruppe fast nach Belieben und siegten gegen Tonga, England und Italien. Nachdem sie sich im Viertelfinale gegen Schottland durchgesetzt hatten, trafen die All Blacks im Halbfinale auf Frankreich. Nach Ende der ersten Halbzeit lagen sie zwar 17:10 vorne, doch die Franzosen waren in der zweiten Halbzeit überraschenderweise die klar bessere Mannschaft und siegten mit 43:31. Im Spiel um Platz 3 unterlagen die All Blacks auch Südafrika.<ref name="RUWC" /> 2000 und 2001 belegten die All Blacks im Tri-Nations-Turnier jeweils den zweiten Platz, in den zwei darauf folgenden Jahren gewannen sie das Turnier. Nach dem Tri-Nations-Sieg galten die Neuseeländer im Vorfeld der [[Rugby-Union-Weltmeisterschaft 2003|Weltmeisterschaft 2003]] in Australien erneut als Favoriten für den Weltmeistertitel. Die Vorrundengegner Italien, Kanada und Tonga waren chancenlos, nur Wales vermochte längere Zeit Gegenwehr zu leisten, wenn auch letztlich ohne Erfolg. Nach einem deutlichen Viertelfinalsieg über Südafrika trafen die All Blacks im Halbfinale auf den amtierenden Weltmeister Australien. Neuseeland verlor das Spiel mit 10:22, der Sieg im Spiel um Platz 3 gegen Frankreich war nur noch von geringer Bedeutung.<ref name="RUWC" /> Im Juni 2004 feierten die All Blacks zwei klare Heimsiege gegen den neuen Weltmeister England, doch das Tri-Nations-Turnier im selben Jahr beendeten sie auf dem letzten Platz. 2005 waren die [[British and Irish Lions]] auf Tournee in Neuseeland. Die All Blacks gewannen die Länderspielserie mit 3:0, gewannen im selben Jahr das Tri-Nations-Turnier und schafften ihren zweiten [[Grand Slam#Rugby Union|Grand Slam]] gegen die Nationalmannschaften von den Britischen Inseln. Die All Blacks wurden vom International Rugby Board als Mannschaft des Jahres ausgezeichnet, [[Graham Henry]] erhielt die Auszeichnung als Trainer des Jahres und [[Daniel Carter]] jene als Spieler des Jahres.<ref>[http://www.irb.com/EN/Tournaments+and+Events/IRB+Awards/Past+winners/ IRB Awards]</ref> Aufgrund ihrer herausragenden Leistungen waren die All Blacks als „Mannschaft des Jahres“ bei den [[Laureus World Sports Awards]] 2006 nominiert. Die Erfolgsserie hielt 2006 weiterhin an. Nach einem klaren Turniersieg bei Tri Nations folgten Ende des Jahres deutliche Siege gegen Frankreich, England und Wales. Die All Blacks bauten ihre Vormachtstellung weiter aus und wurden folgerichtig vom IRB erneut als beste Mannschaft des Jahres geehrt. [[Richie McCaw]] konnte den Preis als Spieler des Jahres entgegennehmen. Auch 2007 waren die All Blacks bei den Laureus World Sports Awards als „Mannschaft des Jahres“ nominiert. Nachdem sie erneut das Tri-Nations-Turnier gewonnen hatten, galten die All Blacks im Vorfeld der [[Rugby-Union-Weltmeisterschaft 2007|Weltmeisterschaft 2007]] wiederum als meistgenannte Favoriten. Sie gewannen ihre Vorrundengruppe souverän, scheiterten dann aber im Viertelfinale überraschend an Frankreich und erzielten ihr schlechtestes WM-Ergebnis überhaupt. Im folgenden Jahr gelang erneut der Sieg bei den [[Tri Nations 2008|Tri Nations]] und gleichzeitig die Verteidigung des Bledisloe Cups, der erstmals auch durch ein Spiel in [[Hongkong]] entschieden wurde. Aufgrund der zahlreichen Siege nach der WM führt Neuseeland souverän die Weltrangliste an und wird bei der Weltmeisterschaft 2011 im eigenen Land auf Rang 1 gesetzt sein. Die herausragende Stellung Neuseelands wurde auch vom IRB bei der Vergabe der jährlichen Awards gewürdigt. Die All Blacks wurden zur Mannschaft des Jahres ernannt und Graham Henry erhielt die Auszeichnung des besten Trainers. [[Luke Braid]] wurde zum Juniorenspieler des Jahres ausgezeichnet und [[DJ Forbes]] zum besten [[7er-Rugby|7er-Spieler]] ernannt.<ref>IRB: [http://www.irb.com/history/awards/newsid=2027750.html#shane+williams+irb+player+year+2008 Shane Williams: IRB Player of the Year 2008]</ref> == Der Spitzname „All Blacks“ == Billy Wallace, der letzte lebende Spieler der [[Original All Blacks]] von 1905/06, sagte 1955 in einem Interview, ein Journalist der Zeitung [[Daily Mail]] habe die Neuseeländer nach dem Spiel gegen Hartlepool als „all backs“ bezeichnet. Er meinte damit, die üblicherweise schweren und großen Spieler der Vordermannschaft (engl. ''forwards'') seien im Gegensatz zu ihren Gegnern schnell und wendig und beherrschten das Passspiel ebenso gut wie die Hintermannschaft (engl. ''backs''). Sie würden also wie die Hintermannschaft spielen („as if they were all backs“). Wallace behauptete ferner, wegen eines Druckfehlers in einem Artikel vor dem nächsten Spiel gegen Somerset sei die Mannschaft in der Folge von Zuschauern und Medien nur noch als „All Blacks“ bezeichnet worden. Wallaces Darstellung wird heute weitgehend abgelehnt, da sich aus dem Zeitraum 1905-06 keine einzige englische Zeitung finden lässt, die von „All Backs“ (ohne l) schreibt. Der Begriff „All Blacks“ (mit l) erschien tatsächlich erstmals nach der Begegnung mit Hartlepool in einem Spielbericht der Regionalzeitung ''Northern Daily Mail'', die in der Folge von der nationalen Ausgabe der Daily Mail übernommen wurde. Autor dieses Artikels ist J.A. Buttery, Rugby-Korrespondent der Daily Mail während der Tour der Neuseeländer, der mit dem Spitznamen Bezug auf die (mit Ausnahme des [[Silberfarn]]s) gänzlich schwarze Spielkleidung der Mannschaft nahm.<ref>[http://www.rugbymuseum.co.nz/asp/container_pages/normal_menu/rmArticle.asp?IDID=138 ''ALL BLACKS - The Name?''] auf der Website des New Zealand Rugby Museum.</ref> == Spielkleidung == [[Datei:Allblack-whitewashed.jpg|thumb|Trikot der All Blacks]] Das aktuelle Trikot der All Blacks ist vollkommen schwarz, mit Ausnahme des weißen Logos des offiziellen Trikotsponsors [[adidas]] und des stilisierten [[Silberfarn]]s (Logo der NZRFU) auf der Vorderseite und der ebenfalls weißen Rückennummer. Bei ihrer ersten Auslandsreise, der 1884er-Tour nach Australien, trugen die neuseeländischen Rugbyspieler Spielkleidung, die sich von der heutigen stark unterscheidet. Sie bestand aus einem dunkelblauen Hemd mit einem goldenen Farn auf der linken Vorderseite. 1893 beschloss die NZRFU auf ihrer jährlichen Generalversammlung, dass die Spielkleidung künftig aus einem schwarzen Hemd mit Silberfarn und weißen [[Knickerbocker]]n bestehen solle. Fotos aus jener Epoche lassen jedoch darauf schließen, dass stattdessen weiße Shorts getragen wurden. Irgendwann nach 1897 gab es eine Veränderung, denn 1901 trat die Mannschaft gegen New South Wales in schwarzen Segeltuchhemden ohne Kragen, schwarzen Shorts und schwarzen Socken an.<ref>¨[http://www.teara.govt.nz/1966/A/AllBlacks/TheallBlackUniform/en “All Black” Uniform] auf www.teara.govt.nz (Te Ara - The Encyclopedia of New Zealand)</ref> In früheren Jahren gab es bisweilen Hemden mit weißem Kragen. Heute gilt das Trikot der All Blacks als bekanntestes Rugby-Trikot der Welt. Seit 2000 tragen die All Blacks bei Spielen gegen [[Französische Rugby-Union-Nationalmannschaft|Frankreich]] Hemden mit einer auf dem rechten Ärmel aufgestickten roten Mohnblume. Damit soll den Soldaten des [[Australian and New Zealand Army Corps]] gedacht werden, die während des [[Erster Weltkrieg|Ersten Weltkriegs]] auf den Schlachtfeldern Europas ihr Leben ließen.<ref>[http://www.int.iol.co.za/index.php?click_id=18&art_id=qw116167788450S163&set_id= All Blacks to honour fallen soldiers] (Meldung auf www.iol.co.za)</ref> Äußerst selten treten die All Blacks bei Auswärtsspielen nicht in Schwarz auf, in der Regel in Spielen gegen Mannschaften, die ebenfalls dunkle Spielkleidung tragen (beispielsweise das schottische Dunkelblau). 2006 wurde das früher in solchen Fällen verwendete weiße Hemd gegen ein graues getauscht. == Der Haka == [[Datei:Allblackhaka.jpg|thumb|350px|Die All Blacks tanzen den Haka]] Vor jedem Länderspiel führen die All Blacks den [[Haka]] auf, einen Ritualtanz der [[Māori]], um ihre Gegner einzuschüchtern und um sich selbst zu motivieren. Der Haka wird oft als Herausforderung zum Kampf beschrieben. Seit der Tour der [[New Zealand Natives]] 1888/89 ist der Haka ein fester Bestandteil des neuseeländischen Rugby. Bis 2005 wurde ausschließlich ein Haka mit dem Titel ''[[Haka#Ka Mate|Ka Mate]]'' getanzt, der zu Beginn des 19. Jahrhunderts von [[Te Rauparaha]] komponiert worden war, dem Stammesführer der [[Ngāti Toa]]. Vor einem [[Tri Nations (Rugby Union)|Tri-Nations]]-Spiel gegen Südafrika am 28. August 2005 in [[Dunedin]] führten die All Blacks einen völlig neuen Haka auf, ''[[Haka#Kapa o Pango|Kapa o Pango]]''. Dieser wurde komponiert, um die multikulturelle Zusammensetzung der neuseeländischen Bevölkerung zu betonen, insbesondere den wachsenden Einfluss der [[Polynesien|Polynesier]]. Der neue Haka soll nur zu besonderen Anlässen aufgeführt werden und soll ''Ka Mate'' nicht ersetzen.<ref>[http://www.nzherald.co.nz/section/4/story.cfm?c_id=4&objectid=10342926 New haka the cutting edge of sport] - Artikel des New Zealand Herald vom 29. August 2005</ref> ''Kapa o Pango'' endet mit einer umstrittenen, auf das gegnerische Team gerichteten Geste des „Hals-Durchschneidens“. Dies führte zu Vorwürfen, der neue Haka rufe zu Gewalt auf und sende ein falsches Signal an die Fans. Die NZRFU unterzog ''Kapa o Pango'' einer genauen Untersuchung und eine Expertenkommission kam zum Schluss, dass die Geste in der Kultur der Māori eine völlig andere Bedeutung hat. Laut Komponist Derek Lardelli steht sie für das Ziehen lebenswichtiger Energie in die Herzen und Lungen. == Stadien == [[Datei:Eden Park.jpg|thumb|[[Eden Park]] in Auckland]] Im Gegensatz zu anderen bedeutenden Rugbynationen besitzt Neuseeland kein ausschließlich für die Nationalmannschaft vorgesehenes Stadion. Stattdessen tragen die All Blacks ihre Heimspiele in mehreren über das ganze Land verteilten Stadien aus. 2005 und 2006 waren dies der [[Eden Park]] in [[Auckland]], das [[North Harbour Stadium]] in [[North Shore City|North Shore]], das [[Westpac Stadium]] in [[Wellington]], das [[Jade Stadium]] in [[Christchurch]], das [[Waikato Stadium]] in [[Hamilton (Neuseeland)|Hamilton]] und [[Carisbrook]] in [[Dunedin]]. Vor dem Bau des Westpac Stadium im Jahr 1999 war der [[Athletic Park]] die traditionelle Spielstätte in Wellington. Dort war am 13. August 1904 das erste Heimspiel der All Blacks gegen Großbritannien ausgetragen worden. Das erste Spiel außerhalb der Ballungszentren Auckland, Christchurch, Dunedin und Wellington fand am 7. Juni 1996 im [[McLean Park]] in [[Napier (Neuseeland)|Napier]] statt. Austragungsort des Finalspiels der [[Rugby-Union-Weltmeisterschaft 1987]] war der Eden Park. Im Hinblick auf die [[Rugby-Union-Weltmeisterschaft 2011]] wird die Zuschauerkapazität des Eden Park und des Jade Stadium markant erhöht. Als Alternative zur Erweiterung des Eden Park hatte die neuseeländische Regierung den Bau eines Nationalstadions am alten Hafen von Auckland vorgeschlagen. Dieses Vorhaben stieß bei den Behörden von Stadt und Region Auckland auf Widerstand und wurde Ende November 2006 fallengelassen.<ref>[http://www.nzherald.co.nz/section/1/story.cfm?c_id=1&objectid=10412665 It's Eden Park says disappointed Mallard] - Artikel des New Zealand Herald vom 27. November 2006</ref> == Spieler == === Aktueller Kader === Die folgenden Spieler bilden den Kader während der Novemberländerspiele:<ref>{{Internetquelle|hrsg=Planet Rugby|titel=Changes aplenty with All Blacks, including coaches roles|url=http://www.allblacks.com/news/11361/Changes-aplenty-with-All-Blacks-including-coaches-roles|datum=19. Oktober 2009|zugriff=19. Oktober 2009|sprache=englisch}}</ref> {| | valign="top"| Hintermannschaft ''(backs)'' {| class="prettytable" |- bgcolor="#EFEFEF" ! Spieler ! Position ! Mannschaft ! Länderspiele |- | [[Jimmy Cowan]] || [[Positionen im Rugby Union#9 Gedrängehalb|Gedrängehalb]] || [[Southland Rugby|Southland]] || style="text-align:center" | 28 |- | [[Andy Ellis]] || Gedrängehalb || [[Canterbury Rugby Football Union|Canterbury]] || style="text-align:center" | 11 |- | [[Brendon Leonard]] || Gedrängehalb || [[Waikato Rugby Union|Waikato]] || style="text-align:center" | 12 |- | [[Dan Carter]] || [[Positionen im Rugby Union#10 Verbindungshalb|Verbinder]] || Canterbury || style="text-align:center" | 62 |- | [[Mike Delany]] || Verbinder || [[Bay of Plenty Rugby Union|Bay of Plenty]] || style="text-align:center" | 0 |- | [[Stephen Donald]] || Verbinder || Waikato || style="text-align:center" | 16 |- | [[Tamati Ellison]] || [[Positionen im Rugby Union#13 Zweiter Innendreiviertel und 12 Erster Innendreiviertel|Innendreiviertel]] || [[Wellington Rugby Football Union|Wellington]] || style="text-align:center" | 0 |- | [[Luke McAlister]] || Innendreiviertel || [[North Harbour Rugby Union|North Harbour]] || style="text-align:center" | 28 |- | [[Ma’a Nonu]] || Innendreiviertel || Wellington || style="text-align:center" | 42 |- | [[Conrad Smith]] || Innendreiviertel || Wellington || style="text-align:center" | 29 |- | [[Zac Guildford]] || [[Positionen im Rugby Union#14 Langer Außendreiviertel und 11 Kurzer Außendreiviertel|Außendreiviertel]] || [[Hawke's Bay Rugby Union|Hawke's Bay]] || style="text-align:center" | 0 |- | [[Sitiveni Sivivatu]] || Außendreiviertel || [[Auckland Rugby Football Union|Auckland]] || style="text-align:center" | 39 |- | [[Ben Smith]] || Außendreiviertel || [[Otago Rugby Football Union|Otago]] || style="text-align:center" | 0 |- | [[Cory Jane]] || [[Positionen im Rugby Union#15 Schlussmann|Schlussmann]]|| Wellington || style="text-align:center" | 8 |- | [[Mils Muliaina]] || Schlussmann || Waikato || style="text-align:center" | 77 |} | Stürmer ''(forwards)'' {| class="prettytable" |- bgcolor="#EFEFEF" ! Spieler ! Position ! Mannschaft ! Länderspiele |- | [[John Afoa]] || [[Positionen im Rugby Union#1 Linker Pfeiler und 3 Rechter Pfeiler|Pfeiler]] || Auckland || style="text-align:center" | 20 |- | [[Wyatt Crockett]] || Pfeiler || Canterbury || style="text-align:center" | 1 |- | [[Owen Franks]] || Pfeiler || Canterbury || style="text-align:center" | 6 |- | [[Neemia Tialata]] || Pfeiler || Wellington || style="text-align:center" | 37 |- | [[Tony Woodcock (Rugbyspieler)|Tony Woodcock]] || Pfeiler || North Harbour || style="text-align:center" | 58 |- | [[Corey Flynn]] || [[Positionen im Rugby Union#2 Hakler|Hakler]] || Canterbury || style="text-align:center" | 5 |- | [[Andrew Hore]] || Hakler || [[Taranaki Rugby Football Union|Taranaki]] || style="text-align:center" | 43 |- | [[Aled de Malmanche]]<ref>{{Internetquelle|hrsg=Planet Rugby|titel=De Malmanche flies in for Flynn|url=http://www.planetrugby.com/story/0,25883,3551_5699767,00.html|datum=17. November 2009|zugriff=17. November 2009|sprache=englisch}}</ref> || Hakler || Waikato || style="text-align:center" | 2 |- | [[Anthony Boric]] || [[Positionen im Rugby Union#4 und 5 Zweite-Reihe-Stürmer|Zweite-Reihe-Stürmer]] || North Harbour || style="text-align:center" | 10 |- | [[Tom Donnelly]] || Zweite-Reihe-Stürmer || Otago || style="text-align:center" | 1 |- | [[Jason Eaton]] || Zweite-Reihe-Stürmer || Taranaki|| style="text-align:center" | 13 |- | [[Isaac Ross]] || Zweite-Reihe-Stürmer || Canterbury || style="text-align:center" | 3 |- | [[Brad Thorn]] || Zweite-Reihe-Stürmer || Canterbury || style="text-align:center" | 33 |- | [[Tanerau Latimer]] || [[Positionen im Rugby Union#6 Linker Flügelstürmer und 7 Rechter Flügelstürmer|Flügelstürmer]] || Bay of Plenty || style="text-align:center" | 3 |- | [[Richie McCaw]] [[Datei:Captain sports.svg|15px|Kapitän]] || Flügelstürmer || Canterbury || style="text-align:center" | 76 |- | [[Liam Messam]] || Flügelstürmer || Waikato || style="text-align:center" | 2 |- | [[Kieran Read]] || Flügelstürmer || Canterbury || style="text-align:center" | 12 |- | [[Rodney So'oialo]] || Flügelstürmer || Wellington || style="text-align:center" | 60 |- | [[Adam Thomson]] || Flügelstürmer || Otago || style="text-align:center" | 12 |- | [[Jerome Kaino]] || [[Positionen im Rugby Union#8 Nummer Acht|Nummer Acht]] || Auckland || style="text-align:center" | 22 |} |} === Herausragende Spieler === 14 ehemalige All Blacks sind aufgrund ihrer herausragenden Leistungen in die [[International Rugby Hall of Fame]] aufgenommen worden. Es sind dies [[Fred Allen (Rugbyspieler)|Fred Allen]], [[Don Clarke]], [[Sean Fitzpatrick]], [[Grant Fox]], [[David Gallaher]], [[Michael Niko Jones]], [[Ian Kirkpatrick]], [[John Kirwan (Rugbyspieler)|John Kirwan]], [[Brian Lochore]], [[Jonah Lomu]], [[Colin Meads]], [[Graham Mourie]], [[George Nepia]] und [[Wilson Whineray]]. === Rekorde === Nachfolgend sind die wichtigsten Statistiken aufgelistet, die Spieler der All Blacks betreffen.<ref>[http://stats.allblacks.com/statlist.asp Statistiken der All Blacks]</ref> Die mit <nowiki>*</nowiki> markierten Spieler sind noch aktiv und können sich daher weiter verbessern. Der Unterschied zwischen der Gesamtanzahl absolvierter Spiele („matches“) und den Länderspielen gegen andere Nationalmannschaften („tests“) ist dadurch erklärbar, dass in der Zeit vor Einführung der Weltmeisterschaft die All Blacks weitaus mehr Spiele gegen Vereine oder Regionalmannschaften austrugen als heute üblich. <small>Stand: 29. November 2008</small> [[Datei:All Blacks England.jpg|thumb|Die All Blacks gegen England]] Meiste Spiele (matches) für die All Blacks: {|border="0" cellpadding="2" |- valign="top" | : [[Colin Meads]]: 133 : [[Sean Fitzpatrick]]: 128 : [[Andy Haden]]: 117 : [[Ian Kirkpatrick]]: 113 : [[Bryan Williams (Rugbyspieler)|Bryan Williams]]: 113 | : [[Ian Jones]]: 105 : [[Bruce Robertson]]: 102 : [[Gary Whetton]]: 101 : [[Zinzan Brooke]]: 100 : [[John Kirwan (Rugbyspieler)|John Kirwan]]: 96 |} Meiste Länderspiele (tests) für die All Blacks: {|border="0" cellpadding="2" |- valign="top" | : [[Sean Fitzpatrick]]: 92 : [[Justin Marshall]]: 81 : [[Ian Jones]]: 79 : [[Tana Umaga]]: 74 : [[Richie McCaw]]: 70 <nowiki>(*)</nowiki> : [[Andrew Mehrtens]]: 70 : [[Malili Muliaina]]: 68 <nowiki>(*)</nowiki> : [[Chris Jack]]: 67 <nowiki>(*)</nowiki> : [[Greg Somerville]]: 66 | : [[Keven Mealamu]]: 65 <nowiki>(*)</nowiki> : [[Doug Howlett]]: 63 <nowiki>(*)</nowiki> : [[John Kirwan (Rugbyspieler)|John Kirwan]]: 63 : [[Jonah Lomu]]: 63 : [[Robin Brooke]]: 62 : [[Ali Williams]]: 61 <nowiki>(*)</nowiki> : [[Craig Dowd]]: 60 : [[Anton Oliver]]: 60 : [[Jeff Wilson]]: 60 | : [[Daniel Carter]]: 59 <nowiki>(*)</nowiki> : [[Zinzan Brooke]]: 58 : [[Christian Cullen]]: 58 : [[Byron Kelleher]]: 58 <nowiki>(*)</nowiki> : [[Gary Whetton]]: 58 : [[Olo Brown]]: 56 : [[Leon MacDonald]]: 56 <nowiki>(*)</nowiki> : [[Frank Bunce]]: 55 : [[Michael Niko Jones]]: 55 |} Meiste erzielte [[Versuch (Rugby)|Versuche]]: {|border="0" cellpadding="2" |- valign="top" | : [[Doug Howlett]]: 49 <nowiki>(*)</nowiki> : [[Christian Cullen]]: 46 : [[Jeff Wilson]]: 44 : [[Joe Rokocoko]]: 43 <nowiki>(*)</nowiki> | : [[Jonah Lomu]]: 37 : [[Tana Umaga]]: 36 : [[John Kirwan (Rugbyspieler)|John Kirwan]]: 35 : [[Daniel Carter]]: 25 <nowiki>(*)</nowiki> |} Meiste erzielte Punkte: <ref>Beinhaltet Versuche, Erhöhungen, Straftritte und Feldtore</ref> {|border="0" cellpadding="2" |- valign="top" | : [[Daniel Carter]]: 980 <nowiki>(*)</nowiki> : [[Andrew Mehrtens]]: 967 : [[Grant Fox]]: 645 : [[Carlos Spencer]]: 291 | : [[Doug Howlett]]: 245 <nowiki>(*)</nowiki> : [[Christian Cullen]]: 236 : [[Jeff Wilson]]: 234 : [[Joe Rokocoko]]: 215 <nowiki>(*)</nowiki> |} == Trainer == Da die Definition und Rolle der Trainer der All Blacks bis zur Tour nach Südafrika 1949 sehr stark variierte, beinhaltet die folgende Tabelle nur Trainer, die seitdem angestellt wurden. {| class="wikitable" |- ! Name ! Jahre ! Spiele ! Siege ! Unent. ! Ndlg. ! Siege in Prozent |- | Alex McDonald | 1949 | 4 | 0 | 0 | 4 | 0 |- | Tom Morrison | 1950, 5, 55 - 56 | 12 | 8 | 1 | 3 | 66.7 |- | Len Clode | 1951 | 3 | 3 | 0 | 0 | 100 |- | Arthur Marslin | 1953 - 1954 | 5 | 3 | 0 | 2 | 60 |- | Dick Everest | 1957 | 2 | 2 | 0 | 0 | 100 |- | Jack Sullivan | 1958 - 1960 | 11 | 6 | 1 | 4 | 54.5 |- | Neil McPhail | 1961 - 1965 | 20 | 16 | 2 | 2 | 80 |- | Ron Bush | 1962 | 2 | 2 | 0 | 0 | 100 |- | [[Fred Allen (Rugbyspieler)|Fred Allen]] | 1966 - 1968 | 14 | 14 | 0 | 0 | 100 |- | Ivan Vodanovich | 1969 - 1971 | 10 | 4 | 1 | 5 | 40 |- | Bob Duff | 1972 - 1973 | 8 | 6 | 1 | 1 | 75 |- | John Stewart | 1974 - 1976 | 11 | 6 | 1 | 4 | 54.5 |- | Jack Gleeson | 1977 - 1978 | 13 | 10 | 0 | 3 | 76.9 |- | Eric Watson | 1979 - 1980 | 9 | 5 | 0 | 4 | 55.5 |- | Peter Burke | 1981 - 1982 | 11 | 9 | 0 | 2 | 81.8 |- | Bryce Rope | 1983 - 1984 | 12 | 9 | 1 | 2 | 75 |- | [[Brian Lochore|Sir Brian Lochore]] | 1985 - 1987 | 18 | 14 | 1 | 3 | 77.7 |- | Alex Wyllie | 1988 - 1991 | 29 | 25 | 1 | 3 | 86.2 |- | Laurie Mains | 1992 - 1995 | 34 | 23 | 1 | 10 | 67.6 |- | John Hart | 1996 - 1999 | 41 | 31 | 1 | 9 | 75.6 |- | Wayne Smith | 2000 - 2001 | 17 | 12 | 0 | 5 | 70.5 |- | John Mitchell | 2002 - 2003 | 28 | 23 | 1 | 4 | 82.1 |- | [[Graham Henry]] | 2004 - heute | 73 | 61 | 0 | 12 | 83.6 |} == Erfolge == Die All Blacks weisen gegen jede Nationalmannschaft, gegen die sie jemals gespielt haben, eine positive Bilanz auf. Sie gewannen 318 der 429 ausgetragenen Länderspiele, was einer Erfolgsquote von 74,13 % entspricht. Damit sind die All Blacks die international erfolgreichste Nationalmannschaft überhaupt. Vier Mannschaften, die vom Weltverband [[International Rugby Board]] in die erste Stärkeklasse eingeteilt worden sind, haben noch nie gegen Neuseeland gewonnen ([[Argentinische Rugby-Union-Nationalmannschaft|Argentinien]], [[Italienische Rugby-Union-Nationalmannschaft|Italien]], [[Irische Rugby-Union-Nationalmannschaft|Irland]] und [[Schottische Rugby-Union-Nationalmannschaft|Schottland]]).<ref>Argentinien und Irland erreichten je ein Mal ein Unentschieden, Schottland zwei Mal.</ref> Die schlechteste Siegquote weist Neuseeland gegen [[Südafrikanische Rugby-Union-Nationalmannschaft|Südafrika]] auf (54,55 %). Gegen Nationalmannschaften aus dem deutschsprachigen Raum sind die All Blacks wegen des zu großen Unterschieds bei der Spielstärke noch nie angetreten. Als im Oktober 2003 die [[IRB-Weltrangliste]] eingeführt wurde, lag Neuseeland auf dem zweiten Platz hinter [[Englische Rugby-Union-Nationalmannschaft|England]]. Im November 2003 (nach der Weltmeisterschaft) lagen die All Blacks kurzfristig auf dem dritten Platz. Ab Juni 2004 hielten sie während mehr als drei Jahren die erste Position inne und wurden nach der WM 2007 von den Südafrikanern abgelöst. Mit dem Gewinn der [[Tri Nations 2008]] eroberte Neuseeland die Spitzenposition zurück, die sie 2009 durch eine Niederlagenserie gegen Südafrika wieder verloren. Ihre Länderspielstatistik gegen alle Nationen (geordnet nach Anzahl der Spiele), aktualisiert am 29. November 2008, ist wie folgt:<ref>[http://stats.allblacks.com All Blacks Test Match Record since first test match] auf der Website der All Blacks</ref> {| class="wikitable sortable" |- ! Gegen ! Spiele ! Siege ! Ndlg. ! Unent. ! % Gewonnen |- | [[Australische Rugby-Union-Nationalmannschaft|Australien]] | 132 | 88 | 39 | 5 | 66.67 |- | [[Südafrikanische Rugby-Union-Nationalmannschaft|Südafrika]] | 78 | 42 | 33 | 3 | 53.85 |- | [[Französische Rugby-Union-Nationalmannschaft|Frankreich]] | 47 | 34 | 12 | 1 | 72.34 |- | [[British and Irish Lions]] | 38 | 29 | 6 | 3 | 76.32 |- | [[Englische Rugby-Union-Nationalmannschaft|England]] | 32 | 25 | 6 | 1 | 78.13 |- | [[Schottische Rugby-Union-Nationalmannschaft|Schottland]] | 27 | 25 | 0 | 2 | 92.59 |- | [[Walisische Rugby-Union-Nationalmannschaft|Wales]] | 24 | 21 | 3 | 0 | 87.50 |- | [[Irische Rugby-Union-Nationalmannschaft|Irland]] | 22 | 21 | 0 | 1 | 95.45 |- | [[Argentinische Rugby-Union-Nationalmannschaft|Argentinien]] | 13 | 12 | 0 | 1 | 92.31 |- | [[Italienische Rugby-Union-Nationalmannschaft|Italien]] | 9 | 9 | 0 | 0 | 100.00 |- | [[Samoanische Rugby-Union-Nationalmannschaft|Samoa]] | 5 | 5 | 0 | 0 | 100.00 |- | [[Fidschianische Rugby-Union-Nationalmannschaft|Fidschi]] | 4 | 4 | 0 | 0 | 100.00 |- | [[Kanadische Rugby-Union-Nationalmannschaft|Kanada]] | 4 | 4 | 0 | 0 | 100.00 |- | [[Tonganische Rugby-Union-Nationalmannschaft|Tonga]] | 3 | 3 | 0 | 0 | 100.00 |- | [[World XV]] | 3 | 2 | 1 | 0 | 66.67 |- | [[Rumänische Rugby-Union-Nationalmannschaft|Rumänien]] | 2 | 2 | 0 | 0 | 100.00 |- | [[Rugby-Union-Nationalmannschaft der Vereinigten Staaten|USA]] | 2 | 2 | 0 | 0 | 100.00 |- | [[British and Irish Lions|Großbritannien]] | 1 | 1 | 0 | 0 | 100.00 |- | [[Japanische Rugby-Union-Nationalmannschaft|Japan]] | 1 | 1 | 0 | 0 | 100.00 |- | [[Pacific Islanders]] | 1 | 1 | 0 | 0 | 100.00 |- | [[Portugiesische Rugby-Union-Nationalmannschaft|Portugal]] | 1 | 1 | 0 | 0 | 100.00 |- | '''Total''' | '''444''' | '''331''' | '''96''' | '''17''' | '''74.55''' |} === Weltmeisterschaft === Obwohl die All Blacks stets zu den meistgenannten Favoriten zählen, konnten sie den [[Webb Ellis Cup]], die Gewinntrophäe der alle vier Jahre ausgetragenen [[Rugby-Union-Weltmeisterschaft]], bisher erst einmal entgegennehmen, bei der ersten Austragung [[Rugby-Union-Weltmeisterschaft 1987|1987]] in Neuseeland und Australien. [[Rugby-Union-Weltmeisterschaft 1991|1991]] verloren sie das Halbfinale gegen Australien, [[Rugby-Union-Weltmeisterschaft 1995|1995]] das Finale gegen Gastgeber Südafrika. Das zweitschlechteste Ergebnis war [[Rugby-Union-Weltmeisterschaft 1999|1999]] der vierte Platz. [[Rugby-Union-Weltmeisterschaft 2003|2003]] verloren sie erneut im Halbfinale gegen Australien. Ihr schlechtestes Ergebnis erreichten sie [[Rugby-Union-Weltmeisterschaft 2007|2007]], als sie bereits im Viertelfinale gegen Frankreich ausschieden. Die All Blacks halten mehrere Weltmeisterschaftsrekorde: Die meisten Spielpunkte in einem einzelnen Spiel (145 gegen [[Japanische Rugby-Union-Nationalmannschaft|Japan]] bei der WM 1995), die meisten Spielpunkte bei allen Weltmeisterschaften insgesamt (1384), die meisten [[Versuch (Rugby)|Versuche]] (35) und [[Versuch (Rugby)#Erhöhung|Erhöhungen]] insgesamt (137). Mehrere neuseeländische Spieler sind ebenfalls Rekordhalter: [[Jonah Lomu]] erzielte die meisten Versuche insgesamt (15), [[Sean Fitzpatrick]] absolvierte die meisten WM-Spiele (17 zwischen 1987 und 1995), [[Marc Ellis (Rugbyspieler)|Marc Ellis]] erzielte die meisten Versuche in einem einzigen Spiel (6 gegen Japan im Jahr 1995) und [[Grant Fox]] hält den Rekord für die meisten Spielpunkte während eines Turniers (126 im Jahr 1987).<ref>[http://www.rugbyworldcup.com/EN/RWC+Statistics/ Offizielle Weltmeisterschafts-Statistiken]</ref> === Tri Nations === Das einzige jährliche Turnier der All Blacks ist das seit 1996 ausgetragene [[Tri Nations (Rugby Union)|Tri Nations]] gegen [[Australische Rugby-Union-Nationalmannschaft|Australien]] und [[Südafrikanische Rugby-Union-Nationalmannschaft|Südafrika]]. Mit neun Turniersiegen und Siegen in 39 Spielen liegen die All Blacks deutlich vor ihren Kontrahenten. Neuseeland gewann das Turnier in den Jahren 1996, 1997, 1999, 2002, 2003, 2005, 2006, 2007 und 2008. Gesamttabelle seit 1996 (Stand 13. September 2008): {{Tri Nations Tabelle}} <small>Die Punkte werden wie folgt berechnet: 4 Punkte bei einem Sieg, 2 Punkte bei einem Unentschieden, 0 Punkte bei einer Niederlage (vor möglichen Bonuspunkten), 1&nbsp;Bonuspunkt für vier oder mehr erfolgreiche [[Versuch (Rugby)|Versuche]], 1 Bonuspunkt bei einer Niederlage mit weniger als sieben Punkten Unterschied.</small> === Weitere Wettbewerbe === Einer der traditionsreichsten Wettbewerbe im Rugby Union ist jener um den [[Bledisloe Cup]]. Er wird seit 1931 zwischen Australien und Neuseeland ausgetragen, seit 1996 im Rahmen von Tri Nations. Ebenfalls ein Teil von Tri Nations ist seit 2004 der alle zwei Jahre ausgetragene Wettstreit mit Südafrika um den [[Freedom Cup]]. Seit 2000 spielt Neuseeland außerdem gegen Frankreich um die [[Dave Gallaher Trophy]] und musste die Trophäe bisher noch nie abgeben. Die ''[[Junior All Blacks]]'' gewannen 2006 und 2007 den [[Pacific Nations Cup]], der im Jahr 2006 eingeführt wurde. Die [[New Zealand Māori (Rugby Union)|New Zealand Māori]] konnten den Churchill Cup bisher zweimal gewinnen (2004 und 2006). Ebenfalls je zweimal wurden die Juniorennationalmannschaften Weltmeister (U-21: 2003 und 2004; U-19: 2004 und 2007). == Einzelnachweise und Erläuterungen == <references /> == Literatur == * Ron Palenski: ''Century in Black - 100 Years of All Black Test Rugby.'' Hodder Moa Beckett Publishers Limited, 2003. ISBN 1-86958-937-8 * Phil Gifford: ''The Passion - The Stories Behind 125 years of Canterbury Rugby.'' Wilson Scott Publishing, 2004. ISBN 0-9582535-1-X * Bob Howitt: ''SANZAR Saga - Ten Years of Super 12 and Tri-Nations Rugby.'' Harper Collins Publishers, 2005. ISBN 1-86950-566-2 * Ian Borthwick: ''France/All Blacks - 100 ans de rencontres.'' Au vent des îles, 2006. ISBN 2-915654-07-7 == Weblinks == {{Commonscat|All Blacks}} * [http://www.allblacks.com/ Webauftritt der All Blacks] (englisch) * [http://stats.allblacks.com/ Spiel- und Spielerstatistiken der All Blacks] (englisch) * [http://www.planet-rugby.com/Story_Listing/0,18261,3562,00.html Rugby-Nachrichten auf planetrugby.com] (englisch) * [http://www.rugbydata.com/newzealand Länderspielstatistik auf rugbydata.com] (englisch) * [http://ma-tvideo.france3.fr/video/iLyROoaftItx.html Video mit dem Haka der All Blacks] {{Navigationsleiste Rugby Union-Nationalmannschaften}} [[Kategorie:Rugby-Union-Nationalmannschaft]] [[Kategorie:Rugby Union in Neuseeland]] [[Kategorie:Weltmeister (Rugby Union)]] {{Exzellent}} {{Link FA|af}} {{Link FA|en}} {{Link FA|fr}} {{Link FA|ka}} [[af:All Blacks]] [[ar:أول بلاكس]] [[ca:Selecció de rugbi de Nova Zelanda]] [[cs:All Blacks]] [[cy:Crysau Duon]] [[en:New Zealand national rugby union team]] [[es:Selección de rugby de Nueva Zelanda]] [[eu:Zeelanda Berriko errugbi selekzioa]] [[fi:Uuden-Seelannin rugby union -maajoukkue]] [[fr:Équipe de Nouvelle-Zélande de rugby à XV]] [[gd:All Blacks]] [[gl:Selección de rugby de Nova Zelandia]] [[it:Nazionale di rugby a 15 della Nuova Zelanda]] [[ja:ラグビーニュージーランド代表]] [[ka:ახალი ზელანდიის მორაგბეთა ეროვნული ნაკრები]] [[la:All Blacks]] [[nl:Nieuw-Zeelands rugbyteam]] [[nn:All Blacks]] [[no:New Zealands herrelandslag i rugby union]] [[pl:Reprezentacja Nowej Zelandii w rugby mężczyzn]] [[pt:Seleção Neozelandesa de Râguebi]] [[ro:Echipa naţională de rugby a Noii Zeelande]] [[ru:Сборная Новой Зеландии по регби]] [[sv:Nya Zeelands herrlandslag i rugby union]] [[uk:Збірна Нової Зеландії з регбі]] edk5c5f6r7hvkdxcbis4gpbzf4exdu5 wikitext text/x-wiki New England Patriots 0 23997 26595 2010-04-06T09:15:46Z CommonsDelinker 0 RandyMoss_Celebration.jpg entfernt, wurde auf Commons von [[commons:User:Túrelio|Túrelio]] gelöscht. Grund: [[commons:COM:L|Copyright violation]]: http://nbcsports.msnbc.com/id/22641760/ <!-- Dies ist die Tabelle am rechten Rand, der Text beginnt weiter unten. --> {{Infobox NFL Team | name = New England Patriots | logo = New England Patriots Logo.svg | founded = 1959 | city = [[Foxborough (Massachusetts)|Foxborough]], [[Massachusetts]] | colors = nautisches blau, rot, ''New Century''-silber, weiß | coach = [[Bill Belichick]] | general manager = keiner | owner = [[Robert K. Kraft|Robert Kraft]] | uniform = Bild:AFCE-Uniform-NE.PNG | mascot = ''Pat Patriot'', auch ''Pat the Patriot'' | nicknames = The Pats | hist_yr = 1971 | hist_misc = * Boston Patriots (1960–70) | affiliate_old = [[American Football League]] (1960–69) * Eastern Division (1960–69) | NFL_start_yr = 1970 | division_hist = * '''[[American Football Conference]] (1970–heute)''' ** '''''AFC East'' (1970–heute)''' | no_league_champs = 3 | no_sb_champs = 3 | no_conf_champs = 6 | no_div_champs = 11 | sb_champs = [[NFL 2001|2001]]&nbsp;([[Super Bowl XXXVI|XXXVI]]), [[NFL 2003|2003]]&nbsp;([[Super Bowl XXXVIII|XXXVIII]]), [[NFL 2004|2004]]&nbsp;([[Super Bowl XXXIX|XXXIX]]) | conf_champs = * '''AFC:''' [[NFL 1985|1985]], [[NFL 1996|1996]], [[NFL 2001|2001]], [[NFL 2003|2003]], [[NFL 2004|2004]], [[NFL 2007|2007]] | div_champs = * '''AFL East:''' [[AFL 1963|1963]] * '''AFC East:''' [[NFL 1978|1978]], [[NFL 1968|1986]], [[NFL 1996|1996]], [[NFL 1997|1997]], [[NFL 2001|2001]], [[NFL 2003|2003]], [[NFL 2004|2004]], [[NFL 2005|2005]], [[NFL 2006|2006]], [[NFL 2007|2007]] | stadium_years = * [[Boston University|Nickerson Field]] (1960–62) * [[Fenway Park]] (1963–68) * [[Boston College|Alumni Stadium]] (1969) * [[Harvard Stadium]] (1970) * [[Foxboro Stadium]] (1971–2001) ** alias Schaefer Stadium (1971–82) ** alias Sullivan Stadium (1983–89) * '''[[Gillette Stadium]] (2002–heute)''' |Helmet_SVG = true }} <!-- Ende der Tabelle, Beginn des Textes --> Die '''New England Patriots''' ([[Englische Sprache|englisch]] für „[[Neuengland]]-[[Patriotismus|Patrioten]]“), häufig '''Pats''' genannt,<ref>[http://abcnews.go.com/Sports/wireStory?id=4066221 ABCnews.com] ''Ein Bericht, in dem das Kürzel „Pats“ benutzt wurde (englisch).'' Zugriff am 19. Oktober 2009.</ref> sind eine [[American Football|American-Football-Mannschaft]] der amerikanischen Profiliga [[National Football League]] (NFL) aus [[Foxborough (Massachusetts)|Foxborough]], Massachusetts. Sie gehören gemeinsam mit den [[New York Jets]], den [[Miami Dolphins]] und den [[Buffalo Bills]] der ''Eastern Division'' innerhalb der [[American Football Conference]] (AFC) an. Von der Gründung 1959 beziehungsweise der ersten Saison 1960 bis zum Umzug in das [[Foxboro Stadium]] 1970 hießen sie '''Boston&nbsp;Patriots'''. Der Besitzer des Teams ist [[Robert K. Kraft|Robert Kraft]], dem auch das [[Gillette Stadium]], das aktuelle Stadion der Mannschaft und das [[Fußball]]team [[New England Revolution]] gehören.<ref>[http://www.patriots.com/team/index.cfm?ac=mgersexecsbio&bio=547 Patriots.com] ''Biographie Robert Krafts (englisch).'' Zugriff am 19. Oktober 2009.</ref> Die Patriots spielten ursprünglich in der [[American Football League]] (AFL) und wechselten nach deren Auflösung im Jahr 1970 in die NFL. Vor ihrem ersten Auftritt in einem [[Super Bowl]] erreichten sie erst viermal die [[Play-off]]s. Nachdem sie ihre ersten beiden Super-Bowl-Spiele, [[Super Bowl XX|1985]] gegen die [[Chicago Bears]] und [[Super Bowl XXXI|1996]] gegen die [[Green Bay Packers]], verloren hatten, gewannen sie den Super Bowl in den Jahren [[Super Bowl XXXVI|2001]], [[Super Bowl XXXVIII|2003]] und [[Super Bowl XXXIX|2004]]. Sie waren damit nach den [[Dallas Cowboys]] die zweite Mannschaft in der Geschichte der NFL, die drei Super Bowls in vier Jahren gewinnen konnte. Im Jahr [[NFL 2007|2007]] wurden sie im Finale knapp von den [[New York Giants]] geschlagen, wodurch ihnen eine ungeschlagene Saison ([[Perfect Season]]) verwehrt blieb, die in der NFL bisher nur den Miami Dolphins (1972) gelang.<ref>[http://www.nytimes.com/slideshow/2007/12/29/sports/1231-UNDEFEATED_index.html NYTimes.com] ''Die perfekte Saison der Patriots (englisch).'' Zugriff am 19. Oktober 2009.</ref> == Geschichte == === 1960–1971 – Gründung und frühe Jahre === Nachdem sich der amerikanische Unternehmer [[Billy Sullivan]] um eine Lizenz für ein Team in der [[American Football League|AFL]] beworben hatte, bekam er die achte und letzte Lizenz am 16. November 1959 zugesprochen. Im folgenden Winter wurden die Bewohner von Sullivans Heimatstadt Boston, die er als Standort der Mannschaft vorgesehen hatte, aufgefordert, Namensvorschläge einzusenden. Der Besitzer wählte den damals populärsten Namen, „Boston Patriots“, aus. Kurz darauf veröffentlichte Phil Bissel ein Logo für die Mannschaft, den „Pat Patriot“. Anfangs war es für die Patriots schwierig, ein geeignetes Stadion zu finden. Sie wechselten in zehn Jahren insgesamt viermal den Spielort.<ref name=patshistory>[http://www.patriots.com/history/index.cfm?ac=History Patriots.com] ''Die offizielle Geschichte der New England Patriots (englisch).'' Zugriff am 19. Oktober 2009.</ref> Am 9. September 1960 fand das erste Spiel der Boston Patriots in der American Football League gegen die [[Denver Broncos]] statt. Obwohl die Patriots insgesamt nur zweimal die AFL-Play-offs erreichten, fielen einige Spieler durch sehr gute Leistungen auf. 1963 erreichten die Patriots das Finalspiel der AFL, das AFL Championship Game, welches sie mit 51:10 gegen die [[San Diego Chargers]] verloren.<ref>[http://databasefootball.com/teams/teamyear.htm?tm=BOS&lg=afl&yr=1963 DatabaseFootball.com] ''Statistiken der Patriots 1963 (englisch).'' Zugriff am 19. Oktober 2009.</ref> Dennoch konnten sie in diesem Jahr insgesamt elf Spieler, darunter [[Gino Cappelletti]], [[Nick Buoniconti]] und [[Babe Parilli]], zum [[All-Star-Game]] entsenden. Im Jahr 1967 lief der [[Runningback|Fullback]] [[Jim Nance]] mit 1.458 [[Yard]]s einen damaligen Ligarekord. Ein Jahr später erreichte er 1.216 Yards und wurde [[Most Valuable Player]] (MVP, wertvollster Spieler) der AFL.<ref>[http://www.pro-football-reference.com/players/NancJi00.htm/ Pro-Football-Reference.com] ''Jim Nance Statistiken (englisch).'' Zugriff am 19. Oktober 2009.</ref><ref>[http://football.about.com/od/nflhistory/l/bl_awardsmvp.htm Football.com] ''NFL MVP des Jahres (englisch).'' Zugriff am 19. Oktober 2009.</ref> 1970 wechselten die Patriots in die [[National Football League|NFL]], zu der sich die AFL und die konkurrierende NFL zusammengeschlossen hatten. Obwohl sie den [[NFL Most Valuable Player Award|NFL-MVP]]-[[Quarterback]] [[Joe Kapp]] von den [[Minnesota Vikings]] verpflichtet hatten, war die erste Saison in der NFL für die Patriots sehr schwierig und mit zwei Siegen bei zwölf Niederlagen wenig erfolgreich.<ref>[http://databasefootball.com/teams/teamyear.htm?tm=BSP&lg=nfl&yr=1970 DatabaseFootball.com] ''Statistiken der Patriots 1970 (englisch).'' Zugriff am 19. Oktober 2009.</ref> [[Datei:Foxborostade.png|thumb|Das Schaefer Stadium aus der Vogelperspektive]] Nachdem die Patriots elf Jahre zwischen diversen Stadien gewechselt hatten, zogen sie nach [[Foxborough (Massachusetts)|Foxborough]] (auch bekannt als Foxboro) in das [[Foxboro Stadium|Schaefer Stadium]], das für 7,1 Millionen US-Dollar in 325 Tagen errichtet worden war. Es war eines der ersten Stadien im Land, das nach dem Sponsor benannt wurde, nachdem die Brauerei [[Schaefer Brewing Company]] für 150.000 US-Dollar die Namensrechte am Stadion erworben hatte. Außerdem war Foxborough eine der ersten Städte, die zusätzliche Steuern auf jedes verkaufte Ticket erhoben. Im März 1971 wurde die Mannschaft aufgrund des Standortwechsels in ''New England Patriots'' umbenannt.<ref name=patshistory/> Beim [[NFL Draft]], der jährlichen Auswahl neuer [[College Football|College-Spieler]], im Jahr 1971 wählten die Patriots [[Jim Plunkett]],<ref>[http://www.profootballhof.com/history/general/draft/1971.jsp ProFootballHoF.com] ''Geschichte des Drafts: 1971 (englisch).'' Zugriff am 19. Oktober 2009</ref> der die [[Heisman Trophy]]<ref>[http://www.nationalchamps.net/NCAA/heisman/heisman_trophy_winners.htm NationalChamps.net] ''Frühere Gewinner der Heisman Trophy (englisch).'' Zugriff am 19. Oktober 2009.</ref> gewonnen hatte, da sie als letztplatziertes Team der vorangehenden Saison das Erstzugriffsrecht im Draft hatten.<ref>[http://home.earthlink.net/~ob1gui/nflsbar/nflrnk70.htm Earthlink.net] ''NFL 1970 Team-Rangliste (englisch).'' Zugriff am 19. Oktober 2009.</ref> Zusätzlich verpflichteten sie den [[Free Agent]] [[Randy Vataha]], der auf der [[Stanford University]] einer der [[Wide Receiver|Lieblingswide-Receiver]] Plunketts war. Das erste Spiel im neugebauten Stadion war ein [[Preseason]]-Spiel gegen die [[New York Giants]] am 15. August 1971.<ref name=patshistory/> === 1972–1979 – Die Fairbanks-Ära === Auch nach dem Stadionwechsel hatten die Patriots zunächst Schwierigkeiten, was zum Teil am dreimaligen Wechsel des Cheftrainers in den ersten vier Jahren nach der Ligafusion lag. Aussichten auf eine Verbesserung der Situation ergaben sich 1973 im Entry Draft mit der Verpflichtung des [[Offensive Line|Offensive Guard]] [[John Hannah (Footballspieler)|John Hannah]],<ref name=s1973>[http://databasefootball.com/teams/teamyear.htm?tm=NWE&lg=nfl&yr=1973 DatabaseFootball.com] ''Statistiken der Patriots 1973 (englisch).'' Zugriff am 19. Oktober 2009.</ref> der in den nächsten zwölf Jahren ein wichtiger Pfeiler des Angriffspiels und später als erster Spieler der Pariots in die [[Pro Football Hall of Fame]] aufgenommen wurde. Weitere Unterstützung für die Angriffsmannschaft bekamen die Patriots mit dem [[Runningback]] und [[Wide Receiver]] [[Darryl Stingley]], der bis heute den Patriots-Rekord für die meisten gelaufenen Yards insgesamt hält.<ref>[http://www.patriots.com/AllTimeLeaders/index.cfm?ac=Rushing Patriots.com] ''Die besten aller Zeiten – Rushing (englisch).'' Zugriff am 19. Oktober 2009.</ref> 1973 nahm das Team [[Chuck Fairbanks]] unter Vertrag, der zu diesem Zeitpunkt hauptsächlich als Cheftrainer an der [[University of Oklahoma]] bekannt und erfolgreich war. Schon in seinem ersten Jahr beim Team war ein Aufschwung ersichtlich – die Patriots beendeten die Saison mit einer Bilanz von sieben Siegen und sieben Niederlagen.<ref>[http://databasefootball.com/teams/teamyear.htm?tm=NWE&lg=nfl&yr=1974 DatabaseFootball.com] ''Statistiken der Patriots 1974 (englisch).'' Zugriff am 19. Oktober 2009.</ref> Aufgrund einer Verletzung Jim Plunketts konnten die Patriots diese Leistung im Jahr 1975 jedoch nicht erreichen; sie verloren elf Spiele bei nur drei Siegen.<ref>[http://databasefootball.com/teams/teamyear.htm?tm=NWE&lg=nfl&yr=1975 DatabaseFootball.com] ''Statistiken der Patriots 1975 (englisch).'' Zugriff am 19. Oktober 2009.</ref> Nach der Saison wurde Plunkett an die [[San Francisco 49ers]] verkauft, im Gegenzug konnten die Patriots mehr Spieler beim nächsten Entry Draft auswählen. Dies nutzten die Patriots, um die [[Safety (Footballposition)|Defensive Backs]] [[Mike Haynes]] und [[Tim Fox]] zu verpflichten. [[Steve Grogan]], der erst das zweite Jahr bei den Patriots war, übernahm 1976 Plunketts Rolle als [[Starting-Quarterback]], nachdem er schon ein Jahr zuvor wegen Plunketts Verletzung häufiger gespielt hatte. Die Patriots beendeten die Saison mit elf Siegen bei drei Niederlagen.<ref>[http://databasefootball.com/teams/teamyear.htm?tm=NWE&lg=nfl&yr=1976 DatabaseFootball.com] ''Statistiken der Patriots 1976 (englisch).'' Zugriff am 19. Oktober 2009.</ref> Sie erreichten damit ihr bisher bestes Saisonergebnis und konnten sich daher das erste Mal seit 13 Jahren wieder für die Postseason qualifizieren. Der erste Gegner in den Play-offs waren die [[Oakland Raiders]], die die Saison mit 13 Siegen und einer Niederlage gegen die Patriots beendet hatten.<ref>[http://databasefootball.com/teams/teamyear.htm?tm=OAK&lg=nfl&yr=1976 DatabaseFootball.com] ''Statistiken der Raiders 1976 (englisch).'' Zugriff am 19. Oktober 2009.</ref> Die Raiders gewannen jedoch das Play-off-Spiel mit 24:21, der Ausgang des Spiels war umstritten. Im letzten Viertel kam es beim Stand von 21:17 für die Patriots zu einer Fehlentscheidung des Schiedsrichters [[Ben Dreith]], die den Raiders einen Touchdown ermöglichte und damit zum Endergebnis führte.<ref>[http://proxy.espn.go.com/espn/page2/story?page=simmons/020121 ESPN.com] ''Ein Spiel, das die Patriots nie gewinnen (englisch).'' Zugriff am 19. Oktober 2009.</ref> Aufgrund der Kontroverse um diese Entscheidung verbot die NFL Ben Dreith, jemals wieder bei einem Spiel der Patriots als Schiedsrichter zu fungieren. In der folgenden Saison verfehlten die Patriots mit neun Siegen und fünf Niederlagen das Erreichen der Play-offs.<ref>[http://databasefootball.com/teams/teamyear.htm?tm=NWE&lg=nfl&yr=1977 DatabaseFootball.com] ''Statistiken der Patriots 1977 (englisch).'' Zugriff am 19. Oktober 2009.</ref> In der [[Preseason]] 1978 spielten die Patriots wieder gegen die Raiders. Bei diesem Spiel erlitt Darryl Stingley eine Lähmung, hervorgerufen durch einen illegalen Tackle [[Jack Tatum]]s, der dafür allerdings keine Strafe bekam.<ref>[http://archive.profootballweekly.com/content/archives/features_1998/pollack_080399.asp ProFootballWeekly.com] ''Die enorme Tapferkeit Derek Stingleys (englisch).'' Zugriff am 19. Oktober 2009.</ref> Trotz dieses schwerwiegenden Verlusts schafften es die Patriots mit elf Siegen und fünf Niederlagen das erste Mal seit der Fusion der AFL und NFL, Sieger ihrer Division zu werden.<ref>[http://databasefootball.com/teams/teamyear.htm?tm=NWE&lg=nfl&yr=1978 DatabaseFootball.com] ''Statistiken der Patriots 1978 (englisch).'' Zugriff am 19. Oktober 2009.</ref> Nur wenige Stunden vor dem letzten Spiel der Saison gab [[Chuck Fairbanks]] zur großen Überraschung vieler Fans und Spieler bekannt, dass er Cheftrainer an der [[University of Colorado System|University of Colorado]] werden würde.<ref>[http://www.boston.com/sports/football/patriots/superbowl/globe_stories/020502/butt_of_jokes_to_last_laugh+.shtml Boston.com] ''Lustiges in der Vereinsgeschichte der Patriots (englisch).'' Zugriff am 19. Oktober 2009.</ref> Sofort wurde Fairbanks vom Besitzer Billy Sullivan entlassen und durch [[Ron Erhardt]] ersetzt, der maßgeblich für die heutige Strategie und Taktik der Patriots verantwortlich ist.<ref>[http://www.pro-football-reference.com/coaches/ErhaRo0.htm Pro-Football-Reference.com] ''Statistiken Erhardts (englisch).'' Zugriff am 19. Oktober 2009.</ref> Die Patriots verloren jedoch das erste Play-off-Spiel gegen die [[Tennessee Titans|Houston Oilers]] und damit auch das erste Play-off-Spiel im Schaefer Stadion. === 1980–1984 – Sportlich schwere Jahre === In den folgenden beiden Jahren brachen die Patriots jeweils am Saisonende leistungsmäßig ein, was ihnen den Weg in die Play-offs verwehrte. 1979 hatten die Patriots nach den ersten zehn Spielen sieben Siege und drei Niederlagen, sie verloren jedoch vier der letzten sechs Spiele, inklusive dreier Spiele gegen Teams aus ihrer Division.<ref>[http://databasefootball.com/teams/teamyear.htm?tm=NWE&lg=nfl&yr=1979 DatabaseFootball.com] ''Statistiken der Patriots 1979 (englisch).'' Zugriff am 19. Oktober 2009.</ref> In der nächsten Saison gewannen die Patriots ohne ihren Star-Runningback [[Sam Cunningham]] sechs der ersten sieben Spiele und beendeten die Saison mit zehn Siegen und sechs Niederlagen.<ref>[http://databasefootball.com/teams/teamyear.htm?tm=NWE&lg=nfl&yr=1980 DatabaseFootball.com] ''Statistiken der Patriots 1980 (englisch).'' Zugriff am 19. Oktober 2009.</ref> Auch im nächsten Jahr konnten die Patriots sich nicht verbessern, sie erzielten lediglich zwei Siege bei 14 Niederlagen.<ref>[http://databasefootball.com/teams/teamyear.htm?tm=NWE&lg=nfl&yr=1981 DatabaseFootball.com] ''Statistiken der Patriots 1981 (englisch).'' Zugriff am 19. Oktober 2009.</ref> Sie verloren unter anderem zweimal gegen die [[Indianapolis Colts|Baltimore Colts]], die in dieser Saison nur gegen die Patriots gewannen und so die gleiche Bilanz erreichten. Außerdem kam es 1981 bei einem [[Monday Night Football|Monday-Night-Footballspiel]] zu schweren Ausschreitungen, was zu zahlreichen Festnahmen führte. Aufgrund dieses Vorfalls verboten die NFL und die Stadt Foxborough den Patriots bis auf weiteres die Austragung von Monday-Night-Spielen. Nach dieser Saison wurde Erhardt entlassen und der ehemalige Cheftrainer der [[Southern Methodist University]], [[Ron Meyer]], übernahm die Mannschaft. Weil die Patriots die vorherige Saison als Letztplatzierter beendet hatten, konnten sie beim Draft 1982 als erstes Team einen Spieler auswählen. Sie wählten den [[Defensive Line|Defensive End]] [[Kenneth Sims]], der in seinen sieben Spielzeiten bei den Patriots jedoch enttäuschend spielte.<ref>[http://databasefootball.com/teams/teamyear.htm?tm=NWE&lg=nfl&yr=1982 DatabaseFootball.com] ''Statistiken der Patriots 1982 (englisch).'' Zugriff am 19. Oktober 2009.</ref> Der Höhepunkt der aufgrund eines Streikes verkürzten Saison war das [[Snowplow-Spiel]], ein 3:0-Sieg für die Patriots gegen die [[Miami Dolphins]]. Bemerkenswert an diesem Spiel war, dass vor einem Field-Goal-Versuch der Patriots im letzten Viertel der auf dem Spielfeld vorhandene Schnee mit einem Traktor geräumt wurde. [[John Smith (Footballspieler)|John Smith]] erzielte anschließend mit einem 33-Yard-Kick die drei einzigen Punkte des Spiels. Das erste Spiel der Play-offs gegen die Dolphins verloren die Patriots mit deutlichem Rückstand. 1982 lief der Vertrag mit der Schaefer Brewing Company aus, womit die Brauerei die Namensrechte verlor. Das Stadion wurde deshalb in ''Sullivan Stadium'' umbenannt.<ref name=patshistory/> Beim Draft der folgenden Saison wählten die Patriots [[Tony Eason]] als vierten Quarterback. 1983 spielte Eason nur wenig, jedoch wurde er 1984 zum ersten Quarterback des Teams. In seiner ersten Saison verpassten die Patriots die Play-offs mit acht Siegen und genauso vielen Niederlagen.<ref>[http://databasefootball.com/teams/teamyear.htm?tm=NWE&lg=nfl&yr=1983 DatabaseFootball.com] ''Statistiken der Patriots 1983 (englisch).'' Zugriff am 19. Oktober 2009.</ref> Erneut konnten die Patriots als erstes einen Spieler beim Draft auswählen. Sie verpflichteten den [[Wide Receiver]] [[Irving Fryar]] von der [[University of Nebraska]]. Mit Eason als Quarterback starteten sie mit fünf Siegen bei zwei Niederlagen erfolgreich in die Saison. Nach Niederlagen in den folgenden Spielen wurde jedoch der Cheftrainer Ron Meyer entlassen. An seine Stelle trat der ehemalige Wide Receiver Raymond Berry, der früher bei den [[Indianapolis Colts|Colts]] gespielt hatte. Unter Berrys Leitung gewann die Mannschaft zwar zunächst drei von vier Spielen, verlor jedoch drei weitere Spiele und verpasste die Play-offs mit einer Bilanz von neun Siegen und sieben Niederlagen.<ref>[http://databasefootball.com/teams/teamyear.htm?tm=NWE&lg=nfl&yr=1984 DatabaseFootball.com] ''Statistiken der Patriots 1984 (englisch).'' Zugriff am 19. Oktober 2009.</ref> === 1985 – Der erste Super Bowl === Nach einem vergleichsweise schlechten Start in die Saison 1985 wechselte der neue Cheftrainer Eason gegen Grogan aus, jedoch kam Eason aufgrund einer schweren Verletzung Grogans im weiteren Verlauf der Saison wieder in die Startaufstellung. Die Patriots erreichten am Ende eine Bilanz von elf Siegen bei fünf Niederlagen, was ihnen einen [[Wildcard (Sport)|Wild-Card-Platz]] sicherte.<ref name=s1985>[http://databasefootball.com/teams/teamyear.htm?tm=NWE&lg=nfl&yr=1985 DatabaseFootball.com] ''Statistiken der Patriots 1985 (englisch).'' Zugriff am 19. Oktober 2009.</ref> In den Play-offs gewannen sie nach 22 Jahren zum ersten Mal ein Spiel. Sie besiegten in der Wild-Card-Runde zunächst die [[New York Jets]] und in der darauffolgenden die [[Oakland Raiders|Los Angeles Raiders]]. Im [[AFC Championship Game]] gewannen sie schließlich gegen die Miami Dolphins mit 31:14 Punkten und qualifizierten sich damit für den [[Super Bowl XX]] gegen die [[Chicago Bears]].<ref name=s1985/> Im Super-Bowl-Spiel verloren die Patriots frühzeitig ihren [[Tight End]] [[Lin Dawson]], der mit einem Beinbruch das Spiel verlassen musste. Sie konnten im ersten Viertel nach einem [[Turnover (American Football)|Fumble]] von [[Walter Payton]] zunächst mit 3:0 in Führung gehen, nachdem die Bears in den vorherigen Play-off-Spielen keine Punkte für die gegnerischen Mannschaften zugelassen hatten. Im weiteren Verlauf des Spiels erreichten die Bears jedoch 46 Punkte, sodass das Spiel nach einem Touchdown der Patriots im letzten Viertel mit 46:10 für die Bears endete – der höchste Sieg in der Geschichte des Super Bowls.<ref>[http://www.bearshistory.com/seasons/1985chicagobears.aspx BearsHistory.com] ''Geschichte der Bears 1985 (englisch).'' Zugriff am 19. Oktober 2009.</ref> Nach der Saison verließ John Hannah, der als bester Guard aller Zeiten galt, das Team und ging in den Ruhestand.<ref>[http://www.profootballhof.com/history/release.jsp?release_id=1500 ProFootballHoF.com] ''Biographie John Hannahs (englisch).'' Zugriff am 19. Oktober 2009.</ref> === 1986–1989 – Die letzten Jahre unter Sullivan === Die Stärke der Patriots zum Beginn der 1980er Jahre war das Passspiel mit Eason und dem Wide Receiver [[Stanley Morgan]], der fast 1.500 Yards erreichte. Obwohl die Patriots statistisch gesehen die schlechtesten Runningbacks hatten, beendeten sie die Saison mit elf Siegen und nur fünf Niederlagen, wodurch sie sich für die Play-offs qualifizierten.<ref>[http://databasefootball.com/teams/teamyear.htm?tm=NWE&lg=nfl&yr=1986 DatabaseFootball.com] ''Statistiken der Patriots 1986 (englisch).'' Zugriff am 19. Oktober 2009.</ref> Das Spiel gegen die [[Denver Broncos]] blieb bis zum letzten Viertel punktelos, bevor [[John Elway]], Quarterback der Broncos, einen Touchdown warf und damit das Spiel entschied. In den nächsten acht Jahren erreichten die Patriots kein einziges Mal die Play-offs. Der ebenso wie das Team aus [[Massachusetts]] stammende Quarterback [[Doug Flutie]], der im Jahr 1984 die [[Heisman Trophy]] gewonnen hatte,<ref name=heisman>[http://databasefootball.com/awards/award.htm?a=HEISMAN DatabaseFootball.com] ''Gewinner der Heisman Trophy (englisch).'' Zugriff am 19. Oktober 2009.</ref> wurde während eines Spielerstreiks von den Patriots angestellt. Er durchbrach die [[Streikposten]], um sein erstes Spiel für New England zu spielen. Auch viele Verteidiger der New England Patriots konnten die Streikposten durchbrechen und so trotz des Streiks spielen. Trotzdem war die Saison aufgrund von vielen Verletzungen nur wenig erfolgreich. 1988 spielte Flutie noch fünf Spiele, bevor er wieder durch Eason ersetzt wurde. Die Mannschaft konnte allerdings mit einer Bilanz von neun Siegen und sieben Niederlagen erneut nicht in die Play-offs einziehen.<ref>[http://databasefootball.com/teams/teamyear.htm?tm=NWE&lg=nfl&yr=1987 DatabaseFootball.com] ''Statistiken der Patriots 1987 (englisch).'' Zugriff am 19. Oktober 2009.</ref> Fehlinvestitionen seitens Sullivans und die mäßigen Leistungen der Mannschaft führten für die Sullivan-Familie zu Millionenverlusten. Aus diesem Grund verkauften sie das Team nach der Saison für 84 Millionen US-Dollar an [[Victor Kiam]], den früheren Präsidenten und Vorstandsvorsitzenden der Firma [[Remington (Unternehmen)|Remington]].<ref name=patshistory/> Obwohl die Patriots 1988 eine vergleichsweise gute Saison spielten, erreichten sie erneut nicht die Play-offs. In der folgenden Saison erreichte die Mannschaft lediglich fünf Siege, nachdem sich ihre drei wichtigsten Abwehrspieler, [[Andre Tippett]], [[Garin Veris]] und [[Ronnie Lippett]], bereits vor Saisonbeginn schwer verletzt hatten.<ref>[http://databasefootball.com/teams/teamyear.htm?tm=NWE&lg=nfl&yr=1988 DatabaseFootball.com] ''Statistiken der Patriots 1988 (englisch).'' Zugriff am 19. Oktober 2009.</ref> === 1990–1992 – Ständige Besitzerwechsel === In den nächsten Jahren prägten mehrere Besitzerwechsel die Geschichte der Mannschaft. Nach dem Verkauf von Sullivan an Kiam veräußerte dieser das Team 1992 an [[James Orthwein]], der das Logo und die Farben der Trikots und der Hosen ändern ließ. Bereits 1994 erwarb [[Robert K. Kraft]], der Gründer und Geschäftsführer der ''Kraft Group'', die Mannschaft.<ref name=patshistory/> [[Datei:New England Patriots Logo.svg|thumb|left|Der 1992 unter Orthwein eingeführte „Flying [[Elvis Presley|Elvis]]“]] Unter Rust beendeten die Patriots die Saison 1990 mit 15 Niederlagen bei nur einem Sieg, das schlechteste Ergebnis in der Geschichte des Teams.<ref>[http://databasefootball.com/teams/teamyear.htm?tm=NWE&lg=nfl&yr=1990 DatabaseFootball.com] ''Statistiken der Patriots 1990 (englisch).'' Zugriff am 19. Oktober 2009.</ref> Während der Saison waren die Spieler der Patriots in einen Skandal verwickelt: Im Umkleideraum belästigten einige Spieler die Reporterin [[Lisa Olson]] verbal und sexuell, am Ende nannte Kiam sie ''„classic bitch“'' (''klassische Schlampe''). Ein Beauftragter der NFL belegte das Team mit 50.000 US-Dollar und diverse Spieler mit insgesamt 22.500 US-Dollar Bußgeld. Dieses Ereignis und das Ergebnis der Saison werden als hauptsächliche Gründe für die Entlassung Rusts genannt. Der in den Neuenglandstaaten geborene [[Dick MacPherson]] wurde Cheftrainer und zusätzlich wurde [[Sam Jankovich]] Vorsitzender, der vorher an der [[University of Miami]] als Trainer tätig war. 1991 zeigten die Patriots einige Leistungsverbesserungen; [[Hugh Millen]] begann als Quarterback und das Team reagierte positiv auf die Euphorie, die der neue Cheftrainer mit in die Mannschaft gebracht hatte. Sie konnten die Saison mit sechs Siegen und zehn Niederlagen beenden, was im Gegensatz zur letzten Saison eine deutliche Steigerung darstellte.<ref>[http://databasefootball.com/teams/teamyear.htm?tm=NWE&lg=nfl&yr=1991 DatabaseFootball.com] ''Statistiken der Patriots 1991 (englisch).'' Zugriff am 19. Oktober 2009.</ref> Dadurch erhöhte sich sowohl die Medienpräsenz als auch die Zahl der Fans. Obwohl die Patriots die Saison 1992 gut vorbereitet begonnen hatten, erzielten sie nur zwei Siege.<ref>[http://databasefootball.com/teams/teamyear.htm?tm=NWE&lg=nfl&yr=1992 DatabaseFootball.com] ''Statistiken der Patriots 1992 (englisch).'' Zugriff am 19. Oktober 2009.</ref> MacPherson und Jankovich verließen daraufhin das Team. James Orthwein plante nach dem Kauf der Mannschaft deren Transfer in seine Heimatstadt [[St. Louis]] und ließ das Design der Trikots ändern.<ref>[http://www.latimes.com/sports/la-sp-plaschke20jan20,1,2731790.column?coll=la-headlines-sports&ctrack=1&cset=true LATimes.com] ''Bill Plaschke schreibt über Kevin Lohs neues Design des Logos der Patriots (englisch).'' Zugriff am 19. Oktober 2009.</ref> === 1993–1996 – Die Patriots unter Parcells === 1993 änderten die Patriots ihren taktischen und organisatorischen Aufbau. Die größte Änderung war die Verpflichtung des zweimaligen Super-Bowl-Gewinners [[Bill Parcells]] als Cheftrainer. Als einer der meistrespektierten Trainer galt er zwar als Autoritätsperson, dennoch wurde ihm verhältnismäßig wenig Verantwortung zugebilligt. Die Patriots konnten beim Draft 1993 zum wiederholten Male als erstes Team einen Spieler auswählen. Dies nutzten sie aus, um den Quarterback [[Drew Bledsoe]] von der [[Washington State University]] zu draften. Mit einem weiteren Tight End und zwei Linebackern, die in frühen Runden verpflichtet wurden, erhielten die Patriots noch mehr Unterstützung. Bledsoe spielte die ersten vier Spiele als Starter, verlor jedoch alle und verletzte sich im vierten Spiel stark. Er wurde deswegen durch [[Scott Secules]] ersetzt, den ehemaligen zweiten Quarterback der Miami Dolphins. Nach zwölf Spielen hatten die Patriots bereits elf Niederlagen zu verbuchen, jedoch unterlagen sie bei acht der elf Niederlagen mit höchstens sieben Punkten Unterschied. Gegen Ende der Saison liefen die Patriots zu Hochform auf und gewannen die letzten vier Spiele gegen [[Cincinnati Bengals|Cincinnati]], [[Cleveland Browns|Cleveland]], [[Indianapolis Colts|Indianapolis]] und gegen Miami in der Nachspielzeit.<ref>[http://databasefootball.com/teams/teamyear.htm?tm=NWE&lg=nfl&yr=1993 DatabaseFootball.com] ''Statistiken der Patriots 1993 (englisch).'' Zugriff am 19. Oktober 2009.</ref> Das Interesse an den Patriots stieg und ihre Popularität nahm stark zu. Der Höhepunkt wurde nach der Saison 1993 erreicht; James Orthwein wollte das Team nach St. Louis verlegen und bot [[Robert K. Kraft|Robert Kraft]], der 1988 das Foxboro Stadium für 25&nbsp;Millionen&nbsp;US-Dollar aufkaufte, 75&nbsp;Millionen&nbsp;$ dafür, dass er den verbindlichen Pachtvertrag vorzeitig auslaufen ließ und so den Patriots die Möglichkeit bot, den Standort zu wechseln. Dieser lehnte ab, worauf Orthwein die Patriots zum Verkauf anbot. Robert Kraft kaufte das Team für 172&nbsp;Millionen&nbsp;$ und setzte sich damit gegen die Investmentgruppe, in der unter anderem [[Walter Payton]] und [[Paul Newton]] waren, durch.<ref name=patshistory/> Am 26. Februar 1994, dem ersten vollen Tag, an dem die Patriots Kraft gehörten, wurden 5.958 Eintrittskarten verkauft, mehr als sechsmal so viele wie am bisher erfolgreichsten Tag. Darüber hinaus sind, seitdem Kraft das Team erworben hat, alle Spiele bis zum letzten Platz ausverkauft; dies gilt auch für die [[Preseason]]spiele.<ref name=patshistory/> Die Saison 1994 fing für die Patriots nicht gut an und sie konnten nur drei von neun Spielen gewinnen. In der elften Woche gelang es ihnen, aufgrund von Bledsoes Entscheidungen und dem Wechsel zur [[Huddle|No-Huddle-Offense]] das Spiel im letzten Viertel für sich zu entscheiden. Bledsoe erzielte in diesem Spiel Rekorde für Passversuche und gefangene Pässe. Dieser Lichtblick motivierte die Patriots so, dass sie auch die letzten sieben Spiele gewannen und in die Play-offs einzogen.<ref>[http://databasefootball.com/teams/teamyear.htm?tm=NWE&lg=nfl&yr=1994 DatabaseFootball.com] ''Statistiken der Patriots 1994 (englisch).'' Zugriff am 19. Oktober 2009.</ref> Das erste Postseasonspiel seit acht Jahren verloren die Patriots jedoch mit 20:13 gegen die [[Cleveland Browns]]. Beim Draft 1995 wählte das Team in der dritten Runde [[Curtis Martin]], der sich laut vielen Sportreporten als bester [[Runningback]] des Jahrzehnts bewies.<ref>[http://www.sportsline.com/nfl/players/playerpage/1132 Sportsline.com] ''Curtis Martin Statistiken (englisch).'' Zugriff am 19. Oktober 2009.</ref> Das erste Spiel der Saison gegen die Browns, die [[Bill Belichick]], den heutigen Cheftrainer der Patriots, als Trainer unter Vertrag hatten, gewannen die Patriots. Die Saison schlossen sie wegen Verletzungen von Bledsoe jedoch mit nur sechs Siegen ab. In diesem Jahr waren die Patriots das erste Mal seit 1981 wieder Ausrichter eines Monday-Night-Footballspiels. Das Spiel verlief ohne größere Probleme und es wurden nur sehr wenige Menschen in Gewahrsam genommen. Die Patriots gewannen das Spiel mit 27:14 gegen die [[Buffalo Bills]] und Kraft dankte den Fans kurz darauf auf einer ganzen Seite im [[The Boston Globe|Boston Globe]] für ihr vorbildliches Verhalten. Obwohl Parcells dagegen war, drafteten die Patriots 1996 den Wide Receiver [[Terry Glenn]] in der ersten Runde. In der Saison erwies er sich jedoch als sehr guter Passempfänger. In der Verteidigung entwickelte sich der Rookie [[Lawyer Milloy]] zu einem gutem [[Safety (Footballposition)|Safety]] und ergänzte sich gut mit den [[Cornerback]]s [[Ty Law]] und [[Willie Clay]], der vorher bei den [[Detroit Lions]] spielte, was den Patriots zu einem guten Backfield, den Spielern hinter der [[Defensive Line]], verhalf. Zusätzlich bekam die Verteidigung mit dem noch bis 2009 im Team aktiven Linebacker [[Tedy Bruschi]] und [[Ted Johnson]] wertvolle Unterstützung. Trotz dieser guten neuen Spieler begann die Saison für das Team wieder vergleichsweise schlecht. Drei der ersten sechs Spiele gewannen und drei verloren sie, die nächsten vier Spiele konnten sie jedoch alle gewinnen. Auch die nächsten zehn Spiele konnten die Patriots mit zwei Ausnahmen alle gewinnen, einmal verloren sie gegen die [[Dallas Cowboys]], die im vorherigen Jahr den Super Bowl gewonnen hatten, und einmal gegen die [[Denver Broncos]], die die Saison mit der besten Bilanz beendeten. So konnten die Patriots am Ende elf Siege und fünf Niederlagen vorweisen, was ihnen Zugang zu den Play-offs gewährte.<ref>[http://databasefootball.com/teams/teamyear.htm?tm=NWE&lg=nfl&yr=1996 DatabaseFootball.com] ''Statistiken der Patriots 1996 (englisch).'' Zugriff am 19. Oktober 2009.</ref> Sie gewannen das erste Spiel gegen die [[Pittsburgh Steelers]] mit 25 Punkten Vorsprung und anschließend auch das [[AFC Championship Game]] gegen die [[Jacksonville Jaguars]]. Somit konnten die Patriots das zweite Mal in der Geschichte des Teams am [[Super Bowl]] teilnehmen. In den Jahren nach dem Verkauf des Teams an Kraft gab es Streitigkeiten zwischen dem Besitzer und Parcells, hauptsächlich weil Kraft Parcells’ Recht, zu entscheiden, welche Spieler unter Vertrag gestellt wurden, dem [[Generaldirektor|General Manager]] übertragen wollte. Parcells drohte damit, zu den Rivalen der Patriots, den [[New York Jets]], zu wechseln. Trotz dieser Auseinandersetzungen verlief der [[Super Bowl XXXI]] gegen die [[Green Bay Packers]] knapper für die Patriots, zeitweise lagen sie in Führung. Gegen Ende warf [[Brett Favre]] jedoch zwei Touchdowns und die Packers liefen einen Touchdown nach einem Kickoff, was ihnen einen für ein Footballspiel großen Vorsprung gewährte. Das Spiel endete mit 35:21 für die Packers. === 1997–1999 – Missglückter Neuaufbau === Nach der Saison nahm Parcells den Posten als Cheftrainer bei den Jets an. [[Pete Caroll]] wurde als sein Nachfolger eingestellt. Durch diese Übergabe durften die Patriots in den nächsten Jahren mehr Spieler beim Draft auswählen. 1997 konnten sie die Saison mit einer Bilanz von zehn Siegen und sechs Niederlagen Sieger in ihrer Division beenden.<ref>[http://databasefootball.com/teams/teamyear.htm?tm=NWE&lg=nfl&yr=1997 DatabaseFootball.com] ''Statistiken der Patriots 1997 (englisch).'' Zugriff am 19. Oktober 2009.</ref> Die Wild-Card-Runde der Play-offs gegen die [[Miami Dolphins]] bestanden die Patriots problemlos. In diesem Spiel verletzten sich jedoch einige Spieler, weshalb die Patriots die nächste Runde mit 7:6 gegen die [[Pittsburgh Steelers]] verloren. Bis zum letzten Viertel lagen die Patriots vorne, ein [[Turnover (American Football)|Fumble]], der von dem später bei den Patriots spielenden [[Mike Vrabel]] aufgehoben und in einen Touchdown verwandelt wurde, brachte den Steelers jedoch den Sieg. Parcells überredete einige Spieler der Patriots, zur Saison 1998 zu den [[New York Jets|Jets]] zu kommen. Dadurch verloren die Patriots unter anderem ihren Runningback Curtis Martin.<ref name=TakeThat2>[http://findarticles.com/p/articles/mi_m0FCL/is_4_30/ai_66760539/pg_2 FindArticles.com] ''Nimm den! S. 2 (englisch).'' Zugriff am 19. Oktober 2009.</ref> Als Entschädigung bekamen sie den Neuling [[Robert Edwards (Footballspieler)|Robert Edwards]]. Die Saison fing schlecht an, von den ersten elf Spielen konnte das Team nur fünf gewinnen. Im weiteren Saisonverlauf konnten die Patriots zwei Siege durch entscheidende Punkte im letzten Viertel erzielen, einmal gegen die [[Miami Dolphins|Dolphins]] und einmal gegen die [[Buffalo Bills|Bills]]. Drew Bledsoe und Trent Glenn konnten aufgrund von Verletzungen in dieser Saison an keinem weiteren Spiel teilnehmen. Am Saisonende hatten die Patriots neun Siege und sieben Niederlagen vorzuweisen, womit sie in die Play-offs einziehen konnten.<ref>[http://databasefootball.com/teams/teamyear.htm?tm=NWE&lg=nfl&yr=1998 DatabaseFootball.com] ''Statistiken der Patriots 1998 (englisch).'' Zugriff am 19. Oktober 2009.</ref> Mit ihrem Reserve-Quarterback [[Scott Zolak]] konnten die Patriots das erste Spiel der Play-offs gegen die [[Jacksonville Jaguars]] aber nicht gewinnen und schieden aus. 1998 erlitt Edwards bei einem [[Flag Football|Flag-Football-Spiel]] auf [[Hawaii]] während des [[Pro Bowl|Pro-Bowl-Wochenendes]] eine Verletzung, die das Ende seiner Karriere bei den Patriots bedeutete. Die nächsten drei Jahre spielte er gar nicht und 2002 noch einmal als Reserve bei den Miami Dolphins. Ohne wirkliches Laufspiel aufgrund von fehlenden Runningbacks verlief die Saison 1999 schlecht für das Team. Nach acht Spielen konnten sie zwar sechs Siege vorweisen, sie beendeten die Saison jedoch mit acht Siegen und acht Niederlagen.<ref>[http://databasefootball.com/teams/teamyear.htm?tm=NWE&lg=nfl&yr=1999 DatabaseFootball.com] ''Statistiken der Patriots 1999 (englisch).'' Zugriff am 19. Oktober 2009.</ref> Der Trainer Pete Caroll wurde daher entlassen. === 2000 und 2001 – Beginn des Aufstiegs === [[Datei:BBelichick.jpg|thumb|right|Trainer Bill Belichick]] Nachdem Caroll entlassen worden war, stellten die Patriots [[Bill Belichick]] ein. Belichick veränderte das Team von Grund auf und organisierte das komplette Management und Training neu. Zusätzlich brachte er den Patriots die Vorgehensweise nahe, den Spielern weniger zu bezahlen und auf generell günstigere [[Free Agent]]s zu setzen. Trotz vieler positiver Veränderungen konnten die Patriots 2000 nur fünf Siege bei elf Niederlagen vorweisen.<ref>[http://databasefootball.com/teams/teamyear.htm?tm=NWE&lg=nfl&yr=2000 DatabaseFootball.com] ''Statistiken der Patriots 2000 (englisch).'' Zugriff am 19. Oktober 2009.</ref> In diesem Jahr drafteten die Patriots in der vorletzten Runde ihren aktuellen [[Starting-Quarterback]] [[Tom Brady]]. Die Saison 2001 fing wie das vorherige Jahr schlecht an, noch vor der Saison starb der damalige Trainer der Quarterbacks an einem [[Kreislaufstillstand]]. [[Drew Bledsoe|Bledsoe]] hatte sich im zweiten Spiel des Jahres, gegen die [[New York Jets|Jets]], verletzt, [[Terry Glenn]] verlängerte seinen Vertrag mit dem Team nicht, [[Chris Slade]] ging zu den [[Carolina Panthers]] und auch [[Ben Coates]] verließ die Mannschaft. Die Patriots konnten diese schwerwiegenden Verluste jedoch gut und vor allem günstig mit den [[Wide Receiver]]n [[Troy Brown]] und [[David Patten]], dem in der ersten Runde ausgewähltem [[Defensive Line]]man [[Richard Seymour]] und dem vorherigen Runningback der Bills kompensieren. Während Bledsoes Abwesenheit ersetzte ihn Brady, der drei seiner ersten vier Spiele gewann und einen NFL-Rekord aufstellte, indem er bis zu seinem 163.&nbsp;Pass keine [[Turnover (American Football)|Interception]] warf. Eine große Überraschung war, dass Brady weiterhin als erster Quarterback spielte, auch als sich Bledsoe wieder erholt hatte. Für solche Entscheidungen war Belichick schon vorher bekannt; so hatte er 1993 bei den Browns den Starting-Quarterback [[Bernie Kosar]] entlassen und durch [[Vinny Testaverde]] ersetzt, der sich in der Saison als erfolgreich erwies. Bledsoe war mit seinem neuen Posten als Reservequarterback unzufrieden und hoffte, seine alte Aufgabe zurückzubekommen. Er blieb aber zweiter Werfer hinter Brady. Geführt von Brady, der schnell zu einem Liebling der Fans wurde, spielten die Patriots sehr gut und schafften den Einzug in die Play-offs mit einer Bilanz von elf Siegen und fünf Niederlagen.<ref>[http://databasefootball.com/teams/teamyear.htm?tm=NWE&lg=nfl&yr=2001 DatabaseFootball.com] ''Statistiken der Patriots 2001 (englisch).'' Zugriff am 19. Oktober 2009.</ref> Im letzten Spiel, das je im Foxboro Stadium gespielt wurde, gewannen die Patriots im sogenannten „[[Snow Bowl]]“ gegen die [[Oakland Raiders]]. Danach trafen sie im [[AFC Championship Game]] auf die [[Pittsburgh Steelers]], die im Vorfeld stark favorisiert wurden. Nachdem sich Brady im ersten Viertel am Knöchel verletzt hatte, musste Bledsoe ein letztes Mal spielen. Kurz nach seiner Einwechslung warf er den einzigen Touchdown des Angriffs in diesem Spiel. Dank der Verteidigung und des [[Kicker (American Football)|Special Teams]], die die restlichen 17&nbsp;Punkte machten, konnten die Patriots das Spiel mit 24:17 gewinnen. So konnte das Team zum dritten Mal an einem Super Bowl teilnehmen. [[Datei:Gillette Stadium04.jpg|thumb|left|Die Brücke des Gillette Stadiums mit Bannern zu den drei gewonnenen Super Bowls.]] Beim [[Super Bowl XXXVI|Super Bowl]] galten die Patriots wie beim vorherigen Spiel als stark benachteiligt. Normalerweise werden beim Einlauf alle Spieler einzeln genannt, wie es auch die [[St. Louis Rams]] taten, dagegen wollte das Team nur mit „The New England Patriots“ angekündigt werden; dies sollte symbolisieren, dass die Patriots ein Team sind und nicht nur eine Ansammlung von Einzelspielern. Diese neue Art der Ankündigung wurde von der NFL aufgenommen und von da an wurde jedes Team in dieser Form vorgestellt. Im Gegensatz zum Spiel der regulären Saison, das die Patriots gegen die Rams verloren hatten, setzte Belichick weniger auf das [[Blitz (American Football)|Blitzen]] in der Verteidigung als auf das direkte Decken der Empfänger und des Runningbacks [[Marshall Faulk]]. Deshalb konnten die Rams nicht ihre geplanten genauen Passrouten laufen, was ihren Quarterback [[Kurt Warner]] verunsicherte, weshalb er mehrmals hinter der [[Line of Scrimmage]] [[Sack (American Football)|getackelt]] wurde. Die Patriots verursachten drei Ballverluste der Rams, die alle zu Punkten führten. Die für die Rams ungewohnte Verteidigung der Patriots ließ sie bis auf ein [[American Football#Punkte|Field Goal]] bis zum letzten Viertel punktelos, in diesem konnten sie jedoch noch zwei Touchdowns erzielen. [[Adam Vinatieri]] erzielte bei nur noch sieben Sekunden Spielzeit ein Field Goal, was den Patriots mit 20:17 Punkten ihren ersten Sieg in einem Super Bowl einbrachte. Zum [[Super Bowl MVP]] wurde Tom Brady gewählt, der nach der Saison einen Langzeitvertrag mit den Patriots abschloss. Die Siegesparade des Teams in Boston wurde von 1,5&nbsp;Millionen Fans besucht und das ganze Team wurde zum ersten Spiel der [[Baseball]]mannschaft [[Boston Red Sox]] in den [[Fenway Park]] eingeladen. Bledsoe wurde für einen Spieler in der ersten Runde beim Draft 2003 an die Bills übergeben. === 2002–2004 – Die fast unbesiegbaren Patriots === Die Saison 2002 begann gut für die Patriots und sie gewannen ihre ersten drei Spiele. Aufgrund von einigen Verletzungen bei Spielern der [[Offensive Line]] und [[Defensive Line]] verlief die weitere Spielzeit jedoch schlecht und die Patriots konnten mit einer Bilanz von neun Siegen und sieben Niederlagen nicht in die Play-offs einziehen.<ref>[http://databasefootball.com/teams/teamyear.htm?tm=NWE&lg=nfl&yr=2002 DatabaseFootball.com] ''Statistiken der Patriots 2002 (englisch).'' Zugriff am 19. Oktober 2009.</ref> In der Saisonpause 2003 verpflichtete das Team mehrere hochkarätige, günstige Spieler in der Free-Agency-Zeit, unter anderem den Linebacker [[Rosevelt Colvin]] und den Safety [[Rodney Harrison]]. Lawyer Milloy verlängerte seinen Vertrag zur Verwunderung vieler Fans und Sportreporter bei den Patriots nicht und ging stattdessen zu den Bills. Das erste Spiel gegen die neuen Arbeitgeber Milloys und ein weiteres Spiel waren die einzigen Niederlagen in der Saison. New England konnte mit dem höchsten Rekord der NFL, 14&nbsp;Siege bei zwei Niederlagen, in die Play-offs einziehen und hatte ein Freilos in der ersten Woche und konnte alle Play-off-Spiele im Gillette Stadium spielen.<ref>[http://databasefootball.com/teams/teamyear.htm?tm=NWE&lg=nfl&yr=2003 DatabaseFootball.com] ''Statistiken der Patriots 2003 (englisch).'' Zugriff am 19. Oktober 2009.</ref> In den Divisional Play-offs spielte New England gegen die [[Tennessee Titans]] bei einer Temperatur von −16&nbsp;°C, die zweitniedrigste Temperatur bei der je ein NFL-Spiel ausgetragen wurde. Trotz dieser Temperatur konnten insgesamt 31 Punkte erzielt werden, 17 für die Patriots und 14 für die Titans. Beim AFC Championship Game trafen die Patriots auf die [[Indianapolis Colts|Colts]]. Die Verteidigung New Englands machte viel Druck auf den Quarterback der Colts, [[Peyton Manning]]. Er warf vier Interceptions, drei davon fing Ty Law. Obwohl die Patriots nur einen offensiven Touchdown erzielen konnten, gewannen sie mit 24:14 und zogen zum vierten Mal in den Super Bowl ein. [[Datei:BostonCityhall.jpg|thumb|right|Mehrere tausend Fans schauen sich den Super Bowl&nbsp;XXXIX live an der Boston City Hall an.]] Die Patriots waren das erste Team, das trotz einer Niederlage im ersten Saisonspiel der Saison in den Super Bowl vordringen konnte. Der [[Super Bowl XXXVIII]] war eines der knappsten Endspiele, die je gespielt wurden. Die beiden Verteidigungen waren so stark, dass sie bis zum späten zweiten Viertel keine Punkte zuließen. Zum Ende der ersten Halbzeit stand es 14:10 für New England, die in diesem Spiel favorisiert wurden. Das dritte Viertel war wieder punktelos, erst im letzten Viertel gab es wieder Punkte, einen Touchdown, gelaufen von [[Antowain Smith]]. Die Panthers konnten mit zwei Touchdowns aufholen, sie schafften jedoch die versuchten [[Two-Point Conversion]]s nicht und hatten nur einen Punkt Vorsprung. Mit nur noch zwei Minuten und 51&nbsp;Sekunden zu spielen, fing der eigentliche Verteidigungsspieler Mike Vrabel einen Touchdownpass. Mit [[Kevin Faulk]]s Lauf, der zwei Punkte brachte, stand es 29:22 für New England. Diesen Vorsprung konnten die Panthers aber mit ihrem Wide Receiver [[Ricky Proehl]], der schon zwei Jahre zuvor für die Rams gegen die Patriots im Super Bowl gespielt hatte, wieder aufholen. So stand es mit einer restlichen Spielzeit von einer Minute und acht Sekunden 29:29. Wie beim letzten Super Bowl warf Brady noch einige Pässe und brachte sein Team in die Position, ein Field Goal zu schießen. Der 41&nbsp;Yard lange Schuss von Adam Vinatieri war drin und die Patriots gewannen zum zweiten Mal innerhalb von drei Jahren ein Endspiel der National Football League. Wieder wurde Brady zum Most Valuable Player gewählt. [[Datei:Patriots n bush.jpg|thumb|left|Die Patriots mit US-Präsident [[George W. Bush]] bei der Ehrungszeremonie nach dem Sieg beim Super Bowl 2004.]] Die Patriots wollten nicht, dass ihnen so etwas wie 2002 noch einmal passierte, und stellten wieder einige gute Spieler ein, zum Beispiel [[Corey Dillon]] als Runningback. Diese Investitionen machten sich bezahlt und die Patriots beendeten die Saison wieder mit einer Bilanz von 14&nbsp;Siegen und nur zwei Niederlagen.<ref>[http://databasefootball.com/teams/teamyear.htm?tm=NWE&lg=nfl&yr=2004 DatabaseFootball.com] ''Statistiken der Patriots 2004 (englisch).'' Zugriff am 19. Oktober 2009.</ref> Am 10. Oktober stellten sie mit 19 Siegen den Rekord für die meisten gewonnen Spiele in der regulären Saison und den Play-offs hintereinander auf. Erst am 31. Oktober wurde New England wieder besiegt und konnte somit insgesamt 21 Spiele in Folge gewinnen. Die Patriots konnten wieder als Erstplatzierte ihrer Division in die Play-offs vordringen und gewannen das erste Spiel gegen die Colts mit 20:3. Das AFC Championship Game gegen die Steelers verlief genau so gut für die Patriots, sie gewannen mit 26 Punkten Vorsprung. Der [[Super Bowl XXXIX]] verlief nicht so knapp wie die vorherigen beiden des Teams, das erste Viertel blieb punktelos, in den folgenden zwei Vierteln machte jedes Team je einen Touchdown. Im vierten und letzten Viertel lief Dillon einen Touchdown und Vinatieri machte von der 22-Yard-Linie aus ein Field Goal. Die Eagles warfen dann noch einen bedeutungslosen Touchdown, was den Endstand von 24:21 für die Patriots hervorrief. Die Patriots waren das zweite Team, das drei Super Bowls in vier Jahren gewann und die erste Mannschaft seit sechs Jahren, die ihren Titel als Super-Bowl-Champion verteidigen konnte. === 2005 und 2006 – Weiterführung der Brady-Belichick-Dynastie === Vor der Saison 2005 verloren die Patriots zwei wichtige Trainer, den Angriffskoordinator Charlie Weis an die [[University of Notre Dame]]<ref>[http://sports.espn.go.com/ncf/news/story?id=1943710 ESPN.com] ''Weis wird irischer Trainer (englisch).'' Zugriff am 19. Oktober 2009.</ref> und den Koordinator der Verteidigung [[Romeo Crenell]] an die [[Cleveland Browns]].<ref>[http://www.cbc.ca/sports/story/2005/02/08/crennel050208.html CBC.sa] ''Browns heuern Crennel als Head Coach an (englisch).'' Zugriff am 19. Oktober 2009.</ref> Außerdem verloren die Patriots ihren wichtigen [[Cornerback]] Ty Law an die [[New York Jets]].<ref>[http://www.profootballweekly.com/PFW/NFL/AFC/AFC+East/NY+Jets/Transactions/2005/trans08.htm ProFootballWeekly.com] ''New York Jets Transaktionen 2005 (englisch).'' Zugriff am 19. Oktober 2009.</ref> Um ihn zu ersetzen, drafteten die Patriots unter anderem in der dritten Runde [[Ellis Hobbs]], der sich zu einem guten und wichtigen Defensive Back entwickelte. Ein weiteres Defizit für das Team war die Verletzung [[Tedy Bruschi]]s fünf Wochen nach dem [[Pro Bowl]]. Seine Ärzte erlaubten ihm nicht, zu Saisonbeginn mit der Mannschaft zu trainieren. Bis zum 17. Oktober 2005 war nicht gewiss, ob der Linebacker in der Spielzeit überhaupt noch spielen würde.<ref>[http://www.patriots.com/news/index.cfm?ac=latestnewsdetail&pid=12160&pcid=41 Patriots.com] ''Bruschi wird 2005 nicht spielen (englisch).'' Zugriff am 19. Oktober 2009.</ref> Sein erstes Spiel nach der langen Pause war ein Sieg gegen die Buffalo Bills. In der nächsten Woche konnten die Patriots nicht noch einmal gewinnen und verloren erstmals seit 2000 ein Heimspiel gegen die [[Indianapolis Colts|Colts]]. [[Datei:New England Patriots 2005AFCWCP1.JPG|thumb|right|Die Angriffsformation der Patriots beim Wild-Card-Game 2005/06.]] Durch das Gewinnen von vier der letzten fünf Spiele konnten sie doch noch in die Play-offs einziehen.<ref>[http://databasefootball.com/teams/teamyear.htm?tm=NWE&lg=NFL&yr=2005 DatabaseFootball.com] ''Statistiken der Patriots 2005 (englisch).'' Zugriff am 19. Oktober 2009.</ref> Die erste Runde der Postseason konnten die Patriots mit 28:3 gegen die [[Jacksonville Jaguars]] für sich entscheiden. Bei diesem Spiel wurden einige Rekorde aufgestellt, beispielsweise den für die meisten gewonnenen Play-off-Spiele hintereinander, zehn an der Zahl. Der Linebacker [[Willie McGinest]] brach mit 4,5 Sacks in einem Spiel den bisherigen Rekord, zusätzlich stellte er mit insgesamt 16 Sacks in seiner Play-off-Karriere einen weiteren Rekord auf. Die zweite Runde der Play-offs verloren die Patriots am 14. Januar 2006 im [[INVESCO Field at Mile High]] mit 27:13, was das Ende der Saison für das Team bedeutete. So hatten die Patriots mit Brady eine Postseasonbilanz von zehn Siegen bei einer Niederlage, gewannen jedoch bis heute alle Heimspiele. Adam Vinitieri stellte 2005 einen neuen Rekord für die meisten Punkte in der Karriere eines Patriots-Spielers auf, er konnte [[Gino Cappalletti]]s Rekord von 1.130 Punkten brechen,<ref>[http://www.boston.com/sports/football/patriots/reiss_pieces/2005/12/adams_feat.html Boston.com] ''Adams Leistung (englisch).'' Zugriff am 19. Oktober 2009.</ref> verließ das Team 2006 jedoch und ging zu den Rivalen der Patriots, den Colts.<ref>[http://www.boston.com/sports/football/patriots/reiss_pieces/2006/03/eyes_on_adam.html Boston.com] ''Augen auf Adam (englisch).'' Zugriff am 19. Oktober 2009.</ref> [[Datei:2006NEPTC.jpg|thumb|left|Spieler der Patriots im Training Camp 2006.]] 2006 ging der erst ein Jahr bei den Patriots trainierende [[Eric Mangini]] als Cheftrainer zu den Jets.<ref>[http://www.boston.com/sports/football/patriots/reiss_pieces/2006/01/mangini_links_1.html Boston.com] ''Mangini geht (englisch).'' Zugriff am 19. Oktober 2009.</ref> Eine weitere schlechte Neuigkeit war, dass der Wide Reveiver, der schon einmal [[Super Bowl MVP]] des Teams war, [[Deion Branch]], Verhandlungen mit den [[Seattle Seahawks]] führte, ihn für einen Spieler im Draft des folgenden Jahres zu verkaufen.<ref>[http://www.boston.com/sports/football/patriots/reiss_pieces/2006/09/branch_traded.html Boston.com] ''Branch verkauft (englisch).'' Zugriff am 19. Oktober 2009.</ref> Außerdem verloren die Patriots ihren Wide Receiver [[David Givens]] an die Tennessee Titans.<ref>[http://www.boston.com/sports/football/patriots/reiss_pieces/2006/03/givens_update_1.html Boston.com] ''Neuigkeiten bei Givens (englisch).'' Zugriff am 19. Oktober 2009.</ref> Um diese beiden Verluste auszugleichen, verpflichtete die Mannschaft [[Reche Caldwell]] von den [[San Diego Chargers]], der in dieser Saison ein wichtiger Receiver wurde.<ref>[http://www.boston.com/sports/football/patriots/reiss_pieces/2006/03/more_on_caldwel.html Boston.com] ''Mehr über Caldwell (englisch).'' Zugriff am 19. Oktober 2009.</ref> Zusätzlich schlossen die Patriots einen weiteren Vertrag mit dem damals schon 34&nbsp;Jahre alten und seit zwölf Jahren beim Team spielenden [[Troy Brown]]<ref name=nealbrownsign>[http://www.boston.com/sports/football/patriots/reiss_pieces/2006/03/neal_brown_in_f.html Neal, Brown in fold] ''Neal und Brown weiter bei den Patriots (englisch).'' Zugriff am 19. Oktober 2009.</ref> ab und ließen ihn genau wie [[Stephen Neal]]<ref name=nealbrownsign/> und [[Heath Evans]]<ref>[http://www.boston.com/sports/football/patriots/reiss_pieces/2006/03/evans_terms_1.html Boston.com] ''Evans’ Verträge (englisch).'' Zugriff am 19. Oktober 2009.</ref> nicht auf den freien Markt. Weiterhin drafteten die Patritos in der zweiten Runde [[Chad Jackson]] von der [[University of Florida]] um ihr Passspiel zu verstärken. Als Ersatz für den schon vergleichsweise alten Runningback [[Corey Dillon]] verpflichtete das Team in der ersten Runde des Drafts [[Laurence Maroney]]. Die Saison fing für die Patriots sehr gut an, von den ersten sieben Spielen konnten sie sechs gewinnen, dann folgten jedoch zwei knappe Niederlagen gegen ihre zwei [[#Rivalitäten mit anderen Teams|Hauptkontrahenten]], die Jets und die Colts, auf die das Team in den Play-offs noch einmal stieß. Danach folgte nur noch eine Niederlage gegen die Dolphins. Somit war New England mit einer Bilanz von 12 Siegen bei vier Niederlagen Erster in ihrer Division, der AFC East.<ref>[http://databasefootball.com/teams/teamyear.htm?tm=NWE&lg=NFL&yr=2006 DatabaseFootball.com] ''Statistiken der Patriots 2006 (englisch).'' Zugriff am 19. Oktober 2009.</ref> Die erste Runde der Play-offs verlief positiv für die Mannschaft und sie konnten sich einen Sieg mit 37:17 gegen die Jets erspielen. In der zweiten Runde war es knapper und die Patriots lagen im letzten Viertel hinten und machten bei einer restlichen Spielzeit von vier Minuten einen Touchdown mit einer [[Two Point Conversion]], was den Spielstand von 21:21 hervorrief. Mit einem Field Goal von [[Stephen Gostkowski]] zwei Minuten vor Spielende konnten die Patriots das Spiel letztendlich doch noch für sich entscheiden. Beim Finale ihrer Conference spielte das Team gegen die Colts, von denen sie in der regulären Saison besiegt worden waren. Bei diesem Spiel lagen die Patriots bis zum letzten Viertel die ganze Zeit vorne beziehungsweise insgesamt zweimal gleichauf mit ihren Rivalen. Bei nur noch einer Minute Spielzeit lief [[Joseph Addai]] einen Touchdown und die Colts gewannen mit 38:34 und gewannen auch den darauffolgenden Super Bowl. Mit 17 gemachten Punkten im letzten Viertel konnten die Colts das viertgrößte Comeback in der Geschichte der NFL erlangen.<ref>''2006 NFL Record and Fact Book'' ISBN 1-933405-32-5.</ref> Dieses Spiel war sehr umstritten, denn auf der Pressekonferenz einige Tage nach dem Spiel sagte der Schiedsrichter selbst, dass er falsch gepfiffen hätte. Er hatte einmal in der zweiten Halbzeit wegen [[Pass Interference]] in der Endzone gepfiffen – hätte er dies nicht getan, dann wären die Patriots möglicherweise Sieger des Spiels gewesen. Zum Pro Bowl wurden [[Matt Light]], [[Richard Seymour]] und Tom Brady eingeladen, Brady zog jedoch ein [[Golf (Sport)|Golfturnier]] vor,<ref>[http://www.washingtonpost.com/wp-dyn/content/article/2007/02/09/AR2007020901814.html WashingtonPost.com] ''Vince Young macht während des Pro Bowls keine Ferien (englisch).'' Zugriff am 19. Oktober 2009</ref> Matt Light wurde vier Tage vor dem Spiel auf die Reserveliste gesetzt<ref>[http://www.boston.com/sports/football/patriots/reiss_pieces/2007/02/light_to_pro_bo.html Boston.com] ''Light beim Pro Bowl (englisch).'' Zugriff am 19. Oktober 2009.</ref> und Seymour konnte wegen einer Verletzung nicht teilnehmen.<ref>[http://www.nfl.com/news/story/8179656 NFL.com] ''Verletzungen halten Owens und Seymour davon ab am Pro Bowl teilzunehmen (englisch).'' Zugriff am 19. Oktober 2009.</ref> === 2007 – Die unbesiegbaren Patriots === [[Datei:2007NEPTC.jpg|thumb|right|Die Patriots beim Training, links auf dem Feld ist [[Randy Moss]].]] Vor der Saison 2007 verloren die Patriots einige wichtige Spieler an andere Teams, unter anderem Linebacker [[Tully Banta-Cain]] an die [[San Francisco 49ers]]<ref>[http://www.boston.com/sports/football/patriots/reiss_pieces/2007/03/tbc_to_sf_1.html Boston.com] ''BC nach SF (englisch).'' Zugriff am 19. Oktober 2009.</ref> und [[Tight End]] [[Daniel Graham (Fooballspieler)|Daniel Graham]]<ref>[http://www.boston.com/sports/football/patriots/reiss_pieces/2007/03/graham_to_denve.html Boston.com] ''Graham zu den Broncos (englisch).'' Zugriff am 19. Oktober 2009.</ref>. Zusätzlich ging der Runningback [[Corey Dillon]]<ref>[http://www.boston.com/sports/football/patriots/reiss_pieces/2007/03/dillon_cap.html Boston.com] ''Dillon & Salary Cap (englisch).'' Zugriff am 19. Oktober 2009.</ref> in Rente. Um diese Defizite auszugleichen, verpflichtete die Mannschaft unter anderem den Runningback [[Sammy Morris]]<ref>[http://www.boston.com/sports/football/patriots/reiss_pieces/2007/03/morris_agrees.html Boston.com] ''Morris stimmt zu (englisch).'' Zugriff am 19. Oktober 2009.</ref>, den Tight End [[Kyle Brady]]<ref>[http://www.boston.com/sports/football/patriots/reiss_pieces/2007/03/kyle_brady_upda.html Boston.com] ''Neues von Kyle Brady (englisch).'' Zugriff am 19. Oktober 2009.</ref> und die beiden Wide Receiver [[Donté Stallworth]] und [[Kelley Washington]].<ref>[http://www.boston.com/sports/football/patriots/reiss_pieces/2007/03/wr_deals.html Boston.com] ''WR Verträge (englisch).'' Zugriff am 19. Oktober 2009.</ref> Die Verteidigung der Patriots bekam Unterstützung von einem Linebacker und zwei jungen Cornerbacks. Die Free Agents [[Heath Evans]], [[Junior Seau]],<ref>[http://www.boston.com/sports/football/patriots/reiss_pieces/2007/05/seau_followup.html Boston.com] ''Seau folgt (englisch).'' Zugriff am 19. Oktober 2009.</ref> [[Randall Gay]],<ref>[http://www.boston.com/sports/football/patriots/reiss_pieces/2007/05/gay_update_1.html Boston.com] ''Neues von Gay (englisch).'' Zugriff am 19. Oktober 2009.</ref> [[Troy Brown]]<ref>[http://patriots.bostonherald.com/patriots/view.bg?articleid=1010548 Bostonherald.com] ''Browns wieder bei den Pats (englisch).'' Zugriff am 19. Oktober 2009.</ref> und einige weitere unterschrieben alle einen weiteren Vertrag bei den Patriots. Außerdem legten die Patriots ihren [[Franchise Tag]] auf den Cornerback [[Asante Samuel]], um ihn nicht an ein anderes Team zu verlieren. Weiterhin kam [[Wes Welker]] für einen Draft Pick in der zweiten und einen in der siebten Runde von den Miami Dolphins<ref>[http://www.boston.com/sports/football/patriots/reiss_pieces/2007/03/pats_acquire_we.html Boston.com] ''Patriots nehmen Welker (englisch).'' Zugriff am 19. Oktober 2009.</ref> und die Patriots nahmen [[Randy Moss]] von den [[Oakland Raiders]] für lediglich einen Spieler in der vierten Runde unter Vertrag.<ref>[http://www.boston.com/sports/football/patriots/reiss_pieces/2007/04/trade_confirmed.html Boston.com] ''Übergabe bestätigt (englisch).'' Zugriff am 19. Oktober 2009.</ref> Moss stellte sich in der Saison als sehr gute und vor allem günstige Investition dar. [[Datei:Patriotsgiants 031.jpg|thumb|left|Tom Brady, Randy Moss und [[Jabar Gaffney]] nach Bradys 50. und Moss′ 23. Touchdown in dieser Saison.]] Während aller Spiele 2007 trugen die Patriots zum Andenken an den verstorbenen ehemaligen Spieler [[Marquise Hill]] eine schwarze 91 hinten auf ihrem Helm. Die Saison verlief sehr gut für New England. Sie konnten alle 16 Spiele der Saison gewinnen, sie sind somit das erste und einzige Team seit der Verlängerung einer Spielzeit von 14 auf 16 Spiele, das alle seine Begegnungen gewinnen konnte.<ref>[http://databasefootball.com/teams/teamyear.htm?tm=NWE&lg=nfl&yr=2007 DatabaseFootball.com] ''Statistiken der Patriots 2007 (englisch).'' Zugriff am 19. Oktober 2009.</ref> Sie versicherten sich schon nach der elften Woche, alle Spiele der Play-offs zu Hause spielen zu können. Die Patriots beziehungsweise die Spieler der Patriots konnten in diesem Jahr einige Rekorde aufstellen, beispielsweise den für die meisten geworfenen Touchdowns, den Brady mit insgesamt 50 erfolgreichen Pässen erreichen konnte und somit den Rekord Peyton Manning, der 2004 49 mal einen Touchdown warf, brach, sowie den für die meisten gefangenen Touchdowns, den Randy Moss mit 23 in die Endzone gebrachten Bälle hält und somit den Rekord [[Jerry Rice]]’ übertrumpfen konnte. In der ersten Woche waren die Patriots wegen des ''Spygate''-Skandals aufgefallen. Sie hatten illegal die Ansagen des Trainers ihrer Gegner, der Jets, gefilmt und wurden deswegen zu einer Strafe in Höhe von 250.000&nbsp;US-Dollar und dem Verlust eines Erstrunden Draft Picks beim kommenden Draft verurteilt.<ref>[http://sports.espn.go.com/nfl/news/story?id=3015478 ESPN.com] ''Belichick entschuldigt sich, hat mit Goddell gesprochen (englisch).'' Zugriff am 19. Oktober 2009.</ref> Zusätzlich musste Belichick 500.000&nbsp;Dollar an die NFL zahlen.<ref>[http://sports.espn.go.com/nfl/news/story?id=3018338 ESPN.com] ''Belichick musste Strafe zahlen, wurde jedoch nicht gefeuert (englisch).'' Zugriff am 19. Oktober 2009.</ref> Die ersten beiden Spiele der Play-offs konnten die Patriots genau wie die reguläre Saison ohne Probleme meistern und drangen somit zum [[Super Bowl XLII]] vor, wo sie auf die [[New York Giants]] trafen. In diesem Spiel war die [[Offensive Line]] der Patriots nicht so gut wie in den vorherigen Spielen und schon das letzte Spiel der Regular Season, das ebenfalls gegen die Giants war, verlief recht knapp. In der ersten Halbzeit gab es nur ein Field Goal seitens der Giants und einen Touchdown seitens der Patriots, das dritte Viertel blieb komplett punktelos. Im vierten und letzten Viertel konnten die Giants zuerst einen Touchdown erzielen und lagen somit mit 10:7 vorne, die Patriots zogen nach und es waren nur noch rund zwei Minuten zu spielen. Bei nur noch 35 Sekunden restlicher Spielzeit erzielten die Giants einen letzten Touchdown und lagen damit in Führung. Die letzten Versuche New Englands durch lange Pässe wieder aufzuholen scheiterten und ihre Konkurrenten wurden Sieger des Super Bowls. Viele Spieler der Patriots wurden in diesem Jahr ausgezeichnet, allen voran Tom Brady, den die [[Sports Illustrated]] zum [[Sportler des Jahres]] kührte und der [[NFL Most Valuable Player Award|NFL MVP]] und bester Angriffsspieler des Liga wurde. Belichick wurde [[NFL Coach of the Year Award|Trainer des Jahres]]. === 2008 – Viele Verletzungen === Nach der Spielzeit 2007 waren viele wichtige Verteidigungsspieler von den Patriots gegangen, unter anderem die Cornerbacks [[Asante Samuel]] und [[Randall Gay]] und der Safety [[Eugene Wilson]]. Deswegen nahmen sie diverse freie Spieler auf, die von ihren Mannschaften entlassen wurden beziehungsweise Free Agents waren. Das waren beispielsweise [[Lewis Sanders]] von den [[Atlanta Falcons]], [[Jason Webster]] vom Division-Rivalen, den Buffalo Bills und [[Tank Williams]] von den Vikings. Weiterhin entließ die Mannschaft die Linebacker [[Oscar Lua]] und [[Rosevelt Colvin]], die zwar wichtige Stützen der Verteidigung waren, sich aber schwer verletzt hatten.<ref>[http://www.boston.com/sports/football/patriots/reiss_pieces/2008/02/lua_released_to.html Boston.com] ''Lua auch entlassen (englisch).'' Zugriff am 20. Oktober 2009.</ref> Der Wide Receiver [[Donté Stallworth]] wollte keinen Vertrag mit einer kurzen Laufzeit abschließen und verließ das Team deswegen. Nachher unterschrieb er einen Vertrag bei den [[Cleveland Browns]].<ref>[http://www.boston.com/sports/football/patriots/reiss_pieces/2008/02/report_stallwor.html Boston.com] ''Stallworth besucht Browns (englisch).'' Zugriff am 20. Oktober 2009.</ref> Im Draft wählten sie bis auf den Quarterback [[Kevin O’Connell (Footballspieler)|Kevin O’Connell]] nur Verteidiger aus. Darunter war [[Jerod Mayo]], der am Ende der Saison zum Verteidigungs-Rookie des Jahres gewählt wurde.<ref>[http://sports-ak.espn.go.com/nfl/draft08/index ESPN.com] ''NFL Draft 2008 (englisch).'' Zugriff am 6. Januar 2009.</ref> Zusätzlich zu den Spielern aus dem Draft verpflichtete die Mannschaft die Defensive Backs [[Lewis Sanders]],<ref>[http://www.boston.com/sports/football/patriots/reiss_pieces/2008/03/sanders_signed.html Boston.com] ''CB Sanders unter Vertrag (englisch).'' Zugriff am 20. Oktober 2009.</ref> [[Fernando Bryant]],<ref>[http://www.boston.com/sports/football/patriots/reiss_pieces/2008/03/bryant_signing.html Boston.com] ''Bryant unterschreibt offiziell (englisch).'' Zugriff am 20. Oktober 2009.</ref> [[Jason Webster]],<ref>[http://www.boston.com/sports/football/patriots/reiss_pieces/2008/03/webster_deal_of.html Boston.com] ''Webster-Deal offiziell (englisch).'' Zugriff am 20. Oktober 2009.</ref> und [[Tank Williams]].<ref>[http://www.boston.com/sports/football/patriots/reiss_pieces/2008/03/report_pats_sig.html Boston.com] ''Pats nehmen Williams unter Vertrag (englisch).'' Zugriff am 20. Oktober 2009.</ref> Außerdem kam [[Sam Aiken]], der vorher bei den Buffalo Bills gespielt hatte, zum Team.<ref>[http://www.boston.com/sports/football/patriots/reiss_pieces/2008/03/aiken_signs_on.html Boston.com] ''Aiken unterschreibt für zwei Jahre (englisch).'' Zugriff am 20. Oktober 2009.</ref> Er wurde hauptsächlich bei Field-Goal-Versuchen und Punts eingesetzt. In der Preseason testeten die Patriots ihre Back-Up-Quarterbacks, [[Matt Cassel]], [[Matt Gutierrez]] und den frisch gedrafteten Kevin O’Connell. Alle zeigten vergleichsweise schlechte Leistungen. Keiner der Spieler konnte ein [[Quarterback Rating]] von über 90 erreichen, O’Connell hatte gerade mal ein Rating von 43,8.<ref>[http://www.nfl.com/teams/newenglandpatriots/statistics?season=2008&team=NE&seasonType=PRE NFL.com] ''2008 Preseason Statistiken der Patriots (englisch).'' Zugriff am 19. Oktober 2009.</ref> Im ersten Spiel der regulären Saison verletzte Brady sich am Knie, was das Ende der Saison für ihn bedeutete. Den Rest der Saison spielte Cassel für ihn. Innerhalb der Saison gab es viele weitere Verletzungen, so fielen zeitweise [[Tedy Bruschi]], [[Ellis Hobbs]], [[Matt Light]], [[Lewis Sanders]], [[Vince Wilfork]], [[Richard Seymour]], [[Billy Yates]], [[Laurence Maroney]] und viele weitere wichtige Spieler aus.<ref>[http://sports.yahoo.com/nfl/teams/nwe/injuries Yahoo.com] ''Verletzungsliste 2008 der Patriots (englisch).'' Zugriff am 6. Januar 2009.</ref> Die Patriots beendeten die Saison mit einer Bilanz von elf Siegen bei fünf Niederlagen, schafften es aber als erstes Team mit so einer Bilanz seit 1985 nicht in die Play-offs, da die Miami Dolphins die gleiche Bilanz aufweisen konnten aber eine bessere Punktebilanz hatten.<ref>[http://www.nfl.com/gamecenter/recap?game_id=29770&displayPage=tab_recap&season=2008&week=REG17 NFL.com] ''NFL Game Center vom Spiel gegen die Bills in Woche 17 (englisch).'' Zugriff am 2. Januar 2009.</ref> === 2009 – Rückkehr von Brady === Nachdem sicher war, dass Brady 2009 wieder spielen konnte, tradeten die Patriots Cassel zusammen mit dem Linebacker Mike Vrabel, der zuvor acht Jahre bei den Patriots spielte, zu den [[Kansas City Chiefs]]. Dafür erhielten die Neu-Engländer einen Draftpick in der zweiten Runde an der zweiten Stelle (34. insgesamt). <ref>[http://www.patriots.com/news/index.cfm?ac=latestnewsdetail&pid=36425&pcid=47 Patriots.com] ''Patriots traden Mike Vrabel & Matt Cassel zu den Chiefs (englisch).'' Zugriff am 19. Oktober 2009.</ref> Mit dem 58. Pick des Drafts verpflichteten sie mit [[Sebastian Vollmer]] erstmals einen deutschen Spieler, dessen sportliche Grundlagen in Deutschland gelegt wurden. == Wirtschaftliche und finanzielle Aspekte == {| class="prettytable float-right" |+ Wert des Teams (in Mio. US-Dollar)<ref name=forbespats06>[http://www.forbes.com/lists/2006/30/06nfl_New-England-Patriots_307338.html Forbes.com] ''Der Wert der Patriots 2006 (englisch).'' Zugriff am 19. Oktober 2009.</ref><br /><small>''1994: Preis bei letztem Eigentümerwechsel.<br/>1998ff: Nach Schätzung der Forbes 2006.''</small> |- |<timeline> ImageSize = width:300 height:200 PlotArea = width:80% height:70% left:20% bottom:20% AlignBars = justify DateFormat = yyyy Period = from:0 till:1500 TimeAxis = orientation:vertical ScaleMajor = increment:300 start:0 PlotData= color:skyblue bar:'94 from:start till:172 align:center text:172 color:magenta bar:'98 from:start till:252 align:center text:252 bar:'99 from:start till:460 align:center text:460 color:powderblue bar:2000 from:start till:464 align:center text:524 bar:'01 from:start till:524 align:center text:524 color:powderblue bar:'02 from:start till:571 align:center text:571 bar:'03 from:start till:756 align:center text:756 color:powderblue bar:'04 from:start till:861 align:center text:861 bar:'05 from:start till:1040 align:center text:1.040 color:powderblue bar:'06 from:start till:1176 align:center text:1.176 bar:'07 from:start till:1199 align:center text:1.199 color:powderblue bar:'08 from:start till:1324 align:center text:1.324 </timeline> |- |} 2006 konnte die Mannschaft rund 116,6&nbsp;Millionen&nbsp;Dollar einnehmen und bekam wie jedes Team eine Förderung der NFL in Höhe von rund 14,3&nbsp;Millionen&nbsp;Dollar.<ref>[http://germany-allstars.com/info/commissioner.html Germany-Allstars.com] ''NFL Commissioner.'' Zugriff am 19. Oktober 2009.</ref> Der Wert der New England Patriots lag 2006 bei 1,176&nbsp;Milliarden&nbsp;US-Dollar, sie sind damit das zweitwertvollste Team der NFL und gleichzeitig der Welt. Somit fand seit dem Kauf 1994 von Robert Kraft für 172&nbsp;Millionen eine Wertsteigerung von rund 680 % statt.<ref name=forbespats06/> 2008 erhöhte sich der Wert durch einen großen 350&nbsp;Millionen&nbsp;Dollar teuren Einkaufskomplex rund um das Stadion auf gut 1,4&nbsp;Milliarden&nbsp;US-Dollar. Trotzdem sind sie nur noch das drittwertvollste Team der Liga.<ref>[http://www.forbes.com/lists/2008/30/sportsmoney_nfl08_New-England-Patriots_307338.html Forbes.com] ''NFL Team Zusammenfassung: # 3 New England Patriots (englisch).'' Zugriff am 19. Oktober 2009.</ref> Das Team hat 2008 mit 112,9&nbsp;Millionen&nbsp;US-Dollar das vierthöchste [[Salary Cap]] in der NFL, nur die Colts mit 125,8&nbsp;Millionen, die Redskins mit 123,5&nbsp;Millionen und die Panthers mit 120,9&nbsp;Millionen geben mehr Geld für ihre Spieler aus.<ref>[http://archive.profootballtalk.com/2008capfigures.htm ProFootballTalk.com] ''Salary Caps 2008 (englisch).'' Zugriff am 19. Oktober 2009.</ref> Seit 2005 liegt die Mannschaft ständig durchschnittlich etwa 8&nbsp;Millionen&nbsp;Dollar über dem Maximum der NFL. Von der Einführung des Salary Caps bis einschließlich 2002 blieben die Patriots immer unter dem vorgegebenem Maximalgehalt. Der durchschnittliche Ticketpreis für ein Spiel im Gillete Stadium ist bei direktem Kauf bei 100&nbsp;US-Dollar, was weit über dem Durchschnitt der NFL, der bei rund 50&nbsp;US-Dollar liegt, ist. Üblicherweise sind jedoch schon lange vor Beginn der Saison alle Tickets ausverkauft, weshalb viele Karten bei [[eBay]] oder auf dem [[Schwarzmarkt]] verkauft werden. Dort werden sie für über 150&nbsp;Dollar pro Person, je nach Spiel und Gegner, gehandelt. == Stadion == ''Siehe auch [[Gillette Stadium]]'' [[Datei:Gillette stadium.jpg|thumb|Das Gillette Stadium, seit 2002 Heimat der Patriots]] Während seiner Zeit als Besitzer versuchte [[Robert K. Kraft|Robert Kraft]] in den Neuenglandstaaten ein neues Stadion zu bauen. Da er sich mit der Stadt [[Boston]] und [[Rhode Island]] nicht einig wurde und somit keine Erlaubnis erhielt, dort zu bauen, verhandelte er mit dem Parlament [[Massachusetts]], dass er neben dem [[Foxboro Stadium|alten Stadion]] ein halbselbstfinanziertes neues bauen dürfe. Massachusetts sollte 75&nbsp;Millionen&nbsp;US-Dollar zum Bau hinzugeben. Der Sprecher des Parlaments lehnte den Vorschlag jedoch mit der Begründung ab, dass er nicht einverstanden sei wenn Steuergelder für private Interesse genutzt werden. Aufgrund dessen schloss Kraft mit dem [[Gouverneur]] von [[Connecticut]], [[John Rowland]], einen Vertrag, dass er das Stadion in [[Hartford (Connecticut)|Hartford, Connecticut]] bauen darf. Es gab jedoch einige Probleme an der Stelle wo das Stadion gebaut werden sollte, weshalb sich der Bau verzögerte. Zur gleichen Zeit gab die NFL bekannt, dass sie Teams die sich in einer der sechs größten Ballungsgebiete der Vereinigten Staaten, darunter Boston, absetzten, Kredite bis zu einer Höhe von 150&nbsp;Millionen&nbsp;US-Dollar gewährte. Deswegen gab es wieder Diskussionen das Stadion in Foxborough zu bauen, auch das Parlament war für weitere Verhandlungen bereit. Die Diskussionen waren erfolgreich und Kraft gab im Frühling 1999 bekannt, dass das Stadionprojekt in Hartford annulliert und stattdessen am ursprünglich gedachten Ort gebaut werde. Die letzte Hürde war das Einverständnis der Stadt Foxborough, die aber mit 90 % für das Stadion abstimmte. Das machte den Weg für das insgesamt 325&nbsp;Millionen&nbsp;US-Dollar teure Projekt frei.<ref name=gillettestade>[http://football.ballparks.com/NFL/NewEnglandPatriots/newindex.htm Ballparks.com] ''Gillette Stadium (englisch).'' Zugriff am 19. Oktober 2009.</ref> Zuerst gehörten die Namensrechte [[CMGi]] und das Stadion hieß „CMGi Field“.<ref name=gillettestade/> Ab dem Frühling 2002 gab es schon einige kleinere Veranstaltungen, zum Beispiel Konzerte und Spiele des [[Fußball]]vereins [[New England Revolution]], das erste Großereignis war jedoch erst im September desselben Jahres ein Spiel der Patriots. Kurz davor kaufte die [[The Gillette Company|Gillette Company]] die Namensrechte und benannte das Stadion in „Gillette Stadium“ um. Von Fans wird die Spielstätte oft „The Razor“ genannt.<ref>[http://yoavs.blogspot.com/2006/08/saturday-night-at-razor.html BlogSpot.com] ''Blogeintrag in dem das Gillette Stadium „The Razor“ genannt wird (englisch).'' Zugriff am 19. Oktober 2009.</ref> Von 2007 bis 2008 wurde am sogenannten ''Patriot Place'' gebaut, einem 1,3&nbsp;km² großer Komplex, in dem viele große Läden, ein 4-Sterne-Hotel, ein Ärztezentrum, mehrere Kinos und ein Museum Platz finden. Die Baukosten betrugen 350&nbsp;Millionen&nbsp;US-Dollar und täglich sollen sich über 20.000 Besucher im Patriot Place aufhalten.<ref>[http://www.boston.com/sports/football/patriots/articles/2007/05/20/krafts_building_a_350m_patriot_place_complex_and_a_legacy/ Boston.com] ''Kraft baut einen 350-Millionen-Dollar-Komplex (englisch).'' Zugriff am 19. Oktober 2009.</ref> == Spieler == === Aktueller Kader === {{Kader der New England Patriots}} === Herausragende Spieler im aktuellen Kader === * #12 – [[Tom Brady]], Quarterback *: Brady gilt als einer der besten Quarterbacks der Liga und somit auch der Welt.<ref name="bradybest1">[http://cin.scout.com/a.z?s=117&p=2&c=697913 Scout.com] ''Brady:Auf seinem Weg der beste zu sein (englisch).'' Zugriff am 19. Oktober 2009.</ref><ref name="bradybest2">[http://sports.espn.go.com/nfl/news/story?id=2885497 ESPN.com] ''Der beste Quarterback (englisch).'' Zugriff am 19. Oktober 2009.</ref><ref name="bradybest3">[http://sports.espn.go.com/nfl/playoffs07/columns/story?columnist=chadiha_jeff&id=3199634 ESPN.com] ''Die Arme der Größe:Die besten QBs in ihrem Jahrzehnt (englisch).'' Zugriff am 19. Oktober 2009.</ref> Er ist vor allem durch seine langen Pässe und seine Comebacks im letzten Viertel bekannt, was den Patriots schon oft den Sieg gesichert hat.<ref name="comeback">[http://www.boston.com/sports/football/patriots/graphics/01_17_07_brady/ Boston.com] ''Grafik der Comebacks im 4. Viertel von Brady (englisch).'' Zugriff am 19. Oktober 2009.</ref> * #81 – [[Randy Moss]], Wide Receiver *: Moss brach bereits 2007, seinem ersten Jahr bei den Patriots, einige Rekorde, unter anderem die meisten gefangenen Touchdowns mit 23 Stück. Er ist vor allem aufgrund der langen Pässe von Brady bekannt. Auch als „Runningback“ erwies sich Moss als erfolgreich.<ref>[http://sports.espn.go.com/nfl/playoffs07/columns/story?columnist=chadiha_jeffri&id=3206790 ESPN.com] ''Bericht über die Saison der Patriots (englisch).'' Zugriff am 19. Oktober 2009.</ref> Trotz seiner guten Leistungen ist er nicht sehr überheblich und respektiert oder fürchtet sich vor allem vor [[Bill Belichick|Belichick]].<ref>[http://www.sfgate.com/cgi-bin/article.cgi?f=/c/a/2008/01/30/SP82UOI0G.DTL&feed=rss.sports SFGate.com]''Scoot Ostler schreibt über Moss (englisch).'' Zugriff am 19. Oktober 2009.</ref> Er gilt als der beste Wide Receiver der Saison 2007.<ref name=top64wr>[http://myespn.go.com/blogs/hashmarks/0-5-815/Who-are-the-top-64-receivers-in-the-league-.html ESPN.com] ''Wer sind die 64 besten Wide Receiver der Liga? (englisch).'' Zugriff am 19. Oktober 2009.</ref> * #83 - [[Wes Welker]], Wide Receiver *: Wes Welker spielt weit nicht so spektakulär wie Randy Moss, ist aber für die Mannschaft ungemein wichtig, das zeigt sich auch daran, dass er in seinem ersten Jahr für die Patriots 2007 einen neuen Rekord mit 112 gefangenen Pässen erzielen konnte. === Spieler in der Pro Football Hall of Fame === Die Patriots haben vier Spieler in der [[Pro Football Hall of Fame]].<ref name="halloffamer">[http://www.profootballhof.com/history/team.jsp?franchise_id=19 ProFootballHoF.com] ''Spieler der Patriots in der PFHoF (englisch).'' Zugriff am 19. Oktober 2009.</ref> * #85 – [[Nick Buoniconti]], Linebacker, spielte von 1962 bis 68 bei den Patriots, aufgenommen in die HoF 2001. *: Nick Buonconti wurde nicht zuletzt wegen seiner für die Position des Linebackers geringen Größe beim Draft erst in der 13. Runde des AFL Drafts von den damals Boston Patriots verpflichtet. In seinen sieben Jahren als Spieler bei den Patriots konnte er 24 Interceptions erreichen und hat damit bis heute die viertmeisten in der Geschichte des Teams. Obwohl er nie einen abgefangen Pass zu Punkten umsetzen konnte, lief er zwei mal einen Fumble zum Touchdown. 1969 wechselte er zu den Miami Dolphins und gewann mit ihnen zwei Super Bowls, somit wurde er 2001 in die Pro Football Hall of Fame gewählt.<ref>[http://www.profootballhof.com/hof/member.jsp?player_id=38 ProFootballHoF.com] ''Biographie Nick Buonicontis (englisch).'' Zugriff am 19. Oktober 2009.</ref> * #73 – [[John Hannah (Footballspieler)|John Hannah]], Offensive Guard, spielte von 1973 bis 85 bei den Patriots, aufgenommen in die HoF 1991. *: Der aus [[Georgia]] stammende John Hannah wurde nicht zuletzt wegen seines Spielens auch bei Verletzungen, den neun Auswahlen zum Pro Bowl und den vier Auszeichnungen als ''[[NFL Players Association]] Linebacker of the Year'' 1991 Mitglied der Ruhmeshalle.<ref>[http://www.profootballhof.com/hof/member.jsp?player_id=88 ProFootballHoF.com] ''Biographie John Hannahs (englisch).'' Zugriff am 19. Oktober 2009.</ref> * #40 – [[Mike Haynes]], Cornerback, spielte von 1976 bis 82 bei den Patriots, aufgenommen in die HoF 1997. *: Mike Haynes wurde beim Draft 1976 als fünfter Spieler als erster Defensive Back insgesamt von New England verpflichtet. Schon in seiner ersten Saison fing er acht Pässe ab und wurde bester der AFC mit 608 Yards bei [[Punt (American Football)|Punt Returns]], zwei davon konnte er als erster Patriot zu einem Touchdown umwandeln. Aufgrund dessen wurde er schon als Rookie zum Pro Bowl gewählt, in seiner gesamten Karriere würde er neun mal an diesem teilnehmen und wurde 1997 in die Hall of Fame aufgenommen<ref>[http://www.profootballhof.com/hof/member.jsp?player_id=90 ProFootballHoF.com] ''Biographie Mike Haynes’ (englisch).'' Zugriff am 19. Oktober 2009.</ref> * #56 – [[Andre Tippett]], Linebacker, spielte von 1982 bis 93 bei den Patriots, aufgenommen in die HoF 2008. === Zurückgezogene Nummern === Momentan vergeben die Patriots die Nummern der folgenden acht Spieler nicht mehr:<ref name="retirednumbers">[http://www.nflteamhistory.com/nfl_teams/new_england_patriots/retired_numbers.html NFLTeamHistory.com] ''Zurückgezogene Nummern der New England Patriots (englisch).'' Zugriff am 19. Oktober 2009.</ref> * #20 – [[Gino Cappelletti]] * #40 – [[Mike Haynes]] * #56 – [[Andre Tippett]] * #57 – [[Steve Nelson (Footballspieler)|Steve Nelson]] * #73 – [[John Hannah (Footballspieler)|John Hannah]] * #78 – [[Bruce Armstrong]] * #79 – [[Jim Lee Hunt]] * #89 – [[Bob Dee]] Außer diesen acht Spielern schafften es noch der Quarterback [[Steve Grogan]] mit der Nummer 14, [[Ben Coates]] mit der Nummer 87, genauso wie der Quarterback [[Babe Parilli]] mit der Nummer 15 und letztendlich der Wide Receiver [[Stanley Morgan]] mit der 86 in die patriotseigene Hall of Fame.<ref>[http://www.patriots.com/history/index.cfm?ac=halloffame Patriots.com] ''Informationen über die zurückgezogenen Nummern und die Hall of Fame der Patriots (englisch).'' Zugriff am 19. Oktober 2009.</ref> == Trainer (Coaches) == === Head Coaches === [[Datei:Pats SBTrophs beschnitten.jpg|thumb|Die drei [[Vince Lombardi Trophy]]s im Hauptquartier der Patriots, sie gewannen alle mit ihrem derzeitigen Head Coach [[Bill Belichick]]]] {| class="prettytable sortable" cellspacing="5" ! style="background-color: #c9c9c9" |Name ! style="background-color: #c9c9c9" |von ! style="background-color: #c9c9c9" |bis ! style="background-color: #c9c9c9" |S ! style="background-color: #c9c9c9" |N ! style="background-color: #c9c9c9" |U |- |[[Lou Saban]] |1960 |1961 |7 |12 |0 |----- bgcolor="#EEEEEE" |[[Mike Holovak]] |1961 |1968 |52 |46 |9 |- |[[Clive Rush]] |1969 |1970 |5 |16 |0 |----- bgcolor="#EEEEEE" |[[John Mazur]] |1970 |1972 |9 |21 |0 |- |[[Phil Besington]] |1972 |1972 |1 |4 |0 |----- bgcolor="#EEEEEE" |[[Chuck Fairbanks]] |1973 |1978 |46 |39 |0 |- |[[Hank Bullough]] |1978 |1978 |0 |1 |0 |----- bgcolor="#EEEEEE" |[[Ron Erhardt]] |1978 |1981 |21 |28 |0 |- |[[Ron Meyer]] |1982 |1984 |18 |15 |0 |----- bgcolor="#EEEEEE" |[[Raymond Berry]] |1984 |1989 |48 |39 |0 |- |[[Rod Rust]] |1990 |1990 |1 |15 |0 |----- bgcolor="#EEEEEE" |[[Dick McPherson]] |1991 |1992 |8 |24 |0 |- |[[Bill Parcells]] |1993 |1996 |32 |32 |0 |----- bgcolor="#EEEEEE" |[[Pete Caroll]] |1997 |1999 |27 |21 |0 |- |[[Bill Belichick]] |2000 |heute |112 |48 |0 |- |} ''von: Jahr des Einstiegs, bis: Jahr des Ausstiegs, S: Siege, N: Niederlagen, U: Unentschieden, gewertet werden nur die Spiele der [[Regular Season]].'' === Derzeitiger Stab === {{New England Patriots Trainer}} == Strategie == Seit [[Bill Belichick|Belichick]] Cheftrainer der Patriots ist, geht die Angriffsformation einer sogenannten ''Erhardt-Perkins''-Offense-Strategie nach und die Verteidigung einer sogenannten ''Fairbanks-Bullough'' 4-3er Defense-Strategie. === Erhardt–Perkins-Offense === Die Patriots spielen eine leicht modifizierte Version der „[[Ron Erhardt|Ron-Erhardt]]-[[Ray Perkins|Ray-Perkins]]“-Offense,<ref>[http://www.boston.com/sports/packages/nfl2000/plays.htm Boston.com] Boston Globe, ''Coming to terms with the system (englisch).'' Zugriff am 19. Oktober 2009.</ref>, die [[Charlie Weis]] unter Bill Belichick eingeführt hat. Erhardt und Perkins waren unter dem eher defensiv orientierten Cheftrainer [[Chuck Fairbanks]] beide als Assistenztrainer in der Offense tätig. Dieses System wurde und wird immer noch von vielen Teams in abgeänderter Form verwendet. Dieses Offense-System ist vor allem für die vielen verschiedenen Formationen und Stellungen bei nur den wichtigsten fundamentalen Plays bekannt. Jedes Play und jede Formation sind in diesem System separat nummeriert. Zusätzliche Beschreibungen beziehungsweise Anweisungen wandeln jedes Play noch einmal ab. Das Erhardt-Perkins-System hat einen guten Ruf, da es das Ziel hat, die dem Team während eines Spieles zur Verfügung stehende Zeit zu erhöhen.<ref>[http://query.nytimes.com/gst/fullpage.html?res=9E0CE0DB1E38F93BA1575BC0A964958260 NYTimes.com] ''Die Steelers freuen sich über die „Hand Offense Off“ von Erhardt (englisch).'' Zugriff am 19. Oktober 2009.</ref> Erhardt war für sein Zitat „pass to score, run to win“ ([[Englische Sprache|englisch]] für „Passen um Punkte zu machen und Laufen um zu gewinnen“).<ref>[http://blogs.rockymountainnews.com/denver/broncos/archives/2007/10/looking_for_the_1.html RockyMountainNews.com] Blick auf die Lieferung von etwas speziellem (englisch).'' Zugriff am 19. Oktober 2009.</ref> Der Grundsatz wurde speziell von [[Bill Parcells]] zu seiner Zeit bei den [[New York Giants]] angewandt.<ref>[http://www.sptimes.com/2004/01/07/Sports/Parcells_protege_Coug.shtml SPTimes.com] ''Parcells Schützlich Coughlin kommt wieder als Coach zu den Giants (englisch).'' Zugriff am 19. Oktober 2009.</ref> Insbesondere bei dem rauen Wetter in Nordostamerika ist das Erhardt-Perkins-System sehr effektiv.<ref>[http://www.thewesterlysun.com/articles/2007/12/18/sports/free_sports/doc47668896cdc0e966587256.txt TheWesterlySun.com] ''Das Wetter gibt den Patriots eine Probe für die Play-offs (englisch).'' Zugriff am 19. Oktober 2009.</ref> Ein Beispiel für die Anwendung des Systems ist ''Zero, Ride Thirty-six'' (englisch für ''Null, Ride dreißig sechs''). Die Null beziehungsweise Zero setzt die Formation fest, die dreißig oder thirty legt den Spieler der den Ball trägt fest und die sechs oder six die Lücke durch die der Runningback laufen soll. Die Erhardt-Perkins-Offense besteht hauptsächlich daraus, durch Täuschungsmanöver lange Pässe zu werfen, wenn der Gegner es am wenigsten erwartet. Dies wird durch [[Fake (American Football)|Play Action Pässe]] erreicht, die wie Laufspielzüge aussehen, jedoch ein eine Täuschung des Gegners sind. Das System ist jedoch entgegen seinem Ruf kein System, in dem immer zuerst gelaufen wird. In Erhardts späten Jahren, als die NFL Regeln es ermöglichten, benutzte er sein System mit mehreren Receivern, zu denen hauptsächlich tiefe Pässe geworfen wurden. Dies brachte ihm den Spitznamen „Air Erhardt“ (englisch für ''Luft-Erhardt'') ein. Als Ergebnis dieser Erfolgen mit der Offense benutzten die Patriots das System auch mit leeren Backfield, also ohne jegliche Runningbacks und nur mit fünf [[Wide Receiver]]n beziehungsweise [[Tight End]]s. Mit Randy Moss und Wes Welker können die Patriots dieses System momentan rekordträchtig anwenden.<ref>[http://sports.yahoo.com/nfl/news?slug=txpatriotsrecords&prov=st&type=lgns Yahoo.com] ''Brady und Moss brechen Rekorde (englisch).'' Zugriff am 19. Oktober 2009.</ref> === Spielphilosophie === Den Patriots werden in der Presse oft verschiedene Merkmale zugeschrieben. Dazu zählen ihre selbstkritische, perfektionistische Einstellung,<ref>[http://www.boston.com/sports/football/patriots/articles/2007/10/05/humble_pie_always_on_menu/ Boston.com] ''Humble pie always on menu (englisch).'' Zugriff am 19. Oktober 2009.</ref> ihre Gewichtung auf Teamarbeit, Gleichberechtigung unter den Spielern und gegen Egoismus,<ref>[http://www.newsobserver.com/105/story/383851.html NewsObserver.com] ''Spielplan für die Konkurrenz auf dem Feld und im Leben (englisch).'' Zugriff am 19. Oktober 2009.</ref> ihre starke Arbeitsmoral, Intelligenz und ihr hohes Level an individueller Vorbereitung für das nächste Spiel,<ref>[http://www.usatoday.com/sports/football/nfl/patriots/2005-01-24-team-concept_x.htm USAToday.com] ''Patriots, alles über die Ringe (englisch).'' Zugriff am 19. Oktober 2009.</ref> wandlungsfähige Spieler, die auf verschiedenen Positionen spielen können,<ref>[http://www.signonsandiego.com/sports/nfl/20050206-1920-fbn-superbowl-vrabel.html SignOnSanDiego.com] ''Der vielfältige Vrabel und die Super Bowl-Weisheit (englisch).'' Zugriff am 19. Oktober 2009.</ref> und ihre vielen geplanten Ausnutzungen der Schwächen ihrer Gegner.<ref>[http://sports.espn.go.com/espn/print?id=1423846&type=columnist ESPN.com] ''Die Patriots benutzten den Spielplan um St. Louis matt zu setzen (englisch).'' Zugriff am 19. Oktober 2009.</ref> == Rivalitäten mit anderen Teams == Die Patriots haben mit hauptsächlich zwei Teams eine größere Feindschaft, den Colts und den Jets. === Rivalität mit den Colts === Die Rivalität zwischen den [[Indianapolis Colts]] und Patriots ist eine der neuesten in der NFL, angetrieben durch die Rivalität der momentan besten Quarterbacks der Liga, [[Tom Brady]] und [[Peyton Manning]].<ref name="bradybest1"/><ref name="bradybest2"/><ref name="bradybest3"/> Die Patriots siegten in den ersten sechs Spiele der Serie der Team-Rivalität, inklusive dem [[AFC Championship Game]] 2003 und einem Spiel der Divisional Play-offs 2004. Von den letzten vier Spielen gewannen die Colts jedoch drei, zwei in der regulären Saison und einmal das AFC Championship Game 2006, nach welchem sie im Super Bowl siegten. Die Rivalität der beiden Teams begann erst mit dem Wechsel der Colts in die AFC South, während in der Zeit von 1970 bis 2001, als die Colts und die Patriots in der gleichen Division spielten, keine besondere Feindschaft zwischen beiden Mannschaften bestand. === Rivalität mit den Jets === Aufgrund einiger Vorfälle und dem Aspekt, dass die Patriots und die [[New York Jets]] zweimal im Jahr gegeneinander spielen, weil sie in derselben Division sind, herrscht zwischen ihnen eine Rivalität. Insgesamt haben die beiden Teams schon 97 mal gegeneinander gespielt, 48 mal haben die Patriots und auch die Jets haben 48 mal gewonnen, außerdem gab es ein Unentschieden.<ref name=NYJvsNEP>[http://footballdb.com/teamvsteam.html?tm=19&opp=22 FootballDB.com] ''New York Jets gegen New England Patriots: Ergebnisse.'' Zugriff am 19. Oktober 2009.</ref> Die Rivalität begann, als Bill Parcells nach [[Super Bowl XXXI]] zu einem Team wechseln wollte, bei dem er größeren Einfluss auf den Entry Draft und die Verpflichtung neuer Spieler haben würde, als ihm Robert K. Kraft als Besitzer der Patriots erlaubte.<ref name="TakeThat">[http://findarticles.com/p/articles/mi_m0FCL/is_4_30/ai_66760539 FindArticles.com] ''Nimm den! S. 1 (englisch).'' Zugriff am 19. Oktober 2009.</ref> Beim Draft 1996 wollte Parcells als 17. Spieler insgesamt einen Verteidiger nehmen, das damalige Spielermanagement setzte sich jedoch mit der Verpflichtung des Wide Receivers [[Terry Glenn]] durch.<ref name="TakeThat"> </ref> Nach dem Draft, bei dem er beinahe von Kraft entlassen wurde, handelte Parcells daraufhin eine kürzere Vertragsdauer aus.<ref name="TakeThat"> </ref> Nach dem Super Bowl verlängerte Parcells seinen Vertrag nicht. Teambesitzer Kraft nahm daraufhin an, dass die Jets mit Parcells verhandelt hätten, um ihn als neuen Cheftrainer zu verpflichten. Dies hatten die Jets aufgrund des Vertrages von Parcells mit den Patriots nicht getan, sondern Parcells als Berater und [[Bill Belichick]] als Cheftrainer eingestellt, der zusammen mit Parcells von den Patriots kam.<ref name="TakeThat"> </ref> Kraft, der einen Draft-Pick für die erste Runde gefordert hatte, um Parcells irgendwo anders trainieren zu lassen, nannte den Vertrag der Jets „ein erkennbares Affentheater“, durch das die Jets gezeigt hätten, „dass sie von Anfang an den Plan hatten, Parcells 1997 als Head Coach einzustellen.“<ref name="TakeThat"> </ref> Die NFL schaltete den Auktionär [[Paul Tagliabue]] ein, der das Problem lösen sollte. Letztendlich bekamen die Patriots einen Pick in der dritten und einen in der vierten Runde für den Draft 1997, einen Pick in der zweiten Runde 1998 und einen für die erste Runde 1999, was den Jets erlaubte, Parcells unter Vertrag zu nehmen.<ref name="TakeThat2"/> == Fans und Außendarstellung == [[Datei:New England Patriots Cheerleaders (USAF).jpg|thumb|Die Cheerleader der Patriots bei einem Auftritt]] === Spielbegleitung === Die 1977 gegründete [[Cheerleading]]abteilung der Patriots hat keinen eigenen Namen, sondern werden nur ''The Patriots Cheerleaders'' genannt. Heute treten sie sowohl bei Spielen als auch bei den Wohltätigkeitsveranstaltungen der Patriots auf. 2005 wurde die Cheerleaderin Kristin Gauvin aufgrund ihres Engagements bei den Patriots [[Miss Massachusetts]].<ref>[http://missmass.org/ MissMass.org]''Schönheitswettbewerb-Geschichte (englisch).'' Zugriff am 19. Oktober 2009.</ref> Bei den [[Olympische Sommerspiele 2008|olympischen Spielen 2008]] in [[Peking]], [[Volksrepublik China|China]] trainierten die Tänzerinnen der New England Patriots die dort ansässigen Cheerleader.<ref>[http://en.beijing2008.cn/volunteers/news/n214435725.shtml Bejing2008.cn] ''Cheerleader der Patriots führen die Chinesischen (englisch).'' Zugriff am 19. Oktober 2009.</ref> Bei jedem Heimspiel stehen neben jeder Endzone zehn als [[Minutemen (Miliz)|Minutemen]] verkleidete Personen, die bei jedem Touchdown oder Field Goal New Englands einmal in die Luft schießen. Erzielen die Pariots einen Extrapunkt, leiten die Schüsse einen Ausschnitt der [[Ouvertüre 1812]] ein. [[ESPN]] bezeichnete diese Performance als eine der zehn besten in der Liga 2007. <ref>[http://sports.espn.go.com/travel/news/story?id=3139628 ESPN.com] ''Bericht von Josh Pahigian über die zehn besten Touchdown-Zelebrationen in der NFL (englisch).'' Zugriff am 19. Oktober 2009.</ref> === Fans === [[Datei:NewEnglandPatriots Fanclub.svg|right|100px]] Neben momentan über 300 offiziellen und eingetragenen Fanclubs gibt es auch etliche inoffizielle.<ref name="patriotsfans">[http://www.patriots.com/fanzone/public/index.cfm?pn=1&ac=FcorHome&fullList=1 Patriots.com] ''Liste aller Fanclubs (englisch).'' Zugriff am 19. Oktober 2009.</ref> Auch in Deutschland sind einige Clubs ansässig. Jährlich gegen Ende der Saison wird eine nach dem ersten Preisträger „Joseph R. Mastrangelo Memorial Trophy“ genannte Auszeichnung für den besten Fan verliehen, für die Ehrung 2008 gingen 600 Bewerbungen und Nominierungen ein.<ref name="foty">[http://originwww.patriots.com/fanzone/public/index.cfm?ac=fanoftheyear Patriots.com] ''Bank of America Patriots Fan of the Year (englisch).'' Zugriff am 19. Oktober 2009.</ref> === Öffentlichkeitsarbeit === Die Patriots betreiben auch eine Wohltätigkeitsstiftung, die sich vor allem um notleidende Kinder in New England kümmert.<ref name="patscharity">[http://www.patriots.com/community/index.cfm?ac=purpose Patriots.com] ''New England Patriots Charitale Foundation: Vorsatz (englisch).'' Zugriff am 19. Oktober 2009.</ref> Ein gewisser Prozentsatz der Ticketeinahmen und die Einnahmen aus von der Stiftung ausgetragenen Golfturnieren und Galas fließen in das Budget. Außerdem finden in unregelmäßigen Abständen Online-Auktionen statt, in denen alte Trikots, signierte Bälle und Anderes versteigert werden.<ref name="fundraisers">[http://www.patriots.com/community/index.cfm?ac=foundationfundraisers Patriots.com] ''New England Patriots Charitale Foundation: Spendensammler (englisch).'' Zugriff am 119. Oktober 2009.</ref> Von 2001 bis 2008 fand jedes Jahr im Juni findet ein von dem Spieler [[Larry Izzo]] veranstaltetes [[Karaoke]] statt. Das sogenannte ''„Larryoke“'' war den Soldaten der [[United States Army|US Army]] gewidmet.<ref>[http://www.larryizzosalutetothetroops.com/event.html LarryIzzoSaluteToTheTroops.com] ''Homepage Larry Izzos Stiftung (englisch).'' Zugriff am 19. Oktober 2009.</ref> Die Patriots unterstützen unter anderem [[Morgan Memorial Goodwill Industries]] und die [[Heilsarmee|Salvation Army]], die dafür sorgen, dass hunderte Kinder und Familien täglich etwas zu Essen bekommen. Zusätzlich verschenken die Patriots noch einige Karten für ihre Spiele, damit auch Kindern aus sozial schwachen Familien der Besuch eines Spiels ermöglicht wird.<ref name="charies">[http://www.patriots.com/community/index.cfm?ac=charitableprograms Patriots.com] ''New England Patriots Charitale Foundation: Unterstützte Projekte (englisch).'' Zugriff am 19. Oktober 2009.</ref> === Radio- und Fernsehübertragungen === Seit 2007 gibt es den Radiosender WBCN 104.1FM, der zu [[CBS Radio]] gehört. Der größere Sender der Patriots, der insgesamt sieben Staaten mit 35 Stationen abdeckt, heißt [[Patriots Rock Radio Network]]. Schon seit langem moderieren [[Gil Santos]] und [[Gino Cappelletti]] bei diesem Radiosender. Der Sender [[American Broadcasting Company|ABC]], ein Partner von [[WBCN]], überträgt jedes Spiel der Hauptsaison, das nicht landesweit ausgestrahlt wird. Bei ABC arbeiten meist [[Don Criqui]] als Moderator und [[Randy Cross]] als dessen Assistent. == Bilanz und Rekorde == [[New England Patriots/Zahlen und Fakten]] stellt wichtige Individualrekorde bei den Patriots und die Saisonbilanzen seit 1960 dar. == Ehemalige und aktuelle Logos == Das originale Logo der Patriots stellt einen [[Dreispitz]] dar, der jedoch schon in der ersten Saison gegen die Darstellung eines [[Minutemen (Miliz)|Minuteman]] [[Snap (American Football)|im Moment der Ballübergabe an den Quarterback]] ersetzt wurde. Dieses Emblem wurde von Phil Bissell gestaltet.<ref name=patshistory/> Die Figur des Logos blieb zunächst namenslos, bis der damalige Besitzer Billy Sullivan den Minuteman „Pat Patriots“ betitelte. So wurde der Name von 1961 an benutzt.<ref name=patshistory/> Die ersten Uniformen der Patriots waren ganz in den Farben der [[Flagge der Vereinigten Staaten]] – rot-weiße Trikots mit blauen Streifen auf den Ärmeln, weiße Hosen und [[Footballhelm|Helme]], auf denen wie bei den meisten Teams damals, das Logo auf beiden Seiten angebracht war.<ref>[http://www.i-nflhelmet.com/newenglandpatriots.html i-NFLHelmet.com] ''Informationen über die Evolution des Helmdesigns der Patriots (englisch).'' Zugriff am 19. Oktober 2009.</ref> 1978 erweiterten die Patriots ihr Uniformdesign durch die Einführung von roten Hosen und weiß-blauen Trikots. Diese Uniform wurde für Heimspiele verwendet. Die neue Farbe der Hosen wurde jedoch in den Saisons 1982 und 1983 wieder zurückgenommen. Im Jahr 1984 wurden dann rote Trikots und weiße Hosen eingeführt, jedoch wurden ein Jahr später bei den Heimspielen wieder die weißen Trikots verwendet. Beim [[Super Bowl XX|20. Super Bowl]] benutzten die Patriots wieder die roten Trikots, die dann auch in den weiteren Saisons verwendet wurden. Die nächsten Änderungen fanden dann 1993 statt, weil der Besitzer des Teams, [[James Orthwein]], und die Besitzer der NFL das Logo – „Pat the Patriot“ – als zu überladen beurteilten und es somit zu teuer in der Vervielfältigung sei.<ref name=patshistory/> Deshalb wurde es ersetzt durch die Silhouette eines Patrioten, der einen rot-weiß-blauen [[Dreispitz]] trägt. Diese Figur wurde von den Fans in Anlehnung an [[Elvis Presley]] „Flying Elvis“ genannt.<ref>[http://nflhistory.net/shared/owners.asp?Team=3 NFLHistory.net] ''Informationen über das Eigentum der Patriots, inklusive dem Start vom „Flying Elvis“-Logo (englisch).'' Zugriff am 19. Oktober 2009.</ref> Die Farbe der Trikots wechselte von rot zu einem dunklem „Patriot“-blau bei roter Darstellung der Spielernummern. Die Farbe der Helme und Hosen wechselte von weiß zu silber.<ref>[http://nflhistory.net/shared/owners.asp?Team=3 NFLHistory.net] ''Farbänderungen, eine der Farben wurde in dieser Quelle „Patriot“-blau genannt (englisch).'' Zugriff am 19. Oktober 2009.</ref> 2000 führten die Patriots dunklere Trikots ein.<ref>[http://www.i-nflhelmet.com/newenglandpatriots.html i-NFLHelmet.com] ''Helm- und Uniformveränderungen 2000 (englisch).'' Zugriff am 19. Oktober 2009.</ref> Außerdem wurden blaue Hosen jetzt auch mit den weißen Trikots verwendet. Hinzu kam 2003 die alternativen silbernen Trikots, die nur ab und zu zusammen mit den blauen Hosen verwendet werden.<ref>[http://www.boston.com/sports/football/patriots/gallery/12_17_06_pats_texans Boston.com] ''Ein Spiel bei dem die Patriots ihre alternative Uniforum benutzt haben (englisch)''. Zugriff am 19. Oktober 2009.</ref> Laut der patriotseigenen Zeitschrift gab es Anfang April 2008 Überlegungen die alternativen silbernen Trikots im Rahmen des 50-jährigen Jubiläums der American Football League durch die früheren, roten Trikots zu ersetzen.<ref>''Patriots Football Weekly'', Ausgabe 14 Nr. 3, 7. April 2008.</ref> Zur Saison 2009 entschied die Liga, alle ehemaligen AFL-Mannschaften zu Begegnungen ebendieser mit ihren ehemaligen Uniformen auflaufen zu lassen. Dadurch traten die Patriots in mehreren Spielen sowohl in den frühen roten, als auch in den noch älteren weißen Trikos an.<ref>[http://www.boston.com/sports/football/patriots/reiss_pieces/2009/02/_quick_hits_pat.html Boston.com] ''Macht euch bereit für Throwbacks (englisch).'' Zugriff am 19. Oktober 2009.</ref> <gallery perrow="5" caption="Logos, Helme und Uniformen der Patriots"> Datei:Patriots_1960.gif|[[Dreispitz]], Logo der Patriots 1960 Datei:Pats 1960 helmet.PNG|Helm mit dem nur 1960 benutzten [[Dreispitz]] als Logo Datei:1993_NE_Patriots_helmet.svg|Der nur 1993 benutzte Helm der Patriots Datei:NE_Patriots_1994-1999_helmet.svg|Helm der Patriots von 1994 bis 1999 mit dem Flying Elvis in Könisgsblau Datei:New England Patriots helmet rightface.svg|Helm der Patriots seit 2000 Datei:1971_NE_Patriots_script.png|Schriftzug von 1960 bis 1992 Datei:Royal blue script with Elvis.png|Schriftzug von 1993 bis 1999 Datei:Royal blue script Pats.png|Alternativer Schriftzug von 1993 bis 1999 Datei:Navy blue script.png|Schriftzug der Patriots seit 2000 Datei:Navy blue script_2.png|Alternativer Schriftzug seit 2000 Datei:New England Patriots Logo 1993 bis 99.svg|„Flying Elvis“ in Königsblau, Logo der Patriots von 1993 bis 1999 Datei:New England Patriots Logo.svg|„Flying Elvis“ in Navy blau, seit 2000 Logo der Patriots Datei:New England Patriots home jersey.gif|Heim-Uniform seit 2000 Datei:New England Patriots away jersey.gif|Auswärts-Uniform seit 2000 Datei:New England Patriots alternate jersey.gif|Alternative Uniform seit 2003 </gallery> == Literatur == * Michael Holley: ''Patriot Reign: Bill Belichick, the Coaches, and the Players Who Built a Champion''. Harper Paperbacks, 2005, ISBN 0-06-075795-7 (Die Herrschaft der Patriots: Bill Belichick, die Coaches und die Spieler die einen Champion erschaffen haben) * David Halberstam: ''The Education of a Coach''. Hyperion, 2006, ISBN 1-4013-0879-1 (Die Lehre eines Coaches) * Lonnie Bell: ''The History of New England Patriots: NFL Today''. Creative Education, 2004, ISBN 1-58341-304-9 (Die Geschichte der New England Patriots: NFL Today) * Christopher Price: ''The Blueprint: How the New England Patriots Beat the System to Create the Last Great NFL Superpower''. Thomas Dunne Books, 2007, ISBN 0-312-36838-0 (Die Blaupause: Wie die New England Patriots das System bezwingen und die letzte große NFL-Macht kreieren) == Weblinks == {{Commonscat}} * [http://www.patriots.com Offizielle Homepage der New England Patriots] (englisch) * [http://databasefootball.com/teams/teampage.htm?tm=nwe&lg=nfl Statistiken der New England Patriots] (englisch) * [http://www.bigplay.ch/icc/system/icc.asp?oid=6169&his=0 Ausführliche Informationen zu den New England Patriots auf Deutsch] == Einzelnachweise == <references/> {{Navigationsleiste NFL-Teams}} {{Exzellent}} [[Kategorie:NFL-Team]] [[Kategorie:Sport in Massachusetts]] [[Kategorie:New England Patriots| ]] [[ca:New England Patriots]] [[da:New England Patriots]] [[en:New England Patriots]] [[es:New England Patriots]] [[fa:نیو انگلند پتریوتس]] [[fi:New England Patriots]] [[fr:Patriots de la Nouvelle-Angleterre]] [[he:ניו אינגלנד פטריוטס]] [[hi:न्यू इंग्लैंड पैटरियट्स]] [[hr:New England Patriots]] [[hu:New England Patriots]] [[id:New England Patriots]] [[is:New England Patriots]] [[it:New England Patriots]] [[ja:ニューイングランド・ペイトリオッツ]] [[ko:뉴잉글랜드 패트리어츠]] [[nl:New England Patriots]] [[no:New England Patriots]] [[pl:New England Patriots]] [[pt:New England Patriots]] [[ru:Нью-Ингленд Пэтриотс]] [[sh:New England Patriots]] [[simple:New England Patriots]] [[sr:Њу Ингланд петриотси]] [[sv:New England Patriots]] [[th:นิวอิงแลนด์ เพทรีออตส์]] [[uk:Нью-Інгленд Петріотс]] [[zh:新英格兰爱国者]] jwddura1u2t1jkzpq1vg35c45219409 wikitext text/x-wiki New Horizons 0 23998 28178 26596 2011-01-07T17:45:35Z Túrelio 288 image replaced by dupe before deletion on Commons [[Datei:New Horizons 2.jpg|thumb|Grafik: Sonde New Horizons]] '''New Horizons''' ist eine [[Raumsonde]] der [[National Aeronautics and Space Administration|NASA]], die im Rahmen des [[New-Frontiers-Programm]]es den [[Zwergplanet]]en [[(134340) Pluto|Pluto]], seinen Mond [[Charon (Mond)|Charon]] sowie nach Möglichkeit zwei weitere im Jahr 2005 neu entdeckte kleinere Monde namens [[Nix (Mond)|Nix]] und [[Hydra (Mond)|Hydra]] erforschen soll. New Horizons ist die erste Raumsonde, die Pluto aus der Nähe untersuchen soll. Es ist geplant, die Sonde im Juli 2015 in 9.600 km Entfernung an Pluto und in 27.000 km Entfernung an Charon vorbeifliegen zu lassen. Die Sonde wurde am 19.&nbsp;Januar 2006 um 19:00 Uhr [[Koordinierte Weltzeit|UTC]] an Bord einer [[Atlas V|Atlas-V(551)]]-[[Trägerrakete]] gestartet. Nach einem [[Swing-by]]-Manöver vorbei am [[Jupiter (Planet)|Jupiter]], das am 28.&nbsp;Februar 2007 stattfand, soll sie ihr Ziel am 14.&nbsp;Juli 2015 erreichen und schließlich weiter in den [[Kuipergürtel]] fliegen. Das Projekt wird vom ''[[Applied Physics Laboratory]]'' der [[Johns Hopkins University]] in [[Baltimore]], [[Maryland]], [[USA]] geleitet. Die Kosten, einschließlich der Entwicklung und des Baus der Raumsonde sowie ihrer Instrumente, der Trägerrakete und der Missionsdurchführung bis zum Jahr 2016 betragen etwa 700 Millionen Dollar. [[Datei:New Horizons 1.jpg|thumb|New Horizons in der Montagehalle]] == Missionsziele == [[Datei:Surface Map of Pluto.jpg|thumb|Eine vom Hubble-Weltraumteleskop erstellte Karte der Oberfläche des Pluto]] Pluto wurde bisher von keiner Raumsonde besucht. Da er sehr weit von der Sonne entfernt ist, können selbst die stärksten Teleskope kaum Details auf seiner Oberfläche ausmachen. So erreicht die Auflösung der besten mit dem [[Hubble-Weltraumteleskop]] gewonnenen Aufnahmen nur 500&nbsp;km pro Bildpunkt. Somit können Pluto und seine Monde nur durch Raumsonden umfassend studiert werden. Die NASA unterteilte die Missionsziele der Sonde in drei Prioritätskategorien, je nachdem, was die Wissenschaftler über Pluto und Charon erfahren wollen (da die Ende 2005 entdeckten Monde [[Hydra (Mond)|Hydra]] und [[Nix (Mond)|Nix]] zu dem Zeitpunkt unbekannt waren, sind sie hier nicht berücksichtigt): ; Erforderlich * Beschreibung des globalen [[Geologie|geologischen Aufbaus]] und der [[Geomorphologie]] von Pluto und Charon * Kartierung der Zusammensetzung der Oberflächen von Pluto und Charon * Beschreibung der neutralen (nicht [[ion]]isierten) [[Atmosphäre]] von Pluto und ihrer Fluchtrate ; Wichtig * Beschreibung der zeitabhängigen Veränderlichkeit der Oberfläche und der Atmosphäre von Pluto * [[Stereoskopie|Stereo]]-Aufnahmen von Pluto und Charon * Kartierung der [[Tag-Nacht-Grenze]]n (Terminator) von Pluto und Charon in hoher Auflösung * Kartierung ausgewählter Oberflächengebiete von Pluto und Charon in hoher Auflösung * Beschreibung der [[Ionosphäre]] Plutos und ihrer Wechselwirkung mit dem [[Sonnenwind]] * Suche nach bestimmten [[Chemische Verbindungen|chemischen Verbindungen]] wie [[Wasserstoff]], [[Cyanwasserstoff]], [[Kohlenwasserstoffe]]n und [[Nitrile]]n in der oberen Atmosphäre Plutos * Suche nach einer Atmosphäre bei Charon * Bestimmung der [[Bolometrische Helligkeit|bolometrischen Helligkeiten]] der [[Albedo|geometrischen Albedos]]<!--bitte Übersetzung prüfen, englisch ist: bolometric bond albedos--> von Pluto und Charon * Kartierung der Oberflächentemperaturen von Pluto und Charon ; Wünschenswert * Beschreibung der Umgebung der energiereichen Teilchen in der Nähe von Pluto und Charon * Verfeinerung der Parameter ([[Radius|Radien]], [[Masse (Physik)|Massen]], [[Dichte]]n) und der [[Umlaufbahn]]en von Pluto und Charon * Suche nach [[Magnetfeld]]ern bei Pluto und Charon * Suche nach [[Planetenring]]en und weiteren Monden Die NASA definiert die Mission von New Horizons als erfolgreich, wenn alle als erforderlich eingestuften Ziele erreicht werden. Mit Hilfe ihrer sieben Instrumente soll die Sonde sämtliche Ziele aller Prioritätskategorien erreichen und damit diese Anforderungen bei weitem übertreffen können. Außerdem gehörte zu den Missionszielen von New Horizons die Erforschung des Jupiters, an dem die Sonde im Februar und März 2007 vorbeiflog. Die Raumsonde beobachtete Wolkenbewegungen auf Jupiter, studierte die [[Magnetosphäre]] des Planeten und hielt Ausschau nach [[Polarlicht]]ern und [[Blitz]]en in Jupiters Atmosphäre. Über die vier großen [[Galileische Monde|Galileischen Monde]] konnte allerdings nur eine begrenzte Anzahl wissenschaftlicher Daten gewonnen werden, da die Sonde diese in einer relativ großen Entfernung passierte. Sollte die Finanzierung des wissenschaftlichen Betriebes der Raumsonde über die 2016 endende Primärmission hinaus gesichert sein, können auch eines oder mehrere Objekte im [[Kuipergürtel]] angeflogen und untersucht werden. == Technik == [[Datei:New Horizons.jpg|thumb|Schematische Darstellung von New Horizons]] [[Datei:New Horizons on work stand.jpg|thumb|Struktur der Raumsonde ohne RTG und Thermalisolation]] Die New Horizons-Raumsonde hat etwa die Größe eines [[Konzertflügel]]s und die Form eines Dreiecks mit einem zylinderförmigen [[Radioisotopengenerator]] (RTG), der an einer Spitze des Dreiecks angebracht ist. Außerdem verfügt sie über eine 2,1-m-[[Parabolantenne]] zur Kommunikation mit der Erde, die an einer Seite des Dreiecks befestigt ist. Die Abmessungen des Sondenkörpers ohne den RTG und der Antenne sind: 0,7&nbsp;m hoch, 2,1&nbsp;m lang und 2,7&nbsp;m an der breitesten Stelle. Die Gesamthöhe der Sonde vom Nutzlastadapter bis zum oberen Ende der Antenne beträgt 2,2&nbsp;m. Die Gesamtmasse inklusive 77&nbsp;kg Treibstoff und 30&nbsp;kg wissenschaftlicher Nutzlast beträgt 478&nbsp;kg. Bei einem Flug ohne einen Swing-By am Jupiter hätte die Startmasse der Sonde bei etwa 20&nbsp;kg weniger gelegen. Die Differenz hätte jedoch nur die Menge des mitgeführten Treibstoffs betroffen und ergibt sich aus der Tatsache, dass die Trägerrakete bei einem direkten Start zum Pluto höhere Endgeschwindigkeit erreichen muss und so weniger Nutzlast befördern kann. Die ursprünglichen Planungen sahen eine Startmasse der vollbetankten Sonde von 465&nbsp;kg vor, nach der Verifizierung der Leistung der neuen Atlas-V-Trägerrakete durch vorangegangene Starts konnte die Startmasse etwas vergrößert werden. Die tragende Struktur der Sonde besteht aus einem zentralen [[Aluminium]]-[[Zylinder (Geometrie)|Zylinder]], der den aus [[Titan (Element)|Titan]] gefertigten Treibstofftank beherbergt und als Nutzlastadapter zwischen Sonde und Trägerrakete sowie als Schnittstelle zwischen Sonde und RTG dient. Der RTG ist mit Hilfe eines vierseitigen Titan-Sockels an der Raumsonde befestigt. Um die Masse der Sonde gering zu halten, sind die Paneele des Sondenkörpers aus Aluminium in [[Honeycomb|Honigwabenbauweise]] mit sehr dünnen Frontalplatten gefertigt (so dick wie zwei Lagen Papier). Elektronik und Instrumente sind um den Zylinder herum gruppiert, wobei die Anordnung der Systeme auf die Schwerpunktlage Rücksicht nehmen musste. New Horizons kann sowohl drei-Achsen-stabilisiert als auch spinstabilisiert betrieben werden. Drei-Achsen-Stabilisierung wird während wissenschaftlicher Beobachtungen und System- und Instrumententests angewandt, Spinstabilisierung (normalerweise mit fünf Umdrehungen pro Minute) während der Kurskorrekturmanöver, während langer Funkkontakte mit der Erde und während der Flugperioden. Um eine Spinstabilisierung während des Flugs zu ermöglichen, wurde die Sonde vor dem Start genau vermessen und mit zusätzlich angebrachten Ausgleichsmassen ausbalanciert. An Bord von New Horizons befindet sich etwas Asche von [[Clyde Tombaugh]], der 1930 Pluto entdeckte.<ref>Spaceflight Now: [http://www.spaceflightnow.com/atlas/av010/060119launch.html New Horizons launches on voyage to Pluto and beyond]</ref> Die Raumsonde trägt außerdem eine [[Compact Disc|CD]], die mit 430.000 Namen von [[Internet]]-Nutzern beschrieben ist, die sich auf der New-Horizons-Homepage für die „Send-Your-Name-to-Pluto“-Aktion angemeldet hatten. === Energieversorgung === [[Datei:New Horizons RTG in PHSF.jpg|thumb|left|RTG der New Horizons Raumsonde]] Die Sonde wird durch einen mit etwa 10,9&nbsp;kg [[Plutonium|Plutonium&nbsp;<sup>238</sup>Pu]] gefüllten [[Radioisotopengenerator]] (RTG) des Modells GPHS-RTG mit Energie versorgt. Der RTG enthält 18 Module, die jeweils vier Kapseln mit je 151&nbsp;Gramm Plutonium in Form von Plutoniumdioxid (PuO<sub>2</sub>) enthalten. Die Kapseln wurden im [[Los Alamos National Laboratory]] des [[Energieministerium (Vereinigte Staaten)|US-Energieministeriums]] (DOE) hergestellt. Mitte 2004 wurden alle Arbeiten des Los Alamos National Laboratory, u. a. auch an dem Plutonium für New Horizons, gestoppt, da festgestellt wurde, dass angeblich einige Festplatten mit geheimen Informationen verschwunden waren. Dadurch wurde das gesamte New-Horizons-Projekt in Gefahr gebracht, da bei einer unzureichenden Energieversorgung die Sonde keine oder nur eingeschränkte Beobachtungen hätte durchführen können. Die Sicherheitsprobleme des Los Alamos National Laboratory konnten jedoch nach einiger Zeit gelöst werden, und die Arbeiten an den Plutoniumkapseln wurden wieder aufgenommen. Ende 2005 wurde der RTG ausgeliefert und in die Sonde eingebaut. Allerdings enthält er wohl weniger Plutoniumkapseln als ursprünglich geplant. Vorgesehen war, dass die Leistung des Generators mit voller Plutonium-Ladung beim Start 285&nbsp;[[Watt (Einheit)|W]] und 225&nbsp;W beim Pluto-Vorbeiflug im Jahr 2015 betragen wird (unterwegs tritt eine Absenkung der Leistung aufgrund des Zerfalls von Plutonium ein). Nach den Problemen mit der Herstellung sprach DOE von etwa 190&nbsp;W Leistung beim Vorbeiflug am Pluto. Dies wäre für einen normalen Betrieb der Sonde am Pluto ausreichend (mindestens 182&nbsp;W sind nötig) und könnte die Sonde sogar bis etwa ins Jahr 2025 funktionsfähig halten. Nachdem im Oktober 2005 der nun fertiggebaute RTG Tests unterzogen wurde, stellte sich heraus, dass der Generator sogar etwas mehr Energie liefert als erwartet. Man geht nun von etwa 240&nbsp;W am Anfang der Mission und 200&nbsp;W beim Pluto-Vorbeiflug bei einer [[Elektrische Spannung|Gleichspannung]] von 30&nbsp;[[Volt]] aus. Typisch für eine RTG-betriebene Mission verfügt New Horizons über keine [[Akkumulator]]en. === Elektronik === New Horizons besitzt zwei Computersysteme: das ''Command and Data Handling System'' zur Steuerung der Sonde sowie zur Arbeit mit wissenschaftlichen Daten, und das ''Guidance and Control System'' zur Lagekontrolle. Jedes der Computersysteme ist aus Gründen der [[Redundanz (Technik)|Redundanz]] doppelt vorhanden, so dass die Raumsonde über vier separate Rechnersysteme verfügt. Die Bordrechner verwenden jeweils einen [[Mongoose-V]]-[[Prozessor (Hardware)|Prozessor]]. Dieser ist eine 12&nbsp;MHz schnelle, gegen [[Strahlung]] gehärtete Version des [[MIPS-Architektur|MIPS-R3000]]-Prozessors. Das ''Command and Data Handling System'' verfügt über zwei [[Flash-Speicher|Flash]]-Recorder (eines dient als Reserve) mit jeweils 8&nbsp;GByte (64&nbsp;Gbit) Speicherkapazität, um die während des Betriebs der Instrumente gewonnenen wissenschaftlichen Daten zwischenzuspeichern, bevor sie zur Erde übertragen werden können. Um Platz und Gewicht zu sparen, sind die Elektronik der Raumsonde und die Schnittstellen zur Elektronik ihrer Instrumente in einem „Integrated Electronics Module“ (IEM) untergebracht. An Bord befinden sich zwei redundante IEM. === Kommunikation === [[Datei:New Horizons - REX.jpeg|thumb|Die Antennen der New Horizons Raumsonde: HGA, MGA und eine der beiden LGAs]] Das Kommunikationssystem der Raumsonde arbeitet im [[X-Band]] und verfügt über eine 2,1-m-Parabol-[[Antennengewinn|Hochgewinnantenne]] (High Gain Antenna – HGA) mit einem [[Öffnungswinkel]] von 0,3 Grad, eine 30-cm-Mittelgewinnantenne (Medium Gain Antenna – MGA) mit einem Öffnungswinkel von 14 Grad und zwei Rundstrahlantennen mit niedrigem Gewinn (Low Gain Antenna – LGA), die sich auf entgegengesetzten Seiten der Raumsonde befinden. Alle Antennen sind fest am Sondenkörper angebracht. Die HGA- und die MGA-Antennen der Sonde müssen auf die Erde ausgerichtet werden, um sie nutzen zu können. Die Sonde verfügt über zwei redundante 12&nbsp;[[Watt (Einheit)|Watt]] [[Wanderfeldröhre]]nverstärker, die unter der HGA montiert sind. Die Hochgewinnantenne und die Mittelgewinnantenne werden zur Datenübertragung genutzt, die Datenübertragungsrate der HGA zu einer 70-m-Antenne des [[Deep Space Network]]s beträgt in der Nähe Plutos etwa 700&nbsp;Bit pro Sekunde (am Jupiter noch 38&nbsp;kbit pro Sekunde). (Die wesentlich älteren [[Voyager_2|Voyager]]-Sonden senden auf einer niedrigeren Frequenz und erreichen nur 8 bit/s.) Für den Fall, dass die Sonde nicht auf die Erde ausgerichtet werden kann und diese Antennen nicht zur Verfügung stehen, können die beiden Rundstrahlantennen (LGA) der Sonde verwendet werden. Diese brauchen nicht ausgerichtet zu sein, erreichen aber nur sehr niedrige Datenübertragungsraten. Da die Sonde jedoch über zwei dieser Antennen auf entgegengesetzten Seiten verfügt, kann sie aus allen Richtungen senden als auch empfangen. Sie werden während des Starts und zur Kommunikation in der Nähe der Erde verwendet und dienen darüber hinaus einer Absicherung der Kommunikation in einem Notfall. Um die Betriebskosten der Sonde zu senken, wird New Horizons die Flugstrecke zwischen Jupiter und Pluto in einer Art „Winterschlaf“ ''(hibernation mode)'' verbringen. Dabei wird die Sonde einmal pro Jahr für 50 Tage „aufgeweckt“, um Funktionstests durchzuführen und genaue Flugparameter zu bestimmen. Für die restliche Zeit wird die Sonde in eine langsame Rotation versetzt. Sie wird lediglich einmal pro Woche ein Signal zur Erde senden, dessen Frequenz entweder den normalen Betrieb der Sonde oder einen der sieben Fehlermodi anzeigt. Diese Art der Kommunikation wurde mit [[Deep Space 1]] erprobt, New Horizons ist die erste Raumsonde, die sie im operativen Einsatz verwendet. === Antriebssystem === Das Antriebssystem der Raumsonde wird nur für Kurskorrekturen und zur Lageregelung verwendet. Es ist nicht vorgesehen, nach dem Abtrennen der Raketenoberstufe die Sonde stark zu beschleunigen bzw. abzubremsen, wie es beispielsweise bei einer [[Orbiter (Raumfahrt)|Orbiter]]-Mission notwendig wäre. Das Antriebssystem besteht aus 16 Triebwerken, die [[Hydrazin]] katalytisch zersetzen und an acht verschiedenen Stellen der Sondenoberfläche angebracht sind. Davon liefern vier größere Triebwerke, die meist für Kurskorrekturen verwendet werden, einen Schub von 4,4 [[Newton (Einheit)|Newton]] sowie 12 kleinere Triebwerke einen Schub von 0,8 Newton. Die kleineren Triebwerke dienen der Ausrichtung der Sonde sowie dem Einleiten und dem Stoppen der Rotation. Die Hälfte der 16 Triebwerke dienen als Reserve. Die Sonde führt 77&nbsp;kg Hydrazin an Bord, welches ausreichen würde, um die Geschwindigkeit der Sonde um ca. 400&nbsp;m/s (1440 km/h) zu ändern (minimal waren bei der Missionsplanung 290&nbsp;m/s vorgesehen). Den größten Teil dieses Treibstoffes plant man zu verwenden, um eines oder mehrere Kuipergürtel-Objekte nach dem Pluto-Vorbeiflug ansteuern zu können. Um den Treibstoff unter Druck zu setzen, wird [[Helium]]-Gas verwendet. === Navigationssystem === Navigationssysteme und Sensoren liefern Informationen zu Position, Kurs und räumlicher Ausrichtung der Sonde während des Flugs. Diese Daten sind entscheidend, um genaue Kurskorrekturmanöver ausführen zu können, um die Instrumente auf die Ziele und um die Antenne auf die Erde ausrichten zu können. Zur Navigation werden zwei redundante Sternkameras ''(Star Tracker),'' ''Inertial Measurement Units'' (IMUs) und Sonnensensoren verwendet. Die Navigationsdaten werden durch das ''Guidance-and-Control''-Computersystem verarbeitet, welches die Lage der Sonde durch das Zünden der kleinen Hydrazin-Triebwerke kontrolliert. Eine der Sternkameras macht zehnmal pro Sekunde eine Weitwinkelaufnahme des Sternenhintergrundes und vergleicht sie mit einer gespeicherten Sternenkarte, die 3000 Sterne enthält. Dadurch wird die genaue Ausrichtung der Sonde sowohl im Drei-Achsen-stabilisierten als auch im spinstabilisierten Betrieb bestimmt. Die IMUs, welche aus [[Gyroskop]]en und [[Beschleunigungsmesser]]n bestehen, liefern 100 Mal pro Sekunde Informationen zu Bewegungen der Sonde. Die Sonnensensoren dienen der Ausrichtung der Sonde auf die Sonne (und damit aus großer Entfernung auch auf die Erde) zur Sicherstellung einer Kommunikation im Falle des Versagens anderer Navigationssysteme. Diese Sensoren sind sehr einfach aufgebaut und liefern als Antwort nur, ob sie die Sonne sehen oder nicht. === Temperaturkontrolle === New Horizons ist so konzipiert, dass der Sondenkörper die von der Elektronik erzeugte Wärme wie eine [[Isolierkanne]] behalten kann. In der großen Entfernung zu Sonne ist dies erforderlich, um Temperaturen von 10–30 °[[Celsius]] im Inneren der Sonde einhalten zu können. Dazu ist der Sondenkörper inklusive der großen Antenne mit einer leichtgewichtigen, goldfarbenen Bedeckung versehen, die aus 18 Lagen [[Dacron]]-Gewebe besteht, die zwischen einem aluminisierten [[Mylar]]-Gewebe und einer [[Kapton]]-Folie liegen. Neben der thermischen Isolation dient diese Bedeckung auch dem [[Mikrometeorit]]enschutz. Ein automatisches Heizsystem überwacht den Energieverbrauch im Inneren der Sonde, um sicherzustellen, dass alle Geräte mit genügender Leistung arbeiten und somit genug Wärme abgeben. Fällt der Energieverbrauch unter etwa 150 Watt, werden kleine Heizgeräte im Inneren der Sonde eingeschaltet, um den Leistungsunterschied auszugleichen. Wenn sich die Sonde in der Nähe der Erde und damit auch der Sonne befindet, können die Temperaturen die sicheren Werte übersteigen. Für diesen Fall verfügt die Sonde über eine Art Jalousiesystem („Louvres“) mit Lamellen, die geöffnet werden, um übermäßige Wärme in den Weltraum abzustrahlen. Im geschlossenen Zustand sorgt die helle Außenfläche der Lamellen für eine geringe Abstrahlung. == Instrumente == Die Sonde trägt sieben wissenschaftliche Instrumente, die im Folgenden beschrieben werden. Dabei werden einige Instrumente in Gruppen zusammengefasst: so enthält ''Pluto Exploration Remote Sensing Investigation (PERSI)'' die Instrumente Ralph und Alice und ''Particle Spectrometer Suite (PAM)'' die Instrumente SWAP und PEPSSI. Die Instrumente wiegen zusammen etwa 30&nbsp;kg und verbrauchen gemeinsam etwas unter 28&nbsp;[[Watt (Einheit)|Watt]] elektrischer Leistung.<ref name="instrumente1">[http://www.pluto.jhuapl.edu/spacecraft/instruments.html Daten der Instrumente]</ref> [[Datei:New Horizons - Ralph.png|thumb|Ralph vor dem Einbau in die Sonde]] ; '''Ralph''': Ralph soll sowohl farbige Karten der Oberflächen des Plutos und Charons mit Auflösungen von bis zu 250&nbsp;m pro Pixel erstellen, als auch die Zusammensetzung der Oberflächen beider Körper kartieren. Dazu verfügt das Instrument über ein 6-cm-Teleskop, dessen eingesammeltes Licht zu zwei getrennten Kanälen geleitet wird: der Multispectral Visible Imaging Camera (MVIC), welche über vier [[CCD-Sensor|CCDs]] für Farbbilder mit drei CCDs für [[panchromatisch]]e (schwarz-weiße) Bilder verfügt, und dem Linear Etalon Imaging Spectral Array (LEISA). Dabei arbeitet MVIC im sichtbaren Lichtbereich bei 400-950&nbsp;nm Wellenlänge und LEISA im infraroten Bereich bei 1,25-2,50&nbsp;µm Wellenlänge. Die Auflösung des MVIC beträgt 20&nbsp;µrad, des LEISA 62&nbsp;µrad. Ralph wiegt 10,3&nbsp;kg und benötigt im Mittel 6,3&nbsp;Watt Leistung. Das Instrument wurde von [[Ball Aerospace]], [[Goddard Space Flight Center]] der NASA und dem [[Southwest Research Institute]] entwickelt. ; '''Alice''': Ein abbildender Ultraviolett-Spektrometer zur Untersuchung der Atmosphäre von Pluto. Alice kann in zwei Modi betrieben werden: dem „airglow“-Modus, bei dem die Emissionen der Atmosphäre gemessen werden, und dem „occultation“-Modus, bei dem das Instrument auf die Sonne oder auf einen anderen leuchtstarken Stern durch die Atmosphäre Plutos gerichtet wird und die Zusammensetzung der Atmosphäre durch das Absorbieren des Sonnenlichts bestimmt. Alice arbeitet im ultravioletten Lichtbereich bei 50-180&nbsp;nm Wellenlänge und besteht aus einem kompakten Teleskop, einem [[Spektrograf]] und einem Sensor, welcher 32 getrennte Flächen („Pixel“) mit je 1.024 spektralen Kanälen aufweist. Alice wiegt 4,5&nbsp;kg und benötigt im Mittel 4,4&nbsp;Watt Leistung. Das Instrument ist eine weiterentwickelte Version des Alice-Instrumentes der europäischen [[Rosetta (Sonde)|Rosetta]]-Sonde, welches ebenfalls aus den USA kam, und wurde vom Southwest Research Institute entwickelt. [[Datei:New Horizons LORRI.jpg|thumb|LORRI wird eingebaut]] ; '''LORRI''' (Long Range Reconnaissance Imager): Eine hochauflösende [[CCD-Kamera]] für sichtbares Licht, die an einem 20,8-cm-Teleskop montiert ist. Das Instrument verfügt über einen sehr einfachen Aufbau, es gibt keine Farbfilter oder bewegliche Teile. LORRI wird als erstes Instrument bereits 120 Tage vor der Begegnung mit Pluto Bilder des Zwergplaneten und seiner Monde aufnehmen, die zu diesem Zeitpunkt kaum weiter als zu einzelnen Lichtpunkten aufgelöst werden können. 90 Tage vor der Begegnung wird LORRIs Auflösung allerdings bereits die des [[Hubble-Weltraumteleskop]]es übertreffen. Bei dem nahen Vorbeiflug am Pluto wird LORRI Strukturen bis 50&nbsp;m Größe auflösen können. LORRI wiegt 8,8&nbsp;kg und benötigt im Mittel 5,8&nbsp;Watt Leistung. Das Instrument wurde vom [[Applied Physics Laboratory]] der [[Johns Hopkins University]] entwickelt. ; '''REX''' (Radio Experiment): Ein Radiowellenexperiment, das mit der Hauptantenne der Sonde durchgeführt wird. Dazu werden nach dem Passieren des Plutos mit Hilfe von Antennen des Deep Space Networks Signale zur Sonde gesendet, die während des Transits durch Plutos Atmosphäre verändert werden und in diesem Zustand zu New Horizons gelangen. Die Signale werden gespeichert und später zurück zur Erde übertragen. Dadurch lässt sich die Zusammensetzung der Atmosphäre studieren. Das Experiment selbst besteht aus einer kleinen, 100&nbsp;g schweren, [[Leiterplatte]] mit [[Signalverarbeitung]]selektronik, die im Kommunikationssystem der Raumsonde integriert ist und im Mittel 2,1&nbsp;Watt Leistung benötigt. Da das komplette Kommunikationssystem redundant ist, verfügt New Horizons über zwei Kopien von REX. Das Experiment wurde von der [[Stanford University]] und dem Applied Physics Laboratory der Johns Hopkins University entwickelt. [[Datei:New Horizons SWAP.jpg|thumb|SWAP montiert auf New Horizons]] ; '''SWAP''' (Solar Wind Analyzer around Pluto): Ein Instrument, mit dem geladene Teilchen mit Energien bis zu 6,5&nbsp;keV, die aus Plutos Atmosphäre entweichen und vom [[Sonnenwind]] mitgerissen werden, gemessen werden. Dadurch wird festgestellt werden können, ob Pluto über eine Magnetosphäre verfügt. Weiterhin kann der Sonnenwind in der Nähe von Pluto studiert werden. Außerdem werden so Daten über die Atmosphäre gesammelt. SWAP wiegt 3,3&nbsp;kg und benötigt im Mittel 2,3&nbsp;Watt Leistung. Das Instrument wurde vom Southwest Research Institute entwickelt. ; '''PEPSSI''' (Pluto Energetic Particle Spectrometer Science Investigation): ist ein Ionen- und [[Elektronenspektrometer]], das nach neutralen Atomen, die aus Plutos Atmosphäre entweichen und vom Sonnenwind aufgeladen werden, suchen wird. In das Instrument eintretende Ionen mit Energien von 1-5000&nbsp;keV und Elektronen mit Energien von 20-700&nbsp;keV werden erfasst, wobei die Masse und Energie jedes einzelnen Partikels gemessen wird. PEPSSI wiegt 1,5&nbsp;kg und benötigt im Mittel 2,5&nbsp;Watt Leistung. Das Instrument wurde vom Applied Physics Laboratory der Johns Hopkins University entwickelt. [[Datei:New Horizons sdc.jpeg|thumb|Der von Studenten gebaute Staubpartikelzähler]] ; '''Venetia''' (Venetia Burney Student Dust Counter): ist ein Instrument zur Messung von Staubpartikeln entlang der gesamten Flugroute. Venetia wurde von Studenten der [[University of Colorado]] entwickelt und ist das erste von Studenten gebaute Instrument auf einer planetaren Mission der NASA. Das Gerät hieß zunächst Student-built Dust Counter (SDC), wurde aber im Juni 2006 zu Ehren der Britin Venetia Burney Phair benannt, die 1930 vorgeschlagen hatte, den neuentdeckten Planeten 'Pluto' zu nennen. Das Instrument Venetia wird die auftreffenden Staubpartikel zählen und ihre Masse bestimmen können und wird als erstes Instrument dieser Art weiter als 18&nbsp;[[Astronomische Einheit|AE]] von der Erde betrieben und so Informationen zur Kollisionsrate von Asteroiden, Kometen und Kuipergürtelobjekten im äußeren Sonnensystem liefern. Auch in Plutos System wird nach eventuellen Staubpartikeln Ausschau gehalten. Venetia besteht aus einer 46 × 30&nbsp;cm großen Detektorplatte, die auf der Außenhaut der Sonde angebracht ist, und einer Elektronikbox im Inneren der Sonde. Es können Partikel mit einer Masse von 4×10<sup>-15</sup> bis 4×10<sup>-12</sup> kg erfasst werden. Venetia wiegt 1,9&nbsp;kg und benötigt im Mittel 5&nbsp;Watt Leistung. == Ablauf der Mission == [[Datei:New Horizons launch.jpg|thumb|left|Start von New Horizons an Bord einer [[Atlas V|Atlas&nbsp;V]]&nbsp;551-Trägerrakete]] Bereits seit Anfang der 1990er Jahre gab es Bestrebungen, eine solche Mission zu Pluto zu starten. Vorrangig war dabei, Pluto zu erreichen, bevor seine dünne Atmosphäre ausfriert, denn die Umlaufbahn des Zwergplaneten ist stark [[Exzentrizität (Mathematik)|exzentrisch]], und Pluto erreichte den sonnennächsten Punkt seiner Umlaufbahn ([[Perihel]]) bereits 1989 (diese frühere Annahme, dass die Atmosphäre nach der Passage des sonnennäheren Bahnbereiches bald ausfrieren würde, konnte bislang nicht bestätigt werden). Gegenwärtig entfernt er sich von der Sonne, sodass es auf Pluto immer kälter wird; erst im Jahr 2247 wird er sein nächstes Perihel einnehmen. Die ersten Konzepte einer Mission jedoch (''Pluto Fast Fly-By,'' ''Pluto Kuiper Express'') scheiterten an technischen und finanziellen Schwierigkeiten. Ende 2000 gab es mit New Horizons einen neuen Vorschlag einer Pluto-Mission. Schließlich wurde dieser Vorschlag am 29.&nbsp;November 2001 als erste Mission des neu geschaffenen New Frontiers-Programms zur Realisierung genehmigt. Die Instrumente der Sonde wurden zwischen Juli 2004 und März 2005 ausgeliefert, Zusammenbau und Prüfung liefen von August 2004 bis Mai 2005. Vom Mai bis September 2005 wurde die fertig gebaute Sonde ausgiebig getestet, am 24.&nbsp;September 2005 erfolgte der Transport nach [[Kennedy Space Center|Cape Canaveral]]. Ende Oktober beschädigte in Cape Canaveral der [[Hurrikan Wilma]] einen [[Booster (Raketenantrieb)|Feststoffbooster]] der fast fertig montierten [[Atlas V|Atlas-V]]-[[Trägerrakete]] für New Horizons, als ein Tor der Montagehalle dem Winddruck nicht standhielt. Der Booster konnte jedoch noch rechtzeitig vor dem geplanten Starttermin am 11.&nbsp;Januar 2006 ausgetauscht werden. Am 16.&nbsp;Dezember 2005 ordnete die NASA eine zusätzliche Überprüfung der Tanks der ersten Stufe an, weil bei einem Druckbelastungstest einer anderen Atlas-Rakete diese Stufe der geforderten Maximalbelastung nicht standgehalten hatte. Dadurch verschob sich der zunächst für den 11. Januar angesetzte Starttermin um sechs Tage auf den 17.&nbsp;Januar 2006. === Start === {| border="2" cellpadding="4" cellspacing="0" align="right" style="margin: 0.5em 0em 0.5em 0.5em; border: 1px #aaa solid; border-collapse: collapse; font-size: 95 %;" ! colspan="2" bgcolor="#BFEFFF" | Startfenster 2006 |- |- bgcolor="#CFCFCF" ! Startdatum ! Ankunftsdatum |- | '''11.–27. Januar''' | '''14. Juli 2015''' |- | 28. Januar | 15. August 2015 |- | 29.–31. Januar | 12. Juli 2016 |- | 1.–2. Februar | 11. Juli 2017 |- | 3.–8. Februar | 10. Juli 2018 |- | 9.–12. Februar | 7. Juni 2019 |- | 13.–14. Februar | 20. Juli 2020 |- ! colspan="2" bgcolor="#BFEFFF" | Startfenster 2007 |- | 2.–15. Februar | 2019–2020 |} Das Startfenster öffnete sich am 11.&nbsp;Januar 2006 und blieb bis zum 14.&nbsp;Februar 2006 bestehen. Allerdings wäre nur bei einem Start bis einschließlich 2.&nbsp;Februar ein Vorbeiflug (Swing-By-Manöver) am Jupiter möglich gewesen. Danach hätte man Pluto nur auf direktem Weg erreichen können, was die Flugzeit um mehrere Jahre verlängert und die Menge des mitführbaren Treibstoffes um 20&nbsp;kg reduziert hätte. Nachdem der geplante Start am 17.&nbsp;Januar 2006 wegen zu starken Windes mehrmals verschoben werden musste, sollte New Horizons am 18.&nbsp;Januar 2006 starten. Auch dieser Termin konnte wegen eines Stromausfalls in der Bodenstation der Johns Hopkins University nicht gehalten werden. Am 19.&nbsp;Januar startete New Horizons nach mehreren Verschiebungen wegen dichter Bewölkung schließlich um 19:00&nbsp;Uhr&nbsp;[[Koordinierte Weltzeit|UTC]] (Startfenster war von 18:07 bis 20:07&nbsp;Uhr&nbsp;UTC offen) von [[Cape Canaveral AFS Launch Complex 41|Launch Complex 41]]. Nach 44&nbsp;Minuten und 55&nbsp;Sekunden wurde die Sonde von der Rakete in ihrer endgültigen Flugbahn ausgesetzt. Der Start erfolgte mit einer [[Atlas V|Atlas&nbsp;V(551)]]-Rakete. Obwohl die Atlas&nbsp;V&nbsp;551 derzeit eine der stärksten Trägerraketen der Welt ist, musste die Rakete mit einer zusätzlichen Star-48B-Stufe ausgestattet werden, um die Sonde auf eine hohe Geschwindigkeit deutlich über der [[Kosmische Geschwindigkeiten#Zweite kosmische Geschwindigkeit oder Fluchtgeschwindigkeit|Fluchtgeschwindigkeit]] beschleunigen zu können. New Horizons verließ die Erde mit der höchsten je dabei erreichten Geschwindigkeit von 16,21&nbsp;km/s. An anderen Tagen des Startfensters wäre die Geschwindigkeit etwas anders gewesen, besonders bei Starttagen ohne die Möglichkeit eines Jupiter-Vorbeifluges hätte die Geschwindigkeit der dann leichteren Sonde noch deutlich höher sein müssen. Wäre die Sonde 2006 nicht gestartet worden, hätte es zwischen dem 2.&nbsp;Februar 2007 und 15.&nbsp;Februar 2007 ein weiteres Startfenster gegeben, das aber ebenfalls nur einen direkten Flug zu Pluto mit den entsprechenden negativen Konsequenzen erlaubt hätte. === Auf dem Weg zum Jupiter === [[Datei:New Horizons Full Trajectory.jpg|thumb|left|Flugbahn der Sonde und ihre Position am 28. Februar 2007 während des Swing-by-Manövers am Jupiter]] [[Datei:Asteroid 2002 JF56.jpg|thumb|Bild des Asteroiden (132524) APL]] Einen Tag nach dem Start wurde die hohe Rotation der Sonde, in die sie von der Raketenoberstufe versetzt wurde, von 68 auf 19,2 Umdrehungen pro Minute reduziert. Am 22. Januar wurde die Rotation weiter auf fünf Umdrehungen pro Minute gesenkt, und die Sternenkameras wurden in Betrieb genommen. Am 28.&nbsp;Januar 2006 wurde die erste Kurskorrektur (TCM-1A) durchgeführt, wobei die Triebwerke für etwa fünf Minuten feuerten. Zwei Tage später folgte die nächste, zwölf Minuten lange Kurskorrektur (TCM-1B). Die beiden Kurskorrekturen ergaben eine [[Delta v|Geschwindigkeitsänderung]] von 18&nbsp;m/s. Eine weitere Kurskorrektur (TCM-2) war für den 15.&nbsp;Februar geplant, wurde jedoch abgesagt. Die nächste, 76 Sekunden lange Kurskorrektur (TCM-3) erfolgte am 9.&nbsp;März und war die erste, die im drei-Achsen-stabilisierten Betrieb durchgeführt wurde. Durch TCM-3 wurde die Geschwindigkeit der Sonde um 1,16&nbsp;m/s verändert. [[Datei:New Horizons Jupiter Flyby.jpg|right|thumb|Von der LORRI-Kamera aufgenommenes Foto des Planeten Jupiter]] Im Februar wurde der Schutzverschluss des Alice-Spektrometers geöffnet und am 13.&nbsp;März folgte der des SWAP-Instruments. Ebenfalls im März wurde das SDC-Experiment aktiviert. Bis zum 29.&nbsp;März hatten alle Instrumente ihre internen Elektronik-Checks absolviert. Am 7.&nbsp;April 2006 kreuzte die Sonde nach 78 Tagen Flugzeit die Bahn des Planeten [[Mars (Planet)|Mars]].<ref>APL: [http://pluto.jhuapl.edu/news_center/news/040706.htm Outbound for the Frontier, New Horizons Crosses the Orbit of Mars] – 7. April 2006.</ref> Im Mai wurden die Schutzverschlüsse der Instrumente PEPSSI (3. Mai), Alice (20. Mai) und Ralph (29. Mai) geöffnet. Im Sommer wurden die Kalibrierungen der Experimente durchgeführt. Anfang Mai 2006 stellten die Wissenschaftler fest, dass sich New Horizons auf dem Weg durch den [[Asteroidengürtel]] dem 3 bis 5&nbsp;km großen Asteroiden [[(132524) APL]] nähern werde.<ref>APL: [http://pluto.jhuapl.edu/overview/piPerspectives/piPerspective_6_1_2006.php A Summer's Crossing of the Asteroid Belt] – 1. Juni 2006.</ref> Die Sonde kam am 13.&nbsp;Juni 2006 um 4:05 UTC bis auf 101.867&nbsp;km an den Asteroiden heran. Da der Schutzverschluss der hochauflösenden Kamera LORRI wegen der zu geringen Distanz zur Sonne noch nicht geöffnet war (wurde erst am 29.&nbsp;August 2006 geöffnet<ref>APL: [http://pluto.jhuapl.edu/news_center/news/090106.html Pluto-Bound Camera Sees 'First Light'] – 1. September 2006.</ref>), erfolgten die visuellen Beobachtungen nur mit dem schwächeren Ralph-Instrument. Dieses konnte den Asteroiden lediglich als ein Objekt von ein bis zwei Pixeln Größe auflösen.<ref>APL: [http://pluto.jhuapl.edu/news_center/news/061506.htm New Horizons Tracks an Asteroid] – 15. Juni 2006.</ref> Am 4.&nbsp;September nahm New Horizons ihr erstes Bild von Jupiter auf. Dieses wurde mit der LORRI-Kamera erzeugt, die Entfernung zum Riesenplaneten betrug zum Zeitpunkt der Aufnahme 291 Millionen Kilometer. Auch andere Instrumente beobachteten Jupiter, in erster Linie zum Zweck der Kalibrierung.<ref>APL: [http://pluto.jhuapl.edu/news_center/news/092606.html Jupiter Ahoy!] – 26. September 2006.</ref> === Vorbeiflug am Jupiter === [[Datei:Tvashtar volcano on Io from New Horizons.jpg|thumb|Der Ausbruch des [[Tvashtar]]-Vulkans auf dem Jupitermond [[Io (Mond)|Io]], aufgenommen von New Horizons am 28. Februar 2007]] Die ersten wissenschaftlich relevanten Untersuchungen des Jupitersystems begannen im Januar 2007 und sollten bis Ende Juni 2007 andauern. Es waren etwa 700 Beobachtungen und Messungen des Gasplaneten, seiner Monde und seiner [[Magnetosphäre]] geplant.<ref>APL: [http://pluto.jhuapl.edu/news_center/news/011007.htm Jupiter Encounter Begins] – 10. Januar 2007.</ref> Am 28.&nbsp;Februar 2007 flog New Horizons am Jupiter vorbei, die kleinste Entfernung zum Riesenplaneten wurde um 05:43 Uhr UTC erreicht und betrug circa 2,3 Millionen Kilometer (ca. 32 Jupiterradien). Dies ist ein Drittel der Entfernung, in der die [[Saturn (Planet)|Saturnsonde]] [[Cassini-Huygens]] den Jupiter passierte. Die Flugbahn von New Horizons lag knapp außerhalb der Umlaufbahn von [[Kallisto (Mond)|Kallisto]], dem äußersten der vier [[Galileische Monde|galileischen Monde]]. Während des Vorbeifluges fertigte die Sonde Aufnahmen des Jupiters, seiner Ringe und der vier galileischen Monde an, außerdem wurden Messungen des Magnetfeldes durchgeführt. Durch den Vorbeiflug erfuhr die Sonde einen Geschwindigkeitszuwachs von 3890&nbsp;m/s und wurde auf eine Flugbahn zum Pluto umgelenkt, wobei sie um etwa 2,5° aus der [[Ekliptik]] herausgeschleudert wurde. === Pluto und Kuipergürtel === [[Datei:New_Horizons_Position_2011-01-01-00-00-00.jpg|thumb|left|Flugbahn der Sonde bis zum Uranus und ihre Position am<br/>19. März 2010]] Am 8.&nbsp;Juni 2008 hat New Horizons die Umlaufbahn von Saturn gekreuzt, am 18.&nbsp;März 2011 soll die Umlaufbahn von Uranus und am 24.&nbsp;August 2014 die Umlaufbahn von Neptun erreicht werden. Die Planeten befinden sich zu den genannten Zeitpunkten noch zu weit entfernt von der Flugbahn der Sonde, so dass keine Beobachtungen durchgeführt werden können. Auf dem Weg zum Pluto ist auch ein Vorbeiflug an einem [[Trojaner (Astronomie)#Neptun-Trojaner|Neptun-Trojaner]] möglich, vorausgesetzt, ein geeignetes Ziel wird gefunden und ist für die Sonde erreichbar. Der Vorbeiflug würde im Jahr 2014 erfolgen, wenn die Sonde sich in der Nähe der Umlaufbahn des Neptuns befinden wird.<ref>APL: [http://pluto.jhuapl.edu/overview/piPerspectives/piPerspective_5_1_2006_2.php „Exploration at Its Greatest“] – 1. Mai 2006.</ref> Die genaue Ankunftszeit am Pluto war vom Startdatum der Sonde abhängig. Nach dem geglückten Start im Januar 2006 soll die Sonde Pluto am 14.&nbsp;Juli 2015 erreichen. Wäre die Sonde nur wenige Tage später gestartet, hätte sie ohne Swing-By am Jupiter auf einer direkten Route zu Pluto fliegen müssen und so erst zwischen 2018 und 2020 ihr Ziel erreicht; bei einem Start 2007 hätte der Vorbeiflug sogar erst zwischen 2019 und 2020 stattgefunden. Die Beobachtungen des Pluto-Charon-Systems beginnen etwa 150 Tage vor der größten Annäherung. Etwa 120 Tage vor dem Vorbeiflug werden die ersten Bilder erwartet, und 90 Tage vor dem Vorbeiflug wird von den Aufnahmen der LORRI-Kamera das beste Auflösungsvermögen des [[Hubble-Weltraumteleskop|Hubble]]-Teleskops übertroffen. Es sollen globale Karten von Pluto und Charon erstellt, Hochauflösungsfotos mit bis zu 25&nbsp;m pro Pixel Auflösung gewonnen, die Temperaturverteilung gemessen und die Atmosphäre des Pluto studiert werden. Es ist geplant, die Sonde in 9.600&nbsp;km Entfernung an Pluto und in 27.000&nbsp;km Entfernung an Charon vorbeifliegen zu lassen. Allerdings sind dies nur Zielparameter, die leicht während des Flugs geändert werden können. Zwei Wochen nach dem Vorbeiflug werden die Beobachtungen beendet, und die Sonde wird beginnen, die während des Vorbeifluges gesammelten Daten zur Erde zu übermitteln. Da die Übertragungsrate über diese Entfernung sehr gering ist, werden einige Monate vergehen, bevor alle Daten auf der Erde eingetroffen sind. Nach dem Vorbeiflug am Pluto wird die Sonde ihre Reise aus dem Sonnensystem hinaus fortsetzen und dabei durch den [[Kuipergürtel]] fliegen, wo zwischen 2016 und 2020 Vorbeiflüge an einem oder zwei Kuipergürtel-Objekten mit einer Größe von durchschnittlich 40-90&nbsp;km Durchmesser möglich sind. Die genauen Ziele dafür müssen jedoch erst gefunden werden und werden erst in der nächsten Dekade festgelegt. Der Ablauf der Beobachtungen bei diesen Objekten sollte der Beobachtung von Pluto ähneln, jedoch begrenzt durch die Abnahmen der Sonnenlichtstärke, der Energie, die der Sonde zur Verfügung steht und der Datenübertragungsrate. Schätzungen gehen davon aus, dass die Sonde bis etwa 2025 genug Energie zu Verfügung haben wird, um Beobachtungen dieser Objekte durchzuführen. ''Siehe auch:'' [[Liste der unbemannten Raumfahrtmissionen]] == Einzelnachweise == <references /> == Literatur == Thorsten Dambeck: ''Der Voyager-Erbe'', [[Astronomie heute]], Jan/Feb (2006), S.&nbsp;16–19, {{ISSN|1610-8728}} == Weblinks == {{Commons|Category:New Horizons|New Horizons}} * [http://www.nasa.gov/mission_pages/newhorizons/main/index.html Offizielle NASA-Seite zur Sonde] (englisch) * [http://pluto.jhuapl.edu/ Offizielle Seite der Johns Hopkins University zur Sonde] (englisch) * [http://www.bernd-leitenberger.de/new-horizons.shtml New Horizons Missionsbeschreibung] * [http://www.spaceflightnow.com/atlas/av010/060108spacecraft.html Umfangreiche Beschreibung von New Horizons, übernommen aus dem Launch Press Kit] (englisch) * [http://www.jhu.edu/~jhumag/1105web/pluto.html Johns Hopkins Magazine – Mission: Pluto] (englisch) * [http://pluto.jhuapl.edu/soc Rohbilder von New Horizons] (englisch) * [http://www.yaohua2000.org/cgi-bin/New%20Horizons.pl] (englisch) <div class="BoxenVerschmelzen"> {{Navigationsleiste Raumsonden zu äusseren Planeten}} {{Navigationsleiste Raumsonden zu Zwergplaneten}} </div> {{Exzellent}} [[Kategorie:Sonde ins äußere Planetensystem]] [[Kategorie:NASA]] [[ar:نيوهورايزونز]] [[bg:Нови хоризонти]] [[bn:নিউ হরাইজনস]] [[bs:New Horizons]] [[ca:New Horizons]] [[cs:New Horizons]] [[da:New Horizons]] [[en:New Horizons]] [[eo:New Horizons]] [[es:New Horizons]] [[eu:New Horizons]] [[fi:New Horizons]] [[fr:New Horizons]] [[ga:New Horizons]] [[gv:New Horizons]] [[he:ניו הוריזונס]] [[hu:New Horizons]] [[id:New Horizons]] [[it:New Horizons]] [[ja:ニュー・ホライズンズ]] [[ka:ნიუ-ჰორაიზონსი]] [[ko:뉴 허라이즌스 호]] [[lt:New Horizons]] [[lv:New Horizons]] [[ms:New Horizons]] [[nl:New Horizons]] [[nn:New Horizons]] [[no:New Horizons]] [[pl:New Horizons]] [[pt:New Horizons]] [[ru:New Horizons]] [[scn:New Horizons]] [[sh:New Horizons]] [[simple:New Horizons]] [[sk:New Horizons]] [[sl:New Horizons]] [[sr:Нови Хоризонти]] [[sv:New Horizons]] [[ta:நியூ ஹரைசன்ஸ்]] [[th:ยานนิวฮอไรซันส์]] [[tr:Yeni Ufuklar]] [[uk:New Horizons]] [[vi:New Horizons]] [[zh:新视野号]] ixo9kp5qlir0wa9xyratn8pxugvmlok wikitext text/x-wiki New York, Westchester and Boston Railway 0 23999 26597 2010-05-06T14:44:15Z Don Magnifico 0 /* Bau */Link auf Begriffsklaerungsseite angepasst mit [[Project:AWB|AWB]] {| class="wikitable float-right" {{BS-header|New York, Westchester & Boston Railway}} {{BS-table}} |- |colspan="5" style="text-align:center"|<small>''Entfernungsangaben in Meilen''</small> {{BS|exABZlf||[[IRT Third Avenue Line]]}} {{BS|exABZlf||133rd Street Yard|(Betriebshof der Hochbahn)}} {{BS|exSBRÜCKE||[[Willis Avenue Bridge]]}} {{BS|exBHF|0,0|Harlem River Terminal}} {{BS|exSBRÜCKE||[[Triborough Bridge|Bronx Kills Crossing]]}} {{BS|xABZlg||[[New York Connecting Railroad]]}} {{BS|STR|||von der [[Pennsylvania Station (New York City)|Pennsylvania Station]] via [[Hell Gate Bridge]]}} {{BS|eHST|0,91|Port Morris}} {{BS|eHST|1,90|Casanova}} {{BS|eHST|2,57|Hunt’s 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{{BS2|exBS2+l|exBS2+r||}} {{BS2|exSTR|exHST|10,66|East Lincoln Avenue}} {{BS2|exSTR|exHST|11,63|Chester Heights}} {{BS2|exSTR|exBHF|13,01|Wycagyl}} {{BS2|exSTR|exHST|15,09|Quaker Ridge}} {{BS2|exSTR|exBHF|15,95|Heathcote}} {{BS2|exSTR|exHST|17,51|Ridgeway}} {{BS2|exSTR|exHST|18,26|Gedney Way}} {{BS2|exSTR|exHST|18,89|Mamaroneck Avenue}} {{BS2|exSTR|exKBHFe|19,50|White Plains–Westchester Avenue}} {{BS2|exBS2l|exBS2c3||}} <!-- ### --> {{BS|exHST|10,95|5th Avenue}} {{BS|exHST|11,27|Pelhamwood|(ursprünglich Storer Avenue)}} {{BS|exHST|11,64|Webster Avenue}} {{BS|exHST|12,17|North Avenue|(ursprünglich New Rochelle)}} <!-- ### --> {{BS2|exBS2c1|exBS2+r||}} {{BS2|STRlg|exSTR||New Haven|von New Rochelle}} {{BS2|STR|exHST|13,02|Pine Brook}} {{BS2|HST|exHST|14,03|Larchmont}} {{BS2|STR|exHST|14,78|Larchmont Gardens}} {{BS2|HST|exHST|15,83|Mamaroneck}} {{BS2|STR|exHST|16,82|West Street}} {{BS2|HST|exHST|17,60|Harrison}} {{BS2|HST|exHST|19,44|Rye}} {{BS2|HST|exKBHFe|20,90|Port Chester}} {{BS2|BS2l|BS2c3||}} {{BS|eGRENZE|||Staatsgrenze [[New York (Bundesstaat)|New York]]–[[Connecticut]]}} {{BS|STR||New Haven|nach [[New Haven (Connecticut)|New Haven]]}} |} |} Die '''New York, Westchester and Boston Railway''' (abgekürzt '''NYWB''' oder '''NYW&B''', genannt ''Westchester'' oder ''Boston–Westchester'') war eine normalspurige, elektrifizierte [[Schnellbahn]], die die Südspitze der [[Bronx]] in [[New York City]] mit einigen Städten und Gemeinden im [[Westchester County]] im [[Vereinigte Staaten|US-Bundesstaat]] [[New York (Bundesstaat)|New York]] verband. Sie gehörte zur Firmengruppe der [[New York, New Haven and Hartford Railroad]] (NYNH&amp;H) und war von 1912 bis 1937 in Betrieb. Die NYW&B war in weiten Teilen parallel zu bereits existierenden Strecken der NYNH&amp;H gebaut worden, um diese im Vorortnahverkehr zu entlasten. Dazu verfügte sie über vergleichsweise sehr großzügig angelegte, hochmoderne und entsprechend teure Betriebsanlagen und war damit auf sehr hohe Beförderungsleistungen ausgelegt. Da die Westchester aber durch weitgehend dünn besiedeltes Gebiet gebaut worden war, stellte sich eine entsprechende Nachfrage nie ein, so dass der [[Bankrott|Konkurs]] der NYNH&amp;H im Zuge der [[Weltwirtschaftskrise]] schließlich das Ende der Bahn bedeutete. In den Jahren unmittelbar nach der Stilllegung wurden die Strecken größtenteils abgebaut. Ein kleinerer Teil wurde von der [[New York City Subway|New Yorker U-Bahn]] übernommen und ist heute (2008) noch in Betrieb. == Vorgeschichte == === Eisenbahnen im Norden New Yorks === Mitte des 19.&nbsp;Jahrhunderts gab es mehrere Bahnlinien, die von [[New York City]] aus östlich des [[Hudson River]]s Richtung Norden führten. Dies waren von West nach Ost gesehen die ''Hudson River Railroad'' nach [[Albany (New York)|Albany]] und [[Troy (New York)|Troy]], die ''New York and Putnam Railroad'' nach [[Brewster (New York)|Brewster]] und die ''New York and Harlem Railroad'' nach [[Chatham (Village, New York)|Chatham]]. Alle drei Strecken gehörten ab 1869 zur neu gebildeten [[New York Central Railroad|New York Central and Hudson River Railroad]], kurz ''New York Central'', und endeten ab 1871 am [[Grand Central Terminal]] in Manhattan.<ref name="whit01">Whittemore, Henry: ''[http://www.catskillarchive.com/rrextra/abnyrr.html Fullfilment of the Remarkable Prophecies Relating to the Development of Railroad Transportation]'', 1909. ''(Abschnitte zu BOSTON AND ALBANY RAILROAD, HUDSON RIVER RAILROAD und NEW YORK AND NEW HAVEN RAILROAD)''</ref> Weiter östlich verliefen seit 1849 die Gleise der konkurrierenden [[New York, New Haven and Hartford Railroad]], kurz ''NYNH&amp;H'' oder ''New Haven''. Sie zweigten am Bahnhof ''Woodlawn'' von der New York and Harlem Railroad ab, überquerten bei [[Port Chester]] die Staatsgrenze [[New York (Bundesstaat)|New York]]–[[Connecticut]] und verliefen weiter über [[Bridgeport (Connecticut)|Bridgeport]] nach [[New Haven (Connecticut)|New Haven]].<ref name="whit01"/> Dazu kam 1873 mit dem Harlem River Branch noch eine Zweigstrecke; die Gleise der vormals eigenständigen ''Harlem River and Port Chester Railroad'' führten von [[New Rochelle]] aus in südliche Richtung hinunter zum Harlem River (132nd Street).<ref name="Baer1873">Baer, Christopher T.: ''[http://www.prrths.com/Hagley/PRR1873%20Feb%2004.pdf PRR CHRONOLOGY : 1873 – February 2005 Edition]'', 2005. S.&nbsp;41.</ref> Die New York, Westchester and Boston Railway Company wurde am 20.&nbsp;März 1872 gegründet, um zwischen den bestehenden Strecken eine weitere Eisenbahn von der damaligen New Yorker Stadtgrenze am [[Harlem River]] durch den [[Westchester County]] zu bauen. Die Strecke sollte vom Harlem River aus durch die östliche [[Bronx]], dann nach [[Mount Vernon (New York)|Mount Vernon]] und weiter durch den südöstlichen Teil des County bis nach Port Chester verlaufen. Die Konzession enthielt außerdem zwei Zweigstrecken, eine von der 177th Street, Bronx, Richtung Osten nach [[Throgs Neck]], und eine weitere von Mount Vernon in nördliche Richtung über [[White Plains (New York)|White Plains]] nach [[Elmsford]]. Die Gleise sollten in Teilen parallel und damit in Konkurrenz zu den beiden Strecken der New Haven verlaufen. Der [[Gründerkrach]] von 1873 setzte dem Unternehmen jedoch noch vor Baubeginn ein Ende.<ref name="ERJ01">McGraw Publishing Company (Hrsg.): ''The New York, Westchester &amp; Boston Railway''. In: Electric Railway Journal, Vol. XXXIX, No. 21, 25. Mai 1912, S.&nbsp;864ff.</ref> === Die New Haven kauft sich ein === [[Datei:JohnPierpontMorgan.jpg|miniatur|upright|links|J. P. Morgan.]] 1906 kauften [[William Rockefeller]] und [[John Pierpont Morgan|J. P. Morgan]] die NYW&B für 11.000.000&nbsp;Dollar auf und übereigneten sie anschließend der New Haven.<ref name="bryk">Bryk, William: ''[http://www.nypress.com/15/7/news&columns/oldsmoke.cfm The (Rail)Road of Hubris]''. In: New York Press, News & Columns.</ref> Dieser an sich überhöhte Geldbetrag lag in den damaligen Geschäftspraktiken der New Haven begründet. Diese bestanden darin, sämtliche örtlichen Konkurrenten praktisch um jeden Preis aufzukaufen, zu konsolidieren und technisch zu modernisieren. Bis 1912 war auf diese Weise ein Verkehrsnetz mit über 2000&nbsp;Meilen (3200&nbsp;km) Eisenbahnen sowie weiteren Straßenbahn- und Dampfschifffahrtslinien im südlichen [[Neuengland]] entstanden. Dieses faktische Monopol im Transportgewerbe stand unter der Kontrolle J. P. Morgans und seines Vertrauten im Vorstand der New Haven, [[Charles Sanger Mellen]].<ref name="bryk"/> Dazu erhoffte sich die New Haven vom Kauf und anschließendem Bau der NYW&B positive finanzielle Effekte, denn die Strecke Richtung Port Chester war durch die vielen Nahverkehrszüge von und nach New York City stark überlastet. Dies ging vor allem zu Lasten des profitablen Fern- und Güterverkehrs, so dass eine Erhöhung der Transportkapazitäten entlang dieser Route sinnvoll erschien. Zudem war die New Haven durch die [[Interstate Commerce Commission]] (ICC) dazu verpflichtet worden, die Fahrkarten für Nahverkehrsverbindungen von und nach New York City zu einem Einheitsfahrpreis von 5&nbsp;US-Cent anzubieten. Die betreffenden Züge mussten jedoch südlich von Woodlawn mangels eigener Gleise die Strecke der konkurrierenden New York Central benutzen, die wiederum pro Fahrgast 24&nbsp;Cent Streckennutzungsgebühr für die Fahrt zum Grand-Central-Bahnhof verlangte. Um die ständigen Verluste von 19&nbsp;Cent je Fahrgast zu beenden, sollten die Nahverkehrszüge zukünftig über die Strecke der NYW&B bis zum Harlem River fahren, um die Fahrgäste dort in die [[New York City Subway|Hochbahn]] umsteigen zu lassen.<ref name="bryk"/><ref name="IRTmap">Als Umsteigepunkt war die Station ''133rd Street'' in der Bronx gedacht. Siehe dazu auch Karte ''[http://commons.wikimedia.org/w/index.php?title=Datei:NYCS_Maps_IRT_1904.jpg&oldid=4417335 Interborough Rapid Transit Co. – 1904]''.</ref> Gleichermaßen geschahen diese Überlegungen in Erwartung einer weiteren Ausdehnung des Hauptgeschäftsviertels New York Citys Richtung Norden. Dieses hatte sich bis etwa 1850 vor allem im Bereich des heutigen [[Financial District (Manhattan)|Financial District]] südlich der Canal Street entwickelt und um 1900 [[Midtown Manhattan]] erreicht. Man ging ganz allgemein davon aus, dass der Stadtteil [[Harlem]] und die südliche Bronx angesichts der jüngst eröffneten U-Bahn bis etwa 1950 eine ähnliche Entwicklung erfahren würden, so dass die neue Verkehrsverbindung zunehmend an Bedeutung gewinnen würde.<ref name="hood00">Hood, Clifton: ''722 Miles'', centennial edition. The Johns Hopkins University Press, Baltimore, 2004. ISBN 0-8018-8054-8. S.&nbsp;108ff.</ref> Auch für den ländlich geprägten Westchester County selbst gab es große Hoffnungen für ein stark wachsendes Verkehrsaufkommen. Zwischen 1900 und 1910 war die Einwohnerzahl um über 70 % gestiegen, und die Grundstückspreise hatten sich mitunter verdreifacht.<ref name="ERJ01"/> == Bau == Für das Vorhaben, eine Neubaustrecke für den Nahverkehr parallel zu den bestehenden Strecken der New Haven zu errichten, waren die ursprünglich vorgesehenen Streckenäste nach Throgs Neck und über White Plains nach Elmsford im Grunde uninteressant. So wurde bei der zuständigen [[New York Public Service Commission]] beantragt, diese Strecken aus der Konzession nehmen zu dürfen. Dort wurde nur der Wegfall der Zweigstrecke nach Throgs Neck genehmigt; die Strecke nach Elmsford durfte aber nur bis White Plains zurückgezogen werden.<ref name="ERJ01"/> Die Bauarbeiten an der Strecke begannen im Mai 1909.<ref name="NYT01">''[http://query.nytimes.com/gst/abstract.html?res=9503E6D71439E733A25751C0A9639C946897D6CF PLANS OF CENTRAL'S RIVAL.; New Haven Road's Subsidiary Line to Begin Building at Once.]'' In: The New York Times, 2.&nbsp;Mai 1909, S&nbsp;1.</ref> Der erste Streckenabschnitt von der Station ''180th Street'' bis ''North Avenue'' in New Rochelle konnte am 29.&nbsp;Mai 1912 eröffnet werden.<ref name="NYT02">''[http://query.nytimes.com/gst/abstract.html?res=9C0DE3DA153CE633A25752C2A9639C946396D6CF WESTCHESTER LINE A 'ROAD BEAUTIFUL'; Inspection Trip Shows a Railway Built on a "Public-Be-Pleased" Plan.]'' In: the New York Times, 21.&nbsp;Mai 1912, S.&nbsp;9.</ref> Ab 1.&nbsp;Juli desselben Jahres ging es weiter bis zur Endstation ''Westchester Avenue'' in White Plains.<ref name="NYT03">''[http://query.nytimes.com/gst/abstract.html?res=9C06E4D81E3CE633A25753C3A9609C946396D6CF NEW TRANSIT LINE TO WHITE PLAINS; To be Opened To-morrow by the New York, Westchester & Boston Railway.]'' In: The New York Times, 30. Juni 1912, Section: Bronx Real Estate Business Financial, S.&nbsp;XX5.</ref> Das ''Harlem River Terminal'' wurde am 3.&nbsp;August 1912 erreicht.<ref name="BAER1912">Baer, Christopher T.: ''[http://www.prrths.com/Hagley/PRR1912%20Mar%2005.pdf PRR CHRONOLOGY : 1912 – March 2005 Edition]'', S.&nbsp;11.</ref> [[Datei:NYWB-SignalBridge-Liesel.png|miniatur|right|Die NYWB war für sehr hohe Kapazitäten ausgelegt, obwohl die Gegend eher ländlich geprägt war.]] [[Datei:NYWB-StationInCut-Liesel.png|miniatur|right|Typische Station im Einschnitt.]] Die gesamte Trasse war sehr aufwändig angelegt. Die Strecke war durchgehend [[Mehrgleisigkeit|zweigleisig]] und südlich von Mount Vernon sogar viergleisig. Weite [[Kurvenradius|Kurvenradien]] und geringe Steigungen ließen eine hohe [[Ausbaugeschwindigkeit]] zu. Dazu waren massive Geländeverbauungen und Dutzende Kunstbauten notwendig. Die Strecke wurde von Beginn an auf ihrer gesamten Länge mittels [[Oberleitung]] elektrifiziert, um durchgehend elektrischen Betrieb zu ermöglichen.<ref name="bryk"/><ref name="Browne00">Browne, Gilbert O.: ''[http://www.nycsubway.org/articles/nywb2.html Construction of the New York, New Haven & Hartford New High Speed Electric Line Running North from New York City.]'' In: Railway Age Gazette, 7. Juni 1912.</ref> [[Datei:NYWB-StationEntrance-Liesel.png|miniatur|right|Typisches Empfangsgebäude.]] Die Bahnhöfe und Haltestellen wurden ebenso aufwändig und großzügig gestaltet, wobei besonderer Wert auf [[Ästhetik]] gelegt wurde. Die Gebäude und damit die Bahn insgesamt sollten möglichst attraktiv wirken, um die Grundstückspreise nicht negativ zu beeinflussen und damit die Siedlungsentwicklung entlang der Bahnlinie zu befördern. So entstanden die Gebäude aus Stein und vielfach im Stil der [[Neorenaissance]]; in deren Inneren wurden Läden eingerichtet, die Außenbereiche angelegt. Die Ausstattung umfasste ferner [[Terrazzo]]fußböden und [[Zentralheizung]].<ref name="ERJ03">McGraw Publishing Company (Hrsg.): ''Track and Stations of the New York, Westchester &amp; Boston Railway''. In: Electric Railway Journal, Vol. XXXIX, No. 23, 8.&nbsp;Juni 1912, S.&nbsp;956ff.</ref> Dazu kam ein Wagenpark aus komfortabel ausgestatteten [[Triebwagen|Elektrotriebwagen]] mit jeweils 350&nbsp;PS Leistung und einer Höchstgeschwindigkeit von 57&nbsp;mph (92&nbsp;km/h). Damit repräsentierte die Westchester den damaligen Stand der Technik einer Schnellbahn und war für sehr hohe Kapazitäten ausgelegt. Die Gesamtkosten für den Bau der Bahn und die Anschaffung der Fahrzeuge beliefen sich offiziell auf 22&nbsp;Millionen Dollar.<ref name="NYWB01">Bang, Robert A. und Vondrak, Otto M.: ''[http://www.nywbry.com/history.htm NYW&B – History of the New York Westchester & Boston Railway]''</ref> Das eigentliche Ziel, das verlustträchtige Fahrgastaufkommen entlang der ursprünglichen Strecke der New Haven nach New York City zu verringern, erforderte die Fertigstellung der parallel verlaufenden Neubaustrecke bis nach Port Chester. Die Bauarbeiten jenseits der ''North Avenue'' begannen 1921; ''Mamaroneck'' war 1926, ''Harrison'' 1927, ''Rye'' 1928 und ''Port Chester'' schließlich 1929 erreicht.<ref name="NYWB01"/> Das Passagieraufkommen im Nahverkehr ging daraufhin auf den bestehenden Strecken zurück, und so konnte dieser entlang des Harlem River Branch am 27.&nbsp;Juli 1930 eingestellt werden.<ref name="Baer1930">Baer, Christopher T.: ''[http://www.prrths.com/Hagley/PRR1930%20Aug%2004.wd.pdf PRR CHRONOLOGY : 1930 – August 2004 Edition]'', S.&nbsp;24.</ref> Die Streckenerweiterung von ''North Avenue'' nach ''Port Chester'' wurde offenbar aus finanziellen Gründen nach einfacheren Maßstäben gebaut. Zwar wurden auch hier zwei Streckengleise verlegt, doch die Bahnsteige bestanden nur noch aus Holz, und statt großzügiger Bauten gab es nur noch kleine Holzhäuschen als Zugangsanlagen. == Streckenverlauf == [[Datei:NYWB-Map.jpg|miniatur|right|Streckenverlauf der NYW&B, basierend auf einer Karte von 1912.<ref>Die verwendeten Farben korrespondieren mit dem Farbschema der [http://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Wikipedia:Formatvorlage_Bahnstrecke&oldid=50291463 Formatvorlage Bahnstrecke].''</ref>]] === Harlem River–180th Street–Columbus Avenue === Die Strecke begann am nördlichen Ufer des Harlem River am ''Harlem River Terminal'' Ecke 132nd&nbsp;Street und Willis Avenue. Dort gab es eine direkte Gleisverbindung zur IRT Third Avenue Line sowie eine überdachte hölzerne Fußgängerbrücke hinüber zu deren Station ''133rd Street''. Von den insgesamt sechs parallel verlaufenden Bahnsteiggleisen wurden zwei von der NYW&B und vier von der Hochbahn benutzt. Die Strecke verlief zunächst am Ufer entlang Richtung Südosten und mündete dann in den Harlem River Branch der New Haven. Nach vier Zwischenhalten zweigte die Trasse in Höhe der 174th&nbsp;Street wieder ab, wurde nach Nordwesten hin verschwenkt und erreichte an der Station ''180th Street'' mit der [[IRT White Plains Road Line]] die U-Bahn. Dahinter ging es weiter nach Nordosten bis zur Stadtgrenze und dahinter weiter nach Norden entlang der South Fulton Avenue durch Mount Vernon bis zum Bahnhof ''Columbus Avenue''. Bis dahin gab es auf New Yorker Seite weitere fünf, in Mount Vernon drei Zwischenhalte. Die zweite Station hinter ''180th Street'', ''Pelham Parkway'', befand sich dabei in Tunnellage. An der ''Columbus Avenue'' wurde die Bahnlinie der New Haven überquert; die Station wurde als [[Turmbahnhof]] mit entsprechenden Umsteigemöglichkeiten eingerichtet. Etwa einen halben Kilometer nordöstlich gabelte sich die bis dahin viergleisige Strecke schließlich. === Columbus Avenue–Westchester Avenue === Von der ''Columbus Avenue'' aus führte die eine Strecke weiter nach Norden Richtung White Plains. Sie war durchgehend zweigleisig und besaß insgesamt neun weitere Stationen in Mount Vernon, [[Eastchester (New York, Westchester County)|Eastchester]], New Rochelle, [[Scarsdale (New York)|Scarsdale]] und White Plains. Der Endbahnhof ''White Plains–Westchester Avenue'' befand sich Ecke Westchester Avenue und Bloomingdale Road unmittelbar östlich des Stadtkerns. === Columbus Avenue–Port Chester === Die andere Zweigstrecke war ebenfalls durchgehend zweigleisig und verlief zunächst Richtung Osten und bediente in [[Pelham (New York, Town)|Pelham]] und New Rochelle je zwei weitere Stationen, bevor sie kurz hinter dem heutigen Bahnhof ''New Rochelle'' zum zweiten Mal auf die New Haven traf. Dort schwenkte die Trasse nach Nordosten ein und verlief parallel zur New Haven bis zum Bahnhof ''Port Chester'' kurz vor der Staatsgrenze New York–Connecticut. Entlang dieses Abschnitts bediente die Westchester nicht nur alle Stationen der New Haven, sondern auch noch einige zusätzliche Zwischenhalte. Sie verfügte dabei im Gegensatz zum Harlem River Branch durchgehend über eigene Gleise. == Betrieb == [[Datei:NYWB-SixthStreetPlatform-Liesel.png|miniatur|right|Seitenbahnsteige für Local-Züge und Überholgleise für Express-Züge an der ''Sixth Street'' in Mount Vernon.]] Die Betriebsanlagen der Westchester waren so ausgelegt, dass neben Local-Zügen (Bummlern), die überall hielten, auch noch Express-Züge, die nicht an jeder Station hielten, angeboten werden konnten. Während die zweigleisigen Abschnitte nördlich der ''Columbus Avenue'' von beiden Zuggruppen im Mischbetrieb befahren wurden, diente auf dem viergleisigen Abschnitt das äußere Gleispaar den Locals und das innere den Express-Zügen zum [[Bahnhof mit Richtungsbetrieb|richtungsgleichen]] Überholen. Die Bahnhöfe entlang dieser Strecke wurden auf dieses Betriebsschema ausgerichtet, so dass an herkömmlichen Stationen nur Seitenbahnsteige am äußeren Gleispaar existierten, Expressbahnhöfe dagegen zwei Mittelbahnsteige zwischen den Richtungsgleisen besaßen. Expressbahnhöfe waren insbesondere ''180th Street'', ''Pelham Parkway'' und ''East 3rd Street'' auf dem viergleisigen Abschnitt sowie ''Wykagyl'' und ''Heathcote'' auf der Strecke nach White Plains.<ref name="ERJ01"/> Richtung ''Port Chester'' änderte sich die Zuordnung mit dem Fortschritt der Bauarbeiten. Per Konzession war die Westchester dazu verpflichtet, auf New Yorker Stadtgebiet täglich zwischen 04:00&nbsp;Uhr morgens und 01:00&nbsp;Uhr nachts mindestens 60&nbsp;Local-Zugpaare mit höchstens 30&nbsp;Minuten Zeitabstand anzubieten; in Mount Vernon mussten es mindestens 50&nbsp;Zugpaare von und nach New York City sein. Nach dem Willen der NYW&B sollten darüber hinaus jeweils um die Hälfte zeitversetzt die zugehörigen Expresszüge verkehren, die wiederum zeitlich so abgestimmt werden sollten, dass an der ''East 3rd Street'' in Fahrtrichtung wechselseitig umgestiegen werden konnte. Die Reisezeit zwischen der ''180th Street'' und White Plains betrug mit dem Local 39 und mit dem Expresszug 25&nbsp;Minuten. Richtung New Rochelle (''North Avenue'') dauerte es mit dem Local 25&nbsp;und mit dem Express 13&nbsp;Minuten.<ref name="ERJ01"/> Der Betrieb wurde 1912 mit einem 20-Minuten-Takt für Locals und einem 40-Minuten-Takt für Expresszüge aufgenommen. Später sollte weiter auf 15/15 Minuten verdichtet werden. Insgesamt war die Strecke darauf ausgelegt, Local- wie Expresszüge im Extremfall im Fünf-Minuten-Takt je Richtung verkehren zu lassen und damit annähernd das Niveau der New Yorker Subway zu erreichen.<ref name="ERJ01"/> == Das Ende == Die Westchester war von Beginn an ein hochdefizitäres Unternehmen. Die Ursache für Verluste von zuletzt über 3&nbsp;Millionen Dollar pro Jahr lag aber nicht nur in der Dimensionierung der Betriebsanlagen und den damit verbundenen [[Fixe Kosten|Fixkosten]]. Auch erreichte die Zahl der Fahrgäste nie das ursprünglich angepeilte Niveau, weil die Annahmen bezüglich des Bevölkerungswachstums in der Region viel zu optimistisch gewesen waren. Zwar stiegen die Fahrgastzahlen über die Jahre stetig an, von 2.874.484 (1913) über 6.283.325 (1920) auf schließlich 14.053.188 im Jahre 1928, doch kam die Westchester bis 1930 nicht über 264&nbsp;Züge am Tag hinaus, womit die Streckenkapazität bei weitem nicht ausgeschöpft wurde.<ref name="bryk"/><ref>[http://select.nytimes.com/gst/abstract.html?res=F60A12FA385C11738DDDA10A94D0405B808FF1D3&scp=3&sq=Westchester+AND+cut+AND+264&st=p WEST CHESTER FIGHT ON TRAINS HALTED] In: The New York Times. 28.&nbsp;August 1930, S.&nbsp;5.</ref> Dazu boten sowohl die New York Central als auch die New Haven auf ihren parallel verlaufenden Strecken Pendlerzüge nach New York City an, die im Gegensatz zur Westchester direkt bis zum Grand Central Terminal im Stadtzentrum fuhren. Außerdem konnte sich die NYW&B im Gegensatz zu anderen Bahngesellschaften nicht auf gewinnbringenden Güterverkehr stützen. Solange die Westchester die [[Gewinnschwelle]] nicht erreichte, hatte die New Haven das Defizit und obendrein die Zinslast und die Kreditbürgschaft zu tragen. Die NYW&B war damit in vollem Umfang von der finanziellen Gesundheit ihrer Muttergesellschaft abhängig.<ref name="NYWB01"/> Diese wiederum schien seit jeher ein kerngesundes Unternehmen. Doch Mellen hatte aus den insgesamt 336&nbsp;Tochtergesellschaften der New Haven ein [[Pyramidensystem]] aufgebaut, dessen Gewinne vorwiegend mittels [[Bilanzfälschung]] erzielt wurden.<ref name="bryk"/> Obwohl diese Tatbestände bereits 1913 ans Licht gekommen waren, schienen die finanziellen Schwierigkeiten der New York, New Haven and Hartford Railway damit offenbar nicht beendet. Die [[Weltwirtschaftskrise]] führte im Oktober 1935 zum Bankrott.<ref name="NYT-19351024">''[http://select.nytimes.com/gst/abstract.html?res=F20A17FB3C5812738DDDAD0A94D8415B858FF1D3 NEW HAVEN FILES UNDER SECTION 77]'' In: The New York Times. 24.&nbsp;Oktober 1935, S.&nbsp;31.</ref> Die Westchester geriet daraufhin angesichts nun ausbleibender Unterstützungszahlungen in Zahlungsverzug und folgte rund einen Monat später am 30.&nbsp;November.<ref name="nyt19351201">''[http://select.nytimes.com/gst/abstract.html?res=F60812F8345C167B93C3A91789D95F418385F9 SUBURBAN RAILWAY INVOKES SECTION 77]'' In: The New York Times. 01.&nbsp;Dezember 1935, S.&nbsp;F1.</ref> Sie hatte bis dahin ein Defizit von insgesamt 45.000.000&nbsp;Dollar angehäuft.<ref name="nyt19351201"/> Zunächst wurde versucht, die Bahn durch Sparmaßnahmen und gleichzeitige Bemühungen zur Anhebung der Fahrgastzahlen am Leben zu halten. Weil sich aber angesichts der hohen Kosten für Zinsen, Pacht und Grundsteuer im Laufe der nächsten zwei Jahre keine Besserung einstellte, wurde schließlich auf richterliche Anordnung zunächst der Betrieb eingestellt.<ref name="NYWB01"/> Der letzte Zug nach ''Port Chester'' fuhr am 31.&nbsp;Oktober<ref>''[http://select.nytimes.com/gst/abstract.html?res=F50B17FE3859177A93C2AA178BD95F438385F9&scp=1&sq=Railway+operation&st=p WESTCHESTER LINE TO HALT TOMORROW]'' In: The New York Times. 30.&nbsp;Oktober 1937, S.&nbsp;21.</ref>, der letzte zwischen dem ''Harlem River Terminal'' und ''White Plains'' am 31.&nbsp;Dezember 1937<ref>''[http://select.nytimes.com/gst/abstract.html?res=F20D11FE3A5A157A93C3A9178AD85F4C8385F9&scp=1&sq=westchester&st=p WESTCHESTER LINE PASSES WITH 1937]'' In: The New York Times. 01.&nbsp;Januar 1938, S.&nbsp;36.</ref>. Nachdem auch Versuche, die Gesellschaft an einen Investor zu verkaufen oder unter staatliche Kontrolle zu stellen, gescheitert waren, wurde die Westchester schließlich auf richterliche Anordnung hin [[Liquidation|liquidiert]].<ref name="NYWB01"/> Den Streckenabschnitt zwischen der 174th Street und der Stadtgrenze hinter der Station ''Dyre Avenue'' erwarb die Stadt New York für 1,7&nbsp;Millionen Dollar, um ihn in ihr [[New York City Subway|U-Bahn-Netz]] zu integrieren.<ref name="bryk"/> Die Elektrotriebwagen verblieben bei der New Haven; sie wurden zu unmotorisierten Passagierwaggons umgebaut und in Vorortzügen im Raum [[Boston]] eingesetzt.<ref name="NYWB02"/> Das restliche Anlagevermögen wurde im März 1942 versteigert und brachte noch 423.000&nbsp;Dollar ein; Schienen und Oberleitung wurden abgebaut und anschließend in der [[Rüstungsindustrie]] für den [[Zweiter Weltkrieg|Kriegseinsatz]] verwertet. Viele der Bahnhofsgebäude wurden den zuständigen Gemeinden als Ausgleich für die Steuerschulden überlassen.<ref name="NYWB01"/> == Technische Details == Die New York, Westchester and Boston Railway war als weitgehend unabhängig betriebene Schnellbahn konzipiert und durch vielerorts dünn besiedeltes Gebiet gebaut worden. Außerdem hatte sich die Streckenführung nicht an bestehenden, langsamer zu befahrenden Bahnlinien auszurichten. Insofern waren fast keine Kompromisse hinsichtlich Streckenführung, Konzession oder technischer Ausstattung notwendig, so dass die Bahn das seinerzeit technisch Machbare repräsentierte. === Trasse === [[Datei:NYWB-Viaduct1-Liesel.png|miniatur|right|Viadukt in der Nähe der Station ''Morris Park''.]] Die Trasse sollte für eine möglichst hohe [[Ausbaugeschwindigkeit]] angelegt werden, was durch geringe Steigungen (maximal 1 %) und sanfte Kurven (maximal 4&nbsp;Grad) erreicht werden sollte. Auch sollten [[Bahnübergang|Bahnübergänge]] bewusst vermieden werden. Um dies in dem teils hügeligen Gelände möglich zu machen, mussten entlang der Strecke großzügige Einschnitte, Viadukte und Dämme angelegt werden. Dazu kamen über 70&nbsp;Kunstbauten, namentlich ein 0,75&nbsp;Meilen (1,2&nbsp;km) langer, viergleisiger Tunnel mitsamt unterirdischem Bahnhof unter dem Pelham Parkway in der Bronx, mehrere [[Viadukt]]e sowie einige Dutzend Brücken und Unterführungen. Sämtliche dieser Bauten wurden ausgesprochen massiv dimensioniert; selbst an sich unbedeutende Fußgängerstege wurden aus Stahl errichtet.<ref name="ERJ03">''[http://www.nycsubway.org/articles/nywb4.html A Description of the Permanent Way and Structures of This New Suburban Railway - All Buildings Are Designed in Accordance with a Harmonious Architectural Scheme]''. In: Electric Railway Journal, Vol. XXXIX, No. 23, June 8, 1912.</ref> Auf der Trasse wurden durchgehend eingeschotterte Schwellengleise verlegt. Dies geschah auch auf Brücken und Viadukten, um dort das Geräuschniveau möglichst niedrig zu halten, wozu eigens Betontröge auf dem Tragwerk aufgesetzt wurden. Die [[Überhöhung]] in den Kurven wurde ferner genau auf die dort erwarteten Fahrgeschwindigkeiten hin optimiert. Die [[Sicherung von Zugfahrten|Zugsicherung]] erfolgte mittels automatischer Blocksignale.<ref name="ERJ03"/><ref name="ERJ05">McGraw Publishing Company (Hrsg.): ''The Signal System of the New York, Westchester &amp; Boston Railway''. In: Electric Railway Journal, Vol. XL, No. 3, 20.&nbsp;Juli 1912, S.&nbsp;80ff.</ref> === Energieversorgung === [[Datei:NYWB-CompoundCatenary-Liesel.png|miniatur|links|''Compound Catenary'' mit zwei Tragseilen.]] [[Datei:NYWB-SingleCatenary-Liesel.png|miniatur|right|''Single Catenary'' mit einem Tragseil.]] Für die Stromzufuhr wurde das 25-Hz-Wechselstromsystem mit 11&nbsp;kV der New Haven verwendet. Die [[Oberleitung]] war an Portalgittermasten aufgehängt und besaß zwei übereinander angeordnete Tragseile ''(Compound Catenary)''. Die oberen Tragseile waren an den Oberkanten der Traversen aufgehängt und blieben stromlos. Daran waren in der Mitte der 300&nbsp;Fuß (91,44&nbsp;m) langen Felder die unteren Tragseile mittels Isolatoren aufgehängt sowie mit quer verlaufenden Stangen untereinander verbunden. Insbesondere waren die unteren Tragseile nicht an den Masten befestigt. Damit die Oberleitung in Kurven dem Verlauf der Gleise folgen konnte, wurden die Tragseile an diesen Stellen zusätzlich seitlich verspannt. Ferner wurden innerhalb der [[Eisenbahnweiche|Weichenwinkel]] zusätzliche Querdrähte zur Führung der Stromabnehmer angebracht. Von der Columbus Avenue Richtung New Rochelle wurde zu Versuchszwecken ein anderer, „experimenteller“ ''(experimental)'' Typ Oberleitung verwendet. Diese ''Single Catenary'' wurde mit nur noch einem Tragseil ausgestattet, das direkt an der Unterseite der Portalmasten aufgehängt wurde. Diese aus heutiger Sicht konventionellere Konstruktion sollte sich innerhalb der NYNH&H-Firmengruppe schließlich durchsetzen.<ref name="ERJ04">McGraw Publishing Company (Hrsg.): ''Energy Distribution on the New York, Westchester &amp; Boston Railway''. In: Electric Railway Journal, Vol. XXXIX, No. 24, 15.&nbsp;Juni 1912, S.&nbsp;1004ff.</ref> === Stationen === [[Datei:NYWB-StationAtEmbankment-Liesel.png|miniatur|right|Bahnhof, auf einem Damm gelegen.]] [[Datei:NYWB-StationPlatform-Liesel.png|miniatur|right|Typischer Bahnsteig.]] Die Stationen wurden von den Architekten ''Reed & Stem'', New York entworfen und dabei nach den Gesichtspunkten Ästhetik, Dauerhaftigkeit und Wartungsfreundlichkeit gestaltet. Die Empfangsgebäude bestanden aus [[Beton]] und wurden im Stil des [[Historismus]] errichtet, namentlich in [[Mission Revival]], im Stil der [[Neorenaissance]] und des [[Neoklassizismus (Kunst)|Neoklassizismus]]. In deren Innern wurden neben den Fahrkartenschaltern häufig auch Läden und Büros eingerichtet; für Böden und Wandverkleidungen wurde [[Terrazzo]] verwendet.<ref name="ERJ03"/> Da die Gleise häufig im Einschnitt oder auf einem Damm zu liegen kamen, lagen die Empfangsgebäude häufig nicht höhengleich, sondern unter, über oder seitlich oberhalb der Strecke, wobei in der Regel eine der Außenwände mit der Stützmauer der Geländeverbauung fluchtete. Die Bahnsteige waren als Hochbahnsteige ausgeführt und wurden ebenso wie die Empfangsgebäude aus Beton statt dem damals üblichen Holz errichtet. Auch rückwärtige Begrenzungsmauer, Treppen und die dorischen Säulen für das Bahnsteigdach waren aus Beton. Nur die vordere Bahnsteigkante war als Holzplanke ausgeführt, um bei Bedarf das Lichtraumprofil ein Stück aufweiten zu können.<ref name="ERJ03"/> === Rollendes Material === [[Datei:NYWB-RapidTransitCars-Liesel.png|miniatur|right|Die Triebwagen mit den markanten runden Frontscheiben.]] Der Wagenpark bestand aus 95 vierachsigen Solotriebwagen, die von ''Pressed Steel Car'' und ''Osgood-Bradley'' zwischen 1912 und 1929 geliefert wurden. Sie besaßen je zwei Fahrmotoren mit je 175&nbsp;PS Leistung ([[Achsformel]] Bo'2'), konnten mit bis zu 1&nbsp;mph/s (0,447&nbsp;m/s²) [[Beschleunigung|beschleunigen]] und wurden auf 57&nbsp;mph (92&nbsp;km/h) Höchstgeschwindigkeit abgeregelt. Ferner verfügten die Wagen über [[Totmanneinrichtung|Totmann]]- und [[Nachlaufsteuerung]]; die Stromaufnahme erfolgte über zwei [[Scherenstromabnehmer]], die über den Drehgestellen angeordnet waren.<ref name="ERJ02">McGraw Publishing Company (Hrsg.): ''New Steel Cars for the New York, Westchester &amp; Boston Railway''. In: Electric Railway Journal, Vol. XXXIX, No. 13, 30.&nbsp;März 1912, S.&nbsp;492ff.</ref> Die Triebwagen waren 70&nbsp;Fuß 4&nbsp;Zoll (21,44&nbsp;m) lang, 9&nbsp;Fuß 7&nbsp;3/4&nbsp;Zoll (2,94&nbsp;m) breit, 13&nbsp;Fuß 3&nbsp;1/4&nbsp;Zoll (4,04&nbsp;m) hoch und 120,000&nbsp;Pfund (54,43&nbsp;Tonnen) schwer. Sie boten je nach Baujahr 78 bis 80&nbsp;Sitzplätze, besaßen große Fensterflächen und thermostatgesteuerte Heizung.<ref name="ERJ02"/> Der gesamte Wagenkasten bestand aus einem Stahlgerippe mit aufgenieteten und teilweise bereits aufgeschweißten Stahlplatten. Die Wagen waren in New Haven Green lackiert und besaßen an der Stirnseite Übergänge mit [[Faltenbalg]] sowie in Kopfhöhe zwei charakteristische Rundfenster mit 20&nbsp;Zoll (51&nbsp;cm) Durchmesser. Die beiden Führerstände waren in Fahrtrichtung gesehen auf der jeweils rechten Seite angeordnet. Je Seite waren drei druckluftbetriebene Taschenschiebetüren mit Zentralsteuerung eingebaut; zwei an den Enden und eine in der Mitte. Da die Westchester auf dem Harlem River Branch im Mischbetrieb mit konventionellen Zügen verkehrte und dort nur niedrige Bahnsteige vorhanden waren, wurden die beiden Türöffnungen an den Fahrzeugenden zusätzlich mit Trittstufen ausgestattet.<ref name="ERJ02"/> [[Datei:NYWB-LineCar-Liesel.png|miniatur|right|Der Fahrleitungsmontagewagen.]] Neben den Triebwagen existierten noch vier [[Flachwagen]], ein [[gedeckter Güterwagen]], eine vierachsige [[Elektrolokomotive]] sowie ein benzinelektrischer Fahrleitungsmontagewagen für Wartungsarbeiten.<ref name="NYWB02">Vondrak, Otto M.: ''[http://www.nywbry.com/roster.htm NYW&B – Roster]''</ref> === Betriebshof === [[Datei:NYWB-shop-orig-Liesel.png|miniatur|right|Die Betriebswerkstatt.]] Der Betriebshof befand sich nördlich des Bahnhofs ''180th Street'' unmittelbar östlich der Bahnstrecke und umfasste Bauhof und Betriebswerkstatt. Diese wiederum bestand aus einer 49&nbsp;Fuß (14,94&nbsp;m) breiten, 171&nbsp;Fuß (52,12&nbsp;m) langen, dreiständigen Halle in Stahlskelettbauweise und war einzig für Wartung und Instandsetzung dieser Triebwagen ausgelegt. Dabei wurde großer Wert darauf gelegt, sämtliche Reparaturen möglichst schnell und auf kurzen Wegen ausführen zu können. Das Gebäuse besaß große Fenster für helle Räume und war bei kompakten Außenmaßen auf maximale Raumausnutzung ausgelegt.<ref name="ERJ06">McGraw Publishing Company (Hrsg.): ''Repair Shop of the New York, Westchester &amp; Boston Railway''. In: Electric Railway Journal, Vol. XL, No. 23, 14.&nbsp;Dezember 1912, S.&nbsp;1186ff.</ref> === Tarif und Fahrkarten === [[Datei:NYWB-Ticket retouched ArM.png|miniatur|right|Eine Fahrkarte, gültig für eine Fahrt zu einer beliebigen Station in der Zone ''Wykagyl''.]] Die Fahrpreise waren nach (zu Anfang) insgesamt acht Zonen ''(zones)'' gestaffelt, wobei der Tarif für die Einzelfahrt pro Zone 5&nbsp;Cent betrug. Jede Zone repräsentierte einen bestimmten Streckenabschnitt, dessen Grenzen sich aber nicht direkt an tatsächlichen Entfernungen, sondern an den Gemeindegrenzen orientierten. So kostete die Fahrt über 8,39&nbsp;Meilen (13,5&nbsp;km) vom ''Harlem River Terminal'' zur ''Dyre Avenue'' innerhalb New Yorks ebenso 5&nbsp;Cent wie über die 1,65&nbsp;Meilen (2,66&nbsp;km) von der ''Kingsbridge Road'' zur ''Columbus Avenue'' innerhalb Mount Vernons. Dieses Zonensystem unterschied sich ebenso von den damaligen Pauschaltarifen innerstädtischer Verkehrsmittel wie auch von der kilometerabhängigen Tarifierung, wie sie bei konventionellen Eisenbahnen üblich war. Die Idee dazu stammte aus [[London Underground|London]] und [[U-Bahn Berlin|Berlin]]. Zusätzlich zu ihren europäischen Vorbildern waren die Fahrkarten je nach Zielzone in einer unterschiedlichen Farbe markiert, beispielsweise in Rot für das Stadtgebiet New York Citys.<ref name="ERJ01"/> Die Fahrgäste erwarben am Startpunkt eine Fahrkarte zur gewünschten Zielzone. Dabei legte diese Zielzone die Farbe, und der Startpunkt den zu entrichtenden Fahrpreis fest. Die Karten wurden dann bei Betreten der Station an einem [[Vereinzelungsanlage#Drehkreuze|Drehkreuz]] mit einem Stempel entwertet und beim Verlassen des Zielbahnhofs an einem weiteren Drehkreuz abgegeben und vernichtet. Die farbliche Markierung erleichterte dabei die Kontrolle, weil an jedem Bahnhof einer bestimmten Zone immer nur Fahrkarten in genau der Farbe dieser Zone abzugeben waren. Außerdem waren keine [[Schaffner (Beruf)|Zugschaffner]] notwendig.<ref name="ERJ01"/> == Spuren und Überreste == [[Datei:Gun Hill Road.jpg|miniatur|right|Station ''Gun Hill Road'', 2006.]] Der Streckenabschnitt zwischen der ''180th Street'' und der Stadtgrenze bildet heute die IRT Dyre Avenue Line der New York City Subway und wird von der Linie&nbsp;5 befahren. Der rund 4,5&nbsp;Meilen (7,24&nbsp;km) lange Abschnitt wurde nach dem Verkauf auf Stromschiene umgerüstet und am 15.&nbsp;Mai 1941 als Pendelverkehr<ref>''[http://select.nytimes.com/gst/abstract.html?res=F60710FC3459167B93C4A8178ED85F458485F9&scp=2&sq=subway&st=p RAIL LINE IS ADDED TO SUBWAY SYSTEM]'' In: The New York Times. 16.&nbsp;Mai 1941, S.&nbsp;25.</ref> und am 6.&nbsp;Mai 1957 endgültig<ref>''[http://select.nytimes.com/gst/abstract.html?res=F20616F83F5A177B93C5A9178ED85F438585F9&scp=1&sq=Subway+AND+%22Dyre+Ave%22&st=p SUBWAY TRAINS RUN TO DYRE AVE.]'' In: The New York Times. 7.&nbsp;Mai 1957, S.&nbsp;37.</ref> eröffnet. Entlang der Strecke sind heute (2008) zwischen ''Morris Park'' und ''Dyre Avenue'' genau die fünf ursprünglichen Stationen in Betrieb. An der ''180th Street'' steuern die Züge dann aber nicht mehr den ursprünglichen NYW&B-Bahnhof an, sondern fädeln bereits ein Stück weiter nördlich in die IRT White Plains Road Line ein und benutzen den gleichnamigen [[Interborough Rapid Transit Company|IRT]]-Bahnhof. Das Empfangsbebäude der Westchester sowie die zugehörigen Bahnsteige samt Überdachungen sind aber erhalten und werden als Betriebshof genutzt. Insgesamt wirkt die Dyre Avenue Line bis auf die vergleichsweise großzügigen Empfangsgebäude und die größeren Stationsabstände wie eine ganz normale U-Bahn-Strecke an der Peripherie New Yorks. Südlich der ''180th Street'' blieb zunächst noch der Viadukt hinunter zum Harlem River Branch und die Gleisverbindung am ''Harlem River Terminal'' zur IRT Third Avenue Line bestehen, weil es sonst keine Gleisverbindung zur Übergabe von Rollmaterial gegeben hätte. Nach Eröffnung der Verbindungskurve zur White Plains Road Line wurde diese Behelfslösung überflüssig und im Laufe der Zeit abgebaut. Das Empfangsgebäude am ''Harlem River Terminal'' blieb bis 2006 erhalten.<ref name="NYWB01"/> Der Nahverkehr entlang des Harlem River Branch wurde nach dem Ende der NYW&B auch von seiten der New Haven nicht wieder aufgenommen, so dass die dortigen Stationen aufgegeben wurden. Als Teil des [[Nord-Ost-Korridor]]s spielt die Strecke jedoch bis heute eine wichtige Rolle im Fernverkehr. [[Datei:NYW&B Quaker Ridge station 2007.jpg|miniatur|right|Station ''Quaker Ridge'', 2007.]] Nördlich der New Yorker Stadtgrenze ist die Trasse besonders im Bereich Mount Vernon und New Rochelle vielfach mit Fabriken und Wohnhäusern überbaut worden, so dass sie auf Luftbildern nur noch abschnittsweise nachvollziehbar ist. Weiter nördlich hebt sich der Bahndamm dagegen besonders durch die Geländeverbauungen und seine weiten Kurvenradien strukturell noch deutlich von der übrigen Landschaft ab. An einigen Stellen existieren noch einzelne Durchlässe und Brückenwiderlager, etwa an der ''Columbus Avenue''. Der Verlauf der Gleise nördlich von New Rochelle und auf dem Harlem River Branch in der Bronx lässt sich durch die dort breiteren Portalmasten der Oberleitung sowie einzelne noch vorhandene Brückenelemente nachvollziehen.<!--<ref name="Finkel00">Finkel, Howard: ''[http://www.nycsubway.org/nyc/nywb/ New York, Westchester, & Boston Railway – NYW&B Remains]''</ref>--> Die meisten Stationsgebäude wurden entweder verkauft und umgenutzt, dem Verfall preisgegeben oder im Laufe der Zeit abgebrochen, sofern sich keine anderweitige Nutzungsmöglichkeit anbot.<ref name="NYWB01"/> Zwischen Mount Vernon und White Plains wird die Trasse teilweise noch anderweitig genutzt; so dient der Einschnitt im Bereich Heathcote als Planum für eine Umgehungsstraße und nördlich davon als Wanderweg. An der Stelle des Endbahnhofs in White Plains steht heute das Einkaufszentrum ''Westchester Mall''. == Weiterführende Informationen == === Bücher === * Arcara, Roger: ''Westchester's forgotten railway, 1912-1937; the story of a short-lived short line which was at once America's finest railway and its poorest: the New York, Westchester & Boston Railway'', erweiterte und überarbeitete Auflage. Quadrant Press, New York 1972. ''(englisch)'' * Bang, Robert A.: ''The New York, Westchester & Boston Railway Company 1906 - 1946''. Selbstverlag, Port Chester 2004. ISBN 9780976279716. ''(englisch)'' * Bang, Robert A., John E. Frank, George W. Kowanski und Otto M. Vondrak: ''Forgotten railroads through Westchester County''. Selbstverlag, Port Chester 2007. ISBN 9780976279730. ''(englisch)'' * Harwood, Herbert H.: ''The New York, Westchester & Boston Railway: J.P. Morgan's Magnificent Mistake''. Indiana University Press, Bloomington, 2008. ISBN 9780253351432. ''(englisch)'' === Zeitschriftenartikel === ''Zu Betriebsbeginn 1912 erschien eine Reihe von Artikeln im ''Electric Railway Journal''. Zwei davon bieten einen guten Überblick:'' * McGraw Publishing Company (Hrsg.): ''The New York, Westchester &amp; Boston Railway''. In: Electric Railway Journal, Vol.&nbsp;XXXIX, No.&nbsp;21, 25.&nbsp;Mai 1912, S.&nbsp;864ff. ''(englisch)'' * McGraw Publishing Company (Hrsg.): ''Track and Stations of the New York, Westchester &amp; Boston Railway''. In: Electric Railway Journal, Vol.&nbsp;XXXIX, No.&nbsp;23, 8.&nbsp;Juni 1912, S.&nbsp;956ff. ''(englisch)'' * {{Literatur | Autor= Herbert H. Harwood Jr. | Titel= Grass grows on the Westchester | Verlag= Kalmbach Publishing Co. | Ort= Milwaukee, Wis. | ISSN= 0041-0934 | Sammelwerk= Trains | Jahr= 1951 | Monat= Oktober | Seiten= 42–47 }} === Weblinks === {{Commons|Category:New York, Westchester and Boston Railway|New York, Westchester and Boston Railway}} * [http://www.nycsubway.org/nyc/nywb/index.html New York, Westchester, & Boston Railway] auf nycsubway.org ''(private Seite, enthält zeitgenössische wie aktuelle Fotos sowie unter anderem die genannten Artikel aus dem Electric Railway Journal, jedoch nur textuell vollständig; insbesondere fehlen etliche Abbildungen sowie die meisten technischen Zeichnungen; englisch)'' * Bryk, William: ''[http://www.nypress.com/15/7/news&columns/oldsmoke.cfm The (Rail)Road of Hubris]''. In: New York Press, News & Columns. ''(englisch)'' * Otto M. Vondrak: ''[http://www.nywbry.com/ The New York Westchester & Boston Railway Co.]'', 2007. ''(private Seite, englisch)'' === Einzelnachweise === <references /> {{Exzellent}} [[Kategorie:Ehemalige Bahngesellschaft (New York)]] [[Kategorie:New York City Subway]] [[en:New York, Westchester and Boston Railway]] ceow46e2j5nbr0n8f66tl17ekedp4k8 wikitext text/x-wiki Lewis Nicola 0 24000 26598 2010-04-28T09:39:54Z Omega prime 0 typo korrigiert [[Datei:Lewis Nicola autograph.jpg|thumb|500|Nicolas Unterschrift unter einem auf den 2. März 1783 datierten Brief.]] '''Lewis Nicola''' (* [[1717]] in [[Dublin]], [[Irland]]; † [[9. August]] [[1807]] in [[Alexandria (Virginia)|Alexandria]], [[Virginia]]) war ein Offizier, Unternehmer, Schriftsteller und Mitglied der ''[[American Philosophical Society]]''. Nicola schlug zunächst eine Karriere in der britischen Armee ein und wanderte im Jahr 1760 nach [[Pennsylvania]] aus. Dort ging er den unterschiedlichsten unternehmerischen Tätigkeiten nach, gründete eine eigene Zeitschrift und engagierte sich in der ''American Philosophical Society'', zu deren Kurator er mehrfach berufen wurde. Kurz nach Ausbruch des [[Amerikanischer Unabhängigkeitskrieg|Amerikanischen Unabhängigkeitskrieges]] trat Nicola in die [[Kontinentalarmee]] ein. Im Juni 1777 schuf der amerikanische [[Kontinentalkongress|Kongress]] auf seinen Vorschlag hin mit dem ''Invalid Corps'' eine aus [[Veteran]]en bestehende neue Armeeeinheit, deren Leitung Nicola bis zum Ende des Krieges innehatte. Breitere Bekanntheit erlangte Nicola vor allem durch einen Brief aus dem Jahr 1782, in dem er [[George Washington]], dem damaligen Oberbefehlshaber der amerikanischen Armee empfahl, sich als König an die Spitze der [[Dreizehn Kolonien|dreizehn Gründerstaaten]] der [[Vereinigte Staaten|USA]] zu stellen. == Leben == === Frühe Jahre und Eintritt in die Armee === Lewis Nicola wurde 1717 als Sohn eines britischen Offiziers in Dublin geboren. Im Jahr 1740 trat er in die britische Armee ein, heiratete Christiana Doyle und war zunächst in verschiedenen irischen Städten stationiert. Nach einem kurzen Aufenthalt im [[Flandern]] im Jahr 1745 kehrte er nach Irland zurück und wurde dort im September 1755 in den Rang eines [[Major]]s befördert. === Das erste Jahrzehnt in Philadelphia === [[Datei:Nicola - An easy Method of preserving Subjects in Spirits (p 244).jpg|thumb|Erste Seite aus Nicolas Beitrag ''An easy Method of preserving SUBJECTS in SPIRITS'' im ersten Band der ''Transactions of the American Philosophical Society''.]] Acht Monate nach dem Tod seiner ersten Frau heiratete er im April 1760 Jane Bishop und wanderte mit ihr – offenbar weil er in der britischen Armee keine Chancen auf weitere Beförderung sah<ref>„with practically no prospects for advancements“, hier zitiert nach Haggard, ''The Nicola Affair'', S. 144.</ref> – nach Amerika aus. Kurz nach seiner Ankunft in [[Philadelphia]] eröffnete er einen Laden für [[Kurzware]]n, bemerkte aber schon bald, dass ihn die Tätigkeit als Kaufmann nicht ausfüllte. Im September 1767 eröffnete er eine Ausleihbibliothek. Für einen Jahresbeitrag von drei [[Dollar]] und eine Kaution von drei [[Pfund Sterling]] erhielten Nicolas Kunden Zugriff auf einen Bestand von zwei- bis dreihundert Bänden unterschiedlichster Literatur. Nicolas Bibliothek war sechs Tage in der Woche geöffnet und erfreute sich offenbar einer regen Nutzung. Schon vier Jahre nach ihrer Gründung war ihr Bestand auf mehr als tausend Bände angewachsen.<ref>Haggard, ''The Nicola Affair'', S. 144.</ref> Durch seinen Kontakt mit dem Medizinprofessor [[John Morgan (Mediziner)|John Morgan]] wurde er in die ''[[American Society for Promoting Useful Knowledge]]'' aufgenommen. Diese Gesellschaft war 1766 im Zuge des durch den [[Stempelgesetz|Stamp Act]] erwachenden amerikanischen Nationalbewusstseins gegründet worden und hatte sich der Förderung neuer landwirtschaftlicher Methoden und der Verbesserung heimischer Erzeugnisse verschrieben. Sie stand in Konkurrenz mit der 1743 von [[Benjamin Franklin]] und [[John Bartram]] gegründeten ''[[American Philosophical Society]]'', deren Aktivitäten zwischenzeitlich eingeschlafen waren und die nun – als eine Antwort auf die neu entstandene Gesellschaft – von einigen ihrer verbliebenen Mitglieder wiederbelebt wurde. 1769 einigten sich die beiden rivalisierenden Gesellschaften auf einen Zusammenschluss, an dessen Zustandekommen Nicola als Mitglied des Vereinigungskomitees direkt beteiligt war. Auch in den Folgejahren nahm er eine aktive Rolle in der Gesellschaft ein, veröffentlichte Beiträge in der Zeitschrift ''Transactions of the American Philosophical Society'' und wurde mehrmals nacheinander zu einem von drei [[Kurator]]en gewählt.<ref>In der Liste der Kuratoren wird Nicola für die Jahre 1769, 1779, 1781, 1782, 1783–1785 als Kurator geführt. ''Laws and Regulations of the American Philosophical Society … together with a Charter of the Society, and a list of its Officers and Councilors'', Philadelphia 1886, S. 37.</ref> Im Januar 1769 gab Nicola seinen Laden für Kurzwaren auf und betätigte sich als Autor und Herausgeber der von ihm gegründeten monatlich erscheinenden Zeitschrift ''American Magazine, or General Repository''. Das ''American Magazine'' enthielt eine bunte Mischung aus wissenschaftlichen Beiträgen, Gedichten und Nachrichten aus aller Welt. Gleichzeitig nutzte Nicola das Blatt zur Veröffentlichung der wichtigsten Beiträge der ''American Philosophical Society'' sowie ihrer Versammlungsprotokolle, die er der Zeitschrift in einem Anhang beifügte. Nach neun Ausgaben musste Nicola das ''American Magazine'' im September 1769 allerdings wieder einstellen. === Wiedereintritt in die Armee und schriftstellerische Tätigkeit === [[Datei:Robertson - View of Philadelphia.jpg|thumb|300px|''View of Philadelphia''. [[Sepia (Farbstoff)|Sepia]]<nowiki/>zeichnung von Archibald Robertson, Lieutenant General Royal Engineers, November 1777.]] Nur wenige Monate nach dem Ausbruch des [[Amerikanischer Unabhängigkeitskrieg|Unabhängigkeitskrieges]] berief der ''Pennsylvania Council of Safety'' (dt. ''Sicherheitsrat des Staates Pennsylvania'') Nicola in ein Komitee zur Inspektion der amerikanischen Verteidigungslinie am [[Delaware River|Delaware]]. Nicolas endgültige Rückkehr zum Militär war zu diesem Zeitpunkt allerdings keinesfalls absehbar. Zunächst versuchte er sich nämlich in anderer Weise finanziell über Wasser zu halten. Im Januar 1776 eröffnete er in Philadelphia ein Lokal, in dem er [[Porter (Bier)|Porter]] verkaufte. Kurze Zeit später gründete Nicola eine Schule, in der er neben Schreiben, Lesen, Rechnen und doppelter Buchführung auch die Anlage militärischer [[Befestigung]]sanlagen unterrichtete. Auch diese Beschäftigung scheint nicht besonders einträglich gewesen zu sein, denn bereits im Februar 1776 trat Nicola auf eigenen Wunsch in die [[Kontinentalarmee]] ein. Als ''barrack master'' war Nicola zunächst für die Unterkünfte der Soldaten in Philadelphia zuständig, im Dezember 1776 wurde er aber bereits zum [[Stadtkommandant]]en von Philadelphia berufen. Trotz vielfältiger Aufgaben fand Nicola Zeit zum Schreiben. In der Abhandlung ''Treatise of Military Exercise, Calculated for the Use of Americans'' (Philadelphia 1776) gab er die Erfahrungen aus seiner Zeit als britischer Offizier weiter und mit [[Louis André de la Mamie de Clairac]]s ''L’ingenieur de Campagne, or, Field Engineer'' (Philadelphia 1776) und [[Thomas Auguste Le Roy de Grandmaison]]s ''Treatise on Military Service of Light Horse and Light Infantry'' (Philadelphia 1777) übersetzte er zwei militärtheoretische Schriften aus dem Französischen ins Englische. === Nicola als Gründer und Befehlshaber des ''Invalid Corps'' === ==== Das ''Invalid Corps'' unter Nicola in den ersten Kriegsjahren ==== [[Datei:Nicola - Plan of the English Lines Near Philadelphia 1777 (Detail showing Redoubt No 1).jpg|thumb|Detail aus Nicolas ''Plan of the English Lines Near Philadelphia 1777''. Nicola zeichnete die Karte kurz nach dem Abzug der Briten im Jahr 1778. Der Ausschnitt zeigt [[Redoute (Festung)|Redoute]] Nr. 1.]] Im Juni 1777 schuf der amerikanische [[Kontinentalkongress]] auf Vorschlag Nicolas mit dem ''Invalid Corps'' eine aus [[Veteran]]en bestehende neue Armeeeinheit, die zunächst knapp 1.000, in acht [[Kompanie (Militär)|Kompanien]] aufgeteilte Soldaten umfasste. Diese unter Nicolas Kommando stehende Truppe war zunächst in Philadelphia stationiert, musste die Stadt aber nach dem Vorrücken der britischen Armee unter General [[William Howe, 5. Viscount Howe|William Howe]] im Herbst 1777 verlassen. Am 25. September 1777 erreichte das ''Invalid Corps'' [[Fort Mifflin]]. Angesichts einer großen Zahl von Krankheitsfällen, aus Mangel an Proviant und nicht zuletzt, um so wenige Soldaten wie möglich in die Hände der Briten fallen zu lassen, beschlossen Nicola und seine Offiziere, nach [[Trenton (New Jersey)|Trenton]] in [[New Jersey]] weiterzuziehen. Dort angekommen, griff Nicolas Truppe zum ersten Mal aktiv in den Krieg ein, indem sie die Waren eines bei [[Bordentown]] auf dem Delaware liegenden Schiffes vor dem Zugriff der Briten sicherte. Anschließend bezog das ''Invalid Corps'' sein Winterquartier bei [[Easton (Pennsylvania)|Easton]] und [[Bethlehem (Pennsylvania)|Bethlehem]] in [[Pennsylvania]], wo es – wie der Rest der Kontinentalarmee – unter dem harten Winter von 1777/78 zu leiden hatte. Nach einem kurzen Aufenthalt im Lager von [[Valley Forge]] im Frühjahr 1778 kehrte das ''Invalid Corps'' unter Nicola nach Philadelphia zurück, wo es am 19. Juni, kurz nach der Evakuierung der Stadt durch die Briten, ankam. ==== Die Jahre bis 1782 ==== In den nächsten Kriegsjahren war Nicolas ''Invalid Corps'' überwiegend in Philadelphia und [[Boston]] stationiert. Nicola nutzte die Zeit unter anderem damit, eine Reihe von Verbesserungsvorschlägen an den Kongress zu senden (darunter: ''A Scheme for a Partisan Corps'' sowie ''Judicious remarks on a proposed Reformation in the Army''), sowie Informationen von britischen und hessischen Deserteuren zu sammeln und weiterzuleiten. Darüber hinaus verstärkte er seine Truppe durch die Anwerbung weiterer Soldaten aus der Region um Philadelphia. Die prekäre finanzielle Situation, der sich Nicola in den Jahren vor Beginn der amerikanischen Revolution ausgesetzt sah, setzte sich auch während des Krieges fort. Im Jahr 1779 bat Nicola um eine Erhöhung seines Solds und begründete dies damit, dass das ihm zur Verfügung stehende Geld nicht ausreiche, um sich wie ein Offizier zu kleiden.<ref>„by the depreciation of the paper currency & exorbitant rise of goods the pay is not sufficient to cloth him as an officer“, Brief Nicolas an den ''Pennsylvania Supreme Executive Council'' vom 7. April 1779, hier zitiert nach Haggard, ''The Nicola Affair'', S. 155.</ref> Im August 1781 beklagte sich Nicola gegenüber George Washington, dass die schlechte Bezahlung ihn und seine Offiziere nur notdürftig ernähre.<ref>Nicolas an George Washington, Schreiben vom 14. August 1781, hier nach Haggard, ''The Nicola Affair'', S. 155.</ref> Als der ''[[Supreme Executive Council of the Commonwealth of Pennsylvania|Pennsylvania Supreme Executive Council]]'' als ausführende Gewalt des Staates Pennsylvania schließlich das Amt des Stadtkommandanten von Philadelphia auflöste, bat Nicola [[Robert Morris (Unternehmer)|Robert Morris]], den damaligen Leiter des amerikanischen Finanzwesens, um die Zahlung einer Ausgleichssumme. Morris antwortete ausweichend, er wolle sich der Sache annehmen, könne aber angesichts der schlechten Staatsfinanzen keine Versprechungen machen.<ref>Haggard, ''The Nicola Affair'', S. 156.</ref> ==== Briefwechsel mit Washington: der ''Newburgh letter'' ==== [[Datei:Lewis Nicola to George Washington - 1787-05-22 - 0265.jpg|thumb|400px|Der ''Newburgh letter'' (Ausschnitt). Brief Lewis Nicola, Fishkill, New York, an George Washington, [[Newburgh (City, New York)|Newburgh]], New York, vom 22. Mai 1787. Eine [[s:en:Newburgh letter|Transkription des Briefes]] sowie der Antwort Washingtons findet sich in der englischsprachigen Ausgabe von [[Wikisource]].]] Am 22. Mai 1782 schrieb Nicola den heute unter dem Namen ''Newburgh letter'' bekannten Brief an George Washington, benannt nach dessen damaligem Armeequartier in [[Newburgh (City, New York)|Newburgh]], [[New York (Bundesstaat)|New York]]. Zu diesem Zeitpunkt lag die [[Schlacht von Yorktown]] gerade sechs Monate zurück. In ihr hatten die verbündeten französischen und amerikanischen Truppen einen klaren Sieg gegen die britische Armee unter [[Charles Cornwallis, 1. Marquess Cornwallis|General Cornwallis]] errungen und mehr als 8.000 Soldaten gefangengenommen. George Washington war unterdessen nicht davon überzeugt, dass der Sieg bei Yorktown auch zugleich das Ende des Unabhängigkeitskrieges bedeutete.<ref>Für dies und zum folgenden vgl. Joseph J. Ellis, ''His Excellency: George Washington'', New York 2004, ISBN 1-400-04031-0, Abschnitt „Extended Epilogue“, hier nach der [[Amazon Kindle|Kindle]]-Ausgabe, Locations 2437ff.</ref> Er argumentierte, dass den Briten selbst nach der Gefangennahme von Cornwallis’ Armee noch starke Kräfte auf amerikanischem Boden zur Verfügung stünden und es deshalb notwendig sei, die Kontinentalarmee so lange kampfbereit zu halten, bis ein offizieller Friedensschluss zustande komme. Doch mit solchen Vorschlägen belebte Washington die Sorgen früherer Kritiker aus den Reihen des Kontinentalkongresses neu, bei denen der Begriff „stehendes Heer“ Erinnerungen an die römischen Legionen [[Julius Cäsar]]s und die [[New Model Army]] [[Oliver Cromwell]]s weckte und das Schreckgespenst einer [[Militärdiktatur]] in die Köpfe rief. Schon in früheren Jahren hatte George Washington sich dem Vorwurf ausgesetzt gesehen, er verlängere den Krieg künstlich, um seine quasi-monarchische Führung als Befehlshaber der Armee aufrechtzuerhalten. Und seine allseits bekannte Geringschätzung der [[Miliz (Volksheer)|Miliz]]truppen spielte seinen Kritikern weitere Argumente in die Hände. Sie argumentierten, Milizen seien republikanisch und damit ungefährlich, wohingegen eine stehende Armee monarchisch sei und ein potentielles Sicherheitsrisiko darstelle. Im ersten Teil seines Briefes geht Nicola auf die Finanznöte des [[Kontinentalkongress]]es ein. Nicht nur für Nicola, sondern auch für viele andere Soldaten der Kontinentalarmee hatten diese Finanzprobleme schmerzliche Auswirkungen: die meisten von ihnen warteten auf ausstehenden Sold und viele waren schon seit Monaten – einige seit Jahren – ohne Bezahlung. Der Grund hierfür lag in den [[Konföderationsartikel]]n von 1781, die es dem Kontinentalkongress zwar erlaubten, in Kriegszeiten eine Armee aufzustellen, nicht aber, eigene Steuern zu erheben. Das Recht zur Einziehung von Steuern war den einzelnen Mitgliedsstaaten vorbehalten und diese waren entweder unfähig oder unwillig, für die Kosten der Konföderation aufzukommen. Aus Sicht Nicolas manifestierte sich in diesem Missstand die Schwäche von Republiken, woraus er schloss, {| | valign="top" width="50%" | :… wenn die Vorzüge einer [[Mischverfassung]] herausgestellt und gebührend berücksichtigt werden, werde eine solche leicht eingeführt … | valign="top" width="50%" | … when the benefits of a mixed government are pointed out and duly considered, such will be readily adopted …<ref>Hier zitiert nach der [[s:en:Newburgh letter|Transkription des Briefes]] in der englischsprachigen Ausgabe von [[Wikisource]].</ref> |} In Anspielung auf die Person Washingtons schrieb Nicola weiter, es sei wohl unstrittig, dass {| | valign="top" width="50%" | :… uns dieselben Fähigkeiten, die uns unter offenbar durch menschliche Kraft unüberwindliche Schwierigkeiten zu Sieg und Ruhm geführt haben [und] die die allgemeine Hochachtung und Verehrung einer Armee verdient und erlangt haben, uns sehr wahrscheinlich [auch] auf den ebeneren Wegen des Friedens führen und lenken könnten. | valign="top" width="50%" | :… the same abilities which have lead us, through difficulties apparently insurmountable by human power, to victory and glory, those qualities that have merited and obtained the universal esteem and veneration of an army, would be most likely to conduct and direct us in the smoother paths of peace.<ref>Hier zitiert nach der [[s:en:Newburgh letter|Transkription des Briefes]] in der englischsprachigen Ausgabe von [[Wikisource]].</ref> |} Da die beiden Begriffe „Tyrannie“ und „Monarchie“ in den Köpfen vieler Menschen so nahe beeinander lägen, müsse zunächst ein anderer Begriff für das Oberhaupt des neu zu gründenden Staates gefunden werden, {| | valign="top" width="50%" | :… aber wenn alle anderen Dinge erst einmal geregelt sind, wird – so glaube ich – leicht sein, gute Gründe für die Annahme des Titels „König“ zu finden, der meinem Ersinnen nach mit einigen materiellen Vorzügen verbunden sein wird. | valign="top" width="50%" | … but if all other things were once adjusted I believe strong argument might be produced for admitting the title of king, which I conceive would be attended with some material advantages.<ref>Hier zitiert nach der [[s:en:Newburgh letter|Transkription des Briefes]] in der englischsprachigen Ausgabe von [[Wikisource]].</ref> |} Washington wusste sehr wohl um die Ängste derjenigen, die befürchteten, er könne sich zu einem „amerikanischen Cromwell“<ref>Vgl. Ellis, ''His Excellency'' (wie oben), Locations 2463ff.</ref> aufschwingen. In seinem Antwortschreiben vom selben Tag gab er Nicola eine betont deutliche Antwort: „Kein Vorfall im Verlauf des Krieges hat in mir schmerzlichere Gefühle ausgelöst, als Ihre Nachricht, dass solche Ideen in der Armee kursieren, wie Sie sie geäußert haben“.<ref>„no occurrence in the course of the War, has given me more painful sensations than your information of there being such ideas existing in the Army as you have expressed.“, hier zitiert nach Haggard, ''The Nicola Affair'', S. 158.</ref> Er könne nicht fassen, so Washington weiter, „welcher Teil meines Verhaltens Anlass für eine Bitte gegeben haben könnte, die mir wie das größte Unheil erscheint, das mein Land treffen kann“<ref>„what part of my conduct could have given encouragement to an address which to me seems big with the greatest mischiefs that can befall my Country.“, hier zitiert nach Haggard, ''The Nicola Affair'', S. 158.</ref> und „Sie hätten keinen Menschen finden können, dem ihre Pläne widerwärtiger sind“.<ref>„you could not have found a person to whom your schemes are more disagreeable.“, hier zitiert nach Haggard, ''The Nicola Affair'', S. 158.</ref> Die zu den Akten genommene Kopie seines Antwortschreibens an Nicola ließ Washington von zweien seiner [[Aide-de-camp|Aides-de-camp]], [[David Humphreys (Offizier)|David Humphreys]] und [[Jonathan Trumbull senior|Jonathan Trumbull]] als exakte Abschrift beglaubigen – eine Vorsichtsmaßnahme, von der er ansonsten nur selten Gebrauch machte.<ref>Haggard, ''The Nicola Affair'', S. 158.</ref> Nicola reagierte zerknirscht auf die harsche Zurückweisung seines Oberbefehlshabers. Am 23. Mai antwortete er Washington, er sei „außerordentlich unglücklich, dass die Freiheit, die ich [mir] genommen habe, Ihrer Exzellenz in solch großem Maße widerwärtig ist […] Nichts hat mich jemals mehr getroffen als Eure Rüge.“<ref>„extremely unhappy that the liberty I have taken should be so highly disagreable to your Excellency […] nothing has ever affected me so much as your reproof“, hier zitiert nach Haggard, ''The Nicola Affair'', S. 158f.</ref> Im weiteren bat er Washington, jeden Fehler, dessen er sich möglicherweise schuldig gemacht habe, „mehr als Schwäche der Urteilskraft, denn als Verderbtheit des Herzens“<ref>„more to weakness of judgement than corruptness of heart.“, hier zitiert nach Haggard, ''The Nicola Affair'', S. 159.</ref> zu bewerten. Antworten Washingtons auf diesen und zwei weitere Entschuldigungsbriefe Nicolas vom 24. und 28. Mai 1782 sind nicht überliefert. Allerdings fanden Nicola und Washington in ihrem Verhältnis zueinander bald wieder zur Normalität zurück.<ref>Haggard, ''The Nicola Affair'', S. 160.</ref> === Die Auflösung des ''Invalid Corps'' und Nicolas Beförderung zum Brigadegeneral === [[Datei:Soldiers of the Continental Army.gif|thumb|360px|Soldaten der [[Kontinentalarmee]]. Zeichnung eines französischen Offiziers, der an der [[Schlacht von Yorktown]] im Jahr 1781 teilnahm.]] Im Dezember 1782 beklagte sich Nicola bei Washington darüber, dass General [[Benjamin Lincoln]] die Auflösung des ''Invalid Corps'' empfohlen habe, da es sich in einem schlechten Zustand befinde und mehr Kosten als Nutzen verursache.<ref>In einem Schreiben von Lincoln an [[John Hanson (Präsident)|John Hanson]], den Präsidenten des Kontinentalkongresses, vom 29. Oktober 1782 begründete Lincoln seine Empfehlung damit, der „miserable state in which the Regiment now is the very great expence which attends its being kept up and the very little services received from it“. Nicola leitete das Zitat in einem Schreiben vom 2. Dezember 1782 an Washington weiter. Hier zitiert nach Haggard, ''The Nicola Affair'', S. 160.</ref> Nicola dagegen argumentierte, abgesehen von Kampfeinsätzen und langen Märschen, habe kein anderes Regiment mehr Dienst geleistet.<ref>„that, fighting & long marches excepted, no regiment has done more duty“. Schreiben Nicolas an Washington vom 2. Dezember 1782, hier zitiert nach Haggard, ''The Nicola Affair'', S. 160.</ref> Gegen die Empfehlung Washingtons wurde die Auflösung des ''Invalid Corps'' im Mai 1783 dann aber doch vom Kontinentalkongress angeordnet. Zwischen Juni und August machte sich Nicola zurück auf den Weg nach Philadelphia. Dort wurde er zwei Monate nach dem offiziellen Friedensschluss durch den [[Frieden von Paris (1783)|Frieden von Paris]] als Beauftragter für die Abwicklung aller sein Regiment betreffender Angelegenheiten eingestellt. Am 27. November 1793 wurde er in den Rang eines [[Brigadegeneral]]s erhoben. Anfang Juni 1784 stellte der Kongress ihn schließlich für die Dauer von viereinhalb Monaten zur Ausfertigung von Zertifikaten für seine ehemaligen Regimentsangehörigen an. === Nicolas Leben nach dem Krieg und letzte Jahre === Während seiner Zeit in Philadelphia schloss Nicola sich der ''[[Pennsylvania Society of the Cincinnati]]'' an, einem bis heute bestehenden und auf dem Erbprinzip beruhenden Zusammenschluss von Offizieren aus dem Unabhängigkeitskrieg und deren Nachkommen.<ref>[http://pasocietyofthecincinnati.org Webseiten] der Pennsylvania Society of the Cincinnati.</ref> Mitte der 1780-er Jahre versuchte er erfolglos, eine [[Postkutsche]]n<nowiki/>verbindung zwischen Philadelphia und [[Reading (Pennsylvania)|Reading]], Pennsylvania, einzurichten. Danach plante er zwischenzeitlich, ein Gasthaus zu betreiben. Aus finanziellen Gründen übernahm er schließlich im Dezember 1788 die Leitung des [[Arbeitshaus]]es von Philadelphia. Im Jahr 1793 wurde Nicola zum Inspektor der ''Philadelphia city militia brigade'' ernannt – eine Position, die er bis zum August 1798 ausfüllte. Während der [[Whiskey-Rebellion]] von 1794 kehrte er schließlich in seine vormalige Stellung als ''barrack master'' und Stadtkommandant Philadelphias zurück. Wie in der Zeit vor dem Krieg engagierte Nicola sich auch in seinen späteren Jahren in der ''[[American Philosophical Society]]'', zu deren Kurator er abermals berufen wurde. Darüberhinaus betätigte er sich schriftstellerisch. Beeinflusst von den Schriften des kirchenkritischen Theologen [[Joseph Priestley]] veröffentlichte er im Jahr 1791 ein [[Pamphlet]] mit dem Titel ''The Divinity of Jesus Christ Considered, From Scripture evidences'', in dem er zu dem Ergebnis kam, Jesus Christus’ [[Göttlichkeit]] sei nicht aus der Bibel abzuleiten. Nach dem zufälligen Besuch eines Ladens, in dem unter anderem Zelte verkauft wurden, schickte Nicola im September 1794 einen Brief an Präsident Washington, in dem er ihm einen Vorschlag für einen neue Zeltkonstruktion unterbreitete.<ref>Schreiben Nicolas an Washington vom 20. September 1794, vgl. Haggard, ''The Nicola Affair'', S. 168.</ref> Im Jahr 1798 zog er sich von allen öffentlichen Ämtern zurück und siedelte nach [[Alexandria (Virginia)|Alexandria]], Virginia, über, um in der Nähe einer seiner Töchter zu leben. Bei seinem Tod im August 1807 wurde der Wert seines persönlichen Besitzes, ausgenommen seiner Uhr, seines Siegels, seines Bettes und seiner Bettwäsche auf fünfundvierzig Dollar geschätzt. Sich dessen bewusst, dass sein Vermögen wohl kaum für ein Begräbnis ausreichen würde, hatte er zuvor verfügt, der fehlende Betrag sei durch die ''Pennsylvania Society of Cincinnati'' beizusteuern.<ref>„any deficiency I presume the Cincinaty society will make good“, Bell, ''Colonel Lewis Nicola'', S. 8, hier zitiert nach Haggard, ''The Nicola Affair'', S. 169.</ref> == Rezeption == Nicola ist heute vor allem durch seinen an George Washington gerichteten Brief vom Mai 1782, den ''Newburgh letter'', bekannt. Von Biographen Washingtons und in allgemeinen Werken zur [[Amerikanische Revolution|Amerikanischen Revolution]] wird er dabei zumeist als Randfigur der Geschichte eingeführt, um die strikt republikanische Haltung Washingtons zu untermalen. Der amerikanische Historiker John Richard Alden etwa sieht in Washingtons harscher Ablehnung der Ideen Nicolas den „Tod der monarchischen Idee in den Vereinigten Staaten und den vollständigen Triumph des repräsentiven Regierungssystems“.<ref>„[Washington’s refusal] signifies the death of the monarchical idea in the United States and the total triumph of representative government.“, John Richard Alden, ''The American Revolution, 1775–1783'', New York 1954, S. 267.</ref> Allen Boudreau und Alexander Bleimann bewerten Washingtons Reaktion als einen der wichtigsten Meilensteine auf dem Weg zur Republik seit der Unabhängigkeitserklärung im Jahr 1776.<ref>„[Washington’s rebuke] constituted the mightiest blow struck for the formation of our republic since the Declaration of Independence.“, Allen Boudreau / Alexander Bleimann, ''George Washington in New York'', Orel, Nebraska, 1987, S. 15.</ref> Einzig Robert F. Haggart, einer von zwei modernen Biographen Nicolas und ''Assistant Editor'' des seit 1968 laufenden Publikationsprojektes ''The Papers of George Washington'' an der [[University of Virginia]], zieht die gängige Interpretation des Vorganges aus dem Frühjahr 1782 in Zweifel. Er bestreitet, dass aus den Quellen hervorgehe, Nicola habe Washington direkt die Krone angetragen, bleibt mit dieser Auslegung aber bisher allein. == Literatur == ; Quellen * [http://memory.loc.gov/cgi-bin/ampage?collId=mgw4&fileName=gwpage085.db&recNum=259 Brief Lewis Nicolas an George Washington vom 22. Mai 1787], in: George Washington Papers at the Library of Congress, 1741–1799, Series 4, General Correspondence, 1697–1799 (Graustufenscans), [[s:en:Newburgh letter|Transkription]] in der englischsprachigen Ausgabe von [[Wikisource]]. ; Darstellungen * Whitfield J. Bell: ''Colonel Lewis Nicola: Advocate of Monarchy, 1782'', Philadelphia 1983. * Robert F. Haggard: ''The Nicola Affair: Lewis Nicola, George Washington, and American Military Discontent during the Revolutionary War'', in: Proceedings of the American philosophical society 146, 2 (2002), [http://www.aps-pub.com/proceedings/1462/201.pdf online abrufbar] als [[Portable Document Format|PDF]]-Dokument. == Einzelnachweise == <references /> {{SORTIERUNG:Nicola, Lewis}} [[Kategorie:Militärperson (Kontinentalarmee)]] [[Kategorie:Amerikanische Unabhängigkeit (Person)]] [[Kategorie:Brite]] [[Kategorie:US-Amerikaner]] [[Kategorie:Mitglied der American Philosophical Society]] [[Kategorie:Geboren 1717]] [[Kategorie:Gestorben 1807]] [[Kategorie:Mann]] {{Personendaten |NAME=Nicola, Lewis |ALTERNATIVNAMEN= |KURZBESCHREIBUNG=Offizier, Kaufmann, Schriftsteller und Mitglied der American Philosophical Society |GEBURTSDATUM=1717 |GEBURTSORT=[[Dublin]] |STERBEDATUM=9. August 1807 |STERBEORT=[[Alexandria (Virginia)]] }} [[en:Lewis Nicola]] [[it:Lewis Nicola]] {{Exzellent|22. Dezember 2009|67970253}} 6w6wgfkx1k4n1hbqevn02kei3ebj956 wikitext text/x-wiki Nida (römische Stadt) 0 24001 26599 2010-05-11T12:42:55Z Haselburg-müller 0 /* Niedergang und Ende im 3.&nbsp;Jahrhundert */ [[Datei:Nida Heddernheim Karte.png|thumb|Lageplan der Kastelle und der Zivilsiedlung in Nida-Heddernheim.]] [[Datei:Frankfurt am Main, Nida- roman well 1.jpg|thumb|Römischer Brunnen am Rande der [[Siedlung Römerstadt]].]] [[Datei:Das teutsche Pompeji ist zerstoert.jpg|thumb|Blick im Kernbereich der ehemaligen Römerstadt nach Norden. Die Tafel weist auf die Zerstörung durch die großflächigen und tiefgreifenden Baumaßnahmen des 20.&nbsp;Jahrhunderts hin. Nida wurde im 19.&nbsp;Jahrhundert als „teutsches Pompeji“ bezeichnet.]] '''Nida''' war in der Zeit des [[Römisches Reich|Römischen Reichs]] Hauptort der ''[[Civitas Taunensium]]''. Die Römerstadt Nida lag am Rand der [[Wetterau]] im Nordwesten der heutigen Stadt [[Frankfurt am Main]], in der Gemarkung von [[Frankfurt-Heddernheim]]. Erste Spuren einer zumindest zeitweiligen römischen Besiedlung stammen aus der Zeit der Regierung von [[Vespasian|Kaiser Vespasian]] (69–79); aufgegeben wurde Nida um 260&nbsp;n.&nbsp;Chr. Die im Boden weitgehend unberührt erhalten gebliebenen Überreste von Nida auf dem „Heidenfeld“ gingen erst im 20.&nbsp;Jahrhundert beim Bau der [[Siedlung Römerstadt]] und der [[Frankfurt-Nordweststadt|Frankfurter Nordweststadt]] durch großflächige Baumaßnahmen fast komplett verloren. Der Name der Siedlung ist durch schriftliche Quellen seit römischer Zeit gesichert und leitet sich wohl vom noch älteren Namen des benachbarten Flusses [[Nidda (Fluss)|Nidda]] her. == Geschichte == === Frühe Militärlager und flavische Zeit === Dem Gelände am Fluss Nidda hatte die römische Militärführung „besondere strategische Bedeutung bei der Besetzung der Wetterau zugemessen.“<ref> Peter Fasold: ''Ausgrabungen im teutschen Pompeji. Archäologische Forschung in der Frankfurter Nordweststadt.'' Museum für Vor- und Frühgeschichte, Frankfurt am Main 1997, S.&nbsp;14.</ref> Hierauf deutet unter anderem der archäologische Nachweis von mindestens zehn meist nur kurzzeitig genutzten [[Römisches Militärlager|Militärlagern]] aus der Zeit um das Jahr 75 hin. Das bedeutendste dieser Kastelle war das „Kastell A“, auch [[Ala (Militär)|Alen-]] oder Steinkastell genannt. Die anderen Kastelle sind meist nur sehr ausschnitthaft bekannt und dürften mit Ausnahme des Steinkastells nur sehr kurze Zeit bestanden haben. Westlich dieses Kastells entstand eine zivile Siedlung, ein sogenannter ''[[Vicus]]''. Im frühen Kastellvicus ließen sich zunächst der Truppe nahestehende Personen wie Verwandte, Handwerker, Händler und Gastwirte nieder. Um 90&nbsp;n.&nbsp;Chr. ist in dem Bereich eine [[Grundstücksteilung|Parzellierung]] nachweisbar. === Blütezeit im 2.&nbsp;Jahrhundert&nbsp;n.&nbsp;Chr. === Für das ursprüngliche Kastelldorf einschneidende Veränderungen fanden zur Regierungszeit des Kaisers [[Trajan]] um 110&nbsp;n.&nbsp;Chr. statt. Die Truppen wurden an den [[Limes (Grenzwall)|Limes]] abgezogen, womit zunächst ein Bevölkerungsrückgang verbunden war. Gleichzeitig wurde Nida zum zivilen Verwaltungssitz der Region als Hauptort der ''Civitas Taunensium''. Die ''Civitas Taunensium'' war ein Kreis/Bezirk der [[Römische Provinz|römischen Provinz]] ''[[Germania Superior]]'' („Obergermanien“) und Nida ein Wirtschaftszentrum im Grenzland des [[Obergermanisch-Raetischer Limes|obergermanischen Limes]] sowie Umschlagsplatz im Handel mit Gebieten außerhalb der römischen Provinz. Ökonomisch bildete Nida den Zentralort und Markt für zahlreiche kleine und mittlere Betriebe, unter anderem die zahlreichen ''[[Villa rustica|Villae rusticae]]'', die sich in dieser Zeit auf den fruchtbaren Böden der Wetterau etablierten. Die zivile Besiedlung ersetzte in Heddernheim bald die militärischen Strukturen. Ein großer Bereich im Zentrum der Siedlung wurde planiert und diente als [[Forum (Platz)|Forum]]. Zwei große [[Thermen]], das [[Prätorium]], mehrere Tempel und ein [[Theater der römischen Antike|Theater]] gehörten ebenfalls zum Stadtbild. Auch ein [[Triumphbogen]] hat wahrscheinlich existiert.<ref>Die Vermutung bezieht sich auf Funde von Steindenkmälern, darunter das sogenannte Liktorenrelief. Siehe dazu I. Huld-Zetsche: ''NIDA – eine römische Stadt in Frankfurt am Main.'' S.&nbsp;18f.</ref> Die neuen städtischen Eliten repräsentierten sich durch zahlreiche Steindenkmäler und Inschriften. Kunsthistorisch bedeutsam ist ein erhalten gebliebenes, farbiges Steinbild aus einem der so genannten [[Mithräum|Mithräen]], Heiligtümer des Gottes [[Mithras]]; das Original befindet sich heute im [[Museum Wiesbaden]], eine Kopie im [[Archäologisches Museum Frankfurt|Archäologischen Museum Frankfurt]]. In beiden Museen sind auch weitere Fundstücke aus Nida ausgestellt, in Frankfurt beispielsweise die [[Jupitergigantensäule|Jupitersäulen]] und die Dendrophoreninschrift. Das weitgehend friedliche 2.&nbsp;Jahrhundert war die Blütezeit des römischen Nida, in diese Zeit datieren die meisten Gebäude und Steindenkmäler. Erste Schwierigkeiten betrafen das Grenzland mit den [[Markomannenkriege]]n um 170&nbsp;n.&nbsp;Chr. Zerstörungshorizonte gibt es sowohl aus Nida als auch aus einigen Kastellen und Villen der Umgebung.<ref>[[Dietwulf Baatz]] in: D. Baatz, F.-R. Herrmann (Hrsg.): ''Die Römer in Hessen'', S.&nbsp;211f.</ref> Der Limes im Taunus wurde durch die Numeruskastelle [[Kastell Holzhausen|Holzhausen]], [[Kastell Kleiner Feldberg|Kleiner Feldberg]] und [[Kastell Kapersburg|Kapersburg]] verstärkt. [[Datei:Dativius Victor Bogen.jpg|thumb|Kopie des [[Dativius-Victor-Bogen]]s in Mainz.]] === Niedergang und Ende im 3.&nbsp;Jahrhundert === Zu Beginn des 3.&nbsp;Jahrhunderts erhielt Nida eine eigene Stadtmauer; benötigte [[Basalt]]steine wurde in den Steinbrüchen des heutigen [[Frankfurt-Bockenheim|Bockenheim]] abgebaut, woran dort noch die ''Basaltstraße'' erinnert. Das umfangreiche Bauwerk mit einer Länge von 2.750&nbsp;m zeugt von einem Behauptungswillen der Bevölkerung im unsicherer werdenden Grenzland. Aus anderen rechtsrheinischen [[Civitas]]-Hauptorten wie [[Ladenburg]] (''Lopodunum''), [[Bad Wimpfen]], und [[Rottenburg am Neckar|Rottenburg]] (''Sumelocenna'') sind ähnliche Baumaßnahmen bekannt.<ref>Peter Knieriem in: [[Egon Schallmayer]] (Hrsg.): ''Der Augsburger Siegesaltar - Zeugnis einer unruhigen Zeit.'' Saalburgmuseum Bad Homburg v. d. H. 1995 S.&nbsp;39 (Saalburg-Schriften 2).</ref> Das Limessystem allein konnte den Städten keine ausreichende Sicherheit mehr garantieren. Funde von ''militaria'' (militärische Ausrüstungsgegenstände) und Funden, die Germanen zuzuordnen sind, werden ebenfalls als Beleg für Gegenmaßnahmen der Zivilbevölkerung gesehen. Zeugnis dieser für die Bewohner schwierigen Zeit geben ferner mehrere Steindenkmäler. Der [[Dativius-Victor-Bogen]] in Mainz wurde von einem Nidenser Ratsheren ''([[Decurio|decurio]])'' vermutlich als Dank für die Aufnahme im sicheren Mainz gestiftet.<ref name="victor">Zur Inschrift des Dativius-Victor-Bogens siehe {{CIL|13|11810}}.</ref> Ein erster Einfall von [[Alamannen]] lässt sich für die Jahre 233–235&nbsp;n.&nbsp;Chr. nachweisen. Ein Münzschatz, der unter der Schwelle eines Steinkellers verborgen war, weist als Schlussmünze das Jahr 227&nbsp;n.&nbsp;Chr. auf.<ref>Helmut Schubert: ''Die Fundmünzen der römischen Zeit in Deutschland (FMRD) Abt. V: Hessen.'' Bd. 2,2: ''Darmstadt: Frankfurt am Main.'' Mainz 1989, ISBN 3-7861-1552-4 S.&nbsp;298f.</ref> Eine Inschrift belegt die Wiederaufrichtung einer Jupitergigantensäule im Jahr 240.<ref name ="Stephanier">{{CIL|13|07352}}.</ref> Noch im Jahr 250 ließ die ''Civitas'' den Friedberger [[Miliarium#Leugensteine|Leugenstein]]<ref name="Leuge"/> setzen. Es handelt sich um eines der spätesten Steindenkmäler aus dem Hinterland des Limes vor dessen Aufgabe, zeigt aber, dass es zu diesem Zeitpunkt noch eine funktionierende Verwaltung gegeben haben muss. Die römische Epoche dauerte bis um 260, als die Römer von den Germanen endgültig verdrängt wurden. Dass Nida bis dahin bewohnt war, ist belegt durch die Münzreihe aus Heddernheim, die mit 14 Münzen des Kaisers [[Gallienus]] endet. Die jüngste Münze wurde im Jahr 258 geprägt und fand sich im sogenannten ''Dendrophorenkeller''.<ref>I. Huld-Zetsche in: D. Baatz, F.-R. Herrmann (Hrsg.): ''Die Römer in Hessen'', S.&nbsp;291, dieselbe: ''NIDA – eine römische Stadt in Frankfurt am Main.'' S.&nbsp;61.</ref> Die vielen Steindenkmäler, die in Brunnen verborgen wurden, lassen an eine planmäßige Räumung durch die Bevölkerung denken.<ref>I. Huld-Zetsche, ''NIDA – eine römische Stadt in Frankfurt am Main.'' S.&nbsp;38 und 61f.</ref> Die Mauern der Ruinen aus römischer Zeit waren noch im 15.&nbsp;Jahrhundert weithin sichtbar, danach wurden sie in Heddernheim und Praunheim als Baumaterial wiederverwendet. [[Datei:Heddernheim Bus Museum.jpg|thumb|Grabungsfahrzeug des Museums auf dem Baugelände der Nordweststadt, dem Areal der ehemaligen Römerstadt NIDA.]] [[Datei:Nida Heddernheim Toepferoefen1.jpg|thumb|Restaurierter Töpferofen an der Böschung der Rosa-Luxemburg-Straße, Ofen mit quadratischem Grundriss.]] == Ausgrabungen und Forschungsgeschichte == 1823 erfolgten die ersten geregelten Ausgrabungen in der antiken Römerstadt durch den [[Verein für Nassauische Altertumskunde und Geschichtsforschung|Verein für Nassauische Altertumskunde]]. Kulturhistorisch bedeutsame Funde gelangten in dieser Zeit, als das Gelände zum [[Herzogtum Nassau]] gehörte, in die Sammlung Nassauischer Altertümer, die im [[Museum Wiesbaden#Die Römersammlung|Museum Wiesbaden]] verwahrt wird. Nach dieser frühen Phase der Erforschung gingen weitere Untersuchungen seit 1878 durch die Gründung des [[Historisches Museum Frankfurt|Historischen Museums]] von Frankfurt aus, da Heddernheim 1866 dem preußischen Landkreis Frankfurt am Main zugeschlagen wurde.<ref>[http://www.frankfurt.de/sixcms/detail.php?id=2345293&_ffmpar_az%5B_stadtteil_name%5D=Heddernheim Internetseite Frankfurt.de: Chronik von Heddernheim]</ref> Diese sind besonders mit dem Namen [[Georg Wolff (Archäologe)|Georg Wolff]] verbunden. Wolff führte besonders im Auftrag der [[Reichs-Limes-Kommission]] (RLK) viele Untersuchungen an den Kastellen, besonders dem großen Steinkastell A, durch. Das Gelände von Nida blieb als „Heidenfeld“ bis zur Errichtung der Römerstadt-Siedlung 1927–1929 unbebaut. Bereits zu dieser Zeit konnten nur Notbergungen unter großem Zeitdruck vorgenommen werden. Beim Bau der Nordweststadt 1961–1973 wurden die letzten Reste der archäologischen Werte weggebaggert und so für immer vernichtet, da dem [[Landesamt für Denkmalpflege Hessen|Landesamt für Denkmalpflege]] keine ausreichende Zeit für reguläre Grabungen und Fundsicherungen gewährt wurde. Einige größere Flächengrabungen wurden von Ulrich Fischer, dem damaligen Leiter des Museums für Vor- und Frühgeschichte (heute [[Archäologisches Museum Frankfurt]]) zwischen 1954 und 1965 durchgeführt. Die Grabungen konzentrierten sich auf das Steinkastell, die nördliche Vicusmauer, ein Gebiet im Zentrum von Nida und das Gräberfeld an der [[Saalburgstraße]] im Norden. Der Vorgang ist in Hessen nicht einzigartig, wie die Bebauung der römischen Siedlungen von [[Kastell Salisberg#Vicus|Hanau-Salisberg]], [[Nidderau]]-Heldenbergen und [[Groß-Gerau]]-„Auf Esch“, gleichfalls in der zweiten Hälfte des 20.&nbsp;Jahrhundert, belegt. Durch die großflächigen Hoch- und Tiefbaumaßnahmen wurde in Heddernheim aber schnell die vollständige und unwiederbringliche Zerstörung einer der bedeutendsten Römersiedlungen der Region offensichtlich. Hobby-Archäologen retteten als „[[Raubgrabung|Raubgräber]]“ einige wertvolle Stücke, zum Beispiel das „[[Malergrab]]“ das sich heute im Archäologischen Museum befindet; ein erheblicher Teil ihrer Funde blieb allerdings in Privatbesitz. Die Hobby-Archäologen haben sich im „Archäologischen Forum Nida“ zusammengeschlossen und – gemeinsam mit dem Heddernheimer ''Bürgerverein'' – im ''Neuen Schloss'' in Alt-Heddernheim ein Heimatmuseum eingerichtet, in dem auch Fundstücke aus der Römerzeit ausgestellt sind.<ref>[http://www.stadtteilmuseum.de/ Stadtteilmuseum Heddernheim]</ref> Eine Abteilung des Archäologischen Museums in Frankfurt ist den Funden aus Nida gewidmet. Hier ist besonders die Zahl an Steindenkmälern beachtenswert und lässt Einblicke in das Leben einer Zivilstadt zu. Der ''Nidacorso'' im Nordwestzentrum verweist auf die vormalige Siedlung an gleicher Stelle. Eine römische Türschwelle ist heute noch am Eckhaus Wenzelweg/In der Römerstadt sichtbar, da sie als Abstandhalter zum Schutz der Hausecke vor abbiegenden Fuhrwerken in den Fuß des Gebäudes integriert wurde. Zwei römische Töpferöfen wurden nahe dem [[Nordwestzentrum]] am Heddernheimer Steg an der Böschung zur Rosa-Luxemburg-Straße restauriert. Ferner hat sich noch ein kleiner Rest des Walles der Ostumwehrung von Nida vor dem Haus „Am Forum“ Nr.&nbsp;29 erhalten sowie ein Brunnen am Fußweg unterhalb der ''Ringmauer''. Außerdem erinnern zahlreiche Straßennamen an die römische Vergangenheit des heutigen Frankfurter Stadtteils. Ein archäologischer „Rundweg“ mit 12 Stationen erläutert mittels einiger Tafeln die römische Vergangenheit. In den letzten Jahren fanden noch gelegentlich kleinere Grabungen in Heddernheim statt. Größere Flächengrabungen sind nicht mehr möglich. Der weitaus größte Teil der antiken Siedlung gilt als zerstört. == Kastelle == === Alenkastell (A) === Das [[Ala (Militär)|Alenkastell]], oft auch Steinkastell genannt, wurde 1896 von Georg Wolff entdeckt. Im [[Der obergermanisch-raetische Limes des Römerreiches|Limeswerk]] erhielt es die Nummer 27.<ref>Georg Wolff: ''Das Kastell und die Erdlager von Heddernheim.'' In: [[Ernst Fabricius]], [[Felix Hettner]], Oscar von Sarwey (Hrsg.): ''[[Der obergermanisch-raetische Limes des Römerreiches]]'' Abt. B 2,3 Nr. 27 (1915).</ref> Wolff ergrub die Kastellumwehrung und einen Teil des Stabsgebäudes ''(principia)''. Grabungen von 1957 bis 1959 im Nordteil wiesen zwei Vorgängerbauten in Holz-Erde-Bauweise nach. Dies wurde durch drei Bauphasen der Mannschaftsbaracken belegt. Die letzte Holzbauphase brannte ab, was möglicherweise mit dem Aufstand des [[Lucius Antonius Saturninus]] im Jahre 89 zusammenhängt. Das Steinkastell schloss eine Fläche von 186&nbsp;×&nbsp;282&nbsp;m ein und besaß neben den vier Toren 30 Türme. Die Mauer bestand aus Basaltbruchsteinen, denen Sandsteinquader vorgeblendet waren. Vor der Mauer befand sich an allen Seiten ein doppelter Spitzgraben. Das Kastell war mit dem Haupttor ''(porta praetoria)'' nach Süden zur Nidda hin orientiert. Als Innenbebauung wurde weiterhin ein größerer Werkstattkomplex ''(fabrica)'' nachgewiesen. Die mit 5&nbsp;ha relativ große Anlage diente vermutlich mehreren Einheiten als Garnison. Auf 16 Inschriften und Grabsteinen sind folgende Truppen erwähnt: * ''Ala I Flavia Gemina''<ref>Unter anderem {{CIL|13|07365 (4, p 125)}}, {{CIL|13|11948}}.</ref> * ''[[Kohorte|Cohors]] XXXII Voluntariorum Civium Romanorum''<ref>Unter anderem {{CIL|13|07362 (4, p 125)}}, {{CIL|13|07381 (4, p 125)}}, {{CIL|13| 07382}}, {{CIL|13|07383 (4, p 125)}}.</ref> * ''Cohors IIII Vindelicorum''<ref>Unter anderem {{CIL|13|07331}}, {{CIL|13|11947}}, {{AE|1978|00542}}.</ref> Da die 32.&nbsp;Freiwilligenkohorte römischer Bürger ab 90&nbsp;n.&nbsp;Chr im [[Kastell Ober-Florstadt]] belegt ist, war das Kastell vermutlich für eine Reiter- und Infanterieeinheit gemeinsam konzipiert. Die 4.&nbsp;Vindelikerkohorte könnte diese abgelöst haben. Sie ist später als Besatzung des [[Kastell Großkrotzenburg]] belegt. === Kastell B === Beim 1903–1906 ausgegrabenen Holz-Erde-Lager B handelt es sich um einen Annex an das Steinkastell A. Sein Spitzgraben knickt in den äußeren Graben des Steinkastells stumpfwinklig ab. Es besaß eine Fläche von 80&nbsp;×&nbsp;292&nbsp;m, das einzige nachgewiesene Tor befand sich an der Ostseite in Verlängerung der ''via principalis'' des Steinkastells und war ein Holzbau mit zwei Durchgängen. Des Weiteren konnte im Inneren ein größeres Gebäude durch [[Pfostengruben]] nachgewiesen werden, das als Magazinbau gedeutet wurde. Lager B ist damit das jüngste aller Heddernheimer Holz-Erde-Kastelle. Es wurde zusammen mit dem Alenkastell nach 103&nbsp;n.&nbsp;Chr. aufgegeben. === Kastell C === Vom Kastell C konnte 1901 bis 1908 nördlich des Alenkastells eine 420&nbsp;m lange Südseite sowie die 280&nbsp;m lange Westseite nachgewiesen werden. Vor dem westlichen Tor befand sich ein 16,50&nbsp;m langer vorgelagerter Spitzgraben ''(titulum)''. Von dem Tor zweigte ein weiterer Spitzgraben in Richtung der Südostecke ab, sodass sich eine unsymmetrische Dreiecksform ergäbe. Die Nord- und Ostflanke des Kastells konnte nicht nachgewiesen werden. Kastell C gilt deshalb als provisorisches oder durch eine reduzierte Truppe genutztes, kurzzeitiges Lager. Dafür würde sprechen, dass seine Lage auf die spätere Wegführung der vor dem W-Tor verlaufenden Römerstraßen keinerlei Bezug nimmt. === Kastell D === Von Kastell D konnte seit 1910 der westliche (Länge 400&nbsp;m) und südliche Graben (130&nbsp;m) mit Tor sowie die Südwestecke ergraben werden. Der südliche Graben war im Grabenbereich des Alenkastells nicht mehr nachweisbar. Der westliche Graben mündete nach einer kleinen Richtungsänderung in den westlichen Graben von Lager C ein. Daraus wird deutlich, dass Kastell D vor dem Alenkastell A, jedoch nach dem Kastell C bestanden haben muss. Wolff nahm an, dass D aufgrund der Lage um das Alenkastell herum als Baulager gedient haben könnte. Es zeichnet sich eine schnelle Abfolge der einzelnen Kastelle in der frühen Okkupationsphase unter Kaiser Vespasian ab. === Kastelle E und F === Nordöstlich von Lager C konnte Wolff zwei Spitzgrabenprofile in zwei Ziegeleien beobachten. Möglicherweise gehören diese zu einem weiteren Lager E. Die nordwestliche Ecke des Lagers F wurde 1925–1926 von Friedrich Gündel auf dem Gelände des Christlichen Friedhofs in Heddernheim entdeckt. Gündel vermutete ein fast quadratisches Lager von 100 bis 110&nbsp;m Seitenlänge. Keramikfunde aus dem Spitzgraben und dem Palisadengräbchen datierten es in domitianische Zeit. === Kastell G === Vom Lager G wurden mehrere Spitzgräben in den 1960er Jahren bei den Baumaßnahmen für die Nordweststadt entdeckt. Zunächst konnte der nördliche Graben in etwa 80&nbsp;m Entfernung zur späteren Stadtmauer auf einer Länge von 260&nbsp;m verfolgt werden. Ein zugehöriger parallel verlaufender südlicher Graben konnte 1961 in 160&nbsp;m Entfernung nachgewiesen werden. Während die östliche Begrenzung unbekannt bleibt, konnte als westliche Begrenzung ein Spitzgraben in einer Baugrube der Ernst-Kahn-Straße festgestellt werden. Das Kastell hätte damit eine Fläche von mindestens 4&nbsp;ha eingenommen. Am südlichen Graben wurden einige Backöfen ausgegraben. Funde von [[Terra Sigillata]] deuten vorsichtig auf eine frühere Datierung als das Alenkastell A hin. === Kastelle H, J und K === Beim Bau einer Wasserleitung konnten 1929 in der Bernadottestraße zwei zusammenhängende Spitzgräben entdeckt werden. Möglicherweise gehört zu diesen ein in 140&nbsp;m Entfernung parallel verlaufender Graben, der in der Straße ''Im Weimel'' beobachtet wurde. Beide erbrachten Scherben des 1.&nbsp;Jahrhunderts&nbsp;n.&nbsp;Chr. und gehörten vermutlich zu einem weiteren Kastell H. Ein weiterer Spitzgraben wurde 1963 in der Baugrube ''In der Römerstadt'' 182–188, 102&nbsp;m westlich der Vicusbebauung entdeckt. Er konnte über 14&nbsp;m verfolgt werden und gehört vermutlich zu einem weiteren Kastell J. Im Jahr 1929 konnte die Südecke eines Spitzgrabens in der Straße ''Alt-Praunheim'' beobachtet werden, der als Teil eines Lagers K angesehen wird. Der Graben enthielt keinerlei datierende Funde. === Praunheimer Lager (L) === Nördlich der Heerstraße (früher [[Elisabethenstraße]]) konnte in den Gruben einer Ziegelei 1905 das sogenannte Praunheimer Lager (L) entdeckt werden. Seine Größe ist mit 270&nbsp;×&nbsp;340&nbsp;m komplett erfasst worden. Datierende Funde gibt es aus dem Praunheimer Lager nicht. Aufgrund der Lage an der Straße nach Hofheim und Mainz wird es ebenfalls in die frühe Besatzungszeit gehören. == Zivilsiedlung == [[Datei:Wetteraumuseum Leugenstein.jpg|thumb|[[Miliarium|Leugenstein]] der ''Civitas Taunensium'' aus Friedberg im [[Wetterau-Museum]]. Der Stein gibt die Entfernung nach Nida mit 10 [[Leuge]]n an ''(a Nida [l(eugas)] X)''.<ref name="Leuge"/>]] [[Datei:Wetterauer Ware Museum Frankfurt.jpg|thumb|Sogenannte „Wetterauer Ware“, Eine Terra Sigillata-Imitation aus dem Rhein-Main-Gebiet im Archäologischen Museum Frankfurt.]] [[Datei:Nida Heddernheim Toepferoefen2.jpg|thumb|Restaurierter Ofen mit runder Grundfläche im Schutzbau an der Rosa-Luxemburg-Straße.]] [[Datei:Nida Heddernheim Schild Roemerbruecke.jpg|thumb|Ein Schild weist heute auf die Existenz einer Holzbrücke über die Nidda in römischer Zeit hin.]] [[Datei:Roman Threshold 2.jpg|thumb|Eckhaus Wenzelweg/In der Römerstadt mit römischer Türschwelle]] [[Datei:Roman Threshold 1.jpg|thumb|Römische Türschwelle]] === Rechtsstatus, Bevölkerung und Zivilverwaltung === Als Stadt im Grenzland des ''Imperium Romanum'' hatte Nida niemals den Status einer regulären römischen Stadt (''[[Colonia (Rom)|colonia]]'' oder ''[[municipium]]''). Im Gegensatz zu vielen übrigen Dörfern der Region erreichte Nida aber den Status eines [[Civitas]]-Hauptortes, wahrscheinlich gegen Ende der Regierungszeit Kaiser Trajans oder zu Anfang der Regierung Hadrians. Die Bewohner waren damit zumeist Provinziale ohne [[römisches Bürgerrecht]]; vereinzelt werden sich Veteranen niedergelassen haben, die es nach Ableistung ihres Militärdienstes erhielten. Auch wenn die ''Civitates'' meist auf Stammesgemeinschaften zurückgingen, scheint die Civitas der Taunensier sich auf einen geographischen Begriff, der bereits vorher schon geläufig war, zu beziehen.<ref>zum Beispiel [[Pomponius Mela]]: ''De Chorographia'' 3,25; [[Publius Cornelius Tacitus|Tacitus]], ''[[Annales (Tacitus)|Annales]]'' 12,28 [http://www.thelatinlibrary.com/tacitus/tac.ann12.shtml#28 lat. Text]; zur Überlieferungsgeschichte siehe Andreas Mengel: ''Gesucht: Der mons Taunus.'' In: E. Schallmayer u.a. (Hrsg.): ''Die Römer im Taunus.'' Frankfurt a. M. 2005, S.&nbsp;15–19.</ref> Für die Wetterau ist vor der Ankunft der Römer keine intensive Besiedlung archäologisch nachgewiesen.<ref>D. Baatz in: ''Die Römer in Hessen.'' S.&nbsp;76f.</ref> Nahe gelegene [[Kelten|keltische]] ''oppida'' wie das [[Heidetränk-Oppidum]] sind bereits wesentlich früher, wahrscheinlich um 50&nbsp;v.&nbsp;Chr. aufgegeben worden.<ref>A. Jockenhövel in: Fritz-Rudolf Herrmann u. Albrecht Jockenhövel: ''Die Vorgeschichte Hessens.'' Konrad Theiss Verlag Stuttgart, 1990, ISBN 3-8062-0458-6 S.&nbsp;295.</ref> Die Bevölkerung wird neben den wenigen Germanen, die im Fundmaterial greifbar werden,<ref>P. Fasold: ''Ausgrabungen im teutschen Pompeji.'' 1997 S. 41f.; eine Übersicht über den Bestand germanischer Funde des 1.&nbsp;Jahrhundert&nbsp;n.&nbsp;Chr. in der Wetterau und dem Untermaingebiet findet sich in Bernd Steidl: ''Frühkaiserzeitliche germanische Besiedlung in der Wetterau.'' In: V. Rupp (Hrsg.): ''Archäologie der Wetterau.'' Friedberg 1991 S.&nbsp;217–233.</ref> vor allem aus teilweise [[Romanisierung|romanisierten]] Zuwanderern aus dem keltisch geprägten Gallien bestanden haben, was auch durch eine Aussage in der ''Germania'' des [[Publius Cornelius Tacitus|Tacitus]] über die Bewohner des [[Agri decumates|Dekumatlandes]] gestützt wird.<ref>Tacitus, ''Germania'' 29 [http://www.thelatinlibrary.com/tacitus/tac.ger.shtml#29 lat. Text].</ref> Im Fundmaterial der Römerstadt Nida lässt sich das etwa an der Keramik oder den [[Fibel (Tracht)|Fibeln]] erkennen. Weitere Belege für eine gallorömische Bevölkerung liegen in Form von Götternamen und -darstellungen sowie dem Namensmaterial der Weihinschriften vor.<ref>I. Huld-Zetsche: ''NIDA – eine römische Stadt in Frankfurt am Main.'' S.&nbsp;27f. Ein Zuwanderer aus [[Metz]], der sich als Bürger der ''civitas [[Mediomatriker|Mediomatrici]]'' zu erkennen gibt, ist in einer Weihinschrift für Mithras in Heddernheim belegt: {{CIL|13|07369}}.</ref> Angaben zur Bevölkerungszahl werden in der Literatur weitgehend vermieden. In Heddernheim dürfte das vor allem daran liegen, dass die städtischen Wohnquartiere und die Gräberfelder nur teilweise bekannt sind.<ref>I. Huld-Zetsche: ''NIDA – eine römische Stadt in Frankfurt am Main.'' S.&nbsp;22 und 52f.</ref> Auch fehlen konkrete Anhaltspunkte zur Zahl der Bewohner eines typischen Vicus-Gebäudes. Mit etwa 45&nbsp;ha später ummauerten Areal gehörte Nida zu den größeren Civitas-Hauptorten rechts des Rheins. Anzunehmen wäre eine Einwohnerzahl im hohen dreistelligen oder niedrigen vierstelligen Bereich.<ref>Angaben nach Klaus Kortüm: ''Städte und kleinstädtische Siedlungen. Zivile Strukturen im Hinterland des Limes.'' In: ''Imperium Romanum. Roms Provinzen an Neckar, Rhein und Donau.'' Archäologisches Landesmuseum Baden-Württemberg, Esslingen 2005, S.&nbsp;154–164. Nach C. Sebastian Sommer: ''Die städtischen Siedlungen im rechtsrheinischen Obergermanien.'' 1992 (Xantener Berichte 2) S.&nbsp;140 „ist mit einigen tausend Einwohnern zu rechnen“. Sommer weist allerdings S.&nbsp;139 darauf hin, dass es in Heddernheim als einzigem Hauptort rechts des Rheins größere unbebaute Flächen innerhalb der Ummauerung gegeben haben muss.</ref> Obwohl es sich bei dem Fluss- und dem wohl daraus abgeleiteten Ortsnamen Nidda/Nida um einen sehr alten Namen handelt, kann auch dieser keiner genauen Herkunft zugeordnet werden. Er ist auf zahlreichen Inschriften belegt, etwa auf einem [[Miliarium|Leugenstein]] aus Friedberg ''(a Nida [l(eugas)] X)''<ref name="Leuge">{{CIL|13|9123}}.</ref>, der Heddernheimer ''Dendrophoreninschrift'',<ref name="Dendro">{{AE|1962|00232}}.</ref> sowie vermutlich zwei Weiheinschriften aus [[Mainz-Kastel]].<ref>{{CIL|13|07263 (4, p 123)}}; {{CIL|13|07264 (4, p 123)}}.</ref> In der Dendrophoreninschrift werden ausdrücklich der ''Vicus Nida'' und die Bewohner als ''Vicani Nidenses'' genannt. Als Sitz des Verwaltungsbezirks und Vorort der ''Civitas Taunensium'' war Nida ähnlich einer römischen Stadt organisiert. Eine Art „Senat“ ''(ordo decurionum)'' bestand aus den einflussreichsten Personen der Bürgerschaft, in der Regel reiche Gewerbetreibende oder Großgrundbesitzer. Diese Ratsherren ''([[Decurio#Zivile Verwaltung|decuriones]])'' wählten jährlich zwei [[Duumvir|Bürgermeister]] ''(duoviri)'' nach dem Vorbild des römischen [[Consulat|Konsulats]]. Durch die Inschriften sind diese Ämter auch in Nida belegt, nämlich der ''duumvir'' Licinius Tugnatius Publius<ref>{{CIL|13|07265}}.</ref>, die sieben Dekurionen Dativius Victor<ref name="victor"/>, C. Paternius Postuminus, Quietius Amandus, C. Sedatius Stephanus und Stephanius Maximus,<ref name ="Stephanier"/> Tertinius Catullinus<ref>{{CIL|13|07394}}.</ref> sowie ein Firmus.<ref>{{CIL|13|07357}}.</ref> Eine weitere Inschrift nennt einen [[Ädil]], der die Aufsicht über Markt und Gewerbe führte.<ref>{{CIL|13|07370}}.</ref> Die Bauinschrift des ''horreum'' vom [[Kastell Kapersburg]] nennt als Einheit des Kastells einen ''[[Numerus (Hilfstruppe)|Numerus]] Nidensium''.<ref>{{AE|1898|00075}}</ref> Die Einheit wurde dem Namen nach in Nida oder der Civitas rekrutiert. === Wirtschaft und Gewerbe === Neben der Zentralortfunktion für die Lager am Limes und die ''Villae rusticae'' des Grenzlandes bestand in Nida, wie in vielen ''vici'' der Nordwestprovinzen, ein einheimisches Gewerbe, das durch Funde bestens belegt ist. Handwerkerviertel lassen sich dabei nur schwer bestimmen. Die Funde von Schlacken und Gusstiegeln der Metallhandwerker und die Töpferöfen streuen über die gesamte Stadt, wahrscheinlich aufgrund der langsam wachsenden Strukturen, die aus dem Lagerdorf hervorgingen. Größere Töpferviertel scheint es an der nördlichen Ausfallstraße und im Westen der Siedlung beiderseits der ''platea novi vici'' gegeben zu haben. Insgesamt sind 105 Töpferöfen in Heddernheim nachgewiesen, die allerdings auch auf die Zeit, in der das Lagerdorf und die Zivilstadt bestanden, hochgerechnet werden müssen.<ref>I. Huld-Zetsche, ''NIDA – eine römische Stadt in Frankfurt am Main.'' S.&nbsp;29.</ref> Hergestellt wurde vor allem Haushaltsgeschirr, aber auch Lampen, Kultgefäße und Graburnen. Besonders variantenreich war die Herstellung von verschiedenen Glanztonbechern. Eine gelegentlich vermutete Herstellung von [[Terra Sigillata]] in Nida geht auf die Fehldeutung einiger Fundstücke zurück.<ref>I. Huld-Zetsche, ''NIDA – eine römische Stadt in Frankfurt am Main.'' S.&nbsp;29f.</ref> So ist etwa eine [[Rheinzabern]]er Formschüssel des JANVS als Vorlage zur Herstellung von Imitationen verwendet worden. Als Nachahmung gilt auch die regional verbreitete, sogenannte ''Wetterauer Ware'', meist dünnwandige, rotbemalte Gefäße, die in [[Frankfurt-Nied|Nied]] oder Heddernheim hergestellt wurden.<ref>V. Rupp, ''Wetterauer Ware – Eine römische Keramik im Rhein-Main-Gebiet''. Schriften des Frankfurter Museums für Vor- und Frühgeschichte 10, 1988, S.&nbsp;23–36.</ref> Weiterhin sind die Berufe Maurer, Zimmermann, Schmied, Schlosser, Möbelschreiner, Knochenschnitzer, Maler, Bronzegießer, Bronze-, Gold- und Silberschmied, Steinmetz, Schuhmacher, Metzger, Barbier und Arzt vorwiegend durch Werkzeugfunde belegt. Die Funde lassen einen Schwerpunkt bei den Buntmetall verarbeitenden Berufen erkennen.<ref>I. Huld-Zetsche, ''NIDA – eine römische Stadt in Frankfurt am Main.'' S.&nbsp;30.</ref> Schwerpunkte im Bereich des Töpfergewerbes, der Beinschnitzereien oder der Metallverarbeitung können aber auch mit guten Erhaltungsbedingungen der Funde zusammenhängen, die bei anderen Berufen nicht gegeben ist<ref>I. Huld-Zetsche in: ''Die Römer in Hessen'' S.&nbsp;285.</ref> Neben diesen für eine kleine römische Stadt sehr typischen lokalen Produktionen ist der Handel mit Importgütern durch Funde zahlreich belegt. Terra Sigillata wurde zunächst aus südgallischen Töpfereien wie ''La Graufesenque'' bezogen, in späterer Zeit dominieren aufgrund der günstigen Transportwege ostgallische Manufakturen wie Trier (''[[Augusta Treverorum]]'') oder Rheinzabern. Geschirrhändler sind durch mehrere geschlossene Fundkomplexe gut belegt. In einem Keller nördlich des Forums fand man bei Grabungen 1961-62 mindestens 45 fabrikneue, zerscherbte Näpfe der Form ''[[Hans Dragendorff|Dragendorff]]&nbsp;33''.<ref>P. Fasold: ''Ausgrabungen im teutschen Pompeji.'' 1997 S.&nbsp;29.</ref> Im Keller eines großen, vermutlich zweigeschossigen Wohn- und Ladengebäudes westlich des Forums fanden sich ebenfalls große Massen von Sigillata-Gefäßen.<ref>I. Huld-Zetsche in: ''Die Römer in Hessen'' S.&nbsp;284f.</ref> Durch [[Amphore]]nfunde sind vor allem Importe [[Baetica|südspanischen]] Olivenöls geläufig, daneben Weine aus Gallien und ebenfalls meist südspanische Fischsaucen (''[[Garum|garum]]''). Zu den durch Fundstücke dokumentierten Importwaren zählen weiterhin Gläser aus Oberitalien, Gallien und dem vorderen Orient, Bronzearbeiten (vorwiegend Statuetten und Gefäße) aus gallischen und italischen Werkstätten, figürliche [[Terrakotta|Terrakotten]] aus Mittelgallien, Trier und Köln, Votivsteine aus den Donauprovinzen, [[Marmor]] und [[Kalkstein]] für Inschriften und Bauornamentik, [[Bernstein]] und Edelsteine zur Schmuckherstellung, Farbpigmente und [[Austern (Lebensmittel)|Austern]], die in Salzlake eingelegt, von der Atlantikküste importiert wurden. Aufgrund schlechter Erhaltungsbedingungen kaum nachweisbar ist der Handel mit Stoffen, Fellen, Leder, Hölzern, verschiedener Nahrungsmittel, Parfümerien, Weihrauch, Gewürzen, exotischen Tieren und Sklaven. Funde von Gewichten aus Blei, Eisen, Bronze und Stein sowie verschiedener Waagen sind ebenfalls als Indizien für den Handel zu werten.<ref>Zum Handel in Nida und den Nachweisen im Fundmaterial siehe I. Huld-Zetsche, ''NIDA – eine römische Stadt in Frankfurt am Main.'' S.&nbsp;31–33.</ref> === Straßen === Der Straßenzug In der Römerstadt/Heerstraße folgt noch heute im wesentlichen dem Verlauf einer befestigten, schnurgeraden [[Römerstraße]], die von [[Mogontiacum]] (Mainz) zum Westtor des Kastells führte.<ref>I. Huld-Zetsche in: ''Die Römer in Hessen'' S.&nbsp;280f.</ref> In Höhe der Häuser ''In der Römerstadt'' 145 bis 165 sind – nur wenige Meter vom heutigen Gehsteig entfernt – Pflastersteine und Keller aus dieser Epoche erhalten geblieben, ferner die Reste eines farbigen [[Fresko]]s aus dem 2.&nbsp;Jahrhundert.<ref>I. Huld-Zetsche: ''NIDA – eine römische Stadt in Frankfurt am Main.'' S.&nbsp;26f. Abb.&nbsp;28 a und b.</ref> Das Lagerdorf, wo sich Gastwirte, Händler, Schiffer und die mit den Soldaten ziehenden Frauen niederließen, entwickelte sich westlich des Kastells entlang der dortigen Ausfallstraße. Für diese ist der Name ''platea novi vici'' überliefert, was auf die Bezeichnung ''Novus Vicus'' für die früheste Zivilsiedlung hindeutet. Weiter nördlich, etwa entlang der heutigen Haingrabenstraße, verlief eine zweite, ältere Verbindungsstraße nach Mainz, die ''platea praetoria''. Beide Straßennamen sind durch inschriftliche Weihungen an die [[Genius|Genien]] der Straßen belegt.<ref>{{CIL|13|07335}}; {{CIL|13|07337}} – durch die Inschriften erfahren wir auch, dass es Altäre für die Genien in den Straßen gab.</ref> Die Straßen der Stadt besaßen eine Kiesdecke. So ist für die ''platea praetoria'' eine 70&nbsp;cm starke Kiesschüttung nachweisbar. Nida war neben der [[Elisabethenstraße]] nach Mainz Ausgangs- und Kreuzungspunkt zahlreicher weiterer Römerstraßen.<ref>Siehe Georg Wolff: ''Die südliche Wetterau in vor- und frühgeschichtlicher Zeit mit einer archäologischen Fundkarte.'' Frankfurt a. M. 1913.</ref> Unmittelbar nördlich des heutigen Eschersheimer Schwimmbads, in Höhe des „Bubelochs“ sowie südwestlich des Theaters gab es römische Holzbrücken über die Nidda. Die Straßen führten von dort aus nach [[Frankfurt-Bergen-Enkheim|Bergen]] bzw. zum [[Frankfurt-Altstadt|Frankfurter Domhügel]] und weiter zum benachbarten Civitas-Hauptort Dieburg;<ref>D. Baatz in: ''Die Römer in Hessen.'' S.&nbsp;111; I. Huld-Zetsche in: ''Die Römer in Hessen'' S.&nbsp;280.</ref> infolge der Begradigung des Flusses entspricht der heutige Verlauf der Nidda allerdings nicht mehr demjenigen in römischer Zeit. Entlang der Nidda gelangte man zu den [[Römische Thermen Bad Vilbel|Thermen bei Bad Vilbel]]. Im Norden war Nida an zahlreiche Kastellorte wie [[Okarben]], [[Friedberg (Hessen)|Friedberg]], [[Kastell Saalburg]] und [[Kastell Kleiner Feldberg]] angebunden. Eine weitere Nebenstraße verlief in Verlängerung der Straße vor den Westthermen („Thermenstraße“) nach Süden.<ref>I. Huld-Zetsche: ''NIDA – eine römische Stadt in Frankfurt am Main.'' Plan S. 24/25.</ref> === Wohnbauten === Wie in den meisten römischen [[Vicus|Vici]] der Nordwestprovinzen waren die Wohnhäuser der Stadt Nida überwiegend [[Streifenhaus (römisch)|Streifenhäuser]]. Diese konnten besonders zahlreich entlang der südlichen Straße ''(platea novi vici)'' ausgegraben werden. Die in Nida zwischen 5 und 11&nbsp;m breiten und bis zu 40&nbsp;m langen Häuser grenzten mit ihrer schmalen Giebelseite direkt an die Straße, wo meist eine mit den Nachbarhäusern gemeinsame [[Portikus]] vorgeblendet war. Ebenfalls im vorderen Hausbereich befand sich ein Keller, der zur Vorratshaltung genutzt wurde, wie Standspuren von Regalen und Amphoren belegen. Eine Raumaufteilung der Streifenhäuser ist nicht nachgewiesen. Anzunehmen wären Läden, Werkstätten oder Gaststuben im vorderen Teil des Hauses, Lagerschuppen und Brunnen im hinteren Grundstücksbereich. In der letzten Siedlungsphase des 3.&nbsp;Jahrhunderts besaßen die Streifenhäuser einen steinernen Sockel und Wände aus [[Fachwerkhaus|Fachwerk]]. Die Dächer waren mit Schiefer gedeckt.<ref>zu den Streifenhäusern in Nida siehe P. Fasold: ''Ausgrabungen im teutschen Pompeji.'' 1997 S.&nbsp;23f.</ref> Einige wenige Häuser weichen von diesem Bautyp ab und waren etwas großzügiger gestaltet. Nach seiner Lage über den verfüllten Gräben des Alenkastells wurde das Wallgrabenhaus benannt. Das Gebäude mit einer Grundfläche von 9,50&nbsp;×&nbsp;17&nbsp;m besaß sechs Wohnräume und eine zweigeteilte Vorhalle. Der Keller befand sich im hinteren Hausbereich. Weitere aufwendigere Privathäuser der vermögenden Schichten fanden sich abseits des Zentrums. Manche besaßen Innenhöfe mit Säulengängen. Allerdings wurden von diesen keine nach modernen Methoden ausgegraben. Im weiteren Umfeld der Stadt ist eine Verdichtung der Villen nachweisbar. In direkter Nähe der Stadt können nur drei bis vier Anlagen als solche angesprochen werden. Darunter befindet sich die sogenannte ''Praunheimer Villa'', die 1898–1904 von G. Wolff 450&nbsp;m westlich der Stadt ausgegraben wurde, sowie die ''Villa Philippseck''. Letztere befand sich 200&nbsp;m östlich und wurde zusammen mit einem Rittersitz des 16.&nbsp;Jahrhunderts von F. Gündel ausgegraben. Der aufwendige Baukörper mit markanten [[Risalit|Eckrisaliten]] wird auch als ''villa urbana'' bezeichnet.<ref>Zu den Villen siehe Vera Rupp, ''Die ländliche Besiedlung und Landwirtschaft in der Wetterau und im Odenwald während der Kaiserzeit (bis 3.&nbsp;Jahrhundert einschließlich).'' In: H. Bender, H. Wolff (Hrsg.), ''Ländliche Besiedlung und Landwirtschaft in den Rhein-Donau-Provinzen des römischen Reiches.'' Passau/Espelkamp 1991/1994, S.&nbsp;239f. (Passauer Universitätsschriften zur Archäologie 2).</ref> === Forum === Im spitzen Winkel zwischen der ''platea praetoria'' und der ''platea novi vici'' vor dem Westtor des Kastells wurde nach Aufgabe des Kastells und einer vermutlichen Reduzierung des Lagerdorfs das [[Forum (Platz)|Forum]] der Stadt erbaut, um das sich später wichtige Gebäude gruppierten. Die Dreiecksform ist für solche Anlagen selten, ganz in der Nähe liegt aber eine Parallele im dreieckigen Platz des Kastellvicus am [[Kastell Zugmantel]] vor.<ref>Siehe dazu D. Baatz in: D. Baatz/ F.-R. Herrmann (Hrsg.): ''Die Römer in Hessen.'' S. 502.</ref> Die Fläche des Forums in Nida betrug etwa 17.500&nbsp;m². Neben der Funktion als Markt- und Versammlungsort besaßen Foren römischer Städte üblicherweise eine Gerichtshalle (''basilica''), Regierungsgebäude (''curia'') und meist einen größeren Tempel. Gut dokumentierte Beispiele solcher Anlagen in Rechteckform gibt es in [[Augst]] (''[[Augusta Raurica]]''), [[Kempten (Allgäu)|Kempten]] ([[Cambodunum]]) und [[Ladenburg]] (''Lopodunum''). Über das Heddernheimer Forum ist wenig bekannt, da das Areal nicht großflächig untersucht wurde. Ein Rechteckbau von 8&nbsp;×&nbsp;10&nbsp;m könnte möglicherweise zur Substruktion eines Podiumstempel gehören.<ref>I. Huld-Zetsche: ''NIDA – eine römische Stadt in Frankfurt am Main.'' S.&nbsp;20.</ref> Funde von Steindenkmälern aus einem benachbarten Brunnen sind ebenfalls den öffentlichen Gebäuden zuzurechnen. Um das Forum gruppierten sich wichtige öffentliche Gebäude. Westlich davon lagen die Westthermen, südlich der Hallenbau und das Prätorium mit Ostthermen. Im Norden grenzte ein großes Gebäude mit einer Front von 25&nbsp;m an das Forum, das als Magazin gedeutet wird.<ref>I. Huld-Zetsche: ''NIDA – eine römische Stadt in Frankfurt am Main.'' S.&nbsp;21.</ref> === Prätorium === Das öffentliche Unterkunftshaus im Südosten der Siedlung gehört zu den am besten ergrabenen Gebäuden. Es befand sich südlich der großen Straßenkreuzung. Die 62 nachgewiesenen Räume gruppieren sich um einen zentralen Innenhof. Eine Zweigeschossigkeit wird vermutet. Östlich grenzte ein weiterer von einer ''Portikus'' umschlossener Hof ''([[palaestra]])'' sowie die Ostthermen an. Ein Hof und Stallgebäude südlich der Anlage dürften zur Aufnahme von Wagen und Zugtieren gedient haben. Zur Straße war das Gebäude repräsentativ mit einer weiteren Portikus gestaltet. Die ganze Anlage besaß eine Größe von 43&nbsp;×&nbsp;70&nbsp;m. === Thermen === Direkt östlich des Prätoriums schlossen sich die großzügig ausgestatteten Ostthermen mit einer Größe von 36&nbsp;×&nbsp;64&nbsp;m an. Hinweise auf die Ausstattung geben Funde von quadratischen Ziegelplättchen, farbigem Wandverputz und steinerne Architekturfragmente. Hinter der an das Prätorium angebauten ''palaestra'' gliederten sich die Badetrakte ''([[frigidarium]], [[caldarium]], [[tepidarium]])'' entlang eines axialen Mitteltraktes. Umkleideräume, das Kaltwasserbecken, das Schwitzbad ''([[sudatorium]])'' sowie Toiletten mit Wasserspülung waren seitlich angebaut. Da die Ostthermen einen eindeutigen baulichen Bezug zum Prätorium aufwiesen, waren die Bürger von Nida wahrscheinlich auf ein eigenes Thermengebäude angewiesen. Diese sogenannten ''Westthermen'' entstanden an der Westseite des dreieckigen Marktplatzes. Sie wiesen eine Größe von 45&nbsp;×&nbsp;68&nbsp;m auf, was einer für Provinzstädte üblichen Größe entsprach. Die zivile Nutzung wird durch eine doppelte Traktfolge für Männer und Frauen unterstrichen. Die ''palaestra'' mit einer Fläche von 13,6&nbsp;×&nbsp;20,4&nbsp;m war als Innenhof gestaltet. In einer Ecke des Hofs befand sich der Unterbau für ein Steindenkmal oder eine Statue. === Theater === Ein hölzernes Theater konnte im Süden der Siedlung nachgewiesen werden. Es ist das einzige bekannte seiner Art auf rechtsrheinischem Boden und bot etwa 1.000 bis 1.500 Personen Platz. Bei den Ausgrabungen 1929 wurde das Gebäude in die Kastellzeit Heddernheims datiert. Eine weitere Nutzung durch die Zivilbevölkerung nach dem Abzug der Truppen ist jedoch denkbar. === Tempel === Aus Nida sind keine [[Befund (Archäologie)|Befunde]] von oberirdischen Tempelbauten bekannt. Gleichwohl gibt es zahlreiche Hinweise auf solche Tempel durch Inschriften und andere Steindenkmäler. Statuen der ''dea candida'' und des ''Mercurius negotiator'' können als Kultbilder von Heiligtümern angesprochen werden. Überproportional häufige Funde, die auf sogenannte Mysterienreligionen hinweisen, sind ebenfalls der Quellenlage geschuldet, die sich auf die Steindenkmäler stützt. Im Fall der unterirdisch angelegten Mithräen kommen günstige Erhaltungsbedingungen hinzu. ==== Mithräen ==== Insgesamt fünf Heiligtümer des [[Mithraismus|Mithraskults]] konnten in Heddernheim nachgewiesen werden. 1826 erlangten die Ausgrabungen im „Heidenfeld“ Berühmtheit durch die Funde von zwei Mithräen im Nordwesten des ''Vicus''. Das dabei entdeckte drehbare Kultbild aus dem Mithräum I findet bis heute Eingang in zahlreiche Abhandlungen zum Mithraskult.<ref>Etwa David Ulansey: ''Die Ursprünge des Mithraskults. Kosmologie und Erlösung in der Antike''. Stuttgart 1998, ISBN 3-8062-1310-0, Abb. 2.1.</ref> Das Mithräum III wurde 1894 westlich des Prätoriums entdeckt. Die Funde dieser drei ersten Mithräen befinden sich mehrheitlich in Wiesbaden. Das Mithräum IV befand sich südwestlich des Holztheaters. Es wurde 1926 leer aufgefunden und wurde wahrscheinlich vorzeitig wegen der Anlage der nahe gelegenen südlichen Stadtmauer aufgegeben. Funde eines fünften Mithräums konnten in den 1960er Jahren während des Baus der Nordweststadt von privater Seite gesammelt werden, ohne dass eine Dokumentation des Fundzusammenhangs stattgefunden hätte. ==== Magna Mater/ Kybele und Dendrophorenkeller ==== [[Datei:Frankfurt Heddernheim Dendrophoreninschrift.jpg|thumb|Dendrophoreninschrift aus einem Keller der Römerstadt NIDA-Heddernheim im [[Archäologisches Museum Frankfurt|Archäologischen Museum Frankfurt a.M.]].]] Auch die Anwesenheit des [[Magna Mater deum Idea|Magna-Mater]]- oder [[Kybele- und Attiskult|Kybele]]-Kults wird aus einer Inschrift deutlich, die deshalb als Dendrophoreninschrift bekannt wurde.<ref name="Dendro"/> Das Kollegium der ''dendrophori'' (= „Baumträger“) gehörte zu einem hohen Feiertag des Kultes. Sie brachten am 22.&nbsp;März einen frisch gefällten und geschmückten Baum, der ein Bildnis des [[Attis]] trug.<ref>I. Huld-Zetsche: ''NIDA – eine römische Stadt in Frankfurt am Main.'' S. 46</ref> Die Inschrift belegt die Erbauung eines Versammlungshauses ''(scola)'' aus eigenen Mitteln zusammen mit dem Kollegium aus dem benachbarten Dieburg. Das Grundstück wurde ihnen von den Bürgern von Nida zugewiesen. Die Inschrift fand sich 1961 in einem sehr kleinen Keller im Nordwesten des ''Vicus''. Das erwähnte Gebäude oder ein Tempel der Göttin selbst konnten nicht nachgewiesen werden. ==== Jupiter Dolichenus ==== Auch ein ''Dolichenum'' als Heiligtum des [[Iupiter Dolichenus]] ist nur durch Funde belegt. Es handelt sich um einen Altar, fünf silberne Votivbleche, zwei bronzene Hände, zwei Bronze-Reliefs in Dreieckform sowie eine bronzene ''[[Tabula ansata]]'', die vermutlich als Beschriftung einer Votivgabe diente. Die Funde gelangten von privaten Findern bereits früh im 19.&nbsp;Jahrhundert in den Kunsthandel und wurden nach Berlin und an das [[British Museum]] in London verkauft. Der Altar und eine beschriftete Hand kamen in den Besitz der [[Solms (Adelsgeschlecht)|Grafen von Solms-Rödelheim]]. Nur wenige Teile gelangten in den Besitz der Museen in Frankfurt und Wiesbaden. Die Fundstelle wird nach Friedrich Gustav Habel direkt südwestlich des Forums vermutet. === Stadtmauer === [[Datei:Nida Heddernheim Wall.jpg|thumb|Letzter erhaltener Rest der römischen Stadtmauer – ein Wall vor dem Haus ''Am Forum'' 29, ehemals Teil der Ost-Umwehrung.]] Als das Grenzland im 3.&nbsp;Jahrhundert unsicherer wurde (siehe [[Reichskrise des 3. Jahrhunderts]]), benötigte auch Nida eine Stadtmauer. Sie wurde zu Beginn des Jahrhunderts errichtet. Einige Gebäude und Wohnviertel der ursprünglich weitgestreuten Bebauung fielen ihr im Osten, Süden und Westen zum Opfer. Sie besaß eine Länge von 2.750&nbsp;m und bestand aus einer 6&nbsp;m hohen und 2&nbsp;m breiten Mauer. Außer den acht Toren kamen in regelmäßigem Abstand Türme hinzu. Der Mauer vorgelagert war ein 7&nbsp;m breiter und 2,25&nbsp;m tiefer Graben sowie ein 23&nbsp;m breites Annäherungshindernis aus zahlreichen Gruben ''(lilia)'', die zum Schutz gegen Reiterangriffe dienten. Die Mauer selbst wurde in Schalentechnik erbaut. Einem Kern aus Gussmauerwerk waren Sandsteinquader vorgeblendet. Einige der Zinnendecksteine haben sich im Spitzgraben gefunden. Der größte Teil der Steine fiel in nachrömischer Zeit dem Steinraub zum Opfer. Von welcher Seite dieses Bauprogramm initiiert wurde, lässt sich mangels schriftlicher Quellen nicht sagen. Das monumentale Bauwerk zeugt indes von einem Behauptungswillen der Bevölkerung im Grenzland. Die sorgfältige Bauweise zeigt, dass sie nicht in einer plötzlichen Notsituation erbaut wurde. Zahlreiche weitere Siedlungen rechts des Rheins wie Dieburg oder [[Ladenburg]] erhielten in dieser Zeit ebenfalls eine Umwehrung. Unklar bleibt, wer die Verteidigung der Mauer übernahm. Wenn es sich nicht um reguläre Soldaten gehandelt hat, käme als Erklärung die stärkere Präsenz von Germanen im Fundmaterial des 3.&nbsp;Jahrhunderts in Frage.<ref>I. Huld-Zetsche, ''NIDA – eine römische Stadt in Frankfurt am Main.'' S.&nbsp;28 und Abb.&nbsp;107.</ref> Dass die Bevölkerung im Grenzland angesichts der Staatskrise unter den [[Soldatenkaiser]]n Maßnahmen in Eigenregie ergriffen hat, ist vereinzelt inschriftlich belegt, so durch eine Inschrift aus dem [[Kastell Altenstadt]].<ref>{{CIL|13|7424}}; Peter Knieriem in: Egon Schallmayer (Hrsg.): ''Der Augsburger Siegesaltar - Zeugnis einer unruhigen Zeit.'' Saalburgmuseum Bad Homburg v. d. H. 1995 S. 39 (Saalburg-Schriften 2).</ref> Zu diesen Maßnahmen gehört wahrscheinlich der sogenannte ''Hallenbau'', ein anscheinend militärisch genutztes Gebäude des dritten Jahrhunderts südlich des Marktplatzes.<ref>I. Huld-Zetsche in: D. Baatz, F.-R. Herrmann (Hrsg.): ''Die Römer in Hessen'' S.&nbsp;291; P. Fasold: ''Ausgrabungen im teutschen Pompeji.'' 1997 S. 43; [http://www.archaeologie.uni-frankfurt.de/provroem/absolventen/nida.html Nida-Heddernheim im 3. Jahrhundert].</ref> Die Funde (unter anderem drei der in Heddernheim gefundenen Helme, Militärfibeln und Teile eines Schwertgehänges) weisen eindeutig auf eine militärische Nutzung. === Hafenanlage an der Nidda === Südöstlich der Stadt unterhalb der Hadrianstraße an der Nidda wurden 1927–29 die Überreste einer römischen Hafenanlage ausgegraben. Sie besaß Anlegerampen an beiden Ufern und auf der Stadtseite mehrere größere Gebäude, die als Lagerhallen oder Kontore gedient haben. Der Fluss besaß in römischer Zeit eine Wassertiefe von knapp unter 1&nbsp;m bei einem Gefälle von 0,7&nbsp;‰ und einer Wasserführung von 9,50&nbsp;m³/s. Ob dies auch für größere Lastkähne, besonders die in römischer Zeit bevorzugt verwendeten flachbodigen [[Schiffe ohne eigenen Antrieb#Prahm|Prähme]] ausreichte, ist nicht ganz geklärt.<ref>Zahlen nach Martin Eckoldt: ''Schiffahrt auf kleinen Flüssen Mitteleuropas in Römerzeit und Mittelalter.'' Schriften des Deutschen Schiffahrtsmuseums 14, Oldenburg, Hamburg, München 1980 S.&nbsp;89; Eckoldt hält dies auch für größere Schiffe ausreichend; I. Huld-Zetsche: ''NIDA – eine römische Stadt in Frankfurt am Main.'' S.&nbsp;33 meint, dass statt größerer Schiffe nur kleine Lastkähne verwendet werden konnten. Unklar ist auch weiterhin, ob die Nidda flussaufwärts, etwa bis zum Kastell Ober-Florstadt am Limes, schiffbar war. Dazu zuletzt Jörg Lindenthal: ''Die ländliche Besiedlung der nördlichen Wetterau in römischer Zeit.'' Materialien zur Vor- und Frühgeschichte von Hessen 23 (Wiesbaden 2007) S.&nbsp;7; P. Fasold: ''Stadtgemeinde der Taunenser.'' S. 13.</ref> Wichtig für die Versorgung der Römerstadt war besonders der Anschluss an das Flussnetz von Rhein und Main. Von der nahe gelegenen Militärziegelei in Nied dürfte ein erheblicher Teil der Keramikprodukte sowie weiteres Baumaterial für die Bauten am Limes und in der ''Civitas'' im Hafen von Nida umgeschlagen worden sein. Zerbrechliche oder besonders schwere Waren wurden insgesamt bevorzugt auf dem Wasserweg transportiert. Zusammen mit den gut ausgebauten Römerstraßen steigerte der Umschlagplatz die Bedeutung Nidas als regionales Wirtschaftszentrum. === Gräberfelder === [[Datei:Frankfurt Heddernheim Malergrab.jpg|thumb|Das Malergrab aus NIDA-Heddernheim. Grabinventar eines römischen Malers mit 29 Farbtöpfen im Archäologischen Museum Frankfurt a.M.]] Insgesamt elf Gräberfelder werden in der archäologischen Literatur unterschieden. Da diese nicht großflächig ergraben wurden und über weite Bereiche nördlich und westlich der Stadt streuen, kann nicht gesagt werden, ob diese Unterscheidung auch in der Antike gültig war. Wie in römischen Städten üblich, befanden sich diese außerhalb des Stadtgebiets entlang der Ausfallstraßen. Friedhof 1 befand sich im Areal des späteren südlichen Westtores der Stadt und dürfte zu den frühen Soldatenfriedhöfen gehören. Zu den Funden gehören außer wenigen Brandgräbern zwei Grabsteine von Soldaten der 32.&nbsp;Freiwilligenkohorte. Das Gräberfeld 2 erstreckte sich beiderseits entlang der nördlichen Ausfallstraße nach Mainz und enthielt 300 Brandgräber aus der Zeit zwischen 70 und 120&nbsp;n.&nbsp;Chr. sowie wenige spätere Nachbestattungen. Obwohl zehn Soldaten- oder Reitergrabsteine aus dem Gräberfeld bekannt sind, handelte es sich um keinen reinen Soldatenfriedhof. Friedhof 3 lag als nördlicher Teil des „Älteren Praunheimer Gräberfeldes“ entlang der heutigen Hainstraße im Bereich der Praunheimer Villa. Wohl ein Gräberfeld der Kastellzeit, vermutlich aber von Zivilisten genutzt. Nördlich der Stadt in Nähe zum Gräberfeld 10 lag Friedhof 4. Wie Friedhof 3 wohl der Kastellzeit zugehörig, ohne, dass Soldatengräber belegt wären. Gräberfeld 5 befand sich beiderseits der [[Saalburgstraße]] und gehört der Zeit der Zivilstadt an. Überwiegend Brandgräber, aber auch wenige Körperbestattungen sind belegt. Friedhof 6 befand sich entlang der Straße zum Kastell Okarben. Wie bei Gräberfeld 5 können keine genauen Angaben zur Zahl der Bestattungen oder zur Chronologie gemacht werden, da systematische Grabungen fehlen. Eine Besonderheit des Gräberfeldes 6 ist der Fund des sogenannten Malergrabs, das im Archäologischen Museum ausgestellt wird. Neben Ess- und Trinkgeschirr (zum Beispiel ein großer Doppelhenkelkrug) enthielt es 29 Farbtöpfe mit Pigmentresten. Analysen zeigten, dass dem Maler vier Grundfarben (Eisenrot, Kupferblau, Bleiweiß und Bleirot) zur Verfügung standen. Mit 71 Gräbern befand sich Gräberfeld 7 etwas weiter außerhalb, ebenfalls an der Okarbener Straße. Auch dieses gehört in die Stadtzeit des 2.&nbsp;Jahrhunderts. Eine Besonderheit ist die Einfriedung in Form eines unregelmäßigen Vierecks, die wohl Ausdruck einer Gemeinschaft war. Möglicherweise lässt das auf ein Handwerker- oder Bestattungscollegium schließen, wie sie in vielen römischen Städten nachgewiesen sind.<ref>So wahrscheinlich auch in Heddernheim ein ''collegium fabrum tignariorum'' (Zimmerleute) {{CIL|13|07371}}, siehe auch I. Huld-Zetsche: NIDA – eine römische Stadt in Frankfurt am Main. S.&nbsp;31.</ref> Die Grabbeigaben lassen aber keine Unterschiede zu anderen Gräberfeldern erkennen. Gräberfeld 8 lag vor der nordwestlichen Ecke der Stadtmauer. Nur wenige Brand- und Körperbestattungen konnten hier durch Funde aus Baugruben erfasst werden, die eine Einordnung in die Stadtzeit ermöglichten. Das „Jüngere Praunheimer Gräberfeld“ (9) befand sich vor dem südlichen Westtor der Stadt und es dürfte sich um den größten und angesehensten Friedhof gehandelt haben; er wurde allerdings nur sehr unvollständig untersucht. Die Gräber lagen beiderseits der Straße nach Mainz. Neben der prominenten Lage an der wichtigsten Straße deuten auch die Funde auf vornehmere Bestattungen. Außer den üblichen Brandbestattungen enthielt er auch zahlreiche Körpergräber. Auffällig ist, dass hier mehr Brandgräber in Steinkisten belegt sind, als in den nördlichen Gräberfeldern. Neben Körperbestattungen in Holzsärgen fand man hier auch drei Steinsarkophage. Friedhof 10 wurde im 3.&nbsp;Jahrhundert an Stelle des früheren Friedhofs 4 angelegt, wobei die alten Brandgräber teilweise geschnitten wurden. Von dem Vorgänger war anscheinend oberirdisch nichts mehr sichtbar. Er umfasste 50 Körperbestattungen, die sehr ärmlich ausgestattet waren. Bedeutsam ist das Grab eines Germanen in römischen Diensten. Das kleine Gräberfeld 11 lag weit abseits im Westen auf Praunheimer Gebiet. Die 10 Brandgräber bildeten ursprünglich das östliche Ende von Gräberfeld 2. Auffällig ist eine Gruppe regellos bestatteter Körpergräber mit ärmlichen Beigaben. Darunter fanden sich einige in sehr unnatürlicher Lage: Bei einem Skelett fehlte der Kopf, zwei weitere waren gewaltsam zerrissen, eines lag in verdrehter Haltung. Es dürfte sich wahrscheinlich um Sonderbestattungen sozial ausgestoßener (Verbrecher u. ä.) handeln, wie sie häufig in Randlage römischer Nekropolen belegt sind.<ref>Unter anderem im römischen Gräberfeld von Kempten-Keckwiese, siehe M. Mackensen, Das römische Gräberfeld auf der Keckwiese in Kempten. Materialh. Bayer. Vorgesch. 34 (Kallmünz 1984) bzw. A. Faber, Das römische Gräberfeld auf der Keckwiese in Kempten. Materialh. Bayer. Vorgesch. 75 (Kallmünz 1998); zu den Sonderbestattungen siehe auch Peter Fasold: ''Römischer Grabbrauch in Süddeutschland.'' Stuttgart 1992, S.&nbsp;21 f. und Abb.&nbsp;34 (Schriften des Limesmuseums Aalen 46).</ref> == Literatur == === Aktuelle Überblicksdarstellungen === * Peter Fasold: ''Stadtgemeinde der Taunenser.'' In: [[Egon Schallmayer]] u.a. (Hrsg.): ''Die Römer im Taunus.'' Societäts-Verlag Frankfurt a. M. 2005, ISBN 3-7973-0955-4, S.&nbsp;12–14. * Peter Fasold: ''Zur Gründung des Civitas-Hauptortes NIDA.'' In: Egon Schallmayer (Hrsg.): ''Traian in Germanien, Traian im Reich. Bericht des Dritten Saalburgkolloquiums.'' Saalburgmuseum, Bad Homburg v.&nbsp;d.&nbsp;H. 1999, ISBN 3-931267-04-0, S.&nbsp;235–246 (Saalburg-Schriften 5). * Peter Fasold: ''Ausgrabungen im teutschen Pompeji. Archäologische Forschung in der Frankfurter Nordweststadt.'' Museum für Vor- und Frühgeschichte, Frankfurt am Main, 1997. * {{DNP|15/1|980|984|Nida-Frankfurt|Peter Fasold}} * Ingeborg Huld-Zetsche: ''NIDA – eine römische Stadt in Frankfurt am Main.'' Stuttgart, 1994 (Schriften des Limesmuseums Aalen 48). * Ingeborg Huld-Zetsche: ''Frankfurt am Main. Heddernheim, Nordweststadt, Praunheim: Militärlager und Civitas-Hauptort.'' in: [[Dietwulf Baatz]] und [[Fritz-Rudolf Herrmann]] (Hrsg.): ''Die Römer in Hessen''. 3. Auflage. 1989. Lizenzausgabe Nikol, Hamburg 2002, ISBN 3-933203-58-9, S.&nbsp;275–293. === Untersuchungen zu Teilgebieten der archäologischen Forschung === '''Zu den rechtsrheinischen Civitas-Hauptorten''' * Klaus Kortüm: ''Städte und kleinstädtische Siedlungen. Zivile Strukturen im Hinterland des Limes.'' In: ''Imperium Romanum. Roms Provinzen an Neckar, Rhein und Donau.'' Archäologisches Landesmuseum Baden-Württemberg, Esslingen 2005, ISBN 3-8062-1945-1, S. 154–164. * C. Sebastian Sommer: ''Die städtischen Siedlungen im rechtsrheinischen Obergermanien.'' In: [[Hans-Joachim Schalles]] (Hrsg.): ''Die römische Stadt im 2. Jahrhundert n. Chr. Der Funktionswandel des öffentlichen Raumes.'' Kolloquium Xanten 2. bis 4. Mai 1990, Rheinland-Verlag, Köln 1992 ISBN 3-7927-1252-0 (Xantener Berichte 2) S.&nbsp;119–141. ''' Gräberfelder ''' * Peter Fasold: ''Tausendfacher Tod. Die Bestattungsplätze des römischen Militärlagers und Civitas-Hauptortes NIDA im Norden Frankfurts.'' Archäologisches Museum, Frankfurt 2004, ISBN 3-88270-348-2 (Archäologische Reihe 20). * Peter Fasold: '' Die Bestattungsplätze des römischen Militärlagers und Civitas-Hauptortes NIDA (Frankfurt am Main-Heddernheim und -Praunheim).'' 3 Bände, davon 2 seit 2006 verfügbar, 3. Band in Vorbereitung (Schriften des Frankfurter Museums für Vor- und Frühgeschichte 20). * [[Wolfgang Czysz]]/ H.-G. Bachmann: ''Das Grab eines römischen Malers aus Nida-Heddernheim.'' In: [[Germania (Zeitschrift)|Germania]] 55, 1977, S.&nbsp;85–107. ''' Stadtmauer ''' * Carsten Wenzel: ''Die Stadtbefestigung von NIDA-Heddernheim.'' Frankfurt, 2000, ISBN 3-88270-339-3 (Schriften des Frankfurter Museums für Vor- und Frühgeschichte 17). ''' Wandmalereien ''' * Rüdiger Gogräfe: ''Die Römischen Wand- und Deckenmalereien im nördlichen Obergermanien''. Neustadt an der Weinstrasse 1999, ISBN 3-9805635-2-9, S. 322–358 (Archäologische Forschungen in der Pfalz 2). * Mathilde Schleiermacher: ''Der Freskenraum von NIDA.'' Frankfurt 1995, ISBN 3-88270-326-1 (Archäologische Reihe 15). ''' Keramikherstellung/Wetterauer Ware ''' * Susanne Biegert: ''Römische Töpfereien in der Wetterau.'' Frankfurt 1999, ISBN 3-88270-334-2 (Schriften des Frankfurter Museums für Vor- und Frühgeschichte 15) * Vera Rupp: ''Wetterauer Ware – Eine römische Keramik im Rhein-Main-Gebiet.'' Frankfurt 1988, ISBN 3-7749-2317-5 (Schriften des Frankfurter Museums für Vor- und Frühgeschichte 10). ''' Dendrophorenkeller ''' * Peter Fasold: ''Die Keramik aus dem Dendrophorenkeller von Nida-Heddernheim.'' In: ''Saalburg-Jahrbuch'' 47, 1994, S.&nbsp;71–78. ''' Münzfunde ''' * Helmut Schubert: ''Die Fundmünzen der römischen Zeit in Deutschland (FMRD)'' Abt. V: ''Hessen''. Bd. 2,2: ''Darmstadt; Frankfurt am Main''. Mainz 1989, ISBN 3-7861-1552-4, S.&nbsp;19–300. * Helmut Schubert: ''Die römischen Fundmünzen aus NIDA-Heddernheim.'' Frankfurt 1984 ISBN 3-88270-301-6 (Archäologische Reihe 2) ''' Mithras ''' * Ingeborg Huld-Zetsche: ''Mithras in NIDA-Heddernheim.'' Frankfurt 1986, ISBN 3-88270-306-7 (Archäologische Reihe 6) ''' Steindenkmäler ''' * Walter Meier-Arendt u.a. (Hrsg.): ''Römische Steindenkmäler aus Frankfurt am Main.'' Frankfurt 1983 (Archäologische Reihe 1). ''' Forschungsgeschichte ''' * Ingeborg Huld-Zetsche: ''150 Jahre Forschung in Nida-Heddernheim.'' In: ''[[Nassauische Annalen]]'' 90, 1979, S.&nbsp;5–26. ''' Grabungspublikation der Kastelle durch die [[Reichs-Limes-Kommission]] ''' * [[Georg Wolff (Archäologe)|Georg Wolff]]: ''Das Kastell und die Erdlager von Heddernheim.'' In: [[Ernst Fabricius]], [[Felix Hettner]], [[Oscar von Sarwey]] (Hrsg.): ''[[Der obergermanisch-raetische Limes des Römerreiches]]'' Abt. B 2,3 Nr. 27 (1915). === Publikationen der Ausgrabungsphase 1954 bis 1965 === * Ulrich Fischer: ''Grabungen im römischen Steinkastell von Heddernheim 1957–1959.'' Frankfurt 1973, ISBN 3-7829-0146-0 (Schriften des Frankfurter Museums für Vor- und Frühgeschichte 2). * Ulrich Fischer u.a.: ''Grabungen im römischen Vicus von Nida-Heddernheim 1961–1962.''. Verlag R. Habelt, Bonn, 1998, ISBN 3774928444 (Schriften des Frankfurter Museums für Vor- und Frühgeschichte 14). === Forschungen aus der Zeit vom Ende des 19 Jahrhundert bis zum Zweiten Weltkrieg === * Karl Woelcke: ''Der neue Stadtplan von Nida-Heddernheim.'' In: [[Germania (Zeitschrift)|Germania]] 22, 1938, S. 161–166. * Friedrich Gündel: ''Nida-Heddernheim. Ein populärwissenschaftlicher Führer durch die prähistorischen und römischen Anlagen im „Heidenfelde“ bei Heddernheim.'' M. Diesterweg-Verlag, Frankfurt am Main 1913. * ''Mitteilungen über römische Funde in Heddernheim'' Bd. I-VI vom Frankfurter Verein für Geschichte und Landeskunde, 1894–1918. * Georg Wolff: ''Die Römerstadt Nida bei Heddernheim und ihre Vorgeschichte''. Jügels-Verlag, Frankfurt am Main 1908. === Älteste Forschungen zu Nida-Heddernheim === * [[Friedrich Gustav Habel]]: ''Die römischen Ruinen bei Heddernheim'', In: ''Nassauische Annalen'' 1827, Bd.I, S. 45. == Weblinks == {{Commonscat|Nida-Heddernheim}} * [http://www.forum-nida.de/index.html Archäologisches Forum Nida e.&nbsp;V.] in Frankfurt-Heddernheim * [http://www.archaeologisches-museum.frankfurt.de/dauer/roemer.html Dauerausstellung „Römerzeit“] im [[Archäologisches Museum Frankfurt|Archäologischen Museum Frankfurt]] == Einzelnachweise == <references /> {{SORTIERUNG:Nida}} [[Kategorie:Archäologischer Fundplatz in Hessen]] [[Kategorie:Bodendenkmal in Hessen]] [[Kategorie:Römische Stadt]] [[Kategorie:Geschichte von Frankfurt am Main]] {{Coordinate|article=/|NS=50.154109|EW=8.637743|type=landmark|region=DE-HE}} {{Exzellent|29. August 2009|http://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Nida_(r%C3%B6mische_Stadt)&oldid=63802691}} 69mh3sqzdcqu7nvpo1u7jclok1fdscn wikitext text/x-wiki Friedrich Nietzsche 0 24002 26600 2010-05-11T14:33:23Z RibotBOT 0 Bot: Ergänze: [[ext:Friedrich Nietzsche]] {{Dieser Artikel|befasst sich mit dem Philosophen Friedrich Nietzsche; zu weiteren Namensträgern siehe [[Nietzsche (Begriffsklärung)]].}} [[Datei:Nietzsche1882.jpg|thumb|Friedrich Nietzsche, 1882 (Photographie von [[Gustav-Adolf Schultze]])]] [[Datei:IMG_2473 Nietzsche.JPG|thumb|Denkmal auf dem Holzmarkt in [[Naumburg (Saale)|Naumburg]]]] '''Friedrich Wilhelm Nietzsche''' (* [[15. Oktober]] [[1844]] in [[Röcken]] bei [[Lützen]]; † [[25. August]] [[1900]] in [[Weimar]]) war ein [[Deutschland|deutscher]] [[Philosoph]], [[Dichter]] und [[Klassische Philologie|klassischer Philologe]]. Im Alter von 24 Jahren wurde Nietzsche Professor für klassische Philologie in Basel. Bereits zehn Jahre später legte er wegen Krankheiten, die ihn schon von Kindheit an sein Leben lang begleiteten, die Professur nieder. Von nun an reiste er als heimatloser und noch recht unbekannter Autor zwischen Frankreich, Italien, Deutschland und der Schweiz umher. Als er 44 Jahre alt war, brach eine schwere Geisteskrankheit aus. Die letzten elf Jahre seines Lebens verbrachte Nietzsche in der Pflege seiner Mutter und seiner Schwester. Erst zu dieser Zeit erlangten seine Schriften größere Resonanz. Der junge Nietzsche fühlte sich der Philosophie [[Arthur Schopenhauer|Schopenhauers]] verbunden. Später wollte er Schopenhauers [[Pessimismus]] überwinden und stellte eine radikale Lebensbejahung in den Mittelpunkt seiner Philosophie. Sein Werk enthält tiefgreifende Kritiken an [[Moral]], [[Religion]], [[Philosophie]], [[Wissenschaft]] und Formen der [[Kunst]]. Der als lebensschwach empfundenen Gegenwart stellte er oft das [[Antikes Griechenland|antike Griechenland]] gegenüber. Wiederkehrendes Ziel von Nietzsches Angriffen ist vor allem die [[Christentum|christliche]] Moral sowie die christliche und [[platon]]istische [[Metaphysik]]. Er stellte den Wert der [[Wahrheit]] überhaupt in Frage und wurde damit Wegbereiter [[Philosophie der Gegenwart|moderner und postmoderner philosophischer Ansätze]]. Auch Nietzsches Konzepte, etwa des „[[Übermensch]]en“, des „[[Wille zur Macht|Willens zur Macht]]“ oder der „[[Ewige Wiederkunft|ewigen Wiederkunft]]“, geben bis heute Anlass zu Deutungen und Diskussionen. Nietzsches Denken hat weit über die Philosophie hinaus gewirkt und ist bis heute unterschiedlichsten Deutungen und Bewertungen begegnet. Seine Schriften entbehren einer strengen Systematik; er hat oft den [[Aphorismus]] als Ausdrucksform des Gedankens gewählt. Sowohl sein Prosastil als auch seine Gedichte und der pathetisch-lyrische Stil von ''[[Also sprach Zarathustra]]'' haben ihm auch als Schriftsteller Anerkennung verschafft. Das biographische und psychologische Interesse an der Person Nietzsche ist deutlich stärker als bei anderen Philosophen. == Leben == === Jugend (1844–1869) === [[Datei:Nietzsche1861.jpg|thumb|Nietzsche im Alter von 17 Jahren, 1861]] Friedrich Nietzsche wurde am 15. Oktober 1844 in [[Röcken]] geboren, einem Dorf nahe Lützen in der [[Preußen|preußischen]] [[Provinz Sachsen]], heute [[Sachsen-Anhalt]]. Seine Eltern waren der [[Lutheraner|lutherische]] Pfarrer [[Carl Ludwig Nietzsche]] und dessen Frau Franziska, geborene Oehler (1826–1897). Seit der [[Reformation]] im 16. Jh. ist die Familie Nietzsche in Sachsen als evangelisch dokumentiert. In den Familien beider Elternteile gab es einen hohen Anteil protestantischer Geistlicher. Seinen Vornamen erhielt er zu Ehren des preußischen Königs [[Friedrich Wilhelm IV. (Preußen)|Friedrich Wilhelm IV.]], an dessen 49. Geburtstag er geboren wurde. Die Schwester [[Elisabeth Förster-Nietzsche|Elisabeth]] kam 1846 zur Welt. Nach dem Tod des Vaters 1849 und des jüngeren Bruders Ludwig Joseph (1848–1850) zog die Familie nach [[Naumburg (Saale)]]. Der spätere Justizrat [[Bernhard Dächsel]] wurde formal zum Vormund der Geschwister Friedrich und Elisabeth bestellt. [[Datei:Nietzsche 1862b.JPG|thumb|left|Nietzsche als 18-Jähriger, 1862]] Von 1850 bis 1856 lebte Nietzsche im Naumburger „Frauenhaushalt“ zusammen mit Mutter und Schwester, Großmutter und zwei unverheirateten Tanten väterlicherseits sowie dem Dienstmädchen. Erst durch die Erbschaft der 1856 verstorbenen Großmutter konnte die Mutter sich mit den Kindern eine eigene Wohnung nehmen. Der junge Nietzsche besuchte zunächst eine allgemeine Knabenschule, wo er sich isoliert fühlte; daraufhin wurde er auf eine Privatschule geschickt, wo er erste Jugendfreundschaften mit Gustav Krug und Wilhelm Pinder, beide aus angesehenen Häusern, knüpfte. Nach dem Privatunterricht besuchte er ab 1854 das [[Domgymnasium Naumburg]]. Nachdem bereits dort seine besondere Begabung im musischen und sprachlichen Bereich aufgefallen war, durfte er seine Ausbildung von 1858 bis 1864 am angesehenen Internat [[Landesschule Pforta|Schulpforta]] fortsetzen. Hier lernte er als bleibende Freunde [[Paul Deussen]] und Carl Freiherrn von [[Gersdorff]] kennen. Seine schulischen Leistungen waren sehr gut; daneben fand er immer wieder Zeit zum Dichten und Komponieren. In Schulpforta konnte er durch den Unterricht und den Zugang zur Literatur sein Wissen erheblich erweitern. Insbesondere bildete sich hier seine Vorstellung der [[Antike]] und, zum Teil damit einhergehend, seine Distanz zur eher kleinbürgerlich-christlichen Welt seiner Familie heraus. In dieser Zeit lernte Nietzsche auch den älteren, einstmals politisch engagierten Dichter [[Ernst Ortlepp]] kennen, dessen Persönlichkeit den vaterlosen Knaben beeindruckte. Von Nietzsche besonders geschätzte Lehrer, mit denen er nach seiner Schulzeit noch in Verbindung blieb, waren Wilhelm Corssen, der spätere Rektor [[Diederich Volkmann]] sowie [[Max Heinze]], der übrigens 1897, als Nietzsche [[Entmündigung|entmündigt]] war, zu dessen [[Vormund]] bestellt wurde. [[Datei:Nietzsche187b.jpg|thumb|Nietzsche als Artillerist, 1868]] Im [[Semester|Wintersemester]] 1864/65 begann Nietzsche an der [[Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn|Universität Bonn]] das Studium der [[Klassische Philologie|klassischen Philologie]] und der [[Theologie#Evangelische Theologie|evangelischen Theologie]] bei [[Wilhelm Ludwig Krafft]].<ref> [http://books.google.de/books?id=2aPkkq4fFpAC&pg=PA2&lpg=PA15 ''Nietzsche Briefwechsel'', S. 15] </ref> Zusammen mit Deussen wurde er Mitglied der [[Bonner Burschenschaft Frankonia]], die er ein Jahr später wieder verließ, weil ihm das Verbindungsleben missfiel. Neben seinem Studium vertiefte er sich in Werke der [[Junghegelianer]], etwa in ''Das Leben Jesu'' von [[David Friedrich Strauß]], ''Das Wesen des Christentums'' von [[Ludwig Feuerbach]] oder [[Bruno Bauer (Philosoph)|Bruno Bauers]] Evangelienkritiken. Dies bestärkte ihn in dem Entschluss, das Theologiestudium – zur großen Enttäuschung seiner Mutter – nach einem Semester abzubrechen. Nietzsche wollte sich nun ganz auf die klassische Philologie konzentrieren, war jedoch mit seiner Lage in Bonn unzufrieden. Er nahm den Wechsel des Philologieprofessors [[Friedrich Ritschl]] nach Leipzig (in Folge des [[Bonner Philologenstreit]]s) und ähnliche Pläne seines Freundes Gersdorff zum Anlass, ebenfalls nach Leipzig zu wechseln. In den folgenden Jahren sollte Nietzsche zu Ritschls philologischem Musterschüler werden, obwohl er in Bonn noch eher dessen Konkurrenten [[Otto Jahn]] zugeneigt war. Ritschl war für Nietzsche wohl auch zeitweise eine Vaterfigur, ehe Richard Wagner (siehe unten) diese Stelle einnahm. Im Oktober 1865, kurz bevor Nietzsche das Studium in Leipzig aufnahm, verbrachte er zwei Wochen in Berlin bei der Familie seines Studienfreundes Hermann Mushacke. Dessen Vater, Eduard Mushacke, hatte in den 1840er Jahren zu einem Debattierzirkel um Bruno Bauer und [[Max Stirner]] gehört. Dass Nietzsche bei diesem Besuch mit Stirners berüchtigtem, 1845 erschienenen Buch ''[[Der Einzige und sein Eigentum]]'' konfrontiert wurde, liegt nahe, lässt sich aber nicht eindeutig belegen.<ref name="bl109-133">Vgl. Bernd A. Laska: ''Nietzsches initiale Krise.'' In: Germanic Notes and Reviews, vol. 33, n. 2, fall/Herbst 2002, pp. 109-133 ([http://www.lsr-projekt.de/nietzsche.html online])</ref> Jedenfalls wandte Nietzsche sich unmittelbar danach einem Philosophen zu, der Stirner und dem Junghegelianismus denkbar fern stand: [[Arthur Schopenhauer]]. Ein weiterer Philosoph, den er in seiner Leipziger Zeit für sich entdeckte, war [[Friedrich Albert Lange]], dessen ''Geschichte des Materialismus'' 1866 erschien. In erster Linie setzte Nietzsche jedoch zunächst sein philologisches Studium fort. In dieser Zeit knüpfte er eine enge Freundschaft mit seinem Kommilitonen [[Erwin Rohde]]. Hatte er im sogenannten [[Deutscher Krieg|Deutschen Krieg]] zwischen Preußen und Österreich, in dessen Verlauf auch Leipzig preußisch besetzt wurde, noch eine Einziehung vermeiden können, so wurde Nietzsche 1867 als [[Einjährig-Freiwilliger]] bei der preußischen [[Artillerie]] in Naumburg verpflichtet. Nach einem schweren Reitunfall im März 1868 war er dienstunfähig; die [[Kur]]zeit nutzte er zu weiteren philologischen Arbeiten, die er in seinem letzten Studienjahr fortsetzte. Von großer Bedeutung sollte sein erstes Zusammentreffen mit [[Richard Wagner]] 1868 werden. === Professor in Basel (1869–1879) === Auf Empfehlung Friedrich Ritschls und Betreiben [[Wilhelm Vischer-Bilfinger]]s wurde Nietzsche 1869 zum außerordentlichen [[Professor]] für [[Philologie|klassische Philologie]] an die [[Universität Basel]] berufen, noch bevor er seine [[Promotion (Doktor)|Promotion]] ehrenhalber und [[Habilitation]] bekommen hatte. Zu seiner Tätigkeit gehörte auch das Lehren am Basler [[Gymnasium am Münsterplatz]] (''Pädagogium''). Als seine wichtigste Erkenntnis auf dem Gebiet der Philologie sah er die Entdeckung an, dass die antike [[Verslehre|Metrik]] nur auf der Länge von Silben basierte ([[quantitierendes Prinzip]]), im Gegensatz zur modernen, akzentuierenden Metrik.<ref>Bornmann, Fritz: ''Nietzsches metrische Studien'' in: ''Nietzsche-Studien'' 18 (1989), S. 472-489. Erst mit [[Paul Maas (Altphilologe)|Paul Maas]]’ 1923 erschienenem Werk ''Griechische Metrik'' setzte sich diese Erkenntnis in der Altphilologie durch.</ref> [[Datei:Rohde Gersdorff Nietzsche-2.JPG|thumb|left|[[Erwin Rohde]], [[Gersdorff|Carl von Gersdorff]] und Nietzsche im Oktober 1871]] Auf eigenen Wunsch wurde Nietzsche nach dem Umzug nach Basel aus der preußischen Staatsbürgerschaft entlassen und war für den Rest seines Lebens [[Staatsbürgerschaft#Staatenlosigkeit|staatenlos]].<ref>Hecker, Hellmuth: ''Nietzsches Staatsangehörigkeit als Rechtsfrage'' in: ''[[Neue Juristische Wochenschrift]]'', Jg. 40, 1987, Nr. 23, S. 1388-1391; vgl. His, Eduard: ''Friedrich Nietzsches Heimatlosigkeit'' in: ''Basler Zeitschrift für Geschichte und Altertumskunde'', Bd. 40, 1941, S. 159-186. Die von einigen Autoren, darunter auch [[Paul Deussen|Deussen]] und [[Mazzino Montinari|Montinari]], verbreitete Behauptung, Nietzsche wäre Schweizer Staatsbürger geworden, ist falsch.</ref> Dennoch diente er im [[Deutsch-Französischer Krieg|Deutsch-Französischen Krieg]] für kurze Zeit als [[Sanitäter]] auf deutscher Seite. Die Gründung des [[Deutsches Kaiserreich|Deutschen Reichs]] und die anschließende Ära [[Otto von Bismarck]]s nahm er von außen und mit einer grundsätzlichen Skepsis wahr. In [[Basel]] begann 1870 die bis in die Zeit von Nietzsches Umnachtung andauernde Freundschaft zu seinem Kollegen [[Franz Overbeck]], einem [[Atheismus|atheistischen]] Theologieprofessor. Nietzsche schätzte auch den älteren Kollegen [[Jacob Burckhardt]], der jedoch ihm gegenüber höflich, aber bestimmt Distanz wahrte. Bereits im Jahre 1868 hatte Nietzsche in Leipzig [[Richard Wagner]] sowie dessen spätere Frau [[Cosima Wagner|Cosima]] kennen gelernt. Beide verehrte er zutiefst und war seit Beginn seiner Zeit in Basel häufig Gast im Haus des „Meisters“ in [[Tribschen]] bei [[Luzern]]. Dieser nahm ihn zeitweise in seinen engsten Kreis auf, schätzte ihn aber vor allem als Propagandisten für die Gründung des [[Bayreuther Festspielhaus]]es. 1872 veröffentlichte Nietzsche ''[[Die Geburt der Tragödie aus dem Geiste der Musik]]''. Nietzsches erstes größeres Werk, das in seiner Untersuchung über den Ursprung der [[Tragödie]] eine exakte philologische Methode durch philosophische Spekulation ersetzte, wurde von seinen altphilologischen Kollegen – auch Ritschl – zumeist nicht verstanden, abgelehnt und totgeschwiegen. Durch die Polemik ''Zukunftsphilologie!'' von [[Ulrich von Wilamowitz-Moellendorff]] kam es allerdings zu einer kurzen öffentlichen Kontroverse, in die Rohde, inzwischen Professor in Kiel, und sogar Wagner auf Nietzsches Seite eingriffen. Nietzsche bemerkte seine zunehmende Isolation in der Philologie und hatte sich bereits Anfang 1871 erfolglos um den philosophischen Lehrstuhl in Basel beworben, der nach [[Gustav Teichmüller]]s Weggang freigeworden war: der Lehrstuhl ging an [[Rudolf Eucken]]. [[Datei:Nietzsche187a.jpg|thumb|Nietzsche um 1875]] Auch die vier ''Unzeitgemäßen Betrachtungen'' (1873–1876), in denen er von Schopenhauer und Wagner beeinflusste [[Kulturkritik]] übte, fanden nicht die erhoffte Resonanz. Im Umkreis Wagners hatte Nietzsche inzwischen [[Malwida von Meysenbug]] und [[Hans von Bülow]] kennengelernt; auch begann die Freundschaft mit [[Paul Rée]], dessen Einfluss ihn vom [[Kulturpessimismus]] seiner ersten Schriften abbrachte. Seine Enttäuschung über die ersten [[Richard-Wagner-Festspiele|Bayreuther Festspiele]] von 1876, wo er sich von der Banalität des Schauspiels und der Niveaulosigkeit des Publikums abgestoßen fühlte, nahm er zum Anlass, sich von Wagner zu entfernen. Die frühere unterwürfige Anhängerschaft schlug in Ablehnung und schließlich radikale Gegnerschaft um. Mit der Publikation von ''Menschliches, Allzumenschliches'' 1878 wurde die Entfremdung von Wagner und Schopenhauerscher Philosophie offenbar. Auch die Freundschaften zu Deussen und Rohde hatten sich merklich abgekühlt. In dieser Zeit unternahm er mehrere Versuche, eine junge, heiratswillige – und vermögende – Frau zu finden, worin er vor allem von der mütterlichen Gönnerin Malwida von Meysenbug unterstützt wurde. Diese Pläne zerschlugen sich aber. Seit der Kindheit auftretende Krankheiten – starke [[Kurzsichtigkeit]] bis zu praktischer Blindheit, [[Migräne]]anfälle und Magenstörungen – nahmen zu und zwangen ihn, immer längere Urlaube von seiner Lehrtätigkeit zu nehmen. 1879 musste er sich wegen steigender Häufigkeit von Anfällen mit heftigen Kopf- und Augenschmerzen sowie Erbrechen frühzeitig pensionieren lassen. === Freier Philosoph (1879–1889) === [[Datei:Nietzsche-Stein 01.jpg|thumb|Der Nietzsche-Stein bei [[Silvaplana|Surlej]] im Oberengadin. Der Stein soll Nietzsche nach eigenen Angaben 1881 zur Grundkonzeption des Zarathustra angeregt haben.]] Getrieben von seinen Krankheiten auf der ständigen Suche nach für ihn optimalen Klimabedingungen reiste er nun viel und lebte bis 1889 als freier Autor an verschiedenen Orten. Dabei lebte er vor allem von der ihm gewährten Pension, erhielt aber auch mitunter Zuwendungen von Freunden. Im Sommer hielt er sich meist in [[Sils im Engadin/Segl|Sils-Maria]], im Winter vorwiegend in Italien ([[Genua]], [[Rapallo]], [[Turin]]) und auch in [[Nizza]] auf. Hin und wieder besuchte er auch die Familie in Naumburg; mehrfach kam es zu Zerwürfnissen und Versöhnungen mit seiner Schwester. Sein früherer Schüler [[Heinrich Köselitz|Peter Gast (eigtl. Heinrich Köselitz)]] wurde zeitweilig zu einer Art Privatsekretär. Köselitz und Overbeck waren Nietzsches beständigste Vertraute. Aus dem Wagnerkreis war ihm vor allem Meysenbug als mütterliche Gönnerin erhalten geblieben. Kontakt hielt er daneben mit dem Musikkritiker [[Carl Fuchs]], zunächst auch mit Paul Rée. Anfang der 1880er erschienen mit ''Morgenröte'' und ''Die fröhliche Wissenschaft'' weitere Werke im aphoristischen Stil von ''Menschliches, Allzumenschliches''. [[Datei:Nietzsche paul-ree lou-von-salome188.jpg|thumb|left|[[Lou Andreas-Salomé|Lou von Salomé]], [[Paul Rée]] und Nietzsche; von Nietzsche arrangierte Fotografie, 1882]] 1882 lernte er durch Vermittlung von Meysenbug und Rée in Rom [[Lou Andreas-Salomé|Lou von Salomé]] kennen. Nietzsche fasste schnell weitreichende Pläne für die „Dreieinigkeit“ mit Rée und Salomé. Die Annäherung an die junge Frau gipfelte in einem mehrwöchigen gemeinsamen Aufenthalt in [[Tautenburg]], mit Nietzsches Schwester Elisabeth als Anstandsdame. Nietzsche sah Salomé bei aller Wertschätzung weniger als gleichwertige Partnerin denn als begabte Schülerin an. Er verliebte sich in sie und hielt über den gemeinsamen Freund Rée um ihre Hand an; Salomé lehnte ab. Unter anderem aufgrund von Intrigen Elisabeths zerbrach die Beziehung zu Rée und Salomé im Winter 1882/1883; der angesichts neuer Krankheitsschübe und beinahe vollständiger Isolation – mit Mutter und Schwester hatte er sich der Salomé wegen überworfen – von [[Suizid]]gedanken geplagte Nietzsche flüchtete nach Rapallo, wo er in nur zehn Tagen den ersten Teil von ''[[Also sprach Zarathustra]]'' zu Papier brachte. Waren ihm schon nach dem Bruch mit Wagner und Schopenhauers Philosophie nur wenige Freunde erhalten geblieben, so stieß der völlig neue Stil im ''Zarathustra'' selbst im engsten Freundeskreis auf Unverständnis, das höchstens durch Höflichkeit überdeckt wurde. Nietzsche war sich dessen durchaus bewusst und pflegte seine Einsamkeit geradezu, wenn er auch oft darüber klagte. Den kurzzeitig gehegten Plan, als Dichter in die Öffentlichkeit zu treten, gab er auf. Daneben plagten ihn Verlegersorgen; seine Bücher wurden so gut wie nicht gekauft. Den vierten Teil des ''Zarathustra'' gab er 1885 nur noch als Privatdruck mit einer [[Auflage einer Publikation|Auflage]] von 40 Exemplaren heraus, die als Geschenk für „solche, die sich um ihn verdient machten“ gedacht waren, von denen Nietzsche lediglich 7 verschenkte. [[Datei:ASZ Titelentwurf.JPG|thumb|Nietzsche kündigt Heinrich Köselitz den Titel seines neuen Buchs an]] 1886 ließ er ''Jenseits von Gut und Böse'' auf eigene Kosten drucken. Mit diesem Buch und den 1886/87 erscheinenden Zweitauflagen von ''Geburt'', ''Menschliches'', ''Morgenröte'' und ''Fröhlicher Wissenschaft'' sah er sein Werk als vorerst abgeschlossen an und hoffte, dass sich bald eine Leserschaft entwickeln würde. Tatsächlich stieg das Interesse an Nietzsche nun an, wenn auch sehr langsam und von ihm selbst kaum bemerkt. Neue Bekanntschaften Nietzsches in diesen Jahren waren [[Meta von Salis]] und [[Carl Spitteler]], auch ein Treffen mit [[Gottfried Keller]] war zustande gekommen. 1886 war seine Schwester, inzwischen verheiratet mit dem Antisemiten [[Bernhard Förster]], nach [[Paraguay]] abgereist, um die „germanische“ Kolonie [[Nueva Germania]] zu gründen – ein Vorhaben, das Nietzsche für lächerlich befand. Im brieflichen Kontakt setzte sich die Abfolge von Streit und Versöhnung fort, persönlich sollten sich die Geschwister aber erst nach Friedrichs Zusammenbruch wiedersehen. Nietzsche hatte weiterhin mit wiederkehrenden schmerzhaften Anfällen zu kämpfen, die längere Arbeiten unmöglich machten. 1887 schrieb er in kurzer Zeit die Streitschrift ''[[Zur Genealogie der Moral]]''. Er wechselte nun Briefe mit [[Hippolyte Taine]], dann auch mit [[Georg Brandes]], der Anfang 1888 in Kopenhagen die ersten Vorträge über Nietzsches Philosophie hielt. Im selben Jahr schrieb Nietzsche fünf Bücher, teilweise aus umfangreichen Aufzeichnungen für das zeitweise geplante Werk ''[[Der Wille zur Macht]]''. Seine Krankheiten schienen nachgelassen zu haben, im Sommer war er in regelrechter Hochstimmung. Ab Herbst 1888 trugen seine Schriften und Briefe stärker werdende Anzeichen von Größenwahn; die zunehmenden Reaktionen auf seine Schriften, vor allem auf die [[Polemik]] ''[[Nietzsche contra Wagner|Der Fall Wagner]]'' vom Frühjahr, wurden von ihm maßlos überbewertet. An seinem 44. Geburtstag entschloss er sich, nach der Vollendung der ''Götzen-Dämmerung'' und des zunächst zurückgehaltenen ''[[Der Antichrist|Antichrist]]'', die Autobiographie ''[[Ecce homo (Nietzsche)|Ecce homo]]'' zu schreiben. Im Dezember begann ein Briefwechsel mit [[August Strindberg]]; Nietzsche glaubte, kurz vor dem internationalen Durchbruch zu stehen, versuchte, seine alten Schriften vom ersten Verleger zurückzukaufen, und wollte über Übersetzungen in die wichtigsten europäischen Sprachen verhandeln. Überdies plante er die Veröffentlichung der Kompilation ''[[Nietzsche contra Wagner]]'' und der Gedichte ''Dionysos-[[Dithyrambus|Dithyramben]]''. === In geistiger Umnachtung (1889–1900) === [[Datei:Friedrich Nietzsche drawn by Hans Olde.jpg|thumb|left|„Kleiner Nietzsche-Kopf“, Radierung von [[Hans Olde]] nach der Fotoserie „Der kranke Nietzsche“, 1899]] Anfang Januar 1889 erlitt er in Turin einen geistigen Zusammenbruch; kleine Schriftstücke – „Wahnzettel“ – die er an enge Freunde, aber auch zum Beispiel an Cosima Wagner und Jacob Burckhardt sandte, waren eindeutig vom [[Wahnsinn]] gezeichnet. Als Ursache für den Zusammenbruch wurde [[Neurolues|progressive Paralyse]] als Folge von [[Syphilis]] vermutet. Diese Diagnose und die Ursache für Nietzsches Krankheitsbild überhaupt bleiben allerdings zweifelhaft und sind bis heute umstritten.<ref>Mit einigen Vorbehalten vertreten etwa die Werke von Janz, Ross und Kaufmann die Syphilis-Theorie. Für eine materialreiche Darstellung von Nietzsches Krankheiten siehe das Werk von Volz. In letzter Zeit wird die Syphilis-Theorie von einigen Fachleuten angezweifelt, u. a. von dem Neurologen Richard Schain: ''The Legend of Nietzsche's Syphilis.'' Westport, Conn.: Greenwood Press 2001 (Contributions in Medical Studies, vol. 46) oder dem medizinischen Psychologen Leonard Sax: ''What was the cause of Nietzsche’s dementia'' [http://web.archive.org/web/20040317225535/http://home.cfl.rr.com/mpresley1/fn.pdf pdf] in: ''Journal of Medical Biography'' 2003, Nr. 11, S. 47–54</ref> [[Datei:Grab Friedrich Nietzsches in Röcken.jpg|thumb|Grab Friedrich Nietzsches in Röcken]] Der durch die Wahnzettel an Burckhardt und ihn selbst alarmierte Overbeck brachte Nietzsche zunächst in ein [[Irrenhaus]] in Basel. Von dort wurde der inzwischen geistig vollständig Umnachtete von seiner Mutter in die Psychiatrische Universitätsklinik in [[Jena]] unter Leitung [[Otto Binswanger]]s gebracht. Ein Heilungsversuch [[Julius Langbehn]]s, der von sich aus Kontakt zur Mutter aufgenommen hatte, scheiterte. 1890 durfte die Mutter ihn schließlich bei sich in Naumburg aufnehmen. Zu dieser Zeit konnte er zwar gelegentlich kurze Gespräche führen, Erinnerungsfetzen hervorbringen und unter einige Briefe von der Mutter diktierte Grüße setzen, verfiel jedoch schnell und plötzlich in Wahnvorstellungen oder [[Apathie]] und erkannte auch alte Freunde nicht wieder. Über das weitere Verfahren mit den teilweise noch ungedruckten Werken berieten zunächst Overbeck und Köselitz. Letzterer begann eine erste Gesamtausgabe. Gleichzeitig setzte eine erste Welle der [[Nietzsche-Rezeption]] ein. Elisabeth Förster-Nietzsche kehrte nach dem Suizid ihres Mannes 1893 aus Paraguay zurück, ließ <!--Grund hier nennen--> die bereits gedruckten Bände der Köselitzschen Ausgabe einstampfen, gründete das [[Nietzsche-Archiv]] und übernahm von der betagten Mutter Zug um Zug die Kontrolle sowohl über den pflegebedürftigen Bruder als auch über dessen Nachlass und die Herausgabe seiner Werke. Mit Overbeck zerstritt sie sich, während sie Köselitz für eine weitere Zusammenarbeit gewinnen konnte. Nietzsche selbst, dessen Verfall sich fortsetzte, bekam von alldem nichts mehr mit. Nach dem Tod seiner Mutter 1897 lebte er in der ''Villa Silberblick'' in Weimar, wo seine Schwester ihn pflegte. Ausgewählten Besuchern – etwa Rudolf Steiner – gewährte sie das Privileg, zu dem dementen Philosophen vorgelassen zu werden. Nach mehreren [[Schlaganfall|Schlaganfällen]] war Nietzsche allerdings teilweise gelähmt und konnte weder stehen noch sprechen. Am 25. August 1900, im Alter von 55 Jahren, starb er an den Folgen einer [[Lungenentzündung]] und eines weiteren Schlaganfalls. Er wurde an der Röckener Dorfkirche im Familiengrab beigesetzt. == Denken und Werk == Nietzsche begann sein Werk als Philologe, begriff sich selbst aber zunehmend als Philosoph oder als „freier Denker“ (''vergleiche [[Freidenker]], [[Freigeist]]''). Er gilt als Meister der aphoristischen Kurzform und des mitreißenden Prosa-Stils. Einige Interpreten halten auch die scheinbar wenig strukturierten Aphorismenbücher für geschickt „komponiert“. Die Werke sind zuweilen mit einer Rahmenhandlung, Vor- und Nachwort, Gedichten und einem „Vorspiel“ versehen. Nietzsche hat wie kaum ein zweiter Denker die Freiheit der Methode und der Betrachtung gewählt. Eine definitive Einordnung seiner Philosophie in eine bestimmte Disziplin ist daher problematisch. Nietzsches Herangehensweise an die Probleme der Philosophie ist mal die des Künstlers, mal die des Wissenschaftlers und mal die des Philosophen. Viele Stellen seines Werks können auch als [[Psychologie|psychologisch]] bezeichnet werden, wobei dieser Begriff erst später seine heutige Bedeutung bekam. Viele Deuter haben auch einen engen Zusammenhang zwischen seinem Leben und seinem denkerischen Werk gesehen, so dass über Nietzsches Leben und Persönlichkeit weit mehr geforscht und geschrieben worden ist, als dies bei anderen Philosophen der Fall ist. === Übersicht zum Werk === Oft wird Nietzsches Denken und Werk in bestimmte Perioden eingeteilt. Die folgende Aufteilung geht in Grundzügen auf Nietzsche selbst zurück und ist seit dem Nietzschebuch Lou Andreas-Salomés (1894) in ähnlicher Form von fast allen Interpreten verwendet worden. [[Datei:Erstausgaben_für_Wikipedia_II_017.jpg|thumb|Titelblatt des Erstdrucks der ''Geburt der Tragödie'']] * Die Wagnerianisch-Schopenhauerische Zeit (1872–1876), die vor allem im Zeichen dieser beiden Männer steht und [[Romantik|romantische]] Einflüsse zeigt. Sie umfasst die Werke: ** ''[[Die Geburt der Tragödie aus dem Geiste der Musik]]'' ** ''Unzeitgemäße Betrachtungen'': *** ''David Strauß, der Bekenner und der Schriftsteller'' *** ''[[Vom Nutzen und Nachteil der Historie für das Leben]]'' *** ''Schopenhauer als Erzieher'' *** ''Richard Wagner in Bayreuth'' * Die „freigeistige“ Zeit 1876–1882. Nietzsche löst sich zunehmend vom persönlichen Einfluss Wagners und von der philosophischen Prägung durch Schopenhauer. Vor allem zu Beginn dieser Periode steht die wissenschaftlich-empirische Erkenntnis im Vordergrund. Daher wird diese Phase in Nietzsches Werk auch oft als „[[Positivismus|positivistisch]]“ bezeichnet. An Stelle der früheren zusammenhängenden Abhandlungen treten jetzt [[Aphorismus|Aphorismensammlungen]], worin sich unter anderem der Einfluss der von Nietzsche sehr geschätzten [[Moralistik|französischen Moralisten]] widerspiegelt: ** ''Menschliches, Allzumenschliches'' (mit zwei Fortsetzungen) ** ''Morgenröte'' ** ''[[Die fröhliche Wissenschaft]]''. * Das zentrale Werk ''[[Also sprach Zarathustra]]'' (1883–1885), in dem neue Lehren in symbolisch-dichterischer Sprache formuliert werden. Oft werden ''Also sprach Zarathustra'' und die Spätschriften zusammengefasst. * Die späten Werke (1886–1888), in denen die bisherigen Ansätze weiter ausgeführt und zunehmend in [[Polemik|polemische]] Schärfe gebracht werden. Neben Aphorismen und Sentenzen finden sich nun wieder längere Abhandlungen. Zu dieser Periode zählen: ** ''Jenseits von Gut und Böse'' ** ''[[Zur Genealogie der Moral]]'' ** ''Der Fall Wagner'' und ''[[Nietzsche contra Wagner]]'' ** ''[[Götzen-Dämmerung oder Wie man mit dem Hammer philosophiert]]'' ** ''[[Der Antichrist]]'' ** ''[[Ecce homo (Nietzsche)|Ecce homo]]'' ([[Autobiographie]], kann demselben Kreis zugerechnet werden). Es gibt allerdings einige Überschneidungen und Brüche in diesem Schema. So fügte Nietzsche den Zweitauflagen der ''Geburt der Tragödie'' und der ''Fröhlichen Wissenschaft'' von 1887 ein selbstkritisches Vorwort bzw. ein fünftes Buch hinzu. Bedeutsam ist auch die zu Lebzeiten unveröffentlichte Schrift ''Über Wahrheit und Lüge im außermoralischen Sinne'' von 1872, in der Nietzsche viele seiner späteren Gedanken vorwegnimmt. Einige Themen – etwa das Verhältnis von [[Kunst]] und [[Wissenschaft]] – behandelt Nietzsche in allen Zeiträumen, wenn auch aus unterschiedlichen Perspektiven und mit entsprechend unterschiedlichen Antworten. [[Datei:Nietzsche_Faksimile.jpg|thumb|''<!--Zitat, bitte nicht in Rechtschreibung und fehlerhaften Buchtitel eingreifen!-->Dieses Facsimile ist die getreue Reproduction eines von Nietzsche ursprünglich für das „Menschliche Allzumenschliche“ bestimmten Epilogs.'' (Original-Bildunterschrift der Werksausgabe von 1900, Leipzig.) – Jetzt im Nachlass, KSA 8: 24<nowiki>[10]</nowiki>. Ein weiteres Faksimile eines Manuskriptes findet sich im Artikel [[Faksimile]].]] Neben seinen philosophischen Betrachtungen veröffentlichte Nietzsche auch [[Gedicht]]e, in denen seine philosophischen Gedanken bald heiter, bald dunkel und schwermütig ausgedrückt werden. Sie hängen mit den Prosawerken zusammen: Die ''Idyllen aus Messina'' (1882) gingen in die zweite Auflage der ''Fröhlichen Wissenschaft'' ein, während einige der ''Dionysos-Dithyramben'' (1888/89) Überarbeitungen von Stücken aus ''Also sprach Zarathustra'' sind. Lange Zeit umstritten war die Bedeutung von Nietzsches ''Nachlass'', dessen Rezeption zudem von der fragwürdigen Publikation durch das Nietzsche-Archiv erschwert wurde (vergleiche [[Nietzsche-Ausgabe]]). Extrempositionen bezogen hier einerseits [[Karl Schlechta]], der zumindest im vom Archiv publizierten Nachlass nichts fand, was nicht auch in Nietzsches veröffentlichten Werken zu finden sei;<ref>Karl Schlechta: ''Philologischer Nachbericht'' in: Friedrich Nietzsche: ''Werke in drei Bänden'', München 1954&nbsp;ff., Band 3, S. 1405.</ref> und andererseits etwa [[Alfred Baeumler]] und [[Martin Heidegger]], die Nietzsches veröffentlichtes Werk nur als „Vorhalle“ sahen, während sich die „eigentliche Philosophie“ im Nachlass befinde.<ref>Wolfgang Müller-Lauter: ''«Der Wille zur Macht» als Buch der ‚Krisis‘ philosophischer Nietzsche-Interpretation'' in: ''Nietzsche-Studien'' 24 (1995), S. 223–260, hier S. 233. Siehe Heidegger, ''Nietzsche'' ([[Gesamtausgabe (Heidegger)|GA]] 43), S. 11 und Baeumler, ''Die Unschuld des Werdens'' (1930), Einführung, S. IX.</ref> Inzwischen herrscht eine mittlere Position vor, die den Nachlass als Ergänzung der veröffentlichten Werke begreift und darin ein Mittel sieht, Nietzsches Denkwege und Entwicklungen besser nachzuvollziehen. ''Vergleiche: [[Nietzsche-Rezeption]].'' Nietzsches Denken ist vielfach verschieden interpretiert worden. Es enthält Brüche, verschiedene Ebenen und fiktive Standpunkte lyrischer Personen („''Ein Fälscher ist, wer Nietzsche interpretiert, indem er Zitate aus ihm benutzt.'' […] ''Im Bergwerk dieses Denkers ist jedes Metall zu finden: Nietzsche hat alles gesagt und das Gegenteil von allem.''“, [[Giorgio Colli]]). Eine kanonische Wiedergabe ist sehr schwierig. Die Frage, inwieweit das weitgehende Fehlen einer Systematik von Nietzsche beabsichtigt war oder sogar Ausdruck seiner Weltsicht ist, hat man in der Rezeption ausführlich diskutiert. Seit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts wird sie eher bejaht. Vergleiche hierzu unten den Abschnitt [[Friedrich Nietzsche#Kritik an Religion, Metaphysik und Erkenntnistheorie|Kritik an Religion, Metaphysik und Erkenntnistheorie]]. Im Folgenden sollen einige zentrale Gedanken vorgestellt werden. === Kritik der Moral === Eines der wichtigsten Objekte von Nietzsches Kritik spätestens seit ''Menschliches, Allzumenschliches'' ist die [[Moral]] im Allgemeinen und die [[Christentum|christliche]] Moral im Besonderen. Nietzsche wirft der bisherigen [[Philosophie]] und Wissenschaft vor, herrschende Moralvorstellungen unkritisch übernommen zu haben; wahrhaftig freies und aufgeklärtes Denken habe sich dagegen, wie der Titel eines Buchs sagt, ''Jenseits von Gut und Böse'' zu stellen. Dies hätten alle abendländischen Philosophen seit [[Platon]], insbesondere auch [[Immanuel Kant|Kant]], versäumt.<ref>''Morgenröthe'', Vorrede (KSA 3, S. 11–17).</ref> Nietzsche untersucht oft [[Wertvorstellung|Werturteile]] nicht auf ihre vermeintliche Gültigkeit hin, sondern beschreibt Zusammenhänge zwischen der Erschaffung von Werten durch einen Denker oder eine Gruppe von Menschen und deren biologisch-psychologischer Verfassung. Es geht ihm also um die Frage des Werts von moralischen Systemen überhaupt: :„''Alle'' Wissenschaften haben nunmehr der Zukunfts-Aufgabe der Philosophen vorzuarbeiten: diese Aufgabe dahin verstanden, dass der Philosoph das ''Problem vom Werthe'' zu lösen hat, dass er die ''Rangordnung der Werthe'' zu bestimmen hat.“ (''Zur Genealogie der Moral''&nbsp;<ref>''Zur Genealogie der Moral'', Erste Abhandlung, Anmerkung nach Abschnitt 17 (KSA 5, S. 289).</ref>) Diese Form der Kritik auf einer Meta-Ebene ist ein typisches Kennzeichen von Nietzsches Philosophie. ''Vergleiche: [[Metaethik]].'' Er selbst führt diese Kritik mit Methoden der Geschichts-, Kultur- und Sprachwissenschaft exzessiv aus und legt dabei ein besonderes Augenmerk auf die Herkunft und Entstehung moralischer Denkweisen, etwa in ''[[Zur Genealogie der Moral]]''. Wichtige Begriffe seiner Moralkritik sind: ;* ;* ''[[Herrenmoral|Herren]]-'' und ''[[Sklavenmoral]]'': ''Herrenmoral'' sei die Haltung der Herrschenden, die zu sich selbst und ihrem Leben Ja sagen könnten, während sie die anderen als „schlecht“ (Wortstamm: „schlicht“) abschätzten. ''Sklavenmoral'' sei die Haltung der „Elenden […], Armen, Ohnmächtigen, Niedrigen […], Leidenden, Entbehrenden, Kranken, Hässlichen“<ref>''Zur Genealogie der Moral'', Erste Abhandlung, Abschnitt 7 (KSA 5, S. 267).</ref>, die zuerst ihr Gegenüber – die Herrschenden, Glücklichen, Ja-Sagenden – als „böse“ bewerteten und sich selbst dann als deren „guten“ Gegensatz ausmachten. Es sei vor allem die Moral des Christentums gewesen, die eine solche Sklavenmoral zum Teil selbst hervorgerufen, in jedem Fall aber begünstigt und sie dadurch zur herrschenden Moral gemacht habe. ;* ''[[Ressentiment]]'': Dies sei das Grundempfinden der Sklavenmoral. Aus Missgunst, Neid und Schwäche schüfen sich die „Missratenen“ eine imaginäre Welt (zum Beispiel das christliche Jenseits), in der sie selbst die Herrschenden sein und ihren Hass auf die „Vornehmen“ ausleben könnten. ;* ''[[Mitleid]]'' und ''[[Mitfreude]]'': Während der [[Pessimismus|Pessimist]] Schopenhauer Mitleid ins Zentrum seiner Ethik gestellt hat, um seine Philosophie der Verneinung des Lebens umzusetzen, drehte Nietzsche die These vom Mitleiden nach seinem Bruch mit der Schopenhauerschen Philosophie um: Weil das Leben zu bejahen sei, gelte das Mitleid – als Mittel zur Verneinung – als Gefahr. Es vermehre das Leiden in der Welt und stehe dem schöpferischen Willen entgegen, der immer auch vernichten und überwinden müsse – andere oder auch sich selbst. <ref>Vergleiche etwa ''Der Antichrist'', Kapitel 7 (KSA 6, S. 172&nbsp;ff.).</ref> Aktive Mitfreude im Gegensatz zum passiven Mitleid oder eine grundsätzliche Lebensbejahung (''amor fati'') seien die höheren und wichtigeren Werte. Die Gedankengänge werden von Nietzsche zu einer immer radikaleren Kritik am Christentum, etwa in ''[[Der Antichrist]]'', gebündelt. Dieses sei nicht nur [[Nihilismus|nihilistisch]] in dem Sinne, dass es der sinnlich wahrnehmbaren Welt jeden Wert abspreche – eine Kritik, die in Nietzsches Verständnis auch den [[Buddhismus]] trifft –, sondern im Gegensatz zum Buddhismus auch aus Ressentiment geboren. Das Christentum habe jede höhere Art Mensch und jede höhere Kultur und Wissenschaft behindert. In den späteren Schriften steigert Nietzsche die Kritik an allen bestehenden Normen und Werten: Sowohl in der [[Bürgertum|bürgerlichen Moral]] als auch im [[Sozialismus]] und [[Anarchismus]] sieht er die Nachwirkungen der christlichen Lehren am Werk. Die ganze [[Moderne]] leide an ''décadence''. Dagegen sei nun eine „''Umwertung aller Werte''“ nötig. Wie genau allerdings die neuen Werte ausgesehen hätten, wird aus Nietzsches Werk nicht eindeutig klar. Diese Frage und ihr Zusammenhang mit den Aspekten des ''Dionysischen'', des ''Willen zur Macht'', des ''[[Übermensch]]en'' und der ''Ewigen Wiederkunft'' werden bis heute diskutiert. * <small>{{SEP|http://plato.stanford.edu/entries/nietzsche-moral-political/ ''Nietzsche's Moral and Political Philosophy.''}}</small> === „Gott ist tot“ – Der „europäische Nihilismus“ === Mit dem Stichwort „Gott ist tot“ wird oft die Vorstellung verbunden, dass Nietzsche den Tod Gottes beschworen oder herbeigewünscht habe. Tatsächlich trifft dies nur in einem gewissen Sinne zu. Nietzsche verstand sich hier vielmehr als Beobachter. Er analysierte seine Zeit, vor allem die seiner Auffassung nach inzwischen marode gewordene (christliche) Moral. Nietzsche war zudem nicht der Erste, der die Frage nach dem „Tod Gottes“ stellte. [[Hegel]] äußerte diesen Gedanken bereits 1802 und sprach von dem „unendlichen Schmerz“ als einem Gefühl, „worauf die Religion der neuen Zeit beruht - das Gefühl: Gott selbst ist tot“.<!--Quelle?--> Die bedeutendste und meistbeachtete Stelle zu diesem Thema ist der Aphorismus 125 aus der ''[[Die fröhliche Wissenschaft|Fröhlichen Wissenschaft]]'' mit dem Titel „Der tolle Mensch“. Der stilistisch dichte Aphorismus enthält Anspielungen auf klassische Werke der Philosophie und Tragödie. Dieser Text lässt den Tod Gottes als bedrohliches Ereignis erscheinen. Dem Sprecher darin graut vor der Schreckensvision, dass die zivilisierte Welt ihr bisheriges geistiges Fundament weitgehend zerstört hat: <blockquote> „Wohin ist Gott? rief er, ich will es euch sagen! Wir haben ihn getötet, – ihr und ich! Wir alle sind seine Mörder! Aber wie haben wir dies gemacht? Wie vermochten wir das Meer auszutrinken? Wer gab uns den Schwamm, um den ganzen Horizont wegzuwischen? Was taten wir, als wir diese Erde von ihrer Sonne losketteten? Wohin bewegt sie sich nun? Wohin bewegen wir uns? Fort von allen Sonnen? Stürzen wir nicht fortwährend? Und rückwärts, seitwärts, vorwärts, nach allen Seiten? Gibt es noch ein Oben und ein Unten? Irren wir nicht wie durch ein unendliches Nichts? Haucht uns nicht der leere Raum an? Ist es nicht kälter geworden? Kommt nicht immerfort die Nacht und mehr Nacht? […] Gott ist tot! Gott bleibt tot! Und wir haben ihn getötet! Wie trösten wir uns, die Mörder aller Mörder?“ </blockquote> Dieser unfassbare Vorgang würde gerade wegen der großen Dimension lange brauchen, um in seiner Tragweite erkannt zu werden: ''Ich komme zu früh, sagte er dann, ich bin noch nicht an der Zeit. Dies ungeheure Ereignis ist noch unterwegs und wandert, – es ist noch nicht bis zu den Ohren der Menschen gedrungen.'' Und weiter wird gefragt: ''Ist nicht die Größe dieser Tat [Gott getötet zu haben, Anm.] zu groß für uns? Müssen wir nicht selber zu Göttern werden, um nur ihrer würdig zu erscheinen?'' Unter anderem aus diesem Gedanken heraus erscheint später die Idee des „Übermenschen“, wie sie vor allem im ''Zarathustra'' dargestellt wird: ''„Tot sind alle Götter: nun wollen wir, dass der Übermensch lebe.“'' Das Wort vom Tod Gottes findet sich auch in den Aphorismen 108 und 343 der ''Fröhlichen Wissenschaft''; das Motiv taucht auch mehrmals in ''Also sprach Zarathustra'' auf. Danach verwendete Nietzsche es nicht mehr, befasste sich aber weiter intensiv mit dem Thema. Beachtenswert ist hier etwa das nachgelassene Fragment „Der europäische [[Nihilismus]]“ (datiert 10. Juni 1887), in dem es nun heißt: „,Gott‘ ist eine viel zu extreme [[Hypothese]].“<ref>KSA 12, 5[71], S. 211–217, hier S. 212.</ref> Nietzsche kam zu dem Schluss, dass mehrere mächtige Strömungen, vor allem das Aufkommen der Naturwissenschaften und der Geschichtswissenschaft, daran mitgewirkt haben, den christlichen Gott unglaubwürdig zu machen und damit die christliche Weltanschauung zu Fall zu bringen. Durch die Kritik der bestehenden Moral, wie Nietzsche selbst sie betrieb, würde die Moral hohl und unglaubwürdig und bräche schließlich zusammen. Mit dieser radikalisierten Kritik stand Nietzsche einerseits in der Tradition der französischen Moralisten wie etwa [[Michel de Montaigne|Montaigne]] oder [[François de La Rochefoucauld|La Rochefoucauld]], die die Moral ihrer Zeit kritisierten, um zu einer besseren zu gelangen; andererseits betonte er mehrfach, nicht nur die Heuchelei von Moral, sondern die herrschenden „Moralen“ selbst – im wesentlichen immer die christliche – zu bekämpfen. Um dies in einen Begriff zu fassen, bezeichnete er sich selbst als „''Immoralist''“. Es besteht heute weitgehende Übereinstimmung, dass Nietzsche sich nicht als Befürworter des Nihilismus sah, sondern ihn als Möglichkeit in der (nach-) christlichen Moral, vielleicht auch als eine geschichtliche Notwendigkeit sah. Über den [[Atheismus]] Nietzsches im Sinne des Nichtglaubens an einen metaphysischen Gott sagen diese Stellen wenig aus, siehe hierzu den Abschnitt [[Friedrich Nietzsche#Kritik an Religion, Metaphysik und Erkenntnistheorie|Kritik an Religion, Metaphysik und Erkenntnistheorie]]. === Kunst und Wissenschaft === Das Begriffspaar „[[apollinisch-dionysisch]]“ ist von Nietzsche in der Philosophie der Kunst bekannt gemacht worden, auch wenn es schon von [[Friedrich Wilhelm Joseph Schelling|Schelling]] verwendet wurde. Mit den Namen der griechischen Götter [[Apollon]] und [[Dionysos]] bezeichnet Nietzsche in seiner frühen Schrift ''[[Die Geburt der Tragödie aus dem Geiste der Musik]]'' zwei gegensätzliche Prinzipien der [[Ästhetik]]. Apollinisch ist demnach der Traum, der schöne Schein, das Helle, die Vision, die Erhabenheit; dionysisch ist der [[Rausch]], die grausame Enthemmung, das Ausbrechen einer dunklen Urkraft. In der [[Griechische Tragödie|attischen Tragödie]] ist Nietzsche zufolge die Vereinigung dieser Kräfte gelungen. Das „Ur-Eine“ offenbare sich dem Dichter dabei in der Form von dionysischer Musik und wird mittels apollinischer Träume in Bilder umgesetzt. Auf der Bühne sei die Tragödie durch den [[Theaterchor|Chor]] geboren, der dem Dionysischen Raum gibt. Als apollinisches Element komme der Dialog im Vordergrund und der tragische Held hinzu. [[Datei:Socrates Louvre.jpg|thumb|right|[[Sokrates]] habe die Wissenschaft über die Kunst gestellt und so zum Niedergang der griechischen Tragödie beigetragen.]] Die griechische Tragödie sei durch [[Euripides]] und den Einfluss des Sokratismus zugrunde gegangen. Hierdurch sei vor allem das Dionysische, aber auch das Apollinische aus der Tragödie getrieben worden, sie selbst sei zu einem bloß dramatisierten Epos herabgesunken. Die Kunst habe sich in den Dienst des Wissens und sokratischer Klugheit gestellt und sei zur reinen Nachahmung geworden. Erst im [[Musikdrama]] Richard Wagners sei die Vereinigung der gegensätzlichen Prinzipien wieder gelungen. In späteren Schriften rückt Nietzsche von dieser Position ab; insbesondere sieht er in den Werken Wagners jetzt keinen Neuanfang mehr, sondern ein Zeichen des Verfalls. Auch seine grundsätzlichen ästhetischen Betrachtungen variiert er: In den Schriften der „positivistischen“ Periode tritt die Kunst deutlich hinter die Wissenschaft zurück. Nunmehr ist für Nietzsche „der wissenschaftliche Mensch die Weiterentwickelung des künstlerischen“ (''Menschliches, Allzumenschliches''&nbsp;<ref>''Menschliches, Allzumenschliches'', Viertes Hauptstück, Aphorismus 222 „Was von der Kunst übrig bleibt“ (KSA 2, S. 186).</ref>), ja sogar „''[d]as Leben ein Mittel der Erkenntnis''“ (''Die fröhliche Wissenschaft''&nbsp;<ref>''Die fröhliche Wissenschaft'', Viertes Buch, Aphorismus 324 „In media vita“ (KSA 3, S. 553).</ref>). Erst nach ''Also sprach Zarathustra'' greift Nietzsche wieder deutlicher auf seine frühen ästhetischen Ansichten zurück. In einem Notizbuch von 1888 heißt es: :„Die Kunst und nichts als die Kunst! Sie ist die große Ermöglicherin des Lebens, die große Verführerin zum Leben, das große Stimulans des Lebens.“<ref>KSA 13, 17[3], S. 522 und 521.</ref> In den späten Schriften entwickelt er auch den Begriff des Dionysischen weiter. Die Gottheit Dionysos dient zur Projektion mehrerer wichtiger Lehren, und ''Ecce homo'' schließt mit dem Ausruf „''Dionysos gegen den Gekreuzigten!''“ === Kritik an Religion, Metaphysik und Erkenntnistheorie === Mit der Kritik der Moral hängt eine Kritik bisheriger Philosophien zusammen. Gegen metaphysische und religiöse Konzepte ist Nietzsche grundsätzlich skeptisch. Die Möglichkeit einer [[Metaphysik|metaphysischen Welt]] sei zwar nicht widerlegbar, aber sie gehe uns auch nichts an: :„Es ist wahr, es könnte eine metaphysische Welt geben; die absolute Möglichkeit davon ist kaum zu bekämpfen. […] aber Alles, was […] bisher metaphysische Annahmen ''werthvoll, schreckenvoll, lustvoll'' gemacht, was sie erzeugt hat, ist Leidenschaft, Irrthum und Selbstbetrug; die allerschlechtesten Methoden der Erkenntniss, nicht die allerbesten, haben daran glauben lehren. Wenn man diese Methoden, als das Fundament aller vorhandenen Religionen und Metaphysiken, aufgedeckt hat, hat man sie widerlegt. Dann bleibt immer noch jene Möglichkeit übrig; aber mit ihr kann man gar Nichts anfangen, geschweige denn, dass man Glück, Heil und Leben von den Spinnenfäden einer solchen Möglichkeit abhängen lassen dürfte. – Denn man könnte von der metaphysischen Welt gar Nichts aussagen, als ein Anderssein, ein uns unzugängliches, unbegreifliches Anderssein; es wäre ein Ding mit negativen Eigenschaften. – Wäre die Existenz einer solchen Welt noch so gut bewiesen, so stünde doch fest, dass die gleichgültigste aller Erkenntnisse eben ihre Erkenntniss wäre […]“ (''Menschliches, Allzumenschliches''&nbsp;<ref>''Menschliches, Allzumenschliches'', Erstes Hauptstück, Aphorismus 9, „Metaphysische Welt“ (KSA 2, S. 29&nbsp;f.).</ref>) Alle metaphysischen und religiösen Spekulationen seien dagegen psychologisch erklärbar; sie hätten vor allem der Legitimation bestimmter Moralen gedient. Die jeweilige Art zu denken, die Philosophien der Philosophen sind nach Nietzsche auch aus deren körperlicher und geistiger Verfassung sowie ihren individuellen Erfahrungen abzuleiten. :„In der That, man thut gut (und klug), zur Erklärung davon, wie eigentlich die entlegensten metaphysischen Behauptungen eines Philosophen zu Stande gekommen sind, sich immer erst zu fragen: auf welche Moral will es (will ''er'' –) hinaus?“ (''Jenseits von Gut und Böse''&nbsp;<ref>''Jenseits von Gut und Böse'', Erstes Hauptstück, Aphorismus 6 (KSA 5, S. 20).</ref>) Nietzsche wendet diese These auch in seinen Selbstanalysen an und weist wiederholt darauf hin, dass wir die Welt notwendigerweise stets [[Perspektivismus|perspektivisch]] wahrnehmen und auslegen. Schon die Notwendigkeit, sich in Sprache auszudrücken und damit Subjekte und Prädikate anzusetzen, sei eine vorurteilsbehaftete Auslegung des Geschehens (''Über Wahrheit und Lüge im außermoralischen Sinne''). Damit nahm Nietzsche Ansätze moderner [[Sprachphilosophie]]n vorweg. Er würdigt die [[Skeptizismus|Skeptiker]] als den einzigen „anständigen Typus in der Geschichte der Philosophie“ (''Der Antichrist''&nbsp;<ref>''Der Antichrist'', Kapitel 11 (KSA 6, S. 178).</ref>) und äußert grundsätzliche Vorbehalte gegen jede Art von philosophischem System. Es sei unredlich zu meinen, die Welt lasse sich in eine Ordnung einpassen: :„Ich misstraue allen Systematikern und gehe ihnen aus dem Weg. Der Wille zum System ist ein Mangel an Rechtschaffenheit.“ (''Götzen-Dämmerung''&nbsp;<ref>''Götzen-Dämmerung'', Sprüche und Pfeile Nr. 26 (KSA 6, S. 62).</ref>) In seiner Autobiographie ''Ecce homo'' beschrieb er ein letztes Mal sein Verhältnis zu Religion und Metaphysik: :„‚Gott‘, ‚Unsterblichkeit der Seele‘, ‚Erlösung‘, ‚Jenseits‘ lauter Begriffe, denen ich keine Aufmerksamkeit, auch keine Zeit geschenkt habe, selbst als Kind nicht, – ich war vielleicht nie kindlich genug dazu? – Ich kenne den [[Atheismus]] durchaus nicht als Ergebniss, noch weniger als Ereigniss: er versteht sich bei mir aus Instinkt. Ich bin zu neugierig, zu ''fragwürdig'', zu übermüthig, um mir eine faustgrobe Antwort gefallen zu lassen. Gott ist eine faustgrobe Antwort, eine Undelicatesse gegen uns Denker –, im Grunde sogar bloss ein faustgrobes ''Verbot'' an uns: ihr sollt nicht denken! …“<ref>''Ecce homo'', Warum ich so klug bin, 1. Abschnitt (KSA 6, S. 278).</ref> === Weitere Gedanken === ; [[Ewige Wiederkunft]]: Nietzsches zuerst in ''Die fröhliche Wissenschaft'' auftretender und in ''Also sprach Zarathustra'' als Höhepunkt vorgeführter „tiefster Gedanke“ und das „größte Schwergewicht“ ist die Vorstellung, dass alles Geschehende schon unendlich oft geschehen ist und unendlich oft wiederkehren wird. Man solle deshalb derart leben, dass man die immerwährende Wiederholung eines jeden Augenblickes nicht nur ertrüge, sondern sogar begrüßen würde. Dieser „tiefste Gedanke“ überfiel Nietzsche bei einer Wanderung im [[Engadin]] nahe [[Sils-Maria]]. Trotz seiner nur sehr oberflächlichen naturwissenschaftlichen Bildung versuchte Nietzsche für die ''Ewige Wiederkunft'' auch wissenschaftliche Begründungen zu geben.<br />Im Hintergrund dieses Gedankens steht die Forderung, das Leben zu bejahen, um es so zu leben, dass man jeden Augenblick noch unendlich oft durchleben will. „Doch alle Lust will Ewigkeit – will tiefe, tiefe Ewigkeit“<ref>„Das trunkene Lied“, in: ''Also sprach Zarathustra'', Vierter und letzter Theil, Das Nachtwandler-Lied, Kapitel 12.</ref> lautet folglich ein zentraler Satz in ''Also sprach Zarathustra''. Eng mit der „Ewigen Wiederkunft“ hängt wohl der ''Amor fati'' (lat. „Liebe zum Schicksal“) zusammen. Dies ist für Nietzsche eine Formel zur Bezeichnung des höchsten Zustands, den ein Philosoph erreichen kann, und zwar die Form der höchstgesteigerten Lebensbejahung.<ref>''Die fröhliche Wissenschaft'', Viertes Buch, Aphorismus 276 „Zum neuen Jahre“ (KSA 3, S. 521).</ref><br />Über die „ewige Wiederkunft“, ihre Bedeutung und Stellung in Nietzsches Gedanken herrscht keine Einigkeit. Während einige Deuter sie als Zentrum seines gesamten Denkens ausmachen, haben andere sie als störenden „Fremdkörper“ in Nietzsches Lehren, als [[fixe Idee]] Nietzsches, gesehen. ; [[Übermensch]]: An einen Fortschritt in der Geschichte der Menschheit – oder in der Welt überhaupt – glaubt er nicht. Für Nietzsche ist folglich das Ziel der Menschheit nicht an ihrem (zeitlichen) Ende zu finden, sondern in ihren immer wieder auftretenden höchsten Individuen, den ''Über''menschen. Die Gattung Mensch als Ganzes sieht Nietzsche nur als einen Versuch, eine Art Grundmasse, aus der heraus er „Schaffende“ fordert, die „hart“ und mitleidlos mit anderen und vor allem mit sich selbst sind, um aus der Menschheit und sich selbst ein wertvolles Kunstwerk zu schaffen. Als negatives Gegenstück zum Übermenschen wird in ''Also sprach Zarathustra'' der ''letzte Mensch'' vorgestellt. Dieser steht für das schwächliche Bestreben nach Angleichung der Menschen untereinander, nach einem möglichst risikolosen, langen und „glücklichen“ Leben ohne Härten und Konflikte. Das „über“ kann nicht nur für eine höhere Stufe relativ zu einer anderen stehen, sondern kann auch im Sinne von „hinüber“ verstanden werden, also eine Bewegung ausdrücken. Der Übermensch ist daher nicht unbedingt als Herrenmensch über dem letzten Menschen zu sehen. Eine rein politische Deutung gilt der heutigen Nietzscheforschung als irreführend. Der „Wille zur Macht“, der sich im Übermenschen konkretisieren soll, ist demnach nicht etwa der Wille zur Herrschaft über Andere, sondern ist als Wille zum Können, zur Selbstbereicherung, zur Selbstüberwindung zu verstehen. ; [[Wille zur Macht]]: Der „Wille zur Macht“ ist ''erstens'' ein Konzept, das zum ersten Mal in ''Also sprach Zarathustra'' vorgestellt und in allen nachfolgenden Büchern zumindest am Rande erwähnt wird. Seine Anfänge liegen in den psychologischen Analysen des menschlichen Machtwillens in der ''Morgenröte''. Nietzsche führte es in seinen nachgelassenen Notizbüchern ab etwa 1885 viel umfassender aus. Es ist ''zweitens'' der Titel eines von Nietzsche auch als ''Umwertung aller Werte'' geplanten Werks, das nie zustande kam. Aufzeichnungen dazu gingen vor allem in die Werke ''Götzen-Dämmerung'' und ''Der Antichrist'' ein. ''Drittens'' ist dies der Titel einer Nachlasskompilation von Elisabeth Förster-Nietzsche und [[Peter Gast]], die nach Ansicht dieser Herausgeber dem unter Punkt zwei geplanten „Hauptwerk“ entsprechen soll.<br /> :Die Deutung des ''Konzepts'' „Wille zur Macht“ ist stark umstritten. Für Martin Heidegger war dies Nietzsches Antwort auf die metaphysische Frage nach dem „Grund alles Seienden“: Laut Nietzsche sei alles „Wille zur Macht“ im Sinne eines inneren, [[Metaphysik|metaphysischen]] Prinzips, so wie dies bei Schopenhauer der „Wille (zum Leben)“ ist. Die entgegengesetzte Meinung vertrat Wolfgang Müller-Lauter: danach habe Nietzsche mit dem „Willen zur Macht“ keineswegs eine Metaphysik im Sinne Heideggers wiederhergestellt – Nietzsche war ja gerade Kritiker jeder Metaphysik – sondern den Versuch unternommen, eine in sich konsistente Deutung alles Geschehens zu geben, die die nach Nietzsche irrtümlichen Annahmen sowohl metaphysischer „Sinngebungen“ als auch eines [[Atomismus|atomistisch]]-[[Materialismus|materialistischen]] Weltbildes vermeidet. Um Nietzsches Konzept zu begreifen, sei es angemessener, von ''den'' (vielen) „Willen zur Macht“ zu sprechen, die im dauernden Widerstreit stehen, sich gegenseitig bezwingen und einverleiben, zeitweilige Organisationen (beispielsweise den menschlichen Leib) bilden, aber keinerlei „Ganzes“ bilden; die Welt sei ewiges Chaos. Zwischen diesen beiden Interpretationen bewegen sich die meisten anderen, wobei die heutige Nietzscheforschung derjenigen Müller-Lauters deutlich näher steht. Gerade der Begriff Macht weist jedoch bei Nietzsche bei seiner stets auf das gesunde Individuum hin ausgerichteten Weltanschauung auf neuere positive Verständnisformen voraus, wie wir sie z.B. bei [[Hannah Arendt]]<ref>Hannah Arendt: Macht und Gewalt. (Originalausgabe: On Violence. New York 1970). Piper, TB; München, Zürich; 1. Auflage 1970, 15. Aufl. 2003, ISBN 3-492-20001-X</ref> – hier jedoch bezogen auf den Menschen in der Gesellschaft – finden: die grundsätzliche Möglichkeit aus sich heraus gestaltend „etwas zu machen“. == Einflüsse == Aus seiner Jugend im Pfarrhaus und im kleinbürgerlich-frommen „Frauenhaushalt“ ergaben sich Nietzsches erste praktische Erfahrungen mit dem Christentum. Schon sehr bald entwickelte er hier einen kritischen Standpunkt; so las er früh Schriften von [[Ludwig Feuerbach]] und [[David Friedrich Strauß]]. Wie früh diese Entfremdung von der Familie begann und wie viel Einfluss sie auf Nietzsches weiteren Denk- und Lebensweg hatte, ist Gegenstand einer andauernden Debatte in der Nietzsche-Forschung. Auch der frühe Tod des Vaters dürfte Nietzsche beeinflusst haben, jedenfalls wies er selbst oft auf dessen Bedeutung für ihn hin. Dabei ist zu beachten, dass er ihn selbst kaum kannte, sondern sich aus Familienerzählungen ein wohl idealisiertes Bild des Vaters machte. Als freundlicher und beliebter, aber körperlich schwacher und kranker Landpfarrer taucht er in Nietzsches Selbstanalysen immer wieder auf. Schon in seiner Jugend war Nietzsche von den Schriften [[Ralph Waldo Emerson]]s und [[George Gordon Byron|Lord Byrons]] beeindruckt, den seinerzeit [[tabu]]isierten [[Friedrich Hölderlin|Hölderlin]] erkor er zu seinem Lieblingsdichter. Auch [[Niccolò Machiavelli|Machiavellis]] Werk ''[[Der Fürst]]'' las er bereits privat in der Schulzeit. Wie stark der Einfluss des Dichters [[Ernst Ortlepp]] oder die Ideen von [[Max Stirner]] beziehungsweise des ganzen [[Junghegelianismus]]' auf Nietzsche waren, ist umstritten. Der Einfluss Ortlepps ist vor allem von [[Hermann Josef Schmidt]] hervorgehoben worden. Über den Einfluss Stirners auf Nietzsche wird bereits seit den 1890ern debattiert. Einige Interpreten sahen hier höchstens eine flüchtige Kenntnisnahme, andere, als erster [[Karl Robert Eduard von Hartmann|Eduard von Hartmann]], erhoben einen [[Plagiat]]svorwurf. [[Bernd A. Laska]] vertritt die These, Nietzsche habe infolge der Begegnung mit dem Werk Stirners, welches ihm vom Junghegelianer Eduard Mushacke vermittelt worden sei, eine „initiale Krise“ durchgemacht, die ihn zu Schopenhauer führte. Dies gilt in der Nietzscheforschung als Außenseitermeinung.<ref name="bl109-133"/> Im Philologiestudium bei [[Friedrich Wilhelm Ritschl|Ritschl]] lernte er neben den klassischen Werken selbst vor allem philologisch-wissenschaftliche Methoden kennen. Dies dürfte einerseits die Methodik seiner Schriften beeinflusst haben, was insbesondere in der ''Genealogie der Moral'' deutlich wird, andererseits aber auch sein Bild von der strengen Wissenschaft als mühselige Arbeit für mittelmäßige Geister. Seine eher negative Haltung zum Wissenschaftsbetrieb an den Universitäten gründete zweifellos in eigenen Erfahrungen sowohl als Student als auch als Professor. An der Universität versuchte Nietzsche den von ihm geschätzten [[Jacob Burckhardt]] zu Gesprächen zu gewinnen, las auch einige von dessen Büchern und hörte sich sogar Vorlesungen des Kollegen an. Mit dem Freund [[Franz Overbeck]] hatte er in der Basler Zeit einen regen Gedankenaustausch, auch später half ihm Overbeck in theologischen und [[Christentumsgeschichte|kirchengeschichtlichen]] Fragen aus. Werke bekannter Schriftsteller wie [[Stendhal]], [[Leo Tolstoi|Tolstoi]] und [[Fjodor Dostojewski|Dostojewski]] machte Nietzsche sich für sein eigenes Denken ebenso zunutze wie solche heute eher unbekannter Autoren wie William Edward Hartpole Lecky oder Fachgelehrter wie [[Julius Wellhausen]]. Zu seinen Ansichten über die moderne ''décadence'' las und bewertete er etwa [[George Sand]], [[Gustave Flaubert]] und die [[Edmond und Jules de Goncourt|Brüder Goncourt]]. Schließlich lässt sich Nietzsches Interesse an Wissenschaften von der [[Physik]] (besonders [[Roger Joseph Boscovich]]s System) bis zur [[Nationalökonomie]] belegen. Er meinte auch, durch seine Krankheiten ein besseres Wissen über [[Medizin]], [[Physiologie]] und [[Diätetik]] erlangt zu haben als manche seiner Ärzte. Tatsächlich war sein naturwissenschaftliches Wissen aber eher oberflächlich. === Wagner und Schopenhauer === [[Datei:Arthur Schopenhauer daguerreotype.jpg|thumb|„Ich gehöre zu den Lesern Schopenhauers, welche, nachdem sie die erste Seite von ihm gelesen haben, mit Bestimmtheit wissen, dass sie alle Seiten lesen werden und auf jedes Wort hören werden, das er überhaupt gesagt hat.“<ref>''Schopenhauer als Erzieher'', Kapitel 2 (KSA 1, S. 346).</ref>]] Ab Mitte der 1860er übten die Werke [[Arthur Schopenhauer]]s großen Einfluss auf Nietzsche aus; dabei bewunderte Nietzsche aber schon zu Beginn weniger den Kern der Schopenhauerschen Lehre als die Person und den „Typus“ Schopenhauer, das heißt in seiner Vorstellung den wahrheitssuchenden und „unzeitgemäßen“ Philosophen. Eine weitere wesentliche Inspiration war dann die Person und die Musik [[Richard Wagner]]s. Die Schriften ''Richard Wagner in Bayreuth'' (Vierte ''Unzeitgemäße Betrachtung'') und vor allem die ''Geburt der Tragödie'' feiern dessen Musikdrama als Überwindung des [[Nihilismus]] ebenso wie eines platten [[Rationalismus]]. Diese Verehrung schlug spätestens 1879 nach Wagners vermeintlicher Hinwendung zum Christentum (in ''[[Parsifal]]'') in Feindschaft um. Nietzsche rechtfertigte seinen radikalen Sinneswandel später in ''Der Fall Wagner'' und in ''[[Nietzsche contra Wagner]]''. Dass Nietzsche sich auch lange nach Wagners Tod 1883 beinahe zwanghaft mit dem einstigen „Meister“ beschäftigte, hat einige Aufmerksamheit gefunden: Über das komplizierte Verhältnis zwischen Nietzsche und Wagner (sowie Wagners Frau [[Cosima Wagner|Cosima]]) gibt es viele Untersuchungen mit teilweise unterschiedlichen Ergebnissen. Neben den von Nietzsche genannten weltanschaulichen und kunstphilosophischen Differenzen haben sicherlich auch persönliche Gründe eine Rolle bei Nietzsches „Abfall“ von Wagner gespielt. Auch Schopenhauer sah er nun kritischer und meinte, gerade in dessen Pessimismus und Nihilismus ein zeittypisches und daher rückwärtsgewandtes Phänomen zu sehen. Freilich fand er auch 1887 noch lobende Worte für Schopenhauer, der „''als Philosoph der <u>erste</u> eingeständliche und unbeugsame Atheist [war], den wir Deutschen gehabt haben''“, und schrieb: :„[Nun kommt] auf eine furchtbare Weise die ''Schopenhauerische'' Frage zu uns: ''hat denn das Dasein überhaupt einen Sinn?'' – jene Frage, die ein paar Jahrhunderte brauchen wird, um auch nur vollständig und in alle ihre Tiefe hinein gehört zu werden. Was Schopenhauer selbst auf diese Frage geantwortet hat, war – man vergebe es mir – etwas Voreiliges, Jugendliches, nur eine Abfindung, ein Stehen- und Steckenbleiben in eben den christlich-asketischen Moral-Perspektiven, welchen, mit dem Glauben an Gott, ''der Glaube gekündigt war'' … Aber er hat die Frage ''gestellt''“.<ref>''Die fröhliche Wissenschaft'', Fünftes Buch, Aphorismus 357 „Zum alten Probleme: »was ist deutsch?«“ (KSA 3, S. 599&nbsp;ff.).</ref> === Nietzsches Rezeption anderer Philosophien === Sein Wissen über Philosophie und Philosophiegeschichte hat Nietzsche sich nicht systematisch aus den Quellen angeeignet. Er hat es vornehmlich aus [[Sekundärliteratur]] entnommen: vor allem aus [[Diogenes Laertios]] zu den antiken Philosophen und aus [[Friedrich Albert Lange]]s ''Geschichte des Materialismus'' sowie [[Kuno Fischer]]s ''Geschichte der neuern Philosophie'' zu späteren Autoren. [[Platon]] und [[Aristoteles]] waren ihm aus der Philologie bekannt und auch Gegenstand einiger seiner philologischen Vorlesungen, aber besonders letzteren kannte er nur lückenhaft. Mit den [[Vorsokratiker]]n befasste er sich zu Anfang der 1870er Jahre intensiv, vor allem auf [[Heraklit]] kam er noch später zurück. Aus Schule und Studium kannte er die Schriften von [[Homer]], [[Hesiod]] und [[Thukydides]]. Für die ''Ethik'' [[Baruch Spinoza|Spinozas]], die Nietzsche zeitweise anregte, war ihm Fischers Werk die Hauptquelle. [[Immanuel Kant|Kant]] lernte er ebenfalls durch Fischer (und Schopenhauer, s. oben) kennen; im Original las er vermutlich nur die ''Kritik der Urteilskraft''. Zum [[Deutscher Idealismus|deutschen Idealismus]] um [[Hegel]] übernahm er für einige Zeit die scharfe Kritik Schopenhauers. Später ignorierte er die Richtung; die Lektüre der Originalwerke hielt er offenbar für entbehrlich. Bedenkenswert ist, dass sich bei Nietzsche zu den [[Junghegelianer]]n ([[Ludwig Feuerbach|Feuerbach]], Bauer und [[Max Stirner|Stirner]]) keine nennenswerten Äußerungen finden, obwohl er sie als Denker einer „geistesregen Zeit“ ansah, <ref name="bl109-133"/> auch keine zu [[Karl Marx]], obwohl er sich verschiedentlich über den politischen [[Sozialismus]] äußerte. Weitere von Nietzsche rezipierte Quellen waren die französischen [[Moralistik|Moralisten]] wie [[François de La Rochefoucauld|La Rochefoucauld]], [[Michel de Montaigne|Montaigne]], [[Luc de Clapiers, Marquis de Vauvenargues|Vauvenargues]], [[Nicolas Chamfort|Chamfort]], [[Voltaire]] und [[Stendhal]]. Die Lektüre [[Blaise Pascal]]s vermittelte ihm einige neue Einsichten zum Christentum. Hin und wieder setzte sich Nietzsche polemisch mit den seinerzeit populären Philosophen [[Karl Eugen Dühring|Eugen Dühring]], [[Karl Robert Eduard von Hartmann|Eduard von Hartmann]] und [[Herbert Spencer]] auseinander. Vor allem von letzterem und den deutschen Vertretern der [[Evolutionstheorie]] um [[Ernst Haeckel]] bezog er sein Wissen um die Lehren [[Charles Darwin]]s. Vereinzelt ist in der Nietzsche-Forschung darauf hingewiesen worden, dass Nietzsches Kritik an anderen Philosophien und Lehren auf Missverständnissen beruhe, eben weil er sie nur durch entstellende Sekundärliteratur kannte. Dies betrifft insbesondere Nietzsches Aussagen zu Kant und der Evolutionslehre. Auch dieses Thema ist aber umstritten. == Wirkung == ''siehe Hauptartikel'' [[Nietzsche-Rezeption]] == Werke und Ausgaben == Eingeklammerte Jahreszahlen geben das Jahr der Entstehung, mit Kommata abgetrennte das Jahr der Erstveröffentlichung an. === Philologische Werke === * ''Zur Geschichte der Theognideischen Spruchsammlung'', 1867. * ''De Laertii Diogenis fontibus'', 1868/69. * ''[[s:Homer und die klassische Philologie|Homer und die klassische Philologie]]'', 1869. * ''Analecta Laertiana'', 1870. * ''Das florentinische Tractat über Homer und Hesiod'', 1870 (siehe: [[Certamen Homeri et Hesiodi]]). === Philosophisches, Dichtungen und Autobiografisches === * ''Fünf Vorreden zu fünf ungeschriebenen Büchern'' (1872) KSA 1: ** I. ''[[s:Über das Pathos der Wahrheit|Über das Pathos der Wahrheit]]'' ** II. ''[[s:Gedanken über die Zukunft unserer Bildungsanstalten|Gedanken über die Zukunft unserer Bildungsanstalten]]'' ** III. ''[[s:Der griechische Staat|Der griechische Staat]]'' ** IV. ''[[s:Das Verhältnis der Schopenhauerischen Philosophie zu einer deutschen Cultur|Das Verhältnis der Schopenhauerischen Philosophie zu einer deutschen Cultur]]'' ** V. ''[[s:Homer's Wettkampf|Homers Wettkampf]]'' * ''[[Die Geburt der Tragödie aus dem Geiste der Musik]]'', 1872 KSA 1. * ''[[s:Über Wahrheit und Lüge im aussermoralischen Sinn|Über Wahrheit und Lüge im außermoralischen Sinn]]'' (1872) KSA 1. * ''Die Philosophie im tragischen Zeitalter der Griechen'' (1873) KSA 1. * ''Unzeitgemäße Betrachtungen'', 1873–1876 KSA 1 und 2. ** ''David Strauß, der Bekenner und der Schriftsteller'', 1873. ** ''[[Vom Nutzen und Nachteil der Historie für das Leben]]'', 1874. ** ''Schopenhauer als Erzieher'', 1874. ** ''Richard Wagner in Bayreuth'', 1876. * ''Menschliches, Allzumenschliches – Ein Buch für freie Geister'' (mit zwei Fortsetzungen), 1878–1880 KSA 2 * ''Morgenröte – Gedanken über die moralischen Vorurteile'', 1881 KSA 3. * ''Idyllen aus Messina'', 1882 KSA 3. * ''[[Die fröhliche Wissenschaft]] („la gaya scienza“)'', 1882 KSA 3. * ''[[Also sprach Zarathustra]] – Ein Buch für Alle und Keinen'', 1883–1885 KSA 4. * ''Jenseits von Gut und Böse – Vorspiel einer Philosophie der Zukunft'', 1886 KSA 5. * ''[[Zur Genealogie der Moral|Zur Genealogie der Moral – Eine Streitschrift]]'', 1887 KSA 5. * ''Der Fall Wagner – Ein Musikanten-Problem'', 1888 KSA 6. * ''Dionysos-Dithyramben'', 1889 KSA 6. * ''[[Götzen-Dämmerung oder Wie man mit dem Hammer philosophiert]]'', 1889 KSA 6. * ''[[Der Antichrist]] – Fluch auf das Christentum'', 1895 KSA 6. * ''[[Nietzsche contra Wagner]]'', 1895 KSA 6. * [[Ecce homo (Nietzsche)|''Ecce homo – Wie man wird, was man ist'']] (1888) 1908 KSA 6. === Musik === Seit seiner Jugend musizierte Nietzsche und komponierte zahlreiche kleinere Stücke. Bedeutend sind: * ''Sämtliche Werke für Klavier solo'' eingespielt von [[Michael Krücker]] für das Label NCA, SACD (Super Audio CD), Order No.: 60189, ISBN: 978-3-86735-717-3 * ''Manfred-Meditation'', 1872. Zum ''Manfred'' von [[George Gordon Byron|Lord Byron]]. Nach der vernichtenden Kritik Hans von Bülows<ref>Brief Hans von Bülows an Nietzsche, 24. Juli 1872, KGB II/4 Nr. 347, S. 51-54</ref> gab Nietzsche das Komponieren größtenteils auf. * ''Hymnus an die Freundschaft'', 1874. [http://www.f-nietzsche.de/hymnus.wav Hörprobe] * ''Gebet an das Leben'', NWV 41, 1882, und ''Hymnus an das Leben'', Chor und Orchester, 1887: Nietzsche vertonte 1882 ein Gedicht von Lou von Salomé. Peter Gast arbeitete dies zu einer Komposition für gemischten Chor und Orchester um, die 1887 unter Nietzsches Namen veröffentlicht wurde. [http://www.f-nietzsche.de/gebet.wav Hörprobe] Mehr zu Nietzsches Musik und weitere Hörbeispiele [http://www.f-nietzsche.de/musik.htm hier]. === Ausgaben === Zur ausführlichen Publikationsgeschichte siehe: ''[[Nietzsche-Ausgabe]]'' '''Gesamtausgaben''' – vollständige, ausführlich kommentierte Ausgaben, die in jeder guten Bibliothek zu finden sind: * ''Werke.'' Kritische Gesamtausgabe [[Sigel|Sigle]]: ''KGW'' [auch: ''KGA'' (Verlag)], hrsg. von Giorgio Colli und Mazzino Montinari. Berlin und New York 1967ff. * ''Briefe.'' Kritische Gesamtausgabe Sigle: ''KGB'', hrsg. von Giorgio Colli und Mazzino Montinari. Berlin und New York 1975–2004 '''Studienausgaben''' – Taschenbuchausgaben: * ''Sämtliche Werke'', Kritische Studienausgabe in 15 Bänden Sigle: ''KSA'', hrsg. von Giorgio Colli und Mazzino Montinari. München und New York 1980. ISBN 3-423-59065-3 * ''Sämtliche Briefe''. Kritische Studienausgabe Sigle: ''KSB'', hrsg. von Giorgio Colli und Mazzino Montinari. München und New York 1986. ISBN 3-423-59063-7 '''Nietzsche Online''' - 70 Bände Editionen der Werke (KGW) und Briefe (KGB) Friedrich Nietzsches von Giorgio Colli und Mazzino Montinari: über 80 Monographien und Referenzwerke wie das Nietzsche-Wörterbuch sowie alle 38 Jahrgänge der Nietzsche-Studien - insgesamt über 100.000 Buchseiten bei [[de Gruyter]] (10/2010). == Literatur == {{Philosophie-Bibliographie|Friedrich Nietzsche}} (Nähere bibliographische Angaben finden sich in den meisten der aufgeführten Bücher und Titel, siehe auch die Bibliographien bei den [[#Weblinks|Weblinks]].) ; Zur Biografie * Charles Andler: ''Nietzsche, sa vie et sa pensée.'' Brossard, Paris 1920–1931 (6 Bände), spätere Auflagen (3 Bände, jeweils zwei zusammengefasst) bei [[Éditions Gallimard|Gallimard]], ISBN 2-07-020127-9, ISBN 2-07-020128-7, ISBN 2-07-020129-5. (Detaillierte Gesamtdarstellung, Rezeptionsgrundlage vieler französischer Autoren.) * Ivo Frenzel: ''Friedrich Nietzsche in Selbstzeugnissen und Bilddokumenten''. Rowohlt, Reinbek bei Hamburg, Neuausgabe 2000, ISBN 3-499-50634-3. * Curt Paul Janz: ''Friedrich Nietzsche. Biographie''. Deutscher Taschenbuch Verlag, München 1981, ISBN 3-423-04383-0 (Das Standardwerk zu Nietzsches Leben, in drei umfangreichen Bänden.) * Christian Niemeyer (Hrsg.): ''Nietzsche-Lexikon''. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2009, ISBN 3-534-20844-7. * [[Henning Ottmann]] (Hrsg.): ''Nietzsche-Handbuch: Leben – Werk – Wirkung''. Metzler, Stuttgart/Weimar 2000. ISBN 3-476-01330-8 * [[Werner Ross]]: ''Der ängstliche Adler''. 1980, ISBN 3-423-30736-6 und * Werner Ross: ''Der wilde Nietzsche oder Die Rückkehr des Dionysos''. dva, Stuttgart 1994, ISBN 3-421-06668-X (Zwei antithetische Akzentuierungen von Nietzsches Charakter aus der Sicht eines Literaturwissenschaftlers) * [[Hermann Josef Schmidt]], ''Nietzsche absconditus oder Spurenlesen bei Nietzsche'' (4 Bände), Berlin/Aschaffenburg 1991–1994, ISBN 3-922601-23-5 (akribische psychologische Studie über Nietzsches Kindheit und Jugend) * Stiftung Weimarer Klassik, Raymond J. Benders u.a. (Hrsg.): ''Friedrich Nietzsche: Chronik in Bildern und Texten''. dtv, München 2000, ISBN 3-423-30771-4 * Pia Daniela Volz: ''Nietzsche im Labyrinth seiner Krankheit''. Königshausen und Neumann, Würzburg 1990, ISBN 3-88479-402-7 (Standardwerk zu Nietzsches Krankengeschichte) ; Zur Philosophie * [[Günter Abel]]: ''Nietzsche. Die Dynamik der Willen zur Macht und die ewige Wiederkehr''. de Gruyter, Berlin und New York 1998 (2., erw. Auflage), ISBN 3-11-015191-X. (Versuch der Klärung des häufig missverstandenen Begriffes.) * Keith Ansell Pearson (Hrsg.): ''A Companion to Nietzsche''. Oxford / Malden: Blackwell 2006, ISBN 1-4051-1622-6. * Maudemarie Clark: ''Nietzsche on Truth and Philosophy'', Cambridge 1990, ISBN 978-0-521-34850-8. * [[Gilles Deleuze]]: ''Nietzsche und die Philosophie''. Europäische Verlagsanstalt/eva, Hamburg 1976, ISBN 3-434-46183-3. (Klassiker der französischen Nietzsche-Rezeption.) * [[Jacques Derrida]]: ''Sporen. Die Stile Nietzsches'' Frankfurt 1969. (Versucht zu zeigen, dass Nietzsches Denken kein Zentrum hat.) * [[Günter Figal]]: ''Nietzsche. Eine philosophische Einführung'' Reclam, Stuttgart 1999, ISBN 3-15-009752-5. * [[Karl Jaspers]]: ''Nietzsche. Einführung in das Verständnis seines Philosophierens.'' de Gruyter, Berlin und New York 1981 (Erstauflage 1935), ISBN 3-11-008658-1. (Jaspers sucht als Philosoph und als Psychiater Zugang zu Nietzsches Denken.) * [[Walter Arnold Kaufmann]]: ''Nietzsche: Philosoph – Psychologe – Antichrist''. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1988, ISBN 3-534-80023-0. (Wichtiges Werk der angelsächsischen Nietzsche-Interpretation.) * [[Domenico Losurdo]]: ''Nietzsche, der aristokratische Rebell – Intellektuelle Biographie und kritische Bilanz''. Zwei Bände. Argument/Inkrit, Berlin 2009, 1104 Seiten, ISBN 978-3-88619-338-7 * [[Mazzino Montinari]]: ''Friedrich Nietzsche: eine Einführung''. de Gruyter, Berlin und New York 1991, ISBN 3-11-012213-8. (Von einem der Herausgeber der Kritischen Gesamtausgabe Nietzsches.) * Wiebrecht Ries: ''Nietzsche zur Einführung''. Junius, Hamburg 2004, ISBN 3-88506-393-X * Stefan Lorenz Sorgner/H. James Birx/ Nikolaus Knoepffler (Hg.): ''Wagner und Nietzsche: Kultur-Werk-Wirkung: Ein Handbuch''. Reinbek b. Hamburg, Rowohlt, 2008. ISBN 978-3-499-55691-3 * [[Bernhard H. F. Taureck]]: ''Nietzsche-ABC''. Reclam, Leipzig 1999, ISBN 3-379-01679-9 * [[Gianni Vattimo]]: ''Nietzsche: eine Einführung''. Metzler, Stuttgart 1992, ISBN 3-476-10268-8 ; Zur Rezeptionsgeschichte * [[Richard Krummel]]: ''[[Nietzsche und der deutsche Geist]]''. de Gruyter, Berlin und New York 1974–2006, näheres s. Artikel. ; Jahrbücher * ''Nietzsche-Studien: Internationales Jahrbuch für die Nietzsche-Forschung''. Berlin: de Gruyter. {{ISSN|0342-1422}} * ''Nietzscheforschung: Jahrbuch der Nietzsche-Gesellschaft'', hrsg. im Auftrag der Förder- und Forschungsgemeinschaft Friedrich Nietzsche e. V. - Berlin: Akad.-Verl. * ''New Nietzsche Studies. The Journal of the Nietzsche Society.'' {{ISSN|1091-0239}} == Weblinks == {{Commons|Category:Friedrich Nietzsche|Friedrich Nietzsche}} ; Texte und Zitate {{Wikiquote|Friedrich Nietzsche}} {{Wikisource|Friedrich Nietzsche}} {{Zeno-Autor|Philosophie/M/Nietzsche,%20Friedrich}} – Diese Seite folgt der [[Nietzsche-Ausgabe#Die Schlechta-Ausgabe und Kritik daran|Schlechta-Ausgabe]], die bei den Spätwerken und beim Nachlass nicht fehlerfrei ist.<!-- *{{Gutenberg Name|n#a779|NAME=Friedrich Nietzsche}} sehr schwache Seite bzgl. Vollständigkeit, Formatierung und benutzter Ausgaben (Stand: Dezember 2007); siehe Diskussionsseite --> * [http://www.nietzschesource.org/ Nietzsche Source] – sämtliche Werke gemäß der [[Nietzsche-Ausgabe#Die Colli-Montinari-Ausgabe|Kritischen Gesamtausgabe, hrsg. von Colli/Montinari]]; (noch unvollständige) digitale Faksimile-Gesamtausgabe des Nachlasses * [http://www.friedrichnietzsche.de www.friedrichnietzsche.de] u.a. Volltextsuche (Anmeldung erforderlich) * [http://ora-web.weimar-klassik.de/swk-db/niebrief/index.html Nietzsche-Briefwechsel] der [[Klassik Stiftung Weimar]]/Goethe- und Schiller-Archiv – vollständiges Briefverzeichnis, Hunderte Faksimiles ; Linksammlungen, Bibliografie und Untersuchungen * {{DNB-Portal|118587943}} <!-- {{LeMO|NietzscheFriedrich|Friedrich Nietzsche|Levke Harders/Lutz Walther}} keine weiterführenden Informationen verglichen mit diesem Artikel --> * {{NDB|19|249|253|Friedrich Nietzsche|Friedrich Nemec}} * {{SEP|http://plato.stanford.edu/entries/nietzsche/}} * {{SEP|http://plato.stanford.edu/entries/nietzsche-moral-political/|Nietzsche's Moral and Political Philosophy|Brian Leiter}} * {{BBKL|n/nietzsche_f_w}} * Malcolm Brown: [http://www.dartmouth.edu/~fnchron/ Nietzsche Chronicle] – engl. chronologische Biographie * [http://ora-web.swkk.de/swk-db/niebiblio/index.html Weimarer Nietzsche-Bibliographie] der Klassik Stiftung Weimar/[[Herzogin Anna Amalia Bibliothek]] – Bibliographie, Stand: August 2008. * [http://www.f-nietzsche.de www.f-nietzsche.de] – private Seite mit vielen weiterführenden und aktuellen Informationen * [http://www.philolex.de/nietzsch.htm Eintrag im philolex] – eine der wenigen kritischen Internet-Seiten zu Nietzsche == Belege == <references/> {{Navigationsleiste Klassische Philologie in Basel}} {{Exzellent}} {{Normdaten|PND=118587943}} {{DEFAULTSORT:Nietzsche, Friedrich}} [[Kategorie:Friedrich Nietzsche| ]] [[Kategorie:Philosoph (19. Jahrhundert)]] [[Kategorie:Existenzialist]] [[Kategorie:Altphilologe (19. Jahrhundert)]] [[Kategorie:Autor]] [[Kategorie:Aphorismus]] [[Kategorie:Hochschullehrer (Basel)]] [[Kategorie:Burschenschafter]] [[Kategorie:Literatur (19. Jahrhundert)]] [[Kategorie:Literatur (Deutsch)]] [[Kategorie:Vertreter des Atheismus]] [[Kategorie:Musikkritiker]] [[Kategorie:Sachliteratur]] [[Kategorie:Person (Weimar)]] [[Kategorie:Deutscher]] [[Kategorie:Geboren 1844]] [[Kategorie:Gestorben 1900]] [[Kategorie:Mann]] {{Personendaten |NAME= Nietzsche, Friedrich |ALTERNATIVNAMEN=Nietzsche, Friedrich Wilhelm (vollständiger Name) |KURZBESCHREIBUNG=deutscher Philosoph |GEBURTSDATUM=15. Oktober 1844 |GEBURTSORT=[[Röcken]] |STERBEDATUM=25. 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Das Archiv wurde 1894 in [[Naumburg (Saale)|Naumburg]] gegründet und befand sich seit 1896 in [[Weimar]]. Seine Geschichte ist bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts eng mit seiner Gründerin und jahrzehntelangen Leiterin [[Elisabeth Förster-Nietzsche]], der Schwester des Philosophen, verknüpft. Obwohl es von Beginn an teilweise heftiger Kritik ausgesetzt war, konnte sich das – seit 1908 als ''Stiftung Nietzsche-Archiv'' geführte – Archiv bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs als zentrale Stelle der [[Nietzsche-Rezeption]] in Deutschland halten. In der DDR wurde es den ''Nationalen Forschungs- und Gedenkstätten der klassischen deutschen Literatur in Weimar'' angeschlossen und 1956 formal aufgelöst. Seine Bestände wurden westlichen Forschern zugänglich gemacht, welche die fragwürdigen früheren [[Nietzsche-Ausgabe]]n durch wissenschaftlich haltbare ersetzen konnten. In der DDR blieb Nietzsche allerdings ein faktisch verbotener Autor. Heute werden die ehemaligen Archivbestände in verschiedenen Einrichtungen der ''[[Klassik Stiftung Weimar]]'' verwahrt. Der frühere Sitz des Archivs, die ''Villa Silberblick'', wird als Museum und als Sitz des Kollegs Friedrich Nietzsche verwendet. Auch dieses Gebäude wird manchmal als Nietzsche-Archiv bezeichnet und trägt heute wieder diesen Schriftzug über seinem Eingang. == Geschichte == === Ziele des Archivs === [[Bild: Elisabeth förster 1894b.JPG|right|thumb|Elisabeth Förster, 1894]] Nachdem Elisabeth Förster im Herbst 1893 aus Paraguay nach Deutschland zurückgekehrt war, plante sie die Gründung eines Nietzsche-Archivs. Vorbilder dürften das seit 1889 unter diesem Namen betriebene [[Goethe- und Schiller-Archiv]] in Weimar und die „Bayreuther Bewegung“ um [[Cosima Wagner]] gewesen sein. Ziel der Archivgründung war – für die damalige Zeit nicht unüblich – die Sammlung von Quellen, um ihre Verstreuung zu vermeiden und sich eine Monopolstellung in ihrer Auswertung zu verschaffen.<ref>Curt Paul Janz: ''Friedrich Nietzsche. Biographie'', München 1981, Band 3, S. 164ff.</ref> Seit Anfang der [[1890er]] stieg die Nietzsche-Rezeption im deutschsprachigen Raum sprunghaft an. Das Nietzsche-Archiv versuchte, in der öffentlichen Diskussion die [[Deutungshoheit]] über Friedrich Nietzsche und seine Philosophie zu gewinnen. Dem dienten in den folgenden Jahrzehnten nicht nur die biografischen Bücher Elisabeth Förster-Nietzsches, sondern auch eine Vielzahl von Zeitschriften- und Zeitungsartikeln, die aus dem Archiv oder aus dessen Umkreis kamen. Förster-Nietzsche hatte schon seit ihrer Jugend Dokumente über den von ihr bewunderten Bruder gesammelt und kaufte jetzt vor allem seine Briefwechsel für teilweise beträchtliche Summen auf. Neben Friedrich Nietzsches Werken wurden von nun an also auch seine Briefe direkt oder indirekt vom Archiv herausgegeben. Ein weiterer Grund für die bald beginnende rege Publikationstätigkeit des Archivs und seine Monopolisierung von Nietzsches Werk dürfte gewesen sein, dass damit hohe Gewinne erzielt werden konnten.<ref>Janz, a.a.O. Darauf hat auch der Verlagsmitarbeiter und Nietzsche-Interpret Gustav Naumann schon in seinem 1896 verfassten, unpublizierten Manuskript „Der Fall Elisabeth“ hingewiesen. Siehe den Abdruck bei Hoffmann, S. 529-561, hier insbesondere S. 541-544.</ref> === Gründung in Naumburg === Nach Nietzsches Zusammenbruch 1889 hatten zunächst [[Heinrich Köselitz]] und [[Franz Overbeck]] als Verantwortliche für Nietzsches literarischen Nachlass gehandelt. Köselitz wandte sich im Winter 1893/94 vorläufig von jeder Beschäftigung mit Nietzsche ab, als Förster die von ihm begonnene Nietzsche-Ausgabe hatte zurückziehen und einstampfen lassen. Overbeck und Förster hatten sich schon davor zerstritten. Förster ließ sich weitere in fremden Händen befindliche Manuskripte ihres Bruders aushändigen und handelte mit dem Verlag C.G. Naumann neue Verträge aus. Zum 68. Geburtstag ihrer Mutter am 2. Februar 1894 überraschte sie diese mit fertig eingerichteten Archivräumen in der gemeinsamen [[Naumburg (Saale)|Naumburg]]er Wohnung. Im April wurde der Schriftsteller und Kunstwissenschaftler Dr. Fritz Koegel (1860–1904) als Herausgeber der geplanten Nietzsche-Gesamtausgabe angestellt. Bereits im September zog das Archiv aus dem Wohnhaus der Mutter und des kranken Bruders in ein größeres Naumburger Quartier, wo bald auch Besucher wie [[Harry Graf Kessler]] empfangen wurden. Bei einem Besuch im Goethe-Archiv hatte Frau Förster die Bekanntschaft der Goethe-Herausgeber [[Eduard von der Hellen]] und [[Rudolf Steiner]] gemacht. Letzterer, auch als Nietzsche-Kenner geltend, besuchte sie mehrfach und durfte Original-Manuskripte einsehen. Am 1. Oktober wurde aber von der Hellen als neuer Mitarbeiter gewonnen. Dieser Verpflichtungscoup lenkte einige öffentliche Aufmerksamkeit auf das Archiv. Zwischen Steiner und von der Hellen kam es deswegen zu einer Auseinandersetzung, deren Hintergrund nicht völlig geklärt ist. Dass Steiner lieber selbst Herausgeber geworden wäre, wurde von ihm später energisch bestritten, ist aber wohl nicht auszuschließen. Elisabeth Förster-Nietzsche stellte es jedenfalls später im Streit mit Steiner öffentlich so dar. [[Bild:Meta von Salis.JPG|thumb|left|Meta von Salis, frühe Gönnerin des Nietzsche-Archivs]] Schon bald nach der Anstellung von der Hellens musste Fritz Koegel, der zur Teamarbeit nicht fähig war, für einige Zeit beurlaubt werden. Von der Hellen schied allerdings schon nach wenigen Monaten im gegenseitigen Einvernehmen wieder aus dem Archiv aus. Die von Koegel unter Mitarbeit von der Hellens begonnene Gesamtausgabe schritt 1895 zügig voran. Ebenfalls ein literarischer Erfolg wurde der erste Band der Nietzsche-Biografie von Elisabeth Förster. Aus heutiger Sicht war diese Schrift auch der erste Baustein des verzerrten Nietzsche-Bildes, welches das Archiv in den Folgejahren verbreitete (siehe [[Nietzsche-Archiv#Das Nietzsche-Bild des Archivs|Das Nietzsche-Bild des Archivs]]). Im Dezember 1895 gelang es Förster nach erheblichem Druck, ihrer Mutter und dem zweiten Vormund des Kranken, [[Adalbert Oehler]], alle Rechte an den Schriften ihres Bruders abzukaufen. Dafür lieh sie sich 30.000&nbsp;Mark beim Bankier Robert von [[Mendelssohn (Familie)|Mendelssohn]], wobei die Nietzsche-Freunde und -Verehrer [[Meta von Salis]], Harry Graf Kessler, Hermann Hecker und Raoul Richter als Bürgen eintraten<ref>Janz, a.a.O., S. 202f.; Abdruck der Verträge S. 337-343</ref>. Immer wieder kam es in dieser Zeit zu Auseinandersetzungen zwischen Schwester und Mutter des Philosophen: Letztere empfand das Gebaren des Archivs und ihrer Tochter als unwürdig und fühlte sich ungerecht behandelt.<ref>Vergleiche die Briefe Franziska Nietzsches an Franz Overbeck in Erich Podach: ''Der kranke Nietzsche. Briefe seiner Mutter an Franz Overbeck'', Wien 1937, und an Adalbert Oehler in Gernot Gabel, Carl Jagenberg: ''Der entmündigte Philosoph. Briefe von Franziska Nietzsche an Adalbert Oehler aus den Jahren 1889-1897'', Hürth 1994. Die wichtigsten Stellen sind abgedruckt bei Benders, ''Chronik'', S. 783-789; vgl. auch Hoffmann, S. 21-23 und 29</ref> Sie starb am 20. April 1897 im Alter von 71 Jahren in Naumburg. === Umzug nach Weimar === Am 1. August 1896 zog das Archiv mit finanzieller Unterstützung Meta von Salis’ nach Weimar um, zunächst in eine angemietete Wohnung. Grund für die Wahl Weimars dürfte der Wunsch gewesen sein, von der Aura der Kulturstadt zu profitieren und sich dem bereits erwähnten Vorbild des Goethe- und Schiller-Archivs gleichzustellen. Auch Harry Graf Kessler, ein wichtiger Protagonist des „[[Neues Weimar|Neuen Weimars]]“, hatte für diesen Umzug geworben. [[Bild:Nietzsche Olde 10.JPG|right|thumb|Der kranke Nietzsche auf dem Balkon der Villa Silberblick. Fotografie von [[Hans Olde]], Sommer 1899.]] Im Winter 1896/97 kam es zu einer ersten schweren Krise im Archiv, über deren genauen Hergang keine endgültigen Erkenntnisse vorliegen. Förster-Nietzsche wollte Rudolf Steiner als Herausgeber gewinnen und gegebenenfalls Koegel, mit dem es zu sachlichen Differenzen und persönlichen Spannungen gekommen war, entlassen. Nach Darstellung Steiners und anderer hat sie dazu Steiner und Koegel gegeneinander aufgehetzt, die dies allerdings schließlich durchschaut hätten. Förster-Nietzsche stellte es später so dar, dass Steiner Herausgeber werden wollte und so von sich aus in Konflikt mit Koegel geraten sei. In Folge dieser Krise wurde Koegel schließlich zum 1. Juli 1897 entlassen, und nachfolgende Verhandlungen mit Steiner, der sich immer weiter vom Archiv distanzierte, scheiterten.<ref>Diese Krise wird ausführlich rekonstruiert bei Hoffmann, S. 203-232; zur Folgezeit siehe Hoffmann, S. 247-285</ref> Ebenfalls zum 1. Juli 1897 kaufte Meta von Salis die Villa „''Zum Silberblick''“ in Weimar für 39.000&nbsp;Mark und stellte sie dem Archiv zur Verfügung. Der Umzug fand im Sommer statt, auch der pflegebedürftige Friedrich Nietzsche wurde hierher verlegt. Mit eigenmächtigen Umbaumaßnahmen verärgerte Förster-Nietzsche ihre Freundin und Gönnerin Meta von Salis, die das Haus 1898 an Adalbert Oehler verkaufte und den Kontakt zu Förster-Nietzsche abbrach. Im Oktober 1898 konnte [[Arthur Seidl]] als Herausgeber einer neuen Gesamtausgabe – bereits der dritten nach den jeweils abgebrochenen Köselitz’ und Koegels – gewonnen werden. In der Folgezeit traten auch die Brüder [[Ernst Horneffer|Ernst]] und [[August Horneffer]] als Mitarbeiter ins Archiv ein, Ende 1899 auch Heinrich Köselitz. Bei Köselitz’ überraschendem Eintritt dürfte seine schwierige finanzielle Lage eine Rolle gespielt haben. [[Mazzino Montinari]] hat später die These aufgestellt, es habe eine Art „Nichtangriffspakt“ zwischen Köselitz und Förster-Nietzsche gegeben, denen beide abschätzige Urteile Friedrich Nietzsches über den jeweils anderen bekannt waren.<ref>Montinari, ''Nietzsche lesen'', Berlin 1982, S. 167f.; vgl. Hoffmann, S. 42-46.</ref> === Öffentliche Auseinandersetzungen === [[Bild:Steiner um 1905.jpg|thumb|right|Der spätere Begründer der Anthroposophie Rudolf Steiner – hier um 1905 – war nie offiziell Angestellter des Archivs, genoss aber zeitweise das Vertrauen der Archivleiterin und erstellte die erste Nietzsche-Bibliografie. Später kritisierte er Förster-Nietzsche scharf.]] Im Jahr 1900 kam es zum ersten öffentlichen Streit um die Editionsmethoden des Archivs und seine philosophische und philologische Kompetenz. Ausgelöst wurde er durch einen Aufsatz Ernst Horneffers, in dem der frühere Herausgeber Koegel scharf attackiert wurde; damit sollte der Aufsatz auch die Einziehung der alten und den Beginn der neuen Gesamtausgabe rechtfertigen. Rudolf Steiner, der in die oben erwähnte Archivkrise verwickelt war, antwortete darauf mit einer „Enthüllung“ im ''Magazin für Litteratur''. Er verteidigte Koegel und gab eine sehr negative Charakterisierung von Förster-Nietzsche, die in der Behauptung gipfelte: :''<u>Daß<!--sic!--> Frau Förster-Nietzsche in allem, was die Lehre ihres Bruders angeht, vollständig Laie ist.</u> Sie hat nicht über das Einfachste dieser Lehre irgend ein selbständiges Urteil. [… Zudem fehlt ihr] aller Sinn für […] logische Unterscheidungen; ihrem Denken wohnt nicht die geringste logische Folgerichtigkeit inne; es geht ihr jeder Sinn für Sachlichkeit und Objektivität ab. Ein Ereignis, das heute stattfindet, hat morgen bei ihr eine Gestalt angenommen, die […] so gebildet ist, wie sie sie zu dem braucht, was sie erreichen will. [Sie lügt aber nicht absichtlich:] Nein, sie <u>glaubt</u> in jedem Augenblicke, was sie sagt. Sie redet sich heute selbst ein, daß<!--sic!--> gestern rot war, was ganz sicher blaue Farbe trug.'' Damit war zum ersten Mal der Vorwurf nicht nur der philosophischen Inkompetenz, sondern auch der (bewussten oder unbewussten) Verfälschung von Friedrich Nietzsches Werk und Person gegen das Archiv öffentlich erhoben worden. Es entwickelte sich nun ein in mehreren Zeitschriften ausgetragener Streit, der sich nicht nur um diese Punkte, sondern auch um philosophische Fragen der Nietzsche-Deutung drehte.<ref>Zum Streit von 1900 siehe ausführlich Hoffmann, S. 337-406 (Zitat Steiners S. 359); erwähnenswert ist, dass auch [[Felix Hausdorff]] alias Paul Mongré in den Streit eingriff.</ref> Die genannten Vorwürfe gegen das Archiv wurden in verschiedener Schärfe in den Folgejahren immer wieder erhoben, oft auch direkt oder indirekt von ehemaligen Archivmitarbeitern. Die heutige Nietzscheforschung ist sich weitgehend einig, dass sie berechtigt waren.<ref>Besonders zu den Fälschungen Förster-Nietzsches an Nietzsches Briefen, um sich selbst als beste Deuterin von Nietzsches Werk zu legitimieren, siehe Karl Schlechta: ''Philologischer Nachbericht'' in: Friedrich Nietzsche: ''Werke in drei Bänden'', München 1954ff., Band 3, S. 1408-1421. Vergleiche auch [[Nietzsche-Ausgabe]]. – Viele Angaben Förster-Nietzsches in den biographischen Schriften über ihren Bruder können naturgemäß weder bewiesen noch widerlegt werden; schon über den ersten Band urteilte allerdings die Mutter Franziska Nietzsche, er enthalte „Wahrheit und Dichtung“ (Brief an A. Oehler vom 23./24. Juni 1895, abgedruckt bei Gabel, a.a.O. S. 34-40 und ''Chronik'', S. 18f. und 783)</ref> === Das Basler „Gegenarchiv“ === Die wichtigsten öffentlichen Gegner des Archivs sahen sich selbst in der Nachfolge Franz Overbecks in [[Basel]]; man sprach daher von der „Basler Deutung“, „Basler Tradition“ oder gar dem „Basler Gegenarchiv“.<ref>Zum ersten Mal explizit wurde so 1920 von Charles Andler unterschieden; vgl. Hoffmann, S. 94ff.</ref> Die [[Universitätsbibliothek Basel]] verwahrt bis heute mit Nachlässen F. Overbecks, [[Carl Albrecht Bernoulli]]s, [[Jacob Burckhardt]]s, M. von Salis', [[Josef Hofmiller]]s, P. Lauterbachs, P. Lanzkys, [[Karl Joel (Philosoph)|Karl Joël]]s und Gustav Naumanns nach dem Archiv die zweitgrößte Sammlung von Nietzscheana. Die größten Auseinandersetzungen fanden zwischen 1905 und 1909 statt und vermengten sehr unterschiedliche Fragen. *Sie begannen mit dem Vorwurf Förster-Nietzsches, durch Overbecks Schuld seien Manuskripte Nietzsches für eine vollständige Schrift „Die Umwertung aller Werte“ verloren gegangen. Die juristische und literarische Verteidigung des Verstorbenen wurde von dessen Witwe Ida und dessen Schüler Carl Albrecht Bernoulli begonnen. Die juristische Auseinandersetzung endete 1907 mit einem Vergleich, ihren Standpunkt machten Förster-Nietzsche (''Das Nietzsche-Archiv, seine Freunde und Feinde'', 1907) und Bernoulli (''Friedrich Nietzsche und Franz Overbeck'', 1908) auch in Büchern deutlich. Die heutige Nietzscheforschung gibt eindeutig den „Baslern“ recht.<ref>Überblick zum Streit selbst bei Hoffmann, S. 61-65 und 71-75; vgl. Erich Podach, ''Friedrich Nietzsches Werke des Zusammenbruchs'', Heidelberg 1961, S. 64-80; Mazzino Montinari widerlegt Förster-Nietzsches „niederträchtige Kampagne […] gegen den einzigen Mann höheren Ranges unter den ihrem Bruder treu gebliebenen Freunden“ in ''Nietzsche lesen'', S. 92-119 sowie 147f. und KSA 14, S. 383-400 sowie 463.</ref> *Schon 1901 hatten die Brüder Horneffer und Köselitz für das Archiv eine aus Nietzsches Nachlass kompilierte Schrift „''[[Der Wille zur Macht]]''“ herausgegeben. 1906 erschien eine stark veränderte und erweiterte Fassung davon, herausgegeben von Förster-Nietzsche und Köselitz. Die Schrift wurde vom Archiv als „Hauptprosawerk“ Nietzsches bezeichnet und entfaltete eine aus heutiger Sicht fragwürdige und das Werk Nietzsches entstellende Wirkung. Der Streit um die Frage, wie Nietzsches Nachlass herauszugeben sei, wurde selbstkritisch von den Brüdern Horneffer angestoßen (August Horneffer: ''Nietzsche als Moralist und Schriftsteller'', 1906; Ernst Horneffer: ''Nietzsches letztes Schaffen'', 1907) und in unterschiedlichen Zeitschriften geführt. Eine sachliche Verteidigung des Archivs versuchte Ernst Holzer. *1908 ging Heinrich Köselitz gerichtlich gegen den zweiten Band von Bernoullis oben erwähnter Schrift ''Friedrich Nietzsche und Franz Overbeck'' vor. Er wollte die Publikation seiner früheren Briefe an Overbeck, in denen er Förster-Nietzsche scharf kritisiert hatte, verhindern. Tatsächlich mussten Bernoulli und sein Verleger [[Eugen Diederichs]] die Stellen zunächst schwärzen und schließlich ganz streichen. Gerichtliche Auseinandersetzungen um die Herausgabe des Nietzsche-Overbeck-Briefwechsels zogen sich bis in den Ersten Weltkrieg hin. Auch dieser Prozess wurde von Angriffen und Gegenangriffen in der Presse begleitet. Von Bedeutung ist, dass Bernoulli hier zum ersten Mal aus den sogenannten „Koegel-Exzerpten“ zitierte: Der inzwischen verstorbene Herausgeber Fritz Koegel hatte in seiner Zeit im Archiv (siehe oben) heimlich eine ganze Reihe von Stellen aus Nietzsches Manuskripten und Briefen abgeschrieben, die unter anderem Friedrich Nietzsches gespanntes Verhältnis zu Mutter und Schwester zeigten und damit Förster-Nietzsches biografischen Schriften widersprachen. Das Nietzsche-Archiv bestritt bis in die 1930er Jahre deren Authentizität.<ref>Zum Prozess Köselitz gegen Bernoulli und Diederichs s. Hoffmann, S. 75-78, und Montinari: ''Die [[Schwärzung|geschwärzten]] Stellen in C. A. Bernoulli: „Friedrich Nietzsche und Franz Overbeck. Eine Freundschaft“'' in: ''Nietzsche-Studien 6'' (1977), S. 300-328; zu den Koegel-Exzerpten s. Hoffmann, S. 407-423 und 579-713</ref> Eine Archiv-kritische Nietzscheforschung wurde fortgeführt von Charles Andler, Josef Hofmiller und Erich Podach. Im Zuge all dieser Auseinandersetzungen verloren das Archiv und seine Leiterin zwar für einige Interessierte ihre Glaubwürdigkeit und sahen sich in kritischen Kreisen Spott ausgesetzt. Beispielsweise veröffentlichte [[Alfred Kerr]] zu Förster-Nietzsches 60. Geburtstag ein Spottgedicht „''Die Übermenschin''“<ref>In der Zeitschrift ''Der Tag'', 27. Juli 1906</ref>, worin er die geistige Situation im Archiv kennzeichnete: „''Übermenschenkaffeekränzchen''“. 1931 vermerkte [[Kurt Tucholsky]]: :„''Nun aber ist Lieschen die Schwester. […] Sie darf die Werke Nietzsches einleiten, sie darf den Nachlaß<!--sic!--> Nietzsches, seine Briefe und seine Zettel verwalten, und sie verwaltet sie so, wie wir wissen. Genutzt hat es ihr nichts. Nietzsche, nicht das Brüderchen, der wahre Nietzsche ist, hauptsächlich durch Andler, bekannt geworden – trotz dieses Archivs.''“<ref>Kurt Tucholsky [als Peter Panter]: ''Schnipsel'' in: ''Die Weltbühne'', Nr. 37/1931, 15. September 1931, S. 416 [http://www.textlog.de/tucholsky-schnipsel-spruch.html Internet]; vgl. auch ders. [als Ignaz Wrobel]: ''Fräulein Nietzsche'' in ''Die Weltbühne'', Nr. 2/1932, 12. Januar 1932, S. 54ff. [http://www.textlog.de/tucholsky-nietzsche.html Internet]</ref> Dennoch behielt und gewann das Archiv mächtige Unterstützer. === Einrichtung als Stiftung, Erster Weltkrieg und Weimarer Republik === Im Mai 1908 konnte dank einer außerordentlich hohen Spende des schwedischen Bankiers und Nietzsche-Verehrers [[Ernest Thiel]] die „''Stiftung Nietzsche-Archiv''“ gegründet werden, die vom Großherzogtum [[Sachsen-Weimar-Eisenach]] als gemeinnützige, wissenschaftliche und kulturelle Institution anerkannt wurde. Rechtlich ging damit die Leitung des Archivs in die Hände des Vorstands der Stiftung über, faktisch behielt aber Förster-Nietzsche in allen entscheidenden Fragen das letzte Wort, da die Vorstandsmitglieder ihr entweder treu ergeben waren oder auch an der eigentlichen Tätigkeit des Archivs kein Interesse hatten. Dem Vorstand gehörten in den folgenden Jahren wechselnde Personen des politischen und kulturellen Lebens an. Den Vorsitz der Stiftung hatten inne: Adalbert Oehler (1908–1923, Rücktritt nach Differenzen mit Förster-Nietzsche), [[Arnold Paulssen]] (1923–1931) und [[Richard Leutheußer]] (1931–1945). Im Ersten Weltkrieg stimmte das Archiv in die allgemeine Kriegsbegeisterung ein. Billige Kriegsausgaben ausgewählter Nietzsche-Schriften fanden großen Absatz. Nach dem Krieg positionierte sich Förster-Nietzsche politisch eindeutig: nämlich in Opposition zur Weimarer Republik. Sie trat der [[Deutschnationale Volkspartei|Deutschnationalen Volkspartei]] bei, vertrat unter anderem die [[Dolchstoßlegende]] und rief bei der [[Reichspräsidentenwahl 1925]] zur Wahl [[Paul von Hindenburg]]s auf. Dennoch wollte das Archiv nach außen parteipolitische Neutralität wahren, wie sie auch mit den genannten Stiftungsvorsitzenden symbolisiert wurde: Paulssen gehörte der [[Deutsche Demokratische Partei|DDP]], Leutheußer der [[Deutsche Volkspartei|DVP]] an. Tatsächlich gelang es dem Archiv, auch von DDP- und [[Sozialdemokratische Partei Deutschlands|SPD]]-geführten Ministerien Unterstützung zu erlangen. [[Adalbert Oehler|Adalbert]], [[Max Oehler|Max]] und [[Richard Oehler]], alle Verwandte Förster-Nietzsches, waren bereits vor dem Krieg mit dem Archiv verbunden. Ab 1919 lebten und arbeiteten sie alle direkt am Archiv, ihre politische Einstellung entsprach derjenigen ihrer Cousine. Der Verwaltungsbeamte Adalbert Oehler, zuvor unter anderem Oberbürgermeister Düsseldorfs, war von [[Spartakusbund|Spartakisten]] aus dem Düsseldorfer Bürgermeisteramt vertrieben worden. Er war schon seit Gründung Vorsitzender der Stiftung Nietzsche-Archiv, legte den Vorsitz aber 1923 nach Streitigkeiten mit Förster-Nietzsche nieder. Der Berufssoldat Max Oehler schied 1919 aus dem Heer aus und wurde [[Archivar]]. Er erledigte einen Großteil der täglichen Arbeit im Archiv und wurde nach Förster-Nietzsche die bestimmende Figur. Namhafte Unterstützer des Archivs in den ersten Jahren der Weimarer Republik waren [[Ernst Bertram]] und [[Thomas Mann]], deren Werke ''Nietzsche. Versuch einer Mythologie'' (Bertram, 1918) und ''[[Betrachtungen eines Unpolitischen]]'' (Mann, 1918) Nietzsche in einer Weise darstellten, die grundsätzlich dem Bild des Archivs entsprach. Harry Graf Kessler dagegen blieb zwar mit Förster-Nietzsche in Kontakt, entfremdete sich aber im Zuge seiner Wandlung zum Pazifisten und „roten Grafen“ von der Linie des Archivs, das sich seinerseits politisch immer weiter nach rechts bewegte. Ab 1923 wurde vor allem [[Oswald Spengler]] von Förster-Nietzsche hofiert, zum Vorstandsmitglied gemacht und durfte zu wichtigen Anlässen im Nietzsche-Archiv sprechen. Das Archiv befand sich „''[i]m Fahrwasser der ‚[[Konservative Revolution|Konservativen Revolution]]‘''“<ref>Krause, S. 213</ref>. 1923 stand das Archiv in Folge der [[Deutsche Inflation 1914 bis 1923|Inflation]] vor dem Bankrott, konnte sich aber durch stetige Unterstützung aus großbürgerlichen Kreisen halten. Der erwähnte Ernest Thiel, obwohl mütterlicherseits jüdischer Abstammung, war vielleicht der großzügigste Gönner des Archivs, das immer wieder in finanzielle Notlagen kam. Er bewunderte Elisabeth Förster-Nietzsche zutiefst. Ein weiterer Großspender war der Zigarettenfabrikant [[Philipp Fürchtegott Reemtsma|Philipp Reemtsma]], der dem Archiv von 1929 bis 1945 – zunächst anonym – jährlich 28.000 Reichsmark zukommen ließ. Einen im Vergleich dazu eher symbolischen Beitrag leistete Reichspräsident von Hindenburg, der Förster-Nietzsche zu ihrem 80. Geburtstag (1926) einen monatlichen „[[Ehrensold]]“ in Höhe von 450 Reichsmark garantierte. Der Archivleiterin war 1921 von der [[Friedrich-Schiller-Universität Jena|Universität Jena]] der [[Ehrendoktor]]titel verliehen worden, auch wurde sie von deutschen Professoren mehrfach für den [[Nobelpreis für Literatur|Literaturnobelpreis]] vorgeschlagen. Schließlich wurde 1926 die ''Gesellschaft der Freunde des Nietzsche-Archivs'' gegründet mit dem vorrangigen Zweck, Spenden für das Archiv zu sammeln. Während prominente Honoratioren diese Gesellschaft nach außen vertraten, wurde sie tatsächlich von denselben Leuten geleitet wie das Nietzsche-Archiv. Sie hatte allerdings vergleichsweise geringen Erfolg. Um 1925 begannen die Kontakte des Archivs zum [[Faschismus|Faschistenführer]] [[Benito Mussolini]]. Mussolini war Nietzsche-Verehrer und unterstützte das Archiv in der Folgezeit auch finanziell. Umgekehrt wurde von Seiten des Archivs der Faschismus als geistige Bewegung im Gefolge Nietzsches gelobt, was auch im Vorstand der Stiftung zu Spannungen führte. Die genannte Unterstützung durch Reemtsma oder mehrere Besuche der [[Hermine von Schönaich-Carolath|„Kaiserin“ Hermine]] wurden aber von der zunehmend rechtsradikalen Ausrichtung des Archivs begünstigt. Durch die Beziehungen zum faschistischen Italien kam es auch zur Annäherung an die [[Nationalsozialismus|nationalsozialistische]] Bewegung in Deutschland, die in der Umgebung Weimars ohnehin schon Ende der 1920er überdurchschnittlich stark war (vergleiche [[Baum-Frick-Regierung]]). Der genannte Max Oehler war bekennender Nationalsozialist. Anfang 1932 kam es anlässlich der Uraufführung von Mussolinis Theaterstück ''Die hundert Tage'' zum ersten Treffen zwischen Förster-Nietzsche und [[Adolf Hitler]], der in der Folgezeit mehrfach das Archiv besuchte. === Nationalsozialismus und Tod von Förster-Nietzsche === In mehreren Briefen begrüßte Förster-Nietzsche den Regierungsantritt Hitlers euphorisch. Sie sah das Nietzsche-Archiv „''in herzlicher Verehrung zum Führer''“ und in „''Verbundenheit mit den Idealen des Nationalsozialismus''“<ref>Förster-Nietzsche an Oswald Spengler, 11. 10. 1935, zit. nach Hoffmann, S. 114</ref>. Die Brüder Richard und Max Oehler propagierten die geistige Nähe zwischen Nietzsche und Faschismus beziehungsweise Nationalsozialismus (Richard Oehler: ''Friedrich Nietzsche und die deutsche Zukunft'', 1935). Solche Ansichten teilten nicht alle: 1933 trat beispielsweise [[Romain Rolland]] unter Protest gegen die Nähe zu Mussolini aus der ''Gesellschaft der Freunde des Nietzsche-Archivs'' aus. 1935 verließ auch Oswald Spengler wegen der politischen Tendenz des Archivs den Stiftungsvorstand. 1935 starb Elisabeth Förster-Nietzsche. An der Trauerfeier und der Beerdigung nahmen Adolf Hitler und viele weitere Würdenträger des NS-Staates teil. Max Oehler übernahm die Leitung des Archivs, das damit seinen [[Literarischer Salon|salon]]artigen Charakter verlor. Oehler veranstaltete bis kurz vor Ende des Zweiten Weltkriegs Führungen im Archiv und verbreitete in Schriften und Vorträgen sein nationalsozialistisches Nietzsche-Bild. Tatsächlich ging er in seiner Anpassung an die herrschende Politik weiter als Förster-Nietzsche.<ref>Hoffmann, S. 115; Podach (1961), S. 412-414</ref> Nach dem Ablauf der Schutzfrist für Nietzsches Werke hatte sich zur Erstellung einer „historisch-kritischen Gesamtausgabe“ bereits 1931 ein ''Wissenschaftlicher Ausschuss'' (WA) beim Archiv konstituiert (vergleiche [[Nietzsche-Ausgabe#Ablauf der Schutzfrist 1930|Nietzsche-Ausgabe: Ablauf der Schutzfrist 1930]]). Zwischen dessen Leiter [[Carl August Emge]] – ebenfalls aktiver Nationalsozialist – und den Oehlers kam es nach dem Tod Förster-Nietzsches zu einem Machtkampf. Nachdem Emges Plan, das Archiv der [[Preußische Akademie der Wissenschaften|Preußischen Akademie der Wissenschaften]] anzugliedern, gescheitert war, verließ er 1935 das Archiv. Archivmitarbeiter stellten die Fälschungen, Eingriffe und Unterschlagungen der Verstorbenen in Nietzsches Briefen und Manuskripten fest und berichteten dem WA darüber. 1937 reiste [[Karl Schlechta]] nach Basel, um in der dortigen Universitätsbibliothek – dem [[Nietzsche-Archiv#Das_Basler_.E2.80.9EGegenarchiv.E2.80.9C|„Gegenarchiv“]] – weitere Nachforschungen anzustellen. In internen Berichten wurden nun etwa die „Koegel-Exzerpte“ für authentisch erklärt. Zu einer öffentlichen Diskussion kam es aber nicht. Von der Regierung angestoßen und unterstützt wurde der Bau einer Nietzsche-Gedenkhalle, der aber mit Kriegsbeginn faktisch abgebrochen wurde (siehe [[Nietzsche-Archiv#Architektur|Architektur]]). Auch wurde das Archiv finanziell unterstützt; besonders [[Reichsstatthalter]] [[Fritz Sauckel]] wollte unter anderem mit Hilfe des Archivs Weimar als zentralen Ort des Nationalsozialismus etablieren, was aber nicht in gewünschtem Maße gelang. 1937 wurden auf Wunsch Sauckels drei offizielle Vertreter des NS-Staats, darunter Ministerpräsident [[Willy Marschler]], in den Stiftungsvorstand aufgenommen. Über die tatsächliche Bedeutung des Nietzsche-Archivs in der [[Zeit des Nationalsozialismus]] gibt es unterschiedliche Auffassungen. Der genannte Carl August Emge betonte Ende 1933 stolz die „''unmittelbare[n] Beziehungen zum Führer''“ und sah „''wohl außer Bayreuth keine Stätte, die durch den Führer nach außen hin so anerkannt ist als kulturell wichtiges Unternehmen, wie gerade das Nietzsche-Archiv.''“<ref>zit. nach Hoffmann, S. 110</ref> Ein späterer Autor schreibt von einer „''Einbeziehung des Nietzsche-Archivs in den Propaganda-Apparat des Faschismus''“<ref>Hahn, S. 17</ref>. Bezüglich der genannten Nietzsche-Gedenkhalle ist aber auch auf die „''Distanz der gleichsam offiziellen Künstlerprominenz zu den Aktivitäten auf dem ‚Silberblick‘''''“ hingewiesen worden sowie auf das „''trostlose Schicksal''“ der Weimarer Nietzsche-Gemeinde, die zum hundertsten Geburtstag Nietzsches 1944 nur eine halbfertige Gedenkhalle und ein Grußtelegramm Hitlers, der sich von [[Alfred Rosenberg]] vertreten ließ, vorfand.<ref>Krause, S. 225 und 233; vgl. Hoffmann, S. 111f. und 119f.</ref> Eine systematische Untersuchung der Rolle des Nietzsche-Archivs im „Dritten Reich“, wie überhaupt der Indienstnahme Nietzsches im Nationalsozialismus, steht noch aus.<ref>Steven Aschheim, ''Nietzsche und die Deutschen. Karriere eines Kults.'' Stuttgart 1996 (engl. Orig. 1992), S. 252, verweist auf die Dissertation Hans Langreders: ''Die Auseinandersetzung mit Nietzsche im Dritten Reich'', Kiel 1971, hält sie aber für unzureichend.</ref> Im Laufe des Krieges wurden einige Archivmitarbeiter eingezogen, so dass die Arbeit an Nietzsche-Dokumenten ab ca. 1942 im Wesentlichen zum Erliegen kam. Fast alle Archivbestände blieben im Krieg von Zerstörungen verschont. === Schließung, Wiedereinrichtung und Auflösung === Im April 1945 wurde Weimar von US-amerikanischen Truppen besetzt, im Juli wurde die Stadt an sowjetische Truppen übergeben. Schon gegenüber den Amerikanern stellte Max Oehler das Archiv in einer Verteidigungsschrift „gegen den Vorwurf der Reaktion“ als eine unpolitische Einrichtung im Dienste freier Forschung dar.<ref>M. Oehler: ''Kurzer Abriss der Geschichte und der Tätigkeit des Nietzsche-Archivs'', Denkschrift von 1945</ref> Im Juli sperrte die sowjetische Militäradministration die Konten des Archivs. Max Oehler wurde Anfang Dezember verhaftet, kurz darauf wurde das Haus geschlossen und versiegelt, der gesamte Inhalt wurde im Frühjahr 1946 beschlagnahmt und abtransportiert. Oehler, zur Zwangsarbeit in Sibirien verurteilt, starb noch vorher im März 1946 in Weimar. Der in Kisten verpackte Inhalt des Nietzsche-Archivs sollte offenbar nach Russland abtransportiert werden. Dazu kam es allerdings nicht: Im Sommer 1946 wurden die Kisten zurückgegeben und der Inhalt wieder in der Villa Silberblick aufgestellt. Über die Hintergründe dieser Rückgabe gibt es unterschiedliche Berichte. Sicher scheint, dass der thüringische Landespräsident [[Rudolf Paul]] bei der sowjetischen Militäradministration zugunsten einer Rückgabe interveniert hat. Nach der mit Dokumenten belegten Darstellung Wolfgang Stephans<ref>W. Stephan: ''Der Zugriff der sowjetischen Militäradministration auf Nietzsches Nachlass 1946 und seine Retter'' in: ''Nietzsche-Studien 27'', 1998, S. 527-534</ref> geschah dies auf Anregung des Goethe-Forschers [[Hans Wahl]]. [[Karl Schlechta]] schreibt ohne Beleg, er selbst habe über den Verleger [[Anton Kippenberg]] Rudolf Paul auf die Gefahr eines Verlusts aufmerksam gemacht.<ref>Schlechta, a.a.O., S. 1431f. Vergleiche Manfred Riedel: ''Nietzsche in Weimar. Ein deutsches Drama'', Leipzig 1997/2000, S. 153ff., der Schlechtas Darstellung folgt.</ref> [[Bild: Annna amalia mit gerüst.jpg|thumb|right|Friedrich Nietzsches Bibliothek wird, anders als seine Manuskripte, seit den 1950ern in der [[Herzogin Anna Amalia Bibliothek]] (hier in Restauration nach dem Brand 2004) verwahrt.]] Als kommissarischer Leiter des Archivs wurde im Dezember 1946 Hans Wahl eingesetzt, der in der Folgezeit verschiedene Vorschläge zur Wiedereröffnung und Weiternutzung machte, die jedoch nicht weiter verfolgt wurden. Nach Wahls Tod 1949 wurde der Literaturwissenschaftler [[Gerhard Scholz]] (1903–1989)<!--http://www.exilforschung.de/NNB/NNB16.pdf--> zum Leiter des Archivs, das weiterhin als Stiftung bestand, ernannt. Dem Vorstand der Stiftung Nietzsche-Archiv gehörten neben einem Vertreter des Staats und einer Mitarbeiterin Scholz’ auch – möglicherweise nur formal – [[Ernst Bloch]], [[Franz Altheim]] und [[Reinhard Buchwald]] an.<br /> Die Bestände des Nietzsche-Archivs und anderer Weimarer Einrichtungen wurden ab 1950 dem Goethe- und Schiller-Archiv (GSA) angegliedert. Die Villa Silberblick sollte als [[Seminar (Bildungseinrichtung)|Seminar]] des GSA verwendet werden. Nietzsches Manuskripte wurden geordnet und westlichen Forschern zugänglich gemacht. 1953 ging das Archiv in die Rechtsträgerschaft der neugegründeten ''Nationalen Forschungs- und Gedenkstätten der klassischen deutschen Literatur in Weimar'' (NFG) über. Deren Direktor [[Helmut Holtzhauer]] beantragte die Auflösung der Stiftung Nietzsche-Archiv, die schließlich 1956 erfolgte.<ref>Riedel, a.a.O., S. 157-163; zur Zugänglichkeit der Archivbestände in der Nachkriegszeit irreführend Schlechta, a.a.O., S. 1431f., richtigstellend Podach (1961), S. 393ff.</ref> Während Nietzsche in der DDR ein faktisch verbotener Autor war, unterstützten Holtzhauer und sein Nachfolger [[Walter Dietze]] als Direktoren der NFG und [[Karl-Heinz Hahn]] (1921–1990) als Leiter des Goethe- und Schiller-Archivs die Entstehung der neuen [[Nietzsche-Ausgabe#Die_Colli-Montinari-Ausgabe|Kritischen Gesamtausgabe Nietzsches]]. === Heute === Nach der [[Deutsche Wiedervereinigung|Wiedervereinigung]] übernahm die ''Stiftung Weimarer Klassik'', heute ''[[Klassik Stiftung Weimar]]'', als Nachfolgegesellschaft der NFG die Archivbestände und die Villa Silberblick. Bereits 1990/91 wurde das Erdgeschoss der Villa Silberblick der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Heute hat es nach Wiederherstellung des Interieurs van de Veldes (siehe [[Nietzsche-Archiv#Architektur|Architektur]]) den Charakter eines [[Museum]]s und zeigt in Ausstellungen sowohl Dokumente Nietzsches und Nietzsche-Ikonen, wie sie von Förster-Nietzsche arrangiert wurden, als auch Dokumente zur Geschichte des Archivs bis 1945. Die oberen Räume dienen wie bereits in der DDR als Gästehaus. 1999 wurde von der Stiftung Weimarer Klassik ein ''Kolleg Friedrich Nietzsche'' gegründet. Dieses veranstaltet Seminare und Tagungen, vergibt [[Fellow]]ships – Fellows waren bisher etwa [[Jean Baudrillard]], [[Dieter Henrich (Philosoph)|Dieter Henrich]], [[Peter Sloterdijk]], [[Gianni Vattimo]] und [[Slavoj Žižek]] – und hat einige Schriften publiziert. Schwerpunkte der Arbeit sind die Erforschung der Nietzsche-Rezeption sowie allgemeiner Kulturgeschichte und Wissenschaftstheorie. Leiter des Kollegs ist [[Rüdiger Schmidt-Grépály]]. Der emeritierte Philosophieprofessor [[Manfred Riedel]] hat der Stiftung Weimarer Klassik vorgeworfen, das DDR-Verdikt über Nietzsche und die eigene Verstrickung darin als Nachfolgeorganisation der NFG ungenügend aufzuarbeiten.<ref>Riedel, a.a.O und Hans-Volkmar Findeisen: ''[http://db.swr.de/upload/manuskriptdienst/eckpunkt/ep20041014_2741.rtf Der Dionys von Weimer und seine Hüter. Stationen der Geschichte einer berühmten Statue]''. Manuskript, SWR2, 2004</ref> == Der Nietzsche-Kult == === Überblick === Die Geschichte des „Nietzscheanismus“ und „Nietzsche-Kults“ in Deutschland ist sehr vielschichtig; über den Einfluss, den das Nietzsche-Archiv direkt und indirekt darin ausübte, gibt es unterschiedliche Auffassungen. Sicherlich hatte es „''an der Popularisierung und Monumentalisierung der Werke des Philosophen entscheidenden Anteil''“ und versuchte, „''den Kult um den Philosophen zu institutionalisieren, ihm Monumente zu errichten, eine Liturgie zusammenzustellen und Rituale wie Zeremonien zu entwickeln.''“<ref>Aschheim, a.a.O., S. 46</ref> === Das Nietzsche-Bild des Archivs === Elisabeth Förster-Nietzsche und das Archiv verbreiteten ein Nietzsche-Bild, das einerseits ihr selbst genehm war, andererseits dem Philosophen zu Ansehen verhelfen sollte: sie suchte ihn „''vom Ruch des [[Pathologie|Pathologischen]] zu befreien und seinen Ideen den Stachel der [[Subversion]] zu nehmen.''“ In den offiziösen Darstellungen des Archivs erschien er „''als gesunder [[Patriotismus|Patriot]], als selbstloser und liebender Bruder […] eine fast heilige Gestalt […] von äußerer wie innerer Schönheit, gesellig und heiter, aber von einer verständnislosen Öffentlichkeit zum Alleinsein verurteilt, ein entschlossen sein Vaterland liebender Preuße''“<ref>Aschheim, a.a.O., S. 47</ref>. Heinrich Köselitz stellte 1910 fest, „''wie heftig Frau Förster danach brennt, den [[Wilhelm II. (Deutsches Reich)|Kaiser]] für Nietzsche zu interessieren und ihn womöglich zu einer anerkennenden Äußerung über Nietzsches Tendenz zu bringen''“ und wie sie in diesem Sinne etwa einen Brief Nietzsches gefälscht hatte.<ref>Köselitz an Ernst Holzer, 26. 1. 1910, zit. nach Montinari, a.a.O., S. 205</ref> Nietzsches abfällige Äußerungen über die Deutschen und das Deutsche Reich stellte sie als enttäuschte Liebe eines wahrhaftigen Patrioten dar; sie hob Nietzsches Begeisterung fürs Militärische hervor und deutete insbesondere Nietzsches Schlagwort „Wille zur Macht“ in dieser Weise.<ref>vgl. Schlechta, a.a.O., S. 1403</ref> Ein weiteres wichtiges Anliegen Förster-Nietzsches war, jeden Verdacht sowohl eines Erbleidens als auch einer [[Syphilis|syphilitischen]] Ansteckung bei ihrem Bruder zu bekämpfen. Der Zusammenbruch Nietzsches war für sie Folge einer Überarbeitung und übermäßigen Konsums von [[Chloralhydrat]]. Dass ihr Bruder keusch gelebt habe, stand für sie unumstößlich fest. Ihre eigene Rolle in Nietzsches Bekanntschaft mit Lou Salomé stellte sie positiv, die von ihr gehasste Salomé schlecht dar. Gerade in diesem Punkt machte sie sich allerdings angreifbar: schon früh konnten ihr Kritiker Fälschungen und Vertuschungen nachweisen.<ref>vgl. Erich Podach, ''Nietzsches Zusammenbruch'', 1931 und ''Ein Blick in Notizbücher Nietzsches'', Heidelberg 1963, S. 191-198; Artikel [[Carl Ludwig Nietzsche]]; Pia Daniela Volz: ''Nietzsche im Labyrinth seiner Krankheit'', Würzburg 1990</ref> === Formen des Kults im Archiv === In Weimar suchte und fand Elisabeth Förster-Nietzsche zunächst den Anschluss an die künstlerische [[Avantgarde]]. Mehrere Künstler durften den siechen Nietzsche besuchen, um Skulpturen, Zeichnungen und Gemälde von ihm anzufertigen. Es wurden auch Tischgesellschaften veranstaltet, wobei bis 1900 besonders willkommene Gäste den im oberen Stockwerk lebenden Kranken sehen durften.<ref>Berichte von solchen Begegnungen sind abgedruckt bei [[Sander L. Gilman]], ''Begegnungen mit Nietzsche'', S. 691ff.</ref> [[Bild:Nietzche.JPG|thumb|right|Reproduktion der Nietzsche-Statuette von [[Arnold Kramer]], 1898]] Das Archiv wusste um die Formen des Nietzsche-Mythos und pflegte sie. Förster-Nietzsche und ihre Verwandten aus der Familie Oehler betrieben einen „''gentilizische[n] [[Totenkult]]''“ mit „''Festkalender und […] Ritual der Gedenktage''“.<ref>Cancik, S. 414</ref> Im Sinne eines ungebrochenen Toten- und Grabkultes war es durchaus beabsichtigt, Nietzsche auch an der Villa Silberblick zu beerdigen, wofür allerdings keine Erlaubnis erteilt wurde. Sein Sterbezimmer wurde aber als mythische Stelle erhalten, auch eine [[Totenmaske]] wurde abgenommen und konnte später in einer deutlich idealisierten „Rekonstruktion“ in Zeitschriften abgebildet werden. Porträts, Büsten, Statuetten und andere Kultgegenstände erfreuten sich in Reproduktionen eines guten Absatzes. Wie auch bei seinen Nietzsche-Ausgaben sprach das Archiv hier mit differenzierter Preis- und Produktgestaltung alle Käuferschichten an. Daneben wurden auch immer wieder Nietzsche-Monumente geplant. Die meisten dieser Pläne wurden nie verwirklicht: dazwischen kamen oft Geldmangel und die „''[i]m Kontrast zur unleugbaren Skrupellosigkeit […] menschlich sympathischere Inkonsequenz, Stilunsicherheit und Naivität''“ der Archivleiterin<ref>Krause, S. 89; Krause stellt die Entwürfe ausführlich vor, S. 154-233; s. auch Aschheim, a.a.O., S. 48f.</ref>. Tatsächlich ausgeführt wurden nur der Umbau der Villa Silberblick und der Bau der Nietzsche-Halle ab 1937, der aber mit Kriegsbeginn 1939 eingestellt wurde (siehe [[Nietzsche-Archiv#Architektur|Architektur]]). Der wohl monumentalste Entwurf war eine Idee Harry Graf Kesslers und wurde zwischen 1911 und 1914 verfolgt: danach sollte ein gigantischer Festspielplatz mit einem Stadion, einem Tempel und einer von [[Aristide Maillol]] zu schaffenden Apollo-Statue entstehen. Im Stadion sollten sportliche Wettkämpfe im Sinne der [[Internationales Olympisches Komitee#Die Olympische Bewegung|olympischen Bewegung]] stattfinden. Viele bekannte Persönlichkeiten erklärten sich zur Förderung des Projekts, das griechisch-heidnische, antichristliche und moderne Elemente verband, bereit. Durch den Ersten Weltkrieg zerschlug sich dieser Plan.<ref>s. zu diesem Plan ausführlich Cancik, S. 414-420 und Krause, S.199-210</ref> == Bestände == Das Nietzsche-Archiv war bis zu seinem Ende bestrebt, alle hinterlassenen Dokumente Nietzsches zu sammeln, und war darin außerordentlich erfolgreich. Nietzsches Nachlass liegt bis heute in außergewöhnlicher Geschlossenheit vor und reicht von Kindheitsaufzeichnungen und Schulheften über Studienunterlagen, umfangreiche Briefwechsel und persönliche Dokumente bis zu einem philosophischen Nachlass aus Dutzenden Notizbüchern, Kladden und Einzelblättern; auch zu allen wichtigen Werken sind entweder Druckmanuskripte oder zumindest doch Reinschriften oder autorisierte Korrekturfahnen erhalten. Die umfassendste und bis heute akzeptierte Übersicht über die Manuskriptbestände hat [[Hans Joachim Mette]] 1932 gegeben.<ref>Mette, Hans Joachim: ''Der handschriftliche Nachlass Friedrich Nietzsches.'' Sechste Jahresgabe der Gesellschaft der Freunde des Nietzsche-Archivs, 1932. [http://www.hypernietzsche.org/navigate.php?sigle=hjmette-1 Scan] [http://www.hypernietzsche.org/navigate.php?sigle=hjmette-3,1 html]</ref> <div style="text-align: center;"> <gallery caption="Einige Seiten aus einer von Nietzsches Kladden"> Bild:Nietzsche-KGA-Faksimiles-KGW-IX-1-3-N-VII-1-Probe1.jpg|Faksimile Bild:Nietzsche-KGA-Faksimiles-KGW-IX-1-3-N-VII-1-Probe2.jpg|Faksimile Bild:Nietzsche-KGA-Faksimiles-KGW-IX-1-3-N-VII-1-Probe3.jpg|Faksimile Bild:Nietzsche-KGA-Faksimiles-KGW-IX-1-3-N-VII-1-Probe4.jpg|Faksimile </gallery> </div> Darüber hinaus verwahrte das Nietzsche-Archiv nachgelassene Papiere von und zu Nietzsches Vorfahren sowie Nietzsches Bibliothek. Das Goethe- und Schiller-Archiv verwahrte nach der Angliederung auch die inzwischen ebenfalls äußerst umfangreichen Geschäftsunterlagen, Briefwechsel etc. des Nietzsche-Archivs selbst, darunter die Nachlässe Elisabeth Förster-Nietzsches und Heinrich Köselitz’. Grund für den ungewöhnlichen Umfang, in dem Nietzsches Leben und Werk dokumentierbar ist, ist vor allem die Sammelleidenschaft der Schwester, die bereits in ihrer Jugend Schriften ihres abgöttisch verehrten Bruders – mitunter gegen dessen Willen – aufhob und wie bereits erwähnt nach der Gründung des Nietzsche-Archivs große Anstrengungen unternahm, um alle seine Papiere zu sammeln. Andererseits ist zu bedenken, dass sie umgekehrt auch für die Vernichtung und Verstümmelung einiger Dokumente und eine verzerrte Darstellung Nietzsches verantwortlich ist. In der heutigen Nummerierung des Goethe- und Schiller-Archivs sind für die Nietzscheforschung von Interesse: *Bestand 71: Nietzsche, Friedrich *Bestand 72: Förster-Nietzsche / Nietzsche-Archiv *Bestand 100: Nietzsche Familie *Bestand 101: Weimar / Nietzsche-Archiv Ikonografie *Bestand 102: Gast <ref>Vorläufige Übersicht zu diesen Beständen (ggf. mehrmaliges Laden erforderlich): [http://ora-web.swkk.de/archiv_online/gsa.entry?u_id=471158&b=71&source=gsa.bestaende2 71] [http://ora-web.swkk.de/archiv_online/gsa.entry?u_id=471158&b=72&source=gsa.bestaende2 72] [http://ora-web.swkk.de/archiv_online/gsa.entry?u_id=471158&b=100&source=gsa.bestaende2 100] [http://ora-web.swkk.de/archiv_online/gsa.entry?u_id=471158&b=101&source=gsa.bestaende2 101] [http://ora-web.swkk.de/archiv_online/gsa.entry?u_id=471158&b=102&source=gsa.bestaende2 102]</ref> Die Bibliotheken Friedrich Nietzsches und des Nietzsche-Archivs befinden sich heute zusammen mit einer Sammlung von Nietzsche-Literatur in der Herzogin Anna Amalia Bibliothek. <ref>[http://www.klassik-stiftung.de/einrichtungen/herzogin-anna-amalia-bibliothek/bestaende/sondersammlungen-sonderbestaende/nietzsche-sammlungen.html Entsprechende Seite der HAAB]</ref> == Architektur == ;Villa Silberblick Die [[Gründerzeit]]-Villa „Zum Silberblick“, die diesen Namen schon vor dem Einzug des Nietzsche-Archivs trug, befindet sich etwas außerhalb des Stadtzentrums von Weimar auf einem Hügel, an der heutigen Humboldtstraße (früher Luisenstraße). Sie ging 1902 in den Besitz Elisabeth Förster-Nietzsches über. Diese ließ das Gebäude vom belgischen Künstler [[Henry van de Velde]] renovieren. Der Kreis um Harry Graf Kessler, zu dem van de Velde und Förster-Nietzsche gehörten, wollte in diesen Jahren das „[[Neues Weimar|Neue Weimar]]“ als Zentrum der künstlerischen [[Avantgarde]] etablieren. [[Bild:Nietzsche_Archives_in_Weimar.JPG|thumb|Die Villa Silberblick heute]] Van de Velde gestaltete die Inneneinrichtung im Erdgeschoss neu und ließ einen repräsentativen Vorbau errichten. Das umgebaute Gebäude wurde zu Nietzsches Geburtstag am 15. Oktober 1903 festlich eingeweiht. Die Villa und die Einrichtung im [[Jugendstil]] überstand den Zweiten Weltkrieg und wurde in der DDR zumindest in den 1950er Jahren instandgehalten<ref>Podach (1961), S. 394</ref>. 1978 bis 1983 wurde das Gebäude saniert; 1992 wurde eine schon vor der [[Deutsche Wiedervereinigung|Wiedervereinigung]] begonnene Restauration der Innenräume im Erdgeschoss beendet. Seit 1991 sind die Jugendstilinterieurs für Besucher geöffnet. ;Die Nietzsche-Gedenkhalle Ein Teil der Nietzsche-Anhänger im Umfeld des Archivs sah die Zeit für eine Nietzsche-Gedenkhalle, wie sie schon früher geplant worden war (siehe [[Nietzsche-Archiv#Formen des Kults im Archiv|Formen des Kults im Archiv]]), nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten gekommen. Hitler selbst gab im Oktober 1934 den Anstoß für konkrete Planungen, als er bei einem Besuch im Archiv 50.000 Reichsmark „aus persönlichen Mitteln“ stiftete. Bis 1938 kamen Spenden in Höhe einer halben Million Reichsmark zusammen; neben Privatleuten und verschiedenen staatlichen Ebenen spendeten insbesondere Reichsinnenminister [[Wilhelm Frick|Frick]], die Carl-Zeiss-Werke und die [[Wilhelm-Gustloff-Stiftung]]. Dennoch fehlte Geld, weitere Probleme traten hinzu. Der Architekt [[Paul Schultze-Naumburg]] musste seine anfangs dem Neo-[[Biedermeier]] zugehörigen Pläne den auseinandergehenden Wünschen der Familie Oehler, des Gauleiters [[Fritz Sauckel|Sauckel]] und Hitlers anpassen. Einige Beteiligte, darunter auch Förster-Nietzsche kurz vor ihrem Tod, favorisierten einen reinen Zweck- und Nutzungsbau, andere wollten einen monumentalen Gedächtnisbau. Die Umgebung war künstlerisch-baulich ungeeignet, dazu kamen Rohstoffmangel und immer wieder Unstimmigkeiten zwischen den Beteiligten. Auch war das Projekt im Vergleich zu anderen Bauvorhaben des „Dritten Reichs“ wohl für die NS-Führung von nachrangiger Bedeutung. <ref>Krause, S. 213-233; Hoffmann, S. 111f.; H.-V. Findeisen, a.a. O.</ref> Im April 1937 genehmigte Hitler einen Kompromissplan Schultze-Naumburgs, im August 1938 wurde ein [[Richtfest]] gefeiert. Mit Kriegsbeginn 1939 wurde die Arbeit am unfertigen Bau jedoch fast völlig eingestellt. Zur Aufstellung im Gebäude waren Büsten bedeutender Männer aus verschiedenen Zeiten und gleichsam als Abschluss ein Nietzsche-Zarathustra-Denkmal geplant. Über letzteres wurde aber keine Einigkeit erreicht, so lehnte Hitler etwa einen Vorschlag [[Georg Kolbe]]s ab. Als Notlösung sandte Mussolini 1942 eine Replik einer antiken [[Dionysos]]-Statue, die erst 1944 in Weimar eintraf und nicht mehr aufgestellt wurde. Die bestehenden Bauten wurden im Krieg von der Wehrmacht und als Lager für Kunstsammlungen sowie den Hausrat ausgebombter Familien benutzt. Später übernahm sie der Rundfunk der DDR, nach 1990 der [[Mitteldeutscher Rundfunk|Mitteldeutsche Rundfunk]] (MDR). Der MDR zog 2000 aus, das Gebäude ist seither unbenutzt und verfällt. (Stand: 2004) == Personen == === Vorstandsmitglieder der Stiftung Nietzsche-Archiv === Die Stiftung Nietzsche-Archiv wurde 1908 von Elisabeth Förster-Nietzsche gegründet. Bewusst übernahm sie selbst – vielleicht auch, weil sie eine Frau war – keinen offiziellen Posten. Tatsächlich hatte Förster-Nietzsche aber in allen entscheidenden Punkten ein Einspruchsrecht und die Vorstandsmitglieder wurden in aller Regel auf ihren Vorschlag gewählt, weswegen man ihnen nur eine beratende Funktion zusprechen kann.<ref>Wollkopf, S. 228-230; Hoffmann, S. 80f. (auch für das folgende)</ref> Der Vorstand konstituierte sich erstmals 1909. Ihm gehörten neben anderen an: *[[Max Dreger]], 1919–1929, verstorben *Carl August Emge, 1932–1935, ausgetreten *Hermann Gocht 1909–1938, verstorben *[[Max Heinze]], 1909, verstorben *Walter Jesinghaus, 1931–1945 *Harry Graf Kessler, 1909–?? mindestens 1933, verstorben 1937 *[[Karl Koetschau]], 1914–1937, ausgetreten *[[Richard Leutheußer]], 1931–1945; ''Vorsitzender'' 1931–1945 *Günther Lutz, 1942–1945 *Willy Marschler, 1937–1945 *[[Richard M. Meyer]], 1910–1913, ausgetreten *Adalbert Oehler, 1909–1923 und 1930–1940, verstorben; ''Vorsitzender'' 1909–1923 *Max Oehler, 1909–1945 *Richard Oehler, 1930–1945 *Arnold Paulssen, 1923–?? mindestens 1937, verstorben 1942; ''Vorsitzender'' 1923–1931 *Hans Pilder, 1928–?? mindestens 1933 (Bankdirektor Dresdner Bank; vermittelte die Spenden Reemtsmas) *[[Raoul Richter]], 1909–1912, verstorben *[[Oswald Spengler]], 1923–1935, ausgetreten *[[Hans Vaihinger]], 1909–1933, verstorben *[[Eberhard von Bodenhausen]], 1914–1918, verstorben === Wissenschaftlicher Ausschuss === Der ''Wissenschaftliche Ausschuss'' (WA)<ref>Hoffmann, S. 104f.; Podach (1961), S. 412-429 (Zitat S. 414). NB: Hoffmann schreibt fälschlich ''Paul'' Heyse, Podach Carl ''Gustav'' Emge</ref> wurde 1931 für die „[[Nietzsche-Ausgabe#Ablauf der Schutzfrist 1930|historisch-kritische Ausgabe]]“ eingerichtet und blieb offenbar formal bis zum Kriegsende bestehen. Erich Podach hat diesen Ausschuss rückblickend harsch kritisiert: „''Der WA setzte sich aber aus Männern zusammen, die, jeder in seiner Art, sich als Deuter oder Fortführer Nietzsches festgelegt hatten. Auf einen gemeinsamen Nenner lassen sie sich nur dadurch bringen, daß<!--sic--> sie zu Nietzsche eine dem herrschenden Kurs konforme Stellung eingenommen haben.''“ Etwas wohlwollender haben sich der an der Ausgabe beteiligte Karl Schlechta und Mazzino Montinari über den WA geäußert.<ref>Schlechta, a.a.O., passim und Montinari, a.a.O., S. 15-17</ref> * Carl August Emge, 1931–1935 * [[Martin Heidegger]], 1935–1942 * [[Hans Heyse]], 1935–1945 (Herausgeber der „gleichgeschalteten“ Kant-Studien<!--[http://www.kant.uni-mainz.de/ks/history/leaman.html]-->) * Walter Jesinghaus, 1931–1945 (Oberregierungsrat im Thüringischen Volksbildungsministerium) * Max Oehler, 1931–1945 * Richard Oehler, 1931–1945 * [[Walter F. Otto]], 1933–1945 * [[Oswald Spengler]], 1931–1935 === Bedeutende Mitarbeiter === *Heinrich Köselitz („Peter Gast“): stand dem Archiv zunächst kritisch gegenüber; 1899–1909 wichtigster Mitarbeiter; danach keine öffentliche Äußerung über das Archiv *Fritz Koegel: 1895–1897 angestellt, zunehmend im Gegensatz zu Förster-Nietzsche; geheime Anfertigung der „[[Koegel-Exzerpte]]“; nach der Entlassung keine Äußerung über das Archiv *Rudolf Steiner: 1895–1897 dem Archiv nahestehend, danach Distanzierung; 1900 öffentlicher Angriff gegen das Archiv; danach wenige Äußerungen zum Archiv, auch Abkehr von Nietzschescher Philosophie *Arthur Seidl: 1898–1899 angestellt *Ernst und August Horneffer: 1899–1901 bzw. 1903 angestellt, zunächst philologisch korrekte Kritik an der Ausgabe Koegels, dann Kompromittierung durch eigene Ausgaben ähnlicher Machart; nach dem Austritt scharfe Kritik an der Archivleiterin und der von ihr erzwungenen Arbeitsweise *[[Ernst Holzer]]: 1902–1910; Schüler [[Erwin Rohde]]s, wichtigster Herausgeber der Philologica; gab dem Archiv eine gewisse wissenschaftliche Aura und durfte sich dafür einige Freiheiten, auch Kritik an der Archivleiterin, erlauben; verstorben *[[Otto Crusius]]: weiterer Herausgeber der Philologica *Eduard von der Hellen: 1894 vom Goethearchiv gewechselt, noch im selben Jahr einvernehmliche Trennung *Richard Oehler *[[Otto Weiß (Philologe)|Otto Weiß]]: 1909-1913 angestellt, gab die Nachlassbände mit dem „''Willen zur Macht''“ heraus und verfasste dazu einen kritischen Apparat, der die Kompilation faktisch widerlegte; entlassen. *[[Karl Schlechta]] *Hans Joachim Mette * Rüdiger Schmidt-Grépály; seit 1999 Leiter des [[Kolleg Friedrich Nietzsche]] == Einzelnachweise == <references /> == Literatur == * [[Hubert Cancik]]: ''Der Nietzsche-Kult in Weimar. Ein Beitrag zur Religionsgeschichte der wilhelminischen Ära'' In: ''Nietzsche-Studien 16'' (1987), S. 405–429 (Zu religiös-kultischen Elementen in der Nietzschegemeinde und insbesondere dem Stadionprojekt Graf Kesslers) * Hubert Cancik: ''Der Nietzsche-Kult in Weimar (II). Ein Beitrag zur Religionsgeschichte der nationalsozialistischen Ära (1942-1944)'' In: ders. und [[Hildegard Cancik-Lindemaier]]: ''Philolog und Kultfigur. Friedrich Nietzsche und seine Antike in Deutschland''. Metzler, Stuttgart und Weimar 1999, ISBN 3-476-01676-5, S. 252–277. (Zu religiös-kultischen Elementen der Nietzschefeiern 1942 und 1944) * Karl-Heinz Hahn: ''Das Nietzsche-Archiv'' In: ''Nietzsche-Studien 18'', 1989, S. 1–19 (Kurzer Überblick über Entstehung, Ziele der Gründerin, Geschichte und Bestände vom damaligen Leiter des Goethe- und Schiller-Archivs kurz vor der Wende) * David Marc Hoffmann: ''Zur Geschichte des Nietzsche-Archivs.'' de Gruyter, Berlin und New York 1991, ISBN 3-11-013014-9 (Materialreiches Standardwerk vor allem zur Geschichte bis 1910; enthält eine ausführliche Chronik, Studien und zahlreiche Dokumente) * Jürgen Krause: ''„Märtyrer“ und „Prophet“. Studien zum Nietzsche-Kult in der bildenden Kunst der Jahrhundertwende.'' de Gruyter, Berlin und New York 1984, ISBN 3-11-009818-0 – Monographien und Texte zur Nietzsche-Forschung, Band 14. (Vor allem kunstgeschichtliche Untersuchung des weiteren Archiv-Umfelds bis 1945) * Raymond J. Benders u.a. (Hrsg.): ''Friedrich Nietzsche: Chronik in Bildern und Texten''. dtv, München 2000, ISBN 3-423-30771-4 (Enthält zahlreiche Dokumente aus der Gründungsphase des Archivs bis zu Nietzsches Tod 1900) * Roswitha Wollkopf: ''Die Gremien des Nietzsche-Archivs und ihre Beziehungen zum Faschismus bis 1933'' in: Karl-Heinz Hahn (Hrsg.): ''Im Vorfeld der Literatur: vom Wert archivalischer Überlieferung für das Verständnis von Literatur und ihrer Geschichte''. Böhlau, Weimar 1991, ISBN 3-7400-0122-4, S. 227–241. (Abriss der Geschichte des Archivs bis 1933 und insbesondere seiner Beziehungen zum Faschismus und Nationalsozialismus vor 1933, von einer Archivarin des Goethe- und Schiller-Archivs) <!-- noch nicht gesichtet: * Erhard Naake: ''Nietzsche und Weimar. Werk und Wirkung im 20. Jahrhundert.'' Köln 2000. * Angelika Emmrich: ''Das Nietzsche-Archiv in Weimar''. Hanser, München 2000, ISBN 3-446-19953-5 [http://ora-web.swkk.de/nie_biblio_online/nietzsche.vollanzeige?p_ident=25400 Inhalt]--> == Weblinks == {{Commons|Category:Nietzsche-Archiv Weimar|Nietzsche-Archiv}} *[http://www.klassik-stiftung.de/einrichtungen/kolleg-friedrich-nietzsche/nietzsche-archiv.html Seite der Klassik Stiftung Weimar] *[http://mv-naumburg.de/index.php?option=com_content&view=article&id=2&Itemid=85 Seite des Stadtmuseums Naumburg] zu den Anfängen in Naumburg. *[http://www.virtusens.de/walther/horneff.htm Einige Bilder des Nietzsche-Archivs sowie Informationen zur dortigen Trauerfeier nach Nietzsches Tod] {{Navigationsleiste Klassik Stiftung Weimar}} {{Coordinate |NS=50/58/17.76/N |EW=11/19/5.02/E |type=landmark |region=DE-TH}} {{Exzellent}} [[Kategorie:Friedrich Nietzsche]] [[Kategorie:Museum in Weimar]] [[Kategorie:Archiv]] [[Kategorie:Literaturmuseum]] [[Kategorie:Biografisches Museum]] [[Kategorie:Bildung und Forschung in Weimar]] [[en:Nietzsche-Archiv]] [[it:Nietzsche-Archiv]] 6s162xl2b4zdzqfxegkubblybe93mji wikitext text/x-wiki Nieuw Nederland 0 24004 26602 2010-03-22T15:18:26Z VolkovBot 0 Bot: Ändere: [[fr:Nouvelle-Néerlande]] [[Bild:Map-Novi Belgii Novæque Angliæ (Amsterdam, 1685).jpg|thumb|340px|[[Nicolaes Visscher I|Nicolaes Visschers]] 1656 entstandene Karte ''Novi Belgii Novæque Angliæ'', hier in einer Version von 1685, ist die bekannteste zeitgenössische Abbildung Nieuw Nederlands. Sie wurde häufig nachgedruckt und galt lange Zeit als die beste Karte der niederländischen Kolonie. Nach der Einnahme Nieuw Nederlands durch die Briten wurde sie sogar zur Grenzziehung zwischen [[New York (Bundesstaat)|New York]] und [[New Jersey]] verwendet. ''Nova Belgica'' oder ''Novum Belgium'' war der lateinische Name der Kolonie. Diese aus dem Altertum entlehnte Benennung stellte den gedanklichen Bezug zu dem Territorium her, in dem ehemals Teile Nordfrankreichs, Lothringen, Belgien, Luxemburg und die Niederlande unter der Bezeichnung „Belgica“ zusammengefasst waren.]] '''Nieuw Nederland''' ({{Audio|Nl-Nieuw Nederland.ogg|Aussprache}}) (deutsch '''Neu-Niederlande''') war eine von 1624 bis 1667 bestehende niederländische Kolonie an der Ostküste [[Nordamerika]]s, der heutigen [[Ostküste der Vereinigten Staaten]]. Die [[Niederländische Westindien-Kompanie|Niederländische Westindien-Kompanie (WIC)]], welche die Niederlassung gegründet hatte und verwaltete, beanspruchte ein Gebiet, das von der [[Newport (Rhode Island)|Newport Bay]] im Osten zum [[Delaware River]] im Westen und zum [[Sankt-Lorenz-Strom]] im Norden reichte und Gebiete der heutigen [[US-Bundesstaat]]en [[Delaware]], [[Pennsylvania]], [[New York (Bundesstaat)|New York]], [[New Jersey]], [[Massachusetts]], [[Vermont]], [[New Hampshire]], [[Connecticut]] und [[Rhode Island]] umfasste. Die hauptsächlichen Siedlungsgebiete lagen auf den Inseln [[Manhattan]] und [[Long Island]] sowie entlang der Flüsse [[Hudson River|Hudson]], [[Delaware River|Delaware]] und [[Connecticut River|Connecticut]]. Verwaltungssitz war [[Nieuw Amsterdam]], das spätere [[New York City|New York]]. Die wichtigsten Exportgüter der Kolonie, die unter ihrem letzten Direktor, [[Petrus Stuyvesant]], einen raschen Aufschwung nahm, waren Pelze und der auf den fruchtbaren Böden angebaute Tabak. 1664, kurz vor Ausbruch des [[Englisch-Niederländischer Krieg (1665–1667)|zweiten englisch-niederländischen Seekrieges]], wurde Nieuw Amsterdam von den Briten erobert. Im [[Frieden von Breda]] traten die Niederlande 1667 die Kolonie an England ab. Nach einer kurzfristigen Rückeroberung Nieuw Amsterdams fiel das Gebiet im [[Friede von Westminster (1674)|Frieden von Westminster]] 1674 endgültig an die britische Krone. == Geschichte == === Pelzhändler und Handelskompanien === Obwohl der Küstenstreifen im Mündungsgebiet des später als „[[Hudson River]]“ bezeichneten Flusses schon seit den Entdeckungsreisen [[Giovanni da Verrazano|Verrazanos]] und [[Esteban Gomez|Gomez]]’ im 16.&nbsp;Jahrhundert bekannt war, begann das Interesse der Niederländer an dieser Gegend erst zu Beginn des 17.&nbsp;Jahrhunderts. Der Engländer [[Henry Hudson]] war den später nach ihm benannten Fluss 1609 hinaufgesegelt und hatte bei einigen der dort lebenden Indianer Tabak und Pelze eingetauscht. Als die Nachricht von Hudsons Reise in die [[Republik der Sieben Vereinigten Niederlande|Niederlande]] gelangte, versprachen sich Teile der [[Amsterdam]]er Kaufmannschaft hohe Gewinne aus dem lukrativen [[Pelzhandel]]. Mehrere konkurrierende Gruppen von Kaufleuten, Reedern und Schiffern schickten in den Jahren nach 1610 Schiffe nach Nordamerika und überboten sich gegenseitig im Preis für die von den Indianern eingehandelten Pelze. [[Bild:Nooms - De Paerrel en Den Dubbelen Arent.png|thumb|330px|Niederländischer Ostindien- und Westindienfahrer, um 1650]] Da bald klar wurde, dass die zu erzielende Gewinnspanne im ohnehin kostenintensiven und risikobehafteten Überseegeschäft durch diese Praxis drastisch sank, verständigten sich die einstmaligen Konkurrenten und gründeten die ''Compagnie van Nieuwnederlant'' (Neuniederland-Kompanie). Diese Handelskompanie erhielt von den [[Generalstaaten]] am 27.&nbsp;März 1614 ein Monopol, das ihnen für die folgenden drei Jahre vier Schiffsreisen in das Gebiet zwischen 40° und 45° nördlicher Breite erlaubte. Im Oktober 1618, zehn Monate nach Ablauf des Handelsmonopols, bewarb sich die Kompanie um eine neue [[Charter]]. Zu diesem Zeitpunkt wurde von den Generalstaaten aber bereits die Gründung einer neuen Kompanie, der ''Geoctroyeerde West-Indische Compagnie'' ([[Niederländische Westindien-Kompanie]], kurz ''WIC'') als Pendant zur ''[[Niederländische Ostindien-Kompanie|VOC]]'' erwogen. Kurz nachdem 1621 nach zwölfjährigem Waffenstillstand der [[Achtzigjähriger Krieg|Unabhängigkeitskampf der Niederländer]] gegen die Spanier wieder aufgeflammt war, stellten die Generalstaaten eine Charter für die neu gegründete Westindien-Kompanie aus. Dabei hatten sie nicht so sehr die Besiedlung überseeischer Gebiete als vielmehr deren wirtschaftliche Ausbeutung und zugleich eine militärische Unterstützung durch die Schiffe der privat finanzierten Handelskompanie im Sinn. Aus diesem Grund dauerte es auch zwei Jahre, bis ausreichende Geldmittel bereitstanden, da die niederländische Finanzwelt dem Projekt zunächst abwartend gegenüberstand. So erreichte erst im Herbst 1623 mit der ''Maackreel'' ein Kompanieschiff die Neue Welt. Die ''Maackreel'' handelte während des folgenden Winters entlang des [[Hudson River|Hudson]] und kehrte im Sommer 1624 in die Heimat zurück. 1624 kamen mit der ''Eendracht'' und der ''Nieu Nederlandt'' die ersten Siedler an der amerikanische Ostküste an. === Die ersten Kolonisten === Da der englische Botschafter im Haag 1622 britische Ansprüche auf das Gebiet um den Hudson River angemeldet hatte, war es aus Sicht der Niederländer nötig, rasch Tatsachen zu schaffen, um die eigenen Interessen zu untermauern. Um möglichst weite Gebietsansprüche zu manifestieren, wurden die mit der ''Eendracht'' angekommenen Kolonisten unter [[Adrian Joriszoon Thienpont]] auf mehrere Punkte am Connecticut River, am Delaware River, an der Mündung des Hudson und weiter stromaufwärts verteilt. An dem Punkt, an dem die heutige Stadt [[Albany (New York)|Albany]] liegt, wurde 1624 Fort Oranje gegründet. [[Bild:Hollar - Unus American ex Virginia.png|thumb|170px|right|Ureinwohner Virginias nach einem Stich von [[Wenzel Hollar]], 1645]] Die Siedler, die mit der ''Nieu Nederlandt'' in der später ebenso genannten Kolonie ankamen, waren protestantische [[Wallonen]], die aus den [[Spanische Niederlande|Spanischen Niederlanden]] vertrieben worden waren, 30 Familien, bestehend aus 110 Personen um [[Cornelis Jacobszoon May]]. Um sich besser gegen befürchtete Angriffe schützen zu können, ließen sie sich zunächst auf der kleinen, Manhattan vorgelagerten Insel Pagganack nieder, dem heutigen [[Governors Island]]. Die Siedler fanden ein Land vor, das fruchtbar war, gute Jagd- und Fischgründe besaß und vor allem ein verträglicheres Klima bot als etwa die niederländischen Kolonien an der Westküste Afrikas oder in der Karibik. In zeitgenössischen Beschreibungen wurden die geografischen Gegebenheiten in erster Linie unter dem Gesichtspunkt der wirtschaftlichen Zweckmäßigkeit beurteilt. Den größten Raum in zeitgenössischen Beschreibungen nahmen jedoch die Indianer ein, die in niederländischen Quellen zumeist als die ''wilden'' bezeichnet werden. Unter ihnen waren die westlich von Fort Oranje lebenden [[Mohawk]] die wichtigsten Pelzlieferanten der Niederländer. Obwohl sich vor allem die Kommunikation zwischen Siedlern und Indianern aufgrund der gegenseitigen Sprachunkenntnis schwierig gestaltete, lebten beide Gruppen bis zum Ende der 1630er Jahre weitgehend konfliktfrei nebeneinander. === Gründung von ''Nieuw Amsterdam'' === [[Bild:Verkoopakte Manhattan.jpg|thumb|170px|Der ''Schaghen-Brief'', 1626]] Der Vertrag von Cornelis Jacobszoon May als Direktor der Kolonie lief nach einem Jahr aus. Sein Nachfolger [[Willem Verhulst]] erhielt im April 1625 von der ''WIC'' die Anweisung, die Siedler in einer größeren Ansiedlung zu konzentrieren – wahrscheinlich um Kosten zu sparen und sich zugleich besser gegen mögliche Angriffe verteidigen zu können. Als Verhulst bei der Gründung von [[Nieuw Amsterdam]]s an der südlichen Spitze der Insel Manhattan Führungsschwächen erkennen ließ, wurde er im Frühjahr 1626 durch [[Peter Minuit|Pieter Minuit]] ersetzt. Minuit kaufte den Indianern die Insel Manhattan im Jahr 1626 für die legendäre Summe von 60 [[Gulden]] ab, wobei die Indianer den Gegenwert wahrscheinlich in Form verschiedener Handelswaren erhielten. Im November 1626 erreichte die Nachricht Amsterdam, und Pieter Janszoon Schaghen, mit der Leitung der Westindien-Angelegenheiten betraut, gab die Nachricht in dem heute berühmten ''Schaghen-Brief'' an die Generalstaaten weiter. Während die weiter im Landesinneren gelegenen Siedlungen bis zum Ende der niederländischen Ära Nieuw Nederlands größtenteils ihren Charakter als reine Pelzhandelsstationen inmitten indianischen Stammesgebiets behielten, war Nieuw Amsterdam nicht nur das Zentrum für Handel und Schifffahrt der Kolonie, sondern wurde allmählich auch zum Standort unterschiedlicher Gewerbebetriebe. === Siedlungsproblematik und die Reaktion der ''WIC'' === Menschen, die im 17. Jahrhundert Europa verließen und in die Neue Welt aufbrachen, hatten verschiedene Gründe für ihre Entscheidung. Die wichtigsten Motive für eine Emigration waren wirtschaftlicher oder religiöser Natur. Daran gemessen hatten die Niederländer nur wenig Anlass, die Strapazen der im Schnitt zwei- bis dreimonatigen Schiffsreise auf sich zu nehmen. In der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts boomte die Wirtschaft der Niederlande; man spricht in diesem Zusammenhang auch vom ''Gouden eeuw'', dem [[Goldenes Zeitalter (Niederlande)|Goldenen Zeitalter]]. Ähnlich sah es mit der religiös motivierten Auswanderung aus: im Unterschied zu den englischen Kolonien kamen nur sehr wenige Religionsflüchtlinge nach Nieuw Nederland, weil die [[Republik der Sieben Vereinigten Niederlande]] im Vergleich zu anderen europäischen Staaten der Zeit in Glaubensfragen toleranter war. Die Folge hiervon war, dass Nieuw Nederland bis zur Mitte des Jahrhunderts unter einem chronischen Mangel an Siedlern zu leiden hatte, was die Kolonie – im Vergleich zu anderen Territorien an der Ostküste Nordamerikas – in ihrer Entwicklung hemmte. [[Bild:Het West Indisch Huys - Amsterdam 1655.png|thumb|220px|right|Haus der ''[[Niederländische Westindien-Kompanie|WIC]]'' in Amsterdam, 1655]] Die ''[[Niederländische Westindien-Kompanie|WIC]]'' begegnete diesem Problem mit unterschiedlichen Maßnahmen. Zum einen warb sie über Werbeschriften im Ausland verstärkt um deutsche, flämische und wallonische Emigranten, zum anderen versuchte sie potentielle Siedler durch eine Lockerung der Handelsbestimmungen zu gewinnen. Hierbei standen sich in der ''WIC'' zwei Interessenlager gegenüber: Die Handelsfraktion wollte die Besiedlungskosten niedrig halten und möglichst große Gewinne aus dem Pelzhandel erzielen. Die Siedlungsfraktion verfolgte den genau entgegengesetzten Ansatz und erhoffte sich aus einer stärkeren landwirtschaftlichen Nutzung der Kolonie auf lange Sicht gesehen eine Ablösung des Baltikums als Lieferanten für das in den Niederlanden benötigte Getreide. Ein breitflächiger Getreideanbau direkt in Übersee hätte zudem womöglich die äußerst kostspieligen Versorgungslieferungen nach [[Brasilien]] oder [[Curaçao]] ersetzen können. Im Juni 1629 kam es zu einem Kompromiss. Das Monopol der ''WIC'' auf den lukrativen Pelzhandel blieb zunächst bestehen, und im Gegenzug ermöglichte die Handelskompanie einigen ihrer finanzstarken Direktoren den Aufbau einer erblichen Grundherrschaft in Übersee. Die ''WIC'' überließ den Grundherren, den so genannten ''patroonen'', kleine Einheiten privaten Landbesitzes, auf denen diese weitgehende Rechte – von der Steuererhebung bis hin zur Rechtsprechung – erhielten.<ref>Zu den ''patroonships'' vgl. Jaap Jacobs, ''Dutch Proprietary Manors in America: the Patroonships in New Netherland'', in: Louis H. Roper / Bertrand van Ruymbeke (Hrsg.), Constructing early modern empires: proprietary ventures in the Atlantic world, 1500−1750, Leiden [u.a.] 2007, ISBN 90-04-15676-3, S. 301–326.</ref> Im Gegenzug verpflichtete sich der ''patroon'', innerhalb von vier Jahren mindestens fünfzig Menschen im Alter von über fünfzehn Jahren auf seinem Besitz anzusiedeln. Doch das Patronatsystem scheiterte. Immer wieder kam es zu Konflikten zwischen den Eigentümern und der ''WIC'' oder zwischen Siedlern und Indianern. Noch stärker wog, dass trotz großzügiger Angebote der ''patroone'' nicht genügend Auswanderer als Arbeitskräfte angeworben werden konnten. In den nach 1639 ausbrechenden Konflikten mit den Indianern gingen alle Siedlungen bis auf das östlich der heutigen Stadt [[Albany (New York)|Albany]] gelegene ''Rensselaerswijck'' unter. === Aufgabe des Pelzhandelsmonopols und Indianerkrieg === [[Bild:Blaeu - Nova Belgica et Anglia Nova (Detail Hudson Area).png|thumb|340px|right|Der Ausschnitt aus der um 1635 entstandenen Karte ''[[Nova Belgica et Anglia Nova]]'' des Niederländers [[Joan Blaeu]] zeigt die Region um den [[Hudson River]]. Übergroße Abbildungen von Ottern und Bibern sollen den Pelzreichtum des Landes betonen.]] Bis zur Aufgabe des Pelzhandelsmonopols durch die ''[[Niederländische Westindien-Kompanie|WIC]]'' nahm der Export von Biberpelzen die zentrale Rolle in der Wirtschaft Nieuw Nederlands ein. Die Pelze wurden von den in der Region lebenden Indianern in die Handelsstützpunkte der Niederländer gebracht und dort zu einem von der ''WIC'' festgelegten Preis gegen andere Handelswaren eingetauscht. Schon 1624 exportierte die ''WIC'' rund 5000 Pelze im Gesamtwert von rund 27.000 [[Gulden]] ins Mutterland. Obwohl 1635 bereits rund 16.000 Pelze im Wert von rund 135.000 Gulden in den Niederlanden ankamen, wurden die Erwartungen der unter finanziellem Druck stehenden Handelskompanie längst nicht erfüllt. Von 1634 an häuften sich zudem Nachrichten über das Vordringen englischer Siedler in das von den Niederländern beanspruchte Gebiet. Vier Jahre später gab die ''WIC'' schließlich nach und ersetzte das Handelsmonopol auf Pelze durch einen Zoll auf alle Im- und Exporte. Gleichzeitig gab sie ihre bisherige Landvergabepolitik auf und bot allen Auswanderern unentgeltlich so viel Land an, wie diese bebauen konnten. Dieser Wandel von einer Handels- zu einer Siedlungskolonie führte zu Konflikten mit den Indianern. Zum einen sorgte der rapide Anstieg des Landbedarfs von Seiten der niederländischen Siedler für Irritationen, zum anderen kam es durch die Aufgabe der bislang durch die ''WIC'' garantierten Pelzpreise zu Spannungen. Die Auseinandersetzungen eskalierten zwischen 1643 und 1645 in einem blutigen und von beiden Seiten mit großer Härte ausgetragenen Krieg, in dessen Folge der seit 1638 amtierende Direktor [[Willem Kieft]] durch [[Petrus Stuyvesant]] abgelöst wurde. === Die Ära Stuyvesant === In die Amtszeit [[Petrus Stuyvesant|Stuyvesants]] fällt ein starker Anstieg der Einwohnerzahl Nieuw Nederlands. Die Aufhebung des Monopols auf den Pelzhandel durch die ''[[Niederländische Westindien-Kompanie|WIC]]'' im Jahr 1638 hatte die wirtschaftlichen Anreize zur Auswanderung nicht entscheidend steigern können. Erst die in den Niederlanden etwa um die Jahrhundertmitte einsetzende Verlangsamung des wirtschaftlichen Wachstums brachte die Wende. Immer mehr Siedler traten in den 50er Jahren des 17. Jahrhunderts die Reise über den Atlantik an und bis 1664 wuchs die Kolonie auf etwa sieben- bis achttausend Bewohner an. [[Bild:Nieu Amsterdam, c1700.jpg|thumb|290px|right|Niederländischer Kaufmann mit Tabakblättern in der Hand (rechts) vor der Silhouette [[Nieuw Amsterdam]]s]] Auf wirtschaftlicher Ebene begann der seit Mitte der 1630er Jahre erfolgreich in Nieuw Nederland angebaute Tabak die Pelze als wichtigstes Ausfuhrgut zu verdrängen. Hierbei spielten die in europäischen Handelsplätzen wie London oder Amsterdam zu erzielenden Gewinne, die weit über den Gewinnspannen für Biberpelze lagen, eine entscheidende Rolle. Dabei wurde der in der Kolonie selbst angebaute Tabak auf der Exportebene mengenmäßig noch von dem aus Virginia stammenden Tabak übertroffen. Noch 1658 kam der Hauptanteil des von Nieuw Amsterdam aus verschifften Blättertabaks aus englischem Anbau. Das Verhältnis zu seinen Nachbarn gestaltete sich für Nieuw Nederland in der Ära Stuyvesant ausgesprochen schwierig. Im Norden beanspruchten Frankreich und England Teile des niederländischen Territoriums für sich, im Süden Schweden. Während die Schweden ihr an der Mündung des [[Delaware River|Delaware]] gelegenes Territorium ''[[Neuschweden|Nova Svecia]]'' (Neuschweden) ein Jahr nach der Einnahme Fort Casimirs (1655) für 700.000 [[Gulden]] an die Stadt [[Amsterdam]] verkauften, mündeten die Streitigkeiten mit den Engländern im Norden schließlich in einer 1662 ausgestellten Charter für Connecticut, in der [[Karl II. (England)|Charles II.]] das gesamte Gebiet der niederländische Kolonie für Großbritannien beanspruchte und damit die spätere Eroberung des Jahres 1664 vorwegnahm. Doch auch im Inneren hatte Stuyvesant mit verschiedenen Problemen zu kämpfen. Neben der Tatsache, dass die ungewöhnlich bunte Mischung von Siedlern unterschiedlichster Herkunft, Sprache und Religion zu Konflikten innerhalb der Gesellschaft Nieuw Nederlands führte, hatte sich schon seit der Amtszeit [[Willem Kieft]]s eine Oppositionsbewegung gegen die ''WIC'' als Eigentümerin der Kolonie gebildet. Bis 1657 erkämpfte diese Opposition weitergehende Rechte in Fragen der Verfassung und der Bürgerprivilegien. In ihren Denkschriften griff sie dabei die ''WIC'' und ihren Vertreter Stuyvesant in scharfer Form als „Ausbeuter“ und „Tyrannen“ an. Trotz aller Streitigkeiten ging Nieuw Nederland am Ende der Ära Stuyvesant aber nicht aufgrund innerer Probleme, sondern durch den Konflikt auf weltpolitischer Ebene verloren. === Nieuw Nederland fällt an die Briten === [[Bild:Stuyvesant signature.png|thumb|240px|right|[[Petrus Stuyvesant]]s Unterschrift auf einem der letzten von ihm ausgestellten Dokumente, bevor [[Nieuw Amsterdam]] 1664 in britische Hände fiel (hier nachträglich hervorgehoben)]] Bereits während der Regierungszeit des [[Lordprotektor]]s [[Oliver Cromwell]] begann England eine aggressivere Außenpolitik gegenüber seinen niederländischen Konkurrenten, die sich nach der [[Stuart-Restauration|Restauration]] der englischen Monarchie unter König [[Karl II. (England)|Charles II.]] fortsetzte. Ein erster Schritt der neuen Regierung, der sich gegen den niederländischen Handel richtete, war 1660 die Verschärfung der [[Navigationsakte]] aus dem Jahr 1651. Mit Nieuw Nederland als Durchgangsstation für niederländische Güter in die englischen Kolonien Nordamerikas und umgekehrt für Virginiatabak und andere überseeische Waren nach Europa waren diese Handelsbeschränkungen für die niederländischen Kaufleute aber leicht zu umgehen. Gleichzeitig war es für die Briten zur Festigung ihrer Macht in Übersee und nicht zuletzt aus strategischen Gründen wichtig, die gesamte Ostküste Nordamerikas von [[Neuschottland|Nova Scotia]] bis [[Carolina (Provinz)|Carolina]] in ihren Besitz zu bringen. 1662 erteilte König Charles englischen Kolonisten in Connecticut eine Charter, die Gebiete Nieuw Nederlands einschloss. Am 12. März 1664 sprach er seinem Bruder und Nachfolger [[Jakob II. (England)|James, Duke of York]], und Oberbefehlshaber der englischen Flotte, die gesamte Atlantikküste der niederländischen Kolonie zu. Damit begannen erneut Spannungen und kriegerische Auseinandersetzungen zwischen Engländern und Niederländern in der Neuen Welt. Ohne Kriegserklärung segelte am 18. August 1664 ein britisches Expeditionskorps mit vier Schiffen unter dem Befehl [[Richard Nicolls]] in den Hafen von Nieuw Amsterdam ein. Gegen den Willen Stuyvesants, möglicherweise aufgrund seiner Unbeliebtheit, ergaben sich die Niederländer am 27. August kampflos. Die Briten übernahmen die Kolonie und nannten sie zu Ehren des Herzogs von York, ihres künftigen Königs, New York. Der [[Frieden von Breda]] bestätigte 1667 die Übernahme; die Niederlande erhielten im Gegenzug [[Suriname|Surinam]]. Im [[Englisch-Niederländischer Krieg (1672–1674)|Dritten Englisch-Niederländischen Krieg]] wurde die Kolonie nochmals für 15 Monate von den Niederländern besetzt, fiel dann jedoch im [[Friede von Westminster (1674)|Zweiten Frieden von Westminster]] im Jahre 1674 endgültig an England und wurde zur [[Britische Kolonie|britischen Kolonie]]. == Literatur == === Quellen === '''Moderne Quelleneditionen''' * Charles T. Gehring (Hrsg.): ''Delaware papers (Dutch period), a collection of documents pertaining to the regulation of affairs on the South River of New Netherland, 1648–1664'', Baltimore 1981, ISBN 0-8063-0944-X * Charles T. Gehring (Hrsg.): ''Council minutes, 1655–1656'', Syracuse NY 1995, ISBN 0-8156-2646-0 '''Zeitgenössische Quellen''' * Joost Hartgers: ''[http://digbijzcoll.library.uu.nl/nl/lees_gfx.asp?W=On&BoekID=46 Beschryvinghe van Virginia, Nieuw Nederlandt, Nieuw Engelandt, en d’ Eylanden Bermudes, Berbados, en S. Christoffel dienstelyck voor elck een derwaerts handelende, en alle voortplanten van nieuw Colonien]'', Amsterdam 1651 (Digitale Reproduktion der Universitätsbibliothek Utrecht) * Adriaen van der Donck: ''[http://digbijzcoll.library.uu.nl/nl/lees_gfx.asp?W=On&BoekID=37 Vertoogh van Nieu-Nederland weghens de gheleghentheydt, vruchtbaerheydt, en sobe-ren staet deszelfs]'', ’s-Gravenhage 1650 (Digitale Reproduktion der Universitätsbibliothek Utrecht) * ''[http://www.nnp.org/documents/schagen_main.html Brief Peter Schaghens (1626) über den Kauf von Manhattan Island für 60 Gulden]'' (Kommentierte Digitale Reproduktion mit ndl./engl. Transkriptionen im [http://www.nnp.org New Netherland Project]) (auch als [http://www.nnp.org/documents/images/schaghenletter.pdf PDF] verfügbar) === Darstellungen === * Jaap Jacobs: ''New Netherland. A Dutch Colony in Seventeenth-Century America'', Leiden 2005, ISBN 90-04-12906-5 (Referenzwerk zur Geschichte Nieuw Nederlands. Die Arbeit basiert auf umfangreichen Quellenstudien und bezieht auch eine Reihe zuvor unbekannter Materialien mit ein. In sieben Kapiteln widmet Jacobs sich vor allem wirtschafts- und sozialgeschichtlichen Fragestellungen) * Joyce Diane Goodfriend (Hrsg.): ''Revisiting New Netherland, perspectives on early Dutch America'', Leiden 2005, ISBN 90-04-14507-9 (Aufsatzband mit Beiträgen zur Geschichte der niederländischen Besiedlung Nordamerikas) * Eric Nooter (Hrsg.): ''Colonial Dutch studies: an interdisciplinary approach'', New York 1988, ISBN 0-8147-5763-4 (Die im Band enthaltenen vier Beiträge zu einem im März 1985 in New York abgehaltenen Kongress geben einen guten Überblick über die Historiografie Nieuw Nederlands) * Oliver A. Rink: ''Holland on the Hudson, an economic and social history of Dutch New York'', Ithaca 1986, ISBN 0-8014-1866-6 (Rinks Ergebnisse beruhen auf der Auswertung von Amsterdamer Notariatsakten. Der Schwerpunkt der Arbeit liegt auf der Untersuchung der wirtschaftlichen Ausbeutung Nieuw Nederlands durch eine relativ kleine Gruppe Amsterdamer Kaufleute, die durch den Handel mit Pelzen und Versorgungsgütern für die Siedler Gewinne schrieben, während die allgemeine Entwicklung der Kolonie nur schleppend vorankam) * George M. Asher: ''[http://digbijzcoll.library.uu.nl/lees_gfx.php?lang=nl&W=On&BoekID=06 A Bibliographical and Historical Essay on the Dutch Books and Pamphlets relating to New Netherland and to the Dutch West-India Company and to its possessions in Brazil]'', Amsterdam 1854ff. (Digitale Reproduktion der Universitätsbibliothek Utrecht) === Periodika === * ''De Halve maen.'' Quarterly magazine of the Dutch colonial period in America. Hrsg. von der [http://www.hollandsociety.org Holland Society of New York]. {{ISSN|0017-6834}} == Weblinks == {{Commons|Nieuw Nederland}} * [http://www.nnp.org New Netherland Project] – Das von New York State Library und der New Yorker Holland Society finanzierte Projekt widmet sich seit 1974 der Veröffentlichung von Quellen zur Geschichte Nieuw Nederlands. == Anmerkungen == <references /> {{Navigationsleiste niederländische Kolonien}} [[Kategorie:Europäische Expansion]] [[Kategorie:Kolonialgeschichte Nordamerikas]] [[Kategorie:Niederländische Kolonialgeschichte]] [[Kategorie:Historisches Überseegebiet]] [[Kategorie:Geschichte der Niederlande in der Frühen Neuzeit]] {{Exzellent}} [[ca:Nous Països Baixos]] [[en:New Netherland]] [[eo:Nova Nederlando]] [[es:Nuevos Países Bajos]] [[fa:هلند نو (مستعمره در آمریکای شمالی)]] [[fi:Uudet-Alankomaat]] [[fr:Nouvelle-Néerlande]] [[gl:Novos Países Baixos]] [[he:הולנד החדשה]] [[hr:Nova Nizozemska]] [[is:Nýja Holland]] [[it:Nuova Olanda]] [[ja:ニューネーデルラント]] [[ko:뉴네덜란드]] [[lt:Naujieji Nyderlandai]] [[mk:Нова Холандија]] [[nl:Nieuw-Nederland]] [[pl:Nowa Holandia]] [[pt:Novos Países Baixos]] [[ru:Новые Нидерланды]] [[simple:New Netherland]] [[zh:新尼德兰]] no1mndzdoxtw6cbs7r22obo4k9ddep4 wikitext text/x-wiki Niger-Kongo-Sprachen 0 24005 28526 26603 2011-11-20T09:35:20Z 74.43.103.84 Datei:African_language_families_de.svg Die '''Niger-Kongo-Sprachen''' – früher auch ''niger-kordofanische Sprachen'' genannt – bilden eine [[Sprachfamilie|Familie]] von fast 1.400 Sprachen, die von etwa 400 Millionen Menschen im westlichen, zentralen, östlichen und südlichen [[Afrika]] gesprochen werden. Das Verbreitungsgebiet reicht von der Westspitze Afrikas bei [[Dakar]] östlich bis [[Mombasa]] und südlich bis [[Kapstadt]]. Das Niger-Kongo ist eine der vier von [[Joseph Greenberg]] etablierten [[Sprachfamilie|Spracheinheiten]] in Afrika. Die anderen sind das [[Afroasiatische Sprachen|Afroasiatische]], das [[Nilosaharanische Sprachen|Nilosaharanische]] und die [[Khoisan-Sprachen]] (eine Übersicht bietet der Artikel [[Afrikanische Sprachen]]). Die Niger-Kongo-Sprachen grenzen im Nordwesten und äußersten Nordosten an afroasiatische, im zentralen und östlichen [[Großlandschaft Sudan|Sudangebiet]] an nilosaharanische Sprachen. Im Südwesten bilden die Khoisan-Sprachen eine [[Enklave]] im Niger-Kongo-Gebiet. Die bedeutendste Untergruppe des Niger-Kongo sind die [[Bantusprachen]], die im südlichen Teil des Niger-Kongo-Gebietes von [[Nigeria|Ostnigeria]] bis [[Südafrika]] gesprochen werden (siehe Karte). [[Datei:African_language_families_de.svg|thumb|250px|Die Niger-Kongo-Sprachen (rot und orange) innerhalb der anderen afrikanischen Sprachen]] [[Datei:Niger-Kongo-Karte.png|thumb|400px|Die Niger-Kongo-Sprachen und ihre Untergruppen]] [[Datei:Nigeria_Benin_Kamerun_Sprachen.png|thumb|400px|In Kamerun, Nigeria und Benin konzentriert:<br />Nordwestecke des Bantu-Gebietes und die übrigen Benue-Kongo-Sprachen]] == Zur Bezeichnung == Die früher auch verwendete und auf [[Joseph Greenberg]] (1963) zurückgehende Bezeichnung ''Niger-Kordofanisch'' suggeriert eine Zweiteilung der Sprachfamilie in das [[Kordofanisch]]e und die restlichen Niger-Kongo-Sprachen. Da sämtliche sechs Primärzweige des Niger-Kongo heute aber als gleichrangig betrachtet werden, hat sich die ursprüngliche – 1949 ebenfalls von Greenberg eingeführte – neutralere Bezeichnung ''Niger-Kongo'' in der Fachliteratur wieder allgemein durchgesetzt. ''Vor'' den Arbeiten Greenbergs wurden die Nicht-Bantu-Sprachen des Niger-Kongo als ''[[Sudansprachen|westsudanische]] Sprachen'' bezeichnet, deren [[Genetische Verwandtschaft (Linguistik)|genetische Verwandtschaft]] erst relativ spät erkannt wurde (Westermann 1927). Die Erkenntnis, dass die Bantu-Sprachen mit den westsudanischen Sprachen genetisch verwandt sind, setzte sich erst durch Greenbergs Arbeiten (seit 1949) durch, allerdings kam auch [[Diedrich Westermann]] etwa gleichzeitig zu einer ähnlichen Ansicht. Greenberg klassifizierte die Bantusprachen als eine Unter-Unter-Einheit des Niger-Kongo, was 1950 revolutionär wirkte, heute aber allgemein als zutreffend akzeptiert wird. == Zur Statistik == Mit 1.400 Sprachen, die sich in viele tausend [[Dialekt]]e gliedern, bildet Niger-Kongo die sprachenreichste [[Sprachfamilien der Welt|Sprachfamilie]] der Welt, gefolgt vom [[Austronesische Sprachen|Austronesischen]] mit 1.100 und dem [[Trans-Neuguinea-Sprachen|Transneuguinea-Phylum]] mit 550 Sprachen. Nach der Zahl seiner Sprecher (370–400 Millionen) nimmt das Niger-Kongo – allerdings mit großem Abstand – den dritten Rang nach dem [[Indogermanische Sprachen|Indogermanischen]] (2,7&nbsp;Mrd.) und dem [[Sinotibetische Sprachen|Sinotibetischen]] (1,3&nbsp;Mrd.) ein. Etwa 45 % der Bevölkerung Afrikas (925 Mio., siehe Artikel [[Afrika]]) sprechen eine Niger-Kongo-Sprache, 70 % aller etwa 2.000 [[Afrikanische Sprachen|afrikanischen Sprachen]] gehören zur Niger-Kongo-Gruppe, weltweit macht sie fast ein Viertel aller Sprachen aus. Die größte homogene Untergruppe des Niger-Kongo sind die [[Bantusprachen]] mit 500 eng verwandten Sprachen und 210 Mio. Sprechern. Die durchschnittliche Sprecherzahl der Niger-Kongo-Sprachen beträgt nur knapp 300.000, die Familie weist also eine relativ hohe Diversität auf. == Bedeutende Niger-Kongo-Sprachen == Es gibt etwas über 20 Niger-Kongo-Sprachen mit mindestens fünf Millionen Sprechern, davon sind die Mehrzahl Bantusprachen. Viele dieser „großen“ afrikanischen Sprachen sind sogenannte [[Verkehrssprachen]], die nicht nur [[Muttersprache|muttersprachlich]] (als Erstsprache) erlernt, sondern von vielen Sprechern als [[Zweitsprache|Zweit-]] oder Drittsprache erworben werden, um eine [[Kommunikation]] in einem größeren Gebiet über die engen Sprachgrenzen einzelner Volksgruppen und Stämme hinweg zu ermöglichen. Bei manchen Sprachen ist der Anteil der Zweitsprecher größer als der der Erstsprecher (z.&nbsp;B. [[Swahili (Sprache)|Swahili]]). Die Niger-Kongo-Sprache mit den meisten Sprechern ist das [[Swahili (Sprache)|Swahili]], das als Verkehrssprache von 30 bis 40 Mio. Menschen in [[Ostafrika]] gesprochen wird. Der Größe nach folgt das nigerianische [[Yoruba (Sprache)|Yoruba]] mit 20 bis 25 Mio. Sprechern, das zum [[Benue-Kongo]] gerechnet wird. [[Fulfulde]] oder Ful(ani) ist ein großes [[Dialektcluster]] der atlantischen Gruppe im westlichen Afrika mit über 20 Mio. Sprechern. [[Igbo (Sprache)|Igbo]] wird von fast 20 Mio. Menschen in Südost-[[Nigeria]] gesprochen, es gehört wie das Yoruba zum Benue-Kongo-Zweig. Niger-Kongo-Sprachen mit etwa 10 Mio. Sprechern sind das [[Shona (Sprache)|Shona]], [[IsiZulu|Zulu]], [[Chichewa|Nyanja]], [[Lingala]] (alle Bantu), [[Bambara]] in [[Mali]], [[Akan (Sprachen)|Akan]] oder Fante-Twi in [[Ghana]] und das [[Wolof (Sprache)|Wolof]] im [[Senegal]]. Bambara, Fante-Twi und Wolof gehören verschiedenen Untergruppen des Niger-Kongo an. Eine Liste sämtlicher Niger-Kongo-Sprachen mit mindestens drei Millionen Sprechern ist als Anhang zu diesem Artikel aufgeführt. == Klassifikationsübersicht == Die folgende Übersicht stellt die aktuell in der Forschung allgemein konsensfähige Klassifikation des Niger-Kongo dar. Sie basiert auf Bendor-Samuel 1989 und Williamson-Blench (in Heine-Nurse 2000) und liegt dem gesamten Artikel zugrunde. Ihre historische Entwicklung wird im Abschnitt „Geschichte der Klassifikation“ ausführlich dargestellt. ''Gesamt-Klassifikation des Niger-Kongo nach Williamson-Blench 2000'' * '''Niger-Kongo''' ** '''[[Kordofanisch]]''' ** '''[[Mande]]''' ** '''[[Atlantisch]]''' ** '''[[Dogon (Sprache)|Dogon]]''' ** '''[[Ijoid]]''' ** '''[[Volta-Kongo]]''' *** '''[[Nord-Volta-Kongo]]''' **** [[Kru-Sprachen|Kru]] **** [[Gur-Sprachen|Gur]] **** [[Senufo-Sprachen|Senufo]] **** [[Adamawa-Ubangi]] *** '''[[Süd-Volta-Kongo]]''' **** [[Kwa-Sprachen|Kwa]] **** [[Benue-Kongo]] ***** [[West-Benue-Kongo]]: [[Yoruboid]], [[Edoid]], [[Igboid]], [[Nupoid]], [[Idomoid]] ***** [[Ost-Benue-Kongo]] ****** [[Platoid]]: [[Kainji-Sprachen|Kainji]], [[Plateau-Sprachen]], [[Tarokoid]], [[Jukunoid]] ****** [[Bantoid-Cross]] ******* [[Cross-River-Sprachen|Cross-River]] ******* [[Bantoid]] ******** Nord-Bantoid: [[Dakoid]], [[Mambiloid]], [[Tikaroid]] ******** Süd-Bantoid: [[Jarawoid]], [[Tivoid]], [[Beboid]], [[Ekoid]], [[Nyang-Sprachen|Nyang]], [[Grasland-Sprachen|Grasland]], [[Bantusprachen|Bantu]] Bisher ist nicht endgültig geklärt, ob die Gruppierungen ''Benue-Kongo'' und ''Nord-Bantoid'' [[Genetische Einheit|genetische Einheiten]] bilden. Die sprachlichen und statistischen Eigenschaften der Untergruppierungen werden im Abschnitt „Niger-Kongo und seine Untereinheiten“ dargestellt. == Niger-Kongo als genetische Einheit == Bei der Größe des Niger-Kongo mit 1.400 Sprachen ist es nicht erstaunlich, dass bisher noch keine [[Protosprache]] für die gesamte [[Sprachfamilie|Familie]] rekonstruiert werden konnte. Es fehlte allein schon die Forschungskapazität, um dieses Projekt durchzuführen. Dieses Faktum wurde − und wird vereinzelt noch − als Argument der Gegner einer [[Genetische Einheit|genetischen Einheit]] des Niger-Kongo benutzt. Es stellt sich also die Frage: Ist das Niger-Kongo eine ''genetische Einheit'', so dass die [[Lexik|lexikalischen]] und [[Grammatik|grammatischen]] Gemeinsamkeiten auf eine gemeinsame Vorgängersprache zurückgehen, oder ist es nur eine Ansammlung von [[Sprachtypologie|typologisch]] ähnlichen Sprachgruppen, die sich durch [[Arealtypologie|arealen Kontakt]] gegenseitig mehr oder weniger stark beeinflusst haben? Die Antwort fällt seitens der Fachleute der Niger-Kongo-Forschung heute eindeutig aus: die Gemeinsamkeiten in Grammatik und [[Wortschatz]] lassen sich nur durch eine genetische Verwandtschaft erklären. Dabei sind drei Merkmale von besonderer Bedeutung: * das System der [[Nominalklasse]]n * die vielfältigen [[Derivation (Linguistik)|Verbalerweiterungen]] und * der gemeinsame [[Grundwortschatz|Basiswortschatz]]. === Nominalklassensystem === ==== Struktur und Funktion ==== Die Niger-Kongo-Sprachen besitzen in vielen Zweigen ein ausgeprägtes [[Nominalklasse]]nsystem, das die Zugehörigkeit aller (oder der meisten) [[Substantiv]]e einer Sprache zu einer Klasse festlegt. Diese Klassen treten für zählbare Nomina in der Regel als [[Singular]]-[[Plural]]-Paare auf, für Massenbezeichnungen, Flüssigkeiten und Abstrakta als Einzelklassen. Die Markierung (Kennzeichnung) der Klasse erfolgt durch [[Affix]]e am [[Nomen]] − die ''Klassenaffixe'' −, meist durch [[Präfix]]e, manchmal durch [[Suffix]]e und sehr selten durch [[Infix (Linguistik)|Infixe]]. Die Klassenzugehörigkeit des Nomens übt häufig einen [[Konkordanz (Sprachwissenschaft)|Konkordanzzwang]] auf untergeordnete Komponenten der [[Nominalphrase]] ([[Genitiv]]attribut, [[Adjektiv]]attribut, [[Numerale]], [[Possessivpronomen|Possessiva]], [[Demonstrativpronomen|Demonstrativa]]) und/oder auf das [[Prädikat (Grammatik)|Prädikat]] des Satzes aus, das das Nomen zum [[Subjekt (Grammatik)|Subjekt]] hat. Oft dienen spezifische Affixe an den Attributen und dem Verb dazu, diese Konkordanz zu markieren, manchmal sind die Konkordanzaffixe sogar identisch mit den Klassenaffixen des Nomens. Am deutlichsten ist das Nominalklassensystem in den [[Bantusprachen]] ausgeprägt, in anderen Zweigen des Niger-Kongo wurde es umgeformt oder reduziert, teilweise ist das System auch ganz verloren gegangen, z.&nbsp;B. bei den [[Mande-Sprachen]]. Für diese Zweige müssen dann andere Kriterien für die [[Genetische Verwandtschaft (Linguistik)|genetische Zugehörigkeit]] zum Niger-Kongo herangezogen werden. ==== Nominalklassen in den Bantusprachen ==== Zur Verdeutlichung der Begriffe ''Nominalklassen'', ''Klassenpräfixe'' und ''Konkordanz'' werden im Folgenden einige Beispiele aus den Bantusprachen angeführt, in denen diese Phänomene am klarsten erkennbar sind. Es gab im [[Proto-Bantu]] etwa zwanzig Nominalklassen. Diese Anzahl hat sich bei einigen der heutigen Bantusprachen erhalten (z.&nbsp;B. im [[Luganda|Ganda]]), in anderen wurde sie bis auf etwa zehn Klassen reduziert. Die Nominalklassen werden im Bantu ausschließlich durch Präfixe markiert. Es herrscht Konkordanz des Nomens mit seinen Ergänzungen in der [[Nominalphrase]] und zwischen [[Subjekt (Grammatik)|Subjektnomen]] und [[Verb]] im Satz, allerdings können die Konkordanzpräfixe ''einer'' Klasse bei Nomen, [[Numerale]], [[Pronomen]] und Verb unterschiedlich sein. ''Nominalklassen im [[Luganda|Ganda]]'' * zur Wurzel ''-ganda'': ** ''mu-ganda'' „ein(e) Ganda“ > ''ba-ganda'' „die Ganda-Leute“ (Plural der mu-Klasse) ** ''bu-ganda'' „das Land der Ganda“ ** ''lu-ganda'' „die Sprache der Ganda“ * zur Wurzel ''-ntu'': ** ''mu-ntu'' „Mensch“ > ''ba-ntu'' „Menschen“ ** ''gu-ntu'' „Riese“ > ''ga-ntu'' „Riesen“ Weitere Beispiele aus dem [[Swahili (Sprache)|Swahili]] zeigen die weitverbreitete Dopplung in [[Singular]]- und [[Plural]]klasse. ''Singular – Plural − Klassenpaare im Swahili'' * ''m-tu'' „Person“ > ''wa-tu'' „Leute“ * ''ki-tu'' „Ding“ > ''vi-tu'' „Dinge“ * ''ji-cho'' „Auge“ > ''ma-cho'' „Augen“ * ''u-fumbi'' „Tal“ > ''ma-fumbi'' „Täler“ ==== Konkordanz in den Bantusprachen ==== Zur Demonstration von Nominalklassen und Konkordanzverhalten folgen einige weitere Beispiele aus dem Swahili. '''Konkordanz in der Nominalphrase''' Bei Verwendung von Adjektiven, Zahlwörtern und Demonstrativpronomen ergibt sich im Swahili folgende Reihenfolge in einer Nominalphrase: ''Nomen + Adjektiv + Zahlwort + Demonstrativum''. Sämtliche Glieder einer Nominalphrase unterliegen dabei der Klassenkonkordanz. Dazu einige Beispiele: * ''m-tu m-kubwa'' „große Person“ (''m-tu'' „Mensch“, ''kubwa'' „groß“) * ''wa-tu wa-kubwa'' „große Leute“ (die ''wa-''Klasse ist der Plural der ''m-''Klasse) * ''ki-kapu ki-kubwa'' „großer Korb“ (''ki-kapu'' „Korb“) * ''vi-kapu vi-kubwa'' „große Körbe“ (die ''vi-''-Klasse ist der Plural der ''ki-''Klasse) * ''ki-kapu ki-dogo ki-le'' „jener kleine (''-dogo'') Korb“ * ''vi-kapu vi-dogo vi-tatu vi-le'' „jene drei (''-tatu'') kleinen Körbe“ * ''wa-tu wa-zuri wa-wili wa-le'' „jene (''-le'') zwei (''-wili'') guten (''-zuri'') Menschen“ Hier sind sämtliche Konkordanzmarker identisch mit dem Klassenpräfix des Nomens. Man spricht deswegen auch von ''[[Alliteration]]''. '''Konkordanz zwischen Subjekt und Prädikat''' In den Sprachen mit ausgeprägtem Nominalklassensystem muss die Klasse des Subjekts vom Prädikat eines Satzes [[Kongruenz (Grammatik)|kongruent]] aufgenommen werden, es herrscht also auch hier Konkordanz. Folgende Beispiele aus dem Swahili zeigen das Prinzip: * ''ki-kapu ki-kubwa ki-me-fika'' „der große Korb ist angekommen“ (''ki-kapu'' „Korb“, ''-fika'' „ankommen“, ''-me-'' [[Perfekt]]-Marker)<br />Hinweis: gleiche Klassenpräfixe ''ki-'' bei Nomen und Verb, sog. Alliteration * ''m-toto m-kubwa a-me-fika'' „das große Kind (''m-toto'') ist angekommen“<br />Hinweis: verbales ''a-''Präfix entspricht der nominalen ''m-''Klasse; also verschiedene Präfixmorpheme bei gleicher Klasse * ''wa-tu wa-zuri wa-wili wa-le wa-me-anguka'' „jene (''wa-le'') zwei (''wa-wili'') guten (''wa-zuri'') Menschen sind niedergefallen (''-anguka'')“ * ''wa-geni wa-zungu w-engi wa-li-fika Kenya'' ** lit. „Fremde (''wa-geni'') europäische (''wa-zungu'') viele (''w-engi'' < *''wa-ingi'') kamen an (''-li-'' [[Vergangenheit]]smarker) in Kenia“ ** „viele Europäer kamen in Kenia an“ ==== Die Bedeutungskategorien der Nominalklassen ==== Die einzelnen Klassen hatten ursprünglich ein festumrissenes Bedeutungsfeld, z.&nbsp;B. Menschen, Tiere, Pflanzen, Massenbegriffe, Flüssigkeiten, Ortsnamen, Abstrakta etc. Die zugehörigen Affixe waren im Prä-Niger-Kongo wahrscheinlich bedeutungstragende [[Morphem]]e, die dann bereits im Proto-Niger-Kongo [[Grammatikalisierung|grammatikalisiert]] wurden, so dass ihre [[Etymologie]] nicht mehr erkennbar ist. Immerhin ist in manchen Sprachen noch eine Ähnlichkeit von Personenklassenaffixen und Personalpronomina vorhanden. Obwohl die Klassenzugehörigkeit von Nomina heutiger Niger-Kongo-Sprachen nur sehr schwer [[Semantik|semantisch]] bestimmbar ist, wurde in vielen Forschungsarbeiten zu diesem Thema eine Liste der Bedeutungsfelder der einzelnen Nominalklassen erarbeitet. Eine Zusammenfassung dieser Ergebnisse insbesondere für die Bantusprachen geben Hendrikse und Poulos (1992), hier zitiert nach Nurse (2003). Die Bedeutungsfelder sind in der Tabelle des nächsten Abschnitts zusammengefasst. Ein Blick in diese Tabelle zeigt viele Überschneidungen der Bedeutungsfelder der einzelnen Klassen, z.&nbsp;B. können ''Tiere'' den Klassen 3-4, 5-6, 7-8, 9-10 und anderen zugeordnet werden. Somit ist fast nie vorhersagbar, zu welcher Klasse ein Substantiv einer bestimmten Bedeutungskategorie gehört. Eine Ausnahme stellen die Personenbezeichnungen dar, die fast immer den Klassen 1 (Singular) und 2 (Plural) zugeordnet sind. Ansonsten ist die Klasse eines Nomens ein lexikalisches Merkmal. ==== Formale Ähnlichkeit der Klassenaffixe ==== Das von den Gegnern einer [[Genetische Verwandtschaft (Linguistik)|genetischen Einheit]] des Niger-Kongo häufig vorgebrachte Argument, Nominalklassensysteme seien nur [[Sprachtypologie|typologische]] Merkmale ohne genetische Relevanz und sie seien außerdem in fast allen [[Afrikanische Sprachen|afrikanischen Sprachen]] verbreitet, ist nach Auffassung nahezu aller Spezialisten dieser Sprachgruppe falsch. Die Systeme der Nominalkategorisierung sind in den afrikanischen Sprachen im Gegenteil sehr unterschiedlich. So hat das [[Afroasiatische Sprachen|Afroasiatische]] ein [[Genus]]system, [[Khoisan-Sprachen|Nord-Khoisan]] eine kleine Zahl von Nominalklassen, die aber nicht am Nomen gekennzeichnet werden, Zentral-Khoisan wiederum ein Genussystem mit Femininum, Maskulinum und Neutrum. Einige Gruppen des [[Nilosaharanische Sprachen|Nilosaharanischen]] haben einfache Nominalklassensysteme, was ein Hinweis auf eine entfernte Verwandtschaft des Niger-Kongo mit dem Nilosaharanischen sein könnte (siehe unten „Niger-Kongo und Nilosaharanisch“). Natürlich gibt es Nominalklassensysteme auch in anderen Teilen der Erde, so in den [[Kaukasische Sprachen|kaukasischen]], [[Australische Sprachen|australischen]] und − besonders ausgeprägt − in den [[Jenisseische Sprachen|jenisseischen]] Sprachen. Entscheidend für die genetische Verwandtschaft ist aber die Tatsache, dass die Klassenaffixe in den einzelnen Zweigen des Niger-Kongo eine Übereinstimmung oder Ähnlichkeit in ''Form und Bedeutung'' aufweisen, sie also ein gemeinsames Erbe aus der gemeinsamen [[Protosprache]] sein müssen. ''Klassenaffixe in den Zweigen des Niger-Kongo und die Bedeutungsfelder der Klassen im Bantu'' {| class="prettytable" |- bgcolor='#COFOFO' ! Klasse ! Proto-<br />Bantu<br />Präfix ! Kordof. ! Atlant. ! Gur ! Kwa ! Benue ! Bedeutungsfeld der Klasse im Bantu |- | 1 | mu-, u- | gu-, w- |. | u | o- | u- | menschliche Wesen, Personifikationen, Verwandtschaftsbezeichnungen |- | 2 | ba- | b- | ba- | ba | ba- | ba- | ''Plural der Klasse&nbsp;1'' |- | 3 | mu-, gu- | gu- |. | ŋu | o- | u- | Naturphänomene, Körperteile, Pflanzen, Tiere |- | 4 | mi-, gi- | gi- |. | ŋi | i- | i- | ''Plural der Klasse&nbsp;3'' |- | 5 | i-, di- | j-,li- | e-de- | di |. | li- | Naturphänomene, Tiere, Körperteile, Paariges, Derogativa |- | 6 | ma-, ga- | m-,ŋ- | a-ga- || ŋa |. | a- | ''Plural der Klassen 5 und&nbsp;14''; Massenbegriffe, Flüssigkeiten, Zeitangaben |- | 7 | ki- |. | a-ka- |. | ki- | ki- | Körperteile, Werkzeuge, Insekten; Krankheiten u.&nbsp;a. |- | 8 | bi- |. |. |. | bi- | bi- | ''Plural der Klasse&nbsp;7'' |- | 9 | n-, ji- |. | in- |. |. | i- | Tiere; auch Menschen, Körperteile, Werkzeuge |- | 10 | n-,ji- |. | a-na- |. |. | i- | ''Plural der Klassen 9 und&nbsp;11'' |- | 11 | du-, lu- |. | u-du- |. |. | lu- | lange, dünne Dinge, längliche Körperteile; Sprachen, Naturphänomene u.&nbsp;a. |- | 12 | tu- |. |. | si | ti- | ti- | ''Plural der Klassen 13 und&nbsp;19'' |- | 13 | ka- |. |. | ka | ka- | ka- | Diminutiva, Derogativa; aber auch Augmentativa |- | 14 | bu- |. | u-bu- | bu | bu- | bu- | Abstrakta, Eigenschaften, Kollektiva |- | 15 | ku- |. |. | ku | ku- | ku- | Infinitive; einige Körperteile, z.&nbsp;B. ''Arm'', ''Bein'' |- | 19 | pi- |. | V-pV- | fu |. |. | Diminutiva (sg.) |- |} Diese Tabelle basiert auf Bendor-Samuel 1989 (Vergleich der Affixe in mehreren Zweigen) und auf Hendrikse und Poulos 1992 (Bedeutungsfelder der Klassen im Bantu). Die Tonangaben wurden zur Vereinfachung weggelassen. Die Tabelle zeigt eindeutig, dass die Affixe vergleichbarer Klassen auch ihrer Form nach in den einzelnen Zweigen des Niger-Kongo erkennbare Ähnlichkeiten aufweisen. Das ist ein starkes Indiz für die gemeinsame Herkunft dieser Morpheme aus dem Proto-Niger-Kongo und damit für die genetische Einheit der Niger-Kongo-Sprachen. === Verbalerweiterungen === Durch verschiedene [[Suffix]]e am [[Wortstamm|Verbalstamm]] können in allen Niger-Kongo-Sprachen ''abgeleitete Verben'' ([[Derivation (Linguistik)|Derivate]]) gebildet werden. Auf diese Weise werden aus einem Grundverb [[Kausativ]]e, [[Intransitivität (Grammatik)|Intransitive]], Reziproke (wechselseitige Handlung), [[Benefaktiv]]e, Reflexive (Handlung bezieht sich auf die handelnde Person), [[Passiv (Grammatik)|Passive]] und andere Bedeutungsvarianten abgeleitet. Einige der Derivationsendungen zeigen in mehreren Zweigen des Niger-Kongo bei gleicher Funktion eine ähnliche Form, sie haben sich also aus gemeinsamen protosprachlichen Vorgängern entwickelt (vgl. E. Voeltz: ''Proto-Niger-Congo Verb Extensions'' 1977). Dazu zwei Beispiele aus den [[Bantusprachen]]: Der protosprachliche Reziprok-Marker (''reziprok'' = ''wechselseitig'') „''-ana''“ hat sich in vielen Bantusprachen erhalten, z.&nbsp;B. * [[Swahili (Sprache)|Swahili]]: ''pend-ana'' „sich gegenseitig lieben“ * [[Lingala]]: ''ling-ana'' „sich gegenseitig lieben“ * [[IsiZulu|Zulu]]: ''bon-ana'' „sich gegenseitig sehen“ * [[Luganda|Ganda]]: ''yombag-ana'' „miteinander kämpfen“ Der [[Kausativ]]-Marker „''-Vsha''“ erscheint als ''-Vsha'' im Swahili, ''-ithia'' im Gikuyu, ''-isa'' im Zulu, ''-Vtsa'' im Shona, ''-Vsa'' im Sotho und ''-isa'' im Lingala. („V“ steht hier für einen beliebigen Vokal.) === Gemeinsamer Grundwortschatz === Die folgende Tabelle gibt einige Beispiele für [[Wortgleichungen]], die alle Hauptzweige des Niger-Kongo und vor allem auch das [[Kordofanisch]]e umfassen. Leider ist es beim heutigen Forschungsstand noch nicht möglich, für jede größere Untereinheit des Niger-Kongo ein rekonstruiertes [[Protosprache|Proto]]-[[Lexem]] heranzuziehen. Deswegen werden in jeder Untergruppe stellvertretend Sprachen ausgewählt (und angegeben), die das entsprechende Wort in einer ähnlichen Lautgestalt aufweisen. Die Quellen sind Westermann 1927, Greenberg 1963, Blench 1995 und Williamson 2000. '''Wortgleichungen des Niger-Kongo''' {| class="prettytable" |- bgcolor='#COFOFO' | '''Gruppe''' | ''schwarz'' | ''Blut'' | ''Bogen'' | ''Hund'' | ''Ohr, hören'' | ''Bein, Fuß'' | ''Mund'' |- | '''Kordofanisch''' | piim (Lafofa) | nyi (Lafofa) | thai (Tegem) | bwa (Eliri) | geenu (Talodi) | kpaga (Koalib) || ŋger (Rashad) |- | '''Mande''' | biine (Soninke) || ɲemi (Wan) | sa (Boko) | gbɛɛ (Tura) |. | keŋ (Vai) | na (Kpelle) |- | '''Atlantisch''' | bir (Temne) || ɲif (Safut) | ta (Gola) | o-bol (Pepel) | kenu (Gola) | ekpa (Gola) | o-nyââ (Gola) |- | '''Ijoid''' | bire (Defaka) |. | tei (Kolok.) | e-bere (Defaka) | naa (Ijo) |. |. |- | '''Kru |. | ɲimo (Kuwaa) | tâ (Seme) | gbe (Guere) | noa (Grebo) |. | ŋo (Bete) |- | '''Gur''' | biri (Birifor) || ɲim (Bieri) | ta-mo (Dgare) | baara (Moore) | nuu (Lobiri) | kparaɤa (Lorhon) |. |- | '''Adamawa-Ub.''' | vir (Pangseng) | ngia (Gbaya) | ta (Mumuye) | bwe (Yungur) | t-naa (Zing) | kanga (Mba) | nyaa (Zing) |- | '''Kwa''' | bile (Agni) || ŋga (Edile) | to (Baule) | gba (Ebrie) | nu (Logba) | akpa (Logba) | nɛɲ (Adyukru) |- | '''Benue-Kongo''' | virki (Dakoid) | egya (Nupe) | o-ta (Piti) | ebua (Efik) | nu (Igbo) | okpa (Igbo) | inwa (Efik) |- | '''Proto-Bantu''' | pi(r) || ŋinga | taa | bua |. | kono | nua |- |} Die aufgeführten Wortgleichungen enthalten keine weitverbreiteten „allafrikanischen“ Wörter, wie z.&nbsp;B. für „wissen“, „kaufen“, „Knie“, „Hals“ oder „Nacken“, „Zunge“, „Zahn“, „Mond“, „Stein“ oder „Hügel“ u.a., die natürlich zur [[Genetische Verwandtschaft (Linguistik)|genetischen]] Frage nichts beitragen können (sie sind allenfalls ein Hinweis auf noch größere verwandtschaftliche Einheiten). Insgesamt ist das verfügbare etymologische Material sehr umfangreich (mehrere hundert Wortgleichungen gelten als gesichert), allerdings enthalten nur relativ wenige auch kordofanische Vertreter. === Bemerkungen zur Phonologie === Da es bisher keine umfassende Rekonstruktion des Proto-Niger-Kongo gibt, kann auch keine definitive [[Phonem]]liste der [[Protosprache]] präsentiert werden. Deswegen hier nur einige Bemerkungen zur [[Phonologie]] (basierend auf Bendor-Samuel 1989). '''Wurzelstruktur''' Die [[Wurzel (Linguistik)|Wurzelstruktur]] des Proto-Niger-Kongo scheint KVKV (K = Konsonant, V = Vokal) gewesen zu sein, wie sie im Mande, Ijoid und Bantu bezeugt ist. In anderen Gruppen wurde sie durch [[Lautverschiebung|Lautveränderungen]] vereinfacht. Verben haben häufig ein KV-[[Suffix]], das zur Bildung von [[Derivation (Linguistik)|Verbalableitungen]] verwendet wird (siehe oben „Verbalerweiterung“), Nomina tragen ursprünglich ein Klassenpräfix der Form KV oder V. Damit ergeben sich folgende Grundformen: * Nomen: (K)V-KVKV * Verb: KVKV[-KV] '''Konsonanteninventar''' Stewart rekonstruierte 1983 für das Proto-Volta-Kongo, den größten Primärzweig des Niger-Kongo, folgende Konsonanten: ''Rekonstruierte Konsonanten des Proto-Volta-Kongo'' {| class="prettytable" |- bgcolor='#COFOFO' ! ! labial ! alveolar ! palatal ! velar ! labiovel. |- | Stops stimmlos | p | t | c | k | kp |- | Stops stimmhaft | b | d | j | g | gb |- | Nasale | m | n | ɲ |. | ŋm |- | Approximanten | w | ɫ | y |. |. |- |} Mukarovsky kam 1977 für sein „Proto-West-Nigritisch“ (entspricht dem Niger-Kongo ohne die Mande-Gruppe) zu im Wesentlichen denselben Ergebnissen. Diese Verhältnisse haben sich auf dem langen Weg bis zu den heutigen Sprachen natürlich in den einzelnen Gruppen zu sehr unterschiedlichen [[Lautsystem]]en entwickelt. Ein Beispiel zeigt das [[Konsonanten]]inventar heutiger [[Bantusprachen]], bei dem die [[Pränasalierung]] (/n-/ oder /m-/ tritt vor den einleitenden Konsonanten, z.&nbsp;B. wird /t/ zu /nt/) eine große Rolle spielt: ''Konsonanteninventar heutiger Bantusprachen'' {| class="prettytable" |- bgcolor='#COFOFO' ! ! labial ! alveolar ! palatal ! velar |- | stimmlose Plosive | {{IPA|p}} || {{IPA|t}} |. | {{IPA|k}} |- | stimmhafte Ejektive | b | d |. | g |- | stimmhafte Implosive | {{IPA|ɓ}} || {{IPA|ɗ}} |. | {{IPA|ɠ}} |- | Affrikate |. | {{IPA|ts/dz}} || {{IPA|tʃ/dʒ}} |. |- | Approximanten | {{IPA|β}} || {{IPA|l}} |. | {{IPA|ɣ}} |- | Nasale | {{IPA|m}} || {{IPA|n}} || {{IPA|ɲ}} || {{IPA|ŋ}} |- | Pränasalierte 1 | {{IPA|mp}} || {{IPA|nt}} |. | {{IPA|ŋk}} |- | Pränasalierte 2 |. | {{IPA|nts}} || {{IPA|ntʃ}} |. |- | Pränasalierte 3 | {{IPA|mb}} || {{IPA|nd}} |. | {{IPA|ŋg}} |- | Pränasalierte 4 |. | {{IPA|ndz}} || {{IPA|ndʒ}} |. |- |} Die [[Ejektiv]]laute entsprechen der deutschen Aussprache von ''b'', ''d'' und ''g''. Einige südliche Bantusprachen haben durch Kontakt mit [[Khoisan-Sprachen]] auch deren [[Klicklaut]]e übernommen. Dies betrifft vor allem Sprachen der [[Malcolm Guthrie|Guthrie]]-Gruppen S40 und S50, insbesondere [[IsiZulu|Zulu]] (12 Klicklaute) und [[IsiXhosa|Xhosa]] (15 Klicks). '''Vokale''' Für das Proto-Niger-Kongo wird ein System von bis zu zehn [[Vokal]]en angenommen (das Proto-Bantu hat davon sieben behalten). Weit verbreitet ist in den heutigen Niger-Kongo-Sprachen eine Art der [[Vokalharmonie]], die im Idealfall durch die beiden Vokalklassen /i, e, ə, o, u/ und /ɨ, ɛ, a, ɔ, ʊ/ definiert ist. Infolge der Vokalharmonie werden die Vokale der [[Affix]]e von Nomina und Verben der Färbung des Wurzelvokals angepasst. Allerdings findet dieses Prinzip in den einzelnen Untereinheiten und Sprachen des Niger-Kongo sehr unterschiedliche Anwendungen. '''Nasalierung''' von Vokalen ist weit verbreitet und hat [[phonem]]ische Bedeutung. '''Tonsprache''' Man kann annehmen, dass das Proto-Niger-Kongo eine ausgeprägte [[Tonsprache]] war (was natürlich nur [[Sprachtypologie|typologisch]], aber nicht [[Genetische Verwandtschaft (Linguistik)|genetisch]] relevant ist), da auch heute seine meisten Zweige ein bedeutungsdifferenzierendes System von zwei oder drei Tonhöhen besitzen. So sind z.&nbsp;B. über 95% der Bantusprachen Tonsprachen, eine Ausnahme bildet gerade die bekannteste, das [[Swahili (Sprache)|Swahili]]. Die folgende Tabelle gibt eine Übersicht über die Verwendung der Tondifferenzierung in den einzelnen Untergruppen des Niger-Kongo. Es kommen bis zu fünf unterschiedliche Tonstufen vor: H ''hoch'', T ''tief'', M ''mittel''; in Ausnahmefällen SH ''sehr hoch'', ST ''sehr tief''. ''Tonsysteme in den Niger-Kongo-Sprachen'' {| class="prettytable" |- bgcolor='#COFOFO' ! Zweig ! H, T ! H, M, T ! SH, H, M, T ! SH, H, M, T ST |- | '''Kordofanisch''' | ''fast alle'' |. |. |. |- | '''Mande''' | Jula<br />Ligbi<br />Mende | Mwan<br />Ngain<br />Yakuba | Gban<br />Tura | Dan |- | '''Atlantisch | Sherbro<br />Temne | Basari<br />Bedik |. |. |- | '''Ijoid''' | Ijo |. |. |. |- | '''Kru''' |. | Godie<br />Klao | Nyabwa<br />Seme |. |- | '''Gur''' | Dagbani<br />Konkomba<br />Kusal | Basari<br />Nafaara<br />Kasem | Bwamu<br />Baatonum |. |- | '''Adamawa-<br />Ubangi''' | Longuda<br />Gbaya | Mumuye<br />Duru<br />Zande | Dowayo |. |- | '''Kwa''' | Ga<br />Akan<br />Anyi<br />Baule | Ega<br />Dangme<br />Krobu<br />Mbatto | Sele |. |- | '''Benue-Kongo''' | Efik<br />Igbo<br />Edo<br />Tiv<br />Ekpeye | Yoruba<br />Jukun<br />Bekwarra | Kutep<br />Icen<br />Mambila | Ashuku |- |} Die Tabelle ist nach Bendor-Samuel 1989 zusammengestellt. == Niger-Kongo und seine Untereinheiten == [[Datei:Niger-Kongo-Karte.png|thumb|350px|Die Niger-Kongo-Sprachen]] Das Niger-Kongo ist also – wie die Ausführungen des vorigen Abschnitts belegen – eine [[Genetische Verwandtschaft (Linguistik)|genetische]] Einheit, d. h. eine [[Sprachfamilie]], deren Sprachen [[Phonologie|phonologische]], [[Grammatik|grammatische]] und [[Lexikon|lexikalische]] Gemeinsamkeiten aufweisen, die nur dadurch zu erklären sind, dass alle Sprachen von einer gemeinsamen [[Protosprache|Vorgängersprache]], dem ''Proto-Niger-Kongo'' abstammen. Den wichtigsten − wenn auch nicht ersten − Schritt zu dieser Erkenntnis vollzog [[Joseph Greenberg]] 1948 vor allem auf lexikalischer Basis (mit der nicht unumstrittenen Methode des ''[[Lexikalischer Massenvergleich|lexikalischen Massenvergleichs]]''). Seine Ergebnisse und Unterklassifikationen, die er in seinem Buch von 1963 zusammenfasste, wurden zwar in Details korrigiert, haben aber im Wesentlichen bis heute Bestand und sind die Basis für zukünftige Forschungsarbeiten. Allerdings wurde wegen des riesigen Umfangs des Niger-Kongo bisher keine [[Protosprache]] für die Gesamtfamilie rekonstruiert (deren Alter mit mindestens 10.000 Jahren anzusetzen ist), es gibt lediglich Rekonstruktionen für einzelne Untergruppen, am gründlichsten für die [[Bantusprachen]]. === Die Primärzweige des Niger-Kongo === Nach der aktuellen Klassifikation von Williamson-Blench (in Heine-Nurse 2000) besitzt das Niger-Kongo die sechs Primärzweige oder Haupteinheiten, nämlich [[Kordofanisch]], [[Mande]], [[Atlantisch]], [[Dogon]], [[Ijoid]] und [[Volta-Kongo]], wobei vor allem das Volta-Kongo wiederum aus sehr vielen Untereinheiten besteht, eine davon ist das [[Bantusprachen|Bantu]]. Die folgende Tabelle zeigt die Anzahl der Sprachen, die Sprecherzahlen und geografische Verbreitung der Primärzweige. '''Die Primärzweige des Niger-Kongo''' {| class="prettytable" |- bgcolor='#COFOFO' ! Zweig ! Anzahl<br />Sprachen ! Anzahl<br />Sprecher ! Hauptverbreitungsgebiet |- | '''Kordofanisch''' | align="right" | 23 | align="right" | 0,3 Mio. | Sudan (Staat): Nuba-Berge |- | '''Mande''' | align="right" | 59 | align="right" | 21 Mio. | Westafrika: Mali, Guinea, Liberia, Elfenbeinküste |- | '''Atlantisch''' | align="right" | 50 | align="right" | 27 Mio. | Westafrika: Senegal, Gambia, Guinea, Sierra Leone |- | '''Dogon''' | align="right" | 1 | align="right" | 0,6 Mio. | Mali, Burkina Faso |- | '''Ijoid''' | align="right" | 10 | align="right" | 1,6 Mio. | Nigeria: Niger-Delta |- | '''Volta-Kongo''' | align="right" | 1253 | align="right" | 322 Mio. | West-, Zentral- und Südafrika |- |} Die Angaben zu den Sprachen- und Sprecherzahlen basieren auf dem unten angegeben Weblink „Klassifikation der Niger-Kongo-Sprachen“. Für diese Zahlen gelten die üblichen Vorsichtsregeln (dazu ausführlich der Artikel [[Sprachfamilien der Welt]]). '''Abspaltung der Primärzweige''' Es ist nun nicht davon auszugehen, dass alle Primärzweige sich ''gleichzeitig'' aus dem Proto-Niger-Kongo abgespalten haben. Nach dem aktuellen Forschungsstand (Williamson und Blench in Heine-Nurse 2000) geht man auf Grund sprachvergleichender Untersuchungen davon aus, dass das Kordofanische sich als erste Gruppe abgetrennt hat, gefolgt vom Mande- und Atlantik-Zweig (hier kann man bisher keinen zeitlichen Unterschied erkennen). Von diesem Rest trennten sich dann die kleinen Gruppen Ijoid und Dogon, die schließlich den großen Primärzweig Volta-Kongo zurückließen, der heute den Kern des Niger-Kongo ausmacht. Angaben über die absolute [[Chronologie]] der Abspaltungen sind äußerst schwierig. Das Proto-Niger-Kongo hat mindestens ein Alter von 10.000, die letzte große Abspaltung aus dem Volta-Kongo − die Entstehung der Bantusprachen − wird etwa auf 3000 bis 2500 v. Chr. angesetzt. Dazwischen − also in einem Zeitraum von mindestens 5.000 Jahren − sind die Abspaltungen der Primärzweige in der oben beschriebenen Reihenfolge zu positionieren. Ehret gibt (in Heine-Nurse 2000) folgende ungefähre Daten: vor fast 10.000 Jahren die Abspaltung des Kordofanischen, vor 8.000 Jahren Abspaltung des Mande und Atlantischen, vor 6.000 Jahren Abspaltung des Ijoid und Dogon und Beginn der Ausbreitung des Volta-Kongo. '''Urheimat''' Hinweise auf die [[Urheimat]] des Niger-Kongo sind in der Literatur äußerst spärlich. Wahrscheinlich ist aber der Bereich des westlichen [[Großlandschaft Sudan|Sudan]] (also das subsaharanische westliche Afrika), in dem die Niger-Kongo-Sprachen auch heute noch ihre größte Vielfalt zeigen. Das weit im Osten davon angesiedelte Kordofanische muss dann auf eine sehr frühe Auswanderung zurückgehen, oder die Urheimat erstreckte sich bis an den Nil, was eher unwahrscheinlich ist. Die Ausbreitung über das ganze zentrale, östliche und südliche Afrika erfolgte nahezu ausschließlich durch die Sprecher der Bantusprachen (dazu ausführlich der Artikel [[Bantusprachen]]). === Kordofanisch === → ''Hauptartikel: [[Kordofanische Sprachen]]'' Das Kordofanische besteht aus einer kleinen Gruppe von etwa 25 Sprachen mit zusammen 320.000 Sprechern, die im Gebiet der [[Nubaberge|Nuba-Berge]] in der Republik [[Sudan]] gesprochen werden. Der von [[Joseph Greenberg]] 1949 eingeführte Name „Kordofanisch“ ist nicht besonders glücklich gewählt, da die Nuba-Berge nicht zu [[Kordofan]] (Kurdufan) gehören, sondern nur daran angrenzen. Das kordofanische Sprachgebiet stellt eine [[Exklave]] des ansonsten weitgehend zusammenhängenden Niger-Kongo-Gebietes dar, es ist von [[Nilosaharanische Sprachen|nilosaharanischen Sprachen]] (Nubisch, Nyimang, Temein, Daju-Sprachen) und dem [[Arabische Sprache|Arabischen]] umgeben. Die bedeutenderen Sprachen sind Koalib, Tira, Moro, Dagik-Ngile und Tegali, jeweils mit etwa 30 − 40.000 Sprechern. Von keiner kordofanische Sprache gibt es bisher eine umfassende [[Grammatik|grammatische]] Beschreibung, eine Rekonstruktion des Proto-Kordofanischen ([[Protosprache]] der kordofanischen Sprachen) war deswegen bisher nur in Ansätzen möglich. Das Kordofanische hat sich als erste Gruppe vom Niger-Kongo abgespalten und weist nur relativ geringe gemeinsame Merkmale mit anderen Niger-Kongo-Sprachen auf. Diese reichen aber aus, um nach heutigem Wissensstand die Zugehörigkeit zur Niger-Kongo-Familie wahrscheinlich zu machen. So zeigten Greenberg (1963) und Schadeberg (1981), dass sich die [[Nominalklassen]]affixe der kordofanischen Sprachen regulär auf die der übrigen Niger-Kongo-Sprachen beziehen lassen. Allerdings sind die lexikalischen Gemeinsamkeiten des Kordofanischen mit dem restlichen Niger-Kongo eher gering, so dass ein Restzweifel an der Einordnung der kordofanischen Sprachen bestehen bleibt. ''Nominalpräfixe der kordofanischen Sprachen im Vergleich (Schadeberg 1981)'' {| class="prettytable" |- bgcolor='#COFOFO' ! Sprachgruppe | Klasse 1<br />Mann, Frau | Klasse 3<br />Baum, Holz | Klasse 4<br />Plural zu 3 | Klasse 5<br />Kopf, Name | Klasse 6<br />Plural zu 5 | Klasse 7<br />Blut, Wasser |- | '''Kordofanisch''' | gu-, w-, b- | gu-, w-, b- | j-, g- | li-, j- || ŋu-, m- || ŋ- |- | '''Atlantisch''' | gu- | gu- | ci- | de- | ga- | ma- |- | '''Gur''' || -a | -bu | -ki | -de | -a | -ma |- | '''Kwa''' | o- | o- | i- | li- | a- | n- |- | '''Benue-Kongo''' | u- | u- | ti- | li- | a- | ma- |- | '''Bantu''' | mu- | mu- | mi- | di- | ma- | ma- |- |} Das [[Nominalklassen]]system ist bei den kordofanischen Sprachen in unterschiedlichem Umfang ausgeprägt. In manchen Sprachen gibt es Systeme mit etwa 15 Klassen mit unterschiedlichen [[Präfix]]en für [[Singular]] und [[Plural]] für zählbare Objekte oder Wesen. Nur Eigennamen und Verwandtschaftsbezeichnungen werden nicht präfigiert, die Pluralbildung der Verwandtschaftstermini erfolgt durch [[Suffix]]e. In den einzelnen Nominalklassen werden teilweise sehr heterogene Dinge zusammengefasst, so dass man kaum von Bedeutungsfeldern sprechen kann (jedenfalls sind sie nicht mehr erkennbar). In anderen Sprachen fehlen die Nominalklassen ganz, der Plural wird durch vokalisches Präfix und/oder das Suffixe gebildet. Die präfigierenden Klassensprachen haben in der Regel auch [[Konkordanz (Sprachwissenschaft)|Konkordanz]], d. h. dass die vom [[Subjekt (Grammatik)|Subjekt]] abhängigen Wörter eines Satzes Formative besitzen, die mit den Klassenpräfixen des Subjekts übereinstimmen. [[Derivation (Linguistik)|Verbalerweiterungen]] sind in allen kordofanischen Sprachen häufig, es handelt sich aber in der Regel um Innovationen (Neubildungen, die nicht aus dem Proto-Niger-Kongo stammen). Die Satzstellung ist in der Regel SVO (Subjekt − Verb − Objekt), es werden ausschließlich [[Präposition]]en verwendet. In der [[Nominalphrase]] steht das bestimmte Nomen vorn, seine Erweiterungen und Ergänzungen (Attribute, Possessivum, Numerale und Demonstrativum) folgen nach. === Mande === → ''Hauptartikel: [[Mande-Sprachen]]'' Die Mande-Sprachen haben sich − wie die kordofanischen – ebenfalls relativ früh von den übrigen Niger-Kongo-Sprachen abgespalten und weisen etliche spezifische Merkmale auf, insbesondere besitzen sie keine [[Nominalklassen]]. Dennoch gilt ihre Zugehörigkeit zum Niger-Kongo inzwischen als gesichert, wenn auch Ähnlichkeiten mit dem heute als [[Nilosaharanische Sprachen|nilosaharanisch]] klassifizierten [[Songhai-Sprachen|Songhai]] von mehreren Forschern festgestellt wurden. Als Gruppe verwandter Sprachen wurden die Mande-Sprachen bereits im 19. Jahrhundert identifiziert. [[Sigismund Wilhelm Koelle]] benutzte 1854 als erster den Namen „Mandenga“ für diese Gruppe, der auf einheimische Bezeichnungen zurückgeht. Die etwa 60 Mande-Sprachen werden von rund 19 Mio. Menschen im [[Großlandschaft Sudan|Westsudangebiet]] in den Staaten [[Mali]], [[Guinea]], [[Liberia]], [[Elfenbeinküste]] und [[Burkina Faso]] gesprochen. Sie zerfallen in zwei Hauptzweige, den größeren West-Mande-Zweig mit 16 Mio. Sprechern (sein Kern sind die Manding-Sprachen) und Ost-Mande mit zusammen nur 2-3 Mio. Sprechern. Die bedeutendsten Mande-Sprachen sind [[Bambara]] (Verkehrssprache in Mali mit bis zu 10 Mio. Sprechern inkl. Zweitsprecher), [[Dioula]] oder Jula (4 Mio. inkl. Zweitsprecher), [[Maninka]] (Ost-Malinke) (2 Mio.) und [[Mandinka]] (1,2 Mio.), alle aus dem Manding-Hauptzweig. Weitere Millionensprachen sind [[Mende (Sprache)|Mende]] (2 Mio.), [[Soninke]] (1,1 Mio.) und [[Kpelle (Sprache)|Kpelle]] (1 Mio.). [[Dan (Sprache)|Dan]] oder Yakuba (1 Mio. Sprecher, Elfenbeinküste) ist die größte Sprache des Ost-Zweigs. Die Mande-Sprachen besitzen keine [[Nominalklassen]], weswegen ihre Zugehörigkeit zum Niger-Kongo häufiger in Frage gestellt wurde. Die meisten Mande-Sprachen sind [[Tonsprache]]n mit bis zu drei Tonebenen, der Ton wird auch zur Unterscheidung von Singular und Plural eingesetzt und ist eher an [[Morphem]]e als an einzelne Silben gebunden. Es gibt ''freie'' und ''gebundene'' [[Nomen|Nomina]], letztere werden grundsätzlich von einem [[Possessivpronomen]] begleitet; dazu gehören die Verwandtschaftsbezeichnungen und Namen von Körperteilen (also grundsätzlich „meine, deine … Hand“, aber nicht „die Hand“). === Atlantisch === → ''Hauptartikel: [[Atlantische Sprachen]]'' Die etwa 50 atlantischen Sprachen (von [[Joseph Greenberg]] ursprünglich „westatlantisch“ genannt) werden von der Mündung des [[Senegal (Fluss)|Senegal]] entlang der atlantischen Küste bis [[Liberia]] – vor allem in den heutigen Staaten [[Senegal]], [[Gambia]], [[Guinea]], [[Sierra Leone]], [[Mali]], [[Niger]], [[Nigeria]], [[Ghana]] und [[Burkina Faso]] – von etwa 27 Mio. Menschen gesprochen. Die mit Abstand wichtigste atlantische Sprache ist das [[Fulfulde]] (auch Ful, Fula, Fulani, Pulaar oder Peul genannt), dessen Dialekte von 18 Mio. Muttersprachlern und von mindestens weiteren 4 Mio. Zweitsprechern gesprochen werden. Weitere nordatlantische Hauptsprachen sind das dem Ful nah verwandte [[Wolof (Sprache)|Wolof]] (8 Mio. mit Zweitsprechern, die Hauptsprache des Senegal), das [[Serer (Sprache)|Serer-Sine]] mit 1,2 Mio. Sprechern und das südatlantische [[Temne]] (1,5 Mio. Sprecher, Sierra Leone). Das Atlantische gliedert sich in drei Hauptzweige: ''Nord-Atlantisch'' mit 24,5 Mio. Sprechern der größte Zweig, ''Süd-Atlantisch'' (2,5 Mio. Sprecher) und die isolierte Sprache ''Bijago'' oder ''Bissago'', die auf dem Guinea-Bissau vorgelagerten [[Bissagos-Archipel]] gesprochen wird und keinem der beiden großen Zweige zugeordnet werden kann. Das Atlantische hat sich schon früh − etwa gleichzeitig mit den Mande-Sprachen − von der Hauptlinie des Niger-Kongo abgespalten. Die atlantischen Sprachen besaßen ursprünglich ein voll ausgebildetes [[Nominalklassen]]system, das durch [[Präfix]]e und [[Augment]]e (Prä-Präfixe) markiert wurde und über [[Konkordanz (Sprachwissenschaft)|Konkordanz]] auf den gesamten Satz wirkte. Die Klassenpräfixe wurden später häufig abgeschliffen und durch [[Suffix]]e oder Augmente ersetzt. Der Wechsel des [[Anlaut]]konsonanten hat grammatische Bedeutung, häufig kennzeichnet er die [[Plural]]bildung. Die übliche Satzstellung ist SVO (Subjekt-Verb-Objekt), es werden in der Regel [[Präposition]]en. In der [[Nominalphrase]] steht das bestimmte Nomen in der Regel vorn, es folgen seine Attribute und Ergänzungen. Für die Einbettung des Atlantischen in das Niger-Kongo spricht insbesondere die Ähnlichkeit mancher atlantischer Klassenpräfixe mit denen des [[Bantusprachen|Bantu]]: * ''be-'' Plural von Lebewesen, vgl. Bantu ''ba-'' * ''mo-, wo-'' Singular von Lebewesen, vgl. Bantu ''mu-'' * ''ma-'' Kollektiva, vgl. Bantu ''ma-'' === Dogon === → ''Hauptartikel: [[Dogon (Sprache)|Dogon]]'' Das Dogon ist innerhalb des Niger-Kongo eine [[Isolierte Sprache|isolierte]] Sprache, die einen eigenen Primärzweig bildet. Alle Versuche, sie anderen Gruppen des Niger-Kongo zuzurechnen, sind bisher fehlgeschlagen. Dogon wird von rund 600.000 Menschen in [[Mali]] und [[Burkina Faso]] gesprochen. Das Zentrum der Dogonkultur ist das Dogon-Land in Zentral-Mali mit dem Hauptort [[Bandiagara]] (etwa 60 km östlich von der am Niger gelegenen Stadt [[Mopti]]). Viele Dogon − vor allem die Männer und jungen Leute − beherrschen auch die Landessprache [[Bambara]] (eine [[Mande-Sprachen|Mande-Sprache]]). Ob das Dogon eine einzige Sprache mit vielen, teilweise recht abweichenden Dialekten oder eine kleine Sprachfamilie mit etwa fünf bis acht Sprachen ist, lässt sich kaum endgültig entscheiden. Das [[Nominalklassen]]system ist in der Dogon-Sprache in Resten erhalten, allerdings gibt es keine Klassen[[präfix]]e. Bezeichnungen für menschliche Wesen haben spezielle [[Plural]] [[suffix]]e. Die Satzstellung ist SOV (Subjekt-Objekt-Verb). Das Nomen steht vor seinem [[Attribut (Grammatik)|Attribut]], [[Possessivpronomen|Possessivum]], [[Zahlwort|Numerale]] und [[Demonstrativpronomen|Demonstrativum]]. === Ijoid === → ''Hauptartikel: [[Ijoid-Sprachen]]'' [[Datei:Nigeria Sprachfamilien.png|thumb|Sprachen und Ethnien in Nigeria]] Ijoid ist eine kleine Familie von etwa 10 Sprachen, die von rund 1,6 Mio. Menschen im [[Niger (Fluss)|Niger]]-Delta in [[Nigeria]] gesprochen werden. Es besteht einerseits aus dem [[Defaka]], das nur noch 200 Sprecher hat, andererseits aus der Ijo-Gruppe. Dazu gehören außer dem eigentlichen [[Ijo]] (auch Ijaw oder Izon; 1 Mio. Sprecher) Kalabari und Kirike mit jeweils 250.000 Sprechern und sechs kleinere Sprachen. Die Ijoid-Sprachen sind untereinander eng verwandt und bilden − abgesehen vom Defaka − ein [[Dialektkontinuum]]. Von den anderen Niger-Kongo-Sprachen unterscheiden sie sich deutlich durch mehrere Merkmale. Das [[Nominalklassen]]system ist noch in Resten erhalten, für „menschliche Wesen“ entstanden neue Klassen[[suffix]]e. Die Pronomina haben ein [[Genus]]system ausgebildet (Maskulinum, Femininum, teilweise Neutrum), was ansonsten für Niger-Kongo-Sprachen völlig unüblich ist. Die Satzstellung ist wie bei den [[Mande-Sprachen]] und beim [[Dogon]] SOV (Subjekt-Objekt-Verb), während sonst im Niger-Kongo eher SVO bevorzugt wird (dazu Claudi 1993). === Volta-Kongo === → ''Hauptartikel: [[Volta-Kongo-Sprachen]]'' ==== Übersicht und Gliederung ==== Das Volta-Kongo stellt mit Abstand den größten und komplexesten Primärzweig des Niger-Kongo dar. Die etwa 1250 Volta-Kongo-Sprachen werden in West-, Zentral- und ganz Südafrika gesprochen. Volta-Kongo besteht nach dem aktuellen Forschungsstand (Williamson-Blench 2000) aus den beiden Hauptzweigen ''Nord-Volta-Kongo'' mit 276 Sprachen und 28 Mio. Sprechern und dem ''Süd-Volta-Kongo'' (auch ''Kwa-Benue-Kongo'') mit 977 Sprachen und fast 300 Mio. Sprechern, zu dem auch die [[Bantusprachen]] gehören. Nord-Volta-Kongo gliedert sich in die Zweige ''Kru'', ''Gur'', ''Senufo'' und ''Adamawa-Ubangi''. Sie werden in [[Westafrika]] von [[Liberia]] bis [[Kamerun]] gesprochen. Das nach seiner Sprecherzahl etwa zehn mal so große Süd-Volta-Kongo hat die Haupteinheiten ''Kwa'' (das „westliche Kwa“ nach Greenberg) und ''Benue-Kongo'', das wiederum aus dem ''West-Benue-Kongo'' (Greenbergs „Ost-Kwa“) und ''Ost-Benue-Kongo'' („Benue-Kongo“ nach Greenberg) besteht. Ob die Benue-Kongo-Sprachen insgesamt − wie seit Greenberg allgemein angenommen und in Bendor-Samuel 1989 dargestellt − eine gültige [[genetische Einheit]] ausmachen, ist bisher nicht eindeutig geklärt. Die etwa 75 (westlichen) ''Kwa-Sprachen'' werden von 21 Mio. in den Staaten [[Elfenbeinküste]], [[Ghana]], [[Togo]], [[Benin]] und [[Nigeria]] gesprochen. ''West-Benue-Kongo'' (bestehend aus ''Yoruboid'', ''Edoid'', ''Igboid'', ''Nupoid'', ''Idomoid'' und kleineren Gruppen) wird in [[Togo]], [[Benin]] und Süd-[[Nigeria]] gesprochen (73 Sprachen mit 48 Mio. Sprechern), ''Ost-Benue-Kongo'' hat insgesamt etwa 800 Sprachen mit 225 Mio. Sprechern und gliedert sich in die beiden Hauptgruppen ''Platoid'' (unter anderem ''Kainji'', ''Plateau-Sprachen'', ''Jukunoid'') und ''Bantoid-Cross''. Letzteres besteht aus den ''Cross-River-Sprachen'' und den ''Bantoid-Sprachen''. Zum ''Cross-River'' zählen rund 70 Sprachen mit 6 Mio. Sprechern, sie werden in Südost-[[Nigeria]] und [[Kamerun]] gesprochen. Das ''Bantoid'' enthält alle ca. 500 [[Bantusprachen]], zusätzlich einige in Süd-[[Nigeria]] und [[Kamerun]] gesprochene Gruppen (''Jarawoid'', ''Tivoid'', ''Beboid'', ''Ekoid'', ''Graslandsprachen'' u.a.), die mit den ''Bantusprachen'' eng verwandt sind. Weitere Details über das Volta-Kongo und seine Untergruppen sind dem folgenden Stammbaum, der tabellarischen Übersicht (Sprachen- und Sprecherzahlen, geografische Verbreitung) und den speziellen Artikeln über die Hauptgruppen des Volta-Kongo zu entnehmen. ''Gliederung des Volta-Kongo'' * '''[[Volta-Kongo]]''' ** '''[[Nord-Volta-Kongo]]''' *** '''[[Kru-Sprachen|Kru]]''' *** '''[[Gur-Sprachen|Gur]]''' (Voltaisch) *** '''[[Senufo-Sprachen|Senufo]]''' *** '''[[Adamawa-Ubangi]]''' ** '''[[Süd-Volta-Kongo]]''' *** '''[[Kwa-Sprachen|Kwa]]''' *** '''[[Benue-Kongo]]''' **** '''[[West-Benue-Kongo]]''' (mit [[Yoruboid]], [[Edoid]], [[Igboid]], [[Nupoid]], [[Idomoid]] u.a.) **** '''[[Ost-Benue-Kongo]]''' ***** '''[[Platoid]]''' (mit [[Kainji-Sprachen|Kainji]], [[Plateau-Sprachen]], [[Tarokoid]], [[Jukunoid]] u.a.) ***** '''[[Bantoid-Cross]]''' ****** '''[[Cross-River-Sprachen|Cross River]]''' ****** '''[[Bantoid]]''' ******* Nord-Bantoid (mit [[Dakoid]], [[Mambiloid]], [[Tikaroid]] u.a.) ******* Süd-Bantoid (mit [[Jarawoid]], [[Tivoid]], [[Beboid]], [[Ekoid]], [[Graslandsprachen|Grasland]] und [[Bantusprachen|Bantu]]) Es ist erkennbar, dass die große Gruppe der Bantusprachen genetisch innerhalb des Niger-Kongo und Volta-Kongo nur eine Unter-Unter-Einheit darstellt. Die folgende Tabelle enthält für die größeren Untergruppen des Volta-Kongo-Zweiges die Anzahl der Sprachen und Sprecher, sowie die Hauptverbreitungsgebiete. '''Die bedeutenden Untergruppen des Volta-Kongo-Zweiges''' {| class="prettytable" |- bgcolor='#COFOFO' ! Unterzweig ! Anzahl<br />Sprachen ! Anzahl<br />Sprecher ! Hauptverbreitungsgebiet |- | Kru | align="right" | 29 | align="right" | 2,3 Mio. | Elfenbeinküste, Süd-Liberia |- | Gur (Voltaisch) | align="right" | 74 | align="right" | 15 Mio. | Mali, Elfenbein, Burkina Faso, Ghana, Togo, Nigeria |- | Senufo | align="right" | 15 | align="right" | 2,7 Mio. | Burkina Faso, Elfenbeinküste, Mali, Ghana |- | Adamawa-Ubangi | align="right" | 158 | align="right" | 7,6 Mio. | Nigeria, Kamerun, Zentralafrika, Tschad, Sudan |- | Kwa | align="right" | 75 | align="right" | 21 Mio. | Elfenbeinküste, Ghana, Togo, Benein, Nigeria |- | Yoruboid | align="right" | 14 | align="right" | 22 Mio. | Südwest-Nigeria, Benin, Togo |- | Edoid | align="right" | 26 | align="right" | 2,6 Mio. | Zentral-Süd-Nigeria |- | Igboid | align="right" | 7 | align="right" | 19 Mio. | Südost-Nigeria |- | Nupoid | align="right" | 11 | align="right" | 3 Mio. | West-Zentral-Nigeria |- | Idomoid | align="right" | 9 | align="right" | 1,1 Mio. | Süd-Nigeria |- | Kainji | align="right" | 54 | align="right" | 1 Mio. | Nordwest- und Nord-Zentral-Nigeria |- | Plateau | align="right" | 43 | align="right" | 2 Mio. | Nord-Zentral-Nigeria (''keine genet. Einheit'') |- | Cross-River | align="right" | 65 | align="right" | 5,6 Mio. | Nigeria: Cross-River-Staat; Kamerun |- | Dakoid | align="right" | 3 | align="right" | 0,5 Mio. | Ost-Nigeria |- | Tivoid | align="right" | 18 | align="right" | 2,4 Mio. | Ost-Nigeria, West-Kamerun |- | Grasland | align="right" | 67 | align="right" | 2,5 Mio. | West-Kamerun |- | Bantu | align="right" | 487 | align="right" | 210 Mio. | gesamtes mittleres und südliches Afrika |- |} Die Bezeichnung ''X-oid'' bezeichnet eine Hauptsprache X mit ihren nah verwandten Schwestersprachen, z.&nbsp;B. ist ''Igboid'' die Gruppe der mit dem ''Igbo'' unmittelbar verwandten Sprachen. In der Regel handelt es sich um [[Dialektkontinuum|Dialektkontinua]]. Manche Forscher werten solche Gruppen auch als eine einzige Sprache. ==== Kru ==== → ''Hauptartikel: [[Kru-Sprachen]]'' Die etwa 30 Kru-Sprachen gehören zum Nord-Volta-Kongo-Zweig, sie werden in der [[Elfenbeinküste]] und in Süd-[[Liberia]] von etwa 2,3 Mio. Menschen gesprochen. Der Name „Kru“ ist offensichtlich eine Verballhornung des Sprachnamens „Klao“, begünstigt durch englisch „crew“, da die Kru-Leute früher häufig als Matrosen auf europäischen Schiffen arbeiteten. Westermann (1927) und Greenberg (1963) rechneten Kru zu den Kwa-Sprachen, Bennet und Sterk (1977) verlagerten es in den Nord-Volta-Kongo-Zweig. Kru gliedert sich in einen östlichen und einen westlichen Zweig und drei isolierte Sprachen. [[Nominalklassen]]systeme sind im Kru kaum erhalten, der [[Plural]] wird durch [[Suffix]]e und Veränderung des Auslautvokals gebildet. In den [[Nominalphrase]]n gibt es [[Konkordanz (Sprachwissenschaft)|Konkordanzstrukturen]]. Die Kru-Sprachen machen regen Gebrauch von Verbalerweiterungen, etwa zur Bildung von [[Kausativ]]en, [[Benefaktiv]]en, [[Inchoativ]]en und dem [[Passiv]]. Die [[Personalpronomen|Personalpronomina]] unterscheiden in einigen Sprachen Femininum und Maskulinum in der 2. und 3. Person Singular, sonst gibt es keine [[Genus]]differenzierung. Die Satzstellung ist SVO, es werden [[Postposition]]en verwendet. Während das „Genitivattribut“ und das Possessivum ''vor'' dem bestimmten Nomen stehen, werden Adjektivattribut, Demonstrativum und Numerale dem Nomen nachgestellt. ==== Gur (Voltaisch) ==== → ''Hauptartikel: [[Gur-Sprachen]]'' Gur oder Voltaisch ist eine große Sprachfamilie von etwa 75 Sprachen, die in einem zusammenhängenden Territorium, das vom Südosten [[Mali]]s über die nördliche [[Elfenbeinküste]], [[Ghana]], [[Togo]] und [[Benin]] bis nach [[Burkina Faso]] und [[Nigeria]] reicht, von zusammen etwa 15 Mio. Menschen gesprochen werden. Der Name „Gur“ wurde 1895 von [[Gottlob Krause]] vorgeschlagen, da einige Sprachen dieser Gruppe die erste Silbe ''Gur-'' aufweisen (Gurma, Gurunsi, Gurenne). Die Bezeichnung „Voltaisch“ nimmt Bezug auf den Fluss Volta, sie wird vor allem in der französischen Literatur verwendet (''langues voltaïque''). Die [[genetische Einheit]] der Kerngruppe „Zentral-Gur“ ist seit langem unbestritten, die Zugehörigkeit einzelner Sprachen außerhalb dieses Kerns nach wie vor ungeklärt. Früher wurden auch Dogon und die Senufo-Gruppe zu den Gur-Sprache gerechnet (z.&nbsp;B. Bendor-Samuel 1971, De Wolf 1981). Die genetische Nähe der Gur-Sprachen zu den Kwa-Benue-Kongo-Sprachen gab den Anlass, innerhalb des Niger-Kongo den Primärzweig Volta-Kongo einzuführen. Die mit Abstand bedeutendste Gur-Sprache ist das [[Mòoré]], die Sprache der Mossi (mit 7 Mio. Sprechern einschließlich der Zweitsprecher). Es ist die Hauptverkehrssprache von [[Burkina Faso]] und wird auch in [[Mali]], [[Togo]], [[Benin]] und der [[Elfenbeinküste]] gesprochen. Andere bedeutende Gur-Sprachen mit mindestens 500.000 Sprechern sind Dagaari, Frafra, Dagbani, Kusaal, Gurma, Konkomba, Tem (Verkehrssprache in Togo), Kabiye, Lobiri und Bariba. Fast alle Gur-Sprachen haben ein [[Nominalklassen]]system, die meisten zeigen [[Konkordanz (Sprachwissenschaft)|Konkordanz]]. Durchschnittlich gibt es elf Nominalklassen, die durch [[Suffix]]e markiert werden, einige Sprachen besitzen noch Klassen[[präfix]]e bei häufig vorkommenden Substantiven. Die Wortstellung im Satz ist SVO, in der Regel werden [[Postposition]]en verwendet. [[Genitiv]]attribute und [[Possessivpronomen|Possessivpronomina]] stehen vor dem Nomen, das sie näher bestimmen, [[Adjektiv]]attribute, [[Demonstrativpronomen|Demonstrativa]] und [[Numerale]] folgen ihrem Nomen. Die meisten Gur-Sprachen sind [[Tonsprache]]n mit zwei bis drei Tonhöhen, im Extremfall (Bariba) werden sogar sechs bedeutungsrelevante Tonvarianten differenziert. ==== Senufo ==== → ''Hauptartikel: [[Senufo-Sprachen]]'' Die Senufo-Sprachen bilden eine kleine Gruppe von 15 nah verwandten Sprachen mit 2,7 Mio. Sprechern. Ihr Verbreitungsgebiet ist [[Burkina Faso]], [[Elfenbeinküste]], [[Mali]] und [[Ghana]]. Die sprecherreichste Senufo-Sprache ist [[Cebaara]] mit 1 Mio. Sprechern, andere bedeutende Sprachen sind Supyire, Mamara, Shempire, Tagwana, Djimini und Syenara. Das Senufo ist ein Zweig des Nord-Volta-Kongo, früher wurde es zu den Gur-Sprachen gerechnet. Es gliedert sich in sechs Untereinheiten, von denen Supyire-Mamara, Tagwana-Djimini und Senari die bedeutendsten sind, die restlichen weisen nur kleinere Sprachen auf. ==== Adamawa-Ubangi ==== → ''Hauptartikel: [[Adamawa-Ubangi-Sprachen]]'' Adamawa-Ubangi besteht aus zwei getrennten Teilgruppen − Adamawa und Ubangi -, die innerhalb des Nord-Volta-Kongo eine genetische Untereinheit von 160 Sprachen mit knapp 8 Mio. Sprechern bilden, davon 2 Mio. Adamawa- und 6 Mio. Ubangi-Sprecher. Die Adamawa-Ubangi-Sprachen erstrecken sich von Nordwest-[[Nigeria]] über Nord-[[Kamerun]], den Süd-[[Tschad]], die [[Zentralafrikanische Republik]], Nord-[[Gabun]], beide Kongo-Staaten bis nach Südwest-[[Sudan]], also fast durch ganz Zentralafrika. [[Sango]] ist eine [[Kreolsprache]] auf Basis der Ubangi-Sprache [[Ngbandi (Sprache)|Ngbandi]], als Verkehrssprache der Zentralafrikanischen Republik wird sie von bis zu 5 Mio. Sprechern genutzt. Weitere größere Sprachen sind Zande, Ngbaka, Gbaya, Mumuye, Mundang und Tupuri. Greenberg (1949) gruppierte sie als Erster als eine Untereinheit des Niger-Kongo, zunächst unter dem Namen ''Adamawa-Eastern''. Die Aufteilung dieser Einheit in Adamawa und Ubangi lässt sich linguistisch durch einige Unterschiede rechtfertigen: phonologisch durch eine unterschiedliche Silbenstruktur (Adamawa-Sprachen tendieren eher zu geschlossenen Silben, die bei den Ubangi-Sprachen selten sind), lexikalisch durch spezielle für die eine oder andere Gruppe charakteristische Lexeme (Boyd 1989). Allerdings sieht Bennett (1983) eher ein Sprachenkontinuum quer durch beide Untergruppen, die eine klare Trennung in „Adamawa“ und „Ubangi“ problematisch erscheinen lässt. Die Adamawa-Sprachen sind bisher schlecht erforscht, die großen Ubangi-Sprachen etwas besser. Das [[Nominalklassen]]system ist reduziert, es werden Klassen[[suffix]]e verwendet, [[Konkordanz (Sprachwissenschaft)|Konkordanz]] ist teilweise vorhanden, in einigen Sprachen sind nur noch Spuren des Klassensystems erhalten. Verbalerweiterungen sind nicht sehr häufig, üblich sind sie für [[Iterativ]]e, [[Benefaktiv]]e und [[Kausativ]]e. Die normale Satzstellung ist SVO, es werden ausschließlich [[Präposition]]en benutzt. Das Nomen steht vor seinen Ergänzungen, also vor dem [[Genitiv]]attribut, [[Adjektiv]]attribut, [[Numerale]] und [[Demonstrativpronomen|Demonstrativum]], in den Ubangi-Sprachen kann das Adjektiv auch vor dem Nomen stehen. ==== Kwa ==== → ''Hauptartikel: [[Kwa-Sprachen]]'' Die Kwa-Sprachen bilden zusammen mit den Benue-Kongo-Sprachen das Süd-Volta-Kongo oder Kwa-Benue-Kongo. Die rund 75 Kwa-Sprachen werden von 21 Mio. Menschen in der [[Elfenbeinküste]], [[Ghana]], [[Togo]], [[Benin]] und Südwest-[[Nigeria]] gesprochen. Im Norden grenzen die Kwa-Sprachen an das Gur-Gebiet, im Osten an die Platoid-Sprachen, im Westen an Mande- und Kru-Sprachen. Die bedeutendsten Kwa-Sprachen sind [[Akan (Sprachen)|Akan]] (Fante-Twi) (eine der wichtigsten Sprachen Ghanas, 10 Mio. Sprecher), [[Ewe (Sprache)|Ewe]] (4 Mio., Südost-Ghana und Togo), [[Baule]] (2 Mio.), [[Fon (Sprache)|Fon]] (1,7 Mio., vor allem in Benin), [[Adangme|Ga-Dangme]] (1,4 Mio., Accra) und [[Anyin]] (1 Mio.). Der Name „Kwa“ wurde 1885 von [[Gottlob Krause]] eingeführt. Die Zusammenfassung der Kwa-Sprachen erfolgte zunächst nach [[Sprachtypologie|typologischen]] Kriterien (Anwesenheit von [[Labiovelar]]en, [[Tonsprache]]n, Fehlen fast aller [[Morphologie (Sprache)|morphologischen]] Elemente wie Klassen[[affix]]e und Derivationsmorpheme). Für [[Diedrich Westermann]] (1927) bildete das Kwa eine Untergruppe des [[Sudansprachen|Westsudanischen]], für [[Joseph Greenberg]] (1963) einen Primärzweig des Niger-Kongo. Er teilte die Kwa-Sprachen in acht Untereinheiten und integrierte die zentralen Togo-Sprachen („Togo-Restsprachen“) in die Kwa-Gruppe. So werden die Kwa-Sprachen von De Wolf 1981 dargestellt. Bennett und Sterk (1977) reduzierten Greenbergs Kwa, indem sie * die wenig einheitlichen östlichen Kwa-Untergruppen als „West-Benue-Kongo“ zum Benue-Kongo hinzufügten, * das Ijoid als unabhängigen Primärzweig des Niger-Kongo etablierten und * das Kru als eine selbständige Einheit des Nord-Volta-Kongo auffassten. Das verbleibende „neue“ Kwa deckt sich mit Greenbergs „West-Kwa“. Dieser Ansatz wird heute mit kleinen Modifikationen allgemein akzeptiert. Die Kwa-Sprachen haben unterschiedlich stark ausgeprägte [[Nominalklassen]]systeme; während das des Ega voll etabliert ist, haben andere Kwa-Sprachen reduzierte oder rudimentäre Systeme. Üblicherweise werden in der Morphologie [[Präfix]]e verwendet, es gibt einige Plural[[suffix]]e. Der Anlautkonsonant kann alternieren, was aber keine [[semantisch]]en, sondern nur [[phonetisch]]e Gründe hat. [[Kausativ]]e, [[Reflexiv]]e („sich selbst lieben“) und [[Reziprok]]e („sich gegenseitig lieben“) werden durch [[Derivation (Linguistik)|Verbalableitungen]] mittels Suffixen gebildet. Die 3. Person der [[Personalpronomen|Personalpronomina]] unterscheidet die Kategorien ''belebt'' und ''unbelebt''. Die Satzstellung ist SVO, üblicherweise werden [[Postposition]]en und keine [[Präposition]]en verwendet. Die [[Nominalphrase]] hat keine einheitliche Struktur, häufig sind ''[[Genitiv]] + [[Nomen]]'', ''[[Possessivpronomen|Possessivum]] + Nomen'', aber ''Nomen + [[Adjektiv]]'', ''Nomen + [[Numerale]]'' und ''Nomen + [[Demonstrativpronomen|Demonstrativum]]''. Etliche Kwa-Sprachen weisen eine ''serielle Verbalkonstruktion'' auf. Wenn eine ganze Reihe von Verben in derselben [[Tempus]]-[[Modus (Grammatik)|Modus]]-[[Aspekt (Linguistik)|Aspekt]]-Funktion hintereinander auftreten, die dasselbe Subjekt und Objekt haben, werden pronominales Subjekt und Objekt nur beim ersten Verbum markiert. Fast alle Kwa-Sprachen sind [[Tonsprache]]n, meist gibt es zwei, manchmal drei Tonhöhen, in einigen Kwa-Sprachen sogar vier Basistöne. In einigen Kwa-Sprachen gibt es [[Vokalharmonie]]; so bestimmt die Vokalharmonie im Akan (''gespannte'' und ''ungespannte'' Vokalserien /i,e,a,o,u/ und /ɨ,ɛ,ɑ,o,ʋ/) die Vokalstruktur der Possessiv- und Subjektspronomina in Abhängigkeit von der Vokalfärbung des Stamms. ==== Benue-Kongo ==== → ''Hauptartikel: [[Benue-Kongo-Sprachen]]'' Die ''Benue-Kongo-Sprachen'' bilden zusammen mit den [[Kwa-Sprachen]] den Südzweig der [[Volta-Kongo-Sprachen]], eines Primärzweigs des Niger-Kongo. Die rund 900 Benue-Kongo-Sprachen werden von über 270 Millionen Menschen in West-, Zentral- und Süd-Afrika gesprochen. Das Benue-Kongo besteht aus zwei ungleich großen [[Genetische Einheit|genetische Untereinheiten]], nämlich [[West-Benue-Kongo]] (70 Sprachen mit knapp 50 Mio. Sprechern in [[Togo]], [[Benin]] und [[Nigeria]]) und das ungleich größere [[Ost-Benue-Kongo]] (830 Sprachen mit 225 Mio. Sprechern in Südost-Nigeria und ganz Zentral- und Südafrika). Das Ost-Benue-Kongo schließt insbesondere die große Familie der [[Bantusprachen]] mit ein. Der Name ''Benue-Kongo'' wurde von [[Joseph Greenberg]] 1963 geprägt, der diese Gruppe in vier Einheiten teilte: ''Plateau-Sprachen'', ''Jukunoid'', ''Cross River'' und ''Bantoid''. Nach Shimizu (1975) und Gerhardt (1989) wurden die ''Plateau-Sprachen'', ''Tarokoid'' und ''Jukunoid'' als ''Zentral-Nigerianisch'' oder ''Platoid'' zusammengefasst. Bennett und Sterk (1977) erweiterten das Benue-Kongo durch die östlichen Gruppen von Greenbergs [[Kwa-Sprachen|Kwa]], nämlich ''Yoruboid'', ''Edoid'', ''Igboid'', ''Nupoid'' und ''Idomoid''. Diese Gruppen wurden dann von Blench 1989 zum ''West-Benue-Kongo'' zusammengefasst, während das ursprüngliche Greenbergsche Benue-Kongo zum ''Ost-Benue-Kongo'' wurde. Ohiri-Aniche vermuteten 1999, dass die Sprache ''Ukaan'' (vielleicht zusammen mit dem ''Akpes'') ein Bindeglied zwischen West- und Ost-Benue-Kongo bildet, Connell (1998) schlug dagegen das Cross River als ein solches Bindeglied vor. ''Untereinheiten des Benue-Kongo (Williamson-Blench 2000)'' * '''[[Benue-Kongo]]''' ** [[West-Benue-Kongo]] *** [[Yoruboid]] *** [[Edoid]] *** [[Igboid]] *** [[Nupoid]] *** [[Idomoid]] ** [[Ost-Benue-Kongo]] *** [[Platoid]] *** [[Bantoid-Cross]] **** [[Cross-River-Sprachen|Cross River]] **** [[Bantoid]] Die sprachlichen Eigenschaften der Benue-Kongo-Sprachen werden in den Abschnitten über die Untereinheiten [[West-Benue-Kongo]], [[Platoid]], [[Cross-River-Sprachen|Cross River]] und [[Bantoid]] behandelt. ==== West-Benue-Kongo ==== → ''Hauptartikel: [[West-Benue-Kongo-Sprachen]]'' [[Datei:Nigeria_Benin_Kamerun_Sprachen.png|thumb|350px|West-Benue-Kongo, Platoid, Cross-River-Sprachen, Nord-Bantoid, Süd-Bantoid außer Bantu und die Nordwestecke des Bantu-Gebietes]] Das West-Benue-Kongo ist die kleinere, westliche Untergruppe des Benue-Kongo, es deckt sich ungefähr mit den Ost-Kwa-Sprachen von Greenberg 1963. Es besteht aus etwa 70 Sprachen, die in [[Togo]], [[Benin]] und Süd-[[Nigeria]] von rund 48 Mio. Menschen gesprochen werden. Die fünf bedeutendsten Sprachen dieser Gruppe sind [[Yoruba (Sprache)|Yoruba]] (20 − 22 Mio. Sprecher, [[Verkehrssprache]] in Südwest-Nigeria), [[Igbo (Sprache)|Igbo]] oder Ibo (18 Mio.), [[Edo (Sprache)|Edo]] oder Bini (1 Mio.), [[Nupe (Sprache)|Nupe]] (1 Mio.) und [[Idoma]] (600 Tsd.), die alle in Süd-Nigeria gesprochen werden. Die fünf genannten Sprachen bilden zusammen mit kleineren, eng verwandten Nachbarsprachen die Untergruppen [[Yoruboid]], [[Igboid]], [[Edoid]], [[Nupoid]] und [[Idomoid]] des West-Benue-Kongo. Außerdem werden noch vier Kleingruppen − [[Akokoid]], [[Ayere-Ahan]], [[Oko]] und [[Ukaan-Akpes]] − dazugerechnet. Das [[Nominalklassen]]system der West-Benue-Kongo-Sprachen weist verschiedene Ausbaustufen auf: ein volles System z.&nbsp;B. im Gade, ein reduziertes im Edoid, ein rudimentäres im Yoruba; es werden Nominalklassen[[präfix]]e verwendet. Die [[Derivation (Linguistik)|Verbalerweiterungen]] sind in der Regel Innovationen (Neubildungen, die nicht aus dem Proto-Niger-Kongo stammen). [[Adjektiv]]e können von [[Zustandsverb]]en durch eine [[Reduplikation (Sprache)|Reduplikation]] der ersten Silbe (in hohem Ton) gebildet werden. Es gibt unabhängige [[Personalpronomen]] und abhängige Subjekt-, Objekt- und Possessivpronomen. Dis Satzstellung ist SVO, es werden [[Präposition]]en, keine [[Postposition]]en verwendet. Die [[Nominalphrase]]n sind einheitlich gebaut, das bestimmte Nomen ''N'' steht vorn, es gibt also die Konstruktionen ''N + [[Genitiv]]'', ''N + [[Possessivpronomen|Possessivum]]'', ''N + [[Adjektiv]]'', ''N + Adjektiv + Genitiv'', ''N + [[Numerale]]'' und ''N + [[Demonstrativpronomen|Demonstrativum]]''. Fast alle westlichen Benue-Kongo-Sprachen sind [[Tonsprache]]n mit zwei bis vier Tonhöhen und Glides (gleitenden Übergängen) zwischen Hoch- und Tiefton. Die Töne sind phonemisch, d. h. sie markieren Bedeutungsunterschiede, wie folgende Beispiele aus dem Yoruba (drei Tonstufen: é Hochton, e Mittelton, è Tiefton) zeigen: * ''dé'' „ankommen“, ''dè'' „erwarten“ * ''rò'' „denken“, ''ro'' „den Acker bestellen“ ==== Ost-Benue-Kongo ==== → ''Hauptartikel: [[Ost-Benue-Kongo-Sprachen]]'' Das Ost-Benue-Kongo (in Greenbergs Terminologie ''Benue-Kongo'') besteht aus zwei ungleichen genetischen Unterheiten, den [[Platoid-Sprachen]] und den [[Bantoid-Cross-Sprachen]]. Das Platoid – oder auch ''Zentral-Nigerianische'' – umfasst 120 Sprachen, die von 3,5 Mio. Sprechern in Zentral-[[Nigeria]] gesprochen werden, das Bantoid-Cross etwa 700 Sprachen mit über 220 Mio. Sprechern in Nigeria, [[Kamerun]] und Zentral- und Südafrika. Nach der Zahl seiner Sprecher stellt das Ost-Benue-Kongo die bedeutendste Untereinheit des Volta-Kongo dar, zumal es die große Familie der [[Bantusprachen]] umfasst. ==== Platoid (Zentral-Nigerianisch) ==== → ''Hauptartikel: [[Platoid-Sprachen]]'' Die etwa 120 Sprachen des Platoid oder Zentral-Nigerianischen werden in Nord-, Nordost- und Zentral-[[Nigeria]] von 3,5 Mio. Menschen gesprochen, Zentrum ist das [[Josplateau|Plateau von Jos]]. Die Kainji- und Plateau-Sprachen sind bisher wenig dokumentiert, die beste Darstellung bietet Ludwig Gerhardt in Bendor-Samuel 1989. Die Untergruppen des Zentral-Nigerianischen sind ''Kainji'' (54 Sprachen, 1 Mio. Sprecher), die ''Jos-Plateau-Sprachen'', ''Tarokoid'' und ''Jukonoid''. Es gibt in dieser Gruppe des Niger-Kongo nur wenige größere Sprachen, erwähnenswert sind Berom, Tarok und Kaje mit jeweils etwa 300.000 Sprechern. Im Durchschnitt hat jede zentral-nigerianische Sprache nur etwa 30.000 Sprecher, entsprechend klein sind ihre Verbreitungsgebiete. [[Jukun]] war die Sprache des einst mächtigen [[Jukun]]reiches (Ende des 1. Jahrtausends n. Chr.), seine Nachfolgesprachen − die Jukunoidsprachen − haben zusammen nur noch 350.000 Sprecher. Die folgende Klassifikation basiert auf Williamson-Blench 2000 und dem unten angegebenen Weblink, es sind nur die größeren Sprachen aufgeführt. ''Gliederung der Platoid-Sprachen'' * '''[[Platoid]]''' (Zentral-Nigerianisch) ** [[Kainji-Sprachen|Kainji]] ** [[Plateau-Sprachen|Nordwest-Plateau]] ** [[Plateau-Sprachen|Zentral-Plateau]] ** [[Plateau-Sprachen|Südost-Plateau]] ** [[Plateau-Sprachen|Süd-Plateau]] ** [[Tarokoid]] ** [[Jukunoid]] Die meisten Kainji- und Plateau-Sprachen und einige Jukunoid-Sprachen besitzen [[Nominalklassen]]systeme, die übrigen Jukunoid- und die Tarokoid-Sprachen haben nur noch reduzierte Klassensysteme. Meistens werden zur Kennzeichnung der Klassen [[Präfix]]e verwendet, gelegentlich aber auch [[Suffix]]e. [[Derivation (Linguistik)|Verbalableitungen]] sind weitverbreitet. Die normale Satzstellung ist SVO, in der Regel werden [[Präposition]]en, keine [[Postposition]]en verwendet. Das [[Nomen]] geht seinen Ergänzungen voran, die [[Nominalphrase]]n haben also die Grundform ''Nomen + [[Genitiv]]'', ''Nomen + [[Adjektiv]]'', ''Nomen + [[Possessivpronomen|Possessivum]]'' und ''Nomen + [[Numerale]]''. ==== Cross River ==== → ''Hauptartikel: [[Cross-River-Sprachen]]'' Das Ost-Benue-Kongo gliedert sich in die Hauptgruppen ''Platoid'' und ''Bantoid-Cross'', letzteres wiederum in die ''Cross-River-Sprachen'' und das ''Bantoid''. Die etwa 70 Cross-River-Sprachen werden von knapp 6 Mio. Menschen in Südost-[[Nigeria]] im [[Cross River (Bundesstaat)|Bundesstaat Cross-River]] und in Nordwest-[[Kamerun]] gesprochen. Cross-River gliedert sich in ''Bendi'' (zehn Sprachen, 400 Tsd. Sprecher) und ''Delta Cross'' (etwa 60 Sprachen mit 5,2 Mio. Sprechern). Die mit Abstand bedeutendsten Cross-River-Sprachen sind die nah verwandten Sprachen [[Efik (Sprache)|Efik]] (400 Tsd. Muttersprachler, als [[Verkehrssprache]] sprechen es 2,4 Mio.), [[Ibibio (Sprache)|Ibibio]] (2 Mio.) und [[Anaang]] (1 Mio.), die alle drei zur Delta-Cross-Gruppe gehören. Einige Cross-River-Sprachen haben noch ein voll ausgeprägtes [[Nominalklassen]]system, andere nur noch reduzierte Systeme mit beschränkter [[Konkordanz (Sprachwissenschaft)|Konkordanz]] bis hin zum völligen Wegfall des Klassensystems. Es gibt zahlreiche [[Derivation (Linguistik)|Verbalableitungen]] und die üblichen [[Pronomen|Pronomina]]: unabhängiges [[Personalpronomen]], abhängiges Subjekt-, Objekt- und Possessivpronomen. Die Satzstellung ist SVO, es werden nur [[Präposition]]en verwendet. Die [[Nominalphrase]] hat die Grundfolge ''Bestimmtes [[Nomen]] + Bestimmer'', allerdings steht das [[Adjektiv]] häufig ''vor'' seinem Nomen. Die [[Konjugation (Grammatik)|Verbalflexion]] erfolgt in der Regel durch ein System von [[Präfix]]en, seltener durch [[Suffix]]e. [[Reduplikation (Sprache)|Reduplikation]] der [[Wurzel (Linguistik)|Verbalwurzel]] ermöglicht eine Fokussierung (Betonung) des Verbums, Umstellung der normalen Satzfolge (SVO -> OSV) fokussiert das Objekt. ==== Bantoid ==== → ''Hauptartikel: [[Bantoid-Sprachen]]'' Die Bezeichnung „Bantoid“ wurde 1895 von [[Gottlob Krause]] für die Sprachen geprägt, die lexikalische Ähnlichkeiten mit den [[Bantusprachen]] aufweisen, [[Malcolm Guthrie]] (1948) bezeichnete mit Bantoid die [[Sudansprachen|westsudanischen]] Sprachen mit einem Bantu-ähnlichen [[Nominalklassen]]system, die aber keine regulären [[Lautentsprechung]]en mit den Bantusprachen aufweisen. Nach heutigem Verständnis bilden die [[Bantoid-Sprachen]] zusammen mit den [[Cross-River-Sprachen]] die [[Bantoid-Cross-Sprachen|Bantoid-Cross-Einheit]] des [[Ost-Benue-Kongo]]. Die Bantoid-Gruppe umfasst sowohl die eigentlichen [[Bantusprachen]], als auch solche Sprachen, die zwar den Bantusprachen innerhalb des Niger-Kongo [[Genetische Verwandtschaft (Linguistik)|genetisch]] besonders nahe stehen, aber nicht sämtliche Merkmale der Bantusprachen besitzen. Die Grenze zwischen den eigentlichen Bantusprachen (''narrow bantu'') und den Bantusprachen in einem weiteren Sinne (Bantoid, aber nicht Bantu) ist schwer zu ziehen und hängt von der Definition ab, was „eigentliches Bantu“ genau ausmacht (da sind sich die Forscher keineswegs völlig einig). Sämtliche Bantoidsprachen, die nicht zum eigentlichen Bantu gehören, werden in Ost-Südost-[[Nigeria]] und in [[Kamerun]] gesprochen, ihre Verbreitung ist also − im Gegensatz zu der der Bantusprachen − sehr eingeschränkt. Genau dieses Gebiet (Südost-Nigeria und Nordwest-Kamerun) scheint auch die [[Urheimat]] der eigentlichen Bantusprachen zu sein, von dem aus sie sich in den Osten und Süden des Kontinents ausgebreitet haben (siehe Artikel [[Bantusprachen]]). Insgesamt umfasst das Bantoid rund 650 Sprachen mit zusammen 217 Mio. Sprechern, davon sind etwa 490 Sprachen eigentliche Bantusprachen, die mit ihren 210 Mio. Sprechern die große Mehrheit ausmachen. Die Gruppe der 160 Bantoidsprachen, die nicht zum Bantu gehören, ist also insbesondere nach ihrer Sprecherzahl (6,5 Mio.) relativ klein und sehr diversifiziert: ihre durchschnittliche Sprecherzahl beträgt nur rund 40.000. Die bedeutendsten Bantusprachen sind bereits im einleitenden Abschnitt „Große Niger-Kongo-Sprachen“ aufgeführt, dazu gehören [[Swahili (Sprache)|Swahili]], [[Shona (Sprache)|Shona]], [[IsiZulu]], [[Chichewa]], [[Lingala]], [[Kinyarwanda]], [[isiXhosa]], [[Luba-Kasai]] und [[Kikuyu (Sprache)|Gikuyu]] (alle über 5 Mio. Sprecher). Von den Nicht-Bantusprachen der Bantoid-Gruppe überschreitet nur das in Nigeria im [[Benue (Bundesstaat)|Benue State]] gesprochene [[Tiv (Sprache)|Tiv]] mit 2,2 Mio. Sprechern die Millionengrenze. Die Feststellung des Bantoid als [[genetische Einheit]] und die Grundzüge seiner heutigen internen Klassifikation gehen auf [[Joseph Greenberg|Greenberg]] (1950, 1963) zurück. Allerdings ist die interne Gliederung des Bantoid seitdem mehrfach überarbeitet worden. Wichtig war die Erkenntnis einer Nord-Süd-Grenze innerhalb der Gruppe. Zum nördlichen Teil − ob er eine genetische Einheit bildet, ist umstritten − gehören einzelne kleinere Gruppen wie ''Dakoid'', ''Mambiloid'' und ''Tikaroid''. Das ''Süd-Bantoid'' bildet eine eigene genetische Gruppe, die neben dem ''Jarawoid''' und ''Tivoid'' die sprachenreiche ''Graslandgruppe'' (rund 70 Sprachen mit 2,5 Mio. Sprechern, gesprochen in West-[[Kamerun]])) und als gleichrangigen Zweig das eigentliche ''Bantu'' (490 Sprachen, 210 Mio. Sprecher) enthält. Damit ergibt sich − abgesehen von einigen Einzelsprachen − folgende Gliederung des Bantoid: ''Gliederung des Bantoid'' * '''[[Bantoid]]''' ** Nord-Bantoid *** [[Dakoid]] *** [[Mambiloid]] *** [[Tikaroid]] ** Süd-Bantoid *** [[Jarawoid]] *** [[Tivoid]] *** [[Ekoid]] *** [[Beboid]] *** [[Nyang-Sprachen|Nyang]] *** [[Mbam]] *** [[Graslandsprachen|Grasland]] *** [[Bantusprachen|Bantu]] Die sprachlichen Eigenschaften der Bantoid-Sprachen sind denen der [[Bantusprachen]] sehr ähnlich (vgl. den entsprechenden Abschnitt des Artikels [[Bantusprachen]]). Das [[Nominalklassen]]system ist im Bantu voll ausgeprägt − es ist sein wesentliches Charakteristikum -, bei den Nicht-Bantusprachen des Bantoids in einer unterschiedlich reduzierten Form. [[Derivation (Linguistik)|Verbalableitungen]] sind in allen Bantoidsprachen belegt. [[Pronomen|Pronomina]] werden im üblichen Umfang gebildet, in der 3. Person herrscht [[Konkordanz (Sprachwissenschaft)|Konkordanz]] mit den Nominalklassen. Die Satzstellung ist SVO, es werden durchgehend [[Präposition]]en verwendet. In der [[Nominalphrase]] steht das bestimmte [[Nomen]] vorn, es folgen die Ergänzungen und [[Attribut (Grammatik)|Attribute]] ([[Genitiv]]attribut, [[Adjektiv]]attribut, [[Possessivpronomen|Possessivum]], [[Numerale]], [[Demonstrativpronomen|Demonstrativum]]); in den Bantusprachen herrscht innerhalb der [[Nominalphrase]] und zwischen [[Subjekt (Grammatik)|Subjekt]] und [[Verb|Prädikat]] volle [[Konkordanz (Sprachwissenschaft)|Klassenkonkordanz]], in den anderen Bantoidsprachen ist die Konkordanz eingeschränkt bzw. teilweise nicht (mehr) vorhanden. === Räumliche Verteilung und Sprecherzahlen (Grafik) === {| Border="1" |----- | [[Datei:Niger-Kongo-Karte.png|400px]] | [[Datei:Nigeria_Benin_Kamerun_Sprachen.png|400px]] |----- | colspan="2" align="center" | Räumliche Verteilung der Niger-Kongo-Sprachen |} [[Datei:Nigerkongosprecher.png|thumb|630px|center|Schema der Systematik mit Sprecherzahlen]] == Geschichte der Klassifikation des Niger-Kongo == === Anfänge der Forschung === Seit dem 10. Jahrhundert wurden [[afrikanische Sprachen]] in arabischen Dokumenten beschrieben; die Verwandtschaft des [[Hebräische Sprache|Hebräischen]], [[Arabische Sprache|Arabischen]] und [[Aramäische Sprache|Aramäischen]] war jüdischen und islamischen Sprachkundigen seit langem bekannt. Es dauerte bis zum 16. Jahrhundert, dass europäische Gelehrte sich näher mit afrikanischen Sprachen befassten. So stellte G. Postel 1538 als erster Europäer die Verwandtschaft der damals bekannten semitischen Sprachen fest. (Der Begriff „Semitische Sprachen“ wurde erst 1781 von [[August Ludwig von Schlözer]] eingeführt.) Ab dem 17. Jahrhundert verstärkte sich das Interesse europäischer Forscher an afrikanischen Sprachen. So entstanden erste Wörterbücher des [[Koptische Sprache|Koptischen]] (1636), [[Nubische Sprache|Nubischen]] (1638), [[Kikongo|Kongo]] (1652) und Grammatiken des [[Nama (Sprache)|Nama]] (1643), Kongo (1659), [[Ge'ez-Sprache|Ge'ez]] (1661) und [[Amharische Sprache|Amharischen]] (1698). 1776 erkannte L.B. Proyart die enge [[Genetische Verwandtschaft (Linguistik)|genetische Verwandtschaft]] einiger [[Bantusprachen]], W. Marsden beschrieb 1778 die Umrisse der Bantufamilie (publiziert erst 1816). [[Wilhelm Heinrich Immanuel Bleek|Wilhelm Bleek]] beschrieb erstmals 1856 die [[Nominalklassen]] der Bantusprachen und prägte den Begriff ''Bantu''. 1808 teilte H. Lichtenstein die südafrikanischen Sprachen in Bantu- und Nama-Sprachen ein. A. Balbi verband 1826 die Sprachen der [[San (Volk)|Buschmänner]] mit dem Nama (im Rahmen des Versuchs einer ersten Gesamtübersicht und Einteilung der afrikanischen Sprachen im ''Atlas ethnographique du globe ou classification des peuples anciens et modernes d'après leurs langues''). 1850 prägte J.L. Krapf den Begriff „[[Hamitische Sprachen]]“ für die nicht-semitischen schwarzafrikanischen Sprachen, wobei die Nama-Buschmann-Sprachen ausgeklammert bleiben; er unterschied „Nilo-Hamitisch“ (dazu zählt er z.&nbsp;B. die Bantusprachen) und „Nigro-Hamitisch“ (die westafrikanischen Sprachen). === Sigismund Koelle === [[Sigismund Wilhelm Koelle]] stellte 1854 in seiner ''Polyglotta Africana'' Wortlisten von 156 [[Subsahara|subsaharanischen]] Sprachen zusammen, wobei er ein einheitliches, von [[Karl Richard Lepsius]] stammendes [[Phonetik|phonetisches]] System verwendete. Durch Vergleich dieser Listen gelang ihm die Aufstellung von elf afrikanischen Sprachgruppen. Fünf seiner Gruppen beschreiben Zweige des heutigen Niger-Kongo. ''Westafrikanische Sprachen nach Koelle 1854'' * Westatlantische Sprachen, inklusive Fulani (Name „Westatlantisch“ von Koelle geprägt) * Mande-Sprachen (der Name stammt von [[Heymann Steinthal]] 1867, basierend auf Eigenbezeichnungen) * Kwa-Sprachen, inklusive Kru, Ewe, Yoruba, Igbo, Edo, Nupe (Name „Kwa“ von [[Gottlob Krause]] 1885) * Gur-Sprachen (Name „Gur“ ebenfalls von G. Krause 1885; [[Maurice Delafosse]] führt dafür 1911 „Voltaisch“ ein) * Benue-Kongo-Sprachen inklusive des Bantu (Name „Benue-Kongo“ von [[Joseph Greenberg]] 1963) Damit gelang S. Koelle bereits Mitte des 19. Jahrhunderts eine im Wesentlichen korrekte interne Einteilung der später von Greenberg „Niger-Kongo“ genannten Sprachen. Das fehlende Ubangi entdeckte Delafosse 1924, dem Greenberg 1959 die Adamawa-Sprachen hinzufügte. Es bleibt unklar, ob Koelle diese fünf Gruppen als eine umfassendere genetische Einheit aufgefasst hat. Beachtlich ist, dass er die Verwandtschaft der [[Bantusprachen]] mit bestimmten nigerianischen Sprachen erkannte und das Ful richtig zu den „westatlantischen“ Sprachen rechnete. Koelles Klassifikation war ein einsamer Höhepunkt in der Mitte des 19. Jahrhunderts. In den nächsten 100 Jahren erlebte die Afrikanistik trotz vieler Erfolge im Detail einen Niedergang der Klassifikation, der unter anderem mit den Namen [[Friedrich August Müller]], [[Richard Lepsius]], [[August Schleicher]] und [[Carl Meinhof]] verbunden ist. === Friedrich Müller und Richard Lepsius === Der Österreicher [[Friedrich August Müller]] fügte 1877 den [[Hamitische Sprachen|hamitischen Sprachen]] die [[Berbersprachen]] und die [[Kuschitische Sprachen|kuschitischen Sprachen]] hinzu. Trotz erkannter linguistischer Ähnlichkeiten zählte er das [[Hausa (Sprache)|Hausa]] nicht zum Hamitischen, da seine Sprecher zu einer anderen Rasse gehörten. Die nilohamitischen und semitischen Sprachen fasste Müller zum „hamito-semitischen“ Sprachstamm zusammen. Insgesamt ergab sich ein deutlicher Rückfall hinter die von Koelle erreichte Position, da Müller auch keinen genetischen Zusammenhang zwischen den ''Negersprachen'' und dem ''Bantu'' erkannte. Seine disparate ''Nuba-Fula-Gruppe'' stellte sich als völliger Fehlgriff heraus. ''Afrikanischen Sprachen nach Friedrich Müller 1877'' * '''Hamito-Semitisch''' ** Semitisch ** Hamitisch *** Ägyptisch *** Kuschitisch *** Berberisch * '''Nuba-Fula''' * '''Negersprachen''' * '''Bantu''' * '''Nama-Buschmann''' Der deutsche Ägyptologe [[Karl Richard Lepsius]] fasste 1880 in der Einleitung zu seiner ''Nubischen Grammatik'' alle nichtsemitischen [[Flektierender Sprachbau|flektierenden]] Sprachen Afrikas, die ein [[Genus]]-System besitzen, zu den „Hamitischen Sprachen“ zusammen und definierte dadurch diesen Terminus neu. Da Lepsius' Definition rein [[Sprachtypologie|typologisch]] ist, verliert sie jeden Anspruch auf [[Genetische Verwandtschaft (Linguistik)|genetische]] Bedeutung. Seiner Überzeugung nach gehörten zum Hamitischen auch das Hausa (und die anderen tschadischen Sprachen) sowie die Berbersprachen. 1888 rechnet Lepsius auch die [[Nama (Sprache)|Nama-Buschmann-Sprachen]] zum Hamitischen; eine falsche Klassifikation, die lange Bestand hatte (und weit hinter [[Sigismund Wilhelm Koelle|Koelles]] Ansatz von 1850 zurückfiel). Unrichtig war auch die Einordnung des ([[Nilosaharanische Sprachen|nilosaharanischen]]) Maassai als hamitische Sprache. ''Afrikanische Sprachen nach Lepsius 1880 und 1888'' * '''Hamito-Semitisch''' ** Semitisch ** Hamitisch *** Ägyptisch *** Kuschitisch *** Berberisch *** Tschadisch (Hausa) *** Maassai *** Nama-Buschmann * '''Negersprachen''' ** Bantu (die „eigentlichen Negersprachen“) ** Gemischte „Negersprachen“ Primäre Merkmale dieser Sprachgruppen sind nach Lepsius das [[Nominalklasse|Klassensystem]] der Bantu und das [[Genus]]system der [[Hamitentheorie|Hamiten]], die nach seiner Vorstellung von Westasien nach Afrika eingewandert seien. Durch ihr Vordringen drängten sie Teile der Vorbevölkerung nach Südafrika ab (eben die Bantu, die ihre „reine“ Sprachform behielten); andere Gruppen vermischten sich mit den Hamiten und bildeten [[Mischsprache]]n aus, die weder ein ausgeprägtes Klassen- noch Genussystem aufwiesen. Ihre [[Grammatik]] bezeichnete er als „formlos“, „zurückgegangen“ oder „entblättert“. === August Schleicher === Der Indogermanist [[August Schleicher]] hatte eine ganz andere Vorstellung, die er 1891 veröffentlichte. Seiner Meinung nach war Afrika zunächst unbewohnt und wurde von Südwestasien aus in vier großen Wellen bevölkert: # die „[[San (Volk)|Buschmänner]]“ und „[[Hottentotten]]“ (heute [[Khoisan]] genannt) # die „Negervölker“ des [[Großlandschaft Sudan|Sudan]], die „Nigriten“, # die [[Bantu]] und # die [[Hamitentheorie|Hamiten]]. Dabei ging er davon aus, dass die sudanischen Nigriten bereits ein rudimentäres, unvollkommenes [[Nominalklassen]]system gehabt hätten, das dann die Bantuvölker vervollkommnet und ausgeprägt haben. Für ihn war also das Nigritische oder [[Sudansprachen|Sudanische]] ein evolutionärer Vorläufer des Bantu, und nicht ein Ergebnis des Zerfalls wie bei Lepsius. === Carl Meinhof === Der Afrikanist [[Carl Meinhof]] äußerte sich zwischen 1905 und 1935 mehrfach über die Entstehung [[Afrikanische Sprachen|afrikanischer Sprachen]]; er steht in deutlichen Gegensatz zu den Hypothesen von [[Karl Richard Lepsius]] und [[August Schleicher]]. Die Besiedlung Afrikas erfolgte nach Meinhof in drei sprachlichen Schichten: # die nigritischen [[Sudansprachen]] oder „Negersprachen“, # die [[Hamitische Sprachen|hamitischen Sprachen]] und # die [[Bantusprachen]]. Meinhof ging davon aus, dass die Bantusprachen mit ihren charakteristischen [[Nominalklasse]]nsystemen aus einer Vermischung der hamitischen Sprachen, welche ein grammatisches Geschlecht besitzen, und der ''Negersprachen'' entstanden seien (die kein grammatisches Geschlecht kennen). Das Bantu habe also eine nigritische „Mutter“ ([[Substrat (Linguistik)|Substrat]]) und einen hamitischen „Vater“ ([[Superstrat]]). Die ''Negersprachen'' oder ''nigritischen Sprachen'' südlich der Sahara fasste Meinhof unter dem Begriff ''[[Sudansprachen]]'' zusammen, deren genetische Verwandtschaft er weder eindeutig postulierte noch nachzuweisen versuchte. Die „Hottentottensprachen“ ([[Khoekhoegowab]]) seien hamitischen Ursprungs − darin folgt er Lepsius -, aber mit „Buschmannsprachen“ vermischt. Meinhof nahm auch [[Lautgesetz]]e, [[Wort]]strukturen und [[Phonem|Lautinventare]] für die Einordnung von Sprachen in seine „hamitische Gruppe“ zur Hilfe. Wo diese [[Sprachtypologie|typologischen]] Kriterien nicht ausreichten (die schon keinerlei [[Genetische Verwandtschaft (Linguistik)|genetische]] Relevanz hatten), ergänzte er sie durch rassisch-kulturelle Einordnungsmuster (Hautfarbe, Haartyp, Wirtschaftsform, Kulturtyp). Dieser − nach heutiger Vorstellung völlig falsche − Ansatz führte zu der Einordnung von Sprachen aus vier verschiedenen Sprachgruppen − Nama (Khoisan), Ful (Niger-Kongo), Somali (Kuschitisch) und Maassai (Nilosaharanisch) − in seine „hamitische“ Gruppe. Diese Klassifizierung hielt sich vor allem in der deutschen Afrikanistik als herrschende Meinung bis etwa 1950, bei manchen Vertretern bis in die 1980er Jahre. ''Einteilung der afrikanischen Sprachen nach Meinhof 1912'' * '''Hamito-Semitisch''' ** Semitisch ** Hamitisch *** Ägyptisch *** Kuschitisch *** Berberisch *** Tschadisch (Hausa) *** Maassai *** Fula *** Nama-Buschmann * '''Bantu''' * '''Sudanisch''' === Finck, Schmidt und Kieckers === Die deutschen Sprachwissenschaftler [[Franz Nikolaus Finck]], Pater [[Wilhelm Schmidt (Ethnologe)|Wilhelm Schmidt]] und [[Ernst Kieckers]] schrieben in den Jahren 1909 bis 1931 zusammenfassende Darstellungen über die Sprachstämme der Erde (Finck 1909, Schmidt 1926 und Kieckers 1931), die sich großer Beliebtheit erfreuten und die Kenntnisse sprachinteressierter Kulturbürger weitgehend beeinflusst haben. Deswegen sei hier kurz auf ihre Darstellung der afrikanischen Sprachen eingegangen. Finck (1909, zweite Auflage postum 1915) gliedert die afrikanischen Sprachen in (1) hamito-semitische Sprachen (ohne Meinhofs Ausdehnung auf Nama und Massai, aber auch ohne Hausa), (2) paläoafrikanische Sprachen (das heutige Khoisan) und (3) die neoafrikanische Sprachen. ''Afrikanische Sprachen nach Finck 1909/1915'' * '''Paläoafrikanisch''' ** Buschmann-Sprachen ** Hottentotten-Sprachen * '''Neoafrikanische Sprachen''' ** Bantu ** Westsudanisch (Atlantisch, Mande, Kru, „Nigritisch“, „Äquatorial“) ** Zentralsudanisch (Songhai, Hausa, Kanuri) ** Nilotisch (Kunama, Nubisch, Dinka u.a.) Dadurch vermeidet Finck die größten Fehler Meinhofs. Dessen [[Hamitentheorie]] wird uminterpretiert in eine „hamitische Beeinflussung“, sie spielt als genetisches Modell bei Finck keine Rolle. Schmidt (1926) und zusammen mit ihm Kieckers (1931) übernehmen die damals aktuellen Theorien von [[Albert Drexel]], entsprechend verworren sind ihre Gliederungen, die deutlich hinter Finck zurückfallen. ''Afrikanische Sprachgruppen nach Drexel 1921-25, Schmidt 1926 und Kieckers 1931'' * Buschman- und Hottentottensprachen * Bantu * Wule (buntes Gemisch aus Nilosaharanisch und Niger-Kongo) * Ngonke (Mande und Songhai) * Manfu (Kru, Gur, Yoruba u.a.) * Kanuri (Kanuri, Maba u.a.) * Nilotisch (Nuba, Dinka, Massai u.a.) * Bantuid (bunte Mischung westafrikanischer Sprachen; Bezug zum Bantu erkannt) === Diedrich Westermann === Bereits 1911 nahm [[Diedrich Westermann]] (ein Schüler [[Carl Meinhof]]s) eine interne Unterscheidung der [[Sudansprachen]] in west- und ostsudanesische Sprachen vor. 1927 veröffentlichte Westermann sein wohl wichtigstes Werk: ''Die westlichen Sudansprachen und ihre Beziehungen zum Bantu''. Darin weist er die [[genetische Einheit]] der westsudanischen Sprachen nach (etwa das heutige Niger-Kongo ohne Bantu, Ful, Adamawa-Ubangi und Kordofanisch) und stellt viele Parallelen zu den Bantusprachen fest, die allerdings noch nicht zu dem Schluss führen, dass Bantu und Westsudanisch eine genetisch zusammengehören. ''Westsudanisch nach Westermann 1927'' * '''Westsudanisch''' ** Mandingo ** Westatlantisch (ohne Fulani) ** Kwa ** Togo-Restsprachen ** Gur (einschließlich Songhai) ** Benue-Cross 1935 behandelte Westermann in seinem Aufsatz ''Charakter und Einteilung der Sudansprachen'' die These einer Verwandtschaft zwischen der westlichen Sudansprachen zum Bantu erneut und kam zu einer vorsichtigen Bejahung der genetische Einheit, allerdings sah er Bantu und Westsudanisch als gleichrangige Zweige einer übergeordneten Einheit. Damit legte er − gegen die Lehrmeinung seines Lehrers Meinhof − den Kern für das [[Joseph Greenberg|Greenbergsche]] „Niger-Kongo“. Er erkannte auch, dass die östlichen Sudansprachen nicht mit den westlichen verwandt sind (die ostsudanischen Sprachen wurden später von Greenberg als „[[Nilosaharanische Sprachen|Nilosaharanisch]]“ klassifiziert). === Joseph Greenberg === Von 1948 bis 1963 klassifizierte [[Joseph Greenberg]] die [[Afrikanische Sprachen|afrikanischen Sprachen]] von Grund auf neu, und zwar ausschließlich nach linguistischen Kriterien. Er benutzte die Methode des ''[[Lexikalischer Massenvergleich|lexikalischen Massenvergleichs]]'', bei der Wörter und grammatische [[Morphem]]e sehr vieler Sprachen miteinander verglichen werden. Auf Basis der daraus entstehenden Wort- und Morphemgleichungen ergibt sich die Einteilung in [[Genetische Einheit|genetische Einheiten]] und die interne Gliederung dieser Einheiten (siehe dazu auch die Artikel [[Joseph Greenberg]] und [[Lexikalischer Massenvergleich]]). Greenberg führte den Begriff „[[Afroasiatische Sprachen|Afroasiatisch]]“ anstelle des durch nicht-linguistische Kriterien wie Rasse und Kultur belasteten Terminus „[[Hamitentheorie|Hamito-Semitisch]]“ ein und etablierte [[Semitische Sprachen|Semitisch]], [[Ägyptische Sprache|Ägyptisch]], [[Kuschitische Sprachen|Kuschitisch]], [[Berbersprachen|Berberisch]] und [[Tschadische Sprachen|Tschadisch]] als gleichberechtigte Primärzweige des Afroasiatischen. Die durch nicht-linguistische Kriterien dem Hamitischen fälschlich zugeordneten Gruppen wie Nama-Buschmann, Fulani und Maassai ordnet er anderen Gruppen zu. „Niger-Kongo“ wird als neuer Begriff für die westsudanischen Sprachen ''einschließlich des Bantu'' definiert. Die ostsudanischen Sprachen werden später mit einigen kleineren Gruppen als „[[Nilosaharanische Sprachen|Nilosaharanisch]]“ zusammengefasst. Er gelangte über verschiedene Zwischenstufen zur heute allgemein akzeptierten Einteilung der afrikanischen Sprachen, wie sie in seinem Buch ''The Languages of Africa'' 1963 abschließend dargestellt ist. Zu einer Bewertung der Leistungen Greenbergs in der Klassifikation der afrikanischen Sprachen siehe den Artikel [[Joseph Greenberg]]. ''Die Einteilung der afrikanischen Sprachen nach Greenberg 1963'' * '''Afroasiatisch * '''Niger-Kordofanisch * '''Nilosaharanisch * '''Khoisan Speziell für das Niger-Kongo sind folgende Neuerungen Greenbergs von Bedeutung: * [[Diedrich Westermann|Westermanns]] Westsudanisch und die Bantusprachen werden zur neuen genetischen Einheit „Niger-Kongo“ zusammengefasst * die „Bantoid“-Gruppe wird als genetische Einheit der Sprachen definiert, die eine besonders enge Verwandtschaft zu den Bantusprachen aufweisen * die Benue-Cross-Gruppe Westermanns und das Bantoid werden zum „Benue-Kongo“ zusammengefasst, das als Unter-Untereinheit das Bantu einschließt * Greenberg fügt das bisher als hamitisch eingeordnete Fulani in den atlantischen Zweig des Niger-Kongo ein * er erkennt die Einheit der Adamawa-Sprachen und stellt ihre nahe Verwandtschaft mit den Ubangi-Sprachen fest; zusammen werden sie als Adamawa-Eastern (später Adamawa-Ubangi) dem Niger-Kongo als ein neuer Primärzweig hinzugefügt * die „[[Togo-Restsprachen]]“ Westermanns werden in das Kwa integriert * Mandingo geht in der weiter gefassten Mande-Gruppe auf * das Songhai wird aus der Gur-Gruppe entfernt (und später ins Nilosaharanische eingegliedert) * Kordofanisch wird dem Niger-Kongo als gleichrangiger Parallelzweig hinzugefügt; dies bringt Greenberg zum neuen Namen ''Niger-Kordofanisch'' mit einer primären Zweiteilung in „Niger-Kongo“ und „Kordofanisch“ (der allerdings heute wieder aufgegeben worden ist, da man Kordofanisch als gleichrangig mit den anderen Primärzweigen ansieht) ''Klassifikation des Niger-Kordofanischen nach Greenberg 1963'' * '''Niger-Kordofanisch''' ** '''Kordofanisch''' ** '''Niger-Kongo''' *** Westatlantisch *** Mande *** Gur (Voltaisch) *** Kwa (im weiten Sinne, inklusive Yoruba, Edo, Igbo, Nupe, Idoma und den Kru-Sprachen) *** Benue-Kongo: Benue-Cross und Bantoid einschließlich des Bantu *** Adamawa-Eastern Diese Klassifikation Greenbergs ist die Basis für alle weiteren Forschungen über Niger-Kongo-Sprachen. Durch die Elimination aller nicht-linguistischen Kriterien, die nahezu alle früheren Klassifikationsversuche unbrauchbar machten, bewies Greenberg, dass die Prinzipien der genetischen Klassifikation, wie sie in Europa Mitte des 19. Jahrhunderts entwickelt worden waren, uneingeschränkt auch für die afrikanischen Sprachen − und damit weltweit − gültig sind. So führte er die Klassifikation der Sprachen Afrikas nach einem Jahrhundert des Niedergangs zurück auf die richtige Spur. === Aktuelle Klassifikation des Niger-Kongo === [[Joseph Greenberg|Greenbergs]] Ergebnisse waren zunächst durchaus umstritten, da noch viele Afrikanisten − vor allem in Deutschland − der [[Carl Meinhof|Meinhof]]-Schule anhingen. Nach einigen Jahren wurden aber speziell das Niger-Kongo bzw. Niger-Kordofanische von fast allen Forschern als [[genetische Einheit]] akzeptiert, insbesondere auch Greenbergs Positionierung der [[Bantusprachen]] als einem Unter-Zweig des Benue-Kongo. Heute gibt es in der gesamten relevanten Forschung zum Thema keine Stimme, die die genetische Einheit des Niger-Kongo bezweifelt. Allerdings wurde der innere Aufbau des Niger-Kongo vor allem auf Grund neuerer [[Lexikostatistik|lexikostatistischer]] Forschungen nach 1963 noch mehrfach geändert. Auch der heute erreichte und in diesem Artikel zugrunde gelegte Status wird noch keinen endgültigen Charakter haben, da für manche Untergruppen noch sehr viel Detailstudium nötig ist. Zukunftsperspektive ist die [[Rekonstruktion (Sprachwissenschaft)|Rekonstruktion]] des Proto-Niger-Kongo, von dem auch sicherlich neues Licht auf die interne Gliederung fallen wird. Die Grundzüge von Greenbergs Klassifikation 1963 hatten trotz aller Neuerungen Bestand. Die Änderungen betreffen außer reinen Namensfragen − „Adamawa-Eastern“ wurde in „Adamawa-Ubangi“, „Westatlantisch“ in „Atlantisch“ umbenannt − folgende Bereiche: * '''Kordofanisch''': Eine der fünf Untergruppen des Greenbergschen Kordofanischen, das Kadugli, wurde als [[Nilosaharanische Sprachen|nilosaharanisch]] klassifiziert. Das verbleibende Kordofanisch wurde als gleichrangiger Primärzweig mit den anderen Zweigen des Niger-Kongo (Mande, Atlantisch u.s.w.) eingestuft. Somit entfiel der Grund für den Namen „Niger-Kordofanisch“ und die Sprachfamilie wurde wieder in „Niger-Kongo“ zurückbenannt. * '''Kwa''': die östliche Gruppe der Greenbergschen Kwa-Sprachen wurde als eigene Einheit „West-Benue-Kongo“ aus dem Kwa herausgenommen, da diese Sprachen mehr Ähnlichkeit mit den (östlichen) Benue-Kongo-Sprachen zeigen (Bennett and Sterk 1977). Die neugebildete Einheit „Benue-Kongo“ umfasst danach das Greenbergsche Benue-Kongo (jetzt Ost-Benue-Kongo) und das neue West-Benue-Kongo (mit Yoruboid, Edoid, Igboid, Nupoid und Idomoid). Aus dem Greenbergschen Kwa wurden außerdem das Kru, Ijoid und Senufo entfernt; diese Einheiten bilden jetzt eigenständige Zweige außerhalb des Kwa. * '''Dogon''' (bei Greenberg zur Gur-Gruppe gehörend) und '''Ijoid''' (bei Greenberg Kwa) wurden als selbständige Primärzweige etabliert, da sie keiner anderen Gruppe zugeordnet werden können. * '''Volta-Kongo''': Volta-Kongo wurde als eine neue Übereinheit geschaffen, die sich in einen nördlichen und einen südlichen Zweig gliedert. Nord-Volta-Kongo umfasst nach der aktuellen Klassifikation Kru und Senufo (bei Greenberg beide in der Kwa-Gruppe), weiterhin Gur und Adamawa-Ubangi (bei Greenberg eigene Primärzweige). Süd-Volta-Kongo besteht aus dem neuen (verkleinerten) Kwa und dem neuen Benue-Kongo, das sich seinerseits aus West-Benue-Kongo (Greenbergs östlichen Kwa-Sprachen) und Ost-Benue-Kongo (Greenbergs Benue-Kongo) zusammensetzt. Bisher ist nicht endgültig geklärt, ob die Gruppen ''Benue-Kongo'' und ''Nord-Bantoid'' [[Genetische Einheit|genetische Einheiten]] darstellen. Damit ergibt sich die oben als Übersicht angegebene aktuelle Klassifikation der Niger-Kongo-Sprachen, die dem gesamten Artikel zugrunde liegt. == Niger-Kongo und Nilosaharanisch == → ''Hauptartikel: [[Kongo-Saharanisch]]'' Nach [[Joseph Greenberg|Greenbergs]] abschließendem Werk ''The Languages of Africa'' von 1963 gehörten alle [[Afrikanische Sprachen|afrikanischen Sprachen]] zu einer der vier großen Familien [[Afroasiatische Sprachen|Afroasiatisch]], [[Nilosaharanische Sprachen|Nilosaharanisch]], Niger-Kongo und [[Khoisan-Sprachen|Khoisan]]. Während die ersten drei inzwischen allgemein als [[genetische Einheit]]en anerkannt sind, gilt das Khoisan heute eher als ein arealer [[Sprachbund]] mit [[Sprachtypologie|typologischen]] Gemeinsamkeiten. Einige Jahre später (1972) legte [[Edgar Gregersen]] seine Studie ''Kongo-Saharan'' vor, in der er Niger-Kongo und Nilosaharanisch zu einer neuen genetischen Einheit ''[[Kongo-Saharanisch]]'' zusammenfasste. Was zunächst wie ein Rückschritt auf Positionen von Carl Meinhof aussah − dieser nannte die Gruppe der Sprachen, die heute man heute zum Niger-Kongo (ohne Bantu) und zum Nilosaharanischen rechnet, „Sudanische Sprachen“ − stellte sich als ein linguistisch durchaus ernst zu nehmender Versuch heraus, eine neue große afrikanische Spracheinheit zu begründen. Gregersens Hauptargumente waren: * Die Unsicherheit in der Klassifikation des [[Songhai-Sprachen|Songhai]], das zunächst zu den Mande-Sprachen ([[Maurice Delafosse]] 1924), dann zu den Gur-Sprachen ([[Diedrich Westermann]] 1927) gerechnet, anschließend als isolierte Sprache klassifiziert (Westermann und Bryan 1952, Greenberg 1955) und schließlich von [[Joseph Greenberg]] (1963) dem [[Nilosaharanische Sprachen|Nilosaharanischen]] angegliedert wurde. * Ähnlichkeiten [[Morphologie (Sprache)|morphologischer]] Elemente, so z.&nbsp;B. die ''t/k'' − Singular/Plural – Opposition des Songhai und die [[Nominalklassen]] 5/6 des [[Bantusprachen|Bantu]] mit den [[Präfix]]en ''de- / ga-''. * [[Lexikalisch]]e Gemeinsamkeiten; hier sind die in beiden Familien weit verbreiteten Wörter für beispielsweise „wissen“, „kaufen“, „Hals“, „Zunge“, „Zahn“, „Stein“ und „Mond“ zu nennen, die allerdings auch einige [[Afroasiatische Sprachen|afroasiatische]] Parallelen haben. Hans G. Mukarovsky vertrat ebenfalls die Ansicht (1966, 1977), dass das Songhai mit den Mande-Sprachen verwandt sei. Er fasste die Mande-Sprachen und das Songhai zu einer fünften afrikanischen Sprachfamilie zusammen, die er „Westsahelisch“ nannte. Eine Vereinigung der beiden großen Familien nach dem Vorbild Gregersens lehnte er ab. Gregersen bekam von einigen anderen Forschern Unterstützung. Denis Creissels stellte 1981 ebenfalls beachtliche Ähnlichkeiten zwischen den Mande-Sprachen und dem Songhai fest und hielt Gregersens Kongo-Saharanisch-Hypothese für wahrscheinlich. Raymond Boyd (1978) dokumentierte lexikalische Gemeinsamkeiten zwischen den Adamawa-Ubangi-Sprachen und verschiedenen Zweigen des Nilosaharanischen. M. Lionel Bender wird 1981 nach eigenen Untersuchungen zum Fürsprecher des Kongo-Saharanischen, möglicherweise unter Einbeziehung des [[Omotische Sprachen|Omotischen]], das inzwischen (1969) von Harold C. Fleming von den kuschitischen Sprachen abgetrennt und als sechster Primärzweig des [[Afroasiatische Sprachen|Afroasiatischen]] etabliert worden war. Roger M. Blench (1995) unterstützte die kongo-saharanische Hypothese durch die Darstellung weiterer lexikalischer und phonologischer Parallelen. Er sieht das Niger-Kongo allerdings nicht als gleichrangigen Zweig des Nilosaharanischen, sondern eher als einen Parallelzweig des Zentralsudanischen und Kadugli innerhalb des Nilosaharanischen. Generell ist zu sagen, dass die Kongo-Saharanisch-Hypothese Gregersens zwar einige interessante Studien zu diesem Thema ausgelöst hat, aber dennoch die Mehrheit der Afrikanisten weiterhin von zwei eigenständigen afrikanischen Sprachfamilien Niger-Kongo und Nilosaharanisch ausgeht, wobei letztere durchaus noch nicht von allen Forschern im vollen Umfang Greenbergs als genetische Einheit anerkannt worden ist. Die Sonderrolle des Songhai und anderer peripherer Gruppen ist dabei von besonderer Bedeutung. == Niger-Kongo-Sprachen mit mindestens 3 Mio. Sprechern == Die Niger-Kongo-Sprachen mit mindestens 3 Mio. Sprechern sind hier mit der Angabe ihrer Sprecherzahl (inklusive der Zweitsprecher), ihrer Kurzklassifikation und ihres Verbreitungsgebietes aufgeführt. '''Niger-Kongo-Sprachen mit mindestens 3 Millionen Sprechern''' {| class="prettytable" |- bgcolor='#COFOFO' ! Sprache ! Alternativ-<br />Name ! Sprecher-<br />zahl ! Klassifizierung ! Hauptverbreitungsgebiet |- | [[Swahili (Sprache)|Swahili]] | Kiswahili | align="right" | 30–40 Mio. | Volta-Kongo, Bantu G40 | Tansania, Kenia, Uganda, Ruanda, Burundi, Kongo, Mosambik |- | [[Yoruba (Sprache)|Yoruba]] | Yariba | align="right" | 20-30 Mio. | Volta-Kongo, Yoruboid | Südwest-Nigeria, Benin, Togo |- | [[Fulfulde]] | Ful, Peul | align="right" | 22 Mio. | Atlantisch | Niger, Burkina Faso, Nigeria, Kamerun, Benin, Togo, Mali |- | [[Igbo (Sprache)|Igbo]] | Ibo | align="right" | 18 Mio. | Volta-Kongo, Igboid | Südost-Nigeria |- | [[Shona (Sprache)|Shona]] | Chishona | align="right" | 11 Mio. | Volta-Kongo, Bantu S10 | Simbabwe, Sambia |- | [[IsiZulu|Zulu]] | Isizulu | align="right" | 10 Mio. | Volta-Kongo, Bantu S40 | Südafrika, Lesotho, Swasiland, Malawi |- | [[Chichewa|Nyanja]] | Chichewa | align="right" | 10 Mio. | Volta-Kongo, Bantu N30 | Malawi, Sambia, Mosambik |- | [[Bambara]] | Bamanakan | align="right" | 10 Mio. | Mande | Mali, Burkina Faso, Gambia, Elfenbeinküste |- | [[Akan (Sprachen)|Akan]] | Fante-Twi | align="right" | 10 Mio. | Volta-Kongo, Kwa | Ghana, Elfenbeinküste |- | [[Lingala]] | Ngala | align="right" | 9 Mio. | Volta-Kongo, Bantu C40 | Kongo, Kongo-Brazzaville |- | [[Wolof (Sprache)|Wolof]] | Ouolof | align="right" | 8 Mio. | Atlantisch | Senegal; auch Gambia, Mali |- | [[Kinyarwanda|Rwanda]] | Kinyarwanda | align="right" | 8 Mio. | Volta-Kongo, Bantu J60 | Ruanda, Burundi, Uganda, Kongo |- | [[IsiXhosa|Xhosa]] | Isixhosa | align="right" | 7,5 Mio. | Volta-Kongo, Bantu S40 | Südafrika, Lesotho |- | [[Mòoré]] | Mossi | align="right" | 7 Mio. | Volta-Kongo, Gur | Burkina Faso; Benin, Togo, Mali |- | [[Tschiluba|Luba-Kasai]] | Chiluba | align="right" | 6,5 Mio. | Volta-Kongo, Bantu L30 | Kongo |- | [[Kikuyu (Sprache)|Gikuyu]] | Kikuyu | align="right" | 5,5 Mio. | Volta-Kongo, Bantu E20 | Kenia |- | [[Kituba]] | Kutuba | align="right" | 5 Mio. | Volta-Kongo, Bantu H10 | Kongo, Kongo-Brazzaville (''Kongo-basierte [[Kreolsprache]]'') |- | [[Luganda|Ganda]] | Luganda | align="right" | 5 Mio. | Volta-Kongo, Bantu J10 | Uganda |- | [[Kirundi|Rundi]] | Kirundi | align="right" | 5 Mio. | Volta-Kongo, Bantu J60 | Burundi, Ruanda, Uganda |- | [[Makua (Sprache)|Makhuwa]] | Makua | align="right" | 5 Mio. | Volta-Kongo, Bantu P30 | Mosambik |- | [[Sesotho|Sotho]] | Sesotho | align="right" | 5 Mio. | Volta-Kongo, Bantu S30 | Lesotho, Südafrika |- | [[Setswana|Tswana]] | Setswana | align="right" | 5 Mio. | Volta-Kongo, Bantu S30 | Botswana, Südafrika |- | [[Ewe (Sprache)|Ewe]] | Eibe, Gbe | align="right" | 5 Mio. | Volta-Kongo, Kwa | Ghana, Togo |- | [[Dioula|Jula]] | Dioula | align="right" | 4 Mio. | Mande | Burkina-Faso, Elfenbeinküste |- | [[Umbundu (Sprache)|Mbundu]] | Umbundu | align="right" | 4 Mio. | Volta-Kongo, Bantu R10 | Angola (Benguela) |- | [[Nord-Sotho|Pedi]] | Sepedi, Nord-Sotho | align="right" | 4 Mio. | Volta-Kongo, Bantu S30 | Südafrika, Botswana |- | [[Luhya (Sprache)|Luyia]] | Luluyia | align="right" | 3,6 Mio. | Volta-Kongo, Bantu J30 | Kenia |- | [[Bemba (Sprache)|Bemba]] | Chibemba | align="right" | 3,6 Mio. | Volta-Kongo, Bantu M40 | Sambia, Kongo |- | [[Xitsonga|Tsonga]] | Xitsonga | align="right" | 3,3 Mio. | Volta-Kongo, Bantu S50 | Südafrika, Mosambik, Simbabwe |- | [[Sukuma (Sprache)|Sukuma]] | Kisukuma | align="right" | 3,2 Mio. | Volta-Kongo, Bantu F20 | Tansania |- | [[Malinke (Sprache)|Malinke]] | Maninkakan | align="right" | 3 Mio. | Mande | Senegal, Guinea, Mali |- | [[Kamba (Sprache)|Kamba]] | Kikamba | align="right" | 3 Mio. | Volta-Kongo, Bantu E20 | Kenia |- | [[Kimbundu|Mbundu]] | Kimbundu | align="right" | 3 Mio. | Volta-Kongo, Bantu H20 | Angola (Luanda) |- | [[Sango]] | Sangho | align="right" | 3 Mio. | Volta-Kongo, Ubangi | Zentralafrik. Rep. (Ngabandi-basierte ''Kreolsprache'') |- | [[Efik (Sprache)|Efik]] | Calabar | align="right" | 2-3 Mio. | Volta-Kongo, Cross River | Nigeria (Cross River State) |- |} Die Sprecherzahlen basieren auf dem unten angegebenen Weblink zu Klassifikation der Niger-Kongo-Sprachen. ''Kongo'' steht für die ''Demokratische Republik Kongo'', ''Kongo-Brazzaville'' für die ''Republik Kongo''. Die Klassenpräfixe für Bantu-Sprachnamen (z.&nbsp;B. ''ki-, chi-, lu-, se-, isi-'') werden in der sprachwissenschaftlichen Literatur heute üblicherweise nicht mehr verwendet. Auch in diesem Artikel wird die Kurzform ohne Präfix benutzt, also z.&nbsp;B. ''Ganda'' statt ''Luganda''; die Langform mit Präfix ist als Alternativname angegeben. Die Nummern der Bantusprachen (z.&nbsp;B. G40) geben die Einteilung in die Guthrie-Zonen wieder (G40 = Zone G, Zehnergruppe 40; siehe [[Bantusprachen]]). == Literatur == === Afrikanische Sprachen === * Joseph Greenberg: ''The Languages of Africa.'' Mouton, The Hague and Indiana University Center, Bloomington 1963. * Bernd Heine und andere (Hrsg.): ''Die Sprachen Afrikas.'' Buske, Hamburg 1981. * Bernd Heine und Derek Nurse (Hrsg.): ''African Languages. An Introduction.'' Cambridge University Press 2000. * John Iliffe: ''Geschichte Afrikas.'' Beck, München 1997. * George L. Campbell: ''Compendium of the World's Languages.'' Routledge, London 2000 (2. Auflage). === Niger-Kongo-Sprachen === * John Bendor-Samuel (Hrsg.): ''The Niger-Congo Languages: A Classification and Description of Africa's Largest Language Family.'' University Press of America, Lanham, New York, London 1989.<br />(Die einzige umfassende Darstellung des Niger-Kongo und seiner Untereinheiten, in der Klassifikation teilweise veraltet.) * Kay Williamson und Roger Blench: ''Niger-Congo.'' In: Bernd Heine u.a.: ''African Languages.'' Cambridge Univ. Press 2000. * Paul P. De Wolf: ''Das Niger-Kongo (ohne Bantu).'' In: Bernd Heine u.a. (Hrsg.): ''Die Sprachen Afrikas.'' Buske, Hamburg 1981. * Thilo C. Schadeberg: ''Das Kordofanische.'' In: Bernd Heine u.a. (Hrsg.): ''Die Sprachen Afrikas.'' Buske, Hamburg 1981. * Derek Nurse und Gérard Philippson (Hrsg.): ''The Bantu Languages.'' Routledge, London − New York 2003. * Wilhelm J.G. Möhlig: ''Die Bantusprachen im engeren Sinne.'' In: Bernd Heine u.a. (Hrsg.): ''Die Sprachen Afrikas.'' Buske, Hamburg 1981. === Zur Geschichte der Klassifikation === * Merritt Ruhlen: ''A Guide to the World's Languages. Classification.'' Arnold, Stanford 1987. * Guillaume Postel: ''De originibus seu de Hebraicae linguae et gentis antiquitatae deque variarum linguarum affinitate liber.'' Paris 1538. * Heinrich Lichtenstein: ''Bemerkungen über die Sprachen der südafrikanischen wilden Völkerstämme.'' Allgemeines Archiv für Ethnographie und Linguistik 1808. * Sigismund Koelle: ''Polyglotta Africana.'' London 1854. * Friedrich Müller: ''Grundriss der Sprachwissenschaft.'' Wien 1867. * Karl Richard Lepsius: ''Nubische Grammatik.'' Berlin 1880. * Carl Meinhof: ''Die Sprachen der Hamiten.'' Hamburg 1912. * Diedrich Westermann: ''Die westlichen Sudansprachen und ihre Beziehungen zum Bantu.'' Mitteilungen des Seminars für orientalische Sprachen. Berlin 1927. * Joseph Greenberg: ''Studies in African Linguistic Classification.'' Southwestern Journal of Anthropology 1949-50. * Edgar Gregersen: ''Kongo-Saharan.'' Journal of African Languages 1972. * Patrick Bennett and Jan Sterk: ''South Central Niger-Congo: A Reclassification.'' Studies in African Linguistics. 1977. * Raimund Kastenholz: ''Essai de classification des dialectes mande-kan.'' Sprache und Geschichte in Afrika 1979. * Thilo Schadeberg: ''The Classification of the Kadugli Language Group.'' Dordrecht 1981. == Weblinks == * [http://homepages.fh-giessen.de/kausen/klassifikationen/Niger-Kongo.doc Ernst Kausen, Die Klassifikation der Niger-Kongo-Sprachen] (DOC)<br />Klassifikation sämtlicher Niger-Kongo-Sprachen nach Williamson-Blench 2000 mit Sprecherzahlen aus Ethnologue 2005. [[Kategorie:Sprachfamilie]] [[Kategorie:Niger-Kongo-Sprachen| ]] {{Exzellent}} [[af:Niger-Kongo tale]] [[ar:لغات نيجرية كنغوية]] [[bg:Нигер-конгоански езици]] [[br:Yezhoù nigerek-kongoek]] [[ca:Llengües nigerocongoleses]] [[cs:Nigerokonžské jazyky]] [[cy:Ieithoedd Niger-Congo]] [[en:Niger-Congo languages]] [[eo:Niĝerkonga lingvaro]] [[es:Lenguas Níger-Congo]] [[fa:زبان‌های نیجر-کنگو]] [[fi:Nigeriläis-kongolaiset kielet]] [[fr:Langues nigéro-congolaises]] [[gv:Çhengaghyn Neegeyragh-Congoagh]] [[hi:नाइजर-कांगो]] [[hr:Nigersko-kongoanski jezici]] [[hsb:Nigerokonžske rěče]] [[hu:Kongó-kordofáni nyelvcsalád]] [[it:Lingue niger-kordofaniane]] [[ja:ニジェール・コンゴ語族]] [[kn:ನೈಜರ್-ಕಾಂಗೊ ಭಾಷೆಗಳು]] [[ko:니제르콩고어족]] [[la:Linguae Nigro-Congenses]] [[lij:Lengue niger-kordofanièn]] [[ln:Lokótá ya Nizer-Kongo]] [[lt:Nigerio-Kongo kalbos]] [[mk:Нигер-конгоански јазици]] [[nl:Niger-Congotalen]] [[nn:Niger-kongospråk]] [[no:Nigerkongo-språk]] [[oc:Lengas nigèrocongolesas]] [[pl:Języki nigero-kongijskie]] [[pt:Línguas nigero-congolesas]] [[qu:Niqir Kungu rimaykuna]] [[ru:Нигеро-конголезские языки]] [[sh:Nigersko-kongoanski jezici]] [[sr:Нигер-конгоански језици]] [[stq:Niger-Kongo Sproaken]] [[sv:Niger-Kongospråk]] [[ta:நைகர்-கொங்கோ மொழிகள்]] [[uk:Нігеро-кордофанські мови]] [[yo:Àwọn èdè Niger-Congo]] [[zh:尼日尔-刚果语系]] rygeluu54oabcm19vtncciopzcsnfch wikitext text/x-wiki Nimitz-Klasse 0 24006 26604 2010-05-05T19:13:10Z ArthurBot 0 Bot: Ergänze: [[cs:Třída Nimitz]] {{Infobox Kriegsschiff | Farbe1 = 000080 | Farbe2 = ffffff | Bild = USS Carl Vinson on patrol in the Pacific 2003-06-10.jpg | Bildtext = ''USS Carl Vinson (CVN-70)'' 2003 im Pazifik | Typ = [[Flugzeugträger]] | Namensgeber = Admiral [[Chester W. Nimitz]] | Einheiten = 10 gebaut, 10 in Dienst | Dienstzeit = seit 1975 | Verdrängung = über 97.000&nbsp;Standard-Tonnen (voll beladen) | Länge = 317&nbsp;Meter (Wasserlinie), 332,85&nbsp;Meter (Flugdeck) | Breite = 40,84&nbsp;Meter (Rumpf), 76,80&nbsp;Meter (Flugdeck) | Tiefgang = 12,50&nbsp;Meter | Besatzung = 3200 Schiffsbesatzung, 2480 Flugzeugpersonal | Antrieb = 2 Nuklearreaktoren, 4 Propeller | Geschwindigkeit = 30+&nbsp;[[Knoten (Einheit)|Knoten]] | Bewaffnung = 4 Phalanx-Geschütze, 3 Sea-Sparrow-Starter. Wird ersetzt durch 2 Sea-Sparrow- und 2 Rolling-Airframe-Starter | Extra1 = Flugzeuge | Extra1_Daten = bis zu 85 }} Die '''Nimitz-Klasse''' ist eine Klasse [[Kernenergieantrieb|nukleargetriebener]] [[Flugzeugträger]] der [[United States Navy]]. Das Typschiff ''USS Nimitz'', die erste Einheit der Klasse, wurde 1975 in Dienst gestellt, die zehnte und letzte Anfang 2009. Mit einer Verdrängung von rund 100.000 [[Standard-Tonne]]n sind die Träger die größten Kriegsschiffe der Welt. Jeder kann, von einer kleinen Armada von Kampfschiffen umgeben, bis zu 85 Flugzeuge vor jede Küste der Welt tragen und dort einsetzen. Die Träger sind zeitlich nahezu unbegrenzt einsetzbar, lediglich [[Kerosin]]- und Lebensmittelvorräte müssen regelmäßig aufgefüllt werden. Der Bau eines Schiffs der ''Nimitz-Klasse'' kostet heute über 6 Milliarden US-Dollar und dauert von der [[Kiellegung]] bis zur Indienststellung rund fünf Jahre. Jedes der Schiffe ist für eine Dienstdauer von rund 50 Jahren ausgelegt. Die ''Nimitz-Klasse'' stellt 2009 mit zehn Schiffen den Großteil der amerikanischen Flugzeugträgerflotte, deren Stärke bei insgesamt elf Einheiten liegt. Für ausgedehnte Kampfhandlungen wie 1990 im [[Zweiter Golfkrieg|Zweiten Golfkrieg]] oder dem [[Irakkrieg]] seit 2003 sind sie daher kaum verzichtbar. Neben der direkten Unterstützung kriegerischer Handlungen werden die Flugzeugträger auch genutzt, um durch die bloße Präsenz vor der Küste eines Staates eine Drohkulisse aufzubauen oder humanitäre Missionen zu unterstützen. == Geschichte == === Planung === Erste Planungen für einen Flugzeugträger, der die Träger des Zweiten Weltkriegs in seinen Ausmaßen weit übertreffen sollte, einen so genannten „Supercarrier“, wurden bereits kurz nach Kriegsende angestellt. Nach politischem Druck unter anderem der [[United States Air Force|Air Force]] wurde die ''[[USS United States (CVA-58)]]'' 1949 jedoch nur Tage nach der Kiellegung wieder abgebrochen. Nach dem Ausbruch des [[Koreakrieg]]s änderte die Regierung [[Harry S. Truman|Truman]] ihre Einstellung und ließ die ''[[Forrestal-Klasse]]'' auf Kiel legen, deren erste Einheit 1955 zur Flotte kam. Äußerlich ähnelte diese bereits der ''Nimitz-Klasse''. 1961 wurde dann der erste Träger der ''[[Kitty-Hawk-Klasse]]'' in Dienst gestellt, noch im selben Jahr außerdem die ''[[USS Enterprise (CVN-65)]]'', der erste nukleargetriebene Flugzeugträger mit acht Nuklearreaktoren im Rumpf. [[Bild:USS John F. Kennedy (CV-67) with USS Theodore Roosevelt (CVN-71).jpg|thumb|left|Äußerlich ist die ''John F. Kennedy'' (vorn) kaum von den Trägern der ''Nimitz-Klasse'' (hinten ''Roosevelt'') zu unterscheiden]] Verteidigungsminister [[Robert McNamara]], der in den [[United States Army Air Forces]] gedient hatte und wenig Sympathien für die Navy hegte, blockierte jedoch vorerst den Bau weiterer teurer atomgetriebener Träger und setzte zwei zusätzliche ölbefeuerte Träger durch.<ref>Clancy 2001, Seite 138</ref> Erst 1967 bekam die Navy die Freigabe, das bereits in der Schublade liegende Design ''SCB-102'' zu verwenden, aus dem die ''Nimitz-Klasse'' entwickelt wurde. Hierbei handelte es sich im Wesentlichen um das Konzept der direkt vorhergehenden ''[[USS John F. Kennedy (CV-67)]]'', das auf den Einbau von nur zwei Reaktoren adaptiert wurde. Zugute kam dem Konzept, dass einerseits die Ölbunker wegfielen, andererseits durch die auf zwei verringerte Zahl der Reaktoren im Rumpf massiv Platz eingespart werden konnte. Da Ende der 1960er Jahre viele der staatseigenen Marinewerften aus dem Schiffsneubau ausgestiegen waren und sich vermehrt der Überholung der Flotte widmeten, war damals nur die private [[Newport News Shipbuilding]] (NNS) in [[Newport News]], [[Virginia]] in der Lage, die nuklear angetriebenen „Supercarrier“ zu fertigen. Zu Beginn waren drei Einheiten geplant. Als Richtschnur für die Bauzeit peilte die Navy rund vier Jahre an, ähnlich wie NNS es bei der ''Enterprise'' geschafft hatte. Der Bau wurde jedoch von Problemen geplagt, Streiks der Werftarbeiter taten ihr übriges, die Fertigstellung der ''Nimitz'' um zwei Jahre zu verzögern. Da die Kapazitäten von NNS den Bau von zwei Trägern gleichzeitig nicht zuließen, verzögerte sich auch das Gesamtprogramm. Deshalb - und auf Grund der galoppierenden Inflation der beginnenden 1970er Jahre - stiegen neben der Bauzeit auch die Kosten. Während 1973 Kosten von unter 700 Millionen US-Dollar für jede der ersten beiden Einheiten veranschlagt worden waren, schätzte die Navy sie bis 1977 auf bis zu 2 Milliarden Dollar pro Träger.<ref>Stefan Terzibaschitsch: ''Seemacht USA''. Bechtermünz Verlag, Augsburg 1997. ISBN 3-86047-576-2. Seite 284</ref> Diese Kostensteigerung veranlasste die Regierung [[Jimmy Carter|Carter]], die Beschaffung weiterer Träger der Klasse abzulehnen und stattdessen einen gerade halb so großen Entwurf für einen konventionell getriebenen Träger unter dem Planungsnamen ''CVV'' zu bevorzugen, der bei der Navy jedoch äußerst unpopulär war.<ref>Chris & David Miller, Moderne Kriegsschiffe, Verlag Stocker-Schmid, Dietikon-Zürich 1990, Seite 130</ref> Gegen den Willen von Carter bewilligte der [[Kongress der Vereinigten Staaten]] allerdings 1980 eine vierte Einheit der ''Nimitz-Klasse''. Die gesamte Navy und damit auch das ''Nimitz''-Beschaffungsprogramm profitierte in der Folge stark von der Wahl [[Ronald Reagan]]s, dessen Marineminister [[John F. Lehman]] das Programm „[[Marine der 600 Schiffe]]“ auflegte. Ende 1982 bekam die Navy daraus ein ''Nimitz''-Zweierpaket, 1988 ein weiteres, womit die Klasse auf acht Einheiten angewachsen war. 1994 und 2001 wurden die letzten beiden Einheiten der Klasse genehmigt, deren Preis inzwischen bei rund 4,5 Milliarden Dollar für die ''Reagan'' und 6,3 Milliarden für die ''Bush'' lag.<ref name="CVN-21">[http://www.history.navy.mil/library/online/navycvn21.htm ''Navy CVN-21 Aircraft Carrier Program: Background and Issues for Congress'' des ''Congressional Research Service Report for Congress''] (engl.)</ref> Als Reaktion auf die Fertigstellung der ''Enterprise'' und den Baubeginn der ''Nimitz'' wurde die [[sowjetische Marine]] aufgeschreckt. Diese besaß mit der ''[[Moskwa-Klasse]]'' lediglich zwei [[Flugdeckkreuzer]]. Verteidigungsminister [[Andrei Antonowitsch Gretschko|Andrei Gretschko]] startete daraufhin 1973 das Projekt 1153 ''Orel'', das einen den amerikanischen Einheiten ähnlichen, rund 20 % kleineren Flugzeugträger mit Nuklearantrieb zum Ziel hatte. Nach dem Tod Gretschkos 1976 beendete sein Nachfolger [[Dmitri Fjodorowitsch Ustinow|Dmitri Ustinow]] das Projekt jedoch bald, stattdessen wurden der Flotte ab 1975 lediglich die vier weit kleineren Träger der ''[[Kiew-Klasse]]'' hinzugefügt. Kurz vor Ende des Kalten Krieges startete die Sowjetunion den zweiten Versuch, Atomträger zu bauen. 1988 wurde die der ''Orel'' recht ähnliche ''[[Uljanowsk (Flugzeugträger)|Uljanowsk]]'' auf Kiel gelegt, ein zweiter Träger sollte folgen. Nach dem Untergang der Sowjetunion wurde der Bau jedoch 1992 abgebrochen. <ref>[http://www.webcom.com/~amraam/rcar.html ''A Brief Look at Russian Aircraft Carrier Development'' von Robin J. Lee] (engl.)</ref> Der größte sowjetische/russische Träger ist somit seit 1991 die konventionell angetriebene ''[[Admiral Kusnezow]]''. === Einheiten === [[Bild:USS Abraham Lincoln (CVN-72) dry dock 1990.jpg|thumb|''Lincoln'' 1990 im Trockendock]] {| class="prettytable" |-class="hintergrundfarbe5" ! Name || Auftragsvergabe || Kiellegung<ref name="NVR">[http://www.nvr.navy.mil/nvrships/active/fleet_02.htm Übersicht über alle Träger der Klasse im Naval Vessel Register] sowie die jeweiligen Unterseiten zu den Schiffen (engl.)</ref> || Stapellauf || Indienststellung || voraussichtlich<br />außer Dienst |- |''[[USS Nimitz (CVN-68)]]'' || 31. März 1967 || 22. Juni 1968 || 13. Mai 1972 || 3. Mai 1975 || ~2025 |- |''[[USS Dwight D. Eisenhower (CVN-69)]]'' || 29. Juni 1970 || 15. August 1970 || 11. Oktober 1977 || 18. Oktober 1977 || ~2027 |- |''[[USS Carl Vinson (CVN-70)]]'' || 5. April 1974 || 11. Oktober 1975 || 15. März 1980 || 13. März 1982 || ~2030 |- |''[[USS Theodore Roosevelt (CVN-71)]]'' || 30. September 1980 || 31. Oktober 1981 || 27. Oktober 1984 || 25. Oktober 1986 || ~2034 |- |''[[USS Abraham Lincoln (CVN-72)]]'' || 27. Dezember 1982 || 3. November 1984 || 13. Februar 1988 || 11. November 1989 || ~2039 |- |''[[USS George Washington (CVN-73)]]'' || 27. Dezember 1982 || 25. August 1986 || 21. Juli 1990 || 4. Juli 1992 || ~2042 |- |''[[USS John C. Stennis (CVN-74)]]'' || 30. Juni 1988 || 13. März 1991 || 13. November 1993 || 9. Dezember 1995 || ~2045 |- |''[[USS Harry S. Truman (CVN-75)]]'' || 30. Juni 1988 || 29. November 1993 || 7. September 1996 || 25. Juli 1998 || ~2048 |- |''[[USS Ronald Reagan (CVN-76)]]'' || 12. August 1994 || 12. Februar 1998 || 10. März 2001 || 12. Juli 2003 || ~2053 |- |''[[USS George H. W. Bush (CVN-77)]]'' || 26. Februar 2001 || 19. Mai 2003 || 9. Oktober 2006 || 10. Januar 2009 || ~2059 |} === Bau === [[Bild:USS George H. W. Bush (CVN-77) island landing.jpg|thumb|upright|Die Insel wird auf das Deck der ''Bush'' gehoben]] Alle Träger wurden im größten Trockendock des amerikanischen Kontinentes gebaut, dem 670 Meter langen Trockendock 12 von Newport News Shipbuilding. Dabei kann das Dock zweigeteilt werden, wodurch im vorderen Teil ein weiteres Schiff gefertigt werden kann. Der Bau eines Trägers der Klasse beginnt bereits einige Monate vor der Kiellegung mit dem Setzen der Beton- und Holzblöcke, auf die der Kiel aufgesetzt wird, sowie dem Zuschnitt erster Metallteile. Nach der Kiellegung bleiben der Werft rund 33 Monate, bis das Schiff „vom Stapel laufen“ wird. Allerdings schlittern die Träger nicht mehr tatsächlich über die [[Helling]] ins Wasser, wie der traditionelle Begriff des Stapellaufs nahe legt. Stattdessen wird das Trockendock geflutet, wodurch das Schiff aufschwimmt. [[Bild:USS Carl Vinson (CVN-70) outfit.jpg|thumb|left|''Vinson'' während der Endausrüstung an der Pier]] Die Träger werden in Modulbauweise gefertigt. Das bedeutet, dass ganze Sektionen längs des Trockendocks zusammengeschweißt und so weit wie möglich mit allen Rohrleitungen und ähnlichem ausgestattet werden. Dieses ursprünglich von [[Ingalls Shipbuilding|Litton-Ingalls]] entwickelte Verfahren beschleunigt viele Arbeiten, da sie nicht in der Enge des bereits fertigen Rumpfes durchgeführt werden müssen. Von [[Portalkran|Portalkränen]] werden die Module, „Superlifts“ genannt, dann ins Trockendock gehoben und dort verschweißt. Diese Module wiegen, wie zum Beispiel der Bug, über 700 Tonnen.<ref>[http://www.navy.mil/view_single.asp?id=23078 ''Final keel section of aircraft carrier George H. W. Bush (CVN-77)'' auf navy.mil] (engl.)</ref> Insgesamt wird ein Träger aus rund einhundert dieser Superlifts zusammengesetzt. Zu den größten Teilen gehören der Bugbereich und das „Insel“ genannte Deckshaus. Es ist allerdings nicht möglich, einen Träger der ''Nimitz-Klasse'' komplett im Trockendock zu fertigen. Das Trockendock kann nur auf 10 Meter geflutet werden, und auch der Kanal zur Werft bietet nur begrenzten Raum. Der Tiefgang eines voll ausgerüsteten Trägers liegt jedoch etwas über diesem Wert. Darum wird der Träger so früh wie möglich vom Stapel gelassen und – unter Beachtung der [[Gezeiten|Tide]] – an ein Tiefwasserpier von NNS am [[James River (Virginia)|James River]] geschleppt, wo die weitere Ausrüstung des Rumpfes stattfindet. Hierfür werden pro Schicht bis zu 2600 Werftarbeiter auf einem Träger eingesetzt. Nach der Ausrüstung führt die Werft eigene Probefahrten durch, danach nimmt die Navy das Schiff ab und damit in Besitz. Nach Testfahrten der Navy geht der Träger noch einmal in die Werft, in der die letzten gefundenen Probleme beseitigt werden. Erst darauf folgt die Indienststellung. Für den Bau werden über die gesamte Zeit rund 40 Millionen [[Personenstunde]]n aufgewendet.<ref>[http://gw.ffc.navy.mil/AboutGW/ConstructionofGW.htm ''Construction of USS George Washington'' auf der offiziellen Seite des Schiffs] (engl.)</ref> === Namensgebung === Die erste Einheit - und damit traditionsgemäß auch die Klasse - ist nach Admiral [[Chester W. Nimitz]] benannt, der die US Navy im [[Pazifikkrieg]] geführt hat. Sämtliche folgenden Träger wurden nach Politikern benannt. Neben den Präsidenten [[Dwight D. Eisenhower|Eisenhower]], [[Theodore Roosevelt|Roosevelt]], [[Abraham Lincoln|Lincoln]], [[George Washington|Washington]], [[Harry S. Truman|Truman]], [[Ronald Reagan|Reagan]] und [[George H. W. Bush|Bush senior]] wurde zwei Kongressabgeordneten die Ehre zu Teil, Namenspatron einer der Träger zu sein. Dies sind [[Carl Vinson]], Abgeordneter aus Georgia und [[John C. Stennis]], Senator aus Mississippi. Beide hatten sich besonders für den Ausbau der Marine stark gemacht. Bei vier der Einheiten (''Vinson'', ''Stennis'', ''Reagan'' und ''Bush'') wurde mit der Tradition der US Navy gebrochen, Schiffe nur nach verstorbenen Personen zu benennen. === Modernisierungen === [[Bild:USS Carl Vinson (CVN-70) RCOH flight deck.jpg|thumb|Blick auf das Flugdeck der ''Vinson'' während einer Überholung (RCOH)]] Schon auf Grund des zeitlichen Abstandes zwischen der ersten und der letzten Einheit der Klasse wurden technische Neuerungen in die im Bau befindlichen Einheiten integriert. Eine erste größere Veränderung ergab sich ab der ''Theodore Roosevelt''. Diese erhielten zum Beispiel verstärkte [[Aramid|Kevlar]]-Panzerungen im Rumpf. Modernere Bewaffnung wurde auf den letzten beiden Trägern von Werk an installiert, ebenso kleinere Veränderungen an Rumpf und Insel. Wesentliche Veränderungen erfuhr über die genannten Details hinaus die ''George H. W. Bush'', die als eine Art Technologiedemonstrator für die nachfolgende Klasse von Flugzeugträgern dienen soll. Auf älteren Trägern werden die kleineren Modernisierungen auf den regelmäßig stattfindenden Überholungen nachgerüstet. Diese nehmen für gewöhnlich weniger als zwölf Monate in Anspruch und können auf mehreren Werften durchgeführt werden, teilweise auch auf den staatseigenen. So werden im Pazifik stationierte Einheiten regelmäßig in der [[Puget Sound Naval Shipyard]] modernisiert. Im Gegensatz zu diesen kürzeren Werftliegezeiten muss jeder der Träger einmal in seiner Dienstzeit zu einer sogenannten ''Refueling and Complex Overhaul'' (RCOH) zurück in die Bauwerft nach Newport News. Als Halbzeitüberholung findet sie nach rund 25 Einsatzjahren statt. Während dieser Überholung wird der [[Kernbrennstoff]] der Reaktoren erneuert, so dass auch in der zweiten Lebenshälfte genug spaltbares Material für den Betrieb der Reaktoren bereitsteht. Viele Räume werden modernisiert, auch äußerliche Arbeiten an der Insel finden statt. Außerdem wird der gesamte Rumpf neu gestrichen, ferner werden die Propeller und Ruder aufbereitet. Bis Juli 2009 lag die ''Carl Vinson'' als dritte Einheit zu ihrem RCOH bei Newport News Shipbuilding. Die Kosten hierfür liegen bei fast zwei Milliarden Dollar<ref>[http://www.nn.northropgrumman.com/news/2005/051129_news.html ''Northrop Grumman Awarded $1.94 Billion Contract for Work on USS Carl Vinson'', Pressemitteilung von Northrop Grumman] (engl.)</ref> für über 20 Millionen Personenstunden.<ref>[http://www.navytimes.com/news/2009/07/ap_carl_vinson_navy_071309/ Navy Times: ''Carl Vinson redelivered to Navy''] (engl.)</ref> === Betrieb === ==== Dienstzeit ==== [[Bild:Anteil Nimitz.png|thumb|upright=1.4|Anteil der ''Nimitz-Klasse'' (rot) an der gesamten Trägerflotte der US Navy zwischen 1975 und 2010]] Parallel mit dem Eintritt der ''Nimitz'' in die Flotte 1975 wurden die letzten Weltkriegsträger der ''[[Essex-Klasse]]'' außer Dienst gestellt. Damit bestand die Flugzeugträgerflotte der US Navy Ende 1976 noch aus den drei Einheiten der ''[[Midway-Klasse]]'', den vier ''Forrestals'', den vier ''Kitty Hawks'', der ''Enterprise'' und eben der ''Nimitz''. Die ''Eisenhower'' ersetzte 1977 die ''[[USS Franklin D. Roosevelt (CV-42)]]'' der ''Midway-Klasse'', 1982 kam die ''Vinson'' zur Flotte und erhöhte die Größe der Trägerflotte auf 14. Während der letzten Jahre des Kalten Krieges besaß die Navy nach dem Zugang der ''Roosevelt'' im Jahre 1986 also 15 Trägerkampfgruppen. Da in den 1990er Jahren die beiden verbliebenen ''Midways'' sowie alle vier ''Forrestals'' und eine ''Kitty Hawk'' deaktiviert wurden, aber (seit 1989) nur vier ''Nimitz''-Träger hinzukamen, sank die Zahl der aktiven Träger auf zwölf.<ref>[http://www.history.navy.mil/branches/org9-4.htm ''U.S. Navy Active Ship Force Levels, 1917-'' des ''Naval Historical Center''] (engl.) Die Quelle enthält zwischen 1981 und 1991 einen Fehler, da der nominale Abgang jeweils eines Trägers 1981 (keine In- oder Außerdienststellung) und 1990 (''Coral Sea'' außer, aber ''Lincoln'' nach September 1989 in Dienst) nicht nachvollziehbar ist. Die dadurch fehlenden Einheiten werden erst zu 1991 wieder hinzugefügt. Dies bestätigt auch Clancy 2001, Seite 301f.</ref> Die ''[[USS Constellation (CV-64)]]'' wurde 2003 durch die ''Reagan'' ersetzt, der verfrühte Abgang der ''Kennedy'' 2007 konnte jedoch nicht aufgewogen werden. Da auch die ''[[USS Kitty Hawk (CV-63)]]'' 2009 außer Dienst gestellt und dann durch die ''Bush'' ersetzt wurde, wird die Trägerflotte der US Navy also auf längere Zeit auf elf Kampfgruppen beschränkt bleiben. Als Ergänzung der Trägerflotte ist die ''[[Gerald-R.-Ford-Klasse]]'' in Planung. Die erste Einheit, ''[[USS Gerald R. Ford (CVN-78)]]'', soll 2015 die ''Enterprise'' ersetzen. Zwei weitere Einheiten sind geplant, die um das Jahr 2020 zur Flotte stoßen sollen. Kurz danach, um 2025, steht die ''Nimitz'' am Ende ihrer auf 50 Jahre veranschlagten Dienstzeit. Für einen Ersatz der späteren Träger der Klasse gibt es noch keine Pläne. Eine Option, die die Navy in Erwägung zieht, ist die weitere Verkleinerung der Flotte auf neun oder zehn Träger.<ref name="CVN-21" /> ==== Einsatzgrundlagen ==== Von den zehn Trägern der Klasse sind im Februar 2010 sechs im Pazifik und drei im Atlantik stationiert, einer liegt zur Überholung in der Werft. Während alle Atlantik-Einheiten (''Dwight D. Eisenhower'', ''Harry S. Truman'', George H. W. Bush'') in der [[Naval Station Norfolk]] liegen, sind die Pazifik-Schiffe auf vier Basen, die [[Naval Station Everett]] (''Abraham Lincoln''), die [[Naval Base San Diego]] (''Nimitz'', ''Ronald Reagan'', ''Carl Vinson'') und die [[Naval Base Kitsap]] (''John C. Stennis''), verteilt. Die ''George Washington'' ist in [[Yokosuka]], Japan stationiert, die ''Theodore Roosevelt'' liegt zur Überholung in ihrer Bauwerft.<ref name="NVR" /> Die totalen Kosten für Betrieb und Unterstützung eines Trägers der ''Nimitz-Klasse'' nach dem Dollar-Wert von 1997 belaufen sich über die gesamte Dienstzeit auf fast 15 Milliarden Dollar. Bei der angenommenen 50-jährigen Dienstzeit kostet der Betrieb eines Trägers pro Jahr damit knapp 300 Millionen Dollar. Eingerechnet werden hierbei neben den Personal- auch die Trainings-, Treibstoff-, Unterhalts- und Modernisierungskosten, nicht aber die Kosten für die RCOH und den Kernbrennstoff. Inklusive RCOH, Bau und Entsorgung kostet ein Träger den amerikanischen Steuerzahler insgesamt rund 22 Milliarden Dollar oder 444 Millionen Dollar pro Jahr.<ref>[http://www.gao.gov/archive/1998/ns98001.pdf ''Cost-Effectivness of Conventionally and Nuclear-Powered Carriers'', Studie des Government Accountability Office, Seiten 74ff] (engl.)</ref> Hierbei variieren die Kosten stark zwischen Hafenliegezeiten und Einsätzen. Während der Betrieb inklusive Sold im Hafen rund 250.000 Dollar pro Tag kostet, liegt der Satz pro Tag auf See bei rund 2,5 Millionen Dollar.<ref>[http://www.reagan.navy.mil/faq.html ''Frequently Asked Questions'' auf der offiziellen Seite der ''Reagan''] (engl.)</ref> ==== Ausgeführte Einsätze ==== [[Bild:RH-53 Sea Stallion in hangar of USS Nimitz (CVN-68) 1980.jpg|thumb|1980 werden Helikopter im Hangar der ''Nimitz'' für die Operation Eagle Claw bereit gemacht]] Der erste offensive Einsatz eines Trägers der ''Nimitz-Klasse'' war die fehlgeschlagene [[Operation Eagle Claw]], in der das Typschiff ''Nimitz'' 1980 Helikopter starten ließ, um die [[Geiselnahme von Teheran]] zu beenden. Später wurde die ''Nimitz'' durch ihr Schwesterschiff ''Dwight D. Eisenhower'' abgelöst. Erste [[Luftkampf#Luftsieg|Luftsiege]] erzielten Trägerflugzeuge der ''Nimitz'' 1981, als [[Grumman F-14|F-14]] zwei libysche [[Suchoi Su-22]] über der [[Große Syrte|Großen Syrte]] abschossen. Diese hatten vorher die F-14 angegriffen. Träger der Klasse werden seitdem regelmäßig offensiv im [[Persischer Golf|Persischen Golf]] eingesetzt, 1988 erst in der [[Operation Earnest Will]], dann im [[Zweiter Golfkrieg|Zweiten Golfkrieg]] und im Laufe der 1990er Jahre in der [[Operation Southern Watch]], in der die Flugzeuge die Flugverbotszone über dem Irak überwachten. Auch die letzten Kriege in [[Krieg in Afghanistan seit 2001|Afghanistan]] und dem [[Irakkrieg|Irak]] wären ohne die Unterstützung der schwimmenden Flughäfen kaum durchführbar gewesen. Unter anderem zum Schutz von [[Taiwan]] wird immer wieder ein Träger in die Region um die Insel geschickt. Dass die ''Nimitz'' Ende 1995 die [[Formosastraße]] zwischen dem Festland und der Insel als Reaktion auf das Wiederaufflammen des [[Taiwan-Konflikt]]s durchquert hat, wurde als ernsthafte Drohung gegen die Volksrepublik aufgefasst. Nur drei Monate später wurde der Träger aus dem Persischen Golf abgezogen und erreichte nach zwei Wochen Fahrt wieder die Gewässer um Taiwan, nachdem die Volksrepublik Raketentests in Richtung der Insel durchgeführt hatte. Chinesische Politiker warnten die USA daraufhin, den Träger nicht erneut in die Straße einlaufen zu lassen, was die Navy jedoch zurückwies.<ref>[http://query.nytimes.com/gst/fullpage.html?res=9A01E0DE1739F93BA25750C0A960958260&sec=&spon=&pagewanted=all New York Times, 18. März 1996: ''China Warns U.S. to Keep Away From Taiwan Strait''] (engl.)</ref> Auch zur Präsidentschaftswahl im März 2008 wurde die ''Nimitz'' in der Region eingesetzt.<ref>[http://www.navytimes.com/news/2008/03/kyo_kittyhawk_031908/ Navy Times: ''2 carriers in W. Pacific ahead of Taiwan vote''] (engl.)</ref> Die Träger können ebenfalls für humanitäre Aufgaben eingesetzt werden. 1991 unterstützte die ''Lincoln'' die Evakuierung des Gebiets um den ausbrechenden Vulkan [[Pinatubo]] auf den [[Philippinen]] und brachte Tausende amerikanische Staatsbürger in Sicherheit. Nach dem [[Seebeben im Indischen Ozean 2004]] wurde wieder die ''Lincoln'' vor die Küste von [[Sumatra]] geschickt. Auch nach dem [[Hurrikan Katrina]] war der Träger ''Truman'' vor der Golfküste, um die Hilfsmaßnahmen für die Bevölkerung per Helikopter zu unterstützen. Besonders wertvoll sind hierbei die [[Frischwassererzeuger]]anlagen an Bord, die große Mengen Frischwasser produzieren können. == Technik == === Rumpf === ==== Ausmaße und Decksaufteilung ==== [[Bild:USS Harry S. Truman CVN-75.jpg|thumb|left|Der Blick von oben auf die ''Truman'' verdeutlicht die Ausmaße des Trägers]] Die Schiffe der ''Nimitz''-Klasse sind an der [[Wasserlinie]] 317 Meter lang, der Rumpf ist 40,8 Meter breit. Da sich das Flugdeck über den Rumpf hinaus spannt, messen die Träger an ihrer breitesten Stelle 76,8 Meter, die Länge über alles, also inklusive Flugdeck, liegt bei 333 Metern. Der Tiefgang beträgt voll beladen rund 12,5 Meter. Mit einer Verdrängung von mehr als 97.000 [[Standard-Tonne]]n sind die Einheiten die größten Kriegsschiffe der Welt. Der Rumpf ist ebenso wie die Aufbauten komplett aus Stahl gefertigt. Sämtliche Rumpfteile, die sich bei Fahrt unter Wasser befinden und damit der Gefahr von [[Torpedo]]treffern ausgesetzt sind, bestehen aus einer doppelten Bordwand mit Freiräumen zwischen den Stahlschichten, um möglichst viel von der Druckwelle eines explodierenden Sprengkopfes zu absorbieren. Darüber besteht der Rumpf aus einfachem Stahl, der mit Kevlar gepanzert ist. Über dem Flugdeck liegt lediglich noch das Deckshaus, genannt Insel, das sich im hinteren Drittel an Steuerbord befindet. Bei der letzten Einheit, ''George H. W. Bush'', sind viele Kanten, unter anderem die des Flugdecks, abgerundet, um die [[Radarrückstrahlfläche]] des Trägers zu reduzieren. Zur Verringerung des Wasserwiderstandes besitzen die beiden letzten Träger (neben der ''Bush'' also auch die ''Ronald Reagan'') außerdem einen so genannten [[Bug (Schiff)#Wulstbug|Wulstbug]]. [[Bild:USS Reagan;071030-N-6074Y-053.jpg|thumb|Die ''Reagan'' krängt während Rudertests nach Backbord]] Ganz unten im Rumpf sind außer den beiden Reaktoren auch die Maschinenanlagen sowie zahlreiche Munitions- und Treibstoffbunker installiert. Dies bietet einerseits den Vorteil, dass der betreffende Rumpfteil immer von Wasser umflutet und damit für [[Seezielflugkörper]] nicht direkt erreichbar ist. Andererseits nimmt auch die Stabilität der Schiffe zu, da [[Topplastigkeit]] vermieden wird. Auf Trägern gibt es ein spezielles Schema für die Decksbenennung. Die über den Maschinenräumen liegenden Decks werden bis zum Hangar heruntergezählt. Von unten folgen das Fourth Deck, auf dem sich unter anderem die Hilfsmaschinen befinden, das Third Deck, das neben weiteren Maschinenräumen Kombüse und Aufenthaltsräume sowie die medizinischen Einrichtungen beherbergt, und das Second Deck, auf dem unter anderem Werkstätten und Büros sowie die Messen untergebracht sind. Die Wasserlinie verläuft im Einsatz zwischen Third und Second Deck. Darüber schließt sich das Main Hangar Deck an, das den gesamten Mittelteil des Schiffes in Anspruch nimmt. Lediglich in den Überhängen zum Flugdeck befinden sich neben dem Hangar noch weitere Räumlichkeiten. Auf dem Main Deck liegen dort die Betankungsanlagen und weitere Werkstätten. Über dem Hangar, der drei Decks einnimmt, werden die Decks nun hochgezählt. Es folgt das 01 Deck mit weiteren Lagern und Werkstätten, das 02 Deck mit sämtlichen Räumen für den Flaggoffizier und seinen Stab sowie das Gallery Deck (03), das wieder durchgehend die gesamte Breite einnimmt. Hier sind unter anderem die Staffelräume für Aufenthalt und Briefings des fliegenden Personals sowie wiederum Lager und Werkstätten beheimatet. Außerdem befindet sich hier das ''Combat Information Center'', die [[Operationszentrale]] des Schiffs, sowie weitere Kontrollstationen etwa für die Aufklärungsdaten. Die Quartiere der Besatzung sind über das gesamte Schiff verteilt. ==== Flugdeck und Hangar ==== [[Bild:Cvnanim.gif|thumb|Animation der Starts und Landungen an Bord der ''Eisenhower'']] [[Bild:FD air boss CVN-68 03Nov1997.jpg|thumb|Kontrollraum des "Air Boss", der für alle Flugzeugbewegungen auf dem Flugdeck und in der Nähe des Trägers verantwortlich ist]] Das [[Flugdeck]] ist 333 Meter lang und an seiner breitesten Stelle 76 Meter breit. Die Gesamtfläche beträgt 18.000&nbsp;m². Es ist als Winkelflugdeck angelegt. Das heißt, es besitzt neben einer Startbahn über der Mittelachse des Schiffes und über den Bug zusätzlich eine [[Start- und Landebahn|Lande- und Startbahn]], die um 9°3′ aus Fahrtrichtung abgewinkelt ist. Dadurch können Flugzeuge gleichzeitig über den Bug starten und auf dem Winkeldeck landen. Jeder Träger besitzt vier dampfgetriebene [[Flugzeugkatapult]]e, zwei auf der abgewinkelten Landebahn, zwei auf der Startbahn über den Bug. Die Katapulte sind von Steuerbord an von 1 bis 4 durchnummeriert. Die Katapulte werden aus zwei ''Integrated Catapult Control Stations'' gesteuert. Diese ICCS sind in das Flugdeck eingelassene, versenkbare Kapseln, die auf den Trägern der Klasse erstmals eingesetzt wurden. Quer über die Landebahn sind vier Fangseile gespannt, in die der landende Pilot mit einem am Heck seines Flugzeuges angebrachten Fanghaken einhaken muss, um das Flugzeug in weniger als 120 Metern zum Stehen zu bringen. Damit der Träger, besonders in Multi-Carrier-Verbänden, aus der Luft identifiziert werden kann, ist die Kennnummer im Bugbereich großformatig auf dem Flugdeck angebracht. Die abgewinkelte Landebahn ist ebenfalls markiert. Der Hangar hat eine Länge von 208 Meter, ist 33 Meter breit und drei Decks, also 7,6 Meter hoch. Er ist ein einziger Raum, kann aber durch drei Schiebeflügeltüren unterteilt werden, was unter anderem hilft, mögliche Brände einzudämmen. Achtern des Hangars sind Werkstätten und Teststände für die Triebwerke eingerichtet, vor dem Hangar befinden sich die [[Back]], in der sich unter anderem die [[Spill|Ankerspillen]] für die beiden jeweils 30 Tonnen schweren Anker und die je 140 Tonnen schweren, 330 Meter langen Ankerketten befinden.<ref name="Lincoln">[http://www.cvn72.navy.mil/ship/stats.html ''Ship's Statistics'' auf der offiziellen Seite der ''Lincoln''] (engl.)</ref> Im Hangar können maximal 50 bis 60 Flugzeuge untergebracht werden, so dass auf einer Einsatzfahrt oftmals auch Flugzeuge an Deck geparkt werden müssen. Mit dem Flugdeck ist der Hangar über vier Aufzüge verbunden. Deren Öffnungen lassen bei gutem Wetter Tageslicht in den Hangar, bei Regen oder Wind werden sie verschlossen. Die Aufzüge – es befinden sich zwei Steuerbord vor der Insel und einer dahinter sowie ein weiterer an Backbord auf Höhe des achternen Steuerbordaufzugs – sind komplett aus Aluminium gefertigt, um Eigengewicht einzusparen und somit die Nutzlast zu erhöhen. ==== Insel ==== [[Bild:USS Abraham Lincoln (CVN-72) Mission Accomplished.jpg|thumb|Blick auf die drei Brücken der ''Lincoln'']] Die Insel ist das einzige Deckshaus und die einzige wesentliche Struktur, die sich über das Flugdeck erhebt. Außerdem dient die Insel als Boden für den Antennenwald: Ein Großteil der Elektronik ist auf ihr installiert, da sie so dem Flugbetrieb nicht im Weg ist und zusätzlich den höchsten möglichen Standort bekommt. Die Insel ist bezüglich ihrer Höhe über der Wasseroberfläche etwa mit einem 23-stöckigen Hochhaus zu vergleichen. In der Insel wird die numerische Decksbenennung von der Hangarebene an aufwärts weitergeführt. Das 08 Deck ist die Brücke des Verbandsführers, also des Admirals, der das Kommando über die gesamte Kampfgruppe innehat. Darüber befindet sich die nautische Brücke, auf der der Kommandant des Flugzeugträgers sitzt und die Bewegungen seines Schiffes kontrolliert. Ebenso befinden sich hier der Kartentisch zur Navigation und der Ruderstand. Wiederum darüber auf dem 10 Deck, also sieben Stockwerke über dem Flugdeck, befindet sich die Hauptflugkontrolle, auf der der „Air Boss“ das Kommando hat. Von hier aus hat die Besatzung die beste Aussicht über das Flugdeck, hier werden Starts und Landungen sowie Flugzeugbewegungen im Luftraum um den Träger koordiniert. Außerdem liegt auf dieser Ebene der „Geierhorst“, eine Freiluftterrasse mit freiem Blick auf das gesamte Flugdeck. Im Rahmen der Halbzeitüberholung wird die Höhe der Insel um zwei Stockwerke verkleinert, dies geschieht ebenfalls aus Gründen der Tarnung, da sie so weniger Rückstrahlfläche bietet. Auch die Insel ist beidseitig mit der beleuchtbaren Kennnummer markiert. === Bordeigene Luftfahrzeuge === [[Bild:USS Harry S. Truman (CVN-75) flight deck.jpg|thumb|Der Blick auf das Flugdeck der ''Truman'' zeigt die verschiedenen verwendeten Typen]] Jeder Träger der Klasse kann rund 85 Fluggeräte – [[Starrflügelflugzeug|Starr]]- wie [[Hubschrauber|Drehflügler]] – aufnehmen. Häufig sind jedoch nur 60 bis 72 Fluggeräte an Bord. Diese sind in einem so genannten [[Carrier Air Wing]] organisiert und teilen sich in mehrere [[Staffel (Militär)|Staffeln]] auf. An Bord befindet sich genug [[Kerosin]], um 16 Tage ununterbrochen Flugoperationen durchzuführen. Für eine Verlängerung der Einsatzdauer können die Träger auch auf hoher See Flugbenzin von Begleitschiffen übernehmen. Bis zu vier Staffeln, also 48 Flugzeuge oder rund die Hälfte der maximalen Kapazität, bestehen aus verschiedenen Versionen der [[McDonnell Douglas F/A-18|McDonnell Douglas F/A-18 ''Hornet'']]. Diese Zahl wird jedoch in Zukunft steigen. Bis 2009 fällt die [[Lockheed S-3|Lockheed S-3 ''Viking'']] für [[U-Jagd]] und [[Luftbetankung]] komplett weg; während die Tank-Komponente an die F/A-18 abgegeben wird, fällt die U-Jagd komplett an Helikopter und Schiffe. Gleichzeitig wird auch der Ersatz der [[Grumman A-6#EA-6B Prowler|Grumman EA-6B ''Prowler'']] ([[elektronische Kampfführung]]) durch ''Hornet''-Varianten beginnen. Nach Vollendung können sich pro Träger bis zu 60 F/A-18 an Bord befinden. Allerdings wird die ''Hornet'' ab voraussichtlich 2012 ihrerseits durch [[Lockheed Martin F-35|Lockheed Martin F-35C ''Lightning II'']] ergänzt und teilweise ersetzt. Bis 2006 waren neben den ''Hornet'' auch häufig Jäger des Typs [[Grumman F-14|Grumman F-14 ''Tomcat'']] an Bord, um 2000 normalerweise noch eine Staffel. Während des Kalten Krieges waren außerdem eine Staffel [[Grumman A-6|Grumman A-6 ''Intruder'']] und bis zu zwei Staffeln [[Vought A-7|Vought A-7 ''Corsair II'']] für leichte Bombardierungen an Bord. Neben den Tankern trägt jede ''Nimitz'' außerdem eine Staffel von vier Frühwarnflugzeugen [[Grumman E-2|Grumman E-2C ''Hawkeye'']] und bis zu 10 Hubschrauber der Typen [[Sikorsky UH-60|Sikorsky SH-60F ''Seahawk'']] oder HH-60H ''Seahawk''. Diese dienen unter anderem der [[Combat Search and Rescue]] und der U-Jagd sowie schnellem Personaltransfer innerhalb der Kampfgruppe. Transportflüge an oder von Land, so genannte ''[[Carrier Onboard Delivery]]'', werden von der [[Grumman C-2|Grumman C-2 ''Greyhound'']] durchgeführt. === Antrieb === [[Bild:USS George Washington (CVN-73) propeller.jpg|thumb|upright|Propeller der ''Washington'']] Jeder Träger besitzt zwei [[Druckwasserreaktor]]en des Typs ''A4W'' mit einer Leistung von jeweils rund 100 Megawatt. Das ''A'' steht für den Typ, auf dem der Reaktor eingesetzt wird, hier ''Aircraft Carrier''. Die ''4'' annotiert, dass es sich um die 4. Generation von Reaktoren des Herstellers handelt, der an dritter Stelle genannt wird. Das ''W'' steht hier für [[Westinghouse Electric|Westinghouse]]. Die zwei Reaktoren treiben vier Dampfturbinen von [[General Electric]] an, jede Turbine ist mit einer Welle verbunden. Die Reaktoren sind getrennt aufgestellt, zwischen ihnen befinden sich Tanks und Munitionskammern. Jeder Träger besitzt vier fünfblättrige Bronze-Propeller mit einem Durchmesser von rund 7,6 Metern. Jede der Schrauben wiegt rund 30 Tonnen. Sie sind versetzt angeordnet, die beiden innenbords gelegenen Wellen erstrecken sich weiter Richtung Heck. Hinter diesen befinden sich auch die beiden Ruder, die 8,9 Meter hoch und 6,7 Meter lang sind. Eines wiegt 27,5 Tonnen.<ref>[http://www.eisenhower.navy.mil/stat_facts.html ''Facts and Statistics'' auf der offiziellen Seite der ''Eisenhower''] (engl.)</ref> Die Antriebssektion mit den Reaktoren wird intern ständig von einer Wachmannschaft [[United States Marine Corps|Marines]] besonders geschützt, um die strenge Zugangsbeschränkung zu gewährleisten. Die Leistung des Systems liegt bei rund 280.000 [[Pferdestärke#SHP|Wellen-PS]]. Die erreichbare Geschwindigkeit wird geheim gehalten, liegt aber weit über den offiziell angegebenen „30+“ Knoten.<ref>Clancy 2001, Seite 142</ref> Solch hohe Geschwindigkeiten helfen den Flugzeugen beim Abheben und Landen, da der Fahrtwind in Kombination mit dem natürlichen Wind bereits einen Luftstrom um das Flugzeug ergibt, der die nötige Startgeschwindigkeit reduziert. Pro Dampfturbine arbeiten zusätzlich zwei Generatoren, um die nötige Energie für das Schiff zu erzeugen. Jeder erzeugt rund 8 Megawatt, so dass bis zu 64 Megawatt bereitstehen, um die elektrischen Anlagen an Bord zu betreiben. Dies entspricht dem Energieverbrauch einer Stadt mit 100.000 Einwohnern.<ref name="Lincoln" /> Falls auf See die Reaktoren ausfallen, können vier Not-Diesel-Aggregate 8 Megawatt Energie erzeugen, etwa um die für einen Reaktorneustart benötigte Energie zu erzeugen. Die vier [[Frischwassererzeuger]]anlagen jeder ''Nimitz'' können bis zu 1.500 Tonnen Seewasser pro Tag zu Frischwasser umwandeln. Dieses Wasser wird in der Antriebs- und Katapultanlage sowie zur Versorgung der Besatzung verwendet. === Bewaffnung === [[Bild:USS Theodore Roosevelt (CVN-71) Sea Sparrow.jpg|thumb|Abschuss einer Sea Sparrow von der Steuerbordplattform der ''Roosevelt''. Davor mit weißer Kuppel ein Phalanx-Geschütz]] Die Träger der ''Nimitz-Klasse'' besitzen eine rein defensive Bewaffnung für die [[Nahbereichsverteidigungssystem|Nahbereichsverteidigung]], da sie auf Einsätzen ohnehin von Eskorten begleitet werden, die mögliche offensive Aktionen durchführen. So wird der Platz, den etwa [[Marschflugkörper]] beanspruchen würden, eingespart und kann für die Unterstützung der Flugoperationen genutzt werden. Die ersten beiden Einheiten besaßen bei Indienststellung drei knapp unterhalb des Flugdecks angebrachte Plattformen, auf denen die Waffensysteme aufgestellt wurden. Zwei davon lagen am Heck, die dritte am Bug steuerbordseits. Sämtliche neuere Einheiten erhielten ab Werk auch am Backbordbug eine vierte Plattform, bei den anderen beiden wurde diese nachgerüstet. Insgesamt besaß jeder Träger drei Starter für je acht Raketen des Typs [[RIM-7 Sea Sparrow]] und drei (beziehungsweise inklusive Backbord-Plattform) vier Schnellfeuer-Geschütze [[Phalanx CIWS]]. Die vordere Steuerbord-Plattform wurde mit einem Phalanx- sowie einem Sea-Sparrow-Starter ausgerüstet. Die Heck-Plattformen enthielten je einen der Sea-Sparrow-Starter. Am Heck wurden außerdem zwei weitere Phalanx in den Rumpf integriert, aber weit unterhalb der restlichen Plattformen. Im Rahmen von ohnehin vorgesehenen Werftliegezeiten werden die Phalanx, wie flottenweit vorgesehen, entfernt. Die beiden Systeme am Heck entfallen ersatzlos, ebenso das Geschütz auf der geteilten Plattform vorn. Auf der anderen Bug-Plattform wird dafür ein Starter mit 21 [[RIM-116 Rolling Airframe Missile]]s (RAM) installiert, ebenso auf einer der beiden Heckplattformen, wofür der dritte Sea-Sparrow-Starter wegfällt. Statt Sea Sparrows werden in Zukunft [[RIM-162 Evolved Sea Sparrow Missile]]s (ESSM) eingesetzt, seit 2008 ist die ''Stennis'' der erste Flugzeugträger, der die neuen Raketen einsetzen kann. Damit besitzt jeder Träger in Zukunft zwei ESSM-Starter (Bug Steuerbord und Heck Backbord) mit insgesamt 16 Raketen und zwei RAM-Starter (Bug Backbord und Heck Steuerbord) mit zusammen 42 Raketen. Zur Abwehr von kleinen [[Schnellboot]]en kommen außerdem einige Maschinengewehre des Typs [[Browning M2]] hinzu. === Sensoren und Gegenmaßnahmen === ==== Ortungselektronik ==== [[Bild:USS Abraham Lincoln (CVN-72) in Everett.jpg|thumb|Die Insel und der Einzelmast für SPS-49 der ''Lincoln'']] Jede Einheit der Klasse besitzt mehrere [[Radar]]anlagen. Als Luftsuchradar von Beginn an auf jeder Einheit vorhanden ist das [[3D-Radar]] [[AN/SPS-48|SPS-48E]], das sich auf der Insel befindet. Das SPS-48 wird von [[ITT-Gilfillan]] gefertigt und besitzt eine Reichweite von bis zu 230 Seemeilen.<ref>[https://wrc.navair-rdte.navy.mil/warfighter_enc/weapons/SensElec/RADAR/sps48.htm ''SPS-48'' aus ''The Warfighter’s Encyclopedia'' der US Navy] (engl.)</ref> Dieses System dient unter anderem auch zur Zieldatenversorgung der Raketen. Als 2D-Luftsuchradar besaßen die ersten beiden Einheiten zu Beginn ein [[AN/SPS-43|SPS-43A]] von [[Hughes Aircraft|Hughes]] und Westinghouse mit einer Reichweite von 200 Seemeilen. Dieses wurde bald ersetzt durch das auf den restlichen Einheiten standardmäßig verbaute [[AN/SPS-49|SPS-49(V)5]] von [[Raytheon]], das eine um 50 Meilen verbesserte Reichweite ausweisen kann.<ref>[https://wrc.navair-rdte.navy.mil/warfighter_enc/weapons/SensElec/RADAR/ansps49.htm ''SPS-49'' aus ''The Warfighter’s Encyclopedia'' der US Navy] (engl.)</ref>. Ab Werk ist das SPS-49 im Gegensatz zu allen weiteren Anlagen auf einem eigenen Mast achtern der Insel installiert. Erst im Zuge der ''Refueling and Complex Overhauls'' wird das System auf die Insel verlegt, um mehr freie Decksfläche zu schaffen. Der Mast war nötig, um [[Interdependenz]]en zwischen den Anlagen zu vermeiden. Der neue Aufbau der Insel, den die letzten beiden Träger von Beginn an besitzen, vermeidet diese Probleme. Zur Oberflächen-Zielsuche und Navigation besaßen die ersten drei Einheiten ein [[AN/SPS-10|SPS-10F]] von Raytheon, dieses wurde aber bald durch die später serienmäßig verwendete Kombination aus [[AN/SPS-64|SPS-64]] und [[AN/SPS-67|SPS-67(V)]] ersetzt. Die Reichweite liegt bei rund 50 Seemeilen. ==== Sonstige Elektronik ==== [[Bild:Sea Sparrow Mark 91 FCS.jpg|thumb|left|Zwei Radarbeleuchter SPS-65 der ''Mark-91''-Feuerleitung]] Sowohl die Sea Sparrow als auch die ESSM sind halbaktiv-radargesteuerte Lenkwaffen, besitzen also kein eigenes aktives Radar, sondern fliegen das Ziel an, welches von einem anderen Radargerät "beleuchtet" wird. Damit sind sie auf ein [[Feuerleitradar]] angewiesen, das das Ziel auch nach dem Start kontinuierlich beleuchtet. Dafür besitzt jeder Träger der Klasse das Mark-91-[[Feuerleitung|Feuerleitsystem]]. Hauptbestandteile sind die drei SPS-65-Radarbeleuchter. [[Bild:CVN68 SLQ-32 030515-N-0413R-001.jpg|thumb|Kontrollraum für elektronische Kampfführung an Bord der USS Nimitz]] Zur Langstreckenkommunikation, Text- und Bildempfang von Satellitendaten sowie Aufklärungs- oder Fernsehsignalen besitzt jeder Träger das ''Challenge-Athena''-System. Es wurde entwickelt, nachdem die Navy im [[Zweiter Golfkrieg|Zweiten Golfkrieg]] nicht einmal in der Lage war, die täglich ausgestellten Luft-Einsatzpläne, genannt [[Air Tasking Order]]s, zu empfangen, sondern diese einfliegen lassen musste.<ref>Clancy 2001, Seiten 185f</ref> Ab 1992 wurde das System zuerst auf ''Washington'' erprobt und später an allen Trägern der Klasse installiert. Die unter einem [[Radarkuppel|Radom]] verborgene Antenne befindet sich an der Backbord-Deckskante am Heck. Zusätzlich existieren Antennen für Bord-zu-Bord-Funk. An den Deckskanten gibt es mehrere Kurz- und Ultrakurzwellenantennen, die bei Flugbetrieb nach unten weggeklappt werden können. Zur [[Elektronische Kampfführung|elektronischen Kampfführung]] besitzt jeder Träger der Klasse die speziell für Flugzeugträger entwickelte Version (V)4 des [[AN/SLQ-32|SLQ-32]]-Systems. Dazu gehören auch Werfer für [[Mk 36 SRBOC|SRBOC]], also für [[Düppel (Radartäuschung)|Düppel]] zur Ablenkung von radar- und [[Flare (Täuschkörper)|Flare]] zur Täuschung von infrarotgelenkten Raketen. Torpedos können von zwei nachgeschleppten Ködern [[AN/SLQ-25 Nixie|SLQ-25 Nixie]] vom Schiff abgelenkt werden. Um Flugbetrieb durchführen zu können, benötigt jeder Träger außerdem Nahbereichsradare, die den Flugverkehr und besonders landende und startende Fluggeräte überwachen. Für den Anflug wird hierzu ein ''SPN-43'' in Kombination mit dem ''SPN-44'' verwendet, die komplett redundant ausgelegt sind. Diese liefern exakte [[Azimut]]daten sowie die absolute und relative Geschwindigkeit von anfliegenden Fluggeräten. Der Endanflug inklusive Landung kann mittels des älteren SPN-42 oder des moderneren SPN-46 auch komplett automatisch durchgeführt werden. Dieser Modus wird nur selten verwendet, kann aber bei Ausfall von Bordsystemen wichtig sein. == Besatzung == === Leben an Bord === [[Bild:USS John C. Stennis (CVN-74) bunks.jpg|thumb|left|Matrosen der ''Stennis'' in ihren Kojen]] Die Stärke der nautischen Besatzung jedes Trägers liegt bei 3200 Mann, hinzu kommen 2480 Mann des Air Wings. Hierzu zählen neben den Piloten auch das Wartungspersonal. Offiziere und Mannschaftsdienstgrade schlafen getrennt, Schlafsäle gibt es auf mehreren Ebenen unter Deck. Direkt unter dem Flugdeck ist das fliegende Personal untergebracht, da die Flugzeuge auf dem Flugdeck und die hydraulisch betriebenen Katapulte und Fangseile viel Lärm verursachen und die Mitglieder des Air Wings bei laufendem Flugbetrieb ohnehin an Deck beschäftigt sind. [[Bild:USS Harry S. Truman (CVN-75) TV.jpg|thumb|Matrosen der ''Truman'' schauen das selbstproduzierte TV-Material]] Die nautische Besatzung schläft und ruht größtenteils unter dem Hangardeck. Die Mannschaften schlafen in Drei-Stock-Kojen, pro Schlafsaal sind zirka 60 solche Kojen aufgestellt. Jeder besitzt eine eigene Koje; das auf kleineren Schiffen, vor allem [[Atom-U-Boot]]en, angewandte Prinzip des „hot bunking“, also das schichtweise Teilen einer Koje, findet nicht statt. Angeschlossen an jeden Schlafssaal ist ein Wasch- und ein Aufenthaltsraum. Für persönliche Dinge besitzt jeder einen Spind. Der Flaggadmiral an Bord und sein Stab schlafen und arbeiten ebenfalls auf dem 03 Deck direkt unter dem Flugdeck; diese Räumlichkeiten sind die luxuriösesten an Bord. Auf demselben Deck, weiter Richtung Bug, schlafen auch die nautischen Offiziere, meist in Zwei-Mann-Kabinen. Matrosen, die im Rumpf des Trägers arbeiten, sehen oft tagelang kein Sonnenlicht: Bullaugen besitzt der Rumpf aus strukturellen Gründen nicht, und der Zugang zu Flug- und Hangardeck sowie der Insel ist gerade während Flugoperationen stark eingeschränkt. Die Messen liegen auf dem Second Deck, pro Tag werden bis zu 20.000 Mahlzeiten ausgegeben. Dafür werden pro Tag 280 Kilo Hamburger-Fleisch und über 2000 Eier gebraten, bis zu 800 Laibe Brot gebacken und rund 350 Kilo Gemüse gekocht. Außerdem werden 400 Kilo Obst verzehrt.<ref name="Lincoln" /> An Bord kann Nahrung für bis zu 90 Tage gelagert werden. In einem eigenen Studio werden auf einem Träger der ''Nimitz-Klasse'' eigene Fernseh- und Radionachrichten produziert und in das Bordnetz eingespeist. Auf den Fernsehern in den Aufenthaltsräumen können aber auch kommerzielle Fernsehsender empfangen werden, die über das ''Challenge-Athena''-System eingespeist werden. Über dieses werden auch die Satellitentelefone und Internetverbindungen betrieben, über die jedes Besatzungsmitglied Kontakt mit der Heimat aufnehmen kann. Alternativ können die Matrosen per Briefpost kommunizieren, die an Land transportiert und weitergeleitet wird, sobald der Träger sich in Küstennähe befindet. Außerdem gibt es an Bord einen eigenen Friseur, der bis zu 250 Matrosen pro Tag frisiert, und eine Wäscherei, die 2,5 Tonnen Wäsche reinigt. Pro Tag werden drei Gottesdienste in einer interkonfessionellen Kapelle an Bord gehalten. Auf dem Third Deck befinden sich die medizinischen Räume. Der Träger dient als Hospital für die gesamte Kampfgruppe; auf den Begleitschiffen gibt es häufig nur Sanitäter. Eine ''Nimitz'' hingegen hat eine voll ausgestattete zahnärztliche Klinik mit fünf Zahnärzten sowie humanmedizinische Behandlungsräume und Operationssäle mit sechs Ärzten. Das Bordlazarett hat 53 Betten, zusätzlich existiert eine Intensivstation mit drei Betten. === Gefahren === [[Bild:USS Harry S. Truman (CVN-75) firefighters.jpg|thumb|Feuerwehrleute während eines simulierten Brandes im Hangar der ''Truman'']] Nicht nur für die Piloten, sondern auch für das Flugdeck-Personal ist der Dienst auf den Trägern der gefährlichste in der gesamten Navy, weshalb diese Gruppe einen Gefahrenzuschlag zu ihrem Sold erhält. Auf dem Flugdeck muss jeder Einzelne jederzeit voll konzentriert sein; nur der Bruchteil einer Sekunde Unaufmerksamkeit kann zwischen laufenden Triebwerken, startenden und landenden Flugzeugen sowie scharfen Waffen schwere Unfälle verursachen und Lebensgefahr bedeuten. Beispiel hierfür ist der damalige [[Petty Officer]] John Bridget: 1991 kontrollierte er die Arbeit eines neuen Rekruten während der Startvorbereitung einer A-6 ''Intruder'' auf dem Flugdeck der ''Roosevelt''. In einem Moment der Unachtsamkeit näherte sich Bridget dem Flugzeug, nachdem die Triebwerke bereits hochgefahren waren. Er wurde vom laufenden Triebwerk angesaugt, das durch seine Schutzausrüstung blockierte. Nur die schnelle Reaktion eines anderen Crewmitglieds, der dem Piloten signalisierte, das Triebwerk abzuschalten, rettete Bridges das Leben, der nahezu unverletzt blieb. Auch weil der Unfall von einer Flugdeck-Überwachungskamera aufgezeichnet wurde, machte er weltweit Schlagzeilen.<ref>[http://www.famouspictures.org/mag/index.php?title=Man_Sucked_Into_Jet_Engine ''Man Sucked Into Jet Engine'' im ''FamousPictures Magazine''] (engl.)</ref> Sehr viel häufiger jedoch stürzen Jets der Träger ab oder gehen Personen über Bord, teilweise auf Grund starker Winde oder infolge über das Flugdeck spülender Wellen. Unfälle dieser Art geschehen mehrmals jährlich auf den Trägern der Klasse. Als bedrohlich für das gesamte Schiff können sich Abstürze auf das Flugdeck eines Trägers oder in die Heckpartie mit den davon ausgelösten Bränden oder Feuer im Hangardeck erweisen. Der schlimmste Unfall an Bord einer ''Nimitz'' ereignete sich 1981 auf dem Typschiff. Eine EA-6B ''Prowler'' verpasste das letzte Fangseil und schlug in neben der Landebahn abgestellte Flugzeuge ein. Ein Feuer brach aus, rund eine halbe Stunde nach dem Absturz ereignete sich eine Sekundärexplosion, vermutlich durch scharfe Raketen des Typs [[AIM-7 Sparrow]] an den abgestellten Flugzeugen. Neben den drei Piloten kamen fünf weitere Männer des Air Wings und sechs der Schiffsbesatzung ums Leben, 48 wurden verletzt. Als Grund wurde unter anderem Drogenmissbrauch an Bord genannt, woraufhin die Navy eine Null-Toleranz-Politik in Bezug auf Drogen ausgab.<ref>[http://www.history.navy.mil/danfs/n5/nimitz.htm Geschichte der ''Nimitz'' im offiziellen ''Dictionary of American Naval Fighting Ships''] (engl.)</ref> == Einsatzprofil == [[Bild:George Washington Carrier Strike Group notilt.jpg|thumb|''Washington'' mit drei Eskorten und Trossschiff]] Flugzeugträger im Allgemeinen sind für die Vereinigten Staaten das Mittel der Wahl, um militärische Präsenz auch weit entfernt des heimischen Kontinents zeigen zu können. Somit sind sie entscheidend für die Sicherung amerikanischer Interessen im Ausland. Der ehemalige Verteidigungsminister [[William Cohen]] sagte über die Flugzeugträger: {{"-en|If you don’t have that forward deployed presence, you have less of a voice, less of an influence<ref>[http://www.navy.mil/navydata/ships/carriers/cv-why.asp navy.mil: ''Why the Carriers?''] (engl.)</ref>|Übersetzung=Wenn man diese vorgeschobene Präsenz nicht hat, hat man auch weniger Gewicht, weniger Einfluss}}. Mit Flugzeugträgern kann die US Navy demnach vor jeder Küste eine Drohkulisse aufbauen, die mit ihrem Wirkungskreis weit in das Zielland hineinreicht, um die Interessen der USA durchzusetzen, ohne auf andere Staaten in der Region angewiesen zu sein, die ihr Territorium für Truppenaufmärsche oder Zwischenlandungen zur Verfügung stellen müssten. Dies gilt umso mehr für die nukleargetriebenen ''Nimitz''-Träger, da diese weniger auf Versorgung mit Treibstoff und damit auf Marinebasen angewiesen sind. Sie dienen damit als modernes, global verwendbares Pendant zur [[Kanonenbootpolitik]] des 19. Jahrhunderts. Die Drohkulisse wirkt umso stärker, da die Kampfgruppe besser ausgerüstet ist als die gesamte Marine kleinerer Staaten und der Air Wing mancher nationalen Luftwaffe überlegen ist.<ref>David Miller: ''Die Seestreitkräfte der Welt''. Bechtermünz Verlag, Augsburg 1998. ISBN 3-8289-5333-6. Seite 14</ref> Auch seerechtlich können solche Staaten nichts gegen die Kampfgruppe vor ihrer Küste unternehmen, befindet sie sich doch in [[Internationale Gewässer|internationalen Gewässern]]. Flugzeugträger werden grundsätzlich ausschließlich innerhalb einer Kampfgruppe, genannt [[Flugzeugträgerkampfgruppe|''Carrier Strike Group'']], eingesetzt. In dieser fahren als Eskorte ein Mix aus drei bis fünf [[Zerstörer]]n der ''[[Arleigh-Burke-Klasse]]'' oder Kreuzern der ''[[Ticonderoga-Klasse (Kreuzer)|Ticonderoga-Klasse]]'', eine Fregatte der ''[[Oliver-Hazard-Perry-Klasse]]'' sowie zwei [[Atom-U-Boot]]e und ein [[Trossschiff]] zur Versorgung des Trägers mit Flugbenzin und der konventionell angetriebenen Begleitschiffe mit Treibstoff. Die Begleitschiffe sichern ihren Träger gegen Angriffe aus der Luft oder zu Wasser und sind außerdem in der Lage, Marschflugkörper für vorbereitende Angriffe abzufeuern, etwa um die feindliche Luftabwehr zu schwächen, bevor die Flugzeuge zu Flächenbombardements aufsteigen. Früh aufgegeben haben die Vereinigten Staaten das Konzept von komplett atomgetriebenen Kampfgruppen, die neben Träger und U-Boot aus zwei bis drei [[Atomkreuzer]]n bestanden. Für eine Umsetzung des in der [[Operation Sea Orbit]] erprobten Konzepts fehlte jedoch die notwendige Anzahl von Kreuzern. Diese Gruppen wären für schnelle Verlegungen optimal geeignet gewesen, da sie auch längste Strecken auf voller Kraft hätten laufen können, ohne am Zielort sofort bunkern zu müssen. Die heute eingesetzten Eskorten haben ohne nachzutanken eine Reichweite von unter 5000 Seemeilen, was etwa einer Fahrt von der US-Ostküste ins Mittelmeer entspricht. == Literatur == *Tom Clancy: ''Supercarrier. Die Welt der amerikanischen Flugzeugträger.'' Heyne-Verlag, München 2001. ISBN 978-3453211797 *Stefan Terzibaschitsch: ''Flugzeugträger der U.S. Navy.'' Bernhard & Graefe Verlag, Bonn 2001. ISBN 3-7637-6200-0 *John F. Schank: ''Planning and Executing the Refueling and Complex Overhaul of the USS Nimitz. Lessons for the Future.'' RAND Corporation, Santa Monica 2003. ISBN 0-833-03288-7 (engl.) == Weblinks == {{Commonscat|Nimitz class aircraft carriers|Nimitz-Klasse}} * [http://www.navy.mil/navydata/fact_display.asp?cid=4200&tid=200&ct=4 Offizielles Fact-File] (engl.) * [http://www.globalsecurity.org/military/systems/ship/cvn-68.htm Nimitz-Klasse auf globalsecurity.org] (engl.) * [http://www.naval-technology.com/projects/nimitz/ Nimitz-Klasse auf naval-technology.com] (engl.) == Einzelnachweise == <references /> {{Navigationsleiste Flugzeugträger der Nimitz-Klasse}} {{Exzellent|5. Mai 2008|45658681}} [[Kategorie:Militärschiffsklasse (Vereinigte Staaten)]] [[Kategorie:Flugzeugträger der Nimitz-Klasse|!]] [[Kategorie:Flugzeugträgerklasse]] {{Link GA|en}} [[cs:Třída Nimitz]] [[da:Nimitz-klassen (hangarskib)]] [[en:Nimitz class aircraft carrier]] [[es:Clase Nimitz]] [[fi:Nimitz-luokka]] [[fr:Classe Nimitz]] [[he:נושאות המטוסים מסדרת נימיץ]] [[hr:Nosači zrakoplova klase Nimitz]] [[hu:Nimitz-osztály]] [[it:Classe Nimitz (portaerei)]] [[ja:ニミッツ級航空母艦]] [[ko:니미츠급 항공모함]] [[lt:Nimitz klasės lėktuvnešis]] [[ms:Kapal pengangkut pesawat Kelas Nimitz]] [[nl:Nimitzklasse]] [[no:Nimitz-klassen]] [[pl:Lotniskowce typu Nimitz]] [[pnb:نمٹز طیارہ بردار جہاز]] [[pt:Classe Nimitz]] [[ru:Авианосцы типа «Нимиц»]] [[sl:Razred letalonosilk nimitz]] [[sv:Nimitz-klass]] [[th:เรือบรรทุกเครื่องบินชั้นนิมิตซ์]] [[uk:Авіаносці класу «Німіц»]] [[ur:نمٹز کلاس طیارہ بردار جہاز]] [[zh:尼米茲級核動力航空母艦]] 1u9499rdagvpxu6t2ouxzcjg5493v7i wikitext text/x-wiki Nippenburg 0 24007 26605 2010-04-15T20:19:49Z Septembermorgen 0 Ort im LK LB {{Infobox Burg |Name = Nippenburg |Alternativname = |Bild = SchwieberdingenNippenburg.jpg|thumb |Bildbeschreibung = Ruine Nippenburg |Entstehungszeit = 1000 bis 1100 |Typologie n. geo. Lage = Höhenburg, Spornlage |Erhaltungszustand = Ruine |Ständische Stellung = Adlige, Ministeriale |Mauerwerksmerkmale = |Heutiger Ortsname = [[Schwieberdingen]] |Breitengrad = 48.8614 |Längengrad = 9.0583 |Region-ISO = DE-BW |Höhenordinate = 295 |Höhe-Bezug = DE-NN }} Die '''Nippenburg''' ist eine [[Burgruine]] und ein Gehöft südwestlich von [[Schwieberdingen]]. Sie wurde 1160 erstmals urkundlich erwähnt und gilt als die älteste in der [[Region Stuttgart]]. Im 17. Jahrhundert wurde die strategisch günstig auf einem Bergsporn oberhalb des [[Glems (Fluss)|Glemstals]] liegende [[Burg]] verlassen und in unmittelbarer Nähe das [[Herrenhaus (Gebäude)|Herrenhaus]] ''Schloss Nippenburg'' erbaut. In den folgenden Jahrhunderten wurde die Burganlage als Steinbruch benutzt und dem Verfall preisgegeben. Die Reste der Burgruine mit hohen [[Schildmauer]]- und [[Vorburg]]teilen sowie einer massiven [[Scheune|Scheuer]] aus dem Jahr 1483 wurden Anfang der 1980er Jahre konsolidiert. == Geschichte == [[Bild:Ansicht_Nippenburg.png|thumb|350px|Rekonstruktion der Ansicht der Nippenburg im 15. und 16. Jahrhundert<ref>A.K. Koch, in: ''Blätter des Schwäbischen Albvereins.'' Stuttgart 22.1910, Nr.5, S.152. {{ISSN|1438-373X}}</ref>]] Die Nippenburg wurde zu militärischen Zwecken vermutlich im 11. Jahrhundert<ref>Helmut Theurer: ''Die Nippenburg, ihre Geschichte und ihre Geschlechter'', S. 11.</ref> durch ein örtliches Adelsgeschlecht erbaut. Sie gilt als die älteste [[Burgruine]] im Raum [[Stuttgart]]. Erstmals urkundlich erwähnt wurde die [[Burg]] im [[Codex Hirsaugiensis]], der für 1160 eine von einem Berwart ''„unterhalb der Nippenburg“'' erbaute Mühle bezeugt.<ref>Helmut Theurer: ''Die Nippenburg, ihre Geschichte und ihre Geschlechter'', S. 11. Zitiert wird dort das aus dem 12. Jahrhundert stammende Hirsauer Schenkungsbuch ''Codex Hirsaugiensis'' in den ''Württembergischen Geschichtsquellen.'' Bd I. Stuttgart 1887: ''Als 1160 Berwart unterhalb der Nippenburg dem Kloster zugute eine Mühl erbaute''. Der erwähnte Berwart (bzw. Berwardus) war später [[Propst]] des Klosters [[Hirsau]] und wurde 1157 erstmals erwähnt.</ref> Die ursprüngliche Burganlage wurde im Laufe der Zeit mehrere Male erweitert. So stammt der der [[Ringmauer]] vorgelagerte [[Zwinger (Architektur)|Zwinger]] aus der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts. Die [[Vorburg]] mit der heute noch erhaltenen massiven [[Scheune|Scheuer]] wurde gegen Ende des 15. Jahrhunderts errichtet. Aufgrund der neu entwickelten Explosionsgeschosse und dem damit einhergehenden Ersatz von [[Katapult]]en durch [[Mörser (Geschütz)|Mörser]] und [[Kanone]]n konnten die Burganlagen den Bewohnern keinen ausreichenden Schutz mehr bieten. Da man auf den Burgen zudem nur kalt, nass und ungemütlich wohnte, wurden diese mehr und mehr verlassen. Um 1600 wurde daher mit dem Bau des Herrenhauses ''Schloss Nippenburg'' oberhalb der Burganlage begonnen, welches im 18. und 19. Jahrhundert erweitert und verändert wurde. Als Wilhelm, der letzte Ritter zu Nippenburg, das Herrenhaus errichtete, ließ er Steine aus der Burg herausbrechen und verwendete sie als Baumaterial für seinen neuen Herrensitz. Nachdem die Burganlage selbst bis etwa 1700 bewohnt war, wurde sie in den folgenden Jahrhunderten dem Verfall preisgegeben. Zu welchem Zeitpunkt die Burg als Wohn- und Schutzstätte völlig aufgegeben wurde, kann nicht genau festgelegt werden. So deutet eine bei Restaurierungsarbeiten gefundene Ofenplatte aus dem Jahr 1770 darauf hin, dass die Burg auch noch zu einem späteren Zeitpunkt teilweise bewohnt war. Aus einem Schriftwechsel der [[Vogt|Vögte]] aus [[Markgröningen]] und [[Leonberg]], die sich in den Jahren 1647 und 1648 um gut erhaltene Bretter und Balken der Nippenburg stritten, geht allerdings hervor, dass Teile der Gebäude innerhalb der Burg bereits zu dieser Zeit aufgegeben waren und man sich an den übrig gebliebenen Resten der Burg bediente, bis sie schließlich nur noch eine Ruine war. Im Laufe der Zeit überzogen Efeu und Sträucher die Mauerreste. Lediglich die Vorrats- und Lagerräume der Burg wurden noch lange Zeit von den Bewohnern des Herrenhauses genutzt. In den 1960er und 1970er Jahren reifte der Plan, das in desolaten Zustand geratene Gemäuer zu [[Sanierung (Bauwesen)|sanieren]]. Um die Burgruine zu erhalten, wurden von 1979 bis 1984 umfangreiche [[Restaurierung]]smaßnahmen an dem einsturzgefährdeten Gemäuer durchgeführt. Die Kosten hierfür trugen das [[Landesdenkmalamt Baden-Württemberg]], die Gemeinde Schwieberdingen, der heutige Besitzer Graf Leutrum sowie der [[Landkreis Ludwigsburg]]. Heute ist die Burgruine Nippenburg ein beliebtes Ausflugsziel.<ref>Helmut Theurer: ''Die Nippenburg, ihre Geschichte und ihre Geschlechter'', S. 11ff.</ref> == Burgruine Nippenburg == [[Bild:Nippenburg_Ground_Plan.jpg|thumb|350px|Grundriss der Ruine Nippenburg]] Die Burgruine liegt südwestlich von [[Schwieberdingen]] auf einer Anhöhe am Rande des heutigen Schlossgutes Nippenburg. Die auf einem von der [[Glems (Fluss)|Glems]] umflossenen Bergsporn liegende [[Höhenburg]] war an drei Seiten durch Sümpfe und den steil abfallenden Hang geschützt. Dieser war unmittelbar um die Burg einst kahl, denn den Angreifern sollte kein Baum oder Strauch Schutz und Deckung bieten. Gefahr drohte der Burg fast nur von der Ostseite, wo sich der Bergsporn in das offene Gelände fortsetzt. Zum Schutz dagegen errichteten die Burgherren die zum Teil noch heute sichtbare mächtige [[Schildmauer]]. Der sechzehn Meter hohen und drei Meter dicken Mauer war zur Abwehr von Feinden zusätzlich ein südöstlich der Burganlage verlaufender [[Halsgraben]] vorgelagert. Über diesen breiten und einst rund sechs bis acht Meter tiefen Burggraben führte eine steinerne Rundbogenbrücke, die drei Meter vor dem Burgtor endete. Die zwischen Brücke und Burgtor befindliche [[Zugbrücke]] – vermutlich im 15. Jahrhundert durch einen weiteren Steinbrückenbogen ersetzt – konnte bei Gefahr hochgezogen werden. Aufgrund dieses Wehrsystems gewährte die Nippenburg ihren Bewohnern über viele Jahrhunderte Sicherheit und Zuflucht. So ist es nicht überliefert, dass die Nippenburg jemals eingenommen, zerstört oder niedergebrannt wurde. Die Anlage hat zwei [[Vorburg]]en. Die erste, südliche Vorburg mit großer Burgscheune und dem weiten ehemaligen Hofbereich, weist im Westen und Osten die Reste von zwei Burgtoren auf. Die Reste des östlichen Torturms links und rechts des Weges weisen heute noch darauf hin, dass sich zu dieser Seite hin eine gut befestigte Wehranlage mit einem überdachten Wehrgang, der bis hin zur Burgscheuer ging, befand. Hier hielt sich auch die Burgwache auf. [[Bild:Nippenburg_Bergfried_und_Keller.JPG|thumb|left|Ehemaliger Bergfried und Burgkeller]] Neben der großen freien Wiese befindet sich in der südlichen Vorburg ein zum größten Teil in der ursprünglichen Form erhaltenes Wirtschaftsgebäude, die 1483 erbaute gotische Burgscheuer. Unter ihr befindet sich ein außergewöhnlich großer [[Gewölbe]]keller, welcher für die Vorratshaltung besonders bei längeren [[Belagerung]]szeiten lebensnotwendig war. Unter dem Scheunendach befinden sich drei übereinander gebaute Kornböden. Der südliche Vorhof der Burg ist vermutlich mit dem bei der Anlage des Halsgrabens angefallenen Aushub aufgefüllt worden. So entstand eine hohe Stützmauer, die im Süden durch zwei vorgelagerte Mauern zwingerartig umschlossen ist. Das westliche Burgtor führt zum Glemstal hinab. Auch hier lassen sich die ehemaligen Kettenscharten der Zugbrücke erkennen. Dem Weg durch das zweite Burgtor in Richtung Tal folgend, befindet sich rechter Hand ein Mauerzug, der zu einem ehemaligen Wirtschaftshof gehört. An den Innenmauern des Wirtschaftshofes waren unter einem [[Pultdach]] die Stallungen und die Schmiede auf der einen Seite und das [[Gesinde]]haus mit [[Stellmacherei|Wagnerei]] und [[Sattlerei]] auf der anderen Seite untergebracht. Ein Stück weiter stößt man auf die erkennbaren Reste eines früheren [[Wallanlage|Wall]]- und [[Burggraben|Grabensystems]], das nach Westen hin als ein erster Verteidigungsbereich der Burg diente. Auf einem steil abfallenden Fuß- oder Reitweg gelangt man hier an die rund 50 Meter niedriger liegende Glems. [[Bild:Nippenburg004.jpg|thumb|Ruine Nippenburg]] In der westlichen Vorburg, die gegenüber der großen Burgscheune liegt, findet man nur noch die Reste einer [[Zisterne]] und eines einst hohen [[Bergfried]]s mit dem darunter liegenden fünf Meter tiefen [[Verlies]]keller, den man jedoch nicht einsehen kann. Durch die Öffnung des heute nicht mehr vorhandenen inneren Burgtors gelangt man von hier aus in den Burghof der Hauptburg. Hier erhebt sich im östlichen Teil die Rückseite der mächtigen Schildmauer, an die sich zu beiden Seiten eine [[Ringmauer]] anschließt, die in früheren Zeiten den ganzen Burghof umgab. Die Mauer ist heute zumeist noch hüfthoch erhalten, gut gesichert und nur nach Norden hin unterbrochen. Es wird vermutet, dass dort am steilen Hang Mauerteile durch [[Erosion (Geologie)|Erosion]] abgegangen sind. An der Innenseite der alten Ringmauer ist eine Informationstafel mit Grundriss und Geschichte der Nippenburg angebracht. Eine Pforte in der im südlichen Teil hoch aufragenden Ringmauer gibt den Weg zum südöstlichen Zwinger frei. Dieser stellte durch die Vielzahl von Schießscharten einen weiteren wichtigen Verteidigungsbereich dar. In der südöstlichen Ecke des Zwingers stand das 1945 mutwillig zerstörte und im Volksmund ''Käppele'' genannte Wachtürmchen. Der heute noch vollständig erhaltene Ausguck zeugt davon, dass von hier aus der Torwächter die Zugbrücke bediente. Im Burghof selbst befand sich zwischen Bergfried und dem noch erhaltenen Burgkeller die geräumige Küche. Das Deckengewölbe des Burgkellers bildete einst das Fundament für den nur noch bruchstückhaft vorhandenen [[Palas]], welcher, abgesehen von einigen Fenstern und restaurierten Mauern, nur noch wenige Details aufweist. Im Schutze der Schildmauer stand das [[Kemenate]] genannte Frauengemach, an das sich eine kleine Kapelle anschloss. == Herrenhaus Schloss Nippenburg == [[Bild:Nippenburg_Herrenhaus02.JPG|thumb|Herrenhaus Schloss Nippenburg]] Da die Burg ab dem ausgehenden 16. Jahrhundert mehr und mehr ihre ursprüngliche Funktion verlor, entstand in ihrer unmittelbaren Nähe ein repräsentatives Schloss, das 1600 von [[Heinrich Schickhardt]] erbaut, im Jahr 1728 und nochmals im 19. Jahrhundert umgebaut wurde. Zu dem heutigen dreigeschossigen Putzbau in klassischer Gliederung, der als typischer ländlicher Adelssitz gelten kann, gehören ein Wirtschaftshof mit verschiedenen Gebäuden und ein Park. Seit 1951 wird das Schloss wieder von der gräflichen Familie [[Leutrum von Ertingen]], den direkten Nachfahren der Ritter von Nippenburg bewohnt. [[Bild:Nippenburg_Garden01.JPG|thumb|left|Schlosspark Nippenburg]] Im rückwärtigen Bereich des Herrenhauses liegt umzäunt von alten Mauern der etwa zwei Hektar große Schlosspark. Der mehr als 200 Jahre alte Park wurde im Laufe der Jahrhunderte mehrfach umgestaltet. So zeigt die älteste Karte von 1767 schnurgerade [[Obstbaum]]reihen im Bereich der heutigen Parkanlage. Erst am Ende des 18. und im 19. Jahrhundert erfolgte die Umgestaltung zu seiner heutigen Form im Stil eines [[Englischer Landschaftsgarten|englischen Landschaftsgartens]]. Ein englischer Garten soll im Gegensatz zum [[französischer Garten|französischen Barockgarten]] möglichst der Natur nachempfunden sein, bei dem keine geraden Achsen oder strenge geometrische Formen existieren. Entlang der mit feinen Kieselsteinen belegten Wege findet man im Schlosspark inmitten des kurzgeschorenen Rasens mehr als 30 verschiedene Arten, darunter seltene [[Eichen]] und [[Buchen]], [[Mammutbäume]], [[Trompetenbaum|Trompeten-]], [[Tulpenbaum|Tulpen-]] und [[Ginkgo]]-Bäume, sowie einige wie Einsprengsel wirkende [[Rosen]]beete und [[Blume]]nrabatten. Eine botanische Besonderheit ist ein [[Urweltmammutbaum]] (''Metasequoia''). Diese laubabwerfende Nadelbaumart wurde erst 1941 in [[China]] entdeckt und war vorher nur aus [[Fossil|fossilen]] Funden bekannt. Der Schlosspark ist wie das Herrenhaus selbst in Privatbesitz der Familie zu Ertingen und nicht für die Öffentlichkeit zugänglich. Zum [[Tag des offenen Denkmals]] am 10. September 2006, der unter dem Motto ''Rasen, Rosen und Rabatten&nbsp;– Historische Gärten und Parks'' stand, bot der Heimat- und Kulturkreis Schwieberdingen Führungen durch den sonst versperrten Garten an. == Bewohner der Nippenburg == [[Bild:Nippenburg Wappen.png|thumb|Wappen der Ritter von Nippenburg]] Erbaut wurde die Nippenburg als Stammsitz des hier ansässigen gleichnamigen [[Adelsgeschlecht]]s. Woher der Name des Geschlechts stammt, ist nicht geklärt. Es wird jedoch vermutet, dass der Name auf einen alemannischen Stammesfürsten namens ''Nippo'' zurückzuführen ist. Erstmals urkundlich erwähnt wird das Geschlecht der Herren von Nippenburg 1273, als ein ''Fridericus de Nippenburc'' als Zeuge in einer Urkunde des [[Pfalzgraf]]en Ulrich von [[Tübingen]] auftrat.<ref>Helmut Theurer: ''Die Nippenburg, ihre Geschichte und ihre Geschlechter'', S. 18.</ref> Doch begegnet man ihrem Namen in einer Quelle aus dem Jahr 1662 auch schon für einen wesentlich früheren Zeitraum, da dort von einem Ritter ''Wilhelmus de Nippenburg'' die Rede ist, der im Jahr 948 den Reiterspielen in Konstanz am Bodensee beigewohnt haben soll.<ref>Helmut Theurer: ''Die Nippenburg, ihre Geschichte und ihre Geschlechter'', S. 17. Die Quelle ist das 1662 von Gabriel Bucelin verfasste Werk ''Germania topo-chrono-stemmograpica,'' Teil II, in dem es heißt: ''Wilhelmus de Nippenburg in Ludis Equestribus Constantiæ ad Rhenum & lacum Potamicum celebratis anno 948'' (Übersetzt: ''Wilhelm von Nippenburg bei den Reiterspielen, die im Jahr 948 in Konstanz am Rhein und Bodensee gefeiert wurden'').</ref> Die Nippenburger waren zunächst als [[Ministeriale|Dienstmannen]] dem einstigen Grafen von [[Asperg]], einem Zweig der [[Pfalzgrafschaft Tübingen|Pfalzgrafen von Tübingen]], ab 1308 dann den [[württemberg]]ischen Landes- und [[Lehnsherr]]en verbunden.<ref>Helmut Theurer: ''Die Nippenburg, ihre Geschichte und ihre Geschlechter'', S. 18</ref> Einzelne Mitglieder des weit verzweigten Familienstamms erschienen im Laufe der Geschichte jedoch auch als badische sowie hohenlohesche [[Vasalle]]n. Im 14. Jahrhundert hatten die Herren von Nippenburg bereits an sehr vielen Orten Rechte und Besitz, der sich im Laufe des 15. Jahrhunderts erweiterte. Ihre Ländereien lagen im weiträumigen Gebiet, das vom [[Korngäu]] und [[Schönbuch]] im Süden bis ins [[Zabergäu]] im Norden, sowie vom [[Pforzheim]]er Raum im Westen bis ins [[Remstal]] im Osten reichte. Zeitweise hatte ihnen auch die Burg [[Ingersheim (Neckar)|Kleiningersheim]], der Burgstall [[Ditzingen]] und die Feste Bromberg im [[Kirbach]]tal gehört. 1488 traten die Ritter von Nippenburg aufgrund einer kaiserlichen Aufforderung dem [[Schwäbischer Bund|Schwäbischen Bund]] bei, der aus dem Zusammenschluss der Rittergesellschaft [[Sankt Jörgenschild|Sankt Georgenschild]] und einigen Reichsstädten entstand.<ref>Willi Müller: ''Schwieberdingen, das Dorf an der Straße. Grundriß einer Ortsgeschichte'', S. 49</ref> Da der Bund dem Reich unmittelbar unterstand, erlangten sie durch den Beitritt größere Unabhängigkeit von ihrem Landesherrn. Neben dem Ausbau und der Festigung ihrer weltlichen Macht waren die Herren von Nippenburg auch bestrebt, kirchliche Macht zu erlangen. So war ''Fritz von Nippenburg'' 1306 der erste namentlich bekannte [[Kirchenpatronat|Kirchherr]] der Georgskirche im nahe gelegenen [[Schwieberdingen]] und besaß dadurch Mitspracherechte bei der Vergabe der kirchlichen Ämter. Als Ortsherren von Schwieberdingen traten die Nippenburger auch als Bauherren auf. 1489 begann die Arbeit am Schiff der Georgskirche, 1495 der Bau des Chors. Zudem sind auch der Bau des Wasserschlosses 1508 und der Schlossscheuer 1565 auf die Herren von Nippenburg zurückzuführen. Als einziger seines Geschlechts stieg der 1458 geborene ''Philipp von Nippenburg'' auch in höchste Staatsämter auf. 1498 wurde er in die württembergische Regierung berufen. 1501 war er bereits herzoglich württembergischer [[Hofmeister]]. Während der Zeit des [[Armer Konrad|Armen Konrad]] war er einer der wichtigsten Berater an der Seite von Herzog [[Ulrich (Württemberg)|Ulrich von Württemberg]], der ihn daraufhin im Jahr 1515 mit dem [[Erbamt|Erbschenkenamt]] im Herzogtum Württemberg belehnte. Das Wappen der Nippenburger, zuvor ein geöffneter Adlerflug auf blauem Grund, wurde von da an um den Schenkenbecher erweitert. Das Jahr 1518 brachte für ''Phillip von Nippenburg'' einen weiteren Aufstieg. Er wurde zum württembergischen Landhofmeister ernannt und übernahm zusammen mit dem rechtskundigen Kanzler die Regierungsgeschäfte.<ref>Willi Müller: ''Schwieberdingen, das Dorf an der Straße. Grundriß einer Ortsgeschichte'', S. 60 f.</ref> <ref>Helmut Theurer: ''Die Nippenburg, ihre Geschichte und ihre Geschlechter'', S. 28 ff.</ref> In dieser Zeit waren die Nippenburger auf dem Höhepunkt ihrer wirtschaftlichen und politischen Macht. Mit Beginn des 17. Jahrhunderts ist ein Rückgang des nippenburgischen Besitzes, der seine größte territoriale Ausdehnung gegen Ende des 15. Jahrhunderts erreicht hatte, zu beobachten. Zurückzuführen ist dies vor allem darauf, dass nach dem Ab- und Aussterben von Nippenburger Seitenlinien die Ländereien an andere Ritterfamilien vererbt wurden. Von da an konzentrierte sich der Besitz der Herren von Nippenburg überwiegend um [[Hemmingen (Württemberg)|Hemmingen]], [[Schöckingen]], [[Schwieberdingen]] und [[Markgröningen#Unterriexingen|Unterriexingen]]. Nachdem das Geschlecht der [[Ritter]] von Nippenburg in Schwieberdingen 1609 mit dem Tod des letzten Erbschenken ''Wilhelm von Nippenburg'' ausgestorben war, gelangten Burg und Gut 1611 durch die Heirat von ''Anna Benedikta von Nippenburg'' und des ''Freiherrn Johann Heinrich von Stockheim'' an das Haus Stockheim. Der männliche Stamm der Nippenburger außerhalb Schwieberdingens starb mit dem Tod von ''Ludwig von Nippenburg'' im Jahr 1646 ab. Name und Wappen der Nippenburger lebten als Beiname im gräflichen Geschlecht Bissingen-Nippenburg fort, da ''Johann Friedrich von Bissingen'' 1646 ''Kunigunde von Nippenburg'' geheiratet und das nippenburgische Stammeigentum übernommen hatte. Der damalige Sitz der Grafen von Bissingen und Nippenburg, die Burg [[Hohenschramberg]] wird daher heute teilweise ebenfalls ''Nippenburg'' genannt. Der weiblichen Stamm des Geschlechts von Nippenburg überlebte noch bis Ende des 17. Jahrhunderts. Als ''„die letzte ihres Stammes und Namens“'', wie es auf ihrem Grabstein in [[Böblingen]] steht, starb ''Ursula Margaretha [[Truchsess]] von [[Höfingen]], geborene von Nippenburg'' im Jahr 1696.<ref>Willi Müller: ''Schwieberdingen, das Dorf an der Straße, Grundriß einer Ortsgeschichte'', S. 65 f.</ref> Durch ''Friederieke Julianne von Stockheim'', die Enkeltochter von ''Anna Benedikta von Nippenburg'', die Burg und Gut 1685 als Mitgift in die Ehe mit dem Grafen ''Ernst Ludwig Leutrum von Ertingen'' einbrachte, kam das Anwesen in den Familienbesitz der [[Leutrum von Ertingen|Grafen Leutrum]], denen Burg und Schloss und Gut heute noch gehören. == Sagen und Legenden == Wie um viele mittelalterliche Burgen ranken sich auch um die Nippenburg einige [[Sage]]n und [[Legende]]n. So sollen einst im sumpfigen Gelände der Niederungen des Glemstals unterhalb der Nippenburg bei einer Schlacht sämtliche Krieger im Moor versunken sein. Lange Zeit danach lebte auf der Nippenburg ein Ritter, der eine einzige Tochter hatte. Der Ritter ''Christoph von Hemmingen'' warb um sie. Einmal kehrte die Braut erst spät in der Nacht heim. In der Dunkelheit kam sie vom Weg ab und geriet ins Moor. Niemand hörte ihre Hilferufe, und sie versank im Moor. Als man sie am nächsten Tag suchte, fand man nur noch ein Tüchlein von ihr. Um seinen großen Schmerz zu vergessen und nicht fortwährend an das schlimme Unglück erinnert zu werden, zog der Bräutigam mit dem Kaiser in den Krieg. Doch auch im Kriegsgeschehen konnte er seine junge Braut und ihr schmerzliches Ende nicht vergessen. In seiner Heimat hörte man nichts mehr von ihm. Nach seinem Kriegsdienst soll er in ein Kloster eingetreten sein, in dem er viele Jahre lebte und sich der [[Naturheilkunde]] widmete. Alt geworden zog es ihn wieder an den Ort seiner einstigen großen Liebe zurück, und als unterhalb der Nippenburg ein Mönch dort eine Hütte baute und sich niederließ, erkannte niemand mehr den einstigen Jüngling, denn viele Jahrzehnte waren ins Land gezogen und auf der Nippenburg und in Hemmingen gab es nur noch wenige Leute, die sich an das Unglück von damals erinnern konnten. Bald hat es sich in der Gegend herumgesprochen, dass unterhalb der Nippenburg ein alter Mönch lebte, der Tag und Nacht betete. Er sammelte Gräser, Kräuter und Wurzeln und verteilte sie an Kranke, die Heilung für allerlei Krankheiten erbaten. Sie brachten ihm Speise und Trank und verehrten ihn als einen Heiligen. Auch halfen sie ihm, ein Kirchlein zu bauen. So vergingen die Jahre, und als eines morgens wieder einmal Hilfesuchende an seine Tür klopften, blieb es still: Der alte Mann lag tot in seiner Hütte. Als die herbeigerufenen Männer ihn auf eine Bahre legten, kam unter seiner Kutte ein goldenes Kreuz hervor. Darauf stand auf der einen Seite: ''„Ritter Christoph von Hemmingen“'' und auf der anderen: ''„Die Liebe höret nimmer auf“''. Der Ort unterhalb der Nippenburg wird heute noch das ''Moorkirchle'' genannt.<ref>Helmut Theurer: ''Die Nippenburg, ihre Geschichte und ihre Geschlechter'', S. 124.</ref> Auch wird die Nippenburg mit allerhand Geistergeschichten in Verbindung gebracht. So wird erzählt, dass ein Graf namens Hans dort sein Vermögen vergraben hatte und es nach seinem Tod weiterhin hüte. In früheren Zeiten wurde zudem berichtet, dass am Schwieberdinger Steinbruch des Öfteren ein [[Kopfloser Reiter|Reiter ohne Kopf]] zu sehen war, dessen Pferden von Geistern Zöpfe in Schwanz und Mähne geflochten wurden.<ref>Klaus Graf: ''Sagen rund um Stuttgart'', S. 86.</ref> Ferner werden Geschichten über das ''Käppele'', das so genannte alte Wachttürmchen der Nippenburg erzählt. So soll der Weg nach Schwieberdingen in der Nacht gemieden werden, da hier der ''Käppelesgeist'' nachts von der Nippenburg nach Schwieberdingen hinuntergeht.<ref>Fritz Münch: ''Die Flurnamen der Gemeinde Schwieberdingen'', S. 123.</ref> == Golfanlage Schloss Nippenburg == [[Bild:Golfplatz_Schloss_Nippenburg.JPG|thumb|Golfanlage Schloss Nippenburg mit Clubhaus]] In direkter Nachbarschaft zum Nippenburger Herrenhaus liegt die 18-Loch-[[Golfanlage Schloss Nippenburg]]. Das 90 Hektar große, einst landwirtschaftlich genutzte Gelände wurde 1995 zu einem modernen Golfplatz umgestaltet. Für die Planung des 6.154 Meter langen bei [[Golf (Sport)#Par|Par]] 71 liegenden Course war der deutsche Spitzengolfer [[Bernhard Langer (Golfer)|Bernhard Langer]] verantwortlich. Neben dem 18-Loch-Hauptplatz existiert eine Übungsanlage mit Driving Range, Putting- und Chipping-Greens sowie drei Übungsbunkern. Weltweit bekannt wurde die Golfanlage Schloss Nippenburg durch die von 1995 bis 1997 hier ausgetragenen [[German Open (Golf)|German Open]]. In die Gewinnerliste der jeweils mit knapp zwei Millionen Mark dotierten Turniere trugen sich 1995 der Schotte [[Colin Montgomerie]], 1996 der Waliser [[Ian Woosnam]] sowie 1997 der Spanier [[Ignacio Garrido]] ein. == Quellenangaben == <div class="references-small" style="-moz-column-count:2; column-count:2;"> <references /></div> == Literatur == * Helmut Theurer: ''Die Nippenburg, ihre Geschichte und ihre Geschlechter.'' K.M. Leutrum von Ertingen, Schwieberdingen 1998. * Wilfried Pfefferkorn: ''Oberer Neckar mit Stuttgart und Umgebung''. In: ''Burgen unseres Landes. Band 2''. J. Fink, Stuttgart 1973. ISBN 3-7718-0156-7 * Max Miller, Gerhard Taddey: ''Baden-Württemberg.'' Handbuch der historischen Stätten Deutschlands. Bd 6. Kröner, Stuttgart 1965, 1980. ISBN 3-520-27602-X * Willi Müller: ''Schwieberdingen, das Dorf an der Straße. Grundriß einer Ortsgeschichte.'' Ungeheuer & Ulmer, Ludwigsburg 1961. * Klaus Graf: ''Sagen rund um Stuttgart.'' Braun, Karlsruhe 1995. ISBN 3-7650-8145-0 == Siehe auch == * [[Liste der Burgen und Schlösser in Baden-Württemberg]] == Weblinks == {{Commons|Nippenburg}} * [http://www.schwieberdingen.de/servlet/PB/menu/1190728/index.html Die Nippenburg auf der Homepage der Gemeinde Schwieberdingen] * [http://www.burgenwelt.de/nippenburg/ Die Nippenburg auf www.burgenwelt.de] * [http://www.schlossnippenburg.de Homepage der Golfanlage Schloss Nippenburg] [[Kategorie:Burgruine im Landkreis Ludwigsburg]] [[Kategorie:Schwieberdingen]] [[Kategorie:Ort im Landkreis Ludwigsburg]] {{Exzellent}} [[en:Nippenburg]] 898vahphwsrpev0pg3wenuzcfbc47h1 wikitext text/x-wiki Nolana 0 24008 26606 2010-02-21T09:22:20Z CactusBot 0 Bot: Systematik entsprechend [[Wikipedia:WikiProjekt Pflanzensystematik/Systematik|zentraler Definitionsseite]] <!-- Für Informationen zum Umgang mit dieser Tabelle siehe bitte [[Wikipedia:Taxoboxen]]. --> {{Taxobox | Taxon_WissName = Nolana | Taxon_Rang = Gattung | Taxon_Autor = [[Carl von Linné (Sohn)|L.f.]] | Taxon2_Name = Nachtschattengewächse | Taxon2_WissName = Solanaceae | Taxon2_Rang = Familie | Taxon3_Name = Nachtschattenartige | Taxon3_WissName = Solanales | Taxon3_Rang = Ordnung | Taxon4_Name = Euasteriden I | Taxon4_Rang = ohne | Taxon5_Name = Asteriden | Taxon5_Rang = ohne | Taxon6_Name = Kerneudikotyledonen | Taxon6_Rang = ohne | Bild = Nolana coelestis 2.jpg | Bildbeschreibung = ''Nolana coelestis'' }} '''''Nolana''''' ist eine [[Gattung (Biologie)|Gattung]] aus der [[Familie (Biologie)|Familie]] der [[Nachtschattengewächse]] (Solanaceae). Mit 89 Arten gehört sie neben den Gattungen [[Nachtschatten]] (''Solanum'', über 1000 Arten), ''[[Lycianthes]]'' (etwa 200 Arten), [[Hammersträucher]] (''Cestrum'', etwa 175 Arten), [[Bocksdorne]] (''Lycium'', etwa 83 Arten) und [[Tabak]] (''Nicotiana'', etwa 75 Arten) mit zu den artenreichsten innerhalb der Familie. Ihr Vorkommen beschränkt sich auf Gebiete in Peru und Chile, eine Art ist auf den [[Galápagos-Inseln]] [[Endemit|endemisch]], kommt also nur dort vor. Vor allem aufgrund der fünfzähligen [[Fruchtknoten]] und der daraus entstehenden Sammelfrüchte, die sonst innerhalb der Nachtschattengewächse nicht auftreten, war ihre taxonomische Einordnung lange Zeit umstritten. == Beschreibung == === Vegetative Merkmale === [[Datei:Nolana galapagensis.jpg|thumb|''Nolana galapagensis'', eine der Arten mit sukkulenten Blättern]] Die ''Nolana''-Arten sind niedrige oder niederliegend wachsende [[Einjährige Pflanze|einjährige]] oder [[Ausdauernde Pflanze|ausdauernde]] [[krautige Pflanze]]n oder verholzende sowie halb-verholzende [[Strauch|Sträucher]]. Sie besitzen eine [[Rübe]]nwurzel. Oftmals sind die Pflanzen mehr oder weniger [[Sukkulente|sukkulent]]. Die [[Sprossachse]] wächst aufrecht, aufsteigend, niederliegend oder aufliegend, sie ist unbehaart bis filzig behaart. Im Querschnitt sind Wachstumsringe erkennbar. In Phasen extremer Trockenheit stellen die Pflanzen ihr Wachstum fast vollständig ein. Werden sie jedoch gleichmäßig mit ausreichend Wasser versorgt, bilden viele der [[Rosette (Botanik)|rosettenbildenden]] Arten einen verlängerten Mittelspross aus, der in einer weiteren Blattrosette endet. Auf diese Weise können sich die Pflanzen mattenartig auf einer Fläche von mehreren Metern Durchmesser ausbreiten. Die [[Blatt (Pflanze)|Laubblätter]] sind einfach und [[nebenblatt]]los, können [[Blattstiel|gestielt]] oder aufsitzend sein. Sie bilden eine Rosette und/oder sind stängelständig. Sie sind wechselständig, allerdings beinahe gegenständig bis büschelig angeordnet. Die [[Blattspreite]]n sind ganzrandig, fleischig, [[Blatt (Pflanze)#Einteilung nach anatomischen Gesichtspunkten|dorsiventral]], eiförmig bis linealisch oder spatelförmig, gelegentlich läuft die Blattbasis ungleichmäßig an den Sprossachsen herab. Die größten Blätter besitzt die Art ''[[Nolana rupicola]]'' mit bis zu 15&nbsp;cm langen und 10&nbsp;cm breiten Blättern. In einigen Fällen sind die [[Blattspreite]]n stark reduziert und nur noch rund und linealisch ausgebildet, dann nur 1 bis 5&nbsp;mm lang und 1&nbsp;mm im Durchmesser. Diese reduzierten Blätter sind oft dicht mit einfachen bis sternförmigen oder verzweigten [[Trichom]]en besetzt, die manchmal drüsige Spitzen ausbilden. Gelegentlich sind einige dieser Spitzen stark ausgeprägte Salzdrüsen.<ref name="NolanaFGVP">Michael O. Dillon: ''Nolanaceae''. In: K. Kubitzki (Hrsg.) ''The Families and Genera of Vascular Plants''. Volume ??. Springer Verlag, Berlin 200x. Vorab veröffentlichtes Manuskript von [http://www.sacha.org/famil/nolana/FGVP_Nolana.htm www.sacha.org].</ref> === Blüten und Blütenstände === [[Datei:Nolana leptophylla.jpg|thumb|Blüten von ''Nolana leptophylla'']] [[Datei:Nolana volcanica.jpg|thumb|Blüten von ''Nolana volcanica'']] Einige Arten der Gattung blühen bereits sehr jung, wenn die Pflanzengröße nur wenige Zentimeter beträgt. Die auffälligsten Blüten treten im Artenkomplex um ''[[Nolana acuminata]]'' (entspricht Klade A, vergleiche [[#Interne Systematik|Interne Systematik]]) mit Durchmessern von 3 bis 5&nbsp;cm auf<ref name="Dillon07c" />. Die [[Blüte]]n stehen typischerweise einzeln in den Blattachseln, nur selten werden an aufsteigenden, modifizierten Zweigen [[Traube|traubige]] [[Blütenstand|Blütenstände]] ausgebildet, in denen jede Blüte aus der Achsel eines kreisförmigen [[Tragblatt]]s entspringt. Die fünfzähligen, [[radiärsymmetrisch]]en bis [[zygomorph]]en Blüten sind zweigeschlechtig. Sind die Blüten zygomorph, können sowohl Blütenhülle als auch das [[Androeceum]] (die Gesamtheit aller [[Staubblatt|Staubblätter]]) oder auch nur das Androeceum asymmetrisch sein. Die fünf [[Kelchblatt|Kelchblätter]] sind gleich oder ungleich geformt, miteinander verwachsen und regelmäßig bis beinahe zweilippig. Selten sind sie zu einer ungelappten Röhre reduziert. Der Kelch bleibt an der Frucht bestehen und umschließt diese. Die [[Kronblatt|Krone]] ist trichterförmig, glockenförmig oder röhrenförmig, seltener auch fast urnenförmig oder stieltellerförmig. Die fünf verwachsenen Kronblätter sind gleichgestaltig und zwischen den Kronlappen gefaltet, regelmäßig oder beinahe zweilippig geformt. Sie sind blau, violett, lavendelfarben oder weiß, der Kronsaum ist an der Basis dunkelviolett oder weiß und kann blassgelbe, weiße oder grüne Streifen aufweisen. Die fünf Staubblätter stehen vor den Kelchblättern. Drei der Staubblätter haben längere [[Staubfaden|Staubfäden]] als die anderen beiden Staubblätter. Die Staubfäden sind an der Basis miteinander verwachsen und oftmals behaart. Die [[Staubbeutel]] öffnen sich über nach innen gerichtete Längsschlitze. Aus ihnen tritt der [[Pollen]] in Form von einzelnen, blauen oder weißen, dreifurchigen Pollenkörnern aus. Der [[Blütenboden]] ist eine hochstehende, kreisförmige, gekerbte oder gelappte Scheibe, aus der [[Nektar (Botanik)|Nektar]] abgesondert wird. Der [[Fruchtknoten]] besteht aus fünf verwachsenen [[Fruchtblatt|Fruchtblättern]]. Der [[Griffel (Botanik)|Griffel]] ist in der Untergattung ''Alona'' endständig, in der Untergattung ''Nolana'' steht er auf dem Fruchtknotenwulst (gynobasisch). Die [[Narbe (Botanik)|Narbe]] ist köpfchenförmig und feucht.<ref name="NolanaFGVP" /> === Früchte und Samen === Die Früchte der ''Nolana'' werden entwicklungsgeschichtlich als abgeleitete [[Beere]]n interpretiert.<ref name="Knapp02">Sandra Knapp: ''Tobacco to tomatoes: a phylogenetic perspective on fruit diversity in the Solanaceae.'' In: ''Journal of Experimental Botany'', Band 53, Nummer 377, Oktober 2002. S. 2001–2022. {{DOI|10.1093/jxb/erf068}}</ref> In der Untergattung ''Alona'' sind die Fruchtblätter zu einem meist fünfkammerigen (aber auch drei- bis sechskammerigen) Fruchtknoten vereint. Die [[Plazenta (Botanik)|Plazentation]] ist dabei basal-axial, der Fruchtknoten entwickelt sich zu einer trockenen Frucht aus fünf (beziehungsweise drei bis sechs) mehrsamigen Teilfrüchten. In der Untergattung ''Nolana'' hingegen sind die Fruchtblätter stark gelappt, wobei sich in jedem Lappen meist eine [[Samenanlage]] befindet. Der Fruchtknoten entwickelt sich hierbei in eine trockene Frucht, die aus bis zu 30 meist einsamigen Teilfrüchten besteht. In den [[Samen (Pflanze)|Samen]] befindet sich ein gebogener oder geschraubter [[Embryo (Pflanze)|Embryo]].<ref name="NolanaFGVP" /> === Weitere Merkmale === Die [[Chromosom#Nicht-diploide Zahl von Chromosomensätzen|Basischromosomenzahl]] ist x=12. In [[Pflanzenchemie|pflanzenchemischen]] Untersuchungen wurden in den Pflanzen [[Flavonoide|Hydroxyflavonole]], [[Quercetin]] und [[Kaempferol]] nachgewiesen, Stoffe, die auch in anderen Nachtschattengewächsen vorkommen. Weiterhin wurden [[Terpene#Diterpene|Diterpenoide]] und [[Terpene#Sesquiterpene|Sesquiterpenoide]] gefunden.<ref name="NolanaFGVP" /> == Verbreitung und Standorte == Die Arten der Gattung ''Nolana'' haben ihre Verbreitungsgebiete zwischen dem nördlichen [[Peru]] und dem Süden [[Chile]]s, nur ''[[Nolana galapagensis]]'' ist auf den [[Galápagos-Inseln]] [[Endemit|endemisch]]. Die meisten Arten besitzen ein recht kleines [[Verbreitungsgebiet|Areal]], mit ''[[Nolana adansonii]]'', ''[[Nolana gracillima]]'', ''[[Nolana lycioides]]'' und ''[[Nolana jaffuelii]]'' sind nur vier Arten in einem größeren Verbreitungsgebiet zwischen dem südlichen Peru und dem nördlichen Chile beheimatet. Es können zwei besonders artenreiche Zentren unterschieden werden: Eines im südperuanischen Departement [[Arequipa (Region)|Arequipa]], das andere im Norden Chiles zwischen [[Región de Antofagasta|Antofagasta]] und [[Región de Atacama|Atacama]]. Die meisten Arten sind prägende Bestandteile der sogenannten [[Lomas-Formation]]en – küstennahe, extrem trockene Gebiete, die bis in eine Höhe von 1000&nbsp;m reichen. Die Formationen erstrecken sich zwischen 5 und 30° [[Breitengrad|südlicher Breite]] über eine Länge von 3500&nbsp;km und werden nur gelegentlich durch Flusstäler unterbrochen. An einigen Stellen sind die Gebiete nur 25&nbsp;km breit. Die [[Vegetation]] dieser Formationen ist vor allen von der Feuchtigkeit abhängig, die durch Nebel vom Ozean dorthin gelangt. Zudem ist eine starke Verbindung mit dem Auftreten des [[El Niño|El-Niño-Phänomens]] zu beobachten. Durch die erhöhte Feuchtigkeit, die während dieser Phasen vorhanden ist, verwandeln sich die sonst wüstenartigen Gebiete in dicht bewachsene Landschaften. Die größte Artenvielfalt der Gattung hat sich nur wenige Kilometer von der [[Pazifischer Ozean|Pazifikküste]] in Höhenlagen zwischen 50 und 600&nbsp;m entwickelt. Nur wenige ''Nolana''-Arten wachsen auch im Landesinneren oder in Höhen bis 4000&nbsp;m.<ref name="Dillon03">Michael O. Dillon: ''[http://www.sacha.org/Solanaceae/Lomas_Solanaceae.pdf The Solanaceae Of The Lomas Formations of Costal Peru and Chile].'' In: V. Hollowell, T. Keating, W. Lewis, T. Croat (Hrsg.): ''Solanaceae: William G. D’Arcy Memorial'', Monographs in Systematic Botany from the Missouri Botanical Garden, 2004. S. 131–156.</ref><ref name="Freyre05">Rosanna Freyre, Amy C. Douglas, Michael O. Dillon: ''[http://www.sacha.org/famil/nolana/NolanaChileHortsci05.pdf Artificial Hybridizations in Five Species of Chilean Nolana (Solanaceae)].'' In: ''HortScience'', Volume 40, Heft 3, 2005. S. 532–536.</ref><ref name="Dillon07" /> == Ökologie == Standortbeobachtungen zeigten, dass die Blüten von einer Vielzahl von Bestäubern besucht werden, darunter [[Käfer]], [[Schmetterlinge]], [[Fliegen]], [[Ameisen]] und [[Echte Wespen|Wespen]]. Die Käfergattung ''[[Epicante]]'' ernährt sich ausschließlich von ''Nolana''-Kronen. Vermutlich fungieren diese Käfer auch als Bestäuber. Des Weiteren wurden verschiedene [[Thripidae]] in den Blüten beobachtet. Die [[Ausbreitungsmechanismen von Pflanzen|Ausbreitungsmechanismen]] der Samen sind bisher noch nicht umfassend untersucht worden. Es wird angenommen, dass [[Vögel]] an der Ausbreitung beteiligt sind, auch wurden in den Ausscheidungen von Nagetieren Früchte gefunden.<ref name="NolanaFGVP" /> == Systematik == === Externe Systematik === Obwohl ''Nolana'' aufgrund ihrer außergewöhnlichen Blüten und Früchte von einigen Autoren aus den [[Nachtschattengewächse]]n (Solanaceae) ausgeschlossen wurde (so beispielsweise Hunziker (2001)<ref name="Hunziker01" />), zeigten bereits relativ frühe [[Molekularbiologie|molekularbiologische]] Untersuchungen eine nahe Verwandtschaft zu den [[Bocksdorne]]n (''Lycium'')<ref name="Olmstead92">Richard G. Olmstead und Jeffrey D. Palmer: ''[http://depts.washington.edu/phylo/OlmsteadPubs/OlmsteadPalmer1992AMBG.pdf A chloroplast DNA phylogeny of the Solanaceae: Subfamilial relationships and character evolution].'' In: ''Annals of the Missouri Botanical Garden'', Volume 89, 1992. S. 346−360.</ref>. In der 2007 von [[Richard Olmstead]] und [[Lynn Bohs]] veröffentlichten, verschiedene [[Phylogenese|phylogenetische]] Untersuchungen zusammenfassenden [[Systematik der Nachtschattengewächse]] wird die Gattung neben den Bocksdornen und der Gattung ''[[Sclerophylax]]'' in eine Gruppe ohne Rang namens „Lyciina“ eingeordnet. Zusammen mit der [[Tribus (Biologie)|Tribus]] Hyoscyameae und den Gattungen ''[[Jaborosa]]'' und ''[[Latua]]'' bilden sie eine ebenfalls ranglose Gruppe namens „Atropina“, welche innerhalb der Unterfamilie Solanoideae platziert ist.<ref name="Olmstead07">Richard G. Olmstead und Lynn Bohs: ''A Summary of Molecular Systematic Research in Solanaceae: 1982-2006''. In: D.M. Spooner et al. (Hrsg.): ''Solanaceae VI: Genomics Meets Biodiversity'', ISHS Acta Horticulturae 745, Juni 2007. ISBN 978-90-6605-427-1. S. 255−268.</ref> === Interne Systematik === Gelegentlich wird die Gattung in die zwei Untergattungen ''Nolana'' und ''Alona'' unterteilt, vor allem ältere Bearbeitungen sehen in den Gruppen auch eigenständige Gattungen. Sie unterscheiden sich vor allem durch Eigenschaften der Früchte<ref name="FloraPeru">J. Francis Macbride: ''Nolanaceae''. In: ''Flora of Peru'', Field Museum of History, Botany Series, Volume XIII, Teil V, Nummer 2, 1960. S. 829–854.</ref>. Phylogenetische Untersuchungen von 63 der 89 derzeit anerkannten Arten durch Dillon et al. (2007) ergaben jedoch keine deutliche Unterstützung für diese Gliederung. Eine Gruppe von Arten innerhalb der ''Nolana'', die zuvor zum Teil als ''Sorema'' Lindl. aus der Gattung ausgegliedert wurden, könnte eventuell den Status einer Untergattung erhalten. Die phylogenetischen Untersuchungen von Dillon et al. ergaben, dass die Gattung selbst [[monophyletisch]] ist und wiederum in drei monophyletische Gruppen gegliedert ist, wovon eine aus der Art ''[[Nolana sessiliflora]]'' besteht und als basales Schwestertaxon zur restlichen Gattung steht. Die beiden anderen Gruppen werden von Dillon et al. als [[Kladistik|Klade]] I und II bezeichnet: ┌── Klade I ┌──┤ │ └── Klade II ──┤ └───── ''Nolana sessiliflora'' Innerhalb der Kladen I und II konnten insgesamt acht weitere monophyletische, mit A bis H bezeichnete Unterkladen identifiziert werden, deren Stellung innerhalb der Kladen jedoch nicht vollständig geklärt werden konnte. Innerhalb der Klade II konnte ''[[Nolana tarapacana]]'' keiner Klade zugeordnet werden. Ein untersuchtes Individuum von ''Nolana peruviana'' wurde unerwartet in Klade H eingeordnet, andere jedoch erwartungsgemäß in Klade F.<ref name="Dillon07">Michael O. Dillon et al.: ''Phylogeny of Nolana (Nolaneae, Solanoideae, Solanaceae) as inferred from granule-bound starch synthase I (GBSSI) sequences''. In: ''Taxon'', Volume 56, Nummer 4, November 2007. S. 1000−1011.</ref> Die fünf Unterkladen unterhalb von Klade I werden gebildet von: ; Klade A: ''[[Nolana acuminata]]'', ''[[Nolana baccata]]'', ''[[Nolana elegans]]'', ''[[Nolana paradoxa]]'', ''[[Nolana parviflora]]'', ''[[Nolana pterocarpa]]'', ''[[Nolana reichei]]'', ''[[Nolana rupicola]]'' ; Klade B: ''[[Nolana aticoana]]'', ''[[Nolana chancoana]]'', ''[[Nolana chapiensis]]'', ''[[Nolana humifusa]]'', ''[[Nolana inflata]]'', ''[[Nolana laxa]]'', ''[[Nolana lezamae]]'', ''[[Nolana plicata]]'', ''[[Nolana scaposa]]'', ''[[Nolana spathulata]]'', ''[[Nolana urubambae]]'', ''[[Nolana weissiana]]'' ; Klade C: ''[[Nolana carnosa]]'', ''[[Nolana coelestis]]'', ''[[Nolana filifolia]]'', ''[[Nolana rostrata]]'' ; Klade D: ''[[Nolana balsamiflua]]'', ''[[Nolana linearilifolia]]'', ''[[Nolana stenophylla]]'' ; Klade E: ''[[Nolana adansonii]]'', ''[[Nolana arenicola]]'', ''[[Nolana galapagensis]]'' Die drei Unterkladen unterhalb von Klade II werden gebildet von: ; Klade F: ''[[Nolana albescens]]'', ''[[Nolana aplocaryoides]]'', ''[[Nolana clivicola]]'', ''[[Nolana diffusa]]'', ''[[Nolana flaccida]]'', ''[[Nolana lachimbensis]]'', ''[[Nolana leptophylla]]'', ''[[Nolana mollis]]'', ''[[Nolana onoana]]'', ''[[Nolana peruviana]]'', ''[[Nolana ramosissima]]'', ''[[Nolana salsoloides]]'', ''[[Nolana sedifolia]]'', ''[[Nolana sphaerophylla]]'', ''[[Nolana villosa]]'' ; Klade G: ''[[Nolana arequipensis]]'', ''[[Nolana cerrateana]]'', ''[[Nolana confinis]]'', ''[[Nolana gayana]]'', ''[[Nolana intonsa]]'', ''[[Nolana johnstonii]]'', ''[[Nolana lycioides]]'', ''[[Nolana pallida]]'', ''[[Nolana pilosa]]'', ''[[Nolana thinophila]]'', ''[[Nolana tomentella]]'', ''[[Nolana volcanica]]'', ; Klade H: ''[[Nolana crassulifolia]]'', ''[[Nolana divaricata]]'', ''[[Nolana incana]]'', ''[[Nolana peruviana]]'', ''[[Nolana werdermannii]]'' Die Arten, die bei der Untersuchung nicht betrachtet wurden, waren meist nur durch das [[Typus (Nomenklatur)|Typusexemplar]] bekannte [[Endemit]]en, so beispielsweise ''[[Nolana foliosa]]'', ''[[Nolana insularis]]'', ''[[Nolana pearcei]]'', ''[[Nolana platyphylla]]'', ''[[Nolana polymorpha]]'' und ''[[Nolana weberbaueri]]''. Andere sind vermutlich durch Zerstörung des Standorts bereits ausgestorben, so beispielsweise ''[[Nolana minor]]''.<ref name="Dillon07" /> 2007 wurden durch Michael Dilon und seine Mitarbeiter zehn weitere Arten beschrieben, die zum Teil ebenfalls noch nicht Bestandteil der phylogenetischen Untersuchungen waren. Die neu beschriebenen Arten sind ''[[Nolana aenigma]]'', ''[[Nolana arequipensis]]'', ''[[Nolana chancoana]]'', ''[[Nolana chapiensis]]'' und ''[[Nolana lezamae]]'' aus Peru<ref name="Dillon07b">Michael O. Dillon, Segundo Leiva Gonzáles und Victor Quipuscoa Silvestre: ''Five new species of Nolana (Solanaceae-Nolaneae) from Peru and notes on the classification of additional taxa''. In: ''Arnaldoa'', Band 14, Nummer 2, 2007. S. 171–190.</ref>, sowie ''[[Nolana dianae]]'', ''[[Nolana reichei]]'', ''[[Nolana onoana]]'', ''[[Nolana lachimbensis]]'' und ''[[Nolana philippiana]]'' aus Chile.<ref name="Dillon07c">Michael O. Dillon, Gina Arancio und Federico Luebert: ''Five new species of Nolana (Solanaceae-Nolaneae) from Chile''. In: ''Arnaldoa'', Band 14, Nummer 2, 2007. S. 191–212.</ref> == Verwendung == Einige Arten der Gattung haben begrenzte Bedeutung als Zierpflanzen. Bereits 1760 wurde ''Nolana humifusa'' aus Peru nach Europa eingeführt, gelegentlich sind Samen im kommerziellen Handel erhältlich, jedoch sind keine benannten Sorten bekannt. Die chilenische Art ''Nolana paradoxa'' ist seit etwa 1820 aus europäischen Gärten bekannt und ist die bekannteste kultivierte Art, bekannte Sorten sind beispielsweise 'Blue Bird' und 'Cliff Hanger Blue'.<ref name="Freyre05" /> == Botanische Geschichte und Etymologie == [[Datei:Nolana coelestis.jpg|thumb|upright|Historische Darstellung von ''Nolana coelestis'' aus dem Jahr 1844]] Die Gattung wurde 1762 von [[Carl von Linné (Sohn)|Carl von Linné jr.]] erstbeschrieben. Der von ihm gewählte Name der Gattung leitet sich vom lateinischen ''nola'' ab, was soviel wie „kleine Glocke“ bedeutet.<ref name="Freyre05" /> Eine Platzierung in eine eigenständige Familie Nolanaceae wurde 1820 von [[Friedrich von Berchtold]] und [[Jan Svatopluk Presl]] vorgeschlagen, jedoch ordneten die systematischen Behandlungen von [[George Don junior|George Don]] (1838) und [[Michel Félix Dunal]] (1852) die Gattung jeweils den Nachtschattengewächsen (Solanaceae) unter. [[George Bentham]] und [[Joseph Dalton Hooker]] platzierten die Arten in eine [[Tribus (Biologie)|Tribus]] innerhalb der [[Windengewächse]] (Convolvulaceae). Auch später wurde die Gattung an unterschiedlicher Position platziert, so als eigene Familie Nolanaceae von [[Arthur John Cronquist]] (1981) und [[Armen Tachtadschjan]] (1980), oder innerhalb der Nachtschattengewächse als Unterfamilie Nolanoideae oder als Tribus Nolaneae, beispielsweise von [[Rolf Martin Theodor Dahlgren]] (1980), [[William D'Arcy]] (1979, 1991) und [[Robert Folger Thorne]] (1983). Bereits 1992 zeigten [[Richard Olmstead]] und [[Jeffrey Palmer]], dass ''Nolana'' phylogenetisch den [[Bocksdorne]]n (''Lycium'') nahesteht; diese Ansicht wurde jedoch von einigen Bearbeitern, so auch [[Armando Hunziker]] (2001)<ref name="Hunziker01">Armando T. Hunziker: ''The Genera of Solanaceae.'' A.R.G. Gantner Verlag K.G., Ruggell, Liechtenstein 2001. ISBN 3-904144-77-4.</ref> abgelehnt. Weitere molekularbiologische Arbeiten bestätigten jedoch diese Einordnung.<ref name="Dillon07" /> Auch die innere Systematik der Gattung wurde oft sehr unterschiedlich verstanden; die Anzahl der Gattungen und Arten, in die der heute anerkannte Umfang der Gattung aufgeteilt wurde, schwankte sehr stark. [[Michael Dillon]] (2007)<ref name="Dillon07" /> stellt dabei fest, dass systematische Behandlungen, die nur auf Untersuchung von [[Herbarium|Herbarbelegen]] beruhen, sehr wenige Arten anerkennen; Forscher, die auch Untersuchungen im Feld vornahmen, erkannten meist deutlich mehr Arten an. Dies begründet Dillon damit, dass viele Eigenschaften, die eine Artabgrenzung ermöglichen, in Herbarexemplaren nicht erhalten sind. [[John Lindley (Botaniker)|John Lindley]] (1844) erkannte fünf Gattungen (''Nolana'', ''Alonia'', ''Dolia'', ''Sorema'' und ''Aplocarya'') mit insgesamt 17 Arten an. Michel Felix Dunal (1852), der ''Nolana'' als Tribus anerkannte, teilte sie ebenfalls in fünf Gattungen (''Nolana'', ''Dolia'', ''Alibrexia'', ''Aplocarya'' und ''Bargemontia'') mit 33 Arten. George Bentham und Joseph D. Hooker (1873) erkannten vier Gattungen (''Nolana'', ''Alona'', ''Dolia'' und ''Bargemontia'') mit insgesamt 27 Arten an.<ref name="Dillon07" /> Die erste moderne monographische Behandlung durch [[Ivan Murray Johnston]] (1936) nennt zwei Gattungen (''Nolana'' und ''Alona'') mit 63 Arten. [[Aldo Mesa]], der 1981 zunächst nur 18 Arten in einer einzelnen Gattung einordnete und diese in die Untergattungen ''Nolana'' und ''Alona'' einteilte, erweiterte seine Betrachtung der Gattung und erkannte in Werken von 1997 und 1998 70 Arten an. Durch umfangreiche Untersuchungen und Feldarbeiten, bei denen auch neue Arten beschrieben wurden, werden aktuell 89 Arten unterschieden.<ref name="Dillon07" /> == Quellen == <references /> == Weblinks == {{Commons|Category:Nolana|''Nolana''}} * [http://www.sacha.org/famil/nolana/nolana.htm Nolaneae Informationen] von Michael O. Dillon (englisch) * ''[http://www.tropicos.org/Name/40028723 Nolana]'' − Eintrag in der W3Tropicos-Datenbank (englisch) {{Exzellent}} [[Kategorie:Nachtschattengewächse]] [[Kategorie:Solanaceae]] [[en:Nolana]] [[es:Nolana]] [[pt:Nolana]] cy2kwl37x9uyebxi6sgwgahvr3gskll wikitext text/x-wiki Norbert von Xanten 0 24009 26607 2010-04-23T20:10:33Z Corn-Fakes 0 ADB-Link-Korrektur [[Bild:Norbert xanten.JPG|thumb|Der hl. Augustinus überreicht Norbert von Xanten seine Ordensregel, aus einer Abschrift der Norbertsvita (um 1140)]] '''Norbert von Xanten''' (* 1080/1085 in [[Gennep]] oder [[Xanten]]; † [[6. Juni]] [[1134]] in [[Magdeburg]]) war der Stifter des [[Prämonstratenser]]ordens und von 1126 bis 1134 Erzbischof von [[Bistum Magdeburg|Magdeburg]] und kurzzeitig in Vertretung des Erzbischofes von Köln unter Kaiser [[Lothar III. (HRR)|Lothar III.]] [[Reichserzkanzler]] für Italien. Er wird von der katholischen Kirche seit 1582 als [[Heiliger]] verehrt. Er ist Patron des Bistums Magdeburg und des Magdeburger Landes, sowie einer der Patrone Böhmens. Zwei Brüche bestimmten sein Leben: Er wurde vom reichen [[Kanoniker|Chorherrn]] zum [[Askese|asketischen]] Verächter der Welt, der als Wanderprediger wirkte und eine Ordensgemeinschaft um sich scharte, kehrte zuletzt aber als Erzbischof von Magdeburg wieder in die Welt zurück. == Leben als Kanoniker und Hofkaplan == Der Sohn des Heribert von Gennep und dessen Gattin Hedwig trat schon als Kind in das [[Stift (Kirche)|Stift]] [[Xantener Dom|St. Viktor]] in Xanten ein. Ihn erwartete ein angenehmes Leben auf einer üppigen [[Pfründe]]. Den [[Liste der Erzbischöfe und Bischöfe von Köln|Kölner Erzbischof]] [[Friedrich I. von Schwarzenburg|Friedrich I.]] (1100–1131) begleitend, kam der [[Kanoniker]], der als [[Subdiakon]] noch kein Priester war, an den Königshof. Norbert nahm als [[Kaplan|Hofkaplan]] Kaiser [[Heinrich V. (HRR)|Heinrichs V.]] an dessen [[Rom]]zug teil, auf dem der [[Salier]] 1111 zum [[Kaiser]] gekrönt wurde. 1113 bot der Kaiser ihm das [[Bistum Cambrai]] an, doch Norbert war zur Übernahme dieses Amtes nicht bereit. Nachdem er miterlebt hatte, wie der Kaiser den Papst und die Kardinäle zwei Jahre lang gefangen halten ließ, dürfte die Weigerung Norberts auf eine zunehmende Distanz zum Kaiser hindeuten. Norbert neigte nun dem päpstlichen Lager zu und lehnte eine [[Investiturstreit|Investitur]] aus der Hand des Kaisers ab. Im Jahre 1115 soll sich, so die wohl in der Mitte des 12. Jahrhunderts entstandenen [[Hagiographie|Heiligenviten]] ([[Vita]] A und Vita B), ein Bekehrungserlebnis abgespielt haben: Ein Blitzschlag habe ihn auf einem Ritt zum [[Stift Vreden|Damenstift Vreden]] zu Boden gerissen. Diese tendenziösen, auf Darstellung der Heiligkeit abhebenden Lebensbeschreibungen sind für viele Details die nicht weiter überprüfbare Hauptquelle. == Leben als Eremit und Wanderprediger, Gründung des Prämonstratenserordens == Der Karrierekleriker wandte sich von seinem bisherigen verweltlichten Leben ab und ließ sich zum [[Priester (Christentum)|Priester]] [[Weihesakrament|weihen]]. Er vertauschte seine seidene Kleidung mit einem härenen Gewand. Inspiriert von den Ideen der [[Kanonikerreform|Kloster- und Kanonikerreform]] und in engem Kontakt mit den reformstrengen [[Benediktiner]]n von [[Siegburg]] und den asketischen [[Regularkanoniker]]n der [[Abtei Kloosterrade (Klosterrath)]], das jetzige [[Rolduc]] in [[Kerkrade]] (NL) bei [[Aachen]] versuchte Norbert vergeblich, sein Heimatstift Xanten zu reformieren. Radikal wählte er die Lebensform eines [[Eremit]]en (seine Einsiedelei befand sich auf dem [[Kloster Fürstenberg|Fürstenberg]] bei Xanten), zog aber auch als Wanderprediger umher. Seine [[charisma]]tischen Reform- und Bußpredigten erregten den Argwohn der Amtskirche – Norbert lief damit Gefahr, als [[Ketzer]] zu enden. Auf der [[Synode in Fritzlar (1118)|Synode in Fritzlar]] 1118 kam es nicht zur Versöhnung, obwohl sich Norbert dort erfolgreich gegen den Vorwurf der [[Ketzer]]ei verteidigen konnte. Daher beschloss er, seine Xantener Pfründe aufzugeben und die Heimat zu verlassen. In Südfrankreich traf der Pilger auf Papst [[Gelasius II.]], der ihm die Erlaubnis erteilte, auf der Wanderschaft zu predigen. Norbert predigte einige Zeit in Nord- und Westfrankreich. Im Jahre 1119 trat er auf dem Konzil von Reims auf. Die Amtskirche versuchte, die für viele Menschen, Männer wie Frauen, faszinierende, für die Kirche aber unbequeme Persönlichkeit einzubinden: In [[Laon]] sollte Norbert das Stift St. Martin reformieren, aber wie in Xanten waren die Kanoniker reformunwillig. In seinen Predigten rief Norbert zur Nachfolge Christi und der Apostel auf. Sein Vorbild war das Leben nach dem Muster des [[Urchristentum]]s (Vita apostolica). Mit seiner kompromisslosen Ablehnung der verfetteten kirchlichen Strukturen sprach er viele Unzufriedene an, die nach neuen Wegen suchten. Vielleicht auf Anraten von Papst [[Kalixt II.]] schuf der Bischof von [[Laon]] die Voraussetzungen, dass Norbert ein Kloster gründen und leiten konnte. Die ungebundene Predigertätigkeit war den Bischöfen suspekt. Norbert sträubte sich zunächst, sein bisheriges Leben aufzugeben, schließlich wählte er das abgelegene Waldtal [[Abtei Prémontré|Prémontré]] für eine Niederlassung aus. So wurde er zum „Klostergründer wider Willen“ ([[#Literatur|Lit.]]: Weinfurter 1989, S. 71). Die Gemeinschaft aus Laien und Geistlichen wurde zur Keimzelle des Prämonstratenserordens, der sich an die [[Augustinusregel]] hielt und [[eremit]]ischen Idealen verpflichtet war. 1126 bestätigte Papst [[Honorius II. (Papst)|Honorius II.]] die ''Chorherren des heiligen Augustinus nach den Gebräuchen der Kirche von Prémontré''. Bis 1137/40 war auch ein Frauenkonvent in Prémontré angegliedert. Prémontré war also wie viele Prämonstratenserklöster ein [[Doppelkloster]]. Im Rahmen der Kanonikerreform vertrat Norbert ein Rechtsmodell, das Stefan Weinfurter als ''libertas Norbertina'' bezeichnet hat ([[#Literatur|Lit.]]: Weinfurter 1989, S. 73). Er ließ sich als Eigenkirchenherr die Eigentumsrechte der jeweiligen Klöster übertragen, übernahm selbst die Leitung und strebte eine Art „bischofsfreie Zone“ an ([[#Literatur|Lit.]]: ebenda, S. 72). Für seine auf viele Stifte verteilte Reformgruppe war er Vater, Abt und Bischof zugleich. Seine Gemeinschaft war ganz auf ihn zugeschnitten, lebte nach seinem Vorbild ohne von Norbert vorgegebene schriftliche Normen. Der im Folgenden zu nennende Weggang nach Magdeburg ließ sie in eine Krise geraten, auf die Norberts Schüler Hugo von Fosses (1128–1161) mit der [[Institutionalisierung]] des Prämonstratenserordens und der Abkehr von der Zentrierung auf eine einzige Person antwortete. == Erzbischof von Magdeburg == Im Winter 1125 reiste Norbert nach Rom und wurde ehrenvoll vom [[Papst]] empfangen. Nach dem Tod Erzbischof [[Rudgar von Veltheim|Ruotgers]] von Magdeburg kam es zur zweiten großen Wende in Norberts Leben. Der [[Charisma|charismatische]] Stifter einer sich rasch ausbreitenden religiösen Gemeinschaft ließ sich zum Erstaunen seiner Mitbrüder von Papst Honorius II. und König [[Lothar III. (HRR)|Lothar III.]] in die Pflicht nehmen und wurde auf einem Hoftag in [[Speyer]] zum Erzbischof von Magdeburg bestimmt. Am 18. Juli 1126 zog er dort ein, wobei die Legenden berichten, er sei barfuß und in ärmlicher Kleidung eingetroffen. Nun profilierte er sich als unnachgiebiger Reformer, der sich bei den adeligen Chorherren der Bischofskirche ebenso unbeliebt machte wie bei den einfachen Priestern, die den [[Zölibat]] einhalten mussten. Er propagierte eine allgemeine Kleriker- und Kirchenreform und stellte etablierte Besitzstände in Frage. Im Jahre 1129 ersetzte er die Kanoniker des [[Kloster Unser Lieben Frauen|Stifts Unser Lieben Frauen]] in Magdeburg durch Prämonstratenser. Es soll zwei Anschläge auf sein Leben gegeben haben, und auch die Bürger rebellierten gegen den als hart empfundenen Erzbischof, der aus der Stadt fliehen musste. Mit dem [[Interdikt (Kirchenrecht)|Interdikt]] zwang er sie zur Unterwerfung. Kaum erfolgreich war Norbert bei der Heidenmission östlich der [[Elbe]], und auch der Plan, die erzbischöflichen Rechte auf [[Polen]] auszudehnen, konnte nie realisiert werden. Diese nur spärlich bezeugten Aktivitäten scheiterten wohl an Norberts undiplomatischem Vorgehen. Außer dem Stift Unser Lieben Frauen gelang es Norbert, auch das [[Kloster Pöhlde]] in eine Prämonstratenserniederlassung umzuwandeln. Ein neues [[Stiftskloster Gottes Gnade bei Calbe|Kloster Gottesgnaden]] wurde bei [[Calbe (Saale)|Calbe]] an der Saale gegründet. (Üblicherweise spricht man auch bei den Prämonstratensern von [[Kloster|Klöstern]], obwohl es sich um Regularkanoniker-Stifte handelt.) Norbert zählte zu den Vertrauten Lothars III. und begleitete diesen 1132/33 nach [[Italien]], wo Lothar zum Kaiser gekrönt wurde. Er fungierte, da der Erzbischof von [[Köln]] abwesend war, vorübergehend sogar als Reichserzkanzler für Italien. Nach der Rückkehr aus Italien blieb Norbert am Hof des Königs. Seit Anfang 1134 wieder in Magdeburg, erlag er am 6. Juni 1134 möglicherweise einer [[Malaria]]erkrankung. Aus dem asketischen Wanderprediger und dem Vaterabt seiner Reformgemeinschaft war ein Reichsfürst und Hofmann geworden, der sich weltlichen Belangen wieder weit geöffnet hatte. In der Lebensbeschreibung des Grafen [[Gottfried von Cappenberg]], der sein Vermögen Norbert geschenkt hatte und selbst dem Orden beigetreten war, wird berichtet, dass Gottfried bei einem Besuch in Magdeburg von der Pracht der Hofhaltung Norberts so abgestoßen wurde, dass er sofort wieder abreiste. == Reformer == Norbert von Xanten war kein [[Theologe]], kein Intellektueller. Auch wenn ihm Prämonstratenser in der frühen Neuzeit etliche Schriften [[Pseudepigraphie|zuschrieben]], authentisch sind lediglich zwei kurze [[Urkunde]]n, die er als Erzbischof ausstellte. Seine Reformgesinnung war praktisch orientiert. Die alte Ordnung nach [[Apostel|apostolischem]] Vorbild sollte wiederhergestellt werden. Er wollte, schreibt Stefan Weinfurter über die Zeit als Wanderprediger, ''nicht nur sich selbst retten, sondern die Gesamtkirche erreichen, in apostolischer Nachfolge möglichst viele Menschen durch das Wort der Predigt ansprechen und zur Nachahmung der Lebensweise der Urkirche überzeugen'' (1989, S. 70). == Tod, Grabstätte und Heiligsprechung == [[Bild:Norbert Missale.JPG|thumb|Aus dem Missale Praemonstratense, Straßburg um 1502/04]] Norbert starb am 6. Juni 1134 in Magdeburg. Am 11. Juni wurde er durch die Bischöfe Godebold von Meißen, Ludolf von Brandenburg und Anselm von Havelberg in der Kirche des Klosters Unser Lieben Frauen feierlich beigesetzt. Den Viten ist zu entnehmen, dass der Erzbischof zunächst bei seinen Vorgängern am Kreuzaltar bestattet worden war, um dann einige Jahre später in den [[Chor (Architektur)|Chor]] der Kirche überführt zu werden. Warum Norbert anders als vergleichbare Persönlichkeiten nicht bereits im 12. oder 13. Jahrhundert heilig gesprochen wurde, bleibt rätselhaft. Im 16. Jahrhundert wollte jedenfalls der von ihm gegründete Orden es nicht länger hinnehmen, dass sein Stifter nicht der Schar der kirchlich verehrten Heiligen angehörte. 1582 erlaubte [[Gregor XIII.|Papst Gregor XIII.]] dem Orden, ihn am 6. Juni als heiligen Bischof und Bekenner zu feiern. 1621 wurde die Verehrung auf die gesamte katholische Kirche ausgeweitet. 1982 wurde Norbert von Papst [[Johannes Paul II.]] zum [[Schutzpatron]] des Magdeburger Landes erhoben. Durch die Bemühungen des Abtes Kaspar von Questenberg aus Prag gelangte das Liebfrauenkloster im Zuge der [[Gegenreformation]] noch einmal in den Besitz der Prämonstratenser. Dieser Abt ließ 1626, als die politische Lage während des [[Dreißigjähriger Krieg|Dreißigjährigen Krieges]] dies erlaubte, die Gebeine des Ordensgründers Norbert – gegen den Widerstand von Rat und Bürgerschaft des lutherischen Magdeburgs – in das [[Kloster Strahov|Prämonstratenserkloster Strahov]] nach Prag überführen, wo sie noch heute ruhen. Von den zeitgenössischen Quellen zur Erhebung der Gebeine und zur Überführung nach Prag ist sicher die wichtigste die ''Narratio translati e Saxonia in Boemiam sacri corporis … Norberti …'' (Prag 1627). In einer [[Friedrich-Schiller-Universität Jena|Jenaer]] Dissertation von 1709, dem sogenannten ''Pseudonorbertus ex narratione Pragensi translati e Saxonia in Boioemiam corporis Norberti'', versuchte ein Franz Büttner zu beweisen, dass der Strahover Abt Kaspar von Questenberg und seine Begleiter am 3. Dezember 1626 das falsche Grab öffnen ließen. Angeblich hätten die für die Exhumierung Verantwortlichen in Magdeburg den Strahover Abt bewusst irreführen wollen. Nachdem man den kaiserlichen Befehl zur Translozierung der Norbert-Reliquien schon nicht mehr habe abwenden oder hinauszögern können, griff man angeblich zu einer List: Noch vor Ankunft des Abtes seien alle Gebeine aus dem wirklichen Norbertgrab entnommen und heimlich innerhalb der Kirche im Erdboden bestattet worden. Der Abt von Strahov habe die Gebeine des Magdeburger Erzbischofs Heinrich († 1107) irrtümlich für die Gebeine Norberts gehalten und in sein Kloster überführt, so dass man in Prag seit 1627 einen Pseudo-Norbert verehre. Die wirklichen Gebeine würden aber in Magdeburg ruhen. In Magdeburg pflegten auch die Protestanten das Andenkens Norberts. 1683 erklärte der Jenenser Theologe Johannes Christian Schneider „es nicht nur zur Pflicht der Magdeburger Stiftsherren, das, was Norbert begonnen habe, zu erhalten, sondern ihm auch in seiner Treue zum Evangelium und dem Eifer bei seiner Verkündigung zu folgen“ (Elm 1984, S. 291). Bei archäologischen [[Ausgrabung]]en wurde ab 1975 die Grabanlage Norberts unter der [[Vierung]] der Magdeburger Liebfrauenkirche freigelegt. Der mit [[Pilaster|Renaissancepilastern]] ausgeschmückte Raum war wahrscheinlich aus Anlass seiner Heiligsprechung 1582 errichtet worden. Mit der Überführung der Gebeine Norberts nach Prag im 17. Jahrhundert verlor er seine Bedeutung und wurde überbaut. Eine weiße Marmorplatte mit Inschrift an der Westwand des nördlichen Querschiffs entstand vermutlich ebenfalls erst im Zusammenhang mit der Heiligsprechung. Erst seit dem 17. Jahrhundert versuchte man in Xanten, für Norberts Leben bedeutsame Orte und Gegenstände auszumachen. Noch heute erinnert am Durchgang zum Dom eine Inschrift an die angebliche Norbertzelle unterhalb der Michaelskapelle. == Kult und Ikonografie == [[Bild:Norbert siegreich ca1750.JPG|thumb|Die um 1750 entstandene Darstellung zeigt Norbert, wie er über Satan und einen Ketzer triumphiert]] Die Verehrung Norberts beschränkte sich bis zur Gegenwart im Wesentlichen auf den Prämonstratenserorden, auch wenn es eine ganze Reihe von Pfarreien gibt, die ihn als Patron verehren. Ein „Volksheiliger“ ist er bis heute nicht. Seine üblichen [[Ikonografische Heiligenattribute|Attribute]] auf bildlichen Darstellungen sind der [[Abendmahlskelch|Kelch]] (manchmal mit Spinne) und die [[Monstranz]]. Die Spinne bezieht sich auf die legendarische Erzählung, Norbert sei einmal eine giftige [[Spinne]] in den Messkelch gefallen. Im Vertrauen auf die heilige [[Kommunion]] habe er sie verschluckt und die Spinne sei zur Nase wieder herausgekommen. Der erste Bildzyklus zu seinem Leben wurde um 1525 von Abt Jakob Murer von [[Kloster Weißenau|Weißenau]] in einer Handschrift für das Kloster in Auftrag gegeben (Traditionscodex heute in [[Schloss Zeil]]). Nach der Heiligsprechung 1582 erschienen etliche fromme Schriften über seine Vita. Gleichsam zur Mustervorlage für lokale Norbert-Darstellungen in den Prämonstratenserklöstern wurde die Kupferstichfolge der bei Theodor Galle in [[Antwerpen]] 1622 erschienenen Bildvita, die der dortige Prior Johannes Chrysostomus van Sterre in Auftrag gab und mit Begleittexten versah. Der Prämonstratenser Benedikt Fischer aus dem [[Stift Schlägl]] veröffentlichte 1670 in [[Nürnberg]] eine lateinische Lebensbeschreibung (VD17 12:117817W), aus deren Titel hervorgeht, welche Verdienste man Norbert damals zuschrieb: Er heißt dort Gründer des Prämonstratenserordens, Apostel von Antwerpen, [[Sachsen]] und der Slawen, Erzbischof von Magdeburg, Patron des Königreichs [[Böhmen]] und Primas Deutschlands. Zugleich gab es auch eine deutsche Version dieser Schrift (VD17 14:627388M). In der Zeit der Gegenreformation machte die katholische Propaganda Norbert, der in 1124 zu Antwerpen die Anhänger des [[Tanchelm]] bekämpft hatte, zum ''Exponenten der Rechtgläubigkeit'' (Elm 1994, S. 611). In den Darstellungen wird er nun als insignialer Würdenträger mit Pallium, einem den Erzbischöfen vorbehaltenen Doppelkreuzstab, Kelch und Monstranz ausgestattet und der Ketzer Tanchelm zu seinen Füßen gelegt. Norbert führt ein Wappen mit einem roten Kreuz auf silbernem Grund mit Kelch und Friedenspalme (LCI). Im 19. und 20. Jahrhundert wurde er gegen die Niederländer (sein möglicher Geburtsort Gennep liegt ja in der Provinz [[Limburg (Niederlande)|Limburg]]), Belgier und Franzosen als ''deutscher'' Heiliger beansprucht. In den neuesten Darstellungen aus dem Umkreis des Prämonstratenserordens wird die im 12. Jahrhundert noch unbekannte Monstranz durch eine [[Pyxis (Liturgisches Gerät)|Pyxis]] oder ein [[Ziborium (Gefäß)|Ziborium]] ersetzt. Als Wappen tritt das der Herren von Gennep auf (LCI). Es gibt eine Reihe von katholischen Pfarrkirchen, die Norbert geweiht sind (''siehe'' [[Norbertkirche]]). So wurde in den Jahren nach 1885 in Magdeburg die [[Sankt-Norbert-Kirche (Magdeburg)|Sankt-Norbert-Kirche]] errichtet. Anlässlich seines 850. Todestages gab die [[Deutsche Bundespost]] am 8. Mai 1984 das Sonderpostwertzeichen ''Hl. Norbert von Xanten'' aus. == Lateinische Viten == Lange kannte man nur die Vita B, bis in der Mitte des 19. Jahrhunderts in der [[Manuskript|Handschrift]] der [[Staatsbibliothek zu Berlin|Berliner Staatsbibliothek]] Ms. theol. lat. 79 aus dem 14. Jahrhundert entdeckt wurde. Diese Vita A wurde 1856 in Band 12 der [[Monumenta Germaniae Historica|MGH]] Scriptores (in folio) ediert. 1972 entdeckte man noch eine zweite Überlieferung, das Hamburger Fragment Scrin. 17, Fragment 21 (ebenfalls aus dem 14. Jahrhundert). Dagegen sind von der sehr viel ausführlicheren und erbaulicheren Vita B mindestens 25 Handschriften überliefert. Lange stritt man sich über die Priorität von A oder B. Neuerdings nimmt man an, A sei älter. Beide Lebensbeschreibungen wurden ungefähr in der Mitte des 12. Jahrhunderts verfasst. == Würdigung in der Gegenwart == Lange hat man das verklärende Bild des „Heiligen“, wie es die beiden Viten entwarfen, für bare Münze genommen. Diese erbaulichen Lebensbeschreibungen mussten versuchen, den Ordensgründer Norbert, den man ja nicht verleugnen konnte, gegen seine zeitgenössischen Kritiker zu verteidigen, die ihm seine Rückkehr in die Welt übel nahmen. Erst in neuerer Zeit zeichnet sich eine differenzierende Sichtweise der eigenwilligen und willensstarken Persönlichkeit Norberts ab. So schreibt Stefan Pätzold (2000): :''Dem begnadeten Prediger mit seiner überragenden Ausstrahlungskraft und dem Ordensstifter kann man Bewunderung nicht versagen, der Erzbischof und Missionar hingegen trägt unsympathische Züge.'' (S. 247) Die jüngeren Urteile über Norbert resümierte Kaspar Elm 1984 so: :''Wo die einen in ihm Heiligkeit sehen, brandmarken die anderen Scheinheiligkeit. Wenn auf der einen Seite die Sorge für das Reich und die Kirche, für die eigene Seele und die der anderen als das eigentliche Motiv seines Handelns gelten, geht man auf der anderen davon aus, er habe sich in all seinen Aktionen nur von Ehrgeiz leiten lassen. Hier ist von charmanter Großzügigkeit, von literarischer Kultur, von einer fast unglaublichen Faszinationskraft auf die Mitmenschen die Rede, dort erscheint Norbert als rücksichtsloser Hierarch, der für Freundschaft und Familienbande kein Verständnis aufbrachte, wenn es um die Durchsetzung seiner Ziele ging'' (in Elm, Hrsg., Norbert von Xanten, S. 278) Elm weist den 1975 erhobenen Vorwurf von Dietrich Claude zurück, Norbert habe als Erzbischof von Magdeburg versagt und der Mission schwer geschadet (Elm 1994, S. 610). == Gedenktage == * [[Katholisch]]e Gedenktage: 6. Juni und 24. April (Überführung der Gebeine) * [[Evangelisch]]er Gedenktag: 6. Juni == Quellen und Literatur == === Quellen === * ''Vita Norberti archiepiscopi Magdeburgensis'', in: {{MGH|SS|12|663|706}} * ''Vita Norberti archiepiscopi Magdeburgensis. Leben des heiligen Norbert, Erzbischofs von Magdeburg.'' Übers. von Gustav Hertel. Die Geschichtsschreiber der deutschen Vorzeit 64. 2., unveränd. Aufl. Leipzig: Lorentz [u. a.], 1941. * ''Narratio translati e Saxonia in Boëmiam sacri corporis beatissimi viri, Norberti, Parthenopolitani olim archiepiscopi, Germaniae primatis, conditoris et patriarchae ordinis Praemonstratensis, cui compendiosa vitae rerumque ipsius s. Norberti historia, commentariolus item de transferendis sanctorum reliquiis, praemittuntur. Referentibus fratribus monasterii Strahoviensis, ejusdem ordinis, in superiore Praga siti …'' Pragae: Sessius, 1627. === Literatur === * Dietmar Salewsky: ''Norbert von Xanten/Magdeburg – eine vielschichtige Persönlichkeit des Mittelalters''. In: [[Matthias Puhle]], Renate Hagedorn (Hrsg.): ''Prémontré des Ostens. Das Kloster Unser Lieben Frauen Magdeburg vom 11. bis 17. Jahrhundert.'' Ziethen, Oschersleben 1996, ISBN 3-932090-05-5, S. 29–42. * Ludger Horstkötter: ''Norbert von Xanten († 1134), erst Ordensmann, dann Erzbischof von Magdeburg.'' In: Matthias Puhle, Renate Hagedorn (Hrsg.): ''Kloster Unser Lieben Frauen Magdeburg. Stift, Pädagogium, Museum.'' Ziethen, Oschersleben 1995, ISBN 3-928703-77-3, S. 43–49. * Kaspar Elm: ''Norbertus triumphans''. In: ebd. S. 57–66 * Kaspar Elm (Hrsg.): ''Norbert von Xanten. Adliger, Ordensstifter, Kirchenfürst''. Köln 1984, ISBN 3-87909-133-1 (wichtiger Sammelband) * Kaspar Elm: ''Norbert von Xanten'', in: Theologische Realenzyklopädie 24 (1994), S. 608–612 * Wilfried Marcel Grauwen: ''Norbertus Aartsbisschop van Maagdenburg (1126–1134)'', Brussel 1978 (umfangreichste neuere [[Monografie]], 690 S.) * [[Stefan Weinfurter]]: ''Norbert von Xanten und die Entstehung des Prämonstratenserordens'', in: Barbarossa und die Prämonstratenser, Göppingen 1989, ISBN 3-929776-03-0, S. 67–100 * Stefan Weinfurter: ''Norbert von Xanten im Urteil seiner Zeitgenossen'' (Xantener Vorträge zur Geschichte des Niederrheins 5), Duisburg: Universität, 1992 <!-- ohne ISBN --> * Ludger Horstkötter: ''Norbert von Xanten.'' In: ''Lexikon für Theologie und Kirche, 7'' (1998), ISBN 3-451-22012-1, Sp. 903–905 * Helmut Binder (Hrsg.): ''850 Jahre Prämonstratenserabtei Weißenau 1145–1995''. Thorbecke, Sigmaringen 1995, ISBN 3-7995-0414-1 (Aufsätze von Renate Stahlheber zur Ikonografie S. 331–406) * Emanuel Poche: ''Norbert von Magdeburg'', in: Wolfgang Braunfels (Hrsg.): ''Lexikon der christlichen Ikonographie – Band 8''. Herder, Freiburg 1976, ISBN 3-451-22568-9 (zitiert: LCI) * Burkhard Gehle: ''Die Prämonstratenser in Köln und Dünnwald.'' Grüner, Amsterdam 1978, ISBN 90-6032-106-5. * [[Johannes Derksen]] ''Kehr um, Norbert! Erz. aus d. Leben d. hlg. Norbert 1082–1134'' St. Benno Verlag Leipzig 1971; * {{ADB|24|5|7|Norbert von Xanten|Wilhelm Bernhardi|ADB:Norbert von Xanten}} == Weblinks == {{Commons|Norbert von Xanten}} *'''Hyperlinks zu einem Heiligen''' ** [http://www.kloster-speinshart.de/Norbert/norbertserie01.htm Kurze Lebensbeschreibung des Norbert von Xanten] Eine Homepage zum Norbertjubiläum der [http://www.kloster-speinshart.de/index.htm Abtei Speinshart] * '''Quellen''' ** [http://www.premontre.org/subpages/vitae/tocvitae.htm Viten s. Norberti] (auf englisch). ** [http://visualiseur.bnf.fr/Visualiseur?Destination=Gallica&O=NUMM-6044 Acta Sanctorum Juni I] mit Vita B und umfangreichen lateinischen Materialien ab S. 804, Faksimile bei Gallica, PDF. * '''Lexikonartikel und kurze Würdigungen''' ** {{BBKL|n/norbert_v_x|band=6|autor=Paul Gerhard Aring|spalten=1015–1016}} ** [http://www.mittelalter-genealogie.de/mittelalter/erzbistuemer/magdeburg/norbert_von_xanten_erzbischof_von_magdeburg_+_1134.html Artikel] im [[Lexikon des Mittelalters]]. ** [http://www.premontre.org/subpages/hagiologion/hag-viti/hgnorbert1.htm Biografie und Bildersammlung] auf dem Internetportal des [[Prämonstratenser]]ordens. * '''Online-Aufsätze''' ** [http://webdoc.sub.gwdg.de/edoc/p/cma/3-00/paetzold2.pdf Solide Würdigung] von St. Pätzold 2000, PDF. * '''Sonstiges''' **[http://www.premontre.org/subpages/scholastica/Noel1.htm Rekonstruktionsversuch seines Gesichts]. {{Folgenleiste|VORGÄNGER=[[Rudgar von Veltheim]]|NACHFOLGER=[[Konrad von Querfurt (–1142)|Konrad I. von Querfurt]]|AMT=[[Liste der Erzbischöfe und Bischöfe von Magdeburg|Erzbischof von Magdeburg]]|ZEIT=1126–1134}} {{Normdaten|PND=118588567}} [[Kategorie:Ordensgründer (römisch-katholisch)]] [[Kategorie:Heiliger (12. Jahrhundert)]] [[Kategorie:Prämonstratenser]] [[Kategorie:Erzbischof von Magdeburg]] [[Kategorie:Römisch-katholischer Bischof (12. Jahrhundert)]] [[Kategorie:Kölner Priester]] [[Kategorie:Geboren im 11. Jahrhundert]] [[Kategorie:Gestorben 1134]] [[Kategorie:Mann]] {{Personendaten |NAME=Norbert von Xanten |ALTERNATIVNAMEN= |KURZBESCHREIBUNG=Stifter des Prämonstratenserordens, Erzbischof von Magdeburg |GEBURTSDATUM=um 1080 oder 1085 |GEBURTSORT=[[Gennep]] oder [[Xanten]] |STERBEDATUM=6. Juni 1134 |STERBEORT=[[Magdeburg]] }} {{Exzellent}} [[ca:Norbert de Xanten]] [[cs:Norbert z Xantenu]] [[da:Sankt Norbert]] [[en:Norbert of Xanten]] [[es:Norberto de Xanten]] [[fr:Norbert de Xanten]] [[hu:Szent Norbert]] [[id:Norbert]] [[it:Norberto di Prémontré]] [[la:Norbertus]] [[nl:Norbertus]] [[oc:Sant Norbert de Xanten]] [[pl:Norbert z Xanten]] [[pt:Norberto de Xanten]] [[ru:Норберт Ксантенский]] [[sk:Norbert z Xantenu]] [[sv:Norbert av Xanten]] o6o28ov7l0ibik65dbwwt3rpit99gjq wikitext text/x-wiki Norden (Ostfriesland) 0 24010 28140 28139 2010-08-31T22:40:49Z 91.89.181.128 /* Stadtwappen */ svg {{Infobox Gemeinde in Deutschland |Art = Stadt |Name = Norden |Wappen = norderwappen.svg |Breitengrad = 53/35/48/N |Längengrad = 07/12/20/E |Lageplan = Norden in AUR.svg |Lageplanbeschreibung = |Bundesland = Niedersachsen |Landkreis = Aurich |Höhe = 9.7 |Fläche = 104.39 |PLZ = 26506 |PLZ-alt = 2980 |Vorwahl = 04931, 04926 (Leybuchtpolder) |Kfz = AUR |Gemeindeschlüssel = 03452019 |NUTS = DE947 |LOCODE = DE AUR |Gliederung = Kernstadt und zehn weitere Ortsteile |Adresse = Am Markt 15<br />26506 Norden |Website = [http://www.norden.de/ www.norden.de] |Bürgermeister = Barbara Schlag |Bürgermeistertitel= Bürgermeisterin |Partei = ZoB }} [[Datei:Dree-suesters-20070922 retouched.jpg|miniatur|300px|Gebäudeensemble „Dree Süsters“ („Drei Schwestern“) am Norder Marktplatz]] '''Norden''' ([[Ostfriesisches Platt|ostfr. Plattdeutsch]] '''Nörden''') ist eine Stadt in [[Ostfriesland]] im Nordwesten [[Niedersachsen]]s. Sie liegt direkt an der [[Nordsee]] und ist die nordwestlichste Stadt auf dem deutschen Festland. Die Bewohner Nordens heißen ''Norder'', plattdeutsch ''Nörder''. Das Adjektiv lautet ebenfalls so, beispielsweise ''Norder Rathaus''. Norden ist eine der ältesten Städte Ostfrieslands. Im Jahr 2005 feierte sie den 750. Jahrestag der ersten urkundlichen Erwähnung. Sie ist der Hauptort und Namensgeber der historischen Landschaft [[Norderland]] und mit gut 25.000 Einwohnern [[Liste der Städte und Gemeinden in Ostfriesland|die viertgrößte Stadt Ostfrieslands]]. Bis zum 31. Juli 1977 war sie Sitz des [[Landkreis Norden|gleichnamigen Landkreises]], der am 1. August jenes Jahres im [[Landkreis Aurich]] aufging. Die Region um Norden ist vor allem durch die Landwirtschaft und den Tourismus geprägt. Die Stadt besitzt gut 27 Kilometer Deichlinie und einen [[Fähre|Fährhafen]] zu den vorgelagerten Inseln [[Juist]] und [[Norderney]]. Der Ortsteil [[Norddeich]] führt seit 1979 die offizielle Bezeichnung „Staatlich anerkanntes [[Seebad|Nordseebad]]“ und ist das größte staatlich anerkannte Nordseebad an der ostfriesischen Nordseeküste.<ref name="Nordseebad">[http://www.hbzv.com/baederbuch/preview/Niedersachsen.pdf Kur- und Bäderbuch, Deutschland 2006/2007, S. 116], abgerufen am 3. Januar 2010</ref> Schon in den 1950er-Jahren wurde mit dem Slogan ''Das Grüne Tor zum Meer'' für Norden als Urlaubsort geworben. Allein in der Sommersaison 2007 wurden in Norden mehr als 900.000 Übernachtungen gezählt. Die Stadt ist in der [[Landesplanung]] des Landes Niedersachsen als [[Mittelzentrum]] ausgewiesen. == Geografie == === Lage === Die Stadt Norden, die nordwestlichste Stadt auf dem deutschen [[Landfläche|Festland]], erstreckt sich auf 106,33 Quadratkilometer im Nordwesten Ostfrieslands in Niedersachsen. Seewärts wird Norden von 27,3 Kilometer [[Deich|Seedeich]] begrenzt.<ref>[http://www.norden.de/index.phtml?mNavID=1.100&sNavID=549.20&La=1 norden.de: ''Zahlen und Daten'']</ref> Die größte Nord-Süd-Ausdehnung beträgt rund 21, die größte Ost-West-Ausdehnung zirka 13&nbsp;Kilometer. Die höchste Erhebung Nordens liegt {{Höhe|9.7}} <!-- wo? --> über [[Normalnull|NN]]. Der Küste vorgelagert sind die Inseln (von Ost nach West) [[Norderney]], [[Juist]] und [[Memmert]]. Zwischen der Küstenlinie und den Inseln befindet sich das [[Wattenmeer]], das als [[Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer]] unter Naturschutz steht und im Juni 2009 gemeinsam mit dem schleswig-holsteinischen und dem niederländischen Teil des Wattenmeers von der [[UNESCO]] zum [[UNESCO-Welterbe|Weltnaturerbe]] erklärt wurde.<ref>[http://www.nationalpark-wattenmeer.niedersachsen.de/master/C56191270_N56190322_L20_D0_I5912119.html Nationalpark Nds. Wattenmeer auf niedersachsen.de]</ref> Südwestlich der Stadt liegt die [[Leybucht]]. Nachbargemeinden auf dem Festland sind (im Uhrzeigersinn, von Ost nach Südwest) die Gemeinden [[Hagermarsch]], [[Lütetsburg]] und [[Halbemond]] (alle [[Samtgemeinde Hage]]), [[Leezdorf]] und [[Osteel]] (beide [[Samtgemeinde Brookmerland]]) sowie die Gemeinde [[Krummhörn]]. Eine Besonderheit der Grenze zur Gemeinde Leezdorf liegt darin, dass sie nur gut eine Straßenbreite beträgt: Norden und Leezdorf treffen am ''Schwarzen Weg'' aufeinander, die nördlichen und südlichen Straßenseiten gehören jedoch zu den Gemeinden Halbemond und Osteel. Norden ist neben der Kreisstadt [[Aurich]] das zweite Mittelzentrum des Landkreises Aurich.<ref>[http://www.nds-voris.de/jportal/?quelle=jlink&query=RaumOPrV%2BND&psml=bsvorisprod.psml&max=true&aiz=true Verordnung über das Landesraumordnungsprogramm] auf www.nds-voris.de</ref> Das Einzugsgebiet ist durch die Natur eingeschränkt, da sich im Norden, Westen und Südwesten das Wattenmeer befindet. Allerdings spielt Norden für die Versorgung der vorgelagerten Inseln Juist ({{EWZ|DE-NI|03452013|R}} Einwohner, 105.000 Gäste mit rund 961.000 Übernachtungen im Jahr 2008)<ref name="ihk-inseln">{{cite web|url=http://www.ihk-emden.de/images_beitraege/downloads/C-Inseln2007.pdf|format=PDF; 23,25 KB|title=Tourismus auf den Ostfriesischen Inseln|publisher=Industrie- und Handelskammer für Ostfriesland und Papenburg|accessdate=2010-01-02}}</ref> und Norderney ({{EWZ|DE-NI|03452020|R}} Einwohner, 432.000 Gäste (2008), 451.000 Gäste (2009) mit mehr als 3.000.000 Übernachtungen in den Jahren 2008 und 2009)<ref name="ihk-inseln" /><ref>{{Literatur|Autor=Verena Leidig|Titel=Erstmals 6 Mio. Euro überschritten|TitelErg=Kurverwaltungsbilanz: Norderney hat 2009 gut 2,5 Prozent bei den Übernachtungen gewonnen. Auch die Zahl der Tagesgäste nahm zu|Sammelwerk=Norderneyer Morgen|Jahr=2010|Monat=Januar|Tag=23|Seiten=3|Nummer=19|Online=[http://www.norderneyer-morgen.de/wp-content/uploads/2010/01/nm_100123_19_netz.pdf Online-Ausgabe] PDF; 912 KB}}</ref> eine wichtige Rolle. Norden tritt als Mittelzentrum in Konkurrenz zu Aurich und Emden. === Geologie === {{Hauptartikel|Liste der Eindeichungen in Ostfriesland}} Der Stadtkern von Norden liegt auf einer Sandinsel, die dem nordwestlichsten Ausläufer des ostfriesischen [[Geest]]rückens vorgelagert ist.<ref>Eberhard Rack: Kleine Landeskunde Ostfriesland, Isensee Verlag, Oldenburg 1998, S. 94</ref> Die südöstlich der Innenstadt gelegenen Ortsteile befinden sich ebenfalls auf Geestboden, während der Großteil des Stadtgebietes in der [[Marsch (Schwemmland)|Marsch]] liegt. Rund die Hälfte des Stadtgebiets wurde seit 1430 dem Meer abgerungen und eingedeicht. Der geologisch jüngste Norder Ortsteil [[Leybuchtpolder]] wurde erst 1947 bis 1950 durch den Bau des Störtebekerdeichs eingedeicht und urbar gemacht. Seit der Eindeichung eines Teils der [[Leybucht]] und einer deutlich kleineren Eindeichungsmaßanhme nahe [[Harlesiel]] gab es an der niedersächsischen Nordseeküste keine nennenswerten [[Landgewinnung]]smaßnahmen durch Eindeichung mehr, so dass diese Landstriche die jüngsten dem Meer abgerungenen und von Menschen besiedelten Flächen Niedersachsens sind.<ref>An der Leybucht wurde in den 1990ern zwar die ''Leyhörn'' eingedeicht. Bei ihr handelt es sich jedoch um unbesiedeltes Naturschutzgebiet sowie die Verlängerung der von Deichen und Schleusen geschützten Fahrrinne in den Greetsieler Hafen. Im Zuge des Baus des [[JadeWeserPort]]s in [[Wilhelmshaven]] werden derzeit 360 Hektar Land neu aufgespült, so dass die Hafenfläche in Wilhelmshaven generell das jüngste Land wäre. Siehe hierzu [http://www.jadeweserport.de/cms/index.php?idcat=25 den Artikel auf der Homepage www.jadeweserport.de]. Allerdings wird die Hafenfläche nicht eingedeicht. Zudem wird sie zwar vom Menschen genutzt, aber nicht besiedelt.</ref> Auch das Gebiet des heutigen Ortsteils [[Neuwesteel]] wurde erst im 20. Jahrhundert dem Meer abgerungen. Da weite Teile des Stadtgebiets nur unwesentlich über dem Meeresspiegel liegen, muss das Land kontinuierlich entwässert werden. Das [[Norder Tief]], früher Fahrwasser des Norder Hafens, spielt dabei eine bedeutende Rolle. Über die [[Schöpfwerk]]e [[Leybuchtsiel]] und [[Leysiel]] entwässert es in die Nordsee. === Stadtgliederung und Flächennutzung === [[Datei:Karte der Norder Ortsteile.png|miniatur|hochkant|links|Stadtgliederung]] {| class="wikitable float-right" style="font-size:91%; text-indent:5px" |+Fläche in [[Hektar|ha]] nach Nutzungsart<br /><small>Stand: 30. Juni 2009</small><ref>{{cite web|url=http://www.norden.de/index.phtml?mNavID=1.100&sNavID=549.20&La=1|title=Zahlen und Daten|publisher=Stadt Norden|date=2009-06-30|accessdate=2009-12-20|}}</ref> |- ! Gebiet !! Fläche |- | Gebäude und Freiflächen | align="right" | 943,54 |- | Betriebsflächen | align="right" | 33,38 |- | Grün- und Sportanlagen | align="right" | 71,34 |- | Straßen, Wege und Parkplätze | align="right" | 420,76 |- | Landwirtschaftliche Flächen | align="right" | 8410,04 |- | Wälder | align="right" | 46,64 |- | Gewässer, Gräben, Teiche | align="right" | 291,11 |- | Schutzflächen u. a. | align="right" | 250,10 |- class="hintergrundfarbe5" style="border-top: 3px double gray" | '''''Gesamtfläche''''' | align="right" | '''''10.466,91''''' |} Norden besteht aus der Kernstadt und zehn weiteren Ortsteilen, die 1952 und 1972 eingemeindet wurden. Die Kernstadt umfasst die Viertel Armenplatz (seit Mitte der 1950er Jahre Neustadt), [[Ekel (Norden)|Ekel]], Hollande, Lintel, Westgaste, Westlintel und Zingel. Sie werden gemeinhin nicht als gesonderte Ortsteile aufgeführt und sind verwaltungstechnisch ohne Bedeutung. Weitere Ortsteile Nordens wurden nach dem Zweiten Weltkrieg eingemeindet. 1952 wurde das Gebiet des heutigen [[Tidofeld]] von der Gemeinde Lütetsburg übernommen. Nach einer stärkeren Bebauung wurde Tidofeld 1996 eigenständiger Ortsteil und damit der jüngste Nordens.<ref>[http://www.norden.de/index.phtml?La=1&sNavID=549.48&mNavID=1.100&object=tx|1652.522.1&sub=0 norden.de: ''Ortsteil Tidofeld'']</ref> Die anderen neun Ortsteile wurden 1972 im Rahmen der niedersächsischen Kommunalreform eingemeindet. Es handelt sich um [[Bargebur]], [[Leybuchtpolder]], [[Lintelermarsch]], [[Neuwesteel]], [[Norddeich]], [[Ostermarsch (Ort)|Ostermarsch]], [[Süderneuland I]], [[Süderneuland II]], [[Westermarsch I]] und [[Westermarsch II]]. Norden ist geprägt von Wasser und Landwirtschaftsflächen. Fast 80&nbsp;Prozent des Stadtgebiets werden landwirtschaftlich genutzt. Auf den [[Koog|eingepolderten]] Flächen im Süden der Stadt wird Ackerbau betrieben. Eingepoldertes Land, das aus früherem [[Schlick]] besteht, hat eine hohe [[Bodenwertzahl]]. Angepflanzt werden vornehmlich Kartoffeln, Getreide und [[Raps]]. Auf den anderen Landwirtschaftsflächen wird Viehzucht betrieben, hauptsächlich die Haltung von Milchkühen. Auf den Deichen grasen Schafe. Sie halten nicht nur die Grasnarbe niedrig, sondern trampeln mit ihren Hufen auch den Deichboden fest. Neben dem Norder Tief und seinem Zufluss Addinggaster Tief prägen noch eine Vielzahl von kleinen und größeren Entwässerungsgräben die Landschaft um Norden. Vor der Mündung des Norder Tiefs in die Leybucht, geregelt durch das Schöpfwerk Leybuchtsiel, befindet sich ein Speicherbecken. Wie die meisten der zum größten Teil in der [[Marsch (Schwemmland)|Marsch]] gelegenen Orte ist Norden nur äußerst spärlich bewaldet. Die Stadt grenzt allerdings an das ''Tidofelder Holz'' der Nachbargemeinde Lütetsburg. === Klima === Norden liegt in der gemäßigten Klimazone, hauptsächlich im direkten Einfluss der [[Nordsee]]. Im Sommer sind die Tages[[temperatur]]en tiefer, im [[Winter]] häufig höher als im weiteren Inland. Das [[Klima]] ist insgesamt von der mitteleuropäischen [[Westwindzone]] geprägt. Nach der [[Effektive Klimaklassifikation|effektiven Klimaklassifikation]] von [[Wladimir Peter Köppen|Köppen]] befindet sich Norden in der Einteilung ''Cfb''. ''C'' steht für ein warm-gemäßigtes Klima, ''Cf'' für ein feucht-gemäßigtes Klima mit warmen [[Sommer]]n ''b''. Die nächstgelegene Wetterstation an der Festlandsküste befindet sich in Emden (siehe [[Emden#Klima|dort]] für weitere Informationen). == Geschichte == {{Hauptartikel|Geschichte der Stadt Norden}} === Frühzeit bis Mittelalter === Früheste Belege für die Anwesenheit von Menschen auf dem Norder Stadtgebiet sind archäologische Funde aus der [[Mittelsteinzeit]].<ref name="Martin Stromann 2001">Johann Haddinga/Martin Stromann: Norden/Norddeich – Eine ostfriesische Küstenstadt stellt sich vor. Verlag SKN, Norden 2001, ISBN 3-928327-43-7, S. 30.</ref> Ab dem 6. Jahrhundert nach Christus wanderten [[Friesen]] in das zuvor von [[Chauken]] und [[Sachsen (Volk)|Sachsen]] besiedelte Ostfriesland. In der Folgezeit entwickelten sich regionale Marktorte, darunter Norden. Der Ort wurde nicht zentral gegründet. Er entstand als gemeinsames Zentrum der umliegenden Bauerschaften Ekel, Lintel und Westgaste, die in der Folgezeit immer stärker miteinander verwuchsen und so den Kern der Stadt bildeten. Die genaue Entstehung der Stadt Norden ist weitgehend unbekannt.<ref name="archdienst">Ostfriesischelandschaft.de: [http://www.ostfriesischelandschaft.de/af/fundchr1997.htm ''Ostfriesische Fundchronik - Emder Jahrbuch Bd. 77, 1997'', eingesehen am 1. Januar 2010]</ref> Aus der Frühzeit der Stadt liegen wenige Belege vor, deren Deutung unsicher ist. So wurde ein Ort Namens ''Nordhunwig'' 884 von den [[Wikinger]]n zerstört.<ref>O. von Heinemann: ''Das Königreich Hannover und das Herzogthum Braunschweig: dargestellt in malerischen Originalansichten ihrer interessantesten Gegenden, merkwürdigsten Städte, Badeorte, Kirchen, Burgen und sonstigen Baudenkmäler alter und neuer Zeit. Nach der Natur aufgenommen und in Stahl gestochen von verschieden Künstlern''. Bd. 2. Darmstadt 1858, S. 718f.</ref> Im selben Jahr wurden die Wikinger in der ''Schlacht bei Norditi'' von den Friesen vernichtend geschlagen. Ob es sich dabei um Norden handelte, ist nicht gesichert. Aus der Frühphase der Stadt liegen Funde einer mittelalterlichen Siedlung in Ekel vor, die auf eine arbeitsteilige Beziehung des [[Geest]]ortes mit der Bevölkerung der umliegenden Marsch hindeuten.<ref name="archdienst" /> Zudem scheint in der Umgebung von Norden im frühen Mittelalter neben der Landwirtschaft vor allem die Produktion von Eisen eine wichtige wirtschaftliche Rolle gespielt haben.<ref>Ostfriesischelandschaft.de: [http://www.ostfriesischelandschaft.de/af/norden07.htm ''Norden (2007)'', eingesehen am 1. Januar 2010]</ref> Noch ist über die Bedeutung des Ortes im Wirtschaftsgefüge des Norderlandes wenig und nichts Sicheres bekannt.<ref>Ostfriesischelandschaft.de: [http://www.ostfriesischelandschaft.de/af/norden03-30.htm Norden (2007) eingesehen am 7. Januar 2010]</ref> Der Marktort war über eine hochwassersichere Verbindung auf der [[Geest]] mit [[Esens]] verbunden, das Endpunkt des [[Friesischer Heerweg|Friesischen Heerwegs]] von [[Oldenburg (Oldenburg)|Oldenburg]] war. Durch die günstige Lage am äußersten nordwestlichen Rand des Oldenburgisch-ostfriesischen Geestrückens hatte der Ort für viele Jahrhunderte Zugang zur See. [[Vieh]], [[Muschelkalk]] und [[Speisesalz|Salz]] waren die Haupthandelsgüter. Norden gehörte vermutlich zunächst zum [[Gau|Federgau]].<ref>Hajo van Lengen: ''Geschichte des Emsigerlandes: vom frühen 13. bis zum späten 15. Jahrhundert'', 1973, S. 13</ref> Nach dem Einbruch der [[Leybucht]] verlor das Kirchspiel Norden ab dem 9. Jahrhundert nach und nach seine Verbindungen zum Federgau. So entwickelte sich die Ansiedlung bis 1150 zu einem Vorort des Gaues Nordendi, der in etwa das Gebiet umfasste, das ab dem Hochmittelalter [[Norderland|Norder-]], [[Auricherland|Auricher-]] und [[Harlingerland]] genannt wurde. Im 11. und 12. Jahrhundert wurde die fränkische Grafschaftsverfassung von den Friesen weitgehend ausgehöhlt und der Großgau Nordendi brach auseinander. [[Datei:Sibet Attena Sarkophag.JPG|miniatur|Sarkophag von Sibet Attena]] Norden wurde nach der Auflösung des Gaus Hauptort des [[Norderland]]es.<ref>[[Herbert Obenaus]] (Hrsg.): ''[[Historisches Handbuch der jüdischen Gemeinden in Niedersachsen und Bremen]]''. Wallstein, Göttingen 2005, ISBN 3-89244-753-5, S. 1122.</ref> Von der zentralen Bedeutung des Ortes zeugt, dass sich hier neben zwei Kirchen zwei Klöster und Burgen in enger Nachbarschaft befanden – eine Konzentration, die es im Norderland sonst an keinem anderen Ort gab. Die Beziehungen zwischen Norden und seinem Umland sind allerdings umstritten.<ref>So schreibt der Buchautor und Norder Heimatforscher Johann Haddinga: „In der Beurteilung der Alltagspraxis, konkret: der Beziehungen und Verflechtungen zwischen dem aufstrebenden landesgemeindlichen Zentrum Norden und dem ganzen Norderland, stimmen die Meinungen und Thesen der Historiker jedoch nicht klar überein.“ In: Johann Haddinga/Martin Stromann: ''Norden/Norddeich – Eine ostfriesische Küstenstadt stellt sich vor.'' Verlag SKN, Norden 2001, ISBN 3-928327-43-7, S. 37.</ref> Im 12. Jahrhundert entstand am Zingel das [[Kloster Marienthal (Norden)|Kloster Marienthal]], die spätere [[Grabmal|Grablege]] der ostfriesischen Adelsfamilie [[Cirksena]]; die [[Dominikaner]] siedelten sich 1264 am [[Kloster Norden|Fräuleinshof]] an. Zu dieser Zeit gab es mehrere Burgen der vorherrschenden [[Ostfriesische Häuptlinge|Häuptlingsfamilien]] des Ortes, so etwa die Ennenburg der [[Sibet Attena|Attena]] am damaligen Hafen und die Idzingaburg der gleichnamigen Familie, aus deren Wappen die Stadt Norden später die Sporenräder übernahm. Es waren dies Burgen vom Typus ostfriesischer Häuptlingsburgen, der noch heute am [[Steinhaus Bunderhee]] zu erkennen ist. Die Stadtkirche war dem Heiligen Andreas geweiht und stand in räumlicher Nähe zur [[Ludgeri-Kirche (Norden)|Ludgeri-Kirche]], die im Gegensatz zur Andreaskirche die Kirche des Norder Umlandes war. Im Jahr 1255 wurde Norden in einem Vertrag erstmals gesichert urkundlich erwähnt,<ref>[http://www.norden.de/media/custom/512_592_1.PDF ''Der Norder Vertrag 1255''], Originaltext mit Übersetzung von Gerd Dickers, Norden (PDF 73kB)</ref> was vielfach mit der Verleihung des Stadtrechts verwechselt wird.<ref name="Martin Stromann 2001"/> Aus diesem Irrtum heraus erklärt sich, dass Norden sich bis in die jüngste Zeit als „älteste Stadt Ostfrieslands“ bezeichnet. [[Emden]] wurde allerdings 1224, also 31&nbsp;Jahre früher, erstmals urkundlich erwähnt. In der Zeit der Ostfriesischen Häuptlinge von 1350 bis 1464 gehörte Norden mit [[Norderland|seinem Umland]] zum Herrschaftsgebiet verschiedener Häuptlingsfamilien und fiel schließlich an die [[tom Brok]] aus dem [[Geschichte des Brookmerlandes|Brookmerland]], nach ihrem Ende an die [[Liste der Grafen und Fürsten von Ostfriesland|Grafen und späteren Fürsten von Ostfriesland]] aus dem Hause Cirksena. Das bedeutete für den Ort eine geringere politische Bedeutung, da sich die Machtzentren Ostfrieslands in Aurich (zunächst Sitz der tom Brok, später der Cirksena) und Emden (Cirksena, bis zu ihrer Vertreibung 1595) entwickelten, worin vermutlich begründet liegt, weshalb der Ort nie mit einer Stadtmauer oder Ähnlichem befestigt wurde. Norden war in der Folgezeit hauptsächlich Handelsort, was im 14. Jahrhundert nach Sturmfluten durch eine Ausweitung der [[Leybucht]] begünstigt wurde. Der Ort hatte danach direkten Zugang zum Meer. So entstand im Südbereich der Stadt ein Seehafen, der bis weit ins 19. Jahrhundert hinein Bedeutung hatte und der Stadt über einen langen Zeitraum eine wirtschaftliche Blüte bescherte, auch wenn sein Handel dem der Stadt Emden stets nachstand. Norden besaß eine eigene [[Handelsflagge]], unter der Norder Schiffe Nord- und Ostsee befuhren. === Norden unter den Cirksenas === [[Datei:Norden1590.jpg|miniatur|Norden um 1590. Ausschnitt aus einer zeitgenössischen Darstellung]] [[Datei:Frisiae-edited.jpg|miniatur|Ostfriesland um 1600]] Im Jahr 1531 verwüstete ein Heerhaufen des Häuptlings [[Balthasar von Esens]] die unbefestigte Stadt, unter anderem wurden der Vorgängerbau des heutigen Alten Rathauses, mehrere Klöster und die Andreaskirche zerstört. Sie stand nördlich der [[Ludgeri-Kirche (Norden)|Ludgerikirche]] auf dem Marktplatz. Versuche, die Andreaskirche wieder aufzubauen, schlugen fehl, und das Gebäude stürzte im 17. und 18. Jahrhundert allmählich ein. Die letzten Reste der Andreaskirche verschwanden 1756. Es ist unbekannt, ob es in Norden jemals eine [[Stadtrecht]]sverleihung gab. Nach dem Wiederaufbau Nordens gab Graf [[Enno II. (Ostfriesland)|Enno II.]] dem Ort mit den ''Instituta Nordana'' eine Stadtordnung (1535). Als „Stadt“ hatte jedoch bereits [[Edzard I. (Ostfriesland)|Graf Edzard I.]] Norden bezeichnet (1491 und 1498). Im 16. Jahrhundert ließen sich erstmals [[Jüdische Gemeinde Norden|Juden in der Stadt]] nieder. Der jüdische Friedhof ist der älteste in Ostfriesland. Die [[Reformation]] erbrachte in Norden einen teilweise erbittert geführten Streit zwischen [[Calvinismus|calvinistischen]] Protestanten und [[Evangelisch-lutherische Kirchen|Lutheranern]]. Das Grafenhaus förderte die Reformation. Die Söhne Edzards des Großen, Enno II. und Johann I., regierten 1528–1540 großenteils gemeinschaftlich, wobei Enno der lutherischen Lehre anhing, Johann jedoch katholisch blieb. Die kurze Zeit später erlassene Regelung [[Cuius regio, eius religio]] wurde in Ostfriesland nie in dem Sinne umgesetzt, dass die Bürger zur Annahme des Bekenntnisses des Landesherrn verpflichtet waren. In dieser [[Gemengelage]] stritten in Norden lutherisch Gesinnte und Calvinisten (Reformierte) erbittert über die Kirchenordnung. Letztlich setzten sich die lutherischen Geistlichen durch. Die Gründung einer reformierten Gemeinde Lütetsburg/Norden erbrachte zunächst eine Befriedung der geistlichen Verhältnisse. Die Familie zu Inn- und Knyphausen auf der Lütetsburg war calvinistisch orientiert und ließ auf der Lütetsburg Gottesdienste zu. Doch 1680 brach der Konflikt erneut aus, als die Reformierten in Bargebur, damals kurz vor den Toren der Stadt, eine reformierte Kirche bauen wollten. Aufgebrachte Norder Bürger rissen den Bau wieder ein, erst unter der Aufsicht militärischer Truppen wurde der Bau 1684 vollendet. Ein weiterer Konfliktpunkt war die Steuerpolitik der Grafen. Der Streit eskalierte im Jahre 1602, als Graf [[Enno III. (Ostfriesland)|Enno III.]] die Stadt eroberte, nachdem diese ihm die [[Huldigung]] verweigert hatte. Enno erkannte der Stadt sämtliche Privilegien ab und erteilte diese erst nach erfolgter Huldigung wieder. In den Jahren 1597/98 und noch einmal 1611 brach in der Stadt die [[Pest]] aus. Während des [[Ostfriesland zur Zeit des Dreißigjährigen Krieges|Dreißigjährigen Krieges]] wurde der unbefestigte Ort von Mansfelder (1622 bis 1624), kaiserlichen (1627 bis 1631) und hessischen Truppen (1637 bis 1650) besetzt. Im 18. Jahrhundert besaß Norden eine bedeutende Seeflotte an der ostfriesischen Küste. Bei der [[Weihnachtsflut 1717]] wurde das Norder Stadtgebiet wie das gesamte Ostfriesland schwer getroffen. Die Ortschaft [[Itzendorf]] musste aufgegeben werden, an sie erinnert die ''Itzendorfplate'', eine Untiefe vor der Norder Küste in Höhe des Ortsteils Westermarsch. === Unter preußischer und hannoverscher Herrschaft === Im Jahr 1744 fiel Ostfriesland, und damit auch Norden, durch eine [[Exspektanz]] an das [[Königreich Preußen]]. Der preußische Staat förderte in den folgenden Jahrzehnten den [[Landesausbau]] Ostfrieslands – besonders durch [[Moorkolonisierung]], aber auch durch Eindeichungen. Auf dem heutigen Norder Stadtgebiet wurden drei Polder eingedeicht: 1769 der Leysander Polder, 1770 der Hagenpolder und 1781 der Schulenburger Polder. Alle befinden sich südlich des Stadtkerns und wurden aus der Leybucht gewonnen. [[Datei:Koenigreichholland.jpg|miniatur|Karte des Königsreichs Holland mit Ostfriesland (rechts oben)]] [[Datei:NordenOstfrieslandUm1845.jpg|miniatur|Norden um 1845]] Im Jahr 1794 gründeten sieben Norder Kaufleute und Bürger aus Hage die [[Moorkolonisierung|Fehnsiedlung]] ''Norderfehn'', die später in [[Berumerfehn]] umbenannt wurde. Sie bauten dort [[Torf]] ab. Dazu gruben sie den heutigen Berumerfehnkanal, der den Norder Hafen mit der neuen Fehnkolonie verband. Er ist etwa 14 Kilometer lang. Auf rund 1500 Hektar Fläche wurde der Torf gestochen und – erstmals 1797 – mit kleinen Schiffen auf dem Kanal nach Norden transportiert. Die Stadt wurde damit unabhängig von den zuvor nötigen Importen des Brennmaterials, das vor allem aus dem [[Groningen|Groningerland]] und dem [[Saterland]] beschafft wurde. Nach der [[Napoleon Bonaparte|napoleonischen]] Besatzungszeit 1806 bis 1813, als Norden zunächst dem [[Königreich Holland]] (bis 1810) und schließlich als Teil des [[Département]]s [[Ems-Oriental]] Frankreich angehörte, fiel die Stadt nach dem [[Wiener Kongress]] 1815 an das [[Königreich Hannover]]. In den 1840er-Jahren wurden in Ostfriesland mehrere Chausseen angelegt, die die Städte verbanden. Dazu zählte die 1844 fertiggestellte Chaussee von Norden nach Emden, die zudem ab [[Georgsheil]] einen Anschluss nach Aurich sicherte. Von 1844 bis 1846 wurde im Süden des heutigen Stadtgebiets der Ernst-August-Polder (benannt nach dem [[Ernst August I. (Hannover)|Hannoverschen König]]) eingedeicht. Die Chaussee nach Hage kam 1856 hinzu, neun Jahre später bis [[Arle]] verlängert (Vorläufer der heutigen Landesstraße&nbsp;6). Das Revolutionsjahr 1848 hinterließ auch in Norden Spuren. „Das politische Leben erwachte.“<ref>So urteile der Buchautor und Lokalhistoriker Ufke Cremer; in: Ufke Cremer/Johann Haddinga: ''Norden. Die Stadtchronik.'' Verlag SKN, Norden 2001, ISBN 3-928327-46-1, Teil I, S. 85.</ref> Es kam zur Gründung eines Bürgervereins, dessen politisches Wirken nicht nachhaltig war. Zudem wurde eine Bürgerwehr zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung gegründet. Die erste Zeitung, das ''Norder Stadtblatt'', erschien in jenem Jahr. Weitere Verleger nutzten ebenfalls die neu gewonnene Pressefreiheit, ihnen allen war wirtschaftlich jedoch nur ein kurzes Leben beschieden. Erst 1867 wurde der [[Ostfriesischer Kurier|Ostfriesische Kurier]] gegründet, der bis zum heutigen Tag das Lokalblatt des Norderlandes bleibt. Ostfriesland kam 1866 mit dem Ende des hannoverschen Königreichs wieder zu [[Preußen]] zurück. Durch Eindeichungen war der Zugang der Stadt zum Meer stark eingeschränkt und wurde nur noch durch das ''[[Norder Tief]]'' aufrechterhalten. Die Bedeutung Nordens als Handelsort sank dadurch, wurde aber durch die beginnende [[Industrialisierung]] kompensiert. In Norden entstanden eine [[Eisenwerk|Eisenhütte]], eine Schokoladen- und eine Zuckerfabrik, Tabak-, [[Wegwarten|Zichorien]]-, Essig- und Senffabriken. Der Markt hatte weiterhin überregionale Bedeutung im Handel mit Vieh, Holz und Getreide. Zum größten Unternehmen am Ort entwickelte sich schon bald die 1806 von dem aus [[Groningen]] stammenden [[Mennoniten]] [[Jan ten Doornkaat Koolman]] gegründete [[Spirituosen|Schnapsbrennerei]] ''[[Doornkaat]]''. === Norden im Kaiserreich === [[Datei:Osterstrasse.PNG|miniatur|Osterstraße in Norden um 1920]] [[Datei:Norden versch Ansichten.jpg|miniatur|Historische Ansichtskarte um 1925]] [[Datei:Gaststätte Claassen.jpg|miniatur|Gasthof „Jerusalem“ in der Osterstraße um 1920]] Ein bedeutendes Ereignis war der Anschluss an das nationale [[Schienennetz|Eisenbahnnetz]] 1883; die Strecke wurde 1892 bis zum Norddeicher Fähranleger, genannt [[Norddeich#Verkehr|Norddeich Mole]], weitergeführt. Dadurch gewann die Stadt für den Durchgangsverkehr von Touristen nach [[Norderney]] und anderen [[Ostfriesische Inseln|Ostfriesischen Inseln]] an Bedeutung. Im Zuge der preußischen Gebietsreform des Jahres 1885 lösten in Ostfriesland die (größeren) Landkreise die vorherigen Ämter ab. Norden wurde zum Sitz des [[Landkreis Norden|gleichnamigen Landkreises]], der aus den früheren Ämtern Norden und Berum bestand. Im Jahr 1889 begann der Bau der ersten Hafenmole in Norddeich, wo 1905 die Küstenfunkstelle [[Norddeich Radio]] errichtet wurde. 1914 wurde die Stadt an die Elektrizitätsversorgung angeschlossen. Während des [[Erster Weltkrieg|Ersten Weltkrieges]] wurden in Norden und seinem Umland Kriegsgefangene auf den Bauernhöfen eingesetzt. Vor allem die Küstenfunkstelle hatte in den nächsten vier Jahren große Bedeutung für die [[Kaiserliche Marine]] und wurde entsprechend geschützt. Die Sozialdemokratie fasste in er Kleinstadt in ländlicher Umgebung erst spät Fuß. Zwar gab es bereits 1875 erste Versuche, sich zu organisieren. Es dauerte aber bis 1902, bis von der Organisation eines Ortsvereins gesprochen werden kann. Zu einem Streik kam es 1906, als die Arbeiter der Eisenhütte in den Ausstand traten. Die Eigentümer der Hütte ließen daraufhin in ganzseitigen Zeitungsannoncen die Namen der Streikenden abdrucken.<ref>Ufke Cremer/Johann Haddinga: ''Norden. Die Stadtchronik.'' Verlag SKN, Norden 2001, ISBN 3-928327-46-1, Teil II, S. 8</ref> Nach dem Ende des Ersten Weltkrieges übernahm in Norden ein [[Arbeiter- und Soldatenrat]] für kurze Zeit die Macht, löste sich jedoch schnell auf. Wie im übrigen Ostfriesland blieben die Arbeiter- und Soldatenräte eine kurze Episode, was nicht zuletzt an der ländlich-konservativen Haltung in weiten Teilen Ostfrieslands lag. Erstmalig tauchten am 7. November 1919 bewaffnete Soldaten mit einer roten Fahne im Stadtgebiet auf; sie kamen vom nahe gelegenen [[Zeppelin|Luftschiffhafen]] in Hage. Zum Einsatz der Schusswaffen kam es nicht. Der Teehandels-Unternehmer Onno Behrends versammelte in einem „Bürgerausschuss“ Angehörige des bürgerlich-konservativen Lagers, die eine Zusammenarbeit mit dem Arbeiter- und Soldatenrat anstrebten, was auch gelang. Die Arbeiter- und Soldatenräte lösten sich im Sommer 1919 auf. === Weimarer Republik und Nationalsozialismus === 1919 wurde die Umlandgemeinde Sandbauerschaft, die Norden fast vollständig umschloss, in die Stadt eingemeindet. Die Einwohnerzahl erhöhte sich dadurch um etwa 50&nbsp;Prozent auf rund 10.200. Im Jahr 1929 schränkte die Eindeichung des Leypolders, verbunden mit dem Bau des [[Leybuchtsiel]]s,<ref>[http://www.entwaesserungsverband-norden.de/side.php?news_id=1&part_id=1&navi=1 www.entwaesserungsverband-norden.de].</ref> den Zugang der Stadt zum Meer weitgehend ein. Infolgedessen entwickelte sich der Hafen von Norddeich zunehmend zum wichtigeren des heutigen Stadtgebiets. Bei den Kommunalwahlen vom 12. März 1933 konnten die [[Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei|Nationalsozialisten]], die bereits seit 1923 eine eigene Ortsgruppe hatten, in der Stadt die Mehrheit der Stimmen auf sich vereinigen. Bereits wenige Tage später setzten Verhaftungswellen gegen [[Kommunistische Partei Deutschlands|Kommunisten]] und [[Sozialdemokratische Partei Deutschlands|Sozialdemokraten]] ein. Wenige Wochen nach der [[Machtergreifung]] der Nationalsozialisten kam es zu Übergriffen auf politische Gegner: 27 Sozialdemokraten und Kommunisten wurden in der Gaststätte ''Zur Börse'' von Nazis brutal misshandelt. Am 28. März ließ die [[Sturmabteilung|SA]] in der Stadt sämtliche jüdische Geschäfte schließen und rief zu deren Boykott auf. Diese Maßnahme wurde am 5. April wieder beendet. In der Folgezeit wurden Juden, die mit „arischen“ Norder Frauen Kontakt hatten, durch die Hauptstraßen des Ortes geführt, um den Hals ein Schild mit der Aufschrift ''Ich bin ein Rasseschänder'' (Juli 1935).<ref>Johann Haddinga/Martin Stromann: ''Norden/Norddeich – Eine ostfriesische Küstenstadt stellt sich vor''. Verlag SKN, Norden 2001, ISBN 3-928327-43-7, S. 46.</ref> Im Verlauf des Jahres 1938 setzte eine verstärkte antijüdische Hetze in der Norder Presse ein. Norden besaß viele Jahrhunderte hindurch eine [[jüdische Gemeinde Norden|jüdische Gemeinde]] mit [[Synagoge]]n in Norden und auf [[Geschichte der Juden auf Norderney|Norderney]]. Die Norder Synagoge wurde während der [[Novemberpogrome 1938|nationalsozialistischen Pogrome]] in der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 zerstört. Das Schulhaus und das Wohnhaus des [[Rabbiner]]s stehen noch. Die Synagoge in Norderney blieb von den Aktionen in Zusammenhang mit den Novemberpogromen verschont, da sie zuvor an einen Eisenwarenhändler verkauft worden war, der dort einen Lagerraum einrichten wollte. Die in Norden lebenden Juden wurden zusammengetrieben und gemeinsam mit den [[Geschichte der Juden in Ostfriesland|anderen ostfriesischen Juden]] in das [[KZ Sachsenhausen]] gebracht, von wo sie Wochen später zurückkehrten. Nach den Novemberpogromen löste sich die jüdische Gemeinde in Norden, die noch 1925 mehr als 230 Mitglieder hatte, auf. Die letzten Juden wurden im April 1940 in Konzentrationslager abtransportiert. Während der [[Zeit des Nationalsozialismus]] wurde fast die Hälfte der jüdischen Norder umgebracht. Im [[Zweiter Weltkrieg|Zweiten Weltkrieg]] wurde Norden von Bomben getroffen, die zu mehreren Todesopfern führten. Insgesamt überstand die Stadt den Krieg, von den Entbehrungen des Alltags abgesehen, „relativ glimpflich“.<ref>So das Urteil des Buchautoren und Norder Heimatforschers Johann Haddinga in: Johann Haddinga/Martin Stromann: ''Norden/Norddeich – Eine ostfriesische Küstenstadt stellt sich vor''. Verlag SKN, Norden 2001, ISBN 3-928327-43-7, S. 46.</ref> Norden nahm wie andere Städte und Gemeinden in Ostfriesland nach dem 6. September 1944 ausgebombte Emder auf, nachdem die Seehafenstadt durch alliierte Luftangriffe schwer zerstört worden war.<ref>Dietrich Janßen: ''6. September 1844: Emden geht unter. Zerstörung und Kriegsende 1944/1945''. Wartberg Verlag, Gudensberg-Gleichen 2004, ISBN 3-8313-1411-X, S. 24-26.</ref> Im Krieg war Norden ohne militärische Bedeutung. Zu erwähnen ist lediglich die Funktion Norddeichs als Fährhafen nach Juist und Norderney. Wie die anderen Ostfriesischen Inseln wurden sie mit [[Bunker (Bauwerk)|Bunker]]n und [[Flugabwehrkanone|Flak-Stellungen]] im Rahmen des [[Atlantikwall]]-Bauprogramms ausgerüstet. Nachdem aufgebrachte Norder Bürger energisch bei Parteiführern und verantwortlichen Angehörigen der Wehrmacht vorgesprochen hatten, wurde die Stadt am 4. Mai 1945 kampflos den Alliierten übergeben. === Norden seit 1945 === [[Datei:ChurchTidofeld.jpg|miniatur|Gnadenkirche Tidofeld, 1961 als Nachfolgerin einer Barackenkirche gebaut; sie beherbergt heute eine Ausstellung zur Geschichte der Vertriebenen]] Durch den [[Vertreibung#Die Vertreibungen nach dem Zweiten Weltkrieg|Flüchtlingsstrom der Nachkriegszeit]] nahm die Bevölkerung Nordens erheblich zu. In Tidofeld befand sich eines der größten Barackenlager im Nordwesten.<ref>[http://www.kirchenkreis-norden.de/go/kknorden/home/gnadenkirchetidofeld.xhtml Information auf der Seite der Gnadenkirche Tidofeld] (gesehen 14. Dezember 2009).</ref> Allein dort wohnten bis zu 1200 Menschen. Auch im heutigen Ortsteil [[Leybuchtpolder]] wurden Vertriebene angesiedelt. Im gesamten Landkreis Norden wurden Ende 1946 rund 17.000 Heimatvertreiebe gezählt. Hinzu kamen 9000 Menschen aus ausgebombten Städten. Diese etwa 26.000 Menschen stellten damals rund ein Drittel der Gesamtbevölkerung im Landkreis.<ref>Ufke Cremer/Johann Haddinga: ''Norden. Die Stadtchronik.'' Verlag SKN, Norden 2001, ISBN 3-928327-46-1, S. 46</ref> Ein neuer Ortsteil, Norden-Neustadt, entstand in den 1950er-Jahren, vornehmlich für die Vertriebenen. Von 1947 bis 1950 wurde der Leybuchtpolder eingedeicht, auf dem später der heutige Ortsteil entstand. Die bislang letzte Eindeichung an der [[Leybucht]] geschah durch die Anlage des 4,75 Kilometer langen Störtebekerdeiches. Die Deicharbeiter wurden mit einem Teil des eingedeichten Landes entlohnt – teils als landwirtschaftliche Existenzgrundlage und teils zum Nebenerwerb. „Ich halte es für eine Selbstverständlichkeit, daß bei der Verteilung des Siedlungslandes in der Leybucht in erster Linie die Arbeiter berücksichtigt werden sollen, aus deren Arbeit dieses Land überhaupt erst entstanden ist“, hatte Mimke Berghaus, der Regierungspräsident in Aurich, dem Leiter des Norder Domänen- und Bauamtes bereits vor Beginn der ersten Baumaßnahme mitgeteilt.<ref>Helmut Fischer: ''Land für Arbeiter, die es geschaffen haben'', in: ''Ostfriesischer Kurier'', 8. Januar 2009, Seite 6</ref> Es entstanden darüber hinaus 53 größere Betriebe zu 10 bis 16&nbsp;Hektar. Durch den Strukturwandel in der Landwirtschaft, in der mit modernen Maschinen bessere Erträge verzeichnet wurden, durch die Zuwanderung von Vertriebenen und wegen des Mangels an alternativen Beschäftigungsmöglichkeiten jenseits der Landwirtschaft waren die 1950er-Jahre ein Jahrzehnt, das von hoher Arbeitslosigkeit geprägt war. Ab diesem Jahrzehnt erfolgte ein großzügiger Ausbau der Infrastruktur in der Stadt, begonnen mit der Kanalisation im Stadtkern. Zudem wurden neue Schulen gebaut. Erste Rufe nach einer Ortsumgehung für die Innenstadt wurden laut, die immer stärker durch den Tourismus-Verkehr belastet wurde. [[Datei:Alteshausnorden.jpg|miniatur|Das älteste Haus Nordens, ''Haus Vienna'' (um 1550) wurde in den 1990er-Jahren saniert]] In den 1960er- und 1970er-Jahren wurde in Norden die Altstadt umfangreich saniert, der ein Teil der [[Flächensanierung|historischen Grundstruktur der Stadt]] zum Opfer fiel. Die Wohnungsbaugesellschaft ''[[Neue Heimat]]'' errichtete auf dem nun freien Gelände Mehrfamilienhäuser und drei Wohnhochhäuser. Als weitere Maßnahme wurden mehrere Straßen rund um den Marktplatz verbreitert, außerdem mussten die Alleebepflanzungen der Bahnhof- und der Norddeicher Straße weichen. Für die medizinische Versorgung der Einwohner Nordens und des Umlands ist 1966 ein neues Kreiskrankenhaus (heute ''Ubbo-Emmius-Klinik'') eröffnet worden. Durch die niedersächsische Kommunalreform 1972 gewann die Stadt eine Reihe von umliegenden Gemeinden als neue Ortsteile hinzu und wuchs beträchtlich in die Fläche. Bei der Kreisreform 1977 hingegen verlor die Stadt Norden den Sitz des gleichnamigen Kreises und gehört seither als Mittelzentrum zum [[Landkreis Aurich]] mit der Kreisstadt [[Aurich]]. Zwischen 1969 und 1979 wurde im Ortsteil Norddeich in die Infrastruktur investiert. Es entstanden die Seehund-Aufzuchtstation, das Meerwasser-Schwimmbad, neue Promenaden und ein aufgespülter Sandstrand. Dies führte dazu, dass Norddeich seit 1979 die offizielle Bezeichnung „Staatlich anerkanntes [[Seebad|Nordseebad]]“ trägt. Norden-Norddeich ist damit das größte staatlich anerkannte Nordseebad an der ostfriesischen Nordseeküste.<ref name="Nordseebad" /> Wirtschaftlich ging es Norden in den 1980er-Jahren außerordentlich schlecht. Die Schließung eines Zweigwerks des Büromaschinenherstellers [[Olympia (Büromaschinen)|Olympia]] und der langsame Niedergang der [[Doornkaat]]-Brennerei sowie weiterer Betriebe trieben die Arbeitslosigkeit in die Höhe. Der Rekordstand wurde Anfang 1986 vermeldet: 29&nbsp;Prozent.<ref>Ufke Cremer/Johann Haddinga: ''Norden. Die Stadtchronik.'' Verlag SKN, Norden 2001, ISBN 3-928327-46-1, S. 85</ref> In den 1990er-Jahren, teils vorher, siedelten sich zunehmend Betriebe in einem großen Gewerbegebiet im Süden der Stadt (''Leegemoor'') an, was die Arbeitslosigkeit sukzessive senkte, auch wenn sie innerhalb Ostfrieslands noch die höchste ist (s. Abschnitt Wirtschaft). Die Geschichte der Küstenfunkstelle Norddeich Radio endete 1998. Schon in den 1980er-, mehr noch in den 1990er-Jahren ist die Stadt dazu übergegangen, den Marktplatz Stück für Stück attraktiver zu gestalten, den Gebäuden historische Details zurückzugeben und historische Merkmale nachträglich besonders hervorzuheben. Die starke Verkehrsbelastung in der Innenstadt wurde ebenfalls abgemildert: Nach Jahrzehnten der Diskussion und des Bemühens um Aufnahme in den [[Bundesverkehrswegeplan]] erhielt Norden 2009 seine Ortsumgehung. === Einwohnerentwicklung === Die Stadt Norden hat heute rund 25.000 Einwohner, war um 1900 aber noch eine überschaubare Stadt mit etwa 7000 Einwohnern. Durch die Eingemeindung der Gemeinde Sandbauerschaft, die nahezu ringförmig um die Kernstadt verlief, wuchs Norden 1919 deutlich. Ein wesentlicher Schub in der Einwohnerentwicklung ergab sich nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs, als viele Flüchtlinge aus den früheren Ostgebieten des Deutschen Reiches aufgenommen wurden (siehe dazu auch [[Vertriebenenlager Tidofeld]]). So waren 1954 von den 17.785 Einwohnern der Stadt 4041 Flüchtlinge, also rund 22,7&nbsp;Prozent. Wegen akutem Arbeitsplatzmangel verließen allerdings einige Vertriebene die Stadt wieder und siedelten sich anderenorts an. Ein weiterer Schub ergab sich durch die Eingemeindung vieler kleiner Umlandgemeinden im Zuge der Niedersächsischen Kommunalreform 1972.<ref>{{Literatur|Herausgeber=Herbert Obenaus|Titel=Historisches Handbuch der Jüdischen Gemeinden in Niedersachsen und Bremen|Verlag=Wallstein|Ort=Göttingen|Jahr=2005|ISBN=3-89244-753-5|Seiten=1122|Kommentar=Einwohnerzahlen bis 1939}}</ref><ref>Ufke Cremer/Johann Haddinga: ''Norden. Die Stadtchronik.'' Verlag SKN, Norden 2001, ISBN 3-928327-46-1, Teil I, S. 90</ref><ref>Die Einwohnerzahlen von 1977, 1980 und 1990 basieren auf den Angaben von [http://www.verwaltungsgeschichte.de/norden.html deutsche-verwaltungsgeschichte.de/norden], aufgerufen am 2. Januar 2010</ref> {| | {| class="wikitable" |- class="hintergrundfarbe5" ! Jahr ! Einwohner |- | 1804 || align="right" | 3532 |- | 1826 || align="right" | 5757 |- | 1861 || align="right" | 6199 |- | 1867 || align="right" | 5975 |- | 1871 || align="right" | 6070 |- | 1885 || align="right" | 6879 |} | {| class="wikitable" |- class="hintergrundfarbe5" ! Jahr ! Einwohner |- | 1895 || align="right" | 6794 |- | 1905 || align="right" | 6717 |- | 1910 || align="right" | 6885 |- | 1925 || align="right" | 11.025 |- | 1933 || align="right" | 12.150 |- | 1939 || align="right" | 12.306 |} | valign="top" | {| class="wikitable" |- class="hintergrundfarbe5" ! Jahr ! Einwohner |- | 1950 || align="right" | 18.012 |- | 1954 || align="right" | 17.785 |- | 1977 || align="right" | 24.334 |- | 1980 || align="right" | 24.300 |- | 1990 || align="right" | 23.700 |- | 2008 || align="right" | 25.222 |} |} === Entwicklung des Ortsnamens === Es wird vermutet, dass es sich bei Norden um einen orientierenden Ortsnamen handelt. Er wird als „nach Norden hin liegend“ gedeutet. Da der Ort ursprünglich im Federgau lag und nicht im Gau Nordendi, wird eine Ableitung aus dem Gau-Namen ausgeschlossen.<ref>Der Norder Heimatforscher und Buchautor Johann Haddinga schreibt dazu: ''Unklar ist, wie der Name Norden entstand. Weil der Ort ursprünglich im Federgau lag, kann er nicht aus dem östlich gelegenen Gau Nordendi abgeleitet werden und ist daher vermutlich eine eigenständige Bezeichnung nach der Himmelsrichtung. Alle Deutungsversuche haben bisher kein klares Ergebnis gebracht.'' In: Johann Haddinga/Martin Stromann: ''Norden/Norddeich – Eine ostfriesische Küstenstadt stellt sich vor.'' Verlag SKN, Norden 2001, ISBN 3-928327-43-7, S. 35.</ref> Ob die 884 erwähnten Orte ''Norditi'' und ''Nordhunwig'' mit Norden identisch sind, bleibt unklar. == Politik == [[Datei:RSFAntiKopfDemoNorden.jpg|miniatur|Nachkriegswahlkampf in Norden: Hier eine Aktion der [[Radikal-Soziale Freiheitspartei|RSF]]]] Am 8. Juni 1945 ernannte die britische Militärregierung Dr. Albert Schöneberg zum ersten Nachkriegsbürgermeister der Stadt Norden. Anfang 1946 konstituierte sich auf Anweisung der Besatzungsbehörden der erste Nachkriegsstadtrat. Hauptaufgabe des ernannten Stadtrates, der aus politisch nicht belasteten Mitgliedern bestand, war die Umsetzung der von der Militärregierung nach britischem Muster entwickelten neuen ''Deutschen Gemeindeordnung'', die damit verbundene Redemokratisierung der kommunalen Strukturen und die Vorbereitung der ersten Kommunalwahlen. Wichtigstes Ziel der neuen Kommunalordnung war die Abschaffung des nationalsozialistischen [[Führerprinzip]]s und seine Ersetzung durch das „Prinzip gemeinschaftlicher Verantwortung“.<ref>vgl. dazu Johann Haddinga: ''Stunde Null. 1944 - 1948. Ostfrieslands schwerste Jahre'', Norden 1988 (1. Auflage), ISBN 3-922365-76-0, S. 100f</ref> Bereits im März 1946 wurde Schöneberg durch die Militärregierung als Bürgermeister abgesetzt.<ref>Begründung für die Entlassung Schönebergs war der Vorwurf, er habe falsche Angaben über seine Mitgliedschaft in nationalsozialistischen Organisationen gemacht. Dieser Vorwurf wurde später entkräftet, was zu einer rehabilitation Schönebergs führte.</ref> An seine Stelle trat Johann Fischer als zweiter Nachkriegsbürgermeister. Der von der Besatzungsmacht neben dem Bürgermeister ernannte [[Stadtdirektor]] Georg Schubach musste bereits im Oktober 1947 sein Amt wieder abgeben, da er sich mit falschen Angaben um dieses Amt beworben hatte. Im Juni 1950 verurteilte ihn die Strafkammer Aurich wegen Betruges zu einer Haftstrafe. Schubachs Nachfolge trat Walter Klein an.<ref>Johann Haddinga: ''Das Jahr-100 im Kurier''(Sonderdruck ''Ostfriesischer Kurier''), Norden 1999, Abschnitt 1945 - 1960, S. 47 (''Nordens erster Stadtdirektor: Falscher Doktor'')</ref> Die ersten freien Kommunalwahlen nach 1932 fanden in Ostfriesland am 15. September 1946 statt. Das Norder Wahlergebnis brachte für die [[Sozialdemokratische Partei Deutschlands|SPD]] neun Mandate, die [[Christlich Demokratische Union Deutschlands|CDU]] erhielt sechs, die [[Freie Demokratische Partei|FDP]] fünf Sitze und die [[Kommunistische Partei Deutschlands|KPD]] einen Sitz im Norder Rathaus. Anfang Oktober fand in Anwesenheit des britischen Militärgouverneurs die konstituierende Ratsversammlung statt, bei der Johann Fischer (SPD) einstimmig zum Bürgermeister gewählt wurde.<ref>Inge Lüpke-Müller: ''Ostfriesland. Eine Region im politischen Umbruch. Der Demokratisierungsprozess in Ostfriesland nach dem Zweiten Weltkrieg'', Aurich 1998, S. 344</ref> Im Herbst 1948 wurden im neu gegründeten [[Niedersachsen]] eine zweite Kommunalwahl durchgeführt. Zwar blieb nach diesen Wahlen die SPD stärkste Fraktion im Norder Rathaus, der von ihr gestellte Bürgermeister Fischer wurde mit den Stimmen von CDU, FDP und der neu im Rathaus vertretenen [[freiwirtschaft]]lich orientierten [[Radikal-Soziale Freiheitspartei|Radikal-Sozialen Freiheitspartei]] (RSF) abgewählt. An seine Stelle trat der Freidemokrat Albert Schöneberg. Stellvertretender Bürgermeister wurde der RSF-Ratsherr Anton Nordwall.<ref>Johann Haddinga: ''Ostfriesland - der Weg in die fünfziger Jahre'', Folge 2, in: ''Ostfriesischer Kurier'' vom 21./22. Januar 1989, S. 13</ref> 1956 wurde Johann Fischer wieder ins Bürgermeisteramt berufen. Dessen Nachfolger wurde 1959 der SPD-Ratsherr Hinrich Donner. Von 1964 bis 1998, also mehr als drei Jahrzehnte, war Norden eine [[Parteihochburg|Hochburg]] der SPD. Die Sozialdemokraten erhielten bei Kommunalwahlen meistens die absolute Mehrheit der Stimmen, bei der Kommunalwahl 1972 waren es 60&nbsp;Prozent der Stimmen.<ref>Ufke Cremer/Johann Haddinga: Norden. Die Stadtchronik. Verlag SKN, Norden 2001, ISBN 3-928327-46-1, S. 72</ref> Die Sozialdemokraten stellten auch den Bürgermeister. Mehrere Norder SPD-Politiker vertraten den Wahlkreis Aurich/Emden im Bundestag und den Wahlkreis Norden im Niedersächsischen Landtag (siehe Abschnitt Persönlichkeiten). [[Datei:2009 07 Norden Rathaus.JPG|miniatur|Neues Norder Rathaus]] Auf kommunaler Ebene ist die SPD zwar nach wie vor stärkste Kraft, hatte jedoch bereits bei der Wahl 1998 ihre absolute Mehrheit eingebüßt und stellte auch nicht mehr den Bürgermeister. Ein Bündnis aus [[Christlich Demokratische Union Deutschlands|CDU]], [[Freie Demokratische Partei|FDP]] und [[Wählergruppe|der freien Wählergemeinschaft ZoB]] löste im Stadtrat die SPD als dominierende Kraft ab. Dies wiederholte sich bei den Kommunalwahlen 2001 und 2006. Hintergrund waren „Turbulenzen“ <ref>Diesen Ausdruck verwendete der Buchautor und Heimatforscher Johann Haddinga in: Ufke Cremer/Johann Haddinga: ''Norden. Die Stadtchronik.'' Verlag SKN, Norden 2001, ISBN 3-928327-46-1, S. 101</ref> nach der turnusgemäßen Kommunalwahl 1996. Drei SPD-Kandidaten wurden beschuldigt, durch Manipulationen höhere Ergebnisse erzielt zu haben. Das Verwaltungsgericht Oldenburg wurde bemüht und kam zu dem Urteil, dass die Wahl wiederholt werden müsse. Dies geschah am 8. November 1998; die SPD verlor dabei ihre absolute Mehrheit. Die Wählergemeinschaft ZoB (Zukunftsorientierte Bürger), 1995 gegründet, ist inzwischen zweitstärkste Fraktion im Norder Rat. Ihre Mitglieder sind nicht allein vorher parteilose Bürger, sondern auch mehrere ehemalige SPD-Politiker, die ihrer Partei aus Unzufriedenheit den Rücken kehrten. Bei Landtags- und Bundestagswahlen galten die Wahlkreise, in denen die Stadt Norden liegt, ebenfalls lange als [[Bundestagswahlkreis Aurich – Emden|Hochburgen der SPD]]. So erreichte sie bei der Bundestagswahl 2005 im Wahlkreis Aurich/Emden mit 55,9&nbsp;Prozent der Zweitstimmen noch das beste Ergebnis dieser Partei in Deutschland. Bei der Bundestagswahl 2009 allerdings mussten die Sozialdemokraten deutliche Verluste hinnehmen und rutschten erstmals seit Jahrzehnten sogar unter die 40-Prozent-Marke. Bei der Wahl zum niedersächsischen Landtag 2006 erreichte die SPD mit 41,8&nbsp;Prozent der Zweitstimmen zwar das beste Ergebnis unter allen niedersächsischen Wahlkreisen, blieb aber ebenfalls klar hinter den Ergebnissen vergangener Landtagswahlen zurück, die oft bei mehr als 50&nbsp;Prozent der abgegebenen gültigen Stimmen lagen. === Stadtrat und Bürgermeister === Der Stadtrat hat 34 gewählte Ratsfrauen und Ratsherren sowie den direkt gewählten Bürgermeister. Ihm gehören seit der Kommunalwahl vom 10. September 2006 vier Parteien und eine Wählergemeinschaft an:<ref>[http://www.virtuell.norden.de/Wahlen/Kommunalwahl2006/start.html norden.de: ''Kommunalwahlergebnis 2006'']</ref> {| class="wikitable" |- class="hintergrundfarbe6" ! Partei !! Stimmanteil !! Veränderung !! Sitze |- align="right" bgcolor="#FFFFFF" ! align="left" class="hintergrundfarbe5" | SPD || 38,1 % || - 7,5 || 13 |- align="right" bgcolor="#FFFFFF" ! align="left" class="hintergrundfarbe5" | Zukunftsorientierte<br />Bürger (ZoB) || 31,2 % || + 5,7 || 11 |- align="right" bgcolor="#FFFFFF" ! align="left" class="hintergrundfarbe5" | CDU || 15,4 % || - 3,3 || 5 |- align="right" bgcolor="#FFFFFF" ! align="left" class="hintergrundfarbe5" | Bündnis 90<br />Die Grünen || 8,6 % || + 2,9 || 3 |- align="right" bgcolor="#FFFFFF" ! align="left" class="hintergrundfarbe5" | FDP || 5,2 % || + 2,2 || 2 |} Die Gruppierung ZoB (Zukunftsorientierte Bürger) bildet mit CDU und FDP eine [[Koalition (Politik)|Koalition]] und stellt die Bürgermeisterin, Barbara Schlag. Das derzeitige Bündnis regiert seit der Kommunalwahl 1998, ebenso die Bürgermeisterin. Bis 2001 war Schlag ehrenamtliche Bürgermeisterin, seitdem ist sie hauptamtliche Bürgermeisterin. Sie ist damit die erste Frau in der Norder Stadtgeschichte, die dieses Amt wahrnimmt. === Vertreter in Land– und Bundestag === Die Stadt Norden gehört zum Landtagswahlkreis 85 ''Emden/Norden'', der aus der Stadt Emden, der Stadt Norden und den Gemeinden Krummhörn, Hinte und Hage besteht. Im [[Niedersächsischer Landtag|Niedersächsischen Landtag]] ([[Legislaturperiode|Wahlperiode]] bis 2013) sind zwei Abgeordnete aus dem Wahlkreis vertreten, beide stammen aus Emden. Das Direktmandat gewann bei der Wahl 2008 der Sozialdemokrat [[Hans-Dieter Haase]]. Er ist seit 1998 Mitglied des Landtags. Über die [[Landesliste]] seiner Partei zog der FDP-Abgeordnete [[Roland Riese (Politiker)|Roland Riese]] zum zweiten Mal in den Landtag ein. Das Zweitstimmenergebnis der SPD von 41,8&nbsp;Prozent war das beste dieser Partei in den 87 niedersächsischen Wahlkreisen. Bei der Landtagswahl 2008 ergaben sich folgende Verhältnisse:<ref>Wahlkreis 85 Emden/Norden, Quelle: Niedersächsisches Landesamt für Statistik.</ref> {| class="wikitable" |- class="hintergrundfarbe6" ! Partei !! Erststimmen !! Kandidat !! Zweitstimmen |- align="right" bgcolor="#FFFFFF" ! align="left" class="hintergrundfarbe5" | SPD || 45,5 % || Haase || 41,8 % |- align="right" bgcolor="#FFFFFF" ! align="left" class="hintergrundfarbe5" | CDU || 31,9 % || Hegewald || 30,8 % |- align="right" bgcolor="#FFFFFF" ! align="left" class="hintergrundfarbe5" | Bündnis 90<br />Die Grünen || 8,7 % || Stolz || 7,9 % |- align="right" bgcolor="#FFFFFF" ! align="left" class="hintergrundfarbe5" | FDP || 4,9 % || Riese || 6,4 % |- align="right" bgcolor="#FFFFFF" ! align="left" class="hintergrundfarbe5" | Die Linke || 9,0 % || Joosten || 9,0 % |} Der [[Deutscher Bundestag|Bundestagswahlkreis]] Aurich/Emden umfasst die Stadt Emden und den Landkreis Aurich. Bei der [[Bundestagswahl 2009]] wurde der Sozialdemokrat [[Garrelt Duin]] erneut direkt gewählt. Mit einem [[Zweitstimme]]n-Ergebnis von 38,8&nbsp;Prozent wurde die SPD zwar stärkste Partei, musste jedoch im Vergleich zur vorherigen Bundestagswahl, bei der sie mit 55,9&nbsp;Prozent das beste Ergebnis aller deutschen Wahlkreise erzielt hatte, deutliche Verluste hinnehmen. Außerdem wird der Wahlkreis von dem Bündnisgrünen [[Thilo Hoppe]] aus Aurich vertreten. Dieser zog bei der Wahl über die Landesliste in den Bundestag ein. Bei der Bundestagswahl 2009 ergaben sich folgende Ergebnisse:<ref>Wahlkreis 25 Aurich/Emden, Quelle: Der Bundeswahlleiter.</ref> {| class="wikitable" |- class="hintergrundfarbe6" ! Partei !! Erststimmen !! Kandidat !! Zweitstimmen |- align="right" bgcolor="#FFFFFF" ! align="left" class="hintergrundfarbe5" | SPD || 44,4 % || Duin || 38,8 % |- align="right" bgcolor="#FFFFFF" ! align="left" class="hintergrundfarbe5" | CDU || 25,8 % || Hegewald || 24,6 % |- align="right" bgcolor="#FFFFFF" ! align="left" class="hintergrundfarbe5" | Bündnis 90<br />Die Grünen || 11,1 % || Hoppe || 10,4 % |- align="right" bgcolor="#FFFFFF" ! align="left" class="hintergrundfarbe5" | FDP || 7,1 % || Debus || 10,4 % |- align="right" bgcolor="#FFFFFF" ! align="left" class="hintergrundfarbe5" | Die Linke/PDS || 10,1 % || Heilemann || 11,5 % |} === Städtepartnerschaften === Die [[Städtepartnerschaft]] zu [[Bradford-on-Avon]] im [[Vereinigtes Königreich|Vereinigten Königreich]] besteht seit 1969. Sie geht zurück auf einen Besuch der Ruderer und Kanusportler des Bradford-on-Avon Rowing Clubs im Jahre 1967. Beim Gegenbesuch der Norder Sportler im darauffolgenden Jahr machte der damalige Bürgermeister Bradfords den Vorschlag einer Partnerschaft, die 1969 besiegelt wurde. Um die Städtepartnerschaft und den Austausch auf eine feste Basis zu stellen, hat sich in Norden ein Verein gegründet (''Städtepartnerschaft Bradford on Avon – Norden e.&nbsp;V.''), der neben den Verantwortlichen aus Politik und Stadtverwaltung die Beziehungen pflegt.<ref>[http://www.staedtepartnerschaft-bradford-on-avon-norden.de/ www.staedtepartnerschaft-bradford-on-avon-norden.de]</ref> Seit 1990 besteht eine Städtepartnerschaft mit [[Pasewalk]] in [[Mecklenburg-Vorpommern]].<ref>[http://www.norden.de/index.phtml?sNavID=549.3&sNavID=512.10 norden.de: ''Partnerstädte'']</ref> Norden ist die erste Stadt, mit der Pasewalk eine partnerschaftliche Verbindung unterhält.<ref>[http://www.pasewalk.de/cms/wm-cms,50.html pasewalk.de: ''Städtepartnerschaften'']</ref> Auch für diese Partnerschaft hatten sich in Norden und Pasewalk Partnerschaftsvereine gegründet. Diese haben sich zwar inzwischen aufgelöst (2004 und 2005), Kontakte bestehen jedoch auf privater Ebene fort. === Stadtwappen === [[file:Norderwappen.svg|miniatur|50px|Norder Wappen]] [[Blasonierung]]: ''Auf einem blauen Schild drei goldene sechsstrahlige Sporenräder im Verhältnis 2 (oben) : 1 (unten), Oberwappen mit Laubkrone auf dem Schild und als Schildhalter die bemäntelte Figur des heiligen Andreas.''<ref>[http://www.norden.de/index.phtml?mNavID=1.100&sNavID=549.167&La=1 norden.de: ''Wappen der Stadt Norden'']</ref> Die Farben der Stadt Norden sind gelb-blau. Die Flagge der Stadt Norden ist in diesen Farben gehalten, quergestreift und zu gleichen Teilen. Sie wird wahlweise mit oder ohne Wappen verwendet, offiziell jedoch mit. Das Norder Wappen geht im Wesentlichen auf das älteste Stadtsiegel aus dem Jahre 1498 zurück. In späteren Jahrhunderten wurde es nur minimal geändert. Die Sporenräder stammen aus dem Wappen der bis in das 15. Jahrhundert in Norden vorherrschenden [[Ostfriesische Häuptlinge|Häuptlingsfamilie]] Idzinga. Das Oberwappen zeigt eine Laubkrone auf dem Schild und als Schildhalter die bemantelte Figur des [[Andreas (Apostel)|heiligen Andreas]], des früheren Schutzpatrons der Stadt, vor einem Schrägkreuz stehend. Dem heiligen Andreas war die erste Stadtkirche am Marktplatz geweiht. == Religion == [[Datei:Norder Kirchen.JPG|miniatur|[[Ökumenische Bewegung|Ökumenisches]] Hinweisschild an den Norder Ortseingängen]] [[Datei:2009 07 Norden Ludgerikirche.JPG|miniatur|Die Ludgeri-Kirche Norden]] [[Datei:2009 07 Norden St-Ludgerus-Kirche.JPG|miniatur|St.-Ludgerus-Kirche]] [[Datei:ChurchNordenMennonite.jpg|miniatur|Mennonitenkirche Norden]] [[Datei:ChurchNordenBapt.JPG|miniatur|Christuskirche der Baptistengemeinde]] [[Datei:Philadelphia-Gemeinde 2.jpg|miniatur|Gemeindezentrum der Gemeinde "Philadelphia-Community"]] [[Datei:Bibelgemeinde Norden 2.jpg|miniatur|Gemeindezentrum der Evangelischen Bibelgemeinde]] Die Landkreise Aurich und Wittmund haben mit rund 85&nbsp;Prozent den höchsten Anteil an Lutheranern an der Gesamtbevölkerung in ganz Deutschland.<ref>[http://www.sprengel-ostfriesland.de/statistik/statistik.html#266000 ''www.sprengel-ostfriesland.de: Statistik'']</ref> Auch in Norden sind die Lutheraner die am stärksten vertretene Religion. Neben ihnen gibt es jedoch eine größere Zahl von evangelischen Gemeinden reformierter und freikirchlicher Prägung sowie eine Römisch-katholische Kirchengemeinde. Zwischen diesen Kirchen existiert auf verschiedenen Ebenen eine intensive Zusammenarbeit,<ref>siehe z.B.: Team "Zeitleiste" im Arbeitskreis Kirche zum Jubiläum 750 Jahre Norden (Hrsg.): ''Mit Gott durch die Zeit. Norder Kirchengeschichte'', Norden 2008</ref> die bereits an den Norder Ortseingängen sichtbar wird. Hier laden Lutheraner, Reformierte und Freikirchler durch ein gemeinsames Hinweisschild zu ihren Gottesdiensten ein. Außer den durch die [[Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Deutschland|Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen]] und der [[Evangelische Allianz]] verbundenen Kirchen wirken in Norden weitere Glaubensgemeinschaften christlicher Prägung. Einzelne [[Herrnhuter Brüdergemeine|Herrnhuter]] Christen gab es in Norden mindestens seit 1810. In diesem Jahr nahm der Herrnhuter Prediger Jakob Friederich Plessing hier seinen Wohnsitz und betreute von Norden aus die zerstreuten Herrnhuter Ostfrieslands.<ref>Hans Luckey: ''Gottfried Wilhelm Lehmann und die Entstehung einer deutschen Freikirche'', Kassel 1939, S. 22</ref> 1852 kam es zu einer förmlichen Konstituierung der Gemeinde, die bis 1898 bestand und an der Westseite des Norder Marktplatzes ein eigenes um 1875 erbautes Gotteshaus besaß.<ref>Team "Zeitleiste", a.a.O., Tafeln 14 und 15</ref> Dieses Haus diente anschließend der Evangelisch-reformierten Gemeinde und gastweise der Landeskirchlichen Gemeinschaft bis 1969 als Gottesdienststätte. 1970 wurde die Herrnhuter Kirche abgerissen und durch ein neues reformiertes Gemeindezentrum ersetzt.<ref>Team "Zeitleiste", a.a.O., Tafel 17</ref> Eine jüdische Gemeinde gibt es seit der [[Zeit des Nationalsozialismus]] nicht mehr. === Christentum === Der überwiegende Teil der Norder Bevölkerung ist [[Evangelisch-lutherische Kirchen|evangelisch-lutherisch]]. Auf dem Stadtgebiet befinden sich fünf [[Evangelisch-lutherische Landeskirche Hannovers|Kirchengemeinden]]. Die ''Ludgerigemeinde'' ist mit 8117 Gemeindegliedern die größte der 14 Kirchengemeinden im lutherischen Kirchenkreis Norden.<ref>[http://www.kirchenkreis-norden.de/go/kknorden/home/kirchengemeinden.xhtml www.kirchenkreis-norden.de] (abgerufen am 21. Dez. 2009).</ref> Die Ludgeri-Kirchengemeinde verfügt auf dem Gebiet der Kernstadt über ein Gemeindehaus, welches sich an der Norddeicher Straße befindet. Ein weiteres Gemeindehaus, am Kampweg gelegen, wurde inzwischen profaniert und ist jetzt Sitz eines Bestattungsunternehmens. Neben der Hauptgemeinde gibt es die ''Andreaskirchengemeinde'' im ehemaligen West-Bezirk. Weitere Gemeinden befinden sich in Norddeich (Arche), Süderneuland (Friedenskirche) und Leybuchtpolder. Die Kirche in Tidofeld wurde [[Säkularisation|säkularisiert]] und beherbergt heute eine Dokumentationsstätte zum Thema ''Vertreibung, Flucht und Wiederaufbau'' in der Nachkriegszeit. Neben den Lutheranern wirken in Norden zwei [[Evangelisch-reformierte Kirche (Synode evangelisch-reformierter Kirchen in Bayern und Nordwestdeutschland)|reformierte Gemeinden]]. Die Kirchengemeinde Lütetsburg-Norden besitzt in Bargebur ein historisches Gotteshaus und am Norder Marktplatz ein modernes Gemeindezentrum. Die zweite reformierte Kirchengemeinde befindet sich in Leybuchtpolder. Zwischen ihr und der ebenfalls ortsansässigen lutherischen Kirchengemeinde gibt es eine enge Zusammenarbeit. Ziel ist es, die ökumenische Zusammenarbeit der Gemeinden weiter auszubauen.<ref>[http://www.kirche-emden.de/index.php?id=109 Homepage des Evangelisch-lutherischen Kirchenkreises Emden / Artikel: Leybucht]; eingesehen am 12. Dezember 2009.</ref> Eine [[Römisch-katholische Kirche|Römisch-katholische]] Kirchengemeinde gab es nach der [[Reformation]] für einen längeren Zeitraum nicht mehr. Katholische Gottesdienste fanden unregelmäßig zunächst im Untergrund statt und später regelmäßig auf Betreiben der streng katholischen Ehefrau des [[Dodo zu Innhausen und Knyphausen]] in der Kapelle des [[Schloss Lütetsburg|Lütetsburger Schlosses]].<ref>Heinz Foraita: ''Dein sind die Zeiten, Herr. Die Geschichte der Katholischen Gemeinde Norden. Herausgegeben zur 100-Jahr-Feier der St. Ludgerus-Kirche zu Norden''. Norden 1985, S. 19.</ref> Für 1720 sind katholische Gottesdienste in einer Mietkammer an der Großneustraße 1 in Norden bezeugt. Am 4.&nbsp;Januar 1779 erlaubte der Preußenkönig [[Friedrich II. (Preußen)|Friedrich der Große]] per Dekret den Katholiken in Norden und Umgebung die freie Religionsausübung. Daraufhin wurde in einem Gebäudekomplex an der Sielstraße 55/56 eine dem [[Erzengel]] [[Michael (Erzengel)|Michael]] geweihte Kapelle nebst Pfarrhaus und Schule eingerichtet. In der zweiten Hälfte des 19.&nbsp;Jahrhundert war die Zahl der Katholiken in der Stadt wieder soweit angewachsen, dass 1864 an der Osterstraße 20 zunächst ein Pfarrhaus mit Kapelle und 1885 auf dem hinteren Grundstücksbereich ein reguläres Gotteshaus, die St. Ludgerus-Kirche, errichtet wurde.<ref>Siehe dazu Ufke Cremer / Johann Haddinga, a.a.O., S.80f</ref> Einen starken Wachstumsschub erlebte die Ludgerus-Gemeinde nach dem Zweiten Weltkrieg durch den Zuzug von Vertriebenen aus [[Schlesien]]. Heute zählt sie etwa 3800 Gemeindemitglieder.<ref>[http://www.sankt-ludgerus-norden.de/ Gemeinde St. Ludgerus in Norden].</ref> Durch den hohen Anteil an [[Vietnamesen]] in der Gemeinde (viele [[Boatpeople]] ließen sich in Norden nieder) wird die [[Heilige Messe|Messe]] zweisprachig abgehalten. Die [[Landeskirchliche Gemeinschaft]], die dem ''Ostfriesischen Gemeinschaftsverband'' angehört, hält ihre sonntäglichen [[Stundisten|''Stunden'']] im Gemeindezentrum der Evangelisch-reformierten Kirche am Markt ab. Zu ihren Bibelstunden trifft sie sich im Gemeindehaus der Lutherischen Kirchengemeinde an der Norddeicher Straße.<ref>[http://www.ogv.de/index.php?section=kreise Homepage des ''Ostfriesischen Gemeinschaftsverbandes'' (Adressen und Veranstaltungsnachweise)]; eingesehen am 23. Dezember 2009</ref> Norden weist eine ungewöhnlich hohe Zahl an [[Freikirche]]n auf. Die fünf zuerst erwähnten Kirchen sind über ihre überregionalen Zusammenschlüsse in der [[Vereinigung Evangelischer Freikirchen]] (VEF) verbunden. Die [[Mennonitenkirche Norden|Mennonitengemeinde Norden]] wurde 1556 gegründet.<ref>Diether Götz Lichdi: ''Die Mennoniten in Geschichte und Gegenwart. Von der Täuferbewegung zur weltweiten Freikirche'', 2004, S. 120</ref> Sie ist damit die älteste Freikirche und die zweitälteste Kirchengemeinde der Stadt. Mit den Mennonitengemeinden in Emden (seit 1530) und Leer (seit 1540) gehört sie zu den ältesten Gemeinden dieser Konfession weltweit. Zu ihren Gründervätern gehörten Glaubensflüchtlinge aus den sogenannten [[Spanische Niederlande|Spanischen Niederlanden]]. Ihre Nachfahren – dazu gehören zum Beispiel die Familien ''[[Doornkaat|ten Doornkaat]]'', ''ten Cate'', ''Cremer'' und ''Remmers'' – trugen wesentlich zur wirtschaftlichen Entwicklung Nordens bei. Die Norder Mennonitengemeinde hat gegenwärtig 55 Mitglieder. In ihren Räumlichkleiten trifft sich auch die konfessionsverwandte [[Mennonitische Brüdergemeinden|Mennonitische Brüdergemeinde]] Norden, die Ende des 20. Jahrhunderts durch Spätaussiedler aus der ehemaligen [[Sowjetunion]] gegründet worden ist. Bei ihren Gottesdiensten wird noch die russische Sprache verwendet.<ref>[http://www.mennoniten.de/norden.html www.mennoniten.de: ''Norden''].</ref> Die [[Bund Evangelisch-Freikirchlicher Gemeinden|Evangelisch-Freikirchliche Gemeinde]] der [[Baptisten]] an der Osterstraße konstituierte sich 1900 als selbstständige Gemeinde. Zuvor waren die Norder Baptisten ein Zweig der [[Jennelt]]er Gemeinde. Zu den baptistischen Einrichtungen in Norden gehören neben der Kapelle an der Osterstraße das ''Lüttje Hus'', eine christliche Bücherstube, und die Familienferienstätte ''Tohus'', ein Zweig des [[Baptisten in Bremen|Evangelisch-Freikirchlichen Diakoniewerkes Bremen]]. Der [[Bund Freikirchlicher Pfingstgemeinden]] (BFP) arbeitet in Norden seit den 50er Jahren des 20. Jahrhunderts. Erste Gottesdienste fanden in zwei kleinen angemieteten Räumen an der Posthalterlohne statt. Seit 1977 hat die Gemeinde ihr Zentrum, die ''Friedenskirche'', auf dem Gelände des ''Sozialwerks Nazareth'' in Norddeich, das unter Obhutschaft des [[Bund Freikirchlicher Pfingstgemeinden|Bundes Freikirchlicher Pfingstgemeinden]] steht und zu dem auch die Freie Christengemeinde Norden als Mitgliedsgemeinde gehört.<ref>[http://www.friedensgemeinde.de Homepage der ''Freien Christengemeinde / Friedensgemeinde Norddeich'']; eingesehen am 30. Dezember 2009</ref> Die [[Bund Freier evangelischer Gemeinden in Deutschland|Freie evangelische Gemeinde]] Im Spiet entstand Anfang der 1950er- Jahre des 20. Jahrhunderts. Ihr erstes Domizil war ein Einfamilienhaus an der Friesenstraße. Anfang der 1980er-Jahre kaufte die Gemeinde den ehemaligen Lebensmittelmarkt Panzlaff Im Spiet / Ecke Feldpfad und baute ihn zu einem Gemeindezentrum um. Mit der ''Freien Christengemeinde'' (Friedenskirche) in Norddeich und den Baptisten an der Osterstraße bilden sie unter dem Namen ''Wir 3! Freikirchen für Norden'' eine enge Arbeitsgemeinschaft.<ref>[http://wirdrei.org Homepage ''Wir 3! Freikirchen für Norden'']; eingesehen am 2. Oktober 2009.</ref> Die Zusammenarbeit geschieht in verschiedenen Bereichen. Neben dem überkonfessionellen [[Gemeindeunterricht]] und einem [[Alpha-Kurs]] für Suchende<ref>[http://www.alpha-norden.de/ Homepage des Alpha-Kurses Norden]; eingesehen am 23. Dezember 2009</ref> werden vor allem gemeinsame [[Evangelisation|evangelistische Veranstaltungen]] durchgeführt.<ref>Zum Beispiel die gemeinsame [[Zeltevangelisation]] im Juni 2009; siehe [http://www.idea.de/nachrichten/detailartikel/artikel/zeltevangelisation-auf-dem-marktplatz.html Idea-Nachrichtenmagazin: ''Zeltevangelisation auf dem Norder Marktplatz'' (vopm 8. Juli 2009)]; eingesehen am 23. Dezember 2009</ref> Die Anfänge der [[Siebenten-Tags-Adventisten|Adventgemeinde]]<ref>[http://norden.adventist.eu Homepage der Advent-Gemeinde Norden]; eingesehen am 23. Dezember 2009</ref> in Norden gehen auf den Beginn des 20. Jahrhunderts zurück.<ref>Menno Smid: ''Ostfriesische Kirchengeschichte'', Krummhörn 1974 (hrsg. von Jannes Ohling), S. 551</ref>. Ihr heutiges Gemeindezentrum befindet sich in einem ehemaligen Gaststättengebäude an der Brauhausstraße. Weitere Freikirchen sind die ''Bibelgemeinde'' an der Schulstraße<ref>[http://evangelische-bibelgemeinde.de Homepage der Norder Bibelgemeinde]; eingesehen am 23.Dezember 2009</ref> und die ''Philadelphia Community''<ref>[http://www.philadelphia-community.de Homepage der Philadelphia Community Norden]</ref> an der Schulstraße/Ecke Baumstraße. Die [[Neuapostolische Kirche]] hat ihr Gemeindezentrum an der Knyphausenstraße. Sie zählt zum Ältestenbezirk Emden des Bezirks Norddeutschland der Neuapostolischen Kirche Deutschlands. Im benachbarten [[Lütetsburg]] unterhalten die [[Zeugen Jehovas]] einen Königreichssaal. === Judentum === {{Hauptartikel|Jüdische Gemeinde Norden}} [[Datei:2009 07 Norden Synagogengedenkstaette1.JPG|miniatur|Gedenkstätte Platz der Synagoge]] Die jüdische Gemeinde bestand rund 450&nbsp;Jahre von ihren Anfängen im 16. Jahrhundert bis zu ihrem Ende am 7. April 1942. Zur Gemeinde gehörten auch die [[Geschichte der Juden auf Norderney|Juden auf Norderney]], die ab 1878 eine eigene Synagoge besaßen, ihre Verstorbenen jedoch weiterhin auf dem jüdischen Friedhof in Norden beerdigten. Die Norder Gemeinde war die zweitälteste in Ostfriesland nach der in Emden. Nach 1933 ausgegrenzt und verfolgt, emigrierten viele Juden. Die 1804 erbaute [[Synagoge]] der jüdischen Gemeinde wurde am [[Novemberpogrome 1938|9. November 1938]] zerstört. Schätzungsweise die Hälfte der Norder Juden ist im Holocaust umgekommen, der Rest ist über die ganze Welt verstreut. An die jüdische Gemeinde erinnern die Gedenkstätte für die niedergebrannte Synagoge am Synagogenweg und ein Mahnmal auf dem jüdischen Friedhof. Die Gedenkstätte auf dem Grundstück der ehemalige Synagoge entstand 1987 auf Inititave der ''Ökumenischen Arbeitsgruppe Synagogenweg''. Zentraler Bestandteil des kleinen Platzes ist ein bereits im September 1985 freigelegtes Grundmauerfragment der alten Synagoge.<ref>[http://www.ostfriesischelandschaft.de/af/fundchr1985.htm Ostfriesische Landschaft: Fundchronik 1985], abgerufen am 1. Januar 2010</ref> Das sich unterhalb des Straßenniveaus befindliche Mauernfragment wird über eine mehrstufige terrassenförmig angelegte Treppe erschlossen. Ein Hinweisschild über dem Mauernfragment erklärt seine Bedeutung. Abgerundet wird der Platz der Synagoge durch einen Gedenkstein zur Erinnerung und zur Mahnung. Die Einweihung der Anlage erfolgte aus Anlass der ''Woche der Begegnung 1987'' im Beisein ehemaliger Norder Juden und deren Angehörigen.<ref>[http://www.norden.de/index.phtml?La=1&sNavID=549.3&object=tx|1652.82.1&sub=0 Eine Woche der Begegnung], abgerufen am 1. Januar 2010</ref> Der bis dahin ''Judenlohne'' genannte Weg wurde durch die Stadt in ''Synagogenweg'' umbenannt. Weitere Gebäude des alten jüdischen Gemeindezentrums sind im unmittelbaren Umfeld der ehemaligen Synagoge vollständig erhalten. == Kultur und Sehenswürdigkeiten == === Kirchen und Orgeln === [[Datei:2009 07 Norden Ludgerikirche Arp-Schnitger-Orgel.JPG|miniatur|Prospekt der Arp-Schnitger-Orgel in der Ludgerikirche]] [[Datei:Rohlfsorgel Norden.jpg|miniatur|Prospekt der Rohlfs-Orgel in der Baptistenkirche Osterstraße]] Am nördlichen Rand des Marktplatzes befindet sich die [[Ludgeri-Kirche (Norden)|Ludgerikirche]], die größte Kirche Ostfrieslands.<ref>Zur Baugeschichte siehe die [http://norden-ludgeri.de/go/ludgeri/home/dieludgerikirche.xhtml Internetpräsenz der Kirchengemeinde] (gesehen 13. Dezember 2009).</ref> Ihr Bau begann 1235 mit einem schlichten [[Romanik|romanischen]] [[Langhaus (Kirche)|Langhaus]], einem 38 Meter langen [[Apsis]]saal aus Stein, der die bisherige Holzkirche ersetzte.<ref>Ausführliche Baugeschichte und -beschreibung in {{Literatur | Autor=Robert Noah | Titel=Gottes Häuser in Ostfriesland | Verlag=Soltau-Kurier | Ort=Norden | Jahr=1989 | Seiten=81–87 | ISBN=3-922365-80-9}}</ref> Etwa um 1318 wurde statt der Apsis ein Quer[[Kirchenschiff|schiff]] von 32 Meter Länge mit drei [[Kreuzrippe]]ngewölben angebaut. Aus dieser Zeit stammt auch der [[Glockenturm]], der wie in vielen ostfriesischen Kirchen frei steht und in Norden sogar auf der gegenüberliegenden Straßenseite errichtet wurde. Nach einer grundlegenden Sanierung des Querhauses ab 1445 wurde um 1455 der imposante [[basilika]]le Hochchor unter Verwendung großer [[Tuff]]steinmengen fertiggestellt.<ref>{{Literatur | Autor=Hermann Haiduck | Titel=Die Architektur der mittelalterlichen Kirchen im ostfriesischen Küstenraum | Verlag=Verlag Ostfriesische Landschaft | Ort=Aurich | Jahr=1986 | ISBN=3-925365-07-9 | Seiten=155–156}}</ref> Das Rippengewölbe ruht auf 13 Rundpfeilern. [[Ulrich I. (Ostfriesland)|Ulrich Cirksena]], dessen Wappen im Schlussstein des Chorgewölbes in 21 Meter Höhe zu sehen ist, ermöglichte diese Erweiterung, die offensichtlich die [[Martinikerk (Groningen)|Martinikerk in Groningen]] zum Vorbild hatte, wo der Chor 1452 gebaut wurde. Seitdem beträgt die Gesamtlänge der Kirche 80 Meter. Neben vielen kultur- und kunsthistorischen Schätzen birgt die Ludgeri-Kirche die zweitgrößte erhaltene [[Orgel der Ludgerikirche (Norden)|Arp-Schnitger-Orgel]] Deutschlands und die größte Orgel Ostfrieslands. [[Arp Schnitger]] erbaute sie in zwei Bauabschnitten 1686 bis 1688 und 1691 bis 1692 unter Verwendung von acht Registern aus der Vorgängerorgel. Die akustische Herausforderung, die Orgel in den verschiedenen Teilen der Kirche hörbar werden lassen, löste Schnitger auf eigentümliche wie geniale Weise, indem er die Orgel um den Vierungspfeiler herum zwischen dem Chor und dem Südteil des Querschiffs auf einer eigens gebauten Empore angebrachte.<ref>[http://www.nomine.net/norden-st-ludgeri Norder Schnitger-Orgel auf NOMINE] (gesehen 13. Dezember 2009).</ref> Das weltberühmte Instrument verfügt über 3110 Pfeifen, 46 [[Register (Orgel)|Register]], fünf [[Werk (Orgel)|Werke]], drei [[Klaviatur|Manuale]] und [[Pedal (Orgel)|Pedal]]. Aus dem Jahr 1481 stammen das [[Chorgestühl]] mit seinen Schnitzreliefs, das [[Sakramentshaus]] aus [[Baumberger Kalksandstein]] und der kunstvoll geschnitzte [[Baldachin]] des Altars. Der protestantische Flügelaltar von 1582 weist statt bildlicher Darstellungen Inschriften mit Bibelworten auf. Der [[Patronatsloge|Fürstenstuhl]] ersetzt seit 1601 den spätgotischen steinernen [[Lettner]]. 1712 schnitzte der Orgelbauer [[Rudolf Garrels]] die barocke Kanzel mit ihrem mächtigen Schalldeckel.<ref>{{Literatur | Autor=[[Gottfried Kiesow]] | Titel=Architekturführer Ostfriesland | Verlag=Verlag [[Deutsche Stiftung Denkmalschutz]] | Ort=Bonn | Jahr=2010 | Seiten=268, 271–272 | ISBN=978-3-86795-021-3}}</ref> Die [[Mennonitenkirche Norden]] am Marktplatz gehört zu den bemerkenswerten Gebäuden der Stadt. Es handelt sich dabei um ein ehemaliges, 1662 erbautes [[Patrizier]]haus, das in alten Quellen als das Kettler`sche Haus bezeichnet wird. Das Gebäude kam 1795 an die Mennonitengemeinde, die in seinem Inneren umfangreiche Umbauarbeiten durchführte. In der Kirche findet sich eine historisch wertvolle Deckenmalerei. Im Jahr 1900 wurde die [[Bund Evangelisch-Freikirchlicher Gemeinden|Evangelisch-Freikirchliche]] Christuskirche an der Osterstraße / Kleine Hinterlohne von den [[Baptisten]] errichtet und eingeweiht. Ein Jahr später kaufte die Gemeinde eine [[Orgel der Christuskirche (Norden)|Orgel]], die in den Jahren 1796 bis 1799 von dem Esenser Orgelbauer [[Johann Gottfried Rohlfs]] für die Mennoniten-Gemeinde Norden gebaut worden war, und ließ sie in ihr Gotteshaus überführen.<ref>[http://www.efg-norden.de/ www.efg-norden.de] (''Chronik'' im Abschnitt ''Über uns...'') (gesehen 13. Dezember 2009).</ref> Sie verfügt über elf Register auf zwei Manualen und Pedal. === Profanbauten === Der große ''Marktplatz'' im Zentrum Nordens hat eine Fläche von 6,678 Hektar und einen Baumbestand mit zum Teil mehr als 250&nbsp;Jahre alten Bäumen und ist von zahlreichen älteren Bauten eingefasst. An der Südseite des Marktplatzes steht das [[Gebäudeensemble]] der so genannten ''Dree Süsters'' (''Drei Schwestern''). Es besteht aus drei giebelständigen Backsteinbauten der [[Renaissance]] mit sehr ähnlich gestalteten Fassaden. Sie entstanden um das Jahr 1600. In den 1960ern musste das rechte der drei Häuser einem Parkplatz weichen, wurde aber 1991 originalgetreu wiedererrichtet.<ref>Kurt Asche: Bürgerhäuser in Ostfriesland, Verlag Soltau Kurier, Norden 1992, S. 17/18.</ref> Am ''Markt 46'' steht ein Haus, das früher der Apothekerfamilie Groenewold gehörte. Das spätgotische Gebäude entstand um 1500 und wurde 1680 umgestaltet. Ein erneuter Umbau erfolgte im 19. Jahrhundert. [[Datei:Windmuehlen Norden.jpg|miniatur|links|Deichmühle. Im Hintergrund die Frisia-Mühle]] [[Datei:Schöninghsches Haus msu88.jpg|miniatur|Schöninghsches Haus]] [[Datei:2009 07 Norden Westgaster Muehle.JPG|miniatur|links|Westgaster Mühle]] Ein weiterer historischer Bau ist das ''Alte Rathaus'' an der Westseite des Marktplatzes mit der [[Theelacht]]skammer, dem Verwaltungs- und Ausgabesitz der ältesten genossenschaftlichen Vereinigung Europas. Im Alten Rathaus befinden sich das Heimatmuseum und das angeschlossene Teemuseum. Weitere Sehenswürdigkeiten sind das ''Vossenhus'' (''Fuchshaus'') und die ''alte Posthalterei'' (Hotel zur Post) an der Ostseite des Marktplatzes. Im Vossenhuus ist die Stadtbibliothek untergebracht. Hinter dem klassizischten Quaderputz von ''Markt 66'' verbirgt sich noch ein Bau des 16.&nbsp;Jahrhunderts. Ebenfalls am Markt befindet sich das Gebäude des Polizeikommissariats, das aus dem Jahr 1610 stammt. Die unweit davon gelegene ''Osterstraße'', die in den östlichen Teil des Marktplatzes einmündet, gehört zu den ältesten Siedlungsbereichen Nordens. Als eine der wichtigsten Hauptgeschäftsstraßen ist sie jedoch einem wesentlich stärkeren Veränderungsdruck unterworfen, so dass dort nur wenige ältere Wohnbauten erhalten blieben. So musste der ehemalige ''Gasthof Jerusalem'' (ehemals Osterstraße 1) mit seinem geschweiften Giebel 1962 einem Bankgebäude weichen.<ref>Vgl.: Aelis/Smidt/Stromann: ''Steinerne Zeugen erzählen Geschichte.'' Norden 2001, Seite 78, sowie: Adolf Sanders: ''Unsere Stadt hinterm Deich. Norden und seine Umgebung'', Norden 1988, Seite 18. Dort auch ein Foto von 1908. Das Gebäude stammte wohl noch aus 16.&nbsp;Jahrhundert.</ref> Zu den eindrucksvollsten Bauten der Straße gehört das ''Schöninghsche Haus'', ein reich dekorierter Renaissancebau aus dem Jahr 1576. Nach der Zerstörung weiter Teile der Emder Innenstadt im Zweiten Weltkrieg gilt es als der bedeutendste Vertreter unter den an niederländischen Vorbildern orientierten Bürgerhäusern der [[Renaissance]] in Ostfriesland.<ref>[[Gottfried Kiesow]]: ''Architekturführer Ostfriesland''. Verlag [[Deutsche Stiftung Denkmalschutz]], Bonn 2010, ISBN 978-3-86795-021-3, S. 275.</ref> Es weist die typisch niederländischen „Specklagen“ auf: Die Fassade setzt sich abwechselnd aus Backstein- und hell gestrichenen Sandsteinschichten zusammen. Ebenfalls aus dieser Epoche stammt das wesentlich schlichtere Haus ''Osterstraße 157''.<ref>Siehe: Aelis/Smidt/Stromann: ''Steinerne Zeugen erzählen Geschichte.'' Norden 2001, Abbildung Seite 79</ref> In unmittelbarer Nähe befindet sich ferner die 1835 errichtete ''Schwanen-Apotheke'' (Nr. 160), ein breit gelagerter Bau des [[Klassizismus]]. Im Zentrum Nordens befindet sich ein Ensemble älterer und neuer Gebäude um die Hauptstelle der Sparkasse (Neuer Weg Nr. 67 bis 82 und 45 bis 48), das als Beispiel einer guten Sanierung und Einfügung von Häusern in den Altbestand gilt.<ref>Johann Haddinga/Martin Stromann: ''Norden/Norddeich – Eine ostfriesische Küstenstadt stellt sich vor.'' Verlag SKN, Norden 2001, ISBN 3-928327-43-7, S. 80.</ref> Die von dem Lübecker Architekten [[Helmut Riemann]] gestalteten Häuser Nr. 45/47, 48 und 82 wurden mit Architekturpreisen ausgezeichnet.<ref>[http://www.riemann-luebeck.de/architekten-team-detail.php?Show=preise Übersicht auf der Webseite des Architekten]</ref> Haus Nr. 71, der Samsonsche Speicher, stammt aus dem 16.&nbsp;Jahrhundert. Im Stadtgebiet gibt es noch drei historische Windmühlen: die [[Deichmühle]], die ''Frisia-Mühle'' und die ''Westgaster Mühle''. Deichmühle und Frisia-Mühle sind nur unwesentlich voneinander entfernt und bilden am Südeingang der Stadt Norden ein Ensemble. Zwei Mühlen in solch unmittelbarer Nähe sind selbst in der an Windmühlen reichen Region Ostfriesland kaum zu finden. Im Wasserbauwerk [[Leybuchtsiel]], einem Schöpfwerk nahe der [[Leybucht]], ist die [[Entwässerung]] der tief liegenden Landstriche anschaulich dargestellt. === Museen === [[Datei:Waloseum Walskelet.jpg|miniatur|Pottwalskelett im Waloseum]] In der ehemaligen Küstenfunkstelle im Ortsteil Osterloog befindet sich das ''Waloseum''. Im Mittelpunkt steht das 15 Meter lange und zwei Tonnen schwere Skelett eines [[Pottwal]]s, der 2003 im Watt zwischen Norddeich und Norderney strandete und verendete.<ref>[http://www.norden.de/index.phtml?La=1&sNavID=549.64&mNavID=549.64&object=tx|1652.254.1 norden.de: Waloseum]</ref> Das Museum zeigt die Entwicklungsgeschichte der Pottwale und erläutert die Strandungen von Walen vor der Norder Küste ebenso wie das Zusammenspiel von [[Ebbe]] und [[Flut]]. Außerdem verfügt das ''Waloseum'' über ein Meerwasseraquarium. Ergänzend wird eine Ausstellung „Vogelwelt der Küste“ gezeigt. [[Datei:2009 07 Norden Ostfriesisches Teemuseum.JPG|miniatur|links|Altes Rathaus mit Heimatmuseum und Ostfriesischem Teemuseum]] Das ''[[Ostfriesisches Teemuseum|Ostfriesische Teemuseum]]'' führt in die Geschichte und Bedeutung des ostfriesischen „Nationalgetränks“ ein. Es bezeichnet sich selbst als „erstes Spezialmuseum zur Kulturgeschichte des Tees in Europa“.<ref>[http://www.teemuseum.de Teemuseum Norden]</ref> Das Ausstellungskonzept ist überregional ausgerichtet und zeigt die Produktionskette vom Anbau der Teepflanze über Ernte und Verarbeitung bis zum fertigen Handelsprodukt. In einer Abteilung ist chinesisches Teeporzellan aus versunkenen Schiffen mehrerer Jahrhunderte ausgestellt. Ein Heimatmuseum für die Stadt und das Norderland ist angeschlossen, und in einer eigenen Ausstellung wird die Geschichte der Norder [[Doornkaat]]-Brennerei vorgestellt. Der Verein ''Museumseisenbahn Küstenbahn Ostfriesland (MKO)'' betreibt nahe dem Norder Bahnhof ein Eisenbahnmuseum, das in einem [[Lokschuppen]] und auf dem davor liegenden Außengelände untergebracht ist. Präsentiert wird eine Sammlung historischer Fahrzeuge, Geräte und anderer Eisenbahnobjekte. In der Sommersaison bietet die MKO Fahrten von Norden nach [[Dornum]] auf der Strecke der früheren [[Ostfriesische Küstenbahn|Ostfriesischen Küstenbahn]] an. Dabei wird vereinseigenes, historisches Wagenmaterial eingesetzt. [[Datei:Norden Robbe.jpg|miniatur|Seehund im Aquarium der Aufzuchtstation]] Die [[Seehundstation Norddeich|Seehundstation Nationalpark- Haus]] hat im Ortsteil Norddeich ihr Domizil gefunden. Die Seehundstation wurde 1971 gegründet, das Nationalparkzentrum 1993 ergänzt. Seit 2006 sind die beiden Einrichtungen organisatorisch zusammengelegt. Der Schwerpunkt der Ausstellung liegt auf [[Seehund]]en, [[Kegelrobbe]]n und den anderen Meeressäugern im Wattenmeer. Außerdem wird die Artenvielfalt des Wattenmeeres dargestellt. Besucher können bei der Pflege kranker oder mutterlos aufgefundener Säuger zusehen. Jährlich besuchen bis zu 250.000 Besucher die Einrichtung.<ref>[http://www.norden.de/index.phtml?La=1&sNavID=549.64&mNavID=549.64&object=tx|1652.251.1&kat=&kuo=1&text=&sub=0 norden.de: Seehundstation Nationalparkhaus]</ref> Im ''Funktechnischen Museum Norddeich Radio'' in der Norder Innenstadt sind technische und andere Ausstattungsstücke der früheren Küstenfunkstelle Norddeich Radio zu sehen. Das Museum berichtet zudem von der Geschichte der Funkstelle. Untergebracht ist das Museum in den Räumen der lokalen Gruppe des [[Deutscher Amateur-Radio-Club|DARC]]. Die [[Deutsche Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger]] unterhält am Norddeicher Hafen einen alten Rettungsschuppen, in dem Ausstellungsstücke aus der Geschichte der Seenotrettung gezeigt werden. Filmvorführungen gehören zum Programm. Im ''Kunsthaus Norden'', einem Baudenkmal aus dem 16. Jahrhundert mit neuerer Fassade von 1812, finden wechselnde Kunstausstellungen statt. Die Norder Museumslandschaft wird abgerundet durch ein ''Automobil- und Spielzeugmuseum'' in [[Lintelermarsch]] <ref>[http://www.automuseum-nordsee.de Webseite des Auto-Museums]</ref> sowie das in Norddeich beheimatete ''Maritim-Museum''<ref>[http://www.maritimmuseum.de Webseite des Maritim-Museums]</ref>, in dem nautische Gerätschaften sowie Schiffsmodelle und Buddelschiffe zu sehen sind. In der ''Frisia-Mühle'' ist das Muschel- und Schneckenmuseum mit mehr als 1000 verschiedenen Exponaten untergebracht.<ref>[http://www.muschel-und-schneckenmuseum.de Webseite des Muschel-und Schnecken-Museums]</ref> In derselben Mühle ist darüber hinaus eine Ausstellung von alten Maschinen und Werkzeugen aus dem Bäckerei-Handwerk untergebracht.<ref>[http://www.norden.de/index.phtml?mNavID=1.100&sNavID=549.64&La=1 Überblick auf norden.de: ''Museen'']</ref> In der profanisierten [[Gnadenkirche Tidofeld|Gnadenkirche]] [[Tidofeld]] befindet sich ein Dokumentationszentrum zur Flucht und Vertreibung nach dem [[Zweiter Weltkrieg|Zweiten Weltkrieg]].<ref>Siehe dazu den Hauptartikel [[Vertriebenenlager Tidofeld]]</ref> Die Schirmherrschaft dieses Zentrums hat der niedersächsische Mininisterpräsident [[Christian Wulff]] inne. === Sport und Freizeit === [[Datei:Stadtbuecherei Norden.jpg|miniatur|Im ''Vossenhus'' aus der Mitte des 19. Jahrhunderts ist die Stadtbibliothek untergebracht]] Unter den Norder Vereinen, die sich der Kulturarbeit widmen, sind der Norder Männergesangverein (gegründet 1857), das Norder Stadtorchester und die Niederdeutsche Bühne Norden zu nennen. Die Stadt Norden verfügt zwar über kein eigenes Theatergebäude, hat in den Räumen des Schulzentrums im Ortsteil Ekel 1968 jedoch einen Theatersaal mit 500 (fest bestuhlten) Plätzen eingerichtet. Eine Renovierung erfolgte 1993. Die Norder Stadtbibliothek verfügt über zirka 25.000 Bände. Der Turnverein (TV) Norden verfügt über eine große Leichtathletik-Abteilung und hat in den vergangenen Jahrzehnten eine große Zahl von Titelträgern bei norddeutschen und deutschen Titelkämpfen gestellt.<ref>Aus der jüngeren Vergangenheit sind etwa der Sprinter [http://www.ostfriesland-la.de/module/siteid_38/entryId_819/mitteilung.html Siewert Andre (inzwischen Hamburger SV)], die Läufer [http://www.ostfriesland-la.de/module/siteid_38/entryId_1480/mitteilung.html Waltraud Klostermann] und [http://www.ostfriesland-la.de/module/siteid_38/entryId_1457/mitteilung.html Oliver Nauermann], die Hochspringerin [http://www.ostfriesland-la.de/trans.php?file=upload/files/file_44c46cf2e6bbe.pdf Mareike Blum] sowie der Zehnkämpfer [http://www.ostfriesland-la.de/module/siteid_38/entryId_1118/mitteilung.html Paul Thieleke-Klein und die Vierkampf-Staffel] zu nennen.</ref> Der Tanzsportclub (TSC) Norden, der mit seinen drei [[Formationstanzen|Lateinformation]]en unter anderem bei überregionalen Meisterschaften vertreten ist, nimmt mit der A-Formation in der Regionalliga Nord teil, während die B-Formation und C-Formation in der Oberliga und der Landesliga tanzen. Der Fußballmannschaft des FC Norden spielt, nachdem er in den 1980ern und 1990ern noch in der damals fünfthöchsten Liga, der Landesliga, gespielt hatte, mittlerweile nur noch in der Bezirksliga Ostfriesland. Der Mittgliedstärkste Verein der Stadt ist der Süderneulander SV. Um die Fußball-Jugendarbeit in der Stadt zu konzentrieren, haben die Vereine den Jugendfußballverein (JFV) Norden gegründet. Dieser spielt in den Jugendligen auf Bezirks- bis Landesebene. Im Erwachsenenalter kehren die Jugendspieler in ihre jeweiligen Vereine zurück – so sie es wollen. Aus der Jugendarbeit des JFV ist in den vergangenen Jahren unter anderem der zum SV Werder Bremen gewechselte Jugendnationalspieler [[Lennart Thy]] hervorgegangen. Weiterhin zu nennen sind der Boxclub Norden, der Motorsportclub Norden, der im benachbarten Halbemond sein [[Motodrom Halbemond|Motodrom]] unterhält, sowie eine Vielzahl von [[Boßeln|Boßel]]- und [[Klootschießen|Klootschießer]]-Vereinen. [[File:Metas Musikschuppen 2010 17.jpg|thumb|Metas Musikschuppen im Jahre 2010]] Die Vereine verfügen über eigene Sportplätze. Zentraler Sportplatz, auf dem der FC Norden und der JFV Norden Fußball spielen, ist der ''Jahnplatz''. Neben Sporthallen, die sich in Trägerschaft der Stadt und des Landkreises befinden, gibt es auch eine vereinseigene Turnhalle des Norder TV. In der Stadt gibt es zwei Tennisanlagen, ein städtisches Hallenbad, ein (außendeichs gelegenes) städtisches Freibad in Norddeich und das privat betriebene Erlebnisbad ''Ocean Wave''. In den 1960er-Jahren war [[Meta Rogall]] eine Wegbereiterin der [[Beatmusik]] in Ostfriesland. In ihrem ''Haus Waterkant'' traten ab 1961 Bands aus [[Vereinigtes Königreich|Großbritannien]], den [[Niederlande]]n und [[Deutschland]] auf, darunter auch [[Otto Waalkes]] mit seiner Beat-Band ''The Rustlers''. In späteren Jahren war Otto dann für kurze Zeit [[DJ]] im Haus Waterkant. Wurde Rogall von offizieller Seite die Anerkennung für ihr Wirken lange Zeit verwehrt, gibt es inzwischen Bücher, das Musical [[Meta, Norddeich]] der [[Landesbühne Niedersachsen Nord]] sowie eine DVD-Video Dokumentation des ''[[Medienzentrum|Medienzentrums]] Norden'' über ihr Leben.<ref>[http://www.meta-doku.de/ Medienzentrum Norden: ''Meta-Doku - Medienzentrum Norden startet lokales Projekt „Meta-Doku''].</ref><ref>[http://www.landkreis-aurich.de/236.html?&tx_ttnews%5Btt_news%5D=823&tx_ttnews%5BbackPid%5D=2606&cHash=ddb20a34c0/ Medienzentrum Norden: DVD ''Meta ...die Erinnerung lebt'' erschienen]</ref> Die über Ostfriesland hinaus bekannte Diskothek besteht noch heute. == Bildung == [[Datei:Minikirche BBS 2.jpg|miniatur|Mini-Kirche, erbaut von Handwerkslehrlingen der BBS Norden]] Die Geschichte des Norder Schulwesens reicht in die Anfänge des 16. Jahrhunderts zurück<ref>Gerhard Canzler: ''Die Norder Schulen'', Weener 2005</ref>. im Laufe der Jahrhunderte hat sich Norden zu einem bedeutsamen Bildungszentrum im Landkreis Aurich entwickelt. In Norden gibt es eine Real- und eine Hauptschule sowie das [[Ulrichsgymnasium Norden|Ulrichsgymnasium]]. Zwei Grundschulen, die ''Linteler Schule'' und die ''Schule im Spiet'', befinden in der Kernstadt. Weitere Grundschulen sind in den Ortsteilen Norddeich, Süderneuland I und Leybuchtpolder zu finden. Zwei Förderschulen und die Berufsbildenden Schulen (BBS) runden das Schulangebot ab.<ref>[http://www.norden.de/index.phtml?mNavID=1.100&sNavID=549.67&La=1 norden.de: ''Schulen'']</ref> Träger des Gymnasiums und der BBS ist der Landkreis Aurich, der anderen Schulen die Stadt. Die berufsbildenden Schulen tragen seit dem Frühjahr 2009 den neuen Namen ''[[Peter Friedrich Conerus|Conerus]]-Schule Norden''. Ab dem Schuljahr 2009/2010 hat in den Räumlichkeiten des Schulzentrums Ekel eine Außenstelle der [[Kooperative Gesamtschule|Kooperativen Gesamtschule]] (KGS) [[Hage]] den Unterrichtsbetrieb aufgenommen. In Norden befindet sich eine Kreisvolkshochschule, die ihr Zentrum an der Ostseite des Norder Marktplatzes hat. Die Stadt ist einer der beiden Standorte der Musikschule des Landkreises Aurich. Beheimatet ist die Musikschule in den Räumen der ehemaligen Gräfin-Theda-Schule in der Gartenstraße. == Wirtschaft und Infrastruktur == [[Datei:Norddeich mole1.jpg|miniatur|Fährhafen Norddeich mit der [[Autofähre]] ''Frisia I'' im Vordergrund]] [[Datei:2009 07 Norddeich Fischereiboote.JPG|miniatur|Fischerboote im Hafen von Norddeich]] Die vorherrschenden Wirtschaftsbranchen sind der Tourismus und der Einzelhandel. ===Dienstleistung und Produktion=== Größter Arbeitgeber ist die landkreiseigene ''Ubbo-Emmius-Klinik'' mit 650 Beschäftigten.<ref>[http://www.kkh-norden.de/ Porträt der Klinik]</ref> Zu den größeren Arbeitgebern mit einer dreistelligen Beschäftigtenzahl zählen die Stadtverwaltung mit der städtischen Tochterfirma ''Wirtschaftsbetriebe der Stadt Norden GmbH'', das Druck- und Verlagshaus ''SKN'', der Metallverarbeiter ''Norder Band'', das Bauunternehmen ''Tell'' und ein Call-Center des Unternehmens ''[[Vivento Customer Services]]'' auf dem Gelände der ehemaligen Küstenfunkstelle Norddeich Radio. Hinzu kommen aus dem produzierenden Gewerbe Unternehmen des Maschinenbaus, der Metallverarbeitung, des Baugewerbes, ein Kühltechnik-Hersteller und eines der drei ostfriesischen Teehäuser, ''Onno Behrends''. Die meisten größeren Betriebe konzentrieren sich in einem Gewerbegebiet im nordwestlich der Kernstadt gelegenen Ortsteil Neustadt und insbeondere im Gewerbegebiet ''Leegemoor'', das im südlich gelegenen Ortsteil [[Süderneuland I]] liegt und etwa 154 Hektar umfasst.<ref>[http://www.norden.de/index.phtml?mNavID=1.100&sNavID=512.13&La=1#3 norden.de: Gewerbegebiet Leegmoor]</ref> Die dortigen Firmen beschäftigen zirka 2000 Menschen. Das Gebiet liegt am südlichen Ende der Stadt, ist also über die [[Bundesstraße 72|B&nbsp;72]] und (ab [[Georgsheil]]) die [[Bundesstraße 210|B&nbsp;210]] am verkehrsgünstigsten zur [[Bundesautobahn 31|A 31]] in Emden gelegen. Der Einzelhandel konzentriert sich im Gewerbegebiet Neustadt und in der Kernstadt um die Fußgängerzone am ''Neuen Weg''. ===Tourismus=== Die Geschichte des Tourismus in Norden-Norddeich reicht in die 80er Jahre 19. Jahrhunderts zurück. Ein Badeleben ist für Norddeich ab 1882 nachweisbar.<ref>Johann Haddinga: ''Sommer an der See. Badeleben in Norden-Norddeich'', Norden 2007</ref> Bis zum Ersten Weltkrieg betätigten sich als Tourismusförderer nebeneinander die ''Norder Badegesellschaft'', der ''Norddeicher Seebad-Verein'' und der ''Norder Kurverein''. Der Krieg sowie die wirtschaftlichen Probleme der Nachkriegsjahre führten zu einem starken Rückgang des Norddeicher Badelebens. Der am 26. Mai 1925 neu ins Leben gerufene ''Kurverein Norden-Norddeich'' konnte diese Entwicklung allerdings abbremsen. Für das Jahr 1926 wurde berichtet, dass „jedes Fremdenzimmer besetzt“ sei.<ref>Johann Haddinga/Martin Stromann: ''Norden/Norddeich – Eine ostfriesische Küstenstadt stellt sich vor''. Verlag SKN, Norden 2001, ISBN 3-928327-43-7, S. 52.</ref> Die 1917 gegründete Fährreederei Frisia, deren Ursprünge allerdings bereits auf 1871 zurückgehen, baute ihre Flotte in den Folgejahren deutlich aus. Der Tourismus spielt bis heute eine große Rolle für das Wirtschaftsleben Nordens, sowohl in der Hotellerie und Gastronomie, bei Dienstleistungen wie beispielsweise dem Fähr- und Flugbetrieb nach Juist und Norderney als auch indirekt wie etwa im Einzelhandel. Die Stadt verzeichnete 2007 212.837 Gäste, 1995 waren es noch 113.041. Die Übernachtungszahlen verteilten sich dabei auf die Wintersaison 2006/2007 (November bis April) mit mehr als 230.000 Übernachtungen und die Sommersaison 2007 (Mai bis Oktober) mit mehr als 900.000 Übernachtungen.<ref>[http://www.tourismusdreieck.de/ilek/content/abschluss/ILEK_Abschlussbericht_23082008.pdf Abschlussbericht des Integrierten Entwicklungskonzeptes „Tourismusdreieck“ für Norden, Norderney, Juist und Baltrum, pdf-Datei, S. 29 (Grafiken)]</ref> Schwerpunkt der Übernachtungen ist der Ortsteil Norddeich, der die offizielle Bezeichnung „Staatlich anerkanntes Nordseebad“ führt.<ref name="Nordseebad" /> Dort sind neben Hotels und Pensionen auch eine [[Jugendherberge]] und ein [[Camping]]platz zu finden. Beherbergungsmöglichkeiten finden sich auch in größerer Zahl in der Kernstadt, zudem auch auf Höfen in mehreren Ortsteilen. ===Landwirtschaft=== Die Landwirtschaft spielt nicht nur in Bezug auf den Flächenanteil, sondern auch als Arbeitsmarktfaktor eine Rolle. Neben den Höfen sind viele Dienstleister für die Landwirtschaft in Norden ansässig. Im Norddeicher Fischereihafen sind Fischer mit ihren Kuttern vertreten. [[Datei:Windräder Norddeich.JPG|miniatur|Windpark im nördlichen Stadtgebiet bei Lintelermarsch]] Aufgrund der Küstenlage mit stetigen und kräftigen Winden eigenen sich insbesondere die dünn besiedelten Außenbereiche der Stadt für die Nutzung von [[Windenergie]]. Es gibt dementsprechend auf Norder Stadtgebiet zwei größere Windparks (im nördlichen Stadtgebiet an der Grenze zur Gemeinde Lütetsburg und im Ortsteil Westermarsch II) sowie eine Vielzahl einzelner Windkraftanlagen. ===Wirtschaftsprobleme=== Nachdem in den 1970ern und 1980ern der in Norden gegründete Spirituosenhersteller [[Doornkaat]] in wirtschaftliche Schwierigkeiten geriet (und nach der Übernahme durch [[Berentzen]] inzwischen in [[Haselünne]] gebrannt wird) und ein Werk des Büromaschinenherstellers [[Olympia (Büromaschinen)|Olympia]] im Ortsteil Tidofeld geschlossen wurde, geriet die Stadt in wirtschaftliche Schwierigkeiten. Die Arbeitslosenquote lag Mitte der 1980er-Jahre zum Teil deutlich über 20&nbsp;Prozent. Den allgemeinen Rückgang der Beschäftigung in der Landwirtschaft durch [[Mechanisierung]] und Produktivitätssteigerung sowie die beiden Rückschläge im industriellen Bereich hat die Stadt trotz mancher Bemühungen im Tourismussektor und des Erfolgs einzelner ansässiger Firmen bis heute nicht vollständig kompensieren können. Die Arbeitslosenquote im Bereich der Geschäftsstelle Norden (Norden, Hage, Großheide, Dornum, Brookmerland) ist innerhalb des Bezirks Emden im Jahresdurchschnitt die höchste und liegt durchweg höher als zehn Prozent, im Winter um 15&nbsp;Prozent. Wegen der hohen Bedeutung des Tourismus für den Arbeitsmarkt in (und um) Norden ist sie deutlichen saisonalen Schwankungen unterworfen. Gegenüber den umliegenden Gemeinden hat Norden einen [[Pendler]]überschuss. Allerdings sind auch viele Norder jenseits der Stadtgrenzen beschäftigt, vor allem im [[Volkswagenwerk Emden]]. === Öffentliche Einrichtungen === [[Datei:Polizeiwache Norden.jpg|miniatur|Das Norder Polizeikommissariat befindet sich in einem Gebäude aus dem Jahr 1610]] In Norden befindet sich der Sitz des [[Niedersächsischer Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz|Niedersächsischen Landesbetriebs für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz]] (NLWKN). Außerdem ist in der Stadt eine Betriebsstelle des NLWKN vorhanden. Sitz und Betriebsstelle beschäftigen in der Stadt zusammen 210 Mitarbeiter.<ref>[http://www.oz-online.de/?id=542&did=24757 Ostfriesen-Zeitung vom 27. Januar 2010]</ref> Die [[Deichverband|Deichacht]] Norden und der Entwässerungsverband Norden (in Personalunion geführt) haben ihren Sitz ebenfalls in der Stadt. Die Deichacht Norden ist für den Großteil des Seedeiches in der Stadt verantwortlich. Ein kleinerer Teil, der Störtebekerdeich im Ortsteil Leybuchtpolder, wird von der benachbarten Deichacht Krummhörn betreut. Im Osten erstreckt sich das Verbandsgebiet bis in die Gemeinde [[Dornum]]. Die Deichacht ist für die Unterhaltung von rund 30 Kilometern Seedeich zuständig. Der Entwässerungsverband Norden ist für die Entwässerung der tief liegenden Gebiete hinter dem Deich verantwortlich. In Norden befindet sich ein [[Polizeikommissariat (Deutschland)|Polizeikommissariat]], das der Polizeiinspektion in Aurich angegliedert ist. Verantwortlich ist es für das Gebiet des [[Landkreis Norden|Altkreises Norden]]. Das [[Amtsgericht Norden]] ist für die Stadt, die Inseln Juist, Norderney und Baltrum sowie die (Samt-)Gemeinden Hage, Brookmerland, Großheide und Dornum zuständig. Der gleiche Zuständigkeitsbereich gilt für das Norder Finanzamt. In der Stadt befindet sich zudem eine Geschäftstelle der [[Bundesagentur für Arbeit|Arbeitsagentur]] (Bezirk Emden), die die Stadt Norden, die Inselgemeinde Baltrum und die (Samt-)Gemeinden Hage, Brookmerland, Großheide und Dornum betreut. Norden ist Sitz des lutherischen Kirchenkreisamtes des Kirchenkreises Norden. Die Auricher Kreisverwaltung betreibt in Norden eine Außenstelle, die häufig nachgefragte Dienstleistungen des Landkreises anbietet (Kfz-Zulassung, Soziales etc.). Dies geschieht, um Bürgern aus Norden und Umgebung für alltägliche Amtsgeschäfte den Weg nach Aurich zu ersparen. Die [[Freiwillige Feuerwehr]] Norden ist eine [[Freiwillige Feuerwehr#Weitere Formen|Schwerpunktfeuerwehr]]. Die Wehr ist in vier Züge eingeteilt, von denen sich die ersten drei in Norden befinden. Der vierte ist in Leybuchtpolder stationiert. Ende 2009 hatte die Wehr 313 Mitglieder. Diese unterteilen sich wie folgt: 120 aktive Mitglieder in der Einsatzabteilung, 22 in der Jugendfeuerwehr, 28 im Katastrophenschutz, 20 im Spielmannszug, 83 Mitglieder im Stadtorchester, sowie 40 Kameraden in der Altersabteilung. Dazu kommen 161 fördernde Mitglieder. In Norden sind zwei Fahrzeuge des bundeseigenen Katastrophenschutzes stationiert. Seit dem 31. Mai 2009 befinden sich Feuerwehr und [[Technisches Hilfswerk|THW]] im neuen [[Katastrophenschutzzentrum|Hilfeleistungszentrum]] (HLZ) an der Osterstraße in der Nähe der Bundesstraße (Ortsumgehung). Im Jahr 2009 waren 323 Einsätze zu bewältigen (121 Brandeinsätze, 202 Hilfeleistungen). Der Fuhrpark umfasst 16 Fahrzeuge. === Verkehr === ==== Straßenverkehr ==== [[File:Norddeich Fährhafen 2010 8.jpg|thumb|Das Ende der Bundesstraße 72 unmittelbar am Fähranleger]] Die [[Bundesstraße 72]] beginnt in [[Emstek|Schneiderkrug]] im [[Landkreis Cloppenburg]] und endet am Fähranleger in Norddeich. Durch sie wird die Stadt Norden mit dem nächsten Verkehrsknotenpunkt in [[Georgsheil]] verbunden, wo sie auf die [[Bundesstraße 210]] trifft. Diese wiederum führt nach Emden, wo der Anschluss an die [[Bundesautobahn 31|A 31]] besteht. Die Entfernung zwischen Norden und der Anschlussstelle Emden-Mitte der A 31 beträgt etwa 25 Kilometer. Die Bundesstraße verlief über Jahrzehnte durch die Norder Innenstadt, was besonders in den Sommermonaten durch den Reiseverkehr von und nach Norddeich Mole für enorme Stauungen sorgte. Eine Umgehungsstraße vom südlichen Stadtrand Nordens bis zum Fähranleger in Norddeich wurde im Juli 2009 fertiggestellt. Eine früher geplante Verlängerung der A 31 aus dem Raum Emden/[[Riepe]] bis Norddeich wurde dagegen nicht gebaut. Vier [[Landesstraße]]n führen von Norden aus in südliche und östliche Richtung (jeweils zwei). Die L&nbsp;4 beginnt an der B&nbsp;72 im Ortsteil Süderneuland und führt über [[Eilsum]] nach [[Pewsum]] in der südlichen Nachbargemeinde Krummhörn. Die L&nbsp;27 beginnt ebenfalls an der B&nbsp;72 in Höhe des Norder Marktes und führt über Westermarsch und Neuwesteel südlich nach [[Greetsiel]]. Die L&nbsp;5 beginnt im Ortsteil Neustadt und führt in östlicher Richtung über [[Ostermarsch]], [[Neßmersiel]], [[Dornum]]ersiel und [[Bensersiel]] nach [[Neuharlingersiel]], fast immer in unmittelbarer Sichtweite des Seedeichs. Die L&nbsp;6 beginnt an der B&nbsp;72 unweit des Bahnhofs und verbindet die Stadt mit [[Hage]], [[Westerholt]], [[Esens]], [[Neuharlingersiel]] und [[Carolinensiel]], wo sie endet. Der [[Öffentlicher Personennahverkehr|öffentliche Nahverkehr]] wird durch Busse des [[Verkehrsverbund Ems-Jade|Verkehrsverbunds Ems-Jade]] sichergestellt, welche fast alle den [[Busbahnhof|zentralen Omnibusbahnhof (ZOB)]] am Bahnhof Norden anfahren. Eine Hauptlinie verkehrt als Erschließungsbus der kompakten Innenstadt zum Fähranleger in Norddeich, weitere nach Greetsiel und Pewsum in der südlichen Nachbargemeinde Krummhörn sowie nach Esens und Carolinensiel. Die meistfrequentierte Hauptlinie führt nach [[Georgsheil]] mit der Möglichkeit zur Weiterfahrt nach Aurich oder Emden. Ferner fungieren einige Nebenlinien im Wesentlichen nur als Schulbusse. ==== Schienenverkehr ==== [[Datei:BahnhofNorden.jpg|miniatur|Bahnhof Norden]] [[Datei:Lokschuppen Bahnhof Norden.jpg|miniatur|Historischer Lokschuppen auf dem Bahnhofsgelände]] In der Stadt gibt es vier Bahnstationen. Drei davon sind Fernverkehrsbahnhöfe der [[Deutsche Bahn|Deutschen Bahn]]: ''Norden'', ''Norddeich'' und ''Norddeich Mole''. Vom letzteren Bahnhof aus können direkt (wenige Dutzend Meter Entfernung) die Fähren auf die ostfriesischen Inseln [[Juist]] und [[Norderney]] erreicht werden. Die [[Museumsbahn|Museumseisenbahn]] [[Ostfriesische Küstenbahn|Küstenbahn Ostfriesland]] betreibt den Bahnhof ''Norden-KOF''. Täglich fahren [[InterCity]]-Züge in Richtung [[Köln]] über [[Münster (Westfalen)|Münster]] und das Ruhrgebiet sowie nach [[Berlin]]/Cottbus und [[Leipzig]] (über [[Bremen]] und [[Hannover]]). Regionalzugverbindungen bestehen über Oldenburg und Bremen nach Hannover. Regionalzüge in Richtung Münster beginnen erst in Emden. Die elektrifizierte Bahnstrecke Norddeich-Emden ist eingleisig, in [[Marienhafe]] und in [[Abelitz (Südbrookmerland)|Abelitz]] existieren Ausweichgleise. Bis in die Mitte der 1980er-Jahre war der Norder Bahnhof ein Knotenpunkt im Eisenbahnverkehr an der nordwestdeutschen Küste. Bis in die 1950er-Jahre hinein war der Bahnhof Standort eines Bahnbetriebswerkes (Bw), zu dem ein vierständiger Ringlokschuppen gehörte, der noch existiert und unter anderem als Eisenbahnmuseum genutzt wird. Ein Wasserturm wurde 1984 gesprengt. Das Gebäude der Güterabfertigung wurde im Zuge der Errichtung der neuen Bahnstation Anfang der 2000er-Jahre abgerissen. Das ehemalige Empfangsgebäude steht seit der Inbetriebnahme des neuen Bahnhofs leer und verfällt zusehends. Der Niedergang des Eisenbahnknotenpunktes Norden erreichte nach Schließung des Bahnbetriebswerks und der Einstellung des Personenverkehrs zwischen Norden und [[Esens]] auf der sogenannten ''Küstenbahn'' am 28. Mai 1983 seinen vorläufigen Höhepunkt: War der Bahnhof Norden bis dahin noch Ausgangs- beziehungsweise Endpunkt für Züge, die die Küstenbahn über Esens in Richtung Sande befuhren, so wurde er danach zu einer reinen Durchgangsstation zwischen Emden und Norddeich. Das Teilstreckenstück zwischen Dornum und Esens wurde abgebaut und als Radweg umtrassiert. Der Personenverkehr zwischen Norden und Esens, wo weiterhin Anschluss an eine Bahnverbindung Richtung Sande besteht, wird jetzt ausschließlich von Omnibussen besorgt. Bis zur endgültigen Stilllegung der Strecke Norden-Dornum im Jahre 1989 wurde sie vereinzelt noch von Güterzügen befahren. Gegenwärtig überlegen die Anliegerkommunen der Küstenbahn, diese wieder durchgängig für einen fahrplanmäßigen Personenverkehr zu reaktivieren.<ref>[http://www.norden.de/media/custom/512_2721_1.PDF Reaktivierung der Bahnverbindung Norden-Esens-Wilhelmshaven: Potenzialabschätzung], abgerufen am 17. Dezember 2009</ref><ref>[http://www.norden.de/media/custom/512_2722_1.PDF Reaktivierung der Bahnverbindung Norden-Esens-Wilhelmshaven: Trassenausbaubedarfe Norden - Dornum], abgerufen am 17. Dezember 2009</ref><ref>[http://www.norden.de/media/custom/512_2723_1.PDF Reaktivierung der Bahnverbindung Norden-Esens-Wilhelmshaven: Beispiel für Kreiselquerung], abgerufen am 17. Dezember 2009</ref> Der Fahrplanwechsel am 28. Mai 1983 besiegelte auch das endgültige Ende des Haltepunktes ''Norden-Stadt'', im Norder Volksmund auch als ''Lüttje Bahnhof'' bezeichnet: Formell war die an der Osterstraße gelegene Station bis dahin zwar noch in den Fahrplänen verzeichnet, jedoch hatte dort bereits seit Anfang der 1970er-Jahre kein Zug mehr gehalten. Infolge dieser Entwicklungen wurde der alte Norder Hauptbahnhof auf den Status einer Haltestelle zurückgeführt. Unter dem Projektnamen ''Zukunftsbahnhof'' wurde im Rahmen einer grundlegenden städtebaulichen Erneuerung des südlichen Stadtrandes Anfang der 2000er-Jahre auf dem in Richtung Innenstadt gelegenen Gelände der ehemaligen Norder Güterabfertigung mit dem Bau einer modernen Eisenbahnstation und eines vorgelagerten zentralen Omnibusbahnhofs begonnen. In diesem Zusammenhang wurde ein neues Empfangsgebäude errichtet. ==== Flugverkehr ==== Der [[Flugplatz Norden-Norddeich]] ist ein Sonderlandeplatz, vier Kilometer nördlich des Stadtzentrums. Von dort fliegt die [[FLN Frisia Luftverkehr]] die Ostfriesischen Inseln und den [[Flugplatz Helgoland-Düne]] an. ==== Schiffsverkehr ==== [[Datei:Frisia auf dem Weg nach Juist.JPG|miniatur|Personenfähre ''Frisia II'' auf dem Weg von Norddeich Mole nach [[Juist]]]] Der Norddeicher Hafen ist Fährhafen zu den Inseln Juist und Norderney. Ein neuer Fährterminal wurde am 1. August 2009 eingeweiht.<ref>[http://www.reederei-frisia.com/uploads/media/Frisia-Beilage-Osthafen-Norddeich_1-16.pdf Beilage im Ostfriesischen Kurier, Teil 1, heruntergeladen von der Webseite der Reederei Norden-Frisia, pdf-Datei]</ref><ref>[http://www.reederei-frisia.com/uploads/media/Frisia-Beilage-Osthafen-Norddeich_17-32.pdf Beilage im Ostfriesischen Kurier, Teil 2, heruntergeladen von der Webseite der Reederei Norden-Frisia, pdf-Datei]</ref> Außerdem gibt es Ausflugsverkehr zu den Ostfriesischen Inseln (mit Ausnahme [[Wangerooge]]s) und ins Wattenmeer.<ref>[http://www.reederei-frisia.com/index.php?id=372 Webseite der Reederei Norden-Frisia]</ref> Den Fährbetrieb übernimmt die in Norderney beheimatete [[AG Reederei Norden-Frisia]]. Im östlichen Teil des Hafengebiets befindet sich neben dem Yacht- und Sportboothafen der Norddeicher Fischereihafen, in dem Krabbenkutter beheimatet sind. Das Fahrwasser in Richtung der Inseln wird mehrere hundert Meter weit ins Wattenmeer durch Leitdämme gesäumt, ehe nördlich der ''Jantjemoeplate'' ausreichend tiefes Fahrwasser erreicht wird. Norddeich ist Sitz einer Rettungsstation der [[Deutsche Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger|Deutschen Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger]] (DGzRS), die hier das Seenotrettungsboot [[Cassen Knigge (Schiff)|Cassen Knigge]] stationiert hat. === Medien === Die führende Tageszeitung in Norden ist der [[Ostfriesischer Kurier|Ostfriesische Kurier]], herausgegeben vom Verlag Soltau-Kurier Norden (SKN). Daneben besteht in Norden eine Außenstelle der Bezirksredaktion Emden/Norden der [[Ostfriesen-Zeitung]]. Im Verlag SKN erscheint außerdem monatlich das [[Ostfriesland Magazin]]. Die Redaktion befindet sich in Norden. Der Verlag gibt auch Regionalliteratur und Telefonbücher heraus. Die [[Deutsche Telekom|Telekom]] Tochter [[T-Systems]] ist in Norden mit einer [[Seekabel]]-Endstelle vertreten, von der aus Unterseekabel in alle Welt führen, darunter das [[TAT-14]] nach [[New Jersey]], [[Vereinigte Staaten|USA]], und das [[SEA-ME-WE 3]],<ref name="SEA-ME-WE3">[http://www.smw3.com/ Unterseekabel SEA-ME-WE 3]</ref> welches Deutschland via [[Nordsee]], [[Atlantischer Ozean|Atlantik]] und [[Mittelmeer]] mit Asien und Australien verbindet. Damit ist sie ein wichtiges interkontinentales Kommunikationsrelais für Telefon und Internet in Deutschland. Aufgrund seiner Referenztechnik ist das ''Competence Center Submarine Cables Norden (CCSC)'' gleichzeitig [[Technologieführer]], Beratungsstelle und Einsatzgruppe im deutschen [[Lichtwellenleiter|Glasfaser]]-basierten [[Backbone (Telekommunikation)|Backbone]].<ref>[http://download.sczm.t-systems.de/t-systems.de/en/StaticPage/29/64/29644_seekabel-ps.pdf Trends Inside Telekom: ''A Rush of Data under the Raging Sea'' (engl.)]</ref><ref>[http://www.g-o.de/dossier-detail-445-10.html www.g-o.de: ''Erst umleiten, dann reparieren. Wie Kabeldefekte gemanagt werden'']</ref> In Utlandshörn im Ortsteil Westermarsch II war die Küstenfunkstelle [[Norddeich Radio]] beheimatet. Heute befindet sich in den Gebäuden ein [[callcenter|Call-Center]]. == Persönlichkeiten == {{Hauptartikel|Liste Norder Persönlichkeiten}} [[Datei:Hermann Conring.jpg|miniatur|Hermann Conring]] Am Beginn der Neuzeit treten zwei Persönlichkeiten hervor, die in Norden geboren wurden und/oder dort gewirkt haben. [[Hermann Conring (Polyhistor)|Hermann Conring]] (* 1606 in Norden, † 1681 in [[Helmstedt]]), war [[Polyhistor]], Leibarzt der Königin [[Christina (Schweden)|Christina von Schweden]], dänischer Staatsrat und [[Archivar|Leiter]] des bremen-verdischen [[Archiv]]s in [[Stade]]. [[Ubbo Emmius]], [[Theologe]], [[Historiker]], Pädagoge und Gründungsrektor der Universität [[Groningen]], wurde 1547 im benachbarten [[Greetsiel]] geboren, erhielt in Norden einen Teil seiner Ausbildung und wirkte dort später neun Jahre lang als Rektor der Lateinschule, bevor er die Stadt verließ. Er starb 1625 in Groningen. Die 1892 in Norden geborene Lehrerin und Dichterin [[Recha Freier]] war eine deutsch-[[Holocaust#Jüdischer Widerstand|jüdische Widerstandskämpferin gegen den Nationalsozialismus]]. Sie gründete 1933 das ''Hilfskomitee für jüdische Jugendliche'', die sogenannte ''[[Kinder- und Jugend-Alijah]]''. Freier starb 1984 in [[Jerusalem]]. Der [[Geodät]] [[Walter Großmann]] wurde 1897 in Norden geboren. Mehrere frühere Bundes- und Landespolitiker der SPD stammen ebenfalls aus Norden und/oder hatten dort zeitweise gelebt und gewirkt. Dazu zählen der frühere Bundestagsabgeordnete [[Johann Cramer]] (* 1905 in Norden, † 1987 in [[Wilhelmshaven]]), der in der ersten Legislaturperiode (1949–1953) Vorsitzender des Bundestagsausschusses für das Post- und Fernmeldewesen war. [[Georg Peters]] (* 1908 in Marienhafe, † 1992 in Norden) war mehr als drei Jahrzehnte lang Bundestagsabgeordneter seines Wahlkreises. Zugleich war er Landrat des früheren Landkreises Norden und in dieser Eigenschaft 1972 Vorsitzender des Gründungsausschusses der Schutzgemeinschaft Deutsche Nordseeküste. Sein Nachfolger als Landrat, [[Hinrich Swieter]] (* 1939 in [[Grimersum]], † 2002 in Norden), war zudem 16&nbsp;Jahre lang Abgeordneter des [[Niedersächsischer Landtag|Niedersächsischen Landtags]] und von 1990 bis 1996 [[Kabinett Schröder I (Niedersachsen)|Landesfinanzminister]]. Auch der frühere Bundestagsabgeordnete [[Jann-Peter Janssen]] ist gebürtiger Norder. Als weiterer Norder gehörte [[Hans Forster]] von 1998 bis 2002 und im Jahr 2005 dem Deutschen Bundestag als sozialdemokratischer Abgeordneter an. Der derzeitige Landtagsabgeordnete des Wahlkreises Emden/Norden ist der 1955 in Norden geborene und in Emden lebende [[Hans-Dieter Haase]]. == Literatur == * Ufke Cremer/Johann Haddinga: ''Norden. Die Stadtchronik.'' Verlag SKN, Norden 2001, ISBN 3-928327-46-1. : Der Band besteht aus zwei Werken: zum einen dem unveränderten Reprint der Stadtchronik von Ufke Cremer aus dem Jahr 1955, zum anderen aus der Norder Stadtchronik des 20. Jahrhunderts aus der Feder von Johann Haddinga. Der erste Teil ist durch Anmerkungen ergänzt in solchen Fällen, in denen der Stand von 1955 durch jüngere Forschungen als überholt angesehen wurde. * Johann Aeils/Jan Smidt/Martin Stromann: ''Steinerne Zeugen erzählen Geschichte. Auf Spurensuche nach architektonischen Schätzen der Norder Bauhistorie.'' Verlag SKN, Norden 2001, ISBN 3-928327-47-X. : Dieses Werk beschreibt Norder Architekturschätze aus mehreren Jahrhunderten. Fotos von Martin Stromann ergänzen das Buch. * Johann Haddinga/Martin Stromann: ''Norden/Norddeich – Eine ostfriesische Küstenstadt stellt sich vor''. Verlag SKN, Norden 2001, ISBN 3-928327-43-7. : Überblick über die Stadt Norden mit (aktuellen) Ausführungen zur Stadtgeschichte und zu Sehenswürdigkeiten. Der Band enthält großteils auch Übersetzungen ins Englische und ist durch Martin Stromann umfangreich bebildert. == Einzelnachweise == <references /> == Weblinks == {{Commonscat}} [http://www.norden.de Offizielle Internetseite der Stadt Norden] {{NaviBlock |Navigationsleiste Stadtteile von Norden (Ostfriesland) |Navigationsleiste Städte und Gemeinden im Landkreis Aurich }} {{Exzellent|14. Januar 2010|69236946}} [[Kategorie:Ort im Landkreis Aurich]] [[Kategorie:Ort mit Seehafen]] [[Kategorie:Ort in Ostfriesland]] [[Kategorie:Norden (Ostfriesland)| ]] [[Kategorie:Geographie (Norden)| ]] [[en:Norden, Lower Saxony]] [[eo:Norden (Orientfrislando)]] [[es:Norden]] [[fr:Norden]] [[it:Norden]] [[ksh:Norde (Oßßfriißlandt)]] [[nds:Nörden (Oostfreesland)]] [[nl:Norden]] [[pl:Norden (Niemcy)]] [[pt:Norden (Baixa Saxônia)]] [[ro:Norden (Ostfriesland)]] [[ru:Норден (Восточная Фризия)]] [[sv:Norden, Niedersachsen]] [[vi:Norden, Aurich]] [[vo:Norden]] qcv173f2ofcx4j8wcc5snkyjmlnmep4 wikitext text/x-wiki MediaWiki:Common.css 8 24011 28592 26088 2012-08-18T19:58:32Z Hoo man 425 Minor cleanup /*-----------------------------------------------------------------------------------------------*/ /* ACHTUNG! 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(Und wer nicht weiß warum, hat's nicht verstanden.) */ /* Do not expand [[Wikipedia:WikiProjekt Georeferenzierung|kvaleberg.com-URLs]] for printing */ #content span.coordinates a.external.text:after, #content span.coordinates a.external.autonumber:after { content: ""; } #content div.coordinates a.external.text:after, #content div.coordinates a.external.autonumber:after { content: ""; } /* Do not expand URLs for printing */ #content span.plainlinks-print a.external.text:after, #content span.plainlinks-print a.external.autonumber:after { content: ""; } #content div.plainlinks-print a.external.text:after, #content div.plainlinks-print a.external.autonumber:after { content: ""; } /* Metadaten (bspw. [[Wikipedia:Personendaten|Personendaten]]) */ table.metadata { border: 1px solid #aaaaaa; display: none; } .metadata-label { color: #aaaaaa; } span.metadata { display: none; } span.metadata-inline { display: none; } /* * Farbdefinitionen für Rahmen und Hintergründe von [[Wikipedia:Textbausteine|Textbausteinen]]. * Hier: Standardvorgaben für "dunkle Schrift auf hellem Grund". * Für Hell-auf-dunkel-Skins ([[MediaWiki:Amethyst.css|Amethyst]]) müssen dort entsprechende Definitionen * zusätzlich eingetragen werden! Anpassungen für andere Skins sind optional. * (Die Angaben der Rahmenstärke dienen der Bequemlichkeit, so dass man * für dünne Rahmen nur noch "border-style" angeben muss.) */ .rahmenfarbe1 { /* Wie Inhaltsverzeichnis */ border-color: #aaaaaa; border-width: 1px; } .rahmenfarbe2 { /* Unauffällig, geringer Kontrast */ border-color: #e9e9e9; border-width: 1px; } .rahmenfarbe3 { /* "Rot", auffällig */ border-color: #c00000; border-width: 1px; } .rahmenfarbe4 { /* Neutrale Farbe, deutlich */ border-color: #8888aa; border-width: 1px; } .rahmenfarbe5 { /* "Schwarz", hoher Kontrast */ border-color: #000000; border-width: 1px; } table.wikitable tr.hintergrundfarbe1 th, table.wikitable tr th.hintergrundfarbe1, table.hintergrundfarbe1, .hintergrundfarbe1 { /* Wie Inhaltsverzeichnis */ background-color: #f9f9f9; } table.wikitable tr.hintergrundfarbe2 th, table.wikitable tr th.hintergrundfarbe2, table.hintergrundfarbe2, .hintergrundfarbe2 { /* "Weiß", für Nicht-Artikel-Seiten, neutral */ background-color: #ffffff; } table.wikitable tr.hintergrundfarbe3 th, table.wikitable tr th.hintergrundfarbe3, table.hintergrundfarbe3, .hintergrundfarbe3 { /* "Gelb", auffällig */ background-color: #ffff40; } table.wikitable tr.hintergrundfarbe4 th, table.wikitable tr th.hintergrundfarbe4, table.hintergrundfarbe4, .hintergrundfarbe4 { /* Sehr auffällig */ background-color: #ffaa00; } table.wikitable tr.hintergrundfarbe5 th, table.wikitable tr th.hintergrundfarbe5, table.hintergrundfarbe5, .hintergrundfarbe5 { /* Neutral, abgesetzt */ background-color: #e0e0e0; } table.wikitable tr.hintergrundfarbe6 th, table.wikitable tr th.hintergrundfarbe6, table.hintergrundfarbe6, .hintergrundfarbe6 { /* Allgemein „bunt“, für Hervorhebungen und Unterscheidungen */ background-color: #b3b7ff; } table.wikitable tr.hintergrundfarbe7 th, table.wikitable tr th.hintergrundfarbe7, table.hintergrundfarbe7, .hintergrundfarbe7 { /* Allgemein „bunt“, für Hervorhebungen und Unterscheidungen */ background-color: #ffcbcb; } table.wikitable tr.hintergrundfarbe8 th, table.wikitable tr th.hintergrundfarbe8, table.hintergrundfarbe8, .hintergrundfarbe8 { /* Allgemein „bunt“, für Hervorhebungen und Unterscheidungen */ background-color: #ffebad; } table.wikitable tr.hintergrundfarbe9 th, table.wikitable tr th.hintergrundfarbe9, table.hintergrundfarbe9, .hintergrundfarbe9 { /* Allgemein „bunt“, für Hervorhebungen und Unterscheidungen */ background-color: #b9ffc5; } /* Keine Vergrößerung der Zeilenhöhe durch hochgestellte Zahlen der Fußnoten */ sup.reference { font-weight: 400; font-style: normal; } sup, sub { line-height: 1em; } /* Hervorhebung der angeklickten Fußnoten und der Rückverweise in blau */ ol.references > li:target { background-color: #DEF; } sup.reference:target { background-color: #DEF; } /* Hochgestellte Buchstaben in der Einzelnachweiseliste kursiv setzen */ ol.references li a[href|="#cite_ref"] { font-style: italic; } /* Inline-Verwendung der [[:Kategorie:Vorlage:Schwesterprojektverweis|Schwesterprojektverweise]] */ ol.references li div.sisterproject { display:inline !important; } /* Für <nowiki><hiero>…</hiero></nowiki> */ .mw-hierotable, .mw-hierotable th, .mw-hierotable td { border: 0px; padding: 0px; } /* Für [[MediaWiki:Anoneditwarning]] und weitere Hinweise, die alle untereinander stehen */ #mw-anon-edit-warning, #mw-missingsummary, #wp_talkpagetext { width: 80%; background: #D3E1F2; border: 1px solid #1A47FF; margin: 1em auto; padding: 1em; } /* Bei URLs, die auf unser Projekt und verwandte Projekte verweisen, den Pfeil ausblenden * Dieser Pfeil dient nur dazu, auf externe Ziele hinzuweisen * Auf den Einsatz der Klasse "plainlinks" kann dadurch verzichtet werden */ #content a[href^="http://de.wikipedia.org"], #content a[href^="http://toolserver.org"], #content a[href^="http://stable.toolserver.org"] { background: none !important; padding: 0 !important; } /* Falls bei der Seitenbearbeitung vergessen wurde, die Zusammenfassung auszufüllen */ .mw-summarymissed { border:5px solid red; padding:2px; } /* Copyrightwarnung */ #editpage-copywarn { border: solid 1px #c00000; font-size: 90%; background-color: #ffffff; } .mw-tos-summary { border: solid 1px #c00000; background-color: #ffffff; padding-left: 1em; } /* +++++ 2. SONSTIGE ANPASSUNGEN (Spezialseiten u. a.) +++++ */ /* Markierung von Redirects in [[Special:Allpages]], [[Special:Watchlist]], Kategorien */ .allpagesredirect, .watchlistredir, .redirect-in-category { font-style: italic; } /* Fettformatierung von Admin-Spezialseiten in [[Special:Specialpages]] abschalten */ .mw-specialpagerestricted strong { font-weight:normal; } /* Legende auf [[Special:Specialpages]] ebenfalls abschalten */ div.mw-specialpages-notes { display:none; } /* Einmal gelesene Bestandteile (z.B. in der Sitenotice) ausblenden, sobald css geladen ist */ #gelesen { display:none; } /* Größerer Abstand zwischen TOC-Nummerierung und TOC-Eintrag */ span.tocnumber { margin-right:0.3em; } /* Skinabhängige absolute Positionierungen ausblenden */ /* Bitte [[MediaWiki Diskussion:Common.css#Absolute_Positionierungen]] beachten */ #coordinates, #coordinates_3_ObenRechts, #issnlink, #editcount, #shortcut, #artikelstadium { display: none; } /* Anpassungen für [[:Template:Link_FA]] */ /* hide the template */ #bodyContent span.FA { display: none; } /* change the bullets for links to special articles */ #p-lang li.FA { /* hier immer auch linkFA_bullet in Common.js mit anpassen für die älteren skins! */ list-style-image: url("http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/d/d0/Monobook-bullet-star-transparent.png"); } /* change the bullets for links to special articles */ #p-lang li.GA { /* hier immer auch linkGA_bullet in Common.js mit anpassen für die älteren skins! */ list-style-image: url("http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/a/a1/Monobook-bullet-star-gray.png"); } /* Verhindere, dass Infoboxen etc. in den Inhalt von Kategorien hineinragen. Das betrifft nur Kategorieseiten. */ #mw-subcategories { clear:both; } #mw-pages { clear:both; } /* DIVs in ImageMaps inlinen (Vorschlag von Revolus) */ .imagemap-inline div { display: inline; } /* [[Special:Hochladen]]: Warnmeldung auf bestehende Dateien, unerwünschte Prefixe usw. deutlicher hervorheben. */ #wpDestFile-warning ul { border:solid red 1px; padding: 1.5em; } /* Warnmeldung für gesperrte Titel */ .mw-titleprotectedwarning { background-color: #eee; border: 2px solid red; padding: 1em; } /* Warnmeldung bei der Bearbeitung von Seiten im MediaWiki-Namensraum */ .mw-editinginterface { background-color: #f9f9f9; border-color: #c00000; border-width: 1px; border-style: solid; padding: 2px; } /* Tabellenhintergründe transparent machen */ /* Vor allem auf Spezialseiten, da diese eine andere Hintergrundfarbe haben. */ /* Update 21. März 2008: Wurde mit [[rev:32269]] und [[rev:32270]] zentralisiert. */ table.searchResultImage, table#mw-sitematrix-table, table.mw-specialpages-table, table.mw-listgrouprights-table, table.TablePager_nav, table#sv-software, table#sv-ext, table.mw-tags-table, table.fr-diff-ratings, table#mw-search-top-table { background-color: transparent; } /* ÜBerschrift 5. und 6. Ordnung proportionaler zu Fließtext */ #content h5 { font-size: 108%; } /* Original: 116% */ #content h6 { font-size: 100%; } /* Original: 80% = kleiner als Bodytext, unschön */ #content h6 .editsection { font-size: 120%; font-weight: normal; } /* Anleitung auf Special:Search */ .mw-searchresult { font-size: 84%; margin:5px; } /* Gestaltung der Edittools-Leiste */ #specialchars { margin-top:3px; border:solid 1px #aaaaaa; padding:1px; text-align:left; background-color:white; } /* Legende für Versionsgeschichte */ .mw-history-legend { font-size: 90%; margin-top: 2px; margin-bottom: 2px; border:solid 1px #e9e9e9; padding: 0 5px 5px 5px; background-color: #f9f9f9; clear: both; } /* +++++ 3. NEUE [[Wikipedia:Hauptseite|HAUPTSEITE]] (ab 2006) +++++ */ /* Hintergrund weiß */ body.page-Wikipedia_Hauptseite #content { background-color: white; } /* Kategorie verbergen */ body.page-Wikipedia_Hauptseite #catlinks { display:none; } /* Überschrift verbergen */ body.page-Wikipedia_Hauptseite h1.firstHeading { display: none; } /* Redirhinweis verbergen - ACHTUNG: Je nach Skin muss jetzt der Abstand zum oberen Rand korrigiert werden */ body.page-Wikipedia_Hauptseite #contentSub { display: none; } #hauptseite h2 { background-color: #d8e8ff; border: 1px solid #8898bf; font-size: 1em; font-weight: bold; margin-top: 0; margin-bottom: 0; padding-top: 0.1em; padding-bottom: 0.1em; } #hauptseite .inhalt { background-color: #ffffff; border: 1px solid #8898bf; border-top: 0px solid white; padding: 0.3em 0.8em 0.4em 0.8em; } #hauptseite .inhalt hr { background-color: #8898bf; color: #8898bf; height: 1px; margin:0.5em 0; padding: 0; } #hauptseite .inhalt .mehr { clear: both; font-size: 95%; margin-top: 0.8em; text-align: right; } #hauptseite table { background-color: transparent; } .hauptseite-oben, .hauptseite-links, .hauptseite-rechts { margin-bottom: 1em; } .hauptseite-links { margin-right: 0.5em; } .hauptseite-rechts { margin-left: 0.5em; } .hauptseite-oben h2, .hauptseite-unten h2 { text-align: center; } .hauptseite-oben .inhalt .portale { font-weight: bold; margin-top: 0.2em; margin-bottom: 0.2em; } .hauptseite-oben .inhalt .intern { font-size: 90%; text-align: center; } .hauptseite-links h2, .hauptseite-rechts h2 { text-indent: 0.8em; } #hauptseite-schwesterprojekte .inhalt a { font-weight: bold; } /* IPA links nicht unterstreichen */ .IPA a:link, .IPA a:visited { text-decoration: none; } /* CSS-Klassen für Schriftarten * Achtung: IE6 mag keine Zeilenumbrüche zwischen den Fonts. */ .Unicode { font-family: 'Code2000','Sun-ExtA','Arial Unicode MS','NSimSun',sans-serif; } .Unicode1 { font-family: 'Code2001','Quivira','MPH 2B Damase',sans-serif; } .Unicode2 { font-family: 'Sun-ExtB','Code2002',sans-serif; } .IPA { font-family: 'Quivira','Code2000','Sun-ExtA','DejaVu Sans','Gentium','Helvetica','Arial Unicode MS','Lucida Sans Unicode',sans-serif; } .IAST { font-family: 'Code2000','SunExtA','Arial Unicode MS',sans-serif; } .altitalisch { font-family: 'Quivira','Code2001','MPH 2B Damase',sans-serif; } .gotisch { font-family: 'Quivira','Code2001','MPH 2B Damase',sans-serif; } .hebrew { font-family: 'Quivira','Sun-ExtA','Arial Unicode MS','SBL Hebrew','Code2000','MPH 2B Damase', sans-serif; } .spanAr { font-family: 'Arial Unicode MS','Scheherazade','Code2000','DejaVu Sans',sans-serif; } .music-symbol { font-family: 'Musical Symbols','Euterpe','Code2001',sans-serif; } /* Standardmäßige Ausblendung der Flagged-Revisions-Backlog-Sitenotice */ #mw-oldreviewed-notice { display: none; } /* Standardmäßige Ausblendung der Flagged-Revisions-Kommentarbox */ #mw-commentbox { display:none; } /* Abstand zwischen Liste und Inhaltsverzeichnis erhöhen, siehe http://de.wikipedia.org/w/index.php?title=MediaWiki_Diskussion:Common.css&oldid=51639015#Abstand_vor_Inhaltsverzeichnis */ ul + .toc, ol + .toc { margin-top: 0.5em } /* höheres Uploadfeld */ #wpUploadDescription {height: 20em;} /* Im Projekt WP:GEO benutzt die [[Vorlage:Coordinate]] das «geo-microformat» zur semantischen Auszeichnung des Texts. Der Inhalt dieses [[Tag (Informatik)|Tags]] ist nicht für den Leser bestimmt. */ .geo {display:none;} /* Patrollink ausblenden, da die Eweiterung hier nicht aktiviert ist und deren Optik zu sehr den gesichteten Versionen ähnelt. */ .fr-diff-patrollink, .patrollink { display:none; } /* Rollback-Knopf auf Beobachtungsliste ausblenden, da es dort nur von sehr beschränktem Nutzen ist und zu sehr vielen Reverts aus Versehen führt */ .page-Spezial_Beobachtungsliste .mw-rollback-link { display:none; } lpet2tlyluzh4gzfnws098q1or235pv css text/css Vorlage:Dokumentation 10 24012 26609 2010-04-15T22:37:52Z TMg 0 Anzahl der überall eingebundenen Vorlagen ein wenig reduziert; die Spezialvorlagen sind in diesen Fällen (so weit meine Tests das zeigten) nicht unbedingt notwendig {{Tausendfach verwendet}}<onlyinclude><hr class="rulerdocumentation hintergrundfarbe6" style="margin:1em 0.5em; height:0.7ex; " /> {{#ifeq:{{NAMESPACE}}|{{ns:0}}|<strong class="error">Achtung: Die [[Vorlage:Dokumentation]] wird im Artikelnamensraum verwendet. Wahrscheinlich fehlt <code>&lt;noinclude&gt;</code> in einer eingebundenen Vorlage oder die Kapselung ist fehlerhaft. Bitte {{Bearbeiten|text=entferne diesen Fehler}}.</strong>| <div id="framedocumentation"><div class="rahmenfarbe1" style="margin-bottom:0.5em; padding:0.5em; padding-top:0; clear:left; border-style:solid;" id="Vorlage_Dokumentation"> <div style="float:right; clear:left;">[[Datei:Information icon.svg|frameless|18px|link=#Dokumentation.Info|Informationen zu dieser Dokumentation]]</div> {{Überschriftensimulation 4|1=<span class="editsection">&#x5b;<span class="plainlinks">[{{fullurl:{{SUBJECTPAGENAME}}/Doku|action=edit}} Bearbeiten]</span>&#x5d;</span> Dokumentation}} {{#ifexist: {{SUBJECTPAGENAME}}/Doku| {{{{SUBJECTPAGENAME}}/Doku}} <br /><hr style="border:none; height:0.7ex; clear:both;" /> {{{!}} {{Bausteindesign5}} {{!}} Bei Fragen zu dieser [[Hilfe:Vorlagen|Vorlage]] kannst Du Dich an die [[Wikipedia:WikiProjekt Vorlagen/Werkstatt|Vorlagenwerkstatt]] wenden. {{!}}} {{{!}} cellspacing="8" cellpadding="0" class="plainlinks" style="background:transparent; margin: 2px 0;" id="Dokumentation.Info" {{!}} style="position:relative; 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Januar 2010). hat in den anderen Sprachvorlagen auch keinen Doppelpunkt, grammatikalisch ist der auch unnötig <includeonly>{{#if:{{{1|}}}|{{#ifeq:{{{2|}}}|nachgestellt|{{lang|ru|{{{1}}}}}&nbsp;([[Russische Sprache|russ.]])|[[Russische Sprache|russ.]]&nbsp;{{lang|ru|{{{1}}}}}}}|[[Russische Sprache|russisch]]}}</includeonly><noinclude> {{Dokumentation}} </noinclude> 0518qepj8nakz7q2kmvt4hlfbxgakbj wikitext text/x-wiki Vorlage:BS-Baustein-Hinweis 10 24022 26619 2010-05-01T09:19:02Z Tlustulimu 0 interwiki {| {{Bausteindesign3|clear: both;}} | style="width: 50px" | [[Bild:Zeichen_151.svg|50px]] | '''Diese Vorlage ist Teil der [[Wikipedia:Formatvorlage Bahnstrecke|Formatvorlage Bahnstrecke]] ''' Lies Dir bitte vor der Verwendung die Anleitung dort durch. Insbesondere sollten diese Vorlagen nur in Infoboxen und sonstigen grafischen Elementen verwendet werden. '''Eine Verwendung im Fließtext ist zu vermeiden.''' |} [[Kategorie:Vorlage:Infobox Bahnstrecke|{{PAGENAME}}]]<noinclude> [[hsb:Předłoha:ŽL-pokiw]] </noinclude> 3bfvlkpcop8lc9iuhaqiy83qs0gcdn9 wikitext text/x-wiki Vorlage:Info ISO-3166-2:DE-BE 10 24023 26620 2009-04-04T10:24:04Z Visi-on 0 <onlyinclude>{{#switch: {{lc:{{{1|}}} }} |continent = Europa <!--Administration--> |level = 1 |maxlevel= 1 |acronym = BE |top = DE |upper = DE |lemma = Berlin |admname = Land Berlin |admtype = Land |0 = Deutschland |1 = Berlin |2 = |map = Deutschland Berlin |flag = Flag of Berlin.svg }}</onlyinclude>{{Vorlage:Info ISO-3166-2/Info}} k1x623wau6jit1twvyb3iagijkn3gt1 wikitext text/x-wiki Vorlage:NDB 10 24024 26621 2009-11-24T01:34:28Z Tolanor 0 nee, eigentlich eher ohne wie bei allen anderen lexikonvorlagen. ceterum censeo alle beiträge von löschfix sollten pauschalrevertiert werden <includeonly>{{ #if:{{{5|}}}|{{{5}}}:&nbsp;|}}''{{#ifeq: {{NDB/MDZ-ID|{{{1}}}}} | 0 | {{ #if:{{{4|}}}|{{{4}}}|{{PAGENAME}} }} | <span class="plainlinks-print">[http://mdz10.bib-bvb.de/~db/0001/bsb000{{NDB/MDZ-ID|{{{1}}}}}/images/index.html?seite={{NDB/Seite|{{{1}}}|{{{2}}}}} {{ #if:{{{4|}}}|{{{4}}}|{{PAGENAME}} }}]</span> }}''. 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wikitext text/x-wiki Vorlage:Überschriftensimulation 2 10 24033 26630 2009-09-16T08:49:08Z Leyo 0 IMHO sollte es eben gerade keinen Anker haben <div class="Vorlage_Ueberschriftensimulation_2" style="margin:0; margin-bottom:.6em; padding-top:.5em; padding-bottom:.17em; border-bottom:solid 1px #AAAAAA; background:none; font-size:150%; color:black; font-weight:normal">{{{1}}}</div><noinclude> ---- Simuliert in ''Diskussionseiten'' eine Überschrift, die nicht im Inhaltsverzeichnis erscheinen soll. In ''Artikeln'' darf diese Vorlage nicht verwendet werden; dafür gibt es andere Lösungen, siehe [[Hilfe:Inhaltsverzeichnis]]. Für eine Erläuterung von Syntax und Anwendung siehe [[Wikipedia:Textbausteine/Formatierungshilfen]]. [[Kategorie:Vorlage:Formatierungshilfe|Uberschriftensimulation 2]] </noinclude> ik6c2b9rcun5wtc9quz64wr8alpm8ws wikitext text/x-wiki Vorlage:Positionskarte Erde 10 24034 26631 2010-05-09T06:53:46Z Obersachsebot 0 Bot: Ergänze: [[ro:Format:Harta de localizare Terra]] {{#switch: {{{1}}} | name = Erde | top = 90 | bottom = -90 | left = -180 | right = 180 | image = Earthmap1000x500compac.jpg }}<noinclude> {{Achtung|Eine Darstellung mit Staatsflächen findet sich unter [[:Vorlage:Positionskarte Welt]].}} {{Positionskarte/Info|sortkey=0Erde}} [[bar:Vorlage:Positionskarte Erde]] [[be:Шаблон:На карце/Зямля]] [[bn:টেমপ্লেট:Location map Earth]] [[bs:Šablon:Lokacijska karta Planeta Zemlja]] [[dv:ފަންވަތް:Location map Earth]] [[en:Template:Location map Earth]] [[eo:Ŝablono:Situo sur mapo Tero]] [[fr:Modèle:Géolocalisation/Terre]] [[hsb:Předłoha:LocMap zemja]] [[ka:თარგი:პოზრუკა დედამიწა]] [[mk:Шаблон:ПозКарта Земја]] [[ml:ഫലകം:Location map Earth]] [[nl:Sjabloon:Positiekaart Aarde]] [[nn:Mal:Kartposisjon Jorda]] [[os:Шаблон:ПозКартæ Зæхх]] [[pl:Szablon:Mapa lokalizacyjna/Świat]] [[pt:Predefinição:Location map Earth]] [[ro:Format:Harta de localizare Terra]] [[ru:Шаблон:ПозКарта Земля]] [[ta:வார்ப்புரு:Location map Earth]] [[tr:Şablon:Location map Earth]] [[uk:Шаблон:Карта розташування Земля]] [[vi:Bản mẫu:Bản đồ định vị Trái Đất]] </noinclude> 8u4gjpzefba09wfgcwz2516xjg3d086 wikitext text/x-wiki Vorlage:LDLBerlin 10 24035 26632 2009-01-27T20:19:11Z WIKImaniac 0 [[Vorlage:Vorlagendokumentation]] durch [[Vorlage:Dokumentation]] ersetzt <includeonly>[http://www.stadtentwicklung.berlin.de/cgi-bin/hidaweb/getdoc.pl?LIST_TPL=lda_list.tpl;DOK_TPL=lda_doc.tpl;&KEY=obj%20{{{1}}} {{#switch: {{{2}}} | ja = Eintrag in der Berliner Landesdenkmalliste mit weiteren Informationen| {{#if: {{{2|}}} | {{{2}}} | Eintrag in der Berliner Landesdenkmalliste}}}}]</includeonly><noinclude>{{Dokumentation}} </noinclude> s5hfdkkw4dbq15a22johpj1k86n5a9h wikitext text/x-wiki Vorlage:Str find 10 24036 26633 2010-01-02T14:27:35Z 0 Was immer [[Vorlage:Pp-template]] war, raus damit {{#titleparts: {{str find/logic|{{{1|}}}|{{{2|}}}|{{str len|*{{{2|}}}*}}-2}}-1 | 1 }}<noinclude>{{dokumentation}}</noinclude> 0szj9lcje9taztg33wmyf9c9oi62rw1 wikitext text/x-wiki Vorlage:Positionskarte 10 24037 26634 2010-03-28T00:55:21Z Herzi Pinki 0 globe durchreichen <onlyinclude>{{Positionskarte+ |{{{1|Erde}}} |border = {{{border|}}} |caption = {{{caption|}}} |float = {{{float|right}}} |width = {{{width|240}}} |maptype = {{{maptype|}}} |Alternativkarte = {{{Alternativkarte|}}} |label = {{{label|}}} |places = {{Positionskarte~ |{{{1|Erde}}} |label = {{{label|}}} |label_size = {{{label_size|}}} |mark = {{{mark|}}} |marksize = {{{marksize|}}} |marktarget = {{{marktarget|}}} |position = {{{position|}}} |wrap = {{{wrap|}}} |background = {{{background|}}} <!--Coordinates Koordinaten --> |lat = {{{lat|}}} <!--latitude Breitengrad--> |lat_deg = {{{lat_deg|}}} <!-- nur für Wartungslink in Vorlage:Positionskarte~ --> |long = {{{long|}}} <!--longitude Längengrad--> |lon_deg = {{{lon_deg|}}} <!-- nur für Wartungslink in Vorlage:Positionskarte~ --> |type = {{#if:{{{type|}}}|{{{type}}}|landmark}} |pop = {{{pop|}}} |elevation = {{{elevation|}}} |dim = {{{dim|}}} |region = {{{region|}}} |globe = {{{globe|}}} |name = {{{name|}}} }}}}</onlyinclude> {{Dokumentation}} 2thqcte7yxwoch8gc8ot1lnc1pty5fn wikitext text/x-wiki Vorlage:Achtung 10 24038 26635 2009-09-20T12:58:44Z Antonsusi 0 <onlyinclude>{| border="0" cellpadding="5" cellspacing="2" style="border:1px solid {{{Rand|#FF9999}}}; 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[[Kategorie:Vorlage:Tabelle|{{PAGENAME}}]] </noinclude> guwrrxuf7vhmwsngiqez4styz0slkto wikitext text/x-wiki Vorlage:Navigationsleiste Kreise und kreisfreie Städte in Nordrhein-Westfalen 10 24043 26640 2010-01-29T20:16:34Z Gardien 0 Kreisfreie Städte sind extra ausgeführt, diesen Status hat Aachen nach wie vor. Also eigene Erwähnung mit Direktlink (auch übersichtlicher, wenn nach der Stadt gesucht wird) {{Navigationsleiste |BILD=[[Datei:Coat of arms of North Rhine-Westfalia.svg|40px|Wappen Nordrhein-Westfalens]] |TITEL=Kreise, Städteregionen und kreisfreie Städte in [[Nordrhein-Westfalen]] |INHALT= [[Aachen|Aachen]] (kreisfreie Stadt)&nbsp;&#124; [[Städteregion Aachen|Aachen]] (Städteregion)&nbsp;&#124; [[Bielefeld]]&nbsp;&#124; [[Bochum]]&nbsp;&#124; [[Bonn]]&nbsp;&#124; [[Kreis Borken|Borken]]&nbsp;&#124; [[Bottrop]]&nbsp;&#124; [[Kreis Coesfeld|Coesfeld]]&nbsp;&#124; [[Dortmund]]&nbsp;&#124; [[Duisburg]]&nbsp;&#124; [[Kreis Düren|Düren]]&nbsp;&#124; [[Düsseldorf]]&nbsp;&#124; [[Ennepe-Ruhr-Kreis]]&nbsp;&#124; [[Essen]]&nbsp;&#124; [[Kreis Euskirchen|Euskirchen]]&nbsp;&#124; [[Gelsenkirchen]]&nbsp;&#124; [[Kreis Gütersloh|Gütersloh]]&nbsp;&#124; [[Hagen]]&nbsp;&#124; [[Hamm]]&nbsp;&#124; [[Kreis Heinsberg|Heinsberg]]&nbsp;&#124; [[Kreis Herford|Herford]]&nbsp;&#124; [[Herne]]&nbsp;&#124; [[Hochsauerlandkreis]]&nbsp;&#124; [[Kreis Höxter|Höxter]]&nbsp;&#124; [[Kreis Kleve|Kleve]]&nbsp;&#124; [[Köln]]&nbsp;&#124; [[Krefeld]]&nbsp;&#124; [[Leverkusen]]&nbsp;&#124; [[Kreis Lippe|Lippe]]&nbsp;&#124; [[Märkischer Kreis]]&nbsp;&#124; [[Kreis Mettmann|Mettmann]]&nbsp;&#124; [[Kreis Minden-Lübbecke|Minden-Lübbecke]]&nbsp;&#124; [[Mönchengladbach]]&nbsp;&#124; [[Mülheim an der Ruhr]]&nbsp;&#124; [[Münster (Westfalen)|Münster]]&nbsp;&#124; [[Oberbergischer Kreis]]&nbsp;&#124; [[Oberhausen]]&nbsp;&#124; [[Kreis Olpe|Olpe]]&nbsp;&#124; [[Kreis Paderborn|Paderborn]]&nbsp;&#124; [[Kreis Recklinghausen|Recklinghausen]]&nbsp;&#124; [[Remscheid]]&nbsp;&#124; [[Rhein-Erft-Kreis]]&nbsp;&#124; [[Rheinisch-Bergischer Kreis]]&nbsp;&#124; [[Rhein-Kreis Neuss]]&nbsp;&#124; [[Rhein-Sieg-Kreis]]&nbsp;&#124; [[Kreis Siegen-Wittgenstein|Siegen-Wittgenstein]]&nbsp;&#124; [[Kreis Soest|Soest]]&nbsp;&#124; [[Solingen]]&nbsp;&#124; [[Kreis Steinfurt|Steinfurt]]&nbsp;&#124; [[Kreis Unna|Unna]]&nbsp;&#124; [[Kreis Viersen|Viersen]]&nbsp;&#124; [[Kreis Warendorf|Warendorf]]&nbsp;&#124; [[Kreis Wesel|Wesel]]&nbsp;&#124; [[Wuppertal]] }}<noinclude> [[Kategorie:Vorlage:Navigationsleiste Verwaltungsgliederung (Deutschland)|Kreise und kreisfreie Stadte in Nordrhein-Westfalen]] [[Kategorie:Vorlage:Navigationsleiste (Nordrhein-Westfalen)|Kreise und kreisfreie Stadte]] [[ca:Plantilla:Lands alemanys Rin del Nord - Westfàlia]] [[el:Πρότυπο:Πόλεις της Βόρειας Ρηνανίας-Βεστφαλίας]] [[en:Template:Germany districts North Rhine-Westphalia]] [[eo:Ŝablono:Administra divido de Nordrejn-Vestfalio]] [[es:Plantilla:Distrito de Renania del Norte-Westfalia]] [[fr:Modèle:Arrondissements allemands en Rhénanie du Nord-Westphalie]] [[id:Templat:Nordrhein-Westfalen]] [[it:Template:Circondari del Nord Reno-Westfalia]] [[ksh:Schablon:Navvi Shtädt NRW]] [[mk:Шаблон:Северна Рајна-Вестфалија]] [[pt:Predefinição:Alemanha/Estado Renânia do Norte]] [[ru:Шаблон:Районы в Северном Рейне — Вестфалии]] [[simple:Template:North rhine-westphalia]] [[sr:Шаблон:Северна Рајна-Вестфалија]] [[zh:Template:北莱茵-威斯特法伦州行政区划]] </noinclude> sh6ggldabfxj1xjpi0lhozrjyihk1n7 wikitext text/x-wiki Vorlage:Klimatabelle/Farbtabelle 10 24044 26641 2007-12-25T20:38:10Z WIKImaniac 0 korr. {| align="right" style="border:1px solid #aaa; background-color:#f9f9f9; padding:5px;" |- | colspan="2" align="center" | '''Farben''' |- ! 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24052 26649 2010-04-28T21:31:58Z Axpde 417 interwiki korrigiert <onlyinclude><includeonly>{{BS|e{{{1|}}}|{{{2|}}}|{{{3|}}}|{{{4|}}}|{{{5|}}}|PX={{{PX|20px}}}|HI={{{HI|}}}|T={{{T|}}}|To={{{To|}}}|Tu={{{Tu|}}}|EX=1}}</includeonly></onlyinclude> {{Dokumentation}} {{BS-Baustein-Hinweis}} [[Kategorie:Vom Druck ausschließen|{{PAGENAME}}]] si21ujdaegb34s7ahqnmx2lqy73125e wikitext text/x-wiki Vorlage:Info ISO-3166-2:DE-SN 10 24053 26650 2009-04-04T10:35:16Z Visi-on 0 <onlyinclude>{{#switch: {{lc:{{{1|}}} }} |continent = Europa <!--Administration--> |level = 1 |maxlevel= 1 |acronym = SN |top = DE |upper = DE |lemma = Sachsen |admname = Freistaat Sachsen |admtype = Land |0 = Deutschland |1 = Sachsen |2 = |map = Deutschland Sachsen |flag = Flag of Saxony.svg }}</onlyinclude>{{Vorlage:Info ISO-3166-2/Info}} 2nks0n8c1sm1m25b79866slvbrcfqfc wikitext text/x-wiki Vorlage:Dokumentation/Unterseite 10 24054 26651 2010-03-20T09:07:20Z Umherirrender 280 +kat <onlyinclude>{| {{Bausteindesign3}} | [[Datei:Information icon.svg|30px|Dokumentations-Unterseite|link=]] | style="width: 100%;" | Diese Seite ist eine Untervorlage von '''[[{{#rel2abs:{{FULLPAGENAME}}/..}}]]'''. |}<includeonly>{{#ifeq:{{NAMESPACE}}|{{ns:10}}| [[Kategorie:Vorlage:für Vorlagen|{{PAGENAME}}]] <!--Wartung-->{{#ifexist:{{#rel2abs:{{FULLPAGENAME}}/..}}|<!--nichts-->| <span style="display:none;">[[Vorlage:Dokumentation/Wartung/Unterseite verwaist]]</span> }}}}</includeonly></onlyinclude> [[Kategorie:Vorlage:für Vorlagen|Dokumentation/Unterseite]] [[Kategorie:Vorlage:nur Dokumentation| {{PAGENAME}}]] qso4kvkpr8mk5ops793rtljej7wc0at wikitext text/x-wiki Vorlage:MGH 10 24055 26652 2010-02-20T22:45:15Z Feldkurat Katz 0 [[WP:Lit]] <includeonly>''[[Monumenta Germaniae Historica]]''. {{#switch:{{{1}}} | AuctAnt = {{MGHAuctAnt|(Hrsg.): ''Auctores antiquissimi|{{{2}}}|{{{3|}}}|{{{4|}}}}} | SSrerMerov = {{MGHSSrerMerov|(Hrsg.): ''Scriptores rerum Merovingicarum|{{{2}}}|{{{3|}}}|{{{4|}}}|{{{5|}}}}} | SSrerLangob = 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|BILD=[[Bild:Flag of Spain.svg|40px|Flagge von Spanien]] |TITEL=[[U-Bahn]]en, [[Straßenbahn]]en und [[Stadtbahn]]en in [[Spanien]] |INHALT= [[Stadtbahn Alicante|Alicante]]&nbsp;&#124; [[Metro Barcelona|Barcelona]]&nbsp;&#124; [[Metro Bilbao|Bilbao]]&nbsp;&#124; [[Metro Madrid|Madrid]]&nbsp;&#124; [[Metro de Palma|Palma]]&nbsp;&#124; [[Metro Sevilla|Sevilla]]&nbsp;&#124; [[Straßenbahn Teneriffa|Teneriffa]]&nbsp;&#124; [[Metro Valencia|Valencia]]&nbsp;&#124; [[Straßenbahn Vitoria-Gasteiz|Vitoria-Gasteiz]] }}<noinclude> [[Kategorie:Vorlage:Navigationsleiste Schienennahverkehr|U-Bahnen Spanien]] [[Kategorie:Vorlage:Navigationsleiste (Spanien)|U-Bahnen Spanien]] </noinclude> 6jn5rjhkq7m8v1xq92ajw0dzjxch9os wikitext text/x-wiki Vorlage:Google Buch 10 24058 26655 2010-05-02T21:16:35Z Elvaube 0 <includeonly>{{#if:{{{Suchbegriff|}}}{{{BuchID|}}}| {{#if:{{#if: {{{Suchbegriff|}}} ||1}} {{#if: {{{BuchID|}}} ||1}} 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Für Syntax und Anwendung siehe [[Wikipedia:Textbausteine/Formatierungshilfen]]. [[Kategorie:Vorlage:Formatierungshilfe|Uberschriftensimulation 3]] </noinclude> 6dl9c2zf106334ij7xgjlpk5ltppwfu wikitext text/x-wiki Vorlage:DNP 10 24060 26657 2010-04-28T15:16:38Z WolfgangRieger 0 <includeonly>{{ #if:{{{5|}}}|{{{5}}}:&nbsp;|}}''{{ #if:{{{4|}}}|{{{4}}}|{{PAGENAME}} }}''. In: ''[[Der Neue Pauly]]'' (DNP). Band {{{1}}}, Metzler, Stuttgart {{#switch: {{{1|}}} | 1 = 1996 | 2 = 1997 | 3 = 1997 | 4 = 1998 | 5 = 1998 | 6 = 1999 | 7 = 1999 | 8 = 2000 | 9 = 2000 | 10 = 2001 | 11 = 2001 | 12/1 = 2002 | 12/2 = 2002 | 13 = 1999 | 14 = 2000 | 15/1 = 2001 | 15/2 = 2002 | 15/3 = 2003 | 16 = 2003 | #default = 1996–2003 }}, ISBN {{#switch: {{{1|}}} | 1 = 3-476-01471-1 | 2 = 3-476-01472-X | 3 = 3-476-01473-8 | 4 = 3-476-01474-6 | 5 = 3-476-01475-4 | 6 = 3-476-01476-2 | 7 = 3-476-01477-0 | 8 = 3-476-01478-9 | 9 = 3-476-01479-7 | 10 = 3-476-01480-0 | 11 = 3-476-01481-9 | 12/1 = 3-476-01482-7 | 12/2 = 3-476-01487-8 | 13 = 3-476-01483-5 | 14 = 3-476-01484-3 | 15/1 = 3-476-01485-1 | 15/2 = 3-476-01488-6 | 15/3 = 3-476-01489-4 | 16 = 3-476-01486-X | #default = 3-476-01470-3 }}, Sp.&nbsp;{{{2}}}{{ #if:{{{3|}}}|–{{{3}}}|}}.</includeonly><noinclude>Diese Seite dient dem Erstellen von Literaturverweisen auf Artikel im [[Pauly-Wissowa#Der Neue Pauly (DNP)|Neuen Pauly]]. Kurzanleitung: <pre>* {{DNP|Band|SpalteX|SpalteY|Artikeloriginaltitel|Artikelautor}}</pre> Genaueres auf der [[Vorlage Diskussion:DNP|Diskussionsseite]]. [[Kategorie:Vorlage:Zitation|Dnp]] </noinclude> 0hbd3wji34qj9ax63so3ezkgugdzh4y wikitext text/x-wiki Vorlage:Ahnentafel-compact4 10 24061 26658 2009-10-26T10:08:32Z W!B: 0 /* Übertragung */ .. <noinclude> == Code == Um diese Tabelle einzubinden, bitte den folgenden Code an die vorgesehene Stelle kopieren und die [[Kekulé-Nummer]]n ergänzen: <pre> {{Ahnentafel-compact4 |1 = |2 = |3 = |4 = |5 = |6 = |7 = |8 = |9 = |10 = |11 = |12 = |13 = |14 = |15 = }} </pre> == Muster == </noinclude> <onlyinclude> <table cellspacing="0" cellpadding="0" border="0" style="{{{style|}}}"> <tr align="center"><td rowspan="30" style=""><div style="width: 0.5em; height: 0.5em;"><span style="font: 1px/1px serif;">&nbsp;</span></div></td><td rowspan="30"><div style="width: 0.5em; height: 0.5em;"><span style="font: 1px/1px serif;">&nbsp;</span></div></td><td rowspan="30"><div style="width: 0.5em; height: 0.5em;"><span style="font: 1px/1px serif;">&nbsp;</span></div></td><td rowspan="14" style=""><div style="width: 0.5em; 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height: 0.5em;"><span style="font: 1px/1px serif;">&nbsp;</span></div></td><td rowspan="2" colspan="4" style="border:{{{border_2|{{{border|2}}}}}}px solid black;padding:0 0.2em;{{{boxstyle|}}};{{{boxstyle_2|}}}">{{{2}}}</td><td rowspan="2" colspan="6"><div style="width: 0.5em; height: 0.5em;"><span style="font: 1px/1px serif;">&nbsp;</span></div></td></tr> <tr align="center"><td style="border-left: 1px solid black; border-top: 1px solid black;"><div style="width: 0.5em; height: 0.5em;"><span style="font: 1px/1px serif;">&nbsp;</span></div></td></tr> <tr align="center"><td rowspan="14" style="border-left: 1px solid black;"><div style="width: 0.5em; height: 0.5em;"><span style="font: 1px/1px serif;">&nbsp;</span></div></td><td rowspan="14"><div style="width: 0.5em; height: 0.5em;"><span style="font: 1px/1px serif;">&nbsp;</span></div></td><td rowspan="14"><div style="width: 0.5em; height: 0.5em;"><span style="font: 1px/1px serif;">&nbsp;</span></div></td><td rowspan="6" style="border-left: 1px solid black;"><div style="width: 0.5em; height: 0.5em;"><span style="font: 1px/1px serif;">&nbsp;</span></div></td><td rowspan="6"><div style="width: 0.5em; height: 0.5em;"><span style="font: 1px/1px serif;">&nbsp;</span></div></td><td rowspan="6"><div style="width: 0.5em; height: 0.5em;"><span style="font: 1px/1px serif;">&nbsp;</span></div></td><td rowspan="2" style=""><div style="width: 0.5em; height: 0.5em;"><span style="font: 1px/1px serif;">&nbsp;</span></div></td><td rowspan="2"><div style="width: 0.5em; height: 0.5em;"><span style="font: 1px/1px serif;">&nbsp;</span></div></td><td rowspan="2"><div style="width: 0.5em; height: 0.5em;"><span style="font: 1px/1px serif;">&nbsp;</span></div></td><td rowspan="2"><div style="width: 0.5em; height: 0.5em;"><span style="font: 1px/1px serif;">&nbsp;</span></div></td><td rowspan="2"><div style="width: 0.5em; height: 0.5em;"><span style="font: 1px/1px serif;">&nbsp;</span></div></td></tr> <tr align="center"></tr> <tr align="center"><td><div style="width: 0.5em; height: 0.5em;"><span style="font: 1px/1px serif;">&nbsp;</span></div></td><td rowspan="2" colspan="4" style="border:{{{border_4|{{{border|2}}}}}}px solid black;padding:0 0.2em;{{{boxstyle|}}};{{{boxstyle_4|}}}">{{{10}}}</td></tr> <tr align="center"><td style="border-left: 1px solid black; border-top: 1px solid black;"><div style="width: 0.5em; height: 0.5em;"><span style="font: 1px/1px serif;">&nbsp;</span></div></td></tr> <tr align="center"><td rowspan="2" style="border-left: 1px solid black;"><div style="width: 0.5em; height: 0.5em;"><span style="font: 1px/1px serif;">&nbsp;</span></div></td><td rowspan="2"><div style="width: 0.5em; height: 0.5em;"><span style="font: 1px/1px serif;">&nbsp;</span></div></td><td rowspan="2"><div style="width: 0.5em; height: 0.5em;"><span style="font: 1px/1px serif;">&nbsp;</span></div></td><td rowspan="2"><div style="width: 0.5em; height: 0.5em;"><span style="font: 1px/1px serif;">&nbsp;</span></div></td><td rowspan="2"><div style="width: 0.5em; height: 0.5em;"><span style="font: 1px/1px serif;">&nbsp;</span></div></td></tr> <tr align="center"></tr> <tr align="center"><td style="border-left: 1px solid black; border-bottom: 1px solid black;"><div style="width: 0.5em; height: 0.5em;"><span style="font: 1px/1px serif;">&nbsp;</span></div></td><td rowspan="2" colspan="4" style="border:{{{border_3|{{{border|2}}}}}}px solid black;padding:0 0.2em;{{{boxstyle|}}};{{{boxstyle_3|}}}">{{{5}}}</td><td rowspan="2" colspan="3"><div style="width: 0.5em; height: 0.5em;"><span style="font: 1px/1px serif;">&nbsp;</span></div></td></tr> <tr align="center"><td><div style="width: 0.5em; height: 0.5em;"><span style="font: 1px/1px serif;">&nbsp;</span></div></td></tr> <tr align="center"><td rowspan="6" style=""><div style="width: 0.5em; height: 0.5em;"><span style="font: 1px/1px serif;">&nbsp;</span></div></td><td rowspan="6"><div style="width: 0.5em; height: 0.5em;"><span style="font: 1px/1px serif;">&nbsp;</span></div></td><td rowspan="6"><div style="width: 0.5em; height: 0.5em;"><span style="font: 1px/1px serif;">&nbsp;</span></div></td><td rowspan="2" style="border-left: 1px solid black;"><div style="width: 0.5em; height: 0.5em;"><span style="font: 1px/1px serif;">&nbsp;</span></div></td><td rowspan="2"><div style="width: 0.5em; height: 0.5em;"><span style="font: 1px/1px serif;">&nbsp;</span></div></td><td rowspan="2"><div style="width: 0.5em; height: 0.5em;"><span style="font: 1px/1px serif;">&nbsp;</span></div></td><td rowspan="2"><div style="width: 0.5em; height: 0.5em;"><span style="font: 1px/1px serif;">&nbsp;</span></div></td><td rowspan="2"><div style="width: 0.5em; height: 0.5em;"><span style="font: 1px/1px serif;">&nbsp;</span></div></td></tr> <tr align="center"></tr> <tr align="center"><td style="border-left: 1px solid black; border-bottom: 1px solid black;"><div style="width: 0.5em; height: 0.5em;"><span style="font: 1px/1px serif;">&nbsp;</span></div></td><td rowspan="2" colspan="4" style="border:{{{border_4|{{{border|2}}}}}}px solid black;padding:0 0.2em;{{{boxstyle|}}};{{{boxstyle_4|}}}">{{{11}}}</td></tr> <tr align="center"><td><div style="width: 0.5em; height: 0.5em;"><span style="font: 1px/1px serif;">&nbsp;</span></div></td></tr> <tr align="center"><td rowspan="2" style=""><div style="width: 0.5em; height: 0.5em;"><span style="font: 1px/1px serif;">&nbsp;</span></div></td><td rowspan="2"><div style="width: 0.5em; height: 0.5em;"><span style="font: 1px/1px serif;">&nbsp;</span></div></td><td rowspan="2"><div style="width: 0.5em; height: 0.5em;"><span style="font: 1px/1px serif;">&nbsp;</span></div></td><td rowspan="2"><div style="width: 0.5em; height: 0.5em;"><span style="font: 1px/1px serif;">&nbsp;</span></div></td><td rowspan="2"><div style="width: 0.5em; height: 0.5em;"><span style="font: 1px/1px serif;">&nbsp;</span></div></td></tr> <tr align="center"></tr> <tr align="center"><td><div style="width: 0.5em; height: 0.5em;"><span style="font: 1px/1px serif;">&nbsp;</span></div></td><td rowspan="2" colspan="4" style="border:{{{border_1|{{{border|2}}}}}}px solid black;padding:0 0.2em;{{{boxstyle|}}};{{{boxstyle_1|}}}">{{{1}}}</td><td rowspan="2" colspan="9"><div style="width: 0.5em; height: 0.5em;"><span style="font: 1px/1px serif;">&nbsp;</span></div></td></tr> <tr align="center"><td><div style="width: 0.5em; height: 0.5em;"><span style="font: 1px/1px serif;">&nbsp;</span></div></td></tr> <tr align="center"><td rowspan="30" style=""><div style="width: 0.5em; height: 0.5em;"><span style="font: 1px/1px serif;">&nbsp;</span></div></td><td rowspan="30"><div style="width: 0.5em; height: 0.5em;"><span style="font: 1px/1px serif;">&nbsp;</span></div></td><td rowspan="30"><div style="width: 0.5em; height: 0.5em;"><span style="font: 1px/1px serif;">&nbsp;</span></div></td><td rowspan="14" style="border-left: 1px solid black;"><div style="width: 0.5em; height: 0.5em;"><span style="font: 1px/1px serif;">&nbsp;</span></div></td><td rowspan="14"><div style="width: 0.5em; height: 0.5em;"><span style="font: 1px/1px serif;">&nbsp;</span></div></td><td rowspan="14"><div style="width: 0.5em; height: 0.5em;"><span style="font: 1px/1px serif;">&nbsp;</span></div></td><td rowspan="6" style=""><div style="width: 0.5em; height: 0.5em;"><span style="font: 1px/1px serif;">&nbsp;</span></div></td><td rowspan="6"><div style="width: 0.5em; height: 0.5em;"><span style="font: 1px/1px serif;">&nbsp;</span></div></td><td rowspan="6"><div style="width: 0.5em; height: 0.5em;"><span style="font: 1px/1px serif;">&nbsp;</span></div></td><td rowspan="2" style=""><div style="width: 0.5em; height: 0.5em;"><span style="font: 1px/1px serif;">&nbsp;</span></div></td><td rowspan="2"><div style="width: 0.5em; height: 0.5em;"><span style="font: 1px/1px serif;">&nbsp;</span></div></td><td rowspan="2"><div style="width: 0.5em; height: 0.5em;"><span style="font: 1px/1px serif;">&nbsp;</span></div></td><td rowspan="2"><div style="width: 0.5em; height: 0.5em;"><span style="font: 1px/1px serif;">&nbsp;</span></div></td><td rowspan="2"><div style="width: 0.5em; height: 0.5em;"><span style="font: 1px/1px serif;">&nbsp;</span></div></td></tr> <tr align="center"></tr> <tr align="center"><td><div style="width: 0.5em; height: 0.5em;"><span style="font: 1px/1px serif;">&nbsp;</span></div></td><td rowspan="2" colspan="4" style="border:{{{border_4|{{{border|2}}}}}}px solid black;padding:0 0.2em;{{{boxstyle|}}};{{{boxstyle_4|}}}">{{{12}}}</td></tr> <tr align="center"><td style="border-left: 1px solid black; border-top: 1px solid black;"><div style="width: 0.5em; height: 0.5em;"><span style="font: 1px/1px serif;">&nbsp;</span></div></td></tr> <tr align="center"><td rowspan="2" style="border-left: 1px solid black;"><div style="width: 0.5em; height: 0.5em;"><span style="font: 1px/1px serif;">&nbsp;</span></div></td><td rowspan="2"><div style="width: 0.5em; height: 0.5em;"><span style="font: 1px/1px serif;">&nbsp;</span></div></td><td rowspan="2"><div style="width: 0.5em; height: 0.5em;"><span style="font: 1px/1px serif;">&nbsp;</span></div></td><td rowspan="2"><div style="width: 0.5em; height: 0.5em;"><span style="font: 1px/1px serif;">&nbsp;</span></div></td><td rowspan="2"><div style="width: 0.5em; height: 0.5em;"><span style="font: 1px/1px serif;">&nbsp;</span></div></td></tr> <tr align="center"></tr> <tr align="center"><td><div style="width: 0.5em; height: 0.5em;"><span style="font: 1px/1px serif;">&nbsp;</span></div></td><td rowspan="2" colspan="4" style="border:{{{border_3|{{{border|2}}}}}}px solid black;padding:0 0.2em;{{{boxstyle|}}};{{{boxstyle_3|}}}">{{{6}}}</td><td rowspan="2" colspan="3"><div style="width: 0.5em; height: 0.5em;"><span style="font: 1px/1px serif;">&nbsp;</span></div></td></tr> <tr align="center"><td style="border-left: 1px solid black; border-top: 1px solid black;"><div style="width: 0.5em; height: 0.5em;"><span style="font: 1px/1px serif;">&nbsp;</span></div></td></tr> <tr align="center"><td rowspan="6" style="border-left: 1px solid black;"><div style="width: 0.5em; height: 0.5em;"><span style="font: 1px/1px serif;">&nbsp;</span></div></td><td rowspan="6"><div style="width: 0.5em; height: 0.5em;"><span style="font: 1px/1px serif;">&nbsp;</span></div></td><td rowspan="6"><div style="width: 0.5em; height: 0.5em;"><span style="font: 1px/1px serif;">&nbsp;</span></div></td><td rowspan="2" style="border-left: 1px solid black;"><div style="width: 0.5em; height: 0.5em;"><span style="font: 1px/1px serif;">&nbsp;</span></div></td><td rowspan="2"><div style="width: 0.5em; height: 0.5em;"><span style="font: 1px/1px serif;">&nbsp;</span></div></td><td rowspan="2"><div style="width: 0.5em; height: 0.5em;"><span style="font: 1px/1px serif;">&nbsp;</span></div></td><td rowspan="2"><div style="width: 0.5em; height: 0.5em;"><span style="font: 1px/1px serif;">&nbsp;</span></div></td><td rowspan="2"><div style="width: 0.5em; height: 0.5em;"><span style="font: 1px/1px serif;">&nbsp;</span></div></td></tr> <tr align="center"></tr> <tr align="center"><td style="border-left: 1px solid black; border-bottom: 1px solid black;"><div style="width: 0.5em; height: 0.5em;"><span style="font: 1px/1px serif;">&nbsp;</span></div></td><td rowspan="2" colspan="4" style="border:{{{border_4|{{{border|2}}}}}}px solid black;padding:0 0.2em;{{{boxstyle|}}};{{{boxstyle_4|}}}">{{{13}}}</td></tr> <tr align="center"><td><div style="width: 0.5em; height: 0.5em;"><span style="font: 1px/1px serif;">&nbsp;</span></div></td></tr> <tr align="center"><td rowspan="2" style=""><div style="width: 0.5em; height: 0.5em;"><span style="font: 1px/1px serif;">&nbsp;</span></div></td><td rowspan="2"><div style="width: 0.5em; height: 0.5em;"><span style="font: 1px/1px serif;">&nbsp;</span></div></td><td rowspan="2"><div style="width: 0.5em; height: 0.5em;"><span style="font: 1px/1px serif;">&nbsp;</span></div></td><td rowspan="2"><div style="width: 0.5em; height: 0.5em;"><span style="font: 1px/1px serif;">&nbsp;</span></div></td><td rowspan="2"><div style="width: 0.5em; height: 0.5em;"><span style="font: 1px/1px serif;">&nbsp;</span></div></td></tr> <tr align="center"></tr> <tr align="center"><td style="border-left: 1px solid black; border-bottom: 1px solid black;"><div style="width: 0.5em; height: 0.5em;"><span style="font: 1px/1px serif;">&nbsp;</span></div></td><td rowspan="2" colspan="4" style="border:{{{border_2|{{{border|2}}}}}}px solid black;padding:0 0.2em;{{{boxstyle|}}};{{{boxstyle_2|}}}">{{{3}}}</td><td rowspan="2" colspan="6"><div style="width: 0.5em; height: 0.5em;"><span style="font: 1px/1px serif;">&nbsp;</span></div></td></tr> <tr align="center"><td><div style="width: 0.5em; height: 0.5em;"><span style="font: 1px/1px serif;">&nbsp;</span></div></td></tr> <tr align="center"><td rowspan="14" style=""><div style="width: 0.5em; height: 0.5em;"><span style="font: 1px/1px serif;">&nbsp;</span></div></td><td rowspan="14"><div style="width: 0.5em; height: 0.5em;"><span style="font: 1px/1px serif;">&nbsp;</span></div></td><td rowspan="14"><div style="width: 0.5em; height: 0.5em;"><span style="font: 1px/1px serif;">&nbsp;</span></div></td><td rowspan="6" style="border-left: 1px solid black;"><div style="width: 0.5em; height: 0.5em;"><span style="font: 1px/1px serif;">&nbsp;</span></div></td><td rowspan="6"><div style="width: 0.5em; height: 0.5em;"><span style="font: 1px/1px serif;">&nbsp;</span></div></td><td rowspan="6"><div style="width: 0.5em; height: 0.5em;"><span style="font: 1px/1px serif;">&nbsp;</span></div></td><td rowspan="2" style=""><div style="width: 0.5em; height: 0.5em;"><span style="font: 1px/1px serif;">&nbsp;</span></div></td><td rowspan="2"><div style="width: 0.5em; height: 0.5em;"><span style="font: 1px/1px serif;">&nbsp;</span></div></td><td rowspan="2"><div style="width: 0.5em; height: 0.5em;"><span style="font: 1px/1px serif;">&nbsp;</span></div></td><td rowspan="2"><div style="width: 0.5em; height: 0.5em;"><span style="font: 1px/1px serif;">&nbsp;</span></div></td><td rowspan="2"><div style="width: 0.5em; height: 0.5em;"><span style="font: 1px/1px serif;">&nbsp;</span></div></td></tr> <tr align="center"></tr> <tr align="center"><td><div style="width: 0.5em; height: 0.5em;"><span style="font: 1px/1px serif;">&nbsp;</span></div></td><td rowspan="2" colspan="4" style="border:{{{border_4|{{{border|2}}}}}}px solid black;padding:0 0.2em;{{{boxstyle|}}};{{{boxstyle_4|}}}">{{{14}}}</td></tr> <tr align="center"><td style="border-left: 1px solid black; border-top: 1px solid black;"><div style="width: 0.5em; height: 0.5em;"><span style="font: 1px/1px serif;">&nbsp;</span></div></td></tr> <tr align="center"><td rowspan="2" style="border-left: 1px solid black;"><div style="width: 0.5em; height: 0.5em;"><span style="font: 1px/1px serif;">&nbsp;</span></div></td><td rowspan="2"><div style="width: 0.5em; height: 0.5em;"><span style="font: 1px/1px serif;">&nbsp;</span></div></td><td rowspan="2"><div style="width: 0.5em; height: 0.5em;"><span style="font: 1px/1px serif;">&nbsp;</span></div></td><td rowspan="2"><div style="width: 0.5em; height: 0.5em;"><span style="font: 1px/1px serif;">&nbsp;</span></div></td><td rowspan="2"><div style="width: 0.5em; height: 0.5em;"><span style="font: 1px/1px serif;">&nbsp;</span></div></td></tr> <tr align="center"></tr> <tr align="center"><td style="border-left: 1px solid black; border-bottom: 1px solid black;"><div style="width: 0.5em; height: 0.5em;"><span style="font: 1px/1px serif;">&nbsp;</span></div></td><td rowspan="2" colspan="4" style="border:{{{border_3|{{{border|2}}}}}}px solid black;padding:0 0.2em;{{{boxstyle|}}};{{{boxstyle_3|}}}">{{{7}}}</td><td rowspan="2" colspan="3"><div style="width: 0.5em; height: 0.5em;"><span style="font: 1px/1px serif;">&nbsp;</span></div></td></tr> <tr align="center"><td><div style="width: 0.5em; height: 0.5em;"><span style="font: 1px/1px serif;">&nbsp;</span></div></td></tr> <tr align="center"><td rowspan="6" style=""><div style="width: 0.5em; height: 0.5em;"><span style="font: 1px/1px serif;">&nbsp;</span></div></td><td rowspan="6"><div style="width: 0.5em; height: 0.5em;"><span style="font: 1px/1px serif;">&nbsp;</span></div></td><td rowspan="6"><div style="width: 0.5em; height: 0.5em;"><span style="font: 1px/1px serif;">&nbsp;</span></div></td><td rowspan="2" style="border-left: 1px solid black;"><div style="width: 0.5em; height: 0.5em;"><span style="font: 1px/1px serif;">&nbsp;</span></div></td><td rowspan="2"><div style="width: 0.5em; height: 0.5em;"><span style="font: 1px/1px serif;">&nbsp;</span></div></td><td rowspan="2"><div style="width: 0.5em; height: 0.5em;"><span style="font: 1px/1px serif;">&nbsp;</span></div></td><td rowspan="2"><div style="width: 0.5em; height: 0.5em;"><span style="font: 1px/1px serif;">&nbsp;</span></div></td><td rowspan="2"><div style="width: 0.5em; height: 0.5em;"><span style="font: 1px/1px serif;">&nbsp;</span></div></td></tr> <tr align="center"></tr> <tr align="center"><td style="border-left: 1px solid black; border-bottom: 1px solid black;"><div style="width: 0.5em; height: 0.5em;"><span style="font: 1px/1px serif;">&nbsp;</span></div></td><td rowspan="2" colspan="4" style="border:{{{border_4|{{{border|2}}}}}}px solid black;padding:0 0.2em;{{{boxstyle|}}};{{{boxstyle_4|}}}">{{{15}}}</td></tr> <tr align="center"><td><div style="width: 0.5em; height: 0.5em;"><span style="font: 1px/1px serif;">&nbsp;</span></div></td></tr> <tr align="center"><td rowspan="2" style=""><div style="width: 0.5em; height: 0.5em;"><span style="font: 1px/1px serif;">&nbsp;</span></div></td><td rowspan="2"><div style="width: 0.5em; height: 0.5em;"><span style="font: 1px/1px serif;">&nbsp;</span></div></td><td rowspan="2"><div style="width: 0.5em; height: 0.5em;"><span style="font: 1px/1px serif;">&nbsp;</span></div></td><td rowspan="2"><div style="width: 0.5em; height: 0.5em;"><span style="font: 1px/1px serif;">&nbsp;</span></div></td><td rowspan="2"><div style="width: 0.5em; height: 0.5em;"><span style="font: 1px/1px serif;">&nbsp;</span></div></td></tr> <tr align="center"></tr> </table></onlyinclude> == Übertragung == Überträgt man von Eltern auf die Kinder, gilt folgendes Schema: {| |-align="center" |&nbsp; || Eltern || Großeltern || Urgroßeltern || |-align="center" | vom Vater: || 1→2 || 2→4 3→5 || 4→8{{0}} 5→9{{0}} 6→10 7→11 || &nbsp;&nbsp;&nbsp;8–15 entfallen |-align="center" |&nbsp; || <small>(+1)</small> || | <small>(+2)</small> || <small>(+4)</small> || |-align="center" | von der Mutter: || 1→3 || 2→6 3→7 || 4→12 5→13 6→14 7→15 || &nbsp;&nbsp;&nbsp;8–15 entfallen |-align="center" |&nbsp; || <small>(+2)</small> || | <small>(+4)</small> || <small>(+8)</small> || |} Von Kindern auf die Eltern entprechend umgekehrt, die Urgroßeltern der Eltern (8–15) müssen herausgesucht werden. == Siehe auch == * [[Vorlage:Stammbaum]] für stehende Bäume <noinclude> [[Kategorie:Vorlage:Stammbaum|Ahnentafel-compact4]] [[bg:Шаблон:Генеалогично дърво-4]] [[da:Skabelon:Anetavle-kompakt4]] [[en:Template:Ahnentafel-compact4]] [[nl:Sjabloon:Ahnentafel-compact4]] [[pl:Szablon:MiniDrzewoGenealogiczne]] [[pt:Predefinição:Ahnentafel-compact4]] [[ru:Шаблон:Ahnentafel-compact4]] </noinclude> jjx0dk36vftkjfrvzzav2749rwnu4zj wikitext text/x-wiki Vorlage:Zitatvorlage 10 24062 26659 2010-03-09T18:16:59Z Jivee Blau 0 Änderungen von [[Special:Beiträge/Marko800|Marko800]] rückgängig gemacht und letzte Version von WIKImaniac wiederhergestellt Diese Vorlage dient der Auszeichnung von [[Zitat]]en. Weitere Informationen zur Verwendung siehe unter [[Vorlage:Zitat]], [[Wikipedia:Zitate]] und [[Vorlage Diskussion:Zitat]].<includeonly> [[Kategorie:Vorlage:Zitation|{{PAGENAME}}]] </includeonly><noinclude> [[Kategorie:Vorlage:Einleitung|{{PAGENAME}}]] [[Kategorie:Vorlage:für Vorlagen|{{PAGENAME}}]] </noinclude> 4nsn4da8vs9318326kxlf9f3b9vct2x wikitext text/x-wiki Vorlage:Info ISO-3166-2:RU-MOW 10 24063 26660 2009-10-11T17:35:36Z Umherirrender 280 Update Positionskarte <onlyinclude>{{#switch: {{lc:{{{1|}}} }} |continent = Europa <!--Administration--> |level = 1 |maxlevel= 1 |acronym = MOW |top = RU |upper = RU |admname = Moskau |lemma = Moskau |admtype = Stadt mit föderalem Rang |0 = Russland |1 = Moskau |2 = |map = Russland Moskau |flag = Flag of Moscow.svg }}</onlyinclude>{{Info ISO-3166-2/Info}} efbfoqdbstvnsor6da9do72cqfxk9l5 wikitext text/x-wiki Vorlage:Navigationsleiste Städte und Gemeinden im Landkreis Lörrach 10 24064 28403 26661 2011-09-22T22:16:19Z Calle Cool 620 {{Navigationsleiste |BILD=[[File:Wappen Landkreis Loerrach.svg|40px|Wappen des Landkreises Lörrach]] |TITEL='''Städte und Gemeinden im [[Landkreis Lörrach]]''' |INHALT= [[Aitern]]&nbsp;&#124; [[Bad Bellingen]]&nbsp;&#124; [[Binzen]]&nbsp;&#124; [[Böllen]]&nbsp;&#124; [[Efringen-Kirchen]]&nbsp;&#124; [[Eimeldingen]]&nbsp;&#124; [[Fischingen (Baden)|Fischingen]]&nbsp;&#124; [[Fröhnd]]&nbsp;&#124; [[Grenzach-Wyhlen]]&nbsp;&#124; [[Häg-Ehrsberg]]&nbsp;&#124; [[Hasel (Baden)|Hasel]]&nbsp;&#124; [[Hausen im Wiesental]]&nbsp;&#124; [[Inzlingen]]&nbsp;&#124; [[Kandern]]&nbsp;&#124; [[Kleines Wiesental]]&nbsp;&#124; [[Lörrach]]&nbsp;&#124; [[Malsburg-Marzell]]&nbsp;&#124; [[Maulburg]]&nbsp;&#124; [[Rheinfelden (Baden)]]&nbsp;&#124; [[Rümmingen]]&nbsp;&#124; [[Schallbach]]&nbsp;&#124; [[Schliengen]]&nbsp;&#124; [[Schönau im Schwarzwald]]&nbsp;&#124; [[Schönenberg (Schwarzwald)|Schönenberg]]&nbsp;&#124; [[Schopfheim]]&nbsp;&#124; [[Schwörstadt]]&nbsp;&#124; [[Steinen (Baden)|Steinen]]&nbsp;&#124; [[Todtnau]]&nbsp;&#124; [[Tunau]]&nbsp;&#124; [[Utzenfeld]]&nbsp;&#124; [[Weil am Rhein]]&nbsp;&#124; [[Wembach]]&nbsp;&#124; [[Wieden (Schwarzwald)|Wieden]]&nbsp;&#124; [[Wittlingen]]&nbsp;&#124; [[Zell im Wiesental]] }}<noinclude> [[Kategorie:Vorlage:Navigationsleiste Städte und Gemeinden der Landkreise in Baden-Württemberg|Lorrach]] [[da:Skabelon:Byer i Landkreis Lörrach]] [[en:Template:Cities and towns in Lörrach (district)]] [[fr:Modèle:Communes du Landkreis Lörrach]] [[id:Templat:Cities and towns in Lörrach (district)]] [[it:Template:Circondario di Lörrach]] [[pt:Predefinição:Alemanha/distrito Lörrach]] [[ru:Шаблон:Германия:Район Лёррах:Города]] </noinclude> 8j5vfttu2gc2iev1ba7glsv7bbp3f0f wikitext text/x-wiki Vorlage:FrS 10 24065 26662 2009-08-05T13:19:23Z Emdee 0 {{ zuviel {{#if:{{{1|}}}|[[Französische Sprache|frz.]]&nbsp;{{lang|fr|{{{1}}}}}|[[Französische Sprache|französisch]]}}<noinclude> == Funktionsweise == Bindet die [[Vorlage:Lang]] wie folgt ein: {| class="wikitable" |+Funktionsweise und Beispiele ! 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Liga (''[[National (D3)|National]]'') 2009/10 |INHALT= [[SC Amiens]]&nbsp;&#124; [[Aviron Bayonnais (Fußball)|Aviron Bayonne]]&nbsp;&#124; [[AS Beauvais]]&nbsp;&#124; [[AS Cannes]]&nbsp;&#124; [[SO Cassis Carnoux]]&nbsp;&#124; [[US Créteil]]&nbsp;&#124; [[FC Évian Thonon Gaillard|FC Évian-Thonon-Gaillard]]&nbsp;&#124; [[Étoile Fréjus-Saint-Raphaël|EFC Fréjus-Saint-Raphaël]]&nbsp;&#124; [[FC Gueugnon]]&nbsp;&#124; [[FC Hyères]]&nbsp;&#124; [[CS Louhans-Cuiseaux]]&nbsp;&#124; [[US Luzenac]]&nbsp;&#124; [[AS Moulins]]&nbsp;&#124; [[VEF Pacy]]&nbsp;&#124; [[Stade Plabennec]]&nbsp;&#124; [[Paris FC]]&nbsp;&#124; [[Stade Reims]]&nbsp;&#124; [[AF Rodez]]&nbsp;&#124; [[FC Rouen]]&nbsp;&#124; [[ES Troyes AC]] }}<noinclude> [[Kategorie:Vorlage:Navigationsleiste Fußball (Frankreich)|National (D3)]] </noinclude> etqzvn6ymf65t1qb1e2nb6ro2lpjc56 wikitext text/x-wiki Vorlage:Brockhaus Online 10 24099 26696 2010-05-09T06:23:11Z Entlinkt 0 Führende Nullen wieder rein (ohne sie matcht 1 undokumentierterweise auch auf 11, 21, 31 usw. bis 9991), URL-Parameter von allgemein nach speziell sortiert <includeonly>''[http://www.retrobibliothek.de/retrobib/schlagwort.html?werk=Brockhaus{{#if:{{{1|}}}|&bandnr={{urlencode:{{{1}}}}}}}{{#if:{{{2|}}}|&seitenr={{padleft:{{{2}}}|4|0}}}}{{#if:{{{spezialkapitel|}}}|&wort={{urlencode:{{{spezialkapitel}}}}}}} {{{kapiteltext|{{{spezialkapitel|{{PAGENAME}}}}}}}}].'' 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Ordinariat: [[Emanuel Linder]] (1819–1843)&nbsp;&#124; [[Wilhelm Vischer-Bilfinger]] (1832–1861)&nbsp;&#124; [[Otto Ribbeck]] (1861–1862)&nbsp;&#124; [[Adolph Kießling]] (1862–1869)&nbsp;&#124; [[Friedrich Nietzsche]] (1869–1879)&nbsp;&#124; [[Jacob Wackernagel]] (1879–1902)&nbsp;&#124; [[Ferdinand Sommer]] (1902–1909)&nbsp;&#124; [[Rudolf Herzog (Altphilologe)|Rudolf Herzog]] (1909–1914)&nbsp;&#124; [[Werner Jaeger]] (1914–1915)&nbsp;&#124; [[Peter von der Mühll]] (1917–1952)&nbsp;&#124; [[Bernhard Wyss (Altphilologe)|Bernhard Wyss]] (1952–1976)&nbsp;&#124; [[Joachim Latacz]] (1981–2002)&nbsp;&#124; [[Anton Bierl]] (seit 2002) 2. Ordinariat: [[Franz Dorotheus Gerlach]] (1819–1875)&nbsp;&#124; [[Jacob Achilles Mähly]] (1875–1890)&nbsp;&#124; [[Georg Ferdinand Dümmler]] (1890–1896)&nbsp;&#124; [[Erich Bethe]] (1897–1903)&nbsp;&#124; [[Alfred Körte]] (1903–1906)&nbsp;&#124; [[Hermann Schöne (Philologe)|Hermann Schöne]] (1906–1909)&nbsp;&#124; [[Friedrich Münzer]] (1909–1912)&nbsp;&#124; [[Ernst Lommatzsch]] (1912–1913)&nbsp;&#124; [[Walter F. Otto]] (1913–1914)&nbsp;&#124; [[Johannes Stroux]] (1914–1922)&nbsp;&#124; [[Günther Jachmann]] (1922–1925)&nbsp;&#124; [[Kurt Latte]] (1925–1931)&nbsp;&#124; [[Harald Fuchs (Altphilologe)|Harald Fuchs]] (1932–1970)&nbsp;&#124; [[Josef Delz]] (1970–1987)&nbsp;&#124; [[Fritz Graf]] (1987–1999)&nbsp;&#124; [[Jerzy Styka]] (2000–2001)&nbsp;&#124; [[Henriette Harich-Schwarzbauer]] (seit 2002) 3. Ordinariat: [[Franz Misteli]] (1879–1898)&nbsp;&#124; [[Max Niedermann]] (1911–1925)&nbsp;&#124; [[Jacob Wackernagel]] (1915–1936)&nbsp;&#124; [[Albert Debrunner]] (1940–1949)&nbsp;&#124; [[Karl Meuli]] (1942–1961)&nbsp;&#124; [[Felix Heinimann]] (1966–1980) }}<noinclude> [[Kategorie:Vorlage:Navigationsleiste Bildung|Klassische Philologie in Basel]] [[Kategorie:Vorlage:Navigationsleiste Geschichte|Klassische Philologie in Basel]] [[Kategorie:Vorlage:Navigationsleiste (Schweiz)|Klassische Philologie in Basel]] </noinclude> 0cfbv4pq767fhar5uh86e6p5h63a6vp wikitext text/x-wiki Vorlage:APOD 10 24101 26698 2009-12-31T16:54:10Z Arnomane 128 {{#switch: {{{1}}} | de = [http://www.starobserver.org/ap{{{2}}}.html {{{3}}}] – [[Astronomy Picture of the Day]] vom {{#time: j. F Y|{{#ifeq: {{Ziffer|{{{2}}}|5}}|9|19|20}}{{{2}}}}}. | en = [http://antwrp.gsfc.nasa.gov/apod/ap{{{2}}}.html {{{3}}}] – [[Astronomy Picture of the Day]] vom {{#time: j. 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Reihe--> |row1 "F"=<td><div style="width: 1em; height: 1em;"><span style="font: 1px/1px serif;">&nbsp;</span></div></td><td style="border-bottom: 1px dashed black;"><div style="width: 1em; height: 1em;"><span style="font: 1px/1px serif;">&nbsp;</span></div></td>| |row2 "F"=<td style="border-right: 1px dashed black;"><div style="width: 1em; height: 1em;"><span style="font: 1px/1px serif;">&nbsp;</span></div></td><td><div style="width: 1em; height: 1em;"><span style="font: 1px/1px serif;">&nbsp;</span></div></td>| |row1 "7"=<td style="border-bottom: 1px dashed black;"><div style="width: 1em; height: 1em;"><span style="font: 1px/1px serif;">&nbsp;</span></div></td><td rowspan="2"><div style="width: 1em; height: 2em;"><span style="font: 1px/1px serif;">&nbsp;</span></div></td>| |row2 "7"=<td style="border-right: 1px dashed black;"><div style="width: 1em; height: 1em;"><span style="font: 1px/1px serif;">&nbsp;</span></div></td>| |row1 "L"=<td style="border-right: 1px dashed black;"><div style="width: 1em; height: 1em;"><span style="font: 1px/1px serif;">&nbsp;</span></div></td><td style="border-bottom: 1px dashed black;"><div style="width: 1em; height: 1em;"><span style="font: 1px/1px serif;">&nbsp;</span></div></td>| |row2 "L"=<td colspan="2"><div style="width: 2em; height: 1em;"><span style="font: 1px/1px serif;">&nbsp;</span></div></td>| |row1 "J"=<td style="border-right: 1px dashed black; border-bottom: 1px dashed black;"><div style="width: 1em; height: 1em;"><span style="font: 1px/1px serif;">&nbsp;</span></div></td><td><div style="width: 1em; height: 1em;"><span style="font: 1px/1px serif;">&nbsp;</span></div></td>| |row2 "J"=<td colspan="2"><div style="width: 2em; height: 1em;"><span style="font: 1px/1px serif;">&nbsp;</span></div></td>| <!-- 2. Reihe --> |row1 "A"=<td style="border-right: 1px dashed black; border-bottom: 1px dashed black;"><div style="width: 1em; height: 1em;"><span style="font: 1px/1px serif;">&nbsp;</span></div></td><td style="border-bottom: 1px dashed black;"><div style="width: 1em; height: 1em;"><span style="font: 1px/1px serif;">&nbsp;</span></div></td>| |row2 "A"=<td colspan="2"><div style="width: 2em; height: 1em;"><span style="font: 1px/1px serif;">&nbsp;</span></div></td>| |row1 "V"=<td colspan="2" style="border-bottom: 1px dashed black;"><div style="width: 2em; height: 1em;"><span style="font: 1px/1px serif;">&nbsp;</span></div></td>| |row2 "V"=<td style="border-right: 1px dashed black;"><div style="width: 1em; height: 1em;"><span style="font: 1px/1px serif;">&nbsp;</span></div></td><td><div style="width: 1em; height: 1em;"><span style="font: 1px/1px serif;">&nbsp;</span></div></td>| |row1 "C"=<td style="border-right: 1px dashed black; border-bottom: 1px dashed black;"><div style="width: 1em; height: 1em;"><span style="font: 1px/1px serif;">&nbsp;</span></div></td><td rowspan="2"><div style="width: 1em; height: 2em;"><span style="font: 1px/1px serif;">&nbsp;</span></div></td>| |row2 "C"=<td style="border-right: 1px dashed black;"><div style="width: 1em; height: 1em;"><span style="font: 1px/1px serif;">&nbsp;</span></div></td>| |row1 "D"=<td rowspan="2" style="border-right: 1px dashed black;"><div style="width: 1em; height: 2em;"><span style="font: 1px/1px serif;">&nbsp;</span></div></td><td style="border-bottom: 1px dashed black;"><div style="width: 1em; height: 1em;"><span style="font: 1px/1px serif;">&nbsp;</span></div></td>| |row2 "D"=<td><div style="width: 1em; height: 1em;"><span style="font: 1px/1px serif;">&nbsp;</span></div></td>| <!-- 3. Reihe --> |row1 "~"=<td colspan="2" style="border-bottom: 1px dashed black;"><div style="width: 2em; height: 1em;"><span style="font: 1px/1px serif;">&nbsp;</span></div></td>| |row2 "~"=<td colspan="2"><div style="width: 2em; height: 1em;"><span style="font: 1px/1px serif;">&nbsp;</span></div></td>| |row1 ":"=<td rowspan="2" style="border-right: 1px dashed black;"><div style="width: 1em; height: 2em;"><span style="font: 1px/1px serif;">&nbsp;</span></div></td><td rowspan="2"><div style="width: 1em; height: 2em;"><span style="font: 1px/1px serif;">&nbsp;</span></div></td>| |row2 ":"=| |row1 "%"=<td style="border-right: 1px dashed black; border-bottom: 1px dashed black;"><div style="width: 1em; height: 1em;"><span style="font: 1px/1px serif;">&nbsp;</span></div></td><td style="border-bottom: 1px dashed black;"><div style="width: 1em; height: 1em;"><span style="font: 1px/1px serif;">&nbsp;</span></div></td>| |row2 "%"=<td style="border-right: 1px dashed black;"><div style="width: 1em; height: 1em;"><span style="font: 1px/1px serif;">&nbsp;</span></div></td><td><div style="width: 1em; height: 1em;"><span style="font: 1px/1px serif;">&nbsp;</span></div></td>| <!-- mixed, sortiert wie in doc 1. Reihe --> |row1 "é"=<td style="border-right: 1px solid black; border-bottom: 1px solid black;"><div style="width: 1em; height: 1em;">&nbsp;</div></td><td style="border-bottom: 1px dashed black;"><div style="width: 1em;">&nbsp;</div></td>| |row2 "é"=<td style="border-right: 1px solid black;"><div style="height: 1em;">&nbsp;</div></td><td>&nbsp;</td>| |row1 "è"=<td style="border-right: 1px solid black; border-bottom: 1px dashed black;"><div style="width: 1em; height: 1em;">&nbsp;</div></td><td style="border-bottom: 1px solid black;"><div style="width: 1em;">&nbsp;</div></td>| |row2 "è"=<td style="border-right: 1px solid black;"><div style="height: 1em;">&nbsp;</div></td><td>&nbsp;</td>| |row1 "<"=<td style="border-right: 1px solid black; border-bottom: 1px dashed black;"><div style="width: 1em; height: 1em;"><span style="font: 1px/1px serif;">&nbsp;</span></div></td><td rowspan="2"><div style="width: 1em; height: 2em;"><span style="font: 1px/1px serif;">&nbsp;</span></div></td>| |row2 "<"=<td style="border-right: 1px solid black;"><div style="width: 1em; height: 1em;"><span style="font: 1px/1px serif;">&nbsp;</span></div></td>| |row1 ">"=<td rowspan="2" style="border-right: 1px solid black;"><div style="width: 1em; height: 2em;"><span style="font: 1px/1px serif;">&nbsp;</span></div></td><td style="border-bottom: 1px dashed black;"><div style="width: 1em; height: 1em;"><span style="font: 1px/1px serif;">&nbsp;</span></div></td>| |row2 ">"=<td><div style="width: 1em; height: 1em;"><span style="font: 1px/1px serif;">&nbsp;</span></div></td>| <!-- 2. Reihe --> |row1 "*"=<td style="border-right: 1px dashed black; border-bottom: 1px solid black;"><div style="width: 1em; height: 1em;"><span style="font: 1px/1px serif;">&nbsp;</span></div></td><td style="border-bottom: 1px solid black;"><div style="width: 1em; height: 1em;"><span style="font: 1px/1px serif;">&nbsp;</span></div></td>| |row2 "*"=<td style="border-right: 1px dashed black;"><div style="width: 1em; height: 1em;"><span style="font: 1px/1px serif;">&nbsp;</span></div></td><td><div style="width: 1em; height: 1em;"><span style="font: 1px/1px serif;">&nbsp;</span></div></td>| |row1 "#"=<td style="border-right: 1px solid black; border-bottom: 1px dashed black;"><div style="width: 1em; height: 1em;"><span style="font: 1px/1px serif;">&nbsp;</span></div></td><td style="border-bottom: 1px dashed black;"><div style="width: 1em; height: 1em;"><span style="font: 1px/1px serif;">&nbsp;</span></div></td>| |row2 "#"=<td style="border-right: 1px solid black;"><div style="width: 1em; height: 1em;"><span style="font: 1px/1px serif;">&nbsp;</span></div></td><td><div style="width: 1em; height: 1em;"><span style="font: 1px/1px serif;">&nbsp;</span></div></td>| |row1 "y"=<td colspan="2" style="border-bottom: 1px dashed black;"><div style="width: 2em; height: 1em;"><span style="font: 1px/1px serif;">&nbsp;</span></div></td>| |row2 "y"=<td style="border-right: 1px solid black;"><div style="width: 1em; height: 1em;"><span style="font: 1px/1px serif;">&nbsp;</span></div></td><td><div style="width: 1em; height: 1em;"><span style="font: 1px/1px serif;">&nbsp;</span></div></td>| |row1 "Ä"=<td style="border-right: 1px dashed black; border-bottom: 1px solid black;"><div style="width: 1em; height: 1em;">&nbsp;</div></td><td style="border-bottom: 1px solid black;"><div style="width: 1em;">&nbsp;</div></td>| |row2 "Ä"=<td colspan="2"><div style="height: 1em;">&nbsp;</div></td>| |row1 "Y"=<td colspan="2" style="border-bottom: 1px solid black;"><div style="width: 2em; height: 1em;"><span style="font: 1px/1px serif;">&nbsp;</span></div></td>| |row2 "Y"=<td style="border-right: 1px dashed black;"><div style="width: 1em; height: 1em;"><span style="font: 1px/1px serif;">&nbsp;</span></div></td><td><div style="width: 1em; height: 1em;"><span style="font: 1px/1px serif;">&nbsp;</span></div></td>| <!-- 3. Reihe --> |row1 "{"=<td style="border-right: 1px dashed black; border-bottom: 1px solid black;"><div style="width: 1em; height: 1em;"><span style="font: 1px/1px serif;">&nbsp;</span></div></td><td rowspan="2"><div style="width: 1em; height: 2em;"><span style="font: 1px/1px serif;">&nbsp;</span></div></td>| |row2 "{"=<td style="border-right: 1px dashed black;"><div style="width: 1em; height: 1em;"><span style="font: 1px/1px serif;">&nbsp;</span></div></td>| |row1 "}"=<td rowspan="2" style="border-right: 1px dashed black;"><div style="width: 1em; height: 2em;"><span style="font: 1px/1px serif;">&nbsp;</span></div></td><td style="border-bottom: 1px solid black;"><div style="width: 1em; height: 1em;"><span style="font: 1px/1px serif;">&nbsp;</span></div></td>| |row2 "}"=<td><div style="width: 1em; height: 1em;"><span style="font: 1px/1px serif;">&nbsp;</span></div></td>| |row1 "Ä"=<td style="border-right: 1px dashed black; border-bottom: 1px solid black;"><div style="width: 1em; height: 1em;"><span style="font: 1px/1px serif;">&nbsp;</span></div></td><td style="border-bottom: 1px solid black;"><div style="width: 1em; 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[[Weimarer Fürstengruft|Fürstengruft]]&nbsp;&#124; [[Goethe- und Schiller-Archiv]]&nbsp;&#124; [[Goethemuseum (Stützerbach)|Goethemuseum Stützerbach]]&nbsp;&#124; [[Goethe-Nationalmuseum (Weimar)|Goethe-Nationalmuseum]]&nbsp;&#124; [[Goethes Gartenhaus]]&nbsp;&#124; [[Goethes Wohnhaus]]&nbsp;&#124; [[Haus Hohe Pappeln]]&nbsp;&#124; [[Herzogin Anna Amalia Bibliothek]]&nbsp;&#124; [[Jacobsfriedhof Weimar|Jacobsfriedhof]]&nbsp;&#124; [[Jagdhaus Gabelbach]]&nbsp;&#124; [[Kassengewölbe]]&nbsp;&#124; [[Liszt-Haus Weimar|Liszt-Haus]]&nbsp;&#124; [[Neues Museum (Weimar)|Neues Museum]]&nbsp;&#124; [[Nietzsche-Archiv]]&nbsp;&#124; [[Park an der Ilm]]&nbsp;&#124; [[Parkhöhle]]&nbsp;&#124; [[Römisches Haus (Weimar)|Römisches Haus]]&nbsp;&#124; [[Russisch-Orthodoxe Kapelle]]&nbsp;&#124; [[Schillerhaus (Bauerbach)|Schillerhaus Bauerbach]]&nbsp;&#124; [[Schillers Wohnhaus (Weimar)|Schillers Wohnhaus]]&nbsp;&#124; [[Belvedere (Weimar)|Schloss Belvedere]]&nbsp;&#124; [[Schloss und Park Ettersburg|Schloss Ettersburg]]&nbsp;&#124; 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01053030 =44 <!--Fredeburg --> | 01053031 =296 <!--Fuhlenhagen --> | 01053032 =29258 <!--Geesthacht, Stadt --> | 01053033 =91 <!--Giesensdorf --> | 01053034 =241 <!--Göldenitz --> | 01053035 =48 <!--Göttin --> | 01053036 =296 <!--Grabau --> | 01053037 =406 <!--Grambek --> | 01053038 =331 <!--Grinau --> | 01053039 =215 <!--Groß Boden --> | 01053040 =86 <!--Groß Disnack --> | 01053041 =3545 <!--Groß Grönau --> | 01053042 =134 <!--Groß Pampau --> | 01053043 =910 <!--Groß Sarau --> | 01053044 =552 <!--Groß Schenkenberg --> | 01053045 =247 <!--Grove --> | 01053046 =1616 <!--Gudow --> | 01053047 =1238 <!--Gülzow --> | 01053048 =1228 <!--Güster --> | 01053049 =444 <!--Hamfelde --> | 01053050 =780 <!--Hamwarde --> | 01053051 =262 <!--Harmsdorf --> | 01053052 =155 <!--Havekost --> | 01053053 =476 <!--Hohenhorn --> | 01053054 =448 <!--Hollenbek --> | 01053056 =167 <!--Hornbek --> | 01053057 =241 <!--Horst --> | 01053058 =178 <!--Juliusburg --> | 01053059 =214 <!--Kankelau --> | 01053060 =523 <!--Kasseburg --> | 01053061 =1192 <!--Kastorf --> | 01053062 =243 <!--Kittlitz --> | 01053064 =603 <!--Klein Pampau --> | 01053066 =253 <!--Klein Zecher --> | 01053067 =625 <!--Klempau --> | 01053068 =599 <!--Klinkrade --> | 01053069 =772 <!--Koberg --> | 01053070 =282 <!--Köthel --> | 01053071 =642 <!--Kollow --> | 01053072 =1094 <!--Kröppelshagen-Fahrendorf --> | 01053073 =348 <!--Krüzen --> | 01053074 =190 <!--Krukow --> | 01053075 =1533 <!--Krummesse --> | 01053076 =1344 <!--Kuddewörde --> | 01053077 =395 <!--Kühsen --> | 01053078 =232 <!--Kulpin --> | 01053079 =829 <!--Labenz --> | 01053080 =161 <!--Langenlehsten --> | 01053081 =483 <!--Lankau --> | 01053082 =392 <!--Lanze --> | 01053083 =11436 <!--Lauenburg/ Elbe, Stadt --> | 01053084 =465 <!--Lehmrade --> | 01053085 =1177 <!--Linau --> | 01053086 =221 <!--Lüchow --> | 01053087 =720 <!--Lütau --> | 01053088 =95 <!--Mechow --> | 01053089 =549 <!--Möhnsen --> | 01053090 =18712 <!--Mölln, Stadt --> | 01053091 =195 <!--Mühlenrade --> | 01053092 =951 <!--Müssen --> | 01053093 =719 <!--Mustin --> | 01053094 =186 <!--Niendorf bei Berkenthin --> | 01053095 =599 <!--Niendorf/ Stecknitz --> | 01053096 =1031 <!--Nusse --> | 01053097 =699 <!--Panten --> | 01053098 =372 <!--Pogeez --> | 01053099 =352 <!--Poggensee --> | 01053100 =13695 <!--Ratzeburg, Stadt --> | 01053101 =282 <!--Ritzerau --> | 01053102 =63 <!--Römnitz --> | 01053103 =831 <!--Rondeshagen --> | 01053104 =512 <!--Roseburg --> | 01053105 =0 <!--Sachsenwald (Forstgutsbez.),gemfr.Geb. --> | 01053106 =378 <!--Sahms --> | 01053107 =559 <!--Salem --> | 01053108 =1645 <!--Sandesneben --> | 01053109 =578 <!--Schiphorst --> | 01053110 =610 <!--Schmilau --> | 01053111 =835 <!--Schnakenbek --> | 01053112 =1299 <!--Schönberg --> | 01053113 =516 <!--Schretstaken --> | 01053114 =157 <!--Schürensöhlen --> | 01053115 =483 <!--Schulendorf --> | 01053116 =14949 <!--Schwarzenbek, Stadt --> | 01053117 =528 <!--Seedorf --> | 01053118 =654 <!--Siebenbäumen --> | 01053119 =264 <!--Siebeneichen --> | 01053120 =325 <!--Sierksrade --> | 01053121 =313 <!--Sirksfelde --> | 01053122 =555 <!--Steinhorst --> | 01053123 =957 <!--Sterley --> | 01053124 =400 <!--Stubben --> | 01053125 =533 <!--Talkau --> | 01053126 =338 <!--Tramm --> | 01053127 =176 <!--Walksfelde --> | 01053128 =210 <!--Wangelau --> | 01053129 =11574 <!--Wentorf bei Hamburg --> | 01053130 =695 <!--Wentorf (Amt Sandesneben) --> | 01053131 =159 <!--Wiershop --> | 01053132 =911 <!--Witzeeze --> | 01053133 =2386 <!--Wohltorf --> | 01053134 =265 <!--Woltersdorf --> | 01053135 =170 <!--Worth --> | 01053136 =999 <!--Ziethen --> | 01054001 =1557 <!--Achtrup --> | 01054002 =524 <!--Ahrenshöft --> | 01054003 =499 <!--Ahrenviöl --> | 01054004 =269 <!--Ahrenviölfeld --> | 01054005 =411 <!--Alkersum --> | 01054006 =557 <!--Almdorf --> | 01054007 =341 <!--Arlewatt --> | 01054009 =459 <!--Aventoft --> | 01054010 =606 <!--Bargum --> | 01054011 =604 <!--Behrendorf --> | 01054012 =743 <!--Bohmstedt --> | 01054013 =195 <!--Bondelum --> | 01054014 =2029 <!--Bordelum --> | 01054015 =348 <!--Borgsum --> | 01054016 =222 <!--Bosbüll --> | 01054017 =661 <!--Braderup --> | 01054018 =220 <!--Bramstedtlund --> | 01054019 =5006 <!--Bredstedt, Stadt --> | 01054020 =2280 <!--Breklum --> | 01054022 =904 <!--Dagebüll --> | 01054023 =593 <!--Drage --> | 01054024 =1299 <!--Drelsdorf --> | 01054025 =62 <!--Dunsum --> | 01054026 =48 <!--Elisabeth-Sophien-Koog --> | 01054027 =113 <!--Ellhöft --> | 01054032 =94 <!--Fresendelf --> | 01054033 =2416 <!--Friedrichstadt, Stadt --> | 01054034 =161 <!--Friedrich-Wilhelm-Lübke-Koog --> | 01054035 =344 <!--Garding, Kirchspiel --> | 01054036 =2664 <!--Garding, Stadt --> | 01054037 =354 <!--Goldebek --> | 01054038 =375 <!--Goldelund --> | 01054039 =11 <!--Gröde --> | 01054040 =20 <!--Grothusenkoog --> | 01054041 =916 <!--Haselund --> | 01054042 =2465 <!--Hattstedt --> | 01054043 =327 <!--Hattstedtermarsch --> | 01054045 =446 <!--Högel --> | 01054046 =981 <!--Hörnum (Sylt) --> | 01054048 =84 <!--Holm --> | 01054050 =80 <!--Hooge --> | 01054052 =756 <!--Horstedt --> | 01054054 =201 <!--Hude --> | 01054055 =763 <!--Humptrup --> | 01054056 =22212 <!--Husum, Stadt --> | 01054057 =663 <!--Immenstedt --> | 01054059 =718 <!--Joldelund --> | 01054061 =594 <!--Kampen (Sylt) --> | 01054062 =222 <!--Karlum --> | 01054063 =173 <!--Katharinenheerd --> | 01054065 =951 <!--Klanxbüll --> | 01054068 =968 <!--Klixbüll --> | 01054070 =935 <!--Koldenbüttel --> | 01054071 =65 <!--Kolkerheide --> | 01054072 =236 <!--Kotzenbüll --> | 01054073 =1416 <!--Ladelund --> | 01054074 =122 <!--Langeneß --> | 01054075 =3102 <!--Langenhorn --> | 01054076 =7813 <!--Leck --> | 01054077 =64 <!--Lexgaard --> | 01054078 =2452 <!--List --> | 01054079 =662 <!--Löwenstedt --> | 01054080 =318 <!--Lütjenholm --> | 01054083 =383 <!--Midlum --> | 01054084 =3797 <!--Mildstedt --> | 01054085 =955 <!--Nebel --> | 01054086 =1293 <!--Neukirchen --> | 01054087 =610 <!--Nieblum --> | 01054088 =9257 <!--Niebüll, Stadt --> | 01054089 =638 <!--Norddorf --> | 01054090 =44 <!--Norderfriedrichskoog --> | 01054091 =2273 <!--Nordstrand --> | 01054092 =430 <!--Norstedt --> | 01054093 =358 <!--Ockholm --> | 01054094 =486 <!--Oevenum --> | 01054095 =1282 <!--Oldenswort --> | 01054096 =647 <!--Oldersbek --> | 01054097 =451 <!--Olderup --> | 01054098 =552 <!--Oldsum --> | 01054099 =1553 <!--Ostenfeld (Husum) --> | 01054100 =246 <!--Osterhever --> | 01054101 =654 <!--Oster-Ohrstedt --> | 01054103 =1089 <!--Pellworm --> | 01054104 =197 <!--Poppenbüll --> | 01054105 =448 <!--Ramstedt --> | 01054106 =1629 <!--Rantrum --> | 01054108 =333 <!--Reußenköge --> | 01054109 =3635 <!--Risum-Lindholm --> | 01054110 =441 <!--Rodenäs --> | 01054113 =4177 <!--Sankt Peter-Ording --> | 01054116 =1312 <!--Schwabstedt --> | 01054118 =907 <!--Schwesing --> | 01054119 =691 <!--Seeth --> | 01054120 =862 <!--Simonsberg --> | 01054121 =252 <!--Sönnebüll --> | 01054123 =306 <!--Sollwitt --> | 01054124 =230 <!--Sprakebüll --> | 01054125 =1022 <!--Stadum --> | 01054126 =857 <!--Stedesand --> | 01054128 =1008 <!--Struckum --> | 01054129 =173 <!--Süderende --> | 01054130 =20 <!--Süderhöft --> | 01054131 =2234 <!--Süderlügum --> | 01054132 =151 <!--Südermarsch --> | 01054168 =15325 <!--Sylt --> | 01054134 =990 <!--Tating --> | 01054135 =610 <!--Tetenbüll --> | 01054136 =205 <!--Tinningstedt --> | 01054138 =4936 <!--Tönning, Stadt --> | 01054140 =100 <!--Tümlauer Koog --> | 01054141 =261 <!--Uelvesbüll --> | 01054142 =408 <!--Uphusum --> | 01054143 =413 <!--Utersum --> | 01054144 =1965 <!--Viöl --> | 01054145 =224 <!--Vollerwiek --> | 01054146 =159 <!--Vollstedt --> | 01054148 =214 <!--Welt --> | 01054149 =1551 <!--Wenningstedt-Braderup (Sylt) --> | 01054150 =129 <!--Westerhever --> | 01054152 =1055 <!--Wester-Ohrstedt --> | 01054154 =401 <!--Westre --> | 01054156 =765 <!--Winnert --> | 01054157 =120 <!--Wisch --> | 01054158 =51 <!--Witsum --> | 01054159 =810 <!--Wittbek --> | 01054160 =688 <!--Wittdün --> | 01054161 =988 <!--Witzwort --> | 01054162 =477 <!--Wobbenbüll --> | 01054163 =684 <!--Wrixum --> | 01054164 =4415 <!--Wyk auf Föhr, Stadt --> | 01054165 =651 <!--Galmsbüll --> | 01054166 =984 <!--Emmelsbüll-Horsbüll --> | 01054167 =1114 <!--Enge-Sande --> | 01055001 =8464 <!--Ahrensbök --> | 01055002 =1131 <!--Altenkrempe --> | 01055004 =19619 <!--Bad Schwartau, Stadt --> | 01055006 =547 <!--Beschendorf --> | 01055007 =3492 <!--Bosau --> | 01055010 =1209 <!--Dahme --> | 01055011 =726 <!--Damlos --> | 01055012 =17298 <!--Eutin, Stadt --> | 01055014 =1194 <!--Göhl --> | 01055015 =1489 <!--Gremersdorf --> | 01055016 =7731 <!--Grömitz --> | 01055017 =2192 <!--Großenbrode --> | 01055018 =1002 <!--Grube --> | 01055020 =724 <!--Harmsdorf --> | 01055021 =9275 <!--Heiligenhafen, Stadt --> | 01055022 =1066 <!--Heringsdorf --> | 01055023 =437 <!--Kabelhorst --> | 01055024 =1561 <!--Kasseedorf --> | 01055025 =1089 <!--Kellenhusen (Ostsee) --> | 01055027 =5003 <!--Lensahn --> | 01055028 =10889 <!--Malente --> | 01055029 =407 <!--Manhagen --> | 01055031 =1157 <!--Neukirchen --> | 01055032 =16535 <!--Neustadt in Holstein, Stadt --> | 01055033 =9663 <!--Oldenburg in Holstein, Stadt --> | 01055035 =15683 <!--Ratekau --> | 01055036 =1044 <!--Riepsdorf --> | 01055037 =2519 <!--Schashagen --> | 01055038 =2528 <!--Schönwalde am Bungsberg --> | 01055039 =1589 <!--Sierksdorf --> | 01055040 =16641 <!--Stockelsdorf --> | 01055041 =5408 <!--Süsel --> | 01055042 =8937 <!--Timmendorfer Strand --> | 01055043 =2227 <!--Wangels --> | 01055044 =11753 <!--Scharbeutz --> | 01055046 =12962 <!--Fehmarn, Stadt --> | 01056001 =5931 <!--Appen --> | 01056002 =9702 <!--Barmstedt, Stadt --> | 01056003 =600 <!--Bevern --> | 01056004 =727 <!--Bilsen --> | 01056005 =4350 <!--Bönningstedt --> | 01056006 =642 <!--Bokel --> | 01056008 =1253 <!--Bokholt-Hanredder --> | 01056009 =2251 <!--Borstel-Hohenraden --> | 01056010 =1616 <!--Brande-Hörnerkirchen --> | 01056011 =352 <!--Bullenkuhlen --> | 01056013 =4244 <!--Ellerbek --> | 01056014 =1361 <!--Ellerhoop --> | 01056015 =48183 <!--Elmshorn, Stadt --> | 01056016 =709 <!--Groß Nordende --> | 01056017 =444 <!--Groß Offenseth-Aspern --> | 01056018 =16502 <!--Halstenbek --> | 01056019 =1122 <!--Haselau --> | 01056020 =1710 <!--Haseldorf --> | 01056021 =3374 <!--Hasloh --> | 01056022 =697 <!--Heede --> | 01056023 =2318 <!--Heidgraben --> | 01056024 =2806 <!--Heist --> | 01056025 =1267 <!--Helgoland --> | 01056026 =1653 <!--Hemdingen --> | 01056027 =1326 <!--Hetlingen --> | 01056028 =3116 <!--Holm --> | 01056029 =2996 <!--Klein Nordende --> | 01056030 =2826 <!--Klein Offenseth-Sparrieshoop --> | 01056031 =2722 <!--Kölln-Reisiek --> | 01056032 =2088 <!--Kummerfeld --> | 01056033 =944 <!--Seester --> | 01056034 =527 <!--Langeln --> | 01056035 =819 <!--Lutzhorn --> | 01056036 =4045 <!--Moorrege --> | 01056037 =532 <!--Neuendeich --> | 01056038 =414 <!--Osterhorn --> | 01056039 =42367 <!--Pinneberg, Stadt --> | 01056040 =2183 <!--Prisdorf --> | 01056041 =20289 <!--Quickborn, Stadt --> | 01056042 =545 <!--Raa-Besenbek --> | 01056043 =13694 <!--Rellingen --> | 01056044 =18195 <!--Schenefeld, Stadt --> | 01056045 =902 <!--Seestermühe --> | 01056046 =830 <!--Seeth-Ekholt --> | 01056047 =2197 <!--Tangstedt --> | 01056048 =12995 <!--Tornesch, Stadt --> | 01056049 =17739 <!--Uetersen, Stadt --> | 01056050 =32137 <!--Wedel, Stadt --> | 01056051 =1276 <!--Westerhorn --> | 01057001 =3196 <!--Ascheberg (Holstein) --> | 01057002 =170 <!--Barmissen --> | 01057003 =628 <!--Barsbek --> | 01057004 =653 <!--Behrensdorf (Ostsee) --> | 01057005 =350 <!--Belau --> | 01057006 =240 <!--Bendfeld --> | 01057007 =1813 <!--Blekendorf --> | 01057008 =2008 <!--Bönebüttel --> | 01057009 =1527 <!--Bösdorf --> | 01057010 =484 <!--Boksee --> | 01057011 =291 <!--Bothkamp --> | 01057012 =443 <!--Brodersdorf --> | 01057013 =682 <!--Dannau --> | 01057015 =909 <!--Dersau --> | 01057016 =1156 <!--Dobersdorf --> | 01057017 =265 <!--Dörnick --> | 01057018 =145 <!--Fahren --> | 01057020 =585 <!--Fiefbergen --> | 01057021 =1118 <!--Giekau --> | 01057022 =1001 <!--Grebin --> | 01057023 =188 <!--Großbarkau --> | 01057024 =548 <!--Großharrie --> | 01057025 =8248 <!--Heikendorf --> | 01057026 =342 <!--Helmstorf --> | 01057027 =438 <!--Högsdorf --> | 01057028 =406 <!--Höhndorf --> | 01057029 =1093 <!--Hohenfelde --> | 01057030 =888 <!--Hohwacht (Ostsee) --> | 01057031 =449 <!--Honigsee --> | 01057032 =563 <!--Kalübbe --> | 01057033 =744 <!--Kirchbarkau --> | 01057034 =179 <!--Kirchnüchel --> | 01057035 =767 <!--Klamp --> | 01057037 =254 <!--Klein Barkau --> | 01057038 =129 <!--Kletkamp --> | 01057039 =861 <!--Köhn --> | 01057040 =475 <!--Krokau --> | 01057041 =387 <!--Krummbek --> | 01057042 =681 <!--Kühren --> | 01057043 =5207 <!--Laboe --> | 01057044 =286 <!--Lammershagen --> | 01057045 =601 <!--Lebrade --> | 01057046 =1481 <!--Lehmkuhlen --> | 01057047 =316 <!--Löptin --> | 01057048 =5522 <!--Lütjenburg, Stadt --> | 01057049 =377 <!--Lutterbek --> | 01057050 =994 <!--Martensrade --> | 01057051 =3780 <!--Mönkeberg --> | 01057052 =615 <!--Mucheln --> | 01057053 =279 <!--Nehmten --> | 01057054 =414 <!--Nettelsee --> | 01057055 =1565 <!--Panker --> | 01057056 =301 <!--Passade --> | 01057057 =12788 <!--Plön, Stadt --> | 01057058 =473 <!--Pohnsdorf --> | 01057059 =466 <!--Postfeld --> | 01057060 =483 <!--Prasdorf --> | 01057062 =15898 <!--Preetz, Stadt --> | 01057063 =2036 <!--Probsteierhagen --> | 01057065 =331 <!--Rantzau --> | 01057066 =857 <!--Rastorf --> | 01057067 =496 <!--Rathjensdorf --> | 01057068 =806 <!--Rendswühren --> | 01057069 =1061 <!--Ruhwinkel --> | 01057070 =1615 <!--Schellhorn --> | 01057071 =865 <!--Schillsdorf --> | 01057072 =535 <!--Schlesen --> | 01057073 =6729 <!--Schönberg (Holstein) --> | 01057074 =6281 <!--Schönkirchen --> | 01057076 =836 <!--Schwartbuck --> | 01057091 =13588 <!--Schwentinental --> | 01057077 =1325 <!--Selent --> | 01057078 =458 <!--Stakendorf --> | 01057079 =827 <!--Stein --> | 01057080 =1320 <!--Stolpe --> | 01057081 =330 <!--Stoltenberg --> | 01057082 =416 <!--Tröndel --> | 01057083 =350 <!--Tasdorf --> | 01057084 =531 <!--Wahlstorf --> | 01057085 =2970 <!--Wankendorf --> | 01057086 =357 <!--Warnau --> | 01057087 =1122 <!--Wendtorf --> | 01057088 =755 <!--Wisch --> | 01057089 =179 <!--Wittmoldt --> | 01057090 =786 <!--Fargau-Pratjau --> | 01058001 =926 <!--Achterwehr --> | 01058175 =480 <!--Ahlefeld-Bistensee --> | 01058003 =1868 <!--Alt Duvenstedt --> | 01058004 =308 <!--Altenhof --> | 01058005 =9889 <!--Altenholz --> | 01058007 =254 <!--Arpsdorf --> | 01058008 =986 <!--Ascheffel --> | 01058009 =3724 <!--Aukrug --> | 01058010 =166 <!--Bargstall --> | 01058011 =766 <!--Bargstedt --> | 01058012 =1478 <!--Barkelsby --> | 01058013 =298 <!--Beldorf --> | 01058014 =459 <!--Bendorf --> | 01058015 =750 <!--Beringstedt --> | 01058016 =163 <!--Bissee --> | 01058018 =673 <!--Blumenthal --> | 01058019 =337 <!--Böhnhusen --> | 01058021 =669 <!--Bokel --> | 01058022 =7504 <!--Bordesholm --> | 01058023 =422 <!--Borgdorf-Seedorf --> | 01058024 =1373 <!--Borgstedt --> | 01058025 =185 <!--Bornholt --> | 01058026 =1054 <!--Bovenau --> | 01058027 =401 <!--Brammer --> | 01058028 =1347 <!--Bredenbek --> | 01058029 =1478 <!--Breiholz --> | 01058030 =1038 <!--Brekendorf --> | 01058031 =128 <!--Brinjahe --> | 01058032 =764 <!--Brodersby --> | 01058033 =1072 <!--Brügge --> | 01058034 =10207 <!--Büdelsdorf, Stadt --> | 01058035 =601 <!--Bünsdorf --> | 01058036 =245 <!--Christiansholm --> | 01058037 =3647 <!--Dänischenhagen --> | 01058038 =572 <!--Dätgen --> | 01058039 =434 <!--Damendorf --> | 01058040 =1551 <!--Damp --> | 01058042 =738 <!--Dörphof --> | 01058043 =22798 <!--Eckernförde, Stadt --> | 01058044 =626 <!--Ehndorf --> | 01058045 =307 <!--Eisendorf --> | 01058046 =535 <!--Ellerdorf --> | 01058047 =1678 <!--Elsdorf-Westermühlen --> | 01058048 =228 <!--Embühren --> | 01058049 =1444 <!--Emkendorf --> | 01058050 =2064 <!--Felde --> | 01058051 =1124 <!--Felm --> | 01058052 =1825 <!--Fleckeby --> | 01058053 =7210 <!--Flintbek --> | 01058054 =6332 <!--Fockbek --> | 01058055 =59 <!--Friedrichsgraben --> | 01058056 =413 <!--Friedrichsholm --> | 01058057 =525 <!--Gammelby --> | 01058058 =6758 <!--Gettorf --> | 01058059 =1177 <!--Gnutz --> | 01058061 =596 <!--Gokels --> | 01058062 =261 <!--Grauel --> | 01058063 =237 <!--Grevenkrug --> | 01058064 =370 <!--Groß Buchwald --> | 01058065 =969 <!--Groß Vollstedt --> | 01058066 =1132 <!--Groß Wittensee --> | 01058067 =882 <!--Güby --> | 01058068 =476 <!--Haale --> | 01058069 =584 <!--Haby --> | 01058070 =1287 <!--Hamdorf --> | 01058071 =498 <!--Hamweddel --> | 01058072 =3059 <!--Hanerau-Hademarschen --> | 01058073 =292 <!--Haßmoor --> | 01058074 =157 <!--Heinkenborstel --> | 01058075 =67 <!--Hörsten --> | 01058076 =170 <!--Hoffeld --> | 01058077 =4935 <!--Hohenwestedt --> | 01058078 =2354 <!--Hohn --> | 01058080 =1359 <!--Holtsee --> | 01058081 =321 <!--Holzbunge --> | 01058082 =919 <!--Holzdorf --> | 01058083 =195 <!--Hütten --> | 01058084 =283 <!--Hummelfeld --> | 01058085 =266 <!--Jahrsdorf --> | 01058086 =3296 <!--Jevenstedt --> | 01058087 =563 <!--Karby --> | 01058088 =192 <!--Klein Wittensee --> | 01058089 =160 <!--Königshügel --> | 01058090 =1336 <!--Kosel --> | 01058091 =479 <!--Krogaspe --> | 01058092 =11981 <!--Kronshagen --> | 01058093 =718 <!--Krummwisch --> | 01058094 =1437 <!--Langwedel --> | 01058096 =1326 <!--Lindau --> | 01058097 =638 <!--Lohe-Föhrden --> | 01058098 =172 <!--Loop --> | 01058099 =781 <!--Loose --> | 01058100 =592 <!--Lütjenwestedt --> | 01058101 =419 <!--Luhnstedt --> | 01058102 =786 <!--Goosefeld --> | 01058103 =388 <!--Meezen --> | 01058104 =1746 <!--Melsdorf --> | 01058105 =1369 <!--Mielkendorf --> | 01058106 =253 <!--Mörel --> | 01058107 =4770 <!--Molfsee --> | 01058108 =544 <!--Mühbrook --> | 01058109 =352 <!--Negenharrie --> | 01058110 =1052 <!--Neudorf-Bornstein --> | 01058111 =148 <!--Neu Duvenstedt --> | 01058112 =1222 <!--Neuwittenbek --> | 01058113 =617 <!--Nienborstel --> | 01058115 =677 <!--Nindorf --> | 01058116 =847 <!--Noer --> | 01058117 =6293 <!--Nortorf, Stadt --> | 01058118 =1643 <!--Nübbel --> | 01058119 =283 <!--Oldenbüttel --> | 01058120 =155 <!--Oldenhütten --> | 01058121 =2375 <!--Osdorf --> | 01058122 =545 <!--Ostenfeld (Rendsburg) --> | 01058123 =959 <!--Osterby --> | 01058124 =5228 <!--Osterrönfeld --> | 01058125 =635 <!--Osterstedt --> | 01058126 =827 <!--Ottendorf --> | 01058127 =3677 <!--Owschlag --> | 01058128 =1442 <!--Padenstedt --> | 01058129 =181 <!--Prinzenmoor --> | 01058130 =1806 <!--Quarnbek --> | 01058131 =93 <!--Rade b. Hohenwestedt --> | 01058132 =229 <!--Rade b. Rendsburg --> | 01058133 =139 <!--Reesdorf --> | 01058134 =430 <!--Remmels --> | 01058135 =28350 <!--Rendsburg, Stadt --> | 01058136 =1099 <!--Rickert --> | 01058137 =2495 <!--Rieseby --> | 01058138 =495 <!--Rodenbek --> | 01058139 =764 <!--Rumohr --> | 01058140 =4479 <!--Schacht-Audorf --> | 01058141 =388 <!--Schierensee --> | 01058142 =1034 <!--Schinkel --> | 01058143 =266 <!--Schmalstede --> | 01058144 =174 <!--Schönbek --> | 01058145 =313 <!--Schönhorst --> | 01058146 =575 <!--Schülldorf --> | 01058147 =848 <!--Schülp b. Nortorf --> | 01058148 =1107 <!--Schülp b. Rendsburg --> | 01058150 =2912 <!--Schwedeneck --> | 01058151 =376 <!--Seefeld --> | 01058152 =848 <!--Sehestedt --> | 01058153 =197 <!--Sören --> | 01058154 =351 <!--Sophienhamm --> | 01058155 =348 <!--Stafstedt --> | 01058156 =391 <!--Steenfeld --> | 01058157 =1481 <!--Strande --> | 01058158 =93 <!--Tackesdorf --> | 01058159 =340 <!--Tappendorf --> | 01058160 =157 <!--Techelsdorf --> | 01058161 =277 <!--Thaden --> | 01058162 =492 <!--Thumby --> | 01058163 =1131 <!--Timmaspe --> | 01058164 =1129 <!--Todenbüttel --> | 01058165 =1175 <!--Tüttendorf --> | 01058166 =1479 <!--Waabs --> | 01058167 =343 <!--Wapelfeld --> | 01058168 =599 <!--Warder --> | 01058169 =2232 <!--Wasbek --> | 01058170 =2903 <!--Wattenbek --> | 01058171 =1583 <!--Westensee --> | 01058172 =5067 <!--Westerrönfeld --> | 01058173 =1057 <!--Windeby --> | 01058174 =517 <!--Winnemark --> | 01059001 =358 <!--Alt Bennebek --> | 01059002 =297 <!--Arnis, Stadt --> | 01059005 =655 <!--Bergenhusen --> | 01059006 =754 <!--Böel --> | 01059008 =1422 <!--Böklund --> | 01059009 =755 <!--Börm --> | 01059010 =1485 <!--Bollingstedt --> | 01059011 =760 <!--Boren --> | 01059012 =721 <!--Borgwedel --> | 01059014 =411 <!--Brebel --> | 01059016 =479 <!--Brodersby --> | 01059018 =1989 <!--Busdorf --> | 01059019 =1103 <!--Dannewerk --> | 01059020 =551 <!--Dörpstedt --> | 01059021 =274 <!--Dollrottfeld --> | 01059022 =227 <!--Ekenis --> | 01059023 =823 <!--Ellingstedt --> | 01059024 =2045 <!--Erfde --> | 01059026 =2471 <!--Fahrdorf --> | 01059032 =408 <!--Geltorf --> | 01059033 =227 <!--Goltoft --> | 01059034 =264 <!--Grödersby --> | 01059035 =982 <!--Groß Rheide --> | 01059037 =867 <!--Havetoft --> | 01059038 =946 <!--Havetoftloit --> | 01059039 =999 <!--Hollingstedt --> | 01059041 =777 <!--Hüsby --> | 01059042 =830 <!--Idstedt --> | 01059043 =950 <!--Jagel --> | 01059044 =2576 <!--Jübek --> | 01059045 =9768 <!--Kappeln, Stadt --> | 01059047 =195 <!--Kiesby --> | 01059049 =519 <!--Klappholz --> | 01059050 =571 <!--Klein Bennebek --> | 01059051 =340 <!--Klein Rheide --> | 01059053 =6468 <!--Kropp --> | 01059055 =271 <!--Loit --> | 01059056 =202 <!--Lottorf --> | 01059057 =1167 <!--Lürschau --> | 01059058 =687 <!--Meggerdorf --> | 01059060 =1029 <!--Mohrkirch --> | 01059062 =1151 <!--Neuberend --> | 01059063 =691 <!--Norderbrarup --> | 01059064 =820 <!--Norderstapel --> | 01059065 =141 <!--Nottfeld --> | 01059067 =343 <!--Oersberg --> | 01059068 =653 <!--Rabenkirchen-Faulück --> | 01059069 =367 <!--Rüde --> | 01059070 =245 <!--Rügge --> | 01059071 =3630 <!--Satrup --> | 01059072 =217 <!--Saustrup --> | 01059073 =1689 <!--Schaalby --> | 01059074 =392 <!--Scheggerott --> | 01059075 =24029 <!--Schleswig, Stadt --> | 01059076 =593 <!--Schnarup-Thumby --> | 01059077 =2576 <!--Schuby --> | 01059078 =836 <!--Selk --> | 01059079 =2218 <!--Silberstedt --> | 01059080 =748 <!--Steinfeld --> | 01059081 =819 <!--Stolk --> | 01059082 =659 <!--Struxdorf --> | 01059083 =3845 <!--Süderbrarup --> | 01059084 =504 <!--Süderfahrenstedt --> | 01059085 =1076 <!--Süderstapel --> | 01059086 =864 <!--Taarstedt --> | 01059087 =953 <!--Tetenhusen --> | 01059088 =309 <!--Tielen --> | 01059090 =1043 <!--Tolk --> | 01059092 =1465 <!--Treia --> | 01059093 =470 <!--Ülsby --> | 01059094 =683 <!--Ulsnis --> | 01059095 =249 <!--Wagersrott --> | 01059096 =518 <!--Wohlde --> | 01059097 =477 <!--Twedt --> | 01059098 =1385 <!--Nübel --> | 01059101 =431 <!--Tastrup --> | 01059102 =219 <!--Ahneby --> | 01059103 =530 <!--Ausacker --> | 01059105 =106 <!--Böxlund --> | 01059106 =1038 <!--Dollerup --> | 01059107 =2564 <!--Eggebek --> | 01059109 =800 <!--Esgrus --> | 01059112 =1837 <!--Gelting --> | 01059113 =5961 <!--Glücksburg (Ostsee), Stadt --> | 01059115 =2807 <!--Großenwiehe --> | 01059116 =1898 <!--Großsolt --> | 01059118 =912 <!--Grundhof --> | 01059120 =11315 <!--Harrislee --> | 01059121 =897 <!--Hasselberg --> | 01059123 =639 <!--Hörup --> | 01059124 =182 <!--Holt --> | 01059126 =1135 <!--Hürup --> | 01059127 =2233 <!--Husby --> | 01059128 =445 <!--Janneby --> | 01059129 =320 <!--Jardelund --> | 01059131 =997 <!--Jerrishoe --> | 01059132 =839 <!--Jörl --> | 01059136 =251 <!--Kronsgaard --> | 01059137 =1476 <!--Langballig --> | 01059138 =1020 <!--Langstedt --> | 01059141 =731 <!--Maasbüll --> | 01059142 =657 <!--Maasholm --> | 01059143 =896 <!--Medelby --> | 01059144 =674 <!--Meyn --> | 01059145 =1087 <!--Munkbrarup --> | 01059147 =232 <!--Nieby --> | 01059148 =585 <!--Niesgrau --> | 01059149 =482 <!--Nordhackstedt --> | 01059184 =3414 <!--Oeversee --> | 01059151 =338 <!--Osterby --> | 01059152 =182 <!--Pommerby --> | 01059153 =1338 <!--Quern --> | 01059154 =660 <!--Rabel --> | 01059155 =299 <!--Rabenholz --> | 01059157 =515 <!--Ringsberg --> | 01059158 =2300 <!--Schafflund --> | 01059159 =1673 <!--Sieverstedt --> | 01059161 =4251 <!--Sörup --> | 01059162 =516 <!--Sollerup --> | 01059163 =250 <!--Stangheck --> | 01059164 =937 <!--Steinberg --> | 01059165 =1349 <!--Steinbergkirche --> | 01059167 =1450 <!--Sterup --> | 01059168 =818 <!--Stoltebüll --> | 01059169 =343 <!--Süderhackstedt --> | 01059171 =5581 <!--Tarp --> | 01059173 =919 <!--Wallsbüll --> | 01059174 =2204 <!--Wanderup --> | 01059176 =2303 <!--Wees --> | 01059177 =482 <!--Weesby --> | 01059178 =770 <!--Westerholz --> | 01059179 =2066 <!--Lindewitt --> | 01059182 =1514 <!--Freienwill --> | 01059183 =10700 <!--Handewitt --> | 01060002 =2594 <!--Alveslohe --> | 01060003 =406 <!--Armstedt --> | 01060004 =13730 <!--Bad Bramstedt, Stadt --> | 01060005 =15893 <!--Bad Segeberg, Stadt --> | 01060006 =211 <!--Bahrenhof --> | 01060007 =978 <!--Bark --> | 01060008 =603 <!--Bebensee --> | 01060009 =954 <!--Bimöhlen --> | 01060010 =600 <!--Blunk --> | 01060011 =4627 <!--Boostedt --> | 01060012 =3464 <!--Bornhöved --> | 01060013 =127 <!--Borstel --> | 01060014 =0 <!--Buchholz (Forstgutsbez.),gemfr. Gebiet --> | 01060015 =354 <!--Bühnsdorf --> | 01060016 =699 <!--Daldorf --> | 01060017 =232 <!--Damsdorf --> | 01060018 =58 <!--Dreggers --> | 01060019 =5673 <!--Ellerau --> | 01060020 =1610 <!--Fahrenkrug --> | 01060021 =298 <!--Föhrden-Barl --> | 01060022 =365 <!--Fredesdorf --> | 01060023 =392 <!--Fuhlendorf --> | 01060024 =563 <!--Geschendorf --> | 01060025 =942 <!--Glasau --> | 01060026 =471 <!--Gönnebek --> | 01060027 =2772 <!--Großenaspe --> | 01060028 =1988 <!--Groß Kummerfeld --> | 01060029 =663 <!--Groß Niendorf --> | 01060030 =621 <!--Groß Rönnau --> | 01060031 =373 <!--Hagen --> | 01060033 =470 <!--Hardebek --> | 01060034 =1765 <!--Hartenholm --> | 01060035 =357 <!--Hasenkrug --> | 01060036 =694 <!--Hasenmoor --> | 01060037 =297 <!--Heidmoor --> | 01060038 =719 <!--Heidmühlen --> | 01060039 =26529 <!--Henstedt-Ulzburg --> | 01060040 =1277 <!--Hitzhusen --> | 01060041 =403 <!--Högersdorf --> | 01060042 =358 <!--Hüttblek --> | 01060043 =2237 <!--Itzstedt --> | 01060044 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10750 <!--Verbandsgemeinde Hagenbach--> | 0714104 = 9686 <!--Verbandsgemeinde Hahnstätten--> | 0713206 = 12955 <!--Verbandsgemeinde Hamm (Sieg)--> | 0734002 = 9068 <!--Verbandsgemeinde Hauenstein--> | 0733905 = 9796 <!--Verbandsgemeinde Heidesheim am Rhein--> | 0723501 = 14751 <!--Verbandsgemeinde Hermeskeil--> | 0713403 = 16570 <!--Verbandsgemeinde Herrstein--> | 0733704 = 14724 <!--Verbandsgemeinde Herxheim--> | 0733803 = 9609 <!--Verbandsgemeinde Heßheim--> | 0733204 = 10959 <!--Verbandsgemeinde Hettenleidelheim--> | 0723303 = 8743 <!--Verbandsgemeinde Hillesheim--> | 0733503 = 6920 <!--Verbandsgemeinde Hochspeyer--> | 0714303 = 13797 <!--Verbandsgemeinde Höhr-Grenzhausen--> | 0723203 = 8781 <!--Verbandsgemeinde Irrel--> | 0733403 = 16694 <!--Verbandsgemeinde Jockgrim--> | 0713502 = 12805 <!--Verbandsgemeinde Kaisersesch--> | 0733504 = 11005 <!--Verbandsgemeinde Kaiserslautern-Süd--> | 0733404 = 15496 <!--Verbandsgemeinde Kandel--> | 0714003 = 14870 <!--Verbandsgemeinde Kastellaun--> | 0714105 = 9532 <!--Verbandsgemeinde Katzenelnbogen--> | 0723304 = 7322 <!--Verbandsgemeinde Kelberg--> | 0723502 = 9571 <!--Verbandsgemeinde Kell am See--> | 0714004 = 20117 <!--Verbandsgemeinde Kirchberg (Hunsrück)--> | 0713207 = 24548 <!--Verbandsgemeinde Kirchen (Sieg)--> | 0733304 = 19505 <!--Verbandsgemeinde Kirchheimbolanden--> | 0713303 = 10308 <!--Verbandsgemeinde Kirn-Land--> | 0723503 = 31066 <!--Verbandsgemeinde Konz--> | 0723102 = 8797 <!--Verbandsgemeinde Kröv-Bausendorf--> | 0733603 = 13517 <!--Verbandsgemeinde Kusel--> | 0723204 = 7852 <!--Verbandsgemeinde Kyllburg--> | 0733205 = 12855 <!--Verbandsgemeinde Lambrecht (Pfalz)--> | 0733705 = 13925 <!--Verbandsgemeinde Landau-Land--> | 0733505 = 15767 <!--Verbandsgemeinde Landstuhl--> | 0713304 = 13300 <!--Verbandsgemeinde Langenlonsheim--> | 0733604 = 11178 <!--Verbandsgemeinde Lauterecken--> | 0733405 = 16060 <!--Verbandsgemeinde Lingenfeld--> | 0713804 = 18570 <!--Verbandsgemeinde Linz am Rhein--> | 0714108 = 9851 <!--Verbandsgemeinde Loreley--> | 0713702 = 24194 <!--Verbandsgemeinde Maifeld--> | 0733706 = 7989 <!--Verbandsgemeinde Maikammer--> | 0723103 = 7725 <!--Verbandsgemeinde Manderscheid--> | 0733804 = 12671 <!--Verbandsgemeinde Maxdorf--> | 0713305 = 8158 <!--Verbandsgemeinde Meisenheim--> | 0713704 = 13551 <!--Verbandsgemeinde Mendig--> | 0733103 = 10171 <!--Verbandsgemeinde Monsheim--> | 0714304 = 38700 <!--Verbandsgemeinde Montabaur--> | 0714106 = 11774 <!--Verbandsgemeinde Nassau--> | 0714107 = 16665 <!--Verbandsgemeinde Nastätten--> | 0723205 = 9644 <!--Verbandsgemeinde Neuerburg--> | 0723105 = 5745 <!--Verbandsgemeinde Neumagen-Dhron--> | 0733906 = 30983 <!--Verbandsgemeinde Nieder-Olm--> | 0733907 = 30554 <!--Verbandsgemeinde Nierstein-Oppenheim--> | 0723305 = 8806 <!--Verbandsgemeinde Obere Kyll--> | 0733707 = 12121 <!--Verbandsgemeinde Offenbach an der Queich--> | 0733506 = 9624 <!--Verbandsgemeinde Otterbach--> | 0733507 = 9469 <!--Verbandsgemeinde Otterberg--> | 0713701 = 16288 <!--Verbandsgemeinde Pellenz--> | 0734003 = 12804 <!--Verbandsgemeinde Pirmasens-Land--> | 0723206 = 21360 <!--Verbandsgemeinde Prüm--> | 0713805 = 14817 <!--Verbandsgemeinde Puderbach--> | 0733508 = 16915 <!--Verbandsgemeinde Ramstein-Miesenbach--> | 0714305 = 14678 <!--Verbandsgemeinde Ransbach-Baumbach--> | 0713806 = 16461 <!--Verbandsgemeinde Rengsdorf--> | 0714306 = 16901 <!--Verbandsgemeinde Rennerod--> | 0713404 = 7633 <!--Verbandsgemeinde Rhaunen--> | 0714005 = 10194 <!--Verbandsgemeinde Rheinböllen--> | 0733901 = 15190 <!--Verbandsgemeinde Rhein-Nahe--> | 0713705 = 8766 <!--Verbandsgemeinde Rhens--> | 0733305 = 11545 <!--Verbandsgemeinde Rockenhausen--> | 0734004 = 14993 <!--Verbandsgemeinde Rodalben--> | 0713306 = 25150 <!--Verbandsgemeinde Rüdesheim--> | 0733406 = 14794 <!--Verbandsgemeinde Rülzheim--> | 0723504 = 17922 <!--Verbandsgemeinde Ruwer--> | 0723505 = 21505 <!--Verbandsgemeinde Saarburg--> | 0714006 = 9367 <!--Verbandsgemeinde Sankt Goar-Oberwesel--> | 0733605 = 12551 <!--Verbandsgemeinde Schönenberg-Kübelberg--> | 0723506 = 24942 <!--Verbandsgemeinde Schweich an der Römischen--> | 0714307 = 16701 <!--Verbandsgemeinde Selters (Westerwald)--> | 0714007 = 18544 <!--Verbandsgemeinde Simmern/Hunsrück--> | 0723207 = 7858 <!--Verbandsgemeinde Speicher--> | 0733908 = 13939 <!--Verbandsgemeinde Sprendlingen-Gensingen--> | 0713308 = 9331 <!--Verbandsgemeinde Stromberg--> | 0734005 = 11153 <!--Verbandsgemeinde Thaleischweiler-Fröschen--> | 0723106 = 7356 <!--Verbandsgemeinde Thalfang am Erbeskopf--> | 0723107 = 9490 <!--Verbandsgemeinde Traben-Trarbach--> | 0713504 = 8914 <!--Verbandsgemeinde Treis-Karden--> | 0723507 = 21444 <!--Verbandsgemeinde Trier-Land--> | 0713503 = 10962 <!--Verbandsgemeinde Ulmen--> | 0713807 = 13046 <!--Verbandsgemeinde Unkel--> | 0713706 = 18422 <!--Verbandsgemeinde Untermosel--> | 0713707 = 15216 <!--Verbandsgemeinde Vallendar--> | 0713703 = 17006 <!--Verbandsgemeinde Vordereifel--> | 0733206 = 9930 <!--Verbandsgemeinde Wachenheim an der Weinstraße--> | 0713808 = 9388 <!--Verbandsgemeinde Waldbreitbach--> | 0734006 = 12732 <!--Verbandsgemeinde Waldfischbach-Burgalben--> | 0733606 = 8213 <!--Verbandsgemeinde Waldmohr--> | 0733805 = 8693 <!--Verbandsgemeinde Waldsee--> | 0734007 = 7563 <!--Verbandsgemeinde Wallhalben--> | 0714308 = 14736 <!--Verbandsgemeinde Wallmerod--> | 0733509 = 14114 <!--Verbandsgemeinde Weilerbach--> | 0713708 = 32858 <!--Verbandsgemeinde Weißenthurm--> | 0714309 = 23013 <!--Verbandsgemeinde Westerburg--> | 0733104 = 11946 <!--Verbandsgemeinde Westhofen--> | 0733306 = 13600 <!--Verbandsgemeinde Winnweiler--> | 0714310 = 18636 <!--Verbandsgemeinde Wirges--> | 0713208 = 15450 <!--Verbandsgemeinde Wissen--> | 0723108 = 21787 <!--Verbandsgemeinde Wittlich-Land--> | 0733607 = 8543 <!--Verbandsgemeinde Wolfstein--> | 0733105 = 11912 <!--Verbandsgemeinde Wöllstein--> | 0733106 = 28188 <!--Verbandsgemeinde Wörrstadt--> | 0713505 = 16362 <!--Verbandsgemeinde Zell (Mosel)--> | 0734008 = 17025 <!--Verbandsgemeinde Zweibrücken-Land--> | 07235001 = 1097 <!--Aach --> | 07134001 = 450 <!--Abentheuer --> | 07133001 = 216 <!--Abtweiler --> | 07137001 = 87 <!--Acht --> | 07134002 = 458 <!--Achtelsbach --> | 07131001 = 2856 <!--Adenau, Stadt --> | 07336001 = 172 <!--Adenbach --> | 07232001 = 29 <!--Affler --> | 07131002 = 1218 <!--Ahrbrück --> | 07143200 = 625 <!--Ailertchen --> | 07337001 = 1953 <!--Albersweiler --> | 07336002 = 143 <!--Albessen --> | 07331001 = 1619 <!--Albig --> | 07333001 = 1784 <!--Albisheim (Pfrimm) --> | 07135001 = 908 <!--Alf --> | 07135002 = 826 <!--Alflen --> | 07137201 = 640 <!--Alken --> | 07134003 = 679 <!--Allenbach --> | 07141001 = 690 <!--Allendorf --> | 07133002 = 203 <!--Allenfeld --> | 07132001 = 444 <!--Almersbach --> | 07143202 = 1607 <!--Alpenrod --> | 07143001 = 587 <!--Alsbach --> | 07132002 = 1688 <!--Alsdorf --> | 07232002 = 385 <!--Alsdorf --> | 07333003 = 1735 <!--Alsenz --> | 07331002 = 2613 <!--Alsheim --> | 07337002 = 743 <!--Altdorf --> | 07131003 = 1648 <!--Altenahr --> | 07133003 = 799 <!--Altenbamberg --> | 07141002 = 2260 <!--Altendiez --> | 07336003 = 2882 <!--Altenglan --> | 07336004 = 1317 <!--Altenkirchen --> | 07132501 = 6042 <!--Altenkirchen (Westerwald), Stadt --> | 07140001 = 440 <!--Alterkülz --> | 07340201 = 737 <!--Althornbach --> | 07135003 = 482 <!--Altlay --> | 07332001 = 1860 <!--Altleiningen --> | 07231001 = 1547 <!--Altrich --> | 07338001 = 7749 <!--Altrip --> | 07232003 = 90 <!--Altscheid --> | 07135004 = 340 <!--Altstrimmig --> | 07140002 = 252 <!--Altweidelbach --> | 07331003 = 17902 <!--Alzey, Stadt --> | 07232004 = 10 <!--Ammeldingen an der Our --> | 07232005 = 275 <!--Ammeldingen bei Neuerburg --> | 07137003 = 29585 <!--Andernach, Stadt --> | 07138002 = 1338 <!--Anhausen --> | 07337501 = 6958 <!--Annweiler am Trifels, Stadt --> | 07137004 = 299 <!--Anschau --> | 07131004 = 571 <!--Antweiler --> | 07339001 = 1399 <!--Appenheim --> | 07233201 = 152 <!--Arbach --> | 07131005 = 233 <!--Aremberg --> | 07231003 = 338 <!--Arenrath --> | 07137006 = 287 <!--Arft --> | 07133004 = 361 <!--Argenschwang --> | 07140003 = 1636 <!--Argenthal --> | 07331004 = 2596 <!--Armsheim --> | 07143203 = 160 <!--Arnshöfen --> | 07141201 = 1806 <!--Arzbach --> | 07232201 = 1352 <!--Arzfeld --> | 07134004 = 150 <!--Asbach --> | 07138003 = 7064 <!--Asbach --> | 07336005 = 353 <!--Aschbach --> | 07339002 = 915 <!--Aspisheim --> | 07143204 = 258 <!--Astert --> | 07141003 = 408 <!--Attenhausen --> | 07143205 = 648 <!--Atzelgift --> | 07135005 = 621 <!--Auderath --> | 07141004 = 229 <!--Auel --> | 07133005 = 224 <!--Auen --> | 07141005 = 465 <!--Aull --> | 07232006 = 146 <!--Auw an der Kyll --> | 07232202 = 675 <!--Auw bei Prüm --> | 07235002 = 1415 <!--Ayl --> | 07137007 = 791 <!--Baar --> | 07339003 = 2034 <!--Bacharach, Stadt --> | 07132004 = 112 <!--Bachenberg --> | 07337005 = 7763 <!--Bad Bergzabern, Stadt --> | 07135501 = 950 <!--Bad Bertrich --> | 07131006 = 8914 <!--Bad Breisig, Stadt --> | 07332002 = 18790 <!--Bad Dürkheim, Stadt --> | 07141006 = 9216 <!--Bad Ems, Stadt --> | 07138004 = 5755 <!--Bad Hönningen, Stadt --> | 07133006 = 43730 <!--Bad Kreuznach, Stadt --> | 07143206 = 5694 <!--Bad Marienberg (Westerwald), Stadt --> | 07133007 = 3791 <!--Bad Münster am Stein-Ebernburg, Stadt --> | 07131007 = 27427 <!--Bad Neuenahr-Ahrweiler, Stadt --> | 07133501 = 6459 <!--Bad Sobernheim, Stadt --> | 07232007 = 1075 <!--Badem --> | 07140005 = 131 <!--Badenhard --> | 07339004 = 577 <!--Badenheim --> | 07235003 = 254 <!--Baldringen --> | 07141503 = 540 <!--Balduinstein --> | 07232203 = 209 <!--Balesfeld --> | 07335002 = 2249 <!--Bann --> | 07143003 = 607 <!--Bannberscheid --> | 07337006 = 591 <!--Barbelroth --> | 07133008 = 518 <!--Bärenbach --> | 07140006 = 441 <!--Bärenbach --> | 07131008 = 430 <!--Barweiler --> | 07133009 = 256 <!--Bärweiler --> | 07233002 = 74 <!--Basberg --> | 07137202 = 2899 <!--Bassenheim --> | 07332003 = 395 <!--Battenberg (Pfalz) --> | 07340202 = 743 <!--Battweiler --> | 07131009 = 51 <!--Bauler --> | 07232008 = 79 <!--Bauler --> | 07134005 = 4069 <!--Baumholder, Stadt --> | 07231004 = 1291 <!--Bausendorf --> | 07232009 = 501 <!--Baustert --> | 07333004 = 448 <!--Bayerfeld-Steckweiler --> | 07141008 = 643 <!--Becheln --> | 07331005 = 423 <!--Bechenheim --> | 07133011 = 931 <!--Becherbach --> | 07133010 = 415 <!--Becherbach bei Kirn --> | 07340203 = 2198 <!--Bechhofen --> | 07331006 = 1833 <!--Bechtheim --> | 07331007 = 1549 <!--Bechtolsheim --> | 07336106 = 793 <!--Bedesbach --> | 07232010 = 367 <!--Beilingen --> | 07135007 = 145 <!--Beilstein --> | 07338002 = 3015 <!--Beindersheim --> | 07233003 = 87 <!--Beinhausen --> | 07235004 = 800 <!--Bekond --> | 07140007 = 150 <!--Belg --> | 07140008 = 208 <!--Belgweiler --> | 07137008 = 1467 <!--Bell --> | 07140009 = 1510 <!--Bell (Hunsrück) --> | 07334001 = 8505 <!--Bellheim --> | 07143207 = 601 <!--Bellingen --> | 07140010 = 1985 <!--Beltheim --> | 07137203 = 17255 <!--Bendorf, Stadt --> | 07231005 = 876 <!--Bengel --> | 07333005 = 144 <!--Bennhausen --> | 07140011 = 217 <!--Benzweiler --> | 07233202 = 116 <!--Bereborn --> | 07233203 = 184 <!--Berenbach --> | 07131011 = 1439 <!--Berg --> | 07141009 = 243 <!--Berg --> | 07334002 = 2122 <!--Berg (Pfalz) --> | 07134006 = 467 <!--Bergen --> | 07140012 = 114 <!--Bergenhausen --> | 07141010 = 308 <!--Berghausen --> | 07134007 = 463 <!--Berglangenbach --> | 07231006 = 497 <!--Berglicht --> | 07231007 = 859 <!--Bergweiler --> | 07232011 = 87 <!--Berkoth --> | 07233004 = 192 <!--Berlingen --> | 07137011 = 371 <!--Bermel --> | 07331009 = 315 <!--Bermersheim --> | 07331008 = 389 <!--Bermersheim vor der Höhe --> | 07233005 = 533 <!--Berndorf --> | 07141011 = 422 <!--Berndroth --> | 07231008 = 6675 <!--Bernkastel-Kues, Stadt --> | 07132201 = 606 <!--Berod bei Hachenburg --> | 07143208 = 549 <!--Berod bei Wallmerod --> | 07232012 = 66 <!--Berscheid --> | 07134008 = 557 <!--Berschweiler bei Baumholder --> | 07134009 = 285 <!--Berschweiler bei Kirn --> | 07143209 = 475 <!--Berzhahn --> | 07132005 = 186 <!--Berzhausen --> | 07235005 = 412 <!--Bescheid --> | 07233006 = 287 <!--Betteldorf --> | 07141012 = 344 <!--Bettendorf --> | 07231009 = 656 <!--Bettenfeld --> | 07232013 = 1030 <!--Bettingen --> | 07132006 = 10185 <!--Betzdorf, Stadt --> | 07140201 = 485 <!--Beulich --> | 07135008 = 472 <!--Beuren --> | 07235008 = 941 <!--Beuren (Hochwald) --> | 07140014 = 339 <!--Bickenbach --> | 07232014 = 474 <!--Bickendorf --> | 07331010 = 664 <!--Biebelnheim --> | 07133012 = 658 <!--Biebelsheim --> | 07140015 = 314 <!--Biebern --> | 07141013 = 349 <!--Biebrich --> | 07340204 = 261 <!--Biedershausen --> | 07333006 = 640 <!--Biedesheim --> | 07232015 = 535 <!--Biersdorf am See --> | 07232016 = 239 <!--Biesdorf --> | 07143210 = 498 <!--Bilkheim --> | 07337007 = 3875 <!--Billigheim-Ingenheim --> | 07339005 = 24398 <!--Bingen am Rhein, Stadt --> | 07135009 = 690 <!--Binningen --> | 07231010 = 1123 <!--Binsfeld --> | 07233007 = 487 <!--Birgel --> | 07132007 = 490 <!--Birkenbeul --> | 07134010 = 6795 <!--Birkenfeld, Stadt --> | 07338003 = 3162 <!--Birkenheide --> | 07132008 = 2601 <!--Birken-Honigsessen --> | 07337008 = 699 <!--Birkenhördt --> | 07140016 = 140 <!--Birkheim --> | 07337009 = 719 <!--Birkweiler --> | 07141014 = 1536 <!--Birlenbach --> | 07132009 = 614 <!--Birnbach --> | 07233204 = 1198 <!--Birresborn --> | 07232017 = 69 <!--Birtlingen --> | 07333007 = 731 <!--Bischheim --> | 07332004 = 429 <!--Bissersheim --> | 07333008 = 251 <!--Bisterschied --> | 07232018 = 12875 <!--Bitburg, Stadt --> | 07132010 = 829 <!--Bitzen --> | 07135010 = 1747 <!--Blankenrath --> | 07336006 = 412 <!--Blaubach --> | 07233008 = 308 <!--Bleckhausen --> | 07232206 = 1164 <!--Bleialf --> | 07332005 = 827 <!--Bobenheim am Berg --> | 07338004 = 10001 <!--Bobenheim-Roxheim --> | 07340001 = 335 <!--Bobenthal --> | 07337011 = 690 <!--Böbingen --> | 07337012 = 772 <!--Böchingen --> | 07133013 = 1274 <!--Bockenau --> | 07332006 = 2217 <!--Bockenheim an der Weinstraße --> | 07143005 = 581 <!--Boden --> | 07233205 = 226 <!--Bodenbach --> | 07339006 = 7082 <!--Bodenheim --> | 07141015 = 813 <!--Bogel --> | 07338005 = 10569 <!--Böhl-Iggelheim --> | 07333010 = 2375 <!--Bolanden --> | 07134012 = 152 <!--Bollenbach --> | 07337013 = 261 <!--Böllenborn --> | 07232019 = 1641 <!--Bollendorf --> | 07143211 = 257 <!--Bölsberg --> | 07138005 = 962 <!--Bonefeld --> | 07235010 = 252 <!--Bonerath --> | 07233206 = 247 <!--Bongard --> | 07133014 = 405 <!--Boos --> | 07137014 = 624 <!--Boos --> | 07140501 = 15921 <!--Boppard, Stadt --> | 07134011 = 186 <!--Börfink --> | 07233207 = 88 <!--Borler --> | 07331012 = 735 <!--Bornheim --> | 07337014 = 1256 <!--Bornheim --> | 07141016 = 1058 <!--Bornich --> | 07143212 = 594 <!--Borod --> | 07333009 = 921 <!--Börrstadt --> | 07336008 = 417 <!--Börsborn --> | 07336009 = 806 <!--Bosenbach --> | 07340205 = 745 <!--Bottenbach --> | 07233010 = 209 <!--Boxberg --> | 07132012 = 2409 <!--Brachbach --> | 07135011 = 278 <!--Brachtendorf --> | 07232207 = 340 <!--Brandscheid --> | 07143213 = 490 <!--Brandscheid --> | 07141501 = 3042 <!--Braubach, Stadt --> | 07231012 = 1195 <!--Brauneberg --> | 07140018 = 598 <!--Braunshorn --> | 07133015 = 632 <!--Braunweiler --> | 07133016 = 61 <!--Brauweiler --> | 07232020 = 261 <!--Brecht --> | 07231202 = 270 <!--Breit --> | 07143006 = 664 <!--Breitenau --> | 07336010 = 1976 <!--Breitenbach --> | 07133017 = 442 <!--Breitenheim --> | 07134013 = 337 <!--Breitenthal --> | 07339007 = 148 <!--Breitscheid --> | 07138006 = 2228 <!--Breitscheid --> | 07132013 = 1018 <!--Breitscheidt --> | 07141018 = 300 <!--Bremberg --> | 07135012 = 834 <!--Bremm --> | 07131201 = 186 <!--Brenk --> | 07143214 = 185 <!--Bretthausen --> | 07133018 = 2420 <!--Bretzenheim --> | 07333011 = 465 <!--Breunigweiler --> | 07137204 = 1601 <!--Brey --> | 07135013 = 1044 <!--Briedel --> | 07135014 = 137 <!--Brieden --> | 07135015 = 310 <!--Briedern --> | 07232021 = 80 <!--Brimingen --> | 07233011 = 206 <!--Brockscheid --> | 07137205 = 653 <!--Brodenbach --> | 07135016 = 371 <!--Brohl --> | 07131014 = 2590 <!--Brohl-Lützing --> | 07231013 = 465 <!--Bruch --> | 07132014 = 733 <!--Bruchertseifen --> | 07138008 = 925 <!--Bruchhausen --> | 07335003 = 7494 <!--Bruchmühlbach-Miesau --> | 07134014 = 511 <!--Bruchweiler --> | 07340501 = 1678 <!--Bruchweiler-Bärenbach --> | 07134015 = 1282 <!--Brücken --> | 07336011 = 2267 <!--Brücken (Pfalz) --> | 07233208 = 93 <!--Brücktal --> | 07133201 = 315 <!--Bruschied --> | 07135017 = 1182 <!--Bruttig-Fankel --> | 07140020 = 285 <!--Bubach --> | 07333012 = 438 <!--Bubenheim --> | 07339008 = 868 <!--Bubenheim --> | 07336012 = 162 <!--Buborn --> | 07141019 = 592 <!--Buch --> | 07140021 = 924 <!--Buch --> | 07135018 = 1147 <!--Büchel --> | 07140024 = 1699 <!--Büchenbeuren --> | 07232208 = 246 <!--Buchet --> | 07138080 = 4675 <!--Buchholz (Westerwald) --> | 07140023 = 177 <!--Budenbach --> | 07339009 = 8534 <!--Budenheim --> | 07232209 = 597 <!--Büdesheim --> | 07231203 = 198 <!--Büdlich --> | 07134016 = 513 <!--Buhlenberg --> | 07135019 = 1517 <!--Bullay --> | 07134017 = 994 <!--Bundenbach --> | 07340502 = 1152 <!--Bundenthal --> | 07232210 = 615 <!--Burbach --> | 07132015 = 525 <!--Bürdenbach --> | 07232022 = 19 <!--Burg --> | 07231014 = 419 <!--Burg (Mosel) --> | 07131202 = 3230 <!--Burgbrohl --> | 07137206 = 767 <!--Burgen --> | 07231016 = 558 <!--Burgen --> | 07132016 = 503 <!--Burglahr --> | 07141020 = 1118 <!--Burgschwalbach --> | 07133019 = 263 <!--Burgsponheim --> | 07337015 = 851 <!--Burrweiler --> | 07231017 = 115 <!--Burtscheid --> | 07340002 = 1365 <!--Busenberg --> | 07132017 = 340 <!--Busenhausen --> | 07143007 = 703 <!--Caan --> | 07133020 = 395 <!--Callbach --> | 07332007 = 3556 <!--Carlsberg --> | 07141021 = 168 <!--Charlottenberg --> | 07340003 = 1503 <!--Clausen --> | 07135020 = 4998 <!--Cochem, Stadt --> | 07340206 = 4922 <!--Contwig --> | 07141022 = 479 <!--Cramberg --> | 07336013 = 158 <!--Cronenberg --> | 07132018 = 4429 <!--Daaden --> | 07141023 = 1058 <!--Dachsenhausen --> | 07332008 = 446 <!--Dackenheim --> | 07232211 = 149 <!--Dackscheid --> | 07232024 = 259 <!--Dahlem --> | 07141024 = 893 <!--Dahlheim --> | 07340004 = 4573 <!--Dahn, Stadt --> | 07232212 = 353 <!--Dahnen --> | 07133021 = 254 <!--Dalberg --> | 07232213 = 909 <!--Daleiden --> | 07339010 = 1015 <!--Dalheim --> | 07134018 = 151 <!--Dambach --> | 07235014 = 653 <!--Damflos --> | 07140025 = 662 <!--Damscheid --> | 07131015 = 83 <!--Dankerath --> | 07333013 = 923 <!--Dannenfels --> | 07338006 = 7019 <!--Dannstadt-Schauernheim --> | 07233014 = 837 <!--Darscheid --> | 07340005 = 215 <!--Darstein --> | 07232214 = 220 <!--Dasburg --> | 07138009 = 1590 <!--Dattenberg --> | 07138010 = 243 <!--Datzeroth --> | 07133022 = 230 <!--Daubach --> | 07143008 = 468 <!--Daubach --> | 07233501 = 8269 <!--Daun, Stadt --> | 07141025 = 1326 <!--Dausenau --> | 07232025 = 89 <!--Dauwelshausen --> | 07133023 = 842 <!--Daxweiler --> | 07131016 = 413 <!--Dedenbach --> | 07143009 = 694 <!--Deesen --> | 07332009 = 3735 <!--Deidesheim, Stadt --> | 07336014 = 97 <!--Deimberg --> | 07340207 = 1431 <!--Dellfeld --> | 07233016 = 322 <!--Demerath --> | 07336015 = 290 <!--Dennweiler-Frohnbach --> | 07233209 = 588 <!--Densborn --> | 07131017 = 1860 <!--Dernau --> | 07138011 = 992 <!--Dernbach --> | 07337017 = 448 <!--Dernbach --> | 07143010 = 2373 <!--Dernbach (Westerwald) --> | 07132019 = 1100 <!--Derschen --> | 07133024 = 392 <!--Desloch --> | 07141026 = 187 <!--Dessighofen --> | 07235015 = 562 <!--Detzem --> | 07233017 = 399 <!--Deudesfeld --> | 07231018 = 264 <!--Deuselbach --> | 07339011 = 1583 <!--Dexheim --> | 07231019 = 121 <!--Dhronecken --> | 07140027 = 736 <!--Dichtelbach --> | 07132020 = 387 <!--Dickendorf --> | 07140028 = 739 <!--Dickenschied --> | 07134019 = 444 <!--Dickesbach --> | 07137207 = 2385 <!--Dieblich --> | 07231020 = 62 <!--Diefenbach --> | 07333014 = 541 <!--Dielkirchen --> | 07141027 = 242 <!--Dienethal --> | 07339012 = 2143 <!--Dienheim --> | 07134020 = 298 <!--Dienstweiler --> | 07337018 = 567 <!--Dierbach --> | 07138012 = 5899 <!--Dierdorf, Stadt --> | 07231021 = 8 <!--Dierfeld --> | 07231022 = 163 <!--Dierscheid --> | 07141502 = 269 <!--Diethardt --> | 07340208 = 378 <!--Dietrichingen --> | 07141029 = 10805 <!--Diez, Stadt --> | 07140029 = 195 <!--Dill --> | 07140030 = 618 <!--Dillendorf --> | 07340006 = 169 <!--Dimbach --> | 07232216 = 96 <!--Dingdorf --> | 07331014 = 150 <!--Dintesheim --> | 07332010 = 3004 <!--Dirmstein --> | 07137019 = 269 <!--Ditscheid --> | 07331015 = 2192 <!--Dittelsheim-Heßloch --> | 07336016 = 928 <!--Dittweiler --> | 07232026 = 212 <!--Dockendorf --> | 07233018 = 670 <!--Dockweiler --> | 07231023 = 106 <!--Dodenburg --> | 07233019 = 168 <!--Dohm-Lammersdorf --> | 07135021 = 683 <!--Dohr --> | 07339013 = 941 <!--Dolgesheim --> | 07140202 = 1141 <!--Dommershausen --> | 07340007 = 1018 <!--Donsieders --> | 07141030 = 561 <!--Dörnberg --> | 07339201 = 910 <!--Dorn-Dürkheim --> | 07141033 = 224 <!--Dornholzhausen --> | 07133025 = 697 <!--Dörrebach --> | 07337019 = 938 <!--Dörrenbach --> | 07333016 = 136 <!--Dörrmoschel --> | 07141031 = 411 <!--Dörscheid --> | 07141032 = 452 <!--Dörsdorf --> | 07131018 = 202 <!--Dorsel --> | 07133026 = 676 <!--Dorsheim --> | 07140031 = 514 <!--Dörth --> | 07138013 = 666 <!--Döttesfeld --> | 07233210 = 158 <!--Drees --> | 07143215 = 316 <!--Dreifelden --> | 07143011 = 1021 <!--Dreikirchen --> | 07231024 = 1368 <!--Dreis --> | 07143216 = 607 <!--Dreisbach --> | 07233020 = 901 <!--Dreis-Brück --> | 07333017 = 1013 <!--Dreisen --> | 07133027 = 573 <!--Duchroth --> | 07232027 = 995 <!--Dudeldorf --> | 07338007 = 5780 <!--Dudenhofen --> | 07131501 = 675 <!--Dümpelfeld --> | 07135022 = 303 <!--Dünfus --> | 07135023 = 1302 <!--Düngenheim --> | 07336017 = 956 <!--Dunzweiler --> | 07233211 = 288 <!--Duppach --> | 07138014 = 1293 <!--Dürrholz --> | 07143012 = 1191 <!--Ebernhahn --> | 07141034 = 119 <!--Ebertshausen --> | 07332012 = 1311 <!--Ebertsheim --> | 07232028 = 704 <!--Echternacherbrück --> | 07232029 = 103 <!--Echtershausen --> | 07331017 = 505 <!--Eckelsheim --> | 07133028 = 218 <!--Eckenroth --> | 07134021 = 156 <!--Eckersweiler --> | 07231025 = 366 <!--Eckfeld --> | 07337020 = 6636 <!--Edenkoben, Stadt --> | 07337021 = 2279 <!--Edesheim --> | 07135024 = 1056 <!--Ediger-Eller --> | 07232030 = 444 <!--Ehlenz --> | 07138015 = 1295 <!--Ehlscheid --> | 07141035 = 88 <!--Ehr --> | 07336018 = 177 <!--Ehweiler --> | 07331018 = 3232 <!--Eich --> | 07132022 = 476 <!--Eichelhardt --> | 07132023 = 583 <!--Eichen --> | 07131021 = 66 <!--Eichenbach --> | 07232217 = 44 <!--Eilscheid --> | 07339015 = 566 <!--Eimsheim --> | 07137023 = 152 <!--Einig --> | 07336019 = 447 <!--Einöllen --> | 07333018 = 835 <!--Einselthum --> | 07232218 = 362 <!--Eisenach --> | 07333019 = 9537 <!--Eisenberg (Pfalz), Stadt --> | 07231026 = 313 <!--Eisenschmitt --> | 07141036 = 267 <!--Eisighofen --> | 07143013 = 2483 <!--Eitelborn --> | 07132024 = 332 <!--Elben --> | 07143501 = 297 <!--Elbingen --> | 07134022 = 93 <!--Elchweiler --> | 07132025 = 1881 <!--Elkenroth --> | 07134023 = 91 <!--Ellenberg --> | 07143015 = 284 <!--Ellenhausen --> | 07135025 = 830 <!--Ellenz-Poltersdorf --> | 07140035 = 869 <!--Ellern (Hunsrück) --> | 07332013 = 2232 <!--Ellerstadt --> | 07233021 = 284 <!--Ellscheid --> | 07134024 = 303 <!--Ellweiler --> | 07332014 = 2646 <!--Elmstein --> | 07143218 = 933 <!--Elsoff (Westerwald) --> | 07336021 = 131 <!--Elzweiler --> | 07232031 = 67 <!--Emmelbaum --> | 07140036 = 4772 <!--Emmelshausen --> | 07132026 = 740 <!--Emmerzhausen --> | 07141037 = 150 <!--Endlichhofen --> | 07339016 = 713 <!--Engelstadt --> | 07335004 = 7027 <!--Enkenbach-Alsenborn --> | 07231029 = 1623 <!--Enkirch --> | 07235019 = 463 <!--Ensch --> | 07331019 = 426 <!--Ensheim --> | 07143219 = 280 <!--Enspel --> | 07232032 = 39 <!--Enzen --> | 07331020 = 1289 <!--Eppelsheim --> | 07135026 = 244 <!--Eppenberg --> | 07340008 = 1416 <!--Eppenbrunn --> | 07141038 = 730 <!--Eppenrod --> | 07140037 = 239 <!--Erbach --> | 07331021 = 1355 <!--Erbes-Büdesheim --> | 07231030 = 379 <!--Erden --> | 07336022 = 613 <!--Erdesbach --> | 07340009 = 1216 <!--Erfweiler --> | 07141039 = 140 <!--Ergeshausen --> | 07340010 = 349 <!--Erlenbach bei Dahn --> | 07334004 = 715 <!--Erlenbach bei Kandel --> | 07135027 = 576 <!--Ernst --> | 07232033 = 429 <!--Ernzen --> | 07138019 = 2583 <!--Erpel --> | 07332015 = 1330 <!--Erpolzheim --> | 07132027 = 64 <!--Ersfeld --> | 07335005 = 721 <!--Erzenhausen --> | 07233022 = 506 <!--Esch --> | 07231031 = 418 <!--Esch --> | 07141040 = 168 <!--Eschbach --> | 07337022 = 684 <!--Eschbach --> | 07232220 = 183 <!--Eschfeld --> | 07331022 = 355 <!--Esselborn --> | 07339017 = 3375 <!--Essenheim --> | 07337023 = 2120 <!--Essingen --> | 07232034 = 55 <!--Esslingen --> | 07336023 = 428 <!--Eßweiler --> | 07332016 = 1508 <!--Esthal --> | 07231032 = 51 <!--Etgert --> | 07336024 = 672 <!--Etschberg --> | 07232035 = 24 <!--Etteldorf --> | 07143220 = 319 <!--Ettinghausen --> | 07137025 = 2777 <!--Ettringen --> | 07132028 = 1324 <!--Etzbach --> | 07132029 = 60 <!--Eulenberg --> | 07335006 = 507 <!--Eulenbis --> | 07135028 = 211 <!--Eulgem --> | 07232221 = 149 <!--Euscheid --> | 07337024 = 934 <!--Eußerthal --> | 07143221 = 243 <!--Ewighausen --> | 07141041 = 1278 <!--Fachbach --> | 07135029 = 1116 <!--Faid --> | 07333020 = 223 <!--Falkenstein --> | 07235021 = 737 <!--Farschweiler --> | 07143222 = 832 <!--Fehl-Ritzhausen --> | 07133030 = 1675 <!--Feilbingert --> | 07232036 = 28 <!--Feilsdorf --> | 07235022 = 2418 <!--Fell --> | 07132030 = 425 <!--Fensdorf --> | 07232037 = 905 <!--Ferschweiler --> | 07232222 = 353 <!--Feuerscheid --> | 07233023 = 549 <!--Feusdorf --> | 07132031 = 287 <!--Fiersbach --> | 07141042 = 651 <!--Filsen --> | 07135030 = 89 <!--Filz --> | 07333021 = 335 <!--Finkenbach-Gersweiler --> | 07235025 = 359 <!--Fisch --> | 07134025 = 915 <!--Fischbach --> | 07335007 = 822 <!--Fischbach --> | 07340011 = 1588 <!--Fischbach bei Dahn --> | 07232038 = 76 <!--Fischbach-Oberraden --> | 07141043 = 1124 <!--Flacht --> | 07132032 = 1126 <!--Flammersfeld --> | 07337025 = 400 <!--Flemlingen --> | 07232223 = 344 <!--Fleringen --> | 07232039 = 699 <!--Fließem --> | 07331024 = 1005 <!--Flomborn --> | 07331025 = 2640 <!--Flonheim --> | 07331023 = 3098 <!--Flörsheim-Dalsheim --> | 07231033 = 453 <!--Flußbach --> | 07132033 = 754 <!--Fluterschen --> | 07336025 = 410 <!--Föckelberg --> | 07235026 = 2683 <!--Föhren --> | 07134026 = 355 <!--Fohren-Linden --> | 07132034 = 644 <!--Forst --> | 07135031 = 399 <!--Forst (Eifel) --> | 07135032 = 56 <!--Forst (Hunsrück) --> | 07332017 = 839 <!--Forst an der Weinstraße --> | 07132035 = 151 <!--Forstmehren --> | 07331026 = 1654 <!--Framersheim --> | 07335009 = 328 <!--Frankelbach --> | 07332018 = 844 <!--Frankeneck --> | 07335010 = 1040 <!--Frankenstein --> | 07311000 = 46948 <!--Frankenthal (Pfalz), Stadt --> | 07337026 = 918 <!--Frankweiler --> | 07235027 = 347 <!--Franzenheim --> | 07134027 = 405 <!--Frauenberg --> | 07334005 = 1624 <!--Freckenfeld --> | 07133031 = 1085 <!--Frei-Laubersheim --> | 07143018 = 692 <!--Freilingen --> | 07331027 = 666 <!--Freimersheim --> | 07337027 = 945 <!--Freimersheim (Pfalz) --> | 07332019 = 4948 <!--Freinsheim, Stadt --> | 07143019 = 662 <!--Freirachdorf --> | 07334006 = 1025 <!--Freisbach --> | 07331028 = 321 <!--Frettenheim --> | 07235028 = 1536 <!--Freudenburg --> | 07332020 = 1485 <!--Friedelsheim --> | 07132036 = 1186 <!--Friedewald --> | 07132037 = 1665 <!--Friesenhagen --> | 07339018 = 681 <!--Friesenheim --> | 07336027 = 567 <!--Frohnhofen --> | 07140039 = 199 <!--Fronhofen --> | 07141044 = 612 <!--Frücht --> | 07131022 = 89 <!--Fuchshofen --> | 07133032 = 1564 <!--Fürfeld --> | 07132038 = 1227 <!--Fürthen --> | 07338008 = 2492 <!--Fußgönheim --> | 07331029 = 776 <!--Gabsheim --> | 07143020 = 581 <!--Gackenbach --> | 07131204 = 215 <!--Galenberg --> | 07135033 = 556 <!--Gamlen --> | 07137027 = 323 <!--Gappenach --> | 07339019 = 6409 <!--Gau-Algesheim, Stadt --> | 07331030 = 2102 <!--Gau-Bickelheim --> | 07339020 = 1925 <!--Gau-Bischofsheim --> | 07333022 = 620 <!--Gauersheim --> | 07333023 = 565 <!--Gaugrehweiler --> | 07331031 = 534 <!--Gau-Heppenheim --> | 07331032 = 3753 <!--Gau-Odernheim --> | 07331033 = 623 <!--Gau-Weinheim --> | 07132039 = 1911 <!--Gebhardshain --> | 07133033 = 155 <!--Gebroth --> | 07233025 = 90 <!--Gefell --> | 07143223 = 572 <!--Gehlert --> | 07140040 = 266 <!--Gehlweiler --> | 07333024 = 326 <!--Gehrweiler --> | 07232040 = 410 <!--Geichlingen --> | 07141045 = 385 <!--Geilnau --> | 07340012 = 865 <!--Geiselberg --> | 07235030 = 564 <!--Geisfeld --> | 07141046 = 397 <!--Geisig --> | 07233212 = 101 <!--Gelenberg --> | 07141047 = 574 <!--Gemmerich --> | 07232041 = 16 <!--Gemünd --> | 07140041 = 1258 <!--Gemünden --> | 07143224 = 1061 <!--Gemünden --> | 07339021 = 3606 <!--Gensingen --> | 07232042 = 67 <!--Gentingen --> | 07134028 = 256 <!--Gerach --> | 07333025 = 600 <!--Gerbach --> | 07335011 = 162 <!--Gerhardsbrunn --> | 07137029 = 420 <!--Gering --> | 07334007 = 20874 <!--Germersheim, Stadt --> | 07332021 = 1680 <!--Gerolsheim --> | 07233026 = 7497 <!--Gerolstein, Stadt --> | 07135034 = 660 <!--Gevenich --> | 07132040 = 706 <!--Gieleroth --> | 07231035 = 181 <!--Gielert --> | 07137030 = 282 <!--Gierschnach --> | 07132041 = 91 <!--Giershausen --> | 07232224 = 138 <!--Giesdorf --> | 07143225 = 334 <!--Giesenhausen --> | 07135035 = 221 <!--Gillenbeuren --> | 07233027 = 1447 <!--Gillenfeld --> | 07232225 = 428 <!--Gilzem --> | 07331034 = 2965 <!--Gimbsheim --> | 07134029 = 435 <!--Gimbweiler --> | 07232043 = 331 <!--Gindorf --> | 07336029 = 324 <!--Ginsweiler --> | 07231036 = 259 <!--Gipperath --> | 07143226 = 597 <!--Girkenroth --> | 07143021 = 1212 <!--Girod --> | 07231037 = 356 <!--Gladbach --> | 07336030 = 488 <!--Glanbrücken --> | 07336031 = 1236 <!--Glan-Münchweiler --> | 07131205 = 596 <!--Glees --> | 07337028 = 584 <!--Gleisweiler --> | 07337029 = 768 <!--Gleiszellen-Gleishorbach --> | 07337031 = 928 <!--Göcklingen --> | 07143022 = 433 <!--Goddert --> | 07140042 = 481 <!--Gödenroth --> | 07134031 = 139 <!--Gollenberg --> | 07333026 = 3736 <!--Göllheim --> | 07337032 = 1444 <!--Gommersheim --> | 07333027 = 514 <!--Gonbach --> | 07232227 = 462 <!--Gondenbrett --> | 07140043 = 1274 <!--Gondershausen --> | 07232044 = 273 <!--Gondorf --> | 07131025 = 673 <!--Gönnersdorf --> | 07233028 = 542 <!--Gönnersdorf --> | 07332022 = 1514 <!--Gönnheim --> | 07143023 = 811 <!--Görgeshausen --> | 07231040 = 222 <!--Gornhausen --> | 07134030 = 263 <!--Gösenroth --> | 07337033 = 1441 <!--Gossersweiler-Stein --> | 07231041 = 718 <!--Graach an der Mosel --> | 07231042 = 120 <!--Gräfendhron --> | 07131090 = 10990 <!--Grafschaft --> | 07232228 = 308 <!--Gransdorf --> | 07235033 = 1067 <!--Greimerath --> | 07231044 = 231 <!--Greimerath --> | 07135036 = 718 <!--Greimersburg --> | 07135037 = 428 <!--Grenderich --> | 07134032 = 196 <!--Griebelschied --> | 07336032 = 959 <!--Gries --> | 07235035 = 504 <!--Grimburg --> | 07339022 = 1243 <!--Grolsheim --> | 07340209 = 373 <!--Großbundenbach --> | 07337035 = 628 <!--Großfischlingen --> | 07143024 = 980 <!--Großholbach --> | 07232229 = 162 <!--Großkampenberg --> | 07332023 = 1135 <!--Großkarlbach --> | 07232230 = 128 <!--Großlangenfeld --> | 07231046 = 995 <!--Großlittgen --> | 07138023 = 2369 <!--Großmaischeid --> | 07338009 = 1389 <!--Großniedesheim --> | 07143227 = 612 <!--Großseifen --> | 07340210 = 635 <!--Großsteinhausen --> | 07336033 = 498 <!--Grumbach --> | 07132042 = 548 <!--Grünebach --> | 07332024 = 13189 <!--Grünstadt, Stadt --> | 07143228 = 923 <!--Guckheim --> | 07141049 = 1074 <!--Gückingen --> | 07133035 = 2557 <!--Guldental --> | 07132043 = 680 <!--Güllesheim --> | 07331035 = 615 <!--Gumbsheim --> | 07233213 = 121 <!--Gunderath --> | 07331036 = 1600 <!--Gundersheim --> | 07333028 = 517 <!--Gundersweiler --> | 07331037 = 934 <!--Gundheim --> | 07339024 = 3776 <!--Guntersblum --> | 07235036 = 1173 <!--Gusenburg --> | 07235037 = 1892 <!--Gusterath --> | 07141050 = 390 <!--Gutenacker --> | 07133036 = 972 <!--Gutenberg --> | 07235038 = 655 <!--Gutweiler --> | 07232231 = 580 <!--Habscheid --> | 07143229 = 5710 <!--Hachenburg, Stadt --> | 07133037 = 2040 <!--Hackenheim --> | 07334008 = 5420 <!--Hagenbach, Stadt --> | 07140044 = 168 <!--Hahn --> | 07143232 = 421 <!--Hahn am See --> | 07143231 = 482 <!--Hahn bei Marienberg --> | 07133038 = 559 <!--Hahnenbach --> | 07339025 = 1584 <!--Hahnheim --> | 07141051 = 2884 <!--Hahnstätten --> | 07134033 = 231 <!--Hahnweiler --> | 07141110 = 186 <!--Hainau --> | 07337036 = 769 <!--Hainfeld --> | 07143233 = 370 <!--Halbs --> | 07133039 = 756 <!--Hallgarten --> | 07233214 = 515 <!--Hallschlag --> | 07232045 = 92 <!--Halsdorf --> | 07140045 = 1272 <!--Halsenbach --> | 07141052 = 491 <!--Hambach --> | 07135038 = 709 <!--Hambuch --> | 07232046 = 19 <!--Hamm --> | 07132044 = 3297 <!--Hamm (Sieg) --> | 07331038 = 2236 <!--Hamm am Rhein --> | 07138024 = 358 <!--Hammerstein --> | 07331039 = 477 <!--Hangen-Weisheim --> | 07338010 = 2404 <!--Hanhofen --> | 07138025 = 641 <!--Hanroth --> | 07132045 = 570 <!--Harbach --> | 07138026 = 831 <!--Hardert --> | 07143234 = 449 <!--Hardt --> | 07232233 = 97 <!--Hargarten --> | 07133040 = 2854 <!--Hargesheim --> | 07138027 = 439 <!--Harschbach --> | 07131026 = 144 <!--Harscheid --> | 07232234 = 80 <!--Harspelt --> | 07143025 = 855 <!--Hartenfels --> | 07338011 = 3066 <!--Harthausen --> | 07143230 = 428 <!--Härtlingen --> | 07339026 = 2130 <!--Harxheim --> | 07231049 = 551 <!--Hasborn --> | 07336034 = 716 <!--Haschbach am Remigiusberg --> | 07135039 = 211 <!--Haserich --> | 07132046 = 332 <!--Hasselbach --> | 07140046 = 179 <!--Hasselbach --> | 07332025 = 20486 <!--Haßloch --> | 07143235 = 1733 <!--Hattert --> | 07134034 = 242 <!--Hattgenstein --> | 07334009 = 2889 <!--Hatzenbühl --> | 07137208 = 669 <!--Hatzenport --> | 07340014 = 4012 <!--Hauenstein --> | 07335012 = 1250 <!--Hauptstuhl --> | 07135040 = 317 <!--Hauroth --> | 07140047 = 197 <!--Hausbay --> | 07134035 = 200 <!--Hausen --> | 07138007 = 1965 <!--Hausen (Wied) --> | 07137034 = 357 <!--Hausten --> | 07336035 = 44 <!--Hausweiler --> | 07140048 = 132 <!--Hecken --> | 07131027 = 242 <!--Heckenbach --> | 07231050 = 117 <!--Heckenmünster --> | 07232236 = 136 <!--Heckhuscheid --> | 07235040 = 233 <!--Heddert --> | 07336036 = 506 <!--Hefersweiler --> | 07231204 = 751 <!--Heidenburg --> | 07339027 = 7212 <!--Heidesheim am Rhein --> | 07231051 = 210 <!--Heidweiler --> | 07232047 = 134 <!--Heilbach --> | 07143026 = 662 <!--Heilberscheid --> | 07232048 = 111 <!--Heilenbach --> | 07335013 = 695 <!--Heiligenmoschel --> | 07143027 = 1423 <!--Heiligenroth --> | 07134036 = 1147 <!--Heimbach --> | 07143236 = 282 <!--Heimborn --> | 07133041 = 438 <!--Heimweiler --> | 07140049 = 411 <!--Heinzenbach --> | 07133042 = 30 <!--Heinzenberg --> | 07336038 = 306 <!--Heinzenhausen --> | 07232238 = 103 <!--Heisdorf --> | 07141053 = 1127 <!--Heistenbach --> | 07143028 = 1117 <!--Helferskirchen --> | 07143237 = 1299 <!--Hellenhahn-Schellenberg --> | 07134037 = 212 <!--Hellertshausen --> | 07132047 = 879 <!--Helmenzen --> | 07132048 = 221 <!--Helmeroth --> | 07340015 = 2176 <!--Heltersberg --> | 07132049 = 218 <!--Hemmelzen --> | 07140050 = 161 <!--Henau --> | 07133043 = 1306 <!--Hennweiler --> | 07336037 = 346 <!--Henschtal --> | 07235043 = 395 <!--Hentern --> | 07134038 = 492 <!--Herborn --> | 07232049 = 29 <!--Herbstmühle --> | 07336039 = 568 <!--Herchweiler --> | 07132050 = 7022 <!--Herdorf, Stadt --> | 07232050 = 1154 <!--Herforst --> | 07133044 = 506 <!--Hergenfeld --> | 07143238 = 438 <!--Hergenroth --> | 07337037 = 246 <!--Hergersweiler --> | 07235044 = 260 <!--Herl --> | 07340016 = 1727 <!--Hermersberg --> | 07235045 = 5676 <!--Hermeskeil, Stadt --> | 07141054 = 466 <!--Herold --> | 07336040 = 181 <!--Herren-Sulzbach --> | 07137035 = 458 <!--Herresbach --> | 07134039 = 828 <!--Herrstein --> | 07143029 = 2873 <!--Herschbach --> | 07143239 = 980 <!--Herschbach (Oberwesterwald) --> | 07340017 = 893 <!--Herschberg --> | 07131028 = 303 <!--Herschbroich --> | 07336041 = 1354 <!--Herschweiler-Pettersheim --> | 07232332 = 392 <!--Hersdorf --> | 07332026 = 710 <!--Herxheim am Berg --> | 07337038 = 10462 <!--Herxheim bei Landau/ Pfalz --> | 07337039 = 499 <!--Herxheimweyher --> | 07232240 = 38 <!--Herzfeld --> | 07338012 = 3002 <!--Heßheim --> | 07135041 = 140 <!--Hesweiler --> | 07340018 = 267 <!--Hettenhausen --> | 07332027 = 3067 <!--Hettenleidelheim --> | 07134040 = 708 <!--Hettenrodt --> | 07231053 = 2118 <!--Hetzerath --> | 07338013 = 1272 <!--Heuchelheim bei Frankenthal --> | 07337040 = 897 <!--Heuchelheim-Klingen --> | 07132051 = 276 <!--Heupelzen --> | 07143240 = 139 <!--Heuzert --> | 07132052 = 308 <!--Hilgenroth --> | 07143030 = 1524 <!--Hilgert --> | 07339028 = 594 <!--Hillesheim --> | 07233029 = 3128 <!--Hillesheim, Stadt --> | 07143031 = 2585 <!--Hillscheid --> | 07231054 = 270 <!--Hilscheid --> | 07340019 = 346 <!--Hilst --> | 07141055 = 323 <!--Himmighofen --> | 07134041 = 405 <!--Hintertiefenbach --> | 07340020 = 1649 <!--Hinterweidenthal --> | 07233030 = 222 <!--Hinterweiler --> | 07235046 = 133 <!--Hinzenburg --> | 07235047 = 285 <!--Hinzert-Pölert --> | 07336042 = 404 <!--Hinzweiler --> | 07141057 = 345 <!--Hirschberg --> | 07140053 = 327 <!--Hirschfeld (Hunsrück) --> | 07335014 = 794 <!--Hirschhorn/ Pfalz --> | 07340021 = 103 <!--Hirschthal --> | 07137036 = 267 <!--Hirten --> | 07132053 = 332 <!--Hirz-Maulsbach --> | 07232052 = 14 <!--Hisel --> | 07331011 = 442 <!--Hochborn --> | 07338014 = 3090 <!--Hochdorf-Assenheim --> | 07231056 = 266 <!--Hochscheid --> | 07335015 = 4637 <!--Hochspeyer --> | 07337041 = 2517 <!--Hochstadt (Pfalz) --> | 07133045 = 609 <!--Hochstätten --> | 07233215 = 342 <!--Höchstberg --> | 07143241 = 690 <!--Höchstenbach --> | 07133046 = 1610 <!--Hochstetten-Dhaun --> | 07235048 = 301 <!--Hockweiler --> | 07143243 = 1228 <!--Hof --> | 07131030 = 307 <!--Hoffeld --> | 07340022 = 1223 <!--Höheinöd --> | 07340023 = 939 <!--Höheischweiler --> | 07233033 = 352 <!--Hohenfels-Essingen --> | 07131206 = 360 <!--Hohenleimbach --> | 07336043 = 383 <!--Hohenöllen --> | 07331041 = 595 <!--Hohen-Sülzen --> | 07340024 = 934 <!--Höhfröschen --> | 07143242 = 3162 <!--Höhn --> | 07143032 = 9430 <!--Höhr-Grenzhausen, Stadt --> | 07143033 = 1080 <!--Holler --> | 07140055 = 303 <!--Hollnich --> | 07232053 = 566 <!--Holsthum --> | 07141059 = 1130 <!--Holzappel --> | 07140056 = 576 <!--Holzbach --> | 07235050 = 436 <!--Holzerath --> | 07141060 = 1211 <!--Holzhausen an der Haide --> | 07141061 = 865 <!--Holzheim --> | 07141058 = 325 <!--Hömberg --> | 07336044 = 216 <!--Homberg --> | 07143244 = 152 <!--Homberg --> | 07232054 = 55 <!--Hommerdingen --> | 07131032 = 204 <!--Honerath --> | 07131029 = 1097 <!--Hönningen --> | 07231057 = 829 <!--Hontheim --> | 07336045 = 327 <!--Hoppstädten --> | 07134042 = 2768 <!--Hoppstädten-Weiersbach --> | 07231058 = 434 <!--Horath --> | 07133047 = 40 <!--Horbach --> | 07340025 = 561 <!--Horbach --> | 07143034 = 727 <!--Horbach --> | 07134043 = 361 <!--Horbruch --> | 07334011 = 2417 <!--Hördt --> | 07141062 = 294 <!--Horhausen --> | 07132055 = 1912 <!--Horhausen (Westerwald) --> | 07333030 = 726 <!--Höringen --> | 07140058 = 351 <!--Horn --> | 07340211 = 1598 <!--Hornbach, Stadt --> | 07233216 = 126 <!--Horperath --> | 07339029 = 760 <!--Horrweiler --> | 07336046 = 278 <!--Horschbach --> | 07233031 = 137 <!--Hörscheid --> | 07233032 = 150 <!--Hörschhausen --> | 07232055 = 198 <!--Hosten --> | 07134044 = 630 <!--Hottenbach --> | 07132054 = 654 <!--Hövels --> | 07143036 = 542 <!--Hübingen --> | 07143245 = 323 <!--Hüblingen --> | 07133048 = 1331 <!--Hüffelsheim --> | 07336047 = 587 <!--Hüffler --> | 07131033 = 539 <!--Hümmel --> | 07138030 = 788 <!--Hümmerich --> | 07143037 = 2115 <!--Hundsangen --> | 07133049 = 404 <!--Hundsbach --> | 07143038 = 437 <!--Hundsdorf --> | 07140060 = 236 <!--Hungenroth --> | 07141063 = 268 <!--Hunzel --> | 07231062 = 618 <!--Hupperath --> | 07335016 = 3910 <!--Hütschenhausen --> | 07232056 = 48 <!--Hütten --> | 07232057 = 208 <!--Hütterscheid --> | 07232058 = 312 <!--Hüttingen an der Kyll --> | 07232059 = 129 <!--Hüttingen bei Lahr --> | 07134045 = 31082 <!--Idar-Oberstein, Stadt --> | 07132056 = 51 <!--Idelberg --> | 07232060 = 432 <!--Idenheim --> | 07232061 = 398 <!--Idesheim --> | 07235051 = 2020 <!--Igel --> | 07333031 = 506 <!--Ilbesheim --> | 07337042 = 1246 <!--Ilbesheim bei Landau in der Pfalz --> | 07135042 = 714 <!--Illerich --> | 07233034 = 269 <!--Immerath --> | 07231064 = 163 <!--Immert --> | 07333032 = 146 <!--Immesheim --> | 07337043 = 805 <!--Impflingen --> | 07333033 = 971 <!--Imsbach --> | 07333034 = 579 <!--Imsweiler --> | 07132057 = 557 <!--Ingelbach --> | 07339030 = 24159 <!--Ingelheim am Rhein, Stadt --> | 07232062 = 235 <!--Ingendorf --> | 07337044 = 2167 <!--Insheim --> | 07131034 = 474 <!--Insul --> | 07133050 = 159 <!--Ippenschied --> | 07231501 = 732 <!--Irmenach --> | 07143246 = 801 <!--Irmtraut --> | 07232063 = 1399 <!--Irrel --> | 07232245 = 233 <!--Irrhausen --> | 07235052 = 1538 <!--Irsch --> | 07138031 = 652 <!--Isenburg --> | 07132058 = 177 <!--Isert --> | 07141064 = 418 <!--Isselbach --> | 07333035 = 242 <!--Jakobsweiler --> | 07133051 = 260 <!--Jeckenbach --> | 07336048 = 865 <!--Jettenbach --> | 07334012 = 7014 <!--Jockgrim --> | 07232246 = 185 <!--Jucken --> | 07339031 = 1570 <!--Jugenheim in Rheinhessen --> | 07233035 = 1643 <!--Jünkerath --> | 07143247 = 607 <!--Kaden --> | 07143039 = 1396 <!--Kadenbach --> | 07135043 = 820 <!--Kaifenheim --> | 07135044 = 303 <!--Kail --> | 07135045 = 3012 <!--Kaisersesch, Stadt --> | 07312000 = 97436 <!--Kaiserslautern, Stadt --> | 07131036 = 689 <!--Kalenborn --> | 07135046 = 221 <!--Kalenborn --> | 07233036 = 475 <!--Kalenborn-Scheuern --> | 07333036 = 199 <!--Kalkofen --> | 07332028 = 1209 <!--Kallstadt --> | 07137041 = 484 <!--Kalt --> | 07131037 = 396 <!--Kaltenborn --> | 07137209 = 2096 <!--Kaltenengers --> | 07141065 = 606 <!--Kaltenholzhausen --> | 07143040 = 258 <!--Kammerforst --> | 07141066 = 1647 <!--Kamp-Bornhofen --> | 07334013 = 8466 <!--Kandel, Stadt --> | 07235055 = 621 <!--Kanzem --> | 07337045 = 947 <!--Kapellen-Drusweiler --> | 07233217 = 168 <!--Kaperich --> | 07140062 = 496 <!--Kappel --> | 07336049 = 141 <!--Kappeln --> | 07337046 = 1033 <!--Kapsweyer --> | 07140063 = 567 <!--Karbach --> | 07231065 = 197 <!--Karl --> | 07232064 = 361 <!--Karlshausen --> | 07138501 = 1414 <!--Kasbach-Ohlenberg --> | 07232065 = 57 <!--Kaschenbach --> | 07141067 = 256 <!--Kasdorf --> | 07235056 = 1227 <!--Kasel --> | 07340212 = 726 <!--Käshofen --> | 07140064 = 5174 <!--Kastellaun, Stadt --> | 07235057 = 405 <!--Kastel-Staadt --> | 07333037 = 532 <!--Katzenbach --> | 07141068 = 2151 <!--Katzenelnbogen, Stadt --> | 07335017 = 1705 <!--Katzweiler --> | 07233037 = 113 <!--Katzwinkel --> | 07132080 = 1974 <!--Katzwinkel (Sieg) --> | 07141069 = 910 <!--Kaub, Stadt --> | 07132059 = 795 <!--Kausen --> | 07141070 = 168 <!--Kehlbach --> | 07137043 = 1188 <!--Kehrig --> | 07140065 = 332 <!--Keidelheim --> | 07233218 = 1966 <!--Kelberg --> | 07235058 = 1890 <!--Kell am See --> | 07133202 = 281 <!--Kellenbach --> | 07141071 = 470 <!--Kemmenau --> | 07131502 = 1890 <!--Kempenich --> | 07134046 = 814 <!--Kempfeld --> | 07235060 = 2561 <!--Kenn --> | 07232066 = 18 <!--Keppeshausen --> | 07137048 = 425 <!--Kerben --> | 07233038 = 438 <!--Kerpen (Eifel) --> | 07233219 = 182 <!--Kerschenbach --> | 07333038 = 2225 <!--Kerzenheim --> | 07132060 = 132 <!--Kescheid --> | 07232247 = 82 <!--Kesfeld --> | 07131039 = 613 <!--Kesseling --> | 07231066 = 361 <!--Kesten --> | 07141072 = 686 <!--Kestert --> | 07132061 = 241 <!--Kettenhausen --> | 07331042 = 297 <!--Kettenheim --> | 07137211 = 3314 <!--Kettig --> | 07232248 = 37 <!--Kickeshausen --> | 07332029 = 1047 <!--Kindenheim --> | 07231067 = 1070 <!--Kinderbeuern --> | 07335018 = 2468 <!--Kindsbach --> | 07231068 = 787 <!--Kinheim --> | 07232249 = 43 <!--Kinzenburg --> | 07143248 = 611 <!--Kirburg --> | 07140067 = 3708 <!--Kirchberg (Hunsrück), Stadt --> | 07132062 = 553 <!--Kircheib --> | 07132063 = 8893 <!--Kirchen (Sieg), Stadt --> | 07332030 = 1742 <!--Kirchheim an der Weinstraße --> | 07333039 = 7843 <!--Kirchheimbolanden, Stadt --> | 07131040 = 391 <!--Kirchsahr --> | 07137049 = 990 <!--Kirchwald --> | 07233039 = 377 <!--Kirchweiler --> | 07235062 = 797 <!--Kirf --> | 07133052 = 8406 <!--Kirn, Stadt --> | 07336050 = 171 <!--Kirrweiler --> | 07337047 = 2054 <!--Kirrweiler (Pfalz) --> | 07233220 = 84 <!--Kirsbach --> | 07133053 = 295 <!--Kirschroth --> | 07134047 = 1077 <!--Kirschweiler --> | 07140068 = 556 <!--Kisselbach --> | 07231069 = 1335 <!--Klausen --> | 07340213 = 424 <!--Kleinbundenbach --> | 07337048 = 270 <!--Kleinfischlingen --> | 07231070 = 696 <!--Kleinich --> | 07332031 = 922 <!--Kleinkarlbach --> | 07232250 = 154 <!--Kleinlangenfeld --> | 07138034 = 1370 <!--Kleinmaischeid --> | 07338015 = 931 <!--Kleinniedesheim --> | 07340214 = 811 <!--Kleinsteinhausen --> | 07339032 = 3533 <!--Klein-Winternheim --> | 07135048 = 220 <!--Kliding --> | 07141073 = 735 <!--Klingelbach --> | 07337049 = 2457 <!--Klingenmünster --> | 07140070 = 283 <!--Klosterkumbd --> | 07135049 = 1377 <!--Klotten --> | 07140071 = 109 <!--Kludenbach --> | 07235063 = 1113 <!--Klüsserath --> | 07334014 = 1000 <!--Knittelsheim --> | 07340215 = 467 <!--Knopp-Labach --> | 07337050 = 479 <!--Knöringen --> | 07137212 = 3246 <!--Kobern-Gondorf --> | 07111000 = 106293 <!--Koblenz, Stadt<!--Gemeinden und Städte --> | 07143249 = 1066 <!--Kölbingen --> | 07137053 = 497 <!--Kollig --> | 07335019 = 456 <!--Kollweiler --> | 07233222 = 113 <!--Kolverath --> | 07231071 = 291 <!--Kommen --> | 07339033 = 1350 <!--Köngernheim --> | 07133203 = 69 <!--Königsau --> | 07131041 = 651 <!--Königsfeld --> | 07336052 = 755 <!--Konken --> | 07235068 = 17892 <!--Konz, Stadt --> | 07233223 = 177 <!--Kopp --> | 07336051 = 353 <!--Körborn --> | 07235069 = 2136 <!--Kordel --> | 07141074 = 560 <!--Kördorf --> | 07235070 = 782 <!--Korlingen --> | 07232067 = 1139 <!--Körperich --> | 07140073 = 83 <!--Korweiler --> | 07131042 = 166 <!--Kottenborn --> | 07137055 = 2785 <!--Kottenheim --> | 07233221 = 114 <!--Kötterichen --> | 07335020 = 1328 <!--Kottweiler-Schwanden --> | 07235067 = 340 <!--Köwerich --> | 07232068 = 108 <!--Koxhausen --> | 07132064 = 158 <!--Kraam --> | 07233040 = 156 <!--Kradenbach --> | 07340216 = 155 <!--Krähenberg --> | 07140075 = 383 <!--Kratzenburg --> | 07232253 = 250 <!--Krautscheid --> | 07336053 = 866 <!--Kreimbach-Kaulbach --> | 07137056 = 725 <!--Kretz --> | 07335021 = 1219 <!--Krickenbach --> | 07333040 = 1101 <!--Kriegsfeld --> | 07134048 = 341 <!--Kronweiler --> | 07143250 = 643 <!--Kroppach --> | 07340026 = 764 <!--Kröppen --> | 07336054 = 727 <!--Krottelbach --> | 07231072 = 2282 <!--Kröv --> | 07232069 = 374 <!--Kruchten --> | 07137057 = 3931 <!--Kruft --> | 07143041 = 366 <!--Krümmel --> | 07134049 = 166 <!--Krummenau --> | 07132065 = 673 <!--Krunkel --> | 07334015 = 1924 <!--Kuhardt --> | 07143251 = 165 <!--Kuhnhöfen --> | 07140076 = 480 <!--Külz (Hunsrück) --> | 07140077 = 516 <!--Kümbdchen --> | 07143252 = 263 <!--Kundert --> | 07138036 = 992 <!--Kurtscheid --> | 07336055 = 4950 <!--Kusel, Stadt --> | 07232070 = 970 <!--Kyllburg, Stadt --> | 07232071 = 95 <!--Kyllburgweiler --> | 07141075 = 18056 <!--Lahnstein, Stadt --> | 07232072 = 189 <!--Lahr --> | 07135050 = 179 <!--Lahr --> | 07232254 = 341 <!--Lambertsberg --> | 07332032 = 3891 <!--Lambrecht (Pfalz), Stadt --> | 07335201 = 761 <!--Lambsborn --> | 07338016 = 6329 <!--Lambsheim --> | 07235072 = 551 <!--Lampaden --> | 07313000 = 43008 <!--Landau in der Pfalz, Stadt --> | 07135051 = 930 <!--Landkern --> | 07231503 = 2037 <!--Landscheid --> | 07335022 = 8680 <!--Landstuhl, Sickingenstadt, Stadt --> | 07336056 = 473 <!--Langenbach --> | 07143253 = 1011 <!--Langenbach bei Kirburg --> | 07137060 = 736 <!--Langenfeld --> | 07143254 = 1380 <!--Langenhahn --> | 07133054 = 3682 <!--Langenlonsheim --> | 07141076 = 562 <!--Langenscheid --> | 07133055 = 100 <!--Langenthal --> | 07137061 = 94 <!--Langscheid --> | 07235073 = 1645 <!--Langsur --> | 07336057 = 261 <!--Langweiler --> | 07134502 = 272 <!--Langweiler --> | 07335202 = 272 <!--Langwieden --> | 07232255 = 72 <!--Lascheid --> | 07232256 = 331 <!--Lasel --> | 07135052 = 667 <!--Laubach --> | 07140079 = 442 <!--Laubach --> | 07133056 = 766 <!--Laubenheim --> | 07140080 = 429 <!--Laudert --> | 07231074 = 501 <!--Laufeld --> | 07140081 = 834 <!--Laufersweiler --> | 07332033 = 856 <!--Laumersheim --> | 07232258 = 117 <!--Lauperath --> | 07141077 = 298 <!--Laurenburg --> | 07133057 = 587 <!--Lauschied --> | 07336058 = 2141 <!--Lauterecken, Stadt --> | 07333041 = 665 <!--Lautersheim --> | 07141078 = 271 <!--Lautert --> | 07143255 = 386 <!--Lautzenbrücken --> | 07140082 = 391 <!--Lautzenhausen --> | 07137504 = 1395 <!--Lehmen --> | 07232259 = 159 <!--Leidenborn --> | 07135502 = 342 <!--Leienkaul --> | 07131044 = 520 <!--Leimbach --> | 07232073 = 63 <!--Leimbach --> | 07340027 = 964 <!--Leimen --> | 07334016 = 2597 <!--Leimersheim --> | 07140084 = 778 <!--Leiningen --> | 07337051 = 389 <!--Leinsweiler --> | 07134050 = 575 <!--Leisel --> | 07134051 = 105 <!--Leitzweiler --> | 07235074 = 1500 <!--Leiwen --> | 07340028 = 4073 <!--Lemberg --> | 07133058 = 229 <!--Lettweiler --> | 07138037 = 1663 <!--Leubsdorf --> | 07143042 = 853 <!--Leuterod --> | 07138038 = 1817 <!--Leutesdorf --> | 07232260 = 344 <!--Lichtenborn --> | 07143256 = 931 <!--Liebenscheid --> | 07140085 = 517 <!--Liebshausen --> | 07135053 = 426 <!--Lieg --> | 07232261 = 88 <!--Lierfeld --> | 07141079 = 483 <!--Lierschied --> | 07135054 = 326 <!--Liesenich --> | 07231075 = 1172 <!--Lieser --> | 07232074 = 87 <!--Ließem --> | 07133059 = 333 <!--Limbach --> | 07143257 = 415 <!--Limbach --> | 07338017 = 10864 <!--Limburgerhof --> | 07131047 = 588 <!--Lind --> | 07137063 = 55 <!--Lind --> | 07335023 = 1172 <!--Linden --> | 07143258 = 158 <!--Linden --> | 07332034 = 1146 <!--Lindenberg --> | 07140086 = 203 <!--Lindenschied --> | 07334017 = 5478 <!--Lingenfeld --> | 07140087 = 469 <!--Lingerhahn --> | 07138040 = 476 <!--Linkenbach --> | 07138041 = 5922 <!--Linz am Rhein, Stadt --> | 07141080 = 285 <!--Lipporn --> | 07233224 = 220 <!--Lirstal --> | 07233041 = 1118 <!--Lissendorf --> | 07143259 = 326 <!--Lochum --> | 07137214 = 1497 <!--Löf --> | 07333042 = 997 <!--Lohnsfeld --> | 07336060 = 441 <!--Lohnweiler --> | 07141081 = 595 <!--Lohrheim --> | 07133060 = 224 <!--Löllbach --> | 07141082 = 207 <!--Lollschied --> | 07235077 = 87 <!--Longen --> | 07231077 = 1182 <!--Longkamp --> | 07235078 = 1268 <!--Longuich --> | 07137065 = 1176 <!--Lonnig --> | 07331043 = 582 <!--Lonsheim --> | 07235080 = 595 <!--Lorscheid --> | 07339034 = 2161 <!--Lörzweiler --> | 07231076 = 418 <!--Lösnich --> | 07231206 = 500 <!--Lötzbeuren --> | 07143260 = 630 <!--Luckenbach --> | 07231078 = 99 <!--Lückenburg --> | 07314000 = 163467 <!--Ludwigshafen am Rhein, Stadt --> | 07339035 = 526 <!--Ludwigshöhe --> | 07340029 = 814 <!--Ludwigswinkel --> | 07340030 = 643 <!--Lug --> | 07232262 = 547 <!--Lünebach --> | 07334018 = 3223 <!--Lustadt --> | 07135056 = 363 <!--Lütz --> | 07135057 = 1475 <!--Lutzerath --> | 07232263 = 375 <!--Lützkampen --> | 07137066 = 306 <!--Luxem --> | 07141083 = 208 <!--Lykershausen --> | 07137215 = 361 <!--Macken --> | 07335024 = 1981 <!--Mackenbach --> | 07134052 = 441 <!--Mackenrodt --> | 07143502 = 253 <!--Mähren --> | 07337052 = 4057 <!--Maikammer --> | 07315000 = 197623 <!--Mainz, Stadt --> | 07140089 = 121 <!--Maisborn --> | 07140090 = 128 <!--Maitzborn --> | 07132066 = 1066 <!--Malberg --> | 07232075 = 606 <!--Malberg --> | 07232076 = 367 <!--Malbergweich --> | 07231079 = 1340 <!--Malborn --> | 07132067 = 1078 <!--Mammelzen --> | 07133061 = 899 <!--Mandel --> | 07235081 = 899 <!--Mandern --> | 07232264 = 49 <!--Manderscheid --> | 07231080 = 1301 <!--Manderscheid, Stadt --> | 07233225 = 252 <!--Mannebach --> | 07235082 = 371 <!--Mannebach --> | 07333043 = 425 <!--Mannweiler-Cölln --> | 07339036 = 347 <!--Manubach --> | 07141084 = 340 <!--Marienfels --> | 07138201 = 470 <!--Marienhausen --> | 07143044 = 998 <!--Marienrachdorf --> | 07231081 = 1525 <!--Maring-Noviand --> | 07333045 = 1681 <!--Marnheim --> | 07143045 = 246 <!--Maroth --> | 07335203 = 1738 <!--Martinshöhe --> | 07133062 = 317 <!--Martinstein --> | 07143261 = 267 <!--Marzhausen --> | 07135058 = 1089 <!--Masburg --> | 07340217 = 1112 <!--Maßweiler --> | 07140204 = 1092 <!--Mastershausen --> | 07232265 = 65 <!--Masthorn --> | 07336107 = 705 <!--Matzenbach --> | 07232266 = 55 <!--Matzerath --> | 07331044 = 962 <!--Mauchenheim --> | 07132068 = 118 <!--Mauden --> | 07232267 = 69 <!--Mauel --> | 07340218 = 282 <!--Mauschbach --> | 07338018 = 7017 <!--Maxdorf --> | 07143046 = 1138 <!--Maxsain --> | 07137068 = 18961 <!--Mayen, Stadt --> | 07131049 = 996 <!--Mayschoß --> | 07232077 = 382 <!--Meckel --> | 07134053 = 108 <!--Meckenbach --> | 07133063 = 396 <!--Meckenbach --> | 07332035 = 3362 <!--Meckenheim --> | 07336061 = 503 <!--Medard --> | 07133064 = 1335 <!--Meddersheim --> | 07231082 = 351 <!--Meerfeld --> | 07335025 = 1130 <!--Mehlbach --> | 07335026 = 3913 <!--Mehlingen --> | 07132069 = 488 <!--Mehren --> | 07233042 = 1400 <!--Mehren --> | 07235083 = 2222 <!--Mehring --> | 07138042 = 499 <!--Meinborn --> | 07233043 = 250 <!--Meisburg --> | 07133065 = 2821 <!--Meisenheim, Stadt --> | 07138043 = 2079 <!--Melsbach --> | 07137069 = 8678 <!--Mendig, Stadt --> | 07140092 = 775 <!--Mengerschied --> | 07232078 = 196 <!--Menningen --> | 07143262 = 422 <!--Merkelbach --> | 07232270 = 38 <!--Merlscheid --> | 07140093 = 281 <!--Mermuth --> | 07231083 = 46 <!--Merschbach --> | 07235085 = 1661 <!--Mertesdorf --> | 07332036 = 396 <!--Mertesheim --> | 07137070 = 1479 <!--Mertloch --> | 07133066 = 1429 <!--Merxheim --> | 07340031 = 1266 <!--Merzalben --> | 07235154 = 698 <!--Merzkirchen --> | 07336062 = 206 <!--Merzweiler --> | 07135060 = 302 <!--Mesenich --> | 07232079 = 542 <!--Messerich --> | 07232080 = 1130 <!--Mettendorf --> | 07331045 = 1535 <!--Mettenheim --> | 07232081 = 492 <!--Metterich --> | 07134054 = 291 <!--Mettweiler --> | 07140094 = 133 <!--Metzenhausen --> | 07143263 = 1835 <!--Meudt --> | 07131050 = 141 <!--Meuspath --> | 07140095 = 165 <!--Michelbach --> | 07132070 = 588 <!--Michelbach (Westerwald) --> | 07141085 = 2025 <!--Miehlen --> | 07141086 = 422 <!--Miellen --> | 07232082 = 145 <!--Minden --> | 07231085 = 678 <!--Minderlittgen --> | 07334020 = 1546 <!--Minfeld --> | 07231086 = 481 <!--Minheim --> | 07141087 = 86 <!--Misselberg --> | 07335027 = 691 <!--Mittelbrunn --> | 07141088 = 128 <!--Mittelfischbach --> | 07132011 = 1127 <!--Mittelhof --> | 07134055 = 762 <!--Mittelreidenbach --> | 07135061 = 436 <!--Mittelstrimmig --> | 07143047 = 1177 <!--Mogendorf --> | 07143266 = 457 <!--Molsberg --> | 07331046 = 584 <!--Mölsheim --> | 07132071 = 562 <!--Molzhain --> | 07339037 = 3088 <!--Mommenheim --> | 07137074 = 852 <!--Monreal --> | 07331048 = 2500 <!--Monsheim --> | 07143048 = 12486 <!--Montabaur, Stadt --> | 07135062 = 142 <!--Möntenich --> | 07231087 = 1238 <!--Monzelfeld --> | 07331049 = 637 <!--Monzernheim --> | 07133067 = 1682 <!--Monzingen --> | 07231502 = 10932 <!--Morbach --> | 07135064 = 130 <!--Moritzheim --> | 07143264 = 593 <!--Mörlen --> | 07143265 = 484 <!--Mörsbach --> | 07140096 = 338 <!--Mörschbach --> | 07235090 = 951 <!--Morscheid --> | 07333047 = 760 <!--Morschheim --> | 07134056 = 879 <!--Mörschied --> | 07135063 = 683 <!--Mörsdorf --> | 07333046 = 530 <!--Mörsfeld --> | 07140205 = 385 <!--Morshausen --> | 07331047 = 916 <!--Mörstadt --> | 07233226 = 159 <!--Mosbruch --> | 07143049 = 760 <!--Moschheim --> | 07135065 = 630 <!--Moselkern --> | 07233046 = 225 <!--Mückeln --> | 07135066 = 664 <!--Müden (Mosel) --> | 07143267 = 814 <!--Mudenbach --> | 07132072 = 6247 <!--Mudersbach --> | 07141089 = 456 <!--Mudershausen --> | 07140098 = 66 <!--Mühlpfad --> | 07232083 = 112 <!--Mülbach --> | 07231090 = 983 <!--Mülheim (Mosel) --> | 07137216 = 10773 <!--Mülheim-Kärlich, Stadt --> | 07131051 = 474 <!--Müllenbach --> | 07135067 = 680 <!--Müllenbach --> | 07133068 = 314 <!--Münchwald --> | 07337054 = 213 <!--Münchweiler am Klingbach --> | 07333048 = 1233 <!--Münchweiler an der Alsenz --> | 07340032 = 2949 <!--Münchweiler an der Rodalb --> | 07143268 = 745 <!--Mündersbach --> | 07137077 = 265 <!--Münk --> | 07333049 = 541 <!--Münsterappel --> | 07137501 = 3480 <!--Münstermaifeld, Stadt --> | 07339038 = 2839 <!--Münster-Sarmsheim --> | 07233227 = 598 <!--Mürlenbach --> | 07131052 = 212 <!--Müsch --> | 07143269 = 1005 <!--Müschenbach --> | 07231091 = 60 <!--Musweiler --> | 07140099 = 503 <!--Mutterschied --> | 07338019 = 12640 <!--Mutterstadt --> | 07232271 = 119 <!--Mützenich --> | 07232084 = 49 <!--Muxerath --> | 07137079 = 574 <!--Nachtsheim --> | 07331050 = 620 <!--Nack --> | 07339039 = 5156 <!--Nackenheim --> | 07140100 = 521 <!--Nannhausen --> | 07336064 = 1245 <!--Nanzdietschweiler --> | 07232085 = 50 <!--Nasingen --> | 07141091 = 4820 <!--Nassau, Stadt --> | 07141092 = 4224 <!--Nastätten, Stadt --> | 07232086 = 516 <!--Nattenheim --> | 07137080 = 429 <!--Naunheim --> | 07143050 = 2312 <!--Nauort --> | 07235091 = 391 <!--Naurath (Eifel) --> | 07235092 = 240 <!--Naurath (Wald) --> | 07132073 = 1116 <!--Nauroth --> | 07135068 = 480 <!--Neef --> | 07135069 = 106 <!--Nehren --> | 07233048 = 140 <!--Neichen --> | 07232087 = 876 <!--Neidenbach --> | 07332037 = 911 <!--Neidenfels --> | 07132074 = 834 <!--Neitersen --> | 07143051 = 2017 <!--Nentershausen --> | 07233049 = 220 <!--Nerdlen --> | 07233050 = 902 <!--Neroth --> | 07336065 = 119 <!--Nerzweiler --> | 07141093 = 394 <!--Netzbach --> | 07133069 = 930 <!--Neu-Bamberg --> | 07334021 = 2518 <!--Neuburg am Rhein --> | 07232272 = 101 <!--Neuendorf --> | 07232088 = 1493 <!--Neuerburg, Stadt --> | 07140101 = 283 <!--Neuerkirch --> | 07143052 = 2027 <!--Neuhäusel --> | 07232273 = 261 <!--Neuheilenbach --> | 07335028 = 861 <!--Neuhemsbach --> | 07338020 = 7193 <!--Neuhofen --> | 07235093 = 799 <!--Neuhütten --> | 07332038 = 863 <!--Neuleiningen --> | 07231092 = 2263 <!--Neumagen-Dhron --> | 07143270 = 1123 <!--Neunkhausen --> | 07143271 = 576 <!--Neunkirchen --> | 07231093 = 134 <!--Neunkirchen --> | 07336066 = 445 <!--Neunkirchen am Potzberg --> | 07334022 = 1889 <!--Neupotz --> | 07138044 = 6404 <!--Neustadt (Wied) --> | 07316000 = 53658 <!--Neustadt an der Weinstraße, Stadt --> | 07143272 = 579 <!--Neustadt/ Westerwald --> | 07138045 = 64885 <!--Neuwied, Stadt --> | 07235094 = 2913 <!--Newel --> | 07140102 = 377 <!--Ney --> | 07137081 = 3665 <!--Nickenich --> | 07140105 = 196 <!--Nieder Kostenz --> | 07143273 = 811 <!--Niederahr --> | 07336067 = 317 <!--Niederalben --> | 07141094 = 248 <!--Niederbachheim --> | 07138047 = 1569 <!--Niederbreitbach --> | 07134057 = 471 <!--Niederbrombach --> | 07140104 = 718 <!--Niederburg --> | 07132075 = 948 <!--Niederdreisbach --> | 07131054 = 997 <!--Niederdürenbach --> | 07143053 = 1607 <!--Niederelbert --> | 07143054 = 987 <!--Niedererbach --> | 07137217 = 1052 <!--Niederfell --> | 07132076 = 4764 <!--Niederfischbach --> | 07232089 = 44 <!--Niedergeckler --> | 07134058 = 318 <!--Niederhambach --> | 07133070 = 535 <!--Niederhausen --> | 07333050 = 240 <!--Niederhausen an der Appel --> | 07339040 = 754 <!--Niederheimbach --> | 07339041 = 630 <!--Nieder-Hilbersheim --> | 07138048 = 373 <!--Niederhofen --> | 07337055 = 518 <!--Niederhorbach --> | 07134059 = 326 <!--Niederhosenbach --> | 07132077 = 103 <!--Niederirsen --> | 07335029 = 2024 <!--Niederkirchen --> | 07332039 = 2377 <!--Niederkirchen bei Deidesheim --> | 07140106 = 305 <!--Niederkumbd --> | 07232276 = 49 <!--Niederlauch --> | 07335030 = 1532 <!--Niedermohr --> | 07333051 = 524 <!--Niedermoschel --> | 07141095 = 1470 <!--Niederneisen --> | 07231095 = 436 <!--Niederöfflingen --> | 07339042 = 8887 <!--Nieder-Olm, Stadt --> | 07337056 = 333 <!--Niederotterbach --> | 07232277 = 36 <!--Niederpierscheid --> | 07232090 = 40 <!--Niederraden --> | 07143274 = 819 <!--Niederroßbach --> | 07143275 = 201 <!--Niedersayn --> | 07231096 = 264 <!--Niederscheidweiler --> | 07340033 = 321 <!--Niederschlettenbach --> | 07140107 = 454 <!--Niedersohren --> | 07233052 = 476 <!--Niederstadtfeld --> | 07336068 = 271 <!--Niederstaufenbach --> | 07232091 = 212 <!--Niederstedem --> | 07132078 = 171 <!--Niedersteinebach --> | 07140108 = 136 <!--Niedert --> | 07141096 = 226 <!--Niedertiefenbach --> | 07141097 = 403 <!--Niederwallmenach --> | 07138050 = 519 <!--Niederwambach --> | 07232092 = 85 <!--Niederweiler --> | 07140109 = 387 <!--Niederweiler --> | 07232093 = 208 <!--Niederweis --> | 07137218 = 1384 <!--Niederwerth --> | 07331051 = 610 <!--Nieder-Wiesen --> | 07134060 = 938 <!--Niederwörresbach --> | 07131055 = 2703 <!--Niederzissen --> | 07232094 = 69 <!--Niehl --> | 07231504 = 694 <!--Niersbach --> | 07339043 = 7867 <!--Nierstein --> | 07141098 = 1009 <!--Nievern --> | 07232279 = 301 <!--Nimshuscheid --> | 07232280 = 112 <!--Nimsreuland --> | 07143276 = 983 <!--Nister --> | 07143277 = 917 <!--Nisterau --> | 07132079 = 416 <!--Nisterberg --> | 07143278 = 331 <!--Nister-Möhrendorf --> | 07143279 = 1322 <!--Nistertal --> | 07235095 = 2129 <!--Nittel --> | 07233228 = 46 <!--Nitz --> | 07141099 = 555 <!--Nochern --> | 07134061 = 390 <!--Nohen --> | 07233229 = 427 <!--Nohn --> | 07143055 = 706 <!--Nomborn --> | 07140110 = 451 <!--Norath --> | 07143056 = 564 <!--Nordhofen --> | 07133071 = 1411 <!--Norheim --> | 07143280 = 967 <!--Norken --> | 07137219 = 1131 <!--Nörtershausen --> | 07340034 = 164 <!--Nothweiler --> | 07340035 = 805 <!--Nünschweiler --> | 07131058 = 169 <!--Nürburg --> | 07232095 = 468 <!--Nusbaum --> | 07336069 = 618 <!--Nußbach --> | 07133072 = 438 <!--Nußbaum --> | 07140111 = 267 <!--Ober Kostenz --> | 07143281 = 565 <!--Oberahr --> | 07336070 = 263 <!--Oberalben --> | 07335031 = 429 <!--Oberarnbach --> | 07141100 = 215 <!--Oberbachheim --> | 07233053 = 716 <!--Oberbettingen --> | 07235096 = 959 <!--Oberbillig --> | 07134062 = 475 <!--Oberbrombach --> | 07339044 = 863 <!--Oberdiebach --> | 07138052 = 895 <!--Oberdreis --> | 07131059 = 614 <!--Oberdürenbach --> | 07233054 = 353 <!--Oberehe-Stroheich --> | 07143057 = 1112 <!--Oberelbert --> | 07233230 = 124 <!--Oberelz --> | 07143058 = 520 <!--Obererbach --> | 07132081 = 585 <!--Obererbach (Westerwald) --> | 07137220 = 1114 <!--Oberfell --> | 07141101 = 186 <!--Oberfischbach --> | 07331052 = 1249 <!--Ober-Flörsheim --> | 07232096 = 161 <!--Obergeckler --> | 07143059 = 403 <!--Oberhaid --> | 07134063 = 288 <!--Oberhambach --> | 07337058 = 392 <!--Oberhausen --> | 07333053 = 148 <!--Oberhausen an der Appel --> | 07133074 = 404 <!--Oberhausen an der Nahe --> | 07133073 = 964 <!--Oberhausen bei Kirn --> | 07339045 = 623 <!--Oberheimbach --> | 07339046 = 1046 <!--Ober-Hilbersheim --> | 07138053 = 1015 <!--Oberhonnefeld-Gierend --> | 07134064 = 160 <!--Oberhosenbach --> | 07132082 = 668 <!--Oberirsen --> | 07232282 = 576 <!--Oberkail --> | 07134065 = 340 <!--Oberkirn --> | 07132083 = 763 <!--Oberlahr --> | 07232283 = 141 <!--Oberlascheid --> | 07232284 = 61 <!--Oberlauch --> | 07333054 = 1137 <!--Obermoschel, Stadt --> | 07132084 = 153 <!--Obernau --> | 07333055 = 269 <!--Oberndorf --> | 07141102 = 778 <!--Oberneisen --> | 07340219 = 1823 <!--Obernheim-Kirchenarnbach --> | 07141103 = 375 <!--Obernhof --> | 07231100 = 290 <!--Oberöfflingen --> | 07339047 = 4270 <!--Ober-Olm --> | 07337059 = 1205 <!--Oberotterbach --> | 07232285 = 371 <!--Oberpierscheid --> | 07138054 = 668 <!--Oberraden --> | 07134066 = 604 <!--Oberreidenbach --> | 07143282 = 720 <!--Oberrod --> | 07143283 = 352 <!--Oberroßbach --> | 07231101 = 188 <!--Oberscheidweiler --> | 07337060 = 138 <!--Oberschlettenbach --> | 07340036 = 653 <!--Obersimten --> | 07233055 = 587 <!--Oberstadtfeld --> | 07336071 = 257 <!--Oberstaufenbach --> | 07232097 = 75 <!--Oberstedem --> | 07132085 = 217 <!--Obersteinebach --> | 07133075 = 264 <!--Oberstreit --> | 07332040 = 612 <!--Obersülzen --> | 07141104 = 379 <!--Obertiefenbach --> | 07141105 = 197 <!--Oberwallmenach --> | 07132086 = 423 <!--Oberwambach --> | 07232098 = 140 <!--Oberweiler --> | 07336072 = 167 <!--Oberweiler im Tal --> | 07336073 = 287 <!--Oberweiler-Tiefenbach --> | 07232099 = 543 <!--Oberweis --> | 07140112 = 2951 <!--Oberwesel, Stadt --> | 07141106 = 159 <!--Oberwies --> | 07333056 = 491 <!--Oberwiesen --> | 07134067 = 148 <!--Oberwörresbach --> | 07131060 = 1090 <!--Oberzissen --> | 07332041 = 2766 <!--Obrigheim (Pfalz) --> | 07137086 = 5198 <!--Ochtendung --> | 07138055 = 1081 <!--Ockenfels --> | 07339048 = 2439 <!--Ockenheim --> | 07235098 = 623 <!--Ockfen --> | 07336074 = 901 <!--Odenbach --> | 07133076 = 1783 <!--Odernheim am Glan --> | 07141107 = 557 <!--Oelsberg --> | 07337061 = 6228 <!--Offenbach an der Queich --> | 07336075 = 1191 <!--Offenbach-Hundheim --> | 07331053 = 608 <!--Offenheim --> | 07331054 = 1826 <!--Offstein --> | 07131062 = 143 <!--Ohlenhard --> | 07140113 = 325 <!--Ohlweiler --> | 07336076 = 821 <!--Ohmbach --> | 07235100 = 163 <!--Ollmuth --> | 07232287 = 151 <!--Olmscheid --> | 07335033 = 1152 <!--Olsbrücken --> | 07232100 = 97 <!--Olsdorf --> | 07132087 = 95 <!--Ölsen --> | 07232288 = 551 <!--Olzheim --> | 07235101 = 144 <!--Onsdorf --> | 07339049 = 7024 <!--Oppenheim, Stadt --> | 07140115 = 124 <!--Oppertshausen --> | 07333057 = 703 <!--Orbis --> | 07232289 = 1286 <!--Orenhofen --> | 07132088 = 252 <!--Orfgen --> | 07232290 = 205 <!--Orlenbach --> | 07233232 = 386 <!--Ormont --> | 07232101 = 160 <!--Orsfeld --> | 07231103 = 1663 <!--Osann-Monzel --> | 07235103 = 2390 <!--Osburg --> | 07141108 = 1266 <!--Osterspai --> | 07331055 = 8228 <!--Osthofen, Stadt --> | 07335034 = 4053 <!--Otterbach --> | 07335035 = 5230 <!--Otterberg, Stadt --> | 07333058 = 340 <!--Ottersheim --> | 07334023 = 1800 <!--Ottersheim bei Landau --> | 07338021 = 3362 <!--Otterstadt --> | 07143060 = 1369 <!--Ötzingen --> | 07133077 = 213 <!--Otzweiler --> | 07235104 = 1408 <!--Palzem --> | 07231104 = 252 <!--Pantenburg --> | 07135070 = 271 <!--Panzweiler --> | 07331056 = 1581 <!--Partenheim --> | 07235105 = 254 <!--Paschel --> | 07141109 = 413 <!--Patersberg --> | 07232103 = 237 <!--Peffingen --> | 07235106 = 1001 <!--Pellingen --> | 07233056 = 1008 <!--Pelm --> | 07140116 = 389 <!--Perscheid --> | 07340037 = 890 <!--Petersberg --> | 07132089 = 290 <!--Peterslahr --> | 07135071 = 800 <!--Peterswald-Löffelscheid --> | 07133078 = 1240 <!--Pfaffen-Schwabenheim --> | 07140117 = 605 <!--Pfalzfeld --> | 07336077 = 986 <!--Pfeffelbach --> | 07232104 = 110 <!--Philippsheim --> | 07232105 = 291 <!--Pickließem --> | 07231105 = 1919 <!--Piesport --> | 07137087 = 492 <!--Pillig --> | 07232291 = 37 <!--Pintesfeld --> | 07317000 = 41358 <!--Pirmasens, Stadt --> | 07232292 = 108 <!--Pittenbach --> | 07137088 = 5832 <!--Plaidt --> | 07232106 = 80 <!--Plascheid --> | 07231107 = 906 <!--Platten --> | 07132090 = 808 <!--Pleckhausen --> | 07231108 = 663 <!--Plein --> | 07337062 = 812 <!--Pleisweiler-Oberhofen --> | 07133080 = 336 <!--Pleitersheim --> | 07140118 = 276 <!--Pleizenhausen --> | 07232293 = 324 <!--Plütscheid --> | 07235107 = 1418 <!--Pluwig --> | 07141111 = 349 <!--Pohl --> | 07137089 = 6623 <!--Polch, Stadt --> | 07235108 = 435 <!--Pölich --> | 07135072 = 495 <!--Pommern --> | 07131065 = 174 <!--Pomster --> | 07143284 = 1029 <!--Pottum --> | 07132091 = 1560 <!--Pracht --> | 07141112 = 321 <!--Prath --> | 07232294 = 184 <!--Preischeid --> | 07232107 = 685 <!--Preist --> | 07232295 = 980 <!--Pronsfeld --> | 07232296 = 5253 <!--Prüm, Stadt --> | 07232108 = 566 <!--Prümzurlay --> | 07138057 = 2234 <!--Puderbach --> | 07135073 = 895 <!--Pünderich --> | 07335037 = 2848 <!--Queidersbach --> | 07131066 = 300 <!--Quiddelbach --> | 07143061 = 523 <!--Quirnbach --> | 07336501 = 509 <!--Quirnbach/ Pfalz --> | 07332042 = 734 <!--Quirnheim --> | 07132092 = 157 <!--Racksen --> | 07235111 = 2040 <!--Ralingen --> | 07337064 = 980 <!--Ramberg --> | 07336079 = 1628 <!--Rammelsbach --> | 07333060 = 1765 <!--Ramsen --> | 07335038 = 7646 <!--Ramstein-Miesenbach, Stadt --> | 07143062 = 7383 <!--Ransbach-Baumbach, Stadt --> | 07337065 = 659 <!--Ranschbach --> | 07333061 = 306 <!--Ransweiler --> | 07235112 = 527 <!--Rascheid --> | 07333201 = 201 <!--Rathskirchen --> | 07336081 = 175 <!--Rathsweiler --> | 07138058 = 232 <!--Ratzert --> | 07138059 = 1952 <!--Raubach --> | 07133081 = 428 <!--Raumbach --> | 07140119 = 484 <!--Ravengiersburg --> | 07140120 = 130 <!--Raversbeuren --> | 07140121 = 108 <!--Rayerschied --> | 07131068 = 565 <!--Rech --> | 07141113 = 226 <!--Reckenroth --> | 07140122 = 381 <!--Reckershausen --> | 07133082 = 41 <!--Rehbach --> | 07133083 = 751 <!--Rehborn --> | 07143285 = 980 <!--Rehe --> | 07336082 = 468 <!--Rehweiler --> | 07140123 = 370 <!--Reich --> | 07134068 = 655 <!--Reichenbach --> | 07335501 = 1460 <!--Reichenbach-Steegen --> | 07141114 = 188 <!--Reichenberg --> | 07333202 = 106 <!--Reichsthal --> | 07336084 = 555 <!--Reichweiler --> | 07135074 = 174 <!--Reidenhausen --> | 07340220 = 834 <!--Reifenberg --> | 07132093 = 394 <!--Reiferscheid --> | 07232297 = 58 <!--Reiff --> | 07133084 = 257 <!--Reiffelbach --> | 07131069 = 592 <!--Reifferscheid --> | 07231110 = 1084 <!--Reil --> | 07233233 = 72 <!--Reimerath --> | 07235114 = 2324 <!--Reinsfeld --> | 07232298 = 67 <!--Reipeldingen --> | 07336085 = 384 <!--Reipoltskirchen --> | 07141115 = 345 <!--Reitzenhain --> | 07336086 = 174 <!--Relsberg --> | 07131070 = 16064 <!--Remagen, Stadt --> | 07138061 = 2617 <!--Rengsdorf --> | 07143286 = 3832 <!--Rennerod, Stadt --> | 07233234 = 376 <!--Retterath --> | 07132094 = 396 <!--Rettersen --> | 07141116 = 347 <!--Rettershain --> | 07141117 = 461 <!--Rettert --> | 07137092 = 413 <!--Reudelsterz --> | 07233235 = 214 <!--Reuth --> | 07134069 = 2224 <!--Rhaunen --> | 07140125 = 3975 <!--Rheinböllen --> | 07138062 = 4545 <!--Rheinbreitbach --> | 07138063 = 3900 <!--Rheinbrohl --> | 07334024 = 4902 <!--Rheinzabern --> | 07137221 = 2965 <!--Rhens, Stadt --> | 07337066 = 1119 <!--Rhodt unter Rietburg --> | 07340221 = 496 <!--Riedelberg --> | 07137093 = 1334 <!--Rieden --> | 07140126 = 189 <!--Riegenroth --> | 07340222 = 2228 <!--Rieschweiler-Mühlbach --> | 07140127 = 756 <!--Riesweiler --> | 07134070 = 130 <!--Rimsberg --> | 07337067 = 672 <!--Rinnthal --> | 07134071 = 321 <!--Rinzenberg --> | 07235115 = 1168 <!--Riol --> | 07232109 = 1444 <!--Rittersdorf --> | 07333062 = 203 <!--Rittersheim --> | 07231111 = 707 <!--Rivenich --> | 07235116 = 422 <!--Riveris --> | 07333502 = 5457 <!--Rockenhausen, Stadt --> | 07233058 = 262 <!--Rockeskyll --> | 07340038 = 7293 <!--Rodalben, Stadt --> | 07131072 = 253 <!--Rodder --> | 07140128 = 160 <!--Rödelhausen --> | 07335040 = 3263 <!--Rodenbach --> | 07138064 = 650 <!--Rodenbach bei Puderbach --> | 07140129 = 212 <!--Rödern --> | 07232110 = 188 <!--Rodershausen --> | 07338022 = 2830 <!--Rödersheim-Gronau --> | 07135075 = 536 <!--Roes --> | 07232111 = 427 <!--Röhl --> | 07134073 = 214 <!--Rohrbach --> | 07140130 = 184 <!--Rohrbach --> | 07337068 = 1596 <!--Rohrbach --> | 07338023 = 9234 <!--Römerberg --> | 07232300 = 663 <!--Rommersheim --> | 07231112 = 61 <!--Rorodt --> | 07337069 = 826 <!--Roschbach --> | 07232301 = 63 <!--Roscheid --> | 07132095 = 716 <!--Rosenheim (Landkreis Altenkirchen) --> | 07340223 = 381 <!--Rosenkopf --> | 07138065 = 1529 <!--Roßbach --> | 07143287 = 861 <!--Roßbach --> | 07143288 = 547 <!--Rotenhain --> | 07132096 = 1534 <!--Roth --> | 07141118 = 193 <!--Roth --> | 07133085 = 258 <!--Roth --> | 07140131 = 252 <!--Roth --> | 07232112 = 173 <!--Roth an der Our --> | 07232302 = 453 <!--Roth bei Prüm --> | 07143289 = 897 <!--Rothenbach --> | 07336087 = 693 <!--Rothselberg --> | 07134072 = 489 <!--Rötsweiler-Nockenthal --> | 07132097 = 446 <!--Rott --> | 07133086 = 2433 <!--Roxheim --> | 07137095 = 852 <!--Rüber --> | 07143064 = 537 <!--Rückeroth --> | 07134074 = 425 <!--Rückweiler --> | 07133117 = 2369 <!--Rüdesheim --> | 07334025 = 7856 <!--Rülzheim --> | 07340039 = 472 <!--Rumbach --> | 07133087 = 1405 <!--Rümmelsheim --> | 07143065 = 1213 <!--Ruppach-Goldhausen --> | 07332043 = 1436 <!--Ruppertsberg --> | 07333065 = 393 <!--Ruppertsecken --> | 07141120 = 397 <!--Ruppertshofen --> | 07340040 = 1444 <!--Ruppertsweiler --> | 07134075 = 839 <!--Ruschberg --> | 07138066 = 769 <!--Rüscheid --> | 07333064 = 488 <!--Rüssingen --> | 07336088 = 501 <!--Ruthweiler --> | 07336089 = 332 <!--Rutsweiler am Glan --> | 07336090 = 368 <!--Rutsweiler an der Lauter --> | 07340041 = 345 <!--Saalstadt --> | 07235118 = 6293 <!--Saarburg, Stadt --> | 07137096 = 2135 <!--Saffig --> | 07233060 = 352 <!--Salm --> | 07231113 = 2392 <!--Salmtal --> | 07143290 = 892 <!--Salz --> | 07143291 = 196 <!--Salzburg --> | 07333066 = 322 <!--Sankt Alban --> | 07135076 = 660 <!--Sankt Aldegund --> | 07140133 = 2830 <!--Sankt Goar, Stadt --> | 07141121 = 1352 <!--Sankt Goarshausen, Loreleystadt, Stadt --> | 07137097 = 947 <!--Sankt Johann --> | 07339050 = 847 <!--Sankt Johann --> | 07336095 = 1210 <!--Sankt Julian --> | 07133088 = 345 <!--Sankt Katharinen --> | 07138068 = 3592 <!--Sankt Katharinen (Landkreis Neuwied) --> | 07337070 = 1878 <!--Sankt Martin --> | 07137222 = 2446 <!--Sankt Sebastian --> | 07232113 = 292 <!--Sankt Thomas --> | 07140134 = 480 <!--Sargenroth --> | 07233061 = 193 <!--Sarmersbach --> | 07233236 = 82 <!--Sassen --> | 07141122 = 205 <!--Sauerthal --> | 07331058 = 7163 <!--Saulheim --> | 07233062 = 71 <!--Saxler --> | 07131073 = 841 <!--Schalkenbach --> | 07233063 = 611 <!--Schalkenmehren --> | 07335041 = 923 <!--Schallodenbach --> | 07232114 = 175 <!--Schankweiler --> | 07232115 = 73 <!--Scharfbillig --> | 07340042 = 201 <!--Schauerberg --> | 07134076 = 540 <!--Schauren --> | 07135077 = 428 <!--Schauren --> | 07334027 = 690 <!--Scheibenhardt --> | 07233237 = 127 <!--Scheid --> | 07141124 = 324 <!--Scheidt --> | 07232116 = 33 <!--Scheitenkorb --> | 07336091 = 522 <!--Schellweiler --> | 07143066 = 669 <!--Schenkelberg --> | 07132098 = 2112 <!--Scheuerfeld --> | 07232117 = 48 <!--Scheuern --> | 07333067 = 255 <!--Schiersfeld --> | 07141125 = 261 <!--Schiesheim --> | 07338025 = 19343 <!--Schifferstadt, Stadt --> | 07235119 = 1247 <!--Schillingen --> | 07340043 = 599 <!--Schindhard --> | 07231114 = 110 <!--Schladt --> | 07235120 = 200 <!--Schleich --> | 07232118 = 370 <!--Schleid --> | 07140135 = 192 <!--Schlierschied --> | 07133089 = 394 <!--Schloßböckelheim --> | 07340044 = 773 <!--Schmalenberg --> | 07134077 = 393 <!--Schmidthachenbach --> | 07134078 = 232 <!--Schmißberg --> | 07340224 = 426 <!--Schmitshausen --> | 07135078 = 153 <!--Schmitt --> | 07133090 = 230 <!--Schmittweiler --> | 07335042 = 597 <!--Schneckenhausen --> | 07133204 = 269 <!--Schneppenbach --> | 07140138 = 241 <!--Schnorbach --> | 07235122 = 731 <!--Schoden --> | 07235123 = 131 <!--Schömerich --> | 07340045 = 441 <!--Schönau (Pfalz) --> | 07233064 = 269 <!--Schönbach --> | 07231115 = 235 <!--Schönberg --> | 07141126 = 763 <!--Schönborn --> | 07333068 = 134 <!--Schönborn --> | 07140139 = 268 <!--Schönborn --> | 07235124 = 784 <!--Schöndorf --> | 07132099 = 424 <!--Schöneberg --> | 07133091 = 630 <!--Schöneberg --> | 07232304 = 1515 <!--Schönecken --> | 07336092 = 5692 <!--Schönenberg-Kübelberg --> | 07335204 = 1461 <!--Schopp --> | 07331059 = 1609 <!--Schornsheim --> | 07131074 = 742 <!--Schuld --> | 07233239 = 348 <!--Schüller --> | 07132100 = 267 <!--Schürdt --> | 07233065 = 154 <!--Schutz --> | 07132101 = 412 <!--Schutzbach --> | 07339051 = 2505 <!--Schwabenheim an der Selz --> | 07140140 = 349 <!--Schwall --> | 07340047 = 595 <!--Schwanheim --> | 07140141 = 145 <!--Schwarzen --> | 07231116 = 49 <!--Schwarzenborn --> | 07133205 = 270 <!--Schwarzerden --> | 07335043 = 1029 <!--Schwedelbach --> | 07334028 = 2895 <!--Schwegenheim --> | 07235125 = 6559 <!--Schweich, Stadt --> | 07337071 = 1463 <!--Schweigen-Rechtenbach --> | 07141127 = 235 <!--Schweighausen --> | 07337072 = 564 <!--Schweighofen --> | 07133092 = 178 <!--Schweinschied --> | 07333069 = 364 <!--Schweisweiler --> | 07340048 = 347 <!--Schweix --> | 07133093 = 866 <!--Schweppenhausen --> | 07134079 = 59 <!--Schwerbach --> | 07232305 = 430 <!--Schwirzheim --> | 07134080 = 494 <!--Schwollen --> | 07143292 = 1260 <!--Seck --> | 07141128 = 449 <!--Seelbach --> | 07132103 = 336 <!--Seelbach (Westerwald) --> | 07132102 = 196 <!--Seelbach bei Hamm (Sieg) --> | 07333203 = 164 <!--Seelen --> | 07133094 = 585 <!--Seesbach --> | 07232119 = 327 <!--Seffern --> | 07232120 = 224 <!--Sefferweich --> | 07231117 = 906 <!--Sehlem --> | 07133095 = 1414 <!--Seibersbach --> | 07132104 = 160 <!--Seifen --> | 07232306 = 179 <!--Seinsfeld --> | 07232307 = 139 <!--Seiwerath --> | 07132105 = 823 <!--Selbach (Sieg) --> | 07336094 = 372 <!--Selchenbach --> | 07232308 = 300 <!--Sellerich --> | 07143067 = 2744 <!--Selters (Westerwald), Stadt --> | 07339053 = 1566 <!--Selzen --> | 07335205 = 1150 <!--Sembach --> | 07232309 = 20 <!--Sengerich --> | 07135079 = 571 <!--Senheim --> | 07131075 = 100 <!--Senscheid --> | 07134081 = 500 <!--Sensweiler --> | 07235126 = 1592 <!--Serrig --> | 07143068 = 520 <!--Sessenbach --> | 07143069 = 948 <!--Sessenhausen --> | 07232310 = 59 <!--Sevenig (Our) --> | 07232121 = 57 <!--Sevenig bei Neuerburg --> | 07337073 = 1027 <!--Siebeldingen --> | 07137099 = 198 <!--Siebenbach --> | 07331060 = 1300 <!--Siefersheim --> | 07134082 = 571 <!--Sien --> | 07134083 = 219 <!--Sienhachenbach --> | 07131076 = 87 <!--Sierscheid --> | 07143070 = 2770 <!--Siershahn --> | 07134084 = 388 <!--Siesbach --> | 07337074 = 802 <!--Silz --> | 07143071 = 1433 <!--Simmern --> | 07140144 = 7736 <!--Simmern/ Hunsrück, Stadt --> | 07133096 = 1961 <!--Simmertal --> | 07141129 = 1847 <!--Singhofen --> | 07232122 = 429 <!--Sinspelt --> | 07131077 = 17558 <!--Sinzig, Stadt --> | 07333071 = 1173 <!--Sippersfeld --> | 07333072 = 121 <!--Sitters --> | 07140145 = 3346 <!--Sohren --> | 07140146 = 94 <!--Sohrschied --> | 07235129 = 78 <!--Sommerau --> | 07133098 = 433 <!--Sommerloch --> | 07134085 = 493 <!--Sonnenberg-Winnenberg --> | 07134086 = 134 <!--Sonnschied --> | 07339054 = 1180 <!--Sörgenloch --> | 07132106 = 236 <!--Sörth --> | 07135080 = 173 <!--Sosberg --> | 07133099 = 1173 <!--Spabrücken --> | 07133100 = 165 <!--Spall --> | 07232311 = 804 <!--Spangdahlem --> | 07137223 = 1932 <!--Spay --> | 07232123 = 3108 <!--Speicher --> | 07140147 = 151 <!--Spesenroth --> | 07131208 = 757 <!--Spessart --> | 07318000 = 49930 <!--Speyer, Stadt --> | 07331061 = 986 <!--Spiesheim --> | 07340049 = 704 <!--Spirkelbach --> | 07133101 = 843 <!--Sponheim --> | 07339056 = 3983 <!--Sprendlingen --> | 07339057 = 4526 <!--Stadecken-Elsheim --> | 07233240 = 1529 <!--Stadtkyll --> | 07333073 = 197 <!--Stahlberg --> | 07143072 = 702 <!--Stahlhofen --> | 07143293 = 326 <!--Stahlhofen am Wiesensee --> | 07333074 = 227 <!--Standenbühl --> | 07231120 = 254 <!--Starkenburg --> | 07133102 = 1486 <!--Staudernheim --> | 07143073 = 1099 <!--Staudt --> | 07138069 = 325 <!--Stebach --> | 07233241 = 660 <!--Steffeln --> | 07138070 = 1298 <!--Steimel --> | 07340050 = 449 <!--Steinalben --> | 07140148 = 114 <!--Steinbach --> | 07333075 = 792 <!--Steinbach am Donnersberg --> | 07336096 = 902 <!--Steinbach am Glan --> | 07331062 = 692 <!--Stein-Bockenheim --> | 07232313 = 218 <!--Steinborn --> | 07143294 = 809 <!--Steinebach an der Wied --> | 07132107 = 1265 <!--Steinebach/ Sieg --> | 07233067 = 228 <!--Steineberg --> | 07143074 = 770 <!--Steinefrenz --> | 07143075 = 235 <!--Steinen --> | 07132108 = 656 <!--Steineroth --> | 07337076 = 1956 <!--Steinfeld --> | 07233068 = 206 <!--Steiningen --> | 07143295 = 438 <!--Stein-Neukirch --> | 07141130 = 256 <!--Steinsberg --> | 07334030 = 1878 <!--Steinweiler --> | 07335044 = 2499 <!--Steinwenden --> | 07143296 = 213 <!--Stein-Wingert --> | 07335045 = 1217 <!--Stelzenberg --> | 07333076 = 652 <!--Stetten --> | 07134087 = 944 <!--Stipshausen --> | 07232124 = 80 <!--Stockem --> | 07143297 = 470 <!--Stockhausen-Illfurth --> | 07143298 = 680 <!--Stockum-Püschen --> | 07138071 = 1876 <!--Straßenhaus --> | 07143299 = 554 <!--Streithausen --> | 07232315 = 34 <!--Strickscheid --> | 07233070 = 492 <!--Strohn --> | 07133103 = 3163 <!--Stromberg, Stadt --> | 07233071 = 431 <!--Strotzbüsch --> | 07141131 = 311 <!--Strüth --> | 07132109 = 247 <!--Stürzelbach --> | 07232125 = 447 <!--Sülm --> | 07134088 = 319 <!--Sulzbach --> | 07141132 = 215 <!--Sulzbach --> | 07335046 = 462 <!--Sulzbachtal --> | 07331063 = 1091 <!--Sulzheim --> | 07235131 = 870 <!--Taben-Rodt --> | 07231122 = 232 <!--Talling --> | 07235132 = 2571 <!--Tawern --> | 07135081 = 275 <!--Tellig --> | 07235133 = 704 <!--Temmels --> | 07333077 = 126 <!--Teschenmoschel --> | 07340051 = 3411 <!--Thaleischweiler-Fröschen --> | 07231123 = 1774 <!--Thalfang --> | 07138072 = 732 <!--Thalhausen --> | 07336097 = 578 <!--Thallichtenberg --> | 07336098 = 704 <!--Theisbergstegen --> | 07235135 = 1097 <!--Thomm --> | 07140149 = 146 <!--Thörlingen --> | 07235134 = 172 <!--Thörnich --> | 07137101 = 1507 <!--Thür --> | 07140150 = 783 <!--Tiefenbach --> | 07332044 = 845 <!--Tiefenthal --> | 07133104 = 138 <!--Tiefenthal --> | 07140151 = 93 <!--Todenroth --> | 07231124 = 5962 <!--Traben-Trarbach, Stadt --> | 07133105 = 568 <!--Traisen --> | 07235136 = 1188 <!--Trassem --> | 07339058 = 1004 <!--Trechtingshausen --> | 07135082 = 2282 <!--Treis-Karden --> | 07211000 = 104640 <!--Trier, Stadt --> | 07131079 = 61 <!--Trierscheid --> | 07235137 = 3530 <!--Trierweiler --> | 07137102 = 645 <!--Trimbs --> | 07232126 = 295 <!--Trimport --> | 07335047 = 3088 <!--Trippstadt --> | 07231207 = 1082 <!--Trittenheim --> | 07340052 = 1325 <!--Trulben --> | 07232127 = 47 <!--Übereisenbach --> | 07331064 = 1366 <!--Udenheim --> | 07233075 = 1087 <!--Üdersdorf --> | 07233074 = 298 <!--Udler --> | 07339059 = 1090 <!--Uelversheim --> | 07233242 = 721 <!--Uersfeld --> | 07233243 = 44 <!--Ueß --> | 07140153 = 392 <!--Uhler --> | 07135083 = 3265 <!--Ulmen --> | 07336099 = 740 <!--Ulmet --> | 07339060 = 2653 <!--Undenheim --> | 07138073 = 4993 <!--Unkel, Stadt --> | 07333078 = 234 <!--Unkenbach --> | 07143300 = 1846 <!--Unnau --> | 07336100 = 83 <!--Unterjeckenbach --> | 07143077 = 509 <!--Untershausen --> | 07140154 = 429 <!--Unzenberg --> | 07232128 = 71 <!--Uppershausen --> | 07138074 = 1544 <!--Urbach --> | 07137224 = 3103 <!--Urbar --> | 07140155 = 792 <!--Urbar --> | 07135084 = 459 <!--Urmersbach --> | 07137225 = 3544 <!--Urmitz --> | 07135085 = 263 <!--Urschmitt --> | 07231125 = 882 <!--Ürzig --> | 07232129 = 65 <!--Usch --> | 07232102 = 489 <!--Utscheid --> | 07232333 = 473 <!--Üttfeld --> | 07140156 = 122 <!--Utzenhain --> | 07233077 = 181 <!--Utzerath --> | 07233076 = 1400 <!--Üxheim --> | 07137226 = 8463 <!--Vallendar, Stadt --> | 07135086 = 447 <!--Valwig --> | 07134089 = 674 <!--Veitsrodt --> | 07231126 = 898 <!--Veldenz --> | 07331065 = 591 <!--Vendersheim --> | 07337077 = 948 <!--Venningen --> | 07138075 = 3308 <!--Vettelschoß --> | 07143078 = 575 <!--Vielbach --> | 07235140 = 200 <!--Vierherrenborn --> | 07340053 = 1691 <!--Vinningen --> | 07137105 = 431 <!--Virneburg --> | 07337078 = 633 <!--Völkersweiler --> | 07132110 = 89 <!--Volkerzen --> | 07137106 = 565 <!--Volkesfeld --> | 07134090 = 536 <!--Vollmersbach --> | 07334031 = 213 <!--Vollmersweiler --> | 07133106 = 1080 <!--Volxheim --> | 07337079 = 649 <!--Vorderweidenthal --> | 07331066 = 652 <!--Wachenheim --> | 07332046 = 4699 <!--Wachenheim an der Weinstraße, Stadt --> | 07339061 = 2584 <!--Wackernheim --> | 07135087 = 67 <!--Wagenhausen --> | 07140158 = 166 <!--Wahlbach --> | 07140159 = 216 <!--Wahlenau --> | 07331067 = 608 <!--Wahlheim --> | 07143301 = 859 <!--Wahlrod --> | 07336101 = 732 <!--Wahnwegen --> | 07143302 = 209 <!--Waigandshain --> | 07339062 = 3992 <!--Waldalgesheim --> | 07133107 = 2346 <!--Waldböckelheim --> | 07138076 = 1854 <!--Waldbreitbach --> | 07137227 = 2268 <!--Waldesch --> | 07340054 = 4958 <!--Waldfischbach-Burgalben --> | 07333079 = 221 <!--Waldgrehweiler --> | 07337080 = 367 <!--Waldhambach --> | 07232130 = 35 <!--Waldhof-Falkenstein --> | 07133108 = 793 <!--Waldlaubersheim --> | 07335048 = 421 <!--Waldleiningen --> | 07336102 = 5281 <!--Waldmohr --> | 07143303 = 343 <!--Waldmühlen --> | 07131081 = 897 <!--Waldorf --> | 07235141 = 1989 <!--Waldrach --> | 07337081 = 390 <!--Waldrohrbach --> | 07338026 = 5331 <!--Waldsee --> | 07235142 = 893 <!--Waldweiler --> | 07135088 = 215 <!--Walhausen --> | 07233079 = 455 <!--Wallenborn --> | 07232131 = 378 <!--Wallendorf --> | 07232318 = 749 <!--Wallersheim --> | 07331068 = 1804 <!--Wallertheim --> | 07340225 = 837 <!--Wallhalben --> | 07133109 = 1588 <!--Wallhausen --> | 07132111 = 1248 <!--Wallmenroth --> | 07143304 = 1314 <!--Wallmerod --> | 07231127 = 347 <!--Wallscheid --> | 07233080 = 894 <!--Walsdorf --> | 07340226 = 346 <!--Walshausen --> | 07337082 = 527 <!--Walsheim --> | 07132112 = 164 <!--Walterschen --> | 07133110 = 450 <!--Warmsroth --> | 07333080 = 543 <!--Wartenberg-Rohrbach --> | 07141133 = 354 <!--Wasenbach --> | 07131209 = 1105 <!--Wassenach --> | 07235143 = 2221 <!--Wasserliesch --> | 07332047 = 1631 <!--Wattenheim --> | 07232320 = 425 <!--Watzerath --> | 07232321 = 296 <!--Wawern --> | 07235144 = 608 <!--Wawern --> | 07232322 = 1112 <!--Waxweiler --> | 07131210 = 1138 <!--Wehr --> | 07131211 = 1548 <!--Weibern --> | 07134091 = 87 <!--Weiden --> | 07233081 = 274 <!--Weidenbach --> | 07141134 = 119 <!--Weidenbach --> | 07143305 = 571 <!--Weidenhahn --> | 07332048 = 1909 <!--Weidenthal --> | 07232132 = 184 <!--Weidingen --> | 07135089 = 315 <!--Weiler --> | 07137110 = 532 <!--Weiler --> | 07339063 = 2586 <!--Weiler bei Bingen --> | 07133111 = 475 <!--Weiler bei Monzingen --> | 07335049 = 4697 <!--Weilerbach --> | 07141135 = 445 <!--Weinähr --> | 07334032 = 1705 <!--Weingarten (Pfalz) --> | 07339064 = 680 <!--Weinolsheim --> | 07232226 = 1025 <!--Weinsheim --> | 07133112 = 1903 <!--Weinsheim --> | 07141136 = 1119 <!--Weisel --> | 07332049 = 1648 <!--Weisenheim am Berg --> | 07332050 = 4391 <!--Weisenheim am Sand --> | 07137228 = 7786 <!--Weißenthurm, Stadt --> | 07132113 = 2437 <!--Weitefeld --> | 07134092 = 79 <!--Weitersbach --> | 07133113 = 260 <!--Weitersborn --> | 07137229 = 2266 <!--Weitersburg --> | 07333081 = 495 <!--Weitersweiler --> | 07233244 = 128 <!--Welcherath --> | 07336103 = 206 <!--Welchweiler --> | 07339065 = 624 <!--Welgesheim --> | 07143306 = 145 <!--Welkenbach --> | 07235146 = 809 <!--Wellen --> | 07137112 = 905 <!--Welling --> | 07235501 = 2583 <!--Welschbillig --> | 07137113 = 53 <!--Welschenbach --> | 07143079 = 955 <!--Welschneudorf --> | 07141137 = 517 <!--Welterod --> | 07143307 = 278 <!--Weltersburg --> | 07331070 = 1400 <!--Wendelsheim --> | 07132114 = 239 <!--Werkhausen --> | 07337083 = 1152 <!--Wernersberg --> | 07143080 = 610 <!--Weroth --> | 07131082 = 886 <!--Wershofen --> | 07340055 = 1366 <!--Weselberg --> | 07143308 = 5623 <!--Westerburg, Stadt --> | 07143309 = 965 <!--Westernohe --> | 07334033 = 1734 <!--Westheim (Pfalz) --> | 07331071 = 3195 <!--Westhofen --> | 07232133 = 52 <!--Wettlingen --> | 07141138 = 475 <!--Weyer --> | 07132115 = 1404 <!--Weyerbusch --> | 07337084 = 491 <!--Weyher in der Pfalz --> | 07134093 = 185 <!--Wickenrodt --> | 07140161 = 596 <!--Wiebelsheim --> | 07143310 = 497 <!--Wied --> | 07137114 = 332 <!--Wierschem --> | 07232134 = 229 <!--Wiersdorf --> | 07340227 = 544 <!--Wiesbach --> | 07233083 = 612 <!--Wiesbaum --> | 07131083 = 265 <!--Wiesemscheid --> | 07336104 = 443 <!--Wiesweiler --> | 07340057 = 1081 <!--Wilgartswiesen --> | 07143311 = 263 <!--Willingen --> | 07143312 = 686 <!--Willmenrod --> | 07132116 = 847 <!--Willroth --> | 07231132 = 63 <!--Willwerscheid --> | 07232135 = 199 <!--Wilsecker --> | 07235148 = 1407 <!--Wiltingen --> | 07134094 = 303 <!--Wilzenberg-Hußweiler --> | 07131084 = 440 <!--Wimbach --> | 07235149 = 1681 <!--Wincheringen --> | 07141139 = 721 <!--Winden --> | 07334034 = 1054 <!--Winden --> | 07133114 = 1794 <!--Windesheim --> | 07138077 = 4312 <!--Windhagen --> | 07233084 = 152 <!--Winkel (Eifel) --> | 07143313 = 234 <!--Winkelbach --> | 07143314 = 444 <!--Winnen --> | 07131085 = 221 <!--Winnerath --> | 07137230 = 2433 <!--Winningen --> | 07333503 = 4678 <!--Winnweiler --> | 07232327 = 67 <!--Winringen --> | 07133115 = 471 <!--Winterbach --> | 07340228 = 522 <!--Winterbach (Pfalz) --> | 07333083 = 189 <!--Winterborn --> | 07133116 = 204 <!--Winterburg --> | 07232328 = 151 <!--Winterscheid --> | 07339066 = 311 <!--Wintersheim --> | 07232329 = 807 <!--Winterspelt --> | 07141140 = 177 <!--Winterwerb --> | 07231133 = 954 <!--Wintrich --> | 07131086 = 147 <!--Wirft --> | 07135090 = 195 <!--Wirfus --> | 07143081 = 5119 <!--Wirges, Stadt --> | 07143082 = 317 <!--Wirscheid --> | 07134095 = 338 <!--Wirschweiler --> | 07132117 = 8271 <!--Wissen, Stadt --> | 07232501 = 786 <!--Wißmannsdorf --> | 07143084 = 658 <!--Wittgert --> | 07231134 = 17763 <!--Wittlich, Stadt --> | 07138078 = 613 <!--Woldert --> | 07143085 = 545 <!--Wölferlingen --> | 07339202 = 744 <!--Wolfsheim --> | 07336105 = 1983 <!--Wolfstein, Stadt --> | 07137231 = 1079 <!--Wolken --> | 07135091 = 218 <!--Wollmerath --> | 07331072 = 4420 <!--Wöllstein --> | 07132118 = 409 <!--Wölmersen --> | 07232137 = 789 <!--Wolsfeld --> | 07140163 = 219 <!--Womrath --> | 07331075 = 878 <!--Wonsheim --> | 07140164 = 292 <!--Woppenroth --> | 07319000 = 82040 <!--Worms, Stadt --> | 07331073 = 7576 <!--Wörrstadt --> | 07334501 = 17377 <!--Wörth am Rhein, Stadt --> | 07140165 = 153 <!--Würrich --> | 07333084 = 209 <!--Würzweiler --> | 07140166 = 319 <!--Wüschheim --> | 07143315 = 414 <!--Zehnhausen bei Rennerod --> | 07143316 = 184 <!--Zehnhausen bei Wallmerod --> | 07334036 = 2253 <!--Zeiskam --> | 07135092 = 4226 <!--Zell (Mosel), Stadt --> | 07333501 = 1228 <!--Zellertal --> | 07231136 = 2244 <!--Zeltingen-Rachtig --> | 07235151 = 2832 <!--Zemmer --> | 07232331 = 135 <!--Zendscheid --> | 07235152 = 1557 <!--Zerf --> | 07135093 = 254 <!--Zettingen --> | 07132119 = 133 <!--Ziegenhain --> | 07135094 = 311 <!--Zilshausen --> | 07141141 = 83 <!--Zimmerschied --> | 07339067 = 3642 <!--Zornheim --> | 07339068 = 640 <!--Zotzenheim --> | 07235153 = 653 <!--Züsch --> | 07320000 = 34525 <!--Zweibrücken, Stadt --> | 07232138 = 40 <!--Zweifelscheid --> |#default= <strong class="error">Ungültiger Metadaten-Schlüssel <tt>{{{1}}}</tt></strong>[[Kategorie:Vorlage:Metadaten Einwohnerzahl/Fehler]] }} }}</includeonly><noinclude> [[Kategorie:Vorlage:Metadaten Einwohnerzahl DE|RP]] [[Kategorie:Vorlage:Rheinland-Pfalz|Metadaten Einwohnerzahl DE]] </noinclude> ccuy9e1e7xudkor9eii7tiehic95m4s wikitext text/x-wiki Vorlage:Kader der New England Patriots 10 24124 26721 2009-11-26T15:43:55Z Wiegels 0 Formatierung {| class="toccolours" |- ! colspan="7" style="background-color: #0d254c;" | <div style="color:#d6d6d6;">Kader der New England Patriots</div> |- | style="font-size: 95%;" valign="top" | '''Quarterbacks''' * <tt>12</tt> [[Tom Brady]] * <tt>&nbsp;8</tt> ''[[Brian Hoyer]]'' '''Runningbacks''' * <tt>33</tt> [[Kevin Faulk]] * <tt>42</tt> [[BenJarvus Green-Ellis]] * <tt>39</tt> [[Laurence Maroney]] * <tt>34</tt> [[Sammy Morris]] * <tt>21</tt> [[Fred Taylor (Footballspieler)|Fred Taylor]] '''Wide Receiver''' * <tt>88</tt> [[Sam Aiken]] * <tt>11</tt> ''[[Julian Edelman]]'' RS * <tt>81</tt> [[Randy Moss]] * <tt>83</tt> [[Wes Welker]] '''Tight Ends''' * <tt>86</tt> [[Chris Baker]] * <tt>84</tt> [[Benjamin Watson]] | style="width: 25px;" | | style="font-size: 95%;" valign="top" | '''Offensive Linemans''' * <tt>63</tt> [[Dan Connolly]] G/C * <tt>77</tt> [[Nick Kaczur]] T * <tt>67</tt> [[Dan Koppen]] C * <tt>72</tt> [[Matt Light]] T * <tt>70</tt> [[Logan Mankins]] G * <tt>61</tt> [[Stephen Neal]] G * <tt>60</tt> ''[[Rich Ohrnberger]]'' G/C * <tt>71</tt> [[Kendall Simmons]] G * <tt>76</tt> ''[[Sebastian Vollmer]]'' T '''Defensive Linemans''' * <tt>92</tt> ''[[Ron Brace]]'' NT/DE * <tt>97</tt> [[Jarvis Green]] DE * <tt>91</tt> ''[[Myron Pryor]]'' NT/DE * <tt>94</tt> [[Ty Warren]] DE * <tt>75</tt> [[Vince Wilfork]] NT * <tt>99</tt> [[Mike Wright]] DE/NT | style="width: 25px;" | | style="font-size: 95%;" valign="top" | '''Linebacker''' * <tt>52</tt> [[Eric Alexander (Footballspieler)|Eric Alexander]] ILB * <tt>95</tt> [[Tully Banta-Cain]] OLB/DE * <tt>53</tt> [[Derrick Burgess]] OLB/DE * <tt>59</tt> [[Gary Guyton]] OLB * <tt>51</tt> [[Jerod Mayo]] ILB * <tt>50</tt> [[Rob Ninkovich]] OLB * <tt>55</tt> [[Junior Seau]] ILB * <tt>96</tt> [[Adalius Thomas]] OLB * <tt>58</tt> [[Pierre Woods]] OLB '''Defensive Backs''' * <tt>23</tt> [[Leigh Bodden]] CB * <tt>28</tt> ''[[Darius Butler]]'' CB * <tt>25</tt> ''[[Pat Chung]]'' S * <tt>38</tt> ''[[Bret Lockett]]'' S * <tt>30</tt> [[Brandon McGowan]] S * <tt>31</tt> [[Brandon Meriweather]] S * <tt>36</tt> [[James Sanders]] S * <tt>18</tt> [[Matthew Slater]] S * <tt>29</tt> [[Shawn Springs]] CB * <tt>22</tt> [[Terrence Wheatley]] CB * <tt>24</tt> [[Jonathan Wilhite]] CB '''Special Teams''' * <tt>&nbsp;3</tt> [[Stephen Gostkowski]] K * <tt>&nbsp;6</tt> [[Chris Hanson]] P * <tt>47</tt> ''[[Jake Ingram]]'' LS | style="width: 25px;" | | style="font-size: 95%;" valign="top" | '''Reserveliste''' * <tt>15</tt> ''[[Tyree Barnes]]'' WR <small>(Militär)</small> * <tt>66</tt> ''[[George Bussey]]'' T/G <small>(IR)</small> [[Datei:Injury icon.svg|7px]] * <tt>98</tt> [[Shawn Crable]] OLB <small>(IR)</small> [[Datei:Injury icon.svg|7px]] * <tt>44</tt> ''[[Eric Kettani]]'' FB <small>(Militär)</small> * <tt>64</tt> [[Mark LeVoir]] OT <small>(PUP)</small> [[Datei:Injury icon.svg|7px]] * <tt>44</tt> ''[[Tyrone McKenzie]]'' ILB <small>(IR)</small> [[Datei:Injury icon.svg|7px]] * <tt>19</tt> ''[[Brandon Tate]]'' WR <small>(NF-Inj.)</small> [[Datei:Injury icon.svg|7px]] * <tt>35</tt> [[Chris Taylor (Footballspieler)]] RB <small>(IR)</small> [[Datei:Injury icon.svg|7px]] * <tt>16</tt> ''[[Shun White]]'' WR <small>(Militär)</small> '''Practice Squad''' * <tt>62</tt> [[Titus Adams]] DT * <tt>85</tt> ''[[Robbie Agnone]]'' TE * <tt>27</tt> [[Kyle Arrington]] CB * <tt>49</tt> [[Bruce Davis]] OLB * <tt>10</tt> ''[[Terrence Nunn]]'' WR * <tt>90</tt> ''[[Darryl Richard]]'' DT * <tt>&nbsp;9</tt> [[Isaiah Stanback]] QB/WR * <tt>69</tt> [[Ryan Wendell]] C/G <small>''Rookies in kursiver Schrift''<br /> <span class="plainlinks">[http://www.patriots.com/team/index.cfm?ac=Rosters&Print=yes Roster]</span> Stand: 7. Woche 2009<br /> <span class="plainlinks">[http://www.patriots.com/depthchart.cfm Depth Chart]</span> • <span class="plainlinks">[http://profootballweekly.com/PFW/NFL/AFC/AFC+East/New+England/Transactions/default.htm Transaktionen]</span></small><br /> <small>51 Aktive, 9 Inaktive, 8 Practice Squad</small> |}<noinclude> [[Kategorie:New England Patriots|Kader]] [[Kategorie:Vorlage:NFL-Team-Kader|New England Patriots]] [[en:Template:New England Patriots roster]] </noinclude> 1z23gkpiiuw0vlxdk5hmypa7udd5p58 wikitext text/x-wiki Vorlage:Infobox Mond 10 24125 26722 2010-02-10T22:27:52Z Lotse 0 neue Kat <onlyinclude><includeonly>{| class="wikitable float-right" style="width:30%; min-width:250px; max-width:400px;" |-- ! colspan="2" style="background-color:Khaki;" |{{#if: {{{Name|}}}|{{{Name}}}|{{{SysName|Unbenannt}}}}} |-- {{#if: {{{Bild|}}}| {{!-!}} colspan="2" style="background-color:Black; color:White; text-align:center;" {{!}} {{{Bild}}} {{#if: {{{Bildtext}}}| {{!-!}} colspan="2" style="background-color:Gainsboro; 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Beispiel: <tt><nowiki>{{BS|KMW|{{BSkm|1.2|1.5}}|km-Wechsel}}</nowiki></tt> {{BS-Baustein-Hinweis}} [[cs:Šablona:BSkm]] [[hsb:Předłoha:ŽLkm]] </noinclude> i2hd59w013aiejzlweue8azdni7ndhl wikitext text/x-wiki Vorlage:Navigationsleiste Föderationssubjekte Russlands 10 24142 26739 2009-12-28T01:08:34Z SibFreak 0 Revert: Das geht über Rahmen einer Navileiste hinaus - so einfach ist das nicht. Es SIND eigenständige Subjekte, die aber "irgendwie" auch zu den Oblasten gehören (Disk.?) {{Navigationsleiste |BILD=[[Bild:Flag of Russia.svg|50px|border|Flagge der Russischen Föderation]] |TITEL=[[Politische Gliederung Russlands|Föderationssubjekte Russlands]] |INHALT= '''Republiken:&nbsp;''' [[Adygeja]]&nbsp;&#124; [[Republik Altai|Altai]]&nbsp;&#124; [[Baschkortostan]]&nbsp;&#124; [[Burjatien]]&nbsp;&#124; [[Chakassien]]&nbsp;&#124; [[Dagestan]]&nbsp;&#124; [[Inguschetien]]&nbsp;&#124; [[Kabardino-Balkarien]]&nbsp;&#124; [[Kalmückien]]&nbsp;&#124; [[Karatschai-Tscherkessien]]&nbsp;&#124; [[Republik Karelien|Karelien]]&nbsp;&#124; [[Republik_Komi|Komi]]&nbsp;&#124; [[Mari El|Mari&nbsp;El]]&nbsp;&#124; [[Mordwinien]]&nbsp;&#124; [[Nordossetien-Alanien]]&nbsp;&#124; [[Sacha|Sacha&nbsp;(Jakutien)]]&nbsp;&#124; [[Tatarstan]]&nbsp;&#124; [[Tschetschenien]]&nbsp;&#124; [[Tschuwaschien]]&nbsp;&#124; [[Tuwa]]&nbsp;&#124; [[Udmurtien]] '''Regionen ([[Kraj|Krai]]):&nbsp;''' [[Region Altai|Altai]]&nbsp;&#124; [[Region Chabarowsk|Chabarowsk]]&nbsp;&#124; [[Region Kamtschatka|Kamtschatka]]&nbsp;&#124; [[Region Krasnodar|Krasnodar]]&nbsp;&#124; [[Region Krasnojarsk|Krasnojarsk]]&nbsp;&#124; [[Region Perm|Perm]]&nbsp;&#124; [[Region Primorje|Primorje]]&nbsp;&#124; [[Region Stawropol|Stawropol]]&nbsp;&#124; [[Region Transbaikalien|Transbaikalien]] '''Gebiete ([[Oblast]]):&nbsp;''' [[Oblast Amur|Amur]]&nbsp;&#124; [[Oblast Archangelsk|Archangelsk]]&nbsp;&#124; [[Oblast Astrachan|Astrachan]]&nbsp;&#124; [[Oblast Belgorod|Belgorod]]&nbsp;&#124; [[Oblast Brjansk|Brjansk]]&nbsp;&#124; [[Oblast Irkutsk|Irkutsk]]&nbsp;&#124; [[Oblast Iwanowo|Iwanowo]]&nbsp;&#124; [[Oblast Jaroslawl|Jaroslawl]]&nbsp;&#124; [[Oblast Kaliningrad|Kaliningrad]]&nbsp;&#124; [[Oblast Kaluga|Kaluga]]&nbsp;&#124; [[Oblast Kemerowo|Kemerowo]]&nbsp;&#124; [[Oblast Kirow|Kirow]]&nbsp;&#124; [[Oblast Kostroma|Kostroma]]&nbsp;&#124; [[Oblast Kurgan|Kurgan]]&nbsp;&#124; [[Oblast Kursk|Kursk]]&nbsp;&#124; [[Oblast Leningrad|Leningrad]]&nbsp;&#124; [[Oblast Lipezk|Lipezk]]&nbsp;&#124; [[Oblast Magadan|Magadan]]&nbsp;&#124; [[Oblast Moskau|Moskau]]&nbsp;&#124; [[Oblast Murmansk|Murmansk]]&nbsp;&#124; [[Oblast Nischni Nowgorod|Nischni Nowgorod]]&nbsp;&#124; [[Oblast Nowgorod|Nowgorod]]&nbsp;&#124; [[Oblast Nowosibirsk|Nowosibirsk]]&nbsp;&#124; [[Oblast Omsk|Omsk]]&nbsp;&#124; [[Oblast Orenburg|Orenburg]]&nbsp;&#124; [[Oblast Orjol|Orjol]]&nbsp;&#124; [[Oblast Pensa|Pensa]]&nbsp;&#124; [[Oblast Pskow|Pskow]]&nbsp;&#124; [[Oblast Rjasan|Rjasan]]&nbsp;&#124; [[Oblast Rostow|Rostow]]&nbsp;&#124; [[Oblast Sachalin|Sachalin]]&nbsp;&#124; [[Oblast Samara|Samara]]&nbsp;&#124; [[Oblast Saratow|Saratow]]&nbsp;&#124; [[Oblast Smolensk|Smolensk]]&nbsp;&#124; [[Oblast Swerdlowsk|Swerdlowsk]]&nbsp;&#124; [[Oblast Tambow|Tambow]]&nbsp;&#124; [[Oblast Tjumen|Tjumen]]&nbsp;&#124; [[Oblast Tomsk|Tomsk]]&nbsp;&#124; [[Oblast Tscheljabinsk|Tscheljabinsk]]&nbsp;&#124; [[Oblast Tula|Tula]]&nbsp;&#124; [[Oblast Twer|Twer]]&nbsp;&#124; [[Oblast Uljanowsk|Uljanowsk]]&nbsp;&#124; [[Oblast Wladimir|Wladimir]]&nbsp;&#124; [[Oblast Wolgograd|Wolgograd]]&nbsp;&#124; [[Oblast Wologda|Wologda]]&nbsp;&#124; [[Oblast Woronesch|Woronesch]] '''Städte&nbsp;mit&nbsp;Subjektstatus:&nbsp;''' [[Moskau]]&nbsp;&#124; [[Sankt Petersburg]] '''Autonome Gebiete:&nbsp;''' [[Jüdisches Autonomes Gebiet|Jüdisches&nbsp;Autonomes&nbsp;Gebiet]] '''[[Autonomer Kreis|Autonome Kreise]]:&nbsp;''' [[Autonomer Kreis der Chanten und Mansen|Chanten&nbsp;und&nbsp;Mansen]]&nbsp;&#124; [[Autonomer Kreis der Jamal-Nenzen|Jamal-Nenzen]]&nbsp;&#124; [[Autonomer Kreis der Nenzen|Nenzen]]&nbsp;&#124; [[Autonomer Kreis der Tschuktschen|Tschuktschen]] }}<noinclude> [[Kategorie:Vorlage:Navigationsleiste Verwaltungsgliederung (Russland)|!Föderationssubjekte]] [[bg:Шаблон:Субекти на Руската федерация]] [[fa:Template:تقسیمات کشوری روسیه]] [[fr:Modèle:89 sujets fédéraux de Russie]] [[he:תבנית:מחוזות רוסיה]] [[hr:Predložak:Rusija]] [[mk:Шаблон:Русија]] [[ro:Format:Subdiviziunile_Rusiei]] [[ru:Шаблон:Субъекты Российской Федерации]] [[sl:Predloga:Subdivisions of Russia]] [[sr:Шаблон:Русија]] [[zh:Template:Rossija]] </noinclude> 56z0mtv43n7s5zf283qh02o4wxm88hk wikitext text/x-wiki Vorlage:Metadaten Einwohnerzahl DE-NI 10 24143 26740 2009-12-12T21:49:50Z Septembermorgen 0 <noinclude>{{Dokumentation}}</noinclude><includeonly>{{#if: {{{2|}}} | <!-- Die Metadaten-Parameter sind hier unabhängig vom Schlüssel --> {{#switch: {{{2}}} | STAND | TIMESTAMP=2008-12-31 | QUELLE=[http://www1.nls.niedersachsen.de/statistik/html/parametereingabe.asp?DT=K1000014&CM=Bev%F6lkerungsfortschreibung Landesbetrieb für Statistik und Kommunikationstechnologie Niedersachsen - Bevölkerungsfortschreibung] }} | {{#switch: {{{1}}} | Datum = 31. Dezember 2008 | Quelle = [http://www1.nls.niedersachsen.de/statistik/html/parametereingabe.asp?DT=K1000014&CM=Bev%F6lkerungsfortschreibung Landesbetrieb für Statistik und Kommunikationstechnologie Niedersachsen - Bevölkerungsfortschreibung] | 03 = 7947244<!--Niedersachsen--> | 03151 = 173765<!--Landkreis Gifhorn --> | 03152 = 259902<!--Landkreis Göttingen --> | 03153 = 146187<!--Landkreis Goslar --> | 03154 = 94870<!--Landkreis Helmstedt --> | 03155 = 142321<!--Landkreis Northeim --> | 03156 = 79355<!--Landkreis Osterode am Harz --> | 03157 = 132613<!--Landkreis Peine --> | 03158 = 123663<!--Landkreis Wolfenbüttel --> | 03241 = 1129797<!--Region Hannover --> | 03251 = 214379<!--Landkreis Diepholz --> | 03252 = 156398<!--Landkreis Hameln-Pyrmont --> | 03254 = 286663<!--Landkreis Hildesheim --> | 03255 = 75092<!--Landkreis Holzminden --> | 03256 = 123881<!--Landkreis Nienburg/Weser --> | 03257 = 162971<!--Landkreis Schaumburg --> | 03351 = 180130<!--Landkreis Celle --> | 03352 = 202124<!--Landkreis Cuxhaven --> | 03353 = 244640<!--Landkreis Harburg --> | 03354 = 49965<!--Landkreis Lüchow-Dannenberg --> | 03355 = 176512<!--Landkreis Lüneburg --> | 03356 = 112486<!--Landkreis Osterholz --> | 03357 = 164603<!--Landkreis Rotenburg (Wümme) --> | 03358 = 140792<!--Landkreis Soltau-Fallingbostel --> | 03359 = 196891<!--Landkreis Stade --> | 03360 = 94940<!--Landkreis Uelzen --> | 03361 = 133560<!--Landkreis Verden --> | 03451 = 117102<!--Landkreis Ammerland --> | 03452 = 189381<!--Landkreis Aurich --> | 03453 = 157268<!--Landkreis Cloppenburg --> | 03454 = 313824<!--Landkreis Emsland --> | 03455 = 100307<!--Landkreis Friesland --> | 03456 = 135508<!--Landkreis Grafschaft Bentheim --> | 03457 = 164947<!--Landkreis Leer --> | 03458 = 125943<!--Landkreis Oldenburg --> | 03459 = 358236<!--Landkreis Osnabrück --> | 03460 = 134506<!--Landkreis Vechta --> | 03461 = 91968<!--Landkreis Wesermarsch --> | 03462 = 57492<!--Landkreis Wittmund --> | 03101000 = 246012<!-- Braunschweig, Stadt --> | 03102000 = 104423<!-- Salzgitter, Stadt --> | 03103000 = 120538<!-- Wolfsburg, Stadt --> | 03151001 = 1717<!-- Adenbüttel --> | 03151002 = 1057<!-- Barwedel --> | 03151003 = 924<!-- Bergfeld --> | 03151004 = 952<!-- Bokensdorf --> | 03151005 = 3323<!-- Brome, Flecken --> | 03151006 = 5145<!-- Calberlah --> | 03151007 = 1539<!-- Dedelstorf --> | 03151008 = 1613<!-- Ehra-Lessien --> | 03151009 = 41799<!-- Gifhorn, Stadt --> | 03151010 = 1949<!-- Groß Oesingen --> | 03151011 = 4370<!-- Hankensbüttel --> | 03151012 = 2576<!-- Hillerse --> | 03151013 = 6099<!-- Isenbüttel --> | 03151014 = 1998<!-- Jembke --> | 03151015 = 4380<!-- Leiferde --> | 03151016 = 8136<!-- Meine --> | 03151017 = 8273<!-- Meinersen --> | 03151018 = 5641<!-- Müden (Aller) --> | 03151019 = 931<!-- Obernholz --> | 03151020 = 1959<!-- Osloß --> | 03151021 = 1920<!-- Parsau --> | 03151022 = 2165<!-- Ribbesbüttel --> | 03151023 = 2345<!-- Rötgesbüttel --> | 03151024 = 4859<!-- Rühen --> | 03151025 = 10956<!-- Sassenburg --> | 03151026 = 958<!-- Schönewörde --> | 03151027 = 6748<!-- Schwülper --> | 03151028 = 1299<!-- Sprakensehl --> | 03151029 = 1377<!-- Steinhorst --> | 03151030 = 1373<!-- Tappenbeck --> | 03151031 = 1296<!-- Tiddische --> | 03151032 = 1531<!-- Tülau --> | 03151033 = 1564<!-- Ummern --> | 03151034 = 3268<!-- Vordorf --> | 03151035 = 1158<!-- Wagenhoff --> | 03151036 = 3748<!-- Wahrenholz --> | 03151037 = 1913<!-- Wasbüttel --> | 03151038 = 4950<!-- Wesendorf --> | 03151039 = 2622<!-- Weyhausen --> | 03151040 = 11980<!-- Wittingen, Stadt --> | 03151041 = 1354<!-- Didderse --> | 03151401 = 9961<!-- Samtgemeinde Boldecker Land--> | 03151402 = 15466<!-- Samtgemeinde Brome--> | 03151403 = 9516<!-- Samtgemeinde Hankensbüttel--> | 03151404 = 15322<!-- Samtgemeinde Isenbüttel--> | 03151405 = 20870<!-- Samtgemeinde Meinersen--> | 03151406 = 23568<!-- Samtgemeinde Papenteich--> | 03151407 = 14327<!-- Samtgemeinde Wesendorf--> | 03152001 = 6626<!-- Adelebsen, Flecken --> | 03152002 = 2400<!-- Bilshausen --> | 03152003 = 788<!-- Bodensee --> | 03152004 = 13529<!-- Bovenden, Flecken --> | 03152005 = 536<!-- Bühren --> | 03152006 = 4156<!-- Dransfeld, Stadt --> | 03152007 = 22114<!-- Duderstadt, Stadt --> | 03152008 = 1824<!-- Ebergötzen --> | 03152009 = 10726<!-- Friedland --> | 03152010 = 4037<!-- Gieboldehausen, Flecken --> | 03152011 = 9411<!-- Gleichen --> | 03152012 = 121455<!-- Göttingen, Stadt --> | 03152013 = 1089<!-- Jühnde --> | 03152014 = 1141<!-- Krebeck --> | 03152015 = 1192<!-- Landolfshausen --> | 03152016 = 24612<!-- Hann. 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20481<!-- Burgwedel, Stadt --> | 03241005 = 62000<!-- Garbsen, Stadt --> | 03241006 = 14611<!-- Gehrden, Stadt --> | 03241007 = 18502<!-- Hemmingen, Stadt --> | 03241008 = 22846<!-- Isernhagen --> | 03241009 = 40109<!-- Laatzen, Stadt --> | 03241010 = 51691<!-- Langenhagen, Stadt --> | 03241011 = 43518<!-- Lehrte, Stadt --> | 03241012 = 45375<!-- Neustadt am Rübenberge, Stadt --> | 03241013 = 13944<!-- Pattensen, Stadt --> | 03241014 = 23286<!-- Ronnenberg, Stadt --> | 03241015 = 32729<!-- Seelze, Stadt --> | 03241016 = 22819<!-- Sehnde, Stadt --> | 03241017 = 29421<!-- Springe, Stadt --> | 03241018 = 20265<!-- Uetze --> | 03241019 = 29069<!-- Wedemark --> | 03241020 = 14156<!-- Wennigsen (Deister) --> | 03241021 = 41332<!-- Wunstorf, Stadt --> | 03251001 = 867<!-- Affinghausen --> | 03251002 = 3036<!-- Asendorf --> | 03251003 = 1230<!-- Bahrenborstel --> | 03251004 = 1268<!-- Barenburg, Flecken --> | 03251005 = 5913<!-- Barnstorf, Flecken --> | 03251006 = 1055<!-- Barver --> | 03251007 = 16125<!-- Bassum, Stadt --> | 03251008 = 1390<!-- Borstel --> | 03251009 = 1071<!-- Brockum --> | 03251010 = 6005<!-- Bruchhausen-Vilsen, Flecken --> | 03251011 = 503<!-- Dickel --> | 03251012 = 16553<!-- Diepholz, Stadt --> | 03251013 = 2940<!-- Drebber --> | 03251014 = 1055<!-- Drentwede --> | 03251015 = 1584<!-- Ehrenburg --> | 03251016 = 1089<!-- Engeln --> | 03251017 = 1856<!-- Eydelstedt --> | 03251018 = 1023<!-- Freistatt --> | 03251019 = 631<!-- Hemsloh --> | 03251020 = 1063<!-- Hüde --> | 03251021 = 2044<!-- Kirchdorf --> | 03251022 = 1060<!-- Lembruch --> | 03251023 = 2861<!-- Lemförde, Flecken --> | 03251024 = 522<!-- Maasen --> | 03251025 = 506<!-- Marl --> | 03251026 = 2793<!-- Martfeld --> | 03251027 = 1074<!-- Mellinghausen --> | 03251028 = 1155<!-- Neuenkirchen --> | 03251029 = 447<!-- Quernheim --> | 03251030 = 1757<!-- Rehden --> | 03251031 = 848<!-- Scholen --> | 03251032 = 1415<!-- Schwaförden --> | 03251033 = 2485<!-- Schwarme --> | 03251034 = 1246<!-- Siedenburg, Flecken --> | 03251035 = 605<!-- Staffhorst --> | 03251036 = 703<!-- Stemshorn --> | 03251037 = 33200<!-- Stuhr --> | 03251038 = 1061<!-- Sudwalde --> | 03251039 = 1594<!-- Süstedt --> | 03251040 = 12793<!-- Sulingen, Stadt --> | 03251041 = 24425<!-- Syke, Stadt --> | 03251042 = 12417<!-- Twistringen, Stadt --> | 03251043 = 1365<!-- Varrel --> | 03251044 = 6893<!-- Wagenfeld --> | 03251045 = 778<!-- Wehrbleck --> | 03251046 = 1759<!-- Wetschen --> | 03251047 = 30316<!-- Weyhe --> | 03251401 = 7711<!-- Samtgemeinde Altes Amt Lemförde--> | 03251402 = 11764<!-- Samtgemeinde Barnstorf--> | 03251403 = 17002<!-- Samtgemeinde Bruchhausen-Vilsen--> | 03251404 = 7708<!-- Samtgemeinde Kirchdorf--> | 03251405 = 5705<!-- Samtgemeinde Rehden--> | 03251406 = 6930<!-- Samtgemeinde Schwaförden--> | 03251407 = 4837<!-- Samtgemeinde Siedenburg--> | 03252001 = 11436<!-- Aerzen, Flecken --> | 03252002 = 17912<!-- Bad Münder am Deister, Stadt --> | 03252003 = 20920<!-- Bad Pyrmont, Stadt --> | 03252004 = 7632<!-- Coppenbrügge, Flecken --> | 03252005 = 10822<!-- Emmerthal --> | 03252006 = 58267<!-- Hameln, Stadt --> | 03252007 = 19312<!-- Hessisch Oldendorf, Stadt --> | 03252008 = 10097<!-- Salzhemmendorf, Flecken --> | 03254001 = 1064<!-- Adenstedt --> | 03254002 = 20460<!-- Alfeld (Leine), Stadt --> | 03254003 = 8067<!-- Algermissen --> | 03254004 = 970<!-- Almstedt --> | 03254005 = 13832<!-- Bad Salzdetfurth, Stadt --> | 03254006 = 1593<!-- Banteln --> | 03254007 = 1049<!-- Betheln --> | 03254008 = 10861<!-- Bockenem, Stadt --> | 03254009 = 951<!-- Brüggen --> | 03254010 = 1365<!-- Despetal --> | 03254011 = 6699<!-- Diekholzen --> | 03254012 = 639<!-- Eberholzen --> | 03254013 = 2820<!-- Eime, Flecken --> | 03254014 = 9238<!-- Elze, Stadt --> | 03254015 = 524<!-- Everode --> | 03254016 = 3169<!-- Freden (Leine) --> | 03254017 = 9909<!-- Giesen --> | 03254018 = 5315<!-- Gronau (Leine), Stadt --> | 03254019 = 663<!-- Harbarnsen --> | 03254020 = 12002<!-- Harsum --> | 03254021 = 103288<!-- Hildesheim, Stadt --> | 03254022 = 7396<!-- Holle --> | 03254023 = 3062<!-- Lamspringe, Flecken --> | 03254024 = 531<!-- Landwehr --> | 03254025 = 428<!-- Neuhof --> | 03254026 = 12708<!-- Nordstemmen --> | 03254027 = 1199<!-- Rheden --> | 03254028 = 18591<!-- Sarstedt, Stadt --> | 03254029 = 8439<!-- Schellerten --> | 03254030 = 981<!-- Sehlem --> | 03254031 = 2674<!-- Sibbesse --> | 03254032 = 8117<!-- Söhlde --> | 03254033 = 947<!-- Westfeld --> | 03254034 = 762<!-- Winzenburg --> | 03254035 = 889<!-- Woltershausen --> | 03254036 = 733<!-- Coppengrave --> | 03254037 = 2943<!-- Duingen, Flecken --> | 03254038 = 501<!-- Hoyershausen --> | 03254039 = 853<!-- Marienhagen --> | 03254040 = 431<!-- Weenzen --> | 03254401 = 4986<!-- Samtgemeinde Freden (Leine)--> | 03254402 = 14292<!-- Samtgemeinde Gronau (Leine)--> | 03254403 = 6023<!-- Samtgemeinde Lamspringe--> | 03254404 = 6294<!-- Samtgemeinde Sibbesse--> | 03254405 = 5461<!-- Samtgemeinde Duingen--> | 03255001 = 416<!-- Arholzen --> | 03255002 = 4107<!-- Bevern, Flecken --> | 03255003 = 5762<!-- Bodenwerder, Stadt --> | 03255004 = 2819<!-- Boffzen --> | 03255005 = 757<!-- Brevörde --> | 03255007 = 1553<!-- Deensen --> | 03255008 = 8460<!-- Delligsen, Flecken --> | 03255009 = 721<!-- Derental --> | 03255010 = 837<!-- Dielmissen --> | 03255012 = 1023<!-- Eimen --> | 03255013 = 3594<!-- Eschershausen, Stadt --> | 03255014 = 1195<!-- Fürstenberg --> | 03255015 = 1016<!-- Golmbach --> | 03255016 = 1683<!-- Halle --> | 03255017 = 2040<!-- Hehlen --> | 03255018 = 982<!-- Heinade --> | 03255019 = 911<!-- Heinsen --> | 03255020 = 483<!-- Heyen --> | 03255021 = 475<!-- Holenberg --> | 03255022 = 667<!-- Holzen --> | 03255023 = 20387<!-- Holzminden, Stadt --> | 03255025 = 1153<!-- Kirchbrak --> | 03255026 = 2529<!-- Lauenförde, Flecken --> | 03255027 = 703<!-- Lenne --> | 03255028 = 465<!-- Lüerdissen --> | 03255030 = 703<!-- Negenborn --> | 03255031 = 1251<!-- Ottenstein, Flecken --> | 03255032 = 455<!-- Pegestorf --> | 03255033 = 1138<!-- Polle, Flecken --> | 03255034 = 5663<!-- Stadtoldendorf, Stadt --> | 03255035 = 492<!-- Vahlbruch --> | 03255036 = 652<!-- Wangelnstedt --> | 03255401 = 6301<!-- Samtgemeinde Bevern--> | 03255402 = 11576<!-- Samtgemeinde Bodenwerder--> | 03255403 = 7264<!-- Samtgemeinde Boffzen--> | 03255405 = 6586<!-- Samtgemeinde Eschershausen--> | 03255406 = 4549<!-- Samtgemeinde Polle--> | 03255407 = 9969<!-- Samtgemeinde Stadtoldendorf--> | 03256001 = 1797<!-- Balge --> | 03256002 = 1028<!-- Binnen --> | 03256003 = 2187<!-- Bücken, Flecken --> | 03256004 = 3990<!-- Diepenau, Flecken --> | 03256005 = 1734<!-- Drakenburg, Flecken --> | 03256006 = 1753<!-- Estorf --> | 03256007 = 3315<!-- Eystrup --> | 03256008 = 477<!-- Gandesbergen --> | 03256009 = 571<!-- Hämelhausen --> | 03256010 = 1870<!-- Hassel (Weser) --> | 03256011 = 1548<!-- Haßbergen --> | 03256012 = 1735<!-- Heemsen --> | 03256013 = 2157<!-- Hilgermissen --> | 03256014 = 3780<!-- Hoya, Stadt --> | 03256015 = 1063<!-- Hoyerhagen --> | 03256016 = 2114<!-- Husum --> | 03256017 = 2906<!-- Landesbergen --> | 03256018 = 1716<!-- Leese --> | 03256019 = 3838<!-- Liebenau, Flecken --> | 03256020 = 964<!-- Linsburg --> | 03256021 = 4434<!-- Marklohe --> | 03256022 = 32542<!-- Nienburg (Weser), Stadt --> | 03256023 = 1349<!-- Pennigsehl --> | 03256024 = 2078<!-- Raddestorf --> | 03256025 = 10526<!-- Rehburg-Loccum, Stadt --> | 03256026 = 2610<!-- Rodewald --> | 03256027 = 1053<!-- Rohrsen --> | 03256028 = 848<!-- Schweringen --> | 03256029 = 2453<!-- Steimbke --> | 03256030 = 5321<!-- Steyerberg, Flecken --> | 03256031 = 1380<!-- Stöckse --> | 03256032 = 7472<!-- Stolzenau --> | 03256033 = 4837<!-- Uchte, Flecken --> | 03256034 = 3488<!-- Warmsen --> | 03256035 = 799<!-- Warpe --> | 03256036 = 2148<!-- Wietzen --> | 03256401 = 6233<!-- Samtgemeinde Eystrup--> | 03256402 = 6070<!-- Samtgemeinde Heemsen--> | 03256403 = 10834<!-- Samtgemeinde Grafschaft Hoya--> | 03256404 = 8489<!-- Samtgemeinde Landesbergen--> | 03256405 = 6215<!-- Samtgemeinde Liebenau--> | 03256406 = 8379<!-- Samtgemeinde Marklohe--> | 03256407 = 7407<!-- Samtgemeinde Steimbke--> | 03256408 = 14393<!-- Samtgemeinde Uchte--> | 03257001 = 1145<!-- Ahnsen --> | 03257002 = 2624<!-- Apelern --> | 03257003 = 6317<!-- Auetal --> | 03257004 = 1341<!-- Auhagen --> | 03257005 = 2254<!-- Bad Eilsen --> | 03257006 = 10470<!-- Bad Nenndorf, Stadt --> | 03257007 = 1562<!-- Beckedorf --> | 03257008 = 783<!-- Buchholz --> | 03257009 = 20674<!-- Bückeburg, Stadt --> | 03257010 = 4502<!-- Hagenburg, Flecken --> | 03257011 = 2793<!-- Haste --> | 03257012 = 1554<!-- Heeßen --> | 03257013 = 2047<!-- Helpsen --> | 03257014 = 2142<!-- Hespe --> | 03257015 = 1017<!-- Heuerßen --> | 03257016 = 2194<!-- Hohnhorst --> | 03257017 = 1035<!-- Hülsede --> | 03257018 = 4197<!-- Lauenau, Flecken --> | 03257019 = 1448<!-- Lauenhagen --> | 03257020 = 4492<!-- Lindhorst --> | 03257021 = 1106<!-- Lüdersfeld --> | 03257022 = 1104<!-- Luhden --> | 03257023 = 2093<!-- Meerbeck --> | 03257024 = 810<!-- Messenkamp --> | 03257025 = 1987<!-- Niedernwöhren --> | 03257026 = 4736<!-- Nienstädt --> | 03257027 = 787<!-- Nordsehl --> | 03257028 = 9609<!-- Obernkirchen, Stadt --> | 03257029 = 922<!-- Pohle --> | 03257030 = 1204<!-- Pollhagen --> | 03257031 = 27223<!-- Rinteln, Stadt --> | 03257032 = 6216<!-- Rodenberg, Stadt --> | 03257033 = 2012<!-- Sachsenhagen, Stadt --> | 03257034 = 1632<!-- Seggebruch --> | 03257035 = 22638<!-- Stadthagen, Stadt --> | 03257036 = 1507<!-- Suthfeld --> | 03257037 = 1067<!-- Wiedensahl, Flecken --> | 03257038 = 1727<!-- Wölpinghausen --> | 03257401 = 6840<!-- Samtgemeinde Eilsen--> | 03257402 = 8177<!-- Samtgemeinde Lindhorst--> | 03257403 = 16964<!-- Samtgemeinde Nenndorf--> | 03257404 = 8586<!-- Samtgemeinde Niedernwöhren--> | 03257405 = 10557<!-- Samtgemeinde Nienstädt--> | 03257406 = 15804<!-- Samtgemeinde Rodenberg--> | 03257407 = 9582<!-- Samtgemeinde Sachsenhagen--> | 03351001 = 2506<!-- Adelheidsdorf --> | 03351002 = 1678<!-- Ahnsbeck --> | 03351003 = 1052<!-- Beedenbostel --> | 03351004 = 13099<!-- Bergen, Stadt --> | 03351005 = 1792<!-- Bröckel --> | 03351006 = 70745<!-- Celle, Stadt --> | 03351007 = 3218<!-- Eicklingen --> | 03351008 = 2201<!-- Eldingen --> | 03351009 = 3764<!-- Eschede --> | 03351010 = 6921<!-- Faßberg --> | 03351011 = 784<!-- Habighorst --> | 03351012 = 10159<!-- Hambühren --> | 03351013 = 8287<!-- Hermannsburg --> | 03351014 = 992<!-- Höfer --> | 03351015 = 1775<!-- Hohne --> | 03351016 = 5777<!-- Lachendorf --> | 03351017 = 2287<!-- Langlingen --> | 03351018 = 6279<!-- Nienhagen --> | 03351019 = 721<!-- Scharnhorst --> | 03351020 = 3817<!-- Unterlüß --> | 03351021 = 6273<!-- Wathlingen --> | 03351022 = 4188<!-- Wienhausen --> | 03351023 = 8139<!-- Wietze --> | 03351024 = 12913<!-- Winsen (Aller) --> | 03351401 = 6261<!-- Samtgemeinde Eschede--> | 03351402 = 11485<!-- Samtgemeinde Flotwedel--> | 03351403 = 12483<!-- Samtgemeinde Lachendorf--> | 03351404 = 15058<!-- Samtgemeinde Wathlingen--> | 03351501 = 763<!-- Lohheide, gemeindefreier Bezirk--> | 03352001 = 471<!-- Appeln --> | 03352002 = 644<!-- Armstorf --> | 03352003 = 5000<!-- Bad Bederkesa, Flecken --> | 03352004 = 843<!-- Belum --> | 03352005 = 4263<!-- Beverstedt, Flecken --> | 03352006 = 2568<!-- Bokel --> | 03352007 = 1864<!-- Bramstedt --> | 03352008 = 909<!-- Bülkau --> | 03352009 = 3377<!-- Cadenberge --> | 03352010 = 712<!-- Cappel --> | 03352011 = 51249<!-- Cuxhaven, Stadt --> | 03352012 = 3588<!-- Dorum --> | 03352013 = 1471<!-- Drangstedt --> | 03352014 = 710<!-- Driftsethe --> | 03352015 = 851<!-- Elmlohe --> | 03352016 = 656<!-- Flögeln --> | 03352017 = 739<!-- Frelsdorf --> | 03352018 = 750<!-- Geversdorf --> | 03352019 = 3939<!-- Hagen im Bremischen --> | 03352020 = 3513<!-- Hechthausen --> | 03352021 = 447<!-- Heerstedt --> | 03352022 = 8747<!-- Hemmoor, Stadt --> | 03352023 = 860<!-- Hollen --> | 03352024 = 922<!-- Hollnseth --> | 03352025 = 1649<!-- Ihlienworth --> | 03352026 = 464<!-- Kirchwistedt --> | 03352027 = 993<!-- Köhlen --> | 03352028 = 1117<!-- Kührstedt --> | 03352029 = 3341<!-- Lamstedt --> | 03352030 = 18449<!-- Langen, Stadt --> | 03352031 = 1292<!-- Lintig --> | 03352032 = 16110<!-- Loxstedt --> | 03352033 = 2468<!-- Lunestedt --> | 03352034 = 1838<!-- Midlum --> | 03352035 = 456<!-- Misselwarden --> | 03352036 = 631<!-- Mittelstenahe --> | 03352037 = 498<!-- Mulsum --> | 03352038 = 1428<!-- Neuenkirchen --> | 03352039 = 1186<!-- Neuhaus (Oste), Flecken --> | 03352040 = 7560<!-- Nordholz --> | 03352041 = 1111<!-- Nordleda --> | 03352042 = 1456<!-- Oberndorf --> | 03352043 = 572<!-- Odisheim --> | 03352044 = 1941<!-- Osten --> | 03352045 = 555<!-- Osterbruch --> | 03352046 = 7049<!-- Otterndorf, Stadt --> | 03352047 = 476<!-- Padingbüttel --> | 03352048 = 871<!-- Ringstedt --> | 03352049 = 1673<!-- Sandstedt --> | 03352050 = 14029<!-- Schiffdorf --> | 03352051 = 935<!-- Steinau --> | 03352052 = 546<!-- Stinstedt --> | 03352053 = 1503<!-- Stubben --> | 03352054 = 1025<!-- Uthlede --> | 03352055 = 2340<!-- Wanna --> | 03352056 = 3553<!-- Wingst --> | 03352057 = 1991<!-- Wremen --> | 03352058 = 1925<!-- Wulsbüttel --> | 03352401 = 12074<!-- Samtgemeinde Am Dobrock--> | 03352402 = 12251<!-- Samtgemeinde Bederkesa--> | 03352403 = 13783<!-- Samtgemeinde Beverstedt--> | 03352404 = 6084<!-- Samtgemeinde Börde Lamstedt--> | 03352405 = 10143<!-- Samtgemeinde Hadeln--> | 03352406 = 11136<!-- Samtgemeinde Hagen--> | 03352407 = 14201<!-- Samtgemeinde Hemmoor--> | 03352408 = 9559<!-- Samtgemeinde Land Wursten--> | 03352409 = 5496<!-- Samtgemeinde Sietland--> | 03353001 = 1958<!-- Appel --> | 03353002 = 1816<!-- Asendorf --> | 03353003 = 2380<!-- Bendestorf --> | 03353004 = 1641<!-- Brackel --> | 03353005 = 38415<!-- Buchholz in der Nordheide, St. --> | 03353006 = 1099<!-- Dohren --> | 03353007 = 3922<!-- Drage --> | 03353008 = 791<!-- Drestedt --> | 03353009 = 2394<!-- Egestorf --> | 03353010 = 1247<!-- Eyendorf --> | 03353011 = 1082<!-- Garlstorf --> | 03353012 = 1461<!-- Garstedt --> | 03353013 = 961<!-- Gödenstorf --> | 03353014 = 739<!-- Halvesbostel --> | 03353015 = 2482<!-- Handeloh --> | 03353016 = 4990<!-- Hanstedt --> | 03353017 = 926<!-- Harmstorf --> | 03353018 = 2142<!-- Heidenau --> | 03353019 = 3186<!-- Hollenstedt --> | 03353020 = 7396<!-- Jesteburg --> | 03353021 = 1411<!-- Kakenstorf --> | 03353022 = 658<!-- Königsmoor --> | 03353023 = 3628<!-- Marschacht --> | 03353024 = 1338<!-- Marxen --> | 03353025 = 1769<!-- Moisburg --> | 03353026 = 20557<!-- Neu Wulmstorf --> | 03353027 = 1522<!-- Otter --> | 03353028 = 1096<!-- Regesbostel --> | 03353029 = 13385<!-- Rosengarten --> | 03353030 = 4534<!-- Salzhausen --> | 03353031 = 41560<!-- Seevetal --> | 03353032 = 11038<!-- Stelle --> | 03353033 = 4077<!-- Tespe --> | 03353034 = 2109<!-- Toppenstedt --> | 03353035 = 13186<!-- Tostedt --> | 03353036 = 927<!-- Undeloh --> | 03353037 = 1007<!-- Vierhöfen --> | 03353038 = 1260<!-- Welle --> | 03353039 = 1345<!-- Wenzendorf --> | 03353040 = 33830<!-- Winsen (Luhe), Stadt --> | 03353041 = 1703<!-- Wistedt --> | 03353042 = 1672<!-- Wulfsen --> | 03353401 = 11627<!-- Samtgemeinde Elbmarsch--> | 03353402 = 13106<!-- Samtgemeinde Hanstedt--> | 03353403 = 10884<!-- Samtgemeinde Hollenstedt--> | 03353404 = 10702<!-- Samtgemeinde Jesteburg--> | 03353405 = 14073<!-- Samtgemeinde Salzhausen--> | 03353406 = 25463<!-- Samtgemeinde Tostedt--> | 03354001 = 1537<!-- Bergen an der Dumme, Flecken --> | 03354002 = 2256<!-- Clenze, Flecken --> | 03354003 = 331<!-- Damnatz --> | 03354004 = 8230<!-- Dannenberg (Elbe), Stadt --> | 03354005 = 1373<!-- Gartow, Flecken --> | 03354006 = 661<!-- Göhrde --> | 03354007 = 644<!-- Gorleben --> | 03354008 = 1309<!-- Gusborn --> | 03354009 = 4956<!-- Hitzacker (Elbe), Stadt --> | 03354010 = 689<!-- Höhbeck --> | 03354011 = 1090<!-- Jameln --> | 03354012 = 817<!-- Karwitz --> | 03354013 = 1407<!-- Küsten --> | 03354014 = 721<!-- Langendorf --> | 03354015 = 1433<!-- Lemgow --> | 03354016 = 640<!-- Luckau (Wendland) --> | 03354017 = 816<!-- Lübbow --> | 03354018 = 9523<!-- Lüchow (Wendland), Stadt --> | 03354019 = 1481<!-- Neu Darchau --> | 03354020 = 501<!-- Prezelle --> | 03354021 = 613<!-- Schnackenburg, Stadt --> | 03354022 = 1407<!-- Schnega --> | 03354023 = 947<!-- Trebel --> | 03354024 = 929<!-- Waddeweitz --> | 03354025 = 1000<!-- Woltersdorf --> | 03354026 = 3021<!-- Wustrow (Wendland), Stadt --> | 03354027 = 1633<!-- Zernien --> | 03354403 = 3820<!-- Samtgemeinde Gartow--> | 03354406 = 21229<!-- Samtgemeinde Elbtalaue--> | 03354407 = 24916<!-- Samtgemeinde Lüchow (Wendland)--> | 03355001 = 10104<!-- Adendorf --> | 03355002 = 3785<!-- Amelinghausen --> | 03355003 = 1630<!-- Artlenburg, Flecken --> | 03355004 = 6219<!-- Bardowick, Flecken --> | 03355005 = 2368<!-- Barendorf --> | 03355006 = 769<!-- Barnstedt --> | 03355007 = 1855<!-- Barum --> | 03355008 = 1143<!-- Betzendorf --> | 03355009 = 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03355036 = 1297<!-- Thomasburg --> | 03355037 = 655<!-- Tosterglope --> | 03355038 = 924<!-- Vastorf --> | 03355039 = 2309<!-- Vögelsen --> | 03355040 = 1732<!-- Wendisch Evern --> | 03355041 = 1682<!-- Westergellersen --> | 03355042 = 1441<!-- Wittorf --> | 03355049 = 5168<!-- Amt Neuhaus --> | 03355401 = 8189<!-- Samtgemeinde Amelinghausen--> | 03355402 = 16385<!-- Samtgemeinde Bardowick--> | 03355403 = 6322<!-- Samtgemeinde Dahlenburg--> | 03355404 = 12398<!-- Samtgemeinde Gellersen--> | 03355405 = 10550<!-- Samtgemeinde Ilmenau--> | 03355406 = 10283<!-- Samtgemeinde Ostheide--> | 03355407 = 14972<!-- Samtgemeinde Scharnebeck--> | 03356001 = 1147<!-- Axstedt --> | 03356002 = 7658<!-- Grasberg --> | 03356003 = 5497<!-- Hambergen --> | 03356004 = 1365<!-- Holste --> | 03356005 = 18239<!-- Lilienthal --> | 03356006 = 747<!-- Lübberstedt --> | 03356007 = 30538<!-- Osterholz-Scharmbeck, Stadt --> | 03356008 = 14637<!-- Ritterhude --> | 03356009 = 20061<!-- Schwanewede --> | 03356010 = 3101<!-- Vollersode --> | 03356011 = 9496<!-- Worpswede --> | 03356401 = 11857<!-- Samtgemeinde Hambergen--> | 03357001 = 1861<!-- Ahausen --> | 03357002 = 858<!-- Alfstedt --> | 03357003 = 910<!-- Anderlingen --> | 03357004 = 1481<!-- Basdahl --> | 03357005 = 1090<!-- Bötersen --> | 03357006 = 2449<!-- Bothel --> | 03357007 = 1149<!-- Breddorf --> | 03357008 = 18939<!-- Bremervörde, Stadt --> | 03357009 = 1365<!-- Brockel --> | 03357010 = 728<!-- Bülstedt --> | 03357011 = 691<!-- Deinstedt --> | 03357012 = 1103<!-- Ebersdorf --> | 03357013 = 2106<!-- Elsdorf --> | 03357014 = 709<!-- Farven --> | 03357015 = 2892<!-- Fintel --> | 03357016 = 9396<!-- Gnarrenburg --> | 03357017 = 496<!-- Groß Meckelsen --> | 03357018 = 2370<!-- Gyhum --> | 03357019 = 468<!-- Hamersen --> | 03357020 = 1146<!-- Hassendorf --> | 03357021 = 4788<!-- Heeslingen --> | 03357022 = 1103<!-- Hellwege --> | 03357023 = 810<!-- Helvesiek --> | 03357024 = 1256<!-- Hemsbünde --> | 03357025 = 1535<!-- Hemslingen --> | 03357026 = 1032<!-- Hepstedt --> | 03357027 = 1317<!-- Hipstedt --> | 03357028 = 1323<!-- Horstedt --> | 03357029 = 571<!-- Kalbe --> | 03357030 = 1012<!-- Kirchtimke --> | 03357031 = 1268<!-- Kirchwalsede --> | 03357032 = 953<!-- Klein Meckelsen --> | 03357033 = 2183<!-- Lauenbrück --> | 03357034 = 460<!-- Lengenbostel --> | 03357035 = 1866<!-- Oerel --> | 03357036 = 942<!-- Ostereistedt --> | 03357037 = 1719<!-- Reeßum --> | 03357038 = 1189<!-- Rhade --> | 03357039 = 21951<!-- Rotenburg (Wümme), Stadt --> | 03357040 = 838<!-- Sandbostel --> | 03357041 = 12962<!-- Scheeßel --> | 03357042 = 716<!-- Seedorf --> | 03357043 = 3415<!-- Selsingen --> | 03357044 = 5510<!-- Sittensen --> | 03357045 = 6112<!-- Sottrum --> | 03357046 = 921<!-- Stemmen --> | 03357047 = 3545<!-- Tarmstedt --> | 03357048 = 881<!-- Tiste --> | 03357049 = 703<!-- Vahlde --> | 03357050 = 839<!-- Vierden --> | 03357051 = 10392<!-- Visselhövede, Stadt --> | 03357052 = 1083<!-- Vorwerk --> | 03357053 = 632<!-- Westertimke --> | 03357054 = 789<!-- Westerwalsede --> | 03357055 = 1675<!-- Wilstedt --> | 03357056 = 799<!-- Wohnste --> | 03357057 = 13306<!-- Zeven, Stadt --> | 03357401 = 8662<!-- Samtgemeinde Bothel--> | 03357402 = 7509<!-- Samtgemeinde Fintel--> | 03357403 = 6625<!-- Samtgemeinde Geestequelle--> | 03357404 = 9410<!-- Samtgemeinde Selsingen--> | 03357405 = 10977<!-- Samtgemeinde Sittensen--> | 03357406 = 14354<!-- Samtgemeinde Sottrum--> | 03357407 = 10856<!-- Samtgemeinde Tarmstedt--> | 03357408 = 22570<!-- Samtgemeinde Zeven--> | 03358001 = 1505<!-- Ahlden (Aller), Flecken --> | 03358002 = 6256<!-- Bispingen --> | 03358003 = 946<!-- Böhme --> | 03358004 = 6990<!-- Bomlitz --> | 03358005 = 2090<!-- Buchholz (Aller) --> | 03358006 = 796<!-- Eickeloh --> | 03358007 = 1087<!-- Essel --> | 03358008 = 11608<!-- Bad Fallingbostel, Stadt --> | 03358009 = 555<!-- Frankenfeld --> | 03358010 = 1220<!-- Gilten --> | 03358011 = 660<!-- Grethem --> | 03358012 = 853<!-- Hademstorf --> | 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Stadt --> | 03359011 = 2177<!-- Deinste --> | 03359012 = 1768<!-- Dollern --> | 03359013 = 11964<!-- Drochtersen --> | 03359014 = 941<!-- Düdenbüttel --> | 03359015 = 750<!-- Engelschoff --> | 03359016 = 1445<!-- Estorf --> | 03359017 = 5790<!-- Fredenbeck --> | 03359018 = 1856<!-- Freiburg (Elbe), Flecken --> | 03359019 = 459<!-- Großenwörden --> | 03359020 = 1917<!-- Grünendeich --> | 03359021 = 1210<!-- Guderhandviertel --> | 03359022 = 2849<!-- Hammah --> | 03359023 = 12247<!-- Harsefeld, Flecken --> | 03359024 = 1513<!-- Heinbockel --> | 03359025 = 4905<!-- Himmelpforten --> | 03359026 = 3310<!-- Hollern-Twielenfleth --> | 03359027 = 5528<!-- Horneburg, Flecken --> | 03359028 = 11805<!-- Jork --> | 03359029 = 763<!-- Kranenburg --> | 03359030 = 476<!-- Krummendeich --> | 03359031 = 4824<!-- Kutenholz --> | 03359032 = 992<!-- Mittelnkirchen --> | 03359033 = 849<!-- Neuenkirchen --> | 03359034 = 1404<!-- Nottensdorf --> | 03359035 = 1165<!-- Oederquart --> | 03359036 = 2860<!-- Oldendorf --> | 03359037 = 2304<!-- Sauensiek --> | 03359038 = 45918<!-- Stade, Stadt --> | 03359039 = 1613<!-- Steinkirchen --> | 03359040 = 3052<!-- Wischhafen --> | 03359401 = 8089<!-- Samtgemeinde Apensen--> | 03359402 = 12791<!-- Samtgemeinde Fredenbeck--> | 03359403 = 20277<!-- Samtgemeinde Harsefeld--> | 03359404 = 9904<!-- Samtgemeinde Himmelpforten--> | 03359405 = 11520<!-- Samtgemeinde Horneburg--> | 03359406 = 9891<!-- Samtgemeinde Lühe--> | 03359407 = 7617<!-- Samtgemeinde Nordkehdingen--> | 03359408 = 7593<!-- Samtgemeinde Oldendorf--> | 03360001 = 1594<!-- Altenmedingen --> | 03360002 = 8631<!-- Bad Bevensen, Stadt --> | 03360003 = 845<!-- Barum --> | 03360004 = 6653<!-- Bienenbüttel --> | 03360005 = 3923<!-- Bad Bodenteich, Flecken --> | 03360006 = 5394<!-- Ebstorf, Flecken --> | 03360007 = 918<!-- Eimke --> | 03360008 = 739<!-- Emmendorf --> | 03360009 = 1548<!-- Gerdau --> | 03360010 = 921<!-- Hanstedt --> | 03360011 = 1777<!-- Himbergen --> | 03360012 = 850<!-- Jelmstorf --> | 03360013 = 1290<!-- Lüder --> | 03360014 = 838<!-- Natendorf --> | 03360015 = 1293<!-- Oetzen --> | 03360016 = 487<!-- Rätzlingen --> | 03360017 = 809<!-- Römstedt --> | 03360018 = 2053<!-- Rosche --> | 03360019 = 738<!-- Schwienau --> | 03360020 = 1039<!-- Soltendieck --> | 03360021 = 1319<!-- Stadensen --> | 03360022 = 680<!-- Stoetze --> | 03360023 = 4547<!-- Suderburg --> | 03360024 = 2608<!-- Suhlendorf --> | 03360025 = 34395<!-- Uelzen, Stadt --> | 03360026 = 1038<!-- Weste --> | 03360027 = 2513<!-- Wieren --> | 03360028 = 2981<!-- Wrestedt --> | 03360029 = 2519<!-- Wriedel --> | 03360401 = 16283<!-- Samtgemeinde Bevensen--> | 03360402 = 6252<!-- Samtgemeinde Bodenteich--> | 03360403 = 10410<!-- Samtgemeinde Altes Amt Ebstorf--> | 03360404 = 7121<!-- Samtgemeinde Rosche--> | 03360405 = 7013<!-- Samtgemeinde Suderburg--> | 03360406 = 6813<!-- Samtgemeinde Wrestedt--> | 03361001 = 30162<!-- Achim, Stadt --> | 03361002 = 2982<!-- Blender --> | 03361003 = 9328<!-- Dörverden --> | 03361004 = 1622<!-- Emtinghausen --> | 03361005 = 10389<!-- Kirchlinteln --> | 03361006 = 14637<!-- Langwedel, Flecken --> | 03361008 = 12027<!-- Ottersberg, Flecken --> | 03361009 = 15360<!-- Oyten --> | 03361010 = 2779<!-- Riede --> | 03361013 = 7537<!-- Thedinghausen --> | 03361012 = 26737<!-- Verden (Aller), Stadt --> | 03361401 = 14920<!-- Samtgemeinde Thedinghausen--> | 03401000 = 74751<!-- Delmenhorst, Stadt --> | 03402000 = 51562<!-- Emden, Stadt --> | 03403000 = 160279<!-- Oldenburg (Oldenburg), Stadt --> | 03404000 = 163286<!-- Osnabrück, Stadt --> | 03405000 = 81411<!-- Wilhelmshaven, Stadt --> | 03451001 = 11021<!-- Apen --> | 03451002 = 27350<!-- Bad Zwischenahn --> | 03451004 = 21006<!-- Edewecht --> | 03451005 = 20716<!-- Rastede --> | 03451007 = 21964<!-- Westerstede, Stadt --> | 03451008 = 15045<!-- Wiefelstede --> | 03452001 = 40447<!-- Aurich, Stadt --> | 03452002 = 496<!-- Baltrum --> | 03452003 = 2568<!-- Berumbur --> | 03452006 = 13352<!-- Großefehn --> | 03452007 = 8752<!-- Großheide --> | 03452008 = 5796<!-- Hage, Flecken --> | 03452009 = 445<!-- Hagermarsch --> | 03452010 = 1066<!-- Halbemond --> | 03452011 = 7119<!-- Hinte --> | 03452012 = 12520<!-- Ihlow --> | 03452013 = 1721<!-- Juist --> | 03452014 = 12779<!-- Krummhörn --> | 03452015 = 1968<!-- Leezdorf --> | 03452016 = 782<!-- Lütetsburg --> | 03452017 = 2079<!-- Marienhafe, Flecken --> | 03452019 = 25099<!-- Norden, Stadt --> | 03452020 = 5866<!-- Norderney, Stadt --> | 03452021 = 2300<!-- Osteel --> | 03452022 = 2111<!-- Rechtsupweg --> | 03452023 = 19132<!-- Südbrookmerland --> | 03452024 = 3874<!-- Upgant-Schott --> | 03452025 = 13261<!-- Wiesmoor, Stadt --> | 03452026 = 1052<!-- Wirdum --> | 03452027 = 4796<!-- Dornum --> | 03452401 = 13384<!-- Samtgemeinde Brookmerland--> | 03452403 = 10657<!-- Samtgemeinde Hage--> | 03453001 = 12535<!-- Barßel --> | 03453002 = 7519<!-- Bösel --> | 03453003 = 6641<!-- Cappeln (Oldenburg) --> | 03453004 = 32278<!-- Cloppenburg, Stadt --> | 03453005 = 11343<!-- Emstek --> | 03453006 = 8244<!-- Essen (Oldenburg) --> | 03453007 = 20599<!-- Friesoythe, Stadt --> | 03453008 = 13015<!-- Garrel --> | 03453009 = 6721<!-- Lastrup --> | 03453010 = 4614<!-- Lindern (Oldenburg) --> | 03453011 = 13196<!-- Löningen, Stadt --> | 03453012 = 7680<!-- Molbergen --> | 03453013 = 12883<!-- Saterland --> | 03454001 = 922<!-- Andervenne --> | 03454002 = 2385<!-- Bawinkel --> | 03454003 = 1688<!-- Beesten --> | 03454004 = 979<!-- Bockhorst --> | 03454005 = 2784<!-- Börger --> | 03454006 = 796<!-- Breddenberg --> | 03454007 = 1464<!-- Dersum --> | 03454008 = 4920<!-- Dörpen --> | 03454009 = 1136<!-- Dohren --> | 03454010 = 9886<!-- Emsbüren --> | 03454011 = 5219<!-- Esterwegen --> | 03454012 = 5113<!-- Freren, Stadt --> | 03454013 = 923<!-- Fresenburg --> | 03454014 = 11337<!-- Geeste --> | 03454015 = 1216<!-- Gersten --> | 03454016 = 664<!-- Groß Berßen --> | 03454017 = 896<!-- Handrup --> | 03454018 = 23029<!-- Haren (Ems), Stadt --> | 03454019 = 12840<!-- Haselünne, Stadt --> | 03454020 = 2216<!-- Heede --> | 03454021 = 4097<!-- Herzlake --> | 03454022 = 830<!-- Hilkenbrook --> | 03454023 = 556<!-- Hüven --> | 03454024 = 1199<!-- Klein Berßen --> | 03454025 = 1495<!-- Kluse --> | 03454026 = 4622<!-- Lähden --> | 03454027 = 931<!-- Lahn --> | 03454028 = 1433<!-- Langen --> | 03454029 = 5977<!-- Lathen --> | 03454030 = 977<!-- Lehe --> | 03454031 = 2629<!-- Lengerich --> | 03454032 = 51625<!-- Lingen (Ems), Stadt --> | 03454033 = 3062<!-- Lorup --> | 03454034 = 1867<!-- Lünne --> | 03454035 = 34862<!-- Meppen, Stadt --> | 03454036 = 1105<!-- Messingen --> | 03454037 = 1578<!-- Neubörger --> | 03454038 = 709<!-- Neulehe --> | 03454039 = 1210<!-- Niederlangen --> | 03454040 = 937<!-- Oberlangen --> | 03454041 = 35268<!-- Papenburg, Stadt --> | 03454042 = 1028<!-- Rastdorf --> | 03454043 = 716<!-- Renkenberge --> | 03454044 = 4261<!-- Rhede (Ems) --> | 03454045 = 7590<!-- Salzbergen --> | 03454046 = 2494<!-- Schapen --> | 03454047 = 7069<!-- Sögel --> | 03454048 = 1408<!-- Spahnharrenstätte --> | 03454049 = 8442<!-- Spelle --> | 03454050 = 1056<!-- Stavern --> | 03454051 = 4381<!-- Surwold --> | 03454052 = 1346<!-- Sustrum --> | 03454053 = 1994<!-- Thuine --> | 03454054 = 9621<!-- Twist --> | 03454055 = 1622<!-- Vrees --> | 03454056 = 1420<!-- Walchum --> | 03454057 = 9407<!-- Werlte --> | 03454058 = 1123<!-- Werpeloh --> | 03454059 = 563<!-- Wettrup --> | 03454060 = 901<!-- Wippingen --> | 03454401 = 15680<!-- Samtgemeinde Dörpen--> | 03454402 = 10822<!-- Samtgemeinde Freren--> | 03454403 = 9855<!-- Samtgemeinde Herzlake--> | 03454404 = 11109<!-- Samtgemeinde Lathen--> | 03454405 = 9122<!-- Samtgemeinde Lengerich--> | 03454406 = 12205<!-- Samtgemeinde Nordhümmling--> | 03454407 = 15859<!-- Samtgemeinde Sögel--> | 03454408 = 12803<!-- Samtgemeinde Spelle--> | 03454409 = 16050<!-- Samtgemeinde Werlte--> | 03455007 = 13863<!-- Jever, Stadt --> | 03455014 = 9229<!-- Sande --> | 03455015 = 21047<!-- Schortens, Stadt --> | 03455020 = 10105<!-- Wangerland --> | 03455021 = 933<!-- Wangerooge, Nordseebad --> | 03455025 = 8647<!-- Bockhorn --> | 03455026 = 24801<!-- Varel, Stadt --> | 03455027 = 11682<!-- Zetel --> | 03456001 = 15682<!-- Bad Bentheim, Stadt --> | 03456002 = 6938<!-- Emlichheim --> | 03456003 = 432<!-- Engden --> | 03456004 = 574<!-- Esche --> | 03456005 = 1344<!-- Georgsdorf --> | 03456006 = 676<!-- Getelo --> | 03456007 = 628<!-- Gölenkamp --> | 03456008 = 662<!-- Halle --> | 03456009 = 2911<!-- Hoogstede --> | 03456010 = 625<!-- Isterberg --> | 03456011 = 1786<!-- Itterbeck --> | 03456012 = 2240<!-- Laar --> | 03456013 = 1001<!-- Lage --> | 03456014 = 9849<!-- Neuenhaus, Stadt --> | 03456015 = 53401<!-- Nordhorn, Stadt --> | 03456016 = 589<!-- Ohne --> | 03456017 = 1159<!-- Osterwald --> | 03456018 = 576<!-- Quendorf --> | 03456019 = 2165<!-- Ringe --> | 03456020 = 717<!-- Samern --> | 03456021 = 11544<!-- Schüttorf, Stadt --> | 03456022 = 1095<!-- Suddendorf --> | 03456023 = 5394<!-- Uelsen --> | 03456024 = 593<!-- Wielen --> | 03456025 = 11273<!-- Wietmarschen --> | 03456026 = 1654<!-- Wilsum --> | 03456401 = 14254<!-- Samtgemeinde Emlichheim--> | 03456402 = 13927<!-- Samtgemeinde Neuenhaus--> | 03456403 = 15578<!-- Samtgemeinde Schüttorf--> | 03456404 = 11393<!-- Samtgemeinde Uelsen--> | 03457002 = 5266<!-- Borkum, Stadt --> | 03457003 = 638<!-- Brinkum --> | 03457006 = 2710<!-- Detern, Flecken --> | 03457008 = 2072<!-- Filsum --> | 03457009 = 826<!-- Firrel --> | 03457010 = 4137<!-- Hesel --> | 03457011 = 2338<!-- Holtland --> | 03457012 = 3679<!-- Jemgum --> | 03457013 = 34154<!-- Leer (Ostfriesland), Stadt --> | 03457014 = 22500<!-- Moormerland --> | 03457015 = 1667<!-- Neukamperfehn --> | 03457016 = 1658<!-- Nortmoor --> | 03457017 = 10606<!-- Ostrhauderfehn --> | 03457018 = 17309<!-- Rhauderfehn --> | 03457019 = 756<!-- Schwerinsdorf --> | 03457020 = 11448<!-- Uplengen --> | 03457021 = 15676<!-- Weener, Stadt --> | 03457022 = 19936<!-- Westoverledingen --> | 03457024 = 7571<!-- Bunde --> | 03457402 = 10362<!-- Samtgemeinde Hesel--> | 03457403 = 6440<!-- Samtgemeinde Jümme--> | 03458001 = 830<!-- Beckeln --> | 03458002 = 840<!-- Colnrade --> | 03458003 = 6071<!-- Dötlingen --> | 03458004 = 1195<!-- Dünsen --> | 03458005 = 30753<!-- Ganderkesee --> | 03458006 = 1155<!-- Groß Ippener --> | 03458007 = 13576<!-- Großenkneten --> | 03458008 = 4454<!-- Harpstedt, Flecken --> | 03458009 = 13847<!-- Hatten --> | 03458010 = 15814<!-- Hude (Oldenburg) --> | 03458011 = 1260<!-- Kirchseelte --> | 03458012 = 752<!-- Prinzhöfte --> | 03458013 = 15968<!-- Wardenburg --> | 03458014 = 18766<!-- Wildeshausen, Stadt --> | 03458015 = 662<!-- Winkelsett --> | 03458401 = 11148<!-- Samtgemeinde Harpstedt--> | 03459001 = 3815<!-- Alfhausen --> | 03459002 = 7216<!-- Ankum --> | 03459003 = 15753<!-- Bad Essen --> | 03459004 = 11519<!-- Bad Iburg, Stadt --> | 03459005 = 9248<!-- Bad Laer --> | 03459006 = 7351<!-- Bad Rothenfelde --> | 03459007 = 4515<!-- Badbergen --> | 03459008 = 13806<!-- Belm --> | 03459009 = 3723<!-- Berge --> | 03459010 = 7961<!-- Bersenbrück, Stadt --> | 03459011 = 3033<!-- Bippen --> | 03459012 = 14331<!-- Bissendorf --> | 03459013 = 13158<!-- Bohmte --> | 03459014 = 31152<!-- Bramsche, Stadt --> | 03459015 = 9330<!-- Dissen am Teutoburg. Wald, St. --> | 03459016 = 1765<!-- Eggermühlen --> | 03459017 = 9812<!-- Fürstenau, Stadt --> | 03459018 = 2487<!-- Gehrde --> | 03459019 = 32289<!-- Georgsmarienhütte, Stadt --> | 03459020 = 14192<!-- Hagen am Teutoburger Wald --> | 03459021 = 11167<!-- Hasbergen --> | 03459022 = 10222<!-- Hilter am Teutoburger Wald --> | 03459023 = 1700<!-- Kettenkamp --> | 03459024 = 46540<!-- Melle, Stadt --> | 03459025 = 2526<!-- Menslage --> | 03459026 = 4060<!-- Merzen --> | 03459027 = 4527<!-- Neuenkirchen --> | 03459028 = 2973<!-- Nortrup --> | 03459029 = 9531<!-- Ostercappeln --> | 03459030 = 12782<!-- Quakenbrück, Stadt --> | 03459031 = 3256<!-- Rieste --> | 03459032 = 1781<!-- Voltlage --> | 03459033 = 23865<!-- Wallenhorst --> | 03459034 = 6850<!-- Glandorf --> | 03459401 = 22796<!-- Samtgemeinde Artland--> | 03459402 = 28200<!-- Samtgemeinde Bersenbrück--> | 03459403 = 16568<!-- Samtgemeinde Fürstenau--> | 03459404 = 10368<!-- Samtgemeinde Neuenkirchen--> | 03460001 = 5853<!-- Bakum --> | 03460002 = 16451<!-- Damme, Stadt --> | 03460003 = 12772<!-- Dinklage, Stadt --> | 03460004 = 9316<!-- Goldenstedt --> | 03460005 = 6498<!-- Holdorf --> | 03460006 = 25784<!-- Lohne (Oldenburg), Stadt --> | 03460007 = 8010<!-- Neuenkirchen-Vörden --> | 03460008 = 9550<!-- Steinfeld (Oldenburg) --> | 03460009 = 30998<!-- Vechta, Stadt --> | 03460010 = 9274<!-- Visbek --> | 03461001 = 7004<!-- Berne --> | 03461002 = 15837<!-- Brake (Unterweser), Stadt --> | 03461003 = 6389<!-- Butjadingen --> | 03461004 = 9206<!-- Elsfleth, Stadt --> | 03461005 = 5832<!-- Jade --> | 03461006 = 7161<!-- Lemwerder --> | 03461007 = 27246<!-- Nordenham, Stadt --> | 03461008 = 5606<!-- Ovelgönne --> | 03461009 = 7687<!-- Stadland --> | 03462001 = 1539<!-- Blomberg --> | 03462002 = 1116<!-- Dunum --> | 03462003 = 6934<!-- Esens, Stadt --> | 03462004 = 889<!-- Eversmeer --> | 03462005 = 10563<!-- Friedeburg --> | 03462006 = 1786<!-- Holtgast --> | 03462007 = 1933<!-- Langeoog --> | 03462008 = 899<!-- Moorweg --> | 03462009 = 710<!-- Nenndorf --> | 03462010 = 1128<!-- Neuharlingersiel --> | 03462011 = 1193<!-- Neuschoo --> | 03462012 = 931<!-- Ochtersum --> | 03462013 = 695<!-- Schweindorf --> | 03462014 = 780<!-- Spiekeroog --> | 03462015 = 1641<!-- Stedesdorf --> | 03462016 = 676<!-- Utarp --> | 03462017 = 714<!-- Werdum --> | 03462018 = 2334<!-- Westerholt --> | 03462019 = 21031<!-- Wittmund, Stadt --> | 03462401 = 14218<!-- Samtgemeinde Esens--> | 03462402 = 8967<!-- Samtgemeinde Holtriem--> |#default= <strong class="error">Ungültiger Metadaten-Schlüssel <tt>{{{1}}}</tt></strong>[[Kategorie:Vorlage:Metadaten Einwohnerzahl/Fehler]] }} }}</includeonly><noinclude> [[Kategorie:Vorlage:Metadaten Einwohnerzahl DE|NI]] [[Kategorie:Vorlage:Niedersachsen|Metadaten Einwohnerzahl DE]] </noinclude> 3nxrrnhva29qyr6opo9tqf1hwb52obu wikitext text/x-wiki Vorlage:InterProjekt 10 24144 26741 2010-03-10T22:44:26Z Merlissimo 313 <div id="interProject" style="border: dotted #AAA; border-width: 2px 0; margin: 2em 1ex 0; display: none; speak: none;"> <p id="sisterProjects" style="background: #efefef; font-weight: bold; margin: 0 0 -0.2em;"><span>{{ #ifeq: {{int:Sisterprojects}} || {{MediaWiki:Sisterprojects}} | {{int:Sisterprojects}} }}</span>:</p> <div title="Links zu anderen Wikimedia-Projekten">{{ #if: {{{meta|}}}|[[meta:{{{meta}}}|Meta]] }}{{#if: {{{metaglobal|}}}|[[meta:{{{metaglobal}}}|Meta (global)]] }}{{#if: {{{commons|}}}|[[commons:{{{commons}}}|Commons]] }}{{#if: {{{b|}}}|[[b:{{{b}}}|Wikibooks]] }}{{#if: {{{n|}}}|[[n:{{{n}}}|Wikinews]] }}{{#if: {{{q|}}}|[[q:{{{q}}}|Wikiquote]] }}{{#if: {{{s|}}}|[[s:{{{s}}}|Wikisource]] }}{{#if: {{{v|}}}|[[v:{{{v}}}|Wikiversity]] }}{{#if: {{{wikt|}}}|[[wikt:{{{wikt}}}|Wiktionary]] }}{{#if: {{{species|}}}|[[species:{{{species}}}|Wikispecies]] }}{{#if: {{{incubator|}}}|[[incubator:{{{incubator}}}|Incubator]] }}{{#if: {{{mw|}}}|[[mw:{{{mw}}}|Mediawiki]]}} </div> </div><noinclude> <pre>{{InterProjekt |meta= |metaglobal= |commons= |b= |n= |q= |s= |v= |wikt= |species= |incubator= |mw=}} </pre> </noinclude> 8nr0yajxq6z90trdub1fuvbseqmveqk wikitext text/x-wiki Vorlage:Veraltete Vorlage 10 24145 26742 2010-02-27T19:09:04Z The Evil IP address 0 Imagemap gegen neue, schönere Syntax ersetzt {| id="Vorlage_Veraltete_Vorlage" {{Bausteindesign4}} | [[Datei:Template superseded.svg|24px|link={{TALKPAGENAME}}|zur Diskussion]] | style="width: 100%;" | '''Diese Vorlage ist veraltet.''' Bitte verwende stattdessen <includeonly>{{{1|<span class="error">fehlende Angabe</span>}}}</includeonly><!-- --><noinclude><nowiki>{{{1|<span class="error">fehlende Angabe</span>}}}</nowiki></noinclude>. {{#if: {{{2|}}}{{#ifexist: {{TALKPAGENAME}}|1}}|Näheres ist auf <includeonly>{{{2|der [[{{TALKPAGENAME}}|Diskussionsseite]]}}}</includeonly><!-- --><noinclude><nowiki>{{{2|der Diskussionsseite}}}</nowiki></noinclude> angegeben.}} Diese Vorlage sollte in keiner anderen Kategorie außer [[:Kategorie:Vorlage:Veraltet]] stehen, damit sie möglichst schnell verwaist. Sobald sie nicht mehr {{Verwendung|ns=|text=verwendet}} wird, kann ein [[Wikipedia:Schnelllöschantrag|Schnelllöschantrag]] für diese Vorlage gestellt werden. |}<includeonly>{{#ifeq: {{NAMESPACE}}|{{ns:Vorlage}}|[[Kategorie:Vorlage:Veraltet|{{PAGENAME}}]]|<span class="error">Die [[Vorlage:Veraltete Vorlage]] kann nur im Vorlagennamensraum verwendet werden!</span>}}</includeonly><noinclude> == Zweck == Diese Vorlage markiert veraltete Vorlagen und kategorisiert sie in der [[:Kategorie:Vorlage:Veraltet]]. Zudem verwendet [[Benutzer:MerlBot]] diese Vorlage zur Erstellung von [[Wikipedia:WikiProjekt Vorlagen/Arbeitsliste]]. == Parameter == {| class="wikitable" |- class="hintergrundfarbe5" ! Parameter ! Pflichtfeld ! Beschreibung ! Standardwert ! Hinweis |- | 1 | style="text-align:center;"|[[Bild:Symbol OK.svg|16px|Ja]] | Durch welche Vorlage soll die markierte Vorlage ersetzt werden? | | Wird keine alternative Vorlage angegeben, erscheint eine Fehlermeldung. |- | 2 | style="text-align:center;"|[[Bild:No-Symbol.svg|16px|Nein]] | Wo ist eine zu dem Baustein zugehörige Diskussion zu finden? | Diskussionsseite | |} [[Kategorie:Vom Druck ausschließen|{{PAGENAME}}]] [[Kategorie:Vorlage:Veraltet| ]] [[Kategorie:Vorlage:Wartungsbaustein|Veraltete Vorlage]] [[Kategorie:Vorlage:für Vorlagen|Veraltete Vorlage]] [[Kategorie:Vorlage:mit Kategorisierung|Veraltete Vorlage]] [[en:Template:Tdeprecated]] [[es:Plantilla:Plantilla en desuso]] [[hsb:Předłoha:Zestarjena předłoha]] [[it:Template:Template obsoleto]] [[ka:თარგი:თმოძველდა]] [[ja:Template:移行中のテンプレート]] [[sq:Stampa:Stampa të vjetruar]] [[sl:Predloga:Todsvetovana]] [[tr:Şablon:Geçersizş]] </noinclude> 7ecasw0fcows6dlawos3kuay1wjlv71 wikitext text/x-wiki Vorlage:SH-Wappenrolle 10 24146 26743 2010-01-15T18:49:06Z Wiegels 0 Kategorie verfeinert <onlyinclude>{{#if:{{{nurLink|}}}|http://www.schleswig-holstein.de/LA/DE/06Wappenlandschaft/0604Wappenrolle/0604Wappenrolle__node.html?Aktion=Datenblatt&ID={{{1}}}|[http://www.schleswig-holstein.de/LA/DE/06Wappenlandschaft/0604Wappenrolle/0604Wappenrolle__node.html?Aktion=Datenblatt&ID={{{1}}} {{{2|{{PAGENAME}}}}} in der Kommunalen Wappenrolle Schleswig-Holstein]}}</onlyinclude><noinclude> * {{SH-Wappenrolle|1|Amt Neustadt-Land, Kreis Ostholstein}} [[Kategorie:Vorlage:Datenbanklink|Sh-Wappenrolle]] [[Kategorie:Vorlage:Schleswig-Holstein|Sh-Wappenrolle]] </noinclude> 64hvtu135j95ja7a35s6syzwgzdzq5b wikitext text/x-wiki Vorlage:Info ISO-3166-2:GB 10 24147 26744 2009-01-27T15:27:08Z Engie 0 Schützte „[[Vorlage:Info ISO-3166-2:GB]]“: Häufig eingebundene Vorlage ([edit=autoconfirmed] (unbeschränkt) [move=autoconfirmed] (unbeschränkt)) {{#switch: {{lc:{{{1|}}} }} |continent = Europa <!--Administration--> |level = 0 |maxlevel= 2 |acronym = GB |top = GB |upper = |lemma = Vereinigtes Königreich |admname = Vereinigtes Königreich Großbritannien und Nordirland |admtype = Union |0 = Vereinigtes Königreich |1 = |2 = |map = Vereinigtes Königreich |flag = Flag of the United Kingdom.svg }}<noinclude>{{Vorlage:Info ISO-3166-2/Info}}</noinclude> 4jwq3n58cphlx04e35j17tzjmmww1i0 wikitext text/x-wiki Vorlage:Navigationsleiste Werke von Max Frisch 10 24148 26745 2010-04-23T21:02:13Z Magiers 0 Das Hörspiel hieß so {{Navigationsleiste |TITEL=[[Max Frisch|Werke von Max Frisch]] |INHALT= '''Romane'''<br /> [[Jürg Reinhart|Jürg Reinhart. Eine sommerliche Schicksalsfahrt]]&nbsp;&#124; [[J’adore ce qui me brûle oder Die Schwierigen]]&nbsp;&#124; [[Stiller (Max Frisch)|Stiller]]&nbsp;&#124; [[Homo faber (Roman)|Homo faber]]&nbsp;&#124; [[Mein Name sei Gantenbein]] '''Erzählungen'''<br /> [[Antwort aus der Stille]]&nbsp;&#124; [[Bin oder Die Reise nach Peking]]&nbsp;&#124; [[Montauk (Erzählung)|Montauk]]&nbsp;&#124; [[Der Mensch erscheint im Holozän]]&nbsp;&#124; [[Blaubart (Erzählung)|Blaubart]] '''Theaterstücke'''<br /> [[Santa Cruz (Drama)|Santa Cruz]]&nbsp;&#124; [[Nun singen sie wieder]]&nbsp;&#124; [[Die Chinesische Mauer]]&nbsp;&#124; [[Als der Krieg zu Ende war (Frisch)|Als der Krieg zu Ende war]]&nbsp;&#124; [[Graf Öderland]]&nbsp;&#124; [[Don Juan oder die Liebe zur Geometrie]]&nbsp;&#124; [[Biedermann und die Brandstifter]]&nbsp;&#124; [[Die große Wut des Philipp Hotz]]&nbsp;&#124; [[Andorra (Drama)|Andorra]]&nbsp;&#124; [[Biografie: Ein Spiel]]&nbsp;&#124; [[Triptychon (Frisch)|Triptychon]] '''Hörspiele und Drehbücher'''<br /> [[Der Laie und die Architektur]]&nbsp;&#124; [[Rip van Winkle (Hörspiel)|Rip van Winkle]]&nbsp;&#124; [[Herr Biedermann und die Brandstifter]]&nbsp;&#124; [[Zürich – Transit]] '''Sonstige Prosa'''<br /> [[Blätter aus dem Brotsack]]&nbsp;&#124; [[Tagebuch 1946–1949]]&nbsp;&#124; [[Achtung: Die Schweiz]]&nbsp;&#124; [[Öffentlichkeit als Partner]]&nbsp;&#124; [[Wilhelm Tell für die Schule]]&nbsp;&#124; [[Tagebuch 1966–1971]]&nbsp;&#124; [[Dienstbüchlein (Max Frisch)|Dienstbüchlein]]&nbsp;&#124; [[Schweiz ohne Armee? Ein Palaver]]&nbsp;&#124; [[Schweiz als Heimat? Versuche über 50 Jahre]] '''Bauwerke'''<br /> [[Max-Frisch-Bad|Freibad Letzigraben / Max-Frisch-Bad]] }}<noinclude> [[Kategorie:Vorlage:Navigationsleiste Literatur|Frisch]] </noinclude> j30fh48clgevde08d2azbhx3whnl7a9 wikitext text/x-wiki Vorlage:IPNI 10 24149 26746 2010-04-27T20:32:11Z Holder 0 + als [http://www.ipni.org/ipni/advAuthorSearch.do?find_abbreviation={{{1}}} Autoreintrag] und [http://www.ipni.org/ipni/advPlantNameSearch.do?find_includePublicationAuthors=on&find_includePublicationAuthors=off&find_includeBasionymAuthors=on&find_includeBasionymAuthors=off&find_rankToReturn=all&output_format=normal&find_authorAbbrev={{{1}}} Liste der beschriebenen Pflanzennamen] für {{PAGENAME}} beim [[International Plant Names Index|IPNI]] <noinclude> Kurzanleitung: Diese Vorlage dient der Verknüpfung mit dem [[International Plant Names Index]]. Der Parameter, im Beispiel ''Abkürz.'' genannt, ist das offizielle botanische Autorenkürzel. Im Weblink finden sich die vom Autor erstbeschriebenen oder umkombinierten Pflanzenarten. Beispiel: <code><nowiki>{{IPNI|Abkürz.}}</nowiki></code> [[Kategorie:Vorlage:Datenbanklink|Ipni]] [[als:Vorlage:IPNI]] [[en:Template:Ipni]] [[eo:Ŝablono:IPNI]] </noinclude> 043qjvxq9vemyukr41we6gobtbk8tub wikitext text/x-wiki Vorlage:IMDb Rolle 10 24150 26747 2009-12-11T08:21:22Z Hydro 0 katfix wg. großbuchstaben {{#if: {{{2|}}}| {{{2|{{SEITENNAME}}}}} | {{{NAME|{{SEITENNAME}}}}}}} in der [http://www.imdb.de/character/ch{{#if: {{{1|}}}|{{{1}}}/ | {{{ID}}}/ }} deutschen] und [http://www.imdb.com/character/ch{{#if: {{{1|}}}|{{{1}}}/ | {{{ID}}}/ }} englischen] Version der [[Internet Movie Database]]<noinclude> Diese Vorlage wird verwendet, um automatisch in Artikeln einen Link '''auf eine Rollenseite''' in der [[Internet Movie Database|IMDb]] zu legen. ---- '''Sie wird folgendermaßen eingebunden''': <code><nowiki>* {{IMDb Rolle|X|Y}}</nowiki></code> '''X''': Der Teil der [[Uniform Resource Locator|URL]] der IMDb, der nach dem <code><nowiki>http://www.imdb.com/character/ch</nowiki></code> kommt. '''Y''': Der Name der Rolle, die verlinkt wird. Entspricht der Name dem [[Lemma (Lexikografie)|Lemma]], sollte nichts angegeben werden, weil dann stattdessen das Lemma eingesetzt wird. [[Kategorie:Vorlage:Datenbanklink Film und Fernsehen|Imdb Charakter]] [[da:Skabelon:Imdb rolle]] [[en:Template:Imdb character]] [[pt:Predefinição:Imdb personagem]] [[sv:Mall:IMDb-karaktär]] </noinclude> t3djc4ta4ryjwec02oqifvu67kxojze wikitext text/x-wiki Vorlage:Navigationsleiste Schnellbahnen in Russland 10 24151 26748 2010-02-09T22:58:33Z Wiegels 0 + Kategorie, Einsortierung {{Navigationsleiste |BILD=[[Datei:Flag of Russia.svg|50px|Flagge der GUS]] |TITEL=[[Schnellbahn]]en in [[Russland]] |INHALT= '''[[U-Bahn]]en:'''&nbsp;'' [[Metro Jekaterinburg|Jekaterinburg]]&nbsp;&#124; [[Metro Kasan|Kasan]]&nbsp;&#124; ''[[Metro Krasnojarsk|Krasnojarsk]]''&nbsp;&#124; [[Metro Moskau|Moskau]]&nbsp;&#124; [[Metro Nischni Nowgorod|Nischni Nowgorod]]&nbsp;&#124; [[Metro Nowosibirsk|Nowosibirsk]]&nbsp;&#124; ''[[Metro Omsk|Omsk]]''&nbsp;&#124; [[Metro Samara|Samara]]&nbsp;&#124; [[Metro Sankt Petersburg|St.&nbsp;Petersburg]]&nbsp;&#124; ''[[Metro Tscheljabinsk|Tscheljabinsk]]''&nbsp;&#124; ''[[Metro 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Großhirnrinde]] |INHALT= '''''[[Isocortex und Allocortex|Isocortex]]'''''<br /> [[Präfrontaler Cortex]] &#124; [[Motorcortex]] &#124; [[Somatosensorischer Cortex]] &#124; [[Parietaler Assoziationscortex]] &#124; [[Auditiver Cortex]] &#124; [[Visueller Cortex]] '''''[[Isocortex und Allocortex|Allocortex]]'''''<br /> [[Olfaktorischer Cortex]] &#124; [[Hippocampus]] }}<noinclude> [[Kategorie:Vorlage:Navigationsleiste Biologie|Funktionelle Felder der Großhirnrinde]] </noinclude> j7m4gt8wx2htrv69nx2kjtvlciiudz0 wikitext text/x-wiki Vorlage:Metadaten Einwohnerzahl DE-BW 10 24154 26751 2010-05-03T18:11:54Z TUBS 0 <noinclude>{{Dokumentation}}</noinclude><includeonly>{{#if: {{{2|}}} | <!-- Die Metadaten-Parameter sind hier unabhängig vom Schlüssel --> {{#switch: {{{2}}} | STAND | TIMESTAMP=2008-12-31 | QUELLE=[http://www.statistik.baden-wuerttemberg.de/Veroeffentl/Statistische_Berichte/3126_08001.pdf Bevölkerungsentwicklung in den Gemeinden Baden-Württembergs 2008] }} | {{#switch: {{{1}}} | 08 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<!--Landkreis EM --> | 08317 = 417613 <!--Landkreis OG --> | 08325 = 141073 <!--Landkreis RW --> | 08326 = 208691 <!--Landkreis VS --> | 08327 = 135141 <!--Landkreis TUT --> | 08335 = 276240 <!--Landkreis KN --> | 08336 = 222596 <!--Landkreis LÖ --> | 08337 = 166863 <!--Landkreis WT --> | 08415 = 281080 <!--Landkreis RT --> | 08416 = 218692 <!--Landkreis TÜ --> | 08417 = 190294 <!--Landkreis BL --> | 08425 = 190403 <!--Landkreis UL --> | 08426 = 189296 <!--Landkreis BC --> | 08435 = 207766 <!--Landkreis FN --> | 08436 = 276474 <!--Landkreis RV --> | 08437 = 131695 <!--Landkreis SIG --> | 08111000 = 600068 <!--Stuttgart, Landeshauptstadt --> | 08115001 = 9125 <!--Aidlingen --> | 08115002 = 4532 <!--Altdorf --> | 08115003 = 46380 <!--Böblingen, Stadt --> | 08115004 = 5818 <!--Bondorf --> | 08115010 = 3034 <!--Deckenpfronn --> | 08115013 = 8012 <!--Ehningen --> | 08115015 = 12030 <!--Gärtringen --> | 08115016 = 9396 <!--Gäufelden --> | 08115021 = 31465 <!--Herrenberg, Stadt --> | 08115022 = 3664 <!--Hildrizhausen --> | 08115024 = 12717 <!--Holzgerlingen, Stadt --> | 08115028 = 45476 <!--Leonberg, Stadt --> | 08115029 = 8849 <!--Magstadt --> | 08115034 = 3704 <!--Mötzingen --> | 08115037 = 5331 <!--Nufringen --> | 08115041 = 17187 <!--Renningen, Stadt --> | 08115042 = 10196 <!--Rutesheim --> | 08115044 = 9758 <!--Schönaich --> | 08115045 = 60648 <!--Sindelfingen, Stadt --> | 08115046 = 6075 <!--Steinenbronn --> | 08115048 = 8571 <!--Waldenbuch, Stadt --> | 08115050 = 19082 <!--Weil der Stadt, Stadt --> | 08115051 = 9965 <!--Weil im Schönbuch --> | 08115052 = 7549 <!--Weissach --> | 08115053 = 7629 <!--Jettingen --> | 08115054 = 6634 <!--Grafenau --> | 08116004 = 5833 <!--Altbach --> | 08116005 = 1467 <!--Altdorf --> | 08116006 = 1947 <!--Altenriet --> | 08116007 = 5533 <!--Baltmannsweiler --> | 08116008 = 3403 <!--Bempflingen --> | 08116011 = 3367 <!--Beuren --> | 08116012 = 3590 <!--Bissingen an der Teck --> | 08116014 = 6504 <!--Deizisau --> | 08116015 = 10532 <!--Denkendorf --> | 08116016 = 5599 <!--Dettingen unter Teck --> | 08116018 = 2080 <!--Erkenbrechtsweiler --> | 08116019 = 91573 <!--Esslingen am Neckar, Stadt --> | 08116020 = 8770 <!--Frickenhausen --> | 08116022 = 4119 <!--Großbettlingen --> | 08116027 = 4696 <!--Hochdorf --> | 08116029 = 2183 <!--Holzmaden --> | 08116033 = 39824 <!--Kirchheim unter Teck, Stadt --> | 08116035 = 9641 <!--Köngen --> | 08116036 = 2302 <!--Kohlberg --> | 08116037 = 2484 <!--Lichtenwald --> | 08116041 = 3841 <!--Neckartailfingen --> | 08116042 = 6148 <!--Neckartenzlingen --> | 08116043 = 1849 <!--Neidlingen --> | 08116046 = 6186 <!--Neuffen, Stadt --> | 08116047 = 11469 <!--Neuhausen auf den Fildern --> | 08116048 = 3563 <!--Notzingen --> | 08116049 = 40395 <!--Nürtingen, Stadt --> | 08116050 = 5432 <!--Oberboihingen --> | 08116053 = 1729 <!--Ohmden --> | 08116054 = 3498 <!--Owen, Stadt --> | 08116056 = 14209 <!--Plochingen, Stadt --> | 08116058 = 7878 <!--Reichenbach an der Fils --> | 08116063 = 1758 <!--Schlaitdorf --> | 08116068 = 4576 <!--Unterensingen --> | 08116070 = 9556 <!--Weilheim an der Teck, Stadt --> | 08116071 = 15995 <!--Wendlingen am Neckar, Stadt --> | 08116072 = 12316 <!--Wernau (Neckar), Stadt --> | 08116073 = 6266 <!--Wolfschlugen --> | 08116076 = 7681 <!--Aichwald --> | 08116077 = 44040 <!--Filderstadt, Stadt --> | 08116078 = 37029 <!--Leinfelden-Echterdingen, Stadt --> | 08116079 = 8340 <!--Lenningen --> | 08116080 = 35612 <!--Ostfildern, Stadt --> | 08116081 = 9833 <!--Aichtal, Stadt --> | 08117001 = 2032 <!--Adelberg --> | 08117002 = 1284 <!--Aichelberg --> | 08117003 = 4329 <!--Albershausen --> | 08117006 = 3701 <!--Bad Ditzenbach --> | 08117007 = 3855 <!--Bad Überkingen --> | 08117009 = 1838 <!--Birenbach --> | 08117010 = 5517 <!--Böhmenkirch --> | 08117011 = 1769 <!--Börtlingen --> | 08117012 = 5198 <!--Bad Boll --> | 08117014 = 5508 <!--Deggingen --> | 08117015 = 10878 <!--Donzdorf, Stadt --> | 08117016 = 410 <!--Drackenstein --> | 08117017 = 2112 <!--Dürnau --> | 08117018 = 15461 <!--Ebersbach an der Fils, Stadt --> | 08117019 = 20317 <!--Eislingen/ Fils, Stadt --> | 08117020 = 2211 <!--Eschenbach --> | 08117023 = 1440 <!--Gammelshausen --> | 08117024 = 27219 <!--Geislingen an der Steige, Stadt --> | 08117025 = 4395 <!--Gingen an der Fils --> | 08117026 = 57336 <!--Göppingen, Stadt --> | 08117028 = 2136 <!--Gruibingen --> | 08117029 = 2940 <!--Hattenhofen --> | 08117030 = 5383 <!--Heiningen --> | 08117031 = 727 <!--Hohenstadt --> | 08117033 = 5650 <!--Kuchen --> | 08117035 = 992 <!--Mühlhausen im Täle --> | 08117037 = 2470 <!--Ottenbach --> | 08117038 = 5387 <!--Rechberghausen --> | 08117042 = 7809 <!--Salach --> | 08117043 = 1764 <!--Schlat --> | 08117044 = 3834 <!--Schlierbach --> | 08117049 = 10057 <!--Süßen, Stadt --> | 08117051 = 13757 <!--Uhingen, Stadt --> | 08117053 = 3972 <!--Wäschenbeuren --> | 08117055 = 3198 <!--Wangen --> | 08117058 = 2234 <!--Wiesensteig, Stadt --> | 08117060 = 3017 <!--Zell unter Aichelberg --> | 08117061 = 2696 <!--Lauterstein, Stadt --> | 08118001 = 4593 <!--Affalterbach --> | 08118003 = 13037 <!--Asperg, Stadt --> | 08118006 = 5686 <!--Benningen am Neckar --> | 08118007 = 11656 <!--Besigheim, Stadt --> | 08118010 = 7594 <!--Bönnigheim, Stadt --> | 08118011 = 24403 <!--Ditzingen, Stadt --> | 08118012 = 6435 <!--Eberdingen --> | 08118014 = 4710 <!--Erdmannhausen --> | 08118015 = 2664 <!--Erligheim --> | 08118016 = 2491 <!--Freudental --> | 08118018 = 3939 <!--Gemmrigheim --> | 08118019 = 18985 <!--Gerlingen, Stadt --> | 08118021 = 8213 <!--Großbottwar, Stadt --> | 08118027 = 7363 <!--Hemmingen --> | 08118028 = 2206 <!--Hessigheim --> | 08118040 = 5208 <!--Kirchheim am Neckar --> | 08118046 = 31146 <!--Kornwestheim, Stadt --> | 08118047 = 5383 <!--Löchgau --> | 08118048 = 87207 <!--Ludwigsburg, Stadt --> | 08118049 = 15567 <!--Marbach am Neckar, Stadt --> | 08118050 = 14490 <!--Markgröningen, Stadt --> | 08118051 = 10337 <!--Möglingen --> | 08118053 = 3208 <!--Mundelsheim --> | 08118054 = 6215 <!--Murr --> | 08118059 = 3103 <!--Oberriexingen, Stadt --> | 08118060 = 7943 <!--Oberstenfeld --> | 08118063 = 6250 <!--Pleidelsheim --> | 08118067 = 11340 <!--Schwieberdingen --> | 08118068 = 5244 <!--Sersheim --> | 08118070 = 12012 <!--Steinheim an der Murr, Stadt --> | 08118071 = 12145 <!--Tamm --> | 08118073 = 28901 <!--Vaihingen an der Enz, Stadt --> | 08118074 = 2982 <!--Walheim --> | 08118076 = 17427 <!--Sachsenheim, Stadt --> | 08118077 = 6024 <!--Ingersheim --> | 08118078 = 15694 <!--Freiberg am Neckar, Stadt --> | 08118079 = 42762 <!--Bietigheim-Bissingen, Stadt --> | 08118080 = 18542 <!--Korntal-Münchingen, Stadt --> | 08118081 = 22793 <!--Remseck am Neckar, Stadt --> | 08119001 = 7163 <!--Alfdorf --> | 08119003 = 4828 <!--Allmersbach im Tal --> | 08119004 = 4134 <!--Althütte --> | 08119006 = 6963 <!--Auenwald --> | 08119008 = 35496 <!--Backnang, Stadt --> | 08119018 = 3361 <!--Burgstetten --> | 08119020 = 44203 <!--Fellbach, Stadt --> | 08119024 = 2517 <!--Großerlach --> | 08119037 = 2682 <!--Kaisersbach --> | 08119038 = 3755 <!--Kirchberg an der Murr --> | 08119041 = 10397 <!--Korb --> | 08119042 = 10834 <!--Leutenbach --> | 08119044 = 14117 <!--Murrhardt, Stadt --> | 08119053 = 4130 <!--Oppenweiler --> | 08119055 = 9440 <!--Plüderhausen --> | 08119061 = 11522 <!--Rudersberg --> | 08119067 = 39346 <!--Schorndorf, Stadt --> | 08119068 = 9371 <!--Schwaikheim --> | 08119069 = 2170 <!--Spiegelberg --> | 08119075 = 5382 <!--Sulzbach an der Murr --> | 08119076 = 8525 <!--Urbach --> | 08119079 = 52845 <!--Waiblingen, Stadt --> | 08119083 = 7115 <!--Weissach im Tal --> | 08119084 = 11126 <!--Welzheim, Stadt --> | 08119085 = 27543 <!--Winnenden, Stadt --> | 08119086 = 7709 <!--Winterbach --> | 08119087 = 8290 <!--Aspach --> | 08119089 = 6143 <!--Berglen --> | 08119090 = 13461 <!--Remshalden --> | 08119091 = 26400 <!--Weinstadt, Stadt --> | 08119093 = 15287 <!--Kernen im Remstal --> | 08121000 = 122098 <!--Heilbronn, Stadt --> | 08125001 = 4557 <!--Abstatt --> | 08125005 = 18802 <!--Bad Friedrichshall, Stadt --> | 08125006 = 20675 <!--Bad Rappenau, Stadt --> | 08125007 = 6883 <!--Bad Wimpfen, Stadt --> | 08125008 = 6149 <!--Beilstein, Stadt --> | 08125013 = 15301 <!--Brackenheim, Stadt --> | 08125017 = 2703 <!--Cleebronn --> | 08125021 = 3157 <!--Eberstadt --> | 08125024 = 3340 <!--Ellhofen --> | 08125026 = 21480 <!--Eppingen, Stadt --> | 08125027 = 4912 <!--Erlenbach --> | 08125030 = 6589 <!--Flein --> | 08125034 = 4902 <!--Gemmingen --> | 08125038 = 6200 <!--Güglingen, Stadt --> | 08125039 = 7278 <!--Gundelsheim, Stadt --> | 08125046 = 8440 <!--Ilsfeld --> | 08125047 = 2485 <!--Ittlingen --> | 08125048 = 1518 <!--Jagsthausen --> | 08125049 = 5435 <!--Kirchardt --> | 08125056 = 10847 <!--Lauffen am Neckar, Stadt --> | 08125057 = 2166 <!--Lehrensteinsfeld --> | 08125058 = 10757 <!--Leingarten --> | 08125059 = 3124 <!--Löwenstein, Stadt --> | 08125061 = 3553 <!--Massenbachhausen --> | 08125063 = 8173 <!--Möckmühl, Stadt --> | 08125065 = 26828 <!--Neckarsulm, Stadt --> | 08125066 = 3504 <!--Neckarwestheim --> | 08125068 = 5178 <!--Neudenau, Stadt --> | 08125069 = 9574 <!--Neuenstadt am Kocher, Stadt --> | 08125074 = 7522 <!--Nordheim --> | 08125078 = 5965 <!--Oedheim --> | 08125079 = 2712 <!--Offenau --> | 08125081 = 2378 <!--Pfaffenhofen --> | 08125084 = 1456 <!--Roigheim --> | 08125086 = 11094 <!--Schwaigern, Stadt --> | 08125087 = 1644 <!--Siegelsbach --> | 08125094 = 4830 <!--Talheim --> | 08125096 = 4141 <!--Untereisesheim --> | 08125098 = 7687 <!--Untergruppenbach --> | 08125102 = 11590 <!--Weinsberg, Stadt --> | 08125103 = 1949 <!--Widdern, Stadt --> | 08125107 = 6720 <!--Wüstenrot --> | 08125108 = 3923 <!--Zaberfeld --> | 08125110 = 13954 <!--Obersulm --> | 08125111 = 4010 <!--Hardthausen am Kocher --> | 08125113 = 3658 <!--Langenbrettach --> | 08126011 = 12211 <!--Bretzfeld --> | 08126020 = 2426 <!--Dörzbach --> | 08126028 = 5020 <!--Forchtenberg, Stadt --> | 08126039 = 5821 <!--Ingelfingen, Stadt --> | 08126045 = 4794 <!--Krautheim, Stadt --> | 08126046 = 14925 <!--Künzelsau, Stadt --> | 08126047 = 5850 <!--Kupferzell --> | 08126056 = 3777 <!--Mulfingen --> | 08126058 = 6291 <!--Neuenstein, Stadt --> | 08126060 = 3914 <!--Niedernhall, Stadt --> | 08126066 = 22811 <!--Öhringen, Stadt --> | 08126069 = 8926 <!--Pfedelbach --> | 08126072 = 5790 <!--Schöntal --> | 08126085 = 3016 <!--Waldenburg, Stadt --> | 08126086 = 2153 <!--Weißbach --> | 08126094 = 1774 <!--Zweiflingen --> | 08127008 = 5306 <!--Blaufelden --> | 08127009 = 2376 <!--Braunsbach --> | 08127012 = 3136 <!--Bühlertann --> | 08127013 = 2062 <!--Bühlerzell --> | 08127014 = 32960 <!--Crailsheim, Stadt --> | 08127023 = 2837 <!--Fichtenberg --> | 08127025 = 12527 <!--Gaildorf, Stadt --> | 08127032 = 4345 <!--Gerabronn, Stadt --> | 08127043 = 6149 <!--Ilshofen, Stadt --> | 08127046 = 4367 <!--Kirchberg an der Jagst, Stadt --> | 08127047 = 1785 <!--Langenburg, Stadt --> | 08127052 = 5724 <!--Mainhardt --> | 08127056 = 3458 <!--Michelbach an der Bilz --> | 08127059 = 3605 <!--Michelfeld --> | 08127062 = 3699 <!--Oberrot --> | 08127063 = 4826 <!--Obersontheim --> | 08127071 = 5232 <!--Rot am See --> | 08127073 = 5242 <!--Satteldorf --> | 08127075 = 5965 <!--Schrozberg, Stadt --> | 08127076 = 36801 <!--Schwäbisch Hall, Stadt --> | 08127079 = 2535 <!--Sulzbach-Laufen --> | 08127086 = 3036 <!--Untermünkheim --> | 08127089 = 4251 <!--Vellberg, Stadt --> | 08127091 = 3579 <!--Wallhausen --> | 08127099 = 2034 <!--Wolpertshausen --> | 08127100 = 5192 <!--Rosengarten --> | 08127101 = 3866 <!--Kreßberg --> | 08127102 = 4553 <!--Fichtenau --> | 08127103 = 4722 <!--Frankenhardt --> | 08127104 = 2988 <!--Stimpfach --> | 08128006 = 2092 <!--Assamstadt --> | 08128007 = 22505 <!--Bad Mergentheim, Stadt --> | 08128014 = 7092 <!--Boxberg, Stadt --> | 08128020 = 4802 <!--Creglingen, Stadt --> | 08128039 = 3901 <!--Freudenberg, Stadt --> | 08128045 = 4054 <!--Großrinderfeld --> | 08128047 = 3796 <!--Grünsfeld, Stadt --> | 08128058 = 5631 <!--Igersheim --> | 08128061 = 3219 <!--Königheim --> | 08128064 = 5541 <!--Külsheim, Stadt --> | 08128082 = 5262 <!--Niederstetten, Stadt --> | 08128115 = 13176 <!--Tauberbischofsheim, Stadt --> | 08128126 = 7512 <!--Weikersheim, Stadt --> | 08128128 = 3506 <!--Werbach --> | 08128131 = 24008 <!--Wertheim, Stadt --> | 08128137 = 1731 <!--Wittighausen --> | 08128138 = 2306 <!--Ahorn --> | 08128139 = 14805 <!--Lauda-Königshofen, Stadt --> | 08135010 = 4510 <!--Dischingen --> | 08135015 = 11820 <!--Gerstetten --> | 08135016 = 19666 <!--Giengen an der Brenz, Stadt --> | 08135019 = 48811 <!--Heidenheim an der Brenz, Stadt --> | 08135020 = 13106 <!--Herbrechtingen, Stadt --> | 08135021 = 2317 <!--Hermaringen --> | 08135025 = 7298 <!--Königsbronn --> | 08135026 = 6273 <!--Nattheim --> | 08135027 = 4728 <!--Niederstotzingen, Stadt --> | 08135031 = 5554 <!--Sontheim an der Brenz --> | 08135032 = 8690 <!--Steinheim am Albuch --> | 08136002 = 7431 <!--Abtsgmünd --> | 08136003 = 1836 <!--Adelmannsfelden --> | 08136007 = 2144 <!--Bartholomä --> | 08136009 = 4655 <!--Böbingen an der Rems --> | 08136010 = 12299 <!--Bopfingen, Stadt --> | 08136015 = 2934 <!--Durlangen --> | 08136018 = 1716 <!--Ellenberg --> | 08136019 = 24772 <!--Ellwangen (Jagst), Stadt --> | 08136020 = 1845 <!--Eschach --> | 08136021 = 6404 <!--Essingen --> | 08136024 = 2414 <!--Göggingen --> | 08136027 = 5011 <!--Gschwend --> | 08136028 = 10041 <!--Heubach, Stadt --> | 08136029 = 1858 <!--Heuchlingen --> | 08136033 = 5822 <!--Hüttlingen --> | 08136034 = 2583 <!--Iggingen --> | 08136035 = 2438 <!--Jagstzell --> | 08136037 = 1960 <!--Kirchheim am Ries --> | 08136038 = 4663 <!--Lauchheim, Stadt --> | 08136040 = 2172 <!--Leinzell --> | 08136042 = 11149 <!--Lorch, Stadt --> | 08136043 = 4180 <!--Mögglingen --> | 08136044 = 6569 <!--Mutlangen --> | 08136045 = 8079 <!--Neresheim, Stadt --> | 08136046 = 3141 <!--Neuler --> | 08136049 = 462 <!--Obergröningen --> | 08136050 = 8040 <!--Oberkochen, Stadt --> | 08136060 = 2601 <!--Rosenberg --> | 08136061 = 1835 <!--Ruppertshofen --> | 08136062 = 2389 <!--Schechingen --> | 08136065 = 60682 <!--Schwäbisch Gmünd, Stadt --> | 08136066 = 3430 <!--Spraitbach --> | 08136068 = 1971 <!--Stödtlen --> | 08136070 = 1047 <!--Täferrot --> | 08136071 = 1855 <!--Tannhausen --> | 08136075 = 4601 <!--Unterschneidheim --> | 08136079 = 7169 <!--Waldstetten --> | 08136082 = 5937 <!--Westhausen --> | 08136084 = 1413 <!--Wört --> | 08136087 = 2244 <!--Riesbürg --> | 08136088 = 66503 <!--Aalen, Stadt --> | 08136089 = 3281 <!--Rainau --> | 08211000 = 54777 <!--Baden-Baden, Stadt --> | 08212000 = 290736 <!--Karlsruhe, Stadt --> | 08215007 = 28429 <!--Bretten, Stadt --> | 08215009 = 43267 <!--Bruchsal, Stadt --> | 08215017 = 38731 <!--Ettlingen, Stadt --> | 08215021 = 7571 <!--Forst --> | 08215025 = 3275 <!--Gondelsheim --> | 08215029 = 5431 <!--Hambrücken --> | 08215039 = 5576 <!--Kronau --> | 08215040 = 2353 <!--Kürnbach --> | 08215046 = 14537 <!--Malsch --> | 08215047 = 5386 <!--Marxzell --> | 08215059 = 10442 <!--Oberderdingen --> | 08215064 = 12869 <!--Östringen, Stadt --> | 08215066 = 12459 <!--Philippsburg, Stadt --> | 08215082 = 4671 <!--Sulzfeld --> | 08215084 = 12807 <!--Ubstadt-Weiher --> | 08215089 = 9054 <!--Walzbachtal --> | 08215090 = 9737 <!--Weingarten (Baden) --> | 08215094 = 1691 <!--Zaisenhausen --> | 08215096 = 15882 <!--Karlsbad --> | 08215097 = 14958 <!--Kraichtal, Stadt --> | 08215099 = 11681 <!--Graben-Neudorf --> | 08215100 = 12483 <!--Bad Schönborn --> | 08215101 = 17792 <!--Pfinztal --> | 08215102 = 15409 <!--Eggenstein-Leopoldshafen --> | 08215103 = 9795 <!--Karlsdorf-Neuthard --> | 08215105 = 11883 <!--Linkenheim-Hochstetten --> | 08215106 = 20548 <!--Waghäusel, Stadt --> | 08215107 = 9552 <!--Oberhausen-Rheinhausen --> | 08215108 = 20630 <!--Rheinstetten, Stadt --> | 08215109 = 23479 <!--Stutensee, Stadt --> | 08215110 = 12377 <!--Waldbronn --> | 08215111 = 6626 <!--Dettenheim --> | 08216002 = 3396 <!--Au am Rhein --> | 08216005 = 6004 <!--Bietigheim --> | 08216006 = 3161 <!--Bischweier --> | 08216007 = 29386 <!--Bühl, Stadt --> | 08216008 = 7997 <!--Bühlertal --> | 08216009 = 12186 <!--Durmersheim --> | 08216012 = 3290 <!--Elchesheim-Illingen --> | 08216013 = 5343 <!--Forbach --> | 08216015 = 29213 <!--Gaggenau, Stadt --> | 08216017 = 14438 <!--Gernsbach, Stadt --> | 08216022 = 4777 <!--Hügelsheim --> | 08216023 = 4909 <!--Iffezheim --> | 08216024 = 7678 <!--Kuppenheim, Stadt --> | 08216028 = 4990 <!--Lichtenau, Stadt --> | 08216029 = 2618 <!--Loffenau --> | 08216033 = 6215 <!--Muggensturm --> | 08216039 = 4430 <!--Ötigheim --> | 08216041 = 6187 <!--Ottersweier --> | 08216043 = 47523 <!--Rastatt, Stadt --> | 08216049 = 11207 <!--Sinzheim --> | 08216052 = 2926 <!--Steinmauern --> | 08216059 = 2634 <!--Weisenbach --> | 08216063 = 6603 <!--Rheinmünster --> | 08221000 = 145642 <!--Heidelberg, Stadt --> | 08222000 = 311342 <!--Mannheim, Universitätsstadt --> | 08225001 = 5340 <!--Adelsheim, Stadt --> | 08225002 = 4963 <!--Aglasterhausen --> | 08225009 = 5901 <!--Billigheim --> | 08225010 = 1402 <!--Binau --> | 08225014 = 18506 <!--Buchen (Odenwald), Stadt --> | 08225024 = 2843 <!--Fahrenbach --> | 08225032 = 7340 <!--Hardheim --> | 08225033 = 4935 <!--Haßmersheim --> | 08225039 = 3255 <!--Höpfingen --> | 08225042 = 2073 <!--Hüffenhardt --> | 08225052 = 4561 <!--Limbach --> | 08225058 = 24726 <!--Mosbach, Stadt --> | 08225060 = 5009 <!--Mudau --> | 08225064 = 2359 <!--Neckargerach --> | 08225067 = 1503 <!--Neckarzimmern --> | 08225068 = 1786 <!--Neunkirchen --> | 08225074 = 5243 <!--Obrigheim --> | 08225075 = 6474 <!--Osterburken, Stadt --> | 08225082 = 2222 <!--Rosenberg --> | 08225091 = 4394 <!--Seckach --> | 08225109 = 11848 <!--Walldürn, Stadt --> | 08225113 = 698 <!--Zwingenberg --> | 08225114 = 3026 <!--Ravenstein, Stadt --> | 08225115 = 4227 <!--Schefflenz --> | 08225116 = 3194 <!--Schwarzach --> | 08225117 = 6029 <!--Elztal --> | 08225118 = 4906 <!--Waldbrunn --> | 08226003 = 5294 <!--Altlußheim --> | 08226006 = 6461 <!--Bammental --> | 08226009 = 14233 <!--Brühl --> | 08226010 = 8920 <!--Dielheim --> | 08226012 = 12144 <!--Dossenheim --> | 08226013 = 15138 <!--Eberbach, Stadt --> | 08226017 = 2508 <!--Epfenbach --> | 08226018 = 14589 <!--Eppelheim, Stadt --> | 08226020 = 2551 <!--Eschelbronn --> | 08226022 = 2419 <!--Gaiberg --> | 08226027 = 493 <!--Heddesbach --> | 08226028 = 11555 <!--Heddesheim --> | 08226029 = 3021 <!--Heiligkreuzsteinach --> | 08226031 = 12205 <!--Hemsbach, Stadt --> | 08226032 = 21021 <!--Hockenheim, Stadt --> | 08226036 = 7996 <!--Ilvesheim --> | 08226037 = 12770 <!--Ketsch --> | 08226038 = 11552 <!--Ladenburg, Stadt --> | 08226040 = 6056 <!--Laudenbach --> | 08226041 = 26988 <!--Leimen, Stadt --> | 08226046 = 3415 <!--Malsch --> | 08226048 = 3929 <!--Mauer --> | 08226049 = 5301 <!--Meckesheim --> | 08226054 = 8188 <!--Mühlhausen --> | 08226055 = 3898 <!--Neckarbischofsheim, Stadt --> | 08226056 = 13987 <!--Neckargemünd, Stadt --> | 08226058 = 1818 <!--Neidenstein --> | 08226059 = 6653 <!--Neulußheim --> | 08226060 = 10685 <!--Nußloch --> | 08226062 = 10964 <!--Oftersheim --> | 08226063 = 9617 <!--Plankstadt --> | 08226065 = 7823 <!--Rauenberg, Stadt --> | 08226066 = 2038 <!--Reichartshausen --> | 08226068 = 7080 <!--Reilingen --> | 08226076 = 14338 <!--Sandhausen --> | 08226080 = 4613 <!--Schönau, Stadt --> | 08226081 = 2967 <!--Schönbrunn --> | 08226082 = 14834 <!--Schriesheim, Stadt --> | 08226084 = 21952 <!--Schwetzingen, Stadt --> | 08226085 = 35482 <!--Sinsheim, Stadt --> | 08226086 = 1737 <!--Spechbach --> | 08226091 = 5711 <!--Waibstadt, Stadt --> | 08226095 = 14646 <!--Walldorf, Stadt --> | 08226096 = 43651 <!--Weinheim, Stadt --> | 08226097 = 3105 <!--Wiesenbach --> | 08226098 = 25959 <!--Wiesloch, Stadt --> | 08226099 = 3245 <!--Wilhelmsfeld --> | 08226101 = 2146 <!--Zuzenhausen --> | 08226102 = 5018 <!--Angelbachtal --> | 08226103 = 12706 <!--St. Leon-Rot --> | 08226104 = 2401 <!--Lobbach --> | 08226105 = 14258 <!--Edingen-Neckarhausen --> | 08226106 = 3778 <!--Helmstadt-Bargen --> | 08226107 = 9427 <!--Hirschberg an der Bergstraße --> | 08231000 = 119839 <!--Pforzheim, Stadt --> | 08235006 = 11104 <!--Altensteig, Stadt --> | 08235007 = 7982 <!--Althengstett --> | 08235008 = 9418 <!--Bad Liebenzell, Stadt --> | 08235018 = 2260 <!--Dobel --> | 08235020 = 4789 <!--Ebhausen --> | 08235022 = 1929 <!--Egenhausen --> | 08235025 = 1221 <!--Enzklösterle --> | 08235029 = 3871 <!--Gechingen --> | 08235032 = 5675 <!--Haiterbach, Stadt --> | 08235033 = 7450 <!--Bad Herrenalb, Stadt --> | 08235035 = 1658 <!--Höfen an der Enz --> | 08235046 = 22570 <!--Nagold, Stadt --> | 08235047 = 5506 <!--Neubulach, Stadt --> | 08235050 = 3145 <!--Neuweiler --> | 08235055 = 2857 <!--Oberreichenbach --> | 08235057 = 2463 <!--Ostelsheim --> | 08235060 = 1926 <!--Rohrdorf --> | 08235065 = 8510 <!--Schömberg --> | 08235066 = 2182 <!--Simmersfeld --> | 08235067 = 2823 <!--Simmozheim --> | 08235073 = 2264 <!--Unterreichenbach --> | 08235079 = 10680 <!--Bad Wildbad, Stadt --> | 08235080 = 9974 <!--Wildberg, Stadt --> | 08235084 = 3044 <!--Bad Teinach-Zavelstein, Stadt --> | 08235085 = 23401 <!--Calw, Stadt --> | 08236004 = 10541 <!--Birkenfeld --> | 08236011 = 4472 <!--Eisingen --> | 08236013 = 4299 <!--Engelsbrand --> | 08236019 = 3705 <!--Friolzheim --> | 08236025 = 5229 <!--Heimsheim, Stadt --> | 08236028 = 7221 <!--Illingen --> | 08236030 = 5957 <!--Ispringen --> | 08236031 = 3006 <!--Kieselbronn --> | 08236033 = 7820 <!--Knittlingen, Stadt --> | 08236038 = 6730 <!--Maulbronn, Stadt --> | 08236039 = 2688 <!--Mönsheim --> | 08236040 = 25780 <!--Mühlacker, Stadt --> | 08236043 = 7566 <!--Neuenbürg, Stadt --> | 08236044 = 5399 <!--Neuhausen --> | 08236046 = 11990 <!--Niefern-Öschelbronn --> | 08236050 = 4857 <!--Ötisheim --> | 08236061 = 2822 <!--Sternenfels --> | 08236062 = 5364 <!--Tiefenbronn --> | 08236065 = 6553 <!--Wiernsheim --> | 08236067 = 2657 <!--Wimsheim --> | 08236068 = 2932 <!--Wurmberg --> | 08236070 = 8991 <!--Keltern --> | 08236071 = 11846 <!--Remchingen --> | 08236072 = 10746 <!--Straubenhardt --> | 08236073 = 6669 <!--Neulingen --> | 08236074 = 6208 <!--Kämpfelbach --> | 08236075 = 3493 <!--Ölbronn-Dürrn --> | 08236076 = 9774 <!--Königsbach-Stein --> | 08237002 = 6757 <!--Alpirsbach, Stadt --> | 08237004 = 15826 <!--Baiersbronn --> | 08237019 = 8045 <!--Dornstetten, Stadt --> | 08237024 = 4120 <!--Empfingen --> | 08237027 = 5398 <!--Eutingen im Gäu --> | 08237028 = 23690 <!--Freudenstadt, Stadt --> | 08237030 = 2366 <!--Glatten --> | 08237032 = 696 <!--Grömbach --> | 08237040 = 25935 <!--Horb am Neckar, Stadt --> | 08237045 = 7825 <!--Loßburg --> | 08237054 = 7224 <!--Pfalzgrafenweiler --> | 08237061 = 2595 <!--Schopfloch --> | 08237072 = 250 <!--Wörnersberg --> | 08237073 = 2368 <!--Seewald --> | 08237074 = 5913 <!--Waldachtal --> | 08237075 = 2264 <!--Bad Rippoldsau-Schapbach --> | 08311000 = 219665 <!--Freiburg im Breisgau, Stadt --> | 08315003 = 1455 <!--Au --> | 08315004 = 2485 <!--Auggen --> | 08315006 = 16586 <!--Bad Krozingen, Stadt --> | 08315007 = 3919 <!--Badenweiler --> | 08315008 = 2208 <!--Ballrechten-Dottingen --> | 08315013 = 5257 <!--Bötzingen --> | 08315014 = 2272 <!--Bollschweil --> | 08315015 = 14324 <!--Breisach am Rhein, Stadt --> | 08315016 = 1950 <!--Breitnau --> | 08315020 = 3184 <!--Buchenbach --> | 08315022 = 3906 <!--Buggingen --> | 08315028 = 2745 <!--Ebringen --> | 08315030 = 3302 <!--Eichstetten am Kaiserstuhl --> | 08315031 = 2190 <!--Eisenbach (Hochschwarzwald) --> | 08315033 = 2369 <!--Eschbach --> | 08315037 = 1875 <!--Feldberg (Schwarzwald) --> | 08315039 = 2030 <!--Friedenweiler --> | 08315041 = 3052 <!--Glottertal --> | 08315043 = 2501 <!--Gottenheim --> | 08315047 = 11554 <!--Gundelfingen --> | 08315048 = 4590 <!--Hartheim --> | 08315050 = 6040 <!--Heitersheim, Stadt --> | 08315051 = 1020 <!--Heuweiler --> | 08315052 = 2630 <!--Hinterzarten --> | 08315056 = 1108 <!--Horben --> | 08315059 = 5865 <!--Ihringen --> | 08315064 = 9743 <!--Kirchzarten --> | 08315068 = 5165 <!--Lenzkirch --> | 08315070 = 7792 <!--Löffingen, Stadt --> | 08315072 = 2577 <!--Merdingen --> | 08315073 = 4751 <!--Merzhausen --> | 08315074 = 18223 <!--Müllheim, Stadt --> | 08315076 = 12042 <!--Neuenburg am Rhein, Stadt --> | 08315084 = 2818 <!--Oberried --> | 08315089 = 2530 <!--Pfaffenweiler --> | 08315094 = 1915 <!--St. Märgen --> | 08315095 = 2541 <!--St. Peter --> | 08315098 = 5970 <!--Schallstadt --> | 08315102 = 2566 <!--Schluchsee --> | 08315107 = 1158 <!--Sölden --> | 08315108 = 7685 <!--Staufen im Breisgau, Stadt --> | 08315109 = 4373 <!--Stegen --> | 08315111 = 2714 <!--Sulzburg, Stadt --> | 08315113 = 11819 <!--Titisee-Neustadt, Stadt --> | 08315115 = 5217 <!--Umkirch --> | 08315125 = 1431 <!--Wittnau --> | 08315130 = 5217 <!--Münstertal/Schwarzwald --> | 08315131 = 7223 <!--Ehrenkirchen --> | 08315132 = 8614 <!--March --> | 08315133 = 5631 <!--Vogtsburg im Kaiserstuhl, Stadt --> | 08316002 = 3907 <!--Bahlingen am Kaiserstuhl --> | 08316003 = 1764 <!--Biederbach --> | 08316009 = 13557 <!--Denzlingen --> | 08316010 = 7039 <!--Elzach, Stadt --> | 08316011 = 26511 <!--Emmendingen, Stadt --> | 08316012 = 9098 <!--Endingen am Kaiserstuhl, Stadt --> | 08316013 = 1222 <!--Forchheim --> | 08316014 = 4455 <!--Gutach im Breisgau --> | 08316017 = 9895 <!--Herbolzheim, Stadt --> | 08316020 = 9233 <!--Kenzingen, Stadt --> | 08316024 = 3005 <!--Malterdingen --> | 08316036 = 3067 <!--Reute --> | 08316037 = 3618 <!--Riegel am Kaiserstuhl --> | 08316038 = 3367 <!--Sasbach am Kaiserstuhl --> | 08316039 = 3263 <!--Sexau --> | 08316042 = 3045 <!--Simonswald --> | 08316043 = 11765 <!--Teningen --> | 08316045 = 2952 <!--Vörstetten --> | 08316049 = 2124 <!--Weisweil --> | 08316051 = 3622 <!--Wyhl am Kaiserstuhl --> | 08316053 = 3446 <!--Rheinhausen --> | 08316054 = 4262 <!--Freiamt --> | 08316055 = 2812 <!--Winden im Elztal --> | 08316056 = 20638 <!--Waldkirch, Stadt --> | 08317001 = 24859 <!--Achern, Stadt --> | 08317005 = 9829 <!--Appenweier --> | 08317008 = 2736 <!--Bad Peterstal-Griesbach --> | 08317009 = 2418 <!--Berghaupten --> | 08317011 = 3382 <!--Biberach --> | 08317021 = 3855 <!--Durbach --> | 08317026 = 12152 <!--Ettenheim, Stadt --> | 08317029 = 1693 <!--Fischerbach --> | 08317031 = 12779 <!--Friesenheim --> | 08317034 = 11087 <!--Gengenbach, Stadt --> | 08317039 = 2229 <!--Gutach (Schwarzwaldbahn) --> | 08317040 = 6992 <!--Haslach im Kinzigtal, Stadt --> | 08317041 = 5825 <!--Hausach, Stadt --> | 08317046 = 1703 <!--Hofstetten --> | 08317047 = 7830 <!--Hohberg --> | 08317051 = 4354 <!--Hornberg, Stadt --> | 08317056 = 5868 <!--Kappelrodeck --> | 08317057 = 34596 <!--Kehl, Stadt --> | 08317059 = 5094 <!--Kippenheim --> | 08317065 = 43705 <!--Lahr/Schwarzwald, Stadt --> | 08317067 = 1878 <!--Lautenbach --> | 08317068 = 3866 <!--Lauf --> | 08317073 = 4557 <!--Mahlberg, Stadt --> | 08317075 = 3706 <!--Meißenheim --> | 08317078 = 1686 <!--Mühlenbach --> | 08317085 = 2024 <!--Nordrach --> | 08317088 = 2541 <!--Oberharmersbach --> | 08317089 = 19982 <!--Oberkirch, Stadt --> | 08317093 = 2763 <!--Oberwolfach --> | 08317096 = 59208 <!--Offenburg, Stadt --> | 08317097 = 3222 <!--Ohlsbach --> | 08317098 = 4949 <!--Oppenau, Stadt --> | 08317100 = 3331 <!--Ortenberg --> | 08317102 = 3313 <!--Ottenhöfen im Schwarzwald --> | 08317110 = 7370 <!--Renchen, Stadt --> | 08317113 = 2192 <!--Ringsheim --> | 08317114 = 3723 <!--Rust --> | 08317116 = 5556 <!--Sasbach --> | 08317118 = 2481 <!--Sasbachwalden --> | 08317121 = 3270 <!--Schuttertal --> | 08317122 = 7163 <!--Schutterwald --> | 08317126 = 1460 <!--Seebach --> | 08317127 = 5054 <!--Seelbach --> | 08317129 = 3983 <!--Steinach --> | 08317141 = 9088 <!--Willstätt --> | 08317145 = 5843 <!--Wolfach, Stadt --> | 08317146 = 8086 <!--Zell am Harmersbach, Stadt --> | 08317150 = 6850 <!--Schwanau --> | 08317151 = 9387 <!--Neuried --> | 08317152 = 4887 <!--Kappel-Grafenhausen --> | 08317153 = 11208 <!--Rheinau, Stadt --> | 08317971 = 0 <!--Rheinau (gemeindefreies Gebiet) --> | 08325001 = 4119 <!--Aichhalden --> | 08325009 = 3512 <!--Bösingen --> | 08325011 = 3948 <!--Dietingen --> | 08325012 = 6215 <!--Dornhan, Stadt --> | 08325014 = 5977 <!--Dunningen --> | 08325015 = 3422 <!--Epfendorf --> | 08325024 = 2634 <!--Hardt --> | 08325036 = 3084 <!--Lauterbach --> | 08325045 = 14641 <!--Oberndorf am Neckar, Stadt --> | 08325049 = 25749 <!--Rottweil, Stadt --> | 08325050 = 1795 <!--Schenkenzell --> | 08325051 = 3974 <!--Schiltach, Stadt --> | 08325053 = 21621 <!--Schramberg, Stadt --> | 08325057 = 12347 <!--Sulz am Neckar, Stadt --> | 08325060 = 3311 <!--Villingendorf --> | 08325061 = 4183 <!--Vöhringen --> | 08325064 = 3132 <!--Wellendingen --> | 08325069 = 5986 <!--Zimmern ob Rottweil --> | 08325070 = 3210 <!--Fluorn-Winzeln --> | 08325071 = 2090 <!--Eschbronn --> | 08325072 = 6123 <!--Deißlingen --> | 08326003 = 12932 <!--Bad Dürrheim, Stadt --> | 08326005 = 10266 <!--Blumberg, Stadt --> | 08326006 = 6102 <!--Bräunlingen, Stadt --> | 08326010 = 3610 <!--Dauchingen --> | 08326012 = 21338 <!--Donaueschingen, Stadt --> | 08326017 = 9375 <!--Furtwangen im Schwarzwald, Stadt --> | 08326020 = 1243 <!--Gütenbach --> | 08326027 = 7760 <!--Hüfingen, Stadt --> | 08326031 = 6053 <!--Königsfeld im Schwarzwald --> | 08326037 = 3152 <!--Mönchweiler --> | 08326041 = 6028 <!--Niedereschach --> | 08326052 = 13347 <!--St. Georgen im Schwarzwald, Stadt --> | 08326054 = 2419 <!--Schönwald im Schwarzwald --> | 08326055 = 4041 <!--Schonach im Schwarzwald --> | 08326060 = 5049 <!--Triberg im Schwarzwald, Stadt --> | 08326061 = 2875 <!--Tuningen --> | 08326065 = 2766 <!--Unterkirnach --> | 08326068 = 3889 <!--Vöhrenbach, Stadt --> | 08326074 = 81246 <!--Villingen-Schwenningen, Stadt --> | 08326075 = 5200 <!--Brigachtal --> | 08327002 = 7651 <!--Aldingen --> | 08327004 = 451 <!--Bärenthal --> | 08327005 = 1091 <!--Balgheim --> | 08327006 = 1497 <!--Böttingen --> | 08327007 = 1184 <!--Bubsheim --> | 08327008 = 646 <!--Buchheim --> | 08327009 = 1697 <!--Deilingen --> | 08327010 = 2546 <!--Denkingen --> | 08327011 = 1694 <!--Dürbheim --> | 08327012 = 908 <!--Durchhausen --> | 08327013 = 652 <!--Egesheim --> | 08327016 = 3204 <!--Fridingen an der Donau, Stadt --> | 08327017 = 2136 <!--Frittlingen --> | 08327018 = 6078 <!--Geisingen, Stadt --> | 08327019 = 3884 <!--Gosheim --> | 08327020 = 694 <!--Gunningen --> | 08327023 = 748 <!--Hausen ob Verena --> | 08327025 = 5847 <!--Immendingen --> | 08327027 = 783 <!--Irndorf --> | 08327029 = 563 <!--Königsheim --> | 08327030 = 1309 <!--Kolbingen --> | 08327033 = 743 <!--Mahlstetten --> | 08327036 = 3435 <!--Mühlheim an der Donau, Stadt --> | 08327038 = 3840 <!--Neuhausen ob Eck --> | 08327040 = 528 <!--Reichenbach am Heuberg --> | 08327041 = 739 <!--Renquishausen --> | 08327046 = 12411 <!--Spaichingen, Stadt --> | 08327048 = 1212 <!--Talheim --> | 08327049 = 15177 <!--Trossingen, Stadt --> | 08327050 = 34696 <!--Tuttlingen, Stadt --> | 08327051 = 3699 <!--Wehingen --> | 08327054 = 3783 <!--Wurmlingen --> | 08327055 = 2355 <!--Seitingen-Oberflacht --> | 08327056 = 2688 <!--Rietheim-Weilheim --> | 08327057 = 4572 <!--Emmingen-Liptingen --> | 08335001 = 2127 <!--Aach, Stadt --> | 08335002 = 7120 <!--Allensbach --> | 08335015 = 1419 <!--Büsingen am Hochrhein --> | 08335021 = 3597 <!--Eigeltingen --> | 08335022 = 10226 <!--Engen, Stadt --> | 08335025 = 3230 <!--Gaienhofen --> | 08335026 = 3069 <!--Gailingen am Hochrhein --> | 08335028 = 10256 <!--Gottmadingen --> | 08335035 = 8324 <!--Hilzingen --> | 08335043 = 82608 <!--Konstanz, Universitätsstadt --> | 08335055 = 3302 <!--Moos --> | 08335057 = 2332 <!--Mühlingen --> | 08335061 = 3684 <!--Öhningen --> | 08335063 = 30343 <!--Radolfzell am Bodensee, Stadt --> | 08335066 = 5118 <!--Reichenau --> | 08335075 = 45531 <!--Singen (Hohentwiel), Stadt --> | 08335077 = 4611 <!--Steißlingen --> | 08335079 = 16621 <!--Stockach, Stadt --> | 08335080 = 4676 <!--Tengen, Stadt --> | 08335081 = 2889 <!--Volkertshausen --> | 08335096 = 1987 <!--Hohenfels --> | 08335097 = 3689 <!--Mühlhausen-Ehingen --> | 08335098 = 4432 <!--Bodman-Ludwigshafen --> | 08335099 = 3102 <!--Orsingen-Nenzingen --> | 08335100 = 11947 <!--Rielasingen-Worblingen --> | 08336004 = 567 <!--Aitern --> | 08336006 = 3811 <!--Bad Bellingen --> | 08336008 = 2879 <!--Binzen --> | 08336010 = 102 <!--Böllen --> | 08336014 = 8307 <!--Efringen-Kirchen --> | 08336019 = 2430 <!--Eimeldingen --> | 08336024 = 677 <!--Fischingen --> | 08336025 = 497 <!--Fröhnd --> | 08336034 = 1102 <!--Hasel --> | 08336036 = 2357 <!--Hausen im Wiesental --> | 08336043 = 2480 <!--Inzlingen --> | 08336045 = 8120 <!--Kandern, Stadt --> | 08336050 = 48158 <!--Lörrach, Stadt --> | 08336057 = 4048 <!--Maulburg --> | 08336069 = 32397 <!--Rheinfelden (Baden), Stadt --> | 08336073 = 1654 <!--Rümmingen --> | 08336075 = 721 <!--Schallbach --> | 08336078 = 5308 <!--Schliengen --> | 08336079 = 2441 <!--Schönau im Schwarzwald, Stadt --> | 08336080 = 340 <!--Schönenberg --> | 08336081 = 19055 <!--Schopfheim, Stadt --> | 08336082 = 2404 <!--Schwörstadt --> | 08336084 = 10191 <!--Steinen --> | 08336087 = 4980 <!--Todtnau, Stadt --> | 08336089 = 181 <!--Tunau --> | 08336090 = 647 <!--Utzenfeld --> | 08336091 = 29725 <!--Weil am Rhein, Stadt --> | 08336094 = 334 <!--Wembach --> | 08336096 = 574 <!--Wieden --> | 08336100 = 929 <!--Wittlingen --> | 08336103 = 6084 <!--Zell im Wiesental, Stadt --> | 08336104 = 1523 <!--Malsburg-Marzell --> | 08336105 = 13787 <!--Grenzach-Wyhlen --> | 08336106 = 841 <!--Häg-Ehrsberg --> | 08336107 = 2945 <!--Kleines Wiesental --> | 08337002 = 7318 <!--Albbruck --> | 08337013 = 1890 <!--Bernau im Schwarzwald --> | 08337022 = 6935 <!--Bonndorf im Schwarzwald, Stadt --> | 08337027 = 1410 <!--Dachsberg (Südschwarzwald) --> | 08337030 = 1100 <!--Dettighofen --> | 08337032 = 2291 <!--Dogern --> | 08337038 = 4398 <!--Görwihl --> | 08337039 = 2281 <!--Grafenhausen --> | 08337045 = 1295 <!--Häusern --> | 08337049 = 2729 <!--Herrischried --> | 08337051 = 2536 <!--Höchenschwand --> | 08337053 = 3661 <!--Hohentengen am Hochrhein --> | 08337059 = 394 <!--Ibach --> | 08337060 = 5114 <!--Jestetten --> | 08337062 = 7403 <!--Klettgau --> | 08337065 = 7474 <!--Lauchringen --> | 08337066 = 8624 <!--Laufenburg (Baden), Stadt --> | 08337070 = 2191 <!--Lottstetten --> | 08337076 = 6878 <!--Murg --> | 08337090 = 3896 <!--Rickenbach --> | 08337096 = 16859 <!--Bad Säckingen, Stadt --> | 08337097 = 3940 <!--St. Blasien, Stadt --> | 08337106 = 5177 <!--Stühlingen, Stadt --> | 08337108 = 2037 <!--Todtmoos --> | 08337116 = 12895 <!--Wehr, Stadt --> | 08337118 = 3123 <!--Weilheim --> | 08337123 = 6655 <!--Wutöschingen --> | 08337124 = 1680 <!--Eggingen --> | 08337125 = 5488 <!--Küssaberg --> | 08337126 = 22729 <!--Waldshut-Tiengen, Stadt --> | 08337127 = 1253 <!--Wutach --> | 08337128 = 5209 <!--Ühlingen-Birkendorf --> | 08415014 = 9304 <!--Dettingen an der Erms --> | 08415019 = 11017 <!--Eningen unter Achalm --> | 08415027 = 2197 <!--Gomadingen --> | 08415028 = 1577 <!--Grabenstetten --> | 08415029 = 2631 <!--Grafenberg --> | 08415034 = 2147 <!--Hayingen, Stadt --> | 08415039 = 2784 <!--Hülben --> | 08415048 = 1377 <!--Mehrstetten --> | 08415050 = 21999 <!--Metzingen, Stadt --> | 08415053 = 14549 <!--Münsingen, Stadt --> | 08415058 = 1545 <!--Pfronstetten --> | 08415059 = 18458 <!--Pfullingen, Stadt --> | 08415060 = 9339 <!--Pliezhausen --> | 08415061 = 112176 <!--Reutlingen, Stadt --> | 08415062 = 4299 <!--Riederich --> | 08415073 = 6508 <!--Trochtelfingen, Stadt --> | 08415078 = 12503 <!--Bad Urach, Stadt --> | 08415080 = 5131 <!--Wannweil --> | 08415085 = 2108 <!--Zwiefalten --> | 08415086 = 205 <!--Gutsbezirk Münsingen, gemfr. Gebiet --> | 08415087 = 4811 <!--Walddorfhäslach --> | 08415088 = 3876 <!--Römerstein --> | 08415089 = 5447 <!--Engstingen --> | 08415090 = 3730 <!--Hohenstein --> | 08415091 = 7057 <!--Sonnenbühl --> | 08415092 = 9062 <!--Lichtenstein --> | 08415093 = 5243 <!--St. Johann --> | 08416006 = 5786 <!--Bodelshausen --> | 08416009 = 5467 <!--Dettenhausen --> | 08416011 = 5555 <!--Dußlingen --> | 08416015 = 8599 <!--Gomaringen --> | 08416018 = 2965 <!--Hirrlingen --> | 08416022 = 5607 <!--Kirchentellinsfurt --> | 08416023 = 8240 <!--Kusterdingen --> | 08416025 = 20097 <!--Mössingen, Stadt --> | 08416026 = 4234 <!--Nehren --> | 08416031 = 4522 <!--Ofterdingen --> | 08416036 = 42655 <!--Rottenburg am Neckar, Stadt --> | 08416041 = 85344 <!--Tübingen, Universitätsstadt --> | 08416048 = 11664 <!--Ammerbuch --> | 08416049 = 3458 <!--Neustetten --> | 08416050 = 4499 <!--Starzach --> | 08417002 = 34049 <!--Balingen, Stadt --> | 08417008 = 9314 <!--Bisingen --> | 08417010 = 3728 <!--Bitz --> | 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08425004 = 591 <!--Altheim --> | 08425005 = 1750 <!--Altheim (Alb) --> | 08425008 = 3952 <!--Amstetten --> | 08425011 = 1039 <!--Asselfingen --> | 08425013 = 662 <!--Ballendorf --> | 08425014 = 2498 <!--Beimerstetten --> | 08425017 = 1937 <!--Berghülen --> | 08425019 = 2063 <!--Bernstadt --> | 08425020 = 11912 <!--Blaubeuren, Stadt --> | 08425022 = 178 <!--Börslingen --> | 08425024 = 263 <!--Breitingen --> | 08425028 = 6584 <!--Dietenheim, Stadt --> | 08425031 = 8505 <!--Dornstadt --> | 08425033 = 25770 <!--Ehingen (Donau), Stadt --> | 08425035 = 132 <!--Emeringen --> | 08425036 = 832 <!--Emerkingen --> | 08425039 = 13322 <!--Erbach, Stadt --> | 08425050 = 1045 <!--Griesingen --> | 08425052 = 200 <!--Grundsheim --> | 08425055 = 304 <!--Hausen am Bussen --> | 08425062 = 271 <!--Holzkirch --> | 08425064 = 1342 <!--Hüttisheim --> | 08425066 = 3386 <!--Illerrieden --> | 08425071 = 10970 <!--Laichingen, Stadt --> | 08425072 = 14285 <!--Langenau, Stadt --> | 08425073 = 589 <!--Lauterach --> 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[[Kölner Dom]]&nbsp;&#124; Bauhaus-Stätten: [[Bauhaus Dessau]], [[Großherzoglich-Sächsische Kunstschule Weimar|Kunstschule]] und [[Kunstgewerbeschule Weimar]], [[Musterhaus Am Horn]]&nbsp;&#124; Lutherstädte [[Lutherstadt Eisleben|Eisleben]] und [[Lutherstadt Wittenberg|Wittenberg]]&nbsp;&#124; [[Klassisches Weimar]]&nbsp;&#124; [[Museumsinsel (Berlin)|Museumsinsel in Berlin]]&nbsp;&#124; [[Wartburg|Wartburg bei Eisenach]]&nbsp;&#124; [[Dessau-Wörlitzer Gartenreich]]&nbsp;&#124; [[Reichenau (Insel)|Klosterinsel Reichenau im Bodensee]]&nbsp;&#124; [[Zeche Zollverein]] und [[Kokerei Zollverein]]&nbsp;&#124; [[Welterbe Kulturlandschaft Oberes Mittelrheintal|Kulturlandschaft Oberes Mittelrheintal]]&nbsp;&#124; [[Historische Altstädte Stralsund und Wismar|Die historischen Altstädte Stralsund und Wismar]]&nbsp;&#124; [[Bremer Rathaus]] und [[Bremer Roland]]&nbsp;&#124; [[Fürst-Pückler-Park Bad Muskau]]&nbsp;&#124; [[Obergermanisch-Raetischer Limes|Obergermanisch-Rätischer Limes]]&nbsp;&#124; [[Stiftskirche St. Servatius (Quedlinburg)|Stiftskirche]] und Altstadt [[Quedlinburg]]&nbsp;&#124; Altstädte von [[Bamberg]] und [[Regensburg]]&nbsp;&#124; [[Siedlungen der Berliner Moderne]] '''Weltnaturerbe:''' [[Grube Messel]]&nbsp;&#124; [[Wattenmeer (Nordsee)|Wattenmeer der Nordsee]] '''Ehemaliges Welterbe:''' [[Kulturlandschaft Dresdner Elbtal|Dresdner Elbtal]] }} <noinclude> [[Kategorie:Vorlage:Navigationsleiste (Deutschland)|Welterbestätten in Deutschland]] [[Kategorie:Vorlage:Navigationsleiste Welterbe|Deutschland]] [[da:Skabelon:Verdensarven i Tyskland]] [[en:Template:World Heritage Sites in Germany]] [[eo:Ŝablono:Monda heredaĵo en Germanio]] [[fi:Malline:Saksan maailmanperintökohteet]] [[fr:Modèle:Patrimoine mondial en Allemagne]] [[he:תבנית:אתרי מורשת עולמית בגרמניה]] [[hr:Predložak:Svjetska baština u Njemačkoj]] [[hu:Sablon:Németország világörökségi helyszínei]] [[ja:Template:ドイツの世界遺産]] [[la:Formula:Patrimonium Mundi Germaniae]] [[nl:Sjabloon:Navigatie werelderfgoed in Duitsland]] [[no:Mal:Verdensarven Tyskland]] [[pl:Szablon:Obiekty UNESCO w Niemczech]] [[pt:Predefinição:Património Mundial na Alemanha]] [[ro:Format:PatrimoniuGermania]] [[simple:Template:World Heritage Sites in Germany]] [[sk:Šablóna:Svetové dedičstvo - Nemecko]] [[vi:Bản mẫu:Di sản thế giới tại Đức]] </noinclude> iu4v47wz9j5ggohn0qfep93xh36grx0 wikitext text/x-wiki Vorlage:Große Imagemap 10 24180 26777 2009-11-01T16:13:52Z Umherirrender 280 Änderung 66279933 von [[Special:Contributions/Umherirrender|Umherirrender]] wurde rückgängig gemacht. So einfach nicht möglich, muss per Parameter am Bild erfolgen. <noinclude>{{Dokumentation}} </noinclude><includeonly><div class="thumbinner" style="margin-bottom: 1ex; clear: both;"> <div class="thumbimage" style="overflow-y:hidden; overflow-x: scroll; overflow: auto; width: 100%; width:inherit; text-align:left; position:relative;"> {{{1|''fehlender Parameter: zur Verwendung siehe [[Vorlage:Große Imagemap]]''}}} </div>{{#if: {{{2|}}}| <div class="thumbcaption" style="text-align: center;">{{{2}}}</div>}} </div></includeonly> elbeub9rw77689xdn58whdreluaz1l3 wikitext text/x-wiki Vorlage:Navigationsleiste Regionen der Schweiz 10 24181 26778 2010-01-10T09:23:36Z PsY.cHo 0 {{Navigationsleiste |BILD=[[Bild:Coat of Arms of Switzerland.svg|35px|Schweizerische Eidgenossenschaft]] |TITEL=[[Region]]en der [[Schweiz]] |INHALT= Kulturell, geografisch oder geologisch geprägt: <br> [[Jura (Gebirge)|Jura]]&nbsp;&#124; [[Mittelland (Schweiz)|Mittelland]]&nbsp;&#124; [[Voralpen]]&nbsp;&#124; [[Alpen]]&nbsp;&#124; [[Alpensüdseite (Schweiz)|Alpensüdseite]]&nbsp;&#124; [[Ostschweiz]]&nbsp;&#124; [[Nordostschweiz]]&nbsp;&#124; [[Nordwestschweiz]]&nbsp;&#124; [[Südostschweiz (Region)|Südostschweiz]]&nbsp;&#124; [[Zentralschweiz]]&nbsp;&#124; [[Romandie]]&nbsp;&#124; [[Italienische Schweiz]] }}<noinclude> [[Kategorie:Vorlage:Navigationsleiste (Schweiz)|Regionen der Schweiz]] </noinclude> tnhwkd3s5dq184fgm4tkjqbtb9qsq6x wikitext text/x-wiki Vorlage:Navigationsleiste Marssonden 10 24182 26779 2010-01-26T10:03:19Z WIKImaniac 0 form {{Navigationsleiste | BILD = [[Datei:Mars Spirit.jpg|90px]] | TITEL = Marssonden | INHALT = [[Mars (Raumsonde)|„Mars“-Raumsonden]] (1960–1973)&nbsp;&#124; [[Mariner|Mariner 3,4,6–9]] (1964–1971)&nbsp;&#124; [[Zond|Zond 2]] (1964)&nbsp;&#124; [[Viking]] (1975)&nbsp;&#124; [[Fobos]] (1988)&nbsp;&#124; [[Mars Observer]] (1993)&nbsp;&#124; [[Mars Global Surveyor]] (1996)&nbsp;&#124; [[Mars 96]] (1996)&nbsp;&#124; [[Mars Pathfinder]] (1996)&nbsp;&#124; [[Nozomi]] (1998)&nbsp;&#124; [[Mars Climate Orbiter]] (1998)&nbsp;&#124; [[Mars Polar Lander]] mit [[Deep Space 2]] (1999)&nbsp;&#124; ''[[2001 Mars Odyssey]]'' (2001)&nbsp;&#124; ''[[Mars Express]]'' mit [[Beagle 2]] (2003)&nbsp;&#124; ''[[Spirit (Raumsonde)|Spirit]]'' (2003)&nbsp;&#124; ''[[Opportunity]]'' (2003)&nbsp;&#124; ''[[Mars Reconnaissance Orbiter]]'' (2005)&nbsp;&#124; [[Phoenix (Raumsonde)|Phoenix]] (2007)&nbsp;&#124; [[Fobos-Grunt]] (2011)&nbsp;&#124; [[Yinghuo-1]] (2011)&nbsp;&#124; [[Curiosity]] (2011)&nbsp;&#124; [[MAVEN]] (2013)&nbsp;&#124; [[ExoMars]] (2016 und 2018)&nbsp;&#124; [[Mars Sample Return]] (nicht vor 2018) ''Kursiv'' geschriebene Missionen sind aktiv. ''Gestrichene Missionen:'' [[Mars Surveyor|Mars Surveyor 2001]]&nbsp;&#124; [[Mars Telecommunications Orbiter]]&nbsp;&#124; [[Mars Science and Telecommunications Orbiter]] (2011 oder 2013) (''Siehe auch:'' [[Mars (Planet)|Mars]]&nbsp;&#124; [[Chronologie der Mars-Missionen]]&nbsp;&#124; [[Bemannter Marsflug]]&nbsp;&#124; [[Aurora (ESA)|Aurora-Programm]]) }}<noinclude> [[Kategorie:Vorlage:Navigationsleiste Raumfahrt|Marssonden]] </noinclude> kk3sjzbbj5e5qokzrhcpfg12m01kryr wikitext text/x-wiki Vorlage:Navigationsleiste Filme von Roman Polański 10 24183 26780 2010-02-13T20:11:54Z Master of Snow 0 {{Navigationsleiste Filmographie |Regisseur=[[Roman Polański]] |Filme= [[Zwei Männer und ein Schrank|Zwei&nbsp;Männer&nbsp;und&nbsp;ein&nbsp;Schrank]]&nbsp;&#124; [[Das Messer im Wasser|Das&nbsp;Messer&nbsp;im&nbsp;Wasser]]&nbsp;&#124; [[Ekel (Film)|Ekel]]&nbsp;&#124; [[Wenn Katelbach kommt…|Wenn&nbsp;Katelbach&nbsp;kommt…]]&nbsp;&#124; [[Tanz der Vampire (Film)|Tanz&nbsp;der&nbsp;Vampire]]&nbsp;&#124; [[Rosemaries Baby|Rosemaries&nbsp;Baby]]&nbsp;&#124; [[Macbeth (1971)|Macbeth]]&nbsp;&#124; [[Was? (Film)|Was?]]&nbsp;&#124; [[Chinatown (Film)|Chinatown]]&nbsp;&#124; [[Der Mieter (1976)|Der&nbsp;Mieter]]&nbsp;&#124; [[Tess (Film)|Tess]]&nbsp;&#124; [[Piraten (Film)|Piraten]]&nbsp;&#124; [[Frantic]]&nbsp;&#124; [[Bitter Moon|Bitter&nbsp;Moon]]&nbsp;&#124; [[Der Tod und das Mädchen (Film)|Der&nbsp;Tod&nbsp;und&nbsp;das&nbsp;Mädchen]]&nbsp;&#124; [[Die neun Pforten|Die&nbsp;neun&nbsp;Pforten]]&nbsp;&#124; [[Der Pianist|Der&nbsp;Pianist]]&nbsp;&#124; [[Oliver Twist (2005)|Oliver&nbsp;Twist]]&nbsp;&#124; [[Der Ghostwriter]] }}<noinclude> [[Kategorie:Vorlage:Navigationsleiste Regisseure|Polanski]] [[en:Template:Roman Polanski]] [[ru:Шаблон:Фильмы Романа Полански]] </noinclude> mdzba8oqy7dovy3u1csmrbh1j6hqh7r wikitext text/x-wiki Vorlage:Löschantragstext 10 24184 26781 2010-04-16T03:25:03Z Merlissimo 313 +KatSort {{#ifeq:{{NAMESPACE}}|{{ns:6}}| <div style="width:100%; font-size:100%; border:3px solid #DD0000; background-color:#FFDDDD; padding:5px; margin-bottom:5px; position:relative;">Bei rechtlichen Problemen mit Bildern verwende bitte die [[Wikipedia:Dateiüberprüfung/Anleitung|Dateiüberprüfung]]. <br /> Beachte die [[Wikipedia:LR#Dateien|Löschregeln für Bilder]]!. </div>}} <div id="loeschantragstext"> {| {{Bausteindesign4}} | style="width:50px; text-align:center;" | [[Datei:Fairytale Trash Question.svg|35px|link=Wikipedia:Löschregeln]] | style="margin-left:0px;" | '''{{#if:{{{tag|}}}|{{#switch:{{NAMESPACE}} |{{ns:0}} = Dieser Artikel |{{ns:2}} = Diese Benutzerseite |{{ns:4}} = Diese Projektseite |{{ns:6}} = Diese Datei |{{ns:10}} = Diese Vorlage |{{ns:14}} = Diese Kategorie |#default = Diese Seite}} wurde zur Löschung vorgeschlagen. |Diese Seite wurde zur Löschung vorgeschlagen.}}''' {{#ifeq:{{NAMESPACE}}|{{ns:0}}|Falls du Autor des Artikels bist, lies dir bitte durch, [[Wikipedia:Was bedeutet ein Löschantrag|was ein Löschantrag bedeutet]], und [[Wikipedia:Löschantrag entfernen|entferne diesen Hinweis nicht.]]<br />}} '''{{#if:{{{tag|}}}|{{#switch:{{NAMESPACE}} |{{ns:14}} = [[Wikipedia:WikiProjekt Kategorien/Diskussionen/{{{jahr|{{LOCALYEAR}}}}}/{{{monat|{{LOCALMONTHNAME}}}}}/{{{tag|{{LOCALDAY}}}}}#{{{titel|{{SUBJECTPAGENAME}}}}}|Zur Löschdiskussion]] |#default = [[Wikipedia:Löschkandidaten/{{{tag|{{LOCALDAY}}}}}. {{{monat|{{LOCALMONTHNAME}}}}} {{{jahr|{{LOCALYEAR}}}}}#{{{titel|{{FULLPAGENAME}}}}}|Zur Löschdiskussion]] }}|Zur Löschdiskussion}}''' {{#ifeq:{{NAMESPACE}}|{{ns:0}}|{{#ifeq:{{#timel:j". 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Damit kann über die Linkliste überprüft werden, ob ein alter Löschantrag versehentlich auf einer Seite vergessen wurde. Beispiel: Spezial:Linkliste/Vorlage:Löschantragstext/August. Für mehr Details siehe die Diskussionsseite http://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Vorlage_Diskussion:Löschantragstext&oldid=50018391#Alte_Vorlageneinbindungen_aufsp.C3.BCren --></noinclude><includeonly><span style="display:none;">[[Vorlage:Löschantragstext/{{{monat|}}}]]</span></includeonly> scqi4h1e6bbkci64kadug4nyuh12pim wikitext text/x-wiki Vorlage:Infobox U-Bahn 10 24185 26782 2010-05-04T17:16:38Z Janericloebe 0 Änderungen von [[Special:Contributions/Janericloebe|Janericloebe]] ([[User talk:Janericloebe|Diskussion]]) rückgängig gemacht und letzte Version von [[User:MartinThoma|MartinThoma]] wiederhergestellt <noinclude> __TOC__ </noinclude><includeonly><div class="float-right" style="width: 260px; background:{{{Farbe|#eeeeee}}}; margin: 1em 0 1em 1em; padding: 0px; border: 2px solid {{{Farbe|#eeeeee}}}; "> <div style="width: 260px; background: white; padding: 0px; border-bottom: solid 2px {{{Farbe|#eeeeee}}}; text-align: center;"> {| cellspacing="0" cellpadding="2" style="width: 100%; background:transparent;" |- | align="left" |{{#if: {{{Logo|}}}|{{{Logo}}}|[[Bild:U-Bahn.svg|30px|]]}} |align="center"|<span style="font-size:120%;">'''{{#if: {{{Name|}}} | {{{Name}}} | {{PAGENAME}} }}'''</span> |- |} </div> {{#if:{{{Bild|}}}| <div style="width: 256px; background:white; padding: 2px; text-align: center;">[[Bild:{{{Bild}}}|250px]]</div> }} <div style="width: 260px; background:{{{Farbe|#eeeeee}}}; text-align: center;"> {| border="0" cellpadding="4" cellspacing="0" style="width: 100%; text-align: left; line-height: 100%; background:white;" |- | colspan="2" align="center" style="background:{{{Farbe|#eeeeee}}};"|<span style="color:{{{Farbe2|#000000}}};">'''Basisdaten'''</span> |- {{#if:{{{Staat|}}} || class="hiddenStructure noprint"}} | '''Staat''' | {{{Staat}}} |- {{#if:{{{Stadt|}}} || class="hiddenStructure noprint"}} | '''Stadt''' | {{{Stadt}}} |- {{#if:{{{Verkehrsverbund|}}} || class="hiddenStructure noprint"}} | '''Verkehrsverbund''' | {{{Verkehrsverbund}}} |- {{#if:{{{Eröffnung|}}} || class="hiddenStructure noprint"}} | '''Eröffnung''' | {{{Eröffnung}}} |- {{#if:{{{Linien|}}} || class="hiddenStructure noprint"}} | '''Linien''' | {{{Linien}}} |- {{#if:{{{Streckenlänge|}}} || class="hiddenStructure noprint"}} | '''Streckenlänge''' | {{{Streckenlänge}}}&nbsp;km |- {{#if:{{{Stationen|}}} || class="hiddenStructure noprint"}} | '''Stationen''' | {{{Stationen}}} |- {{#if:{{{Tunnelbf|}}} || class="hiddenStructure noprint"}} | '''Tunnelstationen''' | {{{Tunnelbf}}} |- {{#if:{{{Fernbf|}}} || class="hiddenStructure noprint"}} | '''Fernbahnhöfe''' | {{{Fernbf}}} |- | colspan="2" align="center" style="background:{{{Farbe|#eeeeee}}};"|<span style="color:{{{Farbe2|#000000}}};">'''Nutzung'''</span> |- {{#if:{{{Taktfolge|}}} || class="hiddenStructure noprint"}} | '''Kürzester&nbsp;Takt''' | {{{Taktfolge}}} |- {{#if:{{{Passagiere|}}} || class="hiddenStructure noprint"}} | '''Passagiere''' | {{{Passagiere}}} |- {{#if:{{{Einzugsbereich|}}} || class="hiddenStructure noprint"}} | '''Bewohner im Einzugsbereich''' | {{{Einzugsbereich}}} |- {{#if:{{{Mitarbeiter|}}} || class="hiddenStructure noprint"}} | '''Mitarbeiter''' | {{{Mitarbeiter}}} |- {{#if:{{{Fahrzeuge|}}} || class="hiddenStructure noprint"}} | '''Fahrzeuge''' | {{#if: {{{Fahrzeugekl|}}}|<small>|}}{{{Fahrzeuge}}}{{#if: {{{Fahrzeugekl|}}}|</small>|}} |- {{#if:{{{Betreiber|}}} || class="hiddenStructure noprint"}} | '''Betreiber''' | {{{Betreiber}}} |- {{#if:{{{Strom|}}} || class="hiddenStructure noprint"}} | '''Stromsystem''' | {{#if: {{{Stromkl|}}}|<small>|}}{{{Strom}}}{{#if: {{{Stromkl|}}}|</small>|}} |- |} </div></div></includeonly> <noinclude> == Beschreibung == Diese Vorlage ist als Infobox für alle U-Bahnen geeignet. Es sind nur die Kopiervorlage zu übernehmen und die richtigen Informationen einzusetzen. Dem entsprechend bieten sich auch mehrere Möglichkeiten zur Anpassung, z.B. in Bezug auf das Logo oder einen Netzplan. Im Beispiel hier drunter ist zu sehen, wie die Infobox für die Berliner bzw. Hamburger U-Bahn aussehen würde. An diesen Beispielen zeigt sich auch die Anpassungsmöglichkeit der Farben. == Beispiel der Vorlage == <div class="float-left"> {{Infobox U-Bahn |Name = U-Bahn Berlin |Logo = [[Bild:U-Bahn Berlin_logo.svg|30px]] |Farbe = #0664ab |Farbe2 = #ffffff |Bild = Karte ubahn berlin.png |Stadt = [[Berlin]] |Staat = [[Deutschland]] |Verkehrsverbund = [[Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg|VBB]] |Eröffnung = 1902 |Linien = 9 |Streckenlänge = 144,9 |Stationen = 170 |Fernbf = 2 |Tunnelbf = 135 |Taktfolge = 3–5 min |Passagiere = 457,9 Mio./Jahr (2005) |Mitarbeiter = <!--Anzahl der Mitarbeiter--> |Fahrzeuge = Kleinprofil: [[BVG-Baureihe A3|A3]], [[BVG-Baureihe G|G]], [[BVG-Baureihe HK|HK]]<BR />Großprofil: [[BVG-Baureihe F|F]], [[BVG-Baureihe H|H]] |Fahrzeugekl = ja |Betreiber = [[Berliner Verkehrsbetriebe|BVG]] |Strom = 750 V [[Gleichstrom|DC]] Stromschiene |Stromkl = ja }} </div> {{Infobox U-Bahn |Name = U-Bahn Hamburg |Logo = |Farbe = #003399 |Farbe2 = #ffffff |Bild = Hamburger Hochbahn - Linienplan.png |Stadt = [[Hamburg]] |Staat = [[Deutschland]] |Verkehrsverbund = [[Hamburger Verkehrsverbund|HVV]] |Eröffnung = 1912 |Linien = 3 |Streckenlänge = 100,9 |Stationen = 89 |Fernbf = 2 |Tunnelbf = 43 |Taktfolge = 2–3 min |Passagiere = ca. 180 Mio. pro Jahr |Einzugsbereich = |Mitarbeiter = |Fahrzeuge = [[HHA Typ DT3#DT3-E|DT3-E]], [[HHA Typ DT4|DT4]] |Fahrzeugekl = |Betreiber = [[Hamburger Hochbahn|HHA]] |Strom = 750&nbsp;V [[Gleichstrom|DC]] Stromschiene |Stromkl = ja }} <br style="clear:both;" /> == Die Parameter == '''Fett''' geschriebene Parameter benötigen Quellenangaben. {| class="prettytable" ! Feld ! Beschreibung |- | Name | Name der SchnellBahn, falls das Feld leer bleibt, wird automatisch das Artikellemma verwendet. |- | Logo | Logo der Schnellbahn, ansonsten wird das U-Bahn-Logo verwendet; im Format ''<nowiki>[[Name.Dateiendung|Größe]]</nowiki>'' |- | Farbe | Farbe für den Rahmen und den Hintergrund der Teilüberschriften, ansonsten grau |- | Farbe2 | Farbe der Teilüberschriften, muss auf ''Farbe'' gut lesbar sein; sonst helleres grau (fast weiß). |- | Bild | Ein zur Schnellbahn passendes Bild, z.B. der Netzplan oder das aktuelle Fahrzeug; im Format ''Name.Dateiendung'' |- | Stadt | Stadt, in der die Schnellbahn verkehrt. |- | Staat | Land, in dem die Schnellbahn verkehrt |- | Verkehrsverbund | Verkehrs- oder Tarifverbund, in dem die Schnellbahn fährt; '''als Abkürzung''' |- | Eröffnung | Eröffnungsdatum bzw. -jahr, an/ in dem die Schnellbahn in Betrieb genommen wurde. |- | Linien | Anzahl der Linien (Verstärkungs-/ Zweiglinien sind gesondert zu vermerken und nicht mitzurechenen). |- | Streckenlänge | Gesamtlänge des Streckennetzes in Kilometern. |- | Stationen | Anzahl aller befahrenen Stationen. |- | Fernbf | Anzahl der Fernbahnhöfe davon. |- | Tunnelbf | Anzahl der unterirdischen Stationen davon. |- | Taktfolge | Kleinste Taktfolge in Minuten. |- | '''Passagiere''' | Anzahl der Passagiere auf einen bestimmten Zeitraum, möglichst ein Jahr. |- | Einzugsbereich | Anzahl der Einwohner im Einzugsbereich der SchnellBahn. |- | '''Mitarbeiter''' | Anzahl der Mitarbeiter der Schnellbahn. |- | Fahrzeuge | Aktuell eingesetzte Fahrzeugtypen. |- | Fahrzeugekl | Irgendetwas einsetzen, um kleine Schrift zu bewirken |- | Betreiber | Betreiber der Schnellbahn bzw, des Schnellbahnnetzes; '''ggF. als Abkürzung''' |- | Strom | Stromversorgung der Schnellbahn; im Format ''__ kV / __,_ Hz <nowiki>[[Wechselstrom|AC]]</nowiki>'' für Wechsel- bzw. ''___ V <nowiki>[[Gleichstrom|DC]]</nowiki>'' für Gleichstrom, darauf folgend Verssorger (Stromschiene/ Oberleitung); Mehrere Stromversorgugnen möglich |- | Stromkl | Irgendetwas einsetzen, um kleine Schrift zu bewirken |} == Kopiervorlage mit Füllinformation == <pre> {{Infobox U-Bahn |Name = <!--Name der U-Bahn--> |Logo = <!--Erscheint oben links--> |Farbe = <!--Hintergrundfarbe der Infobox--> |Farbe2 = <!--Farbe der Gruppierungsüberschriften, muss auf ''Farbe'' gut lesbar sein--> |Bild = <!--Netzplan oder anderes Bild--> |Stadt = <!--Name der Stadt--> |Staat = <!--Name des Staates--> |Verkehrsverbund = <!--Verkehrs- bzw. Tarifverbund--> |Eröffnung = <!--Eröffnungsjahr--> |Linien = <!--Anzahl der Linien--> |Streckenlänge = <!--Länge des gesamten Streckennetzes--> |Stationen = <!--Anzahl der Stationen--> |Fernbf = <!--davon Fernbahnhöfe--> |Tunnelbf = <!--davon unterirdisch--> |Taktfolge = <!--kleinstes Taktintervall (in min)--> |Passagiere = <!--Anzahl Passagiere / Zeiteinheit (z.B. 600.000 pro Jahr)--> |Einzugsbereich = <!--Einwohner im Einzugsbereich--> |Mitarbeiter = <!--Anzahl der Mitarbeiter--> |Fahrzeuge = <!--eingesetzte Fahrzeugtypen--> |Fahrzeugekl = <!--Fahrzeuge klein?--> |Betreiber = <!--Betreibergesellschaft(en)--> |Strom = <!--Stromsystem--> |Stromkl = <!--Stromsystem klein?--> }} </pre> [[Kategorie:Vorlage:Infobox Verkehr|U-Bahn]] [[Kategorie:Vorlage:Bahn|U-Bahn]] </noinclude> pf8b66ix3ual3qrqtwfx3xub0v6f95g wikitext text/x-wiki Vorlage:USA 10 24186 26783 2010-04-14T12:46:26Z Antonsusi 0 <onlyinclude>[[Datei:Flag of the United States.svg|{{{WIDTH|20}}}px|{{#if:{{{nb|}}}|Vereinigte&nbsp;Staaten|Vereinigte Staaten}}]]&nbsp;[[{{{1|Vereinigte Staaten}}}|{{{2|{{#if:{{{nb|}}}|Vereinigte&nbsp;Staaten|Vereinigte Staaten}}}}}]]</onlyinclude> {{Vorlagendokumentation Land mit Flagge}} [[Kategorie:Vorlage:Vereinigte Staaten|Usa]] [[als:Vorlage:USA]] [[ast:Plantilla:USA]] [[br:Patrom:SUA]] [[ca:Plantilla:USA]] [[el:Πρότυπο:USA]] [[en:Template:USA]] [[eo:Ŝablono:USA]] [[es:Plantilla:USA]] [[fi:Malline:Yhdysvallat]] [[fr:Modèle:USA]] [[frp:Template:USA]] [[hr:Predložak:USA]] [[hu:Sablon:Amerikai Egyesült Államok]] [[it:Template:USA]] [[ja:Template:USA]] [[ko:틀:USA]] [[lb:Schabloun:USA]] [[nl:Sjabloon:US]] [[nn:Mal:USA]] [[no:Mal:USA]] [[oc:Modèl:USA]] [[pt:Predefinição:USA]] [[sl:Predloga:USA]] [[sr:Шаблон:USA]] [[uk:Шаблон:USA]] [[ro:Format:USA]] [[ru:Шаблон:USA]] [[ta:Template:USA]] [[th:แม่แบบ:USA]] [[tr:Şablon:USA]] [[vec:Template:USA]] [[zh:Template:USA]] oqflsu13rkb5d890spc5uaa2d1ne76k wikitext text/x-wiki Vorlage:Infobox Flugzeug 10 24187 26784 2010-01-27T09:44:25Z Revolus 0 +<onlyinclude>, +Vorschau <onlyinclude><div class="float-right" style="margin: 0 0 0.4em 1em; line-height: normal; border: 1px solid #ccd2d9; background: #f9f9f9; padding: 0.4em 0.8em;"> {| border="0" cellspacing="0" cellpadding="3" style="background: transparent; text-align: left; table-layout: auto; border-collapse: collapse; padding: 0; font-size: 90%; width: 250px; vertical-align: top;" |- style="border-top: solid 1px #87CEFF; border-bottom: solid 1px #87CEFF;" ! colspan="3" style="padding: 0.4em 0.4em 0.4em 0.4em; background: #CAE1FF; text-align: center;"|<big>{{#if: {{{Name|}}} | {{{Name|}}} | {{PAGENAME}} }}</big> |- style="border-bottom: solid 1px #ccd2d9;" {{#if: {{{Bild|<noinclude>1</noinclude>}}} | {{!}} colspan="2" style="padding:0px" align="center" {{!}} {{{Bild}}} | {{#ifeq: {{NAMESPACE}} | {{ns:0}} |<span style="display:none">[[Vorlage:Infobox Flugzeug/Wartung/Parameter Bild fehlt]]</span>}} }} |- style="border-bottom: solid 1px #ccd2d9;" | Typ: || {{{Typ}}} |- style="border-bottom: solid 1px #ccd2d9;" {{#if: {{{Entwicklungsland|<noinclude>1</noinclude>}}} | {{!}} Entwurfsland: {{!!}} {{{Entwicklungsland}}} }} |- style="border-bottom: solid 1px #ccd2d9;" | Hersteller: || {{{Hersteller}}} |- style="border-bottom: solid 1px #ccd2d9;" {{#if: {{{Erstflug|<noinclude>1</noinclude>}}} | {{!}} Erstflug: {{!!}} {{{Erstflug}}} }} |- style="border-bottom: solid 1px #ccd2d9;" {{#if: {{{Indienststellung|<noinclude>1</noinclude>}}} | {{!}} Indienststellung: {{!!}} {{{Indienststellung}}} }} |- style="border-bottom: solid 1px #ccd2d9;" {{#if: {{{Produktionszeitraum|<noinclude>1</noinclude>}}} | {{!}} Produktionszeit: {{!!}} {{{Produktionszeitraum}}} }} |- style="border-bottom: solid 1px #ccd2d9;" {{#if: {{{Stückzahl|<noinclude>1</noinclude>}}} | {{!}} Stückzahl: {{!!}} {{{Stückzahl}}} }} |}</div></onlyinclude> {{Dokumentation}} 05r2aaogh3ulz4w7jt1rkmy6akx5a35 wikitext text/x-wiki Vorlage:RGA 10 24188 26785 2009-12-15T10:36:05Z Hydro 0 katfix wg. großbuchstaben <includeonly>{{ #if:{{{5|}}}|{{{5}}}:&nbsp;|}}''{{ #if:{{{4|}}}|{{{4}}}|{{PAGENAME}} }}''. In: ''[[Reallexikon der Germanischen Altertumskunde]]'' (RGA). 2. Auflage. Band {{{1}}}, Walter de Gruyter, Berlin – New York {{#switch: {{{1|}}} | 1 = 1973 | 2 = 1976 | 3 = 1978 | 4 = 1981 | 5 = 1984 | 6 = 1986 | 7 = 1989 | 8 = 1994 | 9 = 1995 | 10 = 1998 | 11 = 1998 | 12 = 1998 | 13 = 1999 | 14 = 1999 | 15 = 2000 | 16 = 2000 | 17 = 2000 | 18 = 2001 | 19 = 2001 | 20 = 2001 | 21 = 2002 | 22 = 2003 | 23 = 2003 | 24 = 2003 | 25 = 2003 | 26 = 2004 | 27 = 2004 | 28 = 2005 | 29 = 2005 | 30 = 2005 | 31 = 2006 | 32 = 2006 | 33 = 2006 | 34 = 2007 | 35 = 2007 | #default = 1968/73–2007 }}, S.&nbsp;{{{2}}}{{ #if:{{{3|}}}|–{{{3}}}|}}.</includeonly><noinclude>Diese Seite dient dem Erstellen von Literaturverweisen auf Artikel im [[Reallexikon der Germanischen Altertumskunde]]: Kurzanleitung: <pre>* {{RGA|Band|SeiteX|SeiteY|Artikeloriginaltitel|Artikelautor}}</pre> Genaueres auf der [[Vorlage Diskussion:RGA|Diskussionsseite]]. [[Kategorie:Vorlage:Zitation|Rga]] </noinclude> 4kdbojub6l2rsezy87ii3ksber7nr2j wikitext text/x-wiki Vorlage:Navigationsleiste Unterseeboote der Los-Angeles-Klasse 10 24189 26786 2009-02-09T23:58:27Z Florian Adler 0 Änderung 56469236 von [[Special:Contributions/MARK|MARK]] wurde rückgängig gemacht. Kein Grund {{Navigationsleiste |TITEL=U-Boote der [[Los-Angeles-Klasse|''Los-Angeles''-Klasse]]''' |INHALT= '''flight I'''<br /> [[USS Los Angeles (SSN-688)|Los&nbsp;Angeles]]&nbsp;&#124; [[USS Baton Rouge (SSN-689)|Baton&nbsp;Rouge]]&nbsp;&#124; [[USS Philadelphia (SSN-690)|Philadelphia]]&nbsp;&#124; [[USS Memphis (SSN-691)|Memphis]]&nbsp;&#124; [[USS Omaha (SSN-692)|Omaha]]&nbsp;&#124; [[USS Cincinnati (SSN-693)|Cincinnati]]&nbsp;&#124; [[USS Groton (SSN-694)|Groton]]&nbsp;&#124; [[USS Birmingham (SSN-695)|Birmingham]]&nbsp;&#124; [[USS New York City (SSN-696)|New&nbsp;York&nbsp;City]]&nbsp;&#124; [[USS Indianapolis (SSN-697)|Indianapolis]]&nbsp;&#124; [[USS Bremerton (SSN-698)|Bremerton]]&nbsp;&#124; [[USS Jacksonville (SSN-699)|Jacksonville]]&nbsp;&#124; [[USS Dallas (SSN-700)|Dallas]]&nbsp;&#124; [[USS La Jolla (SSN-701)|La&nbsp;Jolla]]&nbsp;&#124; [[USS Phoenix (SSN-702)|Phoenix]]&nbsp;&#124; [[USS Boston (SSN-703)|Boston]]&nbsp;&#124; [[USS Baltimore (SSN-704)|Baltimore]]&nbsp;&#124; [[USS City of Corpus Christi (SSN-705)|City&nbsp;of&nbsp;Corpus&nbsp;Christi]]&nbsp;&#124; [[USS Albuquerque (SSN-706)|Albuquerque]]&nbsp;&#124; [[USS Portsmouth (SSN-707)|Portsmouth]]&nbsp;&#124; [[USS Minneapolis-Saint Paul (SSN-708)|Minneapolis&ndash;Saint&nbsp;Paul]]&nbsp;&#124; [[USS Hyman G. 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In: ''[[Livius.org]]'' (englisch)<noinclude> == Verwendung == <nowiki>{{Livius|au-az|avesta}}</nowiki> ergibt den Link http://www.livius.org/au-az/avesta/avesta.html <nowiki>{{Livius|aj-al|alexander|00}}</nowiki> ergibt den Link http://www.livius.org/aj-al/alexander/alexander00.html <nowiki>{{Livius|aj-al|alexander|alt=test}}</nowiki> ergibt den Link http://www.livius.org/aj-al/alexander/test.html <nowiki>{{Livius|aj-al|alexander|00|htm}}</nowiki> ergibt den Link http://www.livius.org/aj-al/alexander/alexander00.htm Mit dem Parameter „artikel=“ kann die Beschriftung „Artikel“ in den Namen des verlinkten Artikels geändert werden. [[Kategorie:Vorlage:Datenbanklink|Livius]] </noinclude> teyot646ughl3i679ht5nerpl1rehny wikitext text/x-wiki Vorlage:Infobox Schifffahrtskanal 10 24196 26793 2009-09-06T14:31:35Z Juliabackhausen 0 {| class="prettytable float-right" width="330" !colspan="2" style="background-color:#CEDAF2; text-align:center;"| {{#if: {{{NAME|}}}|{{{NAME}}}|{{PAGENAME}}}} |- {{#if: {{{BILD|}}}| {{!}} colspan="2" style="text-align:center; font-size:smaller;" {{!}} [[Bild:{{{BILD}}}|{{{BILD-BREITE|330px}}}|center|{{{BILDBESCHREIBUNG|}}}]] {{{BILDBESCHREIBUNG|}}} {{!-}} }} {{#if: {{{ABKÜRZUNG|}}}| {{!}} style="vertical-align:top; background-color:#f2f2f4;" {{!}} Abkürzung {{!}} {{{ABKÜRZUNG}}} {{!-}} }} {{#if: {{{LAGE|}}}| {{!}} style="vertical-align:top; background-color:#f2f2f4;" {{!}} Lage {{!}} {{{LAGE}}} {{!-}} }} {{#if: {{{LÄNGE|}}}| {{!}} style="vertical-align:top; background-color:#f2f2f4;" {{!}} Länge {{!}} {{{LÄNGE}}} {{!-}} }} {{#if: {{{ERBAUT|}}}| {{!}} style="vertical-align:top; background-color:#f2f2f4;" {{!}} Erbaut {{!}} {{{ERBAUT}}} {{!-}} }} {{#if: {{{AUSGEBAUT|}}}| {{!}} style="vertical-align:top; background-color:#f2f2f4;" {{!}} Ausgebaut {{!}} {{{AUSGEBAUT}}} {{!-}} }} {{#if: {{{KLASSE|}}}| {{!}} style="vertical-align:top; background-color:#f2f2f4;" {{!}} [[Wasserstraßenklasse|Klasse]] {{!}} {{{KLASSE}}} {{!-}} }} {{#if: {{{BEGINN|}}}| {{!}} style="vertical-align:top; background-color:#f2f2f4;" {{!}} Beginn {{!}} {{{BEGINN}}} {{!-}} }} {{#if: {{{ENDE|}}}| {{!}} style="vertical-align:top; background-color:#f2f2f4;" {{!}} Ende {{!}} {{{ENDE}}} {{!-}} }} {{#if: {{{SCHLEUSEN|}}}| {{!}} style="vertical-align:top; background-color:#f2f2f4;" {{!}} Schleusen {{!}} {{{SCHLEUSEN}}} {{!-}} }} {{#if: {{{HÄFEN|}}}| {{!}} style="vertical-align:top; background-color:#f2f2f4;" {{!}} Häfen {{!}} {{{HÄFEN}}} {{!-}} }} {{#if: {{{ABZWEIGUNGEN KREUZUNGEN|}}}| {{!}} style="vertical-align:top; background-color:#f2f2f4;" {{!}} Abzweigungen, Kreuzungen {{!}} {{{ABZWEIGUNGEN KREUZUNGEN}}} {{!-}} }} {{#if: {{{HISTORISCHE VORLÄUFER|}}}| {{!}} style="vertical-align:top; background-color:#f2f2f4;" {{!}} Historische Vorläufer {{!}} {{{HISTORISCHE VORLÄUFER}}} {{!-}} }} {{#if: {{{GENUTZTER FLUSS|}}}| {{!}} style="vertical-align:top; background-color:#f2f2f4;" {{!}} Genutzter Fluss {{!}} {{{GENUTZTER FLUSS}}} {{!-}} }} {{#if: {{{HERAUSRAGENDE BAUWERKE|}}}| {{!}} style="vertical-align:top; background-color:#f2f2f4;" {{!}} Herausragende Bauwerke {{!}} {{{HERAUSRAGENDE BAUWERKE}}} {{!-}} }} {{#if: {{{INFOZENTRUM MUSEUM|}}}| {{!}} style="vertical-align:top; background-color:#f2f2f4;" {{!}} Infozentrum, Museum {{!}} {{{INFOZENTRUM MUSEUM}}} {{!-}} }} {{#if: {{{KILOMETRIERUNG|}}}| {{!}} style="vertical-align:top; background-color:#f2f2f4;" {{!}} Kilometrierung {{!}} {{{KILOMETRIERUNG}}} {{!-}} }} {{#if: {{{HÖCHSTGESCHWINDIGKEIT|}}}| {{!}} style="vertical-align:top; background-color:#f2f2f4;" {{!}} Höchstgeschwindigkeit<br>[http://www.elwis.de/Schifffahrtsrecht/SeeSchStrO/Vierter_Abschnitt_Sechster_Abschnitt/26/ (§&nbsp;26&nbsp;Abs.&nbsp;3&nbsp;SeeSchStrO)] {{!}} {{{HÖCHSTGESCHWINDIGKEIT}}} {{!-}} }} {{#if: {{{TALFAHRT|}}}| {{!}} style="vertical-align:top; background-color:#f2f2f4;" {{!}} [[Bergfahrt|Talfahrt]] {{!}} {{{TALFAHRT}}} {{!-}} }} {{#if: {{{ZUSTÄNDIGE WSD|}}}| {{!}} style="vertical-align:top; background-color:#f2f2f4;" {{!}} Zuständiges [[Wasser- und Schifffahrtsamt|WSA]] {{!}} {{{ZUSTÄNDIGE WSD}}} {{!-}} }} {{#if: {{{ANMERKUNGEN|}}}| {{!}} colspan="2" style="vertical-align:top; background-color:#f2f2f4;" {{!}} {{{ANMERKUNGEN}}} {{!-}} }} {{#if: {{{BILD1|}}}| {{!}} colspan="2" style="text-align:center; font-size:smaller; vertical-align:top; background-color:#f2f2f4;" {{!}} [[Bild:{{{BILD1}}}|{{{BILD1-BREITE|330px}}}|center]] {{{BILD1-BESCHREIBUNG|}}} {{!-}} }} |}<noinclude> ==Verwendung== Hinweise zur Verwendung, Ausfüllhinweise, und ein Muster befinden sich unter [[Wikipedia:Formatvorlage Schifffahrtskanal]]. [[Kategorie:Vorlage:Infobox Verkehr|Schifffahrtskanal]] [[Kategorie:Vorlage:Infobox Gewässer|Schifffahrtskanal]] </noinclude> kytk34v8jqtotfatr81237i5d8blvcg wikitext text/x-wiki Vorlage:Tri Nations Tabelle 10 24197 26794 2009-09-19T11:06:18Z Karmacomatic 0 {| class="prettytable" |- bgcolor="#EFEFEF" ! Land ! Spiele ! Siege ! Unent. ! Ndlg. ! Spiel-<br />punkte ! Diff. ! Bonus<br />punkte ! Tabellen-<br />punkte ! 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Die Vorlage funktioniert nur mit Zahlen kleiner als 3000! '''Verwendung:''' <code><nowiki>{{getRoman|2391}}</nowiki></code> '''Beispiel:''' <nowiki>{{getRoman|2391}}</nowiki> wird zu {{getRoman|2391}}, <nowiki>{{getRoman|3001}}</nowiki> zu {{getRoman|3001}}. [[Kategorie:Vorlage:Funktion|GetRoman]] </noinclude> jcfvr74t6ueeiio3ykn2m5x95eubaqo wikitext text/x-wiki Vorlage:Navigationsleiste Raumsonden zu Zwergplaneten 10 24202 26799 2010-02-08T16:18:59Z Wiegels 0 Standardtrenner {{Navigationsleiste |BILD=[[Datei:Dawn Flight Configuration 2.jpg|90px]] |TITEL=Raumsonden zu [[Zwergplanet]]en |INHALT= [[New Horizons]] (2006)&nbsp;&#124; [[Dawn (Raumsonde)|Dawn]] (2007) }}<noinclude> [[Kategorie:Vorlage:Navigationsleiste Raumfahrt|Raumsonden zu Zwergplaneten]] </noinclude> lo7ojbf0lc1tv6job5e79yqghujz7tb wikitext text/x-wiki Vorlage:Navigationsleiste Ligue 2 10 24203 26800 2010-03-14T15:47:55Z Ureinwohner 0 {{Navigationsleiste|TITEL=Vereine in der französischen 2. Liga (''[[Ligue 2]]'') 2009/10 |INHALT= [[AC Ajaccio]]&nbsp;&#124; [[SCO Angers]]&nbsp;&#124; [[AC Arles]]&nbsp;&#124; [[SC Bastia]]&nbsp;&#124; [[Stade Brest]]&nbsp;&#124; [[SM Caen]]&nbsp;&#124; [[LB Châteauroux]]&nbsp;&#124; [[Clermont Foot]]&nbsp;&#124; [[FCO Dijon]]&nbsp;&#124; [[EA Guingamp]]&nbsp;&#124; [[FC Istres]]&nbsp;&#124; [[Stade Laval]]&nbsp;&#124; [[Le Havre AC]]&nbsp;&#124; [[FC Metz]]&nbsp;&#124; [[FC Nantes]]&nbsp;&#124; [[Olympique Nîmes]]&nbsp;&#124; [[CS Sedan]]&nbsp;&#124; [[Racing Straßburg|RC Strasbourg]]&nbsp;&#124; [[FC Tours]]&nbsp;&#124; [[Vannes OC]] }}<noinclude> [[Kategorie:Vorlage:Navigationsleiste Fußball (Frankreich)|Ligue 2]] </noinclude> 1bklaxj3srwzs6kig8dlzrorn3x0d3j wikitext text/x-wiki Vorlage:Navigationsleiste Burgen und Schlösser an der Lahn 10 24204 26801 2009-07-19T20:16:26Z Wiegels 0 + Kategorie, Einsortierung, Weiterleitungsauflösung {{Navigationsleiste |TITEL=Burgen und Schlösser an der Lahn |BILD=[[Datei:Marburger Schloss 017.jpg|150px]] |INHALT= '''Nordrhein-Westfalen:''' [[Schloss Wittgenstein]] '''Hessen:''' [[Schloss Biedenkopf]]&nbsp;&#124; [[Burg Hohenfels (Allendorf)|Hohenfels]]&nbsp;&#124; [[Marburger Schloss|Schloss Marburg]]&nbsp;&#124; [[Burg Staufenberg (Hessen)|Burg Staufenberg]]&nbsp;&#124; [[Altes Schloss (Gießen)|Altes]] und [[Neues Schloss (Gießen)|Neues Schloss]] Gießen&nbsp;&#124; [[Burg Kalsmunt]]&nbsp;&#124; [[Laneburg]]&nbsp;&#124; [[Schloss Weilburg]]&nbsp;&#124; [[Burg Neu-Elkerhausen|Neuelkerhausen]]&nbsp;&#124; [[Burg Schadeck]]&nbsp;&#124; [[Burg Runkel]]&nbsp;&#124; [[Burg Dehrn|Dehrn]]&nbsp;&#124; [[Burg Limburg (Hessen)|Schloss Limburg]] '''Rheinland-Pfalz:''' [[Alte Burg (Aull)|Alte Burg]]&nbsp;&#124; [[Schloss Oranienstein]]&nbsp;&#124; [[Grafenschloss Diez]]&nbsp;&#124; [[Burg Balduinstein]]&nbsp;&#124; [[Schloss Schaumburg]]&nbsp;&#124; [[Burg Ardeck]]&nbsp;&#124; [[Burg Laurenburg]]&nbsp;&#124; [[Schloss Laurenburg]]&nbsp;&#124; Schloss Langenau&nbsp;&#124; [[Burg Nassau]]&nbsp;&#124; [[Stein’sches Schloss]]&nbsp;&#124; [[Stein’sche Burg]]&nbsp;&#124; [[Karlsburg (Bad Ems)|Karlsburg]]&nbsp;&#124; [[Burg Lahneck]] }}<noinclude> Eventuell fehlende Burgen oder Schlösser bitte in der bestehenden Anordnung von der Quelle zur Mündung entlang der Lahn einsortieren. [http://www.burgdirekt.de/ Burgen im Rhein-Lahn-Kreis] [[Kategorie:Vorlage:Navigationsleiste Burgen und Schlösser|Lahn]] [[Kategorie:Vorlage:Navigationsleiste (Deutschland)|Burgen und Schlosser an der Lahn]] </noinclude> 8oq3x6gm36mwwyc5bno71hbmbvmxdlv wikitext text/x-wiki Vorlage:Linkbox Schlachten des zweiten Englisch-Niederländischen Krieges 10 24205 26802 2008-04-03T11:59:17Z Memnon335bc 0 linkfix {{Kampagne |NAME=[[Englisch-Niederländischer Krieg (1665–1667)|Schlachten des zweiten Englisch-Niederländischen Krieges]] (1665–1667) |GLIEDERUNG=[[Seeschlacht bei Lowestoft|Lowestoft]] – [[Schlacht in der Bucht von Bergen|Bergen]] – [[Viertageschlacht]] – [[St. James’s Day Fight]] – [[Überfall im Medway|Medway]] }} <noinclude> [[Kategorie:Vorlage:Infobox Militärischer Konflikt|Schlachten des Englisch-Niederländischen Krieges (1665–1667)]] </noinclude> 5iwdjd4up2aj2ch39i670j7wo8vpivk wikitext text/x-wiki Vorlage:Infobox Schienenfahrzeug 10 24206 26803 2010-02-09T08:00:26Z Liesel 9 siehe 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Die Subterritorien kann man in dem entsprechenden Eintrag aus der [[:Kategorie:ISO 3166-2]] auslesen.}}</includeonly> {| class="wikitable" |+ Positionskarte für <includeonly>{{{{PAGENAME}}|name}}</includeonly> |- class="hintergrundfarbe5" ! Parameter !! Wert <includeonly> |- | Name || [[{{#if:{{{{PAGENAME}}|lemma}}|{{{{PAGENAME}}|lemma}}{{!}}}}{{{{PAGENAME}}|name}}]] {{#if: {{{{PAGENAME}}|x}}{{{{PAGENAME}}|y}}| {{!-!}} x {{!!}} {{#iferror:{{{{PAGENAME}}|x|2=<span style="font-size:smaller; vertical-align:middle;">latitude</span>|3=<span style="font-size:smaller; vertical-align:middle;">longitude</span>}}|siehe Quelltext}} {{!-!}} y {{!!}} {{#iferror:{{{{PAGENAME}}|y|2=<span style="font-size:smaller; vertical-align:middle;">latitude</span>|3=<span style="font-size:smaller; vertical-align:middle;">longitude</span>}}|siehe Quelltext}}| {{!-!}} oben {{!!}} {{{{PAGENAME}}|top}} {{!-!}} unten {{!!}} {{{{PAGENAME}}|bottom}} {{!-!}} links {{!!}} {{{{PAGENAME}}|left}} {{!-!}} rechts {{!!}} {{{{PAGENAME}}|right}} }} |- | Bild || <tt>{{{{PAGENAME}}|image}}</tt> {{#if: {{{{PAGENAME}}|width}}{{{{PAGENAME}}|height}}| {{!-!}} Format {{!}} {{{{PAGENAME}}|width}} × {{{{PAGENAME}}|height}} ({{#ifexpr: ({{{{PAGENAME}}|width}} >= {{{{PAGENAME}}|height}})|Quer|Hoch}}) <span style="display:none;">[[Vorlage:Positionskarte/Wartung/Größe definiert|d]]</span>|<span style="display:none;">[[Vorlage:Positionskarte/Wartung/Größe undefiniert|u]]</span> }} {{#if: {{{{PAGENAME}}|x}}{{{{PAGENAME}}|y}}| <!-- Berechnung für Kartenposition bei x und y fehlt -->| {{!-!}} Kartenposition {{!!}} {{Coordinate |text=DM |NS={{#expr:({{{{PAGENAME}}|top}}+{{{{PAGENAME}}|bottom}})/2}} |EW={{#expr:({{{{PAGENAME}}|left}}+{{{{PAGENAME}}|right}})/2 + ({{{{PAGENAME}}|left}} > {{{{PAGENAME}}|right}})*(180 - (abs {{{{PAGENAME}}|left}} >= abs {{{{PAGENAME}}|right}})*360)}} |type=country |name={{{{PAGENAME}}|name}} |region=??<!--missing--> |globe={{{{PAGENAME}}|globe}} }} }}</includeonly> |} <includeonly>{| style="background:transparent;" ! 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Längengrad überschreiten) </small> [[Kategorie:Vorlage:für Vorlagen|{{PAGENAME}}]] [[ar:قالب:Location map/Info]] [[be:Шаблон:На карце (шыльда)]] [[bs:Šablon:Lokacijska karta/Info]] [[cs:Šablona:LocMap/Info]] [[da:Skabelon:Kortpositioner/Info]] [[dsb:Pśedłoga:LocMap/info]] [[en:Template:Location map/Info]] [[eo:Ŝablono:Situo sur mapo/informoj]] [[es:Plantilla:Mapa de localización/Info]] [[fi:Malline:Sijaintikartta/Info]] [[hr:Predložak:Lokacijska karta/info]] [[hsb:Předłoha:LocMap/info]] [[hu:Sablon:Pozíciós térkép/információ]] [[id:Templat:Location map/Info]] [[it:Template:Mappa di localizzazione/info]] [[ja:Template:Location map/Info]] [[ka:თარგი:პოზრუკა/Info]] [[ko:틀:위치 지도/정보]] [[lb:Schabloun:Kaartpositioun/Info]] [[lv:Veidne:Location map/Info]] [[nl:Sjabloon:Positiekaart/info]] [[nn:Mal:Kartposisjon/Info]] [[no:Mal:Kartposisjon/Info]] [[os:Шаблон:ПозКартæ/Инфо]] [[pt:Predefinição:Mapa de localização/info]] [[rm:Template:LocMap/Info]] [[ru:Шаблон:ПозКарта/Инфо]] [[sr:Шаблон:Location map/Info]] [[sw:Kigezo:Location map/Info]] [[tl:Suleras:Location map/Info]] [[tt:Үрнәк:ПозХарита/Мәгълүмат]] [[zh:Template:Location map/Info]] </noinclude> 2mop1ezao6hsfdd70u52bsbfo0fedzo wikitext text/x-wiki Vorlage:Info ISO-3166-2:DE-MV 10 24220 26817 2009-04-04T10:30:22Z Visi-on 0 <onlyinclude>{{#switch: {{lc:{{{1|}}} }} |continent = Europa <!--Administration--> |level = 1 |maxlevel= 1 |acronym = MV |top = DE |upper = DE |lemma = Mecklenburg-Vorpommern |admname = Land Mecklenburg-Vorpommern |admtype = Land |0 = Deutschland |1 = Mecklenburg-Vorpommern |2 = |map = Deutschland Mecklenburg-Vorpommern |flag = Flag of Mecklenburg-Western Pomerania (state).svg }}</onlyinclude>{{Vorlage:Info ISO-3166-2/Info}} qu3f5aqk2wqfikmgkn9wysqo6613lam wikitext text/x-wiki Vorlage:Navigationsleiste Städte und Gemeinden im Landkreis Neumarkt in der Oberpfalz 10 24221 26818 2009-12-02T11:37:25Z Obersachsebot 0 Bot: Ergänze: [[ru:Шаблон:Германия:Район Ноймаркт-Верхний-Пфальц:Города]] {{Navigationsleiste |BILD=[[Bild:Wappen Landkreis Neumarkt in der Oberpfalz.png|40px|Wappen des Landkreises Neumarkt in der Oberpfalz]] |TITEL=Städte und Gemeinden im [[Landkreis Neumarkt in der Oberpfalz|Landkreis Neumarkt i.d.OPf.]] |INHALT= [[Berching]]&nbsp;&#124; [[Berg bei Neumarkt in der Oberpfalz|Berg b.Neumarkt i.d.OPf.]]&nbsp;&#124; [[Berngau]]&nbsp;&#124; [[Breitenbrunn (Oberpfalz)|Breitenbrunn]]&nbsp;&#124; [[Deining]]&nbsp;&#124; [[Dietfurt an der Altmühl|Dietfurt a.d.Altmühl]]&nbsp;&#124; [[Freystadt]]&nbsp;&#124; [[Hohenfels (Oberpfalz)|Hohenfels]]&nbsp;&#124; [[Lauterhofen]]&nbsp;&#124; [[Lupburg]]&nbsp;&#124; [[Mühlhausen (Oberpfalz)|Mühlhausen]]&nbsp;&#124; [[Neumarkt in der Oberpfalz|Neumarkt i.d.OPf.]]&nbsp;&#124; [[Parsberg]]&nbsp;&#124; [[Pilsach]]&nbsp;&#124; [[Postbauer-Heng]]&nbsp;&#124; [[Pyrbaum]]&nbsp;&#124; [[Sengenthal]]&nbsp;&#124; [[Seubersdorf in der Oberpfalz|Seubersdorf i.d.OPf.]]&nbsp;&#124; [[Velburg]] }}<noinclude> [[Kategorie:Vorlage:Navigationsleiste Städte und Gemeinden der Landkreise in Bayern|Neumarkt i.d.OPf.]] [[da:Skabelon:Byer i Kreis Neumarkt in der Oberpfalz]] [[ru:Шаблон:Германия:Район Ноймаркт-Верхний-Пфальц:Города]] </noinclude> gb1u70li7v9x0db5j44kxlt2b38nsde wikitext text/x-wiki Vorlage:GBR 10 24222 26819 2010-04-14T13:44:12Z Antonsusi 0 <onlyinclude>[[Bild:Flag of the United Kingdom.svg|{{{WIDTH|20}}}px|Vereinigtes Königreich]]&nbsp;{{#if:{{{sortable|}}}|<span style="display:none;">Vereinigtes Konigreich</span>}}[[{{{1|Vereinigtes Königreich}}}|{{{2|{{#if:{{{nb|}}}|Vereinigtes&nbsp;Königreich|Vereinigtes Königreich}}}}}]]</onlyinclude> {{Vorlagendokumentation Land mit Flagge}} [[Kategorie:Vorlage:Vereinigtes Königreich|Gbr]] [[af:Sjabloon:GBR]] [[als:Vorlage:GBR]] [[ar:قالب:GBR]] [[ast:Plantía:GBR]] [[az:Şablon:GBR]] [[bar:Vorlage:GBR]] [[ca:Plantilla:RUN]] [[el:Πρότυπο:GBR]] [[en:Template:GBR]] [[eo:Ŝablono:GBR]] [[es:Plantilla:GBR]] [[eu:Txantiloi:GBR]] [[fa:الگو:GBR]] [[fr:Modèle:Royaume-Uni]] [[frp:Modèlo:Royômo-Uni]] [[fur:Model:GBR]] [[gl:Modelo:RU]] [[hsb:Předłoha:GBR]] [[hu:Sablon:Egyesült Királyság]] [[id:Templat:GBR]] [[ie:Template:GBR]] [[io:Modelo:GBR]] [[is:Snið:GBR]] [[it:Template:GBR]] [[ja:Template:GBR]] [[ko:틀:GBR]] [[lb:Schabloun:GBR]] [[lv:Veidne:GBR]] [[ml:ഫലകം:GBR]] [[mn:Загвар:GBR]] [[nap:Modello:GBR]] [[nl:Sjabloon:GB]] [[nn:Mal:GBR]] [[no:Mal:GBR]] [[oc:Modèl:Reialme Unit]] [[pt:Predefinição:GBR]] [[qu:Plantilla:GBR]] [[ro:Format:GBR]] [[ru:Шаблон:GBR]] [[simple:Template:GBR]] [[sk:Šablóna:GBR]] [[sl:Predloga:GBR]] [[sr:Шаблон:GBR]] [[sv:Mall:GBR]] [[ta:வார்ப்புரு:GBR]] [[th:แม่แบบ:GBR]] [[tr:Şablon:GBR]] [[uk:Шаблон:GBR]] [[vec:Template:GBR]] [[vi:Tiêu bản:GBR]] [[zh:Template:GBR]] 92v3s02tmi42hkddfom3h5ibmq781wb wikitext text/x-wiki Vorlage:Navigationsleiste Portale der Hansestädte 10 24223 26820 2008-11-10T21:39:03Z Ollemarkeagle 0 {{Navigationsleiste |TITEL=[[Hansestadt|Portale der deutschen Hansestädte heute]] |INHALT= [[Image:Bremen Wappen.svg|33px]]&nbsp;&nbsp;[[Portal:Bremen|Bremen]]&nbsp; [[Image:Coat of arms of Hamburg.svg|30px]]&nbsp;&nbsp;[[Portal:Hamburg|Hamburg]]&nbsp; [[Bild:Wappen Lübeck.svg|34px]]&nbsp;&nbsp;[[Portal:Lübeck|Lübeck]]&nbsp; [[Image:Rostock Wappen.svg|34px]]&nbsp;&nbsp;[[Portal:Rostock|Rostock]]&nbsp; [[Bild:Wappen Stralsund.svg|34px]]&nbsp;&nbsp;[[Portal:Stralsund|Stralsund]] }}<noinclude> [[Kategorie:Vorlage:Navigationsleiste Portal|Hansestädte]] [[Kategorie:Vorlage:Navigationsleiste (Deutschland)|Portale der Hansestädte]] </noinclude> 33bxwzufgwqe8ou6arnjmma6bdkixr1 wikitext text/x-wiki Vorlage:DEU 10 24224 26821 2010-03-27T12:57:06Z Osiris2000 0 Änderungen von [[Special:Contributions/Jesusfreund|Jesusfreund]] ([[User talk:Jesusfreund|Diskussion]]) rückgängig gemacht und letzte Version von [[User:Idioma-bot|Idioma-bot]] wiederhergestellt {{Vorlagendokumentation Land mit Flagge}} <onlyinclude>[[Datei:Flag of Germany.svg|border|{{#expr: {{{WIDTH|20}}} - 2}}px|Deutschland]]&nbsp;[[{{{1|Deutschland}}}|{{{2|Deutschland}}}]]</onlyinclude> [[Kategorie:Vorlage:Deutschland|Deu]]<noinclude> [[als:Vorlage:DEU]] [[ar:قالب:ألمانيا]] [[ast:Plantía:DEU]] [[az:Şablon:DEU]] [[bar:Vorlage:DEU]] [[br:Patrom:Alamagn]] [[ca:Plantilla:ALE]] [[el:Πρότυπο:DEU]] [[en:Template:DEU]] [[eo:Ŝablono:DEU]] [[es:Plantilla:DEU]] [[eu:Txantiloi:DEU]] [[fa:الگو:GER]] [[fi:Malline:Saksa]] [[fr:Modèle:Allemagne]] [[frp:Modèlo:Alemagne]] [[gl:Modelo:DEU]] [[hsb:Předłoha:DEU]] [[hy:Կաղապար:DEU]] [[id:Templat:DEU]] [[ie:Template:DEU]] [[is:Snið:DEU]] [[it:Template:DEU]] [[ja:Template:DEU]] [[ko:틀:DEU]] [[lb:Schabloun:DEU]] [[lv:Veidne:DEU]] [[ml:ഫലകം:DEU]] [[mn:Загвар:DEU]] [[nah:Nemachiyōtīlli:DEU]] [[nn:Mal:DEU]] [[no:Mal:DEU]] [[oc:Modèl:Alemanha]] [[pt:Predefinição:DEU]] [[ro:Format:GER]] [[ru:Шаблон:DEU]] [[sh:Šablon:DEU]] [[sk:Šablóna:DEU]] [[sl:Predloga:DEU]] [[sq:Stampa:DEU]] [[ta:வார்ப்புரு:DEU]] [[th:แม่แบบ:DEU]] [[tr:Şablon:DEU]] [[uk:Шаблон:DEU]] [[vi:Bản mẫu:GER]] [[zh:Template:DEU]] [[zh-yue:Template:DEU]] </noinclude> dx5ztp90qexrb10sku0kgamxo5lzu2h wikitext text/x-wiki Vorlage:Navigationsleiste Landkreise und kreisfreie Städte in Rheinland-Pfalz 10 24225 26822 2010-01-15T22:40:06Z Wiegels 0 Einsortierung {{Navigationsleiste|BILD=[[Datei:Coat of arms of Rhineland-Palatinate.svg|40px|Landeswappen von Rheinland-Pfalz]] |TITEL=Landkreise und kreisfreie Städte in [[Rheinland-Pfalz]] |INHALT= [[Landkreis Ahrweiler|Ahrweiler]]&nbsp;&#124; [[Landkreis Altenkirchen (Westerwald)|Altenkirchen&nbsp;(Westerwald)]]&nbsp;&#124; [[Landkreis Alzey-Worms|Alzey-Worms]]&nbsp;&#124; [[Landkreis Bad Dürkheim|Bad Dürkheim]]&nbsp;&#124; [[Landkreis Bad Kreuznach|Bad Kreuznach]]&nbsp;&#124; [[Landkreis Bernkastel-Wittlich|Bernkastel-Wittlich]]&nbsp;&#124; [[Landkreis Birkenfeld|Birkenfeld]]&nbsp;&#124; [[Landkreis Cochem-Zell|Cochem-Zell]]&nbsp;&#124; [[Donnersbergkreis]]&nbsp;&#124; [[Eifelkreis Bitburg-Prüm]]&nbsp;&#124; [[Frankenthal (Pfalz)|Frankenthal&nbsp;(Pfalz)]]&nbsp;&#124; [[Landkreis Germersheim|Germersheim]]&nbsp;&#124; [[Landkreis Kaiserslautern|Kaiserslautern]]&nbsp;&#124; [[Kaiserslautern|Kaiserslautern&nbsp;(Stadt)]]&nbsp;&#124; [[Koblenz]]&nbsp;&#124; [[Landkreis Kusel|Kusel]]&nbsp;&#124; [[Landau in der Pfalz|Landau&nbsp;in&nbsp;der&nbsp;Pfalz]]&nbsp;&#124; [[Ludwigshafen am Rhein|Ludwigshafen&nbsp;am&nbsp;Rhein]]&nbsp;&#124; [[Mainz]]&nbsp;&#124; [[Landkreis Mainz-Bingen|Mainz-Bingen]]&nbsp;&#124; [[Landkreis Mayen-Koblenz|Mayen-Koblenz]]&nbsp;&#124; [[Neustadt an der Weinstraße|Neustadt&nbsp;an&nbsp;der&nbsp;Weinstraße]]&nbsp;&#124; [[Landkreis Neuwied|Neuwied]]&nbsp;&#124; [[Pirmasens]]&nbsp;&#124; [[Rhein-Hunsrück-Kreis]]&nbsp;&#124; [[Rhein-Lahn-Kreis]]&nbsp;&#124; [[Rhein-Pfalz-Kreis]]&nbsp;&#124; [[Speyer]]&nbsp;&#124; [[Landkreis Südliche Weinstraße|Südliche Weinstraße]]&nbsp;&#124; [[Landkreis Südwestpfalz|Südwestpfalz]]&nbsp;&#124; [[Trier]]&nbsp;&#124; [[Landkreis Trier-Saarburg|Trier-Saarburg]]&nbsp;&#124; [[Landkreis Vulkaneifel|Vulkaneifel]]&nbsp;&#124; [[Westerwaldkreis]]&nbsp;&#124; [[Worms]]&nbsp;&#124; [[Zweibrücken]] }}<noinclude> [[Kategorie:Vorlage:Navigationsleiste (Rheinland-Pfalz)|Landkreise und kreisfreie Stadte]] [[Kategorie:Vorlage:Navigationsleiste Verwaltungsgliederung (Deutschland)|Landkreise und kreisfreie Stadte in Rheinland-Pfalz]] [[en:Template:Germany districts Rhineland-Palatinate]] [[eo:Ŝablono:Rejnlando-Palatinato]] [[fr:Modèle:Arrondissements allemands en Rhénanie-Palatinat]] [[it:Template:Circondari della Renania-Palatinato]] [[ru:Навигационная полоса Районы в Рейнланд-Пфальце]] [[zh:Template:莱茵兰-普法尔茨州行政区划]] </noinclude> 4brkrgq7azml1piyt2zut6snyvcgm8g wikitext text/x-wiki Vorlage:Aeiou 10 24226 26823 2010-04-28T18:56:18Z Holder 0 + als <includeonly>''[http://www.aeiou.at/aeiou.encyclop.{{{1}}}.htm {{ #if:{{{2|}}}|{{{2}}}|{{PAGENAME}} }}].'' In: ''Österreich-Lexikon von [[Austria-Forum|aeiou]].''</includeonly><noinclude> {{Dokumentation}} [[Kategorie:Vorlage:Datenbanklink|Aeiou]] [[Kategorie:Vorlage:Österreich|Aeiou]] [[als:Vorlage:Aeiou]] </noinclude> 37ombix21bb1ohflvtlgvpgrly7tg2f wikitext text/x-wiki Vorlage:Navigationsleiste Bundesstaaten des Deutschen Kaiserreiches 10 24227 26824 2009-11-27T16:39:16Z Miebner 0 LA zurückgezogen {{Navigationsleiste |BILD=[[Datei:Flag of the German Empire.svg|50px|Flagge des Deutschen Kaiserreichs]] |TITEL=Bundesstaaten des [[Deutsches Kaiserreich|Deutschen Kaiserreichs]] (1871–1918) |INHALT= [[Anhalt]]&nbsp;&#124; [[Baden (Land)|Baden]]&nbsp;&#124; [[Königreich Bayern|Bayern]]&nbsp;&#124; [[Herzogtum Braunschweig|Braunschweig]]&nbsp;&#124; [[Freie Hansestadt Bremen#Geschichte|Bremen]]&nbsp;&#124; [[Reichsland Elsaß-Lothringen|Elsaß-Lothringen]]&nbsp;&#124; [[Geschichte Hamburgs#Deutsches Reich|Hamburg]]&nbsp;&#124; [[Großherzogtum Hessen|Hessen-Darmstadt]]&nbsp;&#124; [[Lippe (Land)|Lippe]]&nbsp;&#124; [[Lübeck]]&nbsp;&#124; [[Mecklenburg-Schwerin]]&nbsp;&#124; [[Mecklenburg-Strelitz]]&nbsp;&#124; [[Oldenburg (Land)|Oldenburg]]&nbsp;&#124; [[Königreich Preußen|Preußen]]&nbsp;&#124; [[Reuß älterer Linie]]&nbsp;&#124; [[Reuß jüngerer Linie]]&nbsp;&#124; [[Königreich Sachsen|Sachsen]]&nbsp;&#124; [[Sachsen-Altenburg]]&nbsp;&#124; [[Sachsen-Coburg und Gotha (Herzogtum)|Sachsen-Coburg und Gotha]]&nbsp;&#124; [[Sachsen-Weimar-Eisenach]]&nbsp;&#124; [[Sachsen-Meiningen]]&nbsp;&#124; [[Schaumburg-Lippe]]&nbsp;&#124; [[Schwarzburg-Rudolstadt]]&nbsp;&#124; [[Schwarzburg-Sondershausen]]&nbsp;&#124; [[Waldeck]]&nbsp;&#124; [[Königreich Württemberg|Württemberg]] }}<noinclude> [[en:Template:States of the German Empire]] [[fr:Modèle:États de l'Empire allemand]] [[th:แม่แบบ:รัฐในจักรวรรดิเยอรมัน]] </noinclude> lithyykedfawvz3uhkbsev20z206b0a wikitext text/x-wiki Vorlage:LBMV PPN 10 24228 26825 2010-05-07T06:52:58Z Erichsohn 0 <noinclude><!-- ACHTUNG! Serverprobleme verursachten in den Vergangenheit Fehlfunktionen des Scripts: bitte ggf. die URL auf http://wisopc4.hsb.hs-wismar.de:8080/ adressieren --></noinclude><includeonly>{{#if: {{{2|}}} | {{(!}} class="metadata" {{!}} [http://lhopc4.hsb.hs-wismar.de:8080/DB=2.1/SET=1/TTL=1/PPN?PPN={{{1}}} Datensatz] zu und [http://lhopc4.hsb.hs-wismar.de:8080/DB=2.1/SET=1/TTL=1/REL?PPN={{{1}}} Literatur] über {{{NAME|{{PAGENAME}}}}} bei der [[Landesbibliographie Mecklenburg-Vorpommern|Landesbibliographie MV]] – {{{2}}} {{!)}} |* [http://www.landesbibliographie-mv.de/REL?PPN={{{1}}} Literatur über {{{NAME|{{PAGENAME}}}}}] in der [[Landesbibliographie Mecklenburg-Vorpommern|Landesbibliographie MV]] }}</includeonly><noinclude>{{Dokumentation}} </noinclude> 609tlljlfh4b74r65nlogu8qzxazuic wikitext text/x-wiki Vorlage:Infobox Platz 10 24229 26826 2009-06-17T19:42:23Z Radschläger 0 doppelpunkte entfernt {| class="infobox float-right" cellspacing="0" cellpadding="1" width="250" style="width: 250px; border: 1px solid #999; 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Spitznamen, können diese hier eingetragen werden. ;Stadtwappen: Zur Einbindung desselben, hier den Bilddateititel eintragen. ;Kategorie: Die passende Platzkategorie. ;Bild: Bild des Platzes. ;Bild zeigt: Bilderläuterung. ;Ort: Stadt, in der sich der Platz befindet. ;Ortsteil: Stadtteil, in dem sich der Platz befindet. ;Angelegt: Jahr, in dem der Platz ursprünglich angelegt wurde. ;Neugestaltet: Jahr, in dem der Platz eventuell neugestaltet wurde. ;Straßen: Auf den Platz einmündende Straßen. ;Bauwerke: Am Platz liegende bedeutende Bauwerke. ;Nutzergruppen: Den Platz nutzenden Gruppen (Fußgänger, Radfahrer, Autofahrer, ÖPNV). ;Platzgestaltung: In die Gestaltung des Platzes einbezogene Elemente (Brunnen). ;Platzfläche: Größe des Platzes in qm. ;Baukosten: Kosten, die beim Bau entstanden sind in $ oder €. [[Kategorie:Vorlage:Infobox Bauwerk|Platz]] [[Kategorie:Vorlage:Infobox Verkehr|Platz]] </noinclude> ss2hgicencia8vuu22t8frwak782kpc wikitext text/x-wiki Vorlage:Info ISO-3166-2:DE-BW 10 24230 26827 2009-04-04T10:27:19Z Visi-on 0 <onlyinclude>{{#switch: {{lc:{{{1|}}} }} |continent = Europa <!--Administration--> |level = 1 |maxlevel= 1 |acronym = BW |top = DE |upper = DE |lemma = Baden-Württemberg |admname = Land Baden-Württemberg |admtype = Land |0 = Deutschland |1 = Baden-Württemberg |2 = |map = Deutschland Baden-Württemberg |flag = Flag of Baden-Württemberg.svg }}</onlyinclude>{{Vorlage:Info ISO-3166-2/Info}} lv85c7ao099m1xy35ausrw2gx4wueke wikitext text/x-wiki Vorlage:Bausteindesign4 10 24231 26828 2009-09-19T12:53:51Z Port(u*o)s 0 Änderte den Schutz von „[[Vorlage:Bausteindesign4]]“: Häufig eingebundene Vorlage ([edit=sysop] (unbeschränkt) [move=sysop] (unbeschränkt)) <code><onlyinclude>cellspacing="4" cellpadding="4" class="hintergrundfarbe1 rahmenfarbe3" style="width: 100%; font-size: 100%; border-style: solid; border-width: 2px; clear: both; position:relative;"</onlyinclude></code> {{Dokumentation}} g9a1ngk4y43c9dm4ylajqosdks3dfwt wikitext text/x-wiki Vorlage:Bausteindesign5 10 24232 26829 2009-09-19T09:46:39Z Umherirrender 280 wenn dann alles auf die Doku-Seite <code><onlyinclude>cellspacing="8" cellpadding="0" class="hintergrundfarbe1 rahmenfarbe2" style="width: 100%; font-size: 100%; border-style: solid; border-width: 3px; margin: auto; margin-top: 3px; margin-bottom: 3px; clear: both; position:relative;"</onlyinclude></code> {{Dokumentation}} grp8vzw6uddlgfss4mje2a0v2d9axns wikitext text/x-wiki Vorlage:Dokumentation/Doku 10 24233 26830 2010-04-06T02:51:00Z Antonsusi 0 /* Benutzung */ <noinclude>{{Dokumentation/Dokuseite}} </noinclude>Diese [[Hilfe:Vorlagen|Vorlage]] zeigt eine Dokumentationsbox, wie du sie gerade siehst. Sie bindet den Text von der Unterseite <code><nowiki>[[<Seitenname>/Doku]]</nowiki></code> ein. Diese Vorlage sollte bei allen Vorlagen verwendet werden. == Begründung == Die Trennung von Programmcode und Dokumentation macht den Quelltext übersichtlicher und entlastet vor allem den Parser: Bei jeder Anwendung wird der gesamte Vorlagentext immer wieder neu ausgewertet, samt der Dokumentation, die im Endeffekt ohnehin wieder weggelassen wird. Trotzdem werden <code>&lt;noinclude></code>s vor den tatsächlichen Einbindungen ausgewertet, so dass man die ''„Pre-expand include size“'' drastisch drücken kann, wenn man die Dokumentationen in Unterseiten schreibt. Daher sollte die Beschreibung immer aus der eigentlichen Vorlage ausgelagert werden. Somit ermöglicht man die Nutzung von mehr Vorlagen pro Artikelseite. == Benutzung == Diese Vorlage erwartet keine Parameter. Es reicht, wenn man <code>&lt;noinclude><nowiki>{{Dokumentation}}</nowiki>&lt;/noinclude></code> '''ans Ende einer Vorlage''' schreibt und die Dokumentationsseite <code><nowiki>[[<Seitenname>/Doku]]</nowiki></code> erstellt. Eine Unterseite namens <code>/Meta</code> kann dann die Metadaten für die Vorlage enthalten (hierzu bitte den Abschnitt [[#Besonderheiten|Besonderheiten]] lesen), ansonsten können diese mit in die noinclude-[[Tag (Informatik)|tags]] am Ende der Vorlage platziert werden. Zu den Metadaten gehören die [[Hilfe:Kategorien|Kategorien]] und [[Hilfe:Internationalisierung|Interwikilinks]]. Nach dem Erstellen der Dokumentation werden einem Erstellungshilfen bereitgestellt (preload). In den '''Unterseiten''' stellen folgende Codezeilen den Rückbezug sicher : '''/Doku''' <code>&lt;noinclude><nowiki>{{</nowiki>[[Vorlage:Dokumentation/Dokuseite|Dokumentation/Dokuseite]]<nowiki>}}</nowiki>&lt;/noinclude></code> : '''/Meta''' <code>&lt;noinclude><nowiki>{{</nowiki>[[Vorlage:Dokumentation/Metaseite|Dokumentation/Metaseite]]<nowiki>}}</nowiki>&lt;/noinclude>&lt;includeonly> … Meta … &lt;/includeonly></code> : '''/Test''' <code>&lt;noinclude><nowiki>{{</nowiki>[[Vorlage:Dokumentation/Testseite|Dokumentation/Testseite]]<nowiki>}}</nowiki>&lt;/noinclude></code> : '''/Wartung''' <code>&lt;noinclude><nowiki>{{</nowiki>[[Vorlage:Dokumentation/Wartungsseite|Dokumentation/Wartungsseite]]<nowiki>}}</nowiki>&lt;/noinclude></code> : '''/Druck''' <code>&lt;noinclude><nowiki>{{</nowiki>[[Vorlage:Dokumentation/Druckversion|Dokumentation/Druckversion]]<nowiki>}}</nowiki>&lt;/noinclude></code> : '''/Editnotice''' <code>&lt;noinclude><nowiki>{{</nowiki>[[Vorlage:Dokumentation/Editnoticeseite|Dokumentation/Editnoticeseite]]<nowiki>}}</nowiki>&lt;/noinclude></code> : '''/Unterseite''' <code>&lt;noinclude><nowiki>{{</nowiki>[[Vorlage:Dokumentation/Unterseite|Dokumentation/Unterseite]]<nowiki>}}</nowiki>&lt;/noinclude></code> == Besonderheiten == Wenn sich die Vorlage im [[Hilfe:Benutzernamensraum|Benutzernamensraum]] befindet, werden die Metadaten nicht eingebunden und weder die Vorlage, noch die Unterseite, werden in Kategorien einsortiert. === Unterseiten === ; <code>/Meta</code> : Eine solche Unterseite ist vor allem für [[Wikipedia:Geschützte Seiten|vollgesperrte Seiten]] gedacht, die ansonsten nicht interwikifiziert werden könnten. ; <code>/XML</code> : Wenn die Vorlage neben der Dokumentation noch eine XML-Beschreibung für den [[Wikipedia:Helferlein/Vorlagen-Meister|Vorlagenmeister]] hat, wird ein entsprechender Hinweis ausgegeben. ; <code>/Wartung</code> : Sollte es eine [[Hilfe:Infoboxen#Automatische Prüfung von Infoboxen-Parametern|Wartungsseite]] für die Vorlage geben, so wird ebenfalls ein Hinweis ausgegeben. ; <code>/Test</code> : Ein Hinweis wird auch für Testunterseiten ausgegeben. ; <code>/Druck</code> : Eine spezielle Version der Vorlage, die zusammen mit der [[Hilfe:Buchfunktion|Buchfunktion]] benutzt wird. ; <code>/Editnotice</code> : Eine spezieller Hinweis, der beim Bearbeiten angezeigt wird. == Unterseiten anlegen == {| cellspacing="8" cellpadding="0" class="rahmenfarbe1 centered" style="font-size: 100%; border-style: solid; margin-top: 2px; margin-bottom: 2px; background-color: #eeeeff;" |- | <inputbox> type=create default=Vorlage:<Name der Vorlage>/Doku buttonlabel=Dokumentationsseite anlegen preload=Vorlage:Dokumentation/preload-doku editintro=Vorlage:Dokumentation/intro-doku bgcolor=#eeeeff break=no </inputbox> <inputbox> type=create default=Vorlage:<Name der Vorlage>/Meta buttonlabel=Metadatenseite anlegen preload=Vorlage:Dokumentation/preload-meta editintro=Vorlage:Dokumentation/intro-meta bgcolor=#eeeeff break=no </inputbox> <inputbox> type=create default=Vorlage:<Name der Vorlage>/Test buttonlabel=Test- und Beispielseite anlegen preload=Vorlage:Dokumentation/preload-test editintro=Vorlage:Dokumentation/intro-test bgcolor=#eeeeff break=no </inputbox> <inputbox> type=create default=Vorlage:<Name der Vorlage>/Wartung buttonlabel=Wartungsseite anlegen preload=Vorlage:Dokumentation/preload-wartung editintro=Vorlage:Dokumentation/intro-wartung bgcolor=#eeeeff break=no </inputbox> <inputbox> type=create default=Vorlage:<Name der Vorlage>/Druck buttonlabel=Druckversion anlegen preload=Vorlage:Dokumentation/preload-druck editintro=Vorlage:Dokumentation/intro-druck bgcolor=#eeeeff break=no </inputbox> <inputbox> type=create default=Vorlage:<Name der Vorlage>/Editnotice buttonlabel=Editnotice anlegen preload=Vorlage:Dokumentation/preload-editnotice editintro=Vorlage:Dokumentation/intro-editnotice bgcolor=#eeeeff break=no </inputbox> |} Wenn man seine [[Spezial:Meine Benutzerseite/monobook.css|monobook.css]] um <source enclose="div" lang="css">.metadata { display:block !important; }</source> erweitert, bekommt man auf Vorlagenseiten mit Dokumentation Links zum einfacheren Anlegen der Unterseiten angezeigt. 4ztojk7tn2365apjzhmocsd19z36cgy wikitext text/x-wiki Vorlage:Dokumentation/Meta 10 24234 26831 2009-10-29T13:28:18Z Tlustulimu 0 interwiki <noinclude>{{Dokumentation/Metaseite}} </noinclude><includeonly> [[Kategorie:Vorlage:für Vorlagen|Dokumentation]] [[Kategorie:Vorlage:nur Dokumentation| Dokumentation]] [[ba:Ҡалып:Doc]] [[bg:Шаблон:Документация]] [[ca:Plantilla:Ús de la plantilla]] [[cs:Šablona:Dokumentace]] [[da:Skabelon:Dokumentation]] [[dsb:Pśedłoga:Dokumentacija]] [[en:Template:Documentation]] [[eo:Ŝablono:Dok]] [[es:Plantilla:Documentación de plantilla]] [[et:Mall:Usage of template]] [[fa:الگو:توضیحات]] [[fr:Modèle:Documentation modèle]] [[gl:Modelo:Uso de marcador]] [[hsb:Předłoha:Dokumentacija]] [[hu:Sablon:Sablondokumentáció]] [[ja:Template:Documentation]] [[ko:틀:틀 설명문서]] [[nl:Sjabloon:Sjabdoc]] [[pl:Szablon:Dokumentacja]] [[pt:Predefinição:Instruções da predefinição]] [[ru:Шаблон:Doc]] [[sk:Šablóna:Dokumentácia]] [[sl:Predloga:Dokumentacija]] [[sr:Шаблон:Документација]] [[stq:Foarloage:Dokumentation]] [[sv:Mall:Dokumentation]] [[tl:Template:Documantation]] [[tpi:Template:Template doc]] [[uk:Шаблон:Doc]] [[war:Template:Documentation]] [[zh:Template:Documentation]] </includeonly> qiypf0oqk2hgqt508qh1eqx980d3hgw wikitext text/x-wiki Vorlage:Überschriftensimulation 4 10 24235 26832 2009-08-18T14:47:57Z Guandalug 277 Schützte „[[Vorlage:Überschriftensimulation 4]]“: Häufig eingebundene Vorlage ([edit=autoconfirmed] (unbeschränkt) [move=autoconfirmed] (unbeschränkt)) {{Anker|{{{1}}}}}<div class="Vorlage_Ueberschriftensimulation_4" style="margin:0; margin-bottom:.3em; padding-top:.5em; padding-bottom:.17em; background:none; font-size:116%; color:black; font-weight:bold">{{{1}}}</div><noinclude> ---- Simuliert in ''Diskussionseiten'' eine Überschrift, die nicht im Inhaltsverzeichnis erscheinen soll. In ''Artikeln'' darf diese Vorlage nicht verwendet werden; dafür gibt es andere Lösungen, siehe [[Hilfe:Inhaltsverzeichnis]]. Für Syntax und Anwendung siehe [[Wikipedia:Textbausteine/Formatierungshilfen]]. [[Kategorie:Vorlage:Formatierungshilfe|Uberschriftensimulation 4]] </noinclude> k0hzkr9zpmd67tj5rz4nmykiokzf6p4 wikitext text/x-wiki Vorlage:Bausteindesign9 10 24236 26833 2009-09-19T12:56:37Z Port(u*o)s 0 Schützte „[[Vorlage:Bausteindesign9]]“: Häufig eingebundene Vorlage ([edit=autoconfirmed] (unbeschränkt) [move=autoconfirmed] (unbeschränkt)) <code><onlyinclude>cellspacing="5" cellpadding="5" style="width: 100%; font-size:100%; border:3px solid #DD0000; background-color:#FFDDDD; position:relative;"</onlyinclude></code> {{Dokumentation}} 1mmio2pdbtrfh8o8rrugg12jv6cgr59 wikitext text/x-wiki Vorlage:Coordinate! 10 24237 26834 2008-12-08T18:57:23Z Visi-on 0 {| {{Bausteindesign9}} | [[Bild:Zeichen 206.svg|32px|Stop!]] | '''Nicht verwenden!''' Die Vorlage ist ausschließlich für '''[[Vorlage:Coordinate]]''' bestimmt.<br />Diese Vorlage ist <span class="plainlinks">[{{fullurl:Spezial:Linkliste|target={{SUBJECTPAGENAMEE}}&hideredirs=1&hidelinks=1}} '''vielfach eingebunden''']. Wenn du die Auswirkungen genau kennst, kannst du sie [{{fullurl:{{FULLPAGENAME}}|action=edit}} bearbeiten]</span>. Bitte berücksichtige den [[Spezial:Statistik|aktuellen Stand]] der [[mw:Manual:Job queue/de|Job queue]]. Änderungswünsche oder Fragen bitte '''[[Wikipedia Diskussion:WikiProjekt Georeferenzierung/Neue Koordinatenvorlage|hier]]''' in die Diskussion einbringen. |}<noinclude> [{{#ifeq:{{NAMESPACE}}|{{ns:10}}|[|[:}}Kategorie:Vorlage:Hinweisbaustein{{#ifeq:{{NAMESPACE}}|{{ns:10}}|{{!}}{{PAGENAME}}}}]] [{{#ifeq:{{NAMESPACE}}|{{ns:10}}|[|[:}}Kategorie:Vorlage:für Vorlagen{{#ifeq:{{NAMESPACE}}|{{ns:10}}|{{!}}{{PAGENAME}}}}]] <!-- --> </noinclude> hmyyohuc577hr7uqw40a2or6i54c9nj wikitext text/x-wiki Vorlage:CoordinateMSG/Doku 10 24238 26835 2008-11-11T15:31:32Z Visi-on 0 <noinclude>{{Dokumentation/Dokuseite}} </noinclude>{{Coordinate!}} ;Fehlerbehandlung: Text und Eintrag in [[:Kategorie:Parameterfehler]] #numerischer Wert, keine '''Gradzahl!''' #:{{CoordinateMSG|1|{{CoordinateLAT|x}}|{{CoordinateLONG|y}}}} #:{{CoordinateMSG|1|{{CoordinateLAT|/60}}|{{CoordinateLONG|/60}}}} #:{{CoordinateMSG|1|{{CoordinateLAT|//60}}|{{CoordinateLONG|//60}}}} #Breiten- und Längengrad-Bereich (Wertebereich) von Ausgabeformat ›CH1903‹ #:{{CoordinateMSG|2|x|y}} #fehlerhafter oder kein Wert in Parameter ''type'' ([[Vorlage:Coordinate#type|Wertebereich]]) #:{{CoordinateMSG|3|x|y}} # - #:{{CoordinateMSG|4|x|y|z|0|1}} #unbenannte Parameter (die Vorlage hat keine implizite Parameter) #:{{CoordinateMSG|5|x|y|z|0|1}} #''region'' Parameter fehlt ([[Vorlage:Coordinate#region|keine Angabe]]) (in Infoboxen auch REGION-ISO, ..) #:{{CoordinateMSG|6|x|y|z|0|1}} #''elevation'' Parameter fehlt (in Infoboxen auch HÖHE, Höhe, ..) → Wartungslink #:{{CoordinateMSG|7|x|y|z|0|1}} #''name'' Parameter fehlt ([[Vorlage:Coordinate#name|keine Angabe]]) in Fließtextkoordinate #:{{CoordinateMSG|8|x|y|z|0|1}} #''pop'' Parameter fehlerhaft #:{{CoordinateMSG|9|x|y|z|0|1}} *default Fehlermeldung (# unbekannte Fehlernummer) #:{{CoordinateMSG|10|x|y|z|0|1}} 77u22e16o03sxibpi9cwx6hxjs9gciy wikitext text/x-wiki Vorlage:CoordinateMSG/Meta 10 24239 26836 2009-01-23T09:38:57Z LinkFA-Bot 0 Bot: Kategorie-Eintrag ergänzt <noinclude>{{Dokumentation/Metaseite}}</noinclude><includeonly> [[Kategorie:Vom Druck ausschließen]] [[Kategorie:Vorlage:für Vorlagen|{{PAGENAME}}]] </includeonly> 1yg8ehzio9gg4i1ixysbljzwn2e8o3u wikitext text/x-wiki Vorlage:ADB/Doku 10 24240 26837 2010-03-23T21:29:16Z PDD 110 der gehört doch zum artikelnamen? <noinclude>{{Dokumentation/Dokuseite}} [[en:Template:Allgemeine Deutsche Biographie/doc]] </noinclude> __NOTOC__ == Beschreibung == Diese Vorlage dient zum Zitieren aus der [[Allgemeine Deutsche Biographie|Allgemeinen Deutschen Biographie]] (ADB). Dabei werden vorhandene digitalisierte Fassungen des entsprechenden ADB-Artikels automatisch verlinkt. Die benötigten Parameter können mit der [http://mdz10.bib-bvb.de/~ndb/ndbmaske.html Suchmaske zum ADB- und NDB-Register] ermittelt werden. Einfacher ist es, die fertig ausgefüllte Kopiervorlage aus dem passenden Artikel bei [[s:Allgemeine Deutsche Biographie|Wikisource]] zu benutzen; dabei muss beachtet werden, dass der automatisch generierte Artikelname (Parameter 4.) eventuell korrigiert werden muss. == Kopiervorlage == <pre><nowiki> * {{ADB|Band|SeiteX|SeiteY|Artikeloriginaltitel|Artikelautor|Wikisource-Lemma}} </nowiki></pre> == Parameter == # = Bandangabe der ADB # = erste Seite des ADB-Artikels # = letzte Seite des ADB-Artikels (falls der Artikel nur eine Seite hat, wird hier dieselbe Seitenzahl wie in Parameter 2 eingetragen) # = biografierte Person, in der Form wie im ADB-Lemma angegeben; z.&nbsp;B. Goethe, Johann Wolfgang # = Verfasser des ADB-Artikels, z.&nbsp;B. Max Mustermann # = Artikelname auf Wikisource (inklusive Vorsatz <code>ADB:</code>) Die Parameter 1 bis 5 sollten immer angegeben werden, damit der Ausgabetext den [[Wikipedia:Literatur#Kurz.C3.BCbersicht_der_Formatierungsregeln|Formatierungsregeln für Literaturangaben]] entspricht. === Verlinken der Wikisource-Transkriptionen === Seit November 2008 sind sämtliche ADB-Artikel auf Wikisource verfügbar. Zum Ausfüllen des Parameters 6 bietet sich das dortige [[:s:ADB:Register|Artikelregister]] an. Falls der Korrekturstatus des Artikels auf Wikisource noch ''unkorrigiert'' ist, sollte zusätzlich zum Verlinken in der Vorlage noch auf Wikisource eine Erstkorrektur (oder zumindest eine Überprüfung auf Lesbarkeit) vorgenommen werden. == Beispiele == Für einen Eintrag, der in Band 15 auf Seite 18 beginnt und auf Seite 19 endet, folgenden Code in den Artikel einfügen: <pre>* {{ADB|15|18|19|Kalckstein, Ludwig Karl von|Ernst Friedlaender}}</pre> Das ergibt: * {{ADB|15|18|19|Kalckstein, Ludwig Karl von|Ernst Friedlaender}} Wenn der Artikel nur auf einer Seite der ADB steht, einfach die Seite zweimal eintragen. Das sieht dann so aus: <pre>* {{ADB|1|391|391|Ambrosch, Joseph Karl|Arrey von Dommer}}</pre> Ergebnis: * {{ADB|1|391|391|Ambrosch, Joseph Karl|Arrey von Dommer}} Wenn es den Artikel schon in de.wikisource gibt, den letzten Parameter mit dem Lemma aus Wikisource ausfüllen. In diesem Fall wird nicht das Digitalisat verlinkt, sondern der Wikisource-Artikel, von dem aus das Digitalisat ebenfalls mit einem Klick erreichbar ist, der aber zusätzlich durchsuchbar und besser auszudrucken ist. Das sieht so aus: <pre>* {{ADB|55|146|158|Sauppe, Hermann|Erich Ziebarth|ADB:Sauppe, Hermann}}</pre> Das ergibt: * {{ADB|55|146|158|Sauppe, Hermann|Erich Ziebarth|ADB:Sauppe, Hermann}} Für den 56. Band ist momentan bei der Bayerischen Staatsbibliothek kein Digitalisat verfügbar, allerdings existieren die Berichtigungen bei Wikisource und können entsprechend verlinkt werden: <pre>* {{ADB|56|395|395|Butler, Walter Graf von|Korrektur zu|ADB:Zusätze und Berichtigungen (Band 56)}}</pre> Das ergibt: * {{ADB|56|395|395|Butler, Walter Graf von|Korrektur zu|ADB:Zusätze und Berichtigungen (Band 56)}} == Siehe auch == * [[Vorlage:NDB]] 5jjmj02x7lz4ggg2uoxb9irtjeh15w1 wikitext text/x-wiki Vorlage:ADB/Jahr 10 24241 26838 2008-06-02T22:01:39Z Matthead 0 <noinclude>Diese Vorlage empfängt von der [[Vorlage:ADB]] die Bandnummer und gibt das Erscheinungsjahr des jeweiligen Bandes zurück. [[Kategorie:Vorlage:für Vorlagen|{{PAGENAME}}]] [[en:Template:ADB/Jahr]] </noinclude><includeonly>{{#switch: {{{1|}}} | 1=1875 | 2=1875 | 3=1876 | 4=1876 | 5=1877 | 6=1877 | 7=1877 | 8=1878 | 9=1879 | 10=1879 | 11=1880 | 12=1880 | 13=1881 | 14=1881 | 15=1882 | 16=1882 | 17=1883 | 18=1883 | 19=1884 | 20=1884 | 21=1885 | 22=1885 | 23=1886 | 24=1887 | 25=1887 | 26=1888 | 27=1888 | 28=1889 | 29=1889 | 30=1890 | 31=1890 | 32=1891 | 33=1891 | 34=1892 | 35=1893 | 36=1893 | 37=1894 | 38=1894 | 39=1895 | 40=1896 | 41=1896 | 42=1897 | 43=1898 | 44=1898 | 45=1900 | 46=1902 | 47=1903 | 48=1904 | 49=1904 | 50=1905 | 51=1906 | 52=1906 | 53=1907 | 54=1908 | 55=1910 | 56=1912 | #default = <font style="color:red;">'''Bitte Band und Seitenzahlen korrekt angeben!'''</font> }}</includeonly> rj8urhomc9455m3z30tesuggsxplbyg wikitext text/x-wiki Vorlage:ADB/MDZ-ID 10 24242 26839 2008-06-02T22:03:59Z Matthead 0 <noinclude>Diese Vorlage empfängt von der [[Vorlage:ADB]] die Bandnummer und gibt die jeweilige MDZ-ID des Digitalisats zurück. [[Kategorie:Vorlage:für Vorlagen|{{PAGENAME}}]] [[en:Template:ADB/MDZ-ID]] </noinclude><includeonly>{{#switch: {{{1|}}} | 1=08359 | 2=08360 | 3=08361 | 4=08362 | 5=08363 | 6=08364 | 7=08365 | 8=08366 | 9=08367 | 10=08368 | 11=08369 | 12=08370 | 13=08371 | 14=08372 | 15=08373 | 16=08374 | 17=08375 | 18=08376 | 19=08377 | 20=08378 | 21=08379 | 22=08380 | 23=08381 | 24=08382 | 25=08383 | 26=08384 | 27=08385 | 28=08386 | 29=08387 | 30=08388 | 31=08389 | 32=08390 | 33=08391 | 34=08392 | 35=08393 | 36=08394 | 37=08395 | 38=08396 | 39=08397 | 40=08398 | 41=08399 | 42=08400 | 43=08401 | 44=08402 | 45=08403 | 46=08404 | 47=08405 | 48=08406 | 49=08407 | 50=08408 | 51=08409 | 52=08410 | 53=08411 | 54=08412 | 55=08413 | 56=00000 | #default = 0 }}</includeonly> cyspipr19gq1efsls3rhampveb9cum1 wikitext text/x-wiki Vorlage:ADB/Meta 10 24243 26840 2010-03-30T07:59:44Z Guandalug 277 Hob den Schutz von „[[Vorlage:ADB/Meta]]“ auf: /META bei Vorlagen ist eher nicht Vandalismusgefährdet <noinclude>{{Dokumentation/Metaseite}} </noinclude><includeonly> [[Kategorie:Vorlage:Datenbanklink|ADB]] [[Kategorie:Vorlage:Zitation|ADB]] [[en:Template:Allgemeine Deutsche Biographie]] </includeonly> ks07tnoufbkptn6sym49h0byyib5em1 wikitext text/x-wiki Vorlage:ADB/Seite 10 24244 26841 2010-01-15T10:10:51Z PDD 110 band 19 jetzt repariert <noinclude>Diese Vorlage empfängt von der [[Vorlage:ADB]] die Bandnummer und Seitennummer und gibt die korrigierte Seitennummer für den Direktaufruf des Digitalisats zurück. [[Kategorie:Vorlage:für Vorlagen|{{PAGENAME}}]] [[en:Template:ADB/Nativeno]] </noinclude><includeonly>{{#switch: {{{1|}}} | 1={{ #expr: {{{2|}}} + 16 }} | 2={{ #expr: {{{2|}}} + 2 }} | 3={{ #expr: {{{2|}}} + 2 }} | 4={{ #expr: {{{2|}}} + 2 }} | 5={{ #expr: {{{2|}}} + 2 }} | 6={{ #expr: {{{2|}}} + 2 }} | 7={{ #expr: {{{2|}}} + 2 }} | 8={{ #expr: {{{2|}}} + 2 }} | 9={{ADB/Seite Band 9|{{{2}}}}} | 10={{ #expr: {{{2|}}} + 2 }} | 11={{ #expr: {{{2|}}} + 2 }} | 12={{ #expr: {{{2|}}} + 2 }} | 13={{ #expr: {{{2|}}} + 2 }} | 14={{ #expr: {{{2|}}} + 2 }} | 15={{ #expr: {{{2|}}} + 2 }} | 16={{ #expr: {{{2|}}} + 2 }} | 17={{ #expr: {{{2|}}} + 2 }} | 18={{ #expr: {{{2|}}} + 2 }} | 19={{ #expr: {{{2|}}} + 2 }} | 20={{ #expr: {{{2|}}} + 2 }} | 21={{ #expr: {{{2|}}} + 2 }} | 22={{ #expr: {{{2|}}} + 2 }} | 23={{ #expr: {{{2|}}} + 2 }} | 24={{ #expr: {{{2|}}} + 2 }} | 25={{ #expr: {{{2|}}} + 2 }} | 26={{ #expr: {{{2|}}} + 2 }} | 27={{ #expr: {{{2|}}} + 2 }} | 28={{ #expr: {{{2|}}} + 2 }} | 29={{ #expr: {{{2|}}} + 2 }} | 30={{ #expr: {{{2|}}} + 2 }} | 31={{ #expr: {{{2|}}} + 2 }} | 32={{ #expr: {{{2|}}} + 2 }} | 33={{ #expr: {{{2|}}} + 2 }} | 34={{ #expr: {{{2|}}} + 2 }} | 35={{ #expr: {{{2|}}} + 2 }} | 36={{ #expr: {{{2|}}} + 2 }} | 37={{ #expr: {{{2|}}} + 2 }} | 38={{ #expr: {{{2|}}} + 2 }} | 39={{ #expr: {{{2|}}} + 2 }} | 40={{ #expr: {{{2|}}} + 2 }} | 41={{ #expr: {{{2|}}} + 2 }} | 42={{ #expr: {{{2|}}} + 2 }} | 43={{ #expr: {{{2|}}} + 2 }} | 44={{ #expr: {{{2|}}} + 2 }} | 45={{ #expr: {{{2|}}} + 6 }} | 46={{ #expr: {{{2|}}} + 2 }} | 47={{ #expr: {{{2|}}} + 2 }} | 48={{ #expr: {{{2|}}} + 2 }} | 49={{ #expr: {{{2|}}} + 2 }} | 50={{ #expr: {{{2|}}} + 2 }} | 51={{ #expr: {{{2|}}} + 2 }} | 52={{ #expr: {{{2|}}} + 2 }} | 53={{ #expr: {{{2|}}} + 2 }} | 54={{ #expr: {{{2|}}} + 2 }} | 55={{ #expr: {{{2|}}} + 3 }} | 56={{{2|}}} | #default = {{{2|}}} }}</includeonly> efpd4hz9tr68hdfhcol1gtvuyqoij58 wikitext text/x-wiki Vorlage:RuS/Doku 10 24245 26842 2010-02-16T19:19:31Z SibFreak 0 nö... <noinclude>{{Dokumentation/Dokuseite}}</noinclude> == Funktionsweise und Beispiele == Diese Vorlage bindet die [[Vorlage:Lang]], wie folgt, ein: {| class="wikitable" ! Vorlagenverwendung !! Erzeugter Wikicode !! Resultat |- |<code><nowiki>{{RuS}}</nowiki></code> |<code><nowiki>[[Russische Sprache|russisch]]</nowiki></code> |{{RuS}} |- |<code><nowiki>{{RuS|Добро пожаловать в Википедию}}</nowiki></code> |<code><nowiki>[[Russische Sprache|russ.]]&nbsp;{{lang|ru|Добро пожаловать в Википедию}}</nowiki></code> |{{RuS|Добро пожаловать в Википедию}} |- |<code><nowiki>{{RuS|Добро пожаловать в Википедию|nachgestellt}}</nowiki></code> |<code><nowiki>{{lang|ru|Добро пожаловать в Википедию}}&nbsp;([[Russische Sprache|russ.]])</nowiki></code> |{{RuS|Добро пожаловать в Википедию|nachgestellt}} |} Für die [[WP:Fremdwortformatierung|Fremdwortformatierung]] gelten allerdings andere Regeln. idduif66j6cqcemo83vwbbwsnj31e3l wikitext text/x-wiki Vorlage:RuS/Meta 10 24246 26843 2010-01-15T13:54:48Z SibFreak 0 + interwiki <noinclude>{{Dokumentation/Metaseite}} [[Kategorie:Vorlage:nur Dokumentation|Vorlage:RuS/Meta]]</noinclude><includeonly> [[Kategorie:Vorlage:Fremdsprachenunterstützung|RuS]] [[bar:Vorlage:RuS]] </includeonly> 2vxfbzz5y8zxixh2356g5vvpolbf3ub wikitext text/x-wiki Vorlage:NDB/Doku 10 24247 26844 2010-04-03T13:27:00Z PDD 110 +neues beispiel, band 24 <noinclude>{{Dokumentation/Dokuseite}}</noinclude> __NOTOC__ == Beschreibung == Diese Vorlage dient zum Zitieren aus der [[Neue Deutsche Biographie|Neuen Deutschen Biographie]] (NDB). Dabei werden vorhandene digitalisierte Fassungen des entsprechenden NDB-Artikels automatisch verlinkt. Die benötigten Parameter können mit der [http://www.deutsche-biographie.de/ndbmaske.html Suchmaske zum ADB- und NDB-Register] ermittelt werden. '''Hinweis:''' * Falls der Datenbanklink der Vorlage einmal die falsche Seite im Digitalisat trifft, bitte '''nicht''' durch Eingabe „falscher“ Seitennummern bei der Einbindung versuchen, die „richtige“ Seite zu treffen, sondern stattdessen den Fehler hier auf der Diskussionsseite melden. Die Vorlage wird dann so schnell wie möglich repariert. == Kopiervorlage == <pre><nowiki> * {{NDB|Band|SeiteAnfang|SeiteEnde|NDB-Lemma|NDB-Autor}} </nowiki></pre> == Parameter == # = Bandangabe der NDB # = erste Seite des NDB-Artikels # = letzte Seite des NDB-Artikels (falls der Artikel nur eine Seite hat, wird hier dieselbe Seitenzahl wie in Parameter 2 eingetragen) # = biografierte Person, in der Form wie im NDB-Lemma angegeben; z.&nbsp;B. Goethe, Johann Wolfgang # = Verfasser des NDB-Artikels, z.&nbsp;B. Max Mustermann Alle Parameter sollten immer angegeben werden, damit der Ausgabetext den [[Wikipedia:Literatur#Kurz.C3.BCbersicht_der_Formatierungsregeln|Formatierungsregeln für Literaturangaben]] entspricht. == Beispiele == <pre>* {{NDB|3|110|111|Campe, Joachim Heinrich|Gottfried Hausmann}}</pre> ergibt * {{NDB|3|110|111|Campe, Joachim Heinrich|Gottfried Hausmann}} Wenn der Artikel nur auf einer Seite der NDB steht, einfach die Seite zweimal eintragen: <pre>* {{NDB|4|218|218|Ebeleben, Nikolaus von|Ferdinand Geldner}}</pre> Das ergibt: * {{NDB|4|218|218|Ebeleben, Nikolaus von|Ferdinand Geldner}} Auch bei noch nicht online verfügbaren Bänden soll die Vorlage verwendet werden. Sobald der jeweilige Band verfügbar ist, verlinkt die Vorlage die Artikel automatisch: <pre>* {{NDB|23|29|30|Schlaun, Johann Conrad|Klaus Bußmann}}</pre> ergibt * {{NDB|23|29|30|Schlaun, Johann Conrad|Klaus Bußmann}} Entsprechend: <pre>* {{NDB|24|370|372|Siemens, Werner von|Wilfried Feldenkirchen}}</pre> ergibt * {{NDB|24|370|372|Siemens, Werner von|Wilfried Feldenkirchen}} == Siehe auch == * [[Vorlage:ADB]] 3dy5wewi51k6jearjt80xsnqwm72czj wikitext text/x-wiki Vorlage:NDB/Jahr 10 24248 26845 2010-04-03T13:22:50Z PDD 110 korr. <noinclude>Diese Vorlage empfängt von der [[Vorlage:NDB]] die Bandnummer und gibt das Erscheinungsjahr des jeweiligen Bandes zurück. ''Siehe auch:'' [[:s:Biographische_Nachschlagewerke#NDB|Liste der verfügbaren Digitalisate]] [[Kategorie:Vorlage:für Vorlagen|{{PAGENAME}}]] </noinclude><includeonly>{{#switch: {{{1|}}} | 1=1953 | 2=1955 | 3=1957 | 4=1959 | 5=1961 | 6=1964 | 7=1966 | 8=1969 | 9=1972 | 10=1974 | 11=1977 | 12=1980 | 13=1982 | 14=1985 | 15=1987 | 16=1990 | 17=1994 | 18=1997 | 19=1999 | 20=2001 | 21=2003 | 22=2005 | 23=2007 | 24=2010 | #default = <font style="color:red;">'''Bitte Band und Seitenzahlen korrekt angeben!'''</font> }}</includeonly> 1rg3oj94kg083mjoanof2seeygbp6r5 wikitext text/x-wiki Vorlage:NDB/MDZ-ID 10 24249 26846 2010-04-03T13:28:14Z PDD 110 und wieder auskommentiert <noinclude>Diese Vorlage empfängt von der [[Vorlage:NDB]] die Bandnummer und gibt die jeweilige MDZ-ID des Digitalisats zurück. ''Siehe auch:'' [[:s:Biographische_Nachschlagewerke#NDB|Liste der verfügbaren Digitalisate]] [[Kategorie:Vorlage:für Vorlagen|{{PAGENAME}}]] </noinclude><includeonly>{{#switch: {{{1|}}} | 1=16233 | 2=16318 | 3=16319 | 4=16320 | 5=16321 | 6=16322 | 7=16325 | 8=16409 | 9=16326 | 10=16327 | 11=16328 | 12=16329 | 13=16330 | 14=16332 | 15=16333 | 16=16334 | 17=16335 | 18=16336 | 19=16337 | 20=16338 | 21=16339 | 22=16410 | 23=<!--19558-->0 | #default = 0 }}</includeonly> h5riuj5ehbrk1i7424h8yatlxjeqte4 wikitext text/x-wiki Vorlage:NDB/Meta 10 24250 26847 2008-08-20T10:25:36Z PDD 110 ist beides :-) <noinclude>{{Dokumentation/Metaseite}} </noinclude><includeonly> [[Kategorie:Vorlage:Zitation|NDB]] [[Kategorie:Vorlage:Datenbanklink|NDB]] [[en:Template:NDB]] </includeonly> maunsc712zemps02axhk8ciysnkj9th wikitext text/x-wiki Vorlage:NDB/Seite 10 24251 26848 2010-05-05T13:00:35Z PDD 110 +23 <noinclude>Diese Vorlage empfängt von der [[Vorlage:NDB]] die Bandnummer und Seitennummer und gibt die korrigierte Seitennummer für den Direktaufruf des Digitalisats zurück. Für nähere Informationen siehe Diskussionsseite. ''Siehe auch:'' [[:s:Biographische_Nachschlagewerke#NDB|Liste der verfügbaren Digitalisate]] [[Kategorie:Vorlage:für Vorlagen|{{PAGENAME}}]] [[en:Template:NDB/Seite]] </noinclude><includeonly>{{#switch: {{{1|}}} | 1={{ #expr: {{{2|}}} + 20 }} | 2={{ #expr: {{{2|}}} + 20 }} | 3={{ #expr: {{{2|}}} + 16 }} | 4={{ #expr: {{{2|}}} + 16 }} | 5={{ #expr: {{{2|}}} + 16 }} | 6={{ #expr: {{{2|}}} + 16 }} | 7={{ #expr: {{{2|}}} + 16 }} | 8={{ #expr: {{{2|}}} + 16 }} | 9={{ #expr: {{{2|}}} + 16 }} | 10={{ #expr: {{{2|}}} + 16 }} | 11={{ #expr: {{{2|}}} + 16 }} | 12={{ #expr: {{{2|}}} + 16 }} | 13={{ #expr: {{{2|}}} + 16 }} | 14={{ #expr: {{{2|}}} + 16 }} | 15={{ #expr: {{{2|}}} + 16 }} | 16={{ #expr: {{{2|}}} + 14 }} | 17={{ #expr: {{{2|}}} + 16 }} | 18={{ #expr: {{{2|}}} + 16 }} | 19={{ #expr: {{{2|}}} + 16 }} | 20={{ #expr: {{{2|}}} + 16 }} | 21={{ #expr: {{{2|}}} + 16 }} | 22={{ #expr: {{{2|}}} + 16 }} | 23={{ #expr: {{{2|}}} + 16 }} | #default = {{{2|}}} }}</includeonly> 6i5cft5dh7fy90u9xwtms1he89ubh3k wikitext text/x-wiki Vorlage:Meyers Online/Doku 10 24252 26849 2009-08-11T12:25:06Z Löschfix 0 - <noinclude>{{Dokumentation/Dokuseite}}</noinclude> Diese Vorlage erstellt Verweise auf die [[Retrodigitalisierung]] (Retro-Bibliothek, 6.&nbsp;Auflage) von [[Meyers Konversations-Lexikon]]. Bis zu sechs Parameter können angegeben werden: <code><nowiki>* {{Meyers Online|Band|erste Seite|letzte Seite|spezialkapitel=Meyers-Lemma|kapiteltext=abweichende Beschriftung|bemerkung=zusätzlicher Kommentar|kurz=ja}}</nowiki></code> Die unbenannten Parameter 1 (Band) und 2 (erste Seite) müssen stets angegeben werden. Der Parameter 3 (letzte Seite) sollte angegeben werden, falls der Meyers-Artikel einen Seitenumbruch enthält. Der Parameter <code>spezialkapitel</code> sollte nach Möglichkeit angegeben werden; er muss dann genau mit dem Meyers-Lemma übereinstimmen, erstellt einen [[Anker (HTML)|Anker]] und legt die Beschriftung des Verweises fest. Mit dem Parameter <code>kapiteltext</code> kann eine abweichende Beschriftung festgelegt werden; dies kann bei Personen gleichen Nachnamens genutzt werden, um den Vornamen hinzuzufügen, da das Meyers-Lemma auch bei Namensgleichheit nur aus dem Nachnamen besteht. Ist keiner der Parameter <code>spezialkapitel</code> und <code>kapiteltext</code> angegeben, wird der Verweis behelfsweise mit dem Wikipedia-Lemma beschriftet; dies führt insbesondere bei Einzelnachweisen oft zu falschen Ergebnissen. Die Angabe von <code>kurz</code> formatiert eine knappe Angabe zum Werk. Artikel, die als Ganzes auf Meyers Konversations-Lexikon basieren, können darüber hinaus mit dem Hinweisbaustein [[Vorlage:Meyers]] versehen werden. == Beispiele == Normalfall: <code><nowiki>* {{Meyers Online|7|422|spezialkapitel=Gleiwitz}}</nowiki></code> * {{Meyers Online|7|422|spezialkapitel=Gleiwitz}} Abweichende Beschriftung: <code><nowiki>* {{Meyers Online|14|658|spezialkapitel=Schulz|kapiteltext=Schulz, Johann Abraham Peter}}</nowiki></code> * {{Meyers Online|14|658|spezialkapitel=Schulz|kapiteltext=Schulz, Johann Abraham Peter}} Leerzeichen im Meyers-Lemma, großer Seitenumfang: <code><nowiki>* {{Meyers Online|5|643|659|spezialkapitel=Englische Litteratur}}</nowiki></code> * {{Meyers Online|5|643|659|spezialkapitel=Englische Litteratur}} Link auf eine Seite mitten in einen langen Artikel, der sich über mehrere Seiten erstreckt: <code><nowiki>* {{Meyers Online|7|821|kapiteltext=Großbritannien (Geschichte 1855-1857)}}</nowiki></code> * {{Meyers Online|7|821|kapiteltext=Großbritannien (Geschichte 1855-1857)}} :::(Artikel beginnt S.&nbsp;761, und ist dann seitenweise übertitelt) Umlaut im Meyers-Lemma, Anker funktioniert nicht im [[Opera]]-Browser: <code><nowiki>* {{Meyers Online|12|329|spezialkapitel=Ödĭpus}}</nowiki></code> * {{Meyers Online|12|329|spezialkapitel=Ödĭpus}} Option für Kurzzitate mit <code>kurz=ja</code> : (etwa mehrere Einzelnachweise auf verschiedene Artikel, wenn die volle Literaturangebe schon davor steht) <code><nowiki>* {{Meyers Online|12|409|spezialkapitel=Oppeln|kurz=ja}}</nowiki></code> * {{Meyers Online|7|422|spezialkapitel=Gleiwitz}} * {{Meyers Online|12|409|spezialkapitel=Oppeln|kurz=ja}} ryrurns03g43tads6c7frsz39u5f6ik wikitext text/x-wiki Vorlage:Meyers Online/Meta 10 24253 26850 2008-08-26T13:38:15Z Entlinkt 0 [[Hilfe:Zusammenfassung und Quelle#Auto-Zusammenfassung|AZ]]: Die Seite wurde neu angelegt. <noinclude>{{Dokumentation/Metaseite}}</noinclude><includeonly> [[Kategorie:Vorlage:Datenbanklink|Meyers Online]] [[el:Πρότυπο:Meyers Online]] [[en:Template:Meyers Online]] </includeonly> gkjp725sh4g35xlv1ylbqv6un26ktnk wikitext text/x-wiki Vorlage:Navigationsleiste Sonnensystem/Table 10 24254 26851 2010-04-19T16:31:30Z Wiegels 0 + Kategorien {| align="center" style="background:transparent; line-height: 120%;" | style="text-align:right; padding-right:1em;"| '''Zentralgestirn:''' | align="left"| [[Sonne]] |- | style="text-align:right; padding-right:1em;"| '''Planeten:''' | align="left"| [[Merkur (Planet)|Merkur]]&nbsp;&#124; [[Venus (Planet)|Venus]]&nbsp;&#124; [[Erde]]&nbsp;&#124; [[Mars (Planet)|Mars]]&nbsp;&#124; [[Jupiter (Planet)|Jupiter]]&nbsp;&#124; [[Saturn (Planet)|Saturn]]&nbsp;&#124; [[Uranus (Planet)|Uranus]]&nbsp;&#124; [[Neptun (Planet)|Neptun]] |- | style="text-align:right; padding-right:1em;"| '''Zwergplaneten:''' | align="left"| [[(1) Ceres|Ceres]]&nbsp;&#124; [[Pluto]]&nbsp;&#124; [[(136108) Haumea|Haumea]]&nbsp;&#124; [[(136472) Makemake|Makemake]]&nbsp;&#124; [[(136199) Eris|Eris]] |- | style="text-align:right; padding-right:1em;"| '''Himmelskörper:''' | align="left"| [[Planet]]en&nbsp;&#124; [[Zwergplanet]]en&nbsp;&#124; [[Satellit (Astronomie)|Monde]]&nbsp;&#124; [[Asteroid]]en&nbsp;&#124; [[Komet]]en&nbsp;&#124; [[Meteoroid]]en <!-- |- | style="text-align:right; 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padding: 0.2em; {{{boxstyle|}}}">{{{text_40}}}</td>}}}}}}<!-- --></tr><tr align="center"><!-- -->{{{{{{tst_1_ab}}}|{{{row2 {{{key_1}}}|}}}}}}<!-- -->{{{{{{tst_2_ab}}}|{{{row2 {{{key_2}}}|}}}}}}<!-- -->{{{{{{tst_3_ab}}}|{{{row2 {{{key_3}}}|}}}}}}<!-- -->{{{{{{tst_4_ab}}}|{{{row2 {{{key_4}}}|}}}}}}<!-- -->{{{{{{tst_5_ab}}}|{{{row2 {{{key_5}}}|}}}}}}<!-- -->{{{{{{tst_6_ab}}}|{{{row2 {{{key_6}}}|}}}}}}<!-- -->{{{{{{tst_7_ab}}}|{{{row2 {{{key_7}}}|}}}}}}<!-- -->{{{{{{tst_8_ab}}}|{{{row2 {{{key_8}}}|}}}}}}<!-- -->{{{{{{tst_9_ab}}}|{{{row2 {{{key_9}}}|}}}}}}<!-- -->{{{{{{tst_10_ab}}}|{{{row2 {{{key_10}}}|}}}}}}<!-- -->{{{{{{tst_11_ab}}}|{{{row2 {{{key_11}}}|}}}}}}<!-- -->{{{{{{tst_12_ab}}}|{{{row2 {{{key_12}}}|}}}}}}<!-- -->{{{{{{tst_13_ab}}}|{{{row2 {{{key_13}}}|}}}}}}<!-- -->{{{{{{tst_14_ab}}}|{{{row2 {{{key_14}}}|}}}}}}<!-- -->{{{{{{tst_15_ab}}}|{{{row2 {{{key_15}}}|}}}}}}<!-- -->{{{{{{tst_16_ab}}}|{{{row2 {{{key_16}}}|}}}}}}<!-- -->{{{{{{tst_17_ab}}}|{{{row2 {{{key_17}}}|}}}}}}<!-- -->{{{{{{tst_18_ab}}}|{{{row2 {{{key_18}}}|}}}}}}<!-- -->{{{{{{tst_19_ab}}}|{{{row2 {{{key_19}}}|}}}}}}<!-- -->{{{{{{tst_20_ab}}}|{{{row2 {{{key_20}}}|}}}}}}<!-- -->{{{{{{tst_21_ab}}}|{{{row2 {{{key_21}}}|}}}}}}<!-- -->{{{{{{tst_22_ab}}}|{{{row2 {{{key_22}}}|}}}}}}<!-- -->{{{{{{tst_23_ab}}}|{{{row2 {{{key_23}}}|}}}}}}<!-- -->{{{{{{tst_24_ab}}}|{{{row2 {{{key_24}}}|}}}}}}<!-- -->{{{{{{tst_25_ab}}}|{{{row2 {{{key_25}}}|}}}}}}<!-- -->{{{{{{tst_26_ab}}}|{{{row2 {{{key_26}}}|}}}}}}<!-- -->{{{{{{tst_27_ab}}}|{{{row2 {{{key_27}}}|}}}}}}<!-- -->{{{{{{tst_28_ab}}}|{{{row2 {{{key_28}}}|}}}}}}<!-- -->{{{{{{tst_29_ab}}}|{{{row2 {{{key_29}}}|}}}}}}<!-- -->{{{{{{tst_30_ab}}}|{{{row2 {{{key_30}}}|}}}}}}<!-- -->{{{{{{tst_31_ab}}}|{{{row2 {{{key_31}}}|}}}}}}<!-- -->{{{{{{tst_32_ab}}}|{{{row2 {{{key_32}}}|}}}}}}<!-- -->{{{{{{tst_33_ab}}}|{{{row2 {{{key_33}}}|}}}}}}<!-- -->{{{{{{tst_34_ab}}}|{{{row2 {{{key_34}}}|}}}}}}<!-- -->{{{{{{tst_35_ab}}}|{{{row2 {{{key_35}}}|}}}}}}<!-- -->{{{{{{tst_36_ab}}}|{{{row2 {{{key_36}}}|}}}}}}<!-- -->{{{{{{tst_37_ab}}}|{{{row2 {{{key_37}}}|}}}}}}<!-- -->{{{{{{tst_38_ab}}}|{{{row2 {{{key_38}}}|}}}}}}<!-- -->{{{{{{tst_39_ab}}}|{{{row2 {{{key_39}}}|}}}}}}<!-- -->{{{{{{tst_40_ab}}}|{{{row2 {{{key_40}}}|}}}}}}<!-- --></tr><noinclude> [[Kategorie:Vorlage:Stammbaum| {{PAGENAME}}]] [[bar:Vorlage:Stammbaum/step2]] [[en:Template:Familytree/step2]] [[eo:Ŝablono:Genealogia arbo/paŝo2]] [[es:Plantilla:Árbol genealógico/step2]] [[hsb:Předłoha:Rodoštom/step2]] [[no:Mal:Stamtre/step2]] [[pt:Predefinição:Árvore genealógica/2]] [[simple:Template:Familytree/step2]] </noinclude> nv4gt72qhzwxtbykmie4z22hf60unmz wikitext text/x-wiki Vorlage:RKI/Doku 10 24256 26853 2009-09-22T07:56:54Z YourEyesOnly 0 Änderungen von [[Special:Contributions/79.198.245.214|79.198.245.214]] ([[User talk:79.198.245.214|Diskussion]]) rückgängig gemacht und letzte Version von [[User:Andante|Andante]] wiederhergestellt <noinclude>{{Dokumentation/Dokuseite}}</noinclude> == Beschreibung == Vorlage zur einheitlichen Verlinkung zu Informations-Sammlungen des [[Robert Koch-Institut]]s zu Infektionskrankheiten (http://www.rki.de/cln_100/nn_205760/DE/Content/InfAZ/InfAZ__node.html) == Kopiervorlage == <pre><nowiki> {{RKI| | }} </nowiki></pre> == Parameter == Die Eingabe erfolgt nach dem Muster: <nowiki>{{RKI|Weblink|Krankheitsname}}</nowiki> Wird der Parameter ''Krankheitsname'' weggelassen, erscheint das Lemma (Artikelname) dort. == Beispiele == <nowiki>{{RKI|http://www.rki.de/cln_091/nn_196658/DE/Content/InfAZ/A/Adenovirus/Adenovirus.html|Adenovirus-Infektionen}}</nowiki> wird zu {{RKI|http://www.rki.de/cln_091/nn_196658/DE/Content/InfAZ/A/Adenovirus/Adenovirus.html|Adenovirus-Infektionen}} <nowiki>{{RKI|http://www.rki.de/cln_091/nn_196658/DE/Content/InfAZ/A/Adenovirus/Adenovirus.html}}</nowiki> wird auf der Seite [[Humane Adenoviren]] zu * [http://www.rki.de/cln_091/nn_196658/DE/Content/InfAZ/A/Adenovirus/Adenovirus.html Humane Adenoviren] – Informationen des [[Robert Koch-Institut]]s jn6a6w17z400cbpi7qtye1bfgfgw792 wikitext text/x-wiki Vorlage:RKI/Meta 10 24257 26854 2008-07-24T20:10:04Z Andante 0 [[Hilfe:Zusammenfassung und Quelle#Auto-Zusammenfassung|AZ]]: Die Seite wurde neu angelegt. <noinclude>{{Dokumentation/Metaseite}} </noinclude><includeonly> [[Kategorie:Vorlage:Datenbanklink|RKI]] </includeonly> j0mnhtbgpyehi0vxhmplvyuga57yvh4 wikitext text/x-wiki Vorlage:Alpha Centauri/Meta 10 24258 26855 2010-03-27T16:48:27Z Revolus 0 [[Hilfe:Zusammenfassung und Quellen#Auto-Zusammenfassung|AZ]]: Die Seite wurde neu angelegt: <noinclude>{{Dokumentation/Metaseite}} </noinclude><includeonly> [[Kategorie:Vorlage:Datenbanklink|Alpha … <noinclude>{{Dokumentation/Metaseite}} </noinclude><includeonly> [[Kategorie:Vorlage:Datenbanklink|Alpha Centauri]] </includeonly> bnnedgirzaq700bgfrkvdxut1mzpmnz wikitext text/x-wiki Vorlage:LDLBerlin/Doku 10 24259 26856 2009-11-10T11:46:21Z Herr Lehrer, ich weiß was! 0 kl <noinclude>{{Dokumentation/Dokuseite}}</noinclude> <div style="margin:1em; padding:1em; border:solid 1px #FF0040; background-color:#FFFFFF"> {{Überschriftensimulation 2|Funktion}} Die Vorlage dient dazu, die unübersichtlichen und sehr langen Links zur [http://www.stadtentwicklung.berlin.de/denkmal/liste_karte_datenbank/de/denkmaldatenbank/index.shtml Berliner Landesdenkmalliste] abzukürzen. Sie erwartet einen Pflichtparameter und einen optionalen Parameter. {{Überschriftensimulation 2|Parameter}} ;Parameter 1 :die Objekt-ID (obligatorisch) ::die letzte (achtstellige) Ziffernfolge am Ende der [[Uniform Resource Locator|URL]] "<code>obj%2009046089</code>", aber ohne "<code>obj%20</code>", also "<code>09046089</code>"; oder einfach die ID, die beim Eintrag über den Daten angezeigt wird: "OBJ-Dok-Nr.". ;Parameter 2 :Ausgabetext (optional) ::Fall 1: wenn ''NICHTS'' übergeben wurde: Standardtext: „Eintrag in der Berliner Landesdenkmalliste“ ::Fall 2: wenn „ja“ übergeben wurde: Standardtext+Zusatztext: „Eintrag in der Berliner Landesdenkmalliste mit weiteren Informationen“ ::Fall 3: Eingabe eines Freitextes, welcher dann angezeigt wird. {{Überschriftensimulation 2|Beispiele}} * Fall 1 (der einfachste und wahrscheinlich häufigste Fall: ohne weiteren Beschreibungstext): ::<nowiki>{{Vorlage:LDLBerlin|09045816}}</nowiki> wird zu ::{{Vorlage:LDLBerlin|09045816}} * Fall 2 (der Fall, dass dort noch was zu lesen steht, Textvolumen <small>scheinbar</small> abhängig vom Stadtbezirk): ::<nowiki>{{Vorlage:LDLBerlin|09045816|ja}}</nowiki> wird zu ::{{Vorlage:LDLBerlin|09045816|ja}} *Fall 3 (Wenn mehrere Denkmäler in einem Artikel aufgezählt werden sollen, oder die Beschriftung anders sein soll, dann manuelle Linkbetitelung): ::<nowiki>{{Vorlage:LDLBerlin|09045816|Mentzelstraße 12-23}}</nowiki> wird z.B. zu ::{{Vorlage:LDLBerlin|09045816|Mentzelstraße 12-23}} {{Überschriftensimulation 2|Anmerkungen}} Bei Fall 3 sollten mehrere Einträge zum Beispiel wie folgend zusammengefasst werden, um die Menge der Weblinks nicht allzusehr aufzublähen: *Einträge in der Berliner Landesdenkmalliste: {{LDLBerlin|09045816|Wäscherei Spindler}}, {{LDLBerlin|09045783|Mentzelstraße 12-23}} und {{LDLBerlin|09045782|Färberstraße 17&19}} Unter dem Zusatztext „weiteren Informationen“ bei Fall 2 (der mit Parameter „ja“), versteht der Autor der Vorlage Objekte zu denen eine in ganzen Sätzen geschriebene Objektbeschreibung angeboten wird. Auch eine <u>umfangreiche</u> Literaturliste kann als „weitere Informationen“ betrachtet werden. Lediglich zwei Bücher und die allgemeinen Daten zum Objekt rechtfertigen diesen Zusatztext nicht. Wenn die ID z.B. <code>"09046089,T"</code> lautet, kann man sie auch ohne <code>",T"</code> in die Vorlage eingefügen. In der Ansicht des Objektes geht allerdings bei allen Objekten mit <code>",T"</code> die Anzeige des Kartenausschnitts nicht korrekt. Dazu muss man manuell in der URL zum Kartenausschnitt das <code>",T"</code> entfernen. Die Vorlage kann sowohl unter [[WP:WEB|Weblinks]] als auch als [[WP:Einzelnachweise|Einzelnachweis/Fußnote]] eingebaut werden. Bitte beachten, dass bei Verwendung als Referenz in der Regel kein * (Stern) und bei Weblinks ein * vorangestellt werden muss. </div> esfzaz1q49r6y572qm7xieenneipvw9 wikitext text/x-wiki Vorlage:LDLBerlin/Meta 10 24260 26857 2009-11-10T21:21:04Z Herr Lehrer, ich weiß was! 0 ++sort (ja, ja, ...) <noinclude>{{Dokumentation/Metaseite}} </noinclude><includeonly> [[Kategorie:Vorlage:Datenbanklink|LDLBerlin]] [[Kategorie:Vorlage:Berlin|LDLBerlin]] </includeonly> nsxzt8hki1iaiqym876xiaaage4yobi wikitext text/x-wiki Vorlage:Str find/Doku 10 24261 26858 2009-12-16T01:01:03Z Wiegels 0 Zahl <noinclude>{{Dokumentation/Dokuseite}}</noinclude> Diese Vorlage dient der Suche eines Teilstrings in einem Text. == Kopiervorlage == <pre style="white-space:pre-wrap;"> {{str find|Text|Teilstring}} </pre> == Parameter == * Sucht nur die ersten 50 Zeichen von ''Text''. Gibt -1 zurück, wenn ''Teilstring'' nicht in den ersten 50 Zeichen gefunden wird. * Die Zeichenposition ist 1 basiert (nicht 0 basiert wie sonst bei Berechnungen). <!-- == Beispiele == <pre style="white-space:pre-wrap;"> … </pre> --> qi352e902zpb9rscjia4j9phocg3hy9 wikitext text/x-wiki Vorlage:Str find/Meta 10 24262 26859 2010-03-06T22:01:03Z Tlustulimu 0 interwiki <noinclude>{{Dokumentation/Metaseite}} </noinclude><includeonly> [[Kategorie:Vorlage:Funktion|{{PAGENAME}}]] [[en:Template:Str find]] [[eo:Ŝablono:Lin serĉi]] [[hsb:Předłoha:Str find]] [[id:Templat:Str find]] [[ja:Template:Str find]] [[lv:Veidne:Str find]] [[pt:Predefinição:Str find]] [[ru:Шаблон:Str find]] [[zh:Template:Str find]] </includeonly> nwd0y1y72wbbnipa38y1stuquhz9ept wikitext text/x-wiki Vorlage:Str find/logic 10 24263 26860 2010-03-11T20:40:10Z Umherirrender 280 +kat <onlyinclude>{{#ifeq:*{{str_left|{{{1}}}|{{#expr: {{{3}}} }} }}*|*{{{2}}}*|1/}}<!-- -->{{#ifeq:*{{str_left|{{{1}}}|{{#expr: {{{3}}}+1}} 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2009-12-12T01:50:26Z Entlinkt 0 Schützte „[[Vorlage:Str left]]“: Häufig eingebundene Vorlage: Metavorlage mit bereits über 5000 Einbindungen ([edit=autoconfirmed] (unbeschränkt) [move=sysop] (unbeschränkt)) <includeonly>{{padleft:|{{{2|1}}}|{{{1}}}}}</includeonly><noinclude> {{Dokumentation}} </noinclude> 9z4ysgmw4qrs0oiy1vkw98srru6mhbe wikitext text/x-wiki Vorlage:Str len 10 24265 26862 2009-12-12T01:50:23Z Entlinkt 0 Schützte „[[Vorlage:Str len]]“: Häufig eingebundene Vorlage: Metavorlage mit bereits über 5000 Einbindungen ([edit=autoconfirmed] (unbeschränkt) [move=sysop] (unbeschränkt)) {{#ifeq: x{{#if:x|{{{1|}}}}} | x{{padleft:{{{1|}}}| 500 }} <!-- str >= 500 --> | 500 | {{str len/core <!-- xx0-xx9 --> |{{#if:x|{{{1|}}}}} | {{str len/core <!-- x0x-x9x --> |{{#if:x|{{{1|}}}}} | {{str len/core <!-- 0xx-4xx --> |{{#if:x|{{{1|}}}}} | | hundreds }}| tens }}| ones }} }}<noinclude> {{Dokumentation}} </noinclude> d9qp0qgh5qnin0ynmk46da3xacome5c wikitext text/x-wiki Vorlage:Str len/core 10 24266 26863 2009-12-12T01:50:21Z Entlinkt 0 Schützte „[[Vorlage:Str len/core]]“: Häufig eingebundene Vorlage: Metavorlage mit bereits über 5000 Einbindungen ([edit=autoconfirmed] (unbeschränkt) [move=sysop] (unbeschränkt)) {{#switch: {{{3|}}} | hundreds = <!-- 0xx-4xx, using linear search since most strings will probably be less than 100 bytes. --> {{#ifeq: x{{{1|}}} | x{{padleft:{{{1|}}}| 100 }} <!--str >= x--> | {{#ifeq: x{{{1|}}} | x{{padleft:{{{1|}}}| 200 }} | {{#ifeq: x{{{1|}}} | x{{padleft:{{{1|}}}| 300 }} | {{#ifeq: x{{{1|}}} | x{{padleft:{{{1|}}}| 400 }} | 4 | 3 }} | 2 }} | 1 }} | <!-- Don't return 0, since tens and ones don't want a leading 0 in parameter 2. --> }} | tens = <!-- x0x-x9x, using linear search for 0x-3x, binary search for 4x-9x, since most strings will probably be 0-39 bytes. --> {{{2|}}}{{ #ifeq: x{{{1|}}} | x{{padleft:{{{1|}}}| {{{2|}}}10 }} <!--str >= x--> | {{#ifeq: x{{{1|}}} | x{{padleft:{{{1|}}}| {{{2|}}}20 }} | {{#ifeq: x{{{1|}}} | x{{padleft:{{{1|}}}| 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Österreich |admtype = Republik |0 = Österreich |1 = |2 = |map = Österreich |flag = Flag of Austria.svg }}<noinclude>{{Info ISO-3166-2/Info}}</noinclude> 45gh71apmkexbqkdiz0mms9pfs6a8m5 wikitext text/x-wiki Vorlage:Info ISO-3166-2:BO 10 24269 26866 2008-06-28T12:05:15Z Boente 0 [[Hilfe:Zusammenfassung und Quelle#Auto-Zusammenfassung|AZ]]: Die Seite wurde neu angelegt. {{#switch: {{lc:{{{1|}}} }} |continent = Südamerika <!--Administration--> |level = 0 |maxlevel= 1 |acronym = BO |top = BO |upper = |lemma = Bolivien |admname = Republik Bolivien |admtype = Republik |0 = Bolivien |1 = |2 = |map = Bolivien |flag = Flag of Bolivia.svg }}<noinclude>{{Info ISO-3166-2/Info}}</noinclude> as271t9h8aqfubnt75nutvzzkk0o4bf wikitext text/x-wiki Vorlage:Info ISO-3166-2:EE 10 24270 26867 2008-06-18T19:24:20Z Boente 0 [[Hilfe:Zusammenfassung und Quelle#Auto-Zusammenfassung|AZ]]: Die Seite wurde neu angelegt. {{#switch: {{lc:{{{1|}}} }} |continent = Europa <!--Administration--> |level = 0 |maxlevel= 1 |acronym = EE |top = EE |upper = |lemma = Estland |admname = Republik Estland |admtype = Republik |0 = Estland |1 = |2 = |map = Estland |flag = Flag of Estonia.svg }}<noinclude>{{Info ISO-3166-2/Info}}</noinclude> 559f1ya2ehw5wg8ni3in9fqpa99f1gl wikitext text/x-wiki Vorlage:Kommentar 10 24271 26868 2008-12-30T14:56:44Z Visi-on 0 hat „[[Vorlage:/* */]]“ nach „[[Vorlage:Kommentar]]“ verschoben:&#32;Ungeeigneter Vorlagenname <onlyinclude> {{{{{subst|}}}#if:{{{subst|}}}|<!|&lt;!--}}{{{{{subst|}}}#if:{{{subst|}}}|--|}} {{{text<includeonly>|</includeonly>}}} --></onlyinclude> {{Dokumentation}} 3brgjnamf4qwhhm9vu0ek91vgbug7hu wikitext text/x-wiki Vorlage:Positionskarte/Doku 10 24272 26869 2010-03-30T12:51:02Z Spischot 0 +globe <noinclude>{{Dokumentation/Dokuseite}}</noinclude> == Benutzung == <nowiki>{{</nowiki>Positionskarte|Name der Positionskarte {{Kommentar|text=Frame Rahmen}} |border ={{Kommentar|text=Rahmenfarbe oder none}} |background ={{Kommentar|text=Hintergrundfarbe, Voreinstellung #F9F9F9 (transparent)}} |caption ={{Kommentar|text=Bildunterschrift}} |float ={{Kommentar|text=left oder right oder center oder none}} |width ={{Kommentar|text=### (maximale) Kartenbreite x### maximale Höhe, ###x### maximales umgebendes Rechteck = ›leer‹ thumbsize-Benutzereinstellung default 240 Pixel}} |maptype = relief {{Kommentar|text=Verwendet eine physische Karte zur Darstellung, sofern diese existiert. Andernfalls wird die normale Karte verwendet}} |Alternativkarte ={{Kommentar|text=Croatia map modern.png (ändert die Karte im Hintergrund, Rahmenkoordinaten werden vom allgemeinen Kartenamen übernommen – der Befehl sollte nur von Vorlagen, z.B. Infoboxen mit unterschiedlichen regionalen Hervorhebungen, verwendet werden)}} |label ={{Kommentar|text=Text zum markierten Punkt}} |label_size ={{Kommentar|text=Schriftgröße in Prozent}} |position ={{Kommentar|text=left oder right oder top oder bottom oder none – Position der Beschriftung bezüglich des Markierungspunktes, Voreinstellung right}} |wrap ={{Kommentar|text=auto oder manual, Voreinstellung auto - Zeilenumbruch der Labels auto:automatisch, manual:Zeilenumbruch wird durch Eingabe von "<nowiki><br /></nowiki>" im Labeltext erzwungen}} |mark ={{Kommentar|text=dateiname für den Markierungspunkt, Voreinstellung ist Red pog.svg}} |marksize ={{Kommentar|text=Größe des Markierungspunktes in Pixeln, Voreinstellung 8}} |marktarget ={{Kommentar|text=Linkziel der Markierung, Standardeinstellung ist die Geo-Referenzierung}} |background ={{Kommentar|text=Hintergrundfarbe für den Beschriftungstext, Voreinstellung transparent}} {{Kommentar|text=Coordinates Koordinaten}} |lat ={{Kommentar|text=Breitengrad in Dezimalwert oder D/M/S →[[Vorlage:Coordinate#NS]]}} |long ={{Kommentar|text=Längengrad in Dezimalwert oder D/M/S →[[Vorlage:Coordinate#EW]]}} |type ={{Kommentar|text=Typ →[[Vorlage:Coordinate#type]]}} |pop ={{Kommentar|text=Einwohner →[[Vorlage:Coordinate#pop]]}} |elevation ={{Kommentar|text=Höhe →[[Vorlage:Coordinate#elevation]]}} |dim ={{Kommentar|text=Dimension →[[Vorlage:Coordinate#dim]]}} |region ={{Kommentar|text=ISO 3166-1/2 Code →[[Vorlage:Coordinate#region]]}} |globe ={{Kommentar|text=Himmelskörper →[[Vorlage:Coordinate#globe]]}} |name ={{Kommentar|text=Name des Objekts →[[Vorlage:Coordinate#name]]}} }} Der Parameter ''Kartenname'' bezieht sich auf die Vorlage:Positionskarte ''Kartenname'' die Name and Koordinaten einer Karte enthält. Koordinaten (dezimal) sind hier zu ermitteln: '''http://www.mcaviglia.ch/gmap/get_coor_ext.asp?l=de''' (siehe dazu auch [[Wikipedia:WikiProjekt Georeferenzierung|WP:GEO]]) === Markierungen === Bilddateien, die als Markierung verwendet werden können, findet man in {{Commons|Category:Map pointers}} {| class="float-right" style="background-color:transparent;" | {{Positionskarte|Österreich|mark=Fire.svg|marksize=10|lat=47/4/30|long=12/41/40|region=AT |caption=[[Großglockner]] (Position ist Mittelpunkt Dreieck)}} | {{Positionskarte|Österreich|mark=RedMountain.svg|marksize=18|lat=47/4/30|long=12/41/40|region=AT |caption=[[Großglockner]] (Position ist Mittelpunkt Basislinie)}} |} Die Markierungen werden dabei mit ihrem Mittelpunkt auf die gewünschte Koordinate gesetzt. Damit dies korrekt funktioniert, müssen bei den Markierungen Breite und Länge gleich sein, das umschließende Rechteck also quadratisches Format haben. Dabei ist zu beachten, dass der optische Mittelpunkt nicht immer identisch mit geometrischen Mittelpunkt ist. So bewirkt die Verwendung von [[Bild:Fire.svg|10px]] für Berge einen anderen Eindruck als [[Bild:RedMountain.svg|18px]] (nochmals nebeneinander [[Bild:Fire.svg|10px]]&nbsp;[[Bild:RedMountain.svg|18px]]), die Mitte ist im ersten Fall der Schwerpunkt, im zweiten Fall der Mittelpunkt der Basis und wird damit der optischen Erwartung für einen Berg weit besser gerecht. Im Beispiel liegt die tatsächliche Position knapp unterhalb der Grenze zu [[Salzburg (Bundesland)|Salzburg]]. Beim zweiten Icon [[:Bild:RedMountain.svg]] wird die Mitte der Basis in die Mitte der Bilddatei gelegt, indem umgebende Bereiche transparent ergänzt werden. == Neue Karten erstellen == Untervorlagen müssen nach dem Muster „Vorlage:Positionskarte ''Kartenname''“ benannt sein. Voraussetzung, um eine neue Untervorlage zu erstellen, ist ein Bild, das eine Karte zeigt, deren [[Kartennetzentwurf]] bekannt ist oder zumindest möglichst genau geschätzt werden kann. Wenn es sich um eine [[quadratische Plattkarte]] handelt, kann der Quelltext der [[Vorlage:Positionskarte Italien Sizilien]] übernommen und angepasst werden: <pre> {{#switch: {{{1}}} | name = Sizilien | lemma = Autonome Region Sizilien | top = 38.9 | bottom = 35.4 | left = 11.8 | right = 15.8 | image = Italy Sicily location map.svg }} </pre> * ''name'' beschreibt das Gebiet, das die Karte zeigt, ''lemma'' ist der Titel des zugehörigen Wikipedia-Artikels. Der Parameter ''lemma'' kann auch entfallen, falls er mit ''name'' übereinstimmt. * ''top'', ''bottom'', ''left'' und ''right'' sind die Koordinaten der Kartengrenzen. Die Koordinaten müssen dezimal eingegeben werden. Die Himmelsrichtung wird über das Vorzeichen gesteuert (Nord und Ost positiv, Süd und West negativ). * ''image'' ist der Name der Bilddatei. Falls zu einer Untervorlage neben der normalen, politischen Positionskarte auch noch eine physische Karte mit gleichen Kartengrenzen und gleichem Kartennetzentwurf existiert, soll diese mit der Parameterkombination ''image|relief'' angegeben werden. Bei fehlenden zweiten Parameter oder unbekannten Kartentypen wird stets die normale, politische Positionskarte als Default angegeben: <pre> {{#switch:{{{1}}} | name = Italien | top = 47.4 | bottom = 35.3 | left = 6.2 | right = 19.0 |image={{#switch: {{{2|}}} |relief=Italy relief location map.jpg |#default=Italy location map.svg }} }}</pre> Quadratische Plattkarten bieten sich an, wenn das darzustellende Gebiet nicht allzu weit vom Äquator entfernt ist und keine allzu große Ausdehnung aufweist. Sie sind besonders einfach zu handhaben und können in sehr vielen Wikis verwendet werden. Karten, die den 180. Längengrad überschreiten, werden automatisch erkannt und korrekt behandelt; dies gilt jedoch nicht in allen anderen Wikis. Für einige Gebiete wie [[Vorlage:Positionskarte Kanada|Kanada]] oder [[Vorlage:Positionskarte Russland|Russland]] sind andere Kartennetzentwürfe besser geeignet; die Polarregionen sind gar nicht als quadratische Plattkarten darstellbar. Hier kann der Quelltext der [[Vorlage:Positionskarte Antarktis]] als Vorbild dienen: <pre> {{#switch: {{{1}}} | name = Antarktis | x = 50 + 50/(90-60) * (90+({{{2}}})) * sin(pi/180*({{{3}}})) | y = 50 - 50/(90-60) * (90+({{{2}}})) * cos(pi/180*({{{3}}})) | image = Antarctica blank.svg }} </pre> * ''name'', ''lemma'' und ''image'' haben dieselbe Bedeutung wie bei quadratischen Plattkarten. * ''x'' und ''y'' sind Formeln, um aus den Koordinaten die relative Position der Markierung in Prozent zu berechnen. ''x'' reicht von 0 am linken bis 100 am rechten, ''y'' von 0 am oberen bis 100 am unteren Rand der Karte. Innerhalb der Formeln stehen Breiten- und Längengrad als Parameter {{{2}}} und {{{3}}} zur Verfügung. Mit diesem System lassen sich beliebige Kartennetzentwürfe – auch Einklinker in quadratischen Plattkarten wie [[Jan Mayen]] in der [[Vorlage:Positionskarte Norwegen Svalbard und Jan Mayen]] – verarbeiten. Allfällige Probleme mit dem Überschreiten des 180. Längengrades sind direkt in den Formeln abzufangen ([http://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Vorlage:Positionskarte_Russland&diff=47093612&oldid=45375333 Beispiel]). Es wird noch recht selten verwendet (9 von 564 Karten, Stand Dezember 2009) und steht nicht in allen anderen Wikis zur Verfügung. == Quelle == Von [[:en:Template:Location map]] übernommen. == Beispiele == === Karte mit Standard-Bildunterschrift (Grad) === {| style="background-color:transparent; width:100%" | style="width:60%; vertical-align:top;" | '''Husum''' <nowiki>{{Positionskarte |Deutschland Schleswig-Holstein |label=Husum |lat=54/29/37 |long=9/03/04 |region=DE-SH |position=right |width=300 |float=right }}</nowiki> | style="text-align:center;" | {{Positionskarte |Deutschland Schleswig-Holstein |label=Husum |lat=54/29/37 |long=9/03/04 |region=DE-SH |position=right |width=300 |float=right }} |} === Karte mit individueller Bildunterschrift und Text-Hintergrundfarbe === {| style="background-color:transparent; width:100%" | style="width:60%; vertical-align:top;" | '''Husum''' <nowiki>{{Positionskarte |Deutschland Schleswig-Holstein |label=Husum |lat=54/29/37 |long=9/03/04 |region=DE-SH |position=right |width=300 |float=right |background=#FEFEE9 |caption=Die Stadt Husum auf der Karte von Schleswig-Holstein. }}</nowiki> | style="text-align:center;" | {{Positionskarte |Deutschland Schleswig-Holstein |label=Husum |lat=54/29/37 |long=9/03/04 |region=DE-SH |position=right |width=300 |float=right |background=#FEFEE9 |caption=Die Stadt Husum auf der Karte von Schleswig-Holstein. }} |} === Karte mit verändertem Punkt und größerer Beschriftung === {| style="background-color:transparent; width:100%" | style="width:60%; vertical-align:top;" | '''Husum''' <nowiki>{{Positionskarte |Deutschland Schleswig-Holstein |label=Husum |label_size=120 |lat=54/29/37 |long=9/03/04 |region=DE-SH |mark = Paris plan pointer b jms.gif |marksize=12 |position=right |width=300 |float=right |caption=Die Stadt Husum auf der Karte von Schleswig-Holstein. }}</nowiki> | style="text-align:center;" | {{Positionskarte |Deutschland Schleswig-Holstein |label=Husum |label_size=120 |lat=54/29/37 |long=9/03/04 |region=DE-SH |mark = Paris plan pointer b jms.gif |marksize=12 |position=right |width=300 |float=right |caption=Die Stadt Husum auf der Karte von Schleswig-Holstein. }} |} === Alternativkarten-Variation für Infoboxen === {| style="background-color:transparent; width:100%" | style="width:60%; vertical-align:top;" | '''Husum auf physischer Karte''' <nowiki>{{Positionskarte |Deutschland Schleswig-Holstein |maptype=relief |label=Husum |lat=54/29/37 |long=9/03/04 |region=DE-SH |position=right |width=300 |float=right }}</nowiki> | style="text-align:center;" | {{Positionskarte |Deutschland Schleswig-Holstein |maptype=relief |label=Husum |lat=54/29/37 |long=9/03/04 |region=DE-SH |position=right |width=300 |float=right }} |} {| style="background-color:transparent; width:100%" | style="width:60%; vertical-align:top;" | '''Husum auf Satellitenkarte''' <nowiki>{{Positionskarte |Europa |Alternativkarte=Europe bluemarble laea location map.jpg |label=Husum |lat=54/29/37 |long=9/03/04 |region=DE-SH |position=right |width=300 |float=right }}</nowiki> | style="text-align:center;" | {{Positionskarte |Europa |Alternativkarte=Europe bluemarble laea location map.jpg |label=Husum |lat=54/29/37 |long=9/03/04 |region=DE-SH |position=right |width=300 |float=right }} |} === Karte ohne Bildunterschrift === {| style="background-color:transparent; width:100%" | style="width:60%; vertical-align:top;" | '''Tallinn (Estland)''' <nowiki>{{Positionskarte |Estland |label=Tallinn |position=left |width=250 |lat=59/25/ |long=24/46/ |region=EE |float=right |caption= }}</nowiki> | style="text-align:center;" | {{Positionskarte |Estland |label=Tallinn |position=left |width=250 |lat=59/25/ |long=24/46/ |region=EE |float=right |caption= }} |} === Südlich des Äquators, westlich des Nullmeridians === {| style="background-color:transparent; width:100%" | style="width:60%; vertical-align:top;" | '''La Paz (Bolivien)''' <nowiki>{{Positionskarte |Bolivien |label=La Paz |lat=16/29/39/S |long=68/08/51/W |region=BO |position=right |width=250 |float=right |caption=Lage von La Paz in Bolivien }}</nowiki> | style="text-align:center;" | {{Positionskarte |Bolivien |label=La Paz |lat=16/29/39/S |long=68/08/51/W |region=BO |position=right |width=250 |float=right |caption=Lage von La Paz in Bolivien }} |} === Positionskarte mit mehreren Markierungen === (s.a. [[Vorlage:Positionskarte+]]) {| style="background-color:transparent; width:100%" | style="width:60%; vertical-align:top;" | '''Ein paar Orte in Deutschland''' <nowiki>{{ Positionskarte+ | Deutschland | width=375 | float=right | caption=Ein paar Orte | places={{ Positionskarte~ | Deutschland | label=das Label des ersten Ortsnamens liegt links am Punkt an | position=left | lat=53/10/14 | long=09/34/51 | region=DE }} {{ Positionskarte~ | Deutschland | label=der zweite Ort hat kein Label für den Ortsnamen | position=none | lat=52/52/14 | long=10/44/51 | region=DE }} {{ Positionskarte~ | Deutschland | label=das Label des dritten<br />Ortes liegt unten am Punkt an<br />mit manuellem Zeilenumbruch | position=bottom | wrap=manual | lat=51/55/14 | long=11/12/51 | region=DE }} {{ Positionskarte~ | Deutschland | label=das Label des vierten Ortsnamens liegt rechts am Punkt an | position=right | lat=49/55/14 | long=10/54/51 | region=DE }} {{ Positionskarte~ | Deutschland | label=das Label des fünften Ortsnamens liegt oben am Punkt an | position=top | lat=47/50/08 | long=10/52/16 | region=DE }} }} </nowiki> | style="text-align:center;" | {{ Positionskarte+ | Deutschland | width=375 | float=right | caption=Ein paar Orte | places={{ Positionskarte~ | Deutschland | label=das Label des ersten Ortsnamens liegt links am Punkt an | position=left | lat=53/10/14 | long=09/34/51 | region=DE }} {{ Positionskarte~ | Deutschland | label=der zweite Ort hat kein Label für den Ortsnamen | position=none | lat=52/52/14 | long=10/44/51 | region=DE }} {{ Positionskarte~ | Deutschland | label=das Label des dritten<br />Ortes liegt unten am Punkt an<br />mit manuellem Zeilenumbruch | position=bottom | wrap=manual | lat=51/55/14 | long=11/12/51 | region=DE }} {{ Positionskarte~ | Deutschland | label=das Label des vierten Ortsnamens liegt rechts am Punkt an | position=right | lat=49/55/14 | long=10/54/51 | region=DE }} {{ Positionskarte~ | Deutschland | label=das Label des fünften Ortsnamens liegt oben am Punkt an | position=top | lat=47/50/08 | long=10/52/16 | region=DE }} }} |} == Verfügbare Karten == Eine Liste der verfügbaren Vorlagen nach dem Muster "Vorlage:Positionskarte ''Kartenname''" findet sich unter [[:Kategorie:Vorlage:Positionskarte]]. Die Sortierung erfolgt nach Ländernamen. Für verfügbare Positionskarten eines Landes kann auch in die [[:Kategorie:Vorlage:nach Staat|Ländervorlagenkategorie]] geschaut werden. rh68oh31yxef4o5evzrsik1pt8pym2l wikitext text/x-wiki Vorlage:Positionskarte/Meta 10 24273 26870 2010-01-17T12:03:14Z Obersachse 84 +be <noinclude>{{Dokumentation/Metaseite}} </noinclude><includeonly> [[Kategorie:Vorlage:Positionskarte|!]] [[Kategorie:Vorlage mit Koordinate|!{{PAGENAME}}]] [[af:Sjabloon:Liggingkaart]] [[ar:قالب:خارطة مواقع]] [[be:Шаблон:На карце]] [[be-x-old:Шаблён:Лякалізацыйная мапа]] [[bg:Шаблон:ПК]] [[bs:Šablon:Lokacijska karta]] [[cs:Šablona:LocMap]] [[da:Skabelon:Kortpositioner]] [[dsb:Pśedłoga:LocMap]] [[en:Template:Location map]] [[eo:Ŝablono:Situo sur mapo]] [[es:Plantilla:Location map]] [[et:Mall:Asendikaart]] [[fa:الگو:روی نقشه]] [[fi:Malline:Location map]] [[fr:Modèle:Location map]] [[hr:Predložak:Lokacijska karta]] [[hsb:Předłoha:LocMap]] [[hu:Sablon:Pozíciós térkép]] [[it:Template:Mappa di localizzazione/man]] [[ka:თარგი:პოზრუკა]] [[la:Formula:Charta locatrix]] [[nl:Sjabloon:Positiekaart]] [[no:Mal:Kartposisjon]] [[os:Шаблон:ПозКартæ]] [[pl:Szablon:Mapa lokalizacyjna]] [[pt:Predefinição:Posição mapa]] [[rm:Template:LocMap]] [[ru:Шаблон:ПозКарта]] [[simple:Template:Location map]] [[sl:Predloga:Lokacijska karta]] [[sq:Stampa:Harta e pozicionit]] [[sv:Mall:Kartposition]] [[tg:Шаблон:Ҷо рӯи харита]] [[uk:Шаблон:Карта розташування]] [[zh:Template:Location map]] </includeonly> c9y1qvfxxe659y5xl0psb9jt18o7ym3 wikitext text/x-wiki Vorlage:Positionskarte Bolivien 10 24274 26871 2010-03-22T00:04:16Z 777sms 0 {{#switch:{{{1}}} | name = Bolivien | maptype=relief | top = -9.0 | bottom = -24.0 | left = -71.0 | right = -56.8 | image = Bolivia location map.svg }}<noinclude> {{Positionskarte/Info}} [[ar:قالب:خريطة مواقع بوليفيا]] [[bg:Шаблон:ПК Боливия]] [[ca:Plantilla:Location map Bolívia]] [[cs:Šablona:LocMap Bolívie]] [[en:Template:Location map Bolivia]] [[eo:Ŝablono:Situo sur mapo Bolivio]] [[es:Plantilla:Mapa de localización de Bolivia]] [[fr:Modèle:Géolocalisation/Bolivie]] [[he:תבנית:מפת מיקום/בוליביה]] [[hsb:Předłoha:LocMap Boliwiska]] [[hu:Sablon:Pozíciós térkép/Bolívia]] [[it:Template:Mappa di localizzazione/BOL]] [[ka:თარგი:პოზრუკა ბოლივია]] [[ko:틀:위치 지도 볼리비아]] [[lt:Šablonas:Location map Bolivija]] [[ml:ഫലകം:Location map Bolivia]] [[nl:Sjabloon:Positiekaart Bolivia]] [[os:Шаблон:ПозКартæ Боливи]] [[pl:Szablon:Mapa lokalizacyjna/BOL]] [[ru:Шаблон:ПозКарта Боливия]] [[sl:Predloga:Lokacijska karta Bolivia]] [[sr:Шаблон:Location map Bolivia]] [[sv:Mall:Kartposition Bolivia]] [[szl:Szablon:Mapa lokalizacyjno/BOL]] [[uk:Шаблон:Карта розташування Болівія]] [[vi:Bản mẫu:Bản đồ định vị Bolivia]] [[zh-min-nan:Template:Location map Bolivia]] </noinclude> onabyan7wdran4ki1dypmdzxognzsge wikitext text/x-wiki Vorlage:Positionskarte Deutschland Schleswig-Holstein 10 24275 26873 2010-03-18T20:05:37Z Spischot 0 Unterparameter image|relief {{#switch:{{{1}}} | name = Schleswig-Holstein | top = 55.1 | bottom = 53.3 | left = 7.8 | right = 11.4 |image={{#switch: {{{2|}}} |relief=Schleswig-Holstein relief location map.jpg |#default=Schleswig-Holstein location map.svg }} }}<noinclude> {{Positionskarte/Info|Schleswig-Holstein|sortkey=Deutschland}} [[da:Skabelon:Kortpositioner Slesvig-Holsten]] [[en:Template:Location map Germany Schleswig-Holstein]] [[fr:Modèle:Géolocalisation/Schleswig-Holstein]] [[nl:Sjabloon:Positiekaart Sleeswijk-Holstein]] [[os:Шаблон:ПозКартæ Герман Шлезвиг-Гольштейн]] [[ru:Шаблон:ПозКарта Германия Шлезвиг-Гольштейн]] </noinclude> rx3gs6w9htp7s8u6k2beiylv321g8fw wikitext text/x-wiki Vorlage:Positionskarte Estland 10 24276 26874 2010-05-09T07:46:54Z Obersachsebot 0 Bot: Ergänze: [[es:Plantilla:Mapa de localización de Estonia]] {{#switch:{{{1}}} | name = Estland | top = 60.4 | bottom = 57.2 | left = 21.5 | right = 28.4 | image = Estonia location map.svg }}<noinclude> {{Positionskarte/Info}} [[be:Шаблон:На карце/Эстонія]] [[be-x-old:Шаблён:Лякалізацыйная мапа Эстоніі]] [[cs:Šablona:LocMap Estonsko]] [[da:Skabelon:Kortpositioner Estland]] [[en:Template:Location map Estonia]] [[eo:Ŝablono:Situo sur mapo Estonio]] [[es:Plantilla:Mapa de localización de Estonia]] [[fi:Malline:Location map Estonia]] [[fr:Modèle:Géolocalisation/Estonie]] [[he:תבנית:מפת מיקום/אסטוניה]] [[hsb:Předłoha:LocMap Estiska]] [[hu:Sablon:Pozíciós térkép Észtország]] [[it:Template:Mappa di localizzazione/EST]] [[ka:თარგი:პოზრუკა ესტონეთი]] [[lt:Šablonas:Location map Estija]] [[nl:Sjabloon:Positiekaart Estland]] [[nn:Mal:Kartposisjon Estland]] [[os:Шаблон:ПозКартæ Эстони]] [[pl:Szablon:Mapa lokalizacyjna/EST]] [[ro:Format:Harta de localizare Estonia]] [[ru:Шаблон:ПозКарта Эстония]] [[sk:Šablóna:Geobox locator Estónsko]] [[sr:Шаблон:Location map Estonia]] [[szl:Szablon:Mapa lokalizacyjno/EST]] [[uk:Шаблон:Карта розташування Естонія]] [[vi:Bản mẫu:Bản đồ định vị Estonia]] </noinclude> q04c2xcvlxi3woydrslz5t4ms1wjtes wikitext text/x-wiki Vorlage:Positionskarte Europa 10 24277 26875 2010-04-11T15:03:03Z Obersachsebot 0 Bot: Ergänze: [[ar:قالب:خريطة مواقع أوروبا]] {{#switch:{{{1}}} | name = Europa | y = 55.11 - 153.610*( cos( 52* pi/180)*sin( {{{2}}}*pi/180 ) - sin( 52*pi/180 )*cos( {{{2}}}*pi/180 )*cos( ({{{3}}}-10)*pi/180 ) ) * ( ((1 + sin( {{{2}}}*pi/180 )*sin( 52*pi/180 ) + cos( {{{2}}}*pi/180 )*cos( 52*pi/180 )*cos( ({{{3}}}-10)*pi/180 ) ) *0.5)^ -0.5) | x = 131.579*( cos( {{{2}}}*pi/180 )*sin( ({{{3}}}-10)*pi/180 ) ) * ( ((1 + sin( {{{2}}}*pi/180 )*sin( 52*pi/180 ) + cos( {{{2}}}*pi/180 )*cos( 52*pi/180 )*cos( ({{{3}}}-10)*pi/180 ) ) *0.5)^ -0.5) - (-36.388) |image={{#switch: {{{2|}}} |relief=Europe relief laea location map.jpg |#default=Europe laea location map.svg }} }}<noinclude> {{Positionskarte/Info}} === Alternativkarten === <gallery> Datei:Europe blank laea location map.svg|Version ohne Gewässer Datei:Europe EU laea location map.svg|Europäische Union Datei:Europe natural laea location map.jpg|Physische Karte mit Bodenbedeckung und Vegetation Datei:Europe bluemarble laea location map.jpg|Satellitenbild (Bluemarble) </gallery> [[ar:قالب:خريطة مواقع أوروبا]] [[bg:Шаблон:ПК Европа]] [[bs:Šablon:Lokacijska karta Evropa]] [[da:Skabelon:Kortpositioner Europa]] [[dsb:Pśedłoga:LocMap Europa]] [[en:Template:Location map Europe]] [[eo:Ŝablono:Situo sur mapo Eŭropo]] [[fr:Modèle:Géolocalisation/Europe]] [[hsb:Předłoha:LocMap Europa]] [[hu:Sablon:Pozíciós térkép Európa]] [[ko:틀:위치 지도 유럽]] [[lt:Šablonas:Location map Europa]] [[nl:Sjabloon:Positiekaart Europa]] [[os:Шаблон:ПозКартæ Европæ]] [[pl:Szablon:Mapa lokalizacyjna/Europa]] [[pt:Predefinição:Mapa de localização/Europa]] [[ro:Format:Harta de localizare Europa]] [[ru:Шаблон:ПозКарта Европа]] [[sk:Šablóna:Geobox locator Európa]] [[vi:Bản mẫu:Bản đồ định vị châu Âu]] </noinclude> elg4cv62epvf2ggnz8y1xdoqxahjm2m wikitext text/x-wiki Vorlage:Positionskarte Österreich 10 24278 26876 2010-05-09T08:30:48Z Obersachsebot 0 Bot: Ergänze: [[es:Plantilla:Mapa de localización de Austria]] {{#switch:{{{1}}} | name = Österreich | top = 49.2 | bottom = 46.3 | left = 9.4 | right = 17.2 |image={{#switch: {{{2|}}} |relief=Austria relief location map.jpg |#default=Austria location map.svg }} }}<noinclude> {{Positionskarte/Info|sortkey=Osterreich}} [[ar:قالب:خريطة مواقع النمسا]] [[bar:Vorlage:Positionskarte Österreich]] [[be:Шаблон:На карце/Аўстрыя]] [[be-x-old:Шаблён:Лякалізацыйная мапа Аўстрыі]] [[bg:Шаблон:ПК Австрия]] [[crh:Şablon:Location map Avstriya]] [[cs:Šablona:LocMap Rakousko]] [[da:Skabelon:Kortpositioner Østrig]] [[dsb:Pśedłoga:LocMap Awstriska]] [[en:Template:Location map Austria]] [[eo:Ŝablono:Situo sur mapo Aŭstrio]] [[es:Plantilla:Mapa de localización de Austria]] [[fr:Modèle:Géolocalisation/Autriche]] [[he:תבנית:מפת מיקום/אוסטריה]] [[hsb:Předłoha:LocMap Awstriska]] [[hu:Sablon:Pozíciós térkép/Ausztria]] [[it:Template:Mappa di localizzazione/AUT]] [[ja:Template:Location map Austria]] [[ka:თარგი:პოზრუკა ავსტრია]] [[ko:틀:위치 지도 오스트리아]] [[la:Formula:Charta locatrix Austriae]] [[lb:Schabloun:Kaart Éisträich]] [[lt:Šablonas:Location map Austrija]] [[mk:Шаблон:ПозКарта Австрија]] [[ml:ഫലകം:Location map Austria]] [[mr:साचा:Location map ऑस्ट्रिया]] [[nl:Sjabloon:Positiekaart Oostenrijk]] [[nn:Mal:Kartposisjon Austerrike]] [[os:Шаблон:ПозКартæ Австри]] [[pl:Szablon:Mapa lokalizacyjna/AUT]] [[pt:Predefinição:Mapa de localização/Áustria]] [[rm:Template:LocMap Austria]] [[ro:Format:Harta de localizare Austria]] [[ru:Шаблон:ПозКарта Австрия]] [[simple:Template:Location map Austria]] [[sk:Šablóna:Geobox locator Rakúsko]] [[sl:Predloga:Lokacijska karta Austria]] [[szl:Szablon:Mapa lokalizacyjno/AUT]] [[tr:Şablon:Location map Austria]] [[vec:Modèl:Mappa di localizzazione/AUT]] [[vi:Bản mẫu:Bản đồ định vị Áo]] [[zh:Template:Location map Austria]] </noinclude> 1ohmif9enxjyq9y92cs1ozmeb539dcq wikitext text/x-wiki Vorlage:Achtung/Doku 10 24279 26877 2009-09-20T12:54:46Z Antonsusi 0 Websicherer Standardwert. <noinclude>{{Dokumentation/Dokuseite}}</noinclude> === Dieser Baustein enthält folgende optionale Parameter: === * '''Rand:''' Farbe des Randes (Standardwert: <code>#FF9999</code>) * '''RandLinks:''' Farbe des Randes an der linken Seite (<code>#FF6666</code>) * '''Hintergrund:''' Hintergrundfarbe des Bausteins (<code>#FFFFFF</code>) * '''Breite:''' Breite des Bausteins absolut oder prozentual (<code>100%</code>) * '''Textausrichtung:''' Textausrichtung des Textes im Kasten (<code>left</code>) === So wird der Baustein eingebaut: === {| class="wikitable" style="width:100%;" |- class="hintergrundfarbe6" ! style="width:50%;" | Code ! style="width:50%;" | ergibt |- | <code><nowiki>{{Achtung|Lorem ipsum inemeratum.}}</nowiki></code> | class="nogrid" | {{Achtung|Lorem ipsum inemeratum.}} |- | <code><nowiki>{{Achtung|Breite=80% |Hintergrund=#D9EDFF |Rand=#abcdef |RandLinks=blue |Lorem ipsum delerate.}}</nowiki></code> | class="nogrid" | {{Achtung|Breite=80%|Hintergrund=#D9EDFF|Rand=#abcdef|RandLinks=blue|Lorem ipsum delerate.}} |} i16h1mc99jov4dgn3eojvuhaci7wsyw wikitext text/x-wiki Vorlage:Achtung/Meta 10 24280 26878 2010-05-04T15:30:08Z Tlustulimu 0 interwiki <noinclude>{{Dokumentation/Metaseite}}</noinclude><includeonly> <!-- {{DEFAULTSORT:}} [[Hilfe:DEFAULTSORT]] --> <!-- Kategorien: [[Hilfe:Kategorien]] --> [[Kategorie:Vorlage:Hinweisbaustein|Achtung]] [[Kategorie:Vorlage:Diskussionsseitenbaustein|Achtung]] <!-- Interwikis: [[Hilfe:Internationalisierung]] --> [[ba:Ҡалып:Иғтибар]] [[dsb:Pśedłoga:Glědajśo]] [[eo:Ŝablono:Atentu]] [[hsb:Předłoha:Kedźbu]] </includeonly> tnw99o2nkmn0ifo5jznl8bubyfprzjx wikitext text/x-wiki Vorlage:Kunstaspekte/Doku 10 24281 26879 2009-07-04T10:15:51Z WIKImaniac 0 +Doku: http://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Wikipedia%3AWikiProjekt_Vorlagen%2FWerkstatt&diff=61845463&oldid=61841337 <noinclude>{{Dokumentation/Dokuseite}}</noinclude> Diese Vorlage dient zur einfachen und einheitlich formatierten Erzeugung von [[Deeplink]]s auf die Seite [http://www.kunstaspekte.de kunstaspekte.de]. == Kopiervorlage == <pre style="white-space:pre-wrap;"> {{Kunstaspekte|ID|Typ|Linktext}} </pre> == Parameter == {| class="wikitable" |- class="hintergrundfarbe5" ! Parameter ! Pflichtfeld ! Beschreibung ! Standardwert ! Hinweis |- | 1 | style="text-align:center;"|[[Bild:Symbol OK.svg|16px|Ja]] | Welche numerische ID soll verlinkt werden? | | Wird keine ID angegeben, erscheint eine Fehlermeldung. |- | 2 | style="text-align:center;"|[[Bild:No-Symbol.svg|16px|Nein]] | Für welchen Objekttyp soll eine Verlinkung angegeben werden? | k | Gültige sind folgende Werte: * k → für Künstler * t → für Termine/Ausstellungen * i → für Institutionen |- | 3 | style="text-align:center;"|[[Bild:No-Symbol.svg|16px|Nein]] | Welcher Linktext soll ausgegeben werden? | Seitenname bzw. "Ausstellung" | Der Standardtext unterscheidet sich in Abhängigkeit des gewählten Objekttyps: * k → Seitenname * t → "Ausstellung" * i → Seitenname |} == Beispiele == Beispiel für den Einsatz der Vorlage im Artikel [[Zoe Leonard]]: * <code><nowiki>{{Kunstaspekte|351}}</nowiki></code> :* {{Kunstaspekte|351|k|Zoe Leonard}} * <code><nowiki>{{Kunstaspekte|351|k|Ausstellungsliste von Zoe Leonard}}</nowiki></code> :* {{Kunstaspekte|351|k|Ausstellungsliste von Zoe Leonard}} * <code><nowiki>{{Kunstaspekte|46074|t}}</nowiki></code> :* {{Kunstaspekte|46074|t}} * <code><nowiki>{{Kunstaspekte|46074|t|Zoe Leonard Fotografien. Eine Retrospektive in der Pinakothek München}}</nowiki></code> :* {{Kunstaspekte|46074|t|Zoe Leonard Fotografien. Eine Retrospektive in der Pinakothek München}} Beispiel für den Einsatz in [[New Museum of Contemporary Art]]: * <code><nowiki>{{Kunstaspekte|457|i}}</nowiki></code> :* {{Kunstaspekte|457|i|New Museum of Contemporary Art}} * <code><nowiki>{{Kunstaspekte|457|i|Ausstellungen im New Museum}}</nowiki></code> :* {{Kunstaspekte|457|i|Ausstellungen im New Museum}} 1y6skckxajulk5wdwl53tthutp623jg wikitext text/x-wiki Vorlage:Kunstaspekte/Meta 10 24282 26880 2009-07-04T10:04:12Z WIKImaniac 0 +[[Kategorie:Vorlage:Datenbanklink]] <noinclude>{{Dokumentation/Metaseite}} </noinclude><includeonly> [[Kategorie:Vorlage:Datenbanklink|Kunstaspekte]] </includeonly> csd4m5mu8d4oha05qt9w5u2sjsmqfx6 wikitext text/x-wiki Vorlage:Infobox Planet/Doku 10 24283 26881 2009-08-10T08:54:23Z Cäsium137 0 <noinclude>{{Dokumentation/Dokuseite}}</noinclude> == Kopiervorlage == {{Infobox Planet | Name = &lt; Name des (Zwerg-)Planeten &gt; | Bild = &lt; Bild des (Zwerg-)Planeten &gt; | Bildtext = &lt; Text zum Bild &gt; | Farbe = | Große_Halbachse = 1 | Perihel = ••• | Aphel = ••• | Exzentrizität = ••• | Bahnneigung = ••• | Umlaufdauer = ••• | Oppositionsintervall = ••• | Umlaufgeschwindigkeit = ••• | Kleinster_Abstand = ••• | Größter_Abstand = ••• | ref-o = ••• | Äquatordurchmesser = ••• | Poldurchmesser = ••• | Masse = ••• | Dichte = ••• | Hauptbestandteile = ••• | Fallbeschleunigung = ••• | Fluchtgeschwindigkeit = ••• | Rotationsperiode = ••• | Achsenneigung = ••• | Albedo = ••• | MaxScheinbareHelligkeit = ••• | Druck = ••• | Temperatur = ••• | Atmosphärenhauptbestandteile = ••• | ref-p = ••• | Monde = ••• | Vergleichbild = ••• | Vergleichtext = ••• }} <pre style="white-space:pre-wrap;"><nowiki> {{Infobox Planet | Name = | Bild = | Bildtext = | Typ = | SSD = | Farbe = | Große_Halbachse = | Perihel = | Aphel = | Exzentrizität = | Bahnneigung = | Umlaufdauer = | Oppositionsintervall = | Umlaufgeschwindigkeit = | Kleinster_Abstand = | Größter_Abstand = | Äquatordurchmesser = | Poldurchmesser = | Masse = | Dichte = | Hauptbestandteile = | Fallbeschleunigung = | Fluchtgeschwindigkeit = | Rotationsperiode = | Achsenneigung = | Albedo = | MaxScheinbareHelligkeit = | Druck = | Temperatur = | Atmosphärenhauptbestandteile = | Monde = | Vergleichbild = | Vergleichtext = | Entdecker = | Entdeckungsdatum = | ref-o = | ref-p = }} </nowiki></pre> <br clear="both" /> == Verwendung == * '''Wenn nicht anders angegeben''', so werden alle Zahlen, insbesondere Dezimalzahlen, mit '''Komma''' als Dezimalzeichen, max. 3 Nachkommastellen und '''ohne''' Einheit angegeben, jedoch nicht mehr Stellen als es die Genauigkeit erlaubt. * Zeitangaben mit maximal 3 Abstufungen (bspw. a, d, h oder d, h, min), bei geringerer Genauigkeit nur sinnvolle Abstufungen (bspw. a, d) === Parameter === {| class="prettytable hintergrundfarbe2 rahmenfarbe2" style="width:100%; clear:both;" | Name || Name und graphisches Planetensymbol ohne Fett- und Kursivattribute |- | Typ || Typ des Planeten (bei Zwergplaneten also ''Zwergplanet'') |- | Bild || Bild mit Linkklammern und allen nötigen Attributen |- | Bildtext || Untertext des Bildes (optional) |- | SSD || Bei Zwergplaneten kann hier die Nr. oder der Name für das JPL-Orbitdiagramm angegeben werden. |- | Farbe || Hintergrundfarbe der Überschriften (Default: Khaki) |- | Große_Halbachse || Halbachse in Astronomischen Einheiten mit Dezimalpunkt ohne Einheit |- | Perihel || in AE; Umrechnung: Perihel = Halbachse · (1 − Exzentrizität) |- | Aphel || in AE; Umrechnung: Aphel = Halbachse · (1 + Exzentrizität) |- | Exzentrizität || Exzentrizität als Dezimalzahl |- | Bahnneigung || Bahnneigung in Grad als Dezimalzahl |- | Umlaufdauer || Umlaufdauer mit Einheiten in Jahren oder Tagen, Stunden in der Form: 29,6 [[Jahr|a]] oder 87,969 [[Tag|d]] |- | Oppositionsintervall || Optional; Angabe wie ''Umlaufdauer'' in Tagen |- | Umlaufgeschwindigkeit || Umlaufgeschwindigkeit in km/s als DZ; Berechnung: 29.7847/Sqrt(Halbachse) |- | Kleinster_Abstand || Optional; Kleinste Entfernung zur Erde in AE |- | Größter_Abstand || Optional; Größte Entfernung zur Erde in AE |- | ref-o || Referenzen zu den Orbitdaten (Liste) |- | Äquatordurchmesser || In km als Dezimalzahl |- | Poldurchmesser || In km als Dezimalzahl |- | Masse || In kg als Dezimalzahl in Exponentialschreibweise (1,234 · 10<sup>ex</sup>) |- | Dichte || In g/cm<sup>3</sup> als Dezimalzahl |- | Hauptbestandteile || Optional; Wikiliste der fünf häufigsten Elemente, sortiert nach abnehmender Häufigkeit und mit Stoffmengenprozentangaben dahinter (nur für Gasplaneten) |- | Fallbeschleunigung || Fallbeschleunigung an der Oberfläche in m/s<sup>2</sup> als Dezimalzahl |- | Fluchtgeschwindigkeit || Fluchtgeschwindigkeit in km/s als Dezimalzahl |- | Rotationsperiode || Siderische Rotationsperiode (360°-Drehung) mit Einheiten in (Jahren), Tagen, Stunden, Minuten, (Sekunden) in der Form: x [[Tag|d]] y [[Stunde|h]] z [[Minute|min]], jedoch nur die drei größten Einheiten |- | Achsenneigung || Neigung der Rotationsachse in Grad als Dezimalzahl |- | Geometrische Albedo || Geometrische Albedo als Dezimalzahl, max. 3 Nachkommastellen |- | Max Scheinbare Helligkeit || Maximale scheinbare Helligkeit (in Opposition oder größter Elongation) |- | Druck || Optional; Druck am Nullniveau in Bar ohne Einheit (nur für erdähnliche Planeten) |- | Temperatur || Min. – Mittel – Max. -temp auf Nullniveau in Kelvin |- | Atmosphärenhauptbestandteile || Optional; Wikiliste der häufigsten Gase (max. 5 mit >10 %) in absteigender Reihenfolge in Gewichtsprozentangaben dahinter (nur für erdähnliche Planeten) |- | ref-p || Referenzen zu den Physikdaten (Liste) |- | Monde || Optional: Anzahl der Monde |- | Vergleichbild || Bild zum Größenvergleich mit anderem Körper (z. B. Erde) |- | Vergleichtext || Text zum Größenvergleich |} nc8emwcuav5jvko41hmx9n2a5yno1cz wikitext text/x-wiki Vorlage:Infobox Planet/Meta 10 24284 26882 2010-02-10T22:59:27Z Lotse 0 neue Kat <noinclude>{{Dokumentation/Metaseite}} </noinclude><includeonly> [[Kategorie:Vorlage:Infobox Astronomie|Planet]] [[als:Vorlage:Infobox Planet]] [[ar:قالب:معلومات كوكب]] [[da:Skabelon:Infoboks himmellegeme]] [[en:Template:Infobox Planet]] [[eo:Ŝablono:Informkesto Planedo]] [[fi:Malline:Planeetta]] [[hsb:Předłoha:Infokašćik planet]] [[ia:Patrono:Infobox planeta]] [[lv:Veidne:Infokaste planēta]] [[no:Mal:Infoboks planet]] [[pt:Predefinição:Info/Planeta]] [[ru:Шаблон:Планета]] [[sl:Predloga:Infopolje Planet]] [[sv:Mall:Infobox planet]] [[th:แม่แบบ:กล่องข้อมูล ดาวเคราะห์]] [[zh:Template:Infobox Planet]] </includeonly> 9jcyerbdk7yzwnfm1lo0fbi483pcxie wikitext text/x-wiki Vorlage:FaunaEuropaea/Doku 10 24285 26883 2010-02-10T17:34:10Z Cactus26 0 /* Parameter */ <noinclude>{{Dokumentation/Dokuseite}}</noinclude> __NOTOC__ == Verwendung == Die Vorlage dient der Erzeugung von Weblinks zur Datenbank der Fauna Europaea ([http://www.faunaeur.org/ www.faunaeur.org]). <nowiki>{{</nowiki>FaunaEuropaea |ID= |WissName= |Rang= |Download= <nowiki>}}</nowiki> <br style="clear:both"/> == Parameter == {| border="1" class="prettytable sortable" |- style="background-color:#f2f2f4" ! Parameter ! class="unsortable" style="width:130px" | Typ ! class="unsortable"|Erklärung |- | '''ID''' | '''notwendig''', Zahl | Identifikation des Taxons bei Fauna Europaea. Kann nach Aufruf der Zielseite der [[URL]] entnommen werden (z.B. bei http://www.faunaeur.org/full_results.php?id=371687 ist die ID auf 371687 zu setzen) |- | '''WissName''' | '''notwendig''' | Wissenschaftlicher Name des Taxons. Wird im Standardlinktext dargestellt. Die Kursivsetzung erfolgt automatisch, wenn erforderlich (siehe Parameter <code>Rang</code>). Autorenkürzel sollten keine angegeben werden, da diese ggf. auch kursiv gesetzt würden. Der wissenschaftliche Name sollte so angegeben werden, wie er bei Fauna Europaea verwendet wird.<ref name="KorrID">Die Angabe des wissenschaftlichen Namens in Verbindung mit dem Rang dient auch dazu, eine automatisierte Korrekturmöglichkeit (per [[Wikipedia:Bot|Bot]]) der ID bei Anpassungen in der Datenbank von Fauna Europaea zu gewährleisten. Seit Anfang 2010 ist eine solche Umstellung im Gange, die nach Auskunft Fauna Europaea noch bis nach dem Sommer 2010 andauert.</ref> |- | '''Rang''' | optional | Rang des Taxons (z.B. Unterart, Art, Gattung, Familie, Ordnung). Ist analog [[Vorlage:Taxobox]] anzugeben. Wird der Rang nicht angegeben, wird "Art" angenommen. Dient zum einen der Entscheidung, ob der wissenschaftliche Name kursiv zu setzen ist, zum anderen ermöglich der Rang in Verbindung mit dem wissenschaftlichen Namen einen Notbehelf, falls die ID ungültig ist.<ref name="KorrID"/> |- | '''Linktext''' | optional | Linktext für den generierten Weblink. Ist nur anzugeben, falls der automatisch generierte Linktext aus irgendwelchen Gründen unpassend sein sollte. Der Spezialwert <code>"nein"</code> bewirkt, dass überhaupt kein Linktext sondern der "nackte" Weblink erzeugt wird. Dies ist eigentlich nur für die automatisierte Umstellung direkter Weblinks auf Vorlagenverwendung gedacht, kann aber auch bei Verwendung der Vorlage innerhalb anderer Vorlagen verwendet werden, z.B. bei Einbettung innerhalb der [[Vorlage:Internetquelle]]. |- | '''ID_Gueltig''' | optional | Das Setzen dieses Parameters ist eigentlich nur bei automatisierter Bearbeitung der Vorlagenverwendungen sinnvoll. Der Spezialwert <code>"nein"</code> kennzeichnet die ID als ungültig, es wird dann ein Weblink ohne Verwendung der ID generiert, der Suchergebnisse zum spezifizierten wissenschaftlichen Namen anzeigt. |- | '''Download''' | optional, Datum | Tagesdatum zur Dokumentation, wann der Weblink abgerufen wurde. Sollte in Langform mit ausgeschriebenem Monatsnamen verwendet werden (z.&nbsp;B. 14. Januar 2010) |- |} == Beispiele == === Verwendung für eine Art (mit Angabe Download) === <nowiki>{{</nowiki>FaunaEuropaea |ID=373419 |WissName=Cosmia pyralina |Rang=Art |Download=10. Februar 2010 <nowiki>}}</nowiki> führt zu&nbsp; {{FaunaEuropaea|ID=373419|WissName=Cosmia pyralina|Rang=Art|Download=10. Februar 2010}} === Verwendung für Unterart === <nowiki>{{</nowiki>FaunaEuropaea |ID=371304 |WissName=Colotois pennaria paupera |Rang=Unterart <nowiki>}}</nowiki> führt zu&nbsp; {{FaunaEuropaea|ID=371304|WissName=Colotois pennaria paupera|Rang=Unterart}} === Verwendung für höheres Taxon === <nowiki>{{</nowiki>FaunaEuropaea |ID=371687 |WissName=Archiearinae |Rang=Unterfamilie <nowiki>}}</nowiki> führt zu&nbsp; {{FaunaEuropaea|ID=371687|WissName=Archiearinae|Rang=Unterfamilie}} == Anmerkungen == <references/> k3jo3wg1h470nt6ubcvelty9952k3c0 wikitext text/x-wiki Vorlage:FaunaEuropaea/Meta 10 24286 26884 2010-02-09T09:45:28Z Cactus26 0 [[Hilfe:Zusammenfassung und Quellen#Auto-Zusammenfassung|AZ]]: Die Seite wurde neu angelegt: <noinclude>{{Dokumentation/Metaseite}} </noinclude><includeonly> [[Kategorie:Vorlage:Datenbanklink|Fauna… <noinclude>{{Dokumentation/Metaseite}} </noinclude><includeonly> [[Kategorie:Vorlage:Datenbanklink|FaunaEuropaea]] </includeonly> 8simc4cbe5ahhvjytoabs3hh763y3s6 wikitext text/x-wiki Vorlage:FaunaEuropaea/Weblink 10 24287 26885 2010-02-10T12:17:57Z Cactus26 0 Abfrage auf Gültigkeit vereinfacht, +urlencode für ID (sicherheitshalber) <includeonly>{{ #ifeq:{{{ID_Gueltig}}}|nein | {{ #switch: {{lc:{{{Rang}}}}} |subspecies |unterart |art |species = http://www.faunaeur.org/index.php?show_what=search%20results&genus={{str left|{{{WissName}}}|{{#expr:{{str find|{{{WissName}}}| }}-1}}}} | #default = http://www.faunaeur.org/index.php?show_what=search%20results&higher_taxon={{urlencode:{{{WissName}}}}} }} | http://www.faunaeur.org/full_results.php?id={{urlencode:{{{ID|0}}}}} }}</includeonly><noinclude>Diese Vorlage wird innerhalb der [[Vorlage:FaunaEuropaea]] verwendet. [[Kategorie:Vorlage:für Vorlagen|FaunaEuropaea/Weblink]] </noinclude> 1uw2cna8gxi6d2cgjq46pak47i0yrx6 wikitext text/x-wiki Vorlage:Vorlage/Doku 10 24288 26886 2009-12-04T16:27:12Z 0 subst-Parameter <noinclude>{{Dokumentation/Dokuseite}}</noinclude> == Vorlagenverwendung == Mit dieser Vorlage wird der Quelltext zum Einbinden einer Vorlage angezeigt, kombiniert mit einem Link auf diese. {| class="wikitable" ! Vorlagencode ! Erklärung ! Ergebnis |- | <code><nowiki>{{Vorlage|</nowiki>''Name der Vorlage''<nowiki>}}</nowiki></code> | Für den Normalfall, d. h. für eine Vorlage die im [[Hilfe:Namensräume|Vorlagen-Namensraum]] abgelegt ist. Als ''Name der Vorlage'' den Teil hinter ''Vorlage:'' angeben | {{Vorlage|Hallo}} |- | <code><nowiki>{{Vorlage|</nowiki>''Name der Vorlage''<nowiki>|</nowiki>''Parameter für die verlinkte Vorlage''<nowiki>}}</nowiki></code> | Zusätzlich können Parameter angegeben werden. Diese Parameter sind ''nicht'' für die Vorlage:Vorlage sondern für die verlinkte Vorlage vorgesehen. Es können bis zu 5 Parameter angegeben werden. | {{Vorlage|Löschen| deine Begründung <nowiki>--~~~~</nowiki>}} |- | <code><nowiki>{{Vorlage|</nowiki>f=''Name der Vorlage außerhalb des Vorlagen-Namensraums''<nowiki>}}</nowiki></code> | Wenn die Vorlage nicht im Vorlagen-Namensraum, sondern z. B. im Benutzer-Namensraum liegt, kann dies durch ''f=Name'' angegeben werden. | {{Vorlage|f=Benutzer:Church of emacs/geSLAt}} |- | <code><nowiki>{{Vorlage|</nowiki>f=''Name der Vorlage außerhalb des Vorlagen-Namensraums''<nowiki>|</nowiki>''Parameter''<nowiki>}}</nowiki></code> | Fall 2 und 3 lassen sich auch kombinieren, indem man ''f=Name'' und die Parameter angibt. | {{Vorlage|f=Benutzer:Church of emacs/geSLAt|wwni}} |- | <code><nowiki>{{Vorlage|</nowiki>''Name der Vorlage''<nowiki>|</nowiki>subst=''irgendwas''<nowiki>}}</nowiki></code> | Wenn der Parameter <tt>subst</tt> einen Wert hat, wird die [[Hilfe:Vorlage#Allgemeines|Substitutionsanweisung]] mitangegeben. Er kann mit den anderen Möglichkeiten kombiniert werden. | {{Vorlage|Unterschreiben|subst=true, ja oder sonstwas}} |} jfw4fg39641xgk7eilylog0g04o1a8l wikitext text/x-wiki Vorlage:Vorlage/Meta 10 24289 26887 2009-11-13T16:30:58Z The Evil IP address 0 siehe http://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Vorlage%3AVorlage&action=historysubmit&diff=63565095&oldid=57323778 <noinclude>{{Dokumentation/Metaseite}} </noinclude><includeonly> {{DEFAULTSORT:Vorlage}} [[Kategorie:Vorlage:Linkhilfe]] [[Kategorie:Vorlage:|!]] [[ar:قالب:قا]] [[az:Şablon:ŞK]] [[be-x-old:Шаблён:Ш]] [[bg:Шаблон:Ш]] [[ca:Plantilla:Tl]] [[cs:Šablona:Šablona]] [[da:Skabelon:Vis]] [[dsb:Pśedłoga:Pśedłoga]] [[en:Template:Tl]] [[eo:Ŝablono:Ŝ]] [[es:Plantilla:Enlace plantilla]] [[fa:الگو:الگوی]] [[fi:Malline:Malline]] [[fr:Modèle:M]] [[got:Template:Tl]] [[he:תבנית:תב]] [[hr:Predložak:Tl]] [[hsb:Předłoha:Předłoha]] [[ia:Patrono:Tl]] [[ja:Template:Tl]] [[ka:თარგი:Tl]] [[ko:틀:틀]] [[kw:Template:Viz]] [[my:Template:Tl]] [[or:Template:Tl]] [[pa:ਨਮੂਨਾ:Tl]] [[pih:Template:Tl]] [[pl:Szablon:S]] [[pnt:Πρότυπον:Πρότυπον]] [[pt:Predefinição:Ligação para predefinição]] [[ro:Format:F]] [[ru:Шаблон:Tl]] [[sk:Šablóna:Tl]] [[sl:Predloga:Tl]] [[stq:Foarloage:Foarloage]] [[sv:Mall:Mall]] [[szl:Szablon:Szablon]] [[th:แม่แบบ:Tl]] [[tr:Şablon:Tl]] [[uk:Шаблон:Tl]] [[vi:Tiêu bản:Tl]] [[xal:Зура:Зура]] [[zh:Template:Tl]] [[zh-yue:Template:Tl]] </includeonly> ejsxnhn5xplmtceqv24cg8mvq3wworn wikitext text/x-wiki Vorlage:Metadaten Einwohnerzahl DE-NW/Doku 10 24290 26888 2009-12-12T18:47:29Z Septembermorgen 0 [[Hilfe:Zusammenfassung und Quellen#Auto-Zusammenfassung|AZ]]: Die Seite wurde neu angelegt: <noinclude>{{Dokumentation/Dokuseite}}</noinclude> Diese [[Wikipedia:WikiProjekt Metadaten|Metadatenvorla… <noinclude>{{Dokumentation/Dokuseite}}</noinclude> Diese [[Wikipedia:WikiProjekt Metadaten|Metadatenvorlage]] enthält die Einwohnerzahlen der Verwaltungsebenen in [[Nordrhein-Westfalen]]. Alle Einwohnerzahlen haben den gleichen Stand vom {{FormatDate|{{Metadaten Einwohnerzahl DE-NW||STAND}} }}. Die Schlüssel und die zugehörige Verwaltungseinheit sind im [http://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Vorlage:Metadaten_Einwohnerzahl_DE-NW&action=edit Quelltext] der Vorlage zu finden. Die Schlüssel werden ohne vorangestelltes DE-NW benutzt: {| class="wikitable" |- class="hintergrundfarbe6" ! Ebene !! Schlüssel !! Beispiel !! Ergebnis !! Bemerkung |- | Land | [[NUTS]] 1 | <code><nowiki>{{Metadaten Einwohnerzahl DE-NW|05}}</nowiki></code> | {{Metadaten Einwohnerzahl DE-NW|05}} | [[Niedersachsen]] |- | Regierungsbezirke | [[NUTS]] 2 | <code><nowiki>{{Metadaten Einwohnerzahl DE-NW|053}}</nowiki></code> | {{Metadaten Einwohnerzahl DE-NW|053}} | [[Regierungsbezirk Köln]] |- | Kreise | [[NUTS]] 3 | <code><nowiki>{{Metadaten Einwohnerzahl DE-NW|05154 }}</nowiki></code> | {{Metadaten Einwohnerzahl DE-NW|05154}} | [[Kreis Kleve]] |- | Gemeinden | [[Local administrative unit|LAU]] 2 | <code><nowiki>{{Metadaten Einwohnerzahl DE-NW|05154048}}</nowiki></code> | {{Metadaten Einwohnerzahl DE-NW|05154048}} | [[Rheurdt]] |} <includeonly> [[Kategorie:Vorlage:Metadaten Einwohnerzahl DE|NW]] </includeonly> 0oybkxern3itfsf01i91luuage6ubzq wikitext text/x-wiki Vorlage:EWQ 10 24291 26889 2008-11-06T00:54:06Z Farino 0 neu <includeonly>{{Metadaten Einwohnerzahl {{{1}}}|{{{2|}}}|QUELLE}}</includeonly><noinclude> {{Dokumentation}} [[Kategorie:Vorlage:Metadaten Einwohnerzahl|!EWQ]] </noinclude> 3qc6oj7hvllrcyjfsppr0mzarpckr3n wikitext text/x-wiki Vorlage:EWZ/Doku 10 24292 26890 2009-09-13T20:55:34Z Septembermorgen 0 /* Siehe auch */ <noinclude>{{Dokumentation/Dokuseite}}</noinclude> Die Vorlage '''EWZ''' (Einwohnerzahl) ist eine Hilfsvorlage zur Ausgabe der formatierten Einwohnerzahl der [[:Kategorie:Vorlage:Metadaten Einwohnerzahl|Metadaten-Vorlagen zu Einwohnerzahlen]]. Die Formatierung erfolgt mit der [[Vorlage:FormatZahl]], die u.a. erst ab 10.000 Einwohner einen Dezimaltrenner einfügt. == Aufruf == Der Aufruf erfolgt mit :<code><nowiki>{{EWZ|ABGRENZUNG|SCHLÜSSEL}}</nowiki></code> * ''ABGRENZUNG'' steht für das ISO-Kürzel des Gebiets, in dem eine Einwohnerzahl abgefragt werden soll. Beispiel: <code>AT</code> für eine Gemeinde in [[Österreich]]. * ''SCHLÜSSEL'' steht für den Schlüssel der Gebietskörperschaft, die abgefragt werden soll, Beispiel: <code>50101</code> für die Einwohnerzahl in [[Salzburg]]. == Beispiele == {{EWZ/Test}} == Siehe auch == * [[Vorlage:EWD]] zur Ausgabe des Standes der Daten * [[Vorlage:EWQ]] zur Ausgabe der Quelle der Daten * [[Vorlage:EWZ CH]] zur Ausgabe der Zahlen in Artikeln mit Schweiz- oder Liechtensteinbezug ibx7otozjf43d9yjhkvr0px3rn63uul wikitext text/x-wiki Vorlage:EWZ/Test 10 24293 26891 2009-04-17T07:20:59Z Jón 0 fix {| class="wikitable" |- class="hintergrundfarbe6" ! Aufruf !! Ergebnis !! Bemerkung |- | colspan="3" style="text-align: center" class="hintergrundfarbe5" | ''Österreich'' |- | <code><nowiki>{{EWZ|AT}} <small>({{EWD|AT}})</small> <ref>{{EWQ|AT}}</ref></nowiki></code> | {{EWZ|AT}} <small>({{EWD|AT}})</small> <ref>{{EWQ|AT}}</ref> | [[Österreich]] |- | <code><nowiki>{{EWZ|AT|5}} <small>({{EWD|AT|5}})</small> <ref>{{EWQ|AT|5}}</ref></nowiki></code> | {{EWZ|AT|5}} <small>({{EWD|AT|5}})</small> <ref>{{EWQ|AT|5}}</ref> | [[Salzburg (Bundesland)]] |- | <code><nowiki>{{EWZ|AT|506}} <small>({{EWD|AT|506}})</small> <ref>{{EWQ|AT|506}}</ref></nowiki></code> | {{EWZ|AT|506}} <small>({{EWD|AT|506}})</small> <ref>{{EWQ|AT|506}}</ref> | [[Bezirk Zell am See]] |- | <code><nowiki>{{EWZ|AT|50601}} <small>({{EWD|AT|50601}})</small> <ref>{{EWQ|AT|50601}}</ref></nowiki></code> | {{EWZ|AT|50601}} <small>({{EWD|AT|50601}})</small> <ref>{{EWQ|AT|50601}}</ref> | [[Bramberg am Wildkogel]] |- | colspan="3" style="text-align: center" class="hintergrundfarbe5" | ''Deutschland'' |- | <code><nowiki>{{EWZ|DE-NI|03241001}}</nowiki></code> | {{EWZ|DE-NI|03241001}} | [[Hannover]] |- | colspan="3" style="text-align: center" class="hintergrundfarbe5" | ''Island'' |- | <code><nowiki>{{EWZ|IS}} <small>({{EWD|IS}})</small> <ref>{{EWQ|IS}}</ref></nowiki></code> | {{EWZ|IS}} <small>({{EWD|IS}})</small> <ref>{{EWQ|IS}}</ref> | [[Island]] |- | <code><nowiki>{{EWZ|IS|0000}} <small>({{EWD|IS|0000}})</small> <ref>{{EWQ|IS|0000}}</ref></nowiki></code> | {{EWZ|IS|0000}} <small>({{EWD|IS|0000}})</small> <ref>{{EWQ|IS|0000}}</ref> | [[Reykjavík]] |- | colspan="3" style="text-align: center" class="hintergrundfarbe5" | ''Liechtenstein'' |- | <code><nowiki>{{EWZ|LI}} <small>({{EWD|LI}})</small> <ref>{{EWQ|LI}}</ref></nowiki></code> | {{EWZ|LI}} <small>({{EWD|LI}})</small> <ref>{{EWQ|LI}}</ref> | [[Liechtenstein]] |- | <code><nowiki>{{EWZ|LI|7001}} <small>({{EWD|LI|7001}})</small> <ref>{{EWQ|LI|7001}}</ref></nowiki></code> | {{EWZ|LI|7001}} <small>({{EWD|LI|7001}})</small> <ref>{{EWQ|LI|7001}}</ref> | [[Vaduz]] |- | colspan="3" style="text-align: center" class="hintergrundfarbe5" | ''Luxemburg'' |- | <code><nowiki>{{EWZ|LU}} <small>({{EWD|LU}})</small> <ref>{{EWQ|LU}}</ref></nowiki></code> | {{EWZ|LU}} <small>({{EWD|LU}})</small> <ref>{{EWQ|LU}}</ref> | [[Luxemburg]] |- | <code><nowiki>{{EWZ|LU|G}} <small>({{EWD|LU|G}})</small> <ref>{{EWQ|LU|G}}</ref></nowiki></code> | {{EWZ|LU|G}} <small>({{EWD|LU|G}})</small> <ref>{{EWQ|LU|G}}</ref> | [[Grevenmacher (Distrikt)]] |- | <code><nowiki>{{EWZ|LU|00008}} <small>({{EWD|LU|00008}})</small> <ref>{{EWQ|LU|00008}}</ref></nowiki></code> | {{EWZ|LU|00008}} <small>({{EWD|LU|00008}})</small> <ref>{{EWQ|LU|00008}}</ref> | [[Kanton Remich]] |- | <code><nowiki>{{EWZ|LU|00008006}} <small>({{EWD|LU|00008006}})</small> <ref>{{EWQ|LU|00008006}}</ref></nowiki></code> | {{EWZ|LU|00008006}} <small>({{EWD|LU|00008006}})</small> <ref>{{EWQ|LU|00008006}}</ref> | [[Schengen]] |- | colspan="3" style="text-align: center" class="hintergrundfarbe5" | ''Philippinen'' |- | <code><nowiki>{{EWZ|PH}} <small>({{EWD|PH}})</small> <ref>{{EWQ|PH}}</ref></nowiki></code> | {{EWZ|PH}} <small>({{EWD|PH}})</small> <ref>{{EWQ|PH}}</ref> | [[Philippinen]] |- | <code><nowiki>{{EWZ|PH|Manila}} <small>({{EWD|PH|Manila}})</small> <ref>{{EWQ|PH|Manila}}</ref></nowiki></code> | {{EWZ|PH|Manila}} <small>({{EWD|PH|Manila}})</small> <ref>{{EWQ|PH|Manila}}</ref> | [[Manila]] |} <references /> <noinclude> [[Kategorie:Vorlage:nur Test|{{PAGENAME}}]] </noinclude> gn8dbb7tg4mrxyo1fgqbu1s1bqryrj7 wikitext text/x-wiki Vorlage:FormatZahl 10 24294 26892 2009-10-12T10:49:19Z Umherirrender 280 +Im Fehlerfall unverändert ausgeben <noinclude> {{Dokumentation}} </noinclude><includeonly><!-- Im Fehlerfall unverändert ausgeben -->{{#iferror:<!-- Ausgabe des Vorzeichens (rekursiv) -->{{#ifexpr:{{{1}}} < 0|-}}<!-- Ab hier nur noch Beträge -->{{#ifexpr:abs({{{1}}}) > 999999999|{{#expr:(abs({{{1}}}) / 1000000000 - 0.5) round 0}}{{#switch:{{uc:{{{LAND|}}}}}|CH|LI='|#default=.}}}}<!-- -->{{#ifexpr:abs({{{1}}}) > 999999|{{#ifexpr:abs({{{1}}}) > 999999999|{{#ifexpr:(((abs({{{1}}}) / 1000000 - 0.5) round 0) mod 1000) < 100|0}}{{#ifexpr:(((abs({{{1}}}) / 1000000 - 0.5) round 0) mod 1000) < 10|0}}}}{{#expr:((abs({{{1}}}) / 1000000 - 0.5) round 0) mod 1000}}{{#switch:{{uc:{{{LAND|}}}}}|CH|LI='|#default=.}}}}<!-- -->{{#ifexpr:abs({{{1}}}) > 999|{{#ifexpr:abs({{{1}}}) > 999999|{{#ifexpr:(((abs({{{1}}}) / 1000 - 0.5) round 0) mod 1000) < 100|0}}{{#ifexpr:(((abs({{{1}}}) / 1000 - 0.5) round 0) mod 1000) < 10|0}}}}{{#expr:((abs({{{1}}}) / 1000 - 0.5) round 0) mod 1000}}{{#ifexpr:abs({{{1}}})>9999|{{#switch:{{uc:{{{LAND|}}}}}|CH|LI='|#default=.}}}}}}<!-- Ab hier nur noch der Wert kleiner Tausend ohne weitere Tausendertrennzeichen, Rundung erfolgt auf max. 2 Nachkommastellen, so dass für Werte mit Nachkommastellen max. 2 signifikante Stellen auftreten -->{{#ifexpr:(abs({{{1}}})) > 999|{{#ifexpr:(abs({{{1}}})-(((abs({{{1}}}) / 1000) mod 1000000000000) * 1000)) < 100|0}}{{#ifexpr:(abs({{{1}}})-(((abs({{{1}}}) / 1000) mod 1000000000000) * 1000)) < 10|0}} }}{{#switch:{{uc:{{{LAND|}}}}}|CH|LI=<!-- Ausgabe für CH und LI mit Punkt: -->{{#expr:(abs({{{1}}})-(((abs({{{1}}}) / 1000) mod 1000000000000) * 1000)) round {{#ifexpr:abs({{{1}}}) > 100 |0| {{#ifexpr:abs({{{1}}}) > 10 |1| 2}} }} }}|#default=<!-- Ausgabe für DE und AT mit Komma: -->{{formatnum: {{#expr: (abs({{{1}}})-(((abs({{{1}}}) / 1000) mod 1000000000000) * 1000)) round {{#ifexpr:abs({{{1}}}) > 100 |0| {{#ifexpr:abs({{{1}}}) > 10 |1| 2}} }} }} }} }} |{{{1|}}} }}</includeonly> 7btbqes3ixlmhgemt6ncbhfiv17jh1s wikitext text/x-wiki Vorlage:Metadaten Einwohnerzahl AT 10 24295 26893 2008-11-09T12:34:06Z Wiegels 0 - Oberkategorie <includeonly>{{#switch: {{{1|}}}-{{{2|}}} | -STAND = 2008-10-01 | -QUELLE = [http://www.statistik.at/fachbereich_topograph/txt.shtml www.statistik.at] | - = 8348233 | #default={{Metadaten Einwohnerzahl AT-{{#ifexpr: {{{1|}}} < 10 | {{{1|}}} | {{#ifexpr: {{{1|}}} < 1000 | {{#expr: floor({{{1|}}} / 100) }} | {{#expr: floor({{{1|}}} / 10000)}} }} }} | {{{1|}}} | {{{2|}}} | {{{3|}}} }} }}</includeonly><noinclude> Diese [[Wikipedia:WikiProjekt Metadaten|Metadatenvorlage]] ruft die Einwohnerzahlen der [[Gemeinde (Österreich)|Gemeinden]] und [[Bezirk#Österreich|Politischen Bezirke]] von [[Österreich]] ab. Die Einwohnerzahlen der [[Statutarstadt|Statutarstädte]] werden unter der Gemeindekennzahl erfasst. Diese Vorlage ruft entsprechend des übergebenenen 1-, 3- oder 5-stelligen [[Gemeindeschlüssel]]s eine der folgenden (nach Bundeländern gegliederten) Vorlagen auf, die die eigentlichen Daten enthalten: * [[Vorlage:Metadaten Einwohnerzahl AT-1]] * [[Vorlage:Metadaten Einwohnerzahl AT-2]] * [[Vorlage:Metadaten Einwohnerzahl AT-3]] * [[Vorlage:Metadaten Einwohnerzahl AT-4]] * [[Vorlage:Metadaten Einwohnerzahl AT-5]] * [[Vorlage:Metadaten Einwohnerzahl AT-6]] * [[Vorlage:Metadaten Einwohnerzahl AT-7]] * [[Vorlage:Metadaten Einwohnerzahl AT-8]] [[Kategorie:Vorlage:Metadaten Einwohnerzahl AT| ]] </noinclude> c4mklbluqw0vgl32jtcgzgfzkmgrdm7 wikitext text/x-wiki Vorlage:Metadaten Einwohnerzahl AT-5 10 24296 26894 2009-11-02T23:24:53Z Septembermorgen 0 1.4.09 (Anfang 2. Quartal 2009) <includeonly>{{#if: {{{2|}}} | {{#switch: {{{2|}}} <!-- Stand und Quelle sind unabhängig vom Gemeindeschlüssel --> | STAND = 2009-04-01 | QUELLE = [http://sdb.statistik.at/superwebguest/login.do?guest=guest Statistik Austria - Bevölkerung zu Jahres- und Quartalsanfang] | #default= <strong class="error">Ungültiges Metadaten-Schlüsselwort <tt>{{{2}}}</tt></strong>[[Kategorie:Vorlage:Metadaten Einwohnerzahl/Fehler]] }} | {{#switch: {{{1|}}} | TIMESTAMP=2009-04-01 | Quelle=[http://sdb.statistik.at/superwebguest/login.do?guest=guest Statistik Austria - Bevölkerung zu Jahres- und Quartalsanfang] | 5 = 529368 <!--Salzburg --> | 502 = 56757 <!--Bezirk Hallein --> | 503 = 141092 <!--Bezirk Salzburg-Umgebung --> | 504 = 78316 <!--Bezirk Sankt Johann im Pongau --> | 505 = 20948 <!--Bezirk Tamsweg --> | 506 = 84570 <!--Bezirk Zell am See --> | 50201 = 5767 <!--Abtenau --> | 50202 = 3454 <!--Adnet --> | 50401 = 3707 <!--Altenmarkt im Pongau --> | 50301 = 4013 <!--Anif --> | 50203 = 2290 <!--Annaberg-Lungötz --> | 50302 = 3441 <!--Anthering --> | 50403 = 4465 <!--Bad Gastein --> | 50402 = 6770 <!--Bad Hofgastein --> | 50213 = 1933 <!--Bad Vigaun --> | 50303 = 4819 <!--Bergheim --> | 50304 = 1633 <!--Berndorf bei Salzburg --> | 50404 = 10249 <!--Bischofshofen --> | 50601 = 3927 <!--Bramberg am Wildkogel --> | 50602 = 4426 <!--Bruck an der Großglocknerstraße --> | 50305 = 4624 <!--Bürmoos --> | 50603 = 779 <!--Dienten am Hochkönig --> | 50306 = 1417 <!--Dorfbeuern --> | 50405 = 1696 <!--Dorfgastein --> | 50406 = 2173 <!--Eben im Pongau --> | 50307 = 1343 <!--Ebenau --> | 50308 = 2838 <!--Elixhausen --> | 50309 = 5102 <!--Elsbethen --> | 50310 = 6569 <!--Eugendorf --> | 50311 = 2952 <!--Faistenau --> | 50407 = 1438 <!--Filzmoos --> | 50408 = 2638 <!--Flachau --> | 50409 = 561 <!--Forstau --> | 50604 = 684 <!--Fusch an der Großglocknerstraße --> | 50312 = 1454 <!--Fuschl am See --> | 50410 = 2436 <!--Goldegg --> | 50204 = 4052 <!--Golling an der Salzach --> | 50313 = 663 <!--Göming --> | 50501 = 371 <!--Göriach --> | 50314 = 6872 <!--Grödig --> | 50411 = 3685 <!--Großarl --> | 50315 = 2545 <!--Großgmain --> | 50205 = 19525 <!--Hallein --> | 50316 = 3843 <!--Hallwang --> | 50317 = 4795 <!--Henndorf am Wallersee --> | 50318 = 447 <!--Hintersee --> | 50319 = 3357 <!--Hof bei Salzburg --> | 50605 = 1126 <!--Hollersbach im Pinzgau --> | 50412 = 1529 <!--Hüttau --> | 50413 = 916 <!--Hüttschlag --> | 50606 = 2956 <!--Kaprun --> | 50414 = 791 <!--Kleinarl --> | 50321 = 3169 <!--Koppl --> | 50320 = 2506 <!--Köstendorf --> | 50607 = 844 <!--Krimml --> | 50206 = 867 <!--Krispl --> | 50207 = 6678 <!--Kuchl --> | 50322 = 3542 <!--Lamprechtshausen --> | 50608 = 1481 <!--Lend --> | 50609 = 3085 <!--Leogang --> | 50502 = 577 <!--Lessach --> | 50610 = 1926 <!--Lofer --> | 50611 = 3198 <!--Maishofen --> | 50612 = 2032 <!--Maria Alm am Steinernen Meer --> | 50503 = 2360 <!--Mariapfarr --> | 50323 = 3044 <!--Mattsee --> | 50504 = 1782 <!--Mauterndorf --> | 50613 = 5445 <!--Mittersill --> | 50415 = 1578 <!--Mühlbach am Hochkönig --> | 50505 = 574 <!--Muhr --> | 50614 = 2601 <!--Neukirchen am Großvenediger --> | 50324 = 5777 <!--Neumarkt am Wallersee --> | 50615 = 2493 <!--Niedernsill --> | 50325 = 2300 <!--Nußdorf am Haunsberg --> | 50208 = 4173 <!--Oberalm --> | 50326 = 5601 <!--Oberndorf bei Salzburg --> | 50327 = 4499 <!--Obertrum am See --> | 50416 = 2232 <!--Pfarrwerfen --> | 50616 = 3713 <!--Piesendorf --> | 50328 = 1223 <!--Plainfeld --> | 50209 = 4321 <!--Puch bei Hallein --> | 50417 = 4776 <!--Radstadt --> | 50506 = 1253 <!--Ramingstein --> | 50617 = 3050 <!--Rauris --> | 50210 = 786 <!--Rußbach am Paß Gschütt --> | 50618 = 2903 <!--Saalbach-Hinterglemm --> | 50619 = 15884 <!--Saalfelden am Steinernen Meer --> | 50101 = 147685 <!--Salzburg --> | 50507 = 711 <!--Sankt Andrä im Lungau --> | 50329 = 2758 <!--Sankt Georgen bei Salzburg --> | 50330 = 3675 <!--Sankt Gilgen --> | 50418 = 10685 <!--Sankt Johann im Pongau --> | 50211 = 1609 <!--Sankt Koloman --> | 50508 = 773 <!--Sankt Margarethen im Lungau --> | 50419 = 1545 <!--Sankt Martin am Tennengebirge --> | 50620 = 1105 <!--Sankt Martin bei Lofer --> | 50509 = 3516 <!--Sankt Michael im Lungau --> | 50420 = 3450 <!--Sankt Veit im Pongau --> | 50212 = 1302 <!--Scheffau am Tennengebirge --> | 50331 = 991 <!--Schleedorf --> | 50421 = 3545 <!--Schwarzach im Pongau --> | 50332 = 1750 <!--Seeham --> | 50339 = 9683 <!--Seekirchen am Wallersee --> | 50335 = 6960 <!--Straßwalchen --> | 50336 = 3598 <!--Strobl --> | 50621 = 1576 <!--Stuhlfelden --> | 50510 = 5775 <!--Tamsweg --> | 50622 = 2763 <!--Taxenbach --> | 50337 = 5398 <!--Thalgau --> | 50511 = 354 <!--Thomatal --> | 50512 = 357 <!--Tweng --> | 50623 = 1909 <!--Unken --> | 50513 = 1013 <!--Unternberg --> | 50422 = 513 <!--Untertauern --> | 50624 = 2840 <!--Uttendorf --> | 50625 = 623 <!--Viehhofen --> | 50423 = 2995 <!--Wagrain --> | 50626 = 1165 <!--Wald im Pinzgau --> | 50338 = 11891 <!--Wals-Siezenheim --> | 50627 = 398 <!--Weißbach bei Lofer --> | 50514 = 322 <!--Weißpriach --> | 50424 = 3059 <!--Werfen --> | 50425 = 884 <!--Werfenweng --> | 50515 = 1210 <!--Zederhaus --> | 50628 = 9638 <!--Zell am See --> | #default= <strong class="error">Ungültiger Metadaten-Schlüssel <tt>{{{1}}}</tt></strong>[[Kategorie:Vorlage:Metadaten Einwohnerzahl/Fehler]] }} }}</includeonly><noinclude> Diese [[Wikipedia:WikiProjekt Metadaten|Metadatenvorlage]] enthält die Einwohnerzahlen der [[Gemeinde (Österreich)|Gemeinden]] und [[Bezirk#Österreich|Politischen Bezirke]] des Bundeslandes [[Salzburg (Bundesland)|Salzburg]] vom {{EWD|AT-5}}. Die Einwohnerzahlen der [[Statutarstadt|Statutarstädte]] werden unter der Gemeindekennzahl erfasst. [[Kategorie:Vorlage:Metadaten Einwohnerzahl AT|5]] </noinclude> 1prh92g3uk707x6mvxl04ftnov9u4q1 wikitext text/x-wiki Vorlage:Metadaten Einwohnerzahl IS 10 24297 26895 2010-04-05T13:50:39Z The blanz 0 Komplettes Update auf Stand 2009-01-01 {{#if: {{{2|}}} | <!-- Die Metadaten-Parameter sind unabhängig vom Schlüssel --> {{#switch: {{{2}}} | STAND =2009-01-01 | QUELLE =https://hagstofa.is/lisalib/getfile.aspx?ItemID=10823 | #default= <strong class="error">Ungültiges Metadaten-Schlüsselwort <tt>{{{2}}}</tt></strong>[[Kategorie:Vorlage:Metadaten Einwohnerzahl/Fehler]] }} | {{#switch: {{{1|}}} | | Island = 319368 <!-- kein Parameter ergibt ebenfalls die Gesamtbevölkerung --> | Austurland = 12849 <!-- Regionen Islands --> | Höfuðborgarsvæðið = 201251 | Norðurland eystra = 29081 | Norðurland vestra = 7401 | Suðurland = 24150 | Suðurnes = 21544 | Vestfirðir = 7385 | Vesturland = 15707 | 5706 = 218 <!-- Akrahreppur --> <!-- Gemeinden Islands --> | 3000 = 6609 <!-- Akranes --> | 6000 = 17633 <!-- Akureyri --> | 6506 = 177 <!-- Arnarnes --> | 6609 = 261 <!-- Aðaldalur Stand 2007, jetzt keine Gemeinde mehr, diesen Eintrag nicht ändern --> | 8721 = 986 <!-- Bláskógabyggð --> | 5604 = 907 <!--Blönduós --> | 4100 = 966 <!--Bolungarvík --> | 3609 = 3744 <!--Borgarbyggð --> | 7509 = 142 <!--Borgarfjörður (Gemeinde) --> | 7613 = 197 <!--Breiðdalur --> | 4908 = 98 <!--Bær --> | 3811 = 714 <!--Dalabyggð --> | 6400 = 1947 <!--Dalvíkurbyggð --> | 7617 = 454 <!--Djúpivogur --> | 3713 = 129 <!--Eyjar og Miklaholt --> | 6513 = 1039 <!-- Eyjafjarðarsveit --> | 6250 = 2127 <!--Fjallabyggð --> | 7300 = 4723 <!-- Fjarðabyggð --> | 7505 = 135 <!-- Fljótsdalur --> | 7620 = 3695 <!-- Fljótsdalshérað --> | 8722 = 596 <!-- Flói --> | 1300 = 10358 <!-- Garðabær --> | 2504 = 1550 <!-- Garður --> | 2300 = 2850 <!--Grindavík --> | 3709 = 925 <!--Grundarfjörður --> | 6501 = 103 <!--Grímsey --> | 8719 = 442 <!--Grímsnes og Grafningur --> | 6602 = 338 <!--Grýtubakki --> | 1400 = 25850 <!-- Hafnarfjörður --> | 3710 = 60 <!--Helgafellssveit --> | 7708 = 2112 <!--Hornafjörður --> | 8710 = 793 <!--Hrunamannahreppur --> | 3511 = 641 <!--Hvalfjarðarsveit --> | 8716 = 2315 <!--Hveragerði --> | 6514 = 413 <!--Hörgárbyggð --> | 5612 = 428 <!-- Húnavatn --> | 5508 = 1147 <!--Húnaþing vestra --> | 4902 = 110 <!--Kaldrananes --> | 1606 = 196 <!--Kjós --> | 1000 = 29976 <!-- Kópavogur --> | 6709 = 508 <!-- Langanesbyggð --> | 1604 = 8403 <!-- Mosfellsbær --> | 8508 = 465 <!--Mýrdalur --> | 6100 = 3001 <!--Norðurþing --> | 8717 = 1997 <!--Ölfus --> | 8613 = 1762 <!--Rangárþing eystra --> | 8614 = 1604 <!--Rangárþing ytra --> | 4502 = 280 <!--Reykhólar --> | 2000 = 14172 <!-- Reykjanesbær --> | 0000 = 119547 <!-- Reykjavík --> | 2503 = 1754 <!-- Sandgerði --> | 1100 = 4403 <!-- Seltjarnarnes --> | 7000 = 717 <!-- Seyðisfjörður --> | 8509 = 466 <!-- Skaftárhreppur --> | 5611 = 102 <!-- Skagabyggð --> | 5200 = 4078 <!-- Skagafjörður (Gemeinde) --> | 5609 = 521 <!-- Skagaströnd --> | 8720 = 515 <!-- Skeiða- og Gnúpverjahreppur --> | 3506 = 57 <!-- Skorradalur --> | 6607 = 388 <!-- Skútustaðir --> | 3714 = 1717 <!-- Snæfellsbær --> | 4911 = 490 <!-- Strandabyggð --> | 3711 = 1111 <!-- Stykkishólmur --> | 6706 = 108 <!-- Svalbarð --> | 6601 = 396 <!-- Svalbarðsströnd --> | 4803 = 212 <!-- Súðavík --> | 6611 = 58 <!-- Tjörnes --> | 4604 = 308 <!-- Tálknafjörður --> | 8000 = 4086 <!-- Vestmannaeyjar --> | 4607 = 900 <!-- Vesturbyggð --> | 2506 = 1218 <!-- Vogar --> | 7502 = 674 <!-- Vopnafjörður --> | 1603 = 2518 <!-- Álftanes --> | 8200 = 7922 <!-- Árborg --> | 4901 = 49 <!-- Árnes --> | 8610 = 178 <!-- Ásahreppur --> | 4200 = 3972 <!-- Ísafjarðarbær --> | 6612 = 948 <!-- Þingeyjarsveit --> | Aðaldalur = 261 <!-- Stand 2007, ehemalige Gemeinde --><!-- Städte und Ortschaften --> | Akranes (Ort) = 6609 | Akureyri (Ort) = 17355 | Álftanes (Ort) = 2518 | Árbæjarhverfi = 63 | Bakkafjörður = 78 | Bifröst = 227 | Bíldudalur = 176 | Blönduós (Ort) = 845 | Bolungarvík = 966 | Borgarnes = 1955 | Borgarfjörður eystri = 93 | Borg (Grímsnes) = 76 | Breiðdalsvík = 129 | Búðardalur = 249 | Dalvík = 1412 | Djúpivogur (Ort) = 363 | Drangsnes = 68 | Egilsstaðir = 2265 | Eiðar = 35 | Eyrarbakki = 587 | Eskifjörður = 1087 | Fáskrúðsfjörður = 695 | Fellabær = 451 | Flateyri = 260 | Flúðir = 377 | Garðabær (Ort) = 10358 | Garður = 1550 | Grenivík = 250 | Grímsey = 92 | Grindavík = 2850 | Grundarfjörður (Ort) = 853 | Grundarhverfi = 550 | Hafnarfjörður (Ort) = 25850 | Hafnir = 142 | Hallormsstaður = 50 | Hauganes = 134 | Hella = 806 | Hellissandur = 400 | Hjalteyri = 43 | Hnífsdalur = 242 | Hólar (Hjaltadalur) = 110 | Hólmavík = 368 | Höfn = 1635 | Hofsós = 185 | Hrafnagil = 235 | Hrísey = 186 | Húsavík = 2279 | Hvanneyri = 289 | Hvammstangi = 591 | Hveragerði = 2315 | Hvolsvöllur = 847 | Hrísey = 180 | Ísafjörður = 2737 | Keflavík = 8169 | Keflavík und Njarðvík = 14030 | Kirkjubæjarklaustur = 120 | Kleppjárnesreykir = 47 | Kópasker = 137 | Kópavogur (Ort) = 29976 | Krossholt = 19 | Laugar = 116 | Laugarás = 144 | Laugarbakki = 63 | Laugarvatn = 203 | Litli-Árskógssandur = 138 | Lónsbakki (Hörgárbyggð) = 92 | Melahverfi (Hvalfjörður) = 123 | Mjóifjörður = 34 | Mosfellsbær (Ort) = 8205 | Mosfellsbær (Mosfellsdalur) = 198 | Neskaupstaður = 1454 | Nesjakauptún = 73 | Njarðvík = 4398 | Ólafsvík = 991 | Ólafsfjörður = 850 | Patreksfjörður = 617 | Rauðalækur = 34 | Raufarhöfn = 223 | Reyðarfjörður = 1098 | Reykholt (Borgarbyggð) = 42 | Reykholt (Bláskógabyggð) = 192 | Reykhólar (Ort) = 134 | Reykjahlíð = 185 | Reykjavík (Ort) = 118665 | Rif = 149 | Sandgerði (Ort) = 1754 | Sauðárkrókur = 2601 | Selfoss = 6574 | Seltjarnarnes (Ort) = 4403 | Seyðisfjörður = 717 | Siglufjörður = 1277 | Sólheimar = 79 | Skagaströnd = 521 | Stöðvarfjörður = 235 | Stokkseyri = 490 | Stykkishólmur = 1111 | Súðavík = 178 | Suðureyri = 313 | Svalbarðseyri = 239 | Tálknafjörður = 294 | Vallarheiði = 539 | Varmahlíð = 138 | Vestmannaeyjar = 4086 | Vík í Mýrdal = 298 | Vogar (Ort) = 1124 | Vopnafjörður (Ort) = 534 | Þorlákshöfn = 1582 | Þórshöfn = 375 | Þingeyri = 264 | #default= <strong class="error">Ungültiger Metadaten-Schlüssel <tt>{{{1}}}</tt></strong>[[Kategorie:Vorlage:Metadaten Einwohnerzahl/Fehler]] }} }}<noinclude>Dies ist eine programmierte Vorlage. Eine '''Dokumentation''' findet sich auf der '''[[Vorlage Diskussion:Metadaten Einwohnerzahl IS|Diskussionsseite]]'''. [[Kategorie:Vorlage:Island|{{PAGENAME}}]] [[Kategorie:Vorlage:Metadaten Einwohnerzahl|Island]] [[is:Snið:Íbúafjöldi sveitarfélaga]] </noinclude> nfuzo1gda08bctdxns1un1753kxkgcf wikitext text/x-wiki Vorlage:Metadaten Einwohnerzahl LI 10 24298 26896 2009-12-12T11:59:30Z Septembermorgen 0 update 31.12.08 <noinclude> Diese [[Wikipedia:WikiProjekt Metadaten|Metadatenvorlage]] enthält die Einwohnerzahlen der [[Gemeinde|Gemeinden]] von [[Liechtenstein]] (Stand: {{EWD|LI}}). Der Schlüssel zu dieser Metadaten entspricht der [[Gemeindenummer|BFS-Nr]]. Wird kein Schlüssel angegeben, wird die Einwohnerzahl Liechtensteins zurückgegeben. Die einheitliche Quelle ist [http://www.as.llv.li/ Statistik Liechtenstein - Amt für Volkswirtschaft]. [[Kategorie:Vorlage:Metadaten Einwohnerzahl|LI]] [[Kategorie:Vorlage:Liechtenstein|Einwohnerzahl LI]] </noinclude><includeonly>{{#if: {{{2|}}} | {{#switch: {{{2|}}} <!-- Stand und Quelle sind unabhängig von der BFS-Nr. --> | STAND = 2008-12-31 | QUELLE = [http://www.llv.li/amtsstellen/llv-as-bevoelkerung/llv-as-bevoelkerung-bevoelkerungsstatistik_per_31_dezember.htm Statistik Liechtenstein - Amt für Volkswirtschaft] | #default= <strong class="error">Ungültiges Metadaten-Schlüsselwort <tt>{{{2}}}</tt></strong> }} | {{#switch: {{{1|}}} <!-- 23100 Oberland --> | 7001= 5111 <!-- Vaduz --> | 7002= 4759 <!-- Triesen --> | 7003= 4513 <!-- Balzers --> | 7004= 2538 <!-- Triesenberg --> | 7005= 5758 <!-- Schaan --> | 7006= 421 <!-- Planken --> <!-- 12489 Unterland --> | 7007= 4150 <!-- Eschen --> | 7008= 3836 <!-- Mauren --> | 7009= 1524 <!-- Gamprin --> | 7010= 1937 <!-- Ruggell --> | 7011= 1042 <!-- Schellenberg --> | = 35589 <!-- Liechtenstein --> | #default= <strong class="error">Ungültiger Metadaten-Schlüssel <tt>{{{1}}}</tt></strong> }} }}</includeonly> he6qg0uw3ybwhhwolgbyp6rilunn3wc wikitext text/x-wiki Vorlage:Metadaten Einwohnerzahl LU 10 24299 26897 2009-07-15T08:14:30Z Leyo 0 format <noinclude>{{Dokumentation}}</noinclude><includeonly>{{#if: {{{2|}}} | {{#switch: {{{2|}}} <!-- Stand und Quelle sind unabhängig vom Schlüssel --> | STAND = 2009-01-01 | QUELLE = [http://www.statistiques.public.lu/stat/TableViewer/tableViewHTML.aspx?ReportId=1729&IF_Language=fra&MainTheme=2&FldrName=1 STATEC Luxembourg – Population par canton et commune 1821–2009] (franz.) | #default= <strong class="error">Ungültiges Metadaten-Schlüsselwort <tt>{{{2}}}</tt></strong>[[Kategorie:Vorlage:Metadaten Einwohnerzahl/Fehler]] }} | {{#switch: {{{1|}}} <!-- Lemma Offizelle Luxemburgerisch --> | = 493500<!-- Luxemburg Le Grand-Duché --> | D = 76140<!-- Diekirch (Distrikt) District de Diekirch --> | G = 59157<!-- Grevenmacher (Distrikt) District de Grevenmacher --> | L = 358203<!-- Luxemburg 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(Luxemburg) Beaufort Beefort --> | 00006003 = 2035<!-- Berdorf Berdorf Bäerdref --> | 00011002 = 6383<!-- Bertrange (Luxemburg) Bertrange Bartreng --> | 00010001 = 9722<!-- Bettembourg Bettembourg Beetebuerg --> | 00002002 = 2516<!-- Bettendorf (Luxemburg) Bettendorf Bettendref --> | 00007001 = 3135<!-- Betzdorf (Luxemburg) Betzdorf Betzder --> | 00012002 = 2676<!-- Bissen Bissen Biissen --> | 00007002 = 1640<!-- Biwer Biwer Biwer --> | 00012003 = 1930<!-- Boevange-sur-Attert Boevange-sur-Attert Béiwen/Attert --> | 00005001 = 902<!-- Boulaide Boulaide Bauschelt --> | 00002003 = 1323<!-- Bourscheid Bourscheid Buurschent --> | 00008001 = 1292<!-- Bous (Luxemburg) Bous Bus --> | 00008002 = 1016<!-- Burmerange Burmerange Bërmereng --> | 00009002 = 2137<!-- Clemency Clemency Kéinzig --> | 00001001 = 1908<!-- Clerf Clervaux Clierf --> | 00012001 = 1888<!-- Colmar-Berg Colmar-Berg Colmer-Bierg --> | 00006004 = 1769<!-- Consdorf Consdorf Konsdref --> | 00001002 = 477<!-- Consthum Consthum 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mit Cagayan de Oro --> | Mountain Province (Philippinen) = 148661 | Negros Occidental = 2869766 <!-- mit Bacolod --> | Negros Oriental = 1231904 | Northern Samar = 549759 | Nueva Ecija = 1853853 | Nueva Vizcaya = 397837 | Occidental Mindoro = 421952 | Oriental Mindoro = 735769 | Palawan = 892660 <!-- mit Puerto Princesa --> | Pampanga = 2226444 <!-- mit Angeles --> | Pangasinan = 2645395 | Quezon = 1882900 <!-- mit Lucena --> | Quirino = 163610 | Rizal (Provinz) = 2284046 | Romblon (Provinz) = 279774 | Samar (Provinz) = 695149 | Sarangani = 475514 | Shariff Kabunsuan (Provinz) = 562886 | Siquijor = 87695 | Sorsogon = 709673 | South Cotabato = 1296796 <!-- mit General Santos --> | Southern Leyte = 390847 | Sultan Kudarat (Provinz) = 934797 <!-- mit Cotabato City --> | Sulu (Provinz) = 849670 | Surigao del Norte = 409468 | Surigao del Sur = 541347 | Tarlac (Provinz) = 1243449 | Tawi-Tawi = 450346 | Zambales = 720355 mit Olongapo | Zamboanga del Norte = 907238 | Zamboanga del Sur = 1688685 <!-- mit Zamboanga City --> | Zamboanga Sibugay = 634171 <!-- mit City of Isabela --> | Aborlan = 27953 <!--Städte und Stadtgemeinden --> | Abra de Ilog = 25152 | Abucay = 38554 | Abulug = 28769 | Abuyog = 56097 | Adams (Philippinen) = 1522 | Agdangan = 11164 | Aglipay (Quirino) = 25069 | Agno (Pangasinan) = 26023 | Agoncillo = 33990 | Agoo = 57952 | Aguilar (Philippinen) = 36564 | Aguinaldo (Ifugao) = 17231 | Agutaya = 10426 | Ajuy = 47113 | Akbar (Basilan) = 21312 | Alabat = 14789 | Alabel = 71872 | Alamada = 52165 | Alaminos (Laguna) = 40380 | Alaminos (Pangasinan) = 79788 | Alangalang = 43494 | Al-Barka = 26229 | Albuera (Leyte) = 39199 | Alburquerque (Bohol) = 9644 | Alcala (Cagayan) = 35694 | Alcala (Pangasinan) = 38934 | Alcantara (Cebu) = 13036 | Alcantara (Romblon) = 15370 | Alcoy (Cebu) = 14571 | Alegria (Cebu) = 21699 | Alegria (Surigao del Norte) = 13369 | Aleosan = 32874 | Alfonso (Cavite) = 47973 | Alfonso Castaneda = 6655 | Alfonso Lista = 25323 | Aliaga = 61270 | Alicia (Bohol) = 23422 | Alicia (Isabela) = 61447 | Alicia (Zamboanga Sibugay) = 32289 | Alilem = 6217 | Alimodian = 34035 | Alitagtag = 22794 | Allacapan = 29821 | Allen (Northern Samar) = 22334 | Almagro (Samar) = 8650 | Almeria (Biliran) = 14420 | Aloguinsan = 26164 | Aloran = 23450 | Altavas = 23692 | Alubijid = 25060 | Amadeo (Cavite) = 31705 | Ambaguio = 11499 | Amlan = 22173 | Ampatuan = 33702 | Amulung = 44367 | Anahawan = 8032 | Anao = 10806 | Anda (Bohol) = 16616 | Anda (Pangasinán) = 34398 | Angadanan = 39743 | Angat = 53117 | Angeles City = 314493 | Angono = 97209 | Anilao = 23465 | Anini-y = 20097 | Antequera (Bohol) = 14357 | Antipas (Philippinen) = 22892 | Antipolo City = 633971 | Apalit = 97296 | Aparri = 61024 | Araceli = 13233 | Arakan (Cotabato) = 38717 | Arayat (Pampanga) = 118312 | Argao = 62226 | Aringay = 43438 | Aritao = 34206 | Aroroy = 62635 | Arteche = 14354 | Asingan = 54092 | Asipulo = 13340 | Asturias (Cebu) = 40939 | Asuncion (Davao del Norte) = 50731 | Atimonan = 59157 | Atok = 19253 | Aurora (Isabela) = 31547 | Aurora (Zamboanga del Sur) = 47177 | Ayungon = 42643 | Baao = 52466 | Babatngon = 24067 | Bacacay = 61574 | Bacarra = 31485 | Baclayon = 18015 | Bacnotan = 38743 | Baco (Oriental Mindoro) = 34127 | Bacolod City = 499497 | Bacolod (Lanao del Norte) = 19872 | Bacolod-Kalawi = 20564 | Bacolor = 25238 | Bacong = 28310 | Bacoor = 441197 | Bacuag = 13066 | Bacungan = 21195 | Badian = 35876 | Badiangan = 24504 | Badoc = 30063 | Bagabag (Philippinen) = 32787 | Bagac = 24202 | Bagamanoc = 10183 | Baganga = 48355 | Baggao = 73048 | Bago-Stadt = 159933 | Baguio City = 301926 | Bagulin = 12521 | Bagumbayan = 57133 | Bais City = 74702 | Bakun (Benguet) = 12137 | Balabac = 29622 | Balabagan = 33421 | Balagtas = 62684 | Balamban = 66261 | Balanga City = 84105 | Balangiga = 12428 | Balangkayan = 8249 | Balaoan = 36829 | Balasan = 27384 | Balatan = 25982 | Balayan = 79407 | Balbalan = 12012 | Baleno (Masbate) = 21639 | Baler = 34492 | Balete (Aklan) = 26360 | Balete (Batangas) = 19252 | Baliangao = 14927 | Baliguian = 20540 | Balilihan = 17131 | Balindong = 30295 | Balingasag = 57765 | Balingoan = 9021 | Baliuag = 136982 | Ballesteros (Philippinen)= 31044 | Baloi = 44366 | Balud = 31484 | Balungao = 25214 | Bamban = 61644 | Bambang = 45440 | Banate = 28714 | Banaue = 21448 | Banaybanay = 35693 | Banayoyo = 7149 | Banga (Aklan) = 34276 | Banga (South Cotabato) = 73355 | Bangar = 33335 | Bangued = 46179 | Bangui (Ilocos Norte) = 14634 | Bani (Philippinen) = 45652 | Banisilan = 36567 | Banna = 18161 | Bansalan = 54246 | Bansud = 35664 | Bantay = 33174 | Bantayan (Cebu) = 71655 | Banton (Romblon) = 6799 | Baras (Catanduanes) = 11787 | Baras (Rizal) = 31524 | Barbaza = 20709 | Barcelona (Sorsogon) = 19428 | Barili = 60430 | Barira = 27607 | Barlig = 6168 | Barobo = 40933 | Barotac Nuevo = 49515 | Barotac Viejo = 39326 | Baroy = 21430 | Barugo = 27569 | Basay (Negros Oriental) = 22713 | Basco = 7517 | Basey = 48389 | Basilisa = 31363 | Basista = 28104 | Basud = 36763 | Batac = 50675 | Batad = 18298 | Batan (Aklan) = 29243 | Batangas City = 295231 | Bataraza = 53430 | Bato (Camarines Sur) = 44437 | Bato (Catanduanes) = 18738 | Bato (Leyte) = 33930 | Batuan (Bohol) = 12137 | Batuan (Masbate) = 12585 | Bauan = 79831 | Bauang = 69837 | Bauko = 29382 | Baungon = 29757 | Bautista = 28094 | Bay (Laguna) = 50756 | Bayabas = 7439 | Bayambang = 103145 | Bayang = 24185 | Bayawan City = 110250 | Baybay City = 102526 | Bayog = 28707 | Bayombong = 54417 | Bayugan City = 95032 | Belison = 12467 | Benito Soliven = 25151 | Besao = 7295 | Bien Unido = 23412 | Bilar = 17078 | Biliran (Biliran) = 14947 | Binalbagan = 64747 | Binalonan = 52722 | Biñan = 262735 | Binangonan = 238931 | Bindoy = 36226 | Bingawan = 12259 | Binidayan = 21569 | Binmaley = 76214 | Binuangan = 6568 | Biri (Northern Samar) = 10649 | Bislig City = 102009 | Boac = 50823 | Bobon = 19765 | Bocaue = 105817 | Bogo City = 69123 | Bokod = 12913 | Bolinao = 69568 | Boliney = 3349 | Boljoon = 14877 | Bombon (Philippinen) = 14083 | Bongabon = 73639 | Bongabong = 61127 | Bongao = 95055 | Bonifacio (Misamis Occidental) = 29514 | Bontoc (Mountain Province) = 24798 | Bontoc (Southern Leyte) = 28535 | Borbon = 32278 | Borongan City = 59354 | Boston (Davao Oriental) = 11176 | Botolan = 51675 | Braulio E. Dujali = 24886 | Brooke&#39;s Point = 56311 | Buadiposo-Buntong = 19316 | Bubong = 23148 | Bucay = 16266 | Bucloc = 2227 | Buenavista (Agusan del Norte) = 53059 | Buenavista (Bohol) = 26443 | Buenavista (Guimaras) = 43817 | Buenavista (Marinduque) = 21018 | Buenavista (Quezon) = 24798 | Bugallon = 62237 | Bugasong = 30394 | Buguey = 28129 | Buguias = 34507 | Buhi = 70756 | Bula = 62024 | Bulacan (Bulacan) = 72289 | Bulalacao = 30188 | Bulan (Sorsogon) = 91730 | Buldon = 36937 | Buluan = 32310 | Bulusan (Sorsogon) = 21374 | Bumbaran = 13297 | Bunawan = 35757 | Burauen (Leyte) = 48606 | Burdeos = 23568 | Burgos (Ilocos Norte) = 8765 | Burgos (Ilocos Sur) = 11459 | Burgos (Isabela) = 21898 | Burgos (La Union) = 8261 | Burgos (Pangasinan) = 20187 | Burgos (Surigao del Norte) = 3851 | Buruanga = 15767 | Bustos = 60681 | Busuanga (Palawan) = 19066 | Butig = 22256 | Butuan City = 298378 | Buug = 34289 | Caba = 20927 | Cabadbaran City = 61564 | Cabagan = 43562 | Cabanatuan City = 259267 | Cabangan = 21519 | Cabanglasan = 32817 | Cabarroguis = 28024 | Cabatuan (Iloilo) = 50861 | Cabatuan (Isabela) = 34079 | Cabiao = 68382 | Cabucgayan = 18799 | Cabugao = 33847 | Cabusao = 17599 | Cabuyao = 205376 | Cadiz City = 150750 | Cagayan de Oro = 553966 | Cagayancillo = 6506 | Cagdianao = 14130 | Cagwait = 19899 | Caibiran = 20616 | Cainta = 289833 | Cajidiocan = 21292 | Calabanga = 73333 | Calaca = 64966 | Calamba (Misamis Occidental) = 19597 | Calamba City = 360281 | Calanasan = 9663 | Calanogas = 21847 | Calapan City = 116976 | Calape = 29786 | Calasiao = 85419 | Calatagan = 51544 | Calatrava (Negros Occidental) = 78452 | Calatrava (Romblon) = 9726 | Calauag = 69475 | Calauan = 54248 | Calayan (Philippinen) = 16233 | Calbayog City = 163657 | Calbiga = 20309 | Calinog = 51018 | Calintaan = 26779 | Caloocan = 1378856 | Calubian = 29945 | Calumpit = 98017 | Caluya = 25526 | Camalaniugan = 22489 | Camalig = 60319 | Camaligan = 20758 | Camiling = 79941 | Canaman = 31583 | Can-avid = 18173 | Candaba = 96589 | Candelaria (Quezon) = 105997 | Candelaria (Zambales) = 24243 | Candijay = 31183 | Candon = 56270 | Candoni = 21748 | Canlaon City = 50208 | Cantilan = 28659 | Caoayan = 18914 | Capalonga = 29683 | Capas = 122084 | Capoocan = 28388 | Capul = 11289 | Caraga (Davao Oriental) = 34278 | Caramoan = 40810 | Caramoran = 25618 | Carasi = 1435 | Carcar City = 100632 | Cardona (Rizal) = 44942 | Carigara = 45696 | Carles = 57673 | Carmen (Agusan del Norte) = 18116 | Carmen (Bohol) = 43153 | Carmen (Cebu) = 41279 | Carmen (Cotabato) = 65670 | Carmen (Davao del Norte) = 61656 | Carmen (Surigao del Sur) = 10078 | Carmona (Cavite) = 68135 | Carranglan = 33233 | Carrascal = 14283 | Casiguran (Aurora) = 22403 | Casiguran (Sorsogon) = 30165 | Castilla (Sorsogon) = 49407 | Castillejos = 42910 | Cataingan = 48827 | Catanauan = 65705 | Catarman (Camiguin) = 16060 | Catarman (Northern Samar) = 81067 | Catbalogan City = 92454 | Cateel = 33109 | Catigbian = 23333 | Catmon = 27330 | Catubig = 29433 | Cauayan = 93569 | Cauayan City = 114254 | Cavinti = 20469 | Cavite City = 104581 | Cawayan = 59658 | Cebu City = 798809 | Cervantes (Philippinen) = 14116 | Clarin (Bohol) = 18871 | Clarin (Misamis Occidental) = 33299 | Claver (Surigao del Norte) = 18258 | Claveria (Cagayan) = 30275 | Claveria (Masbate) = 40336 | Claveria (Misamis Oriental) = 43514 | Columbio = 23675 | Compostela (Cebu) = 39167 | Compostela (Compostela Valley) = 69849 | Concepcion (Iloilo) = 36881 | Concepcion (Misamis Occidental) = 8355 | Concepcion (Romblon) = 4166 | Concepcion (Tarlac) = 135213 | Conner (Philippinen) = 22668 | Consolacion = 87544 | Corcuera = 10883 | Cordon (Isabela) = 38139 | Cordova (Cebu) = 45066 | Corella (Bohol) = 7471 | Coron (Palawan) = 40007 | Cortes (Bohol) = 14586 | Cortes (Surigao del Sur) = 15913 | Cotabato City = 259153 | Cuartero = 25306 | Cuenca (Batangas) = 28581 | Culaba = 10962 | Culasi = 37100 | Culion = 17194 | Currimao = 11305 | Cuyapo = 55456 | Cuyo (Palawan) = 20040 | Daanbantayan = 73254 | Daet = 94184 | Dagami = 30451 | Dagohoy = 18311 | Daguioman = 1916 | Dagupan City = 149554 | Dalaguete = 61405 | Damulog = 21183 | Danao = 17716 | Danao City = 109354 | Dangcagan = 21254 | Danglas = 5411 | Dao (Capiz) = 31420 | Dapa = 22184 | Dapitan City = 72792 | Daraga = 110625 | Daram = 38411 | Dasmariñas = 556330 | Dasol = 27027 | Datu Abdullah Sangki = 33259 | Datu Anggal Midtimbang = 23713 | Datu Blah T. Sinsuat = 22656 | Datu Odin Sinsuat = 103765 | Datu Paglas = 29979 | Datu Piang = 49971 | Datu Saudi-Ampatuan = 45126 | Datu Unsay = 38891 | Dauin = 23681 | Dauis = 36525 | Davao City = 1363337 | Del Carmen = 14892 | Del Gallego = 21272 | Delfin Albano = 24899 | Diadi = 15567 | Diffun = 42958 | Digos City = 145514 | Dilasag = 14833 | Dimasalang = 22723 | Dimataling = 26902 | Dimiao = 14187 | Dinagat = 11961 | Dinalungan = 10145 | Dinalupihan = 92289 | Dinapigue = 4807 | Dinas (Zamboanga del Sur) = 33738 | Dingalan = 21992 | Dingle (Iloilo) = 40828 | Dingras = 35793 | Dipaculao = 24882 | Diplahan = 28010 | Dipolog City = 113118 | Ditsaan-Ramain = 25425 | Divilacan = 4602 | Dolores (Abra) = 10787 | Dolores (Eastern Samar) = 34522 | Dolores (Quezon) = 26312 | Don Carlos (Bukidnon) = 60870 | Don Marcelino = 35166 | Don Victoriano Chiongbian = 10157 | Doña Remedios Trinidad = 19086 | Donsol = 43996 | Dueñas (Philippinen) = 32149 | Duero (Bohol) = 17254 | Dulag (Leyte) = 40570 | Dumaguete City = 116392 | Dumalag = 29221 | Dumalinao = 29732 | Dumalneg = 1716 | Dumangas = 62769 | Dumanjug = 44807 | Dumaran = 18737 | Dumarao = 42603 | Dumingag = 46039 | Dupax del Norte = 23816 | Dupax del Sur = 17354 | Echague = 67553 | El Nido = 30249 | El Salvador City = 41905 | Enrile = 29719 | Enrique B. Magalona = 57424 | Enrique Villanueva = 5878 | Escalante City = 92035 | Esperanza (Agusan del Sur) = 47659 | Esperanza (Masbate) = 16834 | Esperanza (Sultan Kudarat) = 52731 | Estancia (Iloilo) = 39479 | Famy = 13577 | Ferrol (Romblon) = 6395 | Flora (Apayao) = 16016 | Floridablanca (Pampanga) = 103388 | Gabaldon (Nueva Ecija) = 29619 | Gainza = 9404 | Galimuyod = 10310 | Gamay (Northern Samar) = 21537 | Gamu = 27479 | Ganassi (Lanao del Sur) = 25456 | Gandara (Samar) = 31222 | Gapan City = 98795 | Garchitorena = 24825 | Garcia Hernandez = 21308 | Gasan = 33772 | Gattaran = 50269 | Gen. S. K. Pendatun = 36038 | General Emilio Aguinaldo = 17818 | General Luna (Quezon) = 23379 | General Luna (Surigao del Norte) = 13385 | General MacArthur = 11625 | General Mamerto Natividad = 33354 | General Mariano Alvarez = 136613 | General Mariano Alvarez = 136613 | General Nakar = 24895 | General Santos = 529542 | General Tinio = 38640 | General Trias = 218387 | Gerona (Tarlac) = 82022 | Getafe (Bohol) = 27852 | Gigaquit = 18870 | Gigmoto = 7569 | Ginatilan = 13654 | Gingoog City = 112247 | Giporlos = 11286 | Gitagum = 14391 | Glan (Sarangani) = 102676 | Gloria (Oriental Mindoro) = 40561 | Goa (Camarines Sur) = 54035 | Godod = 16638 | Gonzaga (Philippinen) = 35424 | Governor Generoso = 46745 | Gregorio del Pilar (Ilocos Sur) = 4308 | Guagua (Pampanga) = 104284 | Gubat = 55501 | Guiguinto = 89225 | Guihulngan City = 91358 | Guimba = 96116 | Guimbal = 29724 | Guinayangan = 39074 | Guindulman = 32355 | Guindulungan = 23777 | Guinobatan = 74386 | Guinsiliban = 5559 | Guipos = 19616 | Guiuan = 43469 | Gumaca = 63778 | Gutalac = 29883 | Hadji Mohammad Ajul = 26132 | Hadji Muhtamad = 20292 | Hadji Panglima Tahil = 6192 | Hagonoy (Bulacan) = 126329 | Hagonoy (Davao del Sur) = 46648 | Hamtic = 42375 | Hermosa = 52484 | Hernani (Eastern Samar) = 7974 | Hilongos = 53911 | Himamaylan City = 102014 | Hinabangan = 12129 | Hinatuan = 37368 | Hindang = 19927 | Hingyon = 10071 | Hinigaran = 80528 | Hinoba-an = 53894 | Hinunangan = 27712 | Hinundayan = 11610 | Hungduan = 9601 | Iba (Zambales) = 44344 | Ibaan = 45649 | Ibajay = 42742 | Igbaras = 29417 | Iguig = 26096 | Ilagan = 131243 | Iligan City = 308046 | Ilog = 53460 | Iloilo City = 418710 | Imelda = 24787 | Impasug-ong = 39315 | Imus (Cavite) = 253158 | Inabanga = 43331 | Indanan = 85220 | Indang = 60755 | Infanta (Pangasinan) = 23731 | Infanta (Quezon) = 60346 | Initao = 29624 | Inopacan = 19276 | Ipil = 60686 | Iriga City = 97983 | Irosin = 49968 | Isabel (Leyte) = 39972 | Isabela (Negros Occidental) = 58819 | Isabela City = 87985 | Island Garden City of Samal = 90291 | Isulan = 79277 | Itbayat = 3069 | Itogon = 48778 | Ivana (Philippinen) = 1181 | Ivisan = 25882 | Jabonga = 23052 | Jaen (Nueva Ecija) = 63474 | Jagna = 32034 | Jalajala = 28738 | Jamindan = 34831 | Janiuay = 57878 | Jaro (Leyte) = 38797 | Jasaan = 45310 | Javier (Leyte) = 23453 | Jiabong = 15968 | Jimalalud = 27728 | Jimenez (Misamis Occidental) = 24340 | Jipapad = 6882 | Jolo (Sulu) = 140307 | Jomalig = 6111 | Jones (Isabela) = 41237 | Jordan (Guimaras) = 32524 | Jose Abad Santos (Davao del Sur) = 62513 | Jose Dalman = 26017 | Jose Panganiban = 49028 | Josefina = 10796 | Jovellar = 17615 | Juban = 28989 | Julita = 12310 | Kabacan = 73991 | Kabankalan City = 166970 | Kabasalan = 40169 | Kabayan = 12657 | Kabugao = 14529 | Kabuntalan = 22363 | Kadingilan = 30135 | Kalamansig = 45263 | Kalawit = 21758 | Kalayaan (Laguna) = 21203 | Kalayaan (Palawan) = 114 | Kalibo = 69700 | Kalingalan Caluang = 36557 | Kalingalan Caluang = 30046 | Kananga (Leyte) = 46373 | Kapai = 18916 | Kapalong = 61763 | Kapangan = 18221 | Kapatagan (Lanao del Norte) = 19598 | Kapatagan (Lanao del Sur) = 49134 | Kasibu = 31515 | Katipunan (Zamboanga del Norte) = 40496 | Kauswagan = 23087 | Kawayan = 19053 | Kawit = 76405 | Kayapa = 20806 | Kiamba = 53040 | Kiangan = 15448 | Kibawe = 35213 | Kiblawan = 43054 | Kibungan = 15700 | Kidapawan City = 117610 | Kinoguitan = 11915 | Kitaotao = 42212 | Kitcharao = 21426 | Kolambugan = 25306 | Koronadal City = 149622 | Kumalarang = 27280 | La Carlota City = 63584 | La Castellana = 70838 | La Libertad (Negros Oriental) = 37007 | La Libertad (Zamboanga del Norte) = 7670 | La Paz (Abra) = 14658 | La Paz (Agusan del Sur) = 25214 | La Paz (Leyte) = 18650 | La Paz (Tarlac) = 61324 | La Trinidad (Benguet) = 97810 | Laak (Compostela Valley) = 66607 | Labangan = 37598 | Labason = 40420 | Labo (Camarines Norte) = 88087 | Labrador (Philippinen) = 20508 | Lacub = 3050 | Lagangilang = 13490 | Lagawe = 17373 | Lagayan = 4134 | Lagonglong = 18372 | Lagonoy = 46093 | Laguindingan = 19952 | Lake Sebu = 60401 | Lakewood (Zamboanga del Sur) = 18562 | Lala (Lanao del Norte) = 58395 | Lal-Lo = 39607 | Lambayong = 60372 | Lambunao = 63300 | Lamitan City = 82074 | Lamut = 22109 | Langiden = 3242 | Languyan = 51377 | Lantapan = 51406 | Lantawan = 28978 | Lanuza = 10788 | Laoac = 28266 | Laoag City = 102457 | Laoang = 56196 | Lapinig = 11198 | Lapu-Lapu City = 292530 | Lapuyan = 26118 | Larena = 12550 | Las Nieves = 25203 | Las Piñas = 532330 | Lasam = 36646 | Laua-an = 23808 | Laur = 30997 | Laurel (Batangas) = 34953 | Lavezares = 26131 | Lawaan = 10645 | Lazi (Siquijor) = 19440 | Lebak = 77139 | Leganes = 27357 | Legazpi City = 179481 | Lemery (Batangas) = 76090 | Lemery (Iloilo) = 25017 | Leon (Iloilo) = 45647 | Leyte (Leyte) = 35478 | Lezo (Aklan) = 13077 | Lian = 44925 | Lianga = 27006 | Libacao = 26610 | Libagon = 14283 | Libertad (Antique) = 14653 | Libertad (Misamis Oriental) = 11038 | Libjo = 18116 | Libmanan = 92839 | Libon (Albay) = 68846 | Libona = 35670 | Libungan = 43923 | Licab = 23675 | Licuan-Baay = 3990 | Lidlidda = 3798 | Ligao City = 101179 | Lila (Bohol) = 10801 | Liliw = 32727 | Liloan (Cebu) = 92181 | Liloan (Southern Leyte) = 22203 | Liloy = 36948 | Limasawa = 5831 | Limay (Bataan) = 54782 | Linamon = 16340 | Linapacan = 11688 | Lingayen = 95773 | Lingig = 23714 | Lipa City = 260568 | Llanera (Nueva Ecija) = 33493 | Llorente (Eastern Samar) = 18257 | Loay = 15881 | Lobo (Batangas) = 37798 | Loboc = 16299 | Looc (Occidental Mindoro) = 11310 | Loon (Bohol) = 42441 | Loon (Bohol) = 20787 | Lope de Vega (Northern Samar) = 12173 | Lopez (Quezon) = 86660 | Lopez Jaena = 22120 | Loreto (Agusan del Sur) = 34549 | Loreto (Dinagat Islands) = 9030 | Los Baños (Laguna) = 98631 | Luba (Abra) = 6363 | Lubang (Occidental Mindoro) = 28267 | Lubao = 143058 | Lubuagan = 10183 | Lucban = 45616 | Lucena City = 236390 | Lugait (Misamis Oriental) = 16863 | Lugus = 21650 | Luisiana = 19255 | Lumba-Bayabao = 57304 | Lumba-Bayabao = 11766 | Lumban = 28443 | Lumbatan = 24036 | Lumbayanague = 21717 | Luna (Apayao) = 16431 | Luna (Isabela) = 15884 | Luna (La Union) = 35372 | Lupao = 36832 | Lupi = 27630 | Lupon = 60133 | Lutayan = 51640 | Luuk = 33508 | Maasim = 49274 | Maasin (Iloilo) = 32555 | Maasin City = 79737 | Ma-ayon = 35448 | Mabalacat = 203307 | Mabinay = 70548 | Mabini (Batangas) = 40629 | Mabini (Bohol) = 28788 | Mabini (Compostela Valley) = 35308 | Mabini (Pangasinan) = 23338 | Mabitac = 17608 | Mabuhay = 30589 | Macabebe = 70332 | Macalelon = 25986 | MacArthur (Leyte) = 17608 | Maco (Compostela Valley) = 70906 | Maconacon = 3991 | Macrohon = 24583 | Madalag = 17889 | Madalum = 25585 | Madamba = 19587 | Maddela = 33637 | Madrid (Surigao del Sur) = 14957 | Madridejos (Cebu) = 30673 | Magalang = 98595 | Magallanes (Agusan del Norte) = 20930 | Magallanes (Cavite) = 18890 | Magallanes (Sorsogon) = 34418 | Magarao = 22515 | Magdalena (Laguna) = 20204 | Magdiwang = 12924 | Magpet = 44114 | Magsaysay (Davao del Sur) = 45005 | Magsaysay (Lanao del Norte) = 12298 | Magsaysay (Misamis Oriental) = 28747 | Magsaysay (Occidental Mindoro) = 30459 | Magsaysay (Palawan) = 11339 | Magsingal = 27615 | Maguing = 29045 | Mahaplag = 27097 | Mahatao = 1539 | Mahayag = 44087 | Mahinog = 13168 | Maigo = 18706 | Maimbung = 38092 | Mainit = 23952 | Maitum = 37054 | Majayjay = 23681 | Makati City = 510383 | Makato = 25043 | Makilala = 71543 | Malabang = 41024 | Malabon City = 363681 | Malabuyoc = 18117 | Malalag = 35241 | Malangas = 29834 | Malapatan = 65605 | Malasiqui = 122820 | Malay (Aklan) = 32110 | Malaybalay City = 144065 | Malibcong = 3354 | Malilipot = 33593 | Malimono = 16883 | Malinao (Aklan) = 23921 | Malinao (Albay) = 39516 | Malita = 106135 | Malitbog (Bukidnon) = 21948 | Malitbog (Southern Leyte) = 20104 | Mallig = 27245 | Malolos = 223069 | Malungon = 95993 | Maluso = 48178 | Malvar (Batangas) = 41730 | Mamasapano = 29285 | Mambajao = 35308 | Mamburao = 34487 | Mambusao = 37498 | Manabo = 10538 | Manaoag = 62684 | Manapla = 52428 | Manay = 38067 | Mandaluyong City = 305576 | Mandaon = 34401 | Mandaue City = 318575 | Mangaldan = 90391 | Mangatarem = 65366 | Mangudadatu = 24300 | Manila = 1660714 | Manito = 21652 | Manjuyod = 39722 | Mankayan = 34563 | Manolo Fortich = 82051 | Mansalay = 43974 | Manticao = 25443 | Manukan = 33129 | Mapanas = 12221 | Mapandan = 32905 | Mapun = 29801 | Marabut = 13745 | Maragondon = 33604 | Maragusan = 51547 | Maramag = 85647 | Marantao = 32075 | Marawi City = 177391 | Marcos (Ilocos Norte) = 16711 | Margosatubig = 34939 | Maria (Siquijor) = 12974 | Maria Aurora = 35289 | Maribojoc = 18113 | Marihatag = 17622 | Marikina City = 424610 | Marilao = 160452 | Maripipi = 6946 | Mariveles (Bataan) = 102844 | Marogong = 21120 | Masantol = 50984 | Masbate City = 81585 | Masinloc = 40603 | Masiu = 30196 | Maslog = 4788 | Mataas na Kahoy = 25400 | Matag-ob = 16764 | Matalam = 66204 | Matalom = 31055 | Matanao = 49806 | Matanog = 36319 | Mati City = 122046 | Matnog = 34517 | Matuguinao = 6589 | Matungao = 9984 | Mauban = 55866 | Mawab = 34656 | Mayantoc = 27274 | Maydolong = 12766 | Mayorga (Leyte) = 13807 | Mayoyao = 16722 | Medellin (Cebu) = 44860 | Medina (Misamis Oriental) = 28484 | Mendez-Nuñez = 26757 | Mercedes (Camarines Norte) = 44375 | Mercedes (Eastern Samar) = 5041 | Merida (Leyte) = 26285 | Mexico (Pampanga) = 141298 | Meycauayan = 196569 | Miag-ao = 60498 | Midsalip = 30772 | Midsayap = 123324 | Milagros = 48185 | Milaor = 26452 | Mina (Iloilo) = 19809 | Minalabac = 43957 | Minalin = 40084 | Minglanilla = 101585 | M&#39;Lang = 86321 | Moalboal = 27398 | Mobo (Masbate) = 32740 | Mogpog = 33341 | Moises Padilla = 39239 | Molave = 48215 | Moncada (Tarlac) = 54547 | Mondragon (Northern Samar) = 32718 | Monkayo = 90971 | Monreal (Masbate) = 21693 | Montevista = 35192 | Morong (Bataan) = 27119 | Morong (Rizal) = 50538 | Motiong = 13549 | Mulanay = 48538 | Mulondo = 16458 | Munai = 20594 | Muntinlupa City = 452943 | Murcia (Negros Occidental) = 71289 | Mutia = 12078 | Naawan = 17988 | Nabas (Aklan) = 28345 | Nabua (Camarines Sur) = 75422 | Nabunturan = 67365 | Naga (Zamboanga Sibugay) = 37349 | Naga City (Camarines Sur) = 160516 | Naga City (Cebu) = 95163 | Nagbukel = 4764 | Nagcarlan = 57070 | Nagtipunan = 20443 | Naguilian (Isabela) = 27977 | Naguilian (La Union) = 45232 | Naic = 87058 | Nampicuan = 11786 | Narra = 62525 | Narvacan = 41578 | Nasipit = 38096 | Nasugbu = 113926 | Natividad = 21560 | Natonin = 9431 | Naujan = 90629 | Naval (Biliran) = 44288 | Navotas (Metro Manila) = 245344 | New Bataan = 45309 | New Corella = 46311 | New Lucena = 21318 | New Washington (Aklan) = 39656 | Norala = 44070 | Northern Kabuntalan = 22170 | Norzagaray = 105470 | Noveleta = 39294 | Nueva Era = 7475 | Nueva Valencia = 35026 | Numancia (Aklan) = 27570 | Nunungan = 13999 | Oas = 63888 | Ocampo (Camarines Sur) = 39759 | Ocampo (Camarines Sur) = 56258 | Odiongan = 42062 | Old Panamao = 49903 | Olongapo City = 227270 | Olutanga = 27521 | Omar (Sulu) = 25102 | Opol = 47187 | Orani (Bataan) = 59530 | Oras = 31745 | Orion (Bataan) = 49164 | Ormoc City = 177524 | Oroquieta City = 65349 | Oslob = 22732 | Oton = 77621 | Ozamis City = 123137 | Padada = 25127 | Padre Burgos (Quezon) = 19877 | Padre Burgos (Southern Leyte) = 10194 | Padre Garcia = 42942 | Paete = 24696 | Pagadian City = 161312 | Pagagawan = 32995 | Pagalungan = 31052 | Pagayawan = 18374 | Pagbilao = 62561 | Paglat = 23432 | Pagsanghan = 7981 | Pagsanjan = 35944 | Pagudpud = 20385 | Pakil = 20242 | Palanan = 16254 | Palanas = 24830 | Palapag = 31398 | Palauig = 30747 | Palayan City = 33506 | Palimbang = 77105 | Palo (Leyte) = 56781 | Palompon = 52530 | Paluan = 13718 | Pambujan = 27837 | Pamplona (Cagayan) = 21889 | Pamplona (Camarines Sur) = 31895 | Pamplona (Negros Oriental) = 34557 | Panabo City = 154329 | Panaon (Misamis Occidental) = 9266 | Panay (Capiz) = 42357 | Pandag = 20557 | Pandami = 23527 | Pandan (Antique) = 29518 | Pandan (Catanduanes) = 19005 | Pandi = 60637 | Panganiban = 9290 | Pangantucan = 46689 | Pangil = 23421 | Panglao (Bohol) = 25558 | Panglima Estino = 35263 | Panglima Sugala = 50504 | Pangutaran = 29571 | Paniqui = 83311 | Panitan = 38666 | Pantabangan = 25520 | Pantao Ragat = 20097 | Pantar (Lanao del Norte) = 15720 | Pantukan = 69656 | Panukulan = 11968 | Paoay = 23117 | Paombong = 53510 | Paracale = 46856 | Paracelis = 24705 | Parañaque City = 552660 | Paranas = 27820 | Parang (Shariff Kabunsuan) = 102247 | Parang (Sulu) = 65019 | Pasacao = 41533 | Pasay City = 403064 | Pasig (Stadt) = 617301 | Pasil = 10084 | Passi City = 76045 | Pastrana (Leyte) = 16008 | Pasuquin = 26307 | Pata (Sulu) = 20095 | Pateros = 61940 | Patikul = 56805 | Patnanungan = 12825 | Patnongon = 33694 | Pavia (Iloilo) = 39275 | Payao = 27623 | Peñablanca (Cagayan) = 40336 | Peñaranda = 26725 | Peñarrubia (Abra) = 6443 | Perez (Quezon) = 11022 | Piagapo = 34792 | Piat = 22211 | Picong = 23487 | Piddig = 20034 | Pidigan = 11280 | Pigkawayan = 59395 | Pikit = 96372 | Pila (Laguna) = 44227 | Pilar (Abra) = 9792 | Pilar (Bataan) = 43213 | Pilar (Bohol) = 27276 | Pilar (Capiz) = 40912 | Pilar (Cebu) = 11941 | Pilar (Sorsogon) = 63539 | Pilar (Surigao del Norte) = 8023 | Pili (Camarines Sur) = 76496 | Pililla = 58525 | Pinabacdao = 14492 | Pinamalayan = 77119 | Pinamungahan = 54859 | Piñan = 18669 | Pinili = 16185 | Pintuyan = 9911 | Pinukpuk = 27783 | Pio Duran = 44972 | Pio V. Corpuz = 22102 | Pitogo (Quezon) = 21095 | Pitogo (Zamboanga del Sur) = 25231 | Placer (Masbate) = 48469 | Placer (Surigao del Norte) = 22743 | Plaridel (Bulacan) = 99817 | Plaridel (Misamis Occidental) = 33073 | Plaridel (Quezon) = 10069 | Pola (Oriental Mindoro) = 32635 | Polanco (Zamboanga del Norte) = 36376 | Polangui = 77122 | Polillo = 27912 | Polomolok = 131436 | Pontevedra (Capiz) = 46768 | Pontevedra (Capiz) = 42003 | Poona Bayabao = 23589 | Poona Piagapo = 19818 | Porac = 102962 | Poro (Cebu) = 21529 | Pototan = 67626 | Pozzorubio = 63689 | Pres. Carlos P. Garcia = 25118 | Pres. Manuel A. Roxas = 35939 | Presentacion = 20266 | President Quirino = 33595 | President Roxas (Capiz) = 28459 | President Roxas (Cotabato) = 43133 | Prieto Diaz = 19762 | Prosperidad = 75390 | Pualas = 17962 | Pudtol = 12595 | Puerto Galera = 28035 | Puerto Princesa = 210508 | Pugo = 18265 | Pulilan = 85008 | Pulupandan = 27072 | Pura (Tarlac) = 22188 | Quezon (Bukidnon) = 91119 | Quezon (Isabela) = 22050 | Quezon (Nueva Ecija) = 33988 | Quezon (Nueva Vizcaya) = 17487 | Quezon (Palawan) = 51234 | Quezon (Quezon) = 15011 | Quezon City = 2679450 | Quinapondan = 12339 | Quirino (Ilocos Sur) = 7866 | Quirino (Isabela) = 21192 | Ragay = 52021 | Rajah Buayan = 24973 | Ramon (Isabela) = 45258 | Ramon Magsaysay (Zamboanga del Sur) = 25321 | Ramos (Tarlac) = 19646 | Rapu-Rapu = 32646 | Real (Quezon) = 33073 | Reina Mercedes = 21874 | Remedios T. Romualdez = 14976 | Rizal (Cagayan) = 16791 | Rizal (Kalinga) = 14614 | Rizal (Laguna) = 15459 | Rizal (Nueva Ecija) = 52465 | Rizal (Occidental Mindoro) = 32065 | Rizal (Palawan) = 35487 | Rizal (Zamboanga del Norte) = 14721 | Rodriguez (Rizal) = 223594 | Romblon (Romblon) = 37544 | Ronda (Cebu) = 17214 | Rosales (Pangasinan) = 57702 | Rosario (Agusan del Sur) = 31293 | Rosario (Batangas) = 95785 | Rosario (Cavite) = 94228 | Rosario (La Union) = 49025 | Rosario (Northern Samar) = 8920 | Roseller Lim = 34952 | Roxas (Isabela) = 53461 | Roxas (Oriental Mindoro) = 46711 | Roxas (Palawan) = 51084 | Roxas City = 147738 | Sabangan = 9098 | Sablan = 10890 | Sablayan = 70506 | Sabtang (Batanes) = 1465 | Sadanga = 9706 | Sagada = 10930 | Sagay (Camiguin) = 11198 | Sagay City = 140511 | Sagbayan = 19399 | Sagñay = 29082 | Saguday = 13479 | Saguiaran = 23274 | Saint Bernard = 25252 | Salay = 22577 | Salcedo (Eastern Samar) = 18680 | Salcedo (Ilocos Sur) = 10704 | Sallapadan = 6370 | Salug = 29960 | Salvador (Lanao del Norte) = 23222 | Salvador Benedicto = 22979 | Samal (Bataan) = 33867 | Samboan = 18140 | Sampaloc (Quezon) = 13534 | San Agustin (Isabela) = 20681 | San Agustin (Romblon) = 22118 | San Agustin (Surigao del Sur) = 19546 | San Andres (Catanduanes) = 33781 | San Andres (Quezon) = 29216 | San Andres (Romblon) = 14120 | San Antonio (Northern Samar) = 8151 | San Antonio (Nueva Ecija) = 67446 | San Antonio (Quezon) = 30023 | San Antonio (Zambales) = 32494 | San Benito (Surigao del Norte) = 5275 | San Carlos (Pangasinan) = 161884 | San Carlos City = 129809 | San Clemente (Tarlac) = 12458 | San Dionisio = 32171 | San Emilio = 6920 | San Enrique (Iloilo) = 30006 | San Enrique (Negros Occidental) = 22987 | San Esteban (Ilocos Sur) = 7779 | San Fabian = 74005 | San Felipe (Zambales) = 21322 | San Fernando (Bukidnon) = 44595 | San Fernando (Camarines Sur) = 30697 | San Fernando (Cebu) = 54932 | San Fernando (La Union) = 114813 | San Fernando (Masbate) = 19565 | San Fernando (Romblon) = 22325 | San Fernando City = 269365 | San Francisco (Agusan del Sur) = 62881 | San Francisco (Cebu) = 44588 | San Francisco (Quezon) = 53286 | San Francisco (Southern Leyte) = 12084 | San Francisco (Surigao del Norte) = 12449 | San Gabriel (Philippinen) = 15803 | San Guillermo (Isabela) = 16865 | San Ildefonso (Bulacan) = 93438 | San Ildefonso (Ilocos Sur) = 6670 | San Isidro (Abra) = 4647 | San Isidro (Bohol) = 9176 | San Isidro (Davao del Norte) = 24696 | San Isidro (Davao Oriental) = 32139 | San Isidro (Isabela) = 21387 | San Isidro (Leyte) = 29655 | San Isidro (Northern Samar) = 23573 | San Isidro (Nueva Ecija) = 44687 | San Isidro (Surigao del Norte) = 6229 | San Jacinto (Masbate) = 26508 | San Jacinto (Pangasinan) = 35591 | San Joaquin (Iloilo) = 50102 | San Jorge = 14134 | San Jose (Antique) = 118807 | San Jose (Antique) = 54871 | San Jose (Batangas) = 61307 | San Jose (Camarines Sur) = 35768 | San Jose (Dinagat Islands) = 28398 | San Jose (Dinagat Islands) = 9428 | San Jose (Negros Oriental) = 17250 | San Jose (Northern Samar) = 15185 | San Jose (Tarlac) = 32728 | San Jose City = 122353 | San Jose De Buan = 6814 | San Jose del Monte = 439090 | San Juan (Abra) = 9714 | San Juan (Batangas) = 87276 | San Juan (Ilocos Sur) = 23808 | San Juan (La Union) = 32952 | San Juan (Metro Manila) = 125338 | San Juan (Siquijor) = 13180 | San Juan (Southern Leyte) = 14442 | San Julian (Eastern Samar) = 13164 | San Leonardo (Nueva Ecija) = 54596 | San Lorenzo (Guimaras) = 22319 | San Lorenzo Ruiz = 12299 | San Luis (Agusan del Sur) = 30424 | San Luis (Aurora) = 23766 | San Luis (Batangas) = 29645 | San Luis (Pampanga) = 47517 | San Manuel (Isabela) = 28420 | San Manuel (Pangasinan) = 46769 | San Manuel (Tarlac) = 23463 | San Marcelino = 29052 | San Mariano (Isabela) = 44718 | San Mateo (Isabela) = 57885 | San Mateo (Rizal) = 184860 | San Miguel (Bohol) = 22199 | San Miguel (Bulacan) = 138839 | San Miguel (Catanduanes) = 12966 | San Miguel (Iloilo) = 23804 | San Miguel (Leyte) = 16527 | San Miguel (Surigao del Sur) = 32737 | San Miguel (Zamboanga del Sur) = 16981 | San Narciso (Quezon) = 39828 | San Narciso (Zambales) = 24856 | San Nicolas (Batangas) = 19046 | San Nicolas (Ilocos Norte) = 33642 | San Nicolas (Pangasinan) = 33419 | San Pablo (Isabela) = 20561 | San Pablo (Zamboanga del Sur) = 25575 | San Pablo City = 237259 | San Pascual (Batangas) = 57200 | San Pascual (Masbate) = 41736 | San Pedro (Laguna) = 281808 | San Policarpo = 13689 | San Quintin (Abra) = 5341 | San Quintin (Pangasinan) = 30556 | San Rafael (Bulacan) = 85284 | San Rafael (Iloilo) = 13694 | San Remigio (Antique) = 28401 | San Remigio (Cebu) = 47826 | San Ricardo = 9490 | San Roque (Northern Samar) = 22897 | San Sebastian (Samar) = 7365 | San Simon = 48050 | San Teodoro (Oriental Mindoro) = 15039 | San Vicente (Camarines Norte) = 9615 | San Vicente (Ilocos Sur) = 11907 | San Vicente (Northern Samar) = 6506 | San Vicente (Palawan) = 25218 | Sanchez-Mira = 23044 | Santa (Philippinen) = 14059 | Santa Ana (Cagayan) = 25833 | Santa Ana (Pampanga) = 49756 | Santa Barbara (Iloilo) = 51075 | Santa Barbara (Pangasinan) = 73025 | Santa Catalina (Ilocos Sur) = 13284 | Santa Catalina (Negros Oriental) = 72629 | Santa Cruz (Davao del Sur) = 76113 | Santa Cruz (Ilocos Sur) = 35906 | Santa Cruz (Laguna) = 101914 | Santa Cruz (Marinduque) = 61322 | Santa Cruz (Occidental Mindoro) = 30402 | Santa Cruz (Zambales) = 52202 | Santa Elena (Camarines Norte) = 40300 | Santa Fe (Cebu) = 26826 | Santa Fe (Leyte) = 15905 | Santa Fe (Nueva Vizcaya) = 13421 | Santa Fe (Romblon) = 16315 | Santa Ignacia = 43560 | Santa Josefa = 24972 | Santa Lucia (Ilocos Sur) = 23872 | Santa Magdalena = 15425 | Santa Marcela = 11731 | Santa Margarita (Samar) = 23488 | Santa Maria (Bulacan) = 205258 | Santa Maria (Davao del Sur) = 48362 | Santa Maria (Ilocos Sur) = 28002 | Santa Maria (Isabela) = 20695 | Santa Maria (Laguna) = 26267 | Santa Maria (Pangasinan) = 30721 | Santa Maria (Romblon) = 7520 | Santa Monica (Surigao del Norte) = 7916 | Santa Praxedes = 3379 | Santa Rita (Pampanga) = 36723 | Santa Rita (Samar) = 34959 | Santa Rosa (Nueva Ecija) = 58762 | Santa Rosa City = 266943 | Santa Teresita (Batangas) = 16891 | Santa Teresita (Philippinen) = 16578 | Santander (Cebu) = 15294 | Santiago (Agusan del Norte) = 18931 | Santiago (Ilocos Sur) = 16806 | Santiago City (Philippinen) = 126244 | Santo Domingo (Albay) = 30711 | Santo Domingo (Ilocos Sur) = 25888 | Santo Domingo (Nueva Ecija) = 47960 | Santo Niño (Cagayan) = 25688 | Santo Niño (Samar) = 12777 | Santo Niño (South Cotabato) = 38400 | Santo Tomas (Batangas) = 113105 | Santo Tomas (Davao del Norte) = 97210 | Santo Tomas (Isabela) = 22172 | Santo Tomas (La Union) = 33604 | Santo Tomas (Pampanga) = 37866 | Santo Tomas (Pangasinan) = 13706 | Santol (Philippinen) = 11712 | Sapad = 17191 | Sapang Dalaga = 16567 | Sapa-Sapa = 37135 | Sapi-an = 23552 | Sara (Iloilo) = 45005 | Sarangani (Davao del Sur) = 20394 | Sariaya = 128248 | Sarrat = 23810 | Sasmuan = 26630 | Science City of Muñoz = 71669 | Sebaste (Antique) = 15840 | Sen. Ninoy Aquino = 35168 | Sergio Osmeña Sr. = 29049 | Sevilla (Bohol) = 11289 | Shariff Aguak = 71971 | Siasi = 63518 | Siaton = 67943 | Siay = 33902 | Siayan = 34588 | Sibagat = 30074 | Sibalom = 53934 | Sibonga = 40765 | Sibuco = 28101 | Sibulan = 47162 | Sibunag = 17552 | Sibutad = 16429 | Sibutu = 35377 | Sierra Bullones = 26398 | Sigay = 2453 | Sigma (Capiz) = 28709 | Sikatuna = 6335 | Silago = 11163 | Silang (Cavite) = 199825 | Silay City = 120365 | Silvino Lobos = 13761 | Simunul = 38239 | Sinacaban = 16772 | Sinait = 24896 | Sindangan = 87720 | Siniloan = 34877 | Siocon = 41221 | Sipalay City = 67211 | Sipocot = 57861 | Siquijor (Siquijor) = 23271 | Sirawai = 20112 | Siruma = 17035 | Sison (Pangasinan) = 42791 | Sison (Surigao del Norte) = 11276 | Sitangkai = 40641 | Socorro (Oriental Mindoro) = 38052 | Socorro (Surigao del Norte) = 18833 | Sofronio Española = 28698 | Sogod (Cebu) = 28955 | Sogod (Southern Leyte) = 39864 | Solana (Philippinen) = 71475 | Solano (Philippinen) = 56244 | Solsona (Philippinen) = 22202 | Sominot = 16367 | Sorsogon City = 151454 | South Ubian = 32986 | South Upi = 32014 | Sual = 29925 | Subic = 77118 | Sudipen = 15949 | Sugbongcogon = 8164 | Sugpon = 3936 | Sulat = 19322 | Sulop = 29082 | Sultan Dumalondong = 16693 | Sultan Kudarat (Shariff Kabunsuan) = 121324 | Sultan Mastura = 25741 | Sultan Naga Dimaporo = 46004 | Sultan sa Barongis = 25767 | Sumilao (Bukidnon) = 21720 | Sumisip = 45848 | Surallah = 71513 | Surigao City = 132151 | Suyo = 10943 | Taal (Batangas) = 51459 | Tabaco City = 123513 | Tabango = 30503 | Tabina = 23798 | Tabogon = 31942 | Tabontabon = 9518 | Tabuan-Lasa = 25959 | Tabuelan = 21421 | Tabuk City = 87912 | Tacloban City = 217199 | Tacurong City = 82546 | Tadian = 17148 | Taft (Eastern Samar) = 16362 | Tagana-an = 14199 | Tagapul-an = 8067 | Tagaytay City = 61623 | Tagbilaran = 92297 | Tagbina = 36595 | Tagkawayan = 46878 | Tago = 31342 | Tagoloan (Lanao del Norte) = 9274 | Tagoloan (Misamis Oriental) = 56499 | Tagoloan II = 11144 | Tagudin = 35791 | Tagum City = 215967 | Tagum City = 613343 | Talacogon = 33093 | Talaingod = 19600 | Talakag = 53316 | Talalora = 7535 | Talavera (Nueva Ecija) = 105122 | Talayan = 25753 | Talibon = 59274 | Talipao = 85920 | Talisay (Batangas) = 39120 | Talisay (Camarines Norte) = 22942 | Talisay City (Cebu) = 179359 | Talisay City (Negros Occidental) = 96444 | Talisayan = 20842 | Talitay = 21964 | Talugtug = 20671 | Talusan = 22875 | Tambulig = 34242 | Tampakan = 34245 | Tamparan = 27875 | Tampilisan = 21671 | Tanauan = 47426 | Tanauan City = 142537 | Tanay (Rizal) = 94460 | Tandag City = 50459 | Tandubas = 33037 | Tangalan = 19121 | Tangcal = 9351 | Tangub City = 56644 | Tanjay City = 78539 | Tantangan = 35825 | Tanudan = 8119 | Tanza = 171795 | Tapaz = 47059 | Tapul = 17430 | Taraka (Lanao del Sur) = 28196 | Tarangnan = 22767 | Tarlac-Stadt = 314155 | Tarragona (Davao Oriental) = 24363 | Tayabas City = 87252 | Tayasan = 32383 | Taysan = 33454 | Taytay (Palawan) = 61991 | Taytay (Rizal) = 262485 | Tayug = 37954 | Tayum = 13360 | T&#39;Boli = 70609 | Teresa (Rizal) = 44436 | Ternate (Cavite) = 20457 | Tiaong = 87707 | Tibiao = 23228 | Tigaon = 45509 | Tigbao = 18598 | Tigbauan = 54574 | Tinambac = 59125 | Tineg = 4317 | Tinglayan = 11619 | Tingloy = 18548 | Tinoc = 12045 | Tipo-Tipo = 26548 | Titay = 43723 | Tiwi (Albay) = 49185 | Tobias Fornier = 29772 | Toboso = 41358 | Toledo City = 152960 | Tolosa (Leyte) = 16839 | Tomas Oppus = 15817 | Tongkil = 22502 | Torrijos (Marinduque) = 29360 | Trece Martires City = 90177 | Trento (Philippinen) = 46247 | Trinidad (Bohol) = 27580 | Tuao = 57154 | Tuba (Benguet) = 40008 | Tubajon = 7815 | Tubao = 26402 | Tubaran = 20358 | Tubay = 18674 | Tubigon = 44434 | Tublay = 15096 | Tubo = 5588 | Tubod (Lanao del Norte) = 44095 | Tubod (Surigao del Norte) = 11664 | Tubungan = 20631 | Tuburan (Basilan) = 26498 | Tuburan (Cebu) = 53663 | Tudela (Cebu) = 11266 | Tudela (Misamis Occidental) = 25113 | Tugaya = 24017 | Tuguegarao = 129539 | Tukuran = 36591 | Tulunan = 47159 | Tumauini = 55041 | Tunga (Leyte) = 6221 | Tungawan = 37588 | Tupi (South Cotabato) = 57779 | Turtle Islands (Tawi-Tawi) = 6194 | Tuy (Philippinen) = 40290 | Ubay = 65900 | Umingan = 62497 | Ungkaya Pukan = 30472 | Unisan = 23911 | Upi (Shariff Kabunsuan) = 41757 | Urbiztondo = 43430 | Urdaneta (Pangasinan) = 120785 | Uson = 50404 | Uyugan = 1203 | Valderrama (Antique) = 18878 | Valencia (Bohol) = 28043 | Valencia (Negros Oriental) = 27933 | Valencia City = 162745 | Valenzuela City = 568928 | Valladolid (Negros Occidental) = 34895 | Vallehermoso (Negros Oriental) = 34933 | Veruela = 36862 | Victoria (Laguna) = 33829 | Victoria (Northern Samar) = 12623 | Victoria (Oriental Mindoro) = 44932 | Victoria (Tarlac) = 57085 | Victorias City = 88149 | Viga (Catanduanes) = 19266 | Vigan City = 47246 | Villaba = 37838 | Villanueva (Misamis Oriental) = 29315 | Villareal = 25135 | Villasis = 56668 | Villaverde = 16623 | Villaviciosa (Abra) = 5147 | Vincenzo A. Sagun = 19984 | Vintar = 29405 | Vinzons = 39653 | Virac (Catanduanes) = 64554 | Wao = 42186 | Zamboanga City = 774407 | Zamboanguita = 24914 | Zaragoza (Nueva Ecija) = 40355 | Zarraga = 21458 | Zumarraga (Samar) = 16743 | #default= <strong class="error">Ungültiger Metadaten-Schlüssel <tt>{{{1}}}</tt></strong>{{#ifeq: {{NAMESPACE}} | {{ns:0}} | [[Kategorie:Vorlage:Metadaten Einwohnerzahl/Fehler]]}} }} }}</includeonly><noinclude> [[Kategorie:Vorlage:Philippinen|{{PAGENAME}}]] [[Kategorie:Vorlage:Metadaten Einwohnerzahl|PH]] </noinclude> ejbbuq1coz4dflinhzpv7po51d6gle8 wikitext text/x-wiki Vorlage:Infobox Kriegsschiff/Doku 10 24301 26899 2009-10-13T09:57:11Z Felix Stember 120 <noinclude>{{Dokumentation/Dokuseite}}</noinclude> == Beschreibung == Infobox zur einheitlichen Gestaltung von Basis-Informationen von Kriegsschiffen (Flugzeugträgern, Kreuzern, U-Booten, ...) sowie Schiffsklassen. == Kopiervorlage == <pre><nowiki> {{Infobox Kriegsschiff | Titelflagge = | Farbe1 = | Farbe2 = | Titel = | Klasse = | Bild = | Bildtext = | Flagge = | Typ = | Namensgeber = | Einheiten = | Bauwerft = | Bestellung = | Kiellegung = | Stapellauf = | Auslieferung = | Dienstzeit = | Indienststellung = | Außerdienststellung = | Gestrichen = | Heimathafen = | Verbleib = | Kommentar = | Verdrängung = | Länge = | Breite = | Höhe = | Tiefgang = | Tauchtiefe = | Besatzung = | Antrieb = | Geschwindigkeit = | Reichweite = | Aktionsradius = | Bunkermenge = | Bewaffnung = | Extra1 = | Extra1_Daten = | Extra2 = | Extra2_Daten = | Extra3 = | Extra3_Daten = | Extra4 = | Extra4_Daten = | Extra5 = | Extra5_Daten = | Extra6 = | Extra6_Daten = | Extra7 = | Extra7_Daten = | Extra8 = | Extra8_Daten = | Extra9 = | Extra9_Daten = | Wappen = }} </nowiki></pre> Bei Schiffen, die eine 2. Dienstzeit bei einem anderen Besitzer haben, kann der folgende Parameterblock zusätzlich genutzt werden: <pre><nowiki> | Flagge2 = | Dienstzeit2 = | Indienststellung2 = | Außerdienststellung2= | Heimathafen2 = | Verbleib2 = </nowiki></pre> Hierbei ist Flagge2 ein Pflichtfeld - ohne dieses wird keine 2. Dienstzeit angezeigt. == Parameter == Sämtliche Parameter sind optional, die entsprechende Tabellenzeile wird bei leerem / fehlendem Parameter nicht ausgegeben. ; Farbe1 : Hintergrundfarbe für die Überschriften, Angabe in Hexadezimal ohne '#', z.B. ffffff für weiss ; Farbe2 : Textfarbe für die Überschrift, analog zu Farbe1 ; Klasse : Name der geschriebenen Schiffsklasse ; Titel : Alternativ statt der Schiffsklasse ein Infobox - Titel ; Titelflagge : Alternativ statt der Schiffsklasse oder dem Titel eine Flagge, Nur der Dateiname, ohne „Bild:“ ; Bild : Abbildung des Schiffs bzw. eines Schiffs der Schiffsklasse. Nur der Dateiname, ohne „Bild:“ ; Bildtext : Bild-Untertitel ; Flagge : Bild für die Flagge des Schiffsbesitzers. Nur der Dateiname, ohne „Bild:“ ; Typ : Schiffstyp, z.b. <nowiki>[[Leichter Kreuzer]]</nowiki> ; Namensgeber : Namensgeber für die Schiffsklasse bzw. das Schiff. ; Einheiten : Anzahl gebauter Einheiten einer Schiffsklasse ; Bauwerft : Werft, auf der das Schiff / die Schiffsklasse gebaut wurde ; Bestellung : Bestell-Datum ; Kiellegung : Datum der Kiellegung ; Stapellauf : Datum des Stapellaufs ; Dienstzeit : Dienstzeit des Schiffs / der Schiffsklasse ; Heimathafen : Heimathafen des Schiffs ; Verbleib : Verbleib des Schiffs nach Ende der Dienstzeit ; Kommentar : Kommentarfeld für die technischen Daten ; Verdrängung : Verdrängung des Schiffs, z.B. <nowiki>19.800 ts</nowiki> ; Länge : Gesamtlänge des Schiffs ; Breite : Breite des Schiffs ; Höhe : Höhe (über Wasserlinie) ; Tiefgang : Tiefgang des Schiffs ; Tauchtiefe : Für U-Boote: Maximale Tauchtiefe ; Besatzung : Besatzung des Schiffs ; Antrieb : Antriebsdaten und Leistung ; Geschwindigkeit : Reise- und Maximalgeschwindigkeit ; Reichweite : Reichweite des Schiffes (mit einer Tankfüllung), auch Transit- oder Überführungs-reichweite (von A nach B) ; Aktionsradius : Aktionsradius des Schiffes (mit einer Tankfüllung), auch Einsatzreichweite (von A nach B und zurück zu A) ; Bunkermenge : Treibstoffvorrat ; Bewaffnung : Liste der Waffen an Bord ; Extra1 - Extra9 : Titelfeld für 'Extra-Daten' in der Infobox, z.B. "Radar", "Rufzeichen", ... ; Extra1_Daten - Extra9_Daten : Daten für das zugehörige Titelfeld ; Wappen : Bild-Link auf das Schiffswappen Optionaler 2. Besitzer: ; Flagge 2 : Bild für die Flagge des 2. Schiffsbesitzers. Nur der Dateiname, ohne „Bild:“. Pflichtfeld bei Nutzung des Blocks ; Dienstzeit2 : Dienstzeit des Schiffs / der Schiffsklasse ; Heimathafen2 : Heimathafen des Schiffs ; Verbleib2 : Verbleib des Schiffs nach Ende der Dienstzeit == Beispiele == === Atlanta-Klasse === <pre><nowiki> {{Infobox Kriegsschiff | Klasse = Atlanta | Bild = USS Atlanta (CL-51).jpg | Bildtext = USS Atlanta 1941 | Typ = [[Leichter Kreuzer]] | Namensgeber = [[Atlanta]], [[Georgia]] | Einheiten = 10 gebaut, 0 in Dienst | Dienstzeit = 1941 – 1956 | Kommentar = Angaben gelten für das Typschiff, spätere Baulose können Abweichungen aufweisen | Verdrängung = 6718 ts | Länge = 164,9 m | Breite = 16,1 m | Tiefgang = 6,1 m | Besatzung = 35&nbsp;Offiziere, 683&nbsp;Mann Mannschaft | Antrieb = 4&nbsp;Kessel, 2&nbsp;[[Dampfturbine|Dampfturbinen]], 2&nbsp;[[Welle (Mechanik)|Wellen]], 76.000&nbsp;[[Pferdestärke|PS]] | Geschwindigkeit = 33&nbsp;[[Knoten (Geschwindigkeit)|kn]] (61&nbsp;[[Kilometer pro Stunde|km/h]]) | Reichweite = 3475&nbsp;[[Seemeile|sm]] (6436&nbsp;km) bei 25&nbsp;[[Knoten (Geschwindigkeit)|kn]] | Bewaffnung = 1941: <br /> * 8 5“-Zwillingsgeschütze * 3 1,1“-Vierfachgeschütze * 6 20-mm-MK * 8 21“-Torpedorohre * 2 WaBoablaufgestelle * 3 WaBowerfer<br /> 1943: <br /> * 8 5“-Zwillingsgeschütze * 6 40-mm-Vierfachgeschütze * 13 20-mm-MK * 8 21“-Torpedorohre * 2 WaBoablaufgestelle * 3 WaBowerfer }} </nowiki></pre> === USS Enterprise === <pre><nowiki> {{Infobox Kriegsschiff | Farbe1 = 000080 | Farbe2 = ffffff | Bild = USS Enterprise (April 1939).jpg | Bildtext = USS Enterprise im April 1939 | Flagge = US flag 48 stars.svg | Bauwerft = [[Newport News Shipbuilding|Newport News Shipbuilding <br>and Dry Dock Company]], <br/>Virginia | Kiellegung = Juli 1934 | Dienstzeit = Mai 1938 - 17. Februar 1947 | Verbleib = 1960 abgewrackt | Verdrängung = 19.800 ts (Standard)<br/>25.500 ts (voll beladen) | Länge = 247 m | Breite = 33 m | Tiefgang = 6,7 m (Standard)<br />8,5 m (voll beladen) | Geschwindigkeit = 32,5 [[Knoten (Geschwindigkeit)|kn]]<br /><small>(in Schlachten auch 33,65 kn)</small> | Reichweite = 10.400 [[Seeeilen|sm]] bei 15 kn, <br />7.900 sm bei 20 kn | Besatzung = 1889 in Friedenszeiten<br />2919 im Pazifikkrieg | Antrieb = 4&nbsp;Parsons&nbsp;[[Dampfturbine|Dampfturbinen]] mit 9&nbsp;Babcock&nbsp;&amp;&nbsp;Wilcox Kesseln<br /> 120.000&nbsp;[[Pferdestärke|PS]] (auf 4 Antriebswellen) | Bewaffnung = * 24x Browning M2 50-[[Kaliber]] [[Maschinengewehr|MGs]] * 4x Quad 1.1" 75-Kaliber [[Flugabwehrkanone|Kanone]] * 8x 5" 38-Kaliber Multi-Einsatzkanone * 32-50x Oerlikon 20 mm MG * 4-16x Bofors 40 mm Kanonen | Extra1 = Radar | Extra1_Daten = * CXAM-1 Suchradar * SC-2 Suchradar * SK Suchradar * Waffenzielradar | Extra2 = Flugzeuge | Extra2_Daten = 96 Stück (max 80-90 an Bord) }} </nowiki></pre> == Farben Kopfleiste + Flaggen == {| class="prettytable" width="100%" |- !width="33%"|Anwendung bei !width="33%"|Farbcode !width="33%"|Aussehen |- |United States Navy (seit 2001) |<pre>|Farbe1=000080 |Farbe2=ffffff |Flagge=Naval Jack of the United States.svg </pre> | {| class="prettytable float-right" style="clear:right; font-size:95%; width:310px;" |- ! style="background-color:#000080; color:#ffffff;" |Schiff ! style="background-color:#000080; color:#ffffff;" | [[Bild:Naval Jack of the United States.svg|60px|center]] |} |- |United States Navy (1948 - 2001) |<pre>|Farbe1=000080 |Farbe2=ffffff |Flagge=US Naval Jack.svg </pre> | {| class="prettytable float-right" style="clear:right; font-size:95%; width:310px;" |- ! style="background-color:#000080; color:#ffffff;" |Schiff ! style="background-color:#000080; color:#ffffff;" | [[Bild:US Naval Jack.svg|60px|center]] |} |- |United States Navy (2. Weltkrieg) |<pre>|Farbe1=000080 |Farbe2=ffffff |Flagge=US Naval Jack 48 stars.svg </pre> | {| class="prettytable float-right" style="clear:right; font-size:95%; width:310px;" |- ! style="background-color:#000080; color:#ffffff;" |Schiff ! style="background-color:#000080; color:#ffffff;" | [[Bild:US Naval Jack 48 stars.svg|60px|center]] |} |- |Royal Navy |<pre>|Farbe1=cedaf2 |Farbe2=000000 |Flagge= Naval Ensign of the United Kingdom.svg </pre> | {| class="prettytable float-right" style="clear:right; font-size:95%; width:310px;" |- ! style="background-color:#cedaf2; color:#000000;" |Schiff ! style="background-color:#cedaf2; color:#000000;" | [[Bild:Naval Ensign of the United Kingdom.svg|60px|center]] |} |- |Deutsche Marine |<pre>|Farbe1=cedaf2 |Farbe2=000000 |Flagge= Naval_Ensign_of_Germany.svg </pre> | {| class="prettytable float-right" style="clear:right; font-size:95%; width:310px;" |- ! style="background-color:#cedaf2; color:#000000;" |Schiff ! style="background-color:#cedaf2; color:#000000;" | [[Bild:Naval_Ensign_of_Germany.svg|60px|center]] |} |- |Royal Australian Navy |<pre>|Farbe1=000080 |Farbe2=ffffff |Flagge=Naval Ensign of Australia.svg </pre> | {| class="prettytable float-right" style="clear:right; font-size:95%; width:310px;" |- ! style="background-color:#000080; color:#ffffff;" |Schiff ! style="background-color:#000080; color:#ffffff;" | [[Bild:Naval Ensign of Australia.svg|60px|center]] |} |- |Japanische Marine |<pre>|Farbe1=FFFFFF |Farbe2=CD0000 |Flagge=Naval Ensign of Japan.svg </pre> | {| class="prettytable float-right" style="clear:right; font-size:95%; width:310px;" |- ! style="background-color:#FFFFFF; color:#CD0000;" |Schiff ! style="background-color:#FFFFFF; color:#CD0000;" | [[Bild:Naval Ensign of Japan.svg|60px|center]] |} |- |Sowjetische Marine |<pre>|Farbe1=FFFFFF |Farbe2=CD0000 |Flagge=Naval Ensign of the Soviet Union.svg </pre> | {| class="prettytable float-right" style="clear:right; font-size:95%; width:310px;" |- ! style="background-color:#FFFFFF; color:#CD0000;" |Schiff ! style="background-color:#FFFFFF; color:#CD0000;" | [[Bild:Naval Ensign of the Soviet Union.svg|60px|center]] |} |- |Brasilianische Marine |<pre>|Farbe1=000080 |Farbe2=ffffff |Flagge=Naval Jack of Brazil.svg </pre> | {| class="prettytable float-right" style="clear:right; font-size:95%; width:310px;" |- ! style="background-color:#000080; color:#ffffff;" |Schiff ! style="background-color:#000080; color:#ffffff;" | [[Bild:Naval Jack of Brazil.svg|60px|center]] |} |} m2l4iw3y1laeprax02cd4h8gix9nyse wikitext text/x-wiki Vorlage:BSe/Doku 10 24302 26900 2008-07-19T15:02:39Z Axpde 417 Hinweis auf [[WP:FVBS]] ergänzt <noinclude>{{Dokumentation/Dokuseite}} </noinclude>Universalvorlage für BS-Tabellenzeilen mit ''ehemaligen Betriebsstellen''. * Parameter1: ID des Bildes, z.&nbsp;B. BHF, siehe [[Wikipedia:Formatvorlage Bahnstrecke]]. * Parameter2: ''km-Angabe'' * Parameter3: ''Name der Betriebsstelle'' * Parameter4: ''Anmerkung'' * Parameter5: ''Anmerkung rechtsbündig'' * benannter Parameter PX: Höhe des Bildes (z.&nbsp;B. PX=50px), falls dies nicht angegeben wird, Voreinstellung 20px * benannter Parameter HI: CSS-Klasse für „Highlight“, um gewisse Abschnitte hervorzuheben, Beispiel siehe [[Seetalbahn]] * benannter Parameter T: „Teleskop“, hier wird die Angabe eine BSicons erwartet, mit dem bei mehrzeiligem Text die Lücken oberhalb und unterhalb des eigentlichen BSicons geschlossen werden * benannter Parameter To: „Teleskop oben“, siehe Teleskop aber nur die obere Lücke * benannter Parameter Tu: „Teleskop unten“, siehe Teleskop aber nur die untere Lücke 0zqcn1u98horlsycag8ib0lfpx2jh4j wikitext text/x-wiki Vorlage:BSe/Meta 10 24303 26901 2010-04-28T21:32:03Z Axpde 417 interwiki korrigiert <noinclude>{{Dokumentation/Metaseite}}</noinclude><includeonly> [[fr:Modèle:BSe]] [[hsb:Předłoha:ŽLn]] [[hu:Sablon:BSe]] [[pt:Predefinição:BSe]] [[zh:Template:BSe]] </includeonly> 3gmlfjnca8ed5ks03x9orofl25tg5ty wikitext text/x-wiki Vorlage:MGH/Doku 10 24304 26902 2010-01-02T01:15:02Z FordPrefect42 0 [[Hilfe:Zusammenfassung und Quellen#Auto-Zusammenfassung|AZ]]: Die Seite wurde neu angelegt: <noinclude>{{Dokumentation/Dokuseite}}</noinclude> == Vorlage für Zitat der Monumenta Germaniae Histori… <noinclude>{{Dokumentation/Dokuseite}}</noinclude> == Vorlage für Zitat der Monumenta Germaniae Historica mit Link auf MGH digital == Die [[Monumenta Germaniae Historica]] gibt es dankenswerterweise ziemlich vollständig digital. Diese Vorlage erzeugt ein möglichst komplettes Literaturzitat mit einem Link auf die digitale Ausgabe, die unter http://www.dmgh.de zu finden ist. == Syntax == <pre><nowiki> {{MGH|Reihe|Band|Seite von|Seite bis}} </nowiki></pre> ''Reihe'' muss eines der folgenden Kürzel sein: * AuctAnt (Auctores antiquissimi) * SSrerMerov (Scriptores rerum Merovingicarum) * SSrerLangob (Scriptores rerum Langobardicarum et Italicarum) * GestaPontifRom (Gesta pontificum Romanorum) * SS (Scriptores (in Folio)) * SSrerGermNS (Scriptores rerum Germanicarum, Nova series) * SSrerGerm (Scriptores rerum Germanicarum in usum scholarum separatim editi) * DtChron (Deutsche Chroniken) * Ldl (Libelli de lite imperatorum et pontificum) * Staatsschriften (Staatsschriften des späteren Mittelalters) * DD (Diplomata) * Epp (Epistolae (in Quart)) * EppKaiserzeit (Die Briefe der deutschen Kaiserzeit) * EppSpaetMA (Briefe des späteren Mittelalters) * EppSaecXIII (Epistolae saeculi XIII e regestis pontificum Romanorum selectae) * Poetae (Poetae Latini medii aevi) Einige Reihen der MGH (Leges, Necrologia usw.) sind noch nicht unterstützt, kommen demnächst. ''Band'' muss die Bandnummer sein, so wie sie in der Reihenübersicht auf http://www.dmgh.de angegeben ist (Ausnahme: die ''Diplomata'' sind auf der Webseite nicht nummeriert, hier ist eine laufende Nummer anzugeben: von 1 = Merowinger bis 31 = Mathilde von Tuszien). Die Seitenzahlen sind optional. Bei Angabe einer Seitenauswahl wird direkt auf die ''Seite von'' verlinkt. == Beispiel == <pre><nowiki> ''Annales Sangallenses''. In: {{MGH|SS|1|61|85}} </nowiki></pre> iveztmmjx41flwb31f8n0zz1axt3jta wikitext text/x-wiki Vorlage:MGH/Meta 10 24305 26903 2010-01-02T01:16:55Z FordPrefect42 0 [[Hilfe:Zusammenfassung und Quellen#Auto-Zusammenfassung|AZ]]: Die Seite wurde neu angelegt: <noinclude>{{Dokumentation/Metaseite}}</noinclude><includeonly> [[Kategorie:Vorlage:Datenbanklink|Mgh]] … <noinclude>{{Dokumentation/Metaseite}}</noinclude><includeonly> [[Kategorie:Vorlage:Datenbanklink|Mgh]] </includeonly> h18pbkqjj8cdvuznxiwy4u9dgu645h3 wikitext text/x-wiki Vorlage:Audio-IPA/Doku 10 24306 26904 2010-04-18T18:59:00Z Möchtegern 0 veraltete erläuterung <noinclude>{{Dokumentation/Dokuseite}}</noinclude> Diese Vorlage dient dazu, Tonmaterial einzubinden und auf denjenigen Browsern die Darstellung der IPA-Ausspracheangabe zu gewährleisten, die zwar Unicode darstellen, aber nicht eine passende Schriftart auswählen können. == Kopiervorlage == <nowiki>{{Audio|</nowiki>''Name der Tondatei''|''Lautschrift (in [[Internationales Phonetisches Alphabet|IPA]])''<nowiki>}}</nowiki> == Beispiele == <nowiki>{{Audio-IPA|En-us-George Walker Bush.ogg|ˈdʒɔɹdʒ ˈwɔːkɚ bʊʃ}}</nowiki> {{Audio-IPA|En-us-George Walker Bush.ogg|ˈdʒɔɹdʒ ˈwɔːkɚ bʊʃ}} == Siehe auch == * [[Vorlage:IPA]], [[Vorlage:Audio]], [[Hilfe:Audio]], [[Hilfe:Lautschrift]] 8mul5ehzt7u7b2egr4l7akwr5vn7931 wikitext text/x-wiki Vorlage:Audio-IPA/Meta 10 24307 26905 2009-04-03T14:04:27Z Revolus 0 [[Hilfe:Zusammenfassung und Quellen#Auto-Zusammenfassung|AZ]]: Die Seite wurde neu angelegt: <noinclude>{{Dokumentation/Metaseite}} </noinclude><includeonly> [[Kategorie:Vorlage:Fremdsprachenunterst… <noinclude>{{Dokumentation/Metaseite}} </noinclude><includeonly> [[Kategorie:Vorlage:Fremdsprachenunterstützung|Audio-IPA]] [[Kategorie:Vorlage:Multimediaeinbindung|Audio-IPA]] [[ar:قالب:Audio-IPA/doc]] [[en:Template:Audio-IPA]] [[ru:Шаблон:Audio-IPA]] [[sl:Predloga:Avdio-IPA]] [[uk:Шаблон:Audio-IPA]] [[zh:Template:Audio-IPA]] </includeonly> mtiaknuw6xphd0f1yzmqxwysfsfx35c wikitext text/x-wiki Vorlage:Google Buch/Doku 10 24308 26906 2010-05-02T21:12:17Z Elvaube 0 <noinclude>{{Dokumentation/Dokuseite}}</noinclude> Diese Vorlage verlinkt auf die [[Google Bücher|Google Buchsuche]]. Dabei muss in der Vorlage genau ''einer'' der beiden nachfolgend erläuterten Parameter "Suchbegriff" oder "BuchID" ausgefüllt werden. Andernfalls erscheint eine Fehlermeldung mit einem entsprechenden Korrekturhinweis. Optional kann ein Linktext angegeben werden, andernfalls wird der Seitenname verwendet. == Parameter == {| class="wikitable" |- class="hintergrundfarbe5" ! Parameter ! Suche ! Buch/<br />Seite ! Beschreibung ! Standardwert ! Hinweis |- | Suchbegriff | [[Datei:Symbol OK.svg|zentriert|16px|Ja]] | [[Datei:No-Symbol.svg|zentriert|16px|Nein]] | Nach welchen Suchbegriffen soll gesucht werden? | | Parameter <tt>q</tt> aus der [[Uniform Resource Locator#Query|URL]] (darf nur angegeben werden, wenn der Parameter <tt>BuchID</tt> in der Vorlage nicht verwendet wird), weitere Parameter der URL können ebenfalls angehängt werden |- | BuchID | [[Datei:No-Symbol.svg|zentriert|16px|Nein]] | [[Datei:Symbol OK.svg|zentriert|16px|Ja]] | Auf welches Buch soll verwiesen werden? | | Parameter <tt>id</tt> aus der [[Uniform Resource Locator#Query|URL]] (darf nur angegeben werden, wenn der Parameter <tt>Suchbegriff</tt> in der Vorlage nicht verwendet wird), weitere Parameter der URL können ebenfalls angehängt werden |- | Band | [[Datei:No-Symbol.svg|zentriert|16px|Nein]] | [[Datei:Question mark3.svg|zentriert|15px|Optional]] | Auf welchen Band soll verwiesen werden? | | Nur in Verbindung mit "BuchID". In der URL zu finden als "&pg=RA(Bandnummer)". |- | Seite | [[Datei:No-Symbol.svg|zentriert|16px|Nein]] | [[Datei:Question mark3.svg|zentriert|15px|Optional]] | Auf welche Seite soll verwiesen werden? | | Nur in Verbindung mit "BuchID". In der URL zu finden als "&pg=PA(Seitenzahl)". Wenn es nur "&pg=PT(Seitenzahl)" gibt versuche diese Zahl hier einzusetzen. Die im Werk gedruckte [[Pagina]] ist irrelevant, sie kann übereinstimmen wenn die OCR-Technik es richtig erkannt hat.<br/>"&pg=PP(Seitenzahl)" [PrefacePage, „Vorwortseite“] ist nicht vorgesehen. |- | Hervorhebung | [[Datei:No-Symbol.svg|zentriert|16px|Nein]] | [[Datei:Question mark3.svg|zentriert|15px|Optional]] | Welche Worte sollen hervorgehoben werden? | | Nur in Verbindung mit "BuchID". In der URL zu finden als "&dq=(Hervorhebung)". |- | Linktext | [[Datei:Question mark3.svg|zentriert|15px|Optional]] | [[Datei:Question mark3.svg|zentriert|15px|Optional]] | Welcher Text soll im Link angezeigt werden? | ''Auszug'' | optionaler Text, beispielsweise um den Nutzer auf eine Volltextversion hinzuweisen; Standardtext ist "Auszug" |- | Land | [[Datei:Question mark3.svg|zentriert|15px|Optional]] | [[Datei:Question mark3.svg|zentriert|15px|Optional]] | Ist das Buch nur über einen Proxy eines bestimmten Landes abrufbar? | | gültige Werte sind derzeit: <tt>US</tt> für die [[Vereinigte Staaten|USA]] |- | KeinText | [[Datei:Question mark3.svg|zentriert|15px|Optional]] | [[Datei:Question mark3.svg|zentriert|15px|Optional]] | Verhindert die Ausgabe der Zeichenkette „in der [[Google Bücher|Google Buchsuche]]“ | | Dieser Parameter sollte nur bei Aufzählungen genutzt werden. Gültige Werte sind alle nicht leeren Angaben. |} == Beispiele == === Suche === <pre> {{Google Buch | Suchbegriff = Mommsen }}</pre> → {{Google Buch | Suchbegriff = Mommsen }} === Verweis auf ein bestimmtes Werk, mit eigenem Linktext === <pre>{{Google Buch | BuchID = ojYGAAAAQAAJ | Linktext = Geschichte des römischen Münzwesens }} </pre> → {{Google Buch | BuchID = ojYGAAAAQAAJ | Linktext = Geschichte des römischen Münzwesens }} <pre> {{Google Buch | BuchID = css1AAAAMAAJ | Seite = 645 | Linktext = Magazin für die neue Historie und Geographie | Land = US }}</pre> → {{Google Buch | BuchID = css1AAAAMAAJ | Seite = 645 | Linktext = Magazin für die neue Historie und Geographie | Land = US }} === Verweis in Kombination mit der Vorlage:Literatur (Empfehlung) === Empfohlen wird die Verwendung in Kombination mit der [[Vorlage:Literatur]], da so auch Meta-Informationen über die [[COinS]]-Einträge verfügbar gemacht werden. Die Vorlage:Googe Buch wird hierbei nur zur einfacheren Formatierung des Online-Parameters genutzt, diese dient zur Angabe von online verfügbaren Quellen. <pre>{{Literatur | Autor = Ernst Lautenbach | Titel = Lexikon Goethe-Zitate | Verlag = IUDICIUM Verlag | ISBN = 3891298005 | Jahr = 2004 | Online = {{Google Buch | BuchID = eP11MZrBLVcC | Linktext = Volltext }} }}</pre> → {{Literatur | Autor = Ernst Lautenbach | Titel = Lexikon Goethe-Zitate | Verlag = IUDICIUM Verlag | ISBN = 3891298005 | Jahr = 2004 | Online = {{Google Buch | BuchID = eP11MZrBLVcC | Linktext = Volltext }} }} <!--<code><nowiki>* {{Google Buch | Suchbegriff = römisches Münzwesen | BuchID = css1AAAAMAAJ&pg=RA1-PA645 | Linktext = Magazin für die neue Historie und Geographie | Land = US }}</nowiki></code> * {{Google Buch | Suchbegriff = römisches Münzwesen | BuchID = css1AAAAMAAJ&pg=RA1-PA645 | Linktext = Magazin für die neue Historie und Geographie | Land = US }}--> === Verweis auf ein bestimmtes Werk, mit Hervorhebung bestimmter Worte === <pre>{{Google Buch | BuchID = YDg8AAAAcAAJ&pg=PT516 | Hervorhebung = dritten geschlecht | Linktext = Georg Witzel, Catechismvs Ecclesiae, Lere und handelunge des heiligen Christenthums, Bayerische Staatsbibliothek, Behem, 1542 }} </pre> → {{Google Buch | BuchID = YDg8AAAAcAAJ&pg=PT516 | Hervorhebung = dritten geschlecht | Linktext = Georg Witzel, Catechismvs Ecclesiae, Lere und handelunge des heiligen Christenthums, Bayerische Staatsbibliothek, Behem, 1542 }} == Siehe auch == * {{Wikisource|Wikisource:Google Book Search}} 7w52x3uj3x2k70eactp1dtez7v5qltd wikitext text/x-wiki Vorlage:Google Buch/Meta 10 24309 26907 2010-01-07T19:18:30Z WIKImaniac 0 +interwikis: he, ja <noinclude>{{Dokumentation/Metaseite}} </noinclude><includeonly> [[Kategorie:Vorlage:Datenbanklink|{{PAGENAME}}]] [[en:Template:Google books]] [[he:תבנית:Google book]] [[ja:Template:Google books]] </includeonly> fevqzqgv6kj0f4nwi2g5zh31cnb97vi wikitext text/x-wiki Vorlage:CoordinateNOx/Doku 10 24310 26908 2009-03-01T12:25:36Z Wiegels 0 Rechtschreibung <noinclude>{{Dokumentation/Dokuseite}} </noinclude> Lagewunsch, siehe [[:Kategorie:Geographische Lage gewünscht]] Light-Version von [[Vorlage:CoordinateNO]] für Nicht-Artikelnamensräume cj8l7ge54l0j5yrba04r6w2mh1eotlh wikitext text/x-wiki Vorlage:CoordinateNOx/Meta 10 24311 26909 2009-11-29T12:38:36Z Tlustulimu 0 interwiki <noinclude>{{Dokumentation/Metaseite}}</noinclude><includeonly> [[Kategorie:Vom Druck ausschließen|CoordinateNOx]] [[Kategorie:Vorlage:Wartungsbaustein|{{PAGENAME}}]] [[en:Template:LocateMe]] [[hsb:Předłoha:CoordinateNOx]] </includeonly> 6xg9e42meohazj1pj45b8lcgtc69vpo wikitext text/x-wiki Vorlage:Pierer1857 Online/Doku 10 24312 26910 2010-01-24T20:50:12Z W!B: 0 /* Parameter */ Kapitel <noinclude>{{Dokumentation/Dokuseite}}</noinclude> Diese Vorlage erstellt Verweise auf eine [[Retrodigitalisierung]] der 4.&nbsp;Auflage von Heinrich A. Pierers ''[[Universal-Lexikon der Gegenwart und Vergangenheit]]''. Artikel, die als Ganzes auf Pierers ''Universal-Lexikon der Gegenwart und Vergangenheit'' basieren, können darüber hinaus mit dem Hinweisbaustein [[Vorlage:Pierer-1857]] versehen werden. == Kopiervorlage == Häufigste Parameter: <pre style="white-space:pre-wrap;"> {{Pierer1857 Online |Schlagwort= |Band= |Seite= |SeiteBis= |BK-Nummer= }} </pre> Alle Parameter: <pre style="white-space:pre-wrap;"> {{Pierer1857 Online |Schlagwort= |Eintragsnummer= |Band= |Seite= |SeiteBis= |BK-Nummer= |Nachtrag=ja |Kommentar= |kurz=ja }} </pre> == Parameter == * <code>Schlagwort</code>: Das Schlagwort im Universal-Lexikon. Als Standard wird der Seitenname verwendet. * <code>Eintragsnummer</code>: Speziell bei Familienartikeln die Nummer zur Auswahl der Person. * <code>Band</code>: Die Nummer des Bandes (1–19) * <code>Seite</code>: Die Seite im Band, auf der das Schlagwort auftaucht * <code>SeiteBis</code>: Wenn der Artikel zum Schlagwort mehr als eine Seite umfasst, die letzte Seite des Textes * <code>BK-Nummer</code>: Wenn es zum gleichen Schlagwort mehrere Einträge gibt, dann kann über die Nummer der richtige Eintrag gewählt werden. * <code>Nachtrag=ja</code>: Wenn das Schlagwort im Rahmen des Nachtrags im Band&nbsp;19 auftaucht. * <code>kurz=ja</code>: Formatiert eine knappe Angabe zum Werk, etwa für Einzelnachweise, wenn das Werk schon vorher genannt wurde. Die Vorlage setzt auf der [[Vorlage:Literatur]] auf, es kann auch ein beliebiger <code>Kommentar</code> übergeben werden, sowie mit <code>Kapitel</code> beliebige Untergliederung der Pierer-Artikel. == Beispiele == * Standardeintrag: <pre style="white-space:pre-wrap;"> {{Pierer1857 Online | Schlagwort=Salzregal |Band=14 |Seite=827 }} </pre> {{Pierer1857 Online | Schlagwort=Salzregal |Band=14 |Seite=827 }} * Begriffsklärung: <pre style="white-space:pre-wrap;"> {{Pierer1857 Online |Schlagwort=Deutschland |Band=5 |Seite=8 |SeiteBis=20 |BK-Nummer=3}} </pre> {{Pierer1857 Online |Schlagwort=Deutschland |Band=5 |Seite=8 |SeiteBis=20 |BK-Nummer=3}} * Im Eintragsnummer: <pre style="white-space:pre-wrap;"> {{Pierer1857 Online |Schlagwort=Adam |Eintragsnummer=2 |Band=1 |Seite=109 |SeiteBis=110 }} </pre> {{Pierer1857 Online |Schlagwort=Adam |Eintragsnummer=2 |Band=1 |Seite=109 |SeiteBis=110 }} * Reduzierter Eintrag: <pre style="white-space:pre-wrap;"> {{Pierer1857 Online |Schlagwort=Äolĭen }} </pre> {{Pierer1857 Online |Schlagwort=Äolĭen }} * Im Nachtrag: <pre style="white-space:pre-wrap;"> {{Pierer1857 Online |Schlagwort=Adalgar |Band=19 |Seite=786 |Nachtrag=ja }} </pre> {{Pierer1857 Online |Schlagwort=Adalgar |Band=19 |Seite=786 |Nachtrag=ja }} * kurz: Deutschland ist ein bedeutendes Land<ref>{{Pierer1857 Online |Schlagwort=Deutschland |Band=5 |Seite=8 |BK-Nummer=3 | kurz=ja}}</ref>, Äolien war es auch<ref>{{Pierer1857 Online |Schlagwort=Äolĭen | kurz=ja |Kommentar = im Artikel nur indirekt erwähnt}}</ref>. <pre style="white-space:pre-wrap;"> <ref>{{Pierer1857 Online |Schlagwort=Deutschland |Band=5 |Seite=8 |BK-Nummer=3| kurz=ja}}</ref> <ref>{{Pierer1857 Online |Schlagwort=Äolĭen| kurz=ja |Kommentar = im Artikel nur indirekt erwähnt}}</ref> </pre> <references /> j2quzj95v980ezj9m5j2eisbbdbd2f7 wikitext text/x-wiki Vorlage:Pierer1857 Online/Meta 10 24313 26911 2009-06-21T22:04:54Z S.K. 0 [[Hilfe:Zusammenfassung und Quellen#Auto-Zusammenfassung|AZ]]: Die Seite wurde neu angelegt: <noinclude>{{Dokumentation/Metaseite}} </noinclude><includeonly> [[Kategorie:Vorlage:Datenbanklink|Pierer… <noinclude>{{Dokumentation/Metaseite}} </noinclude><includeonly> [[Kategorie:Vorlage:Datenbanklink|Pierer1857 Online]] </includeonly> 0pq87uysovs688uloalyqgbynwpmias wikitext text/x-wiki Vorlage:Folgenleiste multi/Doku 10 24314 26912 2010-04-26T17:49:04Z FordPrefect42 0 <noinclude>{{Dokumentation/Dokuseite}}</noinclude> Verwendung wie [[Vorlage:Folgenleiste]], jedoch können bis zu 8 Ämter mit einer Vorlage aufgeführt werden. Bei weniger als 8 Ämtern können die nicht benötigten Parameter gelöscht werden. Der Parameter ZEIT kann ebenfalls gelöscht werden. Aufeinanderfolgende Felder mit gleichem Vorgänger bzw. Nachfolger werden automatisch zusammengezogen. Bei lauter weiblichen Vorgängerinnen und/oder Nachfolgerinnen kann durch die Parameter VORGÄNGER_GESCHLECHT=w bzw. NACHFOLGER_GESCHLECHT=w die Bezeichnung ''Vorgänger'' in ''Vorgängerinnen'' bzw. ''Nachfolger'' in ''Nachfolgerinnen'' umgewandelt werden. Mit dem Parameter TITEL kann die Überschrift der Titel frei gewählt werden. Voreinstellung ist die Bezeichnung "Amt"- == Kopiervorlage == <pre style="white-space:pre-wrap;"> {{Folgenleiste multi | AMT = | ZEIT = | VORGÄNGER = | NACHFOLGER = | AMT2 = | ZEIT2 = | VORGÄNGER2 = | NACHFOLGER2 = | AMT3 = | ZEIT3 = | VORGÄNGER3 = | NACHFOLGER3 = | AMT4 = | ZEIT4 = | VORGÄNGER4 = | NACHFOLGER4 = | AMT5 = | ZEIT5 = | VORGÄNGER5 = | NACHFOLGER5 = | AMT6 = | ZEIT6 = | VORGÄNGER6 = | NACHFOLGER6 = | AMT7 = | ZEIT7 = | VORGÄNGER7 = | NACHFOLGER7 = | AMT8 = | ZEIT8 = | VORGÄNGER8 = | NACHFOLGER8 = | TITEL = <nowiki><!-- beliebige Bezeichnung oder leer lassen --></nowiki> | VORGÄNGER_GESCHLECHT = <nowiki><!-- w oder leer lassen --></nowiki> | NACHFOLGER_GESCHLECHT = <nowiki><!-- w oder leer lassen --></nowiki> }} </pre> == Beispiele == <pre style="white-space:pre-wrap;"> {{Folgenleiste multi | AMT = [[Liste der ungarischen Herrscher|Königin von Ungarn]] | ZEIT = 1740–1780 | VORGÄNGER = [[Karl VI. (HRR)|Karl III.]] | NACHFOLGER = [[Maria]] | AMT2 = [[Liste der kroatischen Könige|Königin von Kroatien und Slawonien]] | ZEIT2 = 1740–1780 | VORGÄNGER2 = [[Karl VI. (HRR)|Karl III.]] | NACHFOLGER2 = [[Maria]] | AMT3 = [[Liste der böhmischen Herrscher|Königin von Böhmen]] | ZEIT3 = 1743–1780 | VORGÄNGER3 = [[Karl VII. (HRR)|Karl Albrecht]] | NACHFOLGER3 = [[Maria]] | AMT4 = [[Liste der Herrscher von Parma|Herzogin von Parma]] | ZEIT4 = 1740–1748 | VORGÄNGER4 = [[Karl VI. (HRR)|Karl II.]] | NACHFOLGER4 = [[Josephine]] | AMT5 = [[Liste der Herrscher von Mailand|Herzogin von Mailand]] | ZEIT5 = 1740–1780 | VORGÄNGER5 = [[Karl VI. (HRR)|Karl VI.]] | NACHFOLGER5 = [[Maria]] | AMT6 = [[Liste der luxemburgischen Herrscher|Herzogin von Luxemburg]] | ZEIT6 = 1740–1765 | VORGÄNGER6 = [[Karl VI. (HRR)|Karl VI.]] | NACHFOLGER6 = [[Maria]] | TITEL = Funktion | VORGÄNGER_GESCHLECHT = | NACHFOLGER_GESCHLECHT = w }} </pre> {{Folgenleiste multi | AMT = [[Liste der ungarischen Herrscher|Königin von Ungarn]] | ZEIT = 1740–1780 | VORGÄNGER = [[Karl VI. (HRR)|Karl III.]] | NACHFOLGER = [[Maria]] | AMT2 = [[Liste der kroatischen Könige|Königin von Kroatien und Slawonien]] | ZEIT2 = 1740–1780 | VORGÄNGER2 = [[Karl VI. (HRR)|Karl III.]] | NACHFOLGER2 = [[Maria]] | AMT3 = [[Liste der böhmischen Herrscher|Königin von Böhmen]] | ZEIT3 = 1743–1780 | VORGÄNGER3 = [[Karl VII. (HRR)|Karl Albrecht]] | NACHFOLGER3 = [[Maria]] | AMT4 = [[Liste der Herrscher von Parma|Herzogin von Parma]] | ZEIT4 = 1740–1748 | VORGÄNGER4 = [[Karl VI. (HRR)|Karl II.]] | NACHFOLGER4 = [[Josephine]] | AMT5 = [[Liste der Herrscher von Mailand|Herzogin von Mailand]] | ZEIT5 = 1740–1780 | VORGÄNGER5 = [[Karl VI. 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(HRR)|Karl VI.]] | NACHFOLGER6 = [[Maria]] | TITEL = Funktion | VORGÄNGER_GESCHLECHT = | NACHFOLGER_GESCHLECHT = w }} m28i36q5yfx835fvm4ev20ajtfxctap wikitext text/x-wiki Vorlage:Folgenleiste multi/Meta 10 24315 26913 2009-11-16T01:24:24Z Triebtäter (2009) 0 <noinclude>{{Dokumentation/Metaseite}} </noinclude><includeonly> [[Kategorie:Vorlage:Folgenleiste| Folgenleiste multi]] [[Kategorie:Vom Druck ausschließen|Folgenleiste multi]] [[pl:Szablon:Władca]] </includeonly> p29uxej0t2culhqbwwluch3ir79d5f9 wikitext text/x-wiki Vorlage:AFG 10 24316 26914 2010-04-06T19:07:05Z Antonsusi 0 <onlyinclude>[[Bild:Flag of Afghanistan.svg|{{{WIDTH|20}}}px|Afghanistan]]&nbsp;[[{{{1|Afghanistan}}}|{{{2|Afghanistan}}}]]</onlyinclude> {{Vorlagendokumentation Land mit Flagge}} [[Kategorie:Vorlage:Afghanistan|Afg]] [[als:Vorlage:AFG]] [[ar:قالب:أفغانستان]] [[ast:Plantía:AFG]] [[az:Şablon:AFG]] [[bar:Vorlage:AFG]] [[bn:টেমপ্লেট:AFG]] [[ca:Plantilla:AFG]] [[el:Πρότυπο:AFG]] [[en:Template:AFG]] [[eo:Ŝablono:AFG]] [[es:Plantilla:AFG]] [[eu:Txantiloi:AFG]] [[fa:الگو:AFG]] [[fi:Malline:Afganistan]] [[fr:Modèle:Afghanistan]] [[gl:Modelo:AFG]] [[hu:Sablon:Afganisztán]] [[hy:Կաղապար:AFG]] [[ia:Patrono:AFG]] [[id:Templat:AFG]] [[is:Snið:AFG]] [[it:Template:AFG]] [[ja:Template:AFG]] [[ko:틀:AFG]] [[lb:Schabloun:AFG]] [[lv:Veidne:AFG]] [[ml:ഫലകം:AFG]] [[ms:Templat:AFG]] [[nl:Sjabloon:AF]] [[nn:Mal:AFG]] [[no:Mal:AFG]] [[oc:Modèl:Afganistan]] [[pam:Template:AFG]] [[ps:کينډۍ:AFG]] [[pt:Predefinição:AFG]] [[qu:Plantilla:AFG]] [[rmy:Sikavno:AFG]] [[ro:Format:AFG]] [[ru:Шаблон:AFG]] [[sd:سانچو:AFG]] [[sl:Predloga:AFG]] [[su:Citakan:AFG]] [[sv:Mall:AFG]] [[ta:வார்ப்புரு:AFG]] [[th:แม่แบบ:AFG]] [[tr:Şablon:AFG]] [[uk:Шаблон:AFG]] [[vec:Template:AFG]] [[vi:Bản mẫu:AFG]] [[wuu:模板:AFG]] [[zh:Template:AFG]] qq5oa8a49xt9wj49mh8fasl83xi2si5 wikitext text/x-wiki Vorlage:AUT 10 24317 26915 2010-04-14T11:21:59Z Antonsusi 0 {{Vorlagendokumentation Land mit Flagge}} <onlyinclude>[[Datei:Flag of Austria.svg|border|{{#expr: {{{WIDTH|20}}} - 2}}px|Österreich]]&nbsp;{{#if:{{{sortable|}}}|<span style="display:none;">Osterreich</span>}}[[{{{1|Österreich}}}|{{{2|Österreich}}}]]</onlyinclude> [[Kategorie:Vorlage:Österreich|Aut]] [[als:Vorlage:AUT]] [[ar:قالب:النمسا]] [[ast:Plantía:AUT]] [[az:Şablon:AUT]] [[bn:টেমপ্লেট:AUT]] [[br:Patrom:Aostria]] [[ca:Plantilla:AUT]] [[el:Πρότυπο:AUT]] [[en:Template:AUT]] [[eo:Ŝablono:AUT]] [[es:Plantilla:AUT]] [[eu:Txantiloi:AUT]] [[fa:الگو:AUT]] [[fi:Malline:Itävalta]] [[fr:Modèle:Autriche]] [[frp:Modèlo:Ôtrich·e]] [[gl:Modelo:AUT]] [[hsb:Předłoha:AUT]] [[hu:Sablon:Ausztria]] [[hy:Կաղապար:AUT]] [[id:Templat:AUT]] [[ie:Template:AUT]] [[io:Shablono:AUT]] [[is:Snið:AUT]] [[it:Template:AUT]] [[ja:Template:AUT]] [[ka:თარგი:AUT]] [[ko:틀:AUT]] [[lb:Schabloun:AUT]] [[lv:Veidne:AUT]] [[mk:Шаблон:АВТ]] [[ml:ഫലകം:AUT]] [[mn:Загвар:AUT]] [[nah:Nemachiyōtīlli:AUT]] [[nap:Modello:AUT]] [[nl:Sjabloon:AT]] [[nn:Mal:AUT]] [[no:Mal:AUT]] [[oc:Modèl:Àustria]] [[pam:Template:AUT]] [[pt:Predefinição:AUT]] [[qu:Plantilla:AUT]] [[ro:Format:AUT]] [[ru:Шаблон:AUT]] [[simple:Template:AUT]] [[sk:Šablóna:AUT]] [[sl:Predloga:AUT]] [[sq:Stampa:AUT]] [[sv:Mall:AUT]] [[ta:வார்ப்புரு:AUT]] [[th:แม่แบบ:AUT]] [[tr:Şablon:AUT]] [[uk:Шаблон:AUT]] [[vec:Template:AUT]] [[vi:Bản mẫu:AUT]] [[zh:Template:AUT]] ce74ofd6kxrz2f4kyajj1u0g8gxw8jo wikitext text/x-wiki Vorlage:Vorlagendokumentation Land mit Flagge 10 24318 26916 2010-04-14T15:07:46Z Antonsusi 0 <onlyinclude>{| {{Bausteindesign5}} cellspacing="0" cellpadding="0" |- | align="center" valign="middle" width="60" | [[Bild:Information icon.svg|40px]] | <div style="margin:0; padding:.12em 0 .12em 0"> Diese Vorlage ist Teil einer Serie von Vorlagen mit Ländern oder subnationalen Einheiten und deren Flaggen.<br/> <small>Allgemeine Hinweise zur Erstellung und Benutzung von Vorlagen sind unter [[Hilfe:Vorlagen]] erreichbar.</small></div> |- | colspan="2"|{{Navigationsleiste|TITEL=[[Wikipedia Diskussion:Ländervorlagen mit Flagge|Dokumentation für diese Vorlage]]|INHALT= <div style="text-align:left;"> {{Vorlagendokumentation Land mit Flagge/Doku}} }}</div> |}<includeonly> {{Verwendung|text=Verwendung der Vorlage in Artikeln}} [[Kategorie:Vorlage:Land mit Flagge|{{{1|{{PAGENAME}}}}}]]</includeonly></onlyinclude> [[Kategorie:Vorlage:für Vorlagen|Vorlagendokumentation Land mit Flagge]] [[hsb:Předłoha:Dokumentacija za kraj z chorhoju]] ahwhk3fd3kh6a1zovh8e6xp3h0oeh34 wikitext text/x-wiki Vorlage:Vorlagendokumentation Land mit Flagge/Doku 10 24319 26917 2010-05-02T19:47:40Z Wiegels 0 Weniger Listen == Hinweise == '''Bevor Du diese Vorlage (eine von ca. 300) änderst, bitte folgendes beachten:''' * Wenn Du die Flagge ändern möchtest, benutze bitte vorzugsweise ein Bild von [[Hilfe:Wikimedia Commons|Commons]] und eher eine [[Scalable Vector Graphics|SVG-Grafik]] als ein [[Rastergrafik|Rasterbild]]. * Wenn Du die Größe/Breite von ''20px'' auf einen anderen Wert ändern willst, diskutiere das bitte erst hier und mache es dann in allen Vorlagen, oder lasse es bei allen sein. * Wenn Du den Namen des Landes ändern willst, beachte bitte [[Wikipedia:Namenskonventionen/Staaten]] und das dazugehörige [[Wikipedia:Meinungsbilder/Einheitliche Ländernamen]]. * Wenn Du die Vorlagenparameter oder den Aufbau der Vorlagen nicht verstehst, mache bitte keine Experimente, sondern frage gerne einfach an. Die Vorlagen sind mittlerweile hundertfach genutzt. == Verwendung == * Die Vorlagen werden einfach mit <code><nowiki>{{XYZ}}</nowiki></code> eingebunden, wobei ''XYZ'' entweder dem dreistelligen Länderkürzel der [[ISO-3166-1-Kodierliste|ISO-3166-Kodierung]] (ISO) oder dem Kürzel des [[Internationales Olympisches Komitee|Internationalen Olympischen Komitees]] (IOC) entspricht. Die IOC-Vorlagen sind Redirect auf die ISO-Vorlagen (um den Pflegeaufwand zu minimieren). *: ''Beispiel:'' <code><nowiki>{{AFG}}</nowiki></code> wird zu {{AFG}} * Zur Änderung des '''Link-Ziels''' kann ein zusätzlicher (also optionaler) Parameter angegeben werden. Das Link-Ziel '''muss''' ohne <code><nowiki>[[…]]</nowiki></code> angegeben werden. *: ''Beispiel:'' <code><nowiki>{{AFG|Afghanische Fußballnationalmannschaft}}</nowiki></code> wird zu {{AFG|Afghanische Fußballnationalmannschaft}} * Zur Änderung des '''Link-Textes''' kann ein weiterer zusätzlicher (also optionaler) Parameter angegeben werden. Der Link-Text '''muss''' ohne <code><nowiki>[[…]]</nowiki></code> angegeben werden. *: ''Beispiel:'' <code><nowiki>{{AFG|Afghanische Fußballnationalmannschaft|Fußball in Afghanistan}}</nowiki></code> wird zu {{AFG|Afghanische Fußballnationalmannschaft|Fußball in Afghanistan}} * Soll nur der '''Link-Text''' geändert werden, kann der zweite unbenannte Parameter direkt angegeben werden. *: ''Beispiel:'' <code><nowiki>{{AFG|2=Islamische Republik Afghanistan}}</nowiki></code> wird zu {{AFG|2=Islamische Republik Afghanistan}} * Zur Änderung der Flaggengröße kann der optionale benannte Parameter <code>WIDTH</code> angegeben werden, der als Pixelwert (px) interpretiert wird. Ohne Angabe dieses Parameters, wird einheitlich <code>20px</code> benutzt (''Hinweis:'' die schmalen Flaggen von [[Vorlage:BEL|Belgien]], [[Vorlage:NPL|Nepal]] und [[Vorlage:CHE|Schweiz]] haben einen rechten Rand der zur einheitlichen Texteinrückung ein Seitenverhältnis von 4:3 simuliert). *: ''Beispiel:'' <code><nowiki>{{AFG|WIDTH=40}}</nowiki></code> wird zu {{AFG|WIDTH=40}} * Für [[Wikipedia:Tabellen#Sortierbare Tabelle|sortierbare Tabellen]] wird <code>sortable=x</code> gesetzt *: ''Beispiel:'' <code><nowiki>{{AUT|sortable=x}}</nowiki></code> wird zu {{AUT|sortable=x}}, und wird korrekt unter «O» sortiert hghqmhj2zasmny85yyrr66nomf6z7qi wikitext text/x-wiki Vorlage:Infobox Pharao/Doku 10 24320 26918 2009-09-04T01:55:29Z Muck 0 /* Parameter */ kl. Korr <noinclude>{{Dokumentation/Dokuseite}}</noinclude> == Beschreibung == In dieser Infobox werden alle Meta-Informationen eines Pharaos gesammelt. Hierzu gehören unterschiedliche Namensformen (Eigenname, Thronname, griechisch gräzisierte Namen, etc.) und evtl. ein/zwei Bilder vom Sarkophag, einer Statue oder sonst einem Abbild. == Kopiervorlage == <pre><nowiki> {{Infobox Pharao |EIGENNAME = |EIGENNAME-ERKLÄRUNG = |THRONNAME = |THRONNAME-ERKLÄRUNG = |HORUSNAME = |HORUSNAME-ERKLÄRUNG = |NEBTINAME = |NEBTINAME-ERKLÄRUNG = |GOLDNAME = |GOLDNAME-ERKLÄRUNG = }} </nowiki></pre> == Parameter == {| border="1" class="prettytable" ! style="background-color:#f2f2f4;" | Variable ! style="background-color:#f2f2f4;" width="130" | Typ ! style="background-color:#f2f2f4;" | Erklärung |- | '''TITEL''' | optional | Name in der Überschrift der Infobox, bei Nichtangabe wird „Namen“ angezeigt. |- | '''TITEL_BILD''' | optional | Ein Bild, welches direkt unter dem Titel der Infobox erscheint. |- | '''TITEL_BILDBESCHREIBUNG''' | optional | Eine Beschreibung für TITEL_BILD |- | '''EIGENNAME''' | optional | Der Eigenname oder Geburtsname des Pharao |- | '''EIGENNAME-HIERO-REF''' | optional | Der <nowiki><ref></nowiki> für diesen Eigenname |- | '''EIGENNAME-ERKLÄRUNG''' | optional | Die Übersetzung ''(kursiv)'', Transkription (in Klammern und ''kursiv'') und eventuell auch eine kurz Erklärung zu diesem Eigenname |- | '''EIGENNAME-MIT-SYMBOL''' | optional | Schaltet das Symbol des Eigennamens vor der Kartusche ein, der Parameter muss dazu mit einer beliebigen Zeichenfolge gesetzt werden, z.B.: „ja“ |- | '''EIGENNAME2''' bis '''EIGENNAME5''' | optional | weitere Eigennamen bzw. Geburtsnamen |- | '''EIGENNAME2-HIERO-REF''' bis '''EIGENNAME5-HIERO-REF''' | optional | Der <nowiki><ref></nowiki> für den Eigennamen |- | '''EIGENNAME2-ERKLÄRUNG''' bis '''EIGENNAME5-ERKLÄRUNG''' | optional | Übersetzungen ''(kursiv)'' und Transkriptionen (in Klammern und ''kursiv'') |- | '''EIGENNAME2-MIT-SYMBOL''' bis '''EIGENNAME5-MIT-SYMBOL''' | optional | Schaltet das Symbol des Thronnamen vor der Kartusche ein, der Parameter muss dazu mit einer beliebigen Zeichenfolge gesetzt werden, z.B.: „ja“ |- | '''THRONNAME''' | optional | Der [[Thronname]], welcher der Pharao bei seiner Inthronisierung angenommen hat |- | '''THRONNAME-HIERO-REF''' | optional | Der <nowiki><ref></nowiki> für den Thronnamen |- | '''THRONNAME-OHNE-SYMBOL''' | optional | Schaltet das Symbol des Thronnamen vor der Kartusche aus, der Parameter muss dazu mit einer beliebigen Zeichenfolge gesetzt werden, z.B.: „ja“ |- | '''THRONNAME-ERKLÄRUNG''' | optional | Die Übersetzung ''(kursiv)'', Transkription (in Klammern und ''kursiv'') und eventuell auch eine kurz Erklärung zu diesem Thronnamen |- | '''THRONNAME2''' bis '''THRONNAME5''' | optional | weitere Thronnamen |- | '''THRONNAME2-HIERO-REF''' bis '''THRONNAME5-HIERO-REF''' | optional | Der <nowiki><ref></nowiki> für die weiteren Thronnamen |- | '''THRONNAME2-OHNE-SYMBOL''' bis '''THRONNAME5-OHNE-SYMBOL''' | optional | Schaltet das Symbol des Thronnamen vor der Kartusche aus, der Parameter muss dazu mit einer beliebigen Zeichenfolge gesetzt werden, z.B.: „ja“ |- | '''THRONNAME2-ERKLÄRUNG''' bis '''THRONNAME5-ERKLÄRUNG''' | optional | Übersetzungen ''(kursiv)'' und Transkriptionen (in Klammern und ''kursiv'') |- | '''HORUSNAME''' | optional | Der [[Horusname]] des Pharao |- | '''HORUSNAME-HIERO-REF''' | optional | Der <nowiki><ref></nowiki> für diesen Horusnamen |- | '''HORUSNAME-ERKLÄRUNG''' | optional | Die Übersetzung ''(kursiv)'', Transkription (in Klammern und ''kursiv'') und eventuell auch eine kurz Erklärung zu diesem Horusnamen |- | '''HORUSNAME2''' bis '''HORUSNAME5''' | optional | weitere Horusnamen |- | '''HORUSNAME2-HIERO-REF''' bis '''HORUSNAME5-HIERO-REF''' | optional | Der <nowiki><ref></nowiki> für die weiteren Horusnamen |- | '''HORUSNAME2-ERKLÄRUNG''' bis '''HORUSNAME5-ERKLÄRUNG''' | optional | Übersetzungen ''(kursiv)'' und Transkriptionen (in Klammern und ''kursiv'') |- | '''SETHNAME''' | optional | Der Sethname des Pharao (Siehe [[Horusname]]) |- | '''SETHNAME-HIERO-REF''' | optional | Der <nowiki><ref></nowiki> für diesen Sethname |- | '''SETHNAME-ERKLÄRUNG''' | optional | Die Übersetzung ''(kursiv)'', Transkription (in Klammern und ''kursiv'') und eventuell auch eine kurz Erklärung zu diesem Sethnamen |- | '''SETHNAME2''' bis '''SETHNAME5''' | optional | weitere Sethnamen |- | '''SETHNAME2-HIERO-REF''' bis '''SETHNAME5-HIERO-REF''' | optional | Der <nowiki><ref></nowiki> für die weiteren Sethnamen |- | '''SETHNAME2-ERKLÄRUNG''' bis '''SETHNAME5-ERKLÄRUNG''' | optional | Übersetzungen ''(kursiv)'' und Transkriptionen (in Klammern und ''kursiv'') |- | '''HORUSSETHNAME''' | optional | Der Horus-Seth-Name des Pharao (Siehe [[Horusname]]) |- | '''HORUSSETHNAME-HIERO-REF''' | optional | Der <nowiki><ref></nowiki> für diesen Horus-Seth-Namen |- | '''HORUSSETHNAME-ERKLÄRUNG''' | optional | Die Übersetzung ''(kursiv)'', Transkription (in Klammern und ''kursiv'') und eventuell auch eine kurz Erklärung zu diesem Horus-Seth-Namen |- | '''HORUSSETHNAME2''' bis '''HORUSSETHNAME5''' | optional | weitere Horusnamen |- | '''HORUSSETHNAME2-HIERO-REF''' bis '''HORUSSETHNAME5-HIERO-REF''' | optional | Der <nowiki><ref></nowiki> für die weiteren Horus-Seth-Namen |- | '''HORUSSETHNAME2-ERKLÄRUNG''' bis '''HORUSSETHNAME5-ERKLÄRUNG''' | optional | Übersetzungen ''(kursiv)'' und Transkriptionen (in Klammern und ''kursiv'') |- | '''NEBTINAME''' | optional | Der [[Nebtiname]] des Pharao |- | '''NEBTINAME-HIERO-REF''' | optional | Der <nowiki><ref></nowiki> für diesen Nebtiname |- | '''NEBTINAME-ERKLÄRUNG''' | optional | Die Übersetzung ''(kursiv)'', Transkription (in Klammern und ''kursiv'') und eventuell auch eine kurz Erklärung zu diesem Nebtinamen |- | '''NEBTINAME2''' bis '''NEBTINAME5''' | optional | weitere Nebtinamen |- | '''NEBTINAME2-HIERO-REF''' bis '''NEBTINAME5-HIERO-REF''' | optional | Der <nowiki><ref></nowiki> für die weiteren Nebtinamen |- | '''NEBTINAME2-ERKLÄRUNG''' bis '''NEBTINAME5-ERKLÄRUNG''' | optional | Übersetzungen ''(kursiv)'' und Transkriptionen (in Klammern und ''kursiv'') |- | '''GOLDNAME''' | optional | Der [[Goldname]] oder Goldhorusname des Pharao |- | '''GOLDNAME-HIERO-REF''' | optional | Der <nowiki><ref></nowiki> für diesen Goldhorusname |- | '''GOLDNAME-ERKLÄRUNG''' | optional | Die Übersetzung ''(kursiv)'', Transkription (in Klammern und ''kursiv'') und eventuell auch eine kurz Erklärung zu diesem Goldnamen |- | '''GOLDNAME2''' bis '''GOLDNAME5''' | optional | weitere Goldnamen |- | '''GOLDNAME2-HIERO-REF''' bis '''GOLDNAME5-HIERO-REF''' | optional | Der <nowiki><ref></nowiki> für die weiteren Goldhorusnamen |- | '''GOLDNAME2-ERKLÄRUNG''' bis '''GOLDNAME5-ERKLÄRUNG''' | optional | Übersetzungen ''(kursiv)'' und Transkriptionen (in Klammern und ''kursiv'') |- | '''TURIN-KÖNIGSLISTE''' | optional | Die Hieroglyphen mit denen der Pharao im [[Königspapyrus Turin]] aufgelistet ist. |- | '''TURIN-KÖNIGSLISTE-OHNE-KARTUSCHE''' | optional | Schaltet die Anzeige der Kartusche aus, falls ein Text übergeben wurde. Beispiel: „<nowiki>TURIN-KÖNIGSLISTE-OHNE-KARTUSCHE = ja</nowiki>“ |- | '''TURIN-KÖNIGSLISTE-ERKLÄRUNG''' | optional | Den Namenstype (Thron-, Eigenname, etc.), die Übersetzung, Transkription und eventuell auch eine kurze Erklärung |- | '''TURIN-KÖNIGSLISTE-NR''' | optional | Die Position der Hieroglyphen des Pharaos im Königspapyrus Turin |- | '''TURIN2-KÖNIGSLISTE''' | optional | weitere Hieroglyphen des Pharaos im Königspapyrus Turin |- | '''TURIN2-KÖNIGSLISTE-OHNE-KARTUSCHE''' | optional | Schaltet die Anzeige der Kartusche aus, falls ein Text übergeben wurde. Beispiel: „<nowiki>TURIN2-KÖNIGSLISTE-OHNE-KARTUSCHE = ja</nowiki>“ |- | '''TURIN2-KÖNIGSLISTE-ERKLÄRUNG''' | optional | Den Namenstype (Thron-, Eigenname, etc.), die Übersetzung, Transkription und eventuell auch eine kurze Erklärung der weiteren Hieroglyphe |- | '''TURIN2-KÖNIGSLISTE-NR''' | optional | Die Position der weiteren Hieroglyphen des Pharaos im Königspapyrus Turin |- | '''ABYDOS-KÖNIGSLISTE''' | optional | Die Hieroglyphen mit denen der Pharao in der [[Königsliste von Abydos (Sethos I.)]] aufgelistet ist. |- | '''ABYDOS-KÖNIGSLISTE-ERKLÄRUNG''' | optional | Die Position, den Namenstype (Thron-, Eigenname, etc.), die Übersetzung, Transkription und eventuell auch eine kurze Erklärung |- | '''ABYDOS-KÖNIGSLISTE-NR''' | optional | Die Position der Hieroglyphen des Pharaos in der Königsliste von Abydos (Sethos I.) |- | '''ABYDOS2-KÖNIGSLISTE''' | optional | Die Hieroglyphen mit denen der Pharao in der [[Königsliste von Abydos (Ramses II.)]] aufgelistet ist. |- | '''ABYDOS2-KÖNIGSLISTE-ERKLÄRUNG''' | optional | Die Position, den Namenstype (Thron-, Eigenname, etc.), die Übersetzung, Transkription und eventuell auch eine kurze Erklärung |- | '''ABYDOS2-KÖNIGSLISTE-NR''' | optional | Die Position der Hieroglyphen des Pharaos in der Königsliste von Abydos (Ramses II.) |- | '''SAQQARA-KÖNIGSLISTE''' | optional | Die Hieroglyphen mit denen der Pharao in der [[Königsliste von Sakkara]] aufgelistet ist. |- | '''SAQQARA-KÖNIGSLISTE-ERKLÄRUNG''' | optional | Die Position, den Namenstype (Thron-, Eigenname, etc.), die Übersetzung, Transkription und eventuell auch eine kurze Erklärung |- | '''SAQQARA-KÖNIGSLISTE-NR''' | optional | Die Position der Hieroglyphen des Pharaos in der Königsliste von Saqqara |- | '''KARNAK-KÖNIGSLISTE''' | optional | Die Hieroglyphen mit denen der Pharao in der [[Königsliste von Karnak]] aufgelistet ist. |- | '''KARNAK-KÖNIGSLISTE-ERKLÄRUNG''' | optional | Die Position, den Namenstype (Thron-, Eigenname, etc.), die Übersetzung, Transkription und eventuell auch eine kurze Erklärung |- | '''KARNAK-KÖNIGSLISTE-NR''' | optional | Die Position der Hieroglyphen des Pharaos in der Königsliste von Karnak |- | '''GRIECHISCH''' | optional | Name in griechisch |- | '''GRIECHISCH-ERWEITERT''' | optional | zusätzliche Text-Angaben auf der linken Seite der „griechisch“-Zeile |- | '''ANMERKUNGEN''' | optional | eine Zeile am Ende für Anmerkungen zu den Namen |- | '''BILD1''' bis '''BILD5''' | optional | Weitere Bilder am Ende der Box |- | '''BILD1-BREITE''' bis '''BILD5-BREITE''' | optional | Bildbreite der entsprechenden weiteren Bilder, Standard ist „330px“ |- | '''BILD1-BESCHREIBUNG''' bis '''BILD5-BESCHREIBUNG''' | optional | Angabe einer Bildbeschreibung |} == Beispiele == In diesem Beispiel werden alle Parameter vergeben, damit man sich ein Bild von der Funktionalität der Infobox machen kann. [[Vorlage:Infobox Pharao/Test|Hier]] kannst du sehen, wie die Vorlage aussieht. <pre><nowiki> {{Infobox Pharao |TITEL = test |TITEL_BILD = [[Bild:test.jpg|300px]] |TITEL_BILDBESCHREIBUNG = Sarkophag des test pharao |EIGENNAME = <hiero>Aa1-G43-I9-G43</hiero> |EIGENNAME-HIERO-REF = <ref name="manetho">Manetho</ref> |EIGENNAME-ERKLÄRUNG = Transkription<br />Erklärung |EIGENNAME2 = <hiero>Aa1-G43-I9-G43</hiero> |EIGENNAME2-ERKLÄRUNG = Transkription<br />Erklärung<sup>(1)</sup> |EIGENNAME2-MIT-SYMBOL = ja |THRONNAME = <hiero>Aa1-G43-I9-G43</hiero> |THRONNAME-ERKLÄRUNG = Transkription<br />Erklärung, |THRONNAME2 = <hiero>Aa1-G43-I9-G43</hiero> |THRONNAME2-HIERO-REF = <ref>Stele des Pharao</ref> |THRONNAME2-OHNE-SYMBOL = ja |THRONNAME2-ERKLÄRUNG = Transkription<br />Erklärung |HORUSNAME = <hiero>Aa1-G43-I9-G43</hiero> |HORUSNAME-HIERO-REF = <ref name="manetho"/> |HORUSNAME-ERKLÄRUNG = Transkription<br />Erklärung |HORUSNAME2 = <hiero>Aa1-G43-I9-G43</hiero> |HORUSNAME2-ERKLÄRUNG = Transkription<br />Erklärung |SETHNAME = <hiero>Aa1-G43-I9-G43</hiero> |SETHNAME-ERKLÄRUNG = Transkription<br />Erklärung |NEBTINAME = <hiero>Aa1-G43-I9-G43</hiero> |NEBTINAME-ERKLÄRUNG = Transkription<br />Erklärung |GOLDNAME = <hiero>Aa1-G43-I9-G43</hiero> |GOLDNAME-ERKLÄRUNG = Transkription<br />Erklärung |TURIN-KÖNIGSLISTE = <hiero>Aa1-G43-I9-G43</hiero> |TURIN-KÖNIGSLISTE-ERKLÄRUNG = Transkription<br />Erklärung |TURIN2-KÖNIGSLISTE = <hiero>Aa1-G43-I9-G43</hiero> |TURIN2-KÖNIGSLISTE-OHNE-KARTUSCHE = ja |TURIN2-KÖNIGSLISTE-ERKLÄRUNG = Transkription<br />Erklärung |ABYDOS-KÖNIGSLISTE = <hiero>Aa1-G43-I9-G43</hiero> |ABYDOS-KÖNIGSLISTE-ERKLÄRUNG = Transkription<br />Erklärung |ABYDOS2-KÖNIGSLISTE = <hiero>Aa1-G43-I9-G43</hiero> |ABYDOS2-KÖNIGSLISTE-ERKLÄRUNG = Transkription<br />Erklärung |SAQQARA-KÖNIGSLISTE = <hiero>Aa1-G43-I9-G43</hiero> |SAQQARA-KÖNIGSLISTE-ERKLÄRUNG = Transkription<br />Erklärung |KARNAK-KÖNIGSLISTE = <hiero>Aa1-G43-I9-G43</hiero> |KARNAK-KÖNIGSLISTE-ERKLÄRUNG = Transkription<br />Erklärung |GRIECHISCH =<br />test1<br />test2 |GRIECHISCH-ERWEITERT =<br />nach [[Herodot]]<br />nach [[Manetho]] |ANMERKUNGEN=<sup>(1)</sup> nach Literatur XY |BILD1 = test.jpg |BILD2 = test.jpg |BILD2-BREITE = 100px |BILD3 = test.jpg |BILD3-BESCHREIBUNG = ein Testbild }} </nowiki></pre> <br style="clear:both;" /> == Siehe auch == * [[Vorlage:Infobox Hieroglyphen]] * [[Vorlage:Infobox Ägyptische Gottheit]] 76e1rpyplbf8b06f5aroammf99ogmy1 wikitext text/x-wiki Vorlage:Infobox Pharao/Meta 10 24321 26919 2007-11-28T11:19:55Z Kajk 0 hat „[[Vorlage:Infobox Pharao/Metaseite]]“ nach „[[Vorlage:Infobox Pharao/Meta]]“ verschoben: korrektur im titel <noinclude>{{Dokumentation/Metaseite}} </noinclude><includeonly> [[Kategorie:Vorlage:Infobox Geschichte|Pharao]] <!-- und die Interwikilinks: --> </includeonly> jo6rivi6oqptwo7dodfcyfiiirxbg56 wikitext text/x-wiki Vorlage:AWMF/Doku 10 24322 26920 2010-04-26T23:36:35Z Mager 0 /* Beispiele */ Datumskonvention <noinclude>{{Dokumentation/Dokuseite}}</noinclude> == Beschreibung == Vorlage zur einfachen Verlinkungen zu Leitlinien der [[Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften]], die unter http://www.uni-duesseldorf.de/AWMF/ll/ll_list.htm zu finden sind. Anmerkung: Die Vorlage wird nicht mit Aufzählungspunkt eingebunden, sie kann deshalb auch als Einzelnachweis gesetzt werden, wobei sie sich in das Layout einpasst. Bei der Nutzung im Abschnitt ''Weblinks'' empfiehlt sich das Voransetzen eines Punktes (<nowiki>*</nowiki>). == Kopiervorlage == <pre><nowiki> {{AWMF| | | | | }} </nowiki></pre> == Parameter == Die Eingabe erfolgt nach dem Muster: <nowiki>{{AWMF|Weblink|Leitlinien-Titel|Entwicklungsstufe|Fachgesellschaft|Stand}}</nowiki> Die Parameter ''Weblink'' und ''Leitlinien-Titel'' müssen vorgegeben werden, ''Entwicklungsstufe'' (z. B. S1, S1, S3) ''Fachgesellschaft'' und ''Stand'' sind optional und können auch weggelassen werden. == Beispiele == <nowiki>*{{AWMF|http://www.uni-duesseldorf.de/AWMF/ll/005-003.htm|Diagnostik und Therapie des Karpaltunnelsyndroms}}</nowiki> wird zu: *{{AWMF|http://www.uni-duesseldorf.de/AWMF/ll/005-003.htm|Diagnostik und Therapie des Karpaltunnelsyndroms}} <nowiki>{{AWMF|http://www.uni-duesseldorf.de/AWMF/ll/005-003.htm|Diagnostik und Therapie des Karpaltunnelsyndroms|S3}} </nowiki> ergibt: {{AWMF|http://www.uni-duesseldorf.de/AWMF/ll/005-003.htm|Diagnostik und Therapie des Karpaltunnelsyndroms|S3}} <nowiki>{{AWMF|http://www.uni-duesseldorf.de/AWMF/ll/005-003.htm|Diagnostik und Therapie des Karpaltunnelsyndroms|S3|Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Orthopädische Chirurgie}}</nowiki> {{AWMF|http://www.uni-duesseldorf.de/AWMF/ll/005-003.htm|Diagnostik und Therapie des Karpaltunnelsyndroms|S3|Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Orthopädische Chirurgie}} <nowiki>{{AWMF|http://www.uni-duesseldorf.de/AWMF/ll/005-003.htm|Diagnostik und Therapie des Karpaltunnelsyndroms|S3|Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Orthopädische Chirurgie|November 2006}}</nowiki> {{AWMF|http://www.uni-duesseldorf.de/AWMF/ll/005-003.htm|Diagnostik und Therapie des Karpaltunnelsyndroms|S3|Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Orthopädische Chirurgie|November 2006}} tlg0zqr0na22v6de6to3xi3ey7oitqb wikitext text/x-wiki Vorlage:AWMF/Meta 10 24323 26921 2008-07-12T13:08:58Z Wiegels 0 Neu <noinclude>{{Dokumentation/Metaseite}} </noinclude><includeonly> [[Kategorie:Vorlage:Datenbanklink|Awmf]] </includeonly> sdsis9dmx9flem2iq691toj2ajhnxr6 wikitext text/x-wiki Vorlage:Boolandnot 10 24324 26922 2008-11-13T00:29:07Z Sargoth 0 Schützte „[[Vorlage:Boolandnot]]“: Häufig eingebundene Vorlage ([edit=sysop] (unbeschränkt) [move=sysop] (unbeschränkt)) {{#if: {{{1|}}} | {{#if: {{{2|}}} | | 1 }} }}<noinclude> {{Dokumentation}} [[Kategorie:Vorlage:Funktion|{{PAGENAME}}]] </noinclude> sy1ie2guzsusw467z8e9fzoo0o7rvw8 wikitext text/x-wiki Vorlage:Info ISO-3166-2:RU-MOS 10 24325 26923 2009-10-11T21:25:28Z Umherirrender 280 Update Positionskarte <onlyinclude>{{#switch: {{lc:{{{1}}} }} |continent = Europa <!--Administration--> |level = 1 |maxlevel= 1 |acronym = MOS |top = RU |upper = RU |admname = Oblast Moskau |lemma = Oblast Moskau |admtype = Oblast |0 = Russland |1 = Moskau |2 = |map = Russland Oblast Moskau |flag = Flag of Moscow Oblast.png }}</onlyinclude>{{Info ISO-3166-2/Info}} f3al6ti9q8u7s9mufqm1sugz1j321b6 wikitext text/x-wiki Vorlage:Infobox Ort in Russland/Doku 10 24326 26924 2010-03-13T15:19:25Z Frank C. Müller 0 /* Politische Gliederung */ typo <noinclude>{{Dokumentation/Dokuseite}}</noinclude> __TOC__ {{Infobox Ort in Russland |deutscher Name = Tschernogolowka |Name in Landessprache = Черноголовка |Name in Landessprache2 = |Landessprache2 = |Wappen = Coat of Arms of Chernogolovka (Moscow oblast) (2001).png |Flagge = Flag of Chernogolovka (Moscow oblast).png |lat_deg = 56 |lat_min=00 |lat_sec=00 |lon_deg = 38 |lon_min=22 |lon_sec=00 |Art der Region = Oblast |Region = Moskau |Region in der Tabelle = |Art des Gebietes = Rajon |Gebiet = Noginsk |Gebiet in der Tabelle = |innere Gliederung = |Bezeichnung des Oberhaupts = Bürgermeister |Oberhaupt = Juri Filippow |Gründungsjahr = |erste Erwähnung = 1710 |frühere Namen = |Status = Stadt |Status seit = 2001 |Fläche = 63 |Art der Höhe = |Höhe des Zentrums = 150 |offizielle Sprache = |offizielle Sprache-ref = |Bevölkerung = 20500 |Jahr der Zählung = 2007 |Ballungsraum = |nationale Zusammensetzung = |Zusammensetzung nach Religionen = |Telefonvorwahl = (+7)49652 |Postleitzahl = 142432 |Gemeindeschlüssel = 46 239 504 9 |Webseite = http://www.chernogolovka.net/ }} == Beispiel == <pre><nowiki> {{Infobox Ort in Russland |deutscher Name = Tschernogolowka |Name in Landessprache = Черноголовка |Name in Landessprache2 = |Landessprache2 = |Wappen = Coat of Arms of Chernogolovka (Moscow oblast) (2001).png |Flagge = Flag of Chernogolovka (Moscow oblast).png |lat_deg = 56 |lat_min=00 |lat_sec=00 |lon_deg = 38 |lon_min=22 |lon_sec=00 |Art der Region = Oblast |Region = Moskau |Region in der Tabelle = |Art des Gebietes = Rajon |Gebiet = Noginsk |Gebiet in der Tabelle = |innere Gliederung = |Bezeichnung des Oberhaupts = Bürgermeister |Oberhaupt = Juri Filippow |Gründungsjahr = |erste Erwähnung = 1710 |frühere Namen = |Status = Stadt |Status seit = 2001 |Fläche = 63 |Art der Höhe = |Höhe des Zentrums = 150 |offizielle Sprache = |offizielle Sprache-ref = |Bevölkerung = 20500 |Jahr der Zählung = 2007 |Ballungsraum = |nationale Zusammensetzung = |Zusammensetzung nach Religionen = |Telefonvorwahl = (+7)49652 |Postleitzahl = 142432 |Gemeindeschlüssel = 46 239 504 9 |Webseite = http://www.chernogolovka.net/ }}</nowiki></pre><br clear="all" /> == Kopiervorlage == <pre><nowiki> {{Infobox Ort in Russland |deutscher Name = |Name in Landessprache = |Name in Landessprache2 = |Landessprache2 = |Wappen = |Flagge = |lat_deg = |lat_min= |lat_sec= |lon_deg = |lon_min= |lon_sec= |Art der Region = |Region = |Region in der Tabelle = |Art des Gebietes = |Gebiet = |Gebiet in der Tabelle = |innere Gliederung = |Bezeichnung des Oberhaupts = |Oberhaupt = |Gründungsjahr = |erste Erwähnung = |frühere Namen = |Status = |Status seit = |Fläche = |Art der Höhe = |Höhe des Zentrums = |offizielle Sprache = |offizielle Sprache-ref = |Bevölkerung = |Jahr der Zählung = |Ballungsraum = |nationale Zusammensetzung = |Zusammensetzung nach Religionen = |Telefonvorwahl = (+7) |Postleitzahl = |Gemeindeschlüssel = |Webseite = }}</nowiki></pre> == Beschreibung der Parameter == * ''Status'' ('''Pflichtparameter''') — Status des Ortes, z.B. <code>Stadt</code>, <code>Dorf</code>, <code>Siedlung</code> usw. * ''deutscher Name'' ('''Pflichtparameter''') — deutsche Bezeichnung des Ortes. * ''Name in Landessprache'' — ggf. mehrere Werte, Zeilenumbruch mit <code>&lt;br /&gt;</code> (in der Regel der russische Name) * ''Name in Landessprache2'' — Name in einer weiteren (offiziellen) Landessprache. * ''Landessprache2'' — Kürzel der zweiten Landessprache gemäß [[:Kategorie:Vorlage:Fremdsprachenunterstützung]]; '''Pflicht'''parameter, wenn ''Name in Landessprache2'' angegeben ist; z.B. ''Sah'' für [[Jakutische Sprache|jakutisch]] ([[Vorlage:SahS]]) * ''Wappen'' — Dateiname des Bildes der Flagge (zu finden unter der entsprechenden [[:commons:Category:Coats_of_arms|Kategorie auf Commons]]). Angabe im Format <code>Dateiname.png/svg/jpg</code>. ** ''Wappenbreite'' — Breite in Pixeln (Voreinstellung <code>80</code>). * ''Flagge'' — Dateiname. ** ''Flaggenbreite'' — Breite in Pixeln (Voreinstellung <code>120</code>). === Koordinaten === * ''lat_deg'' — Breitengrad. * ''lat_min'' — Breitenminute. * ''lat_sec'' — Breitensekunde. * ''lon_dir'' — [[Geographische Länge]], entweder <code>E</code> (Ost) oder <code>W</code> (West). Voreinstellung: <code>E</code>. * ''lon_deg'' — Längengrad. * ''lon_min'' — Längenminute. * ''lon_sec'' — Längensekunde. === Politische Gliederung === Siehe dazu: [[Politische Gliederung Russlands]] * ''Landeskarte'' — für die Angabe einer alternativen Landeskarte, Standard: [[Vorlage:Positionskarte Russland|Russland]] ** ''Breite der Landeskarte'' — Breite der Landeskarte in Pixeln (Voreinstellung 250). Bei Eingabe von '''0''' wird die Karte nicht angezeigt. * ''Art der Region'' ('''Pflichtparameter''') — z. B. '''Republik''', '''Region''' (Kraj), '''Oblast''', ''Stadt mit Subjektstatus'', ''Autonomes Gebiet'', ''Autonomer Kreis'' ** ''Region'' ('''Pflichtparameter''') — Name der Region ohne Zusätze wie z. B ''Oblast''.. ** ''Region in der Tabelle'' — Name der Region, der in der Tabelle angezeigt wird. Dieser Parameter wird benötigt, wenn der Inhalt des Parameters ''Region'', nicht mit dem Kartennamen der [[Vorlage:Positionskarte Russland|Positionskarte]] übereinstimmt, und so der Link ins Leer führen würde bzw. eine andere Beschriftung des Links erwünscht ist. ** ''Regionalkarte'' — für die Angabe einer alternativen Regionalkarte, Voreinstellung: [[Spezial:Präfixindex/Vorlage:Positionskarte_Russland|<nowiki>Russland_{{{Art der Region}}}_{{{Region}}}</nowiki>]] ** ''Breite der Regionalkarte'' — Breite der Regionalkarte in Pixeln (Voreinstellung 250). Bei Eingabe von '''0''' wird die Karte nicht angezeigt. * ''Art des Gebietes'' — Art des Gebietes, z. B. '''Rajon''' ** ''Gebiet'' — Name des Gebietes ohne Zusätze wie z.B ''Rajon''. ** ''Gebiet in der Tabelle'' — Name des Gebietes, der in der Tabelle angezeigt wird. (s. o.) ** ''Gebietskarte'' — für die Angabe einer alternativen Gebietskarte, Voreinstellung: [[Spezial:Präfixindex/Vorlage:Positionskarte_Russland|<nowiki>Russland_{{{Art der Region}}}_{{{Region}}}_{{{Art des Gebietes}}}_{{{Gebiet}}}</nowiki>]] ** ''Breite der Gebietskarte'' — Breite der Gebietskarte in Pixeln (Voreinstellung 250). Bei Eingabe von '''0''' wird die Karte nicht angezeigt. * ''innere Gliederung'' — Anzahl der Untereinheiten (wenn vorhanden), z. B. ''7 Stadtbezirke'' * ''Bezeichnung des Oberhaupts'' — z. B. Bürgermeister ** ''Oberhaupt'' — Name des Oberhaupts des Ortes. * ''Gründungsjahr'' — Jahr der Gründung des Ortes. Wenn unbekannt, wird der nächste Parameter <code>erste Erwähnung</code> verwendet. ** ''erste Erwähnung'' — Jahr der ersten Erwähnung des Ortes. Wird angezeigt, wenn das Gründungsjahr unbekannt ist. * ''frühere Namen'' — Aufzählung eventueller früherer Namen des Ortes * ''Status seit'' — Jahr, in dem der Ort den aktuellen Status bekam (z. B. Stadtrecht). * ''Fläche'' — in km², nur den Zahlenwert (ohne Tausendertrennzeichen) angeben mit Punkt statt Komma: 1234.56 für 1.234,45 * ''Art der Höhe'' — z. B. ''Mittlere Höhe''. Voreinstellung: ''Höhe des Ortszentrums'' ** ''Höhe des Zentrums'' — Höhe über dem Meeresspiegel, in m. * ''offizielle Sprache'' — offizielle Sprache des Ortes. Nur bei Abweichungen von „russisch“ ausfüllen<!-- ** ''offizielle Sprache-ref'' — Link zur Seite, die das Vorhandensein einer off. Sprache bestätigt. --> === Angaben zur Bevölkerung === * ''Bevölkerung'' — Einwohnerzahl, nur den Zahlenwert (ohne Tausendertrennzeichen) angeben ** ''Jahr der Zählung'' — Jahreszahl ** ''Ballungsraum'' — Einwohnerzahl im Ballungsraum * ''nationale Zusammensetzung'' — Aufzählung der größten Gruppen und %-Angaben * ''Zusammensetzung nach Religionen'' * ''[[Zeitzone]]'' — Unterschied zu [[Koordinierte Weltzeit|UTC]]; muss nur in wenigen Sonderfällen angegeben werden (Teile der [[Sacha|Republik Sacha (Jakutien)]], [[Kurilen]], z. B. <code>+10</code>), ansonsten automatische Berechnung aus Föderationssubjekt (Parameter ''Art der Region'', ''Region'', ggf. ''deutscher Name'') * ''Telefonvorwahl'' — internationale Telefonvorwahl, mit Ländercode <code>+7</code> für Russland. Bsp: <code>+7 (47 42)</code> für [[Lipezk]] * ''Postleitzahl'' — eine oder mehrere (im Format <code>188300—188310</code>). * ''Gemeindeschlüssel'' — Zahlenwert, [[OKATO]] * ''Webseite'' — Webseite des Ortes * ''add1n'' — Name des ersten zusätzlichen Parameters. * ''add1'' — Wert des ersten zusätzlichen Parameters. * ''add2n'' — Name des zweiten zusätzlichen Parameters. * ''add2'' — Wert des zweiten zusätzlichen Parameters. * ''add3n'' — Name des dritten zusätzlichen Parameters. * ''add3'' — Wert des dritten zusätzlichen Parameters. == Wartung == Artikel mit fehlerhaften Angaben in der Infoxbos werden in [[:Kategorie:Fehler in Infobox Ort in Russland]] einsortiert. Artikel mit fehlenden Koordinaten kann man unter [[:Kategorie:Geographische Lage gewünscht (RU)]] sehen. dd7rl0b1d0zrij7o5m76ekzjzwwhkbh wikitext text/x-wiki Vorlage:Infobox Ort in Russland/Meta 10 24327 26925 2008-04-01T16:09:34Z Euku 214 <noinclude>{{Dokumentation/Metaseite}} [[Kategorie:Vorlage:nur Dokumentation|Infobox Ort in Russland/Meta]]</noinclude><includeonly> [[Kategorie:Vorlage:Russland|Infobox Ort in Russland]] [[Kategorie:Vorlage:Infobox Ort in Land|Russland]] [[ru:Шаблон:НП-Россия]] </includeonly> jm12qrh4si4cz5n1jwsrhbgwpqbwe21 wikitext text/x-wiki Vorlage:Infobox Ort in Russland/Region zu Föderationskreis 10 24328 26926 2010-02-07T04:34:07Z TheK 0 <includeonly>{{#switch:{{{1}}} |Republik Karelien|Republik Komi |Oblast Archangelsk|Oblast Wologda|Oblast Kaliningrad|Oblast Leningrad|Oblast Murmansk|Oblast Nowgorod|Oblast Pskow |Stadt mit Subjektstatus Sankt Petersburg |Autonomer Kreis der Nenzen |Stadt Sankt Petersburg = [[Nordwestrussland]]<!-- ######## Zentralrussland --> |Oblast Belgorod|Oblast Brjansk|Oblast Wladimir|Oblast Woronesch|Oblast Iwanowo|Oblast Kaluga|Oblast Kostroma|Oblast Kursk|Oblast Lipezk|Oblast Moskau|Oblast Orjol|Oblast Rjasan|Oblast Smolensk|Oblast Tambow|Oblast Twer|Oblast Tula|Oblast Jaroslawl |Stadt mit Subjektstatus Moskau|Stadt Moskau = [[Zentralrussland]]<!-- ######## Südrussland --> |Republik Adygeja|Republik Kalmückien |Region Krasnodar |Oblast Astrachan|Oblast Wolgograd|Oblast Rostow|Oblast Rostow am Don = [[Südrussland]]<!-- ######## Nordkaukasus --> |Republik Dagestan|Republik Inguschetien|Republik Kabardino-Balkarien|Republik Karatschai-Tscherkessien|Republik Nordossetien|Republik Nordossetien-Alanien|Republik Tschetschenien |Region Stawropol = [[Nordkaukasus (Föderationskreis)|Nordkaukasus]]<!-- ######## Wolga --> |Republik Baschkortostan|Republik Mari El|Republik Mordwinien|Republik Tatarstan|Republik Tschuwaschien|Republik Udmurtien |Region Perm |Oblast Kirow|Oblast Nischni Nowgorod|Oblast Orenburg|Oblast Pensa|Oblast Samara|Oblast Saratow|Oblast Uljanowsk |Autonomer Kreis Komi-Permjaken|Autonomer Kreis der Komi-Permjaken = [[Wolga (Föderationskreis){{!}}Wolga]]<!-- ######## Ural --> |Oblast Kurgan|Oblast Swerdlowsk|Oblast Tjumen|Oblast Tscheljabinsk |Autonomer Kreis Chanten und Mansen|Autonomer Kreis Jamal-Nenzen|Autonomer Kreis der Chanten und Mansen|Autonomer Kreis der Jamal-Nenzen = [[Ural (Föderationskreis){{!}}Ural]]<!-- ######## Sibirien --> |Republik Altai|Republik Burjatien|Republik Chakassien|Republik Tuwa |Region Altai|Region Krasnojarsk|Region Transbaikalien |Oblast Irkutsk|Oblast Kemerowo|Oblast Nowosibirsk|Oblast Omsk|Oblast Tomsk |Autonomer Kreis Aginer Burjaten|Autonomer Kreis der Aginer Burjaten |Autonomer Kreis Ewenken|Autonomer Kreis der Ewenken |Autonomer Kreis Taimyr = [[Sibirien (Föderationskreis){{!}}Sibirien]]<!-- ######## Ferner Osten --> |Republik Sacha (Jakutien)|Republik Sacha |Region Kamtschatka|Region Primorje|Region Chabarowsk |Oblast Amur|Oblast Magadan|Oblast Sachalin |Autonomes Gebiet Jüdisches A. G.|Autonomes Gebiet Jüdisches Autonomes Gebiet|Jüdisches Autonomes Gebiet |Autonomer Kreis Tschuktschen|Autonomer Kreis Tschuktschen (Tschukotka)|Autonomer Kreis der Tschuktschen|Autonomer Kreis Tschukotka = [[Ferner Osten (Föderationskreis){{!}}Ferner Osten]]<!-- ######## Fehler --> |#default = Fehler bitte [[Vorlage Diskussion:Infobox Ort in Russland{{!}}hier]] melden [[Kategorie:Fehler in Infobox Ort in Russland‎]] }}</includeonly><noinclude> Diese Vorlage ordnet einem [[Föderationssubjekt]] den übergeordneten [[Föderationskreis]] auf der Basis von [[Politische Gliederung Russlands#Alle Föderationssubjekte nach Föderationskreisen (in Klammern die Kfz-Kennzeichen)]] zu. Sie wird in [[Vorlage:Infobox Ort in Russland]], [[Vorlage:Infobox Rajon in Russland]] und [[Vorlage:Infobox Föderationssubjekt Russlands]] eingesetzt. [[Kategorie:Vorlage:für Vorlagen|Infobox Ort in Russland/Region zu Foderationskreis]] [[bar:Vorlage:Infobox Ort in Russland/Region zu Föderationskreis]] </noinclude> ip53fumglgelk88c29p26ql54efbayx wikitext text/x-wiki Vorlage:Infobox Ort in Russland/Region zu Kfz-Kennzeichen 10 24329 26927 2009-12-28T18:36:05Z DaTschick 0 interwiki <includeonly>{{#switch:{{{1}}} |Republik Adygeja=01 |Republik Baschkortostan=02, 102 |Republik Burjatien=03 |Republik Altai=04 |Republik Dagestan=05 |Republik Inguschetien=06 |Republik Kabardino-Balkarien=07 |Republik Kalmückien=08 |Republik Karatschai-Tscherkessien=09 |Republik Karelien=10 |Republik Komi=11, 111 |Republik Mari El=12 |Republik Mordwinien=13 |Republik Sacha (Jakutien)|Republik Sacha=14 |Republik Nordossetien|Republik Nordossetien-Alanien=15 |Republik Tatarstan=16, 116 |Republik Tuwa=17 |Republik Udmurtien=18 |Republik Chakassien=19 |Republik Tschetschenien=20, 95 |Republik Tschuwaschien=21, 121 |Region Altai=22 |Region Krasnodar=23, 93 |Region Krasnojarsk=24, 84, 88 |Region Primorje=25, 125 |Region Stawropol=26 |Region Chabarowsk=27 |Oblast Amur=28 |Oblast Archangelsk=29 |Oblast Astrachan=30 |Oblast Belgorod=31 |Oblast Brjansk=32 |Oblast Wladimir=33 |Oblast Wolgograd=34 |Oblast Wologda=35 |Oblast Woronesch=36 |Oblast Iwanowo=37 |Oblast Irkutsk=38, 85 |Oblast Kaliningrad=39, 91 |Oblast Kaluga=40 |Oblast Kamtschatka=41 |Region Kamtschatka=41, 82 |Oblast Kemerowo=42 |Oblast Kirow=43 |Oblast Kostroma=44 |Oblast Kurgan=45 |Oblast Kursk=46 |Oblast Leningrad=47 |Oblast Lipezk=48 |Oblast Magadan=49 |Oblast Moskau=50, 90, 150 |Oblast Murmansk=51 |Oblast Nischni Nowgorod=52, 152 |Oblast Nowgorod=53, 153 |Oblast Nowosibirsk=54 |Oblast Omsk=55 |Oblast Orenburg=56 |Oblast Orjol=57 |Oblast Pensa=58 |Region Perm=59, 159, 81 |Oblast Pskow=60 |Oblast Rostow|Oblast Rostow am Don=61, 161 |Oblast Rjasan=62 |Oblast Samara=63, 163 |Oblast Saratow=64, 164 |Oblast Sachalin=65 |Oblast Swerdlowsk=66, 96 |Oblast Smolensk=67 |Oblast Tambow=68 |Oblast Twer=69 |Oblast Tomsk=70 |Oblast Tula=71 |Oblast Tjumen=72 |Oblast Uljanowsk=73, 173 |Oblast Tscheljabinsk=74, 174 |Oblast Tschita=75 |Region Transbaikalien=75, 80 |Oblast Jaroslawl=76 |Stadt mit Subjektstatus Moskau|Stadt Moskau=77, 97, 99, 177, 199 |Stadt mit Subjektstatus Sankt Petersburg|Stadt Sankt Petersburg=78, 98 |Autonomes Gebiet Jüdisches A. G.|Autonomes Gebiet Jüdisches Autonomes Gebiet|Jüdisches Autonomes Gebiet=79 |Autonomer Kreis Aginer Burjaten|Autonomer Kreis der Aginer Burjaten=80<!-- ehm. Gebiet --> |Autonomer Kreis Komi-Permjaken|Autonomer Kreis der Komi-Permjaken=81<!-- ehm. Gebiet --> |Autonomer Kreis Korjaken|Autonomer Kreis der Korjaken=82<!-- ehm. Gebiet --> |Autonomer Kreis Nenzen|Autonomer Kreis der Nenzen=83<!-- ehm. Gebiet --> |Autonomer Kreis Taimyr=84<!-- ehm. Gebiet --> |Autonomer Kreis Ust-Ordynsker Burjaten|Autonomer Kreis der Ust-Ordynsker Burjaten=85<!-- ehm. Gebiet --> |Autonomer Kreis Chanten und Mansen|Autonomer Kreis der Chanten und Mansen=86 |Autonomer Kreis Tschuktschen|Autonomer Kreis Tschuktschen (Tschukotka)|Autonomer Kreis der Tschuktschen|Autonomer Kreis Tschukotka = 87 |Autonomer Kreis Ewenken|Autonomer Kreis der Ewenken=88<!-- ehm. Gebiet --> |Autonomer Kreis Jamal-Nenzen|Autonomer Kreis der Jamal-Nenzen=89 |Region Transbaikalien= |#default = Fehler bitte [[Vorlage Diskussion:Infobox Ort in Russland{{!}}hier]] melden [[Kategorie:Fehler in Infobox Ort in Russland‎]] }}</includeonly><noinclude> Diese Vorlage ordnet einem [[Föderationssubjekt]] ein Kfz-Kennzeichen auf der Basis von [[Kfz-Kennzeichen (Russland)]] zu. Sie wird in [[Vorlage:Infobox Ort in Russland]], [[Vorlage:Infobox Rajon in Russland]] und [[Vorlage:Infobox Föderationssubjekt Russlands]] eingesetzt. [[Kategorie:Vorlage:für Vorlagen|Infobox Ort in Russland/Region zu Kfz]] [[bar:Vorlage:Infobox Ort in Russland/Region zu Kfz-Kennzeichen]] </noinclude> 94ncvkfl3a4njikigj81oxh87aunv8t wikitext text/x-wiki Vorlage:Infobox Russland/Region zu ISO Code 10 24330 26928 2009-04-17T17:41:02Z Boente 0 ISO Codes EVE, TAY und KOR gelöscht, da ungültig durch http://www.iso.org/iso/newsletter_i-9.pdf <includeonly>{{#switch:{{{1}}} |Autonomer Kreis Aginer Burjaten|Autonomer Kreis der Aginer Burjaten=AGB<!-- ehemaliges Gebiet --> |Autonomer Kreis Chanten und Mansen|Autonomer Kreis der Chanten und Mansen=KHM |Autonomer Kreis Jamal-Nenzen|Autonomer Kreis der Jamal-Nenzen=YAN |Autonomer Kreis Nenzen|Autonomer Kreis der Nenzen=NEN |Autonomer Kreis Tschuktschen|Autonomer Kreis Tschuktschen (Tschukotka)|Autonomer Kreis der Tschuktschen|Autonomer Kreis Tschukotka =CHU |Autonomer Kreis Ust-Ordynsker Burjaten|Autonomer Kreis der Ust-Ordynsker Burjaten=UOB<!-- ehemaliges Gebiet --> |Autonomes Gebiet Jüdisches A. G.|Autonomes Gebiet Jüdisches Autonomes Gebiet|Jüdisches Autonomes Gebiet=YEV |Oblast Amur=AMU |Oblast Archangelsk=ARK |Oblast Astrachan=AST |Oblast Belgorod=BEL |Oblast Brjansk=BRY |Oblast Irkutsk=IRK |Oblast Iwanowo=IVA |Oblast Jaroslawl=YAR |Oblast Kaliningrad=KGD |Oblast Kaluga=KLU |Oblast Kamtschatka=KAM<!-- jetzt Region Kamtschatka, gleicher Code --> |Oblast Kemerowo=KEM |Oblast Kirow=KIR |Oblast Kostroma=KOS |Oblast Kurgan=KGN |Oblast Kursk=KRS |Oblast Leningrad=LEN |Oblast Lipezk=LIP |Oblast Magadan=MAG |Oblast Moskau=MOS |Oblast Murmansk=MUR |Oblast Nischni Nowgorod=NIZ |Oblast Nowgorod=NGR |Oblast Nowosibirsk=NVS |Oblast Omsk=OMS |Oblast Orenburg=ORE |Oblast Orjol=ORL |Oblast Pensa=PNZ |Oblast Pskow=PSK |Oblast Rjasan=RYA |Oblast Rostow|Oblast Rostow am Don=ROS |Oblast Sachalin=SAK |Oblast Samara=SAM |Oblast Saratow=SAR |Oblast Smolensk=SMO |Oblast Swerdlowsk=SVE |Oblast Tambow=TAM |Oblast Tjumen=TYU |Oblast Tomsk=TOM |Oblast Tscheljabinsk=CHE |Oblast Tschita=CHI<!-- jetzt Region Transbaikalien, vorerst gleicher Code --> |Oblast Tula=TUL |Oblast Twer=TVE |Oblast Uljanowsk=ULY |Oblast Wladimir=VLA |Oblast Wolgograd=VGG |Oblast Wologda=VLG |Oblast Woronesch=VOR |Region Altai=ALT |Region Chabarowsk=KHA |Region Kamtschatka=KAM |Region Krasnodar=KDA |Region Krasnojarsk=KYA |Region Perm=PER |Region Primorje=PRI |Region Stawropol=STA |Region Transbaikalien=CHI<!-- noch kein Code festgelegt (September 2008), verwendet vorerst Code der Oblast Tschita weiter --> |Republik Adygeja=AD |Republik Altai=AL |Republik Baschkortostan=BA |Republik Burjatien=BU |Republik Chakassien=KK |Republik Dagestan=DA |Republik Inguschetien=IN |Republik Kabardino-Balkarien=KB |Republik Kalmückien=KL |Republik Karatschai-Tscherkessien=KC |Republik Karelien=KR |Republik Komi=KO |Republik Mari El=ME |Republik Mordwinien=MO |Republik Nordossetien|Republik Nordossetien-Alanien=SE |Republik Sacha (Jakutien)|Republik Sacha=SA |Republik Tatarstan=TA |Republik Tschetschenien=CE |Republik Tschuwaschien=CU |Republik Tuwa=TY |Republik Udmurtien=UD |Stadt mit Subjektstatus Moskau|Stadt Moskau=MOW |Stadt mit Subjektstatus Sankt Petersburg|Stadt Sankt Petersburg=SPE |#default = Fehler bitte [[Vorlage Diskussion:Infobox Ort in Russland{{!}}hier]] melden [[Kategorie:Fehler in Infobox Ort in Russland‎]] }}</includeonly><noinclude> Diese Vorlage ordnet einem [[Föderationssubjekt]] Russlands einen ISO-3166-2:RU-Code für subnationale Einheiten auf der Basis von [[ISO 3166-2:RU]] zu. Sie wird in [[Vorlage:Infobox Ort in Russland]] und [[Vorlage:Infobox Rajon in Russland]] eingesetzt. [[Kategorie:Vorlage:für Vorlagen|Infobox Russland/Region zu ISO Code]] </noinclude> hcfdo8v9uykfc59spl6hso8jqp65fjz wikitext text/x-wiki Vorlage:Infobox Russland/Region zu Zeitzone 10 24331 26929 2010-03-28T12:29:06Z S1 0 aktualisiert <includeonly>{{#switch:{{{1}}} |Autonomer Kreis Aginer Burjaten|Autonomer Kreis der Aginer Burjaten=9<!-- ehemaliges Gebiet --> |Autonomer Kreis Chanten und Mansen|Autonomer Kreis der Chanten und Mansen=5 |Autonomer Kreis Ewenken|Autonomer Kreis der Ewenken=7<!-- ehemaliges Gebiet --> |Autonomer Kreis Jamal-Nenzen|Autonomer Kreis der Jamal-Nenzen=5 |Autonomer Kreis Korjaken|Autonomer Kreis der Korjaken=12<!-- ehemaliges Gebiet --> |Autonomer Kreis Nenzen|Autonomer Kreis der Nenzen=3 |Autonomer Kreis Taimyr=7<!-- ehemaliges Gebiet --> |Autonomer Kreis Tschuktschen|Autonomer Kreis Tschuktschen (Tschukotka)|Autonomer Kreis der Tschuktschen|Autonomer Kreis Tschukotka =11 |Autonomer Kreis Ust-Ordynsker Burjaten|Autonomer Kreis der Ust-Ordynsker Burjaten=8<!-- ehemaliges Gebiet --> |Autonomes Gebiet Jüdisches A. G.|Autonomes Gebiet Jüdisches Autonomes Gebiet|Jüdisches Autonomes Gebiet=10 |Oblast Amur=9 |Oblast Archangelsk=3 |Oblast Astrachan=3 |Oblast Belgorod=3 |Oblast Brjansk=3 |Oblast Irkutsk=8 |Oblast Iwanowo=3 |Oblast Jaroslawl=3 |Oblast Kaliningrad=2 |Oblast Kaluga=3 |Oblast Kamtschatka=11<!-- ehemaliges Gebiet --> |Oblast Kemerowo=6 |Oblast Kirow=3 |Oblast Kostroma=3 |Oblast Kurgan=5 |Oblast Kursk=3 |Oblast Leningrad=3 |Oblast Lipezk=3 |Oblast Magadan=11 |Oblast Moskau=3 |Oblast Murmansk=3 |Oblast Nischni Nowgorod=3 |Oblast Nowgorod=3 |Oblast Nowosibirsk=6 |Oblast Omsk=6 |Oblast Orenburg=5 |Oblast Orjol=3 |Oblast Pensa=3 |Oblast Pskow=3 |Oblast Rjasan=3 |Oblast Rostow|Oblast Rostow am Don=3 |Oblast Sachalin=10 |Oblast Samara=3 |Oblast Saratow=3 |Oblast Smolensk=3 |Oblast Swerdlowsk=5 |Oblast Tambow=3 |Oblast Tjumen=5 |Oblast Tomsk=6 |Oblast Tscheljabinsk=5 |Oblast Tschita=9<!-- ehemaliges Gebiet --> |Oblast Tula=3 |Oblast Twer=3 |Oblast Uljanowsk=3 |Oblast Wladimir=3 |Oblast Wolgograd=3 |Oblast Wologda=3 |Oblast Woronesch=3 |Region Altai=6 |Region Chabarowsk=10 |Region Kamtschatka=11 |Region Krasnodar=3 |Region Krasnojarsk=7 |Region Perm=5 |Region Primorje=10 |Region Stawropol=3 |Region Transbaikalien=9 |Republik Adygeja=3 |Republik Altai=6 |Republik Baschkortostan=5 |Republik Burjatien=8 |Republik Chakassien=7 |Republik Dagestan=3 |Republik Inguschetien=3 |Republik Kabardino-Balkarien=3 |Republik Kalmückien=3 |Republik Karatschai-Tscherkessien=3 |Republik Karelien=3 |Republik Komi=3 |Republik Mari El=3 |Republik Mordwinien=3 |Republik Nordossetien|Republik Nordossetien-Alanien=3 |Republik Sacha (Jakutien)|Republik Sacha=9 |Republik Tatarstan=3 |Republik Tschetschenien=3 |Republik Tschuwaschien=3 |Republik Tuwa=7 |Republik Udmurtien=3 |Stadt mit Subjektstatus Moskau|Stadt Moskau=3 |Stadt mit Subjektstatus Sankt Petersburg|Stadt Sankt Petersburg=3 |#default = Fehler bitte [[Vorlage Diskussion:Infobox Ort in Russland{{!}}hier]] melden [[Kategorie:Fehler in Infobox Ort in Russland‎]] }}</includeonly><noinclude> Diese Vorlage ordnet einem [[Föderationssubjekt]] Russlands die entspechende [[Zeitzone]] zu ([[Koordinierte Weltzeit|UTC]]+x). ''Achtung:'' der östliche Teil der [[Republik Sacha (Jakutien)]] (UTC+10 und UTC+11 statt UTC+9) und die [[Kurilen]] (UTC+11 statt UTC+10) liegen in von den hier für den größten Teil des jeweiligen Föderationssubjekt abweichenden Zeitzonen. Sie wird in [[Vorlage:Infobox Ort in Russland]] und [[Vorlage:Infobox Rajon in Russland]] eingesetzt. [[Kategorie:Vorlage:für Vorlagen|Infobox Russland/Region zu Zeitzone]] [[bar:Vorlage:Infobox Russland/Region zu Zeitzone]] </noinclude> 7t5fdhzey9g6sst4mj6joy950olhcvo wikitext text/x-wiki Vorlage:Maß 10 24332 26930 2009-01-02T22:23:02Z Revolus 0 am Schwellwert überschreitet man die Schwelle, stimmt schon <onlyinclude>{{#if: {{IstZahl|{{{1|}}} }} | {{#if:{{{3|}}} | {{#iferror: {{#ifexpr: {{{1}}} >= {{{3}}} | {{formatnum: {{{1}}} }}&nbsp;{{{2}}} | {{formatnum: {{#expr: ({{{1}}})*({{{5}}}) }}}}&nbsp;{{{4}}} }} | <strong class="error">Fehlerhafte Eingabe für [[Vorlage:Maß]]</span> }} | {{#ifexpr: {{{1}}} >= 1 | {{formatnum: {{{1}}} }}{{#if: {{{2|}}}|&nbsp;{{{2}}} }} | {{#switch:{{{2|}}} | = {{formatnum: {{{1}}} }} | km = {{formatnum: {{#expr: ({{{1}}})*1000 }}}}&nbsp;m | km² = {{formatnum: {{#expr: ({{{1}}})* 100 }}}}&nbsp;ha | #default = {{formatnum: {{{1}}} }}&nbsp;{{{2}}} }} }} }} | {{{1|}}}<span style="display:none">[[Vorlage:Maß/Wartung/Maßzahl nicht numerisch|dep1]]</span> }}</onlyinclude> {{Dokumentation}} fb4knxzzyqk67jx01hmo4xdvmhsj39w wikitext text/x-wiki Vorlage:Positionskarte Russland 10 24333 26931 2010-05-05T20:22:28Z Obersachsebot 0 Bot: Ändere: [[mk:Шаблон:ПозКарта Русија]] {{#switch:{{{1}}} | name = Russland | y = 50.0 + 1.8540031397174255 * 71.51617284504452 * 0.20267660928013187 - 1.8540031397174255 * 71.51617284504452 * (0.7246972783907744 - (1.6671750744677123-({{{2}}}*pi / 180)) * cos(0.807990549171814 * ({{{3}}} + ({{{3}}}<0)*360 - 100) * pi / 180)) | x = 50.0 + 71.51617284504452 * ((1.6671750744677123-({{{2}}}*pi / 180)) * sin(0.807990549171814 * ({{{3}}} + ({{{3}}}<0)*360 - 100) * pi / 180)) |image={{#switch: {{{2|}}} |relief=Russia edcp relief location map.jpg |#default=Russia_edcp_location map.svg }} }}<noinclude> {{Positionskarte/Info}} == Verfügbare Karten == Liste von Vorlage:Positionskarte ''Kartenname'' (hier ohne Präfix „Vorlage:“): {{Spezial:Präfixindex/Vorlage:Positionskarte_Russland}} [[ba:Ҡалып:ПозКарта Рәсәй]] [[bar:Vorlage:Positionskarte Russland]] [[be-x-old:Шаблён:Лякалізацыйная мапа Расеі]] [[bg:Шаблон:ПК Русия]] [[ca:Plantilla:Location map Rússia]] [[crh:Şablon:Location map Rusiye]] [[cs:Šablona:LocMap Rusko]] [[da:Skabelon:Kortpositioner Rusland]] [[dsb:Pśedłoga:LocMap Rusojska]] [[en:Template:Location map Russia]] [[eo:Ŝablono:Situo sur mapo Ruslando]] [[es:Plantilla:Mapa de localización de Rusia]] [[fr:Modèle:Géolocalisation/Russie]] [[he:תבנית:מפת מיקום/רוסיה]] [[hsb:Předłoha:LocMap Ruska]] [[hu:Sablon:Pozíciós térkép Oroszország]] [[hy:Կաղապար:Դիրքորոշում Ռուսաստան]] [[it:Template:Mappa di localizzazione/RUS]] [[ja:Template:Location map Russia]] [[ka:თარგი:პოზრუკა რუსეთი]] [[kk:Үлгі:Location map Russia]] [[ko:틀:위치 지도 러시아]] [[lv:Veidne:Location map Russia]] [[mhr:Ямдылык:ПозКарта Россий]] [[mk:Шаблон:ПозКарта Русија]] [[nl:Sjabloon:Positiekaart Rusland]] [[nn:Mal:Kartposisjon Russland]] [[oc:Modèl:Geolocalizacion/Russia]] [[os:Шаблон:ПозКартæ Уæрæсе]] [[pl:Szablon:Mapa lokalizacyjna/RUS]] [[pt:Predefinição:Mapa de localização/Rússia]] [[ro:Format:Harta de localizare Rusia]] [[ru:Шаблон:ПозКарта Россия]] [[sk:Šablóna:Geobox locator Rusko]] [[sv:Mall:Kartposition Ryssland]] [[szl:Szablon:Mapa lokalizacyjno/RUS]] [[tg:Шаблон:ХаритаиМавзеӣ Русия]] [[tr:Şablon:Location map Russia]] [[uk:Шаблон:Карта розташування Росія]] [[vec:Modèl:Mappa di localizzazione/RUS]] [[vi:Bản mẫu:Bản đồ định vị Nga]] [[zh:Template:Location map Russia]] </noinclude> eu5z0ozegw314pi1w95ocm72yv2kq81 wikitext text/x-wiki Vorlage:Positionskarte Russland Oblast Moskau 10 24334 26932 2010-05-09T06:58:12Z Obersachsebot 0 Bot: Ergänze: [[ro:Format:Harta de localizare Regiunea Moscova Rusia]] {{#switch:{{{1}}} | name = Oblast Moskau | top = 56.9611 | bottom = 54.2557 | left = 35.1435 | right = 40.2035 | image = Russia Moscow oblast location map.svg }}<noinclude> {{Positionskarte/Info|Russland}} [[en:Template:Location map Russia Moscow Oblast]] [[fr:Modèle:Géolocalisation/Oblast de Moscou]] [[lv:Veidne:Location map Maskavas apgabals]] [[nl:Sjabloon:Positiekaart Rusland oblast Moskou]] [[nn:Mal:Kartposisjon Moskva oblast]] [[os:Шаблон:ПозКартæ Уæрæсе Мæскуыйы облæст]] [[ro:Format:Harta de localizare Regiunea Moscova Rusia]] [[ru:Шаблон:ПозКарта Россия Московская область]] </noinclude> rjo3vzhrftvk2mxinfr9kyzm4qaa3yf wikitext text/x-wiki Vorlage:Brockhaus Online/Doku 10 24335 26933 2009-05-02T22:07:58Z HAH 0 - [[Kategorie:Vorlage:Datenbanklink|Brockhaus Online]] <noinclude>{{Dokumentation/Dokuseite}}</noinclude> Diese Vorlage erstellt Verweise auf eine [[Retrodigitalisierung]] von [[Brockhaus Enzyklopädie|Brockhaus Konversationslexikon]]. Bis zu sechs Parameter können angegeben werden: <code><nowiki>* {{Brockhaus Online|Band|erste Seite|letzte Seite|spezialkapitel=Meyers-Lemma|kapiteltext=abweichende Beschriftung|bemerkung=zusätzlicher Kommentar}}</nowiki></code> Die unbenannten Parameter 1 (Band) und 2 (erste Seite) müssen stets angegeben werden. Der Parameter 3 (letzte Seite) sollte angegeben werden, falls der Brockhaus-Artikel einen Seitenumbruch enthält. Der Parameter <code>spezialkapitel</code> sollte nach Möglichkeit angegeben werden; er muss dann genau mit dem Meyers-Lemma übereinstimmen, erstellt einen [[Anker (HTML)|Anker]] und legt die Beschriftung des Verweises fest. Mit dem Parameter <code>kapiteltext</code> kann eine abweichende Beschriftung festgelegt werden; dies kann bei Personen gleichen Nachnamens genutzt werden, um den Vornamen hinzuzufügen, da das Brockhaus-Lemma auch bei Namensgleichheit nur aus dem Nachnamen besteht. Ist keiner der Parameter <code>spezialkapitel</code> und <code>kapiteltext</code> angegeben, wird der Verweis behelfsweise mit dem Wikipedia-Lemma beschriftet; dies führt insbesondere bei Einzelnachweisen oft zu falschen Ergebnissen. Artikel, die als Ganzes auf Brockhaus Konversations-Lexikon basieren, können darüber hinaus mit dem Hinweisbaustein [[Vorlage:Brockhaus]] versehen werden. == Beispiele == <code><nowiki>{{Brockhaus Online|15|793}}</nowiki></code><br /> '''Ergebnis:'''<br /> {{Brockhaus Online|15|793}} <br clear="all" style="clear:both;" /><br /> <code><nowiki>{{Brockhaus Online|15|793|spezialkapitel=bla|bemerkung=ein kleiner Kommentar}}</nowiki></code><br /> '''Ergebnis:'''<br /> {{Brockhaus Online|15|793|spezialkapitel=bla|bemerkung=ein kleiner Kommentar}} <br clear="all" style="clear:both;" /><br /> <code><nowiki>{{Brockhaus Online|15|793|kapiteltext=hallo|spezialkapitel=bla|bemerkung=ein kleiner Kommentar}}</nowiki></code><br /> '''Ergebnis:'''<br /> {{Brockhaus Online|15|793|kapiteltext=hallo|spezialkapitel=bla|bemerkung=ein kleiner Kommentar}} == Siehe auch == * [[Universal-Lexikon der Gegenwart und Vergangenheit|Pierers Enzyklopädisches Wörterbuch]], 4.&nbsp;Aufl. von 1857–1865: [[Vorlage:Pierer-1857]] * [[Meyers Konversations-Lexikon]], 4.&nbsp;Aufl. von 1888–1890: [[Vorlage:Meyers]] und [[Vorlage:Meyers Online]] * [[Brockhaus Enzyklopädie|Brockhaus Konversationslexikon]], 14.&nbsp;Aufl. von 1893–1897: [[Vorlage:Brockhaus]] * [[Vorlage:Merck's Warenlexikon]] 156uhev3p8xa5a7wq53tdbv9387o852 wikitext text/x-wiki Vorlage:Brockhaus Online/Meta 10 24336 26934 2009-05-02T22:24:04Z HAH 0 Erstellt mit [[Kategorie:Vorlage:Datenbanklink|Brockhaus Online]] <noinclude>{{Dokumentation/Metaseite}}</noinclude><includeonly> [[Kategorie:Vorlage:Datenbanklink|Brockhaus Online]] </includeonly> jthupq0i6gdx26fyt5yfsu1d568fh1m wikitext text/x-wiki Vorlage:Infobox Nationalpark/Doku 10 24337 26935 2010-03-04T15:13:29Z 0 /* Parameter */ Poskarte <noinclude>{{Dokumentation/Dokuseite}}</noinclude> == Grundfunktionen == Die Infobox Nationalpark soll die grundlegenden Daten eines Nationalparks oder anderen Schutzgebietes auf einen Blick vermitteln. Sie kann mit den unten angegebenen Parametern an jedes Gebiet weltweit angepasst werden. Die englischen Namen der Parameter sind darin begründet, dass die Box für US-Nationalparke entwickelt wurde und schon in über 100 Artikeln verwendet wurde, bevor die flexiblen Funktionen eingebaut wurden. Die Vorlage kann für alle Nationalparks genutzt werden. Zur Erstellung von Übersichten über verschiedene Nationalparks ist die [[Vorlage:Nationalparkdetail]] hilfreich. == Parameter == === Lagekarte mit Geokoordinaten === ;altmap :Alternativhintergrundkarte zur automatischen Positionskarte. Siehe auch [[Vorlage:Positionskarte#Benutzung|Vorlage:Positionskarte #Alternativkarte]] ;Poskarte :Falls nicht die automatisch aus dem ISO-Code generierte Karte genommen werden soll ;latitude :Breitengrad als Dezimalwert oder d/m/s/dir. Koordinaten lassen sich hier leicht ermitteln (nur dezimal): '''http://www.mcaviglia.ch/gmap/get_coor_ext.asp?l=de''' (siehe dazu auch [[Wikipedia:WikiProjekt Georeferenzierung|WP:GEO]]). ;longitude :Längengrad als Dezimalwert oder d/m/s/dir. Koordinaten lassen sich hier leicht ermitteln (nur dezimal): '''http://www.mcaviglia.ch/gmap/get_coor_ext.asp?l=de''' (siehe dazu auch [[Wikipedia:WikiProjekt Georeferenzierung|WP:GEO]]). ;region-ISO :[[ISO 3166-2|ISO-3166-2-Code]] ;location_map :Pfad einer Karte, die statt der Positionskarte eingebunden werden soll ;location_mapname :Bildunterschrift dieser Karte. === Sonstige Parameter === ;title :Soll die Infobox einen anderen Titel als das Lemma bekommen, so kann dieser mit '''title''' geändert werden ;nearest_city :Nächstgelegene Stadt oder Städte. ;specific :Besonderheiten des Parks ;area :Fläche in Quadratkilometern. ;area_unit :Ist die Fläche nicht in km² angegeben, so kann hier die Einheit angefügt werden ;acres :Alternative zu '''area'''. Ist die Fläche in [[Acre (Einheit)|acres]] bekannt, kann dieser Wert hier angegeben werden. Der Wert wird ohne Tausenderpunkte und Einheit angegeben, da er in Quadratkilometern umgerechnet, formatiert und mit Einheit (km²) ausgegeben wird. ;length :Länge ;established :Gründungsdatum ;visitation_num ;visitation_year :Besucherzahl und Jahr ;map :Bild mit einer Karte des Parks ;map_name :Kartenunterschift. default: „Detaillierte Karte“ ;address :Anschrift des Parks ;img''x'' ;img''x''_name :Felder zum eintragen von bis zu fünf weiteren Bildern. img1 wird dabei als Eyecatcher noch über die Karte der Lage angezeigt. == Zum Rausschnippeln == <pre><nowiki> {{Infobox Nationalpark |title = |altmap = |altmap_name = |latitude = |longitude = |region-ISO = |nearest_city = |specific = |area = |area_unit = |acres = |length = |established = |visitation_num = |visitation_year = |address = <!-- [http://www.park.com/ www.park.com]<br />XX-AAAAAA Wonderland<br />Tel. +111 22 333 444 --> |map = |map_name = |img1 = |img1_name = |img2 = |img2_name = |img3 = |img3_name = |img4 = |img4_name = |img5 = |img5_name = }} </nowiki></pre> == Einfaches Beispiel == <pre><nowiki> {{Infobox Nationalpark |basemap = none |location_map = |latitude = |longitude = |caption = |location = |nearest_city = |specific = |area = |area_unit = |acres = |established = |visitation_num = |visitation_year = |address = <!-- [http://www.park.com/ www.park.com]<br />XX-AAAAAA Wonderland<br />Tel. +111 22 333 444 --> |map = |map_name = |img1 = |img1_name = |img2 = |img2_name = |img3 = |img3_name = |img4 = |img4_name = |img5 = |img5_name = }}</nowiki></pre> ghf0jnl1wla8d93kryg2ugqushtdm1l wikitext text/x-wiki Vorlage:Infobox Nationalpark/Meta 10 24338 26936 2009-06-20T17:10:34Z Merlissimo 313 [[Hilfe:Zusammenfassung und Quellen#Auto-Zusammenfassung|AZ]]: Die Seite wurde neu angelegt: <noinclude>{{Dokumentation/Metaseite}} </noinclude><includeonly> [[Kategorie:Vorlage:Infobox Geographie u… <noinclude>{{Dokumentation/Metaseite}} </noinclude><includeonly> [[Kategorie:Vorlage:Infobox Geographie und Geologie|Nationalpark]] [[Kategorie:Vorlage mit Koordinate|{{PAGENAME}}]] [[en:Template:Infobox Protected area]] [[es:Plantilla:Ficha de espacio natural]] [[fr:Modèle:Infobox Aire protégée]] [[ja:Template:Infobox Protected area]] [[pt:Predefinição:Info/Área protegida]] [[ro:Format:Infobox protected area]] </includeonly> 1vxbiraj39e6r0vhfm45amran2gk021 wikitext text/x-wiki Vorlage:Stammbaum/Doku 10 24339 26937 2010-05-09T11:12:01Z Umweltschützen 0 Änderungen von [[Special:Beiträge/178.115.134.232|178.115.134.232]] rückgängig gemacht und letzte Version von Small Axe wiederhergestellt <noinclude>{{Dokumentation/Dokuseite}} </noinclude> == Hinweis == <div align="center">{{Stammbaum/Start|}} {{Stammbaum | We| We=Wenn diese Vorlage in der Breite nicht ausreichen soll, kann alternativ auch [[Vorlage:Stammbaum (komplex)|diese Vorlage]] verwendet werden}} {{Stammbaum/Ende}}</div> == Stammbaumübertragung == Dieses ist eine Vorlage für die Übertragung einfacher Stammbäume, die auf einer ASCII-Syntax beruhen und aus Boxen und Verbindungslinien bestehen. Die Stammbäume werden als eine Tabelle angezeigt, die auf [[Hypertext Markup Language|HTML]] mit [[Cascading Style Sheets|CSS]]-Parametern basiert, und können beliebige Wiki-Syntax innerhalb der Boxen enthalten. Beispiel:<br /> Aus folgendem ASCII-Stammbaum [[Helios]] --- [[Klymene]] | ----------------------------- | | | | Aigle [[Phaetusa (Mythologie)|Phaetusa]] [[Lampetia]] [[Phaeton (Mythologie)|Phaeton]] wird {{Stammbaum/Start}} {{Stammbaum | | | | Hel |~|y|~| Kly | | | | Hel=[[Helios]]|Kly=[[Klymene]]}} {{Stammbaum | |,|-|-|-|v|-|^|-|v|-|-|-|.| | }} {{Stammbaum | Aig | | Phe | | Lam | | Pha | Aig=Aigle|Phe=[[Phaetusa (Mythologie)|Phaetusa]]|Lam=[[Lampetia]]|Pha=[[Phaeton (Mythologie)|Phaeton]]}} {{Stammbaum/Ende}} === Beispiel === Dieser Code: <pre><nowiki> {{Stammbaum/Start}} {{Stammbaum | | | | GRM |~|y|~| GRP | | GRM=Großmutter|GRP=Großvater}} {{Stammbaum | | | | | | | |)|-|-|-|.| | }} {{Stammbaum | | | MOM |y| DAD | | DAI | MOM=Mutti|DAD=Papa|DAI=Tante Wilma}} {{Stammbaum | |,|-|-|-|+|-|-|-|.| | | | }} {{Stammbaum | JOE | | ME | | SIS | | | JOE=Mein Bruder [[Tim]]|ME='''[[Ich]]!'''|SIS=Meine kleine Schwester}} {{Stammbaum/Ende}} </nowiki></pre> erzeugt diese Ausgabe: {{Stammbaum/Start}} {{Stammbaum | | | | GRM |~|y|~| GRP | | GRM=Großmutter|GRP=Großvater}} {{Stammbaum | | | | | | | |)|-|-|-|.| | }} {{Stammbaum | | | MOM |y| DAD | | DAI | MOM=Mutti|DAD=Papa|DAI=Tante Wilma}} {{Stammbaum | |,|-|-|-|+|-|-|-|.| | | | }} {{Stammbaum | JOE | | ME | | SIS | | | JOE=Mein Bruder [[Tim]]|ME='''[[Ich]]!'''|SIS=Meine kleine Schwester}} {{Stammbaum/Ende}} === Musterverzeichnis === {| style="float: left; margin-left: 1em;" |+ Linie |- | <big><tt>,</tt></big> || style="border: 1px solid gray;" | {{Stammbaum/Start}}{{Stammbaum|,}}{{Stammbaum/Ende}} || &nbsp; | <big><tt>.</tt></big> || style="border: 1px solid gray;" | {{Stammbaum/Start}}{{Stammbaum|.}}{{Stammbaum/Ende}} || &nbsp; | <big><tt>`</tt></big> || style="border: 1px solid gray;" | {{Stammbaum/Start}}{{Stammbaum|`}}{{Stammbaum/Ende}} || &nbsp; | <big><tt>'</tt></big> || style="border: 1px solid gray;" | {{Stammbaum/Start}}{{Stammbaum|'}}{{Stammbaum/Ende}} || &nbsp; |- | <big><tt>^</tt></big> || style="border: 1px solid gray;" | {{Stammbaum/Start}}{{Stammbaum|^}}{{Stammbaum/Ende}} || &nbsp; | <big><tt>v</tt></big> || style="border: 1px solid gray;" | {{Stammbaum/Start}}{{Stammbaum|v}}{{Stammbaum/Ende}} || &nbsp; | <big><tt>(</tt></big> || style="border: 1px solid gray;" | {{Stammbaum/Start}}{{Stammbaum|(}}{{Stammbaum/Ende}} || &nbsp; | <big><tt>)</tt></big> || style="border: 1px solid gray;" | {{Stammbaum/Start}}{{Stammbaum|)}}{{Stammbaum/Ende}} || &nbsp; |- | <big><tt>-</tt></big> || style="border: 1px solid gray;" | {{Stammbaum/Start}}{{Stammbaum|-}}{{Stammbaum/Ende}} || &nbsp; | <big><tt>!</tt></big> || style="border: 1px solid gray;" | {{Stammbaum/Start}}{{Stammbaum|!}}{{Stammbaum/Ende}} || &nbsp; | <big><tt>+</tt></big> || style="border: 1px solid gray;" | {{Stammbaum/Start}}{{Stammbaum|+}}{{Stammbaum/Ende}} || &nbsp; | <big><tt> </tt></big> || style="border: 1px solid gray;" | {{Stammbaum/Start}}{{Stammbaum| }}{{Stammbaum/Ende}} || &nbsp; |} {| style="float: left; margin-left: 1em;" |+ Gestrichelt |- | <big><tt>F</tt></big> || style="border: 1px solid gray;" | {{Stammbaum/Start}}{{Stammbaum|F}}{{Stammbaum/Ende}} || &nbsp; | <big><tt>7</tt></big> || style="border: 1px solid gray;" | {{Stammbaum/Start}}{{Stammbaum|7}}{{Stammbaum/Ende}} || &nbsp; | <big><tt>L</tt></big> || style="border: 1px solid gray;" | {{Stammbaum/Start}}{{Stammbaum|L}}{{Stammbaum/Ende}} || &nbsp; | <big><tt>J</tt></big> || style="border: 1px solid gray;" | {{Stammbaum/Start}}{{Stammbaum|J}}{{Stammbaum/Ende}} || &nbsp; |- | <big><tt>A</tt></big> || style="border: 1px solid gray;" | {{Stammbaum/Start}}{{Stammbaum|A}}{{Stammbaum/Ende}} || &nbsp; | <big><tt>V</tt></big> || style="border: 1px solid gray;" | {{Stammbaum/Start}}{{Stammbaum|V}}{{Stammbaum/Ende}} || &nbsp; | <big><tt>C</tt></big> || style="border: 1px solid gray;" | {{Stammbaum/Start}}{{Stammbaum|C}}{{Stammbaum/Ende}} || &nbsp; | <big><tt>D</tt></big> || style="border: 1px solid gray;" | {{Stammbaum/Start}}{{Stammbaum|D}}{{Stammbaum/Ende}} || &nbsp; |- | <big><tt>~</tt></big> || style="border: 1px solid gray;" | {{Stammbaum/Start}}{{Stammbaum|~}}{{Stammbaum/Ende}} || &nbsp; | <big><tt>:</tt></big> || style="border: 1px solid gray;" | {{Stammbaum/Start}}{{Stammbaum|:}}{{Stammbaum/Ende}} || &nbsp; | <big><tt>%</tt></big> || style="border: 1px solid gray;" | {{Stammbaum/Start}}{{Stammbaum|%}}{{Stammbaum/Ende}} || &nbsp; |} {| style="float: left; margin-left: 1em;" |+ Mischung |- | <big><tt>é</tt></big> || style="border: 1px solid gray;" | {{Stammbaum/Start}}{{Stammbaum|é}}{{Stammbaum/Ende}} || &nbsp; | <big><tt>è</tt></big> || style="border: 1px solid gray;" | {{Stammbaum/Start}}{{Stammbaum|è}}{{Stammbaum/Ende}} || &nbsp; | <big><tt><nowiki><</nowiki></tt></big> || style="border: 1px solid gray;" | {{Stammbaum/Start}}{{Stammbaum|<}}{{Stammbaum/Ende}} || &nbsp; | <big><tt><nowiki>></nowiki></tt></big> || style="border: 1px solid gray;" | {{Stammbaum/Start}}{{Stammbaum|>}}{{Stammbaum/Ende}} || &nbsp; |- | <big><tt>*</tt></big> || style="border: 1px solid gray;" | {{Stammbaum/Start}}{{Stammbaum|*}}{{Stammbaum/Ende}} || &nbsp; | <big><tt>#</tt></big> || style="border: 1px solid gray;" | {{Stammbaum/Start}}{{Stammbaum|#}}{{Stammbaum/Ende}} || &nbsp; | <big><tt>y</tt></big> || style="border: 1px solid gray;" | {{Stammbaum/Start}}{{Stammbaum|y}}{{Stammbaum/Ende}} || &nbsp; | <big><tt>Y</tt></big> || style="border: 1px solid gray;" | {{Stammbaum/Start}}{{Stammbaum|Y}}{{Stammbaum/Ende}} || &nbsp; |- | <big><tt>{</tt></big> || style="border: 1px solid gray;" | {{Stammbaum/Start}}{{Stammbaum|{|}}{{Stammbaum/Ende}} || &nbsp; | <big><tt>}</tt></big> || style="border: 1px solid gray;" | {{Stammbaum/Start}}{{Stammbaum|}|}}{{Stammbaum/Ende}} || &nbsp; | <big><tt>Ä</tt></big> || style="border: 1px solid gray;" | {{Stammbaum/Start}}{{Stammbaum|Ä}}{{Stammbaum/Ende}} || &nbsp; |} <br style="clear:left;" /> === Anpassungsmöglichkeiten === Die '''Boxen''' können willkürlichen Wiki-Code enthalten. Der Inhalt der Boxen wird mit den zusätzlich genannten Parametern spezifiziert, die zum Vorlagenaufruf hinzugefügt werden. Jede Box ist drei Spalten weit und hat normalerweise einen zwei Pixel breiten schwarzen Rand. Boxen können jeden beliebigen Namen haben, der ein gültiger Vorlagenparametername ist, obgleich einzelne Buchstaben und Namen vermieden werden sollten, um Konflikte mit Fließsymbolen zu verhindern. Das Aussehen der Boxen kann wahlweise durch den Parameter ''border'' und ''boxstyle'' gesteuert werden. Das vorangestellte ''border=0'' setzt die Breite des Boxrandes auf 0 Pixel, während das letztere verwendet werden kann, um willkürliche [[Cascading Style Sheets|CSS-Code]] direkt zu den boxstyle-Attributen hinzuzufügen. <nowiki>{{Stammbaum/Start}}</nowiki> akzeptiert aber auch ''style''-Parameter, die dann für die gesamte Tabelle gelten. Z.&nbsp;B. generiert der folgende Code <pre><nowiki> {{Stammbaum/Start|style=font-size:200%;line-height:100%;}} {{Stammbaum|border=0|boxstyle=background:#dfd;| | FOO |y| BAR | | FOO=Box 1|BAR=Box 2}} {{Stammbaum|border=0|boxstyle=background:#dfd;| | |,|-|^|-|.| | | }} {{Stammbaum|border=0|boxstyle=background:#dfd;| | FOO | | BAR | | FOO=Box 3|BAR=Box 4}} {{Stammbaum/Ende}} </nowiki></pre> dieses Ergebnis: {{Stammbaum/Start|style=font-size:200%;line-height:100%;}} {{Stammbaum|border=0|boxstyle=background:#dfd;| | FOO |y| BAR | | FOO=Box 1|BAR=Box 2}} {{Stammbaum|border=0|boxstyle=background:#dfd;| | |,|-|^|-|.| | | }} {{Stammbaum|border=0|boxstyle=background:#dfd;| | FOO | | BAR | | FOO=Box 3|BAR=Box 4}} {{Stammbaum/Ende}} Alternativ kann man auch um die gesamte Tabelle <nowiki><div></nowiki>-Tags mit Style-Parametern setzen. Dies wahrt auch eine gewisse Übersicht. === Richtlinien === Die Abkürzungen von Namen dürfen beliebig viele Zeichen lang sein. Jedoch leidet die Übersichtlichkeit bei Verwendung von Abkürzungen, die länger als 3 Zeichen sind. Es '''muss''' zwischen zwei Namen '''mindestens''' ein <nowiki>|</nowiki> sein, wobei zwei besser aussehen und außerdem Platz für Linien dazwischen lassen. Auch vor dem Anfang der Erklärung '''muss''' ein <nowiki>|</nowiki> stehen. {| | <pre><nowiki> {{Stammbaum | |,|-|.| | | }} {{Stammbaum | |G R | | G=Oma|R=Opa}} </nowiki></pre> | style="border: 1px solid gray;" | {{Stammbaum/Start}} {{Stammbaum | |,|-|.| | | }} {{Stammbaum | |G R | | G=Oma|R=Opa}} {{Stammbaum/Ende}} |- | <pre><nowiki> {{Stammbaum | | |,|-|-|.| }} {{Stammbaum | | Go | Rop Go=Oma|Rop=Opa}} </nowiki></pre> | style="border: 1px solid gray;" | {{Stammbaum/Start}} {{Stammbaum | | |,|-|-|.| }} {{Stammbaum | | Go | Rop Go=Oma|Rop=Opa}} {{Stammbaum/Ende}} |- | <pre><nowiki> {{Stammbaum | | |,|-|-|.| | }} {{Stammbaum | | Go | Rop | Go=Oma|Rop=Opa}} </nowiki></pre> | style="border: 1px solid gray;" | {{Stammbaum/Start}} {{Stammbaum | | |,|-|-|.| | }} {{Stammbaum | | Go | Rop | Go=Oma|Rop=Opa}} {{Stammbaum/Ende}} |- | <pre><nowiki> {{Stammbaum | | |,|-|v|-|.| | }} {{Stammbaum | | Grm |!| Grv | Grm=Oma|Grv=Opa}} </nowiki></pre> | style="border: 1px solid gray;" | {{Stammbaum/Start}} {{Stammbaum | | |,|-|v|-|.| | }} {{Stammbaum | | Grm |!| Grv | Grm=Oma|Grv=Opa}} {{Stammbaum/Ende}} |} Auch sollte man bei Stammbäumen von Personen auch ein paar Konventionen beachten: Bis zur Vereinigung der Abstammungslinien von Mutter und Vater sollten diese gestrichelt dargestellt werden. Man hat dabei 8 verschiedene Möglichkeiten, Linien an eine Box zu führen. Natürlich können die Namen in den Boxen auch verlinkt (bzw. wikifiziert) werden. {| | <pre><nowiki> {{Stammbaum | | Grm | | Grv | Grm=Oma|Grv=Opa}} {{Stammbaum | | |L|~|y|~|J| | }} {{Stammbaum | | | | Pap | | | Pap=Papa}} </nowiki></pre> | style="border: 1px solid gray;" | {{Stammbaum/Start}} {{Stammbaum | | Grm | | Grv | Grm=Oma|Grv=Opa}} {{Stammbaum | | |L|~|y|~|J| | }} {{Stammbaum | | | | Pap | | | Pap=Papa}} {{Stammbaum/Ende}} |- | <pre><nowiki> {{Stammbaum | | | |.|!|,| | | }} {{Stammbaum | | |-| Pap |-| | Pap=[[Papa]]}} {{Stammbaum | | | |'|!|`| | | }} </nowiki></pre> | style="border: 1px solid gray;" | {{Stammbaum/Start}} {{Stammbaum | | | |.|!|,| | | }} {{Stammbaum | | |-| Pap |-| | Pap=[[Papa]]}} {{Stammbaum | | | |'|!|`| | | }} {{Stammbaum/Ende}} |} == Siehe auch == Für einfache, querliegende Stammbäume bis ins dritte Glied (Urgroßeltern, also 14 Vorfahren), gibt es die [[Vorlage:Ahnentafel-compact4|Vorlage:Ahnentafel (aktuelle Version compact4)]] == Weblinks == * [https://kladograph.dev.java.net/ Tool zum Erstellen eines Baumes] g2y21lxr6v7dkbb2yx3p6osizxniroo wikitext text/x-wiki Vorlage:Stammbaum/Meta 10 24340 26938 2010-03-20T10:51:14Z Darkking3 0 <noinclude>{{Dokumentation/Metaseite}} </noinclude><includeonly> [[Kategorie:Vorlage:Stammbaum| {{PAGENAME}}]] [[ca:Plantilla:Arbre genealògic]] [[cs:Šablona:Rodokmen]] [[bar:Vorlage:Stammbaum]] [[en:Template:Familytree]] [[eo:Ŝablono:Genealogia arbo]] [[es:Plantilla:Árbol genealógico]] [[fa:الگو:شجره‌نامه]] [[fr:Modèle:Arbre généalogique]] [[hsb:Předłoha:Rodoštom]] [[hy:Կաղապար:Familytree]] [[lt:Šablonas:Familytree]] [[nl:Sjabloon:Stamboom]] [[pl:Szablon:Familytree]] [[pt:Predefinição:Árvore genealógica]] [[ru:Шаблон:Familytree]] [[sv:Mall:Släktträd]] [[th:แม่แบบ:Familytree]] [[zh:Template:Familytree]] </includeonly> gwhpfk990y4h9vsic1ba3yflr1aeoz2 wikitext text/x-wiki Vorlage:Navigationsleistenwartung/Doku 10 24341 26939 2010-04-25T01:21:17Z Wiegels 0 Formatierung <noinclude>{{Dokumentation/Dokuseite}}</noinclude> Diese Vorlage / Navigationleiste kann in für die jeweiligen Themengebiete zentralen Navigationsleisten eingebunden werden, um die Leser darauf hinzuweisen, welches Portal oder welche Redaktion sich um die Navigationsleisten des Themenbereiches kümmert. Auch Anfragen bezüglich der Artikel, der Kategorie oder ihrer Untergliederung können dort gestellt werden. == Kopiervorlage == <pre style="white-space:pre-wrap;"> {{Navigationsleistenwartung |Portal:<ErstesPortal> |Portal:<ZweitesPortal> |Wikipedia:<EineRedaktion> }} </pre> == Parameter == Die Portalseiten (inklusive „Portal:“) oder eine Redaktion 7zg8d56jkiyrhorsjjjwsfonj6cr8pj wikitext text/x-wiki Vorlage:Navigationsleistenwartung/Meta 10 24342 26940 2010-03-22T01:42:42Z Wiegels 0 Einsortierung <noinclude>{{Dokumentation/Metaseite}} </noinclude><includeonly> [[Kategorie:Vorlage:Navigationsleiste|!Wartung]] </includeonly> 6whu7r6g7iejozuqcxcy8s26t64ynt7 wikitext text/x-wiki Vorlage:Metadaten Einwohnerzahl DE-SH/Doku 10 24343 26941 2009-12-13T22:09:39Z Septembermorgen 0 [[Hilfe:Zusammenfassung und Quellen#Auto-Zusammenfassung|AZ]]: Die Seite wurde neu angelegt: <noinclude>{{Dokumentation/Dokuseite}}</noinclude> Diese [[Wikipedia:WikiProjekt Metadaten|Metadatenvorla… <noinclude>{{Dokumentation/Dokuseite}}</noinclude> Diese [[Wikipedia:WikiProjekt Metadaten|Metadatenvorlage]] enthält die Einwohnerzahlen der Verwaltungsebenen in [[Schleswig-Holstein]]. Alle Einwohnerzahlen haben den gleichen Stand vom {{FormatDate|{{Metadaten Einwohnerzahl DE-SH||STAND}} }}. Die Schlüssel und die zugehörige Verwaltungseinheit sind im [http://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Vorlage:Metadaten_Einwohnerzahl_DE-SH&action=edit Quelltext] der Vorlage zu finden. Die Schlüssel werden ohne vorangestelltes DE-SH benutzt: {| class="wikitable" |- class="hintergrundfarbe6" ! Ebene !! Schlüssel !! Beispiel !! Ergebnis !! Bemerkung |- | Land | [[NUTS]] 1 | <code><nowiki>{{Metadaten Einwohnerzahl DE-SH|01}}</nowiki></code> | {{Metadaten Einwohnerzahl DE-SH|01}} | [[Schleswig-Holstein]] |- | Kreise | [[NUTS]] 3 | <code><nowiki>{{Metadaten Einwohnerzahl DE-SH|01051}}</nowiki></code> | {{Metadaten Einwohnerzahl DE-SH|01051}} | [[Kreis Dithmarschen]] |- | Ämter | [[Local administrative unit|LAU]] 1 | <code><nowiki>{{Metadaten Einwohnerzahl DE-SH|0105166}}</nowiki></code> | {{Metadaten Einwohnerzahl DE-SH|0105166}} | [[Amt Marne-Nordsee]] |- | Gemeinden | [[Local administrative unit|LAU]] 2 | <code><nowiki>{{Metadaten Einwohnerzahl DE-SH|01053030}}</nowiki></code> | {{Metadaten Einwohnerzahl DE-SH|01053030}} | [[Fredeburg]] |} <includeonly> [[Kategorie:Vorlage:Metadaten Einwohnerzahl DE|SH]] </includeonly> rekemn14s3qjccg63dmx8div313i03m wikitext text/x-wiki Vorlage:WH-BAW-1992/Doku 10 24344 26942 2009-08-26T20:09:51Z UW 0 /* Beschreibung */ Die Bezeichnung "Altmitgliederverzeichnis" impliziert eine Sichtweise, die der BBAW nicht genehm sein dürfte <noinclude>{{Dokumentation/Dokuseite}}</noinclude> __NOTOC__ == Beschreibung == Diese Vorlage dient zum Zitieren aus dem Nachschlagewerk ''Die Berliner Akademie der Wissenschaften: Ihre Mitglieder und Preisträger 1700–1990'' von Werner Hartkopf. Sie erlaubt außerdem die Verlinkung der entsprechenden Einträge im Verzeichnis der Mitglieder der Vorgängerakademien der [[Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften|Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften]] (BBAW), die mit den Artikeln bei Hartkopf größtenteils textidentisch sind (abgesehen von einigen Aktualisierungen und der zusätzlichen Bebilderung). Die Suchmaske zum Auffinden der Online-Artikel befindet sich unter [http://www.bbaw.de/bbaw/MitgliederderVorgaengerakademien/ http://www.bbaw.de/bbaw/MitgliederderVorgaengerakademien/]. == Kopiervorlage == <pre style="white-space:pre-wrap;"> * {{WH-BAW-1992|name=|id=|seite=|endseite=}} </pre> == Parameter == * name * id * seite * endseite Alle Parameter sind optional. Das Parameter ''name'' enthält den Namen der biographierten Person, wie er im Buch angegeben ist. Der Parameter ''id'' wird mit Hilfe der Onlineversion bei der BBAW ermittelt. Die Seitenzahlen der Druckausgabe können beispielsweise bei Google Books ermittelt werden (Volltextsuche [http://books.google.de/books?id=mQfyd5SVch0C hier]). == Beispiel == <pre style="white-space:pre-wrap;"> * {{WH-BAW-1992|name=Bierwisch, Manfred|id=222|seite=30}} </pre> ergibt * {{WH-BAW-1992|name=Bierwisch, Manfred|id=222|seite=30}} pm4hzskzgkyzib81ym265p7wxwgjymo wikitext text/x-wiki Vorlage:WH-BAW-1992/Meta 10 24345 26943 2009-08-25T21:05:49Z PDD 110 [[Hilfe:Zusammenfassung und Quellen#Auto-Zusammenfassung|AZ]]: Die Seite wurde neu angelegt: <noinclude>{{Dokumentation/Metaseite}} </noinclude><includeonly> {{SORTIERUNG:WHBAW1992}} [[Kategorie:Vor… <noinclude>{{Dokumentation/Metaseite}} </noinclude><includeonly> {{SORTIERUNG:WHBAW1992}} [[Kategorie:Vorlage:Zitation]] [[Kategorie:Vorlage:Datenbanklink]] </includeonly> lyzxc6ruq8gy7hvnhng6ak4025mozdk wikitext text/x-wiki Vorlage:1. NFL-Team-Farbe 10 24346 26944 2009-11-26T15:53:11Z Wiegels 0 Einsortierung <includeonly>{{#switch: {{{1}}} |Buffalo Bills =background: #004089 |Miami Dolphins =background: #006666 |New England Patriots =background: #0d254c |New England Patriots71thru92 =background: #d82e39 |New England Patriots93thru99 =background: #001ab2 |Boston Patriots =background: #d82e39 |New York Jets =background: #0C371D |Baltimore Ravens =background: #280353 |Cincinnati Bengals =background: #ED4E16 |Cleveland Browns =background: #de6108 |Pittsburgh Steelers =background: black |Houston Texans =background: #001831 |Indianapolis Colts =background: #003b7b |Jacksonville Jaguars =background: #007198 |Tennessee Titans =background: #648fcc |Denver Broncos =background: #10274c |Kansas City Chiefs =background: #b20032 |Dallas Texans =background: #b20032 |Oakland Raiders =background: black |San Diego Chargers =background: #08214a |Dallas Cowboys =background: #c5ced6 |New York Giants =background: #192f6b |Philadelphia Eagles =background: #003b48 |Washington Redskins =background: #7D0008 |Chicago Bears =background: #03182f |Detroit Lions =background: #006DB0 |Green Bay Packers =background: #213D30 |Minnesota Vikings =background: #3b0160 |Atlanta Falcons =background: #bd0d18 |Carolina Panthers =background: black |New Orleans Saints =background: black |Tampa Bay Buccaneers =background: #b20032 |Arizona Cardinals =background: #870619 |St. Louis Rams =background: #0d254c |St. Louis Rams 95thru99 =background: #183990 |Los Angeles Rams 73thru94 =background: #183990 |Los Angeles Rams 64thru72 =background: blue |Los Angeles Rams 46thru63 =background: blue |Cleveland Rams 38thru45 =background: blue |Cleveland Rams 36thru37 =background: black |San Francisco 49ers =background: #C80815 |Seattle Seahawks =background: #425F85 |British Columbia Lions =background: #F79138 |BC Lions =background:#F79138 |Edmonton Eskimos =background: #183118 |Calgary Stampeders =background: #bd0d18 |Saskatchewan Roughriders =background: #00704A |Winnipeg Blue Bombers =background: #023876 |Hamilton Tiger-Cats =background:black |Toronto Argonauts =background:#002147 |Montreal Alouettes =background:#1A5484 |Ottawa Rough Riders = background:black |Ottawa Renegades = background:black |Baltimore Stallions = background:#15317E |Baltimore CFLers = background:#15317E |Birmingham Barracudas = background:black |Shreveport Pirates = background:#4B08A1 |University of Toronto Varsity Blues = background:#072B61 |Arizona Rattlers =background:#000000 |Chicago Rush =background:#003263 |Cleveland Gladiators =background:#F0251C |Colorado Crush =background:#CC6013 |Columbus Destroyers =background:#002757 |Dallas Desperados =background:#3C57A0 |Georgia Force =background:#0277BD |Grand Rapids Rampage =background:#FC0E0A |Kansas City Brigade =background:#ADC4EF |Los Angeles Avengers =background:#97000F |New Orleans VooDoo =background:#300863 |New York Dragons =background:#000000 |Orlando Predators =background:#000000 |Philadelphia Soul =background:#000000 |San Jose SaberCats =background:#03653C |Tampa Bay Storm =background:#052A5F |Utah Blaze =background:#000006 |Albany Firebirds =background:#FFFFFF |Amarillo Dusters =background:#FFFFFF |Arkansas Twisters =background:black |Austin Wrangers =background:#FF0000 |Boise Burn =background:#FF7F00 |Bossier-Shreveport Battle Wings =background:#333333 |Central Valley Coyotes =background:#C80815 |Corpus Christi Sharks =background:#73C2FB |Daytona Beach ThunderBirds =background:#9BDDFF |Florida Firecats =background:#FFCC99 |Green Bay Blizzard =background:#003333 |Iowa Barnstormers =background:#eab543 |Kentucky Horsemen =background:#0047AB |Louisville Fire =background:#000000 |Lubbock Renegades =background:#000000 |Mahoning Valley Thunder =background:#0047AB |Manchester Wolves =background:#4F94CD |Milwaukee Iron =background:#FF7F24 |Mississippi Headhunters =background:#43CD80 |Oklahoma City Yard Dawgz =background:#793D35 |Peoria Pirates =background:#000000 |Quad City Steamwheelers =background:#191970 |Rio Grande Valley Dorados =background:#23238E |South Georgia Wildcats =background:#0000FF |Spokane Shock =background:#00009C |Stockton Lightning =background:#000000 |Tennessee Valley Vipers =background:#000000 |Texas Copperheads =background:#388E8E |Tri-Cities Fever =background:#2F2F4F |Tulsa Talons =background:#0000CD |Wilkes-Barre/Scranton Pioneers =background:#0000FF |Baltimore Mariners =background:#00004d |Carolina Speed =background:#DC143C |Columbus Lions =background:#1560BD |D.C. Armor =background:black |Erie RiverRats =background:#003F87 |Fayetteville Guard =background:black |Florence Phantoms =background:black |Harrisburg Stampede =background:#002FA7 |New Mexico Wildcats =background:silver |Ogden Knights =background:#00B2EE |Reading Express =background:navy |South Carolina Force =background:#26466D |Utah Valley Thunder =background:#B8860B |Wyoming Cavalry =background:navy |Team Alabama =background:#C10001 |Team Arkansas =background:#960103 |Team Florida =background:#FD4602 |Team Michigan =background:#00035E |Team Tennessee =background:#FEB71F |Team Texas =background:#E50000 |Abilene Ruff Riders =background:#BC0203 |Alaska Wild =background:#CD0000 |Billings Outlaws =background:#104E8B |Bloomington Extreme =background:#0D4253 |Colorado Ice =background:#000000 |Corpus Christi Hammerheads =background:#EE0000 |El Paso Generals =background:#00004d |Fairbanks Grizzlies =background:#3232CC |Maryland Maniacs =background:black |Muskegon Thunder =background:#5B92E5 |Odessa Roughnecks =background:#283A90 |Omaha Beef =background:#000000 |RiverCity Rage =background:black |Rochester Raiders =background:black |Saginaw Sting =background:#21441E |San Angelo Stampede Express =background:#8C1717 |Sioux City Bandits =background:#000000 |Sioux Falls Storm =background:#EE0000 |Wichita Wild =background:black |Las Vegas Locomotives =background:#A8A9AD |New York Sentinels =background:#242021 |Florida Tuskers =background:#008FC3 |California Redwoods =background:#8CC540 |Western Ontario Mustangs=background:#800080 |Amsterdam Admirals =background:#002244 |Barcelona Dragons =background:#024731 |Berlin Thunder =background:#8F6E4D |Cologne Centurions =background:#A71930 |England Monarchs =background:#002664 |Frankfurt Galaxy =background:#3B0083 |Hamburg Sea Devils =background:#006778 |London Monarchs =background:#907C4B |Rhein Fire =background:black |background: #dcdcdc }}</includeonly><noinclude> [[Kategorie:Vorlage:Farbwert|#1. NFL-Team-Farbe]] </noinclude> 9u6xm1o5yi2do08q3c7iqlxsir5z8i8 wikitext text/x-wiki Vorlage:2. NFL-Team-Farbe 10 24347 26945 2009-11-26T15:53:25Z Wiegels 0 Einsortierung <includeonly>{{#switch: {{{1}}} | Buffalo Bills = color:white | Miami Dolphins = color:white | New England Patriots = color:#d6d6d6 | New York Jets = color:white | Baltimore Ravens = color:#E2BE10 | Cincinnati Bengals = color:black | Cleveland Browns = color:white | Pittsburgh Steelers = color:#F2C800 | Houston Texans = color:white | Indianapolis Colts = color:white | Jacksonville Jaguars = color:#d0b239 | Tennessee Titans = color:white | Denver Broncos = color:#DF6108 | Kansas City Chiefs = color:#f2c800 | Oakland Raiders = color:#c4c8cb | San Diego Chargers = color:#eec607 | Dallas Cowboys = color:#0D254C | New York Giants = color:white | Philadelphia Eagles = color:#c4c8cb | Washington Redskins = color:#FFBE26 | Chicago Bears = color:#C83803 | Detroit Lions = color:#C3C6CC | Green Bay Packers = color:#F4C800 | Minnesota Vikings = color:#f0bf00 | Atlanta Falcons = color:black | Carolina Panthers = color:#0088d4 | New Orleans Saints = color:#BB8C3C | Tampa Bay Buccaneers = color:white | Arizona Cardinals = color:white | St. Louis Rams = color:#c9b074 | San Francisco 49ers = color:#c9b074 | Seattle Seahawks = color:#4eae17 | British Columbia Lions = color:#000000 | Edmonton Eskimos = color:#F6D53C | Calgary Stampeders = color:white | Saskatchewan Roughriders = color:white | Winnipeg Blue Bombers = color:#D3C096 | Hamilton Tiger-Cats = color:#FFC12D | Toronto Argonauts = color:#4F91CD | Montreal Alouettes = color:#1F5584 | Arizona Rattlers = color:#0E9E89 | Chicago Rush = color:#FFFFFF | Cleveland Gladiators =color:#000000 | Colorado Crush = color:#002757 | Columbus Destroyers = color:#FF282C | Dallas Desperados = color:white | Georgia Force = color:black | Grand Rapids Rampage = color:#000000 | Kansas City Brigade = color:#000000 | Los Angeles Avengers = color:#000080 | New Orleans VooDoo = color:white | New York Dragons = color:#F6070C | Orlando Predators = color:#F6070C | Philadelphia Soul = color:#33A8CC | San Jose SaberCats = color:#FCD085 | Tampa Bay Storm = color:#D4C39A | Utah Blaze = color:#F78E1B | Team Alabama = color:white | Team Arkansas = color:white | Team Florida = color:white | Team Michigan = color:white | Team Tennessee = color:white | Team Texas = color:white | color:black }}</includeonly><noinclude> [[Kategorie:Vorlage:Farbwert|#2. NFL-Team-Farbe]] </noinclude> azo99ehp37cclbz9v4gi3j4jhsehyeo wikitext text/x-wiki Vorlage:Sketchup/Doku 10 24348 26946 2009-09-07T13:02:28Z 0 Absätze <noinclude>{{Dokumentation/Dokuseite}}</noinclude> Diese Vorlage wird verwendet, um in Artikeln einen Link auf ein 3D-Modell im 3D Warehouse von [[Google SketchUp]] zu erzeugen. == Kopiervorlage == <pre><nowiki> {{Sketchup|ID|Alternativtext (optional)|Typ=Sammlung (optional)}} </nowiki></pre> == Parameter == {| class="wikitable" |- class="hintergrundfarbe5" ! Parameter ! Pflichtfeld ! Beschreibung ! Standardwert ! Hinweis |- | 1 | style="text-align:center;" | [[Bild:Symbol OK.svg|16px|Ja]] | ID des Modells | | Parameter <tt>mid</tt> aus der [[Uniform Resource Locator#Query|URL]] |- | 2 | style="text-align:center;" | [[Bild:No-Symbol.svg|16px|Nein]] | Name des Gebäudes | Seitenname | optionaler Name, falls der anzuzeigende Name vom Seitennamen abweicht |- | Sammlung | style="text-align:center;" | [[Bild:No-Symbol.svg|16px|Nein]] | Ist das Verlinkte eine Sammlung | Keine Sammlung | falls eine Sammlung adressiert werden soll, ist der Parameter <tt>Typ</tt> mit dem Wert <tt>Sammlung</tt> zu füllen |} == Beispiele == <code><nowiki>{{Sketchup|4e0722a64bb38a47ce9ec24c19161b18}}</nowiki></code> {{Sketchup|4e0722a64bb38a47ce9ec24c19161b18|Reichstagsgebäude}} <code><nowiki>{{Sketchup|4e0722a64bb38a47ce9ec24c19161b18|Deutscher Reichstag}}</nowiki></code> {{Sketchup|4e0722a64bb38a47ce9ec24c19161b18|Deutscher Reichstag}} <code><nowiki>{{Sketchup|ca41402b326b38d8e734788a182681f|HannoverCongressCentrum|Typ=Sammlung}}</nowiki></code> {{Sketchup|ca41402b326b38d8e734788a182681f|HannoverCongressCentrum|Typ=Sammlung}} <code><nowiki>{{sketchup|b592b1c2406a3572c7f6ae03a1baec72|Gebäude von Frank Lloyd Wright|Typ=Sammlung}}</nowiki></code> {{sketchup|b592b1c2406a3572c7f6ae03a1baec72|Gebäude von Frank Lloyd Wright|Typ=Sammlung}} a2eg9mm36mnpkmow3whbwfwqz6dgyqp wikitext text/x-wiki Vorlage:Sketchup/Meta 10 24349 26947 2009-10-20T19:51:37Z WIKImaniac 0 +interwiki <noinclude>{{Dokumentation/Metaseite}} </noinclude><includeonly> [[Kategorie:Vorlage:Datenbanklink|Sketchup]] [[bar:Vorlage Sketchup]] </includeonly> jkraqy50ixn6l59art0oojq25t46ugd wikitext text/x-wiki Vorlage:Metadaten Einwohnerzahl DE-RP/Doku 10 24353 26951 2009-08-30T11:26:21Z Septembermorgen 0 <noinclude>{{Dokumentation/Dokuseite}}</noinclude> Diese [[Wikipedia:WikiProjekt Metadaten|Metadatenvorlage]] enthält die Einwohnerzahlen der Verwaltungsebenen in [[Rheinland-Pfalz]]. Alle Einwohnerzahlen haben den gleichen Stand vom {{FormatDate|{{Metadaten Einwohnerzahl DE-RP||STAND}} }}. Die Schlüssel und die zugehörige Verwaltungseinheit sind im [http://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Vorlage:Metadaten_Einwohnerzahl_DE-RP&action=edit Quelltext] der Vorlage zu finden. Die Schlüssel werden ohne vorangestelltes DE-RP benutzt: {| class="wikitable" |- class="hintergrundfarbe6" ! Ebene !! Schlüssel !! Beispiel !! Ergebnis !! Bemerkung |- | Land | [[NUTS]] 1 | <code><nowiki>{{Metadaten Einwohnerzahl DE-RP|07}}</nowiki></code> | {{Metadaten Einwohnerzahl DE-RP|07}} | [[Rheinland-Pfalz]] |- | Landkreise | [[NUTS]] 3 | <code><nowiki>{{Metadaten Einwohnerzahl DE-RP|07131}}</nowiki></code> | {{Metadaten Einwohnerzahl DE-RP|07131}} | [[Landkreis Ahrweiler]] |- | Verbandsgemeinden | [[Local administrative unit|LAU]] 1 | <code><nowiki>{{Metadaten Einwohnerzahl DE-RP|0713101}}</nowiki></code> | {{Metadaten Einwohnerzahl DE-RP|0713101}} | [[Verbandsgemeinde Adenau]] |- | Ortsgemeinden | [[Local administrative unit|LAU]] 2 | <code><nowiki>{{Metadaten Einwohnerzahl DE-RP|07235001}}</nowiki></code> | {{Metadaten Einwohnerzahl DE-RP|07235001}} | [[Aach (bei Trier)|Aach]] |} <includeonly> [[Kategorie:Vorlage:Metadaten Einwohnerzahl DE|RP]] </includeonly> 6u2yx0zcpeeqrsjycq9m5wtw7kpoka2 wikitext text/x-wiki Vorlage:Infobox Mond/Doku 10 24354 26952 2009-07-19T22:55:02Z Cäsium137 0 <noinclude>{{Dokumentation/Dokuseite}}</noinclude> == Kopiervorlage == {{Infobox Mond | Name = Infobox Mond | SysName = ... | Bild = ... | Bildtext = ... | Zentrum = ... | Halbachse = ... | Exzentrizitaet = ... | Periapsis = ... | Apoapsis = ... | Bahnneigung = ... | Umlaufzeit = ... | Umlaufgeschwindigkeit = ... | ref-o = ... | Visuelle_Helligkeit = ... | Scheinbarer_Durchmesser= ... | Albedo = ... | Durchmesser = &asymp; ... | Masse = &asymp; ... <sup>...</sup> | Oberflaeche = ... | Dichte = ... | Rotation = ... | Achsneigung = ... | A_Fallen = ... | V_Flucht = ... | Temperatur = ... | ref-p = ... | Entdecker = ... | Entdeckungsdatum = ... | Anmerkung = ... | Vergleichbild = ... | Vergleichtext = ... }} <pre style="white-space:pre-wrap;"><nowiki> {{Infobox Mond | Name = | SysName = | Bild = | Bildtext = | Zentrum = | Halbachse = | Exzentrizitaet = | Periapsis = | Apoapsis = | Periwinkel = | Anomalie = | Bahnneigung = | Node = | Achsneigung = | Umlaufzeit = | Umlaufgeschwindigkeit = | ref-o = | Visuelle_Helligkeit = | Scheinbarer_Durchmesser = | Albedo = | Durchmesser = &amp;asymp; | Masse = &amp;asymp; &lt;sup>&lt;/sup> | Oberflaeche = | Dichte = | Rotation = | Achsneigung = | A_Fallen = &amp;asymp; 0 | V_Flucht = &amp;asymp; 0 | Temperatur = | ref-p = | Entdecker = | Entdeckungsdatum = | Anmerkung = | Vergleichbild = | Vergleichtext = }} </nowiki></pre> Beim Jupiter gilt ca: V <km/s> = 11250 / sqrt(Halbachse <km>) Beim Saturn: Innen: V <km/s> = 6160 / sqrt(Halbachse <km>) Außen: V <km/s> = 6120 / sqrt(Halbachse <km>) <br style="clear:both;" /> == Parameter == Wenn nicht anders angegeben, Werte ohne Maßeinheit. {| class="prettytable" style="width:35%;" |- ! Parameter ! Bedeutung |- | Name || Name des Monds |- | SysName || Vorläufige Bezeichnung des Monds |- | Bild || Bildlink inkl. Klammern |- | Bildtext || Text zum Bild |- | Zentrum || Himmelskörper, um den der Mond kreist |- | Halbachse || Mittlere Entfernung in km |- | Periapsis || Kleinste Entfernung in km |- | Apoapsis || Größte Entfernung in km |- | Exzentrizitaet || Numerische Exzentrizität der Umlaufbahn |- | Periwinkel || [[Argument der Periapsis]] |- | Anomalie || Mittlere Anomalie |- | Bahnneigung || Bahnneigung in Grad (gegenüber der Rotationsachse des Zentralhimmelskörpers) |- | Node || [[Argument des Knotens]] |- | Umlaufzeit || Umlaufzeit als kompletter Tabelleneintrag |- | Umlaufgeschwindigkeit || Mittlere Umlaufgeschwindigkeit in km/s |- | ref-o || Referenzen zu den Orbitdaten (Liste) |- | Durchmesser || Mittlerer Durchmesser in km oder Länge der einzelnen Trägheitsachsen (dann als „xx&nbsp;km&nbsp;×&nbsp;yy&nbsp;km&nbsp;×&nbsp;zz“ zu schreiben) |- | Masse || Masse in kg |- | Oberflaeche || Oberfläche in km² |- | Dichte || Dichte in g/cm³ |- | Rotation || Dauer einer Rotation um die eigene Achse |- | Albedo || Rückstrahlungsvermögen |- | Achsneigung || Neigung der Rotationsachse zur Achse der Umlaufbahn in Grad |- | A_Fallen || Fallbeschleunigung an der Oberfläche in m/s² |- | V_Flucht || Fluchtgeschwindigkeit in m/s |- | Temperatur || Oberflächentemperatur in K |- | Visuelle_Helligkeit || Mittlere scheinbare Helligkeit |- | ref-p || Referenzen zu den Physikdaten (Liste) |- | Entdecker || Entdeckername(n) |- | Entdeckungsdatum|| Datum bzw. Jahr der Entdeckung, komplett im WP-Stil |- | Anmerkung || Anmerkungen, z.B. Rotationsbindung |- | Vergleichbild || Bild zum Größenvergleich mit anderem Körper (z.B. Erde) |- | Vergleichtext || Text zum Größenvergleich |} e0xajvdospvtv8f0old7ebw2697b0xe wikitext text/x-wiki Vorlage:Siehe auch/Doku 10 24355 26953 2010-05-06T13:27:59Z SteMicha 0 anderer link <noinclude>{{Dokumentation/Dokuseite}}</noinclude> Diese Vorlage dient dem Verweis auf Alternativartikel, die einen Teilaspekt z.B. aus einer anderen Sicht beschreiben, ähnlich wie die [[Vorlage:Hauptartikel]]. Sie sollte am Anfang des Abschnitts stehen, dessen Inhalt auch noch in einem anderen Artikel behandelt wird. Dabei ist natürlich auf die Vermeidung von Redundanz zu achten, manchmal wird aber dasselbe Thema in einem anderen Artikel noch mit einem anderen Schwerpunkt beschrieben. == Kopiervorlage == Die Vorlage wird folgendermaßen verwendet: <code><nowiki>{{Siehe auch|Beispiel}}</nowiki></code> Dies wird folgendermaßen formatiert: {{Siehe auch|Geschichte Deutschlands}} Alternativ ist auch eine Verwendung für zwei Artikel möglich: <code><nowiki>{{Siehe auch|Artikel 1|Artikel 2}}</nowiki></code> Es besteht auch die Möglichkeit, den Linktext anzupassen. Das kann dazu verwendet werden, auf Unterabschnitte hinzuweisen. <code><nowiki>{{Siehe auch|Geschichte der Stadt St. Gallen#Hochmittelalter: offene Konflikte zwischen Stadt und Fürstabtei|titel1=Abschnitt „Hochmittelalter“ in der Geschichte der Stadt St. Gallen}}</nowiki></code> {{Siehe auch|Geschichte der Stadt St. Gallen#Hochmittelalter: offene Konflikte zwischen Stadt und Fürstabtei|titel1=Abschnitt „Hochmittelalter“ in der Geschichte der Stadt St. Gallen}} Leerzeilen vor oder nach der Vorlageneinbindung sind optional, sie sollte aber immer auf einer eigenen Zeile stehen. Der Link erscheint <u>nicht</u>, wenn der entsprechende Zielartikel nicht existiert. Dies gilt auch für [[Hilfe:Bücher|Bücher]]: Der Siehe auch-Verweis erscheint nur, wenn der Zielartikel ebenfalls Bestandteil des Buches ist. [[Kategorie:Vorlage:Baustein|Siehe auch]] [[ar:قالب:طالع أيضا]] [[en:Template:See also]] [[es:Plantilla:VT]] [[fr:Modèle:Article Connexe]] [[fa:الگو:همچنین ببینید]] [[it:Template:Vedi anche]] [[ja:Template:See also]] [[ka:თარგი:იხილეთ აგრეთვე]] [[ms:Templat:Lihat juga]] [[ko:틀:참고]] [[kn:ಟೆಂಪ್ಲೇಟು:See also]] [[pl:Szablon:Seealso]] [[pt:Predefinição:Vertambém]] [[ro:Format:Vezi şi]] [[ru:Шаблон:Смотри также]] [[sl:Predloga:Glej tudi]] [[th:แม่แบบ:ดูเพิ่มที่]] [[tr:Şablon:Ayrıca bakınız]] [[vi:Tiêu bản:Xem thêm]] [[uk:Шаблон:Seealso]] [[zh:Template:See Also]] 1r87geisash7n0f3cknc1opyngh21n7 wikitext text/x-wiki Vorlage:Datum-n 10 24356 26954 2009-08-25T19:10:08Z Guandalug 277 Schützte „[[Vorlage:Datum-n]]“: Häufig eingebundene Vorlage ([edit=autoconfirmed] (unbeschränkt) [move=autoconfirmed] (unbeschränkt)) <includeonly>{{{{{subst|}}}#time:{{{Format|j. F Y}}}|{{{Jahr|{{{{{subst|}}}LOCALYEAR}}}}}{{{{{subst|}}}padleft:{{{Monat|{{{{{subst|}}}LOCALMONTH}}}}}|2|0}}{{{{{subst|}}}padleft:{{{Tag|{{{{{subst|}}}LOCALDAY}}}}}|2|0}}000000 {{{{{subst|}}}#expr:-{{{Diff|0}}}}} days}}</includeonly><noinclude>{{Dokumentation}} </noinclude> 9th9j9ybfi079gb1xvmwa60pxkl6wua wikitext text/x-wiki Vorlage:GREGDATUM 10 24357 26955 2009-12-15T10:26:24Z Hydro 0 katfix wg. großbuchstaben <includeonly>{{#ifexpr:(( {{{3|}}}=1582)and({{{2|}}}=10)and({{{1|}}}>=15))or(({{{3|}}}=1582)and({{{2|}}}>10))or(({{{3|}}}>1582))|<span style="color:#002bb8; cursor:help" title="Julianisches Datum: {{Datum-n| <!-- Wenn das Datum ab dem 15. Oktober 1582 ist dann gilt es als gregorianisches Datum und beide Datumsangaben werden geschrieben. --> <!--Es ist ein Gregorianisches Datum--> <!--Ausgabe Julianisches Datum--> Tag={{{1|}}}|Monat={{{2|}}} <!--Auswahl eines Schaltjahres oder Nichtschaltjahres nach Julianischem Kalender--> | Jahr={{#ifexpr:( {{{3|}}} mod 4 = 0)|2008|2007}} <!--Anzeigeformat "d. MMM" das Jahr muß extra geschrieben werden da diese Vorlage nur bis 1970 rechnen kann--> | Format={{{FormatJUL|j."&nbsp;"F}}} <!--Berechnung Tagesdifferenz Julianisches-Gregorianisches Datum--> | Diff= {{JULGREGDATUM/AnzahlTage|{{{2|}}}|{{{3|}}} }} <!--Jahreswechsel? (Julianisches Datum im alten Jahr Gregorianisches Datum im neuen Jahr? --> }}{{#ifexpr:(( {{{2|}}} - {{{Jahreswechsel|1}}} < 0) or ( {{{2|}}} - {{{Jahreswechsel|1}}} > 13) or <!--im Jahreswechselmonat (Januar) ist der Monatstag kleinergleich der Tagesdifferenz?--> (( {{{2|}}} - {{{Jahreswechsel|1}}} = 0) and ({{{1|}}} <= ({{JULGREGDATUM/AnzahlTage|{{{2|}}}|{{{3|}}} }}))) or <!--im (negativen) Jahreswechselmonat ist der Monatstag größer der Tagesdifferenz?--> (( {{{2|}}} - {{{Jahreswechsel|1}}} = 13) and ({{{1|}}} > ({{JULGREGDATUM/AnzahlTage|{{{2|}}}|{{{3|}}} }}))))| <!--Ausgabe Jahr bei Jahreswechsel--> &nbsp;{{#expr:{{{3|}}} - (1-2*(({{{Jahreswechsel|1}}})<0)) }} }}">{{Datum-n| <!--Ausgabe Gregorianisches Datum--> Tag={{{1|}}}|Monat={{{2|}}} | Format={{#ifeq:{{{Link|"false"}}}|"true" |[[j. F|{{{FormatGREG|j."&nbsp;"F}}}]]"&nbsp;[[{{{3|}}}]]"|{{{FormatGREG|j."&nbsp;"F}}}"&nbsp;{{{3|}}}" }} }}<sup>[[Kalenderreform|greg.]]</sup></span> <!--Es ist ein Julianisches Datum (vor 15. Oktober 1582)--> | <!--Ausgabe nur Julianisches Datum--> {{Datum-n|Tag={{{1|}}}|Monat={{{2|}}} | Format={{#ifeq:{{{Link|"false"}}}|"true" |[[j. F|{{{FormatGREG|j."&nbsp;"F}}}]]"&nbsp;[[{{{3|}}}]]"|{{{FormatGREG|j."&nbsp;"F}}}"&nbsp;{{{3|}}}" }} }}<sup>[[Kalenderreform|jul.]]</sup> }}</includeonly><noinclude>Das Aussehen und das Verhalten dieser Vorlage ist etwas anders als [[Vorlage:JULGREGDATUM]]. Das Datum wird als Gregorianisches Datum in blauer Schrift angezeigt und wenn man mit der Maus darüber fährt wird das Julianische Datum angezeigt. Ansonsten gilt die Syntax und Dokumentation von [[Vorlage:JULGREGDATUM/Doku]]. {{JULGREGDATUM/Doku}} [[Kategorie:Vorlage:Datumsberechnung|Gregdatum]] </noinclude> fdg3zxjyxtu4thcz6h6nadyhuigtojy wikitext text/x-wiki Vorlage:JULGREGDATUM/AnzahlTage 10 24358 26956 2009-01-11T13:41:45Z GrouchoBot 0 Bot: Ergänze: [[es:Plantilla:Julgregfecha/numdias]] <includeonly>{{#expr:(( {{{2|}}} / 100 - 3.5 round 0) / 4 * 3 + 0.5 round 0) - {{#ifexpr:( {{{2|}}} mod 100 = 0) and ({{{2|}}} mod 400 != 0) and ({{{1|}}} <= 2)|1|0}} }}</includeonly><noinclude> Gibt die Anzahl der Differenztage des Gregorianischen Kalenders zum Julianischen Kalenders aus. Hauptanwendung findet in [[Vorlage:JULGREGDATUM]] statt. Test: <nowiki>{{JULGREGDATUM/AnzahlTage|12|1582}}</nowiki> {{JULGREGDATUM/AnzahlTage|12|1582}} [[Kategorie:Vorlage:Datumsberechnung|Julgregdatum/AnzahlTage]] [[es:Plantilla:Julgregfecha/numdias]] [[no:Mal:JULGREGDATO/Antalldager]] </noinclude> b52qkj3jqvm8laux782tunyzom1o9u0 wikitext text/x-wiki Vorlage:JULGREGDATUM/Doku 10 24359 26957 2010-04-15T11:59:06Z PDD 110 nichts gegen Österreich, aber hier ist der Bezug etwas unklar. <noinclude>{{Dokumentation/Dokuseite}} Zusätzlich wird diese Dokumentation auch für die [[Vorlage:GREGDATUM]] verwendet. </noinclude> Diese Vorlage wandelt ein [[Gregorianischer Kalender|gregorianisches Datum]] in ein Datum des [[Julianischer Kalender|julianischen Kalenders]] um und zeigt beide im Format d. mmm<sup>[[Julianischer Kalender|jul.]]</sup> / d. mmm yyyy<sup>[[Gregorianischer Kalender|greg.]]</sup> an. Im Fall eines Jahreswechsels wird auch das julianische Jahr angezeigt. Sollte dieser Jahreswechsel nicht auf den 1. Januar datiert sein (was z.B. in Russland erst ab 1700 so festgelegt wurde<ref name="fehler"> [http://lexikon.meyers.de/meyers/Jahresanfang Meyers Lexikon online]; vgl. auch [[Julianischer Kalender]]</ref>), so ist im Parameter „Jahreswechsel“ der Monat anzugeben in dem der Jahreswechsel stattfand. Bis zum 14. Oktober 1582 wird nur das julianische Datum angezeigt. Ab dem 15. Oktober werden beide Daten angezeigt. == Parameter == === Erwartete Parameter === # '''Tag''' als Zahl von 1 bis 31 # '''Monat''' als Zahl von 1 bis 12 # '''Jahr''' 4-stellige positive ganze Zahl === Optionale Parameter === * '''Jahreswechsel''' Die Anzahl der Monate vor oder nach dem gregorianischen Jahreswechsel am 1. Januar als Zahl von -11 bis 12. Default = 1 (Januar). Wenn der Jahreswechsel bereits 4 Monate früher im September stattgefunden hat dann ist -4 einzugeben, wenn der Jahreswechsel erst 9 Monate später im September stattgefunden hat ist 9 einzugeben. Wichtig für Russland (byzantinischer Jahresanfang) vor dem 1.1.1700. Dort war der Jahreswechsel bereits 4 Monate vorher im September. Es ist also -4 einzugeben.<ref name="Wechsel">[http://www.kalenderlexikon.de/anzeigen.php?Eintrag=Jahresanf%E4nge&PHPSESSID=2th4v8n1pclk48s3a908ltie15 Kalenderlexikon]</ref> * '''FormatJUL''' (Format julianisches Datum) als String in der [[Hilfe:Vorlagenprogrammierung#Funktion time|Syntax von der Funktion time]]. Hier besteht die Möglichkeit die Anzeige des julianischen Datums zu verändern und auf die Angabe des Monatsnamens zu verzichten (Wert = j.). Birgt aber die Fehlerquelle, dass bei einem Monatssprung nur der gregorianische Monat aber nicht der julianische Monat angezeigt wird. Ist somit mit Vorsicht zu verwenden. Default = <nowiki>j."&nbsp;"F</nowiki> * '''FormatGREG''' (Format gregorianisches Datum) als String analog „FormatJUL“. * '''Link''' = "true" wenn das gregorianische Datum (Tag zusammen mit Monat und extra die Jahreszahl) verlinkt werden soll (z.B.: [[{{LOCALDAY}}. {{LOCALMONTHNAME}}]] [[{{LOCALYEAR}}]]). Notwendig für biografische Geburts- und Sterbedaten. Sollte man das julianische Datum entgegen der [[WP:DK|Datumsformatierungskonvention]] ebenfalls verlinken wollen, so ist das über den Parameter „FormatJUL“ möglich. * '''Kurz''' = "true" wenn die Anzeige der Jahreszahl unterdrückt werden soll. Hat den Sinn, dass bei längeren Artikeln mit mehreren Daten nicht jedes Mal die Jahreszahl angezeigt wird um den Lesefluss zu erhöhen. Zur Berechnung des Julianischen Datums ist die Jahreszahl als dritter Parameter trotzdem notwendig. Default = "false" == Beispiel == {| class="prettytable" |- class="hintergrundfarbe4" ! Datum ! Umgewandeltes Datum ! Einbindung |- | 14. Oktober 1582 | {{JULGREGDATUM|14|10|1582}} | <nowiki>{{JULGREGDATUM|14|10|1582}}</nowiki> |- | 15. Oktober 1582 | {{JULGREGDATUM|15|10|1582}} | <nowiki>{{JULGREGDATUM|15|10|1582}}</nowiki> |- | 10. Januar 1583 | {{JULGREGDATUM|10|1|1583}} | <nowiki>{{JULGREGDATUM|10|1|1583}}</nowiki> |- | 11. Januar 1583 | {{JULGREGDATUM|11|1|1583}} | <nowiki>{{JULGREGDATUM|11|1|1583}}</nowiki> |- | 11. Januar 1583 | {{JULGREGDATUM|11|1|1583|FormatJUL=j.|FormatGREG=[[j. F|j."&nbsp;"F]]}} | <nowiki>{{JULGREGDATUM|11|1|1583|FormatJUL=j.|FormatGREG=[[j. F|j."&nbsp;"F]]}}</nowiki> |- | 11. Januar 1583 | {{JULGREGDATUM|11|1|1583|Link="true"}} | <nowiki>{{JULGREGDATUM|11|1|1583|Link="true"}}</nowiki> |- | 28. Februar 1700 | {{JULGREGDATUM|28|2|1700}} | <nowiki>{{JULGREGDATUM|28|2|1700}}</nowiki> |- | 1. März 1700 | {{JULGREGDATUM|1|3|1700}} | <nowiki>{{JULGREGDATUM|1|3|1700}}</nowiki> |- | 28. Februar 1701 | {{JULGREGDATUM|28|2|1701}} | <nowiki>{{JULGREGDATUM|28|2|1701}}</nowiki> |- | 1. März 1701 | {{JULGREGDATUM|1|3|1701}} | <nowiki>{{JULGREGDATUM|1|3|1701}}</nowiki> |- | 28. Februar 1701 | {{JULGREGDATUM|28|2|1701|Kurz="true"}} | <nowiki>{{JULGREGDATUM|28|2|1701|Kurz="true"}}</nowiki> |- | 1. März 1701 | {{JULGREGDATUM|1|3|1701|Kurz="true"}} | <nowiki>{{JULGREGDATUM|1|3|1701|Kurz="true"}}</nowiki> |- | 3. Januar 1695 in Russland | {{JULGREGDATUM|3|1|1695|Jahreswechsel=-4}} | <nowiki>{{JULGREGDATUM|3|9|1695|Jahreswechsel=-4}}</nowiki> |- | 3. August 1695 in Russland | {{JULGREGDATUM|3|8|1695|Jahreswechsel=-4}} | <nowiki>{{JULGREGDATUM|3|8|1695|Jahreswechsel=-4}}</nowiki> |- | 3. September 1695 in Russland | {{JULGREGDATUM|3|9|1695|Jahreswechsel=-4}} | <nowiki>{{JULGREGDATUM|3|9|1695|Jahreswechsel=-4}}</nowiki> |- | 3. Oktober 1695 in Russland | {{JULGREGDATUM|3|10|1695|Jahreswechsel=-4}} | <nowiki>{{JULGREGDATUM|3|10|1695|Jahreswechsel=-4}}</nowiki> |- | 3. Januar 1696 in Russland | {{JULGREGDATUM|3|1|1696|Jahreswechsel=-4}} | <nowiki>{{JULGREGDATUM|3|1|1696|Jahreswechsel=-4}}</nowiki> |- | {{LOCALDAY}}. {{LOCALMONTHNAME}} {{LOCALYEAR}} | {{JULGREGDATUM|{{LOCALDAY}}|{{LOCALMONTH}}|{{LOCALYEAR}}}} | <nowiki>{{JULGREGDATUM|{{LOCALDAY}}|{{LOCALMONTH}}|{{LOCALYEAR}}</nowiki> |- | 14. Oktober 1582 | {{GREGDATUM|14|10|1582}} | <nowiki>{{GREGDATUM|14|10|1582}}</nowiki> |- | 15. Oktober 1582 | {{GREGDATUM|15|10|1582}} | <nowiki>{{GREGDATUM|15|10|1582}}</nowiki> |- | 11. Januar 1583 | {{GREGDATUM|11|1|1583|FormatJUL=j.|FormatGREG=[[j. F|j."&nbsp;"F]]}} | <nowiki>{{GREGDATUM|11|1|1583|FormatJUL=j.|FormatGREG=[[j. F|j."&nbsp;"F]]}}</nowiki> |- | 11. Januar 1583 | {{GREGDATUM|11|1|1583|Link="true"}} | <nowiki>{{GREGDATUM|11|1|1583|Link="true"}}</nowiki> |- | {{LOCALDAY}}. {{LOCALMONTHNAME}} {{LOCALYEAR}} | {{GREGDATUM|{{LOCALDAY}}|{{LOCALMONTH}}|{{LOCALYEAR}}}} | <nowiki>{{GREGDATUM|{{LOCALDAY}}|{{LOCALMONTH}}|{{LOCALYEAR}}</nowiki> |} === Ü-Test JULGREGDATUM: {{JULGREGDATUM|{{LOCALDAY}}|{{LOCALMONTH}}|{{LOCALYEAR}}}} === So funktioniert es in einer Überschrift : {{JULGREGDATUM|{{LOCALDAY}}|{{LOCALMONTH}}|{{LOCALYEAR}}}} (mit Einrückung ":") * {{JULGREGDATUM|{{LOCALDAY}}|{{LOCALMONTH}}|{{LOCALYEAR}}}} (mit Auflistung "*") # {{JULGREGDATUM|{{LOCALDAY}}|{{LOCALMONTH}}|{{LOCALYEAR}}}} (mit Aufzählung "#") === Ü-Test GREGDATUM: {{GREGDATUM|{{LOCALDAY}}|{{LOCALMONTH}}|{{LOCALYEAR}}}} === So funktioniert es in einer Überschrift : {{GREGDATUM|{{LOCALDAY}}|{{LOCALMONTH}}|{{LOCALYEAR}}}} (mit Einrückung ":") * {{GREGDATUM|{{LOCALDAY}}|{{LOCALMONTH}}|{{LOCALYEAR}}}} (mit Auflistung "*") # {{GREGDATUM|{{LOCALDAY}}|{{LOCALMONTH}}|{{LOCALYEAR}}}} (mit Aufzählung "#") == Bekannte Fehler == === Jahreswechsel ist nicht am Monatsersten === Für die Berechnung der Jahreszahl wird angenommen, dass der (julianische) Jahreswechsel zum 1. Januar erfolgt (was z.B. in Russland erst ab 1700 so festgelegt wurde<ref name="fehler"/><ref name="Wechsel"/>). Um das zu verhindern ist der Parameter „Jahreswechsel“ auszufüllen. Sollte der Jahreswechsel nicht auf den Monatsersten fallen kann die Verwendung der Vorlage bei einigen Fällen zu falschen (julianischen) Jahreszahlen führen. ==== Fehlerlösung ==== Die Vorlage nicht verwenden sondern die Datumsangaben händisch im gleichen Format eingeben. === Ausgabe als PDF-Seite === Beim Export in PDF kommt es zu einem Fehler in der Funktion #time: auf die das Formular zurückgreift. Die Datumsangaben werden nicht in Deutsch sondern in Englisch ausgegeben, da die Konvertierung mit englischen Ländereinstellungen erfolgt. Ein Bugreport wurde bereits unter [[Hilfe:Buchfunktion/Feedback/Archiv/2009/2#Verarbeitung von doppelten Datumsangaben (julianisch/ gregorianisch) im PDF-Export fehlerhaft|Hilfe:Buchfunktion]] eingestellt, hat aber bis heute kein Ergebnis gebracht. == Algorithmus == Abfrage ob es sich um ein Julianische Datum oder Gregorianisches Datum handelt. Jedes Datum ab dem 15. Oktober 1582 ist automatisch gregorianisch, davor automatisch julianisch. # Wenn es Gregorianisch ist dann wird zuerst das Julianische Datum aus dem Gregorianischen berechnet und ausgegeben ## Es wird zuerst der Tag und das Monat im angegebenen Format (default = "d. MMM") ausgegeben da die Vorlage auf der die Rückrechnung basiert nur bis 1.1.1970 rechnen kann ## Wenn das Jahr im Julianischen Kalender ein Schaltjahr ist wird das Berechnungsjahr 2008 sonst 2007 für die Rückrechnung herangezogen ## Tagesdifferenzberechnung (ausgelagert in [[Vorlage:JULGREGDATUM/AnzahlTage]]): ### Greg. Jahrhundert − 3 Jahrhunderte (Start des Fehlers ab Konzil von Nicäa) abgerundet = Anzahl fehlerhafte Jahrhunderte ### Anzahl fehlerhafte Jahrhunderte / 4 * 3 aufgerundet = Anzahl Tagesdifferenz (weil jedes vierte volle Jahrhundert der Schalttag gehalten wird) ### Anzahl Tagesdifferenz zwischen 1.1. und 28.2. im jenen vollen Jahrhunderten die keinen Schalttag haben um 1 zurückkorrigieren. Die Tagesdifferenz steigt erst nach dem Schalttag an. ## Wenn das Julianische Datum im Vorjahr zum Gregorianischen Datum liegt (beim Jahreswechselmonat (Januar) ist der Tag kleinergleich der Tagesdifferenz bzw. der Monat liegt zwischen Januar und dem Jahreswechselmonat), dann liegt ein Jahreswechsel vor. ### Bei Jahreswechsel wird das Vorjahr im Julianischen Datum angezeigt, ### außer der Jahreswechsel im julianischen Kalender war vorverlegt dann natürlich das Folgejahr. ## Link zu Julianischen Kalender anzeigen ## Schrägstrich ## Gregorianisches Datum ausgeben ## Link zu Gregorianischen Kalender anzeigen # Bei einem Julianischen Datum wird nur dieses Datum samt Link ausgeben. == Einzelnachweise == <references/> thmo8f3klaaqyujfmb3o5z6pnfo6wep wikitext text/x-wiki Vorlage:JULGREGDATUM/Meta 10 24360 26958 2009-01-07T21:09:18Z FordPrefect42 0 [[es:Plantilla:Julgregfecha]] <noinclude>{{Dokumentation/Metaseite}}</noinclude><includeonly> [[Kategorie:Vorlage:Datumsberechnung|{{PAGENAME}}]] [[es:Plantilla:Julgregfecha]] [[no:Mal:JULGREGDATO]] </includeonly> 881qwtzlruf5nuy9xxzy4g5t79aff0a wikitext text/x-wiki Vorlage:Verwendung/Doku 10 24361 26959 2010-02-26T02:28:42Z Merlissimo 313 Änderungen von [[Special:Contributions/93.128.186.71|93.128.186.71]] ([[User talk:93.128.186.71|Diskussion]]) rückgängig gemacht und letzte Version von [[User:WIKImaniac|WIKImaniac]] wiederhergestellt <noinclude>{{Dokumentation/Dokuseite}}</noinclude> Diese Vorlage dient zur einfacheren Verlinkung der Spezialseite, um Vorlageneinbindungen anzuzeigen. == Kopiervorlage == <pre><nowiki> {{Verwendung}} {{Verwendung|ns=10}} {{Verwendung|seite=Vorlage:Bot|ns=2|text=Verwendungen von Vorlage Bot}} </nowiki></pre> == Parameter == ; ns ''(optional)'' : Namenraum in der die Vorlageneinbindungen aufgezeigt werden sollen. ''Standardwert: 0''. ; text ''(optional)'' : Verlinker Text. ''Standardwert: Verwendung''. ; seite ''(optional)'' : Vorlage, von der die Vorlageneinbindungen angezeigt werden sollen. ''Standardwert: {{<nowiki/>Seitenname}}'' == Beispiele == {{<nowiki/>Verwendung|ns=10}} → {{Verwendung|ns=10}} {{<nowiki/>Verwendung|seite=Vorlage:Bot|ns=2|text=Verwendungen von Vorlage Bot}} → {{Verwendung|seite=Vorlage:Bot|ns=2|text=Verwendungen von Vorlage Bot}} eahlkj3ihfz0yinrslawf1we505mr6z wikitext text/x-wiki Vorlage:Verwendung/Meta 10 24362 26960 2009-02-08T17:19:10Z Tlustulimu 0 interwiki <noinclude>{{Dokumentation/Metaseite}} </noinclude><includeonly> [[Kategorie:Vorlage:Linkhilfe|Verwendung]] [[dsb:Pśedłoga:Wužywanje]] [[eo:Ŝablono:Uzado]] [[hsb:Předłoha:Wužiwanje]] [[szl:Szablon:Używańy]] </includeonly> ohcsa2b146a5w2grgzvpch66mxxcdkd wikitext text/x-wiki Vorlage:Infobox Militärischer Konflikt/Doku 10 24363 26961 2010-04-13T16:28:40Z MartinThoma 0 Leerzeichen hinzugefügt <noinclude>{{Dokumentation/Dokuseite}}</noinclude> {{Infobox Militärischer Konflikt |KONFLIKT =Schlacht bei Lützen |TEILVON = [[Dreißigjähriger Krieg]] |BILD=Battle of Lutzen.jpg |BESCHREIBUNG=Die '' '''Schlacht bei Lützen''' '' von [[Carl Wahlbom]] zeigt den Tod von König [[Gustav II. Adolf (Schweden)|Gustav II. Adolf von Schweden]] am [[16. November]] [[1632]]. |DATUM= [[16. November]] [[1632]] |ORT= nahe [[Lützen]], südwestlich von [[Leipzig]] |AUSGANG= Schwedischer Sieg |KONTRAHENT1=[[Schweden]],<br />Protestantische deutsche Staaten |KONTRAHENT2=[[Heiliges Römisches Reich|Heiliges Römisches Reich Deutscher Nation]] |BEFEHLSHABER1=[[Gustav II. Adolf (Schweden)|Gustav II. Adolf von Schweden]]&nbsp;†,<br />[[Bernhard von Sachsen-Weimar]] |BEFEHLSHABER2=[[Albrecht von Wallenstein]],<br />[[Gottfried Heinrich Graf zu Pappenheim]]&nbsp;†,<br />[[Heinrich von Holk]],<br />[[Matthias Gallas]] |TRUPPENSTÄRKE1=12.800 Infanterie,<br />6.200 Kavallerie,<br />60 Kanonen |TRUPPENSTÄRKE2=10.000 Infanterie,<br />7.000 Kavallerie,<br />24 Kanonen |VERLUSTE1=3.400 tot,<br />1.600 verwundet oder vermisst |VERLUSTE2=3.000–3.500 tot oder verwundet |ÜBERBLICK={{Linkbox Großer Türkenkrieg}} }} Die ''Infobox Militärischer Konflikt'' soll wichtigste Informationen über einen militärischen Konflikt sammeln. Alle Ebenen militärischer Konflikte (Krieg, Feldzug, Kampagne, Offensive, Operation, Schlacht, Gefecht, Belagerung, …) können mit dieser Vorlage abgedeckt werden. Es müssen nicht alle Informationen angegeben werden. <div style="width:300px;"><pre> {{Infobox Militärischer Konflikt |KONFLIKT = |TEILVON = |BILD = |BILDBREITE = |BESCHREIBUNG = |DATUM = |DATUMBIS = |ORT = |CASUS = |GEBIETE = |AUSGANG = |FOLGEN = |FRIEDENSSCHLUSS= |KONTRAHENT1 = |KONTRAHENT2 = |KONTRAHENT3 = |BEFEHLSHABER1= |BEFEHLSHABER2= |BEFEHLSHABER3= |TRUPPENSTÄRKE1= |TRUPPENSTÄRKE2= |TRUPPENSTÄRKE3= |VERLUSTE1 = |VERLUSTE2 = |VERLUSTE3 = |NOTIZEN = |ÜBERBLICK = }} </pre></div> *'''KONFLIKT''' ''(optional)'': Bezeichnung des Konfliktes. Wird nichts angegeben, wird der Name der Seite angezeigt. *'''TEILVON''' ''(optional)'': Der Kontext in dem der Konflikt eingebettet ist. Z.B. bei einer Schlacht der Krieg. Wenn möglich ein Link auf den dazugehörigen Artikel. *'''BILD''' ''(optional)'': Nur der Name der Datei (z.B. Battle of Lutzen.jpg) *'''BILDBREITE''' ''(optional)'': Wenn nicht angegeben 300px. Dieses kann bei Bildern im Hochformat zu unerwünscht großen Bilder führen; dann kleinere Breite angeben. *'''BESCHREIBUNG''' ''(optional)'': Beschreibung zum Bild *'''DATUM''': Datum oder Beginn des Zeitraums. Siehe [[Wikipedia:Datumskonventionen]]. *'''DATUMBIS''' ''(optional)'': Ende des Zeitraums. *'''ORT''': Die örtliche Eingrenzung der Vorfalls *'''CASUS''' ''(optional)'': [[Casus Belli]]; der Kriegsauslöser. Üblicherweise nur bei Krieg, oder einem kriegsähnlichen Zustand. *'''GEBIETE''' ''(optional)'': Territorielle Veränderung: normalerweise nur Krieg, aber auch für einen Feldzug oder Schlacht, wenn größeres Gebiet länger unter Kontrolle bleibt. *'''AUSGANG''': Der militärische Ausgang (z.B. Schwedischer Sieg) *'''FOLGEN''' ''(optional)'': Politische oder militärische Auswirkungen des Ausgangs *'''FRIEDENSSCHLUSS''' ''(optional)'': Üblicherweise nur bei Krieg. Wenn möglich ein Link auf den dazugehörigen Artikel (z. B. [[Frieden zu Basel]]) *'''KONTRAHENT1/2/3''': Die Parteien (Länder, Politische Gruppierungen, …) des Konfliktes. Kontrahent3 ist optional und kann für Konflikte mit drei Parteien genutzt werden. Siehe: [[Wikipedia:Ländervorlagen mit Flagge]]. *'''BEFEHLSHABER1/2/3''' ''(optional)'': Befehlshabende Personen. Befehlshaber3 nur möglich wenn Kontrahent3 angegeben. *'''TRUPPENSTÄRKE1/2/3''' ''(optional)'': Auflistung militärischer Stärke sowie schweren Gerätes. Truppenstärke3 nur möglich wenn Kontrahent3 angegeben. Siehe auch [[Wikipedia:Schreibweise von Zahlen]] *'''VERLUSTE1/2/3''' ''(optional)'': Menschliche Verluste (miliärische und zivile) sowie an schwerem militärischen Gerät. Wenn Kontrahent3 nicht angegeben können hier Verluste eigentlich unbeteiligter Parteien zusammengefasst werden. *'''NOTIZEN''' ''(optional)'': Sonstige Bemerkungen. *'''ÜBERBLICK''' ''(optional)'': Linkbox-Vorlage für die Navigation zwischen den Schlachten eines längeren Krieges/Konfliktes. Wird außerhalb der Tabelle als eigene, selbstständige Tabelle realisiert. Die Infobox ist hier ausgelegt für die Benutzung der [[Vorlage:Kampagne]] als Linkbox. h45rkkabqfvk6yqzvsxev62ha2hjgpj wikitext text/x-wiki Vorlage:Infobox Militärischer Konflikt/Meta 10 24364 26962 2009-08-19T21:36:56Z Revolus 0 Drecksbot <noinclude>{{Dokumentation/Metaseite}} </noinclude><includeonly> [[Kategorie:Vorlage:Infobox Militärischer Konflikt| ]] [[an:Plantilla:Batallas]] [[da:Skabelon:Infoboks militær konflikt]] [[el:Πρότυπο:Στρατιωτική σύγκρουση]] [[en:Template:Infobox Military Conflict]] [[eo:Ŝablono:Informkesto milito]] [[es:Plantilla:Ficha de conflicto militar]] [[fi:Malline:Taistelu]] [[fr:Modèle:Infobox Conflit militaire]] [[hr:Predložak:Infookvir bitka]] [[it:Template:Conflitto]] [[mwl:Modelo:Anfobatailha]] [[nl:Sjabloon:Infobox militair conflict]] [[no:Mal:Infoboks slag]] [[ro:Format:Infobox conflict militar]] [[sv:Mall:Slagfakta]] [[vi:Tiêu bản:Thông tin chiến tranh]] [[zh:Template:Infobox Military Conflict]] </includeonly> qn0n2tlga7puut9woy0wcalw5i9s72a wikitext text/x-wiki Vorlage:Kampagne 10 24365 26963 2010-04-26T16:38:52Z 0 linkbox als Klasse ist wichtig {| class="float-right linkbox" style="width: 315px; margin-left: 1em; margin-bottom: 1em; border-spacing: 2px; border: 1px solid #aaa; text-align: center; font-size: 90%;" |- style="background: lightsteelblue;" ! {{{NAME}}} |- | {{{GLIEDERUNG}}} |}<noinclude>{{Dokumentation}} </noinclude> 2j76wbx1acbvtufindmbqnuh1e8awmo wikitext text/x-wiki Vorlage:Linkbox Großer Türkenkrieg 10 24366 26964 2010-02-27T18:11:53Z Kamarad Walter 0 {{Kampagne |NAME=[[Großer Türkenkrieg|Schlachten zum Großen Türkenkrieg]] |GLIEDERUNG=[[Zweite Wiener Türkenbelagerung|Wien]] – [[Schlacht am Kahlenberg|Kahlenberg]] – [[Schlacht bei Párkány|Párkány]] – [[Schlacht bei Gran|Gran]] – [[Schlacht bei Waizen|Waizen]] – [[Schlacht bei Eperies|Eperies]] – [[Belagerung von Ofen (1684/1686)|Ofen]] – [[Schlacht bei Mohács (1687)|Mohács]] – [[Belagerung von Belgrad (1688)|Belgrad]] – [[Schlacht bei Derbent|Derbent]] – [[Schlacht bei Pataczin|Pataczin]] – [[Schlacht bei Nisch|Nisch]] – [[Schlacht bei Slankamen|Szlankamen]] – [[Schlacht bei Lugos|Lugos]] – [[Schlacht bei Olaschin|Olaschin]] – [[Schlacht bei Zenta|Zenta]] }}<noinclude> [[Kategorie:Vorlage:Infobox Militärischer Konflikt|Grosser Turkenkrieg]] [[hr:Predložak:Bitke u Velikom turskom ratu]] </noinclude> fi74p3p7s8d8jfjjps96bpufa9ijw6r wikitext text/x-wiki Vorlage:Salzburger Nachrichten/Doku 10 24367 26965 2010-02-05T07:07:56Z W!B: 0 /* Beispiele */ .. <noinclude>{{Dokumentation/Dokuseite}}</noinclude> Diese Vorlage dient dazu, das Artikelarchiv der österreichischen Tageszeitung ''[[Salzburger Nachrichten]]'' (SN) zu verlinken. == Kopiervorlage == <pre style="white-space:pre-wrap;"> {{Salzburger Nachrichten|#######}} </pre> == Parameter == : '''#######''' … Archivnummer (Idenfikator, findet sich in der URL) ''Achtung!'' Der Parameter verträgt keine Leerzeichen ''nach'' Angabe der Nummer: Dann erscheint sie in der Vorlageneinbindung, der Link funktioniert aber nicht. Die Vorlage setzt auf der [[Vorlage:Literatur]] auf. Daher können alle weitergehenden Angaben zum Artikel (Titel, Autor, Datum, Seite, Spalte, usw.) analog angegeben werden, was erwünscht ist, um den Artikel auch in Zeitungsarchiven aufzufinden. * <code>Titel</code> … Besonders wichtig ist naturgemäß der Titel des Artikels. Ist der nicht angegeben, erfolgt eine neutrale Ausgabe. * Die Themen (''Innenpolitik, Österreich, Chronik, Wirtschaft, Sport,'' usw.), wie sie beim Archivartikel angegeben sind, können beim Parameter <code>Kapitel</code> angegeben werden. Ebenso die Lokalteile (Beilagen), dafür ist eine Abkürzung möglich: <code>S</code>&nbsp;= ''Stadt Salzburg'', <code>F</code>&nbsp;= ''Flachgau'', <code>T</code>&nbsp;= ''Tennengau'', <code>P</code>&nbsp;= ''Pongau'', <code>Z</code>&nbsp;= ''Pinzgau'', <code>L</code>&nbsp;= ''Lungau'' Zusätzliche Parameter: * <code><nowiki>kurz=ja</nowiki></code> … vereinfacht die Eingabe. Günstig für Einzelnachweise, wenn mehrmals auf die Zeitung verwiesen wird * <code><nowiki>highlight</nowiki></code> … Suchwort(e) für die Markierfunktion der SN-Software. *1. Parameter=<code><nowiki>?</nowiki></code> … Suchfunktion für den Artikel, siehe beiden Beispielen. * Es ist auch möglich, den 1. Parameter leerzulassen, dann erfolgt eine „normale“ Literaturformatierung ohne Weblink. (günstig etwa für sehr alte Artikel, sollten diese seitens der SN archiviert werden, kann die Adresse einfach nachgereicht werden) *1. Parameter=<code><nowiki>wiki</nowiki></code> … Verweist in das Salzburgwiki, das von den SN betreut wird. Wie bei allen solchen Projekten sollten nur auf hinreichend belegte Artikel verwiesen werden, es ist dann <code><nowiki>version</nowiki></code> für den Permalink erwünscht (analog zur Wikipedia: > Permanentlink > <code>oldid</code>-nummer in der URL). Setzt auf [[Vorlage:Internetquelle]] auf, die relevanten Parameter können entsprechend angegeben sein. Wird keine Version angegeben, erfolgt eine neutrale Angabe zum Artikel. == Beispiele == Angabe „ohne alles“: <pre style="white-space:pre-wrap;"> {{Salzburger Nachrichten|1678540}} </pre> {{Salzburger Nachrichten|1678540}} Ausführlich: <pre style="white-space:pre-wrap;"> {{Salzburger Nachrichten|1678540| Titel=SN-INTERN| Kapitel=Innenpolitik | Tag=27| Monat=Mai| Jahr=2003| highlight=Auflage+Exemplar | Kommentar=zum Marktanteil 2002 }} </pre> {{Salzburger Nachrichten|1678540| Titel=SN-INTERN| Kapitel=Innenpolitik| Tag=27| Monat=Mai| Jahr=2003 | highlight=Auflage+Exemplar | Kommentar=zum Marktanteil 2002}} '''Suchfunktion:'''<br /> wird für den 1.&nbsp;Parameter ein «<code>?</code>» eingegeben, wird ein Link erzeugt, der den Artikeltitel sucht (ist dieser nicht angegeben, öffnet sich ein leeres Suchformular) <pre style="white-space:pre-wrap;"> {{Salzburger Nachrichten|?|Titel=Wikipedia}} </pre> : {{Salzburger Nachrichten|?|Titel=Wikipedia}} ''SalzburgWiki:'' (von den SN redaktionell moderiertes Portal auf Wikimedia-Basis) <pre style="white-space:pre-wrap;"> {{Salzburger Nachrichten|wiki| version=95830| datum=2009-05-11| titel=Salzburger Nachrichten| zugriff= 2009-09-10| zitat=Sie unterscheidet sich insofern von den klassischen Bundesländerzeitungen, als der journalistische Anspruch von jeher auch ein nationaler war| kurz=ja}} </pre> :{{Salzburger Nachrichten|wiki| version=95830| datum=2009-05-11| titel=Salzburger Nachrichten| zugriff= 2009-09-10| zitat=Sie unterscheidet sich insofern von den klassischen Bundesländerzeitungen, als der journalistische Anspruch von jeher auch ein nationaler war| kurz=ja}} Diese Option setzt auf {{Vorlage|Internetquelle}} auf, es stehen analog alle deren Paramater zur Verfügung (ausser <code>werk</code>) – neutrale Ausgabe, ohne Permanentlink 8nicht für einzelnachweise tauglich): <pre style="white-space:pre-wrap;"> {{Salzburger Nachrichten|wiki| titel=Salzburgwiki }} </pre> : {{Salzburger Nachrichten|wiki| titel=Salzburgwiki}} == Wartung == * [[Spezial:Whatlinkshere/Vorlage:Salzburger Nachrichten|Verwendung]] * Die neue Archivdatenbank ist seit Juli 2009 online, die alte ''(beta)'' ist leider vom Code nicht sicher übertragbar.<br /> Auf die alte Datenbank linken: [{{fullurl:Spezial:Weblink-Suche|target=www.salzburg.com%2Fnwas}}] – ''die defekten Links sind gerade in Arbeit'' * [{{fullurl:Spezial:Weblink-Suche|target=www.salzburg.com}} salzburg.com], alle Links 4x907t9bz29qfr5qn9vgefmbze2dse2 wikitext text/x-wiki Vorlage:Metadaten Einwohnerzahl DE-NI/Doku 10 24368 26966 2009-12-12T18:38:00Z Septembermorgen 0 [[Hilfe:Zusammenfassung und Quellen#Auto-Zusammenfassung|AZ]]: Die Seite wurde neu angelegt: <noinclude>{{Dokumentation/Dokuseite}}</noinclude> Diese [[Wikipedia:WikiProjekt Metadaten|Metadatenvorla… <noinclude>{{Dokumentation/Dokuseite}}</noinclude> Diese [[Wikipedia:WikiProjekt Metadaten|Metadatenvorlage]] enthält die Einwohnerzahlen der Verwaltungsebenen in [[Niedersachsen]]. Alle Einwohnerzahlen haben den gleichen Stand vom {{FormatDate|{{Metadaten Einwohnerzahl DE-NI||STAND}} }}. Die Schlüssel und die zugehörige Verwaltungseinheit sind im [http://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Vorlage:Metadaten_Einwohnerzahl_DE-NI&action=edit Quelltext] der Vorlage zu finden. Die Schlüssel werden ohne vorangestelltes DE-NI benutzt: {| class="wikitable" |- class="hintergrundfarbe6" ! Ebene !! Schlüssel !! Beispiel !! Ergebnis !! Bemerkung |- | Land | [[NUTS]] 1 | <code><nowiki>{{Metadaten Einwohnerzahl DE-NI|03}}</nowiki></code> | {{Metadaten Einwohnerzahl DE-NI|03}} | [[Niedersachsen]] |- | Landkreise | [[NUTS]] 3 | <code><nowiki>{{Metadaten Einwohnerzahl DE-NI|03153}}</nowiki></code> | {{Metadaten Einwohnerzahl DE-NI|03153}} | [[Landkreis Goslar]] |- | Gemeinden, Einheitsgemeinden und Samtgemeinden | [[Local administrative unit|LAU]] 2 | <code><nowiki>{{Metadaten Einwohnerzahl DE-NI|03151038}}</nowiki></code> | {{Metadaten Einwohnerzahl DE-NI|03151038}} | [[Wesendorf]] |} <includeonly> [[Kategorie:Vorlage:Metadaten Einwohnerzahl DE|NI]] </includeonly> bzx69bew15toyirac48t018hkw9os5v wikitext text/x-wiki Vorlage:EWD/Doku 10 24369 26967 2010-02-06T15:41:38Z Entlinkt 0 Frankreich ist ein falsches Beispiel (wegen eines Missverständnisses wurde angenommen, die Daten würden zu unterschiedlichen Zeiten aktualisiert, diese Annahme stimmt aber nicht) <noinclude>{{Dokumentation/Dokuseite}}</noinclude> Die Vorlage '''EWD''' (Einwohner Datum) ist eine Hilfsvorlage zur Ausgabe des formatierten Datums (STAND) der [[:Kategorie:Vorlage:Metadaten Einwohnerzahl|Metadaten-Vorlagen zu Einwohnerzahlen]]. == Aufruf == Der Aufruf erfolgt mit :<code><nowiki>{{EWD|ABGRENZUNG|SCHLÜSSEL}}</nowiki></code> * ''ABGRENZUNG'' steht für das ISO-Kürzel des Gebiets, in dem eine Einwohnerzahl abgefragt werden soll. Beispiel: <code>AT</code> für eine Gemeinde in [[Österreich]]. * ''SCHLÜSSEL'' steht für den Schlüssel der Gebietskörperschaft, die abgefragt werden soll, Beispiel: <code>50101</code> für die Einwohnerzahl in [[Salzburg]]. '''Hinweis:''' Obwohl der Stand der Daten bei vielen Metadaten-Vorlagen stets der gleiche ist (und der Schlüssel somit ignoriert wird), kann es auch Fälle geben, bei denen der Stand vom Schlüssel abhängig ist. == Beispiele == {{EWZ/Test}} == Siehe auch == * [[Vorlage:EWZ]] zur Ausgabe der Einwohnerzahl selbst * [[Vorlage:EWQ]] zur Ausgabe der Quelle der Einwohnerzahl im5gr4ww97yz7xavgegs10nm9ath6nx wikitext text/x-wiki Vorlage:Metadaten Einwohnerzahl DE-BW/Doku 10 24370 26968 2009-08-30T11:37:14Z Septembermorgen 0 <noinclude>{{Dokumentation/Dokuseite}}</noinclude> Diese [[Wikipedia:WikiProjekt Metadaten|Metadatenvorlage]] enthält die Einwohnerzahlen der Verwaltungsebenen in [[Baden-Württemberg]]. Alle Einwohnerzahlen haben den gleichen Stand vom {{FormatDate|{{Metadaten Einwohnerzahl DE-BW||STAND}} }}. Die Schlüssel und die zugehörige Verwaltungseinheit sind im [http://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Vorlage:Metadaten_Einwohnerzahl_DE-BW&action=edit Quelltext] der Vorlage zu finden. Die Schlüssel werden ohne vorangestelltes DE-BW benutzt: {| class="wikitable" |- class="hintergrundfarbe6" ! Ebene !! Schlüssel !! Beispiel !! Ergebnis !! Bemerkung |- | Land | [[NUTS]] 1 | <code><nowiki>{{Metadaten Einwohnerzahl DE-BW|08}}</nowiki></code> | {{Metadaten Einwohnerzahl DE-BW|08}} | [[Baden-Württemberg]] |- | Regierungsbezirke | [[NUTS]] 2 | <code><nowiki>{{Metadaten Einwohnerzahl DE-BW|081}}</nowiki></code> | {{Metadaten Einwohnerzahl DE-BW|081}} | [[Regierungsbezirk Stuttgart]] |- | Landkreise | [[NUTS]] 3 | <code><nowiki>{{Metadaten Einwohnerzahl DE-BW|08115}}</nowiki></code> | {{Metadaten Einwohnerzahl DE-BW|08115}} | [[Landkreis Böblingen]] |- | Gemeinden | [[Local administrative unit|LAU]] 2 | <code><nowiki>{{Metadaten Einwohnerzahl DE-BW|08115001}}</nowiki></code> | {{Metadaten Einwohnerzahl DE-BW|08115001}} | [[Aidlingen]] |} <includeonly> [[Kategorie:Vorlage:Metadaten Einwohnerzahl DE|BW]] </includeonly> 0571od06srpzhlnl5kdn9caq1hyfrd1 wikitext text/x-wiki Vorlage:Hiero/Kartusche 10 24371 26969 2009-12-02T16:36:27Z Obersachsebot 0 Bot: Ergänze: [[ru:Шаблон:Hiero/картуш]] <onlyinclude> {|border="0" cellspacing="0" cellpadding="0" align="{{{2|left}}}" |{{{3|}}} |[[Image:Hiero_Ca1.svg]] | <!--This table includes the horizontal lines and hieroglyphs--> {|border="0" cellspacing="0" cellpadding="0" | style="height: 2px; background-color: #000000" | |- | style="height: 45px; padding: 0px 5px 0px 5px;" | {{{1}}} |- | style="height: 2px; background-color: #000000" | |} | align="center" valign="middle" | [[Bild:Hiero_Ca2.svg]] |{{{4|}}} |}</onlyinclude> <noinclude> <br/> <br/> <br/> == Verwendung == Um die Kartusche in Texten anzuzeigen, kopiere bitte folgenden Quelltext an die beabsichtigte Stelle eines Artikels oder Diskussionsbeitrages : <nowiki>{{Hiero/Kartusche|<hiero>...-...</hiero>}}</nowiki> Statt der Punkte sind die entsprechenden Zeichen der [[Gardiner-Liste]] einzutragen. </noinclude> [[Kategorie:Vorlage:Fremdsprachenunterstützung|{{PAGENAME}}]] <noinclude> [[ru:Шаблон:Hiero/картуш]] [[sr:Шаблон:Картуш]] </noinclude> lv35ercfchk1dr1r7zh57kgudsx7tba wikitext text/x-wiki Vorlage:Infobox Ägyptische Pyramide/Doku 10 24372 26970 2009-04-19T09:49:30Z GDK 0 /* Liste der Parameter */ <noinclude>{{Dokumentation/Dokuseite}}</noinclude> == Verwendung == <pre><nowiki> {{Infobox Ägyptische Pyramide |BILD = |BILD-BESCHREIBUNG = |NAME = |NAME-IN-KARTUSCHE = ja |NAME-DETERMINATIV = |NAME-TRANSKRIPTION = |NAME-ERKLÄRUNG = |ORT = |ERBAUER = |BAUZEIT = |BASIS = |HÖHE_URSPRÜNGLICH = |HÖHE_HEUTE = |VOLUMEN = |NEIGUNG = |NEBENPYRAMIDE = |KÖNIGINNENPYRAMIDEN = }} </nowiki></pre> == Liste der Parameter == {| border="1" class="prettytable" ! style="background-color:#f2f2f4" | Variable ! style="background-color:#f2f2f4" width="130" | Typ ! style="background-color:#f2f2f4" | Erklärung |- | '''TITEL''' | optional | Der Name der Pyramide für den Titel der Infobox. Standard ist der Name der aktuellen Seite. |- | '''BILD''' | optional | Ein Bild der Pyramide zur visuellen Veranschaulichung. |- | '''BILD-BREITE''' | optional | Eine alternative Breite des Bildes. Standard ist ''300''. |- | '''BILD-BESCHREIBUNG''' | optional | Eine kurze Beschreibung zum Bild. |- | '''NAME''' | optional | Der Name in [[Ägyptische Hieroglyphen]] der Pyramide |- | '''NAME-IN-KARTUSCHE''' | optional | Schaltet die Anzeige der Kartusche ein, der Parameter muss dazu mit einer beliebigen Zeichenfolge gesetzt werden, z.B.: „ja“ |- | '''NAME-DETERMINATIV''' | optional | Setzt die angegebenen Hieroglyphen nach der Kartusche oder dem Serech. |- | '''NAME-TRANSKRIPTION''' | optional | Transkription des Hieroglyphen-Namen des Objektes, |- | '''NAME-ERKLÄRUNG''' | optional | Erklärung zum Namen des Objektes, also Übersetzung und/oder deutscher Name, sowie eventuell der Fundort des Namens |- | '''ORT''' | zwingend | Das Gebiet oder der Ort, wo sich die Pyramide befindet. |- | '''ERBAUER''' | optional | Der Name des Pharaos, der die Pyramide in Auftrag gegeben hat. Standard ist ''Unbekannt''. |- | '''BAUZEIT''' | optional | In welcher Zeit/Dynastie oder in welcher Zeitspanne an der Pyramide gebaut wurde. Standard ist ''Unbekannt''. |- | '''TYP''' | optional | Typ der Pyramide: Stufenpyramide, Normalpyamide etc. |- | '''BAUMATERIAL''' | optional | Baumaterial der Pyramide. Wird Ausgeblendet, falls keine Angabe. |- | '''BASIS''' | optional | Wird Ausgeblendet, falls keine Angabe. |- | '''HÖHE_URSPRÜNGLICH''' | optional | Die Höhe der Pyramide zur Zeit ihrer Fertigstellung. Wird Ausgeblendet, falls keine Angabe. |- | '''HÖHE_HEUTE''' | optional | Die Höhe in der Gegenwart. Wird Ausgeblendet, falls keine Angabe. |- | '''VOLUMEN''' | optional | Das Volumen der vollständigen Pyramide. Wird Ausgeblendet, falls keine Angabe. |- | '''NEIGUNG''' | optional | Die Neigung der Pyramide. Wird Ausgeblendet, falls keine Angabe. |- | '''STUFEN''' | optional | Anzahl der Stufen (nur bei Stufenpyramiden). Wird Ausgeblendet, falls keine Angabe. |- | '''NEBENPYRAMIDE''' | optional | Falls Nebenpyramiden vorhanden sind sollte dieser Parameter auf ''ja'' gesetzt werden, ansonsten auf ''nein''. Standard ist ''keine'' |- | '''KÖNIGINNENPYRAMIDEN''' | optional | Die Anzahl an Königinnenpyramiden. Standard ist ''keine''. |} == Beispiel == {{Infobox Ägyptische Pyramide |TITEL = Cheops-Pyramide |BILD = Kheops-Pyramid.jpg |NAME = <hiero>x-w-f-w</hiero> |NAME-IN-KARTUSCHE = ja |NAME-DETERMINATIV = <hiero>G25-N18:t-O24</hiero> |NAME-TRANSKRIPTION =''3ḫt ḫwfw'' |NAME-ERKLÄRUNG = Achet Chufu<br />„Horizont des Cheops“ |ORT = [[Gizeh]] |ERBAUER = [[Cheops]] |BAUZEIT = [[4. Dynastie]] |BASIS = 230,33 |HÖHE_URSPRÜNGLICH = 146,59 |HÖHE_HEUTE = 138,75 |VOLUMEN = 2.583.283 |NEIGUNG = 51°50′35″ |NEBENPYRAMIDE = ja |KÖNIGINNENPYRAMIDEN = 3 }} <pre><nowiki> {{Infobox Ägyptische Pyramide |TITEL = Cheops-Pyramide |BILD = Kheops-Pyramid.jpg |NAME = <hiero>x-w-f-w</hiero> |NAME-IN-KARTUSCHE = ja |NAME-DETERMINATIV = <hiero>G25-N18:t-O24</hiero> |NAME-TRANSKRIPTION =''3ḫt ḫwfw'' |NAME-ERKLÄRUNG = Achet Chufu<br />„Horizont des Cheops“ |ORT = [[Gizeh]] |ERBAUER = [[Cheops]] |BAUZEIT = [[4. Dynastie]] |BASIS = 230,33 |HÖHE_URSPRÜNGLICH = 146,59 |HÖHE_HEUTE = 138,75 |VOLUMEN = 2.583.283 |NEIGUNG = 51°50′35″ |NEBENPYRAMIDE = ja |KÖNIGINNENPYRAMIDEN = 3 }} </nowiki></pre> d3veojtzvkqihf8tboyvyp6uea42uge wikitext text/x-wiki Vorlage:Codebeispiel 10 24374 26972 2009-01-21T21:11:15Z WIKImaniac 0 [[Vorlage:Vorlagendokumentation]] durch [[Vorlage:Dokumentation]] ersetzt {| class="wikitable" |- | class="hintergrundfarbe8" | '''Eingabe''' | <tt>{{{Eingabe|{{{1}}}}}}</tt> |- | class="hintergrundfarbe8" | '''Anzeige''' | {{{Anzeige|{{{Ausgabe|{{{2}}}}}}}}} |}<noinclude> {{Dokumentation}} </noinclude> byw22xcdw45c5mna0komrl61tp3qgru wikitext text/x-wiki Vorlage:VD17/Doku 10 24375 26973 2009-01-31T14:32:50Z WIKImaniac 0 Dokumentation aus [[Vorlage Diskussion:VD17]] ausgelagert, form, überarbeitet <noinclude>{{Dokumentation/Dokuseite}}</noinclude> Diese Vorlage dient zur Vereinheitlichung der Links zum [[VD 17]]. == Beispiele == {{Codebeispiel|<nowiki>{{VD17|ppn}}</nowiki>|{{VD17|ppn}}}} Wird der optionale zweite Parameter verwendet, wird die Anzeige (analog PND) ausgeblendet. Dies ist sinnvoll für Datensätze, denen derzeit keine Literatur zugeordnet. ist. {{Codebeispiel|<nowiki>{{VD17|ppn|Keine Treffer am 1. April 2007}}</nowiki>|{{VD17|ppn|Keine Treffer am 1. April 2007}}}} Statt ppn wird die Personennummer des VD17 eingetragen. Diese befindet sich bei der einer Person zugeordneten Publikationen in der [[URL]] der Internetseite, beispielsweise auf http://gso.gbv.de/DB=1.28/SET=3/TTL=6/MAT=/NOMAT=T/REL?PPN=004085604&RELTYPE=TT. {{Codebeispiel|<nowiki>{{VD17|004085604}}</nowiki>|{{VD17|004085604}}}} 1h25vh041382a92ni00vja8sjtii6lm wikitext text/x-wiki Vorlage:VD17/Meta 10 24376 26974 2009-02-01T23:36:55Z Wiegels 0 Einsortierung <noinclude>{{Dokumentation/Metaseite}} </noinclude><includeonly> [[Kategorie:Vorlage:Datenbanklink|VD17]] </includeonly> sowv83dg07ab4a7le4ftn1epegw84ot wikitext text/x-wiki Vorlage:CoordinateSYSTEM 10 24377 26975 2009-01-01T22:16:19Z Visi-on 0 {{#switch:{{CoordinateRR DEFAULT|{{{1|}}}}} |DMS/CH1903/CH1903=[[World Geodetic System 1984|{{#if:{{{2|}}}|{{{2}}}|Koordinaten}}]], ([[Schweizer Landeskoordinaten|CH]]) |CH1903/CH1903=[[Schweizer Landeskoordinaten|{{#if:{{{2|}}}|{{{2}}}|Koordinaten}}]] |OSGB36/OSGB36=[[OSGB36|Ordnance Survey GB]] |UTM=[[UTM-Koordinatensystem|UTM-Koordinaten]] |#default=[[World Geodetic System 1984|{{#if:{{{2|}}}|{{{2}}}|Koordinaten}}]] }}<noinclude>{{Dokumentation}}</noinclude> 1ygz5ddyjh1bfwk88rdpigedbgtpl1g wikitext text/x-wiki Vorlage:Infobox Höhle/Doku 10 24378 26976 2009-09-26T14:44:21Z Rainer Lippert 0 <noinclude>{{Dokumentation/Dokuseite}} </noinclude>== Verwendung == Um die Infobox in Artikeln anzuzeigen, kopiere bitte folgenden Quelltext an den Anfang des Artikels: <pre><nowiki> {{Infobox Höhle |NAME = |BILD = |BILDBESCHREIBUNG = |LAGE = |HÖHE = |HÖHE-BEZUG = |BREITENGRAD = |LÄNGENGRAD = |REGION-ISO = |POSKARTE = |KATASTERNUMMER = |GEOLOGIE = |TYP = |ENTDECKUNG = |SCHAUHÖHLE = |BELEUCHTUNG = |GESAMTLÄNGE = |NIVEAUDIFFERENZ = |LÄNGE DES SCHAUHÖHLENBEREICHES = |BESUCHER PRO JAHR = |BESONDERHEITEN = |WEBSITE = }} </nowiki></pre> == Erläuterung der Parameter == '''''Wichtig:''''' Leere Felder werden in der Infobox ausgeblendet, d.&nbsp;h. Variablen für fehlende Daten einfach frei lassen. {| border="1" class="prettytable" ! style="background-color:#f2f2f4;" | Variable ! style="background-color:#f2f2f4;" | Erklärung |- | '''NAME''' | Name der Höhle, falls der Artikelname automatisch verwendet werden soll, muss die Zeile <code><nowiki>|Name=</nowiki></code> entfernt werden |- | '''BILD''' | Ein Bild der Höhle, ohne Angabe von <code>Bild:</code> davor und ohne Formatierungen |- | '''BILDBESCHREIBUNG''' | Angabe einer Bildbeschreibung |- | '''LAGE''' | Die Lage der Höhle mit Angabe der Region und Land, wie etwa „[[Fränkische Schweiz]], [[Deutschland]]“, oder „[[Harz (Mittelgebirge)]], [[Deutschland]]“. |- | '''HÖHE''' | Höhenangabe als Zahl ohne Tausendertrenner |- | '''HÖHE-BEZUG''' | Angabe des [[Höhe über dem Meeresspiegel|Höhenbezugs]], der der Höhe nachgestellt wird * in Deutschland ** „<nowiki>DE-NN</nowiki>“ für m ü. [[Normalnull|NN]] (alt) ** „<nowiki>DE-NHN</nowiki>“ für m ü. [[Normalhöhennull|NHN]] (neu) ** „<nowiki>DE-HN</nowiki>“ für m ü. [[Normalhöhennull|HN]] (DDR) * in Österreich: „<nowiki>AT</nowiki>“ für [[Meter über Adria|m&nbsp;ü.&nbsp;A.]] * in der Schweiz: „<nowiki>CH</nowiki>“ für [[Meter über Meer|m&nbsp;ü.&nbsp;M.]] * Weitere Werte unter [[Vorlage:Höhe]]. |- | '''BREITENGRAD''' und '''LÄNGENGRAD''' | Die [[World Geodetic System 1984|WGS84]]-Koordinaten für des (Haupt-) Eingangs. Siehe auch [[:Vorlage:Coordinate#NS und EW]]. |- | '''REGION-ISO''' | Eine Kombination aus den relevanten [[ISO-3166-1-Kodierliste|ISO 3166-1-Codes]] bzw. [[ISO 3166-2|ISO-3166-2]]-Codes. Siehe auch [[:Vorlage:Coordinate#region]]. Aus dem ersten Teil eines mehrteiligen ISO Codes wird die default Postitionskarte hergeleitet. Insofern ist die Reihenfolge der Codes relevant. |- | '''POSKARTE''' | Name einer alternativen Positionskarte. Damit kann die standardmäßig aus '''REGION-ISO''' gewonnene Positionskarte überschrieben werden. Mit dem Sonderwert „'''none'''“ kann die Ausgabe einer Positionskarte unterdrückt werden. |- | '''KATASTERNUMMER''' | Offizielle Katasternummer des Höhlenkatasters |- | '''GEOLOGIE''' | Gestein z. B. Dolomit, Dachsteinkalk, Marmor |- | '''TYP''' | Der Typ der Höhle, wie [[Tropfsteinhöhle]], Felshöhle, Karsthöhle, Primärhöhle im Kalktuff, Schachthöhle, Wasserhöhle, Eishöhle, Lavahöhle usw. |- | '''ENTDECKUNG''' | Jahr der Entdeckung der Höhle |- | '''SCHAUHÖHLE''' | Jahr in dem die Höhle als Schauhöhle genutzt wird |- | '''BELEUCHTUNG''' | Art der Beleuchtung (überwiegend für Schauhöhlen) |- | '''GESAMTLÄNGE ''' | Gesamtlänge der Höhle, einschließlich aller Seitengänge |- | '''NIVEAUDIFFERENZ ''' | Höhenunterschied der Höhle, +/- |- | '''LÄNGE DES SCHAUHÖHLENBEREICHES''' | Länge des Führungsteils der Schauhöhle |- | '''BESUCHER PRO JAHR''' | Durchschnittliche jährliche Besucherzahl der Schauhöhle |- | '''BESONDERHEITEN''' | Zusätzliche Besonderheiten, z. B. „Längste Höhle Brasiliens“ |- | '''WEBSITE''' | Website der Höhle |} == Beispiel == In diesem Beispiel werden alle Parameter vergeben, damit man sich ein Bild von der Funktionalität der Infobox machen kann. <pre><nowiki> {{Infobox Höhle |NAME = Test |BILD = Teufelshöhle, Kaiser Barbarossa mit Zaubergarten.jpg |BILDBESCHREIBUNG = Kaiser Barbarossa mit Zaubergarten |LAGE = [[Fränkische Schweiz]], [[Deutschland]] |HÖHE = 400 |HÖHE-BEZUG = DE-NN |BREITENGRAD = 49/45/17/N |LÄNGENGRAD = 11/25/12/E |REGION-ISO = DE-BY |POSKARTE = |TYP = [[Tropfsteinhöhle]] |ENTDECKUNG = 1922 |SCHAUHÖHLE = 1923 |BELEUCHTUNG = elektrisch |GESAMTLÄNGE = 3000 Meter |LÄNGE DES SCHAUHÖHLENBEREICHES = 1500 Meter |BESUCHER PRO JAHR = 161.500 (2004–2008) |WEBSITE = [http://www.teufelshoehle.de/ Offizielle Seite] }} </nowiki></pre> {{Infobox Höhle |NAME = Test |BILD = Teufelshöhle, Kaiser Barbarossa mit Zaubergarten.jpg |BILDBESCHREIBUNG = Kaiser Barbarossa mit Zaubergarten |LAGE = [[Fränkische Schweiz]], [[Deutschland]] |HÖHE = 400 |HÖHE-BEZUG = DE-NN |BREITENGRAD = 49/45/17/N |LÄNGENGRAD = 11/25/12/E |REGION-ISO = DE-BY |POSKARTE = |TYP = [[Tropfsteinhöhle]] |ENTDECKUNG = 1922 |SCHAUHÖHLE = 1923 |BELEUCHTUNG = elektrisch |GESAMTLÄNGE = 3000 Meter |LÄNGE DES SCHAUHÖHLENBEREICHES = 1500 Meter |BESUCHER PRO JAHR = 161.500 (2004–2008) |WEBSITE = [http://www.teufelshoehle.de/ Offizielle&nbsp;Website] }} 04qdzwra7j2cliie1i1y3mxmtstzkje wikitext text/x-wiki Vorlage:Infobox Höhle/Meta 10 24379 26977 2010-04-15T23:08:51Z Herzi Pinki 0 standard <noinclude>{{Dokumentation/Metaseite}} </noinclude><includeonly> [[Kategorie:Vorlage mit Koordinate|Infobox Hohle]] [[Kategorie:Vorlage:Infobox Geographie und Geologie|Hohle]] [[bar:Vorlage:Infobox Höhle]] [[en:Template:Infobox Cave]] [[ro:Format:Peşteră]] </includeonly> rzly4ki4z6pdujlkt8yzre5couk0ndh wikitext text/x-wiki Vorlage:Positionskarte Deutschland Bayern 10 24380 26978 2010-03-18T19:54:30Z Spischot 0 Fix: Dateiname {{#switch:{{{1}}} | name = Bayern | top = 50.63 | bottom = 47.27 | left = 8.89 | right = 13.953 |image={{#switch: {{{2|}}} |relief=Bavaria relief location map.jpg |#default=Bavaria location map.svg }} }}<noinclude> {{Positionskarte/Info|Bayern|sortkey=Deutschland}} [[bar:Vorlage:Positionskarte Deutschland Bayern]] [[cs:Šablona:LocMap Německo Bavorsko]] [[da:Skabelon:Kortpositioner Bayern]] [[en:Template:Location map Germany Bavaria]] [[fr:Modèle:Géolocalisation/Bavière]] [[os:Шаблон:ПозКартæ Герман Бавари]] [[ru:Шаблон:ПозКарта Германия Бавария]] </noinclude> e1kol5tqjrtllqhdsa4630lll77hhey wikitext text/x-wiki Vorlage:Positionskarte ISO 3166-2 10 24381 26979 2010-03-20T21:57:22Z Entlinkt 0 Workaround: [[Vorlage:Info ISO-3166-2]] gibt nichts zurück, wenn Code leer; das wiederum lässt [[Vorlage:Positionskarte]] in eine Schleife geraten {{Dokumentation}} <onlyinclude>{{Positionskarte | {{Info ISO-3166-2 |code={{#if:{{{1|}}}|{{{1}}}|??}} |map}} | label = {{{label|}}} | label_size = {{{label_size|}}} | position = {{{position|}}} | wrap = {{{wrap|}}} | background = {{{background|}}} | lat = {{{lat|}}} | lat_deg = {{{lat_deg|}}} <!-- nur für Wartungslink in Vorlage:Positionskarte~ --> | long = {{{long|}}} | lon_deg = {{{lon_deg|}}} <!-- nur für Wartungslink in Vorlage:Positionskarte~ --> | type = {{{type|}}} | pop = {{{pop|}}} | elevation = {{{elevation|}}} | dim = {{{dim|}}} | region = {{#if: {{{region|}}}| {{{region}}} | {{{1}}} }} | name = {{{name|}}} | mark = {{{mark|}}} | marksize = {{{marksize|}}} | marktarget = {{{marktarget|}}} | border = {{{border|}}} | caption = {{{caption|}}} | float = {{{float|}}} | width = {{{width|}}} | maptype = {{{maptype|}}} | Alternativkarte = {{{Alternativkarte|}}} }}<span style="display:none;">{{#if:{{{region|}}} ||[[Vorlage:Positionskarte ISO 3166-2/Wartung/noregion|i1]] }}</span></onlyinclude> 6d1n4ixxduyrwe5kz1wsghzt34xzvgc wikitext text/x-wiki Vorlage:Infobox Anime-Fernsehserie 10 24382 26980 2010-04-09T12:22:46Z Niabot 0 <includeonly>{{Medienbox/Film und Fernsehen | franchise = {{{Franchise|}}} | art = anime-serie | titel = {{{Titel|}}} | originaltitel = {{{Originaltitel|}}} | transkription = {{{Transkription|}}} | bild = {{{Bild|}}} | produktionsland = {{#if:{{{Produktionsland|}}}|{{{Produktionsland}}}|{{JPN}}}} | originalsprache = {{#if:{{{Originalsprache|}}}|{{{Originalsprache}}}|[[Japanische Sprache|Japanisch]]}} | produktionsjahre = {{{Produktionsjahre|}}} | produktionsunternehmen = {{{Produktionsunternehmen|}}} | studio = {{{Studio|}}} | länge = {{{Länge|}}} | titellied = {{{Titellied|}}} | produzent = {{{Produzent|}}} | regie = {{{Regie|}}} | idee = {{{Idee|}}} | genre = {{{Genre|}}} | erstausstrahlung = {{{Erstausstrahlung|}}} | sender = {{{Sender|}}} | erstausstrahlung_de = {{{Erstausstrahlung_DE|}}} | sender_de = {{{Sender_DE|}}} | episoden = {{{Episoden|}}} | staffeln = {{{Staffeln|}}} | musik = {{{Musik|}}} | synchronisation = {{{Synchronisation|}}} }}</includeonly><noinclude> {{Dokumentation}} </noinclude> k56joos55jikzzsy5r995l0c9x0t2xd wikitext text/x-wiki Vorlage:Infobox Comic 10 24383 26981 2010-04-09T11:03:40Z Niabot 0 <noinclude>{{Dokumentation}}</noinclude><includeonly>{{Vorlage:Medienbox/Printmedium | franchise = {{{Franchise|}}} | art = {{#if:{{{Art|}}}|{{{Art}}}|comic}} | bild = {{{Bild|}}} | bildunterschrift = {{{Bildunterschrift|}}} | titel = {{{Titel|}}} | originaltitel = {{{Originaltitel|}}} | transkription = {{{Transkription|}}} | land = {{#if: {{{Land|}}} | {{{Land}}} | {{#ifeq: {{{Art|}}} | manga | {{JPN}} }} }} | autor = {{{Autor|}}} | zeichner = {{{Zeichner|}}} | illustrator = {{{Illustrator|}}} | verlag = {{{Verlag|}}} | magazin = {{{Magazin|}}} | datum = {{{Datum|}}} | von = {{{Von|}}} | bis = {{{Bis|}}} | ausgaben = {{{Ausgaben|}}} }}</includeonly> 3qdu6i2jnva9inu213ir0dpql0xqbmo wikitext text/x-wiki Vorlage:JPN 10 24384 26982 2010-03-24T11:45:50Z Fomafix 0 Änderung 72292038 von [[Special:Contributions/Adlerbot|Adlerbot]] wurde rückgängig gemacht, weil bei den Vorlagen der Landesname abgekürzt wird. <noinclude> {{Vorlagendokumentation Land mit Flagge}} [[Kategorie:Vorlage:Japan|Jpn]] [[als:Vorlage:JPN]] [[ar:قالب:ياب]] [[ast:Plantilla:JPN]] [[az:Şablon:JPN]] [[bn:টেমপ্লেট:JPN]] [[br:Patrom:Japan]] [[ca:Plantilla:JP]] [[el:Πρότυπο:JPN]] [[en:Template:JPN]] [[eo:Ŝablono:JPN]] [[es:Plantilla:JPN]] [[eu:Txantiloi:JPN]] [[fa:الگو:JPN]] [[fi:Malline:Japani]] [[fr:Modèle:Japon]] [[gl:Modelo:JPN]] [[hu:Sablon:Japán]] [[hy:Կաղապար:JPN]] [[ia:Patrono:JPN]] [[id:Templat:JPN]] [[is:Snið:JPN]] [[it:Template:JPN]] [[ja:Template:JPN]] [[ka:თარგი:JPN]] [[ko:틀:JPN]] [[lb:Schabloun:JPN]] [[ml:ഫലകം:JPN]] [[mn:Загвар:JPN]] [[ms:Templat:JPN]] [[nap:Modello:JPN]] [[nl:Sjabloon:JP]] [[nn:Mal:JPN]] [[no:Mal:JPN]] [[oc:Modèl:Japon]] [[pt:Predefinição:JPN]] [[qu:Plantilla:JPN]] [[ro:Format:JPN]] [[ru:Шаблон:JPN]] [[simple:Template:JPN]] [[sk:Šablóna:JPN]] [[sl:Predloga:JPN]] [[sv:Mall:JPN]] [[ta:வார்ப்புரு:JPN]] [[th:แม่แบบ:JPN]] [[tr:Şablon:JPN]] [[uk:Шаблон:JPN]] [[vec:Template:JPN]] [[vi:Bản mẫu:JPN]] [[wuu:模板:JPN]] [[zh:Template:JPN]] [[zh-yue:Template:JPN]] </noinclude>[[Bild:Flag of Japan.svg|border|{{#expr: {{{WIDTH|20}}} - 2}}px|Japan]]&nbsp;[[{{{1|Japan}}}|{{{2|Japan}}}]] nhucjz03v4sd6iiy8upwmijrcilg1p2 wikitext text/x-wiki Vorlage:Medienbox/Doku 10 24385 26983 2010-04-09T12:24:25Z Niabot 0 /* Teilvorlagen */ <noinclude>{{Dokumentation/Dokuseite}}</noinclude> Diese Vorlage, bzw. deren Untervorlagen, dienen dazu Infoboxen eines Sammelartikels verschiedener Medien zu einem Thema zu gruppieren und als Ganzes einheitlich darzustellen. Die Teilvorlagen für einzelne Werke (Filme/Serien/etc.) sollten nur dann verwendet werden, wenn diese Medien keine eigenen Artikel besitzen. In diesem Fall sollte die [[Vorlage:Medienbox/Verweis|Vorlage Medienbox/Verweis]] benutzt werden um auf das Medium aufmerksam zu machen und es zu verlinken. == Kopiervorlage == <pre style="white-space:pre-wrap;"> {{Medienbox | Titel = | Originaltitel = | Transkription = | Bild = | Bildunterschrift = | Genre = | Inhalt = --- Teilvorlagen (Infoboxen) --- }} </pre> == Parameter == Mit Ausnahme des Parameters ''titel'' sind alle Parameter optional und müssen nicht angegeben werden. {| class="wikitable" |- ! Parameter || Bedeutung |- | Titel || Der Titel des Medienkomplexes (deutscher Titel, falls vorhanden, ansonsten fremdländischer Titel in Transkription) |- | Originaltitel || Sollte der Medienkomplex im Ursprungsland einen anderen Titel besitzen, ist dieser hier in Originalschreibweise (z.B. [[Kanji]]) einzutragen. |- | Transkription || Die Transkription der fremdsprachigen Schreibweise in lateinische Buchstaben. Bitte auch angeben, wenn die Transkription mit dem Titel identisch ist. |- | Bild || Eine Bilddatei die im Kopf der Medienbox angezeigt werden soll. Anzugeben ist der reine Bildname ohne Zusätze. |- | Bildunterschrift || Möglichkeit eine kurze Erklärung des Bildes zu formulieren. |- | Genre || Das Genre welchem das gesamte Werk im Kern zugeordnet werden kann. |- | Inhalt || An dieser Stelle können die weiter unten aufgelisteten Teilvorlagen eingebunden werden. |} === Parameter für Episodenfilme === ''Derzeit unbrauchbar, da wegen fehlenden Konsenses der [[WP:RFF]] die Filmbox nicht angepasst werden kann.'' {| class="wikitable" |- ! Parameter || Bedeutung |- | Produktionsland || |- | Originalsprache || |- | Erscheinungsjahr || |- | Länge || |- | Altersfreigabe || |- | BMUKK || |} == Teilvorlagen == Bei den Teilvorlagen handelt es sich um die auch einzeln einsetzbaren Vorlagen für Einzelartikel. Diese sollten chronologisch, beginnend mit dem Ursprungswerk, aufgeführt werden. Bei der Angabe der unterstützten Vorlagen ist zu beachten, dass diese mit dem zusätzlichen Parameter <code>Franchise</code> zu versehen sind, damit diese innerhalb der Box korrekt dargestellt werden. Nähere Angaben zu diesem Parameter befinden sich in der Dokumentation der Vorlagen. Mögliche Vorlagen sind (wird noch erweitert): {| class="wikitable toptextcells" |- class="hintergrundfarbe5" ! Aufbauend auf Vorlage [[Vorlage:Medienbox/Film und Fernsehen|Film und Fernsehen]] ! Aufbauend auf Vorlage [[Vorlage:Medienbox/Printmedium|Printmedium]] ! Generelle Vorlage(n) |- | * [[Vorlage:Infobox Film|Infobox Film]] * [[Vorlage:Infobox Fernsehsendung|Infobox Fernsehsendung]] * [[Vorlage:Infobox Anime-Film|Infobox Anime-Film]] * [[Vorlage:Infobox Anime-Fernsehserie|Infobox Anime-Fernsehserie]] * [[Vorlage:Infobox Original Video Animation|Infobox Original Video Animation]] | * [[Vorlage:Infobox Comic|Infobox Comic]] * [[Vorlage:Infobox Roman|Infobox Roman]] | * [[Vorlage:Medienbox/Verweis|Medienbox/Verweis]] |} == Beispiel == {{Medienbox | Titel = Darker than Black | Originaltitel = Darker than Black -黒の契約者- | Transkription = Darker than Black – Kuro no Keiyakusha | Bild = | Bildunterschrift = | Genre = [[Action (Film)|Action]], [[Mystery]] | Inhalt = {{Infobox Anime-Fernsehserie | Franchise = Darker than Black | Titel = Darker than Black | Originaltitel = Darker than Black -黒の契約者- | Transkription = Darker than Black – Kuro no Keiyakusha | Bild = | Produktionsjahre = 2007 | Produzent = | Studio = [[Bones (Studio)|Bones]] | Länge = 23 | Titellied = | Regie = [[Tensai Okamura]] | Idee = | Musik = [[Yōko Kanno]] | Genre = | Erstausstrahlung = 5. April 2007 – 28. September 2007 | Sender = [[Mainichi Broadcasting System|MBS]], [[Tokyo Broadcasting System|TBS]] | Erstausstrahlung_DE = | Sender_DE = | Episoden = 25 | Staffeln = | Synchronisation = ja }} {{Infobox Comic | Franchise = Darker than Black | Art = manga | Titel = Darker than Black | Originaltitel = Darker than Black -黒の契約者- | Transkription = Darker than Black – Kuro no Keiyakusha | Autor = [[Tensai Okamura]] | Zeichner = [[Noki Ya]] | Verlag = [[Kadokawa Shoten]] | Magazin = [[Asuka (Magazin)|Asuka]] | Datum = | Von = | Bis = | Ausgaben = 2 }} {{Medienbox/Verweis | Art = Anime-Fernsehserie | Titel_1 = [[Darker than Black: Ryūsei no Gemini]] | Datum_1 = 2009 }} }} <pre> {{Medienbox | Titel = Darker than Black | Originaltitel = Darker than Black -黒の契約者- | Transkription = Darker than Black – Kuro no Keiyakusha | Bild = | Bildunterschrift = | Genre = [[Action (Film)|Action]], [[Mystery]] | Inhalt = {{Infobox Anime-Fernsehserie | Franchise = Darker than Black | Titel = Darker than Black | Originaltitel = Darker than Black -黒の契約者- | Transkription = Darker than Black – Kuro no Keiyakusha | Bild = | Produktionsjahre = 2007 | Produzent = | Studio = [[Bones (Studio)|Bones]] | Länge = 23 | Titellied = | Regie = [[Tensai Okamura]] | Idee = | Musik = [[Yōko Kanno]] | Genre = | Erstausstrahlung = 5. April 2007 – 28. September 2007 | Sender = [[Mainichi Broadcasting System|MBS]], [[Tokyo Broadcasting System|TBS]] | Erstausstrahlung_DE = | Sender_DE = | Episoden = 25 | Staffeln = | Synchronisation = ja }} {{Infobox Comic | Franchise = Darker than Black | Art = manga | Titel = Darker than Black | Originaltitel = Darker than Black -黒の契約者- | Transkription = Darker than Black – Kuro no Keiyakusha | Autor = [[Tensai Okamura]] | Zeichner = [[Noki Ya]] | Verlag = [[Kadokawa Shoten]] | Magazin = [[Asuka (Magazin)|Asuka]] | Datum = | Von = | Bis = | Ausgaben = 2 }} {{Medienbox/Verweis | Art = Anime-Fernsehserie | Titel_1 = [[Darker than Black: Ryūsei no Gemini]] | Datum_1 = 2009 }} }} </pre> 2ejnxaaonvjfx48xdngeluo5utedjkc wikitext text/x-wiki Vorlage:Medienbox/Kopf-PM 10 24386 26984 2010-04-08T13:04:39Z Niabot 0 Da isser ja der Übeltäter #REDIRECT [[Vorlage:Medienbox/Kopf-FF]] ovjm97fshw6lwn09mkymo9ldw58utac wikitext text/x-wiki Vorlage:Medienbox/Printmedium 10 24387 26985 2010-04-15T16:25:57Z Niabot 0 <noinclude>{{Dokumentation}}</noinclude><includeonly><!-- # Rahmen, falls nicht in der Franchise-Box -->{{#if:{{{franchise|}}}||<!-- --><div class="float-right" style="width:286px; font-size:95%; padding:0; border:1px solid #B1B9C9; border-top:0; line-height:140%;"><!-- --><table class="toptextcells" style="width:100%; border-spacing:0;"><!-- -->}}<!-- # Kopf -->{{Medienbox/Kopf-PM<!-- -->|kopf = {{#switch: {{{art}}} | manga = Manga | comic = Comic | roman = Roman | light-novel = Light Novel | #default = {{{art}}} }}<!-- # Titel und Titelunterdrückung # Die Titel werden innerhalb einer Medienbox nicht angezeigt, # wenn der Titel mit dem Medienboxnamen (einzutragen im Parameter Franchise) # übereinstimmt. ### TODO ### ## Vorlagen sollten selbst entscheiden ob sie die Transkription bei gleicher Schreibung ausblenden -->|titel = {{#ifeq: {{{franchise|}}} | {{{titel|}}} || {{{titel|}}}}}<!-- -->|originaltitel = {{#ifeq: {{{franchise|}}} | {{{titel|}}} || {{{originaltitel|}}}}}<!-- -->|transkription = {{#ifeq: {{{franchise|}}} | {{{titel|}}} || {{#ifeq: {{{titel|}}} | {{{transkription|}}} || {{{transkription|}}}}}}}<!-- -->}}<!-- ## Bild + Beschreibung ## -->{{#if:{{{bild|}}}|<tr><td colspan="2" style="text-align:center; padding:0;">[[Datei:{{{bild}}}|frameless|center|286px]]</td></tr>}}<!-- -->{{#if:{{{bildunterschrift|}}}|<tr><td colspan="2" style="line-height:120%; text-align:center; font-size:90%; padding: 5px;">{{{bildunterschrift}}}</td></tr>}}<!-- # Zeileneinträge -->{{Medienbox/Zeile-PM|Land|{{{land|}}}}}<!-- -->{{Medienbox/Zeile-PM|Autor|{{{autor|}}}}}<!-- -->{{Medienbox/Zeile-PM|Zeichner|{{{zeichner|}}}}}<!-- -->{{Medienbox/Zeile-PM|Illustrator|{{{illustrator|}}}}}<!-- -->{{Medienbox/Zeile-PM|Verlag|{{{verlag|}}}}}<!-- -->{{Medienbox/Zeile-PM|Magazin|{{{magazin|}}}|''{{{magazin|}}}''}}<!-- -->{{#if:{{{datum|}}}{{{von|}}}{{{bis|}}}<!-- -->|{{Medienbox/Zeile-PM<!-- -->|Erstpublikation<!-- -->|{{#if:{{{datum|}}}<!-- -->|{{#iferror: {{FormatDate|{{{datum}}}}} | {{{datum}}} }}<!-- -->|{{#iferror: {{FormatDate|{{{von}}}}} | {{{von}}} }} – {{#if:{{{bis|}}}|{{#iferror: {{FormatDate|{{{bis}}}}} | {{{bis}}} }}|…}}<!-- -->}}<!-- -->}}<!-- -->}}<!-- -->{{Medienbox/Zeile-PM|Ausgaben|{{{ausgaben|}}}}}<!-- -->{{#if:{{{franchise|}}}||<!-- --></table></div><!-- -->}}<!-- --></includeonly> eutbspydrzpdvdm6wkz9q62siaua2v5 wikitext text/x-wiki Vorlage:Medienbox/Verweis 10 24388 26986 2010-04-09T10:49:08Z Niabot 0 <noinclude>{{Dokumentation}}</noinclude><includeonly><!-- ## Kopf ## -->{{Medienbox/Kopf-FF |kopf={{{Art}}} }}<!-- ## Innere Tabelle ## -->{{#if: {{{Titel_1|}}}|<!-- --><tr><td colspan="2" style="background-color:#F6F6F6; padding: 3px; border-top:1px solid #BEC8DE"><!-- --><table class="toptextcells" style="width:100%; background: transparent; border-spacing:0;"><!-- ## Auflistung ## -->{{Medienbox/Verweis/sub|Titel={{{Titel_1|}}}|Datum={{{Datum_1|}}}}}<!-- -->{{Medienbox/Verweis/sub|Titel={{{Titel_2|}}}|Datum={{{Datum_2|}}}}}<!-- -->{{Medienbox/Verweis/sub|Titel={{{Titel_3|}}}|Datum={{{Datum_3|}}}}}<!-- -->{{Medienbox/Verweis/sub|Titel={{{Titel_4|}}}|Datum={{{Datum_4|}}}}}<!-- -->{{Medienbox/Verweis/sub|Titel={{{Titel_5|}}}|Datum={{{Datum_5|}}}}}<!-- -->{{Medienbox/Verweis/sub|Titel={{{Titel_6|}}}|Datum={{{Datum_6|}}}}}<!-- -->{{Medienbox/Verweis/sub|Titel={{{Titel_7|}}}|Datum={{{Datum_7|}}}}}<!-- -->{{Medienbox/Verweis/sub|Titel={{{Titel_8|}}}|Datum={{{Datum_8|}}}}}<!-- -->{{Medienbox/Verweis/sub|Titel={{{Titel_9|}}}|Datum={{{Datum_9|}}}}}<!-- ## Innere Tabelle Ende ## --></table><!-- --></td></tr><!-- -->}}<!-- --></includeonly> tk5mw6ygihj6otiul3f394tw40bew4b wikitext text/x-wiki Vorlage:Medienbox/Verweis/sub 10 24389 26987 2010-04-08T13:56:11Z Niabot 0 hat „[[Vorlage:Franchise/Verweis/sub]]“ nach „[[Vorlage:Medienbox/Verweis/sub]]“ verschoben <includeonly>{{#if: {{{Titel|}}}|<!-- --><tr><!-- --><td style="width:16px; padding:3px 0;"><span style="color:#8EAEED; font-weight:bold;">➤</span></td><!-- --><td style="padding:3px 0;">''{{{Titel}}}''</td><!-- --><td style="padding:3px 0;">{{#if:{{{Datum|}}}|({{#iferror: {{FormatDate|{{{Datum}}}}} | {{{Datum}}} }})}}</td><!-- --></tr><!-- -->}}</includeonly> 25cm40gbiz0tvvjop2oxxmcubwze27v wikitext text/x-wiki Vorlage:Medienbox/Zeile-PM 10 24390 26988 2010-04-09T10:27:17Z Niabot 0 [[Hilfe:Zusammenfassung und Quellen#Auto-Zusammenfassung|AZ]]: Weiterleitung nach [[Vorlage:Medienbox/Zeile-FF]] erstellt #REDIRECT [[Vorlage:Medienbox/Zeile-FF]] 2u45lcry4ypfqy16o3zzemffms0mn97 wikitext text/x-wiki Vorlage:Ur/Doku 10 24391 26989 2010-01-14T17:08:12Z Helohe 358 <noinclude>{{Dokumentation/Dokuseite}} </noinclude>== Beschreibung == * '''Funktion:''' Diese Vorlage dient dazu, Text in [[Urdu]] und [[Arabische Schrift|Schrift]] einheitlich und lesbarer darzustellen. Außerdem hilft sie Browsern und Suchmaschinen mit dem Text besser umzugehen, in dem die Schreibrichtung und die Sprache des Textes (=Urdu) angegeben werden.<br />Optional können auch noch verschiedene Transkriptionen sowie die Bedeutung des Wortes angegeben werden. * '''Verwendung:''' <code><nowiki>{{ur|Urdutext in arabischer Schrift|w=Wikipedia-Transkription|d=DMG-Transkription|b=Deutsche Bedeutung}}</nowiki></code> * '''Optionale Parameter:''' ** <code><nowiki>|w=</nowiki></code> [[Wikipedia:Namenskonventionen/Arabisch#Arabische Transkription|Wikipedia-Transkription]] ** <code><nowiki>|d=</nowiki></code> [[Arabisches Alphabet|Transkription]]<!--[[Urdu-Alphabet|Transkription]]--> der [[Deutsche Morgenländische Gesellschaft|Deutschen Morgenländischen Gesellschaft]] (''DMG-Umschrift'' = [[DIN 31635]]) ** <code><nowiki>|b=</nowiki></code> Deutsche Bedeutung des Wortes (Übersetzung) == Beispiele == {| class="prettytable" |- class="hintergrundfarbe6" ! width="50%" | Quelltext ! width="50%" | … und so sieht’s aus |- | <tt><nowiki>'''Urdu''' ({{ur|اردو|b=Kriegs- bzw. Erholungslager}})</nowiki></tt> | '''Urdu''' (<span lang="ur" dir="rtl" style="font-size:1.5em" class="spanAr">اردو</span>, „Kriegs- bzw. Erholungslager“) |- | <tt><nowiki>'''Karatschi''' ({{ur|كراچى}})</nowiki></tt> | '''Karatschi''' (<span lang="ur" dir="rtl" style="font-size:1.5em" class="spanAr">كراچى</span>) |- | <tt><nowiki>'''Shahrukh Khan''' ({{ur|شاه رخ خان}})</nowiki></tt> | '''Shahrukh Khan''' (<span lang="ur" dir="rtl" style="font-size:1.5em" class="spanAr">شاه رخ خان</span>) |- | <tt><nowiki>{{ur|بڑا|b=groß}}</nowiki></tt> | <span lang="ur" dir="rtl" style="font-size:1.5em" class="spanAr">بڑا</span>, „groß“ |} == Siehe auch == * [[Vorlage:urS]] * [[Vorlage:ar]], [[Vorlage:arS]], [[Vorlage:arF]] * [[Vorlage:fa]], [[Vorlage:faS]] * [[Vorlage:ps]], [[Vorlage:psS]] gh9eag96eodqtidukxdpmqpxkf5gi55 wikitext text/x-wiki Vorlage:Infobox Gemeinde in Österreich/Doku 10 24392 26990 2010-02-10T16:52:38Z Karl Gruber 0 <noinclude>{{Dokumentation/Dokuseite}}</noinclude> Diese [[Hilfe:Infoboxen|Infobox]] soll die [[Gemeinde]]-Artikel einheitlicher und wartungsfreundlicher gestalten. Bei Verwendung der [[Wikipedia:Formatvorlage Stadt|Formatvorlage Stadt]] ist darauf zu achten, dass die dort angegebene Infobox für dt. Städte durch die Vorlage hier ersetzt wird. Die Infobox ist ausdrücklich '''nicht''' vorgesehen für: * Die Stadt Wien mit ihrer speziellen Infobox. * nicht selbstständigen [[Katastralgemeinde]]n, Ortschaften, [[Stadtbezirk]]e, [[Siedlung]]en etc. Hierfür gibt es die [[Vorlage:Infobox Gemeindeteil in Österreich]] * '''Einwohnerzahl, Bundesland und Bezirk werden mittels Gemeindekennzahl ermittelt.''' * Orte außerhalb von [[Österreich]] (siehe [[Vorlage:Infobox Gemeinde in Deutschland]], [[Wikipedia:Formatvorlage Ort Schweiz|Formatvorlage Ort Schweiz]] [[:Kategorie:Wikipedia:Formatvorlage|usw.]]) __TOC__ == Kopiervorlage == {{Infobox Gemeinde in Österreich |Art = Gemeinde |Name = &lt;Name der Gemeinde> |Wappen = |lat_deg = |lat_min = |lat_sec = |lon_deg = |lon_min = |lon_sec = |Karte = |Lageplan = |Lageplanbeschreibung = ••• |Höhe = ••• |Fläche = 1 |PLZ = ••• |Vorwahl = ••• |Kfz = ••• |Gemeindekennzahl = |NUTS = |LOCODE = |Straße = ••• |Adresse = ••• |Website = ••• |Bürgermeister = ••• |Bürgermeistertitel = ••• |Partei = ••• |Gemeinderatanzahl = ••• |Wahljahr = ••• |Gemeinderat = ••• |Bild1 = Platzhalter.svg |Bildbeschreibung1 = Text zu Bild 1 |Bild2 = Platzhalter.svg |Bildbeschreibung2 = Text zu Bild 2 |Bild3 = Platzhalter.svg |Bildbeschreibung3 = Text zu Bild 3 }} <pre style=" padding:1ex; white-space:pre-wrap;"><nowiki> {{Infobox Gemeinde in Österreich |Art = |Name = |Wappen = |lat_deg = |lat_min = |lat_sec = |lon_deg = |lon_min = |lon_sec = |Karte = |Lageplan = |Lageplanbeschreibung = |Höhe = |Fläche = |PLZ = |Vorwahl = |Kfz = |Gemeindekennzahl = |NUTS = |LOCODE = |Straße = |Adresse = |Website = |Bürgermeister = |Bürgermeistertitel = |Partei = |Gemeinderatanzahl = |Wahljahr = |Gemeinderat = |Bild1 = |Bildbeschreibung1 = |Bild2 = |Bildbeschreibung2 = |Bild3 = |Bildbeschreibung3 = }} </nowiki></pre> == Parameter == {| class="wikitable" ! Parameter ! Bedeutung |- |Art || Art der Gemeinde: Gemeinde, Marktgemeinde, Stadt, Statutarstadt |- |Name || Name der Gemeinde |- |Wappen || Link zum Wappen. (ohne "Bild:") |- |lat_deg<br/>lat_min<br/>lat_sec || Geogr. Breite |- |lon_deg<br/>lon_min<br/>lon_sec || Geogr. Länge |- |Karte || Eine Lagekarte (Nur wenn die automatisch generierte Karte nicht ausreicht) |- |Lageplan || Bildname, ohne "Bild:" |- |Lageplanbeschreibung || |- |Höhe || Höhe über Adria |- |Fläche || Im km² (engl. Schreibweise mit Punkt als Dezimaltrennzeichen) |- |PLZ || Format: XXXX–XXXX (keine Postfächer/Großempfänger) |- |Vorwahl || Telefonvorwahl |- |Kfz || Kfz-Kennzeichen |- |Gemeindekennzahl || Format: XXXXX (ohne Zwischenräume) |- |NUTS || ATXXX (wird nicht angezeigt) |- |LOCODE || AT XXX (wird nicht angezeigt) |- |Straße || Straße und Hausnummer des Verwaltungssitzes |- |Adresse || Musterstr. XX<br />XXXX Musterstadt (nur falls Par. Straße falsche Adresse erzeugt) |- |Website || <nowiki>[http://www.musterstadt.at/ www.musterstadt.at]</nowiki> |- |Bürgermeister || Beispiel: Max Mustermann |- |Bürgermeistertitel || Nur wenn von [[Bürgermeister]] abweichend, z.B. Bürgermeisterin |- |Partei || [[Österreichische Volkspartei|ÖVP]] oder kurz ÖVP |- |Gemeinderatanzahl || Format: XX |- |Wahljahr || Jahr der letzten Gemeinderatswahl im Format JJJJ |- |Gemeinderat || |- |Bild1 || Beispiel: Hauptplatz.png (Bild wird innerhalb der Info-Box unter dem Abschnitt Politik angezeigt.) |- |Bildbeschreibung1 || Beispiel: Dieses Bild zeigt xxx von oben |- |Bild2 || Wie Bild1 |- |Bildbeschreibung2 || Wie Bildbeschreibung1 |- |Bild3 || Wie Bild1 |- |Bildbeschreibung3 || Wie Bildbeschreibung1 |} == Hinweise == * Nach Einbau der Infobox mit der automatisch erzeugten Karte bitte prüfen, ob die '''alte Lagepunktkarte''' noch in anderen Artikeln oder anderssprachigen Wikipedias verwendet wird. Wenn dies nicht der Fall ist, sollte ein Schnelllöschantrag gestellt werden, weil sonst mittelfristig tausende dieser verwaisten OpenGeodb-Karten zurückbleiben. * Der Artikel wird durch den Einsatz der Infobox automatisch durch den Parameter <code>Gemeindekennzahl</code> in eine Kategorie vom Typ <code><Kategorie:Gemeinde in ''Bundesland''</code> und eine vom Typ <code>Kategorie:Gemeinde in ''Bezirk''</code> eingeordnet. Die Angabe am Ende der Seite kann entfallen. rk4r1gthgnhlicp872wi0acz57flb0r wikitext text/x-wiki Vorlage:Infobox Gemeinde in Österreich/Meta 10 24393 26991 2010-04-25T13:19:48Z Bjankuloski06de 0 mk <noinclude>{{Dokumentation/Metaseite}} </noinclude><includeonly> [[Kategorie:Vorlage mit Koordinate|Infobox Gemeinde in Osterreich]] [[Kategorie:Vorlage:Infobox Gemeinde|Osterreich]] [[Kategorie:Vorlage:Infobox Ort in Land|Osterreich]] [[Kategorie:Vorlage:Österreich|Infobox Gemeinde]] [[bar:Vorlage:Infobox Gemeinde in Österreich]] [[en:Template:Infobox Town AT]] [[eo:Ŝablono:Urbo at]] [[mk:Шаблон:Град во Австрија]] </includeonly> 6mvrrvfc5btupgq86kf1nsoy7s8xfxh wikitext text/x-wiki Vorlage:Infobox Virus/Doku 10 24394 26992 2009-09-22T07:56:42Z YourEyesOnly 0 Änderungen von [[Special:Contributions/79.198.245.214|79.198.245.214]] ([[User talk:79.198.245.214|Diskussion]]) rückgängig gemacht und letzte Version von [[User:Hannes Röst|Hannes Röst]] wiederhergestellt <noinclude>{{Dokumentation/Dokuseite}}</noinclude> ===Kopiervorlage=== <pre> {{Infobox Virus | Name = | Bild = | Bild_legende = | Wiss_Name = | Wiss_KurzName = | Ordnung = | Familie = | Subfamilie = | Gattung = | Spezies = | Subspezies = | Genom = | Baltimore = | Kapsid = | Virushülle = | NCBI_Tax = | NCBI_Ref = | ICTV = }} </pre> === Parameter === <div align="center">Mit * bezeichnete Felder müssen angegeben werden. </div> {| style="border-collapse:collapse; width:100%; border-style:solid; border-width:1px; empty-cells:show;" class="rahmenfarbe1" border="1" |- ! Parameter || Beschreibung || Möglicher Wert / Mögliche Werte |- | Name || Name des Virus || <code>Rubellavirus</code> |- | Bild || Bild des Virus || <code>VirusBild.jpg</code> |- | Bildlegende || Legende des Bildes || <code>Dies ist Virus X</code> |- | Wiss_Name || Wissenschaftlicher (englischer) Name nach ICTV (wird automatisch kursiv) || <code>Yellow fever virus / nicht festgelegt</code> |- | Wiss_KurzName || Wissenschaftlicher Kurzname nach ICTV (''ICTV approved acronym'')|| <code>YFV</code> |- | Ordnung || Ordnung || <code><nowiki>Ordnung / [[Ordnung]] / nicht klassifiziert</nowiki></code> |- | Familie || Famile (wird automatisch kursiv) || <code><nowiki>Familie / [[Familie]] / nicht klassifiziert</nowiki></code> |- | Subfamilie || Subfamilie (wird automatisch kursiv) || <code><nowiki>Subfamilie / [[Subfamilie]]</nowiki></code> |- | Gattung || Gattung (wird automatisch kursiv) || <code><nowiki>Gattung / [[Gattung]] / nicht klassifiziert</nowiki></code> |- | Spezies || Spezies (wird automatisch kursiv) || <code><nowiki>Spezies / [[Spezies]]</nowiki></code> |- | Subspezies || Subspezies (wird automatisch kursiv) || <code><nowiki>Subspezies</nowiki></code> |- | Genom || Kurzbeschreibung des Genoms des Virus || <code><nowiki>[[Polarität (Virologie)|(+/-)ssRNA]]dsRNA/ds/ssDNA linear, zirkulär, segmentiert</nowiki></code> |- | Baltimore || Klassifikation nach [[Baltimore-Klassifikation|Baltimore]] (keine römischen Zahlen)|| <code>4</code> |- | Kapsid || Kapsidsymmetrie || <code><nowiki>ikosaedrisch / helikal / komplex / keine oder frei waehlbar (linkt auf komplex/keine)</nowiki></code> |- | Virushülle || Virushülle vorhanden oder nicht || <code><nowiki>vorhanden / keine</nowiki></code> |- | NCBI_Tax || NCBI Taxonomy ID || <code>10335</code> |- | NCBI_Ref || NCBI Reference Genome|| <code>EU154348.1</code> |- | ICTV || ICTVdB Virus Code || <code>00.031.1.02.001</code> |} 0i6xis7wd3kihrffn9ndpgk7ksqs9g1 wikitext text/x-wiki Vorlage:Infobox Virus/Meta 10 24395 26993 2009-06-28T12:02:47Z Tlustulimu 0 interwiki <noinclude>{{Dokumentation/Metaseite}} </noinclude><includeonly> [[Kategorie:Vorlage:Infobox Naturwissenschaften|Virus]] [[hsb:Předłoha:Infokašćik wirus]] [[pl:Szablon:Wirus infobox]] </includeonly> 90knknh5bas4flf4434jmnb8t1oes50 wikitext text/x-wiki Vorlage:Unicode/Doku 10 24396 26994 2010-02-15T09:22:38Z J. 'mach' wust 0 /* Deaktivierung dieser Vorlage auf standardkonformen Browsern */ <noinclude>{{Dokumentation/Dokuseite}} </noinclude> == Beschreibung == Die '''Vorlage:Unicode''' dient dazu, Browserprobleme zu umgehen. Insbesondere der [[Windows Internet Explorer|Internet Explorer]] bis mindestens Version 6 sucht sich oft Zeichen, die in der aktuell verwendeten Schriftart nicht vorhanden sind, nicht zuverlässig aus anderen installierten Schriften. Für Zeichen, die im Repertoire „[[Windows Glyph List 4|WGL4]]“ enthalten sind, sollte diese Vorlage nicht verwendet werden. Für die altgriechische Schrift existiert [[:Vorlage:Polytonisch]]. == Verwendung == <code><nowiki>{{</nowiki>Unicode|''Text''|PlaneNr<nowiki>}}</nowiki></code> Plane-Nummer bezieht sich auf die [[Unicode-Ebene]]. Sie kann weggelassen werden, wenn sie Null ist. Außerdem ist sie noch nicht implementiert, hat also keine Auswirkung. == Schriftenreihenfolge == Die Fonts und ihre Reihenfolge werden mittels CSS-Datei festgelegt. '''Standardmäßig werden folgende Schriftfolgen verwendet:''' * Plane 0 (U+0000 bis U+FFFF): *# 'Code 2000' *# 'Sun-ExtA' *# 'Arial Unicode MS' *# 'NSimSun' * Plane 1 (U+10000 bis U+1FFFF): *# 'Code 2001' *# 'Quivira' *# 'MPH 2B Damase' * Plane 2 (U+20000 bis U+2FFFF): *# 'Sun-ExtB' *# 'Code 2002' Diese wurden in erster Linie nach der Anzahl der definierten Zeichen und dann nach der Qualität bestimmt. == CSS == === Deaktivierung dieser Vorlage auf standardkonformen Browsern === Standardkonforme Browser wie Firefox, Opera oder Safari benötigen diese Vorlage nicht. Sie können selber passende Schriftarten finden. Wenn eine der Schriftarten installiert ist, die von dieser Vorlage aufgerufen werden, kann in solchen Browsern das Wikipedia-Layout gestört werden. Um dies zu verhindern, kann diese Vorlage wie folgt deaktiviert werden: * Öffne die CSS-Datei deines Accounts (meist [[Spezial:mypage/monobook.css|monobook.css]]). * Kopiere den folgenden Text hinein: /* Unicode-Zeichen in der normalen Schriftart des Browsers anzeigen */ .Unicode, Unicode1, Unicode2 { font: inherit !important; } === Definierung anderer Schriftarten === Wer für sich eine andere, auf seinem System installierte Schrift bevorzugt, der kann folgendermaßen vorgehen: * Öffne die CSS-Datei deines Accounts (meist [[Spezial:mypage/monobook.css|monobook.css]]). * Kopiere den folgenden Text hinein: span.Unicode { font-family: 'Name der Schrift', sans-serif; } span.Unicode1 { font-family: 'Name der Schrift', sans-serif; } span.Unicode2 { font-family: 'Name der Schrift', sans-serif; } Dabei muss „Name der Schrift“ durch die jeweils gewünschte Schriftart ersetzt werden. * Speichern * Browser-Cache leeren. Die Vorlage weist für Plane 1 die Klasse '''Unicode1''', für Plane 2 die Klasse '''Unicode2''' und für Plane 0 und alle anderen die Klasse '''Unicode''' zu. 92scko3y4gdhhhv8s1770ejefe0iubx wikitext text/x-wiki Vorlage:Unicode/Meta 10 24397 26995 2009-10-19T19:09:26Z WIKImaniac 0 +[[bar:Vorlage:Unicode]] <noinclude>{{Dokumentation/Metaseite}} </noinclude><includeonly> [[Kategorie:Vorlage:Fremdsprachenunterstützung|Unicode]] [[ar:قالب:يونيكود]] [[bar:Vorlage:Unicode]] [[bg:Шаблон:Уникод]] [[dsb:Pśedłoga:Unicode]] [[en:Template:Unicode]] [[eo:Ŝablono:Unicode]] [[es:Plantilla:Unicode]] [[fi:Malline:Unicode]] [[hr:Predložak:Unicode]] [[hsb:Předłoha:Unicode]] [[it:Template:Unicode]] [[ko:틀:Unicode]] [[mk:Шаблон:Уникод]] [[nl:Sjabloon:Unicode]] [[pl:Szablon:Unicode]] [[pnt:Πρότυπον:Unicode]] [[pt:Predefinição:Uni]] [[ro:Format:Unicode]] [[ru:Шаблон:Unicode]] [[simple:Template:Unicode]] [[sq:Stampa:Unicode]] [[vi:Tiêu bản:Unicode]] [[zh:Template:Unicode]] </includeonly> t9ydjlnw478e8v30lqprxw0i8n2cg9p wikitext text/x-wiki Vorlage:Infobox Fluss/Doku 10 24398 26996 2010-05-01T19:54:49Z SteveK 0 -Parameter DGWK, der wird nicht mehr verwendet <noinclude>{{Dokumentation/Dokuseite}} </noinclude> == Kopiervorlage == Um die Infobox in Artikeln anzuzeigen, kopiere bitte folgenden Quelltext an den Anfang des Artikels (für die kompakte Koordinatenschreibweise): <pre><nowiki> {{Infobox Fluss | NAME= | LAGE= | GKZ= | FLUSSSYSTEM= | ABFLUSSWEG= | EINZUGSGEBIET= | NACHWEIS-EINZUGSGEBIET= | LÄNGE= | NACHWEIS-LÄNGE= | ABFLUSS-NNQ= | ABFLUSS-NNQ-JAHR= | ABFLUSS-MNQ= | ABFLUSS-MQ= | ABFLUSS-MHQ= | ABFLUSS-HHQ= | ABFLUSS-HHQ-JAHR= | ABFLUSS-PEGEL= | NACHWEIS-ABFLUSS= | BEZEICHNUNG-QUELLE= | QUELLE= | QUELLHÖHE-PREFIX= | QUELLHÖHE= | HÖHENBEZUG-QUELLE= | QUELLHÖHE-SUFFIX= | QUELLE_LAT_GRAD= | QUELLE_LONG_GRAD= | QUELLE_REGION= | QUELLE_AUFLÖSUNG= | BEZEICHNUNG-MÜNDUNG= | MÜNDUNG= | MÜNDUNGSHÖHE-PREFIX= | MÜNDUNGSHÖHE= | HÖHENBEZUG-MÜNDUNG= | MÜNDUNGSHÖHE-SUFFIX= | MÜNDUNG_LAT_GRAD= | MÜNDUNG_LONG_GRAD= | MÜNDUNG_REGION= | MÜNDUNG_AUFLÖSUNG= | HÖHENUNTERSCHIED= | LINKE NEBENFLÜSSE= | RECHTE NEBENFLÜSSE= | SEEN= | STAUSEEN= | EINWOHNER IM EINZUGSGEBIET= | GROSSSTÄDTE= | MITTELSTÄDTE= | KLEINSTÄDTE= | GEMEINDEN= | HÄFEN= | BEKANNTE BRÜCKEN= | SCHIFFBAR= | ANMERKUNGEN= | BILD= | BILDBESCHREIBUNG= | KARTE= | KARTE-BESCHREIBUNG= }} </nowiki></pre> == Parameter == '''''Wichtig:''''' Leere Felder werden in der Infobox ausgeblendet, d.&nbsp;h. Variablen für fehlende Daten einfach frei lassen. Fehlerhafte oder veraltete Anwendung werden auf der [[Spezial:Linkliste/Vorlage:Infobox Fluss/PARAMETERFEHLER|Wartungsseite]] gelistet. {| border="1" class="wikitable sortable" ! style="background-color:#f2f2f4" | Variable ! style="background-color:#f2f2f4" class="unsortable" | Typ ! style="background-color:#f2f2f4" class="unsortable" | Erklärung |- | NEBENBOX | irgendein Text, etwa <code>ja</code> | Schalter, der die Ausgabe der Mündungskoordinaten als Artikelkoordinaten unterdrückt. Damit ist es möglich, auch für z.B. Quellflüsse im selben Artikel weitere Infoboxen anzulegen. z.B. [[Fan (Fluss)]] |- | '''NAME''' | Text | Name des Flusses, falls vom Artikelnamen abweichend |- | '''BILD''' | Text | Ein Bild des Flusses, ohne Angabe von <code>Datei:</code> davor und ohne Formatierungen ([[Spezial:Linkliste/Vorlage:Infobox Fluss/BILD fehlt|Wartungsseite]]) |- | '''BILD-BREITE''' | | Angabe der Breite des Bildes von '''BILD''', Standard sind <code>326x326px</code><ref>Tabellenbreite minus Rahmen</ref> |- | '''BILDBESCHREIBUNG''' | Text | Angabe einer Bildbeschreibung |- | '''LAGE''' | Text | Beschreibung der Lage des Flusses (bzgl. eines Landes, Region) ([[Spezial:Linkliste/Vorlage:Infobox Fluss/LAGE fehlt|Wartungsseite]]) |- | '''LÄNGE''' | Zahl | Die Länge des Flusses ([[Spezial:Linkliste/Vorlage:Infobox Fluss/LÄNGE fehlt|Wartungsseite]]) |- | '''NACHWEIS-LÄNGE''' | Text | Einzelnachweis der Länge als Referenzangabe ([[Spezial:Linkliste/Vorlage:Infobox Fluss/NACHWEIS-LÄNGE fehlt|Wartungsseite]]) |- | '''GKZ''' | Zahl | [[Fließgewässerkennziffer|Gewässerkennzahlen]] des Flusses in der Form <code>ISO-3166-1-Code/ID1[/ISO-3166-1-Code/ID1...]</code> (Beispiel: <code>DE/2/CH/5</code> ergibt {{Vorlage:Infobox Fluss/GKZ|DE|2}}, {{Vorlage:Infobox Fluss/GKZ|CH|5}}). Implementiert sind derzeit die ISO-Kodes AT, BE, CH, DE, FR, LU, US. ([[Spezial:Linkliste/Vorlage:Infobox Fluss/GKZ fehlt|Wartungsseite]]) |- | '''BEZEICHNUNG-QUELLE''' | Text | Anders lautende Bezeichnung für Quelle (z.B. Ursprung) (optional) |- | '''QUELLE''' | Text | Quelle des Flusses, auch für die Quellflüsse (siehe dazu Beispiel unten) und Ausfluss aus Seen ([[Spezial:Linkliste/Vorlage:Infobox Fluss/QUELLE fehlt|Wartungsseite]]). Fehlt diese Angabe, dann werden keine Quellkoordinaten angezeigt. |- | '''QUELLE_LAT_GRAD''' | Zahl | Angabe der [[Geographische Breite|Geographischen Breite]] (Gradangabe). Eine Angabe gemäß [[Vorlage:Coordinate#NS_und_EW|Vorlage:Coordinate]], also etwa <code>45/10/10/N</code>, ist möglich. Die anderen Angaben zum Breitengrad müssen dann entfallen. |- | <s>QUELLE_LAT_MIN</s> | Zahl | Angabe der Geographischen Breite (Minutenangabe) - veraltet |- | <s>QUELLE_LAT_SEK</s> | Zahl | Angabe der Geographischen Breite (Sekundenangabe) - veraltet |- | <s>QUELLE_LAT_NS</s> | Buchstabe | Angabe der Geographischen Breite (Richtungsangabe), entweder „N“ für Nord oder „S“ für Süd (Defaultwert „N“) - veraltet |- | '''QUELLE_LONG_GRAD''' | Zahl | Angabe der [[Geographische Länge|Geographischen Länge]] (Gradangabe). Eine Angabe gemäß [[Vorlage:Coordinate#NS_und_EW|Vorlage:Coordinate]], also etwa <code>10/10/10/E</code>, ist möglich. Die anderen Angaben zum Längengrad müssen dann entfallen. ([[Spezial:Linkliste/Vorlage:Infobox Fluss/QUELLKOORDINATE fehlt|Wartungsseite]]) |- | <s>QUELLE_LONG_MIN</s> | Zahl | Angabe der Geographischen Länge (Minutenangabe) - veraltet |- | <s>QUELLE_LONG_SEK</s> | Zahl | Angabe der Geographischen Länge (Sekundenangabe) - veraltet |- | <s>QUELLE_LONG_WE</s> | Buchstabe | Angabe der Geographischen Länge (Richtungsangabe), entweder „W“ für West oder „E“ für Ost (Defaultwert „E“) - veraltet |- | '''QUELLE_REGION''' | Text | Angabe von Land und Region nach [[ISO-3166-1-Kodierliste|ISO-3166-1]] und [[ISO 3166-2]] |- | '''QUELLE_AUFLÖSUNG''' | Zahl | Angabe der Größe in Meter |- | '''QUELLHÖHE-PREFIX''' | Text | Prefix zur Quellhöhe (optional) |- | '''QUELLHÖHE''' | Zahl | Höhenlage des Quellortes in Metern ohne Einheit ([[Spezial:Linkliste/Vorlage:Infobox Fluss/QUELLHÖHE fehlt|Wartungsseite]]) |- | '''HÖHENBEZUG-QUELLE''' | Text | Höhenbezug der Quelle (gemäß [[Vorlage:Höhe]]) ([[Spezial:Linkliste/Vorlage:Infobox Fluss/HÖHENBEZUG-QUELLE fehlt|Wartungsseite]]) |- | '''QUELLHÖHE-SUFFIX''' | Text | Suffix zur Quellhöhe. (optional) |- | '''BEZEICHNUNG-MÜNDUNG''' | Text | Anders lautende Bezeichnung für Mündung (z.B. Zusammenfluss) (optional) |- | '''MÜNDUNG''' | Text | Mündung des Flusses. Fehlt diese Angabe, dann werden keine Mündungskoordinaten angezeigt. ([[Spezial:Linkliste/Vorlage:Infobox Fluss/MÜNDUNG fehlt|Wartungsseite]]) |- | '''MÜNDUNG_LAT_GRAD''' | Zahl | Angabe der [[Geographische Breite|Geographischen Breite]] (Gradangabe) |- | <s>MÜNDUNG_LAT_MIN</s> | Zahl | Angabe der Geographischen Breite (Minutenangabe) - veraltet |- | <s>MÜNDUNG_LAT_SEK</s> | Zahl | Angabe der Geographischen Breite (Sekundenangabe) - veraltet |- | <s>MÜNDUNG_LAT_NS</s> | Buchstabe | Angabe der Geographischen Breite (Richtungsangabe), entweder „N“ für Nord oder „S“ für Süd (Defaultwert „N“) - veraltet |- | '''MÜNDUNG_LONG_GRAD''' | Zahl | Angabe der [[Geographische Länge|Geographischen Länge]] (Gradangabe) ([[Spezial:Linkliste/Vorlage:Infobox Fluss/MÜNDUNGSKOORDINATE fehlt|Wartungsseite]]) |- | <s>MÜNDUNG_LONG_MIN</s> | Zahl | Angabe der Geographischen Länge (Minutenangabe) - veraltet |- | <s>MÜNDUNG_LONG_SEK</s> | Zahl | Angabe der Geographischen Länge (Sekundenangabe) - veraltet |- | <s>MÜNDUNG_LONG_WE</s> | Buchstabe | Angabe der Geographischen Länge (Richtungsangabe), entweder „W“ für West oder „E“ für Ost (Defaultwert „E“) - veraltet |- | '''MÜNDUNG_REGION''' | Text | Angabe von Land und Region nach [[ISO-3166-1-Kodierliste|ISO-3166-1]] und [[ISO 3166-2]] |- | '''MÜNDUNG_AUFLÖSUNG''' | Zahl | Angabe der Größe in Meter |- | '''MÜNDUNGSHÖHE-PREFIX''' | Text | Prefix zur Mündungshöhe (optional) |- | '''MÜNDUNGSHÖHE''' | Zahl | Höhenlage der Flussmündung in Metern ohne Einheit ([[Spezial:Linkliste/Vorlage:Infobox Fluss/MÜNDUNGSHÖHE fehlt|Wartungsseite]]) |- | '''HÖHENBEZUG-MÜNDUNG''' | Text | Höhenbezug der Mündung (gemäß [[Vorlage:Höhe]]) ([[Spezial:Linkliste/Vorlage:Infobox Fluss/HÖHENBEZUG-MÜNDUNG fehlt|Wartungsseite]]) |- | '''MÜNDUNGSHÖHE-SUFFIX''' | Text | Suffix zur Mündungshöhe. (optional) |- | '''HÖHENUNTERSCHIED''' | Zahl | Höhenunterschied zwischen Quellhöhe und Mündungshöhe ([[Spezial:Linkliste/Vorlage:Infobox Fluss/HÖHENUNTERSCHIED fehlt|Wartungsseite]]) |- | '''FLUSSSYSTEM''' | Text | Es wird nur der Fluss angegeben, der für das Gesamtflusssystem namensgebend ist. Die Eingabe erfolgt nach [[Erweiterte Backus-Naur-Form|EBNF]]-Syntax: <code>{ Lemma [ "/" Darstellung ] }</code> Beispiel: Der [[Chamb]] gehört zum Flusssystem der [[Donau]], also wird nur <code><nowiki>Donau</nowiki></code> eingetragen. ([[Spezial:Linkliste/Vorlage:Infobox Fluss/FLUSSSYSTEM fehlt|Wartungsseite]]) |- | '''ABFLUSSWEG''' | Text | Mit diesem Parameter wird der Abflussweg bis zum Flussende (z.b. Meer) spezifiziert, d.h. es werden alle Flüsse angegeben, die den Abflussweg bilden. Wenn der Fluss in ein Meer mündet, dann sollte dieses auch angegeben werden. Es werden maximal 10 Angaben in der Infobox dargestellt. ([[Spezial:Linkliste/Vorlage:Infobox Fluss/ABFLUSSWEG fehlt|Wartungsseite]]) Die Eingabe erfolgt nach [[Erweiterte Backus-Naur-Form|EBNF]]-Syntax: <code>{ Lemma "/" [Darstellung] "/" }</code><br /> ("/" am Ende können entfallen). Soll also das Lemma des Flusses direkt angezeigt werden, werden danach zwei Schrägstriche geschrieben, soll die Anzeige sich vom Lemma unterscheiden (z. B. bei Klammerlemmas zur Begriffsklärung), wird der anzuzeigende Text nach dem ersten Schrägstrich angegeben, gefolgt von ''einem'' weiteren Schrägstrich. Beispiel für den [[Chamb]]:<br /> <code><span style="color:#600000">Regen (Fluss)/Regen/</span><span style="color:#006000">Donau//</span><span style="color:#000060">Schwarzes Meer</span></code> ergibt die Darstellung<br /> <span style="color:#600000">Regen</span>&nbsp;→ <span style="color:#006000">Donau</span>&nbsp;→ <span style="color:#000060">Schwarzes Meer</span> und in korrekter Darstellung:<br /> [[Regen (Fluss)|Regen]]&nbsp;→ [[Donau]]&nbsp;→ [[Schwarzes Meer]]). |- | '''EINZUGSGEBIET''' | Zahl | Größe des Einzugsgebiets des Flusses im km² ([[Spezial:Linkliste/Vorlage:Infobox Fluss/EINZUGSGEBIET fehlt|Wartungsseite]]) |- | '''NACHWEIS-EINZUGSGEBIET''' | Text | Einzelnachweis für das Einzugsgebiet als Referenzangabe ([[Spezial:Linkliste/Vorlage:Infobox Fluss/NACHWEIS-EINZUGSGEBIET fehlt|Wartungsseite]]) |- | '''ABFLUSS-NNQ''' | | Niedrigster je gemessener Abfluss in m³/s ([[Spezial:Linkliste/Vorlage:Infobox Fluss/ABFLUSS_fehlt|Wartungsseite]]) |- | '''ABFLUSS-NNQ-JAHR''' | | Jahr des niedrigsten Abflusses |- | '''ABFLUSS-MNQ''' | | Mittlerer Abfluss bei Niedrigwasser in m³/s ([[Spezial:Linkliste/Vorlage:Infobox Fluss/ABFLUSS_fehlt|Wartungsseite]]) |- | '''ABFLUSS-MQ''' | | Mittlerer Abfluss in m³/s ([[Spezial:Linkliste/Vorlage:Infobox Fluss/ABFLUSS_fehlt|Wartungsseite]]) |- | '''ABFLUSS-MHQ''' | | Mittlerer Abfluss bei Hochwasser in m³/s ([[Spezial:Linkliste/Vorlage:Infobox Fluss/ABFLUSS_fehlt|Wartungsseite]]) |- | '''ABFLUSS-HHQ''' | | Höchster je gemessener Abfluss in m³/s ([[Spezial:Linkliste/Vorlage:Infobox Fluss/ABFLUSS_fehlt|Wartungsseite]]) |- | '''ABFLUSS-HHQ-JAHR''' | | Jahr des höchsten Abflusses |- | '''ABFLUSS-PEGEL''' | | Messstelle des Abflusses |- | '''NACHWEIS-ABFLUSS''' | | Nachweis für die Abflusswerte |- | '''EINWOHNER IM EINZUGSGEBIET''' | | Einwohnerzahl des Einzugsgebiets des Flusses |- | '''GROSSSTÄDTE''' | | Städte über 100.000 Einwohner am Fluss. Gemeint ist die Ortschaft, nicht die Gemarkung. |- | '''MITTELSTÄDTE''' | | Städte zwischen 20.000 und 100.000 Einwohner am Fluss. Gemeint ist die Ortschaft, nicht die Gemarkung. |- | '''KLEINSTÄDTE''' | | Wichtige Städte unter 20.000 Einwohner am Fluss. Gemeint ist die Ortschaft, nicht die Gemarkung. |- | '''GEMEINDEN''' | | Gemeinden entlang des Flusses (bei kleineren Flüssen). Gemeint ist die Ortschaft, nicht die Gemarkung. |- | '''RECHTE NEBENFLÜSSE''' | | Rechte Nebenflüsse |- | '''LINKE NEBENFLÜSSE''' | | Linke Nebenflüsse |- | '''SEEN''' | Text | Durchflossene natürliche Seen |- | '''STAUSEEN''' | Text | Durchflossene Stauseen |- | '''HÄFEN''' | | Binnenhäfen am Fluss |- | '''BEKANNTE BRÜCKEN''' | | Bekannte Brücken über den Fluss |- | '''SCHIFFBAR''' | | Schiffbare Länge des Flusses bzw. wann die Schiffbarkeit gegeben ist |- | '''ANMERKUNGEN''' | | Eine Zeile für Anmerkungen |- | '''KARTE''', '''BILD1''' bis '''BILD5''' | | optionale Bilder unten an die Infobox anfügen. Für den Parameter KARTE existiert eine [[Spezial:Linkliste/Vorlage:Infobox Fluss/KARTE fehlt|Wartungsseite]]. |- | '''KARTE-BREITE''', '''BILD1-BREITE''' bis '''BILD5-BREITE''' | | Angabe der Breite des Bildes von '''BILD1''' bis '''BILD5''', Standard sind <code>326x326px</code> |- | '''KARTE-BESCHREIBUNG''', '''BILD1-BESCHREIBUNG''' bis '''BILD5-BESCHREIBUNG''' | | Angabe einer Bildbeschreibung |} == Beispiele == In diesem Beispiel werden alle Parameter vergeben, damit man sich ein Bild von der Funktionalität der Infobox machen kann. <pre><nowiki> {{Infobox Fluss | NAME= Test | LAGE= Test | GKZ= CH/5/DE/2 | FLUSSSYSTEM= Flusssystem | ABFLUSSWEG= Fluss1//Fluss (2)/Fluss2/Meer/ | EINZUGSGEBIET= 1000 | NACHWEIS-EINZUGSGEBIET= <ref name="TEST">Testnachweis</ref> | LÄNGE= 100 | NACHWEIS-LÄNGE= <ref name="TEST" /> | ABFLUSS-NNQ= 1 | ABFLUSS-NNQ-JAHR= 1980 | ABFLUSS-MNQ= 5 | ABFLUSS-MQ= 50 | ABFLUSS-MHQ= 150 | ABFLUSS-HHQ= 250 | ABFLUSS-HHQ-JAHR= 2005 | ABFLUSS-PEGEL=Xdorf | NACHWEIS-ABFLUSS= <ref name="TEST" /> | BEZEICHNUNG-QUELLE= Ursprung | QUELLE= Bei X-Stadt durch Zusammenfluss von Y-Fluss und Z-Fluss | QUELLHÖHE-PREFIX= ca. | QUELLHÖHE= 1000 | HÖHENBEZUG-QUELLE= CH | QUELLHÖHE-SUFFIX= (X-Bach) | QUELLE_LAT_GRAD= 50/8/8/N | QUELLE_LONG_GRAD= 9/9/9/E | QUELLE_REGION= DE | QUELLE_AUFLÖSUNG= | BEZEICHNUNG-MÜNDUNG= Mündung | MÜNDUNG= Bei Y-Stadt in dem W-Fluss | MÜNDUNGSHÖHE-PREFIX= etwa | MÜNDUNGSHÖHE= 400 | HÖHENBEZUG-MÜNDUNG= DE-NN | MÜNDUNGSHÖHE-SUFFIX= (X-Arm) | MÜNDUNG_LAT_GRAD= 48/47/46/N | MÜNDUNG_LONG_GRAD= 9/18/36/E | MÜNDUNG_REGION= DE | MÜNDUNG_AUFLÖSUNG= | HÖHENUNTERSCHIED= | LINKE NEBENFLÜSSE= Test | RECHTE NEBENFLÜSSE= Test | SEEN= Testsee | STAUSEEN= Teststausee | EINWOHNER IM EINZUGSGEBIET= 1.000.000 | GROSSSTÄDTE= Test | MITTELSTÄDTE= Test | KLEINSTÄDTE= Test | GEMEINDEN= Test | HÄFEN= Test | BEKANNTE BRÜCKEN= Test | SCHIFFBAR= nur zur Regenzeit | ANMERKUNGEN= Anmerkungen | BILD= test.jpg | BILD-BREITE= | BILDBESCHREIBUNG= Test | KARTE= weltkarte.jpg | KARTE-BREITE= | KARTE-BESCHREIBUNG= | BILD1= weltkarte.jpg | BILD1-BREITE= | BILD1-BESCHREIBUNG= | BILD2= weltkarte.jpg | BILD2-BREITE= 250px | BILD2-BESCHREIBUNG= Weltkarte }} </nowiki></pre> {{Infobox Fluss | NAME= Test | LAGE= Test | GKZ= CH/5/DE/2 | FLUSSSYSTEM= Flusssystem | ABFLUSSWEG= Fluss1//Fluss (2)/Fluss2/Meer/ | EINZUGSGEBIET= 1000 | NACHWEIS-EINZUGSGEBIET= <ref name="TEST">Testnachweis</ref> | LÄNGE= 100 | NACHWEIS-LÄNGE= <ref name="TEST" /> | ABFLUSS-NNQ= 1 | ABFLUSS-NNQ-JAHR= 1980 | ABFLUSS-MNQ= 5 | ABFLUSS-MQ= 50 | ABFLUSS-MHQ= 150 | ABFLUSS-HHQ= 250 | ABFLUSS-HHQ-JAHR= 2005 | ABFLUSS-PEGEL=Xdorf | BEZEICHNUNG-QUELLE= Ursprung | QUELLE= Bei X-Stadt durch Zusammenfluss von Y-Fluss und Z-Fluss | QUELLHÖHE-PREFIX= ca. | QUELLHÖHE= 1000 | HÖHENBEZUG-QUELLE= CH | QUELLHÖHE-SUFFIX= (X-Bach) | QUELLE_LAT_GRAD= 50/8/8/N | QUELLE_LONG_GRAD= 9/9/9/E | QUELLE_REGION= DE | QUELLE_AUFLÖSUNG= | BEZEICHNUNG-MÜNDUNG= Mündung | MÜNDUNG= Bei Y-Stadt in dem W-Fluss | MÜNDUNGSHÖHE-PREFIX= etwa | MÜNDUNGSHÖHE= 400 | HÖHENBEZUG-MÜNDUNG= DE-NN | MÜNDUNGSHÖHE-SUFFIX= (X-Arm) | MÜNDUNG_LAT_GRAD= 48/47/46/N | MÜNDUNG_LONG_GRAD= 9/18/36/E | MÜNDUNG_REGION= DE | MÜNDUNG_AUFLÖSUNG= | HÖHENUNTERSCHIED= | LINKE NEBENFLÜSSE= Test | RECHTE NEBENFLÜSSE= Test | SEEN= Testsee | STAUSEEN= Teststausee | EINWOHNER IM EINZUGSGEBIET= 1.000.000 | GROSSSTÄDTE= Test | MITTELSTÄDTE= Test | KLEINSTÄDTE= Test | GEMEINDEN= Test | HÄFEN= Test | BEKANNTE BRÜCKEN= Test | SCHIFFBAR= nur zur Regenzeit | ANMERKUNGEN= Anmerkungen | BILD= test.jpg | BILD-BREITE= | BILDBESCHREIBUNG= Test | KARTE= weltkarte.jpg | KARTE-BREITE= | KARTE-BESCHREIBUNG= | BILD1= weltkarte.jpg | BILD1-BREITE= | BILD1-BESCHREIBUNG= | BILD2= weltkarte.jpg | BILD2-BREITE= 250px | BILD2-BESCHREIBUNG= Weltkarte }} == Siehe auch == '''Weitere Möglichkeiten zur Einbindung von Boxen in Artikel über Flüsse finden sich bei der [[Wikipedia:Formatvorlage Fluss|Formatvorlage Fluss]]''' == Anmerkungen == <references /> dmx1ey3e1a7q8vnu3qhrodudc33r07v wikitext text/x-wiki Vorlage:Infobox Fluss/GKZ 10 24399 26997 2010-04-08T12:31:15Z SteveK 0 +NL <onlyinclude>{{#switch: {{{1}}} | AT = [[Gewässerkennzahl (Österreich)|AT]]:&nbsp;{{{2}}} | BE = [[Gewässerkennzahl (Belgien)|BE]]:&nbsp;{{{2}}} | CH = [[Gewässerkennzahl (Schweiz)|CH]]:&nbsp;{{{2}}} | DE = [[Fließgewässerkennziffer|DE]]:&nbsp;{{{2}}} | FR = [[Gewässerkennzahl (Frankreich)|FR]]:&nbsp;[http://sandre.eaufrance.fr/app/chainage/courdo/htm/{{{2|}}}.php {{{2}}}] | LU = [[Gewässerkennzahl (Luxemburg)|LU]]:&nbsp;{{{2}}} | NL = [[Gewässerkennzahl (Niederlande)|NL]]:&nbsp;{{{2}}} | US = [[Geographic Names Information System|US]]:&nbsp;[http://geonames.usgs.gov/pls/gnispublic/f?p=gnispq:3:::NO::P3_FID:{{{2|}}} {{{2|}}}] | #default = '''Parameterfehler''' }}</onlyinclude> bhy5vedzel52iuwb16r2urs06zingqm wikitext text/x-wiki Vorlage:Große Imagemap/Doku 10 24400 26998 2009-11-01T16:18:21Z Umherirrender 280 +zentriert <noinclude>{{Dokumentation/Dokuseite}} </noinclude> == Beschreibung == Die Vorlage bindet einen horizontalen Scrollbalken ein, um übergroße [[Hilfe:Bilder#Imagemaps|verweissensitive Graphiken]] anzeigen zu können. Die verweissensitiven Flächen müssen dabei an der Bilddatei in Originalgröße ausgemessen werden, damit sie die korrekten Stellen des Bildes verlinken. == Kopiervorlage == <nowiki>{{Große Imagemap|<imagemap></nowiki>Datei:<var>Dateiname</var>|<var>Breite</var>|zentriert <var>Link(s)</var> <var>Info-Button</var><nowiki></imagemap></nowiki>|<var>Bildbeschreibung</var><nowiki>}}</nowiki> == Parameter == ;Dateiname: gibt den Namen des einzubindenden Bildes inklusive Dateiendung an ;Breite: gibt die Breite des Bildes in [[Pixel]]n gefolgt von der Einheit <tt>px</tt> an ;zentriert: richtet das Bild mittig aus, falls die Auflösung höher ist, als das Bild breit. Kann auch durch <tt>links</tt> oder <tt>rechts</tt> ersetzt werden. Wobei sich das aber nicht auf die Ausrichtung des gesamten Kasten bezieht sondern nur auf das Bild innerhalb des Kastens. ;Link(s): Definition der verweissensitiven Flächen, siehe [[Hilfe:Bilder#Imagemaps]] ;Info-Button: optionaler Parameter zur Ausrichtung des Infobuttons, siehe [[Hilfe:Bilder#Imagemaps]] ;Bildbeschreibung: gibt eine Beschreibung des Bildes an, die unterhalb des Bildes angezeigt wird. Dieser Parameter ist optional. == Beispiel == :* [[:Bild:Panorama Schwerin.jpg]] (10.986 × 954 Pixel) :* Verweissensitive Flächen: <tt>rect 1145 205 1245 310 [[Schweriner Fernsehturm]] poly 1248 262 1328 263 1430 297 1523 320 1530 442 1407 450 1300 447 1273 398 1248 395 [[Schweriner Schloss]] poly 0 280 220 290 222 335 0 333 [[Schweriner See]] poly 306 279 507 289 532 296 962 310 771 314 700 310 642 310 618 317 584 313 557 332 747 360 988 383 984 406 802 404 789 389 763 389 724 393 359 370 356 313 339 316 338 373 304 373 [[Schweriner See]] poly 0 344 205 342 274 788 349 326 416 784 400 949 0 949 [[Schweriner Dom]] poly 414 712 830 684 865 716 858 895 542 921 491 840 416 844 [[Schweriner Rathaus]] poly 547 928 867 900 872 667 1267 658 1263 849 1472 951 556 949 [[Markt (Schwerin)]] poly 986 343 1167 355 1175 386 1247 397 1267 408 1294 442 1294 494 1211 504 1203 516 1114 508 1035 514 1041 462 987 459 [[Mecklenburgisches Staatstheater Schwerin]] poly 1612 442 1665 442 1663 455 1625 454 [[Burgsee (Schwerin)]] poly 1918 449 1918 450 1925 469 1991 466 2126 481 2143 503 2160 503 2182 486 2186 464 2247 463 2311 469 2317 519 2336 521 2387 498 2397 464 2462 464 2514 427 2390 424 2207 453 2138 453 1980 448 [[Burgsee (Schwerin)]] poly 9354 395 9340 415 9252 422 9526 443 9529 409 9552 409 9550 444 10982 486 10982 422 10485 415 10463 402 9650 404 9370 401 [[Schweriner See]] poly 9539 419 9479 847 9459 892 9469 949 10982 952 10984 489 9697 459 9619 890 9597 857 [[Schweriner Dom]] poly 8694 337 8674 447 8672 542 8727 549 8814 542 8779 484 8722 489 8702 387 8694 349 [[Burgsee (Schwerin)]] poly 6287 764 6548 685 6657 667 7222 509 7607 515 7627 604 7595 600 7568 677 7603 677 7242 807 7155 810 7133 849 7140 917 7073 930 6895 919 6865 875 6637 865 6618 900 6597 885 6580 830 6387 800 6285 834 6212 817 6302 784 [[Pfaffenteich]] poly 6182 792 6255 747 6290 784 6208 814 [[Nahverkehr Schwerin#Fährlinie]] poly 7370 496 7379 494 7400 479 7432 479 7464 466 7544 468 7572 493 7607 494 7629 469 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433 6822 446 6767 450 6720 446 6693 446 [[Medeweger See]] rect 7060 392 7165 434 [[KGW Schweriner Maschinen- und Anlagenbau]] poly 7736 545 7843 553 7856 603 7792 593 7748 601 7742 623 7735 637 7739 670 7725 595 [[Fridericianum Schwerin]] poly 2746 387 2832 385 2880 387 2869 399 2801 404 [[Ostorfer See]] poly 3063 377 3228 381 3085 391 [[Ostorfer See]] rect 2517 291 2550 352 [[Heizkraftwerk Schwerin-Süd]] poly 1665 439 1774 436 1816 446 1793 470 1783 482 1767 483 1744 476 1713 468 1695 460 1668 454 [[Regierungsgebäude I (Schwerin)]] poly 7612 504 7614 483 7630 482 7636 464 7644 479 7647 471 7657 479 7666 451 7672 470 7678 463 7688 462 7698 473 7664 478 7668 511 [[Städtisches Elektrizitätswerk (Schwerin)]]</tt> :* Code: <tt><source enclose=div lang=php>{{Große Imagemap|<imagemap>Datei:Panorama Schwerin.jpg|3500px|zentriert rect 1145 205 1245 310 [[Schweriner Fernsehturm]] poly 1248 262 1328 263 1430 297 1523 320 1530 442 1407 450 1300 447 1273 398 1248 395 [[Schweriner Schloss]] poly 0 280 220 290 222 335 0 333 [[Schweriner See]] poly 306 279 507 289 532 296 962 310 771 314 700 310 642 310 618 317 584 313 557 332 747 360 988 383 984 406 802 404 789 389 763 389 724 393 359 370 356 313 339 316 338 373 304 373 [[Schweriner See]] poly 0 344 205 342 274 788 349 326 416 784 400 949 0 949 [[Schweriner Dom]] poly 414 712 830 684 865 716 858 895 542 921 491 840 416 844 [[Schweriner Rathaus]] poly 547 928 867 900 872 667 1267 658 1263 849 1472 951 556 949 [[Markt (Schwerin)]] poly 986 343 1167 355 1175 386 1247 397 1267 408 1294 442 1294 494 1211 504 1203 516 1114 508 1035 514 1041 462 987 459 [[Mecklenburgisches Staatstheater Schwerin]] poly 1612 442 1665 442 1663 455 1625 454 [[Burgsee (Schwerin)]] poly 1918 449 1918 450 1925 469 1991 466 2126 481 2143 503 2160 503 2182 486 2186 464 2247 463 2311 469 2317 519 2336 521 2387 498 2397 464 2462 464 2514 427 2390 424 2207 453 2138 453 1980 448 [[Burgsee (Schwerin)]] poly 9354 395 9340 415 9252 422 9526 443 9529 409 9552 409 9550 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See]] poly 3063 377 3228 381 3085 391 [[Ostorfer See]] rect 2517 291 2550 352 [[Heizkraftwerk Schwerin-Süd]] poly 1665 439 1774 436 1816 446 1793 470 1783 482 1767 483 1744 476 1713 468 1695 460 1668 454 [[Regierungsgebäude I (Schwerin)]] poly 7612 504 7614 483 7630 482 7636 464 7644 479 7647 471 7657 479 7666 451 7672 470 7678 463 7688 462 7698 473 7664 478 7668 511 [[Städtisches Elektrizitätswerk (Schwerin)]] desc bottom-left</imagemap>|Panoramabild Schwerins}}</source></tt> :* Vorschau: {{Große Imagemap|<imagemap>Datei:Panorama Schwerin.jpg|3500px|zentriert rect 1145 205 1245 310 [[Schweriner Fernsehturm]] poly 1248 262 1328 263 1430 297 1523 320 1530 442 1407 450 1300 447 1273 398 1248 395 [[Schweriner Schloss]] poly 0 280 220 290 222 335 0 333 [[Schweriner See]] poly 306 279 507 289 532 296 962 310 771 314 700 310 642 310 618 317 584 313 557 332 747 360 988 383 984 406 802 404 789 389 763 389 724 393 359 370 356 313 339 316 338 373 304 373 [[Schweriner See]] poly 0 344 205 342 274 788 349 326 416 784 400 949 0 949 [[Schweriner Dom]] poly 414 712 830 684 865 716 858 895 542 921 491 840 416 844 [[Schweriner Rathaus]] poly 547 928 867 900 872 667 1267 658 1263 849 1472 951 556 949 [[Markt (Schwerin)]] poly 986 343 1167 355 1175 386 1247 397 1267 408 1294 442 1294 494 1211 504 1203 516 1114 508 1035 514 1041 462 987 459 [[Mecklenburgisches Staatstheater Schwerin]] poly 1612 442 1665 442 1663 455 1625 454 [[Burgsee (Schwerin)]] poly 1918 449 1918 450 1925 469 1991 466 2126 481 2143 503 2160 503 2182 486 2186 464 2247 463 2311 469 2317 519 2336 521 2387 498 2397 464 2462 464 2514 427 2390 424 2207 453 2138 453 1980 448 [[Burgsee (Schwerin)]] poly 9354 395 9340 415 9252 422 9526 443 9529 409 9552 409 9550 444 10982 486 10982 422 10485 415 10463 402 9650 404 9370 401 [[Schweriner See]] poly 9539 419 9479 847 9459 892 9469 949 10982 952 10984 489 9697 459 9619 890 9597 857 [[Schweriner Dom]] poly 8694 337 8674 447 8672 542 8727 549 8814 542 8779 484 8722 489 8702 387 8694 349 [[Burgsee (Schwerin)]] poly 6287 764 6548 685 6657 667 7222 509 7607 515 7627 604 7595 600 7568 677 7603 677 7242 807 7155 810 7133 849 7140 917 7073 930 6895 919 6865 875 6637 865 6618 900 6597 885 6580 830 6387 800 6285 834 6212 817 6302 784 [[Pfaffenteich]] poly 6182 792 6255 747 6290 784 6208 814 [[Nahverkehr Schwerin#Fährlinie]] poly 7370 496 7379 494 7400 479 7432 479 7464 466 7544 468 7572 493 7607 494 7629 469 7665 461 7745 468 7767 501 7814 483 7867 464 8045 463 7969 438 7820 441 7452 443 7312 488 7355 493 [[Ziegelsee]] poly 7731 426 7770 404 8230 411 7906 427 [[Ziegelsee]] poly 5617 579 5944 574 5940 537 6037 542 6034 567 6067 564 6069 510 6179 515 6210 580 6260 575 6259 547 6302 540 6379 545 6379 675 6144 732 6089 735 6050 572 6025 679 6005 719 6007 745 5700 660 5687 639 5624 622 [[Arsenal am Pfaffenteich]] poly 5753 266 5775 374 5896 376 5905 473 5866 501 5746 489 5725 514 5725 389 [[Paulskirche (Schwerin)]] poly 6516 476 6578 479 6585 505 6549 513 6512 515 [[Schwerin Hauptbahnhof]] poly 10484 399 10764 399 10965 408 10958 420 10494 411 [[Kaninchenwerder]] poly 8777 607 8811 574 8866 556 8894 560 8925 580 8931 608 8807 619 [[Neustädtisches Palais]] poly 3467 438 3493 383 3515 386 3525 404 3608 403 3629 356 3650 397 3757 397 3849 411 3879 465 3876 510 3776 514 3621 494 [[Fridericianum Schwerin]] rect 5009 352 5067 407 [[Wasserturm Schwerin-Neumühle|Wasserturm Neumühle]] poly 6680 434 6858 433 6822 446 6767 450 6720 446 6693 446 [[Medeweger See]] rect 7060 392 7165 434 [[KGW Schweriner Maschinen- und Anlagenbau]] poly 7736 545 7843 553 7856 603 7792 593 7748 601 7742 623 7735 637 7739 670 7725 595 [[Fridericianum Schwerin]] poly 2746 387 2832 385 2880 387 2869 399 2801 404 [[Ostorfer See]] poly 3063 377 3228 381 3085 391 [[Ostorfer See]] rect 2517 291 2550 352 [[Heizkraftwerk Schwerin-Süd]] poly 1665 439 1774 436 1816 446 1793 470 1783 482 1767 483 1744 476 1713 468 1695 460 1668 454 [[Regierungsgebäude I (Schwerin)]] poly 7612 504 7614 483 7630 482 7636 464 7644 479 7647 471 7657 479 7666 451 7672 470 7678 463 7688 462 7698 473 7664 478 7668 511 [[Städtisches Elektrizitätswerk (Schwerin)]] desc bottom-left</imagemap>|Panoramabild Schwerins}} ctld2bszpyuam1lw1coguy29m0tp27r wikitext text/x-wiki Vorlage:Große Imagemap/Meta 10 24401 26999 2008-05-18T21:35:22Z Farino 0 Kat-Sortierung <noinclude>{{Dokumentation/Metaseite}} </noinclude><includeonly> {{DEFAULTSORT:Grosse Imagemap}} [[Kategorie:Vorlage:Formatierungshilfe]] [[Kategorie:Vorlage:Verweissensitive Grafik|!Große Imagemap]] </includeonly> ahg66a37239s67p20g11qqn9y9y0txh wikitext text/x-wiki Vorlage:Infobox Flugzeug/Doku 10 24402 27000 2008-12-16T11:41:19Z CaMay 0 /* Kopiervorlage */ ersetze Bild durch Datei <noinclude>{{Dokumentation/Dokuseite}}</noinclude> == Beschreibung == Die Intention<ref>zur Intention dieser Infobox siehe auch [[Portal Diskussion:Luftfahrt/Archiv/2008/2#Infobox_bei_Flugzeugen]]</ref> der ''Infobox Flugzeug'' ist * bei Flugzeugartikeln durch die "Sauberkeit" der Struktur eine bessere Qualität zu erreichen (inhaltliche Qualität verbessern), * die einheitliche Gestaltung von Basis-Informationen zu Flugzeugen zu ermöglichen (Wiedererkennungswert steigern), * gute, vorzeigbare ''Kopfbereiche'' der Artikel zu erzeugen (Ästhetik verbessern). == Kopiervorlage == : '''Hinweis:''' Für die Verwendung, siehe [[Wikipedia:Formatvorlage Flugzeug]] <pre><nowiki> {{Infobox Flugzeug |Name = |Bild = [[Datei:<Bildname>.jpg|250px|<Bildbeschreibung>]] |Typ = |Entwicklungsland = |Hersteller = |Erstflug = |Indienststellung = |Produktionszeitraum = |Stückzahl = }} </nowiki></pre> == Beispiele == {{Infobox Flugzeug |Name = |Bild = |Typ = |Entwicklungsland = |Hersteller = |Erstflug = |Indienststellung = |Produktionszeitraum = |Stückzahl = }} {{Infobox Flugzeug |Name = Airbus A300 |Bild = [[Bild:Qatar Air Cargo A300-600R(F) A7-ABX FRA.jpg|250px|Airbus A300-600R in der Frachtversion von [[Qatar Airways]]]] |Typ = [[Strahltriebwerk|Zweistrahliges]] [[Großraumflugzeug]] |Entwicklungsland = <div> * [[Deutschland]] * [[Frankreich]] * [[Vereinigtes Königreich]] </div> |Hersteller = [[Airbus]] |Erstflug = 20. Oktober 1972 |Indienststellung = 30. Mai 1974 |Produktionszeitraum = 1972 bis 2007 |Stückzahl = 561 }} Die ''Infobox Flugzeug'' vollkommen ''leer'' gelassen und für den ''Airbus A300''. == Parameter == Die Parameter ''Bild'', ''Typ'', ''Hersteller'' sind verbindlich, alle anderen Parameter sind optional, die entsprechende Tabellenzeile wird bei leerem/fehlendem Parameter nicht ausgegeben.<ref>zur Erläuterung der Parameter dieser Infobox siehe auch [[Portal Diskussion:Luftfahrt/Archiv/2008/2#Woraus sollte sich die Infobox zusammensetzen?]]</ref> ; Name : Name des Flugzeugs (Defaultwert: Der Artikel-Name wird übernommen.) ; Bild : Ein Bild des Flugzeugs ist als Link anzugeben. Bitte die in der Vorlage vorgesehene Bildbreite beachten, momentan ''250px''. Beispiel: <nowiki>[[Bild:flugzeugbild.jpg|250px|Das ist der Text zum Flugzeugbild]]</nowiki><br />Ein Bild in der Infobox ist erwünscht! ; Typ : Flugzeugtyp beschreibt die Grundidee des Einsatzzwecks z.&nbsp;B. ''[[Verkehrsflugzeug]]'' und/oder der Konstruktionsvorgabe z.&nbsp;B. ''[[Strahltriebwerk|Zweistrahliges]] [[Großraumflugzeug]]''. Bitte nicht mehr als drei Begriffe verwenden, um die Box klein zu halten. Die gewählten Begriffe sollten möglichst Wikipedia Artikel-Namen sein und auf diese verlinkt sein. ; Entwicklungsland (Boxtitel ''Entwurfsland'') : Ein optionaler Parameter, weil es in Einzelfällen unklar sein kann. In der Regel aber das Land aus dem der Erst- oder Hauptentwurf des Flugzeugs stammt. Auf keinen Fall ist das Produktionsland gemeint. Bitte nicht mehr als drei Begriffe verwenden, um die Box klein zu halten. ; Hersteller : Der Name des Herstellers ist ein Pflichteintrag. Am besten den Namen des Herstellers, verlinkt zu Wikipedia-Artikel des Herstellers. Schlechtestenfalls die Bemerkung ''unbekannt''; aber hat man dann genug Material für einen Artikel? ; Erstflug : Ein optionaler Parameter, der den Erstflugtag als wichtigen Meilenstein in der Flugzeughistorie nennt. Der Erstflugtag kann gelegentlich unbekannt sein, bei Flugzeugfamilien ist es der Erstflug der Ursprungsversion. (s. [[Wikipedia:Datumskonventionen]]) ; Indienststellung : Ein optionaler Parameter im Sinn von Übergabetermin an den 1. Betreiber (s. [[Wikipedia:Datumskonventionen]]). Zur Information über den Status eines Flugzeugs dürfen aber an dieser Stelle, soweit recherchiert und belegt, auch Bemerkungen stehen, wie :* ''in der Flugerprobung (Stand: Monat Jahr)'', :* ''in der Truppeneinführung (Stand: Monat Jahr)'' oder :* ''wurde nie in Dienst gestellt''. ; Produktionszeitraum (Boxtitel ''Produktionszeit'') : Ein optionaler Parameter, der oft gut recherchierbar ist. Jahreszahlenangaben sind ausreichend (siehe Beispiel). Falls vorhanden, sagt er objektiv etwas über die ''Bedeutung'' und den ''Status'' eines Flugzeugs aus, ohne ''Bedeutung'' und ''Status'' direkt formulieren zu müssen, was häufig subjektiv geschieht. ; Stückzahl : Ein optionaler Parameter, der oft gut recherchierbar ist. Gemeint ist die produzierte Anzahl des Flugzeugs in allen Varianten auf die sich der Artikel bezieht; inkl. Prototypen und Vorserienmodellen. Eine wichtige objektive Info zur Bewertung eines Flugzeugs. == Legitimation == <references/> [[ar:قالب:معلومات طائرة]] [[bg:Шаблон:Самолет]] [[bs:Šablon:Infokutija avion]] [[ca:Plantilla:Fitxa d'aeronau]] [[cs:Šablona:Letadlo]] [[en:Template:Infobox Aircraft]] [[es:Plantilla:Ficha de aeronave]] [[et:Mall:Lennuk]] [[fr:Modèle:Avion]] [[hu:Sablon:Repcsiadat]] [[id:Templat:Kotakinfo pesawat]] [[it:Template:Aereo civile]] [[ja:Template:Infobox 航空機]] [[lt:Šablonas:Infobox Aircraft]] [[lv:Veidne:Lidmašīnas informācija]] [[mk:Шаблон:Инфокутија летало]] [[ms:Templat:Info Pesawat]] [[nl:Sjabloon:Infobox vliegtuig]] [[no:Mal:Infoboks Passasjerfly]] [[pt:Predefinição:Info Avião Civil]] [[pt:Predefinição:Info Avião Militar]] [[ro:Format:Infobox Aircraft]] [[ru:Шаблон:Карточка самолёта]] [[sk:Šablóna:Lietadlo]] [[sr:Шаблон:Авион]] [[fi:Malline:Lentokone2]] [[tr:Şablon:Yolcu uçağı]] 7wg4yzjr2axpdufj2c5ks2djabgtk3p wikitext text/x-wiki Vorlage:Infobox Flugzeug/Meta 10 24403 27001 2009-01-21T21:25:29Z WIKImaniac 0 Kategorien aus [[Vorlage:Infobox Flugzeug]] ausgelagert <noinclude>{{Dokumentation/Metaseite}} </noinclude><includeonly> [[Kategorie:Vorlage:Infobox Luftfahrt|Flugzeug]] </includeonly> 4lg2yk6rcylknjjpjc8uv4ys1yw2n2w wikitext text/x-wiki Vorlage:Dokumentation/Metaseite 10 24404 27002 2009-09-22T18:04:12Z Umherirrender 280 Hinweis während Vorschau: Seite bindet sich selber ein und daher sind Änderungen erst nach dem Speichern sichtbar <includeonly>{{#if:{{REVISIONID}}|<!--null-->|<!--nur während Vorschau-->{{Achtung|1={{#ifexist:{{FULLPAGENAME}}| Die geänderten Werte werden erst nach dem Speichern und einen eventuellen [[Hilfe:Purge|Purge]] sichtbar.| Diese Seite bindet sich selber ein. 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Der Inhalt ist in <code>&lt;includeonly>…&lt;/includeonly></code> eingeschlossen und wird unter diesem Block als Vorschau angezeigt: |}<includeonly>{{#ifeq:{{NAMESPACE}}|{{ns:10}}| [[Kategorie:Vorlage:nur Metadaten|{{PAGENAME}}]] <!--Wartung-->{{#ifexist:{{#rel2abs:{{FULLPAGENAME}}/..}}|<!--nichts-->| <span style="display:none;">[[Vorlage:Dokumentation/Wartung/Meta verwaist]]</span> }}}}<!--Vorschau--> {{#tag:source|{{raw:{{FULLPAGENAME}}}}|lang=text|enclose=div}} </includeonly><noinclude> [[Kategorie:Vorlage:für Vorlagen|Dokumentation/Metaseite]] [[Kategorie:Vorlage:nur Metadaten| {{PAGENAME}}]] </noinclude> cstf2oh4d4kamw8o3fc9vcq4nl5vdzd wikitext text/x-wiki Vorlage:Infobox Burg/Doku 10 24405 27003 2009-10-18T15:47:38Z Telford 0 Neuer Parameter "Unauffindbar" beschrieben. <noinclude>{{Dokumentation/Dokuseite}} </noinclude><includeonly>{{Tausendfach verwendet}}</includeonly> == Verwendung == ''Für ganz neue Burgartikel siehe auch:'' [[Wikipedia:Formatvorlage Burg]] Die Vorlage [[Vorlage:Infobox Burg]] dient zur Ausgabe einer [[Hilfe:Infoboxen|Infobox]] bei Burgen. Schlösser und Herrenhäuser sollten in der Regel keine eigene Infobox erhalten, daher ist diese Vorlage nur für Burgen vorgesehen. Um die Infobox in Artikeln anzuzeigen, kopiere bitte den folgenden Quelltext an den Anfang des Artikels und fülle die dir bekannten Parameter aus. Alle Parameter sind optional, müssen also nicht angegeben werden, wenn du etwas nicht weißt, lass es einfach weg. Jemand anderer wird das für dich machen. Die Angaben ohne Wert können stehen bleiben (etwa <code>Name =</code> hat dieselbe Wirkung wie ein fehlender Parameter <code>Name</code>). <pre><nowiki> {{Infobox Burg |Name = |Bild = |Bildbeschreibung = |Alternativname = |Entstehungszeit = |Typologie n. geo. Lage = |Erhaltungszustand = |Ständische Stellung = |Mauerwerksmerkmale = |Heutiger Ortsname = |Breitengrad = |Längengrad = |Unauffindbar = |Region-ISO = |Poskarte = |Höhenordinate = |Höhe-Bezug = }} </nowiki></pre> == Parameter == {| border="1" class="prettytable sortable" ! style="background-color:#f2f2f4" | Parameter ! class="unsortable" style="background-color:#f2f2f4" | Erklärung ! class="unsortable" style="background-color:#f2f2f4" width="130" | Klassifikation |- | '''Name''' | Name in der Überschrift der Infobox, im Regelfall der Name des Artikels. Bei Nichtangabe wird der Artikelname angezeigt. Kann verwendet werden, um den Suffix im Lemma loszuwerden. | |- | '''Alternativname''' | Der historische Name der Burg.<br />Ggf. auch moderne Alternativnamen, sofern sie in der Fachliteratur gebräuchlich sind. | |- | '''Bild''' | Name einer Bilddatei.<br /> Querformate machen sich besser als Hochformate und sollten daher bevorzugt werden.<br /> Bilder, die die Burg in einer Gesamtansicht zeigen, sollten gegenüber reinen Detailfotos bevorzugt werden. |- | '''Bildbeschreibung''' | Text, der unter dem Bild ausgegeben wird.<br /> Angabe der Himmelsrichtung im Text ist sinnvoll (von Norden, Nordfassade, …), Aufnahmestandpunkt (von xxx aus gesehen), Jahreszeiten, falls relevant. Jedenfalls sollten diese Daten möglichst ausführlich beim Bild selbst vorhanden sein. | |- | '''Entstehungszeit''' | Entstehungszeit nach den ersten schriftlichen oder archäologischen Belegen. <br /> Hinweis: die wahre Entstehungszeit kann deutlich älter sein als die erste urkundliche Überlieferung. Eine genaue Entstehungszeit muss nicht bekannt sein, relative oder nur angenommene Zeitangaben (z. B. „wahrscheinlich im 12. Jh.“, „[[Terminus ante quem|vor 1236]]“) müssen daher respektiert werden und dürfen nicht künstlich konkretisiert werden. <br /> Falls sich das in der Infobox angegebene Datum auf die erste schriftliche Erwähnung bezieht, den Zusatz „erstmals erwähnt“ zufügen (z. B. ''„1246 erstmals erwähnt“''). | |- | '''Typologie n. geo. Lage''' | Topographische Lage im Gelände, ''siehe auch [[Burg#Unterscheidung der Burgen nach ihrer topografischen Situation|Unterscheidung der Burgen nach ihrer topografischen Situation]]''<br /> Hinweis: Nachfolgende Bautypen tragen in der Typologie die Bezeichnung ''Niederungsburg''. * [[Flussburg]] * [[Hafenburg]] * [[Inselburg]] * [[Motte (Burg)|Motte]] * [[Seeburg (Burgtyp)|Seeburg]] * [[Sumpfburg]] * [[Talburg]] * [[Uferburg]] * [[Wasserburg (Gebäude)|Wasserburg]] | * ''[[Höhenburg]]'' ** ''[[Gipfelburg]]'' / ''Hügelburg'' ** ''[[Felsenburg]]'' ** ''[[Hangburg]]'' / ''Talhangburg'' ** ''[[Spornburg]]'' * ''[[Niederungsburg]]'' (auch: ''Flachlandburg'') * ''[[Höhlenburg]]'' (auch: ''[[Höhlenburg|Grottenburg]]'' und ''Höhlenbefestigung'') Ggf. auch ''Kammlage''; ''Spornlage''; ''Talhanglage''; ''Talrandlage''; ''Tallage''; |- | '''Erhaltungszustand''' | Rezenter Zustand im Gelände. | * ''Erhalten oder wesentliche Teile erhalten'' * ''Ruine'' * ''Mauerreste, Schutt, Gräben, Wälle, Reste in neueren Teilen'' * ''Gräben, Wälle, Bauwerkspuren an Felsen'' * ''Erdwerk''<br /> Ggf. auch ''[[Burgstall]]''. |- | '''Ständische Stellung''' | Im Falle von größerer Bedeutung für die Geschichte der Burganlage kann die ständische Stellung der Nutzer angeben werden. | * Adel ** ''[[Hoher Adel]]'' (Herzöge, Fürsten, Grafen, ...) ** ''Niederer Adel'' (Freiherren, Ritter, ...) ** ''[[Ministeriale|Ministerialadel]]'' * ''[[Klerus]]'' (Bischöfe, ...) * ''Bürger'' |- | '''Mauerwerksmerkmale''' | Im Sinne von Mauerwerk | Steinbauweise: * ''Quader'' * ''[[Bosse]]nquader'' * ''[[Buckelquader]]'' * ''Kleinquader'' * ''[[Bruchstein]]'' * ''[[Lesestein]]'' (auch: ''[[Lesestein]]'') * ''[[Findling]]e'' * ''[[Backstein]]'' (auch: ''Ziegel'')<br /> Holzbauweise: * ''Holzbau'' * ''[[Fachwerk]]'' |- | '''Heutiger Ortsname''' | Name der nächstgelegenen modernen Ortschaft. Muss nicht mit dem Burgnamen übereinstimmen. | |- | '''Flächenkoordinaten''' | Flächenkoordinaten nach dem Wikipedia-Schema ('''[[deprecated]]'''). Durch die Umstellung auf [[:Vorlage:Coordinate]] wird '''Flächenkoordinaten''' durch '''Breitengrad''', '''Längengrad''' und '''Region-ISO''' ersetzt. | <s><nowiki>{{Koordinate|Text Artikel|00|00|00.00|N|00|00|00.00|O|type=landmark|region=rr}}</nowiki></s> |- | '''Breitengrad''' und '''Längengrad''' | Die [[World Geodetic System 1984|WGS84]]-Koordinaten für der Burg. Siehe auch [[:Vorlage:Coordinate#NS und EW]]. | |- | '''Unauffindbar''' | Eine Belegung dieses Parameters mit einem beliebigen Inhalt unterdrückt die Koordinatenausgabe und damit auch den Lagewunsch für nicht lokalisierbare Burgen. Er soll nur verwendet werden, wenn nach derzeitigem Kenntnisstand eine Georeferenz eindeutig unmöglich ist. | |- | '''Region-ISO''' | Der [[ISO-3166-1-Kodierliste|ISO-3166-1]]-Code bzw. der [[ISO 3166-2|ISO-3166-2]]-Code der Burg. Bei Burgen, die an der Grenze zweier Regionen liegen, kann der Wert aus mehreren ISO Codes bestehen, diese sind dann durch "/" zu trennen. z. B. <code>AT-7/DE-BY</code> für einen Burg an der Tiroler-Bayerischen-Grenze. Siehe auch [[:Vorlage:Coordinate#region]]. Aus dem ersten Teil eines mehrteiligen ISO Codes wird die default Postitionskarte hergeleitet. Insofern ist die Reihenfolge der Codes relevant. | |- | '''Poskarte''' | Name einer alternativen Positionskarte. Wenn die Felder '''Breitengrad''' und '''Längengrad''' ausgefüllt sind, kann damit die standardmäßig aus '''Region-ISO''' gewonnene Positionskarte überschrieben werden. Mit dem Sonderwert „'''none'''“ kann die Ausgabe einer Positionskarte unterdrückt werden. | |- | '''Höhenordinate''' | Höhenangaben als Zahl ohne Tausendertrenner, also z. B. <code>4321</code>. Die Formatierung mit Tausendertrenner, also <code>4.321</code> erfolgt über die Vorlage selbst. Angaben mit Nachkommastellen '''müssen''' mit Punkt statt Komma angegeben werden, also <code>1234.5</code> um in der Ausgabe <code>1.234,5</code> zu erhalten. | |- | '''Höhe-Bezug''' | Angabe des [[Höhe über dem Meeresspiegel|Höhenbezug]]s, der der Höhe nachgestellt wird * in Deutschland ** „<nowiki>DE-NN</nowiki>“ für m ü. [[Normalnull|NN]] (alt) ** „<nowiki>DE-NHN</nowiki>“ für m ü. [[Normalhöhennull|NHN]] (neu) ** „<nowiki>DE-HN</nowiki>“ für m ü. [[Höhennormal|HN]] (DDR) * in Österreich: „<nowiki>AT</nowiki>“ für [[Meter über Adria|m&nbsp;ü.&nbsp;A.]] * in der Schweiz: „<nowiki>CH</nowiki>“ für [[Meter über Meer|m&nbsp;ü.&nbsp;M.]] * Weitere Werte unter [[Vorlage:Höhe]]. '''Wenn der Höhenbezug nicht bekannt ist, den Parameter nicht angeben!''' Dann wird automatisch nur „[[Höhe über dem Meeresspiegel|m]]“ (für Meter) nachgestellt. Die Angaben „m“ und „Meter“ sind kontraproduktiv und sollten unterbleiben. |} == Beispiel == In diesem Beispiel werden alle Parameter (außer ''"Unauffindbar"'') vergeben, damit man sich ein Bild von der Funktionalität der Infobox machen kann. <pre> {{Infobox Burg |Name = Burg Sowieso |Bild = Burg.svg |Bildbeschreibung = Burg Sowieso – Nordfassade von Hier aus gesehen (Januar 2012) |Alternativname = Burg BlaBla |Entstehungszeit = um 1413 |Typologie n. geo. Lage = Test |Erhaltungszustand = Test |Ständische Stellung = Test |Mauerwerksmerkmale = Test |Heutiger Ortsname = [[Hier]] |Breitengrad = 56/56/46/N |Längengrad = 2/11/45.5/W |Region-ISO = GB |Poskarte = |Höhenordinate = 777 |Höhe-Bezug = DE-NN }} </pre> {{Infobox Burg |Name = Burg Sowieso |Bild = Burg.svg |Bildbeschreibung = Burg Sowieso – Nordfassade von Hier aus gesehen (Januar 2012) |Alternativname = Burg BlaBla |Entstehungszeit = um 1413 |Typologie n. geo. Lage = Test |Erhaltungszustand = Test |Ständische Stellung = Test |Mauerwerksmerkmale = Test |Heutiger Ortsname = [[Hier]] |Breitengrad = 56/56/46/N |Längengrad = 2/11/45.5/W |Region-ISO = GB |Poskarte = |Höhenordinate = 777 |Höhe-Bezug = DE-NN }} mc7yd48pax8x3wq5ga37p1kutd6zioy wikitext text/x-wiki Vorlage:Infobox Burg/Meta 10 24406 27004 2009-05-29T14:20:28Z Visi-on 0 [[Hilfe:Zusammenfassung und Quellen#Auto-Zusammenfassung|AZ]]: Die Seite wurde neu angelegt: <noinclude>{{Dokumentation/Metaseite}} </noinclude><includeonly> [[Kategorie:Vorlage:Infobox Bauwerk|Burg… <noinclude>{{Dokumentation/Metaseite}} </noinclude><includeonly> [[Kategorie:Vorlage:Infobox Bauwerk|Burg]] [[Kategorie:Vorlage:Infobox Geschichte|Burg]] [[Kategorie:Vorlage mit Koordinate|Infobox Burg]] </includeonly> 2fyjiaksdzmzboow8fhx3re7tigmiet wikitext text/x-wiki Vorlage:Positionskarte Vereinigtes Königreich 10 24407 27005 2010-05-05T21:48:42Z Obersachsebot 0 Bot: Ändere: [[mk:Шаблон:ПозКарта Обединетото Кралство]] {{#switch:{{{1}}} | name = Vereinigtes Königreich | top = 61 | bottom = 49 | left = -11 | right = 2.2 | image = United Kingdom location map.svg }}<noinclude> {{Positionskarte/Info|sortkey=Vereinigtes Konigreich}} [[be:Шаблон:На карце/Вялікабрытанія]] [[be-x-old:Шаблён:Лякалізацыйная мапа Вялікабрытаніі]] [[bg:Шаблон:ПК Великобритания]] [[ca:Plantilla:Location map Regne Unit]] [[crh:Şablon:Location map Büyük Britaniya]] [[cs:Šablona:LocMap Spojené království]] [[da:Skabelon:Kortpositioner Storbritannien]] [[en:Template:Location map United Kingdom]] [[eo:Ŝablono:Situo sur mapo Britio]] [[es:Plantilla:Mapa de localización de Reino Unido]] [[fi:Malline:Location map United Kingdom]] [[fr:Modèle:Géolocalisation/Royaume-Uni]] [[he:תבנית:מפת מיקום/הממלכה המאוחדת]] [[hi:साँचा:Location map United Kingdom]] [[hsb:Předłoha:LocMap Zjednoćene kralestwo]] [[hu:Sablon:Pozíciós térkép Nagy-Britannia]] [[id:Templat:Location map Britania Raya]] [[it:Template:Mappa di localizzazione/GBR]] [[ka:თარგი:პოზრუკა გაერთიანებული სამეფო]] [[la:Formula:Charta locatrix Regni Britanniarum]] [[lt:Šablonas:Location map Jungtinė Karalystė]] [[mk:Шаблон:ПозКарта Обединетото Кралство]] [[nl:Sjabloon:Positiekaart Verenigd Koninkrijk]] [[os:Шаблон:ПозКартæ Стыр Британи]] [[pl:Szablon:Mapa lokalizacyjna/GBR]] [[pt:Predefinição:Mapa de localização/Reino Unido]] [[ro:Format:Harta de localizare Regatul Unit]] [[ru:Шаблон:ПозКарта Великобритания]] [[simple:Template:Location map United Kingdom]] [[sk:Šablóna:Geobox locator Spojené kráľovstvo]] [[sl:Predloga:Lokacijska karta Velike Britanije]] [[sr:Шаблон:Location map United Kingdom]] [[szl:Szablon:Mapa lokalizacyjno/GBR]] [[tr:Şablon:Location map United Kingdom]] [[vec:Modèl:Mappa di localizzazione/GBR]] [[vi:Bản mẫu:Bản đồ định vị Vương quốc Liên hiệp Anh và Bắc Ireland]] [[zh:Template:Location map United Kingdom]] </noinclude> g3dbqqbov8ahsp2fr8mc1g2k59f1ywt wikitext text/x-wiki Vorlage:Infobox Schienenfahrzeug/Doku 10 24408 27006 2009-01-25T17:34:12Z Thogo 48 Schützte „[[Vorlage:Infobox Schienenfahrzeug/Doku]]“: Seite besteht nur aus Konsistenzgründen, Bearbeitungen des Inhalts erfolgen auf der Vorlagen-Diskussionsseite ([edit=sysop] (unbeschränkt) [move=sysop] (unbeschränkt)) <noinclude>{{Dokumentation/Dokuseite}}</noinclude> {{Vorlage Diskussion:Infobox Schienenfahrzeug}} b9mla0pc2mahkgylwz0zsk79za4s020 wikitext text/x-wiki Vorlage:Infobox Schienenfahrzeug/Meta 10 24409 27007 2009-11-28T17:43:51Z Liesel 9 kat <noinclude>{{Dokumentation/Metaseite}} </noinclude><includeonly> [[Kategorie:Vorlage:Infobox Verkehr|Schienenfahrzeug]] [[Kategorie:Vorlage:Bahn|Schienenfahrzeug]] [[en:Template:Infobox Locomotive]] [[ja:Template:Infobox German Railway Vehicle]] [[hu:sablon:vasúti jármű2]] </includeonly> l494h399dwtu29tew16nbbx4phkl4ff wikitext text/x-wiki Vorlage:Infobox Betriebssystem/Doku 10 24411 27009 2009-10-03T13:19:07Z Wiegels 0 Verlinkung <noinclude>{{Dokumentation/Dokuseite}}</noinclude> == Beschreibung == … == Kopiervorlage == [[Kopieren und Einfügen]]: <pre> {{Infobox Betriebssystem | Name = | Logo = | Screenshot = | Beschreibung = | Entwickler = | Sprache = | Version = | Freigabedatum = | Quelle = | Stammbaum = | Kernel = | Chronik = | Architekturen = | Lizenz = | Sonstiges = | Website = | Kompatibilität = }} </pre> == Parameter == {| class="wikitable toptextcells" |+ Dokumentation |- ! Parametername ! Beschreibung ! Beispiel |- ! Name | Name des Betriebssystems; Wenn nicht weiter angegeben, wird der Artikelname angezeigt | <nowiki>Name=UNIX</nowiki> |- ! Logo | Bildlink zum Logo des Betriebssystems ohne eingebettete Bildbeschreibung | <nowiki>Logo=[[Datei:NetBSD Logo.svg|200px]]</nowiki> |- ! Screenshot | Bildlink zu einem Screenshot des Betriebssystems | <nowiki>Screenshot=[[Datei:PC-BSD 1.2.png|250px]]</nowiki> |- ! Beschreibung | Beschreibung des Screenshots | <nowiki>Beschreibung=PC-BSD 1.2 mit [[K Desktop Environment|KDE]] 3.5.3</nowiki> |- ! Entwickler | Name(n) der / des wichtigsten Softwareenwickler(s), bzw. des Herstellers des Systems | <nowiki>Entwickler=[[Sun Microsystems]]</nowiki> |- ! Sprache | Die Sprache(n), in den(en) das System verfügbar ist | <nowiki>Sprache= [[Englisch]], [[Deutsch]]</nowiki> |- ! Version | Aktuelle (bzw. letzte veröffentlichte) Version bzw. Releasenummer; Evtl. mit Information über Status (pre, alpha, beta, stable) | <nowiki>Version=10 08/07</nowiki> |- ! Freigabedatum | Datum der Freigabe der aktuellen (bzw. letzten veröffentlichten) Version | <nowiki>Freigabedatum=November [[2006]]</nowiki> |- ! Quelle | Quelle der Version bzw. des Freigabedatums (ohne <code><nowiki><ref></nowiki></code>). | <nowiki>Quelle={{Internetquelle |url= www.beispiel.org|titel= Beispieltitel|zugriff= 1.&amp;&nbsp;Januar 2000}}</nowiki> |- ! Stammbaum | Durch Backslashes getrennte vollständige Abstammung des Betriebsystems \ der Betriebssystems-Familie, insbesondere also nicht die Abstammung von Vorgängerversionen, sondern von übergeordneten Systemen. | <nowiki>Stammbaum=\ [[Unix|UNIX]] \ [[Berkeley Software Distribution|BSD]] \ SunOS</nowiki> |- ! Kernel | Art des Betriebssystemkernels | <nowiki>Kernel=[[Microkernel]]</nowiki> |- ! Chronik | Chronologische Auflistung der wichtigsten Versionen des Betriebsystems \ der Betriebssystems-Familie | <nowiki>Chronik=[[Microsoft Windows 95|Windows 95]]<br />Windows 98<br />[[Microsoft Windows Millennium Edition|Windows Me]]</nowiki> |- ! Architekturen | Kommaseparierte Liste der Rechnerarchitekturen / Prozessorarchitekturen, die aktuelle (zuletzt veröffentlichte) Versionen des Betriebssystems unterstützen. Evtl. in Klammern für historisch unterstützte Architekturen; Evtl. Externer Link | <nowiki>Architekturen=[[Motorola 68000er-Familie|68k]], [[Sun SPARC|SPARC]], [[X86-Prozessor|x86]], [[x86-64]]</nowiki> |- ! Lizenz | Softwarelizenz, z.B. GPL, BSD-Lizenz, Proprietär, Microsoft EULA; Evtl. Externer Link | <nowiki>Lizenz=[[BSD-Lizenz]]</nowiki> |- ! Sonstiges | Eventuell ergänzende Angaben | <nowiki>Sonstiges=Entwicklung eingestellt</nowiki> |- ! Website | Externer Link zur offiziellen Webseite des Betriebssystems / der Systemfamilie / des Herstellers | <nowiki>Website=[http://meos.sourceforge.net/ meos.sourceforge.net]</nowiki> |- ! Kompatibilität | Kompatibilität mit anderen Betriebssystemen und Standards | <nowiki>Kompatibilität=[[FreeBSD]], [[Portable Operating System Interface|POSIX]]</nowiki> |} == Beispiel ''Mac OS X v10.6'' == <div style="float: left; margin-right:1 em;"> <pre> {{Infobox Betriebssystem |Name= Mac OS X v10.6 |Beschreibung= Mac OS X 10.6 ''"Snow Leopard"'' |Entwickler= [[Apple|Apple Inc.]] |Version= 10.6 |Freigabedatum= |Developerversion = ? |Stammbaum=\ [[NeXTStep]] \ [[Berkeley Software Distribution|BSD]] \ [[FreeBSD]] \ [[Darwin (Betriebssystem)|Darwin]] <br /> &nbsp; \ [[Mac OS X]] |Architekturen= [[X86-Prozessor|x86]], [[ARM-Architektur|ARM]] (Spezielle Version für [[Apple iPhone|iPhone]], [[iPod touch]]); kein [[PowerPC|PPC]] mehr. |Lizenz= gemischte Lizenz: [[GNU General Public License|GPL]], [[Apple Public Source License|APSL]], Apple-[[Endbenutzer-Lizenzvertrag|EULA]] u.&nbsp;a. |Sprache= [[Multilingualismus|Multilingual]], u.&nbsp;a. [[Deutsche Sprache|Deutsch]]. |Kompatibilität= [[FreeBSD]], [[Portable Operating System Interface|POSIX]] |Website= [http://www.apple.com/de/macosx/ …] }}</pre> </div> <div style="float:left; margin-top:1em"> {{Infobox Betriebssystem |Name= Mac OS X v10.6 |Beschreibung= Mac OS X 10.6 ''"Snow Leopard"'' |Entwickler= [[Apple|Apple Inc.]] |Version= 10.6 |Freigabedatum= |Developerversion = ? |Stammbaum=\ [[NeXTStep]] \ [[Berkeley Software Distribution|BSD]] \ [[FreeBSD]] \ [[Darwin (Betriebssystem)|Darwin]] <br /> &nbsp; \ [[Mac OS X]] |Architekturen= [[X86-Prozessor|x86]], [[ARM-Architektur|ARM]] (Spezielle Version für [[Apple iPhone|iPhone]], [[iPod touch]]); kein [[PowerPC|PPC]] mehr. |Lizenz= gemischte Lizenz: [[GNU General Public License|GPL]], [[Apple Public Source License|APSL]], Apple-[[Endbenutzer-Lizenzvertrag|EULA]] u.&nbsp;a. |Sprache= [[Multilingualismus|Multilingual]], u.&nbsp;a. [[Deutsche Sprache|Deutsch]]. |Kompatibilität= [[FreeBSD]], [[Portable Operating System Interface|POSIX]] |Website= [http://www.apple.com/de/macosx/ www.apple.com/de/macosx/] }}</div> <br style="clear:both;" clear="all" /> fb6iv8hcmuoyltvmmn4w7giwabocupk wikitext text/x-wiki Vorlage:Infobox Betriebssystem/Meta 10 24412 27010 2009-07-24T10:19:49Z Tlustulimu 0 interwiki <noinclude>{{Dokumentation/Metaseite}} </noinclude><includeonly> [[Kategorie:Vorlage:Infobox Computer|Betriebssystem]] [[Kategorie:Vorlage:mit Einzelnachweisen|{{PAGENAME}}]] [[ar:قالب:نظام تشغيل]] [[ca:Plantilla:Infobox OS]] [[da:Skabelon:Styresystem]] [[en:Template:Infobox OS]] [[eo:Ŝablono:Informkesto operaciumo]] [[es:Plantilla:Ficha de sistema operativo]] [[et:Mall:OS info]] [[fr:Modèle:Infobox Système d'exploitation]] [[hr:Predložak:Infokutija OS]] [[hu:Sablon:Operációs rendszer infobox]] [[is:Snið:Infobox OS]] [[it:Template:Infobox SO]] [[ko:틀:운영체제 정보]] [[lv:Veidne:Infobox OS]] [[ml:ഫലകം:Infobox OS]] [[nl:Sjabloon:Infobox besturingssysteem]] [[pl:Szablon:System operacyjny infobox]] [[pt:Predefinição:Caixa de informação SO]] [[ro:Format:Infobox OS]] [[ru:Шаблон:Карточка ОС]] [[sl:Predloga:Infopolje OS]] [[sr:Шаблон:Kutijica OS]] [[sv:Mall:Faktaruta OS]] [[th:แม่แบบ:กล่องข้อมูล ระบบปฏิบัติการ]] [[tr:Şablon:İS Künyesi]] [[uk:Шаблон:Картка ОС]] [[vi:Tiêu bản:Hộp thông tin HĐH]] [[zh:Template:Infobox OS]] </includeonly> fi4t0aeye7otq6ifjmxm3umn8m4xqhd wikitext text/x-wiki Vorlage:DM/Doku 10 24413 27011 2009-01-02T22:45:49Z Wiegels 0 Typografie, Weiterleitungsauflösung <noinclude>{{Dokumentation/Dokuseite}}</noinclude> Diese Vorlage dient der Verknüpfung mit dem Katalog des [[Deutsches Musikarchiv|Deutschen Musikarchivs]]. Für Verknüpfung mit der Personennamendatei der Deutschen Nationalbibliothek siehe [[Hilfe:PND]] und [[Vorlage:PND]] bzw. über Körperschaften und Schlagwörter in Bibliothekskataloge siehe [[Vorlage:GKD]] und [[Vorlage:SWD]] == Verwendung == <code><nowiki>{{DM|118510002}}</nowiki></code> ergibt: {{DM|118510002}} <code><nowiki>{{DM|118510002|Leonard Bernstein}}</nowiki></code> ergibt: {{DM|118510002|Leonard Bernstein}} == Wie ermittle ich die Nummer? == Du gehst zur Startseite des Katalogs des Deutschen Musikarchivs [http://dispatch.opac.d-nb.de/DB=2.1//], wählst in der Suchbox „Personennormdatei [PND]“ und tippst den Namen des Gesuchten in das Eingabefeld ein (Nachname, Vorname). Es erscheint entweder sofort ein einzelner Datensatz oder eine Liste von möglicherweise passenden Namen, aus denen Du dann ggf. den richtigen auswählst. Dort klickst Du „zugehörige Publikationen“ und erhältst eine Titelliste. Der URL dieser Seite sieht z. B. so aus: http://dispatch.opac.d-nb.de/DB=2.1/REL?PPN=118584596 Die Nummer, die du suchst, ist die hinter PPN=. == Siehe auch == * [[Hilfe:PND]] 93mzj3wht47v6vbno5mr7ikmaabn3z9 wikitext text/x-wiki Vorlage:DM/Meta 10 24414 27012 2010-03-23T07:47:19Z Holder 0 + als <noinclude>{{Dokumentation/Metaseite}} </noinclude><includeonly> {{DEFAULTSORT:Dm}} [[Kategorie:Vorlage:Datenbanklink Musik]] [[als:Vorlage:DM]] [[eo:Ŝablono:DM]] [[en:Template:DM]] </includeonly> 8codenuyl9t2h4tvse5nl3wjauappdi wikitext text/x-wiki Vorlage:Überarbeiten/Doku 10 24415 27013 2009-08-06T22:53:43Z Giftpflanze 0 Änderungen von [[Special:Contributions/84.74.127.132|84.74.127.132]] ([[User talk:84.74.127.132|Diskussion]]) rückgängig gemacht und letzte Version von [[User:Umherirrender|Umherirrender]] wiederhergestellt <noinclude>{{Dokumentation/Dokuseite}}</noinclude> '''Verwendungshinweise:''' * <code><nowiki>{{{1}}}</nowiki></code> – Optional, um in „<code>Näheres ist auf der [[Vorlage Diskussion:Überarbeiten|Diskussionsseite]] angegeben</code>“ beispielsweise einen direkten Link zu einem ganz bestimmten Diskussionsabschnitt (auch in einer anderen Diskussionsseite) angeben zu können. * <code><nowiki>{{{2}}}</nowiki></code> – Optional, um anstelle von „<code>Dieser Artikel oder Abschnitt</code>“ beispielsweise ausdrücklich nur folgendes angeben zu können: ** „<code>Dieser Artikel</code>“ ** „<code>Dieser Abschnitt</code>“ ** „<code>Dieser Absatz</code>“ ** oder auch „<code>Die folgende Tabelle</code>“ '''Beispiele:''' <div style="font-size:94%"> * Normalfall ** <code><nowiki>{{Überarbeiten}}</nowiki></code> * Mit Option <code><nowiki>{{{1}}}</nowiki></code> ** '''a)'''<br /><code><nowiki>{{Überarbeiten|[[Vorlage Diskussion:Überarbeiten#Dokumentation für diese Vorlage|Diskussionsseite]]}}</nowiki></code><br />oder<br /><code><nowiki>{{Überarbeiten|1=[[Vorlage Diskussion:Überarbeiten#Dokumentation für diese Vorlage|Diskussionsseite]]}}</nowiki></code> ** '''b)'''<br />Alternative Formulierung für eine andere Diskussionsseite<br /><code><nowiki>{{Überarbeiten|Diskussionsseite „[[Vorlage Diskussion:Überarbeiten#Dokumentation für diese Vorlage|Vorlage:Überarbeiten]]“}}</nowiki></code><br />ergäbe<br /><span style="color:gray;">Näheres ist auf der </span><span style="background-color:#FDEBDE;">Diskussionsseite „'''[[Vorlage Diskussion:Überarbeiten#Dokumentation für diese Vorlage|Vorlage:Überarbeiten]]'''“</span> <span style="color:gray;"> angegeben.</span> * Mit Option <code><nowiki>{{{2}}}</nowiki></code> ** <code><nowiki>{{Überarbeiten||Dieser Abschnitt}}</nowiki></code><br />oder<br /><code><nowiki>{{Überarbeiten|2=Dieser Abschnitt}}</nowiki></code> * Mit Option <code><nowiki>{{{1}}}</nowiki></code> und <code><nowiki>{{{2}}}</nowiki></code> ** <code><nowiki>{{Überarbeiten|[[Vorlage Diskussion:Überarbeiten#Dokumentation für diese Vorlage|Diskussionsseite]]|Der folgende Absatz}}</nowiki></code><br />oder<br /><code><nowiki>{{Überarbeiten|2=Der folgende Absatz|1=[[Vorlage Diskussion:Überarbeiten#Dokumentation für diese Vorlage|Diskussionsseite]]}}</nowiki></code><br />oder<br /><code><nowiki>{{Überarbeiten|1=[[Vorlage Diskussion:Überarbeiten#Dokumentation für diese Vorlage|Diskussionsseite]]|2=Der folgende Absatz}}</nowiki></code> </div> '''Vorsicht:''' * Senkrechte Striche „<code>|</code>“ ''innerhalb von Vorlagen-Parametern'' müssen allg./häufig durch „<code><nowiki>{{!}}</nowiki></code>“ ersetzt werden. Als Trenner innerhalb von Wikilinks sind sie aber unproblematisch. * Parameter die „<code>=</code>“ enthalten müssen grundsätzlich mit „<code>1=</code>“ bzw. „<code>2=</code>“ usw. beginnen. lnr9e5wbz0vo8li9g3tw1yojtg12624 wikitext text/x-wiki Vorlage:Überarbeiten/Meta 10 24416 27014 2009-01-23T10:22:47Z LinkFA-Bot 0 Bot: Kategorie-Eintrag ergänzt <noinclude>{{Dokumentation/Metaseite}}</noinclude><includeonly> {{DEFAULTSORT:Uberarbeiten}} [[Kategorie:Vom Druck ausschließen]] [[Kategorie:Vorlage:Wartungsbaustein]] [[cs:Šablona:Upravit]] [[en:Template:Cleanup]] [[eo:Ŝablono:Polurinda]] [[fa:الگو:تمیزکاری]] [[fr:Modèle:À recycler]] [[ia:Patrono:Revision]] [[ko:틀:정리 필요]] [[pt:Predefinição:Reciclagem]] [[ro:Format:Curăţenie]] [[simple:Template:Cleanup]] [[sl:Predloga:Popravi]] [[sv:Validering]] [[vi:Tiêu bản:Cần sửa lại]] [[wuu:Template:清理]] [[zh:Template:Cleanup]] </includeonly> 9a28pgv6exirq1hs6kuzkm0knvnz1tp wikitext text/x-wiki Vorlage:IRB-Rang 10 24417 27015 2010-05-04T08:56:45Z Daniel Brendan Carroll 0 neue Liste {{#switch: {{{1}}} | AER = 44. (49.04 Punkte) <!-- Arabische Golfstaaten --> | AND = 66. (41.42 Punkte) <!-- Andorra --> | ARG = 6. (80.56 Punkte) <!-- Argentinien --> | AUS = 3. (85.56 Punkte) <!-- Australien --> | BHS = 86. (36.33 Punkte) <!-- Bahamas --> | BRB = 76. (39.21 Punkte) <!-- Barbardos --> | BEL = 26. (55.36 Punkte) <!-- Belgien --> | BER = 55. (44.74 Punkte) <!-- Bermuda --> | BIH = 88. (36.18 Punkte) <!-- Bosnien-Herzegovina --> | BWA = 74. (39.21 Punkte) <!-- Botswana --> | BRA = 28. (54.97 Punkte) <!-- Brasilien --> | BUL = 89. (36.08 Punkte) <!-- Bulgarien --> | CAY = 63. (42.12 Punkte) <!-- Cayman-Inseln --> | CHI = 23. (57.95 Punkte) <!-- Chile --> | CHN = 51. (46.25 Punkte) <!-- China --> | COK = 56. (44.61 Punkte) <!-- Cookinseln --> | DEN = 67. (41.35 Punkte) <!-- Dänemark --> | GER = 31. (53.22 Punkte) <!-- Deutschland --> | CIV = 40. (50.31 Punkte) <!-- Elfenbeinküste --> | ENG = 7. (80.10 Punkte) <!-- England --> | FJI = 10. (75.90 Punkte) <!-- Fidji --> | FIN = 95. (28.84 Punkte) <!-- Finland --> | FRA = 4. (85.43 Punkte) <!-- Frankreich --> | GEO = 16. (68.09 Punkte) <!-- Georgien --> | GUM = 82. (36.80 Punkte) <!-- Guam --> | GUY = 65. (41.52 Punkte) <!-- Guyana --> | HKG = 38. (51.42 Punkte) <!-- Hong Kong --> | IND = 84. (36.61 Punkte) <!-- Indien --> | IRE = 5. (82.61 Punkte) <!-- Irland --> | ISR = 72. (39.32 Punkte) <!-- Israel --> | ITA = 11. (72.97 Punkte) <!-- Italien --> | JAM = 85. (36.61 Punkte) <!-- Jamaica --> | JPN = 13. (70.59 Punkte) <!-- Japan --> | CAM = 79. (38.21 Punkte) <!-- Kamerun --> | CAN = 14. (68.80 Punkte) <!-- Kanada --> | KAZ = 27. (55.12 Punkte) <!-- Kasachstan --> | KEN = 43. (49.68 Punkte) <!-- Kenja --> | COL = 56. (44.99 Punkte) <!-- Kolumbien --> | CRO = 41. (49.72 Punkte) <!-- Kroatien --> | LAT = 59. (43.03 Punkte) <!-- Lettland --> | LTU = 36. (51.54 Punkte) <!-- Litauen --> | LUX = 94. (32.65 Punkte) <!-- Luxembourg --> | MAD = 48. (46.90 Punkte) <!-- Madagascar --> | MAS = 58. (43.05 Punkte) <!-- Malaysia --> | MLT = 49. (46.44 Punkte) <!-- Malta --> | MAR = 32. (53.06 Punkte) <!-- Marokko --> | MDA = 35. (51.61 Punkte) <!-- Moldawien --> | MON = 91. (35.17 Punkte) <!-- Monaco --> | NAM = 22. (58.98 Punkte) <!-- Namibia --> | NZL = 1. (91.68 Punkte) <!-- Neuseeland --> | NED = 34. (51.67 Punkte) <!-- Niederlande --> | NGA = 90. (35.29 Punkte) <!-- Nigeria --> | NIU = 68. (41.11 Punkte) <!-- Niue --> | NOR = 80. (38.21 Punkte) <!-- Norwegen --> | AUT = 92. (34.82 Punkte) <!-- Österreich --> | PNG = 52. (46.19 Punkte) <!-- Papua Neuguinea --> | PAR = 39. (50.93 Punkte) <!-- Paraguay --> | PER = 78. (38.81 Punkte) <!-- Peru --> | POL = 37. (51.50 Punkte) <!-- Polen --> | POR = 20. (61.27 Punkte) <!-- Portugal --> | ROM = 18. (67.05 Punkte) <!-- Rumänien --> | RUS = 19. (65.45 Punkte) <!-- Russland --> | ZAM = 73. (39.31 Punkte) <!-- Sambia --> | SAM = 12. (72.08 Punkte) <!-- Samoa --> | SCO = 9. (76.79 Punkte) <!-- Schottland --> | SWE = 50. (46.36 Punkte) <!-- Schweden --> | SUI = 57. (43.05 Punkte) <!-- Schweiz --> | SEN = 63. (42.12 Punkte) <!-- Senegal --> | SRB = 64. (42.06 Punkte) <!-- Serbien --> | ZIM = 47. (46.91 Punkte) <!-- Simbabwe --> | SIN = 53. (45.03 Punkte) <!-- Singapur --> | SVN = 71. (39.56 Punkte) <!-- Slovenien --> | SOL = 77. (39.06 Punkte) <!-- Solomonen --> | ESP = 25. (57.70 Punkte) <!-- Spanien --> | SRI = 45. (48.62 Punkte) <!-- Sri Lanka --> | LCA = 81. (37.57 Punkte) <!-- St. Lucia --> | SVG = 74. (39.30 Punkte) <!-- St. Vincdent & Grenadienen --> | RSA = 2. (88.60 Punkte) <!-- Südafrika --> | KOR = 25. (55.73 Punkte) <!-- Südkorea --> | SWZ = 83. (36.68 Punkte) <!-- Swaziland --> | PYF = 87. (36.25 Punkte) <!-- Tahiti --> | TPE = 62. (42.58 Punkte) <!-- Taiwan --> | THA = 70. (40.84 Punkte) <!-- Thailand --> | TGA = 15. (68.11 Punkte) <!-- Tonga --> | TRI = 46. (47.19 Punkte) <!-- Trinidad & Tobago --> | CZE = 33. (52.52 Punkte) <!-- Tschechien --> | TUN= 29. (54.20 Punkte) <!-- Tunesien --> | UGA = 42. (49.71 Punkte) <!-- Uganda --> | UKR = 30. (53.28 Punkte) <!-- Ukraine --> | HUN = 62. (42.48 Punkte) <!-- Ungarn --> | URU = 21. (60.89 Punkte) <!-- Uruguay --> | USA = 17. (67.05 Punkte) <!-- USA --> | VAN = 93. (34.77 Punkte) <!-- Vanuatu --> | VEN = 60. (42.79 Punkte) <!-- Venezuela --> | WAL = 8. (78.91 Punkte) <!-- Wales --> }}{{#ifeq:{{{1|}}}|KA|''Nicht platziert''|{{#if:{{{1|}}}|'' <small>(Stand: 3. Mai 2010)</small>''<ref>[http://www.irb.com/rankings/archive/date=2010-05-03/histranking.html ''IRB World Rankings - 03 May 2010'']. In: ''IRB.com'', 3. Mai 2010. Abgerufen am 4. Mai 2010.</ref>|<span style="display:none;">[[Vorlage:IRB-Rang/Wartung/nicht ausgefüllt]]</span>}}}} <noinclude> {{Dokumentation}} [[Kategorie:Vorlage:Sport|IRB]] </noinclude> 3zcciv4rjgq92gmkq17ysr7ngdo50sf wikitext text/x-wiki Vorlage:Infobox Rugbynationalmannschaft/Doku 10 24418 27016 2010-05-06T00:06:14Z Wiegels 0 Formatierung <noinclude>{{Dokumentation/Dokuseite}}</noinclude> Diese Vorlage dient der Einbindung einer Infobox für Rugby-Union-Nationalmannschaften. == Kopiervorlage == <pre style="white-space:pre-wrap;"> {{Infobox Rugbynationalmannschaft | land = <Ländernamen> | image = <Bild> | verband = <Landesverband der Mannschaft> | spitzname = <Spitzname> | stadion = <Nationalstadion, wenn vorhanden> | trainer = <aktueller Nationaltrainer> | kapitaen = <aktueller Captain> | pattern_la1 = | pattern_b1 = | pattern_ra1 = | pattern_socks1 = | pattern_shorts1 = | leftarm1 = | body1 = | rightarm1 = | shorts1 = | socks1 = | pattern_la2 = | pattern_b2 = | pattern_ra2 = | pattern_socks2 = | pattern_shorts2 = | leftarm2 = | body2 = | rightarm2 = | shorts2 = | socks2 = | spiele = <Rekordspieler (Anzahl der Spiele)> | punkte = <Spieler mit den meisten Punkten (Anzahl der Punkte)> | versuche = <Spieler mit den meisten Versuchen> | erstes = <Erstes Länderspiel (Flagicon Heimteam, Name Heimteam Ergebnis Name Gastteam, Falgicon Gastteam)> | sieg = <Höchster Länderspielsieg (Flagicon Heimteam, Name Heimteam Ergebnis Name Gastteam, Falgicon Gastteam)> | nieder =<Höchste Länderspielniederlage (Flagicon Heimteam, Name Heimteam Ergebnis Name Gastteam, Falgicon Gastteam)> | wm = <Teilnahmen; und beste(s) Ergebnis(se)> | IRB_abkürzung = <IRB-Kürzel, siehe Vorlage:IRB-Rang> }} </pre> == Parameter == … == Beispiele == == Beispiel == <pre style="white-space:pre-wrap;"> {{Infobox Rugbynationalmannschaft | land = Australien | image = [[Datei:Wallabies rugby.gif|100px|Logo]] | verband = [[Australian Rugby Union]] | spitzname = ''Wallabies'' | trainer = [[Datei:Flag of New Zealand.svg|20px]] [[Robbie Deans]] | kapitaen = [[Rocky Elsom]] | pattern_la1 = _goldgreenlower | pattern_b1 = _thingreenlowsidesongold | pattern_ra1 = _goldgreenlower | pattern_socks1 = | pattern_shorts1 = | leftarm1 = FFD700 | body1 = 006400 | rightarm1 = FFD700 | shorts1 = 006400 | socks1 = 006400 | pattern_la2 = _goldborder | pattern_b2 = | pattern_ra2 = _goldborder | pattern_socks2 = | pattern_shorts2 = | leftarm2 = 006400 | body2 = 006400 | rightarm2 = 006400 | shorts2 = FFD700 | socks2 = FFD700 | spiele = [[George Gregan]] (139) | punkte = [[Michael Lynagh]] (911) | versuche = [[David Campese]] (64) | erstes = [[Datei:Free Use British and Irish Lions flag.PNG|20px]] [[British and Irish Lions|British Lions]] 3:13 Australien [[Datei:Flag of Australia.svg|20px]]<br /><small>(24. Juni 1899)</small> | sieg = {{NAMrugby}} 0:142 Australien [[Datei:Flag of Australia.svg|20px]]<br /><small>(25. Oktober 2003)</small> | nieder = {{RSArugby}} 53:8 Australien [[Datei:Flag of Australia.svg|20px]]<br /><small>(30. August 2008)</small> | wm = Teilnahmen: 6 <br />Bestes Ergebnis: Weltmeister 1991,1999 | IRB_abkürzung = AUS }} </pre> ergibt: {{Infobox Rugbynationalmannschaft | land = Australien | image = [[Datei:Wallabies rugby.gif|100px|Logo]] | verband = [[Australian Rugby Union]] | spitzname = ''Wallabies'' | trainer = [[Datei:Flag of New Zealand.svg|20px]] [[Robbie Deans]] | kapitaen = [[Rocky Elsom]] | pattern_la1 = _goldgreenlower | pattern_b1 = _thingreenlowsidesongold | pattern_ra1 = _goldgreenlower | pattern_socks1 = | pattern_shorts1 = | leftarm1 = FFD700 | body1 = 006400 | rightarm1 = FFD700 | shorts1 = 006400 | socks1 = 006400 | pattern_la2 = _goldborder | pattern_b2 = | pattern_ra2 = _goldborder | pattern_socks2 = | pattern_shorts2 = | leftarm2 = 006400 | body2 = 006400 | rightarm2 = 006400 | shorts2 = FFD700 | socks2 = FFD700 | spiele = [[George Gregan]] (139) | punkte = [[Michael Lynagh]] (911) | versuche = [[David Campese]] (64) | erstes = [[Datei:Free Use British and Irish Lions flag.PNG|20px]] [[British and Irish Lions|British Lions]] 3:13 Australien [[Datei:Flag of Australia.svg|20px]]<br /><small>(24. Juni 1899)</small> | sieg = {{NAMrugby}} 0:142 Australien [[Datei:Flag of Australia.svg|20px]]<br /><small>(25. Oktober 2003)</small> | nieder = {{RSArugby}} 53:8 Australien [[Datei:Flag of Australia.svg|20px]]<br /><small>(30. August 2008)</small> | wm = Teilnahmen: 6 <br />Bestes Ergebnis: Weltmeister 1991,1999 | IRB_abkürzung = AUS }} == Einzelnachweise == <references /> inh7s7lvshuunweni3frwpjk4naeoct wikitext text/x-wiki Vorlage:NAM 10 24419 27017 2010-03-24T04:13:06Z Adlerbot 0 Bot: Ergänze: [[fi:Malline:Namibia]] <noinclude> {{Vorlagendokumentation Land mit Flagge}} [[Kategorie:Vorlage:Namibia|Nam]] [[als:Vorlage:NAM]] [[ar:قالب:NAM]] [[br:Patrom:Namibia]] [[ca:Plantilla:NAM]] [[el:Πρότυπο:NAM]] [[en:Template:NAM]] [[eo:Ŝablono:NAM]] [[es:Plantilla:NAM]] [[eu:Txantiloi:NAM]] [[fa:الگو:NAM]] [[fi:Malline:Namibia]] [[fr:Modèle:Namibie]] [[hu:Sablon:Namíbia]] [[id:Templat:NAM]] [[is:Snið:NAM]] [[it:Template:NAM]] [[ja:Template:NAM]] [[ko:틀:NAM]] [[lb:Schabloun:NAM]] [[nl:Sjabloon:NA]] [[no:Mal:NAM]] [[pt:Predefinição:NAM]] [[qu:Plantilla:NAM]] [[ro:Format:NAM]] [[ru:Шаблон:NAM]] [[simple:Template:NAM]] [[sl:Predloga:NAM]] [[sv:Mall:NAM]] [[th:แม่แบบ:NAM]] [[tr:Şablon:NA]] [[uk:Шаблон:NAM]] [[vec:Template:NAM]] [[vi:Bản mẫu:NAM]] [[zh:Template:NAM]] [[zh-yue:Template:NAM]] </noinclude>[[Bild:Flag of Namibia.svg|{{{WIDTH|20}}}px|Namibia]]&nbsp;[[{{{1|Namibia}}}|{{{2|Namibia}}}]] 23fl53s3jo4l096kqc7w8k5nqllufpk wikitext text/x-wiki Vorlage:NAMrugby 10 24420 27018 2009-05-09T13:03:42Z ¡0-8-15! 0 <noinclude> [[Kategorie:Vorlage:Namibia|Rugby]] [[Kategorie:Vorlage:Rugby-Union-Land mit Flagge|Namrugby]] </noinclude>{{NAM|Namibische Rugby-Union-Nationalmannschaft}} hheb30wdlccfjkeo7e6zk0nltl5a9im wikitext text/x-wiki Vorlage:RSA 10 24421 27019 2005-12-26T21:44:15Z Voyager 0 #REDIRECT [[Vorlage:ZAF]] 9jqulb8731pmgrn7jy77xgybxrp79jn wikitext text/x-wiki Vorlage:RSArugby 10 24422 27020 2009-05-09T13:05:36Z ¡0-8-15! 0 <noinclude> [[Kategorie:Vorlage:Südafrika|Rugby]] [[Kategorie:Vorlage:Rugby-Union-Land mit Flagge|Rsarugby]] </noinclude>{{RSA|Südafrikanische Rugby-Union-Nationalmannschaft}} coou7aw02xj1z1f6v9pa2323r1u8lug wikitext text/x-wiki Vorlage:ZAF 10 24423 27021 2009-06-27T08:20:36Z Umherirrender 280 sortkey durch sortable ausgetauscht <noinclude> {{Vorlagendokumentation Land mit Flagge}} [[Kategorie:Vorlage:Südafrika|Zaf]] [[als:Vorlage:ZAF]] [[ar:قالب:ZAF]] [[az:Şablon:ZAF]] [[bn:টেমপ্লেট:ZAF]] [[ca:Plantilla:ZAF]] [[el:Πρότυπο:ZAF]] [[en:Template:ZAF]] [[eo:Ŝablono:ZAF]] [[es:Plantilla:ZAF]] [[eu:Txantiloi:ZAF]] [[fr:Modèle:Afrique du Sud]] [[ia:Patrono:ZAF]] [[id:Templat:ZAF]] [[is:Snið:ZAF]] [[it:Template:ZAF]] [[ja:Template:ZAF]] [[ko:틀:ZAF]] [[lb:Schabloun:ZAF]] [[lv:Veidne:ZAF]] [[mn:Загвар:ZAF]] [[ms:Templat:ZAF]] [[nn:Mal:ZAF]] [[no:Mal:ZAF]] [[pt:Predefinição:ZAF]] [[qu:Plantilla:ZAF]] [[ro:Format:SAF]] [[ru:Шаблон:ZAF]] [[sk:Šablóna:ZAF]] [[sl:Predloga:ZAF]] [[ta:வார்ப்புரு:ZAF]] [[th:แม่แบบ:ZAF]] [[tr:Şablon:ZA]] [[uk:Шаблон:ZAF]] [[vi:Tiêu bản:ZAF]] [[wuu:模板:ZAF]] [[zh:Template:ZAF]] </noinclude>[[Bild:Flag of South Africa.svg|{{{WIDTH|20}}}px|Südafrika]]&nbsp;{{#if:{{{sortable|}}}|<span style="display:none;">Sudafrika</span>}}[[{{{1|Südafrika}}}|{{{2|Südafrika}}}]] nt2urasd53ozibymhpqou2iie04vjn8 wikitext text/x-wiki Vorlage:Infobox AFV/Doku 10 24424 27022 2010-03-17T14:32:58Z Dufour.sesm 0 Getriebe <noinclude>{{Dokumentation/Dokuseite}}</noinclude> == Kopiervorlage == <pre style="white-space:pre-wrap;"> {{Infobox AFV | Name = | Bild = [[Datei:|250px|Beschreibung]] | Beschreibung = | Besatzung = | Länge = m | Breite = m | Höhe = m | Gewicht = t | Hauptbewaffnung = | Sekundärbewaffnung = | Panzerung = mm | Abstandsaktive Systeme = | Minenschutz = | Motor = | Leistung = kW ( PS) | Getriebe = | Federung = | Höchstgeschwindigkeit = km/h | KGR = PS/t | Reichweite = km | Kosten = }} </pre> == Parameter == == Beispiele == {{Infobox AFV | Name = 155/45 Norinco SP | Beschreibung = | Bild = [[Datei:PLZ45155mm Howitzer.jpg|300px]] | Besatzung = 5 Mann | Länge = 6,10 m | Breite = 3,20 m | Höhe = 2,59 m | Gewicht = 32 t | Kosten = unbekannt | Panzerung = unbekannt | Hauptbewaffnung = 155-mm-Geschütz WAC-21 | Sekundärbewaffnung = 12,7-mm-Fla – [[Maschinengewehr|MG]], 2 x 4 Nebeltöpfe | Abstandsaktive Systeme= | Minenschutz = | Motor = Dieselmotor | Leistung = 525 PS (391 kW) | Federung = Drehstabfederung | Höchstgeschwindigkeit = 56 km/h | KGR = 16,4 PS/t | Reichweite = 450 km }} <pre style="white-space:pre-wrap;"> {{Infobox AFV | Name = 155/45 Norinco SP | Beschreibung = | Bild = [[Datei:PLZ45155mm Howitzer.jpg|300px]] | Besatzung = 5 Mann | Länge = 6,10 m | Breite = 3,20 m | Höhe = 2,59 m | Gewicht = 32 t | Panzerung = unbekannt | Hauptbewaffnung = 155-mm-Geschütz WAC-21 | Sekundärbewaffnung = 12,7-mm-Fla – [[Maschinengewehr|MG]], 2 x 4 Nebeltöpfe | Abstandsaktive Systeme= | Minenschutz = | Motor = Dieselmotor | Leistung = 525 PS (391 kW) | Federung = Drehstabfederung | Höchstgeschwindigkeit = 56 km/h | KGR = 16,4 PS/t | Reichweite = 450 km }} </pre> 1ys0qoxk4fza0j4zo0easnxs96vbc4f wikitext text/x-wiki Vorlage:Infobox AFV/Meta 10 24425 27023 2009-12-16T00:52:06Z Wiegels 0 Einsortierung <noinclude>{{Dokumentation/Metaseite}} </noinclude><includeonly> [[Kategorie:Vorlage:Infobox Militär und Waffen|Afv]] [[da:Skabelon:AFV]] [[el:Πρότυπο:Τεθωρακισμένο]] [[en:Template:Infobox Weapon]] [[es:Plantilla:Infobox AFV]] [[it:Template:Carro armato]] [[ja:Template:戦闘車両]] [[mk:Шаблон:Оклопно возило]] [[nl:Sjabloon:AFV]] [[pl:Szablon:Samochód pancerny infobox]] [[zh:Template:裝甲戰鬥車輛]] </includeonly> 7rwsem3v7eaqergeahej4sypbwmjwan wikitext text/x-wiki Vorlage:Aeiou/Doku 10 24426 27024 2010-04-02T08:34:19Z Guandalug 277 Hob den Schutz von „[[Vorlage:Aeiou/Doku]]“ auf: [[WP:Editwar|Edit-War]] <noinclude>{{Dokumentation/Dokuseite}}</noinclude> __NOTOC__ Diese Vorlage dient für Artikel des Österreich-Lexikons [[AEIOU (Nachschlagewerk)|aeiou]]. Als Parameterwert wird die ID aus der jeweiligen URL herangezogen. Soll ein Alternativtext zum Seitennamen angezeigt werden, z.&nbsp;B. die Überschrift in aeiou, oder steht der aeiou-Artikel auf einem anderen Lemma als der WP-Artikel, so ist der zweite Parameter zu füllen. == Kopiervorlage == <pre><nowiki> * {{aeiou| | }} </nowiki></pre> == Parameter == * Parameter 1: ID aus der URL (siehe unten) * Parameter 2: Artikelname im aeiou. Wenn der Parameter fehlt, wird das Wikipedia-Lemma eingebaut. == Beispiel == <pre>* {{aeiou|r/r039792|Radetzky, Johann Josef Wenzel Graf}}</pre> ergibt: * {{Aeiou|r/r039792|Radetzky, Johann Josef Wenzel Graf}} == Ermitteln der ID == Das Lexikon aeiou ist momentan über zwei unterschiedliche Benutzeroberflächen erreichbar. Je nach verwendeter Benutzeroberfläche unterscheidet sich auch die Vorgehensweise zur Ermittlung des ID-Parameters: '''[http://aeiou.iicm.tugraz.at/aeiou.encyclop Startseite (alte Benutzeroberfläche IICM TU Graz)]''' Hier muss aus der ermittelten URL des Zielartikels der im folgenden Beispiel rot markierte Abschnitt als ID-Parameter benutzt werden: <nowiki>http://</nowiki>aeiou.iicm.tugraz.at/aeiou.encyclop.<span style="color:red;">r/r039792</span>.htm : neben aeiou.iicm.tugraz.at steht das Lexikon vorerst (10/2009) auch einfach unter http://www.aeiou.at online '''[http://austria-forum.org/wbtmaster/courses/aeiou_forum1.htm Startseite (neue Benutzeroberfläche Austria-Forum)]''' Hier ist es etwas komplizierter, da die URLs der Zielartikel versteckt und in Frames eingebunden werden. Nach Eingabe des Suchbegriffs erscheint dort in der linken Spalte der Link zum Zielartikel. Dieser Link kann im Browser kopiert werden und hat die folgende Form: <nowiki>javascript:par</nowiki>ent.frames["WControl"].getOneEncyclop("<span style="color:red;">r039792</span>_htm.txn") Hier wird wieder der rot markierte Teil als ID-Parameter verwendet. Dabei muss das Kürzel für den Anfangsbuchstaben des Artikels (Lemma des Österreich-Lexikons, entspricht immer dem ersten Zeichen der ID für unsere Vorlage) und der Schrägstrich noch ergänzt werden; es wird also die ID <span style="color:red;"><code><nowiki>r039792</nowiki></code></span> in <code><span style="color:red;"><nowiki>r/r</nowiki></span>039792</code> geändert, und so in die Vorlage gesetzt. hox5t5txu27rhue69pvvmhc3w2ke7nf wikitext text/x-wiki Vorlage:LBMV PPN/Doku 10 24427 27025 2010-05-06T15:13:49Z Erichsohn 0 /* Einleitung */ <noinclude>{{Dokumentation/Dokuseite}}</noinclude> Diese Vorlage dient der Verknüpfung mit Personennormdaten der [[Landesbibliographie Mecklenburg-Vorpommern]]. == Einleitung == Diese Vorlage dient der eindeutigen Verknüpfung von biographischen Wikipedia-Artikeln mit Datensätzen in der [[Landesbibliographie Mecklenburg-Vorpommern|Landesbibliographie MV]], wo mit dem Ziel der Vollständigkeit jegliche Literatur über Personen mit biographischem Bezug zum Bundesland [[Mecklenburg-Vorpommern]] erfasst und systematisiert wird. Dabei wird für jede relevante Person oder Familie ein lokaler Personennormdatensatz erzeugt mit Angaben, die heute bereits vielfach tiefer gehen als in der [[Vorlage Diskussion:PND|PND]] oder anderen vergleichbaren Datensammlungen im bibliothekarischen Bereich. Die Landesbibliographie M-V umfasst derzeit Angaben über rund 25.000 Personen und Familien des Betrachtungsgebiets. '''ACHTUNG!''' Für größere Städte des Betrachtungsgebietes ist dem PPN-Aufruf eine Schlagwortabfrage ([[Vorlage:LBMV SWW]]) vorzuziehen. Ein PPN-Aufruf unter dem betreffenden Ort erfasst i.d.R. die zugehörigen Ortsteile nicht, weil letztere unter eigener PPN angesetzt sind. (LinkBeispiel: [[Neubrandenburg#Weblinks]]) == Parameter == Parameter und Funktionsweise dieser Vorlage folgt der [[Vorlage Diskussion:PND|Vorlage:PND]]. == Anzeige == Um einen durch den zweiten Parameter unterdrückten Eintrag sichtbar zu machen, muss die persönliche monobook.css wie folgt ergänzt werden: : <source lang="css">table.metadata { display:block; } /* dauerhaftes Einblenden des Personendaten-Blocks */</source> Damit werden auch die [[Hilfe:Personendaten|Personendaten]] dauerhaft eingeblendet. 1zrmhi2rh2t64ply9fzrnqptykgmyew wikitext text/x-wiki Vorlage:LBMV PPN/Meta 10 24428 27026 2009-02-02T00:37:54Z Erichsohn 0 <noinclude>{{Dokumentation/Metaseite}} </noinclude><includeonly> [[Kategorie:Vorlage:Datenbanklink|LBMV PPN]] </includeonly> 8te2jwtetr8k8bl829elgp7agv66il7 wikitext text/x-wiki Venus (Planet) 0 24429 27315 27314 2010-06-04T16:59:55Z YMS 441 Version 5 pxsq6f7cewwhvjpaq4y2l4k4ehsvam1 wikitext text/x-wiki Venus-Tafeln des Ammi-saduqa 0 24430 27029 2010-04-18T06:03:10Z Luckas-bot 0 Bot: Ergänze: [[ro:Tableta lui Venus a lui Ammisaduqa]] [[Bild:Venus-real color.jpg|thumb|Venus aufgenommen von der Raumsonde [[Mariner#Mariner 10|Mariner&nbsp;10]]]] Die '''Venus-Tafeln des Ammi-saduqa''' (auch ''Ammisaduqa, Ammi-zaduqa, Ammizaduqa'') stellen das bislang älteste Schriftdokument zur [[Planet]]enbeobachtung dar. Die [[Keilschrift]]texte des [[Babylonien|babylonischen]] Königs [[Ammi-saduqa]], entdeckt in der [[Bibliothek des Assurbanipal]] in [[Ninive]], beinhalten insbesondere Beobachtungen der [[Venus (Planet)|Venus]], die in der [[Mesopotamien|mesopotamischen]] [[Mythologie]] als [[Stern]] der [[Dingir|Göttin]] [[Inanna|Ninsianna]] galt und im [[sumer]]ischen [[Pantheon]] als weibliche Gottheit der Liebe und Fruchtbarkeit die führende Position einnahm. Die in diesem Zusammenhang dokumentierte [[Synodische Periode#Planeten|synodische 584-Tage-Periode]] der Venus gilt ebenfalls als erste schriftlich erhaltene Aufzeichnung eines [[Planet|planetaren]] [[Zeitintervall]]s im Bereich der [[Astronomie]]. Die frühen [[Chronologien der Altorientalischen Geschichtsschreibung]] wurden aufgrund dieser astronomischen Daten erstellt und erlauben die zeitliche Einordnung der Regierungsperioden mesopotamischer Könige. Die moderne Forschung konnte zwischenzeitlich aufgrund der beobachteten [[Sonnenfinsternis]] in der Regierungszeit von [[Aššur-dan III.]] sowie vorliegender [[Synchronität|Königs-Synchronismen]] assyrischer und babylonischer Herrscher die assyrische [[Liste der assyrischen Könige#Adasi-Dynastie|Adasi-Dynastie]] auf die Jahre um 1680&nbsp;v.&nbsp;Chr. datieren. Die Adasi-Dynastie stand mit Ammi-saduqa in chronologischer Nachbarschaft, weshalb aus der Adasi-Ansetzung in diesem Zusammenhang auch eine nähere zeitliche Zuordnung des Ammi-saduqa möglich wurde. Die früher diskutierte Möglichkeit der ultrakurzen Chronologie scheidet daher aus. Entsprechende Bestätigungen liefern zudem die astronomischen Auswertungen der Venus-Tafeln des Ammi-saduqa. == Die Venus-Tafeln == Bei den aus der Bibliothek [[Assurbanipal]]s stammenden Keilschrifttafeln handelt es sich um Abschriften früherer Texte, die von den Originalen aus der Regierungszeit Ammi-saduqas (1646 bis 1626&nbsp;v.&nbsp;Chr. nach der mittleren Chronologie), dem vorletzten König der [[Liste der babylonischen Könige#1. Dynastie|ersten&nbsp;altbabylonischen&nbsp;Dynastie]], immer wieder kopiert und weitergegeben wurden. Die Entstehungszeit der letzten Kopien wird auf etwa 800&nbsp;v.&nbsp;Chr. angesetzt. Die große historische Bedeutung der Venus-Tafeln ist in der lückenlosen 21-jährigen Datensammlung von Venus-Sichtbarkeiten zu sehen, die in tabellarischer Form vorliegen. Die vorgenommenen Venusbeobachtungen sind mit [[Omen]] und Nennung der wichtigsten Ereignisse versehen. Die bekannteste Tafel (63) aus der Sammlung [[Enuma Anu Enlil|Enuma Anu Enlil (EAE)]] ist im [[British Museum|britischen Museum]] zu [[London]] ausgestellt. Der Inhalt der Venus-Tafeln wurde erstmals 1870 von [[Henry Creswicke Rawlinson]] und [[George Smith (Altertumswissenschaftler)|George Smith]] unter dem Titel ''Tablet of Movements of the Planet Venus and their Influences'' in der Schriftenreihe ''The Cuneiform Inscriptions of Western Asia Vol. 3'' veröffentlicht. Die Zuordnung astronomischer Daten konnte durch den [[Assyriologe]]n [[Johann-Nepomuk Strassmeier]] in Zusammenarbeit mit den beiden [[Astronom]]en [[Josef Epping]] sowie [[Franz-Xaver Kugler]] 1912 weiter spezifiziert werden. == Grundlagen == === Der babylonische Mondkalender === [[Bild:Earthshine 2005-09-01.jpg|thumb|Altlicht-Mondsichel]] Die dokumentierten Sichtbarkeitsdaten auf den Venus-Tafeln des Ammi-saduqa basieren auf den Angaben des babylonischen [[Lunarkalender|Mondkalenders]]. Maßgebend für den ersten Tag eines Monats ist der Zeitpunkt des gesichteten [[Neulicht]]s. Im [[Altes Ägypten|Alten Ägypten]] wurde dagegen die letzte Sichtbarkeit des [[Altlicht]]s für den Beginn der beiden [[Ägyptischer Kalender|ägyptischen Mondkalender]] herangezogen. Die Stadt [[Babylon]] und das [[Nildelta]] weisen nur einen Unterschied von etwa [[Gradnetz|1° bis&nbsp;2°]] in der [[Geographische Breite|geografischen Breite]] auf. Für die Beobachtungen des Alt- und Neulichts bestehen daher fast identische Sichtbarkeitsbedingungen. Da ägyptische Aufzeichnungen des Altlichts, die bis in die Anfänge des [[Mittleres Reich (Ägypten)|Mittleren Reichs]] zurückreichen, und babylonische Neulichtmonddaten für gleiche Zeiträume vorliegen, konnte eine Abstimmung beider Kalender vorgenommen werden. Im Ergebnis wurde die Vermutung bestätigt, dass es nur dann minimale Abweichungen gab, wenn die Sichtbarkeitsbedingungen aufgrund eines flacheren Bahnverlaufes der Venus nahe am Horizont ([[Ekliptik]]) eingeschränkt waren. In der babylonischen Region tritt das Neulicht, je nach Jahreszeit, zwischen 18 und 42&nbsp;Stunden nach [[Neumond]] ein. In Abhängigkeit von den [[Mond]]untergangsdaten ist mit der zeitlichen Bestimmung des Neumondes auch die erste Sichtbarkeit der Neulicht-[[Mondsichel]] bis zurück in das [[Altertum]] mit Berechnungsprogrammen, beispielsweise von [[National Aeronautics and Space Administration|NASA]] und [[Max-Planck-Institut für Astronomie|MPIA]], exakt bestimmbar. Statistische Untersuchungen der babylonischen Neulichtaufzeichnungen ergaben mit den babylonischen Daten eine Übereinstimmung von 98 % für den Zeitraum der Sichtungen. Die Mehrzahl der Abweichungen lag auch hier für die Beobachtungen unter extrem schwierigen Sichtungsverhältnissen vor. Eine deshalb nicht wahrgenommene Erstsichtbarkeit des Neulichts wirkte sich nicht auf die nächsten Beobachtungen aus, da bei besseren Sichtungsbedingungen in den Folgemonaten die Tagesdifferenz automatisch ausgeglichen wurde. === 584-Tage-Intervall === {| width="250" align="right" border="0" style="margin:0 0 2em 2em;" | align="center" style="font-size:90%;" | [[Bild:Konjunktion.png|right|250px]] |} Weil die Venus als [[Obere und untere Planeten|unterer Planet]] in geringerer Distanz als die Erde die Sonne umläuft, kann sie sich von der Erde aus gesehen nie weit von der [[Sonne]] entfernen. Insbesondere kann die Venus, im Gegensatz zu den oberen Planeten, an der [[Himmelskugel]] niemals in [[Opposition (Astronomie)|Opposition]] zur Sonne stehen. Stattdessen unterscheidet man anstelle der [[Konjunktion (Astronomie)|Konjunktion]] der äußeren Planeten die [[obere Konjunktion]] (Venus hinter der Sonne) von der [[Untere Konjunktion|unteren Konjunktion]], bei der die Venus vor der Sonne steht. Der Zeitraum zwischen zwei aufeinander folgenden identischen Positionen der Venus (bezüglich Erde und Sonne) beträgt im Durchschnitt 583,924&nbsp;Tage und wird [[Synodische Periode|synodische]] Umlaufperiode der Venus genannt. Die größten Annäherungen treten im Idealfall in genau kreisförmigen Bahnen auf, die sich jeweils auf fünf verschiedene Bahnpunkte exakt gleichmäßig verteilen und das [[Venus (Planet)#Umlaufbahn und Resonanzen|Venus-Pentagramm]] bilden. Die ''untere Konjunktion'' tritt in Abständen von 579 bis 589 Tagen ein, wenn die Venus auf ihrer sonnennäheren Bahn die Erde „überholt“. Dabei wechselt sie von der Rolle des [[Abendstern]]s zu der des Morgensterns. Neun Monate später steht sie dann ''hinter'' der Sonne (obere Konjunktion). Um die erste Venus-Sichtbarkeit in der abendlichen [[Dämmerung]] beobachten zu können, muss die Venus bei Sonnenuntergang mindestens noch eine Horizonthöhe von etwa [[Vertikalwinkel|5°]] aufweisen. Umgekehrt bedeutet dies für die erste Sichtung in der morgendlichen Dämmerung, dass die Venus bei Sonnenaufgang ebenfalls etwa 5° erreicht haben muss. == Die Intervall-Daten des Ammi-saduqa == Nach fünf 584-Tage-Intervallen ist die Venus etwa 2,32&nbsp;Tage<ref group="A">5 Venusintervalle multipliziert mit 583,924 Tagen gegenüber 8 mittleren Sonnenjahren von jeweils 365,2422&nbsp;Tagen.</ref> vor Ablauf von acht [[Tropisches Jahr|mittleren Sonnenjahren]] an ihre Ausgangsposition zurückgekehrt. Der Beginn des nächsten Venus-Intervalls liegt damit etwa 2,32&nbsp;Tage vor dem Beginn der abgelaufenen fünf 584-Tage-Intervalle. Nach 40 Intervallen beträgt die Differenz in 64&nbsp;Jahren 18,54&nbsp;Tage. In den Chronologien der Altorientalischen Geschichtsschreibung wurde zuerst die mittlere Chronologie als Ansatzpunkt gewählt. Da die möglichen Kalendereinträge nur einen engen variablen Zeitrahmen zuließen, der an den babylonischen Mondkalender gebunden ist, erfolgten jeweils 64&nbsp;Jahre vor und nach der mittleren Chronologie die weiteren Ansätze der langen und kurzen Chronologie. Eine größere Bandbreite der in Frage kommenden Beobachtungszeitpunkte kann durch die Koppelung des Monats [[Nisan (Monat)|Nisanu]] mit der [[Äquinoktium#Tagundnachtgleiche|Tagundnachtgleiche]] im [[Frühjahr]] ausgeschlossen werden. Alle bisherigen Chronologien der altorientalischen Geschichtsschreibung konnten bislang nur als Eckpunkte angesehen werden, da im Zuge des 8-Jahres-Zyklus' weitere Möglichkeiten gegeben waren. Die Differenz von 128&nbsp;Jahren zwischen der langen und kurzen Chronologie der Altorientalischen Geschichtsschreibung, unter Berücksichtigung der rekonstruierten Herrscherlisten, ließ 16 Datierungsansätze zu. Einordnungskriterien bezüglich der Venus-Tafeln stellen die Synchronismen von Herrscherdaten dar. Als Parallelkönige gelten zumeist [[Hattušili III.]] und [[Kadašman-Enlil II.]], obwohl die chronologische Bewertung des zugrunde liegenden Briefwechsels nicht gesichert ist. Zweifelsfrei ist dagegen die Datierung des [[Akzession]]sjahres von Kadašman-Enlil II. im 14. bis 16.&nbsp;Regierungsjahr von [[Ramses II.]] (1266 bis 1264&nbsp;v.&nbsp;Chr.). Eine weitere Gleichsetzung konnte für das Akzessionsjahr von [[Burna-buriaš II.]] und dem 31. bis 36.&nbsp;Regierungsjahr des [[Amenophis III.]] (1358 bis 1353&nbsp;v.&nbsp;Chr.) ermittelt werden. Die erst in jüngerer Zeit vorgeschlagene ultrakurze Chronologie, mit einer 32-jährigen Differenz zur kurzen Chronologie, scheidet daher aus. Gleiches gilt für die lange Chronologie.<ref group="A">Vgl. Rolf Krauss: ''Sothis- und Monddaten: Studien zur astronomischen und technischen Chronologie Altägyptens'', Gerstenberg, Hildesheim 1985, S. 125.</ref> Wegen vereinzelt fehlender Regierungsdaten in der [[Liste der assyrischen Könige#Adasi-Dynastie|assyrischen Königsliste]] ergibt sich eine Schwankungsbreite von etwa 20&nbsp;Jahren für die Ansetzung der Adasi-Dynastie. Im weiteren Verlauf konnte das Ende der Regierungszeit von [[Išme-Dagan I.]] aufgrund der möglichen Schwankungsbreite hinsichtlich fehlender Regierungsdaten auf spätestens 1710&nbsp;v.&nbsp;Chr. angesetzt werden. Er kam im 18.&nbsp;Regierungsjahr von [[Hammurapi]] auf den Thron seiner angenommenen 40-jährigen Herrschaft. In gleicher Rückrechnung ließ sich der Regierungsbeginn Hammurapis auf die Jahre um 1750&nbsp;v.&nbsp;Chr. ermitteln. Für Ammi-saduqas erstes Herrscherjahr konnte die Grenze auf etwa 1604&nbsp;v.&nbsp;Chr. gezogen werden. Die nachfolgenden Intervall-Daten des Ammi-saduqa beziehen sich auf die mittlere Chronologie und zeigen, dass sich die Sichtungen im babylonischen Mondkalender und die tatsächlichen astronomischen Verhältnisse im [[Gregorianischer Kalender|gregorianischen Kalender]] taggenau entsprechen. {| class="prettytable" width="100%" | colspan="14" align="center" style="background:#FFE39B; color:blue"|'''Venuszyklus mit 12 Intervallen (1. bis 21. Regierungsjahr Ammi-saduqa)''' |- bgcolor="#FFE39B" ! Intervall ! Dauer<br />Mondkalender ! Tagesanzahl<br />Mondkalender ! Dauer<br />Greg. Kalender<ref name=J/> ! Tagesanzahl<br />Greg. Kalender ! [[Vertikalwinkel#Höhenwinkel|Venus-Altitude]]<ref group="A" name=Al>Die Venus-Altitude bezieht sich auf den ersten Sichtbarkeitstag als ''Morgenstern'' des neuen 584-Tage-Intervalls. Mit jedem weiteren Tag steigt die Altitude, da der Venusaufgang jeden weiteren Tag einige Minuten früher erfolgt.</ref> |- bgcolor="#fffaf0" align="center" | 01 || align="left" | 18. [[Šabatu]] bis 15. [[Tašritu]] || '''587''' || 23.02.1645 bis 03.10.1644 || '''587''' || 5,1° |- bgcolor="#f5f5f5" align="center" | 02 || align="left" | 15. Tašritu bis 11. [[Ajaru]]<ref group="A" name=Ad>Mit Einschubmonat Addaru 2.</ref> || '''585''' || 03.10.1644 bis 11.05.1642 || '''585''' || 5,8° |- bgcolor="#fffaf0" align="center" | 03 || align="left" | 11. Ajaru bis 1. [[Kislimu]]<ref group="A" name=Ul>Mit Einschubmonat Ululu 2.</ref> || '''583''' || 11.05.1642 bis 14.12.1641 || '''583''' || 5,5° |- bgcolor="#f5f5f5" align="center" | 04 || align="left" | 01. Kislimu bis 26. [[Du'uzu|Dumuzi]] || '''584''' || 14.12.1641 bis 21.07.1639 || '''584''' || 5,2° |- bgcolor="#fffaf0" align="center" | 05 || align="left" | 26. Dumuzi bis 14. [[Addaru]] || '''581''' || 21.07.1639 bis 21.02.1637 || '''581''' || 5,1° |- bgcolor="#f5f5f5" align="center" | 06 || align="left" | 14. Adaru bis 11. [[Ululu II]]<ref group="A" name=Ad /> || '''587''' || 21.02.1637 bis 30.09.1636 || '''587''' || 5,2° |- bgcolor="#fffaf0" align="center" | 07 || align="left" | 11. Ululu II bis 07. Ajaru || '''585''' || 30.09.1636 bis 08.05.1634 || '''585''' || 5,0° |- bgcolor="#f5f5f5" align="center" | 08 || align="left" | 07. Ajaru bis 27. [[Araḫsamna]]<ref group="A" name=Ul/> || '''583''' || 08.05.1634 bis 11.12.1633 || '''583''' || 5,2° |- bgcolor="#fffaf0" align="center" | 09 || align="left" | 27. Araḫsamna bis 21. Dumuzi || '''584''' || 11.12.1633 bis 18.07.1631 || '''584''' || 5,0° |- bgcolor="#f5f5f5" align="center" | 10 || align="left" | 21. Dumuzi bis 11. Addaru || '''581''' || 18.07.1631 bis 18.02.1629 || '''581''' || 5,0° |- bgcolor="#fffaf0" align="center" | 11 || align="left" | 11. Addaru bis 8. Tašritu<ref group="A" name=Ul /> || '''587''' || 18.02.1629 bis 28.09.1628 || '''587''' || 5,2° |- bgcolor="#f5f5f5" align="center" | 12 || align="left" | 8. Tašritu bis 3. Ajaru<ref group="A" name=Ad /> || '''586''' || 28.09.1628 bis 07.05.1626 || '''586''' || 5,1° |- | colspan="10" align="left" style="background:#FFE39B;"|<small>Die minimalen Abweichungen in den Einzelintervallen ergeben einen Durchschnitt von genau 584&nbsp;Tagen und entsprechen dem Mondkalender.</small> |} == Schaltmonate im babylonischen Mondkalender == Die zu den Venuszyklen gehörenden Beginndaten des 1.&nbsp;[[Nisan (Monat)|Nisanu]] zeigen, dass das babylonische Neujahr zumeist mit dem ersten [[Vollmond]] des [[Frühlingsbeginn|Frühlingbeginns]] verbunden war. Ein schematisierter Schaltzyklus ist nicht erkennbar, da die Schaltungen unregelmäßig vorgenommen wurden und zusätzlich an [[Stern]]-Sichtbarkeiten zum Zeitpunkt des [[Heliakisch#Heliakischer Aufgang|Sonnenauf-]] sowie [[akronychisch#Akronychischer Aufgang|Untergangs]] gekoppelt waren. Diese Umstände sind an den Beginndaten des Monats Tašritu deutlich zu erkennen, der dem Schaltmonat Ululu folgte. {| class="prettytable" width="100%" | colspan="14" align="center" style="background:#FFE39B; color:blue"|'''Beginndaten der Monate Nisanu und Tašritu'''<ref name=J>Datumsangabe im [[Gregorianischer Kalender|gregorianischen Kalender]]: im [[Julianischer Kalender|julianischen Kalendersystem]] sind 15&nbsp;Tage zum gregorianischen Datum zu addieren; zu den Venusdatierungen am Morgen 16&nbsp;Tage. Datierungsgrundlage sind die [http://eclipse.gsfc.nasa.gov/phase/phases-1699.html NASA-Angaben] unter Berücksichtigung des T-Deltas. Für Babylonien ist zu der ''Universal Time'' (UT) der Zeitzonenzuschlag von 3&nbsp;Stunden zu berücksichtigen; gemäß [[Jean Meeus]]: ''Astronomische Algorithmen - Anwendungen für Ephemeris Tool 4,5 -'', Barth, Leipzig 2000 für: ''Ephemeris Tool 4,5 nach Jean Meeus, Umrechnungsprogramm, 2001''.</ref> |- bgcolor="#FFE39B" ! Jahr ! 1. Nisanu ! 1. Tašritu |- bgcolor="#fffaf0" | 1645 v. Chr. || 4. April || 28. September |- bgcolor="#f5f5f5" | 1644 v. Chr. || 24. März || 18. September |- bgcolor="#fffaf0" | '''1643 v. Chr.''' || '''12. April''' || 6. Oktober |- bgcolor="#f5f5f5" | 1642 v. Chr. || 2. April || 26. September |- bgcolor="#fffaf0" | '''1641 v. Chr.''' || 21. März|| '''15. Oktober''' |- bgcolor="#f5f5f5" | 1640 v. Chr. || 9. April || 3. Oktober |- bgcolor="#fffaf0" | 1639 v. Chr. || 30. März || 22. September |- bgcolor="#f5f5f5" | 1638 v. Chr. || 20. März || 11. September |- bgcolor="#fffaf0" | '''1637 v. Chr.''' || '''7. April''' || 29. September |- bgcolor="#f5f5f5" | '''1636 v. Chr.''' || 26. März || '''19. Oktober''' |- bgcolor="#fffaf0" | 1635 v. Chr. || 14. April || 6. Oktober |- bgcolor="#f5f5f5" | 1634 v. Chr. || 3. April || 27. September |- bgcolor="#fffaf0" | '''1633 v. Chr.''' || 22. März || '''15. Oktober''' |- bgcolor="#f5f5f5" | 1632 v. Chr. || 10. April || 5. Oktober |- bgcolor="#fffaf0" | 1631 v. Chr. || 31. März || 24. September |- bgcolor="#f5f5f5" | 1630 v. Chr. || 20. März || 13. September |- bgcolor="#fffaf0" | '''1629 v. Chr.''' || 9. März || '''1. Oktober''' |} == Literatur == * Lis Brack-Bernsen: ''Zur Entstehung der babylonischen Mondtheorie – Beobachtung und theoretische Berechnung von Mondphasen''. Steiner, Stuttgart 1997, ISBN 3-515-07089-3. * Peter J. Huber: ''Astronomical dating of Babylon I and Ur III''. Undena Publications, Malibu, Kalifornien 1982, ISBN 0-89003-045-6. * Franz-Xaver Kugler: '' Sternkunde und Sterndienst in Babel – Assyriologische, astronomische und astralmythologische Untersuchungen''. Münster 1912. * Rolf Krauss: ''Sothis- und Monddaten: Studien zur astronomischen und technischen Chronologie Altägyptens''. Gerstenberg, Hildesheim 1985, {{Falsche ISBN|3-8067-8086-X}}. * Stephen Langdon, J.K. Fortheringham: ''The Venus tablets of Ammizaduga – A solution of Babylonian chronology by means of the Venus observations of the first dynasty – with tables for computation by Carl Schoch''. Oxford University Press, H. Milford, London 1928. * [[Bartel Leendert van der Waerden]]: ''Die Berechnung der ersten und letzten Sichtbarkeit von Mond und Planeten und die Venustafeln des Ammisaduqa – Berichte der Mathematisch-Physikalischen Klasse der Sächsischen Akademie der Wissenschaften zu Leipzig 94''. 1943, S. 23–56. * [[Jean Meeus]]: ''Astronomische Algorithmen – Anwendungen für Ephemeris Tool 4,5''. Barth Leipzig 2.Aufl. 2000, ISBN 3-335-00400-0. * Jean Meeus: ''Astronomical Tables of the Sun, Moon and Planets''. 2. Auflage. Willmann-Bell, Richmond 1995, ISBN 0-943-39602-6. * [[Otto Neugebauer]]: ''A history of ancient mathematical astronomy I-III – Studies in the history of mathematics and physical sciences'', ISBN 3-540-06995-X. * Paul-Viktor Neugebauer: ''Tafeln zur astronomischen Chronologie I – Sterntafeln von 4000 v. Chr. bis zur Gegenwart''. de Gruyter, Berlin 1929. * Henry-Creswicke Rawlinson, Theophilus Goldridge Pinches: ''The cuneiform inscriptions of Western Asia – Prepared under the direction of the trustees of the British Museum by Henry Creswicke Rawlinson. Vol. 5, A selection from the miscellaneous inscriptions of Assyria and Babylonia''. Harrison (British Museum London), London 1909. * Carl Schoch: ''Das Venus-Tablet Ammizaduga''. In: ''Astronomische Nachrichten Nr. 222, 27-30'', 1924, [http://adsbit.harvard.edu//full/seri/AN.../0222//0000020.000.html online]. * John D. Weir: ''The Venus Tablets: A Fresh Approach''. Journal for the History of Astronomy Nr. 13, 1982, S. 23–49. == Weblinks == * [http://www.nasa.gov/worldbook/venus_worldbook.html NASA: Venus-Phasen] * [http://www.enciclopedia.com.pt/images/venus_tablet.jpg Keilschriftliche Venus-Tafel] == Hinweise == <references/> == Anmerkungen == <div class="references-small" style="-moz-column-count:2; column-count:2;"> <references group="A" /></div> {{Navigationsleiste Babylonische Astronomie}} {{Exzellent|31. Oktober 2008|52453204}} [[Kategorie:Babylonische Astronomie]] [[Kategorie:Inschrift]] [[Kategorie:Astronomische Datensammlung]] [[Kategorie:17. Jahrhundert v. Chr.]] [[Kategorie:Historisches Werk (Astronomie)]] [[en:Venus tablet of Ammisaduqa]] [[es:Tablilla de Venus de Ammisaduqa]] [[ro:Tableta lui Venus a lui Ammisaduqa]] rl4odrtwojqmv5idx1d4sl49ef90ela wikitext text/x-wiki Venusfliegenfalle 0 24431 27030 2010-05-06T12:03:01Z Jivee Blau 0 Änderungen von [[Special:Beiträge/88.130.101.177|88.130.101.177]] rückgängig gemacht und letzte Version von Jivee Blau wiederhergestellt <!-- Für Informationen zum Umgang mit dieser Tabelle siehe bitte [[Wikipedia:Taxoboxen]]. --> {{Taxobox | Taxon_Name = Venusfliegenfalle | Taxon_WissName = Dionaea muscipula | Taxon_Rang = Art | Taxon_Autor = [[Daniel Solander|Sol.]] ex [[John Ellis (Naturforscher)|J. Ellis]] | Taxon2_Name = Venusfliegenfallen | Taxon2_WissName = Dionaea | Taxon2_LinkName = nein | Taxon2_Rang = Gattung | Taxon3_Name = Sonnentaugewächse | Taxon3_WissName = Droseraceae | Taxon3_Rang = Familie | Taxon4_Name = Nelkenartige | Taxon4_WissName = Caryophyllales | Taxon4_Rang = Ordnung | Taxon5_Name = Kerneudikotyledonen | Taxon5_Rang = ohne | Taxon6_Name = Eudikotyledonen | Taxon6_Rang = ohne | Bild = Dionaea_muscipula01.jpg | Bildbeschreibung = Venusfliegenfalle (''Dionaea muscipula'') }} Die '''Venusfliegenfalle''' (''Dionaea muscipula'') ist eine [[fleischfressende Pflanze]] aus der [[Familie (Biologie)|Familie]] der [[Sonnentaugewächse]] (Droseraceae). Die nur in einem sehr begrenzten Verbreitungsgebiet in den [[Vereinigte Staaten|USA]] vorkommende Art wurde erstmals im Jahr 1768 beschrieben. Im 20. Jahrhundert wurde sie durch ihre sich schnell bewegenden, wie ein Fangeisen angelegten Fallen die wohl bekannteste und populärste aller fleischfressenden Pflanzen. == Beschreibung == Die Venusfliegenfalle ist eine [[Ausdauernde Pflanze|ausdauernde]], [[krautige Pflanze]]. Sie ist langsamwüchsig und erreicht erst nach drei bis vier Jahren Blühreife. Im Herbst beendet die Pflanze ihre Aktivität und wechselt in die Winterruhe, zu erkennen an der Ausbildung sehr kleiner Blätter mit winzigen, inaktiven Fallen. Im Frühjahr treibt die bedingt [[winterhart]]e (minimal −5&nbsp;°C, in Einzelfällen −10&nbsp;°C Tiefsttemperatur) Pflanze wieder aus. === Wurzeln und Rhizom === Die Hauptwurzel der Venusfliegenfalle stirbt zugunsten einiger faseriger Seitenwurzeln bald nach der [[Keimung]] ab. Das Wurzelsystem dient hauptsächlich der Verankerung der Pflanze im Untergrund und zur Wasseraufnahme; für die Nährstoffversorgung sind die Wurzeln nahezu bedeutungslos. Ungefähr 10 bis 15 Zentimeter unterhalb der Erdoberfläche befindet sich das [[Rhizom]] (Wurzelstock) der Pflanze, aus dem sie bei oberirdischer Zerstörung wieder austreibt. [[Datei:VFT_ne1.JPG|thumb|Fangblatt]] === Blätter/Fallen === Die Venusfliegenfalle ist eine außergewöhnliche [[Pflanzen|Pflanze]], die bei Reizung ihr aufwändig gebautes Fangblatt äußerst schnell zusammenklappen kann, um Insekten (vor allem [[Fliegen]] und [[Ameisen]]) und [[Spinne]]n zu fangen. Der Fangmechanismus ist mit einer Dauer von bis zu 100&nbsp;Millisekunden<ref>Yoel Forterre, Jan Skotheim, Jacques Dumais, L. Mahadevan: ''How the Venus flytrap snaps'', in: ''[[Nature]]'', Macmillan Journals, London 2005, 433 (27. Januar), p. 421</ref> eine der schnellsten bekannten Bewegungen im Pflanzenreich. [[Datei:Dionaea-muscipula-Ausloeseborste-Mikroskopaufnahme.jpg|thumb|Auslöseborste von Dionaea muscipula]] Die Fangblätter bestehen aus einem stark verbreiterten Blattstiel, der bis zu zehn Zentimeter lang sein kann, und der bei Sonneneinstrahlung innenseitig stark rot gefärbten [[Blattspreite]] selbst, die fast kreisrund ist und einen Durchmesser von bis zu fünf Zentimetern hat. Diese Färbung sowie die von [[Nektarium|Nektarien]] auf der Blattspreite ausgeschiedene Flüssigkeit dienen der Anlockung der Beute. Als Knospe ist die noch geschlossene und an ihren Rändern nach innen eingeschlagene Blattspreite noch auf den sehr kurzen Blattstiel geklappt, erst wenn dieser weitgehend ausgewachsen ist, faltet sich die Spreite auf und öffnet sich. Die Ränder der Blattspreite sind mit spitzen Borsten besetzt (den Randborsten) und mit einem [[UV]]-Muster gezeichnet, das den Rand in den Augen eines Insekts dunkler erscheinen lässt als das Zentrum der beiden Blatthälften, wo sich je drei oder mehr haarfeine Borsten befinden (die Fühlborsten). Letztere haben unmittelbar über ihrer Basis eine Verjüngung, die als Gelenk fungiert und hinter der im Blattgewebe unmittelbar eine [[Rezeptor]]zelle liegt, ebenso an der Basis der Borsten. Das Gelenk begünstigt nicht nur den Reiz der Rezeptorzelle, sondern ermöglicht auch ein „Wegklappen“ der Borste beim Schließen der Falle. Wenn ein mögliches Beutetier eine Fühlborste wiederholt berührt oder verschiedene kurz nacheinander, wird ein [[Aktionspotential]] ausgelöst, das sich mit einer [[nerven]]artig schnellen Geschwindigkeit (6 bis 20&nbsp;cm/s) über das gesamte Blatt fortpflanzt und den Verschluss initiiert. Die Blatthälften der Falle schlagen dabei zusammen wie Fangeisen und überraschen das Opfer. [[Datei:Dionaea muscipula closing trap animation.gif|thumb|right|Verschließen einer Falle.]] Lange Zeit wurde diskutiert, wie der eigentliche Verschluss ausgelöst wird. Favorisiert wurde eine Erklärung aufgrund rascher Abgabe von Zellflüssigkeit. 2004 wurde jedoch die Mechanik experimentell belegt: Im offenen Zustand sind die Blatthälften [[Konvexe und konkave Funktionen|konvex]] gekrümmt, dies geschieht durch Zusammenziehen der Außenseite der Blatthälften quer zum Gelenk um rund 10 %. Im so gespannten Zustand wartet die Falle auf das Auslösesignal. Mittels noch unbekannter physiologischer Prozesse veranlasst dieses eine geringfügige Änderung der Krümmung, woraufhin die Falle schlagartig von konvexer in [[Konvexe und konkave Funktionen|konkave]] Form umschlägt (ähnlich einer umschnappenden Kontaktlinse) und wie ein gespanntes [[Tellereisen]] zusammenklappt. Das Zusammenschnappen der Falle ist also kein aktiver Prozess, sondern das Ergebnis der Entspannung einer Energie, die von der Pflanze im voraus bereits aufgebaut wurde.<ref>Yoel Forterre, Jan Skotheim, Jacques Dumais, L. Mahadevan: ''Mechanics of Venus' Flytrap Closure.'', 21. ICTAM Kongress, 15.-21. August 2004. Hrsg. v. W. Gutkowski u. T. A. Kowalewski. IPPT PAN, Warszawa 2004 ([http://fluid.ippt.gov.pl/ictam04/text/sessions/docs/MS2/11581/MS2_11581.pdf PDF Online]), ISBN 83-89687-01-1</ref><ref>Yoel Forterre, Jan Skotheim, Jacques Dumais, L. Mahadevan: ''How the Venus flytrap snaps''. in: ''[[Nature]].'' Macmillan Journals, London 2005,433(27. Januar), 421-425. ([http://www.nature.com/cgi-taf/DynaPage.taf?file=/nature/journal/v433/n7024/abs/nature03185_fs.html Abstract]) {{ISSN|0028-0836}}</ref> Dieser Verschluss ist allerdings noch nicht vollständig. Durch die langen Randborsten sind größere Insekten gefangen und ein Entkommen ist ihnen unmöglich. Sollte die Beute jedoch erheblich zu klein sein, so kann sie zwischen den noch leicht geöffneten Borsten ins Freie gelangen und die Pflanze erspart sich aufwändige Verdauungsprozesse, die zum Ertrag in keiner Relation stehen. Des Weiteren überprüfen nach dem Zuklappen chemische und Bewegungsrezeptoren, ob die gefangene Beute tatsächlich verwertbar ist. Erst wenn diese einen entsprechenden Reiz weitergegeben haben, wird die Falle vollständig verschlossen, anderenfalls öffnet sie sich nach einigen Stunden bis zu einem Tag wieder. Wenn jedoch verwertbare Beute gefangen wurde, wird der Verschluss in der Folgezeit durch Wachstum noch verstärkt, um so die Falle vollständig zu versiegeln und ein Auslaufen von Flüssigkeit während der nun folgenden Verdauung zu verhindern. Dieses Wachstum kann zu einer Vergrößerung der Falle um bis zu 10 % nach der Verdauung führen. Aus kleinen, sitzenden [[Drüse]]n wird jetzt ein Verdauungssekret ausgeschieden, das [[Amylase]]n, [[Esterase]]n, [[Phosphatase]]n, [[Protease]]n, [[Ribonuklease]]n und in kleinen Spuren auch [[Chitinase]]n enthält. Damit verdauen die Pflanzen die gefangenen Insekten und nehmen die gelösten Nährstoffe durch Zellen auf; übrig bleiben unverdaute Reste wie [[Chitin]]panzer und Beine. Die Verdauung kann je nach Größe der Beute bis zu zehn Tage andauern, dann öffnet sich die Falle wieder und ist erneut einsatzbereit, nachdem die unverdaulichen Reste vom Regen oder Wind entfernt wurden. Eine Falle schließt sich jedoch höchstens sieben Mal, dann stirbt das Blatt mit der Falle ab. [[Datei:dionaea_muscipula_bluete.jpeg|thumb|Blüte einer Venusfliegenfalle]] === Blüten === Die Pflanze bildet im Frühjahr einen bis zu 30&nbsp;Zentimeter hohen Stängel aus, der verhindert, dass [[Bestäubung|Bestäuber]] in die Fallen gelangen und verdaut werden. Dieser Stängel trägt mehrere weiße [[radiär]]e, zwittrige [[Blüte]]n, die fünfzählig sind und einen Durchmesser von bis zu drei Zentimetern haben. Jede Blüte hat fünf grünliche Kelchblätter ([[Sepalen]]) und fünf nicht überlappende, weiße Kronblätter ([[Petalen]]). === Frucht und Samen === Die Pflanzen sind nicht immer selbstbefruchtend, die sich ausbildenden länglichen [[Kapselfrucht|Samenkapseln]] enthalten zahlreiche feine, schwarze Samen. Die Samen sind [[Keimung|licht-]] und [[Kaltkeimung|kaltkeimend]]. == Verbreitungsgebiet == [[Datei:Venus_usa.JPG|thumb|Natürliches Vorkommen der Venusfliegenfalle]] Die Pflanze ist ausschließlich in den [[Pocosin]]-Mooren der [[Vereinigte Staaten|amerikanischen]] Bundesstaaten [[North Carolina|North]] und [[South Carolina]] beheimatet, in einem Umkreis von rund 100 Kilometern um die Stadt [[Wilmington (North Carolina)|Wilmington]]. Im Nordwesten [[Florida]]s ist sie eingebürgert.<ref>[http://www.plantatlas.usf.edu/main.asp?plantID=1651 Zu den Vorkommen in Florida] (Englisch)</ref> == Lebensraum == Die Venusfliegenfalle wächst an dauerfeuchten, sonnigen und offenen Standorten auf nährstoffarmem, sandigem Boden bei Temperaturen, die im Winter bis zu −10&nbsp;°C und im Sommer bis zu 40&nbsp;°C reichen. Im Sommer kommt es regelmäßig zu [[Buschfeuer]]n, welche die Pflanze oberirdisch zerstören. Sie treibt aber anschließend aus dem Rhizom wieder aus und findet in der durch den Brand gelichteten Vegetation ideale Bedingungen vor. Ein längeres Ausbleiben der Feuer führt zur Überwucherung der Venusfliegenfalle durch die umgebende Vegetation und schließlich zu ihrem Absterben durch Lichtmangel. == Gefährdung und Status == Die Venusfliegenfalle war lange Zeit in ihrem Bestand gefährdet, zum einen durch die Zerstörung ihres Lebensraumes (Trockenlegung zu Bauzwecken), vor allem aber von den 1950er bis in die 1970er Jahre durch kommerzielle Absammlungen. Erst mit der Unterschutzstellung durch den ''North Carolina Plant Protection and Conservation Act'' und der nachfolgenden weltweiten Massenproduktion der Pflanze in Laboren konnte der Sammeldruck von der Art genommen werden. Heute genießt die Pflanze den besonderen Status einer ''Special Concern Not Endangered or Threatened Plant Species'' (zu deutsch ungefähr: Unbedrohte und ungefährdete Pflanzenart von besonderer Bedeutung), auch international ist sie geschützt, seit 1992 weltweit durch das [[Washingtoner Artenschutzabkommen]] (Anhang II), seit 1997 in der [[EU]] durch EC Reg. 338/97, 2000 wurde die Art durch die [[IUCN]] als ''Vulnerable'' auf die Rote Liste gesetzt. Zwar wird durch diese Unterschutzstellungen ein Wiederaufflammen der Sammlungen verhindert, durch den unveränderten Siedlungsdruck und die Bekämpfung von Buschfeuern ist die Zahl der Pflanzen aber weiter rückgängig. Bereits 1969 wurde südlich von Wilmington der ''Carolina Beach State Park'' gegründet, dessen besonderer Schwerpunkt die dort heimischen Karnivorenarten sind, neben [[Sonnentau]], [[Fettkräuter]]n, [[Schlauchpflanzen]] und [[Wasserschläuche]]n gilt der besondere Augenmerk eben der Venusfliegenfalle. == Systematik == Die [[Gattung (Biologie)|Gattung]] ''Dionaea'' ist [[monotypisch]], das heißt, sie enthält nur die eine [[Art (Biologie)|Art]] ''Dionaea muscipula''. Es sind keine Unterarten oder Varietäten der Venusfliegenfalle bekannt. Innerhalb der Sonnentaugewächse gilt sie als die basalste Art; ihre nächsten Verwandten sind der [[Königs-Sonnentau]] (''Drosera regia'') und die [[Wasserfalle]] (''Aldrovanda vesiculosa'').<ref>Fernando Rivadavia, Katsuhiko Kondo, Masahiro Kato, Mitsuyasu Hasebe: ''Phylogeny of the sundews, 'Drosera' (Droseraceae), based on chloroplast rbcL and nuclear 18S ribosomal DNA Sequences.'' in: ''American Journal of Botany.'' Columbus Ohio 90.2003, 123-130. ([http://www.amjbot.org/cgi/content/full/90/1/123 PDF Online]) {{ISSN|0002-9122}}</ref> == Botanische Geschichte == [[Datei:Drawing_of_Venus_Flytrap.jpg|thumb|Coloriertes Bild aus dem Jahr 1790 einer Venusfliegenfalle von William Curtis]] Die Pflanze wurde erstmals am 2. April 1759 in einem Brief des damaligen Gouverneurs von [[North Carolina]], [[Arthur Dobbs]], an den Botaniker [[Peter Collinson]], Mitglied der Royal Society, in London erwähnt. Collinson bat mehrfach um Samen oder lebende Pflanzen, aber erst 1768 brachte [[William Young (Botaniker)|William Young]] Pflanzen und Saatgut nach England, wo sie Collinson und [[Daniel Solander]] endlich zur Verfügung gestellt wurden (allerdings starb Collinson, bevor er sie in Augenschein nehmen konnte). Solander nannte die Pflanze ''Dionaea crinita'', und als im August 1768 erstmals eines seiner Exemplare blühte, ermöglichte er seinem Freund John Ellis, die Pflanze zu begutachten. Am 1. September 1768 erschien die Beschreibung der von Ellis mittlerweile ''Dionaea muscipula'' getauften Pflanze im ''St. James’s Chronicle''. Der botanische Name ''Dionaea muscipula'' stellt vermutlich ein Wortspiel dar. Der Gattungsname ''Dionaea'' verweist auf [[Dione (Mythologie)|Dione]], die Mutter der [[Venus (Mythologie)|Venus]]; das [[Epitheton]] ''muscipula'' bedeutet wörtlich jedoch Mausefalle, eine derbe Anspielung auf die vermeintliche Ähnlichkeit der Blätter mit der [[Vagina]]. Gegen einen denkbaren Rechtschreibfehler (''mus'''ci'''pula'' = Mausefalle, ''mus'''cici'''pula'' = Fliegenfalle) spricht, dass bereits Ellis in der Erstbeschreibung sich über die Bedeutung des Begriffs im Klaren ist, nicht umsonst sprach man im englischen Sprachraum auch von „''Aphrodite’s Mousetrap''“. <ref>{{BibISBN|0863141765}}</ref> Einen Brief, mit dem Ellis die Pflanze [[Carl von Linné]] vorstellte, begleitet von einer Skizze und Pflanzenmaterial sowie ersten Verweisen auf die Karnivorie, beschied dieser abschlägig. Zwar erkannte er Beschreibung und Zeichnung an, verwarf aber den Gedanken der Karnivorie mit Verweis auf [[1. Buch Mose|Genesis]] 1,29f., nach der Pflanzen Mensch und Tier zur Speise dienen sollen, aber eben nicht umgekehrt. Die Annahme der Karnivorie sei daher blasphemisch. Erst [[Charles Darwin]] brach in seinem 1875 veröffentlichten Buch ''[[Insectivorous Plants]]'' mit diesem Dogma. In diesem Werk berücksichtigte er auch die Venusfliegenfalle und wies ihre Karnivorie nach. == Kulturgeschichte == Die spektakuläre Gestalt und die ungewöhnliche Jagdmethode der Pflanze hat bereits früh nach ihrer Beschreibung die Menschen beschäftigt. Bereits [[Thomas Jefferson]] und [[Joséphine de Beauharnais|Kaiserin Joséphine]] kultivierten Exemplare der Pflanze. 1800 findet sich eine Darstellung von ihr auf einem Dessertteller der [[Königliche Porzellan-Manufaktur Berlin|Königlichen Porzellan-Manufaktur Berlin]]. Im zwanzigsten Jahrhundert erlebte die Venusfliegenfalle 1960 mit [[Roger Corman]]s Film ''[[Kleiner Laden voller Schrecken]]'' (im Original: ''Little Shop of Horrors'') eine enorme Steigerung ihrer Bekanntheit und wurde ein Teil der Populärkultur; der Film diente seither zahlreichen Neuinszenierungen als Vorlage, unter anderem dem Musical ''[[Der kleine Horrorladen (Musical)|Der kleine Horrorladen]]'' und einem Bühnenstück. Seither finden sich Darstellungen der Venusfliegenfallen oder optisch an sie angelehnter Charaktere in zahlreichen Filmen, Comics, Videospielen oder als Spielzeuge, aber auch auf Motivbriefmarken, Kleidungsstücken, Sonnenbrillen, Tafelgeschirr und selbst als Namensgeberin für Technostücke (''Venus Fly Trap'' auf ''Storm The Funk'' von Too Funk, 1995). == Verwendung == Venusfliegenfallen sind die meistkultivierten Karnivoren überhaupt, sie sind beliebte [[Zierpflanze]]n und selbst in Baumärkten oder Supermärkten erhältlich. Obwohl die Gattung monotypisch ist, kam es in den letzten Jahrzehnten durch intensive Zucht zu zahlreichen [[Cultivar]]en. Registriert sind derzeit: [[Datei:Dionaea muscipula akai ryu.jpg|thumb|Venusfliegenfalle, Kultivar 'Akai Ryu']] * ''Dionaea'' 'Akai Ryu' {R.Gagliardo} * ''Dionaea'' 'Big Mouth' {T.Camilleri} * ''Dionaea'' 'Clayton's Red Sunset' {C.Clayton} * ''Dionaea'' 'Clumping Cultivar' {D'Amato} * ''Dionaea'' 'Dentate' {D'Amato} * ''Dionaea'' 'Dentate Traps' {B.Meyers-Rice} * ''Dionaea'' 'Dente' {D'Amato} * ''Dionaea'' 'Fused Tooth' {D'Amato} * ''Dionaea'' 'Jaws' {L.Song} * ''Dionaea'' 'Kinchyaku' {K.Kondo} * ''Dionaea'' 'Red Piranha' {E.Read} * ''Dionaea'' 'Red Rosetted' {D'Amato} * ''Dionaea'' 'Royal Red' {AUPBR 464} * ''Dionaea'' 'Sawtooth' {B.Meyers-Rice} Eine inoffizielle Liste führt jedoch weit mehr Sorten an <ref>[http://dionea.homestead.com/mutate.html Varietäten-Liste] (Englisch) Informationen] (Englisch)</ref>: {| width="100%" | valign="top" width="33%" | * 'Albino' * 'All Green' * 'All Red' * 'Akai Ryu' * 'Red Dragon' * 'Atlanta' * 'Bart Simpson' * 'Blood Red Traps' * 'Bear Trap' * 'Big Mouth' * 'Big Traps' * 'Burbanks Best' * 'Chunky' * 'Clam' * 'Clamshell' * 'Claytons Volcanic Red' * 'Cotton Mouth' * 'Crossed Teeth' * 'Cupped' | valign="top" width="33%" | * 'Dentata' * 'Dente' * 'Dingley Red Giant' * 'Dutch' * 'Fang' * 'Fast' * 'Filiformis' * 'Fine Tooth' X 'Red' * 'Fused Teeth' * 'Gezackt' * 'Giant' * 'Green Dragon' * 'Jaws' * 'Low Giant' * 'Low Round' * 'Paradisia' * 'Pink Venus' * 'Pompom' * 'Prostrate' | valign="top" width="33%" | * 'Red Band And Teeth' * 'Red Jaws' * 'Red Lines' * 'Red Piranha' * 'Red-Purple' * 'Red Rosetted' * 'Red Sunset' * 'Regal Red' * 'Royal Red' (PBR.No.464) * 'Sawtooth' * 'Sharks Teeth' * 'South West Giant' * 'Triffid Traps' * 'Typical' * 'Variegated' * 'Vigorous' * 'Wacky Traps' * 'White' * 'Yellow' |} == Literatur == * {{BibISBN|3800141442}} * Ludwig Diels: ''Droseraceae.'' in: A. Engler (Hrsg.): ''Pflanzenreich.'' Engelmann, Leipzig, Akademie-Verlag, Berlin 1906,26, 109-112. * {{BibISBN|382741010X}} * [http://www.honda-e.com/IPW_2_TitlePages/T-4VenusFlytrap.htm Umfangreiche Informationen auf ''Carnivorous Plants.com'' von Makoto Honda] (englisch) == Einzelnachweise == <references /> == Weblinks == {{Commons|Dionaea muscipula|Venusfliegenfalle (''Dionaea muscipula'')}} {{Exzellent}} [[Kategorie:Sonnentaugewächse]] [[Kategorie:Fleischfressende Pflanze]] {{Link GA|zh}} [[ar:خناق الذباب]] [[az:Milçəkqapan bitkisi]] [[bg:Мухоловка]] [[bn:ভেনাস ফ্লাইট্র্যাপ (উদ্ভিদ)]] [[cs:Mucholapka podivná]] [[da:Fluefanger]] [[el:Διωναία]] [[en:Venus Flytrap]] [[eo:Muŝkaptulo (planto)]] [[es:Dionaea muscipula]] [[fi:Kärpäsloukku]] [[fr:Dionée attrape-mouche]] [[he:דיונאה]] [[hr:Venerina muholovka]] [[hsb:Muchowy rybork]] [[hu:Vénusz légycsapója]] [[is:Venusargildra]] [[it:Dionaea muscipula]] [[ja:ハエトリグサ]] [[ka:ვენერას ბუზიჭერია]] [[ko:파리지옥]] [[la:Dionaea muscipula]] [[lt:Jautrusis musėkautas]] [[nl:Venusvliegenvanger]] [[no:Venusfluefanger]] [[pl:Muchołówka]] [[pt:Dioneia]] [[ro:Dionaea muscipula]] [[ru:Венерина мухоловка]] [[simple:Venus Flytrap]] [[sv:Venus flugfälla]] [[te:డయోనియా]] [[th:กาบหอยแครง]] [[tr:Sinekkapan bitkisi]] [[zh:捕蠅草]] px201gyzk4qk1gh54nmhragcdpras31 wikitext text/x-wiki Verbal Behavior 0 24432 27031 2010-05-03T07:29:53Z Oskar Ferbola 0 /* Die multiple Kontrolle sprachlichen Verhaltens */tipo '''Verbal Behavior''' ist der Titel eines Buches von [[Burrhus Frederic Skinner]]. ''Verbal Behavior'' erschien 1957 und ist eine [[Theorie|theoretische]] Analyse des [[Sprache|sprachlichen]] [[Verhalten (Biologie)|Verhaltens]] aus der [[naturwissenschaft]]lichen Sichtweise der [[Verhaltensanalyse]]. Sprachliches Verhalten, so Skinner (1957), unterliegt denselben Gesetzmäßigkeiten wie anderes Verhalten auch. Sprachliches Verhalten zeichnet sich dadurch aus, dass es nicht durch die physikalische Umwelt direkt, sondern nur indirekt durch das Verhalten anderer Menschen [[Verstärkung (Psychologie)|verstärkt]] wird. Das Buch gilt als eines der bedeutendsten Werke des [[Behaviorismus]]. Dennoch wird ''Verbal Behavior'' in der [[Psychologie]] vor allem unter [[Geschichte der Psychologie|historischen]] Gesichtspunkten betrachtet, der eigentliche Inhalt des Buches wird kaum zur Kenntnis genommen. Eine Übersetzung des Buches ins Deutsche ist bislang noch nicht erschienen. Beinahe ebenso bekannt wie ''Verbal Behavior'' selbst ist die Besprechung des Buches durch den Sprachwissenschaftler [[Noam Chomsky]] von 1959<ref name="NC">Noam Chomsky: ''[http://cogprints.org/1148/00/chomsky.htm Verbal Behavior. By B. F. Skinner]''. In: ''Language''. New York 35.1959, H.1, S.26–58.</ref>, die als eine der Initialzündungen des [[Kognitionspsychologie|Kognitivismus]] gilt und in der Psychologie die sogenannte [[kognitive Wende]] einleitete. == Überblick == Skinner definiert zunächst sprachliches Verhalten und erläutert die Anwendung des verhaltensanalytischen Begriffsapparates auf den Bereich der Sprache. Sodann werden ausführlich die verschiedenen Arten [[Verbal Behavior#Das verbale Operant – Die Einheit sprachlichen Verhaltens|verbaler Operanten]] (das sind die Einheiten sprachlichen Verhaltens) vorgestellt und erläutert. Die [[Generalisierungsgradient|Generalisation]] und [[Diskrimination]] von sprachlichem Verhalten bewirkt die Formung neuer und komplexerer Formen sprachlichen Verhaltens. Besonderes Gewicht legt Skinner auf die [[Verbal Behavior#Die multiple Kontrolle sprachlichen Verhaltens|multikausale Verursachung von Sprechakten]]: Verbales Verhalten wird nur selten durch einen der von Skinner beschriebenen Prozesse alleine ausgelöst, auch können die Variablen des sprachlichen Verhaltens mehr als ein Verhalten kontrollieren. Unter der Überschrift [[Verbal Behavior#Das Autoclitic|Autoklitisches Verhalten]] erläutert Skinner, wie das eigene sprachliche Verhalten des Sprechers das sprachliche Verhalten kontrolliert. Zuletzt beschreibt Skinner die Selbstkontrolle sprachlichen Verhaltens, d.&nbsp;h. wie das sprachliche Verhalten des Sprechers durch sein anderes Verhalten kontrolliert wird. Dabei fasst Skinner auch das Denken als Verhalten auf. Skinner führt hier vieles aus, was er in ''Wissenschaft und menschliches Verhalten''<ref name=„WM“>Burrhus Frederic Skinner: ''Wissenschaft und menschliches Verhalten''. Kindler, München 1982, ISBN 3-463-00562-X.</ref> (original ''Science and Human Behavior''<ref name="SHB">Burrhus Frederic Skinner: ''[http://www.bfskinner.org/f/Science_and_Human_Behavior.pdf Science and Human Behavior]''. The Free Press, New York 1953. ISBN 0-02-929040-6 (PDF, 1,7 MB)</ref>) nur anreißt. Das Buch beinhaltet jedoch keine neuen Gesetze des Verhaltens, die nur der Erklärung sprachlichen Verhaltens dienten. Die einzigen neuen Begriffe, die Skinner einführt, sind die grundlegenden [[Verbal Behavior#Das verbale Operant – Die Einheit sprachlichen Verhaltens|verbalen Operanten]] ([[Verbal Behavior#Das Mand|Mand]] und [[Verbal Behavior#Das Tact|Tact]], [[Verbal Behavior#Das Echoic|echoisches]] und [[Verbal Behavior#Das Textuale|textuales]], [[Verbal Behavior#Das Intraverbale|intraverbales]] Verhalten sowie das [[Verbal Behavior#Das Autoclitic|Autoclitic]]). In [[Wissenschaftstheorie|wissenschaftstheoretischer]] Hinsicht ist ''Verbal Behavior'' also eine [[Ockhams Rasiermesser|sparsame]] Theorie. Skinner illustriert seine Annahmen im Lauf des Buches mit vielen hunderten Beispielen. Ein Verständnis des Inhalts von ''Verbal Behavior'' ist ohne grundlegende Kenntnisse der Verhaltensanalyse nur schwer möglich (wobei Skinner ein gut lesbares Englisch schreibt). Insbesondere der Versuch, ''Verbal Behavior'' mit dem traditionellen Verständnis des Phänomens ''Sprache'' im Hinterkopf zu verstehen, scheitert, da der verhaltenswissenschaftliche Ansatz hier eher kontraintuitiv ist. Auch dieser Artikel kann nur einen knappen Einblick in das Thema geben. Vor allem Skinners Erklärung komplexeren sprachlichen Verhaltens sprengt den Rahmen eines Enzyklopädieeintrages. == Voraussetzungen == Skinner<ref name=„BOO“>Burrhus Frederic Skinner: ''The Behavior of Organisms''. Appleton-Century-Crofts, New York 1938. ISBN 1-58390-007-1</ref><ref name="SHB">Burrhus Frederic Skinner: ''[http://www.bfskinner.org/f/Science_and_Human_Behavior.pdf Science and Human Behavior]''. The Free Press, New York 1953 (PDF, 1,7 MB). ISBN 0-02-929040-6</ref> ist einer der Begründer der [[Verhaltensanalyse]]. In ''Verbal Behavior'' wendet er die in Experimenten an Tieren und Menschen gewonnenen Erkenntnisse der Verhaltensanalyse auf das sprachliche Verhalten an. [[Verhalten (Biologie)|Verhalten]] unterliegt aus verhaltensanalytischer Sicht der Kontrolle durch die Umwelt, oder anders formuliert: Verhalten wird von der (gegenwärtigen und vergangenen) Umwelt des Organismus geformt. Dabei ist zu unterscheiden zwischen der * ''Stimuluskontrolle'' – Womit der Einfluss aller Ereignisse in der Umwelt des Organismus gemeint ist, die zeitlich vor dem Verhalten stattfinden, also der vorausgehenden Bedingungen des Verhaltens (''Antecedents'') und der * ''Verstärkerkontrolle'' – Damit ist der Einfluss der dem Verhalten zeitlich nachfolgenden Umweltereignisse gemeint, also der ''Konsequenzen'' des Verhaltens (''Consequences''). Mit Hilfe des ''ABC-Modells'' (das „B“ steht für ''Behavior'', also Verhalten) kann die Form und die Häufigkeit von Verhalten erklärt werden: :: A → B → C Man spricht hier auch von der ''Dreifachkontingenz'' (''three-term-contingency'') des Verhaltens. Vereinfacht lässt sich die Kernaussage dieses Modells so umschreiben: Verhalten wird von vorausgehenden Bedingungen (der Situation, den ''Stimuli'') ausgelöst und von Konsequenzen ([[Verstärkung (Psychologie)|Verstärkern]]) aufrechterhalten. Der Begriff der Kontrolle gibt zu dem Missverständnis Anlass, dass sich der Organismus aus Sicht der Verhaltensanalyse gewissermaßen mechanisch und fremdgesteuert verhält. Skinner betont jedoch die Aktivität des Organismus: Das ([[Konditionierung|operante]]) Verhalten des Organismus ist der Ausgangspunkt. Skinner drückt dies in der Einleitung so aus: {{Zitat-en|Men act upon the world, and change it, and are changed in turn by the consequences of their action.|Burrhus Frederic Skinner|Verbal Behavior, S. 1|Übersetzung=Menschen verhalten sich in der Welt und verändern sie. Im Gegenzug werden sie von den Konsequenzen ihrer Handlungen verändert.}} == Definition == * Skinner definiert sprachliches Verhalten als ''Verhalten, welches nicht direkt auf die physikalische Umwelt einwirkt, sondern nur durch das Verhalten eines anderen Menschen einen Effekt hat'' („Behavior which is effective only through the mediation of other persons“, S. 2). Wenn jemand durstig ist, kann er sich ein Glas Wasser holen oder zu einer anderen Person sagen „Bitte gib mir Wasser“. Letzteres Verhalten (zu sagen „Bitte gib mir Wasser“) führt nur dann zu einer Verstärkung, wenn jemand anderes (ein ''Zuhörer'') etwas tut (das Wasser bringt). Der Zuhörer muss dabei auf die Verstärkung sprachlichen Verhaltens (nicht unbedingt explizit) trainiert worden sein, er muss also Mitglied derselben ''Sprachgemeinschaft'' sein wie der Sprecher. Ein Beispiel zeigt, wie weit Skinners Definition gefasst ist: Eine Taube, die in einem verhaltenswissenschaftlichen Experiment gelernt hat, auf einen Schalter zu picken, wenn eine grüne Scheibe sichtbar ist, wird ebenfalls nicht direkt durch die physikalische Umwelt verstärkt, sondern von einem „Zuhörer“, dem Experimentator, der darauf trainiert worden ist, das Verhalten der Taube im gegebenen Fall zu verstärken (indem er ihr z.&nbsp;B. eine Futterkugel gibt). Das Picken der Taube ist demnach ein sprachliches Verhalten. Gegen Skinners Definition wird zuweilen eingewendet<ref name=„HAYES“>Steven C. Hayes, John T. Blackledge, Dermond Barnes-Holmes: ''Language and cognition: Constructing an alternative approach within the behavioral tradition''. In: Steven C. Hayes, Dermond Barnes-Holmes, Bryan Roche (Hrsg.): ''Relational Frame Theory: A Post-Skinnerian Account of Human Language and Cognition''. Kluwer Academic / Plenum, New York 2001, ISBN 0-306-46600-7, S. 3–20. </ref>, dass sie nicht erlaubt, sprachliches Verhalten von anderem sozialen Verhalten zu unterscheiden. Zudem benötigt man Informationen über die Lerngeschichte einer anderen Person als des Sprechers (nämlich des Zuhörers), um die Definition anzuwenden. Eine klare Definition von sprachlichem Verhalten ist jedoch (nach Matthew Normand<ref name=„NORM“>Matthew P. Normand: ''Much ado about nothing? Some comments on B. F. Skinner’s definition of verbal behavior''. In: ''The Behavior Analyst''. Kalamazoo Mich 32.2009, H.1, S.185–190. {{ISSN|0738-6729}}</ref>) genauso wenig möglich wie von [[Aggression|aggressivem Verhalten]]. Skinners zentrale Aussage lautet, dass sich sprachliches Verhalten nicht wesentlich von anderem Verhalten unterscheidet. Wenn die Definition neben dem, was man üblicherweise als Sprache auffasst, auch einige Fälle beinhaltet, die der Laie eher als soziales Verhalten bezeichnen würde, so sei dies kein Mangel. Aus Skinners Definition geht zudem hervor, dass sprachliches Verhalten nicht auf eine bestimmte Form (bzw. ein [[Medium]]) beschränkt ist. Die häufigste Form sprachlichen Verhaltens ist das Sprechen (''vokales'' Verhalten), welches zudem den geringsten Einfluss auf die physische Umwelt hat (nur selten, so Skinner, gelingt es, durch Sprechen die Mauern von Jericho einstürzen zu lassen oder die Sonne in ihrem Lauf aufzuhalten, S. 2). Hinzu kommen die verschiedensten Formen von [[Schrift|geschriebener]] Sprache und [[Gebärdensprache|Zeichensprache]]; auch Sprachen, bei denen der „Sprecher“ die Haut der „Zuhörers“ berührt, gibt es ([[Lormen]]). Hörbare Formen sprachlichen Verhaltens können auch das Klatschen der Hände (im Theater) oder das Blasen eines Horns (in der Schlacht) sein. Auch der Mann am [[Telegrafie|Telegrafen]] verhält sich nach Skinner sprachlich, wenn er seine Hand bewegt, ebenso, wer auf Tafeln mit Worten deutet – immer vorausgesetzt, dass dieses Verhalten das Verhalten einer anderen Person verändert. Skinner grenzt sich mit dieser Definition von der [[Allgemeine Linguistik|linguistischen]] Sicht auf das Problem [[Sprache]] ab: Linguisten beschäftigen sich seltener mit dem sprachlichen Verhalten (oder dem ''sprachlichen Handeln'') einer einzelnen Person, sondern sie untersuchen meist ''Sprachen'' (also das abstrahierte sprachliche Verhalten vieler Menschen). Traditionellerweise wird auch angenommen, dass sprachliches Verhalten (wie anderes Verhalten auch) nur durch Ereignisse innerhalb des Organismus erklärt werden kann: Sprache dient demnach dazu, „Ideen“ (oder „[[Bedeutung]]“ oder „[[Information]]“) auszudrücken. Skinner dagegen sieht die „Bedeutung“ dessen, was gesagt wird, außerhalb des Organismus (in den Beziehungen zwischen Umweltereignissen und Verhalten). Skinners Auffassung von Sprache wurde deshalb schon mit der von [[Ludwig Wittgenstein]]<ref name=„LW“>Ludwig Wittgenstein: ''[[Philosophische Untersuchungen]]''. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Frankfurt a. M. 2001. ISBN 3-518-22372-0</ref> („Die Bedeutung eines Wortes ist sein Gebrauch in der Sprache“) verglichen<ref name="Day1">Willard F. Day: ''[http://www.pubmedcentral.nih.gov/picrender.fcgi?artid=1338612&blobtype=pdf On certain similarities between the Philosophical Investigations of L. Wittgenstein and the operationism of B. F. Skinner]''. In: ''Journal of the Experimental Analysis of Behavior''. Indianapolis 12.1969, H. 3, S.489–506 (PDF, 3,0 MB). {{ISSN|0022-5002}}</ref><ref name="Day2">Willard F. Day: ''[http://www.pubmedcentral.nih.gov/picrender.fcgi?artid=1338563&blobtype=pdf Radical behaviorism in reconciliation with phenomenology]''. In: ''Journal of the Experimental Analysis of Behavior''. Indianapolis 12.1969, H.2, S.315–328 (PDF 2,3MB). {{ISSN|0022-5002}}</ref><ref name="Kripke">Saul A. Kripke: ''Wittgenstein on Rules and Private Language. An Elementary Exposition''. Harvard University Press, Cambridge MA 1982. ISBN 0-674-95401-7</ref>. == Grundlagen == === Das verbale Operant – Die Einheit sprachlichen Verhaltens === Sprachliches Verhalten tritt als ein Fluss auf: Zum Zweck der Untersuchung muss es in Einheiten untergliedert werden. Die traditionellen Einheiten ''Wort'', ''Satz'' usw. böten sich hier an. Skinner benötigt jedoch eine Einheit, die eindeutig identifizierbar ist und die mit bestimmten unabhängigen Variablen in einem ''funktionalen'' (d.&nbsp;h. regelhaften) ''Zusammenhang'' steht. Der Verhaltensanalytiker legt die Einheit des Verhaltens (das ''Operant''), das er untersucht, nicht von vornherein fest, sondern danach, ob sie als Funktion einer bestimmten anderen [[Variable]] (z.&nbsp;B. Umweltvariable) auftritt. Das kann für den Fall des verbalen Operanten bedeuten, dass diese Einheit sowohl ein so geringfügiges Merkmal wie eine Betonung oder ein einzelner Laut als auch eine vollständige Redewendung oder ein Satz (wie etwa „was du heute kannst besorgen, das verschiebe nicht auf morgen“) sein kann. – Immer vorausgesetzt, das verbale Operant variiert mit einer anderen Variable, d.&nbsp;h. es steht mit ihr in einem funktionalen Zusammenhang. Ein Beispiel: Wenn das Setzen oder Weglassen eines Akzents bewirkt, dass das sprachliche Verhalten verstärkt wird oder nicht, dann ist der Akzent die relevante Untersuchungseinheit. Dies widerspricht natürlich stark den Gepflogenheiten in der Sprachwissenschaft. Jedoch ist diese Definition von ''verbalem Operant'' (jedes Stück sprachlichen Verhaltens, das in einem funktionalen Zusammenhang zu einer anderen Variable steht) eine Konsequenz der Übertragung der Methoden der Verhaltensanalyse auf den Bereich sprachlichen Verhaltens. Verbale Operanten sind nicht gleichbedeutend mit [[Wort|Wörtern]]. Sie sind vielmehr individuelles Verhalten einer bestimmten Person in einem bestimmten Kontext. „Wörter“ dagegen sind Elemente eines abstrakten Systems [[Sprache]]. Im Gegensatz zu vielen Linguisten geht Skinner nicht davon aus, dass mit dem Wort eine [[Bedeutung]] erworben wird, sondern dass jedes sprachliche Verhalten einzigartige vorausgehende Bedingungen und Konsequenzen hat. Jedes verbale Operant muss daher einzeln als das Produkt einer bestimmten Situation betrachtet werden, als abhängig von den Umweltbedingungen, welche kontrollieren, ob und wann das Operant geäußert wird. Die Fähigkeit eines Kindes, „Keks“ zu sagen, wenn das Kind den Keks sieht (diese Äußerung bezeichnet Skinner als [[Verbal Behavior#Das Tact|Tact]]) ist von der Fähigkeit, „Keks“ zu sagen, wenn es hungrig ist (von Skinner als [[Verbal Behavior#Das Mand|Mand]] bezeichnet), verschieden. Die verbalen Operanten sind also ''funktional unabhängig'' (auch wenn sich ihre Form gleicht). Die Vermutung Skinners, dass verbale Operanten funktional unabhängig erworben werden, ist mittlerweile vielfach experimentell bestätigt worden<ref name="LAMARRE">Jennifer Lamarre, James G. Holland: ''[http://www.pubmedcentral.nih.gov/picrender.fcgi?artid=1348092&blobtype=pdf The functional independence of mands and tacts]''. In: ''Journal of the Experimental Analysis of Behavior.'' Indianapolis 43.1985, H.1, S.5–19 (PDF 1,99MB). {{ISSN|0022-5002}}</ref><ref name="SAVAGE">E. Sue Savage-Rumbaugh: ''[http://www.pubmedcentral.nih.gov/picrender.fcgi?artid=1348036&blobtype=pdf Verbal behavior at a procedural level in the chimpanzee]''. In: ''Journal of the Experimental Analysis of Behavior.'' Indianapolis 41.1984, H.2, S.223–250 (PDF 4,90MB). {{ISSN|0022-5002}}</ref>. Auch die Fähigkeiten zu sprechen und zuzuhören (zu verstehen) sind voneinander funktional unabhängig <ref name="LEE"> Vicki L. Lee: ''[http://www.pubmedcentral.nih.gov/picrender.fcgi?artid=1333041&blobtype=pdf Prepositional phrases spoken and heard]''. In: ''Journal of the Experimental Analysis of Behavior.'' Indianapolis 35.1981, H.2, S.227–242 (PDF 1,94MB). {{ISSN|0022-5002}}</ref>. Eine weitere Untersuchungseinheit ist das ''sprachliche Repertoire''. Damit wird das potenzielle Verhalten das Sprechers bezeichnet. Allerdings ist es genauso unsinnig zu fragen, wo ein verbales Operant ist, wenn es nicht geäußert wird, wie zu fragen, wo der [[Patellarsehnenreflex]] ist, wenn er nicht ausgelöst wird. === Die Wahrscheinlichkeit des Auftretens === Einige verbale Operanten treten mit größerer Wahrscheinlichkeit auf als andere. Die [[Wahrscheinlichkeit]] (im Sinne der ''Auftretenshäufigkeit'') eines verbalen Operanten in einer bestimmten Situation ist die wichtigste interessierende Größe bei der Untersuchung sprachlichen Verhaltens. Gemeint ist nicht die Wahrscheinlichkeit, dass z.&nbsp;B. irgendwann ein bestimmtes Wort gesagt wird (wie sie sich etwa in Worthäufigkeitslisten wiederfinden), sondern die Auftretenswahrscheinlichkeit zu einem bestimmten Zeitpunkt, in einer bestimmten Situation. Man nennt dies auch die ''Stärke'' eines Operanten. == Verbale Operanten == Skinner sieht sprachliches Verhalten im Rahmen des ABC-Modells als bestimmt von vorhergehenden Bedingungen (A wie ''antecendents'') und nachfolgenden Konsequenzen (C wie ''consequences''). Er identifiziert vier verschiedene vorhergehende Bedingungen für sprachliches Verhalten: * Einen Zustand der [[Deprivation]] oder [[Aversion|aversiver]] [[Reiz|Stimulation]], bzw. eine bestimmte etablierende Operation (nach Jack Michael<ref name=„JM“>Jack L. Michael: ''[http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC2733648/pdf/behavan00026-0061.pdf Establishing operations]''. In ''The Behavior Analyst.'' Kalamazoo Mich 16.1993, S.191–206 (PDF 2,72 MB). {{ISSN|0738-6729}}</ref>). Der Begriff ''etablierende Operation'' ist dem von Skinner auch verwendeten „motivationalen Zustand“ vorzuziehen, da er keine Bezüge zu inneren Zuständen des Organismus als Ursache des Verhaltens nahe legt und zudem weiter gefasst ist. * Merkmale der physischen Umwelt * Das sprachliche Verhalten anderer * Das eigene sprachliche Verhalten<br /> Demgegenüber stehen zwei mögliche Konsequenzen: * Konsequenzen, die für eine bestimmte Form der Deprivation oder einen bestimmten aversiven Zustand, eine etablierende Operation spezifisch sind und direkt wirksam sind (sich direkt auf den Sprecher auswirken). * Soziale (oder „erzieherische“) Konsequenzen (also die Reaktion der Zuhörer, z.&nbsp;B. „Stimmt“ oder „Ja“ usw.). Sprachliches Verhalten wird von einer bestimmten Kombination aus vorausgehenden Bedingungen und Konsequenzen kontrolliert. Diese Kombination definiert ein sprachliches Operant. Skinner unterscheidet das ''reine'' verbale Operant von der ''multiplen Kontrolle''. === ''Reine'' verbale Operanten === ==== Das Mand ==== Ein verbales Operant, welches in einer Sprachgemeinschaft üblicherweise eine bestimmte Konsequenz in der Umwelt des Sprechers zur Folge hat, wird von Skinner mit dem Kunstwort ''Mand'' bezeichnet. Er leitet diesen Begriff von Wörtern wie ''demand'' (fordern) und ''command'' (befehlen) ab. * Ein Mand ist ein verbales Operant, welches nur durch eine bestimmte Konsequenz verstärkt wird und das somit unter (funktionaler) Kontrolle der zugehörigen motivationalen Zustände bzw. etablierenden Operationen steht. Im ABC-Modell lässt sich das Mand so beschreiben: * A: Die vorausgehende Bedingung des Mand ist eine bestimmte etablierende Operation. * B: Das Mand. * C: Die Konsequenz des Mand muss spezifisch sein. Beispiel: Eine Person sagt am Imbisstand: „Einmal [[Pommes frites|Pommes]] rot-weiß“ und bekommt diese auch. * A: Die Person hat Hunger (motivationaler Zustand) bzw. schon länger keine Nahrung zu sich genommen (etablierende Operation). * B: „Einmal Pommes rot-weiß“ * C: Die Person bekommt eine Portion Pommes rot-weiß Das sprachliche Verhalten „Einmal Pommes rot-weiß“ ist in diesem Fall ein Mand, da es eine bestimmte etablierende Operation voraussetzt und nur durch eine bestimmte Konsequenz verstärkt wird: Das Verhalten „Einmal Pommes rot-weiß“ wird künftig nur dann in ähnlichen Situationen (also z.&nbsp;B. am selben Imbiss-Stand) häufiger auftreten, wenn es durch eine bestimme Konsequenz (die Pommes rot-weiß) verstärkt wird (nicht aber, wenn eine andere Konsequenz eintritt, die Person hier z.&nbsp;B. keine Pommes rot-weiß bekommt). Ein Mand „bezeichnet“ die erwünschte Verstärkung: „Hör zu!“, „Stop!“, „Sag ja!“ usw. bezeichnen das erwünschte Verhalten des Zuhörers, „Mehr Suppe!“ oder „Salz!“ bezeichnet den Verstärker als solchen. ==== Das Tact ==== Das eigene sprachliche Verhalten und das sprachliche Verhalten anderer ist einer der wichtigsten Auslöser für sprachliches Verhalten. Skinner behandelt diese Fälle als ''echoische'', ''textuale'' und ''intraverbale'' Operanten. Zwei Arten von Stimuli sind üblicherweise ''nonverbal'': Die (Anwesenheit der) Zuhörerschaft und die gesamte physische Umwelt. Skinner verwendet für den Fall, dass die physische Umwelt ein auslösender Stimulus für ein sprachliches Verhalten ist, den Begriff ''Tact''. Er leitet das Wort vom „Kontakt“ (''contact'') ab, in den das Individuum mit der Umwelt tritt. Ein Tact wird definiert als ein verbales Operant, bei dem eine bestimme Verhaltensantwort von einer bestimmten Form durch ein bestimmtes Objekt, ein Merkmal eines Objekts oder Ereignis in der Umwelt des Sprechers hervorgerufen oder zumindest gestärkt wird. Im ABC-Modell lässt sich das Tact so beschreiben: * A: Die vorausgehende Bedingung ist die Anwesenheit eines bestimmen Stimulus (z.&nbsp;B. Objekts). Der Zustand des Organismus bzw. etablierende Operationen sind in diesem Fall nicht relevant. * B: Das Tact. * C: Die Konsequenz ist eine nicht spezifische, soziale Verstärkung des Tact. Während das Mand „Einmal Pommes rot-weiß“ nur durch eine ganz spezifische Konsequenz verstärkt wird, wird ein Takt von generalisierten Verstärkern aufrechterhalten. Beispiel: Ein Kind sieht eine Puppe und sagt „Puppe“. * A: Die Anwesenheit einer Puppe * B: „Puppe“ * C: Die Mutter lobt das Kind (oder lächelt es an oder spricht weiter mit ihm – der Verstärker ist nicht-spezifisch bzw. ein ''generalisierter'' Verstärker). ==== Das Intraverbale ==== Das Intraverbale ist ein sprachliches Verhalten, das von anderem sprachlichen Verhalten ausgelöst wird, in der Form jedoch nicht dem sprachlichen Verhalten des anderen gleicht. Beispiele für Intraverbale sind die Antworten auf Fragen wie „Wo wohnst Du?“, „Was ist zwei plus zwei?“ oder das Fortführen eines Satzes wie „Einigkeit und Recht und…“. Intraverbales Verhalten ist oft recht einfach, zum Beispiel, wenn auf den Stimulus „Wie geht’s?“ die übliche Antwort „Danke, gut!“ folgt. „Small Talk“ ist zum größten Teil intraverbales Verhalten. Es gibt aber auch interessantere Fälle, etwa wenn die Antwort auf „Warum?“ ein Satz ist, der fast immer mit „Weil…“ beginnt. Wenn ein längeres Gedicht vorgetragen wird, kontrolliert ein Teil den jeweils nächsten. Wenn der Sprecher unterbrochen wird, verliert er die Kontrolle. Ebensolches gilt für das Aufsagen des Alphabets, das Zählen und einfaches Addieren und Multiplizieren. ==== Das Echoic ==== Das Echoic ist ein sprachliches Verhalten, das von anderem sprachlichen Verhalten ausgelöst wird, wobei die Form des Verhaltens dem gehörten sprachlichen Verhalten des anderen gleicht. Echoisches Verhalten ist die Wiederholung des Gehörten (oder Teile desselben) durch den Sprecher. Dies geschieht meist ohne dass der Sprecher dazu explizit aufgefordert wurde („Sag: ''XY''!“): es würde sich dann auch nicht um ein ''reines'' Echoic handeln, sondern um ein Intraverbales-Echoic (also um die multiple Kontrolle sprachlichen Verhaltens). Das Echoic schließt in der Regel unmittelbar an das Hören an. Fragmentarisches echoisches Verhalten liegt vor, wenn der Sprecher einen Aspekt der Sprache des anderen übernimmt, etwa seinen Akzent oder einen Manierismus. Oft flüstern wir, wenn der andere flüstert, auch ohne dass wir den Grund für das Flüstern des anderen kennen. Das explizite Fordern einer echoischen Reaktion durch einen anderen ist nur eine Möglichkeit, warum solche Reaktionen gezeigt werden: Der Forderung („Sag: ''Hund''!“) nachzukommen („Hund“), führt zur positiven Reaktion des anderen („Ja, richtig!“) bzw. zur Beendigung einer aversiven Situation (der andere hört damit auf, den Sprecher zum Wiederholen der Äußerung aufzufordern). Man denke hier nur an den Fremdsprachenunterricht: Wem es gelingt, die seltsamen Laute der Lehrerin nachzuahmen, der wird „erlöst“ und steht erst mal nicht mehr im Fokus ihrer Aufmerksamkeit. Daneben gibt es aber auch weniger explizite Formen der Verstärkung echoischen Verhaltens. Man wird für die Wiederholung sprachlichen Verhaltens ab und an verstärkt, zum Beispiel wenn man die Worte, die jemand anderes im Gespräch benutzt, wiederholt: Diese sprachlichen Formen sind oft wirksamer als unsere eigenen Worte, um dem anderen etwas verständlich zu machen. Echoische Reaktionen dienen oft auch als Füllsel, die eine Antwort erleichtert, etwa wenn der Prüfling die Worte des Prüfers noch einmal wiederholt, ehe er die Frage beantwortet: Die aversive Situation, eine Antwort finden zu müssen, wird so vorübergehend vermieden. Echoische Reaktionen dienen auch dazu, das Gehörte besser zu behalten (etwa, wenn man eine gehörte Telefonnummer wiederholt) oder dazu, den anderen aufzufordern, eine Aussage zu wiederholen oder zu erläutern („Hund? Welcher Hund?“). ==== Das Textuale ==== Das Textuale ist eine vokale Reaktion, die unter der Kontrolle eines nicht-auditiven verbalen Stimulus (z.&nbsp;B. eines Textes) steht bzw. von diesem ausgelöst wird. Der Erwerb textualen Verhaltens geschieht meist im erzieherischen Kontext: Eine Person gibt generalisierte konditionierte Verstärker (z.&nbsp;B. Lob), wenn eine vokale Reaktion des Lerners in einem bestimmten Verhältnis zu den Zeichen auf der Seite steht. Aufrechterhalten wird das textuale Verhalten durch die vielen kollateralen Effekte des Lesens. Textuales Verhalten wird automatisch verstärkt, da der Leser aus dem Lesen viele Vorteile zieht (z.&nbsp;B. vor Gefahren gewarnt wird, auf mögliche andere Verstärker hingewiesen wird usw.). Tatsächlich wird das Lesen so stark verstärkt, dass es ein normal-gebildeter Erwachsener gar nicht vermeiden kann, eine Schrift, die er wahrnimmt, auch zu lesen (ein Umstand, den sich die Werbung, z.&nbsp;B. in U-Bahnen oder am Straßenrand, zunutze macht). Textuales Verhalten kann auch durch selbst-erzeugte Stimuli ausgelöst werden: Man erzeugt häufig Texte (notiert sich etwas), um sein eigenes zukünftiges Verhalten zu kontrollieren. ==== Das Autoclitic ==== Das Autoclitic ist das komplexeste aller verbalen Operanten. Es wird vom sprachlichen Verhalten des Sprechers kontrolliert (''autoklitisch'' bedeutet soviel wie „selbst-anlehnend“). Der Einfluss auf das sprachliche Verhalten ist subtil. Man vergleiche die beiden Sätze „Ich denke, es wird regnen“ und „Ich bin sicher, es wird regnen“. „Ich denke“ und „Ich bin sicher“ sind verschiedene Autoclitics, die nichts mit dem Regen (einem Merkmal der physischen Umwelt) zu tun haben, sondern mit einem Aspekt auf Seiten des Sprechers, der sein sprachliches Verhalten kontrolliert. „Ich denke“ und „Ich bin sicher“ sagen dem Zuhörer etwas über die Ausprägung der Überzeugung des Sprechers, dass es regnen wird. Wenn es nicht regnet, wird die Reaktion des Zuhörers gegenüber dem Sprecher anders ausfallen wenn er „Ich denke“ gesagt hat, als wenn er „Ich bin sicher“ gesagt hat. === Überblick über die „reinen“ verbalen Operanten === Die folgende Tabelle (in Anlehnung an Frost und Bondy<ref name =„Frost“>Lori Frost, Andy Bondy: ''A common language, Using B.F. Skinner’s Verbal Behavior for assessment and treatment of communication disabilities in SLP-ABA''. In: ''[http://www.slp-aba.com Journal of Speech and Language Pathology – Applied Behavior Analysis]''. [http://www.behavior-analyst-today.com/SLP-ABA-VOL-1/SLP-ABA-1-2.pdf Bd. 1, 2006, Nr. 2], S. 103–110. {{ISSN|1932-4731}})</ref>) fasst die genannten verbalen Operanten zusammen. {| class="prettytable" !Vorausgehende Bedingung !Verbales Operant !Konsequenz !Beispiel |- |Etablierende Operation |Mand |Direkt wirksam |Das Kind kommt in die Küche, in der die Mutter sitzt, und sagt: '''„Ich will Milch“'''. Die Mutter öffnet den Kühlschrank und gibt dem Kind Milch. |- |Merkmale der physischen Umwelt |Tact |Sozial |Ein Schüler blickt zum Fenster hinaus, wendet sich seinem Lehrer zu und sagt: '''„Heute ist es heiß“'''. Der Lehrer sagt „Stimmt!“. |- |Sprachliches Verhalten anderer |Intraverbal |Sozial |Die Mutter fragt die Tochter: „Welche Note hast Du in Mathematik bekommen?“. Die Tochter antwortet '''„Eine Zwei“'''. Die Mutter sagt: „Sehr schön!“ |- |Sprachliches Verhalten anderer |Echoic |Sozial |Die Lehrerin sagt zum Schüler „Verhalten heißt auf Englisch ''behavior''“. Der Schüler wiederholt '''„Verhalten heißt ''behavior''“'''. Die Lehrerin sagt „Richtig“. |- |Eigenes sprachliches Verhalten |Autoclitic |Direkt wirksam |Das Kind kommt nachts ins Schlafzimmer der Eltern und sagt „'''Ich glaube''', mir ist schlecht“. Die Mutter nimmt das Kind und bringt es ins Badezimmer. |} Daneben kennt Skinner noch einige andere ''reine'' verbale Operanten, so die Transkription (ein Text als Auslöser eigenen Schreibverhaltens) und vor allem verschiedene Erweiterungen des Tact (z.&nbsp;B. die metaphorische Erweiterung oder die Namensgebung). === Die multiple Kontrolle sprachlichen Verhaltens === Reine verbale Operanten sind eher selten, häufiger ist die multiple Kontrolle, bei der verschiedene Kombinationen aus vorausgehenden Bedingungen und Konsequenzen wirksam sind. Beispiel: Ein Lehrer hält das Bild eines Hauses hoch und fragt „Was ist das?“. Das sprachliche Verhalten des Schülers „Ein Haus“ steht nun unter der multiplen Kontrolle der Frage des Lehrers (ein sprachliches Verhalten eines anderen) und des Bildes (eines Merkmals der physischen Umwelt). Die folgende Tabelle (wieder in Anlehnung an Frost und Bondy<ref name =„Frost“>Lori Frost, Andy Bondy: ''A common language: Using B.F. Skinner’s Verbal Behavior for assessment and treatment of communication disabilities in SLP-ABA''. In: ''[http://www.slp-aba.com Journal of Speech and Language Pathology – Applied Behavior Analysis]''. [http://www.behavior-analyst-today.com/SLP-ABA-VOL-1/SLP-ABA-1-2.pdf Bd. 1.2006, H. 2], S. 103–110.)</ref>) listet einige komplexe verbale Operanten auf. {| class="prettytable" !Vorausgehende Bedingung !Verbales Operant !Konsequenz !Beispiel |- | * Etablierende Operation * Merkmale der physischen Umwelt |Mand-Tact |Direkt wirksam; Sozial |Das Kind kommt in die Küche, sieht einen Teller mit Keksen und sagt: '''„Kekse!“'''. Die Mutter gibt dem Kind einen Keks. |- | * Etablierende Operation * Sprachliches Verhalten anderer |Intraverbal-Mand |Direkt wirksam; Sozial |Im Laden, vor den Schulsachen, fragt die Mutter die Tochter „Welche Farbe soll dein Heftumschlag haben?“. Die Tochter antwortet '''„Blau“'''. Die Mutter kauft den blauen Umschlag. |- | * Etablierende Operation * Merkmale der physischen Umwelt * Sprachliches Verhalten anderer |Intraverbal-Mand-Tact |Direkt wirksam; Sozial |Die Mutter zeigt dem Kind einen Ball und fragt das Kind „Was möchtest Du?“. Das Kind antwortet '''„Ball!“'''. Die Mutter gibt dem Kind den Ball. |- | * Merkmale der physischen Umwelt * Sprachliches Verhalten anderer |Intraverbal-Tact |Sozial |Der Vater zeigt dem Kind im Fotoalbum ein Bild und fragt „Wer ist das?“. Das Kind antwortet '''„Mama“'''. |- | * Merkmale der physischen Umwelt * Sprachliches Verhalten anderer |Echoic-Tact |Sozial |Am Fenster stehend und einen Regenschauer beobachtend, sagt der Lehrer „Regen“. Der Schüler wiederholt '''„Regen“'''. |- | * Sprachliches Verhalten anderer |Intraverbal-Echoic |Sozial |Der Therapeut sagt „Was ist zwei plus zwei? – Sag ''vier''“. Das (bspw. autistische) Kind antwortet '''„Vier“''' und der Therapeut sagt „Richtig“. |- | * Merkmale der physischen Umwelt * Sprachliches Verhalten anderer |Echoic-Intraverbal-Tact |Sozial |Der Therapeut hält einen Stift hoch und sagt „Sag ''Stift''!“. Das Kind antwortet '''„Stift“'''. Der Therapeut sagt „Richtig“. |} == Entstehungsgeschichte und Rezeption == Der Impuls für ''Verbal Behavior'' ging 1934 von einer Unterhaltung Skinners mit dem Philosophieprofessor [[Alfred North Whitehead]] bei einem Dinner in [[Harvard University|Harvard]] aus. Skinner legte seine Ansichten dar, bis Whithead ihn aufforderte, doch sein sprachliches Verhalten zu erklären, wenn er jetzt gleich „''No black scorpion is falling upon this table''“ („Kein schwarzer Skorpion fällt jetzt auf diesen Tisch“) sagen werde. Skinner begann noch in der Nacht nach dem Gespräch mit Whitehead die Arbeit an einer verhaltenswissenschaftlichen Interpretation der Sprache. Er widmete einen Großteil des Jahres 1944 diesem Projekt und fasste die Ergebnisse 1947 in einer Vorlesung an der [[Columbia University|Columbia-Universität]]<ref name="Hefferline">Burrhus Frederic Skinner: ''A psychological analysis of verbal behavior. Class notes made by [[Ralph F. Hefferline|R. Hefferline]], Summer, 1947, in a course at Columbia University, given by B. F. Skinner''. [http://www.lcb-online.org/html/34.html Internetressource].</ref><ref name="Knapp1">Terry J. Knapp: The Hefferline notes. B. F. Skinner’s first public exposition of his analysis of verbal behavior. In: ''The Analysis of Verbal Behavior''. Concord Ca 25.2009, S.99–107. {{ISSN|0889-9401}}</ref> und in seiner [[William James]]-Vorlesungsreihe an der Universität Harvard zusammen. Kopien des Vorlesungsskripts kursierten bald unter den Studierenden<ref name="Osgood">C. E. Osgood: ''Language in the objective mode''. In: ''Contemporary Psychology.'' Baltimore 3.1958, S.209–212. {{ISSN|0010-7549}}</ref><ref name="VIRUES">Javier Virues-Ortega: ''[http://www.pubmedcentral.nih.gov/picrender.fcgi?artid=2223151&blobtype=pdf The case against B. F. Skinner 45 years later, An encounter with N. Chomsky]''. In: ''The Behavior Analyst''. Kalamazoo Mich 29.2006, H.2, S.243–251 (PDF 91 KB). {{ISSN|0738-6729}}</ref>. Während eines Forschungsfreisemesters 1955, das Skinner in [[Putney (Vermont)|Putney]] im US-Bundesstaat [[Vermont]] verbrachte, verfasste er den Rohtext von ''Verbal Behavior''. Die Herausforderung Witheheads beantwortete Skinner im letzten Kapitel des Buches. Skinner blieb bei der Abfassung von ''Verbal Behavior'' zwar in der Begrifflichkeit der [[Verhaltensanalyse]], griff aber teilweise auch auf die Terminologie der Linguistik zurück. Dabei orientierte er sich überwiegend an [[Leonard Bloomfield]] <ref name=„BLO“>Leonard Bloomfield: ''Language''. Holt, Rinehart & Winston, New York 1933, 1961.</ref><ref name=„MAT“>Maria Amelia Matos, Maria de Lourdes R. da F. Passos: ''[http://www.pubmedcentral.nih.gov/picrender.fcgi?artid=2223173&blobtype=pdf Linguistic sources of Skinner’s Verbal Behavior]''. In: ''The Behavior Analyst''. Kalamazoo Mich 29.2006, H.1, S.89–107 (PDF 158 KB). {{ISSN|0738-6729}}</ref><ref name=„PAS“>Maria de Lourdes R. da F. Passos, Maria Amelia Matos: ''[http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC2203636/pdf/bhan-30-02-133.pdf The influence of Bloomfield’s linguistics on Skinner]''. In: ''The Behavior Analyst''. Kalamazoo Mich 30.2007, H.2, S.133–151 (PDF, 174 KB). {{ISSN|0738-6729}}</ref>. Skinner betrachtete ''Verbal Behavior'' als sein wichtigstes Werk<ref name=„MOC“>Burrhus Frederic Skinner: ''A Matter of Consequences''. Knopf, New York 1983. ISBN 0-394-53226-0</ref>. Das Erscheinen des Buches fällt jedoch auch mit dem Beginn der sogenannten [[Kognitive Wende|kognitiven Wende]] und der damit verbundenen Abspaltung der Verhaltensanalyse von der [[Psychologie]] zusammen. In der breiten psychologischen Fachöffentlichkeit wurde das Werk daher kaum ernsthaft zu Kenntnis genommen und wird auch heute allenfalls aus Sekundärquellen [[Zitation|zitiert]]<ref name=„IC“> [[Theodor Ickler]]: ''[http://www.verhalten.org/grundlagen/ickler1.html Skinner und Skinner. Ein Theorien-Vergleich]''. In ''Sprache und Kognition''. Göttingen 13.1994, S.221–229. {{ISSN|0253-4533}}</ref>. In ersten Besprechungen wurde das Buch zum Teil positiv, zum Teil gemischt aufgenommen<ref name="Knapp2">T. J. Knapp: ''[http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC2748596/pdf/anverbbehav00035-0089.pdf Verbal Behavior. The other reviews]''. In: ''The Analysis of Verbal Behavior.'' Concord Ca 10.1992, S.87–95 (PDF 1,42 MB). {{ISSN|0889-9401}}</ref>. Prominent ist die Besprechung des Buches durch den Sprachwissenschaftler [[Noam Chomsky]] von 1959. Chomsky<ref name="NC">Noam Chomsky: ''[http://cogprints.org/1148/00/chomsky.htm Verbal Behavior. By B. F. Skinner]''. In: ''Language''. New York 35.1959, H.1, S.26–58.</ref> urteilte, ''Verbal Behavior'' könne das Phänomen Sprache nicht erklären und vereinfache den Gegenstand über Gebühr. Skinner beansprucht eine allgemeine Theorie des Verhaltens für sich und versucht zu zeigen, dass diese auch den (Extrem-)Fall des sprachlichen Verhaltens sinnvoll und widerspruchsfrei zu fassen vermag. Wenn man Skinner aber wörtlich nehme (also die verwendeten Begriffe so interpretiere, wie sie ursprünglich von ihm definiert worden waren), liege er für den Bereich der menschlichen Sprache offenkundig falsch. Wenn man seine Analyse im übertragenen Sinne auffasst, dann sei sie nicht mehr als eine alltägliche Betrachtung, die in die Sprache des Labors gefasst ist („This creates the illusion of a rigorous scientific theory with very broad scope, although in fact the terms used in the description of real-life and laboratory behavior may be mere homonyms“, S. 31 – vgl. auch Chomskys Zusammenfassung seiner Position in einem Interview mit Javier Virues-Ortega 2006<ref name="VIRUES">Javier Virues-Ortega: ''[http://www.pubmedcentral.nih.gov/picrender.fcgi?artid=2223151&blobtype=pdf The case against B. F. Skinner 45 years later, An encounter with N. Chomsky]''. In: ''The Behavior Analyst''. Kalamazoo Mich 29.2006, H.2, S.243–251 (PDF 91 KB). {{ISSN|0738-6729}}</ref>). Chomsky betont, dass Begriffe wie „Stimulus“, „Wahrscheinlichkeit“ und „Stimuluskontrolle“ unangemessen seien, wenn sie auf menschliches Verhalten übertragen werden. Der Begriff „Reaktionsstärke“ etwa sei eine Umschreibung für weniger eindrucksvolle Ausdrücke wie „Interesse“, „Absicht“, „Glaube“ usw. Skinner sage etwa über den Vorgang, wie eine wissenschaftliche Aussage bestätigt werde aus, dass dabei zusätzliche Variablen generiert werden, die die Wahrscheinlichkeit der Aussage erhöhen („generating additional variables to increase its probability”, S. 425). Wenn man diese Definition, so Chomsky (S. 34), wörtlich nehme, dann könne man den Grad der Bestätigung einer wissenschaftlichen Aussage daran ablesen, wie laut, schrill oder häufig diese geäußert werde. Chomskys Kritik war später selbst Gegenstand der Kritik von verhaltensanalytischer Seite. Nach Kenneth MacCorquodale<ref name=„MC“>Kenneth MacCorquodale: ''[http://www.behavior.org/computer-modeling/maccorquodale/maccorquodale1.cfm On Chomsky's Review of Skinner's Verbal Behavior]''. In: ''Journal of the Experimental Analysis of Behavior''. Indianapolis 13.1970, S.83–99. {{ISSN|0022-5002}}</ref> setzt Chomsky voraus, dass in der „wirklichen Welt“ (der menschlichen Sprache) andere Naturgesetze gelten als im Labor (was gegen das Sparsamkeitsprinzip verstoße). Zudem ignoriere oder missverstehe Chomsky die Komplexität von Skinners Analyse. Chomsky scheine zu glauben, wann immer Skinner eine kontrollierende Variable nenne, meine er, damit die einzig verantwortliche Variable gefunden zu haben – so als sei Sprache nur eine Sammlung von Reflexen. Die multiple Verursachung von Sprechakten zieht sich jedoch als Thema durch das ganze Buch. In der Besprechung wird sie kein einziges Mal erwähnt. David Palmer<ref name=„Palmer2006“>David C. Palmer: ''[http://www.pubmedcentral.nih.gov/picrender.fcgi?artid=2223153&blobtype=pdf On Chomsky’s appraisal of Skinner’s Verbal Behavior, A half century of misunderstanding]''. In: ''The Behavior Analyst''. Kalamazoo Mich 29.2006, H.2, S.253–267 (PDF 140 KB). {{ISSN|0738-6729}}</ref> erwiderte auf die zentrale Aussage von Chomskys Kritik, dass man dieselbe Argumentation auch gegen [[Isaac Newton|Newtons]] [[Klassische Mechanik|Mechanik]] anwenden könnte: Wenn man Newtons Gesetze der Bewegung wörtlich nehme, dann seien sie (im Alltag) offenkundig falsch. Wenn man sie im übertragenen Sinne auffasse, dann seien sie nicht mehr als wissenschaftlich klingende Umschreibungen der Daumenregeln des Handwerkers. Skinner aber habe nicht beabsichtigt, dass man seine Analyse als Metapher auffasse. Er machte die starke Voraussage, dass die Prinzipien des Verhaltens, die im Labor entdeckt wurden im technischen Sinne auf die Interpretation sprachlichen Verhaltens angewandt werden können. Die Erwiderung auf Chomskys Kritik wurde jedoch außerhalb der Verhaltensanalyse kaum zur Kenntnis genommen. Nach wie vor ist in vielen psychologischen und sprachwissenschaftlichen Fachbüchern zu lesen, Chomsky habe Skinners Ansatz zu Erklärung der Sprache bzw. überhaupt die Verhaltensanalyse und den [[Behaviorismus]] widerlegt. Unter Verhaltensanalytikern wurde ''Verbal Behavior'' positiv aufgenommen. Insbesondere die [[Applied Behavior Analysis|verhaltensanalytische Behandlung des frühkindlichen Autismus]] stützt sich auf ''Verbal Behavior''; die ''[[Bezugsrahmentheorie|Relational Frame Theory]]'' und die aus ihr entstandene ''[[Akzeptanz- und Commitmenttherapie]]'' sind Fortentwicklungen in der Theorie von ''Verbal Behavior''. Die Häufigkeit, mit der das Werk zitiert wird, nahm über die Jahre seit dem Erscheinen stetig zu. Von 1984 bis 2004 wurde ''Verbal Behavior'' in wissenschaftlichen Fachzeitschriften mit Gutachterverfahren insgesamt 1093 mal zitiert<ref name=„DY“>Simon Dymond, Denis O’Hara, Robert Whelan, Aoife O’Donovan: ''[http://www.pubmedcentral.nih.gov/picrender.fcgi?artid=2223169&blobtype=pdf Citation analysis of Skinner’s Verbal Behavior, 1984–2004]''. In: ''The Behavior Analyst''. Kalamazoo Mich 29.2006, H.1, S.75–88 (PDF 132 KB). {{ISSN|0738-6729}}</ref> (''zum Vergleich'': Chomskys ''Language and Mind''<ref name=„LM“>Noam Chomsky: ''Language and Mind''. Harcourt, Brace & World, New York 1968. ISBN 3-518-27619-0</ref> von 1968 wurde im selben Zeitraum 250 mal, Browns<ref name=„RB“>Roger Brown: ''A First Language, The Early Stages''. Harvard University Press, Cambridge MA 1973. ISBN 0-674-30326-1</ref> ''A First Language: The Early Stages'' von 1973 wurde 1343 mal zitiert). Die Häufigkeit empirischer Untersuchungen, die auf Skinners Konzeption beruhen, nahm ebenso zu. Ihre Anzahl hat sich im Zeitraum von 1989 bis 2004 annähernd vervierfacht<ref name="SAU">Rachael A. Sautter, Linda A. LeBlanc: ''[http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC2774593/pdf/anvb-22-01-35.pdf Empirical applications of Skinner's analysis of verbal behavior with humans]''. In: ''The Analysis of Verbal Behavior''. Concord Ca 22.2006, S.35–48 (PDF 436 KB). {{ISSN|0889-9401}}</ref><ref name=„DIX“>Mark R. Dixon, Stacey L. Small, Rocio Rosales: ''[http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC2203633/pdf/bhan-30-02-197.pdf Extended analysis of empirical citations with Skinner’s Verbal Behavior 1984-2004]''. In: ''The Behavior Analyst''. Kalamazoo Mich 30.2007, H.2, S.197–209 (PDF 217 KB). {{ISSN|0738-6729}}</ref>, was als ein Beleg für die Vitalität und Fruchtbarkeit der Theorie angesehen werden kann. == Quellenangaben == <references /> == Literatur == === Original === * Burrhus Frederic Skinner: ''Verbal Behavior''. Copley Publishing Group, Acton 1957. ISBN 1-58390-021-7 === Sekundärliteratur === * A. Charles Catania: ''Verhaltensanalyse der Sprache''. In: H. Zeier (Hrsg.): ''Die Psychologie des 20. Jahrhunderts.'' Bd 4. Pawlow und die Folgen. Kindler, Zürich 1977, S.342–382. ISBN 3-463-24001-7 (Eine kurze Einführung in deutscher Sprache) * Linda J. Hayes, Philip N. Chase (Hrsg.): ''Dialogues on Verbal Behavior''. Context Press, Cambridge MA 1991. ISBN 1-878978-00-4 (Mehrere Autoren diskutieren die Bedeutung und Tragweite von ''Verbal Behavior'') * Steven C. Hayes, Linda J. Hayes, Masaya Sato, Koichi Ono (Hrsg.): ''Behavior Analysis of Language & Cognition''. Context Press, Cambridge MA 1994. ISBN 1-878978-18-7 (Eine Darstellung der verhaltensanalytischen Sicht auf den Bereich der Sprache und der Kognitionen, die auf Skinners Buch aufbaut) * Mark L. Sundberg, Jack Michael: ''A Collection of Reprints on Verbal Behavior''. Behavior Analysts, Pleasant Hill CA 1998. ISBN 0-9745151-4-0 (Berichtet über verschiedene Ansätze, die Grundgedanken von ''Verbal Behavior'' fortzuentwickeln) == Weblinks == === Allgemein === * [http://www.abainternational.org/journals/analysis_verbal_behavior.asp ''The Analysis of Verbal Behavior'' (TAVB)] (Zeitschrift) * [http://www.jeaavb.com/index.html ''Journal of Experimental and Applied Analysis of Verbal Behavior''] (Online-Zeitschrift) * [http://www.behavior.org/vb/ Cambridge Center for Behavioral Studies] (Einführung in Verbal Behavior) === Rezeption === * [http://www.verhalten.org/grundlagen/chomsky.html Kritik an Chomskys Kritik] (Deutsch) {{Exzellent}} [[Kategorie:Behaviorismus]] [[Kategorie:Psycholinguistik]] [[en:Verbal Behavior]] [[es:Conducta verbal (libro)]] [[ja:言語行動]] pxrfq8xwxn1vrewasvvca0rip5w97az wikitext text/x-wiki Vercors 0 24433 27032 2010-05-10T12:27:59Z Lipstar 0 {{Dieser Artikel|behandelt das Gebirge '''Vercors''' und die dortige Résistance-Bewegung. Für den gleichnamigen Schriftsteller siehe [[Vercors (Schriftsteller)]]}} [[Datei:Veymont-aiguille_mg-k.jpg|350px|thumb|[[Grand Veymont]] und [[Mont Aiguille]].]] [[Datei:Vercors Satellit.JPG|thumb|Vercors aus dem All]] [[Datei:DEMVercors.png|thumb|[[Digitales Geländemodell|Geländemodell]] des Vercors, ca. 80x65 km. Grenoble liegt am rechten oberen Bildrand (45°10', 5°43')]] Der '''Vercors''' ist ein durch tiefe Täler begrenzter [[Massiv|Gebirgsstock]] im äußersten Westen der [[Westalpen|französischen Alpen]]. Er hat eine Ausdehnung von etwa 30x40 km und mehrere [[Zweitausender]] (Gipfelhöhen bis zu 2350 m). Da er an allen Seiten schroff ansteigt, konnte er erst im 20. Jahrhundert, teilweise mit in den Fels gesprengten Galerien, für den Straßenverkehr zugänglich gemacht werden. Aufgrund der eingeschränkten Nutzbarkeit befindet sich im Vercors das mit 170 km² größte [[Naturschutzgebiet]] Frankreichs. == Namensherkunft == Die Herkunft des Namens Vercors ist in der [[Toponomastik]] bis heute umstritten. Die Annahme, er sei mit dem französischen Wort ''vert'' (grün) verknüpft, ist nicht haltbar, da bereits [[Plinius der Ältere]] im 1. Jahrhundert die Bezeichnung ''Vertamocori'' gebrauchte; ''viridis'', die lateinische Bezeichnung für grün, ist dort nicht enthalten. Man nimmt an, dass ''Vertamocori'' auf [[Gallische Sprache|gallische]] Ursprünge zurückzuführen ist. Das gallische ''ver'' steht für oben, hoch. ''Tamo'' bedeutet soviel wie überlegen oder hervorragend. Und ''cori'' schließlich ist der Begriff für Truppe, Heer. So könnten sich zwei mögliche Interpretationen für den Namen ergeben: „Gebiet der Truppen aus dem Hochland“ oder „Gebiet der überlegenen, hervorragenden Krieger“. == Geografie == Der Vercors liegt in [[Frankreich|Südostfrankreich]], in den [[Département]]s [[Isère (Département)|Isère]] und [[Drôme (Département)|Drôme]] (Region [[Rhône-Alpes]] des Großraumes [[Dauphiné]]) zwischen den Städten [[Grenoble]] und [[Die]]. Der Gebirgsstock wird von den Flüssen [[Rhone]], [[Isère (Fluss)|Isère]], [[Drac]] und [[Drôme (Fluss)|Drôme]] begrenzt. ''Östlich'' des Massivs liegt das Tal [[Trièves]] und die Gebirgsstadt [[La Mure]]. Die nächstgelegene größere Stadt im ''Westen'' ist [[Valence]], nahe am Zusammenfluss von Isère und Rhone. Als südlichstes Element der fünf ''Chaînes Subalpines Septentrionales'' ([[Haut Griffra]], [[Aravis]], [[Bauges]], [[Chartreuse (Gebirge)|Chartreuse]], Vercors) ist der Vercors ein in sich abgeschlossenes [[Massiv]] mit einem langen, nord-südlich ausgerichteten, hügeligen Hochtal. Der [[Grand Veymont]] ist mit 2341 m der höchste Gipfel des Massivs. [[Datei:Chateau Julien la Grande Moucherolle.jpg|thumb|Grande Moucherolle und Petite Moucherolle]] Bedeutende Berge von Norden nach Süden: * [[Moucherotte]] (1901 m) * [[Roc Cornafion]] (2049 m) * [[Arêtes du Gerbier]] (2109 m) * [[Grande Moucherolle]] (2284 m) * [[Petite Moucherolle]] (2156 m) * [[Tête des Chaudières]] (2029 m) * [[Rochers de la Balme]] (2063 m) * [[Sommet de Malaval]] (2097 m) * [[Grand Veymont]] (2341 m) * [[Mont Aiguille]], (2086 m) * [[Pié Ferré]] (2041 m) == Geologische Entwicklung == [[Datei:Tethys.jpg|thumb|Der Großkontinent Pangaea zu Beginn des Mesozoikums (ca. 230 Mio. J.)]] [[Datei:Drift.jpg|thumb|Die einzelnen Schollen am Ende der Kreidezeit (ca. 65 Mio. J.)]] [[Datei:Geologie Sat Kopie.JPG|thumb|Geologie des Vercors]] === Mesozoikum === Zu Beginn des [[Mesozoikum]]s (vor ca. 230 Mio. Jahren), dem Zeitalter der [[Dinosaurier|Saurier]], bestand die Landfläche der Erde zum größten Teil aus einem [[Kontinent]]: [[Pangaea]] mit [[Laurasia]] ([[Nordamerika]], Nord- und Mitteleuropa, größter Teil [[Asien]]s) als nördlichem und [[Gondwana]] ([[Südamerika]], [[Afrika]], [[Indien]], [[Australien]], [[Antarktis]]) als südlichem Teil. Diese beiden Teile öffneten scherenartig nach Osten und in dieser Öffnung lag der große Ozean [[Tethys (Ozean)|Tethys]]. Dieser Ozean ist die Wiege des heutigen Vercors. Es wurden in diesem Gebiet bis zu 6000 Meter [[Lagebezeichnungen (Geologie)|mariner]] [[Sedimente und Sedimentgesteine|Sedimente]] abgelagert. Im Mesozoikum brach Pangaea ganz auseinander. Laurasia rotierte im [[Uhrzeigersinn]] Richtung Süden, und Afrika schob sich nach Norden. Die Schere um die Tethys schloss sich langsam. Während des [[Jura (Geologie)|Jura]] (ca. 200 bis 135 Millionen Jahre) erstreckte sich in der Gegend des Vercors noch ein tiefes Meeresbecken. 2000 Meter Tiefseetone und [[Mergel]] sammelten sich an. Die Tiefseetone sind vor allem als Terres Noires, schwarze, feinblättrige Lagen, aufgeschlossen. Das Becken ging nordöstlich des Vercors, etwa im [[Isère (Fluss)|Isère]]-Tal, in eine Küstenregion über. In der unteren [[Kreide (Geologie)|Kreidezeit]] (ca. 135 – 100 Mio. Jahre) hatte sich die Küstenlinie weiter in den Südosten geschoben. Hier lagerten sich im Wechsel Mergel und Kalkbänke ab, wobei der Mergel eher auf kühleres bzw. tieferes Wasser und der [[Kalkstein]] eher auf wärmeres bzw. flacheres Wasser hindeutet. Die Kalke sind festes [[Gestein]], während die Mergel ein weiches und mürbes Sedimentgestein bilden. Dieser [[blätterteig]]artige Wechsel bietet bei Aufschlüssen in der Gestreiftheit der Sedimente heute einen reizvollen Anblick. Die Gegend um den Vercors war nun nicht mehr [[Tiefsee]]. Es breitete sich schließlich eine flache, warme [[Lagune]] mit sehr mächtigen [[Korallenriff|Riff]]en aus, die heute bis zu 300 m hohe massive weiße [[Klippe]]n bilden und dem Vercors seinen einzigartigen Reiz verleihen. In der oberen Kreidezeit (ca. 100 – 65 Mio. Jahre) hatten sich durch die [[Subduktion]] der Tethyschen [[Ozeanische Erdkruste|Ozeankruste]] unter die [[Kontinentale Erdkruste|Kontinentalkruste]] Landstreifen aus dem Meer gehoben. Im Wechsel fielen Teile des Vercors trocken und wurden wieder von flachem Meer bedeckt. === Tertiär === Im [[Tertiär (Geologie)|Tertiär]] (ca. 65 bis 2 Mio. Jahre) war der afrikanische [[Kontinent]] Mitteleuropa so nahe gerückt, dass sich die [[Alpen]] hoben und somit auch der Vercors. Während sich die Kruste hochwölbte, setzte bereits die Erosion ein. Sand und Schlamm wurden deponiert. Im [[Miozän]] öffnete sich im Westen, im Gebiet der Voralpen und des heutigen [[Rhone]]tals, ein weiter Graben aufgrund der Dehnungsprozesse in der Kontinentalplatte, die eine Absenkung der Landmasse zur Folge hatten. Das Meer überflutete noch ein letztes Mal das Gebiet und lagerte vor allem [[Abtragungsschutt]] wie [[Sand]] und [[Geröll]] ab. Schließlich erhielt der Vercors seine heutige Gestalt. Die Eiszeiten hobelten die Täler zu breiten Trögen aus. Das Wasser nagte an den Kalkschichten, es entstanden Risse und Klüfte. Flüsse haben diese Risse schnell durchschnitten und tiefe Schluchten erzeugt. Zahlreiche Tropfsteinhöhlen entstanden durch einstürzende Hohlräume im Kalk. [[Datei:Pierre Chauve von Norden her.JPG|thumb|Pierre Chauve von Norden her. Aus den Antiklinalen haben sich die Riffkalke herauspräpariert]] === Heutiges Erscheinungsbild === Die heutige [[Erdoberfläche]] ist auffällig geprägt durch [[Parallel (Geometrie)|parallele]] Falten in Nord-Süd-Richtung, die sich durch die gesamten westlichen [[Voralpen]] ziehen. Sie entstanden, als sich in den östlich benachbarten ''Massifs cristallins externes'' (äußere kristalline Massive) [[Belledonne]] und [[Pelvoux]] steil erhoben. Dadurch wurden die Sedimente zu den parallelen Falten der heutigen [[Chaînes Subalpines]], der subalpinen Kette, zusammengeschoben. Teilweise wurden die Falten überkippt, so dass heute ältere Lagen über jüngeren angetroffen werden können. Diese Falten sind einem ständigen [[Erosion (Geologie)|Erosionsprozess]] ausgeliefert. Die Reste der hoch liegenden Teile der Falten ([[Antiklinale]]n) bilden die mächtigen Bergketten des Vercors. Vor allem die freigelegten [[Riffkalk]]e ragen schroff empor und zeigen bis zu 300 m steil abfallende Klippen. Sie sind reich an [[Fossil]]ien, vor allem [[Ammoniten]] und frühen im Meer lebenden [[Schnecken]]. In den mürben Mergelschichten dazwischen finden sich [[pyrit]]isierte Ammoniten und [[Belemniten]]. In den Faltentälern ([[Synklinale]]n) ist die Erosion weniger fortgeschritten. Hier haben sich die sandigen Ablagerungen des Miozäns und die Flachwasser-Kalke der oberen Kreide erhalten. == Geschichte == === Besiedelung von der Frühgeschichte bis ins Mittelalter === Spuren der [[Neandertaler]] lassen vermuten, dass schon in der mittleren [[Altsteinzeit]] vor ca. 70.000 Jahren die Höhleneingänge (zum Beispiel der [[Choranche]]) und überhängende Felsen als Unterschlupf genutzt wurden. Seitdem haben radikale [[Klimaveränderung]]en Landschaft und Tierwelt mehrfach stark verändert. Die Neandertaler benutzten Feuersteinwerkzeuge der [[Levalloistechnik]]. Sie mussten sich mit Hilfe dieser Werkzeuge mit [[Höhlenbär]]en und [[Höhlenlöwe]]n auseinandersetzen und [[Bisons]], [[Hirsche]] sowie Steinböcke jagen. Während der [[Würmeiszeit]], ca. 70.000 – 35.000 Jahre v. Chr., waren die gesamten Alpen einschließlich des Vercors vergletschert. Gegen Ende dieser Zeitspanne aber fand die Besiedelung Europas durch den [[Mensch|modernen Menschen]] ''(Homo sapiens)'' mit gleichzeitiger Verdrängung der Neandertaler statt. Der moderne Mensch siedelte zuerst in den Ebenen im südlichen und zentralen Frankreich, ab etwa 11.000 v. Chr. auch im Vercors und in den Alpentälern. Das Klima war immer noch kalt und rau, die Landschaft eine [[Kaltsteppe]] mit geringem Baumbestand. Hauptlebens- und -jagdgebiete blieben daher die Ebenen ([[Saint-Nazaire-en-Royans]] und [[Romans]]), wo Rentier, Pferd und Bison neben den Kleintieren die wichtigsten Fleischlieferanten und auch die Motive für Knochengravierungen waren. Im Vercors bildeten vor allem Steinbock ([[La Chapelle-en-Vercors]]) und Forellen die Jagdbeute, während die Murmeltiere warme Pelze gegen die immer noch herrschende Kälte liefern mussten. Feuersteingeräte mit großer handwerklicher Präzision hergestellt, sowie Knochenwerkzeuge waren die notwendigen Waffen für Speere und Harpunen, Kratzer und Schaber für die Fleisch- und Fellbearbeitung, dienten aber auch als Beigaben zum Beispiel in einem [[Magdalénien]]-Grab bei [[Saint-Agnan-en-Vercors]]. Etwa 9000 Jahre v. Chr. begann die noch andauernde [[Warmzeit]]. Die Landschaft veränderte sich wiederum sehr schnell und stark, Kiefern- und Birkenwälder ersetzten die Kaltsteppe, die Zahl der jagdbaren Tiere ging zurück, der Steinbock wanderte in höhere, nur schwer erreichbare Hochgebirgsregionen, Rentier- und Pferdeherden zogen nach Norden ab. Der Mensch musste seine Lebensweise anpassen, das Magdalénien ging ins [[Azilien]] über. Die nun mehr vereinzelt auftretenden Tiere wurden mit Pfeil und Bogen gejagt. Die Höhlen wurden nicht mehr bewohnt, die Lager mussten den Jagdtieren folgen, die Feuersteinwerkzeuge wandelten sich zu [[Mikrolith]]en von etwa einem bis drei Zentimetern Länge, die universal als Schneidwerkzeuge oder als Bestandteile von Waffen (Speer- und Bogenspitzen) nutzbar waren. In diese Zeit fällt auch die [[Domestizierung]] des Hundes und der langsame Übergang vom rein nomadischen Jäger zum mehr sesshaften Hirten und Bauern. Im Vercors, wie überhaupt im Alpenbereich, ist dies etwa auf den Zeitraum von 4000 – 2000 Jahre v. Chr. anzusetzen. Äxte für größere Rodungen, [[Keramikgefäß]]e zur Lagerung der Ernteerträge, dauerhaftere Siedlungen für eine steigende Bevölkerung kennzeichnen die mittlere [[Jungsteinzeit]]. Die Technik der Feuersteinbearbeitung bleibt im erzarmen Vercors erhalten, wird qualitativ (Sensen, Sicheln, Schmuck…) und quantitativ ([[Export]] aus der [[Hochebene]] von [[Vassieux-en-Vercors]]) erweitert. Erst gegen Ende der [[Bronzezeit]] (ca. 1750 – 750 v. Chr.) gibt es auch eine regionale Metallproduktion, vor allem [[Pfeilspitze]]n und Schmuck, parallel dazu aber bleibt die Bearbeitung des Feuersteins ein wichtiger Wirtschaftszweig. Die immer mehr auf [[Sesshaftigkeit]], Bauern- und Hirtenarbeit abgestellte Gesellschaft im Vercors hatte als Haustiere vor allem Schweine, Rinder und Schafe, wobei bei der Fleischversorgung die Jagd auch weiterhin eine wichtige Rolle spielt. Immer größere Rodungen im Vercors sowie die Entdeckung zahlreicher Mühlen und Mörser weisen auf eine starke Ausweitung der Getreidewirtschaft, aber auch auf eine steigende Bevölkerungszahl hin. Um ca. 750 v. Chr. drangen Reiterstämme aus dem Norden mit eisernen Waffen in das Vercors-Gebiet ein (Grab bei [[St-Thomas-en-Royans]]). Für die [[Römisches Reich|Römer]] waren die klimatisch milden Tiefebenen um den Vercors ein bevorzugter Lebensraum. Für Denkmäler und Prachtbauten in Die bauten sie auf den Hochplateaus Kalkstein ab. Ein Steinbruch ist noch erhalten, ebenso ein Stück Römerstraße. Eine Klimaverschlechterung machte die Rinderzucht schwieriger, Schafe und Ziegen wurden die wichtigsten Nutztiere. Germaneneinfälle am Ende des weströmischen Reiches machten den Vercors dann zu einem Schutz- und Rückzugsbereich, in dem Kultur und Gesellschaft sich ohne große Veränderungen über das Mittelalter hinaus erhielten. Reste von Befestigungsanlagen lassen auf die Kontrolle des Handelsweges zwischen Grenoble und Die schließen. === Mittelalter === Über das Mittelalter im Gebirgsmassiv ist wenig erhalten. Es scheinen sich auf Grund fehlender Zentralgewalt zunächst mehrere ansässige Lokalfürsten herausgebildet zu haben, die ihren Anspruch mit relativ primitiven Festungsanlagen bestärkten. Diese wurden vermutlich vor allem zum Zweck der, vielleicht sogar räuberischen, Kontrolle an engen Handelswegen angelegt. In Hochlagen des Vercors siedelten sich Mönche an, die vor allem mit Landwirtschaft und Viehzucht ihr Auskommen fanden. Schließlich konnten die Herren von Sassenage die Herrschaft über einen großen Teil des Vercors erlangen. === Protestantismus === Im 16. Jahrhundert fand der [[Protestantismus]] in der Gegend um den Vercors eine starke Anhängerschaft, was mehrere blutige [[Bürgerkrieg]]e hervorbrachte. Das [[Edikt von Nantes]] (1598) ermöglichte dann eine friedliche Koexistenz von [[Römisch-Katholische Kirche|Katholiken]] und protestantischen [[Hugenotten]]. Mit seinem Widerruf flohen die meisten Hugenotten in die Schweiz. Einige blieben aber und schlossen sich im Widerstand zusammen. === Die République du Vercors === [[Datei:Flag of Free Republic of Vercors.svg|thumb|Fahne der République du Vercors]] Im [[Zweiter Weltkrieg|Zweiten Weltkrieg]] war Vercors ein wichtiges Zentrum der [[Résistance]], als Rückzugs-, Ausbildungs-, [[Lazarett]]- ([[Grotte de la Luire]]) und Versorgungsgebiet einer aktiven Gruppe von [[Maquis]]ards, die vom Vercors aus [[Partisan]]enüberfälle vor allem im Rhonetal und in den Alpen organisierten. Am 1. Februar 1944 wurden unter anderem die Vercors-Kämpfer zu den [[Forces françaises de l'intérieur]] (FFI) vereinigt und stellten nach einer (wenngleich stark übertriebenen) Einschätzung [[Dwight D. Eisenhower|Eisenhowers]] einen Kampfwert von 15 Divisionen dar. Die [[Alliierte]]n und [[Charles de Gaulle|General de Gaulle]] sicherten dem Vercors zu, [[Luftlandetruppen]] hier abzusetzen und die Kämpfer über eine [[Luftbrücke]] mit Waffen, Munition und wichtigen Gütern zu versorgen. Diese Zusage war nur sehr unbestimmt getroffen worden, dennoch vertrauten die Widerstandskämpfer auf die alliierte Unterstützung und riefen nach dem 6. Juni 1944 die République du Vercors aus. Über 4000 Kämpfer sammelten sich, der Partisanenkampf sollte zu einem offenen, bewaffneten Aufstand werden. Die Résistance-Kämpfer stellten jedoch fest, dass die alliierte Zusage nicht eingehalten wurde: Es wurden keine zusätzlichen Truppen gesandt, die Versorgung über eine Luftbrücke blieb aus, die Vercors-Kämpfer waren isoliert und auf sich gestellt. Schwere Waffen fehlten völlig. Die Bedrohung der [[Etappe]] durch einen offenen, bewaffneten Aufstand vom Vercors aus war für die deutsche [[Wehrmacht]] nicht tragbar; noch im Juli 1944, einen Monat vor der Befreiung [[Grenoble]]s durch die Alliierten, griffen am 21. Juli zwei aus Gebirgsjägern bestehende Kampfgruppen (Gruppe Schwehr und Gruppe Seeger) der 157. Reservedivision die Felspässe an, von Süden drang eine gepanzerte Kampfgruppe der 9. Panzerdivision (Gruppe Zabel) vor. Im Herzen des Plateaus landeten zwei Kompanien Fallschirmjäger (Gruppe Schäfer) mit Lastenseglern. Anders als lange Zeit angenommen, handelte es sich hierbei nicht um Truppen der Waffen-SS. Besonders die Fallschirmjäger, die ab 23. Juli noch von ca. 50 Soldaten eines [[Ostbataillon]]s verstärkt wurden, begingen unter SS-Obersturmbannführer [[Werner Knab]]<ref>Dr. Werner Knab (* 1908; † 1945): Jurist. Bis 1939 bei der Stapo-Leitstelle München tätig. Gestapomann in Norwegen. 1941 bis 1943 In der Einsatzgruppe C, dann Leiter der Abteilung IV beim Befehlshaber der Sicherheitspolizei in Kiew. Juni 1943 bis August 1944 Kommandeur der Sicherheitspolizei und des SD in Lyon. 1945 Tod infolge eines alliierten Tieffliegerangriffs in Bayern, Kommandeur der Sicherheitspolizei und des SD Lyon, Kriegsverbrecher. SS-Mitglieds-Nr. 191584 seit 1935, NSDAP-Nr. 3269940</ref> mehrere Kriegsverbrechen. Die Dörfer Vassieux-en-Vercors und La Chapelle-en-Vercors sowie zahlreiche Einzelgehöfte wurden fast vollständig niedergebrannt, in Vassieux über 70 Zivilisten als Repressalie hingerichtet. Gefangene Widerstandskämpfer wurden als [[Freischärler]] erschossen. Insgesamt betrug die Opferzahl 639 [[Widerstandskämpfer]] und 201 [[Zivilist]]en. Die deutschen Verluste betrugen etwa 100 Tote. Bei der Eroberung des Höhlenlazaretts St-Martin (Grotte de la Luire) am 27. Juli wurden 19 verwundete Widerstandskämpfer ermordet, zwei Ärzte und ein Priester in Grenoble exekutiert, zwei Krankenschwestern in das [[KZ Ravensbrück]] abtransportiert, von denen nur eine, Rosine Cremieux, das Kriegsende und die Befreiung erlebte, da sie floh und von einem ehemaligen Kommunisten in Hainsberg/[[Freital]] versteckt gehalten wurde. Ein ebenfalls gefangener US-amerikanischer Kommandosoldat wurde verschont, obwohl er laut dem [[Kommandobefehl]] hinzurichten gewesen wäre. Die meisten Widerstandskämpfer konnten sich in den unzugänglichen Wald von Lente zurückziehen. Im Musée de la Résistance in Vassieux-en-Vercors mit dem Ehrenfriedhof Cimetière National du Vercors für 186 Gefallene der Résistance werden die Geschehnisse dieses Widerstandes dokumentiert. === Olympische Spiele === [[Datei:Autrans 1.jpg|thumb|Autrans, rechts auf dem Hügel die Skisprungschanze Le Claret]] Der nördliche Teil des Vercors-Gebirge war während der [[Olympische Winterspiele 1968|Olympischen Winterspiele 1968]] Austragungsort zahlreicher sportlicher Wettbewerbe. Zu diesem Zweck wurden die Zufahrtsstraßen ausgebaut und neue Sportanlagen errichtet. In [[Autrans]] fanden die Wettkämpfe im [[Skilanglauf]] und [[Biathlon]] statt; außerdem entstand dort die Skisprungschanze [[Le Claret]]. Eine weitere Schanze wurde in [[Saint-Nizier-du-Moucherotte]] errichtet, die [[Dauphine (Skisprungschanze)|Dauphine-Schanze]] ist jedoch seit 1990 außer Betrieb und wird dem Zerfall überlassen. [[Villard-de-Lans]] war Standort der olympischen [[Rennrodeln|Rodelbahn]]. == Schutzgebiet Vercors == [[Datei:Cypripedium_calceolus_1.jpg|thumb|Frauenschuh]] 1970 begründete der französische Staat zusammen mit den regional tangierten Gemeinden den [[Regionaler Naturpark Vercors|Regionalen Naturpark Vercors]] ({{frS|Parc naturel régional du Vercors}}), was in etwa einem deutschen [[Landschaftsschutzgebiet]] entspricht. 1985 wurde mit 170 km² das größte [[Naturschutzgebiet]] Frankreichs, die ''Réserve naturelle des Hauts plateaux du Vercors'' unter Schutz gestellt. Es umfasst den Ostteil des mittleren Haupttales und vor allem den steilen Ostrand des Vercors mit Wäldern, Hochwiesen, Kalkplateaus und Steilhängen. Im Regionalpark gedeihen ca. 1800 [[Pflanzen]]arten, darunter 60 [[Orchideen]]. 135 Vogelarten und 65 Säugetierarten haben hier ein zum Teil letztes Reservat gefunden. Im Süden und Westen herrschen [[mediterran]]e Ebenen und hügeliges Bergland vor, während im Norden und Osten in Bergwäldern und Hochtälern ein raueres [[Alpen|alpines]] Klima regiert. Die milderen Gegenden werden landwirtschaftlich genutzt. Laubwälder mit [[Eichen]] und [[Buchen]], darunter [[Kiefern]], besiedeln die eher naturbelassenen Gebiete. In den höheren Lagen herrschen Nadelwälder, vor allem mit Kiefern und [[Fichten]] vor, ebene Hochflächen werden als Weide benutzt oder sind [[Heide (Landschaft)|Heideland]]. === Flora === [[Datei:Asphodelus albus0.jpg|thumb|left|Weißer Affodill]] [[Datei:Orchis_spitzelii_wiki_mgk01.jpg|thumb|[[Spitzels Knabenkraut]] (Orchis spitzelii)]] In den höchsten alpinen Lagen (1600 bis 2350 m) wachsen [[weiße Narzisse]], [[Silberdistel]], [[gelber Enzian|gelber]] und [[stängelloser Enzian|stengelloser Enzian]], [[Paradieslilie]], [[Spinnweb-Hauswurz]] und das [[Edelweiß]]. Auf den Wiesen der Hochtäler (900 bis 1600 m) gesellen sich noch [[Feld-Kranzenzian|Feldenzian]], [[Kreuz-Enzian|Kreuzenzian]] und der [[Seidelbast]] dazu. In allen Lagen, bis auf die höchsten unwirtlichen, sind zu Hause Feldenzian und Kreuzenzian, [[Frühlings-Krokus]], [[gelbe Narzisse]], [[Türkenbund]], [[Hunds-Zahnlilie]] und die [[Tulpen|wilde Tulpe]], die ein Motiv des Regionalpark-[[Firmenlogo|Logos]] ist. An manchen Stellen finden sich hier der [[Affodillgewächse|weiße Affodill]], in den wärmeren, mediterranen Waldgegenden (200 bis 900 m) außerdem noch [[Graslilie]], [[Binsenlilie]] und [[Herbst-Zeitlose]]. Berühmt ist der Vercors für den einzigartigen Reichtum an [[Orchideen]]. Etwa 60 Arten kommen im Gebiet vor. Der [[Frauenschuh]], die Orchidee mit der größten Blüte, kommt noch verbreitet vor. In Höhenlagen sind alpine Arten wie das [[schwarzes Kohlröschen|schwarze Kohlröschen]] anzutreffen, in Tallagen dagegen eher mediterran verbreitete Orchideen wie [[Affen-Knabenkraut]], [[Südfranzösisches Knabenkraut]], [[Dreizähniges Knabenkraut]], [[Ohnhorn]] und [[Drôme-Ragwurz]]. Besonderheiten sind die gehäuften Vorkommen des ansonsten extrem seltenen [[Spitzels Knabenkraut]]es sowie die Massenvorkommen des [[Holunder-Knabenkraut]]es auf den Hochplateaus. Weiterhin findet man [[Fuchs’ Knabenkraut]], [[Kleines Knabenkraut]], [[Helm-Knabenkraut]], [[Männliches Knabenkraut]], [[Rotes Waldvöglein]] und viele Arten mehr. Neben diesen eher spektakulären Pflanzen gibt es auch noch weitere rare Arten, darunter exemplarisch den [[Eisenhut|Wolfshut]], die [[Küchenschelle]], den [[Gelber Fingerhut|großen gelben Fingerhut]], [[Schneeglöckchen]], [[Alpenglöckchen]] und die [[Alpenrose]]. === Fauna === [[Datei:Marmota_marmota_Alpes2.jpg|thumb|Murmeltier]] Wie fast überall in Europa waren auch im Vercors die großen Raubtiere so gut wie verschwunden. Der letzte [[Braunbär]] wurde 1938 erlegt. Mittlerweile gibt es jedoch wieder [[Eurasischer Luchs|Luchse]] und (seit 1996) auch [[Wolf|Wölfe]]. Die Vielfalt der Tierwelt ist in Europa einzigartig. Speziell an den Steilhängen der Riffkalke sind [[Steinadler]], [[Wanderfalke]], [[Uhu]], [[Alpensegler]], [[Felsenschwalbe]] und der [[Mauerläufer]], der nur selten fliegt, unterwegs. Als einziges großes Säugetier findet sich hier der in den 90er Jahren wieder eingebürgerte [[Alpensteinbock]]. Die höheren Lagen des Vercors besiedeln [[Raufußkauz]], [[Habicht]], [[Eisvogel]], [[Haselhuhn (Art)|Haselhuhn]], [[Fichtenkreuzschnabel]] und [[Schwarzspecht]]. [[Datei:Uhu-muc.jpg|thumb|left|Uhu]] Der [[Bartgeier|Bart]]- und [[Mönchsgeier]] konnte in den letzten Jahren wieder eingebürgert werden. In den höchsten Lagen kommen noch [[Tannenhäher]], [[Steinkauz]] und [[Birkhuhn]] vor, das ebenfalls das Logo des Naturparks ziert, außerdem noch der [[Schneehase]] und das [[Murmeltier]], ebenfalls wieder eingebürgert. Eine Kostbarkeit ist der sehr selten gewordene [[Apollofalter]], dessen Raupen von [[Fetthennen]] (''Sedum'') leben, einer mit dicken fleischigen Blättern ausgestatteten Pflanze, die es noch hoch oben gibt. Etwas tiefer finden sich dann auch noch [[Gämse]], [[Europäischer Mufflon]] und Hirsch sowie an Reptilien [[Ringelnatter]], [[Vipernatter]] und [[Erdkröte]]. Großen Artenreichtum weisen die warmen tieferen Lagen auf: [[Kernbeißer (Art)|Kernbeißer]], [[Neuntöter]], [[Bienenfresser (Art)|Bienenfresser]], [[Pirol (Art)|Pirol]], [[Spechte]], Steinkauz, [[Zwergohreule (Art)|Zwergohreule]], [[Schwarzmilan]], [[Rotmilan]] und in den wasserreichen Niederungen der [[Fischadler]], [[Rohrweihe]], [[Seidensänger]], und, wieder eingebürgert, der [[Biber]]. [[Äskulapnatter]] und [[Westliche Smaragdeidechse]] lieben ebenfalls die südliche Wärme. Allgegenwärtig ist der zierliche, bunte [[Turmfalke]]. Auch die zahlreichen Grotten bergen viele Lebewesen, beispielsweise etwa 30 [[Fledermäuse|Fledermausarten]] wie [[Fransenfledermaus]], [[Wasserfledermaus]], [[Hufeisennasen|Kleine]] und [[Hufeisennasen|Große Hufeisennase]]. == Wirtschaft und Tourismus == [[Datei:Vercors-Ostrand.jpg|750px|thumb|center|Panoramablick (Nordost – Südost) über das [[Hochtal]] von der Auffahrt zum Col de Lachau]] Im Mittelalter und früherer Neuzeit wurden die Hochtäler des Vercors vorwiegend landwirtschaftlich genutzt, vor allem durch Klöster und Einsiedeleien. Begehrt war die [[Holzkohle]] des waldreichen Vercors. Eine [[Effektivität|effektive]] wirtschaftliche Nutzung des Vercors wurde allerdings durch die erschwerte Zugänglichkeit zumeist verhindert. Es führte von der nördlichen weniger schroffen Seite des Vercors eine schmale Straße in Richtung Süden, ansonsten gab es Wege und [[Saumpfad]]e. In den Sechziger Jahren wurde in aufwendigen Ingenieursleistungen der Vercors für den allgemeinen Straßenverkehr zugänglich gemacht, teilweise wurden die Straßen als Galerien aus den Kalkfelsen gesprengt. Das bedeutete vor allem die Erschließung für den Tourismus, der heute einen bedeutenden Anteil im Einkommens[[Portfolio|portefeuille]] der Vercorianer belegt. Wie die meisten Feriengebiete Frankreichs wird der Vercors zum größten Teil von den Franzosen selbst besucht. Auch die Bewohner der benachbarten Universitätsstadt Grenoble profitieren von den Freizeitangeboten in Vercors. Die Bandbreite der touristischen Angebote erstreckt sich von anspruchsvolleren Sportarten wie [[Gleitschirmfliegen]], [[Bergsteigen]] und Höhlenerkundungen bis zu den Klassikern des Sports, [[Skifahren]] und [[Wandern]], wobei speziell hier auch geführte Wanderungen und Packagetouren angeboten werden. Sogar Wandern mit [[Schlittenhund]]gespannen sind möglich. Tropfsteinhöhlen, die für den Besucher erschlossen worden sind, treffen auf großes Interesse. Auch das Konzept des regionalen Naturparks trägt zur Beliebtheit dieses Feriengebietes bei. Der Park hat als Ziel die Erhaltung der Landschaft und Bewahrung der traditionellen wirtschaftlichen und traditionellen Kultur. So ist hier auch die [[Nachhaltigkeit|nachhaltige]] Landwirtschaft wieder rentabel geworden. Einheimische Produkte wie [[Schafskäse]] und Honig erfreuen sich größter Nachfrage auf den regionalen [[Wochenmarkt|Wochenmärkte]]n. Ein zentraler Begriff ist hier auch die Transhumance ovine, der sommerliche Auftrieb der Schafherden der französischen Provence auf die Hochweiden des Vercors, wenn die heimatlichen Wiesen in der Sommerdürre gelb werden. Früher wurden die Schafe über schmale Pfade hinaufgeleitet, heutzutage werden zumeist große Viehtransporter eingesetzt, was für das Vieh schonender ist. === Touristische Erschließung des Vercors === [[Datei:Mont Aiguille.JPG|thumb|Mont Aiguille. Gut sichtbar die mächtige Kappe aus Riffkalk]] [[Datei:Grands Goulets.JPG|thumb|Schlucht der Grands Goulets]] Das Naturschutzgebiet ist größtenteils ohne Wege, außerdem gibt es keine festen, dauerhaften Gebäude in diesem Gebiet, so dass es Naturwanderern nur schwer erschließbar ist. So wird der Tourismus aus dem Naturschutzgebiet weitgehend herausgehalten und spielt sich im übrigen Massiv ab. Die östliche Gebirgswand ohne eine einzige Straße und ohne Fußwanderpässe schließt im Süden mit dem grandiosen und unverwechselbaren [[Mont Aiguille]] ab. Dieser auch heute noch mit erheblichem Schwierigkeitsgrad definierte Berg war der Geburtsort des alpinen Bergsteigens. Der Söldnerführer [[Antoine de Ville]] bezwang den „Olymp des Vercors“ im Auftrag von König [[Karl VIII. (Frankreich)|Karl VIII.]] und dieser markante Berg wurde somit der erste mit Seilen, Eisenhaken und Leitern erkletterte Berg. Von Norden her führt die D531 durch die [[Gorges d´Engins]] von [[Grenoble]] in den Vercors, der einzige empfehlenswerte Zugang für Wohnanhänger-Gespanne und große Wohnmobile. Gleich am Anfang des Aufstiegs hinauf in den Vercors liegt die Ortschaft [[Sassenage]]. Dort bilden die ''Grottes de Sassenage'', von denen zwei durch einen Wasserfall verbunden sind, mehrere übereinander gelagerte Gewölbe. Ebenfalls von Norden nach [[Villard-de-Lans]] führte die D218 (im Anfangsbereich ab Saint-Quentin-sur-Isère steil und schmal, mit einer weiteren ebenfalls steilen und engen Zufahrt über die D3 von [[Veurey-Voroize]]) nach [[Autrans]] und in die Gorges de la Méaudret. Die D218 ist allerdings seit einem Erdrutsch in den 1990er Jahren kurz vor dem Tunnel du Mortier unterbrochen und an dieser Stelle allenfalls noch zu Fuß passierbar. Es gibt nach Auskunft der örtlichen Behörden keine Pläne, sie jemals wieder herzurichten, da die Gefahr eines neuerlichen Erdrutsches an dieser Stelle als zu groß bewertet wird. Im Nordosten ist der Vercors von Grenoble aus über die D106 via [[Saint-Nizier-du-Moucherotte]] erreichbar. Im Nordwesten gibt es noch die z.T. gefährliche, sehr schmale und steile D35 von [[Rovon]] (Route des Ecouges) zu den oberen [[Gorges de la Bourne]]. Im Nordwesten ist von [[Cognin-les-Gorges]] aus durch eine sehr enge, kurvenreiche und steile Schluchtenstraße (Gorges du Nan) der Cirque de Mallevat erreichbar. Die Westseite des Vercors ist stark zerklüftet und bietet durch die Schlucht der Bourne, die [[Grands Goulets]] und über den [[Combe Laval]] mit dem Pass de la Machine Zufahrtsmöglichkeiten. [[Datei:Geogr of Vercors.jpg|thumb|Straßen und Sehenswürdigkeiten des Vercors]] In den Gorges de la Bourne befindet sich die ebenfalls für Touristen erschlossene Grotte von Choranche, mit bis zu 15 Meter hohe Sälen, Versteinerungen und [[Tropfstein]]gebilden. Sie beherbergt einen unterirdischen See von etwa 50 Meter Länge und bis zu 8 Metern Tiefe. Weiter führen die Gorges de la Bourne von [[Pont-en-Royans]] zum Hauptort des Vercors, Villard-de-Lans. Die Goulets, eine vor allem im oberen Teil, dem Galerientunnel der Grands Goulets, sehr eindrucksvolle Klamm, sind ebenfalls von Pont-en-Royans erreichbar und enden in Barraques-en-Vercors. Auf der Hochfläche dieser Zufahrt sind die Grotten de la Luire, die als Lazarett für Résistance-Kämpfer des zweiten Weltkriegs eine sehr traurige Berühmtheit erlangte, und la Draye Blanche Serre Plume zu besichtigen. Von [[Vassieux-en-Vercors]] (Necropole du Vercors und [[Musée de la Résistance]]) geht die D76 über den Col de Lachau durch den Wald von Lente, dem Zufluchtsgebiet der Resistance-Kämpfer 1944 zum Combe Laval, einem kühn bis zu 600 Meter über der Laval-Schlucht in den Fels geschlagenen Passübergang nach [[Saint-Jean-en-Royans]], von wo die bezaubernde D70 zum Col de Tourniol geht. [[Datei:Vercors_Glandasse.jpg|thumb|left|Chaine de Glandasse bei Die]] Dieser Pass ist von Vassieux-en-Vercors auch über den Col de la Bataille erreichbar. Am Treffpunkt dieser beiden Straßen liegt das kleine aufgelassene Kloster [[Léoncel]], das besichtigt werden kann. Von Süden her, aus [[Die]] kommend, wird der Vercors durch den [[Col de Rousset]] erschlossen, eine sehr kurvige, teilweise steile Straße, die das Hochtal durch einen etwa 200 Meter langen Tunnel erreicht. Dieser verbindet zwei manchmal sehr unterschiedlich ausgebildete Klimazonen; oft fährt man durch Nebel und Regen die Auffahrt auf der Hochebene und erlebt nach der Durchfahrt des Scheiteltunnels den sonnigen Süden. Von hier aus hat man außerdem einen weiten Blick über die schon provenzalisch anmutenden Berge des Diois. == Anmerkungen == <references /> == Literatur == * Jean Dercourt: ''Géologie et géodynamique de la France. Outre-mer et européenne'' Collection Sciences Sup. Dunod, Paris 2002 ISBN 2100064592 {{ISSN|1636-2217}} (zur Geologie) * Peter Lieb: ''Konventioneller Krieg oder NS-Weltanschauungskrieg? Kriegführung und Partisanenbekämpfung in Frankreich 1943/44'' Oldenbourg, München 2007 ISBN 3-486-57992-4 (zu den Kämpfen von 1944) * [[Albert Béguin]], Pierre Courthion, Paul du Bochet, Richard Heyd, Georges Menkès, Lucien Tronchet (Fotograf): ''Le Livre Noir du Vercors'' Ed. Ides et Calendes, Neuchatel 1944 (zahlr. Abb., frz.) über die République du Vercors und die deutschen Kriegsverbrechen. Mit einem Gedicht von Pierre Emmanuel (d.i. Noël Mathieu) [http://fr.wikipedia.org/wiki/Pierre_Emmanuel], 32 Fotografien, neben den Genannten auch von dem überlebenden Arzt Dr. Ganimède. Beigefügt: Aufruf zur Unterstützung der Bergbevölkerung von der Unterstützer-Gruppe um die Hg. und die Groupe d'action pour les populations du Vercors, Präs. Paul du Bouchet, Genève **Deutsch: ''Das schwarze Buch von Vercors'' Europa, Zürich u.a. 1945. Übersetzerin Suzanne Billeter u.a. (mit der frz. identische dt. Ausgabe) == Weblinks == * Informationen über Geologie, Biologie und Gesellschaft des Vercors liefert [http://www.parc-du-vercors.fr/ der Regionale Naturpark Vercors] (französisch, englisch) * [http://www.geol-alp.com/h_vercors/general_vercors/0_vercors.html Ausführliche Geologie des Vercors und der Alpen] (französisch) * [http://fr.wikipedia.org/wiki/Maquis_du_Vercors Zur Résistance] [http://www.memoire-net.org/recherche.php3?recherche=vercors und ihrem Gedenken] (beide französisch) * [http://www.m-klueber.de/mk/?p=67 Reportage ''Vercors'' auf M. Klüber Fotografie] {{Coordinate |NS=44/58//N |EW=5/25//E |type=mountain |elevation=2350 |region=FR |dim=50000 }} {{Exzellent}} [[Kategorie:Gebirgsgruppe (Alpen)]] [[Kategorie:Gebirge in Europa]] [[Kategorie:Gebirge in Frankreich]] [[Kategorie:Rhône-Alpes]] {{Link GA|fr}} {{Link FA|eo}} [[cs:Vercors]] [[en:Vercors Plateau]] [[eo:Vercors (montomasivo)]] [[fr:Massif du Vercors]] [[it:Prealpi del Vercors]] [[nl:Vercors]] [[nn:Massif du Vercors]] [[pl:Vercors]] rk9fjbdardel9wqlg6o4vv3797d43vf wikitext text/x-wiki Verfassung der Vereinigten Staaten 0 24434 27033 2010-04-13T07:01:20Z DasFliewatüüt 0 Änderungen von [[Special:Contributions/87.167.209.231|87.167.209.231]] ([[User talk:87.167.209.231|Diskussion]]) rückgängig gemacht und letzte Version von [[User:Xqbot|Xqbot]] wiederhergestellt Die '''Verfassung der Vereinigten Staaten''' vom 17. September 1787 legt die politische und rechtliche Grundordnung der [[Vereinigte Staaten|Vereinigten Staaten]] fest. Sie sieht eine [[Föderalismus|föderale]] [[Republik]] im Stil eines [[Präsidialsystem]]s vor, in der der Präsident sowohl Staats- als auch Regierungschef ist. Das politische System zeichnet sich durch eine oft als „[[checks and balances]]“ bezeichnete [[Gewaltenteilung]] aus, in der Gesetzgebung, Verwaltung und Rechtsprechung zwar getrennt voneinander agieren, sich aber durch weitreichende Verschränkungen auch gegenseitig kontrollieren. Die Verfassung der Vereinigten Staaten ist eine der ältesten republikanischen Verfassungen, die heute noch in Kraft sind<ref>[http://www.gpoaccess.gov/constitution/index.html Government Printing Office]</ref> (die älteste ist die Verfassung der [[San Marino|Republik San Marino]], die im Jahre 1600 in Kraft trat). Der ursprüngliche Text besteht aus sieben Artikeln und wurde im Verlauf von zwei Jahrhunderten um 27 weitere Artikel ergänzt. Inhaltliche Konzepte wie die Gewaltenteilung, ein verbindlicher Grundrechtekatalog durch die [[Bill of Rights (Vereinigte Staaten)|Bill of Rights]] und das Bekenntnis zu Recht und Gesetz waren neue politische Konzepte, die im [[Zeitalter der Aufklärung]] entwickelt und verbreitet wurden. Die [[Verfassung]] löste mit ihrer Ratifikation 1788 die vorher bestehenden [[Konföderationsartikel]] ab. Sie wurde von zwölf der dreizehn ehemaligen britischen Kolonien während des als [[Philadelphia Convention]] bekannten Verfassungskonvents entworfen. [[Datei:Scene at the Signing of the Constitution of the United States.png|thumb|400px|Die Unterzeichnung der Verfassung der Vereinigten Staaten mit [[George Washington]], [[Benjamin Franklin]] und [[Alexander Hamilton]] (v.r.n.l. im Vordergrund), Gemälde von Howard Chandler Christys.]] == Vorgeschichte == [[Datei:Articles page1.jpg|thumb|Die Konföderationsartikel waren der Vorläufer der Verfassung]] Während des [[Amerikanischer Unabhängigkeitskrieg|amerikanischen Unabhängigkeitskrieges]] bildeten die [[dreizehn Kolonien]] zuerst unter den Konföderationsartikeln 1781 einen losen [[Staatenbund]] mit einer schwachen Zentralregierung, die nur aus dem [[Kontinentalkongress]] als ständiger Versammlung bestand. Der Kongress durfte keine Steuern erheben und war bei der Ausführung seiner Beschlüsse von den einzelnen Staaten abhängig, da ihm selbst weder eine [[Exekutive|ausführende]] noch eine [[Judikative|rechtsprechende]] Gewalt zur Seite standen. Ferner hatte der Kongress keinen Einfluss auf Einfuhrzölle und andere Handelsbarrieren zwischen den Staaten. Der Text der Konföderationsartikel konnte nur mit der Zustimmung aller Mitgliedsstaaten geändert werden. Die Staaten maßen der zentralen Regierung lediglich eine geringe Bedeutung zu und entsandten oft erst gar keine Abgeordneten, so dass der Kongress für lange Zeiträume beschlussunfähig blieb.<ref>{{internetquelle|autor=Charles Thompson|url=http://memory.loc.gov/cgi-bin/ampage?collId=lljc&fileName=032/lljc032.db&recNum=6&itemLink=r?ammem/hlaw:@field(DOCID+@lit(jc0321))%230320001&linkText=1 |titel=Journals of the Continental Congress|datum=1787|zugriff=23. Juni 2007}}</ref> Bereits fünf Jahre nach Verabschiedung der Konföderationsartikel trafen sich im September 1786 Vertreter aus fünf Staaten zur [[Annapolis Convention]], um nötige Änderungen von Artikeln - insbesondere zur Verbesserung des zwischenstaatlichen Handels - zu besprechen. Sie beschlossen, zur Erarbeitung von Verfassungsänderungen eine Versammlung von Vertretern aller Mitgliedsstaaten einzuberufen. Der Kontinentalkongress unterstützte diesen Plan formell am 21. Februar 1787. Alle Staaten außer [[Rhode Island]] akzeptierten die Einladung und entsandten Delegierte zum Verfassungskonvent, der am 25. Mai 1787 die Arbeit aufnahm. Obwohl der Kongressbeschluss nur die Ausarbeitung von Änderungen an den bestehenden Konföderationsartikeln vorsah, entschlossen sich die 55 Delegierten stattdessen dazu, eine neue Verfassung auszuarbeiten und unter Ausschluss der Öffentlichkeit zu tagen. Um die Vorschläge der Delegierten zu erklären und die neuen Verfassungsinhalte zu verteidigen, veröffentlichten [[Alexander Hamilton]], [[James Madison]] und [[John Jay]] die [[Federalist Papers]], die bis heute als wichtige Kommentare der Verfassung angesehen werden. Eine der schärfsten Debatten während des Konvents bezog sich auf die Kompetenzen des Kongresses und seine Zusammensetzung. Ein am 29. Mai vorgestellter und von Madison unterstützter, als [[Virginia-Plan]] bezeichneter Vorschlag sah vor, ein zweikämmeriges Parlament zu schaffen, dessen Mitglieder im Verhältnis zu den Bevölkerungsgrößen in den [[US-Bundesstaat|Bundesstaaten]] gewählt werden sollten. Die erste Kammer sollte die Abgeordneten der zweiten wählen. Mit dieser Regelung sollte die Bedeutung der Regierungen in den Bundesstaaten zugunsten ihrer Bevölkerung verringert werden. Gleichzeitig sollte damit verhindert werden, dass einige wenige bevölkerungsschwache Staaten Gesetze blockieren könnten, die von einer Bevölkerungsmehrheit unterstützt wurden. Die gegenteilige Position ergab sich am 15. Juni in [[William Paterson (Jurist)|William Patersons]] [[New-Jersey-Plan]]: der Kongress sollte wie bisher mit gleichberechtigter Vertretung aller Staaten weiter bestehen, aber zusätzliche Kompetenzen erhalten. Beide Vorschläge sahen vor, dass Gesetze des Kongresses Vorrang vor denen der Bundesstaaten haben sollten. Die Lösung fand sich am 27. Juni im [[Connecticut-Kompromiss]], der die verhältnismäßige Vertretung des Virginia-Plans mit der gleichen Verteilung der Sitze des New-Jersey-Plans in zwei getrennten, aber gleichberechtigten Kammern verband. Ein weiterer lang umstrittener Punkt war die Frage, welche Rolle die ausführende Gewalt spielen und wer sie ausfüllen sollte. Verschiedene Varianten, vom einzelnen Gouverneur bis zu einer Art Regierungsausschuss, jeweils vom Kongress gewählt, wurden besprochen. Die Delegierten, noch immer vom vor wenigen Jahren beendeten Unabhängigkeitskrieg beeinflusst, lehnten anfangs eine starke nationale ausführende Gewalt aufgrund der Nähe zur britischen Monarchie ab. Die Idee einer mehrköpfigen Regierung mit geteilten Kompetenzen wurde allerdings ebenso verworfen, wie der im Virginia-Plan enthaltene Vorschlag eines Beratungsgremiums für den Präsidenten. Die Einigung erfolgte am 4. September. Die Staaten würden [[Wahlmänner]] bestellen, die einen Präsidenten und einen Vizepräsidenten für eine vierjährige Amtszeit wählen. Die Aufgabe des Präsidenten wäre die Ausführung der Gesetze und Kontrolle des Kongresses mit Hilfe eines Vetorechtes.<ref>{{internetquelle|autor=James Madison|url=http://memory.loc.gov/cgi-bin/query/r?ammem/hlaw:@field(DOCID+@lit(fr002146))|titel=The Records of the Federal Convention of 1787|datum=4. September 1787|zugriff=23. Juni 2007}}</ref> Eine direkte Wahl des Präsidenten wurde als unpraktikabel abgelehnt. [[Datei:Detail_of_Magna_Carta_monument.JPG|thumb|1957 errichtete die [[American Bar Association]] in [[Runnymede]] ein Monument, um die Bedeutung der [[Magna Carta]] für das amerikanische Recht und die Verfassung herauszustellen.]] Viele der weiteren Verfassungskonzepte basierten auf gesellschaftlichen Vorstellungen der [[Antike]] und Regierungstraditionen der britischen [[Konstitutionelle Monarchie|konstitutionellen Monarchie]]. Die Verfassung stützte sich in ihrem Rechtsverständnis beispielsweise direkt auf den 39. Artikel der [[Magna Carta]] von 1215: {{Zitat|Kein freier Mann soll verhaftet, gefangen gesetzt, seiner Güter beraubt, geächtet, verbannt oder sonst angegriffen werden; noch werden wir ihm anders etwas zufügen, oder ihn ins Gefängnis werfen lassen, als durch das gesetzliche Urteil von Seinesgleichen, oder durch das Landesgesetz.<ref>“Nullus liber homo capiatur, vel imprisonetur, aut disseisiatur, aut utlagetur, aut exuletur, aut aliquo modo destruatur, nec super eum ibimus, nec super eum mittemus, nisi per legale judicium parium suorum vel per legem terre.”<br />Magna Carta Libertatum, [http://la.wikisource.org/wiki/Magna_Carta Originaltext], [http://www.verfassungen.eu/gb/gb1215.htm Deutsche Übersetzung]</ref>}} Die englische [[Bill of Rights (England)|Bill of Rights]] von 1689 diente ebenso als Quelle für den Grundrechtekatalog der Verfassung. Das in den ersten Zusatzartikeln verankerte Gebot der [[Geschworenengericht]]e, das Recht auf Waffenbesitz und das Verbot der grausamen und außergewöhnlichen Bestrafung gehen auf dieses Dokument zurück. Außerdem waren die Väter der Verfassung beeinflusst von den Werken [[Charles de Secondat, Baron de Montesquieu|Montesquieus]], der ein Regierungssystem auf der Grundlage der Gewaltenteilung skizzierte. Bedeutsam war weiterhin die Geschichte der [[Republik der Sieben Vereinigten Niederlande]], die 1781 schon zwei Jahrhunderte lang eine geschriebene Verfassung besaß. So sagte [[Benjamin Franklin]] „in der Liebe zur Freiheit und ihrer Verteidigung war die Republik der Sieben Vereinigten Niederlande unser Vorbild“<ref> “in love of liberty and in the defense of it, [the Republic of the United Provinces] has been our example” – {{internetquelle|hrsg=Botschaft der Niederlande in Washington, D.C.|url=http://www.netherlands-embassy.org/article.asp?articleref=AR00000379EN|titel=Dutch-American Heritage Day|zugriff=23. Juni 2007}}</ref> während [[John Adams]] anmerkte, die Ursprünge beider Republiken ähnelten sich so sehr, dass die Geschichte der einen nur eine Abschrift der anderen zu sein scheint<ref>“the originals of the two Republics are so much alike that the history of one seems but a transcript from that of the other” – {{internetquelle|autor=John Adams|url=http://www.radionetherlands.nl/features/cultureandhistory/050419vox|titel=Memorial to Their High Mightinesses, the States-General of the United Provinces of the Low Countries|datum=19. April 1781|zugriff=23. Juni 2007}} </ref>. [[Datei:Syng inkstand.jpg|thumb|''Syng inkstand'', das Tintenfass, das bei der Unterzeichnung des Verfassungsentwurfs von den Delegierten benutzt wurde.]] Die Delegierten beendeten am 17. September 1787 mit einem Schlusswort [[Benjamin Franklin]]s, Delegierter des Staates [[Pennsylvania]], ihre Arbeit. Franklin erklärte, dass auch der endgültige Entwurf nicht vollständig zufriedenstellend sei, man aber nie Perfektion erreichen könne. Er unterstützte die neue Verfassung und bat auch alle Kritiker, sie anzunehmen.<ref>{{internetquelle|autor=James Madison|url=http://www.yale.edu/lawweb/avalon/debates/917.htm|titel=The Debates in the Federal Convention of 1787|datum=17. September 1787|zugriff=23. Juni 2007}}</ref> Franklin war der einzige [[Gründerväter der Vereinigten Staaten|Gründervater]] der Vereinigten Staaten, der neben der Verfassung auch die [[Unabhängigkeitserklärung der Vereinigten Staaten|Unabhängigkeitserklärung]] und den [[Frieden von Paris (1783)|Friedensvertrag]] mit dem Königreich Großbritannien unterzeichnete. Die dreizehn Staaten stimmten der Verfassung in der folgenden Reihenfolge zu. Die Stimmenzahlen beziehen sich auf gesondert einberufene Ratifizierungsversammlungen, die im jeweiligen Staat abstimmten.<ref>{{internetquelle|autor=Steve Mount|url=http://www.usconstitution.net/ratifications.html|titel=Ratification Dates and Votes|werk=The U.S. Constitution Online|datum=15. März 2006|zugriff=23. Juni 2007}}</ref> {| class="prettytable" |- bgcolor="#efefef" ! rowspan="2" |&nbsp; ! rowspan="2" | Datum ! rowspan="2" | Staat ! colspan="2" | Stimmen ! rowspan="2" | Zustimmung |- ! Ja ! Nein |- |align="right"|1 || 7. Dezember 1787 || [[Delaware]] |align="right"|30 |align="right"|0 |align="right"|100 % |- |align="right"|2 || 12. Dezember 1787 || [[Pennsylvania]] |align="right"|46 |align="right"|23 |align="right"|67 % |- |align="right"|3 || 18. Dezember 1787 || [[New Jersey]] |align="right"|38 |align="right"|0 |align="right"|100 % |- |align="right"|4 || 2. Januar 1788 || [[Georgia]] |align="right"|26 |align="right"|0 |align="right"|100 % |- |align="right"|5 || 9. Januar 1788 || [[Connecticut]] |align="right"|128 |align="right"|40 |align="right"|76 % |- |align="right"|6 || 6. Februar 1788 || [[Massachusetts]] |align="right"|187 |align="right"|168 |align="right"|53 % |- |align="right"|7 || 28. April 1788 || [[Maryland]] |align="right"|63 |align="right"|11 |align="right"|85 % |- |align="right"|8 || 23. Mai 1788 || [[South Carolina]] |align="right"|149 |align="right"|73 |align="right"|67 % |- |align="right"|9 || 21. Juni 1788 || [[New Hampshire]] |align="right"|57 |align="right"|47 |align="right"|55 % |- |align="right"|10 || 25. Juni 1788 || [[Virginia]] |align="right"|89 |align="right"|79 |align="right"|53 % |- |align="right"|11 || 26. Juli 1788 || [[New York (Bundesstaat)|New York]] |align="right"|30 |align="right"|27 |align="right"|53 % |- |align="right"|12 || 21. November 1789 || [[North Carolina]] |align="right"|194 |align="right"|77 |align="right"|72 % |- |align="right"|13 || 29. Mai 1790 || [[Rhode Island]] |align="right"|34 |align="right"|32 |align="right"|52 % |} Eine Originalausfertigung des ursprünglich verabschiedeten Verfassungstextes wird vom [[National Archives and Records Administration|Nationalarchiv der Vereinigten Staaten]] in [[Washington (D.C.)|Washington, D.C.]] verwahrt. == Inhalt == Die Verfassung gliedert sich in eine Präambel und sieben Artikel. In den ersten drei Artikeln werden im Wesentlichen die Grundzüge der Gewaltenteilung dargelegt. <gallery> Datei:Constitution Pg1of4 AC.jpg|Seite 1 der Verfassung Datei:Constitution Pg2of4 AC.jpg|Seite 2 der Verfassung Datei:Constitution Pg3of4 AC.jpg|Seite 3 der Verfassung Datei:Constitution Pg4of4 AC.jpg|Seite 4 der Verfassung mit Unterschriften der Delegierten </gallery> === Präambel === {{Zitat-en|We the People of the United States, in Order to form a more perfect Union, establish Justice, insure domestic Tranquility, provide for the common defence, promote the general Welfare, and secure the Blessings of Liberty to ourselves and our Posterity, do ordain and establish this Constitution for the United States of America.|Originaltext der Präambel der Verfassung der Vereinigten Staaten<ref>Originalschreibweise, mit der heute in der englischen Sprache unüblichen [[Großschreibung]] von Substantiven.</ref>|Übersetzung=Wir, das Volk der Vereinigten Staaten, von der Absicht geleitet, unseren Bund zu vervollkommnen, die Gerechtigkeit zu verwirklichen, die Ruhe im Innern zu sichern, für die Landesverteidigung zu sorgen, das allgemeine Wohl zu fördern und das Glück der Freiheit uns selbst und unseren Nachkommen zu bewahren, setzen und begründen diese Verfassung für die Vereinigten Staaten von Amerika.}} Die [[Präambel]] der Verfassung besteht aus einem einzigen Satz, der das Dokument und seinen Zweck vorstellt. Die Präambel verleiht selbst keine Macht und verbietet auch keine Handlungen, sondern erklärt nur den Hintergrund und Sinn der Verfassung. Ein [[Gottesbezug]] findet sich bewusst nicht, da die Verfassung ein rein [[Säkularisierung|säkulares]] Dokument ist. Die Präambel, insbesondere die ersten drei Worte “We the people”, ist einer der am häufigsten zitierten Abschnitte der Verfassung. === Gesetzgebende Gewalt (Legislative) === [[Datei:Uscapitolindaylight.jpg|thumb|Das [[Kapitol (Washington)|Kapitol]], Sitz des Kongresses der Vereinigten Staaten]] Der ''erste Artikel'' beschreibt die gesetzgebende Gewalt, die vom [[Kongress der Vereinigten Staaten|Kongress]] ausgefüllt wird. Der Kongress hat auf der Bundesebene exklusive Gesetzgebungskompetenzen, die nicht an andere Institutionen delegiert werden dürfen. Zu seinen in der Verfassung aufgeführten Zuständigkeitsgebieten gehören unter anderem das Haushalts- und Steuerrecht, das Einbürgerungsrecht, das Handelsrecht, das Patent- und Urheberrecht, das Recht, den Krieg zu erklären sowie der Aufbau und der Unterhalt eines stehenden Heeres. Gleichzeitig legt die Verfassung auch Bereiche fest, in denen der Kongress keine Möglichkeit zur Rechtssetzung hat, darunter das Erheben von Ausfuhrsteuern, die Aufhebung des [[habeas corpus]], die Verurteilung einzelner Personen [[Bill of Attainder|ohne ordentliches Gerichtsverfahren]] und die Verleihung von Adelstiteln. Der Kongress besteht aus zwei Kammern: einem direkt von der Bevölkerung der Bundesstaaten auf zwei Jahre gewählten [[Repräsentantenhaus der Vereinigten Staaten|Repräsentantenhaus]] und einem von den Parlamenten der Bundesstaaten für sechs Jahre gewählten [[Senat der Vereinigten Staaten|Senat]]. Die Mindestanforderungen, um für einen Sitz im Repräsentantenhaus zu kandidieren, d.&nbsp;h. für das [[Passives Wahlrecht|passive Wahlrecht]] sind ein Alter von mindestens 25 Jahren, ein fester Wohnsitz im zu vertretenden Bundesstaat und das Bestehen der Staatsbürgerschaft seit mindestens sieben Jahren. Für den Senat gelten ähnliche Anforderungen, allerdings beträgt das Mindestalter hier 30 Jahre und der Mindestzeitraum für die Staatsbürgerschaft neun Jahre. Die Wahlen zum Repräsentantenhaus finden in allen Bundesstaaten statt, die zu diesem Zweck ihrer Bevölkerungszahl entsprechend in [[Wahlkreis]]e aufgeteilt werden. Jeder Wahlkreis wählt nach dem Prinzip der [[Mehrheitswahl]] einen Sitz in der Kammer. Die Zuteilung der Sitze an die Bundesstaaten erfolgt vom Kongress auf der Basis einer [[Volkszählung]], die alle zehn Jahre von der [[United States Census Bureau|Zensusbehörde]] durchgeführt wird. Jedem Bundesstaat steht mindestens ein Sitz zu. Für die weitere Aufteilung des Bundesstaates in Wahlkreise ist das jeweilige Parlament zuständig. Das aktive Wahlrecht hat jeder Bürger, der in seinem Bundesstaat nach den lokalen Gesetzen zur Wahl der größten bundesstaatlichen Parlamentskammer aktiv wahlberechtigt ist. Das Repräsentantenhaus wählt als Vorsitzenden einen [[Sprecher des Repräsentantenhauses der Vereinigten Staaten|Sprecher]]. In der ursprünglichen Verfassung wurde das Wahlrecht für Sklaven in der [[Drei-Fünftel-Klausel]] eingeschränkt. Bis zur Verabschiedung des [[17. Zusatzartikel zur Verfassung der Vereinigten Staaten|17. Zusatzartikels]] zur Verfassung wurden die Senatoren nicht direkt, sondern von den Parlamenten der Bundesstaaten gewählt. Jedem Bundesstaat stehen im Senat genau zwei Sitze zu. Die Wahl erfolgt gestaffelt, so dass alle zwei Jahre ein Drittel der Senatoren neu gewählt werden. Der [[Vizepräsident der Vereinigten Staaten]] ist gleichzeitig der Präsident des Senates. Die Kammer wählt allerdings auch einen [[Präsident pro tempore des Senats der Vereinigten Staaten|Präsident Pro Tempore]], der im Tagesgeschäft den Vorsitz übernimmt. Die Mitglieder der Kammern beziehen aus dem laufenden Haushalt eine Entschädigung für ihre Dienste. Weiterhin erhalten sie [[politische Immunität]] und haben im Plenum eine absolute Meinungsfreiheit. Sie dürfen im Sinne der Gewaltenteilung keine weiteren staatlichen Ämter ausüben oder während ihrer Amtszeit annehmen. Beide Kammern sind weitestgehend gleichberechtigt und unabhängig. Sie geben sich eigene Geschäftsordnungen und entscheiden über Rügen und Ausschlüsse ihrer Mitglieder selbständig. Jedoch müssen sie immer gemeinsam tagen und sich auf den Beginn und die Dauer ihrer Sitzungsperioden verständigen. Ebenso muss jedes [[Gesetzgebungsverfahren (Vereinigte Staaten)|Gesetzesvorhaben]] von beiden Kammern in gleicher Form gebilligt werden, bevor es dem Präsidenten zur Unterschrift vorgelegt wird. Der Präsident hat das Recht, beschlossene Gesetze abzulehnen. Das Gesetz muss danach von beiden Kammern mit Zweidrittelmehrheit beschlossen werden, um das [[Veto]] des Präsidenten aufzuheben. Eine Auflösung einer oder beider Kammern, zum Beispiel um Neuwahlen herbeizuführen, ist nicht möglich. === Ausführende Gewalt (Exekutive) === [[Datei:White House.jpg|thumb|Das [[Weißes Haus|Weiße Haus]], Sitz des Präsidenten der Vereinigten Staaten]] Der ''zweite Artikel'' legt das Amt des [[Präsident der Vereinigten Staaten|Präsidenten]] fest, der die ausführende Gewalt innehat. Die Amtszeit des Präsidenten und des [[Vizepräsident der Vereinigten Staaten|Vizepräsidenten]] beträgt vier Jahre, eine Begrenzung der Wiederwahlmöglichkeit enthält die Verfassung erst mit dem 1951 verabschiedeten 22. Zusatzartikel. Jeder Bürger kann für das Präsidentenamt kandidieren, wenn er in den Vereinigten Staaten geboren wurde, mindestens 35 Jahre alt ist und seit mindestens 14 Jahren seinen festen Wohnsitz in den Vereinigten Staaten hat. Die Wahl findet in zwei Stufen statt. Zuerst werden in jedem Bundesstaat so viele [[Wahlmann|Wahlmänner]] ernannt, wie der Bundesstaat Mitglieder im Kongress hat. Die Art und Weise der Ernennung regeln die Bundesstaaten eigenständig, der Kongress bestimmt nur den Tag der Ernennung und der Stimmenabgabe. Seit 1824 findet in jedem Bundesstaat zur Ernennung der Wahlmänner eine allgemeine Wahl statt. Die Wahlmänner geben vor der Wahl bekannt, für welchen Kandidaten sie stimmen werden, sind aber daran nicht gesetzlich gebunden. Der ursprüngliche Verfassungstext sah vor, dass die Wahlmänner nach ihrer Ernennung in den Hauptstädten der jeweiligen Bundesstaaten zusammenkommen und jeweils ihre Stimmen für zwei Kandidaten abgeben. Der Kandidat, der die meisten Stimmen erhielt, wurde Präsident, der mit der nächsthöheren Stimmenzahl Vizepräsident. Gewählt war nur der Kandidat, der gleichzeitig die absolute Mehrheit der Stimmen auf sich vereinigte. Wenn kein Kandidat die absolute Mehrheit erreicht hatte, entschied das Repräsentantenhaus. Nach der [[Präsidentschaftswahl in den Vereinigten Staaten 1796|Präsidentschaftswahl 1796]], bei der Kandidaten unterschiedlicher Parteien zum Präsidenten und Vizepräsidenten gewählt worden waren und der [[Präsidentschaftswahl in den Vereinigten Staaten 1800|Wahl von 1800]], bei der es zu einem Patt zwischen zwei Kandidaten der gleichen Partei gekommen war, wurde der Wahlmodus durch einen neuen Zusatzartikel verändert. Seitdem geben die Wahlmänner getrennt eine Stimme für den Präsidenten und eine Stimme für den Vizepräsidenten ab, womit ähnliche Situationen vermieden werden sollten. Scheidet der Präsident wegen Tod, Rücktritt oder fehlender Fähigkeit zur Amtsausführung vorzeitig aus, so übernimmt der Vizepräsident das Amt. Die Reihenfolge der [[Nachfolge des Präsidenten der Vereinigten Staaten|Nachfolge des Präsidenten]] für den Fall, dass auch das Amt des Vizepräsidenten unbesetzt ist, kann der Kongress per Gesetz festlegen. Dem ursprünglichen Text zufolge blieb das Amt des Vizepräsidenten nach dessen Wechsel zum Präsidentenamt frei. Erst 1967 wurde die Verfassung so [[25. Zusatzartikel zur Verfassung der Vereinigten Staaten|geändert]], dass in diesem Fall der Präsident mit Zustimmung von zwei Dritteln beider Kammern des Kongresses einen neuen Vizepräsidenten ernennen kann. Als [[Staatsoberhaupt]] und [[Regierungschef]] verfügt der Präsident über umfangreiche Kompetenzen. Er hat den Oberbefehl über die Streitkräfte inne, handelt im Namen der Vereinigten Staaten und mit Zustimmung des Senats Verträge mit anderen Ländern aus und ernennt mit Zustimmung des Senats Botschafter, Minister, Richter und andere Beamte. Der Präsident muss dem Kongress gelegentlich über die [[State of the Union Address|Lage der Nation]] berichten, darf eine oder beide Kammern zu einer Sitzung einberufen und eine Sitzungspause festlegen, wenn sich beide Kammern nicht einigen können. Darüber hinaus ist der Präsident für die Durchführung aller vom Kongress beschlossenen Gesetze verantwortlich. Ein Kabinett im Sinne einer mehrköpfigen [[Regierung]] ist von der Verfassung nur insofern vorgesehen, als der Präsident das Recht hat, die höchsten Beamten schriftlich um ihren Rat zu bitten. Minister werden in der Verfassung nicht erwähnt, das Ministeramt hat sich erst in der Regierungspraxis entwickelt. Die Minister sind im Unterschied zu anderen Ländern direkt vom Präsidenten abhängig, müssen seinen Anweisungen folgen und können von ihm jederzeit entlassen werden. Der Präsident, der Vizepräsident und weitere Beamte der Bundesregierung können vom Kongress ihres Amtes enthoben werden, wenn ihnen Verrat, Bestechung oder andere Straftaten nachgewiesen werden. Das [[Impeachment|Amtsenthebungsverfahren]] muss von einer Mehrheit im Repräsentantenhaus eingeleitet werden. Dazu werden dem Senat konkrete Anschuldigungen übermittelt, über deren Wahrheitsgehalt die Senatoren anhand der vorgebrachten Beweise bestimmen müssen. Sind mindestens zwei Drittel der Senatoren der Ansicht, die Anschuldigungen sind gerechtfertigt, ist der Amtsträger seines Amtes enthoben. === Rechtsprechende Gewalt (Judikative) === [[Datei:US SupremeCourtWashingtonDC.jpg|thumb|Sitz des Obersten Gerichtshofs]] Der ''dritte Artikel'' bestimmt die [[Rechtsprechung]] des Bundes. Der Artikel verlangt die Errichtung eines [[Oberster Gerichtshof der Vereinigten Staaten|Obersten Gerichtshofs]] und überlässt die weitere Gestaltung des Gerichtssystems dem Kongress. Seine Richter werden vom Präsidenten mit Zustimmung des Senats auf Lebenszeit ernannt, können aber bei groben Verstößen vom Kongress ihres Amtes enthoben werden. Die Aufgabenverteilung zwischen Gerichten des Bundes und der Bundesstaaten hängt von dem für die Entscheidung eines Falles maßgeblichen Recht ab. Die Gerichte des Bundes sind nur für die Rechtsstreitigkeiten zuständig, die aus den Gesetzen und Abkommen der Vereinigten Staaten entstehen können, für alle Fälle, die sich mit Botschaftern, Ministern, Konsuln oder dem Seerecht beschäftigen, für Fälle, an denen die Vereinigten Staaten oder zwei oder mehr Bundesstaaten beteiligt sind, sowie für Klagen zwischen einem Bundesstaat oder dessen Bürgern und Bürgern eines anderen Bundesstaats. Der Oberste Gerichtshof ist nur dann als erste Instanz zuständig, wenn es sich bei einer der Parteien um einen Botschafter, einen Minister, einen Konsul oder einen Bundesstaat handelt. In allen anderen Fällen prüft das Gericht nur auf [[Rechtsbehelf|Antrag]] die Entscheidungen anderer Gerichte auf Rechtsfehler. Eine explizite [[Verfassungsgerichtsbarkeit]] sieht der Verfassungstext zwar nicht vor. Der Oberste Gerichtshof entschied jedoch im Fall ''[[Marbury v. Madison]]'', dass er das Prüfungsrecht hat, Bundesgesetze für verfassungswidrig und damit nichtig zu erklären. Dieser Grundsatz wurde in der weiteren Rechtsprechung auch auf Gesetze der Bundesstaaten ausgeweitet und ist zu einer Verfassungstradition erstarkt, so dass von einer relativ hohen Prüfungsdichte gesprochen werden kann. Die Prüfung von Gesetzgebung kann aber nur im Rahmen eines konkreten Rechtsstreits stattfinden. Eine [[abstrakte Normenkontrolle]] oder eine allgemeine Prüfung im Anschluss an das Gesetzgebungsverfahren gibt es nicht. [[Strafprozess]]e müssen mit Hilfe von [[Geschworene]]n in dem Bundesstaat durchgeführt werden, in dem die Straftat begangen wurde. Die Verfassung definiert an dieser Stelle auch den Straftatbestand des [[Verrat]]s als Handlung, die entweder einen Krieg gegen die Vereinigten Staaten herbeiführt oder die Feinde des Landes unterstützt. Eine Verurteilung ist nur dann möglich, wenn die Handlung von mindestens zwei Zeugen gesehen wurde oder ein Geständnis vorliegt. Die Verurteilung durfte sich nicht auf die Nachkommen des Verurteilten auswirken, wie früher nach englischem Recht möglich. === Föderale Struktur === Der ''vierte Artikel'' regelt die Beziehungen zwischen dem Bund und den Bundesstaaten und den Bundesstaaten untereinander. In diesem Artikel finden sich beispielsweise die Pflicht zur gegenseitigen Anerkennung (engl. ''full faith and credit'') von Rechtsakten und das Verbot der Diskriminierung von Bürgern anderer Bundesstaaten. So kann ein Bürger Arizonas in Ohio zum Beispiel für die gleiche Straftat nicht anders bestraft werden als ein einheimischer Bürger. Andererseits sind die Bundesstaaten zur gegenseitigen Rechtshilfe, zur Gewährleistung der allgemeinen Freizügigkeit aller Bürger und zur Wahrung einer [[Republik|republikanischen Regierungsform]] verpflichtet. Ebenso bestimmt dieser Artikel die notwendigen Schritte zur Schaffung und Aufnahme neuer Bundesstaaten. Darüber hinaus erhält der Kongress die Befugnis, eigenständig über den Verkauf und die Benutzung von bundeseigenem Land zu verfügen und Gesetze für Territorien zu erlassen, die nicht zu einem Bundesstaat gehören. Der Artikel verpflichtet den Bund auch, die Bundesstaaten gegen [[Invasion (Militär)|Invasionen]] zu schützen. === Verfassungsänderungen === [[Datei:Verfahren zur Verfassungsänderung in den Vereinigten Staaten.svg|thumb|350px|Schematische Darstellung des Verfahrens zur Verfassungsänderung]] Der ''fünfte Artikel'' setzt ein vergleichsweise kompliziertes Verfahren zur Verfassungsänderung fest. Einerseits gingen die Delegierten des Verfassungskonvents davon aus, dass die Verfassung ohne Möglichkeit zur Änderung nicht lange bestehen könnte. Es war abzusehen, dass sich das Land insbesondere in Richtung Westen stark vergrößern würde und sich dabei Umstände ergeben könnten, die zur Zeit des Verfassungskonvents nicht vorhersehbar waren. Andererseits wollten sie aber auch sicherstellen, dass solche Änderungen nicht zu leicht fielen und die Umsetzung undurchdachter oder übereilter Vorschläge verhindern. Zum Ausgleich dieser beiden Ziele und auch, um eine größere Flexibilität zu ermöglichen, wurde die [[Einstimmigkeit]], die in den Konföderationsartikeln vorherrschte, durch eine qualifizierte Mehrheit ersetzt. Das Gremium schuf zwei verschiedene Verfahren, mit denen Verfassungsänderungen vorgeschlagen werden können. Einerseits können Änderungsvorschläge direkt vom Kongress eingebracht werden, andererseits kann der Kongress auf Antrag von mindestens zwei Dritteln der Staaten einen neuen Verfassungskonvent einberufen. In beiden Fällen müssen erarbeitete Änderungen dem Kongress zur Verabschiedung vorgelegt werden. Um als offizieller Verfassungsänderungsantrag gültig zu sein, benötigt ein Vorschlag die Zustimmung von mindestens zwei Dritteln der Stimmen in beiden Kammern. Anschließend müssen die Änderungen auch in drei Vierteln der Bundesstaaten durch das jeweilige Parlament oder eine speziell zu diesem Zweck zu wählende Versammlung ratifiziert werden; der Kongress legt dabei fest, ob spezielle Versammlungen zu wählen sind oder nicht. Erst dann treten sie in Kraft. Da die Verfassung keine Bestimmungen enthält, bis wann die Zustimmung von drei Vierteln der Bundesstaaten vorliegen muss, enthalten neuere Änderungsvorschläge meist selbst eine Zeitbeschränkung auf sieben Jahre. Eine Beschränkung hinsichtlich des Inhalts solcher Änderungen ähnlich der [[Ewigkeitsklausel]] im [[Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland]] besteht mit einer Ausnahme nicht: die gleichberechtigte Vertretung der Bundesstaaten im Senat kann nur mit Zustimmung aller betroffenen Bundesstaaten verändert werden. Beispielsweise wäre eine Verfassungsänderung mit dem Ziel, die Stimmen im Senat nach Bevölkerungsstärke umzuverteilen, nur mit Zustimmung aller Staaten möglich. Im Unterschied zu den Verfassungen vieler anderer Staaten wird der neue Text nicht in den alten eingearbeitet, sondern am Ende angehängt. Dies hat sich als Tradition nach der Verabschiedung der [[Bill of Rights (Vereinigte Staaten)|Bill of Rights]] herausgebildet, deren Inhalt dem ursprünglichen Verfassungstext in der Form von zehn neuen Artikel folgt. <ref>{{internetquelle|autor=Steve Mount|url=http://usconstitution.net/constfaq_a8.html#Q144|titel=Q144. “When changes are made to the Constitution, is anything added to the original document to show that something has been changed or is now being omitted?”|werk=The U.S. Constitution Online|datum=22. April 2007|zugriff=23. Juni 2007}}</ref> Durch solche Zusatzartikel hinfällig gewordene Bestimmungen (im Ursprungstext oder in früheren Zusatzartikeln) werden in Druckausgaben gewöhnlich in eckige Klammern gesetzt. === Rechtsstruktur und Übergangsbestimmungen === Der ''sechste Artikel'' bestimmt, dass die Verfassung, die Gesetze und die Verträge, die Gesetzesrang haben, das höchste Recht der Vereinigten Staaten ausmachen. Diese Klausel wurde vom Obersten Gerichtshof dahingehend interpretiert, dass sich Bundesgesetze der Verfassung unterwerfen müssen und verfassungswidrige Gesetze nichtig sind. Als Übergangsbestimmung legt der Artikel außerdem fest, dass die Schulden des Kontinentalkongresses auch nach Ratifikation der Verfassung bestehen bleiben. Ferner schreibt der Artikel für alle Abgeordneten, Senatoren, Bundesbeamten und Richter einen Amtseid auf die Verfassung vor. === Ratifikation === Der ''siebte Artikel'' enthält schließlich die Voraussetzungen für die erfolgreiche [[Ratifikation]] der Verfassung. Der Entwurf sollte erst dann rechtskräftig werden, wenn mindestens neun Staaten in speziellen Versammlungen zugestimmt hatten. Dies geschah am 21. Juni 1788, als [[New Hampshire]] sich als neunter Staat mit der Verfassung einverstanden erklärte. Als der Kontinentalkongress vom Ergebnis der Abstimmung erfuhr, wurde ein Übergangsplan erarbeitet, unter dem am 4. März 1789 die neue Regierung ihre Arbeit aufnehmen konnte. == Weitere Entwicklung == Die Verfassung hat seit ihrer Ratifikation viele Veränderungen erfahren. Sie wurde seit 1787 um 27 neue Artikel erweitert und durch Grundsatzurteile des Obersten Gerichtshofs in ihrer Bedeutung und Auslegung an die sich verändernden historischen Umstände angepasst. Das Selbstverständnis des Gerichtshofs als Hüter der Verfassung erlaubt es ihm, für andere Gerichte bindende Interpretationen der Verfassung aufzustellen. Da solche Fälle immer auch die aktuellen rechtlichen, politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Gegebenheiten widerspiegeln, ergibt sich damit eine pragmatische Möglichkeit der Verfassungsänderung durch [[Richterrecht]] statt der Veränderung des eigentlichen Textes. Im Laufe der letzten zwei Jahrhunderte haben Rechtsfälle, die sich mit so unterschiedlichen Themen wie den Rechten von Angeklagten in Strafprozessen oder der staatlichen Regulierung von Radio und Fernsehen befassten, wiederholt Veränderungen der Interpretation eines Verfassungsabschnitts hervorgerufen, ohne dass dem eine formelle Verfassungsänderung zu Grunde lag. Vom Kongress verabschiedete [[Bundesgesetz (Vereinigte Staaten)|Bundesgesetze]] zur Ausführung der Verfassungsbestimmungen erweitern und verändern die Interpretation der Verfassung auf ebenso subtile Weise. Ähnliches gilt für eine große Anzahl von Verwaltungsverordnungen, die in Bezug auf Verfassungsbestimmungen erlassen werden. Die verfassungsrechtliche Bedeutung solcher Gesetze und Verordnungen wird schließlich von den Bundesgerichten im Rahmen der ständigen Rechtsprechung festgelegt. === 18. Jahrhundert === [[Datei:Bill of Rights Pg1of1 AC.jpg|thumb|Die ''Bill of Rights'', der Grundrechtekatalog der Verfassung]] Bereits in der ersten Sitzungsperiode des Kongresses schlug James Madison einen Grundrechtekatalog vor, der der Verfassung hinzugefügt werden sollte. Der Katalog entstand als Antwort auf Kritik, die besonders von einigen Bundesstaaten und bedeutenden historischen Persönlichkeiten wie [[Thomas Jefferson]] geäußert worden war. Diese monierten vor allem, dass sich die starke nationale Regierung ohne weitere verfassungsrechtliche Beschränkungen in eine Tyrannei verwandeln könne. Zwölf Zusatzartikel wurden zur [[Bill of Rights (Vereinigte Staaten)|Bill of Rights]] zusammengefasst und vom Kongress im September 1789 den Bundesstaaten zur Ratifikation unterbreitet. Zehn der zwölf Artikel wurden bis Dezember 1791 von einer ausreichenden Anzahl Bundesstaaten ratifiziert und sind seitdem Bestandteil der Verfassung. Einer der beiden übrigen Artikel blieb bis zur Zustimmung [[Alabama]]s 1992 unratifiziert und ist heute als [[27. Zusatzartikel zur Verfassung der Vereinigten Staaten|27. Zusatzartikel]] bekannt. Er bestimmt, dass Beschlüsse des Kongresses über die Erhöhung der eigenen [[Abgeordnetenentschädigung|Diäten]] erst nach der nächsten Wahl gültig werden können. Der zweite vorgeschlagene Artikel, der theoretisch immer noch ratifiziert werden könnte, befasst sich mit der erneuten Sitzverteilung im [[Repräsentantenhaus der Vereinigten Staaten|Repräsentantenhaus]] nach jeder Volkszählung. [[Kentucky]] ist seit 1792 der letzte Bundesstaat, der diesen Artikel ratifizierte. Der [[1. Zusatzartikel zur Verfassung der Vereinigten Staaten|erste Zusatzartikel]] gewährt die [[Meinungsfreiheit|Meinungs-]] und [[Versammlungsfreiheit]] sowie das [[Petitionsrecht]]. Dieser Artikel verbietet die Einführung einer [[Staatsreligion]] durch den Kongress und schützt die individuelle [[Religionsfreiheit]]. Die Bedeutung des [[2. Zusatzartikel zur Verfassung der Vereinigten Staaten|zweiten Zusatzartikels]] ist heftig umstritten, da er sich auf das amerikanische [[Waffenrecht]] bezieht. Im Gegensatz zu den anderen Zusatzartikeln wurde dieser nur in wenigen Fällen angewendet, so dass seine Auslegung nicht eindeutig geklärt ist. Im Jahr 2008 hat der Oberste Gerichtshof in [[2. Zusatzartikel zur Verfassung der Vereinigten Staaten#District of Columbia v. Heller (2008)|District of Columbia v. Heller]] entschieden, dass der 2. Zusatzartikel ein Recht auf individuellen Waffenbesitz garantiert. Der [[3. Zusatzartikel zur Verfassung der Vereinigten Staaten|dritte Zusatzartikel]] verbietet es der Regierung, Soldaten ohne Zustimmung der Besitzer in privatem Wohnraum einzuquartieren. Wie im Falle des zweiten Zusatzartikels gibt es auch hier nur wenige Entscheidungen, die diesen Artikel interpretierten. Bisher wurde er noch in keinem Fall vor dem Obersten Gerichtshof behandelt. Der [[4. Zusatzartikel zur Verfassung der Vereinigten Staaten|vierte Zusatzartikel]] verhindert staatliche Durchsuchungen, Verhaftungen und Beschlagnahmungen ohne richterliche Anordnung. Die Ausnahme ist die berechtigte Annahme, dass eine Straftat begangen wurde (''probable cause''). Der Oberste Gerichtshof leitete von diesem Artikel und anderen in der Entscheidung [[Griswold v. Connecticut]] ein allgemeines Recht auf die Wahrung der Privatsphäre ab, das auch ein Recht auf [[Schwangerschaftsabbruch]] umfasst. Der [[5. Zusatzartikel zur Verfassung der Vereinigten Staaten|fünfte Zusatzartikel]] erlaubt Strafprozesse wegen Verbrechen nur in Folge einer [[Anklage]] (engl. ''indictment'') durch eine [[Grand Jury]], verbietet die Mehrfachanklage für dieselbe Straftat und das Verhängen von Strafen ohne ordentlichen Gerichtsprozess (''[[due process]]''). Er konstituiert ein [[Zeugnisverweigerungsrecht]] für den Beschuldigten. Dieser Artikel bestimmt auch, dass privates Eigentum vom Staat nicht ohne Entschädigung enteignet werden darf. Der sechste, der siebte und der achte Zusatzartikel regeln das Justizsystem des Bundes. Der [[6. Zusatzartikel zur Verfassung der Vereinigten Staaten|sechste Zusatzartikel]] verlangt, dass Strafprozesse in angemessener Geschwindigkeit ablaufen müssen (''speedy trial''), dass der Beschuldigte das Recht auf ein Verfahren vor einem [[Geschworenengericht]] und einen [[Rechtsbeistand]] hat und dass die Zeugen in der Anwesenheit des Beschuldigten vernommen werden müssen. Der [[7. Zusatzartikel zur Verfassung der Vereinigten Staaten|siebte Zusatzartikel]] enthält das Recht auf ein Verfahren vor einem Geschworenengericht für Zivilprozesse mit einem Streitwert über [[US-Dollar|$]] 20. Schließlich verbietet der [[8. Zusatzartikel zur Verfassung der Vereinigten Staaten|achte Zusatzartikel]] unverhältnismäßige [[Kautionssystem (Vereinigte Staaten)|Kautionen]] und [[Geldstrafe]]n sowie grausame und ungewöhnliche Bestrafungen. Der Oberste Gerichtshof bestimmte [[1966]] im Urteil zum Fall [[Miranda v. Arizona]], dass allen Beschuldigten vor der Vernehmung oder Verhaftung ihre im fünften und sechsten Zusatzartikel verbrieften Rechte vorzulesen sind. Dies wird seitdem auch als [[Miranda-Rechte]] bezeichnet. Der [[9. Zusatzartikel zur Verfassung der Vereinigten Staaten|neunte Zusatzartikel]] erklärt, dass die aufgelisteten Bürgerrechte nicht als abschließend interpretiert werden sollen und die Bevölkerung noch weitere, nicht in der Verfassung aufgeführte Rechte hat. Das Recht auf die Wahrung der Privatsphäre wird von vielen als ein solches Recht gesehen. Nur wenige Fälle vor dem Obersten Gerichtshof haben sich auf diesen Artikel bezogen. Der [[10. Zusatzartikel zur Verfassung der Vereinigten Staaten|zehnte Zusatzartikel]] legt schließlich fest, dass die Kompetenzen, die dem Bund nicht explizit von der Verfassung zugewiesen oder den Bundesstaaten entzogen wurden, weiterhin bei den Bundesstaaten und ihrer Bevölkerung liegen. Damit sollte ein Gleichgewicht zwischen der Bundesregierung, den Bundesstaaten und der Bevölkerung geschaffen werden. Tatsächlich hat dieser Zusatzartikel aber keinerlei rechtliche Bedeutung mehr, seitdem der Oberste Gerichtshof im Fall [[Garcia v. San Antonio Metropolitan Transit Authority]] entschieden hat, dass Fragen bezüglich dieses Artikels nicht mehr von der Rechtsprechung beantwortet werden.<ref>{{Internetquelle|autor=Harry Blackmun|url=http://caselaw.lp.findlaw.com/scripts/getcase.pl?court=US&vol=469&invol=528|titel=GARCIA v. SAN ANTONIO METRO. TRANSIT AUTH., 469 U.S. 528 (1985)|datum=19. Februar 1985|zugriff=23. Juni 2007}} </ref> Der [[11. Zusatzartikel zur Verfassung der Vereinigten Staaten|elfte Zusatzartikel]] beschränkt die Zuständigkeit der Bundesgerichte bei Klagen von Bürgern eines Bundesstaats gegen einen anderen Bundesstaat. Der Artikel war eine Reaktion auf den Fall [[Chisholm v. Georgia]], in dem der Oberste Gerichtshof festlegte, dass Bundesstaaten vor Bundesgerichten von Bürgern anderer Bundesstaaten verklagt werden können. === 19. Jahrhundert === [[Datei:15th Amendment Pg1of1 AC.jpg|thumb|Der 15. Zusatzartikel gab ehemaligen Sklaven das aktive Wahlrecht.]] Die [[Präsidentschaftswahl in den Vereinigten Staaten 1800|Präsidentschaftswahl 1800]] löste eine viermonatige Verfassungskrise aus, als sowohl Thomas Jefferson als auch [[Aaron Burr]] im [[Electoral College]] 73 Stimmen erhielten. Bei Stimmengleichheit schrieb der ursprüngliche Verfassungstext vor, dass das [[Repräsentantenhaus der Vereinigten Staaten|Repräsentantenhaus]] bestimmen solle, welcher der beiden Kandidaten Präsident werden würde. Der unterlegene Kandidat würde als Vizepräsident amtieren. Die Krise konnte erst nach 35 Nachwahlgängen beendet werden, aus denen Jefferson als Sieger hervorging. Die im [[12. Zusatzartikel zur Verfassung der Vereinigten Staaten|12. Zusatzartikel]] vorgeschlagene Änderung sah vor, dass die Wahlmänner zukünftig getrennt eine Stimme für den Präsidenten und eine Stimme für den Vizepräsidenten abgeben sollten. Der Artikel trat 1804 rechtzeitig vor der anstehenden nächsten Präsidentschaftswahl in Kraft. In Folge des [[Sezessionskrieg]]es wurden drei Zusatzartikel verabschiedet, die sich alle mit der [[Sklaverei|Sklavenproblematik]] in den Vereinigten Staaten auseinandersetzten. Der [[13. Zusatzartikel zur Verfassung der Vereinigten Staaten|dreizehnte Zusatzartikel]] schaffte 1865 die [[Sklaverei in den USA]] ab und verlieh dem Kongress ausdrücklich das Recht, die Abschaffung gesetzlich durchzusetzen. Der [[14. Zusatzartikel zur Verfassung der Vereinigten Staaten|vierzehnte Zusatzartikel]] definierte 1868 das Staatsbürgerschaftsrecht neu. Von nun an hatte jeder Mensch, der in den Vereinigten Staaten geboren wurde, automatisch die volle Staatsbürgerschaft. Gleichzeitig verbietet der Artikel den Entzug von individuellen Rechten und Privilegien ohne ordentliches Gerichtsverfahren; diese weit gefasste Klausel ist eine der wirkmächtigsten der ganzen Verfassung geworden, dutzende Entscheidungen des Obersten Gerichts nehmen darauf Bezug. Der Artikel enthält schließlich ein allgemeines Gleichbehandlungsgebot, das im 20. Jahrhundert während der [[Bürgerrechtsbewegung]] von besonderer Bedeutung war. Der [[15. Zusatzartikel zur Verfassung der Vereinigten Staaten|fünfzehnte Zusatzartikel]] verfügte 1870, dass die Beschränkung des aktiven Wahlrechts aufgrund der Rasse, Hautfarbe oder eines früheren Sklavenstatus gegen die Verfassung verstößt. === Jahrhundertwende bis Erster Weltkrieg === Die Verfassung wurde 1913 mit dem [[16. Zusatzartikel zur Verfassung der Vereinigten Staaten|sechzehnten Zusatzartikel]] geändert, um dem Kongress das Recht zu geben, eine [[Einkommensteuer in den Vereinigten Staaten|allgemeine Einkommensteuer]] zu erheben. Bis 1913 war die Bundesregierung auf Einnahmen aus Einfuhrzöllen und gewissen Verbrauchssteuern angewiesen. Versuche des Kongresses, eine allgemeine Einkommensteuer einzuführen, scheiterten vor der Verfassungsänderung mehrfach beim Obersten Gerichtshof, so beispielsweise 1895 im Fall [[Pollock v. Farmers' Loan & Trust Co.]] Ebenfalls 1913 wurde der [[17. Zusatzartikel zur Verfassung der Vereinigten Staaten|siebzehnte Zusatzartikel]] vorgeschlagen, der die Art und Weise der Senatorenwahlen verändern sollte. Der ursprüngliche Verfassungstext bestimmte, dass die Senatoren von den Parlamenten der Bundesstaaten ernannt werden. Während des 19. Jahrhunderts nutzten [[Oregon]] und einige andere Staaten ihre gesetzgeberischen Kompetenzen, um ihre Senatoren per Volksabstimmung zu bestimmen. Bis 1912 hatten 29 Bundesstaaten dieses Verfahren eingeführt. Die ein Jahr später gebilligte Verfassungsänderung sah vor, alle Senatoren direkt von der Bevölkerung der Bundesstaaten wählen zu lassen. Das Recht, bei Rücktritt, Tod oder Amtsenthebung eines Senators eine Ersatzperson zu ernennen, wurde auf die Gouverneure der Bundesstaaten übertragen. [[Datei:Feminist Suffrage Parade in New York City, 1912.jpeg|thumb|Das Frauenwahlrecht wurde 1919 mit dem 19. Zusatzartikel eingeführt.]] Im Zuge der ''[[Progressive Ära|Progressiven Ära]]'' verabschiedete der Kongress 1919 den [[18. Zusatzartikel zur Verfassung der Vereinigten Staaten|achtzehnten Zusatzartikel]], mit dem die Produktion sowie der Verkauf, Transport, Import und Export alkoholischer Getränke verboten wurden. Zuständig für die Durchsetzung des Verbots waren der Kongress und die Bundesstaaten. Der 13 Jahre später verabschiedete [[21. Zusatzartikel zur Verfassung der Vereinigten Staaten|einundzwanzigste Zusatzartikel]] hob die [[Alkoholprohibition]] wieder auf und gab die Regulierungskompetenz über alkoholische Getränke an die Bundesstaaten zurück. Der 21. Zusatzartikel war bisher der einzige, der wegen seiner Dringlichkeit von speziell gewählten Versammlungen ratifiziert wurde statt von den Parlamenten der Einzelstaaten. Ein weiteres Anliegen der ''Progressives'' war das [[Frauenwahlrecht]]. Die Verfassung bestimmte ursprünglich, dass bei Wahlen des Kongresses und des Präsidenten jeder das aktive Wahlrecht hat, der in seinem Bundesstaat für die größte Parlamentskammer aktiv wahlberechtigt ist. Damit stand es den Bundesstaaten frei, Bevölkerungsgruppen per Gesetz von der Wahl auszuschließen. Die Verfassung wurde bereits 1870 geändert, um Rasse, Hautfarbe und ehemaligen Sklavenstatus als Ausschlussmerkmal zu verbieten. Trotz anfänglichen Widerstands seitens des Präsidenten [[Woodrow Wilson]] kam 1919 mit dem [[19. Zusatzartikel zur Verfassung der Vereinigten Staaten|neunzehnten Zusatzartikel]] das Geschlecht als verbotenes Ausschlussmerkmal hinzu. === Weltwirtschaftskrise bis Zweiter Weltkrieg === [[Datei:FDR in 1933.jpg|thumb|Franklin D. Roosevelt, vierfacher Präsident 1932–1945]] Die durch die [[Weltwirtschaftskrise]] ausgelöste [[Große Depression]] war das entscheidende Wahlkampfthema während der [[Präsidentschaftswahl in den Vereinigten Staaten 1932|Präsidentschaftswahl 1932]]. Der amtierende Präsident [[Herbert Hoover]] sprach sich gegen staatliche Einflüsse aus und setzte glücklos auf den amerikanischen Individualismus und eine „natürliche“ wirtschaftliche Verbesserung. [[Franklin D. Roosevelt]] gewann die Wahl im November 1932 mit 89 % der Stimmen im ''Electoral College'', konnte aber aufgrund der Bestimmungen der Verfassung erst zum 4. März 1933 sein Amt antreten. Gleichzeitig hatte Hoover nur noch wenig politischen Rückhalt, so dass das Regierungsgeschäft faktisch zum Erliegen kam. Eine ähnlich kritische Situation gab es zuvor schon 1861, als mehrere Südstaaten nach der Wahl [[Abraham Lincoln]]s die Vereinigten Staaten verließen, Lincoln aber erst im März als Präsident darauf reagieren konnte. Der 1933 ratifizierte [[20. Zusatzartikel zur Verfassung der Vereinigten Staaten|20. Zusatzartikel]] sieht daher vor, dass die Amtseinführung bereits am 20. Januar des Jahres nach der Wahl stattfinden sollte. Gleichzeitig hob der Artikel die Bestimmung auf, dass die vor der Wahl amtierenden Abgeordneten und Senatoren noch einmal zu einer Zwangssitzungsperiode zusammen kommen mussten. Bis zur Ratifizierung des [[22. Zusatzartikel zur Verfassung der Vereinigten Staaten|22. Zusatzartikels]] enthielt die Verfassung keine Begrenzung, wie oft ein Präsident wiedergewählt werden konnte, auch wenn eine höchstens einmalige Wiederwahl Tradition war. Präsident Franklin Roosevelt brach während der [[Präsidentschaftswahl in den Vereinigten Staaten 1940|Präsidentschaftswahl 1940]] im Schatten des gerade ausgebrochenen [[Zweiter Weltkrieg|Zweiten Weltkriegs]] mit dieser Konvention. Roosevelt konnte sich auf einen breiten Rückhalt in der Bevölkerung stützen und gewann die Wahl mit 55 % der Direktstimmen und 85 % der Stimmen im [[Electoral College]]. Eine vierte Wiederwahl gelang Roosevelt auf dem Höhepunkt des Zweiten Weltkriegs 1944, aber er starb wenige Monate später an den Folgen einer Hirnblutung im Alter von 63 Jahren, wodurch die Vereinigten Staaten in der entscheidenden Endphase des Krieges und in den Verhandlungen mit [[Stalin]] sich mit einem unvorhergesehenen Führungswechsel konfrontiert sahen. Nach Ende des Krieges setzte sich der neugewählte Kongress zum Ziel, die Tradition wiederherzustellen und die Anzahl der möglichen Wiederwahlen zu begrenzen. Die Verfassungsänderung setzt die Amtszeit auf maximal acht Jahre fest. Ausgenommen sind Vizepräsidenten, die das Präsidentenamt ohne Wahl erlangt haben und in dieser Funktion kürzer als zwei Jahre im Amt waren. === Bürgerrechtsbewegung und Kalter Krieg === [[Datei:25th Amendment Pg1of2 AC.jpg|thumb|Der 25. Zusatzartikel regelt seit 1965 die Nachfolge des Präsidenten]] Gemäß Artikel II der Verfassung wird der Präsident von Wahlmännern gewählt, die von den einzelnen Bundesstaaten bestimmt werden. Ein Wahlrecht für die Bewohner des [[District of Columbia]] war nicht vorgesehen, genauso wenig wie für die anderen Territorien der Vereinigten Staaten, die zu keinem Bundesstaat gehörten. Der 1961 ratifizierte [[23. Zusatzartikel zur Verfassung der Vereinigten Staaten|23. Zusatzartikel]] änderte diese Regelungen und teilte dem Regierungsbezirk genauso viele Wahlmänner zu, wie dem bevölkerungsschwächsten Bundesstaat zustanden. Im Kongress ist der Distrikt jedoch bis heute nur durch einen nicht stimmberechtigten Repräsentanten vertreten. Um das Verbot einer Einschränkung des Wahlrechts für Schwarze aufgrund ihrer Hautfarbe, wie im 15. Zusatzartikel festgelegt, zu umgehen, gingen eine Reihe von Bundesstaaten dazu über, von allen Bürgern Kopfsteuern zu erheben. Nichtzahlung dieser Steuern führte zum Verlust des Wahlrechts. Die entsprechenden Gesetze enthielten meist eine Regelung, die jeden von der Zahlung der Steuer ausnahm, dessen Vorfahren in einem bestimmten vor dem Sezessionskrieg liegenden Jahr wahlberechtigt waren. Damit wurden die meist sehr hohen Steuern faktisch nur von ehemaligen Sklaven und Einwanderern eingezogen, die praktische Folge war deren Ausschluss von der Wahl. Der [[24. Zusatzartikel zur Verfassung der Vereinigten Staaten|24. Zusatzartikel]] verbot diese Steuern 1962 im Verlauf der [[Bürgerrechtsbewegung]]. Im Gegensatz zu [[Parlamentarisches Regierungssystem|parlamentarischen Regierungssystemen]] sieht die Verfassung der Vereinigten Staaten keine Möglichkeit vor, außerhalb der festen Wahltermine einen neuen Kongress oder einen neuen Präsidenten zu wählen. Als Konsequenz musste die Nachfolgeregelung bei Rücktritt, Amtsunfähigkeit oder Tod des Präsidenten oder Vizepräsidenten vergleichsweise umfangreich geregelt werden, wie dies 1965, unter dem Eindruck des Kalten Krieges und des Kennedy-Mordes, mit dem [[25. Zusatzartikel zur Verfassung der Vereinigten Staaten|25. Zusatzartikel]] geschah. Der Artikel sieht vor, dass der Vizepräsident zum Präsidentenamt aufrückt, wenn dieses unbesetzt ist; für den Fall dass beide Ämter unbesetzt sein sollten, kann der Kongress eine gesetzliche Regelung erlassen. Diese sieht heute vor, dass die Parlamentspräsidenten und die Bundesminister in einer festgelegten Reihenfolge nachrücken, sodass insgesamt eine Nachrückerliste von mehr als 20 Personen existiert. Gleichzeitig wird dem Präsidenten das Recht eingeräumt, mit Zustimmung beider Kammern des Kongresses einen neuen Vizepräsidenten zu ernennen, sollte dieses Amt zeitweise nicht besetzt sein. Neben der Nachfolgeregelung sieht der Artikel vor, dass der Präsident seine vorübergehende Amtsunfähigkeit erklären kann. Ebenso kann das Kabinett mit Zustimmung des Kongresses mehrheitlich beschließen, dass der Präsident amtsunfähig ist. In beiden Fällen übernimmt der Vizepräsident die Regierungsgeschäfte, bis der Präsident entweder seine Amtsfähigkeit erklärt, zurücktritt, des Amtes enthoben wird oder verstirbt. Die Vorgaben des 25. Zusatzartikels wurden bereits kurz nach der Verabschiedung angewandt, als 1973 Vizepräsident [[Spiro Agnew]] aufgrund eines politischen Skandals zurücktrat und Präsident [[Richard Nixon]] [[Gerald Ford]] zu seinem neuen Vizepräsidenten ernannte. Mit Nixons Rücktritt im Zuge der [[Watergate-Affäre]] 1974 wurde Ford Präsident und ernannte [[Nelson Rockefeller]] zum Vizepräsidenten. Der Artikel kommt auch zur Anwendung, wenn sich der Präsident längeren medizinischen Behandlungen, wie beispielsweise Operationen unterziehen muss, so im Fall der Präsidenten [[Ronald Reagan]] 1985 und [[George W. Bush]] 2005. In den meisten Bundesstaaten erhielt man das aktive Wahlrecht mit 21 Jahren, in einigen wenigen mit 20 oder 19 Jahren. Während des [[Vietnamkrieg]]s sprachen sich einige Politiker, darunter mehrere Kongressabgeordnete und Präsident [[Lyndon B. Johnson]], dafür aus, dass alle Wehrpflichtigen auch wahlberechtigt sein müssten; die Wehrpflicht galt damals ab achtzehn Jahren. Grund war, dass dieses fehlende Wahlrecht der jungen Soldaten bei Antikriegsprotesten häufig als Rechtfertigungsgrund für zivilen Ungehorsam genannt wurde. Der [[26. Zusatzartikel zur Verfassung der Vereinigten Staaten|26. Zusatzartikel]], der den Ausschluss von der Wahl aus Gründen des Alters im Falle über achtzehnjähriger Personen untersagte, wurde 1971 vom Kongress verabschiedet und trat im selben Jahr in Kraft. === Gescheiterte Änderungen === Seit 1789 wurden dem Kongress über 10.000 Vorschläge zur Verfassungsänderung vorgelegt, in den letzten Jahrzehnten gab es pro Sitzungsperiode zwischen 200 und 300 solcher Vorschläge. Die wenigsten überstanden die Ausschussarbeit und wurden vom Kongress verabschiedet. Einige Male wurde auch das Verfahren zur Einberufung eines Verfassungskonvents angewandt, bisher allerdings ohne Erfolg. In zwei Fällen – ein Vorschlag zur Neuregelung der Sitzverteilung 1960 und ein Vorschlag zur Beschränkung der Staatsverschuldung in den 1970ern und 1980ern – fehlten nur zwei Bundesstaaten für die für einen Verfassungskonvent notwendige Mehrheit. Von den 33 Verfassungsänderungen, die der Kongress den Bundesstaaten zur Ratifikation vorgelegt hatte, scheiterten sechs an der Mehrheitsschwelle, davon könnten vier theoretisch noch angenommen werden. Seit dem 18. Zusatzartikel umfasste jeder Vorschlag, außer dem 19. und dem nicht ratifizierten Artikel bezüglich Kinderarbeit, eine ausdrückliche zeitliche Beschränkung der Ratifikation. {{Vorlage:Zeitleiste Verfassung der Vereinigten Staaten|Zeitleiste}} Für die folgenden Vorschläge steht die Ratifikation noch aus: * Das ''Congressional Apportionment Amendment'', vom ersten Kongress am 25. September 1789 vorgelegt, sollte eine Formel für die Bestimmung der Sitzanzahl im Repräsentantenhaus nach jeder Volkszählung festlegen. Dieser Vorschlag enthält keine zeitliche Beschränkung und könnte theoretisch noch in die Verfassung aufgenommen werden. Allerdings ist die beschriebene Formel hinfällig, da sie nur bei einer Bevölkerungszahl von bis zu zehn Millionen funktionieren würde, eine Zahl, die die Vereinigten Staaten schon vor langer Zeit überschritten haben. * Das ''Titles of Nobility Amendment'' wurde vom elften Kongress am 1. Mai 1810 vorgeschlagen und hätte jedem amerikanischen Bürger, der einen ausländischen Ehren- oder Adelstitel annimmt, automatisch die Staatsbürgerschaft entzogen. Einige sind der Meinung, dass dieser Vorschlag eigentlich von genügend Bundesstaaten ratifiziert wurde und nur aufgrund einer Verschwörung nicht als rechtskräftig angesehen wird. Auch diesem Antrag können noch weitere Bundesstaaten beipflichten. * Das ''Corwin Amendment'', vom 36. Kongress am 2. März 1861 verabschiedet, hätte es der Bundesregierung verboten, Verfassungsänderungen zum Zwecke der „Einmischung in die oder Abschaffung der internen Institutionen der Bundesstaaten“ vorzuschlagen, was hauptsächlich der Beibehaltung der Sklaverei dienen sollte. Nur zwei Bundesstaaten ([[Ohio]] und [[Maryland]]) ratifizierten es vor dem [[Sezessionskrieg]], eine dritte Ratifikation durch [[Illinois]] ist umstritten. Dieser Vorschlag enthält wiederum keine zeitliche Beschränkung, seine Bestimmungen würden aber wahrscheinlich aufgrund des 13., 14. und 15. Zusatzartikels als gegenstandslos angesehen werden. * Ein zeitlich unbefristeter Antrag zur Ermöglichung der Regulierung der Kinderarbeit durch die Bundesregierung wurde vom 68. Kongress am 2. Juni 1924 eingebracht. Dieser Vorschlag einer Verfassungserweiterung ist inzwischen gegenstandslos geworden, da der Oberste Gerichtshof dem Kongress seitdem diese Kompetenz bereits im Rahmen des bestehenden Verfassungsrechts zugeschrieben hat. * Das ''Equal Rights Amendment'', das die Rechtsgleichheit der Geschlechter vorsah, wurde vom 92. Kongress am 22. März 1972 vorgeschlagen. Es wurde von 35 Bundesstaaten ratifiziert und lief am 30. Juni 1982 aus, da die Schwelle zu diesem Zeitpunkt 38 - drei Viertel der 50 Bundesstaaten - betrug. * Das ''District of Columbia Voting Rights Amendment'', das den Regierungsbezirk für die Zwecke der Sitzverteilung im Kongress wie einen Bundesstaat behandelt hätte, wurde vom 95. Kongress am 22. August 1978 verabschiedet. Der Vorschlag lief am 22. August 1985 aus, weil ihn nur 16 Bundesstaaten ratifiziert hatten. == Kritik == Während eine grundsätzliche Kritik der Verfassung in Fachkreisen nur selten geäußert wird, gibt es einzelne Bestandteile, die wiederholt zu teilweise sehr heftigen politischen und gesellschaftlichen Diskussionen geführt haben. === [[Electoral College]] === Der indirekte Wahlmodus für die Ämter des Präsidenten und Vizepräsidenten war zum Zeitpunkt des Verfassungskonvents stark umstritten und ist auch in den letzten Wahlen immer wieder thematisiert worden. So wird beispielsweise kritisiert, dass die von der Bevölkerung gewählten Wahlmänner nicht an ihr Wahlversprechen gebunden sind<ref>{{Internetquelle|autor=Ellis Katz|url=http://usinfo.state.gov/usa/infousa/politics/eleccol/katz.htm|titel=The American Electoral College|zugriff=23. Juni 2007}}</ref> und dass ein Kandidat, der von der Mehrheit der Bevölkerung unterstützt wird, trotzdem die Wahl verlieren kann, wie es bisher viermal geschehen ist (Al Gore 2000, Grover Cleveland 1888, Samuel Tilden 1876, Andrew Jackson 1824). Letzteres ist auf das Mehrheitswahlrecht in fast allen Bundesstaaten zurückzuführen, wonach alle Stimmen eines Bundesstaates an den Kandidaten gehen, der bei der Wahl der Wahlmänner die Mehrheit innerhalb des Bundesstaats erhält. === Meinungsfreiheit === Im Vergleich zu anderen Ländern wird die Meinungsfreiheit in den Vereinigten Staaten seit Mitte des 20. Jahrhunderts sehr freizügig gehandhabt. Der Kongress und die Bundesstaaten haben grundsätzlich kein Recht, die Meinungsfreiheit per Gesetz einzuschränken. Ausnahmen gibt es hierbei nur bei Verleumdung, Meineid und Verrat sowie in Bereichen außerhalb der Öffentlichkeit; die Äußerung extremistischer politischer Meinungen ist dagegen durchweg erlaubt, wenn nicht unmittelbar zu konkreten Gewalttaten aufgerufen wird. Diese Freizügigkeit hat unter anderem in den 1990ern zu Konflikten geführt, als ein Verbot der Flaggenschändung durch Verbrennen vom Obersten Gerichtshof im Fall [[Texas v. Johnson]] für verfassungswidrig erklärt wurde und der Kongress daraufhin erfolglos versucht hat, das Urteil durch neue Gesetze aufzuheben. Ein Vorschlag für eine dahingehende Verfassungsänderung ist bisher immer im Senat gescheitert.<ref>{{Internetquelle|hrsg=CNN|url=http://www.cnn.com/2006/POLITICS/06/27/flag.burning/index.html|titel=Flag-burning amendment fails by a vote|datum=28. Juni 2006|zugriff=23. Juni 2007}}</ref> === Unitary Executive === Als „''Unitary Executive''“ wird eine Auslegung der Verfassung bezeichnet, die von einer einheitlichen und vollständigen ausführenden Gewalt im Amt des Präsidenten ausgeht und Einschnitte in dessen Befugnisse durch Gerichte oder den Kongress als verfassungswidrig ansieht. Die Theorie folgt aus dem ersten Satz des zweiten Artikels: {{Zitat-en|The executive Power shall be vested in a President of the United States of America|Übersetzung=Die vollziehende Gewalt liegt bei dem Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika.}} Daraus wird unter anderem abgeleitet, dass der Präsident an der Spitze der gesamten Bundesregierung samt aller untergeordneten Behörden steht und insbesondere bei Personalentscheidungen unabhängig agieren kann. Von ihm ernannte Amtsträger arbeiten demnach an seiner Stelle und aufgrund der von ihm übertragenen Befugnisse, die er jederzeit wieder entziehen kann. Daraus wird geschlussfolgert, dass der Kongress keine ausführenden Behörden außerhalb der Kontrolle des Präsidenten schaffen dürfe. Juristisch ergibt sich der Grundsatz, dass eine ausführende Behörde eine andere nicht verklagen kann, da in solchen Fällen der Präsident sowohl Kläger als auch Beklagter wäre.<ref>Steven G. Calabresi, Kevin H. Rhodes: ''The Structural Constitution: Unitary Executive, Plural Judiciary''. In ''Harvard Law Review''. Bd. 105, Nr. 6, 1992, S. 1165.</ref> Thematisch brisant wurde die Theorie besonders im Zuge der [[Watergate-Affäre]], als Präsident [[Richard Nixon|Nixon]] die Herausgabe von ihn belastenden Tonbändern zu verhindern versuchte. Er befahl dem amtierenden Justizminister [[Elliot Richardson]], den für den Einbruch im Watergate-Hotel zuständigen Chefermittler zu entlassen und einen neuen zu bestellen. Richardson weigerte sich, dem Befehl nachzukommen, und trat zurück. Als sein Stellvertreter [[William Ruckelshaus]] sich ebenfalls weigerte, entließ Nixon ihn und ernannte den [[United States Solicitor General|Solicitor General]] [[Robert Bork]] zum kommissarischen Justizminister, der Nixons Anweisungen nun nachkam und Cox entließ. Präsident [[George W. Bush]] hat diese Theorie als Grundlage dafür genommen, bestimmte Gesetze bei der Unterzeichnung mit einem [[Signing Statement]] zu versehen, worin er seine Auffassung darüber mitteilt, wie das Gesetz auszuführen sei. == Grundsätzliche Lesarten == Viele Rechtsgelehrte in den Vereinigten Staaten tragen untereinander bezüglich der Auslegung der Verfassung eine latente Grundsatzdebatte aus, deren Kernfrage in den Absichten der Autoren der Verfassung und der Gründerväter und im zeitgenössischen Umgang mit diesen Absichten liegt. Von politischer Bedeutung ist die Haltung eines Juristen dann, wenn er vom Präsidenten als Richter für den Obersten Gerichtshof nominiert wird, da seine juristische Positionierung auch begrenzte Rückschlüsse auf seine politische Haltung zulässt. Dies betrifft in den Vereinigten Staaten stark umstrittene Themen wie die Abtreibung und die Grenzen der Meinungsfreiheit. Im Laufe der Zeit haben sich mehrere Denkschulen etabliert, wie die Verfassung im Grundsatz zu handhaben sei. Die Auslegungsdebatte bezieht neben den Rechtswissenschaften Erkenntnisse aus der Geschichtswissenschaft, der Moralphilosophie und der Forschung zur englischen Sprache ein. === Originalismus === Der [[Originalismus]] (englisch: ''Originalism'', von lateinisch: ''originis'', zu deutsch: „Abstammung“, „Ursprung“) misst der ursprünglichen Absicht der Väter der Verfassung eine hohe Bedeutung bei und versucht stets, ihn bei der Einschätzung verfassungsrechtlicher Fragen zu rekonstruieren. Dabei beziehen Originalisten nicht nur den Verfassungstext an sich in ihren Entscheidungsprozess mit ein, sondern auch alle Dokumente, die im Laufe seiner Entstehung geschrieben wurden. Dazu zählen nicht nur Notizen, Redemanuskripte und Randbemerkungen der Teilnehmer der ''Philadelphia Convention'', sondern beispielsweise auch die Föderalistenartikel. Als prominente Vertreter des Originalismus gelten [[Antonin Scalia]] und [[Clarence Thomas]], zwei amtierende Richter am Obersten Gerichtshof. === Textualismus === Unter dem Begriff Textualismus, im Englischen auch als ''Literalism'' bezeichnet, firmiert die Denkschule, die eine wortgetreue Auslegung der Verfassung befürwortet. Sie lehnt die Einbeziehung des dokumentierten Entstehungsprozesses und auswärtige Kommentare wie die Föderalistenartikel ab und tritt für eine wortgetreue Auslegung der Verfassung ein. Bei der Handhabung des Wortlauts sind die Anhänger des Textualismus gespalten. Während die einen die Bedeutung des Wortlauts auf die Verwendung der englischen Sprache zur Zeit der Ausarbeitung beziehen, sprechen sich die anderen für eine Auslegung nach Maßgabe des Englischen aus, wie es heute verwendet wird. === Funktionalismus === Für eine zeitgemäße Interpretation der Verfassung der Vereinigten Staaten tritt der Funktionalismus (''functionalism'') ein, der auch unter den Begriffen Instrumentalismus (''instrumentalism'') oder Strukturalismus (''structuralism'') bekannt ist. Er erachtet eine Wechselwirkung zwischen Wortlaut der Verfassung und Rechtspraxis als gegeben und verwirft die wortgetreuen Auslegungsströmungen als [[Subjektivismus|subjektiv]]. === Doktrinalismus === Der Doktrinalismus (''doctrinalism'') orientiert sich an den historischen Entwicklungsschritten der [[Verfassungswirklichkeit]]. Auf der Grundlage des ''[[stare decisis]]'' geht nach einer im [[Fallrecht]] anerkannten Methode vor, Urteile und Entscheidungen früherer Oberster Richter als bindend anzusehen, es sei denn, die Voraussetzungen einer solchen Entscheidung haben sich geändert. === Kontextualismus === Im Kontextualismus (''contextualism'') spielt die Absicht der Gründerväter eine Rolle, jedoch wird deren politische Weitsicht im Unterschied zum Originalismus angezweifelt. Kontextualisten relativieren die Bedeutung der Autoren der Verfassung und versuchen, ihre Reglementierungen in den historischen Kontext einzuordnen. So sollen ihre Absichten berücksichtigt, aber nicht in als hinderlich empfundener Art und Weise auf heutige Fälle angewendet werden. === Anwendungsbeispiele === In Lehre und Forschung werden die unterschiedlichen Lesarten anhand von wiederkehrenden Beispielen gegeneinander abgewogen. Beispielsweise sieht die Verfassung zwar die Aufstellung von [[United States Army|Land-]] und [[United States Navy|Seestreitkräften]] sowie die Existenz von [[Nationalgarde der Vereinigten Staaten|Milizen]] vor, allerdings kannten die Teilnehmer der ''Philadelphia Convention'' die Luftfahrt nicht. Daher zweifeln Vertreter einer besonders wortgetreuen Auslegung der Verfassung die Existenz der [[United States Air Force|Luftstreitkräfte]] als eigenständige [[Teilstreitkraft]] an und verlangen deren Dezentralisierung. == Siehe auch == * [[Zusatzartikel zur Verfassung der Vereinigten Staaten]] == Einzelnachweise == <references /> == Literatur == * Angela und [[Willi Paul Adams]] (Hrsg.): ''Die Entstehung der Vereinigten Staaten und ihrer Verfassung, Dokumente 1754 - 1791''. Lit-Verlag, Münster 1995, ISBN 3-8258-2530-2. * David P. Currie: ''Die Verfassung der Vereinigten Staaten von Amerika''. Metzner, Frankfurt am Main 1988, ISBN 3-7875-5352-5. * [[Jürgen Heideking]]: ''Die Verfassung vor dem Richterstuhl: Vorgeschichte und Ratifizierung der amerikanischen Verfassung 1787-1791.'' De Gruyter, Berlin und New York 1988. ISBN 3-11-011604-9 * Robert L. Maddex: ''The U.S. Constitution A to Z''. CQ Press, Washington D.C. 2002, ISBN 1-56802-699-4. == Weblinks == {{Commons|United States Constitution}} {{Wikisource|Verfassung der Vereinigten Staaten von Amerika|Deutsche Fassung des Verfassungstextes}} === Nationalarchiv === * [http://www.archives.gov/national-archives-experience/charters/constitution.htm Bilder der Verfassung (Englisch)] * [http://www.archives.gov/national-archives-experience/charters/constitution_transcript.html Vollständiger Originaltext der Verfassung (Englisch)] * [http://www.archives.gov/national-archives-experience/charters/bill_of_rights_transcript.html Vollständiger Originaltext der Bill of Rights (Englisch)] * [http://www.archives.gov/national-archives-experience/charters/constitution_amendments_11-27.html Vollständiger Originaltext der Zusatzartikel] === Offizielle Regierungsseiten === * [http://usa.usembassy.de/etexts/gov/gov-constitutiond.pdf Verfassung der Vereinigten Staaten mit allen Verfassungszusätzen (Deutsch)] (PDF-Datei; 196 kB) * [http://www.gpoaccess.gov/constitution/index.html Analysis and Interpretation of the Constitution of the United States (Englisch)] Ausgabe mit Anmerkungen und verweise auf bedeutende Gerichtsentscheidungen, vom amerikanischen Senat herausgegeben * [http://www.loc.gov/rr/program/bib/ourdocs/Constitution.html United States Constitution and related resources (Englisch)]: Library of Congress * [http://german.germany.usembassy.gov/germany-ger/img/assets/9436/regierungssystem.pdf Das amerikanische Regierungssystem (Deutsch)]: Broschüre der amerikanischen Botschaft über die Geschichte der Verfassung der USA und ihrer Inhalte (PDF-Datei) === Inoffizielle Seiten === * [http://www.law.cornell.edu/wex/index.php/Constitutional_law Law about … the Constitution]: eine Übersicht des amerikanischen Verfassungsrechts * [http://www.usconstitution.net/ The U.S. Constitution Online] Vollständiger Text mit geschichtlicher Betrachtung und Kommentaren * [http://www.usconstitution.net/constamrat.html Ratifikationsdaten nach Bundesstaaten] * [http://www.verfassungen.net/us/verf87-i.htm Die Verfassung der Vereinigten Staaten von Amerika - 17. September 1787] {{Navigationsleiste Zusätze zur Verfassung der USA}} {{Exzellent}} [[Kategorie:Verfassung der Vereinigten Staaten| ]] [[Kategorie:Historisches Dokument der Vereinigten Staaten]] [[Kategorie:Rechtsquelle (Vereinigte Staaten)]] [[Kategorie:1789]] {{Link GA|ru}} {{Link GA|zh}} [[ar:دستور الولايات المتحدة الأمريكية]] [[bg:Конституция на САЩ]] [[bs:Ustav Sjedinjenih Američkih Država]] [[ca:Constitució dels Estats Units]] [[cs:Ústava Spojených států amerických]] [[da:USA's forfatning]] [[en:United States Constitution]] [[eo:Usona Konstitucio]] [[es:Constitución de los Estados Unidos]] [[fa:قانون اساسی ایالات متحده آمریکا]] [[fi:Yhdysvaltain perustuslaki]] [[fr:Constitution des États-Unis]] [[gl:Constitución dos Estados Unidos de América]] [[he:חוקת ארצות הברית]] [[hr:Ustav Sjedinjenih Američkih Država]] [[hu:Az Amerikai Egyesült Államok alkotmánya]] [[hy:ԱՄՆ Սահմանադրություն]] [[id:Konstitusi Amerika Serikat]] [[is:Stjórnarskrá Bandaríkjanna]] [[it:Costituzione degli Stati Uniti]] [[ja:アメリカ合衆国憲法]] [[ka:ამერიკის შეერთებული შტატების კონსტიტუცია]] [[kn:ಅಮೇರಿಕ ಸಂಯುಕ್ತ ಸಂಸ್ಥಾನದ ಸಂವಿಧಾನ]] [[ko:미국의 헌법]] [[la:Constitutio Civitatum Foederatarum Americae]] [[lt:Jungtinių Amerikos Valstijų Konstitucija]] [[lv:ASV konstitūcija]] [[mk:Устав на Соединетите Американски Држави]] [[ms:Perlembagaan Amerika Syarikat]] [[nl:Grondwet van de Verenigde Staten]] [[no:USAs grunnlov]] [[pl:Konstytucja Stanów Zjednoczonych]] [[pt:Constituição dos Estados Unidos]] [[ro:Constituţia Statelor Unite ale Americii]] [[ru:Конституция США]] [[sh:Ustav SAD]] [[simple:United States Constitution]] [[sk:Ústava Spojených štátov]] [[sl:Ustava Združenih držav Amerike]] [[sr:Устав Сједињених Америчких Држава]] [[sv:USA:s konstitution]] [[ta:ஐக்கிய அமெரிக்க அரசியலமைப்பு]] [[tg:Сарқонуни Иёллоти Мутаҳидда]] [[tl:Saligang Batas ng Estados Unidos]] [[tr:ABD Anayasası]] [[uk:Конституція США]] [[vi:Hiến pháp Hoa Kỳ]] [[yo:Iwe-ofin Ibagbepo Orile-ede Amerika]] [[zh:美国宪法]] maajg45jp5i3b9qc86qbftw30fkgixi wikitext text/x-wiki Jan Vermeer 0 24435 27418 27034 2010-07-01T15:53:45Z 24.40.132.6 higher resolution [[Bild:Jan Vermeer van Delft 021.jpg|thumb|''Dienstmagd mit Milchkrug'', 1658-1660. Das Bild gehört zu den bekanntesten von Vermeers Werken]] [[Datei:Vermeer autograph.png|thumb|Signatur Jan Vermeers]] '''Jan Vermeer van Delft''' (getauft [[31. Oktober]] [[1632]] in [[Delft]]; begraben [[15. Dezember]] [[1675]] in Delft; zeitgenössisch: '''Joannis ver Meer''', '''Joannis van der Meer''') ist einer der bekanntesten [[Holland|holländischen]] [[Malerei|Maler]] des [[Barock]]. Er wirkte in der Epoche des [[Goldenes Zeitalter (Niederlande)|Goldenen Zeitalters]] der [[Niederlande]], in der das Land eine politische, wirtschaftliche und kulturelle Blütezeit erlebte. Der Umfang des Gesamtwerkes von Jan Vermeer ist mit heute bekannten 37 Bildern sehr klein, wobei aus alten Auktionsaufzeichnungen weitere Titel überliefert sind. Die ersten Werke Vermeers waren [[Historienmalerei|Historienbilder]], bekannt geworden ist er jedoch für seine [[Genremalerei|Genreszenen]], die einen Großteil seiner Arbeiten ausmachen. Die bekanntesten Werke sind durch die heutige Rezeption die ''[[Ansicht von Delft]]'' und ''[[Das Mädchen mit dem Perlenohrgehänge]]''. Aufgrund der geringen Zahl bekannter Bilder wurden ihm im 19. Jahrhundert, einer Zeit gestiegenen Interesses der Forschung über Jan Vermeer und sein Werk, fälschlicherweise Bilder anderer Künstler zugeschrieben. Heute ist sein Werkumfang jedoch von der Forschung allgemein anerkannt. == Leben == Über das Leben von Jan Vermeer van Delft ist nur wenig bekannt. Er wurde am 31. Oktober 1632 in der Nieuwe Kerk in [[Delft]] getauft und war das zweite Kind und der einzige Sohn seiner Eltern. Sein Vater Reynier Jansz kam ursprünglich aus [[Antwerpen]], zog 1611 nach [[Amsterdam]] und arbeitete dort als [[Seide]]nweber. 1615 heiratete er Digna Baltens und ging unter dem Namen ''Vos'' nach Delft, wo er einen Gasthof betrieb. Nebenbei arbeitete er weiter als Weber und trat außerdem der [[Lukasgilde|St.-Lukas-Gilde]] in Delft offiziell als Kunsthändler bei. Dort begegnete Jansz Malern wie [[Pieter Steenwyck]], [[Balthasar van der Ast]] und [[Pieter Groenewegen]]. === Ausbildung === Über die Ausbildung Jan Vermeers zum Maler gibt es keine gesicherten Informationen. Er wurde als Freimeister am 29. Dezember 1653 Mitglied der St.-Lukas-Gilde. Dieser Aufnahme muss eine sechs Jahre umfassende Lehrzeit bei einem von der Gilde anerkannten Maler vorausgegangen sein. Es wird vermutet, dass Vermeer Schüler von Leonaert Bramer gewesen sein könnte. Diese Hypothese fand jedoch aufgrund großer Unterschiede im Stil wenig Zustimmung, eine Verbindung Vermeers zu ihm ist jedoch urkundlich nachgewiesen. Weiterhin ist der Kontakt zu [[Gerard ter Borch]] belegt.<ref name="ausbildung">Ben Broos, Arthur K. Wheelock: ''Vermeer. Das Gesamtwerk'' Seite 15, 16</ref> Daneben wurde angenommen, Vermeer sei ein Schüler [[Carel Fabritius]]’ gewesen, der von [[Rembrandt van Rijn|Rembrandt]] ausgebildet worden sei. Diese Hypothese war seit [[William Thoré-Bürger]] im 19. Jahrhundert lange allgemein anerkannt und ist noch heute weit verbreitet, wird jedoch von der Kunstwissenschaft inzwischen bezweifelt. Statt dessen wird [[Pieter de Hooch]], der zwischen 1652 und 1661 in Delft lebte, eine prägende Rolle für die Malerei Jan Vermeers zugewiesen, da de Hoochs Stil in der Genremalerei Vermeers ausgemacht und als verfeinert erkannt wurde. === Familien- und Arbeitsleben === Jan Vermeer heiratete am 20. April 1653 Catharina Bolnes in [[Midden-Delfland|Schipluy]], einem Dorf in der Nähe von Delft. Die Ehe stieß zunächst auf den Widerstand der Mutter Catharinas, Maria Thins. Ein Grund dafür kann die [[Calvinismus|calvinistische]] Konfessionszugehörigkeit Vermeers gewesen sein, während Catharina Bolnes der [[Römisch-katholische Kirche|katholischen Kirche]] angehörte. Erst nach Fürsprache des Katholiken Leonaert Bramer gab Maria Thins ihre Vorbehalte gegen eine Eheschließung auf. Die Frage, ob Vermeer zum katholischen Glauben übertrat, ist umstritten. 1660 zog Vermeer mit seiner Frau in den Haushalt seiner Schwiegermutter am Oude Langendijk. Mit Catharina Bolnes hatte er 15 Kinder, von denen vier bereits im frühen Kindesalter starben. Jan Vermeer scheint zu dieser Zeit relativ viel Geld verdient zu haben, weil er seine Kinder ohne Probleme ernähren konnte. Da er durchschnittlich nur zwei Bilder pro Jahr malte<ref name="biographie">Norbert Schneider: ''Vermeer sämtliche Gemälde''. Taschen, Köln 2004. Seite 8</ref>, muss er noch weitere Einkommensquellen gehabt haben. Bekannt ist, dass er seine Mutter beim Führen der Schenke ''Mechelen'' am Delfter Großen Markt unterstützte, die diese nach dem Tod ihres Mannes geerbt hatte und in der Vermeer aller Wahrscheinlichkeit nach auch seinen Kunsthandel betrieb, eine verbreitete Nebentätigkeit niederländischer Maler des 17. Jahrhunderts. In den Jahren 1662 und 1663 sowie 1670 und 1671 war Vermeer Dekan der St.-Lukas-Gilde. Da im 17. Jahrhundert jeder Handwerker und Künstler zum Ausüben seines Berufes Mitglied einer [[Zunft|Gilde]] sein musste und diese die Regeln für den Beruf festlegte, war die Position des Dekans eine einflussreiche und belegt, dass Jan Vermeer eine angesehene Persönlichkeit in Delft war. Bereits zu seinen Lebzeiten konnte Jan Vermeer gute Preise für seine Bilder erzielen. Vermeer malte nur wenige seiner Bilder für den freien Kunstmarkt. Seine Bilder gingen meist an [[Mäzen]]e wie den Bäcker Hendrick van Buyten. Dabei ist nicht bekannt, ob Vermeer mit dem Malen der Bilder beauftragt wurde oder die Mäzene nur ein Vorkaufsrecht auf seine Werke besaßen<ref name="biographie_2">DuMont: ''Vermeer''. DuMont Literatur- und Kunstverlag, Köln 2003. Seite 12</ref>. Neben seiner künstlerischen Tätigkeit arbeitete Jan Vermeer auch als Kunstexperte. So prüfte er beispielsweise die Echtheit einer Sammlung [[Venedig|venezianischer]] und [[Rom|römischer]] Bilder, die der Kunsthändler Gerard Uylenburgh dem Kurfürsten von Brandenburg [[Friedrich Wilhelm I. (Brandenburg)|Friedrich Wilhelm I.]] für eine Summe von 30.000 Gulden verkaufen wollte. Vermeer reiste 1672 nach [[Den Haag]], wo er die Bilder zusammen mit einem anderen Künstler, [[Hans Jordaens]], begutachtete. Er bestritt vor einem Notar deren Echtheit und erklärte, dass sie höchstens ein Zehntel des geforderten Preises wert seien. === Letzte Jahre und Tod === In seinen letzten Lebensjahren verschlechterte sich die wirtschaftliche Situation Jan Vermeers, so dass er Kredite aufnehmen musste. In Folge des 1672 ausgebrochenen und bis 1679 andauernden [[Holländischer Krieg|französisch-niederländischen Krieges]] konnte er keine weiteren Bilder verkaufen. Daneben gab Catharina Bolnes in einer Bitte um teilweisen Schuldenerlass vom 30. April 1676 an, dass ihr Mann während des Krieges Bilder, mit denen er Handel trieb, habe unter Wert verkaufen müssen.<ref name="biographie_2" /> 1675 wurde Vermeer krank und starb innerhalb weniger Tage. Am 15. Dezember 1675 wurde er in der Familiengruft in der [[Alte Kirche (Delft)|Oude Kerk]] in Delft beigesetzt. Seine Frau musste zur Abtragung der Schulden auf ihr Erbrecht verzichten und übertrug dieses den Gläubigern. == Werk == Jan Vermeers Gesamtwerk umfasst nach heutiger Kenntnis 37 Gemälde, die durchweg schwer zu datieren sind. Bei den Bildern ''Junge Frau am Virginal'', ''Mädchen mit Flöte'', ''[[Diana mit ihren Gefährtinnen]]'' und ''[[Die heilige Praxedis]]'' bestehen jedoch Zweifel an Vermeers Urheberschaft. Die relativ geringe Anzahl der erhaltenen eigenhändigen Werke veranlasste die Forschung immer wieder, ihm weitere Werke zuzuweisen, die heute meist als falsche Zuschreibungen erkannt sind. Dazu kommen einige weitere Bilder, die nur durch alte Auktionskataloge oder Stiche bekannt sind, so dass die Frage nach ihrer Authentizität nach derzeitigem Wissensstand offen bleiben muss. Einige der frühesten Bilder von Jan Vermeer lassen sich der Gattung der [[Historienmalerei|Historienbilder]] zuordnen. Diese nahm im 17. Jahrhundert, vor der Porträt–, Landschafts–, Stillleben– und Tiermalerei, in der Malerei die höchste Stellung ein. Unter die Historienmalerei fielen zur Zeit Vermeers die Darstellung von Ereignissen der [[Antike]], von [[Mythen]] und von [[Heiligenlegende]]n, sowie von kirchengeschichtlichen und [[Bibel|biblischen]] Motiven. In der zweiten Hälfte der 50er-Jahre des 17. Jahrhunderts wechselte Jan Vermeer von den Historienbildern zu Stadtansichten und Genreszenen. Der Grund für diesen Wechsel ist nicht bekannt. Es wird jedoch vermutet, dass Vermeer die Historienmalerei nicht in dem Maße zur Wiedergabe der Lichtverhältnisse und Perspektive nutzen konnte wie dies in den anderen Gattungen der Malerei möglich war. Auch der Einfluss von [[Pieter de Hooch]] und [[Jan Steen]], die beide zur Zeit des Stilwechsels in Delft lebten, könnten diesen bewirkt haben. Beide arbeiteten in ihren Bildern mit figürlichen und architektonischen Elementen des alltäglichen Lebens. Weiterhin können de Hooch, Steen und Vermeer von der Atmosphäre in Delft zu dieser Zeit so beeinflusst worden sein, dass sie inhaltliche und stilistische Neuerungen in ihre Kunst einbrachten. Für diese These sprechen Veränderungen im Stil Steens und de Hoochs nach ihrer Ankunft in Delft.<ref name="werk">Ben Broos, Arthur K. Wheelock (Hrsg.): Vermeer. Das Gesamtwerk. Belser, Stuttgart 1995. Seite 20, 21</ref> === Historienbilder === [[Bild:Jan Vermeer van Delft 004.jpg|thumb|''Christus bei Maria und Martha'', etwa 1654/1655]] [[Bild:Vermeer - Diana en haar nimfen.jpg|thumb|''Diana mit ihren Gefährtinnen'', um 1655/1656]] Im Vergleich zu den späten Werken Vermeers hatten seine drei frühen Historienbilder ''Christus bei Maria und Martha'' mit 160&nbsp;×&nbsp;142 Zentimetern, ''Diana mit ihren Gefährtinnen'' mit 98,5&nbsp;×&nbsp;105 Zentimetern und ''[[Die heilige Praxedis]]'' mit 101,6&nbsp;×&nbsp;82,6 Zentimetern ein großes Format. Ein Beispiel für die Größe der späteren Werke ist ''Das Mädchen mit dem Perlenohrgehänge'', das nur 45&nbsp;×&nbsp;40 Zentimeter misst. In dem Bild ''[[Christus bei Maria und Martha]]'', um 1654/1655 entstanden, greift Jan Vermeer eine Stelle aus dem [[Evangelium nach Lukas|Lukas-Evangelium]] auf: [[Jesus Christus|Jesus]] wird auf einem Marktplatz von Martha in ihr Haus eingeladen, wo sie ihn bewirten will. Während sie das Essen zubereitet, hört Maria Jesus beim Reden zu. Martha fragt ihn, warum er Maria nicht dazu auffordere, ihr zu helfen, und erhält die Antwort: ''„Marta, Marta, du hast viel Sorge und Mühe. Eins aber ist not. Maria hat das gute Teil erwählt; das soll nicht von ihr genommen werden.“''<ref name="historienbilder">[http://www.bibel-online.net/buch/42.lukas/10.html#10,39 Textstelle auf bibel-online.net]</ref> Diese Geschichte war seit dem 16. Jahrhundert ein häufig in der Malerei behandeltes Sujet, weil sich an ihr das von den [[Reformation|Reformatoren]] aufgezeigte Problem des guten Werkes verdeutlichte, welches sie als oberflächliche, äußerliche Handlung betrachteten. Die Komposition ist im Vergleich zu späteren Werken Vermeers schlicht und nach dem Schema der Pyramide angelegt. Martha steht mit einem Brotkorb in der Hand hinter Jesus, der auf einem Stuhl sitzt und dessen Kopf von einer schwachen [[Heiligenschein|Aureole]] umgeben ist. Im Vordergrund sitzt Maria mit aufgestütztem Kopf auf einem Schemel. Diese [[Geste]] Marias soll Nachdenklichkeit verdeutlichen. Als Zeichen der Demut vor Jesus trägt sie keine Schuhe. Der ausgestreckte, auf sie zeigende Arm von Jesus soll Martha bedeuten, dass ihre Schwester sich für die bessere Tätigkeit entschieden hat. Vermeer setzte kräftige Farbkontraste ein zwischen dem Weiß des Tischtuches und dem Rot von Marias Oberteil sowie dem Blau des Gewandes von Jesus. Das zweite Historienbild Vermeers, ''[[Diana mit ihren Gefährtinnen]]'', entstand um 1655/1656. Diana, auch [[Artemis]] genannt, ist die griechische Göttin der Jagd und galt als besonders [[Keuschheit|keusch]]. Auf dem Bild wird sie auf einem Stein sitzend und von vier [[Nymphen]] umgeben dargestellt. Diana wurde mit kurzem Gewand oder als Badende auch gern nackt abgebildet. Vermeer stellt sie bekleidet dar, ein Zugeständnis an eine Prüderie, die Nacktheit als anstößiger empfand. So wendet sich auch eine nur halbbekleidete Nymphe hinter Diana vom Betrachter ab und dreht ihm den Rücken zu. Das Bild ist handlungsarm, zwei Nymphen sitzen mit Diana auf dem Stein, eine steht im Hintergrund und betrachtet, wie die Vierte einen Fuß Dianas wäscht. Diese rituelle Handlung stellt einen Bezug her zum christlichen Motiv der Fußwaschung Jesu. Die Szene spielt in der Dämmerung, weshalb die Gesichter der Frauen im Schatten liegen. Die Dunkelheit und das Diadem mit der Mondsichel sind eine Anspielung auf die häufige Gleichsetzung Dianas mit der Mondgöttin [[Selene]]. Dem Bild ''Diana mit ihren Gefährtinnen'' wurden, vor allem in der Darstellung der Körperhaltungen, Mängel nachgesagt. Deshalb wurden wiederholt stilkritische Zweifel laut, dass es überhaupt ein Werk Vermeers sei. Diese Zweifel lassen sich bis heute weder bestätigen noch entkräften. === Stadtansichten === [[Bild:Vermeer-view-of-delft.jpg|thumb|''Ansicht von Delft'', etwa 1660/1661]] Vermeer malte zwei Bilder mit Bezug zu seiner Heimatstadt: die ''[[Straße in Delft]]'' und die ''[[Ansicht von Delft]]''. Stadtansichten wurden meist infolge von öffentlichen oder privaten Aufträgen, nur selten für den freien Markt gemalt. Sie erzielten deshalb auch höhere Preise als nicht auftragsgebundene [[Landschaftsmalerei|Landschaftsbilder]]. Das Bild ''[[Ansicht von Delft]]'' entstand wohl um 1660/1661. Jan Vermeer gestaltete es wahrscheinlich mit Hilfe einer [[Camera obscura]] von einem höheren Stockwerk eines Hauses aus. Der Umstand des erhöhten Standpunktes wird vor allem an der Aufsicht der Figuren am linken unteren Bildrand deutlich. Das Bild zeigt eine Ansicht der Stadt mit dem Fluss [[Schie]] im Vordergrund. Jan Vermeer ordnete hier, ähnlich wie in seinen anderen Bildern, die architektonischen Elemente parallel zum Bildrand an, im Gegensatz zu anderen Malern, die mit in die Tiefe führenden Straßen das Innenleben einer Stadt zugänglich machen wollten. Daneben legte Vermeer in der Komposition im Vordergrund einen dreieckigen Uferstreifen an. Dieses Element, das von [[Pieter Brueghel der Ältere|Pieter Brueghel]] eingeführt wurde, fand häufig Verwendung, beispielsweise in dem Bild ''Blick auf Zierikzee'' von [[Esaias van de Velde]]. Vermeer benutzte für die Farbgebung seiner Delfter ''Ansicht'' vor allem Braun– und Ockertöne. Auf die im Schatten liegenden Gebäude im Vordergrund und an die Schiffsrümpfe setzte er Farbtupfen, um die Fugenstruktur und die Verkrustungen zu zeigen. Das die Wolken durchbrechende Licht beleuchtet vor allem sich im Hintergrund befindende Gebäude und den Turm der [[Neue Kirche (Delft)|Nieuwe Kerk]]. Mit dem hell erleuchteten Kirchturm wollte Jan Vermeer vermutlich ein politisches Statement abgeben.<ref name="stadtansichten">Norbert Schneider: ''Vermeer sämtliche Gemälde''. Taschen, Köln 2004. Seite 19</ref> In der Nieuwe Kerk befand sich das Grabmal des 1584 bei einem Attentat in Delft gestorbenen [[Wilhelm I. (Oranien-Nassau)|Wilhelm I. von Oranien]], der als Held des Widerstandes gegen Spanien galt. === Moralisierende Bilder === [[Bild:Jan Vermeer van Delft 002.jpg|thumb|''Bei der Kupplerin'', 1656]] [[Bild:Vermeer - Girl Asleep.jpg|thumb|''Schlafendes Mädchen'', etwa 1657]] ''[[Bei der Kupplerin]]'' aus dem Jahr 1656 ist das früheste Bild Jan Vermeers, das der [[Genremalerei]] zuzuordnen ist. Wahrscheinlich ist, dass Vermeer sich von dem gleichnamigen Bild des Malers [[Dirck van Baburen]], das sich im Besitz seiner Schwiegermutter Maria Thins befand, inspirieren ließ.<ref name="moral">Norbert Schneider: Vermeer sämtliche Gemälde. Taschen, Köln 2004. Seite 23</ref> Dieses Bild erscheint weiterhin in einigen Werken Vermeers als Anspielung auf das behandelte Thema. ''Bei der Kupplerin'' lässt sich der Kategorie des „Bordeeltje“, des Bordellbildes, zuordnen, die eine Unterkategorie des Genrebildes darstellt. Das Bild zeigt vier Personen, zwei Frauen und zwei Männer. Für eine konkrete Bezeichnung der Figuren fehlt die Klarheit, ob es sich tatsächlich um eine Szene in einem Bordell handelt oder um eine häusliche Szene. Im ersten Fall würde es sich bei der Frau am rechten Bildrand um eine [[Prostitution|Prostituierte]] handeln, bei dem Mann, der hinter ihr steht, um einen [[Freier (Prostitution)|Freier]]. Die schwarz gekleidete Frau wäre die Kupplerin, die das Geschäft organisiert hätte. Handelt es sich jedoch um eine häusliche Szene, würde das Bild das Entstehen einer außerehelichen Beziehung darstellen. In diesem Fall wäre die Kupplerin wohl eine Frau aus der Nachbarschaft, welche diese Beziehung organisiert hätte. Bei dem Mann am linken Rand des Bildes könnte es sich um Vermeer selbst handeln. Es wäre sein einziges Selbstbildnis. Von den abgebildeten Personen sind nur die Oberkörper sichtbar, da sich im Vordergrund ein Tisch befindet. Diese Komposition des Bildes erzeugt beim Betrachter Distanz zu den Figuren. Da Genrebilder auch Werte vermitteln sollten, enthielten sie oft Mahnungen. Durch das Weinmotiv, dargestellt in der Karaffe und dem Weinglas in der Hand der Prostituierten, deren Wangen durch den Alkoholkonsum gerötet sind, sollte vermittelt werden, dass der Mensch trotz der sinnlichen Verführungen bei klarem Verstand bleiben sollte. Der zentrale Aspekt des Bildes, die Käuflichkeit der Liebe, wird nur indirekt dargestellt, indem die Prostituierte ihre Hand öffnet, um eine Münze von dem Freier entgegenzunehmen. Damit ist Vermeer im Vergleich mit anderen Künstlern, die drastischere Anspielungen verwendeten – wie zum Beispiel [[Frans van Mieris der Ältere|Frans van Mieris]], der im Hintergrund des Bildes [http://de.wikipedia.org/wiki/Datei:Frans_van_Mieris_d._%C3%84._002.jpg ''Der Soldat und das Mädchen''] kopulierende Hunde darstellte – relativ zurückhaltend. Das Bild [[Schlafendes Mädchen]], das um 1657 gemalt wurde, ist ein weiteres Werk Vermeers mit moralisierender Aussage. Die abgebildete junge Frau sitzt an einem Tisch, der mit einem [[orient]]alischen Teppich bedeckt ist. Dieser bildet am vorderen Ende des Tisches ein Dreieck und wurde von Vermeer zusammen mit einer Weinkaraffe und einem Obstteller arrangiert. Die Frau schläft und stützt dabei ihren Kopf mit dem Arm ab, was symbolisch den Müßiggang unterstreichen soll. Die Kleidung lässt erkennen, dass es sich nicht um eine [[Magd|Dienstmagd]], sondern um eine den Haushalt verwaltende Ehefrau handelt. Jan Vermeer hatte anfangs in dem Bild mehrere erzählerische Elemente verwendet, um die Frau innerhalb des Bildes interagieren zu lassen. So zeigte eine [[Röntgen]]untersuchung, dass sich in der Tür ein Hund und im linken Bildhintergrund ein Mann befanden, die später übermalt wurden. Damit wurde das Bild von der Komposition her für Interpretationen offener. Das Motiv des Weingenusses wird in diesem Bild durch die Karaffe erneut aufgegriffen bestimmte auch den Titel des Bildes als ''Ein betrunkenes, schlafendes Mädchen an einem Tisch'' beim Verkauf am 16. Mai 1696: Infolge des durch den Weinkonsum bedingten Schlafes vernachlässigt die Frau ihre Pflichten im Haushalt. === Frauendarstellungen === [[Bild:Jan Vermeer van Delft 003.jpg|thumb|''Briefleserin am offenen Fenster'', etwa 1657]] [[Bild:Johannes Vermeer (1632-1675) - The Girl With The Pearl Earring (1665).jpg|thumb|''Das Mädchen mit dem Perlenohrgehänge'', etwa 1665]] Die meisten Darstellungen von Frauen in den Bildern Vermeers stehen in einem narrativen Zusammenhang, wobei Attribute wie etwa Musikinstrumente oder Haushaltsgegenstände die Vorstellung der Handlung beeinflussen. Nur drei Bilder unterscheiden sich in größerem Maß davon und können als [[Porträt]]s bezeichnet werden. Das Bild ''[[Briefleserin am offenen Fenster]]'', das um 1657 und damit in Vermeers Frühphase gemalt wurde, zeigt eine Frau mit einem Brief, der hauptsächlich die Handlung des Bildes bestimmt. Das Element des Briefes greift Vermeer auch in anderen Bildern auf. In diesem Bild zeigt Jan Vermeer eine in der Mitte des Bildes positionierte Frau mit einem Brief in der Hand vor einem offenen Fenster. Am rechten Bildrand befindet sich ein Vorhang, im Vordergrund steht ein Tisch. Die Frau ist im Profil abgebildet, der Betrachter kann jedoch die Andeutung ihres Gesichts als Spiegelung im Fenster sehen. Dass es sich bei dem Brief wahrscheinlich um einen [[Liebesbrief]] handelt, wird an Details deutlich wie der Andeutung von [[Adam und Eva|Evas]] Sündenfall durch die mit Pfirsichen und Äpfeln gefüllte Obstschale. Der Vorhang, der im Vordergrund zu sehen ist, kann diese Aussage noch verstärken, wenn er als Zeichen der Offenbarung zur Seite geschoben ist. Es kann jedoch auch sein, dass er lediglich eines von Vermeer mehrmals benutzten Elementen der Komposition ist. In den meisten Frauendarstellungen von Jan Vermeer spielen moralische Aussagen eine bedeutende Rolle. Auch in den Bildern mit musizierenden Frauen wird dieses Thema aufgegriffen. Ein Beispiel dafür ist das zwischen 1673 und 1675 entstandene Werk ''Stehende Virginalspielerin''. Schon der Name des Instrumentes [[Virginal]] ist eine Anspielung auf die [[Jungfrau|Jungfräulichkeit]] des abgebildeten Mädchens. Diese ist vor allem vor dem Hintergrund zu verstehen, dass im 17. Jahrhundert in den Niederlanden strikt darauf geachtet wurde, dass die Frau bis zur Heirat keinen Geschlechtsverkehr hatte. Das Bild mit der [[Eros (Mythologie)|Cupido]]-Darstellung im Bildhintergrund bildet einen Kontrast zu diesem Moralverständnis. Das populärste Bild von Jan Vermeer ist das um 1665 entstandene Porträt ''[[Das Mädchen mit dem Perlenohrgehänge]]''. Diese Bekanntheit beruht vor allem auf der modernen Rezeption und darauf, dass dieses Werk der Aufhänger einer erfolgreichen Vermeer-Ausstellung im Mauritshuis in Den Haag in den Jahren 1995 und 1996 war. Das abgebildete Mädchen ist aus unmittelbarer Nähe und ohne erzählerische Attribute dargestellt, was dieses Bildnis von den anderen Werken Vermeers deutlich abhebt. Es ist nicht bekannt, wer die Abgebildete ist. Es könnte sich um ein Modell handeln, vielleicht war das Bild aber auch eine Auftragsarbeit. Der Hintergrund des Bildes ist neutral und sehr dunkel, durch seine Vielfarbigkeit aber nicht schwarz. Der dunkle Hintergrund verstärkt die Helligkeit des Mädchens, insbesondere die seiner Haut. Es neigt den Kopf, was den Anschein von Gedankenverlorenheit beim Betrachter hervorruft. Das Mädchen interagiert mit dem Betrachter, indem es ihn direkt anblickt und den Mund leicht geöffnet hält, was in der niederländischen Malerei häufig die Andeutung einer Ansprache des Bildbetrachters darstellt. Die Kleidung des Mädchens wurde von Vermeer mit annähernd reinen Farben gemalt, die Anzahl der auf dem Bild vorhandenen Farben ist begrenzt.<ref name="frauendarstellung">Norbert Schneider: ''Vermeer sämtliche Gemälde''. Taschen, Köln 2004. Seite 69</ref> Die Jacke des Mädchens ist bräunlichgelb und bildet damit einen Kontrast zum blauen [[Turban]] und zum weißen Kragen. Der Turban mit dem gelben, herabfallenden, Tuch ist ein Zeichen für das in der damaligen Zeit vorhandene Interesse an der morgenländischen Kultur in Folge der [[Türkenkriege]]. Im 17. Jahrhundert waren Turbane deshalb ein beliebtes und weit verbreitetes [[Accessoire]] in Europa. Daneben fällt besonders die Perle am Ohr des Mädchens auf, die aus der Schattenzone des Halses hervorsticht. === Darstellung der Wissenschaften === [[Bild:Jan Vermeer van Delft 009.jpg|thumb|''Der Geograph'' – etwa 1668/1669]] In dem Gemälde ''Der Geograph'', das in den Jahren 1668 und 1669 entstand, sowie dem Parallelbild ''[[Der Astronom]]'' aus dem Jahr 1668 beschäftigte sich Jan Vermeer mit der [[Einzelwissenschaft|Wissenschaft]]. Auch in einigen Bildern spielte er auf die [[Kartografie]] an, indem er im Bildhintergrund [[Karte (Kartografie)|Karten]] darstellte. Die Kartografie war eine junge Wissenschaftsdisziplin und befand sich noch in der Entwicklung. Im 17. Jahrhundert waren Karten ein [[Luxus]]gut, aber neben einem Zeichen von Reichtum stellten sie in Vermeers Bildern auch Bildung dar. Zudem symbolisierten Karten die Stellung der Niederlande als eine Handelsmacht, die Fernhandel betrieb. Außerdem gehörten die Niederlande aufgrund [[Niederländische Kolonien|ihres Kolonialreiches]] im 17. Jahrhundert zu den bedeutendsten [[Kolonialmacht|Kolonialmächten]]. Ein Beispiel für die Verwendung der Karte bei Vermeer ist ''Der Soldat und das lachende Mädchen''. Das Bild ''[[Der Geograph]]'' zeigt den Wissenschaftler in der Bildmitte als zentrales Motiv. Der Geograph trägt sein langes Haar hinter den Ohren gebündelt und ist mit einer langen [[Robe]] bekleidet. Auf dem Tisch im Vordergrund befinden sich eine Karte und eine für deren Ausbreitung zusammengeschobene Decke. Auf dem Schrank im Hintergrund steht ein [[Globus (Kartografie)|Globus]]. Der Geograf prüft mit Hilfe eines Zirkels Entfernungen auf der Karte, blickt in dem im Bild festgehaltenen Moment aber aus dem Fenster. Dabei fällt ihm Licht ins Gesicht, was auf Erleuchtung anspielt. In Kombination mit der Robe wirkt der Geograph damit als geheimnisvoller Charakter. Diese Wirkung ist als Abbildung der allgemeinen Wahrnehmung von Wissenschaftlern zur Zeit Vermeers zu verstehen. Mit der Darstellung eines [[Geographie|Geographen]] und eines [[Astronomie|Astronomen]] griff Jan Vermeer einen wichtigen [[Paradigmenwechsel]] auf. Bis in das 17. Jahrhundert hinein war es verpönt, sich mit der Ausdehnung, Gestalt und Geschichte der [[Erde]], sowie mit den [[Stern]]en zu beschäftigen. Dies wurde als Zuwiderhandlung gegen den Heilsplan Gottes verstanden und als vermessen betrachtet. Trotzdem entwickelten sich die Wissenschaften, die sich mit der Erde und den Sternen auseinandersetzten, seit dem Ende des 15. Jahrhunderts in großen Umfang weiter. Seit den außereuropäischen Entdeckungen in Amerika, Asien und Afrika benötigten Kaufleute, Seefahrer und Adelige immer mehr geografisches Wissen, das in Büchern, Karten und Globen aufbereitet wurde.<ref name="wissenschaften">[http://www.uni-duisburg.de/FB6/geographie/Publikationen/Geographie_Geschichte_Lexikon.PDF ''Geschichte der Geographie'' auf der Seite der Universität Duisburg, Seite 1]</ref> === Allegorien === [[Datei:Jan Vermeer van Delft 011.jpg|thumb|''[[Die Malkunst]]'' – etwa 1665/1666 oder 1673?]] [[Datei:Clio.jpg|thumb|Bildausschnitt mit der Muse Klio im Detail]] Jan Vermeer malte neben seinen realistischen Bildern, die sich meistens mit Themen aus dem Alltag beschäftigten, auch zwei [[Allegorie]]n, in denen er abstrakte Themen personifizierte und durch Symbole und Verweise persönliche dazu Stellung nahm. Diese beiden Bilder tragen die Titel ''Allegorie des Glaubens'', entstanden zwischen 1671 und 1674, und ''[[Die Malkunst]] (Allegorie der Malerei)''. Dabei basierte Vermeer sich auf [[Cesare Ripa]]'s Kenntnis von [[Ikonografie]]. Die ''[[Allegorie der Malerei]]'' hat eine Größe von 130 ×110 Zentimetern, womit es das größte Gemälde Vermeers ist. Das Bild wurde von vielen Kunsthistorikern als Vermeers malerisches Vermächtnis betrachtet. So verwendete [[Hans Sedlmayr]] den Titel ''Der Ruhm der Malkunst''.<ref>Sedlmayr, H. (1951) Der Ruhm der Malkunst, Jan Vermeer "De Schilderconst", Festschrift für Hans Jantzen, S. 169-177. Berlin.</ref> Diese Betitelung ist auf den Namen des Bildes bei der Schuldentilgung nach Vermeers Tod zurückzuführen, als es „''Ein Stück Malerei, […], worauf die Malkunst dargestellt ist''“ hieß.<ref name="allegorie">Norbert Schneider: ''Vermeer sämtliche Gemälde''. Taschen, Köln 2004. S. 81.</ref> Das Bild zeigt ein Atelier, das eventuell von Vermeers eigenem inspiriert war, da ein Eichentisch wie der dargestellte in dessen Inventarliste auftauchte. Auf diesem Tisch befindet sich neben einem Buch, Symbol der Weisheit und der Kontemplation, auch ein Heft, das als Symbol der künstlerischen [[Eingebung]] zu verstehen ist.<ref>F. Halma Op het Groot Schilderboek van Gerard de Lairesse, Tot verklaaringe der Titelprent.</ref> Als zentrale Person in diesem Bild sitzt der Maler in der Mitte des Bildes vor einer fast leeren Leinwand. Er wendet dem Betrachter den Rücken zu, so dass er seine Anonymität bewahrt. Im Bildhintergrund befindet sich eine junge Frau, die dem Maler [[Modell]] steht. Sie trägt eine blaue Robe aus Seide und einen gelben Rock. In ihrer linken Hand hält sie ein Buch, in ihrer Rechten eine [[Posaune]]. Auf ihrem Kopf trägt sie einen [[Kranz]] aus [[Lorbeer]]blättern, alles ewigen Ruhm darstellend. Die leere Leinwand galt seit der [[Renaissance]] als ein Symbol für die künstlerische Idee, die im Malprozess dann Gestalt annimmt. Dass der Maler an einem Bild arbeitet, während auf dem Tisch eine Maske liegt, wurde als Ergebnis des Wettstreites der Künste, des „[[Paragone]]“, gedeutet. Somit hätte die Malerei über die Bildhauerei triumphiert. Nach dem heutigen Stand der Forschung wird angenommen, dass die junge Frau nicht einfach ein Modell ist, oder [[Pheme|Fama]], sondern die Muse [[Klio (Muse)|Klio]] darstellt.<ref>K.G. Hulten: ''Zu Vermeers Atelierbild.'' in: Konsthistorisk Tidskrift Bd 18. 1949. S. 90-98.</ref> Sie ist in der griechischen Mythologie die [[Muse (Mythologie)|Muse]] der Geschichtsschreibung und Heldendichtung. Damit ist das Thema des Bildes nicht die [[Malerei]], sondern die [[Geschichte]] geworden! Dafür soll die Karte von [[Claes Janszoon Visscher|Nicolaes Visscher]] an der Wand im Hintergrund sprechen, welche die [[Siebzehn Provinzen]] vor dem Waffenstillstand mit Spanien 1609 zeigt.<ref>Hedinger, B. (1986) Karten in Bildern: Zur Ikonographie der Wandkarte in holländischen Interieurgemälden des 17. Jahrhunderts, S. ?</ref> Die Karte aus dem Jahre 1636 ist an beiden Rändern mit Stadtansichten gesäumt und Klio steht vor [[Den Haag]] mit der Ansicht des königlichen Hofes. Dies kann als Huldigung Vermeers an [[Wilhelm III. (England)|Wilhelm III. von Oranien]] gedeutet werden. Das Bild könnte in der Anfangszeit des [[Holländischer Krieg|Französisch-Niederländischen Krieges]] entstanden sein, der von [[1672]] bis [[1678]] dauerte, zu einer Zeit innerer Unruhen in den Niederlanden, in der die Hoffnung auf den [[Oranien|Oranier]] ruhte. Daneben wird eine positive Einstellung gegenüber dem [[Heiliges Römisches Reich|Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation]] zum Beispiel durch den Kronleuchter mit dem habsburgischen [[Doppeladler]] deutlich. Das Bild ist somit kein Lob der Malerei, sondern vielmehr eine Stellungnahme Vermeers zur aktuellen politischen Situation in den Niederlanden.<ref>Wheelock, A.K. (1995) The Art of Painting, S. 132.</ref><ref>Asemissen, H.U (1988) ''Die Malkunst. Aspekte eines Berufsbildes.'' S. 25-34; 52-64. Frankfurt a.M. 31988. ISBN 3-596-23951-6.</ref> === Zeichnungen === Es gibt keine [[Zeichnung (Kunst)|Zeichnungen]], die Jan Vermeer zweifelsfrei zugeordnet werden können. Ihr Fehlen hat dazu geführt, dass viele Autoren davon ausgehen, dass Vermeer keine Studienzeichnungen für sein Schaffen benötigte. Dem entgegen steht die umstrittene Zeichnung ''Magd mit Fußwärmer'', die von Befürwortern Vermeer zugeschrieben und auf das Jahr 1655 datiert wird. Sie ist 25,5 × 16,5 Zentimeter groß, mit Kreide auf blauem Papier ausgeführt und befindet sich heute in der Graphischen Sammlung im Schlossmuseum [[Weimar]]. Befürworter führen die Zuordnung der Zeichnung zu Vermeer vor allem auf stilistische Gemeinsamkeiten und die Ähnlichkeit des Monogramms auf dem Fußwärmer mit den Signaturen auf den Gemälden ''Briefleserin am offenen Fenster'' und ''Ansicht von Delft'' zurück. Zweifler führen beispielsweise das blaue Zeichenpapier als Begründung für ihre Position an, da sie davon ausgehen, dass dieses Papier erst in späteren Jahrhunderten hergestellt wurde. Dem widerspricht eine Darstellung [[Karel van Mander]]s, der vor Vermeer lebte und Autor des ''Schilderboeks'' war. Van Mander führte einen Schüler des Porträtisten [[Michiel Miereveld]] aus Delft: „Er ist eifrig im Untersuchen der reifsten Schönheit der Malkunst, praktiziert im Kolorieren verschiedene selbsterfundene Manieren, zeichnet dazwischen auch auf blauem Papier …“ Das bedeutet, dass es schon lange vor Jan Vermeer im Delfter Gebiet blaues Zeichenpapier gab.<ref name="zeichnungen">Gerhard W. Menzel: ''Vermeer''. VEB E. A: Seemann Buch- und Kunstverlag, Leipzig 1977. Seite 37, Tafel 4</ref> == Bedeutung == === Künstlerische Innovation === Jan Vermeer war in der Malerei seiner Zeit ein Vorreiter in Bezug auf die Prinzipien der Gestaltung. Er verwendete eine ausgewogene Aufteilung der Flächen, mit der er auch komplexe Sachverhalte und Strukturen einfach und mit wenigen Elementen darstellte. Dabei spielte die [[Geometrie]] eine wichtige Rolle für die Komposition. Vermeer ging in seinen Bildern so mit dem [[Licht]] um, dass annähernd der Eindruck von [[Freilichtmalerei]] erreicht wurde. Weiterhin verwendete er keine [[grau]]en Farbtöne zur Darstellung von [[Schatten]].<br /> Der niederländische Maler [[Vincent van Gogh]] schreibt an den französischen Maler [[Émile Bernard (Maler)|Émile Bernard]]:{{Zitat|''Es stimmt, dass man in den paar Gemälden, die er gemalt hat, die ganze Farbtonleiter finden kann; doch das Zitronengelb, das blasse Blau und Hellgrau zu vereinen ist bei ihm so kennzeichnend, wie bei [[Diego Rodríguez de Silva y Velázquez|Velázquez]] die Harmonisierung von Schwarz, Weiß, Grau und Rosa.''}} Es wird immer wieder behauptet, dass Jan Vermeer beim Malen seiner Bilder eine [[Camera Obscura]] benutzte.<ref>[http://www.essentialvermeer.com/camera_obscura/co_one.html Vermeer and The Camera Obscura]</ref> Norbert Schneider zum Beispiel schreibt:<ref name="camera">Norbert Schneider: ''Vermeer sämtliche Gemälde''. Taschen, Köln 2006. Seite 88 ISBN 978-3-8228-6377-0.</ref> {{Zitat| ''Wir wissen heute, dass Vermeer bei den meisten seiner Bilder Gebrauch von der Camera obscura gemacht hat, und zwar in einer Weise, die die Konditionen dieses Mediums nicht verhehlt, sondern geradezu sichtbar macht, wie an den Randunschärfen und Lichtpunkten, dem berühmten „Pointillé“ zu erkennen ist. Die Bilder erhalten bei ihm auf diese Weise eine „abstrakte“ Qualität, da sie nicht vorgeben, die Wirklichkeit so, wie sie ist, wiederzugeben, sondern so, wie man sie sieht,&nbsp;... Man kann sagen, dass die „Camera obscura zu einer Quelle des Stils“ wird.''}} Nicht alle Experten teilen diese Meinung. In einer Vielzahl von Studien ist das Thema untersucht worden. Auch unter den Wissenschaftlern die sich sicher sind, dass Vermeer in der Tat mit einer Camera Obscura gearbeitet hat, gibt es aber immer noch große Debatten darüber, in welchem Umfang er dies tat.<ref>Walter Liedtke (2007) Dutch paintings in the Metropolitan Museum, S. 867: "''Vermeer must have taken an interest in some of the optical qualities that could be observed in the camera obscura, but its importance for his style has been greatly exaggerated by a few writers.''"</ref> Die Diskussionen fingen an, als der [[Vereinigte Staaten|US-amerikanische]] [[Lithograph]], [[Joseph Pennell]] 1891 bei dem Vermeer-Bild „[[Der Soldat und das lachende Mädchen]]“ erstmals auf die „fotografischen Perspektiven“ hingewiesen hat. In 1934 machte [[Paul Claudel]] erneut die Kunstgeschichte auf die photographischen Qualitäten der Kunst Vermeers aufmerksam.<ref>Netta, I. (1996) Das Phänomen ''Zeit'' bei Jan Vermeer van Delft, S. 95. Hildesheim. ISBN 3-487-10160-2.</ref> Charles Seymour <ref>H. Koningsberger, H.W. Janson & C. Seymour (1974) De wereld van Vermeer, 1632 - 1675. Time Life. S. 135 - 143.</ref> und Arthur K. Wheelock jr.<ref>Wheelock, A.K. (1996) Leven en Werk van Johannes Vermeer (1632-1675) In: Johannes Vermeer. Ausstellung Mauritshuis, Den Haag; National Gallery of Art, Washington. S. 26.</ref> behaupten, dass Vermeer für seine [[Ansicht von Delft]], [[die Malkunst]], das [[Mädchen mit rotem Hut]] und [[Die Spitzenklöpplerin (Vermeer)|Die Spitzenklöpplerin]] eine Camera Obscura benutzt hat, wegen der verwendeten [[Halo (Lichteffekt)|Halo Lichteffekte]]. Jørgen Wadum dagegen legt mehr Wert auf Vermeer's Entwicklung und seine Qualitäten als Maler von [[Perspektive]]n: dreizehn Gemälde haben ein kleines Loch, das mit einer [[Nadel]] in das Leinen gestochen wurde.<ref>Wadum, J. (1996) Vermeer in perspectief. In: Johannes Vermeer. Ausstellung Mauritshuis, Den Haag; National Gallery of Art, Washington. S. 67-74.</ref> === Beachtung und Bekanntheit === Jan Vermeer und sein Werk blieben zu seinen Lebzeiten den meisten unbekannt, da seine Gemälde über einen kleinen Kenner– und Liebhaberkreis hinaus kaum Beachtung fanden. Das lag an seinem kleinen Gesamtwerk und daran, dass nur selten Gemälde von ihm auf [[Auktion]]en gehandelt wurden.<ref name="bedeutung">DuMont: ''Vermeer''. DuMont Literatur- und Kunstverlag, Köln 2003. Seite 46</ref> Zwar wurde die Qualität der Werke Vermeers wahrgenommen, jedoch fand sein Gesamtwerk kaum Beachtung. Im 17. und 18. Jahrhundert geriet Jan Vermeer nicht vollkommen in Vergessenheit, wurde jedoch nur selten in der Literatur erwähnt. Dabei wurde sein Werk meist gelobt. Mit Beginn des 19. Jahrhunderts wuchs das Interesse an Jan Vermeer wieder, auch wenn kaum biographische Informationen über ihn bekannt waren. Vermeers Bilder wurden in Auktionskatalogen besonders angepriesen und erzielten hohe Preise. Daneben wurde Vermeers Werk durch Künstler aufgegriffen, so wie beispielsweise durch [[Wybrand Hendriks]], der die ''Ansicht von Delft'' kopierte und Genreszenen im Stile Vermeers malte. 1821 veröffentlichte [[Christian Josi]] einen Aufsatz mit dem Titel ''Discours sur l’état ancien et moderne des arts dans les Pays-Bas'', in dem er alle Informationen über Vermeer zusammenzutragen versuchte und dessen Werk rühmte.<ref name="bedeutung_2">DuMont: ''Vermeer''. DuMont Literatur- und Kunstverlag, Köln 2003. Seite 47</ref> Nachdem Vermeers Gemälde ''Ansicht von Delft'' in der Literatur besonders gerühmt worden war, entschied sich König [[Wilhelm I. (Niederlande)|Wilhelm I. der Niederlande]] für den Ankauf dieses Werkes durch das Mauritshuis. In der dortigen Königlichen Galerie wurde der britische Kunstsammler [[John Smith (Kunstsammler)|John Smith]] auf das Werk Jan Vermeers aufmerksam.<ref name="bedeutung_3">Anthony Bailey: ''Vermeer''. Siedler Verlag, Berlin 2002. Seite 236</ref> Smith erwähnte Vermeer in seinem Verzeichnis von Gemälden aus Frankreich, [[Flandern]] und den Niederlanden, das acht Bände umfasste. Den niedrigen Bekanntheitsgrad Vermeers erklärte Smith mit dessen kleinem Gesamtwerk. In Anbetracht dessen wunderte sich John Smith über Vermeers Kunstfertigkeit, weshalb er ihn für einen Imitator und Schüler anderer Maler hielt. Ab der Mitte des 19. Jahrhunderts wurde Vermeers Malerei breiter rezipiert. Der französische Publizist und Politiker [[William Thoré-Bürger]] lernte auf seinen Reisen durch Holland und Belgien die niederländische Malerei aus dem 17. Jahrhundert kennen, darunter auch Werke Vermeers. Thoré-Bürger erkannte dabei, dass der Realismus in der Darstellung des Alltagslebens den Vorstellungen der [[Ästhetik]] seiner Zeit entsprach. Er verhalf Vermeer mit drei sehr positiven Zeitschriftenaufsätzen zum Durchbruch. In diesen Aufsätzen katalogisierte William Thoré-Bürger die Werke Vermeers und charakterisierte dessen Malerei. Mit der Arbeit Thoré-Bürgers ging Jan Vermeer erstmalig in größerem Ausmaß in die Kunstliteratur ein. Die [[Impressionismus|Impressionisten]] kamen durch die Beobachtung des Lichts zu ähnlichen Feststellungen wie Vermeer, dessen Bilder die Lichtverhältnisse in ihrer natürlichen Art wiedergaben. So erfuhren Jan Vermeer und sein Werk immer größere Würdigung. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurden Gemälde Vermeers, wie zum Beispiel das ''Mädchen mit rotem Hut'', in Privatsammlungen wiederentdeckt.<ref name="bedeutung_2" /> Diese Werke waren anderen Künstlern wie [[Gabriel Metsu]] und [[Pieter de Hooch]] zugeschrieben worden. Jedoch wurden durch Thoré-Bürger und andere Kunstkritiker und Kunsthistoriker auch fälschlicherweise Werke Jan Vermeer zugeordnet, wie etwa die von [[Jacobus Vrel]] und [[Jan Vermeer van Haarlem]]. So beschäftigte sich die Vermeer-Forschung im 20. Jahrhundert vor allem mit der genauen Feststellung des Gesamtwerkes. Heute zählt Jan Vermeer zu den populärsten niederländischen Malern. So besuchten 1995 und 1996 460.000 Besucher innerhalb von 14 Wochen in [[Den Haag]] die Ausstellung ''Johannes Vermeer'', in der 22 seiner Werke zu sehen waren. Außergewöhnlich war, dass alle Tickets bereits im Vorverkauf verkauft wurden. In [[Washington D.C.]] besuchten dieselbe Ausstellung 327.551 Besucher. === Kommerzieller Erfolg === Jan Vermeer wurde von Mäzenen unterstützt, die einen Großteil seiner Werke erwarben. Eine bedeutende Sammlung seiner Werke befand sich dabei im Besitz des Druckereibesitzer Jacob Dissius und seiner Frau Magdalena van Ruijven, die nach einer 1682 verfassten Inventarliste 19 Gemälde Vermeers besaßen. Einige der Bilder stammten aus dem Besitz ihres Vaters Pieter Claesz. van Ruijven. Andere können aber auch von Magdalena van Ruijven, Jacob Dissius oder dessen Vater, Abraham Jacobsz Dissius, erworben worden sein, als am 15. Mai 1677 im Saal der Lukasgilde 26 Werke Vermeers aus dessen Nachlass verkauft wurden. So haben wahrscheinlich beide Familien bedeutende Stücke aus Vermeers Gesamtwerk erworben.<ref name="dissius">Ben Broos, Arthur K. Wheelock (Hrsg.): Vermeer. Das Gesamtwerk. Belser, Stuttgart 1995. Seite 23</ref> Kommerziell hatten die Werke Vermeers eine herausgehobene Stellung. So wurden am 16. Mai 1696 bei einer Auktion von [[Gerard Houet]] 134 Bilder versteigert, von denen 21 Stücke Gemälde Vermeers gewesen sein sollen. Die geforderten Preise für diese Bilder lagen zwischen 17 und 200 Gulden. Dass seine Bilder so hohe Preise erzielten, ist ein Zeichen dafür, dass Vermeer ein gesuchter Künstler war. In der gleichen Auktion wurde beispielsweise ein Kopfbildnis von Rembrandt für etwas über sieben Gulden und eine Carel Fabritius zugeschriebene ''Enthauptung Johannes des Täufers'' für 20 Gulden verkauft, was den Stellenwert Vermeers unterstreicht. Mit zunehmender Bekanntheit und Beliebtheit Vermeers zu Beginn des 19. Jahrhunderts stiegen auch die Preise. So wurde ''Der Geograph'' 1798 für sieben Louis gekauft und 1803 für 36 wieder verkauft. Ein Jahr später erwarb der Staat auf Wunsch des Königs die ''Ansicht von Delft'' für die damals extrem hohe Summe von 2900 Gulden und ließ es dem Mauritshuis zukommen.<ref name="bedeutung_2" /> Ende des 19. Jahrhunderts wurden immer mehr Werke Vermeers zu immer höheren Preisen gehandelt. Amerikanische Millionäre wie [[John Pierpont Morgan]], [[Henry Frick]], [[Henry Marquand]] und [[Isabella Stewart Gardner]] kauften Vermeers und wurden von den Museen umworben, ihnen diese zu leihen und auch zu übereignen. Ein Beispiel für die Preisentwicklung ist die ''Allegorie des Glaubens''. 1899 erwarb Abraham Bredius dieses Gemälde für rund 700 Gulden und lieh es in der Folge dem Mauritshuis und dem Boymans van Beuningen Museum. Schließlich verkaufte Bredius das Bild für 300.000 Dollar an den Amerikaner [[Michael Friedsam]], der es dem Metropolitan Museum hinterließ.<ref name="kommerz">Anthony Bailey: ''Vermeer''. Siedler Verlag, Berlin 2002. Seite 249</ref> Für 625.000 Gulden erwarb Henri W. A. Detering 1921 das Bild ''[[Straße in Delft]]'' aus der nach dem Kunstsammler [[Jan Six]] benannten ''Collectie Six'' und schenkte es dem holländischen Staat. Auf Deterdings Verfügung hin wird das Bild im Rijksmuseum in Amsterdam gezeigt.<ref name="kommerz_2">Ben Broos, Arthur K. Wheelock (Hrsg.): Vermeer. Das Gesamtwerk. Belser, Stuttgart 1995. Seite 107</ref> Die Preisentwicklung und die große Nachfrage machten Vermeer für Fälscher attraktiv. 1940 erwarb [[Adolf Hitler]] ''Die Malkunst (Allegorie der Malerei)'' für 1.650.000 Reichsmark von den Österreichern Eugen und Jaromir Czernin. Die Steuern von etwa 500.000 Reichsmark wurden ebenfalls durch Hitler übernommen. Im Vorfeld gab es schon mehrere Kaufangebote, unter anderem über sechs Millionen Dollar vom US-Staatssekretär [[Andrew Mellon]], die Ausfuhrgenehmigung wurde aber nicht erteilt.<ref name="kommerz_3">Günther Haase: Die Kunstsammlung Adolf Hitler. Ed. q., Berlin 2002. Seite 112, 113</ref> Das Bild war für das geplante Kunstmuseum in [[Linz]] vorgesehen und befand sich nach dem Erwerb durch Hitler zunächst in München. Gegen Ende des [[Zweiter Weltkrieg|Zweiten Weltkrieges]] wurde es im Salzbergwerk Altaussee versteckt und nach Kriegsende von den Amerikaner geborgen.<ref name="kommerz_4">Birgit Schwarz: Hitlers Museum. Böhlau Verlag, Wien, Kön, Weimar 2004</ref> Diese übergaben ''Die Malkunst'' dem Kunsthistorischen Museum in Wien. 2004 wurde das Bild ''Junge Frau am Virginal'' für 30 Millionen Dollar durch [[Steve Wynn (Unternehmer)|Steve Wynn]] ersteigert. Es war das erste Mal seit 1921, dass ein Vermeer auf einer Auktion angeboten wurde.<ref name="kommerz_5">[http://www.forbes.com/2004/10/19/cx_1019hot.html Forbes-Artikel: ''Vermeer In Philly'']</ref> == Fälschungen == Da die Urheberschaft Vermeers heute nur bei 37 Bildern als gesichert gilt, gab es immer wieder Gerüchte über die Existenz weiterer Bilder, deren Aufbewahrungsort bisher nur nicht bekannt sei. Dieser Umstand führte dazu, dass immer wieder [[Kunstfälschung|Fälscher]] angeblich bisher unentdeckte Bilder Vermeers herstellten und auf den Kunstmarkt brachten. Die Nachfrage nach Werken Vermeers war so groß, dass sie nicht durch sein kleines Gesamtwerk abgedeckt werden konnte. Der Niederländer [[Han van Meegeren]] stellte so perfekte Fälschungen her, dass selbst der Vermeer-Experte [[Abraham Bredius]] [[Expertise]]n über die Echtheit dieser Bilder ausstellte. Dieser bestätigte unter anderem die Echtheit des ''Emmausmahls'' von van Meegeren, welches das [[Museum Boijmans van Beuningen]] in [[Rotterdam]] 1938 erwarb. Daneben kaufte auch der deutsche [[Reichsmarschall]] [[Hermann Göring]] eine Fälschung von Han van Meegeren, ebenso wie der [[Niederlande|niederländische Staat]]. Dieser kaufte das Bild ''Fußwaschung'' im Jahre 1943, das sich heute im [[Rijksmuseum]] in [[Amsterdam]] befindet. Neben Bredius stellten auch [[Wilhelm von Bode]] und der Direktor des [[Mauritshuis]], Wilhelm Martin, Expertisen für falsche Vermeers aus. Diese Bilder gehören heute der [[National Gallery of Art]] in Washington.<ref name="beispiel_1">[http://www.nga.gov/cgi-bin/pinfo?Object=64+0+none Bild in der National Gallery in Washington D.C.]</ref><ref name="beispiel_2">[http://www.nga.gov/cgi-bin/pinfo?Object=65+0+none Bild in der National Gallery in Washington]</ref> Inzwischen gibt es Untersuchungsmethoden, mit denen eindeutig bestimmt werden kann, ob Werke, die Jan Vermeer zugeschrieben werden, zu seinen Lebenszeiten gemalt worden sind. Fälschungen, bei denen modernes [[Blei]] oder moderne Bleiverbindungen wie die Bleipigmente verwendet wurden, können mit Hilfe der [[Blei-210-Methode]] erkannt werden. Das Blei-210 ist ein Blei-Isotop der Uran-238-Zerfallsreihe, in der es aus Radium-226 entsteht und mit einer Halbwertszeit von 22 Jahren weiter zerfällt. Diese kurze Halbwertszeit kann zur Erkennung von Fälschungen aus jüngster Zeit genutzt werden. Zudem wurde das zu Lebzeiten Vermeers in den Niederlanden verwendete Blei aus Lagerstätten in den europäischen [[Mittelgebirge]]n gewonnen. Seit dem 19. Jahrhundert werden jedoch Bleierze aus Amerika und Australien eingeführt, so dass sich das moderne [[Bleiweiß]] im Gehalt von [[Spurenelement]]en und in der Isotopenzusammensetzung des Bleis vom älteren Bleiweiß unterscheidet. Dieses zeichnete sich zusätzlich durch hohe [[Silber]]- und [[Antimon]]gehalte aus, während das moderne Bleiweiß diese [[Chemisches Element|Elemente]] nicht mehr enthält, da diese bei der [[Verhüttung]] vom Blei getrennt werden. == Rezeption == === Malerei === Malerisch wurde Jan Vermeer durch [[Salvador Dalí]] rezipiert. Als Kind faszinierte Dalí eine Reproduktion von Vermeers ''Die Spitzenklöpplerin'', die sich im Arbeitszimmer seines Vaters befand. 1934 malte er einige Bilder mit Bezug zu Werken Jan Vermeers wie ''The Ghost of Vermeer of Delft Which Can Be Used As a Table''<ref name="beispiel_3">[http://www.abcgallery.com/D/dali/dali158.html Bild: ''The Ghost of Vermeer of Delft Which Can Be Used As a Table'']</ref>, welches Vermeer als eine dunkle, kniende Figur zeigt, die ein Bein weit abspreizt, so dass es eine Tischplatte bildet. Auf diesem Tisch befinden sich eine Flasche und ein kleines Glas. In dem Bild ''Paysage avec elements enigmatiques''<ref name="beispiel_4">[http://www.storybytes.com/images/a-dali/fullsize/enigmatic-elements.jpg Bild: ''Paysage avec elements enigmatiques'']</ref> aus demselben Jahr wird Jan Vermeer vor der Staffelei sitzend dargestellt. Im Jahr 1936 entstand ''Apparition de la ville de Delft''<ref name="beispiel_5">[http://www.virtualdali.com/assets/paintings/36ApparitionOfTheTownOfDel.jpg Bild: ''Apparition de la ville de Delft'']</ref>, welches im Hintergrund einen Teil der ''Ansicht von Delft'' zeigt. Salvador Dalí bat den [[Louvre]], eine Kopie der ''Spitzenklöpplerin'' anfertigen zu dürfen und erhielt die Erlaubnis. So entstand 1955 die Kopie<ref name="beispiel_6">[http://www.abcgallery.com/D/dali/dali199.html Bild: ''Kopie der Spitzenklöpplerin'']</ref> und das Bild ''Peintre paranoïaque-critique de la Dentellière de Vermeer''<ref name="beispiel_7">[http://www.abcgallery.com/D/dali/dali200.html Bild: ''Peintre paranoïaque-critique de la Dentellière de Vermeer'']</ref> (deutsch: ''Paranoisch-kritisches Gemälde der Spitzenklöpplerin von Vermeer''), in dem er das Gemälde in Form von [[Nashörner|Rhinozeroshörnern]] explodieren lässt. Diese Form entstand schon in Dalis Kindheit, weil er beim Betrachten der Reproduktion des Gemäldes an diese denken musste.<ref name="dalí">Katalog der Daliausstellung Zürich, Hatje Verlag, Stuttgart 1989 ISBN 3-7212-0222-8, Seite 340</ref> Salvador Dalí bewunderte Vermeer und verglich die ''Spitzenklöpplerin'' mit der [[Sixtinische Kapelle|Sixtinischen Kapelle]]. Dazu sagte er wörtlich: „Michelangelo mit dem Jüngsten Gericht ist nicht großartiger als Vermeer van Delft mit seiner Spitzenklöpplerin im Louvre, eine Handspanne im Quadrat groß. Wenn man die plastischen Dimensionen in Betracht zieht, so kann man Vermeers Spitzenklöpplerin der Sixtinischen Kapelle gegenüber als großartig bezeichnen.“<ref name="dalí_2">Katalog der Dali-Retrospektive 1920–1980, Prestel, München 1980, ISBN 3-7913-0494-1 Seite 342</ref> === Literatur === Großer Bekanntheit erfreut sich die Rezeption des Bildes ''Ansicht von Delft'' durch den französischen Schriftsteller [[Marcel Proust]]. Proust bereiste im Oktober 1902 die Niederlande und sah dort neben anderen Bildern auch Vermeers ''Ansicht von Delft'', die ihm am besten gefiel.<ref name="rezeption">[http://d-e-zimmer.de/PDF/proust-vermeer1996.pdf Dieter E. Zimmer: ''Auf der Suche nach dem gelben Mauerstück'', Seite 4]</ref> Als im Frühling 1921 im Museum [[Jeu de Paume]] in Paris eine Kollektion von Werken niederländischer Meister gezeigt wurde, besuchte Marcel Proust diese Ausstellung, obwohl er an [[Asthma]] erkrankt war und sich zurückgezogen hatte, da auch die Werke ''Ansicht von Delft'', ''Dienstmagd mit Milchkrug'' und ''Das Mädchen mit dem Perlenohrgehänge'' von Vermeer ausgestellt wurden. Auf der Treppe zur Ausstellung erlitt er einen Schwächeanfall, den er einem vorher verzehrten Kartoffelgericht zuschrieb. Marcel Proust griff die Delfter ''Ansicht'' ebenso wie den Schwächeanfall in seinem Monumentalwerk ''A la recherche du temps perdu'' (entstanden zwischen 1913 und 1927, dt.: Auf der Suche nach der verlorenen Zeit) auf, und zwar im fünften Teil, ''La Prisonnière'' (1923, Die Gefangene) mit seiner Romanfigur ''Bergotte''. Bergotte wird durch eine Kritik auf ein „gelbes Mauerstück“ in der ''Ansicht von Delft'' aufmerksam. Dieses Mauerstück gibt noch heute Rätsel auf, da es auf dem Gemälde nicht zu finden ist. Die Lage wird im französischen Original mit „Le petit pan de mur jaune avec un auvent“ und „du tout petit pan de mur jaune“ (deutsch etwa: „eine kleine Fläche gelben Mauerwerks mit einem Vordach“) angegeben.<ref name="rezeption_2">[http://d-e-zimmer.de/PDF/proust-vermeer1996.pdf Dieter E. Zimmer: ''Auf der Suche nach dem gelben Mauerstück'', Seite 3]</ref> Da diese Stelle auf dem Bild nicht vorhanden ist, geht man heute davon aus, dass Proust entweder diese Mauerstelle für seinen Roman erfunden hat oder, möglicherweise aufgrund seiner Krankheit, beim Schreiben dieser Passage einem Erinnerungsfehler zum Opfer gefallen ist. In jüngster Vergangenheit erlangte Jan Vermeer durch den 2001 erschienenen [[Roman]] ''Das Mädchen mit dem Perlenohrring'' von [[Tracy Chevalier]] größere Popularität. Das Buch befasst sich mit der Frage, wer die Frau auf dem Bild ''Das Mädchen mit dem Perlenohrgehänge'' ist und entwickelt eine fiktive Geschichte um die Magd Griet, die für das Bild Modell sitzt. Ebenfalls fiktiv ist die Geschichte, die [[Susan Vreeland]] in dem Buch ''Das Mädchen in Hyazinthblau'' erzählt. Das von ihr erfundene Gemälde Vermeers ''Mädchen mit Nähkorb'', das seine Tochter zeigt, wird durch die Geschichte zurückverfolgt und damit die Beschreibung der verschiedenen Besitzer verknüpft. Vermeer selbst wird nur am Ende des Buches direkt behandelt, ansonsten stellt sein Bild das einzige verbindende Element der verschiedenen Episoden dar. Mit ''[[Das Pentomino-Orakel]]'' greift auch ein [[Kinderbuch]] Jan Vermeer auf. Das Buch der Autorin [[Blue Balliett]] bezieht sich vor allem auf die Bilder ''Der Geograph'' und ''Die Briefschreiberin in Gelb''. Letzteres wird gestohlen, um darauf aufmerksam zu machen, dass einige Bilder fälschlicherweise Vermeer zugeschrieben wurden. Weiterhin schrieb [[Luigi Guarnieri]] 2005 den Roman ''Das Doppelleben des Vermeer'', der die Geschichte des Kunstfälschers Han van Meegeren erzählt, der durch die Fälschung von angeblichen Vermeer-Gemälden berühmt wurde. === Film === [[Peter Greenaway]] versuchte 1985 in seinem Film ''Ein Z und zwei Nullen'' die Werke von Jan Vermeer in der Realität nachzustellen. Im Film ''All the Vermeers in New York'' von [[Jon Jost]] aus dem Jahr 1990 wird Jan Vermeer beiläufig erwähnt, als sich eine französische Schauspielerin vor den Vermeer-Bildern im [[Metropolitan Museum of Art|Metropolitan Museum]] mit einem Makler trifft. 2003 wurde das Buch ''Das Mädchen mit dem Perlenohrring'' von dem britischen [[Filmregisseur]] [[Peter Webber]] verfilmt. Die Hauptrolle der Magd spielte [[Scarlett Johansson]], Vermeer wurde von [[Colin Firth]] verkörpert. ''[[Das Mädchen mit dem Perlenohrring]]'' erhielt mehrere Preise und wurde für drei [[Oscar]]s nominiert. Neben seiner malerischen Rezeption griff Salvador Dalí Jan Vermeer auch filmisch auf. 1954 begannen er und [[Robert Descharnes]] mit Dreharbeiten für einen Film namens ''L’Histoire prodigieuse de la Dentelliere et du Rhinoceros'', auch ''L’aventure prodigieuse de la Dentelliere et du Rhinoceros''. Dieser Film, der thematisch mit der ''Spitzenklöpplerin'' und dem Rhinozeros zu tun hatte, wurde jedoch nicht fertiggestellt. Auch in dem surrealistischen Film ''[[Ein andalusischer Hund]]'' aus dem Jahr 1929, an dem Dali ebenfalls beteiligt war, taucht kurz das Bild ''Die Spitzenklöpplerin'' als Abbildung in einem Buch auf. == Liste der heute bekannten und Vermeer zugeschriebenen Bilder == Die zeitliche Einordnung der Gemälde von Vermeer ist ein grundsätzliches Problem für die Kunstgeschichtsschreibung, weil der Maler selbst nur drei seiner Gemälde datiert hat: [[Bei der Kupplerin]], [[Der Astronom]] und [[Der Geograph]]. Die Datierungen aller übrigen Bilder können nur vermutet werden, da die wenigen vorhandenen Angaben keine ausreichenden Anhaltspunkte für eine zeitliche Einordnung bieten.<ref>Netta, I. (1996) Das Phänomen ''Zeit'' bei Jan Vermeer van Delft, S. 96. Hildesheim. ISBN 3-487-10160-2.</ref> {| class="prettytable" |- class="hintergrundfarbe5" !width="5 %" | Nr. !width="10 %" | Bild !width="25 %" | Titel !width="10 %" | Entstanden !width="20 %" | Größe, Material !width="30 %" | Ausstellung/Sammlung/Besitzer |- | 1 | [[Bild:Jan Vermeer van Delft 004.jpg|100px]] | ''[[Christus bei Maria und Martha]]'' | 1654/1655 | 160 × 142&nbsp;cm, Öl auf Leinwand | [[National Gallery of Scotland]] in [[Edinburgh]] |- | 2 | [[Bild:Vermeer saint praxedis.jpg|100px]] | ''[[Die heilige Praxedis]]'' (zugeschrieben) | 1655 | 101,6 × 82,6&nbsp;cm, Öl auf Leinwand | [[Musée de la Chapelle de la Visitation]] in [[Monaco]] (Barbara Piasecka Johnson Collection) |- | 3 | [[Bild:Vermeer - Diana en haar nimfen.jpg|100px]] | ''[[Diana mit ihren Gefährtinnen]]'' | 1655/1656 | 98,5 × 105&nbsp;cm, Öl auf Leinwand | [[Mauritshuis]] in [[Den Haag]] |- | 4 | [[Bild:Jan Vermeer van Delft 002.jpg|100px]] | ''[[Bei der Kupplerin]]'' | 1656 | 143 × 130&nbsp;cm, Öl auf Leinwand | [[Gemäldegalerie Alte Meister]] in [[Dresden]] |- | 5 | [[Bild:Vermeer young women sleeping.jpg|100px]] | ''[[Schlafendes Mädchen]]'' | 1657 | 87,6 × 76,5&nbsp;cm, Öl auf Leinwand | [[Metropolitan Museum of Art]] in [[New York City|New York]] |- | 6 | [[Bild:Jan Vermeer - Girl Reading a Letter at an Open Window.JPG|100px]] | ''[[Briefleserin am offenen Fenster]]'' | 1657 | 83 × 64,5&nbsp;cm, Öl auf Leinwand | Gemäldegalerie Alte Meister in Dresden |- | 7 | [[Bild:Jan Vermeer van Delft 025.jpg|100px]] | ''[[Straße in Delft]]'' | 1657/1658 | 54,3 × 44&nbsp;cm, Öl auf Leinwand | [[Rijksmuseum]] in [[Amsterdam]] |- | 8 | [[Bild:Jan Vermeer van Delft 023.jpg|100px]] | ''[[Der Soldat und das lachende Mädchen]]'' | 1658 | 49,2 × 44,4&nbsp;cm, Öl auf Leinwand | [[Frick Collection]] in New York |- | 9 | [[Bild:Jan Vermeer van Delft 018.jpg|100px]] | ''[[Herr und Dame beim Wein]]'' | 1658–1660 | 66,3 × 76,5&nbsp;cm, Öl auf Leinwand | [[Gemäldegalerie (Berlin)|Gemäldegalerie]] in [[Berlin]] |- | 10 | [[Bild:Jan Vermeer van Delft 021.jpg|100px]] | ''[[Dienstmagd mit Milchkrug]]'' | 1658–1660 | 45,4 × 41&nbsp;cm, Öl auf Leinwand | Rijksmuseum in Amsterdam |- | 11 | [[Bild:Jan Vermeer van Delft 006.jpg|100px]] | ''[[Das Mädchen mit dem Weinglas]] (Die Dame mit zwei Herren)'' | 1659/1660 | 78 × 67,5&nbsp;cm, Öl auf Leinwand | [[Herzog Anton Ulrich-Museum]] in [[Braunschweig]] |- | 12 | [[Bild:Jan Vermeer van Delft 001.jpg|100px]] | ''[[Ansicht von Delft]]'' | 1660/1661 | 98,5 × 117,5&nbsp;cm, Öl auf Leinwand | Mauritshuis in Den Haag |- | 13 | [[Bild:Vermeer Girl Interrupted at Her Music.jpg|100px]] | ''[[Die unterbrochene Musikstunde]]'' | 1660/1661 | 38,7 × 43,9&nbsp;cm, Öl auf Leinwand | Frick Collection in New York |- | 14 | [[Bild:Jan Vermeer van Delft 012.jpg|100px]] | ''[[Briefleserin in Blau]]'' | 1662–1664 | 46,5 × 39&nbsp;cm, Öl auf Leinwand | Rijksmuseum in Amsterdam |- | 15 | [[Bild:Jan Vermeer van Delft 014.jpg|100px]] | ''Die Musikstunde (Herr und Dame am Virginal)'' | 1662–1665 | 74,6 × 64,1&nbsp;cm, Öl auf Leinwand | Gemäldegalerie im [[Buckingham Palace]] in [[London]] |- | 16 | [[Bild:Woman-with-a-balance-by-Vermeer.jpg|100px]] | ''Die Perlenwägerin (Frau mit Waage)'' | 1662–1664 | 42,5 × 38&nbsp;cm, Öl auf Leinwand | [[National Gallery of Art]] in [[Washington (District of Columbia)|Washington D.C.]] |- | 17 | [[Bild:Vermeer - Woman with a Lute near a window.jpg|100px]] | ''[[Lautenspielerin am Fenster]]'' | 1664 | 51,4 × 45,7&nbsp;cm, Öl auf Leinwand | Metropolitan Museum of Art in New York |- | 18 | [[Bild:Jan Vermeer van Delft 008.jpg|100px]] | ''[[Junge Dame mit Perlenhalsband]]'' | 1664 | 55 × 45&nbsp;cm, Öl auf Leinwand | Gemäldegalerie in Berlin |- | 19 | [[Bild:Jan Vermeer van Delft 019.jpg|100px]] | ''[[Junge Frau mit Wasserkanne am Fenster]]'' | 1664/1665 | 45,7 × 40,6&nbsp;cm, Öl auf Leinwand | Metropolitan Museum of Art in New York |- | 20 | [[Bild:Johannes Vermeer (1632-1675) - The Girl With The Pearl Earring (1665).jpg|100px]] | ''[[Das Mädchen mit dem Perlenohrgehänge]]'' | 1665 | 45 × 40&nbsp;cm, Öl auf Leinwand | Mauritshuis in Den Haag |- | 21 | [[Bild:Vermeer The Concert.jpg|100px]] | ''[[Das Konzert (Vermeer)|Das Konzert]]'' | 1665/1666 | 69 × 63&nbsp;cm, Öl auf Leinwand | [[Isabella Stewart Gardner Museum]] in [[Boston]] (seit 1990 gestohlen) |- | 22 | [[Bild:Vermeer A Lady Writing.jpg|100px]] | ''[[Briefschreiberin in Gelb]]'' | 1665–1670 | 45 × 39,9&nbsp;cm, Öl auf Leinwand | National Gallery of Art in Washington D.C. |- | 23 | [[Bild:Vermeer-Portrait of a Young Woman .jpg|100px]] | ''Mädchenkopf'' | 1666/1667 | 44,5 × 40&nbsp;cm, Öl auf Leinwand | Metropolitan Museum of Art in New York |- | 24 | [[Bild:Jan Vermeer van Delft 020.jpg|100px]] | ''Mädchen mit Flöte'' (zugeschrieben) | 1665/1670 | 20 × 17,8&nbsp;cm, Öl auf Holz | National Gallery of Art in Washington D.C. |- | 25 | [[Bild:Vermeer - Girl with a Red Hat.JPG|100px]] | ''Mädchen mit rotem Hut'' | 1666/1667 | 23,2 × 18,1&nbsp;cm, Öl auf Holz | National Gallery of Art in Washington D.C. |- | 26 | [[Bild:Vermeer Lady Maidservant Holding Letter.jpg|100px]] | ''Dame mit Dienstmagd und Brief'' | 1667/1668 | 89,5 × 78,1&nbsp;cm, Öl auf Leinwand | Frick Collection in New York |- | 27 | [[Bild:Jan Vermeer - The Astronomer.JPG|100px]] | ''[[Der Astronom]]'' | 1668 | 50,8 × 46,3&nbsp;cm, Öl auf Leinwand | [[Louvre]] in [[Paris]] |- | 28 | [[Bild:Jan Vermeer - The Geographer.JPG|100px]] | ''[[Der Geograph]]'' | 1668/1669 | 53 × 46,6&nbsp;cm, Öl auf Leinwand | [[Städel]] in [[Frankfurt am Main]] |- | 29 | [[Bild:Jan Vermeer van Delft 010.jpg|100px]] | ''[[Der Liebesbrief]]'' | 1669/1670 | 44 × 38,5&nbsp;cm, Öl auf Leinwand | Rijksmuseum in Amsterdam |- | 30 | [[Bild:Jan Vermeer van Delft 016.jpg|100px]] | ''[[Die Spitzenklöpplerin (Vermeer)|Die Spitzenklöpplerin]]'' | 1669/1670 | 24,5 × 21&nbsp;cm, Öl auf Leinwand (auf Holz aufgezogen) | Louvre in Paris |- | 31 | [[Bild:DublinVermeer.jpg|100px]] | ''[[Briefschreiberin und Dienstmagd]]'' | 1670 | 71 × 59&nbsp;cm, Öl auf Leinwand | [[National Gallery of Ireland]] in [[Dublin]] |- | 32 | [[Bild:Vermeer - A young Woman seated at the Virginals.jpg|100px]] | ''Junge Frau am Virginal'' | 1670 | 25,5 × 20&nbsp;cm, Öl auf Leinwand | Sammlung Wynn in Las Vegas |- | 33 | [[Bild:Vermeer The Allegory of the Faith.jpg|100px]] | ''Allegorie des Glaubens'' | 1671–1674 | 114,3 × 88,9&nbsp;cm, Öl auf Leinwand | Metropolitan Museum of Art in New York |- | 34 | [[Bild:Jan Vermeer van Delft 013.jpg|100px]] | ''Die Gitarrenspielerin'' | 1672 | 53 × 46,3&nbsp;cm, Öl auf Leinwand | [[Kenwood House]] in London |- | 35 | [[Bild:Jan Vermeer van Delft 011.jpg|100px]] | ''[[Die Malkunst]] (Allegorie der Malerei)'' | 1673 | 130 × 110&nbsp;cm, Öl auf Leinwand | [[Kunsthistorisches Museum]] in [[Wien]] |- | 36 | [[Bild:Jan Vermeer van Delft 024.jpg|100px]] | ''Stehende Virginalspielerin'' | 1673–1675 | 51,7 × 45,2&nbsp;cm, Öl auf Leinwand | [[National Gallery (London)|The National Gallery]] in London |- | 37 | [[Bild:Vermeer Lady Seated at a Virginal.jpg|100px]] | ''Sitzende Virginalspielerin'' | 1673–1675 | 51,5 × 45,5&nbsp;cm, Öl auf Leinwand | The National Gallery in London |} == Einzelnachweise == <references /> == Literatur == * Nils Büttner: ''Vermeer'', Verlag C.H. Beck, München 2010. ISBN 978-3-406-59792-3 * Norbert Schneider: ''Vermeer sämtliche Gemälde''. Taschen, Köln 2004, ISBN 3-8228-6377-7 * Piero Bianconi, István Schlégl: ''Das Gesamtwerk von Vermeer''. Kunstkreis, Luzern 1967 * Ben Broos, Arthur K. Wheelock (Hrsg.): ''Vermeer. Das Gesamtwerk''. Belser, Stuttgart 1995, ISBN 3-7630-2322-4 * Ludwig Goldscheider (Hrsg.): ''Johannes Vermeer: Gemälde''. Phaidon Verlag, Köln 1958 * Anthony Bailey: ''Vermeer''. Siedler, Berlin 2002, ISBN 3-88680-745-2 * Michael Eissenhauser (Hrsg.): ''Johannes Vermeer, der Geograph. Die Wissenschaft der Malerei''. Staatliche Museen, Kassel, 2003, ISBN 3-931787-23-0 * Sara Hornäk: ''Spinoza und Vermeer. Immanenz in Philosophie und Malerei''. Königshausen & Neumann, Würzburg 2004, ISBN 3-8260-2745-0 * Philip Steadman: ''Vermeer’s camera. Uncovering the truth behind the masterpieces''. University Pres, Oxford 2001, ISBN 0-19-280302-6 * Ariana Rüßeler: ''Die Entdeckung einer Camera Obscura in Jan Vermeer van Delfts Gemälde Die Malkunst'' in: [[Zeitschrift für Kunstgeschichte]], Jg. 69, Heft 4 (2006), S. 541–547. * Heinz Althöfer (Hrsg.): ''Fälschung und Forschung. Ausstellungskatalog''. Museum Folkwang, Essen 1979, ISBN 3-7759-0201-5 == Weblinks == {{Commons|Johannes Vermeer|Jan Vermeer}} {{Wikibooks|Werkverzeichnis Jan Vermeer}} {{Zeno-Künstler|Kunstwerke/A/Vermeer+van+Delft,+Jan}} * [http://essentialvermeer.com/ Essential Vermeer] * [http://www.vermeerdelft.com/ Vermeer Zentrum Delft] * [http://www.xs4all.nl/~kalden/ Jan-Vermeer-Haus] * {{DNB-Portal|118626590}} * {{BBKL|v/vermeer_j|band=19|autor=Matthias Wolfes|spalten=1472–1488}} {{Exzellent}} {{Normdaten|PND=118626590|LCCN=n/79/6488|VIAF=51961439}} {{DEFAULTSORT:Vermeer, Jan}} [[Kategorie:Jan Vermeer| ]] [[Kategorie:Niederländischer Maler]] [[Kategorie:Geboren 1632]] [[Kategorie:Gestorben 1675]] [[Kategorie:Mann]] {{Personendaten |NAME=Vermeer van Delft, Jan |ALTERNATIVNAMEN=ver Meer, Joannis; van der Meer, Joannis |KURZBESCHREIBUNG=holländischer Maler |GEBURTSDATUM=getauft 31. Oktober 1632 |GEBURTSORT=[[Delft]] |STERBEDATUM=begraben 15. 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Verursacht wird sie durch die Aufnahme von [[Kohlenstoffdioxid|Kohlendioxid]] (CO<sub>2</sub>) aus der [[Erdatmosphäre]].<ref name="Raven et al. 2005">Raven, John et al. (2005): ''Ocean acidification due to increasing atmospheric carbon dioxide''. The Royal Society Policy Document 12/05, Juni [http://www.royalsoc.ac.uk/displaypagedoc.asp?id=13539 (PDF, 1,1&nbsp;MB)]</ref><ref name="WBGU 2006">Wissenschaftlicher Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen (2006): ''Die Zukunft der Meere – zu warm, zu hoch, zu sauer''. Sondergutachten, Berlin [http://www.wbgu.de/wbgu_sn2006.pdf (PDF, 3,5&nbsp;MB)]</ref> Der Vorgang zählt neben der [[Globale Erwärmung|globalen Erwärmung]] zu den Hauptfolgen der menschlichen Emissionen des [[Treibhausgas]]es Kohlendioxid. Während Kohlendioxid in der Atmosphäre physikalisch zu steigenden Temperaturen auf der Erde führt, wirkt es im Meerwasser chemisch. Die Versauerung lässt sich ausschließlich auf CO<sub>2</sub> zurückführen, nicht wie die globale Erwärmung insgesamt auch auf Emissionen anderer Treibhausgase wie [[Methan]] oder [[Distickstoffmonoxid|Lachgas]]. Die Folgen dieser Versauerung betreffen zunächst kalkschalenbildende Lebewesen, deren Fähigkeit, sich Schutzhüllen zu bilden, bei sinkendem pH-Wert nachlässt. Weil diese Arten oft die Basis der [[Nahrungskette]]n in den Ozeanen bilden, können sich daraus weitere schwerwiegende Konsequenzen für die zahlreichen von ihnen abhängigen Meeresbewohner und in der Folge auch für die auf diese angewiesenen Menschen ergeben. == pH-Wert des Ozeans == Der pH-Wert ist für ideal verdünnte Lösungen definiert und daher auf das salzhaltige Meereswasser nicht direkt anwendbar. Um Durchschnittswerte für Meereswasser angeben zu können, müssen darüber hinaus Modelle angewendet werden, um ein chemisches Gleichgewicht des Ozeans zu simulieren. Hierzu werden derzeit drei verschiedene Modelle mit daraus folgenden Skalen angewendet, die um bis zu 0,12 Einheiten auseinander liegen. Durchschnittswerte können daher nur im Rahmen des zugrundeliegenden Modells verglichen werden<ref name="Zeebe/Wolf-Gladrow 2001">Zeebe, R. E. and Wolf-Gladrow, D. (2001): ''CO<sub>2</sub> in Seawater: Equilibrium, Kinetics, Isotopes''. Elsevier Science, Amsterdam, ISBN 978-0-444-50946-8</ref><ref>Siehe auch in der englischsprachigen Wikipedia den Abschnitt [http://en.wikipedia.org/wiki/PH#Seawater ''Seawater'' im Artikel ''pH''].</ref>. Das Meerwasser ist mit einem pH-Wert um 8 leicht basisch. Nach einer Zusammenfassung der britischen [[Royal Society]] weist das Oberflächenwasser der Meere heute bis in eine Tiefe von 50&nbsp;m typischerweise pH-Werte zwischen 7,9 und 8,25 auf, mit einem Durchschnittswert von 8,08.<ref name="Raven et al. 2005"/> Die wichtigsten Ursachen für diese Differenz um 0,25 Einheiten sind die Temperatur des Wassers, der lokale Auftrieb von kohlendioxidreichem Tiefenwasser, sowie die biologische Produktivität, die dort, wo sie hoch ist, in Form von Meereslebewesen viel Kohlendioxid bindet und in tiefere Wasserschichten transportiert. Eine Möglichkeit, frühere pH-Werte zu rekonstruieren, bietet die Analyse von Sedimenten. Aus der [[Isotop|isotopischen]] Zusammensetzung von [[Borhydroxid]]en lässt sich bestimmen, dass der pH-Wert an der Meeresoberfläche vor etwa 21 Millionen Jahren etwa 7,4&nbsp;±&nbsp;0,2 betrug, bis er vor ungefähr 7,5 Millionen Jahren auf den Wert von 8,2&nbsp;±&nbsp;0,2 stieg.<ref name="Spivack et al. 1993">Spivack, Arthur J., Chen-Feng You und Jesse Smith (1993): ''Foraminiferal boron isotope ratios as a proxy for surface ocean pH over the past 21 Myr'', in: Nature, Vol. 363, S. 149–151, 13. Mai 1993, {{DOI|10.1038/363149a0}}</ref>Da der pH-Wert der Meere über den [[Henry-Gesetz|Henry-Koeffizienten]] direkt mit der Kohlenstoffdioxidkonzentration der Atmosphäre gekoppelt ist, lassen sich so auch Paläo-CO<sub>2</sub>-Konzentrationen bestimmen. Bis zum Beginn der ozeanischen Versauerung in Folge der einsetzenden [[Industrialisierung]] im 18. Jahrhundert und des steigenden Kohlendioxidausstoßes blieb dieser Wert in etwa konstant. Einer Studie der [[Stanford University]] zufolge, die einen vorindustriellen pH-Wert des oberflächennahen Meerwassers von durchschnittlich 8,25 annimmt, soll sich der pH-Wert durch die Aufnahme von Kohlendioxid auf den heutigen Wert von durchschnittlich 8,14 verringert haben.<ref name="Jacobson 2005">Jacobson, Mark Z. (2005): ''Studying ocean acidification with conservative, stable numerical schemes for nonequilibrium air-ocean exchange and ocean equilibrium chemistry'', in: Journal of Geophysical Research, Vol. 110, D07302, {{DOI|10.1029/2004JD005220}} [http://www.stanford.edu/group/efmh/jacobson/2004JD005220.pdf (PDF)]</ref> Eine gemeinsame Übersicht aus den [[Vereinigte Staaten|USA]] von der [[National Science Foundation]] (NSF), der [[National Oceanic and Atmospheric Administration]] (NOAA) und dem [[United States Geological Survey]] (USGS) kommt zu dem Schluss, dass vor der Industrialisierung der durchschnittliche pH-Wert bei 8,16 lag, während er heute 8,05 beträgt.<ref name="NSF, NOAA, USGS 2006">NSF, NOAA und USGS (2006): ''Impacts of Ocean Acidification on Coral Reefs and Other Marine Calcifiers: A Guide for Future Research'' [http://www.ucar.edu/communications/Final_acidification.pdf (PDF, 9,9&nbsp;MB)]</ref> In beiden Fällen wird die Versauerung auf die menschlichen Emissionen von Kohlendioxid zurückgeführt und mit 0,11 pH-Einheiten beziffert. == Ozeane als Kohlenstoffsenke == Die Ozeane spielen im [[Kohlenstoffzyklus|Kohlenstoffkreislauf]] der Erde als [[Kohlenstoffsenke]] eine wichtige Rolle, da 70&nbsp;Prozent der Erdoberfläche von Wasser bedeckt sind. In der gesamten [[Hydrosphäre]] sind schätzungsweise 38.000 [[Gigatonne|Gt]] [[Kohlenstoff]] gespeichert. Kohlendioxid wird so lange im Meer gelöst, bis der [[Partialdruck]] in der Atmosphäre und im Meer gleich ist. Umgekehrt entweicht es auch wieder, wenn der Druck in der Atmosphäre geringer als im Meer ist. Die Temperatur eines Meeres beeinflusst ebenfalls die Aufnahme von Kohlendioxid, da Wasser bei steigender Temperatur weniger Kohlendioxid aufnehmen kann. Der aus der Atmosphäre aufgenommene Kohlenstoff verteilt sich im Ozean innerhalb einiger weniger Jahre in der von der Sonne [[Euphotische Zone|durchleuchteten Schicht des Meeres]]. Um in noch größere Tiefen zu gelangen, gibt es zwei Mechanismen. Am wichtigsten ist die so genannte ''physikalische Kohlenstoffpumpe'', wobei sich das kohlenstoffreiche Oberflächenwasser in der [[Arktis]] abkühlt und schwerer wird, absinkt und über die kalte Tiefenströmung des [[Globales Förderband|Globalen Förderbandes]] weiträumig in den Tiefen der Ozeane verteilt wird. Weniger wichtig, aber dennoch nicht unbedeutend, ist die sogenannte ''biologische Kohlenstoffpumpe'', bei der Kohlenstoff als ''[[Meeresschnee]]'' (biogener Teilchenregen) in tiefere Regionen absinkt. Es dauert hunderte bis tausende von Jahren, bis das aus der Atmosphäre aufgenommene [[anthropogen]]e CO<sub>2</sub> von den Ozeanen in die tiefsten Wasserschichten vorgedrungen und verteilt ist, heute ist es bis in eine Wassertiefe von durchschnittlich 1.000&nbsp;m nachweisbar<ref name="WBGU 2006"/>. Bei [[Seamount]]s, an den [[Kontinentalhang|Kontinentalhängen]] und in [[Flachmeer]]en (zum Beispiel in Teilen des [[Weddell-Meer]]es)<ref name="Hoppema 2004">Hoppema, M.: ''Weddell Sea is a globally significant contributor to deep-sea sequestration of natural carbon dioxide'', in: Deep-sea research I, 2004, Vol. 51, S. 1169–1177, {{DOI|10.1016/j.dsr.2004.02.011}}</ref> kann das anthropogene CO<sub>2</sub> bereits bis zum Meeresboden gelangen. Die gestiegene Menge von Kohlendioxid in der Erdatmosphäre hat in den vergangenen 200 Jahren dazu geführt, dass 118&nbsp;±&nbsp;19 Gt Kohlenstoff oder 27 % bis 34 % der anthropogenen CO<sub>2</sub>-Emissionen von den Ozeanen aufgenommen wurden.<ref name="Sabine et al. 2004">Sabine, Christopher L., Richard A. Feely, Nicolas Gruber et al. (2004): ''The Oceanic Sink for Anthropogenic CO<sub>2</sub>'', in: Science, Vol. 305, Nr. 5682, S. 367–371, {{DOI|10.1126/science.1097403}} [http://pangea.stanford.edu/research/Oceans/GES205/Sabine_Science_Ocean%20sink%20for%20anthropogenic%20CO2.pdf (PDF)]</ref> Im Jahr 2006 gelangten weltweit 36,3&nbsp;Gt von Menschen zusätzlich produziertes CO<sub>2</sub> oder ca. 9,9&nbsp;Gt Kohlenstoff in die Atmosphäre.<ref name="Canadell et al. 2007">Josep Canadell, Corinne Le Quéré, Michael Raupach, Christopher Field, Erik Buitenhuis, Philippe Ciais, Thomas Conway, Nathan Gillett, R. Houghton und Gregg Marland (2007): ''Contributions to accelerating atmospheric CO<sub>2</sub> growth from economic activity, carbon intensity, and efficiency of natural sinks'', in: Proceedings of the National Academy of Sciences, [http://www.pnas.org/cgi/reprint/0702737104v1.pdf online (PDF)]</ref> Inklusive der natürlichen Quellen nimmt die Hydrosphäre gegenwärtig ungefähr 92&nbsp;Gt atmosphärischen Kohlenstoffs pro Jahr auf. Etwa 90&nbsp;Gt davon werden von den Weltmeeren wieder abgegeben, und 2&nbsp;±&nbsp;1&nbsp;Gt speichern diese.<ref name="WBGU 2006"/> Eine 2003 erschienene Studie schätzt die Aufnahme von Kohlenstoff etwas genauer im Zeitraum 1980–1989 auf 1,6&nbsp;±&nbsp;0,4&nbsp;Gt und zwischen 1990 und 1999 auf 2,0&nbsp;±&nbsp;0,4&nbsp;Gt pro Jahr.<ref name="McNeil et al. 2003">McNeil, Ben I., Richard J. Matear, Robert M. Key et al. (2003): ''Anthropogenic CO<sub>2</sub> Uptake by the Ocean Based on the Global Chlorofluorocarbon Data Set'', in: Science, Vol. 299, Nr. 5604, S. 235–239, 10. Januar, {{DOI|10.1126/science.1077429}}</ref> == Chemischer Prozess der Versauerung == [[Datei:Karbonatsystem Meerwasser de.svg|thumb|Verteilungsdiagramm für die [[Dissoziation (Chemie)|dissoziierten]] Formen der [[Kohlensäure]] als Funktion des pH-Wertes im Meerwasser]] Kohlendioxid aus der Luft kann sich im Meerwasser lösen und liegt dann größtenteils in Form verschiedener anorganischer Verbindungen vor, deren relatives Verhältnis den pH-Wert der Ozeane reflektiert. Anorganischer Kohlenstoff findet sich im Ozean zu ca. 1 % in [[Kohlensäure]] und Kohlendioxid, zu ca. 91 % in [[Hydrogencarbonat]]-Ionen (HCO<sub>3</sub><sup>−</sup>) und zu ca. 8 % in [[Carbonate|Carbonat]]-Ionen (CO<sub>3</sub><sup>2−</sup>). Im Wasser gelöstes Kohlendioxid steht über die folgenden [[Reaktionsgleichung]]en mit Hydrogencarbonat, Carbonat und Hydroniumionen im [[Chemisches Gleichgewicht|Gleichgewicht]]: :<math>\mathrm{CO_2 + 2 \ H_2O \ \rightleftharpoons \ H_3O^+ + HCO_3^-}</math> :<math>\mathrm{HCO_3^- + H_2O \ \rightleftharpoons \ CO_3^{2-} + H_3O^+}</math> Die in diesem Prozess entstehenden [[Oxonium]]ionen (H<sub>3</sub>O<sup>+</sup>) bewirken den sinkenden pH-Wert, der als negativer dekadischer Logarithmus der [[Stoffkonzentration|Stoffmengenkonzentration]] (genauer: der [[Aktivität (Chemie)|Aktivität]]) von Oxoniumionen definiert ist. Der Versauerung durch gelöstes CO<sub>2</sub> wirkt die Anwesenheit von [[Calciumcarbonat]] (CaCO<sub>3</sub>) entgegen, das mit [[Hydrogencarbonat]]- und Carbonat-Ionen als chemisches Puffersystem (→ [[Pufferlösung]]) wirkt und so Protonen bindet: :<math>\mathrm{CaCO}_3 \rightleftharpoons \mathrm{Ca}^{2+} + \mathrm{CO}_3^{2-}</math> :<math>\mathrm{ H^+ + CO_3^{2-} \rightleftharpoons HCO_3^- }</math> Wie alle Carbonate der [[Erdalkalimetalle]] ist Calciumcarbonat in Wasser nur schwer löslich. Das Calciumcarbonat im Meerwasser stammt im Wesentlichen aus zwei Quellen, nämlich Sedimenten am Meeresboden und dem Eintrag durch Zufluss von [[Süßwasser]]. In Letzteres gelangt Carbonat durch [[Verwitterung]] kalkhaltiger Gesteine. Damit das Sediment zur Neutralisierung der Versauerung beitragen kann, muss das darin enthaltene Calciumcarbonat aufgelöst und durch [[Zirkulation (Hydrologie)|Zirkulation]] vom Meeresboden in höhere Wasserschichten getragen werden. Wird in Modellrechnungen der verwitterungsbedingte Eintrag als konstant (mit 0,145&nbsp;[[Tonne (Einheit)|Gt]] pro Jahr Kohlenstoff in Form von Carbonat) angenommen, so würde die Versauerung der Meere innerhalb einiger hundert Jahre zu einer Umkehr der Sedimentbildungsrate führen. Erst in einem Zeitraum von ca. 8.000 Jahren könnte der verwitterungsbedingte Eintrag von Calciumcarbonat diesen Effekt wieder ausgleichen.<ref name="Archer et al. 1998">D. Archer, H. Kheshgi, Ernst Maier-Reimer: ''The Dynamics of Fossil Fuel CO<sub>2</sub> Neutralization by Marine CaCO<sub>3</sub>'', in: Global Biogeochemical Cycles, Vol. 12, Nr. 259–276, 1998 ([http://geosci.uchicago.edu/~archer/reprints/gbc98/neutral_gbc.pdf PDF, 100&nbsp;kB)]</ref> Bedeutende Mengen von Calciumcarbonat im Sediment entstehen durch [[Calcit]]-bildendes [[Plankton]], besonders von [[Globigerinida|Globigerinen]] (eine Gruppe der [[Foraminiferen]]), [[Haptophyta|Coccolithophoriden]] (eine Gruppe der Kalkalgen) und [[Pteropoda|Pteropoden]]. Kleinere Mengen werden beispielsweise in [[Korallenriff]]en gebildet. Plankton kann sich am Grunde des Meeres in Form eines carbonatreichen, [[Biogenes Sediment|biogenen Sediments]] (Kalkschlamm) ablagern, wenn die Wassertiefe nicht zu groß ist. Werden hingegen die [[Calcit- und Aragonit-Kompensationstiefe]]n für die Calciumcarbonate Calcit und [[Aragonit]] überschritten, dann lösen sie sich vollständig auf. Diese Kompensationstiefen wandern im Zuge der Versauerung nach oben, und so gehen große Mengen von [[Kalkstein]] am Meeresgrund in Lösung. Für Aragonit konnte im Atlantik bereits ein Anstieg seit der Industrialisierung um 400&nbsp;m auf heute 2.500&nbsp;m ermittelt werden. Bis 2050 wird eine weitergehende Erhöhung um dann 700&nbsp;m erwartet.<ref name="Tanhua et al. 2007">Tanhua, Toste, Arne Körtzinger, Karsten Friis et al. (2007): ''An estimate of anthropogenic CO<sub>2</sub> inventory from decadal changes in oceanic carbon content'', in: Proceedings of the National Academy of Science, Vol. 104, Nr. 9, S. 3037–3042, {{DOI|10.1073/pnas.0606574104}}</ref><ref>Siehe hierzu auch: Ulmer, Simone (2007): [http://www.nzz.ch/2007/02/28/ft/articleEXK92.html ''Die Ozeane – ein unterschätzter CO<sub>2</sub>-Speicher?''] In: Neue Zürcher Zeitung, 27. Februar</ref> 300 bis 800&nbsp;m oberhalb der Calcit-Kompensationstiefe befindet sich die [[Lysokline]], der Bereich im Wasser ab dem der Auflösungsprozess beginnt. Auch in weniger tiefen Gebieten können folglich feste Carbonate wie in Calciumcarbonat zusätzlich gelöst werden, bis die Lösung wieder mit Carbonat-Ionen gesättigt ist. Die Reaktionsgleichung für die Kalklösung lautet:<ref name="Feely et al. 2004">Feely, Richard A., Christopher L. Sabine, Kitack Lee et al. (2004): ''Impact of Anthropogenic CO<sub>2</sub> on the CaCO<sub>3</sub> System in the Oceans'', in: Science, Vol. 305, Nr. 5682, S. 362–366, {{DOI|10.1126/science.1097329}}</ref> :<math>\mathrm{CO_2 + CaCO_3 + H_2 O \rightleftharpoons 2 \ HCO_3^- + Ca^{2+}}</math> == Folgen für Meereslebewesen und das Ökosystem Ozean == === Schäden an Korallen === [[Datei:Mvey0290.jpg|thumb|left|Eine Koralleninsel im Pazifik. Für Korallen stellen die saurer werdenden Ozeane ein Risiko dar, denn sie sind auf die Bildung von Kalkschalen angewiesen]] Die Lösung von Kohlendioxid bremst zwar die Erderwärmung, die daraus folgende langsame Versauerung der Ozeane kann aber schwerwiegende Folgen unter anderem für Tiere mit einem Schutzmantel aus Calciumcarbonat (oder schlicht Kalk) nach sich ziehen.<ref name="Orr et al. 2005">Orr, James C., Victoria J. Fabry, Olivier Aumont et al. (2005): ''Anthropogenic ocean acidification over the twenty-first century and its impact on calcifying organisms'', in: Nature, Vol. 437, 29. September, S. 681–686, {{DOI|10.1038/nature04095}} [http://www.ipsl.jussieu.fr/~jomce/acidification/paper/Orr_OnlineNature04095.pdf (PDF)]</ref><ref name="NSF, NOAA, USGS 2006"/><ref name="Feely et al. 2004"/> Wie oben beschrieben, verschiebt sich das chemische Gleichgewicht der Ozeane zu Lasten der Carbonat-Ionen. Deren Verbindung mit [[Calcium]] im Meerwasser zu Calciumcarbonat ist jedoch von vitaler Bedeutung für Kalkschalen bildende Meereslebewesen. Ein saurer werdender Ozean behindert die [[Biomineralisation]] von [[Koralle]]n sowie von Kleinstlebewesen wie winzigen Meeresschnecken und [[Zooplankton]], obwohl einige dieser Lebewesen den pH-Wert des Wassers gezielt erhöhen, indem sie die gelöste Menge an Kohlendioxid bei der Erzeugung der Kalkkristalle in den eigenen Zellen verringern.<ref>scinexx.de: [http://www.scinexx.de/index.php?cmd=focus_detail2&f_id=205&rang=6 ''Stichwort Biomineralisation: Die Tricks der Kalk-Produzenten''] vom 15. Januar 2005</ref> Korallen produzieren mit [[Aragonit]] die neben [[Calcit]] am häufigsten vorkommende Kalkform im Meer. Aragonit ist eine besonders leicht durch Kohlensäure lösbare Form von Kalk, was das Risiko für die Korallen durch saurer werdende Ozeane erhöht. Bei einem Experiment an der israelischen [[Bar-Ilan University]] wurden Korallen künstlich angesäuertem Wasser mit einem pH-Wert von 7,3 bis 7,6 ausgesetzt. Dies sind Werte, die von einigen Wissenschaftlern als in wenigen Jahrhunderten möglich angesehen werden, vorausgesetzt, dass sich der atmosphärische Gehalt von CO<sub>2</sub> etwa verfünffacht.<ref name="Caldeira/Wickett 2003">Caldeira, Ken und Michael E. Wickett (2003): ''Oceanography: Anthropogenic carbon and ocean pH'', in: Nature, Vol. 425, S. 365, {{DOI|10.1038/425365a}}</ref> Nach einem Monat in dem saureren Wasser begannen sich die Kalkschalen von den Korallen abzulösen, und in der Folge verschwanden sie vollständig. Überraschend für die Forscher war, dass die [[Polyp (Nesseltiere)|Polypen]] der Korallen überlebten. Als nach 12 Monaten der pH-Wert wieder auf 8,0–8,3 angehoben wurde, begannen die Polypen erneut mit der Kalkbildung. Dieses Ergebnis könnte erklären, warum die Korallen trotz früherer Epochen mit einem für sie ungünstigeren pH-Wert des Meerwassers überleben konnten. Trotz dieses Befundes sprechen die Forscher lediglich von einem möglichen „Refugium“ der Korallen und betonen die schwerwiegenden Folgen der Entkalkung auf die betroffenen Ökosysteme.<ref>Fine, Maoz und Dan Tchernov (2007): ''Scleractinian Coral Species Survive and Recover from Decalcification'', in: Science, Vol. 315, Nr. 5820, S. 1811, 30. März, {{DOI|10.1126/science.1137094}}</ref> Ein negativer Effekt der Versauerung auf das Wachstum wurde auch für [[Steinkorallen]] der Gattung ''[[Lophelia pertusa]]'' nachgewiesen. In einem Experiment verringerte sich die Kalzifizierungsrate der in der freien Natur in Tiefen von 60 m bis 2100 m vorkommenden Kaltwasserkorallen bei einem reduzierten pH-Wert um 0,15 und 0,3 Einheiten um 30 % beziehungsweise 56 %.<ref>Maier, C.; Hegeman, J.; Weinbauer, M.G.; Gattuso, J.-P. (2009): ''Calcification of the cold-water coral ''Lophelia pertusa'', under ambient and reduced pH''. In: Biogeosciences, 6, S. 1671-1680, siehe [www.biogeosciences-discuss.net/6/1875/2009/ online]</ref> Auch weitere für die Riffbildung bedeutende Lebewesen dürften unter der Versauerung leiden. In einem siebenwöchigen Experiment wurden [[Rotalge]]n aus der Familie der [[Corallinaceae]], die eine wichtige Rolle beim Aufbau von Korallenriffen spielen, künstlich angesäuertem Meerwasser ausgesetzt. Gegenüber der Vergleichsgruppe sank bei den Algen im saureren Wasser die Reproduktionsrate und das Wachstum stark. Unter den Bedingungen eines weiter sinkenden pH-Wertes in den Ozeanen bedeutet dies wahrscheinlich erhebliche Folgen für betroffene Korallenriffe.<ref>Kuffner, Ilsa B., Andreas J. Andersson, Paul L. Jokiel, Ku’ulei S. Rodgers und Fred T. Mackenzie (2007): ''Decreased abundance of crustose coralline algae due to ocean acidification'', in: Nature Geoscience, online veröffentlicht am 23. Dezember, {{DOI|10.1038/ngeo100}}. Siehe auch die [http://www.usgs.gov/newsroom/article.asp?ID=1847 Presseerklärung des US Geological Survey] zu dieser Studie.</ref> === Beeinträchtigung weiterer Meereslebewesen === [[Datei:Amphiprion percula.JPG|thumb|right|Die Larve des orangen [[Clownfische|Clownfischs]] (''Amphiprion percula'') reagiert auf die ozeanische Versauerung mit einem beeinträchtigten oder ganz aussetzenden Geruchssinn, was ihr das Auffinden geeigneter Habitate erschweren bis unmöglich machen könnte.<ref name="Munday et al. 2009"/>]] Die [[Intergovernmental Panel on Climate Change|Zwischenstaatliche Sachverständigengruppe über Klimaänderungen]] (''Intergovernmental Panel on Climate Change, IPCC'') gibt 2007 im [[Vierter Sachstandsbericht des IPCC|Vierten Sachstandsbericht]] eine wissenschaftliche „mittlere Sicherheit“ für negative Konsequenzen aus den saurer werdenden Weltmeeren für Kalkschalen bildende Organismen und von ihnen abhängige Spezies an.<ref name="IPCC 2007">Intergovernmental Panel on Climate Change (2007): ''Climate Change 2007: Climate Change Impacts, Adaptation and Vulnerability. Summary for Policymakers'' [http://www.ipcc.ch/pdf/assessment-report/ar4/wg2/ar4-wg2-spm.pdf (PDF)]</ref> In einer an der [[Kyoto University]] durchgeführten Untersuchung wuchsen [[Seeigel]] in künstlich angesäuertem Wasser deutlich langsamer, im Vergleich zu einer unter normalen Bedingungen gehaltenen Kontrollgruppe, oder verloren an Gewicht. Sie waren weniger fruchtbar, und ihre Embryonen nahmen deutlich langsamer an Größe und Gewicht zu.<ref>Shirayama Yoshihisa, Haruko Kurihara, Hisayo Thornton et al. (2004): ''Impacts on ocean life in a high-CO<sub>2</sub> world'', Seto Marine Biological Laboratory, Kyoto University. Siehe die PowerPoint-Präsentation [http://www.ioc.unesco.org/ioccp/HighCO2/2004Symposium/presentations/ShirayamaYoshihisa.ppt online (PDF, 3,4&nbsp;MB)]</ref> Bei Seeigeln der Art [[Heliocidaris erythrogramma]], die in den Gewässern Südaustraliens heimisch sind, führte ein experimentell um 0,4 Einheiten auf 7,7 gesenkter pH-Wert zu einer vermutlich reduzierten Fortpflanzungsfähigkeit, festgestellt an der deutlich verminderten Geschwindigkeit und Beweglichkeit der Spermien. Dies könnte die Zahl von Nachkommen um ein Viertel senken.<ref>Havenhand, Jon N., Fenina-Raphaela Buttler, Michael C. Thorndyke und Jane E. Williamson (2008): ''Near-future levels of ocean acidifi cation reduce fertilization success in a sea urchin'', in: Current Biology, Vorab-Online-Veröffentlichung vom 31. Juli 2008, {{DOI|10.1016/j.cub.2008.06.015}}</ref> Probleme werden auch bei [[Clownfische]]n erwartet, deren Larven ihren Geruchssinn in künstlich angesäuertem Wasser bei einem pH-Wert von 7,8 nur noch eingeschränkt und bei einem Wert von 7,6 gar nicht mehr nutzen konnten. Dies kann schwere Beeinträchtigungen bei der Suche nach geeigneten Lebensräumen für die Larven und damit eine abnehmende Population nach sich ziehen.<ref name="Munday et al. 2009">Munday, Philip L.; Dixson, Danielle L.; Donelson, Jennifer M. et al. (2009): ''Ocean acidification impairs olfactory discrimination and homing ability of a marine fish''. In: PNAS, Vol. 106, No. 6, 10. Februar 2009, S. 1848–1852{{DOI|10.1073/pnas.0809996106}}</ref> Die Kalzifizierungsrate von [[Miesmuscheln]] könnte bis Ende des 21. Jahrhunderts um 25 % und die der [[Pazifische Felsenauster|Pazifischen Felsenauster]] um 10 % abnehmen. Auf diese Werte kamen Wissenschaftler, indem sie einem bestimmten Szenario des IPCC folgten, das bis 2100 eine atmosphärische CO<sub>2</sub>-Konzentration von ca. 740&nbsp;[[Parts per million|ppm]] vorsieht. Oberhalb eines Grenzwertes von 1.800&nbsp;ppm beginnt sich die Muschelschale sogar aufzulösen, wodurch die Artenvielfalt an Küsten allgemein gefährdet ist und auch erhebliche wirtschaftliche Schäden drohen.<ref>Gazeau, Frédéric, Christophe Quiblier, Jeroen M. Jansen et al. (2007): ''Impact of elevated CO<sub>2</sub> on shellfish calcification'', in: Geophysical Research Letters, Vol. 34, L07603, {{DOI|10.1029/2006GL028554}}</ref> [[Datei:Cwall99 lg.jpg|thumb|Türkisfärbung des Wassers vor der Küste von [[Cornwall]], verursacht durch eine Blüte der [[Haptophyta|Kalkalge]] ''[[Emiliania huxleyi]]''. Während ''E. huxleyi'' von der Versauerung der Meere profitieren könnte, ist unter anderem die Kalkalge ''[[Gephyrocapsa oceanica]]'' von großer Bedeutung für das Ökosystem Ozean und von der Versauerung bedroht.]] Die ozeanische Nahrungskette basiert auf [[Plankton]]. Besonders [[Kalkalgen]] (so genannten ''Haptophyta'') sind auf die Bildung einer Kalkschale angewiesen, um zu überleben. Wenn dies durch die Versauerung nicht mehr möglich ist, wären damit möglicherweise weitreichende Konsequenzen für die Nahrungskette der Ozeane verbunden.<ref name="Riebesell et al. 2000">Riebesell, Ulf, Ingrid Zondervan, Björn Rost, Philippe D. Tortell, Richard E. Zeebe und Francois M. Morel (2000): ''Reduced calcification of marine plankton in response to increased atmospheric CO<sub>2</sub>'', in: Nature, Vol. 407, 21. September, S. 364–367, {{DOI|10.1038/35030078}}</ref> Eine 2004 erschienene Studie des [[Leibniz-Institut für Meereswissenschaften]] weist auf die zahlreichen komplexen Effekte hin, die ein niedrigerer pH-Wert auf Plankton haben kann, darunter auf die schlechtere Ausgangslage für kalkbildende tierische Organismen verglichen mit Phytoplankton (Schwebalgen). Zugleich wird der unsichere Forschungsstand betont, der momentan keine weitreichenden Vorhersagen über die Entwicklung ganzer Ökosysteme zulässt.<ref>Riebesell, Ulf (2004): ''Effects of CO<sub>2</sub> enrichment on marine phytoplankton'', in: Journal of Oceanography 60, S. 719–729, {{DOI|10.1007/s10872-004-5764-z}}</ref> Eine abnehmende Kalzifierungsrate konnte bei [[Foraminiferen]] der Ordnung [[Globigerinida]] im [[Südlicher Ozean|südlichen Ozean]] festgestellt werden. Die einzelligen Foraminiferen sind für ein Viertel bis die Hälfte des gesamten ozeanischen Kohlenstoffflusses verantwortlich. In den Untersuchungen wurde für die Foraminifere ''[[Globigerina bulloides]]'' ein um 30-35% verringertes Gewicht der Kalkschale im Vergleich zu abgestorbenen, aus Sedimenten geborgenen Exemplaren festgestellt. Die Folgen eines weiter abnehmenden pH-Wertes gelten als ungewiss.<ref name="Moy et al. 2009">Moy, Andrew D.; Howard, William R.; Bray, Stephen G.; Trull, Thomas W. (2009): ''Reduced calcification in modern Southern Ocean planktonic foraminifera''. In: Nature Geoscience, online veröffentlicht am 8. März 2009, {{DOI|10.1038/ngeo460}}</ref> Studien zum Einfluss eines niedrigeren pH-Wertes auf größere Meerestiere ergaben, dass beispielsweise der [[Laich]] und die [[Larve]]n geschädigt werden können. Die Versuche wurden bei sehr viel niedrigeren pH-Werten unternommen, als in naher Zukunft zu erwarten ist, so dass sie nur eine begrenzte Aussagekraft aufweisen.<ref name="Raven et al. 2005"/> Nicht für alle Meereslebewesen bedeutet die Versauerung eine Einschränkung ihres Lebensraumes. Zunächst führt die gestiegene Menge von Kohlendioxid im Meer unter anderem zu einer besseren [[Kohlenstoffdioxid-Düngung]] der Meerespflanzen. Da der Effekt sich bei verschiedenen Pflanzen unterschiedlich auswirkt und mit der steigenden Wassertemperatur sowie dem abnehmenden pH-Wert verbunden ist, kann sich wiederum die Artenzusammensetzung ändern.<ref name="WBGU 2006"/> Bei einigen Spezies wurden überraschende Reaktionen auf die abnehmende Alkalität der Meere festgestellt. Für die [[Haptophyta|Kalkalgenart]] ''[[Emiliania huxleyi]]'' zeigte eine Studie paradoxerweise eine mögliche Verdoppelung ihrer Kalzifizierungs- und Photosynthese-Rate, gemessen an pH-Werten wie sie bei einem atmosphärischen CO<sub>2</sub>-Gehalt von 750&nbsp;ppm in den Ozeanen erwartet werden. Gleichzeitig wird eine deutlich abnehmende Wachstumsrate erwartet. ''E. huxleyi'' hält einen Anteil von beinahe 50 Prozent an der biologischen Kohlenstoffpumpe der Meere und leistet ein Drittel der meeresgebundenen Produktion von Calciumcarbonat, ist also eine Schlüsselspezies im Ökosystem. In Folge des bereits um 0,1 Einheiten gefallenen pH-Wertes an der Meeresoberfläche habe das durchschnittliche Gewicht dieser Kalkalgen im Verlauf der vergangenen 220 Jahre um 40 % zugenommen.<ref>Iglesias-Rodriguez, M. Debora, Paul R. Halloran, Rosalind E. M. Rickaby et al. (2008): ''Phytoplankton Calcification in a High-CO<sub>2</sub> World'', in: Science, Vol. 320, Nr. 5874, S. 336–340, {{DOI|10.1126/science.1154122}}</ref> Eine weitere Untersuchung ergab für [[Schlangensterne]] der Art ''[[Amphiura filiformis]]'' eine erhöhte Kalzifizierungsrate unter saureren Wasserverhältnissen, mittels derer die Schlangensterne für die widrigeren Bedingungen kompensieren. Diese Anpassung geht allerdings mit abnehmender Muskelmasse einher, in den Worten der Autoren eine auf lange Sicht wahrscheinlich nicht nachhaltige Strategie.<ref name="Wood et al. 2008">Wood, Hannah L., John I. Spicer und Stephen Widdicombe (2008): '' Ocean acidification may increase calcification rates, but at a cost'', in: Proceedings of the Royal Society B, Biological Sciences, online veröffentlicht am 6. Mai 2008, {{DOI|10.1098/rspb.2008.0343}}</ref> == Aktuelle und zukünftige Entwicklung == Bei einer detaillierten, über acht Jahre laufenden Untersuchung vor der US-amerikanischen [[Tatoosh Island]], nahe der [[Olympic-Halbinsel]] im Staat [[Washington (Bundesstaat)|Washington]] gelegen, schwankte der örtliche pH-Wert im Tages- wie auch im Jahresverlauf deutlich stärker, als zuvor angenommen, und zwar um bis zu einer pH-Einheit innerhalb eines Jahres sowie um 1,5 Einheiten im Untersuchungszeitraum 2000-2007. Parallel nahm die pH-Konzentration insgesamt signifikant ab, und zwar mit durchschnittlich -0,045 Einheiten pro Jahr deutlich schneller als von Modellen berechnet. Auf die Biologie vor Ort hatte diese Reduktionen einen erkennbaren Effekt. Die [[Kalifornische Muschel]], [[Miesmuscheln]] und die [[Entenmuschel]] nahmen in der Folge ab, während verschiedene [[Rankenfußkrebse]] sowie einige Algenarten zunahmen.<ref name="Wootton et al. 2008">Wootton, J. Timothy; Pfister, Catherine A.; Forester, James D. Forester (2008): ''Dynamic patterns and ecological impacts of declining ocean pH in a high-resolution multi-year dataset''. In: Proceedings of the National Academy of Sciences, Vol. 105, No. 48, S. 18848–18853, December 2, {{DOI|10.1073/pnas.0810079105 }}</ref> Ohne den Senkeneffekt der Meere läge die atmosphärische Konzentration von Kohlenstoffdioxid heute um 55&nbsp;ppm höher, also bei wenigstens 435&nbsp;ppm statt bei aktuell 380&nbsp;ppm. Über den Zeitraum von Jahrhunderten gerechnet sollen die Ozeane in der Lage sein, zwischen 65 % und 92 % der anthropogenen CO<sub>2</sub>-Emissionen aufzunehmen. Phänomene wie ein zunehmender [[Revelle-Faktor]] sorgen jedoch dafür, dass mit steigenden Temperaturen und wachsendem atmosphärischem CO<sub>2</sub>-Anteil die Aufnahmefähigkeit der Meere für Kohlenstoff sinkt.<ref name="Sabine et al. 2004"/> Bis 2100 dürfte entsprechend die Aufnahmekapazität des Wassers für CO<sub>2</sub> um etwa 7–10 % verringern werden.<ref name="Plattner et al. 2001">Plattner, G.K., F. Joos, T.F. Stocker und O. Marchal: ''Feedback mechanisms and sensitivities of ocean carbon uptake under global warming'', in: Tellus B, Volume 53, Nr. 5, November 2001, S. 564–592, {{DOI|10.1034/j.1600-0889.2001.530504.x}}</ref> Die Erwärmung des Meerwassers führt ebenfalls zu einer verringerten Kohlendioxid-Aufnahme, bis Ende des 21. Jahrhunderts wahrscheinlich um 9–14 %.<ref name="Greenblatt/Sarmiento 2004">Greenblatt, J.B. und J.L. Sarmiento: ''Variability and climate feedback mechanisms in ocean uptake of CO<sub>2</sub>'', in: Field, C.B. und M.R. Raupach (Hrsg.): ''SCOPE 62: The Global Carbon Cycle: Integrating Humans, Climate and the Natural World,'' Washington DC, Island Press, 2004, S. 257–275</ref> Insgesamt dürfte die Senkenfähigkeit der Meere Modellrechnungen zufolge bis zum Ende des 21. Jahrhunderts um ca. 5–16 % abnehmen.<ref name="Plattner et al. 2001"/> Es gibt Hinweise darauf, dass dieser Prozess möglicherweise bereits eingesetzt hat. Relativ zur theoretisch erwarteten Aufnahme hat der [[Südlicher Ozean|Südliche Ozean]] zwischen 1981 und 2004 anscheinend 0,08&nbsp;Gt Kohlenstoff pro Jahr zu wenig aufgenommen.<ref name="Le Quéré et al. 2007">Le Quéré, C., C. Rödenbeck, E.T. Buitenhuis, T. J. Conway, R. Langenfelds, A. Gomez, C. Labuschagne, M. Ramonet, T. Nakazawa, N. Metzl, N. Gillett und M. Heimann (2007): ''Saturation of the Southern ocean CO<sub>2</sub> sink due to recent climate change'', in: Science, Vol. 316, S. 1735–1738, {{DOI|10.1126/science.1136188}}</ref> Dies ist besonders bedeutend, da die Meere südlich von 30°S (der Südliche Ozean liegt südlich von 60°S) zwischen einem Drittel und der Hälfte des von Ozeanen weltweit gebundenen Kohlendioxids aufnehmen.<ref name="Orr et al. 2001">Orr, James C., Ernst Maier-Reimer, Uwe Mikolajewicz et al.: ''Estimates of Anthropogenic Carbon Uptake From Four Three-Dimensional Global Ocean Models'', in: Global Biogeochemical Cycles, 2001, Vol. 15, Nr. 1, S. 43–60 [http://www.ipsl.jussieu.fr/OCMIP/papers/peer_rev/ocmip1/ocmip1.pdf (PDF)]</ref> Im [[Nordatlantik]] schwächte sich die Aufnahmekapazität nicht nur theoretisch ab, sondern sie reduzierte sich faktisch zwischen 1994–1995 und 2002–2005 um über 50 % oder um ungefähr 0,24&nbsp;Gt Kohlenstoff.<ref name="Schuster/Watson 2007">Schuster, Ute und Andrew J. Watson: ''A variable and decreasing sink for atmospheric CO<sub>2</sub> in the North Atlantic'', in: Journal of Geophysical Research, 2007, Vol. 112, C11006, {{DOI|10.1029/2006JC003941}}</ref> Dies deutet auf eine deutlich abgenommene Pufferkapazität des Meeres für atmosphärisches Kohlendioxid hin.<ref name="Thomas et al. 2007">Thomas, Helmuth, A. E. Friederike Prowe, Steven van Heuven et al. (2007): ''Rapid decline of the CO<sub>2</sub> buffering capacity in the North Sea and implications for the North Atlantic Ocean'', in: Global Biogeochemical Cycles, Vol. 21, GB4001, {{DOI|10.1029/2006GB002825}}</ref> In beiden Fällen sind vermutlich veränderte Winde beziehungsweise abnehmende Durchmischung von Oberflächen- und Tiefenwasser mit ursächlich für den Rückgang. Bei einer Verdoppelung der atmosphärischen CO<sub>2</sub>-Konzentration im Vergleich zum vorindustriellen Level von 280 ppm (parts per million, Teile pro Million) wird mit einer weiteren Absenkung des pH-Wertes auf 7,91 gerechnet, bei einer Verdreifachung auf 7,76<ref name="NSF, NOAA, USGS 2006"/> oder um ungefähr 0,5 Punkte.<ref name="Raven et al. 2005"/> Bis zum Ende des 21. Jahrhunderts wird damit ein so niedriger pH-Wert in den Ozeanen erwartet, wie er seit wenigstens 650.000 Jahren nicht mehr vorgekommen ist. Wird der Zeitraum der Schätzung um einige Jahrhunderte in die Zukunft erweitert, scheint eine Absenkung des pH-Werts um bis zu 0,7 Punkte möglich. Dieses [[Worst Case|Worst-Case]]-Szenario setzt voraus, dass der größte Teil der noch vorhandenen fossilen Brennstoffe verbraucht wird einschließlich der nicht wirtschaftlich nutzbaren Streuvorkommen. Dies wäre eine stärkere Versauerung als jemals zuvor in den vergangenen 300 Millionen Jahren, mit der möglichen Ausnahme seltener und extremer Katastrophenereignisse.<ref name="Caldeira/Wickett 2003"/> Ein solcher hypothetischer Zustand wäre im Rahmen menschlicher Zeitskalen kaum reversibel; es würde wenigstens mehrere zehntausend Jahre dauern, bis auf natürlichem Weg der vorindustrielle pH-Wert wieder erreicht würde, wenn überhaupt. == Weblinks == * [[Christian-Albrechts-Universität zu Kiel]]: [http://www.ozean-der-zukunft.de/a1/index.shtml ''Ozeanversauerung: Fakten''] * scinexx.de: [http://www.scinexx.de/index.php?cmd=focus_detail2&f_id=308&rang=8 ''Osteoporose in der Tiefe. Übersäuerung der Meere löst Korallenriffe auf''] * [[Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung]] (2005): [http://www.awi.de/de/aktuelles_und_presse/pressemitteilungen/detail/item/the_ocean_turns_sour/ ''Das Meer wird sauer''], Pressemitteilung vom 29. September * Archer, David (2005): [http://www.realclimate.org/index.php?p=169 ''The Acid Ocean – the Other Problem with CO<sub>2</sub> Emission''], in: [http://www.realclimate.org RealClimate.org] vom 2. Juli (englisch) * [http://www.ocean-acidification.net/ The Ocean Acidification Network] (englisch) * Agardy, Tundi: [http://www.thew2o.net/archive_new.html?id=28 ''Dropping pH in the Oceans Causing a Rising Tide of Alarm''] beim [[World Ocean Observatory]] (englisch) * [http://ioc.unesco.org/iocweb/co2panel/HighOceanCO2.htm The Ocean in a High CO<sub>2</sub> World], Website der [[Intergovernmental Oceanographic Commission]] (IOC) der [[UNESCO]] (englisch) * [http://epoca-project.eu/ European Project of Ocean Acidification (EPOCA)] (englisch) * [http://www.whoi.edu/sbl/liteSite.do?litesiteid=22572&articleId=34347 Woods Hole Oceanographic Institution: ''Ocean Acidification''] (englisch) == Einzelnachweise == <references/> {{Exzellent}} [[Kategorie:Klimatologie]] [[Kategorie:Klimawandel]] [[Kategorie:Ozeanografie]] [[Kategorie:Umweltschutz]] [[cs:Okyselování oceánů]] [[da:Havenes forsuring]] [[en:Ocean acidification]] [[es:Acidificación del océano]] [[fi:Merien happamoituminen]] [[fr:Acidification de l’océan]] [[it:Acidificazione degli oceani]] [[ko:해양 산성화]] [[lt:Vandenynų rūgštėjimas]] [[pl:Zakwaszanie wód]] [[pt:Acidificação oceânica]] [[tr:Okyanusların asitlenmesi]] pfc0d7f2ursvqzts5grpxaggkoyaudm wikitext text/x-wiki Verschwörungstheorien zur Mondlandung 0 24437 27036 2010-04-24T04:27:23Z SieBot 0 Bot: Ändere: [[simple:Moon landing conspiracy theory]] [[Datei:Ksc-69pc-442.jpg|thumb|200px|Nach den Verschwörungstheorien zur Mondlandung wird unter anderem dieser Raketenstart der Apollo-11-Mission als Mittel zur Irreführung der Weltbevölkerung betrachtet.]] Die '''Verschwörungstheorien zur Mondlandung''' gehen davon aus, dass die [[Mondlandung]]en in den Jahren 1969 bis 1972 nicht stattgefunden haben (oft geht es nur um die erste bemannte Mondlandung), sondern von der [[NASA]] und der [[Bundesregierung (Vereinigte Staaten)|US-amerikanischen Regierung]] vorgetäuscht worden seien. Die [[Verschwörungstheorie]]n haben seit den 1970er-Jahren durch den Autor [[Bill Kaysing]], jedoch verstärkt wieder seit 2001, Verbreitung gefunden. == Geschichte und Hintergrund == Sowohl in der [[Sowjetunion]] als auch in den [[Vereinigte Staaten|Vereinigten Staaten]] wurde viel in die [[Raumfahrt]] investiert. Viele Technologiebereiche konnten nur mit Hilfe neuer [[Projektmanagement]]methoden und großer Verwaltungsstrukturen geleitet werden. Die Regierung und die Öffentlichkeit konnten den Wettlauf zwischen den beiden konkurrierenden Weltraumnationen nur anhand präsentabler Fakten, etwa fertiggestellter [[Rakete]]n und [[Satellit (Raumfahrt)|Satelliten]], verfolgen. Das unüberschaubare Geflecht von im Hintergrund ablaufenden Vorgängen ließ manche Bürger zweifeln, ob das gesamte Programm nicht nur reine [[Öffentlichkeitsarbeit]] gewesen sei. Dieser Verdacht wurde dadurch verstärkt, dass nur wenige für die Bevölkerung geeignete Veröffentlichungen vorlagen. Autoren wie der US-Amerikaner [[Bill Kaysing]] extrahierten aus den veröffentlichten Materialien bis dahin wenig bekannte, teils nur Fachleuten verständliche Informationen – angereichert mit unbeantworteten Hinterfragungen und bloßen Annahmen. 1976 wurde Kaysings Buch ''{{lang|en|We Never Went to the Moon: America’s Thirty Billion Dollar Swindle}}'' veröffentlicht. Es suchte nach Widersprüchen, stellte diese oft ohne Gegenrecherche oder nachprüfbare Quellenangaben als Tatsachen dar und tat die Mondlandung als Fälschung ab. Damit begründete er erstmals eine komplexe Verschwörungstheorie zur Mondlandung, die über bisherige bloße Meinungsäußerungen oder einfache Argumentationen, wie zum Beispiel durch eine Szene im [[James Bond|James-Bond]]-Film [[Diamantenfieber]] von 1971 (siehe den Punkt [[#Kulturelle Reflexion|Kulturelle Reflexion]]), hinausgingen. 2001 strahlte der US-amerikanische Fernsehsender [[Fox Broadcasting Company|Fox]] den einstündigen Fernsehbericht ''Conspiracy Theory: Did We Land on the Moon?'' aus. In Deutschland wurde dieser Bericht in synchronisierter und unkommentierter Fassung von [[Spiegel TV]] gesendet. Diese Dokumentation stellt den Standpunkt von Kaysing und anderen Verschwörungstheoretikern dar, dessen Kernthese lautet, die Technik der 1960er Jahre habe eine tatsächliche Mondlandung niemals ermöglicht. Vielmehr soll in der „geheimen Militärbasis“ [[Area 51]] ein Filmstudio aufgebaut worden sein, um dort die Mondszenen anzufertigen. Dazu werden viele „Ungereimtheiten“ aufgeführt („falscher“ Schattenwurf und „verdeckte“ Fadenkreuze auf Bildern, die „wehende“ Fahne, „Belege“ für offensichtlich montierte Bilder etc.), die ohne weiterführende Recherche überzeugend wirken. Darüber hinaus wird gesagt, die [[Saturn (Rakete)|Saturn]]-Raketen seien ''immer'' unbemannt gestartet. Die drei Astronauten [[Roger B. Chaffee|Chaffee]], [[Edward H. White|White]] und [[Virgil Grissom|Grissom]], die in der Kommandokapsel von [[Apollo 1|Apollo&nbsp;1]] tragisch verbrannten, seien, um die Sache zu vertuschen, getötet worden. NASA-Mitarbeiter seien zum Schweigen verpflichtet worden, sieben weitere Astronauten und Piloten sollen ermordet worden sein, um sie am Verrat zu hindern. Die NASA beachtete die Vorwürfe nicht. Sie verwies jedoch darauf, dass die [[Beweislast]] (''{{lang|la|Onus probandi}}'') für die Unmöglichkeit der Landung auf Seiten der Verschwörungstheoretiker liege. Die einzige offizielle Reaktion war die Finanzierung eines Buches, das der Raumfahrtexperte und Journalist [[James Oberg]] verfassen wollte. Als dies öffentlich als Verschwendung von Steuergeldern kritisiert wurde, stellte die NASA die Finanzierung ein. Der Kinofilm [[Unternehmen Capricorn]] (Capricorn One) des Regisseurs [[Peter Hyams]] aus dem Jahre 1977 griff das Thema auf. Er handelte in ähnlicher Weise von einer fingierten Expedition zum [[Mars (Planet)|Mars]]. Die [[Mockumentary|fingierte Dokumentation]] ''[[Kubrick, Nixon und der Mann im Mond]]'' schien mit geschickt montierten Informationsbruchstücken aus anderen Filmen und Interviews zu beweisen, dass [[Stanley Kubrick]] die erste Landung auf dem [[Mond]] vorgetäuscht habe, um vom [[Vietnamkrieg]] abzulenken. Erst im Abspann wurde deutlich, dass der ganze Dokumentarfilm ein Scherz ist. == Motivation und Verbreitung == === Motive der Vereinigten Staaten === Folgende Motive werden von den Verschwörungstheorien als wichtige Motive der USA angenommen: ; Motiv 1 : ''Für die US-Amerikaner galt ein technologischer „Sieg“ als wichtige Machtdemonstration gegenüber der Sowjetunion.'' Die politischen Gegner der USA haben die vorgeworfene Fälschung der Mondlandung jedoch nicht politisch genutzt. Die Sowjetunion verfügte über geeignete Mittel (unter anderem [[Radar]], [[Richtfunk]], [[Satellit (Raumfahrt)|Satelliten]]), um eine gefälschte Mondlandung der USA aufzudecken. Sie konnte etwa den Funkverkehr der amerikanischen Astronauten mithören und orten. Sie hätte sich beim [[Wettlauf ins All]] mit der Schmach, nicht als Erster auf dem Mond gelandet zu sein, nicht abfinden müssen, wenn die Mondlandung tatsächlich gefälscht gewesen wäre. Es gilt als unwahrscheinlich, dass die Sowjetunion Hinweise auf eine Fälschung der Mondlandungen zu Zeiten des [[Kalter Krieg|Kalten Krieges]] nicht sofort politisch genutzt hätte. Die Sowjetunion hat zwar niemals einen Menschen, aber eine Sonde zum Mond geschickt, die [[Mondgestein|Gesteinsproben vom Mond]] zurückgebracht hat. Die Analyse der Proben kam bei beiden Großmächten zum selben Ergebnis. Auch hatte die [[Kommunistische Partei der Sowjetunion]] bereits eine lange Tradition im Fälschen von Fotos, um im Sinne einer „Realitätskontrolle“ die Bevölkerung zu täuschen – berühmt sind etwa die Gruppenporträts, aus denen verstorbene oder liquidierte Politiker getilgt wurden, als hätten diese Personen nie gelebt. Nichts Derartiges wurde zur Widerlegung der amerikanischen Mondlandung versucht. ; Motiv 2 : ''Die Mondlandung hätte von damals aktuellen Problemen in Vietnam ablenken können''. Dieses Argument vernachlässigt die Entstehungsgeschichte des [[Vietnamkrieg]]s. Der Startschuss für die Mondmissionen ([[Apollo-Programm]]) erfolgte allerdings schon weit vor der am 7. August 1964 beschlossenen Vietnamintervention ([[Tonkin-Zwischenfall]]), nämlich mit der am 25. Mai 1961 gehaltenen Rede [[John F. Kennedy]]s ({{Audio|Discurso de Kennedy.ogg|Anhören}}, [[Apollo-Programm#Wettlauf der Systeme|Text]]). Zwar gab es bereits seit 1946 einen bewaffneten Konflikt in Vietnam; der Auslöser für das Mondprogramm ist auf Grund der historischen Gegebenheiten jedoch eher den großen Fortschritten der [[Wostok 1|bemannten sowjetischen Raumfahrt]] durch [[Juri Alexejewitsch Gagarin|Juri Gagarin]] am 12. April 1961 zuzuschreiben, die die amerikanische Bevölkerung nach dem [[Sputnikschock]] 1957 erneut schockierten. Zudem machten sich die US-amerikanischen Probleme erst im Laufe des Krieges bemerkbar, also sowohl viele Jahre nach dem Inkrafttreten des Mondprogramms als auch mehrere Jahre nach Kriegsbeginn. ; Motiv 3 : ''Die NASA könnte um ihr Raumfahrtbudget in Höhe von 30 Milliarden US-Dollar gefürchtet haben, wenn sie nicht Erfolge vorweisen konnte''. Zunächst widerspricht dieses Motiv vollständig dem obigen Motiv 2: Hat nun die amerikanische Regierung die Welt getäuscht, oder ist sie von der NASA selbst getäuscht worden? Dieses Argument trägt außerdem nicht der realen Mittelzuweisung Rechnung. Die NASA hätte finanziell gar nicht von einer Lüge profitiert: Sie selbst baut keine Raumschiffe, sondern beauftragt Unternehmen, es für sie zu tun. Das Geld floss vornehmlich in Ingenieurarbeit (Gehälter), Gerätschaften (einige [[Saturn (Rakete)#Saturn V|Saturn-V]]-Raketen blieben sogar übrig) und in Vorgängerprogramme wie [[Mercury-Programm|Mercury]] und [[Gemini-Programm|Gemini]]. Der reine Materialwert der verbrauchten [[Trägerrakete]]n und [[Mondlandefähre]]n ist im Vergleich zum Gesamtbudget minimal, und die Nichtdurchführung der Mondlandung hätte zum Beispiel nur Astronautengehälter und deren Weltraumnahrung eingespart. Das dabei eingesparte Geld hätte jedoch in keiner Relation zu dem Aufwand gestanden, der für die Verschwörungsarbeiten und ihre Vertuschung hätte betrieben werden müssen. === Motive der Verschwörungstheoretiker === Folgende Motive sind auf Seiten der Verschwörungstheoretiker zu erkennen: [[Ernst Stuhlinger]], Freund und Mitarbeiter [[Wernher von Braun]]s, weist im Hinblick auf Verbreiter und Anhänger der Verschwörungstheorie auf den Mangel an wissenschaftlicher Bildung als ein mögliches soziales Motiv hin: {{Zitat-en |Text=The way to belief is short and easy, the way to knowledge is long and hard. |Übersetzung=Der Weg zum Glauben ist kurz und bequem, der Weg zum Wissen lang und steinig. }} Die schiere Anzahl an Behauptungen kann eine hohe Beweiskraft suggerieren. Eine sorgfältige Analyse, Abwägung und Gewichtung der in vielen dieser Behauptungen vorgebrachten Argumente – welche oftmals auf den ersten Blick überzeugend wirken – erfordert eine große Detailkenntnis technischer und physikalischer Zusammenhänge. Dieses anspruchsvolle Wissen um die besonderen Gegebenheiten im Weltraum und in der Raumfahrt übersteigt das Niveau einer durchschnittlichen Schulausbildung, wie sie bei den meisten Laien die Grundlage der Bewertung bildet. Der Schauspieler [[Tom Hanks]], Hauptdarsteller des Films [[Apollo 13 (Film)|Apollo 13]] und Produzent der Dokumentation ''From the Earth to the Moon'', wurde in einem Interview gefragt, was er von den Verschwörungstheorien zur Mondlandung halte. Seine Antwort lautete: {{Zitat-en |Text=We live in a society where there is no law in making money in the promulgation of ignorance or, in some cases, stupidity&nbsp;… |Übersetzung=Wir leben eben in einer Gesellschaft, in der kein Gesetz verbietet, mit der Verbreitung von Unwissen oder in manchen Fällen Dummheit Geld zu verdienen&nbsp;… |Quelle=Tom Hanks<ref>''[http://science.krishna.org/Articles/2002/12/014.html NASA Unsure How to Counter Claims of Faked Moon Landings]'', science krishna, 23. Dezember 2002</ref> }} Hanks vertritt den Standpunkt, dass Autoren der Verschwörungstheorie aus kommerziellem [[Eigennutz]] handeln und bei ihren Anhängern [[Halbbildung]] bewusst in Kauf nehmen. == Argumente und Gegenargumente == Alle Verschwörungstheorien setzen als Prämisse voraus, dass es der NASA möglich war, nahezu alle am Mondlandeprogramm beteiligten 400.000 Personen zum Stillschweigen zu verpflichten. Da dies eine gegen die eigene Bevölkerung gerichtete geheimdienstliche Operation von vollkommen unrealistischem Ausmaß erfordern würde (und der hierfür notwendige logistische und technische Aufwand ungleich höher wäre als eine echte Mondlandung), werden die Verschwörungstheorien von der breiten Öffentlichkeit nicht ernst genommen und von offizieller Seite in der Regel nicht kommentiert. Trotzdem wurden die einzelnen Argumente der Verschwörungstheorien von verschiedenen Stellen untersucht und widerlegt. Im Folgenden werden die wichtigsten benannt. <!-- Die Argumentationen der Verschwörungstheoretiker und deren Gegendarstellungen beziehen sich auf viele verschiedene Fachgebiete und verlangen dementsprechendes Vorwissen. Zum besseren Verständnis sind deshalb zu vielen Punkten diesbezügliche Artikel mit Hintergrundinformationen verlinkt. --> === Fotografische und filmtechnische Aspekte === : <small>Allgemeine fotografische Hintergrundinformationen: [[Fotografie]]</small> ==== Gleiche Aufnahme zu unterschiedlichen Zeiten ==== 2000 erstellte unter anderem ''Ken Glover'' viele hunderte für [[Modem]]-Nutzer taugliche Kopien der Videomitschnitte der Apollo-Mondlandungen. Sie wurden für die NASA-Archiv-Website verwendet, um Internetnutzern dokumentierte Ausschnitte der Mondlandungen zu bieten. Nach der Einstellung der Videos durch den Verantwortlichen dieses Teilbereichs der NASA-Website ''Joseph O’Dea'' gab es eine kurze Zeit lang zwei augenscheinlich aufeinanderfolgende Videoausschnitte auf der Apollo-16-Unterseite<ref>NASA-Video-Archiv: ''[http://www.hq.nasa.gov/alsj/a16/video16.html#station4 Die betreffenden Filmaufnahmen – Geology Station 4 at the Stone Mountain Cincos]''</ref>, die unverständlich weit auseinanderliegenden [[Mission Elapsed Time|Missionszeiten]] zugeordnet wurden. So wurde der erste knapp dreiminütige Videoausschnitt der Missionszeit<ref>NASA-Archiv: ''[http://www.hq.nasa.gov/alsj/a16/a16v.1444638.rm Apollo 16: Missionszeit 144:46:38, 2m 52s]'' ([[RealVideo]])</ref> 144:46:38 zugeordnet. Der zweite Ausschnitt<ref>NASA-Archiv: ''[http://www.hq.nasa.gov/alsj/a16/a16v.1445240.rm Apollo 16: Missionszeit 144:52:40, 2m 50s]'' (RealVideo)</ref> wurde zunächst mit einer Zeitdifferenz von circa einem Tag zur ersten Aufnahme als ''{{"-en|Nothing so hidden || dt. etwa „nichts besonders Geheimes“}}'' geführt. Dies nimmt die Reportage ''Conspiracy Theory: Did We Land on the Moon?'' zum Anlass, die gesamte Mondlandung als Ansammlung von auf der Erde gedrehten Filmszenen darzustellen. Tatsächlich wurde der zweite Filmausschnitt lediglich auf der Website zeitlich falsch eingeordnet. Das zweite Video wurde nach Bekanntwerden der fehlerhaften Einordnung korrekt [[Hyperlink|verlinkt]]. Die Lücke zwischen diesen Abschnitten wurde mit einem neuen Videoausschnitt gefüllt.<ref>NASA-Archiv: ''[http://www.hq.nasa.gov/alsj/a16/a16v.1444935.rm Apollo 16; Missionszeit 144:49:35, 3m 13s]'' (RealVideo)</ref> Dieses neue Video und das Gesprächsprotokoll<ref>NASA-Archiv:: ''[http://www.hq.nasa.gov/alsj/a16/a16.sta4.html Apollo-16-Gesprächsprotokoll]''</ref><ref>NASA-Archiv: ''[http://www.hq.nasa.gov/alsj/a16/a16a1444156.mp3 Apollo-16-Audio-Ausschnitt aus Gesprächsprotokoll, Missionszeit 144:41:56, 10m 33s]'' ([[MP3]], 1,2 [[Byte|MB]]) und [http://www.hq.nasa.gov/alsj/a16/a16a1445214.mp3 Missionszeit 144:52:14, 5m 36s] (MP3, 0,6 MB)</ref> verdeutlichen, dass die Szenen kurz hintereinander, statt wie angenommen an verschiedenen Tagen gefilmt wurden. Bereits in der Liveübertragung und auf den veröffentlichten Videobändern folgten alle genannten Szenen chronologisch korrekt aufeinander. ==== Echtheit der Mondoberfläche ==== : <small>Hintergrundinformationen: [[Raumwahrnehmung]], [[Szenenbild]]</small> Auf vielen Fotos sind im Hintergrund dieselben Landschaften und Hügelketten zu sehen. Verschwörungstheoretiker interpretieren diese Hintergründe als sich wiederholende Kulissen. Dies ist jedoch ein Effekt der räumlichen Wahrnehmung. Menschen können auf Grund ihres Wahrnehmungsapparates ohne genaue Analyse der zweidimensionalen Fotos (unter anderem die Kenntnis über die Mondoberfläche und der darin vorkommenden Objekte) einer Fehlinterpretation der räumlichen Tiefe erliegen. Dieser Effekt wird auch Verdeckung oder Kulissenwirkung genannt. Genauere Analysen der Fotos belegen jedoch die korrekten [[Perspektive]]n, [[Schärfentiefe]]n und weitere Sachverhalte, die bei Theater- oder Filmkulissen nicht festgestellt werden können. Die folgenden beiden Bilder mit Blick auf den [[Montes Apenninus|Hadley-Apennin]] während der EVA3 ([[Extra-vehicular Activity]], dt. Außerbordaktivität) der Apollo-15-Mission sind die am häufigsten angeführten Fotografien für diese Problematik. Das erste Bild, das zur Missionszeit 164:26:56 geschossen wurde (zum Beginn der EVA), zeigt den Hadley-Apennin im Hintergrund, der hier oft als Kulisse bezeichnet wird. Das zweite, etwa 1½ Stunden später geschossene Foto (1,7&nbsp;Kilometer vom ersten Motiv entfernt) zeigt einen mit vielen Steinen gefüllten Krater mit der gleichen Hügelkette im Hintergrund. Eine genaue Analyse zeigt, dass die [[Parallaxe]]nverschiebung der Annahme einer Kulisse widerspricht. Die Hügel verschieben sich von Foto zu Foto (insbesondere der auf dem zweiten Foto nach oben verschobene rechte Hügel macht dies deutlich), was bei einer Kulisse nicht möglich wäre. <gallery> Bild:AS15-82-11057.jpg|Die Hadley-Apennine zur Apollo-15-Mission Bild:AS15-82-11082.jpg|Das gleiche Motiv etwa 90 Minuten später Bild:AS15-82-11082 anagl.png|Anaglyphe beider Bilder </gallery> ==== Sternenlose Bilder ==== : <small>Hintergrundinformationen: [[Nachtfotografie]], [[Belichtung (Fotografie)|Belichtung]]</small> Fast auf sämtlichen Mondbildern der Apollo-Missionen lassen sich keine [[Stern]]e am Mondhimmel erkennen. Dies wurde als Beleg dafür interpretiert, dass die Aufnahmen in einer abgedunkelten Halle gedreht wurden. [[Negativfilm]]e haben unter anderem aus produktionstechnischen Gründen nur einen begrenzten [[Kontrast]]umfang. Dieser lag im Falle der bei der Apollo-Mission verwendeten Filme bei 9 bis 11 [[Fotografische Blende|Blendenstufen]]. Das hat zur Folge, dass nur Aufnahmen von Objekten möglich sind, deren Leuchtstärken geringe Unterschiede aufweisen. Aufnahmen, auf denen gleichzeitig sowohl sehr helle als auch sehr schwach leuchtende Objekte abgebildet werden sollen, sind nicht realisierbar. Es wären sehr lange [[Belichtungszeit]]en notwendig gewesen, um die Sterne am Mondhimmel auf Zelluloid zu bannen. Dies hätte dazu geführt, dass wiederum die Astronauten und die Mondlandschaft völlig überbelichtet gewesen wären, zudem wäre die Gefahr für Verwacklungen gestiegen. Selbst auf neuen Weltraumbildern sind keine Sterne sichtbar, beispielsweise lassen die folgenden Fotos der ehemaligen Raumstation [[Mir (Raumstation)|Mir]] und des Astronauten [[Bruce McCandless]] aufgrund der oben genannten Belichtungsproblematik keine Sterne erkennen. <gallery> Bild:5927 NASA.jpg|[[Mondlandefähre]] bei der [[Apollo 11|Apollo-11]]-Mission Bild:Moonmir sts91 big.jpg|Mir mit Mond im Hintergrund, fotografiert von der Crew der [[Discovery (Raumfähre)|Discovery]] Bild:Astronaut-EVA.jpg|Bruce McCandless bei einer [[Extra-vehicular Activity|Außerbordaktivität]] </gallery> ==== Schattenproblematik ==== : <small>Hintergrundinformationen: [[Perspektive]], [[Fluchtpunkt]]</small> Viele der Fotos, die auf dem Mond gemacht wurden, zeigen einen nicht parallel zueinander verlaufenden Schattenwurf verschiedener Objekte. Auch ist die Länge der geworfenen Schatten uneinheitlich. Verschwörungstheoretiker interpretieren dies als Widerspruch dazu, dass die Sonne die einzige Lichtquelle auf dem Mond ist. Eine Erklärung ist, dass der Mond keine [[Planarität|plane Oberfläche]] aufweist. Einzelne Schatten fallen auf unebene Flächen und erscheinen daher teilweise verkürzt (bei einer Erhebung des Bodens) und teilweise verlängert (bei einer Vertiefung des Bodens). Je nach Lage der Vertiefung oder Erhebung verändert sie außerdem den Richtungsverlauf des Schattens. Zudem verzerrt die Perspektive der Fotografie im Nahbereich das Abbild der Schatten, so dass sie nicht mehr parallel erscheinen. Würden tatsächlich mehrere Lichtquellen – das heißt Studioscheinwerfer – verwendet, müssten überdies mehrere Schatten ''desselben'' Objekts zu sehen sein, die in verschiedene Richtungen laufen. Auf den folgenden Fotos ist zu erkennen, dass normales Sonnenlicht, ohne Zuhilfenahme von Scheinwerfern, auf Fotos nichtparallele Schatten erscheinen lässt. <gallery> Bild:Hostel Dieu Beaune.jpg|Innenhof des Hôtel-Dieu in Beaune, Frankreich Bild:Iced-tree-limbs-in-sun.jpg|Zwei schneebedeckte Apfelbäume im Winter Bild:Paseando en Iporá.jpg|Schattenspiel auf einer unbefestigten Straße </gallery> ==== Authentizität der Bilder ==== : <small>Hintergrundinformationen: [[Belichtung (Fotografie)|Belichtung]]</small> Auf vielen NASA-Aufnahmen sind Fadenkreuze der Kameras abgebildet. Die Kreuze sind für Vermessungstechniken gedacht und wurden extra für die Apollo-Missionen mit der so genannten ''[[Réseaugitter|Réseau-Glasplatte]]'' in die Kamera integriert. Solche Kreuze werden augenscheinlich manchmal durch Objekte auf dem Mond überdeckt. Das wurde als Beleg für [[Fotomontage]]n interpretiert. Eine Erklärung für dieses „Überdecken“ liegt in dem fotografischen Effekt des [[Ausbluten (Fotografie)|Ausblutens]]. Bei genauerer Sicht auf die Originalbilder ist der Effekt oft gut zu erkennen, da die Kreuze oft auch nur teilweise „überdeckt“ werden. Beispielsweise werden auf Fotos der US-Flagge die Kreuze oft nur in den weißen Streifen überdeckt und erscheinen vor den dunkleren roten. Die folgenden zwei Fotos aus den Apollo-Missionen 12 und 17 lassen klare Überblendungen insbesondere am Flaggenmast erkennen. <gallery> Bild:Apollo AS12-47-6897.jpg|Der Arm von Charles Conrad Jr. und der Flaggenmast enthalten Überblendungen (Apollo&nbsp;12). Bild:NASA AS17-134-20380.jpg|Der Flaggenmast enthält gleich vier Überblendungen der Kreuze (Apollo&nbsp;17). </gallery> ==== Qualität der Fotografien ==== : <small>Hintergrundinformationen: [[Bildbearbeitung]]</small> Während der Mondspaziergänge wurden modifizierte [[Hasselblad]]-Kameras<ref>Hasselblad: ''[http://de.hasselblad.com/about-hasselblad/hasselblad-in-space/in-the-beginning.aspx Hasselblad in space&nbsp;› In The Beginning]'' (englisch), 2. Dezember 2006</ref><ref>Hasselblad: ''[http://de.hasselblad.com/about-hasselblad/hasselblad-in-space.aspx Hasselblad in space&nbsp;› Homepage]'' (englisch), 2. Dezember 2006</ref><ref>[[3sat]].online: ''[http://www.3sat.de/3sat.php?http://www.3sat.de/nano/diverses/10133/index.html Die Hasselblad-Story – nano auf der Photokina]'', 21. September 2000</ref> verwendet. Mit diesen wurde „blind“ fotografiert.<ref>''[http://www.hq.nasa.gov/alsj/a16/ap16-KSC-72PC-143HR.jpg Fotografietraining auf der Erde]''</ref><ref name="hasselblad">''Zusammenstellung der [http://www.hq.nasa.gov/office/pao/History/alsj/apollo.photechnqs.htm Hasselblad-Dokumente]'' (englisch), Februar 2001</ref> Das heißt, dass die Astronauten keinen für normale Kameras obligatorischen [[Lichtschachtsucher|Sucher]] hatten. Verschwörungstheoretiker werten dies als unlösbares Paradoxon, da trotzdem scharfe Fotografien entstanden. Da die Kameras aus praktischen Gründen auch noch in Brusthöhe an den Overalls befestigt waren, wird weiterhin die Originalität der Fotos angezweifelt, da die publizierten Fotos beispielsweise keine „abgeschnittenen“ Köpfe aufwiesen und die darauf abgebildeten Motive auch sonst gut gelungen waren. Dabei muss jedoch beachtet werden, dass die Astronauten über sechs Monate hinweg im Training mit einem professionellen Fotografen gelernt hatten, mit diesen Kameras gute Fotografien zu schießen. Für schwierige Fotos konnten diese Kameras wie ein Gewehr gehalten werden, um genauer auf das Motiv zielen zu können. Die Schärfe der Bilder erklärt sich durch eine spezielle Vorrichtung an den Kameras, durch die bei vier verschiedenen Schärfungen – nah, weit, fern und unendlich – der Mechanismus einrastet. Um die Bilder überhaupt schießen zu können, wurde der Auslöseknopf für die auf dem Mond eingesetzten Kameras vergrößert. Die durch die Medien bekannten Fotos sind zudem nach ästhetischen Gesichtspunkten ausgewählt, nachträglich zurechtgeschnitten oder zur Kontrastangleichung nachbearbeitet. Es gibt auch genügend Beispiele weniger oder nicht gelungener Fotos<ref>NASA-Fehlbilder: ''[http://www.hq.nasa.gov/alsj/a12/20128939.jpg AS12-46-6715]'', ''[http://www.hq.nasa.gov/alsj/a12/20128962.jpg AS12-46-6738]''</ref>, die auf Grund der mangelnden Ästhetik nicht explizit der Presse und Öffentlichkeit präsentiert wurden. ==== Spezifikation für Fotografien ==== Die [[Mond]]oberfläche weist Spitzentemperaturen von minus 40&nbsp;Grad bis plus 130&nbsp;Grad Celsius auf. Verschwörungstheoretiker nahmen diese Werte als Grundlage, um die Überschreitung der Spezifikationen der damaligen Fotografietechnik nachzuweisen. So bestanden die ungekühlten Filme aus einem Trägermaterial, das mit der auf [[Gelatine]] basierenden lichtempfindlichen [[Fotoemulsion]] beschichtet ist. Die Filme hätten somit bei diesen Extremtemperaturen entweder schmelzen oder brüchig werden müssen, ebenso wären die [[Batterie]]n bei minus 40&nbsp;Grad nicht mehr verwendbar gewesen. Die bei den Mondlandungen vorgefundenen Umgebungstemperaturen haben allerdings tatsächlich nicht die Spezifikationen der Fotografietechnik überschritten. Die genannten Temperaturen sind lediglich [[Oberflächentemperatur]]en. Auf Grund fehlender Atmosphäre gibt es auf dem Mond keine [[Lufttemperatur]], die direkt auf die Materialien der Kameras einwirkt. Zudem fand keine der Landungen in einer Mondnacht oder an einem Mondmittag – das heißt unter den angegebenen Extrembedingungen – statt. Auch der längste Aufenthalt auf dem Mond von knapp 75 Stunden bei der letzten Mission ([[Apollo 17]]) relativiert sich gegenüber einer Mondtageslänge von ca. 27,3 Erdtagen. Auf die 24-stündige irdische Tageslänge umgerechnet, entspräche dies lediglich einer Verschiebung des Sonnenstandes um weniger als 3 Stunden. Die Mondoberfläche in den Landegebieten hatte im Mittel etwa 20 bis 25&nbsp;Grad Celsius unter Berücksichtigung der Einstrahlungsenergie und des Einstrahlungswinkels der Sonne. Die Kameras waren extra für die Mondlandung angepasste Hasselblad-500EL-Modelle (''Hasselblad 500 EL/70''<ref>Hasselblad: ''[http://de.hasselblad.com/about-hasselblad/history/one-small-step.aspx History&nbsp;› One Small Step]'' (englisch), 2. Dezember 2006</ref>), sie hatten ebenso wie die Wechselfilmboxen einen [[Silber]]überzug, um gegenüber Wärmestrahlung unempfindlicher zu sein, zusätzlich waren die Schalter des Kamerasystems für eine höhere thermische Unempfindlichkeit hermetisch verschlossen. Sowohl die Kamera als auch die Filmboxen waren zudem gegen die beim Spulen entstehende elektrostatische Aufladung gesichert.<ref>''[http://www.hq.nasa.gov/office/pao/History/alsj/a11/a11-hass.html Kamerainformationen]'' (englisch), 19. März 2001</ref><ref name="hasselblad" /> Die Mond-Aufnahmen wurden mit speziell präparierten Hasselblad [[Mittelformatkamera]]s angefertigt. Zur Anwendung kamen auf handelsüblichen Produkten basierende Filme, die Farbnegativfilme Kodak Ektachrome MS und EF mit 64 beziehungsweise 160 [[ISO 5800|ASA]] Empfindlichkeit sowie hochauflösende Schwarzweißfilme Panatomic-X mit 80 ASA für Aufnahmen des Terrains. Anders als normale 60 mm Filme waren diese mit 70 mm sowie beidseitig perforiert konfektioniert<ref>[http://www.hq.nasa.gov/office/pao/History/alsj/a11/nssdc70-06-04.jpg Spezifikation der Filme]</ref>. Die USA und die [[UdSSR]] konnten schon ab 1960 mit dem Einsatz von [[Spionagesatellit]]en erfolgreiche Filmaufnahmen&nbsp;– ohne Temperaturprobleme&nbsp;– vorweisen. Zudem wurde schon 1965 beim ersten amerikanischen Weltraumspaziergang ([[Gemini 4]]) ein Vorgängermodell der Hasselblad-500EL-Kamera erfolgreich eingesetzt, das höheren Temperaturunterschieden (als auf dem Mond) von +120&nbsp;°C in der Sonne und −65&nbsp;°C im Schatten ausgesetzt war. Gäbe es die genannten Einschränkungen, dürften überhaupt keine analogen Fotos aus dem Weltall existieren. ==== Sonstige Ungereimtheiten ==== : <small>Hintergrundinformationen: [[Elektrofotografie]], [[Bildbearbeitung]], [[Bildkompression]]</small> Ungereimtheiten auf im Internet kursierenden Mondbildern haben schon oft für Verwirrung gesorgt. Es ist zum Beispiel ein Bild im Umlauf, auf dem im Visier eines Astronauten ''zwei'' andere erscheinen, obwohl niemals mehr als zwei Astronauten gleichzeitig auf dem Mond waren. Diese Aufnahme des „dritten Astronauten“ ist nach eigenem Bekunden des Raumfahrthistorikers David Harland eine von ihm selbst für das ''Apollo Lunar Surface Journal''<ref>''[http://www.hq.nasa.gov/alsj/ Apollo Lunar Surface Journal]''</ref> erstellte scherzhafte [[Fotomanipulation]]<ref>''[http://www.hq.nasa.gov/alsj/alsj.funpix.html Apollo Lunar Surface Journal Fun Images, The Real Secret of Apollo 12]''</ref>. Manche dieser Fotos lassen sogar „Buchstaben“ auf Steinen oder dem Boden erkennen, zum Beispiel zwei Cs interpretiert als Requisitenbuchstaben eines Steins. Die hier angesprochenen Buchstaben sind auf Fusseln auf einer Bildkopie zurückzuführen (ein Vergleich<ref>www.apollo-projekt.de: ''[http://www.apollo-projekt.de/c-stein.htm Wie kommt der Buchstabe "C" auf den Stein?]'' – Vergleich zw. Original und Fälschung, 18. April 2005</ref> auf ''apollo-projekt.de'' veranschaulicht dies). Viele andere Täuschungen sind auf sehr kleine, im Internet verbreitete Bilder in verlustbehafteten Formaten zurückzuführen, die sogenannte Komprimierungsartefakte enthalten und Detailverluste bewirken (zum Beispiel bei [[JPEG]]). Im offiziellen NASA-Archiv sind sämtliche Originale aufbewahrt. Diese zeichnen sich im Gegensatz zu den oft im Internet anzutreffenden Kopien sowohl durch einen hohen Detailgrad aufgrund hoher Auflösungen als auch durch einen nur geringen Komprimierungsgrad aus. Die folgenden Aufnahmen sind hochaufgelöste Kopien des Internet-NASA-Archivs und enthalten dementsprechend keine der angesprochenen Ungereimtheiten. <gallery> Bild:Aldrin Apollo 11.jpg|Original-Aufnahme von Edwin Aldrin, ohne Spiegelung eines „Dritten“ Bild:NASA AS16-107-17446.jpg|Original-Apollo-16-Aufnahme ohne Fusseln oder „Buchstaben“ </gallery> === Technische und physikalische Angelegenheiten === ==== Die „wehende“ Flagge ==== [[Datei:NASA As11-40-5874-75.gif|thumb|Animierte Abfolge der Bilder: Die Flagge weht nicht.]] Filmaufnahmen beim Aufstellen der US-Flagge zeigen, dass diese Flagge „wehte“. Da der Mond keine Atmosphäre aufweist, schließen Verschwörungstheoretiker, dies sei so auf dem Mond nicht möglich gewesen. Das „Wehen“ der Flagge wurde allerdings nicht durch Wind, sondern durch anhaltende Vibrationen im luftleeren Raum nach dem Kontakt mit dem Flaggenmast verursacht. Da die [[Reibung]] der Fahne an der Luft entfällt, werden Vibrationen einer Flagge auf dem Mond – hervorgerufen durch das Einschlagen des Mastes oder das Richten der Flagge&nbsp;– nur durch die Steifheit des Stoffes gebremst. Zudem weist der Raumfahrtjournalist [[Werner Büdeler]] darauf hin, dass die Flagge an einer aufklappbaren Querstrebe hing und so präpariert war, dass sie wie im Wind flatternd wirkte. Bei Studioaufnahmen würde eine Flagge schlaff nach unten hängen, ein Ventilator würde Staub aufwirbeln. Bei Außenaufnahmen in windiger Umgebung wären ebenfalls Staub und eingetrübte Sicht entstanden. Ein Vergleich von zwei an gleicher Stelle fotografierten Situationen verdeutlicht, dass die Flagge nach dem Abklingen der oben genannten Vibrationen völlig still ruht und offensichtlich keinen Einflüssen ausgesetzt ist, wie sie in der Erdatmosphäre vorkommen. <gallery> Bild:Buzz_salutes_the_U.S._Flag.jpg|Edwin Aldrin salutierend (erkennbar an der rechten Hand hinter dem Helm) Bild:NASA AS-11-40-5875.jpg|Aldrin kurze Zeit später mit herabhängenden Armen; ''die Flagge hat immer noch die gleiche Charakteristik'' </gallery> Videoaufzeichnungen während der [[Apollo 11|Apollo-11-Missionen]] bieten weiteren Aufschluss über diesen Fehlschluss.<ref>Apollo 11 Video Library: ''[http://www.history.nasa.gov/alsj/a11/a11f1093740.mov Lunar-Modul-Videoaufzeichnung des Flaggenhissens]'' (1 h 10 min, 11,6 MB, Quicktime Movie), Missionszeit: 109:37:30</ref><ref>Apollo 11 Video Library: ''[http://www.history.nasa.gov/alsj/a11/a11v.1100950.rm Mond-stationäre-Videoaufzeichnung des Flaggenhissens]'' (3 min 33 sec, RealVideo), Missionszeit: 110:09:50</ref> So arbeiteten [[Neil Armstrong|Armstrong]] und [[Edwin Aldrin|Aldrin]] zwischen 28:33 bis 35:19 des ersten Videoausschnitts am Aufstellen der Flagge, nachdem Armstrong gegen 33:30 das letzte Mal die Flagge berührte, schwang sie nicht einmal eine halbe Minute nach. Genau diese Situation wird oft fälschlich als „im Wind wehend“ missverstanden. Direkt nach dem Abschwingen verharrte die Flagge bis zum Ende des 70-minütigen Videoausschnitts ohne jegliche Bewegung, so ist beispielsweise auf den oben aufgeführten Fotos, die erst später und zeitversetzt nach dem Videoausschnitt geschossen wurden, keine Bewegung der Flagge mehr zu sehen. Der zweite schwarzweiße Videoausschnitt wurde, im Gegensatz zur Lunar-Modul-Aufnahme, von einem kleinen Stativ auf der Mondoberfläche gefilmt und gibt die relevante Szene von einer weiteren Perspektive wieder. ==== Die Schwerkraft und die Astronauten ==== Während der Mondspaziergänge machten die Astronauten immer nur niedrige Sprünge, die mit den dokumentierten 60&nbsp;cm nicht höher sind als durchschnittliche Sprünge und Hüpfer auf der Erde. Verschwörungstheoretiker nehmen an, dass auf dem Mond viel höhere Sprünge hätten vollführt werden müssen. Die Astronauten bis [[Apollo 14]] trugen mit dem Modell ''A7L'' 83&nbsp;kg schwere [[Raumanzug|Raumanzüge]], ab [[Apollo 15]] waren es mit dem Modell A7LB sogar 90,7&nbsp;kg<ref>NASA: ''[http://web.archive.org/web/*/http://research.hq.nasa.gov/code_u/nra/current/NRA-03-OBPR-01/JSC-47804.pdf Advanced Life Support. Baseline Values and Assumptions Document: JSC 47804]'' (PDF, 4,8&nbsp;MB, englisch), Seite 85, Tabelle 5.2.3</ref> Mit solchen Raumanzügen sind auf der Erde überhaupt keine Sprünge möglich. Höhere Sprünge wurden auch durch die eingeschränkte Beweglichkeit im Raumanzug und durch den ungünstig hohen Schwerpunkt des Tornisters des Lebenserhaltungssystems behindert. ==== Strahlenbelastung ==== Auf dem Flug der Astronauten zum Mond musste unweigerlich der [[Van-Allen-Gürtel]] zwischen Erde und Mond durchquert werden. In diesem Strahlungsgürtel herrscht eine für irdische Verhältnisse recht hohe Dosisleistung<ref>http://a-z.strahlenschutz.cc/d/dosisleistung.htm</ref> (Leistung der Strahlung) von ≈ 1&nbsp;Sv/h. Verschwörungstheoretiker nahmen an, dass diese unausweichlich zum Tode hätte führen müssen. Diese Dosisleistung ist auf Dauer tödlich, die Astronauten waren jedoch einerseits in der [[Apollo (Raumschiff)#Kommandomodul (CM)|Apollo-Kommandokapsel]] geschützt und benötigten andererseits nur circa 90&nbsp;Minuten für die Durchquerung des Strahlengürtels. Dies bedeutete eine aufgenommene Strahlendosis von ≈ 4,3&nbsp;[[Sievert (Einheit)|Millisievert]] für die gesamte Durchquerung und entspricht etwa dem doppelten der jährlichen aufgenommenen natürlichen Strahlendosis eines Bürgers in Deutschland, Österreich oder der Schweiz. Erste Schäden treten erst ab einer inkorporierten Dosis von über 300&nbsp;mSv auf (ab 500&nbsp;mSv erfolgt eine reversible Knochenmarksdepression), bei einer Dosis unter 10&nbsp;mSv ist mit höchstens einem zusätzlichen Krebsfall pro 10000 Personen zu rechnen. An den Mondlandungen waren weniger als 20 Personen beteiligt, das durch den Mondflug erhöhte Krebsrisiko der Teilnehmer ist also statistisch nicht belegbar.<ref>Radiologische Universitätsklinik Bonn ''[http://www.strahlentherapie.uni-bonn.de/strahlen_info.htm Wissenswertes zum Strahlenschutz mit ionisierender Strahlung]''</ref> Während der [[Apollo 16|Apollo-16-Mission]] kam es, auf Grund heftiger magnetischer [[Sonnenaktivität|Sonnenstürme]], kurzzeitig zu einer Dosisleistung von bis zu 10&nbsp;Sv/Eruption. Da die Astronauten dieser jedoch nur kurzzeitig ausgesetzt waren und auch im Raumschiff einen gewissen Schutz genossen, blieben die gesamte inkorporierte Dosis sowie auch die Sofortdosis weit unter dem tödlichen Niveau. Sie kamen ohne nachweisbare Verletzungen zur Erde zurück. Ungeschützt wäre mit einer Sofortdosis von ~10&nbsp;Sv die [[letale Dosis]] unweigerlich erreicht gewesen, dies hätte den sicheren Tod der Astronauten bedeutet. ==== Lärm in der Mondlandungsfähre ==== [[Datei:Neil Armstrong.jpg|thumb|Neil A. Armstrong mit Mikrofon im gelandeten Lunar-Modul ''Eagle'']] Die Zündung der Bremsraketen der Mondlandungsfähre während der Landung auf dem Mond verursachte Lärm. Zwar kann sich der [[Schall]] durch die fehlende Atmosphäre nicht auf dem Mond ausbreiten – im Raumschiff aber schon. Nach Annahmen von Verschwörungstheoretikern liegt der Lärmpegel dafür bei 140&nbsp;[[Dezibel|dB]], was es dementsprechend für die Mitarbeiter in der Bodenstation unmöglich gemacht hätte, die Gespräche der Astronauten mitzuverfolgen. Der Lärm von Raketenantrieben entsteht durch das Auftreffen der überschallschnellen Abgase auf Umgebungsluft, dies bedeutet, dass im [[Vakuum]] im Gegensatz zur Annahme der Verschwörungstheoretiker die Triebwerke leise laufen. Im Inneren des Raumschiffes sind nur Schwingungen hörbar, die durch direkten Kontakt mit den Strukturelementen an die Innenatmosphäre der Kabine weitergegeben werden, also im Wesentlichen die Strömungsgeräusche der fließenden Treibstoffkomponenten, die laufenden Pumpen usw. Das heißt, es ist maximal ein leises Zischen der ausströmenden Gase, ähnlich dem Geräusch strömender Flüssigkeiten in Wasserleitungen oder Heizungen, zu vernehmen. Während der Landung und beim Rückstart trugen die Astronauten ihre Helme. Die Tonaufnahmen stammen von Mikrofonen, die sich in Kopfnähe befanden. Diese Mikrofone waren so konstruiert, dass sie Nebengeräusche unterdrückten ([[Antischall]], engl. ''noise-cancelling'')<ref>''Apollo and America’s moon landing program: lunar module reference: world spaceflight news special report''. Progressive Management, Mount Laurel (NJ) 2000, ISBN 1-893472-07-8 – S. 128</ref>, ebenso wie die in Flugzeugen (in denen ein hoher Lärmpegel herrscht) verwendeten. Das zischende Triebwerksgeräusch wird also aus der Tonübertragung weitgehend ferngehalten (''Apollo-11-Mondlandung'' {{Audio|Pouso da Apollo 11 na Lua.ogg|Anhören}}). ==== Landekrater ==== Den Fotoaufnahmen (siehe erstes Bild) ist zu entnehmen, dass das Triebwerk der Landefähre im Boden keinen [[Einschlagkrater|Krater]] verursacht hat. Verschwörungstheoretiker erwarten jedoch wegen der staubigen Oberfläche einen klar erkennbaren Krater. Dies war jedoch auf Grund der damaligen Gegebenheiten nicht möglich. So expandierte der Gasstrom auf Grund des vorherrschenden Vakuums sehr stark, als er aus der Düse trat. Die Apollo-11-Landefähre nutzte sogar kurz vor der Landung auf der Oberfläche nur ein Drittel der normalen Landeschubkraft und landete schwach horizontal, statt vertikal, wodurch nicht genügend Zeit blieb, mit der verbliebenen geringen Schubkraft einen kleinen Krater zu hinterlassen. Auf dem zweiten Bild ist beispielsweise an der Spur (die leicht ins Dunkle/Bräunliche verfärbt ist) unter dem Triebwerk zu erkennen, wie die Mondfähre von rechts nach links gelandet ist, an den Füßen sind Mondstaubaufschiebungen zu sehen. Das dritte Bild des LM-Fußes verdeutlicht den durch die Landung verursachten Mondstaubaufschub und zeigt im Vordergrund eine „glatte“ Oberfläche, da das Triebwerk die oberste Staubschicht wegblies. <gallery> Bild:AS11-40-5921.jpg|Die Landefähre von Apollo&nbsp;11 ohne „Krater“ unter dem Triebwerk Bild:5927 NASA.jpg|Großansicht der Landesituation Bild:AS11-40-5920.jpg|Großansicht rund um den LM-Fuß </gallery> ==== Stichflamme während des Abflugs ==== [[Datei:Apollo-17 LM Challenger liftoff 2.jpg|thumb|140px|Start der Mondlandefähre von Apollo-17 ohne sichtbare Triebwerksflamme]] [[Datei:STS-114 launch.jpg|thumb|140px|[[STS-114]] beim Start]] Beim Abflug der Landefähre war entgegen der Erwartung vieler Zuschauer keine Stichflamme zu sehen. Verschwörungstheoretiker sehen dies als Beleg dafür, dass die Landefähre auf eine andere Weise vom „Fleck“ bewegt worden sein müsste. Die Triebwerke verwendeten eine Treibstoffkombination aus [[Distickstofftetroxid|Stickstofftetroxid]] als [[Oxidator]] und einem [[Hydrazin]]gemisch. Dieser Brennstoff verbrennt im Gegensatz zu vielen anderen Treibstoffkombinationen mit einer kaum sichtbaren [[Flamme]]. Es ist eine weitverbreitete Fehlannahme, dass jede Verbrennung von Stichflammen begleitet wird. Die für die [[Space Shuttle Main Engine]]s verwendete Sauerstoff-Wasserstoff-Kombination verbrennt im Gegensatz zu den Feststoffboostern ebenfalls mit kaum sichtbarer Flamme. Außerdem gibt es auf dem Mond keine Atmosphäre, mit der die heißen Gase hätten reagieren können – eine ausgeprägte Flamme kann es auch aus diesem Grund nicht gegeben haben. ==== Die Luken der Apollo-Module ==== Auf Grund der klobigen Raumanzüge kommen vielen Augenzeugen Zweifel, ob die Astronauten überhaupt durch die augenscheinlich klein aussehende Einstieg- und Durchstiegluken passen. So nehmen Verschwörungstheoretiker dies als Beweis, dass die Apollo-Module reine Kulisse waren. Im Gegenzug zu dieser Annahme zeigen jedoch Fotos und Filme vom Mond und Probeläufen auf der Erde, dass die Einstiegsluke groß genug ist. Die Luke wurde bei der Mission [[Apollo 9|Apollo&nbsp;9]] (Erdumlaufbahn) bei einem Umstieg von der Kommandokapsel zum Mondlandemodul erfolgreich getestet. Die Durchstiegluke zwischen [[Mondlandefähre|Lunar-Modul]] (LM) und [[Apollo (Raumschiff)|Kommando-Service-Modul]] (CSM) wurde nicht mit angelegtem Raumanzug benutzt. Ein gutes Beispiel für das erfolgreiche Durchqueren der Einstiegsluke ist der von Neil A. Armstrong dokumentierte Ausstieg von Edwin E. Aldrin, Jr. aus dem LM. <gallery> Bild:Apollo AS11-40-5862.jpg Bild:Apollo AS11-40-5863.jpg Bild:Apollo AS11-40-5866.jpg </gallery> ==== Fahreigenschaften des Mondmobils ==== Auf dem Mond herrscht lediglich ein Sechstel der [[Gravitation|Schwerkraft]] der Erde. Verschwörungstheoretiker ziehen daraus die Schlussfolgerung, dass die Räder des [[Lunar Roving Vehicle|Mondfahrzeugs]] (Rover) beim Beschleunigen hätten durchdrehen müssen und Kurvenfahrten das Mondmobil wie bei Glatteis hätten ausbrechen lassen müssen. Der Physik zufolge wird die [[Reibungskraft]] aus dem Produkt aus Gewichtskraft und dem Reibungskoeffizienten bestimmt. Letzterer war durch das Design der Räder wesentlich besser als bei Gummireifen. Die Haftung auf dem Mond war somit deutlich besser als auf der Erde bei schlechten Straßenverhältnissen; die maximale Geschwindigkeit betrug 13&nbsp;km/h. ==== Platzbedarf des Mondmobils ==== Das vierrädrige Mondmobil ''[[Lunar Roving Vehicle]]'' (LRV) hatte eine Größe ähnlich einem handelsüblichen Kleinwagen. Verschwörungstheoretiker nehmen dies zur Grundlage und behaupten, dass es so niemals verstaut gewesen sein konnte und eine zu große Last verursacht hätte. Damit haben sie teilweise recht, denn das LRV war tatsächlich zu groß für die Apollo-Module. So wurde es einfach zusammengefaltet in der Seite des Landers transportiert. Für diese Missionen wurden veränderte Mondlandemodule verwendet, die sich dem Mond auf treibstoffsparenden Flugbahnen näherten, die dann nicht mehr automatisch zur Erde zurückführten (erstmals bei [[Apollo 13|Apollo&nbsp;13]]; bei [[Apollo 8|Apollo&nbsp;8]], 11 und 12 waren es Bahnen mit automatischer Rückkehr zur Erde im Falle eines Missionsabbruches). [[Apollo 11|Apollo&nbsp;11]] und [[Apollo 12|12]] benötigten zusätzlich Treibstoff zum Abbremsen und hatten die geringste Nutzlast. Bei [[Apollo 17]] bremste die Kommandokapsel auf einer tiefen Mondumlaufbahn ab, wodurch die höchste Nutzlast für das Mondlandemodul erreicht wurde. ==== Computertechnik ==== Die Computer der späten 60er-Jahre waren größer als heute handelsübliche [[Personal Computer|PCs]], aber kaum leistungsfähiger als heutige [[Taschenrechner]]. Somit war eine Landungsunterstützung in [[Echtzeit]] oder die Berechnung der Rückflugbahn an Bord der Apollo-Raumschiffe kaum vorstellbar. Verschwörungstheoretiker sehen dies als Falsifikation des kompletten Mondlandeprogramms an, übersehen jedoch, dass noch sehr viel manuell geflogen wurde. Dazu wurden die Flugbahnen auf damaligen Hochleistungsrechnern in der NASA-Bodenstation berechnet. Die einfachen Bordcomputer arbeiteten ähnlich wie ein [[Autopilot]], der diese Daten in Steuerbefehle umwandelt. Die Seismografen und viele andere Messinstrumente, die für ihre Funktionstüchtigkeit zwangsläufig über eine größere Fläche verteilt auf der Mondoberfläche installiert sein mussten, haben einen sehr komplexen Aufbau benötigt, der von damaligen Robotern selbst mit manueller Steuerung nicht durchgeführt werden konnte.<ref name="lesch40jahremondfahrt">ZDF (Themenwoche 40 Jahre Mondlandung): Lange Nacht mit Harald Lesch - Abenteuer Forschung: Zwischenstation Mond - Der Weg ins All, 20. Juli 2009 - 0:20 Uhr</ref> Die Bordcomputer der Kommandokapsel und der Fähre erhielten jeweils Teilprogramme für die einzelnen Missionsphasen von Houston überspielt. Die Computer waren genügend leistungsfähig, um die Navigation und die Überwachung einiger Funktionen des Mondlandemoduls, wie zum Beispiel der Antennensteuerung (vgl. Fehler 1201&nbsp;& 1202 bei Apollo&nbsp;11) in Echtzeit selbst zu steuern. Erst die einige Jahre später entwickelten NASA-Bordcomputer des Space-Shuttle-Programms waren dazu in der Lage, die komplexen Manöver der Shuttles alleine zu steuern. === Verschiedene Aspekte === ==== Gefahren der Raumfahrt ==== Selbst heute kämpft die Raumfahrt noch damit, Menschen gefahrlos in den Weltraum und wieder zurück zu befördern, siehe die Katastrophen der [[STS-51-L|Challenger]] 1986 und der [[Columbia (Raumfähre)|Columbia]] 2003, oder im Allgemeinen die [[Katastrophen der Raumfahrt]]. Übertragen auf die ebenfalls nicht gefahrlosen Apollo-Missionen kann gemutmaßt werden, dass dies die Mondlandung unmöglich gemacht hätte. Dabei ist jedoch anzumerken, dass das NASA-Budget mit dem Ende des Apollo-Programms und später zusätzlich durch den Fall des [[Eiserner Vorhang (Politik)|Eisernen Vorhangs]] stark beschnitten wurde. Die Gefährlichkeit der Mondlandung wurde nie bestritten und war ein bewusst eingegangenes Risiko (O-Ton [[John F. Kennedy]]: {{"-en|We choose to [...] do these things, not because they are easy, but because they are hard|Übersetzung=Wir tun diese Dinge nicht, weil sie einfach sind, sondern weil sie schwierig sind.}})<ref>[http://www.jfklibrary.org/Historical+Resources/Archives/Reference+Desk/Speeches/JFK/003POF03SpaceEffort09121962.htm „Address at Rice University on the Nation's Space Effort“ in der John F. Kennedy Presidential Library], Stand: 20. April 2010</ref>. Nach der dramatischen [[Apollo 13|Apollo-13-Mission]] wurden, offiziell auf Grund der zu hohen Kosten, jedoch vornehmlich aus nachvollziehbarer Sorge um die Astronauten (bei einer erneuten Katastrophe wäre evtl. das gesamte Apollo-Programm ad acta gelegt worden), einige bereits geplante Apollo-Missionen gestrichen und wichtige Missionsabläufe dieser auf die verbliebenen Missionen verteilt. ==== Unternehmen Capricorn ==== Eine mittlerweile selbst von den meisten Verschwörungstheoretikern gemiedene Theorie ist die Annahme, dass im Film ''[[Unternehmen Capricorn]]'' übrig gebliebenes Filmmaterial des angeblichen Mondlandeschwindels verwendet wurde. Die Ähnlichkeit der Bilder ist jedoch kein Zufall – der Film wurde 1977, acht Jahre nach der ersten Mondlandung, gedreht. Einige Szenen wurden den Bildern der Apollo-Missionen nachempfunden. ==== Mondgestein ==== Von den Mondlandungen wurden 381&nbsp;kg [[Mondgestein]] mitgebracht. Unterstützer der Verschwörungstheorie sehen dies als keinen Beweis an und verweisen auf Funde von [[Mondmeteorit]]en auf der Erde. Wissenschaftler auf der ganzen Welt untersuchten das Mondgestein. Es konnten [[Mineral]]ien, zum Beispiel [[Tranquilityit]] und [[Armalcolit]], das nur bei fehlender Atmosphäre in hohen Mengen auffindbare <sup>3</sup>[[Helium#3He und 4He|He-Isotop]] und weitere teilweise vorher unbekannte Isotope wie [[Neptunium]] <sup>237</sup>Np oder der ungewöhnlich hohe Anteil an [[Uran]] <sup>235</sup>U, festgestellt werden. Die Mondgesteinsproben unterscheiden sich damit chemisch von auf der Erde zu findenden Gesteinen und zeigen deutliche Einschläge von [[Mikrometeorit]]en. Dieselben Einschläge sind auf [[Meteorit]]en, die auf die Erde getroffen sind, nicht zu finden, da ihre Oberfläche beim Eintritt in die Erdatmosphäre aufgeschmolzen wird und die Spuren von Mikrometeoriten so zerstört werden. Zudem enthielten die Apollo-Proben kurzlebige radioaktive Isotope, verursacht durch die permanente Bestrahlung auf dem Mond. Auch fehlte den Steinen die irdische [[Hydrathülle]] (= Wasserhülle), da das Wasser im [[Hochvakuum]] völlig von der Oberfläche der Steine verschwand. Darüber hinaus zeigen die Mondmeteorite Spuren irdischer [[Verwitterung]], die in Apollo-Proben nicht feststellbar sind. Aus den verschiedenen Proben der Apollo-Missionen konnte im Jahr 2005 an den [[Westfälische Wilhelms-Universität|Universitäten Münster]], Köln, Oxford und der [[Eidgenössische Technische Hochschule Zürich|ETH Zürich]] das Alter des Mondes auf 4,527 Milliarden (± 10 Millionen) Jahre bestimmt werden.<ref>NZZ-online: ''[http://www.nzz.ch/2005/11/25/vm/newzzEGGO7X3I-12.html ETH-Forscher bestimmen Alter des Monds]'', 25. November 2005</ref> Die Probenentnahme der Mondgesteine ist ausführlich dokumentiert, das bedeutet, dass die Proben direkt auf dem Mond bei laufender Fernsehsendung für die Mitnahme abgebaut, ausgegraben, zerkleinert und verstaut wurden. Daher lassen sich die dokumentierten Gesteinsproben mit denen auf der Erde verteilten vergleichen und zeitlich als auch räumlich eindeutig identifizieren. Der vorgeworfene Einsatz von Mondmeteoriten für diese Probeentnahme ist in diesem Zusammenhang daher unwahrscheinlich. Eine angenommene Probeentnahme auf der Erde mit künstlich hergestellten Gesteinen, als Teil der Verschwörungstheorie, hätte deren chemische Zusammensetzung (siehe Wasserhülle) dermaßen beeinflusst, dass eine Fälschung mit solchen künstlich hergestellten Gesteinsproben ausgeschlossen ist.<ref name="lesch40jahremondfahrt" /> Früheste Funde von Mondmeteoriten beginnen 1979, danach wurden lediglich rund 40 nachgewiesene Mondmeteoriten mit einer Masse von insgesamt unter 30&nbsp;Kilogramm gefunden. Circa einer von 1.200 gefundenen Meteoriten ist ein Mondmeteorit.<ref>Washington University in St. Louis: ''[http://epsc.wustl.edu/admin/resources/moon_meteorites.html Lunar Meteorites]'' (englisch), 11. Januar 2006</ref> In Anbetracht der Menge von 381&nbsp;kg der durch die NASA mitgebrachten Mondgesteine (die russische [[Luna-Programm|Luna-Mission]] brachte später noch einige weitere hundert Gramm Mondgestein zur Erde) und dem erst 1982 erfolgten ersten Nachweis eines Mondmeteoriten überhaupt kann ausgeschlossen werden, dass das von der NASA veröffentlichte Gestein von Meteoriten stammt. In Anbetracht der heutigen Preise für Mondmeteoriten von rund 1.000 bis 40.000 US-Dollar pro Gramm, je nach Rarität und Nachfrage, ist der Wert der NASA-Funde auf 0,4 bis 15 Mrd. US-Dollar zu beziffern. An einen hypothetischen Kauf von Mondmeteoriten, um die vorgestellten 381&nbsp;kg aufzufüllen, ist nicht zu denken, da es einen Großteil des NASA-Budgets eingenommen hätte. ==== Erdaufgang – Erduntergang ==== [[Datei:AS8-13-2329.jpg|thumb|Apollo-8-Aufnahme der „aufgehenden“ Erde aus der Mondumlaufbahn]] Während der Filmaufnahmen der Apollo-Missionen sind Erdauf- und Erduntergänge zu sehen. In Anbetracht dessen, dass der Mond der Erde aber immer dieselbe Seite zuwendet, schließen Verschwörungstheoretiker die Echtheit der Filmaufnahmen aus. Tatsächlich hat die Erde auf den Fotos auch unterschiedliche Positionen. Die Beobachtungen erfolgten jedoch nicht auf dem Mond, sondern aus der Mondumlaufbahn. Dabei verschwanden die Raumfahrzeuge mehrfach hinter der Rückseite des Mondes und bewegten sich wieder in Richtung Erde. Verschwörungstheoretiker behaupten auch, dass die Größe der Erde in Relation zur Mondgröße unwahrscheinlich klein sei, da man den Mond auf der Erde größer sieht als die Erde (die ja de facto größer ist) auf dieser Aufnahme von [[Apollo 8]]. Genauso wie bei der hier vorgestellten Fotoaufnahme von Apollo&nbsp;8, kann ohne Vorwissen leicht angenommen werden, dass diese Bilder von der Mondoberfläche aufgenommen wurden. Bei genauerer Betrachtung der Oberflächen unter Zuhilfenahme kartografischer Monddaten kann dies jedoch ausgeschlossen werden. Die hier sichtbaren „kleinen“ Krater sind nämlich mehrere Hunderte Meter, viele sogar mehrere Kilometer groß. Ein Astronaut kann solche Fotos von der Mondoberfläche aus wegen perspektivischer Unzulänglichkeiten und auf Grund der Mondkrümmung nicht schießen. ==== Testflüge der Mondlandung ==== [[Datei:Übungsfähre.jpg|thumb|LLRV 1964 auf der Edwards Air Force Base]] In vielen Argumentationen von Verschwörungstheoretikern wird gesagt, dass [[Neil Armstrong]] alle Testflüge mit der Mondlandungsfähre auf der Erde mit einer Bruchlandung beendet habe. Dies wäre ein schlechtes Omen für die Mondlandung gewesen. Die besagten Testflüge waren jedoch Trainingsflüge mit insgesamt drei Modellen eines strahlgetriebenen [[Simulator]]s: dem ''[[Lunar Landing Training Vehicle|LLTV]]''. Dieses Fluggerät war technisch nicht mit den tatsächlichen Landefähren verwandt, was ihm dem Aussehen nach auch den Namen „Fliegendes Bettgestell“ einbrachte. Dabei kam es unter mehreren hundert erfolgreichen Flügen nur zu drei Abstürzen auf Grund technischer Defekte, lediglich beim ersten Absturz davon war Armstrong als Pilot beteiligt. ==== Baupläne, Mikrofilme und Filmaufnahmen ==== Die gedruckten Pläne der [[Saturn (Rakete)|Saturn V]] wurden mangels Finanzierung einer Lagerstätte vernichtet. Im August 2006 gab die NASA bekannt, dass 700 Kisten der Originalvideoaufnahmen der Apollo-11-Mondlandung verlegt worden und nicht auffindbar seien.<ref>[[Heute (Fernsehsendung)|ZDF heute.de]]: ''[http://www.heute.de/ZDFheute/inhalt/19/0,3672,3967635,00.html Bilder von erster Mondlandung verschwunden – Nasa findet Aufnahmen von 1969 nicht mehr – Stoff für Verschwörungstheorien]'', 15. August 2006</ref><ref>[[Handelsblatt|handelsblatt.com]]: ''[http://www.handelsblatt.com/news/Default.aspx?_p=204493&_t=ft&_b=1121636 Originalaufnahmen der ersten Mondlandung verschwunden]'', 15. August 2006</ref><ref>[[n-tv]].de: ''[http://www.n-tv.de/699859.html "Schwarze Löcher" bei der NASA – Mondlandungsfotos weg]'', 15. August 2006</ref> Diese Videoaufnahmen sind technisch genauer als die Bilder der Fernsehübertragungen und der vielen Videoclips im Internet. Dies wird als Indiz aufgeführt, dass die NASA Beweise gegen die Mondlandung geheimhalten möchte. Die vernichteten Pläne wurden jedoch vor ihrer Vernichtung auf [[Mikrofilm]] transferiert. Pläne der Saturn&nbsp;V können in mehreren Museen in den USA eingesehen werden, Pläne der anderen Komponenten existieren ebenfalls noch. Der Großteil der lagerungsempfindlichen Dokumente wie Filmaufnahmen und Fotografien wurde vor dem Zahn der Zeit, aber auch vor eventuellen Verlagerungen auf Sicherungsmedien wie beispielsweise Mikrofilmen gesichert. Die Mikrofilme werden in vollklimatisierten Räumen des National Space Science Data Center<ref>National Space Science Data Center: ''[http://nssdc.gsfc.nasa.gov/ Homepage des NASA-Archivs]'', 1. Mai 2006</ref> aufbewahrt. In Bezug auf die verlegten 700 Kisten erklärte ein NASA-Sprecher auf [[Cable News Network|CNN]], dass es nicht einfach sei, in den Millionen von Kisten in Archiv-Lagerhäusern die Kisten wiederzufinden.<ref>CNN: ''[http://web.archive.org/web/20060820170510/http://www.cnn.com/2006/TECH/space/08/14/space.tapes.reut/index.html One small step for man, 700-box tape loss for NASA, Original recordings of Apollo moon missions are missing]'' (englisch), 15. August 2006</ref> == Stützende Argumentation für die Mondlandung == Heute gäbe es für die NASA und andere Organisationen für das Aufrechterhalten der vorgeworfenen Verschwörung nur noch das Motiv der Imagepflege. Diese halten Verschwörungstheoretiker für ausreichend, um alle nach dem Wegfallen der alten Mondlandungs-Verschwörungstheoriemotive gewonnenen Erkenntnisse abzutun. Es wird der Vorwurf erhoben, dass sämtliche heutigen Beweise nur der Aufrechterhaltung der „Verschwörung“ dienen und daher gefälscht, ungenau oder unzutreffend seien. === Blick auf die Landestellen === [[Datei:369234main lroc apollo11labeled 256x256.jpg|thumb|right|Foto der Apollo-11-Landestelle im [[Mare Tranquillitatis]], geschossen vom Lunar Reconnaissance Orbiter am 15. Juli 2009.]] Leistungsstarke optische Geräte, wie das [[Hubble-Weltraumteleskop]], können derzeit nur Gegenstände ab 60&nbsp;Metern Größe auf dem Mond abbilden, die größten zurückgelassenen Geräte und Fahrzeuge auf dem Mond sind jedoch kleiner als 10&nbsp;Meter. Der ''[[Lunar Reconnaissance Orbiter]]'' der NASA hat 2009 eine Sonde mit einer Kamera in den [[Umlaufbahn|Orbit]] über die Mondoberfläche gebracht: Sie hat bereits vor Erreichen des geplanten Orbits aus großer Höhe Fotos gemacht und unter anderem die Landestationen der Mondlandungen fotografiert. Erkennbar sind neben den Landefähren auch wissenschaftliche Instrumente und Fußspuren der Astronauten.<ref>http://www.nasa.gov/mission_pages/LRO/multimedia/lroimages/apollosites.html</ref> Eine bessere Auflösung ist zu erwarten, sobald die Sonde ihren endgültigen Orbit in einer Höhe von 30 bis 50 Kilometern erreicht haben wird. Verschwörungstheoretiker hatten für diesen Fall schon im Voraus angeführt, dass die USA die Mondfotografien fälschen würden, und verwiesen dabei auf gefälschte Fotos vor dem [[Irak-Krieg]] (2003). Weitere Hoffnungen für eine Überprüfung der NASA-Fakten werden auf das europäische Weltraumteleskop ''[[Very Large Telescope]]'' in den Anden Südamerikas gerichtet, das seit einiger Zeit mit dem ''Very Large Telescope [[Interferometer]]'' (VLTI) eine sehr leistungsfähige neue Optik installiert hat. Derzeit sind mit diesem Instrument allerdings noch keine bildgebenden Aufnahmen möglich.<ref>Telepolis: ''[http://www.heise.de/tp/r4/artikel/16/16713/1.html Naht das Ende der Moon-Hoax-Legende?]'', 9. Februar 2004</ref> 2007 setzte das Unternehmen [[Google]] einen 30-Millionen-US-$-Preis ([[Google Lunar X-Prize]]) für denjenigen aus, der bis Ende 2012 einen Roboter auf den Mond bringt und unter anderem Fotos von einer Mondlandungsstelle übermittelt.<ref>n-tv.de: ''[http://www.n-tv.de:80/852651.html Millionen für Mondlandung – Google sponsert X-Prize]'', 14. September 2007</ref> === Physikalischer Beweis === Selbst mit einfachen irdischen Mitteln konnte die Mondlandung anhand der vorhandenen Filmaufnahmen nachgewiesen werden&nbsp;– mit physikalischen Formeln. Da auf dem Mond die Schwerkraft nur ein Sechstel in Relation zur Erde beträgt, die Masse aber identisch bleibt, ergeben sich Bewegungsabläufe, die so auf der Erde nicht möglich sind und damals filmtechnisch nicht nachgestellt werden konnten. Die Astronauten konnten sich in kniender Haltung einfach per Hebelwirkung des massereichen Oberkörpers und Rucksacks wieder aufrichten oder sich aus dem Liegestütz leicht per Hand und etwas Schwung wieder in den Stand aufrichten – Leistungen, die auf der Erde selbst Spitzenathleten unmöglich sind. Das dafür nötige Videomaterial gibt es von den Apollo-Missionen 11 bis 17 reichlich. Verschwörungstheoretiker erklären diese Aufnahmen als [[Spezialeffekt]] unter Zuhilfenahme von Seilen, die durch [[Retuschieren]] wieder aus der Aufnahme entfernt wurden, übersehen dabei aber das Zusammenspiel der atmosphärischen Einflüsse, der großen Bewegungsfreiheit der Astronauten und den physikalischen Gegebenheiten (beispielsweise der Mondstaubbewegungen). Diese Faktoren ließen sich keineswegs durch damalige Spezialeffekte erzielen, selbst mit heutiger Computertechnik wäre dies sehr aufwändig und schwierig und nicht bis ins letzte Detail realisierbar. === Alltag: Abstandsmessung Erde–Mond === [[Datei:Apollo AS11-40-5952HR.jpg|thumb|Apollo&nbsp;11 Laser Ranging Retroreflector]] Die auf dem [[Mond]] bei den Apollolandungen<ref>NASA: ''[http://nssdc.gsfc.nasa.gov/planetary/lunar/apollo11info.html Apollo-11-Informationen]'' (englisch), 24. Mai 2005</ref><ref>NASA: ''[http://nssdc.gsfc.nasa.gov/database/MasterCatalog?sc=1969-059C&ex=4 Laser Ranging Retroreflector]'' (englisch), 12. Oktober 2005</ref> platzierten Reflektoren<ref>Lunar Reflectors: ''[http://physics.ucsd.edu/~tmurphy/apollo/lrrr.html Kurze Zusammenstellung aller Lunar-Reflektoren]'' (englisch), 21. Juli 2004</ref><ref>International Laser Ranging Service: ''[http://web.archive.org/web/20060823173356/http://ilrs.gsfc.nasa.gov/satellite_missions/list_of_satellites/lunar.html Überblick zu den Lunar-Reflektoren]'' (englisch), 2. März 2006</ref> spiegeln seit der Installation von der Erde ausgesendete [[Laser]]strahlen. Von sogenannten [[LLR|Laser-Ranging]]-Stationen<ref>Bundesamt für Kartographie und Geodäsie: ''[http://www.fs.wettzell.de/WLRS/inf_nd.html Wettzell Laser Ranging System]'', 20. Juli 2009</ref><ref>University of Texas McDonald Observatory: ''[http://www.csr.utexas.edu/mlrs/ McDonald Laser Ranging Station]'' (englisch), 11. Dezember 2000</ref><ref>ILRS: ''[http://ilrs.gsfc.nasa.gov Zusammenschluss aller großen Laser-Ranging-Stationen]'' (englisch), 3. Januar 2006</ref> aus zielen Laser auf die an den Landeplätzen (zum Beispiel bei Apollo&nbsp;11 circa 15&nbsp;Meter südlich vom Lunar-Modul) liegenden [[Retroreflektor]]en und bekommen daraufhin mit gemessener Verzögerung (durchschnittlich 2,6&nbsp;Sekunden) eine Lichtreflexion zurück. Nach [[Ulf Merbold]]s Angaben werden die Spiegel seit der Installation in regelmäßigen Abständen für die Entfernungsmessung zwischen Mond und Erde eingesetzt. Verschwörungstheoretiker behaupten dagegen, dass die Reflektoren später durch unbemannte Raumflugkörper hingebracht worden sein könnten, ähnlich wie es die Sowjetunion mit ihrem [[Luna-Programm]] unternahm. Beispielsweise hatte das Mondmobil [[Lunochod]]&nbsp;1 der am 17. November 1970 gestarteten Luna-17-Mission einen Laserreflektor an Bord, der jedoch im Gegensatz zu denen der USA nicht manuell auf der Mondoberfläche, sondern fest installiert am Mobil angebracht war und nur während der Manöverphase missionsgetreu funktionierte. Nach 322 Tagen fror Lunochod 1 durch den radioaktiven Zerfall des wärmespendenden [[Polonium]]s-210 in der Mondnacht für immer ein. Da er zuvor ungünstig geparkt wurde, konnten nie wieder Reflexionen von ihm verzeichnet werden. Erst 1973 schaffte es die Sowjetunion, während der Mission [[Luna 21|Luna&nbsp;21]] mit dem verbesserten Lunochod&nbsp;2, einen Retroreflektor auf dem Mond auch nach dem Ausfall der Sonde in Betrieb zu halten. Dieser Reflektor dient heute als Backup für die drei Retroreflektoren der USA von den Missionen (der Priorität nach geordnet) Apollo 15, 11 und 14.<ref>ILRS: ''[http://ilrs.gsfc.nasa.gov/satellite_missions/priorities/index.html Prioritäten der Laserbelichtung der Retro-Reflektoren]'' (englisch), 19. April 2006</ref> Der Reflektor der Luna-17-Mission wird sogar, obwohl er nicht verwendbar ist, in Anerkennung der Leistungen der Sowjetunion, in den Prioritätslisten direkt hinter den anderen vier Reflektoren aufgeführt. Abgesehen von den USA peilen auch viele andere Forschungseinrichtungen weltweit in regelmäßigen Abständen die vier Retro-Reflektoren an, unter anderem auch das deutsche Institut für Erdmessung der Leibniz Universität Hannover in Zusammenarbeit mit der Forschungseinrichtung Satellitengeodäsie (FESG) der TU-München.<ref>[http://www.ife.uni-hannover.de/forschung/lunar-laser.html Lunar Laser Ranging am Institut für Erdmessung der Leibniz Universität Hannover], 26. Juli 2009</ref> Der Artikel [[Entfernungsmessung]] geht im Punkt [[Entfernungsmessung#Entfernung des Mondes|''Entfernung des Mondes'']] noch näher auf den Sachverhalt dieser Messung ein. === Zeitzeugen an Funkgeräten === Die Funksignale der Astronauten konnten weltweit (unter anderem von [[Funkamateur]]en und der Volkssternwarte Bochum<ref>IUZ Sternwarte Bochum: ''[http://www.sternwarte-bochum.de/m.php?sid=38 Die Chronik der Mondlandung]'', 20. August 2006</ref><ref>''[http://home.arcor.de/satellitenwelt/satbeostation.htm Satellitenbeobachtungsstationen der 60er Jahre – Prof. Heinz Kaminski, DJ5YM aus Bochum]'', 22. Oktober 2005</ref>) empfangen werden. Es kann ermittelt werden, dass die Antwortzeit der Astronauten dabei in etwa der Verzögerung entsprach, die durch die Entfernung verursacht wird, dies wären jeweils circa 1,3&nbsp;Sekunden plus der notwendigen und variierenden Reaktionszeit für die Antworten. Wären die Antworten erst vom Boden zu einer unbemannten Sonde und wieder zurückübertragen worden, wäre die Verzögerung jeweils doppelt so groß gewesen, was mindestens circa 2,6&nbsp;Sekunden entsprechen würde. Andere verschwörungstheoretische Annahmen von Funkverbindungen mit Astronauten im Mondorbit widersprechen einfachsten physikalischen Gesetzen, die eine dafür benötigte, zur Erde [[Orthogonalität|orthogonal]] ausgerichtete Mondumlaufbahn ausschließen. === Abgleich von Veröffentlichungen und wissenschaftliche Untersuchungen von Proben === ==== Abgleich der Mondgesteinsproben ==== Aus den getrennt durchgeführten Untersuchungen der Mondgesteinsproben der US-amerikanischen Apollo-Missionen mit denen der nur einige hundert Gramm umfassenden sowjetischen Luna-Gesteinsproben haben sich Analogien gezeigt, die mit künstlichen Gesteinsproben nicht möglich wären. ==== Folienstück der Universität Bern ==== Das physikalische Institut der Universität Bern erhielt ein Stück Folie, das auf dem Mond der „Atmosphäre“ ausgesetzt war. Aufgrund der dort herrschenden Verhältnisse befinden sich auf dieser Sonnenpartikel, die auf der Erde aufgrund des Magnetfeldes nicht zu finden wären.<ref>http://www.einstein-bern.ch/index.php?lang=de&show=laudatio&subs=geiss</ref> === Kameraausfall bei Apollo 12 === Bei der Mission [[Apollo 12]] (14. - 24. November 1969) sollte erstmals eine Farbfernsehkamera zum Einsatz kommen, die jedoch bereits bei Übertragungsbeginn ausfiel, da sie beim Aufstellen von einem der Astronauten direkt gegen das Sonnenlicht gehalten wurde. Somit waren bei der stundenlangen Direktübertragung des Mondspazierganges statt der zuvor groß angekündigten Farbbilder nur undefinierbare Lichtstreifen zu sehen.<ref>{{internetquelle |autor=Paul Blau |hrsg=[[Arbeiter-Zeitung]] |url=http://www.arbeiter-zeitung.at/cgi-bin/archiv/flash.pl?seite=19691120_A01;html=1 |titel=Mond: TV-Ausfall – Kaum Reparaturchance |seiten=1–2 |datum=20. November 1969 |zugriff=14. Juli 2009}} „Das in Houston empfangene Bild zeigte einen weißen Streifen oben und darunter ein großes schwarzes Feld.“</ref> Es erscheint kaum nachvollziehbar, dass bei einer in einem Studio mit großem Aufwand inszenierten Landung, die ja gerade möglichst überzeugende Bilder suggerieren sollte, keine Ersatzkamera zur Verfügung gestanden und auch eingesetzt worden wäre. Somit spricht gerade diese Panne für die Echtheit der Übertragung. == Kulturelle Reflexion == * Im [[James Bond|James-Bond]]-Film [[Diamantenfieber]] von 1971 bewegt sich Bond auf dem Gelände einer Firma nahe [[Las Vegas]], die sich nicht fern der echten [[Area 51]] befindet. Auf der Flucht vor seinen Gegnern durchquert er eine Halle, in der sich „Astronauten“ in Raumanzügen in einer Mondkulisse bewegen, und verwendet auf seiner weiteren Flucht sogar eine Art Mondfahrzeug. Dieser Teil hat mit dem restlichen Inhalt des Films nichts zu tun und wird heute als Anspielung des Regisseurs [[Guy Hamilton]] auf die seiner Meinung nach „gefälschten“ Mondlandungen gesehen. * Zu dem Film [[Unternehmen Capricorn]] (1978) siehe ''[[#Geschichte und Hintergrund|Geschichte und Hintergrund]]''. * In dem Film [[Sneakers – Die Lautlosen]] (1992) erwähnt die Figur ''Mother'' (gespielt von [[Dan Aykroyd]]) in einem Gespräch, dass die Mondlandung von der NASA nur vorgetäuscht worden sei. * In der Folge "''Carbon Creek''" der SciFi-Serie ''[[Star Trek: Enterprise]]'' deutet eine Vulkanierin, deren Volk die menschliche Raumfahrt im 20. Jahrhundert genau beobachtet, an, dass Neil Armstrong nicht der erste Mensch auf dem Mond war. * Das [[Computerspiel]] [[Duke Nukem 3D]] (1996) enthält einen Level (Episode 3 Level 5) mit der Mondlandefähre in einem Filmset. * Die 2000 produzierte Historienkomödie [[The Dish]] behandelt die Problematik der Bildübertragung dieses Ereignisses. Das australische Parkes-Observatorium sollte die Bilder empfangen und an Houston weiterleiten. Technische Pannen und Versagen der Mitarbeiter erschweren dies jedoch. Trotzdem konnte Houston Livebilder ausstrahlen. Das Drehbuch wurde in Zusammenarbeit mit den damaligen Mitarbeitern als Komödie verfasst und beruht auf tatsächlichen Begebenheiten. * In einer Episode der Zeichentrickserie [[Family Guy]] wird in einer [[Rückblende]] das Ende der „Dreharbeiten zur Mondlandung“ gezeigt. Als [[Neil Armstrong]] das Studio verlässt, wird er von einem Passanten angesprochen und gefragt, warum er denn nicht auf dem Mond sei. Der Passant wird daraufhin von Armstrong kurzerhand getötet. In einer weiteren Folge behauptet die Hauptfigur Peter, dass seine Heilkräfte genauso eine Lüge waren wie die Mondlandung (2000, Staffel 2, Episode 9: ''Todgesund''). * In der Episode ''[[Roswell gut – alles gut]]'' der Zeichentrickserie [[Futurama]], in der die Besatzung auf mysteriöse Weise in das Jahr 1947 geschleudert wird, treffen sie auf den damaligen US-Präsidenten Truman. Dieser befiehlt, den Alien Dr. Zoidberg zu Studienzwecken nach Area 51 zu bringen. Als ein General ihn darauf hinweist, dass dort die Kulisse für die gefälschte Mondlandung gebaut wird, befiehlt er die Durchführung einer echten Mondlandung und die Gründung der NASA. * Die [[Mockumentary]] [[Kubrick, Nixon und der Mann im Mond]] (2002) stellt dar, dass die erste bemannte Mondlandung vorgetäuscht wurde. Damit wird gezeigt, wie geschickte Manipulation funktioniert. * In dem Computerspiel [[Grand Theft Auto: Vice City]] (2002) wird ein Filmset mit einer Mondlandefähre gezeigt, das sich allerdings in einem Pornofilmstudio befindet. * Das Computerspiel [[Worms (Computerspiel)|Worms 3D]] (2003) der Firma [[Team 17]] enthält einen Level, der ein Filmstudio mit künstlicher Mondoberfläche und dem Landemodul zeigt. * Das [[Musikvideo]] zum [[Rammstein]]-Lied ''[[Reise, Reise#Amerika|Amerika]]'' (2004) stellt eine Raumanzüge tragende [[Band (Musik)|Band]] auf einem Filmset dar. * Das Remake des [[Arcade-Spiel]]-Klassikers ''Area 51'' (2005) der Firma [[Midway Games]] enthält einen Level mit Mondlandeset, komplett mit Pappkameraden und Landefähre. * 2006 zeigte ein [[Werbespot]] für ''[[Red Bull Energy Drink|Red Bull]]'' Astronauten, die, nachdem sie das Getränk, das ihnen „Flügel verleiht“, getrunken hatten, nicht in der Lage waren, den Mond zu betreten. Houston befiehlt ihnen daraufhin, zur Erde zurückzukehren, um die Mondlandung in einem Studio zu filmen. * In der Filmkomödie [[Die Chaoscamper]] (2006) kommentiert eine Figur, dass das Urlaubsziel die gleiche Stelle ist, an der die NASA die Mondlandung vorgeschwindelt hat. * Die Verschwörungstheorien zur Mondlandung wurden auch schon von Hobbyfilmern parodistisch als [[Brickfilm]]<ref>www.brickshelf.com: ''[http://www.brickshelf.com/gallery/bahha/movies/nasavideo.mpg „NASA-Video“]'' ([[MPEG-1]]; Stand 31. Oktober 2006)</ref> aufgearbeitet. * In einer Sonderfolge von [[Mythbusters]] wurde auf einige Argumente der Verschwörungstheoretiker eingegangen, und diese wurden experimentell nachgestellt. Dazu gehörten die nicht parallelen Schatten, der „beleuchtete“ Buzz Aldrin im Schatten der Mondfähre, die „wehende“ Flagge, die Frage, ob man im Vakuum einen klaren Fußabdruck hinterlassen kann, und die Fälschung der verminderten Schwerkraft in den Videos durch verschiedene Techniken. Des Weiteren wurde der Reflektor von Apollo&nbsp;15 mit einem Laser angestrahlt. Keiner der durchgeführten Tests ergab einen Hinweis auf eine Verschwörung. == Filmo- und Fotografie == === Filme === * ''[[Unternehmen Capricorn]]'' (1978, [[Science-Fiction|SF-Film]]) * ''[[Kubrick, Nixon und der Mann im Mond]]'' (2002, [[Mockumentary]]) === Fernsehen === * {{IMDb Titel|tt0277642|''Conspiracy Theory: Did We Land on the Moon?''}} (2001, [[Fox Broadcasting Company]]) {{Alpha Centauri|mondlandung-2002-ID1208353913709|War die Mondlandung echt?}} === Apollo-Multimedia-Archiv === Das Apollo-Multimedia-Archiv ist eine für Internetsurfer zusammengestellte Bibliothek der wichtigsten festgehaltenen Film- und Fotoaufnahmen der Apollo-Missionen, sie ist komplett in Englisch verfasst. {| class="wikitable" |- class="hintergrundfarbe5" ! Video-Bibliothek ! Foto-Bibliothek |- | [http://www.history.nasa.gov/alsj/a11/video11.html Apollo 11] | [http://history.nasa.gov/alsj/a11/images11.html Apollo 11] |- | [http://www.history.nasa.gov/alsj/a12/video12.html Apollo 12] | [http://history.nasa.gov/alsj/a12/images12.html Apollo 12] |- | – | [http://history.nasa.gov/alsj/a13/images13.html Apollo 13] |- | [http://www.history.nasa.gov/alsj/a14/video14.html Apollo 14] | [http://history.nasa.gov/alsj/a14/images14.html Apollo 14] |- | [http://www.history.nasa.gov/alsj/a15/video15.html Apollo 15] | [http://history.nasa.gov/alsj/a15/images15.html Apollo 15] |- | [http://www.history.nasa.gov/alsj/a16/video16.html Apollo 16] | [http://history.nasa.gov/alsj/a16/images16.html Apollo 16] |- | [http://www.history.nasa.gov/alsj/a17/video17.html Apollo 17] | [http://history.nasa.gov/alsj/a17/images17.html Apollo 17] |} == Verweise == === Siehe auch === * [[Geschichte der Raumfahrt]] === Literatur === <!-- Bitte die Verschwörungstheorieliteratur auf 5 oder 6 Bücher reduzieren, evtl. nach zusätzlichem informativen Gewinn oder Popularität aussortieren, bei mehreren Büchern von ein und dem selben Autor bitte nur das „bessere“ auflisten. --> * Mary Bennett, David S. Percy: ''Dark Moon: Apollo and the Whistle-Blowers''. Aulis Publishers, London 1999, ISBN 1-898541-10-8 * [[Werner Büdeler]]: ''Das Abenteuer der Mondlandung''. Bertelsmann Verlag, Gütersloh 1969 * Gernot L. Geise: ''Der größte Betrug des Jahrhunderts? Die Apollo-Mondflüge'', EFODON e.&nbsp;V., 2000, ISBN 3-932539-23-0 * Charles T. Hawkins: ''The Moon Landing Hoax.'' 285 S., New York 2004, ISBN 0-9749405-0-X * Philippe Lheureux: ''Moon Landings: Did NASA Lie?'', Carnot Editions, Oktober 2003, ISBN 1-59209-041-9 * [[Bill Kaysing]], Randy Reid: ''We never went to the moon. America’s Thirty Billion Dollar Swindle.'' Health Research, 1976, ISBN 0-7873-0487-5 * Ralph Rene: ''NASA Mooned America''. Passaic, New Jersey 1992 * [[Gerhard Wisnewski]]: ''Lügen im Weltraum: Von der Mondlandung zur Weltherrschaft'', Knaur Taschenbuchverlag, Oktober 2005, ISBN 978-3-426-77755-8 (Verlagsinformation 21. September 2009: Das Buch ist vergriffen. Eine Neuauflage ist nicht vorgesehen.) * Phil Plait: ''Bad Astronomy: Misconceptions and Misuses Revealed, from Astrology to the Moon Landing "Hoax"'', John Wiley & Sons, März 2002, ISBN 978-0-471-40976-2, S.155-174 * Rainer Kresken, Thorsten Dambeck: ''Das Apollo-Komplott: Haben die Mondfahrt-Skeptiker Beweise?'', [[Bild der Wissenschaft]], September 2007, S.94-97 === Weblinks === '''Auseinandersetzungen mit der Theorie''' <!-- Wenn es geht nur ausgezeichnete Websites einbringen und auf ca. 5 reduzieren, fürs leichtere Verständnis falls sinnvoll mehr deutsche als fremdsprachige Seiten. --> * [http://www.apollo-projekt.de/ Apollo-Projekt] – Punkt-für-Punkt-Widerlegung der Verschwörungsvorwürfe * [http://www.mondlandung.pcdl.de/ Mondlandungs(f)lüge] – Kritik an der Beweisführung der Verschwörungstheoretiker * [http://www.clavius.org/ clavius.org] - Die umfangreichste Informationsseite im Web (engl.) * [http://www.clavius.info/ clavius.info] – Die deutsche Version von clavius.org geht tiefer auf Argumente von Gernot Geise und Gerhard Wisnewski ein. * [http://www.raumfahrer.net/raumfahrt/mondlandung/moonhoax.shtml Mythos Capricorn] – Überspitzt formulierte Auseinandersetzung mit der Verschwörungstheorie * [http://www.badastronomy.com/bad/misc/apollohoax.html Bad Astronomy] (englisch) – Abhandlung zu den Verschwörungstheorien zur Mondlandung * [http://www.gangleri.de/cgi-bin/project.pl?was=moon;teil=index Private Abhandlung zur Beweisführung der Verschwörungstheoretiker] '''Seiten, welche die Verschwörungstheorie vertreten''' * [http://www.gernot-geise.de/apollo/apollo.html Gernot L. Geise – Die Apollo Seite] * [http://www.esoturio.com/de/wahrheit/mondlandung.php Mondlandung, die Lüge über einen Mondflug (Mondlüge)] * [http://www.apfn.org/apfn/moon.htm Was The Apollo Moon Landing Fake?] (englisch) * [http://www.heise.de/tp/deutsch/special/raum/4605/1.html Telepolis-Artikel: »2001«: Eine Odyssee im Weltraum?] '''Andere''' * [http://nssdc.gsfc.nasa.gov/planetary/lunar/lunar_sites.html NASA-Webseite] (englisch) – Dokumente zu den Landungskoordinaten der Apollomissionen * [http://www.sternwarte-recklinghausen.de/mondlandung.html Kommentierte Filmsequenzen zur Mondlandung mit Zeitraffer-Vergleich] * [http://www.heise.de/tp/r4/artikel/21/21458/1.html Satire: Mondhoax einmal anders] * [http://www.lpi.usra.edu/resources/apollo/ Apollo Image Atlas] (englisch) – Fotoarchiv des Apollo-Programms === Einzelnachweise === <references /> {{DEFAULTSORT:Verschworungstheorien zur Mondlandung}} {{Exzellent}} [[Kategorie:Verschwörungstheorie|Mondlandung]] [[Kategorie:Apollo-Programm]] [[Kategorie:NASA]] {{Link GA|es}} [[bg:Конспиративни теории за кацането на Луната]] [[cs:Konspirační teorie o přistání Apolla]] [[da:Konspirationsteorier om månelandingen]] [[en:Moon landing conspiracy theories]] [[es:Teorías de la conspiración de los alunizajes del Programa Apolo]] [[et:Apollo vandenõu]] [[fa:اتهامات جعل فرود آپولو بر ماه]] [[fi:Apollo-ohjelmaa koskevat huijaussyytökset]] [[fr:Rumeurs sur le programme Apollo]] [[he:תאוריית הקשר אודות זיוף הנחיתה על הירח]] [[it:Teoria del complotto lunare]] [[ja:アポロ計画陰謀論]] [[nl:Apollo-maanlandingscomplottheorie]] [[nn:Konspirasjonsteoriar kring månelandingane]] [[pl:Teorie spiskowe o lądowaniu Apollo na Księżycu]] [[pt:Acusações de falsificação nas alunissagens do Programa Apollo]] [[ro:Acuzaţii de falsificare a programului Apollo]] [[ru:Лунный заговор]] [[simple:Moon landing conspiracy theory]] [[sk:Spochybnenie pristátia na Mesiaci]] [[sv:Konspirationsteorierna om månlandningarna]] [[th:ข้อกล่าวหาเรื่องมนุษย์คนแรกเหยียบดวงจันทร์เป็นเรื่องลวง]] [[tr:Apollo Ay inişi aldatmacası suçlamaları]] [[ur:کیا انسان کبھی چاند پر اترا؟]] [[zh:阿波罗登月计划阴谋论]] jnuxk6xuw3qmd02k0zcswwzuz2f3k0n wikitext text/x-wiki Vertrauensfrage 0 24438 27037 2010-04-22T13:13:12Z IdS 0 /* 2001: Gerhard Schröder */ Grammatik Die '''Vertrauensfrage''' ist in vielen [[Parlamentarische Demokratie|parlamentarischen Demokratien]] ein Instrument der [[Regierung]] zur Disziplinierung des [[Parlament]]s. Sie kann von einer Regierung dem Parlament gestellt werden, um festzustellen, ob es mit ihrer Haltung grundsätzlich noch übereinstimmt, und gravierende Konflikte abklären. Ein negatives Ergebnis führt häufig zum Rücktritt der Regierung oder zu Neuwahlen. == Deutschland: Bundesebene == [[Datei:Reichstag-Plenarsaal.jpg|thumb|300px|Der [[Plenarsaal]] des Bundestages im [[Reichstagsgebäude]]]] In [[Bundesrepublik Deutschland|Deutschland]] spricht man von einer Vertrauensfrage im Sinne von [[#Wortlaut|Artikel 68]] des [[Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland|Grundgesetzes]], wenn der [[Bundeskanzler (Deutschland)|Bundeskanzler]] an den [[Deutscher Bundestag|Bundestag]] den Antrag richtet, ihm das Vertrauen auszusprechen. Die Vertrauensfragen von Helmut Kohl 1982 und Gerhard Schröder 2005 bewegten sich am Rande der Verfassung, die von den Gründungsvätern so nicht vorgesehen war. Beide Kanzler hatten die Mehrheit im Bundestag und stellten die Vertrauensfrage, um sich vom Volk bestätigen zu lassen. Was Helmut Kohl 1983 gelang, erreichte Gerhard Schröder 2005 nicht. Die Regierung Schröder wurde durch die Regierung Merkel abgelöst. Der Unterschied zum [[Konstruktives Misstrauensvotum (Deutschland)|konstruktiven Misstrauensvotum]] liegt darin, dass der Bundeskanzler selbst die Initiative ergreift und nicht vom Parlament gegen ihn vorgegangen wird. Er kann mit der Vertrauensfrage oder schon mit ihrer bloßen Androhung die ihn tragende Parlamentsmehrheit disziplinieren. Wird sie nicht positiv beantwortet, kann er dem [[Bundespräsident (Deutschland)|Bundespräsidenten]] vorschlagen, den Bundestag aufzulösen. Die Vertrauensfrage kann nicht beliebig zur Auflösung des Bundestages zum geeignet erscheinenden Zeitpunkt genutzt werden, vielmehr muss eine „echte“ Regierungskrise vorliegen. Das [[Bundesverfassungsgericht]] hat anlässlich einer [[Organklage]] 1983 dem Bundeskanzler und dem [[Bundespräsident (Deutschland)|Bundespräsidenten]] in dieser Frage allerdings einen großen Beurteilungsspielraum zugebilligt. Diesen Spielraum hat das Bundesverfassungsgericht in der [[Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Vertrauensfrage 2005|Entscheidung über die Auflösung des Bundestages im Jahre 2005]] bestätigt. === Verfassungsrechtliche Grundlage === Artikel 68 des [[Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland|Grundgesetzes]] lautet in seiner seit dem 23.&nbsp;Mai 1949 unveränderten Fassung: :'''''Artikel 68''''' :''(1) Findet ein Antrag des Bundeskanzlers, ihm das Vertrauen auszusprechen, nicht die Zustimmung der Mehrheit der Mitglieder des Bundestages, so kann der Bundespräsident auf Vorschlag des Bundeskanzlers binnen einundzwanzig Tagen den Bundestag auflösen. ²Das Recht zur Auflösung erlischt, sobald der Bundestag mit der Mehrheit seiner Mitglieder einen anderen Bundeskanzler wählt.'' :''(2) Zwischen dem Antrage und der Abstimmung müssen achtundvierzig Stunden liegen.'' === Entstehung === Die [[Weimarer Verfassung]] von 1919 kannte weder eine Vertrauensfrage noch das [[Konstruktives Misstrauensvotum (Deutschland)|konstruktive Misstrauensvotum]]. Vielmehr enthielt ihr Artikel 54 die Vorschrift, dass der [[Reichskanzler]] und die Reichsminister „zu ihrer Amtsführung des Vertrauens des Reichstags“ bedürfen. Sie mussten zurücktreten, wenn der [[Reichstag (Weimarer Republik)|Reichstag]] ihnen durch „ausdrücklichen Beschluss das Vertrauen entzog“. Darüber hinaus besaß der Reichspräsident bei der Ernennung des Reichskanzlers einen starken Einfluss, da er parallel zum Reichstag auch dessen Vertrauen benötigte. Dieses so genannte [[Destruktives Misstrauensvotum|destruktive Misstrauensvotum]] ermöglichte es dem Reichstag, den Reichskanzler (oder einen Reichsminister) zur [[Amtsaufgabe]] zu zwingen, selbst wenn die das Misstrauen aussprechende Parlamentsmehrheit keine gemeinsame Politik verband. Der Reichstag besaß damit im Gegensatz zum Bundestag ein indirektes Mitspracherecht, was die Zusammensetzung der Reichsregierung betraf. Das Problem des Systems lag darin, dass sich im Parlament rein negative Mehrheiten finden konnten, die zwar eine Regierung stürzten, aber keine neue ins Amt brachten. Dies wurde besonders virulent 1932, als die Reichskanzler [[Franz von Papen]] und [[Kurt von Schleicher]] keine Unterstützung oder Tolerierung der Parteien erwarten durften. Durch den Zusammentritt des Reichstags und die sofortige Rücktrittsforderung war die Regierung von Papen im November gestürzt worden, und von Schleicher musste dasselbe befürchten, als Ende Januar 1933 der Reichstag wieder tagen würde. Die Konstruktion der Artikel 67 und 68 des Grundgesetzes, also des konstruktiven Misstrauensvotums und der Vertrauensfrage, stärkt die Position des Regierungschefs und verringert die Möglichkeiten für politisch gegensätzliche Fraktionen, gemeinsam einen missliebigen Bundeskanzler aus dem Amt zu befördern. Gleichzeitig schwächt das Grundgesetz auch die Position des [[Bundespräsident (Deutschland)|Bundespräsidenten]] zu Gunsten des Bundeskanzlers. Da die Bundesminister zu ihrer Amtsführung ausschließlich des Vertrauens des Bundeskanzlers bedürfen und weder durch den Bundespräsidenten noch durch den Bundestag ihre Ablösung durchgesetzt werden kann, ist der Bundeskanzler im [[Politisches System Deutschlands|politischen System der Bundesrepublik]] das zentrale politische Handlungsorgan. Der Bundeskanzler besitzt somit eine im Gegensatz zum Reichskanzler massiv gestärkte Position. Dennoch bleibt er über die Möglichkeit der jederzeit möglichen Abwahl durch eine neu formierte Parlamentsmehrheit an das Parlament gebunden. Die Position des Bundespräsidenten ist hier weitaus schwächer als in Weimarer Zeiten, da der Reichspräsident den Reichskanzler und jeden seiner Minister jederzeit auch ohne Zustimmung des Parlaments entlassen konnte. ''Siehe auch:'' [[Deutscher Bundestag#Repräsentationsprinzip und Selbstauflösung|Selbstauflösungsrecht]] === Verfassungsrechtliche Problematik der Vertrauensfrage === ==== Echte Vertrauensfrage ==== [[Datei:Bundesarchiv B 145 Bild-F065074-0023, Bundesverfassungsgericht, Urteilsverkündung.jpg|thumb|Das Bundesverfassungsgericht verkündet das Urteil in der Organklage gegen die Parlamentsauflösung, 1983]] Gegen die Auflösung des Bundestages 1983 durch Bundespräsident [[Karl Carstens]] nach der [[#Helmut Kohl 1982|Vertrauensfrage Helmut Kohls]] hatten vier Mitglieder des Bundestages [[Organstreit|Organklage]] eingelegt, weil sie der Ansicht waren, dass Helmut Kohl sehr wohl das Vertrauen einer Mehrheit des Bundestages habe, aber in missbräuchlicher Weise Neuwahlen herbeiführen wolle. In seiner Entscheidung über die Organklage vom 16.&nbsp;Februar 1983 hat das Bundesverfassungsgericht umfassend zum Instrument der Vertrauensfrage Stellung genommen (BVerfGE 62, 1). Es hat festgestellt, dass die Entscheidung des Bundespräsidenten über die Annahme oder Ablehnung des Vorschlags des Bundeskanzlers auf Auflösung des Bundestages „eine politische Leitentscheidung“ sei und seinem pflichtgemäßen Ermessen obliege (Punkt 2 des Tenors der Entscheidung). Dieses Ermessen sei nur dann eröffnet, wenn die übrigen Vorschriften des Grundgesetzes beachtet worden sind. Im Sinne von Art.&nbsp;68 GG sei ''Vertrauen'' nicht im umgangssprachlichen Sinne definiert, sondern als Zustimmung zu Person und Programm des Bundeskanzlers. Dies bedeute, dass der Bundeskanzler die Vertrauensfrage nur stellen dürfe, wenn er sich tatsächlich nicht mehr sicher sei, dass seine Politik von der Parlamentsmehrheit unterstützt wird. Dadurch muss seine Handlungsfähigkeit so stark beeinträchtigt sein, dass er „eine vom stetigen Vertrauen der Mehrheit getragene Politik nicht sinnvoll zu verfolgen vermag“ (Punkt 6 des Tenors der Entscheidung). Dies sei ein „ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal“ der Vorschrift – '''''echte Vertrauensfrage'''''. Die Grundhaltung des Bundesverfassungsgerichtes brachte der Verfassungsrichter [[Hans-Justus Rinck|Rinck]] in seinem [[Bundesverfassungsgericht#Organisation|Sondervotum]] sehr pointiert zum Ausdruck, als er schrieb: „Finden setzt aber Suchen voraus.“ (BVerfGE 62, 1; Absatz 216). Er bezog sich damit auf den Wortlaut des Artikels 68, der mit den Worten ''„Findet der Antrag des Bundeskanzlers …“'' beginnt. Für das Bundesverfassungsgericht war jedoch entscheidend, dass das ursprüngliche Regierungsprogramm ausdrücklich befristet war und nicht alle Politikbereiche umfasste. Dies gab letztlich auch den Ausschlag, dass es die Auflösungsentscheidung des Bundespräsidenten tolerierte. Da das Regierungsprogramm Kohls nur ein so genanntes „Notprogramm zu Bewältigung der dringendsten Probleme“ war, nahm das Bundesverfassungsgericht an, dass die Gemeinsamkeiten dieser Koalition trotz des Willens zur Neubildung der Koalition nach einer Bundestagswahl am 6.&nbsp;März 1983 verbraucht waren. Die Entscheidung des Verfassungsgerichts, das [[#Helmut Kohl 1982|im konkreten Fall]] mehrheitlich das Suchen als gegeben ansah und die Verfassungsmäßigkeit der Auflösung des Bundestags somit im Ergebnis bejahte, war umstritten, auch innerhalb des Gerichtes. Zwei der acht Richter stimmten der Entscheidung im Ergebnis nicht zu. Diese Richter werteten insbesondere die so deutliche negative Beantwortung der Vertrauensfrage (mit 8 zu 489 Stimmen) als Zeichen für eine offensichtliche Absprache mit dem Ziel der vorzeitigen Herbeiführung von Neuwahlen. Sie verneinten damit die Ansicht, dass die Enthaltung der Abgeordneten von [[Christlich Demokratische Union Deutschlands|CDU]]/[[Christlich-Soziale Union in Bayern|CSU]] und [[Freie Demokratische Partei|FDP]] ähnlich wie die Nichtteilnahme der Bundesminister bei der [[#Willy Brandt 1972|Vertrauensfrage Brandts 1972]] nur zur Sicherstellung der nicht positiven Beantwortung diente. Sie untermauerten ihr Sondervotum auch damit, dass noch am Tag vor der Abstimmung über die Vertrauensfrage der Haushalt für das Jahr 1983, die Grundlage für die Politik der Bundesregierung, mit den Stimmen von CDU/CSU und FDP verabschiedet worden war. ==== Normative Parlamentsperiode (Art.&nbsp;39 GG) und unechte Vertrauensfrage ==== Nach Art.&nbsp;39 GG beträgt die Parlamentsperiode vier Jahre. Die Bundesregierung hat hierbei keine Gestaltungsmöglichkeiten. Der Bundeskanzler darf die Vertrauensfrage also nicht mit dem Ziel stellen, sie negativ beantwortet zu bekommen, damit er zum seiner Ansicht nach geeigneten Zeitpunkt [[Bundestagswahl|Neuwahlen]] vorschlagen kann, sofern er insgesamt noch mit der Zustimmung der Mehrheit des Bundestages zu seiner Politik rechnen kann ''('''unechte Vertrauensfrage''').'' Somit ist –&nbsp;wenn auch in wechselseitigen Grenzen&nbsp;– ein gewisser Vorrang der Parlamentsperiode vor den Regierungsinteressen gegeben. Denn ein tragendes Prinzip der Demokratie ist die Macht auf Zeit. Nach den Wertentscheidungen des Grundgesetzes soll der Bundestag möglichst die gesamte Legislaturperiode über Bestand haben, gleich welche Regierung von ihm getragen wird. Dieses Stabilitäts- und Kontinuitätssystem zwischen Regierung und Parlament legt nahe, dass die politische Krise eines bestimmten Regierungsprogramms oder eines bestimmten Kanzlers nicht das Ende des Parlaments als Regelfall nach sich ziehen soll. Hier besteht ein Wechselverhältnis zwischen unsicheren Parlamentsmehrheiten und Regierung bzw. zwischen der Suche nach einem neuen Kanzler mittels Misstrauensvotums und Parlamentsauflösung über die Vertrauensfrage. Das BVerfG unterstrich in seiner Entscheidung, dass Art.&nbsp;68 GG nicht nur für den ''Minderheitskanzler'' gelte, sondern für jede Regierung. Daher könne es erst nach einer abgestuften Gesamtschau der politischen Situation dazu kommen, dass von den Verfassungsorganen im Sinne der oben genannten Maßstäbe der Zweck der Verfassungsnorm, namentlich die Wiederherstellung und Festigung der hinreichenden parlamentarischen Regierungsunterstützung, nur durch Neuwahlen zu erreichen sei. Insofern deutet das Verfassungsgericht an, dass in engen Grenzen auch die ''unechte Vertrauensfrage'' zu einer verfassungsgemäßen Parlamentsauflösung führen könnte. ==== Äquivalenzformel (Legalität ist gleich Legitimität) ==== In seiner Entscheidung zur Vertrauensfrage von 1983 konkretisierte das Bundesverfassungsgericht einen wichtigen Grundsatz im Zusammenhang mit dem konstruktiven Misstrauensvotum: ''Legalität ist gleich Legitimität''. Im Falle Helmut Kohls hat das Bundesverfassungsgericht am oben angeführten Maßstab die Rechtmäßigkeit der Parlamentsauflösung bejaht, da er wegen des Bruchs der sozial-liberalen Koalition in den Reihen der FDP wechselnde bzw. unsichere Mehrheiten habe befürchten müssen. Damit hing das Argument der Regierung zusammen, ein durch konstruktives Misstrauensvotum neu kreierter Kanzler bedürfe der neuen demokratischen Legitimation durch Wahlen. Das Gericht lehnte diese Ansicht ab mit der Formel parlamentarischer Äquivalenz („Legalität ist gleich Legitimität“) und unterstrich den normativen Wert der vierjährigen Parlamentsperiode (Art.&nbsp;39 GG), wonach der Bundestag grundsätzlich vier Jahre lang amtieren soll. In der Rechtswissenschaft werden jedoch auch Weiterentwicklungen der Äquivalenzformel überlegt: Angewandt auf die Vertrauensfrage bedeute Äquivalenz ein verfassungssystematisches Verbot für den Kanzler, ein neues Wählervotum als Legitimation für seine Politik anzustreben. Es sei ihm zwar erlaubt, das Parlament danach zu fragen, gleichwohl aber verwehrt, sich wieder an den Wähler zu wenden und ein [[Plebiszit]] in Detailfragen abzuhalten. Denn damit erodiere das bereits erteilte Wählervotum und führe zu einer schwachen Regierung – das Grundgesetz wolle aber einen inhaltlich starken Kanzler, der einen politischen Gestaltungsauftrag annimmt und als Mandat ausführt, ohne wiederholt nach dem Ob und Wie zu fragen und sich rückzuversichern. Dafür spreche das [[Repräsentative Demokratie|Repräsentationsprinzip]], das die demokratische Legitimation einzig auf das Parlament konzentriert und weiteren Einfluss des Wählers ausschließt. Das Gewicht des Wählervotums erfahre anderenfalls eine Inflation. Wenn das alte Votum nicht vier Jahre lang respektiert wird, könne das neue nicht mehr zählen. Die [[Auslegung (Recht)#historische Auslegung|historische Interpretationsmethode]] vervollständige diesen Befund, da in der Weimarer Republik die politische Instabilität sukzessiv und nicht plötzlich eintrat. Es war nicht nur eine institutionelle Strukturschwäche in der Rollenverteilung zwischen Regierung, Parlament und Präsident, es war auch eine Schwäche des demokratischen Substrats auf inhaltlicher Ebene. Die prozessuale Konsequenz daraus sei eine verdichtete Prüfung durch den Bundespräsidenten, bevor er zu einer Parlamentsauflösung greift. Er müsse nicht nur prüfen, ob die Gründe des Kanzlers plausibel sind oder die gegenwärtig überzeugendste politische Analyse darstellen. Vielmehr unterlaufe ihm ein [[Ermessen]]sfehler, der seine Auflösungsanordnung rechtswidrig macht, wenn er den systematischen Zusammenhang mit einem unzulässigen Plebiszit nicht prüft, so dass er strukturelle Gefahren in der demokratischen Repräsentation ausschließen kann, die aus einer Neuwahl in Folge der Vertrauensfrage entstehen kann. ::''Bsp.: Ein schwacher Kanzler G müsse zurücktreten, wenn man ihm Neuwahlen verwehrt, die Kontinuität des Wählervotums bliebe erhalten und das Parlament könne auf dieser Basis einen neuen suchen.'' ==== Unechte Vertrauensfrage = echte Vertrauensfrage (Formal-funktionale Auflösungslage) ==== In der Rechtswissenschaft wird jedoch auch angezweifelt, ob die BVerfG-Entscheidung aus dem Jahr 1983 im Sinne einer „materiellen Auflösungslage“ sich nicht zu weit vom Institutionssystem der Verfassung entfernt habe: Die Einführung jedenfalls solcher materieller Kriterien ließe sich aus dem Verfassungstext nicht herleiten, dies tat das Bundesverfassungsgericht 1983 auch nicht, vielmehr erscheine dies willkürlich. Es müsse vielmehr die Feststellung ausreichen, der Kanzler habe keine Mehrheit. Dafür spreche gerade das [[Kanzlerprinzip]] und aus dem Umstand, das Grundgesetz wolle einen starken Kanzler, könne nicht der Schluss gezogen werden, es bedürfe einer Persönlichkeit mit inhaltlicher Gestaltungsstärke – sie solle aber eine formale Macht nicht haben. Die Einschätzungsprärogative (Einschätzungsvorrecht) des Kanzlers müsse wegen seiner zentralen politischen Rolle Gewicht haben. Damit sei eine formale und personelle Macht verbunden, zugunsten der politischen Gestaltbarkeit, die nicht erlaube das Urteil des Kanzlers durch materielle Überlegungen anderer zu ersetzen, die in der konkreten politischen Situation nicht einmal in der Nähe eines Alternativkandidaten sich befinden. Ein starker Kanzler dürfe auf dem Rechtswege nicht von den politisch Schwachen gelenkt werden, gleich welche materiellen Gründe sie haben mögen. Ein anderer Maßstab müsse freilich gelten, wenn der Kanzler lediglich eine ihm extrem günstige Situation ausnutzen will, um die Parlamentsmehrheit zu seinem Gunsten zu verschieben und aufzustocken oder wenn er Gegenkandidaten mit steigendem parlamentarischem Rückhalt aus dem eigenen oder dem oppositionellen Lager verdrängen will. Dies sei 2005 jedoch nicht der Fall. Zur Kontrolle dieser zugegeben überprüfungsbedürftigen Formalentscheidung sei einzig ein anderes Verfassungsorgan berufen, der Bundespräsident, der darauf politisch achten und prognostizieren solle, ob das Parlament einen inhalts- oder durchsetzungsschwachen Kanzler durch vorhandene Alternativen nicht ersetzen könne. In einem solchen Fall dürfe es nicht aufgelöst werden. Jedenfalls kann nicht mit dem Hinweis auf das Gewicht des Wählervotums ein neues Wählervotum für unzulässig gehalten werden. Das Repräsentationsprinzip schließe Plebiszite zwar als direkte Sachentscheidung einer Gesetzvorlage aus, kenne gleichwohl nicht den Grundsatz der Wähler habe ein repräsentatives Inputlimit solange er systemkonform votiert. Allenfalls sei eine Grenze bei Votainflation gesetzt, wie sie in der Weimarer Republik zu beobachten war. Ein proaktiver und tendenzieller Befund verbiete sich in diesem Zusammenhang nicht, er stehe gar dem Bundespräsidenten zu, 2005 bleibt er jedoch aus. Neben dem Kanzlerprinzip spreche die [[Staatspraxis]] seit 1949, die unter dem Aspekt der Verfassungswirklichkeit, sowohl den ursprünglichen Verfassungstext als auch einen historischen Interpretationsbefund in einen anderen Kontext rücke: Häufen sich die Parlamentsauflösungen sukzessive, so bedürfe es einer höheren Hürde für eine neue Auflösung und einer größeren Prüfungsdichte des Bundespräsidenten, seine Entscheidung verbleibe jedoch weiterhin auf einer politisch-funktionalen Ebene und dürfe nicht verrechtlicht oder mit materiellem Ballast verbunden werden. Auch spreche die [[Auslegung (Recht)#systematische Auslegung|systematische Interpretation]] des Grundgesetzes für eine formal-funktionale Bewertung von Parlamentsauflösungen in Folge von Vertrauensfragen: Das Grundgesetz sehe ein abgestimmtes System von politischen Zweifelinstrumenten vor, wovon materielle Komponenten bei dem ''[[Gesetzgebungsnotstand]]'' und der ''[[#Helmut Schmidt 1982|verbundenen Vertrauensfrage]]'' vorhanden sind – hingegen formale Kriterien '''im Auflösungsvorschlag''' nach Art.&nbsp;68 GG zu finden seien, die ein selbständiger Schritt des Kanzlers sind. ::''Bsp.: Ein Parlament, das den schwachen Kanzler G gewählt hat, sei in seiner Personalfindungs- und Kreationsfunktion politisch geschwächt. Das Ausführungsvertrauen des Wählerauftrags ist politisch erschüttert und die Kontinuität des Votums ist kein sicherer Weg zum starken Kanzler. Neuwahlen dürfen daher nicht mit dem Hinweis verhindert werden, das Parlament müsse den Wählerauftrag zu Ende ausführen. Es darf ihm aber auch nicht verwehrt werden, konkrete Alternativen zu ergreifen und einen neuen Kanzler zu wählen.'' ==== Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts 2005 ==== Das Bundesverfassungsgericht hat mit Urteil vom 25.&nbsp;August 2005 die Auflösung des [[Deutscher Bundestag|Parlaments]] und die Anordnung von [[Neuwahlen]] infolge der [[#Gerhard Schröder 2005|Vertrauensfrage von Gerhard Schröder]] bestätigt. Maßstab sei vor allem der Zweck des Art.&nbsp;68 GG, ihm widerspreche eine auflösungsgerichtete Vertrauensfrage nicht. Der Einschätzung des Bundeskanzlers, er könne bei den bestehenden Kräfteverhältnissen künftig keine vom Vertrauen der Parlamentsmehrheit getragene Politik mehr verfolgen, sei keine andere Einschätzung eindeutig vorzuziehen ([[Horst Köhler|Köhler]]-Formel). Die Entscheidung ist ein Meilenstein in der Gerichtspraxis des ''{{lang|en|[[judicial self-restraint]]}}'' und entwickelt die bisherige Rechtsprechung in zwei wesentlichen Punkten fort: * Echte und unechte Vertrauensfragen werden im Ergebnis gleichgestellt. Eine auflösungsgerichtete Vertrauensfrage des Kanzlers sei nach der Verfassung nicht unzulässig, vielmehr gehöre sie zum Instrumentarium zur Beseitigung politischer Krisen und Instabilitäten, neben dem konstruktiven Misstrauensvotum, der Minderheitsregierung, der nicht-auflösungsgerichteten Vertrauensfrage und dem Kanzlerrücktritt. Für politische Organe ist jeder Weg systemkonformer Stabilisierung erlaubt. Insbesondere dürfe der Kanzler mit einer auflösungsgerichteten Vertrauensfrage einer weiteren Zuspitzung politischer Instabilitäten und Krisen zuvorkommen. * Die Prüfungsdichte durch das Verfassungsgericht bei so angeordneten Neuwahlen ist reduziert und bemisst sich in erster Linie anhand der Rollen- und Machtverteilung sowie der Reihenfolge der handelnden Verfassungsorgane: Kanzler, Parlament, Präsident, Verfassungsgericht. In zweiter Linie anhand des oben angeführten Krisen-Instrumentariums. Entscheidet sich ein Kanzler für einen bestimmten Weg der politischen Stabilisierung, könne nicht verlangt werden, er solle zum Zwecke der Krisendeeskalation unerwähnte und gar verborgene Umstände offenlegen, damit seine und nachgeschaltete Entscheidungen durch inhaltliche Rechtskontrolle überprüft werden. Die Verfassung gebiete keine Verrechtlichung der Politik. Er dürfe politischen Entscheidungen auf solche Umstände stützten, auch den Vorschlag der Parlamentsauflösung nach Art.&nbsp;68 GG. Das Gericht führt dann eine nur eingeschränkte materielle Prüfung durch (Köhler-Formel). Das Gericht stellt klar, dass damit keineswegs ein unerlaubtes [[Plebiszit]] für die Regierung erreichbar werde, um ihre Politik zu [[Akklamation|akklamieren]]. Denn das Themenspektrum eines Wahlkampfes sei von ihr nicht steuerbar, auch nicht aus welchen Motiven das Volk zu einem bestimmten Votum gelangen wird. Allenfalls wäre dies der Fall bei einer monothematischen Fokussierung aller politischen Kräfte, so dass sich die Bundestagswahl auf eine einzelne bestimmte Sachfrage beziehe. Dies sei 2005 jedoch nicht der Fall. ''Siehe ausführlich:'' [[Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Vertrauensfrage 2005]] === Verknüpfung der Vertrauensfrage mit einer Sachfrage === Der Bundeskanzler kann die Vertrauensfrage nach Artikel&nbsp;81 Absatz&nbsp;1 des Grundgesetzes auch mit einem Gesetzentwurf oder wie Gerhard Schröder 2001 mit einem sonstigen Sachantrag (Abstimmung über den [[Krieg in Afghanistan seit 2001#Deutscher Beitrag|Kriegseinsatz der Bundeswehr in Afghanistan]]) bzw. ''schlichtem Parlamentsbeschluss'' verbinden. Notwendig ist dies von Verfassungswegen nicht. Eine solche Verknüpfung hat dennoch zwei Funktionen: * ''Disziplinierungsfunktion:'' Die Regierung kann die sie stützenden Parlamentsfraktionen in einer wichtigen Sachkontroverse wieder hinter sich vereinen, indem sie durch ein solches [[Junktim]] klar stellt, dass sie eine bestimmte Sachposition zum unerlässlichen Kern ihrer Regierungsarbeit macht und nur so den Regierungsauftrag weiter wahrnehmen will. * ''Prozessuale Funktion:'' Im Sinne der genannten Grundsätze kann der Kanzler gegenüber anderen Verfassungsorganen (Bundespräsident und BVerfG) darlegen, dass er in einer Kernfrage seiner Regierungspolitik keine parlamentarische Unterstützung mehr findet und sich im Sinne eben dieses zentralen Regierungsprogramms handlungsunfähig sieht. === Frist === Die vorgeschriebene Frist von 48 Stunden dient dazu, jedem [[Abgeordneter|Abgeordneten]] die Teilnahme an dieser wichtigen Abstimmung zu ermöglichen und sich diesen die Tragweite ihrer Entscheidung nochmals bewusst machen zu können. So soll, ähnlich wie bei der gleichen Frist zwischen Antrag und Abstimmung beim konstruktiven Misstrauensvotum, verhindert werden, dass ein Abgeordneter seine Entscheidung durch situationsbedingte, temporäre Emotionen beeinflussen lässt. === Rechtsfolgen === Mit einer ''positiven Antwort'' auf die Vertrauensfrage signalisiert der Bundestag, dass er weiterhin Vertrauen in den Bundeskanzler hat. In diesem Fall treten keine Rechtsfolgen ein, ein eventuell gemäß Artikel&nbsp;81 vorgelegter Beschluss wird angenommen. Bei jeder anderen Beantwortung der Vertrauensfrage hat der Bundeskanzler drei Möglichkeiten: * Er ist nach der negativen Beantwortung der Vertrauensfrage nicht gezwungen, weitere Schritte zu unternehmen. Er kann beispielsweise versuchen, als Bundeskanzler einer [[Minderheitsregierung]] weiterzuarbeiten. Ebenso kann er versuchen, durch Wechsel des Koalitionspartners oder durch Hinzunahme eines weiteren Partners eine neue Regierung mit einer tragfähigen Mehrheit zu bilden. Ferner kann er zurücktreten. Auch wenn die beiden letzten Möglichkeiten eine große verfassungsrechtliche Relevanz haben, so sind sie nicht von einer negativen Beantwortung der Vertrauensfrage abhängig, vielmehr stehen sie ihm zu jedem beliebigen Zeitpunkt offen. * Die zweite Möglichkeit des Bundeskanzlers ist, den Bundespräsidenten um die Auflösung des Bundestages zu bitten. Dem Bundespräsidenten werden in diesem Falle wichtige politische Rechte übertragen, die er nur in solchen Ausnahmesituationen ausüben kann. Er hat die Möglichkeit, dem Ersuchen des Bundeskanzlers nachzugeben oder das Ersuchen abzulehnen. Die Auflösung des Bundestags muss binnen einundzwanzig Tagen erfolgen. Das Ersuchen des Bundeskanzlers kann bis zur Entscheidung des Bundespräsidenten zurückgezogen werden. Sofern der Bundestag bereits einen neuen Bundeskanzler gewählt hat, ist die Auflösung des Bundestags unzulässig. * Die dritte Möglichkeit, die sich für den Bundeskanzler ergibt, ist die Beantragung des [[Gesetzgebungsnotstand]]es beim Bundespräsidenten. Um den Gesetzgebungsnotstand zu erklären, ist der Bundespräsident auf die Zustimmung eines vierten Verfassungsorgans, des [[Bundesrat (Deutschland)|Bundesrats]], angewiesen. Zusätzliche Bedingung ist dabei, dass der Bundestag nicht aufgelöst sein darf. In keinem Fall kann der Bundeskanzler selbstständig eine Entscheidung treffen, die in die Befugnisse anderer [[Verfassungsorgan]]e als die der [[Bundesregierung (Deutschland)|Bundesregierung]] eingreift. === Weitere Formalia === Die Vertrauensfrage ist verfassungsrechtlich ein Instrument, welches einzig dem Bundeskanzler zusteht. Weder kann ein Bundesminister die Vertrauensfrage stellen noch der stellvertretende Bundeskanzler für den Bundeskanzler. Verfassungsrechtlich ebenfalls nicht verankert ist die Aufforderung des Bundestages an den Bundeskanzler, die Vertrauensfrage zu stellen. Eine solche Aufforderung, wie sie die [[Sozialdemokratische Partei Deutschlands|SPD]] 1966 nach dem Zerfall der Regierung [[Ludwig Erhard|Erhard]], aber noch vor Erhards Rücktritt dem Bundestag vorlegte, war rechtlich nicht bindend und damit verfassungsrechtlich unbeachtlich. Erhard kam diesem „Ersuchen“ tatsächlich nicht nach. === Politische Wirkung === Die starke Position des Bundeskanzlers im [[Politisches System der Bundesrepublik Deutschland|politischen System der Bundesrepublik]] hängt auch damit zusammen, dass es zu seinem Sturz ''de facto'' der Bildung einer neuen Koalition bedarf. Dies kann einerseits durch Zusammenarbeit von bisherigen Koalitionären mit (Teilen) der [[Opposition (Politik)|Opposition]] geschehen oder durch den Übertritt einzelner Koalitionsabgeordneter zur Opposition, wie dies beim konstruktiven Misstrauensvotum 1972 die Voraussetzung war. Der Bundeskanzler kann mit dem Stellen der Vertrauensfrage bzw. sogar schon mit ihrer Androhung politische Abweichler in der ihn tragenden Koalition disziplinieren (vgl. Bundeskanzler Schmidt 1982 und Bundeskanzler Schröder 2001): Er stellt sie ultimativ vor die Frage, ob sie alles in allem doch noch bereit sind, seine Politik mitzutragen, oder aber ob sie –&nbsp;sofern der Bundespräsident im Sinne des Bundeskanzlers entscheidet&nbsp;– für den zumindest vorläufigen Bruch der Regierung und ihrer Mehrheit verantwortlich sein wollen. Sie müssen sich fragen, ob sie bei der im Falle der negativen Beantwortung der Vertrauensfrage drohenden Neuwahl des Bundestages Chancen haben, wiedergewählt zu werden, oder ob die Parteimitglieder, die sie wieder nominieren müssen, beziehungsweise die Wähler ihr Verhalten als „Verrat“ an der Regierungsmacht betrachten und sie übergehen werden. Auch die Möglichkeit, dass ihre Partei bei einer Neuwahl die Regierungsgewalt verliert, muss in die Überlegungen einbezogen werden. Besondere Brisanz erhält die Vertrauensfrage, wenn sie mit einer Sachentscheidung ([[Gesetzentwurf]] oder einem anderen Sachantrag) verbunden ist: Eventuelle Abweichler müssen abwägen, ob sie faktisch die Gesamtpolitik des Bundeskanzlers ablehnen und Neuwahlen oder die Ausrufung des [[Gesetzgebungsnotstand]]es und damit die befristete Entmachtung des Bundestages auslösen wollen oder ob sie in Anbetracht dieser Alternativen bereit sind, eine aus ihrer Sicht ablehnungswürdige Sache doch mitzutragen. Im Vorfeld der ersten tatsächlichen Verbindung der Vertrauensfrage mit einem Sachantrag im November 2001 wurde von [[Feuilleton|publizistischer Seite]] bezweifelt, dass diese Art der Druckausübung auf Abgeordnete (politisch) zulässig sei. Auf diese Weise würden zwei nicht unmittelbar miteinander zusammenhängende Entscheidungen verknüpft; es entstünde ein Dilemma für diejenigen Abgeordneten, die auf diese Fragen verschiedene Antworten geben wollten. Dem wurde entgegnet, dass zumindest die Verknüpfung der Vertrauensfrage mit einem Gesetzentwurf im Grundgesetz ausdrücklich vorgesehen sei und dass eine Verknüpfung mit einem Sachantrag dann erst recht zulässig sei; der auf die Abgeordneten ausgeübte Druck sei von den Verfassern des Grundgesetzes so gewollt. === Geschichte === {| class="wikitable" |+ Überblick über die Vertrauensfragen |- style="background:#FFDEAD" ! Datum ! Bundeskanzler (Partei) ! Ja ! Nein ! Enthaltung ! abwesend/ungültig ! % Ja-Stimmen ! Vertrauen<br />ausgesprochen? ! Folge |- style="background:#FFF8DC;" |20. September 1972 <!-- Hinweis: Die Abstimmung erfolgte erst am 22. September 1972 --> |[[Willy Brandt]] ([[SPD]]) |align="right" |233 |align="right" |248 |align="right" |1 |align="right" |14 |align="right" |47% |align="center" |nein |Auflösung des Bundestages |- style="background:#FFF8DC;" |5. Februar 1982 |[[Helmut Schmidt]] (SPD) |align="right" |269 |align="right" |225 |align="right" |0 |align="right" |3 |align="right" |54,1% |align="center" |ja | |- style="background:#FFF8DC;" |17. Dezember 1982 |[[Helmut Kohl]] ([[CDU]]) |align="right" |8 |align="right" |218 |align="right" |248 |align="right" |23 |align="right" |1,6% |align="center" |nein |Auflösung des Bundestages |- style="background:#FFF8DC;" |16. November 2001 |[[Gerhard Schröder]] (SPD) |align="right" |336 |align="right" |326 |align="right" |0 |align="right" |4 |align="right" |50,5% |align="center" |ja | |- style="background:#FFF8DC;" |1. Juli 2005 |Gerhard Schröder (SPD) |align="right" |151 |align="right" |296 |align="right" |148 |align="right" |5 |align="right" |25,2% |align="center" |nein |Auflösung des Bundestages |} ==== 1966: Vertrauensfrage-Ersuchen ==== Die Vertrauensfrage nach Art.&nbsp;68 GG kam zum ersten Mal 1966 auf eine ungewöhnliche Weise in den Bundestag. Nachdem die Koalition von CDU/CSU und FDP unter Bundeskanzler [[Ludwig Erhard]] zusammengebrochen war, setzte die SPD ein „Vertrauensfrage-Ersuchen“ auf die Tagesordnung, mit Zustimmung der FDP im Ältestenrat. Das „Ersuchen“ am 8.&nbsp;November 1966 wurde sogar angenommen, mit 255 zu 246 Stimmen.<ref>Stenographische Berichte, 5. Wahlperiode, 70. Sitzung, S. 3302/3303.</ref> Bundeskanzler Erhard war nicht dazu verpflichtet, nach dem „Ersuchen“ tatsächlich die Vertrauensfrage zu stellen, was er empört auch nicht tat. Aber die SPD hatte ihr Ziel erreicht: Bei einem konstruktiven Misstrauensvotum hätte sie mit der FDP eine Regierung bilden und einen konkreten Kanzlerkandidaten wählen müssen. Dazu waren SPD und FDP noch nicht bereit, auch angesichts ihrer schwachen Mehrheit im Bundestag. Doch durch das „Vertrauensfrage-Ersuchen“ wurde überdeutlich demonstriert, dass Erhard endgültig die Zustimmung der FDP verloren hatte und diese auch keine Minderheitsregierung Erhards tolerieren würde. Am 1.&nbsp;Dezember kam es zur Großen Koalition von CDU/CSU und SPD unter Bundeskanzler [[Kurt Georg Kiesinger]]. An diesen Vorfall schloss sich die Diskussion an, ob so ein „Ersuchen“ verfassungskonform sei. Helmuth F. Liesegang bejahte dies im Grundgesetzkommentar von Münchs, denn die parlamentarische Regierungskontrolle habe Vorrang, und der Wortlaut des Grundgesetzes schlösse nicht aus, dass der Antrag nicht der Initiative des Kanzlers entspringt.<ref>Helmuth C. F. Liesegang im Grundgesetz-Kommentar von Münchs, Artikel 67, Rdnr. 8–9.</ref> Allerdings ist in der Folgezeit nie wieder ein „Vertrauensfrage-Ersuchen“ gestellt worden. ==== 1972: Willy Brandt ==== [[Datei:Bundesarchiv B 145 Bild-F057884-0009, Willy Brandt.jpg|thumb|150px|Willy Brandt,<br />4. Bundeskanzler (1969–1974)]] Die von Willy Brandt maßgeblich beförderten [[Ostverträge]], die die Aussöhnung mit [[Polen]] und der [[Sowjetunion]] unter Aufgabe maßgeblicher deutscher Positionen enthielten, waren zwischen 1970 und 1972 auf heftige Kritik der [[Vertriebene]]nverbände und der CDU/CSU gestoßen. Besonders die faktische Anerkennung der [[Oder-Neiße-Grenze]] verstieß nach Meinung der Kritiker gegen das [[Wiedervereinigungsgebot]] des Grundgesetzes. Seit 1970 waren Abgeordnete aus den Regierungsfraktionen von SPD und FDP zur Union gestoßen (beispielsweise der Vertriebenenfunktionär [[Herbert Hupka]], vorher SPD). Schließlich glaubte der Vorsitzende der CDU/CSU-Fraktion, [[Rainer Barzel]], eine Mehrheit für ein konstruktives Misstrauensvotum zu haben. Der von seiner Fraktion als neuer Bundeskanzler vorgeschlagene Barzel erhielt aber nur 247 Stimmen von 496 Abgeordneten, zwei Stimmen weniger als notwendig, und scheiterte. Nach dem Zerfall der [[DDR]] 1990 stellte sich heraus, dass die Gerüchte stimmten, die [[Ministerium für Staatssicherheit|Staatssicherheit der DDR (Stasi)]] habe zwei Abgeordnete bestochen, um Barzels Wahl zum Bundeskanzler zu verhindern. Andererseits gab es auch Gerüchte, dass die Abweichler der FDP vor der Abstimmung mit Geld zu Barzel gezogen worden seien. Insgesamt gab es nach der Abstimmung über das konstruktive Misstrauensvotum auf beiden Seiten Zweifel an der Loyalität einiger Abgeordneter zu ihren jeweiligen Lagern. Somit bestand weiterhin ein parlamentarisches Patt zwischen den verbliebenen Brandt-Unterstützern in SPD und FDP einerseits und der CDU/CSU mit den Überläufern andererseits. Dies spiegelte sich auch wider in der Abstimmung über den Haushalt für 1973. Diese ging 247:247 aus. Da eine Selbstauflösung des Bundestages verfassungsrechtlich nicht vorgesehen war und ist, stellte Brandt am [[20. September]] [[1972]] die Vertrauensfrage. In der Abstimmung am 22.&nbsp;September 1972 wurde Brandt das Vertrauen nicht ausgesprochen, da die Mitglieder der Bundesregierung nicht daran teilnahmen. Es handelte sich wegen der bewussten Herbeiführung der Niederlage um eine „unechte Vertrauensfrage“ (s.&nbsp;o.). Dennoch entsprach die Situation recht genau derjenigen, die vom Bundesverfassungsgericht zehneinhalb Jahre später dargestellt wurde: Brandt konnte sich seiner Mehrheit nicht mehr sicher sein. Es hatte vorher eine Niederlage bei der Verabschiedung des Bundeshaushaltes gegeben. Das Fernbleiben der Bundesminister bei der Vertrauensfrage war nur als Sicherstellung der Abstimmungsniederlage zu verstehen. Bereits einen Tag später, am 23.&nbsp;September 1972, löste [[Bundespräsident (Deutschland)|Bundespräsident]] [[Gustav Heinemann]] den Bundestag auf. Die [[Bundestagswahl 1972]] am 19.&nbsp;November bestätigte Brandts Koalition aus SPD und FDP deutlich: Erstmals wurde die SPD stärkste Fraktion im Bundestag. Es kann mit unterschiedlichem Ausgang darüber diskutiert werden, ob die Vorgänge im Bundestag mit dem Wahlausgang zu tun haben; in Betracht zu ziehen ist auch der damalige gesellschaftlich-kulturelle Trend und Brandts Versprechen von Reformen. ==== 1982: Helmut Schmidt ==== [[Datei:Schmidt.JPG|thumb|150px|Helmut Schmidt,<br />5. Bundeskanzler (1974–1982)]] Nachdem es in der seit 1969 regierenden Koalition aus SPD und FDP große Spannungen über den [[Bundeshaushalt]] 1982 gab, entschied sich Bundeskanzler [[Helmut Schmidt]] am [[3. Februar]] [[1982]], die Vertrauensfrage zu stellen. Ihren Kristallisationspunkt fanden die Diskussion in der Sozialpolitik, und besonders innerhalb der SPD-Fraktion herrschten Diskussionen über den [[NATO-Doppelbeschluss]] vor. In der Abstimmung am 5.&nbsp;Februar 1982 erhielt Schmidt ein positives Vertrauensvotum vom Parlament. Dennoch verschärften sich in der Folgezeit die innerparteilichen Streitigkeiten und auch die Unterschiede zur FDP. Trotz einer Kabinettsumbildung führte der Konflikt über den Bundeshaushalt 1983 schließlich zum Bruch der Koalition: Am 17.&nbsp;September 1982 erklärten die der FDP angehörenden [[Bundesminister (Deutschland)|Bundesminister]] ihren Rücktritt, am 1.&nbsp;Oktober wurde Bundeskanzler Schmidt durch ein [[Misstrauensvotum#Helmut Kohl gegen Helmut Schmidt 1982|konstruktives Misstrauensvotum]] von CDU/CSU und FDP gestürzt und [[Helmut Kohl]] zum Bundeskanzler gewählt. ==== 1982: Helmut Kohl ==== Bereits während der Koalitionsverhandlungen mit der FDP hatte Helmut Kohl den 6.&nbsp;März 1983 als Neuwahltermin in Aussicht gestellt. Da der Wiedereinzug der FDP in den Bundestag aufgrund interner Querelen und einer massiven Wahlniederlage in [[Hessen]] am 26.&nbsp;September 1982 gefährdet gewesen wäre, musste eine gewisse Zeitspanne zwischen Misstrauensvotum und Neuwahlen eintreten. Dies wäre möglich gewesen, indem Kohl als Bundeskanzler zurückgetreten wäre; anschließend hätte nach {{Art.|63|gg|juris}} des [[Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland|Grundgesetzes]] ein neuer Bundeskanzler gewählt werden müssen. Wäre dies (absichtlich oder nicht) gescheitert, hätte Bundespräsident [[Karl Carstens]] den Bundestag ebenfalls auflösen können. Da Helmut Kohl aber mutmaßlich den [[Amtsinhaber|Amtsbonus]] des Bundeskanzlers in den Bundestagswahlkampf mitnehmen wollte, kam für ihn diese Lösung nicht in Frage. Über die Vertrauensfrage stimmte das Parlament am [[17. Dezember]] [[1982]] ab. Obwohl erst am Tag zuvor der gemeinsame Bundeshaushalt für 1983 beschlossen worden war, sprach das Parlament dem Kanzler das Vertrauen nicht aus. Der [[Kabarettist]] [[Dieter Hildebrandt]] sprach damals bitter von einer „bemerkenswerten schauspielerischen Leistung des Parlaments“. Nach heftigen Diskussionen über die Verfassungsmäßigkeit des Vorganges entschied sich der Bundespräsident [[Karl Carstens]] am 7.&nbsp;Januar 1983 dafür, die Auflösung des Bundestages anzuordnen und Neuwahlen für den 6.&nbsp;März 1983 auszuschreiben. Das im Zuge dieser Diskussion angerufene [[Bundesverfassungsgericht]] konkretisierte in der Entscheidung [http://www.oefre.unibe.ch/law/dfr/bv062001.html BVerfGE 62, 1] die oben erwähnten Grundsätze, entschied sich dennoch dagegen, die Anordnung des Bundespräsidenten für verfassungswidrig zu erklären. Bundespräsident Carstens hatte offen erklärt, er werde zurücktreten, wenn das BVerfG die Parlamentsauflösung für verfassungswidrig erklären sollte. In der ebenfalls umstrittenen Urteilsbegründung führten die Bundesverfassungsrichter aus, dass aufgrund der Absprache mit der FDP über die Herbeiführung einer baldigen Neuwahl Bundeskanzler Kohl tatsächlich nicht mehr auf das Vertrauen der FDP-Bundestagsabgeordneten zählen konnte und das Verhalten daher verfassungsgemäß gewesen sei. Die [[Bundestagswahl 1983|Bundestagswahl vom 6. März 1983]] konnte die CDU/CSU klar für sich entscheiden, die FDP blieb trotz innerparteilicher Auseinandersetzungen und schwerer Verluste Koalitionspartner. ==== 2001: Gerhard Schröder ==== [[Datei:Gerhardschroeder01.jpg|thumb|150px|Gerhard Schröder,<br />7. Bundeskanzler (1998–2005)]] Nach den [[Terroranschläge am 11. September 2001|Terroranschlägen am 11. September 2001]] hatte Bundeskanzler [[Gerhard Schröder]] den [[Vereinigte Staaten|Vereinigten Staaten]] noch am selben Tag die „uneingeschränkte Solidarität“ Deutschlands zugesichert. Da die Ausbildung der Terroristen nach Angaben der USA maßgeblich im von den [[Taliban]] beherrschten [[Afghanistan]] stattgefunden hatte, forderte der UN-Sicherheitsrat die Auslieferung der Al-Qaida-Terroristen und autorisierte, nachdem die Taliban dieser Forderung nicht nachgekommen waren, militärische Zwangsmaßnahmen gegen das Regime. Diese fanden schließlich im November 2001 unter Führung der USA statt und führten zum Sturz der Taliban. Da auch die [[NATO]] den Bündnisfall festgestellt hatte, sollte sich die Bundesrepublik mit der [[Bundeswehr]] an diesem Krieg beteiligen. Nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes von 1994 („AWACS I“) bedarf jeder Einsatz der Bundeswehr außerhalb des NATO-Gebietes der Zustimmung des Bundestages. Innerhalb der Koalition aus SPD und [[Bündnis 90/Die Grünen]] kündigten einige Abgeordnete an, ihre Zustimmung zu verweigern. Obwohl durch die Unterstützung von CDU/CSU und FDP eine breite parlamentarische Mehrheit des Bundestages für den Einsatz der Bundeswehr sicher gewesen wäre, entschied sich Bundeskanzler Schröder, am [[16. November]] [[2001]] die Vertrauensfrage mit der Abstimmung über die Beteiligung der Bundeswehr am [[Krieg in Afghanistan seit 2001|Krieg in Afghanistan]] zu verbinden ''(sog. '''verbundener Vertrauensantrag''')''. In seiner Erklärung machte er deutlich, dass zwar einerseits eine breite parlamentarische Mehrheit wichtig sei und auch international wahrgenommen werde, er es jedoch als unerlässlich ansehe, dass er sich in einer so essentiellen politischen Entscheidung auf eine Mehrheit der ihn tragenden Koalition stützen müsse. CDU/CSU und FDP lehnten es ab, dem Bundeskanzler das Vertrauen auszusprechen und votierten daher gegen den verbundenen Antrag. Die Abgeordneten von SPD und Grünen stimmten mehrheitlich für den Antrag. Acht Grüne, die ursprünglich gegen den Einsatz der Bundeswehr stimmen wollten, teilten ihre Stimmen in vier Ja- und vier Nein-Stimmen auf. Damit wollten sie die Ambivalenz ihrer Stimmabgabe ausdrücken: Einerseits unterstützten sie die Gesamtpolitik der Koalition, andererseits waren sie gegen den Bundeswehreinsatz. Außerdem wäre wegen der Abwesenheit einiger CDU/CSU-Abgeordneter eine einfache Mehrheit für den Sachantrag ohnehin gesichert gewesen: Die acht Abgeordneten hätten bei gemeinsamer Ablehnung zwar die Bundesregierung gestürzt, den von ihnen abgelehnten Einsatz der Bundeswehr aber nicht verhindert. Aufgrund dieser Aufteilung erhielt der Antrag des Bundeskanzlers insgesamt 336 bei 334 benötigten Stimmen und 326 Gegenstimmen. Dem Bundeskanzler war damit knapp das Vertrauen ausgesprochen worden. Es entwickelte sich bei den Grünen eine heftige Diskussion innerhalb der Partei, die jedoch relativ schnell verebbte. Im Vorfeld dieser Vertrauensfrage beschäftigte sich der [[Wissenschaftlicher Dienst des Deutschen Bundestages|Wissenschaftliche Dienst des Bundestages]] mit dem Problem der gespaltenen Mehrheit: Während zur positiven Beantwortung der Vertrauensfrage eine ''absolute'' Mehrheit der Mitglieder des Bundestages vonnöten ist, genügt zur Annahme einer Sachentscheidung bereits die ''einfache'' Mehrheit. Es hätte also dazu kommen können, dass zwar dem Bundeskanzler das Vertrauen nicht positiv ausgesprochen wird, aber gleichzeitig eine Sachentscheidung in seinem Sinne getroffen wird. [[Bundestagspräsident]] [[Wolfgang Thierse|Thierse]] hat sich offenbar in Übereinstimmung mit dem wissenschaftlichen Dienst des Deutschen Bundestages zu Gunsten dieser unterschiedlichen Zählung der Mehrheit entschieden. ==== 2005: Gerhard Schröder ==== Nachdem am 22.&nbsp;Mai 2005 bei der [[Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen 2005]] die letzte [[Rot-Grüne Koalition|rot-grüne Koalition]] auf Landesebene abgewählt worden war, kündigte Bundeskanzler Gerhard Schröder noch am Wahlabend an, Neuwahlen anzustreben. Um die vorzeitige Auflösung des Bundestages und im Herbst 2005 [[Wahl zum 16. Deutschen Bundestag|vorgezogene Bundestagswahlen]] zu erreichen, wählte Schröder wie zuvor [[Helmut Kohl]] 1982 den Weg über die Vertrauensfrage. Am [[27. Juni]] [[2005]] übermittelte der Bundeskanzler dem Bundestag seinen Antrag, ihm das Vertrauen auszusprechen.<ref>[[Bundestagsdrucksache|BT-Drs.]] [http://dipbt.bundestag.de/dip21/btd/15/058/1505825.pdf 15/5825]</ref> Der Deutsche Bundestag befasste sich am 1.&nbsp;Juli 2005 in seiner 185.&nbsp;Sitzung als Tagesordnungspunkt 21 mit dem Antrag des Bundeskanzlers.<ref>[http://dipbt.bundestag.de/doc/btp/15/15185.pdf Plenarprotokoll 15/185]</ref> In der Debatte begründete der Kanzler seinen Antrag mit mangelnder Handlungsfähigkeit seiner Regierung und dem SPD-internen Konflikt rund um die [[Agenda 2010|Reformagenda 2010]]. Er könne sich einer „stabilen Mehrheit des Bundestages“ nicht mehr sicher sein. Zur Frage der Verfassungsmäßigkeit seines Antrages bezog sich der Bundeskanzler in der Debatte auf die Vertrauensfrage, die Helmut Kohl im Jahre 1982 gestellt hatte. In der anschließenden namentlichen Abstimmung wurde dem Bundeskanzler das Vertrauen nicht ausgesprochen. Von den 595 Abgeordneten, die eine gültige Stimme abgegeben hatten, stimmten 151 mit „Ja“, 296 mit „Nein“, 148 enthielten sich. Damit hatte der Antrag des Bundeskanzlers die erforderliche Mehrheit von mindestens 301 Ja-Stimmen nicht erreicht. Der Bundeskanzler schlug daraufhin am 13.&nbsp;Juli 2005 dem Bundespräsidenten die Auflösung des Bundestages gemäß Art.&nbsp;68 GG vor. Hierzu übersandte der Bundeskanzler dem Bundespräsidenten ein Dossier, welches seinen Vertrauensverlust im Bundestag bewies. Dieses Dossier enthielt die Begründung von Bundeskanzler Schröder, warum der 15.&nbsp;Bundestag frühzeitig vom Bundespräsidenten aufgelöst werden sollte. Bundespräsident [[Horst Köhler]] löste am 21.&nbsp;Juli 2005 den 15.&nbsp;Deutschen Bundestag auf und ordnete Neuwahlen für den 18.&nbsp;September 2005 an. Seine Ermessensentscheidung für eine Auflösung des Bundestages begründete er damit, dass Deutschland angesichts der großen Herausforderungen, vor denen das Land stehe, Neuwahlen brauche. Er könne nicht erkennen, dass eine andere Einschätzung der Lage der des Bundeskanzlers eindeutig vorzuziehen sei. Der Bundeskanzler habe ihm dargelegt, dass er sich nicht mehr auf die stetige Unterstützung des Bundestages für seine Reformpolitik verlassen könne. Der Bundespräsident werde, anders als [[Karl Carstens]] im Jahr 1983, nicht zurücktreten, falls das Bundesverfassungsgericht seine Auflösungsentscheidung für verfassungswidrig erklären sollte. Gegen die Auflösungsanordnung leiteten die Abgeordneten [[Jelena Hoffmann]] (SPD) und [[Werner Schulz]] (Bündnis 90/Die Grünen) am 1.&nbsp;August 2005 ein [[Organstreitverfahren]] vor dem [[Bundesverfassungsgericht]] gegen den Bundespräsidenten ein. Die Antragsteller hielten die von Bundeskanzler Schröder gestellte Vertrauensfrage für „unecht“, so dass die Voraussetzungen zur Auflösung des Bundestages ihrer Ansicht nach nicht gegeben seien. Sie befürchteten den Wandel zu einer [[Kanzlerdemokratie]]. Am 25.&nbsp;August 2005 verkündete das Bundesverfassungsgericht seine am 22.&nbsp;August 2005 mit 7 zu 1 Stimmen gefallene Entscheidung, dass die Auflösung des Bundestages mit dem Grundgesetz vereinbar sei. Die Anträge einiger [[Kleinpartei]]en, die insbesondere die Zulassungsvoraussetzungen reduzieren wollten, waren bereits am 8.&nbsp;August 2005 zurückgewiesen worden. Das Bundesverfassungsgericht äußerte sich hier jedoch nicht inhaltlich, sondern wies die auf eine Änderung der Zulassungsmodalitäten gerichteten Anträge wegen fehlender Antragsberechtigung bzw. wegen Verfristung ab. ''Siehe auch:'' [[Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Vertrauensfrage 2005]] == Deutschland: Bundesländer == Das [[Misstrauensvotum]] ist in nahezu allen Landesverfassungen verankert, nur [[Bayern]] kennt es nicht: Hier muss der Ministerpräsident zurücktreten, „wenn die politischen Verhältnisse ein vertrauensvolles Zusammenarbeiten zwischen ihm und dem Landtag unmöglich machen“ (Artikel&nbsp;44 Absatz&nbsp;3 der Bayerischen Verfassung). Ein konstruktives Misstrauensvotum ähnlich dem des Grundgesetzes ist üblich, es gibt aber in einigen Ländern die zeitliche Trennung zwischen Abwahl und Neuwahl ([[Berlin]] 21 Tage, [[Bremen]], [[Hessen]] 12 Tage, [[Rheinland-Pfalz]] vier Wochen, [[Saarland]] vier Wochen). Findet nach der Abwahl innerhalb der Frist keine Neuwahl statt, wird in einigen Fällen der Landtag aufgelöst, in den anderen (Berlin und Bremen) wird das Misstrauensvotum ungültig. Dem gegenüber ist die Vertrauensfrage als formales Instrument nicht so weit verbreitet: [[Brandenburg]], [[Hamburg]], [[Hessen]], [[Mecklenburg-Vorpommern]], das [[Saarland]], [[Sachsen-Anhalt]], [[Schleswig-Holstein]] und [[Thüringen]] haben sie im Verfassungstext erwähnt. Allen gemeinsam ist, dass die verfassungsrechtlichen Konsequenzen seitens des Ministerpräsidenten oder der Landesregierung enden, sobald der Landtag eine neue Regierung gewählt hat. Brandenburg kennt ein ähnliches Verfahren wie das Grundgesetz: Binnen 20 Tagen nach der negativen Beantwortung kann sich der Landtag selbst auflösen, danach hat der Ministerpräsident weitere 20 Tage zur Auflösung. Für Hamburg gilt, dass die Bürgerschaft sich binnen drei Monaten selbst auflösen kann oder nachträglich das Vertrauen aussprechen kann. Gibt es auch keine Neuwahl eines Senates, so kann der Senat innerhalb von zwei Wochen seinerseits die Bürgerschaft auflösen. In Hessen endet die Regierung mit der negativen Beantwortung der Vertrauensfrage. Der Landtag wird nach 12 Tagen aufgelöst, wenn keine Neuwahl stattfindet. Der hessische Ministerpräsident [[Roland Koch]] stellte am 12.&nbsp;September 2000 im Zusammenhang mit der [[CDU-Spendenaffäre]] die Vertrauensfrage. In namentlicher, also nichtgeheimer Abstimmung erhielt er alle 56 Stimmen seiner Koalition aus CDU und FDP. Ein ähnliches Verfahren wie in Hessen gilt auch im Saarland; hier beträgt die Frist drei Monate. In Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt kann das Parlament binnen zwei Wochen nach der negativen Beantwortung der Vertrauensfrage auf Antrag des Ministerpräsidenten vom Landtagspräsidenten aufgelöst werden, während in Schleswig-Holstein der Ministerpräsident dies selbst binnen zehn Tagen tun kann. In Thüringen gilt der Landtag drei Wochen nach der negativen Beantwortung automatisch als aufgelöst, wenn bis dahin keine Neuwahl stattgefunden hat. ===2009 in Schleswig-Holstein: Peter-Harry Carstensen === Im Juli 2009 stellte der schleswig-holsteinische Ministerpräsident [[Peter-Harry Carstensen]] die Vertrauensfrage, über die am 23. Juli im Landtag abgestimmt wurde. Sein Ziel war es, durch ein absichtliches Verlieren der Vertrauensfrage [[Landtagswahl in Schleswig-Holstein 2009|Neuwahlen]] zeitgleich zur [[Bundestagswahl 2009|Bundestagswahl]] herbeizuführen. Der Ministerpräsident führte als Grund das verlorengegangene Vertrauen in den Koalitionspartner an. Die Vertrauensfrage wurde mit 37 der 69 Stimmen der Abgeordneten erwartungsgemäß negativ beantwortet, sodass Neuwahlen zum schleswig-holsteinischen Landtag parallel zur [[Bundestagswahl 2009|Bundestagswahl]] am 27. September 2009 stattfinden konnten.<ref>vgl. [http://www.zeit.de/online/2009/31/kiel-carstensen-vertrauensfrage ''Kieler Landtag entzieht Carstensen das Vertrauen''] bei zeit.de, 23. Juli 2009</ref> == Europäische Staaten == Ein [[Misstrauensvotum]] zur Ablösung der Regierung ist in nahezu allen parlamentarischen Systemen üblich; [[Republik Zypern|Zypern]] als [[Präsidialsystem]] kennt es jedoch nicht. Eine Vertrauensfrage ist nicht ganz so häufig; oft sind die Auswirkungen einer negativ beantworteten Vertrauensfrage identisch oder ähnlich mit den Auswirkungen eines erfolgreichen Misstrauensvotums, so zum Beispiel in [[Dänemark]], [[Lettland]], [[Polen]], [[Portugal]], der [[Slowakei]], [[Spanien]] und [[Tschechien]], wo in beiden Fällen der Rücktritt der Regierung zu erfolgen hat. Oft wird nicht genau unterschieden zwischen einer Vertrauensfrage und einem Misstrauensvotum: Es gibt nur eine gemeinsame Regelung, so in [[Österreich]], wo die Versagung des Vertrauens ebenfalls den Rücktritt des betreffenden [[Bundesminister (Österreich)|Bundesministers]] oder der gesamten [[Bundesregierung (Österreich)|Bundesregierung]] zur Folge hat (Artikel&nbsp;74 des [[Bundes-Verfassungsgesetz]]es), oder in [[Schweden]], wo es nur ein entsprechendes Misstrauensvotum gibt. '''''Initiale Vertrauensfrage:''''' Ebenfalls üblich ist, dass eine neu gebildete Regierung in den Ländern, in denen sie vom [[Staatsoberhaupt]] ernannt und nicht vom Parlament gewählt wird, nach ihrer Ernennung die Vertrauensfrage stellt, so in [[Griechenland]], in [[Italien]] oder in [[Polen]]. In [[Bulgarien]] gilt dies sogar in doppelter Hinsicht: Die Verfassung erfordert, dass zunächst der Premierminister sich einer Vertrauensabstimmung in der Nationalversammlung stellt, nach seiner Vereidigung stellt er sein Kabinett vor und die Minister müssen sich ebenfalls einer Vertrauensabstimmung unterziehen. Fallen sie durch –&nbsp;wie etwa 2005 geschehen&nbsp;–, ist die gesamte Regierung suspendiert und der Präsident der Republik muss einer anderen Partei den Regierungsbildungsauftrag erteilen. In [[Finnland]] und [[Republik Irland|Irland]] erfolgt das Amtsende der Regierung bei fehlendem Vertrauen des Parlaments; dieses muss dem Verfassungstext zufolge nicht unbedingt formal ausgedrückt worden sein. Insofern erscheint diese Regelung derjenigen der [[Verfassung des Freistaates Bayern]] ähnlich. In [[Belgien]] gibt es eine Vertrauensfrage. Wird sie negativ beantwortet, so muss das Parlament binnen drei Tagen einen neuen Regierungschef wählen. Anderenfalls kann der König das Parlament auflösen. Das Misstrauensvotum muss entweder konstruktiv sein oder der König kann das Parlament auflösen. In [[Frankreich]] gilt jede [[Regierungserklärung]] faktisch als Vertrauensfrage. Der Regierungschef kann hier die Vertrauensfrage mit einem Gesetzentwurf verbinden. Die Vertrauensfrage und auch der Gesetzentwurf gelten dann als angenommen, wenn nicht innerhalb der folgenden 24 Stunden ein Misstrauensantrag erfolgt. In [[Slowenien]] folgt auf die negative Beantwortung der Vertrauensfrage entweder eine Neuwahl der Regierung oder die Auflösung des Parlamentes. Das Misstrauensvotum ist konstruktiv. == Einzelnachweise == <references/> == Literatur == ;Allgemein * {{Literatur |Autor=[[Klaus Stern (Rechtswissenschaftler)|Klaus Stern]] |Titel=Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland |Band=Bd.&nbsp;2: Staatsorgane, Staatsfunktionen, Finanz- und Haushaltsverfassung, Notstandsverfassung |Verlag=Beck |Ort=München |Jahr=1980 |ISBN=3-406-07018-3 }} * {{Literatur |Autor=Wolfgang Rudzio |Titel=Das politische System der Bundesrepublik Deutschland |Auflage=6. |Verlag=UTB |Ort=Stuttgart |Jahr=2003 |ISBN=3-825-21280-7}} * {{Literatur |Autor=Jürgen Plöhn |Titel=[http://books.google.com/books?id=tzUqPBKhnngC&pg=PA127&lpg=PA127&dq=%22Fehlkonstruktion+der+deutschen+Verfassung%3F%22&source=bl&ots=pd6ImthB_M&sig=H9BZYlHy7UXZpflAzGdKWJb57_w&hl=de&ei=egA8S_HiCYPt-AaLqoSdCg&sa=X&oi=book_result&ct=result&resnum=1&ved=0CAgQ6AEwAA#v=onepage&q=%22Fehlkonstruktion%20der%20deutschen%20Verfassung%3F%22&f=false „Konstruktives Mißtrauensvotum“ und „Vertrauensfrage“ im internationalen Vergleich – eine Fehlkonstruktion der deutschen Verfassung?] |Herausgeber=Jürgen Plöhn |Sammelwerk=Sofioter Perspektiven auf Deutschland und Europa. Studien zu Wirtschaft, Politik, Geschichte, Medien und Kultur |Verlag=Lit |Ort=Münster |Jahr=2006 |Seiten=127–165 |ISBN=3-8258-9498-3 }} (Politikwissenschaft, 133). * {{Literatur |Autor=Sebastian Deißner |Titel=Die Vertrauensfragen in der Geschichte der BRD |Verlag=VDM Verlag |Ort=Saarbrücken |Jahr=2009||ISBN=978-3639196481 |Gesamttitel=Politikwissenschaft, 133}} ;1972 * {{Literatur |Autor=[[Wolfgang Zeh]] |Titel=Kalendarium der Ereignisse auf dem Weg zur Auflösung des Bundestages am 22. September 1972 |Herausgeber=Klemens Kremer |Sammelwerk=Parlamentsauflösung. Praxis, Theorie, Ausblick |Verlag=Heymann |Ort=Köln, Berlin, Bonn, München |Jahr=1974 |Seiten=151–158 |ISBN=3-452-17787-4 }} * {{Literatur |Autor=Eckart Busch |Titel=Die Parlamentsauflösung 1972. Verfassungsgeschichtliche und verfassungsrechtliche Würdigung |Sammelwerk=[[Zeitschrift für Parlamentsfragen]] (ZParl) |Band=Jg.&nbsp;4 |Nummer=2 |Jahr=1973 |Seiten=213–246 |ISSN=0340-1758 }} ;1982 * {{Literatur |Autor=Klaus Bohnsack |Titel=Die Koalitionskrise 1981/82 und der Regierungswechsel 1982 |Sammelwerk=ZParl |Band=Jg.&nbsp;14 |Nummer=1 |Jahr=1983 |Seiten=5–32 }} * {{Literatur |Autor=Wolfgang Heyde, Gotthard Wöhrmann |Titel=Die Auflösung und Neuwahl des Bundestages 1983 vor dem Bundesverfassungsgericht |Verlag=C.&nbsp;F. Müller |Ort=Heidelberg |Jahr=1984 |ISBN=3-8114-8983-6 }} ;2001 * {{Literatur |Autor=[[Michael F. Feldkamp]] |Titel=Chronik der Vertrauensfrage von Bundeskanzler [[Gerhard Schröder]] im November 2001 |Sammelwerk=ZParl |Band=Jg.&nbsp;33 |Nummer=1 |Jahr=2002 |Seiten=5–9 }} ;2005 * Robert Chr. van Ooyen: Misstrauensvotum und Parlamentsauflösung. Prüfungsmaßstab für die Zulässigkeit "unechter" Vertrauensfragen aus verfassungspolitologischer Sicht; in: Recht und Politik, 3/2005, S. 137-141. * {{Literatur |Autor=[[Wolf-Rüdiger Schenke]], [[Peter Baumeister (Jurist)|Peter Baumeister]] |Titel=Vorgezogene Neuwahlen, Überraschungscoup ohne Verfassungsbruch? |Sammelwerk=[[Neue Juristische Wochenschrift]] (NJW) |Jahr=2005 |Seiten=1844–1846 |ISSN=0341-1915 }} * {{Literatur |Autor=[[Michael F. Feldkamp]] |Titel=Chronik der Vertrauensfrage des Bundeskanzlers am 1. Juli 2005 und die Auflösung des Deutschen Bundestages am 21. Juli 2005 |Sammelwerk=ZParl |Band=Jg.&nbsp;37 |Nummer=1 |Jahr=2006 |Seiten=19–28 }} * {{Literatur |Autor=[[Roman Dickmann]] |Titel=Das Kappen historisch-systematischer Taue einer Verfassungsnorm - Eine kritische Betrachtung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Bundestagsauflösung 2005 |Sammelwerk=[[Bayerische Verwaltungsblätter]] (BayVBl.) |Verlag=N.&nbsp;F. Boorberg |Ort=München |Jahr=2006 |Seiten=72–75 |ISSN=0522-5337 }} ;2008 * {{Literatur |Autor=[[Sven J. Podworny]] |Titel=Die auflösungsgerichtete Vertrauensfrage - unter besonderer Berücksichtigung der BVerfG-Urteile von 1983 und 2005 |Verlag=Carl Heymanns Verlag |Ort=Köln |Jahr=2008 |ISBN=978-3-452-26832-7 }} == Weblinks == {{Wiktionary|Vertrauensfrage}} * [http://www.bverfg.de/entscheidungen/es19830216_2bve000183.html Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Vertrauensfrage (BVerfG, 2 BvE 1/83 vom 16.2.1983)] * [http://www.bundesregierung.de/artikel-,413.62608/Vertrauensfrage.htm Information der Bundesregierung zur Vertrauensfrage] * [http://dipbt.bundestag.de/dip21/btp/14/14202.pdf PDF-Datei des stenografischen Protokolls der Debatte am 16. November 2001 über die Vertrauensfrage von Bundeskanzler Schröder] (445 kB) * [http://dipbt.bundestag.de/dip21/btp/15/15185.pdf PDF-Datei des stenografischen Protokolls der Debatte am 1. Juli 2005 über die Vertrauensfrage von Bundeskanzler Schröder] (334 kB) * [http://www.bverfg.de/entscheidungen/es20050825_2bve000405.html Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 25.8.2005 zu Vertrauensfrage und Neuwahlen 2005 ] {{Exzellent}} [[Kategorie: Politik (Deutschland)]] [[Kategorie:Staatsrecht]] [[en:Motion of Confidence]] [[es:Cuestión de confianza]] [[fr:Vote de confiance]] [[gl:Moción de confianza]] [[it:Voto di fiducia]] [[kn:ವಿಶ್ವಾಸಮತ]] [[no:Tillitsvotum]] [[pl:Wotum zaufania]] [[pt:Moção de confiança]] [[simple:Motion of Confidence]] [[tr:Güvenoyu]] [[ur:تحریک اعتماد]] 431ua2wt8qrez6uf2uz12wwiv1ayhbu wikitext text/x-wiki Vestalin 0 24439 27038 2010-04-01T09:59:03Z JKS 0 /* Berufung der Vestalin */ [[Datei:Vestalin-2.jpg|thumb|200px|right|Statue einer römischen Vestalin]] Als '''Vestalin''' ([[Latein|lat.]] ''virgo Vestalis'' „vestalische Jungfrau“; ursprünglicher amtlicher Titel: ''sacerdos Vestalis'' „vestalische Priesterin“) bezeichnet man eine [[Römisches Reich|römische]] Priesterin der Göttin [[Vesta]]. Die Priesterschaft der Vestalinnen bestand aus sechs (in der Spätantike sieben) Priesterinnen, die im Alter von sechs bis zehn Jahren für eine mindestens dreißigjährige Dienstzeit berufen wurden. Ihre Hauptaufgabe war das Hüten des Herdfeuers im [[Tempel der Vesta]], das niemals erlöschen durfte, sowie das Holen des Wassers aus der heiligen Quelle der [[Nymphe]] [[Egeria (Mythologie)|Egeria]], das zur Reinigung des Tempels verwendet wurde. Daneben stellten sie die ''mola salsa'' (eine Mischung aus Salzwasser und Getreideschrot) sowie das ''[[suffimen]]'' (Asche ungeborener Kälber) her, die bei bestimmten [[Kult]]handlungen benötigt wurden. Im Bereich des Kultes unterstanden die Vestalinnen dem Kollegium der [[Pontifex|Pontifices]] und insbesondere dem [[Pontifex maximus]] als Disziplinarvorgesetztem. Ihr persönlicher sozialer Status entsprach in vieler Hinsicht dem eines römischen Mannes, doch verfügten sie darüber hinaus über zahlreiche Sonderrechte. Während ihrer Dienstzeit waren die Vestalinnen zu absoluter Keuschheit verpflichtet. Der Verlust der Jungfräulichkeit einer Vestalin galt als schweres Unheil für das römische Gemeinwesen. Eine unkeusche Vestalin wurde aus der Priesterschaft entfernt und [[lebendig begraben]]. == Geschichte der Priesterschaft == Die Umstände, die zur Entstehung der Priesterschaft der Vestalinnen geführt hatten, waren schon in der [[Antike]] Gegenstand sagenhafter Spekulationen und konnten auch durch die neuzeitliche Geschichtswissenschaft nicht definitiv geklärt werden. Gelegentlich wurde in der Forschung angenommen, dass die Vestalinnen ursprünglich für Menschenopfer bereitgehaltene Jungfrauen waren oder dass sie in republikanischer Zeit die kultischen Pflichten übernahmen, die zuvor die Töchter des Königs ausgeübt hatten. Diese Hypothesen werden heute jedoch als unbegründete Spekulationen abgelehnt. Der römischen Sage zufolge bestand der Vestakult bereits vor der Gründung Roms in [[Lavinium]] und wurde von dort nach [[Alba Longa]] und nach Rom übertragen. Jedenfalls existierte in Alba Longa eine Gemeinschaft von Vestalinnen schon zur Zeit der römischen Könige; sie ist noch im späten 4. Jahrhundert n. Chr. bezeugt. In [[Tivoli (Latium)|Tibur]] sind Vestalinnen erst kaiserzeitlich durch Inschriften belegt. Da keine Parallelen außerhalb der Region [[Latium]] bekannt sind, ist davon auszugehen, dass die Priesterschaft der Vestalinnen dort entstanden ist und keine fremden Vorbilder hatte. [[Datei:Adam Elsheimer 006.jpg|thumb|250px|left|Landschaft mit dem Vestatempel in [[Tivoli (Latium)|Tivoli]]<br /><small>[[Adam Elsheimer]], Öl auf Holz, um 1600</small>]] Die Kultaufgaben der Vestalinnen waren angeblich von König [[Numa Pompilius]] festgelegt worden. Der fünfte König [[Tarquinius Priscus]] soll später die Disziplinargewalt des Pontifex maximus eingeführt haben, während die Festlegung der Anzahl von sechs Priesterinnen seinem Nachfolger [[Servius Tullius]] zugeschrieben wurde; vorher sollen es vier gewesen sein. Die Angaben der Quellen weichen teilweise voneinander ab und sind in der Forschung umstritten, müssen aber nicht in ihrer Gesamtheit als unglaubwürdig betrachtet werden; jedenfalls geht die Einrichtung tatsächlich auf die Königszeit zurück. Die Gemeinschaftsorganisation der Priesterschaft und die kultischen Aufgaben der Vestalinnen blieben von der Zeit der ersten zuverlässigen Belege im 3. Jahrhundert v. Chr. bis in die [[Spätantike]] weitgehend unverändert. Für die Spätantike ist eine Erhöhung der Anzahl der Vestalinnen auf sieben zuverlässig bezeugt. Zwar erhielten die Vestalinnen noch im Jahre 370 n. Chr. eine kaiserliche Bestätigung ihrer Sonderrechte, doch lassen sich in der zweiten Hälfte des 4. Jahrhunderts n. Chr. Auflösungstendenzen feststellen. In einem Fall ist bezeugt, dass eine Vestalin zum [[Christentum]] konvertierte. Im Zuge seiner Bestrebungen, das Christentum zur alleinigen Religion des [[Römisches Reich|Römischen Reiches]] zu machen, löste Kaiser [[Theodosius I.]] im Jahre 391 n. Chr. die Priesterschaft offiziell auf.<ref>Zum 4. Jahrhundert siehe Stefano Conti: ''Tra integrazione ed emarginazione: le ultime Vestali'', in: ''Studia historica: Historia antigua'' 21, 2003, S. 209-222.</ref> == Eignungskriterien, Berufung und sozialer Status der Vestalinnen == === Eignungskriterien === Beim Tod oder beim Ausscheiden einer Vestalin aus der Priesterschaft wurde durch den [[Pontifex maximus]] eine Nachfolgerin berufen, die strenge Eignungskriterien erfüllen musste und nach einem bestimmten Verfahren in ihr Amt eingesetzt wurde. Die dazu bekannten Details basieren hauptsächlich auf der Darstellung bei [[Aulus Gellius]], ''Noctes Atticae'' 1.12 (2. Jh. n. Chr.), der aus mittlerweile verlorenen Schriften der Juristen [[Marcus Antistius Labeo]] († ca. 10 n. Chr.) und [[Gaius Ateius Capito]] († 22 n. Chr.) zitiert. Ein zum Dienst an der Göttin Vesta berufenes Mädchen musste im Einzelnen folgende Eignungskriterien erfüllen: * Sie musste zwischen sechs und zehn Jahre alt sein. * Sie durfte keinen Sprachfehler und keine körperliche Behinderung haben. * Beide Eltern mussten noch leben. * Der Vater des Mädchens musste die [[Patria potestas]], die väterliche Rechtsgewalt, über die Familie ausüben, das heißt, er durfte nicht mehr unter der Rechtsgewalt seines Vaters stehen, die in der Regel erst durch dessen Tod endete. * Kein Elternteil durfte Sklave gewesen sein oder seinen Lebensunterhalt mit ''negotia sordida'' („schmutzigen Geschäften“) verdient haben. Vermutlich sind hier Tätigkeiten gemeint, die eines ehrbaren Römers unwürdig sind, etwa [[Zuhälterei]], [[Prostitution]], Schauspielerei, eventuell auch Tätigkeiten in der Finanzwirtschaft. * Der Wohnsitz des Vaters musste in Italien liegen. * Der Vater durfte kein offizielles Priesteramt ausüben, und keine Schwester durfte bereits Vestalin sein. === Berufung der Vestalin === Über das Berufungsverfahren selbst ist wenig bekannt. [[Aulus Gellius|Gellius]] gibt an, zu diesem Thema lediglich ein älteres Gesetz unbestimmten Datums gefunden zu haben, das hierüber Auskunft gibt (''Noctes Atticae'' 1.12.10). Demnach wählte der Pontifex maximus zunächst aus dem Volk 20 geeignete Kandidatinnen aus, aus denen die neue Vestalin durch Losverfahren ermittelt wurde. Zu Gellius’ Lebzeiten wurde dieses Verfahren jedoch nicht mehr angewendet, sondern es war nun üblich, dass Angehörige der Oberschicht dem Pontifex maximus von sich aus ihre Töchter für das Priesteramt anboten. Allerdings gab es in der Kaiserzeit häufig Schwierigkeiten, eine vakante Vestalinnenstelle neu zu besetzen, da sich nur wenige Familien tatsächlich bereit erklärten, eine Tochter für dieses Amt herzugeben. Die Berufung führte der Pontifex maximus durch, indem er der Kandidatin die Hand auflegte, sie durch die Berufungsformel in den Dienst aufnahm und sie ins ''[[Haus der Vestalinnen|Atrium Vestae]]'', den Wohn- und Dienstsitz der Vestalinnen, wegführte. Gellius überliefert folgende Berufungsformel (''Noctes Atticae'' 1.12.14): :''Dich, Amata, ergreife ich als vestalische Priesterin, die die heiligen Handlungen ausführen soll, wie sie die Vestalin nach Recht und Gesetz zum Wohle des römischen Volkes und der [[Quiriten]] auszuführen hat (Sacerdotem Vestalem, quae sacra faciat, quae ius sciet sacerdotem Vestalem facere pro populo Romano Quiritibus, uti quae optima lege fuit, ita te, amata capio).'' Die Bezeichnung der eigentlichen Berufung durch den Begriff ''capere'', „ergreifen“, „festnehmen“ bzw. „jemanden als Kriegsgefangenen festnehmen“ sowie die Ansprache der Vestalin als ''amata'' wurden bereits in der Antike diskutiert, da ihr Sinn nicht mehr unmittelbar einleuchtete. [[Datei:RomaCasaVestaliDaPalatinoOvest.JPG|thumb|300px|Die Überreste des ''Atrium Vestae'' (vom [[Palatin (Rom)|Palatin]] aus gesehen)]] Nach Gellius sprach man von ''capere'', weil die Vestalin von ihrem Vater wie eine Kriegsgefangene weggeführt wurde (''Noctes Atticae'' 1.12.13). Allerdings wurde dieser Begriff auch bei der Berufung der [[Pontifex|Pontifices]], [[Augur]]en und des [[Flamen (Religion)|Flamen Dialis]] verwendet, bei denen keine Analogien zu einer Gefangennahme erkennbar sind (''Noctes Atticae'' 1.12.15). Möglicherweise hatte ''capere'' in diesem Zusammenhang ursprünglich die Bedeutung „jemanden zu einem Amt bestimmen, ohne dass er sich diesem Beschluss widersetzen kann“. Diese Frage hat bisher nicht plausibel geklärt werden können. Ebenfalls unklar ist der Kultname ''Amata'', mit dem die Kandidatin angesprochen wird. Gellius begründet dies damit, dass dies der Name der ersten Vestalin gewesen sei, gibt aber dafür keinen Beleg an (''Noctes Atticae'' 1.12.19). Tatsächlich steht dies im Widerspruch zu anderen Überlieferungen, da etwa [[Plutarch]] die Namen der ersten Vestalinnen mit Getania und Verenia angibt (''Numa'' 10.1). Einige Forscher vermuteten einen Zusammenhang zu [[Amata]], der Mutter [[Lavinia (römische Mythologie)|Lavinias]], andere dachten an Ableitung von der Grundbedeutung von lat. ''amata'' als „Geliebte“ (in diesem Fall: Geliebte der Götter) oder an griechisch ''ádmetos'' oder ''adámatos'' („jungfräulich“). Der Name ''Amata'' wurde nur in der Berufungsformel angewendet und spielte offenbar im Kult keine Rolle. === Sozialer Status der Vestalin === Durch die Berufung zur Vestalin schied das Mädchen aus der [[Patria potestas]] ihres Vaters aus und erhielt die volle rechtliche Selbständigkeit. Die in der älteren Forschung gelegentlich geäußerte Annahme, dass sie unter der Patria potestas des Pontifex maximus als eines symbolischen Vaters oder Ehemanns stand, hat sich als irrig erwiesen. Zusätzlich zur rechtlichen Selbständigkeit besaß die Vestalin die vollständige Kontrolle über ihr Eigentum und konnte ihr Vermögen selbständig verwalten. Damit besaß sie außerordentliche Privilegien, da andere [[Frauen im Römischen Reich|Frauen]] mindestens bis in die frühe Kaiserzeit hinein stets die Zustimmung eines männlichen Tutors benötigten, um rechtsgültige Geschäfte abschließen zu können. In juristischer Hinsicht hatte die Vestalin keine Verwandten, da sie durch das Ausscheiden aus der Patria potestas ihren Familienverband verlassen hatte, ohne in einen anderen einzutreten. Nach [[Marcus Antistius Labeo|Antistius Labeo]] (zitiert bei Gellius, ''Noctes Atticae'' 1.12.18) war sie daher gegenüber keiner Person erbberechtigt und konnte ihr Vermögen auch keiner Einzelperson vererben, so dass ihr Besitz nach ihrem Tod öffentliches Eigentum wurde. Die Rechtsgrundlage dieser Verhältnisse war jedoch bereits zu Labeos Zeiten umstritten. [[Datei:Temple of Vesta.jpg|thumb|200px|left|Überreste des [[Tempel der Vesta|Tempels der Vesta]]]] In der Forschung wird gelegentlich angenommen, dass die Vestalin deshalb keinem Familienverband angehörte, weil sie als symbolische beziehungsweise ideelle Verwandte der gesamten römischen Bürgerschaft angesehen wurde und somit keine familiären Beziehungen zu bestimmten Einzelpersonen besitzen konnte. In diesem Sinne könnte die Versorgung des Feuers im [[Tempel der Vesta]] eine Analogie zum Hüten des Herdfeuers in einem Privathaus darstellen, so dass man die Vestalinnen gleichsam als die symbolischen [[Mater Familias|Matres familiae]] des römischen Volkes beziehungsweise des römischen Staates ansehen könnte. Diese Vermutung könnte auch durch die Aussage [[Plinius der Jüngere|Plinius des Jüngeren]] gestützt werden, der angab, dass kranke Vestalinnen weder von ihren Kolleginnen noch von Verwandten gepflegt werden, sondern der Obhut einer vom Pontifex maximus ausgewählten Frau anvertraut werden (''Epistulae'' 7.19.2). Solche Hypothesen sind freilich sehr spekulativ, da einerseits die tatsächliche Bedeutung des Feuers im [[Tempel der Vesta]] unbekannt ist, andererseits aber auch die von Plinius erwähnte Vestalin Iunia ausgerechnet von ihrer Schwägerin Fannia gepflegt wurde. Ungeachtet ihrer juristischen Stellung pflegten die Vestalinnen dieselben familiären Bindungen wie andere Römer. Daher wurde etwa das Verhalten der Vestalin Claudia, die im Jahre 143 v. Chr. ihren Vater durch ihren sakralen Status vor den Übergriffen eines [[Volkstribun]]en schützte, als Vorbild für die Pflichterfüllung einer Tochter gegenüber ihren Eltern angesehen ([[Marcus Tullius Cicero|Cicero]], ''Rede für Caelius'' 34; [[Valerius Maximus]] 5.4.6; [[Sueton]], Tiberius 2.4). Ebenso war für die zeitgenössischen Römer die Argumentation Ciceros einleuchtend, der in seiner Verteidigungsrede für Fonteius (69 v. Chr.) die Richter bat, den Angeklagten um seiner Schwester willen milde zu behandeln, da sie im Falle seiner Verurteilung als ehe- und kinderlose Vestalin ansonsten völlig alleine sei (Cicero, ''Rede für Fonteius'' 21). Tatsächlich wurden auch Ehreninschriften für prominente Vestalinnen gefunden, auf denen der Name des Vaters (die sogenannte [[Römische Namen|Filiation]]) angegeben war<ref>So etwa für Flava Publicia: {{CIL|6|32414}}–32419.</ref>, der offiziell zur vollständigen Namensbezeichnung einer Person gehörte. Der Großteil der Vestalinnen gehörte offensichtlich der senatorischen Oberschicht an, wie an den überlieferten Namen zu erkennen ist, die auf Zugehörigkeit zu Familien der Nobilität hinweisen (zum Beispiel [[Aemilier|Aemilia]], [[Claudier|Claudia]], [[Cornelier|Cornelia]], [[Licinier|Licinia]]). Ebenso spricht für diese Annahme der Umstand, dass die Vestalinnen häufig über ein großes Vermögen verfügten, das vermutlich aus Schenkungen reicher Verwandter und Freunde stammte. Auch der politische Einfluss, den manche Vestalinnen ausübten (zum Beispiel Licinia, die 63 v. Chr. ihren Verwandten [[Lucius Licinius Murena (Konsul 62 v. Chr.)|Murena]] im Wahlkampf unterstützte), setzte die Zugehörigkeit zu einer gehobenen Gesellschaftsschicht voraus. === Besondere Privilegien der Vestalinnen === In der Öffentlichkeit wurde eine Vestalin stets von einem [[Liktor]] begleitet, was insofern außergewöhnlich war, als der Liktor das Symbol politischer Macht darstellte und daher ansonsten nur offiziellen Magistraten wie dem [[Consulat|Konsul]] oder dem [[Prätor]] zustand. Unter den Priestern besaß lediglich der [[Flamen (Religion)|Flamen Dialis]] einen Liktor, der als Symbol sakraler Kompetenz angesehen wurde, was darauf schließen lässt, dass auch der Liktor der Vestalinnen eine ähnliche Bedeutung hatte. Insbesondere der Umstand, dass einer Frau die Begleitung eines Liktors zugestanden wurde, ist in der römischen Gesellschaft außerordentlich. Darüber hinaus besaßen die Vestalinnen das Recht, im Zirkus und im Theater auf den für die Senatoren reservierten Ehrenplätzen zu sitzen. Sie durften zu Opferhandlungen in der Stadt mit dem Wagen fahren, was ansonsten nur zeitweise den verheirateten Frauen erlaubt war. Unter Augustus erhielten sie das ''ius trium liberorum'' („[[Lex Iulia et Papia|Dreikinderrecht]]“), das Männern und Frauen mit drei oder mehr Kindern besondere Vorrechte einräumte. Anders als gelegentlich in der Literatur erwähnt, hatten die Vestalinnen jedoch nicht das Recht, zum Tode Verurteilte zu begnadigen. Allerdings wurden Gefangene, die auf dem Weg zur Hinrichtung zufällig einer Vestalin begegneten, freigesprochen, sofern die Priesterin eidlich versicherte, dass sie diese Begegnung nicht absichtlich herbeigeführt hatte. Die Hintergründe dieser Verhältnisse sind ebenso unklar wie der von [[Plutarch]] im gleichen Zusammenhang erwähnte Glaube, dass jeder, der unter der Sänfte einer Vestalin hindurchgehe, sterben müsse (''Numa'' 10.6). == Pflichten und Aufgaben der Vestalinnen == [[Datei:Casa-vestali.png|thumb|left|300px|Rekonstruktion des ''Atrium Vestae'' von Christian Hülsen (1905)]] Die Gemeinschaft der Vestalinnen lebte im sogenannten ''[[Haus der Vestalinnen|Atrium Vestae]]'' („Haus“ bzw. „Halle der Vesta“), einem Gebäude in der Nachbarschaft des [[Tempel der Vesta|Tempels der Vesta]]. Damit waren sie die einzigen römischen Priester, die eine Dienstwohnung besaßen. Verfehlt ist jedoch die frühere Vermutung, dass sie dort wie in einem Kloster lebten und nur zur Verrichtung ihrer Dienstpflichten das Haus verlassen durften. Vielmehr nahmen die Vestalinnen am normalen römischen Gesellschaftsleben teil. Über die innere Organisation der Priesterschaft ist fast nichts bekannt. Es ist umstritten, ob die Vestalinnen lediglich gemeinsam tätige Einzelpriesterinnen waren oder ob sie, wie etwa die [[Pontifex|Pontifices]] und die [[Augur]]en, ein Kollegium bildeten. Eine besondere Ehrenstellung besaß die ''Virgo Vestalis Maxima'', die „(dienst-) älteste vestalische Jungfrau“, doch ist nicht bekannt, ob sie auch eine offizielle Vorrangstellung im Sinne einer Vorsitzenden besaß. Ebenso unbekannt ist, ob sich die Disziplinargewalt des [[Pontifex maximus]], die dieser in kultischen Fragen ausübte, auch auf die Organisation des Gemeinschaftslebens und das Privatleben der einzelnen Priesterinnen erstreckte. Nach [[Plutarch]] verbrachten sie die ersten zehn Jahre ihrer Dienstzeit als Schülerin, weitere zehn Jahre verrichteten sie als Priesterinnen ihren Dienst und die letzten zehn Jahre fungierten sie als Lehrerinnen der jungen Vestalinnen (''Numa'' 10.2). Wie diese schematische Karriere in der Praxis ablief, ist jedoch unbekannt. Nach Ablauf ihrer dreißigjährigen Dienstpflicht durfte die Vestalin ihren Dienst beenden, heiraten und ein normales bürgerliches Leben führen. Allerdings sollen nur wenige Vestalinnen diese Option genutzt haben. Die wenigen, die es taten, seien nicht glücklich mit diesem Entschluss geworden, da sie die Umstellung auf eine vollkommen andere Lebensform nicht verkrafteten (Plutarch, ''Numa'' 10.4). Tatsächlich gibt es keinen sicheren Beleg für die erfolgreiche Rückkehr einer ehemaligen Vestalin ins bürgerliche Leben. Über eine mögliche Amtstracht der Vestalinnen lassen sich nur Spekulationen anstellen. Lediglich eine einzige Quelle<ref>Festus, S. 454 Lindsay.</ref> erwähnt eine besondere Frisur mit sechs Zöpfen, die auch von der Braut zur Hochzeit getragen wurde und anscheinend im Zusammenhang mit der Jungfräulichkeit steht. Genaue Aussagen lassen sich daraus jedoch nicht ableiten, da der Text nur sehr lückenhaft überliefert und daher kaum verständlich ist. Noch weniger ist über die Kleidung der Vestalinnen bekannt. [[Plinius der Jüngere]] erwähnt zwar die Stola einer Vestalin (''Epistulae'' 4.11.9), beschreibt aber nicht deren Aussehen. Daher ist die Annahme, die Vestalinnen hätten die gleiche Stola getragen wie eine verheiratete Frau ([[#Literatur|Lit.]]: [[Mary Beard (Althistorikerin)|Mary Beard]], 1980), bisher nicht belegt. Die Deutung der auf Bildwerken dargestellten Kleidung einzelner Vestalinnen ist in der Forschung umstritten. Als Hauptaufgabe und Grund für die Einrichtung der Priesterschaft nennen die antiken Quellen das Hüten des Herdfeuers der Vesta im [[Tempel der Vesta|Vesta-Tempel]], das niemals ausgehen durfte und nur am 1. März, dem alten Jahresanfang, rituell gelöscht und neu entfacht wurde. In historischer Zeit wurde dieses Feuer als Symbol politischer Stabilität verstanden, so dass sein Verlöschen als unheilvolles Vorzeichen beziehungsweise als Ursache kommenden Unheils empfunden wurde. Die diensthabende Vestalin, die für das Verlöschen verantwortlich war, wurde vom Pontifex maximus persönlich ausgepeitscht. Da Feuer als Symbol der Reinheit galt, hielten einige antike Autoren Jungfrauen aufgrund ihrer sexuellen Reinheit für besonders geeignet, das Herdfeuer der Vesta zu betreuen, doch lässt sich nicht mehr erkennen, ob diese Vorstellung die Grundlage für die Einrichtung des Priesterkollegiums darstellte oder ob es sich um einen Erklärungsversuch aus späterer Zeit handelte. Verfehlt ist die Ansicht, dass das Verlöschen des Feuers als Zeichen für den Verlust der Jungfräulichkeit einer Vestalin angesehen wurde ([[#Literatur|Lit.]]: Staples, 1998, S. 150 f.), da beide Ereignisse in keiner antiken Quelle miteinander in Beziehung gesetzt werden. [[Datei:RomaForoRomanoTempioVesta.jpg|thumb|200px|Ruinen des Tempels der Vesta]] Zur Reinigung des [[Tempel der Vesta|Tempels der Vesta]] holten die Vestalinnen täglich Wasser von der Quelle der [[Egeria (Mythologie)|Egeria]], was von den antiken Autoren neben dem Hüten des Feuers als eine der Hauptaufgaben der Priesterinnen gesehen wurde. Die Quelle lag außerhalb der Stadtmauern im Hain der [[Camena]]e und galt als heiliger Ort, da sich dort König [[Numa Pompilius]], der sagenhafte Gründer der Vestalinnen-Gemeinschaft, mit der Quellnymphe Egeria getroffen und von ihr Ratschläge eingeholt haben soll. Darüber hinaus war dort zu seiner Regierungszeit das ''[[Ancile]]'' vom Himmel geschwebt, ein heiliger Schild, der als Garant politischer Stabilität und Unversehrtheit des römischen Gemeinwesens galt. Ob zwischen diesen mythischen Ereignissen und dem Wasserholen der Vestalinnen ein Zusammenhang besteht, ist umstritten. Reine Spekulation ist die gelegentlich in der Forschungsliteratur geäußerte Annahme, diese Tätigkeit als Analogie zum Wasserholen römischer Frauen an einem Brunnen oder Wasserverteiler anzusehen und die Vestalinnen dadurch gleichsam als symbolische [[Mater Familias|Matres familiae]] des gesamten römischen Staates beziehungsweise Volkes anzusehen. Eher denkbar wäre, dass sie lediglich an einer Tradition festhielten, die zu einer Zeit entstanden war, als es noch keine Wasserversorgung in der Stadt selbst gab. Möglicherweise messen die antiken Quellen dem Wasserholen auch lediglich deshalb so große Bedeutung bei, da das Wasser als das Gegenelement des im Vesta-Kult zentralen Feuers angesehen wurde. Neben diesen Aufgaben stellten die Vestalinnen auch Materialien für Kult- und Opferhandlungen her. Dies ist zum einen die ''mola salsa'', eine Mischung aus Salzwasser und Getreideschrot, die bei allen römischen Opfern verwendet wurde. Zum anderen fertigte die ''Virgo Vestalis Maxima'', die '(dienst-) älteste Vestalin' bei den [[Fordicidien]], einem Opfer trächtiger Kühe zu Ehren der Göttin [[Tellus]], das ''[[suffimen]]'' an. Dabei handelte es sich um die Asche ungeborener Kälber, die bei den [[Parilia]], einem Fest zur Gründung Roms, ins Opferfeuer gestreut wurde. == Die Jungfräulichkeit der Vestalinnen == Die Jungfräulichkeit der Vestalinnen ist ein in der gesamten antiken Mittelmeerwelt singuläres Phänomen, das nicht anhand bekannter römischer kultureller Vorstellungen zu erklären ist, da die Römer keine besondere Wertschätzung des ehelosen Standes oder der sexuellen [[Askese]] kannten. Die Vestalinnen lassen sich daher weder als Analogien zu [[Christentum|christlichen]] [[Ordensschwester|Nonnen]] erklären noch können sie als deren [[Heidentum|paganes]] Vorbild angesehen werden. Vielmehr haben die [[Kirchenväter]] vom 3. bis zum 5. Jahrhundert ein sehr negatives Bild der Vestalinnen gezeichnet.<ref>Corinne Leveleux: ''Des prêtresses déchues: l’image des Vestales chez les Pères de l’Eglise latine'', Paris 1995, bes. S. 145-158.</ref> Antike Begründungen für die Keuschheit sind zumeist rein spekulativ und versuchen, das Phänomen sekundär zu erklären. So sieht [[Titus Livius|Livius]] den Grund darin, dass sie als Jungfrauen besonders „verehrungswürdig und unantastbar“ seien (Livius 1.20.3). [[Plutarch]] referiert Annahmen, dass zur Bewahrung des als Symbol der Reinheit verstandenen Feuers Jungfrauen aufgrund ihrer sexuellen Reinheit besonders geeignet seien (''Numa'' 9.10), doch lassen sich entsprechende Ansichten nicht für die zu vermutende Entstehungszeit der Priesterschaft nachweisen. Möglicherweise standen ursprünglich rein praktische Erwägungen im Vordergrund, wie Plutarch ebenfalls erwägt (''Numa'' 9.10-11), indem er auf vergleichbare heilige Feuer in Griechenland verweist. Diese wurden von Frauen betreut, die das fruchtbare Alter überschritten hatten und daher nicht mehr durch die Lasten der Schwangerschaft und Kindererziehung in ihrem Dienst beeinträchtigt wurden. Ähnliche Gründe könnten der Jungfräulichkeit der Vestalinnen zugrunde gelegen haben, aber in historischer Zeit in Vergessenheit geraten sein, so dass die nun nicht mehr verstandene Jungfräulichkeit Raum für allerlei spekulative Deutungen bot. Der Volksglaube schrieb den Vestalinnen Wundertaten zu. So sollen sie in der Lage gewesen sein, einen entflohenen Sklaven zum Stehen zu bringen, sofern er die Stadt Rom noch nicht verlassen hatte. Darin drückt sich die Vorstellung einer örtlichen Begrenzung des Machtbereichs der Gottheit und des Aufgabenbereichs der Vestalinnen aus. Die der Unkeuschheit verdächtigten Vestalinnen Aemilia und Tuccia konnten ihre Unschuld angeblich dadurch beweisen, dass sie Wasser mit einem Sieb aus dem Tiber schöpften und zur Stadt trugen, ohne dabei einen Tropfen zu verschütten. == Der Verlust der Jungfräulichkeit == [[Datei:024 Domitian.jpg|thumb|200px|left|Kaiser Domitian verurteilte die Vestalin Cornelia wegen Unkeuschheit zum Tode]] Der Verlust der Jungfräulichkeit einer Vestalin galt als unheilvolles Ereignis, durch das das Wohl des Gemeinwesens in große Gefahr gebracht wurde. Dies geht besonders deutlich aus den Worten der im Jahre 91 n. Chr. von Kaiser [[Domitian]] vermutlich zu Unrecht wegen Unkeuschheit verurteilten Vestalin Cornelia hervor: : ''Mich hält der Kaiser für unkeusch, obwohl er während meiner Amtszeit als Priesterin Siege errungen und [[Römischer Triumph|Triumphe]] gefeiert hat! (Me Caesar incestam putat, qua sacra faciente vicit triumphavit'')<ref>[[Plinius der Jüngere]], ''Epistulae'' 4.11.7.</ref> Cornelia gibt damit zu verstehen, dass sie unmöglich ihre Jungfräulichkeit preisgegeben haben kann, da doch während ihrer Amtszeit der Kaiser erfolgreich gegen seine Feinde gekämpft hat, was im Umkehrschluss bedeutet, dass die Unkeuschheit einer Vestalin einen militärischen Erfolg der Römer verhindert hätte. Tatsächlich wurde die Unkeuschheit einer oder mehrerer Vestalinnen zumeist in Not- und Krisenzeiten festgestellt. So wurden nach der verheerenden Niederlage bei [[Cannae]] im Jahre 216 v. Chr. Opimia und Floronia wegen dieses Vergehens verurteilt (Livius 22.57.2); Aemilia, Licinia und Marcia wurden 113 v. Chr. im selben Jahr hingerichtet, in dem die Römer eine Niederlage in [[Thrakien]] erlitten und in [[Noricum]] ein ganzes Heer gegen die germanischen [[Kimbern]] verloren hatten (Livius, ''Perioche'' 63). Das Bekanntwerden der Unkeuschheit erinnert daher an die Wahrnehmung von [[Prodigium|Prodigien]] (unheilvollen Wunderzeichen), die sich meist in Form abnormer Naturereignisse (zum Beispiel Steinregen, Missgeburten, mysteriöse Himmelserscheinungen) äußerten, die in guten Zeiten nur selten beachtet wurden. Dies legt die Vermutung nahe, dass man auch die Vergehen der Vestalinnen lediglich dann als solche wahrnahm, wenn man aufgrund starker emotionaler Anspannung und allgemeiner Panik besonders ängstlich auf unheilvolle Zeichen achtete. Auffällig ist dabei der Umstand, dass häufig mehrere Vestalinnen der Unkeuschheit überführt wurden, obwohl jeweils eine einzige genügt hätte, um das Gemeinwesen in Gefahr zu bringen. Dagegen wurden in guten Zeiten verdächtigte Vestalinnen fast immer freigesprochen. Darüber hinaus sind viele Anklagen gegen Vestalinnen womöglich politisch motiviert gewesen: * Die Anklage gegen die Vestalin Postumia im Jahre 420 v. Chr. steht anscheinend im Zusammenhang politischer Angriffe auf prominente Verwandte und diente womöglich dem Zweck, den Einfluss ihrer gesamten Familie zu schwächen. * Der Verdacht gegen die politisch einflussreiche Licinia im Jahre 73 v. Chr. sollte entweder ihren eigenen politischen Einfluss brechen oder galt womöglich indirekt dem [[Marcus Licinius Crassus|Marcus Licinius Crassus Dives]], mit dem sie in engen geschäftlichen und politischen Beziehungen stand und dem man ein sexuelles Verhältnis mit ihr nachsagte. * Die Hinrichtung der Cornelia im Jahre 91 n. Chr. erfolgte anscheinend im Zusammenhang einer restaurativen Kultur- und Religionspolitik des Kaisers [[Domitian]], der mit einem Akt der Härte seinen Willen zur Durchsetzung dieser Politik demonstrieren wollte. Häufig gerieten einzelne Vestalinnen lediglich aufgrund allzu freizügiger Kleidung oder einer besonders anzüglichen Art zu sprechen in den Verdacht der Unkeuschheit. Da solche Fälle aber meist mit einem Freispruch endeten, liegt die Annahme nahe, dass auch hier lediglich nach einem Vorwand gesucht wurde, um die Priesterin in Verruf zu bringen. Jeder Bewohner Roms, auch Frauen, Freigelassene und Sklaven, konnte eine unkeusche Vestalin anzeigen. Anschließend erfolgte ein Untersuchungsverfahren, das von den Pontifices gemeinsam durchgeführt und vom Pontifex maximus geleitet wurde. Im Falle eines Schuldspruchs wurde die Hinrichtung angesetzt. Der Liebhaber der überführten Vestalin wurde vom Pontifex maximus öffentlich zu Tode gepeitscht und erlitt damit eine der nach römischen Vorstellungen entehrendsten Todesarten. Offen bleibt die Frage, wie mit Vestalinnen verfahren wurde, die Opfer einer Vergewaltigung geworden waren. Die Kaiser [[Nero]] und [[Caracalla]] wurden von gegnerischen Geschichtsschreibern beschuldigt, Vestalinnen vergewaltigt zu haben. === Elagabal === Ein aus römischer Sicht ungeheuerlicher Vorgang war die Heirat des aus Syrien stammenden, damals sechzehnjährigen Kaisers [[Elagabal]] mit der wohl ebenfalls jugendlichen Vestalin [[Aquilia Severa]] im Jahre 220. Dieser Kaiser missachtete damit nach traditionellem römischem Religionsverständnis auf schändliche Weise seine Amtspflicht als Pontifex maximus und machte sich eines todeswürdigen Verbrechens schuldig. Nach seinem eigenen Verständnis hingegen war diese „Priesterhochzeit“ ein religiöser Akt, von dem er sich gottähnliche Nachkommenschaft erhoffte. === Letzte Anzeige wegen Unkeuschheit === Im späten 4. Jahrhundert kam es noch einmal zu einer Anzeige wegen Unkeuschheit, welche eine Vestalin in Alba Longa namens Primigenia betraf. Das Priesterkollegium, dem damals der berühmte Politiker und Redner [[Quintus Aurelius Symmachus]] angehörte, führte die Untersuchung durch und stellte die Schuld fest. Damals war das Kollegium aber bereits führungslos, da der christliche Kaiser das Amt des Pontifex maximus nicht mehr ausübte, und war nicht mehr befugt, ein rechtskräftiges Urteil zu fällen und vollstrecken zu lassen. Die Bemühungen des Symmachus, die Behörden zu einer Bestrafung der Vestalin zu bewegen, verliefen offenbar im Sande.<ref>José Carlos Saquete, ''Las vírgenes vestales, un sacerdocio femenino en la religión pública romana'', Madrid 2000, S. 103; Ruth Stepper, ''Augustus et sacerdos: Untersuchungen zum römischen Kaiser als Priester'', Stuttgart 2003, S. 227: "Der nach Sühne drängende Symmachus erweist sich als Kämpfer auf verlorenem Posten."</ref> === Die Hinrichtung der unkeuschen Vestalin === Die verurteilte Vestalin wurde gefesselt und geknebelt in einer verschlossenen Sänfte unter großer Beteiligung der Bevölkerung zur [[Porta Collina]] getragen, wo innerhalb der Stadt ein unterirdisches Verlies hergerichtet worden war. Dort befand sich nach der Beschreibung [[Plutarch]]s ''„eine Liege mit einer Decke, eine brennende Lampe sowie kleine Mengen der notwendigen Lebensmittel: Brot, Wasser in einem Gefäß, Milch und Öl, als wollte man es vermeiden, den Körper einer für den höchsten Dienst geweihten Person durch Hunger zu töten“'' (''Numa'' 10.9). Nachdem man der Vestalin die Fesseln gelöst hatte, ließ man sie in das Verlies hinabsteigen, verschloss den Eingang und deckte Erde darüber, um die Stelle unkenntlich zu machen. Gewisse Elemente dieses Verfahrens zeigen, dass die Hinrichtung einer unkeuschen Vestalin nicht als normale Bestrafung für ein kriminelles Vergehen angesehen wurde. So handelte es sich nicht um eine Strafe im Sinne des römischen Strafrechts, da das Urteil nicht von einem Gericht, sondern von einem Priesterkollegium gefällt wurde. Auch besaß die Vestalin in einem solchen Fall nicht das jedem [[Römisches Bürgerrecht|römischen Bürger]] zustehende [[Provokationsrecht]]. [[Datei:House vestal forum romanum 2005.jpg|thumb|300px|Atrium des Hauses der Vestalinnen]] Auffällig ist auch die Tatsache, dass die Verurteilte durch die Bereitstellung von Bett, Lampe und Nahrungsmitteln gleichsam eine symbolische Lebensgrundlage in ihrem Verlies erhält. Bereits Plutarch vermutet darin eine rituelle Fiktion, die vorgeben sollte, dass die Priesterin nicht wirklich getötet wurde (''Numa'' 9.10). Dies könnte darauf hindeuten, dass man eher daran interessiert war, sie aus der Öffentlichkeit der römischen Welt zu verbannen als sie zu töten. In gewisser Weise erinnert die Hinrichtung der Vestalin somit an den Umgang mit [[Prodigium|Prodigien]], da etwa Missgeburten oder unheilvolle Tiere verbrannt oder in überseeische Gebiete verbracht und damit ebenfalls dauerhaft aus Rom entfernt wurden. Inwiefern zwischen dem Umgang mit Prodigien und dem Keuschheitsbruch einer Vestalin Zusammenhänge bestanden, ist in der Forschung jedoch umstritten. Ungeklärt ist bisher auch die Aussage Plutarchs, dass gewisse nicht näher beschriebene Priester am Ort der Hinrichtung einer Vestalin Totenopfer abhielten (''Quaestiones Romanae'' 96 = ''Moralia'' 286e-287a). Möglicherweise handelt es sich hier um einen postumen Diensterweis von Freunden oder Verwandten, oder Plutarch hat die zu seinen Lebzeiten in Rom nachweisbare Sitte, spontan Blumen am Sterbeort eines Menschen zu hinterlegen, als rituelle Handlung missverstanden. Von einem offiziellen Totenkult für hingerichtete Vestalinnen ist zumindest bisher nichts bekannt. In der älteren Forschung wurde gelegentlich angenommen, dass unkeusche Vestalinnen auch durch den Sturz vom [[Tarpejischer Fels|Tarpejischen Felsen]] getötet wurden, doch handelt es sich dabei um ein Missverständnis, da in den entsprechenden Belegen bei [[Quintilian]], ''Institutiones oratoriae'' 7.8.3 und [[Marcus Lucius Annaeus Seneca|Seneca dem Älteren]], ''Controversiae'' 1.3.1 nicht von tatsächlichen Verhältnissen berichtet wird. Stattdessen handelt es sich um fiktive Situationen, die im Rhetorikunterricht als Ausgangssituationen für Übungsreden dienten. Zudem wird lediglich von unkeuschen „Frauen“ bzw. „Priesterinnen“ gesprochen, ohne dass ein Bezug auf die Vestalinnen erkennbar wäre. === Zeitgenössische Bewertungen der Hinrichtungen === In römischen Quellen wird die Härte der Strafe für die unkeusche Vestalin nicht grundsätzlich problematisiert, während ansonsten besonders harte Strafen meist kritisch bewertet werden. So bezeichnet [[Titus Livius|Livius]] die Hinrichtung des von zwei Vierspännern in Stücke gerissenen [[Mettius Fufetius]] als „grausames Spektakel“, das in der Geschichte des römischen Volkes einmalig sei, da die Römer sich ansonsten rühmen könnten, mildere Strafen als alle anderen Völker zu verhängen (Livius 1.28.11). Weniger schwere Vergehen, zum Beispiel das Verlöschenlassen des Feuers im [[Tempel der Vesta]], werden in den Quellen oft entschuldigt, etwa bei Livius, der darin nur eine menschliche Nachlässigkeit sieht und damit die Schwere des Vergehens sowie die Bedeutung des Ereignisses herunterspielt (Livius 28.11.7). Es fällt auf, dass es in der gesamten Kaiserzeit nur zweimal zu Hinrichtungen von Vestalinnen gekommen ist, nämlich unter Domitian und unter Caracalla. Die meisten Liebhaber der Vestalinnen kamen unter Domitian mit Verbannung davon; von den vier verurteilten Vestalinnen durften drei ihre Todesart selbst wählen, nur die Obervestalin wurde auf traditionelle Art hingerichtet. Bei dem Prozess unter Caracalla ist von einer Verurteilung von beschuldigten Männern nichts überliefert (eine der Vestalinnen soll der Kaiser selbst vergewaltigt haben).<ref>Cassius Dio 77.16.1-2.</ref> Die relative Milde Domitians zeigt, dass die traditionelle Strafe damals bereits als hart empfunden wurde. Das Vorgehen Caracallas wurde von dem durchaus konservativ gesinnten zeitgenössischen Geschichtsschreiber [[Cassius Dio]] als tyrannische Willkür verurteilt. Dabei konnte Cassius Dio offenbar davon ausgehen, dass seine Leser das auch so sehen würden.<ref>Zur Einschätzung der traditionellen Strafe als unmenschlich in der Kaiserzeit s. Mekacher S. 34-37.</ref> == Literatur == * [[Mary Beard (Althistorikerin)|Mary Beard]]: ''The Sexual Status of the Vestal Virgins''. In: ''Journal of Roman Studies.'' Band 70, 1980, {{ISSN|0075-4358}}, S. 13-27.<br />(Teilweise überholter Forschungsstand.) * Mary Beard: ''Re-reading (Vestal) virginity''. In: Richard Hawley, Barbara Levick (Hrsg.): ''Women in Antiquity. New Assessments''. Routledge, London-New York 1995, ISBN 0-415-11368-7, S. 166-177.<br />(Korrekturen und Ergänzungen zum Aufsatz von 1980.) * {{DNP|12/2|132|133|Vestalin|[[Hildegard Cancik-Lindemaier]]}} * [[Jane F. Gardner]]: ''Frauen im antiken Rom. Familie, Alltag, Recht.'' C.H.Beck, München 1995, ISBN 3-406-39114-1. (Englische Originalausgabe: ''Women in Roman law and society.'' Croom Helm, London 1986, ISBN 0-7099-3893-4.) * Christine Korten: ''Ovid, Augustus und der Kult der Vestalinnen. Eine religionspolitische These zur Verbannung Ovids.'' Lang, Frankfurt am Main u. a. 1992, ISBN 3-631-44856-2 (Studien zur klassischen Philologie. Bd. 72). * Nina Mekacher: ''Die vestalischen Jungfrauen in der römischen Kaiserzeit''. Reichert, Wiesbaden 2006, ISBN 3-89500-499-5. * Christiane Schalles: ''Die Vestalin als ideale Frauengestalt. Priesterinnen der Göttin Vesta in der bildenden Kunst von der Renaissance bis zum Klassizismus''. 2 Bände. Cuvillier, Göttingen 2002, 2003, ISBN 3-89873-624-5 (Diss. Marburg). * Ariadne Staples: ''From Good Goddess to Vestal Virgins. Sex and Category in Roman Religion''. Routledge, London - New York 1998, ISBN 0-415-13233-9.<br />(Umfangreiche Darstellung des Phänomens der Vestalinnen und des Vesta-Kultes vor dem Hintergrund römischer Vorstellungen über soziale Kategorien und Geschlechtsrollen; zum Teil spekulative Folgerungen.) == Weblinks == {{Wiktionary|Vestalin}} * [http://bebis.cidsnet.de/weiterbildung/sps/latein/exkursion/frvest.htm Haus der Vestalinnen] * [http://www.roma-antiqua.de/pages/rund_A/vestalinnenhaus.php?seite=47 Haus der Vestalinnen bei roma-antiqua.de] * [http://www.info-antike.de/Vesta_Vestalin.htm Vesta und Vestalinnen] == Anmerkungen == <references/> {{Navigationsleiste Römische Priester}} {{Exzellent}} [[Kategorie:Römische Religion]] [[Kategorie:Römische Gesellschaft]] [[Kategorie:Römische Geschichte]] [[ar:فستال]] [[bg:Весталка]] [[bs:Vestalne djevice]] [[ca:Vestal]] [[da:Vestalinde]] [[el:Εστιάδες Παρθένες]] [[en:Vestal Virgin]] [[eo:Vestalo]] [[es:Vestal]] [[et:Vesta neitsid]] [[eu:Vestaren birjina]] [[fi:Vestan neitsyet]] [[fr:Vestale]] [[gl:Vestal]] [[he:בתולה וסטלית]] [[hr:Vestalka]] [[hu:Vesta-szüzek]] [[id:Perawan Vesta]] [[it:Vestale]] [[lt:Vestalė]] [[nl:Vestaalse maagden]] [[no:Vestalinnene]] [[pl:Westalka]] [[pt:Vestal]] [[ro:Virginele vestale]] [[ru:Весталки]] [[sk:Vestálka]] [[sl:Vestalke]] [[sr:Весталке]] [[sv:Vestal]] [[tr:Vesta bakiresi]] [[uk:Весталки]] 1g8d587j0bvzodfjl5e3o4mku92rqwp wikitext text/x-wiki Vetera 0 24440 27039 2010-05-06T22:17:51Z Knoerz 0 Änderungen von [[Special:Beiträge/84.46.87.30|84.46.87.30]] rückgängig gemacht und letzte Version von Ziko wiederhergestellt [[Datei:Limes1.png|miniatur|Lage der Legionslager Vetera und der ''[[Colonia Ulpia Traiana]]'' im Verlauf des Niedergermanischen Limes]] '''Vetera''' (auch: '''Vetera Castra'''<ref name=Tacitus>Bei Tacitus und vereinzelt in der provinzialrömischen Literatur (z.&nbsp;B. bei [[Tilmann Bechert]]).</ref>; zuweilen in der älteren Literatur<ref name="Houben">Philipp Houben: ''Denkmaeler von Castra Vetera und Colonia Traiana in Ph. Houben’s Antiquarium zu Xanten''. Xanten, Wesel 1839.</ref>, auf Landkarten und umgangssprachlich auch '''Castra Vetera'''<ref name="Hanel">Norbert Hanel: ''Zum antiken Namen der Legionslager auf dem Fürstenberg bei Xanten: Vetera castra'', in: ''Xantener Berichte'' Band 5, 1994, S. 265.</ref>) war der Name für den Platz zweier zeitlich aufeinander folgender [[Römisches Reich|römischer]] [[Römische Militärlager#Legionslager|Legionslager]] in der [[Römische Provinz|Provinz]] ''[[Germania Inferior|Germania inferior]]'' nahe dem heutigen [[Xanten]] am [[Rhein#Niederrhein|Niederrhein]]. Die Legionslager Vetera gehörten zum [[Niedergermanischer Limes|Niedergermanischen Limes]]. In der Forschung und in der wissenschaftlichen Literatur wird zwischen dem älteren Kastellplatz '''Vetera I''' (13/12&nbsp;v.&nbsp;Chr.<ref name="Gechter BJ 179">Da von Tacitus überliefert worden ist, dass Vetera von Augustus errichtet worden sei, und dieser sich in den Jahren von 16&nbsp;v.&nbsp;Chr. bis 13&nbsp;v.&nbsp;Chr. in Gallien aufgehalten hatte, war man zuweilen geneigt, das früheste Lager in diese Zeit zu datieren. Das Fundmaterial, insbesondere die gefundenen Töpferstempel und [[Terra Sigillata|Terra-Sigillata]]-Typen, weist jedoch in die Zeit des Beginns der Germanenoffensive oder kurz davor. Nach Michael Gechter: ''Die Anfänge des Niedergermanischen Limes''. In: ''[[Bonner Jahrbücher]]'' 179 (1979), Rheinland-Verlag, Bonn 1979, S.&nbsp;106–110.</ref> bis 70&nbsp;n.&nbsp;Chr.) und dem jüngeren Kastellplatz '''Vetera II''' (71 bis 275/276) differenziert, die etwa eine römische Meile (''mille passus'' = knapp 1.500&nbsp;m) auseinander lagen. Vetera gehörte zu den bedeutendsten Garnisonen an der Nordflanke des römischen Imperiums und war in seiner Frühzeit eine wichtige Aufmarschbasis für die rechtsrheinischen Expansionsbestrebungen der Römer. == Lage == [[Datei:Vetera.png|miniatur|Lage der Legionslager Vetera I und II, sowie der Colonia Ulpia Traiana]] ''Vetera I'' befand sich am Südhang des [[Fürstenberg (Xanten)|Fürstenberges]], einer [[Eiszeitalter|glazialen]], in antiker Zeit von Sumpf- und Moorlandschaften umgebenen [[Endmoräne]], gut zwei Kilometer südsüdöstlich des Zentrums von Xanten. Das heutige [[Bodendenkmal]] liegt unter weitgehend landwirtschaftlich genutzten Flächen unmittelbar nordnordwestlich des Xantener Stadtteils [[Birten]]. In antiker Zeit befand sich das Lager in einer exponierten Position gegenüber der [[Lippe (Fluss)|Lippemündung]], die sich damals noch nicht in [[Wesel]], sondern etwas nördlich davon befand. Der Rheinverlauf selbst entsprach in römischer Zeit ungefähr dem heutigen und war gegenüber diesem nur geringfügig nach Süden bzw. Westen verschoben. Von der Position auf dem Fürstenberg war so eine gute Kontrolle der Flusstäler von Rhein und Lippe möglich.<ref>Michael Gechter: ''Die Legionslager Vetera I und II''. In: [[Heinz-Günter Horn]] (Hrsg.): ''Die Römer in Nordrhein-Westfalen.'' Lizenzausgabe der Auflage von 1987. Nikol, Hamburg 2002, ISBN 3-933203-59-7, S.&nbsp;619f.</ref> ''Vetera II'' wurde im Jahre 71&nbsp;n.&nbsp;Chr. nach der Umstrukturierung des niedergermanischen Heeres in Folge der [[Bataveraufstand|Ereignisse der Jahre 69/70]] etwa anderthalb Kilometer östlich von Vetera I auf einer damals hochwasserfreien [[Flussterrasse|Niederterrasse]] des Rheines errichtet. In der heutigen Topographie befindet sich das Bodendenkmal im Bereich der so genannten [[Bislicher Insel]], im Norden vom Rhein, von Osten, Süden und Westen von einem alten Rheinarm umschlossen. In antiker Zeit lag es vermutlich unmittelbar am nördlich vorbeiziehenden Rhein. Der heute sichtbare, teilweise verlandete Rheinarm, der eine weit nach Süden ausgreifende Schleife bildet, entstand erst im Mittelalter, etwa ab dem Jahre 1200. In den folgenden Jahrhunderten verlagerte sich diese Rheinschlinge immer weiter nach Süden, wobei sie das Kastellgelände unterspülte und mit Kiesablagerungen überdeckte. Erst als in den Jahren 1788/89 durch einen künstlichen Durchstich der Rhein in den Verlauf gezwungen wurde, den er ungefähr auch heute einnimmt, wurde aus der Schleife ein toter Altrheinarm.<ref>Michael Gechter: ''Die Legionslager Vetera I und II''. In: [[Heinz-Günter Horn]] (Hrsg.): ''Die Römer in Nordrhein-Westfalen.'' Lizenzausgabe der Auflage von 1987. Nikol, Hamburg 2002, ISBN 3-933203-59-7, S.&nbsp;625.</ref><ref name="Rheinverlagerung">Werner Böcking: ''Als der Rhein eine Schleife bildete''. In Ders.: ''Die Römer am Niederrhein. Geschichte und Ausgrabungen''. 5. Auflage. Klartext, Essen 2005, ISBN 3-89861-427-1, S.&nbsp;153.</ref><ref>Hans Scheller: ''Die Entstehung der Bislicher Insel''. In: ''Bonner Jahrbücher'' 175, S. 195.</ref><ref>Josef Klostermann: ''[http://www.nwv-kr.de/download/Rheinstromverlagerung72dpi.pdf Rheinstromverlagerungen bei Xanten während der letzten 10.000 Jahre]'' (pdf), In: ''Natur am Niederrhein'', Krefeld 1986, S.&nbsp;5–16.</ref> == Antike Quellen und der Name des Kastellplatzes == Der Name ''Vetera'' findet erstmals bei [[Publius Cornelius Tacitus|Cornelius Tacitus]] in den Historien ''(Historiae)'' Erwähnung und wird dabei zweimal als ''Vetera castra''<ref>''Historien'' 4, 21: ''Civilis adventu veteranarum cohortium iusti iam exercitus ductor, sed consilii ambiguus et vim Romanam reputans, cunctos qui aderant in verba Vespasiani adigit mittitque legatos ad duas legiones, quae priore acie pulsae in ''Vetera castra'' concesserant, ut idem sacramentum acciperent.'' ''Historien'' 5, 14: ''At Civilis post malam in Treviris pugnam reparato per Germaniam exercitu apud '''Vetera castra''' consedit, tutus loco, et ut memoria prosperarum illic rerum augescerent barbarorum animi.''</ref> und mehrfach kurz als ''Vetera''<ref>''Historien'' 4, 53, 3; 4, 57, 1; 4, 58, 1 und 4, 62, 1. Ferner als ''in castra quibus '''veterum''' nomen est'' (4, 18, 3).</ref> bezeichnet.<ref>[http://www.thelatinlibrary.com/tac.html Tacitus, Annalen und Historien] in lateinischer Sprache.</ref><ref>[http://onlinebooks.library.upenn.edu/webbin/book/search?author=tacitus&amode=words Tacitus, Annalen und Historien] in englischer Sprache mit Übersetzungsfehler: ''Vetera Castra'' wird unkritisch als „Old Camp“, also „Altes Lager“ übersetzt.</ref> Der Name dürfte auf eine nahe gelegene, vorrömische Siedlung der [[Cugerner]] zurück gehen, deren germanischer Name romanisiert und auf den Kastellplatz übertragen wurde.<ref name="Hinz">Hermann Hinz: ''Xanten zur Römerzeit''. Gesthuysen, Xanten 1960, S. 11.</ref><ref group="A">Dass es sich dabei um die Cugernersiedlung im Bereich der [[Colonia Ulpia Traiana|CUT]] (die so genannte „Kernsiedlung“) handeln könnte, wird allerdings bezweifelt. Vielmehr wird mindestens eine weitere, bislang archäologisch nicht nachgewiesene Cugernersiedlung im Gebiet von Birten angenommen.</ref> Die Bedeutung des Namens ''Vetera'' ist ungewiss. Philipp Houben verwendete in seiner 1839 erschienenen Publikation<ref name="Houben"/> über die Xantener Altertümer in Umkehrung des von Tacitus überlieferten Namens den Begriff ''„Castra Vetera“'', der seither Eingang auf Landkarten und in der Umgangssprache fand,<ref group="A">Die Wortverdrehung Houbens und die sich hierdurch ergebende theoretische Übersetzungsmöglichkeit von ''Castra Vetera'' als „Altes Lager“ verbreitete sich auch außerhalb Deutschlands. So ist im englischsprachigen Raum, insbesondere im Web, bis heute zuweilen von ''Castra Vetera'' bzw. „The Old Camp“ die Rede.</ref> obwohl es ihn so niemals gegeben hat.<ref>Norbert Hanel: ''Zum antiken Namen der Legionslager auf dem Fürstenberg bei Xanten: Vetera castra''. In: ''Xantener Berichte''. Sammelband 5, Rheinland Verlag, Köln 1994, ISBN 3-7927-1415-9, S.&nbsp;264.</ref> In der wissenschaftlichen Literatur werden aber spätestens seit [[Hans Lehner (Archäologe)|Hans Lehner]] (1866–1938) wieder die korrekten Begriffe ''„Vetera“'' (mehrheitlich<ref>Unter anderem bei Müller (2008), Obladen-Kauder (2005), Hanel (1995), Bechert (1995, 1982), Böcking (1989, 1978), Gechter (1987, 1979), Kunow (1987), (Schönberger (1985, 1969), Bogaers/Rüger (1974), Petrikovits (1971, 1959), Hinz (1960–1976) und Lehner (1936, 1930, 1926); vgl. auch die Literaturliste.</ref>, mit den Differenzierungen zwischen ''„Vetera I“'' und ''„Vetera II“'') oder ''„Vetera Castra“'' (vereinzelt<ref>So bei Bechert (2003) und Hanel (1994); vgl. auch die Literaturliste.</ref>) verwendet.<ref>Norbert Hanel: Zum antiken Namen der Legionslager auf dem Fürstenberg bei Xanten: Vetera castra. In: Xantener Berichte. Sammelband 5, Rheinland Verlag, Köln 1994, ISBN 3-7927-1415-9.</ref> == Forschungsgeschichte == Schon unmittelbar nach ihrer Auflassung wurden die römischen Militärlager als Steinbrüche genutzt, zunächst von den Römern selbst, die das Steinmaterial von Vetera I dazu verwendeten, um den Ausbau der benachbarten ''[[Colonia Ulpia Traiana]]'' voran zu treiben.<ref name="Untergang">Werner Böcking: ''Steinabbau, Funde und Sammlungen in vergangener Zeit''. In: ders.: ''Die Römer am Niederrhein. Geschichte und Ausgrabungen''. 5. Auflage. Klartext, Essen 2005, ISBN 3-89861-427-1, S.&nbsp;73.</ref> Im Mittelalter dienten die verbliebenen Überreste dann als Steinbruch für den Bau eines [[Kloster Fürstenberg|Klosters auf dem Fürstenberg]].<ref name="Untergang"/> Vetera II hingegen verschwand um das Jahr 1200, als der Rhein eine nach Süden ausgreifende Schlinge bildete und dabei das bislang hochwasserfreie Gelände des Kastells unterspülte, so dass sich die Funde und [[Befund (Archäologie)|Befunde]] von Vetera II heute fünf bis zehn Meter unterhalb der sichtbaren Oberfläche, unter den Kiesen und Wassern des Altrheins und der [[Bislicher Insel]] befinden.<ref name="Rheinverlagerung"/> [[Datei:Stephanus Winandus Pighius (1526–1604).jpg|thumb|left|Stephanus Winandus Pighius, Gemälde um 1585,<br />„Historisch Museum“, [[Deventer]]]] [[Datei:Ewich Codex Berolinensis fol 76.jpg|thumb|Aufzeichnung von H. Ewich mit der Abbildung eines Weihesteins ({{CIL |13| 08625}})]] Die Masse der römischen Hinterlassenschaften im Xantener Raum weckte schon früh das Interesse der Gelehrten. [[Stephanus Winandus Pighius]] (1526–1604), seit 1575 [[Scholaster]] und [[Kanoniker]] an der [[Xantener Dom|Stiftskirche]], war der erste, der systematische Aufzeichnungen der römischen Relikte anfertigte.<ref>''Stephani Vinandi Pighii Annales Romanorum''. Antwerpen 1615.</ref><ref>Hilde Hiller: ''Archäologische Studien von St. V. Pighius in Xanten''. In: [[Henning Wrede]], Richard Harprath (Hrsg.): ''Antikenzeichnung und Antikenstudium in Renaissance und Frühbarock. Akten des internationalen Symposions Coburg 1986''. Zabern, Mainz 1989, ISBN 3-8053-1011-0, S. 167–183.</ref> Johannes Turck illustrierte 1623 bis 1633 den Anhang einer [[Kleve|klevischen]] Chronik des Gert van der Schuiren<ref>[http://www.handschriftencensus.de/12877 Handschrift] im Klever Stadtarchiv.</ref> mit Zeichnungen antiker Hinterlassenschaften.<ref>Ferdinand Schroeder (Hrsg.): ''Die Chronik des Johannes Turck''. In: ''Annalen des Historischen Vereins für den Niederrhein'', 58 (1894), S.&nbsp;1-175.</ref> Ihm folgte der [[Wesel]]er Pfarrer Hermann Ewich<ref>[http://209.85.129.132/search?q=cache:ZNE9uixjklIJ:www.historische-vereinigung-wesel.de/Historische/Mitteilungen/Mitteilungen_116.pdf+Hermann+Ewich&cd=2&hl=de&ct=clnk&gl=de Mitteilung 116] der Historischen Vereinigung Wesel e.&nbsp;V., 2006.</ref>, der zwischen 1628 und 1654 die Altertümer seiner Heimatregion dokumentierte,<ref>Wilhelm Diedenhofen und Bert Thissen (Hrsg.): ''Clivio-polis. Die Stadt Kleve im Jahr 1653''. Gezeichnet von Hendrick Feltman, beschrieben von Hermann Ewich, gedruckt von Jacob van Biesen. Selbstverlag des Stadtarchivs Kleve, Kleve 2005.</ref> sowie der Theologe und Humanist [[Werner Teschenmacher]] (1590–1638). Im ausgehenden 17. und im 18.&nbsp;Jahrhundert widmeten sich der [[Vynen]]er Pfarrer Theodor Tack und vor allem der Xantener Pfarrer Johannes Spenrath<ref name="Spenrath">Johannes Spenrath: ''Altertümliche Merkwürdigkeiten in der Stadt Xanten und ihrer Umgebung''. Krefeld 1837–1839.</ref> dem antiken Erbe des Xantener Raums. Hatte schon Pighius den fortschreitenden Raubbau an den römischen Ruinen beklagt, setzte sich dieser ungeachtet des allmählich erwachenden Interesses sowie der Proteste einzelner Gelehrter unvermindert fort. Alleine für die Jahre 1714 bis 1716 vermeldete der Pfarrer Johannes Spenrath über 5.000 Tonnen Steine, die aus dem ehemaligen Legionslager Vetera&nbsp;I ausgebrochen wurden.<ref name="Spenrath"/> Insgesamt nahmen die – in alten Quellen recht anschaulich dokumentierten<ref>Werner Böcking: ''Steinabbau, Funde und Sammlungen in vergangener Zeit. Daß diese Steine zu Brot werden… Die römischen Ruinen als Steinbrüche des Niederrheins''. In: ders.: ''Die Römer am Niederrhein. Geschichte und Ausgrabungen''. 5. Auflage. Klartext, Essen 2005, ISBN 3-89861-427-1, S.&nbsp;73–78.</ref> – Steinausbrüche vom Mittelalter bis zur Neuzeit derartige Dimensionen an, dass die Geringfügigkeit sichtbarer Spuren heutzutage kaum verwundern kann.<ref>Werner Böcking: ''Steinabbau, Funde und Sammlungen in vergangener Zeit. Daß diese Steine zu Brot werden… Die römischen Ruinen als Steinbrüche des Niederrheins''. In: ders.: ''Die Römer am Niederrhein. Geschichte und Ausgrabungen''. 5. Auflage. Klartext, Essen 2005, ISBN 3-89861-427-1, S.&nbsp;74.</ref> Auch die seit der frühen Neuzeit gezielt durchgeführten Ausgrabungen waren noch keine wissenschaftlichen Untersuchungen mit [[Grabungstechnik|feldarchäologischen Methoden]], wie wir sie heute kennen. Der Fund selbst stand im Mittelpunkt des Interesses, der Befund, der Fundzusammenhang, wurde nicht erkannt oder ignoriert. Die frühen Gelehrten waren Antikensammler, keine [[Archäologie|Archäologen]]. Ihre dem entsprechende Vorgehensweise bei Ausgrabungen trug ebenfalls ihren Teil zur unwiederbringlichen Zerstörung vieler Befunde bei. [[Datei:Philipp Houben (1767-1855).jpg|miniatur|Philipp Houben (1767–1855)]] An der Schwelle zwischen Antikensammlerei und wissenschaftlicher [[Archäologie]] stand [[Philipp Houben]] (1767–1855). Houben gelangte 1798 nach Xanten und wurde von Johannes Spenrath mit der Leidenschaft für die Altertumswissenschaften infiziert. 1803 gründete er ein erstes Xantener Museum, indem er die alte Propstei des Ortes kaufte und mit antiken Funden ausstattete. Zwischen 1819 und 1844 führte er auf eigene Kosten umfangreiche Ausgrabungen im Bereich der Legionslager, der CUT und der Gräberfelder durch. Dabei ging er sorgfältiger als seine Vorgänger zu Werke und dokumentierte als erster nicht nur die Funde, sondern auch die Ausgrabungen und Fundstellen selbst.<ref>Werner Böcking: ''Ein königlich-preußischer Notar als Archäologe in Xanten''. In: ders.: ''Die Römer am Niederrhein. Geschichte und Ausgrabungen''. 5. Auflage. Klartext, Essen 2005, ISBN 3-89861-427-1, S6nbsp;81-85.</ref> Etwa zeitgleich und teilweise zusammen mit Houben, dessen zeichnerische Dokumentationen er mit Texten versah, arbeitete der Weseler Oberlehrer Franz Fiedler (1790–1876) im Xantener Raum.<ref>{{ADB|7|5|7|Fiedler, Franz|Wilhelm von Gümbel|ADB:Fiedler, Franz}}</ref><ref>Franz Fiedler: ''Geschichten und Altertümer des unteren Germanien. Römische Denkmäler der Gegend von Xanten und Wesel, am Niederrhein und an der Lippe.'' Essen, 1824, sowie ''Die römischen Inschriften in Xanten''. Wesel, 1839.</ref> [[Datei:Einweihung Museum Klever Tor 1908.jpg|thumb|left|Eröffnung des ersten Museums des Niederrhein. Altertumsvereins im [[Klever Tor]] (1908)]] Ein weiterer Schritt auf dem Weg zur modernen Archäologie war die Gründung des Niederrheinischen Altertumsvereins,<ref>[http://www.navx-xanten.de/ Offizielle Webpräsenz des Niederrheinischen Altertumsvereins]</ref> die von dem Xantener Arzt Josef Steiner betrieben wurde und 1877 erfolgte. Der Verein führte umfangreiche Ausgrabungen auf dem Gebiet der CUT, am Fürstenberg, in den Gräberfeldern und im Xantener Umland durch, bei denen eine Ziegelei entdeckt wurde, die von der ''[[Legio XXII Primigenia]]'' errichtet worden war. Dabei kooperierte der Verein eng mit den Wissenschaftlern des Rheinischen-Provinzialmuseums Bonn, dem Vorläufer des [[Rheinisches Landesmuseum Bonn|Rheinischen Landesmuseums Bonn]], und wurde seinerseits von diesem finanziell unterstützt. Wegweisend war auch der Aufbau der archäologischen Sammlung des Vereins, deren Bestände von Paul Steiner, dem Sohn des Vereinsgründers und späteren Abteilungsdirektor des [[Rheinisches Landesmuseum Trier|Trierer Landesmuseums]] publiziert wurden.<ref>Paul Steiner: ''Sammlung des Niederrheinischen Altertumsvereins''. Frankfurt/Main 1911 (Katalog süd- und westdeutscher Altertumssammlungen 1).</ref><ref>Werner Böcking: ''Gründung und Grabungen des niederrheinischen Altertumsvereins''. In: ders.: ''Die Römer am Niederrhein. Geschichte und Ausgrabungen''. 5. Auflage. Klartext, Essen 2005, ISBN 3-89861-427-1, S.&nbsp;74.</ref> Systematische, umfassende und moderne archäologische Ausgrabungen im Gebiet um den Fürstenberg wurden schließlich 1905 durch das Provinzialmuseum Bonn aufgenommen. Die Grabungsleitung hatte Hans Lehner inne, der von 1899 bis 1930 auch Direktor des Museums war. Bei diesen, von 1905 bis 1914 und von 1925 bis 1933 durchgeführten Grabungen gelang es Lehner und ab 1930 seinem Nachfolger [[Franz Oelmann]] (1883–1963), die Lage von '''Vetera I''' exakt zu bestimmen, verschiedene Lager mit unterschiedlicher Zeitstellung bzw. verschiedene Bauphasen zu differenzieren und Teile der Umwehrungen und der Innenbebauung freizulegen. Darüber hinaus konnten die ''[[Canabae|canabae legionis]]'', die zivile Lagervorstadt identifiziert, das Amphitheater ergraben und datiert sowie die Lage der Gräberfelder ausgemacht werden.<ref>Hans Lehner, 1926, 1929, 1936.</ref><ref>Franz Oelmann: ''Ausgrabung in Vetera 1930''. In: ''Germania'' 15, 1931.</ref><ref>Werner Böcking: ''Die Ausgrabungen des Provinzialmuseums Bonn in Vetera I bei Birten''. In: ders.: ''Die Römer am Niederrhein. Geschichte und Ausgrabungen''. Klartext, Essen 2005, ISBN 3-89861-427-1, S.&nbsp;114-142.</ref> Jedoch wurde der Beobachtungsschwerpunkt bei diesen Grabungen auf das Steinkastell gelegt und die früheren Bauphasen nur nebenher beachtet.<ref>Michael Gechter: ''Die Anfänge des Niedergermanischen Limes''. In: ''Bonner Jahrbücher'' 179 (1979), Rheinland-Verlag, Bonn 1979, S. 106–110.</ref> Die Suche nach ''Vetera II'' verlief lange erfolglos. Zwar deuteten manche Vermutungen in den Bereich um die Bislicher Insel, es gab jedoch keine Beweise. Erst eine Anhäufung von Funden im Zusammenhang mit den nach dem Zweiten Weltkrieg aufgenommenen Auskiesungen alarmierte den damals in Xanten tätigen Archäologen [[Wilhelm Piepers]]. [[Harald von Petrikovits]] veranlasste daraufhin in den Jahren 1955, 1957 und 1958 unterwasserarchäologische Untersuchungen, durch die das ehemalige Legionslager definitiv festgestellt sowie seine Ausdehnung hinreichend geklärt werden konnte.<ref>Harald von Petrikovits: ''Die Legionsfestung Vetera II''. In: ''Bonner Jahrbücher'' 159, 1959, S.&nbsp;89ff.</ref><ref name="Böcking Vetera II">Werner Böcking: ''Bagger und Taucher entdecken Vetera II''. In: ders.: ''Die Römer am Niederrhein. Geschichte und Ausgrabungen''. 5.&nbsp;Auflage. Klartext, Essen 2005, ISBN 3-89861-427-1, S.&nbsp;147-159.</ref> == Historische Hintergründe == Nach [[Gaius Iulius Caesar]]s [[Gallischer Krieg|Gallischem Krieg]] (58 bis 51/50&nbsp;v.&nbsp;Chr.) war am Niederrhein ein für die Römer gefährliches Bevölkerungsvakuum entstanden. Insbesondere [[Marcus Vipsanius Agrippa]] versuchte als Statthalter Galliens ab 39/38&nbsp;v.&nbsp;Chr. und 20&nbsp;bis 18&nbsp;v.&nbsp;Chr. dieses Vakuum durch die Umsiedlung germanischer Stämme, den Aufbau von Verwaltungsstrukturen und die Anlage eines Fernstraßennetzes zu füllen. Zu diesem Zeitpunkt wurde der Rhein noch als Grenze der römischen Interessensphäre angesehen. Das Hauptaugenmerk lag auf der Sicherung und Erschließung der durch Caesar eroberten Provinzen. Eine weitere Expansionspolitik stand noch nicht auf der Tagesordnung, die Legionen standen tief im gallischen Hinterland verteilt. Dieser Zustand änderte sich durch andauernde Übergriffe germanischer Stämme auf linksrheinisches Gebiet, die in der so genannten ''[[Clades Lolliana]]'' gipfelten. In diesem Gefecht im Jahr 17&nbsp;oder 16&nbsp;v.&nbsp;Chr. unterlag der römische Statthalter [[Marcus Lollius]] gegen eine vereinigte Streitmacht der [[Sugambrer]], [[Tenkterer]] und [[Usipeter]]. Der politische Schaden scheint größer gewesen zu sein als die tatsächlichen militärischen Folgen und führte zu einem grundsätzlichen Wandel der römischen Germanienpolitik. [[Augustus]] begab sich im Jahr 16&nbsp;v.&nbsp;Chr. persönlich nach Gallien, um die „germanische Frage“ endgültig zu regeln. Er blieb drei Jahre und richtete – nachdem er die [[Raeter]] besiegt und das Gebiet zwischen Alpen und Donau befriedet hatte – ab 15&nbsp;v.&nbsp;Chr. die Dislozierung des niedergermanischen Heeres neu aus. Die Rheinlinie verlor ihren vormals eher defensiven Charakter und wurde zur offensiven Aufmarschbasis gegen die östlich des Flusses gelegenen germanischen Gebiete. Die nach dem Alpenfeldzug freigewordenen Truppen wurden an den Rhein verlegt, die Legionslager ''[[Ulpia Noviomagus Batavorum|Noviomagus]]'' bei [[Nijmegen]] und ''Vetera'' errichtet. Ob die offensivere Ausrichtung der Germanienpolitik zu diesem Zeitpunkt tatsächlich schon die Besetzung des rechtsrheinischen [[Germania Magna|Germaniens]] bis zur Elbe zum Ziel hatte, wie lange vermutet worden war, wird in der jüngeren Literatur angezweifelt.<ref>Dieter Timpe: ''Römisch-germanische Begegnung in der späten Republik und frühen Kaiserzeit. Voraussetzungen - Konfrontationen - Wirkungen. Gesammelte Studien''. Saur, München & Leipzig, 2006, ISBN 3-598-77845-7, S.&nbsp;163ff.</ref><ref>Johann-Sebastian Kühlborn: ''Auf dem Marsch in die Germania Magna. Roms Krieg gegen die Germanen''. In: Martin Müller, Hans-Joahim Schalles und Norbert Zieling (Hrsg.): ''Colonia Ulpia Traiana. Xanten und sein Umland in römischer Zeit''. Zabern, Mainz 2008, ISBN 978-3-8053-3953-7, S. 67-91.</ref> [[Datei:Druso in Germania per Wikipedia.JPG|thumb|Feldzüge des Drusus]] Als Augustus im Jahre 13&nbsp;v.&nbsp;Chr. nach Rom zurückkehrte, übergab er den Oberbefehl seinem Stiefsohn [[Drusus]], dessen Name für die groß angelegte Offensive gegen die Germanen in den Jahren 12–9&nbsp;v.&nbsp;Chr. steht. Im Rahmen dieser so genannten Drususoffensive diente ''Vetera'' vermutlich als Operationsbasis für die Feldzüge ins rechtsrheinische Germanien. Seine Lage gegenüber der Lippemündung war optimal, öffnete sich doch durch das Lippetal ein Zugang weit nach Osten in das feindliche Gebiet hinein. Auch waren von ''Vetera'' aus die Stammesgebiete der Sugambrer und Usipeter auf kurzen Wegen erreichbar. Mit ''Vetera'' als Basis, flankiert von dem Auxiliarkastell ''[[Asciburgium]]'' und dem von Drusus neu angelegten rechtsrheinischen Legionslager [[Römerlager Oberaden|Oberaden]], konnten die Sugambrer quasi „in die Zange genommen“ werden.<ref name="Kunow27-109">Jürgen Kunow: ''Die Militärgeschichte Niedergermaniens''. In: Heinz-Günter Horn (Hrsg.): ''Die Römer in Nordrhein-Westfalen''. Lizenzausgabe der Auflage von 1987. Nikol, Hamburg 2002, ISBN 3-933203-59-7, S. 27-109.</ref> Drusus führte insgesamt vier Feldzüge ins rechtsrheinische Germanien, wobei sich im Laufe der Auseinandersetzungen die Hauptaktivitäten ins Gebiet der [[Chatten]] verlagerten. Nach seinem frühen Tod wurden die Kampagnen von [[Tiberius]] (9–6&nbsp;v.&nbsp;Chr.), [[Lucius Domitius Ahenobarbus (Konsul 16 v. Chr.)|Lucius Domitius Ahenobarbus]] (um das Jahr 3&nbsp;v.&nbsp;Chr.), [[Marcus Vinicius (Konsul 19 v. Chr.)|Marcus Vinicius]] (um die Zeitenwende) und ab dem Jahre 4&nbsp;n.&nbsp;Chr. erneut durch Tiberius fortgesetzt. [[Datei:Germanicus.jpg|miniatur|Germanicus (15&nbsp;v.&nbsp;Chr.–19&nbsp;n.&nbsp;Chr.)]] Im Frühjahr des Jahres 6 mussten die Operationen jedoch abgebrochen werden, da ein Aufstand in der Provinz ''[[Pannonien|Pannonia]]'' die dortige Anwesenheit des Feldherrn und eines Teiles der Legionen erforderlich machten. Sein Nachfolger als Statthalter, [[Publius Quinctilius Varus]] (7–9) bewies eine weniger glückliche Hand, was im Jahre 9 zur ''[[Varusschlacht|Clades Variana]]'', der so genannten „Schlacht im Teutoburger Wald“ führte, die mit der völligen Vernichtung von drei Legionen, drei [[Ala (Militär)|Alen]] und sechs [[Kohorte]]n endete. Vermutlich befand sich das Heer dabei auf dem Rückmarsch nach ''Vetera'' und mit ziemlicher Sicherheit waren zwei der untergegangenen Legionen, die ''[[Legio XVIII|Legio XVIII Augusta]]'' und die ''[[Legio XVII|Legio XVII Augusta]]'' zuvor in ''Vetera'' stationiert gewesen. In der Folgezeit räumten die Römer alle rechtsrheinischen Garnisonen und schraubten ihre Ambitionen gegenüber Germanien deutlich zurück. Unter Tiberius, der wieder an den Rhein geeilt war, standen der Ausbau und die Konsolidierung der Flussgrenze nunmehr zunächst im Vordergrund. Die Anzahl der Legionen am Rhein wurde von sechs auf acht erhöht. Die untergegangenen Verbände aus Vetera wurden durch die ''Legio V Alaudae'' und die ''Legio XXI Rapax'' ersetzt. ''Vetera'' wurde Hauptort des um die Jahre 11/12&nbsp;n.&nbsp;Chr. neu eingerichteten niedergermanischen Heeresbezirks ''(Exercitus Germanicus Inferior)''.<ref>''[http://www.novaesium.de/geschichte2.htm. Die Niederlage des Lollius und die augusteischen Feldzüge]'' auf der privaten Webseite des Archäologen Jürgen Franssen.</ref> Nach der Rückkehr des Tiberius nach Rom im Jahre 12 übernahm [[Germanicus]] im darauf folgenden Jahr den Oberbefehl im Rheinland. Er bereitete weitere Offensiven ins rechtsrheinische Germanien vor, musste im Jahre 14 aber zunächst eine Meuterei der rheinischen Legionen niederschlagen, die sich nach dem Tod des Augustus gegen dessen Nachfolger Tiberius erhoben hatten. An dieser Meuterei waren auch die ''Legionen V'' und ''XXI'' aus ''Vetera'' beteiligt, die zu diesem Zeitpunkt mit zwei weiteren Legionen in einem Sommerlager (vermutlich im so genannten „Lager C“ in [[Novaesium]]) zusammengezogen worden waren. Anschließend begannen die groß angelegten und aufwändigen Vorstöße ins freie Germanien. Hierbei führte Germanicus den südlichen, von ''[[Mogontiacum]]'' ([[Mainz]]) aus operierenden Flügel des römischen Heeres, während [[Aulus Caecina Severus]] den Oberbefehl über die nördliche, von ''Vetera'' aus agierende Heeresgruppe innehatte. <gallery caption="Feldzüge des Germanicus und des A. Caecina Severus in den Jahren 14–16"> Datei:Germania 14 Germanico jpg.jpg|Militärische Aktionen des Jahres&nbsp;14 Datei:Germania 15 Germanico jpg.jpg|Feldzüge des Jahres&nbsp;15 Datei:Germania 16 Germanico jpg.jpg|Operationen des Jahres&nbsp;16 </gallery> Nachdem die teuren Feldzüge bis zum Jahre 16 nicht den gewünschten Erfolg erbracht hatten, brach Tiberius die Offensive ab und beorderte Germanicus nach Rom zurück. In der Folgezeit blieb der Niederrhein eine defensiv ausgerichtete Grenze. An dieser Grenze und damit auch in ''Vetera'' blieb es über ein halbes Jahrhundert lang relativ friedlich. So ist die Zeit des [[Claudius]] in erster Linie durch den Ausbau des Straßennetzes gekennzeichnet, das die verschiedenen Militärlager des Rheinlandes miteinander verband. Diese ruhige Lage änderte sich erst mit den [[Bataveraufstand|Ereignissen der Jahre 69/70]], die das gesamte Imperium erschüttern sollten.<ref>Johann-Sebastian Kühlborn: ''Auf dem Marsch in die Germania Magna. Roms Krieg gegen die Germanen''. In: Martin Müller, Hans-Joahim Schalles und Norbert Zieling (Hrsg.): ''Colonia Ulpia Traiana. Xanten und sein Umland in römischer Zeit''. Zabern, Mainz 2008, ISBN 978-3-8053-3953-7.</ref><ref name="Kunow27-109"/> == Vetera I == {{Infobox Limeskastell |Name = Vetera I |Antiker Name = Vetera Castra<ref name=Tacitus/>,<br />Castra Vetera<ref name="Houben"/> |Limes = Niedergermanischer Limes |Abschnitt= |Belegung von bis = 13/12&nbsp;v.&nbsp;Chr.<ref name="Gechter BJ 179"/> bis 70&nbsp;n.&nbsp;Chr. |Kastelltyp = (Doppel-)Legionslager |Truppenteil = A.a)&nbsp;[[Legio XVIII Augusta]]<br />A.b)&nbsp;[[Legio XVII Augusta]]<br />B.a)&nbsp;[[Legio XXI Rapax]]<br />B.b)&nbsp;[[Legio V Alaudae]]<br />C)&nbsp;[[Legio XV Primigenia]] |Abmessungen oder Fläche = Mauer: 902&nbsp;m&nbsp;×&nbsp;621&nbsp;m<br />Gesamtfläche:<br /> 926&nbsp;m&nbsp;×&nbsp;636/640&nbsp;m<ref name="Abmessungen" group="A">636&nbsp;m an der Rückfront, 640&nbsp;m längs der ''Via Principalis''.</ref> |Verwendetes Material = a) Holz-Erde-Lager<br />b) Holz-Erde-Lager mit steinerner Innenbebauung |Kurzbeschreibung = Bodendenkmal; nur Amphitheater sichtbar |Heutiger Ortsname = [[Xanten]]-Birten |Breitengrad = 51/38/47 |Längengrad = 6/28/11.96 |Region-ISO = DE-NW |Höhe = |Im Limesverlauf vorher liegendes Kastell = [[Kastell Burginatium|Burginatium]] <small>(nordwestlich)</small> |Im Limesverlauf nachfolgendes Kastell = [[Calo (Kastell)|Calo]] (?)<ref name ="Calo" group="A">Die Existenz des [[Auxiliartruppen|Auxiliarlagers]] Calo ist bislang archäologisch nicht nachgewiesen.</ref><small>(südsüdöstlich)</small><br />[[Asciburgium]] <small>(südsüdöstlich)</small> |Im Limesverlauf rückwärtiges Kastell = |Im Limesverlauf vorgelagertes Kastell = [[Vetera#Vetera II|Vetera II]] <small>(östlich;<br />zeitlich nachfolgend)</small> }} === Legionslager === ==== Augusteisch-tiberische Zeit (16&nbsp;v.&nbsp;Chr.–37&nbsp;n.&nbsp;Chr.) ==== [[Datei:Epitaph des Marcus Caelius.JPG|miniatur|links|Caelius-Stein]] Der Zeitpunkt der Gründung des ersten Lagers ist historisch und archäologisch nicht genau fassbar. Er fällt auf jeden Fall in den Zeitraum, als nach der ''Clades Lolliana'' ab dem Jahr 16&nbsp;v.&nbsp;Chr. die Germanienpolitik durch Augustus expansiver ausgerichtet wurde, was schließlich in der [[Drusus#Feldzüge gegen die Germanen (12 bis 9 v. Chr.)|Offensive des Drusus]] (12&nbsp;–&nbsp;9&nbsp;v.&nbsp;Chr.) gipfelte. Von den archäologischen Befunden her kommen am ehesten die Jahre unmittelbar vor dem Beginn der Offensive, also 13/12&nbsp;v.&nbsp;Chr. in Frage.<ref name="Gechter BJ 179"/> Es wurden mindestens sieben verschiedene, sich teilweise überschneidende Grabensysteme (Gräben A–A' bis G–G'<ref group="A">A–A' = frühaugusteisch, B–B' = letztes Jahrzehnt vor der Zeitenwende, C–C' = augusteisch vom Typ Oberaden, D-D' = Anfang des ersten nachchristlichen Jahrhunderts, E–E' und F–F' = vor der Errichtung des Steinlagers, G–G' = augusteisch</ref>) aus dieser Periode gefunden, die theoretisch auch einen früheren Gründungszeitpunkt nicht ausschließen, es fehlt jedoch das diese Befunde eindeutig datierende Fundmaterial.<ref name="Gechter RiNW620">Michael Gechter: ''Die Legionslager Vetera I und II''. In: [[Heinz-Günter Horn]] (Hrsg.): ''Die Römer in Nordrhein-Westfalen.'' Lizenzausgabe der Auflage von 1987. Nikol, Hamburg 2002, ISBN 3-933203-59-7, S.&nbsp;620.</ref> Außer den Gräben sind von diesen, in reiner Holz-Erde-Bauweise errichteten Lagern archäologisch noch ein [[Töpferofen]] (ein weiterer ist bereits in die frühclaudische Zeit zu datieren<ref name="Datierung Töpferöfen">Werner Böcking: ''Die Ausgrabungen des Provinzialmuseums Bonn in Vetera I bei Birten''. In ders.: ''Die Römer am Niederrhein. Geschichte und Ausgrabungen''. 5.&nbsp;Auflage. Klartext, Essen 2005, ISBN 3-89861-427-1, S&nbsp;138.</ref>) sowie etliche Abfallgruben erfasst worden. Die ersten Lager dienten vermutlich als Ausgangsbasis für die Feldzüge ins rechtsrheinische Germanien und zur Kontrolle des unteren Rheins ''(Rhenus)'' sowie der Lippe ''(Lupia)''. Hans Lehner ging davon aus, dass es sich bei Vetera zu diesem frühen Zeitpunkt noch nicht um ein festes Standlager gehandelt habe. Vielmehr hätten die Legionen nach ihren Sommerfeldzügen den hochwasserfreien Fürstenberg vermutlich alljährlich erneut als Winterquartier benutzt, wodurch die Vielzahl der Lagergräben erklärbar wäre.<ref name="Böcking Lehnert">Werner Böcking: ''Die Ausgrabungen des Provinzialmuseums Bonn in Vetera I bei Birten''. In ders.: ''Die Römer am Niederrhein. Geschichte und Ausgrabungen''. 5.&nbsp;Auflage. Klartext, Essen 2005, ISBN 3-89861-427-1, S.&nbsp;123f.</ref> Ob es sich zu dieser Zeit schon um ein Doppellegionslager gehandelt hat, ist nicht gesichert. Der früheste Hinweis auf zwei Legionen in Vetera datiert erst auf das Jahr 14&nbsp;n.&nbsp;Chr.<ref name="Gechter RiNW620"/><!--Von diesem Zeitpunkt bis zu seiner Vernichtung während des [[Bataveraufstand]]s im Jahr 70&nbsp;n.&nbsp;Chr. wurde Vetera I dann dauerhaft von 8.000 bis 10.000 [[Römische Legion|Legionären]] besetzt-->. Vermutlich waren aber die ''Legio XVIII'' und die ''Legio XVII'' vor ihrem Aufbruch ins rechtsrheinische Germanien, der schließlich mit ihrer Vernichtung in der [[Varusschlacht]] endete, in ''Vetera'' stationiert. Dafür spricht der Fund des Grabsteins des [[Marcus Caelius]], eines [[Centurio]]nen der XIIX.&nbsp;Legion.<ref name="CIL Caelius">{{CIL|13|08648}} sowie {{AE|1953|00222}} und {{AE|1955|00034}}.</ref> Der Stein trägt die Inschrift: <div align="center">M(ARCO) CAELIO T(ITI) F(ILIO) LEM(ONIA TRIBV) BON(ONIA)<br />[I] O(RDINI) LEG(IONIS) XIIX ANN(ORVM) LIII S(EMISSIS)<br />[CE]CIDIT BELLO VARIANO OSSA<br />[LIB(ERTORVM) I]NFERRE LICEBIT P(VBLIVS) CAELIVS T(ITI) F(ILIVS)<br />LEM(ONIA TRIBV) FRATER FECIT</div> Übersetzt: ''„Für Marcus Caelius, Sohn des Titus, aus der [[Tribus (Rom)|Tribus]] Lemonia, aus Bononia<ref group="A">Das heutige [[Bologna]].</ref>, Centurio 1.&nbsp;Ordnung der 18.&nbsp;Legion, 53&nbsp;Jahre und ein halbes alt. Er ist gefallen im Krieg des Varus. Die Gebeine der Freigelassenen dürfen hier bestattet werden. Publius Caelius, Sohn des Titus, aus der Tribus Lemonia, sein Bruder, hat (erg.: den Grabstein) gemacht.“''<ref name="CIL Caelius"/>. Es handelt sich bei diesem Grabstein vermutlich um den Bestandteil eines [[Kenotaph]]s, da ja die Gefallenen der Varianischen Niederlage sechs Jahre später durch [[Germanicus]] am Ort des Geschehens bestattet worden sein sollen. Er wurde Anfang der 1620er-Jahre entdeckt. Sein genauer Fundort ist nicht bekannt. Wahrscheinlich stammt er aus den Gräberfeldern, die sich an das Legionslager anschlossen, vermutlich aus dem augusteischen Gräberfeld auf der Kuppe des Fürstenberges.<ref>Hans-Joachim Schalles (Hrsg.): ''Tod in der Varusschlacht. Ausstellung im LVR-RömerMuseum im Archäologischen Park Xanten vom 23.&nbsp;4.2009 bis 30.8.2009 sowie im LVR-LandesMuseum Bonn vom 24.9.2009 bis 24.1.2010''. Primus, Darmstadt 2009, ISBN 978-3-89678-808-5,</ref><ref>Werner Böcking: ''Die Römer am Niederrhein. Geschichte und Ausgrabungen''. 5.&nbsp;Auflage. Klartext, Essen 2005, ISBN 3-89861-427-1, S.&nbsp;85ff.</ref><ref>Hermann Hinz: ''Xanten zur Römerzeit''. Th. Gesthuysen, Xanten 1960, W. Renckhoff, Duisburg-Ruhrort 1963, Th. Gesthuysen, Xanten 1967, Dombuchhandlung, Xanten 1971, 1973, 1976 (6.&nbsp;Auflage), S.&nbsp;8f.</ref> Nach der ''Clades Variana'', die mit dem Totalverlust von drei Legionen samt der dazu gehörenden [[Auxiliartruppen]] verbunden war, wurden die ''[[Legio V Alaudae]]'' und die ''[[Legio XXI Rapax]]'' als Ersatz für die untergegangenen Legionen nach Vetera entsandt. Sie sind ab dem Jahr 14&nbsp;n.&nbsp;Chr. nachgewiesen, in dem sie an der [[Tiberius#Der Prinzipat des Tiberius|Meuterei der in Germanien und Pannonien stationierten Legionen]] beim Regierungsantritt des Tiberius beteiligt waren. Anschließend nahmen die Legionen unter dem Befehl des Aulus Caecina Severus von der Operationsbasis ''Vetera'' aus an den Germanenkriegen des Germanicus in den Jahren 14 bis 16 teil, bevor – durch die grundlegenden Änderung der Germanenpolitik unter Tiberius ab dem Jahre 17 – die Garnison Vetera einen mehr defensiven Charakter erhielt. Das Lager der beiden Legionen besaß eine zweiphasige Umwehrung mit einer drei Meter breiten Holz-Erde-Mauer und einem Doppelgraben. Von der Innenbebauung ist nichts bekannt.<ref name="Gechter RiNW620"/><ref name="Böcking Lehnert"/> ==== Claudisch-neronische Zeit (41–68) ==== [[Datei:Plinio praefecto.jpg|miniatur|links|Plinius-Phalera aus Vetera, heute im [[Britisches Museum|Britischen Museum]], London]] Die beiden Legionen standen zusammen in ''Vetera'', bis um das Jahr 46 die ''Legio XXI Rapax'' durch die ''[[Legio XV Primigenia]]'' ersetzt wurde. In diesem Zusammenhang wurde ein neues Lager errichtet, in dem Teile der Innenbebauung bereits in Stein ausgeführt waren. Außer einem ''[[Valetudinarium]]'' (Lazarett) und einigen weiteren Mauerzügen ungeklärter Bestimmung ist jedoch von der Innenbebauung dieses Lagers nichts bekannt.<ref name="Gechter RiNW620"/><ref name="Böcking Lehnert"/> Hier soll Anfang bis Mitte der 50er Jahre, vielleicht im Jahr 57<ref name="Lehner Plinius 1926">Hans Lehner: ''Das Römerlager Vetera bei Xanten. Ein Führer durch die Ausgrabungen des Bonner Provinzialmuseums.'' Röhrscheid, Bonn 1926, S.&nbsp;49ff.</ref>, [[Plinius der Ältere]] als [[Präfekt (Römisches Reich)|Präfekt]] einer [[Ala (Militär)|Ala]] stationiert gewesen sein.<ref>[http://www.marixverlag.de/eshop/Leseproben/00200.pdf Einleitung zur Naturgeschichte des Caius Plinius Secundus] von Manuel Vogel. Marix, Wiesbaden 2007, ISBN 978-3-86539-144-5, S.&nbsp;9f.</ref> Darauf weist der Fund einer [[Phalera]] mit der Inschrift PLINIO PRAEFEC(TO) EQ(uitum) [Übers.: Durch den (i.&nbsp;S.&nbsp;v. „unter dem“) Reiterpräfekten Plinius] hin.<ref group="A">Es handelt sich also nicht um eine Phalera des Praefekten Plinius („Plinii praefecti“), sondern um eine, die unter dem Präfekten Plinius verliehen wurde. Nach Lehner, 1926.</ref><ref name="Lehner Plinius 1926"/> [[Datei:Xanten legionary secundus gravestone.jpg|miniatur|Grabstein des Quintus Petilius Secundus, Soldat der ''Legio XV Primigenia'' (heute im [[Archäologischer Park Xanten|APX]])]] Am besten bekannt von allen Bauphasen ist das um das Jahr 60 errichtete letzte Lager der V.&nbsp;und XV.&nbsp;Legion. Das Doppellegionslager war von einer Umfassungsmauer umgeben, deren Maße 902&nbsp;m&nbsp; mal 621&nbsp;m betrugen. Mit dem vorgelagerten Wall- und Grabensystem ergaben sich Abmessungen von rund 926&nbsp;m mal 636/640&nbsp;m.<ref name="Abmessungen" group="A"/><ref>Hans Lehner: ''Vetera. Die Ergebnisse der Ausgrabungen des Bonner Provinzialmuseums bis 1929''. De Gruyter, Berlin & Leipzig 1930, S.&nbsp;27.</ref> Mit seiner sich daraus ergebenden Gesamtfläche von ungefähr 60&nbsp;Hektar ist es das größte bekannte Lager seiner Art. Die Mauer war drei Meter breit und bestand aus einem Holzpfosten und -ständerwerk, in das Lehmziegel oder einfache Lehmbatzen eingesetzt waren. Die Außen- und die Innenseite war mit einer Fachwerkkonstruktion versehen, deren Gefache mit lehmverputzten Leistenziegeln gefüllt waren, der Wehrgang war mit Bodenplatten belegt. Eck- und Zwischentürme werden vermutet, konnten aber bislang nicht archäologisch nachgewiesen werden. Die Mauer besaß insgesamt vier Tore mit einer Durchfahrtbreite zwischen 8,50&nbsp;m und 9,50&nbsp;m, die jeweils von zwei Türmen flankiert und mit einer Brücke versehen waren. Mit seiner Prätorialfront (Vorderfront) war das Kastell nach Süden ausgerichtet, so dass die ''Porta Praetoria'' (Haupttor) am Fuße, die ''Porta Decumana'' (rückwärtiges Tor) auf der Kuppe des Fürstenbergs lag. Vor der Mauer befanden sich als Annäherungshindernisse zwei Spitzgräben<ref group="A">Archäologisch nachgewiesen nur an der Südseite des Lagers.</ref> sowie Astverhaue. Die Gräben zogen vor den Toren leicht nach innen, sich hierbei dem Mauerverlauf anpassend, und setzten in ihrem Verlauf aus.<ref name="Gechter RINW620ff">Michael Gechter: ''Die Legionslager Vetera I und II''. In: [[Heinz-Günter Horn]] (Hrsg.): ''Die Römer in Nordrhein-Westfalen.'' Lizenzausgabe der Auflage von 1987. Nikol, Hamburg 2002, ISBN 3-933203-59-7, S.&nbsp;620ff.</ref> Die Untersuchungen der Innenstrukturen beschränkten sich im Wesentlichen auf das Lagerzentrum. Weite Bereiche der ''Praetentura'' (vorderer Teil) und der ''Retentura'' (rückwärtiger Teil) blieben bis heute unerforscht. Das Lager wurde von den beiden Lagerhauptstraßen (''Via Praetoria'' und ''Via Decumana'' in Nord-Süd-Richtung sowie ''Via Principalis'' ins Ost-West-Richtung) unterteilt. Durch die Fundverteilung von Ziegelstempeln innerhalb der Garnison konnte eindeutig nachgewiesen werden, dass die westliche Lagerhälfte von der V.&nbsp;Legion und die östliche Hälfte von der XV.&nbsp;Legion belegt wurde.<ref name="Lehner Lageraufbau">Hans Lehner: ''Vetera. Die Ergebnisse der Ausgrabungen des Bonner Provinzialmuseums bis 1929''. De Gruyter, Berlin & Leipzig 1930, S.&nbsp;38f..</ref> Die ''Via Principalis'' war an beiden Seiten von Säulengängen gesäumt, hinter denen sich größtenteils zweiräumige ''tabernae'' (Ladenlokale) befanden.<ref name="Lehner Lageraufbau"/> Am Kreuzungspunkt der Lagerhauptstraßen, im Zentrum des Lagers, befanden sich die ''Principia'', das Stabs- und Verwaltungsgebäude der Garnison. Hinter ihnen lag ein weiteres großes Verwaltungsgebäude (so genanntes „Gebäude G“), das als Wohn- und Amtsgebäude des ''Praefectus Castrorum'', des Lagerkommandanten angesprochen wurde. Diese beiden Gebäude unterbrachen die in nordsüdlicher Richtung verlaufende Flucht von ''Via Praetoria'' und ''Via Decumana'', an ihre Stelle traten in diesem Bereich zwei Straßen, die rechts und links an den beiden Gebäudekomplexen vorbeiführten. Flankiert wurden die ''Principia'' von den beiden komfortabel angelegten ''Praetorien'', den Wohnpalästen der [[Legatus|Legaten]], der Kommandeure der Legionen. Die ''Principia'' waren ein rechteckiger Bau von 120&nbsp;m Länge und 94,80&nbsp;m Breite. Ihre Mauern waren aus [[Grauwacke]]-, [[Basalt]]- und [[Tuff]]steinen errichtet, die mit Kalk vermörtelt waren. Man betrat den Gebäudekomplex von Süden, von der ''Via Praetoria'' her, durch einen Torbau und gelangte zunächst in einen annähernd quadratischen<ref group="A">61,80&nbsp;m mal 64,80&nbsp;m.</ref> Hof, der an allen Seiten von [[Portikus|Portiken]] umgeben war. Hinter den Portiken umliefen den Hof an seiner West-, Süd- und Ostseite jeweils zwei Reihen von Kammern, die zum größten Teil als ''Armamentaria'' (Waffenkammern) gedeutet wurden. Im Norden schloss sich eine säulengestützte, dreischiffige ''[[Basilika]]'' an, die vermutlich sakralen Zwecken diente.<ref>Werner Böcking: ''Die Ausgrabungen des Provinzialmuseums Bonn in Vetera I bei Birten''. In ders.: ''Die Römer am Niederrhein. Geschichte und Ausgrabungen''. 5.&nbsp;Auflage. Klartext, Essen 2005, ISBN 3-89861-427-1, S.&nbsp;133.</ref> Reste von Wandbemalung und Fragmente reich verzierter [[Kapitell]]e deuten auf eine aufwändige Ausstattung hin. An ihrer westlichen Schmalseite befand sich das ''Sacellum'' (Fahnenheiligtum) der V., an ihrer östlichen Schmalseite das der XV.&nbsp;Legion, in denen sich jeweils die Standarten, die Truppenkasse und die Götterbildnisse der Legionen befanden. An der Nordseite der Basilika wurde der Gebäudekomplex von einer Flucht von neun Räumen abgeschlossen. Die ''Praetorien'', die beiden Paläste der Legaten, befanden sich westlich und östlich der ''Principia'' und richteten sich mit ihren Eingangspforten und Portiken auf diese hin aus. Die Gebäudekomplexe ordneten sich jeweils um drei [[Peristyl]]höfe an, von denen einer eine lang gestreckte Form mit gerundeten [[Apsis|Apsiden]] besaß und als Prachtgartenanlage angesprochen wurde. Der westliche Legatenpalast des Befehlshabers der V.&nbsp;Legion besaß eine Länge von 97&nbsp;m und eine Breite von 77&nbsp;m einschließlich Portikus. Die Abmessungen des östlichen Palasts, desjenigen des Kommandierenden der XV.&nbsp;Legion, betrugen 109&nbsp;m mal 78,50&nbsp;m. Im Norden der ''Principia'' schloss sich das so genannte „Gebäude G“ an. Es maß 124,50&nbsp;m in nordsüdlicher und 95,40&nbsp;m in ostwestlicher Ausdehnung. Der Gebäudekomplex bestand aus einer großen Zahl kleinerer Räume, die sich um mehrere größere Innenhöfe und Säle anordneten. Insgesamt ist die Innenstruktur aber nur unzureichend erforscht, um über die Funktion der Räume konkrete Aussagen treffen zu können. Auch die Interpretation des Gebäudes als Wohn- und Verwaltungsgebäude des Lagerkommandanten, des ''Praefectus Castrorum'', ist hypothetisch und nicht gänzlich gesichert.<ref>In jüngerer Zeit wurde alternativ eine Deutung als Wirtschaftsgebäude in Erwägung gezogen. Nach: Norbert Hanel: ''Die Militärlager von Vetera I und ihre Lagersiedlungen.'' In Martin Müller, Hans-Joahim Schalles und Norbert Zieling (Hrsg.): ''Colonia Ulpia Traiana. Xanten und sein Umland in römischer Zeit''. Zabern, Mainz 2008, ISBN 978-3-8053-3953-7, S.&nbsp;104.</ref> Vier nahezu baugleiche Häuser wurden als Tribunenpaläste angesprochen.<ref group="A">Von diesen vier Gebäuden wurden allerdings nur drei (Gebäude K, J und M) vollständig ausgegraben, von einem weiterem (Gebäude Q) wurde nur die westliche Raumflucht freigelegt.</ref> Es waren Peristylhäuser mit einem annähernd quadratischen Grundriss von rund 39&nbsp;Metern Breite und rund 41&nbsp;m Tiefe. Drei dieser Gebäude<ref group="A">Gebäude K, J und M.</ref> befanden sich nebeneinander in einer Reihe nördlich des Legatenpalastes der V.&nbsp;Legion, ein weiteres<ref group="A">Gebäude Q.</ref> wurde östlich des ''Praetoriums'' der XV:&nbsp;Legion freigelegt. Fünf weitere Gebäude<ref group="A">Gebäude a, b, c, S und L.</ref> (vier davon längs der ''Via Principalis'') mit Grundflächen zwischen 2.410&nbsp;m² und 3.208&nbsp;m² wurden ebenfalls als Unterkünfte von Stabsoffizieren gedeutet. Von den weiteren Großbauten im Innenbereich scheint nur noch ein ''Valetudinarium'' (Lazarett) in seiner Funktion gesichert. Es handelt sich um eine quadratisches Gebäude mit einer Seitenlänge von 83,50&nbsp;m. Um einen 43&nbsp;m mal 39&nbsp;m großen Innenhof laufen an drei Seiten zwei durch einen Gang getrennte Reihen von Zimmern, die der Aufnahme der Verletzten und Kranken dienten. An der Nordseite befand sich ein säulengestützter Saal, der als Operationssaal interpretiert wird. Das ''Valetudinarium'' befand sich in der Westhälfte des Lagers, in unmittelbarer Nähe der ''Porta Principalis Dextra'' (rechtes Seitentor) und somit in dem Lagerbereich, der der V.&nbsp;Legion zugeordnet war. Dies ließ die Vermutung nach einem zweiten Lazarett für die XV.&nbsp;Legion zu, die aber bislang nicht archäologisch bestätigt werden konnte.<ref>Hans Lehner: ''Vetera. Die Ergebnisse der Ausgrabungen des Bonner Provinzialmuseums bis 1929''. De Gruyter, Berlin & Leipzig 1930</ref><ref>Norbert Hanel: ''Die Militärlager von Vetera I und ihre Lagersiedlungen.'' In Martin Müller, Hans-Joachim Schalles und Norbert Zieling (Hrsg.): ''Colonia Ulpia Traiana. Xanten und sein Umland in römischer Zeit''. Zabern, Mainz 2008, ISBN 978-3-8053-3953-7, S.&nbsp;93-107.</ref> ==== Vetera während des Vierkaiserjahres (69) und des Bataveraufstands (69/70) ==== Nach Jahrzehnten der relativen Ruhe war das Rheinland während der [[Vierkaiserjahr|Ereignisse der Jahre 69/70]] die neben dem italienischen Mutterland am stärksten in diese Geschehnisse involvierte Region des Imperiums. Vor dem Hintergrund dieser Wirren, die das gesamte Reich erschütterten, und insbesondere im unmittelbaren Zusammenhang mit dem [[Bataveraufstand]] spielte das Legionslager ''Vetera I'' noch einmal eine bedeutende und gleichzeitig seine letzte Rolle. <gallery> Datei:017 Galba.jpg|Galba Datei:Oth001.jpg|Otho Datei:Aulus Vitellius (MRABASF Matritum) 01.jpg|Vitellius Datei:Vespasianus02 pushkin.jpg|Vespasian </gallery> [[Galba]], der Nachfolger [[Nero]]s, brachte durch einige unpopuläre Personalentscheidungen das Niedergermanische Heer gegen sich auf, das seinerseits im Januar 69 [[Vitellius]] zum Kaiser ausrief. Um seinen Thronanspruch in Rom durchsetzen zu können, marschierte Vitellius mit großen Teilen des Heeres in zwei Säulen nach Italien. Darunter befanden sich auch rund 4.000 Legionäre der ''Legio V'' aus ''Vetera'' (weitere 6.000 Legionäre stellten die übrigen drei niederrheinischen Legionen) sowie acht [[Auxiliartruppen|Auxiliarkohorten]] der [[Bataver]]. Insgesamt wurden aus den westlichen Provinzen und Heeresbezirken etwa 70.000 Mann abgezogen, die Grenzsicherungen damit empfindlich entblößt. Nach den anfänglichen Erfolgen des Vitellius, der sich gegen Galba und dessen unmittelbaren Nachfolger [[Otho]] durchgesetzt hatte, wurden die acht Bataverkohorten (rund 4.000 Mann) an die germanische Grenze zurück beordert. Sie bezogen im Sommer 69 bei ''Mogontiacum'' Quartier. Etwa gleichzeitig wurde im Osten des Reiches, in den Provinzen ''[[Aegyptus]]'', ''[[Syria]]'' und ''[[Iudaea]]'' sowie von den Donaulegionen [[Vespasian|Titus Flavius Vespasianus]] als Kaiser gegen Vitellius ausgerufen; seine Truppen setzten sich gen Rom in Marsch. Als daraufhin Vitellius in den Stammesgebieten der Bataver und der [[Cananefaten]] von diesen als willkürlich empfundene Aushebungen durchführte, um seine Verbände für die bevorstehenden Auseinandersetzungen mit Vespasian zu verstärken, erhoben sich die Bataver und Cananefaten gemeinsam mit den [[Friesen]] unter der Führung des batavischen Adeligen und Kommandanten einer Bataverkohorte ''[[Iulius Civilis]]''. Dabei erweckte Civilis zunächst geschickt den Anschein, auf Seiten Vespasians gegen Vitellius in den Bürgerkrieg einzugreifen.<ref group="A">In diesem Zusammenhang wird oft ein Brief des [[Antonius Primus]] an Civilis zitiert, der im Spätsommer 69 seinen Adressaten erreicht haben dürfte und in dem die Bataver aufgefordert wurden, auf Seiten Vespasians in den Krieg einzugreifen. (Tacitus, ''Historien'' 4, 13; dazu Barbara Levick: ''Vespasian''. Routledge, London 1999, ISBN 0-415-16618-7, S.&nbsp;108.</ref> Eine Strafexpedition der (vitellianischen) Römer endete in einem Desaster, da während der Schlacht die batavischen Auxiliarreiter die Seite wechselten und die [[Ubier|ubischen]] und [[Treverer|treverischen]] Auxiliarverbände flüchteten. Die Reste des Expeditionskorps konnten sich nur unter Mühen nach ''Vetera'' retten. Der Aufstand gewann an Dynamik, als Ende des Sommers/Anfang Herbst 69 die acht in Mogontiacum stationierten Bataverkohorten nach Norden marschierten und sich mit den Truppen des Civilis vereinigten. Civilis vereidigte sie auf Vespasian und forderte nun auch die in ''Vetera'' verbliebenen Teile der 5.&nbsp;und 15.&nbsp;Legion auf, sich der Sache des [[Flavier]]s anzuschließen. Die Garnison von ''Vetera'' blieb jedoch Vitellius treu. Mauern und Wälle des Lagers wurden verstärkt, jedoch sorgte man nicht für die ausreichende Menge an Proviant, um einer längeren Belagerung Stand zu halten. Nach einem ersten, zurückgewiesenen Angriffsversuch verlegten sich die Truppen des Civilis, die inzwischen das gesamte links- und rechtsrheinische Umland, sowie mittels ihrer von den Römern erbeuteten Flotte auch den Rheinstrom selbst beherrschten, folgerichtig darauf, das Lager auszuhungern. Ein [[Entsatz]]heer aus Soldaten der ''[[Legio XXII Primigenia]]'' unter dem Kommando des [[Gaius Dillius Vocula]] wurde von Süden her in Marsch gesetzt, vereinigte sich in ''[[Novaesium]]'' mit der ''[[Legio XVI Gallica]]'', wagte aber nicht, weiter in den Raum um ''Vetera'' vorzudringen, sondern schlug bei [[Gelduba]] ein Lager auf. Währenddessen vergrößerte sich die Armee des Civilis durch Zulauf aus nahezu allen Regionen Germaniens unaufhörlich und begann, die Gebiete der [[Moriner]], [[Menapier]], [[Ubier]] und Treverer, also das gesamte Rheinland bis hinunter zur Mosel und bis hinüber zur Nordseeküste zu verwüsten. Der Belagerungsring um ''Vetera'' wurde weiter verstärkt, die Erstürmungsversuche wieder aufgenommen. Einzig ein Ausfall der Besatzung sorgte für ein wenig Entlastung und beendete die Eroberungsversuche. An einen Erfolg versprechenden Ausbruch war allerdings nicht zu denken. Etwa zu diesem Zeitpunkt fiel in Norditalien in der [[Schlacht von Bedriacum am 24. Oktober 69]] die Entscheidung zwischen Vitellius und Vespasian zugunsten des Flaviers. Die Nachricht hiervon, sowie die Aufforderung Vespasians an Civilis, die Kampftätigkeiten zu beenden, dürfte am Niederrhein Anfang November des Jahres eingetroffen sein. Sie wurde jedoch von dem Bataver ignoriert, der stattdessen einen Teil seiner Truppen gegen Vocula sandte und die Belagerung ''Veteras'' fortsetzte. Vocula besiegte die gegen ihn entsandten Truppen und marschierte zum Entsatz auf ''Vetera'' zu. Dort wogte der Kampf hin und her, bis ihn schließlich ein Ausfall der Kastellbesatzung zugunsten der Römer entschied. ''Vetera'' war aus der Umschließung befreit, jedoch blieb die Versorgungslage prekär, die Aufständischen beherrschten nach wie vor das Umland und Vocula versäumte es, den geschlagenen Truppen des Civilis nachzusetzen. Gerade zu einem Zeitpunkt, als Vocula aus der Garnison von ''Vetera'' weitere 1.000 Mann abgezogen hatte, die zur Sicherung des Nachschubs eingesetzt werden sollten, schloss Civilis das Lager Ende Dezember 69 erneut ein. Vocula zog sich nach ''Novaesium'' zurück und wurde von Civilis verfolgt, der ''Gelduba'' einnahm und dessen Reiterei bis nach ''Novaesium'' vorstieß. In den folgenden Monaten verlagerten sich die Hauptereignisse des Krieges tiefer in den Süden des Rheinlandes, wo sich nun auch einige gallische Stämme, darunter die Treverer gemeinsam mit den vitellianischen Legionen gegen Vespasians Herrschaft erhoben. Die im Legionslager ''Vetera'' noch verbliebenen Truppen, Teile der ''Legio XV Primigenia'', der ''Legio V Alaudae'' und möglicherweise der ''Legio XVI Gallica'', kapitulierten, nachdem die Vorräte aufgezehrt waren, im März&nbsp;70. ''Vetera'' wurde zur Plünderung freigegeben, den Legionären, nachdem sie auf das ''„Imperium Galliarum“'', das Gallische Reich des Civilis, vereidigt worden waren, freier Abzug gewährt. Sie wurden jedoch fünf Meilen südlich ''Veteras'' von Germanen aus dem Hinterhalt überfallen und niedergemacht. Einigen wenigen gelang die Flucht zurück nach ''Vetera'', wo sie in dem Feuer, das die Aufständischen im Zuge der Plünderung legten, umkamen. Hier endet die Geschichte des claudisch-neronischen Legionslagers.<ref>Jürgen Kunow: ''Die Militärgeschichte Niedergermaniens. Das Vierkaiserjahr und der Bataveraufstand.'' In: Heinz-Günter Horn (Hrsg.): ''Die Römer in Nordrhein-Westfalen''. Lizenzausgabe der Auflage von 1987. Nikol, Hamburg 2002, ISBN 3-933203-59-7, S. 59-63.</ref><ref>Dirk Schmitz: ''Der Bataveraufstand im Kontext des römischen Bürgerkrieges 68-70&nbsp;n.&nbsp;Chr.'' In Martin Müller, Hans-Joahim Schalles und Norbert Zieling (Hrsg.): ''Colonia Ulpia Traiana. Xanten und sein Umland in römischer Zeit''. Zabern, Mainz 2008, ISBN 978-3-8053-3953-7, S.&nbsp;117-140.</ref> Noch im selben Jahr, Ende Juli oder Anfang August 70&nbsp;n.&nbsp;Chr. gewannen römische Truppen in der „Schlacht bei Vetera“, vor den Toren des zerstörten Kastells, eines der entscheidenden Gefechte bei der Niederschlagung des Bataveraufstands. === Canabae Legionis, Amphitheater und Gräberfelder === Zu nahezu jedem römischen Legionslager gehörten die ''[[Canabae|Canabae Legionis]]'', die zivile Lagervorstadt, in der sich die Angehörigen der Soldaten sowie Handwerker, Händler, Gastwirte, Bordellbetreiber und andere Dienstleister niederließen. Spuren der ''Canabae Legionis'' aus den ersten Jahrzehnten der militärischen Präsenz in ''Vetera'' fehlen bislang, wenn man von einem Töpferofen, der in die frühclaudische Zeit datiert<ref name="Datierung Töpferöfen"/>, einmal absieht. Ihre Existenz muss aber als wahrscheinlich angenommen werden. Gesicherte Spuren einer Lagervorstadt, die eine nicht unbeträchtliche Größenordnung gehabt haben muss, wie uns Tacitus überliefert,<ref>Tacitus, ''Historien'' 4, 22: ''Adversus has concurrentis belli minas legati legionum Munius Lupercus et Numisius Rufus vallum murosque firmabant. Subversa longae pacis opera, '''haud procul castris in modum municipii extructa''', ne hostibus usui forent. Sed parum provisum ut copiae in castra conveherentur; rapi permisere: ita paucis diebus per licentiam absumpta sunt quae adversus necessitates in longum suffecissent.''</ref> liegen erst aus der Zeit des claudisch-neronischen Lagers vor. Sie wurde durch Sondierungen nachgewiesen. Vom Lager selbst waren die ''Canabae'' durch einen 100&nbsp;m breiten unbebauten Geländestreifen geschieden. Die östliche Grenze der zivilen Besiedlung wird nicht mehr zu ermitteln sein, da sie durch den Rhein abgetragen wurde. Im Süden dürfte sie sich bis zum Beginn der Gräberfelder im Bereich der modernen Ortschaft Birten erstreckt haben. Insgesamt lassen sich über die Größe und den Aufbau der ''Canabae'' nur wenig konkrete Aussagen treffen. Sie dürfte sich in etwa U-förmig im Westen, Süden und Osten um das Militärlager gezogen haben. Jüngere [[Luftbildarchäologie|luftbildarchäologische]] Untersuchungen durch den Archäologen [[Baoquan Song]] zeigen eine regelmäßige Straßenstruktur und eine dichte Bebauung auf der Ostseite der Garnison.<ref>Norbert Hanel und Baoquan Song: ''Neuere Ergebnisse der Luftbildarchäologie zu den römischen Militärlagern Vetera castra I auf dem Fürstenberg bei Xanten''. In: [[Germania (Zeitschrift)|''Germania'']] 85, Zabern, Mainz 2007, S.&nbsp;349ff.</ref> Ebenfalls in die Zeit des claudisch-neronischen Lagers fällt die Errichtung des [[Amphitheater]]s, das als einziges Relikt des römischen ''Vetera'' auch heute noch obertägig sichtbar ist.<ref group="A">Bei rund {{Coordinate |text=DMS |NS=51/38/15 |EW=6/28/23 |type=landmark |dim=20 |region=DE-NW |name=Amphitheater Vetera}}.</ref> Das in Holz-Erde-Bauweise errichtete Theater besaß einen elliptischen Grundriss. In antiker Zeit maß seine Umwallung an den Außenseiten 98&nbsp;m mal 84&nbsp;m, die Maße des Innenraums betrugen 47,5&nbsp;m mal 34,5&nbsp;m. Zur Zeit der Ausgrabungen durch Hans Lehner in den Jahren 1908 und 1909 besaß der Wall noch eine Höhe von bis zu 8&nbsp;m bei einer Breite von 10&nbsp;m.<ref>Werner Böcking: ''Das Amphitheater von Vetera I''. In ders.: ''Die Römer am Niederrhein. Geschichte und Ausgrabungen''. 5.&nbsp;Auflage. Klartext, Essen 2005, ISBN 3-89861-427-1, S.&nbsp;139f.</ref><ref>Michael Gechter: ''Die Legionslager Vetera I und II''. In: [[Heinz-Günter Horn]] (Hrsg.): ''Die Römer in Nordrhein-Westfalen.'' Lizenzausgabe der Auflage von 1987. Nikol, Hamburg 2002, ISBN 3-933203-59-7, S.&nbsp;624f.</ref> In antiker Zeit konnte das Amphitheater bis zu 10.000 Zuschauer aufnehmen.<ref>Julia Obladen-Kauder: ''Spurensuche in Xanten. Ein archäologischer Wanderführer''. Rheinischer Verein für Denkmalpflege und Landschaftsschutz, Köln 2005, ISBN 3-88094-927-1, S.&nbsp;57</ref> Seine Erhaltung verdankt es dem Umstand, dass man im Mittelalter annahm, es sei der Platz des Martyriums des [[Viktor von Xanten|heiligen Viktors]] gewesen. Heute ist das Amphitheater rekonstruiert und dient (wieder) als Freilichtbühne. Ein Gräberfeld der Garnison und der Zivilsiedlung erstreckte sich südlich der ''canabae legionis'' im Bereich des heutigen Xantener Stadtteiles Birten. Es wurden dort bisher über 60 Brandbestattungen nachgewiesen, einige beim Bau der Birtener Pfarrkirche<ref group="A">Bei rund {{Coordinate |text=DMS |NS=51/38/09 |EW=6/28/34 |type=landmark |dim=20 |region=DE-NW |name=Kirche Birten}}.</ref> in den Jahren 1902/1903, die meisten jedoch erst bei der Anlage des Waldfriedhofes<ref group="A">Um {{Coordinate |text=DMS |NS=51/38/06 |EW=6/28/36 |type=landmark |dim=20 |region=DE-NW |name=Friedhof Birten}}.</ref> im Jahre 1960. Die Gräber lassen sich mehrheitlich auf die [[Augustus|augusteische]] bis [[Nero|neronische]] Zeit datieren, lediglich ein einzelnes Grab ist [[Vespasian|vespasianisch]]<ref>Hermann Hinz: ''Ein frührömisches Gräberfeld auf dem Kirchhügel in Birten, Kreis Moers''. In: ''Rheinische Ausgrabungen''. Band 12. Rheinland-Verlag, Bonn 1973, S.&nbsp;24-83.</ref> Ein weiteres Gräberfeld wurde nördlich von ''Vetera I'', zwischen dem Lager und der südlichen mittelalterlichen Stadtgrenze Xantens, lokalisiert.<ref>Julia Obladen-Kauder: ''Spurensuche in Xanten. Ein archäologischer Wanderführer''. Rheinischer Verein für Denkmalpflege und Landschaftsschutz, Köln 2005, ISBN 3-88094-927-1, S.&nbsp;58.</ref><ref group="A">Um {{Coordinate |text=DMS |NS=51/39/27 |EW=6/27/37 |type=landmark |dim=20 |region=DE-NW |name=Friedhof Birten}}.</ref> Vereinzelte römische Gräber fanden sich auch immer wieder in der weiteren Umgebung. == Vetera II == {{Infobox Limeskastell |Name = Vetera II |Antiker Name = Veteribus<ref>Auf der [[Tabula Peutingeriana]].</ref>,<br />Veteris<ref>Im [[Itinerarium Antonini]].</ref> |Limes = Niedergermanischer Limes |Abschnitt = |Belegung von bis = 71 bis 275/276 |Kastelltyp = Legionslager |Truppenteil = a)&nbsp;[[Legio XXII Primigenia]]<br />b)&nbsp;[[Legio VI Victrix]]<br />c)&nbsp;[[Legio XXX Ulpia Victrix]] |Abmessungen oder Fläche = |Verwendetes Material = Steinkastell |Kurzbeschreibung = nicht sichtbares Bodendenkmal |Heutiger Ortsname = [[Xanten]]-[[Bislicher Insel]] |Breitengrad = 51/39/05 |Längengrad = 6/29/24 |Region-ISO = DE-NW |Höhe = |Im Limesverlauf vorher liegendes Kastell = [[Burginatium]] <small>(nordwestlich)</small> |Im Limesverlauf nachfolgendes Kastell = [[Calo (Kastell)|Calo]] (?)<ref name ="Calo" group="A"/><small>(südsüdöstlich)</small><br />[[Asciburgium]] <small>(südsüdöstlich)</small> |Im Limesverlauf rückwärtiges Kastell = [[Vetera I]] <small>(westlich;<br />zeitlich vorausgehend)</small> |Im Limesverlauf vorgelagertes Kastell = |Nebenbox = ja }} === Funde und Befunde === [[Datei:Bislicher Insel Wasser.jpg|miniatur|links|Heutige topographische Situation]] Lange war der zweite römische Kastellplatz, das Lager, das schließlich unter dem Namen '''Vetera II''' in die Forschung eingehen sollte, vergeblich gesucht worden. Indizien sprachen für den Raum um die Bislicher Insel, doch letzte Beweise blieben aus. Ein in den Jahren 1935/36 geplantes Projekt, das Lager der XXX.&nbsp;Legion durch systematische Sondierungen zu erfassen, scheiterte an der Zuspitzung der politischen Zeitumstände auf den Zweiten Weltkrieg hin. Die mittelbaren Folgen des Zweiten Weltkriegs waren es schließlich, die zur Entdeckung des Kastellplatzes führten. Der boomende Wohnungsbau der Nachkriegszeit führte zu einer großen Nachfrage nach Baustoffen. In Folge dieser Entwicklung begann man, auch die Kieslager der Bislicher Insel abzubauen. Dabei traten Anfang der 1950er-Jahre, zunächst völlig unbeachtet, riesige Mengen römischen Fundmaterials zu Tage, darunter sowohl Kleinfunde wie Bronzen, Münzen und Keramiken (letztere füllten an manchen Tagen geradezu die Baggerschaufeln) als auch Baumaterialien wie Eichenholzbalken, Ziegel, Tuffsteinmauerwerk und Bleiplatten. Erst als Wilhelm Piepers 1954 von dem bereits 1953 entdeckten, mit einer Inschrift versehenen Sockel einer [[Genius]]statuette erfuhr, nahmen die Xantener und Bonner Archäologen die Tätigkeit der Bagger in näheren Augenschein. Der Statuettensockel trug die Inschrift: <div align="center">GENIO SIGNIF(erorum)<br />LEG(ionis) XXX V(lpia) V(ictrix)<br />P(ublius) AELIVS SEVE<br />RINVS T(estamento) P(oni) I(vssit)</div> Übersetzt: ''„Dem Genius der Feldzeichenträger der 30.&nbsp;Legion, (erg.: mit den Beinamen) die [[Marcus Ulpius Traianus|Ulpische]], die Siegreiche, hat Publius Aelius Severinus (erg.: diese Statuette) aufstellen lassen.“''<ref>{{AE|1958|00303}}.</ref> Damit war ein direkter Hinweis auf die ''[[Legio XXX Ulpia Victrix]]'' gegeben. Dies und die nunmehr ins Bewusstsein der Archäologen drängenden Verhältnisse bei den Auskiesungen der Bislicher Insel veranlassten das Rheinische Landesmuseum Bonn, zum ersten Mal in seiner Geschichte bei archäologischen Untersuchungen auch Taucher einzusetzen. Unter schwierigsten Sichtbedingungen in dem trüben Wasser wurden 1955 die ersten Tauchgänge durchgeführt, weitere folgten in den Jahren 1957 und 1958. Teilweise mehr tastend als sehend konnten unter Wasser die Mauerzüge des versunkenen Legionslagers ermittelt werden. Durch das umfangreiche Fundmaterial war es möglich, die in Vetera II stationierten Truppen (Ziegelstempel der VI., XXII. und XXX. Legion) sowie die Belegungsdauer des Lagers zu bestimmen. Diese setzte unmittelbar nach dem Ende des Bataveraufstandes ein und reichte bis in die zweite Hälfte des 3.&nbsp;Jahrhunderts. Der späteste datierbare Fund war ein [[Sesterz]] des [[Postumus]] aus dem Jahre 260. Man ist daher geneigt, das Ende des Lagers im Zusammenhang mit einem Frankeneinfall um 275/260 anzunehmen. Ein Weiterbestehen darüber hinaus, möglicherweise bis ins 4.&nbsp;Jahrhundert, kann aber nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden. Wie alle Legionslager hatte auch Vetera II eine Lagervorstadt, die ''Canabae legionis'', deren ungefähre Ausdehnung durch die Kartierung von Oberflächenfunden ermittelt wurde. Sie zog sich im Westen und im Süden um das Lager. Heute liegt ''Vetera II'' in einer Tiefe von bis zu zehn&nbsp;Metern unter der Wasseroberfläche eines Baggersees.<ref name="Böcking Vetera II"/><ref name="Schmitz Vetera II">Dirk Schmitz: ''Das Lager Vetera II und seine Legionen''. In Martin Müller, Hans-Joachim Schalles und Norbert Zieling (Hrsg.): ''Colonia Ulpia Traiana. Xanten und sein Umland in römischer Zeit''. Zabern, Mainz 2008, ISBN 978-3-8053-3953-7, S.&nbsp;141–170.</ref> === Belegung === Nach der Reorganisation des ''„Exercitus Germaniae Inferioris“'' (des niedergermanischen Heeres) im Anschluss an den Bataveraufstand wurde in Vetera nur noch eine Legion, die aus Mainz hierhin kommandierte ''Legio XXII Primigenia'' stationiert. Statt in ''Vetera'' ein Doppellegionslager aufrecht zu erhalten, [[Dislozierung|dislozierte]] man eine Legion ins Zentrum des Aufstandsgebietes, nach ''[[Ulpia Noviomagus Batavorum]]'' ([[Nijmegen]]). Das alte, während des Aufstandes zerstörte Lager wurde nicht wieder aufgebaut, sondern im Jahr 71 durch ein neues Einzellager rund anderthalb Kilometer weiter östlich im Gebiet der heutigen Bislicher Insel ersetzt. Um die Wende vom ersten zum zweiten nachchristlichen Jahrhundert<ref group="A">Nach Gechter zwischen 92 und 96.</ref> wurde die XXII.&nbsp;Legion zurück nach Mainz verlegt und durch die ''[[Legio VI Victrix]]'' ersetzt, die in ''Vetera'' ab 104/105 nachgewiesen ist.<ref group="A">Zur Problematik der Übergangszeit zwischen 92/96 und 104/105 vgl. Gechter 1987, S.&nbsp;625.</ref> Die VI. wurde zwischen 119 und 121/122 nach ''Britannia'' ([[Britannien]]) verlegt und durch die ''Legio XXX Ulpia Victrix'' ersetzt, die bis ins Jahr 275/276 nachgewiesen werden kann. Zu dieser Zeit zerstörten [[Franken (Volk)|Franken]] die ''Colonia Ulpia Traiana''. Auf deren Ruinen wurde zwischen 306 und 311 das bedeutendste spätantike Festungswerk am Niederrhein errichtet, in dem man das in der ''[[Notitia dignitatum]]'' verzeichnete ''[[Tricensimae]]'' vermutet. Möglicherweise wurden die verbliebenen Truppen dorthin verlegt, wofür die Ähnlichkeit des Namens der neuen Fortifikation mit der lateinischen [[Ordinalzahl]] ''tricesimus'' der Legion sprechen könnte.<ref name="Schmitz Vetera II"/> == Legionsziegelei == <!--[[Datei:Jagsthausen-ziegelstempel.jpg|thumb|Ziegelstempel der Legio&nbsp;XXII <small>(Fund aus dem [[Kastell Jagsthausen]]</small>)]]--> An nahezu allen größeren Militärplätzen des Rheinlandes finden sich Ziegeleien, die von den Legionären primär für militärische, aber auch für zivile Zwecke betrieben wurden. Mit ihrer fortgeschrittenen Technologie machten sich die Römer die reichen Sand- und Lehmlagerstätten zu Nutze und kompensierten so das Fehlen natürlicher Steinvorkommen in der Region. Neben den Ziegeleien von [[Köln]], [[Neuss]] und [[Dormagen]] ist eine solche Legionsziegelei auch im Raum ''Vetera'' archäologisch nachgewiesen. Sie befand sich an der Verbindungsstraße zwischen dem Kastellbereich von ''Vetera II'' und der ''Colonia Ulpia Traiana''. Die Ziegelei wurde 1901 zufällig entdeckt und ergraben. Der hierbei freigelegte Brennofen selbst war von der XXII.&nbsp;Legion erbaut worden, aber gestempelte Ziegel der XV.&nbsp;Legion, die auf dem weitläufigen Ziegeleigelände gefunden wurden beweisen, dass der Ziegeleibetrieb als solcher schon vorher begonnen haben musste. Der Ofen war später von der VI.&nbsp;Legion übernommen und repariert worden und wurde danach noch von der XXX.&nbsp;Legion bis ins 4.&nbsp;Jahrhundert hinein benutzt. Die Lebensdauer dieses einen Ofens allein betrug mithin 225&nbsp;Jahre. Neben dem Brennofen wurden noch verschiedene Fabrikationsräume und ein Trockenschuppen freigelegt. Weitere Ausgrabungen im Bereich der Ziegelei erfolgten in den 1970er und 1990er Jahren, zumeist als Notgrabungen infolge von Haus- oder Straßenbaumaßnahmen. Dabei konnten weitere zwei Ziegelbrennöfen, ein Töpferofen, einige Schlämmbecken sowie Trocken- und Lagerungsschuppen festgestellt werden. Das erforderliche Frischwasser wurde durch Tonrohre zugeführt, das Brauchwasser über Kanäle in den Rhein entsorgt. Das Produktionsspektrum umfasste Dachpfannen, Hohlziegel, Blender, Wandkacheln, [[Hypokaustum|Hypokaustplatten]] und Leitungsrohre. Durch die typische Stempelung der Ziegel konnten die Legionen nachgewiesen werden, die an der Produktion beteiligt waren.<ref>Julia Obladen-Kauder: ''Spurensuche in Xanten. Ein archäologischer Wanderführer''. Rheinischer Verein für Denkmalpflege und Landschaftsschutz, Köln 2005, ISBN 3-88094-927-1, S.&nbsp;72ff.</ref><ref>Werner Böcking: ''Die Römer am Niederrhein. Geschichte und Ausgrabungen''. 5.&nbsp;Auflage. Klartext, Essen 2005, ISBN 3-89861-427-1, S.&nbsp;95ff.</ref> == Übungslager zwischen Xanten und Alpen == Wie heutzutage in einer modernen Armee wurden auch im römischen Heer die Truppen in Friedenszeiten durch allerlei Übungs- und Trainingsmaßnahmen für den jederzeit möglichen Einsatz in Form gehalten. Dazu gehörte insbesondere das Training des Lagerbaus. Durch luftbildarchäologische Prospektionen konnten beidseitig der Straße, die ''Vetera'' mit ''Asciburgium'' verband und die in ihrem Verlauf der heutigen [[Bundesstraße 57|B 57]] entsprach, zwischen Xanten und [[Alpen (Gemeinde)|Alpen]] mehr als sechzig solcher Übungslager identifiziert werden. Insgesamt stellte sich hier gleichsam ein antiker Truppenübungsplatz vom über 10&nbsp;km² Größe dar.<ref name="Übungslager">[[Christoph Bernhard Rüger]]: ''Alpen. Römisches Übungs- und Marschlager.'' In [[Heinz-Günter Horn]] (Hrsg.): ''Die Römer in Nordrhein-Westfalen.'' Lizenzausgabe der Auflage von 1987. Nikol, Hamburg 2002, ISBN 3-933203-59-7, S.&nbsp;332ff.</ref> Es handelt sich bei diesen Übungslagern in den meisten Fällen nicht um vollständig ausgeführte Lager. Vielmehr beschränkten sich die Instruktoren darauf, die technisch anspruchsvollen Bereiche des Lagerbaus, insbesondere den Bau der Lagerecken zu trainieren.<ref name="Übungslager"/> Zwei der Lager wurden 1961/1962 von Hermann Hinz auf dem Kaninenberg in [[Burg Winnenthal|Winnenthal]] ausgegraben.<ref>Nach Wener Böcking, 2005<sup>(5)</sup>, S.&nbsp;139f.</ref> Ein am südlichen Rande des Übungsgeländes befindliches, vollständig ausgeführtes Lager, wird als Marschlager angesprochen, in dem eine Verstärkungstruppe auf dem Weg nach ''Vetera'' campiert habe.<ref name="Übungslager"/> Leider fehlt für alle Lager datierendes Fundmaterial, so dass keine dieser Anlagen einer bestimmten Bauphase ''Veteras'' zuzuordnen ist. == Denkmalschutz <!-- Fundverbleib und museale Präsentation --> == Die Kastelle von ''Vetera'' sind [[Bodendenkmal]]e nach dem ''Gesetz zum Schutz und zur Pflege der Denkmäler im Lande Nordrhein-Westfalen (Denkmalschutzgesetz - DSchG)''<ref>[http://sgv.im.nrw.de/lmi/owa/pl_text_anzeigen?v_id=5720031106092634017 Gesetz zum Schutz und zur Pflege der Denkmäler im Lande Nordrhein-Westfalen (Denkmalschutzgesetz - DSchG)]</ref>. Nachforschungen und gezieltes Sammeln von Funden sind genehmigungspflichtig, Zufallsfunde an die Denkmalbehörden zu melden. == Siehe auch == * [[Niedergermanischer Limes#Liste der Truppenlager und zivilen Städte am Niedergermanischen Limes|Liste der Truppenlager am Niedergermanischen Limes]] * [[Geschichte der Römer in Germanien]] == Literatur == * Norbert Hanel: ''Die Militärlager von Vetera I und ihre Lagersiedlungen''. In: Martin Müller, [[Hans-Joachim Schalles]], Norbert Zieling (Hrsg.): ''Colonia Ulpia Traiana. Xanten und sein Umland in römischer Zeit''. Zabern, Mainz 2008, ISBN 978-3-8053-3953-7, S. 93–107. * Dirk Schmitz: ''Das Lager Vetera II und seine Legionen''. In: Martin Müller, Hans-Joachim Schalles, Norbert Zieling (Hrsg.): ''Colonia Ulpia Traiana. Xanten und sein Umland in römischer Zeit''. Zabern, Mainz 2008, ISBN 978-3-8053-3953-7, S. 141–170. * Dirk Schmitz: ''Der Bataveraufstand im Kontext des römischen Bürgerkrieges 68-70 n.&nbsp;Chr.''. In: Martin Müller, Hans-Joachim Schalles, Norbert Zieling (Hrsg.): ''Colonia Ulpia Traiana. Xanten und sein Umland in römischer Zeit''. Zabern, Mainz 2008, ISBN 978-3-8053-3953-7, S. 117–140. * Martin Müller: ''Das Amphitheater''. In: Martin Müller, Hans-Joachim Schalles, Norbert Zieling (Hrsg.): ''Colonia Ulpia Traiana. Xanten und sein Umland in römischer Zeit''. Zabern, Mainz 2008, ISBN 978-3-8053-3953-7. S.&nbsp;361–372 * Julia Obladen-Kauder: ''Spurensuche in Xanten. Ein archäologischer Wanderführer''. Rheinischer Verein für Denkmalpflege und Landschaftsschutz, Köln 2005, ISBN 3-88094-927-1. * [[Werner Böcking]]: ''Die Römer am Niederrhein. Geschichte und Ausgrabungen''. 5. Auflage. Klartext, Essen 2005, ISBN 3-89861-427-1. * Michael Gechter: ''Die Militärgeschichte am Niederrhein von Caesar bis Tiberius. Eine Skizze''. In: T. Grünewald, S. Seibel (Hrsg.): ''Kontinuität und Diskontinuität. Die Germania Inferior am Beginn und am Ende der römischen Herrschaft, Beiträge des deutsch-niederländischen Kolloquiums in der Katholieke Universiteit Nijmegen, 27. bis 30.06.2001''. In: ''[[Reallexikon der germanischen Altertumskunde]]''. Ergänzungsband 35, de Gruyter, Berlin 2003, S. 147–159. * Michael Gechter: ''Early Roman military installations and Ubian settlements in the Lower Rhine''. In: T. Blagg, M. Millett (Hrsg.): ''The early Roman empire in the West''. 2. Auflage. Oxford Books 2002, ISBN 1-84217-069-4, S. 97–102. * Norbert Hanel: ''Vetera I. Die Funde aus den römischen Lagern auf dem Fürstenberg bei Xanten''. Rheinland-Verlag, Köln 1995; Habelt, Bonn 1995, ISBN 3-7927-1248-2 (= Rheinische Ausgrabungen 35). * [[Tilmann Bechert]], [[Willem J. H. Willems]]: ''Die römische Reichsgrenze von der Mosel bis zur Nordseeküste''. Stuttgart 1995, ISBN 978-3-8062-1189-4. * Norbert Hanel: ''Zum antiken Namen der Legionslager auf dem Fürstenberg bei Xanten: Vetera castra''. In: ''Xantener Berichte''. Sammelband 5, Rheinland Verlag, Köln 1994, ISBN 3-7927-1415-9, S.&nbsp;263–265. * Michael Gechter: ''Die Legionslager Vetera I und II''. In: [[Heinz Günter Horn]] (Hrsg.): ''Die Römer in Nordrhein-Westfalen''. Lizenzausgabe der Auflage von 1987. Nikol, Hamburg 2002, ISBN 3-933203-59-7, S. 619–625. * Michael Gechter: ''Das römische Heer in der Provinz Niedergermanien''. In: Heinz Günter Horn (Hrsg.): ''Die Römer in Nordrhein-Westfalen''. Lizenzausgabe der Auflage von 1987. Nikol, Hamburg 2002, ISBN 3-933203-59-7, S. 110–138. * [[Jürgen Kunow]]: ''Die Militärgeschichte Niedergermaniens''. In: Heinz-Günter Horn (Hrsg.): ''Die Römer in Nordrhein-Westfalen''. Lizenzausgabe der Auflage von 1987. Nikol, Hamburg 2002, ISBN 3-933203-59-7, S. 27–109. * [[Christoph Bernhard Rüger]]: ''Alpen. Römisches Übungs- und Marschlager''. In: Heinz-Günter Horn (Hrsg.): ''Die Römer in Nordrhein-Westfalen''. Lizenzausgabe der Auflage von 1987. Nikol, Hamburg 2002, ISBN 3-933203-59-7, S. 332–334. * [[Hans Schönberger]]: ''Die römischen Truppenlager der frühen und mittleren Kaiserzeit zwischen Nordsee und Inn''. In: ''[[Bericht der Römisch-Germanischen Kommission]]'' 66, 1985, Zabern, Mainz 1985, S. 321–495. * [[Tilmann Bechert]]: ''Römisches Germanien zwischen Rhein und Maas. Die Provinz Germania inferior''. Hirmer, München 1982, ISBN 3-7774-3440-X (Edition Antike Welt, 4). * Michael Gechter: ''Die Anfänge des Niedergermanischen Limes''. In: ''[[Bonner Jahrbücher]]'' 179, 1979, Rheinland-Verlag, Bonn 1979, S. 1–129. * J. E. Th. Bogaers, Christoph B. Rüger (Hrsg.): ''Der niedergermanische Limes. Materialien zu seiner Geschichte''. Rheinland Verlag, Köln 1974, ISBN 3-7927-0194-4. * Hermann Hinz: ''Ein frührömisches Gräberfeld auf dem Kirchhügel in Birten, Kreis Moers''. In: ''Rheinische Ausgrabungen'', 12. Rheinland-Verlag, Bonn 1973, S. 24–83. * Hans Schönberger: ''The Roman Frontier in Germany. An Archaeological Survey''. 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Röhrscheid, Bonn 1926. * Philipp Houben: ''Denkmaeler von Castra Vetera und Colonia Traiana in Ph. Houben’s Antiquarium zu Xanten''. Xanten, Wesel 1839. == Quellen == * Tacitus: ''Historien.'' Lateinisch/Deutsch. Aus dem Lateinischen von J.&nbsp;Borst unter Mitarbeit von H.&nbsp;Hross und H.&nbsp;Borst. 5. Auflage. Artemis, München 1984. == Weblinks == * [http://xanten.afg.hs-anhalt.de/ Der Xantener Raum in der Antike], ein digitales Informationssystem * {{Livius|x|xanten|alt=vetera}} == Anmerkungen == <references group="A"/> == Einzelnachweise == <references /> {{Navigationsleiste Kastelle des Niedergermanischen Limes}} {{Exzellent|4. August 2009|http://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Vetera&oldid=64046803}} [[Kategorie:Römische Befestigungsanlage (Germania Inferior)]] [[Kategorie:Archäologischer Fundplatz in Nordrhein-Westfalen]] [[Kategorie:Xanten]] [[Kategorie:Bodendenkmal in Nordrhein-Westfalen]] [[Kategorie:Germania Inferior]] [[ca:Castra Vetera]] [[it:Castra Vetera]] [[la:Castra Vetera]] [[nl:Castra Vetera]] [[sv:Vetera Castra]] szghpy632oao61lt2w5mrrbk2osfqxz wikitext text/x-wiki VfB Stuttgart 0 24441 28372 27417 2011-08-28T13:46:57Z 82.113.99.129 {{Infobox Fußballklub |image = [[Datei:VfB Stuttgart Logo.svg|140px|Logo]] |kurzname = VfB Stuttgart |langname = Verein für Bewegungsspiele Stuttgart 1893 e.&nbsp;V. |gegründet = [[9. September]] [[1893]] |vereinsfarben = Weiß-Rot |stadion = [[Mercedes-Benz Arena]]<br />[[GAZI-Stadion auf der Waldau]] (II.) |plätze = 60.441<br /> 11.544 (II.) |präsident = [[Gerd E. Mäuser]] |vorstand = [[Gerd E. Mäuser]]<br />[[Ulrich Ruf]] |manager = [[Fredi Bobic]] |trainer = [[Bruno Labbadia]]<br />[[Jürgen Kramny]] (II.) |adresse = Mercedesstraße 109<br />70372 [[Stuttgart]] |Homepage = [http://www.vfb.de www.vfb.de] |liga = [[Fußball-Bundesliga]]<br /> [[3. Liga (DFB)|3. Liga]] (II.) |saison = 2010/11 |rang = 12. Platz<br />10. Platz (II.) |pattern_la1=_redborder|pattern_b1=_stuttgart1112h|pattern_ra1=_redborder |leftarm1=FFFFFF|body1=FF0000|rightarm1=FFFFFF|shorts1=FFFFFF|socks1=FFFFFF |pattern_la2=_stuttgart1011a|pattern_b2=_stuttgart1011a|pattern_ra2=_stuttgart1011a |leftarm2=FF0000|body2=FF0000|rightarm2=FF0000|shorts2=FF0000|socks2=FF0000 }} [[Datei:vfbstuttgart-tabellenpositionen.jpg|miniatur|256px|Erstligapositionen des VfB Stuttgart]] Der '''VfB Stuttgart''' (offiziell: ''Verein für Bewegungsspiele Stuttgart 1893 e.&nbsp;V.'') ist ein [[Sportverein]] aus dem [[Stuttgart]]er Stadtbezirk [[Bad Cannstatt]]. Der VfB ist mit 45.037 Mitgliedern der fünftgrößte Sportverein Deutschlands und der größte Baden-Württembergs (Stand: 31. Januar 2009). Bekannt ist vor allem seine [[Fußball]]abteilung, deren erste Mannschaft bis auf zwei Spielzeiten stets Mitglied der [[Fußball-Bundesliga]] war und insgesamt fünfmal Deutscher Meister und dreimal [[DFB-Pokal]]sieger wurde. In der [[Ewige Tabelle der Fußball-Bundesliga|ewigen Tabelle der Bundesliga]] belegt die Mannschaft den 4. Platz. Neben den Fußballern des Vereins gewannen auch Sportler der [[VfB Stuttgart#Leichtathletikabteilung|Leichtathletikabteilung]] zahlreiche Titel und Medaillen. Zudem unterhält der Verein Abteilungen für [[Fußballschiedsrichter]], [[Faustball]], [[Hockey]], [[Tischtennis]] und [[Handball]] (wenn auch derzeit ohne aktive Mannschaft). In diesen fünf Sportabteilungen waren bisher nur Amateursportler aktiv. Darüber hinaus gibt es eine Abteilung für ''Geselligkeit'' in Form der [[VfB Stuttgart#VfB-Garde|VfB-Garde]]. Ihre Heimspiele bestreitet die erste Fußballmannschaft des VfB in der städtischen [[Mercedes-Benz Arena]], die im Veranstaltungsgelände [[NeckarPark]] angesiedelt ist. In unmittelbarer Nähe befindet sich das Vereinsgelände. == Geschichte == === 1893 bis 1912: Von den Anfängen zur Fusion === Im Vereinsnamen des VfB ist das Jahr 1893 aufgenommen, das sich auf einen der beiden Vorgängervereine, den ''FV Stuttgart'' bezieht, der 1912 mit dem ''Kronen-Klub Cannstatt'' zum heutigen VfB fusionierte. Beide Vereine wurden hauptsächlich von Schülern, zumeist mit Wurzeln im kaufmännischen Bürgertum<ref name="Brustring Vorwort">Hardy Grüne: ''Mit dem Ring auf der Brust'' [http://www.deutschesfachbuch.de/info/detail.php?isbn=3895335339&part=1&word= Vorwort S. 7]</ref>, gegründet. Den Schülern wurden neue Sportarten wie [[Rugby]] oder Fußball von englischen Pionieren nahe gebracht; später warben sie für ihren Sport in neuen Vereinen. ==== FV Stuttgart ==== [[Datei:Rugby team of FV Stuttgart in 1894.jpg|miniatur|Die erste Rugby-Mannschaft des FV 1894]] [[Datei:FV Stuttgart.svg|miniatur|left|100px|Logo des FV Stuttgart]] Die Wurzeln des VfB gehen zurück bis ins Jahr 1893, als am 9. September im Gasthaus ''Zum Becher'' der ''Stuttgarter FV 93'' gegründet wurde. <ref>''[http://www.hefleswetzkick.de/VFB/25_Chronik/1890_1899/Stuttgart/03/Saison.htm Vereinschronik FV Stuttgart 1893]''</ref> Zunächst fungierte der FV als [[Rugby]]-Klub, der seine Heimstätte auf der ''Stöckach-Eisbahn'' hatte und 1894 auf den [[Cannstatter Wasen]] umzog. Die Mannschaft setzte sich hauptsächlich aus Schülern der Stuttgarter Realschulen und Gymnasien, unter der Leitung des Lehrers Carl Kaufmann, zusammen und errang schnell erste Erfolge: 1909 wurde der FV Deutscher Vizemeister im Rugby, als die Mannschaft erst im Endspiel dem ''FC 1897 Hannover'' mit 3:6 Punkten unterlag.<ref>''[http://www.hefleswetzkick.de/VFB/25_Chronik/1900_1909/Stuttgart/09/Saison.htm Vereinschronik FV Stuttgart 1909]''</ref> Verschiedene Spieler kamen zu internationalen Einsätzen; so gewann [[Hugo Betting]] mit der ansonsten ausschließlich aus Frankfurter Spielern bestehenden deutschen Rugby-Auswahl bei den [[Olympische Sommerspiele 1900/Rugby|Olympischen Spielen 1900]] die Silbermedaille. <ref>{{Internetquelle |url=http://www.hefleswetzkick.de/VFB/25_Chronik/1900_1909/Stuttgart/00/Saison.htm |titel=FV Stuttgart 1893 - Chronik 1900 |autor= |hrsg=[http://www.hefleswetzkick.de hefleswetzkick.de] |werk= Chronik des VfB Stuttgart|seiten= |datum= |archiv-url= |archiv-datum= |zugriff=24. August 2009 |sprache= |format= |kommentar= |zitat= }}</ref> Dennoch verlor [[Rugby]] im Verein gegenüber [[Fußball]] (dem damaligen ''Association'') zusehends an Boden. Das Spiel war vielen Zuschauern zu kompliziert. Trotz der Abwendung vom Rugby sahen später viele die Wurzeln des deutschen Rugbysports am Cannstatter Wasen. Philipp Heineken, ein Rugbypionier, der für den FV 93 spielte und nach New York auswanderte, erklärte sogar, dass der Wasen als „Geburtsstätte des deutschen Rugbysports“<ref>Gerd Krämer: ''Gründerjahre'' aus ''100 Jahre VfB'' S. 28</ref>gelten darf. Nachdem die Militärverwaltung immer seltener dem FV Benutzungszeiten auf dem Cannstatter Wasen zugestand, mussten die Fußball- und Rugbyspieler immer öfter auf den Stöckachplatz ausweichen, bis dem Verein die Benutzung des Wasens schließlich endgültig untersagt wurde. Der FV warf deshalb dem Militärgouvernement vor, die Turnvereine, deren Sportart damals als ''disziplinierter'' bekannt war, zu bevorzugen. Nun konnten die Spieler nur noch auf dem schiefen Stöckachplatz spielen, der nach der Aussage vieler Spieler des FV damals offenbar völlig untauglich war. So pachtete der Verein von der Stadt ein Feld auf dem ''Adelsberg'', welches beim FV als ''Rugbyfeld'' bekannt war.<ref>Harald Jordan: ''Dauer im Wandel'' aus ''100 Jahre VfB'' S. 156</ref> 1909 trat der Verein dem [[Süddeutscher Fußball-Verband|Süddeutschen Fußballverband]] bei.<ref>''[http://www.hefleswetzkick.de/VFB/25_Chronik/1900_1909/Stuttgart/07/Saison.htm Vereinschronik FV Stuttgart 1907]''</ref> Die Mannschaft wurde gleich der Süddeutschen B-Klasse zugeteilt, obwohl inzwischen auch eine C-Klasse existierte. Schon im zweiten Jahr wurde der FV ausgerechnet gegen den punktgleichen späteren Fusionspartner, den ''Kronen-Club Cannstatt'', in einem Endspiel Bezirksmeister. Den Aufstieg erreichten die Fußballer nach einer Niederlage im Spiel um die Gaumeisterschaft gegen den [[FV Zuffenhausen]] nicht. Erst im folgenden Jahr gelang schließlich nach geltenden Bestimmungen der Aufstieg, da die Mannschaft Gaumeister und B-Südkreismeister wurde. Da der Verbandstag die Bestimmungen änderte und die Gründung einer neuen Südkreisliga als oberste Spielklasse Süddeutschlands beschloss,<ref>''[http://www.hefleswetzkick.de/VFB/25_Chronik/1910_1919/00_Stgt/01_02/Saison.htm Vereinschronik FV Stuttgart 1911]''</ref>, war der Aufstieg nicht gesichert. Das entscheidende Spiel entschied der FV nicht mehr allein für sich, denn vor dem Spiel gegen den [[Karlsruher SC|FC Mühlburg]] war die Fusion mit dem Kronen-Club Cannstatt bereits vollzogen. ==== Kronen-Klub Cannstatt ==== [[Datei:Football team of Kronen-Club Cannstatt in 1898.jpg|miniatur|Die erste Fußballmannschaft des Kronen-Clubs 1898]] [[Datei:Kronen-Club Cannstatt.jpg|miniatur|left|100px|Logo des Kronen-Club Cannstatt]] Schon 1890 gründeten einige Cannstatter Schüler den ''Cannstatter Fußballklub''. Zuerst wurde dort nur Rugby gespielt. Es dauerte nicht lange, bis der Fußball eingeführt wurde. Nach wenigen Jahren löste sich dieser Verein auf, und so bildete sich 1897 aus ihm der ''Kronen-Klub Cannstatt''<ref>''[http://www.hefleswetzkick.de/VFB/25_Chronik/1890_1899/Cannstatt/07/Saison.htm Vereinschronik Kronen-Club 1897]''</ref>, der ebenfalls von ehemaligen Schülern gegründet wurde. Dort spezialisierte man sich alleine auf den Fußball. Nachdem der Süddeutsche Fußballbund den Kronen-Klub 1903 der unteren von zwei bestehenden süddeutschen Spielklassen zugeordnet hatte, spielte die Fußballmannschaft bereits 1904 um den Aufstieg in die erste süddeutsche Spielklasse, wo die Fußballer gegen die zweite Mannschaft der [[Stuttgarter Kickers]] antraten. Der vorgesehene Schiedsrichter erschien zu diesem Spiel nicht, so dass sich der Verbandsschriftführer Scivessy bereit erklärte, das Spiel zu leiten. Der Kronen-Club gewann, doch wurde anschließend ein Wiederholungsspiel angeordnet, welches verloren wurde.<ref name="Kronen-Club 1904">''[http://www.hefleswetzkick.de/VFB/25_Chronik/1900_1909/Cannstatt/04/Saison.htm Vereinschronik Kronen-Club 1904]''</ref> In den kommenden Jahren spielte das Team in der B-Klasse oben mit, ohne je wieder ein Entscheidungsspiel um den Aufstieg zu erreichen. Der Kronen-Klub Cannstatt besaß in [[Stuttgart-Münster]] einen eigenen Fußballplatz, der bis heute besteht. Inzwischen spielt dort der ''TSV Münster''. ==== Fusion und Sieg im Entscheidungsspiel ==== [[Datei:VfB_Stuttgart_1912-1949.jpg|miniatur|left|100px|Logo des fusionierten Vereins]] [[Datei:Football team of VfB Stuttgart in 1912.jpg|miniatur|Die Aufstiegsmannschaft 1912]] Für Ligaspiele war das Rugbyfeld auf dem Adelsberg wenig geeignet, so dass beim FV die Idee einer Fusion mit dem 1897 gegründeten Kronen-Klub Cannstatt aufkam. Da der Kronen-Klub sportlich nur begrenzte Aussichten hatte und der FV Stuttgart, der gerade gute Chancen hatte, den Aufstieg in die süddeutsche A-Klasse zu schaffen, über eine Mannschaft mit guter Perspektive verfügte, kamen sich die Verantwortlichen schließlich näher. Am 2. April 1912 vereinigten sich beide Klubs zum ''Verein für Bewegungsspiele Stuttgart 1893 e.&nbsp;V.'', der dank der B-Südkreismeisterschaft des Stuttgarter FV gleich um die Qualifikation für die neue Südkreisliga antrat. Die Fusionsversammlung fand im Cannstatter Hotel ''Concordia'' statt.<ref>''[http://www.hefleswetzkick.de/VFB/25_Chronik/1910_1919/01_02/Saison.htm Vereinschronik 1912]''</ref> Erster Vorsitzender wurde Wilhelm Hinzmann. Das erste wichtige Spiel des VfB ließ nicht lange auf sich warten. Im Entscheidungsspiel um den Aufstieg gegen den FC Mühlburg in Karlsruhe-Durlach siegte der Neuling VfB mit 1:0 durch einen entscheidenden Kopfballtreffer in den letzten Minuten von Copé Wendling. Somit war der VfB von Anfang an erstklassig und spielte in der Südkreisliga, der damals stärksten deutschen Spielklasse. === 1912 bis 1933: Erster Weltkrieg und erste Titel === [[Datei:Honour monument VfB Stuttgart First World War .jpg|miniatur|left|Ehrenmal des VfB für die Kriegsopfer des Ersten Weltkriegs]] {| class="prettytable float-right" |- ! Saison<ref name="Tabellen63">''[http://www.hefleswetzkick.de/VFB/30_Statistik/01_National/01_Bundesliga/uebersicht.htm Tabellen bis 1963]''</ref> ! Platz ! <math>\varnothing</math><small>Zuschauer</small> |- | [[Saisonbilanzen des VfB Stuttgart#0|1912/13]] | valign="middle" align="center"|6/8 |- | [[Saisonbilanzen des VfB Stuttgart#1|1913/14]] | valign="middle" align="center"|7/7 |- | [[Saisonbilanzen des VfB Stuttgart#2|1914/15]] | valign="middle" align="center"|7/8 |- | [[Saisonbilanzen des VfB Stuttgart#3|1919/20]] | valign="middle" align="center"|5/10 |- | [[Saisonbilanzen des VfB Stuttgart#4|1920/21]] | valign="middle" align="center"|5/10 |- | [[Saisonbilanzen des VfB Stuttgart#5|1921/22]] | valign="middle" align="center"|2/8 |- | [[Saisonbilanzen des VfB Stuttgart#6|1922/23]] | valign="middle" align="center"|6/8 |- bgcolor="#ffdff0" | [[Saisonbilanzen des VfB Stuttgart#7|1923/24]] | valign="middle" align="center"|1/7<br />2/5 |- | [[Saisonbilanzen des VfB Stuttgart#8|1924/25]] | valign="middle" align="center"|5/8 |- | [[Saisonbilanzen des VfB Stuttgart#9|1925/26]] | valign="middle" align="center"|2/8 | 7.400<ref name="hochgerechnet">Zuschauerstatistik ist anhand vorhandener Zahlen hochgerechnet – Entnommen aus ''Mit dem Ring auf der Brust'' S. 255</ref> |- | [[Saisonbilanzen des VfB Stuttgart#10|1926/27]] | valign="middle" align="center"|1/10<br />5/6 | 10.111<ref name="hochgerechnet"/><ref name="Endrunde">Meisterschaftsendrunde ist in Zuschauerstatistik einbezogen – Entnommen aus ''Mit dem Ring auf der Brust'' S. 255</ref> |- | [[Saisonbilanzen des VfB Stuttgart#11|1927/28]] | valign="middle" align="center"|3/9<br />4/8 | 4.230<ref name="hochgerechnet"/><ref name="Endrunde"/> |- | [[Saisonbilanzen des VfB Stuttgart#12|1928/29]] | valign="middle" align="center"|3/8<br />5/8 | 5.142<ref name="hochgerechnet"/><ref name="Endrunde"/> |- | [[Saisonbilanzen des VfB Stuttgart#13|1929/30]] | valign="middle" align="center"|1/8<br />5/8 | 11.375<ref name="hochgerechnet"/><ref name="Endrunde"/> |- | [[Saisonbilanzen des VfB Stuttgart#14|1930/31]] | valign="middle" align="center"|4/8 | 4.833<ref name="hochgerechnet"/> |- | [[Saisonbilanzen des VfB Stuttgart#15|1931/32]] | valign="middle" align="center"|2/10<br />8/8 | 7.375<ref name="Endrunde"/> |- | [[Saisonbilanzen des VfB Stuttgart#16|1932/33]] | valign="middle" align="center"|3/10 | 5.688<ref name="hochgerechnet"/> |} In den kommenden beiden Jahren spielte der VfB in der Südkreisliga nur um die unteren Plätze und war der Gefahr ausgesetzt wieder abzusteigen. Der [[Erster Weltkrieg|Erste Weltkrieg]] brachte das Vereinsleben fast zum Erliegen. Am 1. August 1914 traf man sich zum letzten Mal zu einem Freundschaftsspiel. Nachdem die meisten Spieler und Verantwortlichen bereits ihre Einberufung erhalten hatten, gab es in der ''Altdeutschen Bierstube'' eine Abschiedsfeier. Der Rugby-Platz am Karl-Olga-Krankenhaus wurde dem Roten Kreuz zur Verfügung gestellt, das dort gleich ein Lazarett errichtete. Danach trafen sich vor allem Jugendliche am Münster-Platz. Nachdem der Präsident [[Wilhelm Hinzmann]] eingezogen worden war, kümmerten sich vor allem die nun Verantwortlichen Julius Lintz, der Hinzmann als Präsident vertrat und Ernst Grimm um die Jugendspieler. Erst im Oktober 1914 bekam der Verein wieder eine Elf zusammen. Nach einer Woche waren nur noch sieben Spieler verblieben. Der Verband schaffte nun die Pflichtrunde ab und führte Spiele um den ''Eisernen Fußball'' ein. Für diese durfte man sich mit anderen Vereinen zu Kriegsmannschaften zusammenschließen, und so bildete der VfB kurzfristig mit dem ''FV Die Blauen Elf'' eine Mannschaft.<ref>''[http://www.hefleswetzkick.de/VFB/25_Chronik/1910_1919/04_05/Saison.htm Vereinschronik 1914/15]''</ref> Ein Jahr später stellte der Verein, nach der Rückkehr von Verwundeten und Genesenden, schon wieder drei eigene Kriegsmannschaften. Am Ende des Jahres 1917 hatte der Klub sogar wieder fünf Mannschaften beisammen. Ernst Grimm stellte einen Kriegsausschuss zusammen, der den Verein am Leben hielt, obwohl drei Viertel der Mitglieder eingezogen waren. So verhinderte der Ausschuss die Umwandlung des Münster-Platzes, des einzigen verbliebenen Fußballplatzes, in ein Kartoffelfeld.<ref name="Chronik 1917/18">''[http://www.hefleswetzkick.de/VFB/25_Chronik/1910_1919/07_08/Saison.htm Vereinschronik 1917/18]''</ref> Wilhelm Hinzmann übernahm nach seiner Rückkehr einen intakten Verein; wenig später, 1918, übergab er seinen Posten an [[Gustav Schumm]]. Noch heute würdigt eine Ehrentafel, die 1925 enthüllt wurde, neunzig Gefallene aus den Reihen des VfB. In den 1920ern stieg die Mitgliederzahl schnell über 1.000 – vor allem Jugendliche waren im Verein aktiv. Allerdings erwies sich der Platz in Münster als ungeeignet für den VfB, da er fernab der Anhängerschaft gelegen war. Da das Rugbyfeld im Ersten Weltkrieg landwirtschaftlich genutzt wurde und ebenfalls als Spielfeld ausfiel, benötigte der Verein dringend einen Platz. Als der [[Exerzieren|Exerzierplatz]] auf dem Cannstatter Wasen nach dem Krieg nicht mehr benötigt wurde, entstand die Idee einer Rückkehr nach Bad Cannstatt. 1919 wurde der ''Platz bei den drei Pappeln'' auf dem Cannstatter Wasen eröffnet.<ref name="Chronik 1917/18"/> Er blieb bis zur Eröffnung der heutigen [[Mercedes-Benz Arena]] 1936 Heimspielstätte des VfB. Nach Kriegsende versuchte der Verband sofort, den Spielverkehr wieder in geregelte Bahnen zu führen. So beschloss der Verbandstag die Gründung einer Württembergischen Liga mit acht Vereinen. Der VfB gehörte dieser Liga an, da er vor dem Krieg in der Südkreisliga ebenfalls erstklassig war. Bis 1922 spielte die Fußballmannschaft in dieser Liga immer oben mit, obwohl das Team nie Meister wurde. 1923 wurde dann vom Verbandstag ein neues Spielsystem eingeführt, welches eine neue ''Bezirksliga Württemberg/Baden'' als höchste Spielklasse vorsah.<ref>''[http://www.hefleswetzkick.de/VFB/25_Chronik/1920_1929/02_03/Saison.htm Vereinschronik 1922/23]''</ref> Um sich für die höchste Spielklasse zu qualifizieren, hätte der VfB in der Saison 1922/23 unter den ersten vier Vereinen der Württembergischen Liga landen müssen. Dies gelang nicht, so dass die Mannschaft in der darauffolgenden Saison 1923/24 in der IL Klasse der neugegründeten Kreisliga antreten musste, wo der VfB sofort Kreismeister Cannstatts wurde und sich somit für die Aufstiegsspiele qualifizierte. Dort erreichte man im ersten Anlauf den Aufstieg in die Württemberg-badische Bezirksliga und damit die sofortige Rückkehr in die Erstklassigkeit. Im entscheidenden Spiel besiegten die Fußballer am 1. Juni 1924 den bereits qualifizierten [[SC Freiburg]] mit 5:3. Durch die gute Jugendarbeit gelang dem VfB in der Zwischenkriegszeit der Aufbau einer erfolgreichen ersten Mannschaft, die mit Spielern wie [[Richard Schauffele|Richard „Molly“ Schauffele]] (später u.&nbsp;a. Präsident der [[Stuttgarter Kickers]]) 1927 württembergisch-badischer Meister wurde. Die Endrunde um die Deutsche Meisterschaft erreichte die Mannschaft nicht. Im selben Jahr wurde vom Verbandstag in Mainz eine Aufteilung der jungen Bezirksliga in die Abteilungen Württemberg und Baden beschlossen. [[Ernst Blum]] wurde 1928 der erste [[Deutsche Fußballnationalmannschaft|deutsche Nationalspieler]] des VfB, als er unter Reichstrainer [[Otto Nerz]] gegen Dänemark debütierte.<ref>''[http://www.hefleswetzkick.de/VFB/25_Chronik/1920_1929/07_08/Saison.htm Vereinschronik 1927/28]''</ref> Sowohl 1928 als auch 1929 erreichte der Verein die Trostrunde der Zweiten und Dritten der Bezirksligen. 1929 kam es zu einem Eklat: Durch Zuwendungen an die Spieler hatte der VfB gegen die Amateurstatuten verstoßen.<ref>''[http://www.hefleswetzkick.de/VFB/25_Chronik/1920_1929/09_00/Saison.htm Vereinschronik 1929/30]''</ref> Den Spielern war schon damals bewusst, dass sie die Zuschauereinnahmen positiv beeinflussen konnten und waren der Meinung, dass ihnen ein Anteil daran zusteht. So war der Verein vorerst bereit, die Forderungen der Spieler zu erfüllen, doch mit der Zeit konnte es sich der Klub nicht mehr leisten, Spieler unter der Hand zusätzlich zu bezahlen. Nach einer Selbstanzeige wurde der Verein vom Verband mit einer hohen Strafe belegt. Die betreffenden Spieler wurden vom VfB nicht mehr berücksichtigt, weshalb der VfB als Abstiegskandidat galt. Dennoch gelang einer tiefgreifend verjüngten Mannschaft unter dem damaligen Trainer [[Lajos Kovács]] 1929/30 die Württembergische Meisterschaft und erreichte erstmals die Süddeutsche Meisterrunde, an der das Team 1932 allerdings erfolglos teilnahm. === 1933 bis 1945: Anpassung an den Nationalsozialismus === {| class="prettytable float-right" |- | ''„Uns einen nicht nur Spiele, nicht nur die Freud’ am Sport,<br /> ''Was unsere Freundschaft bindet, das sagt ein ander Wort:<br /> ''Wir wollen Kameraden sein, erprobt in Freud und Leid,<br /> ''Es sei verbannt aus unsern Reih’n die Missgunst und der Neid<br /> ''Die Parole heißt zum Wohl und aus Lieb zum Vaterland,<br /> ''Ihm zur Ehr, immer mehr, stählen wir uns unverwandt<br /> ''Und bei jedem frischen, frohen Spiel, denken wir an unser höchstes Ziel l<br /> ''Dass es neu und stark ersteh’, dafür „spielt“ der VfB !“<br /><small>Dritte Strophe des VfB-Lieds. Dem VfB gewidmet von Mitglied Dr. Wilhelm Ullrich.<ref>''[http://www.hefleswetzkick.de/VFB/50_Fanzone/09_Liedtexte/Liedtext/Liedtext/Hymne.htm VfB-Lied]''</ref></small><br /> <small>Melodie: 0 Deutschland hoch in Ehren</small> |} {| class="prettytable float-right" |- ! Saison ! Platz ! <math>\varnothing</math><small>Zuschauer</small> |- | [[Saisonbilanzen des VfB Stuttgart#17|1933/34]] | valign="middle" align="center"|3/9<br />1/4 | 5.437<ref name="Endrunde" /> |- | [[Saisonbilanzen des VfB Stuttgart#18|1934/35]] | valign="middle" align="center"|1/10<br />1/4 | 8.500<ref name="Endrunde" /> |- | [[Saisonbilanzen des VfB Stuttgart#19|1935/36]] | valign="middle" align="center"|3/10 | 5.000 |- | [[Saisonbilanzen des VfB Stuttgart#20|1936/37]] | valign="middle" align="center"|1/10<br />1/4 | 7.500<ref name="Endrunde" /> |- | [[Saisonbilanzen des VfB Stuttgart#21|1937/38]] | valign="middle" align="center"|1/10<br />3/4 | 7.090<ref name="Endrunde" /> |- | [[Saisonbilanzen des VfB Stuttgart#22|1938/39]] | valign="middle" align="center"|2/10 | 6.857 |- | [[Saisonbilanzen des VfB Stuttgart#23|1939/40]] | valign="middle" align="center"|1/6<br />2/4 | 4.220<ref name="hochgerechnet" /><ref name="Endrunde" /> |- | [[Saisonbilanzen des VfB Stuttgart#24|1940/41]] | valign="middle" align="center"|2/12 | 5.100<ref name="hochgerechnet" /> |- | [[Saisonbilanzen des VfB Stuttgart#25|1941/42]] | valign="middle" align="center"|2/10 |- | [[Saisonbilanzen des VfB Stuttgart#26|1942/43]] | valign="middle" align="center"|1/10 |- | [[Saisonbilanzen des VfB Stuttgart#27|1943/44]] | valign="middle" align="center"|4/10 |} Die Zeit des Nationalsozialismus gehört zu den dunklen Kapiteln der Vereinsgeschichte. Auch beim VfB konnten einige der Verantwortlichen die ''Demütigungen'' durch den [[Versailler Vertrag]] nur schwer akzeptieren.<ref name="100 Jahre VfB S. 162">Harald Jordan: ''Dauer im Wandel'' aus ''100 Jahre VfB'' S. 162</ref> Im 1919 kurz nach dem Ende des [[Erster Weltkrieg|Ersten Weltkriegs]] geschriebenen Vereinslied erklang der Wunsch nach einem starken Deutschland; so steht im Text des Liedes in Bezug auf das ''deutsche Vaterland:'' ''… dass es neu und stark ersteh, dafür spielt der VfB!'' Der ehemalige Präsident Egon Reichsgraf von Beroldingen legte Wert auf die Feststellung: ''Der VfB hatte schon von jeher Deutschland auf dem Panier!''<ref name="100 Jahre VfB S. 162" /> Zudem pflegte der Verein schon immer gute Beziehungen zu militärischen Kreisen.<ref name="Brustring Vorwort" /> Durch die aufkommende nationalsozialistische Bewegung versprachen sich viele beim VfB einen Neubeginn. Willig stellten die Vereinsoberen 1932 ihren damaligen ''Platz an den drei Pappeln'' für [[Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei|NSDAP]]-Kundgebungen zur Verfügung. Von der Stadt wurde dem VfB daraufhin sofort der Platz gekündigt. Nach der Machtergreifung der NSDAP in Stuttgart wurde diese Entscheidung wieder rückgängig gemacht. Der neue von der NSDAP eingesetzte Oberbürgermeister lobte den VfB als „schon vor dem Umbruch dem Nationalsozialismus wohlgesonnenen Verein“.<ref name="NS-Vorwürfe">[http://www.hefleswetzkick.de/VFB/25_Chronik/1940_1949/05_06/Saison.htm Vereinschronik 1945/46]: ''Wie alles anfing: „Sportkapitalisten“ auf Kohlezügen''</ref> Die offiziellen Verlautbarungen der Vereinsführung ließen keinen Dissens zu den Zielen der NSDAP erkennen, diese Ziele wurden offenbar mitgetragen.<ref>Harald Jordan: ''Dauer im Wandel'' aus ''100 Jahre VfB'' S. 163</ref> Der damalige Vereinspräsident Hans Kiener trat schon 1932 der NSDAP bei und erklärte der VfB sei ein ''Hort nationaler Gesinnung'' und eine ''Trutzburg gegen alles Undeutsche''.<ref>Hardy Grüne: ''VfB treu auf Parteikurs'' aus ''Mit dem Ring auf der Brust'' S. 38</ref> Kiener wurde von nun an ''Vereinsführer'' genannt und ''von oben'' mit kommissarischen Vollmachten ausgestattet. Es gab nun im Verein auf Drängen des ''Reichssportführers'' und des Verbandes ''Wehrsport'' einen ''SA-Sturm'' beim VfB. Jüdische Vereinsmitglieder wurden nun ausgeschlossen, auch wenn diese Verdienste um den Verein vorweisen konnten.<ref>Hardy Grüne: ''Unterm Hakenkreuz'' aus ''Mit dem Ring auf der Brust'' S. 40</ref> [[Fritz Walter (Fußballfunktionär)|Fritz Walter]] wollte das Vorgehen des Vereins später rechtfertigen als er erklärte: ''Das hat man halt machen müssen, sonst wäre vielleicht der Verein am Ende gewesen.''<ref>Harald Jordan: ''Die Stadt und ihr Verein'' aus ''100 Jahre VfB'' S. 254</ref> Neue Möglichkeiten eröffnete zusätzlich die 1933 zum [[Deutsches Turnfest|Deutschen Turnfest]] errichtete ''[[Mercedes-Benz Arena|Adolf-Hitler-Kampfbahn]]''. Nachdem die Stadt das alte VfB-Gelände für das Cannstatter Volksfest benötigte, musste der Verein sich wieder eine neue Heimspielstätte suchen. Die weitgehende Identifikation mit den neuen Machthabern ermöglichte dem VfB nun eine kontinuierliche Fortentwicklung auf sportlichem Gebiet. Damals wurden Gauligen eingeführt, in denen die jeweiligen Gaumeister ermittelt wurden. 1933 wurde der Verein [[Süddeutscher Pokal]]meister, 1935 wieder Württembergischer Meister. Somit waren die Fußballer erstmals für die Endrunde um die Deutsche Meisterschaft qualifiziert. Nachdem die Mannschaft die ersten beiden Gruppenspiele verloren hatte, schien die Situation aussichtslos zu sein. Im letzten und entscheidenden Gruppenspiel gegen den direkten Konkurrenten [[SpVgg Greuther Fürth|SpVgg Fürth]] erreichte das Team noch das Halbfinale, wo der [[VfL Benrath]] bezwungen wurde. Und so drang der VfB zum ersten mal bis ins Endspiel um die Deutsche Meisterschaft vor, in dem der Finalist in Köln den überlegenen [[FC Schalke 04|Schalkern]] mit 4:6 unterlag. Doch auch als Vizemeister wurden die Spieler bei der Rückkehr nach Stuttgart von tausenden Fans gefeiert. <div style="padding:3px 6px; margin:3px 0; background-color:#eee;"> '''[[VfB Stuttgart/Namen und Zahlen#Endspiel 1935|Spieldaten des Endspiels um die Deutsche Meisterschaft 1935]]'''</div> 1937 folgte die 3. Württembergische Meisterschaft und die Mannschaft qualifizierte sich erneut für die Endrunde um die Deutsche Meisterschaft. Nachdem die Fußballer die Gruppenphase souverän als Gruppensieger überstanden, unterlag der Klub im Halbfinale wieder dem FC Schalke 04 und siegte im Spiel um Platz 3 gegen den [[Hamburger SV]]. 1938 verteidigte der VfB den Württembergischen Meistertitel, schied jedoch diesmal schon in der Gruppenphase der Meisterschaftsendrunde als Gruppendritter aus. 1939 wurde das Team nur Württembergischer Vizemeister. Der [[Zweiter Weltkrieg|Zweite Weltkrieg]] wirkte sich anders auf das Vereinsleben aus, als der [[Erster Weltkrieg|Erste Weltkrieg]]. Er hatte gravierende Auswirkungen auf das Vereinsleben. Sehr häufig war Stuttgart Ziel von Bombenangriffen. Auch das Vereinsgelände das VfB wurde schwer getroffen, nachdem viele Sprengladungen militärische Ziele, wie die anvisierte Eisenbahnlinie oder das Daimler-Benz-Werk, verfehlten. Doch trotz der Kraterlandschaft, in die sich die Heimat des VfB verwandelte, und obwohl Spieler und Vereinsfunktionäre immer öfter durch die Kriegshandlungen starben, konnten die Verantwortlichen das Vereinsleben erhalten.<ref name="Chronik 1944">''[http://www.hefleswetzkick.de/VFB/25_Chronik/1940_1949/04_05/Saison.htm Vereinschronik 1944]''</ref> 1939/40 wurde lediglich eine Kriegsmeisterschaft im engsten Rahmen ausgetragen, in der die Fußballer die Qualifikation für die Meisterschaftsendrunde am Ende nicht schafften. In der wieder regelmäßig laufenden Gauliga erreichte der VfB 1941 und 1942 die Vizemeisterschaft, wurde 1943 zum letzten mal Gaumeister und schied in der Vorrunde der Deutschen Meisterschaft im K.-o.-System gegen [[TSV 1860 München]] aus, ehe im März 1945 die Gauliga Württemberg durch den Krieg endgültig zum Erliegen kam. Dem VfB verblieben immer genug Spieler, um ohne die Hilfe anderer Vereine Kriegsmannschaften zu stellen. Allerdings nutzte der Verein viele ''Gastspieler'' sowohl aus dem Inland, als auch aus dem Ausland. Auch Spieler aus besetzten Ländern kamen freiwillig, da sie als Fußballer leichter Akzeptanz finden konnten. Unter ihnen waren prominente Spieler wie zum Beispiel [[Rudolf Gellesch]]. Als der ''Vereinsführer'' Hans Kiener 1944 durch einen Bombenangriff schwer verletzt wurde, übernahm nach dessen Evakuierung der zweite Vorsitzende [[Fritz Walter (Fußballfunktionär)|Fritz Walter]] die Verantwortung.<ref name="Chronik 1944"/> Am 2. April 1945 bestritt der VfB das letzte Spiel vor Kriegsende, welches zwischenzeitlich wegen Fliegerangriffen unterbrochen werden musste. === 1945 bis 1963: Wiederaufbau und Erfolge === {| class="prettytable float-right" |- ! Saison ! Platz ! <math>\varnothing</math><small>Zuschauer</small> |- | [[Saisonbilanzen des VfB Stuttgart#28|1945/46]] | valign="middle" align="center"|1/16 | 10.264 |- | [[Saisonbilanzen des VfB Stuttgart#29|1946/47]] | valign="middle" align="center"|6/20 | 11.658 |- | [[Saisonbilanzen des VfB Stuttgart#30|1947/48]] | valign="middle" align="center"|5/20 | 17.895 |- | [[Saisonbilanzen des VfB Stuttgart#31|1948/49]] | valign="middle" align="center"|6/16 | 13.600 |- bgcolor="gold" | [[Saisonbilanzen des VfB Stuttgart#32|1949/50]] | valign="middle" align="center"|2/16 | 18.000 |- | [[Saisonbilanzen des VfB Stuttgart#33|1950/51]] | valign="middle" align="center"|4/18 | 13.353 |- bgcolor="gold" | [[Saisonbilanzen des VfB Stuttgart#34|1951/52]] | valign="middle" align="center"|1/16<br />1/4 | 19.467 |- | [[Saisonbilanzen des VfB Stuttgart#35|1952/53]] | valign="middle" align="center"|2/16<br />1/4 | 20.067 |- | [[Saisonbilanzen des VfB Stuttgart#36|1953/54]] | valign="middle" align="center"|1/16<br />2/3 | 15.133 |- | [[Saisonbilanzen des VfB Stuttgart#37|1954/55]] | valign="middle" align="center"|13/16 | 13.933 |- | [[Saisonbilanzen des VfB Stuttgart#38|1955/56]] | valign="middle" align="center"|2/16<br />3/4 | 21.266 |- | [[Saisonbilanzen des VfB Stuttgart#39|1956/57]] | valign="middle" align="center"|4/16 | 17.167 |- | [[Saisonbilanzen des VfB Stuttgart#40|1957/58]] | valign="middle" align="center"|9/16 | 16.767 |- | [[Saisonbilanzen des VfB Stuttgart#41|1958/59]] | valign="middle" align="center"|5/16 | 16.100 |- | [[Saisonbilanzen des VfB Stuttgart#42|1959/60]] | valign="middle" align="center"|7/16 | 14.633 |- | [[Saisonbilanzen des VfB Stuttgart#43|1960/61]] | valign="middle" align="center"|7/16 | 11.000 |- | [[Saisonbilanzen des VfB Stuttgart#44|1961/62]] | valign="middle" align="center"|5/16 | 13.833 |- | [[Saisonbilanzen des VfB Stuttgart#45|1962/63]] | valign="middle" align="center"|6/16 | 19.447 |} [[Datei:Vfb stuttgart (alt).svg|miniatur|left|100px|Von 1949 bis 1994 verwendetes Logo des Vereins]] Der [[Zweiter Weltkrieg|Zweite Weltkrieg]] stellte eine Zäsur für den Verein dar. Die eigenen Sportanlagen waren weitestgehend zerstört, viele Vereinsmitglieder waren im Krieg gefallen. Trotzdem wurde bereits am 13. Oktober 1945 im Gasthaus ''Krone'' in Fellbach unter entscheidender Mitwirkung von VfB-Präsident [[Fritz Walter (Fußballfunktionär)|Fritz Walter]] die [[Oberliga Süd|Süddeutsche Oberliga]] gegründet. Auf dem Kohlenwagen mussten VfB-Verantwortliche reisen, um über vorige Gaugrenzen und damalige Zonengrenzen hinweg für die Gründung der neuen Liga in Süddeutschland zu werben.<ref>Harald Jordan: ''Dauer im Wandel'' aus ''100 Jahre VfB'' S. 167</ref> Es gelang dem VfB, in der am 4. November 1945 unter dem Vorsitz von Dr. Walter gestarteten Oberliga gleich die erste Süddeutsche Meisterschaft der Nachkriegszeit und damit auch die [[Zonenmeisterschaft|Amerikanische Zonenmeisterschaft]] zu gewinnen. [[Robert Schlienz]] war mit 42 Treffern zugleich erster Torschützenkönig der neuen Liga. Die Deutsche Meisterschaft wurde damals aufgrund der unterschiedlichen Bestimmungen in den verschiedenen Besatzungszonen nicht ausgetragen. Die Oberliga wurde bei den Fans schnell populär und so kam Geld in die Kassen des Vereins, der so die zerstörte Infrastruktur wieder aufbaute. Der VfB erlangte nun eine wichtige regionale Bedeutung, und für den VfB spielen zu können, wurde das Ziel von vielen Jugendlichen. Auch nach der Einführung des Vertragsspielerstatuts 1948 konnten die Spieler des VfB von den Bezügen, die ihnen ihre Spielerverträge bescherten, nicht leben, und so förderte der Klub bei den Spielern die Selbstständigkeit. So führte [[Robert Schlienz]] nebenbei ein Sportartikelgeschäft, [[Karl Barufka]] ein Spirituosengeschäft und [[Erich Retter]] eine Tankstelle.<ref>Harald Jordan: ''Dauer im Wandel'' aus ''100 Jahre VfB'' S. 169</ref> Beim VfB versuchten die Verantwortlichen immer, den Spielern dabei zu helfen, Fußball und Beruf vereinbaren zu können. In den folgenden Jahren tummelten sich die Fußballer zunächst nur im Mittelfeld der Oberliga und landete erst 1950 als Zweiter wieder weit oben in der Tabelle. Damals begann die erfolgreichste Ära des Vereins, der nun den Stadtkonkurrenten [[Stuttgarter Kickers]] endgültig als Nummer 1 in der Stadt ablöste. Die Süddeutsche Vizemeisterschaft berechtigte den VfB, an der K.-o.-Runde zur Deutschen Meisterschaft teilzunehmen. Dort zog der VfB zum zweiten Mal in ein Endspiel um die Deutsche Meisterschaft ein, welches er in [[Berlin]] gegen [[Kickers Offenbach]] mit 2:1 gewann. Die erste Deutsche Meisterschaft des VfB war erreicht. Danach wurde dem VfB als erstem Fußballverein überhaupt von [[Bundespräsident (Deutschland)|Bundespräsident]] [[Theodor Heuss]] das [[Silbernes Lorbeerblatt|Silberne Lorbeerblatt]] verliehen.<ref>Gerd Krämer: ''Die erste Meisterschaft'' aus ''100 Jahre VfB'' S. 114</ref> Bei ihrer Ankunft am Stuttgarter Bahnhof wurde die Mannschaft euphorisch gefeiert und unter anderem von der Endspielelf von 1935 empfangen. <div style="padding:3px 6px; margin:3px 0; background-color:#eee;"> '''[[VfB Stuttgart/Namen und Zahlen#Endspiel 1950|Spieldaten des Endspiels um die Deutsche Meisterschaft 1950]]'''</div> Nachdem der [[DFB]] 1950 wieder Länderspiele austragen durfte, wurden schließlich Spieler vom damaligen Deutschen Meister, wie zum Beispiel [[Karl Barufka]], berufen. 1951 verpasste der amtierende Meister die Endrunde der Meisterschaft als Vierter der Oberliga Süd knapp. Doch 1952 wurde der VfB wieder Süddeutscher Meister, nachdem die Mannschaft den [[1. FC Nürnberg]] noch im letzten Spiel durch einen Sieg im direkten Duell abfing. Durch den Sieg in der Gruppenphase erreichte der VfB zum dritten Mal das Endspiel um die Deutsche Meisterschaft, das der Klub in [[Ludwigshafen]] gegen den [[1. FC Saarbrücken]] gewann. Die Mannschaft entsprach in weiten Teilen der Meistermannschaft von 1950. [[Mercedes Benz]] stellte dem VfB damals Wagen zur Verfügung, mit denen die Mannschaft eine Rundfahrt durch die Region machte, wobei sie wieder euphorisch gefeiert wurde. <div style="padding:3px 6px; margin:3px 0; background-color:#eee;"> '''[[VfB Stuttgart/Namen und Zahlen#Endspiel 1952|Spieldaten des Endspiels um die Deutsche Meisterschaft 1952]]'''</div> In der kommenden Saison erreichte der VfB nach einem schwachen Saisonstart doch noch die Süddeutsche Vizemeisterschaft und bekam so die Chance, den Meistertitel zu verteidigen. Inzwischen war [[Erich Retter]] Nationalspieler geworden. Nachdem die Mannschaft diesmal denkbar knapp, nur aufgrund des direkten Vergleichs in der Vorrunde nach einem Sieg im letzten Spiel gegen [[Borussia Dortmund]] den Gruppensieg holte, erreichte der Fußballmeister zum zweiten Mal in Folge das Endspiel. [[Karl Barufka]] war nach seiner Verletzung aus dem Spiel gegen Dortmund nicht einsatzfähig im Finale gegen den [[1. FC Kaiserslautern]]. Doch nach der blutigen Niederschlagung des Arbeiteraufstandes am [[17. Juni 1953]] in Berlin wurde schon über eine Verschiebung des Spielorts nachgedacht. Der DFB hielt trotzdem am Berliner Olympiastadion als Austragungsort fest. Die Titelverteidigung gelang nicht, als das Team gegen den mit Stars aus der späteren Weltmeistermannschaft von 1954 gespickten 1. FC Kaiserslautern mit 1:4 unterlag. Ein Positiverlebnis hatte lediglich [[Karl Bögelein]], der zu Beginn einen Elfmeter gegen die spätere Fußballlegende [[Fritz Walter]] hielt. Letzterer führte den FCK trotzdem zu einem deutlichen Sieg. <div style="padding:3px 6px; margin:3px 0; background-color:#eee;"> '''[[VfB Stuttgart/Namen und Zahlen#Endspiel 1953|Spieldaten des Endspiels um die Deutsche Meisterschaft 1953]]'''</div> [[Datei:Stuttgart-vfb-1954-dfb-pokal.jpg|miniatur|DFB-Pokal von 1954]] In der folgenden Saison wurde der VfB wieder Süddeutscher Meister. Jedoch schied der VfB diesmal in der Vorrunde der Deutschen Meisterschaft als Gruppenzweiter nach einer 1:3-Niederlage gegen [[Hannover 96]] aus. Der Saisonhöhepunkt des Jahres 1954 war das Endspiel eines anderen Wettbewerbs. Zum ersten Mal erreichten die Fußballer das Finale des [[DFB-Pokal]]s und traf auf den [[1. FC Köln]]. [[Erwin Waldner]] erzielte damals nach einer Vorlage von [[Robert Schlienz]] das entscheidende Tor an diesem [[Karsamstag]]. So wurde der VfB in dem Jahr zum ersten Mal DFB-Pokalsieger, in dem [[Deutsche Fußballnationalmannschaft|Deutschland]] zum ersten Mal Fußballweltmeister wurde. <div style="padding:3px 6px; margin:3px 0; background-color:#eee;"> '''[[VfB Stuttgart/Namen und Zahlen#Endspiel 1954|Spieldaten des Endspiels um den DFB-Pokal 1954]]'''</div> 1955 rutschte der amtierende Pokalsieger in der Oberliga auf einen enttäuschenden dreizehnten Platz ab. Doch 1956 wurde der VfB Süddeutscher Vizemeister und erreichte wieder die Meisterschaftsendrunde, nachdem die Mannschaft in der Qualifikation zur Endrunde [[TuS Koblenz|TuS Neuendorf]] bezwang. Diesmal schied das Team als Gruppendritter in der Gruppenphase aus. Es war die letzte Teilnahme an der Meisterschaftsendrunde. 1958 hielt sich die Enttäuschung über den neunten Platz in der Oberliga in Grenzen. Zum zweiten Mal erreichte der VfB das Endspiel des DFB-Pokals, diesmal gegen [[Fortuna Düsseldorf]]. Gegen das Team um den späteren Bundestrainer [[Jupp Derwall]] gewann der Klub wieder erst in der Verlängerung durch den entscheidenden Treffer von [[Lothar Weise (Fußballspieler)|Lothar Weise]]. <div style="padding:3px 6px; margin:3px 0; background-color:#eee;"> '''[[VfB Stuttgart/Namen und Zahlen#Endspiel 1958|Spieldaten des Endspiels um den DFB-Pokal 1958]]'''</div> In den kommenden Jahren spielte der VfB keine bedeutende Rolle im süddeutschen Fußball und landete bis zur Gründung der Bundesliga immer zwischen Platz fünf und Platz sieben. Die Stuttgarter erreichten 1963 in der Oberliga Süd den sechsten Platz. Wegen des [[Fußball-Bundesliga#Die Gr.C3.BCndungsmitglieder der Bundesliga|komplizierten Auswahlverfahrens]] war lange ungewiss ob der VfB der neuen [[Fußball-Bundesliga]] angehören würde. Erst ein Telegramm bestätigte am [[6. Mai]] 1963 endgültig die Zugehörigkeit des VfB zur Bundesliga. Zuvor wurde von der Presse vermeldet: ''[[Karlsruher SC|Karlsruhe]] (419 Qualifikationspunkte), Stuttgart (408) und [[Kickers Offenbach|Offenbach]] (382) sind als gleichwertig anzusehen, weswegen der diesjährige Tabellenstand ausschlaggebend ist''<ref>Hardy Grüne: ''Endlich Bundesliga'' aus ''Mit dem Ring auf der Brust'' S. 93</ref>. Somit war es möglicherweise entscheidend, dass der VfB punktgleich aufgrund der besseren Tordifferenz 1962/63 in der Oberliga Süd einen Platz vor den Kickers Offenbach lag. === 1963 bis 1976: Vom Gründungsmitglied zum Absteiger === {| class="prettytable float-right" |- ! Saison ! Platz ! <math>\varnothing</math><small>Zuschauer</small> |- | [[Saisonbilanzen des VfB Stuttgart#46|1963/64]] | valign="middle" align="center"|5/16 | 40.459 |- | [[Saisonbilanzen des VfB Stuttgart#47|1964/65]] | valign="middle" align="center"|12/16 | 31.167 |- | [[Saisonbilanzen des VfB Stuttgart#48|1965/66]] | valign="middle" align="center"|11/18 | 27.190 |- | [[Saisonbilanzen des VfB Stuttgart#49|1966/67]] | valign="middle" align="center"|12/18 | 30.558 |- | [[Saisonbilanzen des VfB Stuttgart#50|1967/68]] | valign="middle" align="center"|8/18 | 25.948 |- | [[Saisonbilanzen des VfB Stuttgart#51|1968/69]] | valign="middle" align="center"|5/18 | 21.440 |- | [[Saisonbilanzen des VfB Stuttgart#52|1969/70]] | valign="middle" align="center"|7/18 | 20.735 |- | [[Saisonbilanzen des VfB Stuttgart#53|1970/71]] | valign="middle" align="center"|12/18 | 18.654 |- | [[Saisonbilanzen des VfB Stuttgart#54|1971/72]] | valign="middle" align="center"|8/18 | 21.352 |- | [[Saisonbilanzen des VfB Stuttgart#55|1972/73]] | valign="middle" align="center"|6/18 | 15.185 |- | [[Saisonbilanzen des VfB Stuttgart#56|1973/74]] | valign="middle" align="center"|9/18 | 25.533 |- | [[Saisonbilanzen des VfB Stuttgart#57|1974/75]] | valign="middle" align="center"|16/18 | 26.504 |- bgcolor="#ffdff0" | [[Saisonbilanzen des VfB Stuttgart#58|1975/76]] | valign="middle" align="center"|11/20 | 11.330 |} 1963 zählte der VfB zu den 16 Gründungsmitgliedern der [[Fußball-Bundesliga]]. Mit [[Fritz Walter (Fußballfunktionär)|Fritz Walter]] hatte der Verein damals einen Präsidenten, der keine finanziellen Risiken eingehen wollte und lieber auf ehrenamtliche Arbeitskräfte setzte als auf ein bezahltes professionelles Management und eine Mannschaft, die nur aus Vollprofis besteht. Doch nachdem die Fußballmannschaft sich, als der VfB in der ersten Bundesligasaison Fünfter geworden war, bis 1968 nur noch im Mittelfeld befand, forderten immer mehr ein ''modernes Management'' beim VfB, welches sich bei den erfolgreichen Vereinen der Liga bereits bewährt hatte. Dr. Walter war dazu nicht bereit und so trat [[Hans Weitpert]], der an der Spitze derer stand, die eine neue Einkaufspolitik forderten, dessen Nachfolge an. Es dauerte nicht mehr lange, bis mit [[Günter Sawitzki]] 1971 der letzte Spieler des VfB, der nebenbei einen Beruf ausübte, seine Karriere beendete.<ref>Harald Jordan: ''Dauer im Wandel'' aus ''100 Jahre VfB'' S. 170</ref> Prominente Trainer in den ersten Bundesligajahren waren [[Rudi Gutendorf]], [[Albert Sing]] und [[Branko Zebec]]. Nachdem die Fußballer 1969 wieder Fünfter geworden waren, verloren die Stuttgarter in den folgenden Jahren den Anschluss zur Spitze und spielten die kommenden Jahre hauptsächlich im Mittelfeld der Liga. Nur 1973 erreichte die Mannschaft den UEFA-Pokal und konnte 1974 erstmals das Halbfinale erreichen. Dort schied der VfB gegen [[Feyenoord Rotterdam]] aus. Im April 1975 räumte Weitpert, der mit seiner offensiven Einkaufspolitik gescheitert war, seinen Präsidentenposten. [[Gerhard Mayer-Vorfelder]] wurde zum neuen Präsidenten des Vereins gewählt. Der VfB befand sich zu dieser Zeit auf einem Abstiegsplatz. Am Ende der Saison stieg der VfB aus der 1. Liga ab. Zuvor war der VfB nur 1923/24 für eine einzige Saison zweitklassig gewesen. Die folgende Saison wurde zu einem der schwächsten sportlichen Kapitel der VfB-Geschichte – der Verein belegte in der [[2. Fußball-Bundesliga|2. Liga]] lediglich Platz 11. Den Tiefpunkt bildete das Heimspiel gegen den [[SSV Reutlingen 05]] vor 1.200 Zuschauern, das mit 2:3 verloren ging. === 1976 bis 1989: Aufstieg und Rückkehr an die Spitze === {| class="prettytable float-right" |- ! Saison ! Platz ! <math>\varnothing</math><small>Zuschauer</small> |- bgcolor="#ffdff0" | [[Saisonbilanzen des VfB Stuttgart#59|1976/77]] | valign="middle" align="center"|1/20 | 22.689 |- | [[Saisonbilanzen des VfB Stuttgart#60|1977/78]] | valign="middle" align="center"|4/18 | 53.567 |- | [[Saisonbilanzen des VfB Stuttgart#61|1978/79]] | valign="middle" align="center"|2/18 | 41.297 |- | [[Saisonbilanzen des VfB Stuttgart#62|1979/80]] | valign="middle" align="center"|3/18 | 33.405 |- | [[Saisonbilanzen des VfB Stuttgart#63|1980/81]] | valign="middle" align="center"|3/18 | 30.073 |- | [[Saisonbilanzen des VfB Stuttgart#64|1981/82]] | valign="middle" align="center"|9/18 | 26.126 |- | [[Saisonbilanzen des VfB Stuttgart#65|1982/83]] | valign="middle" align="center"|3/18 | 27.526 |- bgcolor="gold" | [[Saisonbilanzen des VfB Stuttgart#66|1983/84]] | valign="middle" align="center"|1/18 | 31.076 |- | [[Saisonbilanzen des VfB Stuttgart#67|1984/85]] | valign="middle" align="center"|10/18 | 22.648 |- | [[Saisonbilanzen des VfB Stuttgart#68|1985/86]] | valign="middle" align="center"|5/18 | 21.638 |- | [[Saisonbilanzen des VfB Stuttgart#69|1986/87]] | valign="middle" align="center"|12/18 | 20.699 |- | [[Saisonbilanzen des VfB Stuttgart#70|1987/88]] | valign="middle" align="center"|4/18 | 26.313 |- | [[Saisonbilanzen des VfB Stuttgart#71|1988/89]] | valign="middle" align="center"|5/18 | 26.895 |- | [[Saisonbilanzen des VfB Stuttgart#72|1989/90]] | valign="middle" align="center"|6/18 | 24.684 |} [[Datei:Jürgen Klinsmann 2005.jpg|miniatur|Jürgen Klinsmann als Bundestrainer – seinen Durchbruch als Spieler hatte er beim VfB]] Zur Saison 1976/77 verpflichtete der VfB dann [[Jürgen Sundermann]]. Aus finanziellen Zwängen musste der VfB vor allem auf junge Spieler setzen. Mit dem damaligen ''Hundert-Tore-Sturm'' gelang dem VfB die Rückkehr ins Fußball-Oberhaus. Dabei erzielte [[Ottmar Hitzfeld]] im Heimspiel gegen den [[SSV Jahn Regensburg]] sechs Treffer (Endstand 8:0). Dieser Rekord hat bis heute bestand. In der Saison 1977/78, der ersten Saison nach der Rückkehr in die Fußball-Bundesliga, erreichte der VfB einen vierten Platz. Dabei stellte er mit einem Zuschauerschnitt von fast 54.000 einen fast 20 Jahre gültigen Bundesliga-Rekord auf. In den Folgejahren konnte sich der VfB in der Bundesligaspitze etablieren. Spieler in dieser Zeit waren u.&nbsp;a. [[Hansi Müller]], [[Karlheinz Förster|Karlheinz]] und [[Bernd Förster]], [[Karl Allgöwer]], [[Dieter Hoeneß]], [[Hermann Ohlicher]] und [[Helmut Roleder]]. Bis 1980 qualifizierte sich die Mannschaft in jeder Saison nach dem Aufstieg für den UEFA-Pokal. 1979/80 erreichte das Team zum zweiten Mal das Halbfinale des UEFA-Pokals, als der VfB gegen [[Borussia Mönchengladbach]] nach einem 2:1 Heimsieg und einer 0:2 Niederlage auswärts knapp ausschied. Die Infrastruktur wurde zu Beginn der 1980er Jahre angepasst: 1981 bezog der VfB nach knapp zweijähriger Bauzeit sein neues Clubzentrum (Kostenaufwand damals: ca. 5,2 Millionen Euro). Nachdem der Verein 1982 auf den neunten Platz abrutschte, qualifizierten sich die Fußballer bereits 1983 mit einem dritten Platz für den UEFA-Pokal. 1984 erreichte der Verein unter Trainer [[Helmut Benthaus]] seine dritte deutsche Meisterschaft. Nachdem die Mannschaft am 32. Spieltag punktgleich mit dem [[Hamburger SV]] an der Spitze lag, drohte ein Endspiel am 34. Spieltag im Neckarstadion gegen den HSV. Doch da der VfB selbst gegen [[Werder Bremen]] siegte und der HSV gegen [[Eintracht Frankfurt]] gleichzeitig unterlag stand fest, dass der HSV mit 5 Toren Vorsprung im direkten Duell in Stuttgart hätte gewinnen müssen, um den VfB noch von der eigentlich sicheren Meisterschaft abzuhalten. Der HSV erzielte lediglich in den letzten Minuten, als die VfB-Fans schon die Meisterschaft feierten, den 1:0-Siegtreffer. Erstmalig im [[UEFA Champions League|Europapokal der Landesmeister]] vertreten, scheiterte der VfB in der ersten Runde gegen [[Lewski Sofia|Levski Spartak Sofia]]. Dennoch gaben die sportlichen Erfolge der kommenden Jahre dem VfB weitere Möglichkeiten zu internationalen Auftritten. 1985 erreichte der VfB den 10. Platz. 1986 erreichte der Verein unter den Trainern [[Otto Barić|Barić]] und [[Willi Entenmann|Entenmann]] zum dritten Mal ein DFB-Pokal-Finale, das der [[FC Bayern München]] mit 5:2 gewann. Trotzdem trat der VfB als Fünfter der Bundesliga-Saison in der folgenden Saison nicht im UEFA-Pokal, sondern im [[Europapokal der Pokalsieger (Fußball)|Europapokal der Pokalsieger]] an, weil der FC Bayern als Meister bereits im Europapokal der Landesmeister spielte. <div style="padding:3px 6px; margin:3px 0; background-color:#eee;"> '''[[VfB Stuttgart/Namen und Zahlen#Endspiel 1986|Spieldaten des Endspiels um den DFB-Pokal 1986]]'''</div> 1986/87 schied der VfB bei der ersten Teilnahme im [[Europapokal der Pokalsieger (Fußball)|Europapokal der Pokalsieger]] im Achtelfinale gegen [[Torpedo Moskau]] aus. Ende der 80er Jahre qualifizierte sich der VfB mit Spielern wie [[Guido Buchwald|Buchwald]], Jürgen Klinsmann, [[Ásgeir Sigurvinsson|Sigurvinsson]] oder [[Eike Immel|Immel]] und Trainer [[Arie Haan]] 1988 und 1989 wieder für den UEFA-Pokal. In die Chronik des Vereins eingegangen ist dabei vor allem das UEFA-Pokal-Finale von 1989 gegen den [[SSC Neapel]]. Auf Klinsmann musste die Mannschaft wegen einer Gelbsperre aus dem Halbfinale im Hinspiel verzichten. Nach einer fragwürdigen Schiedsrichterleistung hatte der VfB das Hinspiel in [[Neapel]] mit 1:2 gegen ''Napoli'' verloren. Beim 1:1 nahm [[Diego Maradona]] den Ball mit der Hand mit und der Handelfmeter zum 1:2 war ebenfalls nach einstimmiger Meinung der Fußballexperten nicht berechtigt. Zudem wurde Kapitän Guido Buchwald durch eine gelbe Karte für das Rückspiel in Stuttgart gesperrt. Der griechische Schiedsrichter [[Gerassimos Germanakos]] aus dem Hinspiel wurde danach von der UEFA gesperrt, was keine Auswirkungen hatte, da der Schiedsrichter ohnehin zurückgetreten war.<ref>''[http://www.hefleswetzkick.de/VFB/25_Chronik/1980_1989/08_09/Saison.htm Vereinschronik 1988/89]''</ref> Ein 3:3 im Rückspiel reichte dann nicht mehr zum Titelgewinn. <div style="padding:3px 6px; margin:3px 0; background-color:#eee;"> '''[[VfB Stuttgart/Namen und Zahlen#Endspiele 1989|Spieldaten der Endspiele um den UEFA-Cup 1989]]'''</div> === 1989 bis 2001: Von der Spitze in den Abstiegskampf === [[Datei:Christoph Daum.jpg|miniatur|Meistertrainer Christoph Daum]] {| class="prettytable float-right" |- ! Saison ! Platz ! <math>\varnothing</math><small>Zuschauer</small> |- | [[Saisonbilanzen des VfB Stuttgart#73|1990/91]] | valign="middle" align="center"|6/18 | 28.987 |- bgcolor="gold" | [[Saisonbilanzen des VfB Stuttgart#74|1991/92]] | valign="middle" align="center"|1/20 | 33.553 |- | [[Saisonbilanzen des VfB Stuttgart#75|1992/93]] | valign="middle" align="center"|7/18 | 26.872 |- | [[Saisonbilanzen des VfB Stuttgart#76|1993/94]] | valign="middle" align="center"|7/18 | 27.434 |- | [[Saisonbilanzen des VfB Stuttgart#77|1994/95]] | valign="middle" align="center"|12/18 | 30.547 |- | [[Saisonbilanzen des VfB Stuttgart#78|1995/96]] | valign="middle" align="center"|10/18 | 29.087 |- | [[Saisonbilanzen des VfB Stuttgart#79|1996/97]] | valign="middle" align="center"|4/18 | 38.661 |- | [[Saisonbilanzen des VfB Stuttgart#80|1997/98]] | valign="middle" align="center"|4/18 | 36.700 |- | [[Saisonbilanzen des VfB Stuttgart#81|1998/99]] | valign="middle" align="center"|11/18 | 29.034 |- | [[Saisonbilanzen des VfB Stuttgart#82|1999/00]] | valign="middle" align="center"|8/18 | 28.971 |- | [[Saisonbilanzen des VfB Stuttgart#83|2000/01]] | valign="middle" align="center"|15/18 | 24.124 |} [[Datei:Joachim Löw.JPG|miniatur|Joachim Löw – ein weiterer Bundestrainer mit Wurzeln beim VfB]] [[Datei:Soldo oproštaljka.jpg|miniatur|Zvonimir Soldo – Der Kapitän der „jungen Wilden“ beendet seine Karriere.]] {| class="prettytable float-right" |- ! Saison ! Platz ! <math>\varnothing</math><small>Zuschauer</small> |- | [[Saisonbilanzen des VfB Stuttgart#84|2001/02]] | valign="middle" align="center"|8/18 | 26.097 |- | [[Saisonbilanzen des VfB Stuttgart#85|2002/03]] | valign="middle" align="center"|2/18 | 31.251 |- | [[Saisonbilanzen des VfB Stuttgart#86|2003/04]] | valign="middle" align="center"|4/18 | 41.728 |- | [[Saisonbilanzen des VfB Stuttgart#87|2004/05]] | valign="middle" align="center"|5/18 | 38.350 |- | [[Saisonbilanzen des VfB Stuttgart#88|2005/06]] | valign="middle" align="center"|9/18 | 36.266 |- bgcolor="gold" | [[Saisonbilanzen des VfB Stuttgart#89|2006/07]] | valign="middle" align="center"|1/18 | 45.439 |- | [[Saisonbilanzen des VfB Stuttgart#90|2007/08]] | valign="middle" align="center"|6/18 | 50.899 |- | [[Saisonbilanzen des VfB Stuttgart#91|2008/09]] | valign="middle" align="center"|3/18 | 51.700 |- | [[Saisonbilanzen des VfB Stuttgart#91|2009/10]] | valign="middle" align="center"|6/18 | |} [[Datei:Silvio-meissner.jpg|miniatur|VfB-Spieler Silvio Meißner (rechts) 2003 im Gottlieb-Daimler-Stadion]] 1990 kam [[Christoph Daum]] als Trainer zum VfB. 1992 wurde der VfB unter Daum unter anderem mit [[Guido Buchwald]], [[Fritz Walter (Fußballspieler, 1960)|Fritz Walter]] und [[Matthias Sammer]] zum vierten Mal Deutscher Meister. In einem Herzschlag-Finale setzten sich die Stuttgarter durch einen Treffer in der 86. Minute des letzten Spieltags (2:1 Sieg in Leverkusen) im Fernduell gegen [[Eintracht Frankfurt]] (1:2 bei Hansa Rostock) und [[Borussia Dortmund]] (1:0 beim MSV Duisburg) durch; [[Fritz Walter (Fußballspieler, 1960)|Fritz Walter]] wurde Torschützenkönig. Der VfB war damals vor dem letzten Spieltag lediglich zwei Mal Tabellenführer gewesen. In der Folgesaison unterlief Trainer Daum in der ersten Runde des Europacups gegen [[Leeds United]] am 30. September 1992 ein folgenschwerer Fehler: Er wechselte mit [[Jovica Simanić]] einen damals nicht gestatteten vierten Ausländer ein. Das Spiel wurde gegen den VfB gewertet und der Verein schied, nach einem Wiederholungsspiel in Barcelona vor gerade einmal 15.000 Fans, bereits zum zweiten Mal in seiner Geschichte, in der ersten Runde des Europacups der Landesmeister aus. Damit verpasste der VfB die Teilnahme an der [[UEFA Champions League|Champions League]]. In den kommenden drei Jahren qualifizierte sich die Mannschaft nicht mehr für den Europacup und schaffte es wie schon 1984 zunächst nicht, sich als Meister an der Spitze zu halten. Unter [[Rolf Fringer]] spielte in der Saison 1995/96 erstmals das so genannte ''Magische Dreieck'' zusammen, das aus den Spielern [[Krassimir Balakow]], [[Giovane Elber]] und [[Fredi Bobic]] bestand. Dennoch wurde der VfB nur Zehnter und so legte der VfB Fringer keine Steine in den Weg, Schweizer Nationalteamtrainer zu werden. Erst unter [[Joachim Löw]], der von Fringers Co-Trainer zum Interimstrainer und schließlich zum Cheftrainer wurde, knüpfte der VfB wieder an frühere Erfolge an. Das „Magische Dreieck“ sorgte in der Bundesliga für Furore und gewann 1997, durch einen 2:0 Sieg im Finale in [[Berlin]] gegen den damaligen Regionalligisten [[Energie Cottbus]], den DFB-Pokal. Dabei erreichte das Team im Viertelfinale nur durch das Elfmeterschießen gegen den [[SC Freiburg]] das Halbfinale, wo die Mannschaft den [[Hamburger SV]] im ''eigentlichen Endspiel'' bezwang. Doch so schnell das ''Magische Dreieck'' sich einspielte, so schnell trennten sich die Wege der ''Traumoffensive'' des VfB auch wieder. Die zwei entscheidenden Tore von Giovane Elber im Pokalfinale waren seine beiden letzten für den VfB, er wechselte zum [[FC Bayern München]]. <div style="padding:3px 6px; margin:3px 0; background-color:#eee;"> '''[[VfB Stuttgart/Namen und Zahlen#Endspiel 1997|Spieldaten des Endspiels um den DFB-Pokal 1997]]'''</div> Ein Jahr später stand der VfB im Finale des Europapokals der Pokalsieger, das er in [[Stockholm]] unglücklich mit 0:1 gegen [[Chelsea London]] verlor, nachdem der eingewechselte [[Gianfranco Zola]] mit seinem ersten Ballkontakt das entscheidende Tor erzielte. Danach ging mit [[Fredi Bobic]] der zweite Spieler des magischen Dreiecks, er wechselte zu [[Borussia Dortmund]]. Nur [[Krassimir Balakow]] blieb bis zu seinem Karriereende beim VfB. <div style="padding:3px 6px; margin:3px 0; background-color:#eee;"> '''[[VfB Stuttgart/Namen und Zahlen#Endspiel 1998|Spieldaten des Endspiels um den Europapokal der Pokalsieger 1998]]'''</div> Doch trotz der Erfolge verlängerte der Verein unter der Leitung [[Gerhard Mayer-Vorfelder]]s den am Saisonende 1998 auslaufenden Vertrag mit Löw nicht. Stattdessen wurde nun [[Winfried Schäfer]] verpflichtet. Vor allem bei den Fans war diese Entscheidung sehr unpopulär, da Schäfer vom Erzrivalen [[Karlsruher SC]] kam, wo er sich einen Namen gemacht hatte. Der Trainerwechsel erwies sich schnell als Fehler und so wurde Schäfer noch im selben Jahr wieder entlassen. Die folgenden Jahre brachten mehr sportlichen Misserfolg als Erfolg. Unter Trainer [[Ralf Rangnick]] wurde ein sportlicher Konsolidierungsprozess eingeleitet, der mit Platz 15 und erhöhter Abstiegsgefahr im Frühjahr 2001 endete. Das Erreichen des UEFA-Pokals durch den erstmaligen Gewinn des UI-Cups 2000 war nun eher ein Hindernis im Abstiegskampf. [[Manfred Haas]], der Nachfolger von Gerhard Mayer-Vorfelder, der den Verein 2000 in Richtung [[Deutscher Fußball-Bund|DFB]] verlassen hatte, fand einen Verein mit großen sportlichen und finanziellen Problemen vor. Die finanziellen Probleme sind vor allem auf die riskante Transferstrategie unter [[Gerhard Mayer-Vorfelder]] zurückzuführen. Schon allein der von Mayer-Vorfelder mit [[Dusan Bukovac]] ausgehandelte ''Rentenvertrag'' von [[Krassimir Balakow]] belastete den VfB. Dieser hoch dotierte Vertrag (geschätzte 3 Mio € Jahresgehalt) konnte durch das Ziehen einer Option von Balakow fristlos verlängert werden und wurde nach harten Verhandlungsrunden zwischen Haas und Bukovac erst 2003 beendet. Zudem litt der Verein unter einigen teuren Einkäufen von Spielern, die gar nicht oder kaum für den Verein aufliefen. Beispiele sind [[Sebastiano Pereira Do Nascimento|Didi]], [[Srgjan Zaharievski]], [[Mitko Stojkovski]] oder [[Sasa Markovic]]. Rangnick wurde entlassen, sein Nachfolger wurde [[Felix Magath]]. Unter Magath schaffte der VfB am vorletzten Spieltag gegen Schalke 04 durch ein Tor von [[Krassimir Balakow|Balakow]] kurz vor dem Spielende den Klassenerhalt. === 2001 bis heute: Mit „jungen Wilden“ zurück in die Spitze der Bundesliga === Aufgrund der finanziellen Engpässe musste der VfB wie Mitte der 1970er Jahre auf die eigene Jugend setzen – Spieler wie [[Andreas Hinkel]], [[Kevin Kurányi]], [[Timo Hildebrand]] oder [[Aljaksandr Hleb]] bildeten ein Team, das sich hervorragend entwickelte und in den Medien den Beinamen „die jungen Wilden“ erhielt. Der VfB qualifizierte sich 2002 über den [[UI-Cup]] für den [[UEFA-Pokal 2002/03]]. Am Ende der [[Fußball-Bundesliga|Saison 2002/03]] war die Mannschaft überraschend Vizemeister hinter Bayern München und qualifizierte sich damit erstmals für die [[UEFA Champions League|Champions League]]. [[UEFA Champions League 2003/04|Dort]] zeigte die Mannschaft ihre Klasse u.&nbsp;a. durch einen 2:1 Sieg gegen [[Manchester United]], sowie durch das Erreichen des Achtelfinals. Dort war erneut der FC Chelsea Endstation, nachdem sich der VfB durch ein Eigentor von [[Fernando Meira]] im Hinspiel selbst um die Chance auf den Einzug ins Viertelfinale brachte (0:1 zuhause, 0:0 auswärts). 2003 wurde [[Erwin Staudt]] neuer Präsident. Er wurde der erste hauptamtliche Präsident des VfB Stuttgart und trug mit seiner Mitglieder-Kampagne mit dem Titel „Wir packen Schalke“ entscheidend dazu bei, die Mitgliederzahl innerhalb von zwei Jahren mehr als zu verdreifachen. Zudem überzeugte er [[Rudi Häussler]], direkt neben dem Gottlieb-Daimler-Stadion mit dem [[Carl Benz Center]] einen Multifunktionskomplex zu errichten. Vom Bau des Gebäudes profitierte der VfB als Hauptmieter wohl am meisten. Im Sommer 2004 wechselte Trainer Magath zum FC Bayern München, sein Nachfolger in Stuttgart wurde [[Matthias Sammer]]. Zwar erreichte der VfB in der [[Fußball-Bundesliga 2004/05|Saison 2004/05]] einen UEFA-Cup-Platz, allerdings verspielten die Fußballer mit einem kläglichen Saisonfinale eine deutlich bessere Platzierung. Daher trennte sich der Verein nach Saisonende von Sammer. Sein Nachfolger wurde im Sommer 2005 [[Giovanni Trapattoni]]. Vor der Saison 2005/06 kam es zu einem großen personellen Wechsel beim VfB; Leistungsträger wie [[Kevin Kurányi]] (für etwa 8 Mio. zu Schalke 04), [[Philipp Lahm]] (war ausgeliehen von Bayern München) und [[Aljaksandr Hleb]] (wechselte für geschätzte 15 Millionen zum [[FC Arsenal]]) verließen den VfB, neu verpflichtet wurden u.&nbsp;a. [[Thomas Hitzlsperger]] ([[Aston Villa]]) und [[Jon Dahl Tomasson]] ([[AC Mailand]]). Durch die hohen Transfererlöse konnte der Verein zwar seine Verbindlichkeiten (die vor der Saison noch 8,21 Millionen Euro betrugen) deutlich reduzieren, doch hinkte die Mannschaft ihren eigenen sportlichen Ansprüchen hinterher. Anfang Februar 2006 trennte sich der VfB von Giovanni Trapattoni, dessen Taktik und Spielweise bei Fans und Spielern immer mehr in die Kritik geraten war. [[Datei:Armin Veh Meisterfeier.jpg|miniatur|Meistertrainer 2007: Armin Veh]] [[Datei:Ulrich Ruf and Erwin Staudt.jpg|miniatur|Finanzvorstand Ulrich Ruf, Präsident Erwin Staudt und Maskottchen Fritzle mit der Meisterschale]] Die Schwaben verpflichteten daraufhin [[Armin Veh]] als neuen Cheftrainer, der zu Beginn vom Aufsichtsratsvorsitzenden [[Dieter Hundt]] als Übergangslösung bis zur Sommerpause bezeichnet wurde. Der Wunschkandidat des zur Winterpause als Manager verpflichteten Ex-Spielers [[Horst Heldt]] konnte sich dennoch als Trainer für die kommende Saison durchsetzen. Nach der sportlich enttäuschenden Saison 2005/06 gab es vor der Saison 2006/07 wieder einige tiefgreifende personelle Änderungen. Nach zehn Jahren beim VfB beendete Kapitän [[Zvonimir Soldo]] seine Karriere und nach 14 Jahren verließ Andreas Hinkel den Verein. Wie schon in früheren Jahren macht der VfB teils aus der Not eine Tugend und setzte zur [[Fußball-Bundesliga 2006/07|Saison 2006/07]] wieder auf junge Spieler. Der Verein hat mit [[Mario Gómez]], [[Serdar Taşçı]] und [[Sami Khedira]] einige Talente aus der eigenen Jugend in der Mannschaft. Da der VfB inzwischen zu den reicheren Vereinen der Liga gehört, konnte der Klub sich mit neuen Spielern wie z.&nbsp;B. [[Pavel Pardo]], [[Ricardo Osorio]] oder [[Antonio da Silva]] verstärken. Nach einem eher schwachen Saisonstart 2006/07 wurde Armin Veh vom Aufsichtsratsvorsitzenden Hundt erneut kritisiert, worauf in den Medien Veh zunächst als Favorit auf die nächste Trainerentlassung gehandelt wurde. Jedoch gelang es dem VfB, mit einer sehr jungen Mannschaft wieder an die Erfolge der Jahre 2002 bis 2004 anzuschließen. Am 12. November 2006 übernahm der VfB mit einem 2:1 Sieg bei [[Hannover 96]] erstmals seit fast zwei Jahren wieder die Tabellenspitze. Über den kompletten weiteren Verlauf der Saison hielt sich der Verein unter den ersten vier Vereinen der Bundesliga. Von den Medien bekam die Mannschaft aufgrund ihrer offensiven und erfolgreichen Spielweise den Beinamen „die jungen Wilden II“. Am vorletzten Spieltag der Saison übernahm der VfB zum zweiten Mal die Tabellenspitze und ging als Tabellenführer mit zwei Punkten Vorsprung vor [[FC Schalke 04]] in den letzten Spieltag. Der VfB gewann das letzte Heimspiel gegen Energie Cottbus mit 2:1 und wurde damit [[Deutsche Fußballmeisterschaft|Deutscher Meister]] 2007. Nach Siegen gegen [[Alemannia Aachen|Alemannia Aachen II]], den [[SV Babelsberg 03]], den [[VfL Bochum]], [[Hertha BSC]] und den [[VfL Wolfsburg]] stand das Team um Armin Veh nach genau zehn Jahren wieder im Endspiel um den [[DFB-Pokal 2006/07|DFB-Pokal]] im [[Olympiastadion Berlin|Berliner Olympiastadion]]. Dort verlor man am 26. Mai 2007 gegen den [[1. FC Nürnberg]] mit 3:2 nach Verlängerung. <div style="padding:3px 6px; margin:3px 0; background-color:#eee;"> '''[[VfB Stuttgart/Namen und Zahlen#Endspiel 2007|Spieldaten des Endspiels um den DFB-Pokal 2007]]'''</div> In der [[UEFA Champions League 2007/08|Champions League 2007/08]] spielte der VfB gegen den [[FC Barcelona]], [[Olympique Lyon]] und die [[Glasgow Rangers]]. Von den sechs Spielen in der Champions-League-Vorrunde gewann der VfB eines (3:2 im Heimspiel gegen die Glasgow Rangers). Aufgrund der weiteren fünf Niederlagen schied das Team als Gruppenletzter aus dem Europapokal aus. Parallel dazu durchschritt der VfB in der [[Fußball-Bundesliga 2007/08|Bundesliga-Saison 2007/08]] eine Talsohle. Als amtierender Deutscher Meister rutschte man nach einigen Niederlagen zu Saisonbeginn tief in die untere Tabellenhälfte und rangierte nach zehn Spieltagen mit lediglich 10 Punkten auf Platz 14 der Tabelle. Ab dem elften Spieltag arbeitete der VfB sich in der Tabelle weiter nach oben. Die Saison schloss der VfB als Sechster ab und konnte sich über den [[UEFA Intertoto Cup|UI-Pokal]] für den [[UEFA-Pokal 2008/09]] qualifizieren. Im [[DFB-Pokal 2007/08|DFB-Pokal]] schied der VfB im Viertelfinale zu Hause gegen den Vorletzten der 2. Bundesliga [[FC Carl Zeiss Jena|Carl Zeiss Jena]] durch ein 6:7 nach Elfmeterschießen aus. Nachdem der VfB in der [[Fußball-Bundesliga 2008/09|Saison 2008/09]] nach dem vierzehnten Spieltag mit achtzehn Punkten auf dem elften Tabellenplatz stand, wurde der Trainer [[Armin Veh]] entlassen und durch [[Markus Babbel]] ersetzt. Unter Babbels Leitung belegte die Mannschaft in der Abschlusstabelle den 3. Platz, der zur Teilnahme an der Qualifikation für die [[UEFA Champions League 2009/10|Champions League 2009/10]] berechtigte. Im [[DFB-Pokal 2008/09|DFB-Pokal]] schied man im Achtelfinale durch eine deutliche 1:5-Heimniederlage gegen Bayern München aus. Im UEFA-Cup kam nach überstandener Gruppenphase das Aus gegen den Titelverteidiger [[Zenit St. Petersburg]]. Der Abgang von Mario Gomez im Juni 2009 bedeutete den Verlust des besten Stuttgarter Torjägers der letzten Jahre. Um ihn zu ersetzen, wurde der russische Nationalstürmer [[Pawel Pogrebnjak]] verpflichtet. Zudem gelang es dem VfB, Aliaksandr Hleb nach vier Jahren, die er bei [[FC Arsenal|Arsenal London]] und dem [[FC Barcelona]] verbracht hatte, auf Leihbasis nach Stuttgart zurückzuholen. In der Europapokal-Saison 2009/10 setzte sich der VfB zunächst im August 2009 in der [[UEFA Champions League 2009/10|Playoff-Runde der Champions League-Qualifikation]] gegen den rumänischen Vertreter [[FC Timişoara]] durch und zog dadurch zum dritten Mal innerhalb von sechs Jahren in die Gruppenphase der Königsklasse ein. [[UEFA Champions League 2009/10|Dort]] bekam man den [[FC Sevilla]], die [[Glasgow Rangers]] und [[Unirea Urziceni]] als Gruppengegner zugelost. Der VfB Stuttgart wurde Gruppenzweiter und erreichte das Achtelfinale, in dem er Titelverteidiger [[FC Barcelona]] mit 1:1 und 0:4 unterlag. Der [[DFB-Pokal 2009/10|Pokalwettbewerb 2009/10]] war für den VfB bereits im Achtelfinale beendet, als man nach schwacher Leistung gegen die [[SpVgg Greuther Fürth]] ausschied. Die [[Fußball-Bundesliga 2009/10|Bundesliga-Saison 2009/10]] verlief ähnlich wie die vorangegangene Saison 2008/09: Die Hinrunde war weitestgehend von enttäuschenden Leistungen geprägt. Nach dem 15. Spieltag, als der VfB fast auf einem Abstiegsrang stand, wurde Markus Babbel entlassen; sein Nachfolger wurde der erfahrenere Schweizer [[Christian Gross]]. Unter ihm konnte noch vor der Winterpause die Situation in Liga und Europapokal verbessert werden. Nach der Winterpause, in der [[Thomas Hitzlsperger]], [[Ludovic Magnin]] und [[Jan Simak]] den Verein verließen und [[Cristian Molinaro]] von [[Juventus Turin]] ausgeliehen wurde, gelang dem VfB eine hervorragende Rückrunde, in der die Mannschaft als bestes Rückrundenteam vom unteren Tabellendrittel ins Obere vorstoßen konnte und sich trotz der verkorksten ersten Saisonhälfte noch für die Teilnahme an der [[UEFA Europa League 2010/11]] qualifizierte. == Fußballabteilung: Namen und Zahlen == {{Hauptartikel|VfB Stuttgart/Namen und Zahlen|Saisonbilanzen des VfB Stuttgart}} === Meisterschaftserfolge === * [[Deutsche Fußballmeisterschaft|Deutscher Meister]] [[Deutscher Meister (Fußball) 1949/50|1950]] (gegen [[Kickers Offenbach]]), [[Deutscher Meister (Fußball) 1951/52|1952]] (gegen den [[1. FC Saarbrücken]]), [[Fußball-Bundesliga 1983/84|1984]], [[Fußball-Bundesliga 1991/92|1992]], [[Fußball-Bundesliga 2006/07|2007]] * Deutscher Vizemeister [[Deutscher Meister (Fußball) 1934/35|1935]] (gegen [[FC Schalke 04]]), [[Deutscher Meister (Fußball) 1952/53|1953]] (gegen den [[1. FC Kaiserslautern]]), [[Fußball-Bundesliga 1978/79|1979]], [[Fußball-Bundesliga 2002/03|2003]] * Süddeutscher Meister 1946, 1952, 1954 * Württembergisch-badischer Meister 1927 * Württembergischer Meister 1930, 1935, 1937, 1938, 1941 === Pokalerfolge === * [[DFB-Pokal]]sieger: [[DFB-Pokal 1954|1954]] (gegen [[1. FC Köln]]), [[DFB-Pokal 1958|1958]] (gegen [[Fortuna Düsseldorf]]), [[DFB-Pokal 1997|1997]] (gegen [[Energie Cottbus]]) * DFB-Pokalfinalist [[DFB-Pokal 1986|1986]] (gegen FC Bayern München), [[DFB-Pokal 2007|2007]] (gegen 1. FC Nürnberg) * Deutscher [[DFB-Supercup|Supercupsieger]] 1992 * [[Süddeutscher Pokal]]sieger 1933 === Ligapokalerfolge === * [[Premiere-Ligapokal]]finalist 1997, 1998 (jeweils gegen FC Bayern München), 2005 (gegen FC Schalke 04) === Internationale Erfolge === * [[UEFA-Pokal]]-Finalist 1989 (gegen [[SSC Neapel]]) * UEFA-Pokal-Halbfinalist 1974 (gegen [[Feyenoord Rotterdam]]) und 1980 (gegen [[Borussia Mönchengladbach]]) * Finalist im [[Europapokal der Pokalsieger (Fußball)|Europapokal der Pokalsieger]] 1998 (gegen [[Chelsea London]]) * [[UI-Cup]]-Sieger 2000, 2002 === Kader der Ersten Mannschaft in der Rückrunde der Saison 2009/10 === {| width="550" |- bgcolor="#DDDDDD" ! Name ! Trikot ! Nationalität |- bgcolor="#EEEEEE" | colspan="3" align="left" | '''Torwart''' |- bgcolor="#FFFFFF" | [[Jens Lehmann]] ||align="center"| 1 ||align="center"| [[Datei:Flag of Germany.svg|20px|Deutscher]] |- bgcolor="#FFFFFF" | [[Alexander Stolz]] ||align="center"| 12 ||align="center"| [[Datei:Flag of Germany.svg|20px|Deutscher]] |- bgcolor="#FFFFFF" | [[Sven Ulreich]] ||align="center"| 24 ||align="center"| [[Datei:Flag of Germany.svg|20px|Deutscher]] |- bgcolor="#EEEEEE" | colspan="3" align="left" | '''Abwehr''' |- bgcolor="#FFFFFF" | [[Ricardo Osorio]] ||align="center"| 3 ||align="center"| [[Datei:Flag of Mexico.svg|20px|Mexikaner]] |- bgcolor="#FFFFFF" | [[Khalid Boulahrouz]] ||align="center"| 4 ||align="center"| [[Datei:Flag of the Netherlands.svg|20px|Niederländer]] |- bgcolor="#FFFFFF" | [[Serdar Taşçı]] ||align="center"| 5 ||align="center"| [[Datei:Flag of Germany.svg|20px|Deutscher]] |- bgcolor="#FFFFFF" | [[Georg Niedermeier]] ||align="center"| 6 ||align="center"| [[Datei:Flag of Germany.svg|20px|Deutscher]] |- bgcolor="#FFFFFF" | [[Arthur Boka]] ||align="center"| 15 ||align="center"| [[Datei:Flag of Cote d'Ivoire.svg|20px|Ivorer]] |- bgcolor="#FFFFFF" | [[Matthieu Delpierre]] [[Datei:Captain sports.svg|12px|Kapitän der Mannschaft]] ||align="center"| 17 ||align="center"| [[Datei:Flag of France.svg|20px|Franzose]] |- bgcolor="#FFFFFF" | [[Cristian Molinaro]] ||align="center"| 21 ||align="center"| [[Datei:Flag of Italy.svg|20px|Italiener]] |- bgcolor="#FFFFFF" | [[Stefano Celozzi]] ||align="center"| 27 ||align="center"| [[Datei:Flag of Germany.svg|20px|Deutscher]] |- bgcolor="#FFFFFF" | [[Christian Träsch]] ||align="center"| 35 ||align="center"| [[Datei:Flag of Germany.svg|20px|Deutscher]] |- bgcolor="#EEEEEE" | colspan="3" align="left" | '''Mittelfeld''' |- bgcolor="#FFFFFF" | [[Martin Lanig]] ||align="center"| 7 ||align="center"| [[Datei:Flag of Germany.svg|20px|Deutscher]] |- bgcolor="#FFFFFF" | [[Timo Gebhart]] ||align="center"| 13 ||align="center"| [[Datei:Flag of Germany.svg|20px|Deutscher]] |- bgcolor="#FFFFFF" | [[Sebastian Rudy]] ||align="center"| 16 ||align="center"| [[Datei:Flag of Germany.svg|20px|Deutscher]] |- bgcolor="#FFFFFF" | [[Roberto Hilbert]] ||align="center"| 19 ||align="center"| [[Datei:Flag of Germany.svg|20px|Deutscher]] |- bgcolor="#FFFFFF" | [[Matthias Schwarz]] ||align="center"| 22 ||align="center"| [[Datei:Flag of Germany.svg|20px|Deutscher]] |- bgcolor="#FFFFFF" | [[Aljaksandr Hleb]] ||align="center"| 23 ||align="center"| [[Datei:Flag of Belarus.svg|20px|Weißrusse]] |- bgcolor="#FFFFFF" | [[Sami Khedira]] ||align="center"| 28 ||align="center"| [[Datei:Flag of Germany.svg|20px|Deutscher]] |- bgcolor="#FFFFFF" | [[Zdravko Kuzmanović]] ||align="center"| 32 ||align="center"| [[Datei:Flag of Serbia.svg|20px|Serbe]] [[Datei:Flag of Switzerland.svg|20px|Schweizer]] |- bgcolor="#FFFFFF" | [[Clemens Walch]] ||align="center"| 38 ||align="center"| [[Datei:Flag of Austria.svg|20px|Österreicher]] |- bgcolor="#EEEEEE" | colspan="3" align="left" | '''Angriff''' |- bgcolor="#FFFFFF" | [[Ciprian Marica]] ||align="center"| 9 ||align="center"| [[Datei:Flag of Romania.svg|20px|Rumäne]] |- bgcolor="#FFFFFF" | [[Cacau]] ||align="center"| 18 ||align="center"| [[Datei:Flag of Germany.svg|20px|Deutscher]] [[Datei:Flag of Brazil.svg|20px|Brasilianer]] |- bgcolor="#FFFFFF" | [[Pawel Wiktorowitsch Pogrebnjak|Pawel Pogrebnjak]] ||align="center"| 29 ||align="center"| [[Datei:Flag of Russia.svg|20px|Russe]] |- bgcolor="#FFFFFF" | [[Alessandro Riedle]] ||align="center"| 31 ||align="center"| [[Datei:Flag of Germany.svg|20px|Deutscher]] |- bgcolor="#FFFFFF" | [[Julian Schieber]] ||align="center"| 39 ||align="center"| [[Datei:Flag of Germany.svg|20px|Deutscher]] |} ''Für eine komplette Auflistung aller Spieler der ersten Mannschaft des VfB Stuttgart seit Vereinsgründung siehe [[Liste der Spieler des VfB Stuttgart]].'' <gallery> Datei:Jens Lehmann.JPG|Stammtorhüter<br /> Jens Lehmann Datei:Matthieu Delpierre Meisterfeier.jpg|Kapitän<br />Matthieu Delpierre Datei:Hleb At Underhill Stadium.jpg|[[Fußballer des Jahres (Weißrussland)|Weißrusslands Fußballer des Jahres]] 2008:<br />Aljaksandr Hleb Datei:Cacau Training.jpg|Nationalstürmer<br />Cacau Datei:Pogrebniak.jpg|Stürmerstar<br />Pawel Pogrebnjak </gallery> === Aktuelle Fußball-Transfers === ==== Sommer 2010 ==== {| class="prettytable" | valign="top" width="50%" | '''Zugänge''' * [[Christian Gentner]] (vom [[VfL Wolfsburg]], Vertrag bis 2013) | valign="top" width="50%" | '''Abgänge''' * [[Jens Lehmann]] (Karriereende) |} ==== Januar 2010 ==== {| class="prettytable" | valign="top" width="50%" | '''Zugänge''' * [[Cristian Molinaro]] (von [[Juventus Turin]], Leihe mit Kaufoption) | valign="top" width="50%" | '''Abgänge''' * [[Ludovic Magnin]] (zum [[FC Zürich]]) * [[Jan Šimák]] (zum [[1. FSV Mainz 05]]) * [[Yıldıray Baştürk]] (zu [[Blackburn Rovers]]) * [[Thomas Hitzlsperger]] (zu [[Lazio Rom]]) * [[Élson Falcão da Silva|Élson]] (zu [[Hannover 96]], Leihe) |} === Kader der Zweiten Mannschaft Saison 2009/10 === {| width="550" |- bgcolor="#DDDDDD" ! Name ! Trikot ! Nationalität |- bgcolor="#EEEEEE" | colspan="3" align="left" | '''Torwart''' |- bgcolor="#FFFFFF" | [[Timo Hammel]] ||align="center"| 1 ||align="center"| [[Datei:Flag of Germany.svg|20px|Deutscher]] |- bgcolor="#FFFFFF" | [[Markus Krauss]] ||align="center"| 18 ||align="center"| [[Datei:Flag of Germany.svg|20px|Deutscher]] |- bgcolor="#FFFFFF" | Marcel Schmid ||align="center"| 31 ||align="center"| [[Datei:Flag of Germany.svg|20px|Deutscher]] |- bgcolor="#FFFFFF" | [[Bernd Leno]] ||align="center"| 32 ||align="center"| [[Datei:Flag of Germany.svg|20px|Deutscher]] |- bgcolor="#EEEEEE" | colspan="3" align="left" | '''Abwehr''' |- bgcolor="#FFFFFF" | [[Tobias Feisthammel]] ||align="center"| 2 ||align="center"| [[Datei:Flag of Germany.svg|20px|Deutscher]] |- bgcolor="#FFFFFF" | [[Sebastian Hertner]] ||align="center"| 3 ||align="center"| [[Datei:Flag of Germany.svg|20px|Deutscher]] |- bgcolor="#FFFFFF" | [[Daniel Vier]] ||align="center"| 5 ||align="center"| [[Datei:Flag of Brazil.svg|20px|Brasilianer]] [[Datei:Flag of Germany.svg|20px|Deutscher]] |- bgcolor="#FFFFFF" | [[Ermin Bičakčić]] ||align="center"| 21 ||align="center"| [[Datei:Flag of Germany.svg|20px|Deutscher]] |- bgcolor="#FFFFFF" | [[Sebastian Enderle]] ||align="center"| 23 ||align="center"| [[Datei:Flag of Germany.svg|20px|Deutscher]] |- bgcolor="#FFFFFF" | [[Thomas Geyer]] ||align="center"| 34 ||align="center"| [[Datei:Flag of Germany.svg|20px|Deutscher]] |- bgcolor="#FFFFFF" | [[Marco Pischorn]] ||align="center"| 42 ||align="center"| [[Datei:Flag of Germany.svg|20px|Deutscher]] |- bgcolor="#EEEEEE" | colspan="3" align="left" | '''Mittelfeld''' |- bgcolor="#FFFFFF" | [[Tobias Rathgeb]] ||align="center"| 4 ||align="center"| [[Datei:Flag of Germany.svg|20px|Deutscher]] |- bgcolor="#FFFFFF" | [[Matthias Schwarz]] ||align="center"| 7 ||align="center"| [[Datei:Flag of Germany.svg|20px|Deutscher]] |- bgcolor="#FFFFFF" | [[Fabian Broghammer]] ||align="center"| 8 ||align="center"| [[Datei:Flag of Germany.svg|20px|Deutscher]] |- bgcolor="#FFFFFF" | [[Markus Pazurek]] ||align="center"| 10 ||align="center"| [[Datei:Flag of Germany.svg|20px|Deutscher]] |- bgcolor="#FFFFFF" | [[Patrick Funk]] [[Datei:Captain sports.svg|12px|Kapitän der Mannschaft]] ||align="center"| 14 ||align="center"| [[Datei:Flag of Germany.svg|20px|Deutscher]] |- bgcolor="#FFFFFF" | [[Daniel Didavi]] ||align="center"| 15 ||align="center"| [[Datei:Flag of Germany.svg|20px|Deutscher]] |- bgcolor="#FFFFFF" | [[Andreas Hindelang]] ||align="center"| 20 ||align="center"| [[Datei:Flag of Germany.svg|20px|Deutscher]] |- bgcolor="#FFFFFF" | [[Felice Vecchione]] ||align="center"| 25 ||align="center"| [[Datei:Flag of Italy.svg|20px|Italiener]] |- bgcolor="#FFFFFF" | [[Sven Schimmel]] ||align="center"| 26 ||align="center"| [[Datei:Flag of Germany.svg|20px|Deutscher]] |- bgcolor="#FFFFFF" | [[Clemens Walch]] ||align="center"| 27 ||align="center"| [[Datei:Flag of Austria.svg|20px|Österreicher]] |- bgcolor="#FFFFFF" | Moritz Kuhn ||align="center"| 36 ||align="center"| [[Datei:Flag of Germany.svg|20px|Deutscher]] |- bgcolor="#FFFFFF" | [[Panagiotis Vlachodimos]] ||align="center"| ||align="center"| [[Datei:Flag of Greece.svg|20px|Grieche]] |- bgcolor="#EEEEEE" | colspan="3" align="left" | '''Angriff''' |- bgcolor="#FFFFFF" | [[Sebastian Hofmann]] ||align="center"| 9 ||align="center"| [[Datei:Flag of Germany.svg|20px|Deutscher]] |- bgcolor="#FFFFFF" | [[Alessandro Riedle]] ||align="center"| 13 ||align="center"| [[Datei:Flag of Germany.svg|20px|Deutscher]] |- bgcolor="#FFFFFF" | [[Michael Klauß (Fußballspieler, 1987)|Michael Klauß]] ||align="center"| 11 ||align="center"| [[Datei:Flag of Germany.svg|20px|Deutscher]] |- bgcolor="#FFFFFF" | [[Tobias Rühle]] ||align="center"| 19 ||align="center"| [[Datei:Flag of Germany.svg|20px|Deutscher]] |- bgcolor="#FFFFFF" | [[Sven Schipplock]] ||align="center"| 22 ||align="center"| [[Datei:Flag of Germany.svg|20px|Deutscher]] |- bgcolor="#FFFFFF" | [[Ali Pala]] ||align="center"| 28 ||align="center"| [[Datei:Flag of Germany.svg|20px|Deutscher]] |- bgcolor="#FFFFFF" | [[Manuel Fischer]] ||align="center"| 30 ||align="center"| [[Datei:Flag of Germany.svg|20px|Deutscher]] |- bgcolor="#FFFFFF" | [[Öztürk Karataş]] ||align="center"| 40 ||align="center"| [[Datei:Flag of Turkey.svg|20px|Türke]] |- bgcolor="#FFFFFF" | [[Alexander Riemann]] ||align="center"| ||align="center"| [[Datei:Flag of Germany.svg|20px|Deutscher]] |} == Zweite Mannschaft == [[Datei:Hleb At Underhill Stadium.jpg|miniatur|Aljaksandr Hleb schaffte seinen Durchbruch bei den Amateuren.]] [[Datei:Andreas Hinkel 2005.jpg|miniatur|Andreas Hinkel, einer der ''jungen Wilden'', spielte seit der D-Jugend beim VfB. Mittlerweile ist er für Celtic Glasgow aktiv.]] === Geschichte === Die zweite Mannschaft des VfB Stuttgart, die seit der Saison 2008/09 ebenfalls eine Profimannschaft ist, wurde bereits 1951 als Amateurmannschaft gegründet. Schon damals wollte der Verein einen Unterbau für die Lizenzspielermannschaft zum behutsamen Aufbau junger Spieler schaffen. Dieser Unterbau zählt mit für eine Amateurabteilung überdurchschnittlich vielen Titeln zu den erfolgreichsten Amateurabteilungen im deutschen Fußball. Die Anfänge der zweiten Mannschaft des VfB waren alles andere als einfach; der [[Württembergischer Fußball-Verband|Württembergische Fußball-Verband]] misstraute dem VfB, da damals viele Vereine versuchten, mit Hilfe von Amateurmannschaften Spielern Geld unter der Hand zukommen zu lassen. Und so durfte die Amateurmannschaft zunächst nur in der A-Klasse Stuttgart antreten, ohne die Chance aufzusteigen. Nachdem die Amateure in den Spielzeiten 1951/52, 1952/53 (damals mit 55:1 Punkten) und 1953/54 außer Konkurrenz überlegen Meister wurde, hatte der Verband ein Einsehen und ließ die Mannschaft in die zweite Amateurliga aufsteigen.<ref>Gunter Barner: ''Die Amateure – erfolgreich, sympathisch und wertvoll'' aus ''100 Jahre VfB'' S. 208</ref> Nach fünf Jahren in der zweithöchsten Fußballamateur-Spielklasse Deutschlands stiegen die VfB-Amateure schließlich in die [[Fußball-Verbandsliga Württemberg|erste Amateurliga]] auf. Unter Trainer [[Franz Seybold]] erreichte die Mannschaft 1960 überraschend den Titel "Württembergischer Amateurmeister", obwohl der Kader mehrheitlich aus Spielern bestand, die frisch aus der Juniorenelf (einer damals bestehenden Brücke zwischen A-Jugend und Amateurmannschaft) oder der dritten Mannschaft kamen. Sowohl die Juniorenmannschaft als auch das dritte Team wurden kurze Zeit später abgeschafft. Viele Spieler wechselten aufgrund des Erfolges in die Lizenzspielermannschaft, so dass Seybold einen Neuaufbau starten musste. Dennoch wurden die VfB-Amateure in der Saison 1962/63 im Endspiel gegen den [[VfL Wolfsburg]] [[Deutsche Amateurmeisterschaft (Fußball)|Deutscher Amateurmeister]]. Nach diesem Triumph wurden die VfB-Amateure in Stuttgart euphorisch empfangen. In der folgenden Saison kam mit [[Willi Entenmann]] ein Spieler zu den Amateuren, der in der Zukunft noch viele wichtige Funktionen beim VfB und bei seinen Amateuren ausübte. Eben jener Entenmann war es, der die Amateure 1980, 17 Jahre nach dem ersten Titel, als Trainer erneut zum Deutschen Amateurmeister machte. Zuvor erreichte das Team 1974 mit dem Erreichen des Viertelfinales des DFB-Pokals einen weiteren Achtungserfolg. Aufgrund der zunehmenden Beachtung der Bundesliga rückte das Amateurteam in den Folgejahren in der öffentlichen Wahrnehmung zusehends in den Hintergrund. Dennoch spielte die Mannschaft fast durchgehend in der obersten Amateurliga. Allerdings stiegen die Amateure 1988 von der Oberliga in die Verbandsliga ab. Doch [[Jochen Rücker]] führte die Mannschaft in die Oberliga zurück. Dort schaffte man zunächst nicht die Qualifikation für die neue [[Fußball-Regionalliga|Regionalliga]], die 1994/1995 startete. In der Saison 1997/1998 gelang dann schließlich der Aufstieg in die Regionalliga. In der Saison 1999/2000 schafften es die VfB-Amateure mit Platz 6, sich bei der Reduzierung der Regionalliga-Staffeln von vier auf zwei, für die neue Süd-Staffel zu qualifizieren. In der Saison 2000/01 schlugen die Amateure die erste Mannschaft des damaligen Bundesligisten [[Eintracht Frankfurt]] in der ersten Runde des DFB-Pokals im [[Robert-Schlienz-Stadion]] mit 6:1. Bis heute ist dies der höchste Sieg einer Amateurmannschaft gegen einen Bundesligisten im DFB-Pokal. Darauf wurde dem Amateurteam in der 2. Runde des DFB-Pokals die eigene Lizenzspielermannschaft zugelost, gegen die man mit 0:3 unterlag. Mittlerweile dürfen zweite Mannschaften von Proficlubs nicht mehr am DFB-Pokal teilnehmen. In der damaligen VfB-Amateurelf schlug die Geburtsstunde der ''jungen Wilden'', einem Begriff, der zunächst durch eine Schlagzeile der [[Stuttgarter Zeitung]] ''(„Die jungen Wilden schießen die Eintracht aus dem Pokal“)'' nach dem Triumph im DFB-Pokal geprägt, und später als Slogan auf den Mannschaftsbus der Amateure übernommen wurde. Das Team um Spieler wie [[Aljaksandr Hleb]], [[Andreas Hinkel]], [[Ioannis Amanatidis]] und [[Kevin Kurányi]], die später mit der ersten Mannschaft des VfB in der Champions League spielten, erreichte in dieser Saison in der neuen Regionalliga Süd mit dem zweiten Platz eine Position, die erste Mannschaften zum Aufstieg in die [[2. Fußball-Bundesliga|2. Bundesliga]] berechtigt hätte. Der Weggang der ''jungen Wilden'' in die Profimannschaft führte in der Folgesaison zu Platz 16 und somit zum Abstieg in die [[Fußball-Oberliga Baden-Württemberg|Oberliga Baden-Württemberg]]. Mit einem neuen jungen Team erreichten die VfB-Amateure den sofortigen Wiederaufstieg in der Saison 2002/03. In den Folgejahren schafften mit [[Mario Gómez]], [[Serdar Taşçı]], [[Sami Khedira]] und [[Andreas Beck (Fußballspieler)|Andreas Beck]] wieder Spieler den Sprung in die erste Mannschaft. Diesmal verkraftete die zweite Mannschaft dies besser und spielte bis zum Ende der [[Fußball-Regionalliga 2007/08|Saison 2007/08]] in der obersten Amateurspielklasse, der [[Fußball-Regionalliga|Regionalliga]]. Seit der Saison 2008/09 spielt die zweite Mannschaft im [[GAZİ-Stadion auf der Waldau]], da für die neue eingleisige [[3. Fußball-Liga|3. Profi-Liga]] eine größere Stadionkapazität erforderlich ist, als es das vormals genutzte Robert-Schlienz-Stadion bot. === Erfolge === * [[Fußball-Verbandsliga Württemberg#Die Meister der 1. Amateurliga|Württembergischer Amateurmeister]] 1960, 1964, 1965, 1971 * [[WFV-Pokal|Württembergischer Pokalsieger]] 1970, 1980, 1981, 2000 * [[Deutsche Amateurmeisterschaft (Fußball)|Deutscher Amateurmeister]] [[Deutsche Fußball-Amateurmeisterschaft 1963|1963]], [[Deutsche Fußball-Amateurmeisterschaft 1980|1980]] == Jugendarbeit der Fußballabteilung == Die A- und die B-Jugend des Vereins spielen in der [[U-19-Bundesliga|U-19]]- bzw. der [[U-17-Bundesliga]] und somit in der jeweils höchsten deutschen Spielklasse. Beide Teams sind in ihrer [[Altersklasse (Fußball)|Altersklasse]] jeweils deutscher Rekordmeister. Spieler wie [[Horst Köppel]], [[Thomas Schneider (Fußballspieler)|Thomas Schneider]], [[Andreas Hinkel]], [[Thomas Brdarić]], [[Michael Fink (Fußballspieler)|Michael Fink]], [[Albert Streit]], [[Mario Gómez]], [[Hansi Müller]], [[Karlheinz Förster]], [[Gerhard Poschner]] und viele andere haben den Wechsel vom Amateur- oder Jugendfußball in den Profibereich beim VfB geschafft. === Geschichte === [[Datei:Gustav Schumm 1906.jpg|miniatur|Gustav Schumm – der Pionier der Jugendarbeit.]] [[Datei:Timo Hildebrand.JPG|miniatur|Timo Hildebrand – vom jungen Wilden aus der Jugend zum Vizekapitän]] Die Jugendarbeit beim VfB begann bereits im Jahre 1918 mit dem damaligen VfB-Präsidenten [[Gustav Schumm]]. Er entwarf ein Konzept, das von den Grundsätzen her noch heute Bestand hat; er legte die Einteilung in A-, B-, und C-Jugend fest und sah erzieherische Maßnahmen vor.<ref>''[http://www.hefleswetzkick.de/VFB/60_Download/01_Stadion_Aktuell/2000_2009/02_03/stadion_aktuell_2002_2003_11.pdf Stadion Aktuell 2002/03 Nr. 11 vom 23. Februar 2003]'' S. 8</ref> Diese neue Einteilung und die systematische Betreuung beim VfB wurden schon schnell belohnt, als die Zeitung ''Stuttgarter Tagblatt'' einen Pokal für eine A-Jugend Runde stiftete, welche man als Vorreiter der Jugendstaffel bezeichnen könnte und die der VfB schließlich gewann. Nach der Einführung der [[Deutsche Jugendmeisterschaft (Fußball)|Deutschen Meisterschaft der A-Jugend]] 1969 gewann die Mannschaft des VfB bereits 1973 die erste Meisterschaft. 1980 unterstrich der VfB seine Vorreiterrolle mit dem Bau des nach dem ehemaligen Präsidenten [[Fritz Walter (Fußballfunktionär)|Fritz Walter]] benannten VfB-Jugendhauses in Cannstatt. Dieses Fußball-Internat, welches die Voraussetzungen für Talente mitbringt, um Schule und Fußball unter einen Hut zu bringen, kann man als bundesweites Pilotprojekt bezeichnen, welches viele Nachahmer fand<ref>Gunter Barner: ''Die großen, kleinen Roten'' aus ''100 Jahre VfB'' S. 213</ref>. 1984 wurde man nach dem Gewinn der vierten A-Jugendmeisterschaft zum alleinigen Rekordmeister in dieser Altersklasse. In der B-Jugend konnte man 1986 die 1977 eingeführte Deutsche Meisterschaft erstmals gewinnen. Einen medienwirksamen Sieg hat die B-Jugend des VfB in einem Spiel gegen die [[deutsche Fußballnationalmannschaft der Frauen]] errungen, die mit 3:0 bezwungen wurde.<ref>[http://www.taz.de/index.php?id=sport&art=4344&id=sport-artikel&cHash=225de279f6 Die Fintenweiber] in der [[Die tageszeitung|taz]] vom 8. September 2007</ref> Durch den Bau des [[Carl Benz Center]] hat der Verein eine nahe dem Vereinsgelände gelegene Unterbringung der VfB-Jugendakademie ermöglicht. === Strategie === Kernelemente der Stuttgarter Nachwuchsförderung sind klare Strukturen, Kontinuität bei den Jugendtrainern, die Möglichkeit unabhängige Entscheidungen zu treffen und Verhaltensregeln – das so genannte ''ABC der VfB-Jugend''. Noch heute wird im Grunde ein Konzept verwendet, welches um 1990 von Helmut Groß und [[Ralf Rangnick]] entworfen wurde und von der E-Jugend bis zur Profimannschaft führt. Alle vier Wochen gibt es spezielle Schulungen für den Trainerstab und dreimal im Jahr werden die Jugendspieler bei einer Bewertung an den hohen Anforderungen gemessen, um Spieler individuell nach Stärken und Schwächen fördern zu können. Ziel ist, bei den Spielern einen starken Charakter zu fördern. Von der E- bis zur B-Jugend tritt der VfB mit zwei Mannschaften in den jeweiligen Verbandsrunden an. In der A-Jugend tritt der Verein nur mit einer Mannschaft an, um den Leistungsgedanken in den Vordergrund zu stellen. Dieser wird in der F-Jugend hingegen nicht so hoch angesiedelt, weshalb der VfB dort keine Mannschaft stellt und in diesem Bereich mit dem [[MTV Stuttgart]] kooperiert, der eine Kinderfußball-Akademie führt, in der VfB-Trainer mehrere Schulungen durchführen. Der VfB kooperiert zudem mit kommerziellen Fußballschulen, anderen regionalen Fußballvereinen und dem offiziellen Kooperationspartner [[FC St. Gallen]]. Verbindungen mit dem Olympiastützpunkt Stuttgart und den Eliteschulen in der Umgebung, bei denen Schüler dreimal pro Woche zum Training freigestellt werden, macht der Verein sich zunutze. Für die besten Talente bietet der VfB sogar Ausbildungen zum Sport- und Fitnesskaufmann an. Es sind zwei Scouts fest angestellt, die neben den vielen Kontaktpersonen Talente möglichst früh melden. Die jährlichen VfB-Jugend- und -Talenttage dienen ebenfalls der Talentsichtung. Der Verein konzentriert sich zwar immer auf regionale Talente, aber nimmt vor allem ab der B-Jugend auch gerne Talente aus dem Ausland auf, die wie zum Beispiel [[Kevin Kurányi]] (der zwar deutscher Staatsbürger ist, aber mit 15 noch nicht Deutsch sprechen konnte) erfolgreich eingebunden werden können. 20 Prozent der Jugendspieler des VfB sind im Besitz einer ausländischen Staatsbürgerschaft. === Größte Erfolge === * [[Deutsche Jugendmeisterschaft (Fußball)|Deutscher A-Jugendmeister]] 1973, 1975, 1981, 1984, 1988, 1989, 1990, 1991, 2003, [[U19-Bundesliga 2004/05|2005]] * [[DFB-Junioren-Vereinspokal|Deutscher A-Jugendpokalsieger]] 1997, 2001 * [[Deutsche Jugendmeisterschaft (Fußball)|Deutscher A-Jugend Vize-Meister]] 1972, 1977, 1982, 1999, 2002 * [[Deutsche Jugendmeisterschaft (Fußball)|Deutscher B-Jugendmeister]] 1986, 1994, 1995, 1999, 2004, [[U-17-Bundesliga 2008/09|2009]] * [[Deutsche Jugendmeisterschaft (Fußball)|Deutscher B-Jugend Vize-Meister]] 1988, 1990, 1998, 2002, 2003 * Süddeutscher C-Junioren-Meister 1996, 1997, 1998, 2000, 2001 * DFB-Junioren-Vereinspokal: 1997, [[DFB-Junioren-Vereinspokal 2000/01|2001]] {| class="prettytable float-right" |+ Präsidenten des VfB Stuttgart ! Zeitraum ! Name |- | colspan="2" align="center" | '''FV Stuttgart 93''' |- | 1893–1894 | Carl Kaufmann |- | 1894–1908 | Alexander Gläser |- | 1908–1910 | Julius Dempf |- | 1910–1911 | Fritz Hengerer |- | 1912 | Wilhelm Hinzmann |- | colspan="2" align="center" | '''Kronen-Club Cannstatt''' |- | 1897–1901 | Hermann Schmid |- | 1901–1905 | Karl Hahn |- | 1905–1908 | Hans Bittner |- | 1909–1910 | Richard Reissner |- | 1910–1912 | Eugen Imberger |- | colspan="2" align="center" | '''VfB Stuttgart''' |- | 1912–1918 | Wilhelm Hinzmann |- | 1914–1918 | Julius Lintz (in Vertretung) |- | 1918–1919 | [[Gustav Schumm]] |- | 1919–1923 | Egon Reichsgraf von Berlodingen |- | 1923–1931 | Adolf Deubler |- | 1931–1932 | Albert Bauer |- | 1932–1944 | Hans Kiener |- | 1944–1968 | [[Fritz Walter (Fußballfunktionär)|Fritz Walter]] |- | 1969–1975 | [[Hans Weitpert]] |- | 1975–2000 | [[Gerhard Mayer-Vorfelder]] |- | 2000–2003 | [[Manfred Haas]] |- | seit 26. Juni 2003 | [[Erwin Staudt]] |} == Organisationsstruktur == Im Gegensatz zu anderen Vereinen hat der VfB seine Lizenzspielerabteilung bisher nicht aus dem Verein ''(VfB Stuttgart 1893 e. V.)'' ausgelagert. Allerdings bestehen Pläne, dies durch die Gründung einer [[Kommanditgesellschaft auf Aktien|KGaA]] in naher Zukunft zu tun. Über dieses Konzept sollen dann strategische Partner stärker in das Geschäft der Profiabteilung eingebunden werden. Derzeit verfügt der Verein über eine Beteiligungsgesellschaft (die hundertprozentige Tochter ''VfB Stuttgart Beteiligungs-GmbH''). Diese wurde vom damaligen Präsidenten [[Manfred Haas]] im Jahr 2000 angestoßen. Ziel der Beteiligungs-GmbH war es, dem Verein über ein Eigenkapitalmodell liquide Mittel zur Verfügung zu stellen. Dazu zahlte eine Reihe von [[Stiller Gesellschafter|stillen Gesellschaftern]] Kapital in die Beteiligungsgesellschaft ein, welches dann wiederum dem Verein zur Verfügung gestellt wurde (über dieses Konzept erwarb der Verein beispielsweise den Spieler [[Fernando Meira]]). Geschäftsführer der GmbH ist VfB-Vorstand [[Ulrich Ruf]]. Als Anreiz für die stillen Gesellschafter wurde ein Großteil der Anteile eines zweiten Tochterunternehmens, der ''VfB Stuttgart Marketing GmbH'' auf die Beteiligungsgesellschaft übertragen. Letztere hält derzeit 75,5 Prozent der Anteile an der Marketing GmbH, 24,5 Prozent liegen beim Stammverein. De jure gehört der VfB damit zu den wenigen Bundesligisten, die ihre Marketingrechte nicht an externe Unternehmen veräußert haben. De facto fließen große Teile der Marketing-Einnahmen nicht an den Verein; zwischen Marketinggesellschaft und Beteiligungs-GmbH besteht ein Ergebnisabführungsvertrag, so dass ein großer Teil der Einnahmen aus dem Marketing-Bereich direkt an die stillen Gesellschafter fließt. Mit der ''„VfB-Shop“ Vertriebs- und Werbe-GmbH'' verfügt der VfB noch über ein drittes Tochterunternehmen. Die Shop-GmbH ist eine hundertprozentige Tochter des Vereins. Sie wurde 1978 gegründet. Ihr Geschäftszweck besteht im Vertrieb von Fan- und Merchandising-Artikeln. Auch hier ist Ulrich Ruf Geschäftsführer. 2006 gründete der VfB mit der ''VfB Reha-Welt GmbH'' eine weitere Tochtergesellschaft, deren Geschäftszweck in der medizinischen Versorgung und dabei insbesondere in Rehabilitations- und Präventionsmaßnahmen besteht. Diese Dienste bietet das Unternehmen nicht nur den VfB Spielern, sondern auch Dritten an. Der VfB hält an der Reha-Welt 60 Prozent der Anteile, die restlichen Anteile liegen zu gleichen Teilen bei den Ärzten Thomas Frölich und Udo Buchholzer. Geschäftsführer der Reha-Welt sind Stefan Heim und Markus Schmidt. == Stadion und Infrastruktur == [[Datei:Gottlieb-daimler-stadion.jpg|miniatur|Mercedes-Benz Arena]] Die ''[[Mercedes-Benz Arena]]'' (1993–2008: ''Gottlieb-Daimler-Stadion'', 1949–1993: ''Neckarstadion'', zuvor ''Adolf-Hitler-Kampfbahn'', nach dem [[Zweiter Weltkrieg|Zweiten Weltkrieg]] für ein Jahr ''Century-Stadium'') wurde 1933 erbaut. Sie liegt an der Mercedesstraße im Stadtbezirk [[Stuttgart-Bad Cannstatt|Bad Cannstatt]] am Kreuzungspunkt zwischen der [[Bundesstraße 10|B 10]] von Stuttgart nach [[Ulm]] und der [[Bundesstraße 14|B 14]] von Stuttgart nach [[Nürnberg]]. Die Vereinsführung einigte sich mit der Stadt Stuttgart auf einen Umbau des Stadions in eine reine Fußballarena. Der VfB Stuttgart wird als stiller Teilhaber am Umbau mitwirken und 26 Mio. Euro beisteuern. Der Umbau soll 2011 abgeschlossen sein. Die Arena fasste vor Beginn der Umbauarbeiten 54.000, bei Nutzung mit Stehplätzen ca. 57.000 Zuschauer. Nach dem Umbau wird sie über 60.000 Zuschauer fassen. Ebenfalls in der Mercedesstraße befindet sich das ''VfB-Clubzentrum'' – ein Gelände mit 3.500&nbsp;m² Nutzfläche, in dem Geschäftsstelle/Verwaltung, Restaurant mit Nebenzimmer und Kegelbahn sowie der gesamte Sportbereich untergebracht sind. Auf dem Gelände des Clubzentrums liegt auch das [[Robert-Schlienz-Stadion]], der Austragungsort von Spielen der Jugend- und Amateurmannschaften des VfB. Zur [[Fußball-Weltmeisterschaft 2006]] wurde zudem im [[Carl Benz Center]] die ''VfB-Welt'' gebaut. Darin ist ein großes Dienstleistungscenter (Ticketing, Sport Shop, VfB Marketing), die VfB-Jugendakademie, das Rehazentrum der VfB Reha-Welt, mehrere Restaurants, sowie Veranstaltungsräume für Sport- und Freizeitevents beheimatet. Auch ein VfB-Museum soll dort einziehen. Zudem ist die VfB-Welt vor und nach den Heimspielen des Klubs der Treffpunkt für die Fans. Auf der Stuttgarter Einkaufsmeile, der [[Königstraße (Stuttgart)|Königstraße]], betreibt der Verein einen ''City-Shop'', in dem Tickets sowie Merchandising-Produkte gekauft werden können. == Zuschauer und Fans des VfB == {| class="prettytable float-right" |- ! Saison ! Liga ! Dauerkarten<br />beim VfB<ref>''[http://www.hefleswetzkick.de/VFB/40_Stadion/04_Statistik/Statistik.htm]''</ref> ! Schnitt<br />beim VfB<ref>''[http://www.hefleswetzkick.de/VFB/30_Statistik/03_Statistik/Zuschauer.htm]''</ref> ! Schnitt<br />der Liga<ref>''[http://www.dfb.de/index.php?id=82912]''</ref> |- | [[Fußball-Bundesliga 2008/09|Saison 08/09]] || [[Fußball-Bundesliga|Bundesliga]] || 25.000 || 51.700 || 42.528 |- | [[Fußball-Bundesliga 2007/08|Saison 07/08]] || Bundesliga || 25.000 || 50.899 || 38.975 |- | [[Fußball-Bundesliga 2006/07|Saison 06/07]] || Bundesliga || - || 45.439 || 37.644 |- | [[Fußball-Bundesliga 2005/06|Saison 05/06]] || Bundesliga || 16.874 || 37.270 || 38.191 |- | [[Fußball-Bundesliga 2004/05|Saison 04/05]] || Bundesliga || 16.960 || 38.350 || 35.183 |- | [[Fußball-Bundesliga 2003/04|Saison 03/04]] || Bundesliga || 15.600 || 30.953 || 35.048 |- | [[Fußball-Bundesliga 2002/03|Saison 02/03]] || Bundesliga || 9.256 || 31.422 || 31.911 |- | [[Fußball-Bundesliga 2001/02|Saison 01/02]] || Bundesliga || 9.314 || 25.972 || 31.047 |- | [[Fußball-Bundesliga 2000/01|Saison 00/01]] || Bundesliga || 8.611 || 21.170 || 28.421 |- | [[Fußball-Bundesliga 1999/2000|Saison 99/00]] || Bundesliga || 9.500 || 24.751 || 28.920 |- | [[Fußball-Bundesliga 1998/99|Saison 98/99]] || Bundesliga || 13.174 || 29.051 || 30.901 |- | [[Fußball-Bundesliga 1997/98|Saison 97/98]] || Bundesliga || 14.782 || 37.011 || 31.112 |- | [[Fußball-Bundesliga 1996/97|Saison 96/97]] || Bundesliga || 10.653 || 38.739 || 28.681 |- | [[Fußball-Bundesliga 1995/96|Saison 95/96]] || Bundesliga || 9.227 || 25.503 || 29.107 |- | [[Fußball-Bundesliga 1994/95|Saison 94/95]] || Bundesliga || 9.352 || 32.715 || 27.702 |- | [[Fußball-Bundesliga 1993/94|Saison 93/94]] || Bundesliga || 9.609 || 30.025 || 26.100 |- | [[Fußball-Bundesliga 1992/93|Saison 92/93]] || Bundesliga || 11.257 || 27.090 || 24.173 |- | [[Fußball-Bundesliga 1991/92|Saison 91/92]] || Bundesliga || 10.148 || 34.063 || 22.634 |- | [[Fußball-Bundesliga 1990/91|Saison 90/91]] || Bundesliga || 9.271 || 28.897 || 20.508 |- | [[Fußball-Bundesliga 1989/90|Saison 89/90]] || Bundesliga || 8.746 || 24.886 || 19.765 |- | [[Fußball-Bundesliga 1988/89|Saison 88/89]] || Bundesliga || 7.526 || 26.895 || 17.631 |- | [[Fußball-Bundesliga 1987/88|Saison 87/88]] || Bundesliga || 6.510 || 26.313 || 18.646 |- | [[Fußball-Bundesliga 1986/87|Saison 86/87]] || Bundesliga || 6.506 || 20.678 || 19.402 |- | [[Fußball-Bundesliga 1985/86|Saison 85/86]] || Bundesliga || 6.003 || 21.638 || 17.665 |- | [[Fußball-Bundesliga 1984/85|Saison 84/85]] || Bundesliga || 8.144 || 22.648 || 18.841 |- | [[Fußball-Bundesliga 1983/84|Saison 83/84]] || Bundesliga || 7.081 || 31.129 || 19.340 |- | [[Fußball-Bundesliga 1982/83|Saison 82/83]] || Bundesliga || 6.768 || 27.526 || 20.198 |- | [[Fußball-Bundesliga 1981/82|Saison 81/82]] || Bundesliga || 8.526 || 25.695 || 20.524 |- | [[Fußball-Bundesliga 1980/81|Saison 80/81]] || Bundesliga || 8.722 || 30.074 || 22.535 |- | [[Fußball-Bundesliga 1979/80|Saison 79/80]] || Bundesliga || 8.887 || 33.500 || 23.026 |- | [[Fußball-Bundesliga 1978/79|Saison 78/79]] || Bundesliga || 7.800 || 39.303 || 24.024 |- | [[Fußball-Bundesliga 1977/78|Saison 77/78]] || Bundesliga || 5.125 || 54.186 || 25.937 |- | [[Zweite Fußball-Bundesliga 1976/77|Saison 76/77]] || [[2. Fußball-Bundesliga|2. Bundesliga]] || 1.372 || 22.074 || 5.973 |- | [[Zweite Fußball-Bundesliga 1975/76|Saison 75/76]] || 2. Bundesliga || 2.202 || 11.634 || 6.076 |- | [[Fußball-Bundesliga 1974/75|Saison 74/75]] || Bundesliga || &nbsp; || 26.504 || 22.021 |- | [[Fußball-Bundesliga 1973/74|Saison 73/74]] || Bundesliga || &nbsp; || 25.533 || 20.566 |- | [[Fußball-Bundesliga 1972/73|Saison 71/72]] || Bundesliga || &nbsp; || 15.185 || 16.387 |- | [[Fußball-Bundesliga 1971/72|Saison 71/72]] || Bundesliga || &nbsp; || 21.252 || 17.932 |- | [[Fußball-Bundesliga 1970/71|Saison 70/71]] || Bundesliga || &nbsp; || 18.654 || 20.661 |- | [[Fußball-Bundesliga 1969/70|Saison 69/70]] || Bundesliga || &nbsp; || 20.735 || 19.979 |- | [[Fußball-Bundesliga 1968/69|Saison 68/69]] || Bundesliga || &nbsp; || 21.440 || 21.407 |- | [[Fußball-Bundesliga 1967/68|Saison 67/68]] || Bundesliga || &nbsp; || 25.948 || 20.090 |- | [[Fußball-Bundesliga 1966/67|Saison 66/67]] || Bundesliga || &nbsp; || 30.558 || 23.299 |- | [[Fußball-Bundesliga 1965/66|Saison 65/66]] || Bundesliga || &nbsp; || 27.190 || 23.185 |- | [[Fußball-Bundesliga 1964/65|Saison 64/65]] || Bundesliga || &nbsp; || 31.167 || 27.052 |- | [[Fußball-Bundesliga 1963/64|Saison 63/64]] || Bundesliga || &nbsp; || 40.959 || 24.624 |} Nachdem der VfB 1975 zum bisher einzigen Mal in die Zweite Liga abgestiegen war, begann der VfB Dauerkarten zu verkaufen. Dieses Angebot nahmen viele Anhänger wahr und so zog der Kern in die heutige Cannstatter Kurve um den A-Block herum um. Nachdem die Fußballmannschaft 1977 in die Bundesliga zurückgekehrt war, war der in der [[Fußball-Bundesliga 1977/78|Bundesliga-Saison 1977/78]] aufgestellte Rekord von durchschnittlich über 53.000 Zuschauern pro Heimspiel bis zur [[Fußball-Bundesliga 1998/99|Saison 1998/99]] der höchste je in der Bundesliga gemessene Zuschauerschnitt. Der VfB zählte nun schon 120 offizielle Fan-Klubs. Doch wie bei anderen Vereinen auch machten kleine, zahlenmäßig unbedeutend erscheinende rechtsradikale Gruppierungen der Vereinsführung Probleme und so begann der Verein, in einer mit den Fan-Klubs gegründeten Interessensgemeinschaft, Karteikarten über Fan-Klub-Mitglieder anzulegen. Als nach der Aufstiegseuphorie Ende der 1970er Jahre der Erfolg ausblieb, sanken die Zuschauerzahlen wieder. Und so fielen die Interessensgemeinschaft und die meisten Fan-Klubs auseinander und nur die treusten Fans blieben. Erst als die [[FIFA]] ankündigte bis zum Jahr 2000 alle Stehplätze abschaffen zu wollen und die Dauerkarteninhaber der Stehplätze bei ihrem Hilferuf gegen diese Entscheidung vom VfB unterstützt wurden, kamen sich der VfB und die Fans wieder näher.<ref>Reiner Schloz: ''Harte Jungs und zarte Mädchen'' aus ''100 Jahre VfB'' S. 260</ref> Am 11. Juli 1990 wurde schließlich die Organisation ''Offizieller Fan-Klub'' geschaffen, die bis heute Bestand hat. Fan-Klubs, die sich der Organisation anschließen, bekommen sowohl viele Vergünstigungen und Privilegien, als auch Pflichten wie eine Clubsatzung mit einem deutlichen Bekenntnis zur Gewaltfreiheit, einer demokratischen Struktur, einer Mindestanzahl von zehn Mitgliedern und einem aktiven Clubleben. So gewann der VfB noch im Jahr 1990 70 offizielle Fan-Klubs mit rund 2.000 Mitgliedern für sich. Und so wurde beim folgenden Umbau des Stadions der A-Block mit seinen Stehplätzen erhalten. Seither gingen Gewaltaktionen bei den Fans auf ein Minimum zurück. Erfolgsphasen wie die Deutsche Meisterschaft 1992 oder die Erfolge zu Zeiten des „magischen Dreiecks“ mit dem DFB-Pokal-Gewinn 1997 führten kurzfristig zu einem Anstieg der Zuschauerzahlen. Anfang 1997 begann die Fanszene sich neu zu organisieren, als mit dem „Commando Cannstatt“ (CC) die erste Ultra-Gruppierung entstand, die heute ein einflussreicher Bestandteil der Szene ist. Das Commando setzt auf eine Unterstützung der Mannschaft unter anderem mit Choreographien und Leuchteffekten und orientiert sich an italienischen Vorbildern. Anfangs gab es sowohl von Seiten anderer Fans, als auch vom Verein Berührungsängste. Der VfB warf dem Commando Cannstatt wegen des fünfzackigen Sterns auf dem Logo, der im Sommer 1997 verboten wurde, einerseits Nähe zur [[Rote Armee Fraktion]] und andererseits wegen der altdeutschen Schrift im Logo Rechtsradikalismus vor. Das Commando bekräftigte jedoch, dass diese Symbole für die Ultra-Gruppierung keine Bedeutung hätten und bekennt sich heute als Mitglied des Anhängerverbandes des VfB gegen den Rechtsradikalismus. Noch heute feuert das Commando Cannstatt die Mannschaft des VfB bei jedem Heimspiel im Block 32 der Cannstatter Kurve als eine der lautstärksten Gruppierungen an. Den größten Zuschauerboom nach der Wiederaufstiegseuphorie erlebte der VfB zu Zeiten der „jungen Wilden“, als ein Schnitt von 41.728 erreicht wurde – zwei Jahre zuvor hatte der Zuschauerschnitt noch 26.097 betragen. Zurückzuführen ist der Zuschauerboom auf die rasante sportliche Verbesserung der Mannschaft; hatten die Fußballer in der [[Fußball-Bundesliga 2000/01|Saison 2000/01]] erst am vorletzten Spieltag den Klassenerhalt gesichert, so erreichte der VfB zwei Jahre später die Vizemeisterschaft und die Champions League. Die Karten für die Champions-League-Vorrunde mit Gegnern wie [[Manchester United]] waren in Rekordzeit vergriffen und so erkannte die Vereinsführung des VfB mit dem neuen Präsidenten [[Erwin Staudt]] ein bisher noch nicht ausgeschöpftes Potential an Fans in der Region. Der VfB initiierte eine Mitgliederkampagne, welche unter dem Motto „Wir packen Schalke“ den VfB zum zweitgrößten deutschen Verein machen sollte. In der [[Liste der größten Sportvereine|Rangliste der größten deutschen Sportvereine]] erreichte der VfB zwar zeitweilig Platz 3, holte den [[FC Schalke 04]] jedoch nie ein. Dennoch vervierfachte sich die Mitgliederzahl des VfB zwischen 2000 und 2005 von 7.000 auf 30.000 Mitglieder, weswegen die Mitgliederkampagne vom VfB als erfolgreich angesehen wird. Der enorme Anstieg der Mitgliederzahl lässt sich unter anderem mit den Erfolgen des VfB in der Champions League erklären; wer 2004 beispielsweise eine Karte für das Achtelfinalspiel der Champions League gegen den [[FC Chelsea]] haben wollte, musste entweder Vereinsmitglied, Fan-Klub-Mitglied oder Dauerkarteninhaber sein. Die Anzahl der offiziellen Fan-Klubs stieg rapide auf heute 265 an. Diese befinden sich hauptsächlich in der Umgebung, aber es gibt auch im restlichen Bundesgebiet und sogar im Ausland (z.&nbsp;B. Taiwan, Latrikunda/Gambia und Südtirol) offizielle Fan-Klubs. Zur besseren Koordination unter den VfB-Fans institutionalisierte sich 2001 auf Anregung des Vereinsvorstandes der ''Fan-Ausschuss'' als offizielles, in der Vereinssatzung legitimiertes Gremium des VfB. Der Fan-Ausschuss wird vom Vorstand eingesetzt und trifft sich alle fünf oder sechs Wochen. Er besteht aus 15 Mitgliedern und setzt sich aus allen Fanschichten des VfB zusammen; von Vereinsseite gehören dem Ausschuss die beiden Fanbeauftragten sowie Direktor [[Jochen Schneider]] an. Das Gremium soll im Dialog fanspezifische Themen ansprechen und helfen Lösungen zu finden. Erste Erfolge waren zum Beispiel die Gründung der VfB-Fan-Treffs mit Hilfe des Ausschusses. Zur weiteren Verbesserung der Fankoordination wurde der ''VfB Anhängerverband Stuttgart e.&nbsp;V.'' gegründet. Der Fan-Ausschuss des VfB setzte sich mit der Gründung das Ziel, die 265 offiziellen Fan-Klubs in einer Struktur zusammenzufassen. Auch einzelne Personen können dem Anhängerverband beitreten. Sowohl eingetragenen und somit rechtsfähigen, als auch nicht rechtsfähigen Fan-Klubs, die nur durch protokollierte Vertreter und eine Satzung legitimiert sind, ist der Beitritt möglich. Die offiziellen Fan-Klubs bleiben dabei zwar autark, die Vergünstigungen gehen jedoch auf den Anhängerverband über. Dieser Verband ist das erste auf demokratischem Wege gewählte Organ, welches die offiziellen Fan-Klubs beim VfB vertritt und soll für den VfB die einzige anerkannte Fanvertretung werden. Momentan sind 171 offizielle Fanklubs, sowie 74 Einzelmitglieder im Anhängerverband zusammengeschlossen. Durch die Werbung des Vereins für neue Vereins- und Fan-Klub Mitglieder scheint sich nun der Kern der VfB-Fans erweitert zu haben, vom A-Block zum B-Block und in viele andere Bereiche der Cannstatter Kurve. Zwar ging der Zuschauerschnitt wieder zurück, nachdem der VfB sich 2006 nicht für den europäischen Wettbewerb qualifizierte, aber der erweiterte Kern war von diesem Rückgang weniger stark betroffen als die restlichen Zuschauerbereiche. Die Mitgliederzahlen der Fan-Klubs und des Vereins steigen zwar nicht mehr so rapide, aber die Tendenz nach oben bleibt vorhanden. So konnte kurz nach dem Gewinn des Meistertitels 2007 das 40.000. Mitglied vermeldet werden <ref>''[http://vfb.de/de/aktuell/news/2007/10686.php]'' </ref>. Für Kinder und Jugendliche gibt es inzwischen den ''VfB-Fritzle-Club'', der 4- bis 16-jährigen VfB-Fans verschiedene Vergünstigungen bringt. == Derbys, Rivalitäten und Freundschaften == === Das Stuttgarter Stadtderby === {| class="prettytable float-left" |+ Direkte Ligaduelle<ref name="Tabellen63"/> ! Saison ! Plätze |- | colspan="2" align="center" | '''Südkreisliga''' |- | 1912/13 | 1.[[Datei:Stuttgarter Kickers Logo.svg|20px|Kickers]] 6.[[Datei:VfB Stuttgart Logo.svg|20px|VfB]] |- | 1913/14 | 1.[[Datei:Stuttgarter Kickers Logo.svg|20px|Kickers]] 7.[[Datei:VfB Stuttgart Logo.svg|20px|VfB]] |- | 1914/15 | 2.[[Datei:Stuttgarter Kickers Logo.svg|20px|Kickers]] 7.[[Datei:VfB Stuttgart Logo.svg|20px|VfB]] |- | colspan="2" align="center" | '''Kreisliga Württemberg''' |- | 1919/20 | 2.[[Datei:Stuttgarter Kickers Logo.svg|20px|Kickers]] 5.[[Datei:VfB Stuttgart Logo.svg|20px|VfB]] |- | 1920/21 | 1.[[Datei:Stuttgarter Kickers Logo.svg|20px|Kickers]] 5.[[Datei:VfB Stuttgart Logo.svg|20px|VfB]] |- | 1921/22 | 1.[[Datei:Stuttgarter Kickers Logo.svg|20px|Kickers]] 2.[[Datei:VfB Stuttgart Logo.svg|20px|VfB]] |- | 1922/23 | 1.[[Datei:Stuttgarter Kickers Logo.svg|20px|Kickers]] 6.[[Datei:VfB Stuttgart Logo.svg|20px|VfB]] |- | colspan="2" align="center" | '''Bezirksliga &nbsp;<br />Württemberg/Baden&nbsp;''' |- | 1924/25 | 1.[[Datei:Stuttgarter Kickers Logo.svg|20px|Kickers]] 5.[[Datei:VfB Stuttgart Logo.svg|20px|VfB]] |- | 1925/26 | 2.[[Datei:VfB Stuttgart Logo.svg|20px|VfB]] 4.[[Datei:Stuttgarter Kickers Logo.svg|20px|Kickers]] |- | 1926/27 | 1.[[Datei:VfB Stuttgart Logo.svg|20px|VfB]] 3.[[Datei:Stuttgarter Kickers Logo.svg|20px|Kickers]] |- | colspan="2" align="center" | '''Bezirk Württemberg''' |- | 1927/28 | 1.[[Datei:Stuttgarter Kickers Logo.svg|20px|Kickers]] 3.[[Datei:VfB Stuttgart Logo.svg|20px|VfB]] |- | 1928/29 | 2.[[Datei:Stuttgarter Kickers Logo.svg|20px|Kickers]] 3.[[Datei:VfB Stuttgart Logo.svg|20px|VfB]] |- | 1929/30 | 1.[[Datei:VfB Stuttgart Logo.svg|20px|VfB]] 6.[[Datei:Stuttgarter Kickers Logo.svg|20px|Kickers]] |- | 1930/31 | 3.[[Datei:Stuttgarter Kickers Logo.svg|20px|Kickers]] 4.[[Datei:VfB Stuttgart Logo.svg|20px|VfB]] |- | 1931/32 | 2.[[Datei:VfB Stuttgart Logo.svg|20px|VfB]] 7.[[Datei:Stuttgarter Kickers Logo.svg|20px|Kickers]] |- | 1932/33 | 1.[[Datei:Stuttgarter Kickers Logo.svg|20px|Kickers]] 3.[[Datei:VfB Stuttgart Logo.svg|20px|VfB]] |} {| class="prettytable float-right" ! Saison ! Plätze |- | colspan="2" align="center" | '''Gauliga Württemberg''' |- | 1933/34 | 2.[[Datei:Stuttgarter Kickers Logo.svg|20px|Kickers]] 3.[[Datei:VfB Stuttgart Logo.svg|20px|VfB]] |- | 1934/35 | 1.[[Datei:VfB Stuttgart Logo.svg|20px|VfB]] 3.[[Datei:Stuttgarter Kickers Logo.svg|20px|Kickers]] |- | 1935/36 | 1.[[Datei:Stuttgarter Kickers Logo.svg|20px|Kickers]] 3.[[Datei:VfB Stuttgart Logo.svg|20px|VfB]] |- | 1936/37 | 1.[[Datei:VfB Stuttgart Logo.svg|20px|VfB]] 5.[[Datei:Stuttgarter Kickers Logo.svg|20px|Kickers]] |- | 1937/38 | 1.[[Datei:VfB Stuttgart Logo.svg|20px|VfB]] 2.[[Datei:Stuttgarter Kickers Logo.svg|20px|Kickers]] |- | 1938/39 | 1.[[Datei:Stuttgarter Kickers Logo.svg|20px|Kickers]] 2.[[Datei:VfB Stuttgart Logo.svg|20px|VfB]] |- | 1939/40 | 1.[[Datei:Stuttgarter Kickers Logo.svg|20px|Kickers]] 2.[[Datei:VfB Stuttgart Logo.svg|20px|VfB]]* |- | 1940/41 | 1.[[Datei:Stuttgarter Kickers Logo.svg|20px|Kickers]] 2.[[Datei:VfB Stuttgart Logo.svg|20px|VfB]] |- | 1941/42 | 1.[[Datei:Stuttgarter Kickers Logo.svg|20px|Kickers]] 2.[[Datei:VfB Stuttgart Logo.svg|20px|VfB]] |- | 1942/43 | 1.[[Datei:VfB Stuttgart Logo.svg|20px|VfB]] 3.[[Datei:Stuttgarter Kickers Logo.svg|20px|Kickers]] |- | 1943/44 | 2.[[Datei:Stuttgarter Kickers Logo.svg|20px|Kickers]] 4.[[Datei:VfB Stuttgart Logo.svg|20px|VfB]] |- ! colspan="4" | <small>* 1939/40 spielte man in<br />getrennten Staffeln, die<br />Kickers holten sich jedoch<br />in der Meisterrunde vor<br />dem VfB die<br />Gaumeisterschaft</small> |- | colspan="2" align="center" | '''Oberliga Süd''' |- | 1945/46 | 1.[[Datei:VfB Stuttgart Logo.svg|20px|VfB]] 3.[[Datei:Stuttgarter Kickers Logo.svg|20px|Kickers]] |- | 1945/46 | 1.[[Datei:VfB Stuttgart Logo.svg|20px|VfB]] 3.[[Datei:Stuttgarter Kickers Logo.svg|20px|Kickers]] |- | 1946/47 | 6.[[Datei:VfB Stuttgart Logo.svg|20px|VfB]] 7.[[Datei:Stuttgarter Kickers Logo.svg|20px|Kickers]] |- | 1947/48 | 3.[[Datei:Stuttgarter Kickers Logo.svg|20px|Kickers]] 5.[[Datei:VfB Stuttgart Logo.svg|20px|VfB]] |- | 1948/49 | 6.[[Datei:VfB Stuttgart Logo.svg|20px|VfB]] 8.[[Datei:Stuttgarter Kickers Logo.svg|20px|Kickers]] |- | 1949/50 | 2.[[Datei:VfB Stuttgart Logo.svg|20px|VfB]] 16.[[Datei:Stuttgarter Kickers Logo.svg|20px|Kickers]] |- | 1951/52 | 1.[[Datei:VfB Stuttgart Logo.svg|20px|VfB]] 12.[[Datei:Stuttgarter Kickers Logo.svg|20px|Kickers]] |- | 1952/53 | 2.[[Datei:VfB Stuttgart Logo.svg|20px|VfB]] 14.[[Datei:Stuttgarter Kickers Logo.svg|20px|Kickers]] |- | 1953/54 | 1.[[Datei:VfB Stuttgart Logo.svg|20px|VfB]] 14.[[Datei:Stuttgarter Kickers Logo.svg|20px|Kickers]] |- | 1954/55 | 12.[[Datei:Stuttgarter Kickers Logo.svg|20px|Kickers]] 13.[[Datei:VfB Stuttgart Logo.svg|20px|VfB]] |- | 1955/56 | 2.[[Datei:VfB Stuttgart Logo.svg|20px|VfB]] 14.[[Datei:Stuttgarter Kickers Logo.svg|20px|Kickers]] |- | 1956/57 | 4.[[Datei:VfB Stuttgart Logo.svg|20px|VfB]] 14.[[Datei:Stuttgarter Kickers Logo.svg|20px|Kickers]] |- | 1957/58 | 9.[[Datei:VfB Stuttgart Logo.svg|20px|VfB]] 16.[[Datei:Stuttgarter Kickers Logo.svg|20px|Kickers]] |- | 1959/60 | 7.[[Datei:VfB Stuttgart Logo.svg|20px|VfB]] 16.[[Datei:Stuttgarter Kickers Logo.svg|20px|Kickers]] |- | colspan="2" align="center" | '''2. Bundesliga Süd''' |- | 1975/76 | 12.[[Datei:VfB Stuttgart Logo.svg|20px|VfB]] 13.[[Datei:Stuttgarter Kickers Logo.svg|20px|Kickers]] |- | 1976/77 | 1.[[Datei:VfB Stuttgart Logo.svg|20px|VfB]] 9.[[Datei:Stuttgarter Kickers Logo.svg|20px|Kickers]] |- | colspan="2" align="center" | '''Bundesliga''' |- | 1988/89 | 5.[[Datei:VfB Stuttgart Logo.svg|20px|VfB]] 17.[[Datei:Stuttgarter Kickers Logo.svg|20px|Kickers]] |- | 1991/92 | 1.[[Datei:VfB Stuttgart Logo.svg|20px|VfB]] 17.[[Datei:Stuttgarter Kickers Logo.svg|20px|Kickers]] |} Vor allem in der ersten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts herrschte ein harter Kampf zwischen dem in [[Stuttgart-Bad Cannstatt|Bad Cannstatt]] ansässigem VfB und den [[Stuttgarter Kickers]] aus [[Degerloch]]. Aber es war keine Konkurrenz zwischen sozialen Schichten. Die Basis bildete auf beiden Seiten hauptsächlich das ortsansässige Bürgertum.<ref name="Brustring Vorwort"/> Schon bei den Vorgängern des VfB, dem Kronen-Club und dem Stuttgarter FV liegen die Wurzeln der Rivalität zwischen dem VfB und den Kickers. Als die Kickers sich schon früh gegen [[Rugby]] entschieden, wechselten viele Rugby-Interessierte zum Stuttgarter FV.<ref>''[http://www.hefleswetzkick.de/VFB/25_Chronik/1900_1909/Stuttgart/02/Saison.htm Vereinschronik 1902]''</ref> Dies könnte man die Geburt der Rivalität nennen. Zu den Kindheitszeiten des Fußballs lagen die Kickers noch klar vor den Vorgängern des VfB und so musste der Kronen-Club in einem entscheidenden Spiel um den Aufstieg in die oberste süddeutsche Spielklasse gegen die zweite Mannschaft der Kickers antreten. Zwar gewann der Kronen-Klub, doch wenige Tage später wurde das Spiel annulliert, da der eigentlich bestellte Schiedsrichter nicht anwesend war und der Verbandsschriftführer das Spiel leitete. Da der Kronen-Club von der Annullierung erst wenige Stunden vor der Neuansetzung bei einer Weihnachtsfeier erfuhr und dementsprechend viele Spieler nicht einsatzfähig waren, verlor der Klub das Wiederholungsspiel und fühlte sich dort gegenüber den Kickers ungerecht behandelt.<ref name="Kronen-Club 1904"/> Auch nach der Fusionierung zum VfB dominierten zunächst die Kickers. Schon 1909 wurden die ''Blauen'' Vizemeister und waren dem VfB zumeist voraus. 1922/23 schienen sich die Kickers sogar vom VfB abzusetzen, als sie als Tabellenerster der Kreisliga Württemberg die Qualifikation für die neue Bezirksliga problemlos schafften, während der VfB als Sechster scheiterte und sogar in die Zweitklassigkeit abrutschte. Doch der VfB kam nach diesem einen Jahr Zweitklassigkeit wieder zurück und so blieb dieses eine Jahr das einzige nach der Fusion des VfB, in dem die Kickers eine Klasse über dem VfB standen. Der VfB bot nun den Kickers Paroli und so konkurrierten beide Vereine immer wieder um die Württembergische Meisterschaft. Nach der Deutschen Vizemeisterschaft des VfB 1935 war der Verein dann endgültig auf Augenhöhe. Bis zum Ende des [[Zweiter Weltkrieg|Zweiten Weltkriegs]] wurden beide Teams noch mehrmals Württembergischer Meister und blieben auf dem gleichen Level. Daher stimmt es nicht, dass das ''Überholmanöver'' des VfB in Verbindung mit dem Nationalsozialismus steht. Obwohl der VfB schon von jeher bessere Verbindungen zum Militär hatte und den Kickers schon vor der NS-Zeit ''jüdische Wurzeln'' zugeschrieben wurden<ref name="Brustring Vorwort"/>, wurden die Kickers später ebenso wie der VfB mit dem NS-Regime in Verbindung gebracht. So stellte zum Beispiel der Sozialdemokrat Paul Keller fest, dass sich beide Vereine ''sofort als erste der nationalsozialistischen Bewegung voll und ganz anschlossen.''<ref name="NS-Vorwürfe"/> Vor 1933 gab es beim VfB ebenso wie bei den Kickers jüdische Mitglieder, die in der NS-Zeit ausgeschlossen wurden. Die Entscheidung um die Vormachtstellung in Stuttgart fiel erst in der [[Oberliga Süd]]. Zu Beginn spielten die Kickers genauso wie der VfB oben mit. Doch das Jahr 1950 war entscheidend für die Zukunft beider Vereine. Die [[Stuttgarter Kickers]] stürzten in die Zweite Oberliga Süd ab und standen somit zum ersten mal eine Klasse unter dem VfB. Und eben in diesem Jahr in dem die Kickers den ersten großen Rückschlag erlitten, holte der VfB mit der Deutschen Meisterschaft den ersten großen Titel. Die Kickers erholten sich noch einmal und kamen zurück, doch fast jede Saison, die die Degerlocher in der Oberliga Süd bestritten, war für die Kickers ein Abstiegskampf, während der VfB seine erfolgreichste Zeit erlebte. Und so absolvierten die Kickers 1960 ihr letztes Spiel in der Oberliga Süd und spielten im Mittelfeld der Zweiten Oberliga, während sich der VfB 1963 für die erste Bundesligasaison qualifizierte. Nur 1988 und 1992 spielten die Kickers noch jeweils eine Saison in der Bundesliga, in der sie nie die Klasse hielten. So war es keine Seltenheit, dass einer von den ''Blauen'' zum VfB, zu den ''Roten'' wechselte. Ein solcher „Überläufer“ hatte es nicht immer einfach – von beiden Seiten hatten Spieler und Funktionäre nach einem solchen Wechsel etwas zu befürchten. Früher war die Rivalität bedeutend härter als heute. Als zum Beispiel 1956 [[Rolf Geiger]], der talentierte Stürmer der Kickers, zum VfB wechselte, erstattete der damalige Präsident der Kickers [[Philipp Metzler]] Selbstanzeige und behauptete, die Kickers hätten Geiger unter der Hand bezahlt. Die Rache war es ihm offenbar wert, eine Strafe für die Kickers hinzunehmen, um gleichzeitig Geiger vom DFB bestrafen zu lassen. Allerdings wurde Metzler für 2 Jahre gesperrt, während Geiger nur für neun Monate gesperrt wurde.<ref>''[http://www.kickersarchiv.de/index.php/Main/1956-1957 Archiv Stuttgarter Kickers 1956/57]''</ref> Das Verhältnis zwischen beiden Vereinen wurde mit der Zeit zwar besser, doch immer wieder gab es Spannungen. So fand der ehemalige Kickers-Spieler [[Albert Sing]] an seinem ersten Arbeitstag als VfB-Trainer ein Kickers-Trikot in der Umkleide vor, welches ihm wohl deutlich machen sollte, dass er als ''Blauer'' nicht erwünscht ist. Der damalige Kickers-Stürmer [[Jürgen Klinsmann]] erklärte nach einem harten Jugend-Derby gegenüber seinem damaligen Kickers-Präsidenten [[Axel Dünnwald-Metzler]]: „Eines schwöre ich: Zu denen geh ich nie!“<ref name="Spiel im Gras">''[http://www.hefleswetzkick.de/VFB/15_Team/15_Cups_Pokale/Derbies/Spiel_im_Gras.htm Spiel im Gras]''</ref> Wenige Jahre später musste er seinen Schwur zurücknehmen. Nicht nur in der Jugend waren diese Derbys hitzig. „Wenn wir heute nicht gewonnen hätten, hätte ich mich nicht mehr aus dem Haus getraut“, erklärte der ehemalige VfB-Direktor [[Ulrich Schäfer]] einmal.<ref name="Spiel im Gras"/> Das letzte große Stadtderby in der Bundesliga war grundlegend für die weitere sportliche Entwicklung beider Vereine: In der Saison 91/92 ging es für den VfB um die Meisterschaft und für die Kickers um den Klassenerhalt. Nach 75 Minuten führten die Kickers mit 1:0, der VfB-Stürmer Fritz Walter brach wegen starker Magenschmerzen zusammen, weswegen der VfB sogar die Kickers einer Vergiftung bezichtigte. Trotz des Ausfalls von Walter drehte der VfB das Spiel in den letzten Minuten zu einem 3:1 Sieg; der VfB wurde am Ende der Saison Deutscher Meister und die Kickers stiegen ab. Die Rivalität zwischen dem VfB und den Kickers ging oft über den Fußball hinaus. So gab es zwischen den beiden Leichtathletikabteilungen immer wieder Differenzen. Trotzdem bildeten die beiden Vereine in dieser Sportart eine gemeinsame Startgemeinschaft.<ref name="LA">Harald Jordan: ''Leichtathletik – Eine uralte Domäne'' aus ''100 Jahre VfB'' S. 220</ref> === Das Baden-Württemberg-Derby === [[Datei:Grosses Landeswappen Baden-Wuerttemberg.png|upright|miniatur|Das Wappen von Baden-Württemberg]] Die zwischen Württembergern und Badenern bestehende Rivalität findet sich auch auf der Ebene des Fußballs wieder; die beiden erfolgreichsten Vereine der beiden [[Baden-Württemberg|baden-württembergischen]] Landesteile, der VfB und der [[Karlsruher SC]] blicken auf eine lange Rivalität zurück. Bereits 1912, im wohl ersten Endspiel des frisch fusionierten VfB Stuttgart, bezwang der Verein den FC Mühlburg, den Vorläufer des VfB Mühlburg, der mit Phönix Karlsruhe zum KSC fusionierte und qualifizierte sich somit für die erste deutsche Spielklasse. Vielfach forderte der KSC den VfB als erfolgreichsten Fußballverein Baden-Württembergs heraus – zumeist ohne Erfolg. Zu einer Verstärkung der Rivalität kam es durch den langjährigen KSC-Trainer [[Winfried Schäfer]]; mehrmals zeigte er öffentlich seinen Ärger, als er 1992 zum Ausdruck brachte, dass die guten Leistungen des KSC im Schatten der Meisterschaft des VfB nicht genug gewürdigt würden. Er beschuldigte den damaligen VfB-Trainer [[Christoph Daum]] sogar, dass er sich über den Aufwärtstrend des KSC lustig machen würde.<ref name="Sauschwaben">''[http://www.hefleswetzkick.de/VFB/15_Team/15_Cups_Pokale/Derbies/Sauschwaben.htm Winni, schlag die Sauschwaben!]''</ref> Nachdem der VfB wenig später im Europapokal der Landesmeister gegen Leeds United unglücklich durch einen Wechselfehler von Christoph Daum ausschied, erklärte Schäfer höhnisch: „Der Daum tönt aus Stuttgart, wir seien wie der Hund, der halt zwischendurch mal mit dem Schwanz wedelt. Warum hat er uns dann nicht als Blindenhund mit nach Leeds genommen.“<ref name="Sauschwaben"/> Schäfer kritisierte auch Sponsoren; [[Daimler-Benz]] warf er vor, den KSC-Spielern höhere Leasingraten als den VfB-Spielern abzuverlangen („Wir haben keinen Daimler, der uns das Stadion ausbaut.“<ref name="Sauschwaben"/>). In der Kritik standen auch Medienvertreter, wie jene des SDR, denen er vorwarf, VfB-Lobbyisten zu sein („Die sind rot angehaucht.“<ref name="Sauschwaben"/>). Nachdem Winfried Schäfer nach all diesen Vorfällen VfB-Trainer wurde, kam es zu großen Spannungen sowohl zwischen Fans und VfB als auch innerhalb der Fanszene. Einige VfB-Fans reagierten auf die Verpflichtung Schäfers, indem sie ihre Dauerkarte zurückgaben. Unter anderem dürfte die Kritik der Fans mitverantwortlich für die Entlassung des erfolglosen neuen Trainers gewesen sein, die bereits wenige Monate nach Amtsantritt erfolgte. === Andere Rivalitäten === Auch zu anderen Vereinen pflegen die Anhänger des VfB Rivalitäten; typische Beispiele sind der [[SC Freiburg]], [[Hertha BSC]], der [[FC Bayern München]] und der [[FC Schalke 04]]. Die Rivalität zu den Berlinern ist durch deren Freundschaft mit dem KSC begründet. Diejenige mit dem SC Freiburg ist vergleichsweise jung und wesentlich weniger intensiv als jene mit dem ebenfalls badischen KSC. Zurückzuführen ist sie unter anderem auf das Fehlen anderer regionaler Derbys, nachdem der KSC in der [[Fußball-Bundesliga 1997/98|Saison 1997/98]] aus der Bundesliga abstieg. Eine traditionsreichere Rivalität ist jene mit dem FC Bayern. Ein Bundesligaspiel zwischen den beiden Vereinen, die als die beiden erfolgreichsten Süddeutschlands gelten, ist das so genannte Südderby. Spielerwechsel nach München gelten als unpopulär, so wollte [[Jürgen Klinsmann]] erst die Erlaubnis seines Vaters holen, ehe er beim FC Bayern einen Vertrag unterschrieb. Die Wechsel von [[Giovane Elber]], [[Felix Magath]] und [[Mario Gómez]] waren bei Teilen der Fans ebenfalls umstritten. In den letzten Jahren haben sich vor allem die Ansichten über den [[FC Schalke 04]] verschlechtert. Schon als die Schalker Felix Magath nach [[Gelsenkirchen]] holen wollten, nachdem er mit dem VfB 2003 gerade Vizemeister geworden war, begannen die Spannungen zu wachsen. Vor allem der damalige Schalke-Manager [[Rudi Assauer]] und Magath, der noch eine Saison beim VfB blieb, setzten sich damals in der Öffentlichkeit auseinander. [[Datei:Logo Energie Cottbus.svg|miniatur|120px|Das Logo der Energie]] === Freundschaft mit Energie Cottbus === Die Freundschaft mit [[Energie Cottbus]] begann 2001. Enger wurde die Freundschaft nach dem letzten Spieltag der Saison 2002/03, als die schon abgestiegenen Cottbuser durch einen Punktgewinn bei [[Borussia Dortmund]] dem VfB zur direkten Champions-League-Qualifikation verhalfen. Nach dem letzten Spieltag der Saison 2006/07 feierten Fans beider Vereine gemeinsam die Meisterschaft des VfB. Mittlerweile wurde die Freundschaft von den damaligen Initiatoren offiziell als beendet erklärt, dennoch pflegt sie ein Teil der Fans weiterhin. === Kooperation mit dem FC St. Gallen === 2005 unterzeichneten Erwin Staudt und Dieter Fröhlich, der Präsident des [[FC St. Gallen]] einen Kooperationsvertrag zwischen dem VfB und St. Gallen. In dieser Kooperation sollen sich die Vereine gegenseitig bei der Ausbildung von Spielern unterstützen und zum beidseitigen Nutzen Spieler austauschen. So wurden zum Beispiel schon einige Spieler des VfB, die noch keine Chance auf einen Stammplatz hatten, nach St. Gallen ausgeliehen. Zusätzlich zur Kooperation der beiden Vereine gibt es auch freundschaftliche Kontakte zwischen einzelnen Fangruppen der beiden Vereine. === Andere Freundschaften === Um das Jahr 1995 bestand eine Fanfreundschaft mit [[Bayer 04 Leverkusen]], doch diese ging schnell wieder in die Brüche. Zuvor waren die Stuttgarter Fans mit denen [[Eintracht Frankfurt]]s eng verbunden. Auf regionaler Ebene versteht sich der VfB von jeher mit dem [[SSV Reutlingen 05]] sehr gut. Auch mit der [[Spvgg 07 Ludwigsburg]] und dem [[MTV Stuttgart]] kooperiert der Verein. Auf internationaler Ebene pflegen VfB-Fans vereinzelte Kontakte zu [[Celtic Glasgow]] und [[AC Cesena]]. == Sponsoren == Die Geburt des Sponsorings beim VfB geht auf das Jahr 1976 zurück, als der VfB sich in der Zweiten Bundesliga am Abgrund befand. Damals wurde der ''Freundeskreis des VfB Stuttgart'' gegründet, welcher den Verein nicht nur finanziell unterstützte, sondern Tipps für die eigene Vermarktung des VfB gab und den Verkauf von Souvenirs startete. 1977 wurde dann das Textilunternehmen [[Frottesana]] zum ersten Trikotsponsor des VfB. Die Nachfolger dieses Unternehmens wurden [[Canon]], [[Dinkelacker]], [[Dinkelacker|Sanwald Extra]], [[Südmilch]], die [[Göttinger Gruppe]], [[debitel]] und schließlich [[EnBW]]. Mit der Zeit wurde schließlich ein Sponsoren-Pool geschaffen, dessen Mitglieder sich als ''Offizieller Partner des VfB Stuttgart'' bezeichnen konnten. [[Erwin Staudt]] schuf dann schließlich die neu geordnete Sponsorenpyramide, in der Sponsoren als ''Premium Partner'' über den normalen ''Team Partnern'' und den in der Pyramide noch weiter unten befindlichen ''Servicepartnern'' steht. Bei Heimspielen werden derzeit 336 Laufmeter Bandenwerbung präsentiert. Ausrüster beim VfB ist Puma, nachdem die lange Partnerschaft mit Adidas 2002 beendet wurde. == Andere Abteilungen des Vereins == === Fußballschiedsrichterabteilung === Die [[Fußballschiedsrichter|Schiedsrichterabteilung]] des VfB wurde bereits 1923 gegründet, wodurch der VfB zum ersten Verein in Deutschland mit einer eigenen Schiedsrichterabteilung wurde. Und so gehörten dem VfB in den 1920er Jahren in Süddeutschland am meisten Schiedsrichter an. Es existiert heute sogar eine Schiedsrichtermannschaft, die bei Freundschaftsspielen und Turnieren antritt. Aktueller Abteilungsleiter ist Alfred Schütter. Es gibt momentan 68 aktive und 13 passive Mitglieder in der Abteilung. === Faustballabteilung === Die [[Faustball]]abteilung wurde 1937 gegründet. Die Wurzeln gehen sogar in die 1920er Jahre zurück. Schon damals nutzten Fußballer des VfB diese Sportart zum Ausgleich, die teilweise noch bei den ''Vorgängern'' des VfB, dem Kronen-Club und dem Stuttgarter FV, spielten. Der Verein stellt dort heute nur bei den Männern drei Seniorenmannschaften in den Altersklassen M40, M50 und M60.<ref>[http://www.vfbstuttgart-faustball.de/Chronik.doc Faustball im VfB Stuttgart – eine Abteilung mit Tradition]</ref> Die Mannschaften spielen in dieser Randgruppensportart, zwar jeweils in den Verbandsligen, die die oberste Spielklasse darstellen. Allerdings folgen bei Erfolg in diesen Spielrunden noch weitere Runden, wie die Süddeutsche und die Deutsche Meisterschaftsrunde. Eine schlagkräftige altersklassenlose Mannschaft konnte die Abteilung bisher noch nicht stellen. Die einzigen Deutschen Meisterschaften in der Geschichte der Faustballabteilung des VfB holte die M50 in den Jahren 2004, 2005 und 2006 auf dem Feld und 2005 in der Halle. === Hockeyabteilung === Auch die Geschichte der [[Hockey]]abteilung reicht weit zurück. Sie wurde bereits 1919 gegründet. Der VfB stellt momentan drei Herrenmannschaften und zwei Damenmannschaften. Die erste Mannschaft der Damen spielt in der Halle in der ersten Verbandsliga und auf dem Feld in der Oberliga, der fünfthöchsten deutschen Spielklasse im Hockey. Die erste Herrenmannschaft spielt sowohl im Feld- als auch im Hallenhockey in der ersten Verbandsliga, welche die sechsthöchste deutsche Spielklasse ist. Diese Abteilung verfügt über einen zahlenmäßig starken Unterbau bis hinunter zur D-Jugend. === Leichtathletikabteilung === [[Datei:Naisten 400 m aidat.jpg|miniatur|Auch außerhalb des Fußballs gab es beim VfB Erfolg]] Die [[Leichtathletik]]abteilung war bereits bei der Fusionierung Bestandteil des VfB. Früher wurde die Abteilung oft von Fußballern zum Ausgleich genutzt. So war der Torwart Max Buffle, der 1912 das Tor der ersten Mannschaft hütete, auch als Diskuswerfer erfolgreich. Mit [[Helmar Müller]] hatte die Abteilung 1968 sogar einen olympischen Medaillengewinner in den eigenen Reihen. Heute bildet der VfB mit den [[Stuttgarter Kickers]] zusammen eine Startgemeinschaft.<ref name="LA"/> Die größten Erfolge der Leichtathletikabteilung waren: * [[Medaille]] bei den [[Olympische Sommerspiele 1968|Olympischen Spielen 1968]] in [[Mexiko-Stadt]] Helmar Müller (Bronze 4x400m Staffel) * Medaille bei [[Leichtathletik-Europameisterschaft|Europameisterschaften]] (Freiluft) [[Karl Honz]] (Europameister 400&nbsp;m [[Leichtathletik-Europameisterschaft 1974|1974]], 2. Platz 4x400m Staffel 1974), [[Leichtathletik-Europameisterschaft 1978|1978]] [[Martin Weppler]] (Europameister 4x400m Staffel), [[Yvonne Buschbaum]] ([[Leichtathletik-Europameisterschaft 1998|1998]] und [[Leichtathletik-Europameisterschaft 2002|2002]] 3. Platz [[Stabhochsprung]]) * Medaille bei Halleneuropameisterschaften Helmar Müller (1970 3. Platz 4x400m Staffel), Uli Strohhäcker (1970 3. Platz 4x400m Staffel), Dieter Hübner (1970 3. Platz 4x400m Staffel), [[Karl Honz]] (1973 2. Platz 4x400m Staffel, 1975 Europameister 4x400m Staffel), Falko Geiger (1973 2. Platz 4x400m Staffel), [[Herbert Wursthorn]] (1980 3. Platz 800&nbsp;m, 1981 Europameister 800&nbsp;m), Martin Weppler (1981 2. Platz 400&nbsp;m), Sabine Zwiener (1990 2. Platz 800&nbsp;m), [[Yvonne Buschbaum]] (1998 2. Platz Stabhochsprung) * Deutsche Meisterschaften: Neben zahlreichen Medaillen in Einzelwettbewerben waren die Staffeln des VfB Stuttgart erfolgreich. Die 4x400-Meter-Staffel der Männer war 1973 und 1974 Deutscher Meister, in der Halle war die Staffel 1969, 1970 und 1975 Meister. Noch erfolgreicher war die 4x800-Meter-Staffel, die von 1982 bis 1986 Deutscher Meister war. In der Halle gewann die 3x1000-Meter-Staffel 1981 und 1983–1985. === Tischtennisabteilung === Die [[Tischtennis]]abteilung wurde erst 1949 gegründet und ist somit die jüngste sportliche Abteilung beim VfB. Der Verein startete mit zwei Mannschaften in der Kreisklasse und schon 1952 schaffte die erste Mannschaft den Aufstieg in die [[Oberliga]] und somit die höchste deutsche Spielklasse zu dieser Zeit. 1957 gelang abermals der Aufstieg in die Oberliga. Doch mit der Zeit verlor die Tischtennisabteilung immer mehr an Bedeutung und musste zwischenzeitlich sogar ihre Mannschaften zurückziehen. In den letzten zwei Jahren konnte die Tischtennisabteilung allerdings einige Neuzugänge gewinnen, so dass man in der Saison 2008/09 wieder vier Mannschaften melden kann. Die erste Mannschaft spielt in der Bezirksklasse, die anderen drei Mannschaften starten in den Kreisklassen A, B und C. Zudem tritt die Seniorenmannschaft in der Bezirksklasse an. === Handballabteilung === Die [[Handball]]abteilung des VfB stellte einst mehrere Männer- und Frauenmannschaften, die vorzeigbare Erfolge wie die Württembergische Meisterschaft feierten und teilweise in der [[Bezirksklasse]] antraten. Ebenso wie die Hockeyabteilung wurde sie 1919 gegründet. In den achtziger Jahren brach die Abteilung ein, weil die meisten Spieler keine Perspektive mehr sahen, und so musste trotz aller Bemühungen die letzte Mannschaft 1985 aus dem Spielbetrieb zurückgezogen werden. Verblieben ist nur Verwaltungsarbeit und die Hoffnung, dass die Abteilung eines Tages wieder sportlich auflebt. Aufgelöst hat sich die Abteilung noch nicht.<ref>Harald Jordan: ''Leben im Schatten des Fußballs'' aus ''100 Jahre VfB'' S. 218</ref> === VfB-Garde === Die VfB-Garde, ehemals ''Alte Garde'', ist keine Sportabteilung. Sie wurde 1953 aufgrund des 60-jährigen Jubiläums des VfB gegründet. Es geht in dieser Abteilung hauptsächlich um Geselligkeit unter den Mitgliedern, die sich zum größten Teil aus ehemaligen Aktiven des VfB zusammensetzt. Gelegentlich gibt es auch repräsentative Aufgaben. Inzwischen ist die Garde, deren Mitglieder, die ''Gardisten'', als Traditionsträger des Vereins gelten, eine feste Größe beim VfB.<ref>Harald Jordan: ''Leben im Schatten des Fußballs'' aus ''100 Jahre VfB'' S. 217</ref> == Literatur == * Oskar Beck, Hans Reski: ''Der VfB Stuttgart – Schwabenstreiche''. Kiepenheuer & Witsch Verlag, 1989, ISBN 3-462-01976-7 * Hans Blickensdörfer: ''100 Jahre VfB Stuttgart''. VfB Stuttgart, 1992, ISBN 3-9802290-4-1 * Stefan Radomski: ''Deutschlands große Fußballmannschaften Teil 2: VfB Stuttgart 1920–1992''. AGON-Sportverlag, 1993, ISBN 3-928562-27-4 * Thomas Haid, Thomas Plaßmann: ''VfB Stuttgart-Fan''. Tomus Verlag, 1997, ISBN 3-8231-1103-5 * Oskar Beck, Martin Hägele, Ludger Schulze: ''Stuttgart kommt, Der VfB''. Wero Press, 1997, ISBN 3-9805310-6-6 * ''Deutscher Pokalsieger 1997''. AGON-Sportverlag, 2000, ISBN 3-89784-117-7 * Klaus Schlütter: ''Lächeln mit dem VfB''. Wero Press, 2003, ISBN 3-9808049-7-6 * Harald Jordan: ''Mythos VfB''. DMZG Druck- und Medienzentrum Gerlingen, 2005, ISBN 3-927286-59-1 * Volker Jäger: ''Fußball-Junkie. Aus dem Leben eines Anhängers''. Books on Demand GmbH, 2005, ISBN 3-8334-2842-2 * [[Hardy Grüne]]: ''Mit dem Ring auf der Brust''. Die Werkstatt, 2006, ISBN 3-89533-533-9 * Oliver Böhnisch: ''Eine Zeitreise in Weiß und Rot''. Books on Demand, 2006, ISBN 3-8334-5020-7 == Einzelnachweise == <references /> == Weblinks == * {{Commons|VfB Stuttgart}} * [http://www.vfb.de/ Offizielle Internetpräsenz des VfB Stuttgart] * [http://www.HefleswetzKick.de/ HefleswetzKick – Die Geschichte des VfB Stuttgart von A-Z] {{NaviBlock |Navigationsleiste Vereine der deutschen Fußball-Bundesliga |Navigationsleiste Vereine in der 3. Liga (DFB) }} {{Exzellent}} [[Kategorie:Fußballverein aus Baden-Württemberg|Stuttgart, Vfb]] [[Kategorie:Verein im Württembergischen Fußball-Verband|Stuttgart, Vfb]] [[Kategorie:Sportverein (Stuttgart)]] [[Kategorie:Feld- und Hallenhockeyverein (Deutschland)|Stuttgart]] [[Kategorie:VfB Stuttgart|!]] [[af:VfB Stuttgart]] [[als:VfB Stuttgart]] [[ar:نادي شتوتغارت]] [[be-x-old:Штутгарт (футбольны клюб)]] [[bg:ФФБ Щутгарт]] [[ca:Verein für Bewegungsspiele Stuttgart 1893]] [[cs:VfB Stuttgart]] [[da:VfB Stuttgart]] [[el:ΦΒ Στουτγκάρδη]] [[en:VfB Stuttgart]] [[es:VfB Stuttgart]] [[et:VfB Stuttgart]] [[fa:باشگاه فوتبال اشتوتگارت]] [[fi:VfB Stuttgart]] [[fr:VfB Stuttgart]] [[he:שטוטגרט (כדורגל)]] [[hr:VfB Stuttgart]] [[hu:VfB Stuttgart]] [[id:VfB Stuttgart]] [[it:Verein für Bewegungsspiele Stuttgart 1893]] [[ja:VfBシュトゥットガルト]] [[ka:შტუტგარტი (საფეხბურთო კლუბი)]] [[ko:VfB 슈투트가르트]] [[ku:VfB Stuttgart]] [[lt:VfB Stuttgart]] [[lv:VfB Stuttgart]] [[mr:फाउ.एफ.बे. श्टुटगार्ट]] [[nds:VfB Stuttgart]] [[nl:VfB Stuttgart]] [[nn:VfB Stuttgart]] [[no:VfB Stuttgart]] [[pl:VfB Stuttgart]] [[pt:VfB Stuttgart]] [[ro:VfB Stuttgart]] [[ru:Штутгарт (футбольный клуб)]] [[sh:VfB Stuttgart]] [[simple:V.f.B. Stuttgart]] [[sk:VfB Stuttgart]] [[sl:VfB Stuttgart]] [[sr:ФК Штутгарт]] [[sv:VfB Stuttgart]] [[tr:VfB Stuttgart]] [[uk:Штутгарт (футбольний клуб)]] [[vi:VfB Stuttgart]] [[zh:斯图加特足球俱乐部]] frxg5apr0xzw1qz8il6xzn100stlvg9 wikitext text/x-wiki Victoria (British Columbia) 0 24442 27041 2010-05-09T11:27:33Z 84.227.89.104 {{Infobox Ort in Kanada |Name=Victoria |Motto=''Semper liber'' <small>(Immer frei)</small> |Bild1=Victoria skyline BC.jpg |Bildgröße1=300px |Bildbeschreibung1=Skyline von Victoria |Flagge=Victoria-flag.png |Wappen=Victoria BC COA.png |Provinz=British Columbia |Region=[[Capital Regional District]] |Breitengrad=48.42628 |Längengrad=-123.36487 |Höhe=23 |Beschriftungsposition=left |Fläche=19.68 |Einwohner=78057 |Stand=2006 |Metropolregion=330088 |Stand Metropolregion=2006 |Zeitzone=UTC-8 |Postleitzahl=V8N – V9E |Bürgermeister=Dean Fortin |Website=www.victoria.ca |Bild2=Vancouver Island South.png |Bildgröße2=300px |Bildbeschreibung2=Lage Victorias an der Südostküste von Vancouver Island }} '''Victoria''' ist die Hauptstadt der [[Kanada|kanadischen]] Provinz [[British Columbia]]. Sie liegt am Südzipfel von [[Vancouver Island]] und hat ihren Ursprung in einem 1843 errichteten Handelsposten der [[Hudson’s Bay Company]]. Der Name geht auf die britische Königin [[Victoria (Vereinigtes Königreich)|Victoria]] zurück. Unter dem Namen ''Fort Victoria'' wurde die Stadt zum Zentrum des [[Pelzhandel in Nordamerika|Pelzhandels]] in den westlichen Gebieten Kanadas. Sie entstand in einem Gebiet, das von [[Küsten-Salish]] bewohnt war, einer großen Gruppe [[Indianer|indianischer]] [[Ethnie]]n, die im Nordwesten der [[Vereinigte Staaten|USA]] und in British Columbia lebt. Die Stadt steht, abgesehen vom Parlamentsgebäude, dessen Grund 2006 von der Stadt gekauft wurde, bis heute auf Indianergebiet. Aus dem zentralen Handelsposten entwickelte sich die Hauptstadt der britischen [[Vancouver Island (Kolonie)|Kronkolonie Vancouver Island]], dann der [[Vereinigte Kolonien von Vancouver Island und British Columbia|Vereinigten Kolonien von Vancouver Island und British Columbia]] und schließlich der gleichnamigen kanadischen Provinz. Ihre wirtschaftliche Basis war anfangs der Handel, zu dem sich Verwaltung, Militär und Polizei, dann die Marine gesellten. Die Ausbeutung der natürlichen Ressourcen, vor allem von Holz, Kohle und der fischreichen Gewässer, besonders aber die Goldfunde auf dem Festland machten die Ansiedlung zu einer vergleichsweise großen Stadt. Sie wurde jedoch von [[Vancouver]] überflügelt. Starke Zuwanderung aus Großbritannien und politische Dominanz gaben ihr einen ausgesprochen „englischen“ Charakter.<ref>So vermerkt als eines von zahlreichen Beispielen die [http://www.canadianencyclopedia.ca/index.cfm?PgNm=TCE&Params=U1ARTU0003595 Canadian Encyclopedia]</ref> Der Ballungsraum [[Capital Regional District]] umfasst neben der eigentlichen Stadt Victoria (78.057 Einwohner im Jahr 2006) noch zwölf weitere Gemeinden, die zusammen 330.088 Einwohner zählen.<ref>[http://www12.statcan.ca/census-recensement/2006/dp-pd/prof/92-591/details/page.cfm?B1=All&Code1=935__&Code2=59&Custom=&Data=Count&Geo1=CMA&Geo2=PR&Lang=E&SearchPR=01&SearchText=Victoria&SearchType=Begins Statistics Canada]</ref> == Geografie == Die Kernstadt Victorias ''(Downtown)'' liegt an einer kleinen Bucht auf der dem [[Pazifik]] abgewandten Südostseite von [[Vancouver Island]], die der [[Kanada|westkanadischen]] Provinz British Columbia vorgelagert ist. Dazu kommen die umgebenden sogenannten Nachbarschaften ''(neighbourhoods)'', die zusammen das Stadtgebiet ausmachen. Die Stadt wiederum bildet den Kern des [[Capital Regional District]], zu dem der Ballungsraum zusammengefasst wurde. Der überwiegende Teil der Bewohner von Vancouver Island lebt hier. Die [[Juan-de-Fuca-Straße]] trennt die Insel von den [[Vereinigte Staaten|Vereinigten Staaten]], deren [[Olympic Mountains]] von Victoria aus im Süden zu sehen sind. Östlich liegt die [[Straße von Georgia]], in der sich Hunderte von Inseln befinden, die unter dem Namen [[Gulf Islands]] bekannt sind. Die umgebende Hügellandschaft schützt das Stadtgebiet vor den ergiebigen Regenfällen an der Westküste der Insel. Zugleich liegt der Ort so günstig, dass er von Stürmen nur selten erreicht wird. Die Stadt liegt südlich des 49.&nbsp;Breitengrades, der ansonsten ostwärts bis zu den [[Große Seen|Großen Seen]] die [[Grenze zwischen Kanada und den Vereinigten Staaten|Grenze zwischen den USA und Kanada]] darstellt. === Flora und Fauna === [[Datei:Camassia quamash 07017.JPG|miniatur|Quamash ([[Essbare Prärielilie|Camassia quamash]]), deren Zwiebeln essbar sind]] Die Gärten und Parks der Stadt gehen auf [[Viktorianisches Zeitalter|viktorianische]] Einflüsse zurück, aber auch auf indianische. Die Briten waren anfangs überrascht, eine Landschaft anzutreffen, die ihren Idealen so nahe kam. [[George Simpson (Kaufmann)|George Simpson]], Gouverneur der [[Hudson’s Bay Company]] (HBC), der diese Stelle als Standort für den Haupthandelsposten aussuchte, sah in der Landschaft mit ihrer parkartigen Erscheinung {{"-en|a perfect Elysium in point of climate and scenery|Übersetzung=ein perfektes [[Elysion|Elysium]] in Bezug auf Klima und Landschaft}}.<ref name="beaconhill">{{Internetquelle |url=http://web.archive.org/web/20070820210452/http://islandnet.com/beaconhillpark/contents/chapter1.htm |titel=Beacon Hill Park History 1842–2004 |autor=Janis Ringuette |datum=2004 |zugriff=2010-03-09 |sprache=englisch}}</ref> Die Wahl des Ortes wurde also maßgeblich vom Landschaftsbild, allerdings auch vom milden Klima und dem natürlichen Hafen beeinflusst. Die Schöpfer dieser Kulturlandschaft um Victoria waren die [[Songhees]], eine zu den [[Küsten-Salish]] zählende ethnische Gruppe, die heute als „Stamm“ anerkannt ist. Sie pflanzten [[Essbare Prärielilie|Camassia quamash]] an, meist vereinfachend als ''Camas'' bezeichnet, eine früher für ein Liliengewächs gehaltene [[Agave]]nart mit blauen Blüten. Ihre [[Zwiebel (Botanik)|Zwiebeln]] schmecken wie sehr süße, gebackene Tomaten, manche auch wie Birnen. Sie haben einen Durchmesser von 4–8&nbsp;cm und wiegen bis über 100&nbsp;g. Besonders dieser Anbau und die Pflege des Bodens verwandelten die Landschaft im Laufe der Jahrhunderte, und gaben ihr den parkartigen Charakter. Zudem war sie ein begehrtes Handelsobjekt. [[Datei:American Robin at Beacon Hill Park.jpg|miniatur|[[Wanderdrossel]] (American Robin)]] Die baumarmen Zonen wurden durch den gezielten Einsatz von Feuer geschaffen. Besonders wichtig war für die Songhees eine bestimmte Eichenart, die Garry-Eiche (''Quercus garryana''), die einem der Nachbarorte ihren Namen gab. Neben dem Grasland bildeten sie ein ganz eigenes [[Ökosystem]], neben von [[Douglasie]]n oder Sümpfen dominierten küstennahen Gebieten. Die Garry-Eiche ist zwischen British Columbia und [[Kalifornien]] verbreitet, wächst aber am besten um Victoria. Sie ist nach Nicholas Garry (ca. 1782-1856<ref>{{DCB|3927|Garry, Nicholas}}</ref> von der Hudson’s Bay Company benannt und wird bis über vierhundert Jahre alt. Um 1800 umfasste dieses System noch rund 15&nbsp;km² im Gebiet von Victoria, heute sind davon nur noch 21&nbsp;ha übrig. Die großen Parks im heutigen Stadtgebiet speisen ihr Erscheinungsbild bis heute aus diesen beiden Wurzeln. Die von den Einwanderern vorgefundene Vegetation entsprach also schon lange nicht mehr dem sonst an der Westküste vorherrschenden [[gemäßigter Regenwald|gemäßigten Regenwald]], der überwiegend aus [[Sitka-Fichte]]n, [[Riesen-Lebensbaum|Riesenlebensbäumen]], [[Westamerikanische Hemlocktanne|Westamerikanischen Hemlocktannen]], Douglasien und [[Pazifische Eibe|Pazifischen Eiben]] bestand. In diesem doppelten Sinn nennt sich die Stadt gern ''Great Victoria – The City of Gardens''. [[Lachse|Lachs]] war die Hauptnahrung der Küsten-Salish. Vor allem [[San Juan Island]] wurde häufig mit Kanus angefahren. Auch andere Fische wie [[Echte Heringe|Hering]] und [[Heilbutt]], aber auch Vögel – Victoria besitzt seit 1923 im Hafenbereich ein 1700 ha großes Schutzgebiet für Zugvögel<ref>{{Internetquelle |url=http://www.cws-scf.ec.gc.ca/habitat/default.asp?lang=en&n=04AEF3A2 |titel=Habitat Conservation. Migratory Bird Sanctuaries - British Columbia |hrsg=Canadian Wildlife Services |datum=2006-02-08 |zugriff=2010-03-09 |sprache=englisch}}</ref> – standen und stehen auf der Speisekarte, dazu [[Muscheln|Muschelarten]] wie ''Tresus nuttallii''. Bis heute spielt Lachs eine wichtige Rolle bei der Ernährung der Stadt und auch der Tourismus profitiert in hohem Maße von der Fauna der Umgebung. Das gilt vor allem für die Wale, die allerdings zunehmend durch schnelle Boote der Walbeobachter ([[Walbeobachtung|Whale watching]]) belästigt werden. Das betrifft vor allem die [[Großer Schwertwal|Orcas]] der ''southern resident population'', einer ortsfesten Population, die aus etwa 80 Tieren besteht.<ref>Jon Lien: The Conservation Basis for the Regulation of Whale Watching in Canada by the Department of Fisheries and Oceans. A Precautionary Approach, Memorial University of Newfoundland, St. John’s 2001, S. 10. Allgemein zu Leitlinien: Carole Carlson: ''A Review of Whale Watch Guidelines and Regulations around the World'', International Fund for Animal Welfare, Yarmouth Port, Massachusetts 2004, S. 32-47. Zu den jüngsten Untersuchungen: C. Scarpaci, M. Lück, E.C.M. Parsons: ''Recent advances in whalewatching research: 2008-2009'', The International Whaling Commission. Einen Eindruck von den Schiffsgeräuschen bekommt man hier: [http://dolphin-space.com/forschung_whale_watching_management.html ''Whale Watching Management'', dolphin space].</ref> === Klima === Wie vor der gesamten Westküste macht sich der Einfluss der [[Kuroshio]]-Strömung stark bemerkbar. Das Klima ist sehr mild; selten steigen die Temperaturen über 30° oder fallen unter 0&nbsp;°C. An durchschnittlich zwei Tagen pro Jahr fällt die Nachttemperatur unter −5&nbsp;°C. Die Sommer sind trocken und die Winter feucht, aber sie sind auch die mildesten in ganz Kanada.<ref>{{Internetquelle |url=http://www.on.ec.gc.ca/weather/winners/element.cfm?lang=e |titel=Weather Winners – Mildest Winter |hrsg=Environment Canada |datum=2003-07-22 |zugriff=2010-03-09 |sprache=englisch}}</ref> Im Jahr fallen durchschnittlich 883&nbsp;mm Niederschlag, während in [[Vancouver]] fast die eineinhalbfache Regenmenge fällt. An der Westküste der Insel hingegen herrschen ergiebige Regenfälle vor, die bis zu achtmal so umfangreich sind wie in Victoria. Im Schnitt fallen 43,79&nbsp;cm Schnee pro Jahr<ref>{{Internetquelle |url=http://www.on.ec.gc.ca/weather/winners/element.cfm?lang=e |titel=Weather Winners – Snowiest City |hrsg=Environment Canada |datum=2003-07-22 |zugriff=2010-03-09 |sprache=englisch}}</ref>, nur selten fallen über 100&nbsp;cm. Jeder dritte Winter ist praktisch ohne Schnee. Dabei erhält die Stadt über 2200 Sonnenscheinstunden pro Jahr. {{Klimatabelle | TABELLE = | DIAGRAMM TEMPERATUR = | DIAGRAMM NIEDERSCHLAG = | DIAGRAMM NIEDERSCHLAG HÖHE = 250 | QUELLE = [http://www.climate.weatheroffice.ec.gc.ca/climate_normals/results_e.html?Province=ALL&StationName=Victoria&SearchType=BeginsWith&LocateBy=Province&Proximity=25&ProximityFrom=City&StationNumber=&IDType=MSC&CityName=&ParkName=&LatitudeDegrees=&LatitudeMinutes=&LongitudeDegrees=&LongitudeMinutes=&NormalsClass=A&SelNormals=&StnId=118& Canadian Climate Normals 1971-2000: Victoria International Airport] | Überschrift = | Ort = Victoria | hmjan = 6.9 | hmfeb = 8.4 | hmmär = 10.5 | hmapr = 13.4 | hmmai = 16.6 | hmjun = 19.3 | hmjul = 21.9 | hmaug = 22 | hmsep = 19.4 | hmokt = 14.2 | hmnov = 9.5 | hmdez = 6.9 | lmjan = 0.7 | lmfeb = 1.4 | lmmär = 2.3 | lmapr = 4.1 | lmmai = 6.9 | lmjun = 9.3 | lmjul = 10.8 | lmaug = 10.8 | lmsep = 8.4 | lmokt = 5.3 | lmnov = 2.7 | lmdez = 1.0 | avjan = 3.8 | avfeb = 4.9 | avmär = 6.4 | avapr = 8.8 | avmai = 11.8 | avjun = 14.4 | avjul = 16.4 | avaug = 16.4 | avsep = 14 | avokt = 9.8 | avnov = 6.1 | avdez = 4 | nbjan = 136.6 | nbfeb = 107.8 | nbmär = 78 | nbapr = 44.5 | nbmai = 36.5 | nbjun = 32 | nbjul = 19.5 | nbaug = 23.9 | nbsep = 30.4 | nbokt = 75.7 | nbnov = 147.2 | nbdez = 151.2 | shjan = 2.2 | shfeb = 3.2 | shmär = 4.6 | shapr = 6.3 | shmai = 7.9 | shjun = 8.4 | shjul = 10.4 | shaug = 9.7 | shsep = 7.3 | shokt = 4.5 | shnov = 2.5 | shdez = 1.9 | wtjan = | wtfeb = | wtmär = | wtapr = | wtmai = | wtjun = | wtjul = | wtaug = | wtsep = | wtokt = | wtnov = | wtdez = | rdjan = 17.8 | rdfeb = 16.1 | rdmär = 16.2 | rdapr = 13.2 | rdmai = 11.6 | rdjun = 10 | rdjul = 5.7 | rdaug = 5.6 | rdsep = 7.4 | rdokt = 13.2 | rdnov = 18.7 | rddez = 18.7 }} == Stadtbild und -gliederung == === Downtown === [[Datei:You_are_here_-_street_sign.jpg|miniatur|Eine der an vielen Stellen aufgehängten Orientierungshilfen in Downtown]] [[Datei:Victoria Harbour, Canada.jpg|miniatur|links|Blick über den Inneren Hafen]] [[Datei:The Postcard View -- Victoria, British Columbia.jpg|miniatur|links|Das Fairmont Empress Hotel von 1905]] Die Innenstadt ''(Downtown)'' mit Fußgängerzone, Lokalen und Geschäften befindet sich östlich des ''Upper Harbour'' und des ''Inner Harbour'', an dem sich die Sehenswürdigkeiten wie die Parlamentsgebäude und das ''Fairmont Empress Hotel'' befinden. Downtown steht überwiegend unter [[Denkmalschutz]], vor allem die vor 1945 errichteten Gebäude.<ref>Der Denkmalschutz sollte im Mai 2008 auf einige jüngere Gebäude ausgedehnt werden. Vgl. Carolyn Heiman: ''City eyes postwar classic buildings for heritage registry'', in: [[Times-Colonist]], 16. Mai 2008.</ref> Aus den ehemaligen Lagerhäusern, Büros, Bars, Bordellen und Hotels sind, ebenso wie aus den Barackensiedlungen der Frühzeit Restaurants, Geschäfte, Pubs und Kunstgalerien geworden. Das ehemalige Gebäude des Provinzgerichts ist heute das ''Maritime Museum'', in dem der Gerichtssaal von 1889 vollständig erhalten ist. Im ''Inner Harbour'' legen Fähren an, wenn auch nur noch die kleinen Schiffe nach [[Port Angeles]] in [[Washington (Bundesstaat)|Washington]]. Dabei macht ihm der eigentliche Stadthafen ''Fisherman's Wharf'' erhebliche Konkurrenz. === Neighbourhoods === 15 ''Neighbourhoods'' bilden die ''City of Victoria'':<ref>Einen groben Überblick bietet (PDF, 228 kB) [http://web.archive.org/web/20070927234913/http://www.city.victoria.bc.ca/common/pdfs/profiles_map_vctra.pdf diese Karte]</ref> Downtown, der älteste Siedlungskern, Chinatown (dort siedelten sich die ersten Chinesen in der Stadt an, von denen Chinatown bis heute stark geprägt ist), Victoria West, North Park, Harris Green, East Burnside-Gorge, Hillside-Quadra, Jubilee, Rockland, Rock Bay, Fairfield, Oaklands, Fernwood und Gonzales, dazu Cook Street Village und Humboldt Valley. Ortsteile wie Fairfield (zwischen [[Beacon Hill Park]] und Oak Bay) haben kleinstädtischen Charakter mit niedriger, meist viktorianischer Bebauung und Alleen. Der Ort geht auf [[James Douglas (Gouverneur)|James Douglas]]’ Fairfield Farm zurück. Ähnlich beruht Fernwood, das bis in die 1850er Jahre nur den Verbindungsweg von dem Songhee-Dorf in der Cadboro Bay zum Fort in Downtown bildete, auf der ''Hillside Farm''. ''Fernwood Manor'', das der Neighbourhood den Namen gab, entstand 1860. Oak Bay (‚Eichenbucht‘) mit ähnlichen Eigenheiten geht ebenfalls auf die Songhees zurück. Der Name leitet sich von den Garry-Eichen ab. Hier residieren zahlreiche vermögende Ruheständler. Bereits im 19. Jahrhundert wehrten sich seine Bewohner gegen jede Industrialisierung. Ursprünglich hatte die Hudson’s Bay Company hier eine Viehfarm errichtet, die der Versorgung des Forts diente, die ''Cadboro Bay Farm''. Zu James Bay gehören mehrere Parks. Von Downtown südostwärts, vorbei am [[Royal British Columbia Museum]], mit [[Thunderbird Park]] und [[Helmcken House]], trifft man auf den bekanntesten, den Beacon Hill Park, der sich auf 75 ha bis an die Küste, also an die [[Juan-de-Fuca-Straße]], erstreckt, die einen Teil der [[Salish Sea]] bildet, die Vancouver Island vom Festland trennt. Der nach einem kleinen Hügel im Kernbereich benannte Park (dort befand sich als ''beacon'' oder Bake, bzw. Leuchtfeuer, ein Fass auf einem Knüppel, um vor dem Felsen von Brotchie Ledge zu warnen) wurde bereits 1882 eingerichtet, war jedoch schon seit 1858 ein geschütztes Gebiet. Es war eine Begräbnisstätte der lokalen Indianer, zu deren Ehren [[Mungo Martin]], der auch federführend den Thunderbird Park gestaltete, 1956 einen 38,8 m hohen Totempfahl errichtete. Dies war die Gegend, von der James Douglas bei seiner ersten Exploration 1842 so begeistert war: „The place itself appears a perfect ‘Eden’ in the midst of the dreary wilderness of the North …“ („Der Ort selbst erscheint als perfekter Eden inmitten der trübseligen Wildnis des Nordens …“).<ref>{{Literatur | Autor=James Douglas, James Hargrave | Herausgeber=G. P. de T. Glazebrook | Titel=The Hargrave Correspondence | Jahr=1843 | Seiten=420}}</ref> Zu dieser Zeit lebten die rund 1.600 Songhees in zwei Dörfern am Esquimalt Harbour und in der Cadboro Bay. Zwar bestanden im Beacon Hill Park keine Siedlungen, doch kurze Zeit davor stand vor Beacon Hill eine Verteidigungsanlage am Finlayson Point (erbaut um 950), dazu am Holland Point im Südwesten und am Clover Point im Nordwesten des Parks. [[James Deans]], der als erster [[Archäologie|Archäologe]] der Stadt gilt, entdeckte 1871 allein im Parkgebiet 23 Begräbnisstätten (''cairns''). Die meisten wurden zerstört, doch 1986 wurden vier von ihnen restauriert. Schon die Indianer spielten im Park ein [[Hockey|hockeyartiges]] Ballspiel namens ''qoqwialls'', das mit Eichenstöcken gespielt wurde. Einer der ältesten Arbeitgeber der Stadt, die Brauerei ''Vancouver Island Brewery'', befindet sich im nördlich von Downtown gelegenen Rock Bay. Insgesamt macht sich hier die [[Industrialisierung]] viel stärker bemerkbar, und erst langsam beginnt die Beseitigung ihrer negativen Auswirkungen.<ref>{{Internetquelle |url=http://www.mala.ca/history/victoria/17.htm |titel=Victoria in the dawn of a new century, 1901. Rock Bay (District 17) |hrsg=Vancouver Island University |datum=März 2003 |zugriff=2010-03-09 |sprache=englisch}}</ref> === Capital Regional District === Nachbarorte im [[Capital Regional District]] sind [[Esquimalt (British Columbia)|Esquimalt]], [[Oak Bay]] und [[Saanich (British Columbia)|Saanich]], wobei letzteres wieder in North und Central Saanich, in Saanich South und East aufgeteilt ist. Eine eigene Gemeinde bildet das im Norden gelegene [[Sidney (British Columbia)|Sidney]], von wo Fähren zum Festland (nach [[Anacortes]]) ablegen. Der [[Flughafen Victoria International|internationale Flughafen]] und Fähranleger nach [[Vancouver]] liegen ebenfalls nahe beim 11.000-Einwohner-Ort, der auch „Sidney by the Sea“ genannt wird. Oak Bay, nach der charakteristischen Garry-Eiche benannt, hat über 18.000&nbsp;Einwohner, liegt an der Ostküste und wird als „Tweed Curtain“ bezeichnet, um seine besonders englischen Eigenarten – Teehäuser, britische Süßigkeiten usw. – zu betonen.<ref>[http://www.oakbayvillage.ca/history/tweed_curtain.html Oak Bay Villageg, Behind the Tweed Curtain]</ref> Mit knapp 110.000&nbsp;Einwohnern ist [[Saanich (British Columbia)|Saanich]] nicht nur erheblich größer, wenn auch ähnlich britisch, sondern auch weniger ländlich. Es beherbergt die [[University of Victoria|Universität von Victoria]] mit über 18.000&nbsp;Studenten, das ''[[Dominion Astrophysical Observatory]]'', das bis 1918 das größte Teleskop der Welt besaß, und das renommierte ''Horticulture Centre of the Pacific''. Der Ortsname geht auf die dort ansässigen Küsten-Salish zurück, die [[Saanich (Volk)|Saanich]]. Zum Regional District gehören auch ländliche Bezirke wie der ''District of Highlands''. Hier ist es bereits kühler und erheblich feuchter als in Victoria. Der ''Lone Tree Regional Park'' ist Höhepunkt eines Ökosystems, das seit 1966 zunehmenden Schutz genießt, obwohl dies immer wieder mit Grundstücksspekulationen kollidiert. Es besteht aus insgesamt 30 Parks und Wanderpfaden.<ref>{{Internetquelle |url=http://www.crd.bc.ca/parks/facts.htm |titel=Park Facts |hrsg=Capital Regional District |zugriff=2010-03-09 |sprache=englisch}}</ref> Der ''District of Langford'' mit 18.000&nbsp;Einwohnern wurde erst 1992 eingegliedert. Zu ihm gehören der Glen Lake, das Happy Valley, der Florence Lake, der Ort [[Langford (British Columbia)|Langford]] selbst, die Thetis Heights und das Goldstream-Gebiet. Wie in vielen ländlichen Gebieten stellt auch hier die [[Royal Canadian Mounted Police]] die Polizei. Die Bewohner haben meist eigene Brunnen, und ähnlich wie die Highlands trägt auch dieses Gebiet zur Trinkwasserversorgung Victorias bei. Südlich bis zur Küste schließt sich der ''District of Metchosin'' an, der kaum 4.800&nbsp;Einwohner zählt und 1984 eingegliedert wurde. Zu ihm gehören Albert Head, William Head, Rocky Point, das Happy Valley und das Gebiet um die Kangaroo Road. Hier hat das ''Pearson College'' seinen Sitz. In den letzten Jahren kam es in diesen ländlichen Gebieten häufig zu Auseinandersetzungen wegen des Baus von Golfplätzen, Straßen und neuer Siedlungen, die das Ballungsgebiet immer weiter ausdehnen. [[Datei:East Sooke Park BC.jpg|miniatur|Küste im East Sooke Park]] Westlich schließt sich der 1999 eingegliederte ''District of Sooke'' mit knapp 10.000&nbsp;Einwohnern an. Hier ballen sich Parks wie der ''Galloping Goose Linear Park'', der ''East Sooke Park'' (mit 1.422 ha Fläche der größte Park im Ballungsraum)<ref>[http://www.eastsookepark.com/ East Sooke Park]</ref>, ''Sooke Pot Holes'', dazu kommt der ''Sooke Harbour''. Der bekannteste Wanderweg der Westküste, der ''[[West Coast Trail]]'', hat hier Richtung [[Renfrew (British Columbia)|Renfrew]] seinen Zugang. Dazu kommt der [[Juan de Fuca Marine Park]] bis Jordan River. Die westlich des Ballungsraums Victoria vorgelagerten Bezirke von Malahat, dem der [[Malahat|gleichnamige Stamm]] seine Bezeichnung verdankt, Shawnigan Lake und Mill Bay sind infrastrukturell noch kaum mit Victoria verbunden und sehr ländlich. Nach der Volkszählung von 2006 hatten die Orte und Distrikte im Capital Regional District folgende Einwohnerzahlen:<ref>{{Internetquelle |url=http://www12.statcan.ca/census-recensement/2006/dp-pd/prof/92-591/details/Page.cfm?Lang=E&Geo1=CMA&Code1=935__&Geo2=PR&Code2=59&Data=Count&SearchText=victoria&SearchType=Begins&SearchPR=01&B1=All&Custom= |titel=Community profiles |hrsg=[[Statistics Canada]] |werk= |seiten= |datum=2010-02-05 |zugriff=2010-03-09 |sprache=englisch |kommentar=„Geographic hierarchy“ anklicken und dem Link im neuen Fenster folgen. Dort die gewünschten Ortsnamen suchen}}</ref> {| class="wikitable" ! style="background:#efefef;" | CRD-Gebiet ! style="background:#efefef;" | Einwohner |- | Saanich || align="right" | 108.265 |- | Victoria || align="right" | 78.057 |- | Langford || align="right" | 22.489 |- | Oak Bay || align="right" | 17.908 |- | Esquimalt || align="right" | 16.840 |- | Central Saanich || align="right" | 15.745 |- | Colwood || align="right" | 14.687 |- | Sidney || align="right" | 11.315 |- | North Saanich || align="right" | 10.823 |- | Sooke || align="right" | 9.704 |- | View Royal || align="right" | 8.768 |- | Metchosin || align="right" | 4.795 |- | Reservate der First Nations <br />(nur z. T. im CRD)<ref>Eine Karte der Reservate findet sich [http://www.crd.bc.ca/regionalplanning/maps/documents/Indian_Reserves_2001.pdf hier] (PDF, 29,7 kB).</ref> || align="right" | 4.562 |- | Juan de Fuca Electoral Area <br />(nur z. T. im CRD) || align="right" | 3.801 |- | Highlands || align="right" | 1.674 |- |} == Geschichte == → ''Siehe auch: [[Geschichte der Küsten-Salish]], [[Geschichte British Columbias]] === Frühgeschichte der Region === [[Datei:TotemPoleVictoriaBC-2.jpg|miniatur|Totempfahl vor dem [[Royal British Columbia Museum]]]] Die regionalen Indianerkulturen lassen sich mindestens 4000 Jahre zurückverfolgen, die Besiedlung dürfte früher eingesetzt haben. Zwischen etwa 500 und 1000 n. Chr. ist ein Kennzeichen dieser südlichen [[Küsten-Salish]]-Gruppen um Victoria eine große Zahl von Steinhaufengräbern ''(cairns)'', auch ''burial mounds'' (Begräbnis-[[Mound]]s) genannt. Allein in der Rocky Point Area westlich von Victoria finden sich heute rund 400 dieser ''cairns''. Sie sind in der Landschaft nicht immer leicht zu erkennen und bieten häufig Anlass zu Auseinandersetzungen (auch gerichtlichen), da sie eine städtebauliche Tabuzone darstellen, ähnlich wie die [[Indian reserve|Reservate]] und die [[Provinzpark]]s. Die Gesellschaften, die diese Monumente hervorgebracht haben, basierten auf [[Jäger und Sammler|Sammeln und Jagd]], die in saisonalen Wanderzyklen erfolgten. Dabei bestand – ähnlich wie im zeitgenössischen Europa – eine Dreiteilung der Gesellschaft in einen ökonomisch, kultisch und politisch vorherrschenden „Adel“, dann die einfachen Stammesangehörigen und schließlich Sklaven.<ref>Das Thema der indianischen Sklaverei wurde erst von Leland Donald: ''Aboriginal Slavery on the Northwest Coast of North America'', University of California 1997 erstmals dargestellt.</ref> Die Winterdörfer bestanden aus großen [[Langhaus (Wohngebäude)|Langhäusern]], die meist aus dem Holz des [[Riesen-Lebensbaum|Riesenlebensbaums]] erbaut wurden. Große, oft stammesübergreifende Zeremonien wie das [[Potlatch]] befestigten die soziale Stellung der Stammesmitglieder und dienten zugleich dem Reichtumsausgleich durch Verschenken. Prinzipiell steht die Stadt, abgesehen vom Parlamentsgebäude, dessen Grund 2006 von der Stadt gekauft wurde, bis heute auf Indianergebiet. Die Entschädigungsverhandlungen sind noch in einem frühen Stadium. Am Finlayson Point fand man ein befestigtes Winterdorf der [[Songhees]] aus der Zeit vor 1800, das überwiegend aus Langhäusern bestand. Ihre Siedlungen reichten von Songhees Point bis zur heutigen Johnsons Street Bridge. Da wo heute das Delta Hotel steht, stand das Langhaus des Häuptlings [[Cheetlam George]].<ref>[http://www.victoriawest.ca/default.aspx?PageID=1008 Victoria West]</ref> Songhees Point, am Eingang zum Inner Harbour, hieß Pallatsis, also „Wiegenplatz“, denn dort ließen die Kinder, die laufen gelernt hatten, ihre Wiegen zurück, was ihnen ein langes Leben sichern sollte. Das heutige Stadtgebiet war also von den Songhees oder Lekwungen bewohnt, die eine vielschichtige Kulturlandschaft geschaffen hatten, als [[James Cook]] 1778 als erster Brite den Boden des späteren Britisch Columbia betrat. Nur vier Jahre zuvor hatte Spanien das Gebiet offiziell in Besitz genommen, musste es jedoch 1794 endgültig aufgeben. Am 30. Juni 1790 erreichte der Spanier [[Don Manuel Quimper]] das heutige [[Esquimalt (British Columbia)|Esquimalt]], beanspruchte es für Spanien und nannte es ''Puerto de Cordova''. Erst die Teilnehmer der Expedition [[George Vancouver]]s betraten als erste Europäer das Gebiet des heutigen Victoria. === Fort Camosun === [[Datei:Fort Victoria watercolour.jpg|miniatur|links|Fort Victoria, Südwestbastion, Sarah Crease, 1860]] 1842 suchte der spätere Gouverneur [[James Douglas (Gouverneur)|James Douglas]] einen geeigneten Ort für eine größeren Handelsposten und besuchte daher [[Sooke]], [[Beecher Bay]], [[Metchosin]], Esquimalt und den späteren Hafen von Victoria. Ihm schien der letztere Platz optimal zu sein. 1843 begann die europäische Besiedlung. In diesem Jahr wurde am 4. Juni der Bau von ''Fort Camosun'', einem Handelsposten der [[Hudson’s Bay Company]] begonnen, der später als ''Fort Victoria'' bezeichnet wurde – nicht zu verwechseln mit dem in den heutigen USA gelegenen [[Fort Victoria]]. Camosack bzw. Camosun ist die anglisierte Form des Songhee-Wortes ''Kuo-sing-el-as'', das die starken Fasern des Pazifischen Weidenbaums (''Salix lucida'', Unterart ''lasiandra''), einer nur zwischen [[Alaska]] und Kalifornien vorkommenden Art, bezeichnete. Netze aus diesen Fasern dienten vorrangig dem Fischfang. Das Indianerdorf neben dem Fort wurde bereits 1844 umgesiedelt – erstmals erfahren wir, dass sie entgegneten, das Land sei ihres -, 1853 erhielt der Stamm ein Reservat. 1.200 von ihnen halfen beim Setzen der Schanzpfähle. Ihre Gesamtzahl wird auf 1.600 geschätzt.<ref name="beaconhill"/> Um dem Fort näher zu sein, das Arbeits- und Handelsmöglichkeiten bot, zogen die Indianer zunächst in ein Dorf namens Skosappsom, das dort stand, wo sich heute das Gebäude der [[Legislativversammlung von British Columbia|Legislativversammlung]] befindet. Viele zogen aus der Cadboro Bay weg und bauten Häuser an der Johnson Street, wo heute das Empress Hotel steht. Ihr Hauptdorf lag jedoch auf der dem Fort gegenüberliegenden Hafenseite, in Schussweite der Kanonen. Vergebens versuchten die Indianer 1845 den Zwischenhandel zu monopolisieren, indem sie anderen Händlern ihre gegen Pelze eingetauschten Waren raubten. Anfangs brauchten die 40 Briten nur wenig Land, doch bereits 1855 waren im heutigen Beacon Park rund 160 [[Acre (Einheit)|acres]] unter den Pflug genommen worden. Derweil verzehrten die Schweine und Schafe die ''Camas''-Pflanzen der Songhees. Außerdem verloren die Songhees im Park zahlreiche Begräbnisstätten, einem Gebiet, das James Douglas bereits 1849 als ''Park Reserve'' betrachtete. Als die Songhees einige Tiere töteten, richtete Roderick Finlayson, Leiter des Forts, eine Kanone auf das Haus des Häuptlings, warnte die Bewohner, und ließ das Haus zusammenschießen. === Kronkolonie, Goldsucher === [[File:Craigflower manor fr.jpg|miniatur|Craigflower Manor]] Nach der Gründung der [[Vancouver Island (Kolonie)|Kronkolonie Vancouver Island]] im Jahr 1849 wurde die Siedlung weiter ausgebaut<ref>Die ''Victoria Heritage Foundation'' hat eine chronologisch geordnete Liste der frühen Gebäude angefertigt, die noch existieren (PDF, 20 kB): [http://web.archive.org/web/20070126013948/http://www.victoriaheritagefoundation.ca/Content/Chronological+Index2004+for+Web.pdf ''Index of Properties in Chronological Order'', 2007]. Die Stiftung bietet seit 2009 einen [http://www.victoriaheritagefoundation.ca/buildingdates.html ''Chronological Index of Buildings in Residential Neighbourhoods on City’s Heritage Register to 30 March 2009'']</ref> und zur Hauptstadt ernannt. Die Hudson’s Bay Company hatte die Insel unter der Maßgabe übernommen, für die Besiedlung zu sorgen. Bereits 1846 war am Mill Stream nördlich des Stadtkerns eine erste Sägemühle entstanden. Die Hudson’s Bay Company bemühte sich zugleich, den ausschließlich auf Handel basierenden Aktivitäten neue hinzuzufügen und gründete die ''Puget Sound Agricultural Company''. Diese Landwirtschaftsgesellschaft erhielt von der Hudson’s Bay Company am 17. Mai 1854 Land auf dem Gebiet der Kosapsom, der heutigen [[Esquimalt|Esquimalt Nation]]. Damit entstand die erste Farm auf Vancouver Island, die [[Craigflower Manor|Craigflower Farm]], die bis heute besteht und als historisches Erbe unter Schutz steht. [[Datei:Passengers embarking for Klondike from Victoria BC on steamship Bristol 1897.JPG|thumb|Passagiere besteigen die ''Bristol'' zur Fahrt nach Norden]] [[Datei:Island (steamship) leaving Victoria for Klondike 1897.JPG|miniatur|left|Goldsucher verlassen Victoria 1897 auf dem Dampfer ''Island'', der Richtung Klondike fährt]] Ab 1852 setzte sich eine anfangs schwache, dann anschwellende Besiedlungswelle nach Norden in Bewegung, nachdem [[London]] der Kolonie den Verkauf unbewohnten Landes gestattet hatte. Nach Goldfunden auf dem Festland ([[Fraser-Canyon-Goldrausch]] ab 1858) wurde Victoria zur Versorgungsbasis der Schürfer. Die 300-Einwohner-Stadt wuchs binnen weniger Monate auf über 5.000 an, so dass sich hier erstmals eine Tageszeitung halten konnte, die bezeichnenderweise ''[[Times-Colonist|The British Colonist]]'' hieß. Weitere 10.000 bis 20.000 Menschen nahmen hier nur kurzzeitig Aufenthalt, um weiter nordwärts Richtung [[Yale (British Columbia)|Yale]] zu ziehen. Allein im Sommer 1858 entstanden in Victoria 225 Gebäude.<ref>{{Literatur | Autor=Terry Reksten | Titel=More English than the English. A Very Social History of Victoria | Verlag=Laird Books | Ort=Regina | Jahr=1988 | Seiten=43 | ISBN=0-920501-03-6}}</ref> 1859 baute die Hudson’s Bay Company ein neues Warenhaus, erstmals aus Ziegeln, wo die Goldschürfer Mehl, Pfannen, Stiefel, Decken und Munition kauften. Dahinter entstand die ''Commercial Row'', eine Reihe von Läden. Um die stark angewachsene Investitionsbereitschaft weiter zu verstärken, wurde die Stadt 1860 zum [[Freihafen]] erklärt. Gleichzeitig entstanden Polizeibaracken und ein großes Gefängnis, mit dessen Hilfe man versuchte, die gesetzlosen Männer unter Kontrolle zu halten. Dazu kamen 1859 und 1860 drei Feuerwehrbrigaden. Die Goldsucher fanden sich bei James Yates ein, der bereits 1853 die erste Gastwirtschaft, ''The Ship Inn'', in Victoria eröffnet hatte. Weiter nordwärts, am Stadtrand, befanden sich die Spelunken der Johnson Street, die meisten gehörten [[Alfred Waddington]]. Bis zum [[Klondike-Goldrausch]] waren die Bürgersteige und Häuser aus Holz. Die Nachfolgebauten aus der Zeit um 1900 stehen überwiegend noch heute. Vierzig Jahre lang prägte der Goldrausch durch Funde an verschiedenen Stellen die Stadt. 1862 wählte die nun als Stadt anerkannte Siedlung ihren ersten Bürgermeister Thomas Harris. Land wurde in Auktionen versteigert. Erste Gaslichter wurden installiert, die die Eingänge von [[Saloon]]s beleuchteten und bald an jeder Straßenkreuzung standen. Den Mangel an Frauen versuchte man durch Anwerbung von Heiratswilligen zu mildern, wie im September 1862, als die ''Tynemouth'' 61&nbsp;junge Frauen am Hafen absetzte. 1864 konnte man, da die katastrophale [[Pockenepidemie an der Pazifikküste Nordamerikas 1862|Pockenepidemie von 1862]] die kriegerischen Stämme des Nordens stark dezimiert hatte, das alte Fort abreißen und die Grundstücke verkaufen. [[File:Steamboat captain's protest against habeas order.jpg|miniatur|Protestanzeige eines US-Kapitäns gegen die Befreiung eines Sklaven von seinem Schiff in einer Washingtoner Zeitung]] Die meisten Zuwanderer kamen aus [[Kalifornien]]. Der Einfluss der USA wuchs – obwohl diese bereits 1846 auf ihre Ansprüche verzichtet hatten – und in gleichem Maße die Sorge, dass dies auch politische Folgen haben könnte. Die Ansiedlung der Flotte im nahe gelegenen Esquimalt dürfte damit in Zusammenhang gestanden haben. Darüber hinaus kam es wegen amerikanischer Sklaven, die geflohen waren, zu Auseinandersetzungen. So setzte der Sheriff von Victoria im September 1860 unter Androhung von Gewalt durch, dass ein geflohener „negro“ namens „Charlie“ nicht wieder in die USA zurückgebracht wurde. Doch gelang es der Hudson’s Bay Company unter Führung des Gouverneurs James Douglas während des folgenden [[Cariboo-Goldrausch]]s (ab 1861), den Goldsucherstrom über Vancouver und das Fraser-Tal abzulenken und politisch unter Kontrolle zu halten. Zugleich förderte er die Zuwanderung aus Europa, besonders aus England. Zusätzlich brachte ein kurzer Goldrausch am nahe gelegenen Leech River (1864) Goldschürfer nach Victoria, die Richtung Sooke zogen, und für die eine erste Straße gebaut wurde. Dort entstand Leechtown, wo noch heute in bescheidenem Ausmaß Gold gefunden wird.<ref>Der historische Grabungsort ist über den ''Galloping Goose Regional Trail'' zu erreichen, der Victoria seit 1987 mit der Geisterstadt Leechtown verbindet. Eine Broschüre findet sich hier (PDF, 1,3 MB): [http://www.crd.bc.ca/parks/documents/galloping_goose_lochside_brochure.pdf Galloping Goose and Lochside Regional Trails brochure].</ref> Mit dem Wachstum verlor die Hudson’s Bay Company nach und nach ihren Einfluss. Aus dem Handelsposten war binnen 25 Jahren die wichtigste Stadt an der Westküste des britischen Nordamerika geworden. === Songhees === 1853 wurde das Siedlungsgebiet der [[Songhees]] verkleinert, doch sicherte ihnen Gouverneur [[James Douglas (Gouverneur)|James Douglas]] vertraglich zahlreiche Nutzungs- und Schutzrechte zu – eine der wenigen vertraglichen Abmachungen mit den [[First Nations]] in der Provinz. Hingegen wurden im übrigen Kanada Verträge wie die [[Numbered Treaties]] geschlossen. Von Anfang an entwickelte sich eine enge Kooperation zwischen der Siedlung und den Songhees, die beim Aufbau des Forts geholfen hatten, sowie den anderen Stämmen der [[Küsten-Salish]], auch jenseits der [[Salish Sea]].<ref>{{Internetquelle |url=http://www.royalbcmuseum.bc.ca/exhibits/journeys/english/city_2_2a.html |titel=First Nations in the City |hrsg=Royal BC Museum |zugriff=2010-03-09 |sprache=englisch}}</ref> Viele brachten [[Pelzarten#Otter|Otter]]- und [[Pelzarten#Biber|Biberfelle]], [[Tran]] und [[Fett]] zum Handeln mit und versorgten die Stadt mit Baumaterial, Arbeitskraft und Lebensmitteln. Ihre Kanus beförderten die Post. 1859 kampierten über 2.800 Indianer nahe der Stadt, davon vielleicht 600 Songhees. Die übrigen waren [[Haida (Volk)|Haida]] (405), [[Tsimshian]] (574), Stikine River [[Tlingit (Volk)|Tlingit]] aus Südalaska (223), Duncan [[Cowichan]] (111), [[Heiltsuk]] (126), [[Pacheedaht]] (62) und [[Kwakwaka'wakw]] (44). Doch diese Art der Kooperation brach 1862 binnen weniger Wochen durch eine [[Pockenepidemie an der Pazifikküste Nordamerikas 1862|katastrophale Pockenepidemie]] zusammen, die fast alle Stämme zwischen Washington und Alaska traf. James Douglas schätzte schon die Masern von 1848 als für die Songhees schlimmer ein als die Pockenepidemie von 1836. Im Jahr 1853 starben abermals 10 % der Songhees, doch ist unklar, ob es Masern oder Pocken waren. Die Songhees wurden von der Epidemie von 1862 jedoch weitgehend verschont, da Dr. [[John Sebastian Helmcken]] mehrere hundert von ihnen impfen konnte. Die dezimierten Indianer wurden ab 1876 in Reservaten zusammengefasst – um Victoria gehörten sie zur ''Cowichan Indian Agency''<ref>{{Internetquelle |url=http://www.rootsweb.ancestry.com/~canbc/1901vic_cen/cowichan.htm |titel=Cowichan Indian Agency |hrsg=Rootsweb |zugriff=2010-03-09 |sprache=englisch}}</ref>, die große Teile der Insel umfasste -, und unterlagen fortan wie in ganz Kanada einer eigenen Gesetzgebung, dem [[Indian Act]]. 1911 siedelten die Songhees auf der Basis eines noch heute gültigen Vertrags in die Gegend von Esquimalt um. Esquimalt wurde 1865 zum Stützpunkt der kanadischen Flotte im Pazifik. Die wachsende Handelsflotte Victorias, immerhin 59 [[Schoner]], basierte selbst 1894 noch zu erheblichen Teilen auf indianischer Arbeitskraft. 518 der 1.336 Beschäftigten waren Indianer. Allein bei der Robbenjagd im Jahr 1901, bei der 39 Schiffe beteiligt waren, die insgesamt über 23.000 Tiere im Nordpazifik erbeuteten (weniger als ein Drittel vor British Columbia), waren zahlreiche Kanus beteiligt. In ihnen arbeiteten 236 Männer – wohl ausschließlich Indianer, die 1.268 Tiere erlegten. „Weiße“ waren rund 440 beschäftigt.<ref>{{Internetquelle |url=http://www.rootsweb.ancestry.com/~canbc/1901vic_cen/sealing.htm |titel=1901 Sealing Report |hrsg=Rootsweb |zugriff=2010-03-09 |sprache=englisch}}</ref> [[Datei:James douglas 3.jpg|miniatur|Grabmal für James Douglas auf dem Ross Bay Cemetery]] === Politischer Aufstieg und vorenthaltene Industrialisierung === Ab 1862 war Victoria eine Stadt mit gewähltem Bürgermeister.<ref>Eine Fotografie von Fort Victoria von 1862 (BC Archives): [http://www.bcarchives.gov.bc.ca/cgi-bin/www2i/.visual/img_med/dir_68/a_00903.gif Bastion of Fort Victoria, southwest corner of Fort.].</ref> Nach der politischen Vereinigung der [[Vancouver Island (Kolonie)|Kronkolonie Vancouver Island]] mit der 1858 geschaffenen [[British Columbia (Kolonie)|Kronkolonie British Columbia]] wurde Victoria 1868 Hauptstadt der [[Vereinigte Kolonien von Vancouver Island und British Columbia|Vereinigten Kolonien von Vancouver Island und British Columbia]], aus der drei Jahre später die kanadische Provinz [[British Columbia]] hervorging. [[James Douglas (Gouverneur)|James Douglas]] wurde der zweite Gouverneur der Kolonie (bereits 1851 von Vancouver Island, 1858 der Kronkolonie British Columbia). Ihm folgte [[Arthur Edward Kennedy]] bis 1864. Zunächst wehrten sich die politischen Vertreter gegen den Beitritt zur [[Kanadische Konföderation|Kanadischen Konföderation]]. Doch vor allem [[John Sebastian Helmcken]], der die Bahnverbindung zur Vorbedingung für den Beitritt zu Kanada gemacht hatte, und [[Joseph William Trutch]] setzten sich schließlich erfolgreich dafür ein. Endpunkt der Eisenbahn war das schnell wachsende Vancouver, das Victoria bald den Rang als Wirtschaftszentrum des Westens ablief. [[Datei:Members of the Legislature of British Columbia, 1900.jpg|miniatur|Mitglieder der Legislativversammlung, 1900]] Die erste Tagung der [[Legislativversammlung von British Columbia|Legislativversammlung]] von Vancouver Island fand 1856 in Fort Victoria statt. Drei Jahre später entstanden erste Regierungsgebäude an der James Bay, South Fork, die als „Vogelkäfige“ bezeichnet und erst 1897 durch das heutige Parlamentsgebäude ersetzt wurden. Außer von 1866 bis 1868, als für kurze Zeit [[New Westminster]] Hauptstadt war, tagte hier die Provinzregierung. Das heutige Gebäude wurde 1898 eingeweiht. Bereits 1890 war das seit 1875 von John Teague entworfene Rathaus, die ''City Hall'', im Stil des ''[[Zweites Kaiserreich|Second Empire]]'' fertiggestellt worden. Der erste [[Volkszählung|Zensus]] wurde 1871 in Victoria durchgeführt, 1881 auf ganz Vancouver Island, erneut 1891 und 1901.<ref>Hier die Ergebnisse der [http://vihistory.uvic.ca/content/documents/abstract1901.php Zählung von 1901]</ref> British Columbia hatte demnach 176.546 Einwohner, davon knapp 21.000 in Victoria, von denen 333 angaben, „Indians“ zu sein. Zählt man alle Menschen zusammen, die als „rot“ bezeichnet wurden, so ergibt sich eine Gesamtzahl von 532.<ref>Eine Liste der so bezeichneten Personen findet sich [http://www.rootsweb.ancestry.com/~canbc/1901vic_cen/indian.htm hier].</ref> Ab 1861 erlebte Vancouver Island einen erneuten Zuwanderungsschub, als der [[Cariboo-Goldrausch]] ausbrach. Über die ''Cariboo Wagon Road'' wanderten in den nächsten Jahren über 100.000&nbsp;Männer Richtung [[Barkerville]], doch der überwiegende Teil von ihnen landete zunächst in Vancouver, nicht in Victoria. Nicht nur Goldfunde (wie bei Sooke), auch Kohlefunde lockten zahlreiche Menschen an, dazu Holzeinschlag, Fischfang und Landwirtschaft. Später kamen zu diesen sich schnell entwickelnden Industrien weitere hinzu, zunächst vor allem der Eisenbahnbau. Die Baustellen der ''[[Canadian Pacific Railway]]'' und der ''[[Esquimalt and Nanaimo Railway]]'' zogen Tausende an. Dazu kam eine beginnende Urbanisierung um Victoria, das 1901 bereits 20.919 Einwohner hatte.<ref>{{Internetquelle |url=http://vihistory.uvic.ca/content/documents/abstract1901.php |titel=Population of British Columbia, 1901, according to electoral divisions |hrsg=ViHistory |datum=März 2002 |zugriff=2010-03-09 |sprache=englisch}}</ref> [[Datei:Esquimalt-steamer.jpg|miniatur|Schaufelraddampfer ''Alexandra'' in Esquimalt nach der Ausschlachtung (nach 1874)]] Mit dieser wachsenden Einwohnerzahl erhielten die Industriezweige Transport und Kommunikation wiederum starke Impulse. 1880 installierte die ''Victoria and Esquimalt Telephone Company'' eine erste Telefonleitung zwischen der Hauptstadt und Esquimalt, 1886 wurde die ''Esquimalt and Nanaimo Railway'' nach [[Nanaimo]] fertiggestellt. Die ''R.P. Rithet'', ein Dampfboot, fuhr den [[Fraser River]] aufwärts bis nach [[Yale (British Columbia)|Yale]]. Aber auch die Bauindustrie wuchs und schließlich mit ihr zusammenhängende Zweige wie die Möbelindustrie. Pionier war hierbei John J. Sehl, der ein Möbelgeschäft in der Government Street betrieb. Geboren 1832 in Deutschland, kam er mit zwölf Jahren nach New York, war 1849 in Kalifornien, später am Fraser und bei Sooke als Goldsucher tätig, heiratete eine Indianerin namens Elizabeth (Van Allman) aus [[Iowa]]. In Victoria betrieb er bis zu seinem Tod am 18. Juni 1904 die ''Sehl Furniture Company'', die sein Sohn John L. Sehl fortführte, der ebenfalls eine Indianerin heiratete (Celia Tiber aus [[North Dakota]]). Ein zweiter Deutscher, John Weiler aus [[Nassau (Lahn)|Nassau]] (geb. 1824), hatte einen ähnlichen Weg hinter sich und gründete nach 1861 ebenfalls ein Möbelunternehmen, das schließlich zum größten in der Provinz aufstieg. [[Datei:James dunsmuir 1.jpg|miniatur|Grabinschrift für James Dunsmuir auf dem Ross Bay Cemetery]] Zunehmend beherrschten jedoch Industrielle, allen voran [[Robert Dunsmuir]] mit seinen Beteiligungen an Kohlegruben und Eisenbahnbauten, die Hauptstadt. Sein Sohn [[James Dunsmuir]] wurde sogar Premierminister und [[Vizegouverneur]] der Provinz. Der Bauboom dieser bis zum [[Erster Weltkrieg|Ersten Weltkrieg]] andauernden Prosperitätsphase prägt bis heute das Stadtbild, das ausgesprochen [[Viktorianisches Zeitalter|viktorianisch]] wirkt. Dabei dominierten beim privaten Hausbau Holzhäuser und im öffentlichen Bereich Ziegelbauten. Die umliegenden Städte wuchsen zunehmend mit der Metropole zusammen, wie etwa [[Esquimalt (British Columbia)|Esquimalt]], der ''Oak Bay District'' und weitere Orte auf der Saanich-Halbinsel, der Heimat der namengebenden [[Saanich (Volk)|Saanich]], denen man 1877 ein Reservat zuwies. Postverbindungen bestanden nach [[San Francisco]] (dreimal monatlich per Dampfboot) und [[Portland (Oregon)|Portland]], eine Telegrafenleitung via Nanaimo verband die Stadt ebenfalls mit dem Festland. Die Wasserversorgung erfolgte vom Elk Lake her. 1884 installierte man die ersten elektrischen Leuchten. Es entwickelte sich eine industrielle Struktur mit den Schwerpunkten [[Brauerei]] (die erste war die ''Lion Brewery'', die bis nach San Francisco exportierte, 1858 entstand die Brauerei für Lager- und Bockbier von ''Joseph Loewen and L. E. Erb''), Eisen- und Blechverarbeitung, Seifenproduktion, Schuhe (die erste Schuhfabrikation begann Maurice Carey in der Yates Street)<ref>Sarah Crease skizzierte die Yates Street am 2. Oktober 1860: [http://www.bcarchives.gov.bc.ca/exhibits/timemach/galler01/frames/index.htm Yates Street No. 4, BC Archives PDP02894]</ref>, Handschuhe und Stiefel, Streichhölzer und Zigarren (John Kurtz' ''White Labor Cigar Factory'' produzierte [[Habano|Havanna-Zigarren]]). Auch der Tourismus setzte bereits ein, Hotels entstanden,<ref>Eines der ältesten Hotels war das ''Occidental Hotel'' an der Ecke Johnson/Wharf Street, das 1865 fotografiert wurde. Das Foto befindet sich heute in den [[British Columbia Archives]]: [http://web.uvic.ca/~hist66/Quantz/wharf15.gif Occidental Hotel].</ref> auch als Ziegelbauten, und sogar Kutschenverleihe waren profitabel. Der gehobene Lebensstil machte die Stadt bald zu einem wichtigen Konsumzentrum, nicht nur für Rohmaterialien, sondern zunehmend auch für Importwaren, wie etwa Tee. Dabei war die Fluktuation in der Stadt, die um 1882 ca.&nbsp;7.000 Einwohner zählte, hoch. Dazu kam, dass in jedem Winter rund 1.000 Fischer, Minenarbeiter und Straßenbauer in die Stadt zurückkehrten, eine Zahl, die sich seit 1877 verdoppelt hatte.<ref>Eine Stadt von beachtlicher Ausdehnung zeigt eine Stadtansicht von 1889: [http://www.bcarchives.gov.bc.ca/cgi-bin/www2i/.visual/img_med/dir_91/pdp04463.gif Birds Eye View of Victoria 1889, BC Archives].</ref> Trotz Kohlefunden, Eisenbahnverbindung usw. auf Vancouver Island entwickelte sich die Stadt nicht zur Industriemetropole, sondern blieb ein Regierungs- und Verwaltungszentrum, das eher im regionalen Handel eine gewisse Rolle spielen konnte, aber wirtschaftlich immer mehr im Schatten von Vancouver und [[Seattle]] stand. === Zuwanderer aus dem pazifischen Raum === Die Mehrheit der Zuwanderer waren Briten, also Engländer, Schotten, Iren, Waliser. Sie kamen zunächst mit der [[Hudson’s Bay Company]], wurden aber auch gezielt für die Kolonisierung um Victoria angeworben als Gegengewicht gegen die starke Zuwanderung aus den USA, vor allem aus [[Kalifornien]]. [[File:Victoria - Chinese Consolidated Benevolent Association 01.jpg|miniatur|Gebäude der Chinese Consolidated Benevolent Association]] Die erste größere Gruppe Chinesen kam 1858 im Zuge des [[Cariboo-Goldrausch]]s, nachdem schon einige der Entdecker Chinesen an Bord gehabt hatten. Viele stammten aus der chinesischen Provinz [[Guangdong]]. Die meisten wohnten entlang der heutigen Johnson Street in Zelten oder Holzhütten an der Nordseite eines Baches, der zu jener Zeit dort noch floss, und betrieben den Anbau von Gemüse, das sie bald in der Stadt verkauften. Ling Sing gilt als erster Chinese, der Bürger von British Columbia wurde (1872).<ref>Victoria Daily Standard, 17. Juni 1872.</ref> Um 1875 nahm die Zuwanderung rapide zu und schon um 1880 war [[Chinatown]] die größte Ansiedlung ihrer Art in ganz Kanada. Die Holzhäuser wurden bald durch Ziegelbauten ersetzt, die überwiegend noch heute bestehen. Auslöser war wohl ein Großbrand 1883, der das Quartier weitgehend zerstörte und die Gemeinde zeitweise verarmen ließ. 1884 wohnten rund 3.000 Chinesen in der Stadt, von denen nur noch jeder vierte Steuern zahlen konnte.<ref>Nach Aussage des Regierungsangestellten (wohl Steuereinzieher) M. R. Bull, Canada. Commission royale sur l'immigration chinoise: Rapport sur l'immigration chinoise rapport et témoignages, Juli 1884, S. 68.</ref> 1885 lebten in ganz British Columbia genau 9.629 chinesische Arbeiter.<ref>Official report of the debates of the House of Commons of the Dominion of Canada: third session, fifth Parliament … comprising the period from the sixteenth day of June to the twentieth day of July, 1885, Ottawa: MacLean, Roger, 1885, S. 3009.</ref> 1901 waren 3.004, 1911 bereits 3.458 Chinesen in der Stadt. Viele hatten längst ihre Familien nachgeholt, und es entstanden Geschäfte, Theater und Schulen<ref>Ein Grundriss der Chinatown von Victoria findet sich: [http://www.bcarchives.gov.bc.ca/exhibits/timemach/galler02/frames/index.htm ''Royal British Columbia Archives''].</ref> Die ''Chinese Consolidated Benevolent Association'' (nicht mit der ''Hoy Sun Ning Yung Benevolent Association'' zu verwechseln, die eher eine Selbsthilfeorganisation war<ref>Die Gründer dieser Vereinigung stammten aus Hoy Sun, einem Landstrich der Provinz Guandong.</ref>) versuchte Konflikte mit Nichtchinesen beizulegen und repräsentierte die Gemeinschaft. Die Stadt fasste sie als eine Art Regierung der chinesischen Minderheit auf. In der 1713 Government Street entstand der älteste chinesische Tempel, 1909 die erste chinesische öffentliche Schule mit Unterricht in Chinesisch. [[Fan Tan (Glücksspiel)|Fan Tan]], das in der gleichnamigen Straße veranstaltete Glücksspiel, verursachte immer wieder Konflikte, und nach 1908, als [[Opium]] in Kanada verboten wurde, führte die Polizei auch aus diesem Grund immer wieder Razzien durch. Lange Zeit hatte die Regierung das Geschäft mit Opium geduldet, das in die USA geschmuggelt wurde, wo es schon früher verboten war. In Victoria selbst war der Konsum nur wenig verbreitet, urteilte [[John Sebastian Helmcken]] noch 1884.<ref>Canada. Commission royale sur l'immigration chinoise: Rapport sur l'immigration chinoise rapport et témoignages, Juli 1884, S. 65.</ref> Im Hart Block (531 Herald Street), einem ausgedehnten Bordell, erschien die Polizei häufig wegen Anklagen der Zwangsprostitution und [[Sklaverei in Kanada|Sklaverei]]. 1884 schätzte man die Zahl der chinesischen Prostituierten auf rund hundert, wobei sie wohl die Indianerinnen verdrängt hatten.<ref>Canada. Commission royale sur l'immigration chinoise: Rapport sur l'immigration chinoise rapport et témoignages, Juli 1884, S. 53 und 65.</ref> Gegenüber der chinesischen Schule erbaute man ein Polizeipräsidium. Die Chinesen trafen in Victoria zwar auf weniger gewalttätige rassistische Ausschreitungen als in Vancouver, doch wirkte die Gesetzgebung nicht besonders mäßigend. So durften sie erst ab 1947 wählen. Einer der häufigsten Auslöser für rassistische Übergriffe war die Tatsache, dass Chinesen immer wieder als Lohndrücker eingesetzt wurden. [[Datei:Japannot e).gif|miniatur|links|Bekanntmachung der für Japaner verbotenen Gebiete durch die ''British Columbia Security Commission'']] [[Datei:Japanese internment camp in British Columbia.jpg|miniatur|Internierungslager für Japaner in British Columbia, Juni 1945]] Während die Chinesen am Nordrand der Kernstadt lebten, bevorzugten die [[Hawaii]]aner den Süden. Ihre Wohnstraße hieß ''Kanaka Row''. 1901 lebten im District of Victoria 338 Japaner, die im Gegensatz zu den Chinesen nicht als industrielle Hilfsarbeiter oder in der Gastronomie, sondern überwiegend als Fischer tätig waren. Die Mitglieder ihrer Gemeinde wurden während des [[Zweiter Weltkrieg|Zweiten Weltkriegs]] interniert. Sie wurden, vor allem auf Initiative [[Ian Mackenzie]]s, enteignet und teilweise nach Japan deportiert. === Verkehr, Tourismus, Ausdehnung des Ballungsraums === Die Verkehrsanbindung wurde für Victoria immer wichtiger. So verband ab 1903 ein regelmäßiger Fährdienst der ''Victoria Terminal Railway and Ferry Company'' Sidney mit den Städten an der Fraser-Mündung, vor allem dem schnell wachsenden Vancouver. 1932 fuhr die erste Fähre von Sidney nach [[Anacortes]]. Aus diesen Fährbetrieben gingen 1961 auf Regierungsinitiative die [[BC Ferries]] hervor. Zu Anfang des Ersten Weltkriegs errichtete die kanadische Regierung einen Militärflughafen (Patricia Bay Airport), den Vorgänger des heutigen [[Flughafen Victoria International|Internationalen Flughafens]].<ref>Charles Hamilton war der erste, der in British Columbia ein Flugzeug lenkte (1910).</ref> Der Tourismus, der heute am schnellsten wachsende Erwerbszweig, spielte schon im 19. Jahrhundert eine bedeutende Rolle. Hierfür baute die ''Canadian Pacific Railway'' 1905 das Empress Hotel. 1994 war die Stadt Gastgeberin der 15. [[Commonwealth Games|Commonwealth-Spiele]], bei denen weit über dreitausend Athleten aus über 60 Staaten antraten, und 1998 setzte die Tourismusbranche erstmals mehr als eine Milliarde Dollar um. Daneben baute die Stadt ihre Bildungseinrichtungen aus. So entstand aus dem ''Victoria College'' 1963 die heutige [[University of Victoria|Universität]]. Der private Autoverkehr erreichte Victoria relativ spät. Das erste Auto fuhr 1899. Nur Unternehmen nahmen die Erfindung an. In einer kurzen Phase um 1900 gab es nur Elektroautos und dampfgetriebene Fahrzeuge. Doch gegen 1906 setzte sich auch hier der Verbrennungsmotor durch und die Zunahme des Verkehrs erforderte erste Geschwindigkeitsbegrenzungen. Der Automobilclub hatte bereits 50 Mitglieder. Nach und nach wurden die Neighbourhoods in die Stadtentwicklung mit einbezogen. Das bedeutete zunächst Ausbau des Straßennetzes, aber auch Trinkwasserversorgung aus den umgebenden Seen; Naherholungsgebiete wurden erschlossen. Dabei kam es zu Auseinandersetzungen um Immobilienspekulationen. Davon war und ist besonders der Küstenstreifen betroffen. Ein weiterer Grund, warum es immer wieder zu Auseinandersetzungen kommt, sind die Begräbnisstätten und archäologisch bedeutsamen Stellen, die erst in jüngster Zeit dokumentiert worden sind. Richtung Westen endet allerdings schnell der Bereich, in dem das Klima Victorias noch so mild ist, wie in Downtown. Zudem ist die politische Selbstständigkeit der 13 ''Neighborhoods'' recht groß, und deren Bewohner bevorzugen das ländliche Ambiente. Die zersplitterten Besitzverhältnisse und die Mentalität im Osten der Stadt mit einem ländlichen Wohnstil begrenzen ebenfalls eine Ausweitung der Grundstücksspekulation. Es entstand als übergreifende Organisation der [[Capital Regional District]] (CRD), zu dem auch die südlichen [[Gulf Islands]] ([[Saltspring Island|Saltspring]], [[Galiano Island|Galiano]], [[Pender Island|Pender]], [[Saturna Island|Saturna]], [[Mayne Island|Mayne]]) gehören. Er umfasst rund 2340&nbsp;km² und unterhält zahlreiche Büros. Inzwischen ist der CRD zuständig für Müll und Wiederverwertung, Landgewinnung, Brunnenbau und Wasserreinigung sowie -versorgung, für die Unterstützung von Künstlergruppen, Regionalplanung, Gesundheitswesen, die rund 30 Regionalparks, Wanderwege usw. Außerdem ist er der einzige Anteilseigner der ''Capital Region Housing Corporation'', dem 1200 Wohneinheiten gehören. Übergeordnete Gesetze können von ihm auch in den Teilgemeinden durchgesetzt werden, wie das Rauchverbot seit 1996. Für den Ausgleich der gegensätzlichen Interessen bei der Nutzung des Gebiets spielt er inzwischen eine wichtige Rolle, stellt jedoch keineswegs eine Art übergeordnete Verwaltungsinstanz dar. [[Datei:His Majesty King George VI and Her Majesty Queen Elizabeth coming up the walkway with a view of the harbour of Victoria in the background.jpg|miniatur|Königlicher Besuch in Victorias Inner Harbor durch König Georg VI. und Königin Elizabeth, Blick vom Parlamentsgebäude]] [[Datei:Goldstream Provincial Park HDR rainbow panorama.jpg|miniatur|Goldstream-Provinzpark]] Die Konflikte in diesem Bereich gründen auf Konstellationen, die für kanadische Städte spezifisch sind, da sie über [[Kronland (Kanada)|Kronland]] verfügen. 2001 verkaufte die Stadt Victoria Kronland (Crown Land), das seit der britischen Kolonialzeit bestimmten Nutzungsrechten und vor allem -begrenzungen unterliegt. Dieses Gebiet lag an der Mündung des Goldstream River, am Ende eines als [[Saanich Inlet]] bekannten langen Fjords. Der Goldstream River und der Spaet-Berg (gespr. spa-eth) sind aber zugleich Teil des Goldstream-River-Wasserschutzgebietes.<ref>{{Internetquelle |url=http://www.bccf.com/steelhead/focus8.htm |titel=Cowichan River Watershed |hrsg=BC Conservation Foundation |datum=2006 |zugriff=2010-03-09 |sprache=englisch}}</ref> Hier befand sich zudem ein altes Indianerdorf und eine Begräbnisstätte. 1913 wurden dort 12 Acre als ''Goldstream Indian Reserve No. 13'' ausgewiesen, was wiederum nur auf Kronland möglich war. Die fünf Songhee-Nations teilen sich hier noch heute ein Reservat. Doch Holzeinschlag, wie er in Kanada noch häufig in Gebrauch ist, also der großflächige Kahlschlag, schädigten die Trinkwasser- und Energieversorgung der Stadt. 1998 wurde dieses Verfahren gestoppt. Der [[Goldstream Provincial Park]] wurde nach Stilllegung eines Wasserkraftwerks eingerichtet.<ref>{{Internetquelle |url=http://www.firstnations.de/development.htm |titel=First Nations. Land Rights and Environmentalism in British Columbia - Spaet |hrsg=www.FirstNations.eu |zugriff=2010-03-09 |sprache=englisch}}</ref> Noch 2007 gab Forstminister Rich Coleman 28.000&nbsp;ha Waldland zur privaten Nutzung frei (''Tree Farm Licenses'' 6, 19 und 25). Der neue Besitzer, ''Western Forest Products'', veräußerte einen Teil des Landes an den Entwickler Ender Ilkay, darunter die Sooke Potholes, ein ökologisch wertvolles Gebiet, von knapp 7,3 ha Fläche.<ref>[http://www.env.gov.bc.ca/bcparks/explore/parkpgs/sooke_potholes/ ''Sooke Potholes Provincial Park'']</ref> Die Bebauungsdichte hängt in Kanada letztlich von der Größe der Parzellen ab, in die das Land aufgeteilt werden darf. Der Streit ist noch in vollem Gange, wobei sich der CRD auf die Seite der Bürgerschaft stellt, die nicht befragt wurde, und deren Anspruch auf Naherholungsgebiete durch zu kleine Parzellierung gefährdet wird. == Bevölkerung == Die Volkszählung von 2006 ergab, dass die Stadt mit den 13 Vororten 330.088 Einwohner hatte. Der eigentliche Kern der Stadt hatte allerdings nur 78.659 Einwohner.<ref>{{Internetquelle |url=http://www.bcstats.gov.bc.ca/data/pop/pop/mun/Mun9606s.asp |titel=BC Municipal Population Estimates, 1996-2006 |hrsg=BC Stats |zugriff=2010-03-09 |sprache=englisch}}</ref> Fünf Jahre zuvor hatte die Stadt noch 311.902 Einwohner gezählt, 1996 sogar erst 304.287.<ref>{{Internetquelle |url=http://www12.statcan.ca/census-recensement/2006/dp-pd/92-596/index.cfm?Lang=eng |titel=Census Trends, 2006 Census |hrsg=Statistics Canada |datum=2009-12-10 |zugriff=2010-03-09 |sprache=englisch}}</ref> Dabei ist der Anteil der alten Menschen relativ hoch: 17,8 % der Bevölkerung sind über 65 Jahre alt, 10.215 sind sogar über 85, der [[Median]] ist in den letzten zehn Jahren von 38,7 auf 43,1 gestiegen, die Zahl der Haushalte von 129.350 auf 145.430. Der Anteil der Mietwohnungen fiel von 37,8 auf 35,2 %, dementsprechend stieg der Anteil der Eigentumswohnungen und -häuser. === Multikulturelle Gesellschaft, First Nations und (nicht) sichtbare Minderheiten === 129.580 Einwohner British Columbias rechneten sich 2006 der ''Aboriginal Population'' zu. In Victoria waren dies 10.905&nbsp;Menschen, von denen sich 6.800 einer der [[First Nations]] zuordneten (5.410&nbsp;waren registrierte ''Indians''), 3.620&nbsp;den [[Métis]], 135&nbsp;den [[Inuit]]. 130&nbsp;machten Mehrfachangaben, stammten dementsprechend wohl aus verschiedenen dieser Gruppen.<ref>{{Internetquelle |url=http://www40.statcan.gc.ca/l01/cst01/demo53g-eng.htm |titel=Visible minority population, by census metropolitan areas (2006 Census) |hrsg=Statistics Canada |datum=2009-11-06 |zugriff=2010-03-09 |sprache=englisch}}</ref> Die Zahl der Zuwanderer aus dem Ausland ist von 3,0 auf 3,4 % gestiegen, die aus Kanada von 9,4 auf 6,4 % gesunken. Der Anteil der [[Einwanderung|Immigranten]] ''(landed immigrants)'' liegt bei 19,1 %. 8.935&nbsp;Immigranten kamen aus Amerika (davon 6.125 aus den USA), 34.030 aus Europa (davon 19.395 aus Großbritannien), 2.225 aus Afrika und 15.290 aus Asien. Dabei kamen 5.555 aus [[Volksrepublik China|China]] und [[Hongkong]], 2.810 aus [[Indien]], 1.775 von den [[Philippinen]]. Aus „Ozeanien“ (was [[Grönland]] und [[St. Pierre und Miquelon]] einschließt) kamen 1.585. Als ''non-permanent residents'', also als Flüchtlinge oder Inhaber von Studien- oder Arbeitserlaubnissen galten 3.575 Menschen. Allein in den letzten fünf Jahren sind 5.975 Menschen zugewandert, wobei der Anteil Ost- und Südostasiens stärker angestiegen ist. Während aber 1961-70 noch 11.595 Menschen einwanderten, kamen 1991-2000 nur 10.070, im Zeitraum 2001-06 kamen wieder 5.975, was einen starken Anstieg darstellt. 2001 zählten sich zu den ''sichtbaren Minderheiten'': Chinesen (11.240), Südasiaten (5.775), Philippinos (1.815), Südostasiaten (1.245), Araber (280), Westasiaten (410), Koreaner (680), Japaner (1.740), Schwarze (2.175), Lateinamerikaner (1.165), sonstige (210), gemischt (460). Dies macht deutlich, dass der bei weitem überwiegende Teil dieser ''visible minorities'' aus Asien, und dort besonders aus Ostasien stammt. In ganz Kanada hat ihr Anteil die eine Million bei weitem überschritten. Die Ureinwohner zählen hingegen zu den nicht sichtbaren Minderheiten und umfassten drei Gruppen (First Nations, [[Métis]] und [[Inuit]]) von insgesamt 8.700 Menschen (2001),<ref name="highlights">{{Internetquelle |url=http://www12.statcan.ca/english/Profil01/CP01/Details/Page.cfm?Lang=E&Geo1=CMA&Code1=935__&Geo2=PR&Code2=59&Data=Count&SearchText=Victoria&SearchType=Begins&SearchPR=01&B1=All&Custom= |titel=Community highlights |hrsg=Statistics Canada |datum=2007-02-01 |zugriff=2010-03-09 |sprache=englisch}}</ref> bzw. fast 11.000 (2006, s. o.). Sie können in Downtown beispielsweise auf die ''Inner City Aboriginal Society'' zurückgreifen, die soziale Dienste und Rechtsvertretung anbietet. Die Stadt zählt 24 Landsmannschaften, von der ''Alliance Française'' bis zum ''Edelweiss Club'', vom ''Native Friendship Center'' bis zu den ''Sons of Norway'' oder der ''Vietnamese Association''.<ref>{{Internetquelle |url=http://www.victoria.ca/residents/multicultural.shtml |titel=Multicultural Associations |hrsg=City of Victoria |datum= |zugriff=2010-03-09 |sprache=englisch}}</ref> Der Erforschung ihrer Geschichte widmen sich mehrere Vereinigungen, unter denen sich die ''Association Historique Francophone de Victoria'' und die ''B.C. Jewish Historical Society'' auf französische, bzw. jüdische Geschichte konzentrieren. Zu den sichtbaren sozialen Problemen zählt vor allem die Obdachlosigkeit. Daher wurde im Januar 2008 beschlossen, die 55&nbsp;Schlafmöglichkeiten der Hilfsorganisation ''Streetlink'' in ein städtisches Gebäude in der Ellice Street zu verlegen und diese auf 80 Betten aufzustocken. Dazu kommen 24 Stellen für betreutes Wohnen. Die noch von ''Streetlink'' genutzte Stätte in der Store Street wird zu 15 Wohnungen im gleichen Sinne umgewandelt, dazu 26&nbsp;weitere Einheiten in der angrenzenden Swift Street. Auch das in Provinzeigentum befindliche Haus in der Humboldt Street wird entsprechend zu 53&nbsp;Einheiten umgewandelt.<ref>{{Internetquelle |url=http://www.bchousing.org/news/news_releases/2008/01/22/3643_0801220933-709 |titel=New supportive housings for Victoria's Homeless |hrsg=BC Housing |datum=2008-01-22 |zugriff=2010-03-09 |sprache=englisch}}</ref> === Bevölkerungsentwicklung === Der ''Victoria Municipal Census'' vom April 1871 (im Juli erfolgte der Anschluss an Kanada), die erste Volkszählung, zählte 1054 Haushaltsvorstände, davon waren 61 „natives“ und 10 Chinesen. Die Einwohnerzahl lag bei 3.630. 1881 hatte die Stadt bereits 18.623 Einwohner. Victoria hatte 1901 genau 20.919 Einwohner, dazu kamen 2.947 im ländlichen Umland, davon waren 3.000 Chinesen, 338 Japaner und 333 Indianer. Auf 14.304 Männer kamen nur 9.359 Frauen. Seither wächst die Stadt kontinuierlich, doch lebt nur noch rund ein Viertel der Bewohner des CRD in Victoria selbst.<ref>Tabelle nach [http://www.bcstats.gov.bc.ca/data/pop/pop/mun/mun1921_2006.asp ''British Columbia Municipal Census Populations, 1921-2006'']</ref> {| | valign="top" | {| class="wikitable" ! style="background:#efefef;" | Jahr ! style="background:#efefef;" | Einwohner |- | 1871 || align="right" | 3.630 |- | 1881 || align="right" | 18.623 |- | 1901 || align="right" | 20.919 |- | 1921 || align="right" | 38.727 |- | 1931 || align="right" | 39.082 |- | 1941 || align="right" | 44.068 |- | 1951 || align="right" | 51.331 |- | 1961 || align="right" | 54.941 |- | 1971 || align="right" | 61.761 |- | 1981 || align="right" | 64.379 |- | 1991 || align="right" | 71.228 |- | 2001 || align="right" | 74.125 |- | 2006 || align="right" | 78.057 |- |} Der CRD wies 1996 304.287, fünf Jahre später 311.902 und 2006 330.088 Einwohner auf. === Religionen und Konfessionen === Die vorherrschende Religion ist das [[Christentum]], wobei die protestantischen Bekenntnisse die bei weitem größte Gruppe darstellen. Abgesehen davon, dass über 11.000 Bewohner ihr Bekenntnis nicht spezifizierten, rechneten sich den [[Protestantismus|Protestanten]] rund 115.000, den [[Römisch-katholische Kirche|Katholiken]] rund 48.000 (dazu zählen Römische und „östliche“ Katholiken, Angehörige der ''[[Polish National Catholic Church]]'' und [[Altkatholische Kirche|Alt-Katholiken]]), den [[Orthodoxe Kirchen|Orthodoxen]] knapp 1.700 zu. 3.470 Menschen zählten sich zu den [[Sikhs]], 3.315 waren [[Buddhisten]], 1.550 [[Juden]], 1.230 [[Muslim]]e, 765 [[Hinduismus|Hindus]]. Über 3.000 rechneten sich anderen Religionen zu. Die stärkste Gruppe waren mit 116.000 Menschen erstmals diejenigen, die sich keiner Religion zurechneten.<ref name="highlights"/> Die katholische [[Diözese]] Victoria hat ihren Sitz in der Hauptstadt und vertritt rund 94.000 Katholiken auf Vancouver Island. Sie betreut im Raum Victoria zwölf Gemeinden. [[Kathedrale]] des Bistums ist die St. Andrews Cathedral. Seit 2004 ist Richard Gagnon der 16. Bischof der Diözese Victoria. [[Datei:Victoria (BC) Synagoge.JPG|miniatur|Synagoge]] Die jüdische Gemeinde Victorias umfasst weit über tausend Mitglieder. Die meisten zählen sich zum [[Konservatives Judentum|konservativen Judentum]], gefolgt vom [[Reformjudentum]] und dem [[Orthodoxes Judentum|orthodoxen Judentum]]. Der jüdische Friedhof Cedar Hill ist der älteste in Westkanada, die Synagoge die älteste Kanadas. Historische Quellen liegen in den ''Jewish History Archives'' in Vancouver, in W. 41st Avenue und in Granville. Sikhs, Hindus und Muslime kamen und kommen vor allem durch die britische Kolonialherrschaft und durch die weiterhin bestehenden engen Kontakte, z.B. in Form des [[Commonwealth]], nach Victoria – auch dies ein Aspekt des britischen Charakters der Stadt. So bauten etwa die indischen Sikhs einen Tempel in der 1210 Topaz Avenue, der wohl vor 1912 entstand,<ref>[http://sikhpioneers.org/t_canphot.html ''Pioneer Asian Indian Immigration to the Pacific Coast'']</ref>, Buddhisten errichteten 1905 den ältesten Tempel Kanadas und die Muslime versammeln sich in der Masjid al-Imam, der [[Moschee]] in der Quadra Street. == Politik == Von 1999 bis 2008 war der Bürgermeister Alan Lowe, womit er Anspruch auf die Anrede ''His Worship'' hat. Er hatte Umweltstudien in [[Manitoba]] und in [[Oregon]] Architektur studiert. Er hat nicht nur chinesische Vorfahren, sondern war mit 38 Jahren auch der jüngste ''Mayor'' des Landes. 1999 errang er über 43 % der Stimmen, 2002 sogar über 61 %, gewann die Wahl von 2005 aber nur mit knappem Vorsprung. 2008 folgte ihm Dean Fortin im Amt. Im Provinzparlament, der [[Legislativversammlung von British Columbia]] ist die Stadt Victoria mit zwei Sitzen vertreten. Seit den Wahlen im Mai 2005 werden die Wahlkreise ''Victoria-Beacon Hill'' und ''Victoria-Hillside'' von Abgeordneten der [[British Columbia New Democratic Party]] gehalten, die in Opposition zur regierenden [[British Columbia Liberal Party]] steht. Abgeordnete Victorias im [[Unterhaus (Kanada)|kanadischen Unterhaus]] ist Denise Savoie von der [[Neue Demokratische Partei|New Democratic Party]]. == Kultur und Sehenswürdigkeiten == Victoria gilt zum einen als britischste Stadt Nordamerikas; Bau- und Lebensstil sind sehr von England geprägt, schon auf den ersten Blick erkennbar an den roten Doppeldeckerbussen. Weit über tausend Gebäude sind in einem Inventar des historischen Erbes erfasst.<ref>Die Liste findet sich hier (PDF, 320 kB): [http://www.victoria.ca/cityhall/pdfs/heritage_inventory_0811.pdf Heritage Inventory]</ref> Ähnlich wie die Gärten, Landhäuser und Parks sind sie überwiegend vom britischen Baustil inspiriert. Das zeigt sich vor allem in Downtown. Zum anderen ziehen Musik und Theater zahlreiche Besucher in die Stadt, wobei dies überwiegend Kanadier und US-Amerikaner sind. === Im Umkreis des Inner Harbour === [[Datei:British Columbia Parliament Buildings -_Pano_-_HDR.jpg|miniatur|500px|1898 wurde das Parlamentsgebäude als Sitz der Gesetzgebenden Versammlung fertiggestellt. Es ist 152 m breit und eine Bronzestatue von [[George Vancouver]] erhebt sich auf dem Gebäude.]] Neben dem Parlamentsgebäude ist das direkt am Hafen gelegene ''Fairmont Empress Hotel'' das bekannteste Gebäude in Victoria. Das Parlamentsgebäude und seine Umgebung gehören mit ihren 4 [[Hektar]] zu den wertvollsten Grundstücken in der gesamten Provinz.<ref>{{Internetquelle |url=http://www.canada.com/vancouversun/news/story.html?id=32d954ad-339b-4be9-a033-56abf3cbc421 |titel=Legislature settlement ceremony marked by amiable goodwill |hrsg=[[The Vancouver Sun]] |datum=2006-11-25 |zugriff=2010-03-09 |sprache=englisch}}</ref> 2006 schätzte man seinen Wert auf 40 Millionen [[Kanadischer Dollar|Dollar]]. Doch es stellte rechtlich betrachtet bis 2006 Indianergebiet dar. Die Regierung einigte sich am 25. November 2006 mit den Besitzern, den [[Songhees]] und [[Esquimalt]] auf eine Kompensation in Höhe von 31,5 Millionen Dollar. Dabei sollen jeweils pro Mitglied der Songhees nie mehr als 2.000 Dollar aus einem Fonds ausgezahlt werden dürfen. Bei zusammen 700 Stammesmitgliedern der beiden Stämme ergibt dies 1,4 Millionen. Weitere 8,5 Millionen Dollar sollen zum Kauf von Ersatzgrundstücken aus dem staatlichen Besitz eingesetzt werden. Sie müssen in Victoria oder in [[Esquimalt (British Columbia)|Esquimalt]], [[Langford (British Columbia)|Langford]], [[Colwood]] oder [[View Royal]] liegen und maximal die gleiche Fläche umfassen, wie das alte Grundstück. Schließlich sollen 3 Millionen zur Deckung der Anwaltskosten aufgebracht werden sowie in die Umsetzung der vertraglichen Vereinbarungen. Ähnliche Regelungen wurden für die Esquimalt vereinbart. [[Datei:Helmcken House oldest building.JPG|miniatur|links|Das älteste Haus Victorias, das ''Helmcken House'' von 1852, war der Wohnsitz von [[John Sebastian Helmcken]], einem der Gründerväter Kanadas]] [[File:St Ann's schoolhouse Victoria BC.JPG|miniatur|Das älteste Schulgebäude der Stadt, das katholische ''St Ann's Schoolhouse''. Das Blockhaus wurde 1858 von Bischof Modeste Demers für die Schwestern gekauft. Es stand ursprünglich bei der ''St Ann's Academy'' und wurde erst 1974 an die heutige Stelle versetzt, gegenüber dem Helmcken-Haus]] Unweit des Parlamentsgebäudes befindet sich das wichtigste Museum in Westkanada, neben dem [[Museum of Anthropology]] in Vancouver. Mit seinen Ausstellungsschwerpunkten Naturgeschichte, Stadtgeschichte und [[Geschichte der First Nations]] zieht das [[Royal British Columbia Museum]] jedes Jahr Hunderttausende an. Im Gebäude befindet sich das Hauptarchiv der Provinz, die [[British Columbia Archives]]. Zum Komplex gehört auch das älteste Gebäude der Stadt, das nach [[John Sebastian Helmcken]] benannte ''[[Helmcken House]]''. Diesem gegenüber steht die älteste Schule der Stadt, das ''St Ann's Schoolhouse'' von 1858. Die ''Art Gallery of Greater Victoria'' in 1040 Moss Street ist eine Mischung aus Kunstgalerie und -museum. Zahlreiche Werke von [[Emily Carr]] sind hier zu finden, die im konservativen Victoria lange um Anerkennung ringen musste. Das ''Swans Suite Hotel'' bietet als Teil der ''Williams Collection'', einer der größten Sammlungen Westkanadas, Möbel, Gemälde und Skulpturen vom 17. bis zum 20. Jahrhundert. Darüber hinaus liegt ein Schwerpunkt auf der Kunst der First Nations. Die Kernstadt selbst, mit ihrem europäischen Erscheinungsbild, ihren farbenfrohen Häusern und ihrer Kleinräumigkeit, ist besonders leicht für Fußgänger zu erschließen. Dazu kommt, dass jedes Quartier eine ganz eigene Atmosphäre bietet. Das gilt vor allem für die [[Chinatown]], die das älteste und besterhaltene Chinesenquartier Kanadas ist (in Amerika ist nur die in [[San Francisco]] älter). Sie reicht bis 1858 zurück. Dort befindet sich auch der älteste buddhistische Tempel Kanadas, der der Seegöttin Tam Kung gewidmet ist, ein Bau, der 1905 begonnen wurde (1713 Government Street). === Landhäuser und Gärten === [[Datei:Craigdarroch Castle 1.jpg|miniatur|links|Craigdarroch Castle, 1887-1890]] [[Datei:Hatley Castle front entrance Aug 2006.jpg|miniatur|Hatley Castle, fertiggestellt 1908]] Das von 1887 bis 1890 im Auftrag des Industriellen Robert Dunsmuir errichtete viktorianische Landhaus ''Craigdarroch Castle'' (gälisch für ‚felsiger Eichenplatz‘) liegt auf einem Hügel im Osten der Stadt. Das von seinem Auftraggeber nie bezogene Objekt (Dunsmuir starb 1889), beherbergte nach dem [[Erster Weltkrieg|Ersten Weltkrieg]] ein Militärkrankenhaus, von 1921 bis 1946 das ''Victoria College'' und anschließend eine Musikhochschule. 1979 wurde das Landhaus mit seinen 39 Zimmern in ein Museum umgewandelt. Es wird jährlich von etwa 150.000 Besuchern frequentiert.<ref>{{Internetquelle |url=http://www.craigdarrochcastle.com/craigdarroch-castle-architecture.php |titel=Victoria’s Craigdarroch Castle |hrsg=Craigdarroch Castle Historical Museum Society |zugriff=2010-03-09 |sprache=englisch}}</ref> Ähnliches gilt für ''Hatley Park National Historic Site'', einen Park mit alten Baumbeständen und einem ebenfalls von Dunsmuir beauftragten schlossartigen Gebäude, das ''Hatley Castle'' von 1908. Sieben der elf dicksten [[Douglasien]] Kanadas sollen dort stehen. Außerdem residieren hier seit 1995 die ''Royal Roads University'' und ein Museum. Ausgeführt wurde das Anwesen von dem für die Baugeschichte Victorias überaus wichtigen Architekten Samuel Maclure, der 1892 in die Stadt kam.<ref>{{Internetquelle |url=http://www.islandnet.com/~helen/Maclure.html |titel=The Art and Architecture of Samuel Maclure |autor=Helen Edwards |datum=Januar 2008 |zugriff=2010-03-09 |sprache=englisch}}</ref> [[Datei:Butchardgardens.jpg|miniatur|Butchard Gardens]] Auf der Saanich-Halbinsel im Norden, bei Brentwood Bay, finden sich zwei ausgedehnte, parkähnliche Anlagen. Zum einen die ''Butchart Gardens'' (22 ha), deren Anlage 1904 von Jennie Butchart begonnen wurde, zum anderen die ''Victoria Butterfly Gardens'', die an der West Saanich und Benvenuto Road liegen und fast 50 Schmetterlingsarten (dazu 250 tropischen Pflanzen) einen Lebensraum bieten. Die Butchard Gardens bestehen, wie der Plural andeutet, aus mehreren Gärten, unter ihnen ein japanischer (seit 1908), ein italienischer, dazu ein Rosengarten (seit 1929) mit 250 Rosenarten. Die Gärten beschäftigen mehr als 50 Gärtner. Zwei indianische Künstler haben 2004 je einen Totempfahl aufgestellt. Ursprünglich hatte der erfolgreiche Baustoffhändler Robert Pim Butchart hier eine Kalkgrube ausgebeutet, die seine Frau in einen riesigen Garten verwandelte, in dem sich bis heute die kanadische Gartenbaukunst mit über 700 Pflanzenarten widerspiegelt. Ähnliches gilt für die ''Abkhazi Gardens'', die von Prinz und Prinzessin Abkhazi ab 1946 über vier Jahrzehnte geschaffen wurden. Marjorie (Peggy) Pemberton-Carter, die 1945 aus [[Shanghai]] nach Kanada geflohen war, heiratete den [[Georgien|georgischen]], bzw. [[Abchasien|abchasischen]] Exil-Prinzen Nicholas Abkhazi aus [[Tiflis]], der seinerseits 1919 nach Kanada geflohen war. Nach ihrem Tod 1987 bzw. 1994 kaufte die ''Land Conservancy of British Columbia'' im Jahr 2000 das Land, um seine Bebauung durch eine Siedlung zu verhindern. === Kirchen === [[Datei:Christ Church Cathedral (Victoria) - pano - hdr.jpg|miniatur|Die Christ Church Cathedral, Anglikanische Kathedrale an der Ecke Burdett Avenue - Quadra Street, erbaut ab 1929]] [[Datei:Christ Church Cathedral Interior, main aisle.jpg|miniatur|links|Hauptschiff der Christ Church Cathedral]] Victoria war durch die britischen Bewohner von Anfang an anglikanisch. So entstand hier bereits in den 1850er Jahren eine anglikanische Kathedrale, die jedoch abbrannte. Ihre Nachfolgerin wurde durch die heutige Kirche ab 1929 ersetzt. Daneben ist die ''Church of Our Lord'', erbaut 1876, seit 1998 restauriert und unter Denkmalschutz, an der Blanshard Street, zu nennen. Sie gehört der [[Reformierte Episkopalkirche|Reformed Episcopal Church]], geht auf [[John Teague]] zurück, und repräsentiert im Rahmen des historischen Erbes den Stil des so genannten ''Carpenter Gothic'' oder ''Rural Gothic''. Gouverneur James Douglas war 1874 eines der Gründungsmitglieder der Gemeinde und spendete ihr das Grundstück. In der Kirche befindet sich eine [[Boston]]er Orgel (Appleton Organ) von 1827, die 1875 nach Victoria kam. Die benachbarte Cridge Hall stammt von Samuel Maclure. [[Datei:St Andrews Cathedral in Victoria.jpg|miniatur|Die katholische St. Andrews-Kathedrale, erbaut 1890-1892]] Das katholische Pendant ist die ''St Andrews Cathedral''. Sie ist die dritte Kathedrale, denn die erste war von 1858-1884 die heutige Kapelle des ''St. Ann's Convent'' in der Humboldt Street; die zweite war von 1884-1892 das heutige ''St. Andrew's Square Building'', nahe der heutigen Kathedrale. Die heutige Kathedrale entstand nach dem Vorbild einer Kirche bei [[Québec (Stadt)|Québec]]. Dieser als ''High Victorian Gothic Style'' bezeichnete Baustil übernahm auch zahlreiche Elemente aus dem mittelalterlichen Kirchenbau Europas. In der [[Krypta]] liegt der erste [[Bischof]] von Victoria [[Modeste Demer]]s begraben, im Amt von 1847 bis 1877.<ref>Seine Biographie findet sich im Dictionary of Canadian Biography Online, [http://www.biographi.ca/EN/ShowBio.asp?BioId=39060&query=Modeste%20AND%20Demers Modeste Demers]</ref> === Musik und Theater === Beim ''Jazzfest International'', das am letzten Juni-Wochenende stattfindet, ziehen über 300 Musikgruppen in zehn Tagen weit mehr als 35.000 Zuschauer an. Das Festival wurde von der ''Victoria Jazz Society'' 1985 ins Leben gerufen. 2002 trat hier etwa [[Dave Brubeck]] auf. 1995 entstand das jährlich zum [[Labour Day]] stattfindende ''Vancouver Island Blues Bash''. Mit 150.000 Besuchern pro Jahr ist allerdings das von der ''Inter-Cultural Association'' (ICA) organisierte Folkfest das größte Open-Air-Festival auf Vancouver Island. Noch stärker den historischen Wurzeln, in diesem Fall den schottischen, ist das ''Victoria Highland Games and Celtic Festival'' verpflichtet, das 2009 zum 72. Mal stattfand. Es geht auf die um 1860 entstandene ''St. Andrew’s and Caledonian Society'' und die ''Sir William Wallace Society'' zurück, die die Veranstaltung erstmals 1864 abhielten.<ref>[http://www.victoriahighlandgames.com/about/history/ Victoria Highland Games Association, History]</ref>Dudelsack- und Tanzaufführungen finden im ''Bullen Park'' in Esquimalt statt. Das gleiche gilt für die andere kulturelle Hauptwurzel Victorias neben der europäischen, die indianische Kultur. Jährlich Ende Juli/Anfang August findet das dreitägige ''First People's Festival'' statt. Es wird vom ''Victoria Native Friendship Centre'' und dem [[Royal British Columbia Museum]] organisiert.<ref>Klisala Harrison, The Kwagiulth Dancers: ''Addressing Intellectual Property Issues at Victoria's First People's Festival'', in: The World of Music 44/1, S. 137-151.</ref> Das seit 1941 bestehende ''Victoria Symphony'' (-Orchester) tritt im ''Royal Theatre'' und im ''Farquhar-Auditorium'' der Universität zwischen September und Mai auf.<ref>[http://www.victoriasymphony.ca/about/index.html Victoria Symphony, About Us]</ref> Freiluftkonzerte geben die Symphoniker an allen zehn Feiertagen – die Veranstaltung heißt ''Symphony Splash'' und findet im Inneren Hafen statt. Die 1980 begründete ''Pacific Opera Victoria'' (POV)<ref>[http://www.pov.bc.ca/company.html Pacific Opera Victoria, About POV]</ref>, der erst wenige Jahre bestehende ''Philharmonic Choir'' und ''Ballet Victoria'' (gegründet 2002) treten im Macpherson oder im Royal Theatre auf, der Chor auch in Kirchen. Daneben existiert noch seit 1864 die ''Royal Canadian Artillery Band''. [[File:Belfrytheatre.jpg|miniatur|Belfry-Theater]] Mehrere Theater prägen die Stadt mit. Zum einen sind dies das von der ''Royal & McPherson Theatres Society'' unterhaltene ''Royal Theatre'' in 805 Broughton Street (1913 gegründet) und das ''McPherson Playhouse'' (1914) in 3 Centennial Square. Das ''Bastion Theatre'' musste 1988 seinen Bankrott erklären, und auch das ''New Bastion Theatre'' war ohne Fortune (1992 Pleite). Hingegen überlebt das ''Belfry Theatre'' seit 1974 bzw. 1976. Daneben gibt es ein universitäres Theater, das ''Phoenix Theatre'', dann das ''Kaleidoscope Theatre'' und das ''Intrepid Theatre''. == Wirtschaft und Infrastruktur == === Wirtschaft === Hauptbeschäftigungszweige sind Tourismus, Bildung, die Regierung und die Behörden, sowie Dienstleistungen. Zahlreiche Banken und zunehmend Technologie-Unternehmen prägen außerdem das Bild. Vor allem bei letzteren spielt das seit 1989 bestehende ''Vancouver Island Advanced Technology Centre'' eine wichtige Fördererrolle.<ref>[http://www.viatec.ca/Content.aspx?id=32 ''What is VIATeC?'']. Es liefert eine Liste der lokalen Technologieunternehmen: [http://www.viatec.ca/BusinessDirectory.aspx ''Victoria's Advanced Technology Directory'']</ref> Dementsprechend hoch sind die Löhne, und vor allem die Immobilienpreise, trotz Weltwirtschaftskrise. [[File:2009-0605-Victoria-Harbor-PAN.JPG|miniatur|Der älteste Hafen, der Inner Harbour]] Die Stadt ist zudem Sitz des ''Dominion Astrophysical Observatory'' und der ''[[University of Victoria]]'', zwei bedeutenden Arbeitgebern. Eine wichtige Rolle spielt nach wie vor der Hafen, der eigentlich aus drei Häfen besteht, dem ''Outer Harbour'' für Hochseeschiffe, dann dem ''Inner'' und der ''Upper Harbour'', dazu kommt noch der von [[Esquimalt]]. Die Verschiffung von Rohstoffen leidet allerdings unter dem Verfall des [[United States Dollar|US-Dollars]], der Holz, Lachs und inzwischen auch Mineralien für den südlichen Nachbarn stark verteuert hat. In den Nachkriegsjahren erlebte Victoria einen beachtlichen Wirtschaftsboom. Dabei spielte der Druck, den die [[British Columbia Social Credit Party]] (die 1952 über 30 % der Wähler mobilisierte) auf die konservativen und liberalen Kräfte ausübte, eine erhebliche Rolle. Sie bildete, von jenen anfangs gestützt, eine Minderheitsregierung. In den Wahlen von 1956 gewann sie sogar 38 %. [[W. A. C. Bennett]] wurde für die nächsten 20 Jahre Premierminister. Er startete ein ehrgeiziges Infrastrukturprogramm, das auf den Einnahmen der damaligen Wachstumsindustrien Holz, Rohstoffe und Energie basierte. [[British Columbia Electric Railway]] und [[British Columbia Power Company]] wurden verstaatlicht und zusammen mit kleineren Elektrizitätsunternehmen zu [[BC Hydro]] zusammengefasst. Mehrere Dämme wurden gebaut, ein Abkommen über Stromlieferungen mit den USA geschlossen. Im Nordosten der Provinz erschloss man Öl und Gas. Außerdem richtete die Regierung [[BC Ferries]] ein, ein Fährennetz, das das ebenfalls im Provinzbesitz befindliche Straßennetz ergänzte. Die wirtschaftlichen Möglichkeiten zogen wiederum zahlreiche Künstler, Schriftsteller und Wissenschaftler in die als angenehm wahrgenommene und beworbene Stadt. Dazu kam der Wirtschaftsboom in Ostasien, allen voran Japan. Da Victoria stark von der Politik seines größten Arbeitgebers abhing, hing vom Staat vieles ab. Als BC Hydro die ersten Verluste bekanntgab, verlor die [[British Columbia Social Credit Party]] die Wahl von 1972, doch kehrte sie bereits 1975 zurück und verlor erst nach Korruptionsskandalen 1991 endgültig die Macht. [[Glen Clark]], früherer Präsident der ''BC Federation of Labour'', wurde neuer Parteiführer der [[British Columbia New Democratic Party]] (NDP) und gewann 1996 die Wahl. Mit dem Regierungswechsel setzte man stärker auf Tourismus. So wurden zahlreiche Parks eingerichtet. Arbeitslosigkeit und Steuern stiegen jedoch. Der Plan, eine Schiffbauindustrie neu aufzubauen, scheiterte. 2001 wurde auch die NDP abgewählt. Sieger war [[Gordon Campbell]]s [[British Columbia Liberal Party]] mit 77 von 79 Sitzen. Er ließ die Einkommensteuer senken und verkaufte die Eisenbahngesellschaft [[British Columbia Railway]] an die [[Canadian National Railway]]. Ab 2002 wurden große Teile der Energieproduktion für private Unternehmen geöffnet, die dazu übergingen, neue Staudämme zu bauen. Neben gravierenden ökologischen Folgen untergräbt dies vielfach die Förderung des Tourismus. Viel entscheidender war aber die Übernahme [[Hongkong]]s durch die [[Volksrepublik China]], was zahlreiche vermögende Chinesen nach British Columbia brachte, vor allem nach Vancouver. Ihr Kapital, dazu der schnell wachsende pazifische Wirtschaftsraum, machte Victoria zu einer vermögenden Stadt. Dennoch zeichnet sich seit Sommer 2006 ein Rückgang der Immobilienpreise ab, der die Finanzkrise in den USA ankündigte. Dies bremste auch das Wachstum der bis 2006 wichtigsten Industrie in Victoria, des Tourismus. Zwischen 1998 und 2007 stieg die Zahl der Touristen von rund 2,2 Millionen auf über 3,6 Millionen an, ihre Aufenthaltsdauer schwankte zwischen 2,0 und 3,5 Tagen. Sie gaben jährlich zwischen 1,0 und 1,2 Milliarden [[Kanadischer Dollar|Dollar]] aus. Lange Zeit überwogen dabei Touristen aus den USA – sie machten um 2000 noch fast 40 % der Touristen aus, seither hat sich ihr Anteil halbiert –, doch inzwischen nimmt die Zahl der Touristen aus Asien und Europa zu.<ref name="TourismVictoria">[http://web.archive.org/web/20080511043638/http://www.tourismvictoria.com/Content/EN/1779.asp Tourism Victoria] und [http://web.archive.org/web/20080511065939/www.tourismvictoria.com/Content/EN/1785.asp Victoria Commercial Accomodation]</ref> Große Hoffnungen macht man sich auf Touristen aus China.<ref>[http://www.canada.com/travel/Chinese+tourism+could+grow+after+Canada+finally+becomes+approved+destination/2299984/story.html ''Chinese tourism to B.C. could grow 25% after Canada finally becomes "approved destination"'', in: Canada.com, 4. Dezember 2009]</ref> Dazu kommen zahlreiche Kurzzeitbesucher, wie etwa Reisende der Kreuzfahrtschiffe, die am Ogden Point Terminal anlegen. Ihre Zahl belief sich im Jahr 2007 auf weit über 300.000.<ref>[http://www.victoriaharbour.org/cruiseinfo.php ''Greater Victoria Harbour Authority'']</ref> Von diesen Kurzzeittouristen übernachteten 2009 rund drei Viertel in der Stadt, insgesamt 87 % aller Touristen. Die Tagesausgaben fielen allerdings von 273 Dollar (2007) auf 247 Dollar (2009). 77 % der Besucher des Jahres 2009 waren schon vorher mindestens einmal in Victoria, 18 % kamen jährlich mindestens sechsmal. 47 % gaben an, zum Vergnügen zu kommen, 24 % besuchten Verwandte und Freunde, 6 % kamen zur Hochzeit oder Beerdigung, in Krankenhäuser und vor allem zu Bildungsinstituten. Rund 42 % der Besucher kamen aus der Provinz, 13 % aus dem benachbarten US-Bundesstaat [[Washington (Bundesstaat)|Washington]].<ref>''Tourism Victoria. Exit Survey, Annual Report 2009'', University of Victoria 2009.</ref> Inzwischen setzen aber Hightech-Unternehmen mehr als 1,6 Milliarden Dollar um, und lassen die bisher größte Industrie damit hinter sich. Das betrifft auch die Zahl der Arbeitsplätze. Unternehmen wie ''GenoLogics Life Sciences Software'' in der Softwareindustrie, aber auch solche wie ''Triton Logging'' – die Umweltpreise gewannen, obwohl sie zur Holzindustrie gehören, sich jedoch von den vorherrschenden Praktiken der Industrie absetzte – oder ''Etraffic Solutions'', ''Contech Electronics'', ''Archipelago Marine Research'' usw. beschäftigen inzwischen immer mehr Mitarbeiter.<ref>High-tech eclipses tourism. Strong growth sees high-tech industry hit $1.6-billion in total, in: Times Colonist, 24. Mai 2007.</ref> Insgesamt ist Victoria eine Stadt, ähnlich wie die ganze Provinz, deren Arbeitsmarkt auf zahllosen Klein- und Mittelbetrieben basiert. Trotz dieser widerstandsfähigen Strukturen stieg die Arbeitslosenquote in Greater Victoria von kaum mehr als 3 % im Mai 2008 auf 6,4 % im Mai 2009. Besonders stark litten die Bereiche Lebensmittel und Gastgewerbe, wo innerhalb eines Jahres 6.700 Stellen verschwanden. Aber auch der technisch-wissenschaftliche Bereich verzeichnete einen Rückgang von 3.200 Stellen, ähnlich wie der öffentliche Sektor mit 3.000 Stellen. Dennoch lag die Arbeitslosenquote unter der in der Provinz (7,4 %) oder der in Kanada (8,4 %). Im Juli 2009 lagen die entsprechenden Werte bei 6,1 bzw. 7,8 und 8,7 %.<ref>{{Internetquelle |url=http://www.timescolonist.com/Business/Greater+Victoria+jobless+rate+hits/1670056/story.html |titel=Greater Victoria's jobless rate hits 6.4% |autor=Carla Wilson |hrsg=Times-Colonist |datum=2009-06-06 |zugriff=2010-03-09 |sprache=englisch}}</ref><ref>{{Internetquelle |url=http://www.timescolonist.com/business/economic+recovery+tagged+weak+volatile/1880954/story.html |titel=B.C. economic recovery tagged 'weak and volatile' |hrsg=Times-Colonist |datum=2009-08-11 |zugriff=2010-03-09 |sprache=englisch}}</ref> === Verkehr === [[Datei:P5300005.JPG|thumb|Der Anfang des ''Trans-Canada Highway'']] Victoria liegt am ''[[Trans-Canada Highway|Trans Canada Highway]]'', der genau an der Ecke Douglas Street/Dallas Road beginnt. Die ersten Pkws kamen 1899, die ersten Busse kamen 1923 zum Einsatz. Zwar wurden 1945 [[Oberleitungsbus|Trolleybusse]] eingesetzt, doch 1948 stellte man den Betrieb der seit 1890 mit 6 ''Street Cars'' eröffneten Straßenbahnen ein. 1961 wurde BC Electric von BC Hydro (eigentlich ''BC Hydro and Power Authority'') übernommen. Derzeitiger Eigner ist BC Transit, eine so genannte ''Crown Corporation'', also ein staatlich kontrolliertes Unternehmen. Im Jahr 2000 führte Victoria als erste Stadt in Nordamerika den regulären Busbetrieb mit Doppeldeckern ein<ref>{{Internetquelle |url=http://web.archive.org/web/20080526142007/http://www.transitworkers.novatone.net/PUBLIC/a_brief_history_of_transit.htm |titel=A Brief History of Transport in Victoria and the Lower Mainlands |archiv-datum=2008-05-26 |zugriff=2010-03-09 |sprache=englisch}}</ref>, 1992 hatte die Stadt als erste in der Provinz Niederflurfahrzeuge eingeführt. Die Stadt verfügt über einen Flughafen, den ''Victoria International Airport'', und ist durch Fähren mit dem amerikanischen Bundesstaat Washington sowie mit der Wirtschaftsmetropole Vancouver verbunden. Wasserflugzeuge verbinden den Inneren Hafen sowohl mit [[Seattle]] als auch mit dem Flughafen und dem Hafen von Vancouver. [[Datei:Catamaran Victora Clipper IV.jpg|miniatur|Victoria Clipper, [[Katamaran]]e, die Victoria mit Vancouver und Seattle verbinden]] Ablegestelle der Fähren von [[BC Ferries]] nach [[Tsawwassen (British Columbia)|Tsawwassen]] südlich von Vancouver und zu mehreren [[Gulf Islands]] ist der ''Swartz Bay Ferry Terminal'' knapp 30 km nördlich des Ortskerns von Victoria. Die ''Washington State Ferry'' hingegen hat ihre Anlegestelle in [[Sidney (British Columbia)|Sidney]], von wo sie nach [[Friday Harbor]], [[Orcas Island]] und nach [[Anacortes]] in Washington fährt. Eine Autofähre vom Inneren Hafen fährt nach [[Port Angeles]], dazu verkehren Hochgeschwindigkeits-Katamarane nach Seattle, sowie diverse Wasserflugzeuge. [[Datei:Vicbus-8020.jpg|miniatur|Bus vor dem Royal British Columbia Museum]] Als öffentliche Verkehrsmittel verkehren in Victoria Busse. Federführend ist das ''Victoria Regional Transit System'', das wiederum zu ''BC Transit'' gehört. BC Transit ist für den öffentlichen Personennahverkehr in British Columbia zuständig – mit Ausnahme von Vancouver – und hat seinen Hauptsitz in Victoria. Diese Art des Personentransports geht auf das Jahr 1890 und die ''National Electric Tramway and Light Company'' zurück. Doch nach einem schweren Unfall mit 55 Toten an der Point Ellice Bridge übernahm die [[British Columbia Electric Railway]] den Betrieb.<ref>''Twenty Nine Years of Public Service: British Columbia Electric Railway Limited'', Victoria 1925, S. 11.</ref> Der Eisenbahnverkehr spielt, sieht man von der seit 1886 verkehrenden ''[[Esquimalt and Nanaimo Railway]]'' ab, fast keine Rolle mehr. Sie bietet eine Verbindung nach [[Nanaimo]], [[Port Alberni]] und [[Courtenay (British Columbia)|Courtenay]], doch verkehrt der Zug nur einmal am Tag.<ref>[http://www.sryraillink.com/vancouver_isl_service.htm ''Southern Railway of Vancouver Island''].</ref> Ein Radwegenetz wurde in den letzten Jahren aufgebaut, das etwa den ''Galloping Goose'' und den ''Lochside Regional Trail'' einbezieht. === Bildung === Neben der Universität (UVic oder [[University of Victoria]]) ist das [[Royal British Columbia Museum]] eine der wichtigsten Bildungsstätten, die auch für den Tourismus von großer Bedeutung ist. Dazu kommen das ''[[Lester B. Pearson]] College of the Pacific'' in [[Metchosin]], das sich, entsprechend dem namengebenden Friedensnobelpreisträger, dem Ziel einer friedlichen Koexistenz verschrieben hat, und als jüngste Einrichtung die ''Royal Roads University'' sowie das ''Camosun College'' von 1971. Dazu kommt die umstrittene private ''University Canada West'', die bis 2009 unter Leitung des ehemaligen UVic-Präsidenten stand. Sie besitzt zwei Campus, einen in Vancouver und einen in Victoria, 950 Kings Road. Das ''Dominion Astrophysical Observatory'' und das ''Centre of the Universe-Planetarium'' stellen herausragende naturwissenschaftliche Institute dar. Neben dem ''Royal BC Museum'' ist das ''Maritime Museum of British Columbia'' für Erforschung und Dokumentation sowie Präsentation der Geschichte der Seefahrt von Bedeutung. [[File:Victoria High School.jpg|miniatur|High School]] Die einzige [[High School]] im Stadtkern ist die ''Victoria High School'' von 1876. Daneben gibt es noch Schulen dieses Typs in Oak Bay und in Esquimalt, weitere, als ''Secondary Schools'' bezeichnete Einrichtungen, wie die ''Lambrick Park'', die ''Mount Douglas'' und die ''Reynolds Secondary'' sowie die ''Spectrum Community School'' bieten eine ähnliche Ausbildung. Für die frankophone Minderheit steht die ''École Victor Brodeur'' zur Verfügung, für die Chinesen die ''Chinese School'' in [[Chinatown]]. Dazu kommt eine Reihe, z. T. christlich ausgerichteter Privatschulen. Die erste Schule entstand auf Initiative des Gouverneurs James Douglas 1852, der erste Lehrer war Charles Bailey.<ref>Dies und das Folgende nach: ''Early schools predated B.C.’s birth'', in: Times Colonist. 150 years. How we lived, 2. Januar 2008.</ref> Er unterrichtete 18 Schüler. 1855 folgte eine zweite beim heutigen Craigflower unter Leitung von Charles Clark. 1865 wurde die Schulpflicht für alle ab sechs Jahren eingeführt, doch 1872 mussten die Schulen mangels Geld geschlossen werden. Im nächsten Jahr erfolgte ein weiterer Anlauf, doch wurde die Schulpflicht auf die 6- bis 14-Jährigen begrenzt (vorher bis 18). 1876 wurde die erste High School gegründet, alle anderen waren Elementary Schools, eine Art Grundschulen. Die erste Normal School eröffnete 1915, 15 Jahre nach der ersten in Vancouver. Dies hing mit einem regelrechten Schulboom zusammen, denn von 1908 bis 1914 entstanden zwölf neue Schulen. === Medien === Die älteste Tageszeitung ist der ''[[Times-Colonist]]'', der 1980 aus der Verbindung zweier Zeitungen hervorging, nämlich der ''Victoria Daily Times'' (gegr. 1884) und dem ''British Colonist'' bzw. ''Daily Colonist'', wie er später hieß (gegr. 1858). Die Zeitung zirkuliert mit einer Auflage von über 70.000 Exemplaren und gehört dem Konzern [[CanWest Global Communications]] mit Sitz in [[Winnipeg]]. CFCL, den ersten Radiosender in der Stadt, gründete 1923 Clem Davies von der [[Centennial Methodist Church]], der jedoch 1925 aus der Kirche austrat. Der Betrieb wurde dennoch fortgesetzt. 1941 kaufte der ''Victoria Colonist'' den Sender und er hieß nun CJVI, 1951 übernahmen ''Taylor, Pearson & Carson Ltd.'' die Mehrheit, 1971 hielten die ''Selkirk Holdings'' alle Anteile. Der Präsident des Senders John Ansell (bis 1987) wurde 1981 Präsident der ''Canadian Association of Broadcasters''. CVJI unterstützte 1990 die ''Camosun College Foundation'' finanziell, die einen Radiosender gründen wollte, und beendete seine Affiliation zur [[CBC/Radio-Canada|CBC]]. Am 2. September 2000 stellte CVJI seinen Betrieb ein, doch setzte die Station mit JACK FM ihre Sendungen ab 2004 fort.<ref>[http://www.broadcasting-history.ca/index3.php?url=http%3A//www.broadcasting-history.ca/listings_and_histories/radio/province_map_radio-BC.html ''CHTT-FM, Victoria, Rogers Broadcasting Ltd.'']</ref> 1947 entstand als zweiter Radiosender CJZN-FM.<ref>[http://www.broadcasting-history.ca/index3.php?url=http%3A//www.broadcasting-history.ca/listings_and_histories/radio/province_map_radio-BC.html ''CJZN-FM, Victoria, Jim Pattison Broadcast Group'']</ref> Der erste private Fernsehsender, neben der staatlichen [[CBC/Radio-Canada|CBC]], die bereits 1955 rund zwei Drittel der Haushalte erreichte, nahm am 1. Dezember 1956 seinen Betrieb auf. Damit war CHECK-TV, das David Armstrong gehörte, der von der Radiostation CFCL kam, der zweite Fernsehsender in der Provinz. Das Aufnahmestudio befand sich in 3963 Epsom Drive in Saanich. 1982 ging der Sender an die Western Broadcasting Co. Ltd.<ref>[http://www.broadcasting-history.ca/index3.php?url=http%3A//www.broadcasting-history.ca/listings_and_histories/radio/province_map_radio-BC.html British Columbia, CHEK-TV, Victoria, CanWest Global Communications]</ref> Heute gehört der Sender [[CanWest Global Communications]]. === Sport === Professionell Eishockey wird von den [[Victoria Salmon Kings]] gespielt. Die Mannschaft [[Victoria Cougars (PCHA)|Victoria Cougars]], die von 1911 bis 1926 existierte, gewann 1925 den [[Stanley Cup]]. Der lokale Fußballclub ist ''Victoria United''. Für das Eishockey wurde 2005 eine Hallen-Arena, das [[Save-On-Foods Memorial Centre]] (SOFMC) errichtet, das den „Lachskönigen“ gehört. Victoria war Austragungsort der [[Commonwealth Games 1994]]. In der zweiten kanadischen Nationalsportart, [[Lacrosse]], war Victoria wesentlich erfolgreicher. Die ''Victoria Shamrocks'' gewannen den ''Mann Cup'', den kanadischen Pokal, 1955, 1957, 1979, 1983 (1983-94 nach ihrem Sponsor ''Victoria Payless'' genannt), 1997, 1999, 2003 und 2005. Victoria hatte, mit mehreren Unterbrechungen, immer ein professionelles [[Baseball]]-Team. Seit 2009<ref>{{cite web|url=http://www.goldenbaseball.com/ArDisplay.aspx?ID=4741&SecID=303|title=Golden Baseball League Expands to Victoria, Canada|publisher=GBL|accessdate=2008-10-01}}</ref> spielen dort die [[Victoria Seals]] im [[Royal Athletic Park]] und nehmen am Ligabetrieb der [[Golden Baseball League]] teil. Für den Segelsport ist das jährlich im Mai stattfindende Rennen ''Swiftsure International Yacht Race'' von größter Bedeutung, das im Jahr 2008 zum 65. Mal stattfand. Die Routen führen u. a. zur Clallam Bay, zur Pedder Bay und zum [[Cape Flattery]] im äußersten Nordwesten Washingtons. == Städtepartnerschaften == * [[Napier (Neuseeland)|Napier]], [[Neuseeland]] * [[Suzhou (Jiangsu)]], [[Volksrepublik China|China]] * [[Chabarowsk]], [[Russland]] * [[Morioka]], [[Japan]] == Persönlichkeiten == * [[Liste der Persönlichkeiten aus Victoria]] == Literatur == * Chuen-Yan David Lai, Pamela Madoff, David Chuenyan Lai: ''Building and Rebuilding Harmony: The Gateway to Victoria's Chinatown.'' Canadian Western Geographical Series Bd. 32, 1997 * Gregory Edwards, Hidden Cities: ''Art and Design in Architectural Details of Vancouver and Victoria,'' Talon Books 1992 * Terry Reksten: ''More English than the English. A Very Social History of Victoria,'' Victoria: Orca Book Publishers 1988 * Robin Ward: ''Echoes of Empire: Victoria & Its Remarkable Buildings,'' Harbour Publishing 1996 == Weblinks == {{Commons|Victoria, British Columbia}} * [http://www.victoria.ca Offizielle Site der Stadtverwaltung] * [http://www.crd.bc.ca/ Website des Capital Regional District] * [http://www.victoriaheritagefoundation.ca Website der Victoria Heritage Foundation] * [http://www.tourismvictoria.com Tourismusinformation zu Victoria] == Anmerkungen == <references /> {{Exzellent|27. März 2010|72399560}} {{SORTIERUNG:Victoria}} [[Kategorie:Ort in British Columbia]] [[Kategorie:Ort mit Seehafen]] [[bg:Виктория (Британска Колумбия)]] [[ca:Victoria (Colúmbia Britànica)]] [[cs:Victoria (Britská Kolumbie)]] [[cy:Victoria (British Columbia)]] [[da:Victoria (Canada)]] [[el:Βικτωρία Βρετανικής Κολομβίας]] [[en:Victoria, British Columbia]] [[eo:Viktorio (Brita Kolumbio)]] [[es:Victoria (Columbia Británica)]] [[eu:Victoria (Kanada)]] [[fa:ویکتوریا، بریتیش کلمبیا]] [[fi:Victoria (Kanada)]] [[fr:Victoria (Colombie-Britannique)]] [[ga:Victoria, an Cholóim Bhriotanach]] [[gd:Victoria, Columbia Bhreatannach]] [[he:ויקטוריה (קולומביה הבריטית)]] [[hr:Victoria (Kanada)]] [[id:Victoria, British Columbia]] [[io:Victoria, British Columbia]] [[it:Victoria (Canada)]] [[ja:ビクトリア (ブリティッシュコロンビア州)]] [[ka:ვიქტორია (ბრიტანეთის კოლუმბია)]] [[ko:빅토리아 (브리티시컬럼비아 주)]] [[lt:Viktorija (Kanada)]] [[nl:Victoria (Canada)]] [[no:Victoria (Britisk Columbia)]] [[os:Виктори (Британийы Колумби)]] [[pl:Victoria (Kolumbia Brytyjska)]] [[pt:Victoria (Colúmbia Britânica)]] [[ro:Victoria, Columbia Britanică]] [[ru:Виктория (Британская Колумбия)]] [[simple:Victoria, British Columbia]] [[sk:Victoria (Britská Kolumbia)]] [[sl:Victoria, Britanska Kolumbija]] [[sr:Викторија (град)]] [[sv:Victoria, British Columbia]] [[sw:Victoria, British Kolumbia]] [[ta:விக்டோரியா, பிரிட்டிசு கொலம்பியா]] [[th:วิกตอเรีย (รัฐบริติชโคลัมเบีย)]] [[tl:Victoria, British Columbia]] [[tr:Victoria, Britanya Kolumbiyası]] [[ug:Wiktoriye, Britani Kolumbiye]] [[uk:Вікторія (Британська Колумбія)]] [[ur:وکٹوریا، برٹش کولمبیا]] [[vi:Victoria, British Columbia]] [[vo:Victoria (British Columbia)]] [[war:Victoria, British Columbia]] [[zh:維多利亞 (卑詩)]] [[zh-min-nan:Victoria (British Columbia)]] 4kmps989ynmk2c20r8quxyguc7k5dl0 wikitext text/x-wiki Victoria von Großbritannien und Irland (1840–1901) 0 24443 27042 2010-05-06T20:26:04Z Xqbot 0 Bot: Ändere: [[sv:Viktoria av Storbritannien (tysk kejsarinna)]] [[Datei:Victoria, Princess Royal.jpg|thumb|'''Victoria''', preußische Kronprinzessin, 1867.<br /><small>(Maler: [[Franz Xaver Winterhalter]].)</small>]] [[Datei:Kaiserin Victoria 1.jpg|thumb|Die verwitwete Kaiserin Victoria, Zeichnung von [[Norbert Schrödl]]]] '''Victoria Adelaide Mary Louisa von Großbritannien und Irland''' '''[[Royal Order of Victoria and Albert|VA]]''' (* [[21. November]] [[1840]] im [[Buckingham Palace]], [[London]]; † [[5. August]] [[1901]] in [[Schlosshotel Kronberg|Schloss Friedrichshof]], [[Kronberg im Taunus]]), nach dem Tod ihres Mannes (15. Juni 1888) auch '''Kaiserin Friedrich''' genannt, war das erste Kind von [[Albert von Sachsen-Coburg und Gotha]] und [[Victoria (Vereinigtes Königreich)|Königin Victoria von Großbritannien]] und als Gemahlin [[Friedrich III. (Deutsches Reich)|Friedrichs&nbsp;III.]] Königin von Preußen und [[Deutscher Kaiser|Deutsche Kaiserin]]. Die britische [[Princess Royal]] wurde von ihrem Vater in einer politisch liberalen Haltung erzogen und nach ihrer Verlobung sorgfältig auf die Rolle einer preußischen Prinzessin vorbereitet. Ähnlich wie ihr Mann Friedrich III. war Victoria von Sachsen-Coburg und Gotha der Auffassung, dass sich [[Preußen]] beziehungsweise das [[Deutsches Kaiserreich|Deutsche Kaiserreich]] zu einer konstitutionellen Monarchie nach britischem Muster entwickeln müsse. Diese politische Haltung und ihre britische Abstammung isolierten sie über lange Zeit am preußischen Hof, an dem unter anderem [[Otto von Bismarck]] zu ihren entschiedenen politischen Gegnern zählte. Friedrich III. und Kaiserin Victoria hatten letztlich nur für wenige Wochen die Möglichkeit, die Politik des Deutschen Kaiserreiches zu beeinflussen: Friedrich III. starb 99&nbsp;Tage nach seiner Thronbesteigung an Kehlkopfkrebs. Ihm folgte [[Wilhelm II. (Deutsches Reich)|Wilhelm II.]] auf den deutschen Kaiserthron, der eine deutlich konservativere Politik als seine Eltern vertrat. Victoria von Sachsen-Coburg und Gotha verbrachte ihr letztes Lebensjahrzehnt weitab vom preußischen Hof in Kronberg im Taunus. Die Korrespondenz zwischen Victoria von Sachsen-Coburg und Gotha und ihren Eltern ist nahezu lückenlos erhalten geblieben: Allein 3.777 Briefe der Queen Victoria an ihre älteste Tochter und ungefähr 4.000 Briefe der Tochter an ihre Mutter sind erhalten und katalogisiert. Diese geben einen detaillierten Einblick in die Lebensweise des preußischen Hofes zwischen 1858 und 1900. == Princess Royal == === Kindheit === Prinzessin Victoria war das erste Kind der britischen Königin Victoria und ihres deutschen Ehemanns Albert. Beide waren entschlossen, sowohl ihrer ersten Tochter als auch den nachfolgenden Kindern eine möglichst umfassende Erziehung angedeihen zu lassen. Königin Victoria selbst, die mit 18 Jahren ihrem kinderlos gebliebenen Onkel [[Wilhelm IV. (Vereinigtes Königreich)|Wilhelm IV.]] auf dem britischen Thron folgte, war auf ihre Aufgabe nur unzureichend vorbereitet worden. Prinz Albert, der zweite Sohn des Herzogs Ernst von Coburg, dessen [[Herzogtum Sachsen-Coburg-Gotha|Herzogtum]] knapp 2.000 Quadratkilometer und 140.000 Einwohner umfasste, hatte nicht zuletzt dank seines Onkels König [[Leopold I. (Belgien)|Leopold von Belgien]] eine weit umfangreichere Ausbildung erhalten. [[Datei:Queen_Victoria,_Prince_Albert,_and_children_by_Franz_Xaver_Winterhalter.jpg|thumb|Königin Victoria, Prinz Albert und die fünf ältesten Kinder – Prinzessin Victoria befindet sich am rechten Bildrand. Gemälde von Franz Xaver Winterhalter, 1846]] Prinz Albert legte in einem ausführlichen und von Königin Victoria unterschriebenen Memorandum die Aufgaben und Pflichten aller Personen fest, die in irgendeiner Weise mit der Erziehung der königlichen Kinder zu tun hatten. Diesem Memorandum folgte anderthalb Jahre später eine weitere, 48-seitige Denkschrift, in der Baron [[Christian Friedrich von Stockmar]], der Vertraute des königlichen Ehepaares, detailliert die Erziehungsgrundsätze für die königlichen Kinder niederschrieb.<ref>Pakula, S.&nbsp;11–13</ref> Beide Elternteile hatten allerdings wenig Kenntnisse über den normalen Verlauf einer kindlichen Entwicklung. Königin Victoria hielt es beispielsweise für mangelnde Erziehung, wenn ihre einjährige Tochter noch an Armbändern lutschte. Nach Ansicht von Hanna Pakula, der Biografin von Victoria von Sachsen-Coburg und Gotha, waren deshalb insbesondere die ersten zwei Erzieherinnen der Prinzessin Victoria sehr glücklich gewählt. Die verwitwete und im Umgang mit Kindern erfahrene Lady Littleton leitete ab Prinzessin Victorias zweitem Lebensjahr die „Nursery“, in der die Kinder des Königspaares jeweils ihre ersten Lebensjahre verbrachten. Sie war diplomatisch geschickt genug, die teilweise unrealistischen Anforderungen der Eltern an ihre Kinder zu mildern. Prinzessin Victorias zweite [[Gouvernante]] Sarah Anne Hildyard war eine engagierte und geschickte Lehrerin, die eine enge Beziehung zu ihrer Schülerin entwickelte.<ref>Pakula, S.&nbsp;21</ref> Bereits ab dem 18. Lebensmonat wurde Victoria von Sachsen-Coburg und Gotha in [[Französische Sprache|Französisch]] und noch vor Vollendung ihres vierten Lebensjahres auch in [[Deutsche Sprache|Deutsch]] unterrichtet. Für die sechsjährige Prinzessin begann der nur von drei Spielstunden unterbrochene Unterricht in Fächern wie Arithmetik, Geografie und Geschichte morgens um 8&nbsp;Uhr&nbsp;20 und endete abends um 18&nbsp;Uhr. Im Gegensatz zu ihrem Bruder [[Eduard VII. (Vereinigtes Königreich)|Eduard]], der als Thronfolger einem noch rigoroseren Erziehungsprogramm unterworfen war, war die frühreife Victoria ausgesprochen lernbegierig, allerdings auch aufbrausend und eigensinnig.<ref>Pakula, S.&nbsp;16–21 und Sinclair, S.&nbsp;26</ref> Sowohl Albert von Sachsen-Coburg und Gotha als auch Königin Victoria lag daran, ihre Kinder möglichst lange vom Hofleben fern zu halten. Deswegen erwarb das Ehepaar [[Osborne House]] auf der [[Isle of Wight]], das nach den Entwürfen von Prinz Albert in eine neapolitanische [[Villa]] umgebaut wurde.<ref> Herre, S.&nbsp;25 </ref> Auf dem großen Gelände ließ Prinz Albert in einiger Entfernung vom Haupthaus für die Kinder ein Schweizer [[Chalet]] errichten, zu dem unter anderem eine kleine Küche und eine Schreinerwerkstatt gehörten. Die Kinder sollten dort praktische Fähigkeiten erlernen. Prinz Albert spielte eine große und direkte Rolle in der Erziehung seiner Kinder: Er nahm großen Anteil an ihren Unterrichtsfortschritten, unterrichtete sie teilweise auch selbst und verbrachte viel Zeit mit seinen Kindern, um mit ihnen zu spielen.<ref>Pakula, S.&nbsp;20,&nbsp;22 und Herre, S.&nbsp;25ff </ref> === Die erste Begegnung zwischen Prinzessin Victoria und Prinz Friedrich Wilhelm === Der preußische Thronfolger Prinz [[Wilhelm I. (Deutsches Reich)|Wilhelm von Preußen]] und seine Frau, Prinzessin [[Augusta von Sachsen-Weimar-Eisenach|Augusta]], zählten zu den Mitgliedern europäischer Fürstenhäuser, mit denen Königin Victoria und Prinz Albert befreundet waren. Mit der politisch liberalen<ref>Sinclair, S.&nbsp;22</ref> Prinzessin Augusta stand Königin Victoria seit dem Jahre 1846 in ständigem Briefkontakt. Prinz Wilhelm von Preußen, der im Gegensatz zu seiner Frau fester dem preußischen Konservatismus verhaftet war, fand während des [[Deutsche Revolution 1848/49|Revolutionsjahres 1848]] drei Monate lang am britischen Hof Asyl. Als 1851 in London die [[Great Exhibition|erste Weltausstellung]] stattfand, zählten Prinz Wilhelm von Preußen und Prinzessin Augusta sowie ihre beiden Kinder daher zu den von Königin Victoria und Prinz Albert eingeladenen Gästen. Dieser Besuch war gleichzeitig das erste Mal, dass Prinzessin Victoria und Prinz Friedrich Wilhelm einander begegneten. Trotz des großen Altersunterschiedes – Prinzessin Victoria war zum Zeitpunkt des Besuches elf Jahre alt, Prinz Friedrich Wilhelm dagegen 19 – verstanden sich die beiden gut. Der jungen Prinzessin war die Aufgabe übertragen worden, den Prinzen durch die Ausstellung zu führen – auf sein zögerndes Englisch antwortete sie in fließendem Deutsch. Noch Jahre später betonte Prinz Friedrich Wilhelm, wie sehr ihn die Mischung aus Kindlichkeit, intellektueller Neugier und natürlicher Würde beeindruckt habe, die sie während der Führung gezeigt hätte.<ref>Pakula, S.&nbsp;30</ref> In Prinz Albert fand der präsumtive Thronfolger einen Gesprächspartner, der seine liberalen politischen Ansichten teilte und stärkte. Prinz Friedrich Wilhelm, der insgesamt vier Wochen in England verbrachte, war zudem von der Umgangsweise innerhalb der britischen Königsfamilie angetan. Anders als seine Eltern waren Königin Victoria und Prinz Albert einander herzlich zugetan und führten ein Familienleben, das weit entfernt von der Strenge und Förmlichkeit des preußischen Hofes war.<ref>Sinclair, S.&nbsp;35f und Herre, S.&nbsp;32f</ref> Nach der Rückkehr des Prinzen nach Deutschland begannen Prinzessin Victoria und Prinz Friedrich Wilhelm, einander regelmäßig zu schreiben. In einem Brief an ihren Onkel, König Leopold&nbsp;I. von Belgien, gab Königin Victoria der Hoffnung Ausdruck, dass sich aus dieser Begegnung mittelfristig eine engere Bindung ergeben werde.<ref>Pakula, S.&nbsp;31</ref> === Die Verlobung mit Prinz Friedrich Wilhelm === Vier Jahre nach der Londoner Weltausstellung reiste Prinz Friedrich Wilhelm nach Schottland, um die britische Königsfamilie in ihrem [[Balmoral Castle|Schloss Balmoral]] zu besuchen und sich Klarheit darüber zu verschaffen, ob Prinzessin Victoria für ihn eine geeignete Ehepartnerin sei. Ähnlich wie Prinzessin Victoria war Prinz Friedrich Wilhelm ungewöhnlich gut gebildet. Als erster preußischer Thronfolger hatte er studiert und dabei unter anderem Vorlesungen von [[Ernst Moritz Arndt]] und [[Friedrich Christoph Dahlmann]] gehört.<ref> Kollander, S. 5 </ref> Entsprechend der Tradition des preußischen Königshauses nahm er seit Studienabschluss Aufgaben innerhalb der [[Preußische Armee|preußischen Armee]] wahr. Seine Reise nach Großbritannien fand in preußischen Hofkreisen nicht nur Unterstützung: viele am Hofe hielten eine eheliche Verbindung mit dem russischen Zarenhaus für politisch wünschenswerter. König [[Friedrich Wilhelm IV. (Preußen)|Friedrich Wilhelm&nbsp;IV.]] hatte seine Einwilligung zu einer möglichen Ehe zwischen seinem Neffen und der britischen Prinzessin nur widerwillig gegeben und seine Zustimmung zunächst sogar vor seiner eigenen, anglophoben Frau geheim gehalten.<ref>Pakula, S.&nbsp;43</ref> [[Datei:Victoria Princess Royal , 1857.jpg|thumb|Prinzessin Victoria im Jahre 1857]] Victoria von Sachsen-Coburg und Gotha war zum Zeitpunkt des zweiten Besuchs von Prinz Friedrich Wilhelm knapp 15&nbsp;Jahre alt. Sie war zwar größer als ihre Mutter, aber mit einer Körperlänge von 157 Zentimeter immer noch verhältnismäßig klein und entsprach nur wenig dem Schönheitsideal ihrer Zeit. Königin Victoria war deswegen besorgt, dass der als stattlich geltende Prinz Friedrich Wilhelm Prinzessin Victoria nicht hinreichend attraktiv finden würde.<ref>Pakula, S.&nbsp;50</ref> Bereits während des ersten gemeinsamen Abendessens war für Königin Victoria und Prinz Albert jedoch deutlich zu erkennen, dass die beiden einander nach wie vor sympathisch fanden, und am dritten Tag seines Aufenthalts bat Prinz Friedrich Wilhelm bei ihnen um die Erlaubnis, um die Hand ihrer Tochter anhalten zu dürfen. Die Zustimmung von Königin Victoria und Prinz Albert war unter anderem an die Bedingung geknüpft, dass die Hochzeit nicht stattfinden solle, bevor Victoria 17&nbsp;Jahre alt sei.<ref>Kurt Tetzeli von Rosador und Arndt Mersmann (Hrsg): ''Queen Victoria – Ein biographisches Lesebuch aus ihren Briefen und Tagebüchern.'' Deutscher Taschenbuchverlag, München 2001. ISBN 3-423-12846-1. S.&nbsp;103–106 </ref> Die Verlobung zwischen Prinzessin Victoria und Prinz Friedrich Wilhelm, die erst am 17. Mai 1856 bekannt gegeben wurde, stieß in der britischen Öffentlichkeit auf viel Kritik: Diese lastete Preußen seine neutrale Haltung während des [[Krimkrieg]]s nach wie vor an. In einem Artikel kritisierte die britische Zeitung ''[[The Times|Times]]'' das [[Haus Hohenzollern]] als eine armselige Dynastie, die eine unbeständige und unglaubwürdige Außenpolitik verfolge und deren Fortbestand von Russland abhängig sei. Der Artikel bemängelte auch, dass die preußische Königsfamilie die Zusicherungen, die sie während der Revolution 1848 dem Volk gegeben habe, nicht eingehalten habe.<ref>Pakula, S.&nbsp;52</ref> In Deutschland war die Reaktion auf die Verlobung geteilter. Liberale Kreise begrüßten die Verbindung mit dem britischen Königshaus, während die meisten Mitglieder des preußischen Königshauses und der politisch konservativen Kreise die geplante Verbindung ablehnten.<ref>Herre, S.&nbsp;41</ref> === Vorbereitung auf die Rolle einer preußischen Prinzessin === Prinz Albert von Sachsen-Coburg und Gotha zählte zu den Liberalen des [[Vormärz]]es und war ein Anhänger des sogenannten [[Coburger Plan]]s. Bereits während des unfreiwilligen Aufenthalts des preußischen Thronfolgers Prinz [[Wilhelm I. (Deutsches Reich)|Wilhelm von Preußen]] in London im Jahre 1848 hatte Prinz Albert versucht, diesen von seiner Vision eines unter der Vorherrschaft eines liberalen Preußens vereinigten Deutschlands zu überzeugen. Nach Prinz Alberts Auffassung war dieses Ziel nur zu erreichen, wenn sich Preußen ähnlich wie das Vereinigte Königreich zu einer [[Konstitutionelle Monarchie|konstitutionellen Monarchie]] entwickeln würde.<ref>Pakula, S.&nbsp;26,&nbsp;27 und Kollander, S.&nbsp;6</ref> Die knapp zwei Jahre zwischen Verlobung und Hochzeit nutzte Prinz Albert, um seine Tochter in diesem Sinne weiterzubilden. Er unterrichtete sie persönlich in Politik und neuzeitlicher europäischer Geschichte und ließ seine Tochter Aufsätze über Ereignisse in Preußen schreiben. Prinz Albert überschätzte bei seinen politischen Instruktionen allerdings die Stärke der liberalen Bewegung in Preußen, deren Unterstützer im Wesentlichen auf eine im Vergleich zu Großbritannien kleine Mittelschicht und wenige Intellektuelle begrenzt war.<ref>Kollander, S.&nbsp;7,&nbsp;8</ref> Allen Beteiligten wurde jedoch zunehmend klar, welche schwierige Rolle auf die junge Prinzessin Victoria an dem gegenüber Großbritannien überwiegend kritischen preußischen Hof zukommen würde. [[Feodora zu Leiningen]], die deutsche Halbschwester von Königin Victoria, bezeichnete in einem Brief an das Königspaar den preußischen Hof als eine Brutstätte von Neid, Eifersucht, Intrige und bösartiger Gaunereien.<ref>Pakula, S.&nbsp;90</ref> [[Datei:Albert of Saxe-Coburg-Gotha.jpg|thumb|Albert von Sachsen-Coburg und Gotha bereitete seine Tochter sorgfältig auf ihre zukünftigen Aufgaben vor.]] Das britische Parlament genehmigte Königin Victoria, ihrer Tochter als [[Mitgift]] 40.000 Britische Pfund zu zahlen und legte die jährliche Apanage der Prinzessin auf 8.000&nbsp;Pfund fest.<ref>Herre, S.&nbsp;42</ref> König Friedrich Wilhelm&nbsp;IV. gewährte seinem Neffen ein jährliches Einkommen von 9.000&nbsp;Talern. Das Einkommen des Prinzen war damit nicht ausreichend, um die Kosten eines standesgemäßen Haushaltes zu decken und ein Teil der Haushaltskosten würde zukünftig Prinzessin Victoria aus ihrem Vermögen tragen müssen.<ref>Pakula, S.&nbsp;58–61</ref> Der zukünftige Hofstaat des jungen Paares wurde von der preußischen Königin und der zukünftigen Schwiegermutter Prinzessin [[Augusta von Sachsen-Weimar-Eisenach|Auguste]] ausgewählt. Die beiden Frauen entschieden sich überwiegend für Personen, die bereits länger im Hofdienst standen und damit deutlich älter als das prinzliche Paar waren. Prinz Alberts Bitte, seiner Tochter doch wenigstens zwei gleichaltrige und britische Hofdamen zu gewähren, wurde nicht entsprochen. Als Kompromiss wurden mit den Komtessen [[Walpurga von Hohenthal]] und [[Marie zu Lynar]] zwei Hofdamen gewählt, die Prinzessin Victoria wenigstens altersmäßig entsprachen.<ref>Pakula, S.&nbsp;61</ref> Immerhin konnte Prinz Albert [[Ernst von Stockmar]], den Sohn seines jahrelangen Beraters [[Christian Friedrich von Stockmar]], als persönlichen Sekretär der Prinzessin durchsetzen. Prinz Albert, der überzeugt davon war, dass der preußische Hof die Einheirat einer britischen Prinzessin als Bereicherung und Ehre ansähe, bestand außerdem darauf, dass Prinzessin Victoria den Titel einer ''[[Princess Royal|Princess Royal of the United Kingdom of Great Britain and Ireland]]'' beibehielt. An dem überwiegend antibritisch und prorussisch eingestellten preußischen Hof löste dieser Schritt allerdings nur Verärgerung aus.<ref>Pakula, S.&nbsp;96 und Kollander, S.&nbsp;9</ref> Der Hochzeitsort war Anlass für weitere Meinungsverschiedenheiten. Für das preußische Königshaus war es selbstverständlich, dass ein Prinz, der als zweiter in der Thronfolge stand, in Berlin heirate. Letztlich konnte sich aber Königin Victoria durchsetzen, die als regierende Monarchin für sich in Anspruch nahm, ihre älteste Tochter in ihrem Land zu vermählen. Das Paar trat schließlich am 25. Januar 1858 in der Kapelle des [[St. James’ Palace]] in London vor den Traualtar.<ref>Sinclair, S.&nbsp;51f,&nbsp;58</ref> == Preußische Prinzessin == === Die ersten Ehejahre in Berlin === Mit dem Umzug von Victoria von Sachsen-Coburg und Gotha nach Berlin begann ein umfangreicher Briefverkehr zwischen ihr und ihren Eltern. Mit ihrem Vater tauschte sie wöchentlich einen Brief aus, der häufig Kommentare zu politischen Ereignissen enthielt. Ihre Mutter erwartete täglich eine detaillierte Berichterstattung über alles, was sich im Leben ihrer Tochter ereignete. Die Mehrzahl dieser Briefe, die meistens von Privatkurieren überbracht wurden, ist erhalten geblieben und stellt ein ausführliches Dokument des Lebens am preußischen Hof dar.<ref> Pakula, S. 96ff </ref> Die Briefe belegen auch, dass Königin Victoria zunächst versuchte, jede Einzelheit im Leben ihrer Tochter zu kontrollieren, und dass sie von ihr verlangte, sich gleichzeitig ihrem Geburts- als auch ihrem neuen Heimatland gegenüber loyal zu verhalten – eine Anforderung, der die Prinzessin zwar zu entsprechen versuchte, an der sie aber zwangsläufig scheitern musste. Bereits verhältnismäßig geringfügige Ereignisse stellten die Prinzessin vor nicht lösbare Konflikte. Der Tod einer entfernten Verwandten beider Königshäuser wurde beispielsweise am britischen Hof einen Monat lang betrauert, am preußischen dagegen nur eine Woche. Prinzessin Victoria hielt sich an die am preußischen Hof übliche Trauerzeit, wofür Königin Victoria sie scharf tadelte und sie darauf hinwies, dass sie sowohl als ihre Tochter als auch als [[Princess Royal]] verpflichtet sei, die am britischen Hof übliche Trauerzeit einzuhalten.<ref> Pakula, S. 96 </ref> Baron Stockmar war zunehmend über die Auswirkung der ständigen Vorwürfe Königin Victorias auf das seelische Gleichgewicht von Prinzessin Victoria besorgt. Über Prinz Albert erreichte er letztlich, dass Königin Victoria in ihren Anforderungen an ihre Tochter etwas gemäßigter wurde.<ref> Pakula, S. 113 f. </ref> Die Ablehnung, die Prinzessin Victoria durch die prorussische Fraktion am preußischen Hof erfuhr, konnte Baron Stockmar dagegen nicht mildern. [[Datei:Sanssouci - Nowy Pałac 02.jpg|thumb|Das Neue Palais, die Sommerresidenz in Potsdam]] : ''Ich wünschte, Du hättest all das gehört, was meine Verwandtschaft anlässlich ihres Besuches bei mir von sich gab. Ich wünschte, Du hättest hinter einem Wandschirm gestanden und hättest ihre sinnentleerten Bemerkungen gehört und hättest gesehen, wie sie auf alles, was ich tue oder trage, mit Augen-Verdrehen und Schulterzucken reagieren….''<ref> Pakula, S. 133 f </ref> schrieb Prinzessin Victoria an ihre Mutter. Die Siebzehnjährige hatte umfangreiche repräsentative Aufgaben wahrzunehmen. An fast jedem Abend war sie verpflichtet, bei förmlichen Abendessen, Theaterbesuchen und anschließenden Empfängen zu erscheinen. Waren Mitglieder anderer europäischer Fürstenhäuser, wie etwa die eng verwandten [[Romanow]]s, in Berlin oder Potsdam zu Gast, erweiterten sich die repräsentativen Pflichten der Prinzessin. Mitunter hatte sie bereits morgens um 7 Uhr Gäste des Königshauses am Bahnhof zu begrüßen und noch um Mitternacht bei Empfängen anwesend zu sein.<ref> Pakula, S. 99 und S. 130</ref> Als Wohnort hatte man dem jungen Paar zunächst den alten Flügel des Berliner Stadtschlosses zugewiesen, der sich in einem schlechten Bauzustand befand und noch nicht einmal über eine Badewanne verfügte. Im November 1858 wurde das [[Kronprinzenpalais (Berlin)|Kronprinzenpalais]] in Berlin zu ihrer Stadt- sowie das [[Neues Palais|Neue Palais]] in [[Potsdam]] zu ihrer Sommerresidenz.<ref> Herre, S. 54 und S. 61 f</ref> [[Datei:Kronprinzenpalais18601890.jpg|thumb|Das [[Kronprinzenpalais (Berlin)|Kronprinzenpalais]] – die neue Heimat der Princess Royal]] Am 27. Januar 1859, ein gutes Jahr nach der Hochzeit, kam der erste Sohn des Prinzenpaares zur Welt. Das zögerliche Handeln der anwesenden Hofärzte, die es nicht wagten, die in einen Flanellrock gekleidete Prinzessin gynäkologisch zu untersuchen, die [[Steißgeburt|Steißlage]] des Kindes sowie die durch Gedankenlosigkeit eines Dienstboten verspätete Unterrichtung des Geburtsspezialisten sorgten für einen dramatischen und langwierigen Geburtsverlauf, in dessen Verlauf das Überleben von Mutter und Kind zeitweilig fraglich schien.<ref>Pakula, S. 115–118 </ref> Der linke Arm des Kleinkindes sollte sich als verkümmert erweisen – durch ein Abreißen der Muskeln während des Geburtsvorganges kam es zu einer dauernden Innervation der Muskeln des linken Armes. Er blieb in seinem späteren Wachstum so weit zurück, dass er etwa 15 Zentimeter kürzer als der rechte Arm blieb.<ref>Vgl. [[John C. G. Röhl]], ''Kaiser, Hof und Staat – Wilhelm II. und die deutsche Politik'', München ³1988, S. 33.</ref> Sehr wahrscheinlich ist außerdem, dass der zukünftige Kaiser [[Wilhelm II. (Deutsches Reich)|Wilhelm II.]] während der Geburt für einen Zeitraum von acht bis zehn Minuten mit Sauerstoff unterversorgt war und an den [[Neurobiologie|neurobiologischen]] Folgen zu leiden hatte.<ref> Wilhelm Ober: ''Obstetrical Events That Shaped Western European History.'' The Yale Journal of Biology and Medicine, Band 65, 1992, S. 208–209 </ref> Die behandelnden Ärzte hatten zunächst eine schnelle Besserung des verletzten Armes in Aussicht gestellt, so dass das Prinzenpaar während der ersten vier Monate davon absah, die britischen Großeltern des jungen Prinzen über dessen Behinderung zu informieren. Es wurde jedoch zunehmend deutlich, dass die Schädigung des linken Armes dauerhaft war. Die Geburt des zweiten Kindes am 24. Juli 1860 verlief dagegen deutlich komplikationsloser.<ref> Pakula, S. 132 </ref> === Kronprinzessin Victoria === Am 2. Januar 1861 starb König [[Friedrich Wilhelm IV. (Preußen)|Friedrich Wilhelm&nbsp;IV.]] Sein Nachfolger war sein Bruder [[Wilhelm I. (Deutsches Reich)|Wilhelm&nbsp;I.]] Prinz Friedrich Wilhelm war damit preußischer Kronprinz. Die Position des Kronprinzenpaares wurde dadurch keineswegs einfacher: Wilhelm&nbsp;I. weigerte sich, das Einkommen seines Sohnes zu erhöhen, so dass Kronprinzessin Victoria aus ihrer britischen Mitgift zur Haushaltsführung beitragen musste. In einem Brief an Prinzessin Victorias Sekretär Baron Stockmar kommentierte ihr Vater Prinz Albert:<ref> Pakula, S. 149 </ref> [[Datei:Princess Beatrice mourning.jpg|thumb|Prinz Alberts trauernde Kinder. Kronprinzessin Victoria befindet sich am rechten Bildrand. Aufnahme von 1862]] [[Datei:Wil2-F.jpg|thumb|Kronprinz Friedrich Wilhelm mit seinem ältesten Sohn [[Wilhelm II. (Deutsches Reich)|Wilhelm]] auf [[Balmoral Castle|Schloss Balmoral]], 1863]] : ''Für mich ist offensichtlich, dass eine bestimmte Person gegen eine finanzielle Unabhängigkeit der Prinzessin ist … Sie erhält nicht einen Pfennig von Preußen, was bereits schäbig genug ist und muss ihre Mitgift einbringen, wozu sie nicht verpflichtet ist. Wenn dem armen Kronprinzen etwas verweigert wird, weil er eine „reiche Ehefrau“ hat, dann zielt das nur auf ihre Verarmung ab.'' Von Mitgliedern des preußischen Hofes wurde jetzt außerdem erwartet, dass sie zunächst die Erlaubnis des Königs einholten, bevor sie ins Ausland reisten – laut Hoftratsch eine Maßnahme, um ein zu häufiges Reisen der Kronprinzessin in das politisch liberalere Vereinigte Königreich zu verhindern.<ref> Pakula, S. 148 </ref> Ein langer Brief, in dem Prinz Albert ungefragt Wilhelm&nbsp;I. ermahnte, der [[Preußische Verfassung (1848/1850)|preußischen Verfassung]] treu und damit den anderen deutschen Staaten ein Vorbild zu sein, sorgte bei Wilhelm&nbsp;I. nur für Verärgerung und nahm ihn gleichzeitig gegen das Kronprinzenpaar ein, von dem er wusste, dass es Prinz Alberts politische Ansichten teilten.<ref> Pakula, S. 147 und Herre, S. 74f </ref> Prinz Albert starb am 14. Dezember 1861 erst 42-jährig an Typhus. Die erste große Krise während der Herrschaft von Wilhelm I. traf das Kronprinzenpaar deshalb in einer Phase, in der beide noch intensiv um den Vater beziehungsweise Schwiegervater trauerten:<ref> Herre, S. 83 </ref> Im sogenannten [[Preußischer Verfassungskonflikt|Preußischen Verfassungskonflikts]] verweigerte das [[Preußisches Abgeordnetenhaus|Abgeordnetenhaus]] König Wilhelm I. die notwendigen Mittel, die für die Reorganisation der [[Preußische Armee|preußischen Armee]] und der [[Landwehr (Militär)|Landwehr]] notwendig waren. Wilhelm I., der diese Reorganisation für dringend notwendig hielt, löste deshalb am 11. März 1862 das Abgeordnetenhaus auf und erwog gleichzeitig seine Abdankung. Kronprinzessin Victoria riet ihrem Mann eindringlich, das Abdankungsangebot seines Vaters anzunehmen:<ref> Herre, S. 92 </ref> : ''Wenn der König sieht, er könne nicht die notwendigen Schritte tun, um Ordnung und Vertrauen im Lande wiederherzustellen, ohne gegen sein Gewissen zu handeln, finde ich es weise und ehrlich, es anderen zu überlassen, die diese Pflichten übernehmen können, ohne ihr Gewissen zu belasten. Ich sehe keinen Ausweg und meine, Du müsstest dem Lande dieses Opfer bringen ….'' Kronprinz Friedrich Wilhelm versuchte dagegen, seinen Vater zum Einlenken gegenüber dem Abgeordnetenhaus zu bewegen – ein Monarch, der wegen einer Entscheidung eines Parlaments abdanke, würde einen bisher einmaligen Präzedenzfall schaffen und die Herrschaft der nachfolgenden Monarchen erheblich erschweren. Seine Weigerung, die Abdankung seines Vaters zu seinen Gunsten anzunehmen, entsprach außerdem seinem Verständnis, seinen Pflichten als Sohn und Angehöriger des Hauses Hohenzollern nachkommen zu müssen.<ref> Pakula, S. 168f, Herre, S. 92 und Sinclair S. 107f. Eine sehr ausführliche Analyse dieser Krise findet sich bei Kollander, S. 25–45 </ref> Am 22. September berief Wilhelm I. [[Otto von Bismarck]] zum neuen Ministerpräsidenten. Bismarck war bereit, das Amt anzutreten, ohne über eine Mehrheit im Parlament oder einen genehmigten Haushalt zu verfügen und stellte aus Sicht von Wilhelm I. die beste Lösung in dieser Krisensituation dar. Die Berufung des als erzkonservativ bekannten [[Ostelbien (historisches Gebiet)|ostelbischen]] Junkers stieß sowohl bei Königin Augusta als auch beim Kronprinzenpaar auf Ablehnung.<ref> Pakula, S. 169 und Kollander, S. 35</ref> Otto von Bismarck sollte über die nächsten Jahrzehnte das Amt des Ministerpräsidenten innehaben und maßgeblich zur politischen Isolation des Kronprinzenpaares beitragen. === Die zunehmende politische Isolierung des Kronprinzenpaares === In den Wochen und Monaten nach der Ernennung Bismarcks zum preußischen Ministerpräsidenten ließ jedes Ereignis und jede Handlung das Kronprinzenpaar zur Zielscheibe der Kritik werden. [[Datei:ALexandra of Denmark Princess of Wales.jpg|thumb|[[Alexandra von Dänemark]] – man warf Kronprinzessin Victoria vor, maßgeblich an ihrer Verheiratung mit dem [[Prince of Wales]] beteiligt zu sein, Gemälde von [[Franz Xaver Winterhalter|Winterhalter]]]] Als es sich Anfang Oktober 1862 auf Italienreise begab und dabei unter anderem die Jacht der Königin Victoria nutzte, sahen sich liberale Kreise vom Kronprinzenpaar in dem noch schwelenden Preußischen Verfassungskonflikt im Stich gelassen, während Konservative kritisierten, dass die beiden sich während einer schweren politischen Krise im Mittelmeer auf einem britischen und von britischer Kriegsmarine begleiteten Schiff aufhielten.<ref> Sinclair, S. 110 und Pakula, S. 181 </ref> Die geplante Heirat zwischen Prinzessin Victorias ältestem Bruder [[Eduard VII. (Vereinigtes Königreich)|Eduard]] und Prinzessin [[Alexandra von Dänemark]], der Tochter des dänischen Königs [[Christian IX. (Dänemark)|Christians&nbsp;IX.]], schwächte Prinzessin Victorias Position am preußischen Hof und im Ansehen der Öffentlichkeit ebenfalls erheblich. Man warf ihr vor, sie habe mit dieser Verbindung eine Allianz zwischen Dänemark und Großbritannien gefördert, die nicht in preußischem Interesse läge.<ref> Sinclair, S. 97 und S. 101 </ref> Zum offenen Konflikt zwischen Wilhelm I. und dem Kronprinzenpaar kam es wegen der von Bismarck veranlassten [[Preßordonnanz]] vom 1. Juni 1863, die die Verwaltungsbehörden ermächtigte, das Erscheinen von Zeitungen und Zeitschriften wegen der „Gesamthaltung des Blattes“ zu verbieten.<ref> Ernst Engelberg: ''Bismarck – Urpreuße und Reichsgründer.'' Siedler Verlag, Berlin 1985. ISBN 3-88680-121-7. S. 532</ref> Kronprinz Friedrich Wilhelm kritisierte während einer Reise nach Danzig öffentlich mit wenigen und sehr zurückhaltenden Worten diese weitreichenden Einschränkungen der Pressefreiheit. Die Reaktion auf diese vorsichtige Kritik war heftig: König Wilhelm I. beschuldigte seinen Sohn des Ungehorsams und drohte, ihn von seinen Funktionen innerhalb der preußischen Armee zu entbinden und vom [[Kronrat (Preußen)|Kronrat]] auszuschließen. Der reaktionäre jüngere Bruder Wilhelms I., Prinz [[Carl von Preußen]], sowie General [[Edwin von Manteuffel|Manteuffel]] sprachen sich sogar dafür aus, den Kronprinzen vor ein Kriegsgericht zu stellen.<ref> Sinclair, S. 120–127 und Pakula, S. 188–191, Kollander S.&nbsp;38–42 </ref> Viele vermuteten als Antriebskraft für das Verhalten von Kronprinz Friedrich Wilhelm die Kronprinzessin.<ref> Dies ist auch die Ansicht einiger heutiger Historiker; siehe beispielsweise Ernst Engelberg: ''Bismarck – Urpreuße und Reichsgründer'', Siedler Verlag, Berlin 1985, ISBN 3-88680-121-7, S. 532 oder Kollander, S. 42</ref> In Großbritannien fand das Verhalten des Kronprinzenpaares Zustimmung. Die ''[[The Times|Times]]'' hob in einem Artikel besonders die Rolle der Kronprinzessin hervor, die den Kronprinz unterstütze und führte weiter aus:<ref> Pakula, S. 191 </ref> : ''Es ist nicht einfach, sich eine schwierigere Rolle als die des Kronprinzenpaares vorzustellen, die ohne einen einzigen Berater zwischen einem eigensinnigen Monarchen, einem mutwilligen Kabinett und einer empörten Bevölkerung stehen.'' Die ''Times'' spielte in dem Artikel auf einen Briefwechsel zwischen dem Kronprinzen und dem preußischen König an, in dem dieser eine andere politische Linie als sein Vater vertreten hatte. Unklar war, über wen die Information über die Meinungsverschiedenheiten zwischen Vater und Sohn an die Presse gelangt war. Verdächtigt wurde Kronprinzessin Victoria und in einem Brief an ihre Mutter schrieb sie, es habe deswegen am preußischen Hofe eine regelrechte Inquisition gegeben.<ref> Herre, S. 106 f</ref> Unter dem Druck der Verdächtigungen gab schließlich Ernst von Stockmar sein Amt als Privatsekretär der Kronprinzessin auf. === Der Deutsch-Dänische Krieg im Jahre 1864 === Otto von Bismarck verfolgte als langfristiges Ziel, den [[Deutscher Bund|Deutschen Bund]] zu beenden und [[Kaisertum Österreich|Österreichs]] Einfluss in Deutschland zugunsten Preußens zu beschneiden. Die erste kriegerische Auseinandersetzung auf dem Weg dahin war der [[Deutsch-Dänischer Krieg|Deutsch-Dänische Krieg]] um [[Herzogtum Schleswig|Schleswig]] und [[Herzogtum Holstein|Holstein]] im Jahre 1864, in dem Österreich allerdings noch als Allianzpartner auf Seiten Preußens stand. Im [[Frieden von Wien (Deutsch-Dänischer Krieg)|Frieden von Wien]], mit dem am 30. Oktober 1864 dieser Konflikt beendet wurde, musste Dänemark die beiden Herzogtümer Schleswig, Holstein sowie [[Herzogtum Sachsen-Lauenburg|Lauenburg]] an Österreich und Preußen abtreten. Der Friedensschluss, der eine gemeinsame preußische und österreichische Verwaltung für die eroberten Herzogtümer vorsah, barg jedoch hinreichend Konfliktstoff für weiterreichende Auseinandersetzungen mit Österreich.<ref> Ernst Engelberg: ''Bismarck – Urpreuße und Reichsgründer.'' Siedler Verlag, Berlin 1985. ISBN 3-88680-121-7. S. 553f </ref> [[Datei:Kaiserin und Königin Viktoria.jpg|thumb|Kronprinzessin Victoria]] Großbritannien war zwar nicht bereit gewesen, für Dänemark einen militärischen Konflikt mit Österreich und Preußen einzugehen, hatte aber diplomatisch stets die Position dieses kleinen Landes vertreten. Während Kronprinz Friedrich Wilhelm unter [[Friedrich von Wrangel|Feldmarschall von Wrangel]] an der Front Dienst tat, sich dabei unter anderem bei der Erstürmung der [[Düppeler Schanzen]] auszeichnete und schließlich den Oberbefehl über das Zweite Armeekorps erhielt,<ref> Sinclair, S. 138 </ref> verdächtigte man Kronprinzessin Victoria, dass sie unglücklich über die preußischen Erfolge sei.<ref> Sinclair, S. 139f </ref> An ihren an der Front befindlichen Mann schrieb sie, dass sie gehofft habe, die Bewunderung des Volkes für seine militärischen Erfolge würde sich auch auf sie übertragen und dass man aufhöre zu bedauern, dass sie die Kronprinzessin sei:<ref> Pakula, S. 218 </ref> : ''Sie kritisieren mich hier dafür, dass ich zu englisch sei und zu Hause, dass ich zu preußisch bin. Es scheint, dass ich nichts richtig machen kann.'' Kronprinzessin Victoria hatte als junges Mädchen [[Florence Nightingale]] kennen gelernt, die die medizinische Versorgung verwundeter Soldaten während des Krimkrieges entscheidend verbessert hatte. Mittlerweile das vierte Mal schwanger, begann sie sich jetzt gleichfalls für eine bessere medizinische Versorgung verwundeter Soldaten zu engagieren. Anlässlich des Geburtstages von Wilhelm I. startete das Kronprinzenpaar einen Hilfsfonds zugunsten der Familien gefallener oder schwer verletzter Soldaten.<ref> Pakula, S. 219 </ref> === Die Schlacht von Königgrätz, der Norddeutsche Bund und die Indemnitätsvorlage === Der Sieg über Dänemark hatte nur einen kurzen Frieden zur Folge: Der [[Vertrag von Gastein|Gasteiner Vertrag]] vom 14. August 1865 löste die gemeinsame preußisch-österreichische Administration der Herzogtümer Schleswig und Holstein zunächst wieder auf, konnte jedoch den unterschiedlichen Interessen der beiden Länder nicht gerecht werden. Nachdem Preußen am 9. Juni 1866 in das von Österreich verwaltete Holstein einmarschierte, beantragte Österreich in Frankfurt die Mobilisierung des nichtpreußischen [[Bundesheer (Deutscher Bund)|Bundesheeres]], dem am 14. Juni stattgegeben wurde. Preußen reagierte darauf mit dem Einmarsch in [[Königreich Sachsen|Sachsen]], [[Königreich Hannover|Hannover]] und [[Kurhessen]]. Zur entscheidenden Schlacht kam es bei [[Schlacht von Königgrätz|Königgrätz]], die Österreich letztlich zur Kapitulation zwang und in der dem Kronprinz eine schlachtentscheidende Rolle zufiel. Im [[Prager Frieden (Deutscher Krieg)|Friedensschluss]] vom 23. August in Prag schied Österreich aus dem Deutschen Bund aus. Schleswig-Holstein, Hannover, Kurhessen, [[Herzogtum Nassau|Nassau]] und [[Freie Stadt Frankfurt|Frankfurt]] wurden von Preußen annektiert. Dem militärischen Erfolg des Kronprinzen stand eine familiäre Tragödie gegenüber. Sigismund, das vierte Kind des Kronprinzenpaares, war kurz vor der Schlacht im Alter von 21 Monaten an [[Meningitis]] gestorben. Die Kronprinzessin reagierte darauf mit tiefer Trauer, für die sie weder bei ihren Schwiegereltern noch ihrer Mutter Verständnis fand. Königin Auguste verlangte von ihrer Schwiegertochter sehr bald die Wiederaufnahme ihrer repräsentativen Verpflichtungen, und Königin Victoria ermahnte sie, dass der Verlust eines kleinen Kindes nichts gegen den eines Ehemannes sei.<ref>Pakula, S.&nbsp;248–251</ref> [[Datei:Battle of Koniggratz by Georg Bleibtreu.jpg|thumb|Schlacht von Königgrätz, Gemälde von [[Georg Bleibtreu]]]] Die zwei großen militärischen Erfolge, die Preußen mit dem Sieg im Deutsch-Dänischen und im so genannten [[Deutscher Krieg|Deutschen Krieg]] in den vier Jahren seit Otto von Bismarcks Amtsantritt errungen hatte, festigte dessen Position als Ministerpräsident. Die [[Indemnitätsvorlage]], die er kurz nach dem Sieg von Königgrätz dem Abgeordnetenhaus vorlegte und mit dem die Regierung um nachträgliche Zustimmung zu den während der verfassungslosen Zeit gemachten Ausgaben ersuchte, spaltete die Liberalen, die in Opposition zu Bismarck gestanden hatten.<ref> Ernst Engelberg: ''Bismarck – Urpreuße und Reichsgründer.'' Siedler Verlag, Berlin 1985. ISBN 3-88680-121-7. S. 623–636 </ref> Sie machte auch deutlich, dass Kronprinz Friedrich Wilhelm einen deutlich gemäßigteren Liberalismus als seine Frau vertrat: Kronprinz Friedrich Wilhelm begrüßte den [[Norddeutscher Bund|Norddeutschen Bund]], in dem sich nach dem Sieg über Österreich eine Reihe norddeutscher Kleinstaaten unter der Vorherrschaft von Preußen zu einem Bundesstaat zusammengeschlossen hatten und den er als ersten Schritt zur Einigung Deutschlands sah. Die Verfassung dieses Bundesstaates war jedoch nicht durch eine Nationalversammlung beschlossen, sondern gründete auf Monarchensouveränität und räumte dem preußischen König und dem Bundeskanzler Otto von Bismarck weitreichende Rechte ein. Der [[Reichstag (Norddeutscher Bund)|Reichstag]] wurde zwar demokratisch gewählt, hatte aber nicht die Kompetenzen eines Parlaments.<ref>Herre, S.&nbsp;153</ref> Kronprinzessin Victoria sah im Norddeutschen Bund mehr als ihr Mann eine erzwungene Ausdehnung des bestehenden preußischen Systems, dem sie kritisch gegenüberstand.<ref>Pakula, S.&nbsp;260 und Herre, S.&nbsp;154. Sehr ausführlich sind die unterschiedlichen politischen Ansichten von Kronprinzessin und Kronprinz bei Kollander, S.&nbsp;16–17, 79–88</ref> Hoffnungsfroh, dass dieser Zustand nur vorübergehend sei, schrieb sie an ihre Mutter:<ref>Herre, S.&nbsp;161</ref> : ''Natürlich betrachten alle wahren Patrioten den gegenwärtigen Zustand als rein provisorisch und hoffen auf bessere Gesetze in der Zukunft – worin man sie, wie ich glaube, auch nicht enttäuschen wird.'' === Der Krieg mit Frankreich === In den Jahren bis zum Ausbruch des [[Deutsch-Französischer Krieg|Deutsch-Französischen Krieges 1870/71]] vertrat Kronprinz Friedrich Wilhelm mehrfach den preußischen Hof auf Auslandsreisen. Nicht auf allen begleitete ihn Kronprinzessin Victoria. Teils lag das daran, dass eine Begleitung durch die Prinzessin weitere Repräsentationskosten zur Folge gehabt hätte, die das Einkommen des Kronprinzenpaares zu sehr belastet hätten<ref> Pakula, S. 274</ref>, teils daran, dass die Kronprinzessin ihre Kinder nicht zu lange allein lassen wollte. 1866, noch vor dem Tod von Sigismund, kam [[Viktoria von Schaumburg-Lippe|Viktoria]] zur Welt. 1868 folgte ein weiterer Sohn, den das Kronprinzenpaar Waldemar nannte, 1870 wurde [[Sophie von Preußen|Sophie]] geboren und als letztes Kind sollte 1872 [[Margarethe von Hessen|Margarethe]] folgen. Während die älteren Kinder [[Wilhelm II. (Deutsches Reich)|Wilhelm]], [[Charlotte von Preußen (1860-1919)|Charlotte]] und [[Albert Wilhelm Heinrich von Preußen|Heinrich]] noch von [[Amme]]n genährt worden waren, stillte die Kronprinzessin beginnend mit Sigmund alle ihre Kinder selbst, was sowohl bei ihrer Mutter wie ihrer Schwiegermutter auf heftige Ablehnung stieß.<ref>Pakula, S.&nbsp;220–221</ref> Nach wie vor war die Position der Kronprinzessin am preußischen Hof schwierig und das Verhältnis zu ihrer Schwiegermutter angespannt. Letzteres äußerte sich auch in aus heutiger Sicht trivialen Nebensächlichkeiten. Königin Augustas Empörung darüber, dass ihre Schwiegertochter statt der üblichen vierspännigen Anspannung [[Kutsche]]n nutzte, die nur von zwei Pferden gezogen wurden, machte es notwendig, dass Königin Victoria zugunsten ihrer Tochter beim preußischen König intervenieren musste.<ref> Pakula, S. 271 </ref> [[Datei:Bismarck pickelhaube.jpg|thumb|Otto von Bismarck]] Im Deutsch-Französischen Krieg 1870/71 wiederholten sich die militärischen Erfolge des Kronprinzen. Zwei der fünf entscheidenden Schlachten dieses Krieges, die [[Schlacht bei Weißenburg]] und die bei [[Schlacht bei Wörth|Wörth]], wurden von der von ihm geführten 3. Armee gewonnen. Bei [[Schlacht von Sedan|Sedan]] fiel seinem Truppenteil wiederum die schlachtentscheidende Rolle zu. Als sich die Beschießung der [[Belagerung von Paris (1870–1871)|eingekesselten Stadt Paris]] durch die von ihm geführte Truppen verzögerte, war das für Otto von Bismarck der Anlass, erneut gegen Kronprinzessin und Königin zu intrigieren, die beide gleichermaßen seine politischen Gegnerinnen waren. Auf einem Abendessen vertrat er laut die Auffassung, dass der Kronprinz die Beschießung nur verzögere, weil seine Ehefrau und seine frankophile Mutter dagegen seien. Diese Auffassung fand sich kurz darauf in der Presse wieder. Weniger Resonanz fand das Engagement der Kronprinzessin in der Fürsorge für verwundete Soldaten. Sie reiste nach [[Bad Homburg vor der Höhe|Homburg]], um dort auf eigene Kosten ein modellhaftes [[Lazarett]] einrichten zu lassen und besuchte anschließend Lazarette in [[Wiesbaden]], [[Biberach an der Riß|Biberach]], [[Bingen am Rhein|Bingen]], [[Bingerbrück]], [[Rüdesheim am Rhein|Rüdesheim]] und [[Mainz]]. Traditionell fielen solche sozialen Aufgaben jedoch der Königin zu. Wilhelm&nbsp;I. befand schließlich, sie habe sich „großartiger Wohltätigkeit“ zu enthalten und beorderte sie nach Berlin zurück, um dort die Königsfamilie zu präsentieren.<ref>Herre, S.&nbsp;173f</ref> Frankreich kapitulierte im Januar 1871. Am 18.&nbsp;Januar 1871 riefen die siegreichen Fürsten des Norddeutschen Bundes mit den süddeutschen Verbündeten König [[Wilhelm I. (Deutsches Reich)|Wilhelm&nbsp;I.]] von Preußen zum [[Deutscher Kaiser|Deutschen Kaiser]] aus. Friedrich und Viktoria waren somit Kronprinz und Kronprinzessin des [[Deutsches Kaiserreich|Deutschen Kaiserreichs]]. === Die Kinder === Bei den Siegesparaden in Berlin, mit denen der Sieg über Frankreich gefeiert wurde, marschierte erstmals ihr Sohn [[Wilhelm II. (Deutsches Reich)|Wilhelm]] mit.<ref>Herre, S.&nbsp;184</ref> Seit seiner Geburt hatte man versucht, den verkümmerten Arm mit einer Reihe aus heutiger Sicht teils bizarrer Methoden zu kräftigen. Unter anderem erhielt der einjährige Prinz Wilhelm so genannte „animalische Bäder“, bei denen der Arm für eine halbe Stunde in den noch warmen Kadaver eines frisch geschlachteten Hasen gesteckt wurde, um ihn zu kräftigen.<ref>Pakula, S.&nbsp;123 und Herre, S.&nbsp;65</ref> Dem folgten Elektroschock-Therapien und ein Einsatz von Kopf- und Armstreckgeräten, da die verkürzten Armmuskeln zunehmend dazu führten, dass Prinz Wilhelm seinen Kopf beständig schief hielt.<ref>Vgl. Röhl, a.a.O., S. 34.</ref> [[Sigmund Freud]] kam zu dem Schluss, dass Kronprinzessin Victoria ihrem Sohn wegen seines Gebrechens ihre Zuneigung entzogen hätte und dies der Grund für sein späteres Verhalten ihr gegenüber gewesen sei.<ref>Vgl. Röhl, S. 34.</ref> Die Tagebuchaufzeichnungen und Briefe der Kronprinzessin Victoria weisen zumindest darauf hin, dass sie die Behinderung, an der sie sich selbst die Schuld gab, als Makel empfand. 1860 schrieb sie anlässlich eines Besuches ihrer Eltern:<ref>Feuerstein-Praßer, S.&nbsp;138</ref> [[Datei:Vicky.jpg|thumb|Kronprinzessin Victoria]] [[Datei:Charlotte von Preussen 1883.jpg|thumb|Prinzessin Charlotte, hier im Jahre 1883, erwies sich als besonders schwieriges Kind]] : ''Er ist wirklich ein kluger kleiner Kerl für sein Alter – wenn nur der unglückselige Arm nicht wäre – ich wäre so stolz auf ihn. '' [[Wolfgang J. Mommsen]] schreibt ihr dagegen mütterliche Gefühle gegenüber ihrem erstgeborenen Sohn zu, konstatiert aber einen Mangel an Zuwendung. Ihre Söhne maß sie an dem Idealbild ihres 1861 verstorbenen Vaters, hinter dem diese zwangsläufig zurückbleiben mussten.<ref>Wolfgang J. Mommsen: ''War der Kaiser an allem schuld – Wilhelm&nbsp;II. und die preußisch-deutschen Machteliten.'' Ullstein Verlag, Berlin 2005. ISBN 3-548-36765-8. S.&nbsp;14</ref> Auch in ihren Erziehungsmethoden versuchte sie ihrem Vater so nahe wie möglich zu kommen. Bereits seit 1863 besaß das Kronprinzenpaar das [[Krongut Bornstedt]], auf dem die Kinder so ähnlich aufwachsen sollten, wie Kronprinzessin Victoria einst in [[Osborne House]] auf der Isle of Wight. Als Kronprinzessin hatte Victoria von Sachsen-Coburg und Gotha jedoch nur eingeschränkt Einfluss auf die Erziehung ihrer Kinder. Entsprechend der preußischen Tradition erhielten alle ihre Söhne sehr früh eine militärische Erziehung. In einem Brief an ihre Mutter klagte sie:<ref>Herre, S.&nbsp;157, 158, Brief an Königin Victoria</ref> :''Ich zittere bei dem Gedanken, wie meine heranwachsenden Jungen sich schließlich entwickeln werden. Die Verhältnisse hier und ein preußischer Hof scheinen ja geschaffen, um die Schwächen besonders zu nähren, die mich an meinem Willy so oft kränken […] Unsere Kinder werden allgemein ob des großen Missgeschicks bedauert, mich mit meinen „unglücklichen englischen Ideen und [[Preußische Tugenden|unpreußischen]]“ Gesinnungen zur Mutter zu haben. Die Leute glauben, sie könnten nicht gut geraten […]. Ich will nur, dass meine Kinder aufwachsen gleich meinem Fritz, meinem Vater, gleich Dir und so unähnlich als möglich dem Rest der königlich-preußischen Familie.'' Bei der Wahl des Erziehers für die Prinzen Wilhelm und [[Albert Wilhelm Heinrich von Preußen|Heinrich]] zeigte das Kronprinzenpaar allerdings wenig Einfühlungsvermögen. Der intellektuell hochbegabte, aber calvinistisch strenge [[Philologe]] [[Georg Ernst Hinzpeter]] unterzog die Prinzen einer puritanischen und harten Erziehung, bei der es an Lob und Ermutigung fehlte. Auch der Besuch eines bürgerlichen Gymnasiums in Kassel, den das Kronprinzenpaar gegen den Widerstand des preußischen Hofes durchsetzen konnte<ref> Pakula, S. 391</ref>, und später das Studium in Bonn sorgten nicht dafür, dass Prinz Wilhelm sich zu der weltoffenen und umfassend gebildeten Persönlichkeit mit liberalen Ansichten entwickelte, wie es das Ziel seiner Eltern war.<ref>Wolfgang J. Mommsen: ''War der Kaiser an allem schuld – Wilhelm&nbsp;II. und die preußisch-deutschen Machteliten.'' Ullstein Verlag, Berlin 2005. ISBN 3-548-36765-8. S.&nbsp;14, 15; Pakula, S.&nbsp;353–361</ref> Prinz Heinrich zeigte wenig intellektuelle Neigungen und begann mit 16 Jahren eine Laufbahn bei der Marine. Waldemar, der dritte überlebende Sohn, verstarb 1879 an [[Diphtherie]].<ref>Pakula, S.&nbsp;406–407</ref> Von den Töchtern war es vor allem [[Charlotte von Preußen (1860-1919)|Charlotte]], die ihren Eltern Sorgen machte. Im Wachstum zurückgeblieben und schwerfällig im Lernen, neigte sie als kleines Kind zu Tobsuchtsanfällen und erwies sich als Heranwachsende als krankheitsanfällig, launisch und kapriziös. Medizinhistoriker gehen heute davon aus, dass Prinzessin Charlotte sehr stark an [[Porphyrie]] erkrankt war. Diese erbliche Stoffwechselstörung, die häufig mit Magen-Darm-Erkrankungen, Kopfschmerzen, Nervenlähmungen und im Extremfall [[Psychose]]n einher geht, war bereits bei [[Georg III. (Großbritannien)|Georg III.]], einem der Vorfahren der Prinzessin, aufgetreten. Wegen der immer wieder kehrenden Neuralgien, starken Kopfschmerzen und Hautausschlägen, an denen Kronprinzessin Victoria während ihres gesamten Lebens litt und die mitunter so schmerzhaft waren, dass die Kronprinzessin zu Morphium griff, ist es wahrscheinlich, dass auch sie von einer milderen Form dieser Krankheit betroffen war.<ref>John C. G. Röhl, Martin Warren, David Hunt: ''Purple Secret.'' Bantam Press, London 1999. ISBN 0-552-14550-5. Das Buch widmet jeweils ein Kapitel den Krankheitsgeschichten von Victoria von Sachsen-Coburg und Gotha, ihrer Tochter Charlotte und ihrer Enkelin Feodora</ref> === Warten auf den Thron === Kronprinz Friedrich Wilhelm – mittlerweile [[Generalfeldmarschall]] – erhielt trotz der von ihm erzielten militärischen Erfolge kein weiteres preußisches Kommando. Kaiser Wilhelm&nbsp;I. hielt seinen Sohn von allen Staatsgeschäften fern, da er fand:<ref>Herre, S.&nbsp;202</ref> : ''dass seine Prinzipien der Regierung die der englischen Regierung seien, und nicht bloß parlamentarischer Gesetzgebung, wie dies dem preußischen und deutschen Parlament zum Grunde liegt.'' [[Datei:Wilhelm-I-Preußen.jpg|thumb|Wilhelm I. an seinem Schreibtisch im Palais [[Unter den Linden]], ca. 1880]] [[Datei:Kaiserin friedrich.jpg|thumb|Kronprinzessin Victoria in Renaissance-Kleidung, 1874, Gemälde von [[Heinrich von Angeli]]]] [[Datei:Friedrich III as Kronprinz - in GdK uniform by Heinrich von Angeli 1874.jpg|thumb|Kronprinz Friedrich Wilhelm, Gemälde von [[Heinrich von Angeli]]]] Der Kronprinz wurde stattdessen zum Kurator der königlichen Museen ernannt – eine Aufgabe, die bei seiner Ehefrau möglicherweise auf mehr Enthusiasmus stieß. Victoria von Sachsen-Coburg und Gotha hatte auf Anregung ihres Vaters ihre Ausbildung von Beginn der Ehe an fortgesetzt.<ref>Pakula, S.&nbsp;98</ref> Sie las [[Johann Wolfgang von Goethe|Goethe]], [[Gotthold Ephraim Lessing|Lessing]], [[Heinrich Heine|Heine]] und [[John Stuart Mill]]. [[Gustav Freytag]] zählte zu den Bekannten des Ehepaares, der Schriftsteller [[Gans zu Putlitz#Karlsruhe: Gustav zu Putlitz|Gustav von Putlitz]] war zeitweilig ihr [[Hofmarschall]]. Trotz Empörung ihrer Mutter beschäftigte sie sich mit [[Charles Darwin|Darwins]] Evolutionslehre und diskutierte sie mit dem britischen Geologen [[Charles Lyell|Lyell]].<ref>Herre, S.&nbsp;128</ref> Die von Zeitgenossen als fortschrittlich und kultiviert eingeschätzte Kronprinzessin las auch die Schriften von [[Karl Marx]], um die Ziele der Sozialisten zu verstehen, und verkehrte mit ihrem Mann im liberalen Salon der [[Marie von Schleinitz|Gräfin Schleinitz]], der als "Treffpunkt der zahlreichen Bismarckfronde" galt<ref>Vgl. [[Siegfried von Kardorff]], ''Wilhelm von Kardorff. Ein nationaler Parlamentarier im Zeitalter Bismarcks und Wilhelms II.'', Berlin 1936, S. 112.</ref>. [[Richard Wagner]]s Pamphlet „Über den Einfluss der Juden auf die Musik“ nannte sie in einem Brief an ihre Mutter verrückt – sie hätte bislang nichts so „''heftiges, eingebildetes und ungerechtes''“ gelesen.<ref>Pakula, S.&nbsp;428</ref> Weit mehr als am Hof ihrer Schwiegereltern zählten Bürgerliche zu den Gästen und Bekannten des Kronprinzenpaares, darunter unter anderem der Physiker [[Hermann von Helmholtz]], der Pathologe [[Rudolf Virchow]], der Philosoph [[Eduard Zeller]] und der Historiker [[Hans Delbrück]].<ref> Herre, S. 211 </ref> Die Kronprinzessin war außerdem eine begabte Hobbymalerin und nahm bei [[Anton von Werner]]<ref>Pakula, S.&nbsp;345</ref> und [[Heinrich von Angeli]] Unterricht.<ref>Herre, S.&nbsp;204</ref> Seit 1866 hatte Kronprinzessin Victoria das Protektorat des von [[Wilhelm Adolf Lette]] gegründeten [[Lette-Verein]]s inne, der sich für eine verbesserte Ausbildung von Frauen einsetzte. 1877 veranlasste sie die Gründung des [[Mädchengymnasium|Lyzeums]] „Victoriaschule für Mädchen“, das unter britischer Leitung stand und in dem Schülerinnen das erste Mal in Preußen Turnunterricht erhielten. Im „Victoriahaus zur Krankenpflege“ wurden Krankenschwestern nach britischem Vorbild ausgebildet.<ref>Herre, S.&nbsp;192f</ref> Im Herbst 1878 starb Kronprinzessin Victorias Schwester und enge Vertraute [[Alice von Großbritannien und Irland|Alice von Hessen-Darmstadt]] sowie deren kleine Tochter an [[Diphtherie]]. Wenige Wochen später erlag auch Waldemar, der dritte noch lebende Sohn des Kronprinzenpaares, dieser Krankheit. Sowohl bei der Kronprinzessin als auch dem Kronprinzen lösten die Todesfälle einen lang anhaltenden Zustand von Schock und Depressionen aus.<ref> Sinclair, S.&nbsp;264f</ref> Der Tod von Waldemar fiel in eine Zeit, in der deutlich wurde, dass Victoria und ihr ältester Sohn Wilhelm sich zunehmend entfremdet hatten, Prinz Heinrich seinen Dienst bei der Marine begann und die mittlerweile verheiratete Prinzessin Charlotte ihr erstes Kind erwartete. Obwohl das hohe Lebensalter von Wilhelm I. es zunehmend wahrscheinlich machte, dass ihm bald Kronprinz Friedrich Wilhelm auf dem Thron nachfolgen würde, hatte das Kronprinzenpaar nach wie vor keinerlei Einfluss auf die Politik des Reiches. Ihre Ohnmacht machte ihnen Otto von Bismarck deutlich, indem er über Monate die Zustimmung des Hofes zu der Verbindung Prinz Wilhelms mit [[Auguste Viktoria von Schleswig-Holstein-Sonderburg-Augustenburg|Prinzessin Auguste Viktoria]] verweigerte<ref> Pakula, S. 399f </ref> und am Hof des Kronprinzenpaares liberale Hofangehörige gegen ultrakonservative Kräfte austauschte. Besonders bitter war für das Kronprinzenpaar der Verlust des [[Hofmarschall]]s und [[Privatsekretär]]s [[Karl von Normann]], der dem Kronprinzen 20&nbsp;Jahre lang gedient hatte.<ref> Herre, S. 212 und Pakula, S. 422f </ref> Häufig konnte das Kronprinzenpaar nur durch symbolische Gesten ihre politische Überzeugung zeigen. Während [[Antisemitismus (bis 1945)|antisemitischer]] Unruhen zu Beginn der 1880er Jahre besuchte das Kronprinzenpaar demonstrativ ein Konzert in einer Wiesbadener [[Synagoge]] und der Kronprinz nahm in Berlin an einem jüdischen Gottesdienst teil.<ref> Pakula, S. 429 </ref> Zwischen Kronprinzessin Victoria und Otto von Bismarck kam es wegen der Heiratspläne für Prinzessin [[Viktoria von Schaumburg-Lippe|Viktoria]] zu ihrer vermutlich größten Auseinandersetzung. Der Streit ist als so genannte [[Battenberg-Affäre]] in die Geschichte eingegangen. [[Alexander von Battenberg]] war der zweitälteste Sohn aus der [[Morganatische Ehe|morganatischen Ehe]] von [[Alexander von Hessen-Darmstadt]] mit [[Julia von Hauke]]. Als ein Kandidat für den bulgarischen Thron gesucht wurde, wurde er auf Vorschlag seines Onkels, dem Zaren [[Alexander II. (Russland)|Alexander II.]], als Fürst von Bulgarien eingesetzt. Alexander II. erwartete von seinem Neffen eine entschieden prorussische Politik. Als er diese Erwartung nicht erfüllte, wurde Fürst Alexander 1886 vom Zar zur Abdankung gezwungen. Prinzessin Viktoria war in den gut aussehenden Fürsten Alexander seit Beginn der 1880er Jahre verliebt; Kronprinzessin Victoria sowie Königin Victoria hielten beide eine Verbindung mit diesem Fürstenhaus für wünschenswert. Otto von Bismarck sah dagegen in dieser geplanten Verbindung eine Gefährdung seiner pro-russischen Politik und setzte letztlich bei Wilhelm I. ein Verbot der Verbindung durch.<ref> Pakula, S. 443–451 </ref> Der Streit mit dem Kronprinzenpaar um die Verheiratung von Prinzessin Viktoria führte letztlich dazu, dass Wilhelm I. seinen Sohn und Thronfolger überging und seinen Enkel Wilhelm damit betraute, den preußischen Hof auf Staatsreisen zu vertreten. Großvater und Enkel hatten ein enges Verhältnis zueinander; die beiden speisten häufig zusammen in den Privaträumen des Kaisers und politisch stand der Enkel seinem Großvater sehr nahe. Prinz Wilhelm hatte zwar wie sein Vater zunächst die Bonner Universität besucht, das Studium aber nach vier Semestern abgebrochen, um seine militärische Ausbildung fortzusetzen. Wie Prinz Wilhelm hatten sich auch Prinzessin Charlotte und Prinz Heinrich weitgehend von den Eltern ab- und den Großeltern zugewandt. Die Hoffnung Kronprinzessin Victorias, dass sich Prinz Wilhelm durch die Heirat mit Prinzessin Auguste Victoria zu einer politisch liberalen Haltung bekehren würde, trog ebenfalls: Die Prinzessin vertrat politisch eine vollkommen andere Haltung als ihre Herkunft aus der als liberal geltenden Familie der [[Schleswig-Holstein-Sonderburg-Augustenburg|Augustenburger]] vermuten ließ.<ref>Herre, S. 233 </ref> == Kaiserin Friedrich == === Kaiserin für 99 Tage === Der Gesundheitszustand des mittlerweile 90-jährigen Kaisers Wilhelm I. hatte sich mittlerweile so verschlechtert, dass ein baldiger Thronwechsel wahrscheinlich schien. Kronprinz Friedrich Wilhelm erkrankte jedoch im selben Jahr selber schwer. Die Ärzte fanden bei dem zunehmend heiseren Kronprinzen Knötchen am linken Stimmband, die als Krebs diagnostiziert wurden. Die Gewebeprobe, die der englische [[Laryngologie|Laryngologe]] [[Morell Mackenzie]] Kronprinz Friedrich Wilhelm entnahm, wies jedoch auf keine Krebserkrankung hin.<ref> Herre, S. 243 und Sinclair, S. 285 </ref> Das Kronprinzenpaar reiste nach England, wo mit Einverständnis des deutschen Ärztekollegiums Morell Mackenzie seine Behandlung fortsetzte.<ref> Pakula, S. 480</ref> Im Reisegepäck hatte das Kronprinzenpaar drei große Kisten mit ihren privaten Papieren, die mit Zustimmung von Königin Victoria in [[Windsor Castle]] deponiert wurden.<ref>Herre, S. 245 und Pakula, S. 481</ref> Angesichts des prekären Gesundheitszustands sowohl von Wilhelm I. als auch des Kronprinzen war dies eine Vorsichtsmaßnahme, die das Kronprinzenpaar für notwendig hielt. Otto von Bismarck versuchte nach wie vor, Stellung und Einfluss der Kronprinzessin zu untergraben. Als eine der letzten Intrigen hatte der von Bismarck eingesetzte Hofmarschall [[Hugo von Radolinski]] versucht, der Kronprinzessin ein Verhältnis mit [[Götz von Seckendorff]] zu unterstellen.<ref> Pakula, S. 489 und Herre, S. 239</ref> Die Behandlung von Morell Mackenzie schlug zunächst an. Das Kronprinzenpaar reiste im September 1887 zur Kur nach Italien, während man sich in Berlin darüber empörte, dass das Kronprinzenpaar trotz des sich stetig verschlechternden Gesundheitszustands des Kaisers nicht in die Reichshauptstadt zurückkehrte. Anfang November 1887 versagte die Stimme des Kronprinzen völlig. Das nach San Remo herbeigerufene Ärztekollegium stellte eine neue Geschwulst mit bösartigem Charakter fest und empfahl eine Entfernung des Kehlkopfes, die der Kronprinz aber nicht durchführen ließ.<ref> Herre, S. 251 </ref> Kronprinzessin Victoria unterstützte ihren Mann in dieser Entscheidung, was zu einem heftigen Streit zwischen ihr und dem plötzlich in San Remo auftauchenden Prinz Wilhelm führte.<ref> Pakula, S. 494 </ref> Das Sterben von Kaiser und Kronprinz zog sich über Monate hin. Als am 9. März in San Remo die Nachricht vom Tod Wilhelm I. eintraf, war der Kehlkopfkrebs bei dem nunmehrigen Kaiser Friedrich III. so weit fortgeschritten, dass er nicht mehr sprechen konnte. Als eine der ersten Amtshandlungen zeichnete Kaiser Friedrich III. seine Frau mit dem [[Schwarzer Adlerorden|Schwarzen Adlerorden]], dem höchsten preußischen Orden, aus. Das Kaiserpaar kehrte nach Berlin zurück. Von Berlin aus schrieb Kaiserin Victoria ihrer Mutter:<ref>Sinclair, S. 307 </ref> : ''Ich glaube, wir werden im allgemeinen nur als vorbeihuschende Schatten angesehen, die bald in der Wirklichkeit durch Wilhelms Gestalt ersetzt werden sollen. '' Friedrich III. beschränkte seine politischen Maßnahmen auf wenige, zum Teil nur symbolische Handlungen. Es gab eine Amnestie für politische Häftlinge und der reaktionäre Innenminister [[Robert von Puttkamer]] wurde entlassen. Justizminister [[Heinrich Friedberg]], der das Kronprinzenpaar während der letzten 25&nbsp;Jahre immer wieder beraten hatte, wurde ebenso wie [[Eduard Simson]] mit dem Schwarzen Adlerorden ausgezeichnet.<ref> Pakula, S. 514f.</ref> Kaiserin Victoria versuchte ihre neu gewonnene Entscheidungsfreiheit zu nutzen, um die Heirat zwischen Alexander von Battenberg und ihrer Tochter Viktoria wieder voranzutreiben; sie musste jedoch letztlich davon Abstand nehmen, nachdem selbst ihre eigene Mutter davon abriet.<ref> Pakula, S. 520–537 </ref> [[Datei:Krongut1.jpg|thumb|Krongut Bornstedt – die Kaiserinwitwe wohnte lieber der Trauerfeierlichkeit hier als in Potsdam bei]] Kaiser Friedrich III. verstarb am 15. Juni 1888 gegen 11 Uhr morgens. Die ersten Handlungen, die sein Sohn veranlasste, zeigten, dass das Kronprinzenpaar zu Recht seine Privatpapiere nach Windsor gebracht hatte. Noch in der Nacht vor dem Tod seines Vaters ließ Kronprinz Wilhelm das Neue Palais von Gardehusaren, Gardeinfanteristen und Gardeulanen umstellen und unmittelbar nach dem Tod seines Vaters ließ der nunmehrige Kaiser Wilhelm II. das Schloss von Soldaten besetzen. Sämtliche Räume des vorherigen Kaiserpaares wurden durchsucht, um ihre Korrespondenz zu finden. Auf Grund der zuvor ergriffenen Vorsichtsmaßnahmen fanden die Suchenden allerdings nichts – Jahre später behauptete Wilhelm II., er hätte nach Staatspapieren gesucht. Viele Historiker neigen eher zu der Ansicht, er wollte die Briefe seiner Eltern beschlagnahmen, durch die er sich in seiner Reputation bedroht sah.<ref> Pakula, S. 542 und Herre, S. 280 </ref> Das Leichenbegängnis für Kaiser Friedrich III. fand in Potsdam weitgehend unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Kaiserin Friedrich, wie sich Victoria von Sachsen-Coburg und Gotha zum Angedenken ihres Mannes fortan nannte, nahm an der offiziellen Beisetzung des Sarges in der [[Friedenskirche (Potsdam)|Friedenskirche]] nicht teil, sondern wohnte dem Trauergottesdienst auf [[Krongut Bornstedt]] bei. ''„Der Polizeistaat blüht“'' kommentierte Kaiserin Friedrich die Maßnahmen, die die Staatsbehörden gegenüber den Personen ergriff, die zum engsten Kreis von Friedrich III. und seiner Frau gehörten. Das Haus von [[Franz von Roggenbach]] wurde untersucht, die Witwe von Kaiserin Friedrichs langjährigem Privatsekretär Ernst von Stockmar verhört. Gegen [[Friedrich Heinrich Geffcken]], der ein Exzerpt von Kaiser Friedrichs Kriegstagebuch besaß und es ausschnittweise veröffentlichte, damit Kaiser Friedrich Gerechtigkeit bezüglich seiner Rolle bei der Reichsgründung erfahre, wurde der Veröffentlichung von Staatsgeheimnissen angeklagt. Der noch von Friedrich III. ausgezeichnete Heinrich Friedberg wurde aus seinem Amt als Justizminister entlassen.<ref> Herre, S. 287 und Sinclair, S. 330f </ref> Auf Friedbergs Anraten beorderte Kaiserin Friedrich allerdings die nach Windsor entsandten Papiere zurück, um zu belegen, dass es sich sämtlich um Privatpapiere handelte und keine Staatspapiere darunter waren, wie ihr Sohn behauptete.<ref> Pakula, S. 556 </ref> Trotzdem übergab sie einen Teil davon dem Hausarchiv der Hohenzollern. === Kaiserin Friedrich – Die Witwe === Kaiser Wilhelm II. beanspruchte den Wohnsitz des Kaiserpaars, das Neue Palais für sich. [[Sanssouci]] wurde der Kaiserin Friedrich als Witwensitz verwehrt. Nach längerem Suchen fand sie in [[Kronberg im Taunus]] ein Grundstück, auf dem sie ihren Witwensitz [[Schlosshotel Kronberg|Schloss Friedrichshof]] errichten ließ. Zustatten kam ihr dabei, dass sie kurz zuvor die Erbschaft der ''Maria Brignole, Herzogin von Galliera'' (1811-1888) in Höhe von einigen Millionen Mark angetreten hatte, die sie für den Bau und Ausbau des Schlosses aufwandte<ref>Vgl. Röhl, a.a.O., S. 83, sowie ''Das Tagebuch der [[Baronin Spitzemberg]]'' (hrsg. v. [[Rudolf Vierhaus]], Göttingen 1960, S. 512 (7. September 1909).</ref>. Auf Friedrichshof verbrachte sie den größten Teil des Jahres, den Rest der Zeit unternahm sie Reisen. Ihre politischen Ansichten blieben liberal, was das angespannte Verhältnis zum Kaiser Wilhelm II. fortbestehen ließ. [[Datei:Schlosshotel-kronberg002.jpg|thumb|[[Schlosshotel Kronberg|Schloss Friedrichshof]] – Witwensitz der Kaiserin Friedrich]] [[Datei:Wilhelm II of Germany.jpg|thumb|Wilhelm II., Kaiserin Friedrichs ältester Sohn etwa um 1890]] :''Die Kaiserin Friedrich ist eine fortgesetzte Peinlichkeit für Kaiser Wilhelm, weil sie sich zu seinem Bedauern weigert, im Ausland zu leben, sondern offensichtlich dabei ist, einen eigenen Hof um sich herum zu errichten.'' hielt [[Heinrich VII. Reuß zu Köstritz|Heinrich VII. Reuß]], der deutsche Botschafter in Österreich, fest.<ref> Pakula, S. 569 </ref> Anders als die drei ältesten Kinder hielten die drei jüngeren Töchter Viktoria, Sophie und Margarete zu ihrer Mutter. Sophie war die erste, die von diesen heiratete. Sie wurde im Oktober 1889 Ehefrau des griechischen Thronfolgers [[Konstantin I. (Griechenland)|Konstantin]]. Prinzessin Viktoria, deren geplante Ehe mit Alexander von Battenberg am Widerstand von Bismarck gescheitert war, heiratete schließlich im Jahr 1890 Prinz [[Adolf zu Schaumburg-Lippe]]. Im selben Jahr starb Kaiserin Friedrichs Schwiegermutter, Kaiserin Augusta. Ihr nicht unbeträchtliches Vermögen ging zu einem großen Teil an Kaiser Wilhelm II. und dessen Bruder Heinrich. Kaiserin Friedrich und ihre Töchter wurden dagegen durch ihr Testament nicht begünstigt. Kaiserin Augusta hatte bis zu ihrem Lebensende die Rolle der Präsidentin der [[Rotes Kreuz|Roten-Kreuz-Gesellschaft]] und des [[Vaterländischer Frauenverein|Vaterländischen Frauenvereins]] innegehabt und Kaiserin Friedrich hatte gehofft, dass sie ihrer Schwiegermutter in diesen Ämtern nachfolgen könne – schließlich hatte sie sich aktiv in sozialen Fragen und der Gesundheitsfürsorge engagiert. Die Ämter gingen zur Verbitterung Kaiserin Friedrichs an ihre Schwiegertochter über.<ref>Herre, S. 302 </ref> 1893 verließ sie auch ihre jüngste Tochter Margarete, um [[Friedrich Karl von Hessen]] zu heiraten. Kaiserin Friedrich fühlte sich mittlerweile alt und klagte, dass sie so vollständig vom öffentlichen Leben abgeschnitten sei, dass sie sich wie begraben fühlte. Auf ihre heftige Ablehnung stieß die Politik, die ihr Sohn verfolgte. Als er ins Goldene Buch der Stadt München den Merksatz eintrug ''Suprema lex regis voluntas – des Königs Wille ist höchstes Gesetz'', schrieb sie in einem Brief an ihre Mutter <ref>Herre, S. 306f und S. 308. Das Zitat findet sich auf S. 308 </ref> :''Der Zar, ein unfehlbarer Papst, die Bourbonen und unser armer Karl I. könnten so einen Satz von sich gegeben haben, aber ein konstitutioneller Monarch im 19. Jahrhundert!!! […] Mein Gott, zu denken, dass Fritzens Sohn und des lieben Papa Enkel eine solche Richtung einschlägt und die Grundsätze falsch versteht, mit denen allein es möglich ist, heutzutage zu regieren. '' Nach wie vor widmete sie sich der Malerei. Sie hielt Kontakt mit der [[Kronberger Malerkolonie]] und tauschte sich besonders mit [[Norbert Schröder]] regelmäßig aus. Fester Bestandteile ihres Tagesablaufes auf Schloss Friedrichshof war daneben der morgendliche Ausritt, Lesen in der Bibliothek und Erledigen der Korrespondenz – nach wie vor schrieb sie regelmäßig ihrer Mutter.<ref> Herre, S. 296 </ref> Gegen Ende des Jahres 1898 stellte man bei ihr Brustkrebs fest, der sie in den kommenden Jahren zunehmend ans Bett fesselte. Kaiserin Friedrich starb im August 1901 auf Schloss Friedrichshof – nur wenige Monate nach ihrer Mutter. Sie wurde neben ihrem Gemahl im Mausoleum der Friedenskirche im Park von [[Sanssouci]] in [[Potsdam]] beigesetzt. Schloss Friedrichshof und dessen Kunstsammlung vererbte sie an ihre Tochter Margarete, wodurch es in den Besitz des [[Haus Hessen|Hauses Hessen]] überging und heute zum Vermögen der [[Hessische Hausstiftung|Hessischen Hausstiftung]] gehört, die hier ihren Verwaltungssitz hat. Das [[Schlosshotel Kronberg|Haus]] selbst wird als Fünf-Sterne-Hotel geführt. == Nachkommen == Victoria von Sachsen-Coburg und Gotha hatte gemeinsam mit ihrem Mann acht Kinder: * [[Wilhelm II. (Deutsches Reich)|Wilhelm]] (1859–1941)&nbsp;– der spätere Deutsche Kaiser und König von Preußen - verheiratet mit Augusta(e) Victoria von Schleswig-Holstein-Sonderburg-Augustenburg, nach deren Tod verheiratet mit Hermine von Schoenaich-Carolath, geb. Prinzessin Reuß ältere Linie * [[Charlotte von Preußen (1860-1919)|Charlotte]] (1860–1919)&nbsp;– verheiratet mit Herzog [[Bernhard III. (Sachsen-Meiningen)|Bernhard III.]] von Sachsen-Meiningen * [[Albert Wilhelm Heinrich von Preußen|Heinrich]] (1862–1929)&nbsp;– verheiratet mit [[Irene von Hessen-Darmstadt|Irene von Hessen und bei Rhein]] * Sigismund (1864–1866) * [[Viktoria von Schaumburg-Lippe|Viktoria]] (1866–1929)&nbsp;– verheiratet mit Prinz [[Adolf zu Schaumburg-Lippe]] und in zweiter Ehe mit Alexander Zubkov * Waldemar (1868–1879) * [[Sophie von Preußen|Sophie]] (1870–1932)&nbsp;– die spätere Königin von Griechenland durch Heirat mit König [[Konstantin I. (Griechenland)|Konstantin&nbsp;I.]] * [[Margarethe von Hessen|Margarethe]] (1872–1954)&nbsp;– verheiratet mit [[Friedrich Karl von Hessen-Kassel]], dem späteren König von Finnland == Sonstiges == Victoria von Sachsen-Coburg und Gotha ist Namensgeberin des [[Kaiserin-Friedrich-Gymnasium]]s (KFG) in [[Bad Homburg vor der Höhe]]. == Titel == * ''Ihre Königliche Hoheit'' Prinzessin Victoria von Großbritannien und Irland, Princess Royal, Prinzessin von Sachsen-Coburg und Gotha, Herzogin von Sachsen (bis 1858) * ''Ihre Königliche Hoheit'' Prinzessin Victoria von Preußen (1858–1861) * ''Ihre Königliche Hoheit'' Kronprinzessin Victoria von Preußen (1861–1871) * ''Ihre Kaiserliche und Königliche Hoheit'' Kronprinzessin Victoria des Deutschen Reiches und von Preußen (1871–1888) * ''Ihre Majestät'' Kaiserin Victoria, deutsche Kaiserin und Königin von Preußen (ab 1888) == Literatur == * Karin Feuerstein-Praßer: ''Die deutschen Kaiserinnen. 1871–1918''. Piper Verlag, München 2005. ISBN 3-492-23641-3 * [[Franz Herre]]: ''Kaiserin Friedrich – Victoria, eine Engländerin in Deutschland.'' Hohenheim Verlag, Stuttgart 2006. ISBN 3-89850-142-6 * Patricia Kolander: ''Frederick III – Germany’s Liberal Emperor.'' Greenwood Press, Westport 1995. ISBN 0-313-29483-6 * Friedrich Ludwig Müller: ''Vicky. Aus dem Leben der Victoria von Preußen - Kaiserin für 99 Tage''. Bonn 2005. ISBN 3-936942-64-1 * Hannah Pakula: ''Victoria. Tochter Queen Victorias, Gemahlin des preußischen Kronprinzen, Mutter Wilhelm II.'' Marion von Schröder-Verlag, München 1999. ISBN 3-547-77360-1 * Wilfried Rogasch (Hrsg.): ''Victoria & Albert, Vicky & The Kaiser: ein Kapitel deutsch-englischer Familiengeschichte.'' Hatje Verlag, Ostfildern-Ruit 1997. ISBN 3-86102-091-2 * Andrew Sinclair: ''Victoria – Kaiserin für 99&nbsp;Tage.'' Gustav Lübbe Verlag, Bergisch Gladbach 1987, ISBN 3-404-61086-5 == Weblinks == {{Commons|Victoria von Sachsen-Coburg und Gotha|{{PAGENAME}}}} * {{DNB-Portal|112813380}} * [http://www.kaiserinfriedrich.de/ www.kaiserinfriedrich.de] (Anlässlich einer vom 1.&nbsp;April bis zum 13.&nbsp;Mai&nbsp;2001 gezeigten Ausstellung der ''Kronberger Museumsgesellschaft'' zum 100.&nbsp;Todestag entstandene Internetpräsentation) * [http://www.preussenchronik.de/_/person_jsp/key=person_victoria+prinzessin+von+_gro%25dfbritannien.html Eintrag zu ''Victoria Prinzessin von Großbritannien''] bei preussenchronik.de * ''[http://www.hochtaunus.de/kb/artikel.php3?id=1514 Was die Bad Homburger mit der Kaiserin Friedrich verband]'' (Artikel im ''Kronberger Boten'' über einen Vortrag der Bad Homburger Stadthistorikerin Gerta Walsh aus dem Jahr 2001) * [http://www.schlosshotel-kronberg.de/de/historie/ Schloss Friedrichshof, das heutige Schlosshotel Kronberg] (Internetpräsenz des Schlosshotels Kronberg) == Einzelnachweise == <references /> {{Folgenleiste|VORGÄNGERIN=[[Augusta von Sachsen-Weimar-Eisenach|Augusta]]|NACHFOLGERIN=[[Auguste Viktoria von Schleswig-Holstein-Sonderburg-Augustenburg|Auguste Viktoria]]|AMT=[[Deutsches Kaiserreich|Deutsche Kaiserin und Königin von Preußen]]|ZEIT=9. März - 15. Juni 1888}} {{Navigationsleiste Princess Royal}} {{Exzellent}} {{Normdaten|PND=112813380|VIAF=5591622}} [[Kategorie:Königin (Preußen)]] [[Kategorie:Kaiserin (Deutsches Reich)]] [[Kategorie:Ernestiner]] [[Kategorie:Haus Sachsen-Coburg und Gotha]] [[Kategorie:Geboren 1840]] [[Kategorie:Gestorben 1901]] [[Kategorie:Frau]] {{Personendaten |NAME=Victoria Adelaide Mary Louisa |ALTERNATIVNAMEN=Kaiserin Victoria |KURZBESCHREIBUNG=britische Prinzessin und deutsche Kaiserin |GEBURTSDATUM=21. November 1840 |GEBURTSORT=[[Buckingham Palace]], London |STERBEDATUM=5. August 1901 |STERBEORT=[[Schlosshotel Kronberg|Schloss Friedrichshof]], Kronberg im Taunus }} {{Link GA|fr}} [[af:Victoria, kroonprinses]] [[ca:Victòria del Regne Unit (reina de Prússia)]] [[cs:Viktorie Sasko-Koburská]] [[da:Viktoria af England (tysk kejserinde)]] [[en:Victoria, Princess Royal]] [[es:Victoria de Sajonia-Coburgo-Gotha]] [[fi:Viktoria (Saksan keisarinna)]] [[fr:Victoria du Royaume-Uni (1840-1901)]] [[gl:Vitoria, princesa do Reino Unido]] [[he:ויקטוריה, הנסיכה המלכותית]] [[hu:Viktória német császárné]] [[it:Vittoria di Sassonia-Coburgo-Gotha (1840-1901)]] [[ja:ヴィクトリア (ドイツ皇后)]] [[ko:빅토리아 아델레이드 메리 루이즈]] [[nl:Victoria van Saksen-Coburg en Gotha]] [[no:Victoria av Tyskland]] [[pl:Wiktoria Koburg (cesarzowa)]] [[pt:Vitória, Princesa Real do Reino Unido]] [[ro:Prinţesa Victoria a Regatului Unit]] [[ru:Виктория Саксен-Кобург-Готская (императрица Германии)]] [[simple:Victoria, Princess Royal]] [[sk:Viktória von Sachsen-Coburg]] [[sv:Viktoria av Storbritannien (tysk kejsarinna)]] [[th:เจ้าหญิงวิกตอเรีย พระวรราชกุมารี]] [[zh:腓特烈皇后]] 7p1rxtcey6n9qhlmtdnlq18norkiizj wikitext text/x-wiki Eugène François Vidocq 0 24444 27043 2010-03-13T12:25:32Z APPERbot 0 Bot: veraltete PND-Vorlage durch Normdaten- und DNB-Portal-Vorlage ersetzt; VIAF und LCCN ergänzt [[Bild:Achille Devéria - Vidocq.jpg|thumb|''Eugène François Vidocq'' – Portrait von [[Achille Devéria]]]] '''Eugène François Vidocq''' [{{IPA|øˈʒɛn fʀɑ̃ˈswa viˈdɔk}}] (* [[23. Juli]] [[1775]] in [[Arras]]; † [[11. Mai]] [[1857]] in [[Paris]]) war ein französischer Krimineller und [[Kriminalist]], dessen Leben zahlreiche Schriftsteller wie [[Victor Hugo]] und [[Honoré de Balzac]] inspirierte. Durch seine Aktivitäten als Begründer und erster Direktor der [[Sûreté Nationale]] sowie die anschließende Eröffnung einer [[Detektiv|Privatdetektei]], die wahrscheinlich die erste der Welt war, wird er von Historikern heute als „Vater“ der modernen [[Kriminalistik]]<ref>Jay A. Siegel: ''Forensic Science: The Basics.'' CRC Press, 2006, ISBN 0849321328, S. 12.</ref><ref>James Andrew Conser, Gregory D. Russell: ''Law Enforcement in the United States.'' Jones & Bartlett Publishers, 2005, ISBN 0763783528, S. 39.</ref> und der französischen Polizei<ref>Clive Emsley, Haia Shpayer-Makov: ''Police Detectives in History, 1750–1950.'' Ashgate Publishing, 2006, ISBN 0754639487, S. 3.</ref> betrachtet und gilt als erster Detektiv<ref>Mitchel P. Roth: ''Historical Dictionary of Law Enforcement.'' Greenwood Press, 2001, ISBN 0313305609, S. 372.</ref> überhaupt.<ref>Hans-Otto Hügel: ''Untersuchungsrichter, Diebsfänger, Detektive.'' Metzler, 1978, ISBN 3476003833, S. 17.</ref> == Leben == Eugène François Vidocq wurde in der Nacht vom 23. auf den 24. Juli 1775 als drittes Kind des Bäckermeisters Nicolas Joseph François Vidocq (1744–1799) und der diesem am 2. September 1765 angetrauten Frau Henriette Françoise Vidocq (1744–1824, geborene Dion) in Arras in der Rue du Mirroir-de-Venise (1856 umbenannt in Rue des Trois Visages) geboren. === Kindheit und Jugend (1775–1794) === Über die Kindheit von Vidocq ist nur wenig bekannt. Der Vater war gebildet und, da er sich auch als Getreidehändler betätigte, für damalige Verhältnisse vermögend. Vidocq hatte sechs Geschwister: zwei ältere Brüder (wovon einer zum Zeitpunkt von Vidocqs Geburt bereits verstorben war), zwei jüngere Brüder und zwei jüngere Schwestern. Vidocqs Jugendjahre waren turbulent. Er wird als unerschrocken, rauflustig und durchtrieben beschrieben, sehr begabt, jedoch auch sehr faul. Er verbrachte viel Zeit in den Waffensälen von Arras und erwarb den Ruf eines furchterregenden [[Fechten|Fechters]] und den Beinamen ''„le Vautrin“'' (dt. ''Wildschwein''<ref group="A">Die heutige französische Bezeichnung lautet ''sanglier''. ''Vautrin'' ist eine mundartliche Bezeichnung für ''Wildschwein'' in Nordfrankreich ([[Artois]] und [[Picardie]]), die sich vermutlich vom reflexiven Verb ''se vautrer'' (dt. ''sich [[Suhle|suhlen]]'') herleitet.</ref>). Mit kleinen Diebereien verschaffte er sich einigen Luxus. Mit dreizehn Jahren stahl er das Silbergeschirr seiner Eltern, brachte das dafür erhaltene Geld jedoch innerhalb eines Tages durch. Drei Tage nach dem Diebstahl wurde er verhaftet und in das lokale Gefängnis ''Baudets'' gebracht. Erst nach zehn Tagen erfuhr er, dass sein eigener Vater den Arrest veranlasst hatte. Nach insgesamt vierzehn Tagen wurde er wieder entlassen, aber selbst diese Warnung und weitere Strafen vermochten ihn nicht zu bändigen. Mit vierzehn entwendete er einen großen Betrag aus der Geldkassette seiner Familie und versuchte sich in [[Ostende]] nach Amerika einzuschiffen. Dabei betrog man ihn und so stand er schließlich mittellos da. Um zu überleben, verdingte er sich als [[Gaukler]], wobei er sich trotz regelmäßiger Prügel vom Stalljungen zum Jahrmarktsmonster hinaufarbeitete. In dieser Rolle als karibischer Kannibale musste er rohes Fleisch essen. Lange hielt er das nicht aus. Er wechselte zu einer Gruppe von [[Puppentheater|Puppenspielern]], aus der er jedoch verjagt wurde, weil er mit der jungen Frau seines Arbeitgebers angebandelt hatte. Nach einer Arbeit als Straßenhändler kehrte er nach Arras zurück, wo er seine Eltern um Verzeihung anflehte und von seiner Mutter mit offenen Armen empfangen wurde. Am 10. März 1791 verpflichtete er sich dem [[Regiment]] der [[Bourbon]]en, wo er seinen Ruf als furchterregender [[Duell]]ant bestätigte. Innerhalb von sechs Monaten focht er 15 Duelle und tötete dabei zwei Männer. Obwohl er weitere Schwierigkeiten verursachte, verbrachte er in dieser Zeit nur insgesamt 14 Tage im Gefängnis. Dabei half er einem Mitgefangenen erstmals bei einer erfolgreichen Flucht. [[Bild:Bataille de Valmy ag1.jpg|thumb|Schlacht von Valmy]] Nachdem Frankreich am 20. April 1792 Österreich den Krieg erklärt hatte, musste sich Vidocq während des [[Erster Koalitionskrieg#Die erste Koalition|ersten Koalitionskrieges]] oft an Kämpfen beteiligen. So nahm er im September 1792 an der [[Kanonade von Valmy|Schlacht von Valmy]] teil und wurde am 1. November zum [[Korporal]] der [[Grenadier]]e ernannt. Während der Feier zum Anlass seiner Beförderung forderte er einen höheren [[Offizier]] zu einem Duell heraus. Als man ihn dafür vor das [[Militärgericht|Kriegsgericht]] stellen wollte, [[Desertation|desertierte]] er von seinem Regiment und wechselte zu den 11. [[Jäger (Militär)|Jägern]], natürlich ohne seine Vorgeschichte zu erwähnen. Am 6. November 1792 kämpfte er unter [[Charles-François Dumouriez|General Dumouriez]] in der für die Franzosen erfolgreichen [[Schlacht von Jemappes]] gegen die Österreicher. Im April 1793 wurde er jedoch als Deserteur identifiziert und folgte daraufhin dem [[General]] bei dessen Wechsel ins feindliche Lager. Nach einigen Wochen kehrte Vidocq ins französische Lager zurück, da er sich aus Beteiligungen an Kampfhandlungen gegen seine Landsleute nicht mehr herauszureden vermochte. Ein befreundeter Jäger[[Hauptmann (Offizier)|hauptmann]] vermittelte für ihn, woraufhin er wieder bei den Jägern aufgenommen wurde. Schließlich trat er aus der Armee aus, da er bei seinen Kameraden nicht mehr gerne gesehen war. Mit 18 kehrte er nach Arras zurück und machte sich als Frauenheld einen Ruf. Da seine Verführungen oft in Duellen endeten, fand er sich am 9. Januar 1794 in dem ihm bereits bekannten Gefängnis ''Baudets'' wieder, aus dem man ihm am 21. Januar wieder entließ. Am 8. August 1794 heiratete der gerade 19 Jahre alt gewordene Vidocq die fünf Tage ältere Marie Anne Louise Chevalier, nachdem diese vorgetäuscht hatte, schwanger zu sein. Die Ehe war von Anfang an nicht glücklich, und als Vidocq bemerkte, dass seine Frau ihn mit dem 14 Jahre älteren Adjutanten Pierre Laurent Vallain betrog, schwindelte er ihr ein wenig Geld ab und flüchtete zurück zur Armee. Erst 1805 sahen sie sich aus Anlass ihrer Scheidung wieder. === Abenteuerjahre und Gefängnis (1795–1800) === Vidocq blieb nicht lange bei der Armee. Im Herbst 1794 hielt er sich meist in [[Brüssel]] auf, damals ein Schlupfwinkel für Gauner aller Art, und lebte von kleinen Betrügereien. Dann geriet er eines Tages in eine Kontrolle der Polizei<!--Der Biograf Jean Savant gibt in ''Le Vrai Vidocq'' eine Schlägerei als Grund für die Kontrolle an. -->, Vidocq hatte jedoch als Deserteur keine gültigen Papiere. Er gab sich als Herr ''Rousseau'' aus [[Lille]] aus und entkam, während seine Angaben noch überprüft wurden. 1795 trat er – noch immer unter dem Namen Rousseau – der ''armée roulante'' (dt. ''Fliegenden Armee'') bei. Diese Armee bestand aus Offizieren, die kein [[Offizierspatent|Patent]] und kein Regiment hatten. Mit Hilfe gefälschter Marschrouten, Ränge und Uniformen verschafften sie sich Unterkünfte und Rationen, blieben jedoch weit weg von den Schlachtfeldern. Vidocq alias Rousseau begann als [[Leutnant]] der Jäger, beförderte sich jedoch nach und nach zum [[Husaren]]hauptmann. In dieser Rolle lernte er eine reiche Witwe <!--Der Biograph Bruno Roy-Henry vermutet die Baroness d'Ixelles--> kennen, die Gefallen an ihm fand. Ein Vorgesetzter Vidocqs machte sie glauben, einen jungen Adeligen auf der Flucht vor sich zu haben. Kurz vor der geplanten Hochzeit bekam Vidocq jedoch Skrupel und beichtete. Danach verließ er die Stadt mit einem großzügigen Geldgeschenk ihrerseits. Am 2. März 1795 erreichte er [[Paris]], wo er in der Unterwelt nicht Fuß fassen konnte und einen Großteil seines Geldes wegen einer Frau verlor. Er ging zurück in den Norden und schloss sich einer Gruppe böhmischer Zigeuner an, welche er wiederum für eine Frau – Francine Longuet – verließ, die ihn kurze Zeit später mit einem Soldaten betrog. Er überraschte und verprügelte die beiden, worauf ihn der Soldat verklagte. Vidocq wurde im September 1795 zu drei Monaten Gefängnis verurteilt, die er im ''Tour Saint-Pierre'' in Lille absitzen sollte. Vidocq war 20 und passte sich schnell an das Leben im Gefängnis und die dort üblichen Gepflogenheiten an. Als seine drei Monate abgelaufen waren, wurde er jedoch nicht freigelassen. Drei seiner Mitgefangenen hatten ihn in eine Flucht verwickelt und nun wurde er der Dokumentenfälschung und Fluchtbeihilfe verdächtigt. Mit viel Ideenreichtum und Frechheit, aber auch Dank der Unterstützung der mittlerweile reuigen Francine, flüchtete er in den nächsten Wochen mehrmals, wurde jedoch immer wieder schnell aufgegriffen. Bei einem seiner Ausflüge aus dem Gefängnis ertappte ihn Francine, bei der er sich immer versteckte, mit einer anderen Frau. Daraufhin tauchte er für mehrere Tage völlig unter und erfuhr erst später, dass Francine durch mehrere Messerstiche verletzt aufgefunden worden war. Plötzlich sah er sich auch noch einer Anklage wegen versuchten Mordes gegenüber, die erst fallen gelassen wurde, als Francine angab, sich die Wunden selbst zugefügt zu haben. Sein Kontakt zu Francine brach schließlich ab, als sie wegen Fluchtbeihilfe zu einem halben Jahr Gefängnis verurteilt wurde. Als er sie Jahre später das nächste Mal traf, war sie verheiratet. [[Bild:DIV CondamnationBagne.jpg|thumb|Das Urteil]] Nach langer Verzögerung kam es doch noch zu dem Prozess wegen Dokumentenfälschung. Am 27. Dezember 1796 wurden Vidocq, der stets seine Unschuld beteuert hatte, und ein zweiter Angeklagter, César Herbaux, schuldig gesprochen und zu je acht Jahren Schwerstarbeit in einem [[Bagno (Strafanstalt)|Bagno]] verurteilt. {{Zitat|Erschöpft von Misshandlungen aller Art, erschöpft von einer Überwachung, die seit meiner Verurteilung noch verdoppelt wurde, hütete ich mich wohl, Berufung einzulegen&nbsp;– ich hätte dann noch einige Monate länger im Untersuchungsgefängnis bleiben müssen. Was mich in meinem Entschluss noch bestärkte, war die Nachricht, dass die Verurteilten sofort nach Bicêtre abgeführt werden und von dort dem Hauptschub für das Zuchthaus zu Brest angegliedert werden sollten. Ich brauche wohl nicht erst bemerken, dass ich unterwegs zu flüchten hoffte.|Vidocq in ''Landstreicherleben'', S.119}} [[Bild:La cadène.jpg|thumb|''Le Malheureux Cloquemin Sous les Verroux'', 1830, stellt den Transport in Ketten von Bicêtre zum Bagno dar]] Im Gefängnis von [[Le Kremlin-Bicêtre|Bicêtre]] musste er mehrere Monate auf den Transport ins Bagno von Brest warten. Ein Mitgefangener lehrte ihn die Kampftechnik [[Savate]], was ihm später noch oft nützlich wurde. Ein Fluchtversuch am 3. Oktober 1797 scheiterte und brachte ihm acht Tage Kerkerhaft ein. Am 21. November erfolgte schließlich der Transport nach [[Brest (Finistère)|Brest]]. Obwohl sich auf dem Weg dorthin keine Gelegenheit für eine Flucht eröffnete, hatte er im Bagno selbst Glück. Bereits am 28. Februar 1798 glückte ihm als Matrose verkleidet die Flucht. Er wurde zwar unterwegs wegen fehlender Papiere noch einmal aufgegriffen, doch während man seine neuen Identitätsangaben als Auguste Duval überprüfte, entwendete er im Gefängnisspital den [[Habit]] einer Nonne und entkam mit dieser Tarnung erneut. In [[Cholet]] heuerte er als Ochsentreiber an und gelangte so bis nach Paris, Arras, Brüssel, Ancer und schließlich [[Rotterdam]], wo ihn Holländer [[Schanghaien|schanghaiten]]. Nach einer nur kurzen Karriere als [[Piraterie|Freibeuter]] wurde er erneut verhaftet und nach [[Douai]] gebracht, wo er als Vidocq identifiziert wurde. Daraufhin überstellte man ihn in das Bagno von [[Toulon]], wo er am 29. August 1799 eintraf. Nach einem gescheiterten Fluchtversuch entkam er schließlich am 6. März 1800 mit Hilfe einer [[Prostitution|Prostituierten]] erneut. === Die Wende (1800–1811) === Vidocq kehrte heimlich nach Arras zurück. Sein Vater war 1799 verstorben, so kam er bei seiner Mutter unter. Er versteckte sich fast ein halbes Jahr bei ihr, bevor er erkannt wurde und wieder floh. Unter einer falschen Identität als Österreicher lebte er einige Zeit mit einer Witwe zusammen, mit der er um 1802 auch nach [[Rouen]] zog. Vidocq baute sich einen guten Ruf als Kaufmann auf und ließ seine Mutter nachkommen. Schließlich holte ihn seine Vergangenheit aber wieder ein, er wurde verhaftet und nach [[Louvres]] gebracht. Dort erfuhr er, dass er in Abwesenheit zum Tode verurteilt worden war, wogegen er auf Anraten des dortigen Staatsanwaltes Berufung einlegte. Während der folgenden fünf Monate, in denen er im Gefängnis auf ein Ergebnis wartete, benachrichtigte ihn Louise Chevalier von der Scheidung. Am 28. November 1805 entwich er schließlich erneut, indem er in einem unbeaufsichtigten Moment aus einem Fenster in die daran vorbeifließende [[Scarpe]] sprang. Die nächsten vier Jahre verbrachte er wieder auf der Flucht. So hielt er sich einige Zeit in Paris auf, wo er Zeuge der Hinrichtung von César Herbaux wurde, jenes Mannes, mit dem Jahre zuvor durch die Verurteilung wegen Fälschung seine Probleme angefangen hatten. Bei Vidocq setzte erstmals ein Umdenkprozess ein. Gemeinsam mit seiner Mutter und einer Frau – er nannte sie in seinen Memoiren Annette –, die er auch Jahre später noch als Liebe seines Lebens bezeichnete, zog er in den nächsten Jahren mehrmals um. Immer wieder begegneten ihm Personen aus seiner Vergangenheit, die den mittlerweile als Kaufmann zu Geld Gekommenen erpressten. [[Bild:LaForcePrisonParis.jpg|thumb|Das Pariser Staatsgefängnis ''La Force'']] Am 1. Juli 1809 wurde Vidocq kurz vor seinem 34. Geburtstag erneut verhaftet. Er beschloss nun endgültig, sein Leben am Rand der Gesellschaft zu beenden und bot der Polizei seine Dienste an. Sein Angebot wurde angenommen, und so sperrte man ihn am 20. Juli in Bicêtre ein, wo er seine Arbeit als [[Spitzel]] begann. Am 28. Oktober setzte er diese Arbeit im Pariser Staatsgefängnis ''[[La Force]]'' fort. Insgesamt 21 Monate lang horchte er seine Mitgefangenen aus und leitete über Annette seine Informationen zu gefälschten Identitäten und bisher unaufgeklärten Verbrechen an den Pariser Polizeichef Jean Henry weiter. {{Zitat|Ich glaubte, ich hätte ewig Spitzel bleiben können, so fern war man dem Gedanken, in mir einen Agenten der Polizei zu vermuten. Selbst die Türschließer und die Wärter hatten keine Ahnung von der Mission, die mir anvertraut war. Ich wurde von den Dieben geradezu angebetet, die rohesten Banditen achteten mich, – auch diese Leute kennen ein Gefühl, das sie Achtung nennen. Ich konnte zu jeder Zeit auf ihre Ergebenheit rechnen. Sie hätten für mich durchs Feuer gehen mögen.|Vidocq über seine Tätigkeit als Spitzel in ''Landstreicherleben'', S. 309}} Schließlich wurde Vidocq auf Empfehlung von Henry aus dem Gefängnis entlassen. Um kein Misstrauen unter seinen Mitgefangenen zu verursachen, arrangierte man eine „Flucht“, die am 25. März 1811 stattfand. Frei war er deshalb jedoch nicht, denn nun war er Henry verpflichtet. Deshalb setzte er seine Tätigkeit für die Pariser Polizei als Geheimagent fort. Er nutzte seine Kontakte und den Ruf seines Namens in der Halb- und Unterwelt, um sich Vertrauen zu erschleichen, verkleidete sich als entflohener Sträfling, tauchte in das Netzwerk von Helfern der kriminellen Szene ab und nahm, teils eigenhändig, gesuchte Straftäter fest. Seine Erfolgsrate war hoch. === Die Sûreté (1811–1832) === Ende 1811 organisierte Vidocq inoffiziell die ''[[Brigade]] de la Sûreté'' (dt. ''Sicherheitsbrigade''). Nachdem das Polizeiministerium den Wert der Zivilagenten erkannt hatte, wurde aus dem Experiment im Oktober 1812 offiziell eine Sicherheitsbehörde unter dem Dach der Pariser Polizei. Vidocq wurde zu ihrem Chef ernannt. Am 17. Dezember 1813 schließlich unterschrieb [[Napoleon Bonaparte]] ein [[Dekret]], das aus der Brigade eine staatliche Sicherheitspolizei machte, die sich ab diesem Tag ''[[Sûreté Nationale]]'' nannte. Die Sûreté hatte anfangs acht, dann zwölf, 1823 schließlich 20 Mitarbeiter, und erfuhr im folgenden Jahr noch eine Aufstockung auf 28 Geheimagenten. Dazu kamen acht Personen, die im Geheimen für die Sicherheitsbehörde arbeiteten, aber statt eines Gehaltes die Lizenz für eine Spielhalle erhielten. Wie Vidocq selbst stammte ein Großteil seiner Untergebenen aus dem kriminellen Milieu. Manche holte er für ihre Tätigkeit erst aus den Bagnos heraus, wie z.&nbsp;B. Coco Lacour, den er selbst in seiner Anfangszeit als Spitzel ins Gefängnis gebracht hatte und der später sein Nachfolger als Chef der Sûreté werden sollte. Vidocq beschrieb den Dienst aus dieser Zeit: {{Zitat|Mit diesem so winzigen Personal mussten über zwölfhundert Entlassene aus den Zuchthäusern und Gefängnissen und ähnliche Individuen beaufsichtigt, ferner vier- bis fünfhundert Verhaftungen sowohl im Namen des Polizeipräfekten wie der Gerichtsbehörden vorgenommen, Nachforschungen angestellt, allerhand Gänge besorgt, die im Winter so beschwerlichen verschiedenartigen Nachtrunden gemacht werden. Außerdem musste die Sicherheitsbrigade die Polizeikommissare bei Haussuchungen und beim mündlichen Verhör unterstützen, die öffentlichen Versammlungen in und außerhalb der Stadt besuchen und die Eingänge zu den Theatern, die Boulevards, die Schenken vor den Toren und alle anderen Orte, wo sich Beutelschneider und Spitzbuben ein Rendezvous geben, überwachen.|Vidocq in ''Landstreicherleben'', S. 371f.}} Vidocq bildete seine Agenten persönlich aus, z.&nbsp;B. in Hinsicht auf die richtige Kostümierung für einen Auftrag. Auch selbst ging er immer noch auf die Jagd nach Kriminellen. Seine Memoiren enthalten zahlreiche Geschichten darüber, wie er Verbrecher unterschiedlichster Gattung überlistete, sei es nun als verlassener Ehemann, der die Blüte seiner Jahre schon längst hinter sich hatte, oder aber als Bettler. Er schreckte nicht mal vor der Simulation seines eigenen Todes zurück. Doch trotz seiner Position als Chef einer Polizeibehörde war Vidocq nach wie vor ein gesuchter Krimineller. Seine Verurteilung wegen Dokumentenfälschung hatte er nie vollständig abgesessen und so erhielten seine Vorgesetzten neben Beschwerden und Denunziationen immer wieder auch Anfragen des Gefängnisdirektors von Douai, die jedoch ignoriert wurden. Erst am 26. März 1817 veranlasste [[Graf|Comte]] [[Jules Anglès]], der Pariser [[Präfektur (Frankreich)|Polizeipräfekt]], auf eine Petition von Vidocq hin dessen offizielle Begnadigung durch König [[Ludwig XVIII. (Frankreich)|Ludwig XVIII.]] [[Datei:Balzac.jpg|thumb|Honoré de Balzac]] Im November 1820 heiratete Vidocq erneut, die mittellose Jeanne-Victoire Guérin, über deren Herkunft nichts bekannt ist, was damals zu einigen Spekulationen führte. Sie zog in sein Haus in die Rue de l'Hirondelle 111, wo auch Vidocqs Mutter und deren Nichte, die 27-jährige Fleuride-Albertine Maniez (* 22. März 1793), lebten. 1822 lernte er [[Honoré de Balzac]] kennen, der Vidocq als Vorbild mehrerer Figuren in seinen Werken verwendete. Vidocqs Ehefrau, die Zeit ihres Ehelebens kränklich war, starb keine vier Jahre nach der Eheschließung im Juni 1824 in einem Krankenhaus. Sechs Wochen später, am 30. Juli, starb auch seine 83-jährige Mutter, die er in allen Ehren bestatten ließ. Während der 1820er Jahre traten einige Ereignisse ein, die sich auch auf den Polizeiapparat auswirkten. Nach der Ermordung des [[Charles Ferdinand de Bourbon|Duc de Berry]] im Februar 1820 musste der bisherige Polizeipräfekt Anglès zurücktreten und wurde durch den [[Jesuiten]] [[Guy Delavau]] ersetzt, der großen Wert auf die Religiosität seiner Untergebenen legte. 1824 starb Ludwig XVIII. Sein Nachfolger wurde der [[Ultra (Frankreich)|ultrareaktionäre]] [[Karl X. (Frankreich)|Karl X.]], der [[Unterdrückung|repressiv]] herrschte und zu diesem Zweck immer wieder Agenten von ihren eigentlichen Tätigkeiten abberief. Schließlich ging auch noch Polizeichef Henry, der Vidocq Jahre zuvor angestellt hatte, in Pension. Ihm folgte Parisot, den man aber rasch durch den ambitionierten, aber auch sehr formellen Marc Duplessis ersetzte. Die Abneigung zwischen ihm und Vidocq war groß. Immer wieder beschwerte sich Duplessis wegen der Aufenthalte von Vidocqs Agenten in Bordellen und Lokalen mit üblem Ruf, wo diese Kontakte knüpften und Informationen sammelten. Nachdem Vidocq innerhalb kürzester Zeit zwei Verwarnungen erhielt, hatte er genug. Am 20. Juni 1827 reichte der 52-Jährige seinen Rücktritt ein: {{Zitat-fr|Depuis dix-huit ans, je sers la police avec distinction. Je n'ai jamais reçu un seul reproche de vos prédécesseurs. Je dois donc penser n'en avoir pas mérité. Depuis votre nomination à la deuxième division, voilà la deuxième fois que vous me faites l'honneur de m'en adresser en vous plaignant des agents. Suis-je le maître de les contenir hors du bureau? Non. Pour vous éviter, monsieur, la peine de m'en adresser de semblables à l'avenir, et à moi le désagrément de les recevoir, j'ai l'honneur de vous prier de vouloir bien recevoir ma démission.|Vidocq in seinem Abschiedsgesuch vom 20. Juni 1827|vor=«&nbsp;|nach=&nbsp;»|lang=fr|Übersetzung=Achtzehn Jahre lang habe ich der Polizei mit Auszeichnung gedient. Ich habe nie einen einzigen Vorwurf von Ihren Vorgängern erhalten. Ich muss daher glauben, dass ich nie einen verdient habe. Seit Ihrer Ernennung zu der Zweiten Abteilung ist das das zweite Mal, dass Sie mir die Ehre antun, sich an mich zu wenden und sich über meine Agenten zu beklagen. Bin ich ihr Herr und Gebieter in ihren außerdienstlichen Zeiten? Nein. Um Ihnen, mein Herr, die Mühe zu ersparen, sich zukünftig mit weiteren ähnlichen Beschwerden an mich zu wenden, und mir selbst die Unannehmlichkeit sie zu erhalten, habe ich die Ehre, Sie zu bitten, meine Abdankung entgegennehmen zu wollen.}} Anschließend schrieb er seine [[Memoiren]], in denen er die Notwendigkeit und die Effektivität seiner Sicherheitspolizei darstellte und sich strikt gegen die politische Polizei wandte: {{Zitat|Denn politische Polizei heißt: eine Einrichtung hervorgerufen durch den Wunsch, sich auf Kosten des Staates zu bereichern, dessen Unruhe man beständig künstlich in Atem hält. Politische Polizei ist gleichbedeutend mit dem Bedürfnis, Geheimgelder aus dem Budget zu beziehen, mit dem Bedürfnis gewisser Beamten, sich selbst als unentbehrlich zu zeigen, indem der Staat in angeblicher Gefahr gezeigt wird.|Vidocq in ''Landstreicherleben'', S. 372}} [[Datei:DIV acte mariage 1 G.jpg|thumb|Heiratsurkunde (Seite 1 von 3)]] Vidocq, der nach seinem Rücktritt ein reicher Mann war, wurde nun Unternehmer. In [[Saint-Mandé]], einem Ort nördlich von Paris, wo er am 28. Januar 1830 auch seine Cousine Fleuride Maniez heiratete, gründete er eine Papierfabrik und stellte vorwiegend entlassene Zuchthäusler –&nbsp;sowohl Männer als auch Frauen&nbsp;– ein. Das stellte einen unerhörten Skandal dar, der zu Auseinandersetzungen mit der Gesellschaft führte. Dazu kosteten die Maschinen Geld, die Arbeiter, die erst angelernt werden mussten, brauchten Essen und Kleidung, und schließlich weigerten sich seine Kunden Marktpreise zu bezahlen. Der Betrieb konnte sich nicht lange halten – Vidocq machte 1831 als Fabrikant Bankrott. Polizeipräfekt Delavau und Polizeichef Duplessis mussten in seiner Abwesenheit zurücktreten und Karl X. während der [[Julirevolution (Frankreich)|Julirevolution]] 1830 abdanken. Nachdem Vidocq wertvolle Tipps zur Aufdeckung eines Einbruchs lieferte, setzte ihn der neue Polizeipräfekt [[Henri Gisquet]] wieder als Chef der Sûreté ein. Doch die Kritik an ihm und seiner Organisation wuchs. Am 5. Juni 1832 ging seine Truppe angeblich mit großer Härte gegen Unruhen vor, die im Rahmen einer [[Cholera]]-Epidemie beim Begräbnis von General [[Jean Maximilien Lamarque]] ausbrachen und den Thron des „Bürgerkönigs“ [[Ludwig Philipp (Frankreich)|Louis-Philippe]] gefährdeten. Dazu kam, dass Vidocq im Verdacht stand, jenen Diebstahl, dessen Aufklärung ihm seine Wiedereinstellung einbrachte, selbst initiiert zu haben, um seine Unentbehrlichkeit zu beweisen. Einer seiner Agenten wurde wegen dieser Affäre zu zwei Jahren Haft verurteilt. Schließlich beriefen sich immer öfter Verteidiger darauf, dass er und seine Agenten durch ihre Vergangenheit als Kriminelle als Augenzeugen unglaubwürdig wären. Damit wurde Vidocqs Position endgültig unhaltbar. Am 15. November 1832 reichte er unter dem Vorwand einer Krankheit seiner Frau erneut seinen Rücktritt ein. {{Zitat-fr|J'ai l'honneur de vous informer que l'état maladif de mon épouse m'oblige de rester à Saint-Mandé pour surveiller moi-même mon établissement. Cette circonstance impérieuse m'empêchera de pouvoir à l'avenir diriger les opérations de la brigade de sûreté. Je viens vous prier de vouloir bien récepter ma démission, et recevoir mes sincères remerciements pour toutes les marques de bonté dont vous avez daigné me combler. Si, dans une circonstance quelconque, j'étais assez heureux pour vous servir, vous pouvez compter sur ma fidélité et mon dévouement à toute épreuve.|Vidocq in seinem Abschiedsgesuch vom 15. November 1832|vor=«&nbsp;|nach=&nbsp;»|lang=fr|Übersetzung=Ich habe die Ehre, Sie zu informieren, dass die Kränklichkeit meiner Ehefrau mich zwingt, in Saint-Mandé zu bleiben, um mein Etablissement selbst zu überwachen. Dieser dringende Umstand wird mich daran hindern, in Zukunft die Operationen der Sicherheitsbrigade lenken zu können. Ich bitte Sie, meine Abdankung entgegen zu nehmen, und meinen aufrichtigen Dank für alle Zeichen der Güte, mit denen mich zu überhäufen sie geruht haben, zu empfangen. Wenn ich unter jedweden Umständen glücklich sein sollte, Ihnen [noch einmal] dienen zu können, können Sie auf jeden Fall auf meine Treue und Hingabe zählen.}} Noch am selben Tag wurde die Sûreté aufgelöst und neu gegründet. Agenten mit Vorstrafen waren nun nicht mehr erlaubt. Vidocqs Nachfolger wurde Pierre Allard. === Le bureau des renseignements (1833–1848) === Vidocq gründete 1833 ''Le bureau des renseignements'' (dt. ''Nachrichtenbüro''), ein Unternehmen, das zwischen einem Detektiv- bzw. Auskunftsbüro und einer Privatpolizei einzustufen ist und als erstes Unternehmen dieser Art gilt.<ref name="Morton">James Morton: ''The First Detective: The Life and Revolutionary Times of Vidocq: Criminal, Spy and Private Eye''</ref> Wieder stellte er vorwiegend ehemalige Kriminelle ein. Seine Truppe, die anfangs aus elf Detektiven, zwei Beamten und einem Sekretär bestand, nahm im Auftrag von Geschäfts- und Privatleuten den Kampf gegen ''Faiseurs'' (Gauner, Betrüger, Bankrotteure) auf, wobei sie gelegentlich auch illegale Mittel nutzte.<ref>Samuel Edwards: ''The Vidocq Dossier.'' 1977, Boston, Houghton Mifflin</ref> Ab 1837 stand er wegen seiner Tätigkeit und diffusen Beziehungen zu diversen Regierungsbehörden wie dem Kriegsministerium in ständigen Auseinandersetzungen mit der offiziellen Polizei. Am 28. November 1837 unternahm die Polizei eine Haussuchung und beschlagnahmte über 3.500 Akten und Dokumente. Vidocq wurde einige Tage später festgenommen und verbrachte Weihnachten und Neujahr im Gefängnis. Ihm wurden drei Verbrechen zur Last gelegt, nämlich Aneignung von Geld durch arglistige Täuschung, die Korruption von Beamten des öffentlichen Dienstes und die Anmaßung öffentlicher Funktionen. Im Februar 1838 lehnte der zuständige Richter nach Anhörung zahlreicher Zeugen alle drei Anklagen ab, Vidocq war wieder frei. Vidocqs Person wurde zunehmend zum Gegenstand der Literatur und der öffentlichen Diskussion. Balzac schrieb mehrere Romane und Theaterstücke, in denen Figuren nach Vidocqs Vorbild auftauchten. [[Bild:Conciergerie (Paris).JPG|thumb|Die Conciergerie]] Die Agentur florierte, doch Vidocq schuf sich weiter zum Teil mächtige Feinde. Am 17. August 1842 stürmten 75 Polizeibeamte im Auftrag des Pariser Polizeipräfekten [[Gabriel Delessert]] sein Bürogebäude und verhafteten ihn und einen seiner Agenten, diesmal schien der Fall eindeutig. Er hatte in Ermittlungen wegen Unterschlagung eine unrechtmäßige Verhaftung vorgenommen und dem verhafteten Betrüger einen [[Wechsel (Urkunde)|Wechsel]] über das erschwindelte Geld abverlangt. Die nächsten Monate verbrachte der mittlerweile 67-jährige Vidocq in Untersuchungshaft in der [[Conciergerie (Paris)|Conciergerie]]. Erst am 3. Mai 1843 fanden die ersten Anhörungen vor dem Richter Michel Barbou, einem engen Bekannten von Delessert, statt. Während der Verhandlungen musste Vidocq auch für viele andere Fälle Rechenschaft ablegen, so unter anderem für die Entführung mehrerer Frauen, die er angeblich gegen deren Willen im Auftrag ihrer Familien in Klöster gebracht hatte. Auch seine Tätigkeit als Geldgeber und eventuelle Vorteile, die er daraus gezogen hatte, wurden durchleuchtet. Schließlich verurteilte ihn das Gericht zu fünf Jahren Haft und 3.000 [[Franc]] Geldstrafe. Vidocq ging sofort in Berufung und erhielt durch die Intervention politischer Freunde wie des Grafen Gabriel de Berny und des Generalstaatsanwaltes Franck-Carré rasch einen neuen Prozess, dieses Mal vor dem Vorsitzenden Richter des ''court royale''. Die Verhandlung am 22. Juli 1843 war eine Sache von Minuten, nach elf Monaten in der Conciergerie war Vidocq wieder ein freier Mann. Doch der Schaden war angerichtet. Das Verfahren war sehr teuer und sein Ruf hatte Schaden genommen, weshalb auch die Geschäfte in der Agentur nicht mehr richtig liefen. Dazu versuchte Delessert ihn als ehemaligen Kriminellen der Stadt verweisen zu lassen. Der Versuch scheiterte zwar, doch Vidocq überlegte immer öfter, die Agentur loszuwerden. Einzig qualifizierte und zugleich einigermaßen seriöse Käufer fehlten. Vidocq veröffentlichte in den kommenden Jahren mehrere kleine Bücher, in denen er sein Leben darstellte, in direkter Auseinandersetzung mit den freien Schilderungen, die über ihn kursierten. Außerdem legte er 1844 einen Essay über Gefängnisse, Zuchthäuser und die [[Todesstrafe]] vor. Am Morgen des 22. September 1847 starb auch seine dritte Frau Fleuride nach 17 Ehejahren. Vidocq heiratete nicht mehr, lebte aber bis an sein Lebensende mit Partnerinnen zusammen. 1848 brach in Paris die [[Februarrevolution 1848|Februarrevolution]] aus, bei der „Bürgerkönig“ Louis-Philippe abgesetzt wurde. Die [[Zweite Französische Republik|Zweite Republik]] mit [[Alphonse de Lamartine]] an der Spitze einer Übergangsregierung wurde ausgerufen. Und obwohl Vidocq vorher auf seine Empfänge bei Hof stolz war und sich seines Zugangs zu Louis-Philippe rühmte, bot er seine Dienste nun unmittelbar der neuen Regierung an. Seine Aufgabe in den nächsten Monaten bestand in der Überwachung politischer Gegner wie [[Napoléon III.|Charles-Louis-Napoléon]]s, des Neffen von [[Napoléon Bonaparte]]. Währenddessen versank die neue Regierung in Chaos und Gewalt. Bei den für den 10. Dezember 1848 angesetzten Präsidentenwahlen erhielt Lamartine weniger als 8.000 Stimmen. Vidocq selbst stellte sich im 2. [[Arrondissement]] auch zur Wahl auf, erhielt aber nur eine Stimme. Eindeutiger Gewinner und damit Präsident der Zweiten Republik wurde Charles-Louis-Napoléon, der auf Vidocqs Angebot, für ihn zu arbeiten, nicht reagierte. === Die letzten Jahre (1849–1857) === Vidocq musste 1849 noch ein letztes Mal kurz ins Gefängnis, die Anklage wegen Betrugs wurde jedoch fallen gelassen. Er zog sich mehr und mehr ins Privatleben zurück und übernahm meist nur noch kleine Aufträge. In den letzten Jahren seines Lebens litt er unter massiven Schmerzen an einem in Kämpfen gebrochenen und nie richtig verheilten Arm. Dazu hatten ihn Fehlinvestitionen einen großen Teil seines Vermögens gekostet, weshalb er seinen Lebensstandard einschränken und wieder zur Miete wohnen musste. Im August 1854 überlebte er trotz anders lautender Prognosen seines Arztes die [[Cholera]]. Erst im April 1857 verschlechterte sich sein Zustand derart, dass er nicht mehr aufzustehen vermochte. Am 11. Mai 1857 starb Vidocq im Alter von 82 Jahren im Beisein seines Arztes, seines Anwalts und eines Pfarrers. {{Zitat-fr|Je l'aimais, je l'estimais… Je ne l'oublierai jamais, et je dirai hautement que c'était un honnête homme!|[[Alphonse de Lamartine]]<ref name="savant">Jean Savant: ''La vie aventureuse de Vidocq.'' Libraire Hachette 1957</ref>|vor=«&nbsp;|nach=&nbsp;»|lang=fr|Übersetzung=Ich mochte ihn, ich schätzte ihn… Ich werde ihn nie vergessen, und ich kann nur sagen, er war ein ehrlicher Mann!}} [[Bild:DIV RegistreStDenis P.jpg|thumb|Eintrag in das Sterberegister von Saint-Denys]] Seine Leiche wurde in die Kirche [[Saint-Denys-du-Saint-Sacrement|Saint-Denys]] gebracht, wo auch der Trauergottesdienst stattfand. Es ist nicht bekannt, wo Vidocq begraben ist, weshalb sich darum einige Gerüchte ranken. Eines davon, das beispielsweise in der Biografie von John Philip Stead erwähnt wird, ist, dass sein Grab am Friedhof von Saint Mandé liegt.<ref>John Philip Stead: ''Vidocq: A Biography.'' 4. Auflage, Staples Press, London, Januar 1954, S. 247</ref> Dort befindet sich ein Grabstein mit der Aufschrift „Vidocq 18“. Laut Auskunft der Stadt ist dieses Grab jedoch auf Vidocqs letzte Ehefrau Fleuride-Albertine Maniez registriert. Sein Vermögen bestand zum Schluss aus 2.907,50 Franc aus dem Verkauf seiner Güter und 867,50 Franc Pension.<ref name="Morton" /> Insgesamt elf Frauen meldeten sich als Besitzer eines letzten Willens, den sie für ihre Gunst anstelle von Geschenken erhalten hatten. Sein verbliebenes Vermögen erhielt Anne-Heloïse Lefèvre, bei der er zum Schluss gewohnt hatte. Vidocq hatte keine Kinder, zumindest keine, die bekannt wären. Anerkennungsversuche von Emile-Adolphe Vidocq, dem Sohn seiner ersten Ehefrau, der zu diesem Zweck seinen Nachnamen geändert hatte, scheiterten. Vidocq hatte Beweise hinterlassen, die seine Vaterschaft ausschlossen. Zum Zeitpunkt der Empfängnis war er im Gefängnis. == Vidocqs Person == Auch wenn eine Vielzahl literarischer und vermeintlich realer Schriften das Leben und die Person Vidocqs darstellen oder sich zumindest an ihm anlehnen, bleiben doch seine Memoiren aus dem Jahr 1827 die beste Quelle, um seine Persönlichkeit zu erfassen. Seine Biografen sind sich einig: Vidocq war ein eindimensionaler Mensch mit einem engen Blickwinkel auf das Leben und seine Zeit. Er lebte in turbulenten Zeiten, die [[französische Revolution]] prägte das Umfeld seiner Jugend, [[Napoléon Bonaparte]] und die [[Koalitionskriege|napoleonischen Kriege]] waren der Grund seines Eintritts in die Armee. Die [[Restauration (Frankreich)|Restauration]] bot ihm die Möglichkeit, nicht nur in die Pariser Polizei einzutreten, sondern sie zu formen, und die Unruhen des Jahres 1832 und schließlich der [[Februarrevolution 1848|Februarrevolution]] würfelten die Gesellschaft durcheinander. Vidocq sah das alles nicht. Ihn interessierte nur sein eigenes Leben. {{Zitat|Für Vidocq haben Eruptionen, unter denen Europa Landesgrenzen änderte, nur Existenz, soweit sie ihm zu Fressen und Frauen verhelfen.|[[Ludwig Rubiner]] im Vorwort zu seiner Übersetzung von Vidocqs Memoiren ''Landstreicherleben'', S. 7}} Die Kriege waren nur Gelegenheit zum Untertauchen, der Staat existierte in der Frage nach dem Namen, dem Pass und den Vorstrafen. Irgendein eigenes Verständnis von Staat oder Gesellschaft entwickelte Vidocq nie. Seine lockere Art, die Seiten zu wechseln, war die logische Folge; er kannte keine Loyalität, er fühlte sich nichts verbunden&nbsp;– nicht seinen Frauen, seinen Kameraden, den Mitgliedern seiner Truppe oder einer Idee. == Kriminalistisches Vermächtnis == Vidocq gilt unter Historikern heute als „Vater“ der modernen Kriminalistik. Seine Vorgehensweise war für die damalige Zeit neuartig und einmalig. Ihm werden die Einführung der Undercover-Arbeit, Ballistik-Tests und des Dateikartensystems bei der Polizei zugeschrieben. Dabei wurde sein Wirken aufgrund seiner kriminellen Vergangenheit in Frankreich lange nicht anerkannt. Im September 1905 stellte die Sûreté Nationale eine Gemäldereihe mit den ehemaligen Oberhäuptern der Behörde aus. Das erste Gemälde der Reihe zeigte allerdings Pierre Allard, den Vidocq als seinen Nachfolger vorgeschlagen hatte. Die Zeitung ''L’Exclusive'' berichtete am 17. September 1905, dass sie auf Anfrage bezüglich der Auslassung die Auskunft erhalten hätte, dass Vidocq nie Chef der Sûreté gewesen sei. === Umgestaltung des Polizeiapparates === Als Vidocq um 1810 auf die Seite der Polizei wechselte, gab es in Frankreich zwei Polizeiorganisationen: Zum einen die ''police politique'' (dt. ''[[Nachrichtendienst|politische Polizei]]''), deren Agenten sich mit der Aufdeckung von Verschwörungen und Intrigen beschäftigen, zum anderen die normale Polizei, die alltägliche Verbrechen wie Diebstahl, Betrug, Prostitution und Mord untersuchte. Bereits im Mittelalter trugen deren Gendarmen Identifizierungs[[Insigne|insignien]], aus denen sich im Laufe der Zeit vollständige Uniformen entwickelt hatten. Im Gegensatz zu der auch verdeckt agierenden politischen Polizei waren sie leicht zu erkennen. Die uniformierten Gendarmen konnten sich in manche Pariser Stadtteile aus Furcht vor Übergriffen nicht wagen, ihre Möglichkeiten bei der [[Kriminalprävention]] waren dementsprechend eingeschränkt. Vidocq überredete seine Vorgesetzten, die Agenten seiner Sicherheitsbrigade, zu denen auch Frauen gehörten, in Zivil oder der Situation entsprechend verkleidet einzusetzen. Sie fielen somit nicht auf und kannten als ehemalige Kriminelle die Schlupfwinkel und Methoden der Kriminellen. Über ihre Kontakte erfuhren sie teils von geplanten Verbrechen und fassten die Verbrecher dadurch oft auf frischer Tat. Auch Vidocqs Verhöre liefen anders ab als üblich: In seinen Memoiren erzählt er mehrmals, wie er mit gerade Verhafteten nicht direkt zum Gefängnis gefahren ist, sondern sie zuvor zum Essen einlud, bei dem er sich mit ihnen unterhielt. Neben Informationen zu anderen Verbrechen, die er dabei oft beiläufig erhielt, führte diese gewaltlose Methode auch oft zu Geständnissen und dem Anwerben künftiger Informanten und sogar Agenten. [[August Vollmer]], erster Polizeichef von [[Berkeley (Kalifornien)|Berkeley]] und eine der führenden Persönlichkeiten in der Entwicklung der [[Kriminalpolizei]] in den [[Vereinigte Staaten|Vereinigten Staaten]]<ref>Time.com: [http://www.time.com/time/magazine/article/0,9171,899019,00.html Finest of the Finest] (englisch, Zugriff am 9. September 2007)</ref>, beschäftige sich im Rahmen der Polizeireform vor allem mit den Werken von Vidocq und dem österreichischen Kriminologen [[Hans Gross (Kriminologe)|Hans Gross]].<ref>Alfred Eustace Parker: ''The Berkeley Police Story.'' Charles C Thomas Pub, 1972, ISBN 0398023735, S. 53.</ref> Seine Reformen wurden von der [[International Association of Chiefs of Police]] (IACP) übernommen, deren Präsident er war, und wirkten sich in Folge dessen aus auf [[J. Edgar Hoover]] und das von ihm geleitete [[Federal Bureau of Investigation|FBI]], das 1908 von Bonapartes Großneffen [[Charles Joseph Bonaparte]] gegründet worden war.<ref>Athan G. Theoharis: ''The FBI: A Comprehensive Reference Guide.'' Greenwood Press, 1999, ISBN 089774991X, S. 265f.</ref> [[Robert Peel]], der 1829 in seiner Funktion als britischer Innenminister [[New Scotland Yard|Scotland Yard]] gründete, entsandte 1832 eine Kommission nach Paris, die sich mehrere Tage mit Vidocq besprach. 1843 reisten erneut zwei Kommissare von Scotland Yard zur Weiterbildung nach Paris. Sie verbrachten allerdings nur zwei Tage mit dem Sûreté-Chef Allard und sprachen anschließend bei Vidocq vor. Eine Woche lang begleiteten sie ihn und seine Agenten bei deren Arbeit. === Identifikation von Verbrechern === [[Bild:Bertillon - Signalement Anthropometrique.png|thumb|Bertillonage]] [[Jürgen Thorwald]] bescheinigt Vidocq in seinem Werk ''Das Jahrhundert der Detektive'' ein fotografisches Gedächtnis, das es ihm ermöglichte, bereits auffällig gewordene Kriminelle selbst in Verkleidung jederzeit zu erkennen. Der Biograf Samuel Edwards berichtet in ''The Vidocq Dossier'' von einer Verhandlung gegen den Betrüger und Fälscher Lambert, in der er sich selbst auch auf sein Gedächtnis bezog. Vidocq besuchte regelmäßig die Gefängnisse, um sich die Inhaftierten einzuprägen. Auch seine Agenten waren zu diesen Besuchen verpflichtet. Die englische Polizei übernahm diese Methode. Noch bis in die späten 1980er Jahre besuchten englische Detektive Gerichtsverhandlungen, um die Zuschauer auf den öffentlichen Galerien zu beobachten und auf eventuelle Komplizen aufmerksam zu werden. Wie Vidocq bei der Lambertschen Gerichtsverhandlung sagte, war zwar sein Gedächtnis phänomenal, er konnte dies jedoch nicht bei seinen Agenten voraussetzen. Deshalb legte er zu jedem Verhafteten sorgfältig eine Karteikarte an, die eine Personalbeschreibung, Pseudonyme, frühere Verurteilungen, die typische Vorgehensweise und sonstige Informationen enthielt. Die Karteikarte vom Fälscher Lambert enthielt u.a. eine Schriftprobe. Das Karteikartensystem wurde nicht nur von der französischen Polizei beibehalten, sondern auch von Polizeieinheiten anderer Länder übernommen. Allerdings offenbarte es in den nächsten Jahren auch seine Schwächen. Als [[Alphonse Bertillon]] 1879 als Hilfsschreiber zur Sûreté kam, waren die auf den Kärtchen festgehaltenen Beschreibungen der Kriminellen schon längst nicht mehr detailliert genug, um Verdächtige auch tatsächlich nur mit deren Hilfe identifizieren zu können. Das veranlasste Bertillon zur Entwicklung eines [[Anthropometrie|anthropometrischen]] Systems der Personenidentifizierung, der [[Bertillonage]]. Die Sortierung der Karteikästen, die zu diesem Zeitpunkt bereits mehrere Räume füllten, wurde auf Körpermaße umgestellt, der erste von vielen Versuchen, Struktur und Aufbau der Sortierung zu verbessern. Mit Beginn des [[Informationszeitalter]]s wurden die Karteikarten digitalisiert und die Karteikartensysteme von [[Datenbanksystem]]en abgelöst. Dazu gehören unter anderem vom FBI verwaltete Datenbanken wie das [[Biometrie|biometrische]] IAFIS, ein [[Automatisiertes Fingerabdruckidentifizierungssystem|AFIS]], das alle in der USA gesammelten Fingerabdrücke enthält, das [[MUPS]] ''(Missing/Unidentified Persons System)'', das Daten zu vermissten Personen und unidentifizierten Leichen enthält, und das [[NIBRS]] ''(National Incident Based Reporting System)'', das kriminelle Vorfälle dokumentiert. === Experimente – Der Glaube an die Wissenschaft === Eine [[Forensik|forensische]] Wissenschaft gab es zu Vidocqs Zeiten noch nicht. Trotz zahlreicher wissenschaftlicher Abhandlungen war der praktische Nutzen durch die Polizei noch nicht erkannt worden, was auch Vidocq nicht ändern sollte. Dennoch war er Experimenten gegenüber nicht so abgeneigt wie seine Vorgesetzten, hatte im jeweiligen Bürogebäude auch meist ein kleines Laboratorium eingerichtet. In den Archiven der Pariser Polizei befinden sich einige Berichte von Fällen, zu deren Aufklärung er bereits Jahrzehnte vor ihrer tatsächlichen Anerkennung forensische Methoden anwandte. ; [[Chemische Verbindung]]en : Im Frankreich zu Vidocqs Zeit gab es bereits [[Scheck]]s und [[Wechsel (Urkunde)|Wechsel]]. Fälscher kauften Schecks auf und änderten diese zu ihren Gunsten. Um dem Problem zu begegnen, beauftragte Vidocq 1817 zwei Chemiker mit der Entwicklung eines fälschungssicheren Papiers. Dieses Papier, für das Vidocq ein Patent anmeldete, war mit Chemikalien behandelt, die bei nachträglichen Änderungen die Tinte verschmieren ließen, wodurch Scheckfälschungen zu erkennen waren. Laut dem Biografen Edwards nutzte Vidocq seine Kontakte ausgiebig und bewarb das Papier gegenüber den Betrogenen, hauptsächlich Bankiers, die ihn mit der Ausforschung der Betrüger beauftragten. Dadurch fand das Papier weite Verbreitung. Vidocq nutzte es zusätzlich für seine Karteikarten, um dadurch deren Zuverlässigkeit vor Gericht hervorheben zu können. Zudem ließ er eine [[Tinte]] herstellen, die sich nicht mehr unsichtbar machen ließ. Diese wurde unter anderem ab Mitte der 1860er Jahre von der Französischen Regierung für den Druck von Banknoten genutzt. ; [[Tatort (Kriminalwissenschaft)|Tatortuntersuchungen]] : [[Louis Mathurin Moreau-Christophe]], zeitgenössischer Generalinspektor der französischen Gefängnisse, beschreibt in seinem Buch ''Le monde des coquins'', wie Vidocq Spuren am Tatort nutzte, um anhand seiner Kenntnisse über die Verbrecher und deren Vorgehensweise den Täter zu ermitteln. Als konkretes Beispiel nennt Moreau-Christophe einen Einbruchsdiebstahl in der [[Bibliothèque nationale de France|Bibliothèque Royale]] 1831, bei dessen Untersuchung er selbst auch anwesend war. Vidocq inspizierte dabei ein Paneel der Tür, die der Täter aufgebrochen hatte, genauer und erklärte, dass aufgrund der angewendeten Methode und der Perfektion, mit der diese ausgeführt worden wäre, eigentlich nur ein Täter infrage kommen könne, der Dieb Fossard, der allerdings momentan im Gefängnis säße. Er erhielt daraufhin von dem ebenfalls anwesenden Polizeichef Lecrosnier die Auskunft, dass Fossard vor acht Tagen ausgebrochen sei. Zwei Tage später konnte Vidocq den Dieb verhaften, der den Einbruch auch tatsächlich begangen hatte. <!--[[Bild:Shoeprint(forensic).jpg|thumb|Vergleich eines Schuhabdrucks mit einem sichergestellten Schuh anhand von zwölf charakteristischen Merkmalen]]--> ; [[Spurensicherung]] : Die Karteikarte für den Dieb Hotot dokumentiert einen der ersten Fälle der Überführung eines Kriminellen durch seine am Tatort hinterlassenen Schuhabdrücke. Der ihm bekannte Dieb war Vidocq wegen dessen nasser und mit Schlamm beschmutzter Kleidung aufgefallen. Als er zum Tatort eines Diebstahls gerufen wurde, fielen ihm im Garten des Hauses Schuhabdrücke auf. Er holte die Schuhe des Diebes und ließ sie mit den Spuren vergleichen. Mit der Übereinstimmung der Abdrücke konfrontiert, gestand der Dieb. Um 1910 formulierte der forensische Pionier [[Edmond Locard]], Direktor des französischen Polizeilabors in Lyon, das bereits von Vidocq genutzte Prinzip als [[Locard’sche Regel]]: ''Kein Kontakt ohne Materialübertragung''. Dessen Anwendung, das neben Finger- und Schuhabdrücken auch Reifen- und Schmauchspuren, Fasern, DNA-Rückstände und vieles mehr umfasst, ist heute gängiges Mittel zur Täterüberführung und wird durch Experten durchgeführt. ; [[Daktyloskopie]] [[Bild:Fingerprintonpaper.jpg|thumb|Fingerabdruck]] : Fingerabdrücke wurden bereits von den antiken [[Babylonier]]n und den amerikanischen Ureinwohnern von [[Nova Scotia]] als Unterschriften genutzt. 1684 schrieb der britische Botaniker [[Nehemiah Grew]] erstmals eine Arbeit über die Muster an den Fingerkuppen, die er dem [[Royal College of Physicians of London]] präsentierte. 1823 veröffentlichte [[Jan Evangelista Purkyně]] eine Arbeit, in der er über die Individualität von Fingerabdrücken schrieb und eine erste Klassifikation vornahm. Es ist nicht bekannt, ob Vidocq diese Arbeit gelesen hat, aber sowohl Balzac als auch Hugo haben beide laut dem Biografen Edwards Notizen hinterlassen, aus denen hervorgeht, dass er sich ab etwa dieser Zeit mit Fingerabdrücken beschäftigte und sich zu diesem Zweck auch ein [[Christiaan Huygens|Huygens]]-Mikroskop zulegte. Anscheinend diskutierte er mit seinen Freunden über seine Experimente und war fest davon überzeugt, sie zur Identifizierung von Verbrechern nutzen zu können. [[Alexandre Dumas der Ältere|Dumas]] schrieb, dass sich Vidocq auf die Suche nach einem Physiker gemacht habe, den er von seinen Ideen überzeugen konnte. Währenddessen ‚überredete‘ er Gefangene aus Bicêtre zur Abnahme ihre Fingerabdrücke. Dabei stellte er fest, dass normale Tinte bei diesem Vorgang verschmierte. Auch seine eigene Tinte brachte keinen Erfolg, da diese zu schnell trocknete, dadurch nur schwache Abdrücke hinterließ und zudem wochenlang an den Fingern seiner Versuchskaninchen haften blieb. Feuchte Lehmplatten erzeugten zwar deutlich bessere Abdrücke, brauchten dafür jedoch zu viel Platz in den Archivräumen. Bis zu seinem ersten Austritt aus der Sûreté hatte Vidocq keine zufrieden stellende Lösung für die Sicherstellung von Fingerabdrücken gefunden und verfolgte dieses Projekt später nicht mehr weiter, da er auch keinen Physiker überzeugen konnte, ihn zu unterstützen. Er erfuhr nicht mehr, dass [[Ivan Vučetić]] mit einfacher [[Tinte|Tusche]] ein verwendbares Mittel gefunden hatte. Allerdings glaubte er bis zu seinem Lebensende an die Nutzbarkeit von Fingerabdrücken und diskutierte das Thema oft, unter anderem 1845 in einem Interview mit zwei Reportern der [[The Times|London Times]] und der [[New York Post]]. Ein Jahr nach seinem Tod führte [[William James Herschel|William Herschel]] in Indien die Verwendung von Fingerabdrücken zur Vermeidung von Pensionsbetrug ein. 1888 veröffentlichte [[Francis Galton]] seine erste Arbeit über die Einzigartigkeit von Fingerabdrücken und ebnete damit der Daktyloskopie ihren Weg in Europa. 1892 wurde in Argentinien erstmals ein Mord mit Hilfe dieser Wissenschaft aufgeklärt, die heute ein Standardverfahren ist. <!-- derzeit raus damit: es gibt nur wenig Info über Vidocqs Leistung und der Artikel über Schriftvergleichung ist Käse ; [[Schriftvergleichung|Handschriftenuntersuchung]]: : In Paris arbeiteten Wissenschaftler an einer Studie zu Handschriftenanalyse. Vidocq hatte eine Abhandlung dazu gelesen. --> ; [[Ballistik]] : Alexandre Dumas hinterließ Aufzeichnungen, die einen Mordfall von 1822 beschreiben. Die Comtesse Isabelle d'Arcy, die sehr viel jünger als ihr Ehemann war und diesen betrogen hatte, war erschossen aufgefunden worden, worauf die Polizei den Comte d'Arcy verhaftete. Vidocq hatte mit dem Mann gesprochen und war der Meinung, dass der ‚alte Gentleman‘ nicht die Persönlichkeit eines Mörders hätte. Er untersuchte dessen Duellpistolen und stellte fest, dass diese entweder nicht abgefeuert oder seither gereinigt wurden. Daraufhin überredete er einen Arzt, heimlich die Kugel aus dem Kopf der Adeligen zu entfernen. Ein einfacher Vergleich zeigte, dass die Kugel viel zu groß war um aus den Pistolen des Comte zu stammen. Daraufhin durchsuchte Vidocq die Wohnung des Liebhabers der Ermordeten und fand darin neben zahlreichen Schmuckstücken auch eine große Pistole, zu der die Kugeln von der Größe her passten. Der Comte identifizierte die Schmuckstücke als die seiner Frau. Vidocq fand daraufhin außerdem einen Hehler, bei dem der Verdächtige bereits einen Ring versetzt hatte. Mit den Beweisen konfrontiert, gestand der Liebhaber den Mord. Der erste richtige Abgleich zwischen einer Waffe und einer Kugel fand 1835 durch Henry Goddard, einen „[[Metropolitan Police Service|Bow Street Runner]]“, statt. Am 21. Dezember 1860 berichtete die ''London Times'' über ein Gerichtsurteil, bei dem der Mörder Thomas Richardson in Lincoln erstmals nur mit Hilfe der Ballistik zum Tod verurteilt wurde. 1990 wurde in [[Philadelphia]] die ''Vidocq Society'' gegründet. Deren Mitglieder sind forensische Experten, FBI-[[Profiler (Kriminalistik)|Profiler]], Ermittler der Mordkommission, Wissenschafter, [[Psychologe]]n und [[Leichenschau|Leichenbeschauer]], die bei ihren monatlichen Treffen unentgeltlich unaufgeklärte alte Fälle aus aller Welt durchleuchten und gemäß ihrem Motto ''Veritas veritatum'' (dt. ''Wahrheit erzeugt Wahrheit'') versuchen, den jeweiligen Ermittlern neue Anhaltspunkte zu verschaffen. == Literatur == [[Bild:BalzacOldGoriot02.jpg|thumb|Rastignac und Vautrin auf dem Titelblatt von ''Le Père Goriot'']] Um 1827 verfasste Vidocq eine Biografie über sein bisheriges Leben, die er im Sommer 1828 bei dem Buchhändler Emile Morice veröffentlichen wollte. Die befreundeten Autoren [[Honoré de Balzac]], [[Victor Hugo]] und [[Alexandre Dumas der Ältere|Alexandre Dumas]] fanden das dünne Büchlein jedoch zu kurz, worauf Vidocq sich einen neuen Verleger suchte. Dieser, [[Louis François L'Héritier]], brachte noch im Dezember desselben Jahres die Memoiren heraus, die mit Hilfe einiger [[Ghostwriter]] auf vier Bände angewachsen waren. Das Werk wurde zu einem Bestseller und verkaufte sich bereits im ersten Jahr laut Biograf Samuel Edwards über 50.000 Mal. Der Erfolg regte Nachahmer an. 1829 veröffentlichten zwei Journalisten unter dem Pseudonym des Kriminellen Malgaret das Buch ''Mémoires d’un forçat ou Vidocq dévoilé'', das Vidocqs angebliche kriminelle Aktivitäten aufdecken sollte. Auch andere Polizeibeamte folgten Vidocqs Beispiel und schrieben in den nächsten Jahren eigene Biografien, so auch der Polizeipräfekt Henri Gisquet. Vidocq inspirierte mit seiner Lebensgeschichte auch viele zeitgenössische Schriftsteller, von denen er viele zu seinem engen Bekanntenkreis zählte. So bildet er in Balzacs Schriften regelmäßig das Vorbild literarischer Figuren. Im dritten Teil von ''[[Verlorene Illusionen|Illusions perdues]]'' (1837–1843, dt. ''Verlorene Illusionen'') –&nbsp;''Souffrance de L'Inventeur'' (dt. ''Die Leiden des Erfinders'')&nbsp;– werden seine Erfahrungen als gescheiterter Unternehmer aufgegriffen, in ''Gobseck'' (1829) stellt Balzac erstmals den Polizisten Corentin vor, am deutlichsten wird aber die Verbindung Vidocqs mit der Figur des Vautrin. Dieser tritt erstmals in Balzacs Roman ''[[Vater Goriot]]'' (1834, frz. ''Le Père Goriot'') auf, dann in ''Illusions perdues,'' ''Splendeurs et misères des courtisanes'' (als Hauptfigur), ''La Cousine Bette,'' ''Le Contrat de mariage'' und ist schließlich die Hauptfigur des Theaterstücks ''[[Vautrin]]'' von 1840. Vidocqs Methoden und Verkleidungen inspirieren Balzac auch zu vielen weiteren Bezügen in seinem Werk. In Victor Hugos ''[[Die Elenden|Les Misérables]]'' (1862, dt. ''Die Elenden'') sind die Charaktere sowohl Jean Valjeans als auch Inspektor Javerts Vidocq nachempfunden; ebenso der Polizist Jackal aus ''Les Mohicans de Paris'' (1854–1855, dt. ''Die Mohikaner von Paris'') von Alexandre Dumas. Er war die Grundlage für ''Monsieur Lecoq'', einen Inspektor, der in zahlreichen Abenteuern von [[Émile Gaboriau]] die Hauptrolle spielte, und für ''Rodolphe de Gerolstein'', der in den Zeitungsromanen von [[Eugène Sue]] allwöchentlich für Gerechtigkeit sorgte. Und er kann auch in dem das Genre der [[Kriminalroman|Kriminalliteratur]] begründende Werk ''[[Der Doppelmord in der Rue Morgue]]'' von [[Edgar Allan Poe]]<ref>Charles J. Rzepka: ''Detective Fiction.'' Kapitel 3 – ''From Rogues to Ratiocination''</ref> und den Geschichten ''[[Moby Dick]]'' von [[Herman Melville]]<ref>Hermann Melville: ''[[:en:s:Moby-Dick/Chapter 88|Schools and Schoolmasters]].'' beim englischsprachigen Wikisource</ref> und ''Great Expectations'' von [[Charles Dickens]] wiedergefunden werden. == Theater == [[Bild:Honoré Daumier 026.jpg|thumb|Melodram am Pariser Boulevard du Crime, [[Honoré Daumier]]]] Vidocq war – bei seiner Vorliebe für Verkleidungen wohl naheliegend – ein großer Freund des [[Theater]]s. In der Pariser Bevölkerung war zu seinen Lebenszeiten der so genannte ''[[Boulevard du Temple|Boulevard du Crime]]'' (dt. ''Boulevard des Verbrechens'') recht beliebt. An dieser Straße lagen mehrere Theaterhäuser, in denen allabendlich Kriminalgeschichten in Form von [[Melodram (Theater)|Melodramen]] dargestellt wurden. Eines dieser Theater war das [[Théâtre de l'Ambigu-Comique]], das von Vidocq in großem Ausmaß gefördert und unterstützt wurde. Laut Biograf James Morton reichte er auch selbst ein Stück ein, das allerdings nie produziert wurde. Auch hatte er Pläne sich selbst als Darsteller zu versuchen, die er aber nie verwirklichte. Zahlreiche seiner Geliebten waren Schauspielerinnen, aber auch viele seiner Freunde und Bekannten stammten aus der Theater-Szene. Zu ihnen gehörte der bekannte Schauspieler [[Frédérick Lemaître]], der unter anderem die Hauptrolle in der Inszenierung von Balzacs ''Vautrin'' übernahm, als das Stück am 14. März 1840 nach zahlreichen Problemen mit der Zensur im [[Théâtre de la Porte Saint-Martin]] uraufgeführt wurde. Er bemühte sich dabei, sein Aussehen möglichst dem von Vidocq anzupassen, auf dem die Figur ja basierte. Bereits bei der Premiere kam es zu Tumulten, da die gewählte Perücke zu große Ähnlichkeit mit der des Königs Louis-Philippe hatte, weshalb das Stück nach einem entsprechenden Verbot durch den französischen Innenminister kein zweites Mal aufgeführt wurde. Aber nicht nur die durch Vidocq inspirierten Werke schafften es auf die Bühne, auch seine eigene Lebensgeschichte mit den Memoiren als literarischer Vorlage wurde mehrmals aufgeführt. Besonders in England war die Begeisterung für Vidocq groß. Seine Memoiren wurden rasch ins Englische übersetzt und schon wenige Monate später fand am 6. Juli 1829 im [[Surrey Theater]] im Londoner Stadtteil [[London Borough of Lambeth|Lambeth]] die Uraufführung von ''Vidocq! The French Police Spy'' statt. Das Melodram in 2 Akten, das von [[Robert William Elliston]] produziert wurde, stammte aus der Feder von [[Douglas William Jerrold]]. Vidocqs Rolle wurde von T. P. Cooke übernommen, der auch in Jerrolds Erfolgsstück ''Black-eyed Susan'' aus demselben Jahr die Hauptrolle spielte. Obwohl die Kritiken u.a. in [[The Times]] durchaus positiv waren, wurde das Stück im ersten Monat nur neun Mal aufgeführt und danach abgesetzt. Einige Jahre nach Vidocqs Tod wurde im Dezember 1860 im [[Britannia Theater]] in [[London Borough of Hackney|Hoxton]] unter dem Titel ''Vidocq or The French Jonathan Wild'' ein weiteres Theaterstück basierend auf Vidocqs Memoiren aufgeführt, das von F. Marchant geschrieben wurde, aber nur eine Woche auf dem Spielplan stand. 1909 schrieb [[Émile Bergerat]] das Melodram ''Vidocq, empereur des policiers'' in 5 Akten und 7 Szenen. Die Produzenten Hertz und Coquelin lehnten es aber ab, worauf Bergerat sie erfolgreich auf 8.000 Franc Schadenersatz verklagte. Das Stück wurde dann 1910 im [[Théâtre Sarah Bernhardt]] uraufgeführt. [[Jean Kemm]], der Jahre später auch an einem Film über Vidocq beteiligt sein sollte, übernahm die Hauptrolle. == Verfilmungen == *Bereits 1909 entstand der erste Film über Vidocq. Am 13. August 1909<ref>[http://german.imdb.com/title/tt0431845/ ''La Jeunesse de Vidocq ou Comment on devient policier'' (1909) in der IMDb]</ref> erschien der auf Vidocqs Memoiren basierende schwarzweiße Kurz-[[Stummfilm]] ''„La Jeunesse de Vidocq ou Comment on devient policier“'' in Frankreich. Vidocq wurde von [[Harry Baur]] dargestellt, der die Rolle auch in den beiden Fortsetzungen ''„L'Évasion de Vidocq“'' (1910<ref>[http://german.imdb.com/title/tt0448873/ ''L'Évasion de Vidocq'' (1910) in der IMDb]</ref>) und ''„Vidocq“'' (1911<ref>[http://german.imdb.com/title/tt0448841/ ''Vidocq'' (1911) in der IMDb]</ref>) verkörperte. *Unter der Regie von Jean Kemm entstand 1922 der nächste Stummfilm ''„Vidocq“'', dessen Drehbuch von [[Arthur Bernède]]<ref>[http://german.imdb.com/name/nm0622772/ ''Vidocq'' (1922) in der IMDb]</ref> nach den Memoiren konzipiert worden war. Die Hauptrolle spielte [[René Navarre]]. *Der erste Tonfilm, wenn auch noch schwarzweiß, wurde 1938 veröffentlicht. Jacques Daroy drehte den wieder nach der Hauptfigur benannten Film mit [[André Brulé]] als ''„Vidocq. Der Film“'', der sich größtenteils mit der Verbrecherlaufbahn Vidocqs beschäftigt, war im Vergleich zu zeitgenössischen Kriminalfilmen eher glanzlos, wurde aber dennoch auch außerhalb Frankreichs gespielt.<ref>[http://german.imdb.com/title/tt0191633/ ''Vidocq'' (1938) in der IMDb]</ref> *Am 19. Juli 1946 erschien der erste von Amerikanern gedrehte Film über Vidocq – ''„Ein eleganter Gauner“''<ref>[http://german.imdb.com/title/tt0038908/ ''A Scandal in Paris'' (1946) in der IMDb]</ref>, nach wie vor jedoch schwarzweiß. [[George Sanders (Schauspieler)|George Sanders]] stellte Vidocq in [[Douglas Sirk]]s Verfilmung dar, die den Aufstieg eines Gauners in der Gesellschaft verbunden mit einer Liebesgeschichte zeigt. Bereits im April 1948 folgte wieder eine französische Version der Lebensgeschichte Vidocqs. ''„Le Cavalier de Croix-Mort“'' wurde 1947 von [[Lucien Ganier-Raymond]] mit [[Henri Nassiet]] in der Hauptrolle gedreht.<ref>[http://german.imdb.com/title/tt0242352/ ''Le Cavalier de Croix-Mort'' (1947) in der IMDb]</ref> *Am 7. Januar 1967 sendete der französische Fernsehsender [[Office de Radiodiffusion Télévision Française|ORTF]] die erste von zwei 13-teiligen Fernsehserien. ''„Vidocq“''<ref>[http://german.imdb.com/title/tt0168425/ ''Vidocq'' (1967) in der IMDb]</ref> mit [[Bernard Noël]] in der Titelrolle, noch immer schwarzweiß. Dies änderte sich erst mit der zweiten Serie ''„Les Nouvelles Aventures de Vidocq“''<ref>[http://german.imdb.com/title/tt0166925/ ''Les Nouvelles Aventures de Vidocq'' (1971) in der IMDb]</ref>, die am 5. Januar 1971 Premiere hatte. Hier wird Vidocq von [[Claude Brasseur]] verkörpert. *2001 erschien ''„[[Vidocq (Film)|Vidocq]]“'' schließlich unter der Regie von [[Pitof]] als eine Mischung aus Fantasy und Horror. Die Figur Vidocq wird darin durch [[Gérard Depardieu]] mit all seinen Eigenheiten und Talenten relativ authentisch dargestellt, die dargestellten Ereignisse rund um den „Alchemisten“ sind jedoch nie wirklich geschehen. == Anmerkungen == <references group="A" /> == Weiterführende Informationen == === Werke von Vidocq === * ''[http://gallica.bnf.fr/ark:/12148/bpt6k510007.notice Mémoires de Vidocq, chef de la police de Sûreté, jusqu'en 1827]'' (Biografie), 1828; deut. Übersetzung von Ludwig Rubiner aus dem Jahr 1920 als Volltext auf [[:s:Landstreicherleben|Wikisource]] * ''[http://gallica.bnf.fr/ark:/12148/bpt6k51001k.notice Les voleurs]'' (eine Studie über Diebe und Betrüger), 1836, Roy-Terry, Paris * ''[http://fvidocq.free.fr/Downloads/Dictionnaire%20argot.pdf Dictionnaire d'Argot]'' (ein [[Argot]]-Wörterbuch), 1836 * ''[http://fvidocq.free.fr/Downloads/PDF_Considerations.pdf Considérations sommaires sur les prisons, les bagnes et la peine de mort]'' (Überlegungen über Mittel zur Verringerung der Kriminalität), 1844 * ''Les chauffeurs du nord.'' (Erinnerungen an seine Zeit als Bandenmitglied), 1845 * ''Les vrais mystères de Paris.'' (Roman geschrieben von Horace Raisson und Maurice Alhoy, aber aus Werbegründen unter Vidocqs Namen veröffentlicht), 1844 === Biografien (Auswahl) === * Samuel Edwards: ''The Vidocq Dossier. The story of the world's first detective''. Houghton Mifflin, Boston, Mass. 1977, ISBN 0-395-25176-1. (Dieses Werk enthält allerdings viele teils sehr offensichtliche Fehler.) * Louis Guyon: ''Biographie des Commissaires et des Officiers de Paix de la ville de Paris''. Édition Goullet, Paris 1826. * Edward A. Hodgetts: ''Vidocq. A Master of Crime''. Selwyn & Blount, London 1928. * Barthélemy Maurice: ''Vidocq. Vie et aventures''. Laisné, Paris 1861. * John Philip Stead: ''Vidocq. Der König der Detektive'' ("Vidocq. Picaroon of Crime"). Union Deutsche Verlags-Gesellschaft, Stuttgart 1954. * James Morton: ''The first detective. The life and revolutionary times of Vidocq; criminal, spy and private eye''. Ebury Press, London 2005, ISBN 0-09-190337-8. * Jean Savant: ''La vie aventureuse de Vidocq''. Librairie Hachette, Paris 1973. === Über Vidocqs Auswirkungen auf die Kriminalistik === * Clive Emsley, Haia Shpayer-Makov: ''Police Detectives in History, 1750–1950''. Ashgate Publishing, Aldershot 2006, ISBN 0-7546-3948-7. * Gerhard Feix: ''Das große Ohr von Paris. Fälle der Sûreté''. Verlag Das Neue Berlin, Berlin 1979. * Dominique Kalifa: ''Naissance de la police privée. Détectives et agences de recherches en France, 1832–1942'' (Civilisations et Mentalitès). Plon, Paris 2000, ISBN 2-259-18291-7. * Paul Metzner: ''Crescendo of the Virtuoso. Spectacle, skill and self-promotion in Paris during the age of revolution''. University of California Press, Berkely, Cal. 1998, ISBN 0-520-20684-3 ([http://ark.cdlib.org/ark:/13030/ft438nb2b6/ online]). * [[Jürgen Thorwald]]: ''Wege und Abenteuer in der Kriminalistik''. Droemer Knaur, München 1981, ISBN 3-85886-092-1 (früherer Titel: ''Das Jahrhundert der Detektive''). === Über Vidocqs Einfluss auf die Literatur === * Paul G. Buchloh, Jens P. Becker: ''Der Detektivroman. Studien zur Geschichte und Form der englischen und amerikanischen Detektivliteratur''. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1978, ISBN 3-534-05379-6. * Sandra Engelhardt: '''The investigators of crime in literature''. Tectum Verlag, Marburg 2003, ISBN 3-8288-8560-8. * Régis Messac: ''Le „detective novel“ et l'influence de la pensée scientifique''. Slatkine, Genf 1975 (Nachdruck der Ausgabe Paris 1929). * Alma E. Murch: ''The development of the detective novel''. P. Owen, London 1968. * Charles J. Rzepka: ''Detective Fiction''. Polity Press, Cambridge 2005, ISBN 0-7456-2941-5. * Ellen Schwarz: ''Der phantastische Kriminalroman. Untersuchungen zu Parallelen zwischen „roman policier“, „conte fantastique“ und „gothic novel“''. Tectum Verlag, Marburg 2001, ISBN 3-8288-8245-5 (zugl. Dissertation, Universität Giessen 2001). * [[Julian Symons]]: ''Bloody Murder. From the Detective Story to the Crime Novel; a history''. Pan Books, London 1994, ISBN 0-330-33303-8. === Einzelnachweise === <references /> === Weblinks === {{wikisource}} {{commonscat|Eugène François Vidocq|Eugène François Vidocq}} * {{DNB-Portal|118768360}} {{PGIA|v#a6191|Vidocq}} * [http://fvidocq.free.fr/ Vidocq – Du Bagne à la Police de Sûreté] (französisch) * [http://www.crimelibrary.com/gangsters_outlaws/cops_others/vidocq/1.html The Crime Library über Vidocq] (englisch) * [http://www.arras-online.com/celeb_vidocq.php Arras] zählt Vidocq neben dem 17 Jahre früher geborenen [[Maximilien de Robespierre]] zu den berühmtesten Söhnen der Stadt (französisch) * [http://www.vidocq.org The Vidocq Society] beschäftigt sich mit lange ungelösten und komplexen Verbrechen. Die Mitglieder sind Spezialisten aus zahlreichen Bereichen der Kriminalistik (englisch) {{Exzellent}} {{Normdaten|PND=118768360|LCCN=n/80/7717|VIAF=61553538}} {{DEFAULTSORT:Vidocq, Eugene Francois}} [[Kategorie:Kriminalist]] [[Kategorie:Ballistiker]] [[Kategorie:Polizist]] [[Kategorie:Betrüger]] [[Kategorie:Räuber]] [[Kategorie:Franzose]] [[Kategorie:Geboren 1775]] [[Kategorie:Gestorben 1857]] [[Kategorie:Mann]] {{Personendaten |NAME=Vidocq, Eugène François |ALTERNATIVNAMEN= |KURZBESCHREIBUNG=französischer Verbrecher, Begründer der modernen Kriminalistik |GEBURTSDATUM=23. Juli 1775 |GEBURTSORT=[[Arras]] |STERBEDATUM=11. Mai 1857 |STERBEORT=[[Paris]] }} [[cs:Eugène François Vidocq]] [[en:Eugène François Vidocq]] [[eo:Eugène-François Vidocq]] [[es:Eugène-François Vidocq]] [[et:Eugène-François Vidocq]] [[fr:Eugène-François Vidocq]] [[hu:Eugène-François Vidocq]] [[it:Eugène-François Vidocq]] [[ja:フランソワ・ヴィドック]] [[la:Eugenius Franciscus Vidocq]] [[pl:Eugène-François Vidocq]] [[ru:Видок, Франсуа Эжен]] [[sk:Eugène François Vidocq]] [[sv:Eugène François Vidocq]] lrkjlsxed8nawkmslik8zysiqdmogr9 wikitext text/x-wiki Vierfleck 0 24445 27044 2010-05-12T06:25:53Z Olei 0 Datumskonvention <!-- Für Informationen zum Umgang mit dieser Tabelle siehe bitte [[Wikipedia:Taxoboxen]]. --> {{Taxobox | Taxon_Name = Vierfleck | Taxon_WissName = Libellula quadrimaculata | Taxon_Rang = Art | Taxon_Autor = [[Carl von Linné|Linnaeus]], 1758 | Taxon2_WissName = Libellula | Taxon2_Rang = Gattung | Taxon3_WissName = Libellulinae | Taxon3_Rang = Unterfamilie | Taxon4_Name = Segellibellen | Taxon4_WissName = Libellulidae | Taxon4_Rang = Familie | Taxon5_Name = Großlibellen | Taxon5_WissName = Anisoptera | Taxon5_Rang = Unterordnung | Taxon6_Name = Libellen | Taxon6_WissName = Odonata | Taxon6_Rang = Ordnung | Bild = Four-spotted Chaser.jpg | Bildbeschreibung = <small>Vierfleck (''Libellula quadrimaculata''), Männchen</small> }} Der '''Vierfleck''' (''Libellula quadrimaculata'') zählt zu den [[Großlibellen]] und erreicht eine Körperlänge von 4 bis 4,5 Zentimetern bei Flügelspannweiten zwischen 7 und 8,5 Zentimetern. Jeder der vier Flügel hat einen auffälligen dunklen Fleck im Bereich der markanten Querader (Nodus), wonach die Art sowohl ihren wissenschaftlichen als auch ihren Trivialnamen erhielt. Bekannt ist diese Libelle auch für ihre Massenwanderungen in Schwärmen von beeindruckenden Ausmaßen. Der Gesamtbestand gilt als nicht bedroht. == Merkmale == === Bau der Imago === [[Datei:Lucas-libellulaquadrimaculata.jpg|thumb|upright=1.5|Zeichnung eines Männchen sowie eines Weibchens von [[William John Lucas (Entomologe)|William John Lucas]] aus dem Jahre 1900]] [[Datei:Naiad - Libellula quadrimaculata.jpg|thumb|right|Zeichnung der Larve in fünffacher, des [[Mentum]]s und des [[Palpus|Tasters]] (Palpus) in sechsfacher sowie des beweglichen Hakens am Palpus in 18facher Vergrößerung.]] Der erwachsene Vierfleck ([[Imago (Zoologie)|Imago]]; pl. Imagines) erreicht Körperlängen zwischen 41 und 45 Millimetern, wovon 25 bis 30 Millimeter auf das [[Abdomen (Gliederfüßer)|Abdomen]] entfallen. Es existiert kein ausgeprägter [[Sexualdimorphismus]]; Weibchen und Männchen sehen also annähernd gleich aus. Das Tier hat ein gelbliches Gesicht, das nach oben durch eine schwarze Linie zwischen den [[Fühler (Biologie)|Fühlern]] begrenzt wird, und einen mattbraunen [[Thorax (Gliederfüßer)|Thorax]], der stark mit Härchen bewachsen ist. Die ersten sechs Segmente des Abdomens sind bräunlich und insbesondere bei jüngeren Exemplaren leicht durchschimmernd, so dass ein der Thermoregulation dienendes Luftsacksystem sichtbar ist. Die Segmente sieben bis zehn sind schwarz und weisen seitlich jeweils einen gelben Strich auf. Die Beine sind schwarz gefärbt. Die Hinterflügel erreichen eine Länge von 31 bis 38 Millimeter, womit sich eine Flügelspannweite um sieben oder acht Zentimeter ergibt. Die Flügelmusterung, welche für den Namen verantwortlich ist, besteht aus einem bernsteinfarbenen Streifen an der Flügelbasis und einem kleinen schwarzen Fleck am [[Libellenflügel|Nodus]]. Man unterscheidet 16 Antenodal- und 14 Postnodaladern. An der Basis der Hinterflügel befindet sich zudem noch ein kleiner, dreieckiger, schwarzer Fleck. Die Äderung der Hinterflügel ist rötlich-braun, das Flügelmal ([[Pterostigma]]) bräunlich schwarz und etwa vier Millimeter ausgedehnt. Die oberen Hinterleibsanhänge der Männchen ([[Cercus|Cerci]]) sind ungefähr dreimal so lang wie die unteren und stark ausgeprägt.<ref name="Hagen61">[[Hermann August Hagen]] - Synopsis of the Neuroptera of North America [S. 150], Smithsonian institution, 1861, [http://books.google.de/books?id=46QKAAAAIAAJ]</ref><ref name="odonatacentral">http://odonatacentral.bfl.utexas.edu/fieldguide/species.asp?taxaid=235 (01. März 2007)</ref><ref name="Say39">[[Thomas Say]] - Descriptions of new North American neuropterous insects. [S. 21]</ref> === Bau der Larve === Die Larven des Vierflecks werden 22 bis 26 Millimeter lang und um die acht Millimeter breit. Sie sind orange-braun gefärbt und ihre Oberfläche ist mit vielen kleinen Härchen besetzt. Der Hinterleib (Abdomen) ist abgerundet und kürzer als die Beine, was den Larven eine sehr gedrungene Erscheinungsweise verleiht. Das Abdomen geht am Hinterende in fünf kurze, dornartige Anhänge über, die sogenannte [[Analpyramide]]. Unter diesen Anhängen sind die [[Cerci]] nur ungefähr 0,7 mal so lang wie die paarigen Seitenplatten (Ventrolateralplatten) des elften Hinterleib[[Segmentierung (Biologie)|segmentes]], dem sogenannten [[Paraproct]]. Auf dem dritten oder dem vierten bis siebten Segment befinden sich schwach ausgeprägte Rückendornen, während diese auf den Segmenten acht und neun fehlen. Dafür befinden sich hier Lateraldornen, die auf Segment acht jedoch geradezu winzig sind. Die Hautausstülpungen, in denen die Flügel heranwachsen ([[Flügelscheide]]n), sind um die sieben Millimeter lang. Der Kopf weist eine Breite von ungefähr sechs Millimetern auf und ist an der Oberseite [[konvex]] geformt. Die Punktaugen ([[Ocellus|Ocellen]]) sind bereits als helle Punkte angedeutet, die Augen hingegen sind senkrecht zur Mittelachse gestreckt und sitzen an den seitlichen Vorderkanten des Kopfes. Auf beiden Seiten des unpaaren Vorderteils der [[Labium (Insekt)|Unterlippe]], dem sogenannten [[Prämentum]], besitzt die Larve acht bis 13 kleine Borsten. Ebenso befinden sich auf dem dreieckigen labialen Taster weitere sieben bis acht Borsten. Die Greifkante des Tasters ist gewellt. Die Fühler bestehen aus sieben Segmenten. Während die ersten zwei eher kurz und geschwollen sind, sind die restlichen fünf eher schlank. Das letzte, das fünfte sowie das vierte Segment sind gepunktet. Auf den wenig muskulösen Beinen haben die Larven graue Ringe, die mit dem Alterungsprozess dunkeln und nach einiger Zeit nahezu verschwinden. Auch die Beine und insbesondere die Unterschenkel ([[Insektenbein|Tibiae]]) sind wie das gesamte Tier stark behaart. Die Länge der Beine nimmt von vorne mit zwölf Millimetern über das mittlere Beinpaar mit ebenfalls zwölf Millimetern nach hinten bis auf 19 Millimeter zu.<ref name="isu.edu">{{Internetquelle|autor=Mark Lung und Stefan Sommer|titel=Libellula quadrimaculata|werk=isu.edu|zugriff=01. März 2007|url=http://imnh.isu.edu/digitalatlas/bio/insects/drgnfly/libefam/liqu/liqu.htm}}</ref><ref name="insects.ummz.lsa.umich.edu">{{Internetquelle|autor=Ethan Bright und Mark F. O'Brien|titel=Libellula|werk=UMMZ-Insect Division|zugriff=07. März 2007|url=http://insects.ummz.lsa.umich.edu/michodo/MOL/Libella.htm}}</ref><ref name="delta-intkey.com">{{Internetquelle|autor=L. Watson und M. J. Dallwitz|titel=Libellula quadrimaculata|werk=British insects: the Odonata (dragonflies and damselflies) Version: 5th October 2005|zugriff=09. März 2007|url=http://delta-intkey.com/britin/odo/www/quadrima.htm}}</ref><ref name="Robert">Robert, Paul-A.: ''Die Libellen (Odonaten) - Autorisierte Übersetzung von Otto Paul Wenger'' [S. 284ff], Kümmerly & Frey, Geographischer Verlag, Bern 1959</ref><ref name="Lucas">Lucas, William John.: ''The Aquatic (Naiad) Stage of the British Dragonflies (Paraneuroptera)'' [S. 67ff], [[The Ray Society]], London 1930</ref> === Ähnliche Arten === Als Imago ist die Art aufgrund ihrer markanten Flügelzeichnung relativ einfach von anderen Arten zu unterscheiden. Am ehesten kann sie mit dem [[Zweifleck]] (''Epitheca bimaculata'') oder Weibchen des [[Spitzenfleck]]s (''Libellula fulva'') verwechselt werden. Neben der anders ausgeprägten Flügelmusterung bei beiden Arten ist als Unterscheidungsmerkmal beim Zweifleck insbesondere die bei den [[Falkenlibellen]] auftretende Ausbuchtung des Augenhinterrandes zu nennen. Zudem ist die Art deutlich größer<ref name="Sternberg"/> und die dauerhaft über der Gewässermitte patrouillierenden Zweifleck-Männchen sind allein schon wegen des anderen Verhaltens nicht mit jenen des Vierflecks zu verwechseln. Problematischer wird die Abgrenzung von ähnlichen Arten bei den Larven. Hier unterscheidet sich beispielsweise die Larve des [[Plattbauch]]s (''Libellula depressa'') von der des Vierflecks in folgenden Punkten: Sie besitzt keine Lateraldornen und auf dem Labialpalpus meist zehn bis zwölf statt der meist sieben oder acht Borsten des Vierflecks, womit eine Unterscheidung für Laien sehr schwierig ist<ref name="Lucas"/> - zudem kann diese Borstenzahl in Ausnahmefällen auch variieren. == Lebensräume und Verbreitung == [[Datei:Purple martin 7166.jpg|miniatur|Eine nordamerikanische Purpurschwalbe mit einem Vierfleck im Schnabel]] Der Vierfleck ist eine weit verbreitete Libellenart; sein Verbreitungsgebiet liegt im Bereich der [[Holarktis]]. Er tritt entsprechend sowohl in [[Mitteleuropa|Mittel-]], [[Nordeuropa]] und [[Asien]], als auch in [[Kanada]] und [[Alaska]] auf.<ref name="Sternberg"/> Im Norden überschreitet die Art den Polarkreis und kann im [[Sørfjord]] in [[Troms]] auf bis zu 69°30' nördlicher Breite gefunden werden.<ref name="Valle">Valle, K. J.: ''Die Verbreitungsverhältnisse der Ostfennoskandinavischen Odonaten'' [S. 43], Helsinki 1952</ref> Der Vierfleck ist charakteristisch für pflanzenreiche [[Stillgewässer|Weiher]]. Er tritt oft in hoher Dichte ([[Abundanz (Ökologie)|Abundanz]]) am Rand von verlandenden Gewässern, in [[Sumpf|Sümpfen]] und an Moorgewässern auf. In sauren [[Moor|Zwischenmooren]], wie beispielsweise vermoorten Dünentälern, trifft man die Art stetig an. Wiedervernässte [[Regenmoor|Hochmoore]] werden oft massenhaft besiedelt. An langsam fließenden Gewässern bewohnt sie [[Altarm]]e und Seitenbuchten sowie [[Auwald]]tümpel mit starkem Pflanzenbewuchs.<ref name="Sternberg"/> Der Vierfleck fliegt häufig zusammen mit der [[Große Pechlibelle|Großen Pechlibelle]], der [[Gemeine Binsenjungfer|Gemeinen Binsenjungfer]], der [[Schwarze Heidelibelle|Schwarzen Heidelibelle]], sowie der [[Herbst-Mosaikjungfer|Herbst-]] und der [[Blaugrüne Mosaikjungfer|Blaugrünen Mosaikjungfer]]; in Sumpf- und Moorgebieten sind es stattdessen die [[Torf-Mosaikjungfer]] und die [[Kleine Mosaikjungfer]].<ref name="Sternberg"/> Die Habitate des Vierflecks unterscheiden sich je nach Entwicklungsstufe. === Larvalhabitat === Die Larven bevorzugen einige Dezimeter tiefe, von [[Röhricht]] bewachsene Gewässer. In den ersten Stadien halten sich die Tiere überwiegend in [[Tauchblatt]]vegetation auf. Die weiteren Entwicklungsstadien leben hauptsächlich [[Benthos|benthisch]]. Dabei graben sich die Tiere nur selten in den meist aus [[Detritus (Biologie)|Detritus]] bestehenden [[Torf|torfigen]] Gewässerboden ein und leben auf dem Schlamm. In sauerstoffarmen Gewässern, wie beispielsweise bei Bewuchs mit [[Torfmoos]], bevorzugt die Art geringere Wassertiefen. Sie kann jedoch auch auf anderen Sedimenten das Imaginalstadium erreichen. Zur Eiablage wählen die Weibchen strömungsarme oder stehende Gewässer, die ganzjährig Wasser führen. Der [[pH-Wert]] liegt zwischen 4 und 8,2, üblicherweise im leicht sauren Bereich. Hier scheint der Vierfleck auch einen klaren ökologischen Vorteil gegenüber anderen Großlibellenarten zu haben, denn es ist die einzige Art, deren Abundanz mit zunehmenden Säuregrad nicht grundsätzlich abnimmt, sondern bis zu einem gewissen Schwellenwert sogar ansteigt. Außerdem kann sie in [[Brackwasser]] bis zu einem [[Salzgehalt]] von sieben [[Promille]] überleben. Aus der Sicht der [[Trophiesystem|Gewässergüte]] siedelt der Vierfleck in eu- oder mesotrophen Gewässern, d.&nbsp;h. es handelt sich um Gewässer mit gutem [[Nährstoff]]gehalt und Sichttiefen um zwei Meter. Die [[Sauerstoff]]sättigung sinkt am Ende der [[Sommerstagnation]] auf Werte um die 30 %. Seltener bewohnt die Art auch oligotrophe Gewässer, also klarere Gewässer mit höherer Sauerstoffsättigung und niedrigerem [[Phosphor]]gehalt. Die Sauerstoffkonzentration liegt zwischen 1,9 und 16,3&nbsp;mg/l. {| class="prettytable float-right" style="width:200px;" |- style="text-align:center; " | colspan="2" align="center" | Konzentration in mg/l |- | [[Ammonium]] (NH<sub>4</sub><sup>+</sup>) | < 0,4 |- | Eisen-II (Fe<sup>2+</sup>) | 0-2 |- | Eisen-III (Fe<sup>3+</sup>) | 3 |- | [[Nitrat]] (NO<sub>3</sub><sup>-</sup>) | < 0-200 |- | [[Nitrit]] (NO<sub>2</sub><sup>-</sup>) | < 0-0,1 |- | Gesamt[[phosphat]] | < 0,057 |} Die [[Hydrochemie|hydrochemische]] Zusammensetzung des Wassers, in dem die Larven leben, gestaltet sich wie folgt: Die [[Wasserhärte|Gesamthärte]] des Wassers, also die [[Stoffkonzentration|Konzentration]] der [[Kation]]en der [[Erdalkalimetalle]], liegt zwischen einem und zehn [[Wasserhärte#Einheiten und Umrechnungsfaktoren|°dH]]. Die Carbonathärte, also die Konzentration des [[Hydrogencarbonat]]-[[Anion]]s (HCO<sub>3</sub><sup>-</sup>), liegt unter drei °dH. Die [[Leitfähigkeit]] des Wassers liegt zwischen 30 und 270 µ[[Siemens (Einheit)|S]]/cm. Konzentrationen einiger weiterer Ionen sowie Verbindungen sind in der Tabelle auf der rechten Seite angegeben. Die absolute Wasser[[temperatur]] spielt für die Larven des Vierflecks keine große Rolle, solange eine ausreichende Sauerstoffversorgung vorhanden ist. Wichtiger ist, dass es keine größeren Temperaturschwankungen im Tagesverlauf gibt. Die Höhe der Temperatur wirkt sich auf die Ausdehnung der Flecken am Nodus aus. Teilweise wird auch angenommen, dass die für die Beschreibung von Unterarten verwendeten Unterschiede nur auf diese Temperaturunterschiede während der Larvalentwicklung zurückzuführen sind.<ref name=DJN">[[Deutscher Jugendbund für Naturbeobachtung]] (DJN), Lehmann, Arne: ''Libellen Nord- und Mitteleuropas. Standardwerk zur Bestimmung aller Libellenarten Nord- und Mitteleuropas''. 5.Aufl., 1998 ISBN 3-923376-15-4 [http://naturbeobachtung.de/publikationen/literatur]</ref> Zum Schlüpfen erklettern die Larven aus dem Wasser ragende Pflanzen, sogenannte [[Emers|emerse]] [[Vegetation]]. Im Mittel wählen sie Höhen von mehreren Dezimetern; es wurden aber auch schon Tiere in über zwei Metern Höhe gefunden. Einige Larven suchen auch mehrere Meter vom Wasser entfernte Stellen für den Schlupf auf.<ref name="Sternberg">Klaus Sternberg, Rainer Buchwald: ''Die Libellen Baden-Württembergs''. Bd 2. Großlibellen. Eugen Ulmer, Stuttgart 1999, 2000. ISBN 3-8001-3514-0</ref><ref name="Robert"/> === Imaginalhabitat === Sind die Imagines geschlüpft, halten sich diese sogenannten Jugendmorphen in [[Wiese (Grünland)|Wiesen]], [[Acker|Feldern]], [[Heide (Landschaft)|Heiden]], [[Weinberg]]en, [[Hecke]]n und [[Wald]]rändern sowie in Mooren auf. [[File:Vierfleck.ogv|thumb|thumbtime=51|Ein Vierfleck sitzt am Rande eines Moortümpels und wartet auf Beute. Wiederholt fliegt er zu Fangversuchen auf und kehrt dann zu seinem Ansitz zurück]] Die geschlechtsreifen Imagines ziehen sich zur Ruhe bis zu 200 Meter vom Wasser entfernt zurück und suchen Sitzplätze in der Vegetation in etwa einem halben Meter Höhe auf. Bei der Fortpflanzung bevorzugen sie von Bäumen und Wald umgebene Gewässer, die zum einen im Zentrum frei –&nbsp;also nicht bewachsen&nbsp;– sind, zum anderen zum Ufer hin artenreichen Bewuchs besitzen. Die Vegetation üblicher Habitate besteht dabei meist aus [[Binsen]], [[Teichbinsen|Teich-]] und [[Sumpfbinsen]], [[Seggen]], [[Teich-Schachtelhalm]], [[Schilfrohr]] und [[Rohrkolben]]. Gewässer, die durch die umstehenden Bäume beschattet werden, meidet der Vierfleck. Ausnahmen bilden größere Gewässer, die dem Tier trotzdem noch einen genügend sonnenexponierten Teilbereich bieten. Die Tiefe der besiedelten Gewässer beträgt üblicherweise zwischen zehn Zentimetern und zwei Metern. Die Wasserfläche liegt im Bereich zwischen einigen [[Ar (Flächenmaß)|Ar]] und einigen [[Hektar]], allerdings kann diese Libelle auch kleinere Gewässer wie Gartenteiche besiedeln. Die Fließgeschwindigkeit der Gewässer beträgt weniger als zehn Zentimeter pro [[Sekunde]].<ref name="Sternberg"/> == Lebensweise == [[Datei:Quadrimacschlupf NEW.ogg|thumb|Video des Schlupfs]] === Nahrung === Die Larven ernähren sich vornehmlich von auf dem Gewässergrund lebenden Kleintieren, aber auch von kleinen [[Fische]]n und [[Kaulquappe]]n. Bei Nahrungsknappheit kann es auch zu [[Kannibalismus]] kommen. Die Imagines hingegen ernähren sich insbesondere von [[Mücken]], es werden aber auch andere [[Fluginsekten]] erbeutet.<ref name="Sternberg"/><ref name="isu.edu"/><ref name="Lucas"/> === Flugzeit und Flugverhalten === [[Datei:Dragonfly_macro.jpg|thumb|Vierfleck]] Die ersten Tiere schlüpfen im Mai, wobei in warmen Jahren der Vierfleck auch bereits Ende April fliegt. Je nach Klima reicht die Schlüpfzeit bis in den beginnenden Juni, bei warmer Witterung kann sie sich bis in den Juli ausdehnen. Die Flugzeit endet Mitte bis Ende August. Über den Tag beginnt der Vierfleck seinen Flug unabhängig von den Lichtverhältnissen, sobald es warm genug ist. Der Vierfleck ist dafür bekannt, in [[Schwarmverhalten|Schwärmen]] zu wandern. Diese Schwärme können gigantische Ausmaße annehmen. Beispielsweise setzte sich der größte über [[Deutschland]] beobachtete Schwarm am 19. Mai 1862 aus schätzungsweise 2,4 Milliarden Tieren zusammen (Moore 1960, zit. in <ref name="Sternberg"/>). Die Züge erreichen bei ihren Wanderungen auch beachtliche Flächenausbreitungen. So gibt es Berichte, die 330 Quadratkilometer erwähnen, womit der Vierfleck auch die [[Wanderlibelle]] deutlich übertrifft. Die Schwärme bilden sich meist, wenn die [[Temperatur]] nach einem kühlen Frühjahr plötzlich steigt und sie vergrößern sich danach sukzessive, indem sich Individuen von anderen Gewässern beim Überflug in einer Art Herdentrieb anschließen. Die Tiere stammen also nach heutigem Forschungsstand nicht von einem einzigen Gewässer, wie es früher angenommen wurde. Ein weiterer Auslöser für eine Migration ist unter Umständen ein [[Parasitismus|parasitärer]] Befall mit den [[Saugwürmer]]n der Gattung ''[[Prosthogonimus]]'', der die Libelle „umprogrammiert“. Die sich so ergebenden Schwärme sind nicht artenrein, sondern weisen meist auch Vertreter anderer Arten - zum Beispiel den Plattbauch - auf. Zahlenmäßig sind diese Beimischungen aber vernachlässigbar. Die sich bildenden Schwärme steigen in eine Höhe von weniger als 20 Metern auf, können aber in der Ausdehnung bis zu 30 Meter Höhe erreichen. Die Migration kann bis zu sieben Tage dauern, wobei sie während der Nachtstunden unterbrochen wird. Zur [[Orientierung]] bevorzugen die Libellen wohl gradlinige Strukturen, wie [[Eisenbahn]]en, [[Kanal (Wasserbau)|Kanäle]] und [[Küste]]nlinien.<ref name="Sternberg"/> === Fortpflanzung und Entwicklung === [[Datei:Libellula quadrimaculata mating.jpg|thumb|right|Zwei Vierflecke im [[Paarungsrad]]]] Die Paarung dauert üblicherweise zwischen drei und 30 Sekunden und findet im Rüttelflug statt. Danach legt das Weibchen 2500 bis 3500 Eier in einem wippenden Flug ab, indem sie mit dem Hinterleib immer wieder die Wasseroberfläche berührt. Die Eier werden durch eine durchsichtige [[Gallert]]hülle geschützt und sinken auf den Boden des Gewässers, oder bleiben an der Unterwasservegetation kleben, die sie zufällig treffen. Ein weiterer Vorteil der Gallerthülle ist es, dass sie der ideale Nährboden für kleine Algen ist, die die Eier tarnen. Sie sind annähernd kugelförmig, ungefähr 0,5 Millimeter lang und 0,43 Millimeter breit. Ihre Farbe ist gelblich bis weiß. Mit zunehmender Entwicklung verfärben sie sich gelb- beziehungsweise orangebraun. Wie beim [[Plattbauch]] bewacht das Männchen das Weibchen so lange, bis es die Eiablage beendet hat. Die Entwicklung der [[Embryo]]nen vollzieht sich abhängig von der Temperatur in zwei bis sieben Wochen. Das anschließende [[Larve]]nstadium gliedert sich in zwölf oder mehr Stadien, wobei das [[Prolarve]]nstadium nicht mitgezählt wird. Der Zeitraum zwischen zwei Häutungen ist variabel und verlängert sich von Häutung zu Häutung. So benötigt die Larve bis zur ersten Häutung nur ein bis zwei Wochen, bei den späteren Häutungen beträgt der Abstand aber bereits bis zu 72 Tage. Vor der [[Metamorphose (Zoologie)|Metamorphose]] kann die Larve auch in einer [[Diapause]] überwintern. Die Entwicklungszeit der Libelle liegt damit zwischen zwei und drei Jahren. <gallery perrow="5" caption="Vierfleck beim Schlupf"> Bild:Libellula quadrimaculata Ecdysis1.jpg Bild:Libellula quadrimaculata Ecdysis2.jpg Bild:Libellula quadrimaculata Ecdysis3.jpg Bild:Libellula quadrimaculata Ecdysis4.jpg Bild:Libellula quadrimaculata Ecdysis7.jpg </gallery> Nach dem Schlüpfen fliegen die Libellen zwischen zwei und 75 Meter zu einer Stelle, wo ihre Chitinhülle dann circa einen Tag weiter aushärtet. Die anschließende Reifezeit beträgt zwölf bis 18 Tage. Danach kehren die Männchen an das Gewässer zurück; die Weibchen folgen einige Tage später. Das maximale Alter der Imagines beträgt etwa 48 Tage.<ref name="Sternberg"/><ref name="Robert"/> == Namensgebung == === Wissenschaftliche Namen === Die erste wissenschaftliche Beschreibung der Art lieferte [[Carl von Linné|Linnaeus]] unter dem noch heute gebräuchlichen Namen ''Libellula quadrimaculata'', den er als ''4-maculata'' schrieb. Neben den bei allen Libellen vorkommenden Flügelmalen, den [[Pterostigma]]ta, hat der Vierfleck vier weitere distinkte Male auf den Flügeln, daher der Name. Die wissenschaftliche Bezeichnung leitet sich von den [[latein]]ischen Wörtern ''quattuor'' und ''maculatus'' ab. ''Quattuor'' ist ein [[Präfix]] und bedeutet ''vier'', ''maculatus'' kann mit ''gefleckt'' übersetzt werden. Die eigentliche Beschreibung der Art fällt extrem kurz aus und lautet: {{Zitat|''alis posticis basi omnibusque medio antico macula nigricante|Linnaeus|Systema Naturae. S. 543''}} Der der Beschreibung zu Grunde liegende [[Holotyp]] war ein Männchen, stammte aus [[Schweden]] und befindet sich heute im [[Natural History Museum]]. 1781 ist es [[Johann Christian Fabricius|Fabricius]], der eine Beschreibung unter der Bezeichnung ''Libellula quadripunctata'' abliefert. [[Moses Harris]] bezeichnet das Tier 1782 als ''Libellula maculata''. [[Edward Newman]] hingegen nennt die Libelle 1833 ''Libellula <!---mit oder ohne "ie"? --->praenubila''. Newman erhob in der gleichen Veröffentlichung ein weiteres Exemplar zum [[Generotyp]] für die später mit ''Libellula'' synonymisierte Gattung ''Leptetrum''. 1839 beschreibt [[Thomas Say]] ein Weibchen und ein Männchen, die er von Harris erhielt unter dem Namen ''Libellula tenaria''; allerdings stellte er bereits in seiner Schlussbemerkung zur Art Überlegungen bezüglich der Ähnlichkeiten zu ''Libellula quadrimaculata'' an: {{Zitat-en|''In some of its characters it resembles the ''L. quadrimaculata'', Linn., of Europe, but that has not the terminal wing bands.|Thomas Say|Descriptions of new North American neuropterous insects. S. 21''}} In seiner „Synopsis of the Neuroptera of North America“ stellt [[Hermann August Hagen]] 1861 fest, dass das Männchen eine ''L. quadrimaculata'' sei, das Weibchen hingegen eine ''[[Libellula semifasciata]]''. Über den Verbleib der den Arbeiten von Fabricius, Harris, Newman und Say zu Grunde liegenden Tiere ist nichts bekannt. [[Robert Mac Lachlan]] benutzte 1894 den Namen ''Libellula (Orthetrum) basilinea'' für ein Männchen aus [[China]]. Das Exemplar befindet sich heute im Natural History Museum. 1957 stufte [[Erich Schmidt (Entomologe)|Erich Schmidt]] ''L. quadrimaculata'' zur Unterart ''L. quadrimaculata quadrimaculata'' herab und führte anhand eines Männchens aus [[Japan]] die weitere Unterart ''L. quadrimaculata asahinai'' ein. Vier Jahre später ergänzte Schmidt auf Grundlage eines Männchens aus [[Afghanistan]] die Unterart ''L. quadrimaculata grigorievi''. Beide Exemplare befinden sich in der ''Schmidtschen Sammlung''.<ref name="Steinmann">Henrik Steinmann - World Catalogue of Odonata (Volume II Anisoptera) [S. 395f], de Gruyter, 1997, ISBN 3-11-014934-6</ref> == Systematik == Der Vierfleck wird innerhalb der Großlibellen in die Gattung ''[[Libellula]]'' eingeordnet, einer Gruppe, die von [[Carl von Linné]] 1758 angelegt wurde und in die er alle zu der Zeit bekannten Libellen einstellte. Heute besteht diese Gattung aus etwa 30 Arten, die alle holarktisch verbreitet sind. Innerhalb der Gattung wird der Vierfleck als nächstverwandt mit der in Nordamerika heimischen ''[[Libellula semifasciata]]'' und der japanischen ''[[Libellula angelina]]'' beschrieben. Dies wird sowohl durch morphologische (vor allem Merkmale des Genitalaufbaus und der Flügeladerung),<ref>Frank Louis Carle, Karl M. Kjer: ''Phylogeny of Libellula Linnaeus (Odonata: Insecta).'' Zootaxa 87, 2002; Seiten 1-18</ref> als auch durch molekularbiologische Merkmale<ref>Thomas Artiss, Ted R. Schultz, Dan A. Polhemus, Chris Simon: ''Molecular Phylogenetic Analysis of the Dragonfly Genera Libellula, Ladona, and Plathemis (Odonata: Libellulidae) Based on Mitochondrial Cytochrome Oxidase I and 16S rRNA Sequence Data.'' Molecular Phylogenetics and Evolution 18 (3) 2001; Seiten 348-361</ref> bestätigt. Diese drei Arten stehen in der rein morphologischen Betrachtung als basales [[Taxon]] allen anderen ''Libellula''-Arten gegenüber (siehe Kladogramm), in den molekularbiologischen Untersuchungen werden sie jedoch innerhalb der ''Libellula''-Arten eingeordnet. ─┐ ├──┬── Vierfleck (''L. quadrimaculata'') │ └──┬─── ''[[Libellula semifasciata]]'' │ └─── ''[[Libellula angelina]]'' │ └───── Alle anderen ''Libellula''-Arten In Europa gibt es innerhalb der Gattung ''Libellula'' außer dem Vierfleck noch den [[Plattbauch]] (''Libellula depressa'') und den [[Spitzenfleck]] (''Libellula fulva''). Die Gattungszugehörigkeit beider Arten ist allerdings umstritten; manche Autoren stellen ''depressa'' auch zur Gattung ''Platetrum'' und ''fulva'' zur Gattung ''Ladona''. Grundsätzlich kann ''Libellula'' weltweit als eine sehr heterogene Gattung angesehen werden, bei der eine gründliche Revision überfällig ist. == Literatur == In den Klammern vor dem Autor sind abweichende Artbezeichnungen aufgeführt. === Erstbeschreibungen === * (4-maculata): Linnaeus, C. 1758. Systema Naturae. Per regna tria naturae, secundum classes, ordines, genera, species cum characteribus, differentiis, synonymis, locis. Editio decima, reformata. Tomus I. Laurentius Salvius, Holmiae. pp. [1-4], 1-824. * (4punctata): Fabricius, J.C. 1781. Species Insectorum, exhibentes eorum differentias specificas, synonyma auctorum, loca natalia, metamorphosin adiectis observationibus, descriptionibus. Tomus I. C. E. Bohn, Hamburgi et Kilonii. pp. I-VIII, 1-552. * (maculata): Harris, M. 1782. An exposition of English insects. Including the several classes of Neuroptera, Hymenoptera, & Diptera, or Bees, Flies, & Libellulae. Exhibiting on 51 copper plates near 500 figures, accurately drawn, & highly finished in colours, from nature. White & Robson, London. pp. 1-166, excl. pl. 1-50. * (praenubila): Newman, E. 1833. Entomological notes (Continued). ''Entomological Magazine'' 1: 416 * (teneraria): Say, Th. 1839. Descriptions of new North American neuropterous insects, and observations on some already described. ''Journal of the Academy of Natural Sciences of Philadelphia'' 8: 9-46 * (basilinea): McLachlan, R. 1894. On two small collections of Neuroptera from Ta-chien-lu, in the province of Szechuen, western China, on the frontier of Thibet. ''Annals and Magazine of Natural History'' (Series 6) 13: 421-436. === Sekundärliteratur === * Arnett H. Ross jr.: ''American Insects.'' A Handbook of Insects of America North of Mexico. CRC Press, Boca Raton Fla 2000, ISBN 0-8493-0212-9 * Jill Silsby: ''Dragonflies of the World.'' The National History Museum, Plymouth 2001, ISBN 0-565-09165-4 * Klaus Sternberg, Rainer Buchwald: Die Libellen Baden-Württembergs. Bd 2. Großlibellen. Eugen Ulmer, Stuttgart 1999, 2000. ISBN 3-8001-3514-0 === Wissenschaftliche Sekundärliteratur und Artikel === * Bartenef, A. N. 1930. Über die Aberrationen von Libellula quadrimaculata L. (Odonata). Zoologischer Anzeiger 87 (7/8): 191-198. * Brittinger, C. 1850. Die Libelluliden des Kaiserreichs Oesterreich. Sitzungsberichte kaiserl Akademie Wissenschaften Wien s1-s8. * P. S. Corbet: ''Dragonflies, behaviour and ecology of Odonata.'' Harley Books, Colchester 1999. ISBN 0-946589-64-X * H. Steinmann: ''World Catalogue of Odonata.'' Bd II. Anisoptera. de Gruyter, Berlin-New York 1997. ISBN 3-11-014934-6 * Needham, J.G. 1901. Aquatic Insects in the Adirondacks. ''New York State Museum Bulletin'' 47: 383-612, * Musser, R.J.S. 1962. Dragonfly Nymphs of Utah (Odonata: Anisoptera). University of Utah Biological Series 12(6):vii + 74ff * Walker E.M., Corbet P.S. 1975. The Odonata of Canada and Alaska, Vol. 3. University of Toronto Press, Toronto 15 + 307ff * Belyshev, B. F. (relicta) 1973. (The dragonflies of Siberia (Odonata). Volume 1. Part 1 and 2). (russisch). Publishing House Nauka, Siberian Branch, Novosibirsk 1-620, figs. 1-270. == Weblinks == {{Commons|Libellula quadrimaculata|Vierfleck}} * [http://www.hydro-kosmos.de/libellen/libell15.htm Beschreibung und Bilder] * [http://www.natur-lexikon.com/Texte/MZ/001/00011/MZ00011.html Vierfleck im Natur-Lexikon] * [http://www.natur-in-nrw.de/HTML/Tiere/Insekten/Libellen/TL-50.html Vierfleck unter natur-in-nrw.de] == Referenzen == <div style="font-size: 85%"> <references /> </div> {{Exzellent}} [[Kategorie:Libellula (Synkat)]] [[cs:Vážka čtyřskvrnná]] [[en:Four-spotted Chaser]] [[fi:Ruskohukankorento]] [[fr:Libellule à quatre taches]] [[hu:Négyfoltos acsa]] [[lt:Keturtaškė skėtė]] [[nl:Viervlek]] [[no:Firflekklibelle]] [[pl:Ważka czteroplama]] [[ru:Четырёхпятнистая стрекоза]] [[sv:Fyrfläckad trollslända]] sadqbhajz1o44cv9fenun78ozewyedi wikitext text/x-wiki Vierzig Gewehre 0 24446 27045 2010-02-25T12:47:33Z Jesi 0 BKL-Link, tippos, Weblinks zusammengefasst {{Infobox Film | DT = Vierzig Gewehre | OT = Forty Guns | PL = [[Vereinigte Staaten|USA]] | PJ = [[Filmjahr 1957|1957]] | AF = 16 |LEN = 76 | OS = [[Englische Sprache|Englisch]] |REG = [[Samuel Fuller]] |DRB = Samuel Fuller |PRO = Samuel Fuller |MUSIK = [[Harry Sukman]] |KAMERA =[[Joseph F. Biroc]] |SCHNITT = [[Gene Fowler Jr.]] |DS = * [[Barbara Stanwyck]]: Jessica Drummond * [[Barry Sullivan]]: Griff Bonnell * [[Dean Jagger]]: Sheriff Ned Logan * [[John Ericson]]: Brockie Drummond * [[Gene Barry]]: Wes Bonnell * [[Robert Dix]]: Chico Bonnell * [[Jidge Carroll]]: Barney Cashman * [[Eve Brent]]: Louvenia Spanger }} '''Vierzig Gewehre''' ist ein [[Vereinigte Staaten|US-amerikanischer]] [[Spielfilm]] von [[Samuel Fuller]] aus dem Jahr 1957. In diesem [[Western]] spielt [[Barbara Stanwyck]] die unbarmherzige Großgrundbesitzerin Jessica Drummond, die sich in den US-Marshall Griff Bonnell ([[Barry Sullivan]]) verliebt, der auf der Jagd nach ihrem Bruder ist. Kennzeichnend für den Film sind die thematische Verknüpfung von [[Sex]] und [[Gewalt]] und eine in ihren filmischen Mitteln freie [[Inszenierung]]. == Handlung == [[Bild:Allen Street Tombstone.jpg|***px|thumb|left|''Vierzig Gewehre'' wurde zwar überwiegend auf dem Studiogelände der [[20th Century Fox|Fox]] gedreht, spielt aber in [[Tombstone]]. [[Wyatt Earp]] und seine Brüder dienten Fuller als Vorbild für die Bonnells.]] [[Tombstone]] in [[Cochise County]], [[Arizona]], im Jahr 1881: Die Großgrundbesitzerin Jessica Drummond beherrscht mit ihrem Gefolge aus 40 Reitern, den „Vierzig Gewehren“, unter denen sich auch Richter, Beamte und der [[Sheriff]] Ned Logan befinden, die Gegend. Der ehemalige Revolverheld und jetzige [[United States Marshals Service|US-Marshal]] Griff Bonnell kommt mit seinen Brüdern Wes und Chico in die Stadt, um einen Haftbefehl gegen Howard Swain, einen Mann aus Jessicas Gefolge, zu vollstrecken. Tombstone wird von Jessicas jüngerem Bruder Brockie terrorisiert, der in betrunkenem Zustand den ängstlichen und kurzsichtigen Marshal Chisum, einen Freund Griffs aus früheren Tagen, niederschießt. Griff stellt Brockie, schlägt ihn nieder und lässt ihn einsperren. Jessica kommt mit ihren Reitern in die Stadt, um ihren Bruder einzufordern. Mit Unterstützung des willfährigen Sheriffs Logan wird Brockie auf der Stelle freigelassen. Wes hat sich inzwischen mit Louvenia Spanger, der Tochter des lokalen Büchsenmachers, angefreundet und plant, länger in der Stadt zu bleiben. Griff fährt zu Jessicas Anwesen, wo diese gerade mit ihren 40 Männern zu Abend speist, und verhaftet Swain. Jessica, von Griff beeindruckt, bietet ihm in einem privaten Zwiegespräch Logans Job als Sheriff an, was Griff ablehnt. Swain, inzwischen im Gefängnis, droht Logan damit, Jessica zu erpressen, falls sie nicht sofort für seine Freilassung sorgt. Kurz darauf wird Swain durch das Zellenfenster erschossen. Die Kugel, die ihn getötet hat, wird von Louvenia dem besten Schützen der Gegend, Charlie Savage, zugeordnet. Logan beichtet Jessica, dass er den Mord in die Wege geleitet hat, um sie zu schützen, doch Jessica schickt ihn wütend weg. Als Griff abermals Jessica aufsucht, werden die beiden von einem Wirbelsturm überrascht. Jessica stürzt von ihrem Pferd, und die beiden retten sich mit Mühe in einen Unterschlupf. Als der Sturm sich gelegt hat, kommen die beiden sich näher. Sie erzählt ihm ihre Lebensgeschichte; wie der frühe Tod ihres Vaters sie gezwungen hat, schnell geschäftliche und persönliche Härte an den Tag zu legen. Desillusioniert stellt sie fest, dass die ''[[Grenzland#„Frontier“ in den USA|Frontier]]'', das Grenzgebiet, ihr keine Herausforderung mehr bietet. Sie will ihr altes Leben aufgeben und fordert Griff auf, es ihr gleichzutun und seine Waffe niederzulegen. In der Stadt wollen Logan und Savage Griff in eine Falle locken. Gerade als Savage zum Schuss aus dem Hinterhalt auf Griff ansetzt, wird er von Chico, dem jüngsten der Bonnell-Brüder, der seinen Bruder ohne dessen Wissen absicherte, erschossen. Brockie drapiert Savages Leiche im Schaufenster des Bestatters mit einem Schild, Savage sei Opfer eines hinterhältigen Mordes durch die Bonnells geworden. Logan wird von Jessica entlassen und mit einem Scheck abgespeist. Der in unglücklicher Liebe zu seiner Chefin entbrannte Sheriff erhängt sich selbst. Einige Zeit später heiraten Wes und Louvenia. Als die Hochzeitsgesellschaft vor die Kirche tritt, reitet Brockie heran und erschießt Wes. Brockie wird inhaftiert. Jessica wird vorgeworfen, sie habe Steuergelder veruntreut. Im Tausch gegen Straffreiheit verliert sie ihr gesamtes Hab und Gut. Als sie ihren Bruder im Gefängnis besucht, gelingt es Brockie, den Deputy zu überwältigen und sich selbst zu befreien. Mit Jessica als Geisel und Schutzschild tritt er Griff zum [[Showdown]] gegenüber. Dieser schießt zuerst Jessica nieder, dann erschießt er ihren Bruder. Einige Zeit später verlässt Griff Tombstone und verabschiedet sich von Chico, der neuer Sheriff der Stadt ist. Die wieder genesene Jessica sieht Griff abreisen und läuft sehnsüchtig seiner Kutsche hinterher. == Entstehungsgeschichte == === Drehbuch und Vorproduktion === ''Vierzig Gewehre'' war eine Produktion von Fullers ''Globe Enterprises'' für die [[20th Century Fox]] nach seinem eigenen Drehbuch. Der Film sollte ursprünglich ''Woman with a Whip'' (''„Frau mit einer Peitsche“'') heißen, was vom Studio wegen der sexuellen Konnotation des Begriffs ''Whip'' als zu anzüglich abgelehnt wurde. Der ursprüngliche Titel ist im Film in dem Lied ''High Ridin Woman with a Whip'', das im Film Jidge Carroll in der Rolle des Barney Cashman singt, immer noch zu finden.<ref name="Server42">Server: S.42</ref> [[Marilyn Monroe]] interessierte sich für die Rolle der Jessica Drummond, wurde aber von Fuller als in ihrer Ausstrahlung zu unschuldig und liebenswert abgelehnt<ref name="Fuller359">Fuller/Lang Fuller/Rudes: S.359</ref> Fuller erläutert seine Entscheidung: ''„Sie war nicht wirklich die Richtige für die Rolle, obwohl es vielleicht ganz interessant geworden wäre. Stanwyck spielte dann die Rolle und sie hatte genau das, was ich für die Beziehung zwischen Bruder und Schwester haben wollte“''<ref name="Server41Z">zitiert in: Server: S.41</ref> [[Barbara Stanwyck]], damals bereits 50 Jahre alt und seit 28 Jahren im Filmgeschäft tätig, hatte in den 1950er-Jahren bereits eine Reihe Western wie etwa ''[[Die Farm der Besessenen]]'' ([[Anthony Mann]], 1950) , ''[[Raue Gesellen]]'' ([[Rudolph Maté]], 1954), ''[[Königin der Berge]]'' ([[Allan Dwan]], 1955) und ''[[Der Teufel von Colorado]]'' ([[Joseph Kane]], 1956) gedreht und galt als sichere Besetzung für die Rolle einer unabhängigen, bisweilen skrupellosen Frau im Wilden Westen.<ref name="Loy281">Loy: S.281</ref> Dass der Film in [[Schwarzweißfilm|Schwarz-Weiß]] gedreht wurde, kam der Eitelkeit der Schauspielerin entgegen: ihr grauweißes Haar erschien im Film blond und sie musste nicht wie in einigen vorangegangenen Filmen eine Perücke tragen.<ref name="Vermilye163">Vermilye: S.163</ref> [[Darryl F. Zanuck]] und die Verantwortlichen bei Fox bestanden darauf, dass Fuller sein ursprüngliches Ende, bei dem Jessica durch Griffs Kugeln gestorben wäre, änderte. Sie argumentierten, dass in einem Western der Held nicht die Heldin töten dürfe.<ref name="Server42">Server: S.42</ref> Fuller war mit dieser Änderung nicht glücklich und erläutert seine Meinung so: ''„Mein Ende war viel stärker, es ging bis zum Äußersten. Als Sullivan sich klarmacht, dass er Stanwycks Bruder töten muss, dann ist das alles, woran er denkt. Seine Gedanken an Stanwyck zählen nicht mehr.[…] Also erschießt Sullivan sie beide.[…] Da gab etwas, was man in vielen Filmen sehen konnte, in ''[[High Noon]]'' und so weiter, was ich aber nicht mochte: der Bösewicht schnappt sich die Hauptdarstellerin und zwingt den Helden, die Waffe fallen zu lassen […]. Und üblicherweise reißt sich dann das Mädchen los, damit der Gute den Bösen töten kann. Und das ist dumm – wenn sie da so einfach rauskommt, gibt es keinen Grund, dass er sich sie geschnappt hat. Ich wollte also diese Szene auf eine Weise drehen, wie es das Publikum nicht erwartet […]. Ich musste es ändern, weil das Studio Stanwyck nicht so sterben lassen wollte. Sie musste überleben, und die beiden mussten gemeinsam in den Sonnenuntergang entschwinden.“''<ref name="Server42Z">zitiert in: Server: S.42</ref> Fuller konnte sich jedoch so weit durchsetzen, dass den beiden ein klassisches [[Happy End]] verwehrt bleibt; es gibt keinen Kuss und keine Umarmung, sondern Griff fährt vor der ihm nachlaufenden Jessica einfach davon. Eine Probevorführung des Films gab dem Studio im Nachhinein Recht: das Publikum lehnte Fullers Ende größtenteils ab.<ref name="vonBerg101">''Ich mag es nicht, wenn es immer einen leichten Ausweg gibt – Samuel Fuller erzählt'' in: von Berg/Grob S.101</ref> === Produktion === Die Dreharbeiten fanden im April und Mai 1957<ref name="Garnham171">Garnham: S.171</ref> auf dem Studiogelände der Fox und in kalifornischen Tälern in der Nähe von [[Los Angeles]] statt.<ref name="Fuller360">Fuller: S.360</ref> Den größten planerischen Aufwand benötigte eine lange [[Plansequenz]], in der die Kamera Griff und seinen Brüdern vom ersten Stock eines Hauses auf die Straße, etwa 300 Meter die Straße entlang, in ein Telegrafenamt hinein und wieder auf die Straße zurück folgt, wo sie dann mit Jessica und ihren vierzig Reitern zusammentreffen. Der Kameramann [[Joseph F. Biroc]] erinnert sich: ''„Wir drehten es einige Male, aber wir fanden heraus, dass die staubige Straße zu uneben für den [[Kamerakran]] war. Der Kranarm mit der Kamera, die mehr als neun Meter weit am Arm hing, schüttelte hin und her […] Wir merkten, um es zu drehen, mussten wir verlegte Schienen haben, mehr als dreihundert Meter.“''<ref name="Server117Z">zitiert in: Server S.117f.</ref> Innerhalb von etwa zwei Stunden wurde an diesem Drehtag von 50 Arbeitskräften die ''Frontier Street'', die längste Straße der Westernkulissen auf dem Fox-Studiogelände, planiert, um ein gleichmäßiges Höhenniveau zu erreichen, und für den [[Dolly (Kamerawagen)|Dolly]] ein doppelter Schienenstrang verlegt, der nahezu die gesamte Straßenlänge einnahm.<ref name="Server118">Server: S.118</ref> Die Dreharbeiten gestalteten sich für die Schauspieler recht strapaziös. Barbara Stanwyck hatte etwa einen Sturz von einem Pferd zu bewältigen, bei dem sie sich in den Steigbügeln verfängt und vom Pferd mitgeschleift wird. Fuller berichtet: ''„Stanwyck hängte sich voll rein. Was immer man brauchte, sie war bereit dafür. Die Einstellung, als sie von dem Pferd mitgeschleppt wird, das ist sie und kein Stuntman. Wir hatten einige technische Probleme mit der Szene und sie hat zugestimmt, es mehrere Male zu drehen, bis wir es richtig im Kasten hatten.[…] Sie war danach voller blauer Flecken.“''<ref name="Server41Z">zitiert in: Server: S.41</ref> In der Szene, in der Griff und Jessica in einen Sandsturm geraten, verwendete Fuller statt Erde [[Zement]], der durch eine Windmaschine geblasen wurde; wie der Cutter [[Gene Fowler Jr.]] kolportiert, aus dem Grund, weil Fuller der Name des Zements, ''Fullers Earth'', so sehr zusagte. Der Zement setzte sich in Augen, Nase und Mund der Darsteller fest. Fowler resümiert: ''„Es war entsetzlich!“''<ref name="Server121">Server: S.121</ref> === Deutsche Fassung === Die deutsche [[Synchronisation (Film)|Synchronbearbeitung]] entstand 1958 in den Ateliers der Ultra Film Synchron GmbH in [[Berlin]] unter der Regie von [[Theodor Mühlen]]. Das Dialogbuch verfasste [[Wolfgang Schnitzler]]. <ref> Thomas Bräutigam: ''Lexikon der Film- und Fernsehsynchronisation. Mehr als 2000 Filme und Serien mit ihren deutschen Synchronsprechern etc.''. Schwarzkopf & Schwarzkopf, Berlin 2001, ISBN 3-89602-289-X, S. 386 </ref> {| class="prettytable" !align="center"|Rolle !align="center"|Darsteller !align="center"|Synchronsprecher |- |Jessica Drummond |[[Barbara Stanwyck]] |[[Tilly Lauenstein]] |- |Griff Bonnell |[[Barry Sullivan]] |[[Ernst Wilhelm Borchert]] |- |Sheriff Ned Logan |[[Dean Jagger]] |[[Paul Wagner (Schauspieler)|Paul Wagner]] |- |Brockie Drummond |[[John Ericson]] |[[Rainer Brandt]] |- |Wes Bonnell |[[Gene Barry]] |[[Horst Niendorf]] |- |Chico Bonnell |[[Robert Dix]] |[[Herbert Stass]] |- |Barney Cashman |[[Jidge Carroll]] |[[Axel Monjé]] |- |Richter Macy |[[Paul Dubov]] |[[Heinz Petruo]] |- |Chisum |[[Hank Worden]] |[[Alfred Haase (Schauspieler)|Alfred Haase]] |} == Rezeption == === Zeitgenössische Kritik === ''Vierzig Gewehre'' kam im September 1957 in die US-amerikanischen Kinos<ref name="Garnham171">Garnham: S.171</ref>. Bundesdeutscher Kinostart war der 5. Dezember 1958<ref name="vonBerg152">von Berg/Grob: S.152</ref> Fuller war mit dem Ergebnis seiner Arbeit sehr zufrieden: ''„Ich hielt ihn für einen meiner besten Filme bis dahin. Natürlich gab es ein paar Kompromisse, wie etwa das Ende, aber insgesamt kam er meiner ursprünglichen Vision sehr nahe. Zu dieser Zeit hatten nur wenige Leute die Möglichkeit, einen Film zu schreiben, zu produzieren und zu inszenieren. Im Frankreich der 1960er-Jahre nannte man das [[Auteur-Theorie|Cinéma des auteurs]].“''<ref>Fuller/Lang Fuller/Rudes: S.364</ref> ''[[Variety]]'' bescheinigte Fuller, in seiner dreifachen Funktion als Produzent, Drehbuchautor und Regisseur ''„ein solides Stück Unterhaltung“'' abgegeben zu haben. Barbara Stanwyck meisterte ihre Rolle ''„auf erfahrene Weise“'', Sullivan sei ''„überzeugend“''.<ref>[http://www.variety.com/review/VE1117791043.html?categoryid=31&cs=1&p=0 Kritik von ''Variety'']</ref> Das Magazin ''Picturegoer'' lobte die Leistung der Stanwyck: ''„Sogar die taktvollsten Kinobesucher würden zugestehen, dass Barbara Stanwyck nicht mehr die Jüngste ist. Aber, was den Western betrifft, sieht sie auf einem Pferd immer noch besser aus als die meisten ranken und schlanken Helden. Dazu kommt der Enthusiasmus der Stanwyck.“''<ref name="Dickens252Z">zitiert in: Dickens: S.252</ref>. Die deutsche katholische Filmkritik war wenig beeindruckt: ''„Eine lange Zeit verworrener und etwas langatmiger Wildwester, dessen Moral nur halb so gut ist wie die Qualität seiner Fotografie.“'' <ref>''6000 Filme. Kritische Notizen aus den Kinojahren 1945 bis 1958.'' Handbuch V der katholischen Filmkritik. 3. Auflage. Haus Altenberg, Düsseldorf 1963, S. 469</ref> === Nachwirkung === [[Bild:Samuel Fuller01.JPG|***px|thumb|Samuel Fuller im Jahr 1987, 30 Jahre nach den Dreharbeiten von ''Vierzig Gewehre'']] [[Jean-Luc Godard]] hielt ''Vierzig Gewehre'' neben ''House of Bamboo'' (lief in Deutschland unter dem Titel ''Tokio-Story'') für Fullers besten Film und bedauerte in seiner Filmkritik in den [[Les Cahiers du cinéma|Cahiers du Cinéma]], dass der Film nicht in Frankreich erschienen war. Er urteilt: ''„Trotz einer unverständlichen Geschichte ist jede Szene und jede Einstellung dieses Westerns voll von Originalität. […] Sein ausgeprägter persönlicher Stil erinnert an die Kapriolen eines [[Abel Gance]] oder [[Erich von Stroheim|Stroheim]], wenn nicht sogar an puren [[Friedrich Wilhelm Murnau|Murnau]]“''.<ref name="Will58Z">zitiert in: Will/Wollen S.58</ref> In seinem Debütfilm ''[[Außer Atem]]'' (1960) zitierte Godard die von der Erzählung losgelöste Schnitttechnik und den Einsatz von Nahaufnahmen in ''Vierzig Gewehre''. Die subjektive Einstellung, als Michel Patricia durch ein zusammengerolltes Poster betrachtet, um sie anschließend zu küssen, ist ein direktes Zitat aus ''Vierzig Gewehre'', als Will Bonnell seine Angebetete durch den Lauf eines Gewehrs beobachtet, gefolgt von einem Kuss der beiden<ref name="Garnham158">Garnham: S.158</ref>. Tony Williams sieht in der Inszenierung und visuellen Gestaltung von ''Vierzig Gewehre'' einen Einfluss auf die Filme von [[Sergio Leone]] und das Genre des [[Italowestern]]s, insbesondere im Einsatz von extremen Nahaufnahmen, der schonungslosen und lakonischen Darstellung von Gewalt und der Bildmontage, in der schnelle, gewalttätige Aktionen von langen Momenten der Stille eingeleitet werden <ref name="Williams">[http://www.sensesofcinema.com/contents/cteq/05/37/forty_guns.html Essay von Tony Williams auf ''sensesofcinema.com'']</ref> === Filmwissenschaftliche Beurteilung === [[Frieda Grafe]] nennt den Film einen ''„Meilenstein“'', einen ersten Punkt des Umbruchs im Westerngenre zum [[Spätwestern]], indem ''„eine Art negativer Schöpfungsgeschichte, ein Mythos vom Niedergang“'' erzählt werde.<ref name="Grafe221">Frieda Grafe: ''Vierzig Gewehre'' in: Kiefer/Grob: S.221</ref> Grob bestätigt, mit ''Vierzig Gewehre'' habe Fuller durch die Härte der Darstellungsweise und die Überwindung des Trivialen ''„den Western für alle Zeiten verändert.“''<ref name="vonBerg17">von Berg/Grob S.17</ref> In keinem anderen Film habe Fuller ''„seine wilden Phantasien in solch düsteren Kontrast zu einem Genre gestellt“.''<ref name="vonBerg16">von Berg/Grob S.16</ref> ''Vierzig Gewehre'' sei ein ''„[[Hardcore]]-Western“''. Er sei so radikal ''„durch seinen schnellen, harten, kalten Rhythmus […] und […] durch seine gelegentlich barbarische [[Cadrage (Film)|Cadrage]]“''.<ref name="vonBerg34">von Berg/Grob S.34</ref>, denn der Detailblick auf einzelne Körperteile sei für damalige Zeiten ungewohnt, gebe aber eine Vorahnung auf den schonungslos-genauen Blick auf schockierende Einzelheiten, wie er im [[Splatterfilm]] üblich wurde. Server urteilt über den Film, er sei wie ''[[Johnny Guitar – Wenn Frauen hassen]]'' ([[Nicholas Ray]], 1954), ''[[Duell in der Sonne]]'' ([[King Vidor]], 1946) und ''[[Die Farm der Besessenen]]'' ([[Anthony Mann]], 1950) ''„einer der ausschweifenden, stürmischen Western, in denen die Gewalt Hand in Hand mit sexueller Hysterie geht.“'' Er treibe ''„die Dualität von Gewalt und Liebe auf den wahnsinnigen Höhepunkt eines Fiebertraums“'' und sei ''„ein [[Sigmund Freud|Freudsches]] Treibhaus, in dem jede Waffe ein Sexobjekt ist und jeder Kuss in einem Blutbad endet“'' und wirke ''„wie eine Fallanalyse über sexuelle Raserei – vom Patienten geschrieben“''<ref name="Server80">Server: S.80</ref> ''Vierzig Gewehre'' sei weniger eine Geschichte als ein Geisteszustand, ''„Jessica Drummonds psychosexuelle Odyssee von unglücklicher [[Dominanz (Psychologie)|Dominanz]] zu zufriedener Unterwürfigkeit.“''<ref name="Server81">Server: S.81</ref> Dickens kommt zu dem Schluss, ''Vierzig Gewehre'' sei ''„wahrscheinlich der einzige Western […], der sich ausgiebig mit Sex und seiner Beziehung zur Gewalt beschäftigt.“'' Er sei ''„höchst individuell“'' und ''„stilisiert“'', seine Themen gingen ''„über die Westernkulissen hinaus; tatsächlich wäre jedes beliebige Kriegsgebiet ein geeigneter Ort für seine Bilder gewesen.“''<ref name="Dickens252">Dickens: S.252</ref> Garnham stellt fest: ''„Die Themen Liebe und Tod, Heirat und Tod, Sex und Gewalt erfahren ihre originellste und kraftvollste Behandlung in Vierzig Gewehre.“'' Es falle ihm schwer, über den Film zu schreiben, denn er sei ''„mehr als jeder andere reine Erfahrung, pures Kino“''<ref name="Garnham100">Garnham: S.100</ref>, der Film sei ''„der ultimative [[Undergroundfilm]]“'', da er aufeinandertreffende sexuelle Energien fast abstrakt abbilde.<ref name="Garnham134">Garnham: S.134</ref> Jacques Bontemps urteilt 1967 in den ''Cahiers du cinéma'', ''Vierzig Gewehre'' sei ''„nur eine Aneinanderreihung von Begebenheiten, in denen das zentrale Ethos des Westerns fehlt, weil Fuller nur den Außenputz des Genres verwendet“'' und ''„eine stilistische Improvisation, die nur noch eine dünne Verbindung zum traditionellen Western hat.“'' <ref name="Will55">zitiert in: Will/Wollen S.55</ref> Der Film vernachlässige um des Effekts und der Überzeichnung willen die Glaubwürdigkeit der Geschichte. Bontemps führt aus: ''„Es gibt […] zu viele Schießereien, als dass irgendetwas verwundet werden könnte außer den geheiligten Regeln der dramatischen Glaubwürdigkeit. Wie [[Michel Foucault|M. Foucault]] es sagt: es sind nicht die Männer, die in Fullers Film bluten, sondern die Schüsse selbst“''<ref name="Will57">zitiert in: Will/Wollen S.57</ref> In seiner Irrationalität liege aber auch die Qualität des Films: ''„Vorstellungskraft, Wahnsinn und Raserei haben <nowiki>[…]</nowiki> haben Fullers Filme zum Besten und Persönlichsten gemacht, was aus den Vereinigten Staaten gekommen ist“''<ref name="Will58">zitiert in Will/Wollen S.58</ref> Hembus ist in seinem Urteil über den Film deutlich negativer. Fuller springe ''„wüst und rücksichtslos mit seinem Material um“'', vermenge ''„brillante Szenen mit Passagen monumentaler Naivität“'' und nehme ''„mit einem Achselzucken hin, dass Barbara Stanwyck ihn streckenweise völlig im Stich lässt.“''<ref name="Hembus665">Hembus: S.665 Hembus behauptet übrigens fälschlicherweise, dass Griff Jessica am Ende des Films tötet; ein Fehler, der sich durch Teile der deutschsprachigen Fachliteratur von Seeßlen (1995) bis Weidinger (2006) zieht</ref> Vermilye bestätigt dem Film eine ''„schwerfällige Handlung“'', die nur durch ein paar Actionsequenzen in Bewegung bleibe.<ref name="Vermilye164">Vermilye: S.164</ref> == Filmanalyse == === Inszenierung === ==== Visueller Stil ==== ''Vierzig Gewehre'' ist neben ''[[China-Legionär]]'' (1957) Fullers einziger Film, der in Schwarz-Weiß und gleichzeitig in [[Cinemascope]] gedreht wurde und einer der wenigen Filme überhaupt, in denen das anamorphotische Verfahren nicht mit Farbbildern kombiniert wurde <ref name="Grob101">Von Berg/Grob: S.101</ref>. Fuller umgeht die Schwierigkeiten, in diesem Bildformat seine bevorzugten Nahaufnahmen effektiv umzusetzen, indem er sie ins Extreme steigert. Als Griff etwa im ersten Akt des Films seinem Gegner unbewaffnet entgegentritt, inszeniert Fuller dessen Gang als, so Server, ''„filmischen Entwurf“'', als ''„Gebilde, das durch rhythmischen Schnitt, extreme Nahaufnahmen und dramatische Musik erzeugt wird“'' <ref name="Server80">Server: S.90</ref>. Leinwandfüllende Nahaufnahmen von Sullivans Augen wechseln sich mit Bilder seiner Füße ab. Die erzeugte Wirkung ist die eines, so Server, ''„irren, überdrehten [[Surrealismus]]“'' <ref name="Server80">Server: S.80</ref>, einer, so Hardy, ''„stilistischen Hysterie“'' <ref name="Hardy126">Hardy: S.126</ref>. Fuller erreicht, so Grafe, trotz der offensichtlichen Effektsucht und Künstlichkeit der Einstellungen eine ''„Direktheit der Bilder“''. Sie konstatiert: ''„Fuller liebt es, maßlos zu übertreiben, zu karikieren, mit dicken Strichen alle Linien nachzuziehen“'' <ref name="Grafe219">Grafe: ''Vierzig Gewehre'' in: Kiefer/Grob: S.219</ref>. Seine visuelle Arbeit sei [[Art brut]], die weder auf Realismus, noch auf Transparenz abziele, sondern ihre Wirkung aus dem Spiel mit Übertreibungen und Klischees ziehe <ref name="Grafe220">Grafe: ''Vierzig Gewehre'' in: Kiefer/Grob S.220</ref>. Grob ergänzt: ''„Um zu irritieren, hat [Fuller] jegliches Raumgefühl und jede Perspektive aufgebrochen“'' <ref name="VonBerg37">von Berg/Grob: S.37</ref>. Die Nahaufnahmen von Sullivans Augen wirken zunächst wie subjektive Einstellungen aus der Sicht des Kontrahenten, doch der befindet sich noch viel zu weit weg für einen solch nahen Blick. Grafe bestätigt, dass Fuller nicht den subjektiven Blickwinkel eines Protagonisten wähle, sondern den subjektiven Blick des Publikums, um es emotional einzubinden <ref name="Grafe219">Grafe: ''Vierzig Gewehre'' in: Kiefer/Grob: S.219</ref>. Grob fügt hinzu: ''„Es ist eine subjektive Einstellung, aber eine, die von der Emotionalität, nicht von einer wirklichen Situation ausgeht“'' <ref name="VonBerg37">von Berg/Grob: S.37</ref>. Garnham entdeckt diese Stilmittel der rein cinematischen Erfahrbarkeit von Emotionen und Themen bereits in der Eröffnungssequenz und sieht eine ''„[[Phallus|phallische]] Kraneinstellung“'', als die Doppelreihe von Jessicas Reitern vom Wagen der Bonells geteilt wird. Er erläutert: ''„Von der Eröffnungssequenz an werden wir eingetaucht in eine Welt, die uns durch interagierende Bilder von animalischer Energie und Grenzüberschreitung dargeboten wird. Die Rhythmen von Bild und Ton […] zeigen den Zusammenstoß zweier Geschlechtstriebe, eine gegenseitige Vergewaltigung“'' <ref name="Garnham100">Garham S.100</ref>. Der durch die Reiter aufgewirbelte Staub in der Eröffnungssequenz erzeugt eine Unschärfe des Bildes, der weitere unscharfe Momente im Film folgen, motiviert einerseits durch körperliche Fehlfunktionen wie der [[Kurzsichtigkeit]] des Sheriffs, andererseits aber auch durch überwältigende Emotionen der Figuren wie Liebe und Hass. Diese Einstellungen dienen laut Grafe ebenfalls der Subjektivierung des Publikumsblicks und seiner Emotionalisierung <ref name="Grafe219">Grafe: ''Vierzig Gewehre'' in: Kiefer/Grob: S.219</ref>. ==== Dramaturgie ==== Fuller nimmt sich nicht nur visuelle, sondern auch dramaturgische Freiheiten. Besonders im zweiten Teil des Films kommt es durch Auslassungen und zeitliche Sprünge zu einem, so Hardy ''„Beinahe-Kollaps des Erzählflusses“'' <ref name="Hardy130">Hardy: S.130</ref>. Er erläutert näher: ''„Anfangs ist eine erzählerische Linie klar sichtbar, aber später im Film wird die narrative Struktur so brutal deformiert, dass der Film fast schleierhaft wird“'' <ref name="Hardy124">Hardy: S.124</ref>. Festzumachen ist dieser Aufbruch der Narration etwa an der Sequenz, als der Szene, in der Wes bei seiner Hochzeit von Brockie ermordet wird, sofort die Beerdigung folgt. Hardy stellt fest, dass die Figuren nicht innerhalb einer Zeitlinie existieren, ''„in der etwa zwischen Hochzeit und Tod ein zeitlicher Zwischenraum liegt, sondern wo das eine sofort auf das andere folgt, während dagegen eine monumentale Konfrontation scheinbar ewig dauern kann“'' <ref name="Hardy130">Hardy: S.130</ref>. Eine zeitliche Erfahrbarkeit der Geschehnisse ist für den Zuschauer nicht gegeben; es ist nicht zu erfahren, ob sich die Gesamtspanne der Handlungsdauer auf Tage, Wochen oder Monate erstreckt <ref name="Server80">Server: S.80</ref>. Auch auf die Frage, warum es mit Jessicas Imperium zum Ende des Films so rapide bergab geht, gibt Fuller keine befriedigende Antwort. Hardy sieht eine ''„Unfähigkeit Fullers, die Charaktere so zu erklären, dass man sie komplett verstehen kann. […] Wo Fuller in anderen Filmen die Warums und Wozus seiner Figuren erläutert, '''sind''' Jessica und Griff in Vierzig Gewehre einfach“'' <ref name="Hardy130">Hardy: S.130</ref>. Server bestätigt, dass die Ereignisse und Figuren in diesem Film ''„keine objektive Realität über ihre filmische Existenz hinaus“'' haben <ref name="Server80">Server: S.80</ref>. ==== Musik ==== Die beiden im Film zu hörenden Balladen ''High Ridin Woman With a Whip'' und ''God Has His Arms Around Me'' kommentieren die Handlung und treiben sie gleichzeitig voran. ''High Ridin…'' untermauert laut Loy die Tatsache, dass Jessica die Anweisungen gibt und die Männer zu gehorchen haben. Gleichzeitig ist das Lied ''„eine Herausforderung an einen Mann, ihr die Peitsche wegzunehmen und sie zu zähmen“''<ref name="Loy282">Loy: S.282</ref>. Williams sieht in den Liedern eine Vorwegnahme der [[leitmotiv]]ischen Funktion von Filmmusik im Italowestern.<ref name="Williams">[http://www.sensesofcinema.com/contents/cteq/05/37/forty_guns.html Essay von Tony Williams auf ''sensesofcinema.com'']</ref> === Themen und Motive === ==== Starke Weiblichkeit ==== Nachdem bis zum Beginn der 1950er-Jahre den Frauen im Western meistens nur die Rollen von Siedlerfrauen und Lehrerinnen oder aber von willfährigen Prostituierten zugestanden wurden, ist in der ersten Hälfte der 1950er-Jahre ein Trend im Westerngenre zu weiblichen Hauptrollen zu beobachten, die sich als Anführerinnen von Gesetzlosen oder unbarmherzige Ranchbesitzerinnen von der traditionellen Rolle der Frau im Western abheben und ihre Erotik gezielt für ihre eigenen Interessen einsetzen. Ziel dieses Rollenwechsels war es nach Frenchs Meinung, ''„Aspekte von Grausamkeit, Herzlosigkeit, plumper Erotik, außergewöhnlichem sexuellen Symbolismus und schlüpfrigen Andeutungen […], die ans Lächerliche grenzen“'', in das Westerngenre einzubringen. French nennt als Beispiel für solche Filme ''Johnny Guitar – Wenn Frauen hassen'' (Nicholas Ray, 1954) und ''[[Mit stahlharter Faust]]'' (King Vidor, 1955)<ref name="French68">French: S.68</ref>. Seeßlen ergänzt die Filme ''[[Engel der Gejagten]]'' ([[Fritz Lang]], 1952), ''[[Am Tode vorbei]]'' ([[Allan Dwan]], 1953),'' [[Der Mann ohne Furcht]]'' ([[Delmer Daves]], 1955), ''[[Die Frau des Banditen]]'' ([[Joseph M. Newman]], 1952) und ''[[Todesfaust]]'' (Allan Dwan, 1955).<ref name="Seeßlen110">Seeßlen: S.110</ref> French erläutert, dieser neue Einsatz weiblicher Figuren entzweie ''„die Frauen von ihrer angestammten Rolle im Western […], nämlich die Stimme der Vernunft zu sein, die sich gegen Gewalt […] und gegen die Idee, dass zwischenmenschliche Angelegenheiten durch Gewalt geregelt werden können, ausspricht“.''<ref name="French68">French: S.68</ref> Jessica Drummond entspricht dieser neuen Rolle; sie ist eine, so Weidinger, ''„[[Domina (BDSM)|Domina]] mit Peitsche und Lederstiefeln“''<ref name="Weidinger135">Weidinger: S.135</ref>, die, so Seeßlen, ''„in ständigem Bestreben, sich selbst zu beweisen, jeden Menschen zu demütigen versucht“''.<ref name="Seeßlen110">Seeßlen: S.110</ref> Sie ist darin, so Vermilye ''„noch brutaler und männlicher als jeder Mann“''<ref name="Vermilye180">Vermilye: S.180</ref>. Dementsprechend wird sie zu Beginn des Films in schwarzer, männlich wirkender Kleidung auf dem Pferd sitzend präsentiert. Fuller erhebt sie damit nach Vermilyes Meinung zur „''Göttin des Wilden Westens, zur Urmutter des amerikanischen Expansionsdrangs“''<ref name="Vermilye182">Vermilye: S.182</ref>. Erst in ihrem Zusammentreffen mit Griff, im, so Hardy, ''„Kampf des Paares für- und gegeneinander“''<ref name="Hardy126">Hardy: S.126</ref> verändert sich ihr Wesen. Der Mann, der laut Grob für die Prinzipien von Einsicht, Überschaubarkeit und Zivilisation steht, gewinnt den Konflikt gegen die Frau, die Wildheit und Gesetzlosigkeit verkörpert.<ref name="VonBerg15">von Berg/Grob: S.30</ref> Es findet, so Weidinger, ein ''„Geschlechterkampf zwischen dem Mann und der Frau, deren Macht und Kraft schließlich gebrochen werden muss, bevor sie zur Ehefrau geeignet ist“'', statt.<ref name="Weidinger135">Weidinger: S.135</ref> Jessicas [[Emanzipation|emanzipatorische]] Bemühungen scheitern. Am Ende des Films ist sie mit einem weißen Kleid zu sehen, wie sie Griffs Kutsche hinterherläuft. Dieses Bild im starken Kontrast zu dem, wie Jessica zum Beginn des Films den Zuschauern präsentiert wird, sagt, so Loy, ''„viel über die konfliktbeladene Rolle der Frauen in den Vereinigten Staaten im Jahr 1957 aus“''<ref name="Loy283">Loy: S.283</ref>. ==== Sex und Waffengewalt ==== Sowohl in den Bildern, als auch in den Dialogen wird in Vierzig Gewehre eine Verknüpfung der Themenbereiche Sex und Gewalt vorgenommen. Schusswaffen sind vom Zuschauer als prominent in Szene gesetzte phallische Symbole erkennbar. Als etwa Wes und seine Freundin, die Büchsenmacherin Louvenia, in ihrem Geschäft Zärtlichkeiten austauschen, fallen die Schatten der im Schaufenster ausgestellten Gewehre auf ihre Gesichter. Wes betrachtet seine Freundin vor dem ersten Kuss durch den Lauf einer Waffe.<ref name="Server80">Server: S.80</ref>. Garnham sieht aus solchen und ähnlich motivierten Bildern ''„die intime Beziehung, sowohl in Fullers Arbeit, als auch in der amerikanischen Gesellschaft, zwischen Sex und Gewalt und im Besonderen zwischen Sex und Waffen“'' erwachsen. Sie seien ''„der ultimative Ausdruck der Manneskraft des Westens“''; ein uramerikanischer Topos, wie er auch in [[Arthur Penn]]s ''[[Ein Mann wird gejagt]]'' oder in [[Norman Mailer]]s Roman ''[[Am Beispiel einer Bärenjagd]]'' behandelt werde.<ref name="Garnham100">Garnham: S.100</ref> Fuller bestätigt in seiner Autobiografie: ''„Meine vierzig Gewehre waren vierzig Schwänze“''<ref name="Fuller359">Fuller/Lang Fuller/Rudes: S.359</ref>, die ökonomische und soziale Macht, die Jessica auf ihre Reiter ausübe, gründe auf ihrer dominanten sexuellen Anziehungskraft. In der deutschen Synchronisation wurden die schlüpfrigen, sexuell konnotierten Dialoge teilweise entschärft und verfälscht. Als etwa Wes seinem Bruder Chico von seiner neuen Freundin erzählt und ihm berichtet, er würde gerne länger in der Stadt bleiben, sagt er im amerikanischen Original: ''„I´d like to stay long enough to clean her rifle“''<ref>bei Hardy (S.126) fälschlich als ''I´d like to stay long enough to clean her barrel'' wiedergegeben</ref>. Synchronisiert heißt es ''„Hier sollte man öfters ein Gewehr reinigen lassen.“'' Als Griff und Jessica das erste Mal allein aufeinandertreffen, bittet sie ihn, ihr seinen Revolver zu zeigen. Der sich entspinnende Dialog trägt im Original eindeutig sexuellere Untertöne. Auf Jessicas ''„Your trademark… may i feel it?“'' antwortet Griff: ''„Uh-uh, it might go off in your face“'' Die deutsche Fassung entschärft: ''„Was mich an Ihnen interessiert, Mr. Bonnell, ist ihr Revolver. Kann ich ihn vielleicht einmal sehen?“'' und ''„Ich bedaure, er könnte zu leicht losgehen“''. Als Jessica wieder von ihrer Verletzung genesen ist, wird ihr im Original erzählt, sie sei eine glückliche Frau: ''„[Griff] put that bullet in you right where he wanted to put it.“'' Die deutsche Synchronisation macht daraus: ''„Er hat absichtlich so gezielt, dass die Verletzungen nicht lebensgefährlich waren.“'' Fuller wird in seiner Autobiografie nicht müde, Gewalt zu verurteilen und behauptet:'' „Sollten Filme wie Vierzig Gewehre einem höheren Zweck dienen […], dann dem, zu zeigen, wie inhuman und fruchtlos Gewalt ist.“''<ref name="Fuller358">Fuller: S.358</ref> Dennoch ist auch in diesem Film die Gewalt ein von Fuller im Kontext der Erzählung sanktioniertes Mittel des Helden, seine Ziele durchzusetzen. Grob stellt fest, dass Griff am Ende gewinnt, weil er nicht zögert, auf sie zu schießen und somit ''„radikaler als sie alle Gefühle missachtet“''<ref name=“VonBerg33”>Von Berg/Grob: S.33</ref>. Garnham ergänzt: ''„Indem er auf Jessica schießt, versucht er den Nachweis von Leidenschaft und Liebe in sich selbst zu zerstören.“''<ref name="Garnham104">Garnham: S.104</ref> Die ausgeübte Gewalt ist Griffs Mittel zur ''„endgültigen Demütigung“''<ref name="VonBerg37">Von Berg/Grob: S.37</ref> seiner Kontrahentin. ==== Dekonstruktion der Westernmythen ==== Fuller bricht eine Lanze für die Ausdrucksmöglichkeiten, die das Westerngenre einem Filmemacher bietet: ''„Eigentlich sehe ich Western sehr gerne. Ich habe seit meiner Kindheit Tausende gesehen […] Western sind nicht nur [[Realitätsflucht|eskapistisch]], sie sind die letzte echte Quelle für Drama und Action, für das Epische.“''<ref name="Wollen87Z">zitiert in: Will/Wollen S.120</ref> In ''Vierzig Gewehre'' ändert er jedoch den „klassischen“ Blickwinkel des Westerns. Es geht nicht mehr um den Aufbruch einer Gesellschaft ins Grenzgebiet, sondern der freie Westen ist bereits an seinem Ende angekommen und hat aufgehört, herausfordernd zu sein. Jessica ist in ihrem Freiheitsdrang eine, so Hembus, ''„anachronistische Gestalt“''<ref name="Hembus665">Hembus: S.665</ref>; ihr bleibt genau wie Griff nur übrig, so Loy, ''„zu versuchen, ihren Weg in einer sich rasch ändernden Welt zu finden“.''<ref name="Loy283">Loy: S.283</ref> Beide sind, so Grafe, ''„kaputt und alt“''.<ref name="Grafe221">Grafe: ''Vierzig Gewehre'' in: Kiefer/Grob: S.221</ref> Dieser Situation entsprechend werden die Mythen des Westerns bloßgestellt. Griff ist kein einsamer Revolverheld, sondern er geht nie ohne zusätzliche Absicherung durch die Waffe seines Bruders in ein Duell. Ritterlichkeit gegenüber Frauen ist ihm ebenso fremd wie der Glaube an den Pioniergeist. Fuller geht in der Entmythologisierung des Helden so weit, dass er ihn nie auf einem Pferd reitend zeigt. Griff Bonell benutzt stattdessen eine Kutsche, das Symbol von Zivilisation und Domestiziertheit.<ref name="Garnham104">Garnham: S.104</ref> Statt der klassischen Westerntopoi bringt Fuller ureigene, in seinen Filmen oft behandelte Themen wie etwa den gewaltsamen Verlust des Vaters<ref name="Garnham87">Garnham: S.87</ref>, aber auch neue, in den 1950ern moderne Themen in seinen Film ein, etwa in der Figur des Brockie Drummond die rebellische, kriminelle Jugend, wie sie [[Nicholas Ray]] in ''[[…denn sie wissen nicht, was sie tun]]'' und [[Richard Brooks]] in ''[[Die Saat der Gewalt]]'' bereits zwei Jahre zuvor erstmals für ein Massenpublikum thematisiert hatten.<ref name=„Fuller355“>Fuller/Lang Fuller/Rudes: S.355</ref> Auch hier schafft Fuller Verbindungen zwischen Brockies sexueller Verantwortungslosigkeit und seinem Gewaltpotential. Garnham sieht in der Auflehnung Brockies gegen Griff einen [[Ödipuskomplex|ödipalen]] Subtext: Er will den Vater töten, den er nie hatte.<ref name="Garnham102">Garnham: S. 102</ref> == Einzelnachweise und Anmerkungen == <references/> == Literatur == * Ulrich von Berg, Norbert Grob (Hrsg.): ''Fuller''. Edition Filme, Berlin 1984, ISBN 3-88690-060-6. * Homer Dickens: ''The Films of Barbara Stanwyck''. Citadel Press, Secaucus, NJ 1984, ISBN 0-8065-0932-5. * Philip French: ''Westerns – Aspects of a Movie Genre.'' [[Secker & Warburg]] in association with the British Film Institute, London 1973, ISBN 0-436-09933-0. * [[Samuel Fuller]] mit Christa Lang Fuller und Jerome Henry Rudes: ''A Third Face – My Tale of Writing, Fighting an Filmmaking''. Applause Theatre & Cinema Books, New York 2002, ISBN 1-55783-627-2. * Nicholas Garnham: ''Samuel Fuller''. Cinema One 15, The Viking Press, New York 1971, ISBN 0-436-09917-9 * Phil Hardy: ''Samuel Fuller''. Studio Vista Film Paperbacks, London 1970, ISBN 0-289-70035-3. * [[Joe Hembus]]: ''Western-Lexikon – 1272 Filme von 1894–1975.'' 2. Auflage. Hanser, München, Wien 1977, ISBN 3-446-12189-7. * Bernd Kiefer und Norbert Grob unter Mitarbeit von Marcus Stiglegger (Hrsg.): ''Filmgenres: Western.'' Philipp Reclam jun., Stuttgart 2003, ISBN 3-15-018402-9. * R. Philip Loy: ''Westerns in a Changing America 1955–2000.'' McFarland & Company Inc., Jefferson, North Carolina and London 2004, ISBN 0-7864-1871-0. * [[Georg Seeßlen]]: ''Western – Geschichte und Mythologie des Westernfilms.'' Schüren Presseverlag 1995, ISBN 3-89472-421-8. * Lee Server: ''Sam Fuller – Film Is a Battleground''. McFarland & Company Inc., Jefferson 1994, ISBN 0-7864-0008-0. * Jerry Vermilye: ''Barbara Stanwyck: Ihre Filme – ihr Leben.'' Heyne, München 1975, ISBN 3-453-02833-3. * Martin Weidinger: ''Nationale Mythen – männliche Helden: Politik und Geschlecht im amerikanischen Western.'' Campus, Frankfurt, New York 2006, ISBN 3-593-38036-6. * David Will, Peter Wollen (Hrsg.): ''Samuel Fuller''. Edinburgh Film Festival 69 in association with Scottish International Review, 1969. == Weblinks == *{{IMDb Titel|tt0050407|Vierzig Gewehre}} *{{OFDb|19372|Vierzig Gewehre}} * [http://www.imagesjournal.com/issue10/infocus/fortyguns.htm Essay von Grant Tracey auf imagesjournal.com] (englisch) * [http://www.sensesofcinema.com/contents/cteq/05/37/forty_guns.html Essay von Tony Williams auf sensesofcinema.com] (englisch) {{Navigationsleiste Filme von Samuel Fuller}} {{Exzellent}} [[Kategorie:Filmtitel 1957]] [[Kategorie:US-amerikanischer Film]] [[Kategorie:Western]] [[Kategorie:Schwarzweißfilm]] [[en:Forty Guns]] [[fi:40 urhoa]] [[fr:Quarante Tueurs]] [[it:Quaranta pistole]] bl0k0xo0ztyslr5apdtou8gos3mf6y7 wikitext text/x-wiki Vintl 0 24447 27046 2010-05-02T15:10:24Z Inkowik32 0 /* Handwerk und Industrie */Ersetze Link auf BKS, replaced: [[Handwerker]] → [[Handwerk]]er (3) mit [[Project:AWB|AWB]] {{Infobox Gemeinde in Südtirol | Name=Vintl | AndereNamen=ital.: ''Vandoies'' | BZG= Pustertal | EinwohnerVZ=3108 | VZJahr=2001 | ProzDeutsch=97,9 | ProzItal=1,9 | ProzLad=0,2 | Breitengrad = 46/48/58/N | Längengrad = 11/43/17/E | Meereshöhe=722–3.260 (Zentrum 755) | Fläche=110,5 | Dauersiedlungsraum=10,4 | Fraktionen=Niedervintl, Obervintl, Pfunders, Weitental | Nachbargemeinden=[[Kiens]], [[Mühlbach (Südtirol)|Mühlbach]], [[Mühlwald]], [[Pfitsch]], [[Rodeneck]], [[Terenten]] | Partnergemeinde= Schützenverein Oberisling| Postleitzahl=39030 | Vorwahl=0472 | ISTAT=021110 | Steuernummer=81007610215 | JahrBürgermeister=2005 | Bürgermeister=Rudolf Cerbaro (SVP) | Karte=Location of Vintl (Italy).png | Wappen=Vintl-Stemma.svg }} '''Vintl''' ([[Italienische Sprache|ital.]]: ''Vandoies'') ist eine [[Gemeinde]] mit {{EWZ|IT|021110}} Einwohnern (Stand {{EWD|IT|021110}}) im Bezirk [[Pustertal]] in [[Südtirol]]. Der Hauptort der Gemeinde, Niedervintl, liegt ebenso wie die drei Kilometer weiter östlich liegende Fraktion Obervintl im unteren Bereich des [[Pustertal]]es. Die Gemeinde umfasst darüber hinaus die Ortschaften Weitental und Pfunders im Pfunderertal, einem nordwärts gerichteten Seitental, an dessen Mündung in das [[Pustertal]] Vintl angesiedelt ist. Daneben gibt es zahlreiche Weiler, Streusiedlungen und Einzelhöfe, die oft weitab der Ortskerne im Talgrund und an den zumeist sehr steilen Seitenhängen liegen. == Geographie == === Lage === [[Datei:Karte Uebersicht Vintl.png|thumb|Die Gemeinde Vintl im westlichen Pustertal]] Das Gebiet der Gemeinde Vintl liegt im westlichen Pustertal und umfasst eine Fläche von 110,54&nbsp;km². Damit liegt sie flächenmäßig an 21. Stelle unter den 116 Südtiroler Gemeinden. Zwei Talsysteme geben dem Gemeindegebiet das Gepräge: Das Tal der [[Rienz]] zwischen der [[Mühlbacher Klause]] und Obervintl liegt in einer Meereshöhe von etwa {{Höhe|750}}. Es weist eine bis zu 600&nbsp;m breite flache Talsohle auf, die an einigen Stellen durch [[Schwemmkegel|Schwemmfächer]] gegliedert ist. An diese schließen sich seitlich sehr steile Talhänge an. Das vom Norden her einmündende Pfunderertal weitet sich an mehreren Stellen und macht dort Platz für vergleichsweise bescheidene landwirtschaftlich nutzbare Kulturräume. Einige Talabschnitte sind sehr eng und schluchtartig. In seinem Verlauf vom {{Höhe|750}} hoch liegenden Mündungsgebiet über Weitental ({{Höhe|863}}) und Pfunders ({{Höhe|1159}}) bis hin zu den in die Ausläufer der [[Zillertaler Alpen]] reichenden Verästelungen durchsticht das Tal mehrere geologisch interessante Gesteinsformationen. Die höchste Erhebung des Gemeindegebietes ist der Untere Weißzint mit {{Höhe|3263}} Meereshöhe. === Territoriale Gliederung der Siedlungen === [[Datei:Karte Gemeinde Vintl.png|thumb|Vintl - das Gemeindegebiet]] Das Gemeindegebiet umfasst 4 Fraktionen: Niedervintl, Obervintl, Weitental und Pfunders. Der Ortskern von Niedervintl liegt auf einer niedrigen Erhebung im Mündungsbereich des Pfunderertales, die vom Pfundererbach erst nach einem Rechtsschwung überwunden wird. Am Fuß der gegenüberliegenden Talseite nützen die Höfe von Priel den knappen Kulturgrund zwischen Rienzbett und bewaldetem Steilhang. Am Nordhang des Pustertales, der sich westlich an das Pfunderertal anschließt, liegt die zu Niedervintl gehörende, ausgedehnte Streusiedlung von Sergs, die an die östlichen Höfe von [[Meransen]] angrenzt. Im Talgrund des Pustertales ist die Ortschaft von Obervintl ({{Höhe|765}}) heute über den schmalen Siedlungskorridor der Gewerbezone an der [[Orografie|orografisch]] rechten Seite mit Vintl verbunden. Am Südhang des Pustertales weist der Getzenberg bei Obervintl an manchen Stellen ein flacheres Hangrelief auf, sodass sich verstreut liegende Bauernhöfe ansiedeln konnten. Im etwa 3 km langen Eingangsbereich ins Pfunderertal befinden sich bis zur Ortschaft Weitental nur wenige Höfe. Die Ortsteile Außerdrittel, Dorf, Huntsdorf und Hinterdrittel sind in der Talsohle oder an den daran angrenzenden talnahen Hängen angesiedelt. Kegelberg, am Steilhang des Gitschberges gelegen, kann auch über eine von [[Meransen]] über den Stolbergsattel führende Straße erreicht werden. Auf der gegenüberliegenden Talseite grenzen die Höfe des Honigberges an die zu [[Terenten]] gehörenden Ortsteile Talson und Margen. Weiter im Talinnern liegen auf dem [[Schwemmkegel]] des Schmansenbaches die Streusiedlung von Schaldern und auf einem steilen Mittelgebirgsplateau die Höfe von Kammerschien. [[Datei:Talkessel von Pfunders.JPG|thumb|right|Pfunders mit den Ortsteilen Schattseite, Sonnseite und Riegl, Eggerseite]] Der Talkessel von Pfunders weitet sich erst nach einer Talenge, verursacht von einem vom Gitschberg herunterstreichenden Felsriegel aus widerstandsfähigem [[Gneis|Biotitplagioklasgneis]], bei dem die imposante Schalderwand besonders ins Auge sticht. Die Benennung der Ortsteile von Pfunders hat zum Teil mit deren geografischer Lage zu tun: so wird der am Westhang liegende und am Abend schattige Ortsbereich Schattseite, der gegenüberliegende Sonnseite genannt. Mit der Sonnseite über eine Straße verbunden ist die Höfegruppe von Riegl. Die Eggerseite wird durch den besiedelbaren Stirnbereich einer mächtigen Talsperre gebildet, die dort aus querverlaufenden harten, [[quarz]]linsenreichen [[Tonschiefer]]n besteht, und nach deren Überwindung man in den Weiler Dun gelangt, verstreut und steil liegende Höfe auf der orografisch linken Talseite. Der höchste dauerhaft besiedelte Hof ist der Walderhof auf 1600 m. In Dun gabelt sich das Tal. Der Hauptast, der sich hier zur Schlucht verengt, führt in ausgedehnte Almgebiete, von denen das größte der Weitenberg auf {{Höhe|1978}} Meereshöhe ist, und auf das Pfunderer Joch ({{Höhe|2568}}), über das [[Pfitsch]] erreicht werden kann. Der Nebenast führt zur Boden-Alm und nach einer mächtigen Talstufe in die Eisbrugg-Alm mit dem Eisbruggsee und zum Eisbruggjoch mit der [[Edelrauthütte]]. === Nachbargemeinden === Nachbar im Westen ist die Gemeinde [[Mühlbach (Südtirol)|Mühlbach]], im Norden ist es [[Pfitsch]], im Osten sind es [[Mühlwald]], [[Terenten]] und [[Kiens]] und im Süden [[Rodeneck]] . Keine direkten Straßenverbindungen gibt es nach Pfitsch, Mühlwald und Rodeneck. Von Niedervintl führt eine gut ausgebaute Straße auf das auf einem Mittelgebirgsplateau liegende [[Terenten]] hinauf. Das Pfunderertal ist verkehrstechnisch gesehen eine Sackgasse, sieht man von der Kegelbergstraße ab, die Weitental mit Meransen über den Stolbergsattel verbindet. === Flächennutzung === [[Datei:Zirmalm in Pfunders.JPG|thumb|right|Die Zirmalm: Typisches Beispiel einer kleinen Privatalm in der Nähe des Pfunderer Höhenweges]] Der hohe Gebirgsanteil bringt es mit sich, dass landwirtschaftliche Nutzflächen in Form von [[Acker|Äckern]] und [[Wiese (Grünland)|Wiesen]] nur in sehr geringem Maße verfügbar sind. Nur 7,85 % des Gemeindegebietes eignen sich dafür. Diese Flächen finden sich bevorzugt in der Talsohle des Pustertales und des Pfunderertales. Früher nahmen die Äcker selbst im Hochtal von Pfunders eine größere Fläche ein als die Wiesen. Heute überwiegt die [[Grünland]]wirtschaft. 16,8 % sind [[Ödland]]. [[Gewässer]] nehmen 0,4 % der Fläche ein und bebaut sind 1,45 %. Mit 73,1 % ist der Anteil jener Flächen, die Vegetationsbewuchs in Form von [[Wald|Wäldern]] oder [[Alm (Bergweide)|Almweiden]] aufweisen, relativ hoch.<ref>http://www.provinz.bz.it/urbanistica/download/Landuse_proGemeinde.xls Flächenstatistik der Realnutzungskarte auf Gemeinde- und Bezirksebene</ref> Die meisten und ausgedehntesten [[Alm (Bergweide)|Almgebiete]] besitzt Pfunders. Dort nehmen sie eine Fläche von 4600&nbsp;ha ein und machen damit 75 % der gesamten land- und forstwirtschaftlich nutzbaren Fläche aus. Um die 900 [[Hausrind|Rinder]] wurden früher auf den Pfunderer Almen gesommert. Die größte Alm ist die Weitenberger Alm. Sie ist eine mit 370 Weiderechten genutzte Gemeinschaftsalm.<ref>Dr. Paul Gruber: ''VINTL Geschichte und Gegenwart einer Gemeinde''. Beitrag zur Wirtschaftsgeographie von Paul Lang, S. 437</ref> Bei der Landwirtschaftszählung 2000 wurden 275 landwirtschaftliche Betriebe gezählt, 16 davon mit Urlaub auf dem Bauernhof.<ref>http://www.provincia.bz.it/astat/download/LZ_2000_new.pdf 5. Landwirtschaftszählung 2000</ref> === Flüsse und Gewässer === Seen sind nur auf dem nördlichen Rand des Gemeindegebietes anzutreffen. Sie sind fast alle in Felsbecken entstanden, die in den Eiszeiten von den Gletschermassen ausgeschürft wurden, so der Weitenbergersee, das „Pollackl“, der Grindlberger See und das „Korseabl“ östlich der Eisbruggalm. Der größte See hingegen, der Eisbruggsee oberhalb der Eisbruggalm, hat sich hinter einer Stirnmoräne gebildet, wobei eine vorhergehende Vertiefung des Geländes durch Gletschereinwirkung aber nicht ausgeschlossen werden kann. Das größte Fließgewässer ist die Rienz, der Fluss, der das Pustertal entwässert. Sie nimmt bei Obervintl den Terner Bach und bei Niedervintl den Pfundererbach auf. Der Pfundererbach bekommt aus den weitläufigen Almgebieten des hinteren Pfunderertales den üppigsten Nachschub, wobei der Eisbruggbach eine wichtige Rolle spielt. Ein großer Anteil dieses Wassers wird in Dun beim „Sandl“ in ein Stollensystem abgeleitet, das ein Elektrizitätswerk in Mühlbach beschickt. Für den Betrieb eines gemeindeeigenen E-Werkes reicht die über das Jahr ziemlich gleichmäßige Wasserführung des Schmansnerbaches aus, der bei Schaldern in den Pfundererbach mündet. === Die Pfunderer Berge === [[Datei:Edelrauthuette mit unterem Weißzint.JPG|thumb|right|Edelrauthütte mit unterem Weißzint am Pfunderer Höhenweg]] So werden die Gebirgszüge genannt, die den Zillertaler Alpen in südwestlicher Richtung vorgelagert sind und eine Fläche von etwa 300 Quadratkilometern einnehmen. Das Pfunderertal ist in sie eingebettet. Sie umschließen im Westen das nördliche Valsertal, bilden die Bergkette zum [[Pfitschertal]] hin und greifen im Osten auf die Gemeindegebiete von Mühlwald und Terenten über. Besonders markante Spitzen dieses Gebirgskomplexes sind die Wilde Kreuzspitze ({{Höhe|3134}}) im Valsertal, die Grabspitze ({{Höhe|3068|IT}}) in der Nähe des Pfunderer Jochs als höchste Erhebung des Bergkammes zwischen Pfitschertal und Weitenberger Kar, die Wurmaulspitze ({{Höhe|3022|IT}}) als höchste Erhebung westlich der Weitenberger Alm, die Napfspitze ({{Höhe|2888|IT}}) südlich des Eisbruggjochs, die Hochgrubbachspitze ({{Höhe|2819}}) als höchste Erhebung der östlichen Pfunderer Berge, ihr vorgelagert die Eidechsspitze ({{Höhe|2738|IT}}), der Vintler Hausberg. Ein bekannter Wanderweg ist der [[Pfunderer Höhenweg]], der von [[Sterzing]] ausgeht und durch die Pfunderer Berge bis in die Gegend von [[Bruneck]] führt. === Klima === Die [[klima]]tischen Bedingungen lassen in Vintl und Weitental den Anbau von [[Weizen]] zumindest an den sonnenbeschienenen Hängen zu. In Pfunders mussten die Bauern mit den widerstandsfähigeren Getreidesorten [[Roggen]], [[Hafer]] und [[Gerste]] vorlieb nehmen, als der Ackerbau noch in einem größeren Maßstab betrieben wurde. Die Niederschlagsmengen, die im langjährigen Durchschnitt in Vintl 779&nbsp;mm, in Weitental 733&nbsp;mm und in Pfunders 944&nbsp;mm<ref>Dr. Paul Gruber: ''VINTL Geschichte und Gegenwart einer Gemeinde''. (Siehe Literatur), S. 430</ref> betragen, sind für eine ertragsreiche [[Grünland]]wirtschaft normalerweise ausreichend. Am ehesten unter Trockenheit leiden Bauern an südexponierten Hängen wie in Sergs. === Flora === Westlich von Niedervintl sind die südexponierten Hänge des Rienztales von Resten eines Bergmischwaldes mit Laubbäumen bewachsen. Sonst überwiegen auf diesen Hängen mit Granituntergrund [[Kiefern|Föhrenwälder]]. Der schattigere Getzenberg südlich der Rienz ist von [[Fichten]]wäldern bedeckt, in denen einzelne [[Tannen]]bestände vorkommen. Die Hänge des Pfunderertales weisen die typischen alpinen [[Fichten]]-[[Lärchen]]-[[Mischwald|Mischwälder]] auf, wobei gegen die [[Waldgrenze]] hin, die hier bis auf {{Höhe|2000}} bis maximal {{Höhe|2130}} hinaufreicht, schüttere [[Lärchen]]bestände überwiegen. Was auffällt, ist das Fehlen der [[Zirbe]]. In der Tat ist die ganze Südflanke des Zillertaler Hauptkammes ein Zirbenfehlgebiet. Im Talgrund werden Bäche und Feuchtgebiete von [[Grauerle]]n begleitet, weiter oben überwuchern [[Grünerle]]n („Lutterstauden“) Bachränder, schattige Hänge und heute vermehrt vernachlässigte Weidegebiete. Große Flächen werden von [[Zwergstrauchheide]]n eingenommen: von der rostroten [[Alpenrose]] („Zetten“) im Verein mit der [[Schwarzbeere]], der [[Preiselbeere]] („Granten“) und der [[Moosbeere]] („Moosefacken“), weiters vom [[Heidekraut]] („Hoadra“) und von der [[Gemsheide]] („Jochhoadra“).<ref>Dr. Paul Gruber: ''VINTL Geschichte und Gegenwart einer Gemeinde'': Beitrag zur alpinen Vegetation des Pfunderertales von Dr. Gaudenz Lechner, S. 39 ff.</ref> === Fauna === In der Gemeinde Vintl kommen zahlreiche der charakteristischen Wildtiere der Alpen wie [[Gämse]]n, [[Murmeltiere]], [[Rothirsch]]e, [[Reh]]e, [[Rotfuchs|Füchse]], [[Marder]] und [[Schneehase]]n vor. 1987 wurde eine [[Alpensteinbock|Steinbockkolonie]] mit 4 Böcken und 4 Geißen aus [[Pontresina]] im Engadin im Eggerseiterberg im hinteren Pfunderertal ausgewildert. Daraus ist eine Steinwildpopulation von ca. 30 bis 40 Köpfen entstanden<ref>Gemeindebote Nr 40 16. Jahrgang: Steinwild in Pfunders, S.40 ff.</ref>. Ebenfalls vorhanden sind [[Auerhuhn]], [[Birkhuhn]] und [[Alpenschneehuhn|Schneehuhn]]. Die Hege des Wildes obliegt den Jägern aus den zwei Jagdrevieren Pfunders und Vintl mit Weitental und Obervintl. == Geologie == [[Datei:Alps-Relief 02de+Periadriatic.jpg|thumb|right|Die Periadriatische Naht]] Das Gemeindegebiet von Vintl wird von der Pustertal-Linie, einem Teilstück einer langgezogenen tektonischen Bruchlinie, der [[Periadriatische Naht|Periadriatischen Naht]], in west-östlicher Richtung durchschnitten. Die Streichrichtung der Hauptgesteinsserien verläuft parallel zu dieser Linie, so dass das Pfunderertal eine ganze Serie verschiedener Gesteinsformationen durchschneidet. <ref>Dr. Paul Gruber: ''VINTL Geschichte und Gegenwart einer Gemeinde''. Abhandlung zur Geologie von Dr. Gaudenz Lechner und Dr. Regina Oberhofer Lechner, S. 9 ff.</ref> Im Süden schiebt sich das Südalpin in Gestalt des Getzenberges bis an die Talfurche des Pustertales heran. Er gehört dem Deckensystem des Brixner [[Quarz]]phyllits an, ein karbonatfreies, bleigraues bis blaugraues [[Sedimentgestein]] aus dem [[Paläozoikum]]. Daran schließen sich im Norden die noch zum Südalpin gehörenden Schichten des Brixner Granits an, granitische [[Plutonit]]e aus dem Zeitalter des [[Perm (Geologie)|Perms]]. Ihr nördlicher Rand bildet zugleich die Bewegungsfuge der Periadriatischen Naht und weist deutlich ausgeprägte Zerreibungs- und Schleifspuren ([[Mylonit]]e) auf. Parallel dazu ist im [[Tertiär (Geologie)|Tertiär]] der Granitkeil des Rensengranits als ein bis 1&nbsp;km breiter westost verlaufender Gebirgsstreifen in dieses Gefüge eingedrungen. Das Ostalpin ist in einem relativ schmalen Streifen zwischen Weitental und der Ortschaft Pfunders in Gestalt der „Alten Gneise“ vertreten. Die Grenze wird von den Gräben des Stoller und des Margener Baches oberhalb von Weitental in etwa vorgezeichnet. Die ostalpine Decke besteht hier in der Hauptsache aus kristallinen Schiefern, vor allem aus Paragesteinen (ehemalige Sedimentgesteine) und aus Orthogesteinen mit Quarz, [[Feldspat]] und [[Glimmer]]n (von ehemaligen [[magma]]tischen Schmelzen abstammend). [[Datei:Murmeltier bei Edelrauthuette.JPG|thumb|right|Murmeltier zwischen den Blöcken des Tauerngneises auf dem Eisbruggjoch]] Die Grenzlinie zum anschließenden penninischen [[Tauernfenster]] verläuft vom Schellenberg in der Nähe der Furkelscharte ins Tal hinunter Richtung Pfunderer Pfarrkirche und streicht anschließend die Hänge querend oberhalb der Ast-Alm vorbei zum Passenjoch ({{Höhe|2408}}) hinauf. Kalkglimmerschiefer und Kalkphyllite, die den Bündnerschiefern im Bereich des Engadinerfensters in Graubünden entsprechen, bilden die bis hinter Dun reichenden Schichten der [[Tauernfenster|Oberen Schieferhülle]]. Grüngesteine, vor allem Chloritschiefer und in geringerem Ausmaß [[Serpentingruppe|Serpentine]] sind als metamorphe Schubeinschlüsse an vielen Stellen der Oberen Schieferhülle empor gepresst worden. Sie streichen als mächtiger Keil von Pfitsch her kommend über die Grabspitze ({{Höhe|3059}}) und der Faßnacht ({{Höhe|2537}}) immer schmaler werdend nach Osten. Grünschieferzüge gibt es im westlichen Weitenberg und südlich der Steinlerbergscharte, wo sie über die Paulscharte in die Bergflanken hinunterreichen. Auf der gegenüberliegenden Talseite stecken südlich des Dengelsteins schollenartige Kleinvorkommen von Serpentin. Dort wurde dieser teils schieferig-faserig ausgeformte, teils massig und sogar talkig vorkommende „griene Marbel“ aus Pfunders ab 1722 abgebaut. An diese keilförmigen Ausläufer der Grüngesteine schließt die hoch[[kristallin]]e und [[mineral]]ienreiche [[Tauernfenster|Untere Schieferhülle]] an, die vor allem aus kalkfreien [[Schiefer]]n besteht. Sie liegt auf dem tektonisch tiefsten Deckensystem des [[Tauernfenster]]s auf, auf dem Zentralgneis des [[Tauernfenster|Tauernkerns]]. Dieser berührt das Gemeindegebiet nur noch am Rande. Ein schmaler Streifen des Zentralgneises ist in der Unteren Schieferhülle eingebettet und zieht sich von der Eisbruggspitze nördlich des Tschirn vorbei bis zum Sente-Kar hinüber. Das Gestein ist auffallend hell und besteht vorwiegend aus granitischem, gelegentlich auch aus [[tonalit]]ischem Orthogestein. Man kann den Verlauf dieser hellen Tauerngneisausläufer sogar recht gut auf [[Google Earth]] beobachten. == Morphologie == [[Datei:Westflanke der Eidechsspitze.JPG|thumb|right|Westflanke der Eidechsspitze mit den Höfen von Kammerschien]] Im Pfunderertal sind an manchen Stellen Altflächen- und Talbodenreste zu erkennen. Das sind manchmal weitläufige, sanfter ansteigende Oberflächensysteme oder Geländestufen, wobei es sich um die Reste voreiszeitlicher Oberflächenformen oder Talböden handelt. Sie sind ein Anzeichen dafür, dass der Hebungsprozess des Gebirges hin und wieder von Ruhephasen unterbrochen wurde. Eine dieser Talbodenstufen beginnt in Dun, streicht über Eggerseite, Riegl und Kammerschin talauswärts nach Talson bis hin zum Margenkopf.<ref>Dr. Paul Gruber: ''VINTL Geschichte und Gegenwart einer Gemeinde''. Beitrag zur Morphologie von Dr. Gaudenz Lechner und Dr. Regina Oberhofer Lechner, S. 20 ff.</ref> Die Gletschermassen der [[Eiszeitalter|Eiszeiten]] haben auf den aus dem [[Tertiär (Geologie)|Tertiär]] überkommenen [[Fluviatiles Sediment|fluviatil]] – also durch Fließgewässer – geprägten Altformen deutliche Spuren hinterlassen. Eckigere Geländeformen wurden gerundet, [[Kar (Talform)|Kare]] und Felswannen ausgeschürft, Rundbuckel entstanden, Täler wurden durch glaziale Einwirkung von [[Kerbtal|Kerbtälern]] zu [[Trogtal|Trogtälern]]. Einige Almtäler im hinteren Pfunderertal sind Beispiele dafür. Viele als [[Moräne]]nreste identifizierbare Geländeformationen stammen jedoch nicht von den großen Vereisungen her, sondern sind das Ergebnis von Gletschervorstößen aus dem Schlern-, Gschnitz- und Daun-Stadium, also eines Zeitabschnittes von vor 9000–7000 Jahren, in dem die Durchschnittstemperaturen erneut stark absackten. So sank die [[Schneegrenze]] während des Schlern-Stadiums auf {{Höhe|2000}} herab und die [[Gletscherzunge]]n stießen bis in die Täler vor. Der heutige Kirchbühel in Pfunders entpuppt sich als [[Endmoräne|Stirnmoräne]] eines Gletschervorstoßes des Schlernstadiums. Überreste einer [[Seitenmoräne]] aus dieser Zeit bilden einen hangquerenden Wall auf der Eggerseite. Ein morphologisches Landschaftsmerkmal sind die [[Schwemmkegel]] der Flüsse und Bäche in den Talniederungen. Im Rienztal sind es der Winnebach, der Ternerbach, der Kaserbach und der Pfundererbach, die ausgedehnte Schwemmfächer gebildet haben. Im Talgrund des Pfunderertales haben die Materialablagerungen verschiedener Seitenbäche den Talboden aufgefüllt. In Weitental haben die Schuttablagerungen der Bäche zweier direkt gegenüberliegender Grabensysteme (Stoller und Talsoner Graben) immer wieder den Pfundererbach gestaut und dadurch taleinwärts eine ausgedehnte Aufschüttungsebene geschaffen, während talauswärts eine deutlich abfallende Talstufe entstand. == Geschichte == === Etymologie === Vintl wird urkundlich um 994 n. Chr. als ‚Vallis Vintula’ erwähnt. Namenskundler bemühen [[Keltische Sprachen|keltische]] Wurzeln zur Herleitung des Namens: ''Vindoiàlo'' ‚Feld des Vindos’ oder ‚weißes Feld’ (ähnliche Namen gibt es in Friaul: Vendoglio, in Frankreich: Vendeuil). Weil einige Ortsnamen im Gemeindegebiet [[Romanische Sprachen|romanische]] Ursprünge haben, kann davon ausgegangen werden, dass vor der Ankunft der [[Bajuwaren|bajuwarischen]] Siedler im 7. Jh. n. Chr. auch schon entlegenere Orte im Pfunderertal bewohnt waren: so steckt im Namen Pfunders – die erste urkundliche Erwähnung um 1067 – das romanische ''fondus'' (Boden, Landgut, Grund), im Namen Schaldern erkennt der Namenskundler ''scala'' (Stiege, Stufenfolge) mit dem Suffix ''are'', Kammerschien kann hergeleitet werden von ''campus'' (Acker, Feld) ''ursinus'' (vom lat. ursus), also Bärenfeld. [[Flurname]]n, wie „Kamp“, „Gampis“, „Falmetz“, Furkel haben ebenfalls romanische Wurzeln.<ref>Dr. Paul Gruber: VINTL Geschichte und Gegenwart einer Gemeinde: Etymologie einiger Ortsnamen im Gemeindegebiet von Vintl, S. 133 ff.</ref> === Mittelalter === Was den [[Archäologie|Archäologen]] in Vintl die Arbeit erschwert, ist der Umstand, dass zahlreiche historisch interessante Relikte bar jeder systematischen Sorgfalt geborgen wurden. Daher haben sich in einigen Fällen überhaupt nur mehr wenig hilfreiche Schriftstücke oder Aufzählungen erhalten, und bei anderen fehlen genaue Ortsangaben. Die Funde lassen jedoch auf Siedlungstätigkeiten an den südexponierten Kuppen und Hängen des Rienztales bei Niedervintl und Obervintl in vorrömischer und römischer Zeit schließen. Im Mittelalter haben die [[Bajuwaren]] das Gemeindegebiet ab dem 7.&nbsp;Jh. kapillar besiedelt. Bis weit in die heutige Zeit hinein behielten fast alle Ortschaften den für die Landnahme der Bajuwaren typischen [[Streusiedlung]]scharakter, bei dem die Ortskerne am ehesten mit dem Standort der Kirchen gleichzusetzen sind. Vintl gehörte zur Grafschaft Pustertal, die bis zur [[Mühlbacher Klause]] reichte und im Jahr 1091 von Kaiser [[Heinrich IV. (HRR)|Heinrich IV.]] dem Brixner Bischof [[Altwin (Brixen)|Altwin]] übergeben wurde. Die Bischöfe übertrugen die Verwaltung ihren Ministerialen, den Herren von Schöneck und Rodeneck, die seit 1140 nachweisbar sind. Diese führten 1290 eine Besitzteilung und 1320 eine Erbteilung durch, bei der ein eigenes Gericht Niedervintl entstand, das Arnold von Schöneck zugesprochen wurde. Obervintl verblieb beim Gericht Schöneck und unterlag damit einen anderen verwaltungshistorischen Verlauf. Als Arnold von Schöneck 1336 einen Teil seiner Besitzungen verkaufte, war es der Brixner Bischof [[Albert von Enn]]a, der Niedervintl um 200 Mark erwarb. Fortan blieb das Gericht Niedervintl bis zur [[Säkularisation]] im Jahre 1803 in bischöflichem Besitz.<ref name="Gruber136ff">Dr. Paul Gruber: VINTL Geschichte und Gegenwart einer Gemeinde: Verwaltungsgeschichtlicher Überblick, S. 136 ff.</ref> Bedeutend für die Siedlungsgeschichte sind die [[Grundherrschaft]]en, weil sie den Siedlungsausbau organisiert haben. Ihre [[Urbar (Verzeichnis)|Besitzstandsverzeichnisse]], soweit sie noch vorhanden sind, und die Beurkundungen über Besitzstandswechsel ermöglichen erste Einblicke und die Rekonstruktion der frühen Geschichte. Die frühesten urkundlich fassbaren Grundherrschaften gehörten dem weltlichen [[Adel]] an. Durch Schenkungen kamen das [[Kloster Neustift]], das Brixner Domkapitel, aber vor allem das Hochstift Brixen im Laufe der Zeit in den Genuss großer Besitzeszuwächse. Das Hochstift Brixen wurde zur weitaus größten Grundherrschaft und besaß um 1400 im Gericht Niedervintl 72 grundherrschaftlich belastete Höfe.<ref>Dr. Paul Gruber: VINTL Geschichte und Gegenwart einer Gemeinde: Die Bedeutung der Grundherrschaft für den Siedlungsbau, S. 148 ff.</ref> === Neuzeit === Niedervintl, Weitental und Pfunders bildeten bis 1803 ein fürstbischöfliches Gericht, dem die [[Verwaltung]] und die [[Rechtsprechung]] oblag. Nach der [[Säkularisation]] der geistlichen Fürstentümer ging es in staatliche Verwaltung über. Nachdem Tirol 1805 unter [[Bayern|bayrische Verwaltung]] gekommen war, wurde das Gericht Niedervintl Teil des Gerichtes [[Rodeneck]] mit Sitz in [[Mühlbach (Südtirol)|Mühlbach]]. Eine Verwaltungsreform im Jahre 1811 führte im Sinne eines modernen Staatswesens die [[Gewaltenteilung]] ein und errichtete als neue Verwaltungseinheiten die Gemeinden Niedervintl, Weitental und Pfunders, die 1850 dem Bezirksgericht Brixen unterstellt wurden. Die Gemeinde Obervintl wurde 1827 dem Landgericht Bruneck unterstellt. Während der Zeit der Franzosenkriege beteiligten sich die örtlichen [[Tiroler Schützen|Schützenkompanien]] unter der Führung des damaligen Postmeisters von Niedervintl, Bartlmä von Guggenberg und des Kuraten von Weitental, Georg Lantschner, an mehreren Gefechten. Sie kamen nach dem Kriegseintritt Italiens am 23. Mai 1915 an der Dolomitenfront zum Einsatz.<ref>Dr. Paul Gruber: VINTL Geschichte und Gegenwart einer Gemeinde: Vintl in der Landesverteidigung S. 91 ff.</ref> Nach dem I. Weltkrieg wurde der südliche Teil Tirols dem italienischen Staat zugesprochen. Infolge der [[Faschismus|faschistischen]] Machtübernahme wurde nach und nach die deutsche Sprache aus den Gemeindestuben und aus den Schulen verbannt. Ab 1925 wurden in allen Ortschaften illegale [[Katakombenschule]]n eingerichtet, in denen Hilfslehrerinnen bis 1943 den Kindern Unterricht in deutscher Sprache erteilten. 1926 ersetzten die Amtsbürgermeister ([[Podestà]]) die gewählten Bürgermeister. Im Jahre 1929 schloss ein Regierungsdekret die Gemeinden Obervintl, Niedervintl, Weitental und Pfunders zur Gemeinde Vintl zusammen. Im Zuge der [[Option in Südtirol|Option]] - dem aus dem [[Option in Südtirol#Das Hitler-Mussolini-Abkommen|Hitler-Mussolini-Abkommen]] hervorgehenden „Angebot“ an die Südtiroler, entweder Reichsdeutsche zu werden oder sich der [[Italianisierung]] zu unterwerfen - wanderten im Zeitraum von 1939 bis 1943 etwa 540 Personen aus der Gemeinde aus. In der Nacht vom 15. auf den 16. August 1956 kam in Pfunders der Finanzbeamte Raimondo Falqui zu Tode, in dessen Folge es zum international viel beachteten „[[Pfunderer Prozess]]“ kam. Im Schuljahr 1963/64 wurde in Niedervintl eine [[Mittelschule (Südtirol)|Mittelschule]] eingerichtet. In den Jahren ab 1960 siedelten sich externe Betriebe in der Gemeinde an.<ref name="Gruber136ff"/> === Kirchenbauten === Die alte, dem hl. Urban geweihte Chorquadratkirche in Vintl, deren Ursprünge in die [[Romanik|romanische Bauperiode]] zurückreichen wurde 1378 erstmals urkundlich erwähnt. Sie steht heute unscheinbar neben der 1760–1763 neu erbauten und von Josef Anton Zoller ausgemalten Barockkirche. Kunsthistorisch interessant sind die [[Fresko|Fresken]] in der alten Kirche, die teilweise den Meistern Hans von Bruneck und Leonhard von Brixen zugeschrieben werden. Für Weitental wurde bereits 1180 ein Kirchenbau erwähnt. Die dem hl. Thomas geweihte Kirche wurde 1777 mit einem neuen Langhaus im [[Barock]]stil versehen, das Johann Mitterwurzer aus Mühlbach ausgemalt hat. Einen landschaftlich beeindruckenden Platz haben die Bewohner von Pfunders für den Standort ihrer Martinskirche gewählt. Die erste Erwähnung einer seelsorglichen Tätigkeit, die die Existenz einer Kirche bezeugt, stammt aus dem Jahr 1397. Das Langhaus wurde in den Jahren bis 1808 umgebaut und von Franz Altmutter ausgemalt. Das Nikolauspatrozinium weist für Obervintl auf eine Kirche hin, die schon lange vor ihrer ersten Erwähnung um 1300 vorhanden gewesen sein könnte. Der einheitlich [[Gotik|gotische]] Bau aus dem auslaufenden 15. Jahrhundert wurde 1749 barockisiert und 1891 mit Deckenfresken versehen. Von dem von Hans Klocker stammenden [[Flügelaltar|Schnitzaltar]] aus dem Jahre 1490 ist nur mehr die später übermalte Figur des [[Schutzpatron|Kirchenpatrons]] erhalten.<ref>Karl Gruber: Kirchenkunst in Niedervintl, Obervintl, Weitental und Pfunders</ref> === Bergbau in Pfunders === Aus Pfunders sind mehrere Anläufe überliefert, bei denen versucht wurde, nicht sehr ergiebige Erzlagerstätten auszubeuten. So wurde dem Bischof von Brixen 1541 hinterbracht, dass [[Fugger|Fugger’sche Knappen]] im Weitenberg ohne seine Einwilligung [[Gold]]- und [[Kupfer]]bergbau betrieben und das [[Erz]] über das Pfundererjoch nach Sterzing säumten. Der Bischof ließ die Schürftätigkeiten schon damals einstellen und gab auch bei weiteren Versuchen 1707 und 1736, die auf eine Initiative der Regierung der Oberösterreichischen Länder in Innsbruck zurückgingen, die Einwilligung nicht. Ein letzter Versuch in den Jahren 1807–1809 scheiterte an der zu geringen Ergiebigkeit des Erzvorkommens.<ref>Dr. Paul Gruber: VINTL Geschichte und Gegenwart einer Gemeinde: Bergbau in Pfunders, S. 202 ff.</ref> Erfolgreicher war der [[Marmor]]abbau (Chloritschiefer), von dem 1722 das erste Mal berichtet wird. Damals gingen Lieferungen nach Bayern für den Bau der [[Kloster Ettal|Klosterkirche in Ettal]]. 1724 verbot der Brixner Hofrat den Steinmetzen aus Bayern Bearbeitung und Abtransport, weil die Verwendung dieses Steins vermutlich schon für den Neubau des [[Brixner Dom]]es (1745–1755) geplant gewesen sein dürfte. In Vintl wurde zu diesem Zweck 1727 der Bau einer Marmorsäge genehmigt. Wie sich die Tätigkeit des Abbaus weiter entwickelte, ist nicht überliefert. Erst 1822 berichtet [[Beda Weber]], dass im Gaiskofel der Marmor in schönen Platten herunter bricht, die beim Bau der [[Franzensfeste]] Verwendung finden. 1963 hat der Unternehmer Dieter Grünig aus Erlenbach/Odenwald in Deutschland den Abbau dieser Steine (Chloritschiefer und Serpentin in Dun, Quarzit am Gaiskofel) wieder aktiviert und zu diesem Zweck in Pfunders ein Werk gegründet. == Bevölkerung == Eine Feuerstättenzählung von 1596 überliefert, dass in Niedervintl 68, in Weitental 58 und in Pfunders 60 Feuerstätten gezählt wurden<ref>Dr. Paul Gruber: ''VINTL Geschichte und Gegenwart einer Gemeinde'': Erste Bevölkerungszahlen, S. 147 ff.</ref>. Gewisse Rückschlüsse auf die Bevölkerungsanzahl in früheren Zeiten lassen sonst höchstens die dürftigen Hinweise und Schilderungen einzelner Kuraten zu, die die Dörfer seelsorglich betreuten. Demnach hat die Bevölkerungsanzahl in Pfunders in bestimmten Epochen die Tausendermarke überschritten. Die Wohnverhältnisse waren nach heutigen Maßstäben katastrophal, lebten doch bis zu 30 Personen in einem größeren Haus<ref>Dr. Paul Gruber: ''VINTL Geschichte und Gegenwart einer Gemeinde'': Die Lebensverhältnisse, S. 424 ff.</ref>. Im Laufe des 19. Jh. nahm die Einwohnerzahl kontinuierlich ab. Erst nach dem 1. Weltkrieg kehrte sich dieser Trend wieder um<ref>Dr. Paul Gruber: ''VINTL Geschichte und Gegenwart einer Gemeinde'': Die Volkszählungsdaten bis 1910, S. 459; die Volkszählungsdaten ab 1921 sind ISTAT-Daten</ref>. Bei der letzten amtlichen Volkszählung 2001 wurden in Vintl 3.108 Personen gezählt, davon waren 97,9 % deutsch-, 1,9 % italienisch- und 0,2 % ladinischsprachig (Die [[Rechtliche Stellung der deutschen Sprache in Südtirol|Zugehörigkeit zu einer Sprachgruppe]] spielt in Südtirol im [[Ethnischer Proporz (Südtirol)|öffentlichen Leben]] eine wichtige Rolle), Anzahl der weiblichen Personen 1.521, Anzahl der männlichen Personen 1.587<ref>[http://www.provinz.bz.it/astat/downloads/vz_2001.pdf Landesinstitut Astat, Autonome Provinz Bozen ''14.Allgemeine Volkszählung''.]</ref>. {| border="0" cellpadding="0" | <timeline> Colors= id:lightgrey value:gray(0.9) id:darkgrey value:gray(0.8) id:sfondo value:rgb(1,1,1) id:barra value:rgb(0.6,0.7,0.8) ImageSize = width:455 height:303 PlotArea = left:50 bottom:50 top:30 right:30 DateFormat = x.y Period = from:0 till:4000 TimeAxis = orientation:vertical AlignBars = justify ScaleMajor = gridcolor:darkgrey increment:1000 start:0 ScaleMinor = gridcolor:lightgrey increment:200 start:0 BackgroundColors = canvas:sfondo BarData= bar:1869 text:1869 bar:1880 text:1880 bar:1890 text:1890 bar:1900 text:1900 bar:1910 text:1910 bar:1921 text:1921 bar:1931 text:1931 bar:1936 text:1936 bar:1951 text:1951 bar:1961 text:1961 bar:1971 text:1971 bar:1981 text:1981 bar:1991 text:1991 bar:2001 text:2001 PlotData= color:barra width:20 align:left bar:1869 from: 0 till:2116 bar:1880 from: 0 till:2140 bar:1890 from: 0 till:2104 bar:1900 from: 0 till:1953 bar:1910 from: 0 till:1938 bar:1921 from: 0 till:1999 bar:1931 from: 0 till:2080 bar:1936 from: 0 till:2303 bar:1951 from: 0 till:2355 bar:1961 from: 0 till:2562 bar:1971 from: 0 till:2741 bar:1981 from: 0 till:2849 bar:1991 from: 0 till:2961 bar:2001 from: 0 till:3108 PlotData= bar:1869 at:2116 fontsize:XS text: 2116 shift:(-8,5) bar:1880 at:2140 fontsize:XS text: 2140 shift:(-8,5) bar:1890 at:2104 fontsize:XS text: 2104 shift:(-8,5) bar:1900 at:1953 fontsize:XS text: 1953 shift:(-8,5) bar:1910 at:1938 fontsize:XS text: 1938 shift:(-8,5) bar:1921 at:1999 fontsize:XS text: 1999 shift:(-8,5) bar:1931 at:2080 fontsize:XS text: 2080 shift:(-8,5) bar:1936 at:2303 fontsize:XS text: 2303 shift:(-8,5) bar:1951 at:2355 fontsize:XS text: 2355 shift:(-8,5) bar:1961 at:2562 fontsize:XS text: 2562 shift:(-8,5) bar:1971 at:2741 fontsize:XS text: 2741 shift:(-8,5) bar:1981 at:2849 fontsize:XS text: 2849 shift:(-8,5) bar:1991 at:2961 fontsize:XS text: 2961 shift:(-8,5) bar:2001 at:3108 fontsize:XS text: 3108 shift:(-8,5) TextData= fontsize:S pos:(20,20) text:Volkszählungsdaten </timeline> |[[Datei:Alterspyramide von Vintl 2001.png|thumb|250px|Alterspyramide von Vintl lt. Volkszählung 2001]] |} === Brauchtum === Das alte Brauchtum, dem oft Totenverehrung, Geisterglaube, Fruchtbarkeitszauber und Notsituationen zugrunde lagen und das nicht selten eine religiöse Überprägung erfuhr, hat das tägliche Leben der früher ganz dem Leben in der Berglandwirtschaft verhafteten Bevölkerung im Jahresablauf begleitet. Viele der alten Bräuche sind heute abgekommen, weil ihnen mit den modernen Lebensweisen (Mobilität, Fernsehen, Rückgang der Bedeutung der Landwirtschaft) die Existenzgrundlage abhanden gekommen ist. Manche haben überlebt, wenn auch in abgesunkener, verfremdeter Form. Ein alter Brauch ist das [[Krapfenbetteln]]. Er hat sich in Pfunders erhalten. === Dialekt === Im Gemeindegebiet wird hauptsächlich [[Dialekte in Tirol|Pustrerisch]] gesprochen. Dazu gehört, dass das mittelhochdeutsche uo (z. B. muoter, bruoder also Mutter, Bruder) als ui (Muito, Bruido) ausgesprochen wird. Das mittelhochdeutsche ei (Stein, Bein), das östlich von Bruneck im oberen Pustertal als langes a (Staan, Baan) erscheint, wird im mittleren und unteren Pustertal als oa (Stoan, Boan) ausgesprochen. Das lange o (in Brot, rot, groß, Ohr) wird zu oa bzw. ue (Broăt, roăt, groăß). In Pfunders hat eine auffällige sprachliche Besonderheit überlebt, wofür die Pfunderer bei den Eingeweihten gern belächelt wurden (''Pfundra Stééßa'') oder fragendes Unverständnis heraufbeschwörten, wenn sie auswärts ihren Dialekt gebrauchten. In Pfunders nämlich würde Rotkäppchen im berühmten Märchen so fragen: ''„Muito, wos hosch’en du wella grééßa rééta Éérn?“'' (Mutter, was hast du denn für große rote Ohren?), wobei sich das helle ''e'' | és, das das oă oder ue in roăt, groăß ersetzt, sich so anhört {{Audio|BY-ihr.ogg|és}}. Viele Pfunderer passen sich deswegen heute auswärts an die dort übliche Mundart an, sind aber zu Hause bis heute dem altertümlichen Zungenschlag treu geblieben. == Politik == === Gemeindevertretung === Die Gemeindevertretung besteht aus 20 Gemeinderäten mit dem direkt gewählten Bürgermeister. Die Zusammensetzung des Gemeinderates wechselte zuletzt mit den Kommunalwahlen am 8. Mai 2005. Dabei erreichte die [[Südtiroler Volkspartei]] 87,3 % (18 Sitze), die Liste „Gemeinsam“ 11,3 % (2 Sitze); sie steht der gemeinsamen Liste der [[Union für Südtirol]] und den [[Freiheitlichen]] nahe. Die lokale „Bürgerliste für Vintl“ kam auf 1,4 % der Stimmen und ging an Sitzen leer aus. Die Wahlbeteiligung betrug 85,3 %.<ref>Gemeindebote Nr 38 16. Jahrgang: Der neue Gemeinderat, S.4 ff.</ref> Weil sich die Parteienlandschaft als sehr kompakt erweist, spielt für die Austragung von Interessenskonflikten in der Gemeinde die Zahl der politischen Vertreter der einzelnen Fraktionen eine wichtige Rolle. Zu den am meisten diskutierten Themen gehörten damals das Projekt der Neutrassierung der Pustertaler Straße, eine Umfahrung des Ortszentrums von Niedervintl Richtung Pfunderertal und die Errichtung eines Elektrizitätswerkes in Dun. === Zusammenarbeit mit Nachbargemeinden === Die Gemeinde Vintl ist Mitglied der Bezirksgemeinschaft Pustertal. Die Bezirksgemeinschaften sind übergemeindliche Verwaltungsstrukturen und sind seit der Verabschiedung des Landesgesetzes Nr.&nbsp;7 vom 20. März 1991 [[Körperschaft öffentlichen Rechts|Körperschaften öffentlichen Rechts]], die im Sinne einer administrativen Dezentralisierung sowohl eigene als auch delegierte Aufgaben wahrnehmen. Vorläufer der Bezirksgemeinschaften waren die Talschaften, die die gesamten wirtschaftlichen Interessen der Berggebiete fördern sollten. Wichtige Aufgaben der Bezirksgemeinschaften sind die Abfallbeseitigung im weitesten Sinne (Abfallwirtschaft, Abwässer, technische Dienste) und die Führung der Sozialdienste (z.B. finanzielle Sozialhilfe, Beratungsstellen, Wohngemeinschaften, etc.). === Gemeindewappen === Das Gemeindewappen zeigt auf rotem Grund zwei aufrechte, einander zugekehrte weiße Bärentatzen. Es ist dem Stammwappen der Familie [[Vintler]] entlehnt, die vermutlich ursprünglich aus Vintl stammte und 1140 in Bozen erwähnt wird. Diese Familie gelangte später zu großem Reichtum. Niklas Vintler erwarb 1385 gemeinsam mit seinem Bruder Franz die [[Schloss Runkelstein|Burg Runkelstein]] am Eingang des Sarntales in Bozen. Sie ließen die Anlage umbauen und zwischen 1388 und 1410 mit einem profanen Freskenzyklus ausstatten, der sich mit dem höfischen Leben und mit der Erzählung von [[Tristan und Isolde]] befasst. Die Fresken sind im „[[Weicher Stil|Weichen Stil]]“ gemalt, so wird die „Höfische Kunst“ oder die „Internationale Gotik“ um 1400 genannt.<ref>Dr. Paul Gruber: VINTL Geschichte und Gegenwart einer Gemeinde: Das Wappen der Gemeinde Vintl, S. 4</ref>. === Ortspartnerschaften === Pfunders pflegt seit 1970 eine Ortspartnerschaft mit [[Siegsdorf]] im oberbayrischen Landkreis Traunstein. Diese Partnerschaft hat sich ursprünglich aus Schülerbriefwechseln entwickelt, die der Pfunderer Grundschullehrer Albin Oberhofer nach einem Besuch 1962 angeschoben hat. == Wirtschaft und Infrastruktur == === Die Landwirtschaft === Bis in die 60er Jahre des zwanzigsten Jahrhunderts war die Landwirtschaft und die Viehzucht in der Gemeinde Vintl die fast alleinige Erwerbsgrundlage der Bevölkerung. Die bergbäuerlichen und auf strikte Selbstversorgung ausgerichteten Lebensweisen waren bis dahin für den Großteil der Menschen durch die Jahrhunderte fast gleich geblieben. Diese in alten Traditionen verhaftete und in einem komplexen Netz von religiösen und weltlichen [[Sitte]]n und [[Brauch|Gebräuchen]] eingebettete Welt der Bergbauern begann seit den 60er Jahren einen bis dahin nie gekannten Umbruch zu erleben. Die Errungenschaften der Technik, wie die [[Elektrizität]] und die neuen Maschinen, waren weniger der Grund für den fundamentalen Mentalitätswandel, der in der bäuerlichen Welt um sich griff. Was – mit den Augen der Bauern gesehen – schwerer wog und die Aufrechterhaltung des Status Quo nicht mehr zuließ, waren die Beschäftigungsalternativen für all die [[Dienstbote]]n, an denen bisher kein Mangel geherrscht hatte, und die scharenweise in die neu entstandenen Industriebetriebe abwanderten oder vom boomenden [[Wirtschaftssektor|Dienstleistungssektor]], wie dem [[Tourismus]] im [[Dolomiten]]gebiet, abgeworben wurden. Die Bauern mussten erkennen, dass viele arbeitsintensive Tätigkeiten, die früher im bäuerlichen Jahresablauf eine Selbstverständlichkeit darstellten (und im heutigen Verständnis mitgeholfen hatten, diese einzigartige Kulturlandschaft zu schaffen und zu erhalten), nun nicht mehr durchgeführt werden konnten, weil das Personal nicht mehr da war. Die Folge war ein Umstrukturierungsprozess, bei dem sich die meisten auf dieser Höhenlage auf die [[Milchproduktion|Milchwirtschaft]] und auf die Grünlandbewirtschaftung spezialisierten. Die [[Milch]] wird seitdem vom Tankwagen des Milchhofes Brixen eingesammelt, der sie zu [[Mozzarella]], [[Käse]] und [[Joghurt]]produkten verarbeitet. Viele bäuerliche Kleinbetriebe konnten letztendlich nur als Zuerwerbsbetriebe überleben. Einen wichtigen Beitrag leistete die öffentliche Hand, die dafür sorgte, dass mittlerweile alle Höfe auf dem Gemeindegebiet und viele Almgebiete durch Zufahrtsstraßen erschlossen sind. Die Bergbauern werden heute immer mehr als Hüter einer alten Kulturlandschaft gesehen, für deren Pflege die öffentliche Hand Beiträge zusichert. {| class="wikitable float-right" |---- bgcolor="#CCCCCC" ! colspan="5" | Betriebsgrößen in Vintl im Jahr 2000 <ref>http://tirolatlas.uibk.ac.at/data/sheet.py/index?lang=de;name=agriculture;id=210110 </ref> |---- bgcolor="#FFFFFF" |'''Größe in ha'''||'''Anzahl'''||'''in %''' |---- bgcolor="#FFFFFF" |kleiner als 2||29||13,8 |---- bgcolor="#FFFFFF" |2 bis 5 ||50||23,8 |---- bgcolor="#FFFFFF" |5 bis 10||52||24,8 |---- bgcolor="#FFFFFF" |10 bis 20||37||17,6 |---- bgcolor="#FFFFFF" |20 bis 50||24||11,4 |---- bgcolor="#FFFFFF" |größer als 50 ||18||8,6 |} Bei der Landwirtschaftszählung 2000 wurden 275 landwirtschaftliche Betriebe gezählt, 126 davon waren Haupterwerbsbetriebe, 124 Nebenerwerbsbetriebe und zu den Sonstigen wurden 25 gereiht. 124 Betriebe gaben damals an, Rinder zu halten. Nach Fraktionen aufgeschlüsselt, herrscht in Pfunders eine gewisse Ausgeglichenheit zwischen den verschiedenen Betriebsgrößen vor, wobei auch zu berücksichtigen ist, dass Pfunders die weitaus meisten Almgebiete besitzt. In Weitental besitzen beinahe zwei Drittel aller Bauern weniger als 5 ha Acker- und Wiesenflächen und können von der Landwirtschaft allein nicht leben. Ähnlich sind in Obervintl die kleinstrukturierten Betriebe vorherrschend, doch stehen ihnen einige stattliche Höfe gegenüber. Niedervintl ist ein Fall für sich. Der Großteil der Betriebe ist dort in der Hand weniger Besitzer und die übrigen Betriebe sind wegen ihres geringen Umfangs Zuerwerbsbetriebe. Von der etwa 4.600 ha großen Nutzfläche werden heute nur mehr 2,4 % als Ackerfläche genutzt, alles Übrige wird für die Grünlandbewirtschaftung hergenommen. An Viehbestand wurden im Jahre 2000 2.117 Rinder, 31 Pferde, 84 Schweine und 748 Schafe und Ziegen statistisch festgehalten. Im Vergleich dazu ergab eine Zählung um 1930 1344 Rinder, 90 Pferde, 398 Ziegen und 892 Schafe.<ref>Dr. Paul Gruber: (Siehe Literatur), S. 436</ref> Die Kleinbauern nutzen verschiedene Möglichkeiten des Zuerwerbs. Manche finden im Winter Anstellung in den nahe gelegenen Skigebieten von Vals und Meransen, andere betätigen sich als Handlanger bei Baufirmen oder haben sich auf die Herstellung bäuerlicher Gebrauchsgegenstände spezialisiert, die meisten jedoch haben Arbeit in den Industriebetrieben gefunden und bewirtschaften ihr Höfe mit Hilfe der Familienangehörigen nur mehr nebenher. === Handwerk und Industrie === In den alten Chroniken werden [[Handwerk]]er zwar immer wieder benannt, aber wie sie früher ihr Leben gefristet haben und ob sie dauerhaft ihrem Beruf nachgegangen sind, geht aus diesen schriftlichen Unterlagen nicht hervor. Aus Quellen von anderen Gegenden [[Tirol]]s ist bekannt, dass sich Handwerker in ländlichen Gebieten früher immer sehr schwer getan haben. Sie waren hauptberuflich meist selbst Kleinbauern und verdienten sich als Handwerker in einer bestimmten Sparte ein [[Nebenberuf|Zubrot]]. Es gibt Hinweise darauf, dass in Niedervintl [[Weber]], [[Bäcker]] und [[Schmied]]e existierten, die sich durch bischöfliches [[Privileg]] vor den ''„Stearern“'' zu schützen trachteten. Die ''„Stearer“'' waren demnach illegal oder wild handelnde [[Handwerk]]er. Von Hausnamen in den einzelnen Dörfern lässt sich ebenfalls auf die zumindest zeitweise Existenz eines entsprechenden Handwerkers, wie [[Schneider]], [[Küfer|Binder]], [[Schuhmacher|Schuster]], [[Müller]] oder [[Gerben|Gerber]] ableiten. Auf jeden Fall war das Gemeindegebiet für die [[Handwerk]]er kein goldener Boden. Die Lage änderte sich allmählich erst in den 60er Jahren. Betriebe siedelten sich an, die Leute fanden nun Arbeit außerhalb der Landwirtschaft und konnten sich Anschaffungen leisten, wovon auch die Handwerker zu profitieren begannen. Es war eine Zeit, in der es in ganz [[Südtirol]] wirtschaftlich fühlbar voran ging. In Vintl wurden im Jahre 2006 89 Handwerks- und Industriebetriebe gezählt, davon etwa 90 % Kleinstbetriebe mit bis zu 9 Beschäftigten, 7,5 % Kleinbetriebe mit 10 bis 49 Beschäftigten und 2,1 % Mittelbetriebe. === Die wichtigsten Arbeitgeber === Eine Unternehmerfamilie, die sich durch ihre Beständigkeit, Innovationsfreudigkeit und durch stete Expansion für Vintl in beschäftigungspolitischer Hinsicht besonders hervor getan hat, stammt selber aus Niedervintl und hatte schon im 19. Jahrhundert dort wichtige Weichen für die Zukunft gestellt, die Familie Rieper. Alois Anton Rieper hatte 1860 den renommierten Postgasthof in Niedervintl erworben, mit dem noch ein stattlicher landwirtschaftlicher Betrieb und ein Sägewerk verbunden waren. In der Folge nutzten die Riepers 1901 als erste Unternehmer in Südtirol die [[Wasserkraft]] für die Gewinnung [[Elektrizität|elektrischer Energie]]. Durch Zukauf des Brücklechneranwesens stockte die Familie 1907 ihre Wasserrechte weiter auf und gelangte zudem in den Besitz einer kleinen Kunstmühle, die 1914 ausgebaut und schließlich das wirtschaftliche Hauptbetätigungsfeld wurde. 1948 kam die Kraftfuttererzeugung als neue Sparte dazu, die heute Umsatzträger Nummer eins ist. Mit derzeit 115 Mitarbeitern ist die Firma A. Rieper AG im Kunstmühlenbereich Marktführer in Südtirol.<ref>http://www.rieper.com/</ref> Ein weiterer Betrieb, der für die wirtschaftliche Entwicklung des Pfunderertales einen wichtigen Beitrag geleistet hat, ist die Firma Grünig. 1963 errichtete Dieter Grünig aus Erlenbach / Odenwald ein Werk in Pfunders, die Grünig Marmorindustrie, um den Abbau des „Pfunderer Marmors“ zu reaktivieren. Damit gemeint ist der Chloritschiefer und der [[Serpentingruppe|Serpentin]], die schon 1722 abgebaut worden sind. Zudem wurde der Abbau von Kristallquarzit im Gaiskofel in die Wege geleitet. Die Firma hat zwischendurch auch mit anderen Produktlinien experimentiert und zeitweise 80 Personen allein im Werk Pfunders Beschäftigung gegeben. Heute nennt sich die Firma Grünig Natursteine GmbH mit Sitz in Sterzing mit einem Beschäftigtenbestand von etwa 40 Personen.<ref>http://www.gruenig-natursteine.com/</ref> Beschäftigungsmäßig am meisten zugelegt hat ein Zweigwerk der Firma Alois Kober (Al-Ko) Fahrzeugtechnik mit dem Stammsitz in Kötz in Schwaben. Gestartet ist die Vintler Produktionsstätte 1970 mit 27 Beschäftigten, heute sind es etwa 150. Die Produkte sind Achsen für Nutzfahrzeuge, Rahmenprofile, Stabilisatorkupplungen, Fahrgestelle, Auflaufvorrichtungen und andere spezielle Fahrzeugteile für PKW-Anhänger.<ref>http://www.al-ko.de/geschaeftsfelder/das-unternehmen/al-ko-gruppe/standorte-weltweit/europa/italien-vintl.html</ref> === Die „Lodencity“ === Im Jahr 1960 hatte sich ein textilverarbeitender Betrieb aus Aschaffenburg unter dem Namen Panva in Vintl angesiedelt, der ab 1970 unter dem Namen Pantex bis zu 100 Personen, bevorzugt Frauen, beschäftigte. Dieser Betrieb geriet in der Mitte der 90er Jahre in den Strudel der allgemeinen Krise, die die Textilbranche in Europa in die Knie zwang. Das Ausscheiden der Pantex aus dem Firmengefüge der Gemeinde war ein herber Schlag für die Beschäftigungslage. Weil der Standort verkehrsmäßig sehr günstig liegt, gingen ein paar Jahre später ein lokaler Unternehmer, Manfred Profanter, und der Bozner Unternehmer Heiner Oberrauch das Wagnis ein, eine Umstrukturierung dieses Teils des Gewerbegebietes von Vintl in die Wege zu leiten. Dabei entstand ein gastronomisches Zentrum (Hotel/Restaurant Lodenwirt) und eine [[Filz|Lodenfabrik]] mit angeschlossener Lodenerlebniswelt, einer Art Museum, in dem die Produktion des Lodens den Besuchern „multisensoriell“ nahe gebracht wird. Dieser Gewerbepark hat sich sehr rasch zu einem überraschend dynamischen Wirtschaftszentrum entwickelt.<ref>http://www.eurac.edu/webscripts/eurac/services/viewblobnews.asp?newsid=1529</ref> Für Außenstehende nicht ganz verständlich, dass Vintl trotzdem teilweise darunter leidet. Es wird von einigen Vintlern beklagt, dass die „Loden–Erlebniswelt“, außerhalb des Ortskerns gelegen, der angestammten Gastronomie und somit der Infrastruktur eher Schaden als Nutzen bringe.<ref>http://www.ff-online.com/php/article.phtml?issue_id=4448&bgcolor=1</ref><ref>http://www.ff-online.com/php/readerletters.phtml?bgcolor=1&issue_id=292</ref> === Das Gastgewerbe === Das [[Gaststätte|Wirtshaus]], das die urkundlich früheste Erwähnung aufweist, war der „Wirt an der Bruggen“ in Niedervintl, der 1500 in Zusammenhang mit einer [[Bürgschaft]] genannt wurde, später Gasthof zur Post hieß und 1928 aufgelassen wurde. Der Gasthof Hochrainer folgt 1601 und 1640 werden in einer Schankpfennigrechnung auch die Weinschenken Gisser und Obwieser in Weitental und jene des Georg Weisstainer, Valtin Untergasser und Sebastian Obergasser in Pfunders genannt. In den Jahren 1700 und 1719 zahlten in Niedervintl der „Wirt an der Bruggen“, der Hochrainer und der Rosenwirt, in Weitental der Gisser und in Pfunders der Untergasser den Schankpfennig, eine Getränkesteuer. In bestimmten Notlagen gab der Brixner Bischof auch anderen Personen die Berechtigung, zeitweise eine Weinschenke zu führen. Diese Berechtigung wurde dann widerrufen, wenn die Notlage nicht mehr gegeben war. Die Wirte in Niedervintl hatten die Pflicht, Vorspanndienste zu leisten und für die Verpflegung und Unterkunft durchziehender Militäreinheiten zu sorgen. Die damit verbundenen Kosten wurden aus dem Topf der eingehobenen Getränkesteuern beglichen, soweit sie dafür ausreichten. Die Differenzen trug die Brixner Hofkammer.<ref>Dr. Paul Gruber: S. 195 ff.</ref> {| class="wikitable float-right" |---- bgcolor="#CCCCCC" ! colspan="5" | Nächtigungszahlen in der Gemeinde Vintl <ref>http://root.riskommunal.net/gemeinde/vintl/gemeindeamt/download/VintlNr60-4.pdf </ref> |---- bgcolor="#FFFFFF" |'''Fraktionen'''||'''Jahr 2004'''||'''Jahr 2005'''||'''Jahr 2006''' |---- bgcolor="#FFFFFF" | Niedervintl (755 m)||style="text-align:right"|16.844||style="text-align:right"|20.000||style="text-align:right"|20.205 |---- bgcolor="#FFFFFF" | Obervintl (765 m)||style="text-align:right"|16.373||style="text-align:right"|17.002||style="text-align:right"|15.754 |---- bgcolor="#FFFFFF" | Weitental (863 m)||style="text-align:right"|18.677||style="text-align:right"|21.567||style="text-align:right"|18.148 |---- bgcolor="#FFFFFF" | Pfunders (1159 m)||style="text-align:right"|4.008||style="text-align:right"|3.400||style="text-align:right"|3.460 |---- bgcolor="#FFFFFF" |Gemeinde Vintl gesamt||style="text-align:right"|55.902||style="text-align:right"|61.969||style="text-align:right"|57.567 |} Erste touristische Bewegungen kamen nach der Eröffnung der [[Pustertalbahn]] 1871 in Gang. Schon vor der Jahrhundertwende muss ein zaghafter Alpintourismus in die Zillertaler Alpen eingesetzt haben, weil schon 1895 vom Bau einer Schutzhütte auf dem Eisbruggjoch die Rede ging. 1908 wurde die [[Edelrauthütte]] auf dem Eisbruggjoch eröffnet. Es ist aktenkundig, dass Gäste zur Finanzierung der Blasmusik in Niedervintl beigetragen haben. Diese Anfänge des Tourismus gingen mit dem Ersten Weltkrieg unter. Von Tourismus kann im Gemeindegebiet seitdem erst wieder ab den 1950er Jahren gesprochen werden. 1959 wurde der Verkehrsverein gegründet. 1978 traten alle Ortschaften dem Verkehrsverein Vintl / Pfunderertal bei. Die Nächtigungszahlen stiegen langsam an: 1960: 7.583, 1970: 7.066, 1976: 19.682, sie machten 1978 einen Sprung auf 42.000 und erreichten 1980 51.962.<ref>Dr. Paul Gruber: S. 458.</ref> Die Entwicklung der Nächtigungszahlen in der Tabelle lässt die Vermutung zu, dass das Tourismuspotential noch nicht ausgeschöpft ist. Der Wintertourismus wird allerdings durch die für Wintersportaktivitäten völlig ungeeignete geomorphologische Ausgestaltung des gesamten Pfunderertales limitiert. Die Hänge des Tales sind zu steil und zu lawinengefährlich, die für Wintersportaktivitäten geeigneten Hänge im Talgrund zu kurz bemessen. Eine öfters anvisierte Anbindung an das Skigebiet [[Gitschberg]]-[[Meransen]] von Weitental aus ist nie zustande gekommen. === Der Verkehr === [[Datei:Stazione di Vandoies.jpg|thumb|right|Bahnhof Vintl]] Vintl liegt verkehrsmäßig günstig. Schon 1871 war die [[Pustertalbahn]] eröffnet worden, die die Brennerbahnlinie ab Franzensfeste mit der Südbahnstrecke nach Wien verbindet. An der Ortschaft führt zudem die Staatsstraße durch das [[Pustertal]] vorbei. Bis zum 28. Oktober 1935 durchquerte die Straße die Ortschaft. Dann wurde die neue Staatsstraße, die das Ortszentrum an der heutigen Stelle umfährt, ihrer Bestimmung übergeben. Von Vintl zweigt die Straße nach [[Terenten]] ab, die durch brüchige Granithänge auf ein ausgedehntes Mittelgebirgsplateau führt. Die Orte im Pfunderertal sind verkehrsmäßig ebenfalls ohne Probleme zu erreichen. Alle Höfe auf dem Gemeindegebiet verfügen über eine Straßenzufahrt. Von Weitental zweigt eine Straße auf den Kegelberg ab, die zahlreiche Höfe dort mit dem Tal verbindet und über den Stoller Sattel nach Meransen weiterführt. === Kultur und Sport === Das kulturelle Leben von Vintl wird geprägt durch die ortsansässigen Vereine. Neben drei Musikkapellen (Trachtenkapellen) in Niedervintl, Pfunders und Weitental existieren vier Kirchenchöre in Niedervintl, Obervintl und Weitental und Pfunders, ein junger Frauenchor in Obervintl (GeVauO), ein Frauenchor und ein Jugendchor in Weitental, eine Frauensinggruppe in Pfunders, zwei Jugendkapellen (Young Music Band Vintl und "Weitntola Spotzn") und zwei Theatergruppen (Heimatbühne Pfunders und Theatergruppe Weitental). Drei Schützenkompanien (Schützenkompanie „Bartlmä v. Guggenberg“ Vintl, Schützenkompanie "G. Lantschner" Weitental sowie Schützenkompanie Pfunders) tragen zur Brauchtumspflege bei. Breitensport wird vom ASV (Schwerpunkt Fußball sowie Zehnkampfgruppe) und einem Kampfsportclub (Yoseikan Budo Vintl) angeboten. Es existiert zudem eine Ortsgruppe des Alpenvereins Südtirol (AVS).<ref>Quelle: [http://www.gemeinde.vintl.bz.it/ Homepage der Gemeinde Vintl]</ref> == Katastrophenchronik == === Brände === Die Ortschaften waren bis weit in die heutige Zeit hinein fast alles ausgesprochene Streusiedlungen. So sind zumeist nur einzelne Höfe oder Häuser von Bränden betroffen gewesen. Am ehesten hat sich in Niedervintl schon früher ein ein dichter besiedeltes Ortszentrum herausgebildet, das anfälliger für häuserübergreifende Brände war. Ein solcher hat sich am 18. Mai 1917 ereignet. Damals zerstörte ein von zündelnden Kindern verursachter Großbrand fünf Häuser. Dass sich der Brand nicht noch mehr ausbreitete, ist auch den russischen Kriegsgefangenen zuzuschreiben, die bei der Brandbekämpfung mithalfen. Eine der größten Brandkatastrophen in Pfunders war die Einäscherung des Ober- und Unterkircherhofes in der Nacht vom 26. zum 27. August 1930. === Überschwemmungen === Schwere Katastrophen bleiben oft sehr lange in der kollektiven Erinnerung haften. Für Obervintl muss der Jahrhundertwolkenbruch über [[Terenten]] vom 11. Juli 1837 ein solches Ereignis gewesen sein. 6 Tote waren damals zu beklagen und der Mühlbach in Obervintl führte so viel Geröll mit, dass die Rienz aufgestaut wurde und bis St. Sigmund alle tiefer gelegenen Grundstücke unter Wasser gesetzt wurden. Als besonders schwere Überschwemmung gilt auch jene vom September 1882, als der Bahndamm zwischen Ehrenburg und Niedervintl auf einer Länge von 3&nbsp;km weggerissen wurde. Im Jahre 1917 ging der „Samerbruch“ in Pfunders nieder und der Schneidergraben vermurte und zerstörte 15 Gebäude. Ungewöhnlich starke Regenfälle, die im Gebiet des Eisbruggsees zusätzlich eine plötzliche Schneeschmelze verursachten, ließen den Pfundererbach am 29. Juni 1959 zu einem reißenden Strom anschwellen, der talauswärts schwere Zerstörungen anrichtete. === Lawinen === Die Seitenhänge des Pfunderertales sind sehr steil, so dass es viele potentielle Lawinenstriche gibt, die nach außergewöhnlich ergiebigen Schneefällen bestimmte Ortsteile von Pfunders und Weitental bedrohen können. Die Pfarrchronik von Pfunders berichtet von 27 Lawinentoten im Jahre 1689. Ein denkwürdiger Katastrophenwinter war jener des Jahres 1888, als neben schweren Sachschäden in Pfunders acht und in Weitental ein Menschenleben zu beklagen waren. Gewaltige Schneemengen lösten im Winter 1951 zahlreiche Lawinenabgänge aus. In Pfunders kamen sechs Menschen ums Leben, wobei die Familie des Dorferbauern zur Hälfte ausgelöscht wurde. In Weitental tötete die Lawine des berüchtigsten Lawinenstrichs, des Kammerschiener Grabens, einen Mann. == Literatur == * Dr. Paul Gruber: ''VINTL Geschichte und Gegenwart einer Gemeinde'' herausgegeben von der Schützenkompanie Bartlmä von Guggenberg, Vintl 1981, Herstellung: Athesiadruck Bozen * Karl Gruber: ''Kirchenkunst in Niedervintl, Obervintl, Weitental und Pfunders''. Tappeiner Verlag, Lana 1994, ISBN 88-7073-171-5. == Einzelnachweise == Als Hauptquelle für diesen Artikel diente das Buch von Dr. Paul Gruber ''VINTL Geschichte und Gegenwart einer Gemeinde''. <references /> == Weblinks == {{Commonscat}} * [http://www.gemeinde.vintl.bz.it Homepage der Gemeinde Vintl] {{Navigationsleiste Gemeinden der Bezirksgemeinschaft Pustertal}} {{Exzellent}} [[Kategorie:Gemeinde in Südtirol]] [[ca:Vintl]] [[en:Vintl]] [[eo:Vintl]] [[es:Vandoies]] [[fr:Vandoies]] [[it:Vandoies]] [[ja:ヴァンドーイエス]] [[nap:Vandoies]] [[nl:Vintl]] [[pl:Vandoies]] [[pms:Vintl]] [[pt:Vandoies]] [[ru:Вандоес]] [[uk:Вандоїєс]] [[vi:Vandoies]] [[vo:Vandoies]] [[war:Vintl]] m6ll9kg60ikk6ir9fhn1s2lda9zdy1h wikitext text/x-wiki Viola da gamba 0 24448 27047 2010-04-15T12:53:02Z Kalorie 0 /* Ab dem 20.&nbsp;Jahrhundert */ Wenzinger und Pandolfo ergänzt {| class="wikitable float-right" style="margin-left:0.5em" !width="185px" bgcolor="#FFD700" | Viola da gamba |- | [[Englische Sprache|engl.:]] ''Viol,'' [[Italienische Sprache|ital.:]]&nbsp;''Viola da gamba,'' [[Französische Sprache|frz.:]]&nbsp;''Viole de gambe'' |- | bgcolor="#FFFFFF" align="center" | [[Datei:Viola_da_gamba.png|300px|Die Gamben-Familie: (1. 2. 3. Viola da Gamba 4. Violone, Groß Viol-de Gamba Baß)]] |- ! bgcolor="#FFEC8B" | [[Musikinstrument|Klassifikation]] |- | [[Chordophon]]<br />[[Streichinstrument]] |- ! bgcolor="#FFEC8B" | [[Stimmung (Musik)|Stimmungen]] (Diskant, Alt/Tenor, Bass)<ref name="ND24">Dolmetsch, S. 24.</ref> |- | bgcolor="#FFFFFF" align="center" | [[Datei:Viola da gamba Stimmung Ganassi.jpg|300px|Stimmungen der Viola da gamba nach Silvestro Ganassi del Fontegos Regola Rubertina (1542)]] |- ! bgcolor="#FFEC8B" | Verwandte Instrumente |- | [[Baryton]], [[Viola d’amore]], [[Viola Bastarda|Viola bastarda]], [[Lira da Gamba|Lira da gamba]], [[Lira da Braccio|Lira da braccio]] |- ! bgcolor="#FFEC8B" | Musiker |- | [[:Kategorie:Gambist]] |} '''Viola da gamba''' (zu [[Italienische Sprache|ital.]] ''viola'' „Geige“ und ''gamba'' „Bein“, im Deutschen auch verkürzt '''Gambe''' oder '''Kniegeige''' bzw. '''Schoßgeige''' genannt) ist eine Sammelbezeichnung für eine [[Instrumentenfamilie|Familie]] historischer [[Streichinstrument]]e. Sie entstand zur selben Zeit wie die [[Violine]]nfamilie. Die Bezeichnung ''da gamba'' leitet sich von der Spielhaltung ab. Die Instrumente sämtlicher Stimmlagen – [[Diskant (Instrument)|Diskant]]-, [[Alt (Stimmlage)|Alt]]-/[[Tenor (Stimmlage)|Tenor]]- und [[Bass (Instrument)|Bassgambe]] bzw. [[Violone]] – werden im Gegensatz zu den ''[[Viola da Braccio|viole da braccio]],'' das heißt „Armgeigen“, zwischen den Beinen gehalten bzw. die kleineren Typen mit dem [[Korpus (Musikinstrument)|Korpus]] auf den Schoß gestellt, wobei der [[Hals (Musikinstrument)|Hals]] nach oben ragt. Die Gamben entstanden wahrscheinlich im 15.&nbsp;Jahrhundert in [[Spanien]]. Sie besitzen fünf bis sechs, später auch sieben [[Saite]]n in [[Quarte|Quart]]-[[Terz (Musik)|Terz]]-Stimmung und ein mit [[Bund (Saiteninstrument)|Bünden]] versehenes [[Griffbrett]]. Den [[Bogen (Streichinstrument)|Bogen]] hält der Spieler im Untergriff. Die Gamben haben sich bis ins 18.&nbsp;Jahrhundert in der Musik zahlreicher europäischer Länder behauptet, vornehmlich in [[Italien]] und [[Frankreich]], [[England]] und [[Deutschland]] mit jeweils eigenen Ausprägungen von [[Mensur (Musik)|Mensur]] und Baugestaltung sowie in unterschiedlichen Funktionen des Solo- und des Ensemble-, schließlich des [[Generalbass]]-Spiels. Mit dem Aufkommen von [[Violoncello]] und [[Kontrabass]] gerieten die Gamben, die bis dahin die [[Kammermusik]] von Akademien, Aristokratie und wohlhabendem Bürgertum bestimmt hatten, allmählich in Vergessenheit – nicht jedoch, ohne einige ihrer bau- und spieltechnischen Eigenheiten an die modernen Instrumente weiterzugeben. Vor allem durch die [[historische Aufführungspraxis]] erlebte die Viola da gamba seit Beginn des 20.&nbsp;Jahrhunderts eine Renaissance.<ref name="MGG1573">MGG-S Bd. 9, Sp. 1573.</ref> == Begriff und Begriffsgeschichte == Der aus dem Italienischen bzw. [[Provenzalische Sprache|Altprovenzalischen]] stammende Begriff ''viola'' und seine etymologischen Verwandten ''vielle'' ([[Altfranzösische Sprache|altfranzösisch]] „[[Drehleier]]“) und ''vièle'' (altfranzösisch „[[Fidel]]“) sind seit dem Mittelalter bekannt. Deren Beziehung zum [[Mittelhochdeutsch|mittelhochdeutschen]] Wort ''fidel'' ist durchsichtig. Am frühesten belegt ist das [[Mittellatein|mittellateinische]] ''viella,'' das ebenso die Fidel meint. Die unterschiedlichen Tonerzeugungsarten spiegeln sich am auffälligsten in der Familie der spanischen [[Vihuela]]s, die seit dem 13.&nbsp;Jahrhundert bezeugt ist und als ''Vihuela de péndola'' mit einem [[Plektrum|Federkiel]] angerissen, als ''Vihuela de arco'' mit dem Bogen gestrichen und als ''Vihuela de mano'' mit den Fingern gezupft wird; diese Bezeichnung hielt sich bis ins 16.&nbsp;Jahrhundert, während der Violen-Begriff in anderen Sprachen bald auf Streichinstrumente eingeengt wurde. Ob alle diese Bezeichnungen, wie [[Johann Christoph Adelung]] vermutet, über das mittellateinische ''fiala'' „Saiteninstrument“ auf [[Latein|lateinisch]] ''fides'' „[[Lyra (Zupfinstrument)|Lyra]]“ zurückgehen, kann nicht geklärt werden. Im 16.&nbsp;Jahrhundert bildeten sich mit der Entwicklung des Instrumentenbaus Ableitungen zu ''viola''. Diese betrafen zum einen das Format, z.&nbsp;B. ''violino'' und ''violetta'' als verkleinerte, ''violone'' als vergrößerte Bauform; zum anderen teilte sich die Violenfamilie nach der Spielhaltung in Armgeigen (''viole di braccio'') und Kniegeigen (''viole di gamba''), wobei in Italien die Gattungsbegriffe ''viola'' und ''[[Lira (Streichinstrument)|lira]]'' weitgehend synonym angewendet wurden. Der Bezeichnung Viola da gamba ging der allgemein beliebtere Name ''[[violone]]'' voraus, der noch 1553 in [[Diego Ortiz]]’ ''[[Tratado de Glosas]]'' als Bezeichnung für die ganze Familie galt, bevor er allein den Bassinstrumenten vorbehalten war.<ref name="MGG1573"/><ref>Hans Heinrich Eggebrecht (Hrsg.): ''Meyers Taschenlexikon Musik''. Mannheim 1984. Bd. 3, S. 297.</ref> Die Bezeichnung ''Viola'' galt zunächst für die Violen- wie für die Violinenfamilie in sämtlichen Registern.<ref>Jacob und Wilhelm Grimm: ''Deutsches Wörterbuch''. Leipzig 1854–1960. Bd. 26, Sp. 365.</ref> Eine eingedeutsche ''Violdigamme''<ref>Kaspar von Stieler: ''Der Teutschen Sprache Stammbaum und Fortwachs/ oder Teutscher Sprachschatz''. Nürnberg 1691, S. 490.</ref> oder ''Violdigamb''<ref> Johann Mattheson: ''Der vollkommene Capellmeister''. Hamburg 1739. S. 479.</ref> bildete den Übergang, wenngleich die Gattungsbezeichnungen ''Viola'' und ''Geige'' sich bis zur Mitte des 18.&nbsp;Jahrhunderts noch nicht trennten. Die Trennung und die Zusammenfassung als Instrumentenfamilie erfolgten erst am Ende des Jahrhunderts parallel zur Neubildung ''Kniegeige,'' während die Tenor- und Bassinstrumente allmählich dem Violoncello und die Diskantgambe der [[Barockvioline]] wichen.<ref>Johann Christoph Adelung: ''Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, mit beständiger Vergleichung der übrigen Mundarten, besonders aber der Oberdeutschen''. 2. Auflage. Leipzig 1793-1801. Bd. 4, Sp. 1213.</ref><ref>Johann Georg Krünitz: ''Oekonomische Encyklopädie oder allgemeines System der Staats- Stadt- Haus- und Landwirthschaft''. Berlin 1773–1858. Bd. 225, S. 23.</ref> Im 18.&nbsp;Jahrhundert haben die modernen Bauformen die Gamben bereits so weit verdrängt, dass das Wort auf die unteren Stimmlagen beschränkt war.<ref>Johann Heinrich Zedler: ''Grosses vollständiges Universal-Lexicon Aller Wissenschafften und Künste''. Halle an der Saale/Leipzig 1732–1754. Bd. 48, S. 839.</ref> In nahezu allen anderen europäischen Sprachen setzte sich der italienische Terminus ''viola di [da] gamba'' durch, so im Englischen ''viol (de gamba)'' und teilweise ''gambo(violl),'' im Französischen ''viole (de gambe),'' im (frühen) [[Niederländische Sprache|Niederländischen]] ''fiool de gamba,'' im [[Russische Sprache|Russischen]] ''виола''.<ref name="MGG1573"/> Zur Unterscheidung von der heute gebräuchlichen Viola bildete sich eine neue Bezeichnung heraus, die nach der Stimmlage der Bratsche heißt: englisch und französisch ''alto,'' [[Polnische Sprache|polnisch]] ''Altówka,'' russisch ''aльт''. Einzig das [[Norwegische Sprache|Norwegische]] kennt wie das Deutsche ''Bratsj'' und ''Gambe''. == Instrumente == [[Michael Praetorius]] beschreibt in ''De Organographia'' (1619), dem zweiten Teil des ''[[Syntagma musicum]],'' die Familie der Gamben folgendermaßen: {{Zitat|Und haben den Namen daher/ daß die ersten [d.&nbsp;h. Viole de Gamba] zwischen den Beinen gehalten werden: Denn gamba ist ein Italienisch Wort/ und heist ein Bein/ legambe, die Beinen. Unnd dieweil diese viel grössere corpora, und wegen des Kragens lenge/ die Säiten auch ein lengern Zug haben/ so geben sie weit ein lieblichern Resonanz/ Als die anderen de bracio, welche uff dem Arm gehalten werden. (…) Die Violen de Gamba haben 6. Saiten/ werden durch Quarten, und in der Mitten eine Terz gestimmet/ gleich wie die sechs Chörichte Lauten. (…) Die Alten haben dieser Violen de gamba, wie im Agricola zu finden/ dreyerley Arten gehabt: Dann etliche sind mit drey Säitten; Etliche mit vier; Und etliche (…) mit fünff Säitten bezogen worden.|Michael Praetorius|''De Organographia''<ref name="MP44">Praetorius, S. 44 f.</ref>}} === Entstehung === Die Gambenfamilie hat drei Vorläufer: den [[Rebab]], die [[Laute]] und die Viella. Der Rebab ([[Arabische Sprache|arab.]] '''{{ar|رباب}}''') war mit der [[Mauren|maurischen]] Kultur nach Spanien gelangt und ist seit dem 10.&nbsp;Jahrhundert als [[Bund (Saiteninstrument)|bundloses]] Zupf- und Streichinstrument mit zwei einfachen oder doppelten [[Saite]]n bekannt.<ref>Hans Heinrich Eggebrecht (Hrsg.): ''Meyers Taschenlexikon Musik''. Mannheim 1984. Bd. 3, S. 87.</ref> Als Streichinstrument wird er im Schoß gehalten oder hängt von der Griffhand. Den langen Bogen führt der Spieler im Untergriff. Dessen Länge erlaubt es ihm, ganze Passagen auf einen [[Strich (Streichinstrument)|Strich]] zu spielen, anstatt für jeden Ton zwischen Auf- und Abstrich wechseln zu müssen.<ref>Otterstedt, S. 16.</ref> Auch die Laute, die Spieltechnik und Namen dem [[Oud]] (arab. '''{{ar|عود}}''') entlehnte, war eine Entwicklung des arabischen Kulturkreises. Allein in Spanien stand sie im 16.&nbsp;Jahrhundert in Konkurrenz zur Vihuela, im übrigen Europa entwickelte sie sich in zahlreichen Bauformen zum beliebtesten Zupfinstrument, denn durch die Anzahl ihrer Saiten ließ sie den Spieler beliebig [[Transposition (Musik)|transponieren]]. Die Bünde und die darauf beruhende [[Tabulatur]]notation machten das Instrument leicht zu erlernen. Informationen über die Spieltechnik konnten relativ einfach niedergeschrieben werden. Vieles spricht für die Herkunft der Viella aus Nordfrankreich oder [[Grafschaft Flandern|Flandern]]. Sie war ein der Fidel ähnelndes „Modeinstrument“ des 12.&nbsp;Jahrhunderts, das nach Spanien gelangte und in der Vihuela sowohl etymologisch als auch bautechnisch weiterlebte: im Gegensatz zu den runden Korpora von Rebab und Lauten besitzt sie einen flachen Boden und seitlich eingerundete [[Zarge (Musikinstrument)|Zargen]] wie die [[Gitarre]]. Die von [[Johannes Tinctoris]] in ''De usu et inventione musicae'' (um 1487) beschriebenen Vihuelas werden schon nach ihren Spieltechniken Zupfen und Streichen unterschieden. Einige Bilddarstellungen der Vihuela da mano aus dem 15.&nbsp;Jahrhundert lassen die spätere Gambenform bereits klar erkennen. Die Viola da gamba war in der Summe eine gestrichene Vihuela da mano mit Stimmung, Bünden und Saitenzahl der Laute sowie Spielhaltung und Bogenhaltung des Rebab.<ref>Otterstedt, S. 17.</ref> Als Produkt dreier Bautypen blieben die Violen einerseits bautechnisch ohne einheitliche Normen, die lange und kurze Hälse kannten, runde und flache Schultern, verschiedene Formen von [[Schallloch|Schalllöchern]]; andererseits eigneten sie sich in ihrer Vielgestalt zum solistischen Spiel als Melodieinstrument ebenso wie im [[Gambenconsort]] als Akkordinstrument – und nicht zuletzt im [[Generalbass]]. Als Produkt dreier Kulturen gelangte die Viola da gamba nach Italien, als die [[Katholische Könige|Katholischen Könige]] am Ende der [[Reconquista]] 1492 zur „Reinerhaltung des Blutes“ Juden und Muslime aus Spanien vertrieben. Mit jüdischen Musikern gelangte sie nach [[Ferrara]] an den Hof der [[Este (Familie)|Este]] und an die [[Humanismus|humanistischen]] [[Akademie]]n.<ref>Otterstedt, S. 18.</ref> === Allgemeine Bauform === Die Viola da gamba wurde in drei Größen gebaut, [[Diskant (Instrument)|Diskant]], [[Alt (Stimmlage)|Alt]]/[[Tenor (Stimmlage)|Tenor]] und [[Bass (Instrument)|Bass]]. Ihre beiden Entwicklungsstufen unterscheiden sich vor allem durch die Stimmung. Während der nordalpine Typ, der möglicherweise flandrischen Ursprungs war, fünf in [[Quarte]]n gestimmte Saiten besaß, war der südalpine Typ aus Italien sechssaitig und hatte die Quart-[[Terz (Musik)|Terz]]-Stimmung der Lauten übernommen. Die italienische Form erwies sich als besser und verdrängte im Laufe des 17.&nbsp;Jahrhunderts die nordalpine. Sie zeigte bereits die Gestaltungsmerkmale der klassischen Gambe, die spitz zulaufenden Oberbügel bzw. Schultern und den flachen Boden. Bis zum Beginn des 17.&nbsp;Jahrhunderts sind es Instrumente im 12’-Register, wie sie die Theoretiker Praetorius, [[Pietro Cerone]] und [[Adriano Banchieri]] beschrieben. Noch das in [[Marin Mersenne]]s ''Harmonie universelle'' (1636) abgebildete und mit einer Höhe von 4¼&nbsp;[[Alte Maße und Gewichte (Frankreich)|Pariser Fuß]] (146&nbsp;cm) bezeichnete Bassinstrument behielt diese Lage bei, die im Ensemblespiel Transpositionen erforderte, um die Stimmungen der unterschiedlichen Instrumente aneinander anzupassen. Die [[Mensur (Musik)|Mensur]] misst ungefähr 80&nbsp;cm (zum Vergleich: der [[Kontrabass]] hat 102–108&nbsp;cm, das [[Violoncello]] 69–71&nbsp;cm an schwingender Saite), bei Tenor-Gamben ungefähr 60&nbsp;cm, im Alt 50&nbsp;cm, im Diskant 40&nbsp;cm.<ref name="MGG1580">MGG-S Bd. 9, Sp. 1580.</ref><ref name="NH25">Harders, S. 25.</ref> [[Datei:Viola da gamba Korpusformen.svg|miniatur|Wie viele historische Instrumente besaß auch die Viola da gamba nie eine einheitliche Gestalt; die Korpusformen unterschieden sich in Einzelheiten wie Umriss, Zargen oder Schalllöchern. Die hier abgebildeten Umrisse stammen aus derselben Epoche, jedoch haben sie Meister unterschiedlicher Regionen gebaut. Von links nach rechts:<br />[[Jakob Stainer]] (Absam in Tirol 1673), [[Joachim Tielke]] (Hamburg um 1699), Barak Norman (London 1699), Nicolas Bertrand (Paris 1701), Pieter Rombouts (Amsterdam 1708)<ref>Otterstedt, S. 155.</ref>]] Die [[Decke (Saiteninstrument)|Decke]] der Viola da gamba besteht gewöhnlich aus [[Fichten]]-, Boden, [[Zarge (Musikinstrument)|Zargen]] und [[Hals (Musikinstrument)|Hals]] samt [[Schnecke (Musik)|Schnecke]] aus unterschiedlichen [[Ahorne|Ahornhölzern]].<ref>Harders, S. 26 f.</ref> Auch [[Birke]] und Obsthölzer wie [[Pflaume]] und [[Vogel-Kirsche|Kirsche]] sind geeignete Bodenhölzer.<ref name="AO202">Otterstedt, S. 202.</ref> Auf dem innen mit Leisten verstärkten Boden, der unterhalb des Oberklotzes abgeschrägt ist, sitzt der Zargenkranz, der mit Eckklötzchen verstärkt wird. Im Unterschied zur Violinenform ragen diese jedoch nicht aus, die Mittelbügel bleiben stumpf. Die Decke bog der Instrumentenbauer – anders als bei den heutigen industriell gefertigten Kontrabässen – meist nicht über Dampf, sondern stach sie aus massivem Holz.<ref>Harders, S. 37.</ref> Moderne Nachbauten gehen mehr und mehr zum Dampfbiegen über.<ref name="AO202"/> Im Gegensatz zum Violinentyp steht die Decke nicht über den Zargen hervor. [[Griffbrett]] und [[Saitenhalter]] fertigte man seit dem 17.&nbsp;Jahrhundert aus [[Ebenholz]], wie es heute bei Streichinstrumenten üblich ist. Zuvor waren Ahorn und [[Birne]] die bevorzugten Hölzer. Für die seitenständigen [[Wirbel (Bauteil)|Wirbel]] eignen sich Harthölzer.<ref>Otterstedt, S. 214.</ref> Seit dem [[Barock]]zeitalter sind bei den Gamben [[Stimmstock]] mit Bodenplatte sowie der [[Bassbalken]] in Gebrauch. [[Datei:Viola da gamba Steg.svg|miniatur|links|Steg einer siebensaitigen französischen Bassgambe von Dieulafait (um 1720) <ref>Otterstedt, S. 212.</ref>]] Der [[Steg (Saiteninstrument)|Steg]] wurde teils auf die Decke geleimt, teils beweglich verbaut. [[Silvestro Ganassi]] empfahl in der ''Lettione seconda'' (1543), je nach Spielpraxis den Steg auszuwechseln: ein flacherer Steg erlaubt einfacheres Akkordspiel, ein runder eignet sich besser für das solistische Spiel auf der einzelnen Saite. Weiterhin ist die Gestaltung des Stegs von großem Einfluss auf den Klang. Die Stege baute man mit der Zeit weniger massig und eher durchbrochen, so dass sie für einen klaren, leicht nasalen Klang sorgten. Sie sitzen ungefähr in der Mitte der beiden Schalllöcher.<ref>Otterstedt, S. 211 f.</ref> Diese Schallöffnungen erscheinen in ƒ- oder C-Form und vielen individuellen Gestaltungen der Gambenbauer. In einige Decken sind zusätzlich an die Laute erinnernde Rosetten eingelassen, verkleidet mit geschnitztem oder gesägtem Gitterwerk. Viele Exemplare der Viola da gamba schmücken sich dazu mit aufwändigen Verzierungen: geschnitzten Löwen- und Drachen-, Menschen- und Engelsköpfen an Stelle der Schnecke, [[Intarsie]]narbeit aus [[Furnier]] und [[Elfenbein]] auf Griffbrett und Saitenhalter, Boden und Zargen, [[Brandmalerei]], mit farbiger Einfassung, Vergoldung usw. Dies trifft vor allem auf englische Instrumente zu, denen gegenüber die französischen deutlich schlichter gehalten sind.<ref name="AO202"/> Die Viola da gamba besaß ursprünglich sieben, seit dem 17.&nbsp;Jahrhundert gelegentlich auch acht Bünde (der letzte als Oktavbund) im Halbtonabstand. Sie bestehen aus Darm – dazu werden mitunter ausgediente Saiten verwendet – und werden ein- oder zweimal um das Griffbrett geschlungen und verknotet. (Heute sind auch Bünde aus [[Polyamid]] erhältlich.) Ein Bund ist nicht als Griffhilfe zu verstehen, er dient als künstlicher [[Sattel (Saiteninstrument)|Sattel]], der den Klang der schwingenden Saite klarer werden lässt.<ref>Otterstedt, S. 210.</ref> === Besaitung === Gambeninstrumente werden gewöhnlich mit [[Katzendarm|Darmsaiten]] von 0,3 bis 4&nbsp;mm Dicke bespannt. Da Gamben jedoch zu keiner Zeit „genormt“ waren, hängt die richtige Besaitung von mehreren Faktoren ab, von der Bauweise, von der Lage des [[Wolfton]]s und von der Stimmung. In der Praxis übertrug man die Verhältnisse der Saiten-Intervalle (4:3 für die [[Quarte]], 5:4 für die große Terz) umgekehrt proportional auf die zugehörigen Saitenstärken, so dass die höchste Saite eines sechssaitigen Instruments noch ein Viertel, die eines siebensaitigen noch ein knappes Fünftel an Durchmesser der Basssaite besaß. Außer mit einfachen Saiten aus Schafs- oder Rinderdarm bespannt man die Viola da gamba auch mit gedrehten oder umsponnenen Saiten (Florentiner und Catlines). Mit Metallsaiten wurde sie erst im Zuge ihrer Wiederentdeckung experimentell bespielt. Der zwar lautere, aber zugleich scharfe und weniger substanzreiche Klang der Metallsaiten stieß schon im 17.&nbsp;Jahrhundert auf Widerstand. Einzelne Versuche gab es ebenso mit Kunststoffsaiten.<ref>Otterstedt, S. 215 ff.</ref> === Bogen === [[Datei:Simpson Bogen.jpg|miniatur|400px|Modell eines typisch gerundeten Barockbogens nach Christopher Simpsons ''Division Viol'' (1665). Die Bespannung ist 68,8&nbsp;cm lang, der gesamte Bogen misst 79&nbsp;cm. Ein Zusatzgewicht am Froschende verleiht dem Spieler besseres Gleichgewicht.]] Der Gambenbogen ist ein rund konstruierter Renaissance- oder Barockbogentyp. Er ist generell länger als vergleichbare moderne Bauarten. Mersennes ''Harmonie universelle'' empfahl als Maximum die schwingende Saitenlänge des Instruments. Englische Lehrwerke rieten zu einer Stangenlänge von ungefähr 30&nbsp;Zoll (ca. 76&nbsp;cm).<ref name="MGG1581">MGG-S Bd. 9, Sp. 1581.</ref> Ein nachgebauter Bassgambenbogen ist heute 72&nbsp;cm lang. Die Bögen der Renaissance und im französischen Barock maßen bis zu 90&nbsp;cm und waren damit länger als das Instrumentenkorpus.<ref name="AO221">Otterstedt, S. 221.</ref> Am Griffende des Bogens befanden sich manchmal zusätzliche Gewichte zur Verbesserung der Balance.<ref name="MGG1581"/> [[Datei:Steckfrosch.jpg|miniatur|links|Die Haare eines Steckfroschbogens sind an der Hinterseite einer Nut befestigt. Klemmt der Spieler den separaten Frosch zwischen Bogenstange und Bespannung ein, so wird das Haar unter Zugspannung gesetzt (oben). Zum Entspannen entfernt man der Frosch (unten).]] Im Gegensatz zur heutigen starren Bogenstange ist die Stange des Gambenbogens gerade hergestellt und biegt sich erst durch die Zugspannung der Bogenhaare.<ref name="AO222">Otterstedt, S. 222.</ref> Zwar sind ältere Bögen aus Ahorn und [[Rotbuche]] erhalten, die meisten wurden jedoch aus [[Schlangenholz]] hergestellt<ref>Otterstedt, S. 219.</ref> (in der Regel von ''[[Brosimum guianense]]'' oder verwandten Arten stammend) und ab der zweiten Hälfte des 18.&nbsp;Jahrhunderts aus [[Fernambuk]], das durch sein hohes spezifisches Gewicht lange Bogenstangen mit dünn ausgearbeiteter Spitze erlaubte, die zugleich elastisch und stabil waren und über Jahrhunderte blieben.<ref name="AO221"/> Der Stangenquerschnitt ist gewöhnlich rund. Einige erhaltene Bögen haben jedoch auch achteckige Stangen, die an der Spitze [[Raute|rhomboid]] auslaufen. [[Kannelierung]]en sind seit dem 18.&nbsp;Jahrhundert nachgewiesen.<ref name="MGG1581"/> Die Bespannung bestand aus unterschiedlichen Arten von [[Rosshaar]]. [[Jean Rousseau]]s ''Traité de la viole'' (1687) befürwortete weißes Haar für kleinere und schwarzes für Bassinstrumente.<ref>Jean Rousseau: ''Traité de la viole''. S. 39 f.</ref> Da schwarze Haare fester sind, sprechen dicke Darmsaiten beim Streichen damit leichter an.<ref name="AO221"/> Der [[Frosch (Bogen)|Frosch]] war vom Beginn des 17. bis ins späte 18.&nbsp;Jahrhundert ein Steckfrosch. Bei diesem Bauprinzip sind die Bogenhaare an beiden Seiten fest mit der Bogenstange verbunden und werden durch einen separaten, bis zu 22&nbsp;mm hohen Frosch gespannt, den der Spieler in eine Nut an der Innenseite der Bogenstange einrasten lässt. Ein Nachteil dieses geschlossenen Systems ist, dass sich die Spannung nur durch zusätzlichen Fingerdruck regulieren lässt. Vorteile des Steckfroschbogens sind seine erhebliche Stabilität und Haltbarkeit gegenüber dem gegen 1720 erfundenen Schraubfrosch, dessen Mechanik schneller unbrauchbar wird, während alte Steckfroschbögen zum Teil bis in die Gegenwart funktionsfähig blieben.<ref name="AO221"/><ref name="AO222"/> Sie wurden im Gegensatz zu Schraub- oder Crémaillèrebögen, bei denen ein Metallriegel in einer ausgesägten Kerbe liegt, auch selten entspannt.<ref>Otterstedt, S. 224.</ref> === Typen der Gambenfamilie === Die Instrumente der Viola-da-gamba-Familie unterlagen keiner Normierung, ihre Bautypen unterscheiden sich stark in Bautechnik und Besaitung, Stimmung, Klang und Spielweise. Sie wurden in unterschiedlichen Ländern und über mehrere Jahrhunderte hinweg zu unterschiedlichen Einsatzmöglichkeiten gebaut. Die Proportionen einzelner Instrumente:<ref> Dolmetsch, S. 31.</ref> {| class="wikitable" |- bgcolor='#F0FFF0' !Instrument !Korpusgröße minimal !Korpusgröße maximal !Mensur minimal !Mensur maximal |- valign="top" | '''Pardessus de viole''' | align="right" | 31,5&nbsp;cm | align="right" | 33,5&nbsp;cm | align="right" | 33,0&nbsp;cm | align="right" | 33,5&nbsp;cm |- valign="top" | '''Diskantviola'''<br/>Treble viol<br/>Dessus de viole | align="right" | 35,0&nbsp;cm | align="right" | 39,0&nbsp;cm | align="right" | 35,0&nbsp;cm | align="right" | 35,5&nbsp;cm |- valign="top" | '''Altviola''' | align="right" | 35,0&nbsp;cm | align="right" | 41,0&nbsp;cm | align="right" | 35,0&nbsp;cm | align="right" | 40,5&nbsp;cm |- valign="top" | '''Tenorviola'''<br/>Taille | align="right" | 47,5&nbsp;cm | align="right" | 53,0&nbsp;cm | align="right" | 45,0&nbsp;cm | align="right" | 52,0&nbsp;cm |- valign="top" | '''Lyra viol''' | align="right" | 55,5&nbsp;cm | align="right" | 60,0&nbsp;cm | align="right" | 53,5&nbsp;cm | align="right" | 60,0&nbsp;cm |- valign="top" | '''Division viol''' | align="right" | 62,0&nbsp;cm | align="right" | 68,0&nbsp;cm | align="right" | 65,0&nbsp;cm | align="right" | 66,0&nbsp;cm |- valign="top" | '''Bassviola'''<br/>Consort bass<br/>Basse de viole | align="right" | 68,0&nbsp;cm | align="right" | 71,0&nbsp;cm | align="right" | 68,0&nbsp;cm | align="right" | 70,5&nbsp;cm |- valign="top" | '''Violone''' | align="right" | 98,5&nbsp;cm | align="right" | 105,0&nbsp;cm | align="right" | 97,0&nbsp;cm | align="right" | 105,0&nbsp;cm |} ==== Die Viola bastarda ==== [[Datei:Viola bastarda.png|miniatur|hochkant=0.75|Viola bastarda. Abbildung aus Praetorius’ ''Syntagma musicum'']] : ''Siehe Hauptartikel: [[Viola Bastarda|Viola bastarda]]'' Es ist eine musikgeschichtliche Streitfrage, ob ''Viola bastarda'' als eigener Instrumententyp oder aber als Spielweise der Viola da gamba aufzufassen ist. Als Instrument wurde sie u.&nbsp;a. von Praetorius mit einer herkömmlichen Schnecke und einer zusätzlichen Rosette auf der Decke abgebildet. Er beschreibt sie als Tenorviola mit etwas geringeren Maßen im Vergleich zur normalen Stimmlage. Für die Deutung des Begriffs als figurative Spielweise im Ensemble spricht ihre Beschreibung als Instrument mit durchsetzungsfähigem Klang – während andere Instrumente nach ihren Baumerkmalen klassifiziert wurden – und die Verbreitung. Nördlich der Alpen war ''Viola bastarda'' quasi ein Synonym für die Sologambe. In Italien war sie ein Ensemble-Instrument für das Spiel von Diminutionen. Die Bezeichnung ''alla bastarda'' findet sich ebenfalls in Notentexten für Laute oder [[Posaune]], so dass man sie eher auf die Spielbarkeit für unterschiedliche Instrumente beziehen mag, d.&nbsp;h. auf die Möglichkeit, Musik in flexiblen Besetzungen aufzuführen. In beiden Fällen könnte die Viola bastarda ein Instrument in Quart-Quint-Stimmung oder aber eine siebensaitige Gambe mit Erweiterung im Bassregister gewesen sein. Als gesichert gilt wenigstens, dass sie im Consort gespielt<ref>Otterstedt, S. 121.</ref> bzw. um die Wende zum 17.&nbsp;Jahrhundert dort als begleitendes Akkordinstrument integriert wurde.<ref name="MGG1582">MGG-S Bd. 9, Sp. 1582.</ref> ==== Die Division viol ==== [[Datei:Division viol.jpg|miniatur|links|hochkant=0.75|Division viol. Abbildung aus Simpsons ''The Division Viol'']] Die Division viol (engl. ''division'' „[[Variation (Musik)|Figuralvariation]]“) ist eine kleiner dimensionierte Bassgambe nach Art der Viola bastarda mit einer Mensur von ca. 30&nbsp;Zoll (76&nbsp;cm) und einer Gesamthöhe von 130&nbsp;cm.<ref name="AO125">Otterstedt, S. 125.</ref> Sie eignete sich vor allem für das im 17.&nbsp;Jahrhundert in England praktizierte Akkordspiel und für die Improvisation über einem [[Basso ostinato]] (''divisions upon a ground'').<ref name="MGG1582"/> Damit war sie eine Verbindung zum Soloinstrument, das kammermusikalisch z.&nbsp;B. in einer Besetzung von zwei Violen und [[Orgel]] gespielt wurde.<ref>Otterstedt, S. 124.</ref> Sie war ein technischer Fortschritt, denn sie näherte sich bereits der Violinenform an. Bautechnisch unterschied sie sich von den italienischen Vorbildern, da ihre Decke nicht mehr nur gestochen, sondern oft schon gebogen wurde. Im Verlauf des 17.&nbsp;Jahrhunderts verringerte sich die Mensur auf durchschnittlich 69&nbsp;cm, weshalb sie schließlich als Vorbild für den englischen ''Consort bass'' galt.<ref name="MGG1583">MGG-S Bd. 9, Sp. 1583.</ref> Die Division viol spricht leichter an als andere Gambeninstrumente und hat einen klaren, hervortretenden Klang in allen Registern.<ref name="AO125"/> ==== Die Lyra viol ==== Die Lyra viol war eine Entwicklung für das Akkordspiel in wechselnden Stimmungen. Außerhalb Englands war sie unbekannt. Am ehesten entspricht ihr die deutsche ''Bastardviole''. Sie ist kleiner als die Division viol, ihre Korpusgröße tendiert zur Altlage. Der Steg ist für ein einfacheres Akkordspiels deutlich abgeflacht und die Besaitung weniger stark.<ref name="MGG1583"/> Die Verwandtschaft zur Laute tritt unter den Gamben bei der Lyra viol am stärksten hervor. Seit Beginn des 17.&nbsp;Jahrhunderts wurde sie mit einem Chor von Resonanzsaiten aus Metall gebaut, die auf einem schräg angeleimten Steg in einen verlängerten Wirbelkasten verliefen. Die sympathetischen Saiten kamen bis spätestens 1650 wieder aus der Mode und erschienen erst später wieder beim [[Baryton]] und bei der [[Viola d’amore]]. Das Repertoire von Laute und Lyra viol überschnitt sich. In einer ersten Phase zwischen 1600 und 1645 war die Lyra viol mit einem Tonumfang von dreieinhalb [[Oktave]]n ein [[Polyphonie|polyphon]] verwendetes Instrument, das im Consort in ein- bis dreifacher Besetzung erschien. Als sich nach dem [[Englischer Bürgerkrieg|Bürgerkrieg]] die englische Kultur neu orientierte, entwickelte sich die Lyra viol zu einem eleganten Soloinstrument und schließlich bis zum 18.&nbsp;Jahrhundert zu einem [[Dilettant]]eninstrument mit vereinfachten Saitenstimmungen, z.&nbsp;B. mit den ''Harp ways'' genannten [[Dur]]-/[[Moll]]-[[Dreiklang]]sbrechungen.<ref>MGG-S Bd. 9, Sp. 1584.</ref> Damit war sie bis auf den Steg von der Viola bastarda nicht mehr zu unterscheiden. Die zahlreichen unterschiedlichen Stimmungen, wegen derer die Literatur eher in Tabulatur als in Notenschrift aufgezeichnet wurde, erforderten für einzelne Kompositionen, die Saiten auszuwechseln.<ref>Otterstedt, S. 127.</ref> ==== Andere Resonanzsaiteninstrumente ==== [[Datei:Aagrovebaryton.jpg|miniatur|hochkant=0.75|Baryton. Abbildung aus dem ''[[Grove Dictionary of Music and Musicians]]'' (1878 ff.)]] Das [[Baryton]] war vermutlich eine süddeutsche Weiterentwicklung des alten Lyra-viol-Typs im 17.&nbsp;Jahrhundert. Neben sechs Haupt- und einem einfachen oder doppelten Satz an Resonanzsaiten an der Bass-Seite der Decke besaß es einen dritten Chor, der innerhalb des Halses verlief. Wollte man diese Saiten mit der Griffhand [[Pizzicato#Linkehand-Pizzicato|anzupfen]], so öffnete man eine Klappe an der Rückseite des stark verbreiterten und mit Streben verstärkten Halses. Der breite Hals verlieh dem Instrument ein leicht plumpes Aussehen, umso mehr Intarsien und Schnitzarbeit dienten seiner Verschönerung.<ref name="AO128">Otterstedt, S. 128.</ref> Dies Aussehen, sein sanfter und wegen vieler Obertöne silbriger Klang sowie die außerordentlich nuancierten Tonerzeugungsarten machten das Baryton im 18.&nbsp;Jahrhundert in der [[Empfindsamkeit|empfindsamen]] Gesellschaft beliebt, bis hin zum [[Nikolaus I. Joseph Fürst Esterházy|Fürsten Esterházy]], für den [[Joseph Haydn]] insgesamt 126 [[Trio (Musik)|Trios]] komponierte. Die hochgradig komplizierte Spielweise schränkte seine Verbreitung allerdings wieder ein.<ref name="MGG1585">MGG-S Bd. 9, Sp. 1585.</ref> Während der Zeit der Resonanzsaiten-Mode begann man, auch andere Gamben mit solchen Bezügen zu versehen. [[Diderot]]s und [[d’Alembert]]s '' [[Encyclopédie ou Dictionnaire raisonné des sciences, des arts et des métiers|Encyclopédie]]'' (1751–1772) bezeichnete die Form irrtümlich als ''Viole bâtarde,''<ref>Denis Diderot/Jean le Rond d’Alembert: ''Encyclopédie ou Dictionnaire raisonné des sciences, des arts et des métiers''. Paris 1751–1772. Bd. 17, S. 311.</ref> da Paetorius’ ''De Organographia'' die Resonanzsaiten im Abschnitt ''Violbastarda'' abgehandelt hatte.<ref name="MP47">Praetorius, S. 47.</ref> Als ''Gamba d’amore'' in Italien oder ''Basse de viole d’amour'' in Frankreich<ref name="AO129">Otterstedt, S. 129.</ref> unterschied sie sich von normalen Bauformen lediglich durch ihre sechs bis acht Resonanzsaiten und geriet am Ausgang des 18.&nbsp;Jahrhundert wieder in Vergessenheit.<ref name="AO128"/> Zu den Aliquotgamben zählen schließlich die in Italien verbreiteten sechssaitigen ''viole'' bzw. ''violoncelli all’inglese''. Über sie ist wenig bekannt, abgesehen von einigen Kompositionen, die [[Antonio Vivaldi]] für sie hinterließ. Offenbar bezog sich der Beiname nicht auf England, sondern war eine Entlehnung von ''Englische Violet''. Diese Instrumente stammten aus [[Böhmen]] und hatten einen „engelhaften“ Klang, der bei der Rückübersetzung ins Italienische zur falschen Bezeichnung führte.<ref name="AO129"/> ==== Die siebensaitige Bassviola ==== [[Datei:Cello&viol.jpg|miniatur|220px|links|Rechts: siebensaitige Viola da gamba im Bassregister (Paris, Musée de la Musique), links daneben zum Vergleich ein Barock-Cello]] Die Erfindung der Bassviola mit einer zusätzlichen von Silberdraht umsponnenen Saite in Kontra-A wird allgemein [[Monsieur de Sainte-Colombe]] zugeschrieben. Instrumente dieser Art wurden jedoch nicht nur zeitgleich in Deutschland bekannt, sie waren bereits viel früher auf italienischen Gemälden zu sehen, z.&nbsp;B. auf [[Jacopo Tintoretto]]s ''Musizierenden Frauen'' (ca. 1555) oder [[Domenichino]]s ''Santa Cecilia'' (1618).<ref name="MGG1585"/> Dazu kam das Antiken-Interesse der italienischen Humanisten. Sie hatten die griechische [[Lyra (Zupfinstrument)|Lyra]] als Streichinstrument interpretiert und versucht, sie in der [[Lira da Braccio|Lira da braccio]] nachzubilden.<ref>Otterstedt, S. 130.</ref> Die deutschen Typen unterschieden sich von den französischen. Es ist daher anzunehmen, dass die Entwicklung parallel vor sich gegangen ist. In Frankreich bildete sich dieser Typ erst vollkommen aus. [[Antonio Stradivari]]s Konstruktionspläne einer siebensaitigen ''Viola alla francese'' zeigen, dass sie auch in Italien als französische Spezialität galt.<ref name="MGG1585"/> Die Erweiterung um eine tiefere statt einer höheren Saite, mit der die Spieler den Lagenwechsel hätten vermeiden können, folgte einem Trend um 1600. Die Musik hatte das Bassregister entdeckt.<ref name="AO129"/> Die Verschiebung weiter in die Bassregion hinein ließ das mittlere und hohe Register weicher erscheinen. Die Kontra-A-Saite verstärkte die Resonanz. Das Instrument bot mehr Möglichkeiten zum Akkordspiel.<ref>Otterstedt, S. 131.</ref> ==== Die Alt- und Tenorviola ==== [[Datei: Karl Friedrich Abel by Thomas Gainsborough.jpg|miniatur|Bildnis des Komponisten [[Carl Friedrich Abel]] mit einer Bassgambe. Gemälde von [[Thomas Gainsborough]] (1765)]] Für das Alt- und das Tenorregister existierte in der Renaissance nur ein einziges Instrument, das man gemeinhin als Tenor oder ''Taille'' (frz. „Mitte“) bezeichnete. Die Registertrennung geschah erst später. Der ''Chest of viols'' (engl. „ein Satz Gamben“) eines englischen Hauses im 17.&nbsp;Jahrhundert umfasste sechs Instrumente, je zwei für den Diskant, den Tenor und den Bass. Hin und wieder tauschte man eine Tenor- gegen eine Altviola aus, jedoch nicht aus Gründen des Tonumfangs, sondern zur Klangdifferenzierung im oberen Mittelregister.<ref>Dolmetsch, S. 79.</ref> Diese Alt-Tenor-Viola, die meist eine Quarte über dem Bass stand (die Herkunft andere Instrumente im Quintabstand ist nicht zu klären, da man spätere Umbauten am Korpus nicht ausschließen kann),<ref name="MGG1586">MGG-S Bd. 9, Sp. 1586.</ref> war im Consortspiel des 16. und 17.&nbsp;Jahrhunderts unverzichtbar. Sie wurden nach dem Vorbild der Laute gestimmt. Ihre Aufgabe war es, die Außenstimmen im Ensemblespiel zusammenzuhalten. Deshalb ist so gut wie keine Sololiteratur für die Tenorgambe vorhanden.<ref name="AO132">Otterstedt, S. 132.</ref> Der Bau von Altviolen setzte sich in Deutschland bis ins frühe 18.&nbsp;Jahrhundert fort. Danach fiel das Instrument unter der Bezeichnung ''Violetta'' mit der [[Bratsche]] zusammen, weil die Außenstimmen im musikalischen Satz zusehends mehr Gewicht bekamen. Ob man die Altviola weiterhin verwendete, lässt sich nur bei wenigen Kompositionen z.&nbsp;B. von [[Carolus Hacquart]] eindeutig klären.<ref name="MGG1586"/> [[Notenschlüssel]] in [[Partitur|Orchesterpartituren]] bis zur Jahrhundertmitte lassen es wenigstens vermuten und stützen auch die Annahme, sie sei ein Ensembleinstrument geblieben.<ref name="AO132"/> ==== Die Diskantviolen ==== [[Datei:Viola da gamba Diskant.png|miniatur|links|hochkant=0.75|Diskantviola nach Praetorius’ ''Syntagma musicum'']] Die sechssaitige Diskantviola ist eine Oktave über der Bassviola gestimmt. Sie gehörte von der Mitte des 16. bis zum Ende des 17.&nbsp;Jahrhunderts fest zur Consort-Besetzung. Wegen ihres im Verhältnis schwachen Klangs konnte sie sich jedoch nicht durchsetzen und wurde in gemischten Besetzungen deshalb als Alla-bastarda-Instrument behandelt, d.&nbsp;h. je nach Belieben durch Altviola oder Barockvioline ersetzt.<ref name="MGG1586"/> Ihr Spiel war eher figurativ-solistisch als akkordisch. Die englische ''Treble viol'' stand seit dem zweiten Drittel des 17.&nbsp;Jahrhunderts in starker Konkurrenz zur Violine. Nur wenige Jahrzehnte später hatte sie sich als Soloinstrument mit eigener virtuoser Literatur etabliert, besonders als französischer ''Dessus de viole'' (frz. Sopranviola, wörtlich „über der Viola“). Dieser klang zwar weniger brillant als die zeitgenössischen Violinen, besaß aber einen sanften und modulationsfähigen Ton. Ähnlich wie bei der siebensaitigen Bassgambe diente die tiefste Saite vor allem zur Resonanzstärkung.<ref name="MGG1587">MGG-S Bd. 9, Sp. 1587.</ref><ref>Otterstedt, S. 134.</ref> Darum wurde der Dessus neben der Violine bis ins 18.&nbsp;Jahrhundert hinein geschätzt und mit Originalliteratur wie [[Georg Philipp Telemann]]s ''Sonate G-Dur'' (TWV 41:G 6) oder Solosonaten von [[Carl Philipp Emanuel Bach]] bedacht.<ref>Otterstedt, S. 133.</ref> Gegen 1700 ergänzte den Dessus der ''Pardessus de viole'' (frz. „noch darüber [über dem Dessus]“). Er war eine noch kleinere Viola mit fünf bis sechs Saiten, eine davon zusätzlich in der Höhe. Sein Korpus passte sich durch ausgezogene Ecken an der Mittelzarge an die Violinenform an. Beim fünfsaitigen Pardessus, dem ''Quinton,'' traten vereinzelt schon die gewölbten Böden und der Deckenüberstand der modernen Violine auf. Die charakteristischen flachen Oberbügel blieben allerdings zu jeder Zeit erhalten. Der Unterschied zwischen Pardessus und Quinton schlug sich eher in der Literatur für die Instrumente nieder<ref name="MGG1587"/>, da man Letzteren nicht in Quart-Terz-, sondern in Quart-Quint-Stimmung besaitete.<ref>Otterstedt, S. 135.</ref> Der Quinton war eine Hybridform zwischen Viola da gamba und Violine. Er blieb stets ein reines Soloinstrument, das nie in den Consort Eingang fand. Sein in der Höhe heller und süßer Klang, der bis zum d’’’ weich bleibt, wird in Tiefe durch das Fehlen einer Saite gemindert und erscheint dort dünn und substanzlos.<ref>Otterstedt, S. 136.</ref> ==== Der Violone ==== [[Datei:Violone.png|miniatur|hochkant=0.75|Violone nach Praetorius’ ''Syntagma musicum'']] Der [[Violone]] ist als Brückeninstrument zum Kontrabass bekannt. Allerdings ist diese Bauform ähnlich schwierig zu klassifizieren wie die Viola bastarda. Die Bezeichnung ''violone'' (ital. „große Viola“) war seit dem 16.&nbsp;Jahrhundert für mehrere Gambentypen in Gebrauch, auch für Instrumente oberhalb des Bassregisters. Lediglich eine Nennung als ''Contrabasso di viola'' deutete auf eine Bassgambe hin. Streng genommen zählt der Violone nicht zu den Gambenviolen, da er wegen seiner Größe als 16’-Instrument zum Spielen auf dem Boden steht. Eigenheiten wie die Korpusform mit geschweiften Mittelbügeln lassen ihn auch eher als Violineninstrument erkennen. Neben den abfallenden Schultern gibt allerdings die Quartstimmung den Ausschlag für die Zugehörigkeit zu den Gamben. Beides setzt sich im Kontrabass fort. Der Unterschied zwischen Bassviola und Violone hängt mit der musikalischen Funktion beider Instrumente zusammen. Im [[Generalbass]] ist ein Kontrabassinstrument überhaupt erst gegen 1630 als tiefste Stimme belegt. Die Darstellung in Praetorius’ ''Syntagma musicum'' scheint für ihr Register eher zu klein dimensioniert. Als sich die übrigen Viola-da-gamba-Instrumente seit Mitte des 16.&nbsp;Jahrhunderts kontinuierlich verkleinerten, entstand aus der Renaissance-Bassgambe ein 12’-Violone, während sich der Contrabasso di viola zum 16’-Instrument entwickelte.<ref>Otterstedt, S. 139.</ref> === Stimmungen === Der charakteristische Unterschied der Violen zu den Violinen besteht in ihrer Saitenstimmung, deren Leitintervall nicht die Quinte ist, sondern die Quarte. Eine Stimmung ausschließlich in Quarten, wie sie heute noch beim Kontrabass in Gebrauch ist, zeigte sich bei den Instrumenten der französischen [[Renaissance]]. Die deutschen Gamben dieser Epoche fügten einen Terzabstand ein, dessen Lage jedoch wechselte. Diese Saitenstimmung übernahmen die deutschen Musiker von den italienischen, die die Stimmpraxis der Laute auf die Violen übertrugen. Zum einen stand die vierte der sechs Saiten – auch die Saitenzahl passte sich der Laute an – im Abstand einer großen Terz, zum anderen bevorzugten die Italiener eine möglichst hohe Stimmung und spannten den höchsten Chor darum so stark wie möglich. [[Martin Agricola]]s ''[[Musica instrumentalis deudsch]]'' (1529) empfahl gar, die höchste Saite bis knapp vor den Zerreißpunkt zu spannen. Zum anderen wurde eine Stimmung der tiefsten Saite auf D üblich, wie sie dann auch später bei den vielchörigen Barocklauten Praxis sein sollte.<ref name="MGG1587">MGG-S Bd. 9, Sp. 1587.</ref> Die Quartstimmung wurde in der Folgezeit zum Standard, so dass auch die zusätzlichen Saiten des französischen Pardessus und die siebensaitigen Violen jeweils im Quartabstand zu der nächstunteren standen. Die Stimmungen der deutschen [[Viola Bastarda|Viola bastarda]], der englischen Lyra viol und des [[Baryton]]s waren nicht festgelegt. Sie glichen sich jeweils der [[Tonart]] des zu spielenden Stücks an. Ohnehin sind die in historischen Werken angegebenen Stimmungen nicht als absolute Vorschrift zu betrachten, sondern immer nur als relative Modelle. Sie beziehen sich einerseits auf die höchste Saite als Referenzton (welche wiederum von der Bauart, dem individuellen Instrument sowie dessen Besaitung abhängt und darum erheblich schwanken kann); andererseits ist im Ensemblespiel ein gemeinsamer Stimmton notwendig. Wird also die höchste Saite einer Lyra viol als d’ angegeben, so ist dies nicht als Stimmton im heutigen Sinne zu verstehen.<ref name="MGG1587"/> Die Entwicklung zu einem festen Kammerton vollzogen erst die englischen Instrumente um 1620, die mit den Violinen und den seinerzeit gebräuchlichen Tasteninstrumenten wie [[Virginal]] und [[Spinett]] zusammen eingestimmt werden konnten, wie man es bis in die Gegenwart in der [[Kammermusik|Kammer]]- und [[Orchester]]musik praktiziert. Damit nahm für die Spieler die Notwendigkeit der Transposition ab und die Gambe bekam im Ensemble eine „feste“ Stimmung.<ref name="MGG1580">MGG-S Bd. 9, Sp. 1580.</ref> Als Standard kann die von Ganassi in der ''Regola Rubertina'' (1542) angegebene Stimmung gelten.<ref name="ND24"/> Die solistischen Stimmungen weichen zum Teil erheblich von den Ensemblestimmungen ab. Hauptsächlich die englische Lyra viol und der deutsche Dessus de viole wandelten sich durch ihre Stimmungen vom Akkord- zum Melodieinstrument, namentlich in den Werken der Sololiteratur ab dem 18.&nbsp;Jahrhundert, die eine charakteristische Klangfarbe erforderten.<ref name="AE37">Einstein, S. 37.</ref> Ensemblestimmungen der Viola da gamba:<ref name="MGG1589">MGG-S Bd. 9, Sp. 1589.</ref> {| class="prettytable" |- bgcolor='#F0FFF0' !Deutsch<br/>16.&nbsp;Jahrhundert !Französisch<br/>16.&nbsp;Jahrhundert !Italienisch<br/>16.&nbsp;Jahrhundert !Englisch<br/>17.&nbsp;Jahrhundert !Französisch<br/>17.&nbsp;Jahrhundert |- valign="top" | '''Jörg Weltzell (1523)''' | '''Philibert Jambe de Fer (1556)''' | '''John Playford (1652)''' | '''Gianmaria Lanfranco (1533)''' | '''Marin Mersenne (1636)''' |- valign="top" | Diskant<br/>[[Datei:VdG Stimmung Ens 01.jpg|150px]]<br/>[[Datei:VdG Stimmung Ens 02.jpg|150px]]<br/> Alt/Tenor<br/>[[Datei:VdG Stimmung Ens 03.jpg|150px]]<br/>[[Datei:VdG Stimmung Ens 04.jpg|150px]]<br/> Bass<br/>[[Datei:VdG Stimmung Ens 05.jpg|150px]]<br/>[[Datei:VdG Stimmung Ens 03.jpg|150px]] | Diskant<br/>[[Datei:VdG Stimmung Ens 06.jpg|150px]]<br/> Alt/Tenor<br/>[[Datei:VdG Stimmung Ens 07.jpg|150px]]<br/> Bass<br/>[[Datei:VdG Stimmung Ens 08.jpg|150px]] | Diskant<br/>[[Datei:VdG Stimmung Ens 09.jpg|150px]]<br/> Alt/Tenor<br/>[[Datei:VdG Stimmung Ens 10.jpg|150px]]<br/> Bass<br/>[[Datei:VdG Stimmung Ens 11.jpg|150px]]<br/>[[Datei:VdG Stimmung Ens 12.jpg|150px]] | Diskant<br/>[[Datei:VdG Stimmung Ens 09.jpg|150px]]<br/> Alt/Tenor<br/>[[Datei:VdG Stimmung Ens 13.jpg|150px]]<br/> Bass<br/>[[Datei:VdG Stimmung Ens 11.jpg|150px]] | Diskant<br/>[[Datei:VdG Stimmung Ens 09.jpg|150px]]<br/> Alt/Tenor<br/>[[Datei:VdG Stimmung Ens 10.jpg|150px]]<br/> Bass<br/>[[Datei:VdG Stimmung Ens 11.jpg|150px]] |- valign="top" | '''Martin Agricola (1528)''' | '''Samuel Mareschall (1589)''' | '''Adriano Banchieri (1609) und Pedro Cerone (1613)''' | '''Thomas Mace (1676)''' | '''Jean Rousseau (1687)''' |- valign="top" | Diskant<br/>[[Datei:VdG Stimmung Ens 14.jpg|150px]]<br/> Alt/Tenor<br/>[[Datei:VdG Stimmung Ens 04.jpg|150px]]<br/> Bass<br/>[[Datei:VdG Stimmung Ens 15.jpg|150px]] | Diskant<br/>[[Datei:VdG Stimmung Ens 16.jpg|150px]]<br/> Alt/Tenor<br/>[[Datei:VdG Stimmung Ens 07.jpg|150px]]<br/> Bass<br/>[[Datei:VdG Stimmung Ens 08.jpg|150px]] | Diskant<br/>[[Datei:VdG Stimmung Ens 13.jpg|150px]]<br/> Alt/Tenor<br/>[[Datei:VdG Stimmung Ens 11.jpg|150px]]<br/> Bass<br/>[[Datei:VdG Stimmung Ens 17.jpg|150px]] | Diskant<br/>[[Datei:VdG Stimmung Ens 09.jpg|150px]]<br/> Alt/Tenor<br/>[[Datei:VdG Stimmung Ens 13.jpg|150px]]<br/> Bass<br/>[[Datei:VdG Stimmung Ens 11.jpg|150px]] | Diskant<br/>[[Datei:VdG Stimmung Ens 09.jpg|150px]]<br/> Alt<br/>[[Datei:VdG Stimmung Ens 18.jpg|150px]]<br/> Tenor<br/>[[Datei:VdG Stimmung Ens 13.jpg|150px]]<br/> Bass<br/>[[Datei:VdG Stimmung Ens 11.jpg|150px]] |- valign="top" | '''Hans Gerle (1532)'''<br/> | rowspan="2" | &nbsp; | '''Scipione Cerreto (1601)''' | '''James Talbot (vor 1700)''' | rowspan="2" | &nbsp; |- valign="top" | Diskant<br/>[[Datei:VdG Stimmung Ens 01.jpg|150px]]<br/> Alt/Tenor<br/>[[Datei:VdG Stimmung Ens 03.jpg|150px]]<br/> Bass<br/>[[Datei:VdG Stimmung Ens 05.jpg|150px]] | Diskant<br/>[[Datei:VdG Stimmung Ens 09.jpg|150px]]<br/> Alt/Tenor<br/>[[Datei:VdG Stimmung Ens 10.jpg|150px]]<br/> Bass<br/>[[Datei:VdG Stimmung Ens 11.jpg|150px]] | Diskant<br/>[[Datei:VdG Stimmung Ens 09.jpg|150px]]<br/> Alt/Tenor<br/>[[Datei:VdG Stimmung Ens 10.jpg|150px]]<br/> Bass<br/>[[Datei:VdG Stimmung Ens 11.jpg|150px]] |- valign="top" | '''Martin Agricola (1545)''' | rowspan="2" | &nbsp; | '''Ludovico Zacconi (1592), Michael Praetorius (1619)''' | rowspan="2" | &nbsp; | rowspan="2" | &nbsp; |- valign="top" | Diskant<br/>[[Datei:VdG Stimmung Ens 19.jpg|150px]]<br/> Alt/Tenor<br/>[[Datei:VdG Stimmung Ens 20.jpg|150px]]<br/> Bass<br/>[[Datei:VdG Stimmung Ens 05.jpg|150px]] | Diskant<br/>[[Datei:VdG Stimmung Ens 10.jpg|150px]]<br/> Alt/Tenor<br/>[[Datei:VdG Stimmung Ens 11.jpg|150px]]<br/> Bass<br/>[[Datei:VdG Stimmung Ens 17.jpg|150px]] |} Solistische Stimmungen einzelner Instrumententypen:<ref name="MGG1589"/><ref name="AE37"/> {| class="prettytable" |- bgcolor='#F0FFF0' !Viola bastarda<br/>Praetorius (1619) !Lyra viol und<br/>Viola bastarda !Baryton |- valign="top" | [[Datei:VdG Stimmung Ens 10.jpg|150px]]<br/>[[Datei:VdG Stimmung Solo 01.jpg|150px]]<br/>[[Datei:VdG Stimmung Solo 02.jpg|150px]]<br/>[[Datei:VdG Stimmung Solo 03.jpg|150px]]<br/>[[Datei:VdG Stimmung Solo 04.jpg|150px]] | ''Lyra way''<br/>[[Datei:VdG Stimmung Solo 05.jpg|150px]]<br/> ''Fifths'' oder ''Alfonso way''<br/>[[Datei:VdG Stimmung Solo 01.jpg|150px]]<br/> ''Eights'' oder ''Alfonso his second way''<br/>[[Datei:VdG Stimmung Solo 02.jpg|150px]]<br/> ''Harp way sharp''<br/>[[Datei:VdG Stimmung Solo 13.jpg|150px]]<br/> ''Harp way flat''<br/>[[Datei:VdG Stimmung Solo 06.jpg|150px]]<br/> ''High harp way sharp''<br/>[[Datei:VdG Stimmung Solo 07.jpg|150px]]<br/> ''High harp way flat''<br/>[[Datei:VdG Stimmung Solo 08.jpg|150px]] | Krause<br/>[[Datei:VdG Stimmung Solo 09.jpg|150px]]<br/> Haydn<br />[[Datei:VdG Stimmung Solo 10.jpg|150px]] |- bgcolor='#F0FFF0' !Basse de viole !Dessus de viole !Pardessus de viole<br/>und Quinton |- valign="top" | [[Datei:VdG Stimmung Solo 10.jpg|150px]] | [[Datei:VdG Stimmung Ens 09.jpg|150px]] | [[Datei:VdG Stimmung Solo 11.jpg|150px]]<br/>[[Datei:VdG Stimmung Solo 12.jpg|150px]] |} == Spieltechnik == === Die Spielhaltung === [[Datei:Ars-Nova-Viola da gamba.jpg|miniatur|Die richtige Spielhaltung der Viola da gamba zeigt dieser Spieler an einem Bass-Instrument.]] Im Gegensatz zum Violoncello, das seit der ersten Hälfte des 19.&nbsp;Jahrhunderts auf einem Stachel stand, besaß die Viola da gamba keine Hilfsmittel. Die größeren Instrumente werden fest zwischen den Beinen eingeklemmt, wobei der Spieler jedoch nicht die Knie verwendet – was zu Verkrampfungen und chronischen Schmerzen führen könnte, wie es [[Le Sieur Danoville]] in ''L’Art de Toucher le Dessus et Basse de Violle'' (1687) beschreibt – sondern die Oberschenkelmuskulatur. Dies klärt einerseits, warum das Instrument ''da gamba'' heißt; andererseits zeigt es, dass das eingedeutschte Wort „Kniegeige“ im Grunde sachlich falsch ist. Für diese Spielhaltung muss der Sitz so hoch sein, dass beide Beine in den Kniegelenken rechtwinklig abknicken und die Oberschenkel waagerecht liegen. Die Gambe wird auf den Waden abgestützt und sitzt damit höher als das Violoncello; dadurch werden die Vibrationen der Unterzargen weniger gedämpft und der Klang entfaltet sich stärker. Darüber hinaus befindet sich der Spieler in einer günstigeren Stellung, um die Saiten unmittelbar über dem Steg anzustreichen. Schiebt der Spieler den linken Fuß etwas vor, so erhält er mehr Bogenfreiheit auf den hohen Saiten, namentlich bei einer Bassgambe. Der Hals wird zum Spiel gegen die linke Schulter zurückgeneigt, aber nicht angelehnt. Die Schräge gibt der Bogenhand mehr Raum. Ungeklärt ist, ob der Stand der Füße die Spielhaltung negativ beeinflusste. Eine Vielzahl der Porträts aus dem 17. und 18.&nbsp;Jahrhundert zeigen Spieler im typisch hochhackigen Schuhwerk ihrer Zeit, so dass sie ihre Sohlen nicht flach auf den Boden stellen konnten.<ref>Otterstedt, S. 176 ff.</ref> === Die linke Hand === Das Spiel der Viola da gamba stand bis ans Ende des 17.&nbsp;Jahrhunderts unter dem Einfluss der Lautenpraxis. Die Griffweise unterscheidet sich in zahlreichen Punkten von der Technik auf modernen Streichinstrumenten. Wesentlich für das Spiel sind die an ihrer Griffposition ausgehaltenen Töne – in der englischen Literatur als ''Holds,'' in der französischen als ''Tenues'' bezeichnet – die der Spieler erst dann wieder loslässt, wenn er den Finger für einen anderen Ton benötigt oder wenn die Fingerhaltung unbequem wird. Die Grifftechnik der Violen ist also generell auf ein mehrstimmig gespieltes Instrument ausgelegt. Mit den gehaltenen Griffen verbinden sich auch ökonomische und klangliche Aspekte. Einerseits trainieren sie den Spieler darauf, die Finger allgemein nicht zu weit anzuheben, so dass er sie leicht wieder auf das Griffbrett setzen kann. Andererseits verlängern sie die Ausschwingphase der Saite. Dazu kommt der ästhetische Eindruck des Gambenspiels, das nach Lehrwerken wie [[Thomas Mace]]s ''Musick’s Monument'' (1676) in ruhigen, sanften Bewegungen zu geschehen habe, einschließlich des durch die Tenues erforderlichen [[Fingersatz|Über- oder Untersetzens]].<ref>Otterstedt, S. 178.</ref> In Einzelfällen verlangt diese Technik eine weite Spreizung der Hand vom zweiten bis zum siebten Bund. [[Jean Baptiste Besard]]s ''Isagoge'' (1617) nennt dazu Methoden, die die Spannfähigkeit wohl üben, der Hand aber eher schaden: {{Zitat|Man findet ihrer vil/ welche ihre Finger bey inen selbst mit der Hand erziehen/ außspannen/ vnd erweitern. Andere erstrecken dieselbige an einer Taffel etc. Etliche schmirben ihre händ mit [[Weinsäure|Tartar Oli]]: So hab ich auch in Italia gesehen/ das ihrer etliche schwere/ vnd auß Bley gemachte Ring/ oder sunst Handschuch an die Finger gelegt haben.|Jean Baptiste Besard|''Isagoge in artem testudinariam''<ref>Jean Baptiste Besard: ''Isagoge in artem testudinariam''. S. 2.</ref>}} Wie in der Lautengrifftechnik veränderte sich auch die Position des linken Daumens. Da die Gambenliteratur z.&nbsp;B. im Werk des [[Monsieur Demachy]] und bei [[Marin Marais]] von der gestreckten Lage bei Doppelgriffen ausging, wanderte der Daumen allmählich von seiner Stellung gegenüber dem Zeigefinger zum Mittelfinger hin.<ref>Otterstedt, S. 179.</ref> [[Datei:Viola da gamba Griffhand.jpg|miniatur|links|Die Griffhand auf der Tenor- und Bassgambe wird mit abgewinkeltem Handgelenk gehalten, die Finger liegen unmittelbar hinter den Bünden, der Daumen hält dem Zeigefinger gegenüber den Hals des Instruments.]] Vermeidet die Streichertechnik auf modernen Instrumenten die leeren Saiten, da sie durch die dünnere [[Oberton]]struktur weniger farbig klingen (und da das [[Vibrato]], das sich als „normale“ Spieltechnik seit den 1920er-Jahren etablierte, nur durch das Abgreifen funktioniert), so werden sie bei der Viola da gamba bevorzugt. Bis zum Ende des 17.&nbsp;Jahrhunderts setzten die Spieler leere Saiten selbst bei Passagen ein, die dazu mehrfache Saitenwechsel erfordern. Englische und deutsche Tabulaturen sowie französische Fingersatzangaben verlangten dies ausdrücklich. Die gegriffenen Töne setzte die Spieltechnik nur bei [[Verzierung (Musik)|Verzierungen]] wie Vibrato oder [[Triller (Musik)|Trillern]] voraus oder benutzte sie für Einklangsdoppelgriffe, die entweder zur Verstärkung des Tons dienen oder, bei alternierend angestrichener leerer und gegriffener Saite, die Klangfarbe des Tons changieren lassen. Triller auf zwei Saiten sind zwar grundsätzlich möglich, aber selten spieltechnisch auch sinnvoll.<ref>Otterstedt, S. 180.</ref> Immerhin wurde die gegriffene Saite im Ensemblespiel als Mittel diskutiert, um verstimmte leere Saiten auszulassen, da sich die Tonhöhe durch den Griff korrigieren lässt.<ref name="AO181">Otterstedt, S. 181.</ref> Das [[Lage (Saiteninstrument)|Lagenspiel]] entwickelte sich regional uneinheitlich. In Italien entfaltete es sich im 16., in England während und in Deutschland erst zum Ende des 17.&nbsp;Jahrhunderts. Die höchsten notierten Töne in der italienischen Literatur sind f’’, g’’ und schließlich h’’ bei [[Richardo Rogniono]]. Sie sprechen für eine Ausweitung des allgemeinen [[Tonumfang]]s und für eine komplexer werdende Technik, da sie in figurativ gesetzten Solowerken erschienen. [[Alfonso Ferrabosco der Jüngere]] nutzte die englische Division viol bis zum f’’<ref name="AO181"/>, folgende Generationen bis zum a’’ bzw. bis zum 17.&nbsp;Halbton. Allgemein rückte das Rahmenintervall der Werke für die Lyra viol nach oben. Extreme Lagen blieben aber der Einzelfall. Im beginnenden 18.&nbsp;Jahrhundert markierte das Lagenspiel, das durch die geringere Griffweite auch Doppelgriffe und den mehrstimmigen Satz erleichterte, technisch und klanglich den Brückenschlag vom Lauten- zum Violoncellospiel; technisch durch das Spiel in bundlosen Regionen nahe am Steg, klanglich in der Angleichung an die hohen Instrumente und im Ausweiten des Timbres, z.&nbsp;B. durch hoch gesetzte Akkorde auf den tiefen Saiten.<ref name="AO182">Otterstedt, S. 182.</ref> Eine Besonderheit des 17.&nbsp;Jahrhunderts stellen Dessus und Pardessus de viole sowie die Oktavlage der Bassgambe dar. Abweichend von der üblichen Technik werden sie in [[Diatonik|diatonischen]] Schritten gegriffen. Der kleine Finger stützt dabei die Griffhand, indem er auf dem siebten Bund ruht. Danoville hat erstmals diesen Griffmodus beschrieben. Bei den Diskantinstrumenten ergibt sich die Veränderung aus der geringen Größe des Instruments, die eine chromatische Griffweise im solistischen Spiel kompliziert macht. Bei der Bassgambe ist sie eine logische Folge der doppelten Größe, so dass die Mensur eine [[Oktave (Musik)|Oktave]] über der leeren Saite genau dem Diskant entspricht.<ref name="AO182"/> === Die rechte Hand === Die Bogentechnik der Viola da gamba ist in der Renaissance kaum belegt. Die Strichrichtung muss eine untergeordnete Rolle gespielt haben. Allein Ganassis ''Lettione seconda'' zog eine Analogie zur Lautentechnik und setzte den Daumenschlag der rechten Hand mit dem Aufstrich gleich, d.&nbsp;h. mit der Bogenbewegung von der Spitze zum Frosch. Die Strichweise moderner Instrumente ist dem genau entgegengesetzt, hier ist der Abstrich der Hauptstrich. Der Unterschied erklärt sich, wenn man berücksichtigt, dass ein kraftvoller Strich, wie ihn der violinentypische Obergriff ergibt, nicht dem Stilideal der Zeit entsprach. Gerade der starke Akzent in der Nähe des Frosches galt als unerwünscht, Ortiz’ ''Tratado'' ermahnte dazu, ihn zu vermeiden. Mace wies an: {| | {{Zitat-en|Now being thus far ready for exercise attempt the striking of your Strings; but before you do that, Arm yourself with Preparative Resolutions to gain a Handsome-Sweet-Smart-Clear-Stroke; or else Play not at all: for your Viol be never so good, if you have an Unhandsom-Harsh-Rugged-Scratching-Scraping-Stroak, (as too many have) your Viol will seem Bad, and your Play Worse.|Thomas Mace|''Musick’s Monument''<ref>Thomas Mace: ''Musick’s Monument''. S. 248.</ref>}} | {{Zitat|''Nun, wenn du also so weit fertig zum Üben bist, versuche deine Saiten zu streichen; aber bevor du das tust, wappne dich zur Vorbereitung mit dem Vorsatz, einen angenehmen, sanften, glatten und klaren Strich zu erzeugen, sonst aber überhaupt nicht zu spielen, denn deine Gambe wird nie gut klingen. Mit einem unangenehmen, rauen, wilden, kratzenden und schabenden Strich (wie ihn zu viele haben) wird deine Gambe schlecht scheinen und dein Spiel noch schlechter.''|Übersetzung}} |} Der Spieler nutzt die ganze Länge des Bogens aus. Er führt ihn in einer geraden Linie rechtwinklig zu den Saiten, ohne mit der Spitze nach oben oder nach unten auszuweichen.<ref>Otterstedt, S. 183.</ref> Der gewünschte Strich erzeugt einen langen, vollen Klang. [[Dynamik (Musik)|Dynamische]] Unterschiede, besonders das An- und Abschwellen, das zur Tonerzeugung bis einschließlich des Barockzeitalters gehörte, bewerkstelligt der Spieler, indem er den Druck auf die Bogenstange anpasst. Dies war die einzige Möglichkeit, den Ton zu beleben, da das Vibrato nur als Verzierung verwendet wurde.<ref>Otterstedt, S. 184.</ref> [[Datei:Viola da Gamba Untergriffe.jpg|miniatur|Die Haltung des Bogens im Untergriff: Daumen und Zeigefinger halten den Bogen, der Zeigefinger drückt auf die Bogenstange, während der Mittelfinger die Bogenhaare spannt. Zu Beginn des Aufstrichs (oben) ist das Handgelenk abgewinkelt und „öffnet“ sich mit dem Abstrich (unten).]] Zum Halten umfassen Daumen und Zeigefinger die Bogenstange, der Zeigefinger liegt dabei mit den ersten beiden Gliedern auf der Stange. Der Mittelfinger schiebt sich zwischen Stange und Haare, um den Bezug zusätzlich zu spannen. Außerdem kann der Ringfinger den Mittelfinger stützen.<ref>Otterstedt, S. 185.</ref> Die Aufstrichbewegung wird zu drei Vierteln aus dem Schultergelenk bei angewinkeltem Handgelenk ausgeführt, danach vollendet das Handgelenk den Strich durch eine Streckbewegung. Umgekehrt beginnt der Abstrich aus der Schulter, das Handgelenk kehrt in seine „geschlossene“ Ausgangsposition zurück.<ref> Dolmetsch, S. 37.</ref> Einige Schulen empfahlen, den Bogen direkt am Frosch anzufassen, andere Lehrer wie Mace befürworteten zwei bis drei Zoll (5–8&nbsp;cm) Abstand. Die Position beeinflusst das Spiel. Ein Griff näher am Frosch lässt den ganzen Bogen durch mehr Gewicht an der Spitze schwerer auf den Saiten liegen. Hält man den Bogen dagegen weiter in der Stange, so wird er „leichter“ und begünstigt die Bewegungen beim Saitenwechsel.<ref name="AO187">Otterstedt, S. 187.</ref> Die Bogenhaltung erfordert einiges Geschick, denn das Zusammenwirken von Stangendruck und Druck auf Bogenhaare muss ausgewogen, das Handgelenk zugleich in einer lockeren Haltung und der Bewegungsapparat des Arms bis zur Schulter entspannt sein, um schnelle Passagen mit raschen Bogenstrichen leicht und flüssig auszuführen.<ref name="AO186">Otterstedt, S. 186.</ref> Besonders im Abstrich ist dies wichtig. Verändert der Obergriff vor allem die Lautstärke, da Fingerdruck und Armgewicht sich summieren, so lassen sich in der Untergriffhaltung die beiden Kräfte unabhängig voneinander zur Artikulation einsetzen.<ref>Otterstedt, S. 188.</ref> Die Haltung des Oberarms – gerade ausgestreckt oder mit der Bogenbewegung mitschwingend – wurde in den historischen Gambenschulen kontrovers diskutiert.<ref name="AO186"/> Ein ebenso umstrittenes Thema war der Abstand von Steg und Anstrichstelle. Während [[Christopher Simpson]]s ''The Division Viol'' (1665) für die Bassgambe zwei bis drei Zoll zuließ, gab Danoville drei [[Finger (Einheit)|Finger]] (ca. 5½&nbsp;cm) als Richtwert an. Insgesamt war die Entfernung viel kleiner als bei heutigen Instrumenten und die Toleranz für Abweichungen ebenso gering. Der Grund liegt in der Ansprache der Viola da gamba. Streichen am Steg erfordert mehr Bogendruck und erzeugt einen harten Ton, in der Nähe des Griffbretts klingt er dagegen mulmig und obertonarm. Der flache Bau von Steg und Griffbrett birgt nebenbei die Gefahr, bei zu starkem Bogendruck versehentlich mehrere Saiten anzustreichen. Allerdings nutzte man die ansonsten unerwünschten Klangfarbenänderungen auch zur Artikulation und [[Affektenlehre|Affektgestaltung]] im Solospiel aus.<ref name="AO187"/> Mehrstimmigkeit auf der Viola da gamba besteht aus [[Arpeggio]]spiel, das schon im 17.&nbsp;Jahrhundert bekannt war. [[Francesco Corbetta]] hatte 1656 die [[Gitarre]] nach Paris gebracht. [[Ludwig XIV.]] fand derartigen Gefallen an ihr, dass sie bald zum Modeinstrument avancierte. Die Schlagtechnik, die sich vom Zupfen der Laute grundlegend unterscheidet, machte das Instrument populär. Zwar existieren aus dem 17.&nbsp;Jahrhundert keine Darstellungen, die das Arpeggio als Grundtechnik des polyphonen Gambenspiels belegen, erst in der Vorrede zu seinen ''Pièces de clavecin en concert'' (1741) gab [[Jean-Philippe Rameau]] einen eindeutigen Hinweis zur Ausführung von Akkorden. Trotzdem ist es wahrscheinlich, dass das Arpeggiospiel zuvor besonders auf der Lyra viol gepflegt worden war, denn mehrstimmig gesetzte [[Kadenz (Harmonielehre)|Kadenzen]] von Simpson und [[Tobias Hume]] legen nahe, dass es nicht nur als Verzierung diente. Eine ähnliche Spielweise in der französischen Musik ist das von Marais verwendete ''En plein'' (frz. „in der Mitte“), d.&nbsp;h. das gleichzeitige Anstreichen dreier Saiten. Weil dazu ein stärkerer Bogendruck nötig ist, wird auch die Entfernung zum Steg vergrößert, um Nebengeräusche zu vermeiden. Zum Unterstützen der Spannung ist hier der Ringfinger neben dem Mittelfinger unbedingt erforderlich.<ref>Otterstedt, S. 190.</ref> [[Datei:Marais La Guitare.jpg|600px|Marin Marais: La Guitare. Pièces de violes III Nr. 107 (1711)]] <small>Ein Beispiel für das Arpeggiospiel ist Marais’ ''La Guitare'' aus den ''Pièces de violes'' III (1711). Notentext und Ausführungsmöglichkeit</small> Analog dazu entwickelte sich aus dem ''Style brisé'' (frz. „gebrochener Stil“) der französischen Lautentechnik in England eine Satzweise, auf zwei Saiten drei- und vierstimmig zu spielen, indem jeweils zwei Stimmen auf je einer Saite verschränkt werden: der Spieler springt ''cross and skipping'' (engl. „überkreuz und hüpfend“) mit dem Bogen zwischen den Saiten hin und her, so dass eine Scheinpolyphonie aus durchbrochenen Melodielinien entsteht. Die Bogenführung dazu erfordert einerseits Leichtigkeit, andererseits muss die Griffhand dafür sorgen, dass die Töne nicht zu rasch verklingen.<ref>Otterstedt, S. 191.</ref> [[Datei:Ferrabosco Almaine.jpg|600px|Alfonso Ferrabosco d.&nbsp;J.: Almaine 16. Lessons (1609)]] <small>Die durchbrochene Arbeit des ''Style brisé'' in Alfonso Ferraboscos des Jüngeren dreistimmiger ''Almaine 16'' aus den ''Lessons'' (1609)</small> == Geschichte und Repertoire == [[Datei:Martin Agricola Gamben.png|miniatur|links|Steglose Gamben in Martin Agricolas ''Musica instrumentalis deudsch'' (1529)]] Die Viola da gamba erschien am Ende des 15.&nbsp; Jahrhunderts in [[Italien]] und [[Grafschaft Flandern|Flandern]] als Ensembleinstrument mit fünf bzw. sechs Saiten. Ihre Spieltechnik war stark von der [[Laute]] geprägt, die Musik von den [[Zeitalter der Franko-Flamen|Frankoflamen]] und der [[Venezianische Schule|Venezianischen Schule]]. Ein besonderes Augenmerk erhielt das [[Diminution]]sspiel, d.&nbsp;h. die Ausschmückung melodischer Linien. Die Gambe wurde in [[Deutschland]] und [[Frankreich]] als Bassinstrument beliebt und als [[Generalbass]]instrument eingesetzt. Vor allem in [[England]] entwickelte sie sich unter italienischem Einfluss zum Soloinstrument. Hier entstanden im Laufe des 17.&nbsp; Jahrhunderts die ''Division viol'' und die ''Lyra viol,'' die sich zum mehrstimmigen Spiel eigneten. Dies war der Ausgangspunkt für die weitere Ausbildung der Spieltechnik in Frankreich. Während in Deutschland und England das Kulturleben auf Grund der Kriege stagnierte, blühte die Gambenmusik in Frankreich auf. Neue Arten wie die siebensaitige Bassgambe und zwei Typen von Diskantviolen wurden eingeführt. Die stilisierten Tanz- und [[Suite (Musik)|Suitensätze]] galten als stilistisches Vorbild für das Zeitalter des [[Absolutismus]] in ganz Europa bis ins 18.&nbsp;Jahrhundert. Dann schwand die Beliebtheit der Viola da gamba, da mit [[Violine]] und [[Violoncello]] zwei neue Instrumente an ihre Stelle traten. Bis an die Wende zum 20.&nbsp;Jahrhundert war die Gambe fast vergessen. Dann erwachte ein neues Interesse an der Instrumentenfamilie. Neben einer gründlichen musikhistorischen Erforschung entdeckte man im Zuge der [[Historische Aufführungspraxis|historischen Aufführungspraxis]] auch das Gambenspiel neu. In der Gegenwart ist die Viola da gamba wieder Bestandteil des Konzertlebens [[Alte Musik|Alter Musik]]. === Das 16.&nbsp;Jahrhundert === ==== Italien ==== Instrumente nach Art der Viola da gamba erschienen in Italien zum ersten Mal gegen Ende des 15.&nbsp;Jahrhunderts an den päpstlichen Höfen der [[Borgia]] in [[Ferrara]], [[Mantua]] und [[Urbino]]. Alle drei Häuser standen in engen politischen und kulturellen Beziehungen zu Spanien. Ein Brief des Bernardo Prospero, seinerzeit Kanzler der [[Este (Familie)|Este]] in Ferrara, schilderte 1493 die Neuheit im Klang eines spanischen Gambenensembles als ''più presto dolce che de multa arte'' (ital. „eher süß als kunstvoll“).<ref>Woodfield, S. 81.</ref> Akkordisches Spiel hatte es bereits auf der Fidel der [[Minnesang|Minnesänger]] gegeben, melodisches in gemischten Ensembles aus Blas- und Saiteninstrumenten. Neu daran für ein Streichinstrument war die Spielhaltung zwischen den Beinen. [[Datei:ViolguitarLGambara Ita1560.jpg|miniatur|rechts|[[Lattanzio Gambara]]: Ausschnitt aus einem Fresko (um 1560). Das Mittelregisterinstrument erinnert durch seinen vollständig ausgerundeten Zargenkranz noch stark an eine Vihuela.]] Das Gambenensemble war parallel zur [[Niederländische Polyphonie|niederländischen Polyphonie]] entstanden. Beide verband die Satzweise des homogenen Ensembleklangs mit gleichrangigen Partien, die nach dem Vorbild der menschlichen Stimme in [[Stimmlage|Register]] geordnet sind. Dabei zeichnete sich früh eine Tendenz zum Bassregister ab, d.&nbsp;h. zum Bau vergrößerter Instrumente für tiefe Frequenzbereiche. Das Violenensemble blieb über zwei Jahrhunderte im 12’-Register. Damit verfolgten die Musiker das Ziel, eigenständige instrumentale Klangkörper zu schaffen, die auch ohne die [[Gesang]]sstimme alle Tonlagen abzudecken vermochten.<ref>MGG-S Bd. 9, Sp. 1573.</ref> Das erste gemalte Zeugnis einer Viola da gamba findet sich auf einem Bild des [[Timoteo Viti]] (um 1500). [[Baldassare Castiglione]]s ''Libro del Cortigiano'' (1508–1516, veröffentlicht 1528) nennt bereits das Spiel eines [[Gambenconsort]]s nach Stimmführungsart der Niederländer.<ref>Otterstedt, S. 19.</ref> Komplette Sätze von sechs oder sieben Instrumente nach Art des ''Chest of viols'' waren bereits vorhanden.<ref>Woodfield, S. 182 ff.</ref> Das solistische Spiel war allerdings noch nicht bekannt. Nördlich und südlich der Alpen unterschieden sich die Viola-da-gamba-Typen. Im Nordraum bevorzugte man fünfsaitige Instrumente, im Südraum sechssaitige, die die Quartstimmung und die Spieltechnik von der Laute übernahmen. Der südländische Typ sollte sich schließlich als bestimmend erweisen.<ref name="MGG1574">MGG-S Bd. 9, Sp. 1574.</ref> Die Viola da gamba verbreitete sich in Italien in den [[Akademie#Frühe Neuzeit|Akademien]] und gebildeten Zirkeln. Man nannte sie nach der Vihuela zunächst einfach ''viola,'' dann wegen ihrer [[Bund (Saiteninstrument)|Bünde]] ''viola da tasti'' (ital. „mit Bünden“) oder zur Klarstellung der Streichtechnik ''viola de arco'' (ital. „mit Bogen“). Zur Unterscheidung von den kleinen Streichinstrumenten, die man beim Spielen auf dem Arm hielt, benutzte man auch ''viole grande'' und ''violoni'' (nicht zu verwechseln mit dem Violone), was schließlich zu Paradoxa wie ''soprano di viole grande'' oder ''soprano di violoni'' führte – die Bedeutung hatte sich so weit verselbstständigt, dass die Violen zum Gattungsbegriff geworden waren.<ref>Otterstedt, S. 20.</ref> In den Lexika und Musikschulen der Zeit, bei [[Hans Gerle]], [[Hans Judenkönig]] und [[Martin Agricola]], behandelte man sie als Verwandte der Laute, was sich in der Folgezeit auch in Spieltechnik und [[Tabulatur]]notation niederschlagen sollte.<ref>Otterstedt, S. 21.</ref> Die Instrumente verfügten mit zweieinhalb Oktaven über einen größeren Tonumfang als andere und erlaubten durch ihre anpassungsfähige Stimmung bereits [[Chromatik|chromatische]]<ref name="MGG1574"/> und [[Enharmonische Verwechslung|enharmonische]] Satzweisen, die die [[mitteltönige Stimmung]] nicht leisten konnte. Als neuartiges Ausdrucksmedium, das die menschlichen [[Affektenlehre|Affekte]] durch die Tongestaltung widerspiegelt, wurde die Viola da gamba von [[Nicolas Gombert]] und [[Adrian Willaert]], [[Philipp de Monte]] und [[Luca Marenzio]] eingesetzt und zum Teil (während eine variable Besetzung in dieser Zeit durchaus üblich war) sogar gefordert. Zu dieser Zeit begann die Praxis, Vokalwerke wie [[Madrigal (Musik)|Madrigale]] und [[Motette]]n als Instrumentalsätze umzuschreiben. Dies bildete die die Grundlage des Consort-Repertoires. Die Diskantinstrumente hatten vor 1580 noch keine große Bedeutung, Bass- und Tenorgamben dominierten die Besetzung. Für eine möglichst tiefe Tonlage wurde der Steg, so er beweglich verbaut war, manchmal nach unten gerückt.<ref>Otterstedt, S. 26.</ref> Das Instrumentalspiel wurde in dieser Zeit erstmals Gegenstand der Erörterungen und schließlich der Gambenschulen, die Praxis und Ästhetik festlegten. Die Technik entwickelte zunächst das Lagenspiel oberhalb der Bünde, die Praxis der Consorts das [[Diminution]]sspiel, wie es in [[Diego Ortiz]]’ ''[[Tratado de Glosas sobre cláusulas y Otros Géneros de Puntos en La Música de Violones|Tratado]]'' (1553) beschrieben ist: improvisierende Ausschmückungen der einzelnen Partie im Kontext der [[Kontrapunkt|kontrapunktischen]] Stimmführung. Durch [[Alfonso Ferrabosco der Ältere|Alfonso Ferrabosco den Älteren]] gelangte diese Spieltechnik nach England.<ref>Otterstedt, S. 27.</ref> [[Girolamo Dalla Casa]]s zweibändiges Grundlagenwerk ''II vero modo di diminuir con le tutte le sorte di stromenti'' (1584) prägte den Begriff ''Bastarda'' für die diminuierenden Stimmen. Praetorius beschrieb ihn in ''De Organographia'' folgendermaßen: {{Zitat|Weiß nicht/ Ob sie daher den Namen bekommen/ daß es gleichsam eine Bastard sey von allen Stimmen; Sintemal es an keine Stimme allein gebunden/ sondern ein guter Meister die Madrigalien, unnd was er sonst uff diesem Instrument musiciren wil/ vor sich nimpt/ und die Fugen und Harmony mit allem fleiß durch alle Stimmen durch vnd durch/ bald oben außm Cant, bald unten außm Baß/ bald in der mitten außm Tenor und Alt herausser suchet/ mit saltibus und diminutionibus zieret/ und also tractiret, daß man ziemlicher massen fast alle Stimmen eigendlich <!--sic--> in ihren Fugen und cadentien daraus vernemen kann.|Michael Praetorius|''De Organographia''<ref name="MP47"/>}} Daraus wird nicht klar, ob es sich um eine Instrumentenneuentwicklung handelte oder um eine Spielpraxis für alle Stimmen. Immerhin kann es auch ausdrücken, dass die Viola bastarda jeden Themeneinsatz in jeder Stimme mitspielte. Sie entwickelte sich am Ende des 16.&nbsp;Jahrhunderts zum Soloinstrument. Zu den ersten Virtuosen gehörte [[Francesco Rognioni]], der Sohn des Richardo Rogniono.<ref>Otterstedt, S. 28.</ref> [[Datei:Ortiz Recercada I.png|600px|Diego Ortiz: Recercada über „O felici occhi miei“]] <small>Der frühe mehrstimmige Stil in einer Madrigalbearbeitung von Diego Ortiz: Recercada über ''O felici occhi miei''</small> [[Image:Regola rubertina.jpg|miniatur|rechts|Titelbild der ''Regola Rubertina'']] Das Akkordspiel pflegten die Italiener höchstens zur Liedbegleitung im gemischten Ensemble. [[Juliano Tiburtino]] und [[Ludovico Lasagnino]] blieben die einzigen Meister, die [[Silvestro Ganassi]]s ''Lettione seconda'' für erwähnenswert hielt. Die Viola da gamba stand noch immer im Schatten der Laute, und während sie im Solospiel nach Rognionis Meinung zur „Königin aller diminuierenden Instrumente“ aufrückte, übernahmen [[Lira da Gamba|Lira da gamba]] und [[Lira da Braccio|Lira da braccio]] die akkordischen Aufgaben. Zwar beherrschten einige Musiker wie [[Alessandro Striggio der Ältere]] sowohl Liren als auch Violen, doch der Unterschied zwischen den Instrumenten scheint zeitgenössischen Beobachtern kaum aufgefallen zu sein.<ref name="AO29">Otterstedt, S. 29 f.</ref> ==== Deutschland ==== [[Datei:Viola da Gamba Isenheimer Altar.jpg|miniatur|links|Das Engelskonzert auf der zweiten Schauseite von [[Matthias Grünewald]]s [[Isenheimer Altar]] (ca. 1506–1515) ist eine der bekanntesten Darstellungen in der deutschen Renaissance-Malerei. Das Instrument entspricht ungefähr Agricolas Darstellung, die Spieltechnik des Engels jedoch ist eher symbolisch als wirklichkeitsgetreu.]] Die großen deutschen Lehrwerke des 16.&nbsp;Jahrhunderts, [[Sebastian Virdung]]s ''[[Musica getutscht und außgezogen]]'' (1511) und Agricolas ''[[Musica instrumentalis deudsch]]'' (1529), behandelten eher die in größerer Fülle vorhandenen [[Blasinstrument]]e. Die Darstellung der Streichinstrumente blieb mangelhaft – die Anzahl der Saiten, die Darstellung von Stegen, die Zuordnung zu Instrumentenfamilien, die Korpusumrisse waren selten korrekt – und beruhte darauf, dass die Autoren weniger praktische Kenntnisse als z.&nbsp;B. Ganassi erwerben konnten.<ref name="MGG1575">MGG-S Bd. 9, Sp. 1575.</ref> Die deutsche Musik beherrschten Blasinstrumente wie Zink und [[Posaune]], [[Schryari]], [[Schalmei]]en und [[Blockflöte]]n, daneben [[Orgel]] und [[Regal (Musikinstrument)|Regal]]. Gerles und Agricolas Werke verfolgten eher einen pädagogischen als einen künstlerisch-philosophischen Anspruch, denn sie wollten die Streichinstrumente erst ins deutsche Musikleben einführen, das sich in der [[Reformation]]szeit gründlich von der italienischen Renaissance unterschied.<ref>Otterstedt, S. 31.</ref> Erst gegen Ende des Jahrhunderts änderte sich die Lage. 1571 erwarb ein Händler im Auftrag der [[Fugger]] einen ''Chest of viols,'' sechs „grosse welsche geigen“ aus Londoner Herstellung für den Hof in [[München]]. Die Viola da gamba hielt auch in die deutsche Musiklandschaft Einzug. [[Datei:Orlando de Lassus2.jpg|miniatur|rechts|[[Hans Mielich]]: Die Hofkapelle zu München (16.&nbsp;Jahrhundert). Das Ensemble nahm die Orchestertechnik auf, die Orlando di Lasso in Italien kennen gelernt hatte.]] Seit 1562 wirkte [[Orlando di Lasso]] als Hofkapellmeister in München. Er hatte das italienische Musikleben in seiner Studienzeit selbst erlebt. Als ein „Fundamentalinstrument“ integrierte er die Viola da gamba in die Münchener Hofkapelle, die später zum Besetzungsvorbild für die generalbassorientierten Ensembles wurde. Davon profitierte die Diminutionspraxis unmittelbar und mittelbar auch die Satzweise der [[Venezianische Mehrchörigkeit|Mehrchörigkeit]]. Die Viola da gamba war zum Element der musikalischen Erneuerung geworden und hatte gleichzeitig eine tragende Funktion im Ensemblespiel übernommen.<ref>Otterstedt, S. 32.</ref> Die deutschen Gamben waren meist fünfsaitig und unterschieden sich von den italienischen Vorbildern im Bau, der weniger unter dem Einfluss der [[Laute]]n stand. Ihre Stimmungen eigneten sich besonders zum Ensemblespiel. Diminutionen wurden zur Ausschmückung von [[Klausel (Schlusswendung)|Klauseln]] empfohlen. Das virtuose Solospiel stand noch am Anfang. Die Literatur umfasste wie in Italien vorwiegend [[Vokalmusik|vokale Formen]] wie Lied- und Motettensätze. Anders als in der italienischen Musik forderte die Besetzung nie ausdrücklich Gambenstimmen. Auch die Tanzsatzfolgen, die parallel zu den französischen [[Partita|Partiten]] erschienen, berücksichtigten sie nicht. Dies war eine Folge der deutschen Bläsertradition.<ref name="MGG1575"/> ==== Frankreich ==== Die ersten französischen Gamben, die [[Philibert Jambe de Fer]]s ''Epitome musical'' (1556) beschrieb, waren eher mit den deutschen als mit den italienischen verwandt. Zunächst wies die Korpusform Eigenschaften des Violintypus auf. Dazu waren sie durchgängig in [[Quarte]]n gestimmt ohne die lautentypische [[Terz (Musik)|Terz]] in der Mitte. Außerdem betonte Jambe de Fer den hohen gesellschaftlichen Status des Gambenspiels.<ref name="MGG1575"/> Den Ton der Violine beschrieb er als ''plus rude'' (frz. „sehr rau“), sie sei ein [[Spielmann (Musiker)|Spielmannsinstrument]], kein Instrument der Vornehmen.<ref>Otterstedt, S. 22.</ref> Die zeitgenössischen [[Handlungsbuch|Handlungsbücher]] wiesen italienische, deutsche und flämische Namen von Musikern aus. Sie hatten ihre süd- bzw. nordalpinen Instrumententypen mit ins Land geführt. Besonderes Ansehen scheinen die Musiker aus den Nordalpenländern genossen zu haben. Sie dienten zur Präsentation vor ausländischen Staatsgästen. Im Gegensatz zur italienischen [[Kammermusik]] der akademischen Zirkel orientierte sich das französische Musikleben eher an festlicher Prachtentfaltung. Consorts in der typischen Sechserbesetzung spielten bei öffentlichen Anlässen auf, bei Theateraufführungen, sogar unter freiem Himmel. Die Bildwerke des 16.&nbsp;Jahrhunderts weisen darauf hin, dass sich die Basslastigkeit in Frankreich fortsetzte. Übermannshohe ''basse-contre''-Instrumente wurden gebaut, größer als der [[Violone]].<ref name="MGG1575"/> Obwohl der italienische sechssaitige Viola-da-gamba-Typ bereits in der zweiten Jahrhunderthälfte eingeführt und von [[Jacques Mauduit]] gefördert worden war, überwog das fünfsaitige Instrument noch bis in die Mitte des 17.&nbsp; Jahrhunderts und war das bevorzugte Schulinstrument.<ref name="MGG1575"/> Das Repertoire umfasste [[Chanson (Alte Musik)|Chanson]]- und Motettenbearbeitungen, Tänze als Vorformen der französischen [[Suite (Musik)|Suite]] und [[Fantasie (Kompositionsform)|Fantasien]]. Die Kompositionen von [[Claude Gervaise]], [[Eustache du Caurroy]], [[Estienne du Tertre]], [[Jacques Moderne]] und [[Claude Le Jeune]] sind oft noch rein [[Homophonie (Musik)|homophon]] und wenig kunstvoll ausgearbeitet.<ref>Otterstedt, S. 24.</ref> ==== England ==== Während die deutsche Musik den Bläsern einen höheren Rang einräumte, entwickelten die Engländer seit dem [[Spätmittelalter]] ein besonderes Interesse an Saiteninstrumenten. Um das Jahr 1547 zählte das Inventar [[Heinrich VIII. (England)|Heinrichs VIII.]] 54 Violen und Lauten.<ref name="AO34">Otterstedt, S. 34.</ref> Bis zur Zeit [[Elisabeth I. (England)|Elisabeths I.]] reifte das Consortwesen zur vollen Blüte.<ref>Dolmetsch, S. 78.</ref> Das Gambenspiel breitete sich in England bis 1540 aus. ''King’s Musick,'' die Hofkapelle der Könige, stand internationalen Musikern offen. Seit der Mitte des 16.&nbsp;Jahrhunderts ließen sich zahlreiche Italiener in [[London]] nieder, speziell ehemals jüdische [[Converso|Konvertiten]] aus Norditalien, die vor der [[Inquisition#Die spanische Inquisition|spanischen Inquisition]] vom Kontinent geflüchtet waren. Zu ihnen gehörte die Familie der Bassano, deren Oberhaupt [[Jeronimo Bassano|Jeronimo]] aus [[Venedig]] an den Königshof gekommen war. Die Nachfahren, u.&nbsp;a. sein Sohn [[Anthony Bassano]], wirkten als Flötisten und Violisten eines sechsstimmigen Consorts in der Kapelle. Das höfische Musikleben lag ganz in italienischer Hand<ref name="AO34"/> und vermischte sich mit einer voll ausgebildeten nationalen Tradition: die Vokalwerke waren auf englische Texte verfasst, die Volksliedmelodien besaßen einen hohen Stellenwert. Komponisten wie [[William Byrd]] und später [[Orlando Gibbons]] schrieben Madrigalkompositionen, die im Gambenconsort als Instrumentalfassungen gespielt wurden. Als vokal-instrumentale Mischbesetzung ging aus den volkstümlichen [[Air (Musik)|Airs]] der vier- bis fünfstimmige ''[[Consort Song]]'' hervor.<ref name="AO35">Otterstedt, S. 35.</ref> === Das 17.&nbsp;Jahrhundert === ==== Italien ==== Die Viola da gamba blieb nach wie vor ein geschätztes Soloinstrument und hatte das Akkordspiel der Lira da gamba überlassen. Allerdings sollte sich diese nicht dauerhaft durchsetzen. Mit dem Ende des 17.&nbsp;Jahrhunderts kam sie aus der Mode. Eine Tendenz der italienischen Renaissance war die Entwicklung eines modernen [[Konzert (Musikveranstaltung)|Konzertlebens]] mit der Trennung von Ausführenden und Zuhörern. Es formten sich Instrumentalensembles mit solistischer Viola, mit Violinen und [[Zink (Musik)|Zinken]]. Das Gambenconsort verlor nach 1600 seine führende Bedeutung in Italien.<ref name="AO29"/> Obwohl viele Quellen des späteren 17.&nbsp;Jahrhunderts noch Gambisten nachweisen, praktizierte man das kammermusikalische Spiel nur mehr vereinzelt in geistlichen Konzerten oder Akademien. Inzwischen entwickelte sich die Viola bastarda in den höfischen Zirkeln zu einer Solostimme mit Generalbassbegleitung weiter.<ref name="MGG1576">MGG-S Bd. 9, Sp. 1576.</ref> Bedeutender aber war die Entfaltung der Violinliteratur. Im Gegensatz zur Basslastigkeit anderer Musikkulturen bevorzugten die Italiener hohe Lagen. Sie richteten ihr Interesse auf die Oberstimme und nutzten den Bass lediglich als harmonische Stützfunktion. Der brillante Klang der [[Barockvioline]] lief der Diskantgambe rasch den Rang ab. Die Bassgamben blieben lediglich als Continuo-Instrumente.<ref>Otterstedt, S. 63.</ref> ==== England ==== [[Datei:Van den Tempel Viola da gamba.jpg|miniatur|links|Ausschnitt aus [[Abraham Lambertsz. van den Tempel]]s ''David Leeuw mit seiner Familie'' (1671). Der Gambist ist Leeuws Sohn Pieter. Seine mit zwei individuell geformten Schalllöchern und einer Rosette versehene Viola bastarda weist eine deutlich enger gebaute Unterzarge auf. Sicher erleichterte dies dem jungen Instrumentalisten das Spiel.]] Das Consortspiel erfreute sich ungeschmälerter Beliebtheit. Auch der Laute bedienten sich die englischen Musiker, sie blieb der Viola ebenbürtig. Lehrwerke wie Thomas Robinsons ''The Schoole of Musicke'' (1603) behandelten meist beide Instrumente. Titelblätter mit Besetzungsangaben wie ''to be sung to the lute or viol'' (engl. „mit Lauten- oder Gambenbegleitung zu singen“) ließen die freie Wahl bei der Ausführung. Die Lyra viol nutzte weiterhin die französische [[Tabulatur|Lautentabulatur]]. Die beiden Instrumente führten eine Koexistenz als Solinstrumente ohne Berührungspunkte. Viele Spieler beherrschten sowohl Viola als auch Laute oder die [[Theorbe]], die bis 1620 als Generalbassinstrument vorherrschte; später nutzte man (anders als auf dem Kontinent) die [[Orgel]]. Aber außer [[John Dowland]]s ''Lachrimae or Seaven Teares'' (1604) ist kein Werk erhalten, das Consort und Solo-Laute vereint hätte.<ref name="MGG1576"/> [[Datei:Violone PeterLely1649DutEng.jpg|miniatur|Violone auf einem Bild von [[Peter Lely]] (um 1650). Das Gemälde zeigt eine englische Division viol mit ƒ-förmigen Schalllöchern und flachen Oberbügeln.]] Die Musik der englischen Oberschicht bestimmten zwei Institutionen, die Hofkapelle im weltlichen und die [[Chapel Royal]] im geistlichen Bereich. Beide beschäftigten nach wie vor italienische Musikerdynastien, aber auch einheimische Komponisten wie [[Nicholas Lanier]], [[John Bull (Komponist)|John Bull]], [[Thomas Lupo]], [[Robert Johnson (Komponist)|Robert Johnson]], [[Thomas Ford (Komponist)|Thomas Ford]], [[William Lawes]], [[John Jenkins (Komponist)|John Jenkins]] und [[Thomas Tomkins]], die als staatliche Würdenträger eine privilegierte Position genossen.<ref>Otterstedt, S. 35.</ref> In dieser elitären Klasse fungierte die Viola da gamba als Statussymbol. Die Instrumente waren mit [[Intarsie]]n und Schnitzereien geschmückt und mit Familienwappen bemalt. Die Darmsaiten wurden zu hohen Kosten aus Italien importiert. Gedruckte Lieder und Madrigale waren mitunter Bürgerlichen gewidmet, die solistische Gambenliteratur jedoch nur Angehörigen der Aristokratie. Die Consortmusik erschien bis auf wenige Ausnahmen nicht im Druck, sondern beschränkte sich auf handschriftliche Kopien. Ab 1600 sind Diminutionen mit starker [[Rhythmus (Musik)|rhythmischer]] Komponente über einem [[Basso ostinato|ostinaten Bass]] bekannt, die ''divisions upon a ground''.<ref>Otterstedt, S. 36.</ref> Die Division viol, ihre Spieler und die Divisions waren auch in Kontinentaleuropa berühmt. An der Lira da gamba zeigten die Engländer kein Interesse. Sie zogen die Lyra viol vor, da sie sich für eine Vielzahl von Saitenstimmungen eignete; diese leiteten sich von [[Dreiklang]]sbrechungen ab. Spieltechnisch waren Division viol und Lyra viol indes nicht vollkommen voneinander getrennt. Die Division viol eignete sich sowohl für akkordisches Spiel als auch die Lyra viol für Diminutionen. [[Datei:Simpson Ground and Division.png|600px|Christopher Simpson: Ground and Division]] <small>Christopher Simpson: Der ''Ground'' und eine ''Division''-Möglichkeit</small> Einige Theoretiker, unter ihnen Musiker wie Praetorius und Mersenne, Wissenschaftler wie [[René Descartes]] und [[Francis Bacon]], hatten sich eingehend mit der Erregung von [[Resonanz (Physik)|Resonanzen]] in [[Schwingung|schwingungsfähigen Systemen]] beschäftigt. Die Erfindung der Epoche waren sympathetische Saiten, d.&nbsp;h. solche, die die Schwingung gestrichener Saiten aufnehmen und den Instrumentalklang verstärken. Die Lyra viol war das erste spielfähige Resonanzsaiteninstrument.<ref>Otterstedt, S. 37.</ref> Gegen 1625 trat eine Wende in der englischen Kultur ein. Um das Krönungsjahr [[Karl I. (England)|Karls I.]] und an einem Hochpunkt der englischen Musikgeschichte starben zahlreiche namhafte englische Komponisten, Byrd, Gibbons, Cooper, Dowland, Bull und Ferrabosco. Die junge Königin [[Henrietta Maria von Frankreich|Henrietta Maria]] brachte bei ihrer Übersiedlung ein Gefolge von Musikern nach London, die den italienischen Einfluss durch den französischen ablösten: zweiteilige Tanzformen, subtile [[Verzierung (Musik)|Verzierungen]] und den [[Preziosität|preziösen]] Zeitgeschmack. Die Consort-Literatur und die Musik der Lyra viol nahmen sich die französische Lautenmusik zum Vorbild.<ref>Otterstedt, S. 42.</ref> Neue Ensembleformen mit heterogenen Besetzungen formten sich. Lawes’ ''Harp Consorts'' sind für Violine, Division viol, [[Harfe]] und Theorbe kombiniert, für Zusammenklänge aus Darm- und Metallsaiten. [[Jacques Gaultier]] belebte die Lautenmusik neu durch Kompositionen im ''Style brisé,'' das heißt mit gegeneinander verschobenen mehrstimmigen Melodielinien. Die Gambenmusik ahmte diese Technik später nach. Neue terzreiche Stimmungen und [[Skordatur]]en für die Laute entstanden. Die Musik erlebte eine ästhetische Überfeinerung.<ref>Otterstedt, S. 43.</ref> Die [[Englischer Bürgerkrieg|Bürgerkriegszeit]] und die sich anschließende [[Commonwealth of England|republikanische Zeit]] zerstörten das öffentliche Kulturleben. Für gut zwei Jahrzehnte erschienen keine neuen Noten im Druck. Die Schulen bildeten keinen Nachwuchs mehr aus. Die meisten Musiker wurden vertrieben oder zogen sich ins Privatleben zurück. Die englische Musik fiel auf den Status des [[Dilettant]]ismus zurück, der noch über produktive Komponisten wie John Jenkins oder [[Christopher Simpson]], aber nicht mehr über technisch erfahrene Instrumentalisten verfügte.<ref>Otterstedt, S. 44.</ref> Eine neue nationale Musikschule residierte im Exil in [[Oxford]]. Hier zeigte sich an den Schülern, dass ihnen die Violine im Vergleich zur Gambe noch recht unbekannt war: sie stimmten sie in Quarten statt in [[Quinte]]n und hielten sie wie eine Treble viol zwischen den Beinen. Aber auch nach der Krönung [[Karl II. (England)|Karls II.]] und der Rückkehr zur Monarchie erholte sich die Tradition nicht. Das Gambenconsort verblieb in den privaten Kreisen der [[Gentry]], statt in die Hofkapelle zurückzukehren. Die Division viol konnte sich noch eine Weile lang neben der aufkommenden Violine behaupten. Danach beherrschte der französische Geschmack im Stil von [[Jean-Baptiste Lully]]s ''Vingt-Quatre Violons du Roy'' die ''King’s Musick''.<ref>Otterstedt, S. 45.</ref> Einige Fantasien von [[Henry Purcell]] sind erhalten. Bis ins 18.&nbsp; Jahrhundert spielten auf dem Lande Consorts. 1652 publizierte der Verleger [[John Playford]] das Schulwerk ''Musick’s Recreation on the Lyra-viol'' (engl. „Musikalische Erholung auf der Lyra viol“), das mit jeder der drei Neuauflagen nur anspruchsloser wurde. Dann vergaß man die Viola da gamba.<ref>Otterstedt, S. 46.</ref> ==== Frankreich ==== [[Datei:KupetzkyViola.jpg|miniatur|links|[[Johann Kupetzky]]: ''Bildnis einer musikalischen Dame'' (17.&nbsp;Jahrhundert). Die Diskantgambe, hier ein Dessus de viole, galt als typisches Dameninstrument.]] Consortmusik blieb in Frankreich die Ausnahme. Wenige Komponisten wie [[Claude Le Jeune]], [[Louis Couperin]] und [[Marc-Antoine Charpentier]] verfassten Ensemblewerke, und auch diese waren maximal vierstimmig. Das Ensemblevorbild blieben Lullys ''Vingt-Quatre Violons du Roy,'' deren Klang und Orchesterdisziplin die repräsentative Musik der [[Bourbon]]enkönige besser zur Geltung brachten. Die Satzweise unterschied sich von der englischen. Während die Diskantstimme für den Dessus de viole brillante Solopassagen spielte, übten die Mittel- und Unterstimmen nur eine Begleit- und Stützfunktion aus.<ref>Otterstedt, S. 65 f.</ref> Die sechssaitige Gambe hatte sich allgemein durchgesetzt. Aus den Erfahrungen mit der Laute entstand nun in Frankreich in kurzer Zeit eine solistische Spieltechnik. Berühmte Solisten der Zeit waren [[André Maugars]] und [[Nicolas Hotman]]. [[Datei:Marin-marais.jpg|miniatur|Marin Marais mit dem siebensaitigen Basse de viole. Bildnis eines anonymen Malers]] Das Lauten- und Gambenrepertoire bestand aus zweiteiligen Tanzsätzen, aus [[Branle]]s oder Paaren von je einem schnellen und einem langsamen Tanz, aus [[Air (Musik)|Airs]], Piècen in freier Form und [[Präludium|Préludes]]. Man stellte die Einzelsätze zu [[Suite (Musik)|Suiten]] zusammen, das verbindende Element war die [[Tonart]]. Ihr berühmtester Vertreter als Komponist und Instrumentalist war [[Marin Marais]]. An Diminutionen zeigte die französische Musik kein Interesse. Die verfeinerte Spieltechnik richtete ihr Augenmerk auf die Tonbildung und vor allem auf die Ornamentik.<ref name="MGG1577">MGG-S Bd. 9, Sp. 1577.</ref> Die [[Verzierung (Musik)|Verzierungen]] wurden nicht nur subtiler, sie erschienen erstmals in großer Anzahl im Notentext, durch Buchstaben und Zusatzzeichen abgekürzt oder ausnotiert. Zahlreiche Spielvorschriften sind in [[Jean Rousseau]]s ''Traité de la viole,'' in Simpsons ''Division Viol,'' später in [[Johann Joachim Quantz]]’ ''[[Versuch einer Anweisung die Flöte traversière zu spielen]]'' (1752) erhalten. [[Datei:Marais Idylle.png|600px|Marin Marais: ''Idylle'']] <small>Lagenspiel und Ornamentik bei Marin Marais: ''Idylle''</small> [[Datei:Anne Henriette de France.jpg|miniatur|rechts|[[Henrietta Anne Stuart|Prinzessin Henriette de France]] als jugendliche Gambenspielerin. Das historisierende Porträt von [[Jean-Marc Nattier]] entstand 1754.]] Vermutlich hat [[Monsieur de Sainte-Colombe]] die siebte Saite in Kontra-A auf der Bassviola eingeführt. Siebensaitige Gamben waren schon vorher bekannt<ref name="MGG1577"/> und der Trend zur Basslastigkeit spiegelte sich im tiefen französischen Stimmton wider. 1688 kam es zwischen Rousseau und Demachy zu einem öffentlichen Streit um das melodische und das harmonische Spiel. Der vordergründige Anlass für die Polemik war die Stellung des linken Daumens. Demachy beanspruchte für sich die alte Lautentechnik, den Daumen dem Zeigefinger gegenüber zu halten. Rousseau berief sich auf Sainte-Colombe, bestritt eine Beziehung zur Lautentechnik und plädierte für die Position gegenüber dem Mittelfinger. In der Folge unterschied man in der Violenmusik spieltechnisch zwischen ''Pièces de mélodie'' und ''Pièces d’harmonie''. Die Lehrwerke trennten sich.<ref>Otterstedt, S. 73 f.</ref> ==== Deutschland und die Niederlande ==== [[Datei:Viol VerkoljeJan Dutch 1674.jpg|miniatur|links|[[Jan Verkolje]]: ''Elegantes Paar'' (um 1674). Die Viola da gamba entspricht der typischen Bauform ihrer Zeit.]] Der englische Einfluss auf das deutsche Musikleben hielt an. Als 1613 der [[Kurfürst]] [[Friedrich V. (Pfalz)|Friedrich]] [[Elisabeth Stuart]] heiratete, ließ sich [[John Cooper (Komponist)|John Cooper]] am [[Heidelberg]]er Hof nieder. Weitere Landsmänner folgten ihm und breiteten die Consorttechnik in den Fürstentümern aus. Mit den Musikern kamen auch die Instrumente ins Land, englische und italienische Gamben, und die Fünfstimmigkeit der Madrigale [[Claudio Monteverdi]]s. [[Johann Hermann Schein]]s ''Banchetto musicale'' (1617) und [[Samuel Scheidt]]s ''Ludi musici'' (1621) empfanden das englische Klangbild von [[William Brade]] und [[Thomas Simpson]] nach. Der Generalbass aus Laute, [[Theorbe]] und [[Cembalo]] hatte sich bereits weiter entwickelt als in anderen Ländern. Die Sololiteratur für die Viola da gamba war aber bis zu diesem Zeitpunkt vorwiegend Improvisation und wurde kaum notiert. Gedruckte Werke liegen nicht vor.<ref>Otterstedt, S. 33.</ref> Der [[Dreißigjähriger Krieg|Dreißigjährige Krieg]] erschütterte das Musikleben in Deutschland, [[Polen]], [[Böhmen]] und in den [[Republik der Sieben Vereinigten Niederlande|Niederlanden]] nachhaltig. Die Fürstenhöfe entließen ihre Musiker, verkleinerten oder schlossen ihre Kapellen. Der Notendruck stagnierte. 1648 war die Epoche des Gambenconsorts in Deutschlands vorbei. Die englischen Gambisten besaßen keine Geltung mehr, an ihre Stelle traten italienische Musiker, die die [[Barockvioline]] einführten. Durch die politische Zersplitterung Deutschlands bildete sich eine vielfältige Musikkultur regionaler Gegensätze heraus.<ref>Otterstedt, S. 57.</ref> Es gab keinen einheitlichen öffentlichen Kulturträger. Die Sakralmusik trat mehr in den Vordergrund. In [[Protestantismus|protestantischen]] Gebieten, in denen die wortbetonte Musik gepflegt, und in [[Calvinismus|calvinistischen]], wo die Gläubigen vollständig auf Kunstmusik verzichteten, war Instrumentalmusik nicht gefragt.<ref name="AO58">Otterstedt, S. 58.</ref> Aus der italienischen [[Triosonate]] für zwei Violinen und Bass schufen Komponisten wie [[Johann Philipp Krieger]], [[Philipp Heinrich Erlebach]] und [[Dietrich Buxtehude]] immerhin eine deutsche Variante für Violine, Viola da gamba und Generalbass. Das Spiel beschränkte sich auf die oberen drei Saiten und die höheren Lagen, akkordisches Spiel schwand völlig.<ref name="MGG1578">MGG-S Bd. 9, Sp. 1578.</ref> [[Datei:Hacquart.gif|miniatur|rechts|Carolus Hacquart. Zeitgenössischer Stich in einer Notenausgabe.]] Im norddeutschen Raum bauten die [[Hansestadt|Hansestädte]] [[Lübeck]] und [[Hamburg]] eine eigenes Musikleben auf, das die englische Consort-Tradition mit der [[Venezianische Mehrchörigkeit|Mehrchörigkeit]] und dem italienischen Solospiel verband.<ref name="AO58"/> Man besann sich hier auf die schon zuvor praktizierte Austauschbarkeit von [[Posaune]]n- und Gambenstimmen, so dass die Streichinstrumente wieder Einzug in die festliche Kirchenmusik hielten. Diskant- und Altviolen verschwanden. Übrig blieb die Bassgambe als Continuo- und Soloinstrument. Führende Institutionen waren das Hamburger ''Collegium musicum'' um [[Matthias Weckmann]], [[Johann Schop]], [[Thomas Selle]] und [[Christoph Bernhard]],<ref>Otterstedt, S. 59.</ref> die ursprünglich von [[Franz Tunder]] begründeten [[Abendmusiken]] in [[Marienkirche (Lübeck)|St. Marien zu Lübeck]] und das Consort [[Friedrich Wilhelm I. (Brandenburg)|Friedrich Wilhelms von Brandenburg]].<ref>Otterstedt, S. 59 f.</ref> Die Niederlande hatten seit dem Tode [[Jan Pieterszoon Sweelinck]]s kaum eigene Musik hervorgebracht, stattdessen aber viele ausländische Einwirkungen aufgenommen.<ref name="AO58"/> Die große religiöse Toleranz förderte die Ansiedelung von Flüchtlingen aus ganz Europa, spanischen und portugiesischen Juden und französischen [[Hugenotten]]. Hier wirkten Künstler wie [[Walter Rowe]], [[Dietrich Steffkins]], [[Nicolas Hotman]], [[Carolus Hacquart]] und schließlich [[Johannes Schenck]], der Gambist am [[Düsseldorf]]er Hof [[Johann Wilhelm (Pfalz)|Johann Wilhelms II. von der Pfalz]] wurde.<ref>Otterstedt, S. 61 f.</ref> Er pflegte einen Mischstil mit Suiten nach französischer Bau und [[Kirchensonate]]n. Das Satzbild ist in seiner Mehrstimmigkeit dabei allerdings teilweise derart kompliziert und überladen, dass es an der Grifftechnik der Gambe vorbei komponiert erscheint. Die deutsche Gambenliteratur des 17.&nbsp;Jahrhunderts ist insgesamt schwer zu beurteilen, da zahlreiche gedruckte Tabulaturen verschollen sind.<ref name="MGG1578"/> === Das 18.&nbsp;Jahrhundert === ==== Frankreich ==== [[Datei:Marquis de Baussan.jpg|miniatur|links|Bildnis des Marquis de Baussan von einem Anonymus des 18.&nbsp;Jahrhunderts. In seiner Hand hält der französische Edelmann den Pardessus de viole, das kleinste Instrument der Gambenfamilie.]] [[Datei:Forqueray La Marella.jpg|miniatur|Antoine Forqueray: ''La Marella,'' die IV. Suite für Viola da gamba und Basso continuo]] Nachdem der siebensaitige Basse de viole sich in Frankreich endgültig durchgesetzt hatte, schufen Rousseau, [[Le Sieur Danoville]] und Marais ihm mit Kompositionen für ein bis drei Instrumente ein spieltechnisches Fundament. Das Repertoire gründete auf der inzwischen formal gefestigten Suite, auf Tanzsätzen und [[Charakterstück (Musik)|Charakterstücken]]. Marais’ Schreibweise war bassbezogen, das in Deutschland und England beliebte Spiel in der Diskantlage über dem Continuo war nur von untergeordneter Rolle. Überhaupt wurde der Generalbass als zweitrangig behandelt, er übernahm oft nur eine Reduktion der Hauptstimmen. Eine kritische Auseinandersetzung brachte [[Hubert Le Blanc]]s Streitschrift ''Défense de la basse de viole contre les entreprises du violon et les prétensions du violoncelle'' (1740). Einerseits zog sie die Viola da gamba der aufkommenden Violine und dem [[Violoncello]] vor, andererseits bemängelte sie die französischen Pièces und Suiten als einseitig.<ref name="MGG1578"/> Für eine stilistische Erneuerung sorgte [[Antoine Forqueray]], der Anregungen aus der italienischen Musik in die Spieltechnik einführte. Seine Kompositionen nutzen den vollen Tonumfang der Bassgambe und bisher nicht bekannte [[Akkord]]kombinationen in allen Lagen. Sein Sohn [[Jean-Baptiste-Antoine Forqueray|Jean-Baptiste]], selbst ein berühmter Gambist, veröffentlichte die Kompositionen nach dessen Tod. Eine weitere Neuheit des Jahrhunderts waren die beiden Diskantgamben-Typen, der ''Dessus'' und der ''Pardessus de viole''. Ein geschichtlicher Streitpunkt ist, ob sie ursprünglich als „Dameninstrumente“ entwickelt wurden. Beide waren in der [[Kammermusik]] geschätzt, da sie sich als Alternative zu Violine, [[Oboe]] und der noch neuen [[Querflöte]] anboten. Der ältere Forqueray hatte sie auch statt des Basse de viole eingesetzt.<ref name="MGG1579">MGG-S Bd. 9, Sp. 1579.</ref> ==== Deutschland ==== [[Datei:Viola da gamba Bauformen.svg|miniatur|rechts|150px|Die Bauform der Viola da gamba war nie eindeutig festgelegt. Ihre stärkste Veränderung erfuhr sie im 17.&nbsp;Jahrhundert.]] Deutschland und das übrige Europa übernahmen den französischen Stil. Die Viola da gamba behielt ihren Status als Soloinstrument für den privaten Gebrauch in der Aristokratie. Etliche Fürsten beherrschten das Spiel, Friedrich Wilhelm&nbsp;I. von Brandenburg, [[Maximilian II. Emanuel (Bayern)|Max Emanuel von Bayern]], [[Leopold (Anhalt-Köthen)|Leopold von Anhalt-Köthen]] und [[Friedrich Wilhelm I. (Preußen)|Friedrich Wilhelm von Preußen]]. [[Carl Friedrich Abel]], der Sohn [[Christian Ferdinand Abel]]s, gilt als der letzte deutsche Virtuose des Jahrhunderts. Seit dem Ausgang des 17.&nbsp;Jahrhunderts wurden die Gambensolisten zu reisenden Berufsmusikern (den heutigen professionellen Instrumentalsolisten durchaus vergleichbar), zu fest angestellten Kammermusikern mit diplomatischen Hofämtern, wie sie Johannes Schenck und [[Ernst Christian Hesse]] innehatten, oder sie ergänzten ihren Arbeitsbereich um das Violoncellospiel. Mit diesem Schritt brach die traditionelle Kombination von Gambe und Laute ab.<ref name="MGG1579"/> Wie in England war die Viola ein Dilettanteninstrument geworden und ihre Rolle auf ein Ersatzinstrument eingeschränkt. [[Johann Mattheson]] kommentierte in ''Das neu-eröffnete Orchestre'' (1713): {{Zitat|Ihr meister Gebrauch bey Concerten ist zur Verstärckung des Basses, und praetendiren einige gar einen (…) General-Bass darauff zu wege zu bringen/ wovon ich noch biß dato eine vollkommene Probe zu sehen/ das Glück nicht gehabt habe (…).|Johann Mattheson|''Das neu-eröffnete Orchestre''<ref>Johann Mattheson: ''Das neu-eröffnete Orchestre''. Hamburg 1713. S. 284.</ref>}} [[Datei:Metsu viola-de-gamba.jpg|miniatur|links|[[Gabriel Metsu]]: '' Träumerei'' (1663). Das empfindsame Zeitalter wandte indessen sein Interesse eher der Violine und dem Violoncello zu.]] [[Friedrich Wilhelm II. (Preußen)|Friedrich Wilhelm II.]] versuchte noch einmal, die Viola da gamba zu kultivieren. Mit seinem Lehrer [[Ludwig Christian Hesse]], dem Sohn Ernst Christians, bat er [[Jean-Baptiste-Antoine Forqueray]] um Noten und spieltechnische Unterweisung. Der Kontakt kam zustande, die nach Preußen übersandten Kompositionen sind nicht mehr erhalten. Einige Sonaten [[Carl Philipp Emanuel Bach]]s für die Diskantgambe entstanden in dieser Zeit.<ref name="AO85">Otterstedt, S. 85.</ref> In gemischten Besetzungen bei [[Georg Philipp Telemann]], [[Carl Heinrich Graun]], [[Carl Stamitz]] u.&nbsp;a. war die Bassgambe oft noch obligates Instrument. Für die Diskantgambe, die in Deutschland eher dem Dessus als dem Pardessus entsprach, verfassten [[Johann Daniel Hardt]], Telemann, C.&nbsp;Ph.&nbsp;E. Bach und [[Johann Melchior Molter]] Werke von teils sehr anspruchsvoller Technik.<ref name="MGG1579"/> Die übrige Literatur bestand überwiegend aus Violinmusik, die für die Gambe eingerichtet wurde. Parallel dazu bemühten sich die Instrumentenbauer um technische Modifikationen, die den Klang steigern sollten, auch wenn dabei manche Charakteristika verloren gingen. Der [[Hals (Musikinstrument)|Hals]] neigt sich bei diesen Gamben zurück, der Boden ist gewölbt, Wände und Innenbalken sind verstärkt. Aber der neue Typ hatte keine Chance und wurde nicht ins [[Orchester]] aufgenommen.<ref name="AO85"/> Die letzte Neuentdeckung des [[Empfindsamkeit|empfindsamen]] Zeitalters war das [[Baryton]], das zusammen mit der [[Viola d’amore]] seit dem Ende des 17.&nbsp;Jahrhunderts als Liebhaberinstrument gespielt wurde. Sein Klang war weich, außerordentlich nuanciert und silbrig, die Spieltechnik jedoch verhältnismäßig schwierig wegen dreier Saitenbezüge, von denen einer zum [[Pizzicato|Zupfen]] diente. Als Hofmusiker auf [[Schloss Esterházy (Fertőd)|Schloss Esterházy]] komponierte [[Joseph Haydn]] 126 Trios für seinen Dienstherrn, den [[Nikolaus I. Joseph Fürst Esterházy|Fürsten Nikolaus I.]]. Das Instrument kam mit der [[Frühklassik]] aus der Mode.<ref>Otterstedt, S. 87.</ref> [[Datei:Carl Friedrich Abel Gambensonate.png|600px|Carl Friedrich Abel: Solosonate für Diskantgambe]] <small>Diskantgambenspiel bei Carl Friedrich Abel: ''Sonate für Viola da gamba solo G-Dur,'' 2. Satz</small> === Das 19.&nbsp;Jahrhundert === Bis auf wenige Interpreten wie [[Franz Xaver Hammer]] oder [[Joseph Fiala]] war die Viola da gamba im 19.&nbsp;Jahrhundert quasi vergessen. Weder Musikpraxis noch Fachliteratur hatten sich nennenswert mit ihr beschäftigt. Unterdessen betrachtete man das Violoncello als Bezugspunkt der Gambe und spielte die noch vorhandenen Instrumente ohne [[Bund (Saiteninstrument)|Bünde]], hielt den Bogen im Obergriff und stellte sie auf einen Stachel.<ref name="MGG1580">MGG-S Bd. 9, Sp. 1580.</ref> Viele Instrumente wurden zu Violoncelli „umgebaut“, etliche sind dabei zerstört worden, bei den meisten anderen ist kein Originalhals mehr erhalten. Zahlreiche in dieser Zeit „entdeckte“ Gamben erwiesen sich später als Fälschungen. Die [[Zarge (Musikinstrument)|Zargen]] wurden niedriger geschnitten, die Böden von Diskantgamben am unteren Ende abgeschrägt, um sie in der [[Viola da Braccio|Viola-da-braccio]]-Haltung spielen zu können; aus Decke und Boden von Bassgamben sägte man kleinere Instrumente heraus; die Deckeninnenseiten wurden ausgeschliffen oder unterfüttert, die Innenbalken durch stärkere ersetzt. Zudem wurden einige Instrumente mit Metallsaiten bespannt, so dass Decke und Boden unter dem Druck einbrachen. Erst um 1880 erwachte das Interesse an der Viola da gamba neu, um sie in die damalige Musik einzubeziehen. Allerdings geschah dies eher aus musealer Neigung.<ref name="MGG1580"/> Bei der Uraufführung von [[Julius Rietz]]’ Oper ''Georg Neumark und die Gambe'' (1885) in [[Weimar]] erschien auf der Bühne eine Viola da gamba, für die Rietz eine historisierende Originalmusik komponiert hatte. Doch die Pläne, das Instrument wieder in Orchesterapparat und Konzertwesen zu integrieren, schlugen fehl. Stattdessen fertigte man Gamben-Arrangements nach romantischer Musik an.<ref>Otterstedt, S. 90 f.</ref> === Ab dem 20.&nbsp;Jahrhundert === Neue Akzente setzte um die Jahrhundertwende der englische Instrumentenbauer und Musikforscher [[Arnold Dolmetsch]], der als Pionier der [[Historische Aufführungspraxis|Historischen Aufführungspraxis]] gilt.<ref>Otterstedt, S. 92.</ref> Nach Quellenstudium und praktischen Versuchen gründete er ein sechsstimmiges Consort aus den Mitgliedern seiner Familie und demonstrierte in öffentlichen Konzerten das Gambenspiel in historisch korrekter Spieltechnik und -ästhetik. Die Veranstaltungen waren beliebt und weckten die Aufmerksamkeit der englischen Musikwelt.<ref>Otterstedt, S. 93.</ref> Die ersten deutschen Versuche in Lehrwerken von [[Paul Grümmer]] (1928) und Christian Döbereiner (1936) beschränkten sich dagegen auf die solistische Bassgambe. Die historische Spieltechnik erkannten sie zwar an, hielten sie aber für überholt. Erst Joseph Bacher (1932) und [[August Wenzinger]] (1935) wandten sich im Zuge der [[Jugendmusikbewegung]] den historischen Originalen zu. Neben der Wiederentdeckung der alten Spielmusik für Amateurensembles griffen sie auch die historische Spieltechnik wieder auf, allerdings nur in Ansätzen. Das Spiel auf leeren Saiten lehnten sie weitgehend ab. Genaue instrumentalpädagogische Darstellungen leisteten erst [[Jean-Louis Charbonnier]]s ''Jouer et apprendre la viole de gambe'' (1976) für die französische Sologambe und ''Play the viol'' (1989) von [[Alison Crum]] und [[Sonia Jackson]] für das Consortspiel.<ref>MGG-S Bd. 9, Sp. 1592 f.</ref> Neue Musik für die Viola da gamba entstand in der Jugendmusikbewegung u.&nbsp;a. von [[Jens Rohwer]], im weiteren Verlauf des 20.&nbsp;Jahrhunderts jedoch nur sehr vereinzelt, z.&nbsp;B. [[Pierre Bartholomée]]s ''Tombeau de Marin Marais'' für Violine, zwei Gamben und [[Klarinette]] oder [[Dieter Krickeberg]]s [[Mikrotonale Musik|vierteltönige]] ''Fantasia für 4 Gamben,'' die an die [[Chromatik|chromatischen]] Experimente des 16.&nbsp;Jahrhunderts anknüpft.<ref name="MGG1580"/> Bedeutende Gambisten des 20. und 21.&nbsp;Jahrhunderts sind [[August Wenzinger]], [[Wieland Kuijken]], [[Jordi Savall]], [[Susanne Heinrich (Gambistin)|Susanne Heinrich]], [[Hille Perl]] und [[Paolo Pandolfo]]. Bekannte Ensembles für Consortmusik sind [[Fretwork]], [[Phantasm (Ensemble)|Phantasm]] und [[The Baltimore Consort]]. Gambenmusik für einzelne CD-Projekte schrieben daneben Jazz-, Avantgarde- und Pop-Komponisten wie [[George Benjamin]], [[Michael Nyman]], [[Elvis Costello]], [[Tan Dun]], [[Alexander Goehr]], [[Gavin Bryars]], [[Barrington Pheloung]], [[Barry Guy]] und [[Moondog]]. Dem Filmpublikum rief ''[[Die siebente Saite]]'' (''Tous les matins du monde,'' 1991) des französischen Autors und Regisseurs [[Alain Corneau]] nach dem Roman von [[Pascal Quignard]] die Musik des 17.&nbsp;Jahrhunderts wieder in Erinnerung in Gestalt der Gambisten Sainte-Colombe ([[Jean-Pierre Marielle]]) und Marais ([[Gérard Depardieu|Gérard]] und [[Guillaume Depardieu]]). == Nachweise == === Literatur === *[[Michael Praetorius]]: ''De Organographia''. Wolfenbüttel 1619. Neudruck Kassel 1929. *[[Alfred Einstein]]: ''Zur deutschen Literatur für Viola da Gamba im 16. und 17.&nbsp;Jahrhundert''. (Dissertation) Leipzig: Breitkopf & Härtel 1905, Nachdruck 1972. ISBN 3-500-24050-X. *Nathalie Dolmetsch: ''The viola da gamba. Its origin and history, its technique and musical resources''. New York/London/Frankfurt am Main/Zürich: Hinrichsen Edition 1962. *Nikolaus Harders: ''Die Viola da gamba und Besonderheiten ihrer Bauweise''. Frankfurt am Main: Verlag Das Musikinstrument 1977. ISBN 3-920112-58-X. *[[Ian Woodfield]]: ''The Early History of the Viol''. Cambridge University Press 1984 ISBN 0-521-24292-4. *[[Annette Otterstedt]]: ''Die Gambe. Kulturgeschichte und praktischer Ratgeber''. Kassel u.&nbsp;a.: Bärenreiter 1994. ISBN 3-7618-1152-7. *''[[Die Musik in Geschichte und Gegenwart]]. Allgemeine Enzyklopädie der Musik, begründet von Friedrich Blume. Zweite, neubearbeitete Ausgabe herausgegeben von Ludwig Finscher''. Kassel/Basel/London/New York/Prag: Bärenreiter und Stuttgart/Weimar: J. B. Metzler 1998. Artikel ''Viola da gamba,'' Sachteil Bd. 9, Spp. 1572–1597. === Einzelnachweise === <div class="references-small" style="-moz-column-count:3; column-count:3;"> <references /></div> == Literatur == === Historische Werke === ==== Viola da gamba ==== *[[Christopher Simpson]]: ''The Division Viol or The Art of Playing Ex Tempore Upon a Ground''. London 1665. Faksimile-Nachdruck hrsg. von J. Curwen & Sons: London 1955. *[[Thomas Mace]]: ''Musick’s Monument''. London 1676. Faksimile-Nachdruck hrsg. vom Centre National de la Recherche Scientifique. Paris <sup>2</sup>1966. *[[Le Sieur Danoville]]: ''L’Art de toucher le dessus et le basse de violle''. Paris 1687. Faksimile-Nachdruck hrsg. von Minkoff: Genf 1972 *[[Jean Rousseau]]: ''Traité de la viole''. Paris 1687. Faksimile-Nachdruck hrsg. von Minkoff: Genf 1975. *[[Michel Corrette]]: ''Méthode pour apprendre facilement à jouer du pardessus de viole à 5 et à 6 cordes avec des leçons a I. et II. parties''. Paris 1738. Faksimile-Nachdruck hrsg. von Minkoff: Genf 1983. *[[Hubert Le Blanc]]: ''Défense de la basse de viole contre les entreprises du violon et les prétensions du violoncelle''. Amsterdam 1740; Faksimile-Nachdruck hrsg. von Karel Lelieveld. Den Haag 1983. *Michel Corrette: ''Méthodes pour apprendre à jouer de la contre-basse à 3, à 4 et à 5 cordes, de la quinte ou Alto et de la viole d’Orphée, Nouvel instrument ajousté sur l’ancienne viole''. Paris 1781. Faksimile-Nachdruck hrsg. von Minkoff: Genf 1977. ==== Spielpraxis und Theorie ==== *[[Girolamo Dalla Casa]]: ''II vero modo di diminuir con le tutte le sorte di stromenti''. 2 Bdd. Venedig 1584. Facsimile-Nachdruck hrsg. von Giuseppe Vecchi. Bologna 1970. *[[Scipione Cerreto]]: ''Della Prattica musica vocale, et strumentale. Opera necessaria a coloro, che di musica si dilettano''. Carlino: Neapel 1601. *[[Pietro Cerone]]: ''El Melopeo. Tractado de musica theorica y pratica''. Neapel 1613. Faksimile-Nachdruck hrsg. von Franco Alberto Gallo. Bologna 1969. *[[Jean Baptiste Besard]]: ''Isagoge in artem testudinariam''. Augsburg 1617. Faksimile-Nachdruck hrsg. von Peter Päffgen. Junghänel Päffgen Schäffer: Neuss 1974. *[[Marin Mersenne]]: ''Harmonie Universelle, contenant La Théorie et la Pratique de la Musique''. Paris 1636. Faksimile-Nachdruck hrsg. vom Centre National de la Recherche Scientifique. Paris 1965. *Marin Mersenne: ''Harmonicorum Libri XII''. Paris 1648. Faksimile-Nachdruck hrsg. von Minkoff: Genf 1972. === Weiterführende Literatur === ==== Instrument ==== *Christian Döbereiner: ''Ueber die Viola da Gamba und die Wiederbelebung alter Musik auf alten Instrumenten''. Sonderdruck aus ''Zeitschrift für Musik'' 1940, Heft 10. Leipzig 1940. *Hans Bol: ''La Basse de viole du temps de Marin Marais et d’Antoine Forqueray''. (Dissertation) Creyghton: Bilthoven 1973. *John Rutledge: ''How did the Viola da gamba sound?''. In: ''Early Music'' 7 (Januar 1979), S. 59–69. *Adolf Heinrich König: ''Die Viola da gamba. Anleitung zum Studium und zur Herstellung der Instrumente der Viola da gamba-Familie. Eine Berufskunde für Gambenbauer''. Erwin Bochinsky: Frankfurt am Main 1985. ISBN 3-923639-64-3. *Annette Otterstedt: ''Die Englische Lyra Viol. Instrument und Technik''. (Dissertation) Bärenreiter: Kassel 1989. ISBN 3-7618-0968-9. *Christian Ahrens: ''Viola da gamba und Viola da braccio. Symposium im Rahmen der 27. Tage Alter Musik in Herne 2002''. München 2006. ISBN 3-87397-583-1. ==== Weblinks zum Instrument ==== *[http://www.tielke-hamburg.de Die Website für [[Joachim Tielke]], von dem über 90 Viole da gamba aus den Jahren 1669 bis 1719 nachgewiesen werden können.] *[http://www.orpheon.org/OldSite/Seiten/education/VioladagambaPage.htm Viola da gamba Sammlung der Orpheon Foundation: Ikonographische Dokumentation, Artikel zu Baumerkmalen, Geschickte u.a. ] ==== Instrumentalspiel und Musik ==== *Barbara Schwendowius: ''Die solistische Gambenmusik in Frankreich von 1650–1740''. (Dissertation) Kölner Beiträge zur Musikforschung Bd. 59. Bosse: Regensburg 1970. ISBN 3-7649-2563-9. *Veronika Gutmann: ''Die Improvisation auf der Viola da gamba in England im 17.&nbsp;Jahrhundert und ihre Wurzeln im 16.&nbsp;Jahrhundert''. Wiener Veröffentlichungen zur Musikwissenschaft Bd. 19. Schneider: Tutzing 1979. *Alison Crum/Sonia Jackson: ''Play the viol. The complete guide to playing the treble, tenor, and bass viol''. Oxford University Press 1989. ISBN 0-19-317422-7. *Mark Lindley: ''Lauten, Gamben und Stimmungen''. Deutsch von Alois Hoizkrumm. Wilsingen 1990. ISBN 3-927445-02-9. *Fred Flassig: ''Die solistische Gambenmusik in Deutschland im 18.&nbsp;Jahrhundert''. (Dissertation) Cuvillier: Göttingen 1998. ISBN 3-89712-241-3. {{Exzellent}} {{Normdaten|SWD=4127766-1}} {{SORTIERUNG:Viola Da Gamba}} [[Kategorie:Historisches Musikinstrument]] [[Kategorie:Streichinstrument]] [[ar:كمان الساق]] [[bg:Виола да гамба]] [[ca:Viola d'arc]] [[cs:Viola da gamba]] [[da:Viola da gamba]] [[en:Viol]] [[eo:Gambovjolo]] [[es:Viola da gamba]] [[et:Viola da gamba]] [[fi:Viola da gamba]] [[fr:Viole de gambe]] [[gd:Beus-fhiodhall]] [[he:ויולה דה גמבה]] [[hu:Viola da gamba]] [[it:Viola da gamba]] [[ja:ヴィオラ・ダ・ガンバ]] [[ko:비올족]] [[nl:Viola da gamba]] [[nn:Gambe]] [[no:Gambe]] [[oc:Viòla de gamba]] [[pl:Viola da gamba]] [[pt:Viola da gamba]] [[ro:Viola da gamba]] [[ru:Виола]] [[simple:Viol]] [[sk:Viola da gamba]] [[sr:Виол]] [[sv:Gamba]] [[tr:Viola da gamba]] [[zh:维奥尔琴]] 82p5s9qvlwe6976b80c09a7rj4d489j wikitext text/x-wiki Violoncello 0 24449 27048 2010-05-11T13:09:28Z Anardil 0 /* Die linke Hand */ Absatz eingefügt. Das künstliche Flagolet ist sonst nur schwer zu finden... {| class="wikitable float-right" !width="185px" bgcolor="#FFD700" | Violoncello<br/> |- | [[Englische Sprache|engl.:]]&nbsp;''Cello'', [[Französische Sprache|frz.:]]&nbsp;''Violoncelle'' |- | bgcolor="#FFFFFF" align="center" | [[Datei:Cello_front_side.png|200px|]] |- ! bgcolor="#FFEC8B" | [[Musikinstrument|Klassifikation]] |- | [[Chordophon]]<br />[[Streichinstrument]] |- ! bgcolor="#FFEC8B" | [[Tonumfang]] |- | bgcolor="#FFFFFF" align="center" | [[Datei:Range_cello.png|150px]] |- ! bgcolor="#FFEC8B" | Verwandte Instrumente |- | [[Violine]], [[Bratsche|Viola]]; auch [[Kontrabass]], [[Viola da gamba]] |-<!-- ! bgcolor="#FFEC8B" | Klangbeispiel |- | [[Media:Schnupfhorn.mp3]]--> |- ! bgcolor="#FFEC8B" | Musiker |- | [[Liste von Cellisten]]<br /> [[:Kategorie:Cellist]] |} Das '''Violoncello''' [Aussprache: {{IPA|ˌviolɔn'tʃɛlo}}], Plural: Violoncelli; Abk.: Vc; (ital. ''kleiner [[Violone]]''); Kurzform: '''Cello''', Plural: Celli, genannt, ist ein aus verschiedenen [[Holz]]arten gefertigtes [[Streichinstrument]] aus der ''Viola-da-braccio''-Familie. Seine Bauweise entspricht im Wesentlichen der der [[Violine]], doch ist es größer, und die [[Zarge (Musikinstrument)|Zargen]] sind im Verhältnis zum Umfang deutlich höher. Das Violoncello wird vom ''Violoncellisten'' mit einem [[Bogen (Streichinstrument)|Bogen]] gestrichen. Im Gegensatz zur Violine und [[Bratsche|Viola]] wird das Instrument (mit dem Hals nach oben) aufrecht zwischen den Beinen gehalten und steht heute meist mit einem ausziehbaren Stachel aus Metall, Holz oder neuerdings [[Kohlenstofffaser|Carbonfaser]] auf dem Boden. Dieses Instrument entstand nach 1535 <ref>David D. Boyden: ''Die Geschichte des Violinspiels von seinen Anfängen bis 1761'', Schott's Söhne, Mainz 1971</ref> in Norditalien und wurde bis etwa 1850 ohne Stachel wie die [[Gambe]] mit den Beinen gehalten. Das wird auch heute noch bei Konzerten in [[Historische Aufführungspraxis|historischer Aufführungspraxis]] so gehandhabt. == Aufbau und Funktion == === Form === Das Violoncello entspricht etwa der Bauform der Violine und der [[Viola]], besitzt aber abweichende Proportionen. Während der Korpus des Violoncellos knapp die doppelte Länge der Geige hat, haben die [[Zarge (Musikinstrument)|Zargen]] die vierfache Höhe. Dieses erweitert den Resonanzraum und gleicht die Tatsache aus, dass das Violoncello, gemessen an seiner Stimmung, eigentlich viel größer sein müsste, wollte man die Proportionen der Violine beibehalten. Die Saiten sind eine [[Intervall (Musik)|Duodezime]] tiefer gestimmt als die der Violine bzw. eine [[Oktave]] tiefer als die der Viola. Entsprechend vergrößert hätte der Korpus die dreifache Länge eines Geigenkorpus, was zu einem Instrument von den Dimensionen des [[Kontrabass]]es führen würde. Die hohen Zargen bewirken, dass im Klangspektrum bestimmte Teiltöne, insbesondere der 1. [[Oberton]], verstärkt werden. Daraus entsteht die charakteristische warme Klangfarbe des Violoncellos. Weiterhin besitzt das Violoncello ein anderes [[Mensur (Musik)|Mensurverhältnis]] –&nbsp;der Begriff bezeichnet den Abstand zwischen [[Sattel (Saiteninstrument)|Sattel]] und oberem [[Decke (Saiteninstrument)|Deckenrand]] im Verhältnis zum Abstand zwischen Deckenrand und Steg&nbsp;– als die Geige: Während bei der Violine das Mensurverhältnis 2:3 beträgt, ist es beim Violoncello mit 7:10 geringfügig größer. Der gesamte Abstand zwischen Sattel und Steg und damit die Länge der schwingenden Saite wird als Mensur bezeichnet. === Maße === * Korpuslänge: 750–760 mm * Zargenhöhe: 111 mm * Schwingende Saitenlänge (Mensur): 690 mm * Saitendurchmesser: 0,8–2,0 mm :Der Saitendurchmesser variiert je nach Hersteller und Material ([[Katzendarm|Darm]], Kunststoff ([[Polyamide#Nylon|Nylon]]), [[Stahl]], [[Silber]], [[Aluminium]], [[Wolfram]]). Die Maße werden auch davon beeinflusst, ob die Saite mit Metall umsponnen ist oder nicht. Bei gleichem Material ist der Durchmesser tieferer Saiten größer. * Bogenlänge: 710–730 mm === Material und Bau === [[Datei:Cello Uebersicht Teile.jpg|thumb|right|Violoncello in der Übersicht, wichtige Teile beschriftet]] Für den Bau eines Violoncellos verwendet man verschiedene [[Holz]]arten, die auch beim Bau von Violinen und Violen genutzt werden. Der Korpus des Instruments wird aus [[Fichten|Fichte]] und [[Ahorne|Ahorn]] (selten statt Ahorn: Kirsche, Birne, Nuss oder auch Pappel) gefertigt, wobei die Decke und die Klötze im Inneren in der Regel aus Fichtenholz bestehen, Boden, Zargen und der Hals mit der Schnecke aus dem genannten Hartholz. [[Griffbrett]], [[Wirbel (Bauteil)|Wirbel]] und Saitenhalter werden aus [[Ebenholz]] oder seltener aus anderen [[Hartholz|Harthölzern]] wie [[Buchsbaum]] oder [[Palisander]] gebaut. Die Mensuren variieren beim Violoncello stärker als bei der [[Violine]], sind aber weniger variabel als bei der [[Viola]]. Das Violoncello wird vom Geigenbauer hergestellt. Aus handwerklicher Sicht ist der Violoncellobau dem Bau der Violine sehr ähnlich. Allerdings benötigt die Herstellung eines Violoncellos etwa dreimal so viel Zeit wie die einer Geige. Zu Baubeginn bestehen Decke und Boden aus massiven Holzplatten, die zunächst in der Mitte gefugt werden. Dabei entspricht die Dicke mindestens der Höhe der späteren maximalen Wölbung. Erst nach vollkommener Fertigstellung der Außenwölbung mit verschiedenen Handeisen wird die Innenwölbung begonnen. Diese Arbeitsschritte sind von großer Bedeutung für den späteren Klang des Cellos. [[Datei:Cello study.jpg|thumb|Nahaufnahme des Korpus mit [[Steg (Saiteninstrument)|Steg]], [[Saitenhalter]] und [[Schallloch]] ([[f-Loch]])]] Im Gegensatz zu Decke und Boden werden die Zargen, die zusammen mit den vier Eckklötzen sowie dem Ober- und Unterklotz den Zargenkranz bilden, zunächst als plane Streifen auf die richtige Stärke gehobelt. Danach erfolgt mit [[Dampf]] und [[Druck (Physik)|Druck]] auf einem speziell dafür geformten Eisen (Biegeeisen) ihre Biegung in die richtige Form. Die Klötze, an denen die Zargen festgeleimt sind, dienen als Gerüst. In den Oberklotz wird später der Hals eingelassen und eingeleimt. ''Weitere Details zum Bau eines Streichinstruments finden sich im Artikel [[Geigenbauer]].'' === Tonerzeugung === Der Ton entsteht beim Violoncello, wie bei allen Streichinstrumenten, durch die Schwingung der [[Saite]]n und des [[Korpus (Musikinstrument)|Instrumentenkorpus]]. Die Saiten sind vom Kopf (mit der Schnecke) über den Obersattel und den [[Steg (Saiteninstrument)|Steg]] bis zum Saitenhalter im unteren Drittel des Korpus gespannt. Der Steg ist ein flaches, oft kunstvoll gefertigtes Holzplättchen mit Einkerbungen für die vier Saiten, das in der Mitte des [[Korpus (Musikinstrument)|Korpus]] mit zwei Füßen senkrecht auf der [[Decke (Instrumentenbau)|Korpusdecke]] aufgesetzt ist. Es überträgt die [[Schwingung]]en der Saiten auf die Korpusdecke, die wiederum die Luft im Korpusinneren zum Schwingen bringt. Ein Stimmstock leitet die Schwingungen zwischen Decke und Boden weiter. Unter der Decke, etwa auf der Höhe der tiefsten Saite, ist der Bassbalken angeleimt, der eine ähnliche Funktion hat. Der gesamte Korpus wirkt somit als [[Resonanzkörper]], der den Ton verstärkt. Durch zwei seitliche [[Schallloch|Schalllöcher]] auf der Korpusdecke wird die Beweglichkeit und Resonanzfähigkeit der Decke erhöht. Es ist ein Irrtum zu glauben, dass durch sie der Schall nach außen geleitet wird. Die Erzeugung des Tons erfolgt mechanisch durch Anstreichen der Saite mit dem [[Bogen (Streichinstrument)|Bogen]] oder durch Zupfen mit den Fingern. Auf dem [[Griffbrett]] befinden sich jedoch keine [[Bund (Saiteninstrument)|Bünde]], wie etwa bei der Gitarre. Daher muss der Violoncellist die Griffposition für eine bestimmte [[Ton (Musik)|Tonhöhe]] aus dem Gedächtnis finden, indem er die richtige Stelle einer [[Saite]] mit der Greifhand niederdrückt. Durch das Niederdrücken verkürzt er die Saite, so dass sich die [[Frequenz]] ihrer Schwingung und damit die Tonhöhe ändert. [[Datei:Bow Cello.jpg|thumb|right|Cellobogen]] === Stimmung und Tonumfang === Das Violoncello ist heute mit vier [[Saite]]n im [[Quinte]]nabstand bespannt, die leer, das heißt ungegriffen, auf die Tonhöhen C-G-d-a gestimmt sind, somit eine [[Oktave]] tiefer als die der [[Bratsche|Viola]]. Der Tonumfang reicht (in bequem spielbaren Positionen) vom großen C bis zum dreigestrichenen e (e’’’) und als [[Flageolettton]] sogar zum viergestrichenen a (a’’’’). === Saiten/Klang === Charakteristisch für das Violoncello ist einerseits der weiche und vielfältige Klang, andererseits der große Tonumfang von fast fünf [[Oktave]]n. Werden die Saiten gezupft ([[pizzicato]]), klingt das Instrument volltönig und markant. Die vier Saiten bringen durch ihre jeweilige Grundstimmung und Bauart die verschiedenen Klangeigenschaften des Instruments zur Geltung. Die folgende Charakterisierung kann natürlich nur subjektiv sein. * Die C-Saite als tiefste Saite des Instrumentes hat einen bassbetonten, dunklen Klang. * Die G-Saite klingt etwas heller und weicher. * Die D-Saite hat gegenüber den tieferen Seiten einen solistischeren Klangcharakter. Ihr warmer, etwas nasaler und obertonreicher Klang ist besonders charakteristisch für das Violoncello. * Die A-Saite von schlankem, hellem, strahlendem Klang, kann in höheren Lagen klanglich der Viola ähneln. Ein [[Merkspruch]] für die Grundstimmung ist '''A'''ch '''D'''u '''G'''roßes '''C'''ello; von der tiefsten Saite aus auch: '''C'''äsar '''G'''eht '''D'''urch '''A'''then oder '''C'''ello '''G'''eht '''D'''och '''A'''uch! {{Audio|Cello strings.ogg|Klangbeispiel: Die vier Saiten des Violoncellos}}'' === Akustische Eigenschaften === Der Klang eines Musikinstruments wird aus physikalisch-[[Akustik|akustischer]] Sicht hauptsächlich durch den Teilton, bzw. [[Oberton]]aufbau, die [[Formant]]verteilung ([[Frequenz]]bereiche, in denen die Teiltöne unabhängig von der Lage des [[Grundton]]s hervortreten), den Ein- und Ausschwingvorgang, Geräuschanteile sowie die [[Dynamik (Musik)|Dynamik]] bestimmt. Diese Eigenschaften sind baulich stark von den Materialeigenschaften, der Konstruktion und sogar von der individuellen Spieltechnik abhängig, weshalb nur ungefähre Aussagen möglich sind. Das Violoncello hat, ähnlich der Violine, aufgrund der komplizierten [[Resonanz (Physik)|Resonanzeigenschaften]] des Resonanzkörpers einen sehr unregelmäßigen Teiltonaufbau sowie ausgeprägte Formantgebiete. Darauf beruht zum Teil der ihm oft zugeschriebene kantable Charakter. Die Grundtöne der tiefsten Töne sind gegenüber den Teiltönen sehr schwach ausgeprägt und liegen circa 15 [[Dezibel]] (dB) unter den stärksten Obertönen. Auch oberhalb von 3000 [[Hertz (Einheit)|Hertz]] (Hz) sind die Teiltöne, die bis ungefähr 8000 Hz reichen können, relativ schwach ausgeprägt. Charakteristische Formantgebiete des Violoncello liegen bei 230 Hz, zwischen 300 und 500 Hz sowie zwischen 600 und 900 Hz. Typisches Kennzeichen des Violoncelloklangs ist eine Formantsenke zwischen 1000 und 1200 Hz, in einem Bereich, in dem die Violine ihren stärksten Formanten besitzt. Dieses ist einer der Gründe für den unterschiedlichen Klangcharakter der beiden Instrumente. Instrumente, die einen Formanten zwischen 2000 bis 3000 Hz besitzen, zeichnen sich durch einen hellen Klang aus. Manche Instrumente besitzen beim Spiel auf der A-Saite im Bereich um 1500 Hz einen Formanten, der das Instrument etwas in Richtung Viola (die oft einen Formant bei circa 1600 Hz besitzt) klingen lässt. Die Einschwingzeit des Violoncellos liegt bei circa 60 bis 100 Millisekunden (Violine 30–60 ms, Kontrabass 100–500 ms). Sie kann aber durch entsprechende Bogenführung auf bis zu 300 ms verlängert werden, wodurch ein weicherer Klang erreicht wird. Da der Grundton später als die Teiltöne anspricht, kann bei schnellen Tonfolgen der Klang etwas „spitz“ werden. Der gegenüber der Violine etwas längeren Einschwingzeit entspricht ein längeres Ausklingen. Der Einschwingzeit analog ist der Geräuschanteil in diesem Zeitabschnitt. Weitere (erwünschte) Geräuschanteile nach dem Einschwingungsvorgang entstehen durch das Streichen des Bogens auf der Saite. Der Dynamikbereich der Streichinstrumente liegt circa 10 [[Dezibel]] unter denen der Holzbläser. Das Violoncello deckt ungefähr einen Dynamikbereich von 35 dB ab und liegt damit knapp über der Violine mit 30 dB. Die Richtcharakteristik des Violoncelloklangs, die allerdings nur im Nahbereich (zum Beispiel bei der [[Mikrofon]]aufnahme) von Bedeutung ist, unterscheidet sich dadurch von den anderen Streichinstrumenten, dass sie sich zwischen 2000 und 5000 Hz bevorzugt in zwei Zonen (zum Boden und senkrecht nach oben) aufteilt. == Spieltechnik == ''Siehe Unterartikel: [[Spieltechnik des Violoncellos]]'' [[Datei:Judenhochzeit.jpg|thumb|right|Jüdische Hochzeit im 18. Jahrhundert]] Das Violoncello wird heute fast ausschließlich im Sitzen gespielt. Es wird an zwei Punkten gehalten: Der Stachel steht auf dem Boden und die Knie stützen es von den Seiten. Es wird etwas geneigt, dass sich der Hals mit dem Griffbrett über der linken Schulter befindet und der Spieler aufrecht sitzen kann. Die linke Hand greift die [[Tonhöhe]]n auf den Saiten, die rechte führt den [[Bogen (Streichinstrument)|Bogen]]. Schon vom 16. bis zum 18. Jahrhundert wurde das Violoncello von einigen Musikern im Stehen gespielt, wobei das Instrument auf einem Schemel abgestützt werden musste. Bei Umzügen wurde auch im Gehen gespielt und das Instrument dabei durch ein Band am Körper gehalten. Im 20. Jahrhundert wurde dann der ''Arnold Cello Stand'' entwickelt, der ein Spielen im Stehen ermöglicht.<ref>Susanne Klein-Vogelbach, Albrecht Lahme, Irene Spirgi-Gantert: ''Musikinstrument und Körperhaltung'', Springer, 2000 ISBN 3-540-64537-3, 9783540645375</ref> === Die rechte Hand === [[Datei:Bow hand Violoncello.jpg|thumb|right|Handhaltung bei der Bogenführung]] Der Bogenführung kommt eine wichtige Rolle zu: sie bestimmt über [[Klangfarbe]], [[Lautstärke]] und [[Rhythmus (Musik)|Rhythmus]]. Der Violoncellist muss Position, Druck und Geschwindigkeit des Bogens jederzeit unter Kontrolle haben. Dafür ist eine subtile Koordination zwischen Arm und Handgelenk erforderlich. Die Kraftübertragung vom Arm auf den Bogen geschieht durch eine [[Pronation]] des Unterarmes, wodurch der Zeigefinger Druck auf die Bogenstange ausübt. Den notwendigen Gegendruck dazu liefert der Daumen, der sich an der Kante des Frosches abstützt. Der kleine Finger dient der Kontrolle des Aufsetzwinkels zur Saite und der Balance des Bogens beim Abheben des Bogens von der Saite (''siehe'' [[Spiccato]]). Bis in die 1930er Jahre wurde die Bogenhand oft parallel zur Horizontalen gehalten; mit heutiger Technik wird die Handinnenfläche etwas nach außen gedreht und damit die Bewegungsmöglichkeiten der Bogenhand noch ausgeweitet. Aus der Richtung des Bogenstrichs ergibt sich die grundsätzliche Einteilung in Auf-/Stoß- und Ab-/Zugstrich. Die Bogenführung nach rechts – der Ab-/Zugstrich – wird aus klanglichen und spieltechnischen Gründen eher für betonte Taktteile verwendet, der Aufstrich dementsprechend eher für unbetonte, insbesondere für Auftakte. Dieses gilt seit der Entstehung des Violoncello im Barock. Allerdings sind die Unterschiede zwischen Auf-/Stoßstrich und Ab-/Zugstrich mit modernem Instrument und Bogen minimal, so dass dieses Prinzip an Bedeutung verloren hat. Die große Zahl der [[Strichart]]en lässt sich prinzipiell zwei Gruppen zuordnen: * Der Bogen bleibt immer auf der Saite, zum Beispiel bei ''[[Legato]], [[Staccato]], Détaché, [[Portato]], Martelé''. * Der Bogen springt federnd von der Saite ab und wieder zurück, beispielsweise bei ''Ricochet'' und ''Spiccato''. Das [[Pizzicato]] (Zupfen) mit der Hand ermöglicht zusätzliche Klangeffekte und Nuancen. ''Näheres zu diesem Thema behandelt der Artikel [[Strichart]].'' === Die linke Hand === [[Datei:Ernst Reijseger 5257427.jpg|thumb|right|[[Ernst Reijseger]] beim Moers Festival, 2007]] Die Tonhöhe wird durch die Zahl und den Abstand der aufgelegten Finger sowie durch die Lage der Hand bestimmt. In der ''ersten [[Lage (Saiteninstrument)|Lage]]'' schließt der erste Finger (Zeigefinger) ganz am Oberende des Halses einen Ganzton über der Tonhöhe der leeren Saite an. Die übrigen Finger liegen meistens im Halbtonabstand daneben (enger Griff), so dass der vierte (kleine) Finger die Quarte des Saitengrundtons greift. Auf der C-Saite beispielsweise ist es das F. Um ein Fis zu spielen, kann der Violoncellist die ganze Hand um einen Halbton verschieben oder die Finger vom Mittelfinger bis zum kleinen Finger abspreizen (weiter Griff nach oben), für ein Cis hingegen spreizt er den Zeigefinger ab, ohne die Position der Hand aufzugeben (weiter Griff nach unten) oder verschiebt die Hand einen Halbton (halbe Lage). Jede weitere Lage bringt die Hand um den Abstand eines Tonschritts der Tonleiter weiter, so dass eine Quinte über der Saitenstimmung die ''vierte Lage'' erreicht ist. Bis zur ''sechsten Lage'' bleibt der Daumen als stabilisierendes Gegenlager meistens unter dem Hals. In Höhe der ''siebten Lage'' (eine Oktave über dem Saitengrundton) befindet sich das Griffbrett bereits weit über dem Korpus. Der Daumen, der hier nicht mehr den Hals umfassen kann, liegt nun mit auf den Saiten. Er kann auch zum Greifen von Tönen gebraucht werden (Daumenaufsatz, Daumenlage). Die Lagenwechsel sind notwendige Aktionen der linken Hand, um bei der beschränkten Anzahl von vier Saiten den erforderten Tonumfang zu erreichen. Die Wahl der Lage bestimmt aber auch die Klanggestaltung eines Stücks, da derselbe Ton, auf verschiedenen Saiten gespielt, unterschiedlich klingt. Beim [[Vibrato]] wird die Hand auf und ab bewegt, um den Ton durch wellenförmige [[Tonhöhe]]nschwankungen zu beleben. Das [[Flageolettton|Flageolett]] entsteht durch leichtes Auflegen des Fingers auf einen Knotenpunkt der harmonischen Teiltöne der Saite. Dadurch entsteht ein weich und zart klingender, hoher Ton. Diese Flageolette bezeichnet man als die sogenannten „natürlichen“ Flageolette, da sie sich immer auf die entsprechende leere Saite beziehen und die natürlichen [[Oberton|Obertöne]] der jeweiligen Saite angesprochen werden. Interessanterweise lassen sich identische Flageolettes sowohl in Richtung Steg (hohe Lage) als auch in Richtung Sattel (tiefe Lage) spielen. So entspricht ein in der vierten Lage gespieltes e - Flageolett auf der A-Saite genau der Tonhöhe eines eine Oktave höher gespielten e. Ein auf der A-Saite in der ersten Lage gespieltes d-Flageolett hingegen entspricht einem zwei Oktaven höheren a der leeren A-Saite. Die natürliche Obertonreihe lässt Naturflageolette in folgender Reihenfolge zu: Oktave - Quinte - Quarte - große Terz - kleine Terz. Alle weiteren Naturtöne, die besonders auf Cello und Bass durchaus noch zu produzieren sind, weisen mehr oder weniger große Intonationsabweichungen auf. Ein Paradebeispiel für Naturflageolette beim Cello ist das Ende des zweiten Satzes von [[Maurice Ravel]]s Klaviertrio. Im Gegensatz zu den natürlichen Flageoletts stehen die sogenannten „künstlichen“. Hierbei wird die leere Seite durch einen fest gegriffenen (meist mit dem ersten Finger oder dem Daumen) Ton ersetzt und (meist im Quart oder Terzabstand) ein weiterer Finger leicht aufgelegt. Dadurch lassen sich Flageolette in jeder beliebigen Reihenfolge und Tonhöhe spielen. Beispiele: [[Dmitri Dmitrijewitsch Schostakowitsch|Schostakowitsch]] Klaviertrio, 1. Satz, 1. Cellokonzert, 2. Satz, [[Messiaen]] Quatuor pour la fin du temps, 1. Satz. Ein Berufscellist muss diese Techniken beherrschen, insbesondere die Kenntnis über die Lagen der entsprechenden Flageolette. Vielfach lassen sich nämlich ungünstig notierte Flageolette (besonders Terz-Flageolette in tiefen Lagen, die selten gut ansprechen) durch entsprechende, besser spielbare Quart-Flageolette ersetzen. So ergibt zum Beispiel ein auf der G-Saite notiertes Terz-Flageolett a-cis, ausgeführt als Quartflageolett cis-fis dieselbe Tonhöhe, jedoch mit weniger Risiko. Ein weiterer Aspekt zum Flageolett-Spiel betrifft die Position des Bogens zwischen Griffbrett und Steg. Fälschlicherweise wird oft geraten, insbesondere bei künstlichen Flageoletten in hoher Lage nahe am Steg zu spielen. Dies ist nur bedingt richtig: Der beste Effekt wird erzielt, wenn sich der Bogen zumindest in der Nähe eines dem des gerade gespielten Flageoletts entsprechenden Knotenpunkt der Obertonreihe befindet. Wird also etwa in extrem hoher Lage ein Quart-Flageolett mit dem Klang fis gespielt, sollte sich der Bogen an der Stelle befinden, wo mit der linken Hand ebenfalls ein fis, cis oder a gegriffen werden würde (Obertonreihe). [[Doppelgriff]]e sind beim Violoncello wie bei allen Streichinstrumenten gebräuchlich. Der Bogen streicht dabei zwei benachbarte Saiten gleichzeitig, und die linke Hand greift auf einer oder auf beiden Saiten Töne. Doppelgriffe unterliegen spieltechnischen Einschränkungen. Manche sind relativ einfach, manche schwer oder überhaupt nicht ausführbar. Drei- und Vierklänge können auf dem Violoncello nur relativ laut oder als [[Arpeggio]] ausgeführt werden. Eine Ausnahme ist die Verwendung des relativ selten gebräuchlichen Rundbogens. Mit ''Percussion'' bezeichnet man die heute häufige Technik, die Finger leicht aufprallen zu lassen, statt sie weich aufzulegen. Das (natürlich nicht zu laute) Klopfen der Finger gestaltet den Anfang des Tons und unterstützt die Durchsichtigkeit der Interpretation. == Geschichte == === Herkunft, Namensgebung und bauliche Entwicklungen === [[Datei:Anne Henriette de France.jpg|thumb|Jean-Marc Nattier (1685-1766), „Madame [[Anne Henriette de Bourbon|Henriette de France]]“, abgebildet mit einer Gambe]] Das Violoncello ist der Bass der Viola-da-braccio-Familie, einer Gattung von Streichinstrumenten, die sich im 15. und 16. Jahrhundert parallel zu den [[Gambe]]n entwickelt hatte. Zu dieser Familie gehören auch die heutigen Violinen und Violen. Diese Instrumente hatten drei oder vier in Quinten gestimmte Saiten. Ab etwa der Mitte des 16. Jahrhunderts waren vier Saiten häufig. Typische Stimmungen für das Bassinstrument waren F-c-g, B<sup>1</sup>-F-c-g und C-G-d-a. Die Stimmung vom B<sup>1</sup> aus hielt sich in Frankreich und England bis zum Ende des 17. Jahrhunderts, in [[Bologna]] war bis 1700 die Stimmung C-G-d-g üblich. Ab etwa 1730 überwog die Quintstimmung auf dem Ton C in ganz Europa. 1572 baute Daniel Möllenbeck in Burlo eines der ersten bekannten Instrumente, dessen Maße etwa denen des modernen Violoncellos entsprachen. Zunächst lautete die Bezeichnung des Instruments einfach ''Bassvioline'', ''Bassgeige'' oder französisch ''basse de violon'' bzw. italienisch ''basso di viola da braccio'', in Italien auch ''Violone'' und gelegentlich ''Violoncino''. Manchmal wurden diese frühen Bassgeigen bei [[Prozession]]en getragen. Im Boden von alten Instrumenten findet man mitunter in der Nähe des Halses zwei kleine Löcher, durch die vermutlich eine Schnur gezogen und dann mit einem Tragegurt um die Schulter verbunden wurde. Dieses ermöglichte den Musikern, auch im Stehen und Laufen zu spielen. In den ''Zwölf Triosonaten'' des italienischen Komponisten ''Giulio Cesare Arresti'' aus dem Jahre 1665 schließlich erscheint in gleicher Bedeutung wie ''Violoncino'' erstmals die Diminutivform ''Violoncello''. Violoncello heißt also wörtlich „kleine Großviola“ (oder kleiner Violone/Kontrabass). Bekannte Geigenbauer des 16. Jahrhunderts, die bereits solche Instrumente anfertigten, sind u.&nbsp;a. Andrea Amati (ca. 1520–1580), [[Gasparo da Salo]] (1540–1609) und [[Giovanni Paolo Maggini]] (1581–1632). Im 17. Jahrhundert ist [[Antonio Stradivari]] (etwa 1644–1737) hervorzuheben, der den Schallkörper etwas verkleinerte und so die bis heute gültigen Maße festlegte, aber auch beispielsweise [[Domenico Montagnana]] und [[Matteo Gofriller]]. [[Datei:LBoccherini.jpg|thumb|''unbekannter Maler'' (ca. 1764–1767), Portrait von [[Luigi Boccherini]] mit einem Violoncello, noch ohne Stachel.]] Neben den herkömmlichen Viersaitern entstanden in der Frühzeit des Violoncellos um 1700 auch fünfsaitige Modelle. Auch [[Michael Praetorius]] (1619, Tafel XXI, Nr. 6) nennt eine fünfsaitige ''Bas-Geig de bracio'' in der Stimmung F<sub>1</sub>-C-G-d-a. Auf vielen zeitgenössischen Gemälden finden sich „Violoncelli“ mit einer fünften Saite. Ein solches auf 1717 datiertes Instrument aus [[Gent]] befindet sich im Musée Instrumental, [[Brüssel]]. Auch [[Johann Sebastian Bach|J. S. Bach]] komponierte seine ''Sechste Suite für Violoncello solo D-Dur'' (BWV 1012) für ein Violoncello mit einer fünften Saite, auf e' gestimmt. Solche Instrumente werden heute [[Violoncello piccolo]] genannt, ein Begriff, der historisch jedoch fragwürdig ist. Anders als die Gambe erhielt das Violoncello seit etwa 1800 einen Stachel an der Unterseite des Korpus. Der Stachel wurde im Orchester ab etwa 1820 zunehmend verwendet; Solisten spielten jedoch häufig noch bis etwa 1850 „stachelfrei“. Der Stachel läuft durch eine Holzbirne, die in den Unterklotz eingelassen ist. Ab etwa 1860 setzte sich die Verwendung einer Feststellschraube für den Stachel durch. Grund für dieses bauliche Veränderung war der häufigere Einsatz des Vibrato und der hohen Lagen. Die Größe der Violoncelli war im Barock nicht einheitlich. Es gab Instrumente in mehreren Größen, die der Bass-, Bariton- und Tenorlage entsprachen. Die kleineren Violoncelli wurden oft eine Quarte oder Quinte höher gestimmt.<ref>William Pleeth: ''Das Cello'', Edition Sven Erik Bergh, 1993</ref> Die frühen Instrumente wurden teilweise mit Bünden versehen. [[Johann Joachim Quantz]] erwähnt diese Praxis noch in seinem ''Versuch'' von 1789.<ref> [[Johann Joachim Quantz]]: ''Versuch einer Anweisung die Flute Traversiere zu spielen'', S. 217, Breslau 1789</ref> == Verwendung in der Musik == === Notation === Der verwendete [[Notenschlüssel]] ist in erster Linie der [[Bassschlüssel]]. Hohe Passagen werden auch im [[Tenorschlüssel]] oder im [[Violinschlüssel]] notiert. In älteren Notenausgaben findet sich etwa bei [[Antonín Dvořák|Dvořák]], [[Ludwig van Beethoven|Beethoven]], [[Anton Bruckner|Bruckner]] auch eine Notation im nach oben [[Oktavierung|oktaviertem]] Violinschlüssel; diese Musik muss dann eine Oktave tiefer gespielt werden als notiert. Dabei galt folgende Regel: Ein Violinschlüssel unmittelbar nach einem Tenorschlüssel wurde ohne Oktavierung gespielt, ein Violinschlüssel unmittelbar nach einem Bassschlüssel wurde oktaviert gespielt. In [[Partitur]]en wird die Violoncellostimme unten über der Stimme des [[Kontrabass]]es notiert. Fehlt diese, nimmt sie selbst den untersten Platz ein. === Solistische Verwendung === ''Siehe Unterartikel: [[Musik für Violoncello]]'' ==== 17. Jahrhundert ==== Im 17. Jahrhundert nahm das Violoncello die wichtige Rolle des „Generalbass“ ein (zusammen mit Cembalo, Orgel oder Laute). Die Melodie oblag hohen Instrumenten, etwa in Violinsonaten, [[Flöte]]nsonaten, [[Arie]]n usw. verwendet wurde. Allerdings gab es nach 1650 auch Sonaten für tiefe Instrumente, und zwar viele für die [[Gambe]], weniger für das Violoncello und das [[Fagott]]. Viel Gambenmusik wird heute aber auch auf dem Violoncello gespielt, da die Gambe nach 1750 weitgehend außer Gebrauch kam. Erste Solomusik für das Violoncello gibt es von ''Giovanni Degli Antoni'' um 1650 und wenig später von ''[[Domenico Gabrielli]]'', ''[[Giuseppe Jacchini]]'' und ''[[Evaristo Felice Dall'Abaco]]'' und anderen. ==== 18. Jahrhundert ==== Den Typus des solistischen [[Solokonzert|Instrumentalkonzerts]] prägte entscheidend [[Antonio Vivaldi]]. Von ihm sind 27 Violoncellokonzerte erhalten. Vor allem er führte die Dreisätzigkeit (schnell-langsam-schnell) und die [[Ritornell]]form als gängige Kompositionsmethode ein. Letztere kennzeichnet fast alle ersten [[Satz (Musikstück)|Sätze]] seiner Solokonzerte und meistens auch den letzten Satz. [[Johann Sebastian Bach]], der regen Anteil an den instrumententechnischen Entwicklungen seiner Zeit nahm, widmete 1720 dem damals noch hauptsächlich als Generalbassinstrument verwendeten Violoncello die bedeutenden sechs „[[Suiten für Violoncello solo (Bach)|Suiten für Violoncello solo]]“ (BWV 1007–1012). [[Datei:Joseph_Haydn.jpg|thumb|[[Joseph Haydn|Haydns]] Violoncellokonzerte gehören heute zum Standardrepertoire]] Seit dieser Zeit setzte sich das Violoncello allmählich gegen die Gambe durch und bekam über den [[Generalbass]] hinaus eine eigene musikalische Bedeutung. Die Gambe kam bald darauf völlig außer Gebrauch. Um 1750 gab es außerhalb von Kirche und Hof eine lebendige bürgerliche Musikkultur. Kompositionen wurden oft nur einmal aufgeführt; das Publikum war vor allem an Neuem interessiert. So konnten die Werke der zahlreichen Komponisten häufig keinen größeren und längerfristigen Bekanntheitsgrad erreichen. Manches hat aber auch überdauert, etwa die mehr als 40 Violoncello-Sonaten, die [[Luigi Boccherini]] (1743–1805) komponierte. Außerdem sind von ihm zwölf Violoncellokonzerte bekannt. Diese ragen mit ihrem melodischen Glanz und ihrer spieltechnischen Brillanz auch unter den Violoncellokonzerten anderer italienischer Musiker aus dem letzten Drittel des 18. Jahrhunderts (u.&nbsp;a. [[Giovanni Battista Cirri]], [[Luigi Borghi]], [[Domenico Lanzetti]]) heraus. Die fast gleichzeitig entstandenen Violoncellokonzerte von [[Joseph Haydn]] zählen heute zu den meistgespielten Werken. Etwa ab 1770 etablierte sich das Violoncello in den entstehenden Formen der Kammermusik. Im [[Streichquartett]], im [[Klaviertrio]] und den davon abgeleiteten Besetzungen (-quintett, -sextett usw.) war es seitdem regelmäßig vertreten. Der Sonatentypus für ein [[Melodieinstrument]] und Klavier, den wir heute als „klassisch” bezeichnen, wurde vor allem von [[Ludwig van Beethoven]] weiterentwickelt. Nach dem Vorbild seiner bedeutenden „Sonaten für Klavier und Violoncello“ schufen Komponisten im 19. und der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts über 150 Sonaten. ==== 19. Jahrhundert ==== [[Datei:saintsaens.jpg|thumb|Camille Saint-Saëns schrieb viele bekannte Werke für Violoncello]] Die Mehrzahl der bedeutenden Komponisten des 19. Jahrhunderts widmeten sich vor allem Violine und Klavier als konzertanten Instrumenten. Dennoch gibt es eine Reihe Kompositionen für Violoncello, die bis heute einen unangefochtenen Platz im Konzertrepertoire einnehmen. Dazu zählen vor allem die Violoncellokonzerte von [[Robert Schumann]], [[Camille Saint-Saëns]] und [[Antonín Dvořák]]. Von Beethoven gibt es außerdem ein „[[Tripelkonzert (Beethoven)|Tripelkonzert]] für Klavier, Violine und Violoncello“. [[Johannes Brahms]] komponierte zwei „Sonaten für Violoncello und Klavier“ sowie ein „Doppelkonzert für Violine und Violoncello“, das von Beethovens Tripelkonzert inspiriert ist. Auch Camille Saint-Saëns schrieb zwei Violoncellosonaten, des Weiteren hat das Violoncello in seiner Orchestersuite „[[Karneval der Tiere|Le carnaval des animaux: fantaisie zoologique]]“ einen Auftritt als „Le cygne“, der Schwan. Zur Gruppe wichtiger Violoncellokomponisten zählen außerdem noch [[Felix Mendelssohn Bartholdy]], [[Pjotr Iljitsch Tschaikowski]], [[Édouard Lalo]], [[Eugen d’Albert]], [[Edward Elgar]] sowie [[Max Bruch]] und [[Ferdinand Thieriot]]. ==== 20. Jahrhundert ==== Von den Komponisten des 20. Jahrhunderts ist das Violoncello als Soloinstrument reichlich bedacht worden. Viele Kompositionen, die es in seiner ganzen Vielfalt umfassen, wurden von den großen Virtuosen dieses Jahrhunderts inspiriert und sind diesen gewidmet. [[Datei:Pau Casals 06.jpg|thumb|[[Pablo Casals]]]] Allen voran sind wohl [[Pablo Casals]], [[Mstislaw Leopoldowitsch Rostropowitsch|Mstislaw Rostropowitsch]], [[Pierre Fournier]], [[Jacqueline du Pré]], [[Yo-Yo Ma]], [[Mischa Maisky]], [[Gregor Piatigorsky]] und, insbesondere als Interpret zeitgenössischer Musik, [[Siegfried Palm]] zu nennen. Für Rostropowitsch schrieb [[Dmitri Dmitrijewitsch Schostakowitsch|Dmitri Schostakowitsch]] zwei Konzerte; außerdem gibt es Konzerte und andere Solowerke u.&nbsp;a. von [[György Ligeti]], [[Krzysztof Penderecki]], [[Witold Lutosławski]], [[Bernd Alois Zimmermann]], [[Sergei Prokofjew]], [[Henri Dutilleux]] und [[Firəngiz Əlizadə]], von denen einige für Palm komponiert wurden. Von dem tschechischen Komponisten [[Bohuslav Martinů]] wurden zwei Violoncellokonzerte und zahlreiche Sonaten für Violoncello verfasst. Der [[Zwölftontechnik]] für das Violoncello bedienten sich unter anderem die Komponisten [[Ernst Krenek]] und [[Hans Werner Henze]]. Im 20. Jahrhundert begann man auch in der Violoncellomusik zu experimentieren. Technische Neuerung machten das Speichern der Musik auf [[Tonträger]]n möglich, die [[Elektronik|elektronisch]] verändert und bearbeitet werden konnten. So befassten sich im 20. Jahrhundert erstmals Komponisten mit dem Violoncello in Verbindung mit Elektronik und [[Tonband]], aber auch mit elektrisch verstärkten Violoncelli und ähnlichen Neuerungen. Eine Vielzahl spieltechnischer Erweiterungen wurden zum Beispiel in [[Helmut Lachenmann]]s Stück ''Pression für einen Violoncellisten'' komponiert. Die bis dahin ungewöhnlichen Spieltechniken wie Streichen mit Überdruck hinter dem Steg oder auf dem Saitenhalter, Klopfen und Reiben mit den Fingern auf der Korpusdecke, Streichen der Saiten von unten oder [[Flageolettton|Flageolett]]-[[Glissando|Glissandi]] produzieren eine große Palette von Klängen mit hohem Geräuschanteil. === Im Orchester === Obwohl J. S. Bach 1720 mit den „Sechs Suiten für Violoncello solo“ die Virtuosität des Violoncellospiels demonstrierte, konnten die Violoncelli im Orchester auch in den folgenden Jahren nicht über ihre Funktion in der Bassführung hinausgelangen. In den Partituren wurden die Violoncelli oft gar nicht namentlich erwähnt, sondern mit den [[Kontrabass|Kontrabässen]] und anderen Instrumenten im untersten [[Notensystem (Musik)|Notensystem]] als ''bassi'' zusammengefasst. Auch nach der Ablösung des [[Generalbass]]es in der Frühklassik änderte sich in der [[Wiener Klassik]] zunächst nichts an der Bassrolle der Violoncelli im Orchester. Schon [[Joseph Haydn]] aber trennte in seinen [[Sinfonie]]n die Violoncelli zeitweise von den Kontrabässen und komponierte für sie eigene Stimmen. [[Ludwig van Beethoven]] führte diese Idee weiter und betraute die Violoncelli auch mit der Melodieführung, so zu Beginn seiner [[3. Sinfonie (Beethoven)|3. Sinfonie]] oder im 2. Satz seiner [[5. Sinfonie (Beethoven)|5. Sinfonie]], in dem die Celli, unisono mit den Bratschen, das erste Thema anstimmen. [[Datei:Beethoven wiki.jpg|thumb|[[Ludwig van Beethoven]] emanzipierte die Violoncelli im Orchester]] Der Schriftsteller und Musikkritiker [[E. T. A. Hoffmann]] (1776–1822) äußerte sich 1812 in seiner Rezension der ''[[Coriolan-Ouvertüre]]'' von Beethoven über die neue Rolle der Violoncelli im Orchester: :''Seit einigen Jahren ist das Violoncell ein für das Orchester neuerworbenes Instrument: denn sonst dachte man nicht daran, es durchaus obligat, außer dem Grundbaß zu behandeln. Auch in dieser Ouverture geht es selten „col Basso“, sondern hat seine eigenen, zum Teil nicht leicht auszuführenden Figuren. [Der Rezensent] gesteht zu, daß diese Art, das Violoncell zu behandeln, ein offenbarer Gewinn für das Orchester ist, da manche Tenorfigur, von den gewöhnlich schwach besetzten und überhaupt dumpfklingenden Violen vorgetragen, nicht genug heraustritt, der durchdringende originelle Ton des Violoncells dagegen von eingreifender Wirkung ist; in dem vollen Tutti würde er sich aber nicht entschließen können, den Kontrabässen die Unterstützung der Violoncelle zu rauben, da diese erst durch die höhere Oktave den Ton der Kontrabässe deutlich und scharf bestimmen.'' Seit Beethoven wurde das Violoncello neben seinen harmoniefüllenden Funktionen oft als Melodieinstrument in der Tenorlage verwendet. Eines der ersten Beispiele dafür ist das zweite Thema im 1. Satz von Schuberts [[Sinfonie in h-Moll (Schubert)|Unvollendeter]]. Zu den schönsten Orchestersoli für die Violoncelli zählt der dritte Satz der [[3. Sinfonie (Brahms)|Sinfonie Nr. 3 in F-Dur, op. 90]] von Johannes Brahms. Auch [[Pjotr Iljitsch Tschaikowski]] (zum Beispiel im 2. Satz der ''Symphonie pathétique''), [[Antonín Dvořák]] (8. Sinfonie, Anfang), [[Claude Debussy]] (eine Passage im ersten Satz von „La Mer“) und viele andere Komponisten haben dem Instrument dankbare Aufgaben zugedacht. Im [[Ballett]] [[Le sacre du printemps|„Le sacre du printemps“]] von [[Igor Fjodorowitsch Strawinski|Igor Strawinski]] (1882–1971) haben die Violoncelli im zweiten Stück „Die Vorboten des Frühlings – Tänze der jungen Mädchen“ mit ihren Staccatorhythmen einen markanten Auftritt. === Moderne Verwendungen === Das Violoncello spielt wegen der Vielfalt seiner klanglichen Möglichkeiten auch außerhalb der klassischen Orchestermusik eine Rolle: [[Datei:Apocalyptica1.jpg|thumb|Perttu Kivilaakso, Mitglied der Gruppe [[Apocalyptica]], mit elektrisch verstärktem Violoncello]] * Beim [[Argentinien|argentinischen]] [[Tango (Musikrichtung)|Tango Nuevo]] wird häufig auch ein Violoncello eingesetzt. * Im [[Jazz]] wurde das Violoncello durch den Cell- und Kontrabassisten [[Oscar Pettiford]] populär. Ihm folgten [[Liste von Jazzmusikern|Jazzmusiker]] wie [[Ron Carter]], [[Dave Holland (Bassist)|Dave Holland]], [[Abdul Wadud]], [[Hank Roberts]] und [[David Baker]]. Der Violoncello-Klang wurde zum Teil auch elektronisch verstärkt, verzerrt oder - wie im Falle von [[Zoë Keating]] - vervielfacht. Siehe auch → [[Jazzcello]] * Die Band [[Rasputina]] verwendet in ihrer Musik fast ausschließlich Cello, damit prägte die Band auch den Musikstil "Cello Rock". * Seit dem Ende der [[1960er]] Jahre begegnet man dem Violoncello in der [[Rockmusik]]. Schon die [[Beatles]] experimentierten auf ihren Studioalben mit Violoncelloklängen. Als Vorreiter führte [[Roy Wood]], der vor allem mit dem [[Electric Light Orchestra]] assoziiert wird, das Violoncello als festen Bestandteil eines Ensembles in die Bühnenpraxis von [[Rock ’n’ Roll]]- und [[Popmusik]] ein. Außerdem schrieb einer der wohl bekanntesten zeitgenössischen Komponisten, [[Andrew Lloyd Webber]], ein modernes Album für Celli, welches sich aus Variationen eines Themas von [[Niccolò Paganini|Paganini]] zusammensetzt. * Im Jahr 1996 begannen vier finnische Cello-Studenten der [[Sibelius-Akademie]] in [[Helsinki]], Lieder ihrer Lieblingsband, der [[Metal]]-Formation [[Metallica]], auf dem Cello zu spielen. Als Prüfung an der Akademie wählten sie daraus vier Stücke aus. Daraus entstand die finnische Cello-Rock-Gruppe [[Apocalyptica]], die Instrumentalmusik mit elektronisch verstärkten und veränderten Violoncello-Klängen praktiziert. Während das erste Album ''Plays Metallica by Four Cellos'' lediglich auf Cello gespielte Metallica-Stücke enthielt, beinhalteten die nachfolgenden Alben neben Coverversionen von unter anderem [[Metallica]], [[Slayer]], [[Sepultura]] und [[Rammstein]] auch stets Eigenkompositionen. * Auch die Band [[Coppelius]] benutzt das Cello anstelle der [[E-Gitarre]]. == Pädagogik == Für Kinder, die das Instrument erlernen, gibt es neben dem normalen <sup>4</sup>/<sub>4</sub>-Violoncello (Korpuslänge etwa 750 mm) auch Instrumente in kleineren Ausführungen. Die Größen reichen von <sup>1</sup>/<sub>16</sub> über <sup>1</sup>/<sub>8</sub> (Kl. 510 mm), <sup>1</sup>/<sub>4</sub> (590 mm), <sup>1</sup>/<sub>2</sub> (655 mm), <sup>3</sup>/<sub>4</sub> (690 mm) bis zum <sup>7</sup>/<sub>8</sub>-Violoncello (720 mm). Aus der Bruchzahl lässt sich aber nicht direkt auf die Größe des Instruments schließen. So beträgt die Größe eines <sup>3</sup>/<sub>4</sub> Violoncellos etwa 90 % eines <sup>4</sup>/<sub>4</sub> Violoncellos, die eines <sup>1</sup>/<sub>8</sub> Violoncellos noch 65 %. Lehrbücher des Violoncellospiels schrieben [[Michel Corrette]], [[Jean Louis Duport]], [[Volkmar Längin]], [[Bernhard Romberg]], [[Friedrich Dotzauer]], [[Friedrich August Kummer]] und [[Sebastian Lee]]. Bedeutende moderne Violoncelloschulen wurden unter anderem von [[Susanne Hirzel]], [[Hans-Peter Linde]], [[Antal Friss]], [[Egon Saßmannshaus]], [[Gerhard Mantel]], [[Louis R. Feuillard]] und [[Werner Thomas-Mifune]] veröffentlicht. == Siehe auch == * [[Liste von Cellisten]] == Einzelnachweise == <references /> == Literatur == * Harald Eggebrecht: ''Grosse Cellisten''. Mit zwei Exkursen über große Bratschisten und 69 Abbildungen. Geleitwort von Janos Starker. Piper, München /Zürich 2007, ISBN 978-3-492-04669-5 * Julius Bächi: ''Berühmte Cellisten. Porträts der Meistercellisten von Boccherini bis zur Gegenwart''. Atlantis Verlag, Zürich 1998, ISBN 3-254-00121-4 * Albert E. Kahn: ''[[Pablo Casals]]: Licht und Schatten auf einem langen Weg. Erinnerungen''. Fischer Taschenbuch, Frankfurt am Main 1979, 1995, ISBN 3-596-21421-1 * Gerhard Mantel: ''Cello üben.'' Schott, Mainz 1999, ISBN 3-7957-8714-9 (Eine Methodik des Übens, nicht nur für Streicher) * Klaus Marx: ''Die Entwicklung des Violoncells und seiner Spieltechnik bis J.L.Duport (1520–1820)''. [[Gustav Bosse Verlag]], Regensburg 1963. * Angela Kail: ''Die Technik des Violoncellospiels: Historischer Überblick über Didaktik und Unterrichtsmethoden''. [[VDM Publishing|VDM Verlag Dr. Müller]], Saarbrücken 2009, ISBN 3-6392-0201-5 * Winfried Pape, Wolfgang Boettcher: ''Das Violoncello. Bau, Technik, Repertoire''. Schott, Mainz 1996, 2005 (2. Aufl.), ISBN 3-7957-0283-6 (Standardwerk zu Geschichte, Technik und Repertoire) * [[Gregor Piatigorsky]]: ''Mein Cello und ich und unsere Begegnungen''. dtv, München 1998, ISBN 3-423-20070-7 (Humorvoll erzählte Autobiografie des berühmten Cellisten). * William Pleeth: ''Das Cello''. Ullstein, Frankfurt/M. 1985, ISBN 3-7163-0198-1 (Philosophie des Cellospiels, Spieltechnik, Geschichte und eine Liste weniger bekannter Werke). * Ralf Schnitzer: ''Die Entwicklung der Violoncellpädagogik im frühen 20. Jahrhundert''. Peter Lang Verlag, Frankfurt/Main 1995, ISBN 978-3-631-48708-2 * Brunhard Böhme: ''Entwicklung und Aspekte des Vibratos auf dem Violoncello'' (ESTA-Bulletin 1984) == Weblinks == * [http://www.cello.org/ Internet Cello Society] (englisch) {{Exzellent}} [[Kategorie:Violoncello| ]] {{Link FA|bar}} {{Link FA|es}} [[ar:كمان جهير]] [[bar:Violoncello]] [[be-x-old:Віялянчэль]] [[bg:Виолончело]] [[bs:Violončelo]] [[ca:Violoncel]] [[cs:Violoncello]] [[cv:Виолончель]] [[cy:Sielo]] [[da:Cello]] [[el:Βιολοντσέλο]] [[en:Cello]] [[eo:Violonĉelo]] [[es:Violonchelo]] [[et:Tšello]] [[eu:Txelo]] [[fa:ویلونسل]] [[fi:Sello]] [[fr:Violoncelle]] [[fy:Sello]] [[gl:Violoncello]] [[he:צ'לו]] [[hr:Violončelo]] [[hu:Cselló]] [[id:Cello]] [[is:Selló]] [[it:Violoncello]] [[ja:チェロ]] [[ko:첼로]] [[lt:Violončelė]] [[lv:Čells]] [[mk:Виолончело]] [[ms:Selo]] [[nl:Cello]] [[nn:Cello]] [[no:Cello]] [[oc:Violoncèl]] [[pl:Wiolonczela]] [[pt:Violoncelo]] [[qu:Chilu]] [[ro:Violoncel]] [[ru:Виолончель]] [[simple:Cello]] [[sk:Violončelo]] [[sl:Violončelo]] [[sr:Виолончело]] [[sv:Cello]] [[th:เชลโล]] [[tl:Tselo]] [[tr:Viyolonsel]] [[ug:چوڭ ئىسكىروپكا]] [[uk:Віолончель]] [[uz:Violonchel]] [[vi:Cello]] [[zh:大提琴]] h47d2jvjiu15cffsxsa6mzvr09mkyw1 wikitext text/x-wiki Virgen 0 24450 27049 2010-04-26T14:14:57Z He3nry 0 Einwohnerzahl in Einleitungssatz aktualisiert {{Infobox Gemeinde in Österreich |Art = Gemeinde |Name = Virgen |Wappen = AUT Virgen COA.svg |lat_deg = 47 | lat_min = 00 | lat_sec = 12.5 |lon_deg = 12 | lon_min = 27 | lon_sec = 28.5 |Lageplan = Virgen im Bezirk LZ.png |Lageplanbeschreibung = Lage Virgens im Bezirk Lienz |Bundesland = Tirol |Bezirk = Lienz |Höhe = 1194 |Fläche = 88.8 |Einwohner = 2139 |Stand = 2005-12-31 |PLZ = 9972 |Vorwahl = 04874 |Kfz = LZ |Gemeindekennzahl = 70734 |NUTS = AT333 |Straße = Virgen 38 |Website = [http://www.virgen.at www.virgen.at] |Bürgermeister = Dietmar Ruggenthaler |Partei = <!-- ÖVP --> |Gemeinderatanzahl = 15 |Gemeinderat = 15 Für Virgen&nbsp;–&nbsp;unabhängige<br />Gemeinschaftsliste |Wahljahr = 2010 |Bild1 = Virgen - Fraktion Virgen-Dorf.jpg |Bildbeschreibung1 = Der Hauptort Virgen mit der spätgotischen Pfarrkirche }} '''Virgen''' [{{IPA|ˈfɪrɡn̩}}] ist eine [[Gemeinde (Österreich)|Gemeinde]] im [[Österreich|österreichischen]] Bundesland [[Tirol (Bundesland)|Tirol]], [[Bezirk Lienz]] (Osttirol). Sie umfasst Teile des [[Virgental]]s in der [[Venedigergruppe]], umfangreiche Teile des Gemeindegebietes liegen zudem im [[Nationalpark Hohe Tauern]]. Die Besiedelungsgeschichte Virgens geht auf die Zeit um 500 vor Christus zurück, wobei der Kupferbergbau eine tragende Rolle spielte. Nach dem Ende der Römerzeit siedelten sich [[Slawen]] im Virgental an, die ab dem 8. Jahrhundert nach und nach von [[Bajuwaren|bairischen]] Siedlern assimiliert wurden. Die gleichzeitig einsetzende Christianisierung führte zur Einrichtung einer der ersten Pfarren in der Region. Im Mittelalter war Virgen Teil Kärntens und der [[Grafschaft Görz]], 1500 wurde es an Tirol angegliedert. Mit {{EWZ|AT|70734}} Einwohnern (Stand {{EWD|AT|70734}}) ist Virgen heute die bevölkerungsmäßig fünftgrößte Gemeinde Osttirols. Wirtschaftlich spielt in der Gemeinde vor allem die Landwirtschaft und der Tourismus eine wichtige Rolle, wobei ein Mangel an Arbeitsplätzen sowie strukturelle Probleme zu einer sehr hohen [[Pendler]]rate führen. == Geographie == === Lage === Virgen liegt im nördlichen Osttirol und ist mit einer Fläche von 88,8&nbsp;[[Quadratmeter|km²]] die sechstgrößte Gemeinde im Bezirk Lienz. Mit einem Anteil von rund 42&nbsp;km² am Nationalpark Hohe Tauern steht knapp die Hälfte des Gemeindegebiets unter Naturschutz.<ref>Oberwalder: Virgen S. 42</ref> Virgen umfasst das östliche, von der [[Isel]] durchflossene, [[Virgental]] von der Iselschlucht bis zur Ortschaft (Fraktion) [[Mitteldorf (Gemeinde Virgen)|Mitteldorf]]. Da die Isel vom Virger Schwemmkegel an die rechte Talseite gedrängt wird, liegen alle Siedlungen, mit Ausnahme der Fraktion [[Welzelach]], auf der linken Talseite. Höchster Punkt ist der [[Hoher Eichham|Hohe Eichham]] (3.371&nbsp;m) in der Venedigergruppe. Auch der höchste Berg der [[Lasörlinggruppe]], der [[Lasörling]] (3.098&nbsp;m), liegt an der Grenze des Gemeindegebietes. === Gemeindegliederung === {| border="1" cellpadding="2" cellspacing="0" align="right" textalign="right" style="margin-left:1em;" |- bgcolor="#CCCCCC" ! colspan="6" | Bevölkerungsverteilung 2001 <ref name="statistik"> [http://www.statistik.at/blickgem/gemDetail.do?gemnr=70734&gemnam=Virgen Gemeindedaten Virgen VZ 2001 (Statistik Austria)]</ref> |- bgcolor="#FFFFFF" | Virgen || 941 |- bgcolor="#FFFFFF" | [[Obermauern]] || 333 |- bgcolor="#FFFFFF" | [[Mitteldorf (Gemeinde Virgen)|Mitteldorf]] || 255 |- bgcolor="#FFFFFF" | [[Niedermauern]] || 238 |- bgcolor="#FFFFFF" | [[Göriach (Gemeinde Virgen)|Göriach]] || 169 |- bgcolor="#FFFFFF" | [[Welzelach]] || 104 |- bgcolor="#FFFFFF" | [[Mellitz]] || 88 |} Virgen besteht aus sieben [[Ortschaft|Fraktionen]] sowie sieben [[Weiler]]n. Betritt man das Gemeindegebiet von Osten entlang der Landesstraße, so erreicht man zunächst die Fraktion [[Mitteldorf (Gemeinde Virgen)|Mitteldorf]] (1.089&nbsp;m) mit dem Weiler Bach. Folgt man der Landesstraße weiter, so gelangt man in die Fraktion Virgen-Dorf (1.194&nbsp;m), den Hauptort der Gemeinde, mit dem Weiler Weite. Nordöstlich des Hauptortes, unterhalb des Obersonnbergs, liegt am gleichnamigen Bach die Fraktion [[Mellitz]], nordwestlich am Virger Bach die Fraktion [[Göriach (Gemeinde Virgen)|Göriach]] mit dem Weiler Marin. Göriach und Mellitz sind jedoch bereits teilweise mit dem Hauptort zusammengewachsen. Westlich des Hauptortes befindet sich am Nilbach die Fraktion [[Obermauern]] (1.303&nbsp;m), südlich von Obermauern die Fraktion [[Niedermauern]] mit den Weilern Gries und Rain. Westlichste Fraktion ist der Ort Welzelach (1.189&nbsp;m) mit den Weilern Berg und March. Neben den Fraktionen und Weilern bestehen in der Gemeinde zudem hoch gelegene Einzelhöfe wie Sonnberg (1.487 Meter) oberhalb von Mellitz und Budam (1.563&nbsp;m) östlich von Obermauern. === Flächennutzung === Große Teile des Gemeindegebiets von Virgen können durch ihre hochalpine Lage und den starken Anteil an den [[Hohe Tauern|Hohen Tauern]] nicht genutzt werden. Rund 41 Prozent des Gemeindegebiets entfallen deshalb auf [[Ödland]]. An zweiter Stelle rangieren [[Alm (Bergweide)|Almen]] und Bergmähder, die 29 Prozent des Gemeindegebietes einnehmen. [[Wald|Wälder]] spielen in Virgen ebenfalls eine wichtige Rolle. Mit knapp über 20 Prozent liegt diese Nutzungsart an dritter Stelle. Alle anderen Flächenarten nehmen anteilsmäßig einen untergeordneten Rang ein. Wiesen umfassen immerhin noch neun Prozent, während Ackerland und Gärten zusammen nicht einmal ein Prozent des Gemeindegebietes ausmachen.<ref name="bezirkskunde">Bezirkskunde Osttirol S. 405–408</ref> === Nachbargemeinden === Die Gemeinde Virgen wird im Süden durch die Lasörlinggruppe von den im [[Defereggental]] gelegenen Gemeinden [[Sankt Jakob in Defereggen|St. Jakob]], [[Sankt Veit in Defereggen|St. Veit]] und [[Hopfgarten in Defereggen|Hopfgarten]] (von Westen nach Osten) getrennt. Im Westen Virgens liegt die Gemeinde [[Prägraten am Großvenediger|Prägraten]], im Norden und Osten die Marktgemeinde [[Matrei in Osttirol]]. Matrei ist mit der zweithöchsten Bevölkerungszahl im Bezirk Lienz und seiner Funktion als wirtschaftliches, soziales sowie medizinisches Zentrum des nördlichen Osttirols für die Virger Bevölkerung von besonderer Bedeutung. [[Datei:Virgen - Virgental.jpg|miniatur|Blick ins Virgental auf die Fraktion Virgen-Dorf]] === Geologie === Der nördliche Teil des Gemeindegebietes, die [[Virger Nordkette]], ist geologisch der alpinen [[Schiefer]]hülle zuzuordnen. Diese Schieferhülle, die über einem [[Gneis]]kern liegt besteht aus einer oberen und einer unteren Schieferschicht. Die obere Schieferhülle besteht aus [[Glimmerschiefer|Kalkglimmerschiefer]] und [[Phyllit|Kalkphylliten]], die durch fahlgelbe und bleigraue Farben sowie durch charakteristische Platten bzw. Bretter (Virger Bretterwand) erkennbar sind. Unter der oberen Schieferhülle schließt sich die untere Schieferhülle an, die aus plattig gegliederten Grüngesteinen ([[Prasinit]]en) besteht. Durch die günstige Hanglage und die Anfälligkeit für Erosion bildeten sich über der Schieferhülle fruchtbare Böden, die sich für die Almwirtschaft eignen. Der Süden des Gemeindegebietes mit der [[Lasörlinggruppe]] gehört zur Zone des Altkristallins. Diese Zone besteht aus [[Glimmer]], Gneisen und [[Glimmerschiefer|Hellglimmerschiefer]]. Zum Teil kommen hier auch [[Granat]]e, Glimmer[[quarzit]]e und kleine Einschaltungen von [[Kalkstein|Kalk]] und [[Dolomit (Gestein)|Dolomiten]] vor. Im Osten des Gemeindegebietes liegen kleine Teile der [[Matreier Zone]], die aus zahlreichen, durchmengten Gesteinen (Phylite, [[Quarzit]]e, [[Gips]], helle Dolomite und dunkle Kalke, [[Grauwacke]]n und [[Grünschiefer]]) verschiedenen Ursprungs besteht. Die Matreier Zone verläuft in einem schmalen Band von Mitteldorf bis zum Berger Törl.<ref>Oberwalder: Virgen S. 25 ff.</ref> === Gebirge === Virgen liegt innerhalb der [[Venedigergruppe]] zwischen der sogenannten Virger Nordkette im Norden und der [[Lasörlinggruppe]] im Süden, deren Hauptkämme die Gemeindegrenzen im Norden und Süden bilden. Dadurch liegen mehrere Berge über dreitausend Meter direkt an der Gemeindegrenze Virgens. Die höchsten Berge der Virger Nordkette auf dem Gemeindegebiet sind der [[Hoher Eichham|Hohe Eicham]] (3.371&nbsp;m), der [[Säulkopf (Hohe Tauern)|Säulkopf]] (3.209&nbsp;m) und der [[Ochsenbug]] (Kristallkopf) (3.007&nbsp;m). Die wichtigsten Gipfel der Lasörlinggruppe sind der [[Lasörling]] (3.098&nbsp;m), der Berger Kogel (2.656&nbsp;m) und der Donnerstein (2.725&nbsp;m). [[Datei:Panorama Lasoerling.jpg|miniatur|center|800px|Panorama vom [[Lasörling]] über das Virgental auf die [[Venedigergruppe]]]] === Flüsse und Gewässer === [[Datei:Isel bei Mitteldorf.jpg|miniatur|Die Isel bei Mitteldorf]] Wichtigster Fluss im Gemeindegebiet von Virgen ist die [[Isel]], die das Gemeindegebiet durch die Iselschlucht im Westen betritt und in Richtung Osten durchfließt. Durch den Virger [[Schwemmkegel]] wird die Isel an die rechte Talseite gedrängt, wodurch am rechten Ufer der Isel kaum Siedlungsraum vorhanden ist. In ihrem Verlauf durch die Gemeinde Virgen nimmt die Isel insgesamt zehn Bäche auf. Die linken Nebenflüsse, von der Virger Nordkette gespeist, sind der Nilbach, Virger Bach, Mellitzbach und Mitteldorfer Bach, auf der rechten Uferseite nimmt die Isel von den Hängen der [[Lasörlinggruppe]] den Berger Bach, Mullitzbach, Steinkaasbach, Fratnikbach, Saumitzbach und Arnitzbach auf. Auch mehrere kleine Bergseen liegen auf dem Gemeindegebiet, wobei der Berger See und der Zupalsee zu den bekanntesten gehören. === Klima === Virgen ist durch seine Lage zwischen der Virger Nordkette und der Lasörlinggruppe klimatisch begünstigt. Schon der aus dem Slawischen abgeleitete Ortsname Virgen mit der Bedeutung ''sonniges Plätzchen'' deutet darauf hin ([[#Namensgeschichte|→Namensgeschichte]]). Grund für die sonnige Lage Virgens, das als „Meran Osttirols“ vermarktet wird, ist der Verlauf des Virgentals, das der [[Sonnenstand|Sonnenbahn]] folgt. Dadurch verliert Virgen im Dezember nur ein Drittel bzw. im Juni nur ein Siebentel der möglichen Sonnenscheindauer. Im [[Ötztal]] beträgt der Verlust vergleichsweise hohe zwei bzw. ein Drittel. Durch die Venedigergruppe im Norden (Virger Nordkette) ist Virgen vor dem kalten [[Tauernwind]] geschützt, der etwa das benachbarte Matrei ungeschützt trifft. Da kalte Luft iselabwärts abströmen kann, bilden sich in Virgen kaum Kälteseen. Die größten Niederschlagsmengen fallen in Virgen im Juni und Juli. Durchschnittlich beträgt der Niederschlag in Virgen 900&nbsp;mm pro Jahr, wobei die Niederschlagsmenge in höheren Lagen stark ansteigt. Virgen ist in Bezug auf die Höhe und die Beständigkeit der Schneedecke (rund 110 Tage) relativ schneearm. Jänner und Februar gehören zu den trockensten Monaten.<ref>Oberwalder: Virgen S. 30 f.</ref> Die durchschnittliche Jahrestemperatur lag zwischen 2000 und 2002 bei 6,8&nbsp;°C, wobei der Monat Jänner mit -2,9&nbsp;°C der kälteste, und der Monat August mit 15,9&nbsp;°C der wärmste Monat war.<ref>Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik, Wetterdienst Klagenfurt: Klimadatenauswertung Virgen (1198 Meter Seehöhe)</ref> == Geschichte == === Virgen vor der ersten Namensnennung === Einzelfunde aus der [[Jungsteinzeit]] belegen die frühe Anwesenheit von Menschen auf dem heutigen Gemeindegebiet. Die in Obermauern und Welzelach entdeckten [[Feuerstein (Gestein)|Feuersteinschaber]] bezeugen jedoch keine dauerhaften Siedlungen. Ende des 19. Jahrhunderts wurde bei Feldarbeiten im Weiler Berg der Fraktion Welzelach ein Brandgrab mit Grabbeigaben aus [[Bronze]] und [[Eisen]] entdeckt. Systematische Grabungen unter Alexander Schernthaner förderten 1889 bis 1891 einen Friedhof mit insgesamt 56 [[Steinkiste]]ngräbern zu Tage. Die Funde von Welzelach werden auf das 6. oder 5. Jahrhundert vor Christus datiert, wobei das Bestehen der Siedlung nur auf einen bedeutenden [[Kupfer]]bergbau zurückzuführen ist. Die Gräber des Friedhofes bestanden aus etwa 30&nbsp;cm langen, rechteckigen bis quadratischen Vertiefungen, die mit unbehauenen Steinplatten und einer Deckplatte begrenzt waren. In den Brandgräbern fanden die Archäologen zahlreiche Waffen aus Eisen (Lanzenspitzen, Messer, Äxte, Beile), Schmuck aus Bronze (Ringe, Armreife, [[Fibel (Kunstgeschichte)|Fibeln]]) sowie Tonscherben. Das bedeutendste Fundstück ist die „[[Situla (Gefäß)|Situla]] von Welzelach“, ein Bronzeeimer, in dem die Asche des Toten begraben wurde. Die Überreste des Bronzeeimers sind reich verziert und zeigen unter anderem Jagdszenen, Männer mit Musikinstrumenten sowie Tier- und Pflanzendarstellungen.<ref>Oberwalder: Virgen S. 261 f.; Kurzthaler: Geschichte – Kunst – Kultur S. 107</ref> [[Datei:Virgen - Obermauern mit Berg.jpg|miniatur|Die Fraktion Obermauern mit der Ausgrabungsstätte Burg im Hintergrund]] Auf dem gegenüberliegenden Hügel Burg befand sich ebenfalls eine urgeschichtliche Siedlung. 1970/71 wurde auf dem 1.416 Meter hohen Hügel inmitten des Virgentals durch Grabungen des Universitätsprofessors Andreas Lippert der Bestand einer Siedlung der [[La-Tène-Zeit]] um 400 vor Christus nachgewiesen. Die Siedlung war durch einen 1,7 Meter breiten Wall aus Felsblöcken befestigt und beherbergte mehrere Blockbauten mit einer Grundfläche von etwa vier mal fünf Metern. Die Funde von Kupferschlacke und Tierknochen überwiegend junger Tiere (vor allem Ziegen, Schafe und Rinder) belegen, dass die Siedlung vor allem vom Bergbau lebte und die Viehzucht der Fleischproduktion diente. Spuren von Ackerbau fehlen hingegen völlig.<ref>Oberwalder: Virgen S. 261 f.; Kurzthaler: Geschichte – Kunst – Kultur S. 13</ref> Nachdem das [[Kelten|keltisch]] besiedelte Gebiet friedlich an das [[Römisches Reich|Römische Reich]] gefallen war, behielt das Virgental eine wichtige Rolle durch den lokalen Kupferbergbau. Eine erste Christianisierung erfolgte vom Bischofssitz in [[Aguntum]] aus. Nach dem Untergang des Römischen Reiches und der Schlacht bei Aguntum 610 zwischen [[Bajuwaren|Baiern]] und [[Slawen]] drangen die Slawen in die Täler Osttirols ein und siedelten sich im Virgental an. Zahlreiche Orts- und Flurnamen zeugen noch heute davon. So sind etwa die Flurnamen auf -ach (Göriach, Welzelach, Haslach) und -itz (Mellitz, Mullitz, Frosnitz) slawischen Ursprungs. Nach dem Verlust der slawischen Vormachtstellung gegenüber den Baiern setzte ab 769 durch die Gründung des Kloster [[Innichen]] die erneute Christianisierung ein. 811 legte [[Karl der Große]] die [[Drau]] als Diözesangrenze fest. Virgen fiel dadurch in die kirchliche Einflusssphäre Salzburgs. Trotz einer schleichenden [[Germanisierung]] verschwand die [[Slawische Sprachen|Slawische Sprache]] erst allmählich. === Namensgeschichte === Der Name ''Virgen'' wurde erstmals 1160 als ''Virge'' urkundlich erwähnt. Für den Namen gibt es mehrere Deutungsvarianten. Die verbreitetste Ableitung stammt aus dem [[Slawische Sprachen|Slawischen]] und bedeutet „sonniges Plätzchen“. Grundlage für diese Deutung bilden zahlreiche slawische Flur- und Ortsnamen in der Gemeinde sowie das, trotz der Höhenlage, milde Klima, das Virgen den Beinamen „Meran Osttirols“ einbrachte. Auch die Namen ''Welzelach'' (Großdorf) und ''Göriach'' (Bergdorf) werden aus dem Slawischen abgeleitet. Andere Forscher leiten den Namen Virgens jedoch vom Salzburger Erzbischof [[Virgilius von Salzburg|Virgilius]] (745–784) ab. Da dieser jedoch erst 1233 heilig gesprochen wurde, konnte er zuvor noch nicht zu Altarehren gekommen sein. Deshalb wird der Name teilweise vom Bischof [[Vigilius von Trient]] (um 380 n. Chr.) hergeleitet, wodurch die Christianisierung durch das [[Patriarchat von Aquileja]] oder über [[Südtirol]] ([[Kloster Säben]]) abgeleitet werden könnte.<ref>Kurzthaler: Geschichte – Kunst – Kultur S. 105</ref> === Virgen im Hoch- und Spätmittelalter === [[Datei:Burgruine Rabenstein - Turmansicht.jpg|miniatur|Blick auf die [[Burgruine Rabenstein (Virgen)|Burgruine Rabenstein]]]] Im 11. Jahrhundert zerfiel das Herzogtum Kärnten in vier Gaue. Der westlichste, [[Lurngau]] genannt, umfasste auch das Virgental und unterstand den Grafen von Lurngau ([[Meinhardiner]]), die sich ab 1120 als Grafen von Görz bezeichneten. Virgen selbst gilt als eine der ältesten Pfarren Osttirols und dürfte bereits in der Zeit der Karolinger gegründet worden sein. 1165 ist erstmals ein Pfarrer urkundlich erwähnt, zu dessem Pfarrverband bis 1891 zusätzlich Prägraten und Sankt Jakob in Defereggen gehörten.<ref>Oberwalder: Virgen S. 187; Pizzinini: Osttirol S. 319</ref> Zur Sicherung ihres Besitzes gründeten die Görzer im 12. Jahrhundert die [[Burgruine Rabenstein (Virgen)|Burg Virgen]], die erstmals 1182 oder 1183 urkundlich erwähnt wurde.<ref>Die Jahreszahl wird in verschiedenen Publikationen unterschiedlich angegeben. Vgl. Oberwalder: Virgen S. 67 (1182); Burgenwelt [http://www.dickemauern.de/rabenstein/ge.htm] bzw. Infotafel an der Burg (1183)</ref> Der Görzer Graf [[Meinhard I.]] war durch die Heirat der Tochter des Grafen [[Albert III. (Tirol)|Albert III.]] mit Tirol verbündet. Meinhard I., der die Vorherrschaft in Kärnten erobern wollte, scheiterte bei seinem Vorhaben in der Schlacht von [[Greifenburg]], in der er und sein Schwiegervater von Herzog [[Bernhard von Spanheim|Bernhard von Kärnten]] und dessen Sohn [[Philipp von Spanheim]], [[Elekt]] von [[Erzbistum Salzburg|Salzburg]], besiegt und gefangengenommen wurden. Für ihre Freilassung mussten Meinhard und Albert unter anderem die Burg Virgen an Salzburg abtreten. Der Verlust der Burg wurde 1252 mit dem [[Friedensvertrag von Lieserhofen]] bestätigt. Meinhard von Görz erbte 1253 Tirol von seinem Schwiegervater und vereinte es mit seinen Ländereien. Nach Meinhards Tod wurde der Besitz jedoch 1271 wieder zwischen seinen Söhnen aufgeteilt. Die Besitzungen in [[Friaul]], [[Istrien]], Kärnten und im [[Pustertal]] fielen an [[Albert I. (Görz)|Albert I.]], der seinen Besitz in Landgerichte gliederte. Das Landgericht des Lurngaus wurde in [[Lienz]] eingerichtet, wobei man zur weiteren administrativen Einteilung das Landgericht in die Zugerichte Virgen, [[Kals am Großglockner|Kals]] und [[Lienzer Klause]] einteilte. Wie in der gesamten Herrschaft Lienz galt in Virgen das [[Freistift]]recht, das dem Lehnsherren umfangreiche Rechte übertrug und die Bauern einem starken Abgabendruck aussetzte.<ref>Oberwalder: Kals S. 106; Oberwalder: Virgen S. 258 f.</ref> 1308 wurde die Burg wieder an die Görzer verliehen. Wirtschaftlich blieb in Virgen der Bergbau neben der Landwirtschaft eine wichtige Einkommensquelle. Der seit der Antike betriebene Wirtschaftszweig ist jedoch erst ab der späten Görzerzeit belegt. Insbesondere Kupfer und Eisen, in geringem Ausmaß Silber und Gold wurde im Stollenbergbau geschürft. Das ertragreichste Erzvorkommen lag im innersten Mullitztal (Glauret), wo der Bergbau um 1600 seine Blütezeit erreichte. Heute zeugen Reste in diesem Gebiet sowie die 1922 wieder begehbar gemachte „Silbergrube“ bei Mitteldorf vom Bergbau in Virgen. In die späte Görzerzeit fällt auch die Errichtung der gotischen Kirche von Obermauern.<ref>Oberwalder: Virgen S. 258 f.</ref> === Virgen in der Frühen Neuzeit === [[Datei:Albrecht Dürer 084b.jpg|miniatur|Maximilian I. vereinigte Virgen mit dem Land Tirol]] [[Datei:Virgen - Denkmal Koalitionskriege.jpg|miniatur|Denkmal für die Opfer der Koalitionskriege 1809/10]] Bereits 1462 hatte Graf Leonhard von Görz mit dem Landesfürsten von Tirol und [[Vorderösterreich]], Erzherzog [[Siegmund (Tirol)|Siegmund]], einen Erbvertrag geschlossen. Nach dem Tod des kinderlosen Görzers fielen 1500 zahlreiche Gerichte im [[Pustertal]] und angrenzende Gebiete, zu denen auch das Landgericht Lienz mit Virgen gehörte, an Siegmunds Nachfolger [[Maximilian I. (HRR)|Maximilian I.]]. Dieser gliederte das Landgericht Virgen im Februar 1501 an die Grafschaft Tirol. Aus Geldmangel verkaufte Maximilian am 10. August 1501 die Stadt Lienz sowie das Landgericht und die zugeordneten Ämter an Freiherr Michael von [[Wolkenstein-Rodenegg (Adelsgeschlecht)|Wolkenstein-Rodenegg]]. Er selbst behielt sich nur die Landeshoheit vor. Durch den Verkauf des Gebietes scheiterte unter anderem die geplante Umwandlung der Freistiftgüter in die Erbleihe. Für die Bauern Virgens bedeutete dies eine Fortführung der starken Belastungen. 1564 und 1635 brachen [[Pest]]epidemien im Virgental aus. Dem vielfachen Tod folgte ein starkes Bevölkerungswachstum, wodurch die Höfe durch die Erbteilungen nicht mehr überlebensfähig waren. In der Folge wurde daher Wald gerodet und die Almflächen stark ausgedehnt. Andere Virger versuchten ihr Glück als Handwerker und wanderten ins benachbarte Pinzgau und [[Zillertal]] aus. Nach dem Konkurs der Grafen Wolkenstein kaufte 1653 das [[Haller Damenstift]] die ehemaligen Görzer Besitzungen um 142.000 Gulden. Die Hoffnung der Bauern auf eine Entlastung durch die religiösen Damen wurde jedoch enttäuscht, auch bei Missernten musste die hohen Abgaben geleistet werden. 1704 verweigerten die Bauern alle Abgaben, vertrieben den Pfleger und besetzten das Pflegerhaus. Als jedoch die Regierung mit einer Militärexekution drohte, fügte sich die Bevölkerung wieder. Durch die Aufhebung des Damenstiftes 1783 durch Kaiser [[Joseph II. (HRR)|Joseph II.]] kam es zu einer teilweisen Entlastung. Große Teile der Schulden wurden erlassen, die jährlichen Abgaben verringert. <ref>Oberwalder: Virgen S. 256 f.; Oberwalder: Kals S. 110</ref> === Virgen im 19. Jahrhundert === Nach der Niederlage der österreichischen Truppen in der [[Schlacht von Austerlitz]] musste Österreich Tirol an [[Bayern]] abtreten. Nach dem Sieg [[Napoléon Bonaparte|Napoleons]] über Österreich im Herbst 1809 Österreich fiel Salzburg mit dem benachbarten Matrei an Bayern. Auch durch den verstärkten Druck aus Tirol und Salzburg organisierten die Matreier Schützenführer [[Anton Wallner]] und Johann Panzl den Widerstand im [[Iseltal]]. Die Virger Schützen wurden vom Schlossermeister Franz Frandl aus Mitteldorf angeführt. Nachdem [[Andreas Hofer]] den Franzosen am 2. November am [[Bergisel]] eine Niederlage zugefügt hatte, begannen französische Truppen mit der Besetzung des Iseltals. Auf Grund der Bedrohung durch die rund 900 Iseltaler Schützen schlossen die Franzosen am 9. November in [[Unterpeischlach]] einen kurzen Waffenstillstand. Nach einem Sieg der Tiroler Schützen am 8. Dezember bei [[Ainet]] brach jedoch der Widerstand der Osttiroler zusammen. Der französische Divisionsgeneral Broussier ließ die Schützenführer und die am Aufstand beteiligten Geistlichen gefangen nehmen. Der Virger Schützenführer wurde am 28. Dezember 1809 hingerichtet. Der Virger [[Kaplan|Kooperator]] Martin Unterkircher und sein Pfarrer Damaszen Siegmund wurde am 2. Februar 1810 in Lienz erschossen. Die Häuser der Anführer wurden abgerissen, die Bevölkerung litt zusätzlich unter der Versorgungspflicht für die französischen Soldaten. Virgen wurde in der Folge den neugeschaffenen drei [[Illyrien|illyrischen Provinzen]] zugeschlagen, jedoch bereits 1813 von der Besatzung der Franzosen befreit.<ref name="oberwalder251-256">Oberwalder: Virgen S. 252–256</ref> Das dringendste Problem der Virger blieb in der Folge die Abgabenbelastung durch das Freistiftrecht. Dem Brunecker Kreishauptmann Theodor von Kern gelang es 1835, die Hälfte aller Abgaben zu streichen und die [[Revolution von 1848/49 im Kaisertum Österreich|Revolution von 1848]] führte zur endgültigen Bauernbefreiung und Grundentlastung. Die gesetzlich vorgesehene Entschädigung der Grundherren war für die teilweise hoch verschuldete Bevölkerung jedoch nur eingeschränkt möglich. Im Gegensatz zu den Nachbargemeinden Prägraten und Matrei profitierte Virgen kaum vom Tourismus, da ein direkter Zugang zum [[Großvenediger]] fehlt. Die mangelnden Einkommensmöglichkeiten führten in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zu zahlreichen Auswanderungen in die [[Vereinigte Staaten|Vereinigten Staaten]].<ref name="oberwalder251-256" /> === Virgen zwischen 1914 und 1945 === Nach dem Ausbruch des [[Erster Weltkrieg|Ersten Weltkriegs]] dienten die wehrpflichtigen Virger insbesondere in den [[k.u.k. Kaiserjäger|Kaiserjäger]]regimentern, wobei 42&nbsp;Männer als Soldaten den Tod fanden. Wirtschaftlich traf die bäuerliche Bevölkerung der Zusammenbruch Österreich-Ungarns auf Grund der möglichen Selbstversorgung weniger hart als die städtische Bevölkerung. Einen Anschluss an das öffentliche Straßennetz über die Gemeinde Matrei erhielt Virgen erst 1928. Nachdem 1924 das Land Tirol und der Bund 60 % der Finanzierung zugesagt hatten, verhinderte der Streit um die Trassenführung bis 1926 den Beginn des Baues. 1928 konnte die nur drei Meter breite Straße eröffnet werden, eine private Gesellschaft übernahm den [[Omnibus]]verkehr. Erst 19 wurde Prägraten durch die vermehrte Errichtung von Tunnelbauten an Virgen angebunden. Nach einem kurzen Wirtschaftsaufschwung wirkte sich die [[Weltwirtschaftskrise]] auch in Virgen aus. Die Viehpreise sanken auf einen Tiefstpunkt und zahlreiche Bauern gerieten in den Konkurs. Die 1933 verhängte [[Tausendmarksperre]] beschädigte den bescheidenen Tourismus hingegen kaum, da der geringe Anteil an Reichsdeutschen von Urlaubern aus Österreich oder der Tschechoslowakei ausgeglichen werden konnte.<ref>Martin Kofler: Osttirol. Vom Ersten Weltkrieg bis zur Gegenwart. Innsbruck 2005 ISBN 3-7065-1876-7, S. 53</ref> Politisch stand der Großteil der Bevölkerung auf Grund der bäuerlichen Struktur dem konservativen, [[Christlichsoziale Partei (Österreich)|christlich-sozialen]] Lager nahe. Viele Kriegsheimkehrer waren bei den Schützen und in der [[Heimwehr]] organisiert. Eine Heimwehrgruppe aus Virgen beteiligte sich auch an der Niederwerfung des Nazi-Aufstandes in Kärnten. Den Nationalsozialisten gelang es durch organisierte Werbung und heimliche Versammlungen in der Gemeinde Virgen ihre Anhängerschaft zu stärken. Insbesondere in Mitteldorf fanden sich illegale Mitglieder. Brandstiftungen in den Jahren 1933 und 1934 in Mitteldorf dürften mit diesen Geschehnissen in Zusammenhang gestanden sein. Nach dem „[[Anschluss (Österreich)|Anschluss]]“ Österreichs an das [[Deutsches Reich|Deutsche Reich]] erfolgte auch in Virgen die lückenlose Gleichschaltung und die Einbindung der Bevölkerung in die nationalsozialistischen Teilorganisationen. Von der Einberufung in den Kriegsdienst kehrten mehr als 60 Virger nicht mehr zurück. Virgen selbst blieb von direkten Kriegsereignissen verschont. Obwohl hunderte Bomber im letzten Kriegsjahr fast täglich das Tal überflogen, kam es zu keinen Notabwürfen über der Gemeinde. Nach dem Ende des Krieges quartierten sich 20 britische Soldaten zur Sicherung des Grenzsperrgebietes in Virgen ein, zogen jedoch bereits nach zwölf Wochen wieder nach Lienz ab.<ref>Oberwalder: Virgen S. 240–246</ref> === Virgen ab 1945 === [[Datei:Virgen - Pfarrkirche mit Dorfplatz.jpg|miniatur|Blick über den neugestalteten Dorfplatz auf die Pfarrkirche]] Kurz nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs verwüstete der Nilbach durch einen Murenabgang sein Umland und zerstörte alle Brücken und Mühlen bis Niedermauern und Gries. Auch einige andere Gebäude wurden vernichtet, eine Frau und drei Kinder starben. 1965 kam es durch Muren zu ähnlichen Verwüstungen, die ab den späten 40er Jahren einsetzende Wildbachverbauung führte jedoch zu einem zunehmenden Schutz der Bevölkerung. Wirtschaftlich führten vor allem die steigenden Tourismuszahlen zu einem Aufschwung. Waren es 1953 noch 13.880 Nächtigungen pro Jahr, so stieg dieser Wert bis 1973 auf rund 160.000 an. Unterstützt wurde der Trend vom rasanten Wirtschaftswachstum in Österreich und der Eröffnung der [[Felbertauernstraße]] 1967, die Osttirol zum Bundesland Salzburg hin öffnete und die Region leichter erreichbar machte. Seit den 70er Jahren sanken jedoch die Nächtigungszahlen kontinuierlich ab, gleichzeitig gaben viele Bauern die Landwirtschaft auf oder stellten ihre Betriebe auf den [[Nebenerwerbsbetrieb|Nebenerwerb]] um. Diese Grundlagen und die geringe Zahl an Arbeitsplätzen in der Gemeinde führen zu einer sehr hohen [[Pendler]]rate. Die Gemeinde selbst investierte seit den 50er Jahren große Summen in die Infrastruktur. Nach dem 1954 errichteten Volkschulgebäude folgte 1969 die Hauptschule und 1974 der neuerliche Neubau der Volksschule. Zudem investierte die Gemeinde in den Ausbau der Freizeitmöglichkeiten, wobei 1969 ein Schwimmbad, 1975 der Fußballplatz, 1980 und 1998 Tennisplätze eröffnet wurden. Als letzte große Investition wurde zwischen 1994 und 1997 der Dorfkern Virgens erneuert. Neben einem Mehrzweckbau und einem neuen Feuerwehrgebäude wurde der Dorfplatz neu gestaltet. Trotz der strukturellen Probleme der Gemeinde verzeichnet Virgen ein laufendes Bevölkerungswachstum. Der dadurch entstehenden [[Zersiedelung]] wurde durch den Bau dreier Wohnhausanlagen (1987, 1994 und 1996) versucht entgegenzuwirken.<ref>Oberwalder: Virgen S. 238 f.; Bezirkskunde Osttirol S. 408</ref> == Bevölkerung == {| border="0" cellpadding="2" cellspacing="0" align="right" style="margin-left:1em;" |- | {{Zeitleiste Bevölkerungsentwicklung der Gemeinde Virgen}} |} === Bevölkerungsstruktur === In der Gemeinde Virgen lebten 2005 2.131 Menschen. Laut der Volkszählung 2001 waren 97,7 % der Bevölkerung im Besitz der österreichischen Staatsbürgerschaft. Zur [[Römisch-Katholische Kirche|römisch-katholischen Kirche]] bekannten sich 98,3 % der Einwohner, nur 0,4 % waren ohne religiöses Bekenntnis. Die Altersstruktur von Virgen war 2001 gegenüber dem Durchschnitt des Landes Tirols deutlich jünger. So waren 2001 23,4 % der Einwohner Virgens jünger als 15 Jahre (Gesamttirol: 18,4 %) und 61,1 % zwischen 15 und 59 Jahre alt (Gesamttirol: 63,0 %). Der Anteil der Einwohner mit mehr als 59 Jahren lag mit 15,3 % unter dem Landesschnitt von 18,6 %.<ref name="statistik" /> <ref>[http://www.statistik.at/gz/vz_tab3.shtml Statistik Austria VZ 2001 (Demographische Hauptergebnisse)]</ref> === Bevölkerungsentwicklung === In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wanderten zahlreiche junge Männer, die weder Hof noch Werkstatt besaßen, insbesondere nach Amerika aus. Fast von jedem Hof gingen Männer, aber auch Frauen nach Übersee. Die Auswanderer übernahmen verschiedene Arbeiten in den Städten oder siedelten sich verstärkt in North- und South Dakota an, wo sie Grund für die Errichtung von Farmen erhalten hatten.<ref>Oberwalder: Virgen S. 251</ref> Der Bevölkerungsschwund blieb bis in die 1920er Jahre bestehen, erst danach kam es wieder zu leichten Zuwächsen. Seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs ist die Bevölkerung permanent gewachsen und hat sich seit 1951 um rund zwei Drittel erhöht. == Politik == [[Datei:Virgen - Gemeindeamt.jpg|miniatur|Das Virger Gemeindeamt]] Der [[Gemeinderat (Österreich)|Gemeinderat]] als oberstes Gremium der Gemeinde umfasst 15 Sitze und wird alle sechs Jahre im Zuge tirolweiter Gemeinderatswahlen gewählt. Gleichzeitig wird der [[Bürgermeister]] in einer [[Direktwahl]] bestimmt, wobei es beim Ausbleiben einer [[Mehrheit|absoluten Mehrheit]] für einen Kandidaten zu einer [[Stichwahl]] kommt. Amtierender Bürgermeister ist seit 1992 Dietmar Ruggenthaler.<ref>Oberwalder: Virgen S. 153</ref> Einzige Kraft in der Gemeindepolitik ist die Liste ''Für Virgen&nbsp;–&nbsp;Unabhängige Gemeinschaftsliste Für Virgen''. 2004 war die Liste der einzige Wahlvorschlag für die Gemeinderatswahl, weshalb sie folglich auch alle 15 Mandate erhielt. Bei einer Wahlbeteiligung von nur 61,71 % lag die Zahl der ungültigen Stimmen bei 16,79 %. Die Liste ''Wir Gemeinsam&nbsp;–&nbsp;Für unsere Mitbürger'', die 1998 noch 31,39 % der Stimmen erreicht hatte, trat bei den Wahlen 2004 nicht mehr an. Bei der [[Gemeinderats- und Bürgermeisterwahlen in Tirol 2010|Gemeinderatswahl 2010]] war die Liste ''Für Virgen&nbsp;–&nbsp;Unabhängige Gemeinschaftsliste Für Virgen'' erneut der einzige Wahlwerber für die Gemeinderatswahl, weshalb kurz auch ein Aussetzen der Wahl diskutiert wurde. Schließlich wurde die Wahl doch durchgeführt,<ref>[http://www.kleinezeitung.at/tirol/lienz/virgen/2302687/virgen-doch-gewaehlt.story Kleine Zeitung] In Virgen wird doch gewählt, 26. Februar 2010</ref> Die Wahlbeteiligung sank in der Folge auf 53,5 %, zudem betrug die Anzahl der ungültigen Stimmen 13,3 %. Ruggenthaler trat erneut als einziger Kandidat bei der Bürgermeisterdirektwahl an, wobei bei seiner Wahl 7,2 % der Stimmen ungültig waren. Stark verwurzelt in Virgen ist die [[Österreichische Volkspartei|ÖVP]], die bei der [[Landtagswahl in Tirol 2008|Landtagswahl 2008]] 55,0 % der Stimmen erreichte.<ref>Land Tirol (Wahlservice) [http://wahlen.tirol.gv.at/WahlenTirolGvAtWeb/wahlenGemDetail.do?cmd=wahlInfoGemeindenDetail&wahl_id=8&bez_id=07&gem_id=34&cid=1] [http://wahlen.tirol.gv.at/WahlenTirolGvAtWeb/wahlenGemDetail.do?cmd=wahlInfoGemeindenDetail&wahl_id=12&bez_id=07&gem_id=34&cid=1] [http://wahlen.tirol.gv.at/WahlenTirolGvAtWeb/wahlenGemDetail.do?cmd=wahlInfoGemeindenDetail&wahl_id=25&bez_id=07&gem_id=34&cid=1] [http://wahlen.tirol.gv.at/WahlenTirolGvAtWeb/wahlenGemDetail.do?cmd=wahlInfoGemeindenDetail&wahl_id=20&bez_id=07&gem_id=34&cid=1] </ref> == Wappen == [[Datei:AUT Virgen COA.svg|rechts|70px]] Das Gemeindewappen wurde im Jahr 1972 verliehen. Das Wappen zeigt einen schwarzen Schild mit drei, in Pfeilform angeordneten, silbernen Rauten (Kristalle). Das Wappen symbolisiert den einst ertragreichen Bergbau sowie den Mineralienreichtum der Gemeinde. Die Anordnung der Kristalle ist einer Darstellung nachempfunden, die sich im Portalbogen der Kirche in Obermauern wiederfindet.<ref name="bezirkskunde" /> == Wirtschaft und Infrastruktur == === Arbeitsstätten und Beschäftigte === Die im Rahmen der Volkszählung durchgeführte [[Arbeitsstätte]]nzählung ergab 2001 in Virgen 66 Arbeitsstätten mit 211 Beschäftigten (ohne Landwirtschaft), wobei 77 % unselbständig Beschäftigte waren. Gegenüber dem Jahr 1991 war die Anzahl der Arbeitsstätten um 14 Einheiten (plus 26,9 %) gestiegen. Die Beschäftigungszahlen hatten sich zwischen 1991 und 2001 mit 9,9 % in wesentlich geringerem Umfang erhöht. Wichtigster Wirtschaftszweig in der Gemeinde ist das Beherbergungs- und Gaststättenwesen, das 2001 rund 40 % der Betriebe sowie 22 % der Beschäftigten in der Gemeinde umfasste. Gemessen am Anteil der Beschäftigten folgt danach das Unterrichtswesen (Hauptschule, Volksschule, Kindergarten), das [[Bauwesen]] und die Sachgütererzeugung. Die Betriebsgrößen in Handel und Gewerbe in der Gemeinde Virgen sind jedoch sehr klein. 2001 gab es keinen einzigen Betrieb mit 20 oder mehr Beschäftigten. Durch das starke Übergewicht des Sommertourismus gegenüber dem Wintertourismus und den zahlreichen Beschäftigten in der Bauwirtschaft ist die Winterarbeitslosigkeit in der Gemeinde Virgen deutlich erhöht. Aus den geringen Beschäftigungsmöglichkeiten ergibt sich zudem eine hohe [[Pendler]]rate. Bei 53 Einpendlern waren 2001 684 Einwohner von Virgen außerhalb ihrer Heimatgemeinde beschäftigt. Rund 56 % der Auspendler fanden dabei Arbeit im Bezirk Lienz, vorrangig in der Nachbargemeinde Matrei und in der Bezirkshauptstadt Lienz. Weitere 24 % pendelten nach [[Nordtirol]] oder [[Salzburg (Bundesland)|Salzburg,]] rund 11 % sogar ins Ausland, insbesondere [[Bayern]], aus.<ref name="statistik" /> <ref>Oberwalder: Virgen S. 98</ref> === Landwirtschaft === {| border="1" cellpadding="2" cellspacing="0" align="right" style="margin-left:1em;" |- bgcolor="#CCCCCC" ! colspan="5" | Viehbestand zwischen 1952 und 2006<ref name="bezirkskunde" /> <ref name="lk">Schriftliche Mitteilung Bezirkslandwirtschaftskammer Lienz</ref> |- bgcolor="#FFFFFF" | '''Viehstand''' || '''1952''' || '''1983''' || '''2000''' || '''2006''' |- bgcolor="#FFFFFF" | Tierbesitzer || 196 || 120 || 103 || |- bgcolor="#FFFFFF" | Pferde || 105 || 13 || 14 || 21 |- bgcolor="#FFFFFF" | Rinder || 1.332 || 1.322 || 1.346 || 1.465 |- bgcolor="#FFFFFF" | Schweine || 500 || 275 || 97 || 124 |- bgcolor="#FFFFFF" | Schafe || 512 || 562 || 612 || 549 |- bgcolor="#FFFFFF" | Ziegen || 285 || 38 || 91 || 170 |} In Virgen bestanden 1999 145 land- und forstwirtschaftliche Betriebe, die insgesamt 9.349 ha bewirtschafteten. Dabei wurden 39 Betriebe im [[Haupterwerbsbetrieb|Haupterwerb]] und 87 Betriebe im [[Nebenerwerbsbetrieb|Nebenerwerb]] geführt. 18 Betriebe waren im Eigentum von juristischen Personen. Gegenüber 1995 hat sich der Rückgang der landwirtschaftlichen Betriebe insbesondere im Bereich der Nebenerwerbslandwirte fortgesetzt, während sich die Zahl der Betriebe im Haupterwerb um einen erhöhten. Insgesamt reduzierte sich die Zahl der landwirtschaftlichen Betriebe zwischen 1995 und 1999 um 15 %, während die bewirtschaftete Fläche beinahe unverändert blieb.<ref name="statistik" /> Bis zum Jahr 2006 ging die Zahl der Betriebe erneut leicht zurück. Die aufgegebenen Betriebe wurden jedoch vor allem auf Grund der geringen Größe oder gesundheitlicher Umstände geschlossen. Virgen gehört heute zu den landwirtschaftlich aktivsten Gemeinden im Bezirk Lienz, aber auch Tirols. Da die Pachtpreise im Heimgutbereich (Areal um einen Hof) zu den höchsten im Bezirk gehören, ist derzeit kein stärkerer Rückgang bei den Betriebszahlen zu erwarten.<ref name="lk" /> Wichtigste Einnahmequelle der Virger Bauern ist die Rinderzucht, wobei im Sommer 74 Almen der Viehhaltung dienen. Neben der Rinderzucht spielt die [[Hausschaf|Schafzucht]] eine wichtige Rolle, in den letzten Jahren machte sich zudem ein verstärkter Trend zur Ziegenhaltung bemerkbar. Hierzu trug auch der 1993 eröffnete Bauernladen bei, der sich im Zentrum der Fraktion Virgen-Dorf befindet.<ref name="bezirkskunde" /> === Tourismus === Da Virgen keinen direkten Zugang zum [[Großvenediger]] besitzt, entwickelte sich der Tourismus in Virgen später als in den Nachbargemeinden Matrei und Prägraten, wo der [[Alpinismus]] bereits im 19. Jahrhundert eine breitere Basis erreichte. Die Anfänge des Tourismus in Virgen reichen in die Zwanzigerjahre des 20. Jahrhunderts zurück, wobei Virgen anfangs vor allem ein Urlaubsziel der städtischen Bevölkerung ([[Sommerfrische]]) war. Für die Alpinisten wurde Virgen erst ab dem Bau der [[Bonn-Matreier Hütte]] 1932/33 und des Großvenediger-Höhenwegs interessant. 1932 wurde der ''Verkehrsverein Virgen'', der erste Tourismusverband, gegründet. Lag die Zahl der Nächtigungen im Sommer 1934 noch bei 6.500, so steigerte sich diese Zahl im nächsten Jahr auf 11.500 Nächtigungen. Während des Zweiten Weltkriegs fanden in Virgen hingegen Flüchtlinge aus den zerbombten Städten Zuflucht.<ref>Oberwalder: Virgen S. 107 f.</ref> Nach dem Zweiten Weltkrieg lag die Zahl der Nächtigungen 1953 bei 13.830. Bis in die 70er Jahre wuchs der Tourismus stark an, sodass 1973 159.814 Nächtigungen gezählt werden konnten. Begünstigt wurde der Tourismus vor allem durch das [[Wirtschaftswunder]] und den Bau der [[Felbertauernstraße]], die Osttirol leichter erreichbar machte.<ref>Bezirkskunde Osttirol S. 40</ref> [[Datei:Virgen - Bergerseehütte.jpg|miniatur|Berger-See-Hütte]] Seit den 70er Jahren sanken die Nächtigungszahlen in Virgen um etwa 50 %. Neben dem allgemeinen Rückgang des alpinen Sommertourismus leidet Virgen unter der geringen Zahl von Betrieben der höheren Kategorien. Im Sommer 2005 wurden in Virgen 62.756 Nächtigungen gezählt, wobei die Verweildauer im Durchschnitt sieben Tage betrug. 80,7 % der Sommergäste stammten aus dem Ausland, wobei 59,2 % der Gesamtnächtigungen auf Gäste aus [[Deutschland]] und 10,5 % auf Gäste aus den [[Niederlande]]n entfielen. Im Sommer 2000 waren in Virgen noch 72.645 Nächtigungen verbucht worden (−15,8 %). Im Wintertourismus 2005/06 konnte sich Virgen gegenüber der Wintersaison 1999/2000 um 24,8 % auf 17.187 Nächtigungen steigern, wobei seit der Wintersaison 2003/04 die Nächtigungen kontinuierlich gesunken sind. Insgesamt verfügte Virgen 2005 über 1.159 Gästebetten.<ref>Amt der Tiroler Landesregierung, Landesstatistik Tirol [http://www.tirol.gv.at/fileadmin/www.tirol.gv.at/themen/zahlen-und-fakten/statistik/downloads/fv-so2005.pdf], [http://www.tirol.gv.at/fileadmin/www.tirol.gv.at/themen/zahlen-und-fakten/statistik/downloads/fv-so2000.pdf], [http://www.tirol.gv.at/fileadmin/www.tirol.gv.at/themen/zahlen-und-fakten/statistik/downloads/fv-wi2006.pdf], [http://www.tirol.gv.at/fileadmin/www.tirol.gv.at/themen/zahlen-und-fakten/statistik/downloads/fv-wi2001.pdf]</ref> Die Gemeinde Virgen ist heute zusammen mit den Osttiroler Nationalparkgemeinden im ''Tourismusverband Urlaubsregion Nationalpark Hohe Tauern Osttirol'' organisiert. Als Hauptattraktion dient das Wandernetz mit dem Venediger Höhenweg. Auf dem Gemeindegebiet bestehen fünf Schutzhütten, die Bonn-Matreier Hütte in der Virger Nordkette sowie [[Lasörlinghütte]], Wetterkreuzhütte, Berger-See-Hütte und Zupalseehütte in der Lasörlinggruppe. Des Weiteren liegen sieben bewirtschaftete Almen in Virgen. === Verkehr und Infrastruktur === Die Gemeinde Virgen wird durch die Virgentalstraße (L 24) erschlossen, die von der Gemeinde Matrei nach Virgen und weiter nach Prägraten verläuft. Die Virgentalstraße führt durch die Virger Ortsteile Mitteldorf, Virgen und Göriach und verfügt in Matrei über einen Anschluss an die Felbertauernstraße (B 108). Mit öffentlichen Verkehrsmitteln ist Virgen mittels Linienbussen der [[Postbus (Österreich)|ÖBB-Postbus GmbH]] erreichbar. Die Linie 4412 bindet die Gemeinde dabei täglich bis zu zehnmal an die Bezirkshauptstadt Lienz an (Fahrzeit: 45 Minuten). Geführt wird die Linie vom Lienzer Bahnhof über Matrei bis zur Nachbargemeinde Prägraten. Der nächstgelegene Anschluss an das Bahnnetz befindet sich ebenfalls im rund 30 Kilometer Luftlinie südöstlich gelegenen Lienz. Die Verantwortung für die Trink- und Löschwasserversorgung ist in der Gemeinde Virgen geteilt. Während die Gemeinde die Versorgung von Niedermauern, Haslach, Mellitz, Teilen Mitteldorfs und dem Zentrum Virgens übernimmt, werden Mitteldorf, Göriach, Marin, Obermauern und Welzelach von den jeweiligen Wassergenossenschaften versorgt. Eine moderne Abwasserentsorgung wurde ab den späten 70er Jahren umgesetzt. Schritt für Schritt wurden die Ortsteile an das öffentliche Kanalnetz angeschlossen, wobei heute bis auf wenige Einzelhöfe alle Gebäude Virgens an das Kanalnetz angeschlossen sind und Virgen dadurch den höchsten Entsorgungsgrad im Bezirk erreicht. Virgen schloss sich 1992 mit mehreren Nachbargemeinden zum „Abwasserverband Hohe Tauern Süd“ zusammen, der die Abwässer der Mitgliedsgemeinden in der 1999 eröffneten [[Kläranlage]] in [[Huben (Osttirol)|Huben]] reinigt. Der Abfall, der in der Gemeinde anfällt, wird über den Abfallwirtschaftsverband Osttirol (AWVO) entsorgt.<ref>Oberwalder: Virgen S. 165 f; [http://www.virgen.at/navigat/zeit24/bgm3.htm Gemeinde Virgen]; [http://www.tirol.gv.at/fileadmin/www.tirol.gv.at/themen/umwelt/wasser/abwasser/downloads/158-174lz.pdfLand Tirol, Abwasserentsorgung im Bezirk Lienz]</ref> Die als ''Sonnendorf Virgen'' beworbene Gemeinde verfügt über mehr als 2.300&nbsp;m² Kollektorfläche thermischer Solaranlagen. Mit einer Solaranlagen-Dichte von etwa 1,01&nbsp;m²/Einwohner liegt Virgen österreichweit an der Spitze. Neben einem Kleinwasserkraftwerk am Virgenerbach dient auch die Biogasanlage Virgental der Stromerzeugung. Für ihre Bemühungen wurde die Gemeinde 2003 für den „European Energy Award“ nominiert.<ref>[http://www.tirol.gv.at/themen/umwelt/klima/virgen/ Land Tirol – Klimabündnis Virgen]</ref> === Bildung === Das Volksschulgebäude, das 1978 eröffnet wurde, beherbergte in den letzten Jahren zwischen sieben und acht Klassen. Die Schule, deren [[Schulsprengel]] das gesamte Gemeindegebiet umfasst, besuchen etwa 150 Schüler. Das Einzugsgebiet der erst 1969 eröffneten Hauptschule umfasst neben der Gemeinde Virgen die Nachbargemeinde Prägraten. Die achtklassige Schule wird durchschnittlich von etwa 220 Schülern besucht. Zwischen 1968 und 1983 gab es in Virgen auch eine Sonderschulklasse und kurze Zeit einen Polytechnischen Lehrgang. Beide Schularten befinden sich heute in der Nachbargemeinde Matrei.<ref>Oberwalder: Virgen S. 207 (Zahlen von etwa 1999)</ref> === Sicherheit und Gesundheitswesen === Virgen verfügt heute über keine eigene Polizeistation mehr, wobei das Zuständigkeitsgebiet des ehemaligen Gendameriepostens der Polizeiinspektion Matrei angegliedert wurde. Im ehemaligen Gendarmerieposten ist heute das Ortsmuseum eingerichtet. Die [[Freiwillige Feuerwehr]] wurde 1896 gegründet und hat mehr als hundert Mitglieder. Neben dem 1996 neueröffneten Hauptgebäude in Virgen verfügt die Freiwillige Feuerwehr über kleinere Außenstellen mit selbstständigen Löschgruppen in den Fraktionen Mitteldorf und Obermauern. Zur Bergung von Bergopfern wurde in Virgen eine Ortsstelle des [[Österreichischer Bergrettungsdienst|Österreichischen Bergrettungsdienstes]] eingerichtet. Für die Gesundheitsversorgung steht in der Gemeinde ein Arzt für Allgemeinmedizin zur Verfügung. Für den Besuch eines Facharztes muss jedoch ins benachbarte Matrei oder in die Bezirkshauptstadt Lienz mit dem Bezirkskrankenhaus ausgewichen werden. == Kultur und Sehenswürdigkeiten == === Sehenswürdigkeiten === [[Datei:Virgen - Gasthaus Neuwirt.JPG|miniatur|Gasthof Neuwirth]] [[Datei:Obermauern - Wallfahrtskirche Fresko 1.JPG|miniatur|Fresko in der Wallfahrtskirche Obermauern]] Der Dorfkern des Hauptortes der Gemeinde, Virgen-Dorf ist gut erhalten. Das Zentrum bildet die spätgotische Pfarrkirche mit dem umliegenden Pfarrfriedhof und dem Denkmal für die Opfer der [[Koalitionskriege|Franzosenkriege]]. In nächster Nähe zur Kirche befindet sich das uralte „Gasthaus Neuwirth“ mit Erkerturm und Walmdach sowie das Kloster der Tertiarschwestern. Das Kloster verfügt über eine eigene Hauskapelle mit einem kleinen Glockenturm. Sehenswert ist auch das Dorf Obermauern mit der Wallfahrtskirche und den umliegenden, alten Bauernhäusern. Ursprünglich waren die Wohnhäuser der Bauern vollständig aus Holz gezimmert, nur wohlhabende Bauern konnten sich ein gemauertes Erdgeschoss leisten. Die dominierende Hofform in Virgen ist der Paarhof (getrenntes Wohn- und Futterhaus), nur in günstigen Lagen findet man auch Einhöfe. Zu den wichtigsten Sehenswürdigkeiten in der Gemeinde Virgen zählen die zahlreichen Kirchen und Kapellen, die sich in allen Fraktionen, aber auch in einigen Weilern und einzelnen Gehöften befinden. Über das Gemeindegebiet hinaus bekannt ist die [[Gotik|spätgotische]] ''Wallfahrtskirche zu Unserer Lieben Frau Maria-Schnee'' in Obermauern. Die Filialkirche der Pfarrkirche Virgen wurde um 1456 errichtet, beinhaltet jedoch auch frühgotische und möglicherweise noch ältere Bauteile einer Vorgängerkirche. Bekannt ist die Wallfahrtskirche vor allem wegen ihres reichen, gotischen [[Fresko|Freskenschmucks]] mit dem [[Passion]]szyklus von [[Jesus von Nazaret]]. Weitere Fresken zeigen die Kindheitsgeschichte von Jesus, Szenen aus dem Leben seiner Mutter [[Maria (Mutter Jesu)|Maria]] und das Martyrium des heiligen [[Sebastian (Heiliger)|Sebastians]]. Die Virger Pfarrkirche wurde ebenfalls in der Spätgotik errichtet, geht jedoch auf einen Bau aus der Romanik zurück, wie ein in den 1930er Jahren bei Restaurierungsmaßnahmen freigelegter Rundbogen belegt. Die dritte Kirche in der Gemeinde liegt in der Fraktion Mitteldorf. Der kleine Bau mit Satteldach wurde um 1650 errichtet und gehörte bis 1782 zur Pfarre [[Matrei in Osttirol|Matrei]]. Der älteste Sakralbau der Gemeinde und des gesamten Iseltales ist die [[Göriach (Gemeinde Virgen)#Allerheiligenkapelle|Allerheiligenkapelle]] im Weiler Marin. Der Überlieferung nach wurden an ihrem Standort bereits während des Einbruchs der Slawen Gottesdienste gefeiert. Der Kapellenbau dürfte aus romanischer Zeit stammen und ist über einen steilen Kreuzweg erreichbar.<ref>Pizzinini: Osttirol S. 319–328</ref> Die [[Burgruine Rabenstein (Virgen)|Burg Rabenstein]] in der Fraktion Mellitz wurde im 12. Jahrhundert gegründet und war bis zu Beginn des 18. Jahrhunderts Sitz des Gerichtes und des [[Pfleger (Mittelalter)|Pflegers]] von Virgen. Ursprünglich im Besitz der Görzer, gelangte die Anlage im 13. Jahrhundert an das Erzbistum Salzburg, die die Burg bis ins 18. Jahrhundert als Lehen vergab. Nachdem der Pfleger 1703 aus der Burg ausgezogen war, setzte sich der sukzessive Verfall der Anlage fort. Erst in den 1960er Jahren wurden Maßnahmen zur Erhaltung der Ruine gesetzt. Besonderheit der Ruine ist das sogenannte Pfaffenstöckl, deren reich verzierte Fresken teilweise erhalten blieben. === Kunst und Kultur === Bekanntester Künstler Virgens ist der Bildhauer und Holzschnitzer [[Alois Lang]], der vor allem in New York und Japan wirkte und an der Expo in Osaka teilnahm. Der Bildhauer und Krippenschnitzer [[Friedl Fuetsch]] († 1981), Ehrenbürger der Gemeinde Virgen, schuf unter anderem das Denkmal für die Gefallenen des Zweiten Weltkriegs sowie den Altar in der Mariner Kapelle. Die Theatergruppe Rabenstein geht auf Theatergruppen zurück, deren Passionsspiele („Virgener Rosenkranzspiel“) erstmals 1675 urkundlich belegt sind. Die bis ins 18. Jahrhundert aufgeführten Stücke, wurden in den Dreißigerjahren des 20. Jahrhunderts in einer Neufassung der Heimatdichterin [[Fanny Wibmer-Pedit]] wiederbelebt. 1980 gründete sich der Tradition folgend die Theatergruppe Rabenstein, die jährlich ein Stück zur Aufführung bringt.<ref>Oberwalder: Virgen S. 196–202, 221 ff;[http://www.rabensteiner-virgen.at/Geschichte.htm Theatergruppe Rabensteiner]</ref> === Brauchtum === Der Virger Widderzug findet jährlich am ersten Samstag nach [[Ostern]] statt. Sein Ursprung wird auf die Zeit des [[Dreißigjähriger Krieg|Dreißigjährigen Krieges]] zurückgeführt, als die Pest im Virgental ausgebrochen war. Aus Dankbarkeit für das Ende der Epidemie versprach die Bevölkerung eine Wallfahrt mit einem weißen [[Schafe|Widder]] nach [[Lavant (Tirol)|Lavant]] durchzuführen. Möglicherweise stammt der Brauch aber aus dem 14. Jahrhundert und wurde im 17. Jahrhundert erneuert. Da es bei den Wallfahrten nach Lavant zu „unheiligen Übertretungen“ kam, schaffte ein Pfarrer die Wallfahrt nach Lavant ab, seitdem führt die Prozession nach Obermauern. Der Widder wird jedes Jahr von einem Ortsteil von Virgen oder Prägraten gestellt, wobei das Tier das Hochamt in der Nähe des Altares verbringt. Anschließend wird der Widder versteigert, der Erlös kommt der Wallfahrtskirche zugute.<ref>[http://www.virgen.at/index.cgi/1106043987 Gemeinde Virgen]</ref> Ein weiterer Brauch ist das Klaubaufgehen. Hierbei zieht der Heilige [[Nikolaus von Myra|Nikolaus]] mit seinen Engeln von Haus zu Haus und verteilt Nüsse, Kekse und Süßigkeiten. Er wird von Lotter und von der Litterin, einem bettelnden Paar sowie von Musikanten begleitet. Die Klaubaufen, finstere, zottelige Gestalten mit Masken und Glocken begleiten den Zug.<ref>[http://www.virgen.at/index.cgi/52 Gemeinde Virgen]</ref> === Vereinswesen === In Virgen sind mehr als 30 Vereine (2001) gemeldet. Der älteste Verein Virgens ist der [[Tiroler Schützen|Schützenverein]], der 1796 als Veteranenverein gegründet wurde. Die Musikkapelle Virgens wurde um 1820 gegründet und tritt im Sommer im Virger Pavillon auf. Des Weiteren sind die [[Freiwillige Feuerwehr]], die [[Schützenverein|Schützengilde]], der Heimatkundeverein und die [[Bergwacht]] erwähnenswert. === Sport === Die Gemeinde verfügt über eine 1999 errichtete Freizeitanlage mit Schwimmbad und Plätzen für Fußball, Tennis, Beachball, Skateboards und Rollerblades. Der Sport in der Gemeinde Virgen wird von der ''[[Sportunion]] Virgen'' getragen. Der 1956 gegründete Verein betreibt neben den fünf Sommersportarten Fußball, Paragleiten, Tennis, Laufen und Rollenrodeln die fünf Wintersportarten Schi Alpin, Langlaufen, Biathlon, Triathlon (Tourenlauf, Rodeln, Langlauf) und Rodeln. Der örtliche Fußballverein ''TSU Virgen'' spielt derzeit in der untersten österreichischen Liga (2. Klasse A). Da Virgen über keine geeignete Liftanlage verfügt, wurde in der Gemeinde der Langlauf stärker als der Alpine Schilauf gefördert und von der Sportunion Volksläufe und Rennen veranstaltet. Erfolgreichster Sportler der Gemeinde wurde der Langläufer [[Egon Leitner]], der an den [[Olympische Winterspiele 1988|Olympischen Winterspielen 1988]] und [[Olympische Winterspiele 1988|1992]] teilnahm.<ref>[http://union-virgen.com Sportunion Virgen]; Oberwalder: Virgen S. 226–231</ref> Neben der Sportunion existiert mit dem EC Virgen (Wölfe) ein Eishockeyverein, der derzeit in der Unterliga West (vierthöchste Liga Österreichs) spielt. == Einzelnachweise == <references /> == Literatur == * Katholischer Tiroler Lehrerverein (Hrsg.): ''Bezirkskunde Osttirol''. Innsbruck 2001, ISBN 3-7066-2267-X. * Simon Kurzthaler: ''Geschichte – Kunst – Kultur. Begegnungen in der Nationalparkregion Hohe Tauern.'' Innsbruck 1997, ISBN 3-7066-2148-7. * Louis Oberwalder: ''Virgen im Nationalpark Hohe Tauern''. Edition Löwenzahn, Innsbruck 1999, ISBN 3-7066-2197-5 * Meinrad Pizzinini: ''Osttirol. Der Bezirk Lienz. Seine Kunstwerke, Historische Lebens- und Siedlungsformen.'' Verlag St. Peter, Salzburg 1974 (Österreichische Kunstmonographien, Bd. VII) ISBN 3-900173-17-6 == Weblinks == * {{Commons|Category:Virgen|Virgen}} * {{aeiou|v/v541218}} * [http://tirolatlas.uibk.ac.at/places/show.py/index?id=170734;lang=de Tirol Atlas] * [http://geschichte-tirol.com/orte/bezirk-osttirol/88-virgen.html Geschichte-Tirol: Virgen] {{Navigationsleiste Städte und Gemeinden im Bezirk Lienz}} [[Kategorie:Osttirol]] {{Exzellent}} [[en:Virgen]] [[it:Virgen]] [[nl:Virgen]] [[ru:Фирген]] [[sk:Virgen]] [[vo:Virgen]] s71qltlk052jc6m2roynlxa2g29fhlr wikitext text/x-wiki Virushülle 0 24451 27050 2010-04-13T07:32:05Z Uwe Gille 0 /* Knospung an der Zellmembran */ Lf [[Bild:Influenza_virus_particle_8430_lores-Beschriftung.jpg|thumb|upright=1.5|Ein behülltes Virus aus der Gattung [[Influenzavirus]] in einer [[Transmissionselektronenmikroskop|TEM]]-Aufnahme: Acht helikale Kapside werden von einer Virushülle umschlossen (Partikel ca. 80−120&nbsp;nm im Durchmesser).]] Die '''Virushülle''' (engl. ''viral envelope'') ist eine bei bestimmten [[Viren]] vorhandene äußere Struktur, die aus [[Lipide]]n einer [[Biomembran|Lipid-Doppelmembran]] der ursprünglichen [[Wirt (Biologie)|Wirtszelle]] und darin eingelagerten viralen [[Protein]]en besteht. Die Virushülle umschließt meistens ein [[Kapsid]], in das wiederum die virale [[Nukleinsäure]] verpackt ist. Je nach Virusart entsteht die Hülle aus der [[Zellmembran]] an der Zelloberfläche oder aus Membranen des [[Endoplasmatisches Retikulum|Endoplasmatischen Retikulums]] (ER) bzw. [[Golgi-Apparat]]es im Inneren der Zelle. Das Vorhandensein einer Virushülle ist ein wichtiges Kriterium bei der Einteilung von Viren, der sogenannten [[Virus-Taxonomie]]. Dabei werden die behüllten Viren von den unbehüllten oder „nackten“ Viren abgegrenzt. Während unbehüllte Viren die infizierte Zelle stets durch Zerstörung der Wirtszelle verlassen müssen, können behüllte Viren ohne eine solche [[Lyse (Biologie)|Lyse]] freigesetzt werden. Die Virushülle hat eine große Bedeutung bei der Aufnahme von Viren in die Zelle, der Stabilität gegenüber Umwelteinflüssen und [[Desinfektionsmittel]]n sowie der erleichterten Fähigkeit zur Veränderung der Virusoberfläche. Diese Variabilität durch eine Virushülle ist ein [[Evolution|evolutionärer]] Vorteil gegenüber unbehüllten Viren. Sie ermöglicht behüllten Viren, die [[Immunsystem|Immunabwehr]] eines Wirtes leichter zu unterlaufen oder sich besser an einen neuen Wirt anzupassen. Deutlich werden diese Eigenschaften der Virushülle beispielsweise daran, dass sämtliche beim Menschen neu auftretenden Viren (''„emerging viruses“''), die eine reale oder potentielle Gefährdung durch eine [[Pandemie]] darstellen, behüllte Viren sind, so z.&nbsp;B. das [[Humanes Immundefizienz-Virus|HI-Virus]], [[SARS]]-Coronavirus, [[Influenzavirus]], [[Ebolavirus]] und [[West-Nil-Virus]]. == Entdeckung == Die Anfänge der Virologie und die Definition der Viren als neue Art infektiöser Erreger sind mit zwei ''unbehüllten'' Viren verknüpft: Dem [[Tabakmosaikvirus]] ([[Dimitri Ivanovskij]] 1892 und [[Martinus Beijerinck]] 1898) und dem [[Maul-und-Klauenseuche-Virus]] ([[Friedrich Loeffler]] und [[Paul Frosch]] 1897).<ref>Für eine Übersicht siehe: Karlheinz Lüdtke: ''Zur Geschichte der frühen Virusforschung'', MPI für Wissenschaftsgeschichte 1999 [http://www.mpiwg-berlin.mpg.de/Preprints/P125.PDF]</ref> Das von [[Walter Reed]] 1901 entdeckte [[Gelbfieber-Virus]]<ref>Reed, W.: ''Recent researches concerning the etiology, propagation and prevention of yellow fever by the United States Army Commission''. J. Trop. Med. (1901) 5: 143–158</ref> war das erste beim Menschen identifizierte Virus und zugleich das erste beschriebene behüllte Virus. Diese Untersuchungen beschränkten sich jedoch auf Übertragungswege, die [[Morphologie (Biologie)|Morphologie]] der Viren blieb bis auf die Eigenschaft der besonderen Kleinheit (Unsichtbarkeit im [[Lichtmikroskop]]) zunächst unbekannt. Diese Barriere der ungenügenden mikroskopischen Auflösung konnte erst in den 1930er-Jahren mit der Entwicklung des [[Elektronenmikroskop]]s durch [[Helmut Ruska|Helmut]] und [[Ernst Ruska]] überwunden werden. Schon die ersten Aufnahmen mit dieser neuen Technik zeigten Umrisse von Viren mit länglicher oder runder Gestalt.<ref>B. v. Borries, E. Ruska und H. Ruska: ''Bakterien und Virus in übermikroskopischer Aufnahme''. Klin. Wochenschrift (1938) 17: S. 921–925 [http://ernstruska.digilibrary.de/bibliographie/q021/q021.pdf]</ref> Eine Differenzierung der Feinstruktur der Viren und Darstellung der Virushülle war mit den frühen Kontrastfärbungen jedoch noch nicht möglich. Immerhin schlug Helmut Ruska 1943 nach Untersuchung damals vorhandener Virusisolate eine erste Einteilung der Viren nach Größe und Form vor.<ref>H. Ruska: ''Versuch zu einer Ordnung der Virusarten''. Arch. ges. Virusforsch. (1943) 2: S. 480–498</ref> Bis dahin wurden die Viren nach dem befallenen Wirt und der jeweiligen Erkrankung eingeteilt. In den 1950er-Jahren konnten auch Viren in den von [[Renato Dulbecco]] und [[Harry Eagle]] entwickelten [[Zellkultur]]en gezielt angezüchtet und in großen Mengen vermehrt werden. Durch die Reinheit und Konzentration dieser Viruspräparation wurde die genauere Bestimmung der chemischen Zusammensetzung und damit des [[Lipid]]anteils von Viren möglich. Bis zur Etablierung dieser Technik musste man sich auf die [[Virusisolierung]] aus infizierten Wirten oder auf die 1932 entwickelte<ref>E. W. Goodpasture, A. M. Woodruff, G. J. Buddingh: ''Vaccinal infection of the chorio-allantoic membrane of the chick embryo''. Amer. J. Pathol. (1932) 8: S. 271</ref> und 1946 für die Virusvermehrung verbesserte Anzucht in [[Embryoniertes Hühnerei|bebrüteten Hühnereiern]] beschränken.<ref>W. I. B. Beverige, F. M. Burnet: ''The cultivation of viruses and rickettsiae in the chick embryo''. Med. Res. Council Spec. Rept. Ser (1946) 256</ref> Einige Viren verloren ihre Fähigkeit, die Hühnerembryonen zu infizieren, wenn man die Viruslösung vorher mit verschiedenen Stoffen behandelte, darunter auch fettlösende Verbindungen wie Ether ([[Diethylether]]) oder [[Detergens|Detergenz]]ien wie [[Desoxycholsäure|Natriumdesoxycholat]].<ref>W. B. Dunham, W. J. Macneal: ''Culture on the Chick Chorio-allantois as a Test of Inactivation of Vaccinia Virus''. J. Bacteriology (1942) 44(4): S. 413–424 PMID 16560579</ref> Diese sogenannte „Ether-Empfindlichkeit“ von Viren wurde nur bei einigen Viren wie den Influenzaviren oder den [[Herpesviren]] beobachtet, andere wie das [[Poliovirus]] oder das Maul-und-Klauenseuche-Virus waren auch nach einer Behandlung mit Ether noch infektiös. Die Ether-Empfindlichkeit wurde so zu einem weiteren wichtigen Kriterium bei der Einteilung von Viren und konnte in den 1950er-Jahren auch schon mit dem Nachweis von Lipiden bei gereinigten Viren in Verbindung gebracht werden.<ref>M. Uhler, S. Gard: ''Lipid content of standard and incomplete influenza A virus''. Nature (1954) 173(4413): S. 1041–1042 PMID 13165714</ref> Ether-empfindliche Viren wiesen einen Lipidanteil von 20–30 % auf. [[Bild:Herpes simplex virus TEM B82-0474 lores.jpg|thumb|TEM-Bild des ''Herpes-simplex-Virus'' mit der typischen „Spiegeleiform“ (Partikeldurchmesser ca. 180&nbsp;nm)]] [[Bild:Alphavirus.gif|thumb|Kryo-EM-Darstellung der Virushülle eines ''[[Alphavirus]]'' (Durchmesser 68&nbsp;nm)]] Dass der Lipidanteil der Viren im Zusammenhang mit einer Membranstruktur stehen könnte, wurde damals bereits vermutet. Die Existenz von lipidhaltigen Doppelmembranen bei Zellen konnte schon durch die Untersuchungen von Gorter und Grendel 1925<ref>E. Gorter, F. Grendel: ''On bimolecular layers of lipoid on the chromocytes of the blood''. J. Exp. Med. (1925) 41: S. 439–443 [http://www.jem.org/cgi/content/abstract/41/4/439?ijkey=d6a4e86bac70242a9d82e739cd7ee616c319636f&keytype2=tf_ipsecsha]</ref> bewiesen werden, und es lag nahe, eine ähnliche Struktur bei lipidhaltigen Viren anzunehmen. Entscheidend war der Beweis, dass die Zusammensetzung der Lipidkomponenten der Viren derjenigen der jeweiligen Wirtszellen ähnelte, in denen die Viren angezüchtet wurden.<ref>L. H. Frommhagen, N. K. Freeman, C. A. Knight: ''The lipid constituents of influenza virus, chick allantoic membrane and sedimentable allantoic protein''. Virology (1958) 5(1): S. 173–175 PMID 13519759</ref> Der erste Hinweis auf eine Virushülle in elektronenmikroskopischen Bildern kann im Nachhinein in einer Untersuchung von Coriell 1950 nachverfolgt werden. Er isolierte [[Herpes-simplex-Virus|Herpes-simplex-Viren]] aus Herpesbläschen. Dabei beobachtete er eine eigenartige, runde Form der Viren mit einer zentralen Aussparung, die er als „[[Doughnut]]-ähnlich“ beschrieb.<ref>L. L. Coriell, G. Rake et al.: ''Electron microscopy of herpes simplex''. J Bacteriol. (1950) 59(1): S. 61–68 PMID 15400321</ref> Heute wird dieses typische Erscheinungsbild der Herpesviren als „Spiegeleiform“ bezeichnet, dies meint ein [[Kapsid#Ikosaedrische Symmetrie|ikosaedrisches Kapsid]] im Innern umgeben von einer sehr dicken Virushülle. Erst ab 1959, als ein besonderes Kontrastierungsverfahren mit [[Uran]]salzen für die Elektronenmikroskopie entwickelt wurde<ref>S. Brenner, R. W. Horne: ''A negative staining method for high resolution electron microscopy of viruses''. Biochim. Biophys. Acta (1959) 34: S. 103–110 PMID 13804200</ref>, stellte sich die Struktur der Viren viel differenzierter dar, so dass auch die Virushülle sichtbar gemacht werden konnte. Noch heute ist diese sogenannte Negativkontrastfärbung die wichtigste Methode zur elektronenmikroskopischen Darstellung von Viren. Mit der Erforschung der zellulären Membranen in den 1960er- und 1970er-Jahren ging auch eine Erweiterung des Verständnisses der Virushüllen einher. Dies wurde durch verfeinerte Techniken zur Strukturaufklärung der Hüllproteine wie der [[Röntgenbeugung]], der [[Rasterelektronenmikroskop|Gefrierbruch-REM]]<ref>D. Branton: ''Fracture faces of frozen membranes''. PNAS (1966) 55: S. 1048–1056 PMID 5334198</ref> und der [[Kernspinresonanzspektroskopie|NMR-Spektroskopie]] ermöglicht, aber auch dank neuer Überlegungen über die Eigenschaften von Biomembranen wie dem [[Flüssig-Mosaik-Modell]] von Singer und Nicholson.<ref>S. J. Singer, G. L. Nicholson: ''The fluid mosaic model of the structure of cell membranes'' (1972) Science 175: S. 720–731 PMID 4333397</ref> In den letzten zwanzig Jahren lieferte besonders die [[Kryo-Elektronenmikroskopie]] entscheidende Einblicke in die Feinstruktur der Virushüllen. Mit dieser Technik ist es möglich, die Form und Anordnung einzelner Hüllproteine zu bestimmen und mit einer [[Fourieranalyse|fourier-gestützten]] Bildverarbeitung die Virushülle mit einer Auflösung von 0,6–1 nm darzustellen. == Aufbau der Virushülle == Eine Virushülle besteht immer aus viralen Hüllproteinen, die in eine Lipid-Doppelmembran eingebettet sind. Die Einlagerung der Hüllproteine in die Membran geschieht bereits während ihrer Synthese an den [[Ribosom]]en des [[Endoplasmatisches Retikulum#Raues ER (granuläres ER)|rauen Endoplasmatischen Retikulums]] (rER). Entweder kann die Virushülle sich bereits hier aus der Membran des rER bilden oder die mit Hüllproteinen besetzten Membranbereiche werden durch den normalen zellulären Membranfluss zur Zellmembran, Kernmembran oder dem Golgi-Apparat transportiert. Dadurch, dass sich die Hüllproteine beim Prozess der Umhüllung in kleineren Membranflächen konzentrieren und zusammenlagern, werden zelluläre [[Membranprotein]]e verdrängt, die dann nicht in die Virushülle eingebaut werden. Aufgrund dieser Verdrängung zellulärer Membranproteine besteht die Doppelmembran der Virushülle nicht aus unveränderten zellulären Membranen, sondern nur aus deren Lipidanteil. Der Anteil an eingelagerten Hüllproteinen ist meist so hoch, dass der Lipidanteil an der Oberfläche an keiner Stelle unbedeckt vorliegt. Die Lipidmembran der Virushülle ist daher für [[Antikörper]] nicht mehr direkt zugänglich. Bei einigen Viren wie beispielsweise den ''[[Hepadnaviridae]]'' ist der Proteinanteil der Virushülle so hoch, dass die Virushülle fast ausschließlich aus dicht gepackten Hüllproteinen besteht. Diese sind sehr regelmäßig angeordnet und gegenüber Umwelteinflüssen und Detergenzien resistenter als andere behüllte Viren. === Lipidanteil === [[Datei:Lipo 1.jpg|thumb|left|Anordnung der [[Phospholipid]]e in einer Lipid-Doppelmembran]] Die Lipidmembran der Virushülle besteht, wie auch alle zellulären Membranen, aus einer Doppelschicht von [[Phospholipid]]en. Diese besitzen einen [[hydrophil]]en Kopf, der die Oberflächen der Membran bildet, und zwei nach innen gerichtete, lipophile [[Kohlenwasserstoff]]ketten. Die am Aufbau der Virushülle beteiligten Phospholipide sind [[Phosphatidylcholin]]e (auch ''Lecithine'' genannt), [[Phosphatidylethanolamin]]e, [[Lecithine#Andere Phospholipide|Phosphatidylserine]], [[Lecithine#Andere Phospholipide|Phosphatidylinositol]] und [[Sphingomyelin]]e. Letztere sind nur in der äußeren Schicht der Doppelmembran vorhanden. Zu den Phospholipiden tritt noch ein unterschiedlich hoher Anteil an [[Cholesterin]] hinzu.<ref>J. W. Corran, W. C. Lewis: ''Lecithin and Cholesterol in Relation to the Physical Nature of Cell Membranes''. Biochem J. (1924) 18(6): S. 1364–1370 PMID 16743417</ref> Die zellulären Membranen, und damit auch die Virushüllen, variieren in der Zusammensetzung der verschiedenen Phospholipide und dem Gehalt an Cholesterin. Ein hoher Cholesteringehalt ist für die Zellmembran typisch, während die Membranen des Endoplasmatischen Retikulums und des Golgi-Apparates nur wenig Cholesterin enthalten. Der Cholesteringehalt einer Membran, ausgedrückt als ''C/P-Quotient'' (''[[Mol]]arer Cholesterin/Phospholipid-Quotient''), beeinflusst entscheidend die [[Morphologie (Biologie)|Morphologie]] einer Membran, so sind cholesterinreiche Membranen (also mit einem typischen C/P-Quotienten von 0,4 bis 0,8) stabiler, weniger flexibel und mit 5–6 [[Nanometer|nm]] um etwa ein Drittel dicker als cholesterinarme.<ref>R. P. Rand, V. Luzzati: ''X-ray diffraction study in water of lipids extracted from human erythrocytes: the position of cholesterol in the lipid lamellae''. Biophys. J. (1968) 8(1): S. 125–137 PMID 5641398</ref> Da die Lipidzusammensetzung einer Virushülle in erster Näherung jener der ursprünglichen zellulären Membran entspricht, sind diese Unterschiede auch zwischen Virushüllen zu finden, die von der Zellmembran oder von intrazellulären Membransystemen abstammen. Bei genauer Betrachtung weicht die Lipidzusammensetzung der meisten Virushüllen in geringem Umfang von ihrer Ursprungsmembran ab. Wie diese selektive Aufnahme von Lipidkomponenten in die Virushülle geschieht, ist derzeit noch unklar. Man vermutet einen bevorzugten Einbau von verschiedenen Phospholipiden während der Aggregation von Hüllproteinen in der Membran, wobei die Hüllproteine mit den Lipiden unterschiedlich stark wechselwirken und die Bindung der Hüllproteine untereinander bestimmte Phospholipide bevorzugt. Die Entdeckung der sogenannten ''[[Lipid Raft]]s'', also in einer zellulären Membran schwimmenden Mikroareale mit hohem Cholesteringehalt, hat einen inhomogenen Aufbau dieser Membranen aufgezeigt. Diese ''Lipid Rafts'' scheinen auch für den selektiven Einbau in die Virushülle bedeutsam zu sein. Bei einigen Viren ist die Präsenz dieser Mikroareale sogar für die Einlagerung der Hüllproteine und die Entstehung der Virushülle eine notwendige Voraussetzung,<ref>J. P. Laliberte, L. W. McGinnes et al.: ''Integrity of membrane lipid rafts is necessary for the ordered assembly and release of infectious Newcastle disease virus particles''. J. Virol. (2006) 80(21): S. 10652–10662 PMID 17041223</ref> da sie die Dichte viraler Hüllproteine regional erhöhen und damit die Aggregation ermöglichen. Umgekehrt ist die Präsenz von Cholesterin in der Virushülle einiger Viren für das Eindringen in die Zelle notwendig. So verminderte die Anzüchtung des [[Hundestaupevirus|Caninen Staupevirus]] in Zellkulturen, denen ein Hemmstoff für die Cholesterinsynthese beigegeben wurde, seine Fähigkeit weitere Zellen zu infizieren um 80 %.<ref>H. Imhoff, V. von Messling et al.: ''Canine distemper virus infection requires cholesterol in the viral envelope''. J. Virology (2007) 81(8): S. 4158–4165 PMID 17267508</ref> Gleiches wurde auch bei Virushüllen des [[Varizella-Zoster-Virus]] beobachtet, die nicht an der cholesterinreichen Zellmembran entstehen.<ref>S. Hambleton et al.: ''Cholesterol dependence of varicella-zoster virion entry into target cells''. J. Virology (2007) 81(14): S. 7548–7558 PMID 17494071</ref> ''Tabelle: Vergleich der Lipidkomponenten von typischen zellulären Membranen (rER: raues ER, sER: glattes ER) und Virushüllen ([[Humanes Immundefizienzvirus]] HIV-1, sphärische Antigen-Partikel des Hepatitis-B-Virus sHBV). Zur besseren Vergleichbarkeit sind die Lipidkomponenten jeweils in molare Prozent des Lipidanteils für die Leberzelle der Ratte aus den Daten von M. K. Jain (1980)<ref>M. K. Jain, R. C. Wagner: ''Introduction to Biological Membranes'', New York (Wiley) 1980 ISBN 0471034711</ref> umgerechnet. Die sER-Membran enthält zusätzlich 2,0 % Diphosphatidylglycerol ([[Cardiolipin]]).'' {| class="prettytable" ! class="hintergrundfarbe8" |Lipidkomponente ! class="hintergrundfarbe5" |Zellmembran ! class="hintergrundfarbe5" |rER-Membran ! class="hintergrundfarbe5" |sER-Membran ! class="hintergrundfarbe5" |Golgi-Membran ! class="hintergrundfarbe6" |HIV-1<ref>in molare Prozent umgerechnet aus: R. C. Aloia et al.: ''Lipid composition and fluidity of the human immunodeficiency virus''. PNAS (1988) 85(3): S. 900–904 PMID 2829209</ref> ! class="hintergrundfarbe6" |sHBV<ref>berechnet aus Tabelle 1 und 4 in: O. Satoh et al.: ''Membrane structure of the hepatitis B virus surface antigen particle''. J. Biochemistry Tokyo (2000) 127(4): S. 543–550 PMID 10739944</ref> |- | Cholesterin | align="center" | 34,5 | align="center" | 6,6 | align="center" | 10,4 | align="center" | 9,1 | align="center" | 46,8 | align="center" | 3,1 |- | Phosphatidylcholin | align="center" | 20,7 | align="center" | 60,4 | align="center" | 56,9 | align="center" | 48,8 | align="center" | 12,7 | align="center" | 78,9 |- | Sphingomyelin | align="center" | 16,0 | align="center" | 3,3 | align="center" | 12,4 | align="center" | 12,2 | align="center" | 15,1 | align="center" | 1,9 |- | Phosphatidylethanolamin | align="center" | 12,6 | align="center" | 17,6 | align="center" | 21,7 | align="center" | 18,3 | align="center" | 13,1 | align="center" | 9,2 |- | Phosphatidylinositol | align="center" | 4,6 | align="center" | 8,8 | align="center" | 6,9 | align="center" | 7,3 | align="center" | 1,1 | align="center" | 3,6 |- | Phosphatidylserin | align="center" | 10,3 | align="center" | 3,3 | align="center" | — | align="center" | 4,3 | align="center" | 8,0 | align="center" | 0,9 |- | ''Lipidgehalt %'' | align="center" | ''87,0'' | align="center" | ''91,0'' | align="center" | ''96,6'' | align="center" | ''82,0'' | align="center" | ''28,0'' | align="center" | ''24,0'' |- | ''C/P-Quotient'' | align="center" | 0,53 | align="center" | 0,07 | align="center" | 0,11 | align="center" | 0,10 | align="center" | 0,88 | align="center" | 0,03 |- |} Wie aus einem Vergleich der in obiger Tabelle aufgelisteten Lipidkomponenten hervorgeht, kann man durch die Bestimmung der Lipidzusammensetzung einer Virushülle auf die zelluläre Ursprungsmembran rückschließen. Im angeführten Beispiel besitzt das HIV-1 die typische Zusammensetzung der Zellmembran und die sphärischen, leeren HBV-Partikel − die in ihrer Lipidzusammensetzung den kompletten [[Virion]]en entsprechen − dem Lipidprofil des rauen ER. Die spezifische An- und Abreicherung der Komponenten im Vergleich zur Ursprungsmembran ist ebenfalls erkennbar. Da die Lipidzusammensetzung der Membranen verschiedener [[Zelltyp]]en variieren kann, sind auch entsprechende Abweichungen der Virushülle bei einem Virus zu erwarten, wenn es sich im Organismus oder in der [[Zellkultur]] in verschiedenen Zelltypen vermehrt. Auch kann es innerhalb einer einzigen Zelle zu leicht unterschiedlichen Lipidanteilen kommen, wenn die Zellmembran eine gerichtete Polarität besitzt wie z.&nbsp;B. bei Zellen, die an einem [[Lumen (Biologie)|Lumen]] angeordnet sind. So können sich an [[Anatomische Lage- und Richtungsbezeichnungen|apikalen]] oder basalen Bereichen der Zellmembran unterschiedliche Virushüllen bilden.<ref>G. van Meer, K. Simons: ''Viruses budding from either the apical or the basolateral plasma membrane domain of MDCK cells have unique phospholipid compositions''. EMBO J. (1982) 1(7): S. 847–852 PMID 6329709</ref> Die Bedeutung der Lipidkomponenten für die wichtigen Funktionen der Virushülle wie Virusaufnahme, Infektiosität, Membranfusion und Zusammenbau der Viruspartikel wurde lange Zeit nicht erkannt, da das Hauptaugenmerk auf der Erforschung der Hüllproteine lag. Viele Untersuchungen an unterschiedlichen Viren zeigen jedoch in jüngster Zeit, wie sehr die Lipide die Funktion der Hüllproteine erst ermöglichen; insbesondere die Anreicherung von Cholesterin in den ''Lipid Rafts'' scheint die Funktion der Virushülle entscheidend zu beeinflussen.<ref>N. Chazal, D. Gerlier: ''Virus Entry, Assembly, Budding, and Membrane Rafts''. Microbiol. Mol. Biol. Rev. (2003) 67(2): S. 226–237 PMID 12794191 (Review)</ref> Die Lipidmembran hat hierbei einen erheblichen Einfluss auf die Anordnung der Hüllproteine und ihre korrekte Faltung als [[Tertiärstruktur]]. === Virale Hüllproteine === [[Datei:Virus-Envelope-Dimer.jpg|thumb|Einlagerung von Hüllproteinen als [[Dimer]] in eine Zellmembran. 1: Oligosaccharide, 2: Disulfidbrücken, 3: Transmembran-Domäne, 4: Lipidmembran, 5: intrazellulärer Anker, 6: Zytoplasma, C/N: [[C-Terminus|C]]- bzw. [[N-Terminus]]]] In ähnlicher Weise wie zelluläre [[Transmembranprotein]]e sind die viralen Hüllproteine in die Lipidmembran eingelagert. Eine oder mehrere transmembranäre, lipophile [[Proteindomäne]]n durchqueren die Lipidmembran und trennen damit eine kleinere innere Domäne von einer größeren äußeren. Bei den meisten Hüllproteinen liegt der [[Carboxyl-Terminus]] innen, so dass die Hüllproteine zu den Klasse-1-Membranproteinen gehören. Die nach innen gerichtete Domäne (auch „intrazellulärer Anker“ oder Ankerdomäne genannt) ist [[hydrophil]] und kann die Bindung an nachfolgende innere Strukturen vermitteln. Im klassischen Fall ist dies ein Kapsid. Bei Viren mit mehreren Kapsiden oder komplex aufgebauten Viren bindet die innere Domäne an weitere Proteine, die die Unterseite der Virushülle zusätzlich auskleiden. Diese liegen zwischen Kapsid und Hülle im Matrixraum und werden daher als ''Matrixproteine'' bezeichnet. Im einfachsten Falle besteht die innere Domäne des Hüllproteins aus einem gefalteten Ende des Proteins. Durchquert das Hüllprotein mehrmals die Lipidmembran (''„multipass“''), ist die innere Domäne eine sich daraus ergebende Schleife. Die Wechselwirkung zwischen den inneren Domänen, entweder direkt ohne weitere Bindungspartner oder indirekt über Matrixproteine oder Kapsid, ist die bestimmende Kraft zur Krümmung der Membran während der Umhüllung. Die Transmembran-Domäne besteht aus einer [[lipophil]]en [[α-Helix]], deren Länge von der Dicke der Lipidmembran vorgegeben wird. Jene Viren, die an der dickeren, cholesterinreichen Zellmembran umhüllt werden, benötigen für die Helix z.&nbsp;B. 26&nbsp;[[Aminosäure]]n ([[Influenzavirus]]). Werden die Viren an der Membran des rER umhüllt, genügen 18−20 Aminosäuren ([[Gelbfieber-Virus]]) für eine transmembranäre Helix. Die [[Strukturaufklärung]] eines Hüllproteins mag daher einen Hinweis darauf geben, an welcher Membran die Virionen gebildet werden. Das virale Hüllprotein kann auch mehrere Transmembran-Domänen besitzen, deren Helices eng aneinander liegende Bündel in der Membran bilden. Die Hüllproteine der Familie ''[[Flaviviridae]]'' besitzen zwei transmembranäre Helices, deren enge Bindung aneinander durch eine hydrophile Flanke vermittelt wird; diese Domänen besitzen somit eine [[amphiphil]]e Struktur.<ref>B. A., G. Meyers: ''The pestivirus glycoprotein Erns is anchored in plane in the membrane via an amphipathic helix''. J. Biol. Chem. (2007) E-pub, PMID 17848558</ref> Da die Helices die Lipide der Membran verdrängen, kann man die allgemeine Regel aufstellen, dass der Lipidanteil einer Virushülle umso geringer wird, je mehr transmembranäre Domänen die Hüllproteine besitzen. [[Datei:Membrantopologie-LHBsAg.jpg|thumb|Das große Hüllprotein (L-HBsAg) des Hepatitis-B-Virus mit fünf transmembranären Helices. 1: Intrazelluläre Domäne, 2: [[T-Lymphozyt|T-Zell-Epitop]], 3: Bindungsstelle an [[Hepatozyt]], 4: Hypervariable Region, 5: Lipidmembran]] Der äußere Teil eines Hüllproteins ist meist an vielen Stellen [[Glykosylierung|glykosyliert]], also mit kurzen Zuckerresten ([[Oligosaccharid]]e) kovalent verknüpft, weshalb virale Hüllproteine zu den [[Glykoprotein]]en gezählt werden. Dieser äußere Teil des Hüllproteins ist wesentlich für die Bindung an [[Rezeptor]]en und die [[Membranfusion]] bei der Virusaufnahme. Die äußeren Domänen werden auch durch Antikörper der Immunabwehr erkannt, so dass sich in exponiert gelegenen [[Epitop]]en oft sehr variable Abschnitte befinden, die man meist als ''Hypervariable Regionen'' (HVR) bezeichnet. Die HVR der Hüllproteine führen zu einer hohen immunologischen Flexibilität des Virus', da sie durch häufige [[Mutation]]en die Bindung von Antikörpern einschränken und sich an unterschiedliche Zellrezeptoren neuer [[Wirt (Biologie)|Wirte]] schnell anpassen können. Die Aufgaben der äußeren Domäne –&nbsp;Rezeptorbindung und Membranfusion&nbsp;– können in einem Hüllprotein vereinigt oder auf mehrere, kooperierende Hüllproteine verteilt sein. Mit nur wenigen Ausnahmen lagern sich die Hüllproteine zu Komplexen aus mehreren gleichen oder verschiedenen Hüllproteinen zusammen. Diese [[Oligomer]]e können bei entsprechender Größe in der elektronenmikroskopischen Darstellung als sogenannte ''„Spikes“'' oder [[Peplomer]]e sichtbar werden. Sehr charakteristische Spikes lassen sich beispielsweise bei den Virusfamilien ''[[Orthomyxoviridae]]'' und ''[[Coronaviridae]]'' darstellen; letztere erhielten durch diese Charakteristik der Virushülle auch ihren Namen. Die Anzahl verschiedener Hüllproteine und die Zusammensetzung der Hüllprotein-Oligomere ist für viele Virusgattungen charakteristisch. Nur ein Hüllprotein liegt bei den [[Rhabdoviren]] vor, das einfache Trimere bildet ([G]<sub>3</sub>). Bei [[Retroviren]], z.&nbsp;B. dem [[Rous-Sarkom-Virus]], lagern sich zwei Glykoproteine (SU und TM) zu einem [[Dimer|Heterodimer]] zusammen, das sich wiederum mit zwei weiteren Heterodimeren zu einem Hexamer anordnet ([SU-TM]<sub>3</sub>). [[Alphaviren]] verfügen über zwei (E1, E2) oder drei Hüllproteine (E1-3), die sich nach Zusammenlagerung zu größeren Dreierkomplexen anordnen ([E1-E2-E3]<sub>3</sub>). Bei Viren, die an der Zellmembran knospen, werden die Hüllproteine zunächst in die Zellmembran eingelagert und diese damit mit Proteinen angereichert, welche die Fähigkeit zur Membranfusion besitzen. Diese Veränderung der Zellmembran kann dazu führen, dass Zellmembranen benachbarter Zellen durch die viralen Hüllproteine miteinander fusionieren können und damit Riesenzellen, sogenannte [[Synzytium|Synzytien]] bilden. Dies kann für das Virus von Vorteil sein, da sich mit der Verschmelzung von Zellen die Infektion ausbreiten kann und ein größerer Syntheseapparat für die Viren zur Verfügung steht; dies ist z.&nbsp;B. beim [[Respiratory-Syncytial-Virus]] der Fall. Die Fusion von Zellen in der Haut durch Hüllproteine des [[Masernvirus]]<ref>B. Rentier, E. L. Hooghe-Peters, M. Dubois-Dalcq: ''Electron microscopic study of measles virus infection: cell fusion and hemadsorption.'' J. Virol. (1978) 28(2): S. 567–577 PMID 722861</ref> verursacht eine lokale [[Entzündung]], die dann als typische rötliche Flecken einer Maserninfektion sichtbar werden. Viele Viren haben jedoch Strategien entwickelt, um die Bildung von Synzytien zu verhindern, da diese auch das Knospen neuer Viren behindern kann. Die Fusionseigenschaft der Hüllproteine wird in diesem Fall erst durch einen zusätzlichen Reifungsschritt aktiviert, in dem die Fusionssequenz entweder erst nach einem Verdau durch eine [[Protease]] oder [[Glykosidase]] freigelegt wird oder ein saures Milieu ([[pH-Wert|pH]]&nbsp;<&nbsp;6,0) eine Konformationsänderung des Hüllproteins herbeiführt, durch die die Fusionssequenz erst nach außen gestülpt wird. Das bekannteste Beispiel ist das Hüllprotein [[Hämagglutinin (Influenzavirus A)|Hämagglutinin]] der ''[[Orthomyxoviren]]'', das erst durch eine [[Neuraminidase]] aktiviert werden muss und eine pH-abhängige Fusionsaktivität besitzt. Hüllproteine erfüllen in der Zellmembran auch gelegentlich andere Funktionen während der Virusvermehrung als nur die Umhüllung des Virions. Hierzu können sie sich alternativ zu neuen Strukturen anordnen und wie beispielsweise beim [[SARS]]-Coronavirus Poren bilden, die zur [[Lyse (Biologie)|Lyse]] der Zelle führen.<ref>J. Torres, K. Parthasarathy et al.: ''Model of a putative pore: the pentameric alpha-helical bundle of SARS coronavirus E protein in lipid bilayers''. Biophys. J. (2006) 91(3): S. 938–947 PMID 16698774</ref> === Symmetrische Virushüllen === [[Datei:Sindbis-Virus Struktur.jpg|thumb|Maßstabsgerechter Querschnitt des [[Sindbis-Virus]] (auf der Basis cryo-elektronenmikroskopischer Dichtemessungen von W. Zhang 2002)]] Der innere Anteil der Hüllproteine kann mit einem umhüllten Kapsid dergestalt interagieren, dass stets nur ''ein'' Hüllprotein (oder ein zusammengelagertes Dimer bzw. [[Trimer]] der Hüllproteine) an nur ''ein'' [[Kapsid#Kapsomer|Kapsomer]] bindet. Durch diese feste Anordnung wird die Form und Symmetrie des inneren ikosaedrischen Kapsids auf die äußere Virushülle übertragen und es ergeben sich trotz der Beweglichkeit der Lipidmembran streng ikosaedrisch aufgebaute Virushüllen.<ref>R. H. Cheng, R. J. Kuhn et al.: ''Nucleocapsid and glycoprotein organization in an enveloped virus''. Cell (1995) 80(4): S. 621–630 PMID 7867069</ref> Diese Form der sogenannten „[[Morphogenese]] von innen nach außen“ findet sich bei der Gattung ''[[Alphavirus]]'' der Familie ''[[Togaviridae]]'' (z.&nbsp;B. dem [[Semliki-Forest-Virus]]<ref>R. H. Vogel, S. W. Provencher et al.: ''Envelope structure of Semliki Forest virus reconstructed from cryo-electron micrographs''. Nature (1986) 320(6062): S. 533–535 PMID 3960136</ref> und [[Sindbis-Virus]]) und der Gattung ''[[Flavivirus]]'' der Familie ''[[Flaviviridae]]''. Bei den größeren Viren der Familie ''[[Bunyaviridae]]'' (80−120 nm) ist ebenfalls eine regelmäßige Anordnung der Hüllproteine in Form eines [[Ikosaeder]]s nachweisbar ([[Triangulationszahl]] T=12), jedoch kein symmetrisches, ikosaedrisches Kapsid, das diese Symmetrie von innen stützen könnte.<ref> C. H. von Bonsdorff, R. Pettersson: ''Surface structure of Uukuniemi virus''. J. Virology (1975) 16(5): S. 1296–1307 PMID 52726</ref> Hier gibt die enge Wechselwirkung der Hüllproteine untereinander die Form der Virushülle vor, was man auch als eine „Morphogenese von außen nach innen“ bezeichnen kann. Bei den Bunyaviren werden drei [[Kapsid#Helikale Symmetrie|helikale Kapside]] in der Virushülle verpackt, was ähnlich den Influenzaviren einen Austausch der RNA-Segmente ([[Reassortment]]) und eine hohe genetische Flexibilität ermöglicht. Diese Flexibilität der Influenzaviren aufgrund mehrerer, unregelmäßiger Kapside bzw. [[RNA]]-Stränge wird durch eine ungeordnete und damit sehr instabile Virushülle erkauft, die bereits durch Austrocknung und milde [[Detergens|Detergenzien]] inaktiviert werden kann. Der Familie ''Bunyaviridae'' hingegen verleiht die symmetrische und somit festere Anordnung der Hüllproteine eine vergleichsweise hohe Stabilität, so dass diese − wie z.&nbsp;B. bei der Gattung ''[[Hantavirus]]'' − in ausgetrocknetem Zustand monatelang infektiös bleiben und selbst eine Ausscheidung über den Urin überstehen, obwohl [[Harnstoff]] als Detergens wirkt und andere behüllte Viren inaktiviert. === Sonderformen === [[Datei:Smallpox virus virions TEM PHIL 1849.JPG|thumb|[[Poxviridae|Pockenviren]] mit einer inneren und äußeren Hülle (Längsdurchmesser ca. 250&nbsp;nm)]] Bei wenigen Virusfamilien ist eine Lipid-Doppelmembran nicht als äußere, umhüllende Struktur vorhanden, sondern befindet sich im Inneren der Virionen. Besonders außergewöhnlich sind hier zwei Familien von [[Bakteriophagen]], die ''[[Corticoviridae]]'' und ''[[Tectiviridae]]'', bei denen sich die Lipidmembran im Inneren eines ikosaedrischen Kapsids befindet. Diese Struktur wird nicht als Virushülle bezeichnet, da sie weder außen liegt noch typische Aufgaben einer Virushülle wie die Anheftung an die Zelloberfläche erfüllt. Das bei den ''Tectiviridae'' vorhandene Membranbläschen dient nach Anheftung des Kapsids an die [[Bakterien]]oberfläche dem aktiven Eindringen der doppelsträngigen Bakteriophagen-DNA in die Wirtszelle. Bei Vertretern der Familie ''[[Poxviridae]]'' besteht die Virushülle aus einer äußeren und zusätzlich inneren Doppelmembran. Innerhalb des [[Zytosol]]s liegen die Pockenviren mit einer einfachen Umhüllung vor. Diese erste Umhüllung entsteht nicht durch Knospung aus einer zellulären Membran, sondern durch den Zusammenbau einer vollständig neuen Lipidmembran an der Außenseite des noch unreifen, später [[Linse (Optik)#Verschiedene Linsenformen|doppelkonkaven]] Kapsids. Zum Neuaufbau der Membran werden abgebaute Membranbestandteile aus dem Übergangsbereich zwischen Golgi- und ER-Membran (Intermediäres Kompartiment) verwendet.<ref>C. Risco et al.: ''Endoplasmic reticulum-Golgi intermediate compartment membranes and vimentin filaments participate in vaccinia virus assembly''. J. Virol. (2002) 76(4): S. 1839–1855 PMID 11799179</ref> Das einfach umhüllte Viruspartikel erhält dann durch Knospung an der Golgi-Membran eine zweite, äußere Virushülle. == Entstehung während der Virusvermehrung == Die Synthese der Hüllproteine und die Entstehung der Virushülle markiert die letzte Phase im Vermehrungszyklus eines behüllten Virus; zuvor muss das virale [[Genom]] [[Replikation|repliziert]] und eventuell in ein Kapsid verpackt werden.<ref>als Übersicht zur Virusreifung und Knospung siehe: H. Garoff, R. Hewson,D.-J. E. Opstelten: ''Virus maturation by budding''. Microbiol. Mol. Biol. Rev. (1998) 62: S. 1171–1190 PMID 9841669</ref> Der Vorgang der Umhüllung eines Virus, auch Knospung (''„budding“'') genannt, entspricht einer spezifischen Verpackung in einem abgeschnürten Membranbläschen. Innerhalb von Zellen ist die ständige Bildung und Fusion von Membranbläschen ein physiologischer Vorgang zum Stofftransport, der sogenannten [[Exozytose]] bzw. [[Endozytose]]. Ein behülltes Virus nutzt diese schon vorhandenen Eigenschaften und Mechanismen des Membranflusses, in dem es diesen modifiziert und durch die viralen Strukturproteine steuert. Die Energie, die zur Krümmung der Lipidmembran und zur Bläschenbildung erforderlich ist, entstammt ausschließlich der Wechselwirkung der Hüllproteine untereinander, der Hüllproteine mit inneren Strukturen wie Matrixproteinen und Kapsiden oder der Kapside mit der Lipidmembran; eine Zufuhr von Energie beispielsweise in Form von [[Adenosintriphosphat|ATP]] ist hierzu nicht notwendig. Die energetisch günstigere Zusammenlagerung der Hüllproteine überwindet beispielsweise bei [[Togaviren]] die für die Lipidmembran energetisch ungünstigere Krümmung mittels [[Wasserstoffbrückenbindung]]en, [[Ionische Bindung|ionischen Bindungen]] und besonders durch [[Hydrophober Effekt|hydrophobe Wechselwirkungen]]. Die Entstehung der Virushülle – gleichgültig an welchem Membransystem – wird daher lediglich von der [[Translation (Biologie)|Translation]], dem Transport und der Konzentration der Virusproteine am jeweiligen Membrankompartiment gesteuert. Die Knospung als spontane Zusammenlagerung von Kapsid, Lipidmembran und Hüllproteinen, ist im Hinblick auf ihre thermodynamische Betrachtung von großem Interesse. Zu ihrer Beschreibung wurden vielfach Modelle herangezogen, um die Wechselwirkung der beteiligten Komponenten berechnen zu können.<ref>S. Tzlil, M. Deserno et al.: ''A statistical-thermodynamic model of viral budding''. Biophys. J. (2004) 86(4): S. 2037–2048 PMID 15041646</ref> In Übereinstimmung mit der ''[[in vitro]]'' gemessenen Dauer, die der Knospungsvorgang in Anspruch nimmt, konnten auch im Modell 10 bis 20&nbsp;Minuten berechnet werden.<ref>D. M. Lerner, J. M. Deutsch, G. F. Oster: ''How does a virus bud?'' Biophys J. (1993) 65(1): S. 73–79 PMID 8369463</ref> Als limitierende Prozesse wurden die [[Diffusion]] der Hüllproteine entlang der Lipidmembran und die Verdrängung von Wassermolekülen zwischen Hülle und Kapsid abgeleitet. Die Modellrechnungen lassen auch eine bevorzugte Knospung von Viren an jenen Stellen der zellulären Membranen erwarten, an denen bereits morphologisch eine Krümmung der Lipidmembran vorliegt. Dies stimmt mit den elektronenmikroskopischen Untersuchungen von infizierten Zellen überein, in denen knospende Viren überwiegend an den gekrümmten Seiten des Golgi-Apparates oder der Zellmembran gefunden wurden. Die Mechanismen der Umhüllung sind an der jeweiligen zellulären Membran im Prinzip ähnlich. Das erste Modell zur Knospung wurde am Beispiel des [[Semliki-Forest-Virus]] (SFV) entwickelt. Hier führt die Bindung des intrazellulären Ankers der Hüllproteine an ein bereits geschlossenes Kapsid zur Krümmung der Lipidmembran.<ref>H. Garoff, K. Simons: ''Location of the spike glycoproteins in the Semliki Forest virus membrane''. PNAS (1974) 71(10): S. 3988–3992 PMID 4530279</ref> Daraus wurde die These abgeleitet, dass zur Entstehung einer Virushülle das Vorhandensein von Hüllproteinen ''und'' die Bindung an Kapsidproteine zwingend notwendig sei. Dieses frühe Modell wurde erheblich eingeschränkt, als man bei Retroviren eine Umhüllung von Kapsiden auch ohne Anwesenheit der Hüllproteine (''Env-Protein'') beobachtete, wenn die Kapsidproteine (''Gag-Proteine'') alleine in [[Transfektion|transfizierten]] Zellkulturen zur Verfügung stehen.<ref>M. Delchambre et al.: ''The GAG precursor of simian immunodeficiency virus assembles into virus-like particles''. EMBO J. (1989) 8(9): S. 2653–2660 PMID 2684654</ref> [[Bild:Virus-Budding-Typen.jpg|thumb|upright=2.9|Drei Varianten der Knospung an einer Membran: (A) Krümmung der Membran durch Wechselwirkung der Hüllproteine und Anlagerung eines geschlossenen Kapsids. (B) Bindung der Hüllproteine an [[Kapsomer]]e, Knospung unter Bildung eines Kapsids und Einlagerung der Nukleinsäure. (C) Durch Matrixproteine vermittelte Wechselwirkung der Hüllproteine und Umhüllung mehrerer helikaler Kapside. (gelb: Lipidmembran, rot: Hüllproteine, grün: Kapsidproteine, blau: Nukleinsäure, violett: Matrixproteine)]] Neben dem Spezialfall für das Gag-Protein der Retroviren, gibt es drei weitere, wichtige Varianten der Knospung (vgl. Abbildung). Der einfachste Weg ist die leichte Krümmung der Lipidmembran durch die Wechselwirkung der Hüllproteine über ihre inneren Ankerdomänen. Ein geschlossenes Kapsid bindet an diese aggregierten Hüllproteine und treibt durch die Interaktion mit den Hüllproteinen die Knospung voran (siehe Abbildung, Fall A). Im zweiten Fall (B) erfolgt der Zusammenbau des Kapsids erst nach Bindung an die Hüllproteine. Die Interaktion von Kapsidproteinen und Hüllproteinen ermöglicht erst die Bindung der Nukleinsäure und komplettiert das Virus während der Knospung. Diese Variante kann auch durch ein zwischen Hülle und Kapsid vermittelndes Matrixprotein ergänzt werden. Bei Viren, die keine symmetrischen Kapside besitzen (beispielsweise das [[BVDV|Bovine Virusdiarrhoe-Virus]] und das verwandte [[Hepatitis-C-Virus]]), genügt die Bindung der Nukleinsäure an [[Basen (Chemie)|basische]] Proteine (Nukleo- oder Coreproteine), die ähnlich den Matrixproteinen an der Innenseite der Membran mit den Hüllproteinen interagieren. Bei der dritten Variante (C) wird die Interaktion der intrazellulären Anker der Hüllproteine erst durch die Bindung an Matrixproteine ermöglicht. Nachdem diese Interaktion zu einer ersten Krümmung der Lipidmembran geführt hat, kann nun ein Kapsid (wie bei den Herpesviren) oder auch mehrere helikale Kapside (wie bei den ''[[Orthomyxoviridae]]'') gebunden und umhüllt werden. <gallery caption="Entstehung der Virushülle durch Knospung: [[Transmissionselektronenmikroskop|TEM]]-Abbildungen von infizierten Zellkulturen"> Bild:HIV-1_budding_from_cultured_lymphocyte_-_TEM.jpg|Aggregation von Hüllproteinen und Krümmung der Zellmembran bei [[HIV]]-1 Bild:Lassa_virus_virions_TEM_8699_lores.jpg|[[Lassa-Virus]] in der späten Phase der Abschnürung der Virushülle Bild:HHV-6 EM.jpg| [[Humanes Herpesvirus 6]] nach Freisetzung an der Zellmembran Bild:Rift_Valley_Fieber_Virus.jpg|Behüllte Partikel des [[Rifttalfieber]]-Virus (''[[Bunyaviridae]]'') im Lumen des ER </gallery> === Knospung an der Zellmembran === [[Bild:Virus-Budding-001.gif|thumb|Knospung eines Virus mit ikosaedrischem Kapsid an der Zellmembran]] Die Entstehung der Virushülle an der Zellmembran erfordert zunächst einen Transport der Hüllproteine an die Zelloberfläche. Die viralen Proteine entstehen an den [[Ribosom]]en des rauen ER, wobei die Hüllproteine noch während der Synthese mit ihrer transmembranären Domäne die Membran des ER durchstoßen und in sie eingelagert werden. Über das Membransystem des Golgi-Apparates werden die Hüllproteine [[Glykosylierung|glykosyliert]]. Die nun modifizierten (reifen) Hüllproteine werden in abgeschnürten, [[Exozytose|exozytotischen]] [[Vesikel (Biologie)|Vesikeln]] an die Zellmembran transportiert und fusionieren mit ihr. Jene Domänen der Hüllproteine, die zuvor in das Lumen des ER gerichtet waren, sind nun [[extrazellulär]] angeordnet. Die an die Zellmembran herangeführten restlichen Viruskomponenten (Kapside, Nukleinsäure und eventuelle Matrixproteine), können nun umhüllt werden.<ref>T. L. Cadd, U. Skoging, P. Liljeström: ''Budding of enveloped viruses from the plasma membrane''. Bioessays (1997) 19(11): S. 993–1000 PMID 9394621</ref> Der Entstehungsweg über die Zellmembran setzt die Einlagerung viraler Hüllproteine voraus, was zu der bereits erwähnten Bildung von Synzytien führen kann (siehe Abschnitt [[Virushülle#Virale Hüllproteine|Hüllproteine]]). Diese nach außen präsentierten Virusproteine können jedoch zusätzlich von Immunzellen als fremd erkannt werden, so dass eine frühe [[Immunantwort]] gegen die Hüllproteine erfolgen kann. Alle Viren, deren Hüllen sich von der Zellmembran ableiten, werden durch Fusion der Hülle mit der Zellmembran auch wieder aufgenommen. Diese Art der Aufnahme (''„fusion from without“'') ermöglicht eine Infektion ohne einen Transport in einem [[Endosom]]. Wichtige Virusfamilien, die sich durch eine Knospung an der Zellmembran auszeichnen, sind beispielsweise die ''[[Retroviridae]]'', ''[[Orthomyxoviridae]]'', ''[[Togaviridae]]'' und alle Virusfamilien mit einer einzelsträngigen RNA [[Polarität (Virologie)#(−)-Polarität (antisense)|negativer Polarität]] (ss(-)RNA) als Genom (Ordnung [[Mononegavirales]]), also den ''[[Bornaviridae]]'', ''[[Rhabdoviridae]]'', ''[[Filoviridae]]'' und ''[[Paramyxoviridae]]''. === Knospung an der Golgi- und ER-Membran === Da die Hüllproteine zunächst immer in die Membranen der intrazellulären Membransysteme eingelagert sind, kann auch schon hier eine Knospung erfolgen. Bei diesem Entstehungsweg kann entweder die Lipidmembran des ER oder – nach Vesikeltransport – des Golgi-Apparates gewählt werden. Dies wird vorwiegend durch die eventuell notwendigen [[Posttranslationale Modifikation|Modifikationen]] der Hüllproteine bestimmt, die fast nur durch die Enzyme des Golgi-Apparates vollzogen werden können. Sehr häufig erfolgt die Knospung am Übergangsbereich der beiden Membransysteme, dem sogenannten ''Intermediären Kompartiment''. Das behüllte Viruspartikel befindet sich nach der Knospung stets im Lumen der Membransysteme, von wo sie im Inneren eines Transportvesikels (Exosom) nach außen befördert werden. Diese intrazelluläre Behüllung der Viren kann sich ohne Zerstörung der Zelle vollziehen, da keine Virusproteine die Zelloberfläche verändern und zur Ausschleusung der Viren die normale Exozytose genutzt wird. Bei der Infektion der nächsten Wirtszelle müssen alle diese Viren von einem Endosom aufgenommen werden, mit dessen Membran die Virushülle fusioniert (''„fusion from within“''). Wichtige Virusfamilien mit einer intrazellulären Knospung sind die ''[[Coronaviridae]]'', ''[[Hepadnaviridae]]'' und ''[[Flaviviridae]]''. === Knospung an der Kernmembran === Die Mitglieder der Virusfamilie ''[[Herpesviridae]]'' sind in ihrem Aufbau, ihrer Vermehrungsstrategie und auch in der Entstehung der Virushülle ein Sonderfall, da die sehr großen Kapside der Herpesviren im [[Zellkern]] zusammengebaut werden, in dem auch die doppelsträngige DNA der Viren synthetisiert wird. Bereits bei sehr frühen elektronenmikroskopischen Untersuchungen an Zellen, in denen sich das [[Herpes-simplex-Virus]] vermehrt, konnte man knospende Kapside an der Innenseite der [[Kernmembran]] und behüllte Viruspartikel in der den Kern umgebenden [[Kernhülle|perinukleären Zisterne]] erkennen.<ref>D. Falke, R. Siegert und W. Vogell: ''Elektronenmikroskopische Befunde zur Frage der Doppelmembranbildung des Herpes-simplex-Virus''. Arch Gesamte Virusforschung (1959) 9: S. 484–496 PMID 13821428</ref> Da die perinukleäre Zisterne über Membranschläuche mit dem rauen ER verbunden ist, nahm man an, dass die umhüllten Virionen dann über Membranbläschen des Golgi-Apparates aus der Zelle geschleust werden. Eine Untersuchung der Lipidzusammensetzung der Virushülle ergab jedoch, dass die Lipidkomponenten nicht denen der Kernmembran entsprechen, sondern das Lipidprofil der Golgimembran besitzen.<ref>I. L. van Genderen, R. Brandimarti et al.: ''The phospholipid composition of extracellular herpes simplex virions differs from that of host cell nuclei''. Virology (1994) 200(2): S. 831-836 PMID 8178468</ref> Dieser Befund führte zu der Entdeckung, dass die Herpesviren zuerst durch Knospung an der Kernmembran eine Virushülle erlangen. Diese fusioniert jedoch wieder mit der äußeren Membran der perinukleären Zisterne und gibt so das nackte Kapsid in das Zytosol frei. Erst durch eine zweite Knospung in ein abgeschnürtes Membranbläschen des Golgi-Apparates, das mit viralen Hüll- und Matrixproteinen angereichert ist, erhält das Kapsid seine endgültige Hülle. Diese sogenannte sekundäre Behüllung entspricht dann erst der Virushülle der freigesetzten Viren. == Leere Virushüllen und „Defekte Viren“ == Bei einigen Viren sind die Hüllproteine in der Lage, ohne eine weitere Bindung an eine innere Struktur eine Knospung hervorzurufen. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Wechselwirkung zwischen den inneren Ankerdomänen der Hüllproteine besonders hoch ist. Das Resultat sind leere oder unvollständig gefüllte Virushüllen. Die Existenz dieser leeren Hüllen wurde zuerst bei Untersuchungen des sogenannten ''„Australia Antigen“'' entdeckt, das zur Entdeckung des Hepatitis-B-Virus (HBV) durch [[Baruch Samuel Blumberg|B. Blumberg]] führte. Das entdeckte Antigen besteht aus den drei Hüllproteinen des HBV (HBs-Antigen). Im Blut von HBV-Infizierten ist das HBs-Antigen überwiegend in leeren, sphärischen Partikeln mit einem Durchmesser von 22–24 nm und leeren schlauchartigen Strukturen („Tubuli“) von variabler Länge zu finden.<ref>L. M. Stannard et al.: ''Electron microscopic study of the distribution of the Australia antigen in individual sera of 50 serologically positive blood donors and two patients with serum hepatitis''. J. Clin. Pathol. (1973) 26(3): S. 209-216 PMID 4700502</ref> Unter etwa 1.000 bis 10.000 HBs-Antigen-haltigen Partikeln ist nur ein infektiöses, komplettes Virus (42 nm) nachzuweisen. Dieser gewaltige Überschuss an leeren Virushüllen dient vorrangig dazu, Antikörper gegen das Hüllprotein zu neutralisieren und damit ihre Bindung an die kompletten Viren zu verhindern. Leere Virushüllen, die wie im Beispiel des HBV oft kleiner sind als die kompletten Viren, werden auch bei einer fehlerhaften oder unvollständigen Verpackung segmentierter Genome (z.&nbsp;B. Influenzavirus) gefunden, wenn sie in Zellkulturen angezüchtet werden. Diese Partikel werden auch als ''„defective interfering particles“'' (DIP) oder ''„virus-like particles“'' (VLP) bezeichnet. Beim [[Hepatitis-C-Virus]] wurde die Existenz unvollständiger Partikel im [[Blutserum]] von Patienten vermutet, da ein wechselndes [[Stöchiometrie|stöchiometrisches]] Verhältnis von Coreprotein zu RNA nachweisbar ist.<ref>Schüttler CG et al.: ''Variable ratio of hepatitis C virus RNA to viral core antigen in patient sera''. J. Clin. Microbiol. (2004) 42(5): S. 1977-1981 PMID 15131157</ref> Ein besonderes Beispiel der Virushülle liefert das [[Hepatitis-D-Virus]], da es selbst keine Gene für eine ausreichende Verpackung mit Hüllproteinen besitzt. Es ist auf die Anwesenheit des HBV in derselben Zelle angewiesen, da es nur mit den Hüllproteinen des HBV verpackt und freigesetzt werden kann. Es wird daher als defektes oder abhängiges Virus ([[Virusoid]]) bezeichnet.<ref>F. Bonino, K. H. Heermann, M. Rizzetto, W. H. Gerlich: ''Hepatitis delta virus: protein composition of delta antigen and its hepatitis B virus-derived envelope''. J. Virology (1986) 58(3): S. 945-950 PMID 3701932</ref> == Die Kapside behüllter und unbehüllter Viren == Bei Virushüllen mit hohem Lipidanteil sind die Hüllproteine flexibel angeordnet und können sich seitwärts in der Membran bewegen. Diese flüssige Eigenschaft der Virushülle bedeutet, dass auch dann eine geschlossene Umhüllung vorliegt, wenn ein Fehler in der Anordnung der Hüllproteine oder eine Lücke in der Oberflächensymmetrie auftritt. Eine solche Fehlanordnung würde bei unbehüllten Viren zu einem mangelhaften Schutz des Genoms oder zum Zerfall des Kapsids führen. Unter dem Schutz einer Virushülle besteht für die Struktur des Kapsids im Vergleich zu unbehüllten Viren eine größere Freiheit, da diese nicht mehr unmittelbar dem Schutz des Genoms vor [[Nuklease]]n dienen oder einen Angriffspunkt für das Immunsystem darstellen. Die Kapside behüllter Viren können daher auch Lücken aufweisen oder nur netzartig das Genom umkleiden. Dies hat bei [[Retroviren]] und den nahe verwandten [[Hepadnaviren]] (z.&nbsp;B. dem [[Hepatitis-B-Virus]])<ref>R. A. Crowther, N. A. Kiselev et al.: ''Three-dimensional structure of hepatitis B virus core particles determined by electron cryomicroscopy''. Cell (1994) 77(6): S. 943–950 PMID 8004680</ref> eine große Bedeutung, da das noch unbehüllte, aber geschlossene Kapsid während der Vermehrung noch [[Adenosintriphosphat|ATP]] und [[Nukleotid]]e aufnehmen kann, um das schon verpackte Genom zu komplettieren. Bei den Kapsiden einiger behüllter Viren lassen die Lücken auch eine Freisetzung des Genoms z.&nbsp;B. an der [[Kernpore]] zu, ohne dass das Kapsid im Cytosol vorher zerfallen muss. == Biologische Bedeutung == === Virushülle als Pathogenitätsfaktor === Als äußere Struktur ist die Virushülle für alle Eigenschaften eines Virions verantwortlich, die den Infektionsweg, die Aufnahme in die Zelle und die Abwehr durch das Immunsystem betreffen. In dieser durch die Virushülle vermittelten Auseinandersetzung mit dem Wirtsorganismus haben sich im Laufe der viralen Evolution Mechanismen herausgebildet, die für die Vermehrung des Virus von Vorteil sind und als [[Virulenz]]- oder [[Pathogenität]]sfaktoren bezeichnet werden. Eines dieser Phänomene ist das sogenannte [[Molekulare Mimikry]], also die Nachahmung von Proteinen des Wirtsorganismus durch Hüllproteine, die dadurch vom Immunsystem nicht mehr als fremd erkannt werden oder sogar Funktionen dieser Proteine nachahmen können. Ein Beispiel für diese immunologische Tarnung ist die Ähnlichkeit von Teilen des Hüllproteins einiger Virusarten der Familie ''[[Coronaviridae]]'' mit dem [[Fc-Fragment]] des [[Immunglobulin G|IgG-Antikörpers]].<ref>E. L. Oleszak et al.: ''Molecular mimicry between Fc receptor and S peplomer protein of mouse hepatitis virus, bovine corona virus, and transmissible gastroenteritis virus''. Hybridoma (1995) 14(1): S. 1-8 PMID 7768529</ref> Auch das Hüllprotein E2 des [[Hepatitis-C-Virus]] ist strukturell einem Teil des IgG-Antikörpers (ab-Fragment) ähnlich.<ref>Y. W. Hu et al.: ''Immunoglobulin mimicry by Hepatitis C Virus envelope protein E2''. Virology (2005) 332(2): S. 538–549 PMID 15680419</ref> Neben einer solchen Tarnung durch strukturelle Nachahmung kann auch die spezifische Bindung von Wirtsproteinen an die Virushülle genutzt werden. Dies liegt im Falle der spezifischen Bindung von [[Albumin]] an die Hülle des Hepatitis-B-Virus vor.<ref>J. A. Quiroga et al.: ''Inhibition of albumin binding to hepatitis B virions by monoclonal antibody to the preS2 domain of the viral envelope''. Digestion (1987) 38(4): S. 212−220 PMID 2452108</ref> Neben der reinen Nachahmung wirtseigener Proteine zur Tarnung, können die Hüllproteine auch Bindungseigenschaften der Wirtsproteine imitieren. Bei den Retroviren der Gattung ''[[Lentivirus]]'' ist die Ähnlichkeit der äußeren Domäne des Hüllproteins gp41 mit [[Interleukin-2]] beschrieben worden; hier wird die Bindung an Interleukin-Rezeptoren von Immunzellen imitiert, die als Zielzellen dieser Viren gelten.<ref>P. F. Serres: ''Molecular mimicry between the trimeric ectodomain of the transmembrane protein of immunosuppressive lentiviruses (HIV-SIV-FIV) and interleukin 2''. C R Acad. Sci. III (2000) 323(11): S. 1019–1029 PMID 11144025</ref> Die Fähigkeit von Retroviren in der Zellkultur, ohne ein eigenes Hüllprotein eine Knospung zu induzieren, wird bei der [[Gentechnik|gentechnischen]] Erzeugung von künstlichen Viruspartikeln genutzt, um Partikel mit veränderten Oberflächeneigenschaften herzustellen. So können in die Hülle dieser sogenannten [[Pseudotypisierung|Pseudotypen]] fremde Hüllproteine eingelagert werden, um beispielsweise die Bindung dieser an Rezeptoren untersuchen zu können oder sie in der Forschung als [[Viraler Vektor|virale Vektoren]] einzusetzen. Die Bildung von Pseudotypen scheint an die Existenz der schon erwähnten ''Lipid Rafts'' gebunden zu sein.<ref>J. A. Briggs, T. Wilk, S. D. Fuller: ''Do lipid rafts mediate virus assembly and pseudotyping?'' J. General Virology (2003) 84(Pt 4): S. 757–768 (Review) PMID 12655075</ref> Auch bei natürlichen Infektionen ist die Entstehung von Pseudotypen beschrieben. So können zwei Virusarten bei gleichzeitiger Infektion einer Zelle die unterschiedlichen Hüllproteine gemischt in eine neu entstehende Hülle einlagern oder ein Virus kann gänzlich mit der Hülle des anderen Virus verpackt werden. Dieses Phänomen der Pseudotypen-Entstehung wird auch als Phänotypische Mischung (''„Phenotypic mixing“'') bezeichnet.<ref>J. Dragunova et al.: ''Phenotypic mixing between vesicular stomatitis and Uukuniemi viruses''. Acta Virol. (1986) 30(6): S. 512–514 PMID 2881472</ref> === Virushülle und Virusinaktivierung === Der Verlust der Virushülle oder die Entfernung der Lipidkomponenten aus der Hülle verhindern, dass das behüllte Virus die Wirtszelle infizieren kann. Dieser Umstand wird zur [[Virusinaktivierung|Inaktivierung]] von behüllten Viren genutzt, um eine Verbreitung des Virus zu unterbinden. Die empfindlichste Komponente der Virushülle, die Lipidmembran, kann durch fettlösende Alkohole wie Ethanol oder 2-Propanol zerstört werden.<ref>W. R. Moorer: ''Antiviral activity of alcohol for surface disinfection.'' Int. J. Dent. Hyg. (2003) 1(3): S. 138-142 (Review) PMID 16451513</ref> Bei einem hohen Lipidanteil der Virushülle wie bei den Orthomyxoviren, genügen schon milde [[Detergens|Detergenzien]] oder [[Seife]]n, um die [[Infektiosität]] des Virus herabzusetzen. Bei der Inaktivierung von möglichen behüllten Viren wie HIV, HBV und HCV in Blutprodukten zur [[Bluttransfusion|Transfusion]], kann eine Kombination von milden Lösungsmitteln und Detergenzien verwendet werden.<ref>B. Horowitz et al.: ''Viral safety of solvent-detergent treated blood products''. Dev. Biol. Stand. (1993) 81: S. 147-161 (Review) PMID 8174797</ref> === Entstehung von Pandemien und „neuen Viren“ === Die hohe immunologische Flexibilität der Hüllproteine erlaubt es einigen behüllten Viren, sich in verschiedenen Wirtsspezies vermehren zu können. So können Infektionen artübergreifend neu entstehen oder Zwischenwirte als Überträger genutzt werden. Die von [[Gliederfüßer]]n (beispielsweise [[Stechmücken]] und [[Zecken]]) übertragenen Viren, die sogenannten [[Arboviren]], sind daher überwiegend behüllte Viren. Die einzige unbehüllte Gattung ''[[Coltivirus]]'', deren Mitglieder als Arboviren übertragen werden können, besitzen als Ersatz für die Flexibilität der Virushülle ein zweites Kapsid. Viren sind meist dann besonders pathogen, wenn sie in einer Wirtspopulation neu auftreten. Daher haben die behüllten Viren, die den Wirtsübergang vom Tier zum Mensch besonders begünstigen, ein besonders hohes Potential für neu beim Menschen auftretende Infektionen. == Literatur == === Aktuelle Literatur === * Stephen C. Harrison: ''Principles of Virus Structure''. In: David M. Knipe, Peter M. Howley et al. (eds.): ''Fields’ Virology'' 4. Auflage, Philadelphia 2001, S. 53–85, ISBN 0-7817-1832-5 * John A. T. Young: ''Virus Entry and Uncoating''. In: ''Fields’ Virology'' * S. J. Flint, L. W. Enquist, V. R. Racaniello und A. M. Skalka: ''Principles of Virology. Molecular Biology, Pathogenesis, and Control of Animal Viruses.'' 2. Auflage, ASM-Press Washington D.C. 2004, ISBN 1-55581-259-7 * Joe Bentz (ed.): ''Viral Fusion Mechanisms''. CRC-Press Boca Raton 1993, ISBN 0-8493-5606-7 * Robert Brasseur (ed.): ''Molecular Description of Biological Membranes by Computer Aided Conformational Analysis''. Vol. 1, CRC-Press Boston 1990, ISBN 0-8493-6375-6 === Historische Literatur === * Wolfhard Weidel: ''Virus – Die Geschichte vom geborgten Leben''. Berlin, Göttingen, Heidelberg 1957 * Frank Fenner, B. R. McAuslan et al. (eds.): ''The Biology of Animal Viruses.'' Academic Press New York, London, 1. Auflage 1968, 2. Auflage 1974, ISBN 0-12-253040-3 * Alena Lengerová: ''Membrane Antigens''. Fischer, Jena 1977 == Einzelnachweise == <references /> == Weblinks == *[http://www.pubmedcentral.nih.gov/articlerender.fcgi?artid=1413831&rendertype=figure&id=F5 Graphik zu äußeren und inneren Lipidkomponenten des HIV-1 (PNAS 2006)] *[http://www.pubmedcentral.nih.gov/articlerender.fcgi?artid=98943&rendertype=figure&id=F3 Kryo-EM-Analyse der Hülle eines Alphavirus] {{Exzellent|27. Oktober 2007|38294766}} [[Kategorie:Virologie]] [[ar:غلاف الفيروس]] [[ca:Embolcall víric]] [[en:Viral envelope]] [[es:Envoltura vírica]] [[it:Pericapside]] [[ja:エンベロープ (ウイルス)]] [[nl:Virusenvelop]] [[pt:Cápsula viral]] [[sl:Virusna ovojnica]] [[sv:Lipidhölje]] quxug26biyev9ebgwlqx84xsjd2a1xp wikitext text/x-wiki Charles de Visscher 0 24452 27051 2010-05-01T08:54:43Z Omega prime 0 im bezug auf -> in bezug auf [[Bild:Charles de Visscher (1884-1973).jpg|thumb|right|Charles de Visscher]] '''Charles Marie Joseph de Visscher''' (*&nbsp;[[2. August]] [[1884]] in [[Gent]]; †&nbsp;[[2. Januar]] [[1973]] in [[Woluwe-Saint-Pierre/Sint-Pieters-Woluwe|Woluwe-Saint-Pierre]]) war ein [[Belgien|belgischer]] [[Jurist]]. Nach frühen Arbeiten im [[Zivilrecht|Zivil-]], [[Sozialrecht|Sozial-]] und [[Arbeitsrecht]] profilierte er sich unter dem Eindruck des [[Erster Weltkrieg|Ersten Weltkrieges]] im Bereich des [[Völkerrecht]]s und nahm im Laufe seiner Karriere eine Reihe von hochrangigen Positionen und Ämtern ein. So wirkte er als Juraprofessor an den Universitäten in [[Gent]] und [[Löwen]] sowie als Gastdozent an der [[University of Chicago]] und der [[Haager Akademie für Völkerrecht|Akademie für Völkerrecht]] in [[Den Haag]], deren Kuratorium er ab 1932 angehörte. Darüber hinaus war er Generalsekretär und Präsident des [[Institut de Droit international]] (Institut für Völkerrecht), ab 1923 Mitglied des [[Ständiger Schiedshof|Ständigen Schiedshofes]] in [[Den Haag]] sowie von 1937 bis 1945 Richter am [[Ständiger Internationaler Gerichtshof|Ständigen Internationalen Gerichtshof]] und von 1946 bis 1952 an dessen Nachfolgeinstitution, dem [[Internationaler Gerichtshof|Internationalen Gerichtshof]] (IGH). In der Geschichte des IGH ist er damit der bisher einzige Richter aus Belgien. Sein völkerrechtliches Wirken war sowohl durch akademische als auch durch praxisorientierte Aktivitäten geprägt. Er veröffentlichte eine Vielzahl an Beiträgen in verschiedenen Bereichen des internationalen Rechts, zu denen einige inhaltlich bedeutsame Arbeiten zu neuen Aspekten zählten, wie beispielsweise in den 1930er Jahren zum Schutz von [[Kulturgut]] bei bewaffneten Konflikten und nach dem [[Zweiter Weltkrieg|Zweiten Weltkrieg]] zum Konzept der [[Menschenrechte]]. Sein Hauptwerk, das 1953 veröffentlichte Buch „Théories et réalités en droit international public“ (Theorie und Wirklichkeit des Völkerrechts), wurde im gleichen Jahr zur herausragendsten Neuerscheinung im Bereich des Völkerrechts gewählt und galt bereits wenige Jahre später als Klassiker. Aufgrund seines Wirkens zählte Charles de Visscher in der ersten Hälfte des 20.&nbsp;Jahrhunderts sowohl in Belgien als auch international zu den wichtigsten Juristen im Bereich des Völkerrechts. Er wurde 1954 zum fünften und bisher letzten Ehrenpräsidenten in der Geschichte des Institut de Droit international ernannt und war darüber hinaus Ehrenmitglied der [[Amerikanische Gesellschaft für internationales Recht|Amerikanischen Gesellschaft für internationales Recht]] sowie Mitglied der nationalen Akademien [[Belgien]]s, der [[Niederlande]]n, [[Spanien]]s und des [[Institut de France]]. == Leben == === Ausbildung und frühe Arbeiten === Charles de Visscher wurde 1884 in Gent als der ältere von zwei Brüdern geboren. Sowohl seine Mutter als auch seinen Vater, der als Arzt und Professor für Rechtsmedizin an der [[Universität Gent]] wirkte, verlor er bereits in jungen Jahren. Er studierte [[Rechtswissenschaft]]en an der Universität seiner Heimatstadt sowie in [[Paris]] und beendete das Studium am 8. Oktober 1907 mit dem [[Promotion (Doktor)|Doktorat]] (''Docteur en Droit''). Nach seiner Zulassung als Anwalt beschäftigte er sich zunächst vorrangig mit dem [[Zivilrecht]], das zur damaligen Zeit als führende Rechtsdisziplin galt, und veröffentlichte in den Jahren 1909 und 1910 seine ersten beiden juristischen Abhandlungen. Parallel dazu schloss er im Februar 1909 ein Studium der [[Politikwissenschaft]] ab. Im Jahr 1910 heiratete er Hélène Mertens; aus der Ehe gingen acht Kinder hervor. Unmittelbar vor Beginn des [[Erster Weltkrieg|Ersten Weltkriegs]] wandte sich Charles de Visscher dem [[Sozialrecht]] zu, das zu dieser Zeit als neue eigenständige Rechtsdisziplin entstand. Er ging nach [[Paris]] und veröffentlichte hier 1911 unter dem Titel „Le contrat collectif de travail“ eine Abhandlung zum Konzept von [[Tarifvertrag|Tarifverträgen]] im [[Arbeitsrecht]]. In dieser Schrift sah er das organisierte Auftreten der [[Arbeitnehmer]] als einen wichtigen Schritt zur Gleichberechtigung gegenüber den [[Arbeitgeber]]n an und betrachtete den Abschluss von Tarifverträgen als einen wichtigen Teil dieser Organisation. 1911 übernahm er von [[Albéric Rolin]], dem Bruder von [[Gustave Rolin-Jaequemyns]], dessen Lehraufgaben an der Universität Gent in den Bereichen [[Strafrecht]] und [[Strafprozessrecht]] und nach der [[Emeritierung]] von Rolin im Jahr 1913 den Bereich des [[Internationales Privatrecht|internationalen Privatrechts]]. Im gleichen Jahr folgte seine erste Veröffentlichung im Bereich des Völkerrechts. Mit dem Beginn des Ersten Weltkrieges zog sich Charles de Visscher 1914 zunächst nach [[Antwerpen]] und kurze Zeit später nach [[Oxford]] in [[England]] zurück. Es gilt als sicher, dass der Krieg sein juristisches Interesse endgültig in Richtung des Völkerrechts prägte (siehe François Rigaux, 2000 und Joe Verhoeven, 2000). Er veröffentlichte in England mehrere Artikel in englisch- und französischsprachigen Rechtszeitschriften, in denen er sich mit dem Bruch des Völkerrechts beschäftigte, dem das [[Neutralität (Internationale Politik)|neutrale]] [[Belgien]] durch die deutsche Besetzung ausgesetzt gewesen war. Darüber hinaus schrieb er 1916 zu dieser Thematik zwei Bücher, „Belgium’s Case: A Juridical Enquiry“ und „La Belgique et les juristes allemands“ (1917 in deutscher Übersetzung unter dem Titel „Belgien und die deutschen Rechtsgelehrten“). Nach dem Ende des Krieges wurde er 1919 Rechtsberater des belgischen Außenministeriums und war in dieser Funktion an den Verhandlungen beteiligt, die 1920 zur Gründung des [[Völkerbund]]es führten. Im Jahr 1924 wurde er Dekan der Juristischen Fakultät der Universität Gent. Ab 1920 war er darüber hinaus Mitherausgeber der Zeitschrift ''Revue de droit international et de législation comparée'', in der er bis zu ihrer Einstellung aufgrund des [[Zweiter Weltkrieg|Zweiten Weltkrieges]] eine Vielzahl an Artikeln veröffentlichte. Ein Jahr später wurde er zum ''Associate'' sowie 1927 zum Mitglied und Generalsekretär des [[Institut de Droit international]] (Institut für Völkerrecht) ernannt. Darüber hinaus gehörte er ab 1923 dem [[Ständiger Schiedshof|Ständigen Schiedshof]] in [[Den Haag]] an. === Wirken am Ständigen Internationalen Gerichtshof === [[Bild:International_Court_of_Justice.jpg|thumb|right|Der Friedenspalast in Den Haag, Sitz des Ständigen Internationalen Gerichtshofs und der Akademie für Völkerrecht]] Im gleichen Jahr trat Charles de Visscher als Rechtsberater der [[Rumänien|rumänischen]] Regierung erstmals vor dem [[Ständiger Internationaler Gerichtshof|Ständigen Internationalen Gerichtshof]] auf. In dem Fall, der als ''European Commission of the Danube Case'' in den Annalen des Gerichts verzeichnet ist, ging es um die Kompetenzen der 1856 gegründeten Europäischen Donaukommission. Deren Zuständigkeit war durch verschiedene Abkommen, an deren Zustandekommen Rumänien nicht beteiligt gewesen war, auf den auf rumänischem Territorium liegenden [[Donau|Donau-Abschnitt]] zwischen [[Galaţi]] und [[Brăila]] ausgeweitet worden. Der Fall, in dem Charles de Visscher unter anderem die Gleichheit der Staaten sowie die staatliche Souveränität als Argumente für die rumänische Position anführte, wurde vom Gericht allerdings zuungunsten Rumäniens entschieden. In einem ähnlichen Fall (''International Commission of the Oder Case'') um die Zuständigkeiten der Internationalen Oder-Kommission für Abschnitte der [[Oder]], die ausschließlich auf dem Staatsgebiet [[Polen]]s lagen, hatte er 1929 als Vertreter der polnischen Regierung ebenfalls keinen Erfolg. In den Jahren 1931 und 1932 vertrat er erneut die Interessen Polens bei der Erstellung von zwei Gutachten des Gerichtshofes. Einer dieser Fälle betraf das Recht Polens, mit seinen Kriegsschiffen unter bestimmten Bedingungen den Hafen der [[Freie Stadt Danzig|Freien Stadt Danzig]] anzulaufen (''Polish Warships in Danzig Case''), der andere die Behandlung polnischer Staatsbürger in Danzig (''Treatment of Polish Nationals in Danzig Case''). Die Entscheidungen des Gerichts fielen in beiden Fällen jedoch zuungunsten der polnischen Position aus. Sein letzter Fall vor dem Ständigen Internationalen Gerichtshof betraf 1933 den Rechtsstatus des östlichen Teils von [[Grönland]] (''The Legal Status of Eastern Greenland Case''). Dieser war zwischen [[Norwegen]] und [[Dänemark]] umstritten, nachdem Dänemark seit 1921 die Oberhoheit über Grönland beanspruchte und Norwegen ab 1931 mit einer teilweisen Besetzung von Ostgrönland begonnen hatte. Charles de Visscher gelang es in diesem Fall, die dänische Position erfolgreich zu vertreten. 1931 wechselte Charles de Visscher an die [[Geschichte der Katholischen Universität Löwen|Katholische Universität Löwen]], da die Universität Gent ein Jahr zuvor die [[niederländische Sprache]] angenommen hatte. Sechs Jahre später gab er das Amt des Generalsekretärs des Institut de Droit international ab, ihm folgte sein Bruder [[Fernand de Visscher|Fernand]], der bis 1950 fungierte. Beeinflusst durch die [[Archäologie|archäologischen]] Interessen seines Bruders und dessen rechtshistorisches Wirken im Bereich des [[Römisches Recht|römischen Rechts]] veröffentlichte er 1935 unter dem Titel „La protection internationale des objets d’art et des monuments historiques“ eine Abhandlung zum völkerrechtlichen Schutz von [[Kulturgut|Kulturgütern]]. Im gleichen Jahr kam es durch die Unterzeichnung des [[Roerich-Pakt]]es erstmals zum Abschluss eines völkerrechtlichen Vertrages in diesem Rechtsbereich. Charles de Visscher übernahm in der Folgezeit den Vorsitz eines Expertenkomitees, das einen Entwurf für eine umfassende Konvention zum Kulturgutschutz ausarbeitete, der im September 1938 in [[Amsterdam]] vom Internationalen Museumsamt des [[Völkerbund]]es angenommen wurde und als Vorläufer der 1954 abgeschlossenen [[Haager Konvention zum Schutz von Kulturgut bei bewaffneten Konflikten]] gilt. Im Mai 1937 wurde Charles de Visscher in Nachfolge von [[Edouard Rolin-Jaequemyns]] zum Richter am Ständigen Internationalen Gerichtshof gewählt. Er wirkte in dieser Position bis zum Oktober 1945, auch wenn die Aktivitäten des Gerichts im Dezember 1939 infolge des Kriegsbeginns zum Erliegen kamen und 1942 eingestellt wurden, und war in dieser Zeit an sieben Entscheidungen des Gerichts beteiligt. Gegenstand dieser Fälle waren ein Streit zwischen den [[Niederlande]]n und Belgien über die Abzweigung von Wasser aus der [[Maas]] durch den Bau des [[Albert-Kanal]]s in Belgien (''The Diversion of Water from the Meuse Case''), eine Auseinandersetzung zwischen [[Frankreich]] und [[Griechenland]] bezüglich der Errichtung von [[Leuchtturm|Leuchttürmen]] auf den Inseln [[Kreta]] und [[Samos]] (''Lighthouses in Crete and Samos Case''), und der Vorwurf Belgiens gegenüber den [[Spanien|spanischen]] Ermittlungsbehörden, bei den Untersuchungen zur Ermordung des belgischen Barons Jacques de Borchgrave in Spanien nicht mit der notwendigen Sorgfalt vorzugehen (''The Borchgrave Case''). Weitere Entscheidungen betrafen Differenzen zwischen Frankreich und [[Italien]] um Förderrechte für [[Phosphate]] in [[Marokko]] (''Phosphates in Morocco Case''), einen Streit zwischen [[Estland]] und [[Litauen]] um die Eigentums- und Nutzungsrechte an einer Eisenbahnlinie (''The Panevezys-Saldutiskis Railway Case''), eine Auseinandersetzung zwischen Belgien und Griechenland um Zahlungen Griechenlands an eine belgische Baufirma (''The „Société Commerciale De Belgique“ Case'') und eine Regelung zwischen [[Bulgarien]] und Belgien zur Lieferung von [[Kohle]] durch Bulgarien an ein belgisches Unternehmen, das für die Stromerzeugung für die bulgarische Hauptstadt [[Sofia]] verantwortlich war (''The Electricity Company of Sofia and Bulgaria Case''). Während des Zweiten Weltkrieges gehörte Charles de Visscher in Belgien als Vorsitzender einem aus sechs Mitgliedern bestehenden und verdeckt arbeitenden politischen Komitee an, das in ständigem Kontakt zur belgischen Regierung im Exil in [[London]] stand und in offizieller Funktion als Korrespondent der Regierung fungierte. Am 6. Mai 1940 wurde er zum Vollmitglied der Belgischen Königlichen Akademie der Wissenschaften und der Künste gewählt. Nur vier Tage später fiel sein ältester Sohn Jacques, der wie sein Vater Anwalt geworden war, im Krieg. === Der Internationale Gerichtshof und spätere Arbeiten === Am 26. September 1944 wurde Charles de Visscher zum [[Minister ohne Geschäftsbereich]] in der ersten belgischen Regierung nach der Befreiung des Landes ernannt. Nach dem Ende des Krieges war er Mitglied der belgischen Delegation zur Konferenz in [[San Francisco]], auf der 1945 die [[Charta der Vereinten Nationen]] ausgearbeitet wurde. Im Februar 1946 wurde er für sechs Jahre zum Richter am [[Internationaler Gerichtshof|Internationalen Gerichtshof]] gewählt. Neben [[José Gustavo Guerrero]] aus [[El Salvador]] war er dabei der einzige [[Liste der Richter am Internationalen Gerichtshof|Richter am neu entstandenen Gericht]], der bereits an dessen Vorgängerinstitution, dem Ständigen Internationalen Gerichtshof, tätig gewesen war. Während seiner Zeit am Internationalen Gerichtshof war er an acht Entscheidungen und sechs Gutachten beteiligt. In diesen Fällen ging es unter anderem um zwei Gutachten zur Regelung der Aufnahme von Staaten in die 1945 gegründeten [[Vereinte Nationen|Vereinten Nationen]] (UN), um Entschädigungszahlungen [[Albanien]]s an [[Vereinigtes Königreich|Großbritannien]] für die Beschädigung von zwei britischen [[Zerstörer]]n und den Tod von 44 britischen Marinesoldaten durch [[Seemine]]n in albanischen [[Hoheitsgewässer]]n (''Corfu Channel Case'') sowie um ein Gutachten zur Zulässigkeit von Ansprüchen der UN gegenüber nationalen Regierungen bezüglich der Verletzung von UN-Mitarbeitern im Dienst. Weitere Fälle hatten beispielsweise einen Streit zwischen Großbritannien und [[Norwegen]] um Fischereirechte (''Fisheries (United Kingdom v. Norway) Case'') sowie die Klärung des internationalen Status von [[Südwestafrika]] zum Inhalt. Darüber hinaus wirkte Charles de Visscher in verschiedenen Komitees des Gerichts mit, die unter anderem für Verfahrensregeln und andere spezielle Fragestellungen zuständig waren. Zu den Gründen, warum er am 6. Dezember 1951 trotz seiner Reputation überraschenderweise nicht für eine weitere Amtszeit ab 1952 wiedergewählt wurde, ist nichts bekannt. Es gilt jedoch als wahrscheinlich, dass vorrangig politische Überlegungen ausschlaggebend waren, so beispielsweise die Aufteilung der Stimmen der europäischen Länder durch einen weiteren Kandidaten, den [[Norwegen|Norweger]] [[Helge Klaestad]], sowie die Unterstützung der [[Vereinigte Staaten|USA]] für einen Kandidaten aus [[Lateinamerika]] (siehe Philippe Couvreur, 2000). Im Jahr 1947 war Charles de Visscher zusammen mit dem ehemaligen belgischen Premierminister [[Paul van Zeeland]], dem Brüsseler Juraprofessor [[Henri Rolin]] sowie anderen Juristen und Diplomaten an der Gründung des ''Institut royal des relations internationales'' (Königliches Institut für internationale Beziehungen, IRRI) beteiligt, einer unabhängigen [[Denkfabrik]] mit Sitz in [[Brüssel]] für Forschung und Informationsaustausch im Bereich der [[Internationale Beziehungen|internationalen Beziehungen]]. Im gleichen Jahr übernahm er das Amt des Präsidenten des Institut de Droit international. 1953 erschien das Buch „Théories et réalités en droit international public“ (Theorie und Wirklichkeit des Völkerrechts), das im Allgemeinen als Hauptwerk von Charles de Visscher gilt. Die [[Amerikanische Gesellschaft für internationales Recht]] wählte es im Jahr seines Erscheinens einstimmig zur herausragendsten Veröffentlichung im Bereich des Völkerrechts (siehe Josef L. Kunz, 1957), und bereits wenige Jahre später galt es als Klassiker (siehe Roger Pinto, 1957). Weitere französischsprachige Auflagen erschienen 1955, 1960 und 1970, darüber wurden auch englische und spanische Ausgaben veröffentlicht. Im Alter von 70 Jahren zog sich Charles de Visscher 1954 von seinen akademischen Verpflichtungen zurück und wurde zum fünften Ehrenpräsidenten in der Geschichte des Institut de Droit international gewählt. Er wirkte in den folgenden Jahren noch mehrfach als Vermittler in internationalen Streitfällen und veröffentlichte Schriften zu verschiedenen Aspekten des internationalen Rechts. Am 2. August 1958 starb seine Frau Hélène. Er selbst starb 15 Jahre später im Alter von 88 Jahren. Sein Sohn [[Paul de Visscher]] folgte den Interessen des Vaters und wurde Professor für öffentliches und internationales Recht an der Katholischen Universität Löwen sowie von 1969 bis 1981 Generalsekretär des Institut de Droit international. Auch dessen Tochter [[Françoise Leurquin-de Visscher]] wirkte als Juraprofessorin in Löwen. Das 1963 gegründete Zentrum für internationales Recht an der [[Université catholique de Louvain]] wurde noch im Jahr seines Todes nach Charles de Visscher benannt; heute ist es unter der Bezeichnung ''Département de droit international Charles de Visscher'' („Charles de Visscher“-Abteilung für internationales Recht) Teil der juristischen Fakultät. == Rezeption und Nachwirkung == === Rechtsphilosophische und politische Ansichten === [[Bild:Max Huber.jpg|thumb|right|Max Huber, ein Freund von Charles de Visscher, dessen Ansichten und Schriften ihn mit beeinflussten]] Die Ansichten von Charles de Visscher lassen sich nicht eindeutig einer bestimmten [[Rechtsphilosophie]] zuordnen. Er lehnte [[naturrecht]]liche Verallgemeinerungen ebenso ab wie starre [[Rechtspositivismus|rechtspositivistische]] Zwänge, und betonte die Notwendigkeit einer moralischen und sozialen Basis des Rechts. Für besonders relevant im Völkerrecht hielt er die wechselseitigen Beziehungen zwischen Recht und Politik sowie die als [[Ius gentium]] (Völkergemeinrecht) bezeichneten gemeinsamen Rechtsnormen aller Völker. Als Grundlage sowohl der menschlichen Gesellschaft als auch des Rechts betrachtete er das individuelle [[Gewissen]]. Er gab praktischen Erwägungen den Vorzug vor theoretischen Formalismen und bewertete das Recht aus einer [[Utilitarismus|utilitaristischen]] Sichtweise an seinem Nutzen. Als Realist hinsichtlich der Möglichkeiten und Grenzen des Völkerrechts sah er es vor allem als Werkzeug der internationalen Politik und als Mittel zur Förderung gemeinsamer Werte sowie zur Durchsetzung von grundsätzlichen Prinzipien, die er in seinen Veröffentlichungen als „human ends of power“ (menschliche Ziele der Macht) bezeichnete. Zu diesen „human ends“, die er gleichsam als Fundament des Völkerrechts und als Voraussetzung zum Erreichen einer dauerhaften [[Frieden]]sordnung betrachtete, zählten für ihn vor allem grundlegende Menschenrechte und das Gebot der [[Menschlichkeit]]. Dabei sprach er sich gegen eine unreflektierte und nicht am jeweiligen Einzelfall gemessene Anwendung feststehender Regeln auch in den Bereichen des Völkerrechts aus, in denen positive Rechtsnormen und entsprechende Institutionen zu ihrer Durchsetzung existieren. Seine weltanschaulichen Prinzipien beruhten insbesondere auf der durch den französischen Philosophen [[Emmanuel Mounier]] geprägten Denkrichtung des [[Personalismus]]. In seinen Schriften nannte er selten andere Juristen, deren Haltung ihn geprägt hätten. Zu den wenigen Rechtswissenschaftlern, deren Arbeiten Auswirkungen auf Charles de Visscher hatten und von denen er einige Ideen übernahm, zählten die Österreicher [[Hersch Lauterpacht]], [[Alfred Verdroß-Droßberg]] und [[Hans Kelsen]], auch wenn er Kelsen in wesentlichen Fragen nicht zustimmte und insbesondere dessen rechtspositivistische Positionen kritisierte. Auch der Schweizer [[Max Huber (Diplomat)|Max Huber]], Präsident des [[Internationales Komitee vom Roten Kreuz|Internationalen Komitees vom Roten Kreuz]] von 1928 bis 1944, beeinflusste ihn in seinen Ansichten. Er widmete Huber, mit dem er befreundet war, die vierte Auflage seines Buches „Théories et réalités en droit international public“, das zum Teil unter dem Eindruck von Hubers Werk „Die soziologischen Grundlagen des Völkerrechts“ entstanden war. Zu den Juristen, die Charles de Visscher mit seinen Ansichten beeinflusste, zählten unter anderem [[Wolfgang Friedmann]], der von 1955 bis zu seinem Tod Professor an der Juristischen Fakultät der [[Columbia University]] war, der Franzose [[Michel Virally]], der an den Universitäten [[Universität Straßburg|Straßburg]] und [[Universität Genf|Genf]] wirkte, sowie [[René-Jean Dupuy]], der am [[Collège de France]] tätig war (siehe Pierre-Marie Dupuy, 2000). === Lebenswerk === Das Lebenswerk von Charles de Visscher gliedert sich in verschiedene zeitliche und berufliche Abschnitte. Frühen Arbeiten im Zivil-, Sozial- und Arbeitsrecht folgte eine lange Karriere im Bereich des Völkerrechts, zu dem er sowohl eine akademische als auch, durch sein jahrzehntelanges Wirken als Anwalt und als Richter am Internationalen Gerichtshof in Den Haag, eine praxisorientierte Perspektive einnahm. Seine Lehrtätigkeit umfasste neben dem Wirken an den Universitäten in Gent und Löwen auch Kurse an der [[University of Chicago]] und in den Jahren 1923, 1925, 1929, 1935 und 1954 an der [[Haager Akademie für Völkerrecht]], deren Kuratorium er ab 1932 angehörte. In den rund 15 Jahren seines Lebens, die er als Richter am Ständigen Internationalen Gerichtshof sowie dessen Nachfolgeinstitution verbrachte, sah er von Veröffentlichungen weitestgehend ab, da er es aufgrund des Gebots der richterlichen [[Überparteilichkeit|Neutralität]] als nicht angemessen empfand, sich außerhalb der Gerichtsentscheidungen zu völkerrechtlichen Fragestellungen zu äußern. Auch auf die durch die Statuten beider Institutionen gebotene Möglichkeit, individuelle oder abweichende Stellungnahmen in den Entscheidungen zu formulieren, verzichtete er wie die meisten anderen Richter aus [[Kontinentaleuropa|kontinentaleuropäischen]] Ländern weitestgehend und machte davon im Laufe seiner Karriere nur zweimal Gebrauch. Nach dem Ende seiner Tätigkeit als Richter veröffentlichte Charles de Visscher sein Hauptwerk „Théories et réalités en droit international public“. In diesem Buch, das in vier Teile gegliedert war, setzte er sich entsprechend seinen rechtsphilosophischen Ansichten vor allem mit dem Wechselspiel aus Macht und Recht im Bereich der [[Internationale Beziehungen|internationalen Beziehungen]] auseinander. Er betrachtete dabei unter anderem die entsprechende historische Entwicklung von der Entstehung moderner [[Staat]]en bis zum Beginn des Zweiten Weltkrieges (erster Teil), allgemeine Beziehungen im Verhältnis aus Macht und Recht (zweiter Teil), sowie die sich daraus zum Teil ergebenden Spannungen (dritter Teil). Im vierten Teil seines Buches widmete er sich der Rolle des Rechts bei der friedlichen Beilegung internationaler Konflikte. Die ersten beiden Teile des Buches, die in den vier Auflagen nahezu unverändert blieben, stellten dabei im Wesentlichen de Visschers persönliche Sichtweise dar. Er beschrieb darin vor allem, wie das Völkerrecht seiner Ansicht nach beschaffen sein könnte und sollte. Dem tatsächlichen Status des Völkerrechts sowie seinen Möglichkeiten sind insbesondere der dritte und vierte Teil gewidmet, deren inhaltliche Gewichtung zum Teil durch sein eigenes Wirken geprägt ist. Der dritte Teil des Buches unterlag dabei durch Anpassungen an neuere Entwicklungen den umfangreichsten Änderungen zwischen den verschiedenen Ausgaben. Die akademischen Interessen von Charles de Visscher in Bezug auf das internationale Recht waren vielfältig und teilweise gekennzeichnet durch zeitlich befristete, aber inhaltlich bedeutsame Arbeiten zu neuen oder speziellen Aspekten. Dies galt beispielsweise für sein Wirken zum Kulturgutschutz im Falle eines [[Krieg]]es in den 1930er Jahren sowie seine Arbeiten zum Konzept der [[Menschenrechte]] kurz nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges, die unter anderem die Grundlage waren für eine entsprechende Resolution des Institut de Droit international. Weitere Themen, mit denen er sich beschäftigte, waren zum Beispiel die völkerrechtliche Behandlung der [[Rechtsverweigerung]], das Prinzip der [[Nation]]alität sowie der Schutz von [[Minderheit]]en, die juristische Position von [[Ausländer|ausländischen Staatsangehörigen]] im Rahmen der nationalen Rechtsprechung eines Landes, oder [[verfahrensrecht]]liche Aspekte im Völkerrecht. Seine Schrift „Le déni de justice en droit international“ aus dem Jahr 1935 zur Rechtsverweigerung im internationalen Recht gilt bis in die jüngere Zeit als herausragendste französischsprachige Veröffentlichung zu diesem Thema (siehe Jan Paulsson, 2005). Ein Teil seiner relevanten Veröffentlichungen erschien erst nach seiner [[Emeritierung]] im Jahr 1954, wie beispielsweise einige in den 1960er Jahren publizierte Arbeiten zur Zusammenfassung des Standes und zukünftiger Entwicklungen des Rechts in verschiedenen Bereichen. === Auszeichnungen und Würdigung === Zu den Auszeichnungen und Anerkennungen, die Charles de Visscher für sein Wirken erhielt, zählten unter anderem [[Ehrendoktor]]ate von den Universitäten [[Sorbonne|Paris]], [[Universität Nancy|Nancy]], [[Universität Montpellier|Montpellier]], [[Universität Poitiers|Poitiers]] und [[Universität Wien|Wien]] sowie die Ehrenmitgliedschaft der [[Amerikanische Gesellschaft für internationales Recht|Amerikanischen Gesellschaft für internationales Recht]]. Darüber hinaus wurde er als Mitglied in verschiedene [[Liste der wissenschaftlichen Akademien|wissenschaftliche Akademien]] aufgenommen, so in die [[Königliche Akademie der Wissenschaften und Schönen Künste von Belgien]] (Académie Royale des Sciences, des Lettres et des Beaux-Arts de Belgique) seines Heimatlandes, die [[Königlich-Niederländische Akademie der Wissenschaften]] (Koninklijke Nederlandse Akademie van Wetenschappen), die spanische [[Königliche Akademie der moralischen und politischen Wissenschaften]] (Real Academia de Ciencias Morales y Políticas) sowie das [[Institut de France]]. Zu den ihm verliehenen Preisen gehörten zum Beispiel 1955 das „ASIL Certificate of Merit“ (Verdiensturkunde) für sein Buch „Théories et réalités en droit international public“ sowie 1966 die [[Manley Ottmer Hudson|Manley-O.-Hudson-Medaille]] der Amerikanischen Gesellschaft für internationales Recht. == Werke (Auswahl) == * ''Belgium’s Case: A Juridical Enquiry.'' Hodder and Stoughton, London 1916 * ''La Belgique et les juristes allemands.'' Payot, Paris 1916 * ''The Stabilization of Europe.'' The University of Chicago Press, Chicago 1924 * ''La protection internationale des objets d’art et des monuments historiques.'' In: ''Revue de droit international et de legislation comparée.'' 16/1935. S.&nbsp;32–74 und 246–288 * ''Le déni de justice en droit international.'' In: ''Recueil des cours.'' 52/1935. S.&nbsp;365–442 * ''Human Rights in Roman Law Countries.'' In: ''Annals of the American Academy of Political and Social Science.'' 243/1946. S. 53–59 * ''The Fundamental Rights of Man. Basis of a Restoration of International Law.'' In: ''Annuaire de l’Institut de Droit International.'' 41/1947. S.&nbsp;1–13 * ''Théories et réalités en droit international public.'' Éditions A. Pedone, Paris 1953 * ''Problèmes d’interprétation judiciaire en droit international public.'' Éditions A. Pedone, Paris 1963 * ''Aspects récents du droit procédural de la Cour internationale de Justice.'' Éditions A. Pedone, Paris 1966 * ''Les effectivités en droit international public.'' Éditions A. Pedone, Paris 1967 == Literatur == Grundlage dieses Artikels sind insbesondere vier Veröffentlichungen im ''European Journal of International Law'', die verschiedene Aspekte des Lebens von Charles de Visscher darstellen. Die Informationen wurden dabei insbesondere der erstgenannten Arbeit entnommen, während die zweite Arbeit vor allem das Wirken von Charles de Visscher am Ständigen Internationalen Gerichtshof und am Internationalen Gerichtshof detailliert beschreibt. Sein Lebenswerk und seine rechtsphilosophischen Positionen werden schwerpunktmäßig in den beiden letztgenannten Publikationen umfassend dargestellt. Dabei basieren die im Artikel enthaltenen Inhaltsangaben zu seinem Hauptwerk auf der dritten und die Informationen zum Verhältnis seines Wirkens zu anderen Juristen auf der vierten Veröffentlichung. Als weitere Quelle wurde die Biographie im 1937 erschienenen 13.&nbsp;Jahresbericht des Ständigen Internationalen Gerichtshofs verwendet. * François Rigaux: ''An Exemplary Lawyer’s Life (1884–1973).'' In: ''European Journal of International Law.'' 11(4)/2000. Oxford University Press & European Society of International Law, S.&nbsp;877–886, {{ISSN|0938-5428}} * Philippe Couvreur: ''Charles de Visscher and International Justice.'' In: ''European Journal of International Law.'' 11(4)/2000. Oxford University Press & European Society of International Law, S.&nbsp;905–938, {{ISSN|0938-5428}} * Joe Verhoeven: ''Charles de Visscher: Living and Thinking International Law.'' In: ''European Journal of International Law.'' 11(4)/2000. Oxford University Press & European Society of International Law, S.&nbsp;887–904, {{ISSN|0938-5428}} * Pierre-Marie Dupuy: ''The European tradition in international law: Charles de Visscher. By way of an introduction.'' In: ''European Journal of International Law.'' 11(4)/2000. Oxford University Press & European Society of International Law, S.&nbsp;871–875, {{ISSN|0938-5428}} * ''Biographical Notes concerning members of the Court. M.&nbsp;Ch. De Visscher, member of the Court.'' In: ''Thirteenth Annual Report of the Permanent Court of International Justice.'' A.W.&nbsp;Sijthoff's Publishing, Leiden 1937, S.&nbsp;26 Ergänzende Angaben zu Rezeption und Nachwirkungen seiner Werke wurden den folgenden weiteren Veröffentlichungen entnommen: * [[Josef Laurenz Kunz|Josef L. Kunz]]: ''Theory and Reality in Public International Law. By Charles de Visscher. Translated by P. E. Corbett.'' Buchrezension in: ''Harvard Law Review.'' 70(7)/1957. The Harvard Law Review Association, {{ISSN|0017-811X}}, S.&nbsp;1331–1336 * Roger Pinto: ''Theory and Reality in Public International Law. By Charles de Visscher. Translated from the French by P. E. Corbett.'' Buchrezension in: ''University of Pennsylvania Law Review.'' 106(2)/1957. The University of Pennsylvania Law Review, {{ISSN|0041-9907}}, S.&nbsp;321–325 * Jan Paulsson: ''Denial of Justice in International Law.'' Cambridge University Press, Cambridge 2005, ISBN 0-52-185118-1, S.&nbsp;3 == Weiterführende Veröffentlichungen == * [[Manfred Lachs]]: ''The Teacher in International Law: Teachings and Teaching.'' Martinus Nijhoff Publishers, Den Haag 1982, ISBN 90-247-2566-6, S.&nbsp;111/112 * Sally Marks: ''De Visscher, Charles.'' In: Warren F. Kuehl (Hrsg.): ''Biographical Dictionary of Internationalists.'' Greenwood Press, Westport 1983, ISBN 0-31-322129-4, S.&nbsp;207/208 * ''Charles De Visscher.'' In: Arthur Eyffinger, Arthur Witteveen, [[Mohammed Bedjaoui]]: ''La Cour internationale de Justice 1946–1996.'' Martinus Nijhoff Publishers, Den Haag und London 1999, ISBN 9-04-110468-2, S.&nbsp;333 == Weblinks == * {{DNB-Portal|122460855}} * [http://www.uclouvain.be/int Département de droit international Charles de Visscher] (nach Charles de Visscher benannte Abteilung für internationales Recht der [[Université catholique de Louvain]], französisch) {{Normdaten|PND=122460855|LCCN=n/84/173139|VIAF=49293095}} {{DEFAULTSORT:Visscher, Charles de}} [[Kategorie:Rechtswissenschaftler (20. Jahrhundert)]] [[Kategorie:Hochschullehrer (Gent)]] [[Kategorie:Hochschullehrer (Löwen)]] [[Kategorie:Mitglied des Ständigen Schiedshofs]] [[Kategorie:Richter (Ständiger Internationaler Gerichtshof)]] [[Kategorie:Richter (Internationaler Gerichtshof Den Haag)]] [[Kategorie:Autor]] [[Kategorie:Mitglied der Königlich Niederländischen Akademie der Wissenschaften]] [[Kategorie:Mitglied der Königlichen Akademie der Wissenschaften und Schönen Künste von Belgien]] [[Kategorie:Mitglied des Institut de Droit international]] [[Kategorie:Belgier]] [[Kategorie:Geboren 1884]] [[Kategorie:Gestorben 1973]] [[Kategorie:Mann]] {{Exzellent}} {{Personendaten |NAME=Visscher, Charles de |ALTERNATIVNAMEN= Visscher, Charles Marie Joseph de (vollständiger Name) |KURZBESCHREIBUNG=belgischer Jurist und Experte im Bereich des Völkerrechts |GEBURTSDATUM=2. August 1884 |GEBURTSORT=[[Gent]] |STERBEDATUM=2. Januar 1973 |STERBEORT=[[Woluwe-Saint-Pierre]] }} [[nl:Charles De Visscher]] pqzb5dqodsnumm9er5osu3epvot0syc wikitext text/x-wiki Lucius Vitellius (Vater) 0 24453 27053 2010-03-18T12:32:26Z MondalorBot 0 Bot: Ergänze: [[bg:Луций Вителий (консул 34 г.)]]; kosmetische Änderungen [[Datei:Pyramus.jpg|thumb|upright=1.5|Grabinschrift des Pyramus, des Kammerdieners des Vitellius<ref>{{AE|1910|29}}.</ref>]] '''Lucius Vitellius''' (* nicht später als 10 v. Chr.; † nach 51 n. Chr.) war ein römischer [[Consulat|Konsul]] und [[Censur|Zensor]]. Er war als Statthalter von [[Syria|Syrien]] Koordinator der römischen Orientpolitik und einer der einflussreichsten [[Römischer Senat|Senatoren]] unter den Kaisern [[Caligula]] und [[Claudius]], die ihn mit der außergewöhnlichen Ehre von drei Konsulaten auszeichneten. Von seinen Zeitgenossen wurde er als tüchtiger Statthalter geschätzt und als redegewandter Höfling verachtet. Sein Sohn [[Vitellius|Aulus Vitellius]] war im [[Vierkaiserjahr]] 69 n. Chr. [[Liste der römischen Kaiser der Antike|römischer Kaiser]]. == Leben == === Herkunft und Familie === Lucius Vitellius entstammte der Familie der [[Vitellius (Familie)|Vitellier]], die wohl aus [[Lucera|Luceria]] in [[Apulien]] kam.<ref>Der Text von [[Sueton]], ''Vitellius'' [http://penelope.uchicago.edu/Thayer/L/Roman/Texts/Suetonius/12Caesars/Vitellius*.html#1.3 1,3] und [http://penelope.uchicago.edu/Thayer/L/Roman/Texts/Suetonius/12Caesars/Vitellius*.html#2.2 2,2] enthält ''Nuceria'', der von [[Publius Cornelius Tacitus|Tacitus]], ''Historien'' [http://www.sacred-texts.com/cla/tac/h03080.htm 3,86] dagegen ''Luceria''. Friedrich Ritter nennt in seinen ''Bemerkungen zu Tacitus'' in ''Philologus'', Band 21, 1864, S. 623–624 die entsprechende Stelle bei Tacitus eine spätere Hinzufügung, vermeidet aber die Entscheidung für eine der beiden Lesarten.</ref> Sein Vater Publius ist der erste historisch fassbare Angehörige dieser Familie, für deren Herkunft der Biograph [[Sueton]] zwei Möglichkeiten anbietet: Einem Quintus Elogius zufolge seien die Vitellier Nachfahren des Gottes [[Faunus]] und einer Vitellia und in [[Rom]] als [[Patrizier]] anerkannt worden. [[Cassius Severus]] führe die Vitellier dagegen auf einen [[Freigelassener|Freigelassenen]] zurück, der als Schuhflicker sein Geld verdient habe.<ref>Sueton, ''Vitellius'' [http://penelope.uchicago.edu/Thayer/L/Roman/Texts/Suetonius/12Caesars/Vitellius*.html#1.2 1,2–3]; [http://penelope.uchicago.edu/Thayer/L/Roman/Texts/Suetonius/12Caesars/Vitellius*.html#2 2,1].</ref> Beide Nachrichten müssen allerdings als spekulativ gelten. [[Publius Vitellius (Prokurator)|Publius Vitellius]], der Vater des Lucius, arbeitete als Hausverwalter des [[Augustus]] und hatte insgesamt vier Söhne: [[Aulus Vitellius (Konsul 32)|Aulus]] bekleidete im Jahr 32 zusammen mit [[Gnaeus Domitius Ahenobarbus (Konsul 32)|Gnaeus Domitius Ahenobarbus]] das Konsulat und war als Lebemann bekannt. [[Quintus Vitellius|Quintus]] erreichte noch unter Augustus die [[Quaestur|Quästur]], wurde unter dessen Nachfolger [[Tiberius]] aber aus dem Senat ausgeschlossen.<ref>Zu Publius Vitellius und seinen Söhnen Aulus und Quintus Sueton, ''Vitellius'' [http://penelope.uchicago.edu/Thayer/L/Roman/Texts/Suetonius/12Caesars/Vitellius*.html#2.2 2,2]. Zum Zeitpunkt der Quästur ''Vitellius'' [http://penelope.uchicago.edu/Thayer/L/Roman/Texts/Suetonius/12Caesars/Vitellius*.html#1.2 1,2], zum Ausschluss aus dem Senat auch Tacitus, ''[[Annales (Tacitus)|Annalen]]'' [http://www.sacred-texts.com/cla/tac/a02040.htm 2,48].</ref> Der jüngere [[Publius Vitellius (Prätor)|Publius]] hatte [[Germanicus]] auf seiner Orientreise begleitet und war im Jahre 20 im Prozess gegen den Statthalter der [[Römische Provinz|Provinz]] [[Syria|Syrien]], [[Gnaeus Calpurnius Piso]], der sich vor dem Ausgang das Leben nahm, entscheidend als Ankläger beteiligt.<ref>Zum Fund einer Bronzeinschrift sowie weiterer Quellen zum Prozess Werner Eck/Antonio Caballos/Fernando Fernández, ''Das Senatus consultum de Cn. Pisone patre'', München 1996.</ref> Später wurde er [[Praetur|Prätor]]. Als Anhänger des intriganten [[Prätorianerpräfekt]]en [[Lucius Aelius Seianus|Sejan]] wurde er nach dessen Hinrichtung verhaftet und unternahm einen Selbstmordversuch, erlag jedoch schließlich einer Krankheit.<ref>Zu Publius Sueton, ''Vitellius'' [http://penelope.uchicago.edu/Thayer/L/Roman/Texts/Suetonius/12Caesars/Vitellius*.html#2.3 2,3]. Die Sueton-Manuskripte haben hier ''C. [= Gaius] Piso'', in ''Tiberius'' [http://penelope.uchicago.edu/Thayer/L/Roman/Texts/Suetonius/12Caesars/Tiberius*.html#52.3 52,3] dagegen ''Cn. [= Gnaeus] Piso''. Details zur Laufbahn des Publius Vitellius bei Tacitus, ''Annalen'' [http://www.sacred-texts.com/cla/tac/a01070.htm 1,70]; [http://www.sacred-texts.com/cla/tac/a02000.htm 2,6]; [http://www.sacred-texts.com/cla/tac/a02070.htm 2,74]; [http://www.sacred-texts.com/cla/tac/a03010.htm 3,10; 3,13]; [http://www.sacred-texts.com/cla/tac/a05000.htm 5,8].</ref> Die größte politische Bedeutung erlangte der vierte Sohn, Lucius. Vermutlich erhielt er durch seine Verehrung der jüngeren [[Antonia die Jüngere|Antonia]], der Enkelin des [[Augustus]], früh Zugang zum Kaiserhaus.<ref>Tacitus, ''Annalen'' [http://www.sacred-texts.com/cla/tac/a11000.htm 11,3,1].</ref> Mit seiner Ehefrau [[Sextilia]] hatte er zwei Söhne, von denen [[Vitellius|Aulus]], der spätere Kaiser, zum jugendlichen Personal des alternden [[Tiberius#Die letzten Jahre|Tiberius auf Capri]] gehörte. Man warf ihm vor, die Karriere seines Vaters gefördert zu haben, indem er sich von Tiberius missbrauchen ließ.<ref>Sueton, ''Vitellius'' [http://penelope.uchicago.edu/Thayer/L/Roman/Texts/Suetonius/12Caesars/Vitellius*.html#3.2 3,2].</ref> Dessen senatorische Laufbahn muss dennoch eher langsam verlaufen sein, da er 34, im Jahr seines ersten Konsulats, mindestens 44 Jahre alt war und somit das traditionelle Mindestalter von 42 Jahren bereits überschritten hatte.<ref>Vgl. Werner Eck, ''L. Vitellius'', Sp. 261 f.</ref> === Vitellius und die Parther === [[Datei:Provincia Syria.png|thumb|Die römische Provinz Syria, deren Statthalter Lucius Vitellius war]] [[Datei:Parther reich.jpg|thumb|Ungefähre Ausdehnung des Partherreiches, in dem Vitellius einen Gegenkönig einzusetzen versuchte]] Das Konsulat des Jahres 34 bekleidete Vitellius zusammen mit [[Paullus Fabius Persicus|Paullus Fabius]], und zwar nicht als [[Suffektkonsul]], sondern als ordentlicher Konsul zum Jahresbeginn, wobei er noch in dieser Funktion am 26. Juni das 20-jährige Regierungsjubiläum des Tiberius begehen konnte.<ref>Tacitus, ''Annalen'' [http://www.sacred-texts.com/cla/tac/a06020.htm 6,28,1]; [[Cassius Dio]] [http://penelope.uchicago.edu/Thayer/E/Roman/Texts/Cassius_Dio/58*.html#24 58,24,1]. Inschriftlich belegt ist das ordentliche Konsulat bei {{CIL|10|901}} = [[Hermann Dessau]], ''Inscriptiones Latinae Selectae'', Nr. 6396.</ref> Als sich ein Jahr später [[Parther|parthische]] Adlige bei Tiberius über ihren König [[Artabanos II.]] beklagten, schickte der Kaiser [[Phraates (Sohn Phraates’ IV.)|Phraates]] als Thronanwärter nach Parthien. Phraates, der ein Sohn König [[Phraates IV.|Phraates’ IV.]] war und viele Jahre in Rom gelebt hatte, verstarb jedoch noch auf der Reise. Gleichzeitig brachte Artabanos II. nach dem Tod des römischen Vasallenkönigs Zenon einen eigenen Kandidaten auf den Thron von [[Armenien]], was entschieden gegen die Interessen Roms im lange umkämpften Armenien verstieß. Als Reaktion entsandte Tiberius Vitellius als kaiserlichen [[Legatus|Legaten]] ''(legatus Augusti pro praetore)'' und [[Tiridates III.|Tiridates]], einen weiteren parthischen Prinzen, in der Rolle des Thronanwärters nach Syrien.<ref>Tacitus, ''Annalen'' [http://www.sacred-texts.com/cla/tac/a06030.htm 6,31–32]; Cassius Dio [http://penelope.uchicago.edu/Thayer/E/Roman/Texts/Cassius_Dio/58*.html#26 58,26,1–2].</ref> Ob Vitellius darüber hinaus ein außerordentliches Kommando über den Osten des Reiches erhielt, wie es bei Tacitus den Anschein hat, ist strittig.<ref>Tacitus schreibt in ''Annalen'' [http://www.sacred-texts.com/cla/tac/a06030.htm 6,32,2] ''cunctis, quae apud orientem parabantur, L. Vitellium praefecit'', was sich als Aufsicht über Armenien verstehen lässt. Diskussion bei Theo Mayer-Maly, ''Vitellius'', Sp. 1734.</ref> Als Statthalter der wichtigen Grenzprovinz Syrien befehligte Vitellius vier [[Römische Legion|römische Legionen]], er hatte also mehr als 20.000 Soldaten unter seinem Kommando. Als er seine Truppen mobilisierte und ins Partherreich einzumarschieren drohte, zog sich Artabanos mit seiner Armee, die in Armenien gegen die [[Iberien (Kaukasien)|Iberer]] unter Mithridates gekämpft hatte, ins parthische Kernland zurück. Nach diesem militärischen Fehlschlag fiel es Vitellius und seinen parthischen Verbündeten leicht, den parthischen Adel gegen seinen König aufzubringen, der schließlich sein Heil in der Flucht suchte.<ref>Tacitus, ''Annalen'' [http://www.sacred-texts.com/cla/tac/a06030.htm 6,36]; Cassius Dio [http://penelope.uchicago.edu/Thayer/E/Roman/Texts/Cassius_Dio/58*.html#26 58,26,3].</ref> Nun schien für Tiridates der Weg auf den Thron frei zu sein. Vitellius begleitete ihn mit seinen Soldaten bis zum [[Euphrat]], wo die beiden ihre Götter durch ein [[Opfer (Religion)|Opfer]] günstig zu stimmen suchten. Nach einer weiteren Machtdemonstration – die römischen Truppen überquerten den Fluss auf einer Schiffsbrücke – kehrte Vitellius auf römisches Gebiet zurück.<ref>Tacitus, ''Annalen'' [http://www.sacred-texts.com/cla/tac/a06030.htm 6,37].</ref> In der Zwischenzeit hatte sich ein [[Kilikien|kilikischer Stamm]], der den römischen [[Zensus (Rom)|Zensus]] und die damit verbundenen Steuerzahlungen verweigerte, im [[Taurusgebirge]] verschanzt. Vitellius beauftragte Marcus Trebellius mit der Niederschlagung der Revolte. Trebellius marschierte mit 4000 Legionären nach Kleinasien, wo er die Aufständischen auf zwei Hügeln einschließen und zur Aufgabe zwingen konnte.<ref>Tacitus, ''Annalen'' [http://www.sacred-texts.com/cla/tac/a06040.htm 6,41].</ref> Tiridates erhielt währenddessen die Anerkennung des Adels und der Städte Parthiens. Feierlich zog er in die parthische Hauptstadt [[Seleukia-Ktesiphon]] ein, wo er mit dem [[Diadem]] zum König gekrönt wurde. Auch der Schatz und der [[Harem]] seines Vorgängers fielen ihm in die Hände. Einige einflussreiche Adlige hatte er allerdings nicht auf seine Seite ziehen können. Sie suchten und fanden den abgesetzten König Artabanos, der sich nach [[Gorgan|Hyrkania]] am [[Kaspisches Meer|Kaspischen Meer]] zurückgezogen hatte, und versuchten, ihn zur Rückkehr auf den Thron zu bewegen.<ref>Tacitus, ''Annalen'' [http://www.sacred-texts.com/cla/tac/a06040.htm 6,41–6,43].</ref> Artabanos ließ sich nicht lange bitten. Er warb [[Skythen|skythische]] Truppen an und zog mit ihnen in aller Eile nach Seleukia-Ktesiphon. Die einfache Kleidung, die er im Exil getragen hatte, behielt er zunächst an, um die Sympathie der Bevölkerung zu gewinnen. Tiridates war unschlüssig, ob er Artabanos entgegenziehen oder auf Zeit spielen sollte. Als er sich endlich für einen taktischen Rückzug entschied, lief die Mehrzahl seiner Soldaten zu seinem Gegner über, der nun erneut die Macht im Partherreich übernahm. Tiridates musste geschlagen zu Vitellius zurückkehren.<ref>Tacitus, ''Annalen'' [http://www.sacred-texts.com/cla/tac/a06040.htm 6,44].</ref> Im Frühsommer 37 trafen sich der römische Statthalter und der auf den Thron zurückgekehrte Artabanos schließlich auf einer Brücke über den Euphrat. Artabanos erkannte die römische Überlegenheit an und gestand den Römern die Oberhoheit über Armenien zu. So endete die Partherkrise der Jahre 35–37 doch noch mit einem römischen Erfolg, der für den Althistoriker [[Karl Christ]] „eine der erstaunlichsten außenpolitischen Leistungen des Tiberius“ (der für seine außenpolitische Untätigkeit bekannt ist) darstellt.<ref>Karl Christ, ''Geschichte der römischen Kaiserzeit'', München 2002, S. 206 nach Sueton, ''Vitellius'' [http://penelope.uchicago.edu/Thayer/L/Roman/Texts/Suetonius/12Caesars/Vitellius*.html#2.4 2,4], [[Flavius Josephus|Josephus]], ''Jüdische Altertümer'' [http://www.earlychristianwritings.com/text/josephus/ant-18.htm 18,4,5] und Cassius Dio [http://penelope.uchicago.edu/Thayer/E/Roman/Texts/Cassius_Dio/59*.html#27.3 59,27,3].</ref> === Vitellius in Palästina === [[Datei:Gerizim.jpg|thumb|Ein Zwischenfall am Fuß des Berges Garizim (hier ein 1900 veröffentlichtes Foto) führte zur Absetzung des Pilatus.]] Vitellius hatte als Statthalter von Syrien auch die Aufsicht über [[Judäa]] inne, das aufgrund der Struktur seiner Oberschicht und des [[Monotheismus|monotheistischen]] Glaubens der dort lebenden [[Judentum|Juden]] in einem gespanntem Verhältnis zu Rom stand. Judäa und die angrenzenden Gebiete waren 4 v. Chr. unter den Söhnen des Königs [[Herodes der Große|Herodes]] aufgeteilt worden, den sogenannten [[Herodianische Tetrarchie|Tetrarchen]]. Der letzte überlebende Tetrarch, [[Herodes Antipas]], war 36 mit [[Aretas IV.]], dem König der [[Nabatäer]], in Streit geraten. Herodes war mit einer Tochter des Aretas verheiratet gewesen, hatte diese dann aber für seine Verwandte [[Herodias]] verlassen. Es kam zu einer militärischen Auseinandersetzung, die Aretas klar für sich entscheiden konnte. Herodes beschwerte sich nun brieflich bei Kaiser Tiberius, der daraufhin Vitellius damit beauftragte, Aretas zur Räson zu bringen.<ref>Josephus, ''Jüdische Altertümer'' [http://www.earlychristianwritings.com/text/josephus/ant-18.htm 18,5,1].</ref> Außerdem hatte sich Vitellius im Winter 36/37 mit einer Klage der [[Samaritaner]] zu befassen, die [[Pontius Pilatus]], den aus dem [[Neues Testament|Neuen Testament]] bekannten [[Präfekt (Römisches Reich)|Präfekten]] von Judäa, des Mordes an samaritanischen Pilgern beschuldigten. Ein Mann, der behauptete, den Ort zu kennen, an dem [[Mose]] den [[Pentateuch]] vergraben hatte, hatte zahlreiche Samaritaner zum Marsch auf den Berg [[Garizim]] bewegt. Soldaten des Pilatus hatten sie aufgehalten und auf dessen Befehl hin die Anführer der Pilger hingerichtet. Vitellius schickte Pilatus nach Italien zurück, wo dieser sich vor dem Kaiser verantworten sollte. Mit der Verwaltung Judäas betraute er seinen Freund [[Marcellus (Präfekt von Judäa)|Publicius Marcellus]].<ref>Josephus, ''Jüdische Altertümer'' [http://www.earlychristianwritings.com/text/josephus/ant-18.htm 18,4,1–2]. Dazu Jens Herzer, ''Pilatus zwischen Historie und Literatur'', S. 442–444; Klaus-Stefan Krieger, ''Geschichtsschreibung als Apologetik bei Flavius Josephus'', S. 48–59, 69–71.</ref> Der römische Statthalter setzte Anfang März 37 zwei Legionen zur Unterstützung des Herodes Antipas durch Judäa in Marsch und begab sich selbst mit diesem zum [[Pessach]]fest nach [[Jerusalem]], um sich dort ein Bild über die Lage zu machen. Ob Vitellius schon ein Jahr zuvor Jerusalem besucht hatte, ist strittig.<ref>Fergus Millar, ''The Roman Near East'', Cambridge 1993, S. 55–56 geht nach Josephus von zwei Besuchen aus. Bedenken gegen die Darstellung von Josephus bei Mayer-Maly, ''Vitellius'', Sp. 1735 mit Bezug auf [[Walter Otto]], ''Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft'' (RE), Band Suppl. II, Sp. 185 f.</ref> Nachdem ihn die Bewohner der Stadt besonders freundlich empfangen hatten, gewährte er dem jüdischen [[Hoherpriester|Hohepriester]] wieder die Verfügung über die heiligen Gewänder, die sich seit dem Tod des Königs Herodes in römischer Gewalt befunden hatten, und erließ Jerusalem auch die Obstverkaufssteuer. Außerdem ersetzte er den jüdischen Hohepriester [[Jonathan ben Hannas|Jonathan]] durch dessen Bruder [[Theophilos ben Hannas|Theophilo]].<ref>Josephus, ''Jüdische Altertümer'' [http://www.earlychristianwritings.com/text/josephus/ant-15.htm 15,11,4]; [http://www.earlychristianwritings.com/text/josephus/ant-18.htm 18,4,3].</ref> Am vierten Tag seines Aufenthalts erreichte ihn die Nachricht vom Tod seines Förderers Tiberius und dem Regierungsantritt [[Caligula]]s. Daraufhin zog Vitellius seine Truppen wieder zurück, da er als Verwalter einer kaiserlichen Provinz zunächst die Bestätigung seiner Amtsgewalt durch den neuen Kaiser abwarten musste.<ref>Josephus, ''Jüdische Altertümer'' [http://www.earlychristianwritings.com/text/josephus/ant-18.htm 18,5,3]; [[Philon von Alexandria|Philo]], ''Gesandtschaft zu Gaius'' [http://www.earlychristianwritings.com/yonge/book40.html 231].</ref> === Rückkehr nach Italien === Nachdem Caligula [[Publius Petronius (Augur)|Publius Petronius]] zum Nachfolger des Vitellius berufen hatte,<ref>Josephus, ''Jüdische Altertümer'' [http://www.earlychristianwritings.com/text/josephus/ant-18.htm 18,8,2]; Philo, ''Gesandtschaft zu Gaius'' [http://www.earlychristianwritings.com/yonge/book40.html 230–231].</ref> kehrte dieser nach Italien zurück und führte dort nach einem Zeugnis des [[Plinius der Ältere|älteren Plinius]] aus Syrien besondere [[Echte Feige|Feigensorten]] und die [[Pistazie]] ein.<ref>Plinius der Ältere, ''Naturalis Historia'' [http://penelope.uchicago.edu/Thayer/L/Roman/Texts/Pliny_the_Elder/15*.html 15,83; 15,91].</ref> Caligula hatte mit der Ablösung wohl die Absicht, den Juden gegenüber einen schärferen Kurs einzuschlagen, da er Publius Petronius damit beauftragte, den Tempel in Jerusalem in ein Zentrum des [[Kaiserkult]]es umzuwandeln. Auch dürften die Erfolge des Vitellius im Osten ihn dem misstrauischen neuen Kaiser verdächtig gemacht haben. Dem späteren Geschichtsschreiber [[Cassius Dio]] (um 155–235) zufolge wollte Caligula ihn sogar zum Tode verurteilen, verzichtete jedoch darauf, als Vitellius sich ihm zu Füßen warf und ihm tränenreich göttliche Verehrung versprach. Dass er der erste war, der Caligula als Gott zu verehren bereit war, überliefert auch der anekdotenreiche Biograph Sueton. Als der Kaiser ihm gegenüber einmal behauptete, sich gerade mit der [[Luna (Mythologie)|Mondgöttin]] zu unterhalten, soll Vitellius sein Nichterkennen der Göttin damit entschuldigt haben, dass nur Götter einander sehen könnten. Caligula soll ihn nach dieser übertriebenen Schmeichelei zu seinen engsten Freunden gezählt haben.<ref>Cassius Dio [http://penelope.uchicago.edu/Thayer/E/Roman/Texts/Cassius_Dio/59*.html#27.4 59,27,4–6]; Sueton, ''Vitellius'' [http://penelope.uchicago.edu/Thayer/L/Roman/Texts/Suetonius/12Caesars/Vitellius*.html#2.5 2,5]. Steven H. Rutledge, ''Imperial inquisitions'', S. 104 geht davon aus, dass Vitellius aufgrund einer anonymen Anzeige verurteilt hätte werden sollen. Zu Vitellius und Caligula vgl. [[Aloys Winterling]], ''Caligula'', München 2007, S. 139–140, 145, 150–151, 153–155, 179.</ref> Nach Caligulas Ermordung gewann Vitellius schnell das Vertrauen des neuen Kaisers [[Claudius]], an dessen Seite er 43 zum zweiten Mal Konsul wurde. Als Claudius Rom verließ, um dem Abschluss der Eroberung [[Britannien]]s persönlich vorzustehen, überließ er ihm sogar die Regierungsverantwortung.<ref>Sueton, ''Vitellius'' [http://penelope.uchicago.edu/Thayer/L/Roman/Texts/Suetonius/12Caesars/Vitellius*.html#2.4 2,4].</ref> Vitellius gehörte auch dem Priesterkollegium der [[Arvalbrüder]] an und hatte wohl 45 das Amt des ''magister'' („Lehrmeister“) in diesem Kollegium inne.<ref>{{CIL|6|2032}}, Z. 1, 11, 20; {{CIL|6|2035}} = 32349, Z. 5, 13.</ref> Im Jahre 47 wurde Vitellius als erstem Römer seit [[Marcus Vipsanius Agrippa|Agrippa]], der nicht selbst Kaiser war, die außergewöhnliche Ehre eines dritten Konsulats zuteil. Als Claudius im selben Jahr [[Säkularfeier (Antike)|Säkularspiele]] veranstaltete – jene [[Etrusker|altetruskische]] 110-Jahr-Feier, die Augustus im Jahre 17 v. Chr hatte wiederaufleben lassen, um den Beginn einer neuen Ära zu begehen, und deren Zeitpunkt von Claudius neu berechnet worden war – soll Vitellius dem Kaiser noch oft die Gelegenheit gewünscht haben, dieses Fest zu feiern.<ref>Sueton, ''Vitellius'' [http://penelope.uchicago.edu/Thayer/L/Roman/Texts/Suetonius/12Caesars/Vitellius*.html#2.4 2,4–5]. Dazu Dennis Pausch, ''Biographie und Bildungskultur'', S. 279–280.</ref> Claudius dürfte aus dieser Äußerung eher Schmeichelei als Spott herausgehört haben, zumindest erreichten die Söhne des Vitellius [[Lucius Vitellius (Sohn)|Lucius]] und Aulus, der spätere Kaiser, im Jahre 48 das Konsulat. Vitellius selbst bekleidete 48–49 zusammen mit dem Kaiser das Amt des [[Censur|Zensors]], das seit vielen Jahren niemand mehr innegehabt hatte.<ref>Tacitus, ''Annalen'' [http://www.sacred-texts.com/cla/tac/a14050.htm 14,56,1]; Tacitus, ''Historien'' [http://www.sacred-texts.com/cla/tac/h01050.htm 1,52,4]; [http://www.sacred-texts.com/cla/tac/h03060.htm 3,66,3]; [[Plutarch]], ''Galba'' [http://penelope.uchicago.edu/Thayer/E/Roman/Texts/Plutarch/Lives/Galba*.html#22.5 22,5]; Cassius Dio [http://penelope.uchicago.edu/Thayer/E/Roman/Texts/Cassius_Dio/60*.html#21.2 60,21,2]; [http://penelope.uchicago.edu/Thayer/E/Roman/Texts/Cassius_Dio/61*.html#60-29 60,29,1]; ''[[Epitome de Caesaribus]]'' [http://www.roman-emperors.org/epitome.htm 8,1].</ref> Unter seinem kaiserlichen Sohn geprägte Münzen erwähnen das dreifache Konsulat sowie das Zensorenamt, teilweise für das zweite Jahr.<ref>Theo Mayer-Maly, ''Vitellius'', Sp. 1734.</ref> === Helfer zweier Kaiserinnen === [[Datei:Messalinaandbritannicus.jpg|thumb|Vitellius war ein Vertrauter Messalinas, hier mit dem Knaben Britannicus in einer zeitgenössischen Skulptur.]] Im Senat gehörte Vitellius zur [[Faktion]] der Kaisergattin [[Valeria Messalina|Messalina]]. Er war an der Verurteilung des zweimaligen Konsulars [[Decimus Valerius Asiaticus|Valerius Asiaticus]] beteiligt, den Messalina aus dem Weg räumen wollte. Ihre Motive waren wohl ihr Interesse an den prachtvolle Gärten des [[Lucius Licinius Lucullus|Lucullus]], die im Besitz des Asiaticus waren, und Eifersucht auf dessen Geliebte [[Poppaea Sabina die Ältere|Poppaea Sabina]], die Mutter der späteren Gattin [[Nero]]s. Asiaticus wurde unter Beihilfe des [[Sosibius]] angezeigt, des Erziehers von Messalinas Sohn [[Britannicus]]. Gegen die Anklagepunkte des Hochverrats durch Bestechung sowie des Ehebruchs und sexueller Hingabe<ref>Tacitus, ''Annalen'' [http://www.sacred-texts.com/cla/tac/a11000.htm 11,2,1].</ref> musste Asiaticus sich vor dem Kaiser und Vitellius in ihrer Eigenschaft als Zensoren verantworten. Die ebenfalls anwesende Messalina verließ den Saal, da die Verteidigungsrede des Asiaticus sie zu Tränen gerührt hatte, empfahl aber Vitellius die Verurteilung des Angeklagten. Dieser sprach von der langjährigen Freundschaft zwischen ihnen beiden und den zahlreichen Verdiensten, die Asiaticus sich erworben hatte. Vor diesem Hintergrund sei es nur gerecht, wenn dieser sich die Art seines Todes selbst wählen dürfe. Asiaticus beklagte sich zwar, er wäre lieber der Kunstfertigkeit des Tiberius oder dem Zorn Caligulas zum Opfer gefallen als dem Verrat einer Frau und dem schamlosen Mundwerk des Vitellius, musste sich aber in sein Schicksal fügen und öffnete sich die Adern.<ref>Tacitus, ''Annalen'' [http://www.sacred-texts.com/cla/tac/a11000.htm 11,1–3]; Cassius Dio [http://penelope.uchicago.edu/Thayer/E/Roman/Texts/Cassius_Dio/61*.html#60-29.6 60,29,6]. Zum Verfahren gegen Valerius Asiaticus und Vitellius’ Rolle darin Steven H. Rutledge, ''Imperial inquisitions'', S. 106–107.</ref> Sosibius erhielt wenig später auf Betreiben des Vitellius eine Million [[Sesterz]]en als Belohnung für die guten Dienste, die er dem Kaiserhaus geleistet hatte.<ref>Tacitus, ''Annalen'' [http://www.sacred-texts.com/cla/tac/a11000.htm 11,4,6].</ref> Als Zeichen seiner besonderen Verehrung für Messalina soll Vitellius sogar einen ihrer Schuhe unter seiner Toga getragen haben. Auch zählte er [[Narcissus (Freigelassener)|Narcissus]] und [[Marcus Antonius Pallas|Pallas]], die einflussreichsten Freigelassenen des Claudius, zu seinen [[Laren (Mythologie)|Hausgöttern]].<ref>Sueton, ''Vitellius'' [http://penelope.uchicago.edu/Thayer/L/Roman/Texts/Suetonius/12Caesars/Vitellius*.html#2.5 2,5].</ref> Bei der Hinrichtung der Messalina, die sich in Abwesenheit ihres Gatten Claudius mit [[Gaius Silius]] neu vermählt hatte, griff Vitellius indes nicht ein, obwohl Narcissus, der den Kaiser informiert hatte, in ihm einen Unsicherheitsfaktor gesehen hatte.<ref>Tacitus, ''Annalen'' [http://www.sacred-texts.com/cla/tac/a11030.htm 11,33–35].</ref> Nach ihrem Tod schloss Vitellius sich schnell [[Agrippina die Jüngere|Agrippina]] an, der neuen Macht im Kaiserhaus. Agrippina war als Tochter des Germanicus, dessen Gefolgsmann sein Bruder Publius einst gewesen war, die Nichte des Claudius. Als der Kaiser im Jahr 49 Agrippina heiraten wollte, überzeugte Vitellius den Senat mit einer geschickten Rede von den Vorteilen dieser Verbindung. Er konnte die anderen Senatoren dazu bewegen, sich nicht nur bei Claudius für die Eheschließung einzusetzen, sondern die bisher als [[Inzest]] betrachtete Vermählung von Onkel und Nichte generell zu gestatten.<ref>Tacitus, ''Annalen'' [http://www.sacred-texts.com/cla/tac/a12000.htm 12,5–7]; Cassius Dio [http://penelope.uchicago.edu/Thayer/E/Roman/Texts/Cassius_Dio/61*.html#60-31.8 60,31,8].</ref> Erst 342 wurde die Möglichkeit zu einer solchen Verbindung wieder verboten, belegt sind neben Claudius aber nur zwei Fälle, in denen sie genutzt wurde.<ref>Anthony A. Barrett, ''Agrippina. Sex, Power and Politics in the Early Empire'', London 1999, S. 116.</ref> Außerdem strich Vitellius als Zensor den amtierenden Prätor [[Lucius Iunius Silanus (Prätor 48)|Lucius Iunius Silanus]] aus der Senatsliste, der zu diesem Zeitpunkt mit Claudius’ Tochter [[Octavia (Tochter des Claudius)|Octavia]] verlobt war. Er warf ihm Inzest mit seiner Schwester [[Iunia Calvina]] vor, die kurzzeitig mit dem jüngeren Lucius Vitellius verheiratet gewesen war. Iunius Silanus beging daraufhin Selbstmord, seine Schwester wurde verbannt. Nun konnte Agrippinas Sohn [[Nero]] Octavia heiraten, womit sein Weg zur Kaiserschaft geebnet war.<ref>Tacitus, ''Annalen'' [http://www.sacred-texts.com/cla/tac/a12000.htm 12,3–4; 12,8].</ref> Die Dienste, die Vitellius der neuen Kaiserin bei der Etablierung ihrer Machtposition geleistet hatte, zahlten sich schließlich aus. Als er 51 von [[Iunius Lupus]] des Hochverrats beschuldigt wurde, sorgte sie dafür, dass der Ankläger von Claudius verbannt wurde.<ref>Tacitus, ''Annalen'' [http://www.sacred-texts.com/cla/tac/a12040.htm 12,42]. Zu Iunius Lupus Steven H. Rutledge, ''Imperial inquisitions'', S. 240–241.</ref> Vitellius muss bald danach gestorben sein. == Antike Bewertung == Die Historiker Tacitus und Sueton beurteilen Vitellius weitgehend übereinstimmend: Als Provinzstatthalter sei er „tüchtig“ gewesen, am Hofe des Caligula immerhin noch „unschuldig“,<ref>Sueton, ''Vitellius'' [http://penelope.uchicago.edu/Thayer/L/Roman/Texts/Suetonius/12Caesars/Vitellius*.html#2.4 2,4].</ref> sei dann aber aus Furcht vor dem Kaiser „in schändliche Knechtschaft“ verfallen, sodass insgesamt „sein schandhaftes Greisenalter das Gute seiner Jugend vergessen gemacht“<ref>Tacitus, ''Annalen'' [http://www.sacred-texts.com/cla/tac/a06030.htm 6,32,5].</ref> habe. Sueton berichtet über den alternden Vitellius, dieser sei „aufgrund der Liebe zu einer Freigelassenen in Verruf“ geraten, deren Speichel er sich mit Honig vermengt als Heilmittel auf die [[Arteria carotis communis|Halsschlagader]] gestrichen habe, und zwar sowohl täglich als auch in der Öffentlichkeit.<ref>Sueton, ''Vitellius'' [http://penelope.uchicago.edu/Thayer/L/Roman/Texts/Suetonius/12Caesars/Vitellius*.html#2.4 2,4].</ref> Diese Prozedur bewahrte ihn jedoch nicht davor, an den Folgen eines Schlaganfalls zu sterben. Vitellius wurde mit einem Staatsbegräbnis ''(funus censorium)'' und einem Standbild auf dem [[Forum Romanum|Forum]] geehrt, das die Inschrift „Von standhaftem Pflichtgefühl gegenüber dem Kaiser“ trug.<ref>Laut Sueton, ''Vitellius'' [http://penelope.uchicago.edu/Thayer/L/Roman/Texts/Suetonius/12Caesars/Vitellius*.html#3 3,1] lautete die Inschrift ''Pietatis immobilis erga principem''.</ref> Noch im Jahre 69 trug sein Ansehen beim Heer im [[Vierkaiserjahr]] entscheidend zur Erhebung seines Sohnes zum Kaiser durch die germanischen Truppen bei.<ref>Tacitus, ''Historien'' [http://www.sacred-texts.com/cla/tac/h01000.htm 1,9,1].</ref> Auch dessen Nachfolger als Kaiser, [[Vespasian]], scheint in den 40er Jahren von seiner Förderung profitiert zu haben.<ref>Tacitus, ''Historien'' [http://www.sacred-texts.com/cla/tac/h03060.htm 3,66,3].</ref> Zu Beginn des zweiten Jahrhunderts sagte Tacitus über Vitellius, dass dieser „der Nachwelt als Musterbeispiel schändlicher Schmeichelei gilt“.<ref>Tacitus, ''Annalen'' [http://www.sacred-texts.com/cla/tac/a06030.htm 6,32,5]: ''exemplar apud posteros adulatorii dedecoris habetur''.</ref> Es wird angenommen, dass sowohl Tacitus als auch Sueton einer Tradition folgten, die die Angehörigen des Aulus Vitellius, an dem als erstem Kaiser die Todesstrafe vollstreckt wurde, in ein ungünstiges Licht rücken wollte.<ref>Siehe Brigitte Richter, ''Vitellius. Ein Zerrbild der Geschichtsschreibung'', Frankfurt am Main 1992.</ref> == Literatur == === Quellen === * {{Literatur|Autor = [[Cassius Dio]]|Titel = Römische Geschichte|Band = Band 4 (= Bücher 51–60)|Verlag = Artemis & Winkler|Ort = Zürich|Jahr = 1986|ISBN = 3-7608-3673-9|Kommentar = übersetzt von [[Otto Veh]]; [http://penelope.uchicago.edu/Thayer/E/Roman/Texts/Cassius_Dio/home.html englische Übersetzung] bei [[LacusCurtius]]}} <br /> Für Lucius Vitellius sind die Stellen 59,27,2–6, 60,21,2, 60,29,1, 60,29,6 und 60,31,8 relevant. * {{Literatur|Autor = [[Flavius Josephus|Josephus]]|Titel = Jüdische Altertümer|Verlag = Marix|Ort = Wiesbaden|Jahr = 2004|ISBN = 3-937715-62-2|Kommentar = übersetzt von Heinrich Clementz; [http://www.earlychristianwritings.com/text/josephus/josephus.htm englische Übersetzung]}} <br /> In Josephus’ Werk behandeln die Textstellen 15,11,4, 18,4,2–5, 18,5,1, 18,5,3 und 18,8,2 Lucius Vitellius. * {{Literatur|Autor = [[Plinius der Ältere|Plinius]]|Titel = Naturkunde|Band = Bücher 14–15|Verlag = Artemis & Winkler|Ort = Zürich|Jahr = 1981|ISBN = 3-7608-1594-4|Kommentar = herausgegeben und übersetzt von Roderich König}} <br /> Für Lucius Vitellius sind 15,83 und 15,91 relevant. * {{Literatur|Autor = [[Sueton]]|Titel = Vitellius|Sammelwerk = Leben und Taten der römischen Kaiser|Verlag = Anaconda|Ort = Köln|Jahr = 2006|ISBN = 3-86647-060-6|Kommentar = übersetzt von Adolf Stahr und [[Werner Krenkel]]; [http://penelope.uchicago.edu/Thayer/L/Roman/Texts/Suetonius/12Caesars/Vitellius*.html lateinischer Text], [http://penelope.uchicago.edu/Thayer/E/Roman/Texts/Suetonius/12Caesars/Vitellius*.html englische Übersetzung]}} <br /> Ausführlichste antike Biographie aus der Sammlung der Kaiserbiographien von [[Gaius Iulius Caesar|Caesar]] bis [[Domitian]]. Die Textstellen 2,2, 2,4–5 und 3 behandeln Lucius Vitellius. * {{Literatur|Autor = [[Publius Cornelius Tacitus|Tacitus]]|Titel = [[Annales (Tacitus)|Annalen]]|Auflage = 5.|Verlag = Artemis & Winkler|Ort = Düsseldorf/Zürich|Jahr = 2005|ISBN = 3-7608-1645-2|Kommentar = übersetzt von Erich Heller; [http://www.sacred-texts.com/cla/tac/index.htm lateinischer Text mit englischer Übersetzung]}} <br /> Die Bücher 6, 11 und 12 behandeln die Zeit, in der Lucius Vitellius politisch aktiv war. Erwähnt wird er in 6,28, 6,32, 6,36–37, 6,41–43, 6,47, 11,2–4, 11,33–35, 12,4–6, 12,9, 12,42 und 14,56. * {{Literatur|Autor = Tacitus|Titel = Historien|Verlag = Reclam|Ort = Stuttgart|Jahr = 1995|ISBN = 3-15-002721-7|Kommentar = übersetzt und herausgegeben von [[Helmuth Vretska]]; [http://www.sacred-texts.com/cla/tac/index.htm lateinischer Text mit englischer Übersetzung]}} <br /> Lucius Vitellius wird in 1,52 und 3,66 erwähnt. === Sekundärliteratur === * {{Literatur|Titel = [[Prosopographia Imperii Romani]]|Auflage = 1.|Nummer = V 500}} * {{Literatur|Autor = Edward Dabrowa|Titel = The governors of Roman Syria from Augustus to Septimius Severus|Verlag = Habelt|Ort = Bonn|Jahr = 1998|ISBN = 3-7749-2828-2|Seiten = 38–41}} * {{Literatur|Autor = Thomas A. Durey|Titel = Claudius und seine Ratgeber|Sammelwerk = Das Altertum|Band = Band 12|Jahr = 1966|Seiten = 144–155, insbesondere S. 144–147}} * {{DNP|12/2|261|262|L. Vitellius [II 3]|[[Werner Eck]]}} * {{Literatur|Autor = [[Jens Herzer]]|Titel = Pilatus zwischen Historie und Literatur|Herausgeber = Christfried Böttrich, Jens Herzer|Sammelwerk = Josephus und das Neue Testament. Wechselseitige Wahrnehmungen|Verlag = Mohr Siebeck|Ort = Tübingen|Jahr = 2007|ISBN = 978-3-16-149368-3|Seiten = 432–450, insbesondere S. 440, 442–444, 449|Kommentar = ''Wissenschaftliche Untersuchungen zum Neuen Testament'', Band 209}} * {{Literatur|Autor = Klaus-Stefan Krieger|Titel = Geschichtsschreibung als Apologetik bei Flavius Josephus|Verlag = Francke|Ort = Tübingen – Basel|Jahr = 1994|ISBN = 3-7720-1888-2|Seiten = 48–59, 69–71|Kommentar = zugleich Dissertation, Universität Regensburg 1991}} * {{RE|Suppl. IX|1733|1739|Vitellius 7c)|[[Theo Mayer-Maly]]|}} * {{Literatur|Autor = Dennis Pausch|Titel = Biographie und Bildungskultur. Personendarstellungen bei Plinius dem Jüngeren, Gellius und Sueton|Verlag = Walter de Gruyter|Ort = Berlin – New York|Jahr = 2004|ISBN = 3-11-018247-5|Seiten = 278–282, 317–319|Kommentar = ''Millennium-Studien'', Band 4; zugleich Dissertation, Universität Gießen 2003/2004}} * {{Literatur|Autor = Steven H. Rutledge|Titel = Imperial inquisitions. Prosecutors and informants from Tiberius to Domitian|Verlag = Routledge|Ort = London|Jahr = 2001|ISBN = 0-415-23700-9|Seiten = 284–288}} == Weblinks == * {{Livius|vi-vr|vitellius|alt=lucius}} * [http://digilander.libero.it/adamaney/englishversion/roma/luciovitellio.htm Münzbild des Lucius Vitellius] == Anmerkungen == <references/> {{Exzellent|29. August 2008|50111389}} {{DEFAULTSORT:Vitellius, Lucius}} [[Kategorie:Konsul (Römische Kaiserzeit)]] [[Kategorie:Militärperson (Römische Kaiserzeit)]] [[Kategorie:Vitellier|Lucius (Vater)]] [[Kategorie:Zensor]] [[Kategorie:Mann]] [[Kategorie:Geboren im 1. Jahrhundert v. Chr.]] [[Kategorie:Gestorben im 1. Jahrhundert]] [[Kategorie:Literatur (Latein)]] {{Personendaten |NAME=Vitellius, Lucius |ALTERNATIVNAMEN= |KURZBESCHREIBUNG=römischer Senator, Vater des Kaisers Vitellius |GEBURTSDATUM=vor 10 v. Chr. |GEBURTSORT= |STERBEDATUM=nach 51 |STERBEORT= }} {{Link FA|nl}} [[bg:Луций Вителий (консул 34 г.)]] [[en:Lucius Vitellius the Elder]] [[es:Lucio Vitelio]] [[eu:Luzio Vitelio]] [[fr:Lucius Vitellius]] [[hu:Lucius Vitellius]] [[ja:ルキウス・ウィテッリウス]] [[la:Lucius Vitellius (consul 34)]] [[nl:Lucius Vitellius (gouverneur van Syria)]] [[pl:Lucjusz Witeliusz (ojciec)]] [[sv:Lucius Vitellius]] [[tr:Lucius Vitellius]] cjt8izlhe97skcg1p7666aokyrigpgh wikitext text/x-wiki Caspar Voght 0 24454 27054 2010-05-02T20:50:23Z Joern M 0 /* Weblinks */ ungültigen Link ausgetauscht [[Bild:CasparVoghtMosnier1801.jpg|thumb|Caspar Voght, Porträtgemälde von [[Jean-Laurent Mosnier]], 1801]] '''Caspar Voght''' (* [[17. November]] [[1752]] in [[Hamburg]]; † [[20. März]] [[1839]] in Hamburg), später ''Caspar Reichsfreiherr von Voght'' (zeitgenössisch zumeist ''Baron Caspar von Voght''), war ein deutscher [[Kaufmann]], [[Hanseat]] und [[Sozialreform]]er. Gemeinsam mit seinem Geschäftspartner und Freund [[Georg Heinrich Sieveking]] führte er eines der größten Handelshäuser Hamburgs in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Auf zahlreichen Reisen durchquerte er ganz Europa. Zu seinen größten Leistungen zählt die Reform des hamburgischen Armen- und Gefängniswesens im Jahre 1788. Seit 1785 widmete er sich verstärkt landwirtschaftlichen und landschaftsgärtnerischen Projekten und baute in [[Hamburg-Klein Flottbek|Flottbek]] vor den Toren Hamburgs ein landwirtschaftliches [[Mustergut]] auf. == Leben und Werk == === Herkunft, Jugend und ‚Grand Tour‘ durch Europa === Caspar Voght war das erste von insgesamt drei Kindern des Hamburger Kaufmanns und späteren Senators Caspar Voght (der Ältere, *1707 in [[Beverstedt]] bei [[Bremen]] † 1781 in Hamburg) und der Hamburger Senatorentochter Elisabeth Jencquel (* 26. September 1723). Sein Vater war um 1721 als Lehrling in das Handelshaus [[Jürgen Jencquel]]s eingetreten und hatte das auf den hamburgischen Portugalhandel spezialisierte Unternehmen ab 1732 für sechzehn Jahre in [[Lissabon]] vertreten. Nach seiner Rückkehr hatte Voghts Vater ein eigenes, auf [[Flachsfaser|Leinen]]- und [[Seide]]nhandel spezialisiertes Handelshaus in Hamburg gegründet und stieg später zum Senator der Hansestadt auf. Im Alter von zwölf Jahren erkrankte Caspar Voght schwer an den [[Pocken]] und war fortan von auffälligen Pockennarben gezeichnet. Anders als sein Freund Georg Heinrich Sieveking, den er als Jugendlicher im [[Kontor]] seines Vaters kennen lernte, fühlte er sich Zeit seines Lebens mehr zur Literatur, Politik und Wissenschaft hingezogen und konnte dem Beruf eines Kaufmanns nur wenig abgewinnen. Als ihn sein Vater im Alter von zwanzig Jahren zur Ausbildung nach Lissabon schicken wollte, nutzte er geschickt die Ängste seiner Mutter, die bei dem großen [[Erdbeben von Lissabon]] im Jahr 1755 zwei ihrer Brüder verloren hatte, und ging 1772 stattdessen auf eine Bildungsreise durch ganz Europa ('[[Grand Tour]]'). Sein Weg führte ihn unter anderem über Amsterdam, London, Paris und Cádiz nach Madrid, wo er neue Handelskontakte für das Unternehmen seines Vaters knüpfte. Über Südfrankreich reiste er weiter in die Schweiz, traf dort [[Johann Caspar Lavater|Lavater]] und [[Albrecht von Haller|Haller]] und machte in Ferney bei Genf die Bekanntschaft [[Voltaire]]s. Über Turin, Mailand, Parma und Bologna gelangte er nach Rom, wo er Papst [[Pius VI.]] vorgestellt wurde. Nach Abstechern nach Pompeji, Neapel und einem kurzem Aufenthalt in Venedig reiste Voght nach Bergamo, wo er für das Geschäft seines Vaters Kontakte zu den dortigen Seidenfabrikanten herstellte. Über Wien, Dresden, Berlin und Potsdam kehrte er 1775 schließlich wieder in seine Heimatstadt Hamburg zurück. === Handelstätigkeit und Aufbau des Musterguts in Flottbek === [[Bild:Voghts Landhaus.png|thumb|Voghts Landhaus in Klein-Flottbeck, Stahlstich von L. Wolf aus dem Jahre 1805]] Beim Tode Caspar Voghts des Älteren im Jahre 1781 führte Voght gemeinsam mit Georg Heinrich Sieveking das Geschäft des Vaters unter der Bezeichnung „Caspar Voght und Co.“ weiter. Gemeinsam nutzten sie die Unabhängigkeit der ehemaligen englischen Kolonien zum Aufbau von festen Geschäftsverbindungen mit Handelshäusern in den Häfen der nordamerikanischen Ostküste. Das auf den 29. März 1783 datierte offizielle Glückwunschschreiben des hamburgischen Senats an den Kongress von Philadelphia überbrachte [[Johann Abraham de Boor]], ein Hamburger Bürger, der im Auftrag des Handelshauses „Caspar Voght & Co.“ nach Übersee reiste. [[Bild:Sieveking Portrait.jpg|thumb|left|upright|Georg Heinrich Sieveking, Kolorierter Kupferstich von P. M. Alix, Paris]] Voghts Interesse galt jedoch mehr der Landwirtschaft als dem Kaufmannsberuf. Schon in seiner Jugend hatte er sich für den von einem französischen Landschaftsgärtner gestalteten Garten seines Vaters in Hamm begeistert. Als ihm in späteren Jahren bewusst wurde, dass sein Hang zur Landschaftsarchitektur und zum Gartenbau mehr als eine Liebhaberei war und ihn das Geschäftsleben immer mehr abzustoßen begann (kurz vor seinem Tode bekannte Voght in einem Brief: „''Als der Handel meine Einbildungskraft nicht mehr beschäftigen konnte, ekelte er mich an''“), überließ er die Leitung des Handelshauses größtenteils seinem Geschäftspartner Sieveking. Ab 1785 begann Voght mit dem Ankauf von Grundstücken in Klein Flottbek vor den Toren [[Hamburg-Altona#Geschichte|Altonas]]. Nach einer Reise nach England im Winter 1785/86, wo er sich mit der dortigen Landschaftsarchitektur und den für die damalige Zeit modernen Ackerbaumethoden vertraut gemacht hatte, begann er auf seinen Hamburger Ländereien die Anlage eines Mustergutes und einer Baumschule (''ornamented farm'', ein Landschaftsgarten mit landwirtschaftlicher Nutzung – der heutige [[Jenischpark]] bildete seinen ''parc du midi''). Dazu holte er mit dem Schotten [[James Booth (Landschaftsgärtner)|James Booth]] und dem Franzosen [[Joseph Ramée]] zwei Kunstgärtner von europäischem Rang nach Flottbek. 1787 führte Voght Kartoffeln, die bis dahin hauptsächlich aus den Niederlanden importiert worden waren, als Feldfrucht ein. 1797 unterstützte er seinen Verwalter [[Lukas Andreas Staudinger]] bei der Einrichtung eines „Landwirthschaftlichen Erziehungs-Instituts“ in [[Groß Flottbek|Groß-Flottbek]], der ersten landwirtschaftlichen Fachschule im deutschsprachigen Raum. Prominentester Schüler dieser Einrichtung war [[Johann Heinrich von Thünen]], der später auch mit Voght vor allem über Fragen der Bodenstatik (=Bodenfruchtbarkeit) korrespondierte. === Voght als Reformator des Armenwesens === [[Bild:Hamburger Arbeitshaus.png|thumb|Idealisierte Ansicht des Hamburger Schul- und Arbeitshauses (1800). Im Vordergrund auf Sockeln eingraviert die Namen der bedeutenden Hamburger Sozialpädagogen: Bartels, [[Johann Georg Büsch|Büsch]], Voght, Günther, [[Georg Heinrich Sieveking|Sieveking]] (Stahlstich von L. Wolf, 1805)]]Bereits 1770 war Voght mit dem Gefängniswesen in Kontakt gekommen, als er den englischen Gefängnisreformator [[John Howard (Philanthrop)|John Howard]] im Auftrag und als Stellvertreter seines Vaters durch das Hamburger Zuchthaus geführt hatte. Seither hatte er ein großes Interesse an Fragen des Armen- und Gefängniswesens. Gemeinsam mit dem Leiter der Handelsakademie [[Johann Georg Büsch]] und dem Juristen [[Johann Arnold Günther]] initiierte Voght im Jahre 1788 die Errichtung einer „Allgemeinen Armenanstalt“ und reformierte damit das Hamburger Armenwesen. Grundlage der Reform war die Einteilung der Stadt in einzelne Pflegebezirke, deren Bewohner von rund 200 ehrenamtlichen Armenpflegern betreut wurden. Die Einrichtung garantierte die medizinische Versorgung der Armen, ihre Unterstützung während der Schwangerschaft und Entbindung sowie Unterricht und Arbeit für die Kinder der Armen. Im Gegensatz zu der bisher unter moralisch-sittlichen Aspekten betriebenen kirchlichen Armenpflege setzte die Reform bei den konkreten wirtschaftlichen Bedürfnissen der Betroffenen an. Die Kosten des Unternehmens wurden aus Spenden in Kirchen und aus wöchentlich stattfindenden Armensammlungen aufgebracht. In der Folge sank die Zahl der Insassen des Hamburger Zuchthauses drastisch ab. Voghts Erfolge bei der Bekämpfung der Armut wirkten weit über Hamburg hinaus. 1801 rief ihn der Kaiser nach Wien, um sich von dessen Maßnahmen berichten und Vorschläge für eine Reform des Wiener Armenwesens unterbreiten zu lassen. Für seine Verdienste verlieh er Voght den Titel eines Reichsfreiherrn und erhob ihn damit in den Adelsstand. Während eines Aufenthaltes in Berlin im Winter 1802/03 verfasste Voght auf Bitten des preußischen Königs [[Friedrich Wilhelm III. (Preußen)|Friedrich Wilhelm III.]] Gutachten über das Berliner Armenwesen. Im Zuge eines mehrmonatigen Aufenthalts in Paris im Jahre 1807 erstellte im Auftrag des französischen Innenministeriums Gutachten über den Zustand der Pariser Armen-, Waisen- und Entbindungshäuser und Gefängnisse. Darüber hinaus reformierte er das Armenwesen in Marseille und Lyon und schickte seine Reformkonzepte nach Lissabon und Porto. Noch im Alter von 86 Jahren gab er 1838, zum fünfzigjährigen Jubiläum der Hamburger Armenanstalt, eine Schrift mit dem Titel „Gesammeltes aus der Geschichte der Armenanstalt während ihrer 50jährigen Dauer“ heraus. === Die späten Jahre === [[Datei:Hamburg Nienstedtener-Friedhof Caspar Freiherr von Vogth 01.jpg|miniatur|rechts|Gruft von Carpar Voght auf dem Nienstedtener Friedhof]] [[Datei:Caspar Voght.jpg|miniatur|hochkant|links|Caspar Voght. Lithographie von Johann Joachim Faber]] Bereits im Jahr 1793 hatte Voght alle Geschäfte mit Ausnahme des Amerikahandels an seinen Partner Sieveking abgetreten. Die Handelskrise, die Hamburg 1799 erschütterte, traf auch sein Unternehmen schwer, so dass er sich in der Folge zur Auflösung des Handelshauses, die sich über mehrere Jahre hinzog, entschließen musste. Während der Zeit der [[Kontinentalsperre]] unternahm er erneut eine mehrjährige Reise durch die Schweiz, Frankreich und Italien. Dabei lernte er in Paris Kaiser [[Napoléon Bonaparte|Napoleon]] und dessen erste Frau [[Joséphine de Beauharnais|Josephine]] kennen. Nach seiner Rückkehr nach Flottbek lebte er hauptsächlich von den Einkünften aus seiner Landwirtschaft. Nach dem Verkauf des Musterguts an den Bankier und Senator [[Martin Johann Jenisch der Jüngere|Martin Johann Jenisch]] im Jahre 1828 lebte er in dessen Haus, später wohnte er bei der Witwe seines 1799 verstorbenen Geschäftspartners Georg Heinrich Sieveking. Am 20. März 1839 starb Caspar Voght hochbetagt im Alter von 86 Jahren. Er wurde auf dem [[Nienstedtener Friedhof]] in Hamburg beigesetzt. Seine Gruft befindet sich direkt am Friedhofseingang an der [[Elbchaussee]]. <br /><br /><!-- für Beginn des nächsten Abschnitts --> == Sonstiges == Nach Caspar Voght wurden zwei Hamburger Straßen benannt: Die Baron-Voght-Straße in [[Klein-Flottbek]] und die Caspar-Voght-Straße in [[Hamm (Hamburg)|Hamm]]. Des weiteren wurde eine Schule nach ihm benannt: Das Caspar-Voght-Gymnasium in der Caspar-Voght-Straße, das heute nicht mehr existiert. In dem Gebäude befindet sich heute die [[Ballettschule_des_Hamburg_Ballett | Ballettschule des Hamburg-Ballett]]. == Literatur == === Quellen === * Caspar Voght: ''Lebensgeschichte.'' Hrsg. von Charlotte Schoell-Glass. Christians, Hamburg 2001, ISBN 3-7672-1344-3 (Die Memoiren Voghts umfassen die Jahre von 1752 bis 1811, sind also Fragment geblieben) * Anneliese Tecke (Hrsg.): ''Caspar Voght und sein Hamburger Freundeskreis. Briefe aus einem tätigen Leben.'' Bd 1. ''Briefe aus den Jahren 1792 bis 1821 an Magdalena Pauli, geb. Poel.'' Bearbeitet von Kurt Detlev Möller. Christians, Hamburg 1959. (Nur ein Band erschienen) * Caspar Voght: ''Sammlung landwirthschaftlicher Schriften.'' T 1. Perthes, Hamburg 1825. * Caspar Voght: ''Flotbeck und dessen diesjährige Bestellung, mit Hinsicht auf die durch dieselbe beabsichtigten Erfahrungen: ein Wegweiser für die landwirthschaftlichen Besucher desselben mit angehängten Flotbecker Garten-Versuchen im Jahre 1821.'' Busch, Altona 1822. === Darstellungen === * Susanne Woelk: ''Der Fremde unter den Freunden. Biographische Studien zu Caspar von Voght.'' Weidmann, Hamburg 2000. ISBN 3-935100-08-6 * Gerhard Ahrens: ''Caspar Voght und sein Mustergut Flottbek: englische Landwirtschaft in Deutschland am Ende des 18. Jahrhunderts.'' Christians, Hamburg 1969 * Kurt Detlev Möller: ''Caspar v. Voght, Bürger und Edelmann, 1752–1839.'' in: ''Zeitschrift des Vereins für Hamburgische Geschichte.'' Hamburg 43.1956, S.166–195. {{ISSN|0083-5587}} * Heinrich Sieveking: ''Caspar Voght, der Schöpfer des Jenisch-Parks, ein Vermittler zwischen deutscher und französischer Literatur''. in: ''Zeitschrift des Vereins für Hamburgische Geschichte.'' Hamburg 40.1949, S.89–123. {{ISSN|0083-5587}} * Georg Heinrich Sieveking: ''Das Handlungshaus Voght und Sieveking''. in: ''Zeitschrift des Vereins für Hamburgische Geschichte.'' Hamburg 17.1912, S.54–128. {{ISSN|0083-5587}} * Otto Rüdiger: ''Caspar von Voght. Ein Hamburgisches Lebensbild''. Commeter, Hamburg 1901. * Gustav Poel: ''Bilder aus vergangener Zeit''. 2 Bde. Rauhes Haus, Hamburg 1884, 1887. * {{ADB|40|161|166|Voght, Kaspar Freiherr von|Wilhelm Sillem|ADB:Voght, Kaspar Freiherr von}} == Weblinks == {{Commons}} * [http://www.sub.uni-hamburg.de/informationen/aktuelles/ausver/euroko.html Caspar Voghts Briefwechsel] – Ausstellung der Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg, mit weiterführenden Links. * [http://www.geschichte-s-h.de/vonabisz/baumschulen.htm Geschichte der Baumschulen in Schleswig-Holstein] – Voghts 'ornamented farm' war ein entscheidender Impuls. <!-- ungültiger Link (ausgetauscht am 02.05.2010): http://www.geschichte.schleswig-holstein.de/vonabisz/baumschulen.htm --> {{Normdaten|PND=118768956}} {{DEFAULTSORT:Voght, Caspar}} {{Exzellent}} [[Kategorie:Mann]] [[Kategorie:Deutscher]] [[Kategorie:Unternehmer (18. Jahrhundert)]] [[Kategorie:Agrarwissenschaftler (18. Jahrhundert)]] [[Kategorie:Unternehmer (Hamburg)]] [[Kategorie:Geboren 1752]] [[Kategorie:Gestorben 1839]] {{Personendaten |NAME=Voght, Caspar |ALTERNATIVNAMEN=Voght, Baron Caspar von |KURZBESCHREIBUNG=Unternehmer, Sozialreformer |GEBURTSDATUM=[[17. November]] [[1752]] |GEBURTSORT=Hamburg |STERBEDATUM=[[20. März]] [[1839]] |STERBEORT=Hamburg }} [[en:Caspar Voght]] [[sv:Caspar Voght]] lq3b2sh4xdmw7rqm918rqrrd2t38ne1 wikitext text/x-wiki Völkermord in Ruanda 0 24455 27055 2010-05-04T11:14:10Z Spuk968 0 Änderungen von [[Special:Beiträge/91.55.204.13|91.55.204.13]] rückgängig gemacht und letzte Version von Spuk968 wiederhergestellt [[Datei:Nyamata Memorial Site 13.jpg|thumb|Schädel von Opfern des Völkermordes in der Gedenkstätte von Nyamata]] Als '''Völkermord in Ruanda''' werden umfangreiche Gewalttaten in [[Ruanda]] bezeichnet, die am [[6. April]] [[1994]] begannen und bis Mitte Juli 1994 andauerten. Sie kosteten zirka 800.000 bis 1.000.000 Menschen das Leben, die niedrigsten Schätzungen gehen von mindestens 500.000 Toten aus. In annähernd 100 Tagen töteten Angehörige der [[Hutu]]-Mehrheit etwa 75 Prozent der in Ruanda lebenden [[Tutsi]]-Minderheit sowie moderate Hutu, die sich am [[Völkermord]] nicht beteiligten oder sich aktiv dagegen einsetzten.<ref>Die Zahl der Opfer schwankt in der Literatur und der Berichterstattung. Am häufigsten ist die Angabe 800.000 bis 1.000.000. Gelegentlich wird auch von mehr als einer Million Toten gesprochen. Alison Des Forges gibt in ihrer umfangreichen Studie eine vorsichtigere Schätzung ab. Sie nennt eine Zahl von mindestens 500.000 Toten und geht davon aus, dass zirka dreiviertel aller Tutsi, die damals im Land registriert waren, umgebracht wurden (Alison Des Forges, ''Kein Zeuge,'' S. 34).</ref> Die Täter kamen aus den Reihen der ruandischen Armee, der Präsidentengarde, der Nationalpolizei (Gendarmerie) und der Verwaltung. Zudem spielten die [[Freischärler|Milizen]] der [[Impuzamugambi]] sowie vor allem der [[Interahamwe]] eine besonders aktive Rolle. Auch weite Teile der Hutu-Zivilbevölkerung beteiligten sich am Völkermord. Der [[Genozid]] ereignete sich im Kontext eines langjährigen Konflikts zwischen der damaligen ruandischen Regierung und der Rebellenbewegung [[Ruandische Patriotische Front]] (RPF). Im Verlauf und im Nachgang der Ereignisse wurden die [[Vereinte Nationen|Vereinten Nationen]] (UN) und Staaten wie die [[Vereinigte Staaten|USA]], [[Vereinigtes Königreich|Großbritannien]] und [[Belgien]] wegen ihrer Untätigkeit kritisiert. Dabei stand die Frage im Mittelpunkt, aus welchen Gründen eine frühzeitige [[humanitäre Intervention]] nicht erfolgte, beziehungsweise warum die vor Ort stationierten [[Friedenstruppen der Vereinten Nationen]], die [[United Nations Assistance Mission for Rwanda]] (UNAMIR), bei Ausbruch der Gewalt nicht gestärkt, sondern verkleinert wurden. Gegen [[Frankreich]] wurde überdies der Vorwurf erhoben, sich an den Verbrechen beteiligt zu haben. Der Völkermord in Ruanda erzeugte darüber hinaus erhebliche regionale Probleme. Nachdem die RPF die Hutu-Machthaber vertrieben, damit den Völkermord beendet und eine neue Regierung gebildet hatte, flohen im Sommer 1994 Hunderttausende Hutu in den Osten von Zaire (heute [[Demokratische Republik Kongo]]). Unter den Flüchtlingen waren viele Täter, die anschließend zur Wiedereroberung Ruandas rüsteten. Die ruandische Armee nahm diese Aktivitäten mehrfach zum Anlass, um im westlichen Nachbarland zu intervenieren. == Vorgeschichte == === „Tutsi“ und „Hutu“ in vorkolonialer und kolonialer Zeit === Die ruandischen Staatsgrenzen waren bereits vor dem Auftreten der [[Kolonialismus|europäischen Kolonialmächte]] weitgehend gefestigt. Unter der Regentschaft von [[Kigeri IV.|Kigeri Rwabugiri]], der von 1853 bis 1895 in Ruanda als König herrschte, setzten sowohl begrenzte regionale Expansions- als auch staatliche [[Zentralismus|Zentralisierung]]stendenzen ein. Vormals autonome kleinere Regionen im Westen und Norden wurden dem Herrschaftsgebiet Rwabugiris einverleibt, die staatliche Macht wurde zentralisiert. Außerdem begann innerhalb des Herrschaftsgebiets eine stärkere Differenzierung der Bevölkerungsgruppen. Dabei erlangten die überwiegend mit Viehzucht befassten Personen, „Tutsi“ genannt, zunehmend Macht über Ackerbauern, die als „Hutu“ bezeichnet wurden. Die [[Twa]], eine dritte Gruppe, die als Jäger und Sammler lebten, spielten bei dieser Veränderung der Herrschaftsbeziehungen keine Rolle. Im Reich von Rwabugiri entwickelte sich der Begriff „Tutsi“ mehr und mehr zu einem Synonym für Angehörige der herrschenden Schicht eines sich herausbildenden Zentralstaats, während der Terminus „Hutu“ zum Namen für die Gruppe der Beherrschten wurde.<ref>Zur sozialen und politischen Lage Ruandas in der Ära Rwabugiri siehe Carsten Heeger, ''Politische und gesellschaftliche Entwicklung,'' in: Leonhard Harding (Hrsg.): ''Ruanda – Der Weg,'' S. 13–20. Zu den sozialen Veränderungen in dieser Epoche siehe auch: Steering Committee of the Joint Evaluation of Emergency Assistance to Rwanda: ''The International Response to Conflict and Genocide: Lessons from the Rwanda Experience.'' Darin besonders Tor Sellström and Lennart Wohlgemuth: ''Study 1: Historical Perspective: Some Explanatory Factors,'' hier [http://www.reliefweb.int/library/nordic/book1/pb020d.html Kapitel 2] (englisch, Aufruf am 7. Dezember 2007, 22:34 Uhr).</ref> Mit Beginn ihrer Kolonialherrschaft (1899–1919) interpretierten die Deutschen die abgestuften Sozialbeziehungen in Ruanda auf der Basis der [[Rassismus|rassistischen]], in Europa entwickelten [[Hamitentheorie]]. Sie gingen davon aus, die Tutsi seien vor Jahrhunderten in das Gebiet der [[Afrikanische Große Seen|Afrikanischen Großen Seen]] eingewanderte [[Niloten]], die [[Europid|kaukasischen]] und damit europäischen Völkern verwandt seien. Dies begründe ihre Herrschaft über die als weniger hoch stehend wahrgenommenen „[[negrid]]en“ [[Ethnie]]n [[Zentralafrika]]s, zu denen in den Augen der Deutschen die Hutu gehörten. Die Kolonialherren banden die Tutsi als lokale Machtträger in das System ihrer [[Indirect rule|indirekten Herrschaft]] ein.<ref>Bruce D. Jones, ''Peacemaking,'' S. 17 f; Carsten Heeger, ''Die Erfindung,'' S. 23–25.</ref> Im Verlauf des [[Erster Weltkrieg|Ersten Weltkriegs]] übernahmen die Belgier nach einer Reihe begrenzter Gefechte faktisch die Macht in Ruanda, noch bevor sie ihnen 1919 in der [[Pariser Friedenskonferenz 1919|Pariser Friedenskonferenz]] offiziell zugestanden und Ruanda 1923 vom [[Völkerbund]] zum [[Mandat (Völkerrecht)|Mandatsgebiet]] Belgiens erklärt wurde. Die Belgier setzten die indirekte Herrschaft fort. Auch sie hielten die unterschiedliche Machtverteilung zwischen Hutu und Tutsi für das Ergebnis einer rassischen Überlegenheit der Tutsi. Die neuen Kolonialherren führten ein System der [[Zwangsarbeit]] ein, mit dessen Hilfe sie das Land wirtschaftlich erschließen wollten. Sie individualisierten zudem die Ansprüche ihrer Macht gegenüber den Einzelnen, indem sie den Einfluss von [[Clan]]s und [[Lineage]]s durch Verwaltungsreformen zurückdrängten. Zu den folgenreichsten Administrativmaßnahmen der Belgier gehörte 1933/34 die Ausstellung von Ausweispapieren im Gefolge einer [[Volkszählung]]. Diese Dokumente fixierten die ethnische Zugehörigkeit jedes Einzelnen, er war nun Twa, Hutu oder Tutsi. Die ethnische Zuordnung aller Ruander war fortan in Verwaltungsregistern festgeschrieben. Die Unterscheidung der Menschen nach [[Sozialer Status|sozialem Status]] und wirtschaftlichen Aktivitäten wurde biologisiert und damit zu einer nach [[Rasse#Anthropologie|Rassen]]. In der [[Zwischenkriegszeit]] förderte die [[Katholische Kirche]] in ihren [[Missionsschule]]n die Tutsi stärker als die Hutu. Diese schulische Ausbildung bot den Tutsi die Perspektive, in die Landesverwaltung einzutreten, denn der Unterricht in [[Französische Sprache|Französisch]] bereitete sie darauf vor. Nach dem Ende des [[Zweiter Weltkrieg|Zweiten Weltkrieges]] wandelte sich das Selbstverständnis der Missionare. Sie verstanden sich zunehmend als Helfer und Sprachrohr der unterprivilegierten Hutu, nicht mehr als Förderer der Tutsi-[[Elite]]. Die Schulen boten verstärkt auch für Hutu den Zugang zu westlicher Bildung. Der entstehende Hutu-[[Klerus]] gehörte zur Elite der Hutu, die zunehmend ein Gegengewicht zur Tutsi-Herrschaft bildete und auf politische Teilhabe und Demokratisierung des Landes drängte.<ref>Zur Herrschaft der Belgier und zur Bedeutung der Missionsschulen siehe Carsten Heeger, ''Die Erfindung,'' S. 26–34. Zum Hintergrund der ethnischen Zuordnung der ruandischen Bevölkerung zu den Gruppen der Hutu, Tutsi und Twa siehe auch Alison Des Forges, ''Kein Zeuge,'' S. 63 f sowie Mahmood Mamdani, ''When Victims,'' S. 98 f. Zu langsamen Bildung der Hutu-Elite siehe Mahmood Mamdani, ''When Victims,'' S. 106–114.</ref> === Hutu-Revolution und Hutu-Regime unter Grégoire Kayibanda === Angesichts der absehbaren [[Dekolonisation]] Ruandas radikalisierte sich die politische Debatte in den 1950er Jahren. Entlang der ethnischen Grenzen bildeten sich politische Parteien. In ihren Gründungsdokumenten und Programmen forderten Tutsi-Parteien einerseits die Weiterführung der Tutsi-[[Monarchie]], weil dies der Überlegenheit der Tutsi und der historischen Tradition Ruandas entspräche. Andererseits diffamierten extremistische Hutu-Politiker die bestehende Tutsi-[[Hegemonie]] als Herrschaft einer landfremden Rasse.<ref>Siehe hierzu Leopold Harding, ''Versuch,'' S. 20 und Mahmood Mamdani, ''When Victims,'' S. 116 f.</ref> Belgien begann in den 1950er Jahren damit, Hutu in die Verwaltung Ruandas einzubinden. Dies weckte Ängste der Tutsi vor einem baldigen Machtverlust, ohne zugleich weitergehende Ansprüche von Hutu zu befriedigen, die sich nach der alleinigen Macht oder zumindest nach dem entscheidenden Anteil der Machtausübung in Ruanda sehnten. Wenige Monate nach dem Tod von Mutara Rudahigwa ([[Mutura III.]]), der seit 1931 als Monarch eingesetzt war, eskalierte ab November 1959 die Gewalt zwischen Hutu und Tutsi. Bevor die belgische Verwaltung die Ordnung wieder herstellen konnte, fielen den Gewalttaten mehrere Hundert Menschen zum Opfer. Im Anschluss an diese Ereignisse ersetzten die Belgier die Hälfte aller Tutsi in der Verwaltung durch Hutu. Am deutlichsten kam der Wandel auf der Ebene der Bürgermeister zum Ausdruck. 210 der insgesamt 229 Bürgermeisterposten waren jetzt von Hutu besetzt. Sie ersetzten die im Zuge der Unruhen getöteten oder geflohenen früheren Tutsi-Bürgermeister. Die traditionell hierarchische Orientierung, die früher die Loyalität gegenüber der lokalen Tutsi-Elite sicherstellte, half nun den neuen lokalen Hutu-Führern, die ihrerseits erfolgreich an die Zusammengehörigkeit der Hutu-Mehrheit appellierten. Diese Veränderungen waren die Basis für die Wahlsiege der [[Parmehutu]] ''(Parti du Mouvement et de l’Emancipation Bahutu)''<ref>Deutsch: ''Partei der Bewegung und der Emanzipation der Hutu.''</ref> von 1960 und 1961, einer Hutu-Bewegung, die sich für die Abschaffung der Monarchie, für die Einführung [[republik]]anischer Verhältnisse, für die Unabhängigkeit Ruandas von Belgien und vor allem für das rasche Ende der Tutsi-Herrschaft stark machte. Dieser Umbruch der politischen Verhältnisse ist in die [[Geschichte Ruandas]] als ''Hutu-Revolution'' eingegangen.<ref>Zur Hutu-Revolution siehe Alison Des Forges, ''Kein Zeuge,'' S. 63–66; Peter Wütherich, ''Revolution,'' S. 57–66; Mahmood Mamdani, ''When Victims,'' S. 116–131 f. Außerdem: Steering Committee of the Joint Evaluation of Emergency Assistance to Rwanda: ''The International Response to Conflict and Genocide: Lessons from the Rwanda Experience.'' Darin besonders Tor Sellström and Lennart Wohlgemuth: ''Study 1: Historical Perspective: Some Explanatory Factors,'' hier [http://www.reliefweb.int/library/nordic/book1/pb020e.html Kapitel 3] (englisch, Aufruf am 18. Dezember 2007, 23:30 Uhr).</ref> Bereits vor der Unabhängigkeit Ruandas im Juli 1962 flohen mehrere Zehntausend Tutsi in die Nachbarländer Ruandas. [[Grégoire Kayibanda]] festigte als Führer der Parmehutu die Herrschaft der Hutu, indem er selbst die Präsidentschaft des Landes übernahm und einen Einparteienstaat errichtete. Mehrfache und teilweise sehr weit ins Landesinnere Ruandas reichende [[Guerilla]]-Angriffe von Tutsi-Flüchtlingen wurden 1967 endgültig zurückgeschlagen. Zugleich richtete sich die staatliche Gewalt in jenen Jahren immer wieder gegen die in Ruanda verbliebenen Tutsi, denen Sympathien mit der Tutsi-Guerilla nachgesagt wurden. Sie führte zur Vertreibung der Tutsi aus bestimmten Landesteilen. Häufig war sie mit Angriffen auf Eigentum, Leib und Leben der Tutsi verbunden. Etwa 20.000 Tutsi verloren durch diese vom Staat geförderten oder tolerierten Angriffe ihr Leben, zirka 30.000 weitere flohen ins Ausland. Alle noch im Land lebenden Tutsi-Politiker wurden ermordet.<ref>Zahlen nach Alison Des Forges, ''Kein Zeuge,'' S. 63–66 und Peter Wütherich, ''Revolution,'' S. 67. Leonhard Harding (''Versuch,'' S. 21) nennt ein Massaker von Dezember 1963/Januar 1964, bei dem 10.000 Menschen, vorwiegend Tutsi, starben.</ref> Das Hutu-Regime machte seither die Bedrohung durch die Tutsi-Rebellen für alle wesentlichen innenpolitischen Probleme des Landes verantwortlich.<ref>Hierzu kurz Peter Wütherich, ''Revolution,'' S. 67.</ref> Die Hutu konstruierten zugleich den in Krisensituationen stets reaktivierten [[Mythos]] eines langen, mutigen und erfolgreichen Kampfes gegen erbarmungslose Unterdrücker.<ref>Alison Des Forges, ''Kein Zeuge,'' S. 65.</ref> === Hutu und Tutsi bis Ende der 1980er Jahre === Im Oktober 1972 richtete sich erneut eine massive Welle der Gewalt gegen die ruandischen Tutsi. Präsident Kayibanda griff nicht ein, um seine Macht, die von extremistischen Hutu infrage gestellt wurde, nicht zu gefährden – diese forderten im Angesicht von ausgedehnten [[Massaker]]n an Hutu im Nachbarland [[Burundi]], bei denen rund 100.000 bis 150.000 Hutu umgebracht wurden, Vergeltungsmaßnahmen gegen Tutsi. Erst im Februar 1973 unterband der Präsident die Gewalttaten und zog damit die Aggressionen der extremistischen Hutu auf sich.<ref>Peter Wütherich, ''Revolution,'' S. 68 f. Zu den Hintergründen dieser Auseinandersetzung siehe auch Mahmood Mamdani, ''When Victims,'' S. 137.</ref> [[Datei:DF-SC-83-02204.jpg|thumb|Habyarimana, 1980 bei einem Besuch in den Vereinigten Staaten]] Im Streit zwischen gemäßigten und extremistischen Hutu-Gruppen ergriff Verteidigungsminister [[Juvénal Habyarimana]] die Initiative und übernahm am 5. Juli 1973 in einem [[Putsch]] die Macht. Habyarimana, einem Hutu aus dem Norden Ruandas, gelang es, die Konflikte zwischen Hutu und Tutsi zu unterbinden. Er verbot die Parmehutu und schuf stattdessen die auf ihn zugeschnittene [[Einparteiensystem|Einheitspartei]] [[Mouvement républicain national pour la démocratie et le développement|Mouvement républicain national pour le développement]] (MRND)<ref>Deutsch: ''Nationalrepublikanische Bewegung für die Entwicklung.'' 1993 änderte die Partei ihren Namen in ''Mouvement républicain nationale pour la démocratie et le développement'' (Deutsch: ''Nationalrepublikanische Bewegung für die Demokratie und für die Entwicklung'').</ref>. Neben dieser Partei und dem Militär als Machtbasis setzten der neue Präsident und seine Ehefrau [[Agathe Habyarimana|Agathe]] auf Clan- und Verwandtschaftsbeziehungen zur Absicherung der Herrschaft. Die entscheidenden Posten vor allem in der Armee blieben Personen seines Herkunftsgebiets im Nordwesten Ruandas vorbehalten. Diese Machtgruppe wird als ''akazu'' (Kleines Haus) bezeichnet.<ref>Janine Ullrich, ''Ära,'' S. 71–73. Zur Machtgruppe um das Präsidenten-Ehepaar siehe Alison Des Forges, ''Kein Zeuge,'' S. 71 und Bruce D. Jones, ''Peacemaking,'' S. 26 f.</ref> Trotz vordergründiger Befürwortung von [[Chancengleichheit]] beschränkten die offiziellen Stellen für Tutsi den Zugang zu Bildung und Arbeitsplätzen sowie zur politischen Macht.<ref>Alison Des Forges, ''Kein Zeuge,'' S. 73 f; Mahmood Mamdani, ''When Victims,'' S. 141; Katrin Wissbar, ''Guter Hutu,'' S. 126.</ref> Zunächst war die Wirtschaftspolitik des neuen Präsidenten erfolgreich.<ref>Zu den ökonomischen Erfolgen siehe Janine Ullrich, ''Ära,'' S. 73–75 und Alison Des Forges, ''Kein Zeuge,'' S. 72.</ref> Der wirtschaftliche Aufschwung hielt jedoch nicht lange an. Mitte der 1980er Jahre geriet Ruanda in eine Staatskrise. Die Wirtschaft des Landes litt unter dem rasanten Verfall des Kaffeepreises – 75 Prozent aller [[Export]]e basierten auf der Kaffeeproduktion. Verschärfend wirkten das durch die verbesserte medizinische Versorgung beschleunigte [[Bevölkerungswachstum]] und die damit verbundene zunehmende Knappheit an Landressourcen. Der Mangel an industriellen Arbeitsplätzen – mehr als 90 Prozent der Menschen lebten von Landbau – sorgte für eine Zuspitzung der [[Wirtschaftskrise]]. Ruanda war gezwungen, [[Strukturanpassungsprogramm]]e zu akzeptieren und damit drastische Sparmaßnahmen einzuführen, die unter anderem das Ende der unentgeltlichen Schulbildung und kostenfreier medizinischer Versorgung bewirkten. Die [[Wechselkurs|Abwertung]] der Landeswährung verteuerte zudem viele [[Import]]produkte, zu denen vor allem auch Nahrungsmittel zählten. Insbesondere unter arbeitslosen Jugendlichen und jungen Erwachsenen breitete sich angesichts dieser Umstände zunehmend ein Gefühl der Nutz- und Perspektivenlosigkeit aus.<ref>Zur Krise der 80er Jahre siehe Janine Ullrich, ''Ära,'' S. 76–81; Alison Des Forges, ''Kein Zeuge,'' S. 72–74 und Mahmood Mamdani, ''When Victims,'' S. 147–149.</ref> === Bürgerkrieg und blockierte Demokratisierung === [[Datei:Ruanda deutsch UNO-Karte.jpg|thumb|upright=2.0|Ruanda und seine Präfekturen zur Zeit des Genozids. Seit Anfang 2006 gliedert sich das Land in fünf Provinzen.]] Die Staatskrise untergrub die [[Autorität]] Habyarimanas. Sie führte zur Bildung oppositioneller Gruppen, die den Kurs des Präsidenten kritisierten. Diese Gruppen, die insbesondere in den südlichen Landesteilen Rückhalt hatten, forderten eine Demokratisierung. Die Monopolisierung der Macht durch Vertraute Habyarimanas aus seiner Heimatregion sollte ein Ende haben. Das Ausland unterstützte diese Forderungen. Insbesondere die westlichen Geberländer sahen nach dem Ende des [[Kalter Krieg|Kalten Krieges]] Chancen zur Überwindung undemokratischer Verhältnisse in Afrika. Neben der Forderung nach Demokratisierung übte der internationale Appell, das mittlerweile 30 Jahre alte Flüchtlingsproblem zu lösen, Druck auf den Personenkreis um Habyarimana aus. Der Präsident hatte es seit seinem Machtantritt unter Verweis auf die Landknappheit abgelehnt, die Tutsi-Flüchtlinge wieder in Ruanda anzusiedeln. Schätzungen besagen, dass Anfang der 1990er Jahre zirka 600.000 Tutsi als Flüchtlinge im Ausland lebten. Einen weiteren Faktor für die Loyalitätskrise der Staatsmacht stellten Gerüchte über eine bevorstehende, erneute Invasion von Tutsi-Rebellen dar, die in Uganda aufgewachsen waren.<ref>Siehe Alison Des Forges, ''Kein Zeuge,'' S. 74 f. Zur Zahl der Tutsi-Flüchtlinge Anfang der 1990er Jahre siehe Steering Committee of the Joint Evaluation of Emergency Assistance to Rwanda: ''The International Response to Conflict and Genocide: Lessons from the Rwanda Experience.'' Darin besonders Tor Sellström and Lennart Wohlgemuth: ''Study 1: Historical Perspective: Some Explanatory Factors,'' hier [http://www.reliefweb.int/library/nordic/book1/pb020e.html Kapitel 3] (englisch, Aufruf am 18. Dezember 2007, 23:30 Uhr).</ref> Habyarimana kündigte in dieser Situation Anfang Juli 1990 politische [[Reform]]en an. Umgesetzt wurden diese Vorhaben zunächst nicht, denn die politische Auseinandersetzung verwandelte sich in eine militärische – am 1. Oktober 1990 begann von Uganda aus der Angriff der Tutsi-Rebellenarmee ''Ruandische Patriotische Front'' (RPF). Mit diesem Feldzug begann ein [[Bürgerkrieg]], der erst mit dem militärischen Sieg der RPF im Juli 1994 enden sollte. Habyarimana bat Belgien, Frankreich und Zaire um militärische Unterstützung. Die jeweiligen Regierungen entsprachen diesem Wunsch. Die gewährte Hilfe versetzte die Regierungsarmee Ruandas in die Lage, den ersten Angriff der RPF zurückzuschlagen. Die belgischen Truppen verließen daraufhin das Land, die Einheiten Zaires mussten abziehen, weil sie [[Plünderung|plünderten]], die französischen Militärs blieben jedoch im Land und stärkten die Kapazitäten Habyarimanas.<ref>Zum Angriff der RPF und zur militärischen Reaktion auf ihn siehe Bruce D. Jones, ''Peacemaking,'' S. 28–30 und Alison Des Forges, ''Kein Zeuge,'' S. 75–78. Zu den Faktoren, die innerhalb Ugandas den Angriff der RPF auf Ruanda beförderten, siehe Matthias Hufmann, ''Verunsicherung,'' S. 104–109.</ref> Mit französischer Hilfe wuchs die Armee Ruandas von 5200 Mann im Jahr 1990 auf zirka 35.000 Mann im Jahr 1993. Französische Offiziere engagierten sich in der Ausbildung der ruandischen Armeeangehörigen. Gleichzeitig wurde die Ausstattung mit Kriegswaffen, insbesondere [[Kleinwaffe]]n, wiederum vor allem mit französischer Unterstützung, erheblich ausgebaut. Ruanda war in den Jahren von 1992 bis 1994 der drittgrößte Waffenimporteur der [[Subsahara-Afrika|Subsahara-Region]].<ref>Zahlen zur Truppenvergrößerung nach Mel McNulty, ''French arms,'' S. 110, Angabe zum Waffenimport nach Mel McNulty, ''French arms,'' S. 107.</ref> Der Präsident und seine politischen Vertrauten blockierten insgeheim die Demokratisierung, auf die sie sich scheinbar einließen. Journalisten, die die Staatsspitze kritisierten, wurden verfolgt. Die Personengruppe um Habyarimana förderte Radiostationen und Zeitungen, die aggressiv gegen die Opposition und gegen die Tutsi hetzten. Zu einer Machtteilung mit den entstehenden neuen Parteien per [[Koalitionsregierung]] war Habyarimanas MRND erst im April 1992 bereit. Zu den neuen Parteien gehörte zudem eine, die bereit war, die bestehende Herrschaft der Hutu mit radikalen Mitteln zu verteidigen. Die [[Coalition pour la Défense de la République]] (CDR),<ref>Deutsch: ''Koalition zur Verteidigung der Republik.''</ref> gegründet von Personen aus dem Umkreis des Präsidenten, plädierte für eine [[Ethnische Säuberung|Vertreibung]] der Tutsi und baute ab 1992 die Miliz Impuzamugambi auf. Die Präsidentenpartei MRND organisierte im selben Jahr die Interahamwe. Von Oktober 1990 bis April 1994 wurden Tutsi und Hutu-Oppositionelle immer wieder Opfer von Gewalt und Massakern, die als [[Rache]] für militärische Erfolge der RPF deklariert wurden. Die Behörden förderten diese Gewaltakte oder nahmen sie hin. Die Täter wurden nie bestraft. Diese Menschenrechtsverletzungen, bei denen etwa 2000 Tutsi und etliche Hutu getötet wurden, gelten als Vorläufer des Völkermords.<ref>Alison Des Forges: ''Kein Zeuge,'' S. 119. Zur Politik des Habyarimana-Regimes, zur Entstehung der Parteien und Milizen sowie zur politischen Gewalt jener Jahre siehe Jutta Bieringer: ''Zögerlich,'' in: Leonhard Harding (Hrsg.): ''Ruanda – Der Weg.'' Siehe auch Alison Des Forges: ''Kein Zeuge,'' S. 78–88 und Mahmood Mamdani, ''When Victims,'' S. 192.</ref> Trotz der Niederlage der RPF Ende Oktober 1990 blieb die Rebellenarmee ein entscheidender Faktor in der ruandischen Politik der kommenden Jahre. [[Paul Kagame]] vergrößerte und reorganisierte die Truppe. Immer wieder gelangen ihr militärische Überfälle und Besetzungen von Landesteilen in der Nähe der ugandischen Grenze. Die Feldzüge und [[Okkupation]]en erzeugten ein massives innerruandisches Flüchtlingsproblem. Ende der 1980er Jahre lag diese Zahl der [[Interne Vertreibung|Binnenflüchtlinge]] bei zirka 80.000, 1992 belief sie sich auf etwa 350.000, nach der RPF-Februaroffensive von 1993 stieg sie auf etwa 950.000 an.<ref>Zahlen nach Mahmood Mamdani, ''When Victims,'' S. 187.</ref> Zwischenzeitlich erreichte [[Waffenstillstand]]svereinbarungen blieben brüchig. 1992 gelang der RPF die Ausweitung ihrer Einflusszone. Sie beherrschte jetzt die nördliche Präfektur [[Byumba]], die als „Brotkorb“ Ruandas galt. Dieser Erfolg zwang die ruandische Regierung dazu, ab Mitte 1992 in den Friedensprozess von [[Arusha]] einzutreten, der die Befriedung des Landes versprach. Die Verhandlungen in der [[Tansania|tansanischen]] Stadt stockten, wurden unterbrochen oder durch zwischenzeitlich wieder aufgenommene Kampfhandlungen unterlaufen. Im Kern ging es bei den Verhandlungen in Arusha um die Frage der Rückkehr der ruandischen Flüchtlinge und die Rückführung ihres früheren Eigentums, um die Frage der Machtteilung zwischen der MRND, den anderen ruandischen Parteien und der RPF, um die Demobilisierung der Armeen und ihre Synthese zu einem gemeinsamen Militärapparat sowie um die Einsetzung einer UN-Friedenstruppe zur Absicherung der Verhandlungsergebnisse. Obwohl in Arusha zwischen August 1992 und August 1993 insgesamt vier Abkommen unterzeichnet wurden und obgleich am 4. August 1993 schließlich der [[Arusha-Abkommen|Friedensvertrag von Arusha]] paraphiert wurde, opponierten große Teile der MRND und die gesamte CDR gegen die Übereinkunft.<ref>Zur Vorgeschichte und zu den Inhalten der Arusha-Abkommen sowie des Arusha-Friedensvertrages siehe Katrin Wischert, ''Bürgerkrieg,'' in: Leonhard Harding (Hrsg.): ''Ruanda – Der Weg,'' S. 115–123. Siehe auch Bruce D. Jones, ''Peacemaking,'' S. 30–35 und umfassend S. 69–102. Vgl. ferner Joel Stettenheim: ''The Arusha Accords and the Failure of International Intervention in Rwanda,'' in: Melanie C. Greenberg, John H. Barton, Margaret E. McGuinness (Hrsg.): ''Words over War: Mediation and Arbitration to Prevent Deadly Conflict'' (Carnegie Commission on Preventing Deadly Conflict Series.) Rowman & Littlefield Publishers, Lanham 2000 ISBN 0-847-698-920, S. 213–236, S. 388–392, insb. S. 222–236. ([http://www.wilsoncenter.org/subsites/ccpdc/pubs/words/8.pdf Online-Ausgabe, englisch, 243 KB]), Aufruf am 23. Dezember 2007, 23:36 Uhr.</ref> === „Hutu-Power“ === Dem Personenkreis um Habyarimana war es 1993 gelungen, die wichtigsten Oppositionsparteien zu spalten. Moderaten Hutu-Führern standen nun Vertreter der so genannten „[[Hutu-Power]]“ gegenüber. Diese lehnten jedes Zugeständnis an die RPF und damit vor allem jede Beteiligung der Tutsi an politischer und militärischer Macht ab. Absicht war, mit der „Hutu-Power“-Bewegung die entstandenen neuen Loyalitäten gegenüber den Parteien abzulösen durch ein überparteiliches Bekenntnis zur Sache der Hutu, die angeblich durch die Tutsi bedroht sei. Personen aus dem Umfeld des Präsidenten organisierten diese Bewegung mit dem Endziel, einen Staat ohne Tutsi und ohne oppositionelle Hutu etablieren zu können. Die Existenz dieser Sammlungsbewegung wurde am 23. Oktober 1993 auf einer parteiübergreifenden Versammlung in [[Gitarama]] bekannt gegeben. Der rasche Bedeutungszuwachs der „Hutu-Power“ wurde durch zwei Ereignisse wesentlich beeinflusst. Zum einen demonstrierte die RPF im Februar 1993 ihre deutliche militärische Überlegenheit über die Regierungstruppen, als es ihr gelang, bis wenige Kilometer vor [[Kigali]] vorzustoßen. Allein die Mobilisierung von weiteren französischen [[Luftlandetruppen|Fallschirmjägern]] und erheblicher internationaler Druck auf die Führung der RPF stoppte ihren Vormarsch auf die ruandische Hauptstadt. Dieser Angriff erzeugte unter den Hutu Furcht vor dem militärischen Potenzial der Rebellen. Zum anderen ermordeten in Burundi Tutsi-Armeeangehörige am 21. Oktober 1993 den burundischen Präsidenten [[Melchior Ndadaye]], einen moderaten Hutu. Dieses Ereignis löste in Burundi einen Bürgerkrieg aus. Unter den gemäßigten ruandischen Hutu stieg die Skepsis in Bezug auf eine friedliche Kooperation mit der RPF, Hutu-Hardliner sahen im Mord an Ndadaye den Beweis für ein erbarmungsloses Machtstreben der Tutsi im gesamten Gebiet der Afrikanischen Großen Seen. Die Spaltung der Parteien in moderate und extremistische Flügel ermöglichte es Habyarimana darüber hinaus, die Umsetzung des Arusha-Friedensabkommens hinauszuzögern – den auseinanderstrebenden Parteifraktionen gelang es nicht, sich über die personelle Besetzung der Ministerposten zu einigen.<ref>Zur Bedeutung der Ereignisse in Burundi siehe Alison Des Forges, ''Kein Zeuge,'' S. 173–177. Siehe auch den Bericht der OAU über den Völkermord in Ruanda (''The Report Of The International Panel Of Eminent Personalities To Investigate The 1994 Genocide In Rwanda And The Surrounding Events,'' Abschnitt 7.35–7.37. ([http://www.aegistrust.org/images/stories/oaureport.pdf Online-Version, englisch, 908 KB]), Aufruf am 24. Dezember 2007, 14:00 Uhr. Zur Entstehung der „Hutu-Power“ siehe Alison Des Forges, ''Kein Zeuge,'' S. 177–180; Alan J. Kuperman: ''Limits,'' S. 11 f. Siehe ferner Katrin Wissbar, ''Guter Hutu'' und Scott Straus, ''Order,'' S. 29 f.</ref> === Vorbereitung des Genozids === Zur Vorbereitung des Völkermords gehörte die Entwicklung und Verbreitung einer Ideologie, die auf Vernichtung der Tutsi abzielte und jedes Zusammenleben mit ihnen als Verrat an den Hutu denunzierte. Seit 1990 verbreitete die Zeitung [[Kangura]] unablässig entsprechende Aufforderungen. Die Publikation der so genannten „Zehn Gebote der Hutu“ war eine der prägnantesten rassistischen Äußerungen dieses Presseorgans. Zwei der zehn Gebote richteten sich dabei ausdrücklich gegen Tutsi-Frauen.<ref>Abdruck dieser Gebote auf einer [http://www.trumanwebdesign.com/~catalina/commandments.htm privaten Website] (englisch), Aufruf am 25. Dezember 2007, 20:00 Uhr.</ref> Noch wichtiger war die Verbreitung solcher Botschaften über das Radio – Ruanda hatte eine [[Analphabetismus|Analphabetenquote]] von über 40 Prozent.<ref>''The Report Of The International Panel Of Eminent Personalities To Investigate The 1994 Genocide In Rwanda And The Surrounding Events'', Abschnitt 16.15. ([http://www.aegistrust.org/images/stories/oaureport.pdf Online-Version, englisch, 908 KB]), Aufruf am 24. Dezember 2007, 14:00 Uhr.</ref> Die Machtgruppe um Präsident Habyarimana nahm am 8. August 1993 den Sendebetrieb des Hass-Senders [[Radio-Télévision Libre des Mille Collines]] (RTLM) auf. Zu den insgesamt acht Moderatoren dieser Radiostation gehörte [[Georges Ruggiu]], ein Belgier, der unter anderem Belgien und das belgische Blauhelm-Kontingent scharf angriff. Der Sender erfreute sich wegen seines lockeren Stils, aufgrund der Interaktion mit Hörern über Anrufe von und Interviews mit Hörern sowie wegen der offenbar ansprechenden Musikauswahl rasch großer Beliebtheit.<ref>Unter anderem schildert Paul Rusesabagina, der frühere Direktor des Hotel de Milles Colines, den durchschlagenden Erfolg von RTLM. Siehe Paul Ruseabagina: ''Ein gewöhnlicher Mensch'', S. 74. Zur Rolle von RTLM siehe auch Karen Krüger, ''Worte.''</ref> Auch nutzte er – obwohl offiziell ein Konkurrenzmedium – Ressourcen des staatlichen Senders und des Präsidentenpalastes. Zur Ausweitung der Hörerschaft teilte die Regierung kostenlos Radioapparate an lokale Behörden aus.<ref>Zur Bedeutung von Kangura und von RTLM siehe Alison Des Forges, ''Kein Zeuge'', S. 104–108 und S. 96–100; Alex Obote Odora: ''Responsibility'', S. 307–310.</ref> In den Jahren zwischen 1990 und 1994 entwickelte sich eine [[Rhetorik]] gegen die Tutsi, die die Verfolgung und Vernichtung dieser Gruppe vorbereitete. Diese Rhetorik prägte die Aufrufe zur Gewalt in den Tagen des Völkermords. Einer ihrer zentralen Aspekte war die Technik des Verdrehens. In spiegelbildlichen Anschuldigungen warf die extremistische Hutu-Propaganda den Tutsi vor, sie planten die Vernichtung der Hutu. Ein kollektiver [[Präventivschlag]] der angeblich Bedrohten sei darum unvermeidlich. In diesem Zusammenhang spielten erfundene Meldungen über [[Bestialität|bestialische]] Gewalttaten an Hutu eine wichtige Rolle. Ein weiteres Element war die [[Exklusion|Ausgrenzung]] der Tutsi aus der Gemeinschaft der Ruander. Allein das Mehrheitsvolk der Hutu sei zur Herrschaft berechtigt. Konkurrierende Machtansprüche der Tutsi seien undemokratisch, weil diese nur nach der [[Feudalismus|Refeudalisierung]] des Landes trachteten. Ein drittes Kennzeichen der Anti-Tutsi-Propaganda war die [[Entmenschlichung]] der Tutsi. Die Propaganda bezeichnete sie als ''Kakerlaken'', ''Schlangen'', ''Gewürm'', ''Stechmücken'', ''Affen'' etc., die es zu töten gelte. Schließlich zeichneten sich die verbalen Angriffe auf die Tutsi durch den Rückgriff auf die Sprache der Landwirtschaft aus. Die Hutu wurden aufgefordert, ''große Bäume'' und ''Buschwerk'' zu fällen – [[Verschlüsselung|Chiffren]] für Tutsi. ''Junge Triebe'' – gemeint waren Kinder – dürften dabei keinesfalls geschont werden. Diese verkleideten Aufrufe zum Töten erinnerten die Adressaten an ihre Pflicht zur ''umuganda'', zur gemeinschaftlichen und gemeinnützigen Arbeit.<ref>Zu den Elementen der Anti-Tutsi-Rhetorik siehe kompakt Anna-Maria Brandstetter, ''Rhetorik'', S. 158–169.</ref> [[Datei:Bagosora Diary Agenda 1992 4 and 5 Feb.jpg|thumb|left|250px|Auszug aus dem Terminkalender von Bagosora (Februar 1992) mit der Skizze von Elementen eines Programms für „zivile Selbstverteidigung“.<ref>Alison Des Forges, ''Kein Zeuge,'' S. 143.</ref>]] Zur Vorbereitung des Angriffs auf die Tutsi gehörten ferner die Entwicklung und Umsetzung von Programmen zur Rekrutierung und Ausbildung von Milizen und Einheiten der „zivilen Selbstverteidigung“. Die herangezogenen Männer sollten von Ortspolizisten und von ehemaligen Soldaten der Regierungsarmee im Kampf gegen den „Feind“ angeleitet werden. In den ersten Monaten des Jahres 1992 entwarf Oberst [[Théoneste Bagosora]], ein führender Planer im Verteidigungsministerium, ein entsprechendes Programm der „zivilen Selbstverteidigung“.<ref> Alison Des Forges, ''Kein Zeuge'', S. 141–144.</ref> Listen mit potenziellen Milizenführern wurden angefertigt.<ref> Alison Des Forges, ''Kein Zeuge'', S. 143.</ref> Zugleich erstellten extremistische Hutu 1993 und 1994 Todeslisten, die die Namen von Tutsi und oppositionellen Hutu enthielten.<ref>Hierzu ''The Report Of The International Panel Of Eminent Personalities To Investigate The 1994 Genocide In Rwanda And The Surrounding Events'', Abschnitte 11.38, 12.20, 13.26, 14.3. ([http://www.aegistrust.org/images/stories/oaureport.pdf Online-Version, englisch, 908 KB]), Aufruf am 24. Dezember 2007, 14:00 Uhr. Zu diesen Todeslisten auch Alison Des Forges, ''Kein Zeuge'', S. 133–135.</ref> Auf diesen Listen befanden sich zirka 1500 Namen.<ref>Scott Straus, ''Order'', S. 28.</ref> Soldaten und politische Führer gaben gemäß diesen Planungen 1993 und Anfang 1994 in erheblichem Umfang Schusswaffen an die Bevölkerung aus. Weil diese Verteilung kostspielig war, entschloss sich die Machtgruppe um Habyarimana zum Kauf von [[Machete]]n. Die Zahl dieser nach Ruanda in den Wochen vor dem Völkermord importierten Werkzeuge reichte aus, um landesweit jeden dritten erwachsenen Hutu damit auszustatten.<ref>Alison Des Forges, ''Kein Zeuge'', S. 131 f und S. 164 f; Philip Verwimp, ''Machetes'', S. 6–8 und S. 16.</ref> Als landwirtschaftliche Werkzeuge waren Macheten in Ruanda seit Jahrzehnten in Gebrauch und weit verbreitet. Eine Erhebung aus dem Jahr 1984 zeigte, dass 83 Prozent aller ländlichen Haushalte Ruandas eine oder mehrere Macheten besaßen.<ref>Philip Verwimp, ''Machetes'', S. 7.</ref> Ein Bericht der Menschenrechtsorganisation [[Human Rights Watch]] legte im Januar 1994 offen, dass darüber hinaus in erheblichem Umfang Kriegswaffenlieferungen nach Ruanda gingen.<ref>Siehe dazu [http://www.hrw.org/sites/default/files/reports/RWANDA941.PDF Arming Rwanda. The Arms Trade and Human Rights Abuses in the Rwandan War].</ref> == Genozid == === Initialzündung === [[Datei:UNAMIR Blue Barrets memorial Kigali (3).jpg|thumb|Gedenkstätte für die im April 1994 ermordeten belgischen Blauhelm-Soldaten in Kigali]] Die Ermordung von Präsident Habyarimana löste den Völkermord aus. Die [[Dassault Falcon 50]], mit der er am 6. April 1994, begleitet vom burundischen Präsidenten [[Cyprien Ntaryamira]], von einer Konferenz aus [[Daressalam]] zurückkehrte, wurde gegen 20:30 Uhr beim Landeanflug auf den [[Flughafen Kigali|Flughafen von Kigali]] mit [[Flugabwehrrakete|Boden-Luft-Raketen]] abgeschossen. Alle Passagiere und die [[Fliegendes Personal|Crew]] kamen ums Leben. Wer für den Abschuss des Flugzeugs verantwortlich war, ist bis heute nicht bekannt. Häufig wird vermutet, dass extremistische Hutu die Maschine abgeschossen hätten, weil sie mit der Verhandlungsführung des Präsidenten und dem Verhandlungsergebnis von Arusha nicht einverstanden gewesen seien. Die gegenteilige Annahme lautet, die Täter stammten aus den Reihen der RPF um Paul Kagame. Sie hätten nach einer Möglichkeit gesucht, den Konflikt mit der Hutu-Regierung nicht per Kompromiss zu beenden, sondern per Bürgerkrieg endgültig zu ihren Gunsten zu entscheiden.<ref>Der Abschuss der Maschine ist Gegenstand so gut wie jeder Darstellung der Völkermords in Ruanda. Statt vieler Belege nur Alison Des Forges, ''Kein Zeuge'', S. 223–226 und ''The Report Of The International Panel Of Eminent Personalities To Investigate The 1994 Genocide In Rwanda And The Surrounding Events'', Abschnitt 14.1. ([http://www.aegistrust.org/images/stories/oaureport.pdf Online-Version, englisch, 908 KB]), Aufruf am 24. Dezember 2007, 14:00 Uhr. Siehe ferner Scott Straus, ''Order'', S. 44 f.</ref> Ungefähr 30 Minuten nach dem Attentat begannen in Kigali die Morde an oppositionellen Hutu, prominenten Tutsi und Befürwortern des Arusha-Friedensabkommens. Die Täter, allen voran Mitglieder der Präsidentengarde, gingen anhand von vorbereiteten Listen vor, spürten ihre Opfer in deren Häusern auf und brachten sie um. Mitglieder anderer Truppenteile unter dem Kommando extremistischer Hutu-Offiziere sowie Milizen unterstützen sie dabei. Zu den ersten Opfern gehörte Premierministerin [[Agathe Uwilingiyimana]], die gemäß der Verfassung nach dem Präsidenten das zweithöchste Staatsamt bekleidete. [[Ghana]]ische und belgische Angehörige der [[UNAMIR]], die zu ihrem Schutz abgestellt waren, konnten ihre Ermordung nicht verhindern. Sie wurden gefangengenommen, die zehn belgischen Soldaten anschließend ebenfalls ermordet.<ref>Zu den ersten Morden in Kigali beispielsweise Alison Des Forges, ''Kein Zeuge'', S. 243, S. 249–252; Roméo Dallaire, ''Handschlag'', S. 273, 275, 286 f und Bruce D. Jones, ''Peacemaking'', S. 38. Zur Ermordung Uwilingiyimanas Roméo Dallaire, ''Handschlag'', S. 289; Alison Des Forges, ''Kein Zeuge'', S. 233 f. Zur Ermordung der belgischen Blauhelmsoldaten Alison Des Forges, ''Kein Zeuge'', S. 231.</ref> Oberst Bagosora füllte noch in der Nacht vom 6. auf den 7. April das entstandene Machtvakuum an der Staatsspitze aus. Er machte sich zum Vorsitzenden des so genannten Krisenstabs, der ausschließlich aus Angehörigen des ruandischen Militärs bestand. Die vollständige Übernahme der Macht durch Bagosora lehnte die Mehrheit der Offiziere dieses Gremiums ab. Am 8. April ließ Bagosora extremistische Hutu-Politiker zusammenrufen und forderte sie zur Bildung einer Übergangsregierung auf. Zum Staatspräsidenten wurde [[Théodore Sindikubwabo]], zum Premierminister [[Jean Kambanda]] ernannt.<ref>Zur Rolle Bagosoras in den ersten Stunden nach dem Attentat auf Habyarimana siehe Alison Des Forges, ''Kein Zeuge''. S. 227 f, S. 231, S. 233 f. Zur Bildung der Übergangsregierung unter den [[Auspizien]] Bagosoras siehe Alison Des Forges, ''Kein Zeuge''. S. 238–241; ''The Report Of The International Panel Of Eminent Personalities To Investigate The 1994 Genocide In Rwanda And The Surrounding Events''. Abschnitt 14.12. ([http://www.aegistrust.org/images/stories/oaureport.pdf Online-Version, englisch, 908 KB]), Aufruf am 24. Dezember 2007, 14:00 Uhr.</ref> Die internationale Gemeinschaft reagierte auf den Ausbruch der Gewalt, indem sie Ausländer aus Ruanda ausflog. Französische und belgische Soldaten führten die entsprechenden [[Evakuierung]]smaßnahmen durch. Die Zahl der stationierten Blauhelm-Soldaten wurde, ausgelöst durch die Ermordung der zehn belgischen UNAMIR-Angehörigen, drastisch reduziert. === Regionale Ausbreitung der Gewalt === Die Gewalttaten breiteten sich rasch über das ganze Land aus. In den ersten Tagen des Völkermords fielen relativ wenige Tutsi den Gewalttaten zum Opfer.<ref> Alison Des Forges (''Kein Zeuge'', S. 244) nennt eine Zahl von zirka 20.000 Toten, vorwiegend Tutsi, bis zum 11. April 1994.</ref> Ein Grund dafür lag in der vergleichsweise eingeschränkten Bewaffnung der Mörder – der Milizen und „Selbstverteidigungseinheiten“. Zugleich suchten viele Tutsi auf Anweisung der Behörden oder freiwillig Zuflucht in Schulen, Kirchen, Krankenhäusern, auf Sportplätzen, in Stadien und ähnlichen Orten. Sie hofften, sich in der Masse besser gegen die Angreifer zur Wehr setzen zu können. Häufig zögerte der [[Mob (Personen)|Mob]] – bewaffnet mit Macheten, Speeren, Knüppeln, Nagelkeulen, Äxten, Hacken und ähnlichen Tatwaffen – den Angriff hinaus, weil er eigene Verluste befürchtete. Eine mögliche Taktik der Angreifer lag dann im Aushungern der Belagerten. In vielen Fällen änderte sich ab dem 13. April die Situation. Am 12. April hatten der staatliche Sender [[Radio Rwanda]] und RTLM massiv für eine Beendigung der politischen Differenzen unter den Hutu und ihren gemeinsamen Kampf gegen Tutsi geworben.<ref>Hierzu Alison Des Forges, ''Kein Zeuge'', S. 245 f.</ref> Besser bewaffnete Einheiten – zusammengesetzt aus Mitgliedern der Präsidentengarde, Armeeangehörigen, Reservisten und der Nationalpolizei – erschienen an den Schauplätzen und setzten ihre Waffen gegen die Belagerten ein: Schusswaffen, [[Handgranate]]n und [[Maschinengewehr]]e. Typischerweise forderten die Angreifer zunächst die Hutu, die auch an den entsprechenden Plätzen Schutz gefunden hatten, auf, sich zu entfernen. Tutsi war dies nicht erlaubt.<ref>Zu diesen Selektionen Alison Des Forges, ''Kein Zeuge'', S. 255.</ref> Dann warfen die Angreifer zu Beginn solcher Massaker einige Handgranaten in die Menge der Belagerten. Darauf folgte der Einsatz von Handfeuerwaffen. Flüchtende wurden erschossen oder erschlagen. Anschließend rückten Milizionäre vor und töteten noch lebende Opfer mit [[Hiebwaffe]]n. Zu dieser Art von Verbrechen gehört das [[Massaker von Nyarubuye]]. Nach Aussagen von Zeugen waren die meisten der Tutsi-Zufluchtsorte bis zum 21. April 1994 eingenommen. Die Zahl der Opfer wird bis zu diesem Zeitpunkt auf 250.000 geschätzt.<ref>Zu dieser „Mechanik des Genozids“ siehe Alan J. Kuperman: ''Limits'', S. 15 f. Zur zeitlichen Dynamik des Mordens in der Präfektur Kibuye und der Eskalation der Gewalttaten Mitte April 1994 siehe Scott Straus, ''Order'', S. 55–60.</ref> Die regionale Verteilung der Gewalttaten an Tutsi hing mit politischen und historischen Gegebenheiten zusammen. Die an Uganda angrenzende Präfektur Byumba befand sich zu Beginn des Völkermords bereits teilweise unter Kontrolle der RPF. Die Rebellenarmee eroberte rasch den Rest dieses Landstrichs, sodass Massaker an Tutsi hier kaum vorkamen. Tutsi, die in den beiden nordwestlichen Präfekturen [[Ruhengeri]] und [[Gisenyi]] – den Hochburgen des Habyarimana-Regimes – beheimatet waren, hatten diese Gebiete bereits vor dem Völkermord aufgrund von früheren Drohungen und Gewalttaten verlassen. Darum waren diese Gebiete nur unterdurchschnittlich von Massakern betroffen. Die Führung der Präfektur in [[Gitarama]] lag anfänglich noch in den Händen der Hutu-Opposition. Erst als Militäreinheiten und Milizen aus anderen Landesteilen in dieser Region eintrafen, begannen ab dem 21. April 1994 umfangreiche Massaker an Tutsi. In der südruandischen Region [[Butare]] war ein Tutsi Präfekt. Er widersetzte sich dem Eindringen von Milizen. Am 18. April wurde er abgesetzt und die Massentötungen begannen.<ref>Zur Intensität und zur zeitlichen Abfolge der Massaker siehe Alan J. Kuperman: ''Limits'', S. 17 f.</ref> === Weisungen === Auf vier Wegen erreichten Weisungen und Aufforderungen zum Töten die unteren Ränge der Hierarchien und die Bevölkerung. Im Militär galt die etablierte Struktur von Befehl und Gehorsam.<ref>Zur Beteiligung des Militärs siehe Alison Des Forges, ''Kein Zeuge'', S. 270–277.</ref> Die Übergangsregierung nutzte einen zweiten Kanal, die traditionellen Verwaltungswege über die Präfekten, Unterpräfekten, Bürgermeister, Gemeinderäte und Dorfvorsteher. Die Verwaltungsangehörigen forderten ihrerseits die Zivilbevölkerung auf, sich am Morden zu beteiligen. Diese Aufforderung wurde häufig als kommunale Gemeinschaftsarbeit ''(umuganda)'' deklariert, die in Ruanda eine lange Tradition besaß.<ref>Zur Einbindung der Verwaltung und der Zivilbevölkerung in die Mordaktionen siehe Alison Des Forges, ''Kein Zeuge'', S. 282–293.</ref> Sofern sich die entsprechenden Personen den Mordplänen verweigerten, wurden sie abgesetzt, in einigen Fällen auch selbst ermordet. Parteiführer, die den jeweiligen extremistischen Hutu-Power-Flügeln angehörten, griffen auf einen dritten Kommunikationsweg zurück. Sie nutzen die Parteiapparate, um auf lokaler Ebene zur Tötung der Tutsi aufzufordern.<ref>Siehe Alison Des Forges, ''Kein Zeuge'', S. 277 f.</ref> Eine vierte Kommunikationsstruktur lief vom Kommandozentrum der „zivilen Selbstverteidigung“, das bei Bagosora angesiedelt war, hin zu den lokalen Gliederungen dieser Struktur. Dieser Weisungslinie gehörten Militärs an, die ähnlich wie Bagosora selbst einen politischen Hintergrund hatten. Die Grenze der lokalen Gremien und Aktionsgruppen der „zivilen Selbstverteidigung“ verlief dabei nicht trennscharf zu den Milizen.<ref>Zur Kommunikationslinie der „zivilen Selbstverteidigung“ siehe Alison Des Forges, ''Kein Zeuge'', S. 332–337.</ref> Nicht immer wurde die Hierarchie in den Kommunikationslinien streng eingehalten. Untergebene, die auf eine radikalere Vorgehensweise gegen Tutsi drängten, konnten sich im Zweifel gegen abwartende oder hinhaltende Vorgesetzte durchsetzen. Auch das Verhältnis zu den mordenden Milizen unterschied sich von Fall zu Fall. Einige wurden vom Militär, andere von Parteifunktionären oder von Verwaltungsbeamten dirigiert. Vielfach handelten die Milizen auch autonom oder setzten ihrerseits Angehörige der Verwaltung unter Druck, bei der Vernichtung der Tutsi nicht zu zögern.<ref>Zur Einbindung und zur Autonomie der Milizen siehe Alison Des Forges, ''Kein Zeuge'', S. 279–282.</ref> Neben diesen Kommunikationskanälen spielten die Hörfunksender Radio Rwanda und vor allem RTLM eine wichtige Rolle bei der Aufstachelung der Hutu.<ref>Zur Rolle dieser Sender siehe Alison Des Forges, ''Kein Zeuge'', S. 301–304 und Karen Krüger, ''Worte''.</ref> === Tötungsformen === In den ersten Tagen des Völkermords waren Einzelerschießungen prominenter Tutsi und bekannter Hutu-Oppositioneller an der Tagesordnung.<ref>Zur gezielten Jagd auf diese Zielpersonen siehe Alison Des Forges, ''Kein Zeuge'', S. 248–252.</ref> Eine weitere Form der Tötung kam in den ersten Wochen des Genozids zum Einsatz – große Ansammlungen von Tutsi wurden massakriert.<ref>Siehe oben, Abschnitt [[Völkermord_in_Ruanda#Regionale_Ausbreitung_der_Gewalt]]. Zu den Massakern siehe auch Alison Des Forges, ''Kein Zeuge'', S. 252–256.</ref> Die Täter setzen außerdem im ganzen Land Straßenblockaden ein, um Ruander auf der Flucht kontrollieren zu können. An diesen Barrikaden wurden Tutsi und Personen, die verdächtigt wurden, Tutsi zu sein beziehungsweise ihnen zu helfen, ermordet.<ref>Zu dieser Taktik siehe Alison Des Forges, ''Kein Zeuge'', S. 256–258. Ferner den OAU-Bericht (''The Report Of The International Panel Of Eminent Personalities To Investigate The 1994 Genocide In Rwanda And The Surrounding Events'', Abschnitt 7.35–7.37. ([http://www.aegistrust.org/images/stories/oaureport.pdf Online-Version, englisch, 908 KB]), Aufruf am 24. Dezember 2007, 14:00 Uhr.</ref> [[Patrouille]]n und Menschenjagden ergänzten diese Strategie der Suche nach und Vernichtung von Opfern.<ref>Alison Des Forges, ''Kein Zeuge'', S. 258. ''The Report Of The International Panel Of Eminent Personalities To Investigate The 1994 Genocide In Rwanda And The Surrounding Events'', Abschnitt 14.21–14.22. ([http://www.aegistrust.org/images/stories/oaureport.pdf Online-Version, englisch, 908 KB]), Aufruf am 24. Dezember 2007, 14:00 Uhr. Zur Menschenjagd als Strategie siehe Karen Krüger, ''Worte'', S. 936 f.</ref> Vielfach gingen den Tötungsakten andere Formen der Gewalt voraus, wie Plünderungen, [[Sexuelle Nötigung|sexuelle Demütigungen]], [[Vergewaltigung]]en, [[Verstümmelung#Verstümmelung_als_Folter_und_Strafe|Verstümmelungen]] oder [[Folter]]praktiken.<ref>Zu Sexualstraftaten und zu Folterformen Alison Des Forges, ''Kein Zeuge'', S. 259 f. Zu den Formen der Gewalt siehe auch den OAU-Bericht ''The Report Of The International Panel Of Eminent Personalities To Investigate The 1994 Genocide In Rwanda And The Surrounding Events'', Abschnitt 14.25–14.26 sowie 16.17–16.20. ([http://www.aegistrust.org/images/stories/oaureport.pdf Online-Version, englisch, 908 KB]), Aufruf am 24. Dezember 2007, 14:00 Uhr.</ref> Die Täter warfen die Leichen in Flüsse oder Seen, beseitigten sie in [[Massengrab|Massengräbern]], stapelten sie am Straßenrand oder ließen sie am Tatort liegen.<ref>Alison Des Forges, ''Kein Zeuge'', S. 293.</ref> Einige Täter trennten die Körperteile ihrer Opfer nach und nach ab, um ihnen lang anhaltenden und großen Schmerz zuzufügen. Eine verbreitete Foltermethode gegen Tutsi war das Abhacken von Händen und Füßen. Dahinter stand nicht allein die Absicht, Fluchtversuche zu erschweren, sondern auch der Gedanke des „Zurechtstutzens“ groß gewachsener Menschen. Teilweise wurden Opfer aufgefordert, ihre eigenen Ehepartner oder Kinder umzubringen. Kinder wurden vor den Augen ihrer Eltern erschlagen. Blutsverwandte wurden von Tätern zum Inzest untereinander gezwungen; Menschen wurden gepfählt oder zum Kannibalismus genötigt. Größere Menschenmengen wurden häufig zusammengetrieben und in Gebäuden lebendig verbrannt oder mit Hilfe von Handgranaten getötet. Oft mussten sich die Opfer vor ihrer eigenen Tötung nackt ausziehen. Dies sollte sie demütigen, außerdem war die Kleidung für die Mörder so weiter verwendbar. In vielen Fällen wurden auch Beisetzungen bereits getöteter Tutsi verhindert. Abgesehen davon, dass dies den ruandischen Brauch eines würdevollen Umgangs mit Toten verletzte, wurden die Leichen auf diese Weise Tieren zum Fraß angeboten.<ref>Marcel Bohnert, ''Zum Umgang mit belasteter Vergangenheit im postgenozidalen Ruanda'', S. 25 f.</ref> Hiebwaffen waren die wichtigsten Tatwaffen während des Völkermordes. Nach der offiziellen Statistik der ruandischen Regierung über den Völkermord von 1994 sind 37,9 Prozent der Opfer mit Macheten getötet worden. Die Macheten wurden bereits 1993 in großem Stil aus dem Ausland importiert, waren kostengünstig sowie einfach zu handhaben. 16,8 Prozent wurden mit Keulen erschlagen.<ref>Dominic Johnson, ''Nachwort'', S. 608.</ref> Für die Provinz [[Kibuye]] wurde ein noch höherer Prozentsatz von Tötungen mit solchen Waffen nachgewiesen. In diesem Landesteil starben 52,8 Prozent der Genozidopfer durch Macheten, weitere 16,8 Prozent wurden mit Knüppeln ermordet.<ref>Philip Verwimp, ''Machetes'', S. 13.</ref> === Génocidaires === Schätzungen zur genauen Zahl der auch [[Génocidaire]]s genannten Täter weichen erheblich voneinander ab. Einzelne Studien gehen von einigen Zehntausend Tätern aus, andere Autoren sprechen von drei Millionen. Vielfach basieren diese Angaben auf Spekulationen.<ref>Siehe hierzu die Angaben bei Scott Straus, ''Order'', S. 115 und dort Anm. 28.</ref> Eine 2006 veröffentlichte [[Empirische Sozialforschung|empirische Studie]] schätzt die Zahl der Täter, die einen oder mehrere Morde begingen, auf 175.000 bis 210.000. Das entspricht einem Anteil von etwa sieben bis acht Prozent der damaligen erwachsenen Hutu beziehungsweise 14 bis 17 Prozent der männlichen erwachsenen Hutu.<ref>Scott Straus, ''Order'', S. 117 f. Als Erwachsene gelten in diesem Fall alle 18- bis 54-Jährigen.</ref> Im Jahr 2000 waren in Ruanda 110.000 Personen inhaftiert, denen Völkermorddelikte vorgeworfen werden, 1997 hatte diese Zahl den Spitzenwert von 140.000 Personen erreicht. 2006 wurden etwa 80.000 Inhaftierte gezählt.<ref>Zahlen bei Scott Straus, ''Order'', S. 98 (für das Jahr 2000) und bei Axel T. Paul, ''Schuld'', S. 42 (für 1997 und 2006).</ref> Die Täter waren mit überwältigender Mehrheit Männer. Der Anteil der Frauen lag bei etwa drei Prozent.<ref>Scott Straus, ''Order'', S. 100.</ref> Die Täter kamen aus allen Teilen der Bevölkerung. An der Spitze standen Personen mit Macht und Einfluss im Militär, in der Politik sowie in der Verwaltung. Das traf auf die nationale und auf die lokale Ebene zu. Von ihrer Anzahl her waren diese Eliten wenig bedeutend. Das Gros der Génocidaires setzte sich aus gewöhnlichen ruandischen Männern zusammen.<ref>So die Formulierung von Scott Straus, der sich dabei bewusst an [[Christopher Browning]] anlehnt. Siehe Scott Straus, ''Order'', S. 107 f.</ref> Sie unterschieden sich hinsichtlich ihrer Bildung, ihres Berufs, ihres Alters und der Anzahl ihrer Kinder nicht vom Bevölkerungsdurchschnitt.<ref>Scott Straus, ''Order'', S. 108.</ref> Täteranalysen deuten an, dass die gewaltsamsten unter ihnen junge, unterdurchschnittlich gebildete Männer waren mit wenigen oder keinen Kindern. Zugleich zeigen sie, dass die lokalen Initiatoren von Völkermordaktionen zur lokalen Elite gehörten. Diese Personengruppe war sehr gut in das lokale Gemeinwesen integriert und besaß eine überdurchschnittliche Bildung.<ref>Zum Sozialprofil der lokalen Täter umfassend Scott Straus, ''Order'', S. 103–121.</ref> Unterschiedliche [[Motiv (Psychologie)|Motive]] trieben die Génocidaires an. Der nach Aussagen der Täter wichtigste Beweggrund für die Beteiligung einzelner Hutu am Völkermord war [[Furcht]]. Viele Täter geben an, dass sie soziale, materielle oder physische Repressalien fürchteten, falls sie sich nicht an Mordtaten beteiligen würden. Des Weiteren spielte die Angst vor Gewalttaten der Tutsi eine Rolle. Die Tutsi wurden als Komplizen der RPF-Rebellen betrachtet. Im Bürgerkrieg mit der Rebellenarmee habe es gegolten, den „Feind“ anzugreifen und zu töten, um nicht selbst getötet zu werden. Zugleich seien die eigenen Gewalttaten als Rache für die Ermordung Habyarimanas zu verstehen gewesen – die RPF beziehungsweise die Tutsi insgesamt galten als die Attentäter des Präsidenten. Wichtig war ferner, dass diese Gewalt von den Behörden eingefordert und gutgeheißen wurde. Töten galt als Pflichterfüllung. Andere Motive sind ebenfalls erkennbar, sie hatten jedoch eine geringere Bedeutung für die konkrete Bereitschaft des Einzelnen, am Völkermord teilzunehmen. Zu diesen nachrangigen Motiven gehören beispielsweise tief verwurzelte Abneigungen gegenüber den Tutsi bis hin zu offen rassistischen Antrieben. Eine Reihe von Tätern erhoffte sich ferner materielle Vorteile durch Plünderungen.<ref>Zu den Motiven der Täter siehe Alison Des Forges, ''Kein Zeuge'', S. 27–29 und S. 313–315 sowie insbesondere Scott Straus, ''Order'', S. 122–152.</ref> === Überlebensstrategien und Überlebenschancen === Tutsi haben überlebt, weil es ihnen gelang, außer Landes zu fliehen, oder weil sie sich innerhalb Ruandas vor den Mördern verbargen. Dazu nutzen sie unzugängliche Regionen wie Waldgebiete oder Sümpfe. Auch Erdlöcher, Keller oder Dachböden dienten als Verstecke. Vielfach wurde ihnen dabei von Hutu geholfen, von Freunden und Unbekannten. Um zu überleben, zahlten viele Bedrängte an die Täter teils mehrfach Geld oder fügten sich in sexuelle Nötigungen.<ref>Hierzu knapp Alison Des Forges, ''Kein Zeuge'', S. 30.</ref> Die Überlebenschancen bedrohter Tutsi und moderater Hutu erhöhten sich, wenn sie sich in der Nähe von ausländischen Beobachtern aufhielten. Dies traf beispielsweise für das [[Hôtel des Mille Collines]] in Kigali zu. [[Paul Rusesabagina]], der Direktor dieses Hotels, nutzte seine Kontakte zu ruandischen Politikern und Militärs, mobilisierte den Einfluss der belgischen Hotelbesitzer und schickte [[Fax]]e ins Ausland, um mehrfach erfolgreich die drohende Erstürmung der Hotelanlage zu verhindern. Auf diese Weise rettete er 1268 Eingeschlossenen das Leben.<ref>Siehe hierzu seine eigene Schilderung ''Ein gewöhnlicher Mensch''.</ref> Das UNAMIR-Hauptquartier blieb in den Tagen des Völkermords ein Gebäude des Amahoro-Komplexes in Kigali, zu dem ein großes Stadion gehörte. In diese Sportstätte flüchteten sich Tausende, sie überlebten dank der internationalen Präsenz.<ref>Zu diesem Schutzraum siehe Dallaire, ''Handschlag'', [[passim]].</ref> Im Südwesten des Landes, in der Präfektur [[Cyangugu]], sammelten sich ebenfalls viele Flüchtlinge im Kamarampaka-Stadion, um der Gewalt zu entgehen, hier hatte das [[Internationales Komitee vom Roten Kreuz|Internationale Komitee vom Roten Kreuz]] (IKRK) einen Stützpunkt, ebenso im Lager Nyarushishi.<ref>Zur Bedeutung internationaler Beobachtung von Flüchtlingslagern siehe den Hinweis bei Alan J. Kuperman: ''Limits'', S. 16.</ref> Tutsi hatten die größten Überlebenschancen, wenn die RPF den Landstrich eroberte, in dem sie sich aufhielten. Sobald die Rebellenarmee in einer Region die Macht übernahm, hörten die Völkermordaktionen auf. Nur in entlegenen Gegenden, die nicht sofort von Truppenverbänden der RPF kontrolliert wurden, gab es jeweils noch einige weitere Tage lang genozidale Akte.<ref>Alan J. Kuperman: ''Limits'', S. 17. Siehe auch Scott Straus, ''Order'', S. 87.</ref> === Widerstand === Der Völkermord war kein Gemeinschaftswerk aller Hutu. Einzelne Hutu versuchten, sich ihm zu entziehen, oder leisteten Widerstand. Die Formen dieses [[Nonkonformismus]] waren vielfältig. Sie reichten von der Flucht vor der Gewalt und den Aufforderungen zum Mitmachen über individuelle Hilfe für bedrohte Tutsi bis hin zu Versuchen, den Beginn des Völkermords im Land oder in einzelnen Landesteilen systematisch zu unterbinden. Im ruandischen Militär bemühte sich anfänglich eine Gruppe ranghoher Militärs um Oberst [[Marcel Gatsinzi]] und Oberst [[Léonidas Rusatira]], den ausbrechenden Gewalttaten Einhalt zu gebieten, sie gaben entsprechende Befehle. Diese Anweisungen sowie ein von ihnen erstelltes Kommuniqué vom 13. April 1994 blieben allerdings wirkungslos, weil die Streitkräfte sich bereits überwiegend in der Hand der extremistischen Hutu-Offiziere befanden. Militärs, die gegen den Völkermord opponierten, wurden mit Angriffen auf Leib und Leben bedroht, ihre Kommandos wurden umgangen. Gatsinzi und Rusatira verloren beispielsweise rasch ihre Posten an extremistische Hutu-Militärs.<ref>Zum Widerstand führender, allerdings bald machtloser Militärs siehe zum Beispiel Roméo Dallaire, ''Handschlag'', S. 339 und passim; Alison Des Forges, ''Kein Zeuge'', S. 236, S. 271, S. 317, S. 319–323 und öfter.</ref> Auch in der Verwaltung opponierten einflussreiche Personen gegen den Beginn des Völkermords. Den Präfekten von Gitarama und Butare, [[Fidèle Uwizeye]] beziehungsweise [[Jean-Baptiste Habyalimana]], gelang es, in den ersten Tagen die Gewalt gegen Tutsi weitgehend zu verhindern, indem sie im Zusammenspiel mit zuverlässigen Bürgermeistern und weiteren Verwaltungsmitarbeitern ihrer Präfekturen das Eindringen von Milizen aus anderen Landesteilen unterbanden und die ersten Gewalttaten gegen Tutsi – wie Plünderungen oder einzelne Morde – sofort bestraften. Nachdem die Regierung am 12. April 1994 von Kigali nach Gitarama geflüchtet war, brach in Gitarama der Widerstand gegen den Völkermord zusammen, denn die Regierung wurde von bewaffneten Einheiten wie der Präsidentengarde und der Interahamwe begleitet. Diese Verbände setzten die lokale Verwaltung unter Druck und stachelten die Bevölkerung zum Völkermord auf, an dem sie sich selbst führend beteiligten. Nachdem die zum Völkermord bereiten Kräfte die Übermacht erlangten und Widerstandsversuche erfolglos blieben, floh Uwizeye.<ref>Zum von Fidèle Uwizeye organisierten Widerstand in der Provinz Gitarama und dessen Scheitern siehe Alison Des Forges, ''Kein Zeuge'', S. 324–332.</ref> Jean-Baptiste Habyalimana, der einzige Präfekt aus den Reihen der Tutsi,<ref>Zu seiner Person siehe Alison Des Forges, ''Kein Zeuge'', S. 419.</ref> nutzte bis Mitte April in Butare seine Stellung, um gegen Versuche vorzugehen, den Tutsi in dieser Südprovinz Gewalt anzutun. Er stützte sich auf loyale Nationalpolizisten und Bürgermeister, die sich einer zunehmenden Macht von Militäroffizieren, Milizionären und aus Burundi geflüchteten Hutu gegenübersahen, die den Völkermord befürworteten. Am 17. April wurde Habyalimana seines Amtes enthoben, später inhaftiert und [[Hinrichtung|exekutiert]].<ref>Zur Beseitigung der Opposition in Butare um Habyalimana siehe Alison Des Forges, ''Kein Zeuge'', insbesondere S. 503–522.</ref> Für viele Orte Ruandas ist Widerstand von Tutsi verbürgt.<ref>Sie werden bei Alison Des Forges, ''Kein Zeuge'', S. 261 genannt.</ref> Gelegentlich entwickelten die Bedrohten gezielte Strategien, um die Angriffe besser abwehren zu können oder um die Überlebenswahrscheinlichkeit bei Massenfluchten zu erhöhen. Eine Abwehrstrategie nannte sich ''kiwunga'' (verschmelzen). Die Attackierten legten sich dabei auf den Boden. Erst wenn die Angreifer unter ihnen waren, sprangen die Tutsi auf, um die Täter im [[Nahkampf]] zu stellen. Diese scheuten in dieser Situation den Einsatz von Handfeuerwaffen oder Granaten, weil sie Opfer durch den Beschuss durch eigene Leute befürchteten. An einigen Orten teilten sich angegriffene Tutsi in Gruppen und flüchteten zu verschiedenen Zeiten und in verschiedene Richtungen.<ref>Zu ''kiwunga'' siehe Alison Des Forges, ''Kein Zeuge'', S. 261. Zur Fluchttaktik siehe Alison Des Forges, ''Kein Zeuge'', S. 264.</ref> In Bisesero nahe Kibuye verteidigten sich Tutsi lange Zeit, indem sie sich auf einen bewaldeten und steinigen Hügelkamm flüchteten. Dort versteckten sie sich und warfen Steine auf die Angreifer. Die Abwehr erfolgte koordiniert; Tutsi, die sich nicht an der Verteidigung beteiligen wollten, wurden von anderen mit Schlägen dazu gezwungen. Erst als Armeeeinheiten die Angreifer verstärkten, wurde der Widerstand gebrochen und Zehntausende von Tutsi ermordet, nur etwa 1500 Tutsi überlebten das Massaker.<ref>Zu Bisesero siehe Alison Des Forges, ''Kein Zeuge'', S. 264–266.</ref> === Rolle der Twa === Studien zum Genozid behandeln die Rolle der [[Twa]] kaum. Dies ist wesentlich durch den geringen Anteil der Twa an der Gesamtbevölkerung Ruandas bedingt. Er liegt bei unter einem Prozent, zirka 30.000 Personen wurden vor April 1994 zur Ethnie der Twa gezählt.<ref>Owen Willis, ''Forgotten People'', S. 130.</ref> Hinzu kommt ihr niedriger sozialer Status als [[Indigene Völker|indigenes Volk]]. Schätzungen besagen, dass etwa ein Drittel der Twa während des Völkermords in Ruanda umkam und ein weiteres Drittel ins Ausland floh.<ref>Owen Willis, ''Forgotten People'', S. 136</ref> Die Twa waren nicht nur Opfer, Angehörige dieser Gruppe haben sich auch den Milizen angeschlossen. Der Umfang ihrer Beteiligung am Genozid ist jedoch nicht bekannt.<ref>Owen Willis, ''Forgotten People'', S. 138.</ref> === Erneuter Bürgerkrieg === Der Abschuss der Präsidentenmaschine war das [[Fanal]] für den Beginn des Völkermords und zugleich der Anlass für den erneuten Ausbruch des Bürgerkriegs zwischen den Regierungstruppen und der Rebellenarmee RPF.<ref>Zu den nachfolgenden Informationen über die militärischen Auseinandersetzungen zwischen April und Juli 1994 siehe zusammenfassend Alan J. Kuperman: ''Limits'', S. 43 und Alison Des Forges, ''Kein Zeuge'', S. 811–814 und 819 f.</ref> Entsprechend dem Arusha-Abkommen hatte sich ein [[Bataillon]] von 600 Soldaten der RPF im Nationalratsgebäude in Kigali einquartiert. Heimlich verstärkten die Rebellen diese Einheit vor dem 6. April 1994 nach und nach auf zirka 1000 Mann. Das Bataillon wurde in den ersten Stunden nach dem Attentat auf Habyarimana von Regierungstruppen unter Feuer genommen, hielt jedoch die Stellung, bis am 11. April 1994 weitere RPF-Verbände in die ruandische Hauptstadt einmarschierten. [[Datei:RPF Buergerkrieg Ruanda 1994.jpg|thumb|upright=1.5|Vormarsch der RPF in Ruanda 1994]] Unter der militärischen Führung von Paul Kagame startete die Rebellenarmee von ihrem Hauptstandort im Norden Ruandas aus eine Offensive. Das militärische Vorgehen der Rebellen führte im April 1994 zunächst zur raschen Eroberung der Präfekturen Byumba und Kibungo. Ebenfalls im April begannen die Rebellen mit dem Angriff auf Kigali aus nördlicher und östlicher Richtung. Der Druck dieser Militäroffensive zwang die Regierung am 12. April zur Flucht aus der Hauptstadt nach Gitarama, der nächsten größeren Stadt westlich von Kigali. Tausende Zivilisten schlossen sich dieser Flucht an. Regierungstreue Armeeeinheiten blieben in Kigali, während die Rebellenarmee versuchte, die Hauptstadt einzukreisen und zu [[Belagerung|belagern]]. Im Mai griffen RPF-Einheiten, die aus Kigali und der Präfektur Kibungo herangeführt wurden, Gitarama an. Am 9. Juni 1994 begann ihr Einmarsch in diese Stadt. Nach diesem Erfolg rückten sie in südlicher Richtung vor und eroberten bis Anfang Juli die an Burundi angrenzende Präfektur Butare. Am 4. Juli zogen die Regierungstruppen aus Kigali Richtung Westen ab, erneut begleitet von Tausenden von Zivilisten, die Hauptstadt fiel an die Rebellen. Bereits im April hatte die RPF den Versuch unternommen, auf Ruhengeri vorzurücken. Dieser Vormarsch stockte, vor allem weil die Hauptstreitkräfte der Rebellen in der Schlacht um Kigali und für Militäraktionen im Osten des Landes verwendet wurden. Erst im Juli, nach den militärischen Erfolgen in der Mitte und im Süden des Landes, war die RPF im Norden Ruandas siegreich und nahm am 14. Juli 1994 Ruhengeri sowie drei Tage darauf Gisenyi ein. Der Vormarsch der Rebellen in den Südwesten des Landes wurde zunächst durch französische Interventionstruppen gestoppt, die in diesem Landesteil eine Sicherheitszone errichteten. Der Sieg der RPF beendete den Bürgerkrieg und den Völkermord. Viele Täter und die Mitglieder der Regierung setzten sich ins Ausland ab. Der RPF gelang der Sieg, obwohl sie den Regierungstruppen zahlenmäßig unterlegen war. Für Anfang April wird die Truppenstärke der RPF mit 20.000 bis 25.000 Mann angegeben. Die Zahl ihrer Gegner – Regierungssoldaten, Angehörige der Präsidentengarde, Nationalpolizisten und Milizen – wird auf 55.000 bis 70.000 Mann geschätzt.<ref>Zahlen nach Alan J. Kuperman: ''Limits'', S. 40.</ref> Die RPF machte ihren quantitativen Nachteil durch ihre überdurchschnittlich gute militärische Disziplin und [[Effizienz]] wett. Zudem fehlte der Hutu-Regierung die militärische Unterstützung durch Frankreich, die Anfang 1993 noch einmal den Sieg der RPF abgewendet hatte.<ref>„Militärexperten haben im großen und ganzen bestätigt, dass es sich bei der RPF um höchst disziplinierte Truppen mit einer klaren Kommando- und Kommunikationsstruktur handelte.“ (Alison Des Forges, ''Kein Zeuge'', S. 32). Zur Charakterisierung der RPF als disziplinierter und effizienter Rebellenarmee siehe beispielsweise auch Dallaire, ''Handschlag'', S. 23, S. 74, S. 434 und S. 626 oder auch Joel Stettenheim: ''The Arusha Accords and the Failure of International Intervention in Rwanda'', in: Melanie C. Greenberg, John H. Barton, Margaret E. McGuinness (Hrsg.): ''Words over War: Mediation and Arbitration to Prevent Deadly Conflict'' (Carnegie Commission on Preventing Deadly Conflict Series.) Rowman & Littlefield Publishers, Lanham 2000 ISBN 0-847-698-920, S. 213–236, S. 388–392, hier S. 225. ([http://www.wilsoncenter.org/subsites/ccpdc/pubs/words/8.pdf Online-Ausgabe, englisch, 243 KB]), Aufruf am 23. Dezember 2007, 23:36 Uhr.</ref> Bereits 1993 kamen Studien der tansanischen und französischen Militärgeheimdienste zu dem Schluss, dass die RPF den Regierungseinheiten deutlich überlegen sei.<ref>Siehe hierzu Bruce D. Jones, ''Peacemaking'', S. 33 f.</ref> Das Ziel der militärischen Bemühungen der RPF war der Sieg über die Regierungstruppen, nicht nur die Rettung der Tutsi.<ref>So explizit die Aussage von Alison Des Forges, ''Kein Zeuge'', S. 819.</ref> Roméo Dallaire fragt in seinem Bericht über den Völkermord in Ruanda nach den [[Priorität]]en der RPF. Seiner Ansicht nach ist es nicht ausgeschlossen, dass Paul Kagame den Völkermord in Kauf nahm, um an die Macht zu kommen.<ref>Roméo Dallaire, ''Handschlag'', S. 538.</ref> === Gewalttaten der RPF === Die RPF tötete mehrere Zehntausend Menschen in Gefechtshandlungen und anschließend beim Versuch, das eroberte Gebiet zu kontrollieren. Massaker bei militärischen Auseinandersetzungen und bei öffentlichen Versammlungen nach Ende der Kampfhandlungen, [[standrecht]]liche und willkürliche Erschießungen kamen in einem Ausmaß vor, das auf Kenntnis und Duldung durch die höheren Ränge der RPF schließen lässt, wenn nicht sogar auf Planung. Erst im August und vor allem im September ließen diese Menschenrechtsverletzungen infolge erheblichen internationalen Drucks nach.<ref>Alison Des Forges, ''Kein Zeuge'', S. 811–814. Detailreiche Schilderungen zu den Menschenrechtsverletzungen der Rebellenarmee bei Allison Des Forges, ''Kein Zeuge'', S. 824–845.</ref> Die RPF verwehrte UN-Vertretern, [[Menschenrechtsorganisation]]en und Journalisten, Hinweisen auf Menschenrechtsverletzungen durch Rebellen nachzugehen.<ref>Allison Des Forges, ''Kein Zeuge'', S. 846.</ref> Robert Gersony, ein leitender Mitarbeiter des [[Hoher Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen|Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen]] (UNHCR), trug von Anfang August bis Anfang September 1994 umfassende Informationen zusammen, die die Systematik der schweren Menschenrechtsverletzungen unterstrichen. Seinem Bericht zufolge starben zirka 25.000 bis 45.000 Personen durch Menschenrechtsverletzungen von RPF-Einheiten. Der UNHCR dementierte später die Existenz des Gersony-Berichts. Kritiker dieser UNHCR-Position behaupten, dies sei geschehen, weil sich die UN, die Vereinigten Staaten und die Regierung Ruandas darauf verständigt hätten, diesen Vergehen der RPF öffentlich wenig Gewicht beizumessen, um die neue Regierung Ruandas nicht zu brüskieren.<ref>Zur Mission und zum Bericht Gersonys sowie zum Umgang mit diesen Informationen siehe Allison Des Forges, ''Kein Zeuge,'' S. 849–856. Allison Des Forges kritisiert den UNHCR in dieser Frage. Zum Gersony-Bericht siehe auch kurz Ilona Auer-Frege: ''Der Zivile Friedensdienst, Anwendungsmöglichkeiten eines entwicklungspolitischen Konzepts am Fallbeispiel Ruanda,'' Dissertation an der [[Freie Universität Berlin|Freien Universität Berlin]], [http://www.diss.fu-berlin.de/2003/280/KapitelB3.pdf S. 120].</ref> === Internationale Reaktionen === [[Datei:Darfur-Rally 019.jpg|thumb|Roméo Dallaire]] Ein Kernelement des Arusha-Abkommens bestand in der Aufstellung von UN-Friedenstruppen in Ruanda. Der kanadische General [[Roméo Dallaire]] befehligte ab Oktober 1993 die UNAMIR<ref>Siehe hierzu [http://www.un.org/Depts/DPKO/Missions/unamir_b.htm die offizielle UN-Darstellung der UNAMIR] (Aufruf am 19. Januar 2008, 20:40 Uhr).</ref>, die von Beginn an mit erheblichen Problemen kämpfte. RTLM unterstellte dem belgischen Kontingent der UNAMIR, auf Seiten der Rebellen zu stehen. Der Großteil der Blauhelmtruppe, die Ende März 1994 eine Stärke von zirka 2500 Mann erreichte, waren Soldaten aus Ghana und [[Bangladesch]]. Die militärischen Fähigkeiten und Ressourcen insbesondere der Bengalen erwiesen sich in den kommenden Monaten oft als unzureichend. Die Finanzierung der Truppe war über lange Monate ungesichert.<ref>Hier umfassend Roméo Dallaire, ''Handschlag.''</ref> Eine weitere Schwierigkeit lag im Mandat. Die UNAMIR hatte einen Auftrag nach Kapitel VI der [[Charta der Vereinten Nationen]]. Allein die Förderung des Friedens, eine so genannte [[Friedensmission]], war möglich, nicht die [[Friedenserzwingung|Erzwingung des Friedens]] gegen eine oder mehrere Kriegsparteien – ein solches Vorgehen hätte ein Mandat nach Kapitel VII der Charta erfordert. Den UNAMIR-Soldaten war der Einsatz von Waffen nur im äußersten Notfall zur Selbstverteidigung gestattet. Im Januar 1994 erhielt Dallaire Kenntnis von geheimen Waffenlagern, von Todeslisten, von geplanten Angriffen auf die belgischen UNAMIR-Soldaten sowie von der gezielten Torpedierung des Arusha-Friedensprozesses. Er informierte am 11. Januar seine Vorgesetzten in der UN-Zentrale darüber per Fax. Diese wiesen ihn ausdrücklich an, das Mandat nach Kapitel VI eng auszulegen und die Waffenverstecke nicht auszuheben, sondern das Gespräch mit Präsident Habyarimana zu suchen.<ref>Dieses kontrovers diskutierte, so genannte Völkermord-Fax, im Internet als [http://www2.gwu.edu/~nsarchiv/NSAEBB/NSAEBB53/rw011194.pdf PDF-Datei mit 89 KB] zu finden, ist Thema in vielen umfassenderen Abhandlungen zum Völkermord. Siehe exemplarisch die Darstellungen bei Alison Des Forges, ''Kein Zeuge'', S. 211 f; Dallaire, ''Handschlag'', S. 177–187; Bruce D. Jones, ''Peacemaking'', S. 113–115, im OAU-Bericht ''The Report Of The International Panel Of Eminent Personalities To Investigate The 1994 Genocide In Rwanda And The Surrounding Events'', Abschnitt 13.26–13.34 ([http://www.aegistrust.org/images/stories/oaureport.pdf Online-Version, englisch, 908 KB]), Aufruf am 24. Dezember 2007, 14:00 Uhr oder im [http://www.ess.uwe.ac.uk/documents/RwandaReport1.htm#January%20Cable Bericht der unabhängigen Untersuchungskommission über die Maßnahmen der Vereinten Nationen während des Völkermords in Ruanda 1994] (Aufruf am 21. Januar 2008, 22:00 Uhr).</ref> Auch weitere Warnungen des UNAMIR-Befehlshabers<ref>Aufgelistet bei Alison Des Forges, ''Kein Zeuge'', S. 212.</ref> sowie seine Bitten um eine Stärkung des Mandats und um bessere Ausrüstung der UNAMIR blieben ohne Wirkung. Nach dem Ausbruch der Gewalt, insbesondere als Reaktion auf die Tötung der zehn belgischen UNAMIR-Soldaten, reduzierte die UN ihre Blauhelmtruppe von zirka 2500 Mann auf 270 Soldaten. Insbesondere der vollständige Abzug der Belgier war laut Dallaire ein schwerer Schlag für die UNAMIR.<ref>Zahlenangabe gemäß OAU-Bericht ''The Report Of The International Panel Of Eminent Personalities To Investigate The 1994 Genocide In Rwanda And The Surrounding Events,'' Abschnitt 10.11 ([http://www.aegistrust.org/images/stories/oaureport.pdf Online-Version, englisch, 908 KB]), Aufruf am 24. Dezember 2007, 14:00 Uhr. Die Einschätzung Dallaires zur Wirkung des Abzugs der Belgier findet sich auch in diesem Bericht, und zwar in Abschnitt 15.9.</ref> Weil ein Teil der Blauhelme nicht ausgeflogen werden konnte, verblieben jedoch 540 Mann vor Ort.<ref>Siehe Allison Des Forges, ''Kein Zeuge'', S. 748.</ref> Ruander, die in der Nähe von Blauhelmtruppen Schutz gesucht hatten, fielen nach dem Abzug ihren Mördern in die Hände. Das bekannteste Beispiel dafür ist das Massaker an der ''École Technique Officielle'' in Kigali. Unmittelbar nach dem Rückzug von 90 Belgiern töteten Milizionäre und Angehörige der ruandischen Armee etwa 2000 Menschen, die in dieser Schule Zuflucht gesucht hatten.<ref>OAU-Bericht ''The Report Of The International Panel Of Eminent Personalities To Investigate The 1994 Genocide In Rwanda And The Surrounding Events'', Abschnitt 10.13 und 15.47 ([http://www.aegistrust.org/images/stories/oaureport.pdf Online-Version, englisch, 908 KB]), Aufruf am 24. Dezember 2007, 14:00 Uhr. Zum Massaker nach dem Abzug der Belgier aus der ''École Technique Officielle'' ausführlich Alison Des Forges, ''Kein Zeuge'', S. 728–733.</ref> Kritiker des UN-Abzuges sehen in diesem einerseits die Beseitigung des letzten Schutzes für die Bedrängten, andererseits einen Freibrief für die Täter zur Fortsetzung des Völkermords.<ref>Siehe Stefan Trines, ''Unterlassene Hilfeleistung'', S. 161.</ref> Frankreich und Belgien organisierten mit Unterstützung durch [[Italien]] und die Vereinigten Staaten die Evakuierungsaktion [[Opération Amaryllis]]. Belgische und französische [[Elitetruppe]]n brachten dabei vom 8. bis zum 14. April 1994 zirka 4000 Ausländer in Sicherheit, nicht jedoch Ruander, die bei ausländischen Institutionen angestellt waren und bereits bedroht wurden.<ref>Zur Evakuierungsaktion siehe Alison Des Forges, ''Kein Zeuge'', S. 719–728.</ref> Deutsche Kapazitäten zur Evakuierung waren nicht verfügbar. Dies wurde als Hauptursache für die Gründung der [[Kommando Spezialkräfte]] angesehen. Trotz der zunehmenden Informationsdichte über das Ausmaß der Gewalttaten vermied es die amerikanische Regierung bewusst, von einem Völkermord zu sprechen.<ref>Siehe hierzu die Präsentation und Kommentierung entsprechender, mittlerweile veröffentlichter US-Regierungsakten durch William Ferroggiaro: ''[http://www2.gwu.edu/~nsarchiv/NSAEBB/NSAEBB53/press.html The US and the Genocide in Rwanda 1994, Evidence of Inaction, A National Security Archive Briefing Book.]'' (Aufruf am 22. Januar 2008, 22:15 Uhr).</ref> Wären die Geschehnisse so bezeichnet worden, wäre die internationale Gemeinschaft gemäß der UN-[[Konvention über die Verhütung und Bestrafung des Völkermordes]] zwingend zum Handeln verpflichtet gewesen. Stattdessen sprachen Vertreter der US-Regierung von „Chaos“ oder von möglichen „genozidalen Akten“. Die Wahl dieser Begrifflichkeit hing mit den nur wenige Monate zuvor gemachten Erfahrungen während der [[UNOSOM II]] zusammen, die als bewaffnete humanitäre Aktion in [[Somalia]] Anfang Oktober 1993 gescheitert war. Nachdem 18 US-Soldaten bei [[Schlacht von Mogadischu|dieser Mission]] getötet worden waren und die Bilder der [[Leichenschändung|Schändung ihrer Leichen]] weltweit im Fernsehen zu sehen gewesen waren, war die Bereitschaft, in [[Subsahara-Afrika|Schwarz-Afrika]] erneut eine humanitäre Mission zu starten, für die USA nicht gegeben. Gesetzlich verfestigt wurde dies durch eine ''Presidential Directive'' (PDD 25) von 1993. Ruanda galt überdies als Land ohne strategischen Wert.<ref>Zur Politik der USA in den ersten Wochen der Krise siehe Alison Des Forges, ''Kein Zeuge'', S. 738–740.</ref> Der [[Generalsekretär der Vereinten Nationen]], [[Boutros Boutros-Ghali]], wählte ebenfalls undeutliche Formulierungen. Am 20. April 1994 sprach er von einem Volk, das in „verhängnisvolle Umstände geraten“<ref>„a people who have fallen into calamitous circumstances“ Zitiert nach [http://www.un.org/Docs/secu94.htm UN-Dokument S/1994/470], ''Report of the Secretary-General on the United Nation Assistance Mission for Rwanda'' vom 20. April 1994. Zu den Diskussionsprozessen im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen siehe ferner Alison Des Forges, ''Kein Zeuge'', S. 740–748.</ref> sei. Zu diesem Zeitpunkt nannten Menschenrechtsorganisationen wie Human Rights Watch und die [[Fédération Internationale des Ligues des Droits de l'Homme]] die Ereignisse bereits ausdrücklich Völkermord.<ref>Human Rights Watch tat dies in einem Schreiben vom 19. April 1994 an den UN-Generalsekretär, die Fédération Internationale des Ligues des Droits de l’Homme folgte mit einem Schreiben an die gleiche Adresse vom 21. April 1994. Siehe Alison Des Forges, ''Kein Zeuge'', S. 746.</ref> [[Datei:UN security council 2006.jpg|thumb|left|Sitzungssaal des Sicherheitsrates im [[UN-Hauptquartier]] in [[New York City|New York]]]] Zufälligerweise hatte Ruanda in den Wochen des Genozids als nichtständiges Mitglied einen Sitz im [[Sicherheitsrat der Vereinten Nationen]]. Die Regierung Ruandas war damit über die Diskussionen und Stimmungen in diesem Gremium aus erster Hand informiert. Am 16. Mai 1994 nahmen Vertreter der ruandischen Regierung an einer Sitzung des Sicherheitsrates teil. Von den 14 übrigen Mitgliedern kritisierte nur eine Minderheit die Vertreter Ruandas für die exzessiven Gewalttaten. Die für den Völkermord verantwortliche Regierung konnte aus diesem Verhalten schließen, dass dem Sicherheitsrat keine klaren Informationen vorlagen und er sich nicht zu klaren Worten entschließen würde.<ref>Zur Bedeutung des ruandischen Sitzes im Sicherheitsrat siehe Alison Des Forges, ''Kein Zeuge'', S. 760 f.</ref> Von Ende April bis Mitte Mai 1994 setzte ein Stimmungsumschwung ein, nachdem immer häufiger Fernsehberichte Flüchtlinge zeigten, die massenhaft aus Ruanda ins westliche Nachbarland Zaire flohen. Dieser Flüchtlingsstrom setzte sich aus Hutu zusammen, die vor den anrückenden RPF-Einheiten zurückwichen. Die Sorge vor Vergeltung, die von den Radiosendern massiv geschürt wurde, trieb sie dazu an. Zugleich zwangen Hutu-Milizen diese Flüchtlinge dazu, ihnen als [[menschlicher Schutzschild]] zu dienen. Am 17. Mai beschloss der UN-Sicherheitsrat den Einsatz von UNAMIR II. Diese Truppe sollte 5500 Mann umfassen und mit einem robusteren Mandat als die Vorgängertruppe ausgestattet sein, das den militärischen Schutz bedrohter Zivilisten gestattete.<ref>Resolution 918 des UN-Sicherheitsrates [http://www.securitycouncilreport.org/atf/cf/%7B65BFCF9B-6D27-4E9C-8CD3-CF6E4FF96FF9%7D/Rwan%20SRES%20918.pdf (PDF-Datei, 16 KB)], Aufruf am 23. Januar 2008, 22:30 Uhr).</ref> Trotz dieses Beschlusses verzögerte sich die Aufstellung der geforderten Truppen und die Bereitstellung des notwendigen militärischen Materials.<ref>Siehe Stefan Trines, ''Unterlassene Hilfeleistung'', S. 166.</ref> Als die RPF Mitte Juli den Bürgerkrieg gewonnen hatte, war immer noch ungefähr die gleiche Anzahl von Blauhelm-Soldaten in Ruanda wie unmittelbar nach der Truppenreduzierung.<ref>Zu UNAMIR II und den Schwierigkeiten ihrer Implementierung siehe Alison Des Forges, ''Kein Zeuge'', S. 761–764.</ref> Vor diesem Hintergrund ergriff Frankreich die Initiative und stellte sich an die Spitze der [[Opération Turquoise]]. Diese humanitäre Intervention war gestützt auf Kapitel VII der UN-Charta und führte ab dem 24. Juni 1994 zur Bildung und Aufrechterhaltung einer Sicherheitszone im Südwesten Ruandas. In diesem Gebiet, das etwa ein Fünftel Ruandas ausmachte, ballten sich die Hutu-Flüchtlinge. Erklärter Zweck war der Schutz der Zivilisten innerhalb dieser Zone sowie die Förderung der Verteilung von Hilfsgütern durch [[Hilfsorganisation]]en. Die Operation stieß, obwohl sie vielen Zivilisten Sicherheit brachte, von Beginn an auf Kritik. Die RPF sah in dieser Maßnahme die Fortsetzung des Versuchs Frankreichs, die alte Regierung Ruandas zu stützen und den Sieg der RPF zu vereiteln. Diese Sichtweise wurde dadurch gefördert, dass extremistische Hutu den Einmarsch der Franzosen euphorisch begrüßten und versuchten, sie zum Kampf gegen die Rebellen zu animieren. Die Interventionstruppe entwaffnete die Hutu-Milizen nicht und wirkte einer Flucht von Tätern und Regierungsangehörigen ins Ausland nicht entgegen. Auch dies förderte die Kritik an der Politik Frankreichs. Am 21. August 1994 übergaben die Franzosen die Zone der nunmehr personell gestärkten UNAMIR II.<ref>Zur Opération Turquoise siehe Roméo Dallaire, ''Handschlag'', S. 479–521; Alison Des Forges, ''Kein Zeuge,'' S. 786–808.</ref> == Folgen == === Flüchtlingskrise === [[Datei:Rwandan refugee camp in east Zaire.jpg|thumb|Flüchtlingscamp im Osten Zaires]] Der Völkermord destabilisierte die gesamte Region der Großen Afrikanischen Seen. Mehr als zwei Millionen Ruander flohen außer Landes.<ref>Durch den Bürgerkrieg, den Völkermord und den Exodus sank die Bevölkerungszahl Ruandas um 40 Prozent. Angabe nach Stefan Siebels, ''Die Flüchtlingskrise,'' S. 183, Anm. 1.</ref> Als Reaktion auf diese Flüchtlingsströme, auf die Ausbreitung von [[Epidemie|Seuchen]] und eine sehr hohe [[Mortalität|Sterblichkeit]] in den [[Flüchtlingslager]]n setzte eine umfassende internationale Hilfsaktion ein. Schwerpunkt waren dabei die Lager in Ostzaire, nahe der Stadt [[Goma]]. Hier lebten die meisten Flüchtlinge.<ref>1995 lebten in Uganda zirka 10.000, in Burundi zirka 270.000, in Tansania etwa 577.000 und in Zaire zirka 1.245.000 Flüchtlinge. Zahlen nach dem OAU-Report (''The Report Of The International Panel Of Eminent Personalities To Investigate The 1994 Genocide In Rwanda And The Surrounding Events,'' Abschnitt 19.3. ([http://www.aegistrust.org/images/stories/oaureport.pdf Online-Version, englisch, 908 KB]), Aufruf am 24. Dezember 2007, 14:00 Uhr.</ref> In diesen grenznahen Lagern übernahmen extremistische Hutu rasch die Macht. Sie bauten die Camps zu Basen für die Wiedereroberung Ruandas aus, ohne dass diesem Missbrauch durch Hilfsorganisationen oder UN-Einrichtungen effektiv widersprochen worden wäre. Extremistische Politiker, ehemalige Verwaltungsangestellte, Soldaten und Milizionäre zwangen die zivile Flüchtlingsbevölkerung, diesen Missbrauch zu decken. Die fortgesetzte politische Aufwiegelung gegen Tutsi und moderate Hutu, die Kontrolle der Hilfsgüterverteilung, die Beschaffung von Waffen für den Wiedereinmarsch in Ruanda, die Rekrutierung von neuen Kämpfern aus den Reihen der Flüchtlinge und die Etablierung militärischer Trainingscamps gehörten in diesen Lagern zum Alltag.<ref>Zur Dominanz der extremistischen Hutu in den Flüchtlingslagern Zaires Stefan Siebels, ''Die Flüchtlingskrise,'' S. 189 f.</ref> Nach einer Reihe von [[Sabotage]]akten in Ruanda aus diesen Lagern heraus sowie nach der massiven Bedrohung der [[Banyamulenge]], die als eine den Tutsi nahe stehende Ethnie seit Generationen im Ostzaire lebten, wurden diese Lager ab Ende 1996 durch eine gemeinsame Aktion von Verbänden der Banyamulenge, der neuen ruandischen Armee und Militäreinheiten aus Uganda aufgelöst. Ungefähr 500.000 Flüchtlinge gingen zurück nach Ruanda und entzogen sich auf diese Weise dem Einfluss der extremistischen Hutu. Die Milizen und von ihnen dominierte Flüchtlingsgruppen, zusammen etwa 300.000 bis 350.000 Personen, zogen weiter ins Inland von Zaire. Diese Ereignisse bildeten zugleich den Auftakt des ersten [[Kongokrieg]]s. Zur gleichen Zeit kehrten auch zirka 500.000 Flüchtlinge aus Tansania nach Ruanda zurück.<ref>Zur Auflösung der grenznahen Hutu-Lager in Zaire und zur Rückkehr der Flüchtlinge nach Ruanda siehe Stefan Siebels, ''Die Flüchtlingskrise,'' S. 192–194.</ref> Die Situation in den ostkongolesischen Provinzen [[Nord-Kivu]] und [[Süd-Kivu]] ist seit Jahren instabil. Zum Jahresende 2007 waren dort zirka 600.000 bis 800.000 Menschen auf der Flucht vor den Auseinandersetzungen der [[Forces Démocratiques de la Libération du Rwanda]]<ref>Deutsch: ''Demokratische Streitmächte der Befreiung Ruandas''.</ref>, einer etwa 6000 Mann starken Truppe aus Génocidaires und weiteren Hutu auf der einen Seite sowie einer 4000 bis 6000 Mann starken Tutsi-Kampfgruppe um [[Laurent Nkunda]], die angeblich von Ruanda unterstützt wird, auf der anderen Seite.<ref>Siehe hierzu den Artikel von Thomas Scheen in der [[Frankfurter Allgemeine Zeitung|Frankfurter Allgemeinen Zeitung]] vom 10. November 2007: ''Hutu gegen Tutsi, diesmal im Kongo.''</ref> === Vergewaltigungsopfer === Die genaue Zahl der Frauen und Mädchen, die während des Völkermords in Ruanda vergewaltigt wurden, ist nicht bekannt. Nach Angaben von [[UNICEF]] wird die Zahl der vergewaltigten Mädchen und Frauen auf 250.000 bis 500.000 geschätzt.<ref>Siehe [http://www.unicef.de/medica_mondiale.html Mädchen und Frauen als Zielscheibe]. Bericht der deutschen Sektion von UNICEF zum [[Internationaler Frauentag|Weltfrauentag]], 4. März 2004. Scott Straus (''Order'', S. 52) hält die Zahl von mindestens 250.000 Vergewaltigungen für möglicherweise zu hoch.</ref> Die betroffenen Frauen leiden häufig unter sozialer [[Ächtung]], denn auch in Ruanda gelten solche Taten zugleich als persönliche [[Schande]] der Opfer. Viele vergewaltigte Frauen sind durch die sexuellen Gewalttaten Mütter geworden – Schätzungen gehen von 2000 bis 5000 Fällen aus. Ein hoher Prozentsatz der Vergewaltigten ist [[Humanes Immundefizienz-Virus|HIV]]-positiv.<ref>Zum Umfang und zu den Folgen der Vergewaltigungen für ruandische Frauen und Mädchen siehe den Bericht der OAU über den Völkermord in Ruanda (''The Report Of The International Panel Of Eminent Personalities To Investigate The 1994 Genocide In Rwanda And The Surrounding Events'', Abschnitt 16.17–16.32. ([http://www.aegistrust.org/images/stories/oaureport.pdf Online-Version, englisch, 908 KB]), Aufruf am 24. Dezember 2007, 14:00 Uhr. Vgl. im Detail auch den Bericht von Human Rights Watch über sexuelle Gewalt während des Völkermords [http://hrw.org/reports/1996/Rwanda.htm ''Shattered Lives. Sexual Violence during the Rwandan Genocide and its Aftermath''].</ref> Die Behandlung von vergewaltigten Frauen, die an [[AIDS]] erkrankt sind, scheitert oft an den Kosten für die entsprechenden Medikamente. Personen, die auf Grund des Völkermords interniert sind, werden dagegen behandelt, weil entsprechende Ressourcen bereitgestellt werden.<ref>Lindsey Hilsum: ''Rwandan genocide survivors denied AIDS treatment'', Artikel des [[British Medical Journal]], April 2004. Siehe überdies Shelley Whitman, ''Plight'', S. 96 f. und 101.</ref> === Haushalte ohne Erwachsene === 1999 gab es in Ruanda schätzungsweise 45.000 bis 60.000 Haushalte, denen Minderjährige vorstanden. Zirka 300.000 Kinder lebten in solchen Haushalten. Ungefähr 90 Prozent dieser Haushalte wurden von Mädchen geführt, die über kein reguläres Einkommen verfügten. Die Kinder erhielten kaum Hilfen, sondern wurden weitgehend sich selbst überlassen, ohne dass sie in der Lage gewesen wären, die Befriedigung ihrer [[Grundbedürfnis]]se sicherzustellen.<ref>Siehe hierzu den OAU-Bericht (''The Report Of The International Panel Of Eminent Personalities To Investigate The 1994 Genocide In Rwanda And The Surrounding Events'', Abschnitt 16.62–16.64. ([http://www.aegistrust.org/images/stories/oaureport.pdf Online-Version, englisch, 908 KB]), Aufruf am 24. Dezember 2007, 14:00 Uhr. Zur prekären Lage vieler Kinder in Ruanda siehe insbesondere den Bericht von Human Rights Watch: [http://www.hrw.org/reports/2003/rwanda0403/ ''Rwanda lasting wounds: Consequences of Genocide and War for Rwanda’s Children''] (englisch, Aufruf am 31. März 2009 19:20 Uhr).</ref> Die Ausbreitung von AIDS, die durch die Vergewaltigungen während des Völkermords einen Schub erfuhr, machte 160.000 Kinder zu [[Waise]]n. Ein Anwachsen dieser Zahl ist zu erwarten. Allein für Kigali wird der Anteil der schwangeren Frauen, die mit HIV infiziert sind, auf 30 Prozent geschätzt.<ref>Zahlen nach Shelley Whitman, ''Plight'', S. 101.</ref> Unmittelbar nach dem Völkermord lag der Frauenanteil in Ruanda durch die Ermordung, Flucht oder Verhaftung von Männern bei zirka 70 Prozent. Unter dem Aspekt der höheren Frauenquote wird der Völkermord in speziellen Publikationen deshalb auch als [[Gendercide]] bezeichnet.<ref>[http://dp.vidc.org/fileadmin/Bibliothek/DP/pdfs/G_K/gkRuanda.pdf Magda Seewald: ''Gender & bewaffnete Konflikte: Ruanda'', Wien 2006.]</ref> In bestimmten Gebieten Ruandas führte diese Situation zur Praxis des Männer-Sharing ([[kwinjira]]), das neben möglichen persönlichen Konflikten auch neue Gefahren in Bezug auf die Verbreitung von AIDS birgt. <ref>Marcel Bohnert, ''Zum Umgang mit belasteter Vergangenheit im postgenozidalen Ruanda'', S. 42.</ref> === Jugendliche Täter === Eine Besonderheit des Genozids in Ruanda ist eine große Anzahl jugendlicher Täter. Häufig waren sie über ihre eigenen Taten traumatisiert. Zirka 5000 Jugendliche wurden inhaftiert. Die zum Zeitpunkt der Ereignisse unter Vierzehnjährigen wurden bis 2001 freigelassen.<ref>[http://www.unicef.de/index.php?id=201 Die Wunden heilen nur langsam]. Auf: www.unicef.de, 10. März 2004, abgerufen am 18. Februar 2008.</ref> Die fehlende Ausbildung, die Jahre der Haft während der Jugendzeit und der Verlust der Vorbildfunktion der Elterngeneration führen in dieser Gruppe zu einer ausgeprägten Perspektiv- und Orientierungslosigkeit. Eine Rückführung dieser Kinder in ihre Familien ist oft problematisch. Vielfach werden sie aus ökonomischen Gründen oder aus Angst vor Repressionen abgewiesen.<ref>Siehe den Beitrag [http://www.nytimes.com/library/world/africa/rwanda-genocide-institute.html ''Children of Rwanda’s Genocide, Orphans and Detainees''] auf der Website der [[The New York Times|New York Times]], englisch, Aufruf am 19. Februar 2008, 9:00 Uhr.</ref> === Religionszugehörigkeit === Ruanda galt bis 1994 als das am stärksten [[Katholizismus|katholische]] Land in Afrika. 68 Prozent der Bevölkerung zählten vor April 1994 zur [[Katholische Kirche|katholischen Kirche]], 18 Prozent gehörten [[Protestantismus|protestantischen Kirchen]] an. Ungefähr ein Prozent waren [[Muslim]]e. Gegen alle christlichen Gemeinschaften mit Ausnahme der [[Zeugen Jehovas]]<ref>Die Zeugen Jehovas waren 1994 eine kleine Gruppe in Ruanda. Die Aussage zur Nichtbeteilung dieser Gruppe findet sich bei Rainer Klüsener, ''Muslime'', S. 71, dort auch Anm. 37, ferner dort S. 94 f. Sie findet sich überdies bei Christian P. Scherrer: ''Genocide and Crisis in Central Africa. Conflict Roots, Mass Violence, and Regional War'', Praeger, Westport, Connecticut/London 2002, ISBN 0-275-97224-0, S. 113. Die Sonderrolle der Zeugen Jehovas wird ebenfalls aus Stellungnahmen von Menschenrechtsgruppen deutlich. Siehe Ellen Gutzler, Gudrun Honke und Sylvia Servaes: [http://www.gfbv.it/3dossier/africa/ruanda-dt.html ''Die Auseinandersetzungen in Ruanda. Ein „uralter Stammeskrieg“?''], in: ''pogrom, Zeitschrift für bedrohte Völker'' (Zeitschrift der [[Gesellschaft für bedrohte Völker]]), 177-1994. Vgl. auch [http://www.ref.ch/rna/meldungen/1664.htm ''Harare: Völkermord ungesühnt. Protestantische Kirchenführer Ruandas sollen vor Gericht. Nur Zeugen Jehovas wird nichts vorgeworfen''], Pressemeldung des ''Reformierten Pressedienstes'' vom 8. Dezember 1998. Diese Pressemeldung bezieht sich auf einen Appell von ''African Rights'' mit dem Titel ''The Protestant Churches and the Genocide: An Appeal to the World Council of Churches’ Meeting in Harare'' (Dezember 1998).</ref> werden Vorwürfe erhoben, in den Völkermord verstrickt gewesen zu sein. Dem Klerus wird insbesondere das mehrheitliche Schweigen zum Völkermordgeschehen vorgehalten. Zwar schützte eine Reihe von Kirchenvertretern Verfolgte und trat der Gewalt vor Ort entgegen, jedoch kamen aus den Reihen des [[Klerus]] auch Täter.<ref>Die Vorwürfe umfassen Begünstigung von Straftaten, Aufruf zu Straftaten und in einigen Fällen unmittelbare Täterschaft.</ref> Zugleich zählten mehrere Hundert Kleriker, insbesondere Tutsi, zu den Opfern der Gewalttaten. Kirchen waren außerdem sehr häufig Tatorte von Massakern. In besonderem Maß wird der katholischen Kirche eine Mitverantwortung für das Völkermordgeschehen vorgeworfen. Sie verfügte über enge Beziehungen zur Machtgruppe um Habyarimana. Nach dem Ende des Genozids führte dies zu einem Ansehensverlust. Viele Ruander hinterfragten ihren christlichen Glauben. Eine Auseinandersetzung mit dem Schweigen des Klerus und mit der aktiven Beteiligung einiger Kirchenvertreter an Völkermordstraftaten hat bei den betroffenen Kirchen bislang kaum stattgefunden. Es gibt jedoch von einigen Kirchen wie den protestantischen Kirchen Ruandas Schuldbekenntnisse oder Entschuldigungen. 1996 lehnte Papst [[Johannes Paul II.]] eine Mitverantwortung der katholischen Kirche für den Völkermord ab. Die Schuld liege allein bei einzelnen Tätern aus den Reihen der Gläubigen.<ref>Zu den Vorwürfen gegen die Kirche siehe Rainer Klüsener, ''Muslime'', hier besonders S. 71–73. Siehe auch zudem den OAU-Bericht (''The Report Of The International Panel Of Eminent Personalities To Investigate The 1994 Genocide In Rwanda And The Surrounding Events'', Abschnitt 18.5 und 18.8. sowie 14.65 bis 14.74 ([http://www.aegistrust.org/images/stories/oaureport.pdf Online-Version, englisch, 908 KB]), Aufruf am 24. Dezember 2007, 14:00 Uhr. Ferner Ilona Auer-Frege: ''Der Zivile Friedensdienst, Anwendungsmöglichkeiten eines entwicklungspolitischen Konzepts am Fallbeispiel Ruanda'', Dissertation an der Freien Universität Berlin, [http://www.diss.fu-berlin.de/2003/280/KapitelC1.pdf S. 219 f]. Siehe ferner den Beitrag von Stephanie Nieuwoudt: [http://iwpr.net/?p=acr&s=f&o=325838&apc_state=henpacr ''Rwanda: Church Role in Genocide Under Scrutiny. Were Catholic priests and nuns complicit in mass killings, or simply helpless bystanders?''] im Africa Report vom 1. Dezember 2006 des [[Institute for War and Peace Reporting]] (Englisch, Aufruf am 20. Februar 2008, 16:30 Uhr). Die Menschrechtsorganisation ''African Rights'' bewertet das Verhalten der Kirchen als moralisches Versagen. Siehe [http://query.nytimes.com/gst/fullpage.html?res=990CE7D71430F934A35754C0A963958260&sec=&spon=&pagewanted=1 Raymond Bonner: ''Clergy in Rwanda Is Accused of Abetting Atrocities''], in: Online-Archiv der ''New York Times'', erschienen am 7. Juli 1995, abgerufen am 26. Februar 2009. Zum Schuldbekenntnis protestantischer Kirchen siehe [http://www.c3.hu/~bocs/cpq97s-g.htm Kirche und Frieden: ''Schulderklärung der Kirchen in Ruanda''.] Wiedergabe einer Meldung aus dem EPD-Wochenspiegel, abgerufen am 25. Februar 2009.</ref> Während des Genozids haben Muslime auffällig oft bedrohte Tutsi und Hutu beschützt. Eine umfassende Teilnahme an den Gewalttaten ist nicht bekannt. Als Gruppe waren sie zugleich nicht das Ziel der Gewalt. Viele Ruander hielten sie nicht für Einwohner des Landes, sondern für eine Sondergruppe, die ihre Identität nicht aus dem Bezug zur geografischen Heimat, sondern aus der Gemeinschaft der Muslime herleitete. Die Bereitstellung von Verstecken und die weitgehende Verweigerung, sich am Genozid zu beteiligen, haben die Wertschätzung der Muslime im postgenozidären Ruanda nachhaltig verbessert. Sie gelten als Beispiel für die anzustrebende nichtethnische, die ruandische Identität. Der Anteil der Muslime ist seit Mitte 1994 sehr stark angestiegen und belief sich im Jahr 2006 auf ungefähr 8,2 Prozent. Für [[Konversion (Religion)|Konversionen]] wird eine Reihe von Faktoren angeführt. Die christlichen Kirchen, insbesondere die katholische Kirche, leiden unter Ansehensverlusten. Muslime hätten sich in den Monaten des Völkermords als Retter existenziell bedrohter Menschen erwiesen. Einige Konvertierte hoffen zudem, durch ihren Übertritt zum Islam möglichen zukünftigen Gewaltausbrüchen entgehen zu können. Führende Muslime in Ruanda betrachten es als ihre Aufgabe, zur Versöhnung von Tutsi und Hutu beizutragen, und nennen diese Obliegenheit den [[Dschihad]] in Ruanda. [[Islamischer Fundamentalismus]] wird in Ruanda nicht beobachtet.<ref>Zum Verhalten der Muslime während des Völkermords und zur gewachsenen Bedeutung des Islam in Ruanda nach 1994 siehe insbesondere Alana Tiemessen, ''Genocide''. Siehe ferner Rainer Klüsener, ''Muslime'', hier besonders S. 60–91.</ref> === Juristische Aufarbeitung === [[Datei:ICTR in Kigali.jpg|thumb|left|Gebäude des ICTR in Kigali]] Die juristische Aufarbeitung des Völkermords findet auf drei Ebenen statt. Der [[Internationaler Strafgerichtshof für Ruanda|Internationale Strafgerichtshof für Ruanda]] (ICTR) erhebt gegen den exklusiven Kreis hochrangiger Planer und Organisatoren des Völkermords Anklage. Dieses Ad-hoc-Gericht basiert auf einem Beschluss des Sicherheitsrates und führt die entsprechenden Prozesse im tansanischen Arusha. Kritiker halten dem Strafgerichtshof Ineffizienz vor. Seit der Aufnahme seiner Tätigkeit im November 1995 sprach er bis Ende März 2009 gegen 29 Personen Urteile, sieben Verfahren befanden sich Ende März 2009 in der Berufung, während Prozesse gegen 22 weitere Angeklagte liefen. Acht Angeklagte warteten zu diesem Zeitpunkt auf die Eröffnung ihrer Verfahren.<ref> Siehe die [http://69.94.11.53/ENGLISH/cases/status.htm Übersicht über die Verfahren]auf der Website des ICTR. (englisch, Aufruf am 31. März 2009, 19:35 Uhr). Zur Kritik am ICTR siehe insbesondere die Studie der [[International Crisis Group]]: [http://www.crisisgroup.org/home/index.cfm?id=1649&l=5 ''International Criminal Tribunal for Rwanda: Justice Delayed''] vom 7. Juni 2001. (Englisch, Aufruf am 12. Februar 2008, 17:50 Uhr).</ref> Schätzungen besagen, dass in Arusha – trotz eines durchschnittlichen Jahresbudgets von 100 Millionen US-Dollar und trotz über 800 Angestellten – bis zum Auslaufen des ICTR-Mandats im Jahr 2010 Urteile gegen insgesamt zirka 80 Personen gesprochen sein werden. Zu dieser Kritik an mangelnder Effizienz kommt der Vorwurf einer ungenügenden [[Öffentlichkeitsarbeit]] hinzu. Kaum jemand in Ruanda und im Ausland interessiere sich für die Prozesse in Arusha. Zugute gehalten wird dem Gericht, dass es Einzelne nicht nur wegen Völkermordverbrechen anklagte, sondern auch aburteilte, dass Jean Kambanda, Staatsoberhaupt während des Genozids, in seinem Verfahren ein umfassendes Schuldeingeständnis formulierte und dass Vergewaltigungen beziehungsweise sexuelle Verstümmelungen als [[Verbrechen gegen die Menschlichkeit]] und durch das [[Akayesu-Urteil|Urteil gegen Jean Paul Akayesu]] als Völkermordhandlungen anerkannt wurden.<ref>Zur Einschätzung der Arbeit des ICTR siehe Axel T. Paul, ''Schuld'', S. 39–42.</ref> Der Großteil der Täter bleibt der nationalen Gerichtsbarkeit Ruandas überlassen, der zweiten Ebene der juristischen Behandlung des Genozids. Diese ist aber aufgrund der großen Fallzahl nicht in der Lage, für zeitnahe Gerichtsverhandlungen zu sorgen. Den Völkermord überlebten nur wenige Richter. Trotz international geförderter Trainingsprogramme und Aktivitäten zum Wiederaufbau des Justizsystems blieben die Leistungsfähigkeit sowie die Unabhängigkeit der nationalen Gerichte unzureichend.<ref>Zu den Problemen der postgenozidären Justiz Ruandas siehe den OAU-Bericht (''The Report Of The International Panel Of Eminent Personalities To Investigate The 1994 Genocide In Rwanda And The Surrounding Events,'' Abschnitt 18.33–18.42. ([http://www.aegistrust.org/images/stories/oaureport.pdf Online-Version, englisch, 908 KB]), Aufruf am 24. Dezember 2007, 14:00 Uhr.</ref> Bis 2004 hat es durch ordentliche ruandische Gerichte etwa 10.000 Urteile gegeben, ein Fünftel davon waren Freisprüche, 10 Prozent Todesurteile.<ref>Zahlen nach Gerd Hankel, ''Versuch'', S. 107.</ref> Seit 2005 finden daher Völkermordprozesse landesweit in so genannten [[Gacaca]]-Gerichten statt. Zentrales Ziel der Schaffung dieser dritten Ebene ist die Beschleunigung der Völkermordprozesse und die Bewältigung ihrer großen Zahl.<ref>Axel T. Paul, ''Schuld'', S. 47.</ref> Sozial anerkannte, gewählte [[Ehrenamtlicher Richter|Laienrichter]] – ihre Gesamtzahl beläuft sich auf etwa 260.000<ref>Zahl nach Gerd Hankel, ''nichts gemacht,'' S. 44, Anm. 45.</ref> – urteilen hier in öffentlichen Versammlungen, die gesetzlich festgelegten Regeln folgen<ref>Genannt werden die gesetzlichen Grundlagen bei Axel T. Paul, ''Schuld'', S. 46, Fußnote 47.</ref> und bei denen mindestens 100 Erwachsene anwesend sein müssen. Derzeit gibt es in Ruanda zirka 10.000 solcher Gerichte.<ref>Zahl nach Axel T. Paul, ''Schuld'', S. 47.</ref> Neben der Rechtssprechungsfunktion sollen die Gacacas auch soziale Aufgaben erfüllen. Täter und Opfer sollen das Geschehen rekonstruieren, das Leid der Opfer soll in den Verhandlungen öffentlich sichtbar gemacht werden. Hutu und Tutsi sind dabei nach Möglichkeit miteinander zu versöhnen. Die anfängliche Euphorie ist mittlerweile landesweiter Ernüchterung gewichen. Oftmals kommt das notwendige [[Quorum (Politik)|Quorum]] von 100 erwachsenden Anwesenden nicht zusammen, weil an den Verfahren Desinteresse besteht. Häufig werden die Leiden der Tutsi nicht von den Hutu anerkannt, Hutu fühlen sich kollektiv angeprangert, Entschädigungen für Opfer können nicht gezahlt werden, Drohungen gegen Zeugen sind nicht wirksam zu unterbinden, viele Opfer können sich nicht an den genauen Tatablauf erinnern, was eine sichere Zuordnung von Gewalttaten zu einzelnen Personen oft unmöglich macht. Skeptische Stimmen fürchten, dass viele inhaftierte mutmaßliche Täter keinen Prozess bekommen, weil sie vorher amnestiert werden.<ref>Zum Vorgehen der ruandischen Justiz inklusive der Gacaca-Gerichte siehe Gerd Hankel, ''Versuch.''</ref> Hinzu kommt, dass ein Ansteigen der Prozessanzahl erwartet wird. Statt mit 80.000 Verfahren wird teilweise mit 1.000.000 Prozessen gerechnet, weil die Schwelle für Anklagen gesunken ist. Häufig reichen [[Denunziation]], ein bloßer Verdacht oder das Umlenken von Anklagen auf andere, bisher nicht von der Strafjustiz beachtete Personen.<ref>Zu diesem Problem siehe Axel T. Paul, ''Schuld'', S. 48 f.</ref> Kritiker der gegenwärtigen Gacaca-Gerichtsbarkeit stellen vor dem Hintergrund solcher Schätzungen ein Scheitern jeder Versöhnungsabsicht fest, wenn nicht gar den Versuch der in Ruanda Regierenden, die Hutu durch Gacacas kollektiv zu kriminalisieren und auf diese Weise die Herrschaft der Tutsi zu festigen.<ref>Hierzu Axel T. Paul, ''Schuld'', S. 51. Eine umfassende Kritik des ruandischen Justizsystems insgesamt ist in [http://www.hrw.org/sites/default/files/reports/rwanda0708webwcover.pdf ''Law and Reality. Progress in Judicial Reform in Rwanda''] formuliert, ein Bericht von Human Rights Watch, der 2008 erschien.</ref> Trotz dieser Mängel haben internationale Beobachter nicht für ein Ende der Gacaca-Gerichtsbarkeit plädiert, sondern für ihre schrittweise Verbesserung.<ref> Axel T. Paul, ''Schuld'', S. 53.</ref> === Gedenkstätten === In vielen Landesteilen gibt es seit 1995 [[Gedenkstätte]]n zur Erinnerung an den Völkermord. In der nationalen Gedenkwoche, einer Woche im April, werden neue Erinnerungsorte eingeweiht und bestehende für kollektive Trauer- und Gedenkveranstaltungen genutzt. Der ruandische Staat konzentriert sich in seiner Arbeit auf sieben derartige Einrichtungen. Sie werden mit Hilfe ausländischer Partner als Orte der Trauer, der Erinnerung, der Reflexion, des Austauschs, des Lernens und der [[Prävention]] ausgebaut und gepflegt.<ref>Zu den Stätten siehe die entsprechende Broschüre ''Genozidgedenkstätten in Ruanda'' [http://ruanda.ded.de/cipp/ded/lib/all/lob/return_download,ticket,g_u_e_s_t/bid,429/no_mime_type,0/~/Gedenkst_tten.pdf PDF-Datei, (1,35&nbsp;MB),], Aufruf am 15. Januar 2008, 22:00 Uhr.</ref> Das zentrale Museum dieser Art, das ''Kigali Genocide Memorial Centre,'' wurde 2004 in der ruandischen Hauptstadt eröffnet. Die Gemeinschaftsgräber dieser Einrichtung beherbergen die Überreste von zirka 250.000 Menschen. Ein Teil dieser Anlage, das nationale Dokumentationszentrum zum Genozid, befand sich im Jahr 2005 noch im Aufbau.<ref>[http://www.kigalimemorialcentre.org/ Website des ''Kigali Genocide Memorial Centre'']. Zu diesem Zentrum siehe auch Anna-Maria Brandstetter, ''Erinnern'', S. 302 f. Erfasst sind Genozidgedenkstätten auch auf der [http://www.museum.gov.rw/index.htm Webseite des National Museum of Rwanda].</ref> Zu den sieben zentralen Gedenkstätten kommen zirka 200 regionale und lokale hinzu. Sie befinden sich an Orten, wo während des Völkermords größere Gruppen von Menschen ermordet wurden. Durch die Gestaltung der Gedenkstätten wird eine politische und [[diskurs]]ive Absicht verfolgt. Vielfach sind bewusst Hunderte von Knochen sichtbar ausgestellt. Sie dienen als materielle Beweise für die umfangreichen Gewalttaten. Die Leugnung und Verharmlosung des Genozids soll auf diese Weise erschwert werden.<ref>Anna-Maria Brandstetter, ''Erinnern'', S. 307.</ref> Die öffentliche Präsentation der sterblichen Überreste rief außerhalb und vor allem innerhalb Ruandas Kritik hervor. Eine solche Praxis verstoße gegen ruandische Traditionen im Umgang mit Toten, die vorsehen, die sterblichen Überreste Verstorbener möglichst rasch und unauffällig beizusetzen. Die in Gedenkstätten beigesetzten Opfer sind ausschließlich Tutsi, Hutu werden dort nicht bestattet. Dies sei eine Diskriminierung von Opfergruppen. Viele Hutu sind darüber verärgert, dass sie hier kaum als Opfer wahrgenommen werden, obgleich sie durch Bürgerkrieg, Flüchtlingselend und Racheakte Schaden genommen haben. Den Regierenden wird außerdem unterstellt, sie instrumentalisierten die Erinnerung an den Völkermord bei der Einwerbung von Mitteln für die [[Entwicklungszusammenarbeit]]. Durch die Anlage und Pflege von Genozidgedenkstätten werde in internationalen Geberinstitutionen das schlechte Gewissen über die passive Haltung der Weltgemeinschaft zwischen April und Juli 1994 aufrechterhalten.<ref>Zu dieser Kritik siehe Anna-Maria Brandstetter, ''Erinnern'', S. 309–315.</ref> === Versöhnungspolitik === [[Datei:Kagame at EAC summit.jpg|thumb|Paul Kagame]] Die Regierung Ruandas unter der Führung der RPF versuchte nach dem Ende des Völkermords eine Politik des Wiederaufbaus und der Versöhnung.<ref>Zur Versöhnungspolitik und zu Demokratiedefiziten in Ruanda siehe die Darstellung der [[Bertelsmann-Stiftung]] über Ruanda im Rahmen der Studie [http://bti2003.bertelsmann-transformation-index.de/83.0.html ''Den Wandel gestalten – Strategien der Entwicklung und Transformation''] sowie Eugenia Zorbas: ''Reconciliation''.</ref> Diese Politik, von Paul Kagame wesentlich geprägt, war beeinflusst von der Abwehr der Gefahr durch Hutu-Extremisten, die von Zaire aus Ruanda destabilisieren und wiedererobern wollten. Diese Bedrohung und die Erfahrung des Völkermords führten zur Herausbildung eines ausgeprägten Sicherheitsbedürfnisses, das die Ablehnung innenpolitischer Demokratisierungsforderungen wesentlich mit beeinflusst. Internationale Beobachter kritisieren deutliche Mängel, wenn es um die Wahrung von Menschenrechten sowie um Presse- und Meinungsfreiheit geht. Öffentlich darf in Ruanda nur von ''Banyarwanda,'' von Ruandern, nicht mehr von Tutsi, Twa oder Hutu gesprochen werden. Die Regierung hat entsprechende Eintragungen in den Personalpapieren abgeschafft. Wer mit Bezug auf die Gegenwart mit ethnischen Begriffen argumentiert, kann wegen „Divisonismus“, also der gezielten Spaltung der Bevölkerung, angeklagt werden. Zugleich zeigen Umfragen, dass die Bevölkerung sehr wohl in ethnischen Kategorien denkt und mit ihnen Menschen unterscheidet. Viele Ruander beteiligen sich nicht an politischen Diskussionen, weil sie fürchten, bei nicht-konformen Meinungsäußerungen mit dem Vorwurf der Beteiligung am Völkermord bestraft zu werden. [[Partizipation]]sangebote – wie die Erörterung der Verfassung, die Planung der Gacaca-Gerichtsbarkeit oder das Engagement in den seit 1999 von der ''Nationalen Kommission für Einheit und Versöhnung'' landesweit organisierten Aussöhnungsforen – werden darum nur bedingt angenommen. Die Legitimation der Regierung in der internationalen Gemeinschaft, bei Geberinstitutionen und bei Teilen der Bevölkerung sank durch die unübersehbare Dominanz der RPF im politischen Raum und durch die Interventionen im Kongo. Die Trennlinien der Gesellschaft zwischen Hutu und Tutsi sind nicht überwunden. Die Twa führen weiterhin ein soziales und politisches Schattendasein und sind kaum in der Lage, ihre Interessen zu artikulieren. Trennlinien sind zudem erkennbar zwischen Tutsi, die den Völkermord in Ruanda überlebt haben, und Tutsi, die nach Mitte 1994 aus dem Ausland zurückgekehrt sind. Diese Verwerfungen konnten durch neu eingeführte nationale Symbole – dazu gehören die [[Rwanda nziza|Hymne]] und die [[Flagge Ruandas|Flagge]] – und eine Neuordnung der [[Verwaltungsgliederung Ruandas]] nicht überdeckt werden. === Ermittlungen und Klagen gegen RPF-Vertreter === Gegen Paul Kagame und weitere Leitungskräfte der RPF sind wiederholt Ermittlungen aufgenommen und Klagen erhoben worden, weil der Verdacht besteht, dass dieser Personenkreis führend an Verbrechen beteiligt gewesen ist. Am ICTR hat [[Carla del Ponte]] im Jahr 2000 Ermittlungen gegen RPF-Mitglieder initiiert, die im Verdacht stehen, während des Bürgerkriegs und anschließend schwere Verbrechen begangen zu haben. Diese Ermittlungen, die nicht abgeschlossen wurden, stießen bei der ruandischen Regierung auf Missfallen. Das soll 2003 mit zur Ablösung del Pontes als Chefanklägerin des ICTR beigetragen haben.<ref>Maritta Tkalec: [http://www.berlinonline.de/berliner-zeitung/archiv/.bin/dump.fcgi/2003/0915/politik/0031/index.html ''Ruanda. Tribunal mit neuem Ankläger''], in: [[Berliner Zeitung]] vom 15. September 2003.</ref> Der französische Ermittlungsrichter [[Jean-Louis Bruguière]] erhob gegen den ruandischen Präsidenten und neun weitere Personen Anklage. Sie werden für den Abschuss der Präsidentenmaschine am 6. April 1994 verantwortlich gemacht und damit für die Ermordung der Crew und aller Insassen des Flugzeugs. Die Anklage führte zum Abbruch der diplomatischen Beziehungen zwischen Frankreich und Ruanda.<ref>[http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,450651,00.html ''Ruanda friert Beziehungen zu Paris ein''], Bericht auf [[Spiegel Online]] am 24. November 2006.</ref> Im Februar 2008 wurden in Spanien internationale Haftbefehle gegen 40 Angehörige der RPF ausgestellt. Die Gesuchten werden beschuldigt, in Ruanda und Zaire schwere Verbrechen begangen zu haben. Kagame zählt zum Kreis der Beschuldigten. Die ruandische Regierung sprach von einer Kampagne, die von Hutu-Extremisten inszeniert worden sei.<ref>Francois Misser: [http://www.taz.de/1/politik/afrika/artikel/1/tutsi-militaers-droht-prozess-in-spanien/?src=SZ&cHash=1407b6f27c ''Dubiose Kampagne gegen Ruanda. Tutsi-Militärs droht Prozess in Spanien''], in: [[die tageszeitung]] vom 12. Februar 2008.</ref> Im November 2008 gerieten die Beziehungen von Deutschland und Ruanda in eine Krise. Deutsche Behörden hatten zuvor [[Rose Kabuye]], eine Vertraute Kagames sowie ehemals ranghohes Mitglied der RPF, festgenommen und an Frankreich ausgeliefert. Die französischen Behörden werfen ihr die Beteiligung am Abschuss der Maschine von Juvénal Habyarimana vor.<ref>[http://www.zeit.de/online/2008/47/ruanda?page=all Andrea Jeska und Bartholomäus Grill: ''„Die Mörder lasst ihr laufen“'', Zeit online, 19. November 2008. Abruf am 19. November 2008, 23:45 Uhr.]</ref> === Ruandische Anschuldigungen gegen Frankreich === Im August 2008 folgte als Reaktion Ruandas die Drohung, internationale Haftbefehle gegen hochrangige französische Offizielle zu erlassen. Der ruandischen Regierung zufolge liegt ein Report vor, der zwanzig französischen Militärangehörigen sowie zwölf Politikern, darunter [[Edouard Balladur]], [[Alain Juppé]] und [[Francois Mitterrand]], eine führende Rolle bei der Durchführung der Massaker zuweist.<ref>[http://www.newvision.co.ug/D/8/12/648693 ''Rwanda to indict French officials''. Artikel vom 8. September 2008 auf der ugandischen website ''new vision'', Abruf am 22. September 2008, 8:20 Uhr.]</ref> Von französischer Seite werden sämtliche Anschuldigungen entschieden zurückgewiesen.<ref name="thenational.ae20080826">[http://www.thenational.ae/article/20080826/FOREIGN/30190508/1135/test Matt Brown: ''France faces accusations over Rwanda massacre'', in ''TheNational'', 26. August 2008, Abruf am 22. September 2008, 8:20 Uhr]</ref> Frankreich unterhielt als ehemalige Kolonialmacht seit der Hutu-Revolution enge Kontakte zur Regierung und betrachtete Ruanda als wesentlichen Teil der [[Frankophonie]] und damit des eigenen Einflussbereichs in Afrika. Die Übergriffe der RPF wurden als „anglophone“ Aggression und Bedrohung empfunden, als Versuch, Ruanda zu übernehmen und aus dem französischen Einflussbereich herauszulösen. In diesem Zusammenhang wird Frankreich auch beschuldigt, mit der ''légion présidentielle'' einen Stab für Strategie und [[psychologische Kriegführung]] innerhalb der ruandischen Armee geschaffen zu haben, der nur auf Weisung Mitterrands gehandelt habe. Nach Beginn des Völkermords seien überdies zahlreiche französische Militärs im Lande geblieben. Sie seien in ruandische Hutu-Armeeeinheiten eingegliedert worden, die aktiv am Völkermord teilnahmen.<ref>[http://www.timesonline.co.uk/tol/comment/columnists/guest_contributors/article4481353.ece Lina Melvern: France and genocide: the murky truth. How far was Mitterrand's Government involved in the slaughter of hundred of thousands of Rwandans? - The Times, 8. August 2008, Aufruf am 22. September 2008, 8:10 Uhr.]</ref> Nach einer Verlautbarung des ruandischen Justizministeriums sollen französische Soldaten auch im Rahmen der Opération Turquoise aktiv an den Massakern teilgenommen haben.<ref name="thenational.ae20080826"/> === Deutungen und Debatten === Die Ereignisse in Ruanda zwischen April und Juli 1994 wurden von Politik und Publizistik zunächst fast durchweg als „Stammesfehde“ bezeichnet. Uralter Hass sei mit einer Plötzlichkeit und Heftigkeit ausgebrochen, die die Betrachter kopfschüttelnd zurückließen.<ref>Scott Straus, ''Order,'' S. 17.</ref> Relativ rasch deuteten Menschenrechtler und Wissenschaftler das Geschehen ganz anders. Die Gewalt sei modern, systematisch und beabsichtigt gewesen. Ein bestimmter Kreis extremistischer Hutu-Politiker habe sie geplant und sie gezielt gegen eine rassisch definierte Minderheit gelenkt. Für die Freisetzung der Gewalt habe dieser Kreis moderne, in der Kolonialzeit manipulierte ethnische Kategorien genutzt sowie eine moderne Ideologie des ethnischen [[Nationalismus]]. Auch hätten diese Politiker gezielt die staatlichen Strukturen Ruandas zur Umsetzung ihrer Politik benutzt. Das Land habe keinen Rückfall in [[Tribalismus]] erlebt, sondern einen modernen Völkermord.<ref>Siehe die zusammenfassende Darstellung dieses Interpretationsansatzes bei Scott Straus, ''Order,'' S. 33.</ref> Es gibt in der Literatur über den Völkermord in Ruanda keinen Konsens, was die Ursachen der Gewalt angeht. Es lassen sich drei große Erklärungsmuster unterscheiden.<ref>Siehe hierzu Peter Uvin, ''Reading,'' S. 79–87.</ref> Das erste betrachtet den Völkermord als eine Maßnahme, zu dem eine in ihrer politischen Macht existenziell herausgeforderte Gruppe – das „kleine Haus“ ''(akazu)'' – griff, um den drohenden Machtverlust abzuwenden. Der Völkermord erscheint damit als Manipulation einer Elite.<ref>Siehe hierzu Peter Uvin, ''Reading,'' S. 79–81. Dort mit Literaturnachweisen.</ref> Ein zweiter Erklärungsansatz bezieht sich auf die natürlichen Ressourcen Ruandas, die sich vor dem Völkermord immer rascher und dramatischer verknappten. Landknappheit, weitgehend fehlende Existenzgrundlagen außerhalb der Landwirtschaft, zugleich hohe Geburtenraten und letztlich eine „[[Überbevölkerung]]“ seien die entscheidenden Antriebskräfte der Völkermord-Gewalt gewesen.<ref>Siehe hierzu Peter Uvin, ''Reading,'' S. 81–83. Dort mit Literaturnachweisen.</ref> Ein drittes Erklärungsmuster rückt Annahmen über kulturelle Eigenheiten Ruandas und angeblich charakteristische sozialpsychologische Eigenschaften seiner Bewohner in den Mittelpunkt. Ruander seien es gewohnt gewesen, Befehlen fraglos zu folgen. Ein regelrechter Hang zum Gehorsam sei weit verbreitet. Dieser charakteristische Zug habe die Einbindung von Hunderttausenden als Täter möglich gemacht.<ref>Siehe hierzu Peter Uvin, ''Reading,'' S. 84–87. Dort mit Literaturnachweisen.</ref> Viele Studien befassen sich mit der Verantwortung der internationalen Gemeinschaft für den Völkermord. Ein Großteil der Autoren kritisiert das Agieren der wesentlichen internationalen Akteure scharf. Der frühe Rückzug der UNAMIR und die wochenlange Inaktivität der entscheidenden internationalen Akteure hätten eine Mitverantwortung der Weltgemeinschaft für den Völkermord zur Folge. Möglichkeiten einer raschen Beendigung seien nicht genutzt worden, obwohl das Ausmaß der Gewalt frühzeitig bekannt gewesen sei.<ref>Siehe auch hierzu mit Literaturverweisen Peter Uvin, ''Reading,'' S. 88–90.</ref> Der [[Politikwissenschaft]]ler Alan J. Kuperman stellte zentrale Annahmen dieser Kritik an der Weltgemeinschaft in Frage. Er betont, frühzeitig habe es keine eindeutigen Beweise für einen Völkermord in Ruanda gegeben. Die Gewalttaten seien lange als Bürgerkriegserscheinungen interpretiert worden. Zudem hätte eine erfolgversprechende Intervention einige Wochen an [[Logistik|logistischem]] Vorlauf benötigt. In dieser Zeit seien mindestens die Hälfte der Opfer bereits getötet worden. Die amerikanische [[Historiker]]in [[Alison Des Forges]] widersprach Kuperman entschieden.<ref>Zu Kontroverse von Kuperman und Des Forges siehe insbesondere den [http://www.foreignaffairs.org/20000101faessay8/alan-j-kuperman/rwanda-in-retrospect.html Beitrag von Kuperman] in [[Foreign Affairs]] (Januar/Februar 2000) und die anschließende [http://www.foreignaffairs.org/20000501faresponse51/alison-l-des-forges-alan-j-kuperman/shame-rationalizing-western-apathy-on-rwanda.html Debatte mit Des Forges] in diesem Magazin.</ref> In den publizistischen Auseinandersetzungen spielt gelegentlich eine Rolle, inwieweit die Gewalttaten der RPF gegen Hutu ebenfalls als Völkermord einzuordnen seien. Wäre dies der Fall, müsse man von zwei, eventuell sogar von drei Völkermorden sprechen; einer hätte den Tutsi und den gemäßigten Hutu gegolten, dem zweiten seien Hutu innerhalb Ruandas zum Opfer gefallen, als die RPF die politische und militärische Macht übernahm, und der dritte Genozid sei in den Lagern Ostzaires an Hutu-Flüchtlingen begangen worden. Eine empirische Studie hat diese Frage untersucht. Der Autor berichtet über stark abweichende Tötungsmuster. Nur die Gewalt an den Tutsi und den moderaten Hutu sei ein Völkermord gewesen. Die Gewalt gegen die Hutu sei mit den Begriffen [[Terror]] beziehungsweise ''Massaker,'' nicht aber mit dem Begriff ''Genozid'' korrekt bezeichnet.<ref>Zur Relevanz dieser Mehrfach-Genozid-These und zu ihrer empirischen Untersuchung siehe Philip Verwimp, ''Testing,'' insbesondere S. 423 und S. 441.</ref> == Filme, Erfahrungsberichte und Romane == === Dokumentarfilme === Der Völkermord in Ruanda ist Gegenstand mehrerer [[Dokumentarfilm]]e. 1994 fertigte Ulrich Harbecke für die Sendereihe ''Gott und die Welt'' des [[Westdeutscher Rundfunk|Westdeutschen Rundfunks]] die Dokumentation ''Requiem für Ruanda'' an.<ref>[http://web.archive.org/web/20050204231348/http://www.wdr.de/tv/wdr-dok/archiv/2004/040507_02.phtml Kurzpräsentation] der Dokumentation auf der Website des Westdeutschen Rundfunks.</ref> Ein Jahr später erschien die TV-Dokumentation ''Rwanda, how history can lead to genocide'' von Robert Genoud.<ref>[http://www.documen.tv/asset/Rwanda_film.html Kurzpräsentation] der entsprechenden [[DVD]].</ref> Die Reportage ''Der Mörder meiner Mutter. Eine Frau will Gerechtigkeit'' von [[Martin Buchholz (Journalist)|Martin Buchholz]] wurde im Jahr 2003 mit dem [[Adolf-Grimme-Preis]] ausgezeichnet. Im Mittelpunkt steht [[Eugénie Musayidire]], Tochter einer während des Völkermords in Ruanda ermordeten Tutsi, die den Mörder ihrer Mutter sucht und bei der Gerichtsverhandlung gegen ihn anwesend ist.<ref>Siehe die [http://web.archive.org/web/20050204231352/http://www.wdr.de/tv/wdr-dok/archiv/2004/040507_03.phtml Notiz zu dieser Dokumentation] auf der Website des Westdeutschen Rundfunks. Zu diesem Fall siehe auch den Beitrag von Martin Buchholz ([http://images.zeit.de/text/2003/13/Ruanda_ ''„Der Mörder meiner Mutter ist kalt, eiskalt“'']) in der Wochenzeitung [[Die Zeit]] vom 20. März 2003. Siehe hierzu auch Martin Buchholz: [http://www.zeit.de/2001/35/Warum_hast_du_sie_getoetet_?page=all ''„Warum hast du sie getötet?“''] in Die Zeit, Nr. 35, 2001.</ref> Greg Baker drehte den Dokumentarfilm ''Ghosts of Rwanda'' für den nicht-kommerziellen amerikanischen Fernsehsender [[Public Broadcasting Service]], der im Jahr 2004 erschien.<ref>[http://www.pbs.org/wgbh/pages/frontline/shows/ghosts/ Internetpräsenz] der Dokumentation.</ref> Die vielfach ausgezeichnete Dokumentation ''The Last Just Man'' des aus Südafrika stammenden Regisseurs und Filmemachers [[Steven Silver]] über Roméo Dallaire erschien 2002.<ref>[http://www.imdb.com/title/tt0355680/ Eintrag in der Internat Movie Database].</ref> Roméo Dallaire steht auch im Mittelpunkt der kanadischen Produktion [[Shake Hands with the Devil – The Journey of Roméo Dallaire]], die ebenfalls zehn Jahre nach dem Völkermord erschien. 2005 wurde die Dokumentation ''Kigali – Bilder gegen ein Massaker'' von Jean-Christophe Klotz veröffentlicht, der 1994 vor Ort war und verwundet wurde. In seiner Arbeit setzt der französische Journalist sich mit der Verwendung von TV-Material durch Medien und Politik auseinander.<ref>Siehe die [http://africa-live.de/index2.php?option=com_content&do_pdf=1&id=263 Hintergrundinformationen zur Dokumentation] auf der Website ''africa-live.de''.</ref> === Spielfilme === Auch [[Spielfilm]]e befassen sich mit dem Völkermord. 2001 entstand die ruandisch-britische Koproduktion [[100 Days]], die von dem früheren BBC-Reporter [[Nick Hughes]] mit vornehmlich ruandischen Schauspielern in Ruanda gedreht und von dem ruandischem Filmemacher [[Eric Kabera]] produziert wurde.<ref>[http://www.imdb.com/title/tt0315100/ Eintrag in der Internet Movie Database].</ref> [[Don Cheadle]], [[Sophie Okonedo]] und [[Nick Nolte]] sind die Hauptdarsteller in [[Hotel Ruanda]], einer internationalen preisgekrönten Produktion des Jahrs 2004, die die Geschichte von Paul Rusesabagina und das Verhalten der Weltöffentlichkeit schildert. Die deutsch-britische Produktion [[Shooting Dogs]] erschien ein Jahr später und kreist um das Massaker an der ''École Technique Officielle.'' [[Sometimes in April]] ist ein Film des Regisseurs [[Raoul Peck]]. Diese 2005 veröffentlichte Produktion stellt das Schicksal zweier Brüder dar, von denen einer zum Täter, der andere zum Opfer der Gewalttaten wird. Roméo Dallaires [[Shake Hands with the Devil]] wurde 2006 mit [[Roy Dupuis]] in der Hauptrolle verfilmt und im September 2007 veröffentlicht.<ref>[http://dallairemovie.com/ Website des Films].</ref> === Reportagen, Erfahrungsberichte, Sachbücher === Die in London ansässige Organisation [[African Rights]] veröffentlichte bereits 1994 eine umfangreiche, in späteren Auflagen über 1000seitige Dokumentation mit dem Titel ''Rwanda. Death, Despair, and Defiance'', die im Wesentlichen Augenzeugenberichte Überlebender enthält.<ref> African Rights: Rwanda. Death, Despair, and Defiance. London 1994.</ref> In den nachfolgenden Jahren erschienen weitere Bände mit Zeugnissen von Überlebenden und am Völkermord Beteiligten, die speziellen Aspekten des Völkermordes gewidmet waren, so etwa der Rolle der Frauen und der Kirchen. <ref> African Rights: Rwanda, not so innocent. When Women become Killers, London 1995; Rwanda. The Protestant Churches and the Genocide, London 1998</ref> Darüber hinaus gibt African Rights die Dokumentations-Reihe ''Witness to Genocide'' heraus, die Einzelschicksalen Raum gibt. Der irische Journalist Fergal Keane gewann 1995 den britischen Orwell-Preis für das beste politische Buch für den Reportageband „Season of Blood“, der von seinen Beobachtungen und Erlebnissen während einer Reise nach Ruanda 1994 erzählt. <ref>Fergal Keane: „Season of Blood. A Rwandan Journey,“ Penguin Books, 1995.</ref> Der amerikanische Journalist [[Philip Gourevitch]] veröffentlichte 1998 das mit einer Reihe von Preisen ausgezeichnete Sachbuch [[Wir möchten Ihnen mitteilen, daß wir morgen mit unseren Familien umgebracht werden]].<ref>Philip Gourevitch: ''Wir möchten Ihnen mitteilen, daß wir morgen mit unseren Familien umgebracht werden. Berichte aus Ruanda.'' Aus dem Amerikan. von Meinhard Büning, Berlin-Verlag, Berlin 1999, ISBN 3-8270-0351-2.</ref> Roméo Dallaire, der Befehlshaber der UNAMIR-Mission in Ruanda zur Zeit des Völkermords, veröffentlichte 2003 seinen Ruanda-Bericht ''Shake Hands with the Devil: The Failure of Humanity in Rwanda'' (dt. 2005: ''Handschlag mit dem Teufel. Die Mitschuld der Weltgemeinschaft am Völkermord in Ruanda''). In ihm beschreibt er die Vorgeschichte des Völkermordes. Er schreibt über die Aktivitäten seiner wenigen ihm nach dem Abzug verbliebenen UNAMIR-Soldaten im Frühjahr 1994 und setzt sich sehr kritisch mit dem Verhalten der Völkergemeinschaft angesichts einer absehbaren Katastrophe auseinander. Von Jean Hatzfeld liegen seit 2004 zwei Bücher zum Völkermord in deutscher Übersetzung vor. Beide stützen sich auf ausführliche Interviews. Das erste – ''Nur das nackte Leben'' – basiert auf Gesprächen mit 14 überlebenden Tutsi aus Nyamata, einer Region südlich von Kigali. Das zweite mit dem Titel ''Zeit der Macheten'' verarbeitet Interviews mit zehn Tätern aus dieser Gegend.<ref>Jean Hatzfeld: ''Nur das nackte Leben. Berichte aus den Sümpfen Ruandas,'' aus dem Franz. von Karl-Udo Bigott, Haland und Wirth, Gießen 2004, ISBN 3-89806-933-8. Jean Hatzfeld: ''Zeit der Macheten. Gespräche mit den Tätern des Völkermordes in Ruanda,'' aus dem Franz. von Karl-Udo Bigott, Haland und Wirth im Psychosozial-Verlag, Gießen 2004, ISBN 3-89806-932-X.</ref> Im Jahr 2006 erschien der Bericht ''Aschenblüte. Ich wurde gerettet, damit ich erzählen kann'' von Immaculée Ilibagiza. Zur Zeit des Genozids Studentin, überlebte sie mit weiteren Tutsi durch die Hilfe eines Hutu-Pastoren. Die Gewalterfahrungen und den Verlust ihrer Familie verarbeitete sie in ihrem christlichen Glauben.<ref>Immaculée Ilibagiza: ''Aschenblüte. Ich wurde gerettet, damit ich erzählen kann,'' mit Steve Erwin. Aus dem Engl. von Maria Zybak, Ullstein, Berlin 2006, ISBN 3-550-07891-9.</ref> [[Esther Mujawayo]], [[Soziologe|Soziologin]], [[Therapeut]]in und Mitgründerin einer Witwenorganisation, veröffentlichte in Deutschland zwei Bücher über den Genozid und seine Folgen. In ''Ein Leben mehr'' schildert sie unter anderem die Folgen der Gewalt für Frauen. Ihre Erfahrungsberichte und die Schilderungen vieler weiterer Frauen werden ergänzt durch die Darstellung historischer Ursachen und Vorläufer der Gewalt sowie durch die deutliche Kritik an der passiven Weltgemeinschaft. In ''Auf der Suche nach Stéphanie'' schilderte die Autorin ihre im Jahr 2006 unternommene Reise nach Ruanda. Sie versuchte, die sterblichen Überreste ihrer Schwester und derer Kinder zu finden und bestatten zu lassen. Dieser Versuch scheiterte, weil die Täter und Zuschauer zu Gesprächen über die Gewalttaten nicht bereit waren. Die Autorin beschrieb zudem die unterschiedlichen Strategien des Umgangs der Überlebenden mit dem Völkermord, die sie in vielen Gesprächen mit Tutsi kennen gelernt hatte.<ref>Esther Mujawayo: ''Ein Leben mehr. Zehn Jahre nach dem Völkermord in Ruanda,'' zusammen mit Souâd Belhaddad, aus dem Franz. von Jutta Himmelreich, Hammer, Wuppertal 2005 ISBN 3-7795-0029-9. Esther Mujawayo: ''Auf der Suche nach Stéphanie. Ruanda zwischen Versöhnung und Verweigerung,'' zusammen mit Souâd Belhaddad, aus dem Franz. von Jutta Himmelreich, Hammer, Wuppertal 2007 ISBN 978-3-7795-0082-7.</ref> Annick Kayitesi präsentierte ihre Erfahrungen im Buch ''Wie Phönix aus der Asche.'' Während des Genozids erlebte die 1979 geborene Autorin die Ermordung ihrer Mutter mit. Sie selbst kam aufgrund einer Notlüge mit dem Leben davon. Hutu missbrauchten sie jedoch als Sklavin. Gemeinsam mit ihrer Schwestern gelang ihr schließlich die Flucht bis nach Frankreich.<ref>Annick Kayitesi: ''Wie Phönix aus der Asche. Ich überlebte das Massaker in Ruanda,'' mit einem Vorwort von André Glucksmann, in Zusammenarbeit mit Albertine Gentou, aus dem Franz. von Eliane Hagedorn und Bettine Runge, Heyne, München 2005, ISBN 978-3-453-64015-3.</ref> === Literarische Verarbeitungen === Die Geschehnisse im Frühjahr und Sommer des Jahres 1994 sind inzwischen verschiedentlich literarisch verarbeitet worden. Ein ungewöhnliches Konzept stellte das von dem [[tschad]]ischen Journalisten Nocky Djedanoum ins Leben gerufene Literaturprojekt ''Ruanda – Schreiben aus der Pflicht zu erinnern'' dar. Es sollte dem Schweigen auch afrikanischer Intellektueller angesichts des Völkermordes Rechnung tragen und ermöglichte 1998 zehn afrikanischen Schriftstellern einen Aufenthalt in Ruanda. Daraus entstanden zehn fiktionale Texte, darunter ein preisgekrönter Roman des senegalesischen Schriftstellers [[Boubacar Boris Diop]].<ref>Anja Bandau: Ruanda: Schreiben aus der Pflicht zu erinnern. Literatur zwischen Imagination und Zeugenschaft. In: Christa Ebert & Brigitte Sändig (Hg.) ''Literatur und soziale Erfahrung am Ausgang des 20. Jahrhunderts'', Berlin 2003, 13-32.</ref><ref>siehe auch: [http://www.nzz.ch/2002/02/09/li/article7JFXZ.html Artikel] in der [[Neue Zürcher Zeitung|Neuen Zürcher Zeitung]] über das Projekt</ref> Bislang sind drei dieser Texte – der Roman ''L'Ombre d'Imana'' von Véronique Tadjo aus der Elfenbeinküste,<ref>Véronique Tadjo: ''Der Schatten Gottes. Reise ans Ende Ruandas'', Peter Hammer Verlag, Wuppertal 2001, ISBN 3-87294-868-7</ref> ''Moisson de crânes'' von [[Abdourahman Waberi]] aus Dschibuti<ref>Abdourahman Waberi: ''Schädelernte'', Litradukt Literatureditionen, Kehl 2008, ISBN 3940435031</ref> und ''Big Chiefs'' von Meja Mwangi aus Kenia<ref>Meja Mwangi: ''Big Chiefs'', Peter Hammer Verlag, Wuppertal 2009, ISBN 978-3-7795-0231-9</ref> – in deutscher Übersetzung erschienen. Einige weitere Bücher über den Genozid liegen auf Deutsch vor. Der kanadische Journalist [[Gil Courtemanche]] hat den Völkermord im Roman ''Ein Sonntag am Pool in Kigali'' verarbeitet. Die Erzählung ist um eine Liebesgeschichte zwischen einer Hutu, die für eine Tutsi gehalten wird, und einem kanadischen Journalisten zentriert.<ref>Gil Courtemanche: ''Ein Sonntag am Pool in Kigali,'' Kiepenheuer & Witsch, Köln 2004, ISBN 3-462-03368-9.</ref> Im Jahr 2006 kam [[A Sunday in Kigali]], die Verfilmung dieses Romans, in die Kinos. Die deutsche Kinder- und Sachbuchautorin [[Hanna Jansen]] schildert die Ereignisse in ''Über tausend Hügel wandere ich mit dir,'' indem sie die Perspektive eines Tutsi-Mädchens in den Mittelpunkt stellt, das die Ausrottung ihrer Familie überlebt.<ref>Hanna Jansen: ''Über tausend Hügel wandere ich mit dir,'' Thienemann Verlag, Stuttgart 2002, ISBN 3-522-17476-3.</ref> Die Erziehungswissenschaftlerin und Mitarbeiterin der Initiative Pro Afrika, Anke Pönicke, veröffentlichte 2004 das Kinderbuch ''Agathe. Eine Berlinerin aus Ruanda''. Es erzählt die Geschichte der elfjährigen Agathe in Berlin, die sich mit ihrer Familiengeschichte und damit auch mit dem ruandischen Genozid auseinanderzusetzen beginnt und dabei mit der Gleichgültigkeit der westlichen Welt gegenüber diesem Ereignis konfrontiert wird.<ref>Anke Pönicke: ''Agathe. Eine Berlinerin aus Ruanda'', Books on African Studies/ Jerry Bedu-Addo, 2004, ISBN 3-927198-27-7.</ref> 2007 erschien die deutsche Übersetzung des zwei Jahre zuvor veröffentlichten Romans ''Die Optimisten'' des britischen Schriftstellers [[Andrew Miller]]. Die Geschichte des Reporter Clem Glass, der schwer traumatisiert aus Ruanda nach Hause zurückkehrt und keinen Weg mehr ins normale Leben findet, illustriert, wie die ruandische Tragödie sich auch in europäischen Schicksalen niederschlägt.<ref>Andrew Miller: ''Die Optimisten'', Roman, Paul Zsolnay Verlag, Wien 2007.</ref> Der Roman ''Hundert Tage'' des Dramatikers [[Lukas Bärfuss]] befasst sich mit den Ereignissen aus der Sicht eines Schweizer Entwicklungshelfers in Ruanda und der Rolle der [[Entwicklungshilfe]]; diese habe über Jahrzehnte das Regime Habyarimanas ungeachtet der Korruption und der menschenrechtlichen Defizite unterstützt und damit den Völkermord mitermöglicht.<ref>Lukas Bärfuss: ''Hundert Tage,'' Wallstein Verlag, 2008, ISBN 978-3-8353-0271-6.</ref> Der deutsche Reporter [[Hans Christoph Buch]] verarbeitete im Roman ''Kain und Abel in Afrika'' seine persönliche Erfahrung des Völkermordes in Ruanda.<ref>Hans Christoph Buch: ''Kain und Abel in Afrika,'' Verlag Volk & Welt, Berlin 2001, ISBN 3-353-01170-6.</ref> == Genutzte Literatur == * Jutta Bieringer: ''Zögerlich Richtung Demokratie: Gewalt und Repression seit 1990.'' In: Leonhard Harding (Hrsg.): ''Ruanda – Der Weg.'' S. 83–98. * Marcel Bohnert: ''Zum Umgang mit belasteter Vergangenheit im postgenozidalen Ruanda.'' Roderer Verlag, Regensburg 2008, ISBN 978-3-89783-621-1. * Anna-Maria Brandstetter: ''Die Rhetorik von Reinheit, Gewalt und Gemeinschaft: Bürgerkrieg und Genozid in Rwanda.'' In: ''Sociologus, Zeitschrift für empirische Ethnosoziologie und Ethnopsychologie. Journal for Empirical Social Anthropology.'' Jg. 51 (2001), Heft 1/2, S. 148–184. * Anna-Maria Brandstetter: ''Erinnern und Trauern. Über Genozidgedenkstätten in Ruanda.'' In: Winfried Speitkamp (Hrsg.): ''Kommunikationsräume – Erinnerungsräume. Beiträge zur transkulturellen Begegnung in Afrika.'' Marin Meidenbauer Verlagsbuchhandlung, München 2005, S. 291–324, ISBN 3-89975-043-8. * Jörg Calließ (Hrsg.): ''Zehn Jahre danach: Völkermord in Ruanda'' (Dokumentation einer Tagung der [[Evangelische Akademie Loccum|Evangelischen Akademie Loccum]] vom 5. bis 7. März 2004) ''= Ten years after. Genocide in Rwanda.'' Evang. Akad. Loccum, Rehburg-Loccum 2005, ISBN 3-8172-1104-X. * Roméo Dallaire: ''Handschlag mit dem Teufel. Die Mitschuld der Weltgemeinschaft am Völkermord in Ruanda.'' Unter Mitarbeit von Brent Beardsley. Aus dem Englischen von Andreas Simon dos Santos. Mit einem Nachwort von Dominic Johnson. 2. Auflage. Zweitausendeins, Frankfurt am Main 2007, ISBN 978-386-150-799-4. * [[Alison Des Forges]]: ''Kein Zeuge darf überleben. Der Genozid in Ruanda.'' Aus dem Amerikanischen von Jürgen Bauer … Hamburger Edition, Hamburg 2002, ISBN 3-930908-80-8. * Dominic Johnson: ''Nachwort.'' In: Roméo Dallaire: ''Handschlag.'' S. 589–608. * Bruce D. Jones: ''Peacemaking in Rwanda. The dynamics of failure.'' Lynne Rienner, Boulder, Colorado u. a. 2001, ISBN 1-555-87994-2. * Gerd Hankel: ''Über den schwierigen Versuch der Vergangenheitsaufarbeitung in Ruanda.'' In: Jörg Calließ (Hrsg.): ''Zehn Jahre danach.'' 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Februar 2008, 17:30 Uhr). == Weblinks == * {{Commons|Category:Rwandan Genocide|{{PAGENAME}}}} * [http://www.heise.de/tp/r4/artikel/24/24109/1.html Artikel auf [[Telepolis]] zur Rolle Frankreichs] * [http://www.sozialwiss.uni-hamburg.de/publish/Ipw/Akuf/kriege/283ak_ruanda.htm Ruanda-Konflikt] – Konfliktarchiv des Fachbereichs Sozialwissenschaften der [[Universität Hamburg]] * [http://www.hrw.org/reports/1999/rwanda/ „Leave None to Tell the Story“] – Report über den Völkermord von Human Rights Watch * [http://www.aegistrust.org/images/stories/oaureport.pdf OAU-Report – The Report Of International Panel Of Eminent Personalities To Investigate The 1994 Genocide In Rwanda And The Surroundings Events] (PDF-Datei; 908 kB) * Allan Thompson (Hrsg.): [http://www.idrc.ca/en/ev-106013-201-1-DO_TOPIC.html ''The Media and the Rwanda Genocide''], Pluto Press/Fountain Publishers/International Development Research Centre, 2007, 480&nbsp;S., ISBN 978-1-55250-338-6 * [http://www.polaronline.de/article.php3?id_article=979 Half Frankreich beim Völkermord in Ruanda?] Ein Pressespiegel des Online-Magazins ''polar''. == Einzelbelege == <references /> {{Exzellent}} {{DEFAULTSORT:Volkermord in Ruanda}} [[Kategorie:Völkermord]] [[Kategorie:Kriegsverbrechen|Ruanda]] [[Kategorie:Massaker|Ruanda]] [[Kategorie:1994]] [[Kategorie:Geschichte (Afrika)]] [[Kategorie:Geschichte (Ruanda)]] [[Kategorie:Krieg (Afrika)]] {{Link GA|eo}} {{Link FA|fi}} [[bg:Геноцид в Руанда]] [[bn:রুয়ান্ডার গণহত্যা]] [[bs:Ruandski genocid]] [[ca:Genocidi de Rwanda]] [[cs:Rwandská genocida]] [[cy:Hil-laddiad Rwanda]] [[da:Folkedrabet i Rwanda]] [[en:Rwandan Genocide]] [[eo:Ruanda genocido]] [[es:Genocidio de Ruanda]] [[eu:Ruandako genozidioa]] [[fa:نسل‌کشی رواندا]] [[fi:Ruandan kansanmurha]] [[fr:Génocide au Rwanda]] [[he:רצח העם ברואנדה]] [[hi:रवांडा जनसंहार]] [[hr:Genocid u Ruandi]] [[hu:Ruandai népirtás]] [[id:Pembantaian Rwanda]] [[is:Þjóðarmorðið í Rúanda]] [[it:Genocidio del Ruanda]] [[ja:ルワンダ虐殺]] [[ka:რუანდის გენოციდი]] [[ko:르완다 학살]] [[lt:Ruandos genocidas]] [[ms:Pembunuhan etnik di Rwanda]] [[nl:Rwandese genocide]] [[no:Folkemordet i Rwanda]] [[pl:Ludobójstwo w Rwandzie]] [[pt:Genocídio em Ruanda]] [[ro:Genocidul din Rwanda]] [[ru:Геноцид в Руанде]] [[rw:Itsembabwoko ry'u Rwanda ry'1994]] [[simple:Rwandan Genocide]] [[sk:Rwandská genocída]] [[sr:Геноцид у Руанди]] [[sv:Folkmordet i Rwanda]] [[ta:ருவாண்டா இனப்படுகொலை]] [[th:เหตุการณ์ฆ่าล้างเผ่าพันธุ์ในรวันดา]] [[tr:Ruanda Soykırımı]] [[vi:Nạn diệt chủng Rwanda]] [[zh:卢旺达大屠杀]] 3vpabtuicfm5wnwz90o2fs1dj21dmz8 wikitext text/x-wiki Völkerwanderung 0 24456 27056 2010-05-07T12:05:21Z Magnummandel 0 Änderungen von [[Special:Contributions/79.240.191.65|79.240.191.65]] ([[User talk:79.240.191.65|Diskussion]]) rückgängig gemacht und letzte Version von [[User:Inkowik32|Inkowik32]] wiederhergestellt {{Dieser Artikel|befasst sich mit der Völkerwanderung der Spätantike. Für (Völker-)Wanderungen im allgemeinen siehe [[Migration (Soziologie)]].}} [[Datei:Helm DSC02149.JPG|miniatur|Spangenhelm aus dem [[6. Jahrhundert]], Import aus [[oströmisch]]en Werkstätten.]] In der historischen Forschung wird unter dem Begriff '''Völkerwanderung''' im engeren Sinne die spätantike [[Migration (Soziologie)|Wanderbewegung]] vor allem [[Germanen#Wanderungen und Reichsgründungen|germanischer Völker]] im Zeitraum vom Einbruch der [[Hunnen]] nach Ostmitteleuropa 375/376, die damit eine Fluchtbewegung anderer Völker in diesem Raum auslösten, bis zum Einfall der [[Langobarden]] in Italien 568 verstanden.<ref>Allgemein Springer (2006), der auch auf alternative Definitionen außerhalb der ''[[Lehrmeinung|communis opinio]]'' hinweist. Alle Epochengrenzen sind letztlich nur ein Konstrukt und vor allem durch Konvention begründet. Vgl. auch Krautschick (1999) und (2000).</ref> Die '''Völkerwanderungszeit''' fällt in die [[Spätantike]] und bildet damit ein Bindeglied zwischen der klassischen [[Antike]] und dem Beginn des europäischen [[Frühmittelalter]]s, da man sie beiden Epochen zurechnen kann. Die Völkerwanderung stellt allerdings keinen einheitlichen und in sich abgeschlossenen Vorgang dar. Vielmehr spielten bei den Wanderungsbewegungen der zumeist heterogen zusammengesetzten Gruppen unterschiedliche Faktoren eine Rolle, wobei in der neueren historischen und archäologischen Forschung viele Einzelaspekte der Völkerwanderung sehr unterschiedlich bewertet werden. 395 kam es nach dem Tod des römischen Kaisers [[Theodosius I.]] zu einer faktischen [[Reichsteilung von 395|Reichsteilung]], wenngleich immer noch nominell zwei Kaiser über das Imperium herrschten und Gesetze für beide Teile Gültigkeit besitzen sollten. 382 und 418 wurden vertragliche Regelungen zwischen der römischen Reichsregierung und den [[Westgoten]] getroffen, was schließlich eine Ansiedlung der Goten auf römischem Territorium zur Folge hatte. Auch die [[Franken (Volk)|Franken]] wurden auf römischem Boden angesiedelt und übernahmen als [[Foederaten]] Aufgaben des Grenzschutzes im Nordosten [[Gallien]]s. Nach dem [[Rheinübergang von 406]] und dem Eindringen der [[Vandalen]] und [[Sueben]] in das Westreich zeichnete sich langsam, aber zunehmend der Zusammenbruch der weströmischen Verwaltungsordnung ab. Im Zusammenhang mit diesem Prozess kam es schließlich 476/80 zum Zusammenbruch des [[Weströmisches Reich|Weströmischen Reiches]], während das [[Byzantinisches Reich|Oströmische Reich]] die Völkerwanderungszeit weitgehend intakt überstand. Auf dem Boden des westlichen Imperiums entstanden demgegenüber im 5. und 6. Jahrhundert germanisch-romanische Reiche, die die Kultur Europas im Mittelalter entscheidend prägen sollten.<ref>Siehe etwa Meier (2007).</ref> == Allgemeiner Überblick == === Der Begriff Völkerwanderung === Der Begriff „Völkerwanderung“ taucht im Deutschen zuerst Ende des 18. Jahrhunderts auf. Das [[Deutsches Wörterbuch|Deutsche Wörterbuch]] verzeichnet dazu die Abhandlung ''Geschichte der Deutschen'' von [[Michael Ignaz Schmidt]] aus dem Jahr 1778, in der von der „sogenannten Völkerwanderung“ die Rede ist.<ref>Bd. 26, Sp. 514, [http://www.woerterbuchnetz.de/woerterbuecher/dwb/wbgui?lemid=GV07472 hier online].</ref> Als feste Epochenbezeichnung benutzt ihn 1790/92 [[Friedrich Schiller]], er fand dann im 19. Jahrhundert recht schnell allgemeine Verbreitung.<ref>Springer (2006), S. 509f. Problematisch ist, dass der Terminus Völkerwanderung einerseits eine Epochenbezeichnung ist, andererseits aber ebenfalls bestimmte Entwicklungen kennzeichnet, die sich in dieser Zeit vollzogen. Im Kern geht die Begriffsbildung auf den [[Humanismus|Humanisten]] [[Wolfgang Lazius]] zurück, der 1557 sein Werk ''De gentium aliquot migrationibus'' veröffentlichte.</ref> Außerhalb des deutschen Sprachraums wird bis heute der kriegerische Aspekt dieser Epoche, verbunden mit dem „Einfall der Barbaren“, hervorgehoben (''barbarian invasions'' - nun verstärkt aber auch ''migration period'' -, ''invasion barbare'', ''invasioni barbariche'').<ref>Knapp zusammenfassend etwa Rosen (2003), S. 28ff.</ref> === Ethnogenese === Die germanischen „Stämme“ (''[[gentes]]'', ''nationes'') der Völkerwanderungszeit stellten nach heute dominierender Forschungsmeinung keine konstanten Einheiten oder Abstammungsgemeinschaften dar, auch wenn die Quellen dies teils suggerieren. Vielmehr konnten sich beispielsweise gotischen Verbänden auch [[Rugier]] oder [[Heruler]] anschließen; einzelne Individuen und ganze Gruppen konnten ihre „Ethnizität“ wiederholt wechseln. Die moderne Forschung hat nachgewiesen, dass Gleichartigkeiten der Sprache, der Kleidung oder der Waffen allein für eine ethnische Zuordnung kaum aussagekräftig sind.<ref>[[Walter Pohl]]: ''Telling the Difference: Signs of ethnic Identity''. In: Walter Pohl, Helmut Reimitz (Hrsg.): ''Strategies of Distinction: The Construction of Ethnic Communities, 300–800''. Leiden u.&nbsp;a. 1998, S. 17ff.</ref> Wichtig in der neueren Forschung ist in diesem Zusammenhang die Kategorie der [[Ethnogenese]], die einen äußerst diffizilen Prozess darstellt. So wird die Entstehung von ethnischen Identitäten in der Spätantike heute nicht mehr als biologische Kategorie, sondern als historischer Prozess verstanden. Verschiedene Gruppen konnten sich demnach zu neuen zusammenschließen, wobei es in der Regel ausreichte, dem Verband loyal zu dienen.<ref>Grundlegend dazu ist die Arbeit Reinhard Wenskus: ''Stammesbildung und Verfassung. Das Werden der frühmittelalterlichen gentes''. 2. Aufl., Köln/Wien 1977. Der Ansatz von Wenskus wurde dann von [[Herwig Wolfram]] und seinem Schüler Walter Pohl weiterentwickelt. Zusammenfassend und mit neuerer Literatur: Pohl (2005), S. 13ff. Allerdings ist der Ansatz der „Wiener Schule“ um Wolfram und Pohl mittlerweile teils in die Kritik geraten.</ref> Die Bezeichnung „Völkerwanderung“ ist nach Ansicht eines Teils der modernen Forschung insofern irreführend, als dass keine „ganzen Völker“, sondern oft nur (mehr oder weniger) große Teile von Stämmen „wanderten“, die zudem ethnisch zumeist heterogen zusammengesetzt waren: Die alte Vorstellung, eine ethnisch einheitliche Gruppe sei aus ihrer „Urheimat“ aufgebrochen, auf der Wanderung ein homogener Verband geblieben und habe sich am Ende ihrer Wanderung woanders neu angesiedelt, ist zumindest problematisch. Die moderne Forschung hat hingegen vielmehr aufgezeigt, dass die Identität einer ''[[gens]]'' in der Regel am Ende dieses Prozesses eine andere war als am Anfang.<ref>Springer (2006), S. 511f., der einige grundlegende Forschungsprobleme kurz referiert.</ref> Ein Stamm war eher eine Rechtsgemeinschaft, die in Größe und ethnischer Zusammensetzung stark variierte. Ein verbindendes Element konnte ein ''Traditionskern'' ([[Reinhard Wenskus]]) sein, der etwa durch die Führungsgruppe eines Verbandes repräsentiert wurde. Einen Zusammenhalt stifteten ansonsten wohl beispielsweise die Stammeslegenden (siehe ''[[Origo gentis]]''), die die Herkunft der jeweiligen ''gens'' oft [[Topos (Geisteswissenschaft)|topisch]] auf mythische Gründer und eine angebliche skandinavische Heimat zurückführten. Allerdings werden diese Überlieferungen von der modernen Forschung – anders als früher – meistens mit großer Skepsis betrachtet.<ref>Einen allgemeinen Überblick bietet etwa [[Alheydis Plassmann]]: ''Origo gentis. Identitäts- und Legitimitätsstiftung in früh- und hochmittelalterlichen Herkunftserzählungen (= Orbis mediaevalis. Vorstellungswelten des Mittelalters 7)''. Berlin 2006. Vgl. auch die diversen Arbeiten von Herwig Wolfram und Walter Pohl. Es sei angemerkt, dass die Thesen Wolframs nicht unwidersprochen blieben. So äußert sich beispielsweise [[Walter Goffart]] skeptischer als Wolfram hinsichtlich der Rückschlüsse, die späte schriftliche Aufzeichnungen gerade auch in Bezug auf die Rekonstruktion einer ursprünglich mündlich tradierten ''origo gentis'' zulassen: Die Ursprungssagen seien in ihrer heute vorliegenden Form weniger Verschriftlichungen alter Stammeslegenden als vielmehr noch spätere, stark von der antiken [[Ethnographie]] beeinflusste Konstruktionen.</ref> === Der Untergang Roms === Welche Rolle die Entwicklungen der Völkerwanderungszeit bei der Auflösung des [[Weströmisches Reich|Weströmischen Reiches]] spielten, ein in der Forschung immer wieder diskutiertes Problem, ist nicht pauschal zu beantworten. Sicher ist, dass Rom im späten 4. und im frühen 5. Jahrhundert nicht mehr in der Lage war, den Invasoren so effektiv wie früher zu begegnen, wenn es teilweise auch gelang, barbarische Gruppen in das Imperium einzubinden (was nie von Dauer war). Die Errichtung der germanischen Königreiche ''(regna)'' im 5. und 6. Jahrhundert im Westen auf dem Boden des Imperiums lässt sich dabei nicht mehr so leicht erklären, wie es früher oft angenommen wurde, und war oft ein schleichender Prozess.<ref>Goetz, Jarnut, Pohl (2003); Pohl (1997).</ref> Das [[Verdikt]] des französischen Althistorikers André Piganiol, der nach dem [[Zweiter Weltkrieg|Zweiten Weltkrieg]] in seinem Werk ''L’Empire chrétien'' (veröffentlicht 1947) noch pauschal erklärte, die römische Zivilisation sei von den Germanen regelrecht ermordet worden, ist heute angesichts der neueren Forschung nicht mehr in dieser Form haltbar. In der älteren Forschung, besonders in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, zogen viele Historiker aus dem romanischen und angelsächsischen Raum derartige Formulierungen nicht zuletzt aufgrund der damaligen militärischen Auseinandersetzungen mit dem modernen deutschen Nationalstaat heran. Umgekehrt beriefen sich viele deutsch-nationale Historiker, insbesondere in der [[Zeit des Nationalsozialismus]] auf das angebliche „germanische Erbe“ der Völkerwanderungszeit.<ref>Zur nicht selten politisch motivierten Rezeption siehe die knappen Ausführungen bei Rosen (2003), S. 109–121.</ref> Die neuere Forschung hat seit den 70er Jahren des 20. Jahrhunderts stärker den Aspekt betont, dass die [[Spätantike]] (und damit auch die Völkerwanderungszeit) eine Zeit des kulturellen Transformationsprozesses war, an dem auch die „Barbaren“ durchaus ihren Anteil hatten. Allerdings war auch dieser Prozess mit Gewalt und einem erheblichen materiellen Niedergang verbunden, was in jüngerer Zeit von einem Teil der Forschung wieder hervorgehoben wird.<ref>Den zerstörerischen Aspekt dieser Epoche betonte jüngst Heather (2005), außerdem besonders Ward-Perkins (2005). Vgl. dagegen aber Goffart (1980) und Goffart (2006) sowie die diversen Arbeiten von [[Peter Brown (Historiker)|Peter Brown]]. Allgemein siehe die umfassende Buchreihe ''[[Transformation of the Roman World]]'' (bisher 14 Bde.): [http://www.brill.nl/default.aspx?partid=227&pid=7573 Verlagsbeschreibung].</ref> Der Untergang Westroms wurde nach Ansicht vieler Forscher vor allem durch den Einbruch der Hunnen in Gang gesetzt.<ref>Heather (1995) und Heather (2005). Anders jetzt wieder Halsall (2007).</ref> Das [[Byzantinisches Reich|Oströmische Reich]], das eigentlich das erste Ziel der hunnischen und gotischen Angriffe war, konnte die Völkerwanderungszeit im Gegensatz zum Westreich unter anderem deshalb intakt überstehen, da es den Angreifern nicht gelang, von Europa aus zu den reichen kleinasiatischen und orientalischen Provinzen überzusetzen - dies war vor allem den quasi uneinnehmbaren Mauern von [[Konstantinopel]] zu verdanken. Dennoch war Ostrom selbst zu stark unter Druck, um Westrom wirksam Hilfe leisten zu können. Im Westen wäre zu klären, wie viel Substanz der klassisch-antiken Kultur im 5. und 6. Jahrhundert noch vorhanden war, zumal auf dem europäischen Festland oft eine germanisch-romanische Symbiose erfolgte.<ref>Springer (2006), S. 514.</ref> Eine entscheidende Rolle bei der Auflösung Westroms spielten weniger die ''Barbaren'' im regulären römischen Heer als vielmehr die germanischen ''[[Föderaten|foederati]]'': Mit dem Verlust reicher Provinzen wie vor allem ''Africa'' verlor Westrom die finanzielle Basis, um eigene Truppen zu unterhalten, was zu weiteren Niederlagen und zur vermehrten Anwerbung von ''foederati'' führte. Diese ließen sich vom Kaiser immer schlechter kontrollieren, ersetzten schließlich weitgehend die regulären weströmischen Truppen und errichteten dann faktisch unabhängige Reiche. Diese akzeptierten allerdings mindestens bis in das 6. Jahrhundert formal die Oberhoheit des (ost-)römischen Kaisers, um so ihrer Herrschaft zusätzlich Legitimation zu verschaffen. Die höchst verlustreichen [[Gotenkrieg]]e Kaiser [[Justinian I.|Justinians]] machten aber die Grenzen der militärischen Ressourcen Ostroms deutlich. === Die germanisch-romanischen ''Regna'' === Die vielleicht wichtigste Leistung der römischen Staatlichkeit war das Entstehen der sogenannten ''regna'' (Reiche) auf dem Boden des Imperiums: [[Goten]] in Italien (wo später auch die [[Langobarden]] einfielen) und Hispanien, [[Vandalen]] in Nordafrika, [[Franken (Volk)|Franken]] und [[Burgunden]] in Gallien; die Kleinreiche der [[Angelsachsen]] in Britannien nehmen dabei in gewisser Weise eine Sonderrolle ein. Diese trugen ganz wesentlich zum Werden Europas im Mittelalter bei. Ohne das Vorbild des spätantiken Römerreiches wären diese Reiche, die in vielerlei Weise an das Imperium anknüpften, allerdings undenkbar gewesen. Ohnehin waren die Germanen der Völkerwanderungszeit in der Regel bestrebt, an der römischen Kultur teilzuhaben bzw. sich ihrer Errungenschaften zu bedienen und sie nicht zu zerstören, wie das Beispiel des westgotischen Spanien und des ostgotischen Italien zeigt (siehe unten). Der [[Mediävistik|Mediävist]] [[Patrick J. Geary]] erklärte dazu: {{Zitat|Die germanische Welt war vielleicht die großartigste und dauerhafteste Schöpfung des militärischen und politischen Genies der Römer.|Quelle=Patrick Geary: ''Die Merowinger''. München 1996, S. 7.}} Andererseits wurde die Integration der Germanen oft durch das unterschiedliche christliche Bekenntnis erschwert: die in das Imperium eingedrungenen Germanen nahmen, sofern vorher Heiden, recht rasch den christlichen Glauben an, oft aber in Form des [[Arianismus]]. Zahlenmäßig waren die zuwandernden Germanen den Römern deutlich unterlegen. Auch wenn meistens nur Schätzungen möglich sind, da die antiken und mittelalterlichen Autoren oft zu Übertreibungen neigten, waren wohl 20–30.000 Kämpfer das Limit. Oft waren es wesentlich weniger.<ref>Pohl (2005), S. 31f.; Rosen (2003), S. 99–101.</ref> Die Germanen bildeten jedenfalls eine verschwindend geringe Minderheit gegenüber der römischen Provinzbevölkerung und gingen daher oft zu einer (wenigstens bedingten) Kooperationspolitik über, sodass es angemessen erscheint, von germanisch-romanischen Reichen zu sprechen.<ref>Siehe Springer (2006).</ref> Von diesen ''regna'' hatten nur die Reiche der Franken, Langobarden, Angelsachsen und Westgoten längere Zeit Bestand. == Germanische Wanderungsbewegungen vor dem Einfall der Hunnen == [[Datei:Karte völkerwanderung.jpg|miniatur|Wanderungen des zweiten bis fünften Jahrhunderts.]] Schon vor dem Beginn der eigentlichen Völkerwanderung hatte es im außerrömischen ''[[Barbaricum]]'' Wanderungsbewegungen der [[Germanen]] gegeben. Bereits Ende des 2. Jahrhunderts v. Chr. trafen die Römer auf [[Kimbern]] und [[Teutonen]] und hielten deren Zug auf. Auch später kam es zu militärischen Konflikten. Die Germanen, die nie eine politische Einheit darstellten und den Römern zahlenmäßig nicht überlegen waren, traten aber auch friedlich in Kontakt mit Rom. An der Grenze wurde Handel getrieben und Germanen dienten nicht selten im römischen Heer.<ref>Knapp zusammenfassend Rosen (2003), S. 22ff. Zu den Germanen siehe einführend: ''Germanen, Germania, Germanische Altertumskunde''. Hrsg. von Heinrich Beck u.&nbsp;a. (Sonderabdruck aus Bd. 11 des RGA). Berlin 1998; Walter Pohl: ''Die Germanen''. 2. Auflage, München 2004.</ref> Über viele Wanderungsbewegungen jenseits des römischen Horizonts wissen wir dennoch oft nur aus zumeist mündlich tradierten Berichten, die später schriftlich festgehalten wurden und dabei oft mythisch verklärt sind. Die wohl bekannteste dieser Ursprungsgeschichten, eine sogenannte ''[[Origo gentis]]'', ist die Gotengeschichte (oder ''Getica'') des [[Jordanes]] aus dem 6. Jahrhundert. Entgegen seiner Darstellung, dass die Goten aus Skandinavien stammen würden, sind sie nach heutiger Erkenntnis im 2. Jahrhundert n. Chr. von dem Gebiet an der Weichsel in Richtung Schwarzes Meer gezogen.<ref>Zu den Getica siehe die kritische Analyse von Arne Søby Christensen: ''Cassiodorus, Jordanes and the History of the Goths. Studies in a Migration Myth''. Kopenhagen 2002; siehe auch Herwig Wolfram: ''Einige Überlegungen zur gotischen Origo gentis''. In: Henrik Birnbaum u.&nbsp;a. (Hrsg.): ''Festschrift Alexander Issatschenko''. Lund 1978, S. 487–499, Zitat ebd., S. 496: ''„Die Herkunft der Goten aus ‚Übersee‘ steht und fällt derzeit allein mit der Möglichkeit, die Getica historisch zu rechtfertigen“''. Zu den Goten ist Wolfram (1979) [bzw. (2001)] grundlegend. Daneben siehe auch Volker Bierbrauer: ''Archäologie und Geschichte der Goten vom 1.–7. Jahrhundert''. In: ''Frühmittelalterliche Studien''. Bd 28 (1994), S. 51–171; Heather (1991).</ref> Die Goten verursachten damit die erste größere Wanderbewegung und verdrängten die [[Vandalen]] und [[Markomannen]] nach Süden und die [[Burgunden]] nach Westen. Diese Bevölkerungsverschiebungen waren einer der Auslöser für die [[Markomannenkriege]], in denen Rom der Germanen nur mit Mühe Herr werden konnte.<ref>Siehe etwa [[Karl Christ]]: ''Geschichte der römischen Kaiserzeit''. 4. Aufl. München 2002, S. 336ff.; zusammenfassend Rosen (2003), S. 43–45.</ref> In den 50er und 60er Jahren des 3. Jahrhunderts, als Rom mit den Symptomen der [[Reichskrise des 3. Jahrhunderts|Reichskrise]] zu kämpfen hatte, stießen gotische Gruppen immer wieder auf den Boden des Imperiums vor.<ref>Wolfram (1979), S. 41ff.</ref> Etwa um 290 teilten sich die Goten in Terwingen/Visigoten und Greutungen/Ostrogoten auf.<ref>Später wurde die Trennung der beiden Gruppen als schlichte geografische Aufteilung interpretiert, aus den ersteren wurden die ''Westgoten'', aus letzteren die ''Ostgoten''. Diese Darstellung ist allerdings grob vereinfachend, denn tatsächlich nahmen sowohl Teile der Greutungen als auch Mitglieder anderer ''gentes'' an der [[Ethnogenese]] der Westgoten teil. Ebenso waren die aus dem Gros der Greutungen hervorgehenden Ostgoten kein ethnisch homogener Verband. Siehe Artikel ''Goten''. In: ''[[Reallexikon der Germanischen Altertumskunde]]'' (RGA). Bd. 12 (1998), S. 402–443, speziell S. 428ff.; zu den Gotennamen siehe ebenfalls Arne S. Christensen: ''Cassiodorus, Jordanes and the History of the Goths''. Kopenhagen 2002, S. 197ff.; Heather (1991), S. 331–333.</ref> Die Greutungen/„Ostgoten“ siedelten sich im Schwarzmeerraum der heutigen [[Ukraine]] an. Die Terwingen/„Westgoten“ ließen sich vorerst auf der [[Balkanhalbinsel]] nieder, im Raum nördlich der [[Donau]] im heutigen [[Siebenbürgen]]. Die Terwingen gerieten dabei in direkten Kontakt mit Rom, es kam sogar zu militärischen Auseinandersetzungen, die aber nicht entscheidend waren. 332 erhielten die Donaugoten den Status von ''[[foederati]]'', mussten also Rom vertraglich garantierte Waffenhilfe leisten. Der Gotenzug ist vor allem deshalb von Interesse, weil die nachfolgende Entwicklung gerade für die Goten nachhaltige Folgen hatte: Der Hunneneinbruch 375 (siehe unten) vertrieb sie nicht nur aus ihrer neuen Heimat, sondern setzte durch das darauffolgende Übersetzen der Goten ins Imperium einen Prozess in Gang, in dessen Folge Rom ums Überleben zu kämpfen hatte. Etwa zur gleichen Zeit wie die Goten wanderten die [[Langobarden]] von der [[Elbe|Unterelbe]] nach [[Mähren]] und [[Pannonien]]. Kleinere Einfälle in römisches Herrschaftsgebiet wurden in dieser Zeit entweder zurückgeschlagen oder endeten mit kleineren Grenzkorrekturen. Weiter im Westen durchbrach die Stammeskonföderation der [[Alamannen]] im 3. Jahrhundert die römischen Grenzbefestigungen, den [[Obergermanisch-Raetischer Limes|obergermanisch-raetischen Limes]], und siedelte sich im sogenannten [[Dekumatland]] an. Viele Stämme wurden auch als Bundesgenossen gezielt an den Grenzen des Reiches angesiedelt und bildeten Puffer zu feindlicher gesinnten Stämmen (siehe [[Föderaten]]). Rom hatte aus den Germaneneinfällen des 3. Jahrhunderts gelernt und im frühen 4. Jahrhundert umfassende militärische Reformen in Angriff genommen. Die Kaiser [[Diokletian]] und [[Konstantin der Große]], der das [[Christentum]] im Imperium privilegierte ''([[Konstantinische Wende]])'', bauten das Bewegungsheer ''([[comitatenses]])'' aus und sicherten somit noch einmal die Grenzen. Der spätere Kaiser [[Julian (Kaiser)|Julian]] konnte noch 357 in der [[Schlacht von Argentoratum]] ein zahlenmäßig wohl überlegenes alamannisches Aufgebot vernichten. Trotz der Schwierigkeiten, in die Rom im 3. Jahrhundert durch die Bildung gentiler Großverbände wie der Alamannen und Franken geraten war, war es militärisch diesen Vorstößen immer noch gewachsen.<ref>Heather (2005), S. 82.</ref> Doch mit dem Einfall der Hunnen änderte sich die Bedrohungslage fast schlagartig. Dies und der Umstand, dass sich in der Folgezeit die Qualität der wandernden ''gentes'' veränderte, sind die wichtigsten beiden Merkmale der Völkerwanderung, durch die sich diese trotz des relativ unscharfen Begriffs von den vorherigen Wanderungsbewegungen unterscheidet.<ref>Martin (2001), S. 166.</ref> == Die Völkerwanderungszeit == [[Datei:Voelkerwanderungkarte.png|miniatur|Karte Europas, Völkerwanderung mittels Pfeilen eingezeichnet – Kenntlich sind auch die Siedlungsräume germanischer Stämme innerhalb des Imperium Romanum]] === Der Hunneneinbruch und seine Folgen === {{Zitat-la|Hunorum gens monumentis veteribus leviter nota ultra paludes Maeoticas glacialem oceanum accolens, omnem modum feritatis excedit. […] Hoc expeditum indomitumque hominum genus, externa praedandi aviditate flagrans inmani, per rapinas, finitimorum grassatum et caedes ad usque Halanos pervenit, veteres Massagetas|Quelle=Ammianus Marcellinus, ''Res Gestae'', 31, 2, 1; 31, 2, 12.<ref>Übersetzung von Otto Veh (1974), S. 708, 711.</ref>|Übersetzung=Das Hunnenvolk, in alten Berichten nur wenig genannt, wohnt jenseits der Mäotischen Sümpfe zum Eismeer zu und ist über alle Maßen wild. […] Diese kampftüchtige, unbändige Menschenrasse brennt vor entsetzlicher Gier nach Raub fremden Gutes; plündernd und mordend überfiel sie damals ihre Grenznachbarn und drang bis zu den Alanen, den einstigen Massageten, vor.}} Der Bericht des römischen Geschichtsschreibers und ehemaligen Offiziers [[Ammianus Marcellinus]], den dieser im 31. Buch seines Geschichtswerks darlegt, ist die einzige zusammenhängende Darstellung des Einfalls der [[Hunnen]]. Ammianus, ein ansonsten sehr zuverlässiger Berichterstatter, wusste aber nur aus zweiter Hand von den Ereignissen, die sich um 375 außerhalb des römischen Blickfelds im Gebiet der heutigen [[Ukraine]] ereigneten. Ammianus beschreibt die Hunnen jedenfalls mehr als Bestien denn als richtige Menschen. Er schildert, wie die Hunnen zunächst die [[Alanen]] niederwarfen und dann das gotische Greutungenreich [[Ermanarich]]s in der heutigen Ukraine vernichteten, wobei die Alanen wohl mit den Hunnen kooperierten.<ref>Ammian 31, 3. Zu den Hunnen ist immer noch Maenchen-Helfen (1978) grundlegend, hierzu ebd., S. 16ff. Siehe auch den Artikel ''Hunnen''. In: RGA 15 (2000), S. 246–261; ''Attila und die Hunnen''. Hrsg. vom Historischen Museum der Pfalz Speyer. Stuttgart 2007; Stickler (2007). Zu Ermanarichs Gotenreich sind viele Einzelfragen umstritten, siehe etwa Arne S. Christensen: ''Cassiodorus, Jordanes and the History of the Goths''. Kopenhagen 2002, S. 158ff.; Heather (1991), S. 87f.; Wolfram (1979), S. 98–102. Der Tod Ermanarichs selbst wurde im Mittelalter in vielen Epen thematisiert.</ref> Wer aber die Hunnen genau waren und woher sie stammten, ist bis heute nicht eindeutig geklärt. Die in der älteren Forschung teils vertretene Ansicht, sie seien mit den in chinesischen Quellen erwähnten [[Xiongnu]] verwandt, wird inzwischen von der Mehrheit der modernen Forscher abgelehnt oder wenigstens sehr skeptisch gesehen, da auch ein großer zeitlicher Abstand zwischen dem Erscheinen der beiden Gruppen liegt. Über die Ursachen der hunnischen Wanderungsbewegung kann ebenso nur spekuliert werden.<ref>Zusammenfassend Heather (1995) und Heather (2005), S. 146ff.; siehe auch Artikel ''Hunnen''. In: RGA 15 (2000), S. 247f.</ref> In den antiken Quellen wird übereinstimmend ihre Grausamkeit und Kulturlosigkeit herausgestellt, wobei der Begriff „Hunnen“ später von westlichen Autoren allgemein benutzt wurde, um Völkergruppen zu bezeichnen, die aus der zentralasiatischen Steppe auftauchten (wie vorher die Bezeichnung „Skythen“). Einige Christen sahen das plötzliche Auftauchen der Hunnen, die mit großer Brutalität und Schnelligkeit agierten und mit den [[Kompositbogen|Kompositbögen]] eine neue Waffe einsetzten, sogar als eine Strafe Gottes an.<ref>[[Orosius]], ''Historiae adversum paganos'', 7, 33.</ref> Sicher ist, dass die Hunnen, die wohl nicht unter einheitlicher Führung operierten, auf ihrem weiteren Zug nach Westen eine wellenartige Fluchtbewegung mehrerer germanischer und [[Sarmaten|sarmatischer]] Stämme nach [[Südeuropa|Süd-]] und [[Westeuropa]] auslösten. Die Greutungen gerieten größtenteils unter ihre Herrschaft, wenn sich auch einzelne Gruppen dem Zugriff entziehen konnten (und andere dies später ebenfalls immer wieder versuchten). Der hunnische Druck hatte auch die Flucht des Großteils der terwingischen Goten an der Donau zur Folge. Unter ihrem neuen Anführer [[Fritigern]] baten sie den römischen Kaiser [[Valens]], der den Osten des Imperiums regierte, um die Erlaubnis, sich auf römisches Gebiet begeben zu dürfen. Valens kam diesem Ersuchen schließlich nach, und so strömten im Jahr 376 mehrere Tausend Terwingen und andere Flüchtlinge über die Donau ins Römische Reich.<ref>Die beste Quelle für die folgenden Ereignisse bis 378 ist wieder Ammianus und sein Bericht im 31. und letzten Buch seines Geschichtswerks. Vgl. dazu Heather (1991), S. 122ff., und Wolfram (1979), S. 137ff.</ref> Allerdings hatte man auf römischer Seite offenbar die Zahl der Flüchtlinge völlig unterschätzt und es noch dazu versäumt, diese auch zu entwaffnen. Infolge römischer Versäumnisse und Inkompetenz stockten die Nahrungslieferungen an die Goten, die zudem schlecht behandelt wurden. Wohl Anfang 377 erhoben sie sich daraufhin gegen die Römer.<ref>Ammian 31, 5ff. Zum Zeitpunkt siehe Heather (1991), S. 142.</ref> Die folgenden Ereignisse schienen zunächst nicht ernsthaft bedrohlich. Valens zog Truppen zusammen, um gegen die Goten in [[Thrakien]] vorzugehen. Während der Operationen im Sommer 377 mussten die Römer jedoch erkennen, dass die Goten nicht so leicht auszuschalten waren. Valens begab sich im Frühjahr 378 selbst nach Thrakien und tauschte mehrere Offiziere aus. Auch Valens’ Neffe und Kaiser im Westen, [[Gratian]], hatte direkte Hilfe versprochen, doch wurde er durch einen Einfall der Alamannen gebunden; der damit zusammenhängende Vorstoß Gratians über den Rhein war der letzte eines römischen Kaisers. Am 9. August 378 kam es dann in Thrakien, im heute europäischen Teil der Türkei, zur [[Schlacht von Adrianopel (378)|Schlacht von Adrianopel]] zwischen den Goten und der römischen Armee. Ohne größere Not hatte Valens sich mit etwa 30.000 Mann, den besten Einheiten der östlichen Hofarmee, auf das offene Feld begeben.<ref>Vielleicht fürchtete Valens, dass sein Neffe Gratian, der sich bereits im Krieg bewährt hatte, zu viel Ruhm für sich einfordern würde, wenn er seinem Onkel bei der Niederwerfung der Goten helfen würde. Für die nachfolgende Entwicklung siehe Ammian 31, 12f. Vgl. auch Burns (1994), S. 28ff., sowie Heather (1991), S. 142ff.</ref> Die Terwingen hatten allerdings ebenfalls Unterstützung erhalten und zwar in Form der sogenannten ''Dreivölkerkonföderation'', die aus Greutungen, Alanen und sogar aus geflüchteten Hunnen bestand, die sich dem Zugriff der Hauptmasse der Hunnen entzogen hatten.<ref>Dazu Heather (1991), S. 84ff.</ref> Zudem hatten die römischen Späher die Stärke des feindlichen Heeres unterschätzt, das wohl etwa 20.000 Mann betragen hat. Die Römer, erschöpft vom Marsch in der Sommerhitze und noch dazu ohne ausreichende Verpflegung, konnten gegen die wendig operierenden feindlichen Reiter wenig ausrichten, während das gotische Fußvolk den Römern ebenfalls schwer zu schaffen machte. Am Ende entkamen nur rund ein Drittel der römischen Soldaten. Auch Kaiser Valens fiel, weitaus schwerwiegender war aber, dass mit ihm mehrere der besten römischen Einheiten im Osten vernichtet wurden sowie eine Vielzahl hoher und erfahrener römischer Offiziere fielen, darunter zwei [[Heermeister]].<ref>Die Folgen wurden sehr bald offenkundig: Burns (1994), S. 33.</ref> Ammianus, der um 391/94 sein Werk niederschrieb, ließ dieses mit der Schlacht von Adrianopel enden, die er mit der [[Schlacht von Cannae]] verglich,<ref>Ammian 31,13,19.</ref> auf die aber bekanntlich der römische Sieg folgte. === Von Adrianopel bis zur Plünderung Roms 410: Die Goten im Imperium Romanum === [[Datei:Theodosius I. Roman Coin.jpg|miniatur|Darstellung Theodosius’ I. auf einer römischen Münze]] ==== Der Gotenvertrag von 382 ==== Tatsächlich waren die Folgen der Niederlage von Adrianopel zwar schwerwiegend, aber keineswegs der Anfang vom Ende des Imperiums. Thrakien stand den Goten zwar weitgehend offen, dennoch konnten sie den Sieg nicht wirklich ausnutzen.<ref>Wolfram (1979), S. 150ff.</ref> Gratian eilte nun aus dem Westen herbei und sah sich gezwungen, einen neuen Kaiser im Osten einzusetzen. Er entschied sich für den aus Spanien stammenden Römer [[Theodosius I.|Flavius Theodosius]], dessen gleichnamiger [[Flavius Theodosius|Vater]] bereits ein sehr erfolgreicher General gewesen war.<ref>Zu Theodosius, der später der Große genannt wurde, siehe [[Hartmut Leppin]]: ''Theodosius der Große''. Darmstadt 2003, zur Entwicklung nach Adrianopel ebd., S. 35ff. Vgl. dazu auch Burns (1994), S. 43ff.; Heather (1991), S. 147ff.</ref> Theodosius, der das Christentum zur Staatsreligion erheben sollte, erwies sich als ein weitaus fähigerer Kaiser als Valens. 379 bezog er in [[Thessaloniki]] Quartier und führte mehrere Operationen gegen die Goten durch. Allerdings litt die römische Offensive unter dem Mangel an erfahrenen Soldaten und qualifizierten Offizieren, so dass sich Theodosius schließlich gezwungen sah, auf „Barbaren“ zurückzugreifen. Gratian, der 380 Elemente der Dreivölkerkonföderation in [[Illyrien]] ansiedeln konnte, sandte erfahrene Offiziere in den Osten, darunter [[Bauto]] und [[Arbogast der Ältere|Arbogast den Älteren]]. Es war aber der römische Heermeister [[Flavius Saturninus]], der im Oktober 382 mit den Goten in Thrakien einen Frieden aushandeln konnte. Der ''Gotenvertrag'' sah vor, dass die Goten sich auf Reichsboden an der unteren Donau ansiedeln durften. Sie wurden zu Reichsangehörigen und von der Steuer befreit. Allerdings wurde ihnen das ''[[Conubium|conubium]]'' verweigert, sie durften also keine Ehen mit römischen Bürgern eingehen. Das von ihnen besiedelte Land blieb weiterhin römisches Staatsgebiet, wenn es auch einen autonomen Status erhielt. Als Gegenleistung mussten die Goten in Kriegszeiten unter eigenen Anführern dienen, das Oberkommando kam aber römischen Offizieren zu.<ref>Zusammenfassend: Heather (1991), S. 157ff.; Wolfram (1979), S. 153ff. Vgl. auch Halsall (2007), S. 180ff., der explizit gegen die ''communis opinio'' argumentiert.</ref> Der Vertrag wurde früher oft als Beginn vom Ende des Imperiums angesehen, da Barbaren nie zuvor ein halbautonomes Siedlungsgebiet zugestanden worden war, noch dazu in relativer Nähe zur Reichszentrale. Allerdings betont ein Teil der neueren Forschung, dass der Vertrag in den Kernpunkten nicht wesentlich über frühere Föderatenabkommen hinaus ging:<ref>Siehe aber Martin (2001), S. 166f.</ref> Rom behauptete seinen Führungsanspruch und profitierte von den nun zur Verfügung stehenden Truppen, auf die es Theodosius vor allem ankam, da es immer schwieriger wurde, genügend Römer für den Militärdienst einzuziehen. Wenn sich später auch die Nachteile dieser Regelung bemerkbar machten, da diese mit hohen finanziellen Zuwendungen verknüpft war, kann die Ansiedlung kaum als der Beginn der Bildung germanischer ''regna'' auf dem Boden des Imperiums interpretiert werden.<ref>Siehe dazu Leppin: ''Theodosius der Große''. 2003, S. 45ff., besonders S. 50f.; Burns (1994), S. 73ff. Vgl. auch Halsall (2007), S. 184f.</ref> ==== Die Goten als Föderaten und als Gegner Roms ==== Die gotischen ''foederati'' sollten eine wichtige Rolle in der Militärpolitik Kaiser Theodosius’ I. spielen. Dass Theodosius ganz handfeste realpolitische Ziele verfolgte und nicht einfach ein „Freund des gotischen Volkes“ war, wie Jordanes berichtet,<ref>''Getica'', 29, 146.</ref> bezeugen die hohen Verlustraten gotischer Truppen auf seinen Feldzügen. Schließlich scheiterte die vom Kaiser betriebene Integrationspolitik hinsichtlich der Goten: Auch wenn etwa [[Fravitta]] und andere treu zu Rom standen, waren andere Goten unzufrieden mit der Vereinbarung. Bereits 391 hatten sich einige von ihnen erhoben und konnten nur mit Mühe vom römischen General [[Stilicho]] zurückgeschlagen werden, 392 erneuerten sie den Vertrag von 382. In diesem Zusammenhang taucht in den Quellen das erste Mal der Name [[Alarich I.|Alarich]] auf, der aus der adligen Familie der Balthen stammte und Anführer der sich nun formierenden Westgoten wurde.<ref>Zusammenfassend und mit Quellenbelegen: Heather (1991), S. 193ff., sowie Wolfram (1979), S. 159ff.</ref> Im Krieg gegen den Usurpator [[Eugenius]] hatten die Goten wieder hohe Verluste zu beklagen gehabt, wobei nicht auszuschließen ist, dass Theodosius sie ganz bewusst verbluten ließ, um so einen potentiellen Gegner zu schwächen. Als Theodosius Anfang 395 in Mailand starb, erhielten die Goten die Erlaubnis nach Osten zurückzukehren. Bald mussten sie jedoch feststellen, dass ihr Siedlungsland von den Hunnen verwüstet worden war. Verbittert zog Alarich mit den Goten gegen Konstantinopel, um einen neuen Vertrag zu erzwingen.<ref>Zum Folgenden Burns (1994), S. 183ff.; Heather (1991), S. 199ff. (mit gutem Kartenmaterial); Wolfram (1979), S. 164ff.</ref> Die beiden folgenden Jahre waren von einem ständigen 'Auf und ab' gekennzeichnet, in dem Stilicho der Gegenspieler der Westgoten wurde und Alarich zwischen die Fronten des sich zuspitzenden Konflikts zwischen West- und Ostrom geriet, die nach der [[Reichsteilung von 395]] immer mehr auf Konfrontationskurs gingen. [[Datei:Fíbula aquiliforme (M.A.N. Madrid) 01.jpg|miniatur|Gotische Adlerfibel]] 397 wurden die Goten in [[Epirus (historische Region)|Epirus]] angesiedelt, zogen aber 401, vielleicht aufgrund einer anti-gotischen Stimmung im Ostreich, wieder ab. Sie zogen plündernd durch den Balkanraum und Griechenland und fielen schließlich sogar in Italien ein, wo sie aber 402 bei Verona eine schwere Niederlage erlitten. Wie schon einige Jahre zuvor versuchte Stilicho, der neue starke Mann im Westen, dem die Leitung der Reichsgeschäfte faktisch allein zufiel, die Goten für seine Zwecke zu instrumentalisieren.<ref>Stilicho war nicht der erste Heermeister, der Einfluss auf die Reichsgeschäfte genommen hatte. Doch sollte im 5. Jahrhundert die lange Reihe schwacher Kaiser diesem Prozess noch weiter Vorschub leisten. Siehe die ausführliche Darstellung von [[Alexander Demandt]]: ''Magister militum''. In: ''[[Pauly-Wissowa]]''. RE Supplementbd. 13, Sp. 553ff.</ref> Stilicho plante sogar ein gemeinsames Vorgehen gegen Ostrom, doch da brach 405/06 unerwartet der Gote [[Radagaisus]] mit einem gewaltigen Heer mit Tross, das der hunnischen Umklammerung entkommen war, in Italien ein. Stilicho musste eiligst Truppen zusammenziehen. Es gelang ihm zwar mit hunnischer Unterstützung Radagaisus und dessen polyethnisch zusammengesetzten Verband zu stellen und zu schlagen, doch verlor er das Interesse an Alarich.<ref>Zum Radagaisuszug siehe Heather (2005), S. 194f., sowie Wolfram (1979), S. 202–204, der die Bedeutung dieser Episode im Zusammenhang mit der westgotischen Ethnogenese betont.</ref> Dieser reagierte darauf, indem er seine eigenen Truppen an der Grenze Italiens zusammenzog und einen hohen Geldbetrag von der weströmischen Regierung in [[Ravenna]] einforderte.<ref>Angeblich 4.000 Goldpfund ([[Zosimos]], 5, 29, der sich dabei auf seine Quelle [[Olympiodoros von Theben]] stützte). Der weströmische Kaiserhof hatte zuvor längere Zeit in Mailand residiert, aufgrund der unsicheren Lage war man aber schließlich in das als uneinnehmbar geltende Ravenna umgezogen.</ref> Stilicho lenkte nun ein, zumal sich in Britannien 407 der General [[Konstantin III. (Rom)|Konstantin]] erhoben hatte und nach Gallien übergesetzt war, wo die Rheingrenze kollabiert war (siehe unten): Alarich wurde das Heermeisteramt versprochen, worauf dieser wiederholt spekuliert hatte, um so seine Stellung gegenüber der römischen Regierung zu verbessern. Vor allem sollten die materiellen Wünsche der Goten erfüllt werden. Da aber fiel Stilicho einer Intrige zum Opfer. Er wurde Ende August 408 hingerichtet, auch der Großteil seiner Familie und seiner Anhänger kam ums Leben.<ref>Zur Entwicklung nach dem Tod Stilichos: Burns (1994), S. 224ff.; Heather (2005), S. 220ff.; Wolfram (1979), S. 184ff. Hintergrund für die Ermordung Stilichos bildete unter anderem eine zunehmend anti-germanische Haltung am Kaiserhof in Ravenna, nachdem schon im Ostreich der Gote [[Gainas]] vergeblich versucht hatte, politisch federführend zu wirken.</ref> ==== Die Eroberung und Plünderung Roms 410 ==== Mit der Ermordung Stilichos, des ehrgeizigen, aber dem weströmischen Kaiser gegenüber loyalen Generals, sollte man sich in Ravenna jedoch verkalkuliert haben: Ganze Verbände barbarischer Truppen, die unter Stilicho gedient hatten, gingen zu den Goten über, darunter wohl auch die 12.000 Krieger, die der General aus dem Radagaisusheer in das Reichsheer übernommen hatte. Der schwache weströmische Kaiser [[Honorius (Kaiser)|Honorius]] weigerte sich zu verhandeln, so dass Alarich handelte und insgesamt dreimal gegen Rom zog, um seine Forderungen durchzusetzen. Rom war zwar schon seit Jahren nicht mehr die Hauptstadt des Imperiums, doch hatte es seine Bedeutung als Symbol nicht verloren. Im Oktober 408 konnte man sich in Rom, wo Durst und Hunger herrschten, noch gegen eine gewaltige Summe freikaufen.<ref>Zosimos 5,39–41.</ref> Doch weder die römischen Senatoren noch der [[Bischof von Rom]] konnten den Kaiser im sicheren Ravenna dazu bewegen, mit den Goten zu verhandeln. So erschien Alarich wieder vor Rom und setzte sogar mit dem Senator [[Priscus Attalus]] einen Gegenkaiser ein, der aber die Hoffnungen Alarichs nicht erfüllen konnte und schon 410 wieder abgesetzt wurde; ebenso zerschlugen sich die Hoffnungen, nach Nordafrika übersetzen zu können. Wenigstens gelang es den Goten, den römischen General [[Sarus (Römer)|Sarus]], einen ehemaligen Konkurrenten Alarichs bei der Führung der Goten, zu schlagen.<ref>Wolfram (1979), S. 187f.</ref> Schließlich sah Alarich, aller Optionen beraubt, nur noch einen Ausweg. Am 24. Oktober 410 drangen die Goten in die alte Metropole am Tiber ein und plünderten sie regelrecht, wobei Alarich, wie die meisten Goten inzwischen Christ, nur darauf bestand, dass die Kirchen verschont wurden.<ref>Wolfram (1979), S. 188f.</ref> Die Eroberung Roms, die erste seit dem Galliersturm 387 v. Chr., war vor allem auf die starre Haltung des Honorius zurückzuführen. Dieser hatte offenbar den Ernst der Lage nicht richtig erkannt, und diesmal war kein Stilicho zur Hand, um mit den Goten fertig zu werden. Diesen ging es keineswegs um die Zerstörung Roms. Die sich hinziehenden Verhandlungen verdeutlichen vielmehr, dass Alarich für sich und sein Volk gesichertes Siedlungsland erhalten und von Rom als Partner anerkannt werden wollte.<ref>Vgl. die informative biografische Skizze [[Mischa Meier]]: ''Alarich und die Eroberung Roms im Jahr 410. Der Beginn der „Völkerwanderung“''. In: Meier (2007), S. 45–62, speziell S. 52ff.</ref> Die römische Germanenpolitik versagte, acht Jahre später hingegen sah man in der Ansiedlung der Goten sogar eine Möglichkeit, das Imperium zu stabilisieren (siehe unten). Alarich hingegen, der vor einem Dilemma stand, aus dem er keinen Ausweg sah (insofern mutet die Eroberung Roms nicht als Lösung, sondern eher als eine Art Verzweiflungstat an), starb wenig später; die Führung der Goten übernahm sein Schwager [[Athaulf]]. Die an die Eroberung Roms anschließende Plünderung der Stadt war ein Schock für die gesamte römische Welt und rief Endzeitängste unter den Christen hervor, während die Heiden dies als gerechte Strafe dafür ansahen, dass Rom den alten Kulten den Rücken gekehrt hatte. Der große Kirchenlehrer [[Augustinus von Hippo]] sah sich veranlasst, sein Werk ''[[De Civitate Dei]]'' zu verfassen, um mögliche Erklärungsmuster aufzuzeigen. [[Orosius]] wiederum versuchte in seiner ''Historiae adversum paganos'' nachzuweisen, dass das heidnische Rom viel schlimmere Schicksalsschläge erlitten hatte. Der gelehrte Diskurs wirkte tiefgreifend und nachhaltig. Es bleibt festzustellen, dass die Plünderung Roms weniger realpolitische als ideengeschichtliche Konsequenzen hatte und bis heute prägend gewirkt hat.<ref>Zur Eroberung Roms 410 und der damit zusammenhängenden Rezeption siehe nun [[Mischa Meier]], Steffen Patzold: ''August 410 - Ein Kampf um Rom''. Stuttgart 2010; vgl. auch Hans Armin: ''Der Fall Roms. Literarische Verarbeitung bei Heiden und Christen''. In: Johannes Oort, Dietmar Wyrwa (Hrsg.): ''Heiden und Christen im 5. Jahrhundert''. Leuven 1998, S. 160ff.</ref> === Der Rheinübergang von 406/07 und seine Folgen: Die Goten in Aquitanien und die Vandalen in Nordafrika === [[Datei:Roman empire 395.jpg|miniatur|Das römische Reich zum Zeitpunkt des Todes Theodosius’ I. 395 n. Chr.]] ==== Der Zusammenbruch der Rheingrenze: Invasionen und Usurpationen ==== Am 31. Dezember 406 überschritt eine große Anzahl barbarischer Stämme, vielleicht auf der Flucht vor den Hunnen oder aufgrund von Nahrungsmittelknappheit, den Rhein bei [[Mogontiacum]] (Mainz) (siehe ''[[Rheinübergang von 406]]'').<ref>Zum Rheinübergang siehe: Goffart (2006), S. 73ff.; Heather (2005), S. 194ff.; Peter J. Heather: ''Why Did the Barbarian Cross the Rhine?''. In: ''[[Journal of Late Antiquity]]'' 2 (2009), S. 3–29; Stein (1928), S. 381ff. Siehe auch Michael Kulikowski: ''Barbarians in Gaul, Usurpers in Britain''. In: ''[[Britannia (Zeitschrift)|Britannia]]'' 31 (2000), S. 325–345 (der die These aufgestellt hat, der Einbruch könnte auch schon 405/06 erfolgt sein).</ref> Die drei größten Gruppen stellten die [[Vandalen]], [[Sueben]] und [[Alanen]] dar. Die Vandalen selbst waren unterteilt in zwei Unterstämme, die Hasdingen und die Silingen, und hatten um 400 ihren Stammsitz etwa im Süden des heutigen Polens sowie im heutigen Tschechien, Teile waren aber bereits von Kaiser Konstantin dem Großen in Pannonien angesiedelt worden.<ref>Zu den Vandalen siehe Castritius (2007), bes. S. 46ff. (teils recht kritisch gegenüber den Quellen). Ergänzend sei auf den Artikel im RGA aufmerksam gemacht: ''Wandalen''. In: RGA 33 (2006), S. 168ff.</ref> Im Winter 401/02 überfielen sie die römische Provinz [[Raetia]], Teile schlossen sich dem oben beschriebenen Zug des Radagaisus an. Die Identität der Sueben ist problematischer, da der Terminus zwar in älteren Quellen gebraucht wurde, dann aber um 150 n. Chr. verschwindet und erst später wieder benutzt wurde. Wie die Vandalen lebten sie aber westlich der [[Karpaten]] und sind weitgehend mit den früheren [[Quaden]] identisch.<ref>Art. ''Sweben''. In: RGA 30 (2005), S. 184ff. Ebd. S. 192ff. (zum Begriff Sueben [Sweben]) und S. 202ff. (zu den folgenden Ereignissen), jeweils mit Quellenhinweisen und Literatur.</ref> Die iranischen Alanen waren aus ihrer alten Heimat von den Hunnen vertrieben worden. Teile von ihnen waren ebenfalls 405/06 mit Radagaisus gezogen und hatten sich nach dessen Untergang mit vandalischen Gruppen zusammengeschlossen. Auch die Sueben stießen dazu und gemeinsam drangen sie in das Innere [[Gallien]]s vor. Föderierte Franken, die hier schon seit der Mitte des 4. Jahrhunderts angesiedelt waren, stellten sich den Angreifern ohne Erfolg entgegen (siehe auch [[Respendial]]). Die Quellenlage erlaubt es zwar nicht, die Invasion in allen Einzelheiten nachzuvollziehen. Die Invasoren zogen aber anscheinend in den Westen und Norden Galliens, um sich dann nach Süden und Südwesten zu wenden.<ref>Heather (2005), S. 206–209, mit Kartenmaterial und detaillierterer Quellenanalyse.</ref> In den verstreuten Quellen wird auch die Verwüstung dieses Zuges überdeutlich, ohne dass die wenigen am Rhein stationierten weströmischen Streitkräfte ernsthaft etwas dagegen unternehmen konnten. Allerdings wurde die Rheinverteidigung einige Jahre später noch einmal kurzfristig wiederhergestellt. Der Mainzer Militärdistrikt (Dukat) ist womöglich auch erst nach den Ereignissen 406/07 neu eingerichtet worden. [[Datei:Constantineiii.jpg|miniatur|[[Solidus]] mit dem Bildnis Konstantins III.]] Der Zusammenbruch der Rheingrenze 406/407, der einem Dammbruch gleichkam, war wohl schon vorher absehbar geworden. So war bereits um 400 der Sitz der ''Gallischen Präfektur'', der neben der ''Italischen Präfektur'' obersten Verwaltungsbehörde des Weströmischen Reichs, von [[Trier]] nach [[Arles]] verlegt worden. Der Erfolg der Invasoren war durch die oben beschriebenen Kämpfe Stilichos mit Radagaisus und den Goten begünstigt, so dass Gallien von Truppen weitgehend entblößt worden war. Aus diesem Umstand erklärt sich der Versuch Stilichos, Alarichs Goten zu gewinnen und mit ihrer Hilfe die Ordnung wiederherzustellen. Durch den Tod des Generals im August 408 hatten sich diese Pläne allerdings zerschlagen. Der Usurpator [[Konstantin III. (Rom)|Konstantin III.]], der letzte einer ganzen Reihe britannischer Usurpatoren (siehe [[Marcus (Usurpator)|Marcus]] und [[Gratian (Usurpator)|Gratian]]), setzte bereits 407 mit den Resten des britannischen Feldheeres nach Gallien über und sicherte sich so vorläufig einen eigenen Machtbereich.<ref>Heather (2005), S. 209ff., 236ff.; Stein (1928), S. 383ff.; C. E. Stevens: ''Marcus, Gratian, Constantine''. In: ''Athenaeum'' 35 (1957), S. 316–347.</ref> Gleichzeitig leistete der Abzug der römischen Truppen von der Insel dem bald darauf folgenden Verlust Britanniens Vorschub. [[Pikten]] und irische Stämme suchten die römische Provinz heim, die bald in selbstständige Einheiten zerfiel. Daraufhin rief man um 440 die Sachsen zur Hilfe, was allerdings eine germanische Landnahme zur Folge hatte, wenngleich sich römisch-britische Kleinreiche im heutigen Wales und Südwestengland noch längere Zeit halten konnten.<ref>Pohl (2005), S. 86ff. Allerdings sind viele Detailfragen sehr umstritten, nicht zuletzt aufgrund der teils mangelhaften Quellenlage.</ref> Die Usurpation Konstantins stand wohl in Zusammenhang mit dem Kollaps der Rheingrenze, der auch in Britannien für Unruhe gesorgt hatte. Konstantin III. gelangen einige beachtliche Erfolge; so schloss er Verträge mit barbarischen Stämmen, was die Lage in Gallien wenigstens beruhigte und ihm Truppen verschaffte. Konstantin, der vor allem im südgallischen Arles residierte, wurde aber 411 vom neuen Heermeister (und späteren Mitkaiser) [[Constantius III.|Constantius]] geschlagen und hingerichtet. 413 konnte die Rebellion endgültig niedergeschlagen werden. In Gallien nahm das Chaos noch weiter zu, nachdem sich der gallische Adlige [[Jovinus]] 411 mit Hilfe alanischer Truppen unter [[Goar (Alane)|Goar]] und den ebenfalls an den Rhein vorgedrungenen [[Burgunden]] unter [[Gundahar]], die bald darauf am Mittelrhein ein eigenes Reich errichteten, zum Kaiser ausrief.<ref>Zur Usurpation Konstantins III. und des Jovinus siehe John F. Drinkwater: ''The Usurpers Constantine III (407–411) and Jovinus (411–413)''. In: ''Britannia'' 29 (1998), S. 269–298; Kay Ehling: ''Zur Geschichte Constantins III''. In: ''Francia'' 23 (1996), S. 1–11; Ralf Scharf: ''Iovinus – Kaiser in Gallien''. In: ''Francia'' 20 (1993), S. 1–13. Zu den Burgunden: Kaiser (2004), zum Eingreifen für Jovinus und Reichsbildung: ebd., S. 26ff.</ref> Kaiser Honorius schien die Kontrolle über Gallien vollkommen zu entgleiten. Schließlich erhob sich in Hispanien der Usurpator [[Maximus (Spanien)|Maximus]], der sich aber nicht lange hielt. Die Goten unter Athaulf, dem Nachfolger Alarichs, hatten sich nach der Plünderung Roms aus Italien zurückgezogen und waren dann von Jovinus umworben worden. Allerdings war dieses Bündnis, wie schon im Fall des Attalus, nur von kurzer Dauer; Athaulf ließ Jovinus bald schon wieder fallen.<ref>Wolfram (1979), S. 192f.</ref> 414 heiratete in [[Narbonne]] die Schwester des Honorius, [[Galla Placidia]], die zuvor bei der Plünderung Roms 410 in die Hände der Goten geraten war, Athaulf, der aber 415 ermordet wurde. Dennoch ist diese Episode interessant, denn Athaulf, unter dem die „Verreiterung“ der Westgoten ihren Abschluss fand,<ref>Wolfram (1979), S. 196–202.</ref> soll im Rahmen der Hochzeit sogar erklärt haben, dass er die ''Romania'' durch eine ''Gothia'' habe ersetzen wollen, nun aber eingesehen habe, dass die Barbarei der Goten dies unmöglich mache.<ref>Orosius, ''Historiae adversum paganos'', 7, 43.</ref> Ob nun diese Worte authentisch sind oder nicht, offenbar sehnten sich die Goten nach Siedlungsland, das von Rom anerkannt war. Vor allem deshalb wollte Athaulf in die [[theodosianische Dynastie]] einheiraten. Anerkennung konnte er als Gote und [[Arianismus|arianischer]] Christ freilich nicht erhoffen. ==== Die Ansiedlung der Westgoten in Aquitanien ==== [[Datei:Solidus Constantius III-RIC 1325.jpg|miniatur|Solidus [[Constantius III.|Constantius’ III.]], der erfolgreich Krieg gegen verschiedene Usurpatoren und Invasoren führte.]] Honorius’ Feldherr Constantius hatte sich im Krieg gegen den Usurpator Konstantin als ein talentierter General erwiesen. Bald wurde jedoch klar, dass man den Invasoren nur mit zusätzlichen Truppen entgegentreten konnte. Darum wandte sich die weströmische Regierung wieder an die Westgoten. Deren Anführer war seit Ende 415 [[Wallia]], der den Krieg gegen die Römer zwar zunächst fortsetzen und sogar nach Nordafrika übersetzen wollte, Anfang 416 aber vor Constantius kapitulieren musste. In diesem Zusammenhang kehrte Galla Placidia zurück, die Constantius dann am 1. Januar 417 heiratete. Damit trat er in gewisser Weise das Erbe Stilichos an.<ref>Wolfram (1979), S. 194f. Zu den Militäroperationen des Constantius siehe auch Burns (1994), S. 250ff.</ref> Die Goten wurden zu römischen ''foederati'' und Constantius setzte sie gleich dazu ein, die in Hispanien eingefallenen Germanen und Alanen zu bekämpfen, was die Westgoten in den folgenden beiden Jahren mit einigem Erfolg taten.<ref>Wolfram (1979), S. 204f.</ref> 418 wurden die Westgoten in [[Aquitanien]], also im Südwesten Galliens angesiedelt. Einzelheiten sind sowohl über den Vertrag von 416 wie über den von 418 nicht bekannt und müssen vielmehr aus verstreuten Quellenaussagen herausgefiltert werden.<ref>Heather (1991), S. 221f.</ref> Zahlreiche Punkte sind daher in der modernen Forschung umstritten. So folgte wohl der Unterwerfung (''[[deditio]]'') ein offizieller Vertrag (''[[foedus]]''): Die Westgoten wurden im Garonnetal von [[Toulouse]] bis nach [[Bordeaux]] angesiedelt. Besonders kontrovers wird diskutiert, ob die Goten, wie auch sonst im römischen Föderatensystem üblich, durch das ''hospitalitas''-System versorgt wurden, also ihnen Land zugeteilt wurde, oder ob sie einen Anteil an den Steuereinnahmen erhielten.<ref>Letzteres nimmt vor allem Walter Goffart an: Goffart (1980), S. 103ff.; Goffart (2006), S. 119ff. Siehe außerdem Burns (1994), bes. S. 263ff.; Heather (1991), S. 221ff.; Pohl (2005), S. 58ff.; Pohl (1997), passim; Wolfram (1979), S. 208ff.; Herwig Wolfram: ''Die dauerhafte Ansiedlung der Goten auf römischem Boden. Eine endlose Geschichte''. In: ''Mitteilungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung'' 112 (2004), S. 11–35.</ref> Ebenso wie die genauen Modalitäten des Vertrags sind auch die Auswirkungen der Ansiedlung umstritten. Auch wenn die Westgoten später immer wieder, vor allem aufgrund der Schwäche der weströmischen Regierung, eine Expansionspolitik betreiben sollten, was schließlich zu einer faktischen Unabhängigkeit des westgotischen Föderatenreichs führte (sogenanntes ''Tolosanisches Reich''), so stabilisierten sie doch die Lage in Gallien.<ref>Burns (1994), S. 263f.; wesentlich negativer beurteilte die Ansiedlung etwa Ward-Perkins (2005), S. 54f.</ref> Die Ansiedlung geschah wohl in Kooperation mit der [[Gallorömer|gallo-römischen]] Oberschicht, zumal die Goten im Verhältnis zu den einheimischen Römern nur einen verschwindend geringen Anteil an der Bevölkerung ausmachten, was im Übrigen für alle germanischen ''gentes'' der Völkerwanderungszeit gilt.<ref>Allgemein gilt die Faustregel, dass nur jedes vierte oder fünfte Mitglied einer ''gens'' waffenfähig war. Die Vandalen sollten später in Nordafrika jedoch von diesem „Kooperationsmuster“ mit der einheimischen Bevölkerung entscheidend abrücken.</ref> ==== Die Vandalen in Hispanien und ihre Eroberung der weströmischen Provinz Africa ==== In der Zwischenzeit hatten sich die Vandalen sowie ein Großteil der Sueben und Alanen 409 von Gallien nach [[Hispanien]] abgesetzt.<ref>Zum Folgenden: Castritius (2007), S. 58ff.</ref> Eine wichtige Quelle für die Ereignisse auf der Iberischen Halbinsel stellt die ''[[Chronik]]'' des Bischofs [[Hydatius von Aquae Flaviae]] dar. Darin äußerte sich dieser entsetzt über die Verwüstungen, die mit der Invasion einhergingen. 411 konnten die Eindringlinge der Regierung in Ravenna einen Vertrag abringen, dessen Inhalt uns Hydatius überliefert hat. Demnach sollten sich Teile der Vandalen und die Sueben im Nordwesten der spanischen Halbinsel ansiedeln, die Alanen in [[Lusitanien]] und der Carthagena, die silingischen Vandalen in der [[Baetica]].<ref>Hydatius, ''Chronica'' 49.</ref> Als dann 416 wie bereits beschrieben die Westgoten, jetzt als Föderaten Roms, daran gingen, Hispanien von den Invasoren zu befreien, vernichteten sie den größten Teil der im Süden siedelnden Silingen und Alanen. Ihre Reste schlossen sich dem Vandalenkönig [[Gunderich]] an. Dieser erwies sich als ein talentierter Anführer, so dass die Vandalen und Alanen zu einer wesentlich homogeneren Gruppe zusammenwuchsen. Während die Sueben im Nordwesten zurückblieben, marschierten die Vandalen und Alanen nach Süden. 422 schlugen sie eine römische Armee und eroberten den wichtigen römischen Flottenstützpunkt [[Cartagena (Spanien)|Cartagena]]; bald darauf versuchten sie sich sehr erfolgreich als Seeräuber.<ref>Zusammenfassend Wolfram (1990), S. 234f.</ref> Nach Gunderichs Tod übernahm 428 sein Halbbruder [[Geiserich]], einer der fähigsten germanischen Stammeskönige der Völkerwanderungszeit, die Führung.<ref>Castritius (2007), S. 76ff.; Uwe Walter: ''Geiserich und das afrikanische Vandalenreich''. In: Meier (2007), S. 63–77.</ref> Jordanes hat in seiner Gotengeschichte eine knappe Skizze Geiserichs überliefert, wobei freilich fraglich ist, wie nah diese der Realität kommt, zumal sie einige Zeit nach dem Tod des Vandalenkönigs entstand.<ref>''Getica'', 33, 168.</ref> Vandalische Selbstzeugnisse liegen uns allerdings nicht vor, und Geiserich war sicherlich ein zielbewusster und dabei teils mit äußerster Brutalität agierender Machtmensch. Um seine Macht abzusichern ließ er später die Familie Gunderichs ermorden. Ebenso war er ein fähiger Politiker und Militär, denn die folgenden Ereignisse beweisen auch einiges logistisches Können: 429 überquerten die Vandalen und Gruppen, die sich ihnen angeschlossen hatten, alles in allem etwa 80.000 Personen, die [[Straße von Gibraltar]] und setzten nach Nordafrika über.<ref>Zu den Zahlenangaben (die in den Quellen nicht einheitlich sind) siehe etwa die Diskussion bei Castritius (2007), S. 78f.</ref> Ihr Ziel war die reiche Provinz [[Africa]], die Kornkammer Westroms und eine der am stärksten urbanisierten Regionen des gesamten Imperiums. Dasselbe Ziel hatten, wie bereits berichtet, nach der Eroberung Roms auch die Westgoten gehabt und waren daran gescheitert. Die Vandalen zogen dann von [[Ceuta]] aus fast 2.000&nbsp;km in Richtung Osten, wobei sie mehrere römische Städte einnahmen, Mitte 430 standen sie vor [[Hippo Regius]]. Der Bischof der Stadt, [[Augustinus von Hippo|Augustinus]], der berühmte Kirchenlehrer und Philosoph, verstarb noch während der Belagerung. Die Vandalen erreichten danach die Umgebung [[Karthago]]s, das zur damaligen Zeit eine der größten Städte des Imperiums und wichtiger Flottenstützpunkt war. Die Einnahme Karthagos gelang den Vandalen allerdings nicht.<ref>Castritius (2007), S. 86ff.; Wolfram (1990), S. 237f.</ref> Trotzdem stellt der Zug der Vandalen eine beachtliche Leistung dar, über die genauen Hintergründe kursieren in den Quellen aber unterschiedliche Versionen. So berichtet der im 6. Jahrhundert lebende Geschichtsschreiber [[Prokopios von Caesarea]] im Rahmen seiner ''Historien'' (oder ''Kriegsgeschichten'') davon, dass die Vandalen vom römischen Befehlshaber in Africa, [[Bonifatius (Feldherr)|Bonifatius]], regelrecht eingeladen worden seien, da dieser sich im Streit mit Ravenna befunden hatte.<ref>Prokopios, ''Bella'' 3, 3.</ref> In der modernen Forschung wird diese Erklärung zumeist abgelehnt,<ref>Castritius (2007), S. 68; siehe aber Alexander Demandt: ''Die Spätantike''. 2. erw. Aufl., München 2007, S. 184.</ref> da Bonifatius die Vandalen, sobald sie auf dem Vormarsch waren, mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln bekämpfte und ähnliche Vorwürfe bereits Stilicho gemacht wurden.<ref>Wolfram (1990), S. 238.</ref> Außerdem hatte sich das Verhältnis zwischen Ravenna und Bonifatius 429 bereits beruhigt, in zeitgenössischen Quellen ist ohnehin keine Rede davon.<ref>Heather (2005), S. 268.</ref> So oder so reichten die militärischen Mittel Westroms in Africa nicht mehr aus, um den Vandalen effektiv entgegentreten zu können. Da sich auch Karthago halten konnte, wurde 435 in Hippo Regius daher ein Vertrag zwischen Vandalen und Westrom geschlossen, dessen Details uns aber unbekannt sind. Den Vandalen wurde offenbar der bereits besetzte Teil Africas überlassen. 439 jedoch nutzte Geiserich die Gunst der Stunde und überfiel im Handstreich Karthago, womit er sich der dort stationierten Flotte bemächtigte und Rom vom Getreide aus Africa effektiv abschnitt. 442 erkannte die weströmische Regierung diesen faktischen Verlust in einem Vertrag an.<ref>Castritius (2007), S. 93ff.; Walter: ''Geiserich''. In: Meier (2007), S. 70ff.; Wolfram (1990), S. 239f.</ref> Die reichste Provinz Westroms war damit offiziell in der Hand von Germanen, die noch dazu eine ganz beträchtliche Seemacht aufbauten. In diesem Punkt stellen die Vandalen eine bedeutende Ausnahme im Rahmen der germanischen ''gentes'' dar, ebenso wie in der Behandlung der einheimischen Bevölkerung.<ref>Siehe die Ausführungen im Kapitel [[Völkerwanderung#Vom Imperium zu Regna: Die germanischen Reichsbildungen im Westen|Vom Imperium zu Regna]].</ref> === Das Hunnenreich und das Ende des Imperiums im Westen === ==== Das Hunnenreich an der Donau und der Aufstieg des Aëtius ==== Obwohl die Hunnen um 375 den Don überschritten und Alanen sowie die gotischen Greutungen besiegt hatten, ist die zugehörige Quellenlage für die nächsten Jahrzehnte ausgesprochen dünn, wenngleich sie wiederholt Raubzüge unternahmen.<ref>Zusammenfassend Heather (1995), S. 9.</ref> Allerdings scheinen die Hunnen lange Zeit nicht unter einheitlicher Führung operiert oder gar eine zielgerichtete Politik betrieben zu haben.<ref>Zusammenfassend: ''Hunnen''. In: RGA 15 (2000), S. 249; Heather (1995), S. 10f. Siehe aber auch Maenchen-Helfen (1978), S. 22, der von einem relativen Gemeinschaftsgefühl ausgeht.</ref> Freilich waren die Hunnen zu koordinierten Militäraktionen fähig, wie etwa der Einfall hunnischer Gruppen in das [[Sassanidenreich]] und die römischen Orientprovinzen im Sommer 395 beweist.<ref>Dazu ausführlich Maenchen-Helfen (1978), S. 38ff.</ref> Im Winter desselben Jahres verwüsteten größere hunnische Verbände die römischen Balkanprovinzen.<ref>[[Claudian]], ''In Rufinum'' 2, 26ff.</ref> Dennoch kann zu diesem Zeitpunkt noch nicht von einem Hunnenreich im eigentlichen Sinn gesprochen werden, denn eine geschlossene Organisationsform ist nicht zu erkennen. Der erste historisch und namentlich wirklich fassbare Hunnenherrscher (denn die Historizität des Hunnenführers [[Balamir]] [Balamber] ist keineswegs gesichert), ist [[Uldin]], der um 400 über die Hunnen im heutigen Rumänien herrschte.<ref>Maenchen-Helfen (1978), S. 43ff.</ref> Zu dieser Zeit hatte der oströmische Heermeister [[Gainas]], ein Gote, in [[Konstantinopel]] gegenüber Kaiser [[Arcadius]] versucht, eine ähnliche Stellung wie Stilicho im Westen zu erreichen. Dies symbolisiert zum einen die starke Rolle der Heermeister (die im Osten im 5. Jahrhundert jedoch weitaus effektiver als im Westen unter Kontrolle gebracht werden konnten), zum anderen die Bedeutung der barbarischen ''foederati'' im Imperium. Kurz darauf kam es jedoch zu anti-gotischen Ausschreitungen, loyale Truppen vertrieben Gainas, der über die Donau floh, wobei er alles Römische abwarf und angeblich sogar [[Menschenopfer]] durchführen ließ. Er selbst wurde Ende des Jahres 400 von Uldin besiegt und getötet, sein Kopf wurde nach Konstantinopel gesandt.<ref>Dieter Timpe: ''Gainas''. In: RGA 10 (1998), S. 317–321. Die Person des Gainas bot in der Folgezeit eine gute Projektionsfläche für anti-barbarische Propaganda.</ref> Uldin, dessen Machtbereich im Westen wohl bis in das heutige Ungarn reichte, schloss 406 ein Bündnis mit Stilicho, um den Zug des Goten Radagaisus (siehe oben) aufzuhalten. Trotz der recht beachtlichen Größe von Uldins Machtbereich herrschte er zu keinem Zeitpunkt über alle Hunnen (ebenso wenig wie übrigens Attila, siehe unten).<ref>Maenchen-Helfen (1978), S. 44f.</ref> Bereits im Winter 404/405 griff Uldin oströmisches Gebiet an, 408 wiederholte er dies, wurde allerdings zurückgeschlagen und ist kurz darauf verstorben. Anschließend scheint sich, nachdem die Westbewegung der Hunnen teils auf entschiedenen Widerstand anderer barbarischer Gruppen stieß,<ref>Orosius, ''Historiae adversum paganos'', 7, 37, 3.</ref> langsam ein überregionales hunnisches Herrschaftszentrum im östlichen Karpatenraum entwickelt zu haben, wenngleich Einzelheiten darüber praktisch nicht bekannt sind.<ref>Art. ''Hunnen''. In: RGA 15 (2000), S. 250. Siehe auch Maenchen-Helfen (1978), S. 53ff., der die Quellenarmut dieser Zeit bzgl. der Hunnen nachdrücklich betont.</ref> Immer wieder werden in den Quellen hunnische Hilfstruppen in römischen Diensten erwähnt. Angeblich traten die Römer 427 [[Pannonien]] an die Hunnen ab,<ref>Chronik des [[Marcellinus Comes]], anno 427.</ref> was aber sehr umstritten ist. Nach kaum fassbaren Herrschern wie [[Charaton]] herrschten um 430 die Brüder [[Oktar]] und [[Rua]] über die Hunnen entlang der Donau. Rua übernahm nach Oktars Tod 430 die Alleinherrschaft und scheint die hunnische Herrschaft deutlich straffer als zuvor organisiert zu haben. 433 schloss der zu den Hunnen geflohene weströmische General [[Flavius Aëtius]] ein Abkommen mit Rua<ref>Vielleicht trat er ihnen nun endgültig Pannonien ab, was aber keineswegs gesichert ist: Maenchen-Helfen (1978), S. 63f.</ref> und erhielt hunnische Truppen, mit deren Hilfe er sich im Machtkampf in Ravenna gegen [[Valentinian III.]] und dessen Mutter Galla Placidia durchsetzte und somit zum wichtigsten Mann Westroms wurde.<ref>Demandt (1998), S. 122f.; Stein (1928), S. 472ff.</ref> In den folgenden Jahren nutzte Aëtius wiederholt hunnische Hilfstruppen: So vernichtete er mit ihrer Hilfe 436 das Burgundenreich am Mittelrhein, was den historischen Kern des [[Nibelungenlied]]s darstellt.<ref>Art. ''Hunnen''. In: RGA 15 (2000), S. 250; siehe auch Kaiser (2004), S. 31f.; Maenchen-Helfen (1978), S. 60ff. Allerdings nehmen einige Forscher auch an, dass es sich bei den genannten Hunnen, die 436 das Burgundenreich vernichteten, eventuell doch um eigenständig operierende Gruppen gehandelt haben könnte, vgl. Timo Stickler: ''Aëtius''. München 2002, S. 183.</ref> Die zeitgenössischen Quellen verzeichnen dazu, dass die Burgunden faktisch völlig ausgelöscht worden seien, was aber wohl übertrieben sein dürfte, denn Aëtius siedelte 443 ihre Reste in der ''Sapaudia'' an (deren Lokalisation unsicher ist; wohl das heutige [[Savoyen]]), ähnlich wie er Teile der in Gallien verbliebenen Alanen neu ansiedelte (etwa in [[Aremorica]] sowie im Raum von [[Orléans]]).<ref>Kaiser (2004), S. 38ff.</ref> Auch ansonsten versuchte der machtbewusste Aëtius Gallien für Westrom zu sichern. Gegen die am Rhein siedelnden Franken ging er ebenso vor wie gegen die aufständischen [[Bagauden]], die in Gallien und Hispanien agierten. Rua starb 434. Vermutlich wurde er von seinen Neffen [[Bleda]] und [[Attila]] ermordet, die nun die Herrschaft über einen Großteil der europäischen Hunnen übernahmen. ==== Die Herrschaft Attilas ==== Obwohl der Person [[Attila]]s in der europäischen Geschichte ein wirkungsmächtiger (wenn auch negativ tradierter) Nachruhm vergönnt war und ist, liegen viele Details über ihn im Dunkeln.<ref>[[Bruno Bleckmann]]: ''Attila, Aetius und das „Ende Roms“. Der Kollaps des Weströmischen Reiches''. In: Meier (2007), S. 93–110; Heather (2005), S. 300ff.; Maenchen-Helfen (1978), S. 69ff.; [[Gerhard Wirth]]: ''Attila. Das Hunnenreich und Europa''. Stuttgart u.&nbsp;a. 1999 (teils recht spekulativ).</ref> Speziell über die frühen Jahren Attilas ist kaum etwas bekannt. Nachdem er und sein Bruder Bleda die Herrschaft antraten, setzten sie den von ihrem Onkel Rua eingeschlagenen Kurs der Konsolidierung des „hunnischen Reiches“ fort. So forderten sie etwa die Auslieferung hunnischer Flüchtlinge vom oströmischen Kaiser. Mit Konstantinopel war im Vertrag von Margus (Datierung umstritten) noch eine Verständigung erreicht worden, doch richtete sich 441 bzw. 442 eine Militäraktion beider Brüder gegen das oströmische Reich, die unter anderem zur Einnahme der Städte [[Singidunum]] und [[Sirmium]] durch die Hunnen führte.<ref>Chronik des Marcellinus Comes, anno 441; [[Priskos]], Fragment 1b.</ref> Mit der Ermordung Bledas (wohl 445) gewann Attila die Führung über die Hunnen im Donauraum, wobei aber hervorzuheben ist, dass auch Attila zu keinem Zeitpunkt Herr aller Hunnen war. Um seine Herrschaft über das immer noch nur locker aufgebaute Hunnenreich zu stabilisieren, unternahm Attila in der Folgezeit immer wieder Feldzüge, die sich vor allem gegen Ostrom richteten. So stießen die Hunnen 447, nachdem der oströmische Kaiser [[Theodosius II.]] die Tribute verweigert hatte, tief in den Balkanraum und bis nach Griechenland vor.<ref>Chronik des Marcellinus Comes, anno 447; Priskos, Fragment 3.</ref> Zu den Völkern, die Attila Heerfolge leisten mussten, gehörten unter anderem die [[Gepiden]] sowie [[Goten]], die unter hunnischer Herrschaft standen.<ref>Jordanes, ''Romana'', 331.</ref> Bald darauf sah sich der oströmische Kaiser dazu gezwungen, Frieden mit Attila zu schließen, wobei den Hunnen gewaltige Zahlungen geleistet werden mussten. [[Datei:Solidus ValentinianIII-wedding.jpg|miniatur|Solidus der zur Feier der Hochzeit Valentinians III. und [[Licinia Eudoxia]]s geprägt wurde, der Tochter des oströmischen Kaisers [[Theodosius II.]]. Auf der Rückseite werden sie zu dritt in Hochzeitskleidung dargestellt.]] Währenddessen konnte der schwache weströmische Kaiser [[Valentinian III.]], der schon als Kind auf den Thron gelangt war, durchaus zufrieden sein. Die Hegemonie der Hunnen über eine Vielzahl germanischer Stämme verringerte das Invasionsrisiko, jedenfalls solange Ravenna im guten Einvernehmen mit dem Hunnenherrscher stand.<ref>Vgl. Bleckmann: ''Attila''. In: Meier (2007), S. 102, der betont, dass sich Attila mit einem Angriff auf beide Reichshälften übernommen hätte.</ref> Dafür bürgte Aëtius, der sich ausgezeichneter Kontakte zu Rua erfreut hatte und diese Politik auch gegenüber Attila fortsetzte. In Konstantinopel war man freilich nicht bereit, Attila auf Dauer zu finanzieren. 449 wurde eine oströmische Gesandtschaft zu Attila entsandt, welcher auch der aus Thrakien stammende [[Priskos]] angehörte. Dieser veröffentlichte später seine Aufzeichnungen, von denen uns bedauerlicherweise nur Fragmente erhalten sind. Dennoch gewähren sie einzigartige Einblicke in das Leben am Hof Attilas, der in einem prunkvollen Holzpalast in der Theißebene residierte.<ref>Priskos, Fragment 8.</ref> Nachdem sich der neue oströmische Kaiser [[Markian]] jedoch geweigert hatte, die Zahlungen an den Hunnenkönig fortzusetzen, zog Attila in Richtung Westen. Der Jahrzehnte später lebende Jordanes überliefert, dass Honoria, die Schwester des weströmischen Kaisers, die aufgrund ihrer freizügigen Lebensführung zwangsverheiratet werden sollte, Attila gebeten habe, sie zu befreien und sich ihm sogar als Ehefrau angeboten habe.<ref>Jordanes, ''Getica'', 42, 224.</ref> Die moderne Forschung tendiert teilweise dazu, dieser Notiz wenig Glauben zu schenken.<ref>Maenchen-Helfen (1978), S. 98, bezeichnete es schlicht als Hofklatsch. Siehe aber Bleckmann: ''Attila''. In: Meier (2007), S. 102f.</ref> Allerdings ist es durchaus möglich, dass Attila in Kontakt mit oppositionellen Kreisen am weströmischen Kaiserhof stand, wenn der Wahrheitsgehalt auch nicht abschließend zu klären ist. Attila, der stets darum bemüht war, auf Augenhöhe mit West- und Ostrom zu verkehren, forderte Honoria zur Frau und mit ihr einen Anteil am Imperium, um so seine Ranggleichheit, vielleicht sogar seine Oberhoheit zu demonstrieren. Damit wäre aber gleichzeitig die Position des Aëtius erschüttert worden, der denn auch den Widerstand organisierte.<ref>Bleckmann: ''Attila''. In: Meier (2007), S. 103f.</ref> 451 fiel Attila mit einem starken Heer, das neben Hunnen unzählige Heeresabteilungen unterworfener oder den Hunnen tributpflichtiger Völker umfasste, in Gallien ein. Allerdings hatten Attilas diplomatische Bemühungen, die Vandalen zum Kriegseintritt zu bewegen, keinen Erfolg.<ref>Castritius (2007), S. 104.</ref> Die Hunnen zogen bis nach Orléans, das Attila belagern ließ. Gleichzeitig zog ihm Aëtius mit den Resten des regulären weströmischen Heeres, das immer mehr durch Föderaten ersetzt wurde, und mehreren verbündeten ''gentes'' entgegen, darunter Westgoten, Franken, [[Sarmaten]] und Alanen. Die bis heute nicht genau lokalisierte [[Schlacht auf den Katalaunischen Feldern]] bei [[Troyes]] endete unentschieden, Attila musste sich zurückziehen. Aëtius hatte während der Schlacht womöglich sogar bewusst die Westgoten, die den rechten Flügel der Römer hielten und deren König [[Theoderich I.]] im Kampf fiel, bluten lassen, um so einen potentiellen Gegner in Zukunft zu schwächen. Jedenfalls soll der General angeblich befürchtet haben, dass die Goten die Römerherrschaft beseitigen würden, sollten die Hunnen erst einmal ausgeschaltet sein.<ref>Jordanes, ''Getica'', 41, 216.</ref> Allerdings hatte schon der bekannte Althistoriker [[John Bagnell Bury]] der Schlacht ihre oft zugeschriebene welthistorische Bedeutung abgesprochen.<ref>J. B. Bury: ''History of the Later Roman Empire''. Bd. 1. New York 1958 (ND von 1923), S. 293f.</ref> Dennoch: Die Römer und ihre Verbündeten konnten die Hunnen zwar nicht vernichtend schlagen, wohl aber fügten sie ihnen hohe Verluste zu. Vor allem aber war der Nimbus der Unbesiegbarkeit der Hunnen ein für alle Mal gebrochen. Attila sah sich daher gezwungen, 452 in Italien einzufallen. Dort gelangen ihm zwar einige Erfolge, so wurde [[Aquileia]] erobert, entscheidend waren aber auch diese nicht. Geschwächt durch Hunger und Seuchen im Heer zog sich Attila wieder zurück.<ref>Maenchen-Helfen (1978), S. 97–106.</ref> In diesem Zusammenhang wird gelegentlich das Bild vermittelt, Papst [[Leo der Große]] habe den Hunnenkönig durch sein Einwirken zum Rückzug bewegt. Mit entscheidend waren jedoch Veränderungen im Osten. Dort hatte Kaiser Markian Angriffe auf hunnisches Territorium befohlen.<ref>Zusammenfassend Heather (2005), S. 340f.</ref> Die koordinierte Offensive, wenn sie vielleicht auch nicht formal abgesprochen war, verfehlte nicht ihre Wirkung und trug maßgeblich zur hunnischen Niederlage in Italien bei. Attila bereitete daraufhin einen Feldzug gegen das Ostreich vor, doch verstarb er 453 während seiner Hochzeit mit der Fürstentochter [[Ildikó]]. Der plötzliche Tod Attilas wirkte wie ein Fanal. Die meisten unterworfenen Völker warfen das hunnische Joch ab, der Versuch der Söhne Attilas, das Reich ihres Vaters zu bewahren, endete mit ihrer Niederlage in der [[Schlacht am Nedao]] 454, wobei die Ostgoten noch auf hunnischer Seite kämpften.<ref>Einen ausgezeichneten Überblick bietet Walter Pohl: ''Die Gepiden und die gentes an der mittleren Donau nach dem Zerfall des Attilareiches''. In: Herwig Wolfram, Falko Daim (Hrsg.): ''Die Völker an der mittleren und unteren Donau im fünften und sechsten Jahrhundert''. Wien 1980, S. 239–305.</ref> Bald darauf wandten sie sich aber gegen die Hunnen, deren Reich noch rascher unterging als es errichtet worden war. Der Kopf des Attilasohnes [[Dengizich]] wurde 469 sogar in Konstantinopel zur Schau gestellt. Die Reste der Hunnen zerstreuten sich, einige dienten aber noch im 6. Jahrhundert im oströmischen Militär.<ref>Art. ''Hunnen''. In: RGA 15 (2000), S. 252.; Heather (2005), S. 351ff.; Maenchen-Helfen (1978), S. 107ff.</ref> Aëtius jedoch konnte sich seines Sieges über die Hunnen nur kurze Zeit erfreuen: Im September 454 wurde er von Kaiser Valentinian III., der die übergroße Macht seines Generals fürchtete, ermordet. Kurz darauf, im März 455, fiel auch der Kaiser einem Attentat zum Opfer.<ref>Demandt (1998), S. 126f.; Heather (2005), S. 369ff.; Stein (1928), S. 517–519.</ref> ==== Die letzten Jahre Westroms: Schattenkaiser und das Regime Ricimers ==== Der Tod des Aëtius war für Westrom verhängnisvoll. Wenngleich auch er nicht in der Lage gewesen war, die kaiserliche Machtstellung im Westreich flächendeckend durchzusetzen, so hatte er wenigstens Italien und weite Teile Galliens dem Imperium gesichert und erfolgreich Krieg geführt. Der überaus ehrgeizige Aëtius war sicherlich wie viele einflussreiche Militärs ein Teil des Problems, denn die kaiserliche Autorität schwand immer mehr. Doch sollte mit seinem Tod und dem Valentinians für mehrere Föderaten das Zeichen gekommen sein, ihren Machtbereich auf Kosten Westroms auszudehnen. In den letzten beiden Jahrzehnten seiner Existenz sollte Westrom von „[[Schattenkaisern]]“ regiert werden, die teils nur wenige Monate im Amt waren und das Westreich nicht mehr stabilisieren konnten.<ref>Heather (2005), S. 375ff.</ref> Erschwerend kam hinzu, dass die Barbaren nun nicht nur den Kern der römischen Eliteverbände bildeten, sondern auch immer mehr in die Spitzenpositionen der Armee vorrückten. Letzteres sagt jedoch wenig über ihre Loyalität aus, denn auch Barbaren konnten dem Kaiser durchaus treue Dienste leisten, wie zahlreiche Beispiele zeigen (etwa [[Victor (Heermeister)|Flavius Victor]], [[Bauto]], [[Stilicho]], [[Fravitta]]), und zudem strebten fast alle danach, sich römischer Lebensweise anzugleichen. Verheerender war, dass analog zum Niedergang kaiserlicher Macht im Westen die Macht der hohen Militärs fast zwangsläufig zunahm. Tatsächlich hatten sowohl Stilicho, der ein halber Vandale war, als auch die Römer Aëtius und [[Belisar]], über Privattruppen verfügt (''[[Bucellarius|bucellarii]]''). Auch wenn kein germanischer [[Magister militum|Heermeister]] jemals selbst nach dem kaiserlichen Purpur griff (dies war den Germanen aufgrund ihrer Abstammung und ihres zumeist arianisch-christlichen Bekenntnisses nicht möglich), so übten sie im Westen seit dem späten 4. Jahrhundert teilweise enormen Einfluss aus. Demgegenüber gelang es im Osten wesentlich besser, die Heermeister zu kontrollieren. Kaiser [[Leo I. (Byzanz)|Leon I.]] beendete dort den letzten ernsthaften Versuch eines barbarischen Heermeisters, in diesem Fall des Alanen [[Aspar]], auf die kaiserliche Politik einzuwirken.<ref>Brian Croke: ''Dynasty and Ethnicity. Emperor Leo I and the Eclipse of Aspar''. In: ''Chiron'' 35 (2005), S. 147–203.</ref> Dem Kaiser in Konstantinopel kam zugute, dass während des 5. Jahrhunderts die Beziehungen zum neupersischen [[Sassanidenreich]], dem großen Rivalen Roms im Osten, so gut waren wie nie zuvor. Auch wenn es nach dem Tod Attilas auf dem Balkan zu Kämpfen kam, etwa mit den sich nun formierenden Ostgoten, die bald Teile Pannoniens kontrollierten, tangierte dies kaum die Stabilität des Ostreichs, dessen reichste Provinzen unbehelligt blieben.<ref>Zu den Kämpfen mit den Goten und der Bildung des Ostgotenreichs auf dem Balkan siehe vor allem Heather (1991), S. 240ff.; Wolfram (1979), S. 307ff.</ref> Anders als Westrom konnte sich der Osten daher die Finanzierung der notwendigen Heere weiterhin leisten und sogar wiederholt, wenngleich vergebens, den Kaiser in Ravenna mit Geld und Truppen unterstützen. [[Datei:Solidus Petronius Maximus-RIC 2201.jpg|miniatur|Solidus des Petronius Maximus.]] Währenddessen kam der Westen jedoch nicht mehr zur Ruhe.<ref>Zum Folgenden siehe unter anderem Demandt (1998), S. 141ff.; Stein (1928), S. 540ff.</ref> 455 wurde Rom zum zweiten Mal innerhalb von 45 Jahren erobert und geplündert, diesmal von den Vandalen. Deren König Geiserich betrachtete offenbar seinen 442 mit Valentinian III. geschlossenen Vertrag mit dem Tod des Kaisers als erloschen. In Rom regierte im Mai 455, als die vandalische Flotte, die Jahre zuvor schon [[Sizilien]] bedroht hatte, vor der Mündung des Tibers auftauchte, [[Petronius Maximus]]. Dieser verfügte aber kaum über reale Macht und wurde am 31. Mai von burgundischen Soldaten getötet. Drei Tage später drangen die Vandalen in die Stadt ein und plünderten sie systematisch, aber kaum in einer wilden Zerstörungswut, wie ihn der Begriff [[Vandalismus]] heute suggeriert, wenn auch die Eroberung von 455 ihre Wirkung auf die Zeitgenossen nicht verfehlte. Die Vandalen zogen nicht nur mit reicher Beute ab, sondern verschleppten zudem die Witwe Valentinians sowie zwei seiner Töchter und zahlreiche hochgestellte Persönlichkeiten nach Karthago.<ref>Castritius (2007), S. 103ff.</ref> Bald darauf beanspruchte Geiserich Sizilien und Italien als Erbe Valentinians für sich, war doch eine Tochter Valentinians, [[Eudocia]], mit Geiserichs Sohn [[Hunerich]] verheiratet. [[Datei:Tremissis Avitus-RIC 2402.jpg|miniatur|Kaiser Avitus auf einem [[Tremissis]].]] Nun begann die Zeit der raschen Kaiserwechsel, an der mehrmals entweder germanische Fürsten oder Heermeister beteiligt waren. Den Anfang machte der aus vornehmer gallischer Familie stammende Heermeister [[Avitus|Eparchius Avitus]], der mit westgotischer Unterstützung zum Kaiser erhoben wurde. Gegen die Sueben, die in Hispanien auf die Ausdehnung ihres Reiches spekulierten, gingen die Westgoten erfolgreich vor. Gegen die Vandalen auf Sizilien und Korsika behauptete sich 456 der General [[Ricimer|Flavius Ricimer]], Sohn eines Suebenfürsten und einer gotischen Prinzessin. Von Avitus wurde Ricimer in den Rang eines Heermeisters erhoben. Als sich jedoch die Stimmung in Italien zu Ungunsten des Avitus verschob, was den Abzug seiner gotischen Truppen zur Folge hatte, und der Kaiser in Konstantinopel dem Gallier die Anerkennung verweigerte, wandte sich Ricimer gegen seinen Gönner und besiegte ihn im Oktober 456 bei Placentia. Avitus trat zurück und starb bald darauf. Ricimer, nunmehr vom oströmischen Kaiser zum ''[[Patricius]]'' ernannt, erhob daraufhin den Illyrer [[Majorian]] zum Kaiser.<ref>Stein (1928), S. 552f.</ref> Dieser ging in Gallien gegen die Germanen vor, die die Gunst der Stunde nutzten und von den Wirren im Westreich profitieren wollten.<ref>Zur Situation Galliens im 5. Jahrhundert siehe die Aufsatzsammlung John Drinkwater, Hugh Elton (Hrsg.): ''Fifth-Century Gaul: A Crisis of Identity?''. Cambridge 1992.</ref> Der von Majorian eingesetzte Heermeister [[Aegidius (Feldherr)|Aegidius]] operierte sehr erfolgreich gegen die Franken am Rhein und eroberte das von den Burgunden besetzte [[Lyon]] zurück.<ref>Kaiser (2004), S. 49.</ref> [[Arles]], nunmehr Sitz der Zivilverwaltung Galliens und Hispaniens, konnte gegen die Westgoten gehalten werden, die sich kaum mehr an ihr Föderatenabkommen gebunden sahen und auch nach Hispanien expandierten.<ref>Wolfram (1979), S. 217f.</ref> Doch gelang es Majorian schließlich, sich mit den Burgunden und Westgoten zu verständigen. 460 begab sich der Kaiser nach Hispanien; es war das letzte Mal, dass ein Kaiser die Iberische Halbinsel betrat. Majorian erscheint in den Quellen, etwa bei [[Sidonius Apollinaris]], als ein energisch und zielbewusst agierender Kaiser, der als letzter weströmischer Kaiser (mit Ausnahme von [[Anthemius]]) wirklich noch einmal die Initiative zurückgewinnen wollte. So plante er 461 eine Invasion Africas, da die Vandalen weiterhin die Getreidelieferungen blockierten. Als jedoch vandalische Schiffe die Römer in Hispanien bedrängten und eine Ausschiffung der Truppen verhinderten, musste der Kaiser den Plan aufgeben.<ref>Castritius (2007), S. 113ff., der nicht annimmt, dass ein formaler Friedensvertrag abgeschlossen wurde.</ref> Kurz darauf wurde Majorian auf Befehl des übermächtigen Ricimer festgesetzt und ermordet, vielleicht nicht primär aufgrund der misslungenen Operation, die wohl nur einen Vorwand bot, sondern womöglich auch aufgrund des eigenständigen Handelns des Kaisers. Ricimer betätigte sich wieder als Kaisermacher und erhob den Senator [[Libius Severus]] zum neuen ''[[Augustus (Titel)|Augustus]]''. Die Ermordung Majorians hatte jedoch zur Folge, dass Aegidius, der gallische Heermeister und Freund des Ermordeten, dem neuen Kaiser die Anerkennung verweigerte. Als Ricimer ihn absetzen wollte, rebellierte Aegidius, wurde aber durch eine Offensive der Westgoten gezwungen, nach Nordgallien auszuweichen, wo er sich mit Teilen des Feldheeres und fränkischen Verbündeten halten und ein eigenes Reich im Raum von [[Soissons]] errichten konnte. Die kleine [[Gallo-römische Kultur|gallo-römische]] Enklave hielt sich sogar über das Ende des Westreichs hinaus: Nach dem Tod des Aegidius (etwa 464), übernahm vielleicht zunächst ein nicht näher bekannter Offizier namens [[Paulus (Comes)|Paulus]] das Kommando, danach der Sohn des Aegidius, [[Syagrius]]. 486/87 fiel die Enklave der fränkischen Expansion unter [[Chlodwig I.]] zum Opfer.<ref>[[Gregor von Tours]], ''Decem libri historiarum'', 2, 11f.; 2, 18; 2, 27. Zur Person des Aegidius siehe u.&nbsp;a. Henning (1999), S. 81ff.</ref> In Trier wiederum konnte sich der ''[[comes]]'' [[Arbogast der Jüngere]], offenbar ein romanisierter Franke, bis 475 gegen die Franken behaupten. [[Datei:Tremissis Anthemius-RIC 2842.jpg|miniatur|Tremissis des Anthemius.]] Auch Libius Severus hielt sich nicht lange auf dem Thron: Er wurde 465 ermordet. Die folgenden anderthalb Jahre, in denen der Westgotenkönig [[Eurich]] das Vertragswerk (''[[foedus]]'') mit Westrom brach und nach Südgallien und Hispanien vorstieß,<ref name="wo291ff">Wolfram (1979), S. 219ff.</ref> machte sich Ricimer nicht mehr die Mühe, einen Kaiser zu bestellen. Aus Konstantinopel traf dann jedoch 467 der General und Aristokrat [[Anthemius]] ein, der das Kaiseramt übernahm. Anthemius war vom Ostkaiser mit Truppen und sehr viel Geld ausgestattet worden; er bemühte sich, den Einfluss Ricimers wenigstens einzudämmen und ernannte mit [[Marcellinus (Feldherr)|Marcellinus]] einen zweiten Heermeister, der 468 wohl auf Befehl Ricimers ermordet wurde.<ref>Michael Kulikowski: ''Marcellinus of Dalmatia and the Fall of the Western Empire''. In: ''Byzantion'' 72 (2002), S. 177–191.</ref> Während in Gallien und [[Noricum]] die römische Verteidigung gegenüber den Germanen immer mehr bröckelte und schließlich faktisch kollabierte, wandte sich Anthemius den Vandalen zu und plante 468 in Kooperation mit Ostrom eine großangelegte Invasion Africas, um diese wichtige Provinz wiederzugewinnen. Doch auch dieser Plan schlug fehl, die große römische Flotte wurde von den Vandalen vor Karthago in Brand gesteckt.<ref>Castritius (2007), S. 118f.</ref> Was dem Vandalenreich das Überleben sicherte, erschütterte die Machtbasis des weströmischen Kaisers nachhaltig und entscheidend. In Gallien breiteten sich Westgoten, Burgunden und Franken auf Kosten Westroms nun immer weiter aus, nur die [[Auvergne]] und die [[Provence]] waren noch zu halten. Ein ansonsten nicht bekannter bretonischer (oder britischer) Anführer namens [[Riothamus]] soll die Römer in ihrem Abwehrkampf unterstützt haben, wurde aber von den Westgoten geschlagen. Als sich Anthemius mit Ricimer überwarf, war das Ende abzusehen, es kam zum Bürgerkrieg: Ricimer belagerte den Kaiser in Rom, im Juli 472 wurde Anthemius von einem Neffen Ricimers, dem Burgunden [[Gundobad]], ermordet. Seine Nachfolge trat [[Olybrius]] an.<ref>Stein (1928), S. 582f.</ref> Bald darauf verstarb auch Ricimer. Er wird in der Forschung meist sehr negativ und weitaus weniger differenziert bewertet als beispielsweise Stilicho und Aëtius.<ref>Zu diesen beiden siehe den knappen Überblick bei Martin (2001), S. 168, 171f.</ref> Sicherlich hatte er vor allem die eigenen Interessen im Blick, gleichzeitig war er aber bemüht, die wenigen verbliebenen Ressourcen Westroms zu bündeln und zur Verteidigung Italiens zu nutzen.<ref>Demandt (1998), S. 148.</ref> Am Ende reichte dies jedoch nicht aus, nur vier Jahre später wurde der letzte Kaiser in Italien abgesetzt. ==== Der „Untergang Westroms“ ==== Olybrius, der letzte Kaiser von Ricimers Gnaden, verstarb Anfang November 472, nur wenige Monate nach dem Tod des suebischen Heermeisters. Das Heermeisteramt blieb nicht lange unbesetzt. Ricimer folgte sein oben erwähnter Neffe [[Gundobad]] nach, der im März 473 den Beamten [[Glycerius]] zum Kaiser erhob. Allerdings verweigerte der oströmische Kaiser Leon I. diesem die Anerkennung und favorisierte stattdessen den Heermeister von Dalmatien, [[Julius Nepos]]. Dieser war ein Neffe des Marcellinus, jenes Generals, den Majorian einst als Gegengewicht zu Ricimer benutzt hatte. Nepos landete im Juni 474 im Hafen Portus und zog kurz darauf in Rom ein. Glycerius sah die Hoffnungslosigkeit der Lage ein und trat zurück, um sein Leben als Bischof von Salona zu beschließen, Gundobad ging nach Gallien und bestieg den burgundischen Königsthron.<ref>Dazu: Demandt (1998), S. 145; Heather (2005), S. 425f.; Kaiser (2004), S. 52; Stein (1928), S. 584.</ref> [[Datei:Tremissis Julius Nepos-RIC 3221.jpg|miniatur|Tremissis des Julius Nepos.]] 474 schloss das neue oströmische Herrscherkollegium [[Leo II. (Byzanz)|Leon II.]] und [[Zenon (Kaiser)|Zenon]] einen Vertrag mit Geiserich, womit die vandalischen Raubzüge aufhörten und sein Reich auch von Ostrom anerkannt wurde;<ref>Martin (2001), S. 45.</ref> allerdings wird der Vertrag auch teils in das Jahr 476 datiert.<ref>Karl Feld: ''Barbarische Bürger: die Isaurier und das Römische Reich''. Berlin 2005, S. 325ff.</ref> Julius Nepos sah sich derweil mit einer schwierigen Situation konfrontiert. Das Imperium hatte Hispanien inzwischen vollkommen an die Sueben und Westgoten verloren. In Gallien hatten Letztere [[Clermont-Ferrand]] belagert, wo der bereits oben erwähnte Sidonius Apollinaris die Verteidigung mit organisierte, und 471 die letzte größere weströmische Heeresabteilung vernichtet. 473 fielen Arles und [[Marseille]], die Goten stießen aber sowohl in der Auvergne als auch im spanischen Ebrotal auf erbitterten Widerstand.<ref>Wolfram (1979), S. 222ff.</ref> Den bereits faktischen Verlust der Auvergne erkannte der Kaiser 475 in einem Vertrag mit dem Westgotenkönig [[Eurich]] auch de iure an und zog den Heermeister [[Ecdicius]] aus Gallien ab.<ref>Wolfram (1979), S. 226.</ref> Die Abtretung zerstörte allerdings das gerade erst aufkeimende Vertrauensverhältnis zwischen dem Kaiser und der gallo-römischen Aristokratie.<ref>Henning (1999), S. 174f.</ref> Kurz darauf erhob sich der Heermeister [[Flavius Orestes]], ein ehemaliger Hofbeamter Attilas, gegen Nepos, verjagte ihn aus Ravenna und setzte dafür seinen eigenen kleinen Sohn [[Romulus Augustulus|Romulus]] auf den weströmischen Thron. Die Römer gaben dem kleinen Kaiser den Spottnamen „Augustulus“ (kleiner Augustus). Es wurde immer offensichtlicher, dass das westliche Imperium nur noch einen Schatten früherer Macht darstellte. Ein Jahr darauf, 476, erhob sich das italische Heer, das nun fast vollkommen barbarisiert war und Siedlungsland in Italien beanspruchte, unter Führung des [[Odoaker]], Sohn des Skirenfürsten [[Edekon]], gegen Orestes. Dieser wurde im August 476 geschlagen und getötet. Der Sieger verhielt sich gegenüber Romulus aber großzügig und erlaubte ihm abzudanken und gewährte ihm eine Geldzahlung; womöglich ist dieser Romulus mit einer Person gleichen Namens identisch, die noch unter der Gotenherrschaft lebte. Odoaker, der auch den Königstitel annahm, machte sich nicht einmal mehr die Mühe, einen neuen Kaiser zu erheben, sondern sandte die kaiserlichen Insignien nach Konstantinopel. Er ließ weiter nach Konsularjahren datieren und prägte bis 480 Münzen mit dem Bildnis des Julius Nepos. Trotzdem erreichte er aber nicht die Anerkennung des oströmischen Kaisers. Dieser mobilisierte vielmehr die [[Rugier]] (die bereits unter ihrem König [[Flaccitheus]] um 470 ein eigenes Reich nördlich der Donau gegründet hatten) gegen den Usurpator, doch Odoaker vernichtete deren Reich im Jahr 487/88.<ref>Zusammenfassend: Wolfram (1990), S. 264ff.</ref> Er vernachlässigte auch nicht die Sicherung des italischen ''regnums'', sein Feldherr Pierius sorgte für die Umsiedlung der römischen Bevölkerung des bedrohten Noricum nach Italien.<ref>Siehe [[Eugippius]], ''Vita Severini'', die eine sehr wichtige Quelle darstellt. Siehe auch Heather (2005), S. 407ff.</ref> Das Jahr 476 gilt im allgemeinen Bewusstsein oft als das „Ende Roms“. Dies kann jedoch nur bedingt Gültigkeit haben. Zum einen regierte der letzte anerkannte weströmische Kaiser, Julius Nepos, noch bis 480 im dalmatischen Exil. Zum anderen ist es fraglich, ob den Zeitgenossen die Bedeutung dieses „Epochendatums“ wirklich bewusst war.<ref>Vgl. hierzu den klassischen Aufsatz von Brian Croke: ''A.D. 476. The manufacture of a Turning Point''. In: ''[[Chiron (Zeitschrift)|Chiron]]'' 13 (1983), S. 81-119. Die Bedeutung von 476 betonte dagegen jüngst etwa Bleckmann: ''Attila''. In: Meier (2007), S. 109f.</ref> Denn die Idee des Gesamtreiches existierte weiter, nur war nun der Kaiser in Konstantinopel der einzig legitime Kaiser. In den folgenden zwei Jahrhunderten sollte es zudem nicht an Versuchen fehlen, das weströmische Kaisertum zu erneuern.<ref>Vgl. dazu jetzt Henning Börm: ''Das weströmische Kaisertum nach 476'', in: [[Josef Wiesehöfer]] u. a. (Hgg.), ''Monumentum et instrumentum inscriptum'', Stuttgart 2008, S. 47-69.</ref> Der ideelle Vorrang des oströmischen Kaisers wurde auch weiterhin jahrzehntelang von den germanischen Herrschern anerkannt und respektiert.<ref>Rosen (2003), S. 79f.</ref> [[Marcellinus Comes]], ein oströmischer Chronist, stellte um 520 das Jahr 476 als Enddatum des weströmischen Reiches heraus. Diese Vorstellung übernahm er vielleicht aus einer anderen Quelle, sie spiegelt aber vor allem den östlichen Standpunkt um diese Zeit wider, jedoch kaum den der westlichen Senatsaristokratie, die auch das Ende des westlichen Imperiums überstand. Offenbar propagierten die Ostkaiser damals die Vorstellung vom Untergang des Westreichs, um ihren eigenen Anspruch auf diese Gebiete begründen zu können. In der Forschung ist dieser Themenkomplex nach wie vor umstritten.<ref>Knappe Forschungsdiskussion bei Martin (2001), S. 168f.</ref> Die Vorstellung, die in das Imperium eingedrungenen Germanen ''allein'' seien für den [[Untergang des Römischen Reiches]] verantwortlich, ist aber äußerst vereinfachend und wird von der Mehrheit der modernen Forscher eher abgelehnt. Vielmehr spielten mehrere Problembündel eine Rolle.<ref>Siehe dazu auch Goffart (2006), bes. S. 23ff.; Wolfram (1990), S. 271ff. Einen Überblick bietet Alexander Demandt: ''Der Fall Roms''. München 1984.</ref> Umgekehrt spricht der Umstand, dass Ostrom das 5. Jahrhundert überstand, gegen die Annahme, das spätrömische System sei an sich selbst und also primär an inneren Ursachen gescheitert. Die noch in der älteren Forschung häufig anzutreffende These, mit der Absetzung des Romulus Augustulus das [[Ende der Antike]] anzusetzen, gilt heute jedenfalls zumeist als nicht mehr haltbar. Sicher ist, dass der Zerfallsprozess des westlichen Imperiums, der spätestens mit dem Ende der theodosianischen Dynastie 455 einsetzte, seit etwa 470 rapide an Tempo gewann. Die nun offenbar sehr stark „barbarisierte“ weströmische Armee, die durch die Bürgerkriege im 4. Jahrhundert geschwächt war, war im 5. Jahrhundert nicht mehr in der Lage, die Verteidigung der Grenzen effektiv zu gewährleisten (wobei das Problem weniger in mangelnder Loyalität der Truppen als vielmehr in leeren Kassen und daher ausbleibenden Soldzahlungen bestand). Das gallische Feldheer etwa löste sich mit der Rebellion des Aegidius faktisch selbst auf. Der Verlust der reichen Provinzen ''Africa'' und Gallien hatte enorme steuerliche Einbußen für den weströmischen Staat zur Folge. Vor allem den Verlust der für die Versorgung Roms lebenswichtigen Provinzen in Nordafrika konnte man nicht mehr kompensieren; Ravenna ging daher das Geld für den Unterhalt der Truppen aus, was weitere Gebietsverluste zur Folge hatte. Der Einflussbereich des weströmischen Kaisers schmolz immer mehr dahin, bis nur noch das Kernland Italien (nebst dem Alpenraum) übrig blieb. Mit dem Verfall der kaiserlichen Macht stieg der Einfluss der weströmischen Heermeister. Am Ende waren die Ressourcen Westroms erschöpft, das Kaisertum selbst war zu einem Spielball ehrgeiziger Generäle geworden, die sich auf ein eigenes Gefolge stützen konnten. Nachdem die Heermeister zunächst durch Schattenkaiser regiert hatten, zog Odoaker die im Grunde nur folgerichtige Konsequenz, ohne Kaiser zu regieren. Als der oströmische Kaiser Zenon schließlich im Jahr 488 die Ostgoten unter dem [[Amaler]] [[Theoderich der Große|Theoderich]] nach Italien sandte, um Odoaker zu entmachten, stützte sich der Gote Theoderich schon auf sein eigenes Heergefolge und zog Autorität aus seinem Amt als oströmischer ''patricius'' und gotischer Heerkönig.<ref>Demandt (1998), S. 149f.</ref> === Vom ''Imperium'' zu ''Regna'': Die germanischen Reichsbildungen im Westen === ==== Die Ostgoten in Pannonien und Italien ==== Wie bereits erwähnt, waren die greutungischen [[Goten]] („Ostgoten“) von dem Hunneneinbruch 375 mit am härtesten getroffen worden. Wenn sich auch einige Gruppen dem hunnischen Zugriff entziehen konnten, so geriet die Masse der Greutungen unter hunnische Herrschaft. Gotisch scheint sogar eine der Verkehrssprachen im Hunnenreich Attilas gewesen zu sein und mehrere gotische Namen (wenn wohl auch nicht originär benutzt) sind für Hunnen bezeugt.<ref>Maenchen-Helfen (1978), S. 260ff.</ref> Als Anführer der unter hunnischer Herrschaft lebenden greutungischen Goten erscheinen am Ende von Attilas Herrschaft drei Brüder: Valamir, Thiudimir und Vidimir aus dem Geschlecht der Amaler.<ref>Jordanes (oder besser gesagt seine Hauptquelle [[Cassiodorus]], aus dessen verlorener ''Gotengeschichte'' Jordanes sein Wissen weitgehend schöpfte) vermittelt in seinen ''Getica'' den Eindruck, dass die Amaler über einen weit in die Vergangenheit zurückreichenden Stammbaum verfügen würden, was aber nicht mehr ist als eine gelehrte Konstruktion: Peter J. Heather: ''Cassiodorus and the Rise of the Amals. Genealogy and the Goths under Hun Domination''. In: ''Journal of Roman Studies'' 79 (1989), S. 103–128.</ref> Hatten die sich nun formierenden Ostgoten (die Bezeichnung geht auf Jordanes bzw. [[Cassiodorus]] zurück, wobei der in den Quellen auftauchende Name ''Ostrogothae'' [glänzende Goten] als geografische Bezeichnung umgedeutet wurde, ähnlich wie im Fall der Terwingen [''Vesegothae'' = Westgoten]) zunächst in der Schlacht am Nedao 454 noch mit den Hunnen gekämpft, so wandten sie sich bald gegen ihre alten Herren und errichteten schließlich in Pannonien einen eigenen Herrschaftsraum.<ref>Zum Folgenden siehe: Heather (1991), S. 240ff.; Pohl (2005), S. 126ff.; Wolfram (1979), S. 321ff.</ref> Dabei kam es sowohl zu Kämpfen mit oströmischen Truppen wie mit anderen Barbarenstämmen. Der vorläufige Höhepunkt war mit dem Sieg der Ostgoten in der Schlacht an der Bolia 469 erreicht, in der eine Koalition aus Sueben, [[Gepiden]], [[Skiren]] und wohl auch [[Rugier]]n geschlagen wurde.<ref>Jordanes, ''Getica'', 54, 277–279.</ref> Der Sohn Thiudimirs, [[Theoderich der Große|Theoderich]] (der später „der Große“ genannt und als [[Dietrich von Bern]] zur Sagengestalt wurde), hatte einige Zeit als Geisel in Konstantinopel verbracht. Wieder nach Pannonien zurückgekehrt, wurde er von seinem Vater als Teilherrscher eingesetzt. Versuche, eine gehobene Position im Ostreich zu erlangen, scheiterten, nicht zuletzt weil ein anderer Ostgote, [[Theoderich Strabo]], der Anführer der in Thrakien siedelnden gotischen Föderaten, von Kaiser Leon zum Heermeister ernannt worden war. Auch wenn Leons Nachfolger [[Zenon (Kaiser)|Zenon]] den Amaler Theoderich als Gegengewicht aufbauen wollte, konnte sich Theoderich Strabo behaupten.<ref>Der Historiker [[Malchus von Philadelphia]] schildert in seinem (uns leider nur fragmentarisch erhaltenen) Geschichtswerk die Ereignisse recht ausführlich.</ref> 481 kam er jedoch bei einem Reitunfall ums Leben. Erst jetzt war der Weg für den Amaler Theoderich frei, der sein Heer beträchtlich verstärken konnte. Er wurde nicht nur zum Heermeister ernannt, sondern durfte 484 sogar das prestigeträchtige [[Consulat|Konsulat]] bekleiden. 487 kam es dennoch zur Konfrontation, die Zenon geschickt löste: Er beauftrage den Amaler, die Herrschaft Odoakers in Italien zu beenden. Noch im Sommer 488 brachen die Ostgoten Theoderichs auf, wobei Teile jedoch zurückblieben und sich Rugier wiederum dem Treck anschlossen.<ref>Zur Gotenpolitik Zenons und der nachfolgenden Entwicklung siehe besonders Heather (1991), S. 272ff.</ref> Im Spätsommer 489 erfolgte der Einbruch in Italien. Odoaker wurde mehrmals besiegt, zog sich aber in das schwer befestigte Ravenna zurück. 493 ergab sich Odoaker, nachdem ein Kompromiss ausgehandelt wurde, wonach er an der gotischen Herrschaft beteiligt werden sollte. Kurz darauf brach Theoderich jedoch sein Versprechen und tötete ihn unter einem fadenscheinigen Vorwand. Theoderich führte eine kurze, aber blutige Säuberung durch, die die gotische Herrschaft über Italien vorläufig sichern sollte.<ref>Siehe Wolfram (1979), S. 346ff. Zusammenfassend auch Pohl (2005), S. 132f.</ref> [[Datei:Ostrogothic Kingdom.png|miniatur|Maximale Ausdehnung des Ostgotenreiches in Italien und auf dem Balkan]] In Italien betrieb Theoderich eine geschickte Ausgleichspolitik zwischen Goten und Italikern.<ref>Zu Theoderich siehe einführend [[Hans-Ulrich Wiemer]]: ''Theoderich der Große und das ostgotische Italien. Integration durch Separation''. In: Meier (2007), S. 156–175 (mit weiterer Literatur); Antonio Carile (Hrsg.): ''Teoderico e i Goti fra Oriente e Occidente''. Ravenna 1995; [[Wilhelm Enßlin]]: ''Theoderich der Große''. 2. Aufl., München 1959 (immer noch die materialreichste Darstellung). Zur ostgotischen Herrschaft in Italien siehe etwa Patrick Amory: ''People and Identity in Ostrogothic Italy, 489–554''. Cambridge 1997 (allerdings vertritt Amory teils recht provokante Thesen).</ref> Dabei nutzte er den hocheffizienten spätrömischen Verwaltungsapparat und überließ es dem vornehmen Römer [[Liberius (Patricius)|Liberius]], die Ansiedlung der Goten in Italien vorzunehmen. Diese schwierige Aufgabe erfüllte Liberius mit viel Fingerspitzengefühl, ohne dabei die bestehenden Besitzverhältnisse allzu stark zu belasten.<ref>Die Details sind allerdings umstritten, siehe Pohl (2005), S. 137–140.</ref> Überhaupt zog Theoderich zahlreiche Mitglieder der alten senatorischen Führungsschicht heran, so etwa den bereits erwähnten Cassiodor, nicht zuletzt, um sie so für sich zu gewinnen. Andererseits achtete Theoderich auf eine Trennung zwischen Goten und Römern, um so die Identität des ''exercitus Gothorum'' (des gotischen Heeresverbands, der selbst freilich nicht wirklich homogen war) soweit wie möglich zu wahren. Belastet wurde das Verhältnis durch die Tatsache, dass die Goten arianische, die Bevölkerung Italiens jedoch katholische Christen waren. Theoderich förderte die spätantike Kultur im Ostgotenreich, wenngleich in seiner Regierungszeit der Philosoph [[Boethius]] hingerichtet wurde. 497/98 wurde Theoderich von Konstantinopel offiziell als „Statthalter“ des Kaisers anerkannt, später verschlechterten sich die Beziehungen jedoch wieder. Theoderich betrieb eine weitgespannte Bündnispolitik, in die auch die benachbarten ''regna'' eingebunden werden sollten. Letztendlich hatte diese Strategie jedoch keinen großen Erfolg, denn die Franken sollten 507 die Westgoten empfindlich schlagen und die Kontrolle über den Großteil den westgotischen Galliens erlangen. Ostgotische Truppen besetzten daraufhin Teile Südgalliens, 511 wurde Theoderich sogar als König der Westgoten anerkannt, wenngleich diese Verbindung mit seinem Tod wieder erlosch.<ref>Zu Theoderichs Politik in Italien: Wolfram (1979), S. 353ff.</ref> [[Datei:RavennaMausoleum.jpg|miniatur|Das [[Mausoleum des Theoderich|Grabmal Theoderichs des Großen]] in Ravenna.]] Nach dem Tod Theoderichs 526 begann eine Zeit der Thronkämpfe. Die amtierende Regentin [[Amalasuntha]] versuchte das belastete Verhältnis zu Konstantinopel zu entspannen. Die Opposition um ihren Vetter und Mitregenten [[Theodahad]] jedoch ließ sie 535 ermorden. Dies lieferte dem oströmischen Kaiser [[Justinian I.]] den willkommenen Vorwand, das Ostgotenreich anzugreifen. Sein General [[Belisar]], der 533/34 bereits das Vandalenreich in Nordafrika zerschlagen hatte (siehe unten), eroberte Sizilien und Unteritalien. Der sich noch über Jahre hinziehende [[Gotenkrieg]], für den [[Prokopios von Caesarea]] die wichtigste Quelle ist, führte zur Verwüstung weiter Landstriche Italiens und hatte den wirtschaftlichen Niedergang des vorher prosperierenden Landes zur Folge. Sogar die Franken mischten sich ein und fielen in Norditalien ein, wo sie schrecklich wüteten. Ein weiteres Zentrum der Kämpfe war die Stadt Rom, die mehrmals den Besitzer wechselte. Der hartnäckige Widerstand der Goten, die sich mehrmals neu sammelten (siehe etwa [[Totila]]), wurde erst 552 gebrochen, wenngleich sich einzelne gotische Widerstandsnester noch einige Zeit hielten.<ref>Knappe Zusammenfassung bei Pohl (2005), S. 147–151; detaillierter: Wolfram (1979), S. 415ff.</ref> Doch auch anschließend kam das Land nicht zur Ruhe, denn bereits 568 fielen die Langobarden ein (siehe unten). ==== Das Westgotenreich ==== [[Datei:Visigoth Kingdom.jpg|miniatur|Das Tolosanische Reich der Westgoten um das Jahr 500.]] Das Fundament für das [[Westgotenreich]] mit der Hauptstadt Tolosa ([[Toulouse]]), nach der die erste Phase dieses Reichs (418–507) auch ''Tolosanisches Reich'' genannt wird, bestand aus dem Föderatenland, das den Westgoten 418 in Aquitanien vom weströmischen Staat zugestanden wurde (siehe oben).<ref>Zur Geschichte des Westgotenreichs siehe etwa: Gerd Kampers: ''Geschichte der Westgoten''. Paderborn 2008; Roger Collins: ''Visigothic Spain 409–711''. Oxford 2004; Alberto Ferreiro: ''The Visigoths in Gaul and Spain A.D. 418–711: A Bibliography''. Leiden 1988 (Bibliografie); Luis Garcia Moreno: ''Prosopografia del reino visigodo de Toledo''. Salamanca 1974; Luis Garcia Moreno: ''Historia de España Visigoda''. Madrid 1989; Wolfram (1979), S. 207ff.</ref> In der Folgezeit versuchten die Westgoten immer wieder, ihr Einflussgebiet zu erweitern; sie folgten aber dem Aufruf des Aëtius, gegen die Hunnen zu kämpfen. Einen Einschnitt stellte die Regierungszeit [[Eurich]]s dar, der 466 durch Brudermord den Thron bestieg. Er brach das ''foedus'' mit Westrom und betrieb eine weitaus expansivere Politik: Im Norden stießen die Westgoten bis zur Loire vor, im Süden unterwarfen sie bald den Großteil Hispaniens (bis auf das Suebenreich im Nordwesten, das sich noch bis ins 6. Jahrhundert halten konnte), im Osten gewannen sie mit dem Vertrag von 475 die [[Auvergne]], nachdem sie bereits vorher die wichtigen Städte Arles und Marseille eingenommen hatten und 471 das letzte intakte römische Heer in Gallien zerschlagen worden war.<ref name="wo291ff"/> Bemerkenswert ist, wie sich die romanische Bevölkerung verhielt. In den Quellen wird erwähnt, dass in den gallischen Städten viele Männer sich die Haare lang wachsen ließen und Hosen trugen, also Kennzeichen der Barbaren übernahmen, was die weströmischen Kaiser in Krisenzeiten sogar Sklaven verboten hatten. Manche Römer traten in die Dienste der Westgoten und befehligten teils sogar westgotische Militärverbände.<ref>Wolfram (1979), S. 225; zum Wandel speziell in Gallien siehe Bernhard Jussen: ''Über ‚Bischofsherrschaften‘ und die Prozeduren politisch-sozialer Umordnung in Gallien zwischen Antike und Mittelalter''. In: ''[[Historische Zeitschrift]]'' 260 (1995), S. 673–718.</ref> Da die Zahl der Westgoten (wie auch in den übrigen Reichen germanischer ''gentes'') im Verhältnis zur romanischen Bevölkerung verschwindend gering war, verwundert diese Kooperationspolitik nicht. Der Arianer Eurich griff kaum in die bestehenden Besitzverhältnisse ein und führte auch keine religiösen Verfolgungen durch. Den Katholiken Südgalliens wurde lediglich die Einsetzung neuer Bischöfe untersagt, wohl um so eine Stütze des anti-gotischen Widerstands zu treffen. Eurich starb 484, sein Sohn [[Alarich II.]] fiel 507 im Kampf gegen die expandierenden Franken unter Chlodwig (siehe unten).<ref>Wolfram (1979), S. 231ff.</ref> Infolge dieser Niederlage ging fast das gesamte gotische Gallien verloren, nur die Region um Narbonne ([[Septimanien]]) konnte gehalten werden, auch durch das Eingreifen der Ostgoten unter Theoderich dem Großen (siehe oben). Dies hatte eine vollständige Umorientierung der Westgoten nach Hispanien zur Folge, wo sie Ende des 6. Jahrhunderts [[Toledo]] zu ihrer neuen Hauptstadt machten (daher ''Toledanisches Reich''). Im Rahmen der Restaurationspolitik des oströmischen Kaisers Justinian I., der das Vandalen- und Ostgotenreich erobern ließ, besetzten die Oströmer auch Gebiete im Süden der Iberischen Halbinsel, wo sie sich aber nur bis zum frühen 7. Jahrhundert halten konnten. Die inneren Verhältnisse des Westgotenreichs waren von häufigen Konflikten zwischen verschiedenen um das Königtum kämpfenden Adelsfamilien bestimmt, während das Konfessionsproblem weiter bestehen blieb.<ref>Giese (2004), S. 140ff.</ref> [[Datei:CoronaRecesvinto01.JPG|miniatur|Die Votivkrone von König [[Rekkeswinth]] aus dem Schatz von [[Guarrazar]]]] König [[Leovigild]], ein bedeutender Herrscher, trieb die Rechtskodifizierung voran und unterwarf die Sueben. Er bemühte sich vergeblich um die Überwindung des religiösen Gegensatzes zwischen [[Arianismus|Arianern]] und Katholiken. Die Königsfamilie hielt am Arianismus fest, obwohl der größere Teil der Reichsbevölkerung katholisch war. Der Thronfolger [[Hermenegild]] trat zum Katholizismus über und rebellierte vergeblich gegen seinen Vater (allerdings möglicherweise nicht in erster Linie aus religiösem Grund). Erst Leovigilds jüngerer Sohn und Nachfolger [[Rekkared I.]] löste den Konflikt. Er konvertierte 587 zum katholischen Glauben und erreichte 589 auf dem 3. [[Konzil von Toledo]] den Übertritt der Westgoten.<ref>Giese (2004), S. 148f.</ref> Die Herrschaft Leovigilds und Rekkareds war von maßgeblicher Bedeutung für das Westgotenreich.<ref>Postel (2004), S. 219ff., ebd., S. 219: „''Das westgotische regnum wurde ein spanisches imperium.''“</ref> Zwar kam es nach Rekkareds Tod 601 weiterhin zu Rebellionen und Machtkämpfen zwischen rivalisierenden Adelsgeschlechtern, doch hatte sich das Westgotenreich in der Regierungszeit dieser beiden Herrscher konsolidiert. Kulturell erlebte das Reich ab dem späten 6. Jahrhundert eine Blütezeit, deren namhaftester Repräsentant [[Isidor von Sevilla]] war. In den Klosterschulen wurde weitaus mehr vom antiken Wissen bewahrt als etwa bei den Franken, wodurch das Westgotenreich eine beachtliche kulturelle Strahlkraft erlangte.<ref>Zur nachfolgenden Zeit siehe knapp zusammenfassend Kampers (2008), S. 188ff. sowie 311ff. (zur Kultur des Westgotenreichs); Giese (2004), S. 151ff.</ref> Das Ende für die Westgoten kam überraschend: Die an der Küste Nordafrikas zu Beginn des 8. Jahrhunderts westwärts vorrückenden muslimischen Araber und Berber (siehe [[Islamische Expansion]]) überquerten die Meerenge von Gibraltar und vernichteten das Gotenheer König [[Roderich]]s in der [[Schlacht am Rio Guadalete]] im Juli 711; der König selbst fiel in der Schlacht. Damit war der Untergang des Westgotenreichs besiegelt. Im Nordosten der Halbinsel leisteten die Goten noch bis etwa 719 Widerstand, den Reichsteil nördlich der Pyrenäen eroberten die Muslime 719-725. Die unterworfenen Westgoten arrangierten sich mit den neuen Herren und traten teilweise zum Islam über. Erst später rebellierten westgotische Adlige in Asturien, von wo aus die [[Reconquista]] eingeleitet wurde. Die Könige des neuen christlichen [[Königreich Asturien|Königreichs Asturien]] sahen sich als Nachfolger der Westgotenkönige und erhoben damit Anspruch auf deren ehemaliges Herrschaftsgebiet.<ref>Wolfram (1990), S. 387f.</ref> ==== Das Vandalenreich in Nordafrika ==== Das [[Vandalen]]reich in der römischen Provinz [[Africa]] (weitgehend deckungsgleich mit dem heutigen [[Tunesien]] und Teilen Algeriens sowie Libyens; außerdem gehörten die Balearen, Korsika und Sardinien zu ihrem Herrschaftsbereich) stellt eine Ausnahme in den germanischen Reichsgründungen im Westen dar. Zum einen verfügten die Vandalen nach der Eroberung [[Karthago]]s 439 über eine beachtliche Flotte, mittels der sie den westlichen Mittelmeerraum weitgehend kontrollierten und sogar bis nach Griechenland vorstießen, zum anderen kam es in ihrem Herrschaftsbereich teilweise zu Verfolgungen der katholischen Mehrheitsbevölkerung, wenngleich sich dies meistens auf die Bischofsposten bezog. Die Vandalenkönige hielten an ihrem arianischen Christentum fest und waren stets um dessen Förderung und Ausbreitung bemüht (dies unterschied sie von den ebenfalls arianischen Ostgoten). Als der Nachfolger Geiserichs, [[Hunerich]], die Besetzung des Bischofsstuhls von Karthago nach 20 Jahren Vakanz genehmigte, so hatte er sich im Gegenzug in Konstantinopel versichert, dass dort arianische Gottesdienste ausgeübt werden durften.<ref>Castritius (2007), S.&nbsp;124f.</ref> Es kam aber auch immer wieder zu Deportationen katholischer Geistlicher, über die wir vor allem durch das Werk des [[Victor von Vita]] informiert sind, der freilich manche Maßnahmen vielleicht etwas übertrieben dargestellt hat. Die Vandalenkönige gaben die Hoffnung offenbar nicht auf, doch noch zu einer Verständigung mit den Katholiken in ihrem Reich zu gelangen, denn im Februar 484 fanden Religionsgespräche statt, die aber ergebnislos verliefen.<ref>Castritius (2007), S. 127.</ref> König [[Thrasamund]], der hochgebildet war und die römische Kultur im Reich förderte, verlegte seine Bemühungen auf die argumentative Ebene, ohne dass ihm ein Durchbruch gelang (siehe auch [[Fulgentius von Ruspe]]). Die Spannungen blieben bestehen, dennoch gelang es den Oströmern bei ihrer Eroberung nicht, daraus wesentlich Kapital zu schlagen.<ref>Castritius (2007), S. 159.</ref> Außenpolitisch war das Vandalenreich nach der erfolgreichen Abwehr der gesamtrömischen Operation 468 gefestigt (siehe oben), vor allem nach der Anerkennung durch Ostrom drohte keine unmittelbare Invasionsgefahr. Fortan mussten sich die Vandalen vor allem um die Abwehr der „Mauren“ kümmern, also der einheimischen [[Berber]]stämme, die teils eigene kleinere Königreiche auf dem Boden der römischen Provinzen in Nordafrika gebildet hatten (u. a. Reich des [[Masties]], [[Altava]]), und zwar keineswegs immer im Gegensatz zu der romanisierten Bevölkerung.<ref>Postel (2004), S. 196. Die Berber leisteten später noch den Oströmern und (zunächst) den Arabern teils heftigen Widerstand.</ref> Anderseits zogen die Vandalenkönige, die den Titel ''rex Vandalorum et Alanorum'' („König der Vandalen und Alanen“) trugen und sich also bemerkenswerterweise nicht auch als Herrscher der nordafrikanischen Römer sahen, auch maurische Hilfstruppen heran, während sich die Schiffsbesatzungen vor allem aus Provinzialrömern rekrutierten.<ref>Castritius (2007), S. 137–139.</ref> Wirtschaftlich und kulturell erfreuten sich die Vandalen, die viele der römisch-katholischen Großgrundbesitzer enteignet hatten (wenngleich keineswegs flächendeckend),<ref>Castritius (2007), S. 100f.</ref> der Annehmlichkeiten des reichen römischen Nordafrikas, welches unter der Herrschaft der Vandalen keineswegs verfiel, sondern weiterhin aufblühte. Der Handel florierte, die spätantike Bildung wurde in den Eliten weiter gepflegt. Die Vandalen genossen dabei offenbar den hohen römischen Lebensstandard und nutzten beispielsweise die Theater und den römischen Circus.<ref>Siehe die wichtige Aufsatzsammlung Andy H. Merrills (Hrsg.): ''Vandals, Romans and Berbers. New Perspectives on Late Antique North Africa''. Aldershot 2004.</ref> Der von den Quellen teils erhobene und von der älteren Forschung oft übernommene Vorwurf, die Vandalen seien dadurch verweichlicht worden, entbehrt allerdings nach Ansicht der meisten Historiker heute jeder Grundlage. Das Ende des Vandalenreichs begann mit der Usurpation [[Gelimer]]s, der den mit Ostrom sympathisierenden König [[Hilderich]] 530 gestürzt hatte. Wohl recht zögerlich ergriff der oströmische Kaiser Justinian I. im Jahr 533 die Gelegenheit, um zu intervenieren. Aus dem Bericht des Prokopios wissen wir, dass in Konstantinopel etwa der ''[[praefectus praetorio]]'' [[Johannes der Kappadokier]] mit der Entscheidung des Kaisers nicht einverstanden war, da er die Aktion als zu großes Risiko empfand.<ref>Prokopios, ''Bella'' 3, 10.</ref> Schließlich wurde dennoch ein relativ kleines Invasionsaufgebot unter dem ''[[magister militum]]'' Belisar in Marsch gesetzt, das zunächst nur die Wiedereinsetzung Hilderichs erreichen sollte. Gelimer ließ diesen aber töten. Belisar landete mit knapp 15.000 Mann und errang in den Schlachten von ''Ad Decimum'' und ''Tricamarum'' (Ende 533) überraschend den Sieg über Gelimer, der vorher ein Aufgebot von 5.000 Elitesoldaten zur Niederschlagung einer Revolte nach Sardinien in Marsch gesetzt hatte. Gelimer flüchtete zwar, wurde aber bald darauf gefangengenommen und nach Konstantinopel gebracht, wo er am Triumphzug teilnehmen musste, ansonsten aber ein angenehmes Leben auf einem Landgut führen durfte. Vandalische Truppen wurden in das kaiserliche Heer eingereiht und dienten in den Kämpfen Justinians gegen die Perser (siehe [[Römisch-Persische Kriege]]). Das Vandalenreich wurde wieder römisch und blieb dies bis zur Eroberung durch die Araber in der Mitte des 7. Jahrhunderts.<ref>Zur Eroberung des Vandalenreichs und den Nachwirkungen siehe knapp Castritius (2007), S. 159ff.</ref> ==== Das Frankenreich ==== Die [[Franken (Volk)|Franken]], ein Zusammenschluss verschiedener germanischer Stämme, waren 358 vom römischen Unterkaiser (''Caesar'') Julian in [[Toxandrien]] angesiedelt worden.<ref>Zu den Franken siehe unter anderem Ewig (2006); Reinhold Kaiser: ''Das römische Erbe und das Merowingerreich''. 3. erweiterte Aufl., München 2004; Wood (1994) mit weiterer Literatur. Zur Frühgeschichte: Erich Zöllner: ''Geschichte der Franken'', München 1970.</ref> 388 verwüsteten die Franken die Region um [[Köln]], wurden aber von römischen Truppen zurückgeschlagen (siehe [[Gennobaudes (4. Jahrhundert)|Gennobaudes]], [[Marcomer]], [[Sunno]]).<ref>[[Sulpicius Alexander]], ''Historia'', Exzerpt in [[Gregor von Tours]], ''Decem libri historiarum'', 2,9.</ref> Auch [[Stilicho]] ging gegen die Franken vor, die sich 407 gemäß ihrem Föderatenvertrags den eindringenden Vandalen, Alanen und Sueben entgegenstellten, aber geschlagen wurden. In den nächsten Jahren nutzten die Franken die wirre Lage in Gallien aus und expandierten, allerdings nicht unter einheitlicher Führung, im Mosel- und Niederrheingebiet und wurden erst vom Heermeister Aëtius gestoppt. Im Bündnis mit Aëtius vollzog sich wohl die fränkische Reichsbildung in Nordostgallien.<ref>Art. ''Franken''. In: RGA 9 (1995), S. 417.</ref> Nach dem Tod des Aëtius gingen die Franken in Massen über den Rhein, unter anderem wurde Mainz eingenommen. Der Norden Galliens zersplitterte in der Folgezeit in eine Reihe kleinerer Herrschaftsräume, während der Süden von Westgoten, Burgunden und schließlich Ostgoten (in der Provence) kontrolliert wurde. [[Datei:CHILDERICI REGIS.jpg|thumb|Siegelring mit dem Bildnis [[Childerich I.|Childerichs I.]] und Aufschrift ''CHILDERICI REGIS'']] Der in [[Tournai]] residierende [[Salfranken|salfränkische]] Kleinkönig [[Childerich I.]], dessen prachtvoll geschmücktes Grab 1653 entdeckt wurde, half dem gallo-römischen Feldherrn [[Aegidius (Feldherr)|Aegidius]], der sich gegen den Heermeister Ricimer und dessen Marionettenkaiser Libius Severus erhob, die Westgoten abzuwehren. Daraufhin errichtete Aegidius im Raum von Soissons einen eigenen Herrschaftsbereich, nach seinem Tod folgte ihm nach kurzer Zeit sein Sohn [[Syagrius]] (siehe oben). Mit Childerich wird auch das fränkische Herrschergeschlecht der [[Merowinger]] historisch wirklich fassbar, die in der Folgezeit die fränkische Expansion sehr erfolgreich vorantrieben. Childerichs Sohn [[Chlodwig I.|Chlodwig]] vernichtete die fränkischen Kleinreiche [[Ragnachar]]s und [[Chararich]]s. 486/87 eroberte Chlodwig das Reich des Syagrius. [[Schlacht von Vouillé|507]] wurden die Westgoten besiegt und faktisch aus Gallien verdrängt. Gegen die [[Alamannen]], die nach dem Zusammenbruch der römischen Herrschaft in Gallien über den Rhein drängten und weiter östlich bis nach Noricum vorstießen,<ref>Zu den Alamannen siehe die umfassende und aktuelle Darstellung von Drinkwater: John F. Drinkwater: ''The Alamanni and Rome 213-496. Caracalla to Clovis''. Oxford 2007.</ref> ging Chlodwig ebenfalls vor (vielleicht in zwei Alamannenkriegen). Mit den Burgunden ging Chlodwig ein Bündnis ein und heiratete eine burgundische Prinzessin.<ref>Zur Ereignisgeschichte siehe Ewig (2006), S. 18ff.; Wood (1994), S. 38ff.</ref> Chlodwig war ursprünglich Heide, trat jedoch zu einem nicht näher bestimmten Zeitpunkt (wahrscheinlich aber eher gegen Ende seiner Herrschaft) zum Christentum über. Entscheidend war, dass er sich für das katholische Bekenntnis entschied und somit Probleme vermied, die sich bisweilen in den anderen ''regna'' zwischen Eroberern und der römischen Bevölkerung ergaben. Das geschickte, aber auch skrupellose Vorgehen Chlodwigs sicherte den Franken eine beherrschende Stellung in Gallien und legte das Fundament für die erfolgreichste germanisch-romanische Reichsgründung, wobei Chlodwig noch heute oft (und völlig anachronistisch) als Gründer Frankreichs gefeiert wird. [[Datei:Fibule mérovingienne 01.JPG|miniatur|Merowingische [[Fibel (Tracht)|Fibel]]]] Nach Chlodwigs Tod im Jahre 511 wurde das Reich unter seinen Söhnen aufgeteilt, was jedoch keine Auswirkung auf den Einheitsgedanken hatte. Die Franken setzten in der Folgezeit ihre aggressive Expansionspolitik fort: 531 vernichteten sie das [[Thüringer]]reich, 534 wurde das Burgundenreich erobert und in das [[Frankenreich]] integriert.<ref>Kaiser (2004), S. 73f.</ref> [[Theudebert I.]] intervenierte in Oberitalien und soll angeblich sogar daran gedacht haben, gegen Konstantinopel zu marschieren. Offenbar strebte er eine kaisergleiche Stellung an und dokumentierte sein Selbstverständnis unter anderem durch die Prägung von Goldmünzen mit seinem Namen, ansonsten ein Vorrecht des römischen Kaisers.<ref>Matthias Springer: ''Theudebert I''. In: RGA 30 (2005), S. 455–459.</ref> Um 560 war das Reich noch einmal unter einem König geeint, danach für viele Jahrzehnte nicht mehr. Im Inneren zogen die Franken die gallo-römische Oberschicht und Bischöfe für Verwaltungsaufgaben heran und nutzten auch das System der vor allem (nicht nur) in Südgallien verbreiteten römischen ''[[civitates]]''.<ref>Bernhard Jussen: ''Über ‚Bischofsherrschaften‘ und die Prozeduren politisch-sozialer Umordnung in Gallien zwischen Antike und Mittelalter''. In: ''Historische Zeitschrift'' 260 (1995), S. 673–718.</ref> Von vielen Gallo-Romanen wurde die fränkische Herrschaft denn auch nicht als drückend empfunden. Der aus einem alten Senatorengeschlecht stammende [[Gregor von Tours]], dessen Geschichtswerk eine wichtige Quelle für diese Zeit darstellt, bemühte sich sogar, die fränkische Geschichte in Einklang mit der römischen zu bringen. Manches spricht dafür, dass man in Chlodwig keinen germanischen Eroberer zu sehen hat, sondern einen Verteidiger der römischen bzw. romanischen ''Gallia''.<ref>Bernhard Jussen: ''Chlodwig und die Eigentümlichkeiten Galliens''. In: Meier (2007), S. 141–154, hier 152.</ref> Die Merowinger sollten ab der Mitte des 7. Jahrhunderts jedenfalls nur noch formal regieren. Die wirkliche Macht lag nun offenbar bei den [[Hausmeier]]n, was schließlich 751 zur Ablösung der Merowinger durch die [[Karolinger]] führte. ==== Das Burgundenreich ==== Nachdem das Reich der [[Burgunden]] am Mittelrhein 436 vom weströmischen Heermeister Aëtius zerschlagen und ihre Überreste 443 in der ''Sapaudia'' angesiedelt worden waren, errichteten sie als römische Föderaten in der Region am [[Genfersee]] ein neues Reich.<ref>Zum Folgenden siehe Kaiser (2004), S. 38ff.</ref> Das Verhältnis der Burgunden zur weströmischen Regierung war ambivalent, wenn die Burgundenkönige auch stets auf ihre Legitimation bedacht waren. Anders als viele andere germanische Föderaten hielten sich die Burgunden jedoch im Grundsatz an ihre vertraglichen Verpflichtungen und stellten sich mehrfach Invasoren entgegen. Burgundische Truppen kämpften unter Aëtius gegen die Hunnen und beteiligten sich beispielsweise an der Offensive gegen die Sueben in Hispanien in den 50er Jahren des 5. Jahrhundert. 457 nahmen die Burgunden, die wirren Verhältnisse in Gallien nach dem Tod des Aëtius ausnutzend, [[Lyon]] samt der umliegenden Region ein. Im Jahr darauf räumten sie die Stadt, die erst 469 endgültig in ihren Besitz überging und fortan als Hauptresidenz der Burgundenkönige diente. In der Auvergne kämpften sie, wieder im römischen Auftrag, gegen die Westgoten. In den 70er und 80er Jahren führten sie Krieg gegen die Alamannen.<ref>Kaiser (2004), S. 49ff.</ref> Unter König [[Gundobad]], der in der Zeit vor seiner Thronbesteigung weströmischer Heermeister war und ein Bündnis mit den Franken einging, reichte das Burgundenreich im Süden fast bis ans Mittelmeer, im Nordosten wohl in die Region des Bodensees. Mit der Errichtung des Föderatenreichs in der Sapaudia nahm der Romanisierungsprozess der Burgunden zu, die Burgundenkönige erlaubten sogar das ''conubium'', also die Heirat zwischen Burgunden und Provinzialrömern. Die überraschend große Anpassungsfähigkeit der Burgunden ist wohl ein Grund dafür, dass fast keine burgundischen Selbstzeugnisse überliefert sind und die Assimilierung der ohnehin nur sehr geringen burgundischen Bevölkerung sehr schnell verlief. Die gallo-römische Führungsschicht, die sich mit den Burgunden arrangierte (siehe etwa [[Avitus von Vienne]], wenn sich auch der Gallo-Römer [[Sidonius Apollinaris]] abfällig über die „stinkenden Barbaren“ äußerte), sah in ihnen offenbar einen Garanten der bestehenden Ordnung, wobei die burgundische Landnahme eher schleichend verlief.<ref>Kaiser (2004), S. 49f.; Postel (2004), S. 116–118.</ref> Erst nach der Absetzung des weströmischen Kindkaisers Romulus Augustulus 476 übernahm der Burgundenkönig in diesem Raum auch alle Herrschaftsrechte.<ref>Postel (2004), S. 115f. Zu den Modalitäten der Ansiedlung siehe Kaiser (2004), S. 82ff.</ref> Wahrscheinlich um sich gegenüber seinen römischen Untertanen legitimieren zu können, ließ er sich aber vom oströmischen Kaiser seinen Rang als ''[[magister militum]]'' bestätigen. Ein markantes Merkmal der burgundischen Königsherrschaft war im Erbfall die Ausstattung anderer Familienmitglieder mit eigenen Herrschaftsräumen, ohne dass die Herrschaft dabei geteilt wurde; neben Lyon fungierten [[Genf]] und [[Vienne (Isère)|Vienne]] als Residenzen.<ref>Kaiser (2004), S. 115f.</ref> Als eine wichtige Quelle dient die ''Lex Gundobada'', die wichtige Einblicke in die Binnenstruktur des Reiches erlaubt. Religionspolitisch gab es im Burgundenreich keine erkennbaren Streitigkeiten zwischen Arianern und Katholiken, obwohl die Burgunden durch das arianische Bekenntnis zu Christen geworden waren. Das Königshaus scheint aber recht bald zum Katholizismus tendiert zu haben. Ohnehin ist nicht für alle burgundischen Könige bezeugt, dass sie Arianer waren, wenngleich sie die [[Kirchenhoheit]] über die arianische Kirche in ihrem Reich beanspruchten.<ref>Kaiser (2004), S. 152–157.</ref> In den 20er Jahren des 6. Jahrhunderts begannen die merowingischen Franken mit der Eroberung Burgunds, das dann 534 im fränkischen ''regnum'' aufging. Dem Namen „[[Burgund]]“ hingegen blieb eine erstaunliche Wirkungsgeschichte durch die Jahrhunderte beschieden.<ref>Dazu Kaiser (2004), S. 176ff.</ref> ==== Die Angeln, Sachsen und Jüten in Britannien ==== [[Datei:Sutton Hoo Helmet Replica.jpg|miniatur|Rekonstruktion eines im Grab von [[Sutton Hoo]] gefundenen Prunkhelmes (7. Jahrhundert)]] Mit dem Abzug der letzten Einheiten des Feldheeres zu Beginn des 5. Jahrhunderts war die römische Provinz [[Britannien]] den Angriffen der [[Pikten]] und [[Skoten]] fast schutzlos ausgesetzt (siehe oben). Die römische Verwaltungsordnung brach nach und nach zusammen, stattdessen übernahmen regionale Autoritäten die Verteidigungsaufgaben. Nach dem Abzug der römischen Truppen und dem wenigstens teilweisen Exodus der römischen Oberschicht waren die Verwaltungsaufgaben von den wenigen ''civitates'' (Britannien war wesentlich weniger stark urbanisiert als andere Provinzen) übernommen worden.<ref>Michael E. Jones: ''The End of Roman Britain''. Ithaca/NY 1996; Snyder (1998).</ref> Der heidnische Historiker [[Zosimos]], der um 500 eine ''Neue Geschichte'' verfasste und seiner Vorlage [[Olympiodoros von Theben]] folgte, berichtet sogar, dass Kaiser Honorius den ''civitates'' Britanniens mitteilte, sie sollen sich zukünftig selbst verteidigen.<ref>Zosimos, 6, 10, 2. Vgl. auch [[Edward A. Thompson]]: ''Zosimus 6.10.2 and the letters of Honorius''. In: ''Classical Quarterly'' 32 (1982), S. 445–462. Nach Ansicht einiger Forscher (z. B. David Mattingly) bezog sich der Kaiser allerdings nicht auf Brittanien, sondern auf die Landschaft Bruttium in Italien.</ref> Jedenfalls bestellte die weströmische Regierung in Ravenna keine neuen Magistraten für die Insel, Bischof [[Germanus von Auxerre]] besuchte Britannien jedoch noch 429 und 444. Ein letzter Hilferuf der britischen Römer um das Jahr 446 an den Heermeister Aëtius ist im Werk des [[Gildas]] über den „''Niedergang Britanniens''“ überliefert: {{Zitat|Die Barbaren treiben uns ins Meer, das Meer treibt uns zu den Barbaren zurück; so ertrinken wir oder werden niedergemetzelt.|Quelle=Gildas, ''De excidio Britanniae'' 20. Übersetzung nach Postel (2004), S. 97.}} Aufgrund der überaus schlechten Quellenlage sind die nachfolgenden Ereignisse in Britannien nur in Grundzügen bekannt:<ref>Quellenüberblick unter anderem bei Snyder (1998), S. 29ff. (schriftliche) und 131ff. (archäologische).</ref> Um der Gefahr durch barbarische Stämme entgegentreten zu können, hatten die Römer in Britannien wohl irgendwann zwischen 410 und 440 sächsische Föderaten zur Hilfe gerufen (einige Forscher, etwa Guy Halsall, vermuten allerdings, dies sei schon früher erfolgt). Die Sachsen hatten bereits im 3. Jahrhundert als Seeräuber den Römern Schwierigkeiten bereitet, nun wurden sie als Verbündete aufgenommen. Bald jedoch erhoben sie sich gegen die Römer - gallische Chroniken legen nahe, dass dies um 440 geschah. Auch [[Jüten]] und [[Angeln (Volk)|Angeln]] kamen nun auf die Insel und setzten sich dort fest (siehe [[Angelsachsen]]). Allerdings hat die archäologische Forschung nachweisen können, dass Germanen aus dem heutigen Norddeutschland und dem südlichen Dänemark bereits Ende des 4. Jahrhunderts in kleiner Zahl in das römische Britannien eingesickert waren und die Landnahme eher schleichend verlief, zumal die Germanen kaum in größerer Zahl nach Britannien übersetzten.<ref>Postel (2004), S. 95ff.; Christian Uebach: ''Die Landnahmen der Angelsachsen, der Wikinger und der Normannen in England''. Marburg 2003, S. 19ff. [[Bruno Krüger]] (Hrsg.): ''Die Germanen – Geschichte und Kultur der germanischen Stämme in Mitteleuropa'', Berlin 1983, Band 2. S. 450 – 452, 476 – 485.</ref> Jüngste Untersuchungen legen nahe, dass sich viele romanisierte Kelten auf die Seite der siegreichen germanischen Neuankömmlinge schlugen und deren Sprache und Lebensweise übernahmen. [[Datei:Britain peoples circa 600.png|miniatur|Britannien um 600]] Laut dem im 6. Jahrhundert schreibenden Chronisten [[Gildas]] war ein "hochmütiger Tyrann" dafür verantwortlich gewesen, dass die Römerstädte Britanniens die Sachsen ins Land gerufen hatten. Laut dem im 8. Jahrhundert schreibenden Kirchenhistoriker [[Beda Venerabilis]] waren die Sachsen vom romano-britischen Herrscher [[Vortigern]] als Söldner angeheuert worden und mit drei Schiffen unter dem Brüderpaar [[Hengist]] und [[Horsa]] an der Küste Britanniens gelandet.<ref>Beda, ''Historia ecclesiastica'', 1, 15.</ref> Diese Art von Herkunftssagen (siehe ''[[Origo gentis]]'') sind auch bei den Goten oder Langobarden verbreitet, historische Berichte über Britannien aus dieser Zeit sind hingegen kaum überliefert. Dennoch zeigen die wenigen Quellen, dass es also keineswegs zu einem vollständigen Zusammenbruch der zivilen Ordnung gekommen war. Vielmehr entstanden vor und nach der sächsischen Invasion römisch-britische Kleinkönigreiche, die Forschung spricht von ''Sub-Roman Britain'',<ref>[http://www.the-orb.net/encyclop/early/origins/rom_celt/romessay.html Knapper Überblick mit Literatur.] Allgemein siehe auch Snyder (1998).</ref> die den Angelsachsen Widerstand leisteten. Den germanischen ''[[warlord]]s'' standen also zunächst romano-keltische gegenüber. In diesem Zusammenhang ist auch die [[Schlacht von Mons Badonicus]] einzuordnen, die wohl um 500 stattfand und in der eine Koalition der römischen Briten unter einem historisch faktisch nicht fassbaren [[Ambrosius Aurelianus]] (siehe [[Artus]]sage) siegte. Der Sieg hatte wohl einen vorläufigen angelsächsischen „Siedlungsstopp“ zur Folge. Dennoch wurden die Briten schließlich in die Randregionen der Insel abgedrängt, etwa in den Norden sowie nach Wales und Südwestengland; Teile der Bevölkerung flohen auf das Festland nach Aremorica, in die heutige [[Bretagne]].<ref>Zusammenfassend siehe Pohl (2005), S. 92f.</ref> Die Angelsachsen selbst operierten unter keiner einheitlicher Führung und führten auch untereinander Krieg. Erst im 7. Jahrhundert bildeten sie größere Königreiche (siehe [[Heptarchie]]), die bis zum [[Wikinger]]einfall im 9. Jahrhundert bestehen blieben.<ref>Frank M. Stenton: ''Anglo-Saxon England''. 3. Aufl. Oxford 1971.</ref> Britannien, dem aufgrund der geografischen Lage eine Sonderrolle im Rahmen der Völkerwanderung zukommt, erlebte eine gewisse „Barbarisierung“, die lateinische Sprache wurde immer weniger gepflegt. Die letzten lateinischen Inschriften wurden im 6. Jahrhundert in Wales gesetzt. Der Archäologe Bryan Ward-Perkins ist sogar der Ansicht, dass der Lebensstandard auf der Insel auf prähistorisches Niveau zurückfiel.<ref>Ward-Perkins (2005), S. 117ff.</ref> Auch das Christentum auf der Insel erlebte wohl einen Rückschlag, wenngleich viele Details aufgrund der mangelhaften Quellenlage umstritten sind: Einerseits scheint die Mission Irlands noch im 5. Jahrhundert von Britannien ausgegangen zu sein, andererseits musste Papst [[Gregor der Große]] um 600 christliche Missionare ins heutige England (Canterbury) entsenden. Wichtige religiös-kulturelle Impulse sollten seither vor allem von [[Irland]] ausgehen. Der Christianisierung der Angelsachsen durch die [[Iro-schottische Mission|iroschottischen Missionare]] sollte erst im 7. Jahrhundert der Durchbruch gelingen. ==== Die Langobarden in Italien und das Ende der Völkerwanderung ==== Der Ursprungsmythos der [[Langobarden]] (''Origo gentis'') ist in der sogenannten ''[[Origo Gentis Langobardorum]]'' überliefert. Demnach hatte der Gott [[Odin|Wodan]] den Langobarden einst zum Sieg über die Vandalen verholfen, während sie selbst angeblich aus Skandinavien stammten.<ref>''Origo gentis Langobardorum'' 1.</ref> Wie so oft bei derartigen Quellen sind kaum historische Bezüge zu rekonstruieren. Im 1. und 2. Jahrhundert sind Langobarden jedoch durch römische Quellen an der unteren Elbe bezeugt, ansonsten werden sie wenig erwähnt, und auch die archäologische Forschung erlaubt es nicht, ihre Wanderwege zu rekonstruieren. Wahrscheinlich zogen langobardische Gruppen bis zum 5. Jahrhundert die mittlere Elbe entlang nach [[Böhmen]].<ref>Zu den Langobarden siehe einführend: Ausstellungskatalog ''Die Langobarden'' (2008); Jörg Jarnut: ''Geschichte der Langobarden''. Stuttgart 1982; Menghin (1985); Peter Erhart, Walter Pohl (Hrsg.): ''Die Langobarden: Herrschaft und Identität''. Wien 2005.</ref> Um 500 geraten diese in das Blickfeld der spätantiken Historiografie, nachdem sie um 488 das verlassene ''Rugiland'' in Besitz genommen hatten. [[Paulus Diaconus]], der im 8. Jahrhundert eine Geschichte der Langobarden auf Grundlage älterer Quellen verfasste (siehe [[Secundus von Trient]]), berichtet davon, dass die Langobarden damals den [[Heruler]]n tributpflichtig wurden, sie dann aber besiegen konnten.<ref>Paulus Diaconus, ''Historia Langobardorum'', 1, 20; siehe auch Prokopios, ''Bella'', 6, 14.</ref> [[Datei:Balkans.jpg|miniatur|Das Reich der Awaren.]] Die Langobarden kamen nun in Kontakt mit [[Ostrom]]. Im Zusammenhang mit dem [[Gotenkrieg]] Justinians ging der Langobardenkönig [[Audoin]], der zuvor ehemals ostgotische Besitzungen in Pannonien erobert hatte, ein Bündnis mit dem Kaiser in Konstantinopel ein. Dies war für beide Seiten von Vorteil, da die Römer Truppen benötigten, um den ostgotischen Widerstand in Italien zu brechen, während die Langobarden wiederum Rückendeckung gegen die expansiven [[Gepiden]] erhielten.<ref>Zusammenfassend Pohl (2005), S. 193.</ref> 552 ging der oströmische General [[Narses]] nach Italien, wobei ihn einige Tausend Langobarden unter [[Alboin]], dem Sohn Audoins, begleiteten. Narses sah sich allerdings gezwungen, die völlig undisziplinierten Langobarden zurückzuschicken,<ref>Prokopios, ''Bella'', 8, 33.</ref> kurz darauf triumphierten die Langobarden über die Gepiden.<ref>Prokopios, ''Bella'', 8, 25ff.</ref> Paulus Diaconus berichtet von einer eher legendär als historisch anmutenden Episode, wonach Alboin den Sohn des Gepidenkönigs getötet und anschließend, um den Frieden wiederherzustellen, sich allein zum Gepidenkönig [[Turisind]] begeben haben soll.<ref>Paulus Diaconus, ''Historia Langobardorum'', 1, 23f.</ref> Der um 560 an die Macht gelangte Alboin plante nun die Vernichtung des Gepidenreichs. Zu diesem Zweck schloss er ein Bündnis mit den [[Awaren]], einem erst kurz zuvor in Ostmitteleuropa aufgetauchten Reitervolk aus Zentralasien, die bald darauf im Donauraum ein mächtiges Reich errichteten und sogar das Oströmische Reich bedrängten.<ref>Zu den Awaren ist grundlegend: Walter Pohl: ''Die Awaren''. 2. Aufl. München 2002.</ref> 567 schlug Alboin die Gepiden, ohne dass die Awaren überhaupt eingreifen mussten. Den Gepidenkönig [[Kunimund]] tötete Alboin eigenhändig, wobei er aus dem Schädel des Toten angeblich einen Trinkbecher anfertigen ließ. Alboin heiratete Rosamunde, die Tochter des Gepidenkönigs, die später an Alboins Ermordung beteiligt war.<ref>Menghin (1985), S. 85f.; Pohl: ''Die Awaren''. 2002, S. 56f.; Pohl (2005), S. 193ff.</ref> Die alte Annahme, die Langobarden hätten nun vor den Awaren fliehen müssen, wird heute zumeist abgelehnt. 568 nutzte Alboin seine gestärkte Position und zog mit den Langobarden und Teilen anderer ''gentes'' aus dem Karpatenraum (der von Herwig Wolfram treffend als gentiler Ballungsraum charakterisiert wurde) nach Norditalien. Trotz der Verheerungen durch den Gotenkrieg bot die alte Kernprovinz des Imperiums immer noch die verlockende Aussicht auf reiche Beute und war für einen Heerkönig wie Alboin, der seinen Männern Beute verschaffen musste, daher attraktiv. Die Erzählung, die Langobarden seien von Narses gerufen worden, ist hingegen wahrscheinlich als unhistorisch anzusehen.<ref>Pohl (2005), S. 197.</ref> Die oströmische Gegenwehr war schwach, zumal ohnehin nur relativ wenige Truppen in Italien standen. Auch mehrere Städte, darunter Mailand, ergaben sich. [[Pavia]] hingegen öffnete erst nach dreijähriger Belagerung die Tore und wurde zur Hauptresidenz der Langobarden. Selbstständig operierende Gruppen stießen sogar nach Süditalien und auf fränkisches Gebiet vor. Ravenna, Rom und die Seestädte wie [[Genua]] konnten sich hingegen halten. In den Quellen wird die Brutalität der teils heidnischen, teils arianischen Langobarden betont, mehrere Großgrundbesitzer flohen von ihren Gütern. In [[Cividale del Friuli]] hatte Alboin bereits kurz nach Beginn der Invasion ein ''Dukat'' (Herzogtum) unter Leitung seines Neffen [[Gisulf I. (Friaul)|Gisulf I.]] eingerichtet. Das Dukat war offensichtlich an das spätrömische Militärsystem angelehnt, und tatsächlich verband Alboin das bestehende Verwaltungssystem mit der bisherigen langobardischen Militärordnung der ''farae''.<ref>Wolfram (1990), S. 399f.</ref> Diese Form der Herrschaftsorganisation sollte bald prägend für die Langobarden werden, zumal nach der Ermordung Alboins 572 die zentrale Königsmacht ohnehin bald verfiel. Die langobardische Reichsgründung von 568 war die letzte gentile Herrschaftsbildung der Spätantike auf einst weströmischem Boden und markiert damit das Ende der großen Völkerwanderungszeit. Damit war die Genese der frühmittelalterlichen politische Konstellation West- und Mitteleuropas weitgehend abgeschlossen, denn etwa um diese Zeit lassen sich auch die [[Bajuwaren]] erstmals nachweisen.<ref>Einen guten Überblick bzgl. der frühen Bayern bietet Matthias Hardt: ''The Bavarians''. In: Goetz, Jarnut, Pohl (2003), S. 429–461.</ref> Wenig später drangen die [[Slawen]] in viele einstmals germanische Gebiete sowie auf den römischen Balkan vor, wo sie sich ab etwa 580 dauerhaft niederließen (siehe [[Landnahme der Slawen auf dem Balkan]]).<ref>Allgemein zu den frühen Slawen vgl. nun vor allem Florin Curta: ''The Making of the Slavs''. Cambridge 2001, sowie Florin Curta: ''Southeastern Europe in the Middle Ages, 500–1250''. Cambridge 2006, S. 39ff. Siehe auch Gottfried Schramm: ''Ein Damm bricht. Die römische Donaugrenze und die Invasionen des 5.–7. Jahrhunderts im Lichte von Namen und Wörtern''. München 1997.</ref> Der nur locker organisierte langobardische Herrschaftsraum in Oberitalien sowie in [[Benevent]] und [[Spoleto]] zersplitterte nach dem Tod Alboins in mehrere Herzogtümer, die fortan ihre eigene Politik betrieben. In der Folgezeit kam es immer wieder zu Konflikten mit den Oströmern, die sich in Mittel- und Unteritalien längere Zeit halten konnten. Erst den Königen [[Authari]] und [[Agilulf (Langobarde)|Agilulf]] gelang es, dem Königtum wieder zu neuer Autorität zu verhelfen. Im Verlauf des 7. Jahrhunderts expandierte das Reich nochmals, und die Langobarden gaben schließlich auch ihr arianisches Bekenntnis auf. [[Liutprand (Langobarde)|Liutprand]], der 712 den Thron bestieg, war Katholik und konnte seine Macht sogar gegenüber den ''Duces'' von Spoleto und Benevent zur Geltung bringen.<ref>Zur Entwicklung nach Alboin siehe zusammenfassend: Wolfram (1990), S. 404ff.</ref> Das Ende für das Langobardenreich kam mit der Eroberung durch die Franken 774 unter [[Karl der Große|Karl dem Großen]]. Ideell wirkte ihr ''regnum'' jedoch auch im [[Heiliges Römisches Reich|Heiligen Römischen Reich]] nach, wie die Krönung mehrerer [[römisch-deutscher König]]e mit der „Krone der Langobarden“ zeigt. Der Name [[Lombardei]] erinnert bis heute an sie. == Ausblick == [[Datei:Justinian Byzanz.png|miniatur|Der Mittelmeerraum zur Zeit Kaiser Justinians I. († 565).]] Der Langobardeneinfall in Italien bildet den Schlusspunkt der großen Völkerwanderung.<ref>Für das „nach-römische Europa“ siehe [[Chris Wickham]]: ''The Inheritance of Rome: A History of Europe from 400 to 1000''. London 2009 sowie die aktuelle Kulturgeschichte von Julia Smith: ''Europe after Rome''. Oxford 2005 (jeweils mit weiterer Literatur); zur Wirtschafts- und Sozialgeschichte allgemein siehe auch die wichtige Darstellung von Wickham (2005).</ref> Damit war auf dem Boden des untergegangenen Westreichs eine politische Ordnung entstanden, die in weiten Teilen bis in das hohe und späte Mittelalter Bestand hatte und auch die neuzeitliche Staatenwelt prägen sollte. Aus dem Frankenreich bildeten sich nach dem Zerfall der Karolingerherrschaft das west- und ostfränkische Reich, die Keimzellen Frankreichs und Deutschlands. Das Westgotenreich sollte während der Reconquista für die Spanier identitätsstiftend wirken, die Angelsachsen prägten das Bild des späteren Königreichs England ganz entscheidend mit, ähnlich wie das Langobardenreich in abgeschwächter Form Bedeutung für Italien haben sollte. In den meisten der entstandenen ''regna'', in denen sprachlich schließlich Latein bzw. das volkssprachige [[Vulgärlatein]] die Oberhand gewann (außer im Sonderfall Britannien), arrangierten sich die germanischen Eroberer weitgehend, aber in sehr unterschiedlicher Form, mit der einheimischen Bevölkerung. Trotzdem sollte dies nicht über die teils dramatischen Veränderungen am Ende der Spätantike hinwegtäuschen, die nicht selten mit Gewaltakten an der Bevölkerung verbunden waren. Obwohl es im Osten immer noch ein römisches Reich mit einem Kaiser an der Spitze gab, dessen Führungsanspruch zunächst in der Regel respektiert wurde, so griff Ostrom nach Justinians Tod (565) nicht mehr in vergleichbarem Ausmaß im Westen ein, wenngleich der letzte byzantinische Stützpunkt in Italien erst 1071 fiel. Der letzte oströmische Kaiser, der noch ernsthaft am Westen interessiert war und dort immerhin diplomatisch intensiv aktiv war, war [[Maurikios]] (582–602). Die Zeit ab dem frühen [[7. Jahrhundert]] war im Ostreich dann von einem permanenten Abwehrkampf gegen Perser und Araber, Awaren und Slawen geprägt, der fast alle Kräfte band. So sind auch die [[Exarchat (Byzantinisches Reich)|Exarchate]] als eine Defensivmaßnahme zu sehen. Das nun fast vollkommen gräzisierte Oströmische Reich verwandelte sich unter [[Herakleios]] zum mittelalterlichen Byzantinischen Reich.<ref>John F. Haldon: ''Byzantium in the Seventh Century''. 2. Aufl. Cambridge 1997.</ref> Im Westen waren die römische Armee und das römische Verwaltungssystem bereits im 5. Jahrhundert verschwunden. Hier kam es zu komplexen Veränderungen in der Herrschaftsordnung sowie im sozialen und wirtschaftlichen Gefüge (siehe auch die Ausführungen im Artikel [[Spätantike]]).<ref>Vgl. allgemein Wickham (2005).</ref> Trotz des dramatischen Verlustes an antiken Kulturgütern (vor allem im Westen), was nicht zwingend im Zusammenhang mit den kriegerischen Auseinandersetzungen dieser Zeit steht, wurden in den ''regna'' durchaus auch viele kulturelle Elemente bewahrt, wenngleich das Bildungsniveau wie auch die literarische Produktion insgesamt deutlich sank. Die Kirchenorganisation wandelte sich ebenfalls, da der Einfluss der Bischöfe im Vergleich zur spätrömischen Zeit noch zunahm. Dabei fungierte die Kirche als ein wichtiger Träger antiker (christlich tradierter) Bildung, die zwar unter dem antiken Niveau lag, aber auch andere Einflüsse aufnahm.<ref>Ausführlich zur Kultur: [[Friedrich Prinz]]: ''Von Konstantin zu Karl dem Großen. Entfaltung und Wandel Europas''. Düsseldorf-Zürich 2000.</ref> Im Rechtsbereich orientierten sich die Germanen am [[Römisches Recht|römischen Recht]], wie sie überhaupt bemüht waren, sich der römischen Lebensweise anzupassen. Einige germanische Herrscher, die ihre Autorität vor allem aus ihrem Heer- und Sakralkönigtum schöpften, nahmen den römischen Kaisernamen ''Flavius'' an (so etwa Theoderich der Große) und zogen oft die römischen Eliten für Verwaltungsaufgaben heran, wobei vor allem der Kirche eine wichtige Rolle als verbindende Kraft zukam. Oft stellte „germanisch“ keinen Gegensatz zu „römisch“ dar, zumal die Germanen nur einen Bruchteil der Bevölkerung in den ''regna'' ausmachten. Für die moderne Forschung, die in den letzten Jahrzehnten der Zeit zwischen dem 4. und 8. Jahrhundert verstärkt Aufmerksamkeit geschenkt hat, ergeben sich immer mehr neue Fragen, etwa hinsichtlich der Kontinuitätsproblematik (siehe auch die Ausführungen in [[Pirenne-These]]).<ref>Siehe auch den Artikel ''Kontinuitätsprobleme''. In: RGA 17 (2000), S. 205–237.</ref> Der Wechsel der Herrschaft war teilweise fließend: Im Frankenreich beispielsweise waren die Menschen nun nicht mehr Untergebene des Kaisers, sondern des Königs (auch wenn man dort den ''Augustus'' in Konstantinopel noch im 6. Jahrhundert oft als ''dominus noster'' ansprach). Die römische Beamtenschaft wurde teilweise übernommen, ebenso die Verwaltungsstrukturen. Eine Zeitlang funktionierten auch die spätrömischen Institutionen, bis schließlich kein ausreichend ausgebildetes Personal mehr nachkam. Die Angehörigen der alten provinzialrömischen Elite wählten nun oft lieber eine kirchliche Laufbahn. Andererseits existierten aber auch weiterhin ''comites'', die die ''[[civitates]]'' verwalteten, bis aus dem ''comes'' schließlich der „Graf“ wurde. In Gallien stellten sich die Franken auch alamannischen Plünderern entgegen und verteidigten die Städte: Aus der ''Gallia'' wurde schließlich eine ''Francia''. An den germanischen Herrscherhöfen entstanden neue Ämter, wie der ''maior domus'' ([[Hausmeier]]) im Merowingerreich.<ref>Martin (2001), S. 195f. Allgemein (allerdings nur zu den ostgermanischen Reichsgründungen): Maier (2005).</ref> Der Fernhandel nahm in der Völkerwanderungszeit spürbar ab, ebenso war die wirtschaftliche Produktion in den ''regna'' weniger arbeitsteilig als in römischer Zeit. Immer deutlicher wurde die Tendenz zur bereits in spätrömischer Zeit voranschreitende Verfestigung aristokratischer Strukturen, was sich beispielsweise in dem Gegensatz der Großgrundbesitzer und der an die Scholle gebundenen [[Kolonat (Recht)|Bauern]] widerspiegelt. Die Gesellschaft teilte sich bald in Freie (wozu die germanischen Adligen und die römische Oberschicht gehörten), Halbfreie und Unfreie auf. Damit einhergehend stieg die Zahl der Sklaven an, doch sind mehrere Detailfragen umstritten. So verlief die Entwicklung in den einzelnen ''regna'' recht unterschiedlich. Vor allem sind viele Bewertungen der älteren Forschung, die die spätrömische Gesellschaft als eine allgemein im Niedergang befindliche Gesellschaft charakterisierte, von der modernen Forschung revidiert worden.<ref>Knappe Zusammenfassung bei Martin (2001).</ref> Dennoch ging etwa die Bevölkerungszahl in den Städten des Westens insgesamt zurück. In manchen Regionen, beispielsweise in Britannien und in Teilen des Donauraums, verschwand die für die Antike typische urbane Kultur sogar fast vollkommen. Im künstlerischen Bereich dominierten hingegen neue Formen (siehe [[Fibel (Kunstgeschichte)|Fibel]], [[Germanischer Tierstil]]). Daneben veränderte sich unter anderem die Bestattungskultur. So ließen sich Romanen nach germanischer bzw. „barbarischer“ Art begraben.<ref>Siehe mit neuerer Literatur: [[Sebastian Brather]]: ''Völkerwanderungszeit''. In: RGA 32 (2006), S. 517–522.</ref> Allgemein gibt es unterschiedliche Ansätze zur Erklärung und Beurteilung der Veränderungen der Mittelmeerwelt im Übergang von der Spätantike zum Frühmittelalter. Zu diesem Zweck wurde von der [[Europäische Wissenschaftsstiftung|European Science Foundation]] mit ''[[Transformation of the Roman World]]'' sogar ein eigenes Forschungsprojekt ins Leben gerufen. Eines aber wird immer deutlicher: Die germanischen ''regna'' waren nicht weniger ein Teil der spätrömischen Welt als das Imperium selbst.<ref>Goetz, Jarnut, Pohl (2003); Thomas F. X. Noble (Hrsg.): ''From Roman Provinces to Medieval Kingdoms''. London-New York 2006; Pohl (1997).</ref> == Zeitleiste == * 375: Tod Kaiser [[Valentinian I.|Valentinians I]]. Die [[Hunnen]] unterwerfen die [[Alanen]] und die greutungischen [[Goten]]. * 376: Flucht der Donaugoten vor den Hunnen und Aufnahme im römischen Reich. Bald darauf erheben sich die Goten gegen die Römer. * 9. August 378: [[Schlacht von Adrianopel (378)|Schlacht von Adrianopel]]. Kaiser [[Valens]] und mit ihm ein Großteil der östlichen Hofarmee fallen. * 380: Ansiedlung der ''Dreivölker-Konföderation'' in Pannonien durch Kaiser [[Gratian]]. * 382: Gotenvertrag. Kaiser [[Theodosius I.]] siedelt größere Gotenverbände an der unteren Donau an. * 395: [[Reichsteilung von 395]], Hunneneinfälle ins [[Sassanidenreich]] und in die römischen Orientprovinzen. * 405: Einfall des [[Radagaisus]] mit einem großen Heer in das Westreich. Der weströmische [[Heermeister]] [[Stilicho]] schlägt die Invasoren im August 406. * 406/07: [[Rheinübergang von 406]]. Zusammenbruch der römischen Rheingrenze. [[Vandalen]], [[Sueben]] und Alanen ziehen plündernd durch Gallien. In Britannien erhebt sich der Usurpator [[Konstantin III. (Rom)|Konstantin III]]. Abzug der letzten Einheiten des römischen Feldheeres von der Insel. * 409: Abzug der Vandalen, Sueben und Alanen nach Hispanien. * 410: Eroberung Roms durch die Westgoten unter [[Alarich I.]] * 418: Ansiedlung der Westgoten in Aquitanien. * 429: Die Vandalen setzen nach Africa über, bis 439 fällt [[Karthago]]. 442 erkennt die weströmische Regierung den Verlust faktisch an. * 436: Vernichtung des [[Burgunden]]reichs am Mittelrhein durch den weströmischen Heermeister [[Flavius Aëtius|Aëtius]], der ihre Reste 443 in der ''Sapaudia'' neu ansiedelt. * Um 440: Teile der [[Sachsen (Volk)|Sachsen]] und andere germanische Gruppen setzen als [[Föderaten]] nach Britannien über und beginnen mit ihrer Landnahme. * 451: Feldzug des Hunnenkönigs [[Attila]] gegen das Westreich. [[Schlacht auf den Katalaunischen Feldern]] und Rückzug Attilas aus Gallien. 452 fallen die Hunnen in Italien ein, müssen sich aber schließlich zurückziehen. Nach Attilas Tod 453 bricht das Hunnenreich auseinander. * 455: Eroberung und Plünderung Roms durch die Vandalen. * 466: Der Westgotenkönig [[Eurich]] bricht den Vertrag mit Rom und beginnt eine aggressive Expansionspolitik. Der Großteil Hispaniens sowie der Südwesten Galliens werden westgotisch. * 468: Gescheiterte Invasion des Vandalenreichs durch west- und oströmische Truppen. * 476: Absetzung des letzten weströmischen Kaisers [[Romulus Augustulus]] durch den germanischen Heerführer [[Odoaker]] und Untergang des Westreichs. Bis 480 hält sich der 475 aus Italien geflüchtete [[Julius Nepos]] in Dalmatien. In Gallien behauptet sich die von [[Aegidius (Feldherr)|Aegidius]] errichtete gallo-römische Enklave noch bis 486. * 486/87: Vernichtung des Reichs des [[Syagrius]] durch die [[Franken (Volk)|Franken]] unter [[Chlodwig I.]] Das [[Frankenreich]] nimmt Gestalt an. * 489: Der Ostgote [[Theoderich der Große|Theoderich]] fällt in Italien ein und errichtet ein eigenes Königreich. * 507: Der Westgotenkönig unterliegt den Franken, die nun den Südwesten Galliens besetzen. * 533/34: Eroberung des Vandalenreichs durch den oströmischen General [[Belisar]]. Das Burgundenreich fällt 534 an die Franken. * 535–552: [[Gotenkrieg]] in Italien. Kaiser [[Justinian I.]] strebt die Rückeroberung weiter Teile des ehemaligen Westreichs an. * 568: Einfall der [[Langobarden]] in Oberitalien. Ende der Völkerwanderungszeit. == Quellen == Die folgenden Ausführungen beschränken sich nur auf die wichtigsten Quellen. Allgemein sei auf die Hinweise im Text sowie im Artikel [[Spätantike]] hingewiesen.<ref>Forschungsprobleme erörtert knapp Martin (2001), vgl. auch die entsprechenden Einträge im RGA.</ref> Eine neuere und umfassende Quellensammlung mit deutscher Übersetzung liegt mit dem Werk von Goetz, Patzold, Welwei (2006/07) in zwei Bänden vor, wo sich auch weitere Angaben finden. Die wichtigste erzählende Quelle vom Hunneneinbruch bis 378 ist das Werk des [[Ammianus Marcellinus]], das auch das letzte große lateinische Geschichtswerk der Antike darstellt. Von den bedeutenden Werken des [[Olympiodoros von Theben]] und des [[Priskos]] sind uns nur Fragmente erhalten geblieben, die aber wichtige Informationen enthalten. Ebenfalls nur fragmentarisch überliefert sind die Werke des [[Malchus von Philadelphia]] und des [[Johannes von Antiochia]]. Der Heide [[Zosimos]] verfasste um 500 eine ''Neue Geschichte'', die, trotz des Rückgriffs auf einige gute Quellen, teils sehr fehlerhaft und parteiisch gefärbt ist. [[Prokopios von Caesarea]] schilderte im 6. Jahrhundert ausführlich die Kriege Justinians gegen das Vandalen- und Ostgotenreich. Auch [[Agathias]] und [[Theophylaktos Simokates]] berichten von den Vorgängen im ehemaligen Westreich, wenngleich sie qualitativ nicht mehr an Prokopios heranreichen. [[Jordanes]], der eine heute verlorene Gotengeschichte des [[Cassiodorus]] benutzte, ist unsere wichtigste Quelle zur Geschichte der Goten (vor allem der Ostgoten), wenngleich viele Informationen problematisch sind. Nicht nur, aber vor allem für die Geschichte der Franken ist das Werk ''Zehn Bücher Geschichten'' des [[Gregor von Tours]] von großer Bedeutung (bis 591). [[Paulus Diaconus]] fertigte eine ähnlich gelagerte Geschichte der Langobarden an. Ansonsten bieten viele Chroniken (wie die des [[Marcellinus Comes]], die sogenannte [[Chronica Gallica (452)|Gallische Chronik]] sowie vor allem die des [[Hydatius von Aquae Flaviae]]) wichtige, oft aber nur sehr knappe Informationen.<ref>Siehe allgemein Anton Scharer, Georg Scheibelreiter (Hrsg.): ''Historiographie im frühen Mittelalter''. München-Wien 1994.</ref> Daneben enthalten verschiedene ''[[Kirchengeschichte (Literatur)|Kirchengeschichten]]'', Reden und erhaltene Briefe (wie die des [[Sidonius Apollinaris]]) eine Fülle von Informationen, wenngleich von sehr unterschiedlicher Qualität und Glaubwürdigkeit. Ebenso sind Gesetzestexte sowie Inschriften, Münzen und vor allem archäologische Befunde von großer Bedeutung. * Ammianus Marcellinus: ''Das römische Weltreich vor dem Untergang''. Übersetzt von [[Otto Veh]], eingeleitet und erläutert von [[Gerhard Wirth]]. Artemis-Verlag, München-Zürich 1974, ISBN 3-7608-3514-7 (nur dt. Übersetzung). * Roger C. Blockley: ''The fragmentary classicising historians of the later Roman Empire''. 2 Bde., Liverpool 1981, 1983.<br />(Blockleys Zählung der Fragmente, die von der sonst gängigen Nummerierung oft abweicht, wurde im Artikel nicht übernommen.) * [[Hans-Werner Goetz]], [[Steffen Patzold]], [[Karl-Wilhelm Welwei]]: ''Die Germanen in der Völkerwanderung. Auszüge aus den antiken Quellen über die Germanen von der Mitte des 3. Jahrhunderts bis zum Jahre 453 n. Chr''. Ausgewählte Quellen zur Deutschen Geschichte des Mittelalters, Freiherr-vom-Stein Gedächtnisausgabe. Teil I. Darmstadt 2006; Teil II Darmstadt 2007 (Lateinisch/Griechisch/Deutsch). * Colin D. Gordon: ''The Age of Attila: Fifth-Century Byzantium and the Barbarians''. University of Michigan Press, Ann Arbor 1960 (Quellenausschnitte in englischer Übersetzung). == Literatur == Wichtige Überblicks-, Personen- und Sachartikel mit weiteren Literaturangaben und Hinweisen zur Forschung finden sich im ''[[Reallexikon der Germanischen Altertumskunde]]'' (RGA), 2. Auflage. Daneben sei auf die Artikel im ''[[Lexikon des Mittelalters]]'' und in der ''[[The Prosopography of the Later Roman Empire|Prosopography of the Later Roman Empire]]'' hingewiesen. Wichtige Überblickswerke stellen daneben die ''[[Cambridge Ancient History]]'' (Bd. 13 und 14) und die ''[[New Cambridge Medieval History]]'' (Bd. 1) dar. Spezielle Literatur ist zusätzlich in den Anmerkungen aufgeführt. * Thomas S. Burns: ''Barbarians within the Gates of Rome. A Study of Roman Military Policy and the Barbarians (ca. 375–425)''. Indiana University Press, Bloomington/Ind. 1994.<br />(Detaillierte und wichtige militärgeschichtliche Darstellung der Ereignisse von 375 bis ins frühe 5. Jahrhundert.) * [[Helmut Castritius]]: ''Die Vandalen''. Kohlhammer, Stuttgart u. a. 2007.<br />(Aktuelle und kritische Darstellung der Vandalen und ihrer Reichsgründung. Problematisch für Laien ist jedoch, dass zwar Quellen in den Anmerkungen verzeichnet sind, dort jedoch nicht auf die Auseinandersetzung mit der modernen Forschung aufmerksam gemacht wird. Vgl. auch [http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/rezensionen/2007-4-004 Rezension] bei [[H-Soz-u-Kult]].) * [[Alexander Demandt]]: ''Geschichte der Spätantike''. Sonderauflage. C. H. Beck, München 1998 [2. Aufl., C. H. Beck, München 2008]. * ''Die Langobarden. Das Ende der Völkerwanderung''. Hrsg. vom Landschaftsverband Rheinland/Rheinisches Landesmuseum Bonn. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2008. * [[Eugen Ewig]]: ''Die Merowinger und das Frankenreich''. 5. Auflage. Kohlhammer, Stuttgart 2006.<br />(Standardwerk) * Patrick J. Geary: ''Europäische Völker im frühen Mittelalter. Zur Legende vom Werden der Nationen''. Fischer, Frankfurt am Main 2002, ISBN 3-596-60111-8. <br />(Kritische Sicht auf die lange gängige Betrachtung der spätantiken Volksgruppen als homogene Gebilde, stattdessen Darstellung der Vorgänge als komplexe Interaktion heterogener Gruppen und Faktoren.) * Wolfgang Giese: ''Die Goten''. Kohlhammer, Stuttgart u. a. 2004.<br />(Knappe, gut lesbare Zusammenfassung auf dem neuesten Forschungsstand.) * [[Hans-Werner Goetz]], [[Jörg Jarnut]], [[Walter Pohl]] (Hrsg.): ''Regna and Gentes: The Relationship between Late Antique and Early Medieval Peoples and Kingdoms in the Transformation of the Roman World''. Brill, Leiden u. a. 2003.<br />(Sammelband mit wichtigen Beiträgen zu den einzelnen Reichsbildungen.) * [[Walter A. Goffart]]: ''Barbarians and Romans AD 418–584. The Techniques of Accomodation''. Princeton University Press, Princeton 1980, ISBN 0-691-10231-7.<br />(Ein sehr einflussreiches Buch, das neue, wenn auch nicht unumstrittene Erklärungsmuster für die Entstehung der Germanenreiche bietet.) * Walter A. Goffart: ''Barbarian Tides: The Migration Age and the Later Roman Empire''. University of Pennsylvania Press, Philadelphia 2006. * Guy Halsall: ''Barbarian Migrations and the Roman West, 376–568''. Cambridge University Press, Cambridge 2007.<br />(Gut lesbare, aktuelle und recht detaillierte Darstellung der Völkerwanderungszeit unter Einbeziehung der neuesten Forschung, allerdings fast ohne Berücksichtung der Vorgänge im östlichen Mittelmeerraum. [http://www.sehepunkte.de/2009/02/14063.html Rezension] bei [[Sehepunkte]].) * [[Peter J. Heather]]: ''The Fall of the Roman Empire: A New History''. Macmillan, London 2005. <br />(Sehr gut lesbare Darstellung über das Ende des weströmischen Reichs. Heather betont den gewaltsamen und zerstörerischen Aspekt der Völkerwanderungszeit.) * Peter J. Heather: ''The Huns and the end of the Roman Empire in Western Europe''. In: ''English Historical Review'' 110, 1995, S. 4–41. * Peter J. Heather: ''Goths and Romans, 332–489''. Oxford University Press, Oxford 1991.<br />(Wichtige Darstellung zu den Beziehungen zwischen Römern und Goten bis zum Ende des 5. Jahrhunderts.) * Dirk Henning: ''Periclitans res Publica: Kaisertum und Eliten in der Krise des Weströmischen Reiches 454/5–493 n. Chr''. Steiner, Stuttgart 1999. * [[Reinhold Kaiser]]: ''Die Burgunder''. Kohlhammer, Stuttgart u. a. 2004.<br />(Gut lesbare und aktuelle Darstellung.) * Stefan Krautschick: ''Zur Entstehung eines Datums. 375 – Beginn der Völkerwanderung''. In: ''[[Klio (Zeitschrift)|Klio]]'' 82, 2000, S. 217–222. * Stefan Krautschick: ''Hunnensturm und Germanenflut: 375 – Beginn der Völkerwanderung?'' In: ''[[Byzantinische Zeitschrift]]'' 92, 1999, S. 10–67. * [[Otto Maenchen-Helfen]]: ''Die Welt der Hunnen''. 1978, ND Wiesbaden 1997.<br />(Standardwerk zur Geschichte und Kultur der Hunnen, wenngleich in Teilen nicht mehr auf dem neuesten Stand und teils lückenhaft. Die dt. Bearbeitung ist dem amerikanischen Original vorzuziehen, da sie wichtige Ergänzungen enthält.) * Gideon Maier: ''Amtsträger und Herrscher in der Romania Gothica''. Steiner, Stuttgart 2005. * [[Jochen Martin]]: ''Spätantike und Völkerwanderung''. 4. Auflage. Oldenbourg, München 2001, ISBN 3-486-49684-0. <br />(4. Band in der [[Oldenbourg Grundriss der Geschichte]]-Reihe mit sehr knapper Darstellung, Forschungstendenzen und umfangreicher Bibliografie.) * [[Mischa Meier]] (Hrsg.): ''Sie schufen Europa''. C. H. Beck, München 2007.<br />(Informative Darstellung der Zeit von Konstantin bis Karl dem Großen anhand biografischer Skizzen, verfasst von meist namhaften Forschern.) * [[Wilfried Menghin]]: ''Die Langobarden''. Theiss, Stuttgart 1985. * [[Walter Pohl]]: ''Die Völkerwanderung''. 2. Auflage. Kohlhammer, Stuttgart u. a. 2005, ISBN 3-17-018940-9.<br />(Wissenschaftlich fundierte Einführung aus der Kohlhammer-Reihe. Derzeit wohl das beste Überblickswerk.) * Walter Pohl (Hrsg.): ''Kingdoms of the Empire''. Brill, Leiden u. a. 1997. * [[Verena Postel]]: ''Die Ursprünge Europas. Migration und Integration im frühen Mittelalter''. Kohlhammer, Stuttgart 2004.<br />(Einführung in die Völkerwanderungszeit mit Berücksichtigung der wichtigsten ''gentes''.) * ''Rom und die Barbaren. Europa zur Zeit der Völkerwanderung''. Hirmer, Bonn 2008.<br />(Ausstellungskatalog) * [[Klaus Rosen]]: ''Die Völkerwanderung''. 2. Auflage. C. H. Beck, München 2003, ISBN 3-406-47980-4. <br />(Beck Wissen. Knappe, aber gut lesbare Überblicksdarstellung.) * Christopher A. Snyder: ''An Age of Tyrants: Britain and the Britons, AD 400–600''. University Park/PA 1998.<br />(Zusammenfassende Darstellung der Situation in Britannien zwischen 400 und 600.) * {{RGA|32|509|517|Völkerwanderung|[[Matthias Springer]]}} * Ernst Stein: ''Geschichte des spätrömischen Reiches''. Bd. 1. Wien 1928.<br />(Ältere, aber detaillierte und quellennahe Darstellung.) * [[Timo Stickler]]: ''Die Hunnen''. München 2007, ISBN 3-406-53633-6.<br />(Knappe, aber gut lesbare und informative Darstellung, die auch die neuesten Forschungsergebnisse einbezieht.) * [[Edward A. Thompson]]: ''Romans and Barbarians''. Madison/Wisconsin 1982. * Bryan Ward-Perkins: ''The Fall of Rome and the End of Civilization''. Oxford University Press, Oxford 2005.<br />(Sehr eindringlich verfasste, aber nicht unumstrittene Darstellung, in der Ward-Perkins die zerstörerische Wirkung der Germaneneinfälle betont.) * Leslie Webster, Michelle Brown (Hrsg.): ''The Transformation of The Roman World. AD 400–900''. British Museum Press, London 1997, ISBN 0-7141-0585-6. * [[Reinhard Wenskus]]: ''Stammesbildung und Verfassung. Das Werden der frühmittelalterlichen gentes''. 2. Aufl. Köln 1977. * [[Chris Wickham]]: ''Framing the Early Middle Ages. Europe and the Mediterranean 400–800''. Oxford University Press, Oxford 2005.<br />(Die derzeit grundlegende sozial- und wirtschaftsgeschichtliche Darstellung dieser Zeit.) * [[Herwig Wolfram]]: ''Das Reich und die Germanen''. Siedler, Berlin 1990, ISBN 3-88680-168-3.<br />(Guter allgemeiner und reich bebildeter Überblick.) * Herwig Wolfram: ''Geschichte der Goten''. 1. Auflage. C. H. Beck, München 1979; 4. Auflage 2001 [veröffentlicht als ''Die Goten''].<br />(Grundlegende Darstellung zu den Goten.) * [[Ian N. Wood]]: ''The Merovingian Kingdoms''. Longman, London 1994.<br />(Wichtige Darstellung zur Merowingerzeit.) == Weblinks == * [http://www.archaeologie-online.de/links/154/167/ Weblinks zur Völkerwanderungszeit] * [http://www.novaesium.de/artikel/voelkerwanderung.htm Völkerwanderung: Die Germanen dringen ins römische Imperium] von [[Gerhard Wirth]], in: Die Weltgeschichte, Bd. 2: Antike Welten (bis 600 n. Chr.), hrsg. v. d. Brockhaus-Redaktion (1997) * [http://www.mittelalter-genealogie.de/_voelkerwanderung/ Die Völkerwanderung – Materialsammlung] == Anmerkungen == <div class="references-small" style="-moz-column-count:2; column-count:2;"> <references /> </div> {{Exzellent}} {{DEFAULTSORT:Volkerwanderung}} [[Kategorie:Zeitalter]] [[Kategorie:Völkerwanderung| ]] {{Link GA|no}} {{Link FA|fo}} {{Link FA|pl}} [[als:Völkerwanderung]] [[ar:عصر الهجرات]] [[bg:Велико преселение на народите]] [[cs:Stěhování národů]] [[cv:Халăхсен аслă хускалăвĕ]] [[da:Folkevandringstiden]] [[el:Κάθοδος των φυλών]] [[en:Migration Period]] [[eo:Elorienteŭropaj popolmigradoj]] [[es:Invasiones bárbaras]] [[eu:Migrazioen Garaia]] [[fi:Kansainvaellusaika]] [[fo:Fólkaflytingatíðin]] [[fr:Grandes invasions]] [[fy:Grutte Folkeferfarren]] [[he:נדידת העמים]] [[hu:Népvándorláskor]] [[it:Invasioni barbariche del V e VI secolo]] [[ja:民族移動時代]] [[ka:ხალხთა დიდი გადასახლება]] [[ko:민족 대이동]] [[ku:Koça Qewman]] [[la:Migrationes Europaeae populorum et gentium]] [[lt:Didysis tautų kraustymasis]] [[mk:Голема преселба на народите]] [[nl:Grote Volksverhuizing]] [[nn:Folkevandringstida]] [[no:Folkevandringstiden]] [[pl:Wielka wędrówka ludów]] [[pt:Migrações dos povos bárbaros]] [[ru:Великое переселение народов]] [[simple:Migration Period]] [[sk:Sťahovanie národov (stredovek)]] [[sr:Велика сеоба народа]] [[sv:Folkvandringstiden]] [[tr:Kavimler Göçü]] [[uk:Велике переселення народів]] [[zh:民族大迁徙]] m4hea020ruh0yn0i6zfp8cm1br8bqv9 wikitext text/x-wiki Volkskunde- und Freilichtmuseum Roscheider Hof 0 24457 27057 2010-04-18T14:40:50Z Jergen 0 [[Kategorie:Kulturdenkmal im Landkreis Trier-Saarburg]] hinzugefügt (mit [[Wikipedia:Helferlein/HotCat|HotCat]]) <!-- [[Datei:Roscheider Hof 1.jpg|thumb|upright=1.5|Museumseingang]] --> [[Datei:RoscheiderHof-Hofgut-10-2008-1.jpg|thumb|upright=1.4|Das Hauptgebäude des Hofguts vom Museumseingang aus gesehen]] [[Datei:Roscheiderhof-hunsrueckdorf.jpg|thumb|upright=1.4|Der Hunsrückweiler im Freigelände, links vorne die Schmiede, das Haus mit dem Türmchen ist das Rathaus]] {{Coordinate|article=/|map=right|NS=49/42/17/N|EW=6/35/50/E|type=landmark|region=DE-RP|dim=500}} Das '''Volkskunde- und Freilichtmuseum Roscheider Hof''' ist ein 1976 gegründetes [[Freilichtmuseum]] in [[Konz]] (Landkreis [[Trier-Saarburg]], [[Rheinland-Pfalz]]). Das Museum befindet sich auf einer Anhöhe über dem Moseltal im Stadtteil Konz-Roscheid an der Gemarkungsgrenze zu [[Trier]]. Seine Aufgabe ist die Darstellung der Volkskultur der Region um [[Mosel]] und [[Saar]], wozu [[Eifel]], [[Hunsrück]] und das [[Saarland]] ebenso gehören wie Teile [[Luxemburg]]s und [[Lothringen]]s. Es zählt mit 4000&nbsp;Quadratmetern Ausstellungsfläche und 22&nbsp;Hektar Freigelände zu den größten deutschen Volkskundemuseen. Von überregionaler Bedeutung sind die Ausstellungen ''Eine kleine Welt in Zinn'', ''Spielzeug aus aller Welt'' und ''Takenplatten''. Träger des Museums ist der Verein ''Volkskunde- und Freilichtmuseum Roscheider Hof, Konz e.&nbsp;V.'' mit über tausend Mitgliedern. Etwa 60.000 Menschen besuchen jährlich das Museum. == Die Geschichte des Roscheider Hofs == [[Datei:Roscheiderhof-Karte-1820.jpg|thumb|Die Gebäude des Roscheider Hofs (als „ferme“ bezeichnet) oberhalb der Kartause und des Ortes Mertzlich (heute Konz-Karthaus) in der Tranchot-Müffling-Karte von 1820]] Die erste Nennung des Hauptgebäudes des Roscheider Hofs findet sich in einer Urkunde der [[Benediktinerabtei St. Matthias|Benediktinerabtei St. Matthias in Trier]]. 1330 verkaufte die Abtei eine Rente und verpfändete zur Sicherheit unter anderem ihren Hof ''Roscheid''.<ref>Landeshauptarchiv Koblenz (LHAKo) Best. 210 Nr. 215</ref> Eine zweite Erwähnung folgte 21&nbsp;Jahre später.<ref>Landeshauptarchiv Koblenz (LHAKo) Best. 210 Nr. 301</ref> In der ältesten erhaltenen Pachturkunde vergab der Konvent 1448 den Hof ''Roscheid'' mit Feldern, Wiesen, Wäldern und allem Zubehör auf 18&nbsp;Jahre an Johann von Konz und seine Frau Else.<ref>Landeshauptarchiv Koblenz (LHAKo) Abt. 56 Nr. 820</ref> Die Namen aller nachfolgenden Pächter sind bis zum letzten Pachtvertrag von 1793 überliefert. Der Hof bestand aus zwei sich gegenüberliegenden Gebäuden. Das Gebäude auf der nordöstlichen Seite mit Wohnteil, Vieh- und Pferdestall ist im noch bestehenden Gebäudeteil des [[Vierseithof]]s erhalten. Bei Renovierungsarbeiten kamen 1978 einige Funde zu Tage, die eine Datierung auf das frühe 16. Jahrhundert und früher nahe legen. <!-- Ein kleines vermauertes Fenster an der nördlichen Außenwand mit gotischen Gewänden könnte noch aus der Zeit um 1330 stammen<ref>{{Literatur | Autor=Rolf Robischon | Herausgeber=Volkskunde- und Freilichtmuseum Roscheider Hof, Konz | Titel=Zur Baugeschichte des Roscheider Hofess | Sammelwerk=650 Jahre Roscheider Hof | Band= | Nummer= | Auflage= | Verlag= | Ort=Konz | Jahr=1980 | Monat= | Tag= | Seiten= | Spalten= | ISBN= | ISBNistFormalFalsch= | ISSN= | Kommentar= | Originaltitel= | Originalsprache= | Übersetzer= | Online= | DOI= | arxiv= | Zugriff= }} </ref> DERZEIT LEIDER NICHT AUFFINDBAR.. --> 1794 ging mit dem Einmarsch französischer Revolutionstruppen das [[Feudalismus|feudalistische]] Zeitalter auch in [[Kurtrier]] zu Ende. Der Roscheider Hof wurde als enteignetes Klostergut 1802 dem [[Frankreich|französischen Staat]] zugeschlagen und am 7.&nbsp;März 1805 vom [[Saarburg]]er [[Nikolaus Valdenaire]] für 8500 [[Franc]] ersteigert. Valdenaire, ein französischer Soldat, hatte in eine ansässige Familie eingeheiratet. Er war eine einflussreiche Persönlichkeit mit von der [[Französische Revolution|französischen Revolution]] beeinflussten Ideen. Er erweiterte das seit drei Jahrhunderten nur wenig veränderte Gut und errichtete den für das Trierer Land ungewöhnlichen Vierseithof in seiner heutigen Form. Die Nebengebäude des äußeren Hofs entstanden erst später. [[Datei:RoscheiderHof-innenhof-200652.jpg|thumb|left|upright=1.2|Der Innenhof des Valdenairschen Vierseithofs]] Nach dem Tod Valdenaires im Jahre 1849 zeigte sein mit [[Karl Marx]] befreundeter<ref>Er war im Gymnasium eine Klasse über Karl Marx und mit ihm lebenslang befreundet. 1856 besuchte er ihn in London. Näheres s. {{Literatur | Autor=Philipp Wey | Titel=Nikolaur Valdenaire (1772–1849) und Viktor Valdenaire (1812–1881). Zwei revolutionäre Volksvertreter und Zeitgenossen von Karl Marx. | Sammelwerk=Heimatbuch des Kreises Saarburg 13 | Ort=Saarburg | Jahr=1969 }}</ref> Sohn [[Viktor Valdenaire]] am Hof wenig Interesse. Ein Verkauf des Hofs gelang jedoch erst 1864. Später wurde mit staatlicher Unterstützung eine Ackerbauschule im Roscheider Hof etabliert. Diese wurde 1871 nach Saarburg verlegt. Nach mehrmaligem Besitzerwechsel wurde der Hof mit den dazugehörenden Ländereien 1909 vom königlich-preußischen Fiskus erworben und in der Folge als [[Staatsdomäne]] geführt. Nach dem [[Zweiter Weltkrieg|Zweiten Weltkrieg]] ging diese auf das Land [[Rheinland-Pfalz]] über. Der letzte Leiter der Staatsdomäne, Edgar Studt, unterstützte die Idee des Freilichtmuseums, um den Betrieb aus den überalterten Baulichkeiten in einen rationellen Neubau verlegen zu können. Dazu kam es nicht mehr, da die Stadt Konz am 9.&nbsp;Juni 1969 den Roscheider Hof für 2.500.000 DM von der Landesdomänenverwaltung mit dem Ziel erwarb, auf 150 Hektar Fläche den neuen Stadtteil Konz-Roscheid zu bauen. Das Hofgebäude war mit einer Fläche von 20 Hektar für ein Freilichtmuseum vorgesehen.<ref>s. Bernd Blumenthal, Herrmann Kramp: Der Roscheider Hof -- Benediktinerabtei, Bauernschule, Freilichtmuseum, verkürzt auch auf den Internetseiten des Museum dargestellt, s. hier: http://www.roscheiderhof.de/top.php?links=frame_links.html&rechts=roscheiderhof/roscheiderhof.html (Stand August 2008)</ref> == Die Entstehung des Museums == === Geschichte === [[Datei:RoscheiderHof-Rathaus-10-2008-1.jpg|thumb|upright|Das Rathaus aus Gödenroth, das erste in das Museum übertragene Gebäude mit seinem Hausbaum]] Nachdem über zehnjährige Bemühungen, das zentrale Freilichtmuseum für Rheinland-Pfalz in Konz zu etablieren, fehlgeschlagen waren, wurde der Trägerverein des zukünftigen Museums am 12. Juni 1973 im Sitzungssaal des Konzer Rathauses gegründet. Dies geschah auch als Trotzreaktion, nachdem durch den damaligen Ministerpräsidenten [[Helmut Kohl]] am 15. Mai 1971 verfügt worden war, alle Initiativen hinsichtlich eines Freilichtmuseums auf dem Roscheider Hof einzustellen. Das Museum entstand auf Initiative von Einzelpersonen und mit Unterstützung einiger kommunaler und regionaler Entscheidungsträger. Treibende Kraft war [[Rolf Robischon]], Architekt, [[Bauforschung|Bauforscher]] und Professor an der Bauschule Trier (heute [[Fachhochschule Trier]]). Ab 1975 wurde gesammeltes Museumsgut in Räumen des Hofgebäudes, das im Vorgriff instandgesetzt wurde, gelagert. Zwischen 1975 und 1976 wurde ein erstes Haus übertragen, das Rathaus aus [[Gödenroth]]. Im Hofgebäude wurden acht Räume mit Sammlungsgegenständen eingerichtet und das Museum konnte in bescheidener Ausstattung am 17.&nbsp;Juni&nbsp;1976 im Beisein des damaligen Kultusministers [[Bernhard Vogel (Ministerpräsident)|Bernhard Vogel]] eröffnet werden.<ref>vgl. http://www.roscheiderhof.de/gesch/gesch.htm (Stand Juni 2008)</ref> Die ältesten Museumsräume befinden sich hinter dem Eingang aus dem Innenhof des Hofgebäudes. Ein so genannter [[Tante-Emma-Laden]] aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, Schulräume und Webkammer befinden sich heute noch fast im Zustand der Ersteinrichtung. Ein Friseursalon und eine Dorfkneipe sind mittlerweile in die Ladengasse und die alte Küche in das ''Saargauhaus'' umgezogen. Heute befindet sich in diesem Bereich die Ausstellung ''Kinderwelten''. Rolf Robischon war in der ersten Aufbauphase bis 1985 Museumsleiter. Für seine Verdienste, die er sich bis zu seinem Tod 1989 erwarb, wurde ihm von der Stadt Konz das [[Ehrenbürger]]recht verliehen.<ref>vgl. Ulrich Haas, In Memoriam Rolf Robischon; Roscheider Blätter Vol. 10, 2008; S. 48–56 bzw. http://www.roscheiderhof.de/top.php?links=frame_links.html&rechts=gesch/gesch.htm (August 2008)</ref> Seit 1985 ist Ulrich Haas, bis zu seiner Pensionierung Leiter eines Industriebetriebs, der ehrenamtliche Leiter des Museums. Er widmete sich verstärkt der Vollendung des ''Hunsrückweilers'', dem ''Moseldorf'' und vor allem dem Ausbau des Hofgebäudes zum Ausstellungsgebäude. Dies war jedoch bis Ende der 1980er-Jahre an einen landwirtschaftlichen Betrieb verpachtet, wodurch sich der Ausbau verzögerte. Im November 2008 konnte der letzte Teil des Hofgebäudes, eine große Scheune, vom Museum übernommen werden. 1996 wurde das Museumsgelände eingezäunt, um weitere Schäden durch spielende Kinder und [[Wildschwein]]e zu verhindern. <gallery> Datei:RoscheiderHof-Zinnfiguren-2004.jpg|Eine kleine Welt in Zinn Datei:Image-Roscheiderhof-tante-emma-laden.jpg|[[Tante-Emma-Laden]] im Ausstellungsgebäude, der älteste Teil des Museums Datei:RoscheiderHof-Stallscheune.jpg|Stallscheune aus Irmenach Datei:RoscheiderHof-TakenplattenRestaurant.jpg|Takenplatten im Museumsrestaurant </gallery> In den folgenden Jahren wurden weitere Räume für thematische Ausstellungen erschlossen. Im Hunsrückweiler entstanden ein Backhaus und eine Schule, ein Neubau mit Waldmuseum und Depoträumen sowie die ersten Häuser der Baugruppe Mosel. Am 11.&nbsp;Juni 2006 beschloss der [[Stadtrat]] einstimmig, Ulrich Haas für seinen Einsatz als Museumsleiter ebenfalls das [[Ehrenbürger]]recht der Stadt Konz zu verleihen.<ref> vgl. http://www.roscheiderhof.de/video/index.php5?xmlDatei=alleVideos.xml&lan=de – das erste Video unter dem Punkt „Offizielles“</ref> === Konzeption und Aufbau === [[Datei:RoscheiderHof-Museumsplan-2002.jpg|thumb|Museumsplan]] Das Museum besteht 2008 aus einem Vierseithof, der als Ausstellungsgebäude und Restaurant genutzt wird. Weitere Teile des Museums sind ein Hunsrückdorf mit elf Gebäuden, ein Moseldorf im Aufbau, ein Wald- und Holzmuseum in einem modernen Ausstellungsgebäude, ein [[Grenzstein]]museum, mehrere Gärten, zwei Kapellen, [[Streuobstwiese]]n, Ackerbauflächen, ein Kinderspielplatz und eine [[Ölmühle]], die eine etwa zwei Kilometer entfernte Außenstelle bildet. Grundlegende Idee ist die Darstellung der verschiedenen Lebenswelten im ländlichen Raum, die von Tagelöhnern über Bauern und Winzer bis zu eher dörflichen Berufen wie Handwerker, Zahnarzt und Apotheker reichen. Ähnliches gilt für die Wohnverhältnisse. Der zeitliche Kern umfasst dabei die Zeit von 1860 bis 1960, auch wenn einige Exponate deutlich älter sind. So wurden zwei gegenüberliegende Fachwerkhäuser im Stil von 1870 und 1950 eingerichtet. Drei verschiedene Tante-Emma-Läden zeigen die Entwicklung im Einzelhandel in einem vergleichbaren Zeitraum. Eine Besonderheit für Freilichtmuseen ist der Bereich der Kinderwelten<ref>Eine Parallele hierzu findet sich nur noch im [[Niederrheinisches Freilichtmuseum|Niederrheinischen Freilichtmuseum]].</ref>, in der drei Spielzeugsammlungen und eine Ausstellung von Zinnfiguren integriert sind. Das Museum veröffentlicht in seiner Schriftenreihe Monographien und zum Jahresende für seine Mitglieder die ''Roscheider Blätter''. Die knappen finanziellen Mittel erlaubten es nicht, einem definierten Aufbauplan zu folgen. Vielmehr mussten günstige Gelegenheiten genutzt werden, Gebäude und Museumsgut zu erwerben. Zahlreiche Exponate kamen als Spenden ins Haus, einige Vitrinen wurden von anderen Museen beigetragen. Aus Platzmangel konnten jedoch nicht alle dem Museum angebotenen Gegenstände angenommen werden, aus finanziellen Gründen nicht alle dem Museum angebotenen Gebäude in das Museum übertragen werden. Auch auf Tierhaltung musste bisher verzichtet werden. == Volkskundliche Ausstellungen == Hauptausstellungsgebäude ist der Vierseithof, in dem auf mehr als 3500&nbsp;m² verschiedene [[Volkskunde|volkskundliche]] Themen dargeboten werden. Eine thematische Ausstellung zum Thema Wald und Waldwirtschaft befindet sich im Waldmuseum in unteren Bereich des Freigeländes. Einzelne Handwerkerwerkstätten finden sich in den Häusern des Hunsrückweilers und des Moseldorfs. === Vom Korn zum Brot === <!--[[Datei:Roscheiderhof-Backstube.jpg|thumb|Backstube aus Polch (Eifel) im Ausstellungsgebäude]]-->Profitierten einige Gebiete von technischen Fortschritten, die seit dem 18.&nbsp;Jahrhundert vor allem in [[Belgien]] gemacht wurden, so gelang es in Teilen von Eifel und Hunsrück bis ins 19.&nbsp;Jahrhundert hinein immer weniger, konkurrenzfähig zu bleiben, weil die Produktivität nicht gesteigert werden konnte. Das galt vor allem für die Höfe der kargen Mittelgebirgslandschaften, weniger für die klimatisch begünstigten Tallagen. [[Datei:RoscheiderHof-backstube-2008-9.jpg|thumb| Backstube aus Polch]] Sammlungsschwerpunkt ist die Mechanisierung der Landwirtschaft ab etwa 1930. Um einen Kontrast hierzu aufzubauen, werden zunächst das Pflügen und Säen per Hand, das Mähen mit der Sense und das [[Dreschen]] mit dem [[Dreschflegel]] thematisiert und durch Exponate veranschaulicht, wie etwa durch einem einfachen Holzpflug. Zur ersten Mechanisierungswelle zählen manuell betriebene Stiftendrescher und [[Rotationsworfelmaschine|Windfegen]]. Dampfmaschinen und [[Lokomobil]]e zählen jedoch nicht zum Museumsbestand, da derart aufwändige Maschinen in der ertragsschwachen Mittelgebirgsregion nicht rentabel waren. Die Mechanisierung und Motorisierung wird durch [[Dreschmaschine]]n, Mühlen, Mehlsilos und einen der ersten [[Mähdrescher]] dargestellt. Zudem besitzt das Museum eine Reihe von [[Traktor]]en, die zum Teil noch auf den Museumsfeldern im Einsatz sind. Am Bauern- und Handwerkertag im September wird das Arbeiten mit diesen Geräten vorgeführt. So ist es gelungen, ein schlüssiges Konzept zu entwickeln, obwohl die späte Museumsgründung nur selten den Erwerb vorindustrieller Exponate zuließ. <!--{| | [[Datei:Rhof-flegeldreschen.ogg |120px| thumb |thumbtime=2 |Flegeldreschen]] | [[Datei:Rhof-stiftendrescher.ogg |120px| thumb | thumbtime=22| Stiftendrescher ]] | [[Datei:Rhof-windfege.ogg |120px| thumb| Windfege ]] | [[Datei:RoscheiderhofStrohschneider.ogg |120px| thumb| Stroh schneiden ]] |}--> Am Ende der Ausstellung befindet sich in einem separaten Raum die Backstube der ehemaligen Bäckerei Gail aus Polch im Maifeld, die im Zustand der 1930er-Jahre wiederaufgebaut wurde. === Wein, Viez, Schnaps === <!-- [[Datei:Roscheiderhof-Baumkelter.jpg|thumb|upright|Baumkelter in der Weinbauabteilung]] --> [[Datei:RoscheiderHof-Weinprueflabor.JPG|thumb|upright|Weinprüflabor, 1960er Jahre]] Die Ausstellung zeigt die für den in römischer Zeit begonnenen Weinbau notwendigen Arbeitsschritte von der Rebenpflanzung bis zur Abfüllung. Neben Wein haben auch [[Sekt]], [[Viez]] und Obstbrände eine lange Tradition. Der „Weinberg“ der Ausstellung enthält neben [[Riesling]]- und [[Elbling]]- auch [[Müller-Thurgau]]-Reben, die in Luxemburg auch Rivaner heißen. Die Ausstellung setzt sich in den Anbautechniken fort, bei der auch der Einsatz von [[Pflanzenschutzmittel]]n thematisiert wird. Bilder und ein [[Diorama]] von der Traubenlese im frühen 20.&nbsp;Jahrhundert führen zu Keltern verschiedener Bauart. Während die [[Kelter#Baumkeltern|Baumkelter]]n nach dem Prinzip der Hebelkraft funktionieren, arbeiten [[Kelter#Spindelkeltern|Spindelkelter]]n mit Spindeldruck. Sie nehmen wesentlich weniger Platz in Anspruch. Die älteste Kelter der Ausstellung, die Holzspindelkelter, stammt aus [[Traben-Trarbach]] und wurde mit Hilfe der [[Dendrochronologie]] auf das Jahr 1641 datiert. Die hölzernen Spindeln waren den hohen Belastungen jedoch oft nicht gewachsen. Der Siegeszug der Spindeldruckkelter begann, als infolge der industriellen Revolution Eisenspindelkeltern zur Verfügung standen. Im Trierer Land und in Luxemburg erlangte eine Kelter der Firma André Duchscher & Co. aus Wecker im Großherzogtum weite Verbreitung. Sie arbeitet mit fünf oder sieben Fallkeilen und wird Weckerkelter oder wegen des Geräuschs der fallenden Keile auch Klippkelter genannt. Keltern mit Fallkeilen haben den Vorteil, weniger Raum zu benötigen, da der Winzer beim Drehen des Hebelarmes nicht um die ganze Kelter herumgehen muss. Die Funktionsweise dieser Kelter wird beim jährlichen Keltertag im Oktober demonstriert. Das letzte Modell der Firma steht für das Ende einer Entwicklung: die Hochdruckkelter presste die Weintrauben so stark aus, dass der damit gewonnene Wein nicht mehr schmeckte. Nach dem Pressen wurde der Most in Fässern vergoren. An Saar und Mosel waren die in der Ausstellung gezeigten Fuderfässer (960 Liter) und Halbfuderfässer (480 Liter) in Gebrauch. Den Abschluss der Weinbauausstellung bilden für das Anbaugebiet [[Mosel-Saar-Ruwer]] traditionelle Weinflaschen, Weinetiketten und Abfüllanlagen. [[Datei:RoscheiderHof-HaagPorz.ogg|thumb|thumbtime=16.1|left|Verteidigung der Porz als Trinkgefäß für Viez]] In klimatisch ungünstigeren Lagen wurden statt Weinreben Apfelbäume angepflanzt. Diese Äpfel wurden zu [[Viez]] gekeltert. Der Saft wurde typischerweise aus einem ''Porz'' genannten Porzellan-Gefäß getrunken. Viez war das Getränk der weniger begüterten Leute. Selbst Winzer genossen Wein nur an Festtagen. Dies wird in der Ausstellung an der Reproduktion eines Gemäldes von [[Beilstein]] deutlich: In einem [[Gastgarten|Wirtshausgarten]] genießen die „besseren Herrschaften“ den Wein aus Gläsern, am Nebentisch trinken Bauern und Winzer Viez aus Porzen. Für die Herstellung von [[Obstbrand|Obstbränden]] liefert ein breites Angebot an Äpfeln, Birnen, Zwetschgen, Mirabellen und anderen Obstsorten den Grundstoff. Die Ausstellung zeigt eine Vielzahl an [[Destillation|Destillierapparaten]] sowie Schaubilder über die Entwicklung des Alkoholverbrauchs pro Kopf und informiert über Bräuche wie die Gesindeverdingung. Dabei handelt es sich um den meist an einem festen Tag im Winter erfolgten Neuabschluss von Arbeitsverträgen bei Dienstboten oder um die Verlängerung von Arbeitsverträgen, meist um ein weiteres Jahr. Dazu kommen Brautwerbung und Totenwache, bei der die Kanne [[Spirituosen|Schnaps]] ihren festen Platz hatte. Auch eine symbolische [[Schwarzbrennerei]] wird gezeigt. Die vollständige Einrichtung einer 2002 aufgegebenen [[Schnapsbrennerei]] aus [[Cochem]] mit [[Brennerei]], Verkaufs- und Büroräumen befindet sich hingegen im Saargauhaus im Freigelände. Sie konnte 2005 vollständig wieder aufgebaut werden. === Bürgerliche Wohnkultur === [[Datei:Roscheiderhof-wohnkultur1.jpg|thumb|Die Valdenairschen Räume – heute im Museum Ausstellung „Bürgerliche Wohnkultur“]] Der Ausstellungsbereich zeigt die Wohnkultur der bürgerlichen Oberschicht vom [[Biedermeier]] bis in die Nachkriegszeit. Das repräsentative [[Biedermeier]]zimmer hat durchscheinende Gardinen über den großen Fenstern. Die Möbel sind zurückhaltend mit [[Ornament (Bildende Kunst)|Ornament]]en versehen und eher auf die Wirkung ihrer ausdrucksstarken Holzmaserung ausgerichtet. Im frühen Biedermeier bevorzugte man helle Hölzer wie Birnbaum, Birke oder Kirschbaum. In den 50er und 60er Jahren kamen mit dem französischen Einfluss auch dunklere Holzsorten wie [[Nussbaum]] und [[Mahagonigewächse|Mahagoni]] hinzu. Weitere Einrichtungsgegenstände sind ein Schreibsekretär, gusseiserne Öfen und ein [[Tafelklavier]]. Zur gleichen Epoche gehört eine Schlafkammer und ein weiteres Zimmer, in dem eine Kaffeetafel um 1840 gedeckt ist. Zum Vergleich ist in einem benachbarten Zimmer eine Kaffeetafel im ''Neo-Biedermeier'' um 1910 zu sehen. Die weitere Entwicklung der Bürgerlichen Wohnkultur ist in drei Wohnräumen mit Möbeln aus der [[Gründerzeit]] um 1890, im Stil des [[Art Déco]] um 1920 und aus den 1950er-Jahren im [[Heimatschutzarchitektur|Heimatstil]] der 1930er-Jahre dargestellt. === Schule und Kirche === [[Datei:RoscheiderHof-PeilSchule.ogg|thumb|thumbtime=16.1|left|Josef Peil erzählt in [[Moselfränkisch]] aus seiner Schulzeit im [[Hunsrück]]]] Die Ausstellung zeigt ein Schulzimmer mit einer zur Kaiserzeit typischen Ausstattung: Holzbänke, [[Schiefertafel]]n mit daran geknoteten Tafellappen, leicht erhöht stehendes Lehrerpult nebst [[Schiefertafel]], [[Rechenmaschine]], [[Rohrstock]] und Ofen. An den Wänden hängen [[Schulwandbild]]er. Im Raum neben dem Klassenzimmer werden die Besucher auf Informationstafeln über den Schulalltag von der Einführung öffentlicher Schulen bis zum Ende der Kaiserzeit informiert: Die Schulen auf dem Land waren meist nur einklassig. Die Richtzahl für die Klassenstärke war 60&nbsp;Schüler – in der Realität waren jedoch bis zu 100&nbsp;Kinder von der ersten bis zur achten Klasse in einem Raum. [[Visitation]]en brachten bestenfalls eine zeitweise Besserung der Zustände. Das Thema [[Volksfrömmigkeit]] ist im überwiegend katholischen Trierer Umland von großer Bedeutung. Geburt und Taufe, die [[Erstkommunion|Erste Heilige Kommunion]], [[Heirat]] sowie Tod und [[Beerdigung]] waren die Wendepunkte im Leben, die rituell begangen wurden. Diese Stationen werden in Form eines Rundgangs dargestellt. Besonders hervorgehoben ist die Hochzeit mit einem Brautpaar in der um 1900 üblichen schwarzen Hochzeitskleidung. Ein weiteres Thema sind [[Bruderschaft]]en im Allgemeinen und die Herz-Jesu-Bruderschaft im Speziellen. Eine Vitrine übervoll mit unterschiedlichen Herz-Jesu-Figuren unterstreicht deren Bedeutung. === Handwerk und Gewerbe === [[Datei:Rhof-zinngiesser.ogg|thumb|thumbtime=0|Der Zinngießer Hermann Harrer zeigt einen Zinnguss bei der Eröffnung seiner im Museum wiederaufgebauten Werkstatt]] Die Darstellung von Handwerk und Gewerbe konzentriert sich in der 2002 eröffneten ''Ladengasse''. Es handelt es sich um insgesamt zwölf Geschäfte und kleine Gewerbeläden, die in ihrer gassenförmigen Aneinanderreihung Einblicke durch Fenster und Türen ermöglichen. Im Laufe des 20.&nbsp;Jahrhunderts waren Handwerksbetriebe wie Kurbelsticker, [[Schuhmacher]], [[Polstern|Polsterer]], [[Messerschmied]] und [[Schleifer]] immer weniger überlebensfähig. Auch das [[Zinngießer]]-, [[Schneider]]- und [[Hutmacher]]- oder [[Putzmacher]]gewerbe wird heute fabrikmäßig betrieben. Weitere Gewerbe, wie [[Fleischer|Metzgerei]] und Lebensmittelladen, [[Uhrmacher]] und [[Fotograf]]en fanden Eingang in die Ausstellung, ebenso wie [[Zahnarzt]] und Apotheke. Die Entwicklung des ländlichen Einzelhandels wird in drei Tante-Emma-Laden-Läden (um 1890, um 1940 und in der 1960er-Jahren) dargestellt. Am Ende des Ausstellungsbereichs befindet sich eine Dorfwirtschaft aus den 1930er-Jahren, die auch schon als Kulisse für Filmproduktionen diente. Weitere Handwerkerwerkstätten finden sich in den Häusern des Freigeländes. Eine [[Maler]]werkstatt im Haus aus Oberemmel, eine [[Weber]]ei im Haus Schuche, eine weitere Schuhmacherwerkstatt in der Bosselstube sowie [[Küfer]] und [[Stellmacher]] (Wagner) im Waldmuseum. Ein Teil der Läden und Werkstätten (Zinngießerei, Messerschmiede, Malerwerkstatt, Polsterei, Friseur, Apotheke, Zahnarzt, Metzgerei, 60er-Jahre Lebensmittelladen) konnte von den letzten Besitzern oder deren Erben übernommen werden und wurde allenfalls mit leichten Ergänzungen im Museum wieder aufgebaut. Die anderen Gewerbe wurden aus Depotbeständen des Museums zusammengestellt. <gallery> Datei:RoscheiderHof-50erJahreLaden-07-2003-2.jpg|50er-Jahre Laden Datei:RoscheiderHof-ladengasse-apotheke-2003-1.jpg|Apotheke Datei:RoscheiderHof-Zahnarzt.jpg|Zahnarztpraxis Datei:RoscheiderHof-ladengasse-2004-1.jpg|Polsterer </gallery> === Takenplatten und Ofenplatten === [[Datei:RoscheiderHof-Takenplatten-10-2008-1.jpg|thumb|Takenplatten und Öfen]] [[Takenplatte]]n sind gusseiserne Platten, die früher in Bauernhäusern in eine Aussparung der Feuerwand zwischen Küche und Stube eingemauert wurden. Sie nahmen die Hitze des Feuers auf und gaben sie zur Stube hin wieder ab. Takenplatten wurden in Eisenhütten Ost-Belgiens, Lothringens, Luxemburgs, der Eifel, des Hunsrücks und des heutigen Saarlandes hergestellt. Die ältesten bekannten Platten stammen aus dem späten 15. Jahrhundert – einer Zeit, aus der sich ansonsten aus dem ländlichen Kulturkreis in dieser Region nahezu nichts erhalten hat. Ofenplatten ähneln in Form und Herstellung den Takenplatten, die Seitenplatten verfügen an den Rändern jedoch über Lappen, die es ermöglichten, die zu einem Fünf-Platten-Ofen zusammengesetzten Platten mit der Rückseite in die Wand einzumauern. In der Ausstellung werden Platten verschiedener Gießereien gezeigt. Einen Schwerpunkt bildet dabei die heute verschwundene Hütte in [[Trier-Ehrang/Quint| Quint]] (heute ein Ortsteil von [[Trier]]) und die noch in Ruinen erhaltene Hütte von Weilerbach (heute ein Ortsteil von [[Bollendorf]] an der [[Sauer (Mosel)|Sauer]]). Die Ausstellung erläutert an vielen Beispielen die Ikonographie der Platten für katholische, evangelische und jüdische Haushalte und erklärt deren Herstellung. Weitere Takenplatten hängen im Museumsrestaurant, in dem sich auch eine rekonstruierte Takenheizung befindet. === Kulturgeschichte des Waschens === [[Datei:RoscheiderHof-Waschbrett.jpg|thumb|upright 0.6|Waschbrett]] Ziemlich einzigartig in der deutschen Museumslandschaft ist die Darstellung der Geschichte des Waschens vom Waschplatz am Bach bis zu [[Waschmaschine]]n und [[Mangel (Gerät)|Mangel]]n. Während im Bauernhaus noch das [[Bauchen]], also das Waschen mit Holzasche, das Spülen am fließenden Gewässer und das Bleichen auf der Wiese üblich war, gab es im städtischen bzw. bürgerlichen Umfeld nur die Waschküche und die Wäscheleine im Hof. Die grundlegende Technik von Waschmaschinen wird anhand einer [[Miele]]-Waschmaschine von 1913 dargestellt. Waschen mit der Hand und mit historischen Waschmaschinen wird jährlich am Bauern- und Handwerkertag im September gezeigt.<!-- {| | [[Datei:RoscheiderHof-Waschbrett.jpg|thumb|upright 0.4|Waschbrett]] | [[Datei:Rhof-handwaschen.ogg |120px| thumb| thumbtime=2 |Handwaschen ]] | [[Datei:Rhof-histWaschmaschine.ogg |120px| thumb|thumbtime=4 |Waschmaschine]] |} --> === Kinderwelten === <!--[[Datei:Roscheiderhof Spielzeug.jpg|thumb|Spielzeug aus aller Welt. Hier:&nbsp;Schweden]] --> [[Datei:RoscheiderHof-Spielzeug-2005-1.jpg|thumb|left|upright |Spielzeug aus aller Welt]] Als erste Spielzeugausstellung konnte im Jahre 2004 die Ausstellung „Kinderwelten“ eingeweiht werden. Die „Jungen-Abteilung“ zeigt bewegliches Blechspielzeug, Bausätze und Verpackungen aus der Sammlung Werner Springsholz, die „Mädchen-Abteilung“ etwa hundert Puppen aus der Sammlung von Frau Leick aus [[Perl (Mosel)|Perl]]. Die Spielzeugsammlung der an der [[Fachhochschule Köln]] tätigen Professorin Barbara Schu kam 2006 hinzu. Über 5000 Spielfiguren hatte die Textilgestalterin auf ihren Reisen gesammelt. Sie hatte ihre Sammlung 1988 ursprünglich dem Kölner [[Rautenstrauch-Joest-Museum]] vermacht. Da dieses Museum sich nicht – wie testamentarisch verfügt – in der Lage sah, die Sammlung komplett und dauerhaft auszustellen, konnte die Sammlung im Jahre 2006 im Freilichtmuseum Roscheider Hof wiedereröffnet werden. Sie wird weitgehend in ebenfalls zur Sammlung gehörenden Mahagonischränken präsentiert. Ein Schwerpunkt der Sammlung ist eine Kollektion von seltenen Holzspielzeugen aus dem Erzgebirge. Ein weiterer Schwerpunkt sind Puppen aus dem breiten Spektrum von Volkskunst, Brauchtum und Souvenir aus [[Lateinamerika]], Russland und Asien. === Zinnfigurenmuseum === [[Datei:Roscheiderhof-zinnfigur.ogg | thumb|thumbtime=144 | Klaus Gerteis zeigt die Entstehung einer Zinnfigur]]Die [[Zinnfigur]]enausstellung ist ein „Museum im Museum“. Der Historiker Klaus Gerteis ([[Universität Trier]]) baute nach wissenschaftlichen Kriterien in [[Aach (bei Trier)|Aach]] bei Trier ein privates Zinnfigurenmuseum auf. Dieses zog im Jahre 2005 unter Verdreifachung der Ausstellungsfläche in den Roscheider Hof um. Auf dem 220 Quadratmeter großen Speicher des Gutshofes ist ''Eine kleine Welt in Zinn'' mit vielen tausend Figuren, nicht nur Zinnsoldaten, aufgebaut. Die Ausstellung wurde 2007 durch ein [[Diorama]] eines römischen Legionslagers und 2008 durch eine Zinngießerwerkstatt ergänzt. Bis auf wenige Exponate wurden die Figuren von Klaus Gerteis in einer sich über mehr als fünf Jahrzehnte erstreckenden Sammlertätigkeit zusammengetragen, hergestellt, bemalt und in Dioramen aufgestellt. Die Ausstellung gliedert sich nach vier Aspekten: <!--[[Datei:Roscheiderhof-Kastell-Diorama.jpg|thumb|Diorama des Römischen Kastells von [[Neuss]] in der [[Zinnfigur]]enausstellung ]]--> * Mit alten Figuren und Abgüssen aus alten Formen wird die Entwicklung der Zinnfiguren ab etwa 1800 anschaulich gemacht. * Die Ausstellung nimmt dabei Rücksicht auf die persönlichen Schwerpunkte des Sammlers. So werden auch Packungen, in denen die Zinnfiguren verkauft wurden, zusammen mit ihrem Inhalt gezeigt. Einen weiteren Schwerpunkt der Sammlung bilden alte Fahrzeuge und Spiele mit Zinnfiguren. * In Dioramen mit Zinnfiguren werden überwiegend Themen zur Geschichte der Region gezeigt. * In einer Schauwerkstatt werden die Gravur von Formen, der Guss und die Bemalung von Zinnfiguren gezeigt (s. Video).<ref>vgl. Klaus Gerteis, Die Geschichte der Zinnfiguren; in: Roscheider Blätter Vol. 8; Januar 2006; S. 24–33</ref> === Edelsteinschleiferei === Im Durchgang in den Innenhof des Museums ist eine Edelsteinschleiferei untergebracht. Die Gegend um Idar-Oberstein im Hunsrück ist traditionell die Region der Edelsteinschleifer. An den meisten Wochenenden führt ein Hunsrücker Schleifer diese Arbeit vor, wobei hauptsächlich heimische Halbedelsteine geschliffen werden. == Freigelände == Das Freigelände des Museums hat eine Größe von 22 Hektar, wobei in etwa gleichem Umfang Ausbaureserven zur Verfügung stehen. Das Gelände umfasst zwei Baugruppen, die Museumsfelder, die Streuobstwiesen, verschiedene Gärten, technische Denkmäler und Bienenstöcke. === Hunsrückweiler === [[Datei:RoscheiderHof-Hunsrueckweiler-10-2008-2.jpg|thumb|left|Der Hunsrückweiler]] Der ''Hunsrückweiler'' besteht aus zehn Fachwerkhäusern und einem Backhaus aus dem Hunsrück. Bereits 1974 wurde das Dorfrathaus von Gödenroth als erstes neues Gebäude in das Museum übertragen. Mit dem Innenausbau der Schule aus [[Würrich]] wurde der Ausbau des Hunsrückweilers 2008 vorläufig abgeschlossen. Häuser von besonderem Interesse sind: * Das ''Dorfrathaus aus Gödenroth'' war das erste Gebäude, das im Freilichtmuseum errichtet wurde. Es ist beispielhaft für die Rathäuser in den evangelischen Gemeinden des Hunsrücks. Katholische Gemeinden unterstanden dem Kurstaat Trier und von diesem wurde keine gemeindliche Selbstverwaltung geduldet. Das Erdgeschoss wurde zeitweise als [[Armenhaus]] der Gemeinde genutzt. Die [[Remise]] nebenan diente zunächst als Kleintierstall, später zur Unterbringung der Feuerlöschgeräte. [[Datei:Roscheiderhof-schulhaus-2008.jpg|thumb|Das Schulhaus aus Würrich]] * Das ''Schulhaus aus Würrich'' ist das älteste in das Museum translozierte Gebäude. Das Holz des Fachwerks wurde im Frühjahr 1680 geschlagen und verbaut. Das Haus war anfangs einstöckig und diente wohl von Anfang an als Schule und Lehrerwohnung. Da es keine Bilder oder genaue Beschreibungen vom Aussehen von Schulräumen im späten 17.&nbsp;Jahrhundert gibt, war es nicht möglich, einen Schulraum aus dieser Zeit zu rekonstruieren. Im Untergeschoss befindet sich eine Ausstellung zum Thema Schule, im Obergeschoss eine Ausstellung zum Thema „Konservierung von Lebensmitteln“. Das Schulhaus wurde 1996 am Originalstandort abgebaut. Im Mai 2000 konnte Richtfest gefeiert werden. Danach diente das Haus zur Demonstration des Fachwerkbaus und für entsprechende Schulklassenprojekte. Die für Schulklassen zu gefährlichen Arbeiten in den oberen Stockwerken wurden 2007 durch Museumsmitarbeiter und Fachfirmen durchgeführt und das Haus 2008 ausgestattet und für das Publikum geöffnet. * Seit Gründung des Museums bestand der Wunsch, ein ''[[Backhaus (Gebäude)|Backhaus]]'' im Hunsrückdorf aufzubauen. Erst nach jahrelanger Suche konnte ein geeignetes Objekt gefunden werden. Es handelt sich um ein kleines einstöckiges Schieferbruchsteingebäude. Das Innere besteht aus einem Raum, dessen hinteres Drittel der [[Backofen]] einnimmt. Ursprünglich gehörte es fünf Backgenossen, die es 1932 in Eigenleistung erbauten. Beim Abbau stellte sich heraus, dass nicht nur Ofensteine für das Mauerwerk verwendet wurden, sondern auch zerbrochene Sandsteintröge und anderes Abfallgestein. * Das ''Haus Schug'' oder auch ''Schuche Haus'', wie es genannt wurde, ist ein Fachwerkhaus mit zweiraumtiefen Grundriss. Solche Wohngebäude können seit dem 18. Jahrhundert als charakteristisch für den östlichen Hunsrück gelten. Das Innere des Hauses ist als Haus eines Nebenerwerbs[[weber]]s eingerichtet. * Bei dem Haus ''Trappitschens'' handelt es sich um ein für den Vorderen Hunsrück typischen zweiraumtiefen Bau aus der Zeit um 1830. Bei einem größeren Umbau 1915 wurden unter anderem die ursprünglich vorhandenen Krüppelwalme entfernt, so dass das Gebäude sein heutiges durch das Satteldach bestimmtes charakteristisches Aussehen erhielt. Im Museum wurde das Gebäude im Zustand der frühen 50er Jahre eingerichtet, einer Zeit also, in der sich das Wirtschaftswunder allenfalls andeutete. Das Mobiliar zeigt dann auch eine eigenartige Mischung aus älteren Möbelstücken, die noch von vor dem Krieg stammten, und typischen 50er-Jahre-Möbeln. [[Datei:Roscheiderhof-hausMolz-2009-1.jpg | left| thumb|Haus Molz mit vergitterten Fenstern im ersten Stock]] [[Datei:Roscheiderhof-hausMolz-2009-4.jpg | right| thumb|Haus Molz, Schlafraum für französische Kriegsgefangene]] * Das ''Haus Molz'' ist das Haus eines für Hunsrücker Verhältnisse wohlhabenden Bauern. Aufgrund des frühen Todes seines Erbauers wurde es seit 1875 nur noch sporadisch in Notzeiten bewohnt und blieb so ohne gravierende Umbauten erhalten. Das Haus war im Zweiten Weltkrieg Außenstelle eines [[Kriegsgefangenenlager]]s, hauptsächlich für französische [[Kriegsgefangener|Kriegsgefangene]]. Eine thematische Ausstellung hierzu befindet sich im Flur des Hauses. Im Obergeschoss wurde nach alten Fotografien die Vergitterung der Fenster und die Ausstattung des Schlafraums mit aus rohem Holz zusammen gezimmerten Betten für die Kriegsgefangenen rekonstruiert. * Das benachbarte ''Haus Klaesjes'' ist wesentlich einfacher gebaut und eingerichtet. Es war das Haus eines Schweinehirten, später das eines Schneiders. * Zur untersten Schicht in der sozialen Hierarchie eines Dorfes gehörten die Bewohner des ''Hauses Franz'', das im Museum als Schmiede eingerichtet ist. Das Gebäude war ursprünglich ein Haus eines Tagelöhners am Dorfrand von [[Irmenach]]. Dessen Tochter bekam drei uneheliche Töchter. Ihre 1800 geborene Tochter bekam ihrerseits eine uneheliche Tochter. Auch diese bekam – kaum zwanzigjährig – eine Tochter, ohne verheiratet zu sein. Sie lebten von kleinen Dienstleistungen für Dorfbewohner, waren Botenfrauen, verkauften Butter auf dem Markt in [[Traben-Trarbach]] und arbeiteten möglicherweise auch als [[Prostituierte]]. Erst 1928, nach dem Tod seiner letzten Besitzerin, wurde das Haus zur Schmiede umgebaut.<ref>vgl. Volkskunde- und Freilichtmuseum Roscheider Hof: Museumsführer, Konz 2002 und http://www.roscheiderhof.de/haeuser-gaerten/schmiede.html (Juni 2008)</ref> Die Gärten im Hunsrückweiler stellen Bauerngärten um etwa 1900 in einer Mittelgebirgslandschaft dar. <gallery> Datei:Roscheiderhof-backhaus.jpg|Backhaus, im Hintergrund das Haus Sensemichel Datei:RoscheiderHof-haus-schuche-2003-2.jpg| Haus Schuche Datei:RoscheiderHof-Schmiede-2008-1.jpg|Haus Franz, heute Schmiede Datei:RoscheiderHof-haus-klaesjes-2003-1.jpg|Haus Klaesjes </gallery> === Mosel–Saar === Die Häuser der im Aufbau begriffenen Baugruppe ''[[Mosel]]–[[Saar]]'' sind durchweg Steinbauten. Diese sind im Vergleich zu den Fachwerkhäusern aus dem Hunsrück nur mit wesentlich höherem Aufwand und höheren Kosten in ein Freilichtmuseum übertragbar. Gebäude dieser Baugruppe sind: * Das Saargauhaus. Bei diesem Gebäude handelt es sich um den Nachbau eines für das Trierer Land typischen Haustyps, der deshalb gemeinhin auch „Trierer Einhaus“ genannt wird. Es ist die Variante eines Haustyps, der im ganzen Südwesten Deutschlands vorkommt („Breitgegliedertes Quereinhaus“). Das Gebäude wurde nach dem Vorbild eines großen Hofes in [[Nittel|Köllig]] auf dem Saargau errichtet. Es wurde 1987 in allen Details aufgemessen und in der Folgezeit im Museumsgelände nachgebaut. Dabei wurden neben Bruchstücken aus Abbruchhäusern auch moderne Baustoffe verwendet. Nach der Fertigstellung des Rohbaus kam der Baufortschritt für über zehn Jahre nahezu zum Erliegen. Im Untergeschoss befindet sich neben einer Küche und einer Wohnstube (Eröffnung 2006) die Brennerei der 1881 gegründeten Firma Jean Marx aus Cochen. Nachdem der Brennereibetrieb 2002 aufgegeben worden war und die Brennerei aus zollrechtlichen Gründen von ihrem Standort entfernt werden musste, gelangte sie 2005 ins Freilichtmuseum. Die Wohnung im Obergeschoss ist wie die im Haus Sensemichel im Hunsrückweiler an einen Museumsmitarbeiter vermietet. * Eine Schultoilette aus Portz, Ortsteil von [[Merzkirchen]], bei [[Saarburg]]. Es handelt sich um einen kleinen mit Ziegeln ausgemauerten Fachwerkbau. Das Häuschen hatte den Wandel der Sanitärkultur wohl nur deshalb überdauert, weil der Schulmeister es später zum Hühnerstall umfunktionierte.<ref>vgl. http://www.roscheiderhof.de/haeuser-gaerten/schultoilette.html</ref> * Als technisches Denkmal ein Pumpenhäuschen mit einer Lambachpumpe ebenfalls aus Konz-Oberemmel. Eine [[Hydraulischer Widder|Lambachpumpe]] ist eine [[Kolbenpumpe|Hubkolbenpumpe]], bei der ein großer, durch eingeleitetes Bachwasser bewegter Schwimmer in einen darüber angeordneten Zylinder einen Kolben antreibt, der Quellwasser durch eine Druckleitung in einen Hochbehälter fördert. Das Pumpenhäuschen selbst ist eine Rekonstruktion, da das Häuschen am Originalstandort erhalten bleiben sollte. * Ein typisches Nebengebäude aus Konz-Oberemmel aus dem Jahr 1734. Es ist im Obergeschoss als Malerwerkstatt eingerichtet. <gallery> Datei:Roscheiderhof-saargauhaus.jpg|Das Saargauhaus Datei:Roscheiderhof-lambachpumpe.jpg|Lambachpumpe Datei:RoscheiderHof-oberemmel-07-2008-1.jpg|Das Haus aus Oberemmel Datei:Roscheiderhof-malerwerkstatt.jpg|Malerwerkstatt <!-- Datei:Roscheiderhof-grenzsteine.jpg|Historische Grenzsteine --> </gallery> === Bäume, Gärten und Steine === [[Datei:Roscheiderhof-rosengarten1.jpg|thumb|Der Rosengarten unterhalb des Ausstellungsgebäudes]] Korrespondierend zu den Ausstellungen zur bürgerlichen Wohnkultur befindet sich unterhalb des Ausstellungsgebäudes ein [[Rosarium|Rosengarten]] mit historischem [[Pavillon (Architektur)|Pavillon]] sowie ein [[Kräutergarten]]. Oberhalb des Rosengartens befindet sich eine Ausstellung historischer Grenzsteine. Unterhalb des Rosengartens wurden um eine historische Kapelle aus dem Westerwald alte Grabkreuze aufgestellt. Bemerkenswert ist das Grabmal eines [[Russland|russischen]] [[Kriegsgefangener|Kriegsgefangenen]] aus dem [[Erster Weltkrieg|Ersten Weltkrieg]]. Weitere Grabsteine kamen ins Museum, als von 2006 bis 2007 im Rahmen der [[Inwertsetzung]] des römischen Erbes in Konz neben der Konzer Pfarrkirche römische Mauern freigelegt wurden, und deshalb alte Grabsteine weichen mussten. Das Museum besitzt Streuobstwiesen mit regionalen Obstsorten und kleine Museumsfelder, auf denen verschiedene Feldfrüchte angebaut werden. Die Gärten des Hunsrückweilers stellen Gärten im Rheinischen Mittelgebirge etwa um 1900 dar. Der Garten beim Trierer Einhaus stellt einen Garten im Flusstal von Saar oder Mosel, etwa um 1950 dar. Beide Gärten wurden im Rahmen des Projektes [[Gärten ohne Grenzen]] in den Jahren 2000 und 2001 neu gestaltet. === Wald- und Holzmuseum === Das Wald- und Holzmuseum befindet sich in einem modernen Ausstellungsgebäude unterhalb des Hunsrückweilers. Es wurde in den Jahren 2004 und 2005 mit Unterstützung des Kreiswaldbauernverbands Trier-Saarburg errichtet und im Oktober 2006 eröffnet. Die Ausstellung ist eine wichtige Säule im Gesamtkonzept. Sie zeugt von der Arbeit der Waldbauern, [[Förster]], [[Jäger]] und [[Flößer]]. Weiterhin finden sich im Waldmuseum die Büroeinrichtung eines Forstamts, Werkstätten holzverarbeitender Berufe wie [[Stellmacher]], in manchen Gegenden auch Wagner genannt, und [[Küfer|Fassküfer]] sowie ein großes [[Gattersäge|Sägegatter]] aus [[Saarburg]]. === Außenstelle Ölmühle === [[Datei:Roscheiderhof-oelmuehle.jpg|thumb|Außenstelle Historische Ölmühle in Konz-Niedermennig bei der Einweihung 2006]] Eine Außenstelle des Museums ist eine historische, funktionstüchtige [[Ölmühle]] im Konzer Tälchen. Die Mühle im Tal des Niedermenniger Bachs stammt aus der Mitte des 19. Jahrhunderts und wurde noch bis in die 1960er-Jahre betrieben. Die Ölmühle Niedermennig wurde im Jahr 1849 erbaut. Das [[Mahlwerk]] wurde von dem Wasser des Niedermenniger Baches angetrieben. Der natürliche Bachlauf wurde zu diesem Zwecke gestaut und das Wasser über einen künstlich angelegten Mühlenbach in einen Mühlenteich geleitet, der 1.100 m<sup>2</sup> groß war und einen Wasserinhalt von 900 m<sup>3</sup> aufwies. Der wirtschaftliche Einzugsbereich der Mühle erstreckte sich wohl bis nach [[Pellingen]], [[Hentern]], [[Wiltingen]] und [[Kommlingen]]. Die Niedermenniger Müller waren außerdem Landwirte und Winzer. Die Mühle war durchgehend bis 1943 und nach einer Restaurierung von 1949 bis in die 60er-Jahre in Betrieb. Kurz nach dem Krieg spielte angesichts der schlechten Versorgungslage das Mahlen von Bucheckern eine Rolle. Ansonsten wurden vor allem Raps oder Nüsse verarbeitet. 1967 wurde der Betrieb endgültig eingestellt. == Museumsaktivitäten == === Museumspädagogik === Das Museum bietet in Zusammenarbeit mit freien Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ein Programm für Kinder und Jugendliche an. Das Spektrum reicht von Erlebnisführungen für Kindergartengruppen und Grundschulklassen bis zu Kindergeburtstagen im Museum. Im Winterhalbjahr gibt es monatlich einen Basteltag für Kinder und ihre Eltern. Für Erwachsene werden verschiedene, thematisch orientierte Führungen, auch in verschiedenen Sprachen, angeboten. Da der Ausbau des Museums kontinuierlich erfolgt, kann pro Jahr eine neue oder umgestaltete Dauerausstellung eröffnet werden. Die Schwerpunkte der letzten Jahre (Stand 2008) waren dabei die Ausstellungen in der Ladengasse, das Waldmuseum und die Kinderwelten. === Veranstaltungen === [[Datei:Keltertag2006.ogg | thumb| thumbtime=2 |Keltertag ]] Traditionell wird die Eröffnung der Museumssaison am [[Palmsonntag]] mit der Eröffnung einer Sonderausstellung gefeiert. Der [[Internationaler Museumstag|Internationale Museumstag]] im Mai wird ebenfalls mit einer Ausstellungseröffnung oder anderen Festivitäten begangen. Im Rosengarten folgt im Juni das Rosenblütenfest. Im Juli wurde 2008 erstmals im ganzen Museum ein Wochenende mit lebender Geschichte veranstaltet. Im August folgt der Tag für Kinder mit vielen heute vergessenen Kinderspielen, im September der Handwerker- und Bauerntag mit Vorführung der Getreide- und Flachsernte sowie verschiedener Handwerke, und als Saisonabschluss im Oktober der Keltertag. Im Advent ist Weihnachtsmarkt. Ende August findet seit 2007 regelmäßig in Zusammenarbeit mit einer Agentur ein zweitägiges „Museumsopenair“ vornehmlich mit klassischer Rockmusik im Innenhof des Vierseithofs statt. <!--{| | [[Datei:Keltertag2006.ogg |120px| thumb| thumbtime=2 |upright=0.3|Keltertag ]] | [[Datei:Rhof-brotBacken.ogg |120px| thumb|thumbtime=12 |upright=0.3|Brot backen]] | [[Datei:Rhof-schuhmacher.ogg |120px| thumb| upright=0.3|Schuhmacher ]] | [[Datei:Rhof-flachsbearbeitung.ogg |120px| thumb| upright=0.3|Flachsverarbeitung ]] | [[Datei:Rhof-buttern.ogg |120px| thumb| upright=0.3|Buttern ]] |} <gallery> Datei:Roscheiderhof-bauerntag.jpg|Handwerker- und Bauerntag Datei:Roscheiderhof-keltertag.jpg|Keltertag mit Museumsleiter Ulrich&nbsp;Haas Datei:Roscheiderhof-weihnachtsdorf.jpg|Weihnachtsmarkt </gallery> --> === Sonderausstellungen === Das Museum gestaltet pro Jahr etwa zwei Sonderausstellungen, die meist bis zum Jahresende zu besichtigen sind. Ihr Themenspektrum reicht von Bekleidungsstücken ([[Hut|Hüte]], [[Schuh]]e, [[Unterrock|Unterröcke]]) über Gebrauchsgegenstände wie [[Koffer]], Schreibzeug und [[Waage]]n, elektrischem [[Spielzeug]], [[Gallier]]n und [[Römer]]n als [[Zinnfigur]]en bis zu Ausstellungen zur Geschichte regionaler Industrieunternehmen. Etwa drei Viertel der Sonderausstellungen sind Eigenproduktionen des Museums, die anderen sind Wanderausstellungen, die vom Arbeitskreis Eifeler Museen (seit 2007 Eifelmuseen e.V.) oder von Partnermuseen konzipiert wurden. In den letzten Jahren konnten auch zwei von Partnermuseen aus [[Lothringen]] konzipierte Ausstellungen gezeigt werden. === Internetangebot === [[Datei:RoscheiderhofWeb1998.jpg|thumb|Homepage des Internetangebots 1998|upright 0.6|left]] Das Museum ist über eine Kooperation mit der [[Fachhochschule Trier]] seit 1995 als eines der ersten Freilichtmuseen mit einer Internetpräsenz vertreten. Sie wurde von Beginn an viersprachig (Deutsch, Englisch, Französisch, Niederländisch) angelegt. Sie liefert nicht nur Informationen zum Museumsbesuch und eine Beschreibung des Museums, sondern Zusatzinformationen, zu weiteren Themen und einen interaktiven virtuellen Museumsrundgang mit Beschreibungen von Ausstellungen und Häusern, Dokumentationen von vergangenen Sonderausstellungen sowie Videos von Ausstellungseröffnungen, Vorführungen und Museumsfesten. Eine exemplarische Dokumentation der [[Moselfränkisch|moselfränkischen Mundart]] im Arbeitsgebiet des Museums umfasst über 60 Videos. Über die Webseite des Roscheider Hofs ist auch die ''Datenbank der Kulturgüter in der Region Trier'' mit Informationen zu mehr als 15.000 [[Kulturdenkmal|Kulturdenkmälern]] erreichbar. == Siehe auch == * [[Fourneau Saint Michel]] (Nachbarmuseum in Belgien) * [[Rheinland-Pfälzisches Freilichtmuseum Bad Sobernheim]] * [[Liste europäischer Freilichtmuseen]] == Einzelnachweise == <references/> == Literatur == * {{Literatur | Autor=Bernd Blumenthal, Martha Heit, Ulrich Haas, Hermann Kramp, Ulrike Trilsbach | Herausgeber=Volkskunde- und Freilichtmuseum Roscheider Hof, Konz | Titel=Freilichtmuseum Roscheider Hof Konz, Museumsführer in deutscher Sprache | Sammelwerk=Roscheider Blätter, Band 4 | Band= | Nummer= | Auflage= | Verlag= | Ort=Konz | Jahr=2001 | Monat= | Tag= | Seiten= | Spalten= | ISBN=3-9805852-3-9 | ISBNistFormalFalsch= | ISSN= | Kommentar= | Originaltitel= | Originalsprache= | Übersetzer= | Online= | DOI= | arxiv= | Zugriff= }} * {{Literatur | Autor=Bernd Blumenthal, Herrmann Kramp | Titel=Der Roscheider Hof -- Benediktinerabtei, Bauernschule, Freilichtmuseum, Ein Beitrag zur 25-Jahr-Feier des Museums | Verlag=Schriftenreihe des Freilichtmuseum Roscheider Hof | Ort=Konz | Jahr=1998 | ISBN=3-980-2025-9-3 }} * {{Literatur | Autor=Gera Dornoff | Titel=Tausend gülden Kräuter – ein botanisch-mythischer Begleiter durch den Kräutergarten des Roscheider Hofes | Verlag=Schriftenreihe des Freilichtmuseum Roscheider Hof | Ort=Konz | Jahr=2005 | ISBN=3-9805852-5-5 }} * {{Literatur | Autor=Klaus Gerteis | Titel=Eine kleine Welt in Zinn – Katalog der Dauerausstellung mit Zinnfiguren | Verlag=Schriftenreihe des Freilichtmuseum Roscheider Hof | Ort=Konz | Jahr=2005 | ISBN=3-9805852-6-3 }} * {{Literatur | Autor=Ulrich Haas | Titel=Ein Freilichtmuseum im Aufbau. Der Roscheider Hof in Konz | Verlag=Schriftenreihe des Freilichtmuseum Roscheider Hof | Ort=Konz | Jahr=1994 | ISBN=3-9802025-5-0 }} * {{Literatur | Autor=Dorothea Witter-Rieder, Helge Klaus Rieder | Herausgeber=Volkskunde- und Freilichtmuseum Roscheider Hof, Konz | Titel=Neues von der Internet-Präsenz des Freilichtmuseum Roscheider Hof | Sammelwerk=Roscheider Blätter, Band 4 | Band= | Nummer= | Auflage= | Verlag= | Ort=Konz | Jahr=2001 | Monat= | Tag= | Seiten=40-49 | Spalten= | ISBN= | ISBNistFormalFalsch= | ISSN= | Kommentar= | Originaltitel= | Originalsprache= | Übersetzer= | Online= | DOI= | arxiv= | Zugriff= }} == Weblinks == * {{Commons|Volkskunde- und Freilichtmuseum Roscheider Hof }} <!--* {{Commons|Category:Roscheider Hof}}--> * [http://www.roscheiderhof.de/ Webpräsenz des Museums] * [http://www.petra-eberhard.de/Roscheider_Hof_Konz/Roscheider_Hof_Konz.html Weitere Bilder vom Roscheider Hof] [[Kategorie:Hunsrück]] [[Kategorie:Freilichtmuseum]] [[Kategorie:Museum in Rheinland-Pfalz]] [[Kategorie:Volkskundemuseum]] [[Kategorie:Agrarhistorisches Museum]] [[Kategorie:Konz]] [[Kategorie:Wikipedia:Artikel mit Video]] [[Kategorie:Kultur (Trier)]] [[Kategorie:Kulturdenkmal im Landkreis Trier-Saarburg]] [[en:Roscheider Hof, Open Air Museum]] [[no:Roscheider museum]] {{Exzellent}} h15evygrfezn8su43l1xfh4vfyra9s8 wikitext text/x-wiki Vom Nutzen und Nachteil der Historie für das Leben 0 24458 27058 2010-02-26T17:52:55Z Kryston 0 das ist so nicht korrekt [[Bild:HL74.JPG|thumb|Titel der Erstausgabe 1874]] '''Vom Nutzen und Nachteil der Historie für das Leben''' (vollständiger Originaltitel: ''Unzeitgemässe Betrachtungen. Zweites Stück: Vom Nutzen und Nachtheil der Historie für das Leben'') ist ein [[1874]] erschienenes Werk [[Friedrich Nietzsche]]s und die zweite seiner vier ''[[Unzeitgemäße Betrachtungen|Unzeitgemäßen Betrachtungen]]''. Die Abhandlung gilt als wichtiges Werk aus Nietzsches früher Schaffensperiode (siehe [[Friedrich Nietzsche#Übersicht zum Werk|Übersicht zum Werk Nietzsches]]). Er kritisiert darin seine akademischen Zeitgenossen, die seiner Meinung nach die Bedeutung der [[Geschichtswissenschaft]] entweder überschätzen oder verkennen. Das Werk nimmt auch spätere Themen Nietzsches vorweg und hat in der Nietzsche-Rezeption vergleichsweise große Beachtung gefunden. Die heute in der Nietzsche-Forschung üblichen [[Sigel]] des Buchs sind '''HL''' oder '''UB II'''. == Übersicht == Nietzsches ''Unzeitgemäße Betrachtungen'' sind vor allem [[Kulturkritik|kulturkritische]] Schriften und thematisch nicht so weit gefächert wie die späteren, durchgängig philosophischen Werke Nietzsches. ''Vom Nutzen und Nachteil der Historie für das Leben'' bildet hierbei keine Ausnahme. Nietzsche nähert sich dem Thema aber von unterschiedlichen Seiten. So berührt er, wenn er sich mit den Möglichkeiten der Geschichtswissenschaft auseinandersetzt, die Themen [[Geschichtsphilosophie]] und [[Wissenschaftstheorie]]. Indem er andererseits die Geschichte mit dem (menschlichen) Leben in Verbindung setzt, betreibt er auch eine Art [[Anthropologie]]. Im Rahmen dieser vier Gebiete bewegt sich die Schrift. Von mehreren Interpreten ist darauf hingewiesen worden, dass besonders Nietzsches Begriff der „Historie“ in der Schrift nicht eindeutig besetzt sei, sondern zwischen den Bedeutungen „Geschichte“ (''res gestae'', das eigentlich Geschehene), „Geschichtsschreibung“ (''historia rerum gestarum'', die Erzählung des Geschehenen) und „Geschichtswissenschaft“ schwanke. Dies ist zu beachten, wenn im folgenden Nietzsches Terminologie verwendet wird. Nach einer Einleitung, in der Nietzsche seine persönliche Motivation für das Verfassen der Schrift mitteilt, untersucht das erste Kapitel den Ursprung der „''Historie''“. Das Tier lebe nur in der Gegenwart – mit bescheidenem [[Glück]] – und damit unhistorisch. Der Mensch besitze nun im Gegensatz dazu die Fähigkeit, sich zu erinnern. Dies befähige ihn, Kultur zu schaffen. Andererseits stellten die individuellen Erinnerungen und kollektiven Aufzeichnungen immer auch eine Last dar. Werde diese einmal zu groß, dann sei die Lebensfähigkeit eines Menschen oder Volkes gehemmt. Die Historie ist damit in Nietzsches Augen sowohl eine Notwendigkeit als auch eine Gefahr. Das zweite und dritte Kapitel behandeln drei Funktionen, welche die Historie innehabe. Die ''monumentalische'' Historie treibe den Menschen zu großen Taten an, die ''antiquarische'' bewahre seine kollektive Identität, und die ''kritische'' beseitige schädliche Erinnerungen. Alle drei Funktionen könnten aber ins Krankhafte umschlagen, weshalb sie in einem Gleichgewicht zueinander stehen müssten. Diese Kategorisierung Nietzsches ist wahrscheinlich der bekannteste Inhalt der Schrift, sie ist vielfältig aufgegriffen und interpretiert worden. In den Kapiteln 4–8 beschreibt Nietzsche, wie eine Übersättigung mit Historie lebens- und kulturfeindlich wirken könne. Nietzsches Angriffe zielen dabei immer auf seine Zeitgenossen vor allem in Deutschland, beanspruchen aber auch einen allgemein-philosophischen Hintergrund. Er diagnostiziert fünf „Krankheiten“ der Gegenwart, die durch den falschen Gebrauch der Historie hervorgerufen sein sollen: erstens eine gestörte Identität der Deutschen, zweitens ein fehlender Sinn für Gerechtigkeit, drittens eine fehlende Reife, viertens eine Selbstbetrachtung als [[Epigone|Epigonen]] und fünftens ein krankhafter Zynismus. Das neunte Kapitel gehört thematisch ebenfalls zur Kritik an Nietzsches Gegenwart. Es enthält eine Abrechnung mit dem seinerzeit erfolgreichen Werk ''Philosophie des Unbewussten'' von [[Karl Robert Eduard von Hartmann|Eduard von Hartmann]]. Im zehnten Kapitel stellt Nietzsche schließlich das Mittel zur Heilung der seiner Auffassung nach kranken Gegenwart vor: Die Mächte des Unhistorischen und „''Überhistorischen''“ – er nennt [[Kunst]] und [[Religion]] – müssten gefördert werden, um schließlich zu einer „''wahren Bildung''“ statt einseitiger, wissenschaftlicher „''Gebildetheit''“ zu gelangen. == Zentrale Themen == === Leben und Historie === Nietzsche stellt in seiner Schrift Leben und Historie gegenüber und geht davon aus, dass die Historie oder das Betreiben von Historie dem Leben sowohl nützen als auch schaden kann. Anders als der ausgeglichene Titel es andeutet, widmet er dabei den Gefahren der Historie mehr Aufmerksamkeit. Dennoch fordert er nicht etwa eine Entscheidung zwischen dem Leben und der Historie, sondern strebt eine Art Synthese oder Balance zwischen widerstreitenden Kräften an. {{Zitat|Dass das Leben aber den Dienst der Historie brauche, muss eben so deutlich begriffen werden als der Satz, der später zu beweisen sein wird − dass ein Uebermaass der Historie dem Lebendigen schade.|Kapitel 2: KSA 1, S. 258}} Das Leben kennzeichnet Nietzsche als zunächst „''unhistorisch''“. So lebt das Tier und auch noch das menschliche Kind unhistorisch. Kurze Momente des Glücks, die Menschen erleben können, sind ebenfalls Augenblicke unhistorischen Empfindens. – Der Historie andererseits nähert sich Nietzsche über das Erinnern, welches dem Menschen eigen sei. Durch sie ist dem Menschen der Weg zu einem einfachen Glück in der Art der Tiere versperrt. {{Zitat|[Die Tiere sind] kurz angebunden mit ihrer Lust und Unlust, nämlich an den Pflock des Augenblickes und deshalb weder schwermüthig noch überdrüssig. Dies zu sehen geht dem Menschen hart ein, weil er seines Menschenthums sich vor dem Thiere brüstet und doch nach seinem Glücke eifersüchtig hinblickt – denn das will er allein, gleich dem Thiere weder überdrüssig noch unter Schmerzen leben, und will es doch vergebens, weil er es nicht will wie das Thier.|Kapitel 1: KSA 1, S. 248}} Einzelnen Menschen, aber auch Völkern und Kulturen spricht Nietzsche eine „''plastische Kraft''“ zu, die unter anderem darin besteht, „''Vergangenes und Fremdes umzubilden und einzuverleiben''“ (Kapitel 1, S. 251). In dieser Kraft sieht Nietzsche Gesundheit, Stärke und Fruchtbarkeit alles Lebendigen begründet. Sie bestimmt, wie viel Historie eine Art von Leben aushalten kann: Denn in dem Moment, wo die Erinnerung dem Menschen zur Last geworden ist, verliert er auch den Bezug zum Leben. Damit ist seine Vitalität in Frage gestellt. Die Menschen müssen sich demnach der Historie so weit bedienen, wie ihre Kultur diese zum Leben benötigt. Die Historie darf aber niemals zum lebenshemmenden Selbstzweck werden. In diesen grundlegenden Betrachtungen Nietzsches lassen sich Verbindungen zu Schopenhauer (siehe [[#Schopenhauer|Einfluss Schopenhauers]]) und anderen Werken Nietzsches (siehe [[#Stellung der Schrift in Nietzsches Werk|Einordnung der Schrift]]) finden. === Die unterschiedlichen Arten von Historie === Das Erinnern und damit Historie im weitesten Sinne erkennt Nietzsche in allen menschlichen Individuen und Kollektiven. Er grenzt aber unterschiedliche Arten von Historie voneinander ab und ordnet diese jeweils bestimmten Charakterzügen und / oder Menschenschlägen zu, denen sie „''gehört''“. Er unterscheidet zunächst zwei zentrale Arten der Historie: die monumentalische und die antiquarische Historie. Diese bilden eine Art [[Antagonist|Antagonismus]], da sie entgegengesetzt auf den Menschen wirken, doch beide von diesem benötigt werden. Beide Funktionen sind unerlässlich für eine stabile Identität und Lebensfähigkeit des Individuums wie des Kollektivs. Überwiegt allerdings eine der beiden, wirkt sie pathologisch. Dann kann nur noch eine dritte Art, die kritische Historie, Abhilfe schaffen. Nach Nietzsche hat jede dieser drei Arten unter bestimmten Bedingungen ihre Berechtigung, aber nur, sofern sie tatsächlich dem Leben in ihrer jeweiligen Funktion (siehe unten) dient. „''[D]er Kritiker ohne Not, der Antiquar ohne Pietät, der Kenner des Großen ohne das Können des Großen''“ (Kapitel 2, S. 264f.) seien Menschen, die diese Arten der Historie nicht in ihrer nützlichen Funktion betreiben und damit sich selbst und anderen schaden. An anderer Stelle (ebd, S. 262; Kapitel 4, S. 271) deutet Nietzsche an, dass die drei Arten der Historie in einem Spannungsverhältnis zueinander stehen und je eine stets auf Kosten der anderen herrsche. Da aber ein Übermaß jeder der drei Arten schädlich wirkt, müssen sie in einem ausgewogenen Verhältnis zueinander stehen. Getrennt von diesen drei Arten der Geschichtsbetrachtung steht die moderne Historie, der Versuch, Geschichte als [[Wissenschaft]] zu betreiben. Werden die zuvor beschriebenen drei Arten der Historie von Nietzsche prinzipiell als nützlich angesehen, sofern sie in einem harmonischen Verhältnis zueinander stehen und dem Leben dienen, so wendet er sich energisch gegen die „''Forderung, dass die Historie Wissenschaft sein soll''“ (Kapitel 4, S. 271). Die „''moderne[…] Gebildetheit''“ mit ihrem historischen Wissen habe nichts mit einer „''wahren Bildung''“ (ebd., S. 275) zu tun. An dieser aber mangelt es. Nietzsche unterstellt seiner Zeit – dem Europa des ausgehenden [[19. Jahrhundert]]s – und dabei den Deutschen im Speziellen, dass sie ein gestörtes Verhältnis zur Vergangenheit habe. Dies versucht er an verschiedenen „''Krankheiten''“ festzumachen, die er in der Kultur der [[Moderne]] (wobei dieser Begriff erst nach Nietzsche geprägt wurde) entdeckt zu haben glaubt. ==== Monumentalische Historie ==== Die monumentalische Historie gehört laut Nietzsche zum Menschen als dem „''Thätigen und Strebenden''“ (Kapitel 2, S. 258). Sie ermutigt den einzelnen Menschen der Gegenwart zu schöpferischen Taten: Individuen, die Großes schaffen wollen, sich aber nicht sicher sind, ob dieses überhaupt machbar sei, können ihren Blick in die Vergangenheit richten. Wenn sie dabei feststellen, dass Großes schon einmal möglich gewesen ist, so ist dies ein Indiz dafür, dass es auch in Zukunft wieder möglich sein wird. Diese Erkenntnis spendet Kraft und nimmt den Selbstzweifel, welcher schöpferischen Taten im Wege steht. In Bezug auf die [[Kausalität]] stelle die monumentalische Historie die „''Effecte''“ (ebd., S. 261) in den Vordergrund und vernachlässige die Ursachen. Zudem verzichtet diese Art der Historie auf volle Wahrhaftigkeit. Durch eine Reduzierung der geschichtlichen Vorgänge werde es möglich, [[Analogieschluss|Analogien]] zwischen speziellen – zeitlich auseinander liegenden – Ereignissen und Vorgängen zu ziehen. Auf diese Weise würden die großen Individuen der Menschheit miteinander verbunden. Eine Gefahr der monumentalischen Historie ist es, in die Nähe der [[Fiktion]] und der [[Mythologie]] zu geraten. Herrscht die monumentalische Art der Historie vor, so werden große Teile der Vergangenheit verkannt; und sie reizt „''den Muthigen zur Verwegenheit, den Begeisterten zum Fanatismus''“ (ebd., S. 262), nur um die Zahl der „''Effecte''“ zu erhöhen. Zudem identifizieren sich dann die starken Menschen nur mit anderen Individuen aus der Vergangenheit, ihre eigene Kultur und ihr Volk schätzen sie aber gering. Nietzsche ergänzt, dass schwache Menschen die monumentalische Historie missbrauchen: Sie würden diese benutzen, um die heutigen großen Menschen am Schaffen zu hindern, indem sie sagen: „''‚seht, das Große ist schon da‘''“ und so „''die Todten die Lebendigen begraben''“ (ebd., S. 264) ließen. Die Gefahren des geglaubten Epigonentums, der Ironie und des Zynismus, welche in den Kapiteln 8 und 9 behandelt werden, ähneln der genannten. Laut Nietzsche wird den Menschen eingetrichtert, sie seien nur [[Epigone]]n einer größeren Vergangenheit. [[Georg Wilhelm Friedrich Hegel|Hegel]] und seine Nachfolger haben mit der Lehre vom zwingenden „''Weltprozess''“ (Kapitel 8, S. 308) eine [[Fatalismus|fatalistische]] Sicht entstehen lassen: der moderne Mensch glaubt, sich am Ende einer Entwicklung zu befinden. Diese von mittelmäßigen Menschen geförderte Geschichtsphilosophie ist nur auf die Vergangenheit gerichtet, da mit der Gegenwart der vermeintliche Abschluss der Historie erreicht worden sei. Damit ist den modernen Menschen jeder Wille abhanden gekommen, die Zukunft zu gestalten. {{Zitat|Wahrhaftig, lähmend und verstimmend ist der Glaube, ein Spätling der Zeiten zu sein: furchtbar und zerstörend muss es aber erscheinen, wenn ein solcher Glaube eines Tages mit kecker Umstülpung diesen Spätling als den wahren Sinn und Zweck alles früher Geschehenen vergöttert, wenn sein wissendes Elend einer Vollendung der Weltgeschichte gleichgesetzt wird. […] so dass für Hegel der Höhepunkt und der Endpunkt des Weltprozesses in seiner eigenen Berliner Existenz zusammenfielen.|Kapitel 8: KSA 1, S. 308}} Der moderne Mensch fühlt laut Nietzsche unbewusst, dass er sich auf einem Irrweg befindet und nicht mehr fähig ist, eine Zukunft zu gestalten. Daher flüchtet er sich nun in [[Zynismus]]: Die Gegenwart sei nämlich bereits vollkommen und eine Zukunft werde nicht mehr benötigt. Die Schwäche der „''Spätlinge''“ wird so zur scheinbaren Stärke „umgestülpt“. Dabei spielt Nietzsche auf Hartmanns ''Philosophie des Unbewussten'' an. Als zentrale Aussage dieses Werkes, dem er unterstellt, eine [[Parodie]] zu sein, erscheint ihm die Aufforderung des modernen Menschen an sich selbst, unkritisch weiterzuleben und sich somit scheinbar automatisch am unaufhaltsamen, zur [[Erlösung]] strebenden „Weltprozess“ zu beteiligen. Dies verstärkt laut Nietzsche aber noch einmal den Glauben daran, ein Spätgeborener zu sein, der nichts mehr zu vollbringen habe, weil er bereits ausgelernt habe und überreif sei. {{Zitat|[D]er historisch Gebildete […] hat nichts zu thun als fortzuleben, wie er gelebt hat, fortzulieben, was er geliebt hat, fortzuhassen, was er gehasst hat und die Zeitungen fortzulesen, die er gelesen hat, für ihn giebt es nur Eine Sünde – anders zu leben als er gelebt hat.|Kapitel 9: KSA 1, S. 315f.}} ==== Antiquarische Historie ==== Die antiquarische Historie gehört nach Nietzsche dem Menschen als dem „''Bewahrenden und Verehrenden''“ (Kapitel 2, S. 258). Sie dient dazu, menschliche Kollektive der Gegenwart – Völker, Städte, Geschlechter – in eine Kontinuität zu ihrer Vergangenheit zu setzen. Sie verbreitet ein „''einfaches rührendes Lust- und Zufriedenheitsgefühl''“ (Kapitel 3, S. 266), indem sie „''auch die minder begünstigten Geschlechter und Bevölkerungen an ihre Heimat und Heimatsitte anknüpft''“ (ebd., S. 266). So gebe sie einem Menschen oder einem Volk „''das Glück sich nicht ganz willkürlich und zufällig zu wissen und […] in seiner Existenz entschuldigt, ja gerechtfertigt zu werden''“ (ebd., S. 266f.). Aber auch die antiquarische Historie hat eine Kehrseite: Da alles miteinander verwoben zu sein scheint, wird bei einem Übermaß an antiquarischer Betrachtung die gesamte Vergangenheit als wertvoll angesehen. Alles Vergangene gilt bereits als großartig, nur weil es einst existiert hat. Es findet eine Nivellierung statt, da alles wahrhaft Besondere zwischen der nur scheinbar wichtigen Masse von Historie nicht mehr sichtbar ist. Die antiquarische Historie droht daher einerseits zu einer „''blinde[n] Sammelwuth''“ (ebd., S. 268) zu entarten, andererseits alles Neue zu untergraben, nur noch zu „''bewahren''“ anstatt zu „''zeugen''“ (ebd.). Große Geister können demnach immer mit dem Hinweis gehemmt werden, dass alles Notwendige schon in der Vergangenheit zu finden sei. Auch dieses Phänomen glaubt Nietzsche in seiner Gegenwart ausmachen zu können. Er diagnostiziert bei den modernen Menschen und vor allem bei den Deutschen eine gestörte Identität, die durch einen „Gegensatz von Form und Inhalt“ hervorgerufen werde. Das Gleichgewicht zwischen den drei Arten der Historie sei zerstört, da die Wissenschaft der Gegenwart pausenlos Unmengen an oberflächlichem Wissen aufnehme. Dieses werde aber nicht wirklich verarbeitet, sondern schnell angenommen und wieder abgestoßen, da der Mensch nur in der Lage ist, eine bestimmte Menge an Fremdem und Zusammenhanglosem aufzunehmen. Somit entstehen wissenschaftliche Spezialisten, welche in Nietzsches Augen fachblind geworden sind. Sie seien nur noch „''wandelnde Encyclopädien''“ (ebd., S. 274), welche die äußere Welt immer weniger erfassen können und sich deshalb auf das Innere zurückziehen. Da sie ihr Wissen nun nicht mehr auf die Realität anwenden, wird dieses schließlich zu reinem Inhalt, der über keine äußere Form mehr verfügt. Umgekehrt könnten die Wissenschaftler ihr Inneres aber nicht mehr überprüfen, so dass dieses mit der Zeit chaotisch wird und sich mangels Struktur auflöse. Damit sind die modernen Menschen ihrer Vitalität und Kultur beraubt. {{Zitat|Man sagt dann wohl, dass man den Inhalt habe und dass es nur an der Form fehle; aber bei allem Lebendigen ist dies ein ganz ungehöriger Gegensatz. Unsere moderne Bildung ist eben deshalb nichts Lebendiges, weil sie ohne jenen Gegensatz sich gar nicht begreifen lässt, das heisst: sie ist gar keine wirkliche Bildung, sondern nur eine Art Wissen um die Bildung, es bleibt in ihr bei dem Bildungs-Gedanken, bei dem Bildungs-Gefühl, es wird kein Bildungs-Entschluss daraus.|Kapitel 4: KSA 1, S. 273}} Als Gegenbeispiel führt Nietzsche die [[Antikes Griechenland|antiken Griechen]] an, welche die Balance zwischen Historie und Leben, zwischen Wissen und ummantelnder Kunst gehalten hätten. Dabei verlangt er nicht, dass die Kultur eines Volkes ästhetisch ist, solange sie nur originär ist. Beispielsweise wäre ein reines Kopieren der griechischen Lebensart nutzlos und sogar schädlich, da eigene kulturelle Merkmale unterdrückt würden. Die Deutschen besitzen nun in Nietzsches Augen keine eigenständige äußere Form, sondern übernehmen nur wahllos fremde Konventionen. Dies wiederum hat dazu geführt, dass auch ihr Inneres, ihr gedanklicher Inhalt substanzlos sei. Moderne Bildung und Philosophie sind nur noch ein „''innerlich zurückgehaltenes Wissen ohne Wirken''“ (ebd., S. 282). Deshalb können die Menschen der Gegenwart auch nur noch Kritik üben, aber nichts Eigenes schaffen. {{Zitat|[Die Philosophie] bleibt in einer solchen Welt der erzwungenen äusserlichen Uniformität gelehrter Monolog des einsamen Spaziergängers, zufällige Jagdbeute des Einzelnen, verborgenes Stubengeheimniss oder ungefährliches Geschwätz zwischen akademischen Greisen und Kindern. […] Alles moderne Philosophieren ist politisch und polizeilich, durch Regierungen, Kirchen, Akademien, Sitten und Feigheiten der Menschen auf den gelehrten Anschein beschränkt: es bleibt beim Seufzen „wenn doch“ oder bei der Erkenntniss „es war einmal.“ Die Philosophie ist innerhalb der historischen Bildung ohne Recht, falls sie mehr sein will als ein innerlich zurückgehaltenes Wissen ohne Wirken […] Ja, man denkt, schreibt, druckt, spricht, lehrt philosophisch, – so weit ist ungefähr Alles erlaubt, nur im Handeln, im sogenannten Leben ist es anders: da ist immer nur Eines erlaubt und alles Andere einfach unmöglich: so will’s die historische Bildung. Sind das noch Menschen, fragt man sich dann, oder vielleicht nur Denk-, Schreib- und Redemaschinen?|Kapitel 5: KSA 1, S. 282}} ==== Kritische Historie ==== Die kritische Historie gehört schließlich dem Menschen als dem „''Leidenden und der Befreiung Bedürftigen''“ (Kapitel 2, S. 258). Laut Nietzsche überprüft sie die Erinnerungen eines Volkes auf zu stark belastende Inhalte, welche seine Entwicklung hemmen könnten, und beseitigt diese gegebenenfalls. Sie dient gewissermaßen als Korrektiv für die beiden anderen historischen Funktionen. Ihr einziges Kriterium ist, ob eine Vergangenheit der Vitalität eines Volkes dienlich ist oder nicht. Nietzsche denkt dabei an die beiden [[Pathologie]]n der monumentalischen und antiquarischen Historie, also einerseits blindes Begehren von Effekten und andererseits übermäßige Vergangenheitsfixiertheit. Die Lebensfähigkeit menschlicher Gemeinschaften soll durch die kritische Historie erhalten werden, indem schädliche Erinnerungen vergessen werden. Wiederum ist aber die kritische Historie nicht ungefährlich für den Menschen. Denn letztlich ist, so Nietzsche, nichts wert zu existieren: und „''mit dem Messer an seine Wurzeln''“ (Kapitel 3, S. 270) zu gehen ist immer ein gefährlicher Prozess, da „''wir nun einmal die Resultate früherer Geschlechter''“ (ebd.) und damit auch „''ihrer Verirrungen, Leidenschaften und Irrthümer, ja Verbrechen''“ (ebd.) sind. Es muss immer „''eine Grenze im Verneinen''“ (ebd.) geben, damit das Leben nicht in Gefahr gerät. Nietzsche trennt auch die gesunde Form der kritischen Historie scharf von der ''wissenschaftlichen'' Geschichtsbetrachtung, wie sie in seiner Gegenwart üblich ist. Dieser spricht er jede Fähigkeit ab, kritische Historie im Dienste des Lebens zu betreiben. Der Historiker müsste sich dafür nämlich zum Richter über die Geschichte erheben. Dazu fehlt ihm aber der „''Trieb und die Kraft zur Gerechtigkeit''“ (Kap. 6, S. 286). Die modernen Menschen setzen Gerechtigkeit nämlich mit Objektivität gleich und verstehen diese wiederum als „''Losgebundensein vom persönlichen Interesse''“ (Kap. 6, S. 290). Nietzsche versteht dagegen unter „Objektivität“ die Fähigkeit eines Künstlers, ein künstlerisch wahres Gemälde zu schaffen, das deswegen noch nicht historisch wahr sei. Der Wunsch nach Neutralität beruht auf reiner Illusion. Schon in dem Glauben, die Geschichte sei ein sinnvolles Ganzes und folge Gesetzen, die der Historiker zu erkennen habe, erkennt Nietzsche eine subjektive und egozentrische Annahme. Die Menschen der Moderne seien nicht zum Richten geschaffen: In Nietzsches Augen messen sie nur noch die Vergangenheit an den „''Allerwelts-Meinungen des Augenblicks''“ (Kap. 6, S. 289). {{Zitat|Wer zwingt euch zu richten? Und dann – prüft euch nur, ob ihr gerecht sein könntet, wenn ihr es wolltet! Als Richter müsstet ihr höher stehen, als der zu Richtende; während ihr nur später gekommen seid. Die Gäste die zuletzt zur Tafel kommen, sollen mit Recht die letzten Plätze erhalten: und ihr wollt die ersten haben? Nun dann thut wenigstens das Höchste und Grösste; vielleicht macht man euch dann wirklich Platz, auch wenn ihr zuletzt kommt.|Kapitel 6: KSA 1, S. 293}} Als Haupttugend des Historikers sieht er die wahre [[Gerechtigkeit]] an. Diese kann aber nur eine Person verwirklichen, welche die Vergangenheit zu verstehen sucht, um eine eigene Zukunft darauf zu bauen. Aufgabe der Historie kann es für Nietzsche nicht sein, allgemeine Gesetze zu finden. Ein solches zitiert er von [[Leopold von Ranke|Ranke]], den er nur einen „''berühmten historischen Virtuosen''“ (ebd., S. 291) nennt – übrigens die einzige Stelle, an der Nietzsche sich tatsächlich auf einen Vertreter des [[Historismus]] bezieht. Nietzsche hält derartige „''Gesetze''“ für „''zwischen [[Tautologie (Logik)|Tautologie]] und Widersinn künstlich schwebend''“ (ebd.). Aufgabe des Historikers muss es vielmehr sein, ein „''gewöhnliches Thema, eine Alltags-Melodie geistreich zu umschreiben, zu erheben, zum umfassenden Symbol zu steigern und so in dem Original-Thema eine ganze Welt von Tiefsinn, Macht und Schönheit ahnen zu lassen''“ (ebd., S. 292). Dazu gehört künstlerische Fähigkeit. {{Zitat|So oft aber ist Objectivität nur eine Phrase. An Stelle jener innerlich blitzenden, äusserlich unbewegten und dunklen Ruhe des Künstlerauges tritt die Affektation der Ruhe; wie sich der Mangel an Pathos und moralischer Kraft als schneidende Kälte der Betrachtung zu verkleiden pflegt.|Kapitel 6: KSA 1, S. 292}} === Künstlerische Umgestaltung der Historie === Der diagnostizierten Krankheit stellt Nietzsche zwei „Heilmittel“ entgegen. Einerseits muss das richtige Verhältnis zwischen den drei Arten der Historie wiederhergestellt werden. Andererseits soll die bestehende Form der Geschichtsschreibung umgewandelt werden: Die Historie soll sich mit der Kunst verbinden, wie es zum Beispiel im Geschichtsdrama der Fall ist. Die Deutschen haben keine eigene Kultur, weil die historische Bildung dies verhindert. Diese „''Nothwahrheit''“ (Kapitel 10, S. 328) muss anerkannt werden, und in diesem Sinne soll „''unsere erste Generation''“ (ebd.) erzogen werden, damit sie von den Zwängen der Historie entfesselt wird. Gegen Hartmann sagt Nietzsche: {{Zitat|Wozu die ‚Welt‘ da ist, wozu die ‚Menschheit‘ da ist, soll uns einstweilen gar nicht kümmern, es sei denn, dass wir uns einen Scherz machen wollen: denn die Vermessenheit des kleinen Menschengewürms ist nun einmal das Scherzhafteste und Heiterste auf der Erdenbühne; aber wozu du Einzelner da bist, das frage dich, und wenn es dir Keiner sagen kann, so versuche es nur einmal, den Sinn deines Daseins gleichsam a posteriori zu rechtfertigen, dadurch dass du dir selber einen Zweck, ein Ziel, ein ‚Dazu‘ vorsetzest, ein hohes und edles ‚Dazu‘. Gehe nur an ihm zu Grunde – ich weiss keinen besseren Lebenszweck als am Großen und Unmöglichen, animae magnae prodigus, zu Grunde zu gehen.|Kapitel 9: KSA 1, S. 319}} Seine Hoffnungen setzt er auf die Jugend. Historie soll kein Selbstzweck sein, sondern im Dienst des Lebens stehen. Dies erfordert eine andere Art von Erziehung als die bisherige. Nicht die Historie soll im Mittelpunkt stehen, sondern die Jugend soll selbst ihre Erfahrungen mit dem Leben machen, von den Schaffenden der Gegenwart lernen und von ausgewählten Großen inspiriert werden. Nietzsches Gegenmittel gegen die „historische Krankheit“ sind das „Unhistorische“ und das „Überhistorische“: {{Zitat|Mit dem Worte ‚das Unhistorische‘ bezeichne ich die Kunst und Kraft ''vergessen'' zu können und sich in einen begrenzten ''Horizont'' einzuschliessen; ‚überhistorisch‘ nenne ich die Mächte, die den Blick von dem Werden ablenken, hin zu dem, was dem Dasein den Charakter des Ewigen und Gleichbedeutenden giebt, zu ''Kunst'' und ''Religion''.|Kapitel 10: KSA 1, S. 330}} Der wissenschaftlichen Gegenwart unterstellt Nietzsche aber, dass sie mit allen Mitteln die Reife der Menschen verhindert. Die Historie zerstört demnach die „''pietätvolle Illusions-Stimmung''“ (Kapitel 7, S. 296), die allem Erhabenen (Liebe, Religion, Kunst) zu Grunde liege. Als Beispiel nennt er das [[Christentum]], welches durch übermäßige „''historische[…] Secirübungen''“ in ein substanzloses „''Wissen um das Christenthum''“ (ebd., S. 297) aufgelöst worden sei. Die Gegenwart verlangt aber die scheinbare totale Erkenntnis, welcher die jungen Menschen vor ihrer Zeit ausgesetzt würden. Dadurch stumpfen diese ab und können sich weder für Altes begeistern noch Neues schaffen. {{Zitat|Ja man triumphirt darüber, dass jetzt ‚die Wissenschaft anfange über das Leben zu herrschen‘: möglich, dass man das erreicht; aber gewiss ist ein derartig beherrschtes Leben nicht viel wert, weil es viel weniger Leben ist und viel weniger Leben für die Zukunft verbürgt, als das ehemals nicht durch das Wissen, sondern durch Instinkte und kräftige Wahnbilder beherrschte Leben. […] Der junge Mensch wird durch alle Jahrtausende gepeitscht: Jünglinge, die nichts von einem Kriege, einer diplomatischen Aktion, einer Handelspolitik verstehen, werden der Einführung in die politische Geschichte für würdig befunden. So aber wie der junge Mensch durch die Geschichte läuft, so laufen wir Modernen durch die Kunstkammern, so hören wir Concerte. Man fühlt wohl, das klingt anders als jenes, das wirkt anders als jenes: dies Gefühl der Befremdung immer mehr zu verlieren, über nichts mehr übermäßig zu erstaunen, endlich alles sich gefallen lassen – das nennt man dann wohl den historischen Sinn, die historische Bildung.|Kapitel 7: KSA 1, S. 298f.}} Schuld an dieser Entwicklung ist das moderne Wissenschaftsverständnis und das zugehörige Gelehrtenwesen, welches sich keine harmonischen und gereiften Persönlichkeiten, sondern Subjekte des akademischen Arbeitsmarktes wünsche. Durch Teilung der Arbeit innerhalb der Wissenschaften würden die Sichtweisen der zukünftigen Gelehrten so sehr eingeschränkt, dass Spezialisten entstünden, die nur noch einen schmalen Teil der Realität erfassen könnten. Die „''Nutzbarmachung''“ und schließlich das „''Popularisiren''“ der Wissenschaft führt aber nur zu „''gediegene[r] Mittelmäßigkeit''“ (ebd., S. 301), schadet dem Leben und damit indirekt sogar der Wissenschaft selbst. {{Zitat|Als letztes und natürliches Resultat ergiebt sich das allgemein beliebte ‚Popularisieren‘ […] der Wissenschaft, das heisst das berüchtigte Zuschneiden des Rockes der Wissenschaft auf den Leib des ‚gemischten Publicums‘: […] aus guten Gründen fällt [dies] den jüngeren Gelehrten leicht, weil sie selbst, von einem ganz kleinen Wissens-Winkel abgesehen, sehr gemischtes Publicum sind und dessen Bedürfnisse in sich tragen. Sie brauchen sich nur einmal bequem hinzusetzen, so gelingt es ihnen, auch ihr kleines Studienbereich<!--sic!--> jener gemischt-populären Bedürfniss-Neubegier aufzuschliessen. Für diesen Bequemlichkeitsakt praetendiert man hinterdrein den Namen ‚bescheidene Herablassung des Gelehrten zu seinem Volke‘: während im Grunde der Gelehrte nur zu sich, soweit er nicht Gelehrter, sondern Pöbel ist, herabstieg.|Kapitel 7: KSA 1, S. 301f.}} Einzig in großen Individuen – als Beispiele aus der Vergangenheit nennt er [[Goethe]] und [[Raffael]] – sieht Nietzsche den Willen, dieser Entwicklung entgegenzusteuern und etwas neues Großes zu erschaffen. Diese hätten noch nicht gelernt, vor der hegelschen „''‚Macht der Geschichte‘ den Rücken zu krümmen und den Kopf zu beugen''“, sondern würden aus sich selbst heraus eine eigenständige Zukunft formen. {{Zitat|Glücklicher Weise bewahrt [die Geschichte] aber auch das Gedächtnis an die großen Kämpfer ''gegen die Geschichte'', das heisst gegen die blinde Macht des Wirklichen und stellt sich dadurch selbst an den Pranger, dass sie Jene gerade als die eigentlichen historischen Naturen heraushebt, die sich um das ‚So ist es‘ wenig kümmerten, um vielmehr mit heiterem Stolze einem ‚So soll es sein‘ zu folgen. Nicht ihr Geschlecht zu Grabe zu tragen, sondern ein neues Geschlecht zu begründen – das treibt sie unablässig vorwärts: und wenn sie selbst als Spätlinge geboren werden, – es gibt eine Art zu leben, dies vergessen zu machen; – die kommenden Geschlechter werden sie nur als Erstlinge kennen.|Kapitel 8: KSA 1, S. 311}} Die künstlerische Umwandlung der Historie soll letztlich dazu dienen, dem deutschen Volk eine eigene Kultur zu geben. Vielleicht „''gehörten nicht mehr als hundert productive, in einem neuen Geiste erzogene und wirkende Menschen dazu''“, wie auch „''die Kultur der [[Renaissance]] sich auf den Schultern einer solchen Hundert-Männer-Schaar heraushob''“ (Kapitel 2, S. 260f.). Die politische [[Deutsches Kaiserreich#Reichsgründung|Reichseinigung von 1871]] bedeutet Nietzsche nichts, da sie für ihn nur oberflächlichen Charakter hat. In der „''Einheit des künstlerischen Stiles in allen Lebensäusserungen eines Volkes''“ (Kapitel 4, S. 274) sieht Nietzsche das eigentliche Kennzeichen einer Kultur, und er erhofft sich eine kulturelle Einigung der Deutschen mit der Schaffung einer originären Kunst und Bildung, welche die historische Krankheit zu überwinden vermag. {{Zitat|[D]er Ursprung der historischen Bildung – und ihres innerlich ganz und gar radicalen Widerspruches gegen den Geist einer ‚neuen Zeit‘, eines ‚modernen Bewusstseins‘ – dieser Ursprung ''muss'' selbst wieder historisch erkannt werden, die Historie ''muss'' das Problem der Historie selbst auflösen, das Wissen ''muss'' seinen Stachel gegen sich selbst kehren – dieses dreifache ''Muss'' ist der Imperativ des Geistes der ‚neuen Zeit‘, falls in ihr wirklich etwas Neues, Mächtiges, Lebenverheissendes und Ursprüngliches ist.|Kapitel 8: KSA 1, S. 306}} == Entstehung und Einreihung in Nietzsches Schriften == === Entstehung, Erscheinen und spätere Umarbeitungen === Nach dem Erscheinen der ersten ''Unzeitgemäßen'' im Sommer 1873 war Nietzsche zunächst noch an der Universität beschäftigt. Daneben hielt ihn sein Engagement für [[Richard Wagner|Wagner]] in Atem. Nietzsche hatte ohnehin eine ganze Reihe von ''Unzeitgemäßen Betrachtungen'' geplant, auch der Verleger E.W. Fritzsch war an einer Fortsetzung interessiert. Als Thema der nächsten ''Unzeitgemäßen'' waren eigentlich Gedanken unter dem Titel ''Die Philosophie in Bedrängnis'' geplant. Im Herbst trat dann aber, nach einigen Aufzeichnungen über das Gelehrtenwesen, die Geschichtswissenschaft als neues Thema in den Vordergrund. [[Bild:HL Fr 30-2-.JPG|thumb|Entwurf zum ersten Kapitel]] Vorarbeiten zur Schrift finden sich in den Nachlassheften U II 1, U II 2 und U II 3 sowie Mp XIII 2 (in der ''KGW'' und ''KSA'' ([[#Literatur|Lit.]]: Colli / Montinari) als Aufzeichnungen Sommer-Herbst 1873 (29) bzw. Herbst 1873-Winter 1873/74 (30)). Einige Stellen übernahm Nietzsche fast wörtlich aus der ersten der für [[Cosima Wagner]] geschriebenen ''Fünf Vorreden zu fünf ungeschriebenen Büchern'' (vom Dezember 1872) sowie aus seinen Aufzeichnungen zur ''Philosophie im tragischen Zeitalter der Griechen'' (Frühjahr 1873). Ähnliche kritische Anmerkungen zur modernen Erziehung wie in der Schrift hatte Nietzsche auch schon in seinen Anfang 1872 in Basel gehaltenen Vorträgen ''Über die Zukunft unserer Bildungsanstalten'' geäußert. Zur Zeit der Abfassung las er [[Johann Wolfgang von Goethe|Goethe]], der in der Schrift auch oft zitiert wird, daneben [[Friedrich Schiller|Schiller]] (Briefwechsel mit Goethe und ''[[Was heißt und zu welchem Ende studiert man Universalgeschichte?]]''), [[Franz Grillparzer]] und Teile von [[Georg Wilhelm Friedrich Hegel|Hegel]]s Vorlesungen zur Philosophie der Geschichte. Der Anfang des ersten Kapitels ist von [[Giacomo Leopardi]] inspiriert. [[Karl Robert Eduard von Hartmann|Eduard von Hartmann]]s ''Philosophie des Unbewussten'', die Nietzsche hier scharf kritisierte, hatte er bereits 1869 erworben und teilweise durchaus zustimmend gelesen. Auch Gedanken aus den Vorlesungen [[Jacob Burckhardt]]s und aus ''Über die Christlichkeit unserer heutigen Theologie'' seines Freundes und Kollegen [[Franz Overbeck]] flossen in die Zweite ''Unzeitgemäße'' ein. ''Siehe ausführlicher: [[#Einflüsse und Ähnlichkeiten zu anderen Philosophien|Einflüsse]]''. Interessant für das Verständnis der Schrift könnte sein, dass Nietzsche zunächst von zwei Gegensätzen ausging: ''Historisch – Unhistorisch'' und ''Klassisch – Antiquarisch''. Erst im Rahmen der Abfassung löste er aus dem ''Unhistorischen'' das ''Überhistorische'' heraus. Aus dem Gegensatz ''Klassisch – Antiquarisch'' wurde, mit kleineren Akzentverschiebungen, der Gegensatz ''Monumentalisch – Antiquarisch''. Erst kurz vor der Drucklegung fügte Nietzsche noch die ''kritische Historie'' hinzu. War ursprünglich außerdem die „''Krankheit''“ vor allem auf ein Übermaß der „''antiquarischen Historie''“ bezogen, so wurde jetzt die kritisierte historische Wissenschaft von den drei Arten der Historie (monumentalisch, antiquarisch, kritisch) getrennt. Reste des ursprünglichen Ansatzes sind im Buch aber noch vorhanden. Ab Dezember 1873 diktierte der augenkranke Nietzsche den größten Teil des Manuskripts seinem Freund Carl von Gersdorff. Zusammen mit [[Erwin Rohde]] las Nietzsche im Januar die Korrekturbögen, das gedruckte Buch erschien um den 20. Februar 1874. [[Bild:HL_RS.JPG|left|thumb|Eine Seite der fragmentarischen Reinschrift]] Die Schrift verkaufte sich schlechter als die erste ''Unzeitgemäße'', die mit ihrem Angriff auf [[David Friedrich Strauß]] einerseits als Skandalbuch etwas Interesse gefunden, andererseits aber Nietzsche isoliert hatte. Die einzige bedeutende zeitgenössische [[Rezension]] der zweiten ''Unzeitgemäßen'' stammt von [[Karl Hillebrand (Essayist)|Karl Hillebrand]]. Die ''[[Die Presse#Die „Neue Freie Presse“ (1864-1938)|Neue Freie Presse]]'' druckte diese Besprechung nur mit einer redaktionellen Anmerkung, nach der sie dies aus Achtung vor Hillebrand täte: Nietzsche habe sich durch sein Buch gegen Strauß unmöglich gemacht. Bis Oktober 1874 wurden etwa 220 Exemplare verkauft, bis 1886 waren es etwa 650 Stück. Wie auch von den anderen ''Unzeitgemäßen'' gibt es von ''Vom Nutzen und Nachteil der Historie für das Leben'' nur eine Version, da Nietzsche sie 1886/87 nicht erneut herausgeben wollte. Es ist jedoch ein Handexemplar mit Umarbeitungen Nietzsches erhalten, die von [[Mazzino Montinari|Montinari]] auf das Jahr 1886 datiert wurden. Die Umarbeitungen sind fast ausschließlich [[stil]]istischer Natur. === Stellung der Schrift in Nietzsches Werk === Spätere Äußerungen Nietzsches zu dieser Schrift sind selbst im Vergleich zu den anderen ''Unzeitgemäßen'' spärlich. Eine Bemerkung dazu findet sich in der 1886 entstandenen Vorrede zum zweiten Band von ''[[Menschliches, Allzumenschliches]]''. Hier heißt es: {{Zitat|[U]nd was ich gegen die ‚historische Krankheit‘ gesagt habe, das sagte ich als einer, der von ihr langsam, mühsam genesen lernte und ganz und gar nicht Willens war, fürderhin auf ‚Historie‘ zu verzichten, weil er einstmals an ihr gelitten hatte.|Menschliches, Allzumenschliches II: KSA 2, S. 370}} Auch in seiner stilisierten Autobiographie ''[[Ecce homo (Nietzsche)|Ecce homo]]'' behandelt Nietzsche die Schrift nur kurz, während er die anderen drei ''Unzeitgemäßen'' ausführlich diskutiert: {{Zitat|Die ''zweite'' Unzeitgemässe (1874) bringt das Gefährliche, das Leben-Annagende und -Vergiftende in unsrer Art des Wissenschafts-Betriebs an’s Licht –: das Leben ''krank'' an diesem entmenschten Räderwerk und Mechanismus, an der ‚''Un''persönlichkeit‘ des Arbeiters, an der falschen Ökonomie der ‚Theilung der Arbeit‘. Der ''Zweck'' geht verloren, die Cultur: – das Mittel, der moderne Wissenschafts-Betrieb, ''barbarisirt'' … In dieser Abhandlung wurde der ‚historische Sinn‘, auf den dies Jahrhundert stolz ist, zum ersten Mal als Krankheit erkannt, als typisches Zeichen des Verfalls.|Ecce Homo, „Die Unzeitgemässen“: KSA 6, S. 316}} Jörg Salaquarda (siehe [[#Literatur|Lit.]]) sah Nietzsches spätere Missachtung und Verkürzung des Werks auf die genannten Punkte darin begründet, dass dieser mit Stil und Aufbau der in Eile abgefassten Schrift unzufrieden war. Auch sei Nietzsches Erinnerung daran sehr negativ eingefärbt gewesen, da zur Zeit der Abfassung die Entfremdung von Wagner stärker, Nietzsches Krankheiten schlimmer und die Unzufriedenheit mit der Basler Professur größer geworden waren. Schließlich ließen sich bei Nietzsche mehrere Beispiele dafür finden, dass er Teile seiner Schriften „vergessen“ habe. Die Forschung habe dieser Schrift, so Salaquarda, schließlich mehr Gerechtigkeit zukommen lassen als Nietzsche selbst. Die Missachtung der Schrift seitens des Verfassers wirkt dennoch umso verwunderlicher, als einige zentrale Gedanken aus Nietzsches Gesamtwerk in dieser frühen Schrift zumindest angedacht werden: *''Kunst und Wissenschaft'': Er übt eine beißende Kritik an der sich für „''objektiv''“ und daher „''gerecht''“ haltenden Wissenschaft, der er Ignoranz und Schwäche vorwirft, was im fünften Buch der ''[[Die fröhliche Wissenschaft|fröhlichen Wissenschaft]]'' und den Spätschriften wieder aufgenommen wird. Gleichzeitig fordert er eine künstlerische Umgestaltung der Wissenschaften, wie er selber es später literarisch praktizieren wollte. *''Dionysisch und Apollinisch'': Wenn Nietzsche vom Leben als einer ungehemmten, schöpferischen, aber blinden Kraft schreibt, lässt sich dies mit seiner Kennzeichnung des „Dionysischen“ in der ''[[Die Geburt der Tragödie aus dem Geiste der Musik|Geburt der Tragödie]]'' verbinden. Analog ließe sich die Historie, auch stellvertretend für die ganze Wissenschaft, dem „Apollinischen“ zuordnen. Entsprechende Gegensatzpaare wie Vergessen-Erinnern oder Dunkel-Hell finden sich in der Schrift. Nietzsche selbst hat, wenn auch etwas undeutlich, eine Verbindung zur ''Geburt der Tragödie'' nahegelegt (siehe unten). *''Moral und Stärke'': Den Gebrauch von verschiedenen Arten der Historie verknüpft Nietzsche mit der Stärke oder Schwäche der einzelnen Individuen. Schon hier setzt er Stärke und moralisch-ästhetische Ansichten in Beziehung. Vollends führte er dies allerdings erst in ''[[Zur Genealogie der Moral]]'' aus. Überhaupt halten einige Interpreten die ''Genealogie der Moral'', besonders die zweite darin enthaltene Abhandlung, für wichtig zum Verständnis der Geschichtsphilosophie Nietzsches und deren Entwicklung. *''[[Übermensch]]'': Relativ vage fordert Nietzsche eine neue Generation, welche eine Synthese aus dem unhistorischen, aber vitalen Tier oder Barbaren und dem kulturschaffenden, historischen aber schwächlichen Menschen darstellen solle. Diese müsse sich ein überhistorisches Bewusstsein erarbeiten, welches das „''Chaos in sich organisieren''“ kann. Hierin wie in dem Geniebegriff des jungen Nietzsche überhaupt haben einige den höheren Menschen, den Übermenschen oder die „''Herren der Erde''“ aus ''[[Also sprach Zarathustra]]'' vorbereitet gesehen. [[Bild:GM Frühere Schriften Nietzsches.JPG|thumb|Übersicht über Nietzsches Schriften mit verändertem Titel der zweiten ''Unzeitgemäßen'']] Andererseits gibt es Stellen in späteren Werken, in denen Nietzsche den hier vorgestellten Thesen grundsätzlich zu widersprechen scheint. Die gesamte „''genealogische''“ Methode, die Nietzsche seit seiner freigeistigen Phase verfolgte, ist durchaus auf Historie gegründet. So heißt es schon im zweiten Aphorismus von ''Menschliches, Allzumenschliches'' (1878): {{Zitat|Mangel an historischem Sinn ist der Erbfehler aller Philosophen […] Demnach ist das ''historische Philosophieren'' von jetzt ab nöthig und mit ihm die Tugend der Bescheidung.|Menschliches, Allzumenschliches I: KSA 2, S. 24f.}} Schließlich lässt sich die Ansicht vertreten, dass Nietzsches Forderung nach einer künstlerischen Umformung der Historie eine nachträgliche Rechtfertigung der Methodik von ''[[Die Geburt der Tragödie aus dem Geiste der Musik]]'' ist (zu inhaltlichen Nähen siehe oben). Diese hatte auf philologische Nachweise und Quellen verzichtet und stattdessen Nietzsches intuitiv gewonnene Erkenntnisse über die Entstehung der Tragödie genutzt. Nietzsche selbst deutet in der schon genannten Vorrede des zweiten Bandes von ''Menschliches, Allzumenschliches'' eine Verbindung an: {{Zitat|Insofern sind alle meine Schriften […] ''zurück zu datieren'' […]: einige sogar, wie die drei ersten Unzeitgemässen Betrachtungen, noch zurück hinter die Entstehungs- und Erlebnisszeit eines vorher herausgegebenen Buches (der ‚Geburt der Tragödie‘ im gegebenen Falle: wie es einem feineren Beobachter und Vergleicher nicht verborgen bleiben darf).|Menschliches, Allzumenschliches II: KSA 2, S. 369}} Die Frage, wie ''Vom Nutzen und Nachteil der Historie für das Leben'' in Nietzsches ganzes Schaffen eingeordnet werden kann, hat auch die [[#Deutungen und Rezeption|Rezeption]] der Schrift beschäftigt und dort unterschiedliche Antworten gefunden. == Einflüsse und Ähnlichkeiten zu anderen Philosophien == Zum Hintergrund, insbesondere dem Aufkommen der modernen Geschichtswissenschaft im Europa des 19. Jahrhunderts, siehe zunächst [[Geschichte der Geschichtswissenschaft]]. Nietzsche stützte sich bei seiner Betrachtung der Historie unter anderem auf die Philosophie [[Arthur Schopenhauer]]s und die Kulturgeschichte [[Jacob Burckhardt]]s. Von einer reinen Adaptation dieser Denker lässt sich aber keinesfalls reden. === Schopenhauer === Schopenhauer war für den jungen Nietzsche ein Leitstern möglicher deutscher Kultur. „''Über Geschichte''“ hatte sich Schopenhauer ausführlich in Kapitel 38 des zweiten Bands von ''[[Die Welt als Wille und Vorstellung]]'' ausgesprochen. Er hatte argumentiert, dass Geschichte zwar ein Wissen, niemals aber eine Wissenschaft sein könne, weil sie nur „''Koordination''“ von Gewusstem sei, Wissenschaft aber „''Subordination''“. Geschichte habe zwar eine sichere Kenntnis vom Oberflächlichen, Allgemeinen (etwa „''die Zeitperioden, die Sukzession der Könige, die Revolutionen, Kriege und Friedenszeiten''“), wesentlich und interessant in ihr sei aber das Individuelle und die Individuen, die sich eben nicht allgemein fassen ließen. Geschichte als der Lauf der Erscheinungen sei von Zufällen bestimmt, es gebe kein „''System der Geschichte''“. Insbesondere wies Schopenhauer die Lehren Hegels und seiner Nachfolger scharf zurück. Eine echte Philosophie dagegen erkenne, dass Geschichte stets dasselbe unter wechselnden Schleiern zeige, nämlich den unvernünftigen, blinden „''[[Arthur Schopenhauer#Die Welt als Wille|Willen]]''“. Nietzsche übernahm die Wendung gegen eine [[Teleologie|teleologische]] Sicht der Geschichte. Das bedeutet zugleich das Verneinen eines vorbestimmten Sinns der Geschichte. Die Passagen über die Geschichte bestimmenden „''Verirrungen, Leidenschaften und Irrtümer, ja Verbrechen''“ bei Nietzsche entsprechen hierin am ehesten Schopenhauers Vorstellungen. Aber auch in den Grundlagen der Schrift, Nietzsches Konzeption vom titelgebenden „''Leben''“, kann man Spuren Schopenhauerscher Lehren erkennen. Das Leben tritt auch bei Nietzsche als eine Art blinder Wille auf, im Gegensatz zur hegelianischen Betonung des „[[Geist#18. und 19. Jahrhundert|Geist]]es“. Die „''plastische Kraft''“, die Nietzsche allem Lebendigen zuspricht, ähnelt Schopenhauers Willen, allerdings „''mitunter merkwürdig positiv konnotiert''“ ([[#Literatur|Lit.]]: Sommer). Nietzsche folgt also Schopenhauers [[Pessimismus]] zumindest nicht uneingeschränkt: Anstatt auf eine Befreiung vom „''Weltwillen''“ zu hoffen, strebte Nietzsche womöglich eine Synthese von vitalem, aber blindem Willen und kalter Erkenntnis an. Das Mittel, das Schopenhauer und Nietzsche zur Erreichung ihres jeweiligen Zieles ansehen, ist allerdings identisch: die Flucht in Kunst und Musik. === Burckhardt === [[Bild:Burckh_74-2-25.JPG|thumb|Reaktion Jacob Burckhardts auf die Zusendung der Schrift (für mehr Informationen vergrößern)]] Jacob Burckhardt, sein Kollege an der [[Universität Basel]], wirkte ebenfalls auf Nietzsches Geschichtsbild. So hörte Nietzsche im Wintersemester 1870 dessen Kolleg „''Über das Studium der Geschichte''“, welches später als Teil der ''Weltgeschichtlichen Betrachtungen'' veröffentlicht wurde. Burckhardts erste Vorlesung über „''Griechische Kulturgeschichte''“ im Sommersemester 1872 verfolgte Nietzsche ebenfalls. Er besaß auch eine Ausgabe der ''Kultur der Renaissance in Italien'', aus der das kurze Burckhardt-Zitat in ''Vom Nutzen und Nachteil der Historie für das Leben'' stammt. Von Burckhardt ließ sich Nietzsche in seiner negativen Deutung der politischen Gegenwart inspirieren: Der Basler Kulturhistoriker glaubte, einen autoritären Staat vorauszusehen, dessen ungebildete Massen das kulturelle Leben ersticken würden. Nietzsche ging aber wiederum über die Position seines „Lehrmeisters“ hinaus. Er ließ es nicht allein bei der Unterteilung in gebildete, akademische Elite und ungebildetes Volk bestehen, sondern teilte die (scheinbare) Elite noch einmal auf. Hier standen sich nun die wenigen tatsächlich Gebildeten, also die großen Genies (Goethe, Schopenhauer), und die „''verbildeten''“ Massen des akademischen Apparates gegenüber. Damit verengte Nietzsche den Begriff der Elite noch einmal stark. === Overbeck und Hartmann === In den Kapiteln 7 und 8 von Nietzsches Schrift gibt es Passagen über das Christentum, die offenbar durch ''Über die Christlichkeit unserer heutigen Theologie'' oder Gespräche mit deren Verfasser, Nietzsches Freund [[Franz Overbeck]], beeinflusst sind. Einige dieser Passagen weisen bereits auf Nietzsches spätere, radikale Kritik des Christentums hin, während andere eher indifferent sind oder das Christentum als Beispiel für Religion überhaupt vor übermäßigem „''Historisieren''“ in Schutz nehmen wollen. Zu diesem Thema siehe ([[#Literatur|Lit.]]: Sommer). Eduard von Hartmann hat die Schrift insofern beeinflusst, als Nietzsche ihn in Kapitel 9 zum Ziel eines heftigen Angriffs macht. Freilich rezipierte Nietzsche hier nur einen kleinen Ausschnitt aus Hartmanns Buch ''Philosophie des Unbewussten'', das er, wie bereits erwähnt, schon einige Jahre vor Abfassung der ''Unzeitgemäßen'' gelesen hatte. Seine Ablehnung war damals durchaus nicht so radikal gewesen wie hier. Es diente ihm offenbar eher als Beispiel für eine Zeitstimmung, die er bekämpfte. Siehe hierzu ([[#Literatur|Lit.]]: Salaquarda). === Parallele zum Hinduismus === Nietzsches anti-teleologische Sichtweise weist gewisse Parallelen zur Sicht der alten Inder auf, auch wenn ein direkter Einfluss eher unwahrscheinlich ist. Nietzsches drei Arten der Historie entsprechen bis zu einem gewissen Grade der [[Hinduismus|hinduistischen]] Götterwelt. An deren Spitze steht eine Dreiheit aus dem Schöpfer [[Brahma]], dem Bewahrer [[Vishnu]] und dem Zerstörer [[Shiva]]. Dem gegenüber stehen eine monumentalische Historie, die zu Neuem aufruft und antreibt, eine antiquarische Historie, die schon Erreichtes hegt und pflegt sowie eine kritische Historie, die gnadenlos Überkommenes verwirft und vernichtet. Bei den alten Indern ist zudem eine aus europäischer Sicht ungewöhnliche Betrachtung der Geschichte festzustellen. Hegel sagte, dass „''die indische Kultur kein Geschichtsbewusstsein und keine Geschichtsschreibung entwickelt hat, die sich mit der europäischen vergleichen ließen''“. Tatsächlich steht die hinduistische Denkweise diametral zur hegelschen: Das Einmalige und Zeitgebundene verblasst gegenüber dem Wiederkehrenden und Beständigen, was schließlich auch Einzug in die Philosophie Schopenhauers hielt. Auch Nietzsches späteren Gedanken von der „''ewigen Wiederkunft''“ mag man in diesen Zusammenhang stellen. == Deutungen und Rezeption == ''Vom Nutzen und Nachteil der Historie für das Leben'' ist schon in der ersten Phase der Nietzsche-Rezeption gegen Ende des 19. Jahrhunderts, erst recht aber im 20. Jahrhundert deutlich mehr und intensiver rezipiert worden als die anderen ''Unzeitgemäßen Betrachtungen''. Dies liegt sicherlich auch daran, dass sie als einzige ein allgemein-philosophisches Thema ohne die Betrachtung einer bestimmten Person zum Inhalt hat. Wiederkehrende und umstrittene Themen der Rezeption sind: * Deutung und Neuinterpretation der Begriffe ''monumentalisch'' – ''antiquarisch'' – ''kritisch'', * Berechtigung und bleibende Aktualität von Nietzsches Gegenwartskritik, * Zusammenhang mit früheren oder späteren Gedanken Nietzsches. === Salomé === Schon [[Lou Andreas-Salomé]] maß der zweiten ''Unzeitgemäßen'' große Bedeutung zu.<ref>Lou Andreas-Salomé: ''Friedrich Nietzsche in seinen Werken''. Erstausgabe 1894, hier zitiert nach der Taschenbuchausgabe im Insel Verlag, Frankfurt 2000, ISBN 3-458-34292-3. − „''Von dauernderem Interesse [als die erste Unzeitgemäße] ist die zweite höchst werthvolle Schrift''“, S. 92.</ref> Laut Salomé steht die Historie in dieser Schrift auch für das Gedankenleben allgemein, und dieses müsse nach Nietzsche dem Instinktleben dienen. In dieser Forderung und den Ausführungen zur „''plastischen Kraft''“ (''HL'', Kapitel 1) erkennt sie eine frühe Form von dem, was Nietzsche später das „Dionysische“ nannte. Wenn Nietzsche den gegenteiligen Zustand beschreibe, in dem eine Vielzahl fremder Einflüsse und Gedanken den Menschen, der sie nicht zu assimilieren und zu ordnen im Stande ist, zu einem „''passiven Schauplatz durcheinanderwogender Kämpfe''“<ref>Andreas-Salomé: ''Friedrich Nietzsche in seinen Werken''. S. 93.</ref> machten, nehme er seinen späteren [[Dekadenz]]begriff vorweg. Salomé ging auch Nietzsches eigener [[Psychologie|psychologischen]] Aussage nach, ihm sei die Gefahr der Historie bekannt gewesen, weil er sie an sich selbst beobachtet habe. Ihr zufolge hat Nietzsche oft seine Selbstbeobachtungen auf seine Umwelt projiziert, und so sei ihm die Historie als Gefahr des ganzen Zeitalters erschienen. Daher trage die Schrift einen widersprüchlichen Doppelcharakter, denn Nietzsche wende sich einerseits gegen die lähmende Wirkung der Verstandestätigkeit, wie er sie an Zeitgenossen beobachtete, andererseits aber auch gegen ein Übermaß an widerstreitenden Einflüssen und Empfindungen, wie er sie in sich selbst vorgefunden habe: „''Es ist ein Unterschied wie zwischen Seelenstumpfsinn und Seelenwahnsinn.''“<ref>Andreas-Salomé: ''Friedrich Nietzsche in seinen Werken''. S. 95.</ref> Die drei Arten der Historie könnten, so Salomé, rückblickend Nietzsches Schaffensperioden zugeordnet werden: die ''antiquarische'' dem Philologen, die ''monumentalische'' dem Jünger Schopenhauers und Wagners, und die ''kritische'' der positivistisch-freigeistigen Zeit. In seiner letzten Schaffensperiode habe Nietzsche dann versucht, zu einer Vereinigung und Überwindung dieser Betrachtungsweisen zu kommen. Dabei habe er, wenn auch modifiziert, auf die schon hier von ihm geforderten starken Naturen zurückgegriffen, deren unhistorische Stärke sich darin zeige, wie viel Historie sie vertragen. Was in Nietzsches frühem Geniekult der historisch-unhistorische, „''unzeitgemäße''“ Mensch sei, welcher „''durch die Vergangenheit, der Gegenwart überlegen, die Zukunft bau[t]''“<ref>Andreas-Salomé: ''Friedrich Nietzsche in seinen Werken'' S. 99.</ref>, das sei später unter anderen Vorzeichen der erlösende [[Übermensch]] geworden. Salomé bemerkt auch, dass Nietzsche in dieser Schrift schon den Gedanken der „''[[ewige Wiederkunft|Ewigen Wiederkunft]]''“ (als Idee der [[Pythagoreer]]) vorstellt, der ihm später so wichtig wurde. Mit einer Reihe von Zitaten aus Werken zwischen den ''Unzeitgemäßen'' und ''[[Also sprach Zarathustra]]'' deutet sie an, dass auch dieser Gedanke durchaus mit Nietzsches Thesen in ''Vom Nutzen und Nachteil der Historie für das Leben'' zusammenhängt. === Heidegger === [[Martin Heidegger]] schätzte die zweite ''Unzeitgemäße'' als eines der wichtigsten veröffentlichten Werke Nietzsches ein. Sie ist die einzige Schrift Nietzsches, die in ''[[Sein und Zeit]]'' explizit genannt und behandelt wird. Heidegger will hier (§ 76) zeigen, dass „''Historie''“ existenzial nur möglich sei aufgrund der „''[[Geschichtlichkeit]]''“ des Daseins. Eine Historie, die in einer „''eigentlichen''“ Geschichtlichkeit wurzelt, hat nach Heidegger das ''Mögliche'' zum Thema: sie „''enthüll[e]''“ da gewesenes Dasein in seiner Möglichkeit. Diese Erschließung von Möglichkeiten gründe sich weder aus der Vergangenheit noch aus der Gegenwart, sondern aus der Zukunft. Aber die Historie entfremde das Dasein auch von dieser eigentlichen Geschichtlichkeit; im Aufkommen des Problems des Historismus sieht Heidegger nur ein [[Symptom]] dieses tieferliegenden Verhängnisses. Nutzen und Nachteil könne die Historie für das Leben überhaupt nur deswegen haben, weil sich das Dasein schon für eigentliche oder uneigentliche Geschichtlichkeit entschieden habe. Nietzsche habe zu diesem Nutzen und Nachteil „''das Wesentliche […] erkannt und eindeutig-eindringlich gesagt''“. Auch Nietzsches Einteilung der drei Arten der Historie stimmt Heidegger zu, sieht diese Dreiheit aber noch viel tiefer in der existenzialen Struktur des Daseins begründet. „''Eigentliche Historie''“ müsse die Einheit dieser drei Arten von Historie sein. Dabei scheint Heidegger der ''monumentalischen'' Historie das Zukünftige, die Möglichkeit zuzuordnen, der ''antiquarischen'' das Gewesene, und schließlich sei monumentalisch-antiquarische Historie notwendig immer ''Kritik'' der Gegenwart. Auch nach der „''Kehre''“ schenkte Heidegger der Schrift Nietzsches Beachtung: Im Rahmen seiner Nietzsche-Vorlesungen hielt er 1938/39 ein Seminar über das Werk ([[#Literatur|Lit.]]: Heidegger). Darin problematisierte er besonders Nietzsches Begriff vom „''Leben''“ aus dem Titel der Schrift. Nietzsches Angriffe gegen die Geschichtswissenschaft bettete er in seine eigenen wissenschaftskritischen Gedanken ein. === White === Der Historiker und Literaturwissenschaftler [[Hayden White]] untersucht in seinem Hauptwerk ''Metahistory'' den Zusammenhang zwischen historischen Abhandlungen und der ihnen innewohnenden Semantik. Dazu hat er einerseits Nietzsches drei historische Funktionen (monumentalisch, antiquarisch, kritisch), andererseits dessen skeptische Haltung in Bezug auf eine wissenschaftliche Objektivität übernommen und teilweise neu gedeutet. White geht davon aus, dass sich der Geschichtsschreiber hauptsächlich einer der vier basalen [[Tropus (Rhetorik)|Tropen]] (Metonymie, Synekdoche, Metapher, Ironie) bediene und damit bereits eine immanente Bewertung der Historie vorgenommen habe. Jede dieser rhetorischen Figuren zöge demnach automatisch eine tendenziöse Lesart des Textes nach sich. Ein tatsächlich neutraler Standpunkt könne nie erreicht werden. Nach White wird das Individuum in der monumentalischen Historie als [[Subjekt (Philosophie)|Subjekt]] dargestellt, da es seine Taten waren, welche scheinbar besondere Auswirkungen innerhalb der Geschichte zur Folge hätten. Auf der sprachlichen Ebene bediene sich diese Art der Geschichtsschreibung der [[Metonymie]], also einer semantischen Figur, welche die Realität zu teilen und zu begrenzen versuche. Erst durch diese künstliche Aufspaltung der Geschichte sei es möglich, in speziellen Individuen (z. B. Genie, Eroberer) oder Prozessen (z. B. Klassenkampf) die eigentlichen Träger der Historie zu erkennen. Damit wirke die monumentalische Historie reduktionistisch. Ihr Wert liege in ihrem Bemühen, durch Deutungen der Gegenwart auch Prognosen für die Zukunft und damit Handlungsanweisungen für die Gegenwart zu erstellen. Ihre Gefahr hingegen sei ihre einseitige Hervorhebung einzelner historischer Elemente. In der antiquarischen Historie werde das Individuum zum [[Objekt (Philosophie)|Objekt]] in einer wohlgeordneten Welt, wodurch seine Identität bewahrt werden könnte. Diese Historie basiere auf der [[Synekdoche]], welche die Elemente der Realität als Teile eines größeren Ganzen darstelle. Dies führe dazu, dass sämtliche geschichtliche Erinnerung als zusammengehörend aufgefasst werde. Auf diese Weise könne dann der Einzelne einen Zusammenhang in lokalen und globalen Ereignissen erkennen. Somit wirke die antiquarische Historie integrativ. Im günstigsten Fall würde das Individuum seine eigene Geschichte in der seiner Kultur wiederfinden, da durch die Beschreibung von ihm nahestehenden Ereignissen (beispielsweise seiner Stadtgeschichte) leichter eine Beziehung zur „großen“ Historie hergestellt werden könne. Ansonsten bestehe aber die Gefahr, dass ein Rückzug auf ein reines Repetieren von Vergangenem stattfände – gleich ob dieses nun bedeutsam gewesen sei oder nicht. Die kritische Historie bediene sich einer weiteren semantischen Figur, nämlich der [[Ironie]], die durch Spott die kranke Vergangenheit eines Volkes auflöse. Damit könne einerseits das Pathos der monumentalischen und andererseits die Blasiertheit der antiquarischen Historie aufgedeckt werden. Diese „''gnadenlose''“ Ironie entkleide zwar die Realität von allen [[Mythos|Mythen]], hinterlasse dabei aber möglicherweise eine unerträgliche Leere. Dies führe entweder zu krankem [[Nihilismus]] oder zu einer animalischen Regression. Als vierte sprachliche Figur müsse deshalb die [[Metapher]] die Ironie in einer Balance halten: Die grausame und kalte Wirklichkeit werde dabei durch metaphorische Begriffe romantisierend umgedeutet. === Vattimo === [[Gianni Vattimo]] hält die Schrift für „''besonders faszinierend, obwohl sie […] mehr Probleme und Fragen aufwirft und stellt, als sie löst und beantwortet''“.<ref>Gianni Vattimo: ''Nietzsche: eine Einführung''. Metzler, Stuttgart 1992, ISBN 3-476-10268-8, S. 22.</ref> Vattimo meint, die zweite ''Unzeitgemäße'' lasse sich „''nur schwer als Endpunkt einer Entwicklung oder als Vorbereitung späterer Thesen − etwa der Lehre von der Ewigen Wiederkunft − begreifen''“<ref>Vattimo: ''Nietzsche: eine Einführung''. S. 22.</ref> und hält die umgekehrte These, Nietzsche habe in der weiteren Entwicklung seiner Philosophie seinen hier vertretenen Standpunkt Stück für Stück geräumt, für mindestens ebenso wahrscheinlich. Vattimo hält besonders die Kritik am „''Historismus''“ als einer der vorherrschenden Geistesströmungen des 19. Jahrhunderts für wichtig. Diese Kritik richte sich weniger gegen die hegelsche Metaphysik selbst als gegen ihre gesellschaftlichen Folgen, die einseitig auf die Geschichtsschreibung konzentrierte Bildung und Erziehung. Insbesondere Nietzsches Kritik am Gefühl des ''Epigonentums'' hebt Vattimo hervor. Die Menschen des späten 19. Jahrhundert hätten sich tatsächlich mittels der Lehren Hegels, [[Charles Darwin|Darwin]]s und des [[Positivismus]] – gegebenenfalls in popularisierter Form – als End- und Höhepunkt der „''Weltgeschichte''“ gefühlt. Mit der Beschreibung der geschwächten Persönlichkeit, die über ein Übermaß an Wissensbeständen, jedoch über keinen inneren Bezug dazu verfügt, und immer neue Reizmittel benötigt, habe Nietzsche „''ein charakteristisches Zeichen der Massenkultur […] im 20. Jahrhundert''“ vorausgesehen.<ref>Vattimo: ''Nietzsche: eine Einführung''. S. 25.</ref> Vattimo bemängelt aber Nietzsches Vorschlag eines Zurückgreifens auf „überhistorische“ Mächte, der nicht hinreichend durchdacht sei: „''[A]ngesichts der Klarheit und Eindeutigkeit der destruierenden Bestimmungen erscheinen die konstruktiven Aspekte der Schrift […] bestenfalls als eine Sammlung von Forderungen, die weithin unbestimmt bleiben.''“<ref>Vattimo: ''Nietzsche: eine Einführung''. S. 26.</ref> Zwischen die Entstehung von ''Vom Nutzen und Nachteil der Historie für das Leben'' und ''Menschliches, Allzumenschliches'' (1878) hat Vattimo den Beginn der philosophischen [[Postmoderne]] datiert:<ref>Gianni Vattimo: ''Nihilismus und Postmoderne in der Philosophie''. In: derselbe: ''Das Ende der Moderne''. Reclam, Stuttgart 1990, ISBN 3-15-008624-8, S. 178f.</ref> Nietzsche habe klar gesehen, dass die „''Überwindung''“ – ein von Vattimo weitläufig diskutierter Begriff, dem er den von Heidegger entlehnten der „Verwindung“ gegenüberstellt – selbst ein typisch „''moderner''“ Akt und damit nicht auf die Moderne selbst anwendbar sei. In der frühen Schrift habe er den wenig überzeugenden Rückgriff auf überhistorische und äternisierende Mächte versucht, in seiner folgenden Periode habe sich Nietzsche zu einer Auflösung der Moderne durch die „''Radikalisierung eben der diese Moderne selbst konstituierenden Tendenzen''“<ref>Vattimo: ''Nihilismus und Postmoderne in der Philosophie''. S. 180.</ref> entschlossen. === Weitere === Von mehreren Interpreten hat es Kritik an Nietzsches auch hier benutztem Kulturbegriff („''Einheit des künstlerischen Stiles in allen Lebensäußerungen eines Volkes''“, so bereits in der ersten ''Unzeitgemäßen''<ref>UB I, Kapitel 1, KSA 1, S. 163; UB II, Kapitel 4, KSA 1, S. 274.</ref>) gegeben. Die Forderung nach einer solchen Einheit verkenne die wertvollen Möglichkeiten eines [[Pluralismus (Politik)|Pluralismus]] auch in Kunst und Kultur. Auch sei es verwunderlich, dass Nietzsche die Frage danach, inwieweit auch seine Kritik selbst historisch bedingt sei, nicht stelle. Überhaupt nenne er keine formalen Gründe für seine Thesen, die ganze Schrift argumentiere nicht, sondern beharre auf ihrer eigenen, unbedingten Gültigkeit. (Eine ähnliche Kritik äußerte übrigens schon Erwin Rohde, nachdem er von Nietzsche dazu aufgefordert worden war: „''Du <u>deducirst</u> allzu wenig, sondern überlässest dem Leser mehr als billig und gut ist, die Brücken zwischen Deinen Gedanken und Sätzen zu finden''“<ref>Brief vom 24. März 1874, KGB Abt. II Band 4, S. 419ff.</ref>) Tatsächlich sei es aber beispielsweise keineswegs selbstverständlich, dass ein Gegensatz zwischen wissenschaftlicher Tätigkeit und [[Vitalität]] bestehe. Der Gegensatz Historie/Leben bzw. allgemeiner: wissenschaftliche Erkenntnis/Leben werde von Nietzsche nur behauptet, nicht bewiesen. Die Frage, ob die Schrift noch Aktualität besitzt oder nicht – letzteres schon deswegen, weil ihr Publikum und das Objekt der Kritik nicht mehr vorhanden seien – bekommt mit wachsendem zeitlichem Abstand zu ihrem Erscheinen natürlich größeres Gewicht. Eine eindeutige Antwort darauf gibt es bisher aber nicht, vielmehr wird kontrovers diskutiert ([[#Literatur|Lit.]]: Borchmeyer). Auch von denjenigen, die Nietzsches Angriffe gegen den Historismus teilen, werden seine Lösungsvorschläge kritisch betrachtet. Der Rückgriff auf „''überhistorische''“ Kräfte, namentlich Kunst und Religion, sei nicht überzeugend. Entsprechend habe auch Nietzsche selbst in seiner nächsten Schaffensphase gerade diese beiden einer scharfen Kritik unterzogen. ==Quellen und Anmerkungen== <references /> == Literatur == === Ausgaben === Siehe [[Nietzsche-Ausgabe]] für allgemeine Informationen. *In der von [[Giorgio Colli]] und [[Mazzino Montinari]] begründeten ''Kritischen Gesamtausgabe'' (''KGW'') ist ''Vom Nutzen und Nachteil der Historie für das Leben'' zu finden in **Abteilung III, Band 1 (zusammen mit der ''Geburt der Tragödie'', der ersten und der dritten ''Unzeitgemäßen Betrachtung''), ISBN 3-11-004227-4. Der ''Nachbericht'', d. h. kritische Apparat hierzu findet sich in Abteilung III, Band 5, ISBN 3-11-007774-4. *Denselben Text liefert die ''Kritische Studienausgabe'' (''KSA'') in Band 1 (zusammen mit der ''Geburt der Tragödie'', allen anderen ''Unzeitgemäßen Betrachtungen'', nachgelassenen Basler Schriften und mit einem Nachwort von Giorgio Colli). Der Band ''KSA 1'' erscheint auch als Einzelband unter der ISBN 3-423-30151-1. Der zugehörige Apparat befindet sich im Kommentarband (''KSA 14''), S. 64–74. *Im [[Ernst Klett Verlag|Ernst Klett Schulbuchverlag]] erschien 1995 eine Ausgabe der Schrift mit Materialien und Interpretationen, darin Texte von [[Wilhelm Weischedel]], [[Hans-Georg Gadamer]], [[Jacob Burckhardt]] und anderen, herausgegeben von Joachim Vahland, ISBN 3-12-692040-3. *Neben Einzelausgaben der Schrift bei [[Reclam-Verlag|Reclam]] (ISBN 3-15-007134-8) und [[Diogenes Verlag|Diogenes]] (ISBN 3-257-21196-1) gibt es (der ''KSA'' textkritisch unterlegene) Ausgaben aller ''Unzeitgemäßen Betrachtungen'' **im [[Goldmann Verlag]] mit Anmerkungen von [[Peter Pütz]], ISBN 3-442-07638-2, **im [[Insel Verlag]] mit einem Nachwort von [[Ralph-Rainer Wuthenow]], ISBN 3-458-32209-4. === Sekundärliteratur === Alle großen Monographien zu Nietzsche behandeln auch die zweite ''Unzeitgemäße Betrachtung'', siehe deswegen grundsätzlich die '''[[Friedrich Nietzsche#Literatur|Literaturliste im Artikel „Friedrich Nietzsche“]]'''. Ausführliche Bibliographien finden sich in den hier aufgeführten Werken Salaquardas und Sommers sowie unten bei [[#Weblinks|Weblinks]]. Siehe auch: {{Philosophie-Bibliographie|Friedrich Nietzsche}} *[[Dieter Borchmeyer]] (Hrsg.): ''„Vom Nutzen und Nachteil der Historie für das Leben“''. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1996, ISBN 3-518-28861-X. (Sammlung von Aufsätzen mit Bezug zum Werk, unter den Autoren: [[Hans-Georg Gadamer]], [[Hermann Lübbe]], [[Kurt Hübner (Philosoph)|Kurt Hübner]], [[Klaus Berger]], [[Harald Weinrich]] u.a.) * Jacobus A.L.J.J. Geijsen: ''Geschichte und Gerechtigkeit: Grundzüge einer Philosophie der Mitte im Frühwerk Nietzsches''. de Gruyter, Berlin/New York 1997, ISBN 3-11-015647-4. (Monographien und Texte zur Nietzsche-Forschung, Nr. 39, zugl. Dissertation an der Universität Leiden) *Gerhard Haeuptner: ''Die Geschichtsansicht des jungen Nietzsche: Versuch einer immanenten Kritik der zweiten unzeitgemäßen Betrachtung''. Kohlhammer, Stuttgart 1936. *[[Martin Heidegger]]: ''Zur Auslegung von Nietzsches II. Unzeitgemässer Betrachtung: „Vom Nutzen und Nachteil der Historie für das Leben“''. Heidegger-Gesamtausgabe, Bd. 46, Klostermann, Frankfurt am Main 2003, ISBN 3-465-03286-1. *Jörg Salaquarda: ''Studien zur Zweiten Unzeitgemäßen Betrachtung''. In: ''Nietzsche-Studien. Internationales Jahrbuch für die Nietzsche-Forschung'' 13, 1984, S.1–45, {{ISSN|0342-1422}}. (Salaquarda untersucht in drei kurzen Studien: 1. warum Nietzsche die Schrift später missachtete, 2. die Entstehung der Schrift, 3. Funktion, Berechtigung und Tragweite der Auseinandersetzung mit Hartmann.) *Hartmut Schröter: ''Historische Theorie und geschichtliches Handeln – zur Wissenschaftskritik Nietzsches''. Mäander, Mittenwald 1982, ISBN 3-88219-108-2. (Zugleich Dissertation an der Universität Tübingen) *[[Andreas Urs Sommer]]: ''Der Geist der Historie und das Ende des Christentums. Zur Waffengenossenschaft von Friedrich Nietzsche und Franz Overbeck''. Akademie-Verlag, Berlin 1997, ISBN 3-05-003112-3. (Geht Gemeinsamkeiten und Unterschieden im Geschichtsverständnis Overbecks und Nietzsches nach und widmet dabei ''Vom Nutzen und Nachteil der Historie für das Leben'' besondere Aufmerksamkeit.) *[[Hayden White]]: ''Metahistory: die historische Einbildungskraft im 19. Jahrhundert in Europa''. Fischer, Frankfurt am Main 1994, ISBN 3-596-11701-1. (Untersucht die Sprache der Geschichtsschreibung nach literaturwissenschaftlichen Kriterien und nimmt dabei stark auf Nietzsches Theorie der Historie Bezug.) == Weblinks == {{Zeno-Werk|Philosophie/M/Nietzsche,+Friedrich/Unzeitgem%C3%A4%C3%9Fe+Betrachtungen/2.+Vom+Nutzen+und+Nachteil+der+Historie+f%C3%BCr+das+Leben}} *Vollständiger Text **beim [http://gutenberg.spiegel.de/nietzsch/unzeit/unzeit2.htm Projekt Gutenberg] **als [http://www.historiapro-geschichte.de/?column=4&document=19&language=de&templateset=1&language=de&templateset=1 PDF oder Word-Datei] von ''www.historiapro-geschichte.de'' *[http://ora-web.swkk.de/nie_biblio_online/nietzsche.werk_reg_ktl?p_id=1162 Literatur zu ''Vom Nutzen und Nachteil der Historie für das Leben''], Verzeichnis der Weimarer Nietzsche-Bibliographie {{DEFAULTSORT:Vom Nutzen und Nachteil der Historie fur das Leben}} {{Exzellent}} [[Kategorie:Philosophisches Werk]] [[Kategorie:Literarisches Werk]] [[Kategorie:Literatur (19. Jahrhundert)]] [[Kategorie:Literatur (Deutsch)]] [[Kategorie:Friedrich Nietzsche]] [[it:Sull'utilità e il danno della storia per la vita]] [[nl:Vom Nutzen und Nachteil der Historie für das Leben]] gxu6ti1ks9dpzjnki92t1a1vhtom6ut wikitext text/x-wiki Vulva 0 24459 28421 28377 2011-10-28T03:36:33Z 67.181.109.2 /* Ontogenetische Entwicklung */ rm link to deleted image [[Datei:Female pubic hair cropped.jpg|miniatur|Vulva mit originärer [[Schambehaarung]]; die äußeren [[Schamlippe]]n verdecken die inneren Schamlippen, den [[Scheideneingang]] und die [[Klitoris]]]] [[Datei:Vagina,anus,perineum (detail).jpg|miniatur|Vulva, [[Perineum]] und [[Anus]] einer [[Frau]]; durch die auseinanderklaffenden Labien ist der Scheideneingang sichtbar]] Die '''Vulva''' ([[Plural|pl.]] [[Latein|lat.]] ''Vulvae,'' [[Deutsche Sprache|dt.]] ''die Vulven;'' auch ''Pudendum femininum'' ‚weibliche Scham‘) ist die Gesamtheit der äußeren primären [[Geschlechtsorgan]]e weiblicher [[Säugetiere]]. Sie besteht aus den [[Schamlippe]]n und dem [[Klitoris|Kitzler]]. In der [[Anatomie]] des Menschen wird, im Gegensatz zur Tieranatomie, auch der [[Scheidenvorhof]] zur Vulva gerechnet. Von diesem aus führt die [[Vagina]] zur [[Gebärmutter]] und die kurze [[Harnröhre]] zur [[Harnblase]]. Außerhalb der medizinischen Fachsprache wird die Vulva auch (mit Bedeutungserweiterung oder [[Metonymie|metonymischer]] Bedeutungsübertragung) als Scheide ''(Vagina)''<ref>z. B. bei [http://www.frauenaerzte-im-netz.de/de_geschlechtsorgane-aeussere-geschlechtsorgane_573.html Äußere Geschlechtsorgane] bei Frauenärzte im Netz.de; Harriet Lerner: ''‘V’ is for vulva, not just vagina.'' LJ World.com, Mai 2003, [http://www2.ljworld.com/news/2003/may/04/v_is_for/ online]; Stephan Maus: [http://www.stern.de/kultur/buecher/vulva-das-verschwiegene-sexorgan-661567.html ''Vulva. Das verschwiegene Sexorgan.''] Stern.de, 22. April 2009; Florian Borchmeyer: [http://aspekte.zdf.de/ZDFde/inhalt/8/0,1872,7515336,00.html ''“Das da unten.” “Vulva” – Die Kulturgeschichte des weiblichen Geschlechts.''] [[ZDF]] Sendung ''[[aspekte]]'' vom 13. Februar 2009</ref>, zuweilen auch als ''äußere Scheide''<ref>''[http://www.bravo.de/online/render.php?render=5119 Scheide & Vulva: Das Zentrum der Lust!],'' auf [[Bravo (Zeitschrift)|Bravo]].de</ref> bezeichnet. Ein medizinisch ebenfalls eingeführtes<ref> Fr. Kopsch: ''Rauber Kopsch Lehrbuch und Atlas der Anatomie des Menschen'', Abteilung 4 Eingeweide, 13. Auflage, Georg Thieme Verlag Leipzig, 1929</ref> in literarischer oder gehobener Alltagssprache auch gebrauchtes Fremdwort ist ''Cunnus'' (pl. ''Cunni''), das in der klassischen lateinischen Literatur jedoch vorwiegend als [[Obszönität|obszöner]] Ausdruck oder mit erotischen [[Konnotation]]en gebraucht wurde.<ref>Wilfried Stroh: [http://www.lrz-muenchen.de/~stroh/schriften/obszoenitaet.html ''Sexualität und Obszönität in römischer “Lyrik”.''] In: Theo Stemmler, Stephan Horlacher (Hrsg.): ''Sexualität in der Lyrik.'' Mannheim 2000, 11-49</ref> == Anatomie beim Menschen == === Makroskopische Anatomie === [[Datei:Labia beschriftet.jpg|miniatur|Menschliche Vulva]] Die Vulva umfasst die äußeren, primären Geschlechtsorgane der [[Frau]]. Das sind die einfassenden Anteile [[Venushügel]] und große äußere [[Schamlippe]]n und die inneren Schamlippen, die [[Klitoris]] und der [[Scheidenvorhof]] mit den Ausgängen der [[Vagina]], der [[Harnröhre]] und der [[Vestibulardrüse]]n.<ref name="Pschyrembel Vulva">Stichwort „Vulva“ in ''Pschyrembel Wörterbuch Sexualität.'' Walter de Gruyter, Berlin 2006; Seite 581. ISBN 3-11-016965-7.</ref><ref name="Schäffler & Menche">Arne Schäffler, Nicole Menche: ''Mensch – Körper – Krankheit.'' 3. Auflage, Urban & Fischer Verlag München 1999; S. 396–397.</ref> In der Bildungsphase der Organe beim [[Embryo]] ([[Organogenese]]) entsteht die Vulva aus dem [[Genitalhöcker]] und den seitlich davon liegenden [[Geschlechtswulst|Geschlechtswülsten]]. Der [[Venushügel]] (''Mons pubis''/''Mons veneris'') und die großen Schamlippen (''Labia majora pudendi'') stellen die äußere Begrenzung der Vulva dar. Bis zur [[Pubertät]] (genauer: [[Pubarche]]) sind sie unbehaart, bei erwachsenen Frauen sind sie mit [[Schamhaar]] bewachsen. Die großen Schamlippen enthalten [[Talgdrüse|Talg-]], [[Schweißdrüse|Schweiß-]] und [[Duftdrüse]]n und bilden die [[Schamspalte]] (''Rima pudendi'').<ref name="Schäffler & Menche" /> Zwischen den äußeren großen Schamlippen liegen die beiden sogenannten kleinen Schamlippen (''Labia minora pudendi''), auch ''Nymphae'' genannt. Sie sind nicht behaart und produzieren Talg. An der vorderen Umschlagfalte der inneren Schamlippen (''Commissura labiorum anterior'', in der Tieranatomie als ''Commissura labiorum ventralis'' bezeichnet) liegt die [[Klitoris]], der ''Kitzler''. Die Klitoris ist ein [[Zylinder (Geometrie)|zylinderförmiges]], von Schwellkörpergewebe gebildetes und [[erektil]]es Organ, welches mit [[Nerv]]enenden durchsetzt ist und besonders in der Lage ist, auf [[Körperkontakt|Berührung]] zu reagieren. Die Klitoris entspricht entwicklungsgeschichtlich dem männlichen [[Penis]]; ebenso wie dieser hat sie eine [[Glans penis|Eichel]] (''Glans clitoridis'') und eine [[Klitorisvorhaut|Vorhaut]] (''Praeputium clitoridis''). Die Klitorisschenkel bilden die [[Vorhofschwellkörper]], die den [[Harnröhrenschwellkörper]]n des Mannes entsprechen.<ref name="Schäffler & Menche" /> Die inneren Schamlippen umschließen den [[Scheidenvorhof]], in den die [[Harnröhre]] ''(Urethra femina)'' und dahinter der Eingang der Vagina ''(Introitis vaginae,'' in der Tieranatomie ''Ostium vaginae)'' münden. Der Scheideneingang ist bei [[Mädchen]] durch das aus einer Hautfalte gebildete Jungfernhäutchen ''([[Hymen]])'' teilweise verschlossen. Nach stärkerer Dehnung, üblicherweise nach einer Geburt, können die Überreste des Hymens zu den ''[[Carunculae hymenales]]'' [[Narbe (Wundheilung)|vernarben]].<ref>[[Pschyrembel (Medizinisches Wörterbuch)|Pschyrembel]], 256. Auflage, Berlin 1990: „''Carunculae hymenales myrtiformes:'' [[Myrte|myrtenblattförmige]] Reste des zerstörten Hymens; i.a. nach Geburten.“</ref><ref>''Roche Lexikon Medizin.'' Urban & Fischer Verlag, 4.Auflage, München 1999</ref><ref name="Schiebler">{{Literatur | Autor = Theodor H. Schiebler, Horst-W. Korf | Titel = Anatomie: Histologie, Entwicklungsgeschichte, makroskopische und mikroskopische Anatomie, Topographie | Verlag = Springer Verlag | ISBN = 3-798-51770-3 | Jahr = 2007 | Online = {{Google Buch | BuchID = lfDAwGTlERwC&pg=PA433 | Linktext = Volltext }} }}</ref><ref>Stichwort „Hymen“ in ''Pschyrembel Wörterbuch Sexualität.'' Walter de Gruyter, Berlin 2006; Seite 225–226. ISBN 3-11-016965-7</ref> Im unteren Drittel der kleinen Schamlippen sind die beiden großen Vorhofdrüsen ([[Bartholinsche Drüse]]n, ''Glandulae vestibulares majores'') und mehrere kleine Vorhofdrüsen eingebettet. Sie sorgen für die Befeuchtung des Scheidenvorhofes.<ref name="Schäffler & Menche" /> Die Vulva wird über Äste der [[Arteria pudenda interna]] mit [[Blut]] versorgt, die [[Nerv]]en der Vulva stammen aus Ästen des [[Nervus pudendus]] ''(Nervi labiales, Nervus dorsalis clitoridis)''.<ref name="Gille" /> Jede Vulva ist in ihrem Erscheinungsbild individuell. So unterscheiden sich die Größe der Klitoris, der Schamlippen, die Farbe und Oberflächenstruktur, die Entfernung von der Klitoris zur Harnröhrenmündung und die Distanz von der hinteren Umschlagfalte der inneren Schamlippen ''(Commissura labiorum posterior),'' bis zum [[Anus]] in weiten Grenzen.<ref name="Lloyd">Lloyd J, Crouch NS, Minto CL, Liao LM, Creighton SM: ''Female genital appearance: "normality" unfolds.'' BJOG 112 (2005), 643-6, PMID 15842291, {{DOI|10.1111/j.1471-0528.2004.00517.x}}</ref> Diese Variationen erklären auch die Unterschiede zu, häufig nachbearbeiteten, Abbildungen von äußeren Geschlechtsteilen, die einem idealisierten Schönheitsideal entsprechen.<ref name="Borkenhagen">Ada Borkenhagen, Heribert Kentenich: ''Labienreduktion – Neuester Trend der kosmetischen Genitalkorrektur – Übersichtsarbeit'' Geburtsh Frauenheilk 69 (2009), 19–23, {{DOI|10.1055/s-2008-1039241}}</ref> {| class="wikitable float-left" style="width:66%;" |+ Genitalmaße und weitere Eigenschaften der Vulva |- style="background: #DDFFDD;" !- style="background: #DDFFDD" width="85%" | Maß !- style="background: #DDFFDD" width="15%" | Schwankungsbreite |- | style="text-align:left" | Sichtbare Länge der Klitoris | style="text-align:center" | 5–35 mm |- | style="text-align:left" | Breite der Glans clitoridis (Eichel) | style="text-align:center" | 3–10 mm |- | style="text-align:left" | Abstand zwischen Klitoris und Harnröhrenmündung | style="text-align:center" | 16–45 mm |- | style="text-align:left" | Länge der äußeren Schamlippen (von vorn nach hinten) | style="text-align:center" | 7,0–12,0 cm |- | style="text-align:left" | Länge der inneren Schamlippen (von vorn nach hinten) | style="text-align:center" | 2,0–10,0 cm |- | style="text-align:left" | Länge der inneren Schamlippen (vom Ansatz bis zum freien Ende) | style="text-align:center" | 7–50 mm |- | style="text-align:left" | Länge des Damms | style="text-align:center" | 15–55 mm |} {| class="wikitable" |+ von 50 untersuchten Frauen<ref name="Lloyd"/><ref name="Borkenhagen"/> !- style="background: #DDFFDD" width="75%" | Farbe der Vulva im Vergleich zur umgebenden Haut !- style="background: #DDFFDD" width="25%" | Anzahl der Frauen |- valign="middle" | style="text-align:left" | gleich | style="text-align:center" | 9 |- | style="text-align:left" | dunkler | style="text-align:center" | 41 |- ! style="background: #DDFFDD;" | Faltung der Labien |- | style="text-align:left" | glatt | style="text-align:center" | 14 |- | style="text-align:left" | mäßig | style="text-align:center" | 34 |- | style="text-align:left" | ausgeprägt | style="text-align:center" | 2 |} <br style="clear:left;" /> === Mikroskopische Anatomie === [[Histologie|Feingeweblich]] bestehen die obersten Schichten der meisten Vulvaanteile aus mehrschichtigem nichtverhornten [[Epithel#Mehrschichtige Epithelien|Plattenepithel]], welches in höherem Lebensalter jedoch zur Verhornung und [[Atrophie]] neigt. Die Innenseiten der inneren Schamlippen weisen ein unverhornendes, die Außenseiten ein schwach verhornendes Plattenepithel auf. Ein mehrschichtiges, meist verhorntes Plattenepithel findet sich als Bedeckung der Innenseiten, ein verhorntes an den Außenseiten der äußeren Schamlippen. In der [[Lamina propria]] des Scheidenvorhofs sind [[Talgdrüse]]n eingelagert, die einen Schutzfilm gegen die Einwirkung des [[Urin]]s bilden. Solche Talgdrüsen finden sich auch in den inneren und äußeren Schamlippen. Letztere weisen zusätzlich [[Haarwurzel]]zellen, [[Schweißdrüse]]n und [[Glatte Muskulatur|glatte Muskelzellen]] auf. Besonders viele [[Nervenfaser#Sensible Nervenfasern|sensible Nervenfasern]] und [[Rezeptor|-endigungen]] findet man in den Schamlippen und der Klitoris.<ref>{{Literatur | Autor = Daniel Baumhoer, Ingo Steinbrück, Werner Götz | Titel = Histologie | Verlag = Elsevier, Urban & Fischer Verlag | ISBN = 3-437-42231-6 | Jahr = 2003 | Online = {{Google Buch | BuchID = -i4LJJYF1VkC&pg=PA226 | Linktext = Volltext }} }}</ref><ref>{{Literatur | Autor = Renate Lüllmann-Rauch | Titel = Taschenlehrbuch Histologie | Verlag = Georg Thieme Verlag | ISBN = 3-131-29242-3 | Jahr = 2006 | Online = {{Google Buch | BuchID = 2A0NMN84Ad0C&pg=PA506 | Linktext = Volltext }} }}</ref> == Vergleichende Anatomie == [[Datei:Perineum-cat.jpg|miniatur|Anus, Damm und (leicht gespreizte) Vulva einer Hauskatze]] Als Vulva werden in der Regel ausschließlich die äußeren Geschlechtsorgane der Säugetiere benannt, obwohl die Bezeichnung in der wissenschaftlichen Literatur auch für funktionell vergleichbare ([[Analogie (Biologie)|analoge]]) Strukturen bei anderen Tiergruppen wie etwa [[Fadenwürmer]]n (Nematoda) verwendet wird.<ref>Bsp.: E. Szabó, B. Hargitai, A. Regos, B. Tihanyi, J. Barna, E. Borsos, K. Takács-Vellai, T. Vellai: ''TRA-1/GLI controls the expression of the Hox gene lin-39 during C. elegans vulval development.'' Developmental Biology 330(2), 2009: S. 339–348. PMID 19361495.</ref> Bei den Säugetieren mit Ausnahme der [[Kloakentiere]] ist der Ausgang der Harn- und Geschlechtsöffnung vom [[Darm]]ausgang durch den Damm ([[Perineum]]) getrennt. Kloakentiere besitzen keine Vulva und keine Vagina, die beiden [[Gebärmutter|Gebärmütter]] (Uteri) und die Harnröhre münden gemeinsam mit dem Darm in eine [[Kloake (Biologie)|Kloake]]. Kloaken werden während der [[Embryogenese|Embryonalentwicklung]] bei allen Säugetieren einschließlich des Menschen angelegt. Bei den [[Beutelsäuger|Beutel-]] und [[Höhere Säugetiere|Plazentatieren]] wird sie später durch eine Gewebsschicht, das [[Septum urogenitale]], in einen vorderen Bereich mit den Geschlechtsorganen und der Harnblase und einen hinteren Bereich mit dem Darmausgang getrennt.<ref>Nadja Møbjerg: ''Organe der Osmoregulation und Exkretion'' in: W. Westheide und R. Rieger: ''Spezielle Zoologie. Teil 2: Wirbel- oder Schädeltiere.'' Spektrum Akademischer Verlag, München 2004; S.151. ISBN 3-8274-0307-3</ref> Der prinzipielle Aufbau der Vulva unterscheidet sich innerhalb der Säugetiere nur wenig. Eine maßgebliche Besonderheit der menschlichen Vulva besteht im Vorhandensein der äußeren Schamlippen: Die meisten Säugetiere besitzen nur ein Paar Schamlippen, das [[Vergleichende Anatomie|vergleichend-anatomisch]] den kleinen Schamlippen der Frau entspricht<ref name="Gille">Uwe Gille: ''Weibliche Geschlechtsorgane''. In: F.-V. Salomon u.&nbsp;a. (Hrsg.): ''Anatomie für die Tiermedizin''. Enke, Stuttgart, 2. erw. Aufl. 2008, S. 379–389. ISBN 978-3-8304-1075-1</ref> (Entsprechung im Sinne einer [[Homologie (Biologie)|Homologie]]). Auch wölbt sich das [[Schambein]] bei Tieren nicht als Venushügel vor.<ref>Hartmut Greven: ''Fortpflanzung und Entwicklung'' in: W. Westheide und R. Rieger: ''Spezielle Zoologie. Teil 2: Wirbel- oder Schädeltiere.'' Spektrum Akademischer Verlag, München 2004; S.151. ISBN 3-8274-0307-3</ref> Der Scheidenvorhof ist bei den meisten Tieren deutlich länger als der von den Schamlippen eingegrenzte Raum, so dass der Scheidenvorhof in den [[Nomenklatur (Anatomie)|Nomina Anatomica Veterinaria]] nicht zur Vulva gerechnet wird. Das Jungfernhäutchen, das bei vielen Säugetieren nur eine zarte Ringfalte darstellt, gehört demzufolge ebenfalls nicht zur Vulva. Die Kitzlervorhaut ist bei zahlreichen Säugetieren fest mit der Eichel verwachsen, so dass keine Kitzlergrube ausgebildet ist.<ref name="Gille"/> == Physiologie == [[Datei:Baboon buttocks.jpg|thumb|Regelschwellung bei einem weiblichen [[Paviane|Pavian]]]] [[Datei:Female sexual arousal.JPG|miniatur|Schamlippen im Normalzustand und bei einer [[Sexuelle Erregung|erregten]] Frau mit deutlich sichtbarer [[Lubrikation]]]] Aufgrund ihrer Ausstattung mit Talg-, Schweiß- und Duftdrüsen kommt es vor allem in den Bereichen zwischen den Schamlippen und des Scheidenvorhofs zu ständiger Bildung von [[Talg]] und [[Schweiß]], die für eine Befeuchtung der Schleimhäute der Genitalien sorgen. Talgreste können sich mit Verunreinigungen in den Schleimhautfalten der Vulva absetzen und das so genannte [[Smegma]] bilden. Physiologische Veränderungen der Vulva in ihrer Gesamtheit treten vor allem vor und während des [[Geschlechtsverkehr]]s sowie während der [[Geburt]] des Nachwuchses auf. === Veränderung der Vulva während des Sexualzyklus === Bei vielen Säugetieren treten auch während des [[Sexualzyklus]] Veränderungen der Vulva auf, deren Ausmaß artspezifisch und individuell variiert. In der [[Sexualzyklus#Östrus|Brunst]] (Östrus) kommt es zu einer stärkeren Durchblutung und damit zu einer Anschwellung und Rötung der Vulva<ref name="Gille"/> wie dies beispielsweise bei der [[Regelschwellung]] verschiedener Primaten zu beobachten ist. === Veränderung der Vulva im sexuellen Reaktionszyklus und beim Geschlechtsakt === Mit dem Einsetzen [[Sexueller Reaktionszyklus|sexueller Erregung]] kommt es zu zahlreichen physiologischen Veränderungen der Vulva, die zusammengenommen den weiblichen Genitaltrakt auf den Geschlechtsverkehr vorbereiten. Die Reaktionen werden in verschiedene, zeitlich aufeinander folgende Phasen eingeteilt: Die Erregungsphase, Plateauphase, Orgasmusphase und Rückbildungsphase. Die Erregungsphase kann sich über mehrere Stunden hinziehen und wird durch mechanische Stimulation oder sexuell erregende Stimuli (auch psychische wie zum Beispiel sexuelle Vorstellungen oder Träume) ausgelöst. Die Phase zeichnet sich durch eine verstärkte Durchblutung der Strukturen der Vulva aus. Diese wird durch eine [[Vasokonstriktion]] der ableitenden, venösen Blutgefäße hervorgerufen. Es kommt zu einem Anschwellen der Klitoris und der Vorhofschwellkörper ([[Erektion]]), die Haut färbt sich dunkler. Es kommt zum Einsetzen der [[Lubrikation]], das heißt einer zunehmenden Absonderung von Sekret aus den [[Akzessorische Geschlechtsdrüse|akzessorischen Geschlechtsdrüsen]], die sich in der Plateauphase verstärkt. Die Lubrikation dient der Befeuchtung von Vagina und Schamlippen, um die Penetration zu erleichtern sowie das Gleiten des Penis in der Vagina zu ermöglichen. Die mechanische Reizung der Vaginalhaut durch den eingeführten Penis verstärkt die Erektion der Vulva und führt zur Schwellung der unteren Scheidenwand. Die Orgasmusphase ist von Muskelkontraktionen der [[Beckenbodenmuskulatur]] begleitet. Unmittelbar vor dem Orgasmus zieht sich die Eichel der Klitoris unter die Klitorisvorhaut zurück. Die Klitoris ist direkt nach dem Orgasmus oft sehr empfindlich, zusätzliche Stimulation mitunter unangenehm. In der dem Orgasmus folgenden Rückbildungsphase kommt es wieder zu einem, durch [[Vasodilatation]] bedingten, Abfluss des Blutes aus der Region. Die Strukturen schwellen wieder ab, die Feuchtigkeit geht zurück und der Normalzustand stellt sich wieder ein.<ref>[http://www.frauenaerzte-im-netz.de/de_sexuelle-lust-der-weibliche-orgasmus-der-sexuelle-reaktionszyklus_214.html Frauenärzte im Netz: ''Sexuelle Lust & der weibliche Orgasmus. Der sexuelle Reaktionszyklus'']</ref><ref>J.R. Berman: ''[http://www.nature.com/ijir/journal/v17/n1s/full/3901428a.html Physiology of female sexual function and dysfunction.]'' International Journal of Impotence Research 17 (2005), 44–51.</ref> [[Datei:Pregnant vulva belly.jpg|miniatur|Vulvaschwellung bei einer Schwangeren]] === Veränderungen der Vulva in der Schwangerschaft === Vor allem im letzten Drittel der Schwangerschaft kommt es bei vielen Frauen zu einer vermehrten Pigmentierung der [[Linea alba]] (dann, je nach Ausprägung der Verfärbung, als ''[[Linea nigra]]'' (schwarze Linie), oder auch ''Linea fusca'' (braune Linie) bezeichnet), der [[Brustwarze]]nhöfe (Areolae) und der Vulva. Diese wird vermutlich durch eine vermehrte Sekretion des [[Melanozyten-stimulierendes Hormon|melanozyten-stimulierenden Hormons]] hervorgerufen.<ref>{{Literatur | Autor = Kurt J. G. Schmailzl, B.-Joachim Hackelöer | Titel = Schwangerschaft und Krankheit: Wechselwirkung, Therapie, Prognose | Verlag = Georg Thieme Verlag | ISBN = 3-894-12446-6 | Jahr = 2002 | Online = {{Google Buch | BuchID = I6dCcZJ4ghsC&pg=PA492 | Linktext = Volltext }} }}</ref> Diese zählen zu den wahrscheinlichen [[Schwangerschaftszeichen]]. Außerdem kann es durch eine Stauung der [[Vene]]n im Becken zu Schwellungen und zur Bildung von Krampfadern im Bereich der Vulva kommen (''Varicosis vulvae gravidarum'' oder ''Varicosis vulva in graviditate'').<ref>{{Literatur | Autor = J. W. Dudenhausen | Titel = Frauenheilkunde und Geburtshilfe | Verlag = Walter de Gruyter | ISBN = 3-110-16562-7 | Jahr = 2002 | Online = {{Google Buch | BuchID = l1dVrgL-_dAC&pg=PR359 | Linktext = Volltext }} }}</ref><ref name="Küppers">{{Literatur | Autor = V. Küppers, H. G. Bender | Titel = Blickdiagnostik Vulva | Verlag = Elsevier, Urban & Fischer Verlag | ISBN = 3-437-23270-3 | Jahr = 2003 | Online = {{Google Buch | BuchID = NSUbYgsqbOEC&pg=PA50 | Linktext = Volltext }} }}</ref> === Veränderung der Vulva während der Geburt === Während der [[Geburt]] kommt es durch die [[Wehe]]n und die damit verbundene Öffnung des [[Muttermund]]es und des Geburtskanals (Eröffnungsphase der Geburt) vor allem zu einer Aufweichung der Vaginalmuskulatur, die die Dehnung beim späteren Geburtsvorgang (Austreibungsphase der Geburt) ermöglicht. Diese Dehnung betrifft zudem die Vorhofschwellkörper sowie das Gewebe der Schamlippen und des Damms, der unter der Belastung reißen kann ([[Dammriss]]) und bei der Geburt unter Umständen eingeschnitten wird ([[Dammschnitt]]). == Ontogenetische Entwicklung == [[Datei:Genital tubercle 14 weeks.JPG|miniatur|[[Genitalhöcker]] im [[Sonografie|Ultraschallbild]] in der 14. Schwangerschaftswoche]] === Pränatal === Während der ersten acht Wochen der Embryonalentwicklung weisen männliche und weibliche Embryonen die gleichen rudimentären Geschlechtsorgane auf. Dieser Zeitraum wird daher auch als ''indifferentes Stadium'' bezeichnet. In der sechsten Woche entwickeln sich der [[Genitalhöcker]] sowie die Anlagen des Harntrakts. Nach der achten Woche setzt die Hormonproduktion des [[Embryo]]s ein und die Geschlechtsorgane beginnen, sich in verschiedene Richtungen zu entwickeln. Dennoch sind die sichtbaren Unterschiede bis zur zwölften Woche nahezu nicht feststellbar. Wenn [[Testosteron]] gebildet wird und die [[Rezeptoren]] im Gewebe intakt sind, entwickelt sich unter dessen Einfluss ein männliches äußeres Genitale. Fehlt das Testosteron, kommt es zur Ausbildung eines weiblichen Genitales. Im Laufe des dritten Monats entwickelt sich aus dem Genitalhöcker die Klitoris. Die Urogenitalfalten bilden sich zu den inneren Schamlippen, der Labioskrotalwulst zu den äußeren Schamlippen aus.<ref>U. Drews: ''Geschlechtspezifische Entwicklung.'' In: KH Wulf, H. Schmidt-Matthiesen (Hrsg.): ''Klinik der Frauenheilkunde und Geburtshilfe.'', Band 1, 3-24</ref><ref name="Schiebler" /> === Neo- und Postnatal === Direkt nach der Geburt sind die äußeren sichtbaren Strukturen der Genitalien oftmals geschwollen und weisen eine überproportionale Größe auf. Dies ist auf eine mitunter hohe Exposition von mütterlichen Hormonen zurückzuführen. Die Schwellung geht in der Regel wenige Tage nach der Geburt wieder zurück und die Vulva nimmt die normale Größe ein. Nachfolgend wird sich die Vulva während der gesamten Kindheit bis zum Beginn der Pubertät strukturell kaum verändern, außer dass sie proportional zum gesamten Körper mitwächst.<ref>{{Literatur | Autor = Miranda A. Farage, Howard I. Maibach | Titel = The vulva: anatomy, physiology, and pathology | Verlag = CRC Press | ISBN = 0-849-33608-2 | Jahr = 2006 | Online = {{Google Buch | BuchID = GrKUb6igLsgC&pg=PA30 | Linktext = Volltext }} }}</ref> === Entwicklung in der Pubertät === In der [[Pubertät]] unterliegt die Vulva einer deutlichen Veränderung, da auch das äußere Genitale auf [[Geschlechtshormone]] reagiert. Die Hautfarbe verändert sich, und die Strukturen der Vulva werden größer und ausgeprägter. Diese Entwicklung betrifft die Klitoris und die inneren und äußeren Schamlippen, ganz besonders jedoch die hormonempfindliche Haut der Vagina und deren Vorhof. Im Bereich der Vulva, das heißt auf dem Venushügel und den äußeren Schamlippen, beginnt mit der Pubertät das Wachstum der [[Schamhaar]]e. Die Gestalt der Vulva ist individuell verschieden. So kann die Klitoris teilweise sichtbar oder ganz verdeckt sein oder es können die inneren Schamlippen größer sein, als die äußeren. Diese Unterschiedlichkeit ist keine krankhafte Erscheinung, sondern normal.<ref name="Küppers"/> === Veränderungen nach den Wechseljahren === Nach der [[Menopause]] kann es zu unterschiedlich ausgeprägten [[Dystrophie|dystrophen]] Veränderungen der Vulva kommen, insbesondere einem Schwund des Fettgewebes mit einer Verringerung der Hautdicke.<ref>{{Literatur | Autor = A. Mewitz, E. Knaute, S. Hennig, N. Berger | Titel = Wodurch wird das Sexualverhalten älterer und alter Menschen beeinflusst und welchen Einfluss hat dies auf die Pflege? | Verlag = GRIN Verlag | ISBN = 3-640-13688-8 | Jahr = 2008 | Online = {{Google Buch | BuchID = e8xjfyQMqL8C&oi=fnd&pg=PA16 | Linktext = Volltext }} }}</ref><ref>Kirsten von Sydow: ''Die Sexualität älterer Frauen: Der Einfluß von Menopause, anderen körperlichen sowie gesellschaftlichen und partnerschaftlichen Faktoren.'' Zeitschrift für ärztliche Fortbildung & Qualitätssicherung 94 (2000), 223–229</ref> Es kommt zu einer Rückbildung der Schamlippen<ref>Basaran M, Kosif R, Bayar U, Civelek B: ''Characteristics of external genitalia in pre- and postmenopausal women.'' Climacteric 11 (2008), 416–421, PMID 18781487</ref>, einer Verkleinerung der Klitoris, Verengung des Vaginaleingangs und trockenerer Haut der Vulva.<ref name="Wolf">A. Wolf: Beschwerden der Wechseljahre und Altersveränderungen an Urogenitale und Mammae.'' In: Christian Lauritzen: ''Altersgynäkologie.'' Georg Thieme Verlag, Stuttgart 1997, 99, ISBN 3-13-106891-4</ref> Diese Veränderungen werden durch den Rückgang der [[Endogen|körpereigenen]] [[Estrogene|Östrogenproduktion]] verursacht, obwohl das Vulvagewebe deutlich geringer auf Östrogene anspricht als das anderer Organe.<ref name="Wolf"/> == Fehlbildungen == Vulvafehlbildungen gehören zu den [[Dysplasie|Genitaldysplasien]]. Sie zeigen sich überwiegend im Bereich des Scheidenvorhofs. Hier finden sich insbesondere Formen des [[Hymen]]s, die den Scheideneingang großflächig oder, bei der ''[[Hymen#Entwicklung|Hymenalatresie]]'', vollständig verschließen. Im Bereich der [[Urethra#Weibliche Harnröhre (Urethra feminina)|Harnröhrenmündung]] kommen Anomalien wie [[Stenose]]n, [[Hypospadie|Hypo-]] und [[Epispadie]]n vor. Eine [[Klitorishypertrophie]] kann ebenfalls als Fehlbildung vorliegen, oder Zeichen einer hormonellen Störung im Rahmen anderer Erkrankungen sein.<ref>E. Copcu et al.: [http://www.pubmedcentral.nih.gov/articlerender.fcgi?artid=523860 ''Idiopathic isolated clitoromegaly: A report of two cases.''] Reprod Health 1 (2004), 1–6, PMID 523860</ref><ref name="kor">Volker Pelzer, Ursula Holthusen: ''Vulvaveränderungen im Kindes- und Jugendalter.'' korasion Nr. 1, 2001, [http://www.kindergynaekologie.de/html/kora15.html#6 online]</ref> Verklebungen der großen Schamlippen, sogenannte ''Labiensynechien'', werden durch die hormonelle Ruhe im Kindesalter oder durch Entzündungen verursacht. Sie stellen daher eher eine entzündliche Erkrankung dar.<ref name="kor"/><ref>Saira-Christine Renteria, Bärbel Hirrle: ''Vulvaerkrankungen beim Mädchen im Kindesalter.'' Pädiatrie 11 (2005), 13–16, [http://www.tellmed.ch/include_php/previewdoc.php?file_id=1185 online] (PDF-Dokument)</ref><ref>G. Golombowski, S. Anthuber, C. Anthuber: ''Vulvaerkrankungen im Kindesalter.'' Gynäkologe 31 (1998), 558–565, {{DOI|10.1007/s001290050297}}</ref><ref>Dominik O. Müller: ''Vollständige Synechie der grossen Labien.'' Schweiz Med Forum Nr. 25 (2002), 617, [http://www.medicalforum.ch/pdf/pdf_d/2002/2002-25/2002-25-033.PDF online] (PDF-Dokument; 135 kB)</ref><ref>Marlene Heinz: ''Synechien der Vulva. Exakte Blickdiagnose – sorgfältige Therapie.'' gynäkologie + geburtshilfe 12 (2009), 45-7, [http://www.gynundgeburtshilfe.de/archiv/2009/12/gg0912_45.pdf online] (PDF-Dokument; 94 kB)</ref> == Erkrankungen == An der Vulva können eine Reihe unterschiedlicher Erkrankungen auftreten, die zum Teil auch das innere Genitale einbeziehen können. === Entzündungen und Infektionen === [[Datei:SOA-Condylomata-acuminata-female.jpg|miniatur|[[Condylomata acuminata|Feigwarzen]] der Vulva]] [[Datei:SOA-gonorroe-female.jpg|miniatur|Vaginaler Ausfluss bei [[Gonorrhoe]]]] Die in ihrem Aufbau unterschiedlichen Hautregionen mit verhornter und haartragender Haut im Bereich der äußeren Schamlippen und des Venushügels, der feineren Haut der kleinen Schamlippen sowie der feuchten Schleimhaut im Scheidenvorhof führen gemeinsam mit der Analregion aufgrund ihres Mikroklimas und der hohen Feuchtigkeit zu häufigeren Erkrankungen als andere Körperregionen.<ref name="Batchelor & Sterling 2008">Jonathan Batchelor, Jane Sterling: ''Skin disorders affecting the vulva.'' Obstetrics, Gynaecology & Reproductive Medicine 18 (3), März 2008; S. 53–59.</ref> Akute und chronische Entzündungen gehören zu den häufigsten Erkrankungen der Vulva. Betreffen diese Entzündungen nur das äußere Genitale, werden sie als [[Vulvitis]] bezeichnet; häufiger ist eine gemeinsame Entzündung der Vulva und der Vagina ([[Vaginitis]]), die [[Vulvovaginitis]] genannt wird. Eine Vulvitis kann durch äußere Einflüsse wie Gifte, unverträgliche Unterwäsche oder enge Hosen, [[Allergie|allergische Reaktionen]], vermehrter Ausfluss ([[Fluor genitalis]]), Stoffwechselstörungen und giftige Substanzen ausgelöst werden.<ref name="Pschyrembel Vulvitis">Stichwort „Vulvitis“ in ''Pschyrembel Wörterbuch Sexualität.'' Walter de Gruyter, Berlin 2006; Seite 582. ISBN 3-11-016965-7.</ref> Eine weitere Ursache für Entzündungen sind [[Infektion]]en mit [[Viren]], [[Bakterien]] oder [[Pilze]]n. Dabei spielen unter den Viren vor allem die [[Humane Papillomviren|Humanen Papillomviren]] (HPV), die [[Herpes-simplex-Viren]] (HSV-1 und -2) und das [[Molluscum contagiosum|Molluscum-contagiosum-Virus]] eine Rolle.<ref name="Batchelor & Sterling 2008" /> Die häufigsten bakteriellen Infektionen werden hervorgerufen durch ''[[Streptococcus pyogenes]]'', ''[[Staphylococcus aureus]]'' ([[Folliculitis]], [[Pseudofolliculitis]]), ''[[Corynebacterium minutissimum]]'' ([[Erythrasma]]), [[Neisseria gonorrhoeae|Gonokokken]] und ''[[Chlamydia trachomatis]]''. Unter den Pilzen sind vor allem ''[[Candida albicans]]'' ([[Kandidose]]) und ''[[Trichophyton rubrum]]'' ([[Tinea]] der Vulva) von Bedeutung.<ref name="Batchelor & Sterling 2008" /> Einige dieser Infektionen können zudem Ursache schwerwiegenderer Erkrankungen sein. So stellen Gonokokken die Erreger der [[Gonorrhoe]] dar, während Humane Papillomviren der Hauptauslöser für [[Warze]]n, [[Feigwarze]]n, [[Erythroplasie]] sowie dem [[Zervixkarzinom]], einer [[Krebs (Medizin)|Krebserkrankung]] des [[Gebärmutterhals]]es sind. Eine Infektion mit [[Treponema pallidum]] führt zur [[Syphilis]] (Lues), deren [[Primärläsion|Primäraffekt]] bei vaginalem Geschlechtsverkehr an den Schamlippen oder in der Vagina zu finden ist. Auch ein Parasitenbefall, beispielsweise mit [[Filzlaus|Filzläusen]] (''Phthirus pubis'') oder [[Krätze]]milben (''Sarcoptes scabiei''), ist bekannt.<ref>{{Literatur | Autor = Enno Christophers, Markward Ständer | Titel = Haut- und Geschlechtskrankheiten | Verlag = Elsevier, Urban & Fischer Verlag | ISBN = 3-437-26710-8 | Jahr = 2003 | Online = {{Google Buch | BuchID = r6_iW-VTYysC&pg=PA99 | Linktext = Volltext }} }}</ref><ref>{{Literatur | Autor = Werner Rath | Titel = Erkrankungen in der Schwangerschaft | Verlag = Georg Thieme Verlag | ISBN = 3-131-36271-5 | Jahr = 2004 | Online = {{Google Buch | BuchID = _UovqRN-z3AC&pg=PA459 | Linktext = Volltext }} }} </ref> Ein Verschluss des Ausführungsganges der [[Glandula vestibularis major|Bartholinschen Drüse]] führt durch Ansammlung von Sekret zu einer Pseudozyste. Bei einer bakteriellen Infektion kommt es in Folge oft zu einer [[Bartholinitis]]. Bei Tieren können sich eine Reihe von [[Deckseuche]]n wie der [[Herpesvirusinfektion des Pferdes#Equines Herpesvirus 3 (EHV-3)|Bläschenausschlag der Pferde]], die [[Beschälseuche|Beschälseuche der Pferde]], die [[Infektiöse Bovine Rhinotracheitis|Infektiöse Pustulöse Vulvovaginitis der Rinder]] (IPV), die [[Trichomonadenseuche|Trichomonadenseuche der Rinder]], das [[Sticker-Sarkom|Sticker-Sarkom der Hunde]] und die [[Kaninchensyphilis]] an der Vulva manifestieren. ''[[Taylorella equigenitalis]]'', der Erreger der [[Ansteckende Gebärmutterentzündung des Pferdes|Ansteckenden Gebärmutterentzündung des Pferdes]], kann jahrelang in den Kitzlereinbuchtungen persistieren. === Chronische Erkrankungen === Durch unterschiedliche Einflüsse kann es zu den verschiedenen Formen der [[Vulvadystrophie]] kommen, Veränderungen im [[Übergangsepithel]] mit Verhornungen oder Hautschrumpfungen mit weitgehend ungeklärter Ursache. Die meisten Formen der Vulvadystrophie, beispielsweise die [[Kraurose]], auch ''[[Lichen sclerosus#Genital|Lichen sclerosus]]'' genannt, treten nach Beginn der [[Wechseljahre]] (Klimakterium) auf.<ref name="Pschyrembel Vulvadystrophie">Stichwort „Vulvadystrophie“ in ''Pschyrembel Wörterbuch Sexualität.'' Walter de Gruyter, Berlin 2006; Seite 581. ISBN 3-11-016965-7.</ref><ref name="Pschyrembel 1993">Stichwort „Vulvadystrophie“ in ''Pschyrembel Medizinisches Wörterbuch.'' 257. Auflage, Walter de Gruyter, Berlin 1993; Seite 1648. ISBN 3-933203-04-X.</ref> Einige Vulvadysplasien gehen mit atypischen Zellen einher und stellen [[Präkanzerose]]n dar, die zu bösartigen (malignen) [[Vulvakrebs|Vulvatumoren]] führen können. Diese Krebsvorstufen werden auch als ''[[Vulväre intraepitheliale Neoplasie]]'' (VIN) bezeichnet. Sie entstehen meist im Alter zwischen 60 und 80 Jahren und sind in den großen Schamlippen lokalisiert. Vulvakrebs kann [[Metastase]]n bilden. Die Therapie erfolgt operativ durch die Entfernung von Vulvabereichen ([[Vulvektomie]]). Häufiger sind es jedoch [[Lipom]]e und [[Fibrom]]e, die sich als gutartige (benigne) Tumore in unterschiedlichen Bereichen der Vulva bilden. Eine Erkrankung bislang ungeklärter Ursache stellt die [[Vulvodynie]] aus, die durch lang andauernde Schmerzzustände in den großen Schamlippen und anderen Teilen der Vulva gekennzeichnet ist. Sie ähnelt der [[Vaginodynie]] (Schmerzen der Vagina) und wird gemeinsam mit dieser als chronisches genitales [[Schmerzsyndrom]] eingeordnet.<ref name="Pschyrembel Vulvodynie">Stichwort „Vulvodynie“ in ''Pschyrembel Wörterbuch Sexualität.'' Walter de Gruyter, Berlin 2006; Seite 582. ISBN 3-11-016965-7.</ref> Als Auslöser werden hormonelle Veränderungen, beispielsweise während der Wechseljahre, und auch psychische Ursachen diskutiert.<ref name="Pschyrembel Vulvodynie" /> Durch eine [[Chronisch-venöse Insuffizienz|chronische Venenschwäche]] der Beckenvenen, insbesondere der [[Vena ovarica]] können sich [[Krampfader]]n, analog zur männlichen [[Varikozele]], entwickeln.<ref>N. Hermes, F. G. Bechara, P. Altmeyer, M. Stücker: ''Erfolgreiche Schaumsklerosierung einer Vulvavarikose.'' Phlebologie 33 (2004), 199–201, [http://www.schattauer.de/de/magazine/uebersicht/zeitschriften-a-z/phlebologie/inhalt/archiv/issue/423/manuscript/953/download.html online] (PDF-Dokument; 115 kB)</ref><ref>Dirk Glöckner: ''Das weibliche Beckenvenensyndrom.'' Facharzt 2 (2007), 14–17, [http://www.mediziner.at/content/publikationen/1180094326_2_1.pdf online] (PDF-Dokument; 219 kB)</ref> == Künstlich herbeigeführte Veränderungen der Vulva == Modifikationen der Vulva können aus medizinischen und beim Menschen auch aus kulturellen und vermeintlich ästhetischen Gründen erfolgen. Sie reichen von der Entfernung der Schambehaarung bis zu Eingriffen, bei denen Teile der Vulva entfernt werden. === Rasur === [[Datei:Klitorisvorhautpiercing und Piercing der inneren Schamlippen.jpg|thumb|Piercing der äußeren und inneren Schamlippen und der Klitorisvorhaut sowie Schamhaarentfernung]] Die im westlichen Kulturkreis am weitesten verbreitete Modifikation ist die teilweise oder vollständige [[Schamhaarentfernung]]. In anderen Kulturen beziehungsweise für frühere Epochen der abendländischen Kultur ist die Praxis dokumentiert. Der [[Islam]] erwartet die Entfernung der Schambehaarung.<ref>[http://www.islam.de/1641.php#medizin/hygiene.html ''Zentralrat der Muslime: FAQ – Antwortseite: VII. Islam und Medizin: 8. Hygienevorschriften'']</ref><ref>[http://deposit.ddb.de/cgi-bin/dokserv?idn=983270872&dok_var=d1&dok_ext=pdf&filename=983270872.pdf ''Untersuchung zur Sexualhygiene bei arabischen und deutschen Patientinnen'', Seite 5, Seite 13]</ref> Um die [[Jahrtausendwende]] 1999/2000 fand die Praxis auch im Westen weitere gesellschaftliche Verbreitung.<ref>[http://www.zeit.de/2009/29/Schoenheit?page=all ''Schönheit unter der Gürtellinie: Die Schamhaare zu rasieren gehört zum modischen Diktat, dem sich inzwischen eine Mehrheit unterwirft. Auch Intimchirurgie ist kein Tabu. Ein nicht ungefährlicher Trend und seine Ursachen.''] [[Die Zeit]], Ausgabe 15. Juli 2009</ref> Nach einer Umfrage aus dem Jahr 2009 war in Deutschland bei der Altersgruppe von 18 bis 25 Jahren die Rasur des Genitalbereichs recht verbreitet (69,7 % der Frauen).<ref name="Brähler 2009">{{internetquelle |autor= Elmar Brähler, Dirk Hofmeister |hrsg= [[Universität Leipzig]] |url= http://medpsy.uniklinikum-leipzig.de/red_tools/dl_document.php?PHPSESSID=5lj22gvsnlfs6l3nhpmgkojh93&id=13 |format= PDF |titel= Verbreitung von Tätowierungen, Piercing und Körperhaarentfernung in Deutschland |werk= Pressemitteilung |seiten= 2, 7 |datum= 13. Juli 2009 |zugriff=2010-02-11 |kommentar=Ergebnisse einer Repräsentativerhebung in Deutschland im Mai und Juni 2009, N = 2512 (beiderlei Geschlechts)}}</ref> Die Intimrasur ist nicht unproblematisch. Frauen, die sich rasieren, ohne dabei der natürlichen Wuchsrichtung zu folgen, sind anfälliger für [[Follikulitis|Haarwurzelentzündungen]].<ref name="Scheidenpilz">[http://www.scheidenpilz.com/scheidenpilz/mein_alltag/pflege_hygiene/content-126787.html Risiko Rasieren? ''Gesund trotz Intimrasur.]''</ref><ref>[http://www.net-tribune.de/article/051208-23.php ''Intimrasur steigert Risiko von Haarwurzelentzündungen.'']</ref> === Piercings === Weiterhin stellen [[Piercing#Intimpiercings bei Frauen|Piercings]] eine Form der [[Körpermodifikation]] dar, wobei verschiedene Strukturen der Vulva mit Schmuck versehen werden können.<ref>[http://www.spiegel.de/sptv/extra/0,1518,545893,00.html Kunst am Körper, Leiden für die Leidenschaft] Spiegel TV, 15.April 2008</ref><ref>[https://www.stuttgarter-zeitung.de/stz/page/detail.php/1717918 ''Der Mensch und sein Metall: eine feste Verbindung. Schockieren kann man mit Piercings kaum noch jemanden – Intimschmuck wird beliebter.'' Stuttgarter Zeitung]</ref><ref>G. T. van der Meer, W. C. M. Weijmar Schultz, J. M. Nijman: ''Intimate body piercings in women.'' Journal of Psychosomatic Obstetrics & Gynecology, 29 (2008), 235–239</ref> Ebenso wie die Intimrasur kann der Trend zu Intimpiercings als Folge einer verstärkten Etablierung von sozialen beziehungsweise ästhetischen Normen für den Schambereich gesehen werden, „eine bis dato primär zur Privatsphäre zählende Körperregion – die Schamregion – unterliegt fortan einem Gestaltungsimperativ.“<ref>Borkenhagen A, Brähler E: ''Die nackte Scham.'' In: Ada Borkenhagen, Elmar Brähler (Hrsg.) Psychosozial 112 (2008): ''Intimmodifikationen'' 31: 7–12</ref> Während einige Piercings der Vulva positive Auswirkungen auf die Stimulierbarkeit der Frau während des Geschlechtsverkehrs haben<ref>Vaughn S. Millner et al.: ''First glimpse of the functional benefits of clitoral hood piercings.'' American Journal of Obstetrics and Gynecology 193 (2005), 675–676</ref>, besitzen die meisten Piercings eine rein ästhetische Funktion. Piercings können, wie an anderen Körperteilen auch, Komplikationen mit sich bringen. Häufigste Probleme von Piercings im weiblichen Genitalbereich sind [[Entzündung]]en, Ausrisse und Blutungen. [[Allergie]]n, überschießende Narbenbildung ([[Keloid]]e) und [[Fremdkörperreaktion|Fremdkörpergranulome]] sind ebenfalls nicht selten.<ref name="Siegmund-Schultze">Nicola Siegmund-Schultze: ''Piercing – Unter die Haut: Körperschmuck mit Risiken.'' Dtsch Arztebl 105 (2008), A-1542, [http://www.aerzteblatt.de/v4/archiv/artikel.asp?id=60825 online]</ref><ref>Mayers LB, Judelson DA, Moriarty BW, Rundell KW. ''Prevalence of body art (body piercing and tattooing) in university undergraduates and incidence of medical complications''. Mayo Clin Proc 2002; 77:29–34</ref> → ''Siehe auch: [[Piercing#Gesundheitliche Probleme|Piercing: Gesundheitliche Probleme]]'' === Medizinisch indizierte operative Veränderungen === Die vollständige oder teilweise operative Entfernung der großen und der kleinen Schamlippen und weiterer Teile der Vulva und des darunter liegenden Gewebes wird als [[Vulvektomie]] bezeichnet. Sie kann bei [[Vulvakarzinom]]en notwendig werden, selten bei fortgeschrittener [[Vulvadystrophie]] älterer Damen. Bei einer radikalen Entfernung zur Behandlung eines Krebsleidens können auch die [[Lymphknoten]] der Leistengegend (inguinale Lymphknoten) und des [[Becken (Anatomie)|Beckens]] (pelvine Lymphknoten) entfernt werden.<ref>Stichwort „Vulvektomie“ in ''Pschyrembel Medizinisches Wörterbuch.'' 257. Auflage, Walter de Gruyter, Berlin 1993; Seite 1648. ISBN 3-933203-04-X.</ref> Eine partielle Vulvektomie kann zudem bei einer [[Vulväre intraepitheliale Neoplasie|vulvären intraepithelialen Neoplasie]] vorgenommen werden.<ref name="Pschyrembel Vulvektomie">Stichwort „Vulvektomie“ in ''Pschyrembel Wörterbuch Sexualität.'' Walter de Gruyter, Berlin 2006; Seite 582. ISBN 3-11-016965-7.</ref> Die operative Entfernung des Kitzlers wird als [[Klitoridektomie]] bezeichnet, wobei eine [[medizinische Indikation]] durch spezifische Krebserkrankungen selten ist, aber gelegentlich als [[Ultima Ratio]] bei anders nicht behandelbarem [[Pruritus|Juckreiz]] durchgeführt wird. === Traditionelle Vulvabeschneidung === Die Klitoridektomie wird heute vor allem im Zusammenhang mit der [[Beschneidung weiblicher Genitalien|kulturellen Beschneidung]] vorgenommen.<ref name="Pschyrembel Klitoridektomie">Stichwort „Klitoridektomie“ in ''Pschyrembel Wörterbuch Sexualität.'' Walter de Gruyter, Berlin 2006; Seite 276. ISBN 3-11-016965-7.</ref> In manchen Kulturkreisen, vorwiegend im afrikanischen Raum, wird die Beschneidung beziehungsweise ''Verstümmelung'' weiblicher Genitalien als kulturelle Praxis angewendet. Eine medizinische Notwendigkeit liegt dafür nicht vor, vielmehr spielen soziale und kulturelle Gründe eine Rolle. Das Ausmaß des Eingriffs variiert von einer Entfernung der Klitorisvorhaut bis hin zur vollständigen Entfernung der äußeren Genitalien und Vernähung der Vagina. Wegen der weitreichenden Folgen für Leib und Leben der betreffenden Mädchen und Frauen steht diese Praxis seit Längerem weltweit in der Kritik von Menschen- und Frauenrechtsorganisationen. Zahlreiche Organisationen, darunter die [[Vereinte Nationen|Vereinten Nationen]], [[UNICEF]], [[Entwicklungsfonds der Vereinten Nationen für Frauen|UNIFEM]], die [[Weltgesundheitsorganisation]] (WHO) sowie [[Amnesty International]] wenden sich gegen die Beschneidung und stufen sie als Verletzung des [[Menschenrechte]]s auf [[Recht auf körperliche Unversehrtheit|körperliche Unversehrtheit]] ein. Zur Betonung dieser Aspekte hat sich international der Begriff ''Female Genital Mutilation'' (weibliche Genitalverstümmelung) etabliert.<ref name="who2008eliminatingfull">WHO, Department of Reproductive Health and Research: [http://www.who.int/reproductivehealth/publications/fgm/9789241596442/en/index.html ''Eliminating female genital mutilation. An interagency statement – OHCHR, UNAIDS, UNDP, UNECA, UNESCO, UNFPA, UNHCR, UNICEF, UNIFEM, WHO]'', 2008.</ref> === Vulvamodifikation aus anderen Gründen === Als operative Maßnahme lassen einige Frauen eine [[Labioplastik|Schamlippenverkleinerung]] (''Labioplastik'') vornehmen, wobei die inneren Schamlippen, mitunter auch die Klitorisvorhaut, gekürzt oder entfernt, die äußeren Schamlippen vergrößert, der Vaginaleingang verengt, das [[Hymen|Jungfernhäutchen]] rekonstruiert und die Position der Klitoris verändert werden.<ref name="Intimchirurgie">Ada Borkenhagen, Elmar Brähler, Heribert Kentenich: ''Intimchirurgie: Ein gefährlicher Trend.'' Dtsch Arztebl 2009; 106(11): A-500 / B-430 / C-416, [http://www.aerzteblatt.de/v4/archiv/artikel.asp?id=63783 online], [http://www.aerzteblatt.de/v4/archiv/pdf.asp?id=63783 (PDF-Dokument; 305 kB)]</ref> Dies geschieht vorwiegend aus subjektiv ästhetischen, selten auch aus medizinischen Motiven.<ref>[http://www.blick.ch/lifestyle/liebe/schoenheitswahn-unter-der-guertellinie-95939 ''Schönheitswahn unter der Gürtellinie – Die Lust am Umbau des eigenen Körpers kennt keine Grenzen – auch keine Schamgrenzen.''] Blick, 20. Juli 2008</ref><ref>[http://www.brigitte.de/gesund/a_z/intim-op/ ''Intim-OPs: Wie schön ist meine Scham? Schönheits-OPs im Intimbereich – ein Tabu-Thema wird Trend. Was steckt dahinter?''] Brigitte</ref> Daher wird der größte Teil dieser Eingriffe unter dem Begriff der ''kosmetischen Genitalchirurgie'' (Female Genital Cosmetic Surgery (FGCS)) zusammengefasst. Chirurgische Maßnahmen im Rahmen einer [[Geschlechtsumwandlung]], die [[Geschlechtsangleichende Operation|Geschlechtsanpassung]] bei [[Intersexualität|intersexuellen]] Personen oder die [[Beschneidung weiblicher Genitalien]] werden nicht zu den FGCS gezählt.<ref name="Intimchirurgie"/> == Etymologie == Das Wort ''Vulva'' geht zurück auf [[latein]]isch ''[[volva]], vulva'' („Gebärmutter“, botanisch auch „Schale“ von Obst<ref>Scribonius Largus, ''Compositiones'', CIV</ref>), das seinerseits in seiner [[Etymologie]] unsicher ist.<ref name="walde">Alois Walde: ''Lateinisches etymologisches Wörterbuch'', 4. neu bearb. Aufl. von Johann Baptist Hofmann, Winter, Heidelberg 1965 (= Indogermanische Bibliothek, 2), s.v. ''volva''</ref> Es wird entweder zusammen mit lat. ''volvere'' „rollen“, „wälzen“, „drehen“ auf eine [[Indogermanische Ursprache|indogermanische]] Wurzel *''vélu-, vel'' „umringen“, „umhüllen“, „drehen“, „wenden“ zurückgeführt und dann ein indogermanisches Wort *''vlvo'' „Hülle“, „[[Eihaut]]“, „Gebärmutter“ angesetzt, das auch [[Sanskrit]] ''úlva-m, -s'' (auch ''ulba-m, -s'') „Eihaut“, „Gebärmutter“ ergab.<ref>Alois Vaniček: ''Griechisch-lateinisches etymologisches Wörterbuch.'' Bd II. Teubner, Leipzig 1877. S. 916–918; August Fick: ''Vergleichendes Wörterbuch der Indogermanischen Sprachen'', 4. Aufl., Teil I, S. 132</ref> Oder man nimmt ausgehend von der allerdings erst spät im ''Edictum Diocletiani'' belegten Wortform lat. ''volba'' eine gemeinsame Wurzel mit der Wortsippe [[Griechische Sprache|griechisch]] ''δελφύς'' „Gebärmutter“, ''ἀδελφός'' „Bruder“, ''δέλφαξ'' „Ferkel“ an.<ref name="walde"/> Im klassischen Latein bezeichnete ''volva'' im Gegensatz zur heutigen medizinischen Bedeutung zunächst die [[Gebärmutter]], in kulinarischen Zusammenhängen speziell die Gebärmutter des Schweines, die als besondere Delikatesse galt.<ref>[[Horaz]], ''Epist.'' I, xv, 41: ''nil vulva pulchrius ampla'' („nichts schöner als eine große Gebärmutter“); zur Auswahl des geeigneten Schlachtviehs unter dem Gesichtspunkt des Alters und des bei einer trächtigen Sau geeigneten Schlachtzeitpunktes [[Plinius der Ältere|Plinius]], ''Nat. Hist.'' XI, lxxxiv, 210–211; zur Zubereitung [[Marcus Gavius Apicius|Apicius]], ''De re coquinaria'', VII,1</ref> Schon [[Plinius der Ältere]] unterschied aber zwischen ''uterus'' als der Bezeichnung für die menschliche Gebärmutter und ''volva'' als der für die Gebärmutter von Tieren.<ref>''Feminis eadem omnia praeterque vesicae iunctus utriculus, unde dictus uterus. quod alio nomine locos appellant, hoc in reliquis animalibus volvam.'' Nat. Hist. XI, lxxxiv, 209</ref> Indem ''uterus'' zunehmend ''vulva'' als Bezeichnung für die Gebärmutter verdrängte, verschob oder verengte sich die Bedeutung von ''vulva'' im Sinne von ''cunnus'' auf den äußeren Genitalbereich, mit ''os vulvae'' („Mund der Vulva“) seit [[Aulus Cornelius Celsus|Cornelius Celsus]]<ref>Celsus, ''De medicinia'' VI, 18, u.ö.</ref> als Bezeichnung für die äußere Öffnung. Die spätantike Etymologie setzte bei dieser veränderten Bedeutung an; so leitete [[Isidor von Sevilla|Isidorus]] im 6. Jahrhundert n. Chr. ''vulva'' von ''valvae'', „Flügeltüren“ her, da sie den Samen wie durch eine Tür einlasse und durch sie der Foetus heraustrete.<ref>''Vulva vocata quasi valva, id est ianua ventris, vel quod semen recipiat, vel quod ex ea foetus procedat.'' Etym. 11.1.137. [[Reinier De Graaf]], der im 17. Jahrhundert erstmals die [[weibliche Ejakulation]] beschrieb, behauptete gar eine Ableitung von ''volo'', „ich will“, da die Vulva stets „unersättlich“ nach Verkehr verlange, zitiert von Joseph Hyrtl: ''Onomatologia anatomica'', Wilhelm Braumüller, Wien 1880, S. 620–623, S. 621</ref> == Vulva in Kunst und Kultur == [[Datei:Vulva symbols.svg|thumb|hochkant|Symbolisierte Vulvae aus unterschiedlichen Epochen und Kulturkreisen]] [[Datei:Venus vom Hohle Fels-01.JPG|thumb|hochkant|Venus vom Hohlen Fels]] Insbesondere wegen des sexuellen Bezuges wie auch wegen ihrer Funktion als Teil des Geburtsweges fand und findet die Vulva regelmäßig Eingang in Kunst und Kultur. Sie gilt als Fruchtbarkeitssymbol („Große Mutter“)<ref name="Pschyrembel Vulvakulte">Stichwort „Vulvakulte“ in ''Pschyrembel Wörterbuch Sexualität.'' Walter de Gruyter, Berlin 2006; Seite 581. ISBN 3-11-016965-7.</ref> und zugleich als Symbol des Begehrens. In einigen Kulturen wurde die Präsentation der Vulva zudem als Abwehrzauber gegenüber bösen Mächten verstanden.<ref name="Pschyrembel Vulvakulte" /> In unterschiedlichen Kulturen tauchen immer wieder gleiche oder ähnliche [[Symbol]]e auf, die eine Vulva darstellen. Zahlreiche Darstellungen aus der [[Altsteinzeit]] zeugen auch in Europa von ähnlichen kultisch-verehrenden Einstellungen. Die kulturelle Haltung gegenüber dem weiblichen Genital unterscheidet sich jedoch zwischen unterschiedlichen Kulturkreisen. Während in einigen Kulturkreisen die Vulva eher [[Tabu|tabuisiert]] und in der Öffentlichkeit bedeckt wird, zeigten andere Kulturen einen Kult um die Vulva. So wurde diese in Festen verehrt und als heilig betrachtet. Bei Ausgrabungen wurde zwischen dem 5. und 15. September 2008 in der [[Hohler Fels|Hohle Fels-Höhle]] auf der [[Schwäbische Alb|Schwäbischen Alb]] eine aus Mammutelfenbein geschnitzte Frauenstatuette aus der [[Aurignacien]]-Zeit entdeckt, die sogenannte [[Venus vom Hohlen Fels]]. Dabei wurde festgestellt, dass die Vulva zwischen den geöffneten Beinen betont ausgeführt wurde, was als „bewusste Überhöhung der sexuellen Merkmale“ gedeutet wurde.<ref>Nicholas J. Conard: ''[http://www.nature.com/nature/journal/v459/n7244/pdf/nature07995.pdf A female figurine from the basal Aurignacian of Hohle Fels Cave in southwestern Germany.]'' in: ''[[Nature]].'' London 2009,459, 248–252. {{ISSN|0028-0836}}</ref><ref name="Conard, Malina">Nicholas J. Conard, Maria Malina: ''Spektakuläre Funde aus dem unteren Aurignacien vom Hohle Fels bei Schelklingen, Alb-Donau-Kreis.'' In: Archäologische Ausgrabungen in Baden-Württemberg 2008. Stuttgart (Theiss), 2009, S. 19–22</ref> Im [[Mittelalter]] entstanden vor allem in Irland sogenannte [[Sheela-na-Gig]], [[Skulptur|Steinskulpturen]], welche die Vulva meist überdimensioniert darstellen. An Kirchenfassaden des Hochmittelalters finden sich auch Vulvenornamente, während auf [[Pilger]]insignien und -utensilien des Spätmittelalters Vulvae und Penisse in verschiedenen Variationen abgebildet wurden, wie beispielsweise eine Umhangsnadel mit einer als Pilger ausgestatteten Vulva mit Armen, Beinen und Hut. Der Sinn solcher Utensilien ist nicht mehr bekannt, sie werden sowohl als Parodien auf herkömmliche Pilgerabzeichen wie auch als Glücksbringer interpretiert.<ref name="Lehmann 2009" /> Auch der im [[Hinduismus]] entwickelte [[Yoni]]-Kult, der gemeinsam mit dem männlichen [[Linga]]m die Zweigeschlechtlichkeit des Gottes [[Shiva]] symbolisiert, gehört zu den Vulva-Kulten. Gemeinsam mit dem Lingam stellt die Yoni das Symbol der [[Urzeugung]] dar.<ref name="Pschyrembel Yoni">Stichwort „Yoni“ in ''Pschyrembel Wörterbuch Sexualität.'' Walter de Gruyter, Berlin 2006; Seite 596. ISBN 3-11-016965-7.</ref> <gallery> Datei:Vulve stylisée.JPG|Stilisierte steinzeitliche Darstellung der Vulva (in [[Saint-Germain-en-Laye]]), Steinzeit Datei:Lajja gauri.jpg|Skulptur am [[Badami#Die Tempel und Höhlen|Tempel von Badami]], [[Indien]], (um 650) Datei:Erotic depiction at Candi Sukuh.jpg|[[Yoni]] und [[Lingam]], Relief am Tempel von Candi Sukuh, [[Java (Insel)|Java]] (12. Jahrhundert) Datei:SheelaWiki.jpg|Sheela-na-Gig an der Church of St Mary and St David in Kilpeck, [[Herefordshire]] </gallery> === Europäische Kunstgeschichte bis in das 19. Jahrhundert === [[Datei:Lucas Cranach d. J. 006.jpg|thumb|hochkant|[[Lucas Cranach der Jüngere]]: ''Venus und Cupido'' (um 1540) – Vulva mit angedeuteter Schambehaarung]] [[Datei:Bouguereau venus detail.jpg|thumb|hochkant|left|[[William Adolphe Bouguereau]]: Detail aus ''Die Geburt der Venus'' (1879) – Darstellung ohne anatomische Details der Vulva.]] In der europäischen Kunstgeschichte, ausgehend vom [[Antikes Griechenland|antiken Griechenland]] und früheren Kulturen, wurde die konkrete Darstellung der Vulva sowohl in der Malerei wie auch in der Bildhauerei bis in das späte 19. Jahrhundert weitgehend vermieden. Dies betraf vor allem die antiken Statuen der Griechen und [[Römisches Reich|Römer]], Ausnahmen bildeten seltene [[Pornografie|pornographische]] Darstellungen von [[Hetäre]]n in der [[Vasenmalerei]] sowie bei Wandbildern (siehe [[Prostitution in der Antike]]). Auch die mit der [[Renaissance]] neu aufkeimende Darstellung nackter Körper in der italienischen und italienisch beeinflussten Kunst im 14. bis 17. Jahrhundert und die weitere Entwicklung in Europa bis zum Ende des 19. Jahrhunderts führten diese Praxis weiter. Alle bekannten Maler und Bildhauer dieser Zeit, die Akte darstellten, einschließlich [[Pisanello]], [[Raffael]], [[Tizian]] und [[Giambologna]] über [[Peter Paul Rubens]] bis hin zu Malern der französischen Salonkunst wie [[Jean-Auguste-Dominique Ingres]] und [[Jean-Léon Gérôme]] sowie des [[Impressionismus]] wie [[Edgar Degas]] oder [[Auguste Renoir]] zeigten zwar den Venushügel, aber keine weiteren anatomischen Details.<ref name="Lehmann 2009">Ann-Sophie Lehmann: ''Der schamlose Körper.'' In: Beat Wismer, Sandra Badelt (Hrsg.): ''Diana und Actaeon – Der verbotene Blick auf die Nacktheit.'' Katalog zur gleichnamigen Ausstellung im [[museum kunst palast]], Düsseldorf. Hatje Cantz, Ostfildern 2009; S. 192–197; ISBN 978-3-7757-2357-2.</ref> Ausnahmen bildeten die Maler des deutschen und niederländischen Sprachraums wie [[Jan van Eyck]], [[Lucas Cranach der Jüngere]], [[Hans Baldung Grien]], [[Jan Gossaert]] sowie [[Albrecht Dürer]], die in der Regel ihre Aktdarstellung in der Malerei, Grafik und Bildhauerei (insbesondere in Form von Miniaturen aus Holz und [[Elfenbein]]) mit natürlicher Schambehaarung und Schamspalte darstellten.<ref name="Lehmann 2009" /> Hier war die Darstellung vor allem dem Wunsch einer realistischeren und vollständigen Darstellung zuzuschreiben und fand vor allem bei der Darstellung von biblischen Motiven wie der Darstellung von [[Adam und Eva]] oder auch bei [[Marienbildnis]]sen ohne sexuellen Bezug statt. Dürer widmete sich zudem in seinen Proportionsschemata für den weiblichen Idealkörper auch dem ''Spalt des weybs'' und stellte diesen entsprechend dar.<ref name="Lehmann 2009" /> Diese Form der Darstellung verschwand im 16. Jahrhundert, als auch im Norden Europas der idealisierte und geschlechtsverhüllende Zustand übernommen wurde. Über die Gründe für die Haar- und Detaillosigkeit in der Darstellung des weiblichen Geschlecht gibt es eine Reihe von Theorien, die zuerst von [[Denis Diderot]] und später im 20. Jahrhundert entwickelt wurden; Diderot und einige weitere Autoren greifen vor allem die [[Ästhetik]] in Form und auch Farbe als Begründung auf, während andere der Theorie [[Sigmund Freud]]s folgend die Angst vor dem bedrohlichen weiblichen Geschlecht heranzogen.<ref name="Lehmann 2009" /> [[Datei:Francisco de Goya y Lucientes 011.jpg|thumb|[[Francisco de Goya]]: ''Die nackte Maja'' um 1800–1803 – Vulva mit angedeuteter Schambehaarung]] [[Datei:Origin-of-the-World.jpg|thumb|[[Gustave Courbet]]: ''[[Der Ursprung der Welt|L’Origine du monde]]'' 1866]] Im 18. Jahrhundert entstanden vor allem pornografische Darstellungen mit künstlerischem Anspruch von weniger bekannten Künstlern wie [[Eugene Poitevin]] und [[Jean-Jaques Lequeu]], der als Architekt auch Gebäude mit detaillierten Zeichnungen weiblicher Genitalien schmückte.<ref name="Lehmann 2009" /> Nur gelegentlich wurden Aktdarstellungen mit Schambehaarung im künstlerischen Kontext akzeptiert, so etwa bei [[Francisco de Goya]]s Gemälde ''[[Die nackte Maja]]'' (um 1800–1803). Seit 1995 ist das Bild ''L’Origine du monde'' ''([[Der Ursprung der Welt]], s.&nbsp;u.)'' von [[Gustave Courbet]] im [[Paris]]er [[Musée d’Orsay]] ausgestellt, eine Auftragsarbeit aus dem Jahr 1866.<ref name="Badelt 2009">Sandra Badelt: ''Die nackte Wahrheit. Betrachtungen zum exponierten Geschlecht in der zeitgenössischen Kunst.'' In: Beat Wismer, Sandra Badelt (Hrsg.): ''Diana und Actaeon – Der verbotene Blick auf die Nacktheit.'' Katalog zur gleichnamigen Ausstellung im [[museum kunst palast]], Düsseldorf. Hatje Cantz, Ostfildern 2009; S. 199–201; ISBN 978-3-7757-2357-2.</ref> Das Ölgemälde zeigt eine leicht geöffnete Vulva mit dunkler Schambehaarung. Obwohl dieses Bild eines der ältesten bekannten Werke mit detaillierter Darstellung der Vulva ist, hatte es durch seine späte Veröffentlichung keinen Einfluss auf die zeitgenössische Kunst seiner Entstehungszeit. Auch Courbet selbst stellte, ebenso wie andere Künstler seiner Zeit, in anderen Aktdarstellungen die Vulva nicht detailliert dar.<ref name="Lehmann 2009" /> Im 19. Jahrhundert kam die Malerei und Bildhauerei nach dem weiblichen Aktmodell zunehmend in Mode und in die Kunstakademien, sodass die reale Abbildung des Geschlechts für die Künstler präsenter wurde. Es wurde anfangs vor allem in Vorstudien und Skizzen dargestellt, verschwand jedoch bei der Umsetzung in die Malerei. Insbesondere die Studien von [[Jean-Auguste-Dominique Ingres]], der für die Darstellung glatter, marmorhafter Frauenkörper berühmt wurde, zeigen das in den später gemalten Bildern nicht mehr sichtbare Achsel- und Schamhaar. Außerdem wurden Fotografien als Vorlage genutzt wie beispielsweise von [[Jean-Léon Gérôme]], dessen ''Phryne vor den Richtern'' von 1861 wahrscheinlich nach einer Fotografie von [[Nadar|Felix Nadar]] gemalt wurde. Zum Ende des 19 Jahrhundert tauchten diese realistischen Elemente bei einzelnen Künstlern – etwa bei [[Gustave Caillebotte]] und dem Amerikaner [[Thomas Eakins]] auch in den Bildern auf. === Japanische Kunst === In [[Japan]] bestand schon in der [[Frühzeit]] eine sehr freizügige Einstellung zur Sexualität, die sich aus den ältesten überlieferten Texten aus dem 8. Jahrhundert sowie aus mehr als 4.000 Jahre alten Tonfiguren von Fruchtbarkeitsgöttinnen mit vergrößerten Genitalien rekonstruieren lässt. Im [[Shintoismus]] stand der [[Phallus]] im Mittelpunkt der Schöpfungsmythologie und er war auch das Hauptmotiv der erotischen Darstellungen der [[Heian-Zeit]] vom 8. bis 12 Jahrhundert.<ref name="Delank 2009">Claudia Delank: ''Frühlingsbilder (Shunga). Japanische erotische Holzschnitte.'' In: Beat Wismer, Sandra Badelt (Hrsg.): ''Diana und Actaeon – Der verbotene Blick auf die Nacktheit.'' Katalog zur gleichnamigen Ausstellung im [[museum kunst palast]], Düsseldorf. Hatje Cantz, Ostfildern 2009; S. 258–270; ISBN 978-3-7757-2357-2.</ref> Im 17. bis 19. Jahrhundert während der [[Edo-Zeit|Edo-]] und der [[Meiji-Zeit]] etablierten sich als Variante der Farbholzschnitte ([[Ukiyo-e]]) die sehr freizügigen [[Shunga]]-Bilder ([[Japanische Schrift|jap.]] {{lang|ja-Hani|春画}}) bzw. ''Frühlingsbilder'', wobei die Bezeichnung Frühling eine Metapher für [[Sex]] ist. Es sind Gemälde, Drucke und Bilder jeder Art, die in expliziter Weise sexuelle Handlungen darstellen und dabei auch die Details der Sexualorgane zeigen. Parallel dazu kam der Begriff ''shunbon'' (春本, ''Frühlingsbücher'') für Bücher sexuellen Inhalts in Gebrauch. Ein zentrales Motiv darin waren die [[Kurtisane]]n, die nicht nur in der [[Prostitution]], sondern auch in der Dicht-, Schreib- und Teekunst gebildet waren.<ref name="Delank 2009" /> Mit der Öffnung Japans gegenüber den Europäern wurden 1868 das gemeinsame Bad von Männern und Frauen in öffentlichen Bädern sowie der Handel mit Erotika verboten. Zum Ende der Meiji-Zeit wurden 1910 sowohl die Herstellung wie auch der Vertrieb der mittlerweile als obszön empfundenen Shunga unter Strafe gestellt. Bis 1986 war es in Japan verboten, auch nur den Ansatz eines Schamhaars öffentlich zu zeigen. Unzensierte Shunga-Ausstellungen gibt es erst seit 1994 wieder.<ref name="Delank 2009" /> <gallery> Datei:Katsushika Hokusai - Fukujuso.jpg|Katsushika Hokusai: ''Fukujusô'' ([[Amur-Adonisröschen]]), 1815 Datei:Dream of the fishermans wife hokusai.jpg|[[Katsushika Hokusai]]: ''Der Traum der Fischersfrau,'' 1820 Datei:Vulvae.jpg|Nishiki-e Orihon: ''Vulvae,'' 1850 Datei:Figura 31.jpg|Terazaki Kogyo: ''Izumo no chigiri'' (Die Versprechen von Izumo), 1899 </gallery> === Kunst des 20. Jahrhunderts === Während sich am Ende des 19. und verstärkt zu Beginn des 20. Jahrhundert Fotografie und Film durchsetzten und auch zahlreiche Aktaufnahmen kursierten, wurden diese nicht als Kunst betrachtet, sondern galten in der Regel als Pornografie. Detaillierte Darstellungen der Schamregion oder Schamhaar in der Malerei blieben dagegen verpönt, Verstöße führten zu Beginn des 20. Jahrhunderts zu Skandalen. Im März 1901 wurde die Zeitschrift ''[[Ver Sacrum]]'' der [[Wiener Secession]] von der Staatsanwaltschaft beschlagnahmt und vernichtet, weil sie einige Zeichnungen [[Gustav Klimt]]s enthielt, die „den Rahmen des gesellschaftlich Sanktionierten überschritten“.<ref name="Natter">Tobias G. Natter: ''Über die Grenzen des Vorstellbaren. Das Nackte und das Öffentliche in der Wiener Kunst um 1900.'' In: Tobias G. Natter, Max Hollein (Hrsg.): ''Die nackte Wahrheit. Klimt, Schiele, Kokoschka und andere Skandale.'' Veröffentlichung zur gleichnamigen Ausstellung der [[Schirn Kunsthalle Frankfurt]] und des [[Leopold Museum|Leopold Museum Wien]]. Prestel Verlag, München 2005, ISBN 3-7913-3284-8, S. 17–42.</ref> Seine Entwürfe für Deckenfriese in der Wiener Universität wurden wegen anatomischer Details abgelehnt und in der zeitgenössischen Literatur wurde Klimt als Skandalmaler bezeichnet. Sanktioniert wurden auch andere Künstler; noch 1917 wurde eine Ausstellung von [[Amedeo Modigliani]], die einzige zu seinen Lebzeiten, polizeilich geschlossen, da die Akte aufgrund der dargestellten Schambehaarung als pornografisch galten.<ref name="Lehmann 2009" /> Insbesondere das Schamhaar wurde zu einem Symbol der Avantgarde der Aktmaler und rückte später ins Zentrum der Aufmerksamkeit, die Darstellung weibliche Körper ohne Schamhaar oder Schamspalte verschwand vollständig aus der modernen Kunst des 20. Jahrhunderts. Insbesondere [[Pablo Picasso]], [[Egon Schiele]] und [[George Grosz]] setzen die weiblichen wie auch die männlichen Genitalien prominent in den Vordergrund ihrer Aktkunst und machten sie gesellschaftsfähig. Darauf aufbauend wurden Darstellungen der Vulva ebenso wie des Penis und des Geschlechtsaktes in der erotischen Kunst von Malern wie [[Balthus]], [[Marcel Duchamp]] und [[André Masson]], Fotografen wie [[Robert Mapplethorpe]], [[Man Ray]] und [[Helmut Newton]] bis [[Jeff Koons]], [[Gerhard Richter]], [[Gottfried Helnwein]], [[Pierre Klossowski]] sowie dem Japaner [[Nobuyoshi Araki]] und vielen anderen<ref name="Muthesius" /> bis heute weitergeführt. <gallery> Datei:Schiele - Frau mit schwarzen Strümpfen - 1913.jpg|[[Egon Schiele]]: ''Frau mit schwarzen Strümpfen'' 1913 Datei:Amadeo Modigliani 060.jpg|[[Amedeo Modigliani]]: ''Sitzender Akt'' 1916 Datei:Klimt Mulher sentada.jpg|[[Gustav Klimt]]: ''Mulher Sentada'' 1913 Datei:Ernst Ludwig Kirchner - Nackte liegende Frau - 1931.jpg|[[Ernst Ludwig Kirchner]]: ''Nackte liegende Frau'' 1931 </gallery> === Gegenwart === Abbildungen des weiblichen Genitals finden sich in der [[Zeitgenössische Kunst|zeitgenössischen Kunst]] in vielen Kunstgattungen, insbesondere in der [[Aktfotografie]] sowie der [[Erotische Fotografie|erotischen Fotografie]], einhergehend mit einer Enttabuisierung der Darstellung. Diese Freizügigkeit hat auch in die [[Porträtfotografie]] Eingang gefunden, wobei die dargestellten Frauen sowohl ihr Gesicht als auch ihre Vulva präsentieren, in seriellen Ganzkörperporträts<ref>Ralf Vulis: ''100 Naked Girls on a Chair'', Edition Reuss, 2001, ISBN 978-3-934020-08-5</ref> oder Doppelportraits von Gesicht und Vulva.<ref>Frannie Adams: ''Pussy Portraits'', Edition Reuss, 2009, ISBN 978-3-934020-69-6</ref> Eine herausgehobene Rolle als Symbol befreiter weiblicher Sexualität spielt die Vulva auch in feministischer Kunst,<ref>Hans Peter Duerr: ''Der Mythos vom Zivilisationsprozeß'', Bd. 2, Suhrkamp, Frankfurt a.M. 1990, S. 252</ref> wo ihre Darstellung in Verbindung mit floralen oder Schmetterlingsmotiven unter anderem bei [[Georgia O’Keeffe]]<ref name="Muthesius" /> und [[Judy Chicago]] stilbildend gewirkt hat. Insbesondere Judy Chicagos ''Dinner Party'', die Konfrontation der Darstellung weiblicher Genitalien mit barocker Porträtmalerei von [[Zoe Leonard]] auf der [[Documenta IX]], die riesenhaften Figuren von [[Niki de Saint Phalle]], die durch die Vulva betreten werden können, die Montagen aus Prothesen und Sexspielzeugen von [[Cindy Sherman]] und die provokanten [[Performance (Kunst)|Performances]] der österreichischen Künstlerin [[VALIE EXPORT]] wie die ''Aktionshose Genitalpanik'' (1969), bei der sie mit einer im Bereich der Genitalien ausgeschnittenen Hose durch die Zuschauerreihen eines Sexkinos ging,<ref name="Muthesius">Angelika Muthesius, Burkhard Riemschneider (Hrsg.): ''Erotik in der Kunst des 20. Jahrhunderts.'' Benedikt Taschen Verlag, Köln 1993; ISBN 3-8228-0447-9.</ref> sowie weitere Werke von [[Carolee Schneemann]], [[Hannah Wilke]], [[Marina Abramović]], [[Chloe Piene]] und [[Annie Sprinkle]] gehören in diesen Kontext.<ref name="Lehmann 2009" /><ref name="Badelt 2009" /><ref>Mithu M. Sanyal: ''Vulva: Die Enthüllung des unsichtbaren Geschlechts'', Wagenbach, 2009, ISBN 3-8031-3629-6</ref> <gallery> Datei:Baeteman.beeld06.jpg|Skulptur: Frau mit stilisierter Vulva, Paul Baeteman, 2005 Datei:Cherry, Matthew, Emily from Indiana.jpg|Matthew Cherry: ''Emily from Indiana'' 2008 Datei:Vulva in Art- Torso 6 corp.jpg|Aktfotografie ''Torso 6'' 2003 Datei:Skulptur tuebingen vulva cropped .jpg|Skulptur einer Vulva vor dem Institut für [[Medizinische Mikrobiologie|Mikrobiologie]] des [[Universitätsklinikum Tübingen|Universitätsklinikums Tübingen]] </gallery> == Literatur == === Medizin und Physiologie === * Günter Strauss: ''Vulva.'' In: [[Willibald Pschyrembel]], Günter Strauss, Eckhard Petri: ''Praktische Gynäkologie.'' Walter de Gruyter Verlag, 5. Auflage 1991, 1-31 * {{Literatur | Autor = Miranda A. Farage, Howard I. Maibach | Titel = The vulva: anatomy, physiology, and pathology | Verlag = CRC Press | ISBN = 0-849-33608-2 | Jahr = 2006 | Online = {{Google Buch | BuchID = GrKUb6igLsgC | Linktext = Volltext }} }} * {{Literatur | Autor = V. Küppers, H. G. Bender | Titel = Blickdiagnostik Vulva | Verlag = Elsevier, Urban & Fischer Verlag | ISBN = 3-437-23270-3 | Jahr = 2003 | Online = {{Google Buch | BuchID = NSUbYgsqbOEC | Linktext = Volltext }} }} * {{Literatur | Autor = Eiko E. Petersen | Titel = Farbatlas der Vulvaerkrankungen | Verlag = Kaymogyn GbmH | ISBN = 3-111-14201-9 | Jahr = 2007 }} * {{Literatur | Autor = Abdel Fattah Youssef | Titel = Youssef’s Atlas der gynäkologischen Diagnosen | Verlag = Gustav Fischer Verlag | ISBN = 3-437-10976-6 | Jahr = 1985 }} * {{Literatur | Autor = Sallie Neill, Fiona Lewis | Titel = Ridley's The Vulva | Verlag = Wiley-Blackwell | ISBN = 978-1-4051-6813-7 | Jahr = 2009 }} === Kulturgeschichte === * {{Literatur | Autor = Hans Peter Duerr | Titel = Intimität | Verlag = suhrkamp | ISBN = 3-518-38835-5 | Jahr = 1994 }}, S. 200–255 * {{Literatur | Autor = Hans Peter Duerr | Titel = Obszönität und Gewalt | Verlag = suhrkamp | ISBN = 3-518-38951-3 | Jahr = 1995 }}, S. 82–119 * {{Literatur | Autor = Agnès Giard | Titel = L'imaginaire érotique au Japon | Verlag = Albin Michel | ISBN = 978-2-2261-6676-0 | Jahr = 2007 }} * {{Literatur | Autor = Mithu M. Sanyal | Titel = Vulva: Die Enthüllung des unsichtbaren Geschlechts | Verlag = Wagenbach Verlag | ISBN = 3-803-13629-6 | Jahr = 2009 }} == Weblinks == {{Wiktionary}} {{Commonscat}} * [http://www.vulva-projekt.ch/ ''Vulva-Projekt''] der Schweizer Fotografin Natalie Uhlmann == Einzelnachweise == <references /> {{Exzellent|9. März 2010|71620310}} [[Kategorie:Vulva| ]] [[Kategorie:Weibliches Geschlechtsorgan]] [[als:Vulva]] [[ar:فرج]] [[arz:ڤالڤا]] [[bar:Vulva]] [[bg:Вулва]] [[bn:ভালভা]] [[br:Kourzh]] [[bs:Stidnica]] [[ca:Vulva]] [[cs:Vulva]] [[cy:Fylfa]] [[da:Vulva]] [[dv:ފަރުޖު]] [[el:Αιδοίο]] [[en:Vulva]] [[eo:Vulvo]] [[es:Vulva]] [[et:Häbe]] [[eu:Alu]] [[fa:فرج (عضو)]] [[fi:Häpy]] [[fr:Vulve]] [[ga:Pit]] [[he:פות]] [[hi:भग]] [[hr:Stidnica]] [[ht:Koko]] [[io:Vulvo]] [[is:Kvensköp]] [[it:Vulva]] [[ja:外陰部]] [[ko:외음부]] [[ku:Vûlva]] [[la:Vulva]] [[lb:Vulva]] [[lt:Vulva]] [[ml:ഭഗം]] [[nds:Puus]] [[nl:Vulva]] [[nn:Vulva]] [[no:Vulva]] [[oc:Vulva]] [[pl:Srom]] [[pt:Vulva]] [[ro:Vulvă]] [[ru:Вульва]] [[scn:Vulva]] [[simple:Vulva]] [[sk:Ženské ohanbie]] [[sl:Vulva]] [[sr:Stidnica]] [[su:Heunceut]] [[sv:Vulva]] [[th:อวัยวะสืบพันธุ์สตรีด้านนอก]] [[tl:Bulba]] [[tr:Kadın üreme organları]] [[uk:Вульва]] [[wuu:女阴]] [[zh:女陰]] [[zh-yue:女陰]] a35koa31hwl4rz51n310ywjonbuhnmq wikitext text/x-wiki Wahnsinn 0 24460 27060 2010-05-07T10:50:10Z Spuk968 0 Änderungen von [[Special:Beiträge/84.173.115.227|84.173.115.227]] rückgängig gemacht und letzte Version von CommonsDelinker wiederhergestellt [[Datei:Angelo Bronzino 003.jpg|thumb|[[Agnolo Bronzino]], Detail aus der „[[Allegorie der Liebe]]“ (1540/45)]] Als '''Wahnsinn''' oder '''Verrücktheit''' wurden in der Geschichte des [[Abendland]]es bis zum Ende des 19. Jahrhunderts bestimmte [[Sozialverhalten|Verhaltens]]- oder [[Denken|Denkmuster]] bezeichnet, die nicht der akzeptierten [[Soziale Norm|sozialen Norm]] entsprachen. Dabei bestimmten stets gesellschaftliche [[Konvention]]en, was als „Wahnsinn“ verstanden wurde: Der Begriff konnte dabei für bloße Abweichungen von den Konventionen (vgl. lat. ''delirare'' aus ''de lira ire'', ursprünglich landwirtschaftlich „von der geraden Furche abweichen, aus der Spur geraten“), für geistige Störungen, bei denen ein [[Mensch]] bei vergleichsweise normaler [[Verstand]]esfunktion an krankhaften [[Phantasie|Einbildung]]en litt, bis hin zur Kennzeichnung völlig bizarrer und (selbst-)zerstörerischer Handlungen verwendet werden. Auch Krankheitssymptome, wie etwa jene der [[Epilepsie]] oder eines [[Schädel-Hirn-Trauma]]s, wurden zeitweilig als Wahnsinn bezeichnet. Da der Begriff des „Wahnsinns“ in Europa historisch zum einen in unterschiedlichen Kontexten mit unterschiedlichen Bedeutungen verwendet wurde, er zum anderen rückblickend auf verschiedene Phänomene angewendet wird, ist er ein [[Medizingeschichte|medizin]]- und [[Kulturgeschichte|kulturgeschichtlich]] nur schwer eingrenzbares, kaum zu definierendes und zum Teil widersprüchliches Phänomen. Welche Normabweichungen noch als „Verschrobenheit“ akzeptiert wurden und welche bereits als „verrückt“ galten, konnte sich abhängig von Region, Zeit und sozialen Gegebenheiten erheblich unterscheiden. Daher lassen sich moderne [[Nosologie|Krankheitskriterien]] und -bezeichnungen in der Regel nicht auf die historischen Ausprägungen von Wahnsinn anwenden. == Wortgeschichte == Das Wort „Wahnsinn“ ist eine Rückbildung des 18. Jahrhunderts aus dem [[Adjektiv]] „wahnsinnig“, das schon im 15. Jahrhundert nachweisbar ist. Vorbild war das Wort „wahnwitzig“, welches auf das [[althochdeutsch]]e ''wanwizzi'' zurückgeht. Dabei meint das althochdeutsche ''wan'' ([[Indogermanische Ursprache|ie.]] *(e)uə-no „leer“) ursprünglich „leer, mangelhaft“ (vgl. [[Latein|lat.]] ''vanus'', [[Englische Sprache|engl.]] ''waning''). „Wahnwitz“ bzw. „Wahnsinn“ bedeuteten also in etwa „ohne Sinn und Verstand“. Dadurch, dass ''wan'' und ''Wahn'' (ahd. ''wân'' „Hoffnung, Glaube, Erwartung“)<ref>Jörg Mildenberger, Anton Trutmanns 'Arzneibuch', Teil II: Wörterbuch, Würzburg 1997, V, S. 2229</ref> [[Sprachgeschichte|sprachgeschichtlich]] zusammengefallen sind, haben sich die [[Semantik|Bedeutungen]] gegenseitig beeinflusst: „Wahn“ wurde zur falschen, eingebildeten [[Hoffnung]], der alte Wortbestandteil ''wan'' wird heute als das [[Etymologie|etymologisch]] nicht verwandte „Wahn“ wahrgenommen. Das Althochdeutsche kennt drei [[Substantiv]]e, die markante Zustände der Verstandestrübung und des Wahnsinns beschreiben: ''sinnelōsĭ'', ''tobunga'' und ''unsinnigī''. Diesen Begriffen ist eventuell noch das pathologische ''uuotnissa'' zur Seite zu stellen, es übersetzt das lateinische ''dementia''. Die Bedeutung von „Wahnsinn durch Besessenheit“ hat ''unuuizzi''. All diese Begriffe tragen ihren Ursprung im [[Latein]]ischen (''dementia'', ''alienatio'' und ''insipienta'') und sind nur sehr schwer voneinander abzugrenzen. Im [[Mittelhochdeutsch]]en gibt es eine ganze Reihe anderer Begriffe, um Wahnsinn(ige) zu bezeichnen; zuerst einmal ''tôr'' und ''narre'', aber auch ein großes [[Wortfeld]] mit [[Komposition (Grammatik)|Komposita]] der [[Wortstamm|Stammsilbe]] ''sin(n)'', wie zum Beispiel ''unsin'', ''unsinheit'', ''unsinne'', ''unsinnec'', ''unsinnecheit'', ''unsinneclîchen'' und ''unsinnen''. Dazu kommen noch die bereits erwähnten Komposita der Stammsilbe ''wan'' wie ''wanwiz'', ''wanwizze'' und ''wanwitzic'' und Komposita der Stammsilbe ''toben'' wie ''Tobesuht'', ''tobesite'', ''toben'', ''tobesühtig'' und ''tobic'' oder auch ''töbic''. Bei [[Hartmann von Aue]] finden sich noch ''hirnsühte'' und ''hirnwüetecheit''. [[Synonym]] gebrauchte Begriffe sind „Verrücktheit“ und „Irrsinn“ („Irre-Sein“). Historisch wurde der Begriff auch in der [[Fachsprache]] der [[Psychopathologie]] verwendet, bis er im 19. Jahrhundert durch den Terminus „[[Geisteskrankheit]]“ abgelöst wurde. Als [[Krankheit]]sbezeichnung wird er in den Wissenschaften heute jedoch nicht mehr gebraucht. Heute werden die Wörter „Wahnsinn“ und „wahnsinnig“ im allgemeinen [[Sprachgebrauch]] neben ihrer alten Bedeutung auch im übertragenen Sinn sowohl in positiver als auch in negativer Weise zur Bezeichnung außergewöhnlicher, extremer Zustände benutzt. <!-- Eher [[Umgangssprache|umgangssprachlich]] waren die Worte ''tumb'' und ''tumbheit'', die auf [[Stummheit]] verweisen, aber für eine Vielzahl psychischer Defekte verwendet wurden. --> == Zeichen des Wahnsinns&nbsp;– „Symptome“ == Da die Formen des Phänomens „Wahnsinn“ sehr vielfältig sind, können die Interpretationen dessen, was als [[Symptom]] dieses Zustands anzusehen ist, sehr unterschiedlich ausfallen. In jedem Fall bewegen sich die Verhaltensweisen und Ausdrucksformen der Wahnsinnigen in bestimmter Weise außerhalb der Norm. Die Betroffenen sind damit aus der Mitte ihrer sozialen Umwelt&nbsp;– im buchstäblichen Sinne&nbsp;– ''„ver-rückt“''. Häufig äußert sich Wahnsinn durch einen Kontrollverlust über die [[Affekt]]e, so dass [[Emotion|Gefühle]] ungehemmt gezeigt und ausgelebt werden. Das Verhalten bewegt sich außerhalb der Vernunft, die Folgen des eigenen Tuns für sich und andere werden nicht mehr bedacht. Handlungen können objektiv sinn- und zwecklos sein oder aber rein [[Verhaltensbiologie|triebgesteuert]]. Hinzu kann der Ausfall einzelner kognitiver Fertigkeiten treten. Der Unterschied zwischen der inneren und der äußeren Wirklichkeit wird gegebenenfalls nicht mehr erkannt. Die Wahrnehmung der [[Realität]] ist gestört. Beispiele für die daraus resultierenden katastrophalen Folgen finden sich bereits in der antiken [[Mythologie]]: [[Herakles|Herkules]] tötet im Wahnsinn seine Kinder, [[Ajax der Große|Ajax]] metzelt die Schafherde des [[Odysseus]] nieder und stürzt sich ins eigene Schwert, der edonische König [[Lykurg (Thrakien)|Lykurg]] trennt sich selbst die Beine ab, [[Medea]] erdolcht ihre Söhne und [[Melampus (Seher)|Melampus]] [[Kastration|kastriert]] sich mit tödlichem Ausgang selbst. Die von Außenstehenden wahrnehmbaren konkreten Ausprägungen des Wahnsinns bewegen sich in einem breiten Spannungsfeld zwischen höchst gesteigerter [[Tätigkeit|Aktivität]] und [[Katatonie|katatonem Stupor]]. Bei ersterem Extrem können [[Manie|manisches]] und [[Agitation|agitiertes]] Handeln bestimmend sein, im anderen Extrem nach [[ICD-10]] (F32.3) [[Depression|depressives]] oder [[Apathie|teilnahmsloses]] Dahindämmern. Als oftmals kennzeichnend für die gestörte Kommunikationsfähigkeit der Betroffenen kann auch der Aspekt einer Reduktion der sprachlichen Äußerungen gesehen werden ([[Echolalie]]: repetitive Wiederholung von Satzteilen, [[Lautmalerei]], [[Reduplikation (Sprache)|Reduplikation]], [[Kinderreim]]e oder [[Kinderlied|-lieder]]). === Bildliche Darstellungen === [[Datei:Johann Heinrich Füssli 035.jpg|thumb|[[Johann Heinrich Füssli|J.&nbsp;H. Füssli]], „Die wahnsinnige Kate“ (1806/07)]] Darstellungen des Wahnsinns in [[Kunst]] und [[Literatur]] können einen Eindruck davon vermitteln, welche symptomatischen Ausprägungen in früheren Zeiten unter „Wahnsinn“ verstanden wurden. Natürlich handelt es sich dabei um [[Quelle (Geschichtswissenschaft)|Quellen]], die mit besonderer Vorsicht verwendet werden müssen. Zwar kann eine [[Ikonographie]] des Wahnsinns nur auf Grundlage eines Fundus der bereits vorhandenen Vorstellungen seiner Erscheinungsformen entstehen. Die konkreten künstlerischen Darstellungen wirken dann allerdings auch wieder auf die Erwartungen des Publikums zurück, das heißt, es ist grundsätzlich eine gegenseitige Bedingtheit stereotyper Modelle zu erwarten. Sowohl das ästhetische als auch das medizinisch-diagnostische Krankheitsbild sind oftmals [[Projektion (Psychoanalyse)|Projektionen]], die die Realität verzerrt wiedergeben oder aber sogar formen können. [[Datei:Raffael Transfiguration Detail.jpg|thumb|left|[[Raffael]], „Verklärung Christi“ (1519/20), Detail]] In den bildlichen Darstellungen manifestiert sich der Wahnsinn fallweise durch verzerrte [[Mimik]], unnatürlich verdrehte Körperhaltung, widersprüchliche oder sinnlose [[Gestik]], durch absurde Handlungen, Darstellung von [[Halluzination]]en oder einfach nur unter Zuhilfenahme der [[Physiognomie]]. Das Gesicht ist die bevorzugte Körperregion, die zur Kenntlichmachung des Wahnsinns herangezogen wird. In erster Linie deuten unharmonische, asymmetrische oder verzerrte Gesichtszüge bis hin zu [[Grimasse]]n und weit aufgerissenen oder verdrehten Augen auf geistige Zustände jenseits der Normalität hin. Der Situation unangemessene Mimik, etwa das Lachen in einer Trauersituation, ist ein besonders starker Hinweis auf vorliegenden Wahnsinn. Die Gestik der Wahnsinnigen ist häufig widersprüchlich oder undeutbar. Theatralische Verrenkungen und widerstrebende Bewegungsrichtungen verschiedener [[Körperteil]]e gehören hier ebenso dazu wie ungewöhnliches Ent- oder Angespanntsein der Muskulatur. Als Extreme sind völlig verkrampfte Haltungen oder erschlafftes Zusammengesunkensein möglich. Bei der Darstellung von Frauen kann eine erotisch-unschamhafte Komponente hinzutreten. Die medizinischen [[Illustration]]en dürfen aus den bereits genannten Gründen in ihrem Quellenwert nicht weniger kritisch eingeschätzt werden als die künstlerischen Gestaltungen. Siehe auch den untenstehenden Abschnitt ''[[#Beispiele aus der bildenden Kunst|Beispiele aus der bildenden Kunst]]''. === Literarische Beschreibungen === Eine eindringliche Beschreibung des Wahnsinns findet sich bereits in einem Abschnitt des ''[[Iwein]]'' von Hartmann von Aue. Der Löwenritter Iwein versäumt eine von seiner Frau gestellte Frist und verliert damit ihre Gunst. Daraufhin flieht er vom Hof, wird tobsüchtig und fristet als unbekleideter Wahnsinniger sein Leben im Wald:<ref>Hartmann von Aue: ''Îwein''. vv. 3231–3238; Quelle: http://www.fh-augsburg.de/~harsch/germanica/Chronologie/12Jh/Hartmann/har_iwei.html#3201</ref> <poem> ''dô wart sîn riuwe alsô grôz'' ''daz im in daz hirne schôz'' ''ein zorn unde ein tobesuht,'' ''er brach sîne site und sîne zuht'' ''und zarte abe sîn gewant,'' ''daz er wart blôz sam ein hant.'' ''sus lief er über gevilde'' ''nacket nâch der wilde.''</poem> (Frei übersetzt: ''Da wurde sein Leid so groß, dass ihn Wahnsinn und Raserei irre machten. Er verlor Anstand und Erziehung, riss sich seine Kleider vom Leib, bis er vollkommen nackt war. In dieser Aufmachung lief er über die Felder in unbewohnte Gegenden.'') Später wird er durch eine Zaubersalbe geheilt, die die Fee Feimorgan selbst einmal vor langer Zeit hergestellt hat, und bewältigt seine [[Identität]]skrise, indem er sein bisheriges Leben als Traum einschätzt und sich fortan für einen [[Landwirt|Bauern]] hält. Dann wird er bekleidet und zur Burg Gräfin von Narison geführt, wo er vollständig heilt. Schon früh ist hierin die Beschreibung der [[Pathogenese|Ätiopathogenese]] als auch der [[Symptomatik]] und der Heilung von Wahnsinn gesehen worden. In [[Georg Heym]]s Erzählung ''Der Irre'' wird der ganze Schrecken des vollkommenen, sinnlosen Wahnsinns geschildert. Der aus einer Irrenanstalt entlassene Patient beginnt einen unheilvollen Zug durch die umliegende Gegend, wo er auch auf zwei Kinder trifft: {{Zitat|Er holte die Kinder ein und riss das kleine Mädchen aus dem Sande auf. Es sah das verzerrte Gesicht über sich und schrie laut auf. Auch der Junge schrie und wollte fortlaufen. Da bekam er ihn mit der andern Hand zu packen. Er schlug die Köpfe der beiden Kinder gegeneinander. Eins, zwei, drei, eins, zwei, drei, zählte er, und bei drei krachten die beiden kleinen Schädel immer zusammen wie das reine Donnerwetter. Jetzt kam schon das Blut. Das berauschte ihn, machte ihn zu einem Gott. Er musste singen. Ihm fiel ein Choral ein. Und er sang:<br /> ‚Ein feste Burg ist unser Gott / […] Auf Erd ist nicht sein'sgleichen.‘<br /> Er akzentuierte die einzelnen Takte laut, und bei jedem ließ er die beiden kleinen Köpfe aufeinanderstoßen, wie ein Musiker, der seine Becken zusammenhaut. Als der Choral zu Ende war, ließ er die beiden zerschmetterten Schädel aus seinen Händen fallen. Er begann wie in einer Verzückung um die beiden Leichen herumzutanzen. Dabei schwang er seine Arme wie ein großer Vogel, und das Blut daran sprang um ihn herum wie ein feuriger Regen.|Autor=Georg Heym|Quelle=Der Irre<ref>Georg Heym: ''Der Irre''. Quelle: http://gutenberg.spiegel.de/heym/dieb/irre1.htm</ref>}} Eine der eindrücklichsten Schilderungen des Wahnsinn dürfte die [[Groteske]] ''Aufzeichnungen eines Wahnsinnigen'' von [[Nikolai Wassiljewitsch Gogol]] sein. Die detaillierte Darstellung der beständigen Realitätsverneinung und Flucht in eine Traumwelt bei gleichzeitigem körperlichem Verfall stellt eine sehr eindrucks- und reizvolle künstlerische Gestaltung der ''Mania'' dar. Sie beschreibt in der [[Ich-Perspektive]] die Geschichte des Amtsschreibers Poprischtschin, der eines Tages auf zwei sprechende Hunde trifft, die von sich behaupten, in [[Korrespondenz]] miteinander zu stehen. Poprischtschin ist unglücklich in die Tochter seines Chefs verliebt, die für ihn unerreichbar ist, und gibt sich seinen Depressionen hin. Bald kann er die Briefe der Hunde beschlagnahmen und lesen, später erfährt er aus der Zeitung, dass der spanische Thron verwaist ist. Er erkennt sich selbst als den legitimen König von Spanien. In solch hohe Position gehoben, tritt er vor die geliebte Sophie und prophezeit ihr, dass sie zusammenfinden werden. Poprischtschin wird in die [[Irrenanstalt]] eingewiesen, glaubt aber, er sei in Madrid, der Oberarzt aber der spanische Inquisitor. Siehe auch den unten stehenden Abschnitt ''[[#Beispiele aus der Literatur|Beispiele aus der Literatur]]''. == Formen == [[Datei:Pieter Bruegel d. Ä. De dulle Griet.jpg|thumb|[[Pieter Bruegel d. Ä.]]: „Die tolle Grete“, Ausschnitt, 115 × 161 cm, Öl auf Holz, um 1563. [[Museum Mayer van den Bergh]], Antwerpen. Ein kunstgeschichtlich frühes, genau beobachtetes Abbild einer Schizophrenen<ref>Panse, Fr. und H. J. Schmidt: ''Pieter Bruegels Dulle Griet. Bildnis einer psychisch Kranken.'' Bayer, Leverkusen 1967.</ref>]] Im Lauf der Geschichte sind unzählige Formen des Wahnsinns unterschieden und eine ganze Reihe von Klassifikationssystemen vorgeschlagen worden. Zur historischen [[Differentialdiagnose]] gehörten unter anderem ''[[dementia]], [[dementia praecox]], [[amentia]], insania, [[melancholia]], amor, [[Manie|mania]], [[furor]], [[ebrietas]], [[lykanthropia]], [[ekstase]], [[phrenitis]] (daher „frenetisch“), somnium, [[Lethargie|lethargus]], [[delirium]], [[Koma|coma]], [[cataphora]], [[Schlafwandlerei|noctambulismus]], [[Ignoranz|ignorantia]], [[Epilepsie|epilepsia]], [[Apoplexie|apoplexia]], [[Paralyse|paralysis]], [[Hypochondrie|hypochondriasis]]'' und ''[[somnambulismus]]''. Hier sollen im Weiteren nur einige der wichtigsten Formenkreise vorgestellt werden. === „Nützlicher Wahnsinn“ === In der [[Antike]] konnten dichterische [[Inspiration]] und [[Seher]]tum „positive“ Formen des Wahnsinns darstellen. Im [[Griechische Sprache|Altgriechischen]] ist μανία, ''manía'' „die Raserei“ verwandt mit dem sehr ähnlichen griechischen μαντις, ''mantis'', das ist „der Seher“, „der [[Prophet]]“. Auch die [[Ekstase]] galt als Wahnsinn, insbesondere die [[Dionysos|dionysische Raserei]]. [[Platon]] unterscheidet vier Formen des produktiven Wahnsinns: den [[Mantik|mantischen]], [[Mystik|mystischen]], [[Poesie|poetischen]] und erotischen Wahnsinn. „Göttlicher Wahnsinn“ kann zu wahrem Wissen führen und ist somit positiv konnotiert.<ref>Zur Auffassung Platons vgl. Phaedr. 244 a - 245 a, 265 a - 265 b, Tim. 86 b </ref> Ähnlich der antiken Auffassung gab es auch im Mittelalter sanktionierten Wahnsinn. Dieser äußerte sich etwa in geistlicher Ekstase, Verzückungen oder [[Vision (Religion)|Visionen]]. Zudem konnten [[Heiliger|Heilige]] in einen „guten“ Wahnsinn geraten. === Unvernunft === Die in der [[Neuzeit]] bestimmende Charakterisierung von Wahnsinn nimmt [[Immanuel Kant]] in seiner ''[[Philosophische Anthropologie|Anthropologie]] in pragmatischer Hinsicht'' (1798) vor. Diese wegweisende Einteilung basiert auf der [[Dichotomie]] von ''[[Vernunft]]'' und ''[[Unvernunft]]''. Denjenigen, die er als „Verrückte“ kategorisiert, teilt er die Krankheitsformen „Wahnsinn“, „Wahnwitz“ und „Aberwitz“ zu. Seine Einschätzung des Wahnsinns als „methodische Verrückung“, die sich durch „selbstgemachte Vorstellungen einer falsch dichtenden Einbildungskraft“ auszeichnet, wird zur klassischen [[Definition]] des Wahnsinns im 18. und 19. Jahrhundert. „Wahnwitz“ ist für Kant hingegen eine ''systematische'', wenngleich nur teilweise Störung der Vernunft, die sich als „positive Unvernunft“ äußert, da die Betroffenen andere Vernunftregeln gebrauchen als die Gesunden. Gemein ist allen Formen des Wahnsinns nur der Verlust des Gemeinsinns (''[[sensus communis]]''), der durch einen logischen [[Eigensinn]] (''sensus privatus'') ersetzt wird. === Melancholie === [[Datei:Dürer_Melancholia_I.jpg|thumb|[[Albrecht Dürer]], „[[Melencolia I|Melencolia&nbsp;I]]“ (1514)]] Eine andere Form des „Wahnsinns“ wird zwar schon in der Antike beschrieben, erlangt aber vor allem bei den Gebildeten seit dem [[Humanismus#Humanismus als Epochenbegriff|Humanismus]] als „[[Modekrankheit]]“ Popularität: die Krankheit der [[Melancholie]]. Zwar galt der [[Temperamentenlehre|Konstitutionstyp]] des [[Melancholiker]]s im Mittelalter als der am wenigsten erstrebenswerte, da dieser mit dürftigem Körperbau, unattraktivem Erscheinungsbild und unerfreulichen charakterlichen und geistigen Eigenschaften veranlagt war. Doch lag in der Melancholie als ''Krankheit'' eine bereits bei [[Aristoteles]] und [[Marcus Tullius Cicero|Cicero]] angedeutete Möglichkeit der Selbstgenialisierung verborgen, die im Humanismus nun in einem „Melancholie-Kult“ gepflegt wurde. Der kreative Künstler und Denker bewegte sich dieser Vorstellung nach stets zwischen Genie und Wahnsinn. Noch [[Friedrich Wilhelm Joseph von Schelling|Schelling]] bezog sich auf diese alte Lehre, als er behauptete, dass nur Menschen, die ein wenig wahnsinnig sind, kreativ sein könnten (''nullum magnum ingenium sine quadam dementia''). Diese Form der Selbststilisierung wurde erst im 19. Jahrhundert allmählich unpopulär. === Manie und Hysterie === Im Gegensatz zur Melancholie stand immer die Mania (Raserei). Diese war als ''Delirium sine febre cum furore et audacia'' definiert. In der Abgrenzung zur Melancholie wird hier die größere Wildheit, Aufgeregtheit und Hitzigkeit der Mania betont. [[Jean François Fernel|Joannes Fernelius]] schrieb:<ref>Kutzer, S. 92).</ref> {{Zitat|[Die Mania …] ist in Gedanken, Worten und Werken dem Wahnwitz der melancholischen ähnlich, doch quält und treibt sie die Kranken mit Jähzorn, Streitsucht, Geschrei, entsetzlichem Aussehen, mit weitaus größerem körperlichem Ungestüm und geistiger Verwirrung umher.}} Ursprünglich den Frauen vorbehalten war die [[Hysterie]] (''pnix hysterike''), von der man annahm, dass diese durch die weiblichen reproduktiven Anlagen verursacht sei. So sollten etwa durch Lageveränderung der Gebärmutter im Körper der Frau Erstickungsgefühle hervorgerufen werden können, die zu den Ursachen dieser Wahnsinnsart gerechnet wurden. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurden Frauen oftmals aus diesem Grund von Ärzten verstümmelt (s.u.). === Sonstige Formen === [[Datei:Richer Attaque.jpg|miniatur|Paul Richer, „Attaque demoniaque“ (um 1880)]] Zum Wahnsinn wurden bisweilen auch nicht-psychische Krankheiten und Defekte gezählt, wie Epilepsie oder [[Tollwut]] (''Rabies''), selbst fiktive Phänomene wie die [[Lykanthropie]] oder [[Tanzwut]] (die allerdings im [[Chorea Huntington|Veitstanz]] ihr reales Pendant findet). Auch substanzinduzierte Bewusstseinsstörungen wie [[Rausch]]- und [[Vergiftung]]szustände ([[Alkohol]], [[Halluzinogen]]e, Pflanzengifte) konnten unter Wahnsinn subsumiert werden. Besondere Formen stellen die auf rein organische Ursachen zurückgehenden Dauerzustände wie die „angeborene Blödsinnigkeit“ (''amentia congenita'') bzw. massive [[Intelligenzminderung]] (Stumpf- und Starrsinn: Koma, Lethargie, Katoché, Alters[[demenz]]) dar. Die [[Liebeskrankheit]] (''amor hereos'', ''morbus amatoris'') ist ein Wahnsinn, der sich bei unerfüllter oder unglücklicher Liebe einstellt. Ein Beispiel führt die anonyme Märe ''Der Bussard'' aus dem 14. Jahrhundert vor, in der ein Königssohn seine Braut verliert und sich in krankhaften [[Liebeskummer]] hineinsteigert. Seine Verzweiflung wächst mit Weinen und Haareraufen. Dann bricht der Wahnsinn über ihn herein und der Königssohn wird zum Tier. Bis zum ''[[Happy End]]'' vegetiert er als Waldmensch dahin. [[Franz Werfel]] gibt in seinem Roman ''Das Lied von Bernadette'' eine sehr eindrückliche Definition des Wahnsinns als Leugnung von Sinn. Dort heißt es:<ref>Franz Werfel: ''Das Lied von Bernadette.'' Bertelsmann, Frankfurt 1953. Seite 281</ref> {{Zitat|Der Glaube an das Göttliche ist nichts andres als die wesensüberzeugte Anerkennung, daß die Welt einen Sinn habe, das heißt eine geistige Welt sei. Der Wahnsinn ist die vollkommenste Aberkennung dieses Sinnes. Mehr als das, er ist die gleichnishafte Sinnlosigkeit der Schöpfung im Geschöpf. Wo die letzte Evidenz des Sinns in einer Seele wirklich fehlt – dies ist aber äußerst selten –, tritt der Wahnsinn in sein Recht. Daher kommt es, daß Zeiten, die den göttlichern Sinn, des Universums leugnen, vom kollektiven Wahnsinn blutig geschlagen werden, […]}} In jenem medizinisch-naturwissenschaftlich bestimmten Denken, welches vom Beginn der Aufklärung an bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts die Geschichte Europas wesentlich mitgeprägt hat, war [[Gesundheit]] für breite Bevölkerungsschichten der Maßstab des Konzeptes von Normalität und umgekehrt. In der Folge wurde in der bürgerlichen Gesellschaft leicht alles, was nicht „normal“ war, als „krankhaft“ betrachtet. Dazu konnte alles gehören, was nicht den kulturellen, gesellschaftlichen, moralischen oder juristischen Vorstellungen der Zeit von akzeptablem Verhalten oder Existenzformen entsprach (z.&nbsp;B. [[Homosexualität]]). Diejenigen, die sich nicht konform verhielten oder randständig waren, sollten möglichst „geheilt“ und „reintegriert“ werden. Ein [[stereotyp]]es Ideal eines „Gesunden“, d.&nbsp;h. eine Vorstellung davon, was als „gesund“ und „normal“ zu gelten hat, ist dabei aus Gründen der notwendigen Abgrenzung untergründig immer präsent gewesen. Zugleich konnte dieses Ideal aber auch bewusst zur gezielten Ausgrenzung missbraucht werden (wie in späterer Zeit z.&nbsp;B. durch die [[Psychiatrisierung]] der [[Dissident]]en in der [[Sowjetunion]] geschehen). == Ursachenzuschreibungen == Der erste, der den Komplex des Wahnsinnsbegriffs behandelte, war Platon. In seinem Dialog ''[[Phaidros]]'' unterscheidet er zwischen zwei Hauptformen: jenem Wahnsinn, der durch menschliche Krankheit und jenem, der durch göttliche Gabe verursacht ist. Daran anschließend wird hier nach ''natürlichen'' und ''übernatürlichen'' Erklärungsversuchen für den Wahnsinn unterschieden. === Übernatürliche Erklärungsmodelle === ==== Magisch-heidnische Vorstellungen ==== Bei den [[Babylonier]]n (etwa 19. bis 6. Jahrhundert v. Chr.) und [[Sumerer]]n (etwa 2800 bis 2400 v. Chr.) galt Wahnsinn als durch [[Besessenheit]], [[Zauberei]], [[dämon]]ische Bosheit, den [[Böser Blick|Bösen Blick]] oder durch das Brechen eines [[Tabu]]s verursacht. Er war Richtspruch und Strafe zugleich. Auch im antiken [[Griechenland]] ging die [[Volkskunde|volkstümliche]] Auffassung zumeist von einer „Besessenheit durch böse [[Gespenst|Geister]]“ aus. Daneben gab es die Vorstellung, dass Wahnsinn von einer göttlichen Macht geschickt würde. Während die [[somatisch]] bedingte Krankheit „Wahnsinn“ für die [[Seele]], wie Platon im ''Timaios'' ausführt, von Übel ist, führte diesem Konzept nach der göttliche Wahnsinn zu wahrem Wissen und war somit durchaus positiv besetzt. In den antiken [[Mythos|Mythen]] führte er allerdings fast immer zu Selbstzerstörung und zur Tötung Unschuldiger&nbsp;– meist von Familienmitgliedern&nbsp;–, wenn die Götter den Wahnsinn schickten. Wahnsinn galt dort in der Regel als durch [[Hybris]], Stolz oder Ehrgeiz selbst verschuldet. Im [[Mittelalter]] wurde der „gewöhnliche“ Wahnsinn in der Vorstellung der meisten Menschen vom [[Teufel]] verursacht oder durch [[Hexe]]n gebracht. Insbesondere unkontrolliertes Handeln und Sprachensprechen ([[Zungenrede|Glossolalie]]) wurden als teuflisch (lat. ''maleficum'') angesehen. ==== Christlich-religiöse Vorstellungen ==== [[Datei:William Blake - Nebukadnezar.jpg|thumb|[[William Blake]], „Nebukadnezar“ (1795)]] Bereits im [[Altes Testament|Alten Testament]] ist der Wahnsinn eine [[Strafe]], die auf göttliches Eingreifen zurückzuführen ist. So heißt es etwa in [[5. Buch Mose|Dtn]] 28,28: ''„Der Herr schlägt dich mit Wahnsinn, Blindheit und Irresein“''. Eine solche Strafe trifft die Figur des [[Nebukadnezar II.|Nebukadnezar]] aus dem Bericht in [[Buch Daniel|Dan 4,1–34]]. Nebukadnezar ist ein überheblicher [[Tyrann]], der die [[Jude]]n verfolgt. Durch eine himmlische Stimme wird ihm tiefste Erniedrigung angekündigt. Er verfällt dem Wahnsinn und muss sieben Jahre lang wie ein Tier leben und Gras fressen. Diese Gestalt des Nebukadnezar ist die [[Typus (Literatur)|Vorlage]] für die mittelalterliche Sichtweise der Ursachen für den Wahnsinn schlechthin. Da er wegen der Erzsünde des [[Hochmut]]s erniedrigt wurde, lagen Bezüge zwischen [[Sünde]] und Wahnsinn nah: [[Hugo von Sankt Viktor]] betonte etwa den pädagogischen Aspekt von Nebukadnezars Wahnsinn. In der Folge wurde im Mittelalter der Wahnsinn häufig auf das Einwirken [[Gott]]es zurückgeführt. [[Datei:Duc De Berry - Besessener.jpg|thumb|left|Aus einem [[Stundenbuch]] des [[Johann von Berry|Herzog von Berry]] (14. Jahrhundert), Detail: „Exorzismus“]] Wahnsinn wird in der Regel als Besessenheit interpretiert. Der offenkundigste alttestamentliche Fall findet sich bei [[Saul|König Saul]] ([[1. Buch Samuel|1 Sam]] 9,2–31,13). Saul zieht den Zorn Gottes auf sich, weil er die [[Amalekiter]] nicht vollständig ausrottet, und wird von einem bösen Geist besessen, der ihn mit Wahnsinn und Raserei quält: ''„Am folgenden Tag kam über Saul wieder ein böser Gottesgeist, so dass er in seinem Haus in Raserei geriet.“'' (1 Sam 18,10). Diese Geschichte wurde im Mittelalter immer wieder dahingehend verwendet, die Theorie von Besessenheit durch Dämonen und [[Teufel]]&nbsp;– vor allem während der [[Inquisition]]&nbsp;– zu stützen. Erst Mitte des 17. Jahrhunderts beginnen niederländische [[Calvinist]]en, diese Bibelstelle im Sinne der Beschreibung einer Geisteskrankheit auszulegen. [[Datei:Healing of the demon-possessed.jpg|miniatur|Aus einer mittelalterlichen Handschrift, „Heilung des Besessenen von Gerasa“, Detail]] Auch im [[Neues Testament|Neuen Testament]] finden sich Fälle von Wahnsinn. Das prominenteste Beispiel ist die [[Heilung]] des Besessenen von [[Gerasa]] durch [[Jesus von Nazaret|Jesus]] ([[Evangelium nach Matthäus|Mt]] 8,28–34; [[Evangelium nach Markus|Mk]] 5,1–20, [[Evangelium nach Lukas|Lk]] 8,26–40). Bei Matthäus heißt es:<ref>{{B|Mk|5|3}}</ref> {{Zitat|Man konnte ihn nicht bändigen, nicht einmal mit Fesseln. Schon oft hatte man ihn an Händen und Füßen gefesselt, aber er hatte die Ketten gesprengt und die Fesseln zerrissen; niemand konnte ihn bezwingen. Bei Tag und Nacht schrie er unaufhörlich in den Grabhöhlen und auf den Bergen und schlug sich mit Steinen.}} Aber auch die [[Apostel]] waren fähig, Wahnsinn zu heilen (zum Beispiel in [[Apostelgeschichte des Lukas|Apg 5,16]]). In der Inquisition verdichtete sich die Auffassung von Wahnsinn als Form der Besessenheit von Dämonen, Teufeln und bösen Geistern. <!-- Im [[Hexenhammer]] (''Malleus maleficarum'') wird ''en detail'' erklärt, welche Ursachen eine solche Besessenheit haben kann und wie sie zu heilen ist. Gründe waren zum Beispiel eine schwere persönliche Sünde, manchmal aber auch ein großer geistlicher Verdienst, der die Aufmerksamkeit Satans erregt hatte. Eine weitere Möglichkeit war die [[Zauberei|Behexung]]. Da nach [[Johannes Cassianus]] jedoch niemand ohne die Zulassung Gottes von Geistern versucht werden kann, bedeutete dies, das alles ''„von Gott unserem liebevollsten Vater und gnädigstem Arzte zu unserem Nutzen verhängt wird, und deswegen ist Besessenheit und Wahnsinn dem Menschen als Zuchtmeister zur Demütigung beigegeben, damit sie beim Abscheiden aus dieser Welt Läuterungen zum anderen Leben mitnehmen“''. --> Bedeutung erlangte im [[Spätmittelalter]] und in der [[Frühe Neuzeit|frühen Neuzeit]] auch die Vorstellung des ''Kampfes um die Seele'' (siehe auch [[Prudentius]], ''Psychomachie''). Diese beinhaltete, dass die Mächte Gottes und des Teufels um die Seele des Menschen kämpften. Als eine mögliche Folge wurde das Eintreten geistiger [[Verwirrtheit]] vermutet. === Natürliche Erklärungsmodelle === ==== Geistig-moralische Defekte ==== Im [[homer]]ischen Epos bedeutete das griech. μαινεσθαι (''mainesthai'') „rasen“, „toben“ oder „von Sinnen sein“. Dieses Verhalten außerhalb der Normen war in der Regel durch den Verlust der [[Affekt]]kontrolle bedingt. Unter „gewöhnlichem“ Wahnsinn verstanden die alten [[Griechen]] also die Beeinträchtigung oder Ausschaltung des nüchternen Verstandes, zum Beispiel durch [[Schmerz]], [[Wut]], [[Hass]] oder [[Rache]]gelüste. Auch in der [[Attische Tragödie|Attischen Tragödie]], die existentielle und elementare Konflikte behandelt, wurde der Wahnsinn als Verlust des [[Selbst]] gesehen, der katastrophale Folgen für den Betroffenen und die Gemeinschaft haben konnte. Nach Ende des Mittelalters, das vor allem dem Erklärungsmodell der Besessenheit verhaftet war, veröffentlichte [[Johann Weyer]] (1515–1588) im Jahre 1563 die Streitschrift ''De praestigiis daemonum'' gegen den [[Hexenhammer]] und die Inquisition. Er sah Wahnsinn als eine Krankheit des Geistes und setzte den religiösen Irrungen ein rationales medizinisches Paradigma entgegen. Er blieb jedoch ein Einzelkämpfer, der sich gegen [[Aberglaube]]n und [[Klerus]] nicht durchzusetzen vermochte. Dennoch konnte er sich auf Theophrast von Hohenheim ([[Paracelsus]]) (1493–1541) und [[Felix Platter]] (1536–1614) stützen, die wie er Vorkämpfer der medizinischen [[Psychiatrie]] waren. Platter behauptete, dass nicht jede Form von Wahnsinn automatisch durch Dämonen verursacht sei. Besonders im „gemeinen Volk“ fänden sich oft „einfache Irre“, nicht jeder Geistesgestörte sei automatisch ver[[fluch]]t. [[Datei:Goya-El sueño de la razón.jpg|thumb|left|[[Francisco de Goya]], „Der Schlaf der Vernunft gebiert Ungeheuer“ (etwa 1797/98)]] Seit dem 13. Jahrhundert&nbsp;– so [[Michel Foucault]]&nbsp;– begann sich das Verständnis von Wahnsinn allmählich zu wandeln. Er reihte sich allmählich in die Liste der [[Laster]] ein, die von Unmoral und Unvernunft des Betroffenen kündeten. Im 15. Jahrhundert stand Wahnsinn dann nicht mehr unbedingt in einem dämonischen Kontext. Stattdessen wurde nun oftmals die individuelle „menschliche Schwäche“ der Betroffenen ins Zentrum gerückt: Torheit und Narrheit liegen in der [[Verantwortung]] des Einzelnen, der seine Zucht- und Maßlosigkeit nicht zu zügeln vermag. Das falsche Verhalten hat den Wahnsinn zur Konsequenz. Dieser gilt als Gebrechen und Fehlerhaftigkeit seines Trägers und wird in der Folge zum [[Stigmatisierung|Stigma]]. Entsprechend wird der [[Narr]], als jemand, der sich an den Grenzen oder außerhalb der Normen bewegt, der Lächerlichkeit preisgegeben. Das „[[Zeitalter der Aufklärung]]“ bildete die Bedeutung des Wahnsinns als Fehlfunktion einer ursprünglich gesund angelegten Vernunft aus. Wahnsinn wird als der defekte Modus einer natürlichen Vernünftigkeit begriffen. Dieses aufklärerische Herausarbeiten der Vernunft bringt den Wahnsinn&nbsp;– als Unvernunft&nbsp;– als notwendigen Gegenpart hervor, um den Vernunftbegriff überhaupt sinnvoll konstituieren zu können. In diesem Konzept begrenzt und bedingt sich das [[Komplementarität|komplementäre]] Begriffspaar gegenseitig. Michel Foucault hält diese Entwicklung zugleich auch für verantwortlich für den parallel stattfindenden Beginn der Ausgrenzung des Wahnsinns und der Wahnsinnigen aus der [[Gesellschaft (Soziologie)|Gesellschaft]]. [[Arthur Schopenhauer]] weist auf die gegenseitige Bedingtheit von Vernunft und Wahnsinn hin, wenn er postuliert, dass [[Tier]]e des Wahnsinns nicht fähig sind. ==== Körperliche Ursachen ==== [[Datei:Burton melancholie frontispiece.png|thumb|[[Frontispiz]] der Erstausgabe von [[Robert Burton (Schriftsteller)|Robert Burtons]] „Anatomie der Melancholie“ (1621)]] Die [[Medizingeschichte#Antike|griechische Medizin]] erklärte den Wahnsinn durch einen „Überfluss an schwarzer Galle“ (griech. χολή μελανοία, ''chole melanoia''). Diese [[Humoralpathologie|humoralpathologische]] Auffassung des [[Corpus Hippocraticum|hippokratischen Corpus]] war bereits frei von religiös-magischen Vorstellungen. In Humanismus und [[Renaissance]] wurde diese Theorie der „schwarzen Galle“ (lat. ''bilis atra'') wieder populär. Deren dunkle Säfte und rußigen Dämpfe&nbsp;– so glaubte man&nbsp;– schlügen sich auf das [[Gehirn]] nieder, das schon als Sitz des Verstandes erkannt war, zermürbten es und machten es spröde. Die „gelbe Galle“ (lat. ''bilis pallida'' bzw. ''bilis flava'') hingegen konnte nach [[Daniel Sennert]] hitzige Raserei verursachen und damit Grund für den cholerischen Wahnsinn sein. Ebenso wie für die Mania galt die „gelbe Galle“ auch als Ursache der Epilepsie, die zwar eher im Grenzbereich des Wahnsinnsbegriffes liegt, historisch diesem dennoch oftmals hinzugerechnet wurde. Die Melancholie wurde als Krankheit des [[Herz]]ens eingestuft, welches im Gegensatz zum Hirn als Sitz von [[Gemüt]] und [[Emotion|Gefühl]] angesehen wurde. Diese Lokalisation war jedoch nicht unumstritten. [[Girolamo Mercuriale]] etwa beschrieb die Melancholie als Störung der [[Imagination|Imaginatio]] im vorderen Teil des Gehirns. Große Einigkeit bestand darin, dass die [[Phrenitis]]&nbsp;– eine [[Hirnhautentzündung|Entzündung der Gehirnhäute]]&nbsp;– ein möglicher Grund für Wahnsinn ist, deren Ursache wiederum ''„grimmige, bitter gewordene Galle sei, die die Fasern des Gehirns reizt“'' (Joannes Fantonus, 1738). Eine besondere Rolle kam auch der [[Milz]] zu, die als das [[Reservoir]] der von der [[Leber]] erzeugten schwarzen Gallensäfte galt. Wenn die „schwarze Galle“ von der Milz nicht richtig angezogen würde und sich dem Blut beimische, so gelange sie ins Hirn und richte dort großen Schaden an (Ioannes Marinellus, 1615). Der Melancholie nicht unähnlich ist der Komplex der Liebeskrankheit, ''amor hereos'' oder auch ''Morbus amatorius''. Die Verbindung ist hier augenfällig, wenngleich Wahnsinn als eine durch unerfüllte [[Liebe]] verursachte körperliche Krankheit schon in der Antike um 600 v. Chr. von der Dichterin [[Sappho]] geschildert wird und auch im ''Corpus Hippocraticum'' wieder auftaucht. [[Datei:Phrenology1.jpg|thumb|left|Vorstellungen der [[Phrenologie]] von den Funktionen der Gehirnareale]] Früh wurden schon Verbindungen zwischen Verletzungen des Gehirns und Wahnsinn gezogen. So beschrieb Wilhelm von Conches (um 1080–1154) bereits Ursachen für den Wahnsinn durch Verletzungen des Gehirns: Der Betroffene verliere eine Fähigkeit, behalte aber die übrigen entsprechend der unbeschädigten Gehirnbereiche. Auch [[Mondino di Liuzzi]] (ca. 1275–1326) schuf eine [[Hirnventrikel|Ventrikellehre]] der [[Pathologie]]: ''„Ausfälle der mentalen Vermögen sind mit [[Läsion]]en der entsprechenden Gehirnteile gleichgesetzt“'' ([[#Literatur|Lit.]]: Kutzer, S.&nbsp;68f.). Die [[Positivismus|positivistische]] Psychiatrie erhob den Anspruch, dass alle Erscheinungen des Wahnsinns nicht nur auf eine nachvollziehbar-kausale, körperliche Ursache zurückzuführen, sondern auch zu beheben sein werden. Der Geist, die Seele galt nunmehr als bloße [[Marionette]] des Hirnorgans. Diese naturwissenschaftlich-anatomisch fundierte Psychiatrie setzte sich in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts endgültig durch. Das psychiatrische [[Paradigma#Das wissenschaftliche Paradigma|Paradigma]] lautete: Krankheiten des Geistes sind Krankheiten des Gehirns. In der Folge wurde der Begriff „Wahnsinn“ als nosologischer Fachterminus obsolet und durch die Bezeichnung „Geisteskrankheit“ abgelöst. [[Datei:Podkowiński-Szał uniesień-MNK.jpg|thumb|Wladislaw Podkowinski, „La Folie“ (1894)]] Am Ende des 19. Jahrhunderts rückte der Zusammenhang zwischen Wahnsinn und [[Sexualität]] in den Mittelpunkt des Interesses. Basierend auf dem Gegensatzpaar [[Natur#Natur als Gegenbegriff zur Kultur|Natur]]&nbsp;– [[Kultur#Entwicklung des Kulturbegriffs|Kultur]] spielte die Geschlechtszugehörigkeit nun eine wichtige Rolle. Wilde, Angehörige der [[Sozialstruktur#Schicht als Leitbegriff|Unterschicht]] und [[Frau]]en gehörten dem Bereich des [[Triebtheorie|Triebhaften]] an, Männer der [[bürger]]lichen [[Zivilisation#Soziologie|Zivilisation]]. Frauen galten aufgrund der „[[Pathogen]]ität des weiblichen Unterleibs“ und der „Minderwertigkeit der weiblichen Nerven“ als besonders [[Vulnerabilität|vulnerabel]]: [[Pubertät]], [[Menstruation]], [[Geburt]] und [[Menopause]] galten als gefährlich. Die Lokalisation des „Krankheitsherdes“ führte zum spezifischen Begriff der [[Hysterie]] (von griech. ὑστέρα, ''hystera'' „[[Gebärmutter]]“). In dieser Zeit wurde den Frauen geistige Gesundheit zum Teil nur noch als kurze Unterbrechung ihrer geschlechtsbedingten Krankheit zugestanden. Die moderne Psychiatrie und [[Neurologie]] erforschen die [[Neurobiologie|neurobiologischen]] Grundlagen psychischer Störungen. Beispielsweise lassen sich bei der Schizophrenie Veränderungen des Stoffwechsels von [[Nervenzelle]]n im Gehirn feststellen. Auf der Grundlage dieser Erkenntnisse bemüht sich die Psychiatrie um die Entwicklung neuer Therapien psychischer Störungen. ==== Seelische Störungen ==== Nachdem der Begriff „Wahnsinn“ im 19. Jahrhundert durch den Begriff der Geisteskrankheit ersetzt wurde, der sich von der Vorstellung ableitete, dass dem Menschen ein Geist, beziehungsweise eine Seele innewohnt und diese erkrankt sein könne (siehe [[Psychoanalyse]]), wandelte sich der Begriff im 20. Jahrhundert erneut. Heute werden die Erscheinungen, die unter „Wahnsinn“ gefasst wurden, im allgemeinen nicht mehr mit dem Terminus „psychische Erkrankung“ benannt, sondern als „[[psychische Störung]]“ oder auch „Verhaltensstörung“ bezeichnet. == Diagnostik == [[Datei:Charles Bell - The Maniac.jpg|thumb|[[Charles Bell]], „Der Wahnsinnige“ (1806)]] Die auf empirischer Beobachtung basierende [[Diagnostik]] des Wahnsinns begann im Jahr 1793, als der Mediziner und [[Philanthrop]] [[Philippe Pinel]] (1745–1826) Leiter der Pariser Kranken-, Irren- und Besserungsanstalten zuerst in [[Bicêtre]], dann in [[Hôpital Salpêtrière|Salpêtrière]] wird. Er führte humanere Behandlungsmethoden ein und klassifizierte die Insassen nach ihren individuellen Problemlagen. Wenn es möglich war, überwies er sie, soweit dies sinnvoll war, an andere Institutionen. Die zurückbleibenden Wahnsinnigen brachte er abhängig von ihrer Symptomatik in jeweils eigenen, abgetrennten Bereichen unter. Der somit gleichsam „isolierte“ Wahnsinn konnte in seinen Eigenarten nun mit [[empirisch]]-naturwissenschaftlichen Methoden untersucht werden. Die äußerlich sichtbar werdenden Krankheitszeichen, die Pinel akribisch beobachtete und mit der individuellen [[Biographie]] des Kranken verknüpfte, wurden durch seine [[Monographie]] ''Nosographie philosophique ou méthode de l'analyse appliquée à la médecine'' (Paris 1798) maßgeblich für die zukünftige [[Klassifikation]] des Wahnsinns. [[Datei:Kraniologie.jpg|thumb|left|Abbildung aus einem kraniologischen Lehrbuch des 19. Jahrhunderts]] Für den Arzt [[Franz Joseph Gall]] (1758–1828) zählte das Irresein zu den Krankheiten, die grundsätzlich materielle Ursachen hatten. In seiner Wiener Praxis begann er nach 1785 die [[Anatomie]] des Gehirns und neurologische Grundfragen zwischen Organstruktur und -funktion zu untersuchen. Er kam zu dem Ergebnis, dass das Gehirn aus vielen einzelnen Einheiten besteht, deren individuelles Versagen zu spezifischen Formen des Wahnsinns führen konnte. Damit begründete er die [[Phrenologie]] (griech. ''phren'' „[[Zwerchfell]]“, als Sitz der Seele in der griechischen Antike), deren Verbindung mit der ''Kraniologie'' (griech. ''kranion'' „Schädel“) versprach, durch einfaches Abmessen der Schädelform die Bestimmung von [[Intelligenz]], Charakter und moralischer Verfasstheit eines Menschen zu ermöglichen. Heute werden psychische Störungen und Erkrankungen nicht mehr unter einem allgemeinen Begriff wie „Wahnsinn“ zusammengefasst, sondern anhand verschiedener Diagnosesysteme, wie dem [[DSM 4]] der [[American Psychiatric Association]] (Amerikanische Psychiatrische Vereinigung) oder der [[ICD-10]] der [[Weltgesundheitsorganisation|WHO]], fein differenziert; einen guten Überblick über das große diagnostische Spektrum dieser Störungen bietet die [[Liste psychischer Störungen]]. == Therapien == === Magische Therapie === Eine Heilung des Wahnsinns wurde oft durch [[Magie|magische Mittel]] versucht, wobei die Gefahr besteht, 'den Teufel durch den Beelzebub (also einen anderen Teufel) auszutreiben'. Der Besessenheit durch böse Geister begegnete man aus christlicher Sicht dann richtig, wenn mit einem [[Exorzismus]] der [[Heiliger Geist|Heilige Geist]], d.h. Gott selbst, in den Kranken einzieht oder zumindest den Dämon vertreibt. Geistliche Heilungsmethoden standen den [[Römisch-Katholische Kirche|katholischen Gläubigen]] immer zur Verfügung. Darüber hinaus konnten diese auch [[Wallfahrt|Pilgerreisen]] zu besonderen Wallfahrtsstätten unternehmen oder [[Heilige Messe|Messen]] lesen lassen. Bei den [[Evangelische Kirche|evangelischen Kirchen]] wurde in späterer Zeit das [[Gebet]], die geistliche [[Poimenik|Beratung]] und das [[Bibelstudium|Lesen der Bibel]] bevorzugt. <!-- Der „[[Hexenhammer]]“ aus dem 15. Jahrhundert enthielt detaillierte Informationen über verschiedene Arten von Besessenheit, Möglichkeiten diese zu „heilen“ und Hinweise darüber, wie die „Hexen“ zu bestrafen waren. --> === Chirurgische Therapie === [[Datei:Hieronymus_Bosch-Removing_the_Rocks_from_the_Head-Detail.jpg|thumb|[[Hieronymus Bosch]], „Der Steinschneider“ (um 1485)]] Bohrungen ([[Trepanation]]en) an [[steinzeit]]lichen [[Schädel]]n könnten als erste historisch fassbare Hinweise auf eine Auseinandersetzung mit dem, was in späterer Zeit als Wahnsinn bezeichnet wurde, gedeutet werden. [[Paläopathologie|Paläopathologen]] vermuten, dass es sich hierbei möglicherweise um Versuche einer [[chirurg]]ischen Behandlung von Geisteskranken gehandelt haben könnte, bei denen „bösen Geistern“ eine Möglichkeit zum Entweichen aus dem Schädel des Patienten geschaffen werden sollte. Ähnliche Behandlungsmethoden sind auch aus späterer Zeit bekannt (s. Abb.). Die Schattenseiten der psychiatrischen Medizin zeigten sich in den höchst zweifelhaften chirurgischen Therapieversuchen des 19. und 20. Jahrhunderts wie etwa der [[Hysterektomie]], [[Beschneidung weiblicher Genitalien|Kliterektomie]] oder der [[Lobotomie]]. Die gegen Mitte des 20. Jahrhunderts noch ohne [[Narkose]] eingesetzte [[Elektrokrampftherapie]] hat in der Öffentlichkeit angsteinflößende Vorstellungen von peinigenden „Elektroschocks“ zur Therapie Geisteskranker hinterlassen. === Verwahrung und Zucht === [[Datei:Francisco Goya - Casa de locos.jpg|thumb|left|[[Francisco de Goya]], „Casa de Locos“ (1815/19)]] Im Zeitalter des [[Absolutismus]] und [[Merkantilismus]] wurde der Wahnsinnige zusammen mit anderen [[Soziale Randgruppe|Randgruppen]], die nicht den geltenden Verhaltensnormen entsprachen oder sich nicht an die Regeln hielten, aus dem öffentlichen Bewusstsein entfernt und in Internierungsstätten (England: ''workhouses'', Frankreich: ''hôpitaux généraux'', Deutschland: „[[Zuchthaus|Zucht]]-, [[Arbeitshaus|Arbeits]]- und [[Irrenhaus|Tollhäuser]]“) eingeschlossen und damit „unschädlich“ gemacht. Durch [[Zucht]] und [[Arbeit (Sozialwissenschaften)|Arbeit]] (häufig auch durch körperliche [[Züchtigung]]) sollte ihrer „Unvernunft“ entgegengewirkt werden. In einigen Asylen konnten die angeketteten Kranken als „Monstrositäten“ zur [[Abschreckung]] und Befriedigung der [[Schaulust]] gegen Eintritt durch vergitterte Fenster betrachtet werden. Am Ende des 18. Jahrhunderts befreite die [[Zeitalter der Aufklärung|Aufklärung]] die „Irren“ zumindest aus ihren physischen Ketten. Die Betroffenen wurden prinzipiell als heilungsbedürftige [[Patient|Kranke]] anerkannt, wenngleich der Arzt vornehmlich damit beauftragt war, den Wahnsinnigen „zu seinem eigenen Wohle“ weiterhin zu isolieren und jegliche [[Sanktion|Disziplinierungstechnik]], allen voran die „moralische Behandlung“, therapeutisch zu rechtfertigen. === Keine Therapie === [[Datei:Sebastian Brant - Die Unsinnigkeit.png|thumb|Holzschnitt von [[Albrecht Dürer]](?) aus dem ''[[Narrenschiff]]'' (um 1494)]] Im [[Mittelalter]] wurde der Wahnsinn in der Regel auf das Einwirken Gottes bzw. des Teufels zurückgeführt. Eine Möglichkeit der Hilfe für die Betroffenen, die man als „natürliche Narren“ bezeichnete, stand während der gesamten Epoche nicht zur Verfügung. Die Betreuung der Wahnsinnigen war im Mittelalter sehr unterschiedlich. Die Haltung zu Krankheit und die [[Behandlung]] der Kranken hing stark von ihrem jeweiligen [[Soziales Milieu|sozialen Milieu]] ab. Je höher der soziale bzw. materielle Status ihrer Familie, desto größer war die Chance der Betroffenen, [[Krankenpflege|gepflegt und umsorgt]] zu werden und ihren Zustand womöglich ausheilen zu lassen. Wahnsinnige aus reichen Familien wurden eher integriert, die aus armen Familien oftmals vertrieben. Solange man sie nicht für gefährlich hielt, wurden Betroffene häufig sich selbst überlassen. Manche erhielten ein [[Narrenattribute#Gewand|Narrenkleid]], das sie selbst schützen und andere warnen sollte. Die Familien der Wahnsinnigen waren versorgungs- und [[Regress (Recht)|regresspflichtig]]: ''„Over rechten doren unde over sinnelosen man ne sal man ok nicht richten; sweme sie aver scaden, ire vormünde sal it gelden.“'' ([[Sachsenspiegel]] III 3). Waren Betroffene eine öffentliche Gefahr, schloss man sie in Stadttürmen oder zuhause ein, bisweilen auch in Narrenkisten oder -käfigen außerhalb der [[Stadtmauer]]n. Fremde wurden aus den eigenen Gebieten verjagt. === Psychotherapie und Psychopharmakotherapie === Heutzutage werden psychische Zustände, die dem Wahnsinn nahe kommen, in aller Regel durch eine Kombination aus medikamentösen Maßnahmen ([[Psychopharmaka]]) und [[Psychotherapie|psychotherapeutischen]] Methoden behandelt, wobei der jeweilige Anteil dieser beiden [[Therapie]]formen je nach [[Psychische Störung|psychiatrischem Krankheitsbild]] und therapeutischem Ansatz unterschiedlich ist. Gesetzlich gefördert wird in Deutschland hauptsächlich die Verhaltenstherapie. Die [[Elektrokrampftherapie]] war in den letzten Jahrzehnten in die Kritik geraten, wird aber bei bipolaren Störungsbildern in ihrer modernen Form (unter Narkose) immer noch von der [[Psychiatrie]] verwendet. Bisweilen ist es nach Ansicht fast aller Ärzte notwendig, geisteskranke Patienten zeitweilig per Psychisch-Kranken-Gesetz aus der Gesellschaft [[Fürsorgerischer Freiheitsentzug|zu entfernen]] und stationär zu behandeln. Insbesondere psychisch kranke [[Straftat|Straftäter]] werden in ''[[Sicherungsverwahrung]]'' untergebracht, um die [[Gesellschaft (Soziologie)|Gesellschaft]] vor ihnen zu schützen. Mit den [[Irrenhaus|Irrenhäusern]] des 19. Jahrhunderts haben die modernen [[Psychiatrische Klinik|psychiatrischen Kliniken]] zwar wenig gemein, dennoch sind diese als [[Soziologie|soziologischer]] Begriff weiterhin negativ besetzt. == Wahnsinn in Kunst und Literatur == Die Darstellung des Wahnsinns ist in der Geschichte der Künste immer auch von [[Voyeurismus]] geprägt gewesen. Das [[Sujet]] ermöglichte es, das Subjektive, Symbolische, Phantastische und Irrationale zu gestalten. Träume, Ängste und vor allem das Hässliche waren hier bild- und textwürdig. === Beispiele aus der bildenden Kunst === [[Datei:Wilhelm von Kaulbach - Das Narrenhaus.jpg|thumb|Wilhelm von Kaulbach, „Narrenhaus“ (1834)]] In der [[Bildende Kunst|bildenden Kunst]] ist das Thema „Wahnsinn“ nicht übermäßig häufig dargestellt worden. Beliebte Sujets sind der Wahnsinn als Strafe oder Rache Gottes bzw. der Götter, die Heilung [[Besessenheit|Besessener]] durch [[Jesus von Nazareth|Jesus]], die [[Apostel]] oder die Heiligen (siehe oben); ab dem 16. Jahrhundert auch Repräsentationen von Wahnsinnigen und [[Portrait]]s, seit dem 18. Jahrhundert auch Darstellungen aus Irrenanstalten. Im Folgenden einige bekannte Beispiele: * '''Typisierungen''' finden sich etwa in der Zeichnung „Das Narrenhaus“ von [[Wilhelm von Kaulbach]], der Fiktion einer realistischen Szene im Hof eines Irrenhauses, in der jede Person der dargestellten Gruppe einen eigenen Typus einer [[Geisteskrankheit]] repräsentiert. Die moralisierende Darstellung spiegelt eine [[biedermeier]]liche Pathognomik, die die individuellen Gesichtszüge als [[Symptom]]attribute des Wahnsinns interpretiert. Dargestellte Typen sind u. a. der eingebildete [[Philosoph]], Feldherr und König; der Narr, der [[Melancholie|Melancholiker]], die sexuell ausschweifende und die liebeskranke Frau, mehrere religiöse Wahnsinnige usw. [[Datei:William Hogarth - Rakes Progress.jpg|thumb|William Hogarth, „A Rake's Progress“, Tafel 8 (1732/34)]] * Berühmte '''Innenansichten''' aus Irrenasylen finden sich etwa bei William Hogarth oder [[Francisco de Goya]]. [[William Hogarth|Hogarths]] achtes Bild der Serie „A Rake's Progress“ zeigt eine Szene aus dem ''Bethlam Hospital'', in der die wahnsinnigen Insassen sehr [[klischee]]haft – etwa als eingebildeter [[Kaiser]] oder [[Papst]] mit den passenden, wenngleich [[Karikatur|karikierten]] Attributen – dargestellt sind. Die [[schaulust]]igen Besucherinnen spiegeln den [[Voyeurismus]] der Gesellschaft und des Betrachters. Besonders auffällig ist die Gruppe in der linken unteren Ecke des Bildes, die einer [[Pietà]] nachempfunden ist. Eine realistisch anmutende Szene bietet Goyas „Casa de Locos“, welches neben den üblichen Stereotypen auch die [[Verwahrlosung]] und das trostlose Dahindämmern der Alleingelassenen in der Dunkelheit der Verwahranstalt anzudeuten scheint. [[Datei:Theodore Gericault - Portrait Monomania - Detail.jpg|thumb|Théodore Géricault, „Monomania“ (1821/24), Detail]] * Die ersten '''Portraits''' von Geisteskranken werden [[Théodore Géricault]] zugeschrieben, der in der [[Salpêtrière]] zwischen 1821 und 1824 von zehn [[Patient]]en zu [[wissenschaft]]lichen Zwecken Bilder anfertigte, wenngleich nicht mehr bekannt ist, welche Formen des Wahnsinns die Bilder darstellen sollten. Da sich die [[Krankheit]] in den Gesichtszügen widerspiegeln sollte, hebt die Lichtregie besonders die [[Physiognomie]] hervor. Géricault stellt nicht mehr das unmäßig Verzerrte oder [[Groteske]] in den Mittelpunkt, sondern seine subtilen Darstellungen lassen offen, wo die Grenze zwischen Normalität und Wahnsinn liegt. * Darstellungen von '''[[Narr]]en''' gehören nur teilweise und am Rande zum Themenkreis des Wahnsinns. Überschneidungen ergeben sich bisweilen bei den [[Narrenattribute|Attributen]], an denen sich zum Teil auch Wahnsinnige erkennen lassen. Diese werden oftmals nicht nur in zerrissener oder schmutziger Kleidung dargestellt, sondern manchmal auch – um einen besonderen Kontrasteffekt zu erzielen – ähnlich den Narren mit Herrschaftszeichen ausgestattet, etwa [[Krone]] und [[Szepter]], die auch deutlich als [[Attrappe]]n kenntlich gemacht sein können. Das Motiv der „Welt als Narrenhaus“ ist eine weitere bildlich ausgestaltete Variante. Siehe auch den Abschnitt ''[[#Bildliche Darstellungen|Bildliche Darstellungen]]'' im Abschnitt über Symptome. === Beispiele aus der Literatur === [[Datei:Narrenkäfig.jpg|thumb|Giuseppe Maria Mitelli (1634–1718): Die Welt als Käfig voller Narren]] In der [[Literatur]] stellt der Wahnsinn ein wichtiges [[Motiv (Literatur)|Motiv]] dar, auch als Motivfügung der „Welt als [[Irrenhaus|Tollhaus]]“. Das Handlungsschema von [[Schuld (Ethik)|Schuld]] und [[Sühne]] wird oftmals mit Hilfe des Wahnsinns maßgeblich gestaltet. Er ermöglicht den Aufbau der pathologischen Entwicklung, eine plausible Darstellung der ungezügelten [[Leidenschaft]]en und ungehemmten Auftritte und den psychologisch begründeten Zusammenbruch einer [[Literarische Figur|Figur]]. Zugleich kann die Reaktion unterschiedlicher Personen auf die Konfrontation mit dem Wahnsinn gezeigt werden. Dieses Motiv kann den Leser bzw. Zuschauer gleichzeitig weitgehend in die Handlung verwickeln und trotzdem eine gewisse innere Distanz wahren lassen. Im Allgemeinen werden nur selten schwerste Geistesstörungen – die wenig Entwicklungsmöglichkeiten zulassen&nbsp;– dargestellt, sondern vielmehr [[Sinnestäuschung]]en, „Hysterie“, Rausch[[delir]]ien oder pathologische [[Langeweile]]. Die Zuschreibungen für die Ursachen des Wahnsinns in den literarischen Darstellungen folgen in der Regel den jeweiligen historischen Auffassungen. In konservativer Sicht bleibt der Wahnsinn bis ins 19. Jahrhundert die [[Strafe]] für Verfehlungen, seit der [[Zeitalter der Aufklärung|Aufklärung]] ist er auch Konsequenz ungezügelter [[Leidenschaft]]en, mit der [[Frühromantik]] tritt die außer Kontrolle geratene künstlerische [[Genialität]] als mögliche Ursache hinzu. Ab dem 19. Jahrhundert finden sich erste „realistische“ Studien des Krankheitsbildes bei [[Émile Zola]], [[August Strindberg]] und [[Gerhart Hauptmann]]. Im [[Absurdes Theater|absurden Theater]] ist der Wahnsinn schließlich die Verfassung der Welt selbst, die ohne jede vernünftige Sinndeutung zu sein scheint (z. B. [[Jean Genet]]s ''Der Balkon''). Für die [[Protagonist]]en kann dies auch bedeuten, den Un-Sinn einer Sinn-Gebung ihres Daseins zu erkennen. [[Datei:Gustav Dore - Don Quixote.jpg|thumb|left|[[Gustave Doré]], Illustration aus einer Ausgabe des ''Don Quijote'' (1880), Detail]] Aus den zahllosen Werken der Literatur kann hier nur eine kleine Auswahl genannt werden. Zu den ältesten Darstellungen des Wahnsinns zählt der bereits erwähnte ''Iwein'' des [[Hartmann von Aue]]. [[William Shakespeare]] verwendet den Wahnsinn als Gestaltungsmittel mehrfach, am eindrücklichsten ist die monomane [[Besessenheit]] im ''[[Macbeth (Shakespeare)|Macbeth]]''. Im satirischen ''[[Narrenschiff]]'' des [[Sebastian Brant]] werden die Menschen gleichsam vom kollektiven Wahnsinn der Gesellschaft angesteckt; in ähnlicher Weise werden in [[Erasmus von Rotterdam]]s ''[[Lob der Torheit]]'' gesellschaftliche Zustände gegeißelt. Typische Vertreter der [[Schwarze Romantik|Romantik]] sind zum Beispiel [[E. T. A. Hoffmann]] mit der Darstellung des Medardus in den ''[[Die Elixiere des Teufels|Elixieren des Teufels]]'', des Nathanael im ''[[Der Sandmann (Hoffmann)|Sandmann]]'' oder des René Cardillac im ''[[Das Fräulein von Scuderi|Fräulein von Scuderi]]'', sowie [[Ernst August Friedrich Klingemann|Bonaventura]] mit der Problematik einer bösartigen Weltverfassung bzw. eines wahnsinnigen Weltschöpfers in den ''Nachtwachen''. Die Lebensläufe einzelner Handlungsträger in einer als absurd empfundenen Welt in den Wahnsinn hinein finden sich bei [[Georg Büchner]]s ''[[Lenz (Erzählung)|Lenz]]'', [[Fjodor Michailowitsch Dostojewski|Dostojewskis]] ''Der Doppelgänger'' und in einigen Erzählungen [[Franz Kafka|Kafkas]] (je nach Interpretationsansatz u.&nbsp;a. ''[[Das Urteil (Kafka)|Das Urteil]]'', ''[[Ein Landarzt]]'', ''[[Die Verwandlung]]''). Eher gesellschaftskritisch sind die Schilderungen der Zustände in den Pflegeanstalten wie etwa am Beginn von Georg Heyms [[Der Irre]] oder [[Friedrich Dürrenmatt]]s ''Die Physiker''. Die wichtigste Funktion erfüllt der Wahnsinn als literarisches Motiv aber als Kennzeichnung des Endzustands einer Figur nach deren [[Nervenzusammenbruch|geistigen Zusammenbruch]] aufgrund unerträglicher psychischer Belastungen. In [[Miguel de Cervantes]]' Roman ''[[Don Quijote]]'' gibt es für den Helden keine Lösungsmöglichkeit zwischen Wirklichkeit und Illusion, Shakespeares ''[[König Lear]]'' zerbricht an seiner ausweglosen Situation, [[Othello]] ist durch seine Eifersucht verblendet; die Problematik des Künstlers zerreibt [[Johann Wolfgang von Goethe|Goethes]] ''Torquato Tasso'' ebenso wie Aschenbach in [[Thomas Mann]]s Novelle ''[[Der Tod in Venedig]]'' bzw. den Protagonisten in ''[[Doktor Faustus]]''. Schuldgefühle treiben Hauptmanns ''[[Bahnwärter Thiel]]'' in die geistige Umnachtung ebenso wie Gretchen im ''[[Faust I|Faust]]''; aber auch Armut und Hunger können die Menschen um den Verstand bringen (z.&nbsp;B. in [[John Steinbeck]]s ''[[Früchte des Zorns]]'', zur gesellschaftlichen Problematik siehe auch [[Allen Ginsberg]]s ''[[Howl]]''). Vergleiche auch den Abschnitt ''[[#Literarische Beschreibungen|Literarische Beschreibungen]]'' im Abschnitt über Symptome. == Siehe auch == * [[Wahn]] als psychopathologisches Symptom * [[Amok]], [[Anti-Psychiatrie]], [[Art Brut]], [[Cäsarenwahnsinn]], [[Massenhysterie]] * Die Kunst-[[Sammlung Prinzhorn]] in [[Heidelberg]] == Quellenangaben == <references/> == Literatur == '''Kulturgeschichte''' *Burkhart Brückner: ''Delirium und Wahn. Selbstzeugnisse, Geschichte und Theorien von der Antike bis 1900.'' Bd. 1: ''Vom Altertum bis zur Aufklärung.'' Bd. 2: ''Das 19. Jahrhundert - Deutschland''. Guido Pressler Verlag, Hürtgenwald 2007, ISBN 978-3-87646-099-4 <small>(Neues, sehr umfangreiches Werk mit Schwerpunkt auf autobiographischen Zeugnissen und der Geschichte der Psychosen).</small> *Roy Porter: ''Wahnsinn. Eine kleine Kulturgeschichte.'' Dörlemann, Zürich 2005, ISBN 3-908777-06-2 <small>(Ein leicht lesbarer kulturgeschichtlicher Streifzug, verfasst von einem ausgewiesenen Experten; manchmal etwas oberflächlich)</small> *Michel Foucault: ''Wahnsinn und Gesellschaft. Eine Geschichte des Wahns im Zeitalter der Vernunft.'' 14. Aufl. Suhrkamp, Frankfurt a.&nbsp;M. 2001, ISBN 3-518-27639-5 <small>(Der „Klassiker“, große Erkenntnistiefe, aber auch subjektiv-suggestiv und mit kritischem Abstand zu würdigen)</small> *Michael Kutzer: ''Anatomie des Wahnsinns. Geisteskrankheit im medizinischen Denken der frühen Neuzeit und die Anfänge der pathologischen Anatomie.'' Pressler, Hürtgenwald 1998, ISBN 3-87646-082-4 <small>(Wissenschaftsgeschichtliche, quellenorientierte Untersuchung der Theorien zwischen etwa 1550 und 1750)</small> *Klaus Dörner: ''Bürger und Irre. Zur Sozialgeschichte und Wissenschaftssoziologie der Psychiatrie.'' 3. Aufl. Europäische Verlags-Anstalt, Frankfurt a.&nbsp;M. 1995, ISBN 3-434-46227-9 <small>(Solide Darstellung der Verhältnisse in der „bürgerlichen Zeit“, ca. 1700–1850)</small> *Robert Castel: ''Die psychiatrische Ordnung. Das Goldene Zeitalter des Irrenwesens.'' Suhrkamp, Frankfurt a.&nbsp;M. 1979 u.&nbsp;ö., ISBN 3-518-28051-1 <small>(Systematische, psychiatrie- und gesellschaftskritische Untersuchung der Strukturen zwischen 1784 und 1838)</small> *[[Werner Leibbrand]], Annemarie Wettley: ''Der Wahnsinn. Geschichte der abendländischen Psychopathologie.'' Alber, Freiburg u.&nbsp;a. 1961. <small>(Umfängliche medizingeschichtliche Gesamtschau, etwas veraltet)</small> *H. Hühn: ''Wahnsinn''. In: Joachim Ritter, Karlfried Gründer (Hrsg.): ''Historisches Wörterbuch der Philosophie.'' Bd.&nbsp;12, S.&nbsp;36–42. <small>(Die philosophische Perspektive; sehr dicht, schwierig)</small> * Rudolf Hiestand: ''Kranker König&nbsp;– kranker Bauer.'' In: Peter Wunderli (Hrsg.): ''Der kranke Mensch in Mittelalter und Renaissance''. Droste, Düsseldorf 1986, S.&nbsp;61–77, ISBN 3-7700-0805-7 '''Literatur''' *Josef Mattes: ''Der Wahnsinn im griechischen Mythos und in der Dichtung bis zum Drama des fünften Jahrhunderts.'' Winter, Heidelberg 1970, ISBN 3-533-02116-5, ISBN 3-533-02117-3 * Allen Thiher: ''Revels in madness. Insanity in medicine and literature.'' Univ. of Michigan Press, Ann Arbor, Mich. 1999, ISBN 0-472-11035-7 <small>(Chronologisch aufgebaute Abhandlung über die Verbindung von Wahnsinn und Literatur von den alten Griechen bis zur Gegenwart)</small> *''Wahnsinn''. In: Horst S. Daemmrich, Ingrid G. Daemmrich: ''Themen und Motive in der Literatur. Ein Handbuch.'' 2. Aufl. Francke, Tübingen u.&nbsp;a. 1995, S.&nbsp;333–336, ISBN 3-8252-8034-9, ISBN 3-7720-1734-7 <small>(Kurze, aber sehr erhellende Darstellung der Rolle des Wahnsinnsmotivs in der europäischen Literatur)</small> * Dirk Matejovski: ''Das Motiv des Wahnsinns in der mittelalterlichen Dichtung.'' Suhrkamp, Frankfurt a.&nbsp;M. 1996, ISBN 3-518-28813-X '''Bildende Kunst''' *Fritz Laupichler: ''Madness''. In: Helene E. Roberts (Hrsg.): ''The encyclopedia of comparative iconography. Themes depicted in works of art.'' Bd.&nbsp;2. Dearborn, Chicago 1998, S.&nbsp;537–544. ISBN 1-57958-009-2 <small>(Übersicht über die Ikonographie des Wahnsinns, mit einer umfänglichen Liste von Kunstwerken)</small> *Franciscus Joseph Maria Schmidt, Axel Hinrich Murken: ''Die Darstellung des Geisteskranken in der bildenden Kunst. Ausgewählte Beispiele aus der europäischen Kunst mit besonderer Berücksichtigung der Niederlande.'' Murken-Altrogge, Herzogenrath 1991, ISBN 3-921801-58-3 <small>(Problemorientierte Einzelbesprechungen ausgewählter Kunstwerke mit Einordnung in die historischen Kontexte)</small> *Miriam Waldvogel: ''Wilhelm Kaulbachs Narrenhaus (um 1830). Zum Bild des Wahnsinns in der Biedermeierzeit''. (= LMU-Publikationen / Geschichts- und Kunstwissenschaften; Nr. 18). Ludwig-Maximilians-Universität, München 2007 ([http://epub.ub.uni-muenchen.de/archive/00002013/ Volltext]) *Birgit Zilch-Purucker: ''Die Darstellung der geisteskranken Frau in der bildenden Kunst des 19. Jahrhunderts am Beispiel der Melancholie und Hysterie.'' Murken-Altrogge, Herzogenrath 2001, ISBN 3-935791-01-1 <small>(Aufschlussreiche Untersuchung des Problemfeldes Wahnsinn und Weiblichkeit)</small> == Weblinks == {{Wiktionary|Wahnsinn}}{{Wikiquote|Wahnsinn}}{{Wikiquote|Verrücktheit}} *[http://bidok.uibk.ac.at/library/egger-irre.html ''Irren-Geschichte&nbsp;– Zum Wandel des Wahnsinns''] (Diplomarbeit von Gertraud Egger) *[http://www.lichtblick99.de/historisch1.html Zur Geschichte der psychiatrischen Behandlungsverfahren von Prof. H.&nbsp;J. Luderer] *[http://www.irrenoffensive.de/Frank/Frame960915.htm#2.1 ''Ist der Irre krank?&nbsp;– Geschichtliche Entwicklung'' von Frank Wilde] *[http://bms.brown.edu/HistoryofPsychiatry/hop.html Materialien zur Geschichte der Psychiatrie an der ''Brown University''] (englisch) {{Exzellent}} [[Kategorie:Psychische Störung]] [[Kategorie:Geschichte der Psychiatrie]] [[bg:Лудост]] [[ca:Bogeria]] [[cs:Šílenství]] [[en:Insanity]] [[es:Locura]] [[fi:Hulluus]] [[fr:Folie]] [[he:שיגעון]] [[id:Gila]] [[it:Follia]] [[ja:狂気]] [[nl:Krankzinnigheid]] [[pt:Loucura]] [[ro:Nebunie]] [[ru:Сумасшествие]] [[scn:Pazzìa]] [[simple:Madness]] [[sk:Šialenstvo]] [[tr:Delilik]] [[ur:پاگل پن]] hb50jzz91q4vwbo2nzrorcd1vvm9t8g wikitext text/x-wiki Walchensee 0 24461 27061 2010-03-18T16:09:10Z Giftmischer 0 /* Der See als Drehort */ Datum {{Dieser Artikel|behandelt den See Walchensee, für den Ort siehe [[Walchensee (Ort)]]}} {{Infobox See |NAME = |BILD = Walchensee.JPG |BILDBESCHREIBUNG = <!-- Geographie --> |BREITENGRAD = 47/35/38/N |LÄNGENGRAD = 11/20/46/E |REGION-ISO = DE-BY |LAGE = [[Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen]] |ZUFLUSS = Isar-Überleitung (Kraftwerk Obernach)</br>Obernach (Südwesten), </br>Rißbachüberleitung (Kraftwerk Niedernach) |ABFLUSS = Stollen zum Walchenseekraftwerk</br>[[Jachen]] (Osten) |UFERSTADT = |NAHERORT = [[Kochel am See]] <!-- Daten --> |HÖHE = 800.8 |HÖHE-BEZUG = DE-NN |FLÄCHE = 16,267 km² |SEELAENGE = 6,7 km (Ost-West, im Süden) |SEEBREITE = 5,0 km (Nord-Süd) |VOLUMEN = 1.324.000.000 m³ |UMFANG = 27,0 km |MAX-TIEFE = 192,3 m |MED-TIEFE = 81,4 m |EINZUGSGEBIET = 779,3 km³ |BESONDERHEITEN = Insel [[Sassau]], Fläche 2,8 [[Hektar|ha]] }} [[Datei:Walchensee-Kochelsee.png|thumb|Walchensee und Kochelsee (NASA-Satellitenbild)]] [[Datei:Walchensee_Ort.jpg|thumb|Die Ortschaft Walchensee]] [[Datei: Kesselberg.jpg|thumb|Der Kesselberg als Senke zwischen Herzogstand und Jochberg]] [[Datei:20080210-Walchensee vom Simetsberg.jpg|thumb|Der Walchensee vom [[Simetsberg (Estergebirge)|Simetsberg]]]] Der '''Walchensee''' ist einer der tiefsten (maximale Tiefe: 192,3&nbsp;m) und zugleich mit 16,40 km² auch einer der größten Alpenseen [[Deutschland]]s. Der See liegt 75 km südlich von [[München]] inmitten der [[Bayerische Alpen|Bayerischen Alpen]]. Er gehört mit seiner gesamten Fläche einschließlich der Insel [[Sassau]] zur Gemeinde [[Kochel am See]]. Im Osten und Süden grenzt er mit seinem Ufer an die Gemeinde [[Jachenau]]. == Etymologie == Die Bezeichnung ''Walchen'' kommt aus dem [[mittelhochdeutsch]]en und bedeutet ursprünglich ''Fremde''. So waren alle [[Romanen|romanischen Völker]] (auch die z.&nbsp;T. romanisierte Bevölkerung der Alpen) südlich von [[Bayern]] für die Einheimischen [[Welsche]] oder eben Walche. Die gleiche Etymologie trifft auch auf den [[Schweiz]]er [[Walensee]] und den [[Salzburg]]er [[Wallersee]] zu. Eine andere Interpretation geht vom lateinischen ''Lacus vallensis'' aus, was soviel heißt wie ''ein im Tal gelegener See''. Auf Landkarten des [[16. Jahrhundert]]s wurde der See auch als ''Italico dicto'' (nach Italien führend) bezeichnet, was seinen Ursprung vermutlich daher hat, dass durch das Walchenseetal ein Reiseweg über [[Mittenwald]] und [[Innsbruck]] nach [[Italien]] führte. == Geographie == === Entstehung === Der Walchensee füllt eine [[tektonisch]] bedingte Senke, die einen Teil der [[Synklinale|Bayerischen Synkline]] darstellt und aus den Gesteinen der oberen, alpinen [[Trias (Geologie)|Trias]] besteht (Hauptdolomit, Plattenkalke, Kössener Schichten). Dieser tektonischen Entstehung verdankt der See seine extreme Tiefe von ca. 190 m. Das Felsenufer des Nordwestufers zeigt deutlich die sehr steile Lagerung der Gesteinsschichten hin zum See. Die Entstehung durch gebirgsbildende Kräfte lässt den Schluss zu, dass der Walchensee zu den ältesten Seen Deutschlands zählt. Während der [[Eiszeit]]en wurde die [[Geomorphologie|Morphologie]] des Gebiets und damit auch der Walchensee mehrfach von [[Gletscher]]n des Isar-Loisach-Gletschers geprägt. === Lage und angrenzende Ortschaften === [[Datei:Karte_walchensee.png|thumb|left|Der Walchensee]] Rund 27 km Ufer umranden den Gebirgssee, der ein durchschnittliches Wasservolumen von 1,3&nbsp;km³ hat. Die [[Jachen]] entwässert, als natürlicher Abfluss des Sees, nach Osten durch das Tal der Jachenau zur [[Isar]] hin. Den größten natürlichen Zufluss bildet die Obernach, welche im Südwesten in den See mündet. Zusammen mit dem künstlichen Zufluss (siehe Kapitel ''[[#Besonderheiten|Besonderheiten]]'') erschließt sich auf diese Weise ein Einzugsgebiet von rund 780 km². Der Walchensee liegt auf einer Höhe von {{Höhe|802|DE-NN|link=true}} und wird von bewaldeten Bergen umrahmt. So im Nordwesten von der [[Herzogstand]]-Heimgartengruppe (1.731&nbsp;m und 1.790&nbsp;m), daran anschließend westlich vom See das Tal der Eschenlaine, auf deren Südseite der [[Simetsberg (Estergebirge)|Simetsberg]] (1.836&nbsp;m) als erster Ausläufer des [[Estergebirge]]s anschließt. Im Süden des Sees trennt der Altlacher Hochkopf den Walchensee vom Tal der Isar. Am östlichen Ufer beginnt die [[Jachenau]], ein lang gezogenes Hochtal, das Richtung [[Lenggries]] führt. Der Nordosten wird von der [[Benediktenwand]] dominiert, und, ein wenig weiter westlich, schließt der [[Jochberg (Berg)|Jochberg]] (1.565 m) den Talkessel. Zwischen dem Herzogstand und dem Jochberg ist noch der kleine [[Kesselberg (Bayern)|Kesselberg]], welcher aufgrund seiner relativ niedrigen Höhe aber als Senke zwischen den Bergen ins Auge fällt und letztlich den Walchensee vom 200 m tiefer gelegenen [[Kochelsee]] trennt. Direkt am Westufer liegt der kleine [[Luftkurort]] [[Walchensee (Ort)|Walchensee]] mit nur ca. 600 Einwohnern. Ebenso wie die anderen noch kleineren Ortschaften [[Urfeld am Walchensee|Urfeld]] (an der Nordspitze), [[Zwergern]] (Westufer) und die am [[Orografie|orographisch]] linken Ufer der Obernach gelegenen Häuser von [[Einsiedl am Walchensee]] (im äußersten Südwesten) gehört Walchensee zur Gemeinde [[Kochel am See]]. Die auf dem rechten Ufer der Obernach gelegenen Häuser in Einsiedl sowie [[Altlach]] am Südufer mit den [[Sölde (Landwirtschaft)|Sölden]] Bräu, Matheis, Christoph und Breitort, Sachenbach am Ostufer und [[Niedernach]] im äußersten Südosten dagegen gehören zur Gemeinde [[Jachenau]]. Zwischen den Orten Walchensee und Einsiedl ragt die 1,4&nbsp;km² große [[Halbinsel]] Katzenkopf mit dem Ort Zwergern zwei Kilometer in den See. <!-- (( Welche Belege gibt es dafür?? )) Ein alter [[Pilgerweg]], der [[Jakobsweg]], zieht sich von Süden kommend über Einsiedl und Urfeld nach Norden in das [[Alpenvorland]] und weiter bis hin nach [[Spanien]] in die Stadt [[Santiago de Compostela]]. --> Die Oberfläche des Sees hat die Form eines nach Norden gerichteten [[Dreieck]]s mit der Basis am Südufer von Einsiedl bis Niedernach mit 6,9 km und einer Höhe von Breitort bis Urfeld mit 5 km. === Klima === Aufgrund seiner Lage inmitten eines Talkessels ist der See größtenteils vor nördlichen und östlichen Windströmungen geschützt. Die relativ niedrige Bergkette, die unmittelbar am Südufer beginnt, lässt eine optimale Sonneneinstrahlung zu, so dass das Klima insgesamt milder ist, als im Gebirge zu erwarten wäre. Während der Sommermonate entsteht bei sonnigem Wetter über den aufgeheizten Südhängen des Herzogstands und des Jochbergs eine ausgeprägte [[Thermik]]. Die stabilen Thermikwinde wehen in der Regel in Richtung Südwest. Vereinigen sich die so in die Höhe transportierten feuchten Luftmassen des Walchensees mit denen des nördlich gelegenen Kochelsees durch einen leichten, vorherrschenden Hauptwind aus Nordost, können besonders heftige Gewitter entstehen. Bei [[Föhn]] weht dagegen ein warmer [[Fallwind]] aus Süd in Richtung Nord; durch die damit einhergehende trockene Luft kommt es zu einer sehr guten Fernsicht. == Geschichte == Schon seit vorhistorischer Zeit fühlte sich die einheimische Bevölkerung vermutlich eng mit dem See verbunden. So war es zum Beispiel bis in das [[18. Jahrhundert]] üblich, geweihte Goldmünzen an der tiefsten Stelle des Sees zu versenken. Der Fischreichtum des Sees führte dazu, dass die Klöster [[Benediktbeuern]] und [[Kloster Schlehdorf|Schlehdorf]] schon 740 n. Chr. erste Besitzansprüche stellten. Bis zur [[Säkularisation in Bayern|Säkularisation]] [[1803]] war dieser im Besitz der beiden Klöster, wobei das Kloster [[Benediktbeuern]] über die größeren Rechte verfügte. Heute ist der [[Freistaat]] Bayern Eigentümer des Walchensees . Um 1900 wurde in München die Idee geboren, das Gefälle zwischen dem Walchensee und dem fast 200 m tiefer gelegenen Kochelsee zur Stromerzeugung im [[Kraftwerk Walchensee]] zu nutzen. Dazu wurden bereits 1903 Tauchversuche zur Erkundung des Seeuntergrundes durchgeführt. Treibende Kraft und Persönlichkeit war [[Oskar von Miller]], der auch 1903 das [[Deutsches Museum|Deutsche Museum]] gegründet hat. Das wasserpolizeiliche Genehmigungsverfahren zog sich bis 1918 hin. Unmittelbar nach dem [[Erster Weltkrieg|Ersten Weltkrieg]] wurden die Bauarbeiten begonnen. Am 24. Januar 1924 trieb zum ersten Mal Walchenseewasser eine Turbine am Ufer des Kochelsees an. [[Datei:Jugendhaus_am_Walchensee.jpg|thumb|left|Im ehem. Forsthaus Einsiedl wurden die letzten Reserven der Deutschen Reichsbank zwischengelagert]] Im Lauf des [[Zweiter Weltkrieg|Zweiten Weltkriegs]] versuchten mindestens zwei Flugzeuge, auf dem See eine Notlandung durchzuführen, und versanken anschließend. Am 24. April 1945 wurde von der [[Wehrmacht]] und Beamten der [[Reichsbank]] zumindest ein Teil der letzten Reserven der Deutschen Reichsbank nach Einsiedl, einer kleinen Siedlung am Südwestufer, gebracht. Anschließend wurde das Vermögen an einem unbekannten Ort auf dem Steinriegel (oberhalb des heutigen Obernachkraftwerkes) vergraben. Es handelte sich dabei um 365 Säcke mit je zwei [[Goldbarren]], 9 Briefumschläge mit den Dokumenten zum Gold, 4 Kisten mit Gold, 2 Säcke mit Goldmünzen, 6 Kisten mit dänischen Münzen sowie 94 Säcke mit anderen Fremdwährungen. Bei der ausländischen Währung handelt es sich vor allem um [[US-Dollar]]s und [[Schweizer Franken]]. Am 6. Juni 1945 wurde das Vermögen an die [[Alliierte]]n übergeben. Es fehlten jedoch 100 Goldbarren sowie alle Dollarnoten und die Schweizer Franken. Möglicherweise gab es noch mehr [[Depotfund|Depots]], an denen Wertgegenstände, wie zum Beispiel weitere [[Devisen]] und/oder [[Juwel]]en, versteckt wurden. Bis heute wird über deren Existenz und genaue Lage spekuliert. Der Walchensee wurde spätestens ab den 50er-Jahren des 20. Jahrhunderts zu einem beliebten Ziel für Ausflügler aus München und anderen oberbayerischen Städten sowie Touristen. Die einheimische Bevölkerung lebt heute in erster Linie vom Fremdenverkehr. == Biologie == === Ökologie === [[Datei: Walchensee_Insel.jpg|thumb|Die Insel [[Sassau]]]] Das klare Gewässer mit einer durchschnittlichen Sichttiefe von 8 bis 10&nbsp;m verdankt seine türkis-grüne Färbung dem relativ hohen Anteil an [[Kalziumkarbonat]]. Wohl auch aufgrund des Motorbootverbots entspricht das Wasser des Walchensees der [[Gewässergüteklasse]] I (=unbelastet). Die Wassertemperaturen sind, wie für einen Bergsee typisch, relativ niedrig. Sie bewegen sich im Sommer zwischen 17 und 22&nbsp;°C und im Frühling/Herbst um die 10 bis 16&nbsp;°C. Die Nährstoffbelastung des ohnehin [[oligotroph]]en (nährstoffarmen) Walchensees ist seit Mitte der 1980er-Jahre des letzten Jahrhunderts durch die Verbesserung der Abwasserreinigung zwischen Seefeld und Wallgau weiter zurückgegangen. Der Walchensee, einschließlich der Uferstreifen, ist [[Landschaftsschutzgebiet]]. Von der Gesamtlänge des Südufers von 7&nbsp;km sind ca. 2,5&nbsp;km für Erholungszwecke, z.&nbsp;B. als Badestrand, nutzbar. Das übrige Ufer besteht zum großen Teil aus Steilufer. Das Seeufer selbst ist bis auf wenige Ausnahmen im Westen nicht bebaut. Die Insel [[Sassau]] (2,9&nbsp;ha) steht unter [[Naturschutz]], d.&nbsp;h., das Betreten der Insel ist ganzjährig verboten. Die Insel ist 367&nbsp;m lang und im Westen bis 93&nbsp;m breit (im Osten nur halb so breit). Sie erhebt sich bis zu 12&nbsp;m über den Wasserspiegel. === Fauna und Flora === Bereits vor über 500 Jahren wurden neue Fischarten im Walchensee eingebürgert. 1480 wurden [[Coregonus|Renken]] aus dem nahe gelegenen Kochelsee eingesetzt und etwas später zusätzlich auch [[Saiblinge]] aus dem [[Tegernsee]]. Der See lässt sich in eine Uferzone sowie in eine Boden- und Freiwasserzone einteilen. In der nebenstehenden Tabelle sind alle Fischarten nach diesen Lebensräumen aufgelistet. {| class="wikitable float-right" |- class="hintergrundfarbe5" !&nbsp;&nbsp;Uferzone&nbsp;&nbsp; !Bodenzone&nbsp;&nbsp; !&nbsp;&nbsp;Freiwasserzone&nbsp;&nbsp; |- |align=center | [[Europäischer Aal|Aal]] |align=center | [[Coregonus|Große Bodenrenke]] |align=center | [[Zander]] |- |align=center | [[Döbel]] |align=center | [[Coregonus|Kleine Bodenrenke]] |align=center | [[Forelle|Seeforelle]] |- |align=center | [[Brachse]] |align=center | [[Quappe]] |align=center | [[Saibling|Seesaibling]] |- |align=center | [[Elritze]] |align=center | [[Perlfisch]] |align=center | [[Regenbogenforelle]] |- |align=center | [[Güster (Fisch)|Güster]] |align=center | [[Nase (Fisch)|Nase]] |align=center | [[Mairenke]] |- |align=center | [[Hasel (Fisch)|Hasel]] |align=center | [[Barbe]] |align=center | [[Coregonus|Renke]] |- |align=center | [[Hechte (Familie)|Hecht]] |align=center | [[Flussbarsch|Barsch]] | &nbsp; |- |align=center | [[Ukelei]] |align=center | [[Kaulbarsch]] | &nbsp; |- |align=center | [[Nerfling]] |align=center | [[Karausche]] | &nbsp; |- |align=center | [[Rotauge]] |align=center | [[Schmerle]] | &nbsp; |- |align=center | [[Rotfeder]] |align=center | [[Groppe|Koppe]] | &nbsp; |- |align=center | [[Rapfen|Schied]] | &nbsp; | &nbsp; |- |align=center | [[Schleie]] | &nbsp; | &nbsp; |- |align=center | [[Spiegelkarpfen]] | &nbsp; | &nbsp; |- |align=center | [[Wels (Fisch)|Wels]] | &nbsp; | &nbsp; |- |align=center | [[Zährte]] | &nbsp; | &nbsp; |} Über 50 % der dort lebenden Fische sind in Bayern in ihrem Bestand bedroht oder zumindest gefährdet, wie z.&nbsp;B. der [[Wels (Fisch)|Wels]] oder der Perlfisch. Die [[Große Teichmuschel]] steht ebenfalls auf der [[Rote Liste gefährdeter Arten|Roten Liste]] der gefährdeten Pflanzen und Tiere. [[2003]] wurde vom Bezirk [[Oberbayern]] ein Projekt gestartet, um den [[Edelkrebs]] (Astacus astacus) im Walchensee wieder anzusiedeln. 1.900 Krebse wurde zu diesem Zweck im [[Eibsee]] westlich von [[Garmisch-Partenkirchen]] eingefangen. Allerdings lässt sich der Erfolg dieser Wiederansiedlungsaktion erst nach ca. 5 Jahren abschließend bewerten. [[Datei:Trüsche_Walchensee.jpg|thumb|left|Eine [[Quappe]] im Walchensee]] Für viele Vogelarten bieten das Seeufer und die Insel Sassau hervorragende Brutmöglichkeiten sowie für [[Zugvögel]] ein sicheres Winter- oder Durchzugsquartier. Neben [[Rothalstaucher|Rothals]]- und Schwarzhalstaucher sowie [[Stockente]]n und [[Blässhuhn|Blesshühner]] kommen hier auch [[Gänsesäger]] und [[Eistaucher]] vor. Nahe der Uferzonen wachsen direkt unter der Wasseroberfläche in einigen Buchten der [[Flutender Wasserhahnenfuß|Flutende Wasserhahnenfuß]] und das [[Ähriges Tausendblatt|Ährige Tausendblatt]]. Die [[Kieselalge|Kiesel-]] und [[Grünalge]]n kommen dagegen als pflanzliches Plankton zusammen mit dem tierischen Plankton ([[Wasserflöhe]], [[Hüpferling]]) in praktisch allen Bereichen des Sees vor. Ebenfalls in der Uferzone wachsen das heimische [[Schilfrohr]] und die [[Teichbinsen]]. Die [[Weiße Seerose|Seerose]] und die [[Gelbe Teichrose|Teichrose]] bieten nicht nur [[Ringelnatter]]n einen zuverlässigen Schutz. == Tourismus == [[Datei:Windsurfer_Walchensee.jpg|thumb|Windsurfer in der Nähe des Westufers]] Vergleichbar mit den anderen großen Seen, wie z.&nbsp;B. dem Tegernsee, spielt auch der Walchensee eine große Rolle für den [[Fremdenverkehr]] in der Region. Sowohl [[Windsurfen|Surfer]] als auch [[Segeln|Segler]] nutzen gern die stetigen Thermalwinde in den Sommermonaten. Dabei wird die Entstehung der Thermik durch eine möglichst große Temperaturdifferenz zwischen Tag und Nacht bei Ost- bis Nordwindströmung unterstützt. Die klare Sicht unter Wasser mit einer Sichtweite von bis zu 40 m und einer ganzen Reihe von Auto-, Boots- und sogar Flugzeugwracks ist für [[Tauchen|Taucher]] besonders interessant. Zusätzlich zu den sonst üblichen Aktivitäten, wie Baden oder Spazierengehen, können Erholungssuchende hier auch in den umgebenden Bergen wandern oder in den Wintermonaten mit [[Tourenski]] die Berge erkunden. Auf den Fahrenbergkopf fährt bis kurz unterhalb des Gipfels vom Frühjahr bis Herbst eine [[Seilbahn]] (''Siehe auch:'' [http://www.herzogstandbahn.de/ Herzogstandbahn]). Von dort erreicht man vorbei am Herzogstandhaus in 30 bis 45 Minuten Gehzeit den Gipfel des [[Herzogstand]]s == Der See als Drehort == Aufgrund seines reizvollen Aussehens diente der Walchensee bereits mehrmals als Drehort, vor allem für Filme mit historischer Thematik. So wurde dort u.&nbsp;a. 1959 die Serie ''Tales of the Vikings'' mit [[Christopher Lee]] gedreht. 2008 drehte der Regisseur [[Michael Herbig]] dort in der [[Sachenbach]]er Bucht die Realverfilmung von ''[[Wickie und die starken Männer]]''. Zu diesem Zwecke wurde dort das Wikingerdorf [[Flake]] und weitere Ausstattung errichtet. Nach eingehender europaweiter Suche wurde dieser Drehort erwählt.<ref>Tölzer Kurier, 29. August 2008, Seite 4</ref> Vom Wikingerdorf sind nach Ende der Dreharbeiten sechs der Hütten am See verblieben und bilden nach Verlagerung in den Ort Walchensee einen touristischen Anziehungspunkt für Familien mit Kindern. Vier der Hütten wurden abgebaut und auf dem Gelände der [[Bavaria Filmstadt]] bei München wieder errichtet.<ref>Tölzer Kurier, 26. September 2008, Seite 5</ref> Comedy-Star Michael „Bully“ Herbig hat als Lockvogel, für die Sendung "Verstehen Sie Spaß?" die Einwohner des oberbayerischen Ortes Walchensee auf die Schippe genommen – er gab vor, die Gemeinde als „Wickieland“ vermarkten zu wollen. <ref>SWR Presseservice vom 21. September 2009</ref> == Besonderheiten == === Kraftwerk Walchensee === [[Datei:walchkraft.jpg|thumb|[[Walchenseekraftwerk]] mit Wasserschloss und [[Kochelsee]]]] Bereits 1924 wurde das [[Kraftwerk Walchensee|Speicherkraftwerk Walchensee]] am Südufer des [[Kochelsee]]s vom [[Bayernwerk]] in Betrieb genommen. Sechs Rohre leiten seitdem das Wasser des Walchensees zu den ca. 200 m tiefer gelegenen Turbinen des [[Wasserkraftwerk]]s. Um die Verfügbarkeit des Wassers im See für das Kraftwerk zu erhöhen, wurde durch einen 7 km langen Stollen der [[Rißbach]] aus dem [[Karwendel]] sowie ein Teil des Wassers aus der [[Isar]] dem See zugeführt. Insgesamt verfügt der Walchensee über ein durchschnittliches Wasservolumen von 1,3 Mrd. m³. Zwei kleinere Wasserkraftwerke wurden auch direkt am Walchensee erbaut: am Ende des Stollens bei [[Niedernach]] im Südosten sowie ein weiteres bei [[Kraftwerk Obernach|Obernach]] im Südwesten des Sees. Nur während der Wintermonate wird im großen Umfang dem See Wasser entnommen, um den Fremdenverkehr während der Hauptsaison nicht zu beeinträchtigen. Aufgrund des stark schwankenden Wasserspiegels friert im Winter der See nicht mehr ganz zu. * Höchststau: {{Höhe|802|DE-NN|link=true}} * Normalstau: {{Höhe|801.5|DE-NN|link=true}} * Mindeststau: {{Höhe|795|DE-NN|link=true}} ''Die Eisflächen in den einzelnen Buchten sind zum Teil sehr dünn und dürfen daher nicht betreten werden.'' [[Datei:Autowrack.JPG|thumb|Ein alter VW Käfer]] === Wracks === Am Seegrund befinden sich mehrere Wracks, unter anderem auch die von drei Flugzeugen. Aus dem Zweiten Weltkrieg stammen eine [[Messerschmitt Bf 109]], sowie ein britischer Bomber vom Typ [[Avro Lancaster]]. Bei den gefundenen Trümmern eines weiteren Flugzeugs handelt es sich um die Reste einer „[[Aero Commander|Aero Commander 680W]]“. Der zweimotorige Hochdecker mit der Kennung D-IMON stürzte am 27. Dezember 1978 in den See, nachdem das Leitwerk abgebrochen war. Das Flugzeug lag im flachen Wasser und wurde unmittelbar nach dem Absturz mitsamt der Besatzung geborgen. Bei Tauchern als Erkundungsziel beliebt sind die Wracks zweier Autos, eines [[VW Käfer]]s und eines [[Ford Motor Company|Ford]], die ebenfalls auf dem Seegrund nahe dem Ufer liegen. [[Datei:Lovis_Corinth_013.jpg|thumb|Walchensee-Panorama, Blick von der Kanzel, 1924]] <!--[[Bild:Herzogstand bergpanorama.jpg|thumb|Panorama vom Herzogstand v.l.n.r.: Kochelsee, Benediktenwand, Walchensee, Bergstation Herzogstandbahn, Westliche Karwendelspitze, Wallgau/Mittenwald, Wettersteinmassiv, Zugspitze, Ammergebirge]]--> {{Großes Bild|Herzogstand bergpanorama.jpg|2000|[[Panoramabild]] vom Herzogstand v.l.n.r.: Kochelsee, Benediktenwand, Walchensee, Bergstation Herzogstandbahn, Westliche Karwendelspitze, Wallgau/Mittenwald, Wettersteinmassiv, Zugspitze, Ammergebirge}} === Landschaftsmalerei === Im Jahre 1934 verewigte der Maler [[Lorenzo Quaglio]] den Walchensee in einem Ölgemälde, welches er schlicht „Der Walchensee“ nannte und welches heute im [[Münchner Stadtmuseum]] hängt. Nach dem [[Erster Weltkrieg|Ersten Weltkrieg]] erwarb der Künstler [[Lovis Corinth]] in [[Urfeld am Walchensee]] ein Grundstück, auf dem ihm seine Frau [[Charlotte Berend|Charlotte Berend-Corinth]] ein Haus baute. Von 1919 bis zu seinem Lebensende 1925 verbrachte der [[Impressionismus|Impressionist]] zusammen mit seiner Frau die Sommermonate am See. Sein Erfolg als Landschaftsmaler beruhte schon zu seinen Lebzeiten vor allem auf seinen Bildern mit dem bekannten Walchensee-Motiv, das sich auf insgesamt über 60 seiner Bilder findet. Ca. 100 graphische Werke von Lovis Corinth sind im [[Walchensee-Museum]] in Urfeld ausgestellt. == Siehe auch == * [[Liste der Seen in Deutschland]]'' == Literatur == * Martin Siepmann, Brigitta Siepmann (Hrsg.): ''Landschaft in Bayern''. Bayerland, Dachau 1995, ISBN 3-89251-200-0. * Lovis Corinth: ''Walchensee''. Piper, München 1984, ISBN 3-492-02179-4. * Josef Rambeck: ''Die Baraber vom Walchensee''. Deutscher Baugewerksbund, Berlin 1931 == Nachweise == <references/> == Weblinks == {{Commons|Walchensee}} * [http://www.wwa-wm.bayern.de/ebene2/daten/seenportraets/walchensee/wm_seenportraets_walchensee.htm Seeportrait des Wasserwirtschaftsamts Weilheim] * [http://www.walchenseemuseum.de/ Website des Walchensee-Museums in Urfeld] {{Exzellent}} [[Kategorie:Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen]] [[Kategorie:See in Bayern]] [[Kategorie:See in Europa]] [[Kategorie:Flusssystem Isar|SWalchensee]] [[Kategorie:Tauchgebiet]] [[da:Walchensee]] [[en:Walchensee]] [[es:Walchensee]] [[it:Walchensee]] [[nl:Walchensee]] [[nn:Walchensee]] [[pl:Jezioro Walchen]] [[ru:Вальхен]] nn6s0i4tlyv51mi34ozb5dw2w4ayce4 wikitext text/x-wiki Waldohreule 0 24462 27062 2010-04-13T18:14:53Z Xqbot 0 Bot: Ergänze: [[als:Waldohreule]] <!-- Für Informationen zum Umgang mit dieser Tabelle siehe bitte [[Wikipedia:Taxoboxen]]. --> {{Taxobox | Taxon_Name = Waldohreule | Taxon_WissName = Asio otus | Taxon_Rang = Art | Taxon_Autor = ([[Carl von Linné|Linnaeus]], 1758) | Taxon2_Name = Ohreulen | Taxon2_WissName = Asio | Taxon2_Rang = Gattung | Taxon3_Name = Eigentliche Eulen | Taxon3_WissName = Strigidae | Taxon3_Rang = Familie | Taxon4_Name = Eulen | Taxon4_WissName = Strigiformes | Taxon4_Rang = Ordnung | Taxon5_Name = Vögel | Taxon5_WissName = Aves | Taxon5_Rang = Klasse | Bild = CRW 2987.jpg | Bildbeschreibung = Waldohreule (''Asio otus'') }} Die '''Waldohreule''' (''Asio otus'') ist eine [[Vögel|Vogel]][[Art (Biologie)|art]], die zu den [[Eigentliche Eulen|Eigentlichen Eulen]] (Strigidae) gehört. Sie ist eine der häufigsten [[Eulen]] in [[Mitteleuropa]]. == Aussehen == Die Waldohreule hat mit einer Körperlänge von etwa 36 cm und einer Spannweite von 95 cm etwa die Größe eines [[Waldkauz]]es. Sie ist jedoch wesentlich schlanker als der Waldkauz und mit einem Gewicht von 220 bis 280 Gramm (Männchen) bzw. 250 und 370 Gramm (Weibchen) erheblich leichter. Auffallende, große [[Federohren]] kennzeichnen diese Art. Die Federohren haben keine Funktion im Zusammenhang mit der Hörleistung der Eule. Zur Verstärkung der Hörleistung dient vielmehr der bei der Waldohreule auffällige [[Gesichtsschleier (Eule)|Gesichtsschleier]]. Die [[Iris (Auge)|Iris]] der Waldohreule ist leuchtend orangegelb. Das Gesicht wird durch eine auffällig hervorstehende Stirnbefiederung geteilt. Die Flügel sind relativ schmal. Die Gefieder der Waldohreule ist auf hellbraunem bis ockergelben Grund schwarzbraun gestrichelt und gefleckt. Die Hand- und Armschwingen sind deutlich dunkel quergebändert. Allgemein überwiegen bei den Weibchen dunkle, rostbraune Farbtöne. Die Männchen sind dagegen in ihrer Grundfärbung etwas heller. Die Färbung des Gefieders dient der Tarnung; ruhende Vögel im Geäst sind kaum zu entdecken. == Verbreitung == [[Datei:Asio otus dis.png|thumb|left|240px|Verbreitungsgebiet]] [[Datei:Asio_otus_3.jpg|thumb|180px|Mit halb geschlossenen Augen und gesenkten Federohren dösende Waldohreule, dunklere Gefiederfärbung]] Das Verbreitungsgebiet der Waldohreule umfasst die gesamte [[Holarktis]]. Es erstreckt sich von [[Großbritannien (Insel)|Großbritannien]] und [[Irland (Insel)|Irland]] quer durch Eurasien einschließlich [[China]] und der [[Mongolei]] bis nach [[Japan]] und [[Sachalin]]. Die nördliche Verbreitungsgrenze liegt in der Zone des [[Borealer Nadelwald|Borealen Nadelwaldes]]. In [[Afrika]] kommt sie auch im [[Atlas (Gebirge)|Atlasgebirge]] sowie in den Bergwäldern [[Äthiopien]]s vor. Sie ist außerdem auf den [[Azoren]] sowie den [[Kanaren]] beheimatet. Die Waldohreule besiedelt außerdem das südliche [[Kanada]] und die nördlichen und mittleren Teile der [[Vereinigte Staaten|USA]]. <br style="clear:left" /> == Unterarten == Im Verbreitungsgebiet werden derzeit fünf Unterarten unterschieden: * ''Asio otus otus'' ist die Nominatform, die in Mitteleuropa beheimatet ist. * ''Asio otus canariensis'' lebt auf den Kanaren. Diese Unterart ist deutlich kleiner. * ''Asio otus wilsonianus'' und ''Asio otus tuftsi'' sind beide in Nordamerika beheimatet. * ''Asio otus abyssinicus'' ist in Ostafrika heimisch. Sie wird von manchen Autoren als eigenständige Eulenart angesehen. == Lebensraum == Die Waldohreule benötigt vor allem offenes Gelände mit niedrigem Pflanzenwuchs. In Mitteleuropa ist sie daher ein Vogel der offenen Kulturlandschaft. Sie ist vor allem in Gebieten zu finden, die einen hohen Anteil an Dauergrünflächen ausweisen sowie in der Nähe von [[Moor]]en. Stellenweise kommt sie auch im [[Hochgebirge]] vor, sofern dort genügend Beute zur Verfügung steht. [[Wald|Wälder]] bieten der Waldohreule nur dann hinreichend Lebensraum, wenn dort ausreichend Freiflächen für die Jagd vorhanden sind. Den Waldrand nutzt die Waldohreule dagegen als Ruheplatz während des Tages sowie als Brutrevier. Sie zieht dabei Nadelbäume vor, die ihr ausreichend Deckung bieten und in denen sich alte Nester von [[Raben und Krähen|Krähen]] und [[Elster]]n befinden. Stehen solche Waldränder nicht zur Verfügung, weicht sie auch in kleinere Gehölzgruppen oder [[Hecke]]n aus. Die Waldohreule besiedelt auch Randbereiche von Städten, insbesondere wenn diese an landwirtschaftlich genutzte Bereiche grenzen. [[Datei:Asio_otu_2.jpg|thumb|180px|Waldohreule mit heller Gefiederfärbung in typischer „Pfahlstellung“]] == Territorialverhalten == Die Waldohreule zeigt nur in der Umgebung des Brutplatzes ein Territorialverhalten. Das unmittelbare Brutrevier wird durch Gesänge und durch einen Imponierflug gekennzeichnet, bei dem die Waldohreule die Flügel unter dem Körper zusammenklatscht. Bei ausreichendem Nahrungsangebot können die Brutplätze der Waldohreulen sehr nahe beieinanderliegen. Für eine 15 Quadratkilometer große Fläche in [[Schleswig-Holstein]], die offenbar ideale Lebensbedingungen bot, wurden 18 Brutnester nachgewiesen. Im Winter finden sich gelegentlich Schlafgemeinschaften von Waldohreulen zusammen, die bis zu 200 Exemplare umfassen können und bei denen die Vögel nur einen geringen [[Individualabstand]] halten. Die dabei aufgesuchten Schlafbäume werden mitunter über viele Jahre hinweg genutzt. In Einzelfällen ist die Nutzung von bestimmten Schlafbäumen seit mehr als einhundert Jahren belegt. Im Winterquartier kann es auch zum Vergesellschaften mit anderen Eulenarten, insbesondere der [[Sumpfohreule]] (''Asio flammeus''), kommen. Die Waldohreule zeigt dabei keine Aggressionen gegenüber anderen Arten. == Stimme == Während der Brutzeit ruft das Männchen in sekundenkurzem Abstand ein dumpfes und monotones „huh“. Dieser Ruf wird etwa alle zwei bis acht Sekunden wiederholt. Das Weibchen antwortet auf diese Rufe in ähnlich monotoner Weise mit „üüiü“ oder „uijo“. Während der Balz lässt das Weibchen auch ein an das [[Betteln]] der Jungeulen erinnerndes „''chwää''“ oder „''chwän''“ erklingen; vom Männchen ist insbesondere bei Beuteübergaben an das Weibchen ein kräftiges „''chwü''“ oder „''chrööj''“ zu hören. Zu den Lautäußerungen gehören auch Fauchen und [[Schnabelknappen]], die vor allem der Feindabwehr dienen. Das Repertoire an Alarmrufen ist sehr groß – der Alarmruf, den die Eulen von sich geben, wenn man sich beispielsweise dem Horst zu sehr nähert, ist ein bellendes oder kläffendes „''uäk.uäk''“ sowie ein miauendes „''kjiiiiauu''“. Die Ästlinge der Waldohreule, wie die Jungeulen genannt werden, die zwar bereits das Nest verlassen haben, aber noch auf die Fütterung durch die Elternteile angewiesen sind, können über Stunden während der Nacht ein lautes Fiepen erklingen lassen. Es ist so auffallend, dass bei Bestandskontrollen von Waldohreulen gelegentlich systematisch diese Rufe registriert werden. == Jagd und Beutetiere == === Jagdweise === Die Waldohreule jagt während der Dämmerung und in der Nacht. Die Tagesstunden werden nur dann zur Jagd genutzt, wenn die Beute knapp ist (z. B. im Winter). Vor dem Jagdbeginn putzt die Waldohreule sich ausgiebig das Gefieder, jagt dann zwei bis drei Stunden und legt eine Ruhepause ein, die bis weit nach Mitternacht dauert. Anschließend jagt sie nochmals intensiv bis in die Morgendämmerung hinein. Mit diesem Aktivitätsmuster jagen die Eulen insgesamt etwa 5 bis 6 Stunden pro Tag intensiv. Der Flug ist geräuschlos. Der Suchflug erfolgt relativ dicht über dem Boden, wobei die Waldohreule ihre Beute optisch und akustisch ortet. Nimmt sie potentielle Beute wahr, verharrt sie im „Rüttelflug“ und inspiziert die Lokalität, an der sie die Beute vermutet. Die Ansitzjagd, bei der die Eule von einer Warte aus nach Mäusen lauscht, gehört gleichfalls zum Jagdverhalten der Waldohreule. Um Insekten zu jagen, begibt sie sich direkt auf den Boden und liest dort mit ihrem Schnabel die Wirbellosen auf. Um Maikäfer zu fangen, klettert sie geschickt durch das Geäst der Bäume. === Beutetiere === Die Hauptbeute der Waldohreule sind [[Mäuse]]. Im Mittelmeergebiet sind es vorwiegend [[Echte Mäuse]], die von der Waldohreule erjagt werden. In den übrigen Teilen Europas sind es überwiegend [[Wühlmäuse]], wobei hier die [[Feldmaus]] (''Microtus arvalis'') überwiegt. Auch kleinere [[Singvögel|Singvogelarten]] zählen zum typischen Beutespektrum. Mit am häufigsten erbeutet werden [[Sperlinge]] und [[Grünling (Vogel)|Grünlinge]]. [[Datei:Pelotes réjection Asio Otus.jpg|thumb|[[Speiballen]] (Gewölle) der Waldohreule und ihre Bestandteile]] <br style="clear:left" /> == Fortpflanzung == === Balz === Waldohreulen werden gegen Ende ihres ersten Lebensjahres fortpflanzungsfähig und leben monogam in einer sogenannten Saisonehe. Die Paare bilden sich mitunter schon unter den Vögeln einer winterlichen Schlafgemeinschaft. Typischer ist es jedoch, dass das Männchen im zeitigen Frühjahr durch Paarungsrufe versucht, ein Weibchen in sein Revier zu locken. Zur Balz zeigt das Männchen einen Imponierflug, bei dem die weißen Flügelunterseiten signalhaft präsentiert werden und bei dem die Flügel gelegentlich unter dem Körper zusammengeklatscht werden. Dieses Flügelklatschen zeigt auch das Weibchen während der Flugbalz in der Nähe zum potentiellen Brutplatz. Zur Anpaarungsphase und zur Balz gehört auch ein intensives Rufen, wie bereits im Absatz „''Stimme''“ beschrieben. Diese Rufe erklingen als Wechselgesänge. Wie bei den anderen europäischen Eulen weist auch hier das Männchen mit leisen Rufen das Weibchen auf den potentiellen Nistplatz hin. Die Waldohreule unterscheidet sich jedoch von den anderen europäischen Arten durch einen spezifischen Bewegungsablauf, der so bei keiner anderen Art zu beobachten ist: :''Das Männchen lässt sich mit V-förmig steil gehobenen Flügeln zu diesem Platz gleiten, lockt mit leisen „huh“- oder „bu.bu.bu“-Silben und dreht sich in steif vorgebeugter Haltung gegen das Weibchen: die Federohren sind aufgerichtet (Bocksgesicht), die Flügel werden über Rückenniveau angehoben, letztlich „winkend“ auf- und abgeführt; die Eule streckt sich zuletzt in den Fersen zu einer merkwürdigen Buckelhaltung. Mitunter zittern auch die horizontal gehobenen Schwanzfedern. Das paarungswillige Weibchen fliegt nahe zum Männchen, mitunter auf denselben Baumstumpf, duckt sich flach nieder, hebt die Flügel schlaff an und den Schwanz auffordernd in die Horizontale. So starren sich die Partner – oft aus nächster Nähe – an. Das Männchen springt letztlich aus der „Bockshaltung“ direkt auf den Rücken des Weibchens (dabei oft noch eine Drehung um 180 Grad vollführend) und kopuliert unter langsamen Flügelschlag ….'' (Mebs & Scherzinger, S. 261f) === Brut === Die Waldohreule nutzt bevorzugt verlassene [[Nest]]er von [[Greifvögel]]n und [[Raben und Krähen|Krähen]] als Nistmulde. Auch Bodenbruten sind für die Waldohreule belegt, sie stellen jedoch eine Ausnahme dar. Der Brutbeginn für Waldohreulen liegt in Mitteleuropa normalerweise zwischen Ende März und Mitte April. Das Weibchen brütet bereits ab dem ersten Ei und legt mit einem durchschnittlichen Legeabstand von zwei Tagen durchschnittlich vier bis sechs Eier. Ist aufgrund einer Mäuse[[Gradation (Zoologie)|gradation]] das Beuteangebot sehr reichlich vorhanden, kann das Gelege ausnahmsweise auch bis zu acht Eier umfassen. Das Weibchen verlässt während der Brutphase und während der ersten Tage der Jungeulen nur für kurze Unterbrechungen die Nistmulde. Die Küken schlüpfen nach einer Brutdauer von 27 bis 28 Tagen und werden von dem Weibchen während ihrer ersten Tage intensiv gehudert. Das Weibchen schneidet aus der vom Männchen herangebrachten Beute kleine Stückchen und füttert sie den Jungeulen unter gluckenden Fütterungslauten. Sind die Nestlinge älter als vierzehn Tage, dann hockt das Weibchen tagsüber am Nistmuldenrand oder in nächster Nähe. Sowohl Männchen als auch Weibchen beteiligen sich an der Verteidigung der Brut. Erst wenn die Jungeulen das Nest verlassen und als Ästlinge in den Baumkronen hocken, beteiligt sich das Weibchen an der Beuteversorgung. === Die Jungeulen === [[Datei:Long_eared_owl_young_gfdl.jpeg|thumb|Etwa vier Wochen alte Jungeule (Ästling)]] [[Datei:Asio otus_1200x900.jpg|thumb|Junge Waldohreule]] Die frisch geschlüpften Küken wiegen nur 16 Gramm; ihr feines dünnes Daunenkleid lässt jedoch bereits die später so auffälligen Federohren erkennen. Das Daunenkleid wird später durch ein hellbraunes Zwischenkleid ersetzt, bei dem die jungen Waldohreulen eine auffällige, schwarze Gesichtsmaske tragen. Die Jungeulen verlassen mitunter schon im Alter von drei Wochen die Nistmulde und klettern in die Baumkronen, wo sie in möglichst wenig einsehbarem Geäst verbleiben. Junge Waldohreulen sind geschickte Kletterer, die zum Klettern Krallen, Schnabel und Flügel einsetzen. Nach Einbruch der Dämmerung zeigen sie ihren Standort durch ein hohes „''Zieeh''“ an, das sie im Abstand von wenigen Sekunden wiederholen. Bereits im Alter von 10 Wochen können die Jungeulen in der Lage sein, selbständig Mäuse zu erjagen. Die Elternvögel füttern jedoch ihren Nachwuchs bis mindestens zur 11. Lebenswoche. Selbständig gewordene Jungeulen legen auf der Suche nach neuen geeigneten Lebensräumen gelegentlich mehrere hundert Kilometer zurück. Aufgrund von Beringungsfunden konnte man nachweisen, dass Wanderungen aus mitteleuropäischen Gebiet bis nach [[Portugal]] vorkommen. Die bisher maximal belegte Wanderungsstrecke von Jungeulen beträgt 2.140 Kilometer. Typischer ist jedoch eine Wiederansiedelung in einem Radius von 50 bis 100 Kilometer um den Horstbereich. == Fressfeinde und Feindverhalten == Die relativ kleine Waldohreule gehört zu den Beutetieren des [[Uhu]]s. Auch größere Greifvogelarten jagen hin und wieder Waldohreulen. So werden insbesondere die in den offenen Horsten brütenden Weibchen häufig durch den [[Mäusebussard]] erbeutet. Auch [[Marder]] können vor allem den jungen, noch nicht flugfähigen Küken gefährlich werden. Der Gefährdung durch Fressfeinde versuchen Waldohreulen vor allem durch ihre Tarnung zu entgehen, die ihre Gefiederfärbung bietet. Die brütenden Weibchen, die besonders gefährdet sind, ducken sich tief in ihre Nistmulde. Waldohreulen verfügen außerdem über ein Repertoire an Drohgebärden. Ähnlich wie ein Uhu in einer ausweglosen Situation fächert auch die Waldohreule ihre Flügel zu einem Flügelrad auf und vergrößert damit optisch ihr Erscheinungsbild. Gleichzeitig faucht sie laut und [[Schnabelknappen|knappt]] mit dem Schnabel. Dieses Verhalten beherrschen bereits die jungen Ästlinge. Bei akuter Gefahr klettern diese meist in höhere Bereiche der Bäume. Werden sie bis dahin weiter verfolgt, springen sie gegebenenfalls sogar zu Boden. Menschen und andere Beutegreifer, die sich dem Horst zu sehr annähern, werden gelegentlich durch das so genannte Verleiten abgelenkt. Hierbei täuscht die Eule dem Angreifer eine eingeschränkte Bewegungsfähigkeit vor, indem sie ihre Flügel schlaff herabhängen lässt. Dieses Verleiten geht soweit, dass sie sich unter lauten Alarmrufen flügelschlagend von einem Ast herabtrudeln lässt, um den potentiellen Angreifer vom Nest abzulenken. == Zugverhalten == ''Asio otus'' ist in der Regel ein [[Teilzieher]]: Waldohreulen, die normalerweise im nordöstlichen Verbreitungsgebiet des Europäischen Kontinents leben, ziehen während des Winterhalbjahrs in Richtung Südwesten. Um den Winter besser zu überstehen, halten sich die Vögel bevorzugt im Umfeld von größeren Städten und Ortschaften auf. Hier findet sich auch in der kalten Jahreszeit noch genügend Nahrung. Waldohreulen, die in klimatisch begünstigten Regionen leben, zeigen nahezu kein Zugverhalten. == Lebenserwartung == Von den Jungeulen eines Jahres übersteht nur jede zweite Eule ihr erstes Lebensjahr. In freier Natur lässt sich bisher aufgrund von Beringungsfunden ein Höchstalter von 28 Jahren nachweisen. == Bestandsentwicklung == Der Bestand an Waldohreulen ist vor allem vom Aufkommen von Mäusen abhängig. Haben die Mäuse nur geringe Zuwachsraten, dann kommt es im Waldohreulenbestand zu erheblichen Schwankungen. Der Gesamtbestand wurde laut [[International Union for Conservation of Nature and Natural Resources|IUCN]] im Jahr 2003 auf etwa 120.000 Tiere geschätzt. Für Österreich und die Schweiz schätzt man, dass rund 2500 bis 3000 Brutpaare dort ihren Lebensraum haben, für Deutschland wird die Zahl der Brutpaare mit ungefähr 32.000 Brutpaaren veranschlagt. Bestandsrückgänge sind insbesondere auf die intensivere Nutzung landwirtschaftlicher Flächen zurückzuführen. Ähnlich wie bei anderen mitteleuropäischen Eulenarten ist die wichtigste Schutzmaßnahme die Erhaltung von strukturreichen, naturnahen Landschaften. Insgesamt wird die Waldohreule von der IUCN als „nicht gefährdet“ („least concern“) eingestuft. Noch nicht hinreichend untersucht ist die Frage, ob die Waldohreule in einigen ihrer Lebensräumen durch den Waldkauz verdrängt werden kann. Untersuchungen in den [[Niederlande]]n zeigen eine Abnahme der Waldohreulen, wenn die Anzahl der im Gebiet vorhandenen Waldkäuze ansteigt. Hierbei spielen sicherlich auch Faktoren wie Nahrungs- und Brutplatzkonkurrenz eine Rolle. == Literatur == * [[Jürgen Nicolai]]: ''Greifvögel Kompass. Greifvögel und Eulen sicher bestimmen.'' Gräfe und Unzer, München 1987, ISBN 3-7742-3805-7 * Theodor Mebs, [[Wolfgang Scherzinger]]: ''Die Eulen Europas. Biologie, Kennzeichen, Bestände.'' Kosmos, Stuttgart 2000, ISBN 3-440-07069-7 (gibt umfassend die Lebensweise der dreizehn in Europa vertretenen Eulen wieder) * John A. Burton (Hrsg.): ''Eulen der Welt. Entwicklung, Körperbau, Lebensweise.'' Neumann-Neudamm, Melsungen 1986, ISBN 3-7888-0495-5 * Wolfgang Epple: ''Eulen. Die geheimnisvollen Vögel der Nacht.'' Gräfe und Unzer, München 1994, ISBN 3-7742-1790-4 (verglichen mit dem Buch von Mebs und Scherzinger ist dies eher das Buch für „Euleneinsteiger“ – es ist bewusst so einfach geschrieben, dass es auch für Kinder und Jugendliche geeignet ist) == Weblinks == {{Commons|Asio otus|Waldohreule}} * [http://www.ageulen.de/index.php?id=waldohreule Arbeitsgemeinschaft zum Schutz bedrohter Eulen (AG Eulen) - Bundesarbeitsgruppe (BAG) Eulenschutz Naturschutzbund Deutschland (NABU)] * [http://www.owlpages.com/species/asio/otus/Default.htm Waldohreule auf owlpages.com] (englisch) * [http://www.eulenwelt.de/europ_waldohreule.htm Eulenwelt.de] * [http://www.eulen.de Landesverband Eulenschutz in Schleswig-Holstein] * [http://www.theowlcam.com/2400large.php Eulen-WebCam von belegtem Nest (Mai 2008)] * {{IUCN |Year=2008 |ID=143315 |ScientificName=Asio otus |YearAssessed=2008 |Assessor=BirdLife International |Download=13. Mai 2009 }} * {{IBC|ID=northern-long-eared-owl-asio-otus|Titel=Asio otus}} {{Exzellent}} [[Kategorie:Eigentliche Eulen]] {{Link GA|cs}} [[als:Waldohreule]] [[az:Qulaqlı bayquş]] [[bg:Горска ушата сова]] [[br:Toud penn-kazh]] [[ca:Mussol banyut]] [[cs:Kalous ušatý]] [[cv:Хăлхаллă тăмана]] [[cy:Tylluan Gorniog]] [[da:Skovhornugle]] [[en:Long-eared Owl]] [[eo:Orelstrigo]] [[es:Asio otus]] [[et:Kõrvukräts]] [[fi:Sarvipöllö]] [[fr:Hibou moyen-duc]] [[fy:Hoarnûle]] [[ga:Ceann cait]] [[gl:Bufo pequeno]] [[he:ינשוף עצים]] [[hu:Erdei fülesbagoly]] [[it:Asio otus]] [[ja:トラフズク]] [[ka:ოლოლი]] [[ku:Kundê şaxkidar]] [[lt:Mažasis apuokas]] [[mn:Соотон гуйванга]] [[ms:Burung Hantu Telinga Panjang]] [[nds-nl:Katoele]] [[nl:Ransuil]] [[no:Hornugle]] [[pl:Sowa uszata]] [[pt:Coruja-pequena]] [[ru:Ушастая сова]] [[sah:Кулгаахтаах мэкчиргэ]] [[se:Bealljeloađgu]] [[sl:Mala uharica]] [[sr:Мала ушара]] [[sv:Hornuggla]] [[tr:Kulaklı orman baykuşu]] [[uk:Сова вухата]] [[zh:长耳鸮]] efbovi5vtybazwrm4bl7zzldcas3yv0 wikitext text/x-wiki Waldviertler Schmalspurbahnen 0 24463 28157 27063 2010-09-28T12:27:14Z Axpde 417 BSicon ausgetauscht {| class="wikitable float-right" {{BS-header|Waldviertler Schmalspurbahn}} {{BS-daten |AT-KBS=801 <small>Gmünd–Groß Gerungs</small><br/>802 <small>Gmünd–Litschau</small> |STRECKENNR=177 01 <small>Gmünd–Litschau</small><br/>179 01 <small>Gmünd–Groß Gerungs</small> |LÄNGE=82,0 |SPURWEITE=760 |NEIGUNGA= |NEIGUNG= |RADIUS= |V-MAX= |BILDPFAD_FOTO=ÖBB399_altnagelberg.jpg |PIXEL_FOTO=300px |TEXT_FOTO=Parallelausfahrt von Alt-Nagelberg |BILDPFAD_KARTE=Waldviertelbahn strecken.png |PIXEL_KARTE=300px }} {{BS-table}} {{BS|KBHFa|25,3|[[Litschau]]||{{Höhe|527|AT}}}} {{BS|HST|24,1|Schönau bei Litschau}} {{BSe|HST|19,3|Gopprechts|}} {{BS|BHF|15,4|[[Brand-Nagelberg|Brand]]||{{Höhe|518|AT}}}} {{BS3||STR|KBHFa|13,2|[[Heidenreichstein]]||{{Höhe|561|AT}}}} {{BS3||STR|HST|12,0|Kleinpertholz}} {{BS3||STR|HST|8,2|[[Amaliendorf-Aalfang|Aalfang]]||{{Höhe|537|AT}}}} {{BS3||STR|HST|6,5|[[Schrems (Niederösterreich)|Langegg]]|}} {{BS3||STR|HST|4,1|[[Brand]] Süd}} {{BS3||STR|HST|1,1|Alt-Nagelberg ERGO Kindlinger}} {{BS3||STR|BHF|0,4|Alt-Nagelberg Herrenhaus}} {{BS3||ABZrg|STRrf||}} {{BS|BHF|{{BSkm|0,0|11,2}}|[[Brand-Nagelberg|Alt-Nagelberg]]||{{Höhe|495|AT}}}} {{BS|BHF|8,4|[[Brand-Nagelberg|Neu-Nagelberg]]||{{Höhe|485|AT}}}} {{BS|eHST|5,8|[[Gmünd (Niederösterreich)|Breitensee]]|}} {{BS|WBRÜCKE|||[[Lainsitz]]}} {{BS|BHF|2,5|[[Böhmzeil]]}} {{BS3||xABZgl+l|KBHFr|-0,2|[[Gmünd (Niederösterreich)|Gmünd]] (N.Ö.)||{{Höhe|500|AT|link=true}}}} {{BS3e|exSTRrg|eABZgr+r||||}} {{BS3e|xGRENZE+WBRÜCKE|STR||||Staatsgrenze [[Österreich]] / [[Tschechien]] über die Lainsitz}} {{BS3e|exKBHFe|STR|||[[České Velenice]]|(Gmünd Bahnhof)}} {{BS|KRZu|||Unterquerung der [[Franz-Josefs-Bahn]]}} {{BS|HST|2,3|[[Großdietmanns|Ehrendorf]]||{{Höhe|495|AT}}}} {{BS|HST|3,8|[[Großdietmanns|Dietmanns]]||{{Höhe|497|AT}}}} {{BSe|HST|6,5|[[Großdietmanns|Eichberg bei Weitra]]||{{Höhe|502|AT}}}} {{BS|BHF|9,8|[[Unserfrau-Altweitra|Alt Weitra]]||{{Höhe|506|AT}}}} {{BS|BHF|14,1|[[Weitra]]||{{Höhe|574|AT}}}} {{BSe|HST|17,0|[[Sankt Martin (Niederösterreich)|Langfeld]]||{{Höhe|615|AT}}}} {{BSe|HST|19,4|[[Sankt Martin (Niederösterreich)|Schöllbüchl]]|}} {{BS|BHF|21,4|[[Sankt Martin (Niederösterreich)|Sankt Martin bei Weitra]]||{{Höhe|630|AT}}}} {{BS|BHF|24,1|[[Bad Großpertholz|Steinbach-Großpertholz]]||{{Höhe|626|AT}}}} {{BS|HST|26,3|Abschlag Fassldorf||{{Höhe|673|AT}}}} {{BS|TUNNEL1|28,8||Kleiner Bruderndorfer Tunnel (44 m)}} {{BS|DST|29,5|Bruderndorf (Wasserstelle)||{{Höhe|749|AT}}}} {{BS|TUNNEL1|29,7||Großer Bruderndorfer Tunnel (262 m)}} {{BS|HST|31,9|[[Bruderndorf (Gemeinde Langschlag)|Bruderndorf]]|seit 1986}} {{BS|BHF|36,1|[[Langschlag (Niederösterreich)|Langschlag]]||{{Höhe|753|AT}}}} {{BSe|HST|39,5|[[Harruck]]||{{Höhe|757|AT}}}} {{BSe|HST|41,6|[[Groß-Gerungs|Heinreichs]]|}} {{BS|KBHFe|43,1|[[Groß Gerungs]]||{{Höhe|679|AT}}}} |} |} Die '''Waldviertler Schmalspurbahnen''' sind ein Netz von drei zusammenhängenden Strecken der [[ÖBB]] mit einer [[Spurweite (Eisenbahn)|Spurweite]] von 760&nbsp;mm, welche von [[Gmünd (Niederösterreich)|Gmünd]] in [[Niederösterreich]] aus das nordwestliche [[Waldviertel]] auf Strecken nach [[Litschau]], [[Heidenreichstein]] und [[Groß Gerungs]] erschließen. == Geschichte == === Planung und Bau === [[Datei:Waldviertelbahn.jpg|miniatur|left|Zweisprachige [[Anleihe]] der Waldviertelbahn von 1902]] [[Datei:Waldviertel old 02.jpg|miniatur|left|Eröffnungszug der Südstrecke im Bahnhof Gmünd]] [[Datei:Waldviertel old 01.jpg|miniatur|left|Personenzug mit Lok 3 (Reihe U) in den ersten Jahren in Heidenreichstein]] [[Datei:Waldviertel old 03.jpg|miniatur|left|Einer der großen Dampftriebwagen in Groß Gerungs]] Bereits in den 1870er Jahren erhielt das niederösterreichische Waldviertel mit der [[Franz-Josefs-Bahn]] von [[Prag]] nach [[Wien]] einen ersten Anschluss an das europäische Eisenbahnnetz. Der daraus resultierende wirtschaftliche Aufschwung der von der Bahn bedienten Orte ließ in den abseits gelegenen Regionen rasch den Wunsch nach weiteren Bahnanschlüssen entstehen, die zum Teil als normalspurige [[Lokalbahn]]en verwirklicht wurden. Nach Erlass des Niederösterreichischen Landeseisenbahngesetzes im Jahr 1895 erfolgten erste Planungen für ein von Gmünd ausgehendes Schmalspurnetz. Im Juli 1899 wurde die „Niederösterreichische Waldviertelbahn AG“ gegründet, mit der Betriebsführung der zu bauenden Bahnlinien wurden die [[Niederösterreichische Landesbahnen|Niederösterreichischen Landesbahnen]] beauftragt. Im April 1899 wurde mit dem Bau der nördlichen Strecken nach Litschau und Heidenreichstein begonnen. Bereits im Juni 1900 konnten die ersten Probefahrten stattfinden und am 4. Juli 1900 wurde der planmäßige Verkehr aufgenommen, als Triebfahrzeuge wurden Loks der [[KkStB U|Reihe U]] gewählt, die sich bereits auf der [[Pielachtalbahn]] der NÖLB bewährt hatten. Ein Jahr später wurde mit dem Bau der längsten und aufwändiger zu trassierenden Strecke südlich von Gmünd begonnen. Am 9. August 1902 fuhr der Eröffnungszug auf dem ersten Teilstück zwischen Gmünd und [[Bad Großpertholz]]. Die Fortsetzung nach Groß Gerungs, die abschnittsweise [[Gebirgsbahn]]charakter aufweist, ging im März 1903 in Betrieb. Hier kamen vorzugsweise die 1902 angeschafften Loks der [[NÖLB Uv|Reihe Uv]] zum Einsatz, eine leistungsstärkere Weiterentwicklung der Reihe U mit Verbunddampfmaschine. Damit erreichte das Schmalspurnetz im Waldviertel seine größte Ausdehnung, in der es auch heute noch vollständig befahrbar erhalten ist. Geplante Streckenverlängerungen von Litschau nach [[Neubistritz]] (Nová Bystrice) und damit eine Verbindung zur [[Schmalspurbahn Jindřichův Hradec–Nová Bystřice|Schmalspurbahn Neuhaus–Neubistritz]], sowie von Groß Gerungs in Richtung Zwettl bzw. [[Krems an der Donau|Krems]] und eine Verbindung mit dem [[Mühlviertel]] (nach [[Freistadt]]) kamen nach dem Ausbruch des [[Erster Weltkrieg|Ersten Weltkrieges]] nicht mehr zustande. === Die Landesbahnzeit === Die Waldviertler Schmalspurbahnen präsentierten sich von Anfang an als innovatives und effizient geführtes Verkehrsunternehmen. Der Güterverkehr wurde schon ab der Eröffnung mit Normalspurwagen auf [[Rollbock|Rollböcken]] abgewickelt, im Personenverkehr kamen ab 1904 [[Triebwagen|Dampftriebwagen]] zum Einsatz. Der Verkehr entwickelte sich den Erwartungen entsprechend und brachte der Region den erhofften Anschluss an die wirtschaftliche Entwicklung dieser Zeit. Neben dem Holzreichtum der Region, der für stetiges Frachtaufkommen sorgte, konnte sich auch die lokale Textil- und Glasindustrie dank des neuen Transportmittels wieder als konkurrenzfähig behaupten. Während des Ersten Weltkrieges wurde einzelne Fahrzeuge zum Einsatz auf den Schmalspurbahnen des [[Balkanhalbinsel|Balkans]] eingezogen, die langfristigen politischen Folgen des Krieges bescherten dem Bahnbetrieb jedoch weitaus größere Probleme: Nach der im [[Vertrag von Saint-Germain]] festgelegten Grenzziehung wurde Gmünd geteilt, sämtliche Bahnanlagen und die ersten Kilometer der Nordstrecke befanden sich nun in der [[Tschechoslowakei]], der tschechische Teil von Gmünd wurde in [[České Velenice]] umbenannt. Die Nutzung der Bahnanlagen wurde in einem Vertragswerk geregelt, bis 1922 wurde im Bereich der ehemaligen Haltestelle Gmünd Stadt ein neuer Bahnhof für Normal- und Schmalspurbahn errichtet, Heizhaus und Werkstätte verblieben noch jenseits der Grenze, auch fuhren die Züge nach Litschau und Heidenreichstein als [[Korridorzug|Korridorzüge]] über tschechoslowakisches Territorium bis zur Station Gmünd Böhmzeil. === Übernahme in die Staatsbahn und Zweiter Weltkrieg === Mit 1. Jänner 1921 wurden die Niederösterreichischen Landesbahnen aufgelöst, deren Strecken bzw. die Betriebsführung jener Strecken, die die NÖLB im Auftrag durchgeführt hatte, übernahmen die Österreichischen Bundesbahnen [[BBÖ]]. Nach dem [[Anschluss (Österreich)|„Anschluss“ 1938]] erfolgte die Eingliederung der BBÖ in die [[Deutsche_Reichsbahn|Deutsche Reichsbahn]], 1940 wurde die N.Ö. Waldviertelbahn AG aufgelöst. Während des [[Zweiter Weltkrieg|Zweiten Weltkrieges]] gelangten einige Lokomotiven deutscher und tschechischer Herkunft nach Gmünd. === Entwicklung ab 1945 === Im Juli 1945 mussten die Bahnanlagen in České Velenice rasch geräumt werden, die Errichtung eines neuen Bahnhofes mit Heizhaus und Werkstätte im Gmünd hatte daher erste Priorität. 1946 wurde die bisherige Haltestelle „Gmünd Stadt“ in „Gmünd N.Ö.“ umbenannt. In den Jahren darauf war die [[Tschechoslowakei]] bestrebt, den Korridorverkehr zwischen Gmünd und Böhmzeil zu unterbinden und finanzierte daher die Errichtung einer neuen, ausschließlich in Österreich gelegenen Trasse östlich der [[Lainsitz]], die im Dezember 1950 dem Verkehr übergeben wurde. Während die Schmalspurbahnen in der unmittelbaren [[Nachkriegszeit]] in ihrer Funktion als unverzichtbares Verkehrsmittel im Personen- und Güterverkehr nicht in Frage gestellt waren, war später ein mit der allgemeinen Motorisierung einsetzender Rückgang im Personenverkehr zu verzeichnen. Investitionen wurden, dem einsetzenden Trend zu Streckenstilllegungen folgend, nur in bescheidenem Maße getätigt. Bis 1964 wurde der Güterverkehr komplett auf [[Rollwagen]] umgestellt, der Personenverkehr zum Teil mit [[Diesellokomotive]]n der Reihen [[ÖBB_2091|2091]] und [[ÖBB_2190|2190]] geführt. Des Weiteren wurde ein Exemplar der Reihe [[ÖBB_2095|2095]] in Gmünd stationiert, damit konnte die Dampftraktion aber nicht wie auf den anderen ÖBB-Schmalspurbahnen ersetzt werden. Die ab den 70er-Jahren mit sechs Stück vollzählig im Waldviertel beheimateten [[Stütztenderlokomotive]]n der Reihe [[NÖLB Mh|399]] waren bis Mitte der 80er-Jahre im schweren Güterverkehr unentbehrlich. Nach der Einstellung der [[Bregenzerwaldbahn]] zwischen 1980 und 1985 wurden einige 2095 nach Gmünd umstationiert, Dampflokomotiven waren dennoch weiterhin regelmäßig im Einsatz. === Entwicklung ab 1986 === [[Datei:ÖBB399_neunagelberg.jpg|miniatur|Sonderzug des WSV mit 399.03 in Neu-Nagelberg]] Am 1. Juni 1986 wurde auf mehreren Nebenbahnen im Waldviertel der Personenverkehr eingestellt, so auch auf den Nordästen der Schmalspurbahn. Sinkendes Fahrgastpotenzial bedingt durch die Orientierung des [[Pendler]]- und [[Schüler]]verkehrs von Litschau und Heidenreichstein zur Bezirkshauptstadt [[Waidhofen_an_der_Thaya|Waidhofen a.d. Thaya]] ließ diese Entscheidung schon seit längerem erwarten, der Güterverkehr blieb vorerst in vollem Umfang erhalten. Auf der Südstrecke hingegen wurde erstmals eine grundlegende Modernisierung des Betriebes vorgenommen. Zwei neu beschaffte Dieseltriebwagen der Reihe [[ÖBB_5090|5090]] befuhren die Strecke fortan im sparsamen Einmannbetrieb, die Errichtung und Verlegung von Haltestellen sollte den Menschen in der Region Anreiz bieten, wieder verstärkt die Bahn als Verkehrsmittel in Betracht zu ziehen. Nach Einstellung der [[Steyrtalbahn]] 1982 waren die Waldviertler Schmalspurbahnen der letzte Bahnbetrieb Österreichs, auf dem fahrplanmäßig Dampflokomotiven im alltäglichem Einsatz standen (ausgenommen der touristischen [[Zahnradbahn]]en). Auch nach der Modernisierung des Betriebes wurden an Samstagen, Sonn- und Feiertagen je zwei Zugpaare planmäßig mit Dampflokomotiven bespannt. Diese Züge waren kein Nostalgie- oder [[Tourismus]]angebot, sondern reguläre Leistungen, die für jedermann zu den normalen Bahntarifen benutzbar waren und der Bahn auch außerhalb der Eisenbahnfreunde-Szene Bekanntheit verschafften. Ab 1996 wurden diese Züge als planmäßige Leistungen aufgegeben und in das Nostalgieprogramm der ÖBB zu einem Sondertarif aufgenommen, was sie aber für reguläre Fahrgäste praktisch unbrauchbar machte. In der Folge wurde das Programm auf ein Zugpaar mit einem langen Aufenthalt zu einem Stadtrundgang in Weitra gekürzt. Auf den Nordästen fanden ab 1986 Sonderfahrten des Waldviertler Schmalspurbahnverein (WSV) statt. Die Züge wurden bei den ÖBB bestellt, Lokführer kam von ÖBB, das restliche Personal vom Verein.<ref name="urban">''Archiv WSV 1989 bis 2003'' - WSV-Schriftführer Gerhard Urban</ref> Anfang Juni 1992 wurde der Güterverkehr auf der Strecke Alt-Nagelberg–Heidenreichstein eingestellt und die Stecke vom Verein übernommen, der nach Aufkündigung der Zusammenarbeit durch die ÖBB hier einen [[Museumsbahn]]-Betrieb mit eigenen Fahrzeugen etabliert hat.<ref name="urban">''Archiv WSV 1989 bis 2003'' - WSV-Schriftführer Gerhard Urban</ref> === Gegenwärtige Situation === [[Datei:ÖBB5090004 waldviertel1.jpg|miniatur|Ein 5090 im Winter 2001 mit fahrplanmäßigem Personenverkehr in Steinbach-Groß Pertholz]] Am 9. Jänner 2001 verkehrte zwischen Gmünd und Litschau der letzte Güterzug der Waldviertler Schmalspurbahnen, die Einstellung des verbleibenden Personenverkehrs nach Groß Gerungs war zu diesem Zeitpunkt bereits beschlossene Sache. Der Personenverkehr auf der Bergstrecke südlich von Steinbach-Groß Pertholz war trotz Modernisierung nicht zu einem wirtschaftlich befriedigenden Ergebnis zu bringen. Auch hier war längst eine Umorientierung der Verkehrsströme erfolgt, die größten Orte, [[Langschlag (Niederösterreich)|Langschlag]] und Groß Gerungs, sind fast ausschließlich nach [[Zwettl]] orientiert. An einer Beibehaltung des Personenverkehrs zwischen Gmünd und Steinbach-Groß Pertholz bestand auch kein Interesse, vielmehr war man bestrebt, die beiden Triebwagen möglichst rasch zur [[Mariazellerbahn]] zu überstellen, um dort aufgetretene Triebfahrzeugengpässe zu beheben. Somit fuhr zum Sommer-Fahrplanwechsel 2001 auch der letzte reguläre Personenzug zwischen Gmünd und Groß Gerungs. Die Einstellung des Planpersonenverkehrs nach Weitra und Groß Gerungs mit dem Fahrplanwechsel am 9. Juni 2001 stellte das Ende des regelmäßigen Schmalspurverkehrs dar. Beginnend ab dem 7. Juli 2001 stellte das Land Niederösterreich, vertreten durch die Landesverkehrsorganisationsgesellschaft NÖVOG, Geld für einen Tourismusverkehr auf der „Schmalen“ zur Verfügung. In weiterer Folge konnte durch die NÖVOG ein bis 2008 gültiges Übereinkommen mit dem Bundesministerium für Verkehr betreffend die Finanzierung der Gleisinfrastruktur der Schmalspurbahnen im Land Niederösterreich abgeschlossen werden. Ab der Sommersaison 2002 wurden durch das Land NÖ auch einzelne Fahrten Gmünd–Litschau (mit Diesellok Rh. 2095) finanziert, bis 2004 größere Umgestaltungen eintraten: (1) regelmäßige Züge Gmünd–Litschau–Groß Gerungs (mit Anschlussfahrten des WSV von Heidenreichstein nach Alt-Nagelberg und zurück) jeden Mittwoch in den Monaten Juni bis Anfang September und (2) Verlängerung der Vereinsfahrten in den Bahnhof Alt-Nagelberg (bis Mitte Juni 2004 endeten WSV-Fahrten bei der Haltestelle „Herrenhaus“ ca. 400 Meter vom Bf. Alt-Nagelberg entfernt). Steigende Fahrgastzahlen in den Folgejahren rechtfertigten die Durchführung von Gleisbaumaßnahmen zwischen Lainsitzviadukt und Gopprechts.<ref name="urban">''Archiv WSV 1989 bis 2003'' - WSV-Schriftführer Gerhard Urban</ref> Im Winter werden Züge zum [[Advent]] nach Weitra, Nikolaus-, Christkindl- und Silvesterzüge (von Heidenreichstein) geführt.<ref name="urban">''Archiv WSV 1989 bis 2003'' - WSV-Schriftführer Gerhard Urban</ref> Als Triebfahrzeuge kommen seitens der ÖBB-Personenverkehr AG abwechselnd eine Dampflokomotive der Reihe 399 und Diesellokomotiven der Reihe 2095, seitens des WSV die Dampfloks 170.1 oder 100.13 bzw. die Dieselloks 2091.07 oder JW100.4 zum Einsatz.<ref name="urban">''Archiv WSV 1989 bis 2003'' - WSV-Schriftführer Gerhard Urban</ref> Zur Eröffnung der Saison 2006 wurde die 399.03 nach erfolgter Hauptuntersuchung in Meiningen nach Gmünd überstellt, 2007 wurde sie gegen die 399.01 der [[Pinzgauer Lokalbahn]] ausgetauscht. Der Vorstand des WSV schloss 2001 ein Kooperationsabkommen mit den [[Jindřichohradecké místní dráhy]] (JHMD), mit dem eine grenzüberschreitende Verbindung zwischen den österreichischen und den tschechischen Schmalspurstrecken ([[Schmalspurbahn Jindřichův Hradec–Nová Bystřice|Nová Bystřice–Jindřichův Hradec–Obrataň]]) über den Grenzübergang Grametten/Nová Bystřice ab 2002 vereinbart wurde. Zum Einsatz kam ein Oldtimer-Bus (Skoda RTO, Bj. 1960) in den Monaten Juli und August an Samstagen. Die Aufwärtsentwicklung der Zahl der beförderten Personen wurde durch Kürzung der Fahrtmöglichkeiten aus Kostengründen unterbrochen. Seit der Saison 2006 finden daher keine grenzüberschreitenden Verbindungsfahrten mehr statt.<ref name="urban">''Archiv WSV 1989 bis 2003'' - WSV-Schriftführer Gerhard Urban</ref> 2008 wurde eine Verlängerung der Betriebsvereinbarung zwischen den ÖBB und dem Land Niederösterreich auf weitere fünf Jahre beschlossen.<ref name="noen_20080818">Land will von ÖBB vier Nebenbahnen kaufen, [[Niederösterreichische Nachrichten|NÖN]], Artikel aufgerufen am 18. Aug. 2008 [http://www.noen.at/redaktion/verkehr/article.asp?text=273833&cat=932]</ref> == Streckenbeschreibung == === Gmünd – Litschau (Nordast) === [[Datei:ÖBB_2091_2095_waldviertel.jpg|miniatur|Parallelausfahrt von Alt-Nagelberg mit Dieseltraktion]] [[Datei:ÖBB39903 gopprechts.jpg|miniatur|Sonderzug des Schmalspurbahnvereins bei Gopprechts]] Beide Streckenäste verlassen den Bahnhof Gmünd zunächst in westlicher Richtung parallel verlaufend und wenden sich in starkem Gefälle der Lainsitz zu. Die Nordstrecke biegt in einem Rechtsbogen nach Norden ab und folgt zunächst auf der 1950 gebauten Trasse dem Gewässer und trifft unmittelbar am Grenzübergang Gmünd-Böhmzeil wieder auf den ursprünglichen Streckenverlauf. Der Bahnhof Gmünd-Böhmzeil war nach dem Bau der Bahn die dem Stadtzentrum nächstgelegene Eisenbahnstation. Zuerst durch offenes Ackerland, dann nach Querung der Lainsitz auf einer in [[Joseph Monier|Monier]]-Bauweise errichteten Brücke weiter bis zur ehemaligen Haltestelle Breitensee und durch ein Waldstück wird der Bahnhof ''Neu-Nagelberg'' erreicht. Dieser liegt wieder direkt an der Grenze in unmittelbarer Nachbarschaft zum gleichnamigen Grenzübergang der Bundesstraße. Weiter hinter dem Ort entlang und dem Gamsbach folgend, der hier zu einer Kette von [[Teich]]en aufgestaut ist, wird nach weiteren drei Kilometern der Bahnhof [[Brand-Nagelberg|Alt-Nagelberg]] erreicht. In dieser größten Station an den Nordästen zweigt die Strecke nach Heidenreichstein ab, auch bestand hier bis in die 80er-Jahre ein Anschlussgleis zu einer [[Glashütte_(Produktionsstätte)|Glashütte]], die der größte Kunde im Güterverkehr der Schmalspurbahnen war. Auf ca. zwei Kilometern verlaufen nun beide Streckenäste parallel westlich des Ortes. Diese Besonderheit wurde zu Zeiten des Planbetriebes von den Lokpersonalen gleichzeitig abfahrender Züge gerne und zur Freude der Fahrgäste zu einer Wettfahrt genutzt. Diese „Parallelausfahrt von Alt-Nagelberg“ wurde zu einer Art „Markenzeichen“ der Nordstrecken und nach Einstellung des Planverkehrs immer wieder bei Sonderfahrten inszeniert, auch die aktuellen Fahrpläne der Touristikzüge sind entsprechend abgestimmt. Nach der Verzweigung der Streckenäste kommt die Litschauer Linie in offenes Gelände, welches bei einem Waldbrand im 17. Jahrhundert entstand. Die Haltestelle ''Brand'' des danach gegründeten Ortes hinter sich lassend, quert die Bahn einen flachen Höhenrücken, taucht in ein Waldstück ein und folgt zunächst dem Eichbach und ab der Haltestelle ''Gopprechts'' dem [[Reißbach]]. Auf den folgenden Kilometern stets zwischen Bach und Straße durch weitgehend unbewohnte Gegend führend, wechselt die Bahntrasse bei der ehemaligen Haltestelle ''Schönau bei Litschau'' auf die rechte Seite der Straße und wendet sich nach einem weiteren Kilometer in einem scharfen Rechtsbogen dem Bahnhof Litschau zu. Damit ist nach 25,3&nbsp;km die nördlichste Stadt Österreichs und die Endstation dieser Strecke erreicht. Bei der Anlage des Bahnhofes am südlichen Rand des Ortes wurde bereits die geplante Verlängerung ins tschechische Neubistritz berücksichtigt. Das Bahnhofsgebäude wird heute als Kulturzentrum genutzt (''Kulturbahnhof Litschau''), im Lokschuppen sind Fahrzeuge des Waldviertler Schmalspurbahnvereins hinterstellt. === Alt-Nagelberg – Heidenreichstein === [[Datei:ÖBB2091 heidenreichstein 1.jpg|miniatur|Einfahrt einer 2091 in den Bahnhof Heidenreichstein]] Die heutige Museumsbahn des Waldviertler Schmalspurbahnvereins nimmt seit Juni 2004 ihren Ausgang im Bahnhof Alt-Nagelberg und verlässt diesen am in Richtung Norden gesehen rechten Gleis der Parallelausfahrt. Ungefähr 400&nbsp;m nach dem Bahnhof befindet sich die Haltestelle ''Herrenhaus'', wo mittels eines kurzen Nebengleises die Züge der Museumsbahn umsetzen können, ohne in den Bahnhof der ÖBB einzufahren. An der Verzweigung biegt die Strecke in einem Rechtsbogen nach Osten ab und durchfährt auf den nächsten vier Kilometern dichten Wald, danach führt sie durch offenes, hügeliges Gelände. Hier befanden sich zur Zeit des Bundesbahnbetriebes mit den Haltestellen Langegg und [[Amaliendorf-Aalfang|Aalfang]] die einzigen Stationen an diesem Ast. Nach knapp 13 Kilometern Fahrt ist mit dem Bahnhof Heidenreichstein die Endstation erreicht. Dieser etwas oberhalb des Ortszentrums gelegene Bahnhof ist heute das betriebliche Zentrum der Museumsbahn. === Gmünd – Groß Gerungs (Südast) === [[Datei:ÖBB39902 waldviertel1.jpg|miniatur|399.02 beschleunigt einen Zug in die Steilrampe beim Bahnhof Steinbach-Groß Pertholz]] [[Datei:ÖBB39904 bruderndorf.jpg|miniatur|An der Wasserstation bei Bruderndorf]] [[Datei:ÖBB399 doppel waldviertel.jpg|miniatur|Sonderzug mit zwei 399 vor Groß Gerungs]] Die zunächst parallel verlaufende Nordstrecke in einem Linksbogen hinter sich lassend, unterquert die Südstrecke in unmittelbarer Nähe eines Fußgeher- und Fahrrad-Grenzüberganges, der heute über die Lainsitzbrücke der ehemaligen Bahntrasse führt, den Bahndamm der Franz-Josefs-Bahn, rechts der Strecke sind die Reste der alten Linienführung noch als [[Gleisdreieck]] zum sporadischen Wenden von Schmalspurfahrzeugen erhalten. Die Strecke führt auf den ersten Kilometern durch offenes Ackerland in südwestlicher Richtung ins Tal der Lainsitz, mit der Haltestelle ''Ehrendorf'' noch einen Teil von ''Gmünd II'' und mit ''Dietmanns'' und ''Eichberg'' Katastralgemeinden der Gemeinde [[Großdietmanns]] erschließend. Nach einem scharfen Bogen nach Süden folgt der Bahnhof [[Unserfrau-Altweitra|Alt Weitra]] der Gemeinde Unserfrau-Altweitra, einem lokalen [[Wallfahrt]]sort, der folgende Anstieg von ca. 50 Höhenmetern hinauf zum Bahnhof Weitra wird mittels einer Kehrschleife überwunden. Nach Weitra führt die Strecke über den Veitsgrabenviadukt, das größte Brückenbauwerk der Waldviertler Schmalspurbahnen, und kurz darauf über einen zweiten, kürzeren Viadukt, die Trasse verbleibt dabei am Hang oberhalb des Lainsitztales. Es folgen die Haltestellen ''Langfeld'' und ''Schöllbüchl'', letztere erst 1986 eröffnet, und der Bahnhof [[Sankt Martin (Niederösterreich)|St. Martin]]. Die Bahn verläuft nun auf dem Talgrund, direkt neben dem Bach, der in diesem Abschnitt mehrmals Überschwemmungen der Bahntrasse verursachte. Nach 24 Kilometern ist der Bahnhof Steinbach-Groß Pertholz erreicht. Dampflokomotiven ergänzen hier ihre Wasservorräte, die Ausfahrt des Bahnhofes liegt bereits in der Steilrampe der Bergstrecke, die ob ihres Gebirgsbahncharakters und Steigungen bis zu 26&nbsp;‰ auch als „Waldviertler Semmering“ oder „Kleiner Semmering“ bezeichnet wird. Nach zwei Kilometern befindet sich die Haltestelle ''Abschlag'', die Touristikzüge legen hier einen „Erlebnishalt“ zum Besuch des Fassldorfes, einer lokalen Touristenattraktion, ein. Die Strecke führt dann weiter durch dicht bewaldetes Gebiet in kurvenreicher Linienführung hinauf zum [[Scheitelpunkt]] der Bahn, der auf 806&nbsp;m Seehöhe bei der alten Haltestelle ''Bruderndorf'' liegt. Die Haltestelle, zwischen den beiden Bruderndorfer [[Tunnel]] (den einzigen Tunnel des Waldviertels) weit abseits des gleichnamigen Dorfes gelegen, wurde an dieser Stelle vor allem wegen einer Quelle, die zur Ergänzung der Wasservorräte der Dampfloks genutzt wird, errichtet. Seit Filmaufnahmen („[[Schloß_Gripsholm_(Roman)#Verfilmungen|Schloß Gripsholm]]“) im Jahr 2000 trägt das Wartehäuschen den Namen „[[Mariefred]]“, was vor allem bei schwedischen Fahrgästen eine gewisse Begeisterung auslöst. Nach Fahrt durch den Scheiteltunnel und weiteren Kilometern durch Wald, kommt die Bahn allmählich in offeneres Gelände, wo sich auch die 1986 neu errichtete, näher zum Ort gelegene Haltestelle Bruderndorf befand. Bei Streckenkilometer 33,7 quert die Bahn die [[Wasserscheide#Europäische Wasserscheide|Europäische Wasserscheide]] und wendet sich dem Tal der [[Zwettl_(Fluss)|Zwettl]] zu, kurz darauf ist der Bahnhof ''[[Langschlag (Niederösterreich)|Langschlag]]'' erreicht. Auf dem Ladegleis des Bahnhofes ist heute die Dampflok 298.206 als Denkmal aufgestellt, nachdem diese zuvor für viele Jahre neben der Kirche im Ort aufgestellt war. In einem Güterwaggon ist ein kleines Museum eingerichtet. Die Strecke führt ab hier neben der Zwettl durch den am Bach gelegenen Ortsteil und verläuft dann annähernd parallel zur Bundesstraße, jedoch kurvenreicher als diese, nach Osten. In diesem Abschnitt liegt die Haltestelle ''Harruck''. Knapp einen Kilometer vor Groß Gerungs wurde 1986 die Haltestelle ''Heinreichs'' errichtet, die mangels Inanspruchnahme jedoch schon nach wenigen Jahren, noch zu Zeiten des Planbetriebes, aufgegeben wurde. Nach 43 Kilometern ist mit dem Kurort Groß Gerungs die Endstation dieses Streckenastes erreicht. So wie in Litschau wurde auch hier beim Bau des Bahnhofes bereits eine allfällige Verlängerung der Strecke berücksichtigt. == Triebfahrzeuge == [[Datei:NoELB 21.jpg|miniatur|Werksfoto der Lok 21, später Uv.2]] [[Datei:NoELB Steam Railcar.jpg|miniatur|leichter Dampftriebwagen]] [[Datei:Heizhaus Gmünd ÖBB.jpg|miniatur|Schmalspurlokomotiven beim Heizhaus Gmünd]] === Dampflokomotiven === *[[kkStB U|NOeLB U (ÖBB 298)]] *[[NÖLB Uv|NOeLB Uv (ÖBB 298.2)]] *[[NÖLB Mh|NOeLB Mh bzw. Mv (ÖBB 399/299)]] *[[KkStB P|BBÖ P (ÖBB 199)]] *[[ÖBB 699]] === Diesellokomotiven === *[[ÖBB_2091|2091]] *[[ÖBB_2092|2092]] *[[ÖBB_2190|2190]] *[[ÖBB_2095|2095]] === Triebwagen === *Komarek-Dampftriebwagen [[NÖLB 1–3]] und [[NÖLB 40–44]] *[[ÖBB_5090|5090]] == Literatur == * Wolfdieter Hufnagl: ''Die Niederösterreichischen Landesbahnen''. Verlag Transpress, ISBN 3-613-71214-8 * S. Langenecker: ''75 Jahre Waldviertler Schmalspurbahnen. Gmünd - Litschau. Gmünd - Heidenreichstein.'' Festschrift anlässlich des Jubiläums 22. Juni 1975. Festkomitee, Gmünd 1975. * Krobot, Slezak, Sternhart: ''Schmalspurig durch Österreich''. 4. Auflage, Verlag Slezak, 1991, ISBN 3-85416-095-X * Slezak, Sternhart: ''Renaissance der Schmalspurbahn in Österreich''. Verlag Slezak, 1986, ISBN 3-85416-097-6 * Strässle: ''Schmalspurbahn-Aktivitäten in Österreich''. Verlag Slezak, 1997, ISBN 3-85416-184-0 == Weblinks == {{commons|Category:Waldviertel narrow gauge railways|Waldviertler Schmalspurbahnen}} * [http://www.waldviertlerbahn.at/ Waldviertlerbahn] * [http://www.waldviertel.at/tourism/bahn.htm Waldviertler Schmalspurbahnen] * [http://www.erlebnisbahn.at/wsv/ WSV-Waldviertler Schmalspurbahnverein] * [http://www.ebepe.com/html/waldv1_d.html Private Bilddokumentation der beiden Streckenäste] * [http://www.waldviertelbahn.info/wsv/ Homepage des Waldviertler Schmalspurbahnvereins] * [http://www.mytrains.at/wsv.htm Sonderfahrt] an den Waldviertler Schmalspurbahnen == Einzelnachweise == <references /> {{Coordinate |NS=48/46/55/N |EW=14/59/08/E |type=landmark |region=AT-3}} {{Exzellent}} [[Kategorie:Museumsbahn]] [[Kategorie:Spurweite 760 mm]] [[Kategorie:Bahnstrecke in Niederösterreich]] [[Kategorie:Bezirk Gmünd]] [[Kategorie:Bezirk Zwettl]] 0l3jwm7xijc6c84tghdz8fd01x9cfzs wikitext text/x-wiki Wallfahrtskirche Birnau 0 24464 27304 27303 2010-06-04T16:19:23Z YMS 441 [[Datei:Birnau 2004-02.jpg|miniatur|Wallfahrtskirche Birnau am Bodensee]] Die '''Wallfahrtskirche Birnau''' ist eine [[Maria von Nazaret|Maria]] geweihte [[Barock]]kirche am Nordufer des [[Bodensee]]s zwischen den Orten [[Nußdorf (Überlingen)|Nußdorf]] und [[Uhldingen-Mühlhofen]] ([[Baden-Württemberg]]). Die Birnau liegt an der Westroute der [[Oberschwäbische Barockstraße|Oberschwäbischen Barockstraße]] direkt an der [[Bundesstraße_31|B31]]. Sie wurde von 1746 bis 1749 von dem [[Vorarlberg]]er Baumeister [[Peter Thumb]] für die [[Reichsabtei Salem]] errichtet. Die Kirche erhielt eine reiche [[barock]]e Ausstattung mit [[Fresko|Fresken]] von [[Gottfried Bernhard Göz]] sowie [[Stuck]]aturen, [[Altar|Altären]] und [[Skulptur]]en von [[Joseph Anton Feuchtmayer]], deren bekannteste der „Hönigschlecker“ ist, ein [[Putto]] mit Bienenkorb. Das der Kirche vorgelagerte Ordensgebäude mit dem markanten Glockenturm beherbergt heute ein [[Prior|Priorat]] der [[Zisterzienser]]abtei [[Territorialabtei Wettingen-Mehrerau|Wettingen-Mehrerau]]. == Alt-Birnau == [[Datei:Karte Bodensee Birnau.png|miniatur|Die Lage der Wallfahrtskirche am Ufer des Überlinger Sees]] Die heutige Klosterkirche Birnau wurde als Ersatz für eine [[Wallfahrtskirche]] gebaut, die auf einem Hügel östlich von [[Nußdorf (Überlingen)|Nußdorf]] stand, einige Kilometer von dem Standort der heutigen Kirche entfernt. Es ist möglich, dass es hier bereits am Ausgang des 9. Jahrhunderts eine Wallfahrtskirche gab: Eine Tauschurkunde zwischen dem [[Kloster Reichenau]] und [[Karl III. (Ostfrankenreich)|Karl dem Dicken]] aus dem Jahr 883 spricht von einer Kapelle „ad pirningas“ (''für Pilger''), bei der es sich vielleicht um Altbirnau handelt. Eine Urkunde von 1227 erwähnt an diesem Ort ein Nonnenkloster, das möglicherweise mit dem [[Kloster Salem]] assoziiert war. Spätestens seit 1241 gehörte ein Stück des dortigen Geländes der Salemer Abtei. Auf diesem kleinen Grundstück stand zu dieser Zeit bereits eine Marienkapelle. Um 1317 muss sie bereits ein beliebter [[Wallfahrtsort]] gewesen sein, wie zwei erhaltene [[Ablass]]urkunden belegen. Das geistliche Amt wurde dabei nicht von Salemer Mönchen, sondern von [[Weltpriester]]n ausgeübt. Die Salemer [[Zisterzienser]] bemühten sich jedoch um das Recht, dort selbst tätig zu werden und hatten Erfolg: am 27. März 1384 inkorporierte [[Papst]] [[Urban VI.]] die Kapelle dem Kloster Salem. Kirchenrechtlich blieb für Altbirnau das [[Bistum Konstanz]] zuständig. Um die Marienkapelle wurde spätestens im 14. Jahrhundert eine größere Kirche errichtet. Das hatte praktische Gründe: Die zahlreichen Pilger sollten in der größeren Kirche Platz finden, ohne dass die Kapelle, die selbst als wundertätiger Ort galt, abgerissen werden musste. Um 1420 wurde das „Gnadenbild“ aufgestellt, eine Marienstatue, die schnell in den Ruf kam, wundertätig zu sein. (Sie steht heute in der Mitte des Neu-Birnauer Bildprogramms). Sie zog weitere Pilgerscharen an, so dass die Kirche im Laufe des 16. und 17. Jahrhunderts mehrfach erweitert werden musste. Im [[Dreißigjähriger Krieg|Dreißigjährigen Krieg]] wurde die äußere Kirche zerstört; die kleine Marienkapelle im Innern soll verschont geblieben sein. Das Gnadenbild, so erzählt die Chronik ''Apiarium Salemitanum'' (1708), sei von einem Salemer Knecht gerettet worden. Nach Ende des Krieges wurde die Kirche wieder aufgebaut und die Wallfahrt blühte wieder auf. [[Datei:Altbirnau farbig.jpg|miniatur|Altbirnauer Wallfahrtskirche (Kolorierte Federzeichnung, wahrscheinlich vor 1614)]] Die Altbirnauer Kirche war ein einfacher Langbau mit [[Satteldach]] und hatte, wie bei den Zisterziensern üblich, anstelle eines [[Glockenturm]]s nur einen [[Dachreiter]] für das Läutwerk. Der vordere Giebel war mit [[Gotik|gotischem]] [[Maßwerk]] verziert. Die Ausmalung des Innenraums stammte von dem Maler [[Hans Winterlin]], der [[Hochaltar]] von 1656 von [[Melchior Binder]], der regelmäßig Aufträge vom Salemer Kloster übernahm; das dazugehörige Altarbild malte [[Johann Christoph Storer]]. Es befindet sich heute in der Kirche des ehemaligen [[Kloster Rottenmünster|Zisterzienserinnenklosters Rottenmünster]]. Die Kirche hatte neben dem Hauptaltar, der der [[Jungfrau Maria]] geweiht war, zwei Seitenaltäre, die dem [[Erasmus von Antiochia|Hl. Erasmus]] bzw. dem [[Josef von Nazaret|Heiligen Josef]] geweiht waren; die dazu gehörigen Altarbilder stammten von [[Franz Carl Stauder]]. Im Laufe der Zeit kamen Wirtschaftsgebäude und Unterkünfte hinzu. Auch ein Pfarrhaus für den Wallfahrtspriester (Pater Präfekt) wurde ergänzt. Die Umgebung des kleinen Grundstücks gehörte jedoch der [[Reichsstadt]] [[Überlingen]], die den beständigen Erweiterungen der Klosterbauten erheblichen Widerstand entgegenbrachte. Der schwelende Machtkampf zwischen Stadt und Kloster eskalierte gelegentlich sogar in Handgreiflichkeiten: Aufgebrachte Überlinger Bürger zerstörten 1742 den Rohbau eines Ökonomiegebäudes. Direkt gegenüber der Kirche lag seit 1685 ein Wirtshaus auf Überlinger Grund, das wiederum den Mönchen ein Dorn im Auge war. Zeitweilig konnten die Salemer Mönche in Altbirnau keine Messen abhalten und mussten die Wallfahrt in die Salemer Klosterkirche verlegen. Der Strom der Pilger wuchs unablässig, so dass Abt Konstantin Miller 1741 Baupläne zu einer erneuten Erweiterung der Kirche anfertigen ließ. Sie kamen nie zur Ausführung, denn am 22. Februar 1745 starb der Abt. Der neue Abt, Stephan II. Enroth, fasste noch im selben Jahr den Entschluss, die alten, baufälligen Gebäude ohne weitere Umstände abreißen zu lassen und an anderer Stelle, auf klostereigenem Territorium, eine neue Kirche zu errichten. == Baugeschichte == [[Datei:Göz StephanIIEnroth.jpg|miniatur|upright|Abt Stephan II. Enroth, Initiator des Neubaus, mit einem Fassadenentwurf für die Wallfahrtskirche]] Der Bau einer neuen Wallfahrtskirche und die Verlegung der wundertätigen Marienstatue musste zunächst von Papst [[Benedikt XIV. (Papst)|Benedikt XIV.]] genehmigt werden. In aller Heimlichkeit wurden die erforderlichen Genehmigungen eingeholt, denn man fürchtete den Zorn der Bevölkerung. Eine [[päpstliche Bulle]] vom 12. März 1746 erlaubte dem Salemer Kloster, die Kirche zu errichten und die Marienstatue dorthin zu verlegen. Kurze Zeit später, am 2. Mai 1746, starb Abt Stephan mit nur 45 Jahren. Die Bevölkerung sah darin eine Strafe für die „Entführung“ des Gnadenbildes, doch die Klosterleitung ließ sich nicht irritieren: Unter dem neuen Abt Anselm Schwab wurde die begonnene Arbeit mit großer Energie weitergeführt. Der [[Auer Zunft|Vorarlberger Baumeister]] [[Peter Thumb]] wurde in die Planungskommission des Klosters berufen. Thumb war zu dem Zeitpunkt, als er die Birnau entwarf, der führende süddeutsche Architekt und auf der Höhe seiner Schaffenskraft. Nach mehreren Entwürfen fand man einen auf beiden Seiten akzeptierten Kompromiss. Binnen eines Jahres wurde mit dem Ausheben der Fundamente begonnen. Am 11. Juni 1747 wurde der Grundstein für die neue Kirche gelegt. Der ausgewählte Ort lag auf einem Hügelvorsprung am Ufer des [[Überlinger See]]s, oberhalb der klostereigenen [[Weinberg]]e und der bereits existierenden Wirtschaftsgebäude ([[Schloss Maurach]]). Die vordere Fassade sollte parallel zum Seeufer stehen und dadurch weithin sichtbar über dem See thronen wie ein Bindeglied zwischen Gottes Schöpfung und dem Himmel. Die Umgebung der Kirche war (und ist bis heute) nahezu unbebaut, so dass keine anderen Gebäude die Sichtbarkeit beeinträchtigen. Man nahm zugunsten der Fernwirkung sogar in Kauf, dass der Altar nicht wie bei Kirchen üblich nach Osten ausgerichtet werden konnte. Der Bau verschlang innerhalb von wenigen Jahren 150.000 Gulden. Die finanziellen Mittel konnten ohne Probleme aufgebracht werden, so dass sich der Bau nicht wie bei vielen anderen Kirchenprojekten aus Geldmangel verzögerte. In nicht einmal vier Jahren wurde die Kirche errichtet und ausgestaltet. Die feierliche Kirchweihe fand vom 19. bis 24. September 1750 statt. Die Einweihungspredigt, die Abt Anselm hielt, beschäftigte sich vor allem mit der aufwendigen [[Ikonografie]] der Fresken, die das Kloster und die Mönche in Bezug zu Maria und der göttlichen Gnade setzten.<ref>[http://www.uni-konstanz.de/FuF/Philo/LitWiss/KunstWiss/lehre/Links%20Kunstgeschichte/Predigt/predigt.html Kirchweihpredigt von Abt Anselm II.]</ref> Als zweiter Prediger war der „schwäbische Cicero“ eingeladen, der bekannte [[Prämonstratenser]] [[Sebastian Sailer]]. Auch seine Predigt legte die malerischen Motive der Birnau aus. Der Neubau war nicht zuletzt eine Machtdemonstration gegenüber der Reichsstadt Überlingen, die beständig versuchte, die [[Reichsabtei]] in ihre Schranken zu weisen. Die Demonstration gelang, doch das Verhältnis zwischen Stadt und Kloster war auf Jahrzehnte hinaus gestört. Erst 1790 kam es zur offiziellen Versöhnung. == Künstlerische Gestaltung == === Architektur === [[Datei:Neubirnau Plan-bunt.png|miniatur|upright|Grundriss der Kirche]] [[Datei:Birnau Foto 03.jpg|miniatur|upright|Ansicht von Norden; im Vordergrund die Apsis]] Der Bau besteht aus einem langgezogenen [[Kirchenschiff]] ohne Seitenschiffe und einem vorgelagerten Querriegel, der Wohn- und Verwaltungsräume des Ordens beherbergt (sowie heute ein Souvenirgeschäft). Er wirkt räumlich wie symbolisch als Mittler zwischen der Umgebung und der Wallfahrtskirche. Das Ordensgebäude bildet die Schauseite der Kirche und erinnert mit seinen beiden seitlichen [[Risalit]]en an die Salemer Klosteranlage. Ursprünglich war es sogar auf mehr als die doppelte Breite geplant und hätte dann einer feudalen Residenz ähnlicher gesehen als einer Kirche. Aus Thumbs Hand sind auch Skizzen zu einer Freitreppe erhalten, die vom Seeufer aus zum Kirchenvorplatz geführt hätte. Die zu eindeutige Anlehnung an höfische Prachtentfaltung wussten die auf Außenwirkung bedachten Mönche jedoch zu verhindern. Trotzdem wurde zugunsten der guten Sichtbarkeit der Fassade vom See aus auf die sonst übliche Ost-West-Ausrichtung des Kirchenschiffs verzichtet. Die Fassade auf der Seeseite erstreckt sich über elf Fensterachsen, die durch drei Paare von [[Ionischer Baustil|ionischen]] [[Pilaster|Kolossalpilastern]] optisch gegliedert sind. Das mittlere Paar umschließt das Eingangsportal und wird – anstelle eines Mittelrisalits – vom dreistufig gegliederten Glockenturm bekrönt. Der Turm, der die Birnau von weither wie ein Fingerzeig erkennbar macht, ist eigentlich im Baustil der Zisterzienser nicht vorgesehen. Dadurch, dass er aus dem Kirchengebäude ausgelagert wurde, konnte er jedoch mit den Ordensregeln in Einklang gebracht werden. Die optische Gliederung durch Pilaster setzt sich an den Außenwänden des Kirchenschiffs fort. Der Außenanstrich ist in Weiß und Altrosa gehalten. Bei dem aktuellen Aussehen handelt es sich um die originale Farbgebung. Tritt man durch das Hauptportal, muss man zunächst den Vorraum durchqueren, um dann in den Kirchenraum einzutreten. Der Sakralraum der Birnau ist als [[Saalkirche]] ohne Seitenschiffe entworfen. Thumb und sein Mitarbeiter Johann Georg Specht wichen damit vom sogenannten [[Vorarlberger Münsterschema]] ab, das auf dem römischen Vorbild [[Il Gesù]] aufbaute und durch Seitenkapellen und eine darübergelagerte [[Empore]] den Eindruck einer [[Basilika|Emporenbasilika]] erwecken sollte. Noch Thumbs Vater [[Michael Thumb]] war ein prominenter Vertreter dieser Bauweise, die nördlich der Alpen während des ganzen 17. Jahrhunderts sehr beliebt war. Peter Thumb wählte für die Birnau eine einfachere räumliche Lösung, die dafür der malerischen und skulpturalen Ausgestaltung freiere Hand ließ. Das Kirchenschiff ist in drei Abschnitte gegliedert, die sich zum Altar hin verjüngen. Die Decke über dem Laienraum ist als [[Gewölbe#Muldengewölbe|Muldengewölbe]] angelegt. Das Mittelschiff mündet in den schmaleren, quadratischen Chorraum, der von einer flachen Kuppel überwölbt ist. Rechts vor dem Chorraum befindet sich die [[Kanzel]]. Hinter ihm schließt die [[Apsis]] an, deren Grundriss annähernd einen Dreiviertelkreis beschreibt und den Baldachinaltar von Feuchtmayer dicht umschließt. Breite [[Bogen (Architektur)#Korbbogen|Korbbögen]] überdachen die Joche zu Chorraum und Apsis. Die prachtvolle Orgel befindet sich direkt über dem Haupteingang zum Kirchenraum. Eine Empore, die als einfacher Laufgang mit [[Balustrade]] angelegt ist, umläuft den Raum von der Orgel bis zur Apsis und gliedert den Raum auf halber Höhe. Die Brüstung wird nur durch die beiden flachen [[Konche (Architektur)|Konchen]] der Seitenkapellen mit den hoch aufragenden Seitenaltären unterbrochen. Zwei Reihen von jeweils fünf Fenstern auf jeder Seite erhellen den Innenraum. Der Chorraum hat auf jeder Seite zwei eigene Fensterjoche. === Innenraum === [[Datei:Birnau Innenansicht.jpg|miniatur|upright|Innenraum mit Blick zum Hauptaltar]] [[Datei:Altar von Birnau.JPG|miniatur|upright|Hauptaltar mit Gnadenbild]] Die künstlerische Ausgestaltung des Innenraums im ornamentalen Stil des [[Rokoko]] hat auf den heutigen Betrachter eine mitreißende Wirkung. Die Überwältigung ist ein geplanter Effekt: die Pracht der Kirche soll den Gläubigen von der Größe Gottes überzeugen. Der Himmel und das Jenseits werden buchstäblich auf die Erde geholt, so dass der Gläubige sie nicht nur ahnen kann, sondern plastisch vor sich sieht. Die katholische [[Gegenreformation]] versuchte so, vor allem in der Baukunst der [[Jesuiten]], mit rhetorischen Mitteln die Gläubigen zum rechten Glauben zurückzubringen. Abt Anselm II. betonte in seiner Kirchweihpredigt, dass nicht das Kloster, sondern Maria selbst die Kirche erbaut habe. Andererseits konnte sich das Kloster dank der aufwendigen Marienverehrung in den Bildwerken ihres Beistands gewiss sein. Das ästhetische Vorbild für den Innenraum waren die [[Kirchen in Rom|römischen Barockkirchen]]. Die katholische Barockkunst entwickelte architektonische Stilmittel, die auf Prachtentfaltung und raffinierte Optik abzielten, etwa in den illusionistischen Deckenfresken eines [[Andrea Pozzo]], die in ganz Europa stilbildend geworden waren. Architektur, Stuckatur und Malerei sollten eine künstlerische Einheit bilden. Anders als bei vielen Barockkirchen sind in der Birnau die Architektur, die [[Trompe-l’œil]]-Malerei und die [[Rocaille]]-Stuckatur tatsächlich zeitgleich und in enger künstlerischer Zusammenarbeit entstanden. Die architektonischen Formen gehen, wie häufig im Rokokostil, direkt in Zierformen über, die über die plastische Stuckatur wiederum in die Scheinarchitektur der Deckengemälde überführt werden. Andererseits ist das runde Deckenfresko des Chorraums klar von der umgebenden Architektur abgetrennt, wie es wenig später im [[Klassizismus]] üblich wird. Die optische Vielfalt täuscht geschickt über den simplen Grundriss hinweg. Auch der großzügig eingesetzte Marmor ist weitestgehend vorgespiegelt - aus Kostengründen wurde er mittels [[Stuckmarmor]] imitiert. So entsteht ein „Gesamtkunstwerk“, das für den Betrachter reale Architektur und Illusion vermengen soll. Der Chor- und Altarraum wirkt mit seinen breiten Korbbögen wie ein [[Proszenium]]. Der bühnenhafte Aufbau ist beabsichtigt, denn die katholische [[Liturgie]] des Barock nutzte den Kirchenraum für theatralisch wirkende Inszenierungen, die an die Aufführungspraxis des [[Jesuitentheater]]s angelehnt waren. Im Zentrum des Altarraums und der Aufführung stand der [[Hochaltar]] mit der Marienstatue. Die Nutzung des Chorraums als Spielstätte für wenigstens ein geistliches Stück ist bezeugt: Zur Kirchweihe am 21. September 1750 wurde :''„ein wohl ausgearbeitetes Melo-Drama in der Kirchen vor dem Chor-Altar exhibirt (...), auf einem hierzu eigens verfertigem Theatro, welches von hindenher vollkommen aufzuschlüssen ware, also, daß die wunderthätige Bildnus auf dem Altar, und eigenen Thron sitzend, ihre Person selbsten zu deren Anwesenden zärtisten Hertzens-Bewegungen vertreten könnte.“''<ref>Bisemberger 1751, S. 24</ref> Das Stück handelte von der Überführung der [[Bundeslade]] auf den Berg [[Zion]] durch David und in den [[Israelitischer Tempel|Tempel zu Jerusalem]] durch [[Salomo]], spielte also auf die Birnauer Verlegung des Marienheiligtums und die Gründung eines neuen religiösen Zentrums an. === Bildprogramm === Der Maler [[Gottfried Bernhard Göz]] (1708–1760) schuf für die Kirche ein [[Mariologie|mariologisches]] Bildprogramm, das um die wundertätige Marienfigur herum geplant ist. Göz hatte den Zuschlag für die Ausmalung durch einen vom Kloster ausgeschriebenen Wettbewerb erhalten. Die Inhalte wurden von der Abtei Salem vorgegeben. Ein Großteil der Darstellungen richtete sich nicht an die wallfahrtenden Laien, sondern an ein theologisch gebildetes Publikum. Dementsprechend komplex sind die theologischen Bezüge zwischen den Bildelementen. Viele Elemente fordern durch [[Mehrdeutigkeit]] zusätzlich zur [[Exegese]] heraus. Im Zentrum des Bildprogramms steht die [[Jungfrau Maria]], der die Kirche geweiht ist. Die Marienikonografie beginnt (oder endet) beim Gnadenbild auf dem Altar und setzt sich in einer Reihe von Mariendarstellungen bis zum Deckenfresko im Langhaus fort. Durch die leuchtend blaue Farbe sind die einzelnen Darstellungen Marias auch optisch aufeinander bezogen. Hinter der Marienstatue begann diese Reihe einst mit einem – seit 1790 fehlenden – Ölbild von [[Mariä Aufnahme in den Himmel|Mariä Himmelfahrt]].<ref name="uni-konstanz.de">[http://www.uni-konstanz.de/FuF/Philo/LitWiss/KunstWiss/lehre/Links%20Kunstgeschichte/Birnau%20Altar/altar.html Rekonstruktion des Hochaltars mit dem ursprünglichen Altarbild]</ref> Weitere Darstellungen an der Decke des Chorraums und des Langhauses nehmen das Marienmotiv wieder auf. So entsteht eine Reihe von Bildern, die den Blick des eintretenden Pilgers auf den Altar hinlenken oder ihn dazu anregen, die Entsprechungen zwischen den einzelnen Darstellungen auszulegen. Der zweite Schwerpunkt des Bildprogramms liegt auf der Tradition und dem Selbstverständnis des Ordens. Maria wird mit den Ordensgründern und den Schutzheiligen der Zisterzienser verknüpft. Ein großer Teil des Deckenfreskos gilt auch den Erbauern der Birnau, die ihr Bauwerk als Geschenk an die Jungfrau Maria zelebrieren. Das mächtige Salemer Kloster bewies hier sich selbst und der Welt seine direkte Beziehung zur Mutter Gottes. === Deckenfresko der Apsis === Über dem Altar ist in der Deckenwölbung der Apsis eine Szene aus dem [[Buch Esther]] dargestellt: [[Königin Ester|Esther]] bittet bei [[Ahasveros|König Ahasver]] um Gnade für ihr Volk. Die Szene ist aus dramatischer Untersicht dargestellt, so dass der Baldachin über Ahasvers Haupt wie ein zweiter, von einem Scheingebälk umrahmter Altarbaldachin wirkt. Etwas darüber befindet sich die Darstellung eines Christus, der im Begriff ist, Pfeile der Strafe auf die Menschheit zu schleudern. Letztere wird von einer halbnackten Frauenfigur repräsentiert, bei der es sich vermutlich um eine Darstellung der ''[[Todsünde|Luxuria]]'' handelt. Maria kniet links unterhalb des zornigen Gottessohns und legt [[Fürbitte]] für die Menschheit ein. Die Szene bezieht sich auf eine Vision des Mönches Wilhelm von Clairvaux, in der Maria Christus bittet, die Menschheit, wenn nicht um ihrer selbst willen, dann doch wegen der Zisterzienser zu verschonen. Esther muss daher als [[Typologie (Bibel)|typologische]] Präfiguration von Maria verstanden werden: Während Esther das jüdische Volk rettet. erbittet Maria Gnade für die ganze Menschheit. Maria und Esther nehmen in beiden Darstellungen die gleiche Haltung ein, so dass sie auch formal aufeinander bezogen sind. === Deckenfresko des Chors === [[Datei:Göz Chorkuppel Entwurf.jpg|miniatur|Entwurf des Freskos im Chorraum]] Die architektonisch recht flache Wölbung über dem Chorraum erzeugt durch das illusionistische Fresko den Eindruck einer tiefenräumlichen, kassettierten [[Kuppel]] mit [[Opaion]], durch welches Maria mit einer Gruppe von Engeln in die Kirche einschwebt. Dieser optische Effekt hat sein Vorbild in [[Andrea Pozzo]]s Kuppelausmalung für die Kirche [[Sant' Ignazio]] in [[Rom]] (1685); war die Ausmalung dort noch eine Notlösung für einen verpfuschten Kuppelbau gewesen, wurde die Kuppel der Birnau mit Absicht flach angelegt, damit das illusionistische Gemälde seine Wirkung besser entfalten konnte. Maria ist hier ikonografisch als „Weib der Apokalypse“ dargestellt, das mit dem rechten Fuß die Schlange, die Urheberin der [[Ursünde]], zertritt. Zugleich ist sie eine ''Maria gravida'' („schwangere Maria“): Vor ihrem Bauch zeigt sich das Christuskind in einem Strahlenkranz. Von ihm richtet sich ein Lichtstrahl, der die Gnade Gottes (''[[Gratia]]'') repräsentiert, auf das [[Herz-Jesu-Verehrung|Herz-Jesu-Symbol]]. Das Herz wird von einer Frauenfigur gehalten, die [[Allegorie|allegorisch]] für die göttliche Liebe oder [[Nächstenliebe]] ''(Caritas)'' und die Liebe zu Gott ''(Dilectio)'' steht. Es bricht den Gnadenstrahl und lenkt ihn auf einen Spiegel, der von einem Putto gehalten wird. Der Spiegel ist in der Marienikonografie ein Sinnbild der Weisheit und [[Unbefleckte Empfängnis|unbefleckten Empfängnis]]. Hier vermittelt er sehr augenfällig die Vorstellung, dass die göttliche Gnade über die Nächstenliebe und an die Gläubigen verteilt wird. Anstelle eines gemalten Spiegels wurde jedoch ein echter Glasspiegel angebracht, der das durch die Fenster einfallende Licht in den Kirchenraum reflektiert. Dieser scheinbare „Malerscherz“ hat tiefere Bedeutung: Der illusionistische Raum wird dadurch mit dem realen Kirchenraum vermengt, so dass der Kirchenbesucher den Lichtstrahl der Liebe Christi direkt auf sich beziehen kann. Die ''Caritas'' ist eine der [[Christliche Tugenden|christlichen Tugenden]]. Weitere Tugenden werden durch drei Frauenfiguren dargestellt: die Hoffnung ''(Spes)'' mit einem Anker und einem grünen Zweig, die Gottesfurcht ''(Timor Dei)'' mit einem Hasen und einem ängstlichen Kind und die Erkenntnis Gottes bzw. der Glaube ''(Agnitio)'' mit [[Kruzifix]], Kelch und [[Hostie]]. Die Ikonografie entspricht [[Cesare Ripa]]s ''Iconologia'' (dt. Ausg. 1704). Maria und den vier Tugenden sind Textfragmente zugeordnet, die zusammen ein Bibelzitat ergeben: „(ego) MATER PULCHRAE DILECTIONIS / ET TIMORIS / ET AGNITIONIS / ET SANCTAE SPEI“ ([[Buch Jesus Sirach|Sir.]] 24, 24). Sebastian Sailer setzte diese Zeile an den Beginn seiner Kirchweihpredigt und übersetzte sie für die Laien: „Ich bin eine Mutter der schönen Liebe, und der Forcht, und der Erkanntnuß und der Heiligen Hoffnung.“ === Deckenfresko des Langhauses === Die teils ornamental, teils motivisch ausgemalten [[Stichkappe]]n über den Fenstern münden in die Scheinarchitektur des Deckenfreskos. Sie beginnt außen mit einem gemalten [[Gesims|Kranzgesims]], über dem sich Säulenordnungen türmen. Nach oben ist eine Himmelsöffnung freigelassen, vor der verschiedene sakrale Figuren arrangiert sind. Das riesige Fresko des Langhauses ist durch ein hell abgesetztes Stuckband zweigeteilt. Die Westhälfte über der [[Orgel]] zeigt ein Konzert der Engel, die auf verschiedenen Musikinstrumenten in die Orgelmusik einzustimmen scheinen. In der Osthälfte des Freskos, in Richtung des Altars und vom Eingang aus gut sichtbar, befindet sich zentral ein weiteres Marienbild. Es ist in Haltung und Attributen der hölzernen Marienstatue („Gnadenbild“) auf dem Altar nachempfunden. Über ihrem Haupt schwebt ein achtzackiger Stern, der sowohl als Ankündigung des [[Messias]] als auch auf Maria hin gedeutet werden kann (''stella matutina'' = Morgenstern, ein Titel Marias aus der [[Lauretanische Litanei|Lauretanischen Litanei]]). Auf dem gemalten Kranzgesims stehen und sitzen zahlreiche weltliche Figuren. In Richtung Kirchenmitte lagern und stehen einige Pilger in ärmlicher Kleidung, darunter Krüppel und Kranke. Der Maler Gottfried Bernhard Göz hat sich hier in einer liegenden Figur mit verbundenem Schienbein selbst porträtiert: Er war tatsächlich bei der Ausmalung vom Gerüst gefallen und hatte sich das Bein gebrochen. Die stehende Frau mit Kind wurde kunsthistorisch teilweise als [[Anna selbdritt]] gedeutet. Die Gruppe der Pilger ist das einzige Zugeständnis des Deckengemäldes an die Funktion der Kirche als Wallfahrtsort. Maria wendet sich jedoch nicht den Pilgern zu, sondern den Stiftern und Planern. Zu ihren Füßen auf der linken Seite stehen Guntram von Adelsreuthe und seine Tochter Mathilde, die 1134 durch die Schenkung eines Grundstücks die Gründung des Klosters Salem ermöglichten. Zwischen ihnen steht [[Bernhard von Clairvaux]], dem der Zisterzienserorden seine europaweite Ausbreitung verdankte. Auf der rechten Seite sind die Initiatoren der neuen Kirche zu sehen: Stephan II. Enroth, Anselm Schwab und Konstantin Miller halten hier gemeinsam eine Zeichnung der neuen Kirche hoch und zeigen sie zugleich der Muttergottes wie dem Betrachter unter ihnen im Kirchenschiff. Weitere Zisterzienseräbte präsentieren eine Vogelsicht des Klosters Salem. Auf der anderen Seite des Freskos, der Klosteransicht spiegelbildlich gegenüber, findet sich eine Darstellung des himmlischen Jerusalem. Man wollte dadurch eine typologische Entsprechung herstellen, die man in der Wortähnlichkeit „Salem“ / „Jerusalem“ bestätigt fand. Drei von Engeln gehaltene Spruchbänder ergeben zusammen das Bibelwort: „(tu) GLORIA IERUSALEM / (tu) LAETITIA ISRAEL / (tu) HONORIFICENTIA POPULI NOSTRI“ („Du bist der Ruhm Jerusalems, (du bist) die große Freude Israels und der Stolz unseres Volkes“; [[Buch Judit|Jdt.]] 15, 9). Der Satz gilt im [[Altes Testament|Alten Testament]] Judith; Maria wird im Fresko als Vollendung dieser alttestamentlichen Heldin gedeutet. Der Hinweis auf Jerusalem gilt noch einmal der typologischen Entsprechung von Kloster und Himmlischer Stadt. === Altäre === [[Datei:Dirr Hochaltar Ausführung.jpg|miniatur|upright|Musterentwurf eines barocken Hochaltars aus der Werkstatt Feuchtmayers mit der Birnauer Marienstatue im Festtagsgewand]] Die Birnau hat sieben [[Altar|Altäre]]. Die ungewöhnliche Zahl wurde gewählt, um an die sieben großen Altäre des [[Petersdom]]s zu erinnern, die besucht werden mussten, um [[Absolution]] zu erlangen. Sie sind durchgehend von Johann Anton Feuchtmayer entworfen und von seiner Werkstatt in mehrfarbigem [[Stuckmarmor]] ausgeführt. Fünf der Altäre haben Altarbilder, von denen drei aus Altbirnau übernommen wurden. Jeweils zwei Altäre bilden ein Paar, das einander im Kirchenraum symmetrisch gegenübersteht und optisch zum Hochaltar hinführt. Die zwei äußersten Altäre stehen in den flachen Seitenkapellen und sind [[Erasmus von Antiochia]] (Süden) bzw. dem [[Josef von Nazaret|Heiligen Josef]] (Norden) geweiht. Die gewohnten Schutzpatrone der Seitenaltäre und die dazu gehörigen Altarbilder wurden als Zugeständnis an die Tradition aus Altbirnau übernommen. Der Erasmusaltar ist von Stuckfiguren flankiert, die den [[Leonhard von Limoges|Hl. Leonhard]] und den heiligen [[Magnus von Füssen]] darstellen. Josef wurden [[Stephanus]] und [[Laurentius]] zugeordnet. Die hoch aufragenden [[Ädikula|Ädikulen]] krönen Figuren des [[Blasius von Sebaste|Hl. Blasius]] bzw. des [[Wendelin|Hl. Wendelin]]. All diese Heiligen richten sich an die Sorgen und Nöte der Wallfahrer: Sie gelten als Schutzpatrone des Viehs und der Hirten oder als [[Nothelfer]] gegen Krankheiten und Ungezieferplagen. Im Kirchenraum sind sie am weitesten vom Hauptaltar entfernt, um dem Andrang der Pilger mehr Raum zu bieten, aber wohl auch, um das ausgeklügelte Bildprogramm nicht zu stören. Der Josefsaltar wurde auch von der ortsansässigen [[Josefsbruderschaft]] als eigenständiger Sakralraum genutzt. [[Datei:Göz Bernhard Skizze.jpg|miniatur|upright|Entwurf zum Altarbild: Bernhard von Clairvaux]] Zwei weitere Altäre stehen an den zum Chor einschwingenden Wänden. Der rechte ist [[Bernhard von Clairvaux]] geweiht, einem der bedeutendsten Mönche des Zisterzienserordens, der im 12. Jahrhundert zu dessen Verbreitung über ganz Europa maßgeblich beitrug. Das Altarbild von Göz zeigt Bernhard, wie er von der Muttergottes einen Milchstrahl aus der Brust empfängt, nachdem er trotz Durst und Hunger nicht aufhören wollte zu beten. Das Wunder soll sich 1146 im [[Speyerer Dom]] ereignet haben. In der Bernhardsverehrung und der zisterziensischen Tradition spielte das Wunder der Lactatio eine wichtige Rolle, weil Bernhard, in den Worten des Jesuitenpredigers Matthäus Pecher, :''„durch Annahme der marianischen Milch in naheste Blutsfreundschaft mit Jesus und Maria, mit dieser als ein Sohn, mit jenem als ein Bruder und Mit-Säugling eingetreten ist. Eine vollkommene Mutterschaft wird nicht allein durch Empfängnis und Geburt, sondern auch durch Darreichung der Muttermilch vollendet, mit welchem weißen Nahrungssaft den neugeborenen Säuglingen alle guten Eigenschaften eingeflößt werden.“''<ref>http://www.pfarreiwaldsassen.de/seegen/text3-12.htm</ref> Die Marienstatue, vor der Bernhard im Hintergrund des Gemäldes betet, entspricht überlieferten Darstellungen des echten Speyerer Gnadenbildes. Der linke Altar ist dem Begründer des westeuropäischen Mönchtums geweiht, [[Benedikt von Nursia]]. Das Blatt zeigt ebenfalls eine Szene aus der Heiligenvita, nämlich den Tod des Heiligen auf den Stufen eines Altars, an dem die Messe zelebriert wird. Beide Altäre sind von aufwendiger [[Rocaille]] gerahmt, die jedoch asymmetrisch angelegt ist. Erst durch gegenseitige optische Ergänzung schließen sich beide zu einem Ganzen und rahmen gemeinsam den Altarraum. Kleine [[Putto|Putten]] ergänzen das Rahmenwerk. Der Putto des Benediktaltars hält ein aufgeschlagenes Buch mit den Lettern „AUSCULTA O FILI“ (''Höre, mein Sohn''), den Anfangsworten der [[Regula Benedicti|Regel des Hl. Benedikt]]. Der Putto des Bernhardsaltars ist ungleich berühmter: Als „Honigschlecker“ ist er in zahlreichen Formen als [[Kitsch]]figur zu kaufen. Der Putto hält einen Bienenkorb im Arm, der im Gemälde selbst noch einmal dargestellt ist. Er spielt auf einen metaphorischen Beinamen des Heiligen Bernhard an, der wegen seiner [[Rhetorik|rhetorischen]] Gewandtheit „doctor mellifluus“ („Lehrer mit der honigsüßen Rede“; wörtl.: „honigfließender Lehrer“) genannt wurde. Kunstgeschichtlich hat diese Figur keine herausgehobene Bedeutung; durch ihre Vermarktung hat sie jedoch in gewissem Sinne der Marienstatue den Rang als „Kultbild“ abgelaufen. Die zwei Altäre im Chorraum sind [[Johannes der Täufer|Johannes dem Täufer]] (auf der Evangelienseite, also vom Hochaltar aus gesehen rechts) bzw. dem [[Johannes (Apostel)|Evangelisten Johannes]] geweiht. Sie sind in schwarz und grau gehalten und haben keine Altarbilder, sondern kleine Stuckplastiken, die die Heiligen mit ihren Attributen zeigen. Der Hochaltar schließlich wird von einem prächtigen gebauten [[Baldachin]] überwölbt. Es handelt sich um einen der ersten von Feuchtmayer realisierten Baldachinaltäre. Im Zentrum thront das Gnadenbild, umrahmt von drei Jochen aus marmorierten Säulen. Der Baldachin öffnet sich nach oben in eine [[Kuppel|Kalotte]], die mit Spiegeln ausgekleidet ist. Das [[Auge der Vorsehung|Auge Gottes]] in deren Mitte lag ursprünglich vor einem Fenster, dessen Licht durch geschickt angebrachte Spiegel gestreut und in den Kirchenraum geworfen wurde. Hinter dem Gnadenbild war ursprünglich das zentrale Altbirnauer Altarbild angebracht, das die [[Himmelfahrt]] Mariens zeigte. 1790 wurde der Altar von [[Johann Georg Wieland]] umgebaut; das Altarbild wurde in die Abteikirche Rottenmünster verlegt und durch eine Rückwand aus hellem [[Alabaster]] ersetzt. Das Gnadenbild wurde nach oben verschoben, um es für die Kirchenbesucher besser sichtbar zu machen.<ref name="uni-konstanz.de"/> Zwei Paare von Stuckplastiken rahmen den Hochaltar: [[Heilige Anna|Joachim und Anna]], die Eltern Marias, sowie [[Zacharias (Vater des Johannes)|Zacharias]] und [[Elisabet]]h, die Eltern Johannes des Täufers. Zusammen mit den beiden Johannesfiguren der Choraltäre bilden sie die „Heilige Sippe“. Pilgern werden diese Figuren einen vertrauten Anhaltspunkt gegeben haben, war doch auch der Marienaltar von Alt-Birnau diesen Heiligen geweiht. === Gnadenbild === [[Datei:Altbirnau Gnadenbild.jpg|miniatur|upright|Darstellung des Gnadenbilds über Altbirnau aus dem ''Apiarium Salemitanum'', 1708]] Die etwa 80&nbsp;cm hohe hölzerne Marienstatue, die heute im Mittelpunkt des Birnauer Bildprogramms steht, wurde um 1420 im [[Salzkammergut]] von einem unbekannten Meister gefertigt. Es handelt sich um eine [[Gotik|spätgotische]] Sitzmadonna, die eine Krone trägt und auf einem gepolsterten Podest sitzt. Auf ihrem Schoß sitzt das [[Christus]]kind, das ein [[Kruzifix]] in der Hand hält. Der Fuß ihres Thrones zeigt eine Mondsichel, ein Symbol aus der [[Johannesapokalypse]]. Der Apfel in ihrer Rechten verweist auf die [[Ursünde]], die der Christ überwinden muss, um zu Gott zu kommen. Die Skulptur wurde mehrfach restauriert und neu bemalt. Die Krone hat erst seit 1733 die heutige Form. Das Birnauer „Gnadenbild“ galt als wundertätig und war in der örtlichen Bevölkerung sehr beliebt. Viele glaubten, dass es nur an seinem Standort wirkmächtig sei und jede Verlegung eine [[Blasphemie]] darstelle. Zudem schlugen die Überlinger Wirte aus der nahen Wallfahrtsstätte einigen Profit. Als die Klosterleitung 1745 die neue Kirche plante, erwartete sie daher, dass Überlinger Bürger die „Translocation“ der „Marianischen Wallfart<!-- sic --> zu Bürnau“ verhindern würden. Eine heimlich eingeholte Erlaubnis des [[Konstanz]]er [[Fürstbischof]]s [[Kasimir Anton von Sickingen]] sowie der weltlich zuständigen [[Grafschaft]] [[Grafschaft Heiligenberg|Heiligenberg]] sollte deshalb Rechtssicherheit schaffen. Eine [[Prozession]] von 2000 Personen, beschützt von 350 [[Dragoner]]n aus Heiligenberg, überführte am 4. März 1746 die Marienstatue von Altbirnau in ihre vorläufige neue Heimstatt, die Pfarrkirche St. Leonhard in Salem. Es kam nur zu wenigen Störungen. Zum einen war der Anlass der Prozession den Überlingern verschwiegen worden; zum anderen hatte der Bischof angekündigt, jeden Störenfried mit [[Exkommunikation]] zu bestrafen. Der Rat der Stadt Überlingen konnte erst protestieren, als schon Tatsachen geschaffen waren. Erst zur Kirchweihe wurde die Figur nach Neubirnau gebracht. Zuvor war sie vor hochrangigen Zeugen auf ihre Echtheit überprüft worden, weil in der Bevölkerung Zweifel geherrscht hatten, ob das „zu übersetzende Bildnus der Göttlichen Mutter nicht mehr das Uralte Gnaden-Bild, sondern ein anderes, und neu verfertigtes“ sei.<ref>Bisemberger 1751, S. 13</ref> Die Aussagen der restauratorisch tätigen Maler und die [[Holzwurm]]löcher waren jedoch Beleg genug. Am 20. September 1750 überführte eine festliche Prozession die Sitzfigur in ihre neue Kirche. Das Gnadenbild steht heute über dem Hochaltar. === Orgel === Die erste [[Orgel]] der Birnau stellte [[Johann Georg Aichgasser]] aus Überlingen her. Sie war nur einmanualig und hatte zwölf Register. 1808 wurde sie in die reformierte Kirche von [[Altnau]] ([[Kanton Thurgau]]) verkauft, wo zwar nicht mehr das Orgelwerk, doch immerhin der geschnitzte Prospekt erhalten ist. 1950 wurde für die Birnau eine neue Orgel angeschafft, die eine Überlinger Firma herstellte. Das nunmehr dritte Orgelwerk, das heute in Betrieb ist, wurde 1991 von der Überlinger Orgelbaufirma Mönch gebaut und verfügt über drei Manuale und 39 Register mit insgesamt 2644 Pfeifen bei folgender Disposition:<ref>[http://moench-orgelbau.de/disposition,moench-orgel-161,a,3 Disposition der Orgel]</ref> {| border="0" cellspacing="0" cellpadding="10" style="border-collapse:collapse;" | style="vertical-align:top" | {| border="0" | colspan=2 | '''I Echowerk''' C–g<sup>3</sup> ---- |- |Rohrgedeckt || 8′ |- |Viola || 8′ |- |Flöte || 4′ |- |Nazard || 2<sup>2</sup>/<sub>3</sub>′ |- |Flageolet || 2′ |- |Terz || 1<sup>3</sup>/<sub>5</sub>′ |- |Larigot || 1<sup>1</sup>/<sub>3</sub>′ |- |Sifflet || 1′ |- |Vox humana || 8′ |- | |- |''Tremulant'' |} | style="vertical-align:top" | {| border="0" | colspan=2 | '''II Hauptwerk''' C–g<sup>3</sup> ---- |- |Gedecktpommer || 16′ |- |Principal || 8′ |- |Hohlflöte || 8′ |- |Salicional || 8′ |- |Octave || 4′ |- |Koppelflöte || 4′ |- |Quinte || 2<sup>2</sup>/<sub>3</sub>′ |- |Superoctave || 2′ |- |Mixtur IV || 1<sup>1</sup>/<sub>3</sub>′ |- |Cornet V || 8′ |- |Trompete || 8′ |} | style="vertical-align:top" | {| border="0" | colspan=2 | '''III Oberwerk''' C–g<sup>3</sup> ---- |- |Coppel || 8′ |- |Harfpfeife || 8′ |- |Schwebung || 8′ |- |Principal || 4′ |- |Querflöte || 4′ |- |Gemshorn || 4′ |- |Waldflöte || 2′ |- |Rauschmixtur V || 2′ |- |Cymbel III || <sup>1</sup>/<sub>2</sub>′ |- |Dulcian || 16′ |- |Schalmei || 8′ |- | |- |''Tremulant'' |} | style="vertical-align:top" | {| border="0" | colspan=2 | '''Pedalwerk''' C–f<sup>1</sup> ---- |- |Praestant || 16′ |- |Subbaß || 16′ |- |Octavbaß || 8′ |- |Gedeckt || 8′ |- |Octave || 4′ |- |Hintersatz IV || 2<sup>2</sup>/<sub>3</sub>′ |- |Fagott || 16′ |- |Zinke || 8′ |} |} * ''[[Koppel (Orgel)|Koppeln]]:'' III/II, I/II, I/P, II/P, III/P. * ''[[Spielhilfen]]:'' === Weitere Ausstattungsgegenstände === [[Datei:Birnau Beichtstuhl Detail.jpg|miniatur|upright|Detail eines geschnitzten [[Beichtstuhl]]s von Feuchtmayer; heute in St. Martin, [[Uhldingen-Mühlhofen|Seefelden]]]] Zur Ausstattung gehört ein [[Kreuzweg]] in vierzehn Stationen aus bemalter Holzschnitzerei, von dem noch acht Stationen erhalten sind. (Möhrle 1920 vermutet, dass die übrigen sechs nie existiert haben.) Die einzelnen Stationen stammen von Feuchtmayer und seinem Mitarbeiter [[Johann Georg Dirr]]. Vierzehn Putten komplementierten einst die Kreuzwegstationen; zwölf von ihnen sind erhalten. Jede Station besteht aus einer individuell gestalteten vergoldeten [[Rocaille]]-[[Kartusche (Kunst)|Kartusche]], die durch einen Engelskopf und Pflanzenranken ergänzt ist. Der Rahmen umfasst ein Kulissenbild, vor dem kleine, vollplastische Figurengruppen wie auf einer kleinen Theaterszene agieren. Insgesamt zehn [[Uhr]]en finden sich an und in der Kirche. Die Bauherren demonstrierten so einerseits das gesteigerte Bewusstsein ihres Zeitalters für genaue [[Zeitmessung]]. Andererseits war die Uhr aber auch eine Metapher für die Endlichkeit des Daseins ([[Vanitas]]). Drei [[Sonnenuhr]]en schmücken die Nordwest- und Südostseite des Ordensgebäudes sowie den Turm. Die übrigen sieben werden von einem drei Tonnen schweren schmiedeeisernen [[Uhrwerk]] angetrieben, das wahrscheinlich um 1750 in den Werkstätten des Salemer Klosters von Bruder Maurus Undersee (1708−1773) geschaffen wurde. Es wurde im Zuge der Restaurierung der Kirche 1963 abgebaut und erst nach vielen Verzögerungen 1979 wieder in Betrieb genommen. Vier weithin sichtbare [[Zifferblatt|Zifferblätter]] befinden sich heute an den vier Turmseiten; das größte zum See hin hat einen Durchmesser von 3,10 Metern. Im Kircheninneren finden sich unter der Decke des Langhauses links und rechts des Chorraumes eine Sonnenzeituhr, deren Zeiger als Salemer Abtstab (mit einem um den Stab geschlungenen „S“) bzw. als Pfeil gestaltet sind sowie eine [[Monduhr]], die an einer sich drehenden Mondkugel den Tag des Mondlaufs und die [[Mondphase]] anzeigt. Beide sind mit aufwendigen goldenen Ornamenten und allegorischen Figuren verziert. Sie verweisen auf den Lauf der Gestirne als Zeichen für die göttliche Ordnung des [[Makrokosmos|Kosmos]], können aber auch als Mariensymbole verstanden werden. Die sogenannte „Marienuhr“ befindet sich an der Decke des Langhauses. Ihr Zifferblatt zeigt das Monogramm Mariens (die verschlungenen Lettern des Worts „Maria“, die einen Stern bilden) sowie einen Kranz aus zwölf Sternen. Die ursprünglichen fünf [[Glocke|Turmglocken]] wurden von Gebhard Andreas Aporta in [[Bregenz]] gegossen. Sie waren jeweils einem Heiligen geweiht und trugen Inschriften, die mit [[Chronogramm]]en das Jahr ihrer Herstellung verschlüsselten. Die größte Glocke war der Jungfrau Maria geweiht; die weiteren den Heiligen Anselmus, Benedikt und Bernhard und die kleinsten den Wallfahrtsheiligen Blasius, Magnus sowie der Heiligen Sippe. Nach der [[Säkularisierung]] der Kirche wurden vier der Glocken nach [[Wollerau]] ([[Kanton Schwyz]]) verkauft. Die verbliebene Glocke wurde 1940 eingeschmolzen. 1961 wurden vier, 1990 fünf neue Glocken angeschafft. == Geschichte vom Bauabschluss bis heute == Die Errichtung der neuen Kirche bedeutete einen schweren Einschnitt für die Marienwallfahrt. Der Strom der Pilger war bei weitem nicht mehr so stark wie zu Altbirnauer Zeiten. Dazu mag der Geist der [[Zeitalter der Aufklärung|Aufklärung]] beigetragen haben; jedoch war auch das Verhältnis der frommen Bevölkerung zur Birnau durch die Verlegung des Heiligtums, gegen die selbst der Rat der Reichsstadt Überlingen Protest eingelegt hatte, nachhaltig gestört. Zudem versuchten Staat und Amtskirche zunehmend das Wallfahrtswesen zu unterbinden. === Schließung der Kirche 1804 === [[Datei:Birnau Poppel 1850.jpg|miniatur|Ansicht der Birnau um 1850. Stahlstich von [[Johann Poppel]]]] Nur wenige Jahrzehnte nach dem Bau der neuen Kirche sah das Salemer Kloster seiner Schließung entgegen. Der [[Generalvikar]] des für Salem zuständigen [[Bistum Konstanz|Bistums Konstanz]], [[Ignaz Heinrich von Wessenberg|Ignaz von Wessenberg]], war Anhänger des [[Josephinismus]]. Der junge Wessenberg, seit 1801 im Amt, war wie viele aufgeklärte Kleriker entschlossen, die Wallfahrts- und Klosterkirchen in seiner [[Diözese]] zu schließen oder in [[Pfarrkirche]]n umzuwandeln. Man war sich innerkirchlich bewusst, dass die teilweise sehr mächtigen Orden eine theologische und machtpolitische Konkurrenz zur römischen Kirche darstellten. Auch die Praxis der [[Bilderverehrung]] auf Wallfahrten war den Josephinisten ein Zeichen des [[Aberglauben]]s; die ganze Bilderwelt der barocken Kirchen galt plötzlich als Inbegriff falsch verstandener Frömmigkeit. Die beginnende [[Säkularisation]] der Klöster von staatlicher Seite kam Wessenberg entgegen: Bereits am 1. Oktober 1802 erschien im Kloster Salem eine Kommission des [[Markgraf]]en [[Karl Friedrich (Baden)|Karl Friedrich]], die die Beschlagnahme des gesamten Vermögens durch die [[Markgrafschaft Baden]] ankündigte. Der [[Reichsdeputationshauptschluss]] vom 25. Februar 1803 ließ die reichsweite Schließung von Klöstern rechtskräftig werden. Zum 23. November 1804 wurde die Reichsabtei Salem vollständig aufgelöst. Von diesem Zeitpunkt bis zum Jahr 1918 wurden unter staatlicher Kontrolle keine Männerorden mehr zugelassen. Der letzte Gottesdienst in Neubirnau fand am 30. April 1804 statt. Im Jahr 1808 wurde auch die Kirche für die Zisterzienser, die noch dort lebten, gesperrt und ohne öffentlichen Protest geschlossen. Das Gnadenbild wurde in das [[Salemer Münster]] gebracht, das in eine [[Pfarrkirche]] umgewandelt worden war. Das Inventar der Kirche wurde auf umliegende Kirchen verteilt. Glocken und Orgel wurden in die Schweiz verkauft. Von 1808 bis nach Ende des [[Erster Weltkrieg|Ersten Weltkriegs]] stand die Kirche leer und verfiel. Der [[Dachreiter]] über dem Chor wurde 1810, die [[Sakristei]] 1832 abgerissen. Anders als bei mancher anderen säkularisierten Klosterkirche blieb der Rest des Baukörpers jedoch erhalten. Zudem galt im Kunstgeschmack der Rokoko-Stil plötzlich als veraltet. Der schlichtere, an antike Vorbilder angelehnte [[Klassizismus]] galt ab etwa 1775 als die zeitgemäßere Bauform; das Kloster Salem war mit der Ausstattung des [[Salemer Münster]]s im [[Louis-seize]]-Stil sogar einer der regionalen Vorreiter dieses Stilwechsels. Nach 1810 waren [[Romanik]] und [[Gotik]] die Vorbilder im Kirchenbau. Das barocke [[Pathos]] mit seinen ausgefeilten, auf dramatische Wirkung angelegten Bildprogrammen wurde mit einem Schlag unpopulär. Sogar Kleriker argumentierten mit ästhetischen Bedenken gegen den „ausartenden“, „krankhaften“ und „widerlichen“ Barockstil und dessen finale „Auswucherung“ im Rokoko. Erst um 1890 wurde die barocke Kunst wieder allgemein akzeptiert, was unter anderem den zeitgenössischen Kunsthistorikern wie [[Heinrich Wölfflin]] zu verdanken ist. Zunächst markierte die Birnau jedoch das Ende einer Epoche im Kirchenbau, „das Schwanenlied des Rokoko am Bodensee“ ([[#Literatur|Lit.]]: Möhrle 1920, S. 92). Die bürgerliche [[Landschaftsmalerei]] des 19. Jahrhunderts entdeckte die Birnau als Baukörper, der mit der Natur malerisch harmonierte. So wurde die Kirche, die einst als weithin sichtbares Mittelglied zwischen irdischer Schöpfung und himmlischem Glanz konzipiert war, zum optisch reizvollen Element in der Idylle des Bodensees, ein Gegengewicht zur beginnenden [[Industrialisierung]]. === Von der Wiedereröffnung 1919 bis heute === [[Datei:Birnau Honigschlecker.jpg|miniatur|Der „Honigschlecker“ am Bernhardsaltar]] Erst nach der Jahrhundertwende gab es ernsthafte Bemühungen, die Kirche wieder für die Gläubigen zu öffnen. Sowohl die Bewertung des Rokokostils als auch die kirchliche Akzeptanz von Wallfahrten hatten sich in der Zwischenzeit grundlegend gewandelt. Der Zisterzienserabtei [[Wettingen-Mehrerau]] ([[Bregenz]]) gelang es schließlich im Jahr 1919, dem Land Baden die Birnau für 70.000 Reichsmark abzukaufen. Daneben erwarb das Kloster auch das [[Schloss Maurach]], das direkt unterhalb der Kirche am Seeufer liegt. Die Wirtschaftsräume des Kirchenvorbaus wurden zu Wohn- und Verwaltungsräumen umgebaut und in eine Außenstelle des Konvents umgewandelt. Glocken und Orgel wurden wiederbeschafft. Die Kirche wurde am 20. November 1919 feierlich wiedereröffnet. Binnen kurzem wurde die Birnau zu einem religiösen wie kunsthistorischen Wallfahrtsort am Bodensee. Unter dem [[Zeit des Nationalsozialismus|Nationalsozialismus]] wurden die Kirche und das Priorat von 1941–1945 geschlossen. Die Mönche wurden verjagt, manche sogar vorübergehend von der [[Gestapo]] inhaftiert. Erst nach dem Ende des [[Zweiter Weltkrieg|Zweiten Weltkrieges]] konnten sie nach Birnau zurückkehren. Der Nationalsozialismus hinterließ auch tiefere Spuren: Unweit der Kirche befindet sich ein Friedhof für 97 [[Konzentrationslager|KZ-Häftlinge]] aus dem [[KZ Aufkirch]].<ref>[http://www.denkmalprojekt.org/dkm_deutschland/birnau_kz_frdh_bw.htm KZ-Friedhof Birnau]</ref> Sie gehörten zu einem Trupp von rund 800 Häftlingen aus dem [[KZ Dachau]], die westlich von [[Überlingen]] ein unterirdisches Stollensystem in den Molassefelsen trieben, in dem die [[Friedrichshafen]]er Rüstungsbetriebe [[Dornier-Werke|Dornier]], [[Zeppelin]], [[ZF Friedrichshafen|ZF]] und [[Maybach-Motorenbau GmbH|Maybach]] vor Bomben geschützt sein sollten ([[Goldbacher Stollen]]).<ref>Oswald Burger: ''Der Stollen.'' 6. Aufl. Überlingen 2005, ISBN 3-86142-087-2. Dokumentation zum KZ Aufkirch, Abschnitt über KZ-Friedhof Birnau</ref> Die Arbeiten dauerten vom Oktober 1944 bis April 1945 an. Mindestens 168 Häftlinge starben und wurden verbrannt oder in einem Massengrab verscharrt. Nach Kriegsende wurden auf Befehl der französischen Militärregierung die Leichen aus dem Waldstück Degenhardt bei Überlingen exhumiert und am 9. April 1946 auf dem neu geschaffenen KZ-Friedhof Birnau beigesetzt. Mit dem Kauf im Jahr 1919 hatte das Kloster auch die Verantwortung für die [[Denkmalpflege]] der Kirche übernommen. 1964 bis 1969 wurde die Bausubstanz generalsaniert, finanziert aus Mitteln der katholischen Kirche und der staatlichen Denkmalpflege sowie eines 1966 gegründeten Fördervereins. 1996 begannen die bis heute aufwändigsten Sanierungsarbeiten. Die [[Fundament]]e wurden trockengelegt, Schäden durch [[Echter Hausschwamm |Hausschwamm]] behoben und die Fresken im Innenraum vor Beschädigung geschützt. Seit 2004 ist auch die Renovierung der Außenfassade abgeschlossen. Die Forschung nach Spuren der ursprünglichen Farbgebung führte zur Revision der [[Restaurierung]] von 1966. Damals wurde der Kirche eine weiße Fassade mit rosa Pilastern gegeben und der Turm durch einen rosa Anstrich optisch hervorgehoben. Die jetzige Fassade ist einheitlich in rosa mit weißen Schmuckelementen gestaltet, wodurch sich auch der Turm wieder in das Gesamtbild einfügt. 1946 wurde Birnau die Pfarrkirche der Orte [[Deisendorf]] und [[Nußdorf (Überlingen)|Nußdorf]], welche gemeinsam die katholische [[Quasipfarrei|Pfarrkuratie]] Birnau bilden. 1971 wurde die Birnau von [[Paul VI.|Papst Paul VI.]] zur [[Basilica minor]] erhoben. Sie ist heute einer der beliebtesten [[Wallfahrtsort]]e im Bodenseeraum. Jährlich wiederkehrende [[Wallfahrt|Marienwallfahrten]] ziehen teilweise Zehntausende von Pilgern an. Im Jahr gibt es 18 offizielle Wallfahrten, deren beliebteste die [[Fátima|Fatimawallfahrten]] sind (jeweils am 13. jedes Monats). Das [[Patrozinium]]sfest wird am Sonntag nach dem 2. Juli ([[Mariä Heimsuchung]]) begangen. Regelmäßig finden auch Konzerte statt. Die Kirche ist wegen ihrer malerischen Lage ein sehr beliebter Ort für [[Heirat|Hochzeiten]] und darüber hinaus eine der meistbesuchten Sehenswürdigkeiten am See. == Literatur == * Matthias Bisemberger: ''Maria in Neu-Bürnau, oder Fortsetzung des gründlich- und wahrhaften Berichts von Ubersetzung der Marianischen Wallfart zu Bürnau (...)'' Konstanz 1751. * Hans Jensen: ''Schach dem Abt.'' Herder, Freiburg 1953, ISBN 3451177390. Roman über die Entstehung der Wallfahrtskirche. * Hans Möhrle: ''Die Cistercienser-Probstei Birnau bei Überlingen am Bodensee.'' Feyel, Überlingen 1920. * Ulrich Knapp: ''Die Wallfahrtskirche Birnau, Planungs- und Baugeschichte.'' Gessler, Friedrichshafen 1989, ISBN 3-922137-58-X. Quellensammlung mit Bauplänen und Entwurfszeichnungen. * Bernd Mathias Kremer (Hrsg.): ''Barockjuwel am Bodensee. 250 Jahre Wallfahrtskirche Birnau.'' Fink, Lindenberg 2000, ISBN 3-933784-71-9. Darstellungen zu Aspekten der Bau-, Kunst- und Klostergeschichte. == Weblinks == {{Commons|Birnau|Wallfahrtskirche Birnau}} * [http://www.birnau.de Basilika Birnau - Offizielle Homepage] * {{archINFORM|projekte|5871}} * {{KlosterBW|650|Zisterzienserpriorat Birnau}} * [http://www.p-stein.de/birnau-rundgang71.htm Virtueller Birnau Rundgang] * [http://www.cistercensi.info/abbazie/abbazie.asp?ab=35&lin=de Priorat Birnau bei cistercensi.info] {{Coordinate |text= |article=/ |NS=47/44/46/N |EW=9/13/9/E |type=landmark |pop= |elevation= |region=DE-BY |dim= |name= }} == Einzelnachweise == <references /> {{Exzellent}} [[Kategorie:Kirchengebäude im Bodenseekreis|Birnau]] [[Kategorie:Barockbauwerk in Baden-Württemberg|Birnau]] [[Kategorie:Barocke Kirche|Birnau]] [[Kategorie:Rokokobauwerk|Birnau]] [[Kategorie:Katholischer Wallfahrtsort in Deutschland|Birnau]] [[Kategorie:Zisterzienserkloster in Deutschland|Birnau]] [[Kategorie:Kloster in Baden-Württemberg|Birnau]] [[Kategorie:Kloster (20. Jahrhundert)|Birnau]] [[Kategorie:Uhldingen-Mühlhofen]] [[Kategorie:Basilica minor|Uhldingen-Muhlhofen]] [[Kategorie:Disposition einer Orgel|Birnau, Wallfahrtskirche Birnau]] [[Kategorie:Marienkirche in Baden-Württemberg|Birnau]] [[Kategorie:Erbaut in den 1740er Jahren]] [[Kategorie:Kirchengebäude im Erzbistum Freiburg|Uhldingen-Muhlhofen]] [[fr:Birnau]] [[ro:Biserica din Birnau]] qhluems0b7rcjzgmyaw1ba5w9ytsyqy wikitext text/x-wiki Walross 0 24465 27066 2010-05-10T07:56:13Z Howwi 0 Änderungen von [[Special:Contributions/79.238.28.51|79.238.28.51]] ([[User talk:79.238.28.51|Diskussion]]) rückgängig gemacht und letzte Version von [[User:Pittimann|Pittimann]] wiederhergestellt <!-- Für Informationen zum Umgang mit dieser Tabelle siehe bitte [[Wikipedia:Taxoboxen]]. --> {{Taxobox | Taxon_Name = Walross | Taxon_WissName = Odobenus rosmarus | Taxon_Rang = Art | Taxon_Autor = ([[Carl von Linné|Linnaeus]] 1758) | Taxon2_WissName = Odobenus | Taxon2_Rang = Gattung | Taxon2_Autor = [[Mathurin-Jacques Brisson|Brisson]] 1762 | Taxon3_Name = Walrosse | Taxon3_WissName = Odobenidae | Taxon3_LinkName = nein | Taxon3_Rang = Familie | Taxon4_Name = Robben | Taxon4_WissName = Pinnipedia | Taxon4_Rang = ohne Rang | Taxon5_Name = Hundeartige | Taxon5_WissName = Cynoidea | Taxon5_Rang = Überfamilie | Taxon6_Name = Raubtiere | Taxon6_WissName = Carnivora | Taxon6_Rang = Ordnung | Bild = Noaa-walrus22.jpg | Bildbeschreibung = Pazifisches Walross }} Das '''Walross''' (''Odobenus rosmarus'') ist eine [[Robben]]art, die in den kalten Meeren der Nordhalbkugel vorkommt. Zwei Unterarten, das Atlantische (''O. r. rosmarus'') und das etwas größere Pazifische Walross (''O. r. divergens''), werden unterschieden. Das Walross gehört zur Ordnung der [[Raubtiere]] und ist die einzige [[Art (Biologie)|Art]] in der Familie der Walrosse (Odobenidae). Der zoologische Name ''Odobenus'' ist aus dem [[Griechische Sprache|griechischen]] ''odous'' (Zahn) und ''baino'' (gehen) abgeleitet und rührt von der Beobachtung her, dass Walrosse sich an Land mit ihren [[Stoßzahn|Stoßzähnen]] vorwärts ziehen. Er wurde 1762 von Mathurin-Jacques Brisson in seinem Werk ''Le regnum animale'' vergeben, während der ursprüngliche Artname ''Phoca rosmarus'' auf den schwedischen Naturalisten [[Carl von Linné]] zurückgeht, der Walrosse in seinem Werk ''[[Systema naturae]]'' noch zu den [[Echte Hundsrobben|Echten Hundsrobben]] zählte. Das [[Epitheton]] der pazifischen Unterart ''divergens'' (wegdrehen) kommt aus dem [[latein]]ischen und bezieht sich auf die Stoßzähne. == Merkmale == Walrossbullen werden etwa dreieinhalb Meter lang, die Kühe hingegen drei Meter; das Gewicht eines Männchens kann 1200 Kilogramm übertreffen, Weibchen wiegen je nach Unterart zwischen 600 und 800 Kilogramm. Walrosse können bis zu 40 Jahre alt werden. Der plumpe Körper der Walrosse wirkt aus der Entfernung kahl, ist aber in Wahrheit von einem etwa einen Zentimeter kurzen, stoppeligen Haarkleid bedeckt, das mit zunehmendem Alter dünner wird. Die Haut ist mit etwa vier Zentimetern extrem dick und faltig; darunter befindet sich eine fünf bis acht Zentimeter dicke Fettschicht. Sie schützt die Tiere vor Verletzungen durch scharfe Eiskanten oder spitze Steine. Bei erwachsenen Männchen ist sie an Nacken und Schultern nochmals verstärkt und dient hier wohl zusätzlich dem Schutz vor Verletzungen bei Rangkämpfen unter den Männchen. Bei der Geburt haben Walrosse eine kräftig rotbraune Farbe, im Alter werden sie immer blasser und sind schließlich gelblichbraun. An der Farbe eines Walrosses kann man daher sein Alter abschätzen. Brust- und Bauchregion sind in der Regel dunkler als die Rückengegend; die Flossen sind bei den Neugeborenen dunkelgrau, nehmen aber mit der Zeit eine bleichere Farbe an. === Stoßzähne und restliches Gebiss === [[Datei:17 Walross 1999.jpg|thumb|right|250px|Walrossbulle (Foxe Basin)]] Das auffälligste Merkmal des Walrosses sind die zu langen Stoßzähnen ausgebildeten oberen Eckzähne, die auch als ''Hauer'' bezeichnet werden. Sie sind bei beiden Geschlechtern vorhanden, bei den Männchen aber in der Regel länger, stämmiger, von eckigerem Querschnitt und auch geradliniger, während die Stoßzähne der Weibchen meist im Querschnitt rund sind und eine stärkere Krümmung aufweisen. Im Schnitt werden sie 50 Zentimeter lang; ausnahmsweise werden Rekordlängen von einem Meter beobachtet. Bei jungen Walrossen sind die Eckzähne noch nicht entwickelt, sie brechen erst im Alter von sechs bis acht Monaten durch und sind wegen der voluminösen, in Falten geworfenen Lippe meist erst nach anderthalb Jahren sichtbar. Der zunächst noch vorhandene [[Zahnschmelz]] nutzt sich bei den erwachsenen Tieren mit der Zeit ab und geht früher oder später ganz verloren. Bei älteren Tieren sind die Hauer oft vom langen Gebrauch stark abgestumpft und gelegentlich sogar gebrochen. Die wichtigste Funktion der Stoßzähne neben zahlreichen anderen Funktionen, etwa zur Verteidigung gegen Fressfeinde, als Kopfstütze, zum Aufbrechen von Atemlöchern im Eis oder als Hilfsmittel beim Verlassen des Wassers, besteht darin, Geschlecht, Alter und sozialen Status ihrer Träger zu demonstrieren. Durch einfaches Vorzeigen ihrer imposanten Hauer sind dominante Tiere beiderlei Geschlechts zum Beispiel regelmäßig in der Lage, untergeordnete Individuen von günstigen Ruheplätzen zu verdrängen. Dadurch kommt es nur dann zum Kampf, wenn zwei Träger annähernd gleichlanger Hauer aufeinander treffen. Während Jungtiere zunächst noch eine vollständige Bezahnung haben, fallen ihre unteren Schneidezähne aus, sobald die beiden Stoßzähne durchbrechen; die hinter den drei bis vier [[Prämolar|Vormahlzähnen]] gelegenen [[Molar (Zahn)|Backenzähne]] sind ohnehin verkümmert. Die Gesamtzahl der Zähne variiert zwischen 18 und 24 und kann durch die [[Zahnformel]] 1-2/0 1/1 3-4/3-4 0/0 ausgedrückt werden. === Kopf und Sinnesorgane === [[Datei:10 Walross 2001.jpg|thumb|right|250px|Sich kratzendes Walross]] [[Datei:24 Walross 2001.jpg|thumb|right|250px|Walross mit gut sichtbaren Hinterflossen]] Das bezeichnendste Merkmal des grob quaderförmigen Schädels ist der große Warzenvorsprung (''Processus mastoideus'') jedes [[Schläfenbein]]s (''Os temporale''), an dem die kräftige Nackenmuskulatur ansetzt. Im Gegensatz zu den Ohrenrobben besitzen Walrosse an ihrem Stirnbein (''Os frontale'') keine Vorsprünge an den Augenhöhlen (''Orbita'') und weisen auch keinen [[Scheitelkamm]] auf. Das ''Rostrum'', die Schnauze, ist stumpf; die Haut der Oberseite stark verhornt. Charakteristisch ist der aus bis zu 450 Tasthaaren bestehende Borstenbart, der reusenartig von der Oberlippe herabhängt und zur Erkennung und Unterscheidung verschiedener Beutearten dient. Jedoch wird er in freier Wildbahn weitgehend abgenutzt und ist nur bei im Zoo gehaltenen Tieren so prominent. Die Augen der Walrosse sind im Vergleich zur Schädelgröße sehr klein; äußerlich sichtbare Ohren besitzen sie, anders als die Ohrenrobben, nicht. Die Mittelohrknochen sind vergleichsweise dünn. === Flossen === Wie die wahrscheinlich verwandten [[Ohrenrobben]] haben Walrosse sehr bewegliche Flossen, mit denen sie nahezu jeden Punkt ihres Körpers erreichen können. Sie ermöglichen an Land eine größere Behändigkeit als beispielsweise die Gliedmaßen der [[Seehund]]e, auch wenn Walrosse nicht so geschickt sind wie Ohrenrobben. Die Flossen sind meist dreieckig geformt, wobei die obere Flossenseite leicht behaart ist, während die Unterseite keine Behaarung aufweist. Die je fünf Zehen laufen in knorpeligen Spitzen aus, auf denen sich etwas von den Zehenenden entfernt die eigentlichen Nägel befinden. === Innere Anatomie === Männchen besitzen zwei Luftsäcke im Rachen, die sie aufblasen können, um damit verschiedene Laute hervorzubringen. Diese besitzen wahrscheinlich eine zweite Funktion als Luftkissen, mit dem im Wasser das spezifische Gewicht herabgesetzt wird, so dass die Tiere ohne größeren Aufwand an der Oberfläche schwimmen können. Über die gesamte Körperoberfläche sind ''arteriovenöse Anastomosen'' verteilt, Querverbindungen zwischen Arterien und Venen, die einen schnellen Wärmeaustausch ermöglichen. Walrosse ähneln darin den Hundsrobben. Der [[Penisknochen]] des Bullen ist mit einer Länge von über 60 Zentimetern der längste im Tierreich, sowohl in absoluter Länge als auch in Relation zur Körpergröße; die Hoden liegen im Körperinneren. Die Weibchen besitzen zweimal vier Milchdrüsen. == Verbreitung und Lebensraum == [[Datei:Odobenus rosmarus distribution.png|thumb|right|250px|Verbreitungsgebiet]] Meistens leben Walrosse auf dem Treibeis der [[Arktis]]. Im Winter ziehen sie südwärts, um dem Packeis auszuweichen, verlassen aber die polaren Breiten in der Regel nicht. Es gibt vier voneinander getrennte Populationen: # Das Pazifische Walross hält sich im Winter im [[Beringmeer]] auf; im Sommer durchqueren die Populationen die [[Beringstraße]] in Richtung Norden und suchen den Packeisrand in der [[Tschuktschensee]] auf. # Die westlichen Populationen des Atlantischen Walrosses leben zwischen der [[Hudson Bay]] und der Westküste [[Grönland]]s. # Die östlichen Populationen des Atlantischen Walrosses leben an der Ostküste [[Grönland]]s sowie im Bereich zwischen [[Svalbard|Spitzbergen]] und der Nordwestküste [[Sibirien]]s. Seltener finden sich die Tiere weiter südwärts; aus historischer Zeit sind allerdings mehr als 20 Aufzeichnungen von Walross-Fängen vor den Küsten der [[Britische Inseln|britischen Inseln]] bekannt; auch vor den Niederlanden sowie an der französischen und spanischen Küste wurden schon Walrosse gesichtet. # An der Nordküste Sibiriens lebt eine weitere Population, die gelegentlich als eine dritte Unterart (Laptewsee-Walross, ''O. r. laptevi'') eingestuft wird. Die atlantischen Walrosse zeichnen sich durch kürzere Stoßzähne und einen etwas anders proportionierten Kopf mit breiterem Hinterhaupt und schmalerem Gesichtsschädel aus. Fast immer bleiben die Tiere in flachen Küstengewässern, nahe an den Kontinentalabhängen oder an Packeisflächen. Obwohl sie sich meist nicht tiefer als etwa 80 Meter begeben, sind in Einzelfällen Tauchtiefen von bis zu 180 Metern nachgewiesen. == Lebensweise == === Ernährung === [[Datei:Walross-painting.jpg|thumb|250px|Walross-Familie, Gemälde 1927]] Walrosse ernähren sich unter Wasser und können bis zu 30 Minuten lang tauchen. Sie fangen gelegentlich Fische, leben aber vorwiegend von [[Muscheln]], besonders der Gattungen ''Mya'', ''Cardium'' und ''Clinocardium'', von [[Schnecken]], [[Krebstiere]]n wie [[Garnele]]n oder [[Krabbe]]n, [[Tintenfische]]n, [[Seegurken]], [[Manteltiere]]n und Würmern wie [[Vielborster]]n (Polychaeta) oder [[Priapswürmer]]n (Priapulida). Bei der Suche nach unter dem Meeresboden lebenden Organismen müssen sie diesen aufwühlen. Dazu setzen sie hauptsächlich ihre rechte Flosse ein (66%), die linke weitaus seltener (4%). Sie machen auch von ihrer Schnauze (29%) und in manchen Fällen von einem selbsterzeugten Wasserstrahl, den sie auf den Meeresboden richten, Gebrauch (1%). Die Stoßzähne kommen bei der Nahrungssuche nicht zum Einsatz. Muscheln und Schnecken werden entweder zwischen den Vorderflossen oder durch festes Aufeinanderdrücken der Lippen geknackt. Aus Mageninhalten lässt sich schließen, dass ein Walross auf diese Weise mehr als 50 Kilogramm Nahrung zu sich nehmen kann. Obwohl Kleintiere die Hauptnahrung ausmachen, überwältigt das Walross manchmal auch sehr große Beute. Vor allem andere Robben fallen gelegentlich einem Walross zum Opfer, aber auch Angriffe auf Seevögel wurden schon in seltenen Fällen beobachtet, dazu kommt frisches [[Aas]]. Jagd auf Robben machen fast ausschließlich männliche Tiere, die einzelgängerisch leben. In manchen Fällen kam es auch zu [[Kannibalismus]], wobei ein altes Tier neugeborene Walrosse fraß. === Fortbewegung === [[Datei:5 Walross 1999.jpg|thumb|right|250px|Walross (Foxe Basin)]] Im Wasser nutzen Walrosse ihre muskulösen Hinterflossen zum Vortrieb, während die Vorderflossen als Ruder eingesetzt werden. An Land bewegen sie sich oft mit allen vier Gliedmaßen voran. Das Gewicht ruht dabei auf den „Handflächen“ der Vorderflossen und den „Hacken“ der Hinterflossen. Sowohl „Finger“ als auch Zehen sind nach außen gerichtet; erstere zeigen nach hinten, letztere nach vorne. Manchmal werden aber auch nur die Vorderflossen eingesetzt, während die Hinterflossen wie bei den Hundsrobben nachgezogen werden. === Fressfeinde, Parasiten und Krankheitserreger === Feinde hat das Walross kaum zu fürchten. Der [[Eisbär]] versucht gelegentlich eine Herde in Flucht zu versetzen, um zurückbleibende Einzel- oder Jungtiere zu erbeuten, wird sich aber hüten, ein ausgewachsenes Tier anzugreifen, das sich mit Hilfe seiner Stoßzähne gut verteidigen kann. Gelegentlich werden Angriffe von [[Schwertwal]]en auf Walrosse gemeldet. Die Haut der Walrosse ist ein vielfältiger Lebensraum für zahlreiche Arten [[Tierläuse#Anoplura Echte Tierläuse|blutsaugender Läuse]] (Anoplura); [[Kratzwürmer|Kratz-]] (Acanthocephala) und [[Fadenwürmer]] (Nematoda) sind die am häufigsten auftretenden inneren Parasiten. Gebrochene Stoßzähne und bakterielle Infektionen der Flossen oder Augen führen schnell zu Gewichtsverlust und Tod; häufig nachgewiesen ist besonders die Gattung ''Brucella''. Die Auswirkungen [[Viren|viraler]] Infektionen durch [[Caliciviren]] und [[Morbilliviren]] sind noch weitgehend unerforscht. === Sozialverhalten === [[Datei:OdobenusRosmarus.jpg|thumb|right|250px|Walrossbulle auf Spitzbergen]] [[Datei:walross paar.jpg|thumb|right|250px|Zwei Walrosse gehen an Land]] [[Datei:Walross spitzbergen 1.jpg|thumb|right|250px|Walrosse vor Spitzbergen]] [[Datei:Walross fjl.jpg|thumb|right|250px|Walrosse auf Franz-Josef-Land]] [[Datei:19 Walross 2002.jpg|thumb|right|250px|Walrosskuh und -kalb in einer Herde (Foxe Basin)]] Die Hälfte ihres Lebens halten sich Walrosse an Küsten arktischer Inseln oder am Packeisrand auf, wo sie sich in großen Herden versammeln. Außerhalb der Paarungszeit sind diese Herden meist nach Geschlechtern getrennt; Ausnahmen von dieser Regel existieren in einigen nordkanadischen Populationen, in denen Männchen und Weibchen das ganze Jahr über zusammenbleiben. Zur Kommunikation innerhalb der Gruppen steht Walrossen ein großes Repertoire zur Verfügung, das Grunz-, Brüll- und Kreischlaute umfasst. Oft liegen die Tiere dicht bei- oder sogar aufeinander und reiben ihre Körper aneinander oder kratzen sich, ein Verhalten, das vermutlich dazu dient, [[Parasit]]en zu entfernen. Es gibt eine feste Rangordnung, die sich nach der Größe der Stoßzähne und der Körpergröße richtet. Vor allem zwischen den Bullen kommt es auch außerhalb der Paarungszeit zu Auseinandersetzungen, deren Grund ein bevorzugter Ruheplatz an Land sein kann. Haben Drohgebärden keinen Erfolg, kommt es zu Kämpfen, bei denen die Stoßzähne eingesetzt werden und die mit blutigen Wunden enden können. Die Sozialstruktur der Herden zur Paarungszeit und das Fortpflanzungssystem selbst unterscheidet sich etwas zwischen den Unterarten. Walrosse der pazifischen Unterart sammeln sich zu mittelgroßen Gruppen, die aus zahlreichen Weibchen mitsamt ihrem Nachwuchs und einigen begleitenden Bullen bestehen. Diese können sich, wo die Bejagung durch den Menschen noch keine gravierenden Folgen hatte, zeitweilig oder beständig zu noch größeren Herden vereinigen, die dann mehrere tausend Tiere umfassen. Küstenlinien von 100 Kilometern und mehr werden dann von den Kolonien eingenommen. Die Männchen verbringen den größten Teil der Zeit im Wasser und stehen in starker Konkurrenz zueinander. Anders als bei der atlantischen Unterart sind sie jedoch nicht in der Lage, individuelle Weibchen zu verteidigen oder einen Harem zu führen. Als Folge haben sich aufwendige Rituale der Partnerwerbung herausgebildet: Die Männchen erzeugen unter Wasser Folgen von Klicks und glockenähnlichen Lauten, die sie durch Aufblasen ihrer Luftsäcke hervorrufen, an der Oberfläche dagegen diverse Pfeiftöne; insbesondere die Glockenlaute werden nur während der Paarungszeit dargeboten. Man geht heute davon aus, dass diese reiche Lautpalette und ihre unaufhörliche Darbietung in der Funktion dem Vogelgesang entspricht, also die Aufmerksamkeit von Konkurrenten und möglichen Partnerinnen erringen soll. Eine wichtige Grundlage dieses Systems ist die von den Weibchen ausgehende Partnerwahl. Bullen, die noch nicht die Geschlechtsreife erreicht haben, sammeln sich meist außerhalb der Paarungsgebiete in separaten eingeschlechtlichen Gruppen. Die stabileren Verhältnisse im Atlantik und die im allgemeinen kleineren Gruppen haben vermutlich dazu geführt, dass die dortige Unterart stattdessen ein Haremssystem hat. Auch wenn sich ähnliche Lautäußerungen registrieren lassen, spielen sie vermutlich bei der Partnerwahl nur eine untergeordnete Rolle: Anders als bei den pazifischen Walrossen sind die Männchen hier durch die Herausbildung stabiler Hierarchien in der Lage, größere Gruppen von Weibchen zu monopolisieren. So kommt in manchen Kolonien auf zwanzig Kühe ein kräftiger Bulle, während jüngere und schwächere Männchen im Konkurrenzkampf keine Chance haben und an Randplätze der Kolonie gedrängt werden. Zwischen etwa gleich starken Bullen kann es dagegen zu heftigen Kämpfen kommen. === Fortpflanzung === Die Paarung findet zwischen Januar und Februar wahrscheinlich im Wasser statt. Nach der Befruchtung bleibt das Ei zuerst über vier bis fünf Monate dormant (entwickelt sich nicht weiter), bevor die elfmonatige eigentliche Tragzeit beginnt. Die Geburt findet in der Regel also im Mai des darauf folgenden Jahres statt, so dass sich ein zweijähriger Fortpflanzungsrhythmus ergibt, der sich bei älteren Kühen zunehmend verlängern kann. Jede trächtige Kuh bringt nur ein Kalb zur Welt; Zwillingsgeburten sind extrem selten. Die geringe Geburten- und Nachkommenzahl führt dazu, dass Walrosse eine selbst für Säugetiere extrem niedrige Fortpflanzungsrate haben und daher Populationsrückgänge nur über lange Zeiträume hinweg wieder ausgleichen können. Die Kälber sind bei der Geburt knapp einen Meter lang, wiegen etwa 50 Kilogramm und können sofort schwimmen. Die ersten sechs Monate werden sie nur durch die Muttermilch ernährt, danach wird die Nahrung zunehmend durch andere Bestandteile ergänzt. Nach zwei Jahren werden die Jungtiere entwöhnt, bleiben aber noch ein bis drei weitere Jahre bei dem Muttertier. Weibchen werden mit vier bis zehn, durchschnittlich aber etwa sechs Jahren geschlechtsreif, Männchen erreichen die physiologische Geschlechtsreife mit neun bis zehn Jahren. Sie sind aber erst mit etwa fünfzehn Jahren in der Lage, sich im Konkurrenzkampf gegen Artgenossen durchzusetzen und tatsächlich Zugang zu Weibchen zu erhalten, ein Zustand, den man als ''soziale Geschlechtsreife'' bezeichnet. == Stammesgeschichte == [[Datei:18 Walross 1999.jpg|thumb|right|250px|Walrosskuh (Foxe Basin)]] Die Walrossfamilie ist fossil seit dem [[Miozän]] nachgewiesen und stammt vermutlich wie die Ohrenrobben aus dem nördlichen Pazifik. Im Miozän und im darauffolgenden [[Pliozän]] gab es noch mehrere Walross-Arten, die äußerlich noch sehr stark heutigen [[Ohrenrobben|Seelöwen]] ähnelten. Im späten Miozän, vor etwa fünf bis zehn Millionen Jahren, waren sie anscheinend die dominante und zugleich vielfältigste Robbengruppe des Pazifik. Zu dieser Zeit fand auch bei einigen Arten eine Umstellung von mehrheitlich fischbasierter Nahrung auf ein von der Fauna des Meeresbodens (''Benthos'') dominiertes Beutespektrum statt, die auch mit morphologischen Änderungen einherging. Dazu zählte etwa die Umstellung des Vortriebs im Wasser auf die Hinterflossen und die Vergrößerung der Eckzähne. Zur Besiedelung des Atlantik, die vor etwa fünf bis acht Millionen Jahren stattfand, gibt es zwei Hypothesen. Nach der einen fand sie entlang der nordamerikanischen oder sibirischen Küsten des arktischen Ozeans statt, nach der zweiten wanderten die Vorfahren des heutigen Walrosses vor der Entstehung der Landbrücke zwischen Nord- und Südamerika in die Karibik ein und gelangten von dort nach Norden in die polaren Gewässer des Atlantik. Ob die pazifischen Populationen zwischenzeitlich ausstarben und der Pazifik erst im [[Pleistozän]] vor etwa einer Million Jahren sekundär, von entlang der Küsten des arktischen Ozeans einwandernden atlantischen Populationen, wiederbesiedelt wurde oder ob die Vorfahren der pazifischen Unterart auf die ursprünglichen Bewohner des Pazifiks zurückgehen, ist gegenwärtig noch unklar. Sicher ist, dass die Walrosskolonien im Pleistozän wegen der günstigen [[eiszeit]]lichen Bedingungen sehr viel weiter südlich lebten als heute und selbst an den Küsten Mitteleuropas und Kaliforniens zu finden waren. == Mensch und Walross == === Indigene Völker === [[Datei:20 Walrus Hunt 1999.jpg|thumb|right|250px|Walrossjagd: Zerlegen der Beute (Eisscholle in der Hudson Strait nahe [[Cape Dorset]])]] [[Datei:21 Walrus Hunt 1999.jpg|thumb|right|250px|Walrossjagd: Beute wird auf größere Eisscholle gezogen (Hudson Strait nahe [[Cape Dorset]])]] Im Leben und in der Kultur arktischer Völker, insbesondere der [[Inuit]], [[Inupiat]], [[Yupik]], [[Tschuktschen]] und [[Koriaken]], hat das Walross immer eine bedeutende Rolle gespielt. Sie verwendeten praktisch alle Körperteile: Das Walross lieferte Nahrung (Fleisch, Gedärm und Innereien), Heizmaterial (z.B. [[Tran]]), Baumaterial (Walrosshaut, Magenhaut, Knochen und Stoßzähne) für [[Qarmaq|Erdsodenhäuser]] und Boote ([[Baidarka]], [[Kajak]] und [[Umiak]]) sowie Material für Kleidung (Walrosshaut, Magenhaut). Walrossfleisch und sogar –flossen, monatelang in der Erde fermentiert, gelten noch heute als Delikatesse.<ref>[http://www.polartravel.de/downloads/handbuchnordpazifik.pdf Handbuch des Nordpazifiks]</ref><ref>J. Forsyth (1992) ''A History of the Peoples of Siberia: Russia's North Asian Colony, 1581-1990''. Cambridge University Press, London </ref> Auch in der Mythologie und der Folklore der indigenen Völker spielt das Walross eine wichtige Rolle.<ref>W. Bogoras. (1902) The Folklore of Northeastern Asia, as Compared with That of Northwestern America. ''American Anthropologist, New Series'', Vol. 4, No. 4. (Oct. - Dec., 1902), pp. 577-683.</ref> Einige Volksgruppen, vor allem die Küsten-Tschuktschen und die Yupik an der [[Beringsee]], decken zum Teil noch heute bis zur Hälfte ihres Proteinbedarfs mit Walrossfleisch, im Übrigen mit dem Fleisch von [[Bartrobbe]]n, [[Ringelrobbe]]n und [[Wale]]n.<ref>A.I. Kozlov, and Zdor, E.I.(2003) Whaling Products as an Element of Indigenous Diet in Chukotka. "The Anthropology of East Europe Review: Central Europe, Eastern Europe and Eurasia. Special Issue: Food and Foodways in Post-Socialist Eurasia" , 21 (1): 127–137.</ref><ref>Eleanor, E.W., M.M.R. Freeman, and J.C. Makus. 1996. Use and preference for Traditional Foods among Belcher Island Inuit. Artic 49(3):256-264.</ref> Schnitzereien aus Walrosselfenbein haben in der Arktis eine weit zurück reichende künstlerische [[Tradition]].<ref>Chester S. Chard (1955) Eskimo Archaeology in Siberia. ''Southwestern Journal of Anthropology'', Vol. 11, No. 2.</ref> Bis heute trägt vielerorts in der Arktis das Gestalten von Kunstwerken aus Walrosselfenbein zur Wertschöpfung bei, so in vielen Dörfern in [[Autonomer Kreis der Tschuktschen|Tschukotka]] (vor allem [[Uelen]]) und [[Alaska]] (z.B. [[Shishmaref]]) sowie [[Nunavut]] (u. a. [[Iglulik]]), obwohl der internationale Handel mit Walrosselfenbein durch das [[Washingtoner Artenschutz-Übereinkommen]] beschränkt wird.<ref>C. Taksamiin (1990) Ethnic Groups of the Soviet North: A General Historical and Ethnographical Description. in ''Arctic Languages, an Awakening'' [http://unesdoc.unesco.org/images/0008/000861/086162e.pdf] </ref><ref>[http://www.dced.state.ak.us/oed/nag/ivory.htm]</ref> In Alaska und Russland gibt es eine regulierte Subsistenzjagd von vier- bis siebentausend Pazifik-Walrossen jährlich, worunter auch ein hoher Anteil (etwa 42%) verletzter Tiere fällt.<ref> Garlich-Miller, J.G. and D.M. Burn (1997) Estimating the harvest of Pacific walrus, ''Odobenus rosmarus divergens'', in Alaska. Fish. Bull. 97 (4):1043-1046. </ref> In Grönland und Kanada, wo die zahlenmäßig niedrigeren atlantischen Populationen noch bedroht sind, werden nur einige hundert im Jahr erlegt.<ref> Witting, L. and Born, E. W. (2005) An assessment of Greenland walrus populations. ICES Journal of Marine Science. 62(2):266-284.</ref> Ein Ermitteln, welche Gefährdung der Bestände von solcher Jagd ausgeht, erweist sich als schwierig, da noch erhebliche Ungewissheit hinsichtlich Bestandsabschätzung und Populationsparameter wie [[Fertilität]] und [[Mortalität]] herrscht.<ref>Garlich-Miller et al. (1997)</ref> === Walrossjagd durch Nicht-Ureinwohner === [[Datei:Walross kolonie.jpg|thumb|right|250px|Walross-Kolonie]] Mit dem Vordringen weißer Jäger in die arktischen Meere entwickelte sich für die Walrosskolonien eine fatale Situation. Walrosse wurden nun intensiv bejagt, vor allem wegen des Elfenbeins ihrer Stoßzähne, das qualitativ nur hinter dem von Elefanten zurücksteht. Entlang der Ostküste Nordamerikas kamen Walrosse bis nach [[Cape Cod]] und im [[Sankt-Lorenz-Golf]] vor. Hier wurden im 16. und 17. Jahrhundert jährlich mehrere tausend Walrosse erlegt. Im 19. Jahrhundert waren südlich von [[Labrador-Halbinsel|Labrador]] sämtliche Walrosse ausgerottet. Auf der Suche nach noch nicht erloschenen Kolonien drangen die Jäger in immer entlegenere Regionen vor. Welche Dimension das Hinschlachten von Walrosse annahm, zeigt die Schätzung, dass zwischen 1925 und 1931 allein an den Küsten der kanadischen [[Baffininsel]] etwa 175.000 Walrosse getötet wurden. Das Atlantische Walross war dadurch zeitweilig fast ausgestorben. Heute schätzt man den Bestand an Atlantik-Walrossen auf etwa 15.000 Tiere; aus unbekannten Gründen ist eine Erholung bis heute trotz Schutzmaßnahmen bei weitem noch nicht eingetreten. Das Pazifische Walross wurde zwar vergleichbar dezimiert, obwohl das Jagen erst viel später begann. Aufgrund von Schutzmaßnahmen durch die USA und Russland hat sich der Bestand jedoch wieder erholt, so dass die Zahl der Pazifik-Walrosse heute wieder etwa 200.000 beträgt und die Art als nicht mehr bedroht gilt. === Verschmutzung === Hinsichtlich der Verschmutzung ihres Lebensraumes sind Walrosse in erster Linie von Ölunglücken betroffen, da sich hochmolekulare Kohlenwasserstoffe auf dem Grund des Meeres und damit in den Nahrungsgründen der Walrosse ansammeln und die Zahl ihrer Beutetiere reduzieren können. Aufgrund des geringen Fettgehalts ihrer Nahrung ist dagegen die Belastung durch organische Chlorverbindungen und auch Schwermetalle wie [[Quecksilber]] geringer als bei anderen Meeressäugern (Robben jagende Walrosse bilden eine Ausnahme, da sie über diese Nahrungsquelle Schadstoffe aufnehmen). Regelmäßiger Lärm, wie er in der Nähe menschlicher Siedlungen etwa mit Flugplätzen verbunden ist, kann dazu führen, dass nahegelegene Paarungsplätze aufgegeben werden. Wie sich die [[globale Erwärmung]] auswirken wird, ist noch ungewiss. Einerseits ist bekannt, dass Walrosse einst in wesentlich wärmeren Meeresgegenden lebten; andererseits zeigen Untersuchungen pazifischer Populationen, dass ein Rückgang der Fortpflanzungsrate in engem Zusammenhang mit dem Verlust großer zusammenhängender Packeisflächen steht. Dazu kommt, dass die Auswirkungen steigender Meerestemperaturen auf die Beute der Walrosse unvorhersehbar sind. === Verhalten gegenüber dem Menschen === [[Datei:8 Walross 1999.jpg|thumb|right|250px|Walrossbulle (Foxe Basin)]] Bleibt der Mensch außerhalb der [[Fluchtdistanz]] des Walrosses, beobachtet es ihn zwar neugierig, ist für gewöhnlich aber wenig beunruhigt. Kommt ihm der Mensch (z.B. im Boot) allerdings zu nahe, zieht sich das Walross in der Regel von der Lagerstatt auf der Eisscholle ins schützende Wasser zurück und taucht für kurze Zeit unter. In Einzelfällen kann es allerdings auch zu Angriffen auf den Menschen kommen. Vor allem kleinere Boote wie Kajaks werden gelegentlich von aggressiven Bullen umgestoßen und die Insassen (nicht selten mit Todesfolge) attackiert. Der Ethnologe und Anthropologe [[Barry Lopez]] erzählt sogar von einem Walrossbullen, der einen Menschen auf einer Eisscholle angegriffen habe.<ref>Barry Lopez: Arktische Träume, dtv (1. Aufl., S. 149) München 1989. ISBN 3-423-11154-2</ref> [[Datei:Pazifisches Walross Tanja Hannover 06.jpg|250px|thumb|right|„Tanja“, das letzte in einem deutschen Zoo gehaltene Walross, im Sommer 2006]] === Zoos === Gelegentlich werden Walrosse in Zoos gehalten. Als Maskottchen des [[Norddeutscher Rundfunk|Norddeutschen Rundfunks]] erlangte etwa das [[Antje (Walross)|Walross Antje]] Popularität. In Deutschland wird derzeit kein Walross mehr in Gefangenschaft gehalten, nachdem [[Tanja (Walross)|Tanja]], ein 33jähriges Walrossweibchen, im Zoo von Hannover 2007 wegen Altersbeschwerden eingeschläfert wurde. == Zitierte Quellen == Die Informationen dieses Artikels entstammen zum größten Teil den unter Literatur angegebenen Quellen, darüber hinaus werden folgende Quellen zitiert: <references /> == Literatur == * Ronald M. Nowak: ''Walker's Mammals of the World.'' Johns Hopkins University Press, Baltimore <sup>6</sup>1999, ISBN 0-8018-5789-9 * Barry Lopez: ''Arktische Träume.'' Btb Bei Goldmann, München 2000, ISBN 3-442-72642-5 === Nomenklatur === *C. v. Linné: ''Systema naturae per regna tria naturae, secundum classes, ordines, genera, species, cum characteribus differentiis, synonymis, locis.'' Curt, Magdeburg 38,1758,1 (10. Aufl.), Georg Emanuel Beer, Leipzig 1788 (13. Aufl.), Trustees British Museum, London 1956 (Nachdr. Faks.). *M. J. Brisson: ''Le regnum animale in classes IX distributum, sive synopsis methodica sistens generalem animalium distributionem in classes IX, & duarum primarum classium, quadrupedum scilicet & cetaceorum, particularem dibvisionem in ordines, sectiones, genera & species.'' T. Haak, Paris 1762. == Weblinks == {{Wiktionary|Walross}} {{Commons|Odobenus rosmarus|Walross}} * [http://alaska.usgs.gov/science/biology/walrus/index.html Walrus Projects at the Alaska Science Center] (englisch) * {{IUCN |Year=2006 |ID=15106 |ScientificName=Odobenus rosmarus |YearAssessed=1996 |Assessor=Seal Specialist Group |Download=12. Mai 2006 }} {{Exzellent}} [[Kategorie:Robben]] {{Link FA|fr}} {{Link GA|en}} [[ang:Horshwæl]] [[ar:فظ (حيوان)]] [[az:Morjlar]] [[bg:Морж]] [[bn:সিন্ধুঘোটক]] [[bo:མཚོ་གླང་།]] [[br:Kole-mor]] [[ca:Morsa]] [[cs:Mrož lední]] [[da:Hvalros]] [[en:Walrus]] [[eo:Rosmaro]] [[es:Odobenus rosmarus]] [[fa:گراز دریایی]] [[fi:Mursu]] [[fr:Morse (animal)]] [[ga:Rosualt]] [[gd:Each-mara (mamal)]] [[gl:Morsa]] [[he:ניבתן]] [[hr:Morževi]] [[hu:Rozmár]] [[is:Rostungur]] [[it:Odobenus rosmarus]] [[ja:セイウチ]] [[jbo:odbenu]] [[ka:მორჟი]] [[ko:바다코끼리]] [[ku:Mors]] [[lt:Vėplys]] [[lv:Valzirgs]] [[ml:വാൽറസ്]] [[mn:Далайн морь]] [[myv:Обран]] [[nl:Walrus]] [[no:Hvalross]] [[nv:Tábąąstííntsoh bideeʼ hólónígíí]] [[oc:Odobenus rosmarus]] [[pl:Mors]] [[pt:Morsa]] [[ro:Morsă]] [[ru:Морж]] [[simple:Walrus]] [[sr:Морж]] [[sv:Valross]] [[te:వాల్‌రస్]] [[th:วอลรัส]] [[tl:Odobenus rosmarus]] [[tr:Mors (hayvan)]] [[uk:Морж]] [[yi:וואלראס]] [[zh:海象]] [[zh-yue:海象]] 6nb4fy17r3n9mmymp87f2svlaa1po19 wikitext text/x-wiki Vernon A. Walters 0 24466 27067 2010-04-28T22:31:21Z H-stt 0 /* Soldat im Zweiten Weltkrieg */ link '''Vernon Anthony Walters''' (* [[3. Januar]] [[1917]] in [[New York City|New York]]; † [[10. Februar]] [[2002]] in [[West Palm Beach]], [[Florida]]) war ein [[Vereinigte Staaten|US-amerikanischer]] [[United States Army|Soldat]], [[Nachrichtendienst]]ler und [[Diplomat]]. Er diente über fünf Jahrzehnte lang acht verschiedenen [[Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika|US-Präsidenten]] als [[Antikommunismus|antikommunistischer]] Kämpfer im [[Kalter Krieg|Kalten Krieg]], zunächst in ausführender Rolle, später als Planer von offenen und [[Verdeckte Operation|verdeckten Aktionen]] und Verhandlungen in aller Welt. In die öffentliche Wahrnehmung geriet Walters erst im letzten Drittel seiner Karriere, vor allem 1972–1976 als stellvertretender Direktor der [[Central Intelligence Agency|Central Intelligence Agency (CIA)]], 1985–1989 als [[Botschafter]] bei den [[Vereinte Nationen|Vereinten Nationen]] und 1989–1991 als [[Botschafter]] in der [[Deutschland|Bundesrepublik Deutschland]] während der [[Deutsche Wiedervereinigung|Deutschen Wiedervereinigung]]. [[Datei:Ambassador Vernon A. Walters.jpg|thumb|upright=1.33|Walters als Botschafter der Vereinigten Staaten]] == Herkunft und Privates == Walters wurde in [[New York City|New York]] als Sohn britischer Einwanderer geboren und lebte während seiner Kindheit und Jugend mit seinen Eltern ab 1923 in [[Frankreich]] und ab 1928 in [[Vereinigtes Königreich|Großbritannien]]. Fünf Jahre lang besuchte er das ''Stonyhurst College'', ein [[Jesuiten]]-Internat in [[Lancashire]], England. Er sprach schon als Kind sechs westeuropäische Sprachen fließend und erwarb später zudem hervorragende [[Russische Sprache|Russisch-]] und grundlegende [[Hochchinesisch|Chinesisch]]-Kenntnisse. Mit 16 Jahren kehrte er ohne formalen Schulabschluss in die USA zurück und arbeitete im Versicherungsbüro seines Vaters, insbesondere als Schadensermittler. Der gläubige [[Römisch-Katholische Kirche|Katholik]] ging nach Möglichkeit auch auf Reisen täglich zur Messe. Walters war nie verheiratet und es gibt auch keine Hinweise darauf, dass er jemals eine sexuelle Beziehung zu einer Frau oder einem Mann gehabt hätte. In seinen Erinnerungen gab er für das Jahr 1942 an, keine sexuellen Beziehung unterhalten zu haben. Walters beschreibt auch, wie in den 1960er Jahren französische Nachrichtendienste mehrfach versucht hätten, ihn sowohl mit Frauen als auch Männern zu verführen, bis sie schließlich akzeptierten, dass Walters darauf nicht ansprach. Der Pfarrer einer Kirche, die er im Ruhestand regelmäßig besuchte, beschrieb ihn als „keuschen Junggesellen“<ref>[http://www.crisismagazine.com/february2005/cloud.htm George W. Rutler, ''Cloud of Witnesses: Vernon A. Walters''], in: ''Crises Magazine'' vom Februar 2005</ref>. Aus seinem Privatleben ist nur seine besondere Vorliebe zu Schokolade bekannt,<ref>Cameron R. Hume: The United Nations, Iran, and Iraq: How Peacemaking Changed, Indiana University Press 1994, ISBN 0253328748 S. 93</ref> die er selbst in den knappen Zeiten beim Militär ständig gegen Zigaretten eintauschen wollte.<ref>Vernon Anthony Walters: Silent Missions, Doubleday Publishing 1978, ISBN 0385135009, S. 127.</ref> == Soldat im Zweiten Weltkrieg == 1941 wurde Walters in die US-Armee eingezogen. Durch seine Sprachkenntnisse aufgefallen, wurde er im ersten Jahr zu einem Offizierslehrgang berufen. Zunächst als [[Militärpolizei|Militärpolizist]] ausgebildet, wechselte er früh zum militärischen [[Nachrichtendienst]] der [[United States Army|US-Army]]. Dort wurde er in ständig wechselnden Verbindungsstäben, Einheiten, Ausbildungsstellen und als [[Dolmetscher]] eingesetzt. Nach Eintritt der USA in den [[Zweiter Weltkrieg|Zweiten Weltkrieg]] ''(7. Dezember 1941)'' nahm er 1942 an der Invasion [[Nordafrika]]s teil. Die dortigen französischen [[Kolonie]]n standen unter Kontrolle des [[Vichy-Regime]]s, das mit dem [[Deutsches Reich|Deutschen Reich]] verbündet war. Aufgrund mutiger Einsätze und inoffizieller Verhandlungen mit den Franzosen wurde er mehrfach rasch befördert. Er war an den Verhandlungen mit dem formal neutralen [[Portugal]] über die Nutzung der [[Azoren]] als Stützpunkt für die [[United States Air Force|US-Air Force]] zum Schutz der Konvois über den Atlantik beteiligt und hatte Anteil daran, dass [[Brasilien]] mit einem Expeditionscorps in den Krieg eintrat. Im Stab der [[5. US-Armee]] unter Generalleutnant [[Mark W. Clark]] war er den über 25.000 Brasilianern des ''Força Expedicionária Brasileira'' als Verbindungsoffizier zugeteilt und verbrachte das Jahr 1944 an der italienischen Front, wo er bei einer Explosion verwundet wurde. Im Juni 1944 war er persönlicher [[Adjutant]] von General Clark beim Einmarsch in [[Rom]]. Kurzzeitig diente er als Dolmetscher für [[Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika|US-Präsident]] [[Harry S. Truman]]. Auf diesen Positionen knüpfte Walters zu Offizieren verschiedenster alliierter Armeen, die in der Nachkriegszeit hochrangige Positionen in Militär oder Politik ihrer Länder erreichten, persönliche Beziehungen. == Brasilien, Marshallplan und Weißes Haus == Am Ende des Zweiten Weltkriegs standen die brasilianischen Armeeeinheiten mit Walters bei [[Genua]]. Er wurde noch im Jahr 1945 als stellvertretender [[Militärattaché]] an die US-[[Botschaft (Diplomatie)|Botschaft]] in [[Rio de Janeiro]] versetzt. 1948 wurde er Mitglied des persönlichen Stabes von [[Averell Harriman]], der in Paris das Hauptquartier zur Durchführung des [[Marshallplan]]s aufbaute. Mit Harriman reiste Walters mehrfach in alle beteiligten Staaten, darunter auch [[Griechenland]]. Dort war der Zweite Weltkrieg beinahe nahtlos in den [[Griechischer Bürgerkrieg|Griechischen Bürgerkrieg]] zwischen der offiziellen, von den Westalliierten gestützten Regierung und den linksgerichteten, von den Kommunisten dominierten [[Partisan]]en übergegangen. Letztere sahen sich um die Beteiligung an der Macht entsprechend ihrem Anteil am Kampf gegen die Deutschen und ihrem Rückhalt in der Bevölkerung gebracht. Als Harriman 1949 zum Berater und internationalen ''[[Troubleshooter]]'' (Krisenmanager) von Präsident Truman berufen wurde, blieb Walters in seinem Stab und arbeitete als Berater und Dolmetscher im [[Weißes Haus|Weißen Haus]]. 1950 reiste er mit Truman und Harriman zu einem Treffen mit US-General [[Douglas MacArthur]], um Meinungsverschiedenheiten über die [[Strategie (Militär)|Strategie]] im [[Koreakrieg]] beizulegen. Kurzzeitig wurde Walters in Korea zum ständigen Verbindungsmann zwischen MacArthur und dem Weißen Haus eingesetzt. Seine Aufgabe war es, den wenig kooperativen Oberbefehlshaber, der insbesondere gegen den erklärten Willen der politischen Führung den massiven Einsatz von [[Napalm]] und [[Atomwaffen]] forderte,<ref>Bruce Cummings: ''[http://www.monde-diplomatique.de/pm/2004/12/10.mondeText.artikel,a0034.idx,8 Napalm über Nordkorea]''. In: [[Le Monde diplomatique]], 10. Dezember 2004 (abgerufen am 19. August 2009)</ref> enger an Washington zu binden. [[Bild:NezUniversiteParisDauphine.jpg|thumb|[[Universität Paris-Dauphine]] im ehemaligen NATO-Hauptquartier]] == NATO, Iran und wieder im Weißen Haus == 1951 warb General [[Dwight D. Eisenhower]] Walters in seinen Dolmetscher- und Beraterstab beim Aufbau des neuen [[NATO]]-Hauptquartiers ''[[Supreme Headquarters Allied Powers Europe|SHAPE]]'' in Paris ab. Unmittelbar nachdem Walters diesen Posten angetreten hatte, lieh Harriman sich seinen ehemaligen Mitarbeiter noch einmal für eine schwierige Mission aus. In Kooperation mit den Briten verhandelte Harriman mit dem [[iran]]ischen Premierminister [[Mohammad Mossadegh]] über eine Entschädigung für die Enteignung und Verstaatlichung der [[Anglo-Iranian Oil Company]]. Nachdem diese Verhandlungen erfolglos blieben, überzeugten die USA 1953 [[Schah]] [[Mohammad Reza Pahlavi]], von seinem verfassungsmäßigen Recht Gebrauch zu machen und seinen Premierminister abzusetzen. Die [[Central Intelligence Agency|CIA]] unterstützte die Absetzung Mossadeghs mit der ''[[Operation Ajax]]''. Zurück im NATO-Hauptquartier in Paris diente Walters in der Protokollabteilung als Assistent Eisenhowers und nach dessen Wahl zum US-Präsidenten im November 1953 formal in der Abteilung für Logistik und Beschaffung, einer Position, die seiner Qualifikation nicht entsprach. Jedoch nahm er in dieser Zeit nach eigenen Aussagen an nachrichtendienstlichen Schulungen teil. Anzunehmen ist deshalb, dass Walters an der Gründung illegaler ''Stay-Behind-Organisationen'' (Geheim-Armeen) in fast allen westeuropäischen Staaten beteiligt war, die damals vom NATO-Hauptquartier organisiert wurden. Diese wurden erst in den 1990er Jahren unter dem Namen ihres italienischen Ablegers ''[[Gladio]]'' bekannt. Ab 1955 arbeitete Walters wieder in Washington bei der ständigen NATO-Gruppe. Zugleich war er Dolmetscher für Präsident Eisenhower und Vizepräsident [[Richard Nixon]]. Für Eisenhower übersetzte er bei Staatsbesuchen und internationalen Konferenzen, so bei den Vier-Mächte-Konferenzen [[Genfer Gipfelkonferenz|1955 in Genf]] und [[Pariser Gipfelkonferenz|1960 in Paris]], welche vom „[[Lockheed U-2|U-2]]-Zwischenfall“ um den Abschuss von [[Francis Gary Powers|Gary Powers]] überschattet wurde. Nixon begleitete er 1958 auf einem umstrittenen Staatsbesuch quer durch Südamerika. In [[Caracas]], [[Venezuela]] kam es dabei zu gewaltsamen Ausschreitungen. In seinen Memoiren lobte Walters Nixons persönlichen Mut und die Entschlossenheit, die dieser damals gezeigt habe. == Militärattaché == In den 1960er Jahren machte Walters Karriere als [[Militärattaché]] an verschiedenen US-Botschaften in Europa und Südamerika. === Rom === Ab 1960 hielt Walters in [[Italien]] den Kontakt zum [[Esercito Italiano|italienischen Heer]]. Dieses wurde nach dem 2. Weltkrieg mit massiver Hilfe der USA und der NATO ausgebaut und hatte hohen Koordinierungsbedarf. Walters traf in Rom auch wieder auf den Leiter des italienischen Nachrichtendienstes ''[[Servizio Informazioni Forze Armate|SIFAR]]'', General [[Giovanni De Lorenzo]], mit dem ihn eine persönliche Freundschaft aus dem Zweiten Weltkrieg verband. Walters soll mit de Lorenzo unter dem Codenamen ''„Piano Solo“'' den Plan für einen Staatsstreich für den Fall einer Regierungsbeteiligung der italienischen [[Eurokommunismus|Eurokommunisten]] ausgearbeitet haben, der auf die Kräfte der NATO/CIA-Geheimorganisation [[Gladio]] und die katholische, rechtsextremistische und mit der [[Mafia]] verflochtene Untergrundbewegung rund um die Geheimloge [[Propaganda Due]] setzte<ref>Daniele Ganser: ''NATO's secret armies – Operation Gladio and terrorism in Western Europe.'' Cass, London 2005, S. 71. ISBN 0-7146-5607-0</ref>. === Brasilia === Ende 1962 wurde Walters wieder nach [[Brasilien]] versetzt und nahm die Position des Militärattachés an der US-Botschaft in [[Brasília]] ein. Botschafter Lincoln Gordon gab ihm am ersten Tag den Auftrag: :''Von Ihnen erwarte ich drei Dinge: Erstens will ich wissen, was in den Streitkräften vor sich geht; zweitens will ich durch Sie einen gewissen Einfluss auf sie ausüben; und drittens – das ist das Wichtigste – verschonen Sie mich mit Überraschungen!''<ref>Walters 1990, S. 255</ref> Dann gab er Walters Hintergrundinformationen über die sich gerade entwickelnde [[Kubakrise]]. Walters stand zu diesem Zeitpunkt bereits unter der Beobachtung der östlichen Nachrichtendienste. Eine kommunistische Zeitung in Brasilien hieß ihn als „Chefspezialist des Pentagon für Militärputsche“ willkommen und brachte ihn mit dem Putsch gegen König [[Faruq]] von [[Ägypten]] 1952, Präsident [[Arturo Frondizi]] in [[Argentinien]] und Präsident [[Manuel Prado y Ugarteche]] in [[Peru]] 1962 in Verbindung. Sein Auftrag sei, „Präsident [[João Goulart]] zu stürzen und durch eine Marionetten-Regierung der USA zu ersetzen“<ref>Walters 1990, S. 256</ref>. Walters wies die Vorwürfe zurück und verwies darauf, dass das brasilianische Volk zu stolz sei, um die Einmischung eines Ausländers zu akzeptieren. Walters Kontakte zu den brasilianischen Militärs waren exzellent. Allein 13 Offiziere, die er aus seiner Zeit in Italien persönlich kannte, waren mittlerweile zu Generälen aufgestiegen. Enge persönliche Freunde waren der Armeestabschef General [[Humberto Castelo Branco]] und der Leiter des Militärgeheimdienstes General Golbery do Couto e Silva. Die innenpolitische Lage in Brasilien verschlechterte sich in den nächsten Jahren deutlich. Gesellschaftliche Spannungen entstanden aus dem sozialen Ungleichgewicht zwischen [[Movimento dos Trabalhadores Rurais Sem Terra|Kleinbauern und Landlosen]] gegenüber ''Latifundistas'' (Großgrundbesitzern). Die USA und Walters sahen überall kommunistische Einflüsse am Werk, die ihre Interessen insbesondere an den Rohstoffen des Landes gefährdeten. Die CIA wurde ermächtigt, eine antikommunistische Bewegung in der Landbevölkerung zu fördern. Eine Landreform zu Lasten der Großgrundbesitzer und die Versetzung einiger ultrakonservativer Offiziere vom Generalstab auf unwichtige Posten lösten in Washington, konservativen Kreisen und im Militär Ängste vor einem „zweiten Kuba“ oder „zweiten China“ aus. Ostern 1964 putschten Generäle gegen Präsident Goulart. General Castelo Branco wurde nach einer kurzen Übergangsfrist zum neuen Staatspräsidenten ernannt. Für den Fall eines Bürgerkriegs hatten die USA schon im Vorfeld des Putsches eine Einsatzgruppe der ''[[United States Marine Corps|US-Marines]]'', ein Tankschiff mit Panzer- und Flugzeugtreibstoff und ein Flugzeug mit [[Munitionslieferung]]en bereitgestellt. Walters behauptete 1975 in einer Anhörung vor dem [[Kongress der Vereinigten Staaten|US-Kongress]], dass er, obwohl Militärattaché, von diesen Vorbereitungen nichts gewusst habe. === Paris === Im Jahr 1967 sollte Walters wieder nach Europa versetzt werden, diesmal als Militärattaché in Frankreich. Der [[Vietnamkrieg]] der USA war im Laufe des Jahres 1966 eskaliert, so dass die Beziehungen zu den ehemaligen Kolonialherren Indochinas elementar wichtig waren. Zur Vorbereitung ging Walters für vier Wochen nach [[Ho-Chi-Minh-Stadt|Saigon]], um Eindrücke von seinem nunmehr vierten Krieg aus erster Hand zu gewinnen. Im Nachhinein nannte er Vietnam „einen der nobelsten und selbstlosesten Kriege“,<ref> New York Times, ''MAN IN THE NEWS; WALTERS, LONGTIME DIPLOMAT, GETS KIRKPATRICK POST AT U.N.'', 9. Februar 1985, S. 1</ref> den die Vereinigten Staaten je geführt haben. In Paris angekommen, war seine Aufgabe zunächst, bei französischen Militärs alle erdenklichen Informationen über vietnamesische Offiziere, Waffen, militärische Einrichtungen und sonstige Anlagen zu beschaffen. Seine Bekanntschaft mit Staatspräsident [[Charles de Gaulle]] und [[Georges Pompidou]] aus dem Zweiten Weltkrieg und seine früheren Parisaufenthalte erleichterte ihm seine Aufgaben, trotz des 1966 erfolgten Rückzugs Frankreichs aus der militärischen Struktur der NATO. Im August 1969 etablierte [[Henry Kissinger]], Sonderbotschafter des neuen US-Präsidenten [[Richard Nixon]], Walters als Kommunikationsführer für Geheimverhandlungen mit der Regierung von [[Vietnam|Nordvietnam]] über die Pariser Botschaften. Nur mit Kenntnis des Staatspräsidenten Pompidou schmuggelte Walters Kissinger fünfzehnmal ins Land, sprach viele Male direkt mit [[Lê Đức Thọ]] und später auch mit den Vertretern [[Volksrepublik China|Chinas]] über den Krieg in Asien. Über die mit seiner Hilfe etablierten Kanäle handelte Kissinger schließlich 1973 den Abzug der Amerikaner aus Vietnam aus. Neben seinen regulären und geheimen Aufgaben in Paris setzte Nixon Walters als Sonderbotschafter ein. Er entsandte ihn 1971 zu einem inoffiziellen Besuch zum [[Spanien|spanischen]] [[Diktatur|Diktator]] [[Francisco Franco]], um die Planungen zu einem Übergang zur Demokratie nach Francos Tod zu beraten. Außerdem begleitete Walters Präsident Nixon als Berater und Dolmetscher auf Staatsbesuchen in verschiedenen Europäischen Ländern. Über Walters Qualität als Übersetzer sagte Charles de Gaulle damals zu Nixon: „Sie haben eine glänzende Rede gehalten, aber Ihr Dolmetscher war eloquent.“<ref>Nachruf auf Walters von der Webseite der CIA</ref> [[Bild:Vernon A Walters.jpg|thumb|Vernon A. Walters 1972 als Stellvertretender Direktor der [[Central Intelligence Agency|CIA]]]] [[Bild:CIA floor seal.gif|thumb|Emblem der CIA im Eingang zum Hauptquartier in Langley, Virginia]] == Stellvertretender Direktor der CIA == Anfang Mai 1972 wurde Walters von Präsident Nixon zum ''Deputy Director of Central Intelligence'' (DDCI) berufen. Als solcher war er der operative Leiter der ''[[Central Intelligence Agency]]'', während der [[Director of Central Intelligence|Direktor]] eine politische Position bekleidet. Obwohl Walters als Angehöriger des Militärischen Geheimdienstes ''[[Defense Intelligence Agency]]'' (DIA) bislang kein Angehöriger der CIA war, hatte er ausreichend enge Beziehungen, um die Leitung wahrzunehmen. Während in Europa der Kalte Krieg und die Bedrohung durch die Sowjetunion in den 1970er Jahren zunehmend als weniger drängend wahrgenommen wurde, verlagerten sich die realen oder befürchteten Konflikte zwischen den Supermächten auf andere Teile der Welt. In Washington und [[Langley (Virginia)|Langley]] wurden Lateinamerika und Schwarzafrika als Schauplätze des Kampfes identifiziert. Kritiker werfen der US-Außenpolitik und insbesondere den Nachrichtendiensten vor, in „[[Schwarz-Weiß-Denken]]“ verfallen zu sein und demokratische Werte und [[Menschenrecht]]e dem Kampf gegen den Kommunismus untergeordnet zu haben. Walters erste Krise fand jedoch im eigenen Land statt. Am 17. Juni 1972 wurden fünf Personen bei einem Einbruch ins Hauptquartier der [[Demokratische Partei (Vereinigte Staaten)|Demokratischen Partei]] im Washingtoner „Watergate-Hotel“ festgenommen, die sich als Mitarbeiter des Wahlkampfteams Nixons herausstellten. Einer von ihnen stand auch auf der Gehaltsliste der CIA. Als Ermittlungen des [[Federal Bureau of Investigation|FBI]] schrittweise den Verbindungen der Einbrecher näherkamen und so drohten, die Brisanz der [[Watergate-Affäre]] zu enthüllen, versuchten Nixons Chefberater [[John Ehrlichman]] und [[Harry Robbins Haldeman]] Walters davon zu überzeugen, dass die CIA das FBI auffordern müsse, die Ermittlungen mit Hinweisen auf geheime Staatsinteressen einzustellen. Während Walters einige Tage lang versuchte, die Hintergründe aufzudecken, unternahm er es tatsächlich, das FBI zu bremsen. Bald war er aber nach seinen eigenen Aussagen überzeugt, dass es keine Staatsgeheimnisse zu schützen gab und hatte persönlichen Anteil daran, dass sich die CIA anschließend aus der Affäre heraushielt. Nixon fühlte sich von der CIA verraten. Die nächsten Jahre gehörten zu den turbulenten Zeiten der CIA. Neben vielfältigen Aktionen im Ausland wurden durch die Ermittlungen rund um die Watergate-Affäre weitere Skandale der US-Nachrichtendienste CIA und FBI bekannt und führten erstmals zu ausführlichen Untersuchungen der Geheimdienstaktivitäten durch das ''[[Church Committee]]'' des [[Kongress der Vereinigten Staaten|US-Kongress]]. Walters war der konstante Faktor als innerhalb weniger Jahre vier verschiedene Direktoren die politische Leitung der CIA innehatten – von Juli bis September 1973 amtierte er selbst als ''Director of Central Intelligence'', weil der Posten unbesetzt war. Mitte des Jahres 1973 kam es zu Geiselnahmen und der Ermordung amerikanischer Diplomaten im [[Libanon]], die Walters veranlassten, zu Geheimverhandlungen mit [[Ali Hassan Salameh]] als Vertreter der [[Palästinensische Befreiungsorganisation|PLO]] nach [[Marokko]] zu reisen.<ref>[[Der Spiegel]], ''Hilfe vom Roten Prinzen'', Ausgabe 41/2001, S. 195</ref> Walters persönliche Verantwortung in dieser Zeit ist schwer zu beurteilen, Akten sind nur bruchstückhaft freigegeben und er schweigt in seinen Erinnerungen. Aufgrund seiner früheren Tätigkeiten ist aber anzunehmen, dass er sich in besonderem Maße für [[verdeckte Operation]]en in spanisch- und portugiesischsprachigen Ländern einsetze. Und genau diese Regionen wurden in Walters Amtszeit zu besonderen Schwerpunkten der CIA. Im September 1973 fand das „[[CIA-Aktivitäten in Chile|Project FUBELT]]“ seinen Abschluss: Unter der Führung von General [[Augusto Pinochet]] putschte die Armee in [[Chile]] gegen Präsident [[Salvador Allende]]. Dessen Sturz hatten die USA seit seiner Wahl 1970 geplant und durch eine Kombination von wirtschaftlichem Druck und direkter Unterstützung der Generäle durch DIA und CIA gefördert. Kissinger sagte kurz nach dem Sturz Allendes, sie (die USA) hätten es nicht (selbst) getan, aber die größtmöglichen Voraussetzungen geschaffen.<ref>Telefonat Kissingers mit Nixon am 16. September 1973 – [http://www.gwu.edu/~nsarchiv/NSAEBB/NSAEBB123/Box%2022,%20File%203,%20Telcon,%209-16-73%2011,50%20Mr.%20Kissinger-The%20Pres%202.pdf Transkript (PDF)] im ''National Security Archive'' der ''George-Washington-University''</ref> 1974 stürzte die [[Nelkenrevolution]] in Portugal die Reste der [[António de Oliveira Salazar|Salazar]]-Diktatur: Die CIA koordinierte mit intensiver deutscher Beteiligung sofort eine massive Unterstützung der linksdemokratischen Kräfte unter [[Mário Soares]] gegen radikalere Kommunisten. Über die [[Parteinahe Stiftung|parteinahen Stiftungen]] der [[Sozialdemokratische Partei Deutschlands|SPD]] und [[Christlich Demokratische Union Deutschlands|CDU]] flossen einige Millionen Mark aus Mitteln der CIA und des [[Bundesnachrichtendienst|BND]] ins Land. [[Datei:Vernon A Walters 02.jpg|thumb|left|3-Sterne-General Vernon A. Walters 1976]] Im folgenden Jahr intensivierte die CIA ihr Engagement in [[Schwarzafrika]]. Als Reaktion auf die Revolution in Portugal wurde [[Angola]] im November 1975 unabhängig, und sofort entbrannte ein [[Stellvertreterkrieg]] zwischen den USA und der Sowjetunion. Die USA und [[Südafrika]] unterstützten die ''[[União Nacional para a Independência Total de Angola|UNITA]]'' von [[Jonas Savimbi]] gegen die marxistische ''[[MPLA]]'', auf deren Seite bis zu 50.000 [[kuba]]nische Soldaten kämpften. Ende 1975 wurde die „[[Operation Condor]]“ zur Zusammenarbeit der Geheimdienste aus sechs [[lateinamerika]]nischen Staaten gegründet. Die CIA unterstützte die Dienste technisch und logistisch und organisierte Schulungen in der ''[[Western Hemisphere Institute for Security Cooperation|School of the Americas]]''. Schwerpunkt der Zusammenarbeit war die Verfolgung echter oder vermeintlicher Kommunisten in Lateinamerika und anderswo. Regimegegner wurden grenzüberschreitend überwacht, verfolgt und ermordet, in einem Fall sogar mit einer Autobombe in Washington. Im März 1976 putschten in [[Argentinien]] Generäle, die teilweise von den USA ausgebildet worden waren und der CIA nahestanden. Sie errichteten eine Schreckensherrschaft mit 2.300 nachweislich Ermordeten, rund 10.000 Verhafteten und 20.000 bis 30.000 ohne nachweisliche Spur [[Desaparecidos|Verschwundenen]]. Die Aufarbeitung der Verbrechen läuft erst im 21. Jahrhundert langsam an. Obwohl Walters als Antikommunist der [[Republikanische Partei|Republikanischen Partei]] nahestand, betonte er, dass er unter Präsidenten beider US-Parteien gedient habe. Trotzdem trat er, als der Sieg des [[Demokratische Partei (Vereinigte Staaten)|Demokraten]] [[Jimmy Carter]] im Laufe des Jahres 1976 absehbar war, nicht nur vom Führungsamt in der CIA zurück, sondern auch im Rang eines 3-Sterne-Generals (''Lieutenant General'') aus der US-Armee aus und nutzte seine Erfahrungen und Verbindungen als Unternehmensberater und Autor. Daneben unterrichtete er unregelmäßig an der ''School of the Americas''. == Sonderbotschafter unter Reagan == Ende 1980 wurde Präsident Jimmy Carter nach nur einer Amtszeit abgewählt. Sein Nachfolger [[Ronald Reagan]] bat Walters noch vor der Amtsübernahme um eine erste Geheimmission, ernannte ihn Anfang 1981 zum Sonderbotschafter und machte ihn zu seinem internationalen ''[[Troubleshooter]]''. Walters Aufgabenbereich war global. Im Auftrag Reagans reiste er um die Welt, überbrachte [[Diplomatische Note]]n, verhandelte in Krisen, baute persönliche Beziehungen aus und holte Geiseln in die USA zurück. Gerne reiste er einen oder zwei Tage vor dem vereinbarten Termin ins Zielland ein, fuhr mit öffentlichen Verkehrsmitteln und unterhielt sich mit Busfahrern, um die Stimmung in der Bevölkerung zu erfassen. Bei anderen Gelegenheiten setzte er auf den größtmöglichen Effekt und flog mit einer Sondermaschine des US-Außenministeriums, um den Gastgebern die Bedeutung seines Anliegens zu vermitteln. Nach eigenen Aussagen reiste er ausschließlich unter seinem richtigen Namen. Auch gegenüber schwierigen Verhandlungspartnern behielt er stets seinen Stil bei. Ein flexibler Verhandler, der seinen Gesprächspartner instinktiv einschätze und bei Bedarf auch unkonventionell ansprach. 1984 besuchte er zweimal den „[[Kleptokratie|Kleptokraten]]“ Präsident [[Mobutu Sese Seko]] in [[Demokratische Republik Kongo|Zaire]] um ihn zu Wirtschaftsreformen und Schuldentilgung im Rahmen des „[[Pariser Club]]s“, sowie der weiteren Unterstützung der ''UNITA'' im benachbarten Angola zu bewegen. Walters schmeichelte dem exzentrischen Mobutu so sehr, dass US-Botschafter Grove für die weitere Zusammenarbeit das Schlimmste befürchtete, aber Walters hatte die Stimmung Mobutus richtig erfasst und hatte Erfolg. Später erklärte Walters dem Botschafter: „Wer denkt, Schmeichelei würde nicht funktionieren, dem wurde nie geschmeichelt.“<ref>Brandon Grove: ''Behind Embassy Walls.'' University of Missouri Press, Columbia 2005, S.274, ISBN 0-8262-1573-4</ref> Zwei Hauptthemen beschäftigten Walters in dieser Zeit besonders: Erstens der Bürgerkrieg in [[Nicaragua]], bei dem die USA Partei für die [[Contra (Organisation)|Contra]]-Rebellen gegen die [[Sandinistas]] des gewählten Präsidenten [[Daniel Ortega]] ergriffen. Nachdem der [[Kongress der Vereinigten Staaten|US-Kongress]] die weitere Unterstützung der Contras untersagt hatte, entwickelte das Weiße Haus eine illegale Fortsetzung der Förderung, möglicherweise finanziert durch geheime und illegale Waffengeschäfte mit dem [[Iran]]. Die [[Iran-Contra-Affäre]] wurde nach ihrer Aufdeckung 1986 zum größten Skandal in der Amtszeit Reagans. Zweitens war ihm die Unterstützung der illegalen Gewerkschaftsbewegung ''[[Solidarność]]'' in [[Polen]] wichtig. Der engagierte Katholik Walters organisierte die Zusammenarbeit der USA mit Papst [[Johannes Paul II.|Johannes&nbsp;Paul&nbsp;II.]] zur Förderung der Untergrundarbeit während der Dauer des [[Ausnahmezustand|Kriegsrechts]] ab Dezember 1981. Er bat den Papst aber auch um Unterstützung in der amerikanischen Innenpolitik: 1982 sprachen sich die Bischöfe der Katholischen Kirche in den Vereinigten Staaten gegen die [[Atomwaffen|Atomrüstung]] aus und forderten einen auch einseitigen Verzicht auf jeden Einsatz gegen zivile Ziele. Nachdem Ende des Jahres Walters und Außenminister [[George Shultz]] den Papst aufforderten, mäßigend auf die Bischöfe einzuwirken, wurden die Sprecher der US-Bischofskonferenz nach Rom beordert, wo der Präfekt der [[Kongregation für die Glaubenslehre|Glaubenskongegration]], [[Benedikt XVI.|Joseph Ratzinger]], ihnen erklärte, sie wären zu solchen Aussagen nicht berechtigt. Der Einfluss war vergebens, im Februar 1983 stellten sich die Bischöfe auf die Seite der ''Freeze''-Bewegung und verlangten in einem [[Hirtenbrief]] ein Einfrieren der Atomrüstung<ref>Der Spiegel, ''Amerikas Bischöfe: Nein zur Atomrüstung'', Ausgabe 19/1983, S. 121</ref>. Wiederholt reiste er außerdem nach Lateinamerika. Eine seiner ersten Reisen führte ihn nach [[Guatemala]], wo seit 30 Jahren Bürgerkrieg herrschte und die USA die ständig wechselnden Militärregierungen mit Waffen und Geld unterstützten. Walters verhandelte 1981 mit General Fernando Garcia, bevor ein von der CIA gestützter Putsch 1982 [[Efrain Ríos Montt]] an die Macht brachte. Auch hier brutalisierte sich die [[Militärdiktatur]] im Kampf gegen die Landbevölkerung. Anfang 1982 pendelte Walters zusammen mit US-Außenminister [[Alexander Haig]] zwischen Washington und Buenos Aires um den Ausbruch des [[Falklandkrieg]]s zu verhindern. Im März 1982 entsandte Präsident Reagan Walters zum [[kuba]]nischen Präsidenten [[Fidel Castro]], um ihm ein Angebot zur Normalisierung der Beziehungen zu unterbreiten, wenn Kuba auf die Unterstützung kommunistischer Bewegungen in Lateinamerika verzichtet und politische Reformen im eigenen Land zulässt. Castro lehnte erwartungsgemäß entschieden ab. Seit 1980 unterstützten die USA die [[Mudschahid|Mudjahedin]] im seit 1979 von der [[Sowjetunion]] besetzten [[Afghanistan]]. Walters war am Ausbau der amerikanischen Zusammenarbeit mit [[Pakistan]] beteiligt, bei der insbesondere der pakistanische Nachrichtendienst [[Inter-Services Intelligence|ISI]] aufgebaut wurde, der in späteren Jahren die Entwicklung der [[Taliban]] aus dem islamistischen Flügel der Mudjahedin förderte. 1983 verübte der [[Islamischer Dschihad|Islamische Dschihad]] einen verheerenden Anschlag auf die ''US-Marines-Barracks'' in [[Beirut]], der Walters zu ausgiebigen Besuchen in der Region veranlasste. [[Bild:Reagan cabinet 1989-01-11.jpg|thumb|Walters im Kabinett Reagan (hintere Reihe, dritter v. r.)]] == Botschafter bei den Vereinten Nationen == Im Februar 1985 berief Präsident Reagan Walters zum [[Liste der Botschafter der Vereinigten Staaten bei den Vereinten Nationen|Botschafter bei den Vereinten Nationen]] in [[New York City|New York]], eine Position, die damals dem [[Kabinett der Vereinigten Staaten|Kabinett des Präsidenten]] angehörte. Damit endete seine intensive Reisetätigkeit nicht, sondern er machte es zu seinem Stil, wann immer möglich, wichtige Fragen und Konflikte bei der jeweiligen Regierung vor Ort zu klären. Von 1981 bis 1989 bereiste er so 142 der damals 159 Mitgliedsstaaten der UNO. Öffentlich wahrgenommen wurde Walters, als er 1986 vor der UNO die [[Operation El Dorado Canyon|US-Luftangriffe auf Libyen]] (''Operation El Dorado Canyon'') als Vergeltung für einen [[La Belle (Diskothek)|Bombenanschlag in Berlin]] verteidigte. Zu weiteren Schwerpunkten seiner Tätigkeit gehörten die * Überwachung der [[Rüstungskontrolle|Rüstungskontrollverträge]] mit der Sowjetunion, * Verhandlungen in den Geiselkrisen des Jahres 1985 im [[Libanon]], * Internationale Zusammenarbeit im „[[Krieg gegen Drogen]]“, * Verhandlungen über den Waffenstillstand 1988 im [[Erster Golfkrieg|Ersten Golfkrieg]] zwischen [[Irak]] und [[Iran]], * Wahlen zur Vorbereitung der Unabhängigkeit [[Namibia]]s von der Besetzung durch [[Südafrika]] und die * internationale Beobachtung des Abzugs der sowjetischen Truppen aus Afghanistan. Anders als seine Vorgänger trat Walters in der amerikanischen Öffentlichkeit als Verfechter der Vereinten Nationen auf und hatte so Anteil daran, dass die USA den Finanzboykott gegen die UNO aufgaben. [[Datei:Bundesarchiv B 145 Bild-F088867-0010, Bonn, BMI, Abschiedsempfang Botschafter der USA.jpg|thumb|Walters im Gespräch mit [[Wolfgang Schäuble]], 1991]] == Botschafter in Deutschland == Anfang 1989 wurde [[George H. W. Bush]] als Präsident der USA vereidigt, der 1976 als Direktor der CIA und von 1981 bis 1988 als Vizepräsident und Koordinator der Außenpolitik unter Reagan Walters Vorgesetzter war. Er entsandte Walters als Botschafter der USA in der [[Deutschland|Bundesrepublik Deutschland]] nach [[Bonn]]. Laut seinen Erinnerungen war die Stelle nicht als Ruhesitz gedacht. Der designierte Außenminister [[James Baker]] habe ihm die Stelle mit den Worten „Dort wird es ums Ganze gehen“<ref>Walters 1994, S. 19</ref> angeboten, weil seit dem Amtsantritt [[Michail Sergejewitsch Gorbatschow|Gorbatschows]] Veränderungen im [[Ostblock]] absehbar waren und die US-Botschaft in Bonn traditionell sowohl in politischer wie in nachrichtendienstlicher Hinsicht führend für die Beziehungen zu den ost-europäischen [[Satellitenstaat]]en war. Walters führt in seinen Erinnerungen an, dass er nicht nur den Zusammenbruch der DDR, sondern auch die schnelle Wiedervereinigung wesentlich früher erkannt habe als seine Vorgesetzten in Washington, als die [[Bundesregierung (Deutschland)|deutsche Bundesregierung]] und insbesondere Moskau. Am 4.&nbsp;September 1989 machten seine Äußerungen eine Schlagzeile in der ''[[International Herald Tribune]]'' ''„Walters: German Unity Soon“''. Die Öffnung der „[[Berliner Mauer|Mauer]]“ am 9. November 1989 überraschte ihn nicht besonders. Am nächsten Morgen organisierte er ein Flugzeug für Bundeskanzler [[Helmut Kohl]], damit dieser nach Berlin kommen konnte, war selbst vor Ort und besichtigte die Lage von einem Hubschrauber aus, bevor er an die [[Glienicker Brücke]] fuhr und dort mit Ost- und Westdeutschen sprach. Walters führte in den folgenden Monaten für seine Regierung viele Verhandlungen im Rahmen der [[Deutsche Wiedervereinigung|Deutschen Wiedervereinigung]], insbesondere zur Vorbereitung des [[Zwei-plus-Vier-Vertrag]]s. Über die Rolle Deutschlands sagte er :Die Deutschen ''haben die Lektion der Geschichte gelernt und werden ihren Beitrag leisten, um die Welt von Furcht und Aggression freizuhalten.''<ref>Walters 1994, S. 192</ref> Bonn war Walters' letzter Posten im Dienst der USA. Im Juni 1991 kündigte er den Eintritt in den Ruhestand an. Nach dem Ausscheiden aus dem diplomatischen Dienst trat er als Redner und Autor an die Öffentlichkeit. Walters starb im Februar 2002 im Alter von 85 Jahren in [[West Palm Beach]], [[Florida]] und wurde auf dem [[Nationalfriedhof Arlington]] begraben. == Auszeichnungen == Vernon A. Walters war Träger der ''Distinguished Service Medal'' mit zwei ''Oak Leaf Clusters'' und der ''Legion of Honor''-Auszeichnung, erhielt 1991 von Präsident Bush die ''[[Presidential Medal of Freedom]]'' verliehen und wurde in die ''Military Intelligence Hall of Fame'' aufgenommen. Er war ebenfalls Träger des ''[[Verdienstorden der Bundesrepublik Deutschland|Großen Verdienstkreuzes der Bundesrepublik Deutschland]]'' und mehrerer Kriegsauszeichungen alliierter Nationen. Walters wurde 1991 stellvertretend für die Soldaten der US-Garnison seit Kriegsende und für seine Verhandlungen bei deren Abzug das [[Ehrenbürger]]recht der Stadt [[Neu-Ulm]] verliehen. Der deutsche Verein [[Atlantik-Brücke]] verleiht jährlich den ''Vernon A. Walters Award'' an eine deutsche oder amerikanische Persönlichkeit „in Anerkennung ihrer hervorragenden Verdienste um die deutsch-amerikanischen Beziehungen“.<ref>http://www.atlantik-bruecke.org/owx_1_311_1_17_1_00000000000000.html</ref> == Zitate == *''Ich werde nicht geschickt, wenn ein Erfolg wahrscheinlich ist. Eine meiner Hauptaufgaben ist es, die Letzte Ölung zu geben, kurz bevor der Patient stirbt.'' – Vernon A. Walters, 1989<ref>„Ein Globetrotter“, in: ''Frankfurter Allgemeine Zeitung'' vom 10. Januar 1989, S. 10</ref> *''Es wird im Jahr 3000 Probleme mit den Menschenrechten bei den Regierungen des Mars und des Mondes geben. Es gibt eben einige Probleme, die niemals gelöst werden.'' – Vernon A. Walters, 1981 in Guatemala, angesprochen auf die besondere Brutalität des Gualtemaltekischen Regimes.<ref>Der Spiegel, ''Richtiger Kerl'', Ausgabe 1989/17, S.156.</ref> *''Meine Überzeugung, dass die Vereinigten Staaten die einzige echte Chance sind, damit die Freiheit in dieser Welt überleben kann.'' – Vernon A. Walters, 1991 nach 50 Jahren im Dienst der USA auf die Frage, was ihn motiviere.<ref name="nyt150202">Nachruf auf Walters in: ''New York Times'' vom 15. Februar 2002, S. C 15</ref> *''Er war großartig als unser James Bond.'' – [[Winston Lord]], Präsident des ''[[Council on Foreign Relations]]'' über Walters Rolle bei den Geheimgesprächen mit Nord-Vietnam.<ref name="nyt150202"/> == Einzelnachweise== <references/> == Literatur == *Klaus Eichner, Ernst Langrock: ''Der Drahtzieher. Vernon Walters – ein Geheimdienstgeneral des Kalten Krieges.'' Homilius, Berlin 2005, ISBN 3-89706-877-X (einseitige Biografie aus der Feder eines Ex-Stasi-Offiziers<!--bester Beweis, dass Annotationen POV sind-->) *Vernon Walters: ''In vertraulicher Mission'' (Originaltitel: ''Silent Mission'', übersetzt von Hans-Ulrich Seebohm). Bechtle, Esslingen 1990 (am. Original 1978), ISBN 3-7628-0490-7 (Autobiografie bis 1976) *Vernon Walters: ''Die Vereinigung war voraussehbar.'', übersetzt von Helmut Ettinger, Siedler, Berlin 1994, ISBN 3-88680-529-8 (über die Zeit als Botschafter in Deutschland) == Weblinks == * {{DNB-Portal|119011050}} *{{NNDB Name|155/000058978}} *[https://www.cia.gov/library/center-for-the-study-of-intelligence/csi-publications/csi-studies/studies/vol46no1/article01.html Nachruf auf Vernon Walters] von der ''Webseite der CIA'' (en) *[http://www.nationalreview.com/comment/comment-allen021802.shtml Nachruf auf Vernon Walters] von der neokonservativen ''National Review'' (en) *[http://www.nytimes.com/2002/02/15/world/vernon-a-walters-85-former-envoy-to-un.html Vernon A. Walters, 85, Former Envoy to U.N.] The New York Times, 15. Februar 2002 (en) *[http://web.archive.org/web/20050929170001/http://www.cia.gov/csi/kent_csi/docs/v36i4a07p_0001.htm Kurze Ansprache Vernon Walters] zur Rolle der Vereinigen Staaten in Deutschland während des Kalten Krieges (Kopie im Internet Archive, en) {{Exzellent}} {{Normdaten|PND=119011050|LCCN=n/78/486|VIAF=64126469}} {{SORTIERUNG:Walters, Vernon A.}} [[Kategorie:Botschafter der Vereinigten Staaten in Deutschland]] [[Kategorie:UN-Botschafter der Vereinigten Staaten]] [[Kategorie:Person (Central Intelligence Agency)]] [[Kategorie:Militärperson (United States Army)]] [[Kategorie:Kalter Krieg]] [[Kategorie:Träger des Großen Bundesverdienstkreuzes]] [[Kategorie:Träger der Presidential Medal of Freedom]] [[Kategorie:US-amerikanischer Militärattaché]] [[Kategorie:Geboren 1917]] [[Kategorie:Gestorben 2002]] [[Kategorie:Mann]] {{Personendaten |NAME=Walters, Vernon A. |ALTERNATIVNAMEN= |KURZBESCHREIBUNG=US-amerikanischer Militär, Geheimdienstler und Diplomat |GEBURTSDATUM=3. Januar 1917 |GEBURTSORT=[[New York City]], New York |STERBEDATUM=10. Februar 2002 |STERBEORT=[[West Palm Beach]], Florida }} [[en:Vernon A. Walters]] [[eo:Vernon Walters]] [[lb:Vernon A. Walters]] [[sv:Vernon A. Walters]] 7t3xv3f3xep9ueu2qbgbdh75nmj2t0b wikitext text/x-wiki Wampanoag 0 24467 27068 2010-03-19T18:31:41Z 92.229.248.190 /* Metacomet oder King Philip */ {{Infobox Volksgruppe|bild:Wohngebiet_Südneuengland.png|Siedlungsgebiet der Wampanoag und benachbarter Stämme um 1600.|[[Nordamerikanische Kulturareale|Nordöstliches Waldland]]|[[Algische Sprachen]]|[[Algonkin-Sprachen|Ostalgonkin]]|Wampanoag|Wampanoag|Pokanoket, Wapenock, Massasoit, Philips Indianer}} Die '''Wampanoag''' waren [[Algonkin-Sprachen|Algonkin]] sprechende Indianer des östlichen Nordamerikas, die früher Teile der [[Vereinigte Staaten|US]]-Bundesstaaten [[Rhode Island]] und [[Massachusetts]] sowie die Inseln [[Martha’s Vineyard]], [[Nantucket Island|Nantucket]] und die [[Elizabeth Islands]] bewohnten. == Name == Die Wampanoag wurden 1616 von [[John Smith (Jamestown)|John Smith]] als ''Pokanoket'' bezeichnet, nach dem Dorf ihres Ober[[sachem]]s [[Massasoit]] nahe der heutigen Stadt [[Bristol (Rhode Island)|Bristol]] in Rhode Island. Dieser Name wurde in den frühen Aufzeichnungen und Berichten häufig verwendet. Die heutige Bezeichnung der Ethnologen bedeutet ''Östliches Volk''. Das Wort ''Wapanoos'' erscheint zuerst auf [[Adriaen Block]]s Karte von 1614 und ist wahrscheinlich ein [[Munsee]]-Ausdruck für alle östlich von ihnen lebenden Stämme. Weitere Synonyme sind ''Wapenock, Massasoit'' und ''Philips Indianer''. Das Wort 'Wampanoag' bedeutet wörtlich 'Die Kinder (Leute) des ersten Lichts', was sich auf den rituell erlebten Sonnenaufgang über der östlichen See (dem Atlantik) bezieht. == Gruppen der Wampanoag == {| class="prettytable" |----- bgcolor="#EFEFEF" !Gruppe !Wohngebiet |- | align="right" |Gay Head oder Aquinnah | align="right" |Westspitze von Martha's Vineyard |- | align="right" |Nantucket | align="right" |Nantucket Island |- | align="right" |Nauset | align="right" |Cape Cod |- | align="right" |Mashpee | align="right" |Cape Cod |- | align="right" |Patuxet | align="right" |östliches Massachusetts, an der Plymouth Bay |- | align="right" |Pokanoket | align="right" |östliches Massachusetts, beim heutigen Bristol |- | align="right" |und etwa 50 weitere Gruppen | align="right" | |- |} == Kultur == Wie die anderen Algonkin des südlichen [[Neuengland]]s betrieben die Wampanoag Feldbau, vorwiegend Mais, Bohnen und [[Squash (Kürbis)|Squash]], der mit Fisch und Fleisch ergänzt wurde. Sie waren halbsesshaft und ihre saisonalen Wanderungen führten sie im Sommer in die Nähe der Meeresküste, wo Felder angelegt, Fische gefangen und Meeresfrüchte gesammelt wurden. Nach der Ernte im Herbst zog man zurück in die Winterdörfer und die Männer suchten ihre Jagdgebiete auf. Da das südliche Neuengland um [[1600]] relativ dicht bevölkert war, waren die Grenzen der Jagdreviere genau definiert, um Konflikte zu vermeiden. Sie wurden vom Vater zum Sohn vererbt. Der runde oder ovale Wampanoag-[[Wigwam]] hieß [[Wetu]]. Beim Bau wurden mehrere Pfosten in den Boden gesteckt, über einem Feuer nach innen gebogen und oben zusammengebunden. Das Wetu wurde außen mit Gras, Rinde oder Matten bedeckt, innen mit Matten ausgelegt und an der höchsten Stelle befand sich ein Rauchabzug. Ein derartiges Sommerhaus konnte man in wenigen Stunden abbauen und transportieren.<ref>''Handbook of North American Indians.''</ref> Die Wampanoag waren als [[Konföderation]] organisiert, in der ein [[Sachem|Obersachem]] die Führung über eine größere Anzahl weiterer Sachems innehatte. Die Engländer bezeichneten den Obersachem häufig als König, ein irreführender Begriff, denn die Position eines Sachems war keineswegs königlich und beinhaltete nur begrenzte Autorität und wenige Privilegien. Es ist überliefert, dass beim Mangel an geeigneten männlichen Bewerbern auch eine Frau bei den Wampanoag ein Sachem werden konnte.<ref>''Handbook of North American Indians.'' Kapitel: Indians of Southern New England and Long Island, early period, S. 171f.</ref> ''Siehe auch:'' [[Massachusett]] == Geschichte == === Squanto oder Tisquantum === Die frühesten Kontakte zwischen Wampanoag und den Europäern datieren aus dem [[16. Jahrhundert]], als Handelsschiffe und Fischerboote die Küste Neuenglands entlang fuhren. Die meisten dieser Begegnungen waren freundlicher Art. Es gab aber auch Ausnahmen, denn einige Kapitäne dieser Schiffe waren dafür bekannt, dass sie ihre Einkünfte verbesserten, indem sie Indianer fingen und als Sklaven verkauften. So zum Beispiel Kapitän [[Thomas Hunt]], der 1614 einige Wampanoag auf sein Schiff verschleppen ließ und später in Spanien als Sklaven verkaufte. Eines seiner Opfer - ein [[Patuxet]] namens [[Squanto]] oder Tisquantum - wurde von spanischen Mönchen gekauft, die ihn „zivilisieren“ wollten. Schließlich ließ man ihn frei und er bestieg trotz seiner schlechten Erfahrungen wieder ein englisches Schiff, um sich einer Neufundland-Expedition als Übersetzer anzuschließen. Von Neufundland aus gelang es ihm, [[1619]] in seine Heimat im südlichen Neuengland zurückzukehren, wo inzwischen der gesamte Stamm der Patuxet und mit ihm seine Familie einer [[Epidemie]] zum Opfer gefallen war.<ref name="welt">''Die Welt der Indianer.''</ref> === Die Pilgerväter === [[Datei:Wampanoag1.jpg|thumb|300px|Samoset überrascht die Siedler mit englischen Worten]] Zur gleichen Zeit lebte in Holland eine kleine Gruppe englischer religiöser [[Dissident]]en, die England verlassen hatten, um der dortigen Verfolgung zu entgehen. Man hörte von der ''[[Neue Welt|Neuen Welt]]'' im Westen und entschloss sich, dorthin auszuwandern. Die [[Virginia Company]] war bereit, sie nach Amerika zu bringen, nahm ihr Geld und verfrachtete sie in zwei Schiffe, die [[Mayflower]] und die Speedwell. Nur ein Drittel der Passagiere waren religiöse Separatisten, die anderen waren Abenteurer, Kriminelle und [[Schuldturm]]-Insassen, die man in England loswerden wollte. Zuvor hatte man die [[Plymouth Company]] gegründet, eine Handelsgesellschaft reicher Londoner Kaufleute, die am Tauschhandel in der Neuen Welt interessiert waren. Drei Männer trugen die Spekulationen der Plymouth Company über den Atlantik: [[William Bradford (1590-1657)|William Bradford]], der vorab schon als Gouverneur der zu gründenden Kolonie ernannt worden war, Captain [[Miles Standish]], der militärische Anführer der Pilgerväter und [[Andrew Weston]], der Anführer der Abenteurer.<ref name="welt"/> Im Juli 1620 stach die kleine Flotte in See, doch nach 300 Meilen bekam die Speedwell ein Leck und musste, begleitet von der Mayflower, wieder zurück nach Plymouth segeln. Die Reparatur misslang, so dass im September 1620 alle Passagiere die Mayflower bestiegen und in drangvoller Enge erneut in die Neue Welt aufbrachen. Nach 65 Tagen erreichte man am 11. November 1620 die Küste des heutigen Massachusetts und ging in der Nähe des heutigen [[Provincetown (Massachusetts|Princetown]] an der äußersten Landspitze von [[Cape Cod]] vor Anker.<ref name="welt"/> Die Kolonisten entschlossen sich, an dieser Stelle zu siedeln, doch nach einiger Zeit stellten sie fest, dass der sandige Boden hier sie nicht ernähren konnte. Deshalb beschloss eine Gruppe von ihnen, auf die andere Seite der Bucht von Cape Cod zu segeln. Am 21. Dezember landeten sie in der Nähe des verlassenen Dorfes der Patuxet beim heutigen [[Plymouth (Massachusetts)|Plymouth]] in Massachusetts. Ein Großteil der restlichen Siedler folgte fünf Tage später. Die nächsten Monate hausten sie hier in armseligen Hütten, hungrig, krank und den baldigen Tod erwartend. Die Hälfte der Neuankömmlinge überlebten den ersten Winter nicht. Die Indianer beobachteten die Engländer wohl, doch sie gingen ihnen möglichst aus dem Wege. Bei den Wampanoag war gerade der [[Abenaki]]-Sachem [[Samoset]] aus dem heutigen [[Maine]], der schon zuvor einigen englischen Fischern in der kurzlebigen Kolonie an der Mündung des [[Kennebec River]]s begegnet war und die Pilgerväter in gebrochenem Englisch begrüßte. Er überblickte die Situation und kam am folgenden Tag mit Squanto zurück. Dieser half den Engländern, die nächste Zeit zu überleben. Er zeigte ihnen zum Beispiel, wie die Indianer dieser Gegend das Land bestellten, Fische fingen und Meeresfrüchte sammelten. Die vorstehenden Informationen verdanken wir William Bradfords ''History of Plymouth Plantation''. <ref>[http://www.americanjourneys.org/aj-025/summary/index.asp William Bradfords ''„Of Plimoth Plantation“.''] 1899., zit. nach ''Die Welt der Indianer.''</ref> === Massasoit === [[Datei:Wampanoag2.jpg|thumb|300px|Massasoit und Gouverneur John Carver rauchen eine Friedenspfeife]] [[Datei:Massasoit1.jpg|thumb|300px|Erstes Erntedankfest in Neuengland mit den Wampanoag]] Squanto lebte bei den Kolonisten und entging so der Gefangenschaft bei den Wampanoag. Er diente als Vermittler zwischen den Pilgervätern und ''Massasoi''t, dem Obersachem der Wampanoag. Für die Wampanoag waren die letzten zehn Jahre vor der Ankunft der Engländer die schlimmste Zeit ihrer Geschichte. Sie wurden von [[Micmac]]-Kriegern aus dem Norden überfallen, die nach ihrem Sieg über die [[Penobscot]] im [[Tarrantiner-Krieg]] (1607-1615) die Küste hinabzogen. Zur gleichen Zeit kamen die Penobscot aus dem Westen, und besetzten das östliche [[Connecticut]]. Noch schlimmer waren drei Epidemien, denen 75 Prozent aller Wampanoag zum Opfer fielen. Die [[Narraganset]] hatten durch die isolierte Wohnlage auf den Inseln in der [[Narragansett Bay]] am wenigsten unter den Seuchen gelitten, und sich deshalb zum mächtigsten Stamm der Region entwickelt. Sie forderten nun Tributzahlungen von den geschwächten Wampanoag. Deshalb hegte Massasoit die Hoffnung, dass die Engländer sein Volk gegen die Vorherrschaft der Narraganset unterstützen würden. Im März 1621 besuchte Massasoit in Begleitung von Squanto [[Plymouth]], unterzeichnete einen Freundschaftsvertrag und gab den Engländern die Erlaubnis, rund 12.000 [[Acre (Einheit)|Acres]] (48,5 km²) Land für die [[Plymouth Plantation]] (Plymouth-Plantage) zu übernehmen. Es ist jedoch sehr anzuzweifeln, ob Massasoit den Unterschied von Landbesitz im Sinne der Europäer gegenüber der Nutzung von Land nach Art der Ureinwohner kannte. Im Augenblick war das auch nicht von Interesse, denn es waren so viele seiner Leute gestorben, dass Neuengland halb entvölkert war. Auch war es für die Wampanoag schwer vorstellbar, dass die wenigen Engländer, die kaum lebend den Winter überstanden hatten, jemals eine Gefahr für sie darstellen könnten. Die Freundschaft und Zusammenarbeit zwischen Engländern und Indianern dauerte an und die Pilgerväter waren den Wampanoag dankbar für die Hilfe, so dass sie mit ihnen im Herbst gemeinsam das erste [[Erntedankfest]] in Plymouth feierten. Massasoit und seine 90 Begleiter brachten fünf Hirsche mit und das Fest dauerte drei Tage. Dieses erste Erntedankfest wird in den USA kontrovers diskutiert. Besonders die Indianer bekämpfen ein romantisierendes Bild von glücklichen Wampanoag, die mit den Kolonisten gemeinsam feierten. Denn die Indianer hatten damals bald erkannt, dass die Puritaner habgierige und gewalttätige Diebe waren. So haben Indianerverbände 1970 Thanksgiving (Erntedankfest) zum ''National Day of Mourning'' (Nationaler Trauertag) ausgerufen und diesen in Plymouth begangen. Im Winter 1622 kam unerwartet ein weiteres Schiff aus England an und brachte 40 zusätzliche hungrige Bewohner, so dass dieser zweite Winter erneut eine Hungersnot brachte.<ref name="pilgerväter">''Die Welt der Indianer.'' Kapitel: Die Pilgerväter, S. 188ff.</ref> Den ''Narraganset'' war diese Freundschaft zwischen Wampanoag und Engländern suspekt und sie vermuteten eine gegen sie gerichtete militärische Allianz. Sie sandten eine Botschaft in Form eines in Schlangenhaut gewickelten Pfeilbündels nach Plymouth. Obwohl die Engländer sich kaum ernähren, geschweige denn Krieg führen konnten, schickten sie die Schlangenhaut mit Gewehrkugeln gefüllt zurück. Da die Narraganset in der Zwischenzeit von den ''Pequot'' angegriffen wurden, entging Plymouth einem neuen Desaster. Das gute Verhältnis zwischen Wampanoag und den Pilgervätern dauerte an und als Massasoit im Winter 1623 ernsthaft erkrankte, wurde er von den Engländern gesund gepflegt. Die Plymouth-Kolonie war inzwischen gewachsen und eine größere Anzahl englischer [[Puritaner]] hatte an der Massachusetts Bay gesiedelt. Um 1632 hatten die Narraganset den Krieg gegen die Pequot und einen weiteren gegen die Mohawk beendet und wandten sich wieder den Wampanoag zu. Sie griffen Massasoits Dorf ''Sowam'' an, doch als die Wampanoag Hilfe von den Engländern bekamen, zogen sich die Narraganset zurück.<ref name="welt"/> === Expansion der Kolonisten === [[Datei:Plymouthkolonie.jpg|thumb|Siegel der Plymouth-Kolonie]] Nach 1630 wurden die ehemaligen 102 Gründungsmitglieder der Plymouth-Kolonie, weniger als die Hälfte davon waren tatsächlich Pilgerväter, von einer wachsenden Anzahl neu eintreffender Puritaner in die Minderheit gedrängt. Sie besiedelten die Massachusetts Bay in der Nähe des heutigen [[Boston]]. Kaum tolerant gegenüber anderen Christen, sahen sie die Ureinwohner als Wilde und Heiden an. Die militanten Puritaner waren Soldaten und Kaufleute, deren Anliegen keinesfalls die Freundschaft und Zusammenarbeit mit den Indianern war. Unter dieser neuen Führung expandierten die Engländer westwärts in das Tal des Connecticut Rivers und zerstörten 1637 im Pequot-Krieg die mächtige Pequot-Konföderation. Um 1643 hatten die Mohegan die Narraganset in einem Krieg bezwungen und wurden mit der Unterstützung der Engländer zum beherrschenden Stamm im südlichen Neuengland.<ref name="welt"/> Zwischen 1640 und 1675 kamen neue Wellen von Siedlern ins Land und drängten die Ureinwohner nach Westen. Während die Pilgerväter gewöhnlich das Land bezahlt oder wenigstens um Erlaubnis gefragt hatten, nahmen sich die Puritaner einfach das Land. Um 1665 waren die Indianer im südlichen Neuengland den Engländern schlicht im Wege. Sie benötigten nicht mehr deren Fähigkeiten, in der Wildnis zu überleben. Fischfang und Handel mit anderen Waren hatte den Handel mit Fellen und Wampum der frühen Jahre abgelöst. Die Bevölkerung der Ureinwohner nahm durch sich wiederholende Epidemien ständig ab, so in den Jahren 1633, 1635, 1654, 1661 und 1667.<ref name="welt"/> Nach 1640 gab es eine „humane“ Lösung des indianischen Problems durch [[John Eliot]] und andere puritanische Missionare, indem man die [[Ureinwohner]] zum Christentum bekehrte. Wie human diese Bemühungen wirklich waren, ist Ansichtssache. Die konvertierten Indianer wurden in sogenannten [[Gebetsstadt|Gebetsstädten]] angesiedelt, so in Natick, Nonantum, Punkapog und anderen Orten. Indianer, die der puritanischen Version des Christentums kritisch gegenüberstanden, waren nicht willkommen. Der Kirchenbesuch war obligatorisch, Kleidung und Haartracht mussten dem Stil der weißen Christen entsprechen und sogar die Andeutung einer traditionellen Zeremonie führte zum Ausschluss.<ref name="pilgerväter"/> === Metacomet oder King Philip === Sogar Massasoit nahm englische Sitten an und vor seinem Tod 1661 bat er die Gesetzgeber in Plymouth, seinen beiden Söhnen englische Namen zu geben. [[Wamsutta]], der ältere Sohn, bekam den Namen Alexander und sein jüngerer Bruder, [[Metacomet]], wurde Philip genannt. Der ältere Alexander wurde nach dem Tod seines Vaters Obersachem der Wampanoag. Die Engländer waren darüber nicht erfreut, weil sie ihn für zu selbstbewusst hielten, und luden ihn zu Gesprächen nach Plymouth ein. Nach dem Verzehr eines Mahls wurde er ernsthaft krank und starb. Den Wampanoag wurde Fieber als Todesursache angegeben, doch aus Aufzeichnungen des Rates in Plymouth geht hervor, dass vermutlich Gift die Todesursache war. Im folgenden Jahr folgte Metacomet seinem ermordeten Bruder als Obersachem der Wampanoag und wurde später bei den Engländern ''King Philip'' genannt. <ref name="history">[http://www.tolatsga.org/wampa.html Wampanoag History]</ref> Allem Anschein nach war Philip kein radikaler Sachem, doch unter seiner Führung kam es zu einer dramatischen Änderung in der Haltung der Wampanoag gegenüber den Kolonisten. Ihnen war inzwischen klar geworden, dass die Engländer ihnen nach und nach alles nehmen würden, sowohl ihr Land, als auch ihre traditionelle Kultur, ihre Lebensweise und Religion. Philip entschloss sich, die weitere Expansion englischer Siedlungen zu verhindern. Für die Wampanoag allein war dies jedoch unmöglich, weil sie aktuell weniger als 1.000 Stammesmitglieder hatten. Von seinem Wohnsitz am Mount Hope aus begann er, andere Stämme zu besuchen, um sie für seinen Plan zu gewinnen. Auch das war ein fast aussichtsloses Unterfangen, denn zu dieser Zeit übertraf die Zahl der Kolonisten im südlichen Neuengland diejenige der Indianer schon um mehr als das Doppelte - 35.000 Kolonisten standen 15.000 Ureinwohnern gegenüber. Philips Bemühungen blieben nicht geheim, denn ein Netzwerk von Spionen, die ''betenden Indianer'' (engl. ''Praying indians''), verrieten Philips Pläne an die Engländer. 1671 wurde Philip nach [[Taunton (Massachusetts)|Taunton]] gerufen, hörte sich die Vorwürfe der Engländer an und unterzeichnete eine Vereinbarung, in der sich die Wampanoag verpflichteten, ihre Feuerwaffen abzugeben. Er nahm jedoch vorsichtshalber nicht am anschließenden Dinner teil und die Waffen wurden später auch nicht abgeliefert.<ref name="history"/> Die englische Landnahme setzte sich fort und Philip gewann nach und nach die [[Nipmuck]], [[Pocumtuc]] und Narraganset als Verbündete. Der Beginn des Aufstands wurde zunächst auf den Frühling 1676 festgelegt. Im Januar 1675 fand man die Leiche von John Sassamon, einem christlichen indianischen Spion. Drei Krieger der Wampanoag wurden daraufhin gefangen genommen, des Mordes angeklagt und schließlich gehängt. Nach dieser offensichtlichen Provokation konnte Philip seine Krieger nicht länger zurückhalten, weil außerdem Gerüchte kursierten, die Engländer wollten Philip verhaften. Philip hielt in Mount Hope einen Kriegsrat ab: Die meisten Wampanoag wollten ihm folgen, mit Ausnahme der [[Nauset]] auf Cape Cod und den kleinen Gruppen auf den vorgelagerten Inseln. Weitere Verbündete waren die [[Nipmuck]], [[Pocumtuc]] und einige [[Penacook]] und [[Östliche Abenaki]]. Die Narraganset jedoch wurden gezwungen, einen Friedensvertrag mit den Engländern abzuschließen und blieben zunächst neutral.<ref name="history"/> === King Philip's War === Am [[20. Juli]] 1675 zogen einige junge Wampanoag nach [[Swansea (Massachusetts)|Swansea]], töteten einige Rinder und versetzten die weiße Bevölkerung in Angst und Schrecken. Am nächsten Tag brach der [[King Philip's War]] aus und eine Anzahl weißer Siedlungen wurde von den Indianern überfallen und niedergebrannt. Die unerwarteten Angriffe führten unter den Engländern zu großer Panik. Die christlichen Indianer in den Gebetsstädten, die von den Puritanern in verschiedenen Gegenden Neuenglands eingerichtet worden waren, hielt man für verdächtig und brachte sie auf eine Insel im Hafen von Boston. Die vereinigten Stämme im südlichen Neuengland waren weiterhin erfolgreich und von 90 englischen Siedlungen wurden 52 überfallen und teilweise niedergebrannt.<ref name="history"/> Von Massachusetts aus erfasste der Krieg auch weitere Gebiete Neuenglands. Einige Stämme aus Maine, die [[Kennebec (Volk)|Kennebec]], [[Pigwacket]] und [[Arosaguntacook]] schlossen sich dem Kampf gegen die Engländer an. Sogar die ehemaligen Feinde der Wampanoag, die Narraganset aus Rhode Island, gaben ihre Neutralität auf, nachdem die Kolonisten ein befestigtes Dorf angegriffen hatten. In diesem Gefecht, das als [[Großes Sumpf-Massaker]] (engl. ''Great Swamp Massacre'') bekannt wurde, verloren die Narraganset mehr als 600 Stammesmitglieder und 20 Sachems. Ihr Führer [[Canonchet]] jedoch konnte fliehen und führte eine größere Gruppe von Narraganset-Kriegern nach Westen, um sich mit King Philips Kriegern zu vereinigen.<ref name="history"/> Im Frühjahr 1676, nach einem Winter voller Hunger und Entbehrungen, wendete sich das Blatt gegen Philip. Unerbittlich machten die englischen Truppen Jagd auf ihn und sein bester Verbündeter, Sachem Canonchet von den Narraganset, wurde gefangen genommen und von einem Erschießungskommando hingerichtet. Sein Körper wurde gevierteilt, der Kopf nach [[Hartford (Connecticut)|Hartford]] geschickt und öffentlich zur Schau gestellt.<ref name="history"/> Während der Sommermonate entzog sich Philip den Verfolgern und fand ein Versteck beim Mount Hope. Im August wurde es jedoch von indianischen Spähern der Engländer entdeckt und 173 Wampanoag fanden den Tod oder gerieten in Gefangenschaft. Philip entging nur knapp der Festnahme, aber unter den Gefangenen waren seine Frau und sein neunjähriger Sohn. In Plymouth wurden sie auf ein Sklavenschiff gebracht und nach Westindien verkauft. Am [[12. August]] 1676 umstellten britische Truppen Philips Lager und kurz danach wurde er von einem indianischen [[Kundschafter|Scout]] erschossen. Man schnitt ihm den Kopf ab und stellte ihn 20 Jahre lang in Plymouth auf einem Pfahl zur Schau.<ref name="history"/> === Folgen des Krieges === Mit dem Tode Philips und der meisten ihrer Führer waren die Wampanoag fast ausgerottet und nur etwa 400 Angehörige überlebten den Krieg. Die Narraganset und Nipmuck hatten ähnliche Verluste zu beklagen und viele kleine Stämme im südlichen Neuengland waren praktisch ausgelöscht. Bei der ''Großen Vertreibung'' wurden viele der Überlebenden zum Verlassen ihrer Heimat gezwungen, doch einige mussten nicht weit fortgehen. Sie akzeptierten das vom Gouverneur von [[New York (Bundesstaat)|New York]] [[Edmund Andros]] angebotene Asyl und siedelten bei [[Schaghticoke (New York)|Schaghticoke]] am [[Hudson River|Hudson]] unter den Mahican. Andere fanden Zuflucht bei den [[Lenni Lenape]] in [[New Jersey]] und [[Pennsylvania]], doch eine große Anzahl floh zu den [[Westliche Abenaki|Westlichen Abenaki]] und nach [[Kanada]]. Obwohl kleine Gruppen bis ins [[19. Jahrhundert]] am [[Connecticut River]] lebten, verschwanden die Pocumtuc als organisierte Gruppe. Auch den Engländern brachte der Krieg hohe Verluste: 600 Kolonisten fanden den Tod, insgesamt 90 Siedlungen wurden angegriffen und 13 davon völlig zerstört. Von der indianischen Gesamtbevölkerung im südlichen Neuengland von etwa 15.000 Angehörigen vor dem Krieg gab es 1680 nur noch 4.000 Überlebende und die harten englischen Friedensbedingungen entsprachen einer völligen Unterwerfung.<ref name="history"/> === 18. bis 20. Jahrhundert === ==== Mashpee ==== Außer den im Krieg neutral gebliebenen Wampanoag-Gruppen auf den Inseln vor der Küste, wurden die Wampanoag des Festlands zu den [[Saconnet]] umgesiedelt oder gemeinsam mit den Nauset in die Gebetsstädte im [[Barnstable County]] gebracht. In Massachusetts war [[Mashpee (Massachusetts)|Mashpee]] auf Cape Cod das größte der [[Indianerreservat|Reservate]]. Den Indianern dort wurden 1660 etwa 50 Quadratmeilen (129,5 km²) zugewiesen und seit 1665 regierten sie sich selbst mit Gerichtshof, Verhandlungen und Urteilen. Das Gebiet wurde 1763 in den Distrikt von Mashpee integriert, aber 1788 widerrief der Staat die Selbstverwaltung, die er als Misserfolg einschätzte, und setzte zur Beaufsichtigung einen aus fünf ausschließlich weißen Mitgliedern bestehenden Ausschuss ein. Ein gewisses Maß an Selbstverwaltung wurde im Jahre 1834 wiedereingeführt, und obwohl die Indianer weit entfernt von einer totalen Selbständigkeit waren, konnte man das Experiment dieses Mal als erfolgreich beurteilen. Ihr Land wurde 1842 aufgeteilt, indem man 2.000 von ihren 13.000 [[Acre (Einheit)|Acres]] (8,1 bzw. 52,6 km²) in Parzellen von je 60 Acres (243.000 m²) an jede Familie verteilte. Viele Gesetze zeugen von ständigen Problemen durch Übergriffe der Weißen, die Holz aus dem Reservat stahlen. Es war ein großes Gebiet, einst reich an Wald, Fisch und Wild, und deshalb begehrenswert für die Weißen. Man hatte Probleme damit, diese ständig wachsende Gemeinde Nichtweißer zu ignorieren, und die Mashpee-Indianer bekamen deshalb mehr Konflikte mit ihren weißen Nachbarn als die anderen indianischen Siedlungen im Staat.<ref name="handbook178">''Handbook of North American Indians.'' Kapitel: Indians of Southern New England and Long Island, late period, S. 178ff.</ref><ref name="weblinks">Weblinks: The Seaconke Wampanoag Tribe, Wampanoag Nation; Mashpee Wampanoag Nation webpage; Wampanoag Tribe of Gay Head Aquinnah webpage</ref> <!--bitte die richtigen Weblinks einsetzen--> ==== Wampanoag auf Martha's Vineyard ==== Auf Martha's Vineyard gab es im 18. und 19. Jahrhundert drei Reservate - [[Chappaquiddik]], [[Christiantown]] und [[Gay Head]]. Das Chappaquiddick-Reservat war Teil einer kleinen Insel gleichen Namens am östlichsten Punkt der Insel. Durch einen Landverkauf im Jahre 1789 hatten die Indianer wertvolle Flächen verloren, und der Rest wurde 1810 unter den indianischen Einwohnern aufgeteilt. 1823 änderte man die Gesetze, um die Vormünder an der Enteignung der Indianer zu hindern und um einen sichtbaren Anfang einer städtischen Organisation einzuführen. Gegen 1849 besaßen sie 692 Acres (2,8 km²) unfruchtbares Land und viele Bewohner zogen zum nahen Edgartown, um Berufe auszuüben und Bürgerrechte zu erwerben.<ref name="handbook178"/><ref name="weblinks"/> Christiantown war ursprünglich eine Gebetsstadt auf der Nordwestseite von Martha's Vineyard, nordwestlich von [[Tisbury]]. Im Jahre [[1849]] bestand das Reservat noch aus 390 Acres (1,57 km²), von denen alle bis auf 10 unter den Einwohnern aufgeteilt wurden. Das Land, das in allgemeinen Besitz blieb, warf sehr wenig Ernteertrag ab und die Stammesmitglieder verließen es, um in den Städten lukrativere Jobs auszuüben. Aus mündlicher Überlieferung weiß man, dass Christiantown durch eine Pockenepidemie [[1888]] ausstarb.<ref name="handbook178"/><ref name="weblinks"/> Das dritte Reservat auf Vineyard wurde 1711 von der [[New England Company]] errichtet, die man 1649 gegründet hatte, um die Indianer zu christianisieren. Sie kauften Land für die Gay Head Indianer, die dort seit vor 1642 gelebt hatten. Unglücklicherweise gab es eine heftige Auseinandersetzung darüber, wie das Land zu bestellen sei, von dem Weiße die besseren Flächen zu niedrigen Zinsen gepachtet hatten. Das ursprüngliche Ziel, ein ungestörtes Zentrum für die Missionsarbeit zu schaffen, war bald vergessen. Der Staat errichtete dort schließlich ein Reservat, das auf einer Halbinsel auf dem äußersten westlichen Punkt der Insel Martha's Vineyard lag und Gay Head genannt wurde. Dieses Gebiet war durch eine Landenge mit der Hauptinsel verbunden und bot die Isolation, die die Indianergruppe haben wollte. Im Jahre 1849 hatten sie dort 2.400 Acres (9,7 km²), von denen 500 unter den Stammesmitgliedern aufgeteilt wurden, während der Rest gemeinschaftliches Eigentum war. Im Gegensatz zu den anderen Gruppen in Massachusetts-Reservaten hatte der Stamm nach 1820 keinen Vormund oder Aufseher. Falls sie in Gesetzesfragen Rat benötigten, fragten sie den Vormund des Chappaquiddick-Reservats, doch ihre sonstigen Angelegenheiten erledigten sie selbst. Sie hatten keinen Rechtsanspruch auf ihr Land und ließen den Mitgliedern freie Hand bei der Auswahl ihres Landes, wie auch bei der Bewirtschaftung und Umzäunung, um ihre Eigentumsrechte deutlich zu machen. Sie erlaubten keinen Weißen, auf ihrem Land zu siedeln, und die Gesetze über Stammesmitgliedschaft waren streng. Demzufolge konnten sie den Gruppenzusammenhalt festigen und erst lange nach den anderen Gruppen ging ihre strenge Stammesidentität verloren.<ref name="handbook178"/><ref name="weblinks"/> Die Wampanoag auf Nantucket Island wurden 1763 durch eine unbekannte Seuche nahezu vollständig vernichtet, der letzte Nantucket starb [[1855]].<ref name="handbook178"/><ref name="weblinks"/> === Heutige Situation === Zur Mitte des 19. Jahrhunderts wuchsen die Vororte um die Städte und Erholungsorte für Sommertouristen wurden populär. Das Land wurde immer wertvoller und Grundstücksspekulanten versuchten beharrlich, die Indianer von ihren letzten Ländereien zu vertreiben. Die Spekulanten wiesen auf den dreirassigen Charakter der indianischen Gruppen hin, als Beweis dafür, dass die Indianer ausgestorben seien oder zumindest keine der früheren strengen Gesetze gegen Mischehen befolgt hätten. Indianische Gruppen, wie die [[Metoac|Montauk]] auf [[Long Island]], hatten diese Gesetze befolgt, und wurden so klein und inzüchtig, dass man sie ebenfalls als ausgestorben erklärte. Aufgrund dieser Haltung der Weißen entwickelte sich Spannungen zwischen einer relativ reinen Indianer-Kerngruppe und einer Mestizen-Randgruppe in den indianischen Gemeinden. Der daraus resultierende Status führte einerseits zur Touristenattraktion, ''richtige Indianer'' zu sehen, wie er andererseits zur Entwicklung einer neoindianischen Kultur beitrug. Diese wurde durch Anleihen von anderen indianischen Gruppen und vagen Erinnerungen an frühere Tage, auch romantisiert durch Weiße, charakterisiert. Indianische Vornamen wurden modern, Männer trugen ihr Haar lang und man übernahm den indianischen Kleidungungsstil aus [[Brotherton (Wisconsin)|Brotherton]], und von den Saint-Regis-Mohawk-Indianern. Im Jahre 1907 machte [[William Frederick Cody]], besser unter dem Namen ''Buffalo Bill'' bekannt, einen spektakulären Besuch am Grab von [[Uncas]], dem [[Mohegan]]-Sachem aus dem 17. Jahrhundert, hoch zu Pferde und von Plainsindianern in vollem Festschmuck begleitet. Die Zurschaustellung einer frühen panindianischen Kleidung bei dieser Gelegenheit hinterließen großen Eindruck bei den örtlichen Indianern und veranlassten sie, ''indianische Kleidung'' bei Zusammenkünften und zeremoniellen Anlässen zu tragen. Auskünfte von Ethnologen waren hilfreich dabei, die Organisation von [[Powwow]]s und anderen indianischen Festspielen anzuregen. Diese übernahmen die sozialen Funktionen der früheren christlich religiösen Versammlungen. Die Betonung des Indianismus trug viel zur Wiederherstellung eines Selbstbewusstseins und Gruppenstolzes bei, der lange Zeit durch rassische Vorurteile der örtlichen Weißen unterdrückt worden war. Der [[Indian Reorganization Act]] (IRA) von 1934 weckte neues Interesse an Stammesmitgliedschaft. Intertribale Organisationen entwickelten sich ebenfalls, wie der [[Algonquin Council of Indian Tribes]] von 1926. <ref>''Handbook of North American Indians.'' Bd 15, S. 179ff.</ref> Es gibt zurzeit fünf organisierte Gruppen der Wampanoag: Assonet, Gay Head, Herring Pond, Mashpee und Namasket. Alle haben die staatliche und bundesstaatliche Anerkennung beantragt, doch nur die Wampanoag in Gay Head besitzen noch heute ein Reservat auf Martha's Vineyard und erhielten 1987 die bundesstaatliche Anerkennung vom [[Bureau of Indian Affairs]]. Sie haben zurzeit 1.000 eingetragene Stammesmitglieder. Ihr Reservat ist 485 Acres (ca. 2 km²) groß und liegt im äußersten Südwesten der Insel. Der offizielle Name lautet ''Wampanoag Tribe of Gay Head''. Der ''Mashpee Wampanoag Tribe'' besitzt 1.200 eingetragene Mitglieder und betreibt mehrere Geschäfte und ein Museum. Seit 1924 wird jährlich Anfang Juli ein Powwow gefeiert. Das Reservat liegt in der Nähe von Mashpee auf Cape Cod. Nach jahrzehntelangem Rechtsstreit erreichten im April 2006 auch die Mashpee Wampanoag eine vorläufige offizielle Anerkennung als Indianerstamm durch das Bureau of Indian Affairs. Eine endgültige Entscheidung wird für den Oktober dieses Jahres erwartet.<ref>[http://www.doi.gov/bia/federal_acknowledgment_decisions.pdf (PDF)]</ref> Durch eine Initiative mehrerer Wampanoag-Stämme wurde 1993 ein Projekt gestartet, das die im 19. Jahrhundert ausgestorbene Wampanoag-Sprache wiederbeleben sollte. Als Basis dienten alte gedruckte Texte, darunter die Übersetzung der [[Eliot-Bibel]] von 1663, und Beispiele aus den verwandten Algonkin-Sprachen der Nachbarn. Das [[Wampanoag Language Reclamation Projekt]] (Projekt zur Wiederbelebung der Wampanoag-Sprache) wurde von Jessie Littledoe Baird, Mitglied des Mashpee Wampanoag Tribe, und Helen Manning, einer Gay Head Wampanoag, gestartet. Baird unterrichtet heute Schulklassen in Mashpee und Aquinnah, und während des Unterrichts wird nur Wampanoag gesprochen. Es gibt ein Wampanoag-Wörterbuch, das zurzeit etwa 7000 Wörter enthält. <ref name="handbook178"/><ref>''Siehe'' Weblinks.</ref> == Demografie == {| class="prettytable" |----- bgcolor="#EFEFEF" !Jahr !Anzahl !Anmerkung !Quelle |- | align="right" |1610 | align="right" |6.600 | align="right" |Festland 3.600 und Inseln 3.000 | align="right" |[[James Mooney]] |- | align="right" |1620 | align="right" |5.000 | align="right" |Festland 2.000 nach den Epidemien, Inseln 3.000 | align="right" |unbekannt |- | align="right" |1677 | align="right" |400 | align="right" |Festland, nach dem King Philip's War | align="right" |allgemeine Schätzung |- | align="right" |2000 | align="right" |2.336 | align="right" |Wampanoag insgesamt | align="right" |US [[Volkszählung|Census]] |- |} == Einzelnachweise == <references/> == Siehe auch == *[[Liste nordamerikanischer Indianerstämme]] == Literatur == *Bruce G. Trigger (Hrsg.): ''[[Handbook of North American Indians]].'' Bd 15. Northeast. Smithsonian Institution Press, Washington D.C. 1978. ISBN 0-16-004575-4 *Alvin M. Josephy jr.: ''500 Nations.'' Frederking & Thaler GmbH, München 1996. ISBN 3-89405-356-9 *Alvin M. Josephy jr.: ''Die Welt der Indianer.'' Frederking & Thaler GmbH, München 1994. ISBN 3-89405-331-3 *Moondancer and Strong Woman: [http://www.bauuinstitute.com/Publishing/NewEnglandNative.html ''A Cultural History of the Native Peoples of Southern New England: Voices from Past and Present''], Bauu Press, Colorado 2007. ISBN 0-9721349-3-X *Stephan Maninger: ''Krieg und Gewalt im puritanischen Neuengland'', Damals, Juni 2007, ISSN 0011-5908 *William Bradford: [http://www.americanjourneys.org/aj-025/summary/index.asp ''Of Plimoth Plantation''.] Wright & Potter Printing Co., Boston 1899. * Edward Winslow, William Bradford: ''The English experience, its record in early printed books published in facsimile.'' Theatrum Orbis Terrarum. Bd 683. W. J. Johnson, Norwood NJ 1974. ISBN 90-221-0683-7 == Weblinks == *[http://www.tolatsga.org/wampa.html Wampanoag History] *[http://www.inphone.com/seahome/ The Seaconke Wampanoag Tribe, Wampanoag Nation] *[http://mashpeewampanoagtribe.com/ Mashpee Wampanoag Nation webpage] *[http://www.wampanoagtribe.net/Pages/index Wampanoag Tribe of Gay Head Aquinnah webpage] *[http://web.mit.edu/norvin/www/wopanaak.html Wopanaak Language Reclamation Project] {{Exzellent}} [[Kategorie:Ethnie in Nordamerika]] [[ar:وامبانواغ]] [[ca:Wampanoag]] [[da:Wampanoag]] [[en:Wampanoag]] [[es:Wampanoag]] [[fr:Wampanoag]] [[hr:Wampanoag]] [[ja:ワンパノアグ]] [[lb:Wampanoag]] [[lv:Vampanoagi]] [[pl:Wampanoagowie]] [[pt:Wampanoags]] [[simple:Wampanoag]] n2whq76kw1wks9wuwiaeyisi0to0lsy wikitext text/x-wiki Wanderlibelle 0 24468 27069 2010-01-31T19:25:24Z Xqbot 0 Bot: Weiterleitung(en) Pula (Währung) durch [[Botsuanischer Pula]] ersetzt; kosmetische Änderungen <!-- Für Informationen zum Umgang mit dieser Tabelle siehe bitte [[Wikipedia:Taxoboxen]]. --> {{Taxobox | Taxon_Name = Wanderlibelle | Taxon_WissName = Pantala flavescens | Taxon_Rang = Art | Taxon_Autor = ([[Johann Christian Fabricius|Fabricius]], 1798) | Taxon2_WissName = Pantala | Taxon2_Rang = Gattung | Taxon3_WissName = Pantalinae | Taxon3_Rang = Unterfamilie | Taxon4_Name = Segellibellen | Taxon4_WissName = Libellulidae | Taxon4_Rang = Familie | Taxon5_Name = Großlibellen | Taxon5_WissName = Anisoptera | Taxon5_Rang = Unterordnung | Taxon6_Name = Libellen | Taxon6_WissName = Odonata | Taxon6_Rang = Ordnung | Bild = Pantala flavescens 006 std.jpg | Bildbeschreibung = Ein Wanderlibellen-Männchen }} Die '''Wanderlibelle''' ''(Pantala flavescens)'' ist neben ''[[Pantala hymenaea]]'' (engl. „spot-winged glider“) die einzige [[Art (Biologie)|Libellenart]] der [[Gattung (Biologie)|Gattung]] ''Pantala'' aus der Unterfamilie [[Pantalinae]]. 1798 beschrieb [[Johann Christian Fabricius|Fabricius]] die Art erstmals.<ref name="Steinmann">{{Literatur|Autor=Henrik Steinmann|Titel=World Catalogue of Odonata|Band=Band II (Anisoptera)|Seiten=542f|Verlag=de Gruyter|Jahr=1997|ISBN=3-11-014934-6|Ort=Berlin/New York}}</ref> Sie gilt als die auf dem gesamten Planeten am weitesten verbreitete [[Libellen|Libelle]].<ref name="Tutt">{{Literatur|Autor=James William Tutt|Titel=The Entomologist’s Record and Journal of Variation|Seiten=213|Ort=London|Verlag=Charles Phipps.|Jahr=1997}}</ref> == Merkmale == === Bau der Imago === [[Datei:Pantala flavescens 001 std.jpg|thumb|Ein Wanderlibellen-Männchen]] Wanderlibellen werden bis zu 4,5&nbsp;cm lang<ref name="Berger">{{Literatur|Ort=Mechanicsburg (Pennsylvania)|Autor=Cynthia Berger|Titel=Dragonflies (Wild Guides)|Seiten=97|Verlag=Stackpole Books|Monat=März|Jahr=2004|ISBN=0-8117-2971-0}}</ref> und erreichen Flügelspannweiten zwischen 7,2&nbsp;cm und 8,4&nbsp;cm<ref name="Ross H. jr Arnett">{{Literatur|Autor=Arnett H. Ross jr.|Titel=American Insects. A Handbook of Insects of America North of Mexico|Seiten=128|Verlag=CRC Press|Jahr=2000|Ort=Boca Raton|ISBN=0-8493-0212-9}}</ref> Die Vorderseite des Kopfes ist gelblich bis rötlich. Der Rumpf ([[Thorax (Gliederfüßer)|Thorax]]) ist meist gelblich bis goldfarben mit einem dunklen Strich und behaart. Es wurden aber auch schon Exemplare mit bräunlichem oder olivfarbenem Thorax entdeckt. Der Hinterleib ([[Abdomen (Gliederfüßer)|Abdomen]]) weist eine ähnliche Farbcharakteristik wie der Thorax auf.<ref name="Ross H. jr Arnett"/><ref name="Biogeography">{{Cite journal|last=[[Michael Samways|M. J. Samways]], R. Osborn|title=Divergence in a transoceanic circumtropical dragonfly on a remote island|journal=[[Journal of Biogeography]]|year=1998|volume=25|pages=935–946|url=http://www.blackwell-synergy.com/links/doi/10.1046/j.1365-2699.1998.00245.x}}</ref> Am [[Hamulus]], einem kleinen hakenförmigen Fortsatz am sekundären Geschlechtsorgan der Männchen, fehlt der äußere Ast oder ist vielmehr nur durch einen Wulst angedeutet. Beim Weibchen wiederum befinden sich auf dem letzten [[Segmentierung (Biologie)|Segment]] der kahnförmigen Bauchplatte zwei kurze Scheidentaster.<ref name="Hagen">{{Cite journal|author=[[Hermann August Hagen|Hagen]]|title=Die Neuroptera der Insel Cuba|journal=[[Entomologische Zeitung]]. Herausgegeben von dem entomologischen Vereine zu Stettin|year=1867|volume=28|pages=217|url=http://commons.wikimedia.org/wiki/Die_Neuroptera_der_Insel_Cuba}}</ref> Die Flügel sind nicht gefärbt und am Ansatz sehr breit. Auch hier wurden einzelne Exemplare mit olivfarbenen, bräunlichen und auch gelblichen Flügeln entdeckt. Auf der [[Osterinsel]] treten selbst Wanderlibellen mit schwarzen Flügeln auf.<ref name="Ross H. jr Arnett"/><ref name="Biogeography"/> Das [[Flügelmal]] oder [[Pterostigma]] ist wiederum gelblich. Am Flügelansatz und an der Flügelspitze kann bei den durchsichtigen Flügeln ein gelblicher Schatten auftreten. Die kastanienroten [[Facettenauge]]n nehmen, wie bei den [[Großlibellen]] ''(Anisoptera)'' üblich, einen großen Teil des Kopfes ein.<ref name="Manolis">{{Literatur|Autor=Tim Manolis, Timothy D. Manolis|Titel=Dragonflies and Damselflies of California (California Natural History Guides (Paperback))|Seiten=40|Verlag=University of California Press|Monat=April|Jahr=2003|ISBN=0520235673}}</ref> Die erwähnten Farbabweichungen sind sicherlich mit eine Erklärung für die vielen wissenschaftlichen Beschreibungen unter verschiedenen Namen. === Bau der Larven === Die Larve hat eine Länge von 24 bis 26&nbsp;mm. Sie ist hellgrün mit leichter, hellbrauner Sprenkelung.<ref name="isu.edu">{{Internetquelle|autor=Mark Lung, Stefan Sommer|titel=Pantala flavescens|zugriff=9. März 2006|url=http://imnh.isu.edu/digitalatlas/bio/insects/drgnfly/libefam/pafl/pafl.htm}}</ref> Die rundlichen Augen sind seitlich unten am Kopf angeordnet, und das Abdomen endet stumpf. Die paarigen Seitenplatten (Ventrolateralplatten) des elften Hinterleibs[[Segmentierung (Biologie)|segmentes]], der sogenannte [[Paraproct]], sind von der Seite gesehen glatt. Die unpaare dorsale Platte des elften Hinterleibsegments, der sogenannte [[Epiproct]], ist ungefähr gleich lang wie oder länger als der Paraproct. Dies unterscheidet sie von Larven der Gattung ''[[Tramea]]'', bei denen der Epiproct kürzer als der Paraproct ist. Des Weiteren weist die Art am [[Palpus]], einem Taster der [[Mundwerkzeuge]], 12 bis 14&nbsp;Borsten auf und somit weniger als ''P. hymenaea'', welche hier zwischen 15 und 18&nbsp;Borsten besitzt.<ref name="Technical Series">{{Cite journal|author=Jerrell James Daigle|title=Florida Dragonflies (Anisoptera): A Species Key to the Aquatic Larval Stages|journal=Technical Series|year=1992|month=November|volume=12|issue=1|pages=23}}</ref> === Dimorphismen === Die weiblichen zeigen gegenüber den männlichen Tieren einige Unterschiede ([[Sexualdimorphismus|Dimorphismen]]). Noch dazu kann hier eine Unterscheidung zwischen auf Kontinenten und auf Inseln lebenden Tieren getroffen werden. Generell gilt, dass die Flügel des Männchens dunkler als die des Weibchens sind. Bei Festlandtieren variiert bei den Männchen die Länge des [[Femur (Gliederfüßer)|Femurs]], des längsten Beinabschnitts, stärker. Sie haben außerdem längere Vorder- und kürzere Hinterflügel als die Weibchen. Bei den Inselvertretern hingegen sind die Vorder- und Hinterflügel länger als die des Weibchens, und der Femur zeigt bei beiden die gleichen Variationen. Weitere Unterschiede zwischen Festland- und Inseltieren betreffen insbesondere die Farbgebung. So sind Inselvertreter im Allgemeinen dunkler.<ref name="Biogeography"/> === Ähnliche Arten === Neben der [[Schwesterart]] ''[[Pantala hymenaea]]'', die allerdings einen auffallenden braunen Basalfleck im Hinterflügel aufweist und generell etwas dunkler gefärbt ist, ist die Wanderlibelle insbesondere mit einigen Vertretern der Gattung ''[[Tramea]]'' zu verwechseln. Diese haben üblicherweise jedoch einen markanten Streifen auf ihren Hinterflügeln.<ref name="www.odonatacentral.com">{{Internetquelle|autor=J.C. Abbott|titel=OdonataCentral: An online resource for the Odonata of North America. Austin, Texas|werk=http://www.odonatacentral.com|zugriff=12. Mai 2006|url=http://odonatacentral.bfl.utexas.edu/fieldguide/species.asp?TaxaID=311}}</ref> == Lebensweise == === Fortpflanzung und Entwicklung === Wie in der Familie der Segellibellen üblich, gibt es auch bei der Wanderlibelle keine ausgeprägten [[Balz]]rituale. Das Weibchen paart sich zwar viele Male, jedoch meist nur einmal am Tag.<ref name="Physiological Entomology">{{Cite journal|author=Alex Córdoba-Aguilar|title=Sperm ejection as a possible cryptic female choice mechanism in Odonata (Insecta)|journal=[[Physiological Entomology]]|url=http://www.blackwell-synergy.com/doi/abs/10.1111/j.1365-3032.2005.00498.x|volume=Online Early}}</ref> Nach der Paarung fliegen die Wanderlibellen im Tandem, wobei das Weibchen zur Eiablage an das Männchen angekoppelt bleibt. Hierfür wählt das Tier teilweise ungeeignete Plätze wie frisch gewaschene Autos.<ref name="isu.edu"/> Ein [[Ei (Biologie)|Gelege]] besteht aus ungefähr 500 bis 2000&nbsp;Eiern. Die Eier haben die Form eines [[Rotationsellipsoid]]s, wobei die große Halbachse 0,5&nbsp;mm und die kleine 0,4&nbsp;mm misst.<ref name="Ecological Entomology (05)">{{Cite journal|author=Kamilla Schenk, Dagmar Söndgerath|title=Influence of egg size differences within egg clutches on larval parameters in nine libellulid species (Odonata)|journal=[[Ecological Entomology]]|url=http://www.blackwell-synergy.com/doi/abs/10.1111/j.0307-6946.2005.00707.x|year=2005|volume=30|pages=456}}</ref> Die Larven entwickeln sich innerhalb von 38 bis 65&nbsp;Tagen<ref name="Hydrobiologia">{{Cite journal|author=Frank Suhling|coauthors=Kamilla Schenk, Tanja Padeffke, Andreas Martens|title=[http://www.springerlink.com/(1rpist55bjokq1af1vqhuh45)/app/home/contribution.asp?referrer=parent&backto=issue,6,19;journal,31,836;linkingpublicationresults,1:100271,1 A field study of larval development in a dragonfly assemblage in African desert ponds (Odonata)]|journal=[[Hydrobiologia]]|year=2004|volume=528|pages=75–85}}</ref>, was der Wanderlibelle ermöglicht, sich in nur temporären Gewässern oder auch in Swimmingpools zu vermehren.<ref name="Silsby">{{Literatur|Autor=Jill Silsby|Titel=Dragonflies of the World|Seiten=180|Verlag=The National History Museum|Jahr=2001|ISBN=0-565-09165-4|Ort=Plymouth}}</ref> In einem Jahr entstehen so etwa drei bis vier Generationen.<ref name="Ecological">{{Cite journal|author=F. Johansson, F. Suhling|title=Behaviour and growth of dragonfly larvae along a permanent to temporary water habitat gradient|journal=[[Ecological Entomology]]|year=2004|volume=29|pages=196–202|url=http://www.blackwell-synergy.com/links/doi/10.1111/j.0307-6946.2004.00592.x/abs/}}</ref> Die schnelle Entwicklungszeit und der Umstand, dass die [[Larve]]n oft in nur saisonalen Gewässern reifen, gleicht die fehlende Tarnung gegenüber Fressfeinden aus.<ref name="isu.edu"/> Allerdings scheinen die Larven sehr [[temperatur]]empfindlich zu sein.<ref name="Odonatologica">{{Cite journal|author=J. H. Hawking, B. A. Ingram|title=Rate of larval development of Pantala flavescens (Fabricius) at its southern limit of range in Australia. (Odonata: Libellulidae) (zit. nach Laister)|journal=[[Odonatologica]]|year=1994|volume=23|pages=63–68}}</ref> Die Lebenserwartung ist nicht bekannt, da die Tiere auf Grund ihrer hohen Mobilität eine Feststellung nahezu unmöglich machen. === Ernährung === Wie alle Libellenlarven leben auch jene der Wanderlibelle räuberisch. Verglichen mit anderen Arten der [[Familie (Biologie)|Familie]] der [[Segellibellen]] ist die [[Larve]] allerdings bei der Futtersuche sehr aktiv und ernährt sich relativ wahllos von allen möglichen im Wasser lebenden Wirbellosen, wie aquatischen [[Insekten]]-Larven und [[Flohkrebse]]n. Aber auch [[Kaulquappe]]n und kleine Fische werden zur Ernährung herangezogen. Die [[Imago (Zoologie)|Imago]] ernährt sich überwiegend von kleinen Fluginsekten wie Mücken. Im [[Schwarmverhalten|Schwarm]] fressen sie auch fliegende [[Ameise]]n und [[Termiten]].<ref name="isu.edu"/> === Flugverhalten === [[Datei:Starr_021209-0044_Leucaena_leucocephala.jpg|thumb|Eine am Ast hängende Wanderlibelle auf [[Hawaii]]]] Ihre Fluggeschwindigkeit beläuft sich auf 5&nbsp;m/s.<ref name="Insect Behavior">{{Cite journal|author=Robert B. Srygley|title=Wind Drift Compensation in Migrating Dragonflies Pantala (Odonata: Libellulidae)|journal=[[Journal of Insect Behavior]]|year=2003|month=März|volume=16|issue=2|pages=217–232|url=http://www.springerlink.com/(zk1chybtlzbskf55aco4p555)/app/home/contribution.asp?referrer=parent&backto=searcharticlesresults,1,1;}}</ref> Besonders im Herbst fliegt die Wanderlibelle in großen [[Schwarmverhalten|Schwärmen]], wobei sie sich die [[Thermik]] zu Nutze machen. Ein Bericht spricht hier sogar von einer „Wolke“, die 34&nbsp;km² umfasste.<ref name="isu.edu"/> Bevorzugt nutzt sie dabei feuchte Winde.<ref name="Corbet">{{Literatur|Ort=Colchester|Autor=Philip S. Corbet|Titel=Dragonflies: Behaviour and Ecology of Odonata (zit. nach Laister)|Verlag=Harley Books|Tag=1|Monat=August|Jahr=1999|ISBN=0-946589-64-X}}</ref> Im normalen Flug halten sich Vertreter auf Inseln in Höhen von ein bis 2,5&nbsp;m über dem Boden auf und unterbrechen ihren Flug bei aufziehenden Wolken. Die kontinentalen Vertreter hingegen wählen Flughöhen von drei bis vier Metern und unterbrechen ihren Flug auch bei schlechter Witterung nicht. Die Tiere auf der Osterinsel haben sich davon weg entwickelt, weit auf die offene See hinauszufliegen, da dies meist den sicheren Tod bedeutet.<ref name="Biogeography"/> Bei der Landung strebt das Tier eine vertikale Haltung an.<ref name="Berger"/> Die Flügel stehen dabei wie bei allen Großlibellen vom Körper ab, werden also nicht angelegt. <br style="clear: both;"/> === Verbreitung und Flugzeit === [[Datei:Pantala flavescens dis.png|thumb|400px|Verbreitungsgebiet der Wanderlibelle]] Die Wanderlibelle hat ein extrem weites Verbreitungsgebiet, das ungefähr bis zum 40.&nbsp;[[Breitengrad]] bzw. zu den 20&nbsp;°C-[[Isotherme]]n reicht. Dabei bezeichnen die 20&nbsp;°C-Isothermen jenes Gebiet, in dem die [[Temperatur]] im [[Jahresmittel]] 20&nbsp;°C beträgt. Damit tritt sie sowohl in den Tropen als auch in den gemäßigten Zonen Nordamerikas auf. Aus Europa gibt es nur vereinzelte Sichtungen der Art, wobei seriöse Nachweise bislang vor allem aus der [[Ägäis]] und dem angrenzenden Festland stammen. Alle Wanderlibellen-Meldungen aus England oder Frankreich sind als äußerst zweifelhaft zu werten oder auf z. B. mit Bananenlieferungen importierte Tiere zurückzuführen. Als eine Erklärung für das Fehlen der sonst so verbreiteten Art in [[Europa]] wird die Barrierewirkung der [[Sahara]] angesehen. Diese macht mit ihren ungünstigen Winden, wie dem trockenen [[Scirocco]],<ref name="Corbet"/> und ihrer ausgeprägten [[Aridität|Trockenheit]] dem Tier die Überquerung nahezu unmöglich.<ref name="Libellula Supplement">{{Cite journal|last=G. Laister|title=Pantala flavescens auf Rhodos, mit einem Überblick über den Status der Art in Europa (Odonata: Libellulidae)|journal=[[Libellula Supplement]]|year=2005|volume=6|pages=33–40}}</ref> Ihr Eintreffen in den [[Subtropen]] und [[Tropen]] fällt mit der [[Innertropische Konvergenzzone|tropischen Konvergenzzone]] zusammen.<ref name="Jurzitza">{{Literatur|Autor=Gerhard Jurzitza|Titel=Unsere Libellen|Seiten=22|Verlag=Franckh|Jahr=1978|ISBN=3-440-04553-6}}</ref> Hierin zeigt sich auch wieder ihre Vorliebe für die feuchten Winde, so trifft die Wanderlibelle im südost[[Indien|indischen]] [[Tamil Nadu]] erst mit dem zweiten Monsun ein – denn erst dieser bringt in dieser Region den Regen. Im restlichen Indien hingegen trifft sie bereits mit dem ersten, regenbringenden Monsun ein.<ref name="Corbet"/> Sie wurde als am höchsten fliegende bisher bekannte Libelle bei circa 6.200&nbsp;m im [[Himalaya]] gesichtet. Auch war die Wanderlibelle eine der ersten Arten, die sich nach den [[Atomtest|Kernwaffentests]] wieder auf dem [[Bikini-Atoll]] ansiedelten.<ref name="Silsby"/> Zudem ist sie die einzige Libellenart, die auf der Osterinsel vorkommt. Die dort vertretenen Individuen scheinen sich durch ihren kleineren Genpool von den kontinentalen Individuen abzukoppeln, wodurch langsam eine neue Art entsteht ([[Gendrift]]). In kälteren Gebieten wie Süd[[australien]] und Nord[[kanada]] kann die Wanderlibelle nicht überwintern und wird daher jedes Jahr aufs neue durch Migranten ersetzt.<ref name="Biogeography"/> == Namensgebung == === Trivialnamen === Der Trivialname Wanderlibelle erklärt sich aus ihrem ausgeprägten [[Tierwanderung|Migrationsverhalten]],<ref name="Berger"/> das sich aus ihrer Fähigkeit, mehrere Stunden ununterbrochen zu fliegen, ergibt.<ref name="Hogue">{{Literatur|Autor=Charles L. Hogue|Titel=Latin American Insects and Entomology|Seiten=198|Verlag=University of California Press|Monat=September|Jahr=1993|ISBN=0520078497}}</ref> Auch der englische Trivialname ''Wandering Glider'' beziehungsweise ''Globe Skimmer'' deutet dies an.<ref name="Berger"/> Der zum Beispiel in [[Hongkong]] gebräuchliche Name ''Typhoon Dragonfly'' resultiert aus dem Eintreffen der Libelle zusammen mit oder kurz vor dem Regen.<ref name="Corbet"/> Der [[Japan|japanische]] Name ist ウスバキトンボ, ausgesprochen „Usubaki-Tombo“, also Usubaki-Libelle. Der Name in [[Kanji]] 薄羽黄蜻蛉, der japanische Fachname, ausgesprochen „Usubaneki-Tombo“, heißt Kanji für Kanji: * 薄 = Usu = zierlich, dünn * 羽 = Ba(ne) = Flügel * 黄 = Ki = gelb * 蜻蛉 = Tombo = Libelle Dies lässt sich also übersetzen als „gelbe Libelle mit zierlichen Flügeln“. === Wissenschaftlicher Name === Der wissenschaftliche Name ''Pantala flavescens'' besteht zum einen aus dem Wort ''Pantala'', das „alle Flügel“ bedeutet und auf die großen und langen Flügel anspielt, zum anderen aus dem lateinischen ''flavescens'', das gold/gelb heißt und sich auf die ausgeprägte goldene Färbung bezieht.<ref name="Berger"/> Die Art wurde erstmals 1798 als ''Libellula flavescens'' durch [[Johann Christian Fabricius|Fabricius]] folgendermaßen beschrieben: {{Zitat|L. [flavescens] alis hyalinis: stigmate niveo, corpore flavescente. Habitat in India Dom. Daldorff. Statura praecedentium. Caput flavescens oculis magnis, fuscis. Thorax flavescens, immaculatus. Abdomen compressum, flavescens linea dorsali nigra. Alae albae stigmate marginali niveo.|Fabricius|Entomologia systematica emendata et aucta Supplement S. 285}} Der dieser Erstbeschreibung zugrunde liegende [[Holotyp]] wird im Zoologischen Museum der [[Universität Kopenhagen]] aufbewahrt und war ein Weibchen aus [[Indien]]. In den folgenden Jahren tauchten einige weitere Beschreibungen mit wechselnden Namen auf. 1805 bezeichnete [[Ambroise Marie François Joseph Palisot de Beauvois|Palisot de Beauvois]] ein Tier aus [[Nigeria]] als ''Libellula viridula''. Etwa 1823 beschrieb der britische Entomologe [[James Charles Dale|Dale]] in einem unveröffentlichten Manuskript ein angeblich in [[Norfolk]] gefangenes Männchen als ''Libellula sparshalli'',<ref name="The Entomologist’s monthly Magazine">{{Cite journal|author=F.C. Fraser|title=A restatement of the case of Pantala flavescens (F.) (Odon., Libellulidae) as a casual visitor to Britain.|journal=[[The Entomologist’s monthly Magazine]]|year=1956|volume=92|pages=347–350}}</ref> das sich heute im [[Oxford University Museum of Natural History|Hope Museum]] in [[Oxford]] befindet. Im Jahr 1839 betitelte [[Hermann Burmeister|Burmeister]] ein Männchen aus [[Madras]], das sich heute in der [[Zoologische Sammlungen am Institut für Zoologie der Martin-Luther-Universität Halle|Zoologischen Sammlung Halle]] befindet, als ''Libellula analis'' und ein weiteres Männchen aus [[Brasilien]] als ''Libellula terminalis''. Letzteres befindet sich im [[Naturhistorisches Museum Wien|Naturhistorischen Museum Wien]]. 1910 lichtete sich das Feld, als [[Richard Anthony Muttkowski|Muttkowski]] die Synonymität der Arten erkannte. Bis auf eine Beschreibung im Jahr 1955, als ''Sympetrum tandicola'' durch [[S. Singh|Singh]] anhand eines Männchens aus dem [[Himalaya]], das sich heute im Zoology Survey India in [[Kalkutta]] befindet, folgten nun nur noch Publikationen, in denen die Art als ''Pantala flavescens'' bezeichnet wurde. Singhs ''Sympetrum tandicola'' wurde 1973 durch [[Tridib Ranjan Mitra|Mitra]] mit ''Pantala flavescens'' synonymisiert.<ref name="Steinmann"/> == Systematik == Die Wanderlibelle bildet zusammen mit ''[[Pantala hymenaea]]'' die [[Gattung (Biologie)|Gattung]] ''[[Pantala]]''. Diese ist wiederum namensgebend für die [[Unterfamilie (Biologie)|Unterfamilie]] [[Pantalinae]] innerhalb der [[Familie (Biologie)|Familie]] der [[Segellibellen]]. Auch die [[Schwesterart]] ''[[Pantala hymenaea]]'' ist, wie der fehlende deutsche Trivialname bereits impliziert, weder in [[Deutschland]] noch in [[Europa]] heimisch. In der [[Kladistik]] wird die Gattung ''Pantala'' innerhalb der Pantalinae allen anderen Gattungen dieser Unterfamilie gegenüber gestellt. Für die Unterfamilien der Segellibellen gibt es aktuell keine Untersuchung, die eine [[Dichotomie|dichotome]] Darstellung der [[Phylogenie]] erlaubt, die Pantalinae lassen sich nach aktuellem Forschungsstand also nicht eindeutig einer anderen Unterfamilie als Schwestergruppe gegenüberstellen.<ref name="www.fmnh.helsinki.fi">{{Internetquelle|autor=Mikko Haaramo|titel=Mikko’s Phylogeny Archive ''Neolamellida''|zugriff=25. März 2006|url=http://www.fmnh.helsinki.fi/users/haaramo/Metazoa/Protostoma/Arthropoda/Insecta/Palaeoptera/Neolamellida.html}}</ref> ── [[Segellibellen]] ├?── andere Unterfamilien └─── [[Pantalinae]] ├── andere Gattungen └── ''Pantala'' ├── Wanderlibelle ''(Pantala flavescens)'' └── ''Pantala hymenaea'' == Schutzstatus == [[Datei:Wanderlibelle_schutzstatus_nordamerika.gif|thumb|400px|right|Der Schutzstatus der Wanderlibelle in den Bundesstaaten der USA und Kanadas]] Die Wanderlibelle hat weltweit den [[Schutzstatus (TNC)|Schutzstatus]] G5, womit sie als in hohen Zahlen vorkommende, sehr weit verbreitete und ungefährdete Art eingestuft wird. Diesen Status erhielt sie am 30. Dezember 1985. In den [[USA]] hat sie den national äquivalenten Schutzstatus N5. In [[Kanada]] hingegen ist sie mit N4 niedriger eingestuft. Dies bedeutet, dass der Bestand zwar momentan als gut eingeschätzt wird und die Art als ungefährdet gilt, aber auf lange Sicht Bedenken bestehen. Auch auf der Ebene vieler Bundesstaaten in den USA und Kanada wurde ein Schutzstatus vergeben. Diese sind in der Graphik rechts in ihrer Entwicklung dargestellt.<ref name="www.natureserve.org">{{Internetquelle|hrsg=NatureServe|titel=NatureServe Explorer: An online encyclopedia of life|datum=Februar 2006|zugriff=25. März 2006|url=http://www.natureserve.org/explorer/}}</ref> == Briefmarken == Auf Grund ihrer hohen Verbreitung ist die Wanderlibelle auch auf einigen [[Briefmarke]]n abgebildet. So veröffentlichte [[Wallis und Futuna]] am 29. Juli 1974 eine 45-[[Französischer Franc|Franc]]-Briefmarke, die eine Wanderlibelle über einer Wasserfläche mit etwas Gewächs zeigt. Sie hat die [[Michel-Katalog|Michel-Nummer]] 257 und erschien in einer Reihe von Insekten-Motiven. Im Jahr 1975 führten die [[Pitcairn-Inseln]] am 9. November eine Marke ein, die eine Wanderlibelle vor dunkelblauen Hintergrund zeigt und 15&nbsp;[[Neuseeland-Dollar|Cent]] Wert war. Ihre Michel-Nummer ist 154, sie erschien ebenfalls in einer Insekten-Kollektion.<ref name="www.libellula.org(70)">{{Internetquelle|hrsg=Gesellschaft deutschsprachiger Odonatologen|titel=Libellen Briefmarken 1970–1979|zugriff=24. März 2006|url=http://www.libellula.org/stamps/1970_1979.htm}}</ref> [[Tuvalu]] brachte am 25. Mai 1983 eine 10-[[Australischer Dollar|Cent]]-Briefmarke heraus, die eine Wanderlibelle zeigt. Die [[Lithographie|lithographische]] Abbildung wurde von J. E. Cooter gestaltet. Ihre Michel-Nummer ist 190, und sie erschien in einer Reihe von Libellen. Die Darstellung beschränkt sich hier auf die Libelle mit Gräsern.<ref name="www.tuvaluislands.com">{{Internetquelle|hrsg=Brian Cannon|titel=1983 – Tuvalu Commemorative Stamps|zugriff=24. März 2006|werk=Tuvalu Online|url=http://www.tuvaluislands.com/stamps/st-c1983.htm#dragonflies}}</ref><ref name="www.libellula.org(80)">{{Internetquelle|hrsg=Gesellschaft deutschsprachiger Odonatologen|titel=Libellen Briefmarken 1980–1984|zugriff=24. März 2006|url=http://www.libellula.org/stamps/1980_1984.htm}}</ref> Eine weitere Wanderlibellen-Briefmarke erschien am 25. Dezember 1983 in [[Botsuana]] zu 6&nbsp;[[Botsuanischer Pula|Thebe]]. Sie zeigt die Libelle vor blauem Hintergrund auf einem Gewächs.<ref name="www.asahi-net.or.jp">{{Internetquelle|titel=Dragonfly Stamp of Botswana|werk=Insects on Stamps|zugriff=24. März 2006|url=http://www.asahi-net.or.jp/~ch2m-nitu/botuwane.htm}}</ref> Wiederum in Wallis und Futuna erschien am 4. August 1998 eine Briefmarke, die das Tier diesmal vor gelblichem Hintergrund im Fluge zeigt. Der Wert betrug diesmal 36&nbsp;F und die Michel-Nummer ist 736. Auch sie erschien zusammen mit anderen Insekten-Motiven.<ref name="www.libellula.org(95)">{{Internetquelle|hrsg=Gesellschaft deutschsprachiger Odonatologen|titel=Libellen Briefmarken 1995–1999|zugriff=24. März 2006|url=http://www.libellula.org/stamps/1995_1999.htm}}</ref> Die neueste Briefmarke stammt aus dem Jahre 2003 und erschien in [[Nordkorea]]. Ihr Wert beträgt 15&nbsp;[[Nordkoreanischer Won|Won]], und sie stellt eine auf einer Ähre sitzende Wanderlibelle dar.<ref name="www.libellula.org(03)">{{Internetquelle|hrsg=Gesellschaft deutschsprachiger Odonatologen|titel=Libellen Briefmarken 2003–2005|zugriff=24. März 2006|url=http://www.libellula.org/stamps/2003_2005.htm}}</ref> == Literatur == === Erstbeschreibungen<ref name="Steinmann"/> === * {{Literatur|Autor=Fabricius|Titel=Entomologia systematica emendata et aucta|TitelErg=Supplement|Seiten=285}} * {{Literatur|Autor=Beauvois|Titel=Insectes recueillis en Afrique et en Amérique|Seiten=69}} * {{Literatur|Autor=Burmeister|Titel=Handbuch der Entomologie|Band=Band 2|Seiten=852}} === Sekundärliteratur === * {{Literatur|Autor=Arnett H. Ross jr.|Titel=American Insects. A Handbook of Insects of America North of Mexico|Verlag=CRC Press|Jahr=2000|Ort=Boca Raton|ISBN=0-8493-0212-9}} * {{Literatur|Autor=Cynthia Berger|Titel=Dragonflies (Wild Guides)|Seiten=97|Verlag=Stackpole Books|Monat=März|Jahr=2004|ISBN=0-8117-2971-0|Ort=Mechanicsburg (Pennsylvania)}} * {{Literatur|Autor=Gerhard Jurzitza|Titel=Unsere Libellen|Verlag=Franckh|Jahr=1978|ISBN=3-440-04553-6}} * {{Literatur|Autor=Jill Silsby|Titel=Dragonflies of the World|Verlag=The National History Museum|Jahr=2001|ISBN=0-565-09165-4|Ort=Plymouth}} === Wissenschaftliche Sekundärliteratur und Artikel === * {{Literatur|Autor=Philip S. Corbet|Titel=Dragonflies: Behaviour and Ecology of Odonata|Verlag=Harley Books|Jahr=1999|Ort=Colchester|ISBN=0-946589-64-X}} * {{Literatur|Autor=F. C. Fraser|Titel=A restatement of the case of ''Pantala flavescens'' (F.) (Odon., Libellulidae) as a casual visitor to Britain|Sammelwerk=[[The Entomologist’s monthly Magazine]]|Jahr=1956|Band=92|Seiten=347–350|ISSN=0013-8908}} * {{Literatur|Autor=J. H. Hawking, B. A. Ingram|Titel=Rate of larval development of ''Pantala flavescens'' (Fabricius) at its southern limit of range in Australia. (Odonata: Libellulidae)|Sammelwerk=Odonatologica|Band=23|Jahr=1994|Seiten=63–68|ISSN=0375-0183}} * {{Literatur|Autor=A. Kumar|Titel=On the life history of ''Pantala flavescens'' (Fabricius) (Libellulidae: Odonata)|Sammelwerk=Annals of the Entomological Society of America|Band=2|Nummer=1|Jahr=1984|Seiten=43–50|ISSN=0013-8746}} * {{Literatur|Autor=G. Laister|Titel=Pantala flavescens auf Rhodos, mit einem Überblick über den Status der Art in Europa (Odonata: Libellulidae)|Sammelwerk=Libellula Supplement|Band=6|Jahr=2005|Seiten=33–40|ISSN=0273-6514}} * {{Literatur|Autor=M. Samways, R. Osborn|Titel=Divergence in a transoceanic circumtropical dragonfly on a remote island|Sammelwerk=Journal of Biogeography|Band=25|Jahr=1998|Seiten=935–946|ISSN=0305-0270}} * {{Literatur|Autor=Henrik Steinmann|Titel=World Catalogue of Odonata|Band=Band II (Anisoptera)|Seiten=542f|Verlag=de Gruyter|Jahr=1997|ISBN=3-11-014934-6|Ort=Berlin/New York}} * {{Literatur|Autor=K. Van Damme, H. J. Dumont|Titel=A drought–resistant larva of ''Pantala flavescens'' (Fabricius, 1798) (Odonata: Libellulidae) in the Lencois Maranhenses, NE-Brazil|Sammelwerk=International Journal of Odonatology|Band=2|Jahr=1999|Seiten=69–76|ISSN=1388-7890}} == Weblinks == {{Commons|Pantala flavescens}} * [http://www.itis.usda.gov/servlet/SingleRpt/SingleRpt?search_topic=TSN&search_value=101801 Eintrag auf ITIS] * {{IUCN|Year=2006|ID=59971|ScientificName=Pantala flavescens|YearAssessed=2005|Assessor=Clausnitzer|Download=12. Mai 2006}} * Bilder ** [http://www.azodes.com/dragons/skimmers/glid-wand.asp Wanderlibellen-Bilder] ** [http://www.greglasley.net/wanglider.html Weitere Bilder] ** [http://www.pbase.com/wsbranham/dragonflies Bilder des Tandemflugs] ** [http://homepage2.nifty.com/syosim/usubakiE.htm Bilder vom Schlüpfprozess] (japanisch) == Einzelnachweise == <references /> {{Exzellent}} [[Kategorie:Segellibellen]] [[en:Pantala flavescens]] [[fr:Pantala flavescens]] [[ja:ウスバキトンボ]] kmclcqgogy668e9ekd7kypw7zd2zono wikitext text/x-wiki Wandermenagerie 0 24469 27070 2010-04-18T21:46:46Z Grindinger 0 /* Tierbude */ [[Datei:Meyerheim-1.jpg|miniatur|hochkant=1.95|[[Paul Friedrich Meyerheim]]: ''In der Tierbude'', 1894; [[Galerie Neue Meister|Gemäldegalerie, Dresden]]]] '''Wandermenagerien''' waren Sammlungen lebender exotischer Tiere auf Tournee. Sie wurden seit dem ausgehenden 18.&nbsp;Jahrhundert zunehmend in ganz Europa und in den USA zu einem festen Bestandteil der alltäglichen Unterhaltungskultur. Die Menagerien wurden von [[Schausteller]]n betrieben, die mit den Tieren von Ort zu Ort zogen, um sie in ''Tierbuden'' gegen Entgelt einem Publikum zu präsentieren. Im Gegensatz zum [[Zirkus]] lag die Sensation dieser ''Tierschauen'' nicht in erster Linie in der [[Dressur]] der durchweg zahmen Tiere, sondern in dem Zurschaustellen ihrer befremdenden Besonderheiten. Anders als die sich ebenfalls im 19. Jahrhundert etablierenden [[Zoo]]s, die sich der Erforschung der Geschöpfe und der Belehrung des Publikums verschrieben, setzten die Tierdarbietungen der wandernden Menageristen vor allem auf die Schaulust, die sich durch das fahrende Gewerbe allerorten bedienen ließ. In Europa endete die Zeit der mobilen Tierschauen in den 1930er-Jahren, in den USA blieben Wandermenagerien noch bis in die 1960er-Jahre gegenwärtig. == Schauen und Sammeln == Die Tradition der Zurschaustellung lebender, exotischer Tiere ist seit der Antike in Europa belegt. Seit dem Mittelalter waren [[Gaukler]] in Europa mit lebenden Tieren durch die Lande gezogen; [[Tanzbär]]en gehörten zum Bild des mittelalterlichen und frühneuzeitlichen regionalen und städtischen Marktgeschehens. Das Sammeln fremder Geschöpfe war indes ein jüngeres Phänomen, das seit der frühen Neuzeit bei den europäischen Herrschern zur Hofhaltung gehörte und seltene Tiere verstärkt zu Tauschobjekten und diplomatischen Geschenken werden ließ, wie zum Beispiel im 15. Jahrhundert die sogenannte [[Medici-Giraffe]], die auf [[Fresko|Fresken]] und Gemälden verewigt wurde. In speziell für Großkatzen und Dickhäuter eingerichteten [[Menagerie]]n waren die Tiere, ähnlich wie die fürstlichen [[Wunderkammer]]n und [[Naturalienkabinett]]e, Ausdruck eines exklusiven Anspruchs auf Unterhaltung und Befriedigung der Neugier.<ref>''Johann Heinrich Zedlers Grosses vollständiges Universallexikon aller Wissenschaften und Künste''. [http://www.zedler-lexikon.de/blaettern/einzelseite.html?seitenzahl=0311&bandnummer=20&dateiformat=1&supplement=0 Band 20, DS. 0311]</ref> Die Tiere blieben oft nicht am selben Ort, sondern wurden als Zeichen der Macht ihrer Besitzer herumgezeigt, so insbesondere der zähmbare [[Asiatischer Elefant|asiatische Elefant]], der seit dem Mittelalter immer wieder in Europa zu sehen war. So schickte zum Beispiel [[Ludwig IX. (Frankreich)|Ludwig IX.]] im 13.&nbsp;Jahrhundert [[Elefant Ludwigs IX.|einen Elefanten]] weiter nach [[England]], Papst [[Leo X.]] bekam aus [[Portugal]] einen jungen Elefanten namens [[Hanno (Elefant)|Hanno]] aus dem Besitz von [[Manuel I. (Portugal)|Manuel I.]] und ein unter dem Namen ''[[Soliman (Elefant)|Soliman]]'' in die Historie eingegangener Elefant wechselte auf seinem Weg nach [[Wien]] über [[Lissabon]] und [[Madrid]] seine fürstlichen Besitzer.<ref>Zu den Elefantenhistorien siehe Stephan Oettermann: ''Die Schaulust am Elefanten. Eine Elephantographia Curiosa''. Syndikat, Frankfurt am Main 1982; S. 95–190</ref> Am Ende des 18. Jahrhunderts wurden die herrscherlichen Menagerien zunehmend aufgelöst. Die Tierbestände verteilten sich, sofern sie nicht skelettiert im Naturalienkabinett landeten, am Anfang des 19. Jahrhunderts über den Handel mit exotischen Tieren in die Einrichtung zoologischer Gärten für die Öffentlichkeit, ergänzten als dressierte Attraktionen den Zirkus oder wurden Bestandteil mobiler Tiersammlungen von Schaustellern. === Gaukler und Händler === [[Datei:Longhi.löwenkäfig.1762.jpg|thumb|Pietro Longhi: ''Il casotto del leone'' (Löwenbude), 1762; Pinacoteca Fondazione Querini Stampalia, [[Venedig]]. Ein reisender Komödiant zeigt dressierte Hunde und einen zahmen Löwen.]] Tierdarbietungen mit domestizierten Wildtieren und kleinen Dressurnummern gehörten zum neuzeitlichen öffentlichen Unterhaltungsprogramm reisender Schausteller und [[Volkstheater|Komödianten]]. Seit Ende des 15. Jahrhunderts wurden Bären und Affen oft gemeinsam mit [[Mohr]]en und menschlichen [[Fehlbildung]]en vorgeführt.<ref>Franz Irsigler, Arnold Lassotta: ''Bettler und Gaukler, Dirnen und Henker. Außenseiter in einer mittelalterlichen Stadt''. München 1989, S. 126–131</ref> Indische Elefanten, die als gelehrige Tiere Kunststücke vorführen konnten, wie zum Beispiel die Elefantenkuh [[Hansken (Elefant)|Hansken]] und [[Berninis Elefant]], wurden im 17. Jahrhundert zu Publikumsmagneten. Im 18. Jahrhundert ging ein lebendes [[Panzernashorn]] namens [[Clara (Nashorn)|Clara]] auf eine Europatournee. Das Auftreten derartiger seltsamer, als sensationell angesehener Wunder der Natur wurde durchweg in den [[Annalen|Ortsannalen]] festgehalten und von Künstlern, wie zum Beispiel [[Jean-Baptiste Oudry]], in Kunstwerken verewigt.<ref>Eric Baratay, Elisabeth Hardouin–Fougier: ''Zoo. Von der Menagerie zum Tierpark''. (2000); S. 68ff.</ref> Die regelmäßigen Schiffsverbindungen schafften einen Markt für seltene Tiere in Europa, zunächst insbesondere in den Überseehäfen. Um 1700 entstanden in [[Amsterdam]] mit dem anlandenden exotischen Getier, das nicht umgehend von den fürstlichen Agenten in die geschlossenen Menagerien verbracht worden war, sogenannte Handels- und Schaumenagerien; Tierführer zogen mit den Beständen in die Residenzstädte in der Hoffnung auf fürstliche Kundschaft. So wie die [[Deutsche Wanderbühne|Wanderbühnen]] gastierten die fahrenden Tierhalter gelegentlich an den [[Hoftheater]]n. In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts erweiterte sich das Spektrum der zur Schau gestellten Tiere insbesondere um die sogenannten „Königstiere“, die Elefanten und [[Löwe]]n, die von nunmehr sich eigenständig entwickelnden Unternehmen einem zahlungskräftigen Publikum vorgeführt wurden.<ref>Annelore Rieke-Müller, Lothar Dittrich: ''Unterwegs mit wilden Tieren. Wandermenagerien zwischen Belehrung und Kommerz 1750–1850'' (1999), S. 13f.</ref> Die öffentliche Veranstaltung von [[Tierkampf|Tierkämpfen]], in denen oft Hunde gegen Bären, [[Wolf|Wölfe]] oder [[Tiger]] antreten mussten, wurde seit Beginn des 19. Jahrhunderts in ganz Europa von den Städten nach und nach untersagt. Die Verbote in Deutschland (ab 1830), Großbritannien (ab 1835) und Paris (1833) erfolgten nach den im Zuge der [[Französische Revolution|Französischen Revolution]] 1793 in Paris entworfenen Ideen der Wildtierpräsentation, die eine der [[Zeitalter der Aufklärung|Aufklärung]] verpflichtete ''öffentliche Menagerie'' propagiert hatten und damit entsprechende Kampagnen gegen die Tierkämpfe in Europa in Gang setzten.<ref name="Baratay1">Eric Baratay, Elisabeth Hardouin–Fougier: ''Zoo. Von der Menagerie zum Tierpark'' (2000); S. 106</ref> === Vom Fürsten in den Zoo und in die Schaubude === [[Datei:Versailles M2.JPG|thumb|left|Menagerie im Park von [[Schloss Versailles|Versailles]] zur Zeit [[Ludwig XIV.|König Ludwigs XIV.]]]] Nach dem Tod Kaiser [[Franz I. Stephan (HRR)|Franz Stephans]] im Jahr 1765 wurde dessen exquisite Tiersammlung in [[Schloss Schönbrunn|Schönbrunn]] bei [[Wien]] für das Publikum geöffnet; der [[Tiergarten Schönbrunn]] sieht sich deshalb als den ältesten Zoo der Welt an. Am 10. August 1792 zerstörten die [[Jakobiner]] die berühmte, unterdessen jedoch vernachlässigte Menagerie in [[Schloss Versailles|Versailles]] und gaben umgehend zahlreiche Wildtiere zum [[Taxidermie|Ausstopfen]].<!-- die sich darin abzeichnenden Tendenz, das Fremde als ein Wertobjekt zu fixieren, machte in den folgenden Jahren vor menschlichen Exoten, wie zum Beispiel [[Angelo Soliman]], nicht halt. INTERESSANTE ASSOZIATION, HIER ABSEITS FÜHREND--> Die Tötung der verbliebenen noch lebenden Tiere in Versailles und deren Überführung ins Naturalienkabinett wurde verhindert durch den erfolgreich durchgesetzten Plan [[Jacques-Henri Bernardin de Saint-Pierre|Bernardin de Saint-Pierres]], Schriftsteller und Leiter des Kabinetts, die Tiere dem ''[[Jardin des Plantes|Jardin national des Plantes]]'' zuzuführen. Die dort 1793 für sie eingerichtete [[Ménagerie du Jardin des Plantes|öffentliche Menagerie]], die noch heute existiert, war bestimmt durch ihre wissenschaftliche Ambition, durch die Idealisierung von Natur in Form der Gestaltung als Park sowie durch das Interesse an nationalem Prestige und wies damit die Kennzeichen des modernen Zoos im 19. Jahrhundert auf.<ref>Thomas Macho: ''Zoologiken: Tierpark Zirkus und Freakshow''. (2005) S. 158f.</ref> Die kostspieligen privaten Tiersammlungen kamen in den Handel und ermöglichten auf diese Weise dem Schaustellergewerbe eine attraktive Ergänzung ihrer Bestände. Als eine der letzten wurde die bedeutende Menagerie des Württemberger Königs [[Friedrich I. (Württemberg, König)|Friedrich]] verkauft, bedingt durch anhaltende Missernten und Hungersnot im Land. Nach Friedrichs Tod im Jahr 1816 ließ sein Nachfolger [[Wilhelm I. (Württemberg)|Wilhelm]] sogleich einen der Elefanten töten und ins königliche Naturalienkabinett überführen. Die großen Raubkatzen und einen weiteren Elefanten gab er umgehend auf den Markt, das Menageriegebäude stellte er ebenfalls zum Verkauf. Mehrere [[Papageien]], einen [[Afrikanischer Strauß|Strauß]], einige große [[Affen]] und den Elefanten erwarb der [[Kunstreiten|Kunstreiter]], [[Theaterleiter|Zirkusprinzipal]] und Schausteller [[Jacques Tourniaire]] (1772–1829); allein für den Elefanten zahlte er 1.100 [[Gulden|Florin]]. Die Tierhändler, die sich vor allem die Dickhäuter und die Raubtiere sicherten, führten diese durchweg als wandernde Schaustücke zuweilen durch ganz Europa. So hatte der Berliner Tierhändler Garnier aus der königlich württembergischen Sammlung neben Affen und Papageien einen [[Leopard]]en, einen Elefanten und einen [[Bären]] erstanden. Insbesondere die [[Elefanten von Garnier|Elefanten Garniers]] wurden zur Attraktion seiner fahrenden Schaubude; zwei der Dickhäuter kamen auf ihren Tourneen 1819 und 1820 spektakulär zu Tode.<ref>Stephan Oettermann: ''Die Schaulust am Elefanten. Eine Elephantographia Curiosa''. Syndikat, Frankfurt am Main 1982; S. 157 und 160–164</ref> == Tierschau == Die Wandermenagerien des 19. Jahrhunderts übernahmen von den ambulanten Tiervorführern des 18. Jahrhunderts die Dramaturgie der ''Kombination'' verschiedener Tierarten fremder [[Fauna|Faunen]], zunächst in der Absicht, diese dem staunenden Publikum in einem friedlichen Nebeneinander vorzuführen. [[Großkatzen|Raubkatzen]], die seit Beginn des 19.&nbsp;Jahrhunderts von den Schaustellern auch gezüchtet wurden und deshalb in der Regel zahm waren, sowie [[Riesenschlangen]] und [[Hyänen]] gaben indes den willkommenen Anlass, die Gefahren der wilden Natur zu vermitteln. Die Schausteller zeigten sich in ihren Tierbuden zunehmend als [[Dompteur]]e, als Bändiger blutrünstiger Bestien; die Possierlichkeit dressierter Hündchen wurde Beiprogramm. === Tierbude === [[Datei:Menagerie.tierbude.1800.jpg|thumb|Tierbude einer Wandermenagerie um 1800; [[Germanisches Nationalmuseum]], [[Nürnberg]]]] [[Datei:Days.menagerie.1895.oxford.jpg|thumb|''Day's Menagerie'', Oxford 1895]] Die Schausteller mit Tiermenagerien gehörten zum [[Fahrendes Volk|fahrenden Volk]]. Sie transportierten ihre Tiersammlungen auf Pferdewagen in Käfigen, in denen die Tiere auch gehalten wurden. Auf der Reise waren die Käfige bis auf Licht- und Luftfenster verschlossen, um die Fracht sowohl vor Wind und Wetter als auch vor unentgeltlicher Besichtigung zu schützen. Am Ort der Darbietung wurden die Tierkästen in einer Reihe aufgestellt. Einfache Holzwände oder [[Plane (Abdeckung)|Planen]] um die geöffneten Gitterseiten der Käfige herum schützten die Schaustücke vor den neugierigen Blicken der nicht zahlenden Besucher und ergaben, an einem Ende mit einem Eingang versehen, einen nach allen Seiten abgeschlossenen und begehbaren Raum, der den Zuschauern hinreichenden Platz bot. Eine darüber angebrachte Zeltplane schützte die Tiere und die Darbietungen vor Sonne, Wind und Regen. Die Winterquartiere bestanden aus festen Buden, die eigens gezimmert und mit Stroh und Sägemehl gegen die Kälte abgedichtet wurden.<ref>Annelore Rieke-Müller, Lothar Dittrich: ''Unterwegs mit wilden Tieren. Wandermenagerien zwischen Belehrung und Kommerz 1750–1850'' (1999); S. 67–73</ref> In der Tierbude war das Publikum durch Barrieren von den Käfigen mit den wilden Tieren getrennt. Die billigeren Plätze waren in einigem Abstand zu den Tieren eingerichtet; den Besuchern, die einen höheren Eintritt zu zahlen bereit waren, erklärte der Schausteller seine Sammlung aus der Nähe. Unter dem Zeltdach konnten bunte Vögel – meistens waren es Papageien – angekettet auf Bügeln schaukeln. Ein Elefant, der nach wie vor die größte Anziehungskraft für die Besucher darstellte, wurde stets exponiert aufgestellt. Bei finanziellem Erfolg investierten die Schausteller den Profit in die Vergrößerung ihrer Tierbestände. Die auf Wagen transportierten Käfige wurden zu Gitterwaggons, die ab 1850 von den größeren Menagerien durchweg mit der [[Eisenbahn]] transportiert wurden und deren Anzahl eine doppelseitige Aufstellung auf den [[Jahrmarkt|Jahrmärkten]] erforderte. Die Waggons wurden mit einem geschlossenen Zelt überspannt und die größeren Innenräume mit Bühnen ausgestattet für besondere Darbietungen der Schausteller mit einzelnen Tieren. Das Publikum wurde in „Ränge“ aufgeteilt, die teuersten Plätze waren nach wie vor die in unmittelbarer Nähe der Tiere. Der Eingang war durchweg mit großflächigen Ankündigungstafeln verziert, farbigen Malereien auf Holz oder [[Jute]], die dramatische Tierszenen darstellten. Die bunte Giebelverkleidung kaschierte zudem das mobile und entsprechend temporär wirkende Zelt- und Bretterarrangement und bot den Besuchern eine an die feststehenden [[Schaubude]]n erinnernde Optik. Der Eingang hatte Platz für Darbietungen, die einen Vorgeschmack auf das im Innern der Bude zu erwartende [[Spektakel]] boten.<ref>[http://www.nfa.dept.shef.ac.uk/history/shows/menageries.html ''Travelling menageries'': Fotos vom Eingang] (Englisch)</ref> === Dramaturgien === [[Datei:Circus Lion Tamer.jpg|thumb|''Dompteur im Käfig'', [[Lithografie|Lithographie]] 1873; [[Library of Congress]], [[Washington D. C.|Washington]]]] Die Tierschauen begannen bereits vor dem Eingang, wo die Schausteller lautstark zunächst die Neugier der Besucher weckten, indem sie ihre Äffchen und Papageien oder schon mal ein [[Kamele|Kamel]] auf einer Rampe umsonst präsentierten, um die Besucher mit der Aussicht auf die eigentlichen Attraktionen, wie zum Beispiel die Raubkatzen und Dickhäuter, in ihre Bude zu locken. Ein ''Explikator'' gab im Innern der Bude Auskunft über die Tiere, zumeist in einer Mixtur aus Information und Mythen; das Wissen um die Tiere bezogen die Schausteller in der Regel aus [[Georges-Louis Leclerc de Buffon|Buffons]] ''Histoire naturelle'' aus dem 18. Jahrhundert. Die großen Wildtiere waren durchweg handzahm, da sie oft als Jungtiere gekauft und von ihren Besitzern aufgezogen worden waren. Gleichwohl verschaffte ihre Schaustellung in den Käfigen dem zahlenden Publikum den eingangs versprochenen Nervenkitzel und zugleich das Erlebnis der Überlegenheit gegenüber dem Geruch und dem Geschrei der wilden Natur.<ref>[http://www.schaubuden.de/Schaubuden_Dateien/Schaubuden_Dateien_pdf/f%20Kapitel%205%20Menagerien.pdf ''Menagerien'', S. 82]; Annelore Rieke-Müller, Lothar Dittrich: ''Unterwegs mit wilden Tieren. Wandermenagerien zwischen Belehrung und Kommerz 1750–1850'' (1999), S. 101</ref> [[Datei:Meyerhime.sideshow.1891.jpg|thumb|left|Paul Friedrich Meyerheim: ''Dressur im Nebenzelt'', 1891; Privatbesitz]] Ab etwa 1820 nahmen die Menagerien vermehrt Dressuren ins Programm mit dem Ziel, die domestizierten Raubtiere in Bewegung zu zeigen, wobei die freiwillige Unterwerfung der Wildtiere unter den Willen des Menschen zum Ausdruck gebracht wurde. Schlangenbändiger führten ihre Tiere ohne schützende Gitter inmitten des Publikums vor, zuweilen umstellt von einem freilaufenden [[Pelikane|Pelikan]] oder einem friedlich fressenden [[Dromedar]]. Im Lauf des 19. Jahrhunderts und mit zunehmendem Verdienst gebot die Konkurrenz, den Tierbudenbesuchern als Attraktion die Konfrontation der Bestien mit dem Menschen vorzuführen. Tierbändiger traten im Käfig zusammen mit verschiedenen Raubkatzenarten auf, wobei sie keine Dressurakte vorführten, sondern die nach wie vor zahmen Tiere zum Fauchen brachten und mit Peitsche und Stock zu gefährlich wirkenden Handlungen antrieben. Elefant und [[Alligatoren|Alligator]] kamen auf die Bühne.<ref>Annelore Rieke–Müller, Lothar Dittrich: ''Der Löwe brüllt nebenan. Die Gründung Zoologischer Gärten im deutschsprachigen Raum 1833–1869'' (1998) S. 15f.</ref> Als der Besuch der Tierbude im ausgehenden 19. Jahrhundert längst zum sonntäglichen Freizeitvergnügen für die Familie geworden war, errichteten die Schausteller kleine Nebenzelte, in denen sie Dressurakte mit Kleintieren vorführen ließen. === Organisation und Wirtschaftlichkeit === [[Datei:Menagerie.van.aken_retouched.jpg|thumb|Ankündigungszettel der Menagerie van Aken, [[Hannover]] 1830; [[British Museum]], London]] Zu den ertragreichsten Orten des Tierhandels gehörten die niederländischen Hafenstädte und in nachnapoleonischer Zeit der [[London]]er Hafen. Von London aus gelangten die exotischen Tiere nach [[Hamburg]] oder [[Bremen]], wo sich in den 1820er und 1830er Jahren wichtige Umschlagplätze für den Tierhandel auf dem Kontinent entwickelten. Zu den begehrtesten und teuersten Tierwaren gehörten neben den Elefanten, Löwen und Tigern auch das [[Zebra]] und der [[Tapire|Tapir]], die von den Menageristen als Attraktionen geschätzt wurden; [[Nashörner|Nashorn]], [[Giraffe]] oder gar ein [[Flusspferd]] blieben eine Rarität und kamen in die Zoos. Tierschauen bedurften in den Städten und Gemeinden einer kostenpflichtigen Auftrittsgenehmigung; zuweilen waren Abgaben an die örtlichen sozialen Einrichtungen, wie zum Beispiel die Armenkassen, zu leisten. Die Wandermenagerien hatten überdies bei der Wahl ihrer Auftrittsorte das Besucherpotential zu berücksichtigen; Messestädte oder Städte mit großen Jahrmärkten zählten zu den sogenannten „großen Stationen“. Neben den [[Wagenburg (Formation)|Wagenburgen]] nebst mitgeführten Zelten oder den temporär gezimmerten Buden auf den Marktplätzen waren angemietete feststehende Schaubuden, Gasthöfe und Hotels gelegentlich Spielorte für Tierschauen. Den vergleichsweise hohen Einnahmen aus Tierverkäufen und Eintrittsgeldern standen erhebliche Investitionen in Ankauf, Haltung und Transport gegenüber. Reklame in Form von gedruckten Ankündigungszetteln, Plakaten und Broschüren mussten auf die Orte der Zurschaustellungen hin verfasst, gedruckt und vorab vertrieben werden. Die Kapitaleinbuße durch Tierverluste ließ sich durch den Verkauf der Kadaver an die [[Naturkundemuseum|Naturkundemuseen]] oft nur teilweise ausgleichen. Schwankende Preise und die nicht immer absehbare Nachfrage nebst den von den Gemeinden diktierten Eintrittspreisen machten überdies die Wandermenagerie zu einem Geschäft mit schwer kalkulierbarem Risiko. So verfügte zum Beispiel der erfolgreiche Menagerist Jacques Tourniaire um 1828 über hinreichend Kapital, um als einer der Geldgeber in den Bau eines Zirkusgebäudes in [[Sankt Petersburg|St. Petersburg]] investieren zu können, der jedoch nicht realisiert wurde.<ref>Annelore Rieke-Müller, Lothar Dittrich: ''Unterwegs mit wilden Tieren. Wandermenagerien zwischen Belehrung und Kommerz 1750–1850'' (1999), S. 39, 62–75</ref> Madame Victoire Leclerf hingegen durfte im Jahr 1826 mit ihrem Elefanten [[Baba (Elefant)|Baba]] die Stadt [[Frankfurt am Main]] nicht verlassen, da „wegen einer Forderung an Frau Leclerf die [[Effekten|Effecten]] derselben mit Beschlag belegt waren“.<ref>Max Schmidt, erster Direktor des [[Zoo Frankfurt|Frankfurter Zoos]], 1827; zitiert nach Stephan Oettermann: ''Die Schaulust am Elefanten. Eine Elephantographia Curiosa''. Syndikat, Frankfurt am Main 1982; S. 165</ref> == Wandernde Tiersammlungen == Die Anzahl von Wandermenagerien nahm seit Beginn des 19. Jahrhunderts beständig zu. Oft waren es kleine Schaustellergruppen mit einem bis maximal zwei Dutzend Tieren; einige wandernde Tierschauen gewannen indes in wenigen Jahren ein erhebliches Ausmaß von bis zu mehreren Hundert lebenden Ausstellungsstücken. Die Besitzer der großen Menagerien zogen junge Tiere auf und arbeiteten seit Mitte des Jahrhunderts nicht selten mit den Zoos bei deren Einrichtung zusammen oder machten selber ihre Tiersammlung in einer Stadt sesshaft. Einige Wandermenagerien führten die [[Manege (Zirkus)|Manege]] ein und gründeten einen Zirkus. === Italien und Frankreich === [[Datei:Menagerie.nicolet_retouched.jpg|thumb|Anschlagzettel des Jean–Baptiste Nicolet, 1777, mit Vermerk eines ''Orangoutan''; [[Historisches Museum Frankfurt]].]] Einige der bedeutenden Tierführer [[Italien]]s und [[Frankreich]]s in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts stammten aus Komödiantenfamilien und zeigten ihre Wildtiere oft zusammen mit anderen Kuriosa, wie zum Beispiel fremden [[Artefakt (Archäologie)|Artefakten]] und Naturalien, [[Panorama (Kunst)|Panoramen]] und exotischen Menschen. Der Komödiant Jean–Baptiste Nicolet, der in den 1770er Jahren mit elf Tieren durch Italien und Frankreich wanderte, nannte seine Tierschau 1776 eine ''Menagerie'' und führte damit diesen Begriff für die ambulanten Tiersammlungen ein. Auf einem Anschlagzettel Nicolets von 1777 – mit königlichem [[Privileg]] – ist ein [[Orang-Utans|„Orangoutan“]] vermerkt. [[Antonio Alpi]] (auch ''Albi'' oder ''Alpy'') zog 1784 mit mehreren [[Ren]]tieren von [[Lappland]] nach Frankreich. 1798 ist sein Besitz einer Tierschau belegt, die er in London zusammengestellt hatte und zu der zwei asiatische Elefanten gehörten; Alpi verkaufte diese Sammlung 1799 an die kaiserliche Menagerie in Wien. Um 1800 war er mit einer neuen Kollektion unterwegs in Norditalien, der Schweiz und im deutschsprachigen Raum; 1814 wurde er als Besitzer eines Panzernashorns genannt.<ref>Annelore Rieke-Müller, Lothar Dittrich: ''Unterwegs mit wilden Tieren. Wandermenagerien zwischen Belehrung und Kommerz 1750–1850'' (1999); S. 24, 27, 30</ref> [[Datei:Mr Martin le lion Néron et le tigre Atir.jpg|thumb|left|Henri Martin mit seinem Löwen ''Néron'' und mit ''Atir'', dem Tiger; um 1820/1830]] In Frankreich setzte sich beim Publikum die Manege durch und seit dem ausgehenden 18. Jahrhundert in Anlehnung an [[Philip Astley]], der als Begründer des modernen Zirkus angesehen wird, insbesondere die ausgefeilte Pferdedressur; die [[Hohe Schule (Reitkunst)|Hohe Schule]] gehörte zum Zirkusprogramm und wurde zum Beispiel von Jacques Tourniaire erfolgreich bis nach Russland geführt. Astley hatte die Verbindung von [[Akrobatik]] und Pferdedressur in den 1770er Jahren in [[London]] erfunden; sie wurde von [[Antoine Franconi]] in seinem ''[[Cirque Olympique]]'' in [[Paris]] in den 1820er Jahren aufgegriffen.<ref name="Baratay107">Eric Baratay, Elisabeth Hardouin–Fougier: ''Zoo. Von der Menagerie zum Tierpark'' (2000); S. 107, 108f.</ref> Tierschauen, wie sie von den Wandermenagerien in Großbritannien und Deutschland gezeigt wurden, kultivierte Frankreich seit Beginn des 19. Jahrhunderts in den reisenden Unternehmen mit Tierbestand als dressierte Inszenierung.<ref>Eric Baratay, Elisabeth Hardouin–Fougier: ''Zoo. Von der Menagerie zum Tierpark'' (2000); S. 57ff.</ref>Die Dressurdarbietungen wurden ergänzt durch [[Pantomime]]n, [[Feerie]]n und [[Clown]]erien und glichen eher mit Tieren besetzten Theateraufführungen. Populär waren die [[Pferdetheater]] mit ihren [[Spektakelstück]]en und [[Tableaux vivants|nachgespielten Schlachtengemälden]]. [[Napoléon Bonaparte|Napoléon]] untersagte in seinem [[Napoleonisches Theaterdekret|Theaterdekret]] von 1807, diese vor allem beim Publikum von Paris beliebten [[Boulevardtheater|Boulevardvorführungen]] als „Theater“ zu betreiben. Die Vorführung von großen Raubtieren erfolgte in Frankreich vergleichsweise spät. Im ''Cirque Olympique'' in Paris trat 1831 in einer Pantomime mit dem Titel „Les lions de Mysore“ (''Die Löwen von Mysore'') der Franzose [[Henri Martin (Dompteur)|Henri Martin]] (1793–1882) mit seinen Löwen ''Charlotte'' und ''Coburg'' auf. Martin war berühmt geworden durch seine Raubtierdressuren, mit denen er zwischen 1823 und 1829 durch Europa gezogen war. [[Honoré de Balzac]]s Erzählung ''Une passion dans le désert'', erschienen 1830 (dt.: ''Eine Leidenschaft in der Wüste'', 1908), wurde von Martin inspiriert. Nachdem dieser sich 1837 aus dem Schaustellerleben zurückgezogen hatte, beriet er den 1838 gegründeten [[Artis (Zoo)|Zoo von Amsterdam]] und wurde 1857 ins Direktorium des [[Diergaarde Blijdorp|Rotterdamer Zoos]] berufen.<ref>Annelore Rieke-Müller, Lothar Dittrich: ''Unterwegs mit wilden Tieren. Wandermenagerien zwischen Belehrung und Kommerz 1750–1850'' (1999); S. 114</ref> === Großbritannien === [[Datei:Menagerie.wombwell.jpg|thumb|Anschlagzettel von ''Wombwell’s Menagerie'', 19. Jahrhundert (Detail)]] In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurde ''Wombwell’s Travelling Menagerie'' zur erfolgreichsten wandernden Tierschau [[Vereinigtes Königreich|Großbritanniens]]. [[George Wombwell]] (1777–1850), seit 1804 in London ansässig als Schuhmacher, war mit zwei [[Boaschlangen|Boas]], die er in den [[Docklands|Docks]] erworben hatte, durch die Kneipen gezogen und hatte damit einiges Geld verdient. Er setzte im Hafen von London den Erwerb exotischer Tiere, die von den Schiffen aus aller Welt mitgebracht worden waren, fort. 1810 gründete er eine Wandermenagerie. Bereits zehn Jahre später fuhr Wombwell seine Tiersammlung in vierzehn Wagen, gezogen von sechzig Pferden, durch die Lande.<ref name="Baratay1">Eric Baratay, Elisabeth Hardouin–Fougier: ''Zoo. Von der Menagerie zum Tierpark'' (2000) S. 106</ref> Wombwell zeigte unter anderem [[Asiatischer Elefant|asiatische Elefanten]], [[Kängurus]], [[Leopard]]en, Löwen und Tiger sowie einen [[Gorillas|Gorilla]] und ein Nashorn. Er züchtete zudem selbst wilde Tiere und zog sie auf, darunter den ersten in Gefangenschaft geborenen Löwen in Großbritannien namens ''William''. Wombwell erweiterte sein Unternehmen im Laufe der Jahre auf insgesamt drei Menagerien und wurde fünfmal an den königlichen Hof eingeladen, wo er seine Tiere [[Victoria (Vereinigtes Königreich)|Königin Victoria]] vorführte und [[Albert von Sachsen-Coburg und Gotha|Prinz Alberts]] Hunde kurierte. Wombwells Grabmonument auf dem [[Highgate Cemetery|Friedhof Highgate]] erhielt die Skulptur von ''Nero'', seinem bevorzugten Löwen.<ref>[http://www.abdn.ac.uk/zoologymuseum/treasures/wombwellstiger.php ''The Zoology Museum'': George Wombwell]</ref> Zwischen 1856 und 1870 besaß der englische Zirkus ''Sanger'' von allen Wandermenagerien in Großbritannien die bedeutendste Sammlung exotischer Tiere. Das Unternehmen machte in dieser Zeit nach dem Vorbild von Astley und dem ''Cirque Olympique'' die Verbindung von Tierschau und [[Akrobatik]] populär.<ref name="Baratay107">Eric Baratay, Elisabeth Hardouin–Fougier: ''Zoo. Von der Menagerie zum Tierpark'' (2000); S. 107, 108f.</ref> === Niederlande und deutschsprachiger Raum === [[Datei:Menagerie.kreutzberg.jpg|thumb|''Kreutzberg''–Broschüre, 1835/56?]] [[Datei:Leutemann.hagenbeck.jpg|thumb|[[Heinrich Leutemann]]: ''Aus Hagenbecks Tierschau''. Tuschezeichnung, 1876; 21 × 30 cm; Privatbesitz]] Die nicht nur in den Niederlanden, sondern auch in Deutschland und Österreich bekanntesten wandernden Tierschauen im 19. Jahrhundert gehörten der [[Menagerie van Aken|Familie van Aken]] (auch: ''van Acken'' oder ''van Aaken''). Die Schauunternehmen waren aus einer Handelsmenagerie in [[Rotterdam]], gegründet 1791 von Anthonys van Aken, hervorgegangen. Van Akens vier Söhne und die Tochter stiegen ins Tiergeschäft ein und zeigten mit zum Teil konkurrierenden eigenen Unternehmen ab 1815 im deutschsprachigen Raum und später europaweit ihre exotischen Geschöpfe, wobei die Geschwister sich bei der Wahl ihrer Reiserouten den Kontinent gewinnbringend aufzuteilen verstanden. In den Jahren 1837 und 1849 erwarb der Tierbändiger [[Gottlieb Christian Kreutzberg]] die Tierbestände der beiden älteren Brüder Anton und Wilhelm van Aken und gründete damit eine eigene, erfolgreiche wandernde Tierschau.<ref>Annelore Rieke-Müller, Lothar Dittrich: ''Unterwegs mit wilden Tieren. Wandermenagerien zwischen Belehrung und Kommerz 1750–1850'' (1999), S. 39–42</ref> Nach den überlieferten Zeitungsannoncen und Ankündigungen trat die ''Menagerie Kreutzberg'' seit Mitte der 1830er Jahre über gut drei Jahrzehnte lang vielerorts auf Jahrmärkten und bei Volksfesten auf. Ab Ende der 1850er Jahre zogen auch zwei der Söhne Gottlieb Kreutzbergs mit eigenen Tierschauen durch die Lande. Eine erstmals wohl 1835 und später in den 1850er Jahren nochmals herausgegebene Broschüre der ''Menagerie G. Kreutzberg'' nennt einen Bestand von über 50 Tierarten, darunter auch einen [[Berberlöwe]]n, eine heute als in freier Wildbahn ausgestorben geführte Unterart der Löwen. Die Broschüre vermerkt dressierte Löwen und Hyänen und als besondere Attraktion die indische Elefantenkuh ''[[Miss Baba (Elefant)|Miss Baba]]''.<ref>G. Kreutzberg: ''G. Kreutzbergs Große Menagerie (vormals van Acken) Verzeichnis sämmtlicher in dieser Menagerie befindlichen Thiere nebst einer kurzen Beschreibung der merkwürdigeren und ihrer Lebensweise''. Görlitz 1835?/1860; Nachdruck des Museums für Geschichte der Stadt Leipzig 1988</ref> [[Gottfried Claes Carl Hagenbeck]] (1810–1887), Fischhändler in [[Hamburg]], hatte 1848 auf dem [[Altonaer Fischmarkt|Fischmarkt]] in [[Hamburg-St. Pauli|St. Pauli]] sechs [[Seehund]]e vorgeführt, die den ihn beliefernden Fischern ins Netz gegangen waren. Die Seehundschau brachte ihm nicht nur Geld ein, sondern auch einen umgehenden Auftritt der bis dahin kaum an Land gesehenen Tiere in [[Berlin]], wo er sie verkaufte und mit dem Erlös aus den Veranstaltungen einen Tierhandel aufbaute. 1866 übernahm sein Sohn [[Carl Hagenbeck|Carl]] (1844–1913) den Handel und erweiterte ihn über ganz Deutschland und später nach Übersee in die USA. Carl Hagenbeck jun. verfügte über eigene Tierlieferanten in aller Welt und erweiterte die Tierschauen zu sogenannten [[Völkerschau]]en, bei denen er ebenso Menschen auftreten ließ, die er aus der Heimat seiner Tiere hatte kommen lassen. Nach dem Tod seines Vaters 1887 gründete er einen Zirkus.<ref>Carl Hagenbeck: ''Von Tieren und Menschen''. Berlin 1908 ([http://www.zeno.org/Naturwissenschaften/M/Hagenbeck,+Carl/Von+Tieren+und+Menschen/1.+Jugenerinnerungen+aus+Alt-Hamburg Online bei Zeno.org])</ref> Im Jahr 1907 realisierte Hagenbeck mit ''Hagenbeck’s Tierpark'' in Hamburg den ersten Zoo der Welt ohne Gitter, in dem die Tiere in einer künstlich angelegten Landschaft frei herumlaufen durften. Eine Besonderheit war das künstliche Bergmassiv, das die Illusion einer natürlichen Fauna hervorrufen sollte. Noch heute zählt der [[Tierpark Hagenbeck]] zu den weltweit bekannten Zoos. [[Datei:Menagerie.continental.jpg|thumb|left|''Menagerie Continental'' des Karl Krone, 1884]] [[Karl Krone]], geboren am 19. September 1833 in [[Questenberg (Südharz)|Questenberg]] im Harz, entwickelte durch die in der Harzstadt gastierende Menagerie des [[Alexander Philadelphia]] ein Interesse an den Tierschauen. Er heiratete eine der Töchter Philadelphias, Frederike; das Paar bekam eine Tochter und zwei Söhne. Im Jahr 1870, in dem sein Sohn [[Carl Krone|Carl]] geboren wurde, gründete Krone zusammen mit seiner Frau die ''Menagerie Continental'', die er in den folgenden Jahren zur zunehmenden Beachtung durch das Publikum führen konnte, insbesondere durch Schaunummern, die auf der Gelehrigkeit der Wildtiere basierten. Nachdem Sohn Fritz, den Krone als seinen Nachfolger vorgesehen hatte und der die Bären dressierte, bei einem Unfall mit einem seiner Tiere ums Leben gekommen war, trat Carl in das Unternehmen des Vaters ein. Carl Krone jun. legte besonderen Wert auf die Tierdressuren, für die ein eigener, der Tierbude der ''Menagerie Continental'' angeschlossener Zeltanbau errichtet wurde. Im Jahr 1893 zeigte er dort als ''Dompteur Charles'' zum ersten Mal in der Geschichte der Tierdressur den sensationellen Ritt eines Löwen auf einem Pferd. Als der Vater Karl Krone 1900 bei einem Gastspiel in [[Frankfurt (Oder)]] starb<ref>[http://books.google.de/books?id=bwlNIHfGbikC&pg=PA117&dq=kürschner+circus+krone#PPA117,M1 ''Hier ruht in Frieden'': zum Tod Karl Krones]</ref>, wurde Carl Chef der unterdessen unter dem Namen ''Menagerie Circus des Dompteur Charles'' erfolgreichen Wandertruppe. 1905 gründete er daraus den ''[[Circus Krone]]'', ein bis heute existierendes, bekanntes Zirkusunternehmen, seit 1919 mit einem [[Kronebau|festen Sitz]] in [[München]].<ref>K. D. Kürschner: ''Circus Krone - Von der Menagerie zum größten Circus Europas.'' Hrsg. Circus Krone. Ullstein, Berlin 1998; online verfügbar zum Leben Karl Krones (1833–1900): [http://www.elephant.se/Cirkus_Krone.php?open=Websajt%20elephant.se ''Historien om Cirkus Krone''] (Schwedisch)</ref> === Vereinigte Staaten === [[Datei:Landseer.amburgh.jpg|thumb|Edwin Henry Landseer: ''Isaac van Amburgh and his Animals'', 1839; 113×175 cm; Royal Collection, [[London]]]] Tierschauen in den USA unterschieden sich von den europäischen in ihren weit größeren Proportionen der Tierbestände. Nach britischem Vorbild verbanden sie die Tierpräsentationen mit Zirkusattraktionen und ergänzten sie durch die [[Freak#Begriffsgeschichte|Kuriositätenschau]]. Der Amerikaner [[Isaac van Amburgh]] (1811–1865), ein reisender Tierhändler aus Fishkill im Staate [[New York (Bundesstaat)|New York]], debütierte 1833 in [[New York City]] als Löwenbändiger und trat anlässlich einer Tournee in [[England]] 1839 vor Queen Victoria auf. [[Edwin Landseer|Edwin Henry Landseer]] (1802−1873), bevorzugter Tier– und Hofmaler der Queen und ihres Prinzgemahls, inszenierte ihn in einem Gemälde inmitten seiner Raubkatzen mit einem Lamm vor der Brust. Die zwanzigjährige Victoria besuchte mehrmals Van Amburghs Vorstellung im [[Theatre Royal Drury Lane|Drury Lane Theatre]] und kaufte Landseers Bild. Isaac van Amburgh starb 1865 in [[Philadelphia]] an einem Herzinfarkt und hinterließ Legenden für die Lesebücher.<ref>Simon Trussler, Clive Barker: ''New Theatre Quarterly 78''. Cambridge University Press 2005; [http://books.google.de/books?id=ti9Q_uaXSiIC&pg=PA139&dq=Isaak+van+amburgh+animal+dealer&lr#PPA139,M1 S. 139f.]</ref> [[Datei:Barnum & Bailey greatest show on Earth poster.jpg|thumb|left|''Barnum and Bailey: The Greatest Show on Earth'', Plakat; o.&nbsp;J.]] Das größte Unternehmen in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts war die Wanderschau des [[P. T. Barnum]] (1810–1891). Barnum unterhielt ein Kuriositätenmuseum und bot ab den 1870er Jahren landauf landab in ''P.T. Barnum’s Great Traveling Museum, Menagerie, Caravan, and Hippodrome'' spektakuläre Tiere und kuriose Menschen gegen hohes Entgelt zur Betrachtung feil. So zeigte er zum Beispiel den riesigen Elefanten [[Jumbo (Elefant)|Jumbo]] und ließ [[Albinismus|Albino]]s und [[Siamesischer Zwilling|Siamesische Zwillinge]] in eigenen Shows auftreten. 1885 fusionierte Barnum mit dem Zirkus des James Anthony Bailey zu ''Barnum and Bailey: The Greatest Show on Earth'', dem größten Wanderunternehmen seiner Zeit, das Aktien herausgab und den Betrieb der Tier- und Kuriositätenschau zu einem wandernden Unterhaltungspark ausbaute. Als das später als ''Barnum & Bailey Circus'' firmierende Unternehmen zwischen 1897 und 1902 auf eine Europatournee ging, hatte es mehr als 500 Pferde, über 20 Elefanten nebst Nashörnern, Nilpferden, Giraffen und Gorillas in den firmeneigenen Eisenbahnwaggons und konnte damit Tierarten vorweisen, die zum Teil die Zoos nicht besaßen.<ref name="Baratay107">Eric Baratay, Elisabeth Hardouin–Fougier: ''Zoo. Von der Menagerie zum Tierpark'' (2000); S. 107, 108f.</ref> == Ausklang im 20. Jahrhundert == [[Datei:Menagerie.zille.hundetheater_retouched.jpg|thumb|Auf dem Rummel: Vor dem Hundetheater. Fotografie von [[Heinrich Zille]]]] Zu Beginn des 20. Jahrhunderts waren die wandernden Tierschauen mit ihren zum Teil außerordentlichen Dimensionen gegenüber den sich zügig entwickelnden technischen und sportlichen Unterhaltungsmaschinerien, wie [[Kino|Kintopp]] oder [[Sechstagerennen]], durchweg gezwungen, sich in Zirkusbetriebe oder Zoologische Gärten zu integrieren. Die weiterhin unabhängig durch die Lande ziehenden Tierschauen kehrten zurück zu den bescheideneren Maßen ihrer Anfangszeit zu Beginn des 19. Jahrhunderts.<ref name="Baratay1">Eric Baratay, Elisabeth Hardouin–Fougier: ''Zoo. Von der Menagerie zum Tierpark'' (2000); S. 106</ref> Im Gegensatz zu den zum Teil zu Wohlstand und Ansehen gelangten Menageristen des 19. Jahrhunderts befanden sich die Betreiber von Wandermenagerien nunmehr, ähnlich wie ihre jahrhundertealten Gaukler–Vorfahren, als fahrendes Gewerbe in der Rolle sozialer Außenseiter. Sie bestückten vor dem [[Erster Weltkrieg|Ersten Weltkrieg]] bis in die 1920er Jahre den [[Festplatz|Rummel]] mit kostümierten Äffchen und denkenden Pferden; der [[Flohzirkus]] erfreute sich einiger Beliebtheit. Es gab ''Hunde-'' und ''[[Affentheater]]'', in denen die Tiere in kleinen Szenerien bewegt wurden; die ''Ratten– und Mäusetheater'' waren etwas seltener.<ref>[http://www.schaubuden.de/Schaubuden_Dateien/Schaubuden_Dateien_pdf/f%20Kapitel%205%20Menagerien.pdf ''Menagerien'', S. 92, 98, 100]</ref> Das deutsche [[Tierschutzrecht|Tierschutzgesetz]] von 1933 verbot das Umherziehen mit wilden Tieren im [[Deutsches Reich|Deutschen Reich]].<ref>Annelore Rieke-Müller, Lothar Dittrich: ''Unterwegs mit wilden Tieren. Wandermenagerien zwischen Belehrung und Kommerz 1750–1850'' (1999), S. 33</ref> In den USA hielten sich kleinere Unternehmen in der Zeit nach dem [[Zweiter Weltkrieg|Zweiten Weltkrieg]] noch bis in die 1960er Jahre als Attraktion in den [[Vergnügungspark]]s und in den sogenannten ''[[Sideshow]]s''. In der [[Deutschland|Bundesrepublik Deutschland]] wurden gelegentlich auf [[Schützenfest]]en auftretende Betreiber von Tier- und Dressurvorführungen von den Verwaltungen zunehmend an die Ränder der Städte und Gemeinden verbannt. Die bis Ende der 1950er Jahre in den Einkaufsstraßen mit [[Lamas (Tiergattung)|Lamas]] oder [[Hausesel|Eseln]] auftauchenden Tiervorführer, die für ihre meist entfernt liegenden Veranstaltungen warben, verschwanden in den 1960er Jahren aus dem Bild der modernen Innenstädte. Der Schweizer [[Circus Knie]] geht noch heute mit einer Tierschau aus den Beständen von [[Knies Kinderzoo]] auf Tournee. Weitere verschiedentlich gastierende [[Wanderzoo]]s erweisen sich teilweise als eher [[Nostalgie|nostalgische]] und [[Ephemera|ephemere]] Veranstaltungen mit Tieren zum Anfassen<ref>Zum Beispiel: [http://www.kw-tv.de/kwtv_archiv/KITA_-_Kinderstadt-519.html Bei einem KITA-Jubiläum]</ref> oder stellen eine Mischung zwischen Wandermenagerie und Zoo dar, wie z.B. verschiedene Insekten- und Reptilienschauen. == Wandermenagerie in Kunst und Dichtung == [[Datei:Goya.schlangenbändiger.JPG|thumb|upright=0.7|left|[[Francisco de Goya]]: Kreidezeichnung, 1824/28]] Die [[Tiermalerei]] nahm im 19. Jahrhundert einen Aufschwung, nicht zuletzt bedingt durch den Massenbuchdruck ab 1840 und die Möglichkeiten, [[Lithografie|lithographische]] Farbtafeln einzubinden, sowie durch die verstärkt einsetzende Produktion von [[Kinder- und Jugendliteratur|Kinderbüchern]]. Die öffentlichen Zoos förderten die Faszination an wilden Tieren bei den Malern. Die zur alltäglichen Unterhaltung aufgesuchten Wandermenagerien schafften diesem Sujet in der Bildkunst ein zunehmendes Publikum, das die Formen der Tierschauen zudem in Scherzblättern vorfinden konnte. Tiere waren seit dem Mittelalter ein stets bevorzugtes [[Motiv (Literatur)|Motiv]] in der Dichtung, die wandernden Tierbuden fanden in der [[Romantik]] ihren Eingang in die literarischen Werke. Eine zusammenfassende [[Fachbibliografie|Bibliographie]] zur Tierschaustellerei in der ''schönen Literatur'' liegt bislang nicht vor. === Kunst === [[Datei:Meyerheim Paul Tierbude 1885.jpg|thumb|Paul Meyerheim: ''Tierbude''. [[Heliogravüre|Fotogravur]] des Ölgemäldes von 1885, ehemals [[Nationalgalerie Berlin]], zerstört]] [[Datei:Menagerie.satire.engl.jpg|thumb|''The anti-royal menagerie''. Englisches Satireblatt, 1812; British Museum, London]] Zu den Künstlern, die sich den Wandermenagerien widmeten, zählte [[Heinrich Leutemann]] (1824–1905), ein Tierzeichner und Illustrator von Kinderbüchern, der überdies für Zeitschriften und Magazine tätig war. Durch die Bekanntschaft mit Carl Hagenbeck bekam Leutemann die Gelegenheit, dessen Tierschauen ebenso wie den exotischen Bestand der Hagenbeck’schen Tiersammlung in zahlreichen Zeichnungen und [[Aquarell]]en festzuhalten. Die Ankunft der seltenen Tiere in Hamburg bildeten ebenso ein Sujet wie die Darstellungen von [[Genremalerei|Genreszenen]], wie zum Beispiel die Vorbereitung von Tieren auf eine Schau. Die Originale der von Leutemann für den Druck produzierten Zeichnungen wurden für Kunstsammler zu begehrten Objekten. [[Paul Friedrich Meyerheim]] (1842–1915), dessen Werkkatalog 63 Gemälde aufweist, die als Sujet exotisches Getier in Zoo und Tierbude zeigen, war einer der bevorzugten Berliner Tiermaler. Meyerheim legte in seinen Menageriegemälden nicht nur außerordentlichen Wert auf die Details in der Tierbude, sondern entwarf auch ein künstlerisches Bild der Veranstaltungen, das den Betrachter in die Atmosphäre der Bude hineinzuziehen versuchte. Anders als noch in den Darstellungen eines Pietro Longhi oder Johann Geyer, die ihre Darstellungen auf das Wesentliche der Tierschauen konzentrierten, gibt Meyerheim in besonderer Weise der Schaulust einen künstlerischen Ausdruck. Die bis zu den Bildrändern mit Einzelheiten vollgestopfte Komposition fordert den Betrachter auf, sich ''ins Bild'' zu begeben und sich als faszinierter Teilnehmer zu fühlen. Meyerheims Menageriedarstellungen waren begehrt, er fertigte sie teilweise nach Auftrag an. Seine Menageriegemälde wurden durch Reproduktionen im Druck nachhaltig verbreitet.<ref>Gerhild Kaselow: Die Tierbudenbilder von Paul Meyerheim''. In: dies.: ''Die Schaulust am exotischen Tier. Studien zur Darstellung des Zoologischen Gartens in der Malerei des 19. und 20. Jahrhunderts''. S. 57–69</ref> Wandermenagerien waren im 19. Jahrhundert überdies ein beliebtes Bildsujet für die [[Satire]]. Insbesondere in England wurde das typische Ambiente der Tierbuden und Tierschauen wiederholt zum Anlass genommen, Persönlichkeiten des Hofes wie der Politik zu verspotten. [[Napoléon Bonaparte|Napoleon]] wird gelegentlich im Käfig durch die gaffende Menge gekarrt oder die exotischen Tiere erhalten die Gesichter vertrauter Zeitgenossen des öffentlichen Lebens.<ref>Beispiele von satirischen Drucken mit Motiven der Wandermenagerien zeigt das Britisch Museum [http://www.britishmuseum.org/research/search_the_collection_database/search_results.aspx?searchText=menageries&numpages=10&orig=%2fresearch%2fsearch_the_collection_database.aspx&currentPage=5 online]</ref> Auch die Menageristen selbst gerieten gelegentlich ins Visier der Satiriker, wobei vor allem ihre marktschreierischen Ankündigungen und ihre Aufmachung zum Gespött gemacht wurden. Ein Scherzblatt von 1839 nimmt die Wandermenagerie Anton van Akens aufs Korn. Mit den typischen Bildaccessoires der Tierschau versehen, wird ein „Herr von Aalen“ als „Schreimann“ in „Kanonen und Lederhosen mit ellenlangen Sporen zu Fuße“ präsentiert.<ref>Annelore Rieke-Müller, Lothar Dittrich: ''Unterwegs mit wilden Tieren. Wandermenagerien zwischen Belehrung und Kommerz 1750–1850'' (1999), S. 124</ref> === Dichtung === [[Johann Wolfgang von Goethe]] verdeutlichte in der Erzählung ''[[Novelle (Goethe)|Novelle]]'', erschienen 1828, das Treiben einer Tierbude als einen Ort, der auf dem Plakat draußen mehr verspricht als drinnen gezeigt wird. Ein Feuer bricht aus auf dem Jahrmarkt und bewirkt, dass der Tiger ausbricht und der Fürstin beim Ausritt begegnet, die sich von der Raubkatze bedroht fühlt. Der Tiger wird von ihrem Begleiter erschossen, und die Schaustellerfamilie bejammert den Tod ihres zahmen und harmlosen Tiers. Das Kind der Schausteller vermag den ebenfalls entlaufenen Löwen mit Gesang und Flötenspiel aus seinem Versteck zu locken und zieht ihm zu guter Letzt einen Dorn aus der Tatze.<ref>''Goethes Werke. Hamburger Ausgabe in 14 Bänden. Textkritisch durchgesehen und mit Anmerkungen versehen von Erich Trunz''. Christian Wegener, Hamburg 1948 ff. Bd. 6. S. 491-513</ref> Im Gespräch mit seinem Sekretär [[Johann Peter Eckermann|Eckermann]] über den Titel der Erzählung befand Goethe am 29. Januar 1827, dass eine ''Novelle'' eine „sich ereignete, unerhörte Begebenheit“ sei und lieferte damit eine bis heute gültige Definition der [[Novelle|Novelle als literarischer Gattung]].<ref>Fritz Bergemann (Hrsg.): ''Eckermann. Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens''. Insel Taschenbuch 500, Frankfurt am Main 1981; S. 207f.</ref> [[Datei:Menagerie.löwenbraut.bild.jpg|thumb|''Die Löwenbraut'', Illustration des Gedichts von Chamisso (um 1890)]] In einem Gedicht mit dem Titel ''Die Löwenbraut'', entstanden 1827, verarbeitete [[Adelbert von Chamisso]] das romantische Motiv von der ''Schönen mit dem Biest'' (''[[Die Schöne und das Biest|la belle et la bête]]'') als tragische Variante um den Tod einer Schaustellertochter. Eine junge Braut, von klein auf mit einem gleichaltrigen Löwen aufgewachsen, verabschiedet sich vor ihrer Hochzeit von dem Tier in seinem Käfig. Als der Bräutigam auftaucht, versperrt der Löwe den Ausgang und tötet das Mädchen, als es dem Käfig zu entkommen versucht; der Bräutigam erschießt den Löwen.<ref>''Adelbert von Chamisso's Werke''. Erster Band, S. 248-249; Fünfte vermehrte Auflage 1864</ref> [[Robert Schumann]] vertonte Chamissos ''Löwenbraut'' (op. 31) im Jahr 1840 als eines von insgesamt 138 Liedern und verhalf ihr damit zu anhaltender Popularität.<ref>''rororo Musikhandbuch in 2 Bänden''. Reinbek bei Hamburg 1973; Band 2, S. 615</ref> In den 1828 erschienenen ''Memoiren'' des [[Eugène François Vidocq]] (1775–1857), eines Kriminellen und Kriminalisten, schildert der [[Typologisches Modell der Erzählsituationen#Ich-Erzählsituation|Ich-Erzähler]], wie er als missratener Sohn nach dem misslungenen Versuch, nach Amerika auszuwandern, in einer Tierbude Anstellung findet, wo es ihm indes auf die Dauer auch nicht recht gefallen mag. Der „Direktor“, so der Ich-Erzähler, sei „der seinerzeit so berühmte Cotte-Comus“ gewesen, der „mit dem Naturforscher Garnier, einem berühmten Tierdresseur“, Geschäfte gemacht habe. Die vorgeblichen ''Lebenserinnerungen'' wurden von einem anonymen Autor verfasst und mehrfach als ''Landstreicherleben'' auch ins Deutsche übersetzt.<ref>''Landstreicherleben. Denkwürdigkeiten Vidocqs des Mannes mit hundert Namen''. München 1920; S. 21ff.</ref> Der 1890/91 zunächst in einer Zeitschrift [[Fortsetzungsgeschichte|in Fortsetzungen]] erschienene [[Abenteuerroman]] ''[[Der Schatz im Silbersee]]'' von [[Karl May]] (1842–1912) beginnt an Bord eines [[Raddampfer]]s auf dem [[Arkansas River|Arkansas]], auf dem ein Tierschausteller einen [[Leopard#Schwarze Panther|schwarzen Panther]] transportiert. Bei der für die mitreisenden Passagiere arrangierten Vorführung einer Fütterung wird der Menagerist von dem Tier getötet, das sich anschließend aus seinem Käfig befreit und eine Dame mit ihrem Töchterchen bedroht. Ein [[Indianer]] rettet das Mädchen, indem er mit ihm ins Wasser springt. Die Rückkehr des [[Edler Wilder|edlen Wilden]] an Bord mit dem Kind wird „mit brausendem Jubel begrüßt“. Der Panther, ebenfalls über Bord gesprungen, verendet im Fluss.<ref>Karl May: ''Der Schatz im Silbersee''. Reprint der ersten Zeitschriftenausgabe aus „''[[Der Gute Kamerad]]''“, V. Jahrgang, Heft 1-52, Stuttgart 1890/91, hrsg. mit einer Einführung von Christoph F. Lorenz im Auftrag der Karl-May-Gesellschaft. Hamburg 1987. [http://www.karl-may-gesellschaft.de/kmg/primlit/jugend/silbers/reprint/silbersee.pdf Online als Pdf (50 MB)]</ref> == Rezeption == Das exotische Tier als Zeichen fürstlicher Souveränität wurde am Ende des [[Barock]]zeitalters unpopulär. Es wechselte seine Funktion und diente fortan mehr zur öffentlichen Definition eines Fremden oder Unnormalen, das aber nicht wirklich gefährlich werden konnte. Dazu musste sich der Teufels- und Geisterglaube auch in den untersten Gesellschaftsschichten gelegt und das Vertrauen in eine rationale Weltordnung verbreitet haben, wie es seit dem 17.&nbsp; Jahrhundert zunehmend der Fall war. Noch im 18. Jahrhundert wurden Tierbändiger allerdings gelegentlich der Hexerei verdächtigt, so zum Beispiel anlässlich einer Darstellung des ''[[Fauststoff|Faust]]'' mit dressierten Tieren 1721.<ref>Andreas Meier: ''Faustlibretti. Geschichte des Fauststoffs […]''. Lang: Frankfurt am Main 1990; S. 62f. ISBN 978-3631428740</ref> Der Philosoph [[Michel Foucault]] charakterisierte die Menagerie mit der These „die Bestialität lag nicht im Tier, sondern in seiner Domestizierung“.<ref>Michel Foucault: ''Wahnsinn und Gesellschaft. Eine Geschichte des Wahns im Zeitalter der Vernunft''. Frankfurt am Main: Suhrkamp 1969, S. 498</ref> Es handle sich um ein Ausschlussprinzip für Unnormales seit dem [[Absolutismus]], das für Menschen ebenso wie für Tiere gegolten habe. So verglich er Irrenhäuser und Kliniken wie das [[Hôpital Salpêtrière]] mit Tiermenagerien: „Man lässt die Wärter die Irren ausstellen, wie der Dompteur auf dem [[Pariser Jahrmarktstheater|Jahrmarkt von Saint–Germain]] die Affen zeigt.“<ref>Foucault: ''Wahnsinn und Gesellschaft'' (1969), S. 138</ref> [[Datei:Menagerie.zettel.jpg|thumb|Anschlagzettel der Menagerie Joseph Simonelli, 1816; Stadtbibliothek [[Nürnberg]]. Der [[Mandrill]] wird als „türkischer Pavian“ bezeichnet und als „[[Wilder Mann|wilder Mann]]“ dargestellt. Die [[Berberaffe|Berberäffin]] säugt ihr Jungtier so, wie eine Mutter ihr Kind stillt.]] === Aufgeklärte Wahrnehmung === Seit Ende des 17. Jahrhunderts betrachteten die Gelehrten die exotischen Tiere als Naturobjekte; tradierten Auffassungen von [[Liste der Fabelwesen|Wundertieren und Phantasiewesen]], über deren Existenz seit dem Mittelalter geschrieben worden war<ref>Siehe zum Beispiel den [http://de.wikisource.org/wiki/Eigentliche_und_warhaffte_Abbildung_Eines_erschröcklichen_und_grausamen_Meer-Drachens „erschröcklichen Meerdrachen“] und andere ähnliche [http://de.wikisource.org/wiki/Flugschriften_des_17._Jahrhunderts Flugschriften des 17. Jahrhunderts bei Wikisource]</ref>, galt es durch eigene Anschauung entgegenzutreten. Die Verbreitung dieses Denkansatzes prägte die Wahrnehmung der Tierschauen im ausgehenden 18. Jahrhundert; die wandernden Menagerien der späten [[Zeitalter der Aufklärung|Aufklärung]] erwarben sich in der Popularisierung erfahrbaren Wissens über die Natur durchaus Verdienste. Für das Laienpublikum waren die Tierschauen Anlass zum Staunen, und für die Künstler waren sie Inspiration zur Verarbeitung der exotischen Sujets aus den Buden. Die Naturforscher, zunehmend an der [[Systematik (Biologie)|systematischen Erfassung]] der Tierwelt interessiert, hatten sich vorwiegend der Naturalienkabinette bedient. [[Georges-Louis Leclerc de Buffon|Buffon]] und [[Carl von Linné|Linné]] nahmen Tiere in ihre Naturgeschichten auf, die sie bei Tierschauen gesehen hatten. Im ersten Drittel des 19. Jahrhunderts meldeten die [[Zoologie|Zoologen]] ihre Kritik an den Präsentationen der wandernden Tiersammlungen an. So wurden die oft frei erfundenen Bezeichnungen für die Tiere ebenso bemängelt wie die falschen und effekthascherischen Erläuterungen der Schausteller. Des Weiteren wurden die auf den Anschlagzetteln vermerkten Übertreibungen verurteilt, wie sie zum Beispiel der Menagerist Hermann van Aken 1828 verbreiten ließ in der Behauptung, dass Schlangen einen [[Büffel]] umschlingen könnten. [[Thomas Stamford Raffles|Sir Stamford Raffles]] befand 1825, die Wildtiere sollten nicht mehr Gegenstand vulgärer Zurschaustellung sein; er beförderte die Gründung des [[London Zoo|Londoner Zoos]]. Die kommerziell erfolgreichen Menagerien der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts spielten für die Zoologie keine Rolle; die zoologischen Gärten galten als Orte seriöser Tierbetrachtung. Die Formen der [[Tierhaltung]] in den umherziehenden Sammlungen stießen ebenfalls früh auf Kritik; 1830 wurden angesichts britischer Wandermenagerien das Elend der Käfighaltung und die Unwissenheit der Wärter konstatiert.<ref>Annelore Rieke-Müller, Lothar Dittrich: ''Unterwegs mit wilden Tieren. Wandermenagerien zwischen Belehrung und Kommerz 1750–1850'' (1999), S. 114–131; S. 133</ref> === Moderne Wissenschaft === Die Tierschauen fanden in der Wissenschaft des ausgehenden 20. Jahrhunderts vor allem im Zusammenhang von Untersuchungen zur Zoo- und Zirkusgeschichte Beachtung, da die Verbindungen und Übergänge sich gleichzeitig und fließend vollzogen. In Einzeluntersuchungen, wie zum Beispiel zur Tiermalerei des 19. Jahrhunderts, finden sich gelegentlich ebenfalls Darstellungen der ambulanten Menagerien. Eine Untersuchung der Menageriegemälde Paul Meyerheims, erschienen 1995, deutet die Qual der in den Tierbuden hinter Gittern gehaltenen großen Wildtiere an; der von dem Maler in einem authentisch angelegten Bild von 1895 intendierte Ausdruck von Wildheit eines sich in die Gitterstäbe verbeißenden [[Eisbär]]en wird als „Wahnsinn“ des verhaltensgestörten Geschöpfs erkannt.<ref>Kai Artinger: ''Von der Tierbude zum Turm der blauen Pferde. Die künstlerische Wahrnehmung der wilden Tiere im Zeitalter der zoologischen Gärten'' (1995), S. 163</ref> Seit 1999 liegt in der Arbeit von Annelore Rieke-Müller und Lothar Dittrich, ''Unterwegs mit wilden Tieren. Wandermenagerien zwischen Belehrung und Kommerz 1750–1850'', eine erste umfangreiche Untersuchung von Tiersammlungen, die bis Mitte des 19. Jahrhunderts durch Europa wanderten, vor. Die Untersuchung basiert auf den Beständen in Museen, Archiven und Privatsammlungen. Persönliche Aufzeichnungen von Menageristen, wie zum Beispiel [[Memoiren]] oder [[Tagebuch|Tagebücher]], die Auskunft über den Alltag der Wandermenagerien geben könnten, sind aus der Zeit bis 1850 nicht überliefert; Lebenserinnerungen, wie zum Beispiel die von Carl Hagenbeck oder P. T. Barnum, stammen aus einer jüngerer Menageristenzeit, die zusammenhängend noch nicht wissenschaftlich erfasst wurde. Die in den Archiven neben den [[Zeitung]]en erhaltenen Ankündigungszettel, Auftrittsgenehmigungen und Broschüren der frühen Wandermenagerien wurden im ausgehenden 20. Jahrhundert hin und wieder Bestandteil von Ausstellungen zum Zirkus oder zum Zoo; weitere überlieferte Exemplare waren ebenso wie Postkarten und Drucke lange im Angebot der [[Antiquariat]]e und der [[Flohmarkt|Antik- und Trödelmärkte]], so dass sich Privatsammlungen ausbildeten, die in der Wissenschaft und in (oft regionalen) Ausstellungen in den vergangenen Jahren zunehmend Beachtung fanden.<ref>Zum Beispiel: [http://www.schweinfurter-land.net/Ausstellung-Gut-gebruellt-Loewe-die-weltberuehmte-Menagerie-Kreutzberg-zu-Gast-i_HierKalenderDetail_5538_kkdetail_view_verans.html?kkview_download_p_sort=0&kkview_download_p_sort_direction=0&kkview_download_p_anzahl=25&kkview_download_p_offset=0&view_verans_af_ab=ohne&view_verans_af_fuer=1&view_verans_p_sort=1&view_verans_p_sort_direction=1&view_verans_p_anzahl=10&view_verans_p_offset=60&view_verans_gem=&view_verans_kat=3&view_verans_vt= ''Gut gebrüllt, Löwe – die Weltberühmte Menagerie Kreutzberg zu Gast in Gerolzhofen im Alten Rathaus''. Ausstellung vom 5. März bis 3. April 2005] (Sammlung Dr. Stephan Oettermann, Gerolzhofen)</ref> == Literatur == * Kai Artinger: ''Von der Tierbude zum Turm der blauen Pferde. Die künstlerische Wahrnehmung der wilden Tiere im Zeitalter der zoologischen Gärten''. Reimer, Berlin 1995, ISBN 3-496-01131-9. (Zugleich Dissertation, Freie Universität Berlin 1994) * Eric Baratay, Elisabeth Hardouin–Fougier: ''Zoo. Von der Menagerie zum Tierpark''. Verlag Klaus Wagenbach, Berlin 2000, ISBN 3-803-13604-0. (Aus dem Französischen „''Zoos''“ übersetzt von Matthias Wolf) * Gerhild Kaselow: ''Die Schaulust am exotischen Tier. Studien zur Darstellung des Zoologischen Gartens in der Malerei des 19. und 20. Jahrhunderts''. Georg Olms Verlag, Hildesheim u.&nbsp;a. 1999 (= Studien zur Kunstgeschichte; Bd. 129), ISBN 3-487-10858-5 * Thomas Macho: ''Zoologiken: Tierpark, Zirkus und Freakshow''. In: Gert Theile (Hrsg.): ''Anthropometrie. Zur Vorgeschichte des Menschen nach Maß''. Wilhelm Fink Verlag, München (inzw.: Paderborn) 2005 (= Weimarer Editionen), ISBN 3-770-53864-1, S. 155–178. (Online bei [[Google Book Search]] als [http://books.google.de/books?id=no74o0m1yoUC&pg=PA7&source=gbs_toc_r&cad=0_0#PPA155,M1 Digitalsat S. 155–178] auszugsweise einsehbar) * Stephan Oettermann: ''Die Schaulust am Elefanten. Eine Elephantographia Curiosa''. Syndikat, Frankfurt am Main 1982, ISBN 3-8108-0203-4. * Annelore Rieke–Müller, Lothar Dittrich: ''Der Löwe brüllt nebenan. Die Gründung Zoologischer Gärten im deutschsprachigen Raum 1833–1869''. Böhlau Verlag, Köln u.&nbsp;a. 1998, ISBN 3-412-00798-6, S. 15ff. * Annelore Rieke-Müller, Lothar Dittrich: ''Unterwegs mit wilden Tieren. Wandermenagerien zwischen Belehrung und Kommerz 1750–1850''. Basilisken&nbsp;-&nbsp;Presse, Marburg 1999, ISBN 3-925-34752-6. == Weblinks == * {{Commons|Travelling menageries}} * {{Wiktionary|Menagerie}} * {{Wikisource|Die Löwenbraut|Adelbert von Chamisso: ''Die Löwenbraut'' (1827)}} * {{Wikisource|Novelle|Johann Wolfgang von Goethe: ''Novelle'' (1828)}} * {{Wikisource|Landstreicherleben/Meine Anlagen|Eugène François Vidocq: ''Landstreicherleben'' (1828) Erstes Kapitel: ''Meine Anlagen''}} * [http://www.schaubuden.de/Schaubuden_Dateien/Schaubuden_Dateien_pdf/f%20Kapitel%205%20Menagerien.pdf ''Menagerien'': Bilder und Quellen zu den Wandermenagerien des 19. Jahrhunderts] ([[Portable Document Format|PDF]]-Datei; 11,16 MB) * [http://www.fairsarefun.net/html/icon.aspx?id=29&p=4 ''Wandermenagerien und Zoos''] * [http://www.fairground-heritage.org.uk/newsite/research/research-menageries.html Zur Geschichte britischer Wandermenagerien] (Englisch) * [http://www.nfa.dept.shef.ac.uk/history/shows/menageries.html The University Of Sheffield ''National Fairground Archive: Travelling Menageries''] (Englisch) * [http://www.britishmuseum.org/research/search_the_collection_database/search_results.aspx?searchText=menageries&numpages=10&orig=%2Fresearch%2Fsearch_the_collection_database.aspx&currentPage=1 Ankündigungszettel im British Museum, London] (Englisch) == Einzelnachweise == <references /> {{SORTIERUNG:Wandermenagerie}} [[Kategorie:Schautierhaltung]] [[Kategorie:Geschichte (Tierhaltung)]] [[Kategorie:19. Jahrhundert]] {{Exzellent}} lpyxqxvzy2flri7ajpgmmrerckdbdzo wikitext text/x-wiki Wanderungen durch die Mark Brandenburg 0 24470 27071 2010-05-06T14:07:52Z 178.24.184.135 /* „Lausedichter, aus Passion“ */ Das fünfbändige Werk '''Wanderungen durch die Mark Brandenburg''' ist das umfangreichste des deutschen [[Schriftsteller]]s [[Theodor Fontane]] (* 30. Dezember 1819 in [[Neuruppin]]; † 20. September 1898 in [[Berlin]]). Er beschreibt darin Schlösser, Klöster, Orte und Landschaften der [[Mark Brandenburg]], ihre Bewohner und ihre Geschichte. Zwischen 1862 und 1889 erschienen, ist das Werk Ausdruck eines gewachsenen [[Preußen|preußischen]] Nationalbewusstseins und der [[Romantik]]. Die Eindrücke und historischen Erkenntnisse, die Fontane während der Arbeit an den „Wanderungen“ gewann, bildeten die Grundlage für seine späteren großen Romane wie ''[[Effi Briest]]'' oder ''[[Der Stechlin (Roman)|Der Stechlin]]''. [[Bild:Denkmal_Fontane5.JPG|thumb|280px|Fontane-Denkmal in [[Neuruppin]], errichtet 1907]] == Gewandert, nach Lust und Laune == Die ''Wanderungen durch die Mark Brandenburg'' finden auch heute noch eine große Resonanz. Nicht nur Prospekte, Reiseführer und Landschaftsbeschreibungen aus der Mark zitieren Fontane mit Vorliebe, sondern auch die [[Historiker|historische Forschung]] hat nach langem Zögern ihren Frieden mit Fontane gemacht. Die ungebrochene Faszination der „Wanderungen“ beruht auf der Mischung aus genauer Beschreibung, kulturhistorischem Hintergrund und literarischer Ausdruckskraft des Erzählers Fontane. Der Autor, der als einer der bedeutendsten Vertreter des bürgerlichen [[Realismus (Literatur)|Realismus]] gilt, betrieb für seine Darstellungen intensive Forschungen zur märkischen Geschichte. Den Höhepunkt der historischen Darstellung erreichte Fontane mit dem letzten Band ''Fünf Schlösser'', denn, so führt er im Vorwort aus, „wenn ich meine Wanderungen vielleicht als Plaudereien oder Feuilletons bezeichnen darf, so sind diese ''Fünf Schlösser'' ebenso viele historische Spezialarbeiten […]“ Diese Spezialarbeit hatte Fontane nicht als Fortsetzung der bis dahin erschienenen vier Bände vorgesehen, sie wurde erst nach seinem Tod in die „Wanderungen“ eingereiht. Im Gegensatz zum fünften wird in den ersten vier Bänden „wirklich gewandert, und wie häufig ich das Ränzel abtun und den Wanderstab aus der Hand legen mag, um die Geschichte von Ort und Person erst zu hören und dann weiter zu erzählen, immer bin ich unterwegs, immer in Bewegung und am liebsten ohne vorgeschriebene Marschroute, ganz nach Lust und Laune.“ Welche Regionen der Mark Brandenburg Theodor Fontane mit seiner Wanderlust durchstreifte, zeigen die Titel der einzelnen Bände: == Die fünf Bände: Titelübersicht == # 1862 &nbsp;&nbsp;Die Grafschaft Ruppin &nbsp;&nbsp;<small>(Folgeauflagen zu Lebzeiten Fontanes: 1865, 1875, 1883, 1892, 1896)</small> # 1863 &nbsp;&nbsp;Das Oderland &nbsp;&nbsp;<small>(1868, 1880, 1889, 1892)</small> # 1873 &nbsp;&nbsp;Havelland &nbsp;&nbsp;<small>(1880, 1889, 1892)</small> # 1882 &nbsp;&nbsp;Spreeland &nbsp;&nbsp;<small>(1886, 1892)</small> # 1889 &nbsp;&nbsp;Fünf Schlösser&nbsp;&nbsp;<small>(eher „Fünf Herrensitze“ laut Fontanes Vorwort)</small> == Geschichte der „Wanderungen“ == === Der märkische und der schottische Scott === [[Bild:Willibald_Alexis_Denkmal.JPG|thumb|left|upright|Denkmal Willibald Alexis, [[Kloster Lehnin (Gemeinde)|Lehnin]]]] Die märkische Landschaft, die kulturhistorische Genauigkeit und die quellenmäßige Fundierung nahm bereits in den Romanen von [[Willibald Alexis]] einen zentralen Stellenwert ein. „Gilt Alexis in der deutschen Literaturgeschichte als Begründer des historischen Romans in der Periode des bürgerlichen Realismus, so verkörpert Fontane deren Höhepunkt auf diesem Gebiet“ (G. Fischer). Lässt Alexis in dem Roman ''Die Hosen des Herrn von Bredow'' (1846) seine Romanperson Ruprecht die Gründungslegende des [[Zisterzienser]]-[[Kloster Lehnin|Klosters Lehnin]] zwar wortreich ausgeschmückt, aber historisch genau berichten, verlässt Fontane in den „Wanderungen“ das Gestaltungsmittel ''[[Roman]]'' und erzählt die gleiche [[Legende (Erzählung)|Legende]] als historischen Bericht. Beide Schriftsteller stammten aus [[Hugenotten|hugenottischen]] Familien, beide standen politisch im bürgerlich-liberalen Lager, beide waren Theaterkritiker bei der [[Vossische Zeitung|Vossischen Zeitung]] und beide fanden ihre Stoffe in der brandenburgisch-preußischen und Berliner Geschichte. Trotz dieser Berührungspunkte las Fontane den sogenannten „Märkischen Walter Scott“ erstmals Ende der 1860er-Jahre. [[Bild:Scott_WalterA.JPG|thumb|upright|Walter Scott]] Historienromane des großen Alexis-Vorbildes, des Schotten [[Walter Scott]], wie ''[[Ivanhoe (Scott)|Ivanhoe]]'' (1820) hingegen hatte Fontane schon in seiner Jugendzeit genossen; er selbst resümierte in einem Brief: „[…] haben beide meine spätere Schreiberei beeinflusst, aber nur ganz allgemein, in der Richtung. Bewusst bin ich mir im einzelnen dieses Einflusses nie gewesen.“ In einem [[Essay]] von 1872 (Erstfassung) über Willibald Alexis kritisierte Fontane dessen Geschichtsverklärung in einigen Passagen insbesondere zum Berliner Bürgertum sowie seine oft zu weit ausladende Form. Einen persönlichen Austausch zwischen den beiden großen märkischen Romanciers hat es nicht gegeben; lediglich in seiner Kindheit hat Fontane seinen „Vorgänger“ Alexis einmal im Ostseebad [[Heringsdorf]] auf der Insel [[Usedom]] getroffen. Er wusste natürlich nicht, dass er den literarischen Realismus des Feriengastes Alexis in späteren Jahren zum Gipfel führen sollte. === „Geh' hin und zeig' es“ === Die Idee zu den „Wanderungen“ kam Fontane, wie er im Vorwort zum ersten und im Schlusswort zum vierten Band erzählt, im August 1858 während einer Rudertour in [[Schottland]]. Der Anblick eines alten schottischen Schlosses auf einer Insel im Levensee (Loch Leven) rief ein wehmütiges Bild vom [[Schloss Rheinsberg]] mit der Empfindung hervor, die Rheinsberg-Tour in der „Heimat“ sei nicht „minder schön“ als die schottische gewesen. „Je nun, so viel hat Mark Brandenburg auch. Geh' hin und zeig' es.“ Der „aus Liebe und Anhänglichkeit an die Heimat geboren[e]“ Entschluss, die Kostbarkeiten der Landschaft und Kultur in Zukunft zu Hause statt im Ausland zu suchen, ließ ihn zwischen 1859 und 1889 dreißig Jahre lang die Mark Brandenburg durchwandern. [[Bild:Nuthe-Saarmund.jpg|thumb|left|Nuthe bei Saarmund]] Landschaften, Bauten, Geschichte – von [[Potsdam]] und Berlin abgesehen ist fast alles in dem Land zwischen [[Oder]] und [[Elbe]] bestenfalls durchschnittlich. Nahezu jedes andere deutsche [[Bundesland (Deutschland)|Bundesland]] hat mehr zu „bieten“ – höhere Berge, eindrucksvollere Täler, wuchtigere Schlösser und gewaltigere Flüsse, die zudem „große“ Geschichte schrieben und nicht nur, wie das Flüsschen [[Nuthe]], den Hauch der Geschichte als Grenzfluss zwischen [[Slawen]] und Deutschen bei der Gründung der Mark Brandenburg verspürte – Theodor Fontane spottete denn auch über die Nuthe und die noch kleinere Schwester [[Nieplitz]], verglichen mit diesen Strömen wirke die [[Havel]], als zöge die [[Wolga]] an einem vorbei. Er wollte keinesfalls „mit Gewalt aus einer bescheidenen Magd […] eine seither verkannte Königin“ herausputzen. „Die Schweize werden immer kleiner“ – mit freundlicher Ironie kommentierte er die märkische Übertreibungssucht, mit der [[Ruppiner Schweiz]] und der [[Märkische Schweiz|Märkischen Schweiz]] „bald ebenso viele Schweize [zu besitzen], wie das alte, etwas missbräuchlich behandelte Original Kantone umschließt.“ Aber Fontane hat es verstanden, sich mit feinem Gespür für die Geschichte, die Menschen und die Natur in die eher unspektakulären, stillen Reize der Mark Brandenburg zu versenken. Der Blick und Empfindungsreichtum des Poeten für den Zauber der kleinen Dinge und die präzisen Beschreibungen des Schriftstellers machen in den „Wanderungen“ aus dem unscheinbaren Flüsschen Nuthe ein spannendes Stück Geschichte und aus flachen, sandigen Gegenden interessante, abwechslungsreiche Landschaften. „Ich bin die Mark durchzogen und habe sie reicher gefunden, als ich zu hoffen gewagt hatte. Jeder Fußbreit Erde belebte sich und gab Gestalten heraus […] wohin das Auge fiel, alles trug den breiten historischen Stempel.“ Quellen des gefundenen „Reichtums“ waren für Fontane Beobachtungen und Erlebnisse sowie Gespräche mit Angehörigen aller Schichten auf seinen Wanderungen. Er vertiefte sich darüber hinaus in Briefliteratur, [[Memoiren]], [[Monografie]]n, Sagen, Legenden sowie Romane und trieb gründliche Studien zur Geschichte. Er sichtete Familienarchive, und um das älteste [[Kirchenbuch]] der Mark einzusehen, reiste er mehrfach in das Dorf [[Gröben (Ludwigsfelde)|Gröben]]. Seine Quellen hat er in der Regel als Anmerkungen angegeben. === Bögen um Potsdam und Berlin === Bei allem historischen Realismus und Quellenstudium hatte die Arbeitsweise Fontanes auch ein chaotisch-lustbetontes Element („am liebsten ohne vorgeschriebene Marschroute, ganz nach Lust und Laune“). Im Zusammenhang mit dieser Arbeitsweise werden die Bögen, die Fontane wegen seiner Vorliebe für die „kleinen Dinge“ um das „große“ Potsdam und das „große“ Berlin schlug, nachvollziehbar. Zum einen ließ sich in den beiden großen Städten schlecht ''wandern'', zum anderen kam ihm die Quellenarbeit, die er hier hätte leisten müssen, uferlos vor. Die beschriebenen [[Dorf|Dörfer]], Kleinstädte, [[Kloster|Klöster]], [[Adel]]sfamilien, [[Ritter]]geschlechter oder Landschaften waren überschaubar, die historische Quellenarbeit jeweils begrenzt und in einem gegebenen Zeitrahmen abschließbar. Mit dieser Auswahl konnte er beides ein Stück weit wie vorgesehen nach ''Lust und Laune'' verbinden – das Wandern und die Schreib- und Quellenarbeit. Bereits ohne die ausführliche Aufnahme der Städte Potsdam und Berlin, die er lediglich mit einigen damals selbstständigen und heute eingegliederten Dörfern beschreibt, hatte Fontane eine derartige Menge an Material und Literatur, an Zetteln und Notizen zusammengetragen, dass er vorübergehend plante, die „Wanderungen“ in insgesamt 20&nbsp;Bänden herauszubringen. == Die fünf Bände == === Vorabdrucke, Ausgaben === [[Bild:Stechlinsee.jpg|thumb|[[Naturpark Stechlinsee|Der Stechlinsee]] im „Ruppinschen“<br />''Wie still er daliegt&nbsp;…'']] Die erste märkische Wanderung unternahm Fontane in der Zeit vom 18. bis 23. Juli 1859 ''ins Ruppinsche''. Im September desselben Jahres erschien der erste Aufsatz ''In den Spreewald'' und bereits im Oktober 1859 begann in der ''Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung'' unter dem Titel ''Märkische Bilder'' eine sechsteilige Aufsatzfolge. Im ''Morgenblatt für gebildete Leser'' erschienen zwischen 1860 und 1864 Fortsetzungen unter dem Titel ''Bilder und Geschichten aus der Mark Brandenburg''. Im Oktober 1860 beschloss Fontane, bisherige Aufsätze in einem Band zusammenzufassen, der erste Band der Wanderungen, ''Die Grafschaft Ruppin'', entstand und erschien im November 1861, vordatiert auf 1862. Auch die Bände ''Havelland'', der in der Erstauflage noch „Osthavelland“ hieß, und ''Spreeland'' erschienen nicht wie angegeben 1873 und 1882, sondern jeweils am Ende der Vorjahre. Die spätere Gesamtausgabe der ersten vier Bände von 1892 mit der endgültigen Fassung trug auf ihrem Titelblatt die Bezeichnung: ''Wohlfeile Ausgabe''. Für diese „Volksausgabe“ nahm Fontane sowohl Streichungen als auch Ergänzungen vor; damals gestrichene Kapitel sind zum Teil in den heutigen Gesamtausgaben im Anhang wiedergegeben. Aufsätze, die Fontane nicht in den Büchern verarbeitet hat, sowie Entwürfe, Pläne und Fassungen aus dem Nachlass sind in einer achtbändigen Ausgabe der „Wanderungen“ (1997) enthalten, die innerhalb der ''Großen Brandenburger Ausgabe'' zu Fontane erschienen ist. Die Titel der zusätzlichen drei Bände lauten: * Dörfer und Flecken im Lande Ruppin * Das Ländchen Friesack und die Bredows * Personenregister, Geografisches Register === Kurzinhalte === Neben der Beschreibung von Landschaften und Orten sowie der Wiedergabe von Geschichte, Legenden und Sagen widmet Fontane ausführliche Abschnitte dem märkischen Landadel, bedeutenden Familien und Rittergeschlechtern – in vielen Passagen besteht die „Geschichte“ aus „Familiengeschichte“. Die folgende Übersicht führt einige der wichtigsten [[Familie (Soziologie)|Familien]] jeweils am Ende der Kapitel in Klammern an. {{Anker|Ruppin-1}}<!-- zur dauerhaften Verlinkung der Teilbände --> ==== Die Grafschaft Ruppin, 1862 ==== [[Bild:Neuruppin2.JPG|thumb|Neuruppin, Siechenstraße<br />Klosterkirche St. Trinitatis<br />rechts: Siechenhauskapelle von 1491]] Fontane beginnt die „Wanderungen“ mit einer ausführlichen Darstellung seiner im Kern bis heute erhaltenen, rund 50&nbsp;Kilometer nordwestlich von Berlin gelegenen Heimatstadt [[Neuruppin]] und ihrer Geschichte. In ihr wurde, 38&nbsp;Jahre vor Fontane, auch der [[Architekt]] [[Karl Friedrich Schinkel]] (1781–1841) geboren. Im Jahre 1688 wurde Neuruppin eine der ersten [[Garnison]]sstädte Brandenburgs; zwei [[Regiment]]er finden eine eingehende Beschreibung. Spaziergänge führen zum Ruppiner See und erste Streifzüge unternimmt der Wanderer in die nähere Umgebung, die „Ruppiner Schweiz“ im heutigen [[Naturpark Stechlinsee|Naturpark Stechlin-Ruppiner Land]] mit einem der klarsten Seen Norddeutschlands, dem Stechlinsee. Das nördlich gelegene, später auch von [[Kurt Tucholsky]] verewigte, [[Rheinsberg]] mit Schloss und See erhält seine erste literarische Würdigung und historische Aufarbeitung. Ausflüge in die Flusslandschaften an [[Rhin]] und [[Dosse]] und die Seenlandschaften bei [[Lindow (Mark)|Lindow]] und [[Gransee]] folgen. Die nächsten Wege führen den Schriftsteller in weitere Dörfer ''auf dem Plateau'' (Ruppiner Plateau) wie ''Ganzer'' und [[Kränzlin]] oder auch ''Gottberg'', wo er zum ersten Mal Einsicht in Kirchenbücher nimmt. Besonderes Interesse hat Fontane an den Aufzeichnungen ''zur systematisch betriebene[n] Verwüstung des Ruppinschen Landes'' während des [[Dreißigjähriger Krieg|Dreißigjährigen Kriegs]] (1618–1648, Familien: ''Schinkel, [[Johann Christian Gentz|Gentz]], von Quast, von Jürgaß''). {{Anker|Oderland-2}}<!-- zur dauerhaften Verlinkung der Teilbände --> ==== Das Oderland, 1863 ==== Neben [[Oder]] und [[Oderbruch]] stehen im Mittelpunkt des zweiten Bandes östliche Teile des [[Barnim]] und das [[Land Lebus|Lebuser Land]], das gemeinsam mit seinem [[Polen|polnischen]] Teil östlich der Oder 2003/2004 den Titel „grenzüberschreitende“ [[Landschaft des Jahres]] erhielt. Ausführlich beschreibt Fontane die Anstrengungen, das Oderbruch trocken zu legen und nutzbar zu machen. Vom Ruinenberg in Freienwalde (heute [[Bad Freienwalde (Oder)|Bad Freienwalde]]) bot sich folgender Blick auf die Oderlandschaft: „Wie ein Bottich liegt diese da, durchströmt von drei Wasserarmen: der faulen, alten und neuen Oder, und eingedämmt von Bergen hüben und drüben […] Meilenweit nur Wiesen, keine Fruchtfelder, keine Dörfer, nichts als Heuschober dicht und zahllos, […] nur grüne Fläche; dazwischen einige Kropfweiden; mal auch ein Kahn, der über diesen oder jenen Arm der Oder hingleitet, dann und wann ein mit Heu beladenes Fuhrwerk oder ein Ziegeldach, dessen helles Rot wie ein Lichtpunkt auf dem Bilde steht.“ Fontanes ''Perle der Märkischen Schweiz'', das Städtchen [[Buckow (Märkische Schweiz)|Buckow]] und die Hügel und Seen dieser „Schweiz“, wie der von ihm geliebte [[Schermützelsee]] sind Gegenstand der folgenden Abschnitte. Ferner beschreibt er [[Küstrin]] (heute ''Kostrzyn'') unter [[Markgraf]] Hans, Friedland, Cunersdorf, Schloss Friedersdorf und Schloss [[Neuhardenberg]] sowie Werbellin, das „Sparrenland“ und das „[[Pfulenland]]“ ''auf dem Hohen Barnim''. (Familien: ''Uchtenhagen, von Friedland, Itzenplitz, von Görtzke, [[Marwitz (Adelsgeschlecht)|von der Marwitz]], von Massow, [[Pfuel|von Pfuel]], von Sparr'') {{Anker|Havelland-3}}<!-- zur dauerhaften Verlinkung der Teilbände --> ==== Havelland, 1873 ==== [[Bild:Lehnin_Westfassade8.JPG|thumb|left|Kloster Lehnin, Westfassade]] „Das Historische (im Gegensatz zu «Oderland») tritt im Ganzen genommen in diesem dritten Bande zurück, und Landschaft und Genre prävalieren“, lässt uns Fontane im Vorwort zur 2.&nbsp;Auflage von 1880 wissen. Gleichwohl beginnt dieser Band mit einer ausführlichen, rund 25-seitigen historischen Abhandlung über ''Die [[Wenden]] in der Mark'' und die Gründung der Mark Brandenburg 1157 durch [[Albrecht I. (Brandenburg)|Albrecht den Bären]], gefolgt von der Darstellung ''Die Zisterzienser in der Mark'' – all das zur Vorbereitung des Kapitels über das 1180 gegründete [[Kloster Lehnin]], das wiederum fast ausschließlich dessen Geschichte darstellt und rund 80&nbsp;Seiten umfasst. Der Stellenwert, den Fontane dieser Darstellung beimisst, wird durch die jüngsten Forschungsergebnisse über die herausragende Bedeutung des Klosters für die Stabilisierung und den [[Landesausbau]] der jungen Mark Brandenburg unter ihren [[Askanier|askanischen]] Markgrafen bestätigt. Mit der anschließenden Beschreibung des Lehninschen Tochterklosters ([[Filiation (Orden)|Filiation]]) [[Kloster Chorin]] tritt das Historische auch auf den nächsten Seiten keineswegs zurück. Da auch die folgenden Abschnitte über das [[Schloss Oranienburg]], über Städte und Dörfer um [[Berlin-Spandau|Spandau]], Brandenburg an der Havel und Potsdam mit der heutigen Berliner [[Pfaueninsel]], mit [[Fahrland]], [[Heilandskirche am Port von Sacrow|Sacrow]], [[Paretz]], [[Wust (bei Schönhausen)|Wust]], [[Caputh]] (Fontane: ''Chicago des Schwielowsees''), [[Petzow]] und [[Werder (Havel)|Werder]] weitgehend Ausflüge in die Geschichte sind, lässt Fontanes Selbsteinschätzung des Bandes [[Havelland]] den Leser etwas ratlos zurück. {| border="0" cellspacing="10"; cellpadding="0"; align="left" style="clear:left; float:left; padding:0; margin-left:0; margin-right:2ex;" |[[Bild:Schiasser See.jpg|thumb|none|Spreeland, Naturpark Nuthe-Nieplitz: [[Schiaßer See]]]] |- |[[Bild:Kirche_Großbeuthen_2.JPG|thumb|none|Kirche in Großbeuthen]] |} Das Dorf [[Ribbeck (Dorf)|Ribbeck]], dessen Name und [[Birnen|Birnbaum]] durch Fontanes berühmtes Gedicht ''Herr von Ribbeck auf Ribbeck im Havelland'' (von 1889) weit über Brandenburg hinaus bekannt ist, erwähnt Fontane nicht; allerdings findet das Adelsgeschlecht der ''von Ribbecks'' im Kapitel über ''Groß Glienicke'' Beachtung. Wie Potsdam und Berlin behandelt Fontane auch die kulturell bedeutende Stadt [[Brandenburg an der Havel]] aus den oben erwähnten Gründen nicht – allerdings auch deshalb, weil er zum „auch nur leidlich gründlichen Studium der einst wichtigsten Stadt des Landes […] nie gekommen“ sei. Die Havel, Fontanes ''Kulturstrom'', erhielt 2004/2005 die Auszeichnung [[Landschaft des Jahres|Flusslandschaft des Jahres]]. {{Anker|Spreeland-4}}<!-- zur dauerhaften Verlinkung der Teilbände --> ==== Spreeland, 1882 ==== Märkischer Landadel wie die Familien ''von Gröben'', ''von Schlabrendorf'' und ''von Thümen'' bestimmten über Jahrhunderte die Geschicke des von Fontane sogenannten ''Thümenschen Winkels'' zwischen den kleinen Flüssen Nuthe und Nieplitz dicht bei Berlin, der als „Nuthe-Nieplitz-Niederung“ heute das Kerngebiet des [[Naturpark Nuthe-Nieplitz|Naturparks Nuthe-Nieplitz]] bildet. Die Flüsse, Seen, Familien und Dörfer dieser Region wie Gröben bei [[Ludwigsfelde]], [[Blankensee (Brandenburg)|Blankensee]], [[Stangenhagen]] und [[Trebbin]] stellt Fontane in den Mittelpunkt dieses Bandes. Im ältesten erhaltenen Kirchenbuch der Mark, in Gröben, fand er eine umfangreiche Quelle für seine Forschungen und die Familiengeschichten. Da dieses Gebiet zudem bei der Gründung der Mark Brandenburg eine bedeutende Rolle spielte, forschte Fontane in [[Saarmund]] –&nbsp;vergeblich&nbsp;– nach den schon für ihn ''legendären [[Nutheburgen]]'' aus der Zeit der deutschen Ostausdehnung in die Gebiete der slawischen Stämme. Einleitend stellt der Dichter der Mark die in Mitteleuropa einmalige Landschaft im heutigen [[Biosphärenreservat]] [[Spreewald]] mit ihrem 970&nbsp;Kilometer langen Netz von kleinen und mittelgroßen Wasserläufen beiderseits vom Hauptwasserweg der Spree vor, deren ([[Sorben|sorbische]]) Bevölkerung ihre sprachliche und kulturelle Eigenständigkeit bis in die Gegenwart bewahren konnte. Die nach wie vor „obligatorische“ Kahnfahrt von [[Lübbenau]] in das Dorf [[Lehde (Spreewald)|Lehde]] begeistert Fontane schon vor rund 135&nbsp;Jahren: „Gleich die erste halbe Meile ist ein landschaftliches Kabinettstück … es ist die Lagunenstadt im Taschenformat, ein Venedig, wie es vor 1500&nbsp;Jahren gewesen sein mag […] man kann nichts Lieblicheres sehn als dieses Lehde […].“ Der heutige Berliner Stadtteil [[Berlin-Köpenick|Köpenick]] mit dem [[Schloss Köpenick|Schloss]], dem [[Müggelsee]] und den [[Müggelberge]]n, eine Forschungsfahrt auf der [[Dahme (Fluss)|Dahme]] (Fontanes ''Wendische Spree''), eine ''Pfingstfahrt in den Teltow'' nach [[Königs Wusterhausen]] sowie [[Mittenwalde]] und die Beschreibung der [[Schlacht bei Großbeeren]] und einiger kleinerer Dörfer runden die Darstellungen in diesem Band ab. (Familien: ''von Gröben, von Schlabrendorf, [[Von Thümen|von Thümen]], Woltersdorf, von Scharnhorst'') {{Anker|Schloss-5}}<!-- zur dauerhaften Verlinkung der Teilbände --> ==== Fünf Schlösser, 1889 ==== [[Bild:Theodor Fontane Fünf Schlösser.jpg|thumb|left|upright|Verlagseinband der ersten Buchausgabe]] [[Datei:Castle Liebenberg.JPG|thumb|[[Löwenberger Land#Schloss Liebenberg|„Schloss“ Liebenberg]]]] Diese historische Spezialarbeit umfasst gemäß Fontanes Zusammenfassung im Vorwort „eine genau durch fünf Jahrhunderte hin fortlaufende Geschichte von Mark Brandenburg, die, mit dem Tode [[Karl IV. (HRR)|Kaiser Karls&nbsp;IV.]] beginnend, mit dem Tode des [[Carl von Preußen|Prinzen Karl]] und seines berühmteren Sohnes ([[Friedrich Karl von Preußen|Friedrich Karl]]) schließt und an keinem Abschnitt unserer Historie, weder an der joachimischen noch an der friderizianischen Zeit, weder an den Tagen des Großen Kurfürsten noch des Soldatenkönigs, am wenigsten aber an den Kämpfen und Gestaltungen unserer eigenen Tage völlig achtlos vorübergeht.“ In den Mittelpunkt stellt der Schriftsteller die Entwicklung der fünf märkischen Schlösser ''[[Quitzöbel|Quitzöwel]], [[Plaue (Havel)]], [[Löwenberger Land#Schloss Hoppenrade|Hoppenrade]], [[Löwenberger Land#Schloss Liebenberg|Liebenberg]]'' und ''[[Dreilinden]]'', wobei es sich nach Fontanes Aussage eigentlich nur bei ''Plaue (Havel)'' tatsächlich um ein „[[Schloss (Gebäude)|Schloss]]“ und ansonsten um „[[Herrensitz]]e“ handelt. Nicht nur umgangssprachlich, sondern auch offiziell werten die Brandenburger auch heute noch Herrensitze gerne zu Schlössern auf, wie beispielsweise das [[Schloss Blankensee|„Schloss“ Blankensee]]. Weil die Bewohner der Mark in ihrem flachen Binnenland ''(Landschaft haben wir viel)'' keine [[Alpen]]gipfel oder wenigstens einen kleineren [[Mecklenburg|mecklenburgischen]] Strandabschnitt vorweisen können, machen manche Märker mit einer Mischung aus Selbstironie und Trotz aus kleineren Hügeln bisweilen wahre schweizerische (Fontanes ''viele Schweize'', s.&nbsp;o.) Gebirgszüge, und eben aus größeren landwirtschaftlichen Sitzen gelegentlich Schlösser. (Familien: ''von [[Quitzow (Adelsgeschlecht)|Quitzow]]'' („[[Raubritter]]“), ''[[Königsmarck|von Königsmarck]]'', ''von Hertefeld'') == Kritische Würdigung == === Der Historiker Fontane === Historische Veränderungen, die sich noch zu seinen Lebzeiten ergaben, arbeitete Fontane nicht immer in die Folgeauflagen seiner Bände ein. Im 1873 erschienenen Band Havelland beispielsweise beschreibt Fontane die Klosterruine Lehnin, die er vor [[1870]] besucht hatte. Zwischen 1871 und 1877 wurde die Klosterkirche wieder aufgebaut und erfolgreich rekonstruiert. Im Vorwort zur zweiten Havelland-Auflage von 1880 teilt er dazu mit: „Ich hab' es aber mit Rücksicht darauf, dass alles Umarbeiten und Hinzufügen in der Regel nur Schwerfälligkeiten schafft, schließlich doch vorgezogen, das meiste so zu belassen […] “ [[Bild:Kurzbio_fontane05.jpg|thumb|upright|Theodor Fontane, 1894<br />Quelle: [http://www.theodorfontane.de Mission Fontane]]] Im Schlusswort zum vierten Band zitiert Fontane, ohne Quellenangabe, eine Kritik aus seiner Zeit wie folgt: „Die nach mehr als einer Seite hin überschätzten «Wanderungen» sind Arbeiten, an denen der Mann von Fach, also der Berufshistoriker, achselzuckend oder doch mindestens als an etwas für ihn Gleichgültigem vorübergeht.“ Die Kritik fand Fontane nicht unbedingt falsch, hielt sie allerdings insofern für unberechtigt, als er nie den Anspruch erhoben habe, in die Reihe der großen Historiker eingeordnet zu werden. „Wer sein Buch einfach «Wanderungen» nennt und es zu größerer Hälfte mit landschaftlichen Beschreibungen und Genreszenen füllt, in denen abwechselnd Kutscher und [[Kossäte]]n und dann wieder Krüger und Küster das große Wort führen, der hat wohl genugsam angedeutet, dass er freiwillig darauf verzichtet, unter die Würdenträger und Großkordons historischer Wissenschaft eingereiht zu werden.“ Mit seinen Darstellungen hat Fontane gleichwohl eine große auch geschichtswissenschaftliche Bedeutung und [[künstlerische Rezeption|Rezeption]] erlangt. Am 17. Dezember 1969 trafen sich die Mitglieder des Vereins für die Geschichte Berlins und der Historischen Gesellschaft zu Berlin im [[Schloss Charlottenburg]], um seinen 150.&nbsp;Geburtstag zu feiern. In den Schlussworten führte Ernst Schulin, zweiter Vorsitzender der Historischen Gesellschaft, aus: „Er ist … ein sympathischeres und empfehlenswerteres Vorbild für uns als die meisten Berufshistoriker; […]“ Dass die Historiker, wie eingangs erwähnt, inzwischen ihren Frieden mit Fontane gemacht haben, verdeutlicht nicht zuletzt die Aufnahme der „Wanderungen“ in die Literaturlisten jüngerer Forschungsarbeiten wie beispielsweise in der [[Dissertation]] von Stefan Warnatsch über das Kloster Lehnin. Fontane prägte Begriffe wie den ''[[Stangenhagen#Thümenscher Winkel|Thümenschen Winkel]]'', die sich bis heute erhalten haben, und er hat manches festgehalten und damit bewahrt, das es heute nicht mehr gibt. Allerdings sind die reinen historischen Fakten, die Fontane mitteilt, inzwischen zum Teil überholt. So greift er beispielsweise bei der Klostergeschichte Lehnins auf die Darstellungen von [[Přibík Pulkava]] in der ''Böhmischen Chronik'' zurück, der den Namen ''Lehnin'' auf die Gründungslegende des Klosters zurückführt. Nach den jüngeren Forschungen von Stefan Warnatsch ist diese Interpretation kaum zu halten. Auch käme heute kein „Wanderer“ mehr auf die Idee, die ''verschollene'' vierte Nutheburg ''(Diese Fatamorgana der Zauche-Wüste)'' wie Fontane in Saarmund zu suchen, weil archäologische Forschungen inzwischen ergaben, dass diese Burg ein Stück weiter nördlich bei [[Potsdam-Drewitz|Drewitz]] lag. [[Bild:Heinrich Thomas Mann.jpg|thumb|left|upright|Heinrich und Thomas Mann – Foto um 1900]] Für ein breites Publikum ist die Fontanesche Mischung aus [[Lokalkolorit]], Erzählungen, [[Anekdote]]n und Legenden mit den „harten“ historischen Daten auch heute lesenswert; eine Vielzahl von Wandergruppen unternimmt gezielte Touren auf seinen historischen Spuren. Wenn Fontane auch nie Geschichtswissenschaftler war und auch nicht sein wollte, hat er auf diese Weise dennoch wirkungsvoller zum Verständnis der Brandenburger Geschichte und zum Geschichtsverständnis der Brandenburger beigetragen als manche wissenschaftliche Abhandlung. === Grundlage für die Romane === „Als erster hier hat er wahrgemacht, daß ein Roman das gültige, bleibende Dokument einer Gesellschaft, eines Zeitalters sein kann, daß er soziale Kenntnis gestalten und vermitteln […] kann […] Effi Briest steht bei Madame Bovary, das märkische Landfräulein neben der Bauerntochter aus der Normandie“ schrieb 1948 [[Heinrich Mann]] (1871–1950) in seinem Essay „Theodor Fontane“. Die Erkenntnisse aus seinen Begegnungen und geschichtlichen Studien, die Fontane während der „Wanderungen“ sammelte, legten das Fundament zu seinen großen Romanen wie [[Effi Briest]] (1895) oder [[Der Stechlin (Roman)|Der Stechlin]] (1899). Karge Sandflächen und unwegsame Sumpflandschaften, Luche und [[Elsbruch|Elsbrüche]], Schlösser und Kirchen, Charaktere und Geschichten, die er in den fünf Bänden beschreibt, finden sich in den Romanen wieder. Die Sage vom roten Hahn, das Leitmotiv des „Stechlin“, erzählt Fontane schon 1862 im ersten Wanderungsband. Welch tiefe Kenntnis Fontane von der märkischen Gesellschaft und ihren Problemen, sich auf die Veränderungen der Zeit einzustellen, gewonnen hatte, zeigte schon seine 1882 erstmals in der „Vossischen Zeitung“ veröffentlichte Erzählung [[Schach von Wuthenow]]. Er zeichnete den [[Rittmeister]] Schach weder als oberflächlichen [[Lebemann]] noch als einen im preußischen Ehrbegriff erstarrten Offizier, sondern als einen Menschen, der beides ist: disziplinierter preußischer Offizier und ein geistreicher Mann, der seinen Sinnen erliegt – ein Widerspruch, den er im Leben nicht zu vereinen weiß und der zum [[Suizid]] führt. Der jüngere Bruder Heinrichs, [[Thomas Mann]] (1875–1955), arbeitete im Todesjahr Fontanes an den ''[[Buddenbrooks]]'' und las als fruchtbare Begleitlektüre „Effi Briest“, die er zu den sechs besten Romanen der [[Weltliteratur]] zählte und als besten Roman seit [[Johann Wolfgang von Goethe|Goethes]] ''[[Die Wahlverwandtschaften|Wahlverwandtschaften]]'' bezeichnete. Mit seinen späten, weitgehend auf den „Wanderungen“ beruhenden Werken ist Fontane heute in nahezu allen Literatur-Zusammenstellungen vertreten, beispielsweise im [[Kanon (Literatur)|Kanon]] (20 Romane) von [[Marcel Reich-Ranicki]] mit ''Effi Briest'' und 2004 in der [[ZDF]]-Umfrage „[[Unsere Besten|Unsere Besten – Das große Lesen]]“ mit ''Effi Briest'' und ''Der Stechlin'' gleich zweimal unter den ersten 50 als „Lieblingsbuch der Deutschen“ (20. und 43.&nbsp;Platz). === „Lausedichter, aus Passion“ === Sind heute eher Fontanes Romane bekannt, erfuhren die „Wanderungen“ zu seinen Lebzeiten und zu Beginn des 20.&nbsp;Jahrhunderts eine höhere Wertschätzung. Bei allem Erfolg waren sie jedoch auch in der zeitgenössischen Beurteilung umstritten. Dem Adel waren sie zu liberal, den Liberalen waren sie zu konservativ. Diese zwiespältige Aufnahme spiegelte Fontanes ambivalente Haltung zu Adel und Staat wider, die bis heute nicht geklärt ist und vielleicht auch nicht geklärt werden kann, sondern als widersprüchlicher Wesenszug Fontanes zu interpretieren und aus seiner Biografie zu erklären ist. Einerseits war Fontane voller Liebe und Bewunderung für den preußischen Adel, dem er in den „Wanderungen“ ein Denkmal setzte, und voller Bewunderung für das traditionelle Preußen, das er mit ''Acht Preußenliedern'' besang. Andererseits stand er 1848 auf der Seite der [[Märzrevolution]] und schrieb skeptische und kritische Passagen wie in einem Brief an Georg Friedlaender am 6. Mai 1895: „Mein Hass gegen alles, was die neue Zeit aufhält, ist in einem beständigen Wachsen begriffen. Und die Möglichkeit, ja Wahrscheinlichkeit, dass dem Sieg des Neuen eine furchtbare Schlacht voraufgehen muss, kann mich nicht abhalten, diesen Sieg des Neuen zu wünschen. […] Preußen war eine Lüge, das Licht der Wahrheit bricht an […]“ Sowohl in zeitgenössischen wie auch jüngeren Kritiken wurde und wird Fontanes Weitschweifigkeit angeführt. Bei Herbert Roch, der mit seinem Buch von 1962 ''Fontane, Berlin und das 19.&nbsp;Jahrhundert'' die in dieser Zeit einsetzende Fontane-[[Renaissance]] maßgeblich mit beeinflusst hat, erweckten manche Kapitel den Eindruck einer „lokalen Rumpelkammer“. Fontane erklärte diesen nicht ganz falschen, zu seiner Zeit ähnlich erhobenen Vorwurf am 8. August 1883 in einem Brief an seine Frau mit seiner Neigung, sich „mit den so genannten Hauptsachen immer schnell abzufinden, um bei den Nebensachen liebevoll, vielleicht zu liebevoll, verweilen zu können […] Ich bin danach Lausedichter, zum Teil sogar aus Passion; aber doch auch wegen Abwesenheit des Löwen.“ (Mit Laus und Löwe bezieht sich Fontane auf ein von ihm zitiertes [[Sonett]] des [[Vormärz]]-Lyrikers [[Georg Herwegh]] (1817–1875): „Und wenn einmal ein «Löwe» vor Euch steht, sollt Ihr nicht das «Insekt» auf ihm besingen“.) Wie erwähnt machte der Lausedichter allerdings auch keinen Versuch, „Löwen“ wie Potsdam und Berlin zu bändigen. [[Bild:Grass.JPG|thumb|left|[[Günter Grass]] (2004)]] Genossen die „Wanderungen“ in der [[Deutsche Demokratische Republik|DDR]] eine hohe Wertschätzung, da Brandenburg ein bevorzugtes ostdeutsches Erholungsgebiet war, haben seit der [[Deutsche Wiedervereinigung|Wiedervereinigung]] auch viele Westdeutsche das Reiseland Brandenburg als Schauplatz der „Wanderungen“ neu entdeckt. Nach umfangreichen, teilweise noch andauernden und oft sehr gelungenen [[Restaurierung]]en von alten Dorf- und [[Tourismus in Brandenburg|historischen Stadtkernen]], von Kirchen, Klöstern und Schlössern, nach ebenso gelungenen [[Renaturierung]]en und der Ausweisung weiter Landschaften als [[Naturpark]]s oder [[Naturschutzgebiet]]e präsentieren sich heute viele historische Stätten und Kleinode der Natur im von Fontane beschriebenen Gewand. Der jüngere Boom der Wandergruppen und Literaturreisen auf Fontanes Spuren, der Vereine, Veranstaltungen und Vorträge im Umfeld des Schriftstellers sind Ausdruck der Fontane-Renaissance, die ihren vorläufigen literarischen Höhepunkt in dem Roman "Ein weites Feld" des [[Nobelpreis]]trägers [[Günter Grass]] fand. === „Der Wanderer, wie er im Buche steht“ === Der Roman ''[[Ein weites Feld]]'' von [[Günter Grass]] aus dem Jahr 1997 trägt als Titel ein Zitat aus „Effi Briest“ und ist eine einzige [[Hommage]] an Fontane. Die Hauptperson ''Fonty'' springt in Begleitung ihres ''Tagundnachtschattens Hoftaller'' hin und her zwischen der [[Deutsche Wiedervereinigung|Wendezeit]] [[1989]] und der Zeit Fontanes, die direkte Rede „Fontys“ besteht aus ungezählten Originalzitaten des märkischen Dichters – Grass lässt seinen Fontane zudem einige Stätten der „Wanderungen“ besuchen und aus heutiger Sicht mit den alten Worten kommentieren. [[Bild:Fontane_Denkmal1.jpg|thumb|Denkmal in Neuruppin, genug Platz für „Fonty“]] Mit der Beschreibung einer Wanderung „Fontys“ auf der [[Ostseeinsel]] [[Hiddensee]] setzt Günter Grass dem Schriftsteller der Mark und seinem seit fast 150&nbsp;Jahren zeitlosen Werk „Wanderungen durch die Mark Brandenburg“ das Denkmal: „Der Wanderer, wie er im Buche steht. Wir sehen Fonty von Kloster aus über den Plattenweg unterwegs nach Vitte, vorbei an Heckenrosen und reifendem Sanddorn … Er wandert mit Stock unterm bulgarischen Sommerhut und trägt zur hellen Hose ein strohgelbes Leinenjackett, beides ein wenig knittrig.“ Überdies wird Fontane im Roman von Grass die ungewöhnliche Ehre zuteil, sich post mortem als „Fonty“ auf sein eigenes Denkmal aus dem Jahr 1907 setzen und sich selbst feiern zu dürfen: „Natürlich haben meine braven Neuruppiner, als das Denkmal, bei übrigens prächtigem Wetter, am 8.&nbsp;Juni enthüllt wurde, nicht etwa den wenig gelesenen Romancier, sondern partout –&nbsp;man könnte auch sagen, ausschließlich&nbsp;– den Dichter der Wanderungen durch die Mark […] ehren wollen.“ == Quellen, Verweise == === Wikipedia-Artikel mit Zitaten aus den „Wanderungen“ === ==== Orte, Landschaften, Begriffe (alphabetisch) ==== [[Alte Dorfkirche (Kleinmachnow)]] – [[Bäke (Telte)]] – [[Bockkäfer]] – [[Dahme (Fluss)|Dahme]] – [[Dreilinden]] – [[Elsbruch]] – [[Gnewikow]] – [[Golmberg]] – [[Gröben (Ludwigsfelde)|Gröben]] (ausführliche Bezüge) – [[Heilandskirche am Port von Sacrow]] – [[Jagdschloss Stern (Potsdam)]] – [[Jütchendorf]] – [[Kloster Lehnin]] – [[Löwenbruch]] – [[Luckenwalde]] – [[Ludwigsfelde]] – [[Müggelturm]] – [[Nuthe]] – [[Paretz]] – [[Parsteiner See]] – [[Parforceheide]] – [[Potsdam-Drewitz]] – [[Reitwein]] – [[Rhinluch]] – [[Saarmund]] – [[Schildhorn]] – [[Schildhornsage]] – [[Schloss Blankensee]] – [[Schloss Kossenblatt]] – [[Schloss Tamsel]] – [[Schwielowsee]] – [[Spreewälder Gurken]] – [[Stangenhagen]] – [[Tamsel]] – [[Teltow (Landschaft)]] – [[Tiene]] ==== Personen (alphabetisch) ==== [[Georg von Derfflinger]] – [[Eduard Handtmann]] – [[Wilhelm von Humboldt]] – [[Jaxa von Köpenick]] – [[Königsmarck]] – [[Philipp Christoph von Königsmarck]] – [[Hans Christoffer von Königsmarck]] – [[Hans Karl Graf von Königsmarck]] – [[Johann von Löben]] – [[Heinrich von Preußen (1747–1767)]] – [[Friedrich Karl von Preußen]] – [[Gans zu Putlitz]] – [[Albrecht Christoph von Quast]] – [[Hans Adam von Schöning]] – [[Hans Joachim von Zieten]] === Literatur === [[Bild:Fontane_PlatteA.JPG|thumb|270px|Fontane-Denkmal, Inschrift]] '''Primärliteratur'''<br /> Das Fontane-Zitat zu Alexis/Scott aus einem Brief ist dem Beitrag von Gerhard Fischer entnommen.<br /> Das Fontane-Zitat aus einem Brief an Georg Friedlaender vom 6. Mai 1895 ist dem Beitrag von Dieter Meichsner entnommen.<br /> Die Fontane-Zitate aus den „Wanderungen“ sind folgender Ausgabe entnommen; sie werden wegen der Vielzahl der verschiedenen Ausgaben nicht einzeln aufgeführt: * Theodor Fontane, ''Wanderungen durch die Mark Brandenburg ''. Taschenbuchausgabe in 5 Bänden, Nymphenburger Verlagshandlung, München 1971, Frankfurt/M, Berlin. div. <nowiki>ISBN</nowiki> Zur 8-bändigen Ausgabe siehe Fontane-Gesamtausgabe * Theodor Fontane, ''Meine Kinderjahre''. Autobiografischer Roman. 1. Auflage 1894. Hier benutzt: dtv-text-bibliothek, 3. Auflage 1976 ISBN 3-423-06004-2 * Theodor Fontane, ''Willibald Alexis''. Essay, erste Fassung 1872. Heute in: Theodor Fontane, ''Schriften zur Literatur'', Berlin 1960. Hier rezipiert nach dem Beitrag von Gerhard Fischer, s.u. {| border="0" cellspacing="10"; cellpadding="0"; align="left" style="clear:left; float:left; padding:0; margin-left:0; margin-right:3ex;" |[[Bild:Luckenwalde_FontaneA.JPG|thumb|170px|Gedenkplatte in [[Luckenwalde]]]] |} '''Fontane-Gesamtausgabe''' * ''Große Brandenburger Ausgabe'', Hrsg. von [[Gotthard Erler]], Aufbau Verlag Berlin, seit 1994, veranschlagt auf 75 Bände (Inhaltsübersicht beim [http://www.aufbau-verlag.de/user-images/downloads/Fontane%20-%20Editionsplan.pdf Aufbau Verlag]). In dieser Ausgabe enthalten: * ''Wanderungen durch die Mark Brandenburg in 8 Bänden'', Hrsg. von Gotthard Erler u. Rudolf Mingau, Aufbau Verlag Berlin 1997, 57 Abb., 5175 Seiten ISBN 3-351-03104-1 * Theodor Fontane, ''Wanderungen durch die Mark Brandenburg'', Hörbuch, 24 CDs, gesprochen von Gunter Schoß, Unterlauf & Zschiedrich Hörbuchverlag 2002, ISBN: 978-3-934384-25-5 '''Sekundärliteratur''' * ''Fontane und Berlin'', Hans-Dietrich-Loock (Hrsg.), Colloquium Verlag Berlin 1970, (Feierstunde zum 150. Geburtstag Fontanes) Zitat Schlusswort Ernst Schulin S. 46 * Dieter Meichsner, ''Theodor Fontane und Berlin 1969 vom Duvenstedter Brook aus betrachtet'', in: ''Fontane und Berlin'', siehe vorstehend. Zitat Briefe an Friedländer S. 31 * Heinrich Mann, ''Theodor Fontane'', Essay – wiedergegeben in ''Fontane und Berlin'', s. o., S. 84,85 (geschrieben 1948 zum 50. Todestag Fontanes für den „Münchener Kultur-Pressedienst“) * Gerhard Fischer, ''Der «märkische Walter Scott». Zum 200. Geburtstag von Willibald Alexis'', in: [http://www.luise-berlin.de/bms/bmstext/9806proc.htm Edition Luisenstadt], 1998 Zitat S. 1, Originalzitat aus Fontane-Brief S. 5 * Herbert Roch, ''Fontane, Berlin und das 19. Jahrhundert'', Gebrüder Weiss Berlin 1962 * Hubertus Fischer: ''Gegen-Wanderungen. Streifzüge durch die Landschaft Fontanes''. Frankfurt am Main / Berlin 1986 (Ullstein Buch 35237). * Fontanes „Wanderungen durch die Mark Brandenburg“ im Kontext der europäischen Reiseliteratur. Internat. Symposium des Theodor-Fontane-Archivs in Zusammenarbeit mit der Theodor Fontane Gesellschaft, Sept. 2002 in Potsdam, hg. v. Hanna Delf von Wolzogen. Würzburg 2003, ISBN 3826026349 * Michael Ewert, Heimat und Welt. Fontanes Wanderungen durch die Mark, in: Fontane und die Fremde, Fontane und Europa, hg. v. Konrad Ehlich. Würzburg 2002, S. 167-177. '''Benutzte Romane''' * Günter Grass, ''Ein weites Feld''. Roman. Deutscher Taschenbuch Verlag GmbH & Co. KG, München 1999, ISBN 3-423-12447-4 Zitate S. 341, 583f. * Willibald Alexis, ''Die Hosen des Herrn von Bredow'', 1. Auflage 1846. Hier benutzte Ausgabe: Verlag Neufeld & Henius, Berlin (1925). Ausführliche Beschreibung zum ''Kloster Lehnin'', Seiten 126ff '''Fachliteratur zum historischen Hintergrund''' * Stephan Warnatsch, ''Geschichte des Klosters Lehnin 1180–1542'', Studien zur Geschichte, Kunst und Kultur der Zisterzienser, Band 12.1, Lukas Verlag Berlin 2000 (Zugleich: Berlin, Freie Universität, Dissertation, 1999), ISBN 3-931836-45-2 * [http://www.lutz-partenheimer.de/ Lutz Partenheimer]: ''Albrecht der Bär''. 2. Auflage. Böhlau Verlag, Köln 2003 ISBN 3-412-16302-3 === Filmografie === * 1986 – ''Wanderungen durch die Mark Brandenburg'' – Regie: [[Eberhard Itzenplitz]] (mit [[Klaus Schwarzkopf]] als Erzähler); eine 5-teilige Produktion aus dem Jahr 1985, die 1986/87 im [[ZDF]] gesendet wurde. Das Drehbuch schrieb [[Horst Pillau]]. Die fünf Teile orientierten sich inhaltlich und in ihrer Reihenfolge an den fünf Bänden der „Wanderungen“. == Weblinks == * {{PGDW|fontane/mark/mark}} * [http://www.fontanearchiv.de/ Fontanearchiv] * [http://www.fontane-gesellschaft.de/ Fontanegesellschaft] {{Navigationsleiste Werke von Fontane}} [[Kategorie:Literarisches Werk]] [[Kategorie:Realismus (Literatur)]] [[Kategorie:Theodor Fontane]] [[Kategorie:Literatur (Deutsch)]] [[Kategorie:Heimatdichtung]] [[Kategorie:Wandern]] [[Kategorie:Brandenburgische Geschichte]] [[Kategorie:Literatur (19. Jahrhundert)]] [[Kategorie:Reiseliteratur]] {{Exzellent}} [[pl:Wanderungen durch die Mark Brandenburg]] qstoxgvi4hkvn6fcemzlarlh00ox0zu wikitext text/x-wiki Wannseekonferenz 0 24471 27072 2010-05-07T18:45:00Z Jesusfreund 0 hat Heydrich selber die Zahlen damals aufgeschlüsselt? Und ist das für das Thema "Wannseekonferenz" ein relevantes Detail? Warum? [[Datei:Berlin Wannseevilla.jpg|miniatur|hochkant=1.5|Villa der Wannseekonferenz]] [[Datei:Carta Göring.JPG|miniatur|Auftrag [[Hermann Göring|Görings]] an [[Reinhard Heydrich|Heydrich]]]] [[Datei:WannseeList.jpg|miniatur|Dokument von der Wannseekonferenz]] Auf der '''Wannseekonferenz''' vom 20. Januar 1942 kamen 15 hochrangige Vertreter von [[Nationalsozialismus|nationalsozialistischen]] Reichsbehörden und Parteidienststellen zusammen, um unter Vorsitz von [[SS-Dienstgrade|SS-Obergruppenführer]] [[Reinhard Heydrich]] den begonnenen [[Holocaust]] an den [[Jude]]n im Detail zu organisieren und die Zusammenarbeit aller Instanzen dabei sicherzustellen. Hauptzweck der Konferenz war entgegen verbreiteter Meinung nicht, den Holocaust zu beschließen – diese Entscheidung war mit den seit Monaten stattfindenden Massenmorden in vom [[Deutsches Reich 1933 bis 1945|Deutschen Reich]] besetzten Gebieten faktisch schon gefallen –, sondern die [[Deportation]] der gesamten jüdischen Bevölkerung Europas zur Vernichtung in den Osten in den Grundzügen zu organisieren und zu koordinieren. Die Teilnehmer legten den zeitlichen Ablauf für die weiteren Massentötungen fest, grenzten die dafür vorgesehenen Opfergruppen genauer ein und einigten sich auf eine Zusammenarbeit unter der Leitung des [[Reichssicherheitshauptamt]]s, das Heydrich führte. Dies war das Hauptanliegen Heydrichs, den [[Hermann Göring]] am 31. Juli 1941 mit der Gesamtorganisation der „[[Endlösung der Judenfrage]]“ beauftragt hatte. Daraufhin hatte Heydrich im Dezember 1941 zu der streng geheimen Konferenz eingeladen. Daran nahmen acht Staatssekretäre verschiedener Ministerien, sechs leitende Beamte der Polizei, der [[Geheime Staatspolizei|Gestapo]] und [[Schutzstaffel|SS]] sowie ein Ministerialdirektor teil; unter ihnen waren neun promovierte Juristen. Protokollant war der SS-Obersturmbannführer [[Adolf Eichmann]], Heydrichs Referent für „Judenangelegenheiten“. Der erst nach dem [[Zweiter Weltkrieg|Zweiten Weltkrieg]] geprägte Begriff ''Wannseekonferenz'' ergab sich aus dem Tagungsort, dem damaligen ''Gästehaus der Sicherheitspolizei und des [[Sicherheitsdienst Reichsführer-SS|Sicherheitsdienstes]]'', [[Am Großen Wannsee]] 56–58 in [[Berlin-Wannsee]]. Das dortige, zuvor ''Villa Marlier'' genannte Gebäude wurde 1914/1915 von [[Paul Otto August Baumgarten]] erbaut. Heute ist es eine [[Liste der Gedenkstätten für die Opfer des Nationalsozialismus|Gedenkstätte für den Holocaust]]. == Vorgeschichte == === Nationalsozialistische „Judenpolitik“ === Der [[Antisemitismus (bis 1945)|Antisemitismus]] war einer der wichtigsten Bestandteile der nationalsozialistischen Ideologie, der die NS-Politik bestimmte. Schon in seinem Werk ''[[Mein Kampf]]'' propagierte [[Adolf Hitler]] Ideen, die auf die Ausrottung der Juden abzielten. Am 30. Januar 1939 hatte Hitler in einer Reichstagsrede erstmals „die Vernichtung der jüdischen Rasse in Europa“ für den Kriegsfall angekündigt. Darauf bezog sich Propagandaminister [[Joseph Goebbels]] in einem Artikel für ''[[Das Reich]]'' vom 16. Dezember 1941:<ref>zitiert nach Ralf Georg Reuth: ''Goebbels''. München Zürich 1990, ISBN 3-492-03183-8, S.&nbsp;491</ref> {{Zitat|Wir erleben gerade den Vollzug dieser Prophezeiung und es erfüllt sich am Judentum ein Schicksal, das zwar hart, aber mehr als verdient ist. Mitleid oder gar Bedauern ist da gänzlich unangebracht.}} 1942 kam Hitler öffentlich fünfmal auf seine Drohung und ihre Verwirklichung zu sprechen, zuletzt am 8. November 1942:<ref>Max Domarus: ''Hitler – Reden und Proklamationen.'' Band&nbsp;2, Würzburg 1963, S.&nbsp;1937.</ref> {{Zitat|Sie werden sich noch der Reichstagssitzung erinnern, in der ich erklärte: Wenn das [[Judentum]] sich etwa einbildet, einen internationalen Weltkrieg zur Ausrottung der europäischen Rassen herbeiführen zu können, dann wird das Ergebnis nicht die Ausrottung der europäischen Rassen, sondern die Ausrottung des Judentums in Europa sein. Sie haben mich immer als Propheten ausgelacht. Von denen, die damals lachten, lachen heute Unzählige nicht mehr, und die jetzt noch lachen, werden es vielleicht in einiger Zeit auch nicht mehr tun.}} Die beabsichtigten Ziele und Ergebnisse der nationalsozialistischen Politik gegenüber den Juden liegen also offen zu Tage. Gleichwohl sind Einzelheiten des Entscheidungsprozesses, der zum Holocaust führte, nur spärlich dokumentiert. Wie dieser Prozess innerhalb des NS-Regimes genau ablief, ist in vielen Details unklar und wird in der [[Holocaustforschung]] weiterhin intensiv diskutiert. === Die Entscheidung zum Holocaust === Zu den erhaltenen Dokumenten gehört der Auftrag Görings an Heydrich, einen „Gesamtentwurf“ bezüglich Kosten, Organisation und Durchführung für die „Endlösung der Judenfrage“ auszuarbeiten. Er erging am 31. Juli 1941, also fünf Wochen nach Beginn des [[Krieg gegen die Sowjetunion 1941–1945|Kriegs gegen die Sowjetunion]] am 22. Juni, der Millionen von Juden erst in die Reichweite des nationalsozialistischen Regimes brachte.<ref>[http://www.ghwk.de/deut/Dokumente/Goering.pdf Brief Görings an Heydrich: Auftrag zur Endlösung].</ref> Für die Zeit nach dem deutschen Überfall auf Russland sind vermehrt Äußerungen führender Funktionäre des NS-Regimes feststellbar, die auf den geplanten Völkermord schließen lassen. Dies gilt als Hinweis darauf, dass die endgültigen Entscheidungen, die zum Holocaust führten, im Herbst 1941 gefallen sein müssen. So versammelte Hitler am 12. Dezember 1941 die [[Struktur der NSDAP|Reichs- und Gauleiter]] der NSDAP in seinen Privaträumen in der Reichskanzlei. Goebbels notierte darüber in seinem Tagebuch:<ref>[[Guido Knopp]]: ''Holokaust''. Goldmann 2001, ISBN 344215152X, S.&nbsp;139.</ref> <blockquote>„Bezüglich der Judenfrage ist der Führer entschlossen, reinen Tisch zu machen. […] Der Weltkrieg ist da, die Vernichtung des Judentums muss die notwendige Folge sein.“</blockquote> Vier Tage später veröffentlichte er den oben zitierten Artikel in ''Das Reich''. Manche Historiker sehen die Gauleitertagung bei Hitler am 12. Dezember als spätesten Termin an, an dem die Entscheidung zur systematischen Judenvernichtung gefallen ist.<ref>Christian Gerlach: „Die Wannsee-Konferenz, das Schicksal der deutschen Juden und Hitlers politische Grundsatzentscheidung, alle Juden Europas zu ermorden“, in: Christian Gerlach: ''Krieg, Ernährung Völkermord. Deutsche Vernichtungspolitik im Zweiten Weltkrieg''. Zürich/München 2001, ISBN 3-8584-2404-8.</ref> Andere bezweifeln, dass es überhaupt einen bestimmten Zeitpunkt gab, an dem ein solcher Beschluss getroffen und ein entsprechender [[Führerbefehl]] dazu ausgegeben wurde. Dazu führen sie u.&nbsp;a. ein Zitat aus dem Protokoll der Wannseekonferenz an: An die Stelle der Nötigung zur Auswanderung sei „nach vorheriger Genehmigung durch den Führer die Evakuierung der Juden nach dem Osten“ als Lösungsmöglichkeit getreten. Ein förmlicher Beschluss zum Völkermord, der Ermordung aller Juden, sei damit nicht gegeben worden; Hitler habe sich ungern festgelegt und sei nur „Legitimierungsinstanz“ in einem noch stufenweise weiter fortschreitendem Radikalisierungsprozess gewesen, der durch lokale Initiativen, selbstverursachte vermeintliche Sachzwänge und eliminatorischen Antisemitismus kumulierte.<ref>Hans Mommsen: ''Auschwitz, 17. Juli 1942. Der Weg zur europäischen „Endlösung der Judenfrage''. München 2002, ISBN 3-423-30605-X, S.&nbsp;163 – Vgl. Peter Longerich: ''Politik der Vernichtung. Eine Gesamtdarstellung der nationalsozialistischen Judenverfolgung'', Kapitel „Die vier Eskalationsstufen…“, München 1998, ISBN 3-492-03755-0.</ref> Die meisten Historiker folgern jedoch aus den Quellen, dass im Spätherbst 1941 ein entscheidender Schritt im Entscheidungsprozess zum Völkermord getan worden sei.<ref>[[Christopher Browning]]: ''Die Entfesselung der „Endlösung“ – nationalsozialistische Judenpolitik 1939–1942''. München 2003, ISBN 3-549-07187-6, S.&nbsp;536f; [[Götz Aly]]: ''„Endlösung“. Völkerverschiebung und der Mord an den europäischen Juden''. Frankfurt am Main 2005, S.&nbsp;358f; zusammenfassend: Michael Kißener: „Das Dritte Reich“, in: ''Kontroversen um die Geschichte''. Darmstadt 2005, ISBN 3-534-14726-X, S.&nbsp;30ff.</ref> Damals zeichnete sich das Scheitern des Russlandkrieges ab, der als [[Blitzkrieg]] begonnen worden war. Damit zerschlugen sich die letzten unausgereiften Pläne, die Juden weit in den Osten abschieben zu können, nachdem vorher schon die Umsiedlungsprojekte nach [[Nisko]] und [[Madagaskarplan|Madagaskar]] als undurchführbar zu den Akten gelegt worden waren. Ein eindeutiger schriftlicher Befehl Hitlers zur Ermordung aller Juden im deutschen Einflussbereich wurde bisher nicht gefunden. Wahrscheinlich gab es keine derartige förmliche Anordnung. Auf mündliche Führerbefehle zur Judenvernichtung nehmen jedoch Briefe und Anordnungen hoher NS-Führer mehrfach Bezug. Diese Befehle waren offenbar meist stark verklausuliert; ebenso wie Heydrichs Befehle zu konkreten Massenmordaktionen. Was tatsächlich befohlen wurde, zeigte sich erst bei Umsetzung der Maßnahmen. Diese konnten aber nur mit Hitlers ausdrücklichem Einverständnis eingeleitet und vollzogen werden. In diesem Punkt stimmen alle Fachhistoriker bei allen sonst unterschiedlichen Deutungen überein.<ref>Michael Kißener: „Das Dritte Reich“, in: ''Kontroversen um die Geschichte''. Darmstadt 2005, ISBN 3-534-14726-X, S.&nbsp;29.</ref> Aufgrund der öffentlichen Äußerungen von Hitler, Goebbels, Himmler und anderen hochrangigen NS-Funktionären konnte jeder Befehlshaber – etwa der [[Einsatzgruppen der Sicherheitspolizei und des SD|SD-Einsatzkommandos]] – dieses Einverständnis bei Mordaktionen gegen Juden voraussetzen. === Deportationen und Massenmorde bis Ende 1941 === Das nationalsozialistische Vorgehen gegen die Juden radikalisierte sich seit 1933 über Ausgrenzung, Entrechtung, erzwungene Auswanderung, physische Verfolgung und Enteignung. Seit Kriegsbeginn kamen Ghettoisierung, Deportationen und Massenmorde in militärisch besetzten Gebieten Ost- und Südosteuropas hinzu. Diese Schritte erfolgten jedoch nicht überall chronologisch und geplant nacheinander, sondern teilweise in ständigem Wechsel und manchmal chaotisch nebeneinander. Mit dem Polenfeldzug 1939 begannen Massenmorde an Zivilisten hinter der [[Ostfront (Zweiter Weltkrieg)|Ostfront]]. Eine „zur besonderen Verfügung“ gebildete Einsatzgruppe unter [[Udo von Woyrsch]] erschoss bis Jahresende etwa 7000 Juden,<ref>Ruth Bettina Birn: ''Die Höheren SS- und Polizeiführer''. Düsseldorf 1986, ISBN 3-7700-0710-7, S.&nbsp;168&nbsp;ff.</ref><ref>Dieter Pohl: „Die Ermordung der Juden im Generalgouvernement“, in: [[Ulrich Herbert]] (Hrsg.): ''Nationalsozialistische Vernichtungspolitik 1939–1945''. 4.&nbsp;Auflage, Frankfurt am Main 2001, ISBN 3-596-13772-1, S.&nbsp;98–122.</ref> erfuhr dafür aber starke Kritik einiger Armeebefehlshaber, wie z.&nbsp;B. des Oberbefehlshabers im [[Generalgouvernement]] [[Johannes Blaskowitz]]. Der Historiker [[Hans Mommsen]] deutet diese Morde als noch planlose Einzelinitiativen.<ref>[[Hans Mommsen]]: ''Auschwitz, 17. Juli 1942. Der Weg zur europäischen „Endlösung der Judenfrage''. München 2002, ISBN 3-423-30605-X, S.&nbsp;113 und 150.</ref> Seit dem 22. Juni 1941 erschossen vier im Mai aufgestellte Einsatzgruppen systematisch und in großem Umfang Staatsfunktionäre, [[Partisan]]en und – bevorzugt jüdische – „[[Geisel]]n“ hinter der gesamten Ostfront der deutschen [[Wehrmacht]]. Teils mit ihnen, teils ohne sie ermordeten im selben Gebiet Truppen der [[Ordnungspolizei (Nationalsozialismus)|Ordnungspolizei]] und Einheiten der [[Waffen-SS]] unter [[Hans-Adolf Prützmann]], [[Erich von dem Bach-Zelewski]] und [[Friedrich Jeckeln]] Juden in großer Zahl.<ref>[[Raul Hilberg]]: ''[[Die Vernichtung der europäischen Juden]]'', 9.&nbsp;Auflage 1999, ISBN 359624417X, S.&nbsp;310ff.</ref> Ende September/Anfang Oktober 1941 fand zum Beispiel ein Massaker deutscher Sonderkommandos an der jüdischen Bevölkerung von [[Kiew]] statt, bekannt geworden als das Massaker von [[Babyn Jar]]. Diese Massenmorde liefen immer stärker auf eine flächendeckende Ermordung aller Juden zu. In den von den Nationalsozialisten eingerichteten, überfüllten Ghettos starben täglich Juden an Unterernährung, Infektionskrankheiten und willkürlicher Gewalt ihrer Bewacher. Auch die „[[Vernichtung durch Arbeit|Vernichtung durch Zwangsarbeit]]“, die das Konferenzprotokoll als Methode der „Endlösung“ nannte, fand schon statt: etwa beim Bau einer wichtigen „[[Durchgangsstraße IV]]“ von [[Lemberg]] in die [[Ukraine]].&nbsp;<ref>Hermann Kaienburg: „Jüdische Arbeitslager in der ‚Straße der SS‘“, in: ''Zeitschrift für Sozialgeschichte des 20. und 21.&nbsp;Jahrhunderts'' 11 (1996), S.&nbsp;13–39.</ref> Im September begannen [[Deportation deutscher Juden|Massendeportationen deutscher Juden]] aus dem Reichsgebiet. Auf Befehl Himmlers vom 18. September, unterzeichnet von [[Kurt Daluege]], wurden bis zum 4. November 20.000 Juden und 5000 Zigeuner nach [[Łódź]] deportiert.<ref>Raul Hilberg: ''Die Vernichtung der europäischen Juden'', 9.&nbsp;Auflage 1999, ISBN 359624417X, S.&nbsp;222ff.</ref> Am 23. Oktober 1941 verbot Himmler allen Juden im deutschen Einflussbereich die Auswanderung. „Auf Wunsch des Führers“ sollte bei [[Riga]] ein weiteres großes Konzentrationslager errichtet werden.<ref>Raul Hilberg: ''Die Vernichtung der europäischen Juden'', 9.&nbsp;Auflage 1999, ISBN 359624417X, S.&nbsp;368.</ref> Am 8. November 1941 erfuhr [[Hinrich Lohse]], [[Reichskommissar]] für das besetzte [[Baltikum]], dass je 25.000 „Reichs- und Protektoratsjuden“ nach [[Minsk]] und Riga deportiert werden sollten. Um letztere unterzubringen, ließ Jeckeln auf persönlichen Befehl Himmlers vom 29. November bis 1. Dezember sowie am 8. und 9. Dezember 1941 insgesamt 27.800 Bewohner des Rigaer Ghettos erschießen.<ref>Ruth Bettina Birn: ''Die Höheren SS- und Polizeiführer''. Düsseldorf 1986, ISBN 3-7700-0710-7, S.&nbsp;175.</ref><ref name="hilberg370">Raul Hilberg: ''Die Vernichtung der europäischen Juden'', 9.&nbsp;Auflage 1999, ISBN 359624417X, S.&nbsp;370.</ref> Unter den Opfern waren auch der erste Transport von 1.053 [[Jüdisches Leben in Berlin|Berliner Juden]], die am 30. November sofort nach ihrer Ankunft erschossen wurden. Himmlers Veto dagegen vom selben Tag kam zu spät. Der Historiker [[Raul Hilberg]] vermutet, dass es ohnehin nur zu erwartende Proteste Lohses beschwichtigen sollte.<ref name="hilberg370"/> Nach Deutung von [[Dieter Pohl]] fürchtete Himmler, ausbleibende Nachrichten der Deportierten würden in Deutschland rasch zu Gerüchten über ihre Liquidierung führen.<ref>Dieter Pohl: ''Verfolgung und Massenmord in der NS-Zeit 1933–1945''. ISBN 3-534-15158-5, S.&nbsp;86.</ref> Am 25. und 29. November wurden bei Kaunas 5.000 eigentlich für Riga bestimmte Juden aus dem Reich und dem Protektorat erschossen.<ref>Raul Hilberg: ''Die Vernichtung der europäischen Juden'', 9.&nbsp;Auflage 1999, ISBN 359624417X, S.&nbsp;371.</ref> Das [[Vernichtungslager Belzec]] war seit November 1941 im Bau; dessen erste [[Gaskammer (Massenmord)|Gaskammern]] von geringer Kapazität waren zur Ermordung arbeitsunfähiger Juden vorgesehen. Auch für das [[Vernichtungslager Sobibor]] und das [[KZ Majdanek]] im Distrikt [[Lublin]] begannen die Bauvorbereitungen. Seit Anfang Dezember 1941 wurden in [[Vernichtungslager Kulmhof|Kulmhof (Chelmno)]] Gaswagen zur Tötung von Juden eingesetzt. Darüber verfügten mittlerweile alle vier Einsatzgruppen. Bis die Wannseekonferenz einberufen wurde, hatten die Mörder mit Hitlers Zustimmung rund 900.000 Juden aus Deutschland, [[Deutsche Besetzung Polens 1939–1945|Polen]] und Russland in den von der Wehrmacht besetzten Gebieten umgebracht.<ref>Dieter Pohl: ''Verfolgung und Massenmord in der NS-Zeit 1933–1945''. ISBN 3-534-15158-5, S.&nbsp;83.</ref> Nun sollte als letzte Eskalationsstufe die systematische Ermordung aller Juden im deutschen Einflussbereich organisiert werden. === Konferenzvorbereitungen === [[Datei:Wannsee Conference - Letter from Reinhard Heydrich to Martin Luther (Invitation).JPG|miniatur|[[Reinhard Heydrich|Heydrich]] lädt am 8. Januar 1942 Unterstaatssekretär [[Martin Luther (Unterstaatssekretär)|Luther]] für den 20. Januar 1942 ein]] Die Wannseekonferenz war ursprünglich für den 9. Dezember 1941 anberaumt worden. Heydrichs Einladung zu einer „Besprechung mit anschließendem Frühstück“ verschickte Adolf Eichmann am 29. November. Er hob die „außerordentliche Bedeutung“ einer Gesamtlösung der Judenfrage hervor und legte das Ermächtigungsschreiben Görings an Heydrich vom 31. Juli bei. Zudem bestätigte er, dass Juden aus dem Reichsgebiet, Böhmen und Mähren seit 15. Oktober 1941 „evakuiert“ würden, also die Deportationen längst liefen.<ref>[http://www.ghwk.de/deut/Dokumente/einladung-hofmann.pdf 1.&nbsp;Einladung Heydrichs an Hofmann (falsch buchstabiert mit doppeltem F), Seite&nbsp;1]; PDF.</ref><ref>[http://www.ghwk.de/deut/Dokumente/einladung-hofmann-seite2.pdf 1.&nbsp;Einladung, Seite&nbsp;2]; PDF.</ref> Eichmann war als Leiter des Gestaporeferats IV&nbsp;B&nbsp;4 unter anderem für „Juden- und Räumungsangelegenheiten“ zuständig und organisierte später die meisten Deportationen von Juden aus Deutschland, Frankreich, den Niederlanden und anderen besetzten Gebieten in die Arbeits- und Vernichtungslager. Er lieferte Heydrich auch Vorlagen und Zahlenmaterial für sein Einleitungsreferat und fertigte das Protokoll über die Konferenz an. Auch andere NS-Ministerien bereiteten die Zusammenkunft vor. Am 8. Dezember erhielt Unterstaatssekretär [[Martin Luther (Unterstaatssekretär)|Martin Luther]] eine Zusammenstellung der „Wünsche und Ideen des [[Auswärtiges Amt|Auswärtigen Amtes]] zu der vorgesehenen Gesamtlösung der Judenfrage in Europa“. Diese empfahl die Abschiebung aller im Deutschen Reich ansässigen Juden deutscher Staatsangehörigkeit sowie die der [[Serbien|serbischen]], [[Staatenlosigkeit|staatenlosen]] und von [[Ungarn]] übergebenen Juden. Den Regierungen in [[Rumänien]], [[Kroatien]], [[Bulgarien]], Ungarn und der [[Slowakei]] solle die Abschiebung der in ihren Ländern ansässigen Juden nach dem Osten angeboten werden. Ferner solle auf alle Regierungen Europas Druck ausgeübt werden, Judengesetze nach dem Vorbild der [[Nürnberger Gesetze]] zu erlassen.<ref>Gedenk- und Bildungsstätte Haus der Wannsee-Konferenz (Hrsg.): ''Die Wannsee-Konferenz und der Völkermord an den europäischen Juden.'' Berlin 2006, ISBN 3-9808517-4-5, S.&nbsp;94.</ref> Nach [[Japan]]s [[Angriff auf Pearl Harbor]] am 7. Dezember 1941 lud Hitler den Reichstag für den 9. Dezember ein, um dort die Kriegserklärung gegen die [[Vereinigte Staaten|USA]] zu verkünden. Einige der zur Wannseekonferenz Eingeladenen waren Reichstagsmitglieder, darunter Heydrich; daher ließ er die Konferenz kurzfristig absagen. Ein Gesprächsvermerk, der von einer Verschiebung „wegen der Reichstagssitzung“ sprach, bestätigt seinen Absagegrund.<ref>Christian Gerlach: ''Krieg, Ernährung Völkermord… Deutsche Vernichtungspolitik im Zweiten Weltkrieg…'', Zürich/München 2001, S.&nbsp;116.</ref>Am 8. Januar 1942 ließ er neue Einladungen zum 20. Januar 1942 verschicken.<ref>[http://www.ghwk.de/deut/Dokumente/hofmann-1942.pdf 2.&nbsp;Einladung Heydrichs an Hofmann (diesmal richtig buchstabiert)]; PDF.</ref> Bis dahin wurden bereits wichtige Vorentscheidungen über einzelne auf der Konferenz besprochene Punkte getroffen. Hinrich Lohse hatte in einem Schreiben „Betreff: Judenexekutionen“ am 15. November 1941 in Berlin anfragen lassen: <blockquote>„Soll dieses ohne Rücksicht auf Alter und Geschlecht und wirtschaftliche Interessen (z.&nbsp;B. der Wehrmacht an [[Facharbeiter]]n in Rüstungsbetrieben) geschehen? Selbstverständlich ist die Reinigung des [[Reichskommissariat Ostland|Ostlandes]] von Juden eine vordringliche Aufgabe; ihre Lösung muss aber mit den Notwendigkeiten der [[Kriegsökonomie|Kriegswirtschaft]] in Einklang gebracht werden. Weder aus den Anordnungen zur Judenfrage in der ‚[[Braune Mappe|braunen Mappe]]‘ noch aus anderen Erlassen konnte ich bisher eine solche Weisung entnehmen.“</blockquote> Das [[Reichsministerium für die besetzten Ostgebiete]] antwortete am 18. Dezember 1941, dass wirtschaftliche Belange „bei der Regelung des Problems grundsätzlich unberücksichtigt“ bleiben sollten.<ref>Gedenk- und Bildungsstätte Haus der Wannsee-Konferenz (Hrsg.): ''Die Wannsee-Konferenz und der Völkermord an den europäischen Juden.'' Berlin 2006, ISBN 3-9808517-4-5, S.&nbsp;90.</ref> Ungeklärt ist, warum die Tagung um ganze sechs Wochen verschoben wurde. Der Historiker Christian Gerlach deutet Hitlers Erklärung vom 12. Dezember 1941, die Judenvernichtung müsse notwendige Folge des nun eingetretenen Weltkriegs sein, als Entscheidung zum Holocaust. Damit habe sich eine neue Lage ergeben, die grundlegende Änderungen der von Heydrich vorzuschlagenden Pläne erfordert habe.<ref>Christian Gerlach: ''Krieg, Ernährung, Völkermord…'' Hamburg 1998, S.&nbsp;116&nbsp;f.</ref> Diese Deutung wird nur von wenigen Fachhistorikern geteilt. == Die Konferenz == === Teilnehmer === [[Datei:Wannsee sida 1.gif|miniatur|Wannseeprotokoll. Erstes Blatt der Teilnehmerliste]] Folgende Beamte der nationalsozialistischen Regierung nahmen an der Konferenz teil:<ref>[http://www.ghwk.de/deut/Dokumente/Organigramm1.pdf Organigramm der Konferenzteilnehmer: Rang, Funktion, Fotos]; PDF.</ref> * [[Reinhard Heydrich]] (Hauptredner und Vorsitz) * [[Adolf Eichmann]] (Protokollführer) * [[Josef Bühler]] (Staatssekretär im Amt des [[Generalgouvernement|Generalgouverneurs]] in [[Krakau]]) * [[Roland Freisler]] (Staatssekretär im [[Reichsministerium der Justiz|Reichsjustizministerium]]) * [[Otto Hofmann]] ([[SS-Gruppenführer]], Chef des [[SS-Hauptämter|Rasse- und Siedlungshauptamtes der SS]]) * [[Gerhard Klopfer]] ([[SS-Oberführer]], Ministerialdirektor in der [[Parteikanzlei]] der NSDAP, Leiter der Staatsrechtlichen Abteilung&nbsp;III) * [[Friedrich Wilhelm Kritzinger (Ministerialdirektor)|Friedrich Wilhelm Kritzinger]] (Ministerialdirektor in der [[Reichskanzlei]]) * [[Rudolf Lange]] (SS-Sturmbannführer, Kommandeur der Sicherheitspolizei und des SD für Lettland in Vertretung seines Befehlshabers) * [[Georg Leibbrandt]] (Reichsamtsleiter, [[Reichsministerium für die besetzten Ostgebiete]]) * [[Martin Luther (Unterstaatssekretär)|Martin Luther]] (Unterstaatssekretär im Auswärtigen Amt) * [[Alfred Meyer (NSDAP)|Alfred Meyer]] (Staatssekretär im [[Reichsministerium für die besetzten Ostgebiete]]) * [[Heinrich Müller (Gestapo)|Heinrich Müller]] (SS-Gruppenführer, Chef des Amtes&nbsp;IV (Gestapo) des Reichssicherheitshauptamtes) * [[Erich Neumann (Staatssekretär)|Erich Neumann]] (Staatssekretär im Amt des Beauftragten für den [[Vierjahresplan]]) * [[Karl Eberhard Schöngarth]] (SS-Oberführer, Befehlshaber der Sicherheitspolizei und des SD im Generalgouvernement) * [[Wilhelm Stuckart]] (Staatssekretär im [[Reichsministerium des Innern]]) Zudem waren noch weitere Vertreter von Reichsministerien und sogenannten Obersten Reichsbehörden eingeladen. Einige davon hatten jedoch ihre Teilnahme abgesagt, z.&nbsp;B. [[Leopold Gutterer]], Staatssekretär im [[Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda]]. Er nannte terminliche Gründe für seine Absage, bat aber darum, über alle Folgetermine unterrichtet zu werden.<ref>[[Mark Roseman]]: ''Die Wannsee-Konferenz. Wie die Bürokratie den Holocaust organisierte.'' München/Berlin 2002, ISBN 3-548-36403-9, S.&nbsp;95.</ref> === Inhalte === Auf der Konferenz sollten die Zuständigkeiten für die begonnenen Deportations- und Vernichtungsaktionen geklärt, die Maßnahmen zu ihrer Umsetzung koordiniert und ihr räumlicher und zeitlicher Ablauf festgelegt werden. Schließlich wurden hier die Gruppen derjenigen Juden definiert, die zur Deportation und damit zur Vernichtung bestimmt waren.<ref>Gedenk- und Bildungsstätte Haus der Wannsee-Konferenz (Hrsg.): ''Die Wannsee-Konferenz und der Völkermord an den europäischen Juden.'' Berlin 2006, ISBN 3-9808517-4-5, S.&nbsp;84.</ref> Dazu war die Mitarbeit vieler Institutionen notwendig, die bisher nicht über die „Endlösung“ informiert waren. Im Protokoll der Wannseekonferenz wurden folgende Inhalte festgehalten: Heydrich teilte mit, dass er von Göring zum „Beauftragten für die Vorbereitung der Endlösung der europäischen Judenfrage“ bestellt worden sei und die Federführung beim „Reichsführer-SS und Chef der Deutschen Polizei“, also Himmler, liege. Auf dieser Sitzung wollte er sich mit den unmittelbar beteiligten Zentralinstanzen abstimmen. Heydrich berichtete über die erfolgte Auswanderung von rund 537.000 Juden aus dem „[[Altreich (Deutschland)|Altreich]]“, Österreich sowie Böhmen und Mähren, an deren Stelle nach „vorheriger Genehmigung durch den Führer die Evakuierung der Juden nach dem Osten“ treten solle. Für die „Endlösung der europäischen Judenfrage“ kämen rund elf Millionen Juden in Betracht. In dieser Zahl waren auch „Glaubensjuden“ aus dem unbesetzten Teil Frankreichs, aus England, Spanien, Schweden, der Schweiz, der Türkei und weiteren neutralen oder gegnerischen Staaten außerhalb des deutschen Machtbereichs enthalten.<ref>Analyse der Zahlen bei Götz Aly: ''„Endlösung“.'' 3. Auflage, Frankfurt am Main 2005, S.&nbsp;299ff.</ref> Weiter hieß es im Protokoll: <blockquote>„In großen Arbeitskolonnen, unter Trennung der Geschlechter, werden die arbeitsfähigen Juden straßenbauend in diese Gebiete geführt, wobei zweifellos ein Großteil durch natürliche Verminderung ausfallen wird. Der allfällig endlich verbleibende Restbestand wird, da es sich bei diesem zweifellos um den widerstandsfähigsten Teil handelt, entsprechend behandelt werden müssen, da dieser, eine natürliche Auslese darstellend, bei Freilassung als Keimzelle eines neuen jüdischen Aufbaues anzusprechen ist.“</blockquote> Bei der Durchführung würde „Europa vom Westen nach Osten“ durchkämmt werden; dabei sollte wegen „sozial-politischer Notwendigkeiten“ und zum Freisetzen von Wohnraum im Reichsgebiet begonnen werden. Zunächst sollten die deutschen Juden in [[Ghetto|Durchgangsghettos]] und von dort aus weiter in den Osten transportiert werden. Juden im Alter von über 65&nbsp;Jahren und Juden mit Kriegsversehrung oder Träger des [[Eisernes Kreuz|Eisernen Kreuzes I]] würden in das [[Ghetto Theresienstadt]] kommen. Damit wären „mit einem Schlag die vielen Interventionen ausgeschaltet“. Nachdem mögliche Schwierigkeiten bei der „Evakuierungsaktion“ in den „besetzten oder beeinflussten europäischen Gebieten“ angesprochen und diskutiert worden waren, wendete man sich der Frage zu, wie mit „[[Jüdischer Mischling|jüdischen Mischlingen]]“ und „[[Mischehe (Nationalsozialismus)|Mischehen]]“ zu verfahren sei. Das Protokoll gibt an, die Nürnberger Gesetze sollten „gewissermaßen“ die Grundlage bilden. Doch tatsächlich gingen die von Heydrich eingebrachten Vorschläge weit darüber hinaus: * Im Regelfall sollten „Mischlinge 1.&nbsp;Grades“ („Halbjuden“) ungeachtet ihrer Glaubenszugehörigkeit wie „Volljuden“ behandelt werden. Ausnahmen waren nur für solche „Mischlinge“ vorgesehen, die mit einem „deutschblütigen“ Partner verheiratet und nicht kinderlos geblieben waren. Andere Ausnahmebewilligungen seien nur von höchsten Parteiinstanzen zu erteilen. * Jeder „Mischling 1.&nbsp;Grades“, der im Deutschen Reich verbleiben durfte, sollte [[Sterilisation (Empfängnisverhütung)|sterilisiert]] werden. * „Mischlinge 2.&nbsp;Grades“ („Vierteljuden“) sollten im Regelfall den „Deutschblütigen“ gleichgestellt werden, sofern sie nicht durch auffälliges jüdisches Aussehen oder schlechte polizeiliche und politische Beurteilung als Juden einzustufen waren. * Bei bestehenden „Mischehen“ zwischen „Volljuden“ und „Deutschblütigen“ sollte der jüdische Teil entweder „evakuiert“ oder auch nach Theresienstadt geschickt werden, falls Widerstand durch die deutschen Verwandten zu erwarten sei. * Weitere Regelungen wurden für „Mischehen“ angesprochen, bei denen ein oder beide Ehepartner „Mischlinge“ waren. Diese detaillierten Vorschläge wurden vom Staatssekretär Stuckart, der 1935 mit der Ausarbeitung der Nürnberger Gesetze befasst gewesen war, als unpraktikabel zurückgewiesen. Er schlug vor, die Zwangsscheidung von „Mischehen“ gesetzlich vorzuschreiben und alle „Mischlinge ersten Grades“ zu sterilisieren. Da in diesen Punkten keine Einigung herbeigeführt werden konnte, vertagte man diese Detailfragen auf die Folgekonferenzen. Josef Bühler, [[Hans Frank]]s Staatssekretär im Amt des Generalgouverneurs, drängte Heydrich auf der Konferenz, die Maßnahmen auf polnischem Gebiet im sogenannten „Generalgouvernement“ zu beginnen, weil er hier keine Transportprobleme sähe und „die Judenfrage in diesem Gebiete so schnell wie möglich zu lösen“ wünschte. Ohnehin sei die Mehrzahl dieser Juden nicht arbeitsfähig und „als Seuchenträger eine eminente Gefahr“. == Folgekonferenzen == [[Datei:Heydrich-Endlosung.jpg|miniatur|Einladung zur Folgekonferenz am 6. März 1942]] Der ersten Wannseekonferenz auf Staatssekretärsebene folgten zwei Konferenzen auf Referentenebene zur Klärung weiterer Fragen. Diese Folgekonferenzen fanden am 6. März 1942 und 27. Oktober 1942 im [[Eichmannreferat|Referat IV&nbsp;B&nbsp;4]] von Adolf Eichmann in der Berliner Kurfürstenstraße statt. Nach einer Aufzeichnung des „[[Judenreferent]]en“ im Reichsaußenministerium, [[Franz Rademacher]], wurde auf der Sitzung im März über den Vorschlag Stuckarts gesprochen. Dieser hatte für die [[Zwangssterilisation]] aller „jüdischen Mischlinge ersten Grades“ sowie für die Zwangsscheidung aller „Mischehen“ plädiert. Da die Krankenhäuser nicht zusätzlich mit der Sterilisation belastet werden könnten, sollte diese Maßnahme bis zum Kriegsende aufgeschoben werden. Gegen eine zwangsweise Ehescheidung wurden allgemeine rechtliche Einwände sowie „propagandistische“ Gründe ins Feld geführt. Damit waren die absehbaren Widerstände insbesondere von Seiten der [[Römisch-katholische Kirche|katholischen Kirche]] und eine Intervention des [[Heiliger Stuhl|Vatikan]] gemeint. Auch konnte man die Reaktionen der „jüdisch versippten“ Ehepartner schwer einschätzen. Wie sich 1943 anlässlich der [[Fabrikaktion]] beim [[Rosenstraße-Protest]] herausstellte, führte die vermeintlich drohende Deportation von jüdischen Ehepartnern tatsächlich zu öffentlichen Solidaritätsbekundungen der „deutschblütigen“ Angehörigen. In der Folgekonferenz vom Oktober 1942 wurde die Forderung nach Zwangsscheidung von „Mischehen“ erneut behandelt. Offenbar gab es jedoch Hinweise aus der Reichskanzlei, dass der „Führer“ während des Krieges keine Entscheidung treffen wolle.<ref>Mark Roseman: ''Die Wannsee-Konferenz. Wie die Bürokratie den Holocaust organisierte.'' München/Berlin 2002, ISBN 3-548-36403-9, S.&nbsp;144.</ref> Im Oktober 1943 vereinbarten [[Otto Thierack]] vom Justizministerium mit Himmler, die jüdischen „Mischlinge“ vorerst nicht zu deportieren.<ref>Beate Meyer: ''„Jüdische Mischlinge“, Rassenpolitik und Verfolgungserfahrung 1933–1945''. Hamburg 1999, ISBN 3-933374-22-7, S.&nbsp;12.</ref> Derartige Rücksichten auf die Stimmung der Bevölkerung wurden der SS in den besetzten Ostgebieten nicht abverlangt: Jüdische Ehepartner aus „Mischehen“ und die „jüdischen Mischlinge ersten Grades“ wurden dort in den Völkermord einbezogen.<ref>[[Ursula Büttner]]: „Die Verfolgung der christlich- jüdischen ‚Mischfamilien‘“, in: Ursula Büttner: ''Die Not der Juden teilen''. Hamburg 1988, ISBN 3-7672-1055-X, S.&nbsp;63.</ref> Strittig ist die Beurteilung der Rolle geblieben, die Stuckart mit seinen Vorschlägen einnahm. Nach Angaben seiner Untergebenen [[Bernhard Lösener]] und [[Hans Globke]] hat Stuckart den Kompromiss-Vorschlag zur Massensterilisierung mit dem Hintergrundwissen gemacht, dass dies zumindest während des Krieges nicht realisierbar sei. Damit habe er die Deportation und Ermordung der deutschen „Mischlinge ersten Grades“ verhindert. Andererseits wäre sein Vorschlag einer Zwangsscheidung für „Mischehen“, die den Tod des jüdischen Partners zur Folge gehabt hätte, rasch realisierbar gewesen.<ref>Mark Roseman: ''Die Wannsee-Konferenz. Wie die Bürokratie den Holocaust organisierte.'' München/Berlin 2002, ISBN 3-548-36403-9, S.&nbsp;139ff.</ref> Die im Protokoll angesprochene Absicht Heydrichs, einen „Entwurf über die organisatorischen, sachlichen und materiellen Belange im Hinblick auf die Endlösung der europäischen Judenfrage“ anzufertigen und diesen Göring zuzuleiten, wurde nicht verwirklicht.<ref>Hans Mommsen: ''Auschwitz, 17. Juli 1942. Der Weg zur europäischen „Endlösung der Judenfrage.'' München 2002, ISBN 3-423-30605-X, S.&nbsp;163.</ref> == Historische Verarbeitung == === Das Protokoll als Quelle === Das von Eichmann nach einer Stenografie erstellte Protokoll wurde von Müller und Heydrich mehrfach überarbeitet. Von der Endfassung wurden insgesamt 30 Exemplare ausgestellt, die als „Geheime Reichssache“ gestempelt und dann an die Teilnehmer bzw. ihre Dienststellen versandt wurden. Davon wurde bis heute nur das 16. Exemplar, das des Konferenzteilnehmers Martin Luther, aufgefunden. [[Robert Kempner]] entdeckte es während der Vorbereitungen für den „[[Wilhelmstraßen-Prozess]]“ in Nürnberg in Geheimakten des Auswärtigen Amtes. Offenbar entging es nur deshalb der Vernichtung, weil Luther wegen eines Putschversuchs gegen Außenminister [[Joachim von Ribbentrop]] im [[KZ Sachsenhausen]] inhaftiert war und deshalb Aktenmaterial zur Vorbereitung seines Prozesses in Berlin-Lichterfelde ausgelagert war. Obwohl hier noch kein umsetzungsfähiger Gesamtplan für die „Endlösung“ vorlag, gilt das Protokoll als Schlüsseldokument für die Organisation des Völkermordes. [[Holocaustleugnung|Holocaustleugner]] behaupten darum, es sei gefälscht. Dazu greifen sie oft auf ein Buch Robert Kempners zurück, in dem dieser in angreifbarer Weise [[Faksimile]]s mit [[Abschrift]]en vermischt, gleichwohl aber den Text selbst korrekt wiedergegeben hat.<ref>Robert M. W. Kempner: ''Eichmann und Komplizen.'' Zürich u.&nbsp;a. 1961</ref> Der Historiker Norbert Kampe hat diese Fälschungsvorwürfe entkräftet.<ref>Norbert Kampe: ''Überlieferungsgeschichte und Fälschungsvorwurf…'', in: Mark Roseman: ''Die Wannsee-Konferenz. Wie die Bürokratie den Holocaust organisierte.'' München/Berlin 2002, ISBN 3-548-36403-9, S.&nbsp;157&nbsp;f; Faksimiles auch bei Wikisource</ref> Das Konferenzprotokoll ist nach Eichmanns Aussagen in seinem [[Eichmann-Prozess|Prozess]] in [[Jerusalem]] 1961 eine „inhaltlich genaue Wiedergabe der Konferenz“. Heydrich habe Wert darauf gelegt, dass alle wesentlichen Details festgehalten worden seien, um die Teilnehmer später darauf behaften zu können. Nur die ebenfalls stenografierte Aussprache nach Konferenzabschluss sei nicht protokolliert worden. Eichmann widersprach dem Protokoll damals in manchen Punkten, besonders in Bezug auf die Bedeutung seiner eigenen Person bei der Konferenz. Die von ihm angegebene Dauer der Erörterungen von etwa anderthalb Stunden gilt jedoch als unstrittig. === Einordnung === Der erhaltene Protokolltext dokumentiert die Absicht zur Ermordung aller europäischen Juden, das prinzipielle Einverständnis und die effektive Beteiligung des nationalsozialistischen Staatsapparates am Völkermord. Die Formulierung „entsprechend behandelt“ in Eichmanns Wiedergabe des Einleitungsreferats von Heydrich wird als typische Tarnfloskel für die Ermordung der die Zwangsarbeit überlebenden Juden gesehen, da der Kontext keinen anderen Schluss zulässt (vgl. [[Sonderbehandlung]]). Nach Aussage Eichmanns in seinem Prozess war die tatsächliche Sprache unmissverständlich: ''Es wurde vom Töten und Eliminieren und Vernichten gesprochen.''<ref>[[Peter Longerich]]: ''Politik der Vernichtung. Eine Gesamtdarstellung der nationalsozialistischen Judenverfolgung''. München 1998, ISBN 3-492-03755-0, S.&nbsp;712, Anmerkung 238; [http://www.youtube.com/watch?v=OqbWOYO6bAg Youtube-Video vom Eichmann-Verhör 1961]</ref> Über welche Tötungsvarianten gesprochen wurde, ist unter Fachhistorikern umstritten. Aus den zuvor angelaufenen Vernichtungsaktionen und dem Konferenzprotokoll selbst leiten die meisten ab, dass zuvor von höchster Stelle entschieden worden war, die Mordaktionen nunmehr zu einem systematischen Völkermord auszuweiten, denen unterschiedslos alle europäischen Juden zum Opfer fallen sollten.<ref>Gedenk- und Bildungsstätte Haus der Wannsee-Konferenz (Hrsg.): ''Die Wannsee-Konferenz und der Völkermord an den europäischen Juden.'' Berlin 2006, ISBN 3-9808517-4-5, S.&nbsp;99.</ref> Im Zahlenmaterial für die Gesamtplanung waren die Juden aus England und den nordafrikanischen Kolonialgebieten Frankreichs und Spaniens aufgeführt: Deren Einbeziehung war angesichts der damaligen für die Nationalsozialisten ungünstigen Kriegsentwicklung unrealistisch. [[Peter Longerich]] kommt zu dem Ergebnis, es habe auch nach der Konferenz keinen festen Plan gegeben, in welchen Zeiträumen und mit welchen Mitteln der Völkermord durchgeführt werden sollte. Jedoch lasse sich nachweisen, dass danach „die Deportationen auf den gesamten deutschen Raum ausgedehnt wurden“ und ein „umfassendes Zwangsarbeitsprogramm“ zu greifen begann.<ref>Peter Longerich: ''Die Wannsee-Konferenz vom 20. Januar 1942. Planung und Beginn des Genozids an den europäischen Juden''. Edition Hentrich, Berlin 1998, ISBN 3894682507, S.&nbsp;32.</ref> Thomas Sandkühler stellt als entscheidende Auswirkung heraus, dass bis zur Konferenz in [[Galizien|Ostgalizien]] von den Nazis als „arbeitsunfähig“ eingestufte Jüdinnen und Juden ermordet wurden. Erst danach habe der Mordbefehl für alle Juden außer den ganz wenigen in der Erdölindustrie als unentbehrlich deklarierten Juden gegolten. <ref>Thomas Sandkühler: ''„Endlösung“ in Galizien. Der Judenmord in Ostpolen und die Rettungsinitiativen von Berthold Beitz 1941–1944''. Dietz Verlag, Bonn 1996, ISBN 3801250229, S.&nbsp;421.</ref> Die Wannseekonferenz war eine bürokratische Klärung der Zuständigkeiten beteiligter Stellen und des zu ermordenden Personenkreises: Dies setzte eine irgendwie geartete Beschlussfassung zur „Endlösung der Judenfrage“ bereits voraus. Ein derartiger Beschluss konnte auf keinen Fall durch untergeordnete Personen, sondern nur auf allerhöchster Ebene gefasst werden. Erst daraufhin sollte nun die Federführung des Reichssicherheitshauptamts festgeschrieben sowie Kooperation und Koordinierung der beteiligten Stellen sichergestellt werden. Das ''Haus der Wannsee-Konferenz'' bezeichnet die verbreitete Annahme, hier sei der europaweite Völkermord beschlossen worden, als „fast nicht mehr revidierbaren Irrtum der Geschichtsschreibung und der Publizistik“. Dennoch ist die Konferenz von großer historischer Bedeutung: Hier wurde der laufende Völkermord koordiniert und den höchsten Beamten aller wichtigen Ministerien zur Kenntnis gebracht, in denen anschließend zahlreiche Personen als „[[Schreibtischtäter]]“ organisatorische Unterstützung leisteten.<ref>Gedenk- und Bildungsstätte Haus der Wannsee-Konferenz (Hrsg.): ''Die Wannsee-Konferenz und der Völkermord an den europäischen Juden.'' Berlin 2006, ISBN 3-9808517-4-5, S.&nbsp;100.</ref> === Strafverfolgung nach 1945 === Ein Drittel der Konferenzteilnehmer überlebte den Krieg nicht. Heydrich verstarb 1942 an den Folgen eines Attentats, Roland Freisler kam bei einem Bombenangriff ums Leben, Rudolf Lange und Alfred Meyer verübten Suizid. Martin Luther verstarb im Frühjahr 1945 an den Folgen seiner Haft im KZ Sachsenhausen. Heinrich Müller gilt als verschollen. Noch vor Entdeckung des Protokolls der Wannseekonferenz wurden zwei Teilnehmer wegen verübter Kriegsverbrechen hingerichtet. Eberhard Schöngarth wurde 1946 vom britischen Militärgericht zum Tode verurteilt und hingerichtet, weil er persönlich die Erschießung eines Kriegsgefangenen angeordnet hatte. Josef Bühler wurde 1946 in Krakau zum Tode verurteilt. Wilhelm Kritzinger verstarb 1947 vor Eröffnung des Wilhelmstraßen-Prozesses, 1948 starb Erich Neumann. Falls es überhaupt zu Verurteilungen kam, dann wurden anderen Tatbestände als die Konferenzteilnahme im Urteil angeführt. Zur Einstellung der Verfahren kam es bei Georg Leibbrandt (1950) und Gerhard Klopfer (1962). Beide waren 1949 aus der Untersuchungshaft entlassen worden. Otto Hofmann war 1948 im [[Prozess Rasse- und Siedlungshauptamt der SS|Nürnberger Folgeprozess gegen das SS-Rasse- und Siedlungshauptamt]] zu 25&nbsp;Jahren Zuchthaus verurteilt worden, wurde aber 1954 aus der [[Justizvollzugsanstalt Landsberg]] entlassen. Wilhelm Stuckart wurde im Wilhelmstraßenprozess zu einer Strafe von drei Jahren und zehn Monaten verurteilt, kam aber schon 1949 frei, da die Internierungshaft angerechnet wurde. Adolf Eichmann floh nach dem Krieg nach [[Argentinien]], wurde dort aber von einem Kommando des israelischen Geheimdienstes [[Mossad]] entführt, nach Israel gebracht und 1962 nach einem Aufsehen erregenden Prozess in Jerusalem hingerichtet. === Das Konferenzgebäude als Gedenkstätte === [[Paul Otto August Baumgarten]] plante und baute die großbürgerliche Villa Marlier, Adresse „Große Seestraße 19a“, für den Fabrikanten [[Ernst Marlier]] 1914/1915. Das Gebäude galt als sein luxuriösester Bau und gehörte damals zur [[Berlin-Wannsee|Gemeinde Wannsee]], heute ein Ortsteil des [[Bezirk Steglitz-Zehlendorf|Bezirks Steglitz-Zehlendorf]]. 1921 verkaufte Marlier das Anwesen an [[Friedrich Minoux]], damals Generaldirektor im [[Hugo Stinnes GmbH|Stinnes-Konzern]] (daher auch der Name „Minoux-Villa“). 1929 erhielt es im Zuge der Umnummerierung der Straße die Hausnummer 56–58. Seit dem 8. April 1933 heißt die Straße [[Am Großen Wannsee]]. Wegen angeblicher Unterschlagungen wurde Minoux im Mai 1940 verhaftet. Aus der Haft heraus verkaufte er Villa und Grundstück zum damals marktüblichen Preis von 1,95&nbsp;Millionen [[Reichsmark]] an die [[Stiftung Nordhav]], die in Wirklichkeit für den SS-Sicherheitsdienst (SD) Grundstücksgeschäfte abwickelte. Ab 1940 ließ die SS die Außenanlage durch [[Zwangsarbeit]]er im „geschlossenen jüdischen Arbeitseinsatz“ bzw. später durch osteuropäische Zwangsarbeiter pflegen. Als Gästehaus der Sicherheitspolizei übernachteten hier hohe SS-Offiziere, Führer von Einsatzkommandos oder befreundete ausländische Geheimdienstchefs. Im Oktober 1944 verlegte der [[Sicherheitsdienst Reichsführer-SS#Organisatorischer Aufbau des Amtes&nbsp;II (SD-Inland) des RSHA nach dem Geschäftsverteilungsplan vom 1. Februar 1940|Inlands-SD]] unter O. Ohlendorf und gegen Kriegsende auch Gestapo-Chef [[Heinrich Müller (Gestapo)|Heinrich Müller]] sein Hauptquartier in die Villa. Nach Kriegsende nutzte die [[Rote Armee]], später die [[United States Army|US-Armee]] das Anwesen. Zeitweise stand es leer, sodass die Einrichtung nicht überliefert ist. Ab 1947 zogen die Berliner [[Sozialdemokratische Partei Deutschlands|SPD]] und der [[Bezirk Neukölln]] ein und nutzten das Haus als [[Schullandheim]]. 1966 gründete der Historiker [[Joseph Wulf]], der das [[KZ Auschwitz]] überlebt hatte, einen Verein zur Erforschung des Nationalsozialismus. Das Gebäude sollte als Dokumentationszentrum umgewidmet und vom Verein genutzt werden. Der Plan blieb lange umstritten; erst 1988 wurden Villa und Garten nach denkmalschützerischen Gesichtspunkten und für die Nutzung als Gedenkstätte rekonstruiert. 1992 wurde die Gedenk- und Bildungsstätte ''Haus der Wannsee-Konferenz'' in den Räumen der Villa eröffnet. Im Erdgeschoss des Hauses informiert die Dauerausstellung „Die Wannsee-Konferenz und der Völkermord an den europäischen Juden“ über den Prozess der Ausgrenzung, Verfolgung, Vertreibung, Ghettoisierung und Vernichtung der Juden im deutschen Einflussbereich zwischen 1933 und 1945. Nach Umbau und Überarbeitung wurde im Januar 2006 eine neue Dauerausstellung eingeweiht. == Künstlerische Verarbeitung == === Romane === [[Leslie Kaplan]] beschreibt in ''[[Fever (Roman)|Fever]]'' die Bedeutung der Konferenz für Eichmanns Aufstieg in fiktiver Form. Demnach habe Eichmann sich eingebildet, dass das Zusammensitzen mit Heydrich für ihn ein Karrieresprung sei. Im Roman ist der erhoffte berufliche Aufstieg ein wichtiger Grund, dass Eichmann an den Massenverbrechen des Holocaust mitwirkte. Es habe sich dabei also um Morde ohne eigentliches Motiv gehandelt. [[Robert Harris]] zeichnet in seinem Roman ''[[Vaterland (Roman)|Vaterland]]'' die Vision, dass Deutschland den Zweiten Weltkrieg gewonnen hat und über ganz Europa herrscht. Die Juden sind aus dem gesamten Einflussgebiet verschwunden und ihre Existenz ist in der Bevölkerung eine verblassende, unausgesprochene Erinnerung. Wenige Tage vor dem 75.&nbsp;„[[Führergeburtstag]]“ Hitlers beginnt eine Mordserie an ehemaligen Nazigrößen. Nach und nach deckt der ermittelnde [[Kriminalpolizei (Deutschland)#Geschichte|Kriminalpolizist]] auf, dass die Mordopfer die überlebenden Mitwisser des totgeschwiegenen Verschwindens der Juden sind. Der Roman beleuchtet dabei besonders die Heimlichkeit der Konferenz und die wenigen verbleibenden Belege. === Schauspiel === [[Paul Mommertz]] schrieb 1984 das Bühnenstück ''Die Wannseekonferenz''. Er verwendete das Eichmannprotokoll, Aussagen Eichmanns in seinem Prozess und briefliche Dokumente für möglichst realistische Dialoge. Das Stück dauert – wie die Konferenz – 90&nbsp;Minuten und bezieht seine Wirkung aus der technokratischen Kälte, mit der die Beteiligten den geplanten Massenmord an 11 Millionen Menschen als rein logistisches Problem verhandeln:<ref>[http://root.riskommunal.net/gemeinde/alkoven/gemeindeamt/html/Wannseekonferenz.htm Paul Mommertz: Die Wannseekonferenz, Inhaltsangabe].</ref> <blockquote>„Beklemmend und authentisch schildert das Stück die Bürokratie und den Verwaltungsapparat des Terrors. Der funktionale Mensch delegiert sein Gewissen an die befehlsgebende vorgesetzte Stelle. Die Herren trinken Kaffee und Cognac, es herrscht eine lockere Atmosphäre, es wird gelacht, gescherzt und über die Endlösung diskutiert […] Das Grauen drückt sich durch die Normalität aus, die Selbstverständlichkeit und auch die Gewissheit richtig zu handeln, einen Auftrag zu erfüllen im Sinne der privilegierten Rasse. Sie sprechen völlig offen über die verschiedenen effektivsten Techniken des Massenmords. Die Zuschauer erwarten sich Monster und treffen auf 15 intelligente Männer, die ihnen in erschreckender Weise manchmal sogar sympathisch sein werden.“</blockquote> Das Stück wurde im [[Volkstheater (Wien)|Volkstheater Wien]] uraufgeführt; weitere Aufführungen z.&nbsp;B. unter der Regie von [[Peter Sodann]] in [[Halle (Saale)]]. Im September und Oktober 2003 wurde das Stück im Rahmen der Landesausstellung „Wert des Lebens“ von [[Isolde Christine Wabra]] inszeniert und im [[Schloss Hartheim|Lern- und Gedenkort Schloss Hartheim]] zehn mal aufgeführt. Das Stück diente auch als Drehbuch für den gleichnamigen Film. === Filme === Die Wannseekonferenz ist Thema von zwei Spielfilmen. 1984 erschien zunächst eine Fernsehversion des Schauspiels von Paul Mommertz unter der Regie von [[Heinz Schirk]]: ''[[Die Wannseekonferenz (1984)|Die Wannseekonferenz]]''. [[Dietrich Mattausch]] spielte darin Heydrich, [[Gerd Böckmann]] spielte Eichmann. Der Film wurde mit zahlreichen internationalen Preisen ausgezeichnet, darunter dem [[Adolf-Grimme-Preis]]. 1987 folgte die Kinoversion.<ref>[http://www.infafilm.de/WANNSEEKONFERENZ.htm Infafilm: ''Die Wannseekonferenz'' (1984)]</ref> [[Frank Pierson]] war Regisseur des englischsprachigen Films ''Conspiracy'' (USA/GB, 2001, auf Deutsch als ''[[Die Wannseekonferenz (2001)|Die Wannseekonferenz]]''). Auch dieser Spielfilm dauert wie die historische Zusammenkunft 85 Minuten und basiert auf deren Protokoll. Da dieses jedoch keine wörtliche Rede wiedergibt, sind die Dialoge rekonstruiert und deshalb historisch nicht belegt. Der von Piersons Produktion ursprünglich angestrebte dokumentarische Charakter wurde nicht erreicht, da die Umsetzung dramaturgisch überarbeitet wurde. Hinweise der Gedenkstätte, der das Drehbuch vor Drehbeginn vorlag, auf unbelegte Details wurden nicht verarbeitet. So ist in der Verfilmung, die am Ort der Konferenz gedreht wurde, Kritzinger als Zweifler dargestellt: Dies deckt sich nicht mit den überlieferten historischen Fakten. Neben diesen Verfilmungen war die Wannseekonferenz in einer Szene der vierteiligen TV-Serie ''[[Holocaust – Die Geschichte der Familie Weiß]]'' dargestellt, allerdings nur mit den Teilnehmern Heydrich und Eichmann. == Siehe auch == * [[Aktion Reinhardt]] == Literatur == * Gedenk- und Bildungsstätte Haus der Wannsee-Konferenz (Hrsg): ''Die Wannsee-Konferenz und der Völkermord an den europäischen Juden.'' Katalog der ständigen Ausstellung. Berlin 2006 ISBN 3980851745 (Faksimile aller Exponate sowie Kommentare) Englische Version, ebd. ''The Wannsee Conference and the Genocide of the European Jews'' ISBN 3980851753 * Christian Gerlach: ''Die Wannsee-Konferenz, das Schicksal der deutschen Juden und Hitlers politische Grundsatzentscheidung, alle Juden Europas zu ermorden.'' In: derselbe, ''Krieg, Ernährung, Völkermord. Deutsche Vernichtungspolitik im Zweiten Weltkrieg'' S.&nbsp;79–152. Pendo, Zürich & München 2001, ISBN 3858424048 (zuerst in ''[[Werkstatt Geschichte]]'' H.&nbsp;18, 6.&nbsp;Jg., November 1997), [http://www.holocaust-history.org/december-12-1941/index-de.shtml Rezension von Götz Aly] * Wolf Kaiser: ''Die Wannsee-Konferenz. SS-Führer und Ministerialbeamte im Einvernehmen über die Ermordung der europäischen Juden.'' in: Heiner Lichtenstein & Otto R. Romberg (Hrsg.): ''Täter – Opfer – Folgen. Der Holocaust in Geschichte und Gegenwart.'' 2. Auflage, Bonn 1997, S.&nbsp;24–37, ISBN 3893312579 * Peter Longerich: ''Die Wannsee-Konferenz vom 20. Januar 1942. Planung und Beginn des Genozids an den europäischen Juden.'' Edition Hentrich, Berlin 1998, ISBN 3894682507 * Peter Longerich: ''Politik der Vernichtung. Eine Gesamtdarstellung der nationalsozialistischen Judenverfolgung.'' München 1998, ISBN 3492037550 (Kapitel VI&nbsp;D) * [[Kurt Pätzold]] und [[Erika Schwarz]]: ''Tagesordnung Judenmord. Die Wannsee-Konferenz am 20. Januar 1942'', Metropol, Berlin 1998, ISBN 3926893125 * Mark Roseman: ''Die Wannsee-Konferenz. Wie die Bürokratie den Holocaust organisierte.'' Ullstein, München & Berlin 2002, ISBN 3548364039 ([http://zeus.zeit.de/text/archiv/2002/04/200204_p-wannsee.xml Rezension von Peter Longerich]) * Johannes Tuchel: ''Am Großen Wannsee 56–58. Von der Villa Minoux zum Haus der Wannsee-Konferenz'' (Reihe: Publikationen der Gedenkstätte „Haus der Wannsee-Konferenz“ Bd. 1), Edition Hentrich, Berlin 1992, ISBN 3894680261 == Weblinks == {{Commons|Wannsee Conference|Wannseekonferenz}} * [http://www.ghwk.de Haus der Wannsee-Konferenz (Gedenkstätte)] ;Dokumente * [http://www.ghwk.de/deut/proto.htm Protokoll der Konferenz mit Faksimiles des Originals]: [http://www.ghwk.de/deut/protokoll.pdf Gesamtprotokoll] (in Farbe, PDF; 2,9&nbsp;MB) * [http://www.ghwk.de/deut/texte/text.htm Protokolle der Eichmann-Verhöre u.&nbsp;a.] * [http://www.ghwk.de/deut/texte/dokument-des-terrors.htm Axel Frohn, Klaus Wiegrefe: ''Das Dokument des Terrors'' – zu Herkunft und Bedeutung des Konferenzprotokolls (DER SPIEGEL 9. Februar 2002)] * [http://www.fasena.de/courage/archiv/19351114a.htm Erste Verordnung zum Reichsbürgergesetz vom 14. November 1935] * [http://www.ghwk.de/engl/kopfengl.htm weitere Dokumente zur Wannseekonferenz (Nizkor, englisch)] ;Historische Darstellungen * [http://www.ghwk.de Gedenk- und Bildungsstätte Haus der Wannsee-Konferenz] mit den [http://www.ghwk.de/2006-neu/anfang.htm Unterseiten der Dauerausstellung zu den Hintergründen, der Vorgeschichte der Konferenz und ihre Folgen] * [http://www.dhm.de/lemo/html/wk2/holocaust/wannsee/ Deutsches Haus der Geschichte: Wannseekonferenz] * [http://www.forumjustizgeschichte.de/Die_Mitwirkung.154.0.html zur Mitwirkung von Juristen bei der WK] * [http://www.ghwk.de/deut/texte/voelkermord.htm Jan Erik Schulte: Die WSK im Kontext von SS-Arbeitsplanung und Völkermord] * [http://www.h-ref.de/vernichtung/wannsee/wannsee-konferenz.php Holocaustreferenz: zu Eichmanns Protokollredaktion] ;Filme * {{IMDb Titel|tt0088377|[[Die Wannseekonferenz (1984)|Die Wannseekonferenz]] (1984)}} * {{IMDb Titel|tt0266425|[[Die Wannseekonferenz (2001)|Die Wannseekonferenz]] (2001)}} ;Bildungsmaterial * [http://lernen-aus-der-geschichte.de/Lernen-und-Lehren/Filter/Thema/1611 Bildungsmaterial zum Thema Wannseekonferenz auf ''Lernen aus der Geschichte''] == Einzelnachweise == <references /> {{Coordinate |NS=52/25/58.5/N |EW=13/09/55.9/E |type=landmark |region=DE-BE|dim=25}} {{Exzellent}} {{Normdaten|SWD=4279001-3|GKD=2120044-0}} [[Kategorie:Holocaust]] [[Kategorie:Nationalsozialismus]] [[Kategorie:1942]] [[Kategorie:Wannsee]] [[bg:Ванзейска конференция]] [[bs:Wannsee konferencija]] [[ca:Conferència de Wannsee]] [[cs:Konference ve Wannsee]] [[da:Wannseekonferencen]] [[el:Διάσκεψη της Βάνζεε]] [[en:Wannsee Conference]] [[eo:Wannsee-konferenco]] [[es:Conferencia de Wannsee]] [[et:Wannsee konverents]] [[eu:Wannsee Bilera]] [[fi:Wannseen konferenssi]] [[fr:Conférence de Wannsee]] [[fy:Wannseekonferinsje]] [[he:ועידת ואנזה]] [[hu:Wannseei konferencia]] [[id:Konferensi Wannsee]] [[is:Wannsee-ráðstefnan]] [[it:Conferenza di Wannsee]] [[ja:ヴァンゼー会議]] [[nl:Wannseeconferentie]] [[nn:Wannseekonferansen]] [[no:Wannsee-konferansen]] [[pl:Konferencja w Wannsee]] [[pt:Conferência de Wannsee]] [[ro:Conferinţa de la Wannsee]] [[ru:Ванзейская конференция]] [[simple:Wannsee Conference]] [[sk:Konferencia vo Wannsee]] [[sr:Ванзејска конференција]] [[sv:Wannseekonferensen]] [[zh:萬湖會議]] ql9jbdby9y88vjtko36zwwrrliwvsap wikitext text/x-wiki Wanzenpflanzen 0 24472 27073 2010-01-12T23:21:08Z CactusBot 0 Bot: Systematik entsprechend [[Wikipedia:WikiProjekt Pflanzensystematik/Systematik|zentraler Definitionsseite]] <!-- Für Informationen zum Umgang mit dieser Tabelle siehe bitte [[Wikipedia:Taxoboxen]]. --> {{Taxobox | Taxon_Name = Wanzenpflanzen | Taxon_WissName = Roridula | Taxon_Rang = Gattung | Taxon_Autor = [[Nicolaas Laurens Burman|Burm. fil.]] ex [[Carl von Linné|L.]] | Taxon2_Name = Wanzenpflanzengewächse | Taxon2_WissName = Roridulaceae | Taxon2_Rang = Familie | Taxon2_Autor = [[Adolf Engler|Engl.]] & [[Ernst Friedrich Gilg|Gilg]] | Taxon3_Name = Heidekrautartige | Taxon3_WissName = Ericales | Taxon3_Rang = Ordnung | Taxon4_Name = Asteriden | Taxon4_Rang = ohne | Taxon5_Name = Kerneudikotyledonen | Taxon5_Rang = ohne | Taxon6_Name = Eudikotyledonen | Taxon6_Rang = ohne | Bild = Roridula gorgonias.jpg | Bildbeschreibung = ''[[Roridula gorgonias]]'' }} Die '''Wanzenpflanzen''' (''Roridula''), auch '''Taupflanzen''' genannt, sind die einzige und nur aus zwei [[Art (Biologie)|Arten]] bestehende [[Gattung (Biologie)|Gattung]] der [[Familie (Biologie)|Familie]] der '''Wanzenpflanzengewächse''' (Roridulaceae). Die in [[Südafrika]] heimischen Halbsträucher fangen mit ihren klebrigen Blättern [[Insekten]], die von auf der Pflanze lebenden Wanzen und Spinnen gefressen werden. Deren Ausscheidungen wiederum werden von den Blättern der Pflanze als Dünger absorbiert. == Beschreibung == Beide Arten sind bis zu 2 Meter hohe, immergrüne [[Halbstrauch|Halbsträucher]]. Ihr Wurzelwerk besteht aus einer stark ausgebildeten [[Pfahlwurzel]] mit nur schwach ausgeprägten, feinen [[Seitenwurzeln]]. Die ausdauernde [[Sprossachse]] ist aufrecht, verholzend und nur schwach verzweigt. Bei beiden Arten konnte ein deutliches [[sekundäres Dickenwachstum]] nachgewiesen werden, bei ''Roridula dentata'' auch [[Jahresring]]e. Einzelne, spiralig verdickte [[Trachee (Pflanze)|Tracheen]] finden sich verstreut in Wurzeln und Stängeln. Im primären Stamm sind die einzelnen [[Leitbündel]] durch einen Ring aus Faserzellen miteinander verbunden. Die [[Holzstrahl]]en sind einreihig, einzigartig sind die aufrecht angeordneten [[Speicherzelle]]n. Die [[Phloem#Siebröhrenplastiden|Siebröhren-Plastiden]] gehören dem Ss-Typ an (= S-Typ mit Stärke). Stängel und Blätter reflektieren gleichermaßen [[UV-Strahlen]] und locken so Insekten an.<ref>J. J. Midgley, W. D. Stock: ''Natural Abundance of d 15N Confirms Insectivorous Habit of Roridula gorgonias, Despite it Having No Proteolytic Enzymes.'' In: Annals of Botany 82:387-388, 1998</ref> === Blätter === Die gelblich-grünen, linealischen bis sich verjüngenden [[Blatt (Pflanze)|Laubblätter]] sind wechselständig, nebenblattlos, entweder ganzrandig oder zur Seite hin kurz linealisch gelappt. Sie stehen unterhalb der [[Sprossachse|Sprossenden]] lichter. Die Blätter sind an den Blatträndern mit gestielten [[Drüse]]n von unterschiedlicher Länge besetzt, die dem Insektenfang dienen. Der von diesen Drüsen abgesonderte Fangschleim der Wanzenpflanzen basiert im Gegensatz zu dem der meisten anderen karnivoren Gattungen mit Klebefallen nicht auf Wasser, sondern auf [[Kautschuk]], und ist extrem klebrig. Er hält auch größere Insekten wie [[Schmetterlinge]] oder [[Libellen]] fest. Bemerkenswert ist die, bei höheren Pflanzen äußerst seltene, sogenannte [[Knospenlage|circinate Vernation]], bei der die jungen Blätter während des Wachstums wie bei einem Bischofsstab schneckenartig eingerollt sind und sich von der Blattbasis her entrollen. [[Bild:RoridulaDentataFlora2.jpg|thumb|Blüte von ''[[Roridula dentata]]'']] === Blüten === Die zwittrigen, mittelgroßen und attraktiven Blüten stehen in [[traube]]nförmigen, wenigblütigen, endständigen [[Blütenstand|Blütenständen]]. Die doppelte [[Blütenhülle]] ist unverwachsen und [[Radiärsymmetrie|radiärsymmetrisch]]. Die [[Kronblatt|Kronblätter]] sind blassviolett, rosa oder weiß, breit umgekehrt-eiförmig und kahl. In der [[Knospe]] sind die Kronblätter dachziegelartig übereinandergelegt ([[Knospendeckung|imbricat]]). Die fünf [[Staubblatt|Staubblätter]] stehen den [[Kelchblatt|Kelchblätter]]n gegenüber, die fadenförmigen [[Staubfaden|Staubfäden]] sind unverwachsen. Die Staubfäden setzen (annähernd) an der Basis der Staubbeutel an (basifix) und haben zwei [[Staubbeutel#Aufbau|Theken]]. Diese öffnen sich zum Zentrum der Blüte hin und stehen unterhalb des [[Fruchtknoten]]s. Am Ansatz der Staubbeutel findet sich eine Ausbeulung des [[Staubblatt#Aufbau|Konnektiv]]s, die [[Nektar (Botanik)|Nektar]] enthält. Das [[Tapetum (Pflanze)|Tapetum]] ist drüsig. Die [[Pollen]]körner entstehen sämtlich zu gleicher Zeit und sind bei der Freisetzung zweikernig. Die Staubfäden sind während der Blüte reizbar; wenn sie berührt werden, springen die Staubbeutel an der Spitze auf und schleudern den Pollen durch die Öffnungen heraus. Das [[Gynoeceum]] besteht aus drei verwachsenen [[Fruchtblätter]]n, der daraus gebildete Fruchtknoten ist oberständig mit zentralwinkelständiger [[Plazenta (Botanik)|Plazentation]]. Die [[Samenanlage]]n sind [[Samenanlage#Orientierung_der_Samenanlage|anatrop]] und haben nur ein [[Integument]] (Unitegmie). Der [[Embryosack]] entwickelt sich nach dem Polygonum-Typ. Die [[Polkern]]e verschmelzen noch vor der Befruchtung, das [[Endosperm]] bildet sich zellulär und der Embryo entwickelt sich nach dem Solanaceen-Typus. Der [[Griffel (Botanik)|Griffel]] ist endständig, [[Papille (Botanik)|papillös]] und aufrechtstehend. === Frucht und Samen === Die Frucht ist eine glatte, knorpelige, dreifächrige [[Kapselfrucht|Kapsel]], die Fruchtwände reißen mittig auf. Sie enthält zahlreiche, elliptische, dunkel rotbraune [[Same (Pflanze)|Samen]]. Die Samen haben einen Durchmesser von 5 Millimeter und besitzen eine harte [[Samenschale]] mit stark verdickten Zellwänden. Im Inneren befinden sich reichlich fleischiges [[Endosperm]] und ein länglicher [[Embryo (Pflanze)|Embryo]]. === Cytologie und Inhaltsstoffe=== Die [[Chromosom]]enzahl beträgt 2n=12. In den [[Epidermis (Pflanze)|Epidermiszellen]] nahe den [[Nervatur|Seiten- und Mittelrippen]] finden sich [[Kristallsand]]-Ablagerungen, im Endosperm sowie den Integumenten [[Tannine]]. [[Chinone|Naphthochinone]] fehlen, [[Iridoide]] konnten nachgewiesen werden. [[Bild:RoridulaDistributionDetail.jpg|thumb|Verbreitungsgebiet ''Roridula'']] == Verbreitung == Wanzenpflanzen sind Florenelemente der [[Capensis]] und [[Endemit|endemisch]] im Areal der früheren [[Kapprovinz]] [[Südafrika]]s in den [[Zederberge]]n und dem Raum um [[Hermanus]]. Sie wachsen dort in Höhenlagen zwischen 100 und 1200 Meter in bergigen, teils nebelfeuchten Regionen. Die Standorte liegen im [[Fynbos]], einer [[Heide (Landschaft)|heideartigen]] [[Vegetation]], auf sumpfigem Terrain mit schwarzen Böden, oder an Hängen mit Sickerwasser bzw. nahe Wasserläufen auf sauren und extrem nährstoffarmen Sandböden zwischen [[Quarzit]]felsen. Dort sind die Pflanzen vergesellschaftet mit [[Torfmoose]]n (''Sphagnum'') oder ''[[Grubbia rosmarinifolia]]'' <ref>Sherwin Carlquist: ''Wood Anatomy of Roridulaceae: Ecological and Phylogenetic Implications''. In: American Journal of Botany, 63 (7):1003–1008, 1976</ref>. Alle Vorkommen sind voneinander isoliert und umfassen von wenigen bis zu 2000 Pflanzen. Beide Arten sind selten, ''Roridula gorgonias'' ist gefährdet. <ref>''Fauna and Flora of Hermanus'', Website des Fernkloof Nature Reserve, [http://fernkloof.com/other.mv Online]</ref> == Ökologie == === Präkarnivorie === [[Bild:Pameridea.jpg|thumb|''Pameridea roridulae'' an der Unterseite eines Blattes von ''Roridula gorgonias'']] Die Wanzenpflanzen verwerten ihren Fang indirekt in einer [[Mutualismus (Biologie)|mutualistischen Symbiose]] mit zwei spezialisierten [[Wanzen]]arten der Gattung ''[[Pameridea]]'' (''[[Pameridea marlothii]]'' sowie ''[[Pameridea roridulae]]'', letztere nur bei ''Roridula gorgonias''). Diese leben ausschließlich auf den Wanzenpflanzen, finden die Beutetiere innerhalb von wenigen Minuten nach dem Fang <ref name="NewMutualism">A.G. Ellis, J.J. Midgley: ''A new plant-animal mutualism involving a plant with sticky leaves and a resident hemipteran insect.'' In: Oecologia, 106:478-481, 1996</ref> und ernähren sich von den gefangenen Tieren, im Falle von mangelnder Beute saugen sie jedoch auch Pflanzensäfte <ref>Bruce Anderson, Jeremy J. Midgley: ''Density-dependent outcomes in a digestive mutualism between carnivorous Roridula plants and their associated hemipterans'', In: Oecologia, 152:115–120, 2007</ref>. Wie genau die Wanzen selbst sich vor dem Kleben-Bleiben schützen, war lange Zeit unklar <ref>Paul Simons: ''When a carnivore is not a carnivore'' In: New Scientist, 2045, S.16, 31. August 1996, [http://www.newscientist.com/article/mg15120452.600-science--when-a-carnivore-is-not-a-carnivore.html Online]</ref>, vermutet wurde, dass die Tiere über die spezielle Gestalt ihrer [[Tarsus (Gliederfüßer)|Tarsi]] befähigt sind, sich an den unteren Partien der Stieldrüsen der Pflanzen festzuhalten und dabei weitgehend nicht in Kontakt mit der klebrigen Spitze zu kommen <ref>W.R. Dolling , J.M. Palmer: ''Pameridea (Hemiptera: Miridae): predaceous bugs specific to the highly viscid plant genus Roridula.'', Syst. Entomol. 16:319-328, 1991</ref>. 2008 konnte dann nachgewiesen werden, dass die Tiere am ganzen Körper mit einer dicken Sekretschicht bedeckt sind, die als „Anti-Haft-Schicht“ wirkt <ref>Dagmar Voigt, Stanislav Gorb: ''An insect trap as habitat: cohesion-failure mechanism prevents adhesion of Pameridea roridulae bugs to the sticky surface of the plant Roridula gorgonias'' In: Journal of Experimental Biology, 211, 2008, S. 2647-2657</ref>. Die Ausscheidungen der Wanzen nimmt die Pflanze als [[Blatt_(Pflanze)#Aufnahme_von_gelösten_Stoffen,_Blattdüngung|Blattdünger]] durch die [[Kutikula]] auf und nutzt so indirekt die Nährstoffe ihres Fangs <ref>Bruce Anderson: ''Adaptations to Foliar Absorption of Faeces: a Pathway in Plant Carnivory.'' In: Annals of Botany 95:757–761, 2005</ref>. Bis zu 70 % ihres Stickstoffbedarfs können die Pflanzen auf diesem Wege decken, ein im Vergleich mit anderen fleischfressenden Pflanzen sehr hoher Wert <ref name="Tango">B. Anderson, J. J. Midgley: ''It takes two to tango but three is a tangle: mutualists and cheaters on the carnivorous plant Roridula'' In: Oecologia, 132:369–373, 2002</ref>. Hauptsächlich gefangen werden fliegende Insekten wie [[Fliegen]], [[Wespen]] und andere [[Hautflügler]], bis hin zu großen Beutetieren wie [[Schmetterlinge]]n und [[Libellen]]. Die Untersuchung eines Fanges einer ''Roridula gorgonias'' ergab, dass sie innerhalb von acht Wochen 109 Insekten größer als 2 Millimeter (10,1 % [[Käfer]], 80,6 % [[Zweiflügler]]) und 112 kleinere (52 % [[Fransenflügler]], 35 % Zweiflügler) erbeutete <ref name="NewMutualism" />. Ebenfalls von den Fängen der Pflanze, aber auch von den Wanzen selbst, ernährt sich wiederum die [[Krabbenspinne]] ''[[Synema marlothii]]''. Ihre Anwesenheit schadet den Pflanzen jedoch durch die Minderung der Wanzenbestände und – als Folge davon – durch eine Reduktion des aus der Verwertung von Beute stammenden Stickstoffs von 70 % auf bis zu 30 %. <ref name="Tango" /> [[Bild:RoridulaGorgoniasHabitus.jpg|thumb|''Roridula gorgonias'' Habitus in Kultur, [[Botanischer Garten der Universität Duisburg-Essen]], Sammlung Hennern]] [[Charles Darwin]] untersuchte 1875 erstmals Wanzenpflanzen auf eine mögliche Karnivorie, kam aber zu keinem Ergebnis <ref>Charles Darwin: ''Insectenfressende Pflanzen.'' In: Ch. Darwin's gesammelte Werke. Bd 8. E. Schweizerbart'sche Verlagshandlung (E. Koch), Stuttgart 1876, S. 309-310</ref>. Aufgrund der Symbiose und dem Fehlen von absorptionsfähigen Gefäßen in den Drüsen wurden sie anhand von Untersuchungen von [[Rudolf Marloth]] 1910 als sogenannte [[fleischfressende Pflanze|präkarnivore Pflanze]] eingestuft. Man ging also davon aus, dass sie zwar Vorrichtungen zum Fang von [[Insekten]] haben, diese aber nicht selbstständig verdauen könnten und sie daher nicht als fleischfressend im eigentlichen Sinne anzusehen seien. 2006 konnte dann in der [[Epidermis (Pflanze)|Epidermis]] eine hohe [[Phosphatase]]-Aktivität belegt werden, ein Hinweis darauf, dass die Blattoberflächen der Pflanzen ebenfalls Enzyme produzieren und so zur Verdauung zumindest beitragen, wenngleich nicht ausgeschlossen werden kann, dass diese Werte allein aus der hohen Stoffwechselaktivität der Pflanze resultieren. Unzweifelhaft ist jedoch, dass die Insekten den größten Anteil an der Verdauung haben. <ref>B.J. Płachno, L. Adamec, I.K. Lichtscheidl, M. Peroutka, W. Adlassnig, J. Vrba: ''Fluorescence Labelling of Phosphatase Activity in Digestive Glands of Carnivorous Plants'', in: Plant Biology (Stuttgart) 2006; 8: 813-820, {{DOI|10.1055/s-2006-924177}}</ref> === Bestäubung === ''Roridula''-Arten sind hauptsächlich [[Selbstbestäubung|selbstbestäubend]], Fremdbestäubung ist selten. Als Bestäuber dienen zumeist die Wanzen.<ref name="Selfing">Bruce Anderson, Jeremy J. Midgley, Barbara A. Stewart: ''Facilitated selfing offers reproductive assurance: a mutualism between a hemipteran and carnivorous plant'' In: American Journal of Botany, 90:1009-1015, 2003</ref> Die Tiere durchbohren mit ihren Saugrüsseln die Konnektive der Staubbeutel, um so an den dort enthaltenen Nektar zu gelangen. Dadurch drehen sich die Staubbeutel schlagartig um 180 Grad, setzen durch die Öffnungen an der Spitze des Staubbeutels den Pollen frei und stäuben die Wanzen damit ein. Selten dienen auch andere Tierarten als Bestäuber, festgestellt wurden ''[[Allodape punctata]]'' und ''[[Xylocopa albifrons]]'' (beide aus der Familie [[Echte Bienen]]) und ''[[Ceroctis capensis]]'', ein [[Ölkäfer]]. Die Bienen sind sogenannte ''[[Vibrationsbestäubung|Buzz-Pollinators]]'', das Summen der Tiere also löst die Staubbeutel aus. Der Besuch insbesondere von Bienen ist wichtig für den genetischen Austausch der Populationen, da Bienen auch größere Strecken zurücklegen können, allerdings ist der Besuch der nur kurzgestielten und sich somit nahe der Blätter befindlichen Blüte für diese Tiere mit der Gefahr verbunden, gefangen zu werden. <ref name="Selfing" /> === Feuerökologie === Beide Arten sind [[Pyrophyt|pyrophil]], also in mehrfacher Hinsicht an die regelmäßig alle paar Jahre auftretenden Buschbrände angepasst und teils auch darauf angewiesen. Die Feuer lichten zum einen die Vegetation und verhindern so, dass die Wanzenpflanzen überwuchert werden, zum anderen erlauben sie den Samen, unter offenen Bedingungen zu keimen und zu wachsen. Niedergebrannte ältere Pflanzen treiben nach dem Feuer aus dem feuerfesten Wurzelstock wieder aus. Dies kann jedoch durch die saisonalen Bedingungen verzögert werden, so dass Pflanzen nach dem Niederbrennen erst durch die [[Dormanz|Ruhephase]] gehen und danach wieder ausschlagen. So können zwischen Brand und Neuaustrieb bis zu sechs Monate vergehen. [[Bild:Roridula_dentata_specimen.jpg|thumb|Herbarexemplar ''Roridula dentata'', [[Muséum national d’histoire naturelle]], Paris.]] ==Systematik== Gattung wie Arten sind deutlich abgegrenzt und unumstritten, zwei Arten werden anerkannt: * ''[[Roridula dentata]]'' L. * ''[[Roridula gorgonias]]'' Planch. Die [[Typus (Nomenklatur)|Typusart]] ist ''Roridula dentata''. Ebenfalls gültig beschrieben, wenngleich nur selten in Gebrauch, ist ''[[Roridula × brachysepala]]'' für eine Naturhybride aus ''Roridula dentata'' × ''Roridula gorgonias''. Drei weitere beschriebene Taxa (''Roridula crinita'', ''Roridula verticilliata'', '' Roridula muscicarpa '') werden durchweg verworfen und als [[Synonyme]] eingestuft. Nicht zur Gattung gehören weitere zwischen 1775 und 1818 als ''Roridula'' beschriebene Arten, bei denen es sich um Taxa der – unverwandten – Gattung ''[[Cleome]]'' (Capparaceae) handelt <ref>[http://www.ipni.org/ipni/advPlantNameSearch.do?find_family=&find_genus=roridula&find_species=&find_infrafamily=&find_infragenus=&find_infraspecies=&find_authorAbbrev=&find_includePublicationAuthors=on&find_includePublicationAuthors=off&find_includeBasionymAuthors=on&find_includeBasionymAuthors=off&find_publicationTitle=&find_isAPNIRecord=on&find_isAPNIRecord=false&find_isGCIRecord=on&find_isGCIRecord=false&find_isIKRecord=on&find_isIKRecord=false&find_rankToReturn=all&output_format=normal&find_sortByFamily=on&find_sortByFamily=off&query_type=by_query&back_page=plantsearch Eintrag zur Gattung bei IPNI]</ref>. Deutlich weniger klar jedoch war lange die Position der Gattung. Historisch wurde sie unter anderem den [[Sonnentaugewächse]]n (Droseraceae, bei [[George Bentham|Bentham]] und [[Joseph Dalton Hooker|Hooker]] 1865), den [[Grätenblattgewächse]]n (Ochnaceae, bei [[Jules Émile Planchon|Planchon]] 1848) und den [[Scheinellergewächse]]n (Clethraceae, bei [[Johannes Gottfried Hallier|Hallier]] 1912) zugeordnet. 1924 dann beschrieben [[Adolf Engler]] und [[Ernst Friedrich Gilg]] die Gattung als eigenständige Familie, dem folgten [[Rudolf Marloth|Marloth]] (1925) und [[Ludwig Diels|Diels]] (1930). Zwar wurde diese Einstufung im Laufe des 20. Jahrhunderts mehrfach in Frage gestellt, unter anderem durch Platzierungen bei den [[Regenbogenpflanzengewächse]]n (Byblidaceae), mittlerweile aber hat sich die Behandlung als eigene Familie durchgesetzt, auch molekulargenetische Untersuchungen bestätigten dies. Diesen zufolge ist die Gattung verwandt mit den amerikanischen [[Schlauchpflanzengewächse]]n (Sarraceniaceae) und den [[Strahlengriffelgewächse]]n (Actinidiaceae). <ref>Randall J. Bayer, Larry Hufford, Douglas E. Soltis: ''Phylogenetic Relationships in Sarraceniaceae Based on rbcL and ITS Sequences'', in: Systematic Botany, Vol. 21, No. 2, 1996, pp. 121-134</ref> ┌─────────────────── '''Wanzenpflanzen (''Roridula'')''' │ ──────┤ ┌───────── [[Kobralilie]] (''Darlingtonia'') └─────────┤ │ ┌──── [[Sumpfkrüge]] (''Heliamphora'') └────┤ └──── [[Schlauchpflanzen]] (''Sarracenia'') ==Verwendung== Die Wanzenpflanzen sind für den Menschen als Nutzpflanze ohne Bedeutung. Marloth berichtet allerdings davon, dass abgeschnittene Äste der Pflanzen in Häusern als Fliegenfänger aufgehängt wurden. <ref>R. Marloth: ''Some recent Observations on the Biology of Roridula.'' In: Annals of Botany, 17:151–157</ref> ==Nachweise== * J.G. Conran: ''Roridulaceae.'' In: Klaus Kubitzki (Hrsg.): ''The Families and Genera of Vascular Plants – Volume VI – Flowering Plants – Dicotyledons – Celastrales, Oxalidales, Rosales, Cornales, Ericales'', 2004, S. 339–343, ISBN 978-3-540-06512-8 * Wilhelm Barthlott, Stefan Porembski, Rüdiger Seine, Inge Theisen: ''Karnivoren'', 2004, S. 163–165, ISBN 3-8001-4144-2 == Einzelnachweise == Die Informationen dieses Artikels entstammen zum größten Teil den unter Nachweise angegebenen Quellen, darüber hinaus werden folgende Quellen zitiert: <references/> ==Weblinks== {{Commons|Category:Roridulaceae|Wanzenpflanzen (Roridulaceae)}} [[Kategorie:Heidekrautartige]] [[Kategorie:Fleischfressende Pflanze]] {{Exzellent}} [[cs:Chejlava]] [[en:Roridula]] [[es:Roridula]] [[fr:Roridulaceae]] [[it:Roridula]] [[ja:ロリドゥラ属]] [[no:Roridulaceae]] [[pt:Roridula]] [[zh:捕蝇幌科]] 7oazlfzgn0o097ow4pkeqnwat83a5cm wikitext text/x-wiki Wapiti 0 24473 27074 2010-04-18T06:23:27Z Xqbot 0 Bot: Ändere: [[bg:Уапити]] <!-- Für Informationen zum Umgang mit dieser Tabelle siehe bitte [[Wikipedia:Taxoboxen]]. --> {{Taxobox | Taxon_Name = Wapiti | Taxon_WissName = Cervus canadensis | Taxon_Rang = Art | Taxon_Autor = [[Johann Christian Erxleben|Erxleben]], 1777 | Taxon2_WissName = Cervus | Taxon2_Rang = Gattung | Taxon3_Name = Echte Hirsche | Taxon3_WissName = Cervinae | Taxon3_Rang = Unterfamilie | Taxon4_Name = Hirsche | Taxon4_WissName = Cervidae | Taxon4_Rang = Familie | Taxon5_Name = Wiederkäuer | Taxon5_WissName = Ruminantia | Taxon5_Rang = Unterordnung | Taxon6_Name = Paarhufer | Taxon6_WissName = Artiodactyla | Taxon6_Rang = Ordnung | Bild = Wapiti.jpg | Bildbeschreibung = Wapiti-Bulle }} Der '''Wapiti''' (''Cervus canadensis'') ist eine [[Säugetiere|Säugetierart]] aus der Familie der [[Hirsche]] (Cervidae). Er fasst die in Nordamerika lebenden Tiere samt einigen ostasiatischen Unterarten zusammen, die früher allesamt als Unterart des [[Rothirsch]]s geführt wurden. Viele Wapitis sind deutlich größer als europäische Rothirsche. In der [[Familie (Biologie)|Familie]] der [[Hirsche]] ist lediglich der [[Elch]] größer. In Nordamerika wird die Art meist ''elk'' genannt, während dies im [[Britisches Englisch|britischen Englisch]] die Bezeichnung für den Elch ist. Die Bezeichnung ''Wapiti'' (''weißes Hinterteil'') stammt von den [[Shawnee]]-[[Indianer]]n. Wapitis haben eine Schulterhöhe von 0,75 bis 1,5 Metern und wiegen 230 bis 450 Kilogramm. Die Männchen sind meist etwa doppelt so schwer wie die Weibchen. Die Geweihe der Tiere messen 1,0 bis 1,5 Meter von Spitze zu Spitze. Wapitis sind bekannt für ihre lauten trompetenden Rufe während der [[Brunft]]zeit. == Lebensweise == [[Datei:Wapitis-aug21 005.jpg|thumb|left|Kämpfende Wapitihirsche]] Bei den Wapiti leben die Weibchen ähnlich den Rothirschen in größeren oder kleineren [[Herden (Jagd)|Herden]], die einem meist älteren, aber noch gebärfähigen Tier folgen. Oft schließen sich diesen Herden schwächere und jüngere Männchen an. Diese Herden sind größtenteils standorttreu, einzig wenn sie stark beunruhigt sind, ziehen die Herde weiter. In der Zeit, die der [[Brunft]] vorausgeht, leben die meisten Hirsche in großen Herden, während ältere Hirsche gelegentlich mit einem jüngeren Hirsch einzelgängerisch ziehen. Hirsche halten in dieser Zeit meist an ihrem Standort fest. In der Paarungszeit lösen sich diese Herden auf, und die Männchen ziehen oft kilometerweit bis zu ihren Brunftrevieren. Dort kommt es zu Kämpfen um die Weibchen zwischen dem Platzhirsch und rivalisierenden, meist jüngeren Männchen, die teilweise tödliche Verletzungen zur Folge haben können. Die Tragzeit beträgt etwa 260 Tage. Das einzige Kalb wiegt bei der Geburt etwa 15 Kilogramm und ist zunächst gefleckt. Diese Flecken verschwinden nach etwa drei Monaten. Ein halbes Jahr lang wird das Kalb vom Muttertier gesäugt. Die Lebensdauer beträgt in Gefangenschaft 25 Jahre, in der Wildnis aber sterben Rothirsche meistens vor dem fünfzehnten Lebensjahr. Vor allem die Männchen haben eine hohe [[Mortalität|Sterblichkeit]] wegen der Heftigkeit ihrer Kämpfe und aufgrund intensiver Bejagung. Der Wapiti ist ein „Graser“, er ernährt sich also vornehmlich von [[Gras]], nimmt jedoch auch je nach Bedingungen andere Nahrung zu sich. Dabei handelt es sich vor allem um junges [[Laub (Botanik)|Laub]], Wurzelknollen, [[Eichel (Frucht)|Eicheln]], [[Buchecker]]n, [[Kastanien]], wildes [[Obst]], [[Knospe]]n und jungen Zweigspitzen von Nadelhölzern. Im Winter fressen die Tiere außerdem [[Moose]] und [[Flechte]]n. == Vorkommen == [[Datei:Range map Cervus canadensis.jpg|thumb|upright=1.5|Verbreitungskarte der Wapitis]] Wapitis leben als eine der größten nordamerikanischen Wildtierarten in offenen [[Wald|Wäldern]] oder in Waldnähe. Im Sommer steigen sie in Bergregionen in große Höhen auf, im Winter bevorzugen sie geschütztere und tiefer gelegene Gegenden. Früher war der Wapiti in Nordamerika, speziell in der Gegend der [[Rocky Mountains]] weit verbreitet. Der Östliche Wapiti (''C. c. canadensis'') lebte in verschiedenen Bundesstaaten östlich des [[Mississippi River]]s. Nach deren [[Aussterben]] durch die [[Jagd]] brachte man westliche Wapitis in diese Gegend. Die heutige Zahl der nordamerikanischen Wapitis wird auf rund ein Zehntel des historischen Vorkommens von 10 Millionen geschätzt. Wie auch andere nordamerikanische Wildarten erreichte der Wapiti den Tiefpunkt um 1900. Seither ist ihre Zahl dank Jagdkontrollen wieder steigend. 1989 schätzte man in Nordamerika ein Vorkommen von 782.500, wovon etwa 72.000 in [[Kanada]] und der Rest in den [[USA]] lebten. 20.000 lebten in Wapiti-Ranches, wo sie ihres Fleisches und ihres Geweihes wegen oder zur Jagd gehalten werden. Die meisten Wapitis leben im Westen, hauptsächlich in der Region der Rocky Mountains. Östlich des Mississippi gibt es nur etwa 3.500 Wapitis, verteilt auf sieben Bundesstaaten. Im östlichen Kanada ist die Population ähnlich gering. In Asien leben Wapitis im südlichen [[Sibirien]] und Teilen [[Zentralasien]]s. Früher waren sie weit verbreitet, heute umfasst ihr Verbreitungsgebiet nur mehr die Bergketten westlich und östlich des [[Baikalsee]]s, das [[Sajangebirge]], das [[Altai]]gebirge, die [[Tianshan]]-Region sowie Teile des [[Mongolei]] und der [[Amur]]region. Im Süden sind sie in Asien in Osttibet, im Himalaya und Zentralchina verbreitet. Ihr Habitat gleich dem der nordamerikanischen Wapitis. U.S.-Präsident [[Theodore Roosevelt]] schenkte [[Neuseeland]] eine Herde Wapitis, die im südwestlichen Teil der [[Südinsel (Neuseeland)|South Island]] freigesetzt wurden. Heute sind die echten Wapitis nur noch selten zu finden, da sie sich mit den auf Neuseeland sehr häufigen europäischen Rothirschen, die vor allem durch britische Siedler eingeführt wurden, gekreuzt haben. Viele dieser Tiere leben isoliert auf Wapitifarmen und sollten in regelmäßigen Abständen wieder in die Freiheit entlassen werden. Dies wurde allerdings durch einen Regierungsbeschluss verhindert, der die Freisetzung gebietsfremder Tiere ([[Neozoen]]) in Neuseeland heute gänzlich verbietet. == Natürliche Feinde == Wapitis sind durch die [[Chronic Wasting Disease]] gefährdet, eine [[BSE]]-ähnliche Krankheit, die in Nordamerika speziell bei ihnen und den anderen amerikanischen Hirscharten [[Weißwedelhirsch]] und [[Maultierhirsch]] verbreitet ist. Ausgewachsene Wapitis werden von [[Puma]]s, [[Wolf|Wölfen]] und [[Grizzly]]-Bären gejagt. [[Kojote]]n und [[Amerikanischer Schwarzbär|Schwarzbären]] reißen manchmal Kälber. == Geschichte == [[Datei:3Wapitis.jpg|thumb|Wapiti-Bulle mit zwei Kühen]] In Nordamerika erschien der Wapiti vermutlich erst vor 120.000 Jahren, als er in der [[Eiszeit]] – ebenso wie die [[Elch]]e und [[Karibu]]s aus Asien – über die [[Beringstraße]] einwanderte. Von dort breiteten sie sich nach Süden und Osten aus. Er stammt wahrscheinlich vom [[Altai-Maral]] (''C.&nbsp;e.&nbsp;sibiricus'') ab, manchmal auch als Altai-Wapiti bezeichnet, der zu dieser Zeit große Bereiche der [[Borealer Nadelwald|Taiga]] [[Sibirien]]s bewohnte. Vor etwa 70.000 Jahren waren die Wapitis isoliert in vier verschiedenen Populationen. Eine befand sich in der [[Alaska]]/[[Yukon (Territorium)|Yukon]]-Region, eine in der Küstenregion von [[Washington (Bundesstaat)|Washington]]/[[Oregon]], eine im westlichen [[Kalifornien]] und die vierte östlich der [[Kaskadenkette]] und der [[Sierra Nevada (Vereinigte Staaten)|Sierra-Nevada]]-Berge, bis zu den [[Appalachen]], bis ins südliche Kanada und ins nördliche Mexiko. Die Wapiti-Population in Washington/Oregon teilte sich später in zwei unterschiedliche Unterarten, die Olympic-Wapitis des südwestlichen [[British Columbia]], Washington, Oregon und des nordwestlichen Kalifornien; und die Tule-Wapitis in Zentralkalifornien. Vor rund 10.000 Jahren wurde eine Population der Wapitis im Osten isoliert und entwickelte sich zu den Merriam-Wapitis, die in Mexiko und in den südwestlichen USA beheimatet waren. Als die [[Great Plains|Plains]] entstanden, wurde wieder eine Population der Wapitis im Osten isoliert und entwickelte sich zu den Manitoba-Wapiti. Die im Osten verbliebenen Wapitis entwickelten sich zur Unterart der Östlichen Wapiti, die Wapitis im Westen zu den Rocky-Mountain-Wapitis. Als die Europäer Nordamerika eroberten, bewohnten diese sechs Wapiti-Arten den Kontinent. [[Datei:Wapiti-Herde.jpg|thumb|Wapiti-Herde]] Wapitis wurden bereits von den [[Indianer]]n gejagt. Mit der Ankunft der Europäer und deren Besiedelung des Westens stieg allerdings der Bedarf an Nahrung. Die Jagd zum Nahrungserwerb ging außerdem in eine Jagd zu Sportzwecken über. Betroffen waren davon vor allem die [[Bison]]s und die Wapitis. Die Östlichen Wapitis und die Merriam-Wapitis waren bald ausgestorben, der Rocky-Mountain-Wapiti überlebte nur knapp. Die Östlichen Wapitis starben an der übermäßigen Jagd, die Merriam-Wapitis - auch Südwestliche Wapitis genannt – sowohl an übermäßiger Jagd als auch an Nahrungsarmut aufgrund der Ausdehnung der Wüsten. Der letzte Östliche Wapiti wurde 1849 im östlichen [[Tennessee]] geschossen. In den frühen Jahren des 20. Jahrhunderts wurde die Jagd eingeschränkt: Wapitis durften nur noch während der Jagdsaison und auch dann nur in eingeschränkter Zahl geschossen werden. Diese Vorgaben retteten die verbliebenen Wapitis ebenso wie die Bisons vor dem Aussterben. == Systematik == [[Datei:Rosevelt_Elk_in_the_Redwood_National_Park,_California.jpg|thumb|Roosevelt-Wapiti im<br />[[Redwood-Nationalpark]]]] Früher ordnete man den Wapiti als mehrere Unterarten des [[Rothirsch]]es ein. Nach genetischen Untersuchungen wird er als eigenständige Art geführt. <ref name="Ludt">{{cite journal |author=Ludt CJ, Schroeder W, Rottmann O, Kuehn R |title=Mitochondrial DNA phylogeography of red deer (Cervus elaphus) |journal=Mol. Phylogenet. Evol. |volume=31 |issue=3 |pages=1064–83 |year=2004 |month=June |pmid=15120401 |doi=10.1016/j.ympev.2003.10.003 |url=http://web.archive.org/web/20080409130306/http://www.wzw.tum.de/wildbio/paper/cerphyl.pdf |format=PDF}}</ref> Früher wurden sechs nordamerikanische und vier asiatische Unterarten akzeptiert. Von den sechs nordamerikanischen Unterarten der Wapitis sind mit dem Östlichen Wapiti (''C.&nbsp;c.&nbsp;canadensis'') und Merriam-Wapiti (''C.&nbsp;c.&nbsp;merriami'') zwei bereits ausgestorben. Die noch existenten Wapiti-Unterarten sind der Rocky-Mountain-Wapiti, auch Yellowstone-Wapiti (''C.&nbsp;c.&nbsp;nelsoni''), der Manitoba-Wapiti (''C.&nbsp;c.&nbsp;manitobensis''), der Olympic-Wapiti (auch Roosevelt-Wapiti, ''C.&nbsp;c.&nbsp;roosevelti'') und der Tule-Wapiti (''C.&nbsp;c.&nbsp;nannodes''). Laut dem Zoologen [[Valerius Geist]] unterscheiden sich die sechs Unterarten aufgrund der Lebensbedingungen ihrer Umgebung, die genetischen Differenzen sind minimal. Die vier asiatischen Unterarten umfassten den [[Altai-Maral]] (''C.&nbsp;c.&nbsp;sibiricus''), den Tianshan-Wapiti (''C.&nbsp;c.&nbsp;songaricus''), den Alashan-Wapiti (''Cervus canadensis alashanicus'') und den Isubrahirsch (''C.&nbsp;c.&nbsp;xantopygus'') Genetischen Studien zufolge sind die chinesischen und tibetischen Rothirsche (''wallichi'', ''macneilli'' und ''kansuensis'') ebenfalls den Wapitis zuzurechnen. Diese Südasiatischen Wapitis bilden zusammen eine von drei genetisch deutlich unterscheidbaren Wapiti-Formen. Die anderen beiden Formen stellen die Amerikanisch-Nordasiatischen Wapitis sowie die Ostasiatischen Wapitis oder Isubrahirsche dar.<ref name="Ludt">{{internetquelle|autor=Christian J. Ludt|hrsg=Elsevier|url=http://www.wzw.tum.de/wildbio/paper/cerphyl.pdf#search=%22Barbary%20red%20deer%22|werk=Molecular Phylogenetics and Evolution 31 (2004) 1064–1083|titel=Mitochondrial DNA phylogeography of red deer (Cervus elaphus)|zugriff=2007-08-21}}</ref> === Amerikanische und Nordasiatische Wapitis === Diese Gruppe umfasst alle nordamerikanischen Wapitis, sowie die nordmongolischen und sibirischen Formen westlich des Baikalsees. Im Westen erreichen sie das [[Altai]]gebirge sowie das [[Tianshan]]- und [[Dsungarischer Alatau|Alatau]]-Gebiet. Folgende Unterarten wurden ursprünglich innerhalb dieser Gruppe unterschieden, möglicherweise sind sie jedoch alle einer einzigen Unterart (''Cervus canadensis canadensis'') zuzuordnen. [[Datei:Yellowstone Elk.jpg|thumb|Wapiti-Bulle im Yellowstone-Nationalpark]] Der '''Rocky-Mountain-Wapiti''' (''Cervus canadensis nelsoni'') kommt heute in den kanadischen Provinzen [[British Columbia]] und [[Alberta]], sowie in den US-Bundesstaaten [[Idaho]], [[Montana]], [[Washington (Bundesstaat)|Washington]], [[Oregon]], [[Nevada]], [[Utah]], [[Arizona]], [[New Mexico]], [[Colorado]], [[Wyoming]], [[Nord-Dakota|Nord]]- und [[Süd-Dakota]] vor. Vereinzelt trifft man ihn auch im westlichen [[Nebraska]], im nordöstlichen [[Minnesota]] und im nördlichen [[Michigan]] an. Die Population der Rocky-Mountain-Wapitis umfasst rund 750.000 Tiere. Alleine im [[Yellowstone-Nationalpark]] befinden sich im Sommer jeweils etwa 30.000 Exemplare dieser Unterart. Entgegen der üblichen Meinung ist der Rocky-Mountain-Wapiti nicht ein Tier der Prärie, welches sich wegen der zunehmenden Besiedlung durch die Europäer in die Berge zurückgezogen hat. Schon früher lebten Wapitis in den [[Rocky Mountains]]. Ein Bulle wiegt etwa 300 bis 350 Kilogramm, eine Kuh etwa 200 bis 250 Kilogramm. Die Bullen können eine Schulterhöhe von 1,5 Metern erreichen und eine Körperlänge von 2,5 Metern. Sie sind meist braun mit dunkelbraunen Beinen, Nacken und Bauch sowie einem hellen Hinterteil. Bullen können heller gefärbt sein als Kühe. Die Geweihe der Bullen haben gewöhnlich sechs oder mehr Enden pro Seite. Der '''Roosevelt-Wapiti''' (''Cervus canadensis roosvelti'') bewohnt das nördliche [[Kalifornien]] und den westlichen Teil von Oregon, Washington und [[British Columbia]]. Einige wurden nach [[Afognak Island]] in Alaska umgesiedelt. Schätzungen der gesamten Population schwanken zwischen 20.000 und 30.000 Individuen. Roosevelt-Wapitis sind größer und dunkler als Rocky-Mountain-Wapitis. Die Bullen können bis zu 450 Kilogramm wiegen. Ihr Geweih formt häufig eine Krone oder einen Korb. Der '''Manitoba-Wapiti''' (''Cervus canadensis manitobensis'') bewohnt das zentrale [[Manitoba]], das östliche [[Saskatchewan]] und die [[Badlands-Nationalpark|Badlands]] in Süd-Dakota. Viele dieser kanadischen Wapitis finden sich im oder in der Nähe vom [[Riding Mountain National Park]] und [[Prince Albert National Park]] sowie im [[Duck Mountain Provincial Park]]. Das Fell der Manitoba-Wapitis ist dunkler als dasjenige der Rocky-Mountain-Wapitis. Sie sind nicht so groß wie die Rocky-Mountain-Wapitis, aber kompakter, so dass sie etwa gleich schwer sind. Die Population ist stabil bei etwa 10.000 Tieren. [[Datei:Tule-Wapiti.jpg|thumb|Tule-Wapiti]] Früher lebten große Herden von '''Tule-Wapitis''' (''Cervus canadensis nannodes'') in den [[California Central Valley Grasslands]] und den [[California Chaparral and Woodlands]] im zentralen Kalifornien. Durch übermäßige Jagd wurden sie stark reduziert, bis sie knapp vor dem Aussterben standen. Der Rinderzüchter Henry Miller, der große Weiden im südlichen [[Kalifornisches Längstal|Central Valley]] besaß, erstellte in den 1870er Jahren ein kleines privates Reservat, um die Unterart zu retten. 1932 wurde die Herde permanent geschützt in einem 3,8&nbsp;km² großen Anwesen in der Nähe von [[Buttonwillow]], California, das heute als [[Tule Elk State Reserve]] bekannt ist. Weitere Tule-Wapitis finden sich in nahgelegenen Gegenden, meist auf privatem Grund. Die Tule-Wapitis sind kleiner als diejenigen der übrigen Unterarten, die Bullen wiegen durchschnittlich etwa 225 Kilogramm. Zurzeit gibt es etwa 2.000 Tule-Wapitis. Die Jagd auf privatem Grund wurde inzwischen wieder erlaubt, ist aber mit einem Preis von 13.000 US-Dollar (2004) sehr teuer. 1978 wurden Tule-Wapitis ins [[Point Reyes National Seashore]] in [[Marin County]] verfrachtet, das sich nördlich von [[San Francisco]] befindet. Eine andere Herde befindet sich in der [[Ohlone Wilderness]] in [[Alameda County]]. Der '''[[Altai-Maral]]''' (''Cervus canadensis sibiricus'') oder Altai-Wapiti bewohnt das [[Altai]]- und das [[Sajangebirge]], die nordwestliche [[Mongolei]] sowie die Gebiete westlich des [[Baikalsee]]s. Er ähnelt den nordamerikanischen Formen und erreicht mit einem Gewicht von bis zu 300 kg und eine Schulterhöhe von bis 150-155 cm auch deren Ausmaße. Das Sommerkleid ist einfarbig zimtbraun, im Winter sind die Männchen an den Seiten gräulich braungelb, am Hals, Bauch, und den Schultern dunkler zimtbraun, die Weibchen graubraun gefärbt. Die helle Fellfärbung am Hinterteil erstreckt sich bis zur Kruppe. Der '''Tianshan-Maral''' (''Cervus canadensis songaricus'') oder Tianshan-Wapiti ist im [[Tianshan]]- und [[Dsungarischer Alatau|Alatau]]-Gebiet verbreitet. Er ähnelt stark dem Altai-Maral und ist möglicherweise mit diesem identisch. === Isubrahirsche oder Ostasiatische Wapitis === Der '''Isubrahirsch''' (''Cervus canadensis xanthopygus'') lebt in Sibirien östlich des Baikalsees, in der [[Amur]]region, der Ostmongolei, in Nordkorea und in Nordchina. Isubrahirsche erreichen eine Schulterhöhe von 145 cm und ein Gewicht von bis zu 250 kg. Das Fell ist im Sommer hell rostrot, im Winter grau-gelbbraun gefärbt. Der große, breite Spiegel ist im Sommer nur wenig heller als die Flanken, im Winter rostfarben. Das Geweih ist verhältnismäßig klein und trägt nur fünf bis sechs Enden. Aus dem Gebiet des Baikalsees sind Übergangsformen mit Merkmalen des Altai-Marals beschrieben worden. Die Formen aus [[Alxa]], [[Gansu]], [[Shanxi]] und der Südostmongolei wurden früher einer eigenen Unterart dem '''Alashan-Wapiti''' (''Cervus canadensis alashanicus'') zugerechnet, zählen jedoch heute auch zum Isubrahirsch, was durch genetische Befunde bestätigt wird. === Südasiatische Wapitis === In der Regel werden folgende drei Unterarten unterschieden, die jedoch genetischen Befunden zufolge sehr nah verwandt sind: Der '''Tibetische Rothirsch''' oder Shou (''Cervus canadensis wallichi'') ist im Himalaya (südliches [[Tibet]] und [[Bhutan]]) verbreitet. Er wurde bereits für ausgestorben gehalten, aber 1988 wieder entdeckt. Der '''MacNeill-Hirsch''' (''Cervus canadensis macneilli'') lebt im östlichen Tibet sowie in der chinesischen Provinz [[Qinghai]]. Der '''Gansuhirsch''' (''Cervus canadensis kansuensis'') kommt nördlich des MacNeill-Hirsches, vor allem in der [[Volksrepublik China|chinesischen]] Regionen [[Gansu]] vor. == Kulturelle Bedeutung == [[Datei:Wapiti Eye.jpg|thumb|Auge eines Wapiti]] Wie jedes Tier, das für die Indianer von Bedeutung war, floss auch der Wapiti in ihre [[Mythologie]] ein, wenn er auch nicht den Stellenwert beispielsweise des [[Kojote]]n oder der [[Webspinnen|Spinne]] erreichte. Dem Wapiti werden Eigenschaften wie Graziösität, Sanftmütigkeit und Dankbarkeit zugeschrieben. Außerdem soll er ausgleichend und vermittelnd sein. Weiter ist er bekannt dafür, dass er versteht, was er braucht, um zu überleben. Verschiedene Indianerstämme begingen [[Zeremonie]]n zu Ehren des Wapitis. Solche Zeremonien verfolgten auch immer den Zweck, die Kräfte der Wapitis auf sich zu übertragen. Die Bedeutung des Wapitis spiegelt sich auch in den Namen bedeutender [[Medizinmann|Medizinmänner]] von Jäger-Völkern wider. Beispiele hierfür sind die beiden [[Lakota]]-Indianer [[Black Elk]] (Schwarzer Wapiti - auch als Schwarzer Hirsch bekannt) und [[Elk Head]] (Wapiti-Kopf). Heute stellen Wapitis ein sehr beliebtes Motiv für [[Fetischismus (Religion)|Fetische]], Schnitzereien und andere Kunsthandwerke sowie für gemalte Bilder dar. Zwischen dem Yellowstone-Nationalpark und der Ortschaft [[Cody (Wyoming)|Cody]] in Wyoming ist ein Tal nach ihnen [[Wapiti Valley]] benannt. == Literatur == * Valerius Geist: ''Elk Country''. Northword Press, Minocqua WI 1991, 1993, ISBN 1-55971-208-2 * D. E. Toweill, J. W. Thomas, R. E. McCabe: ''North American Elk. Ecology and Management''. Smithsonian Books, Washington DC 2002, ISBN 1-58834-018-X * {{cite journal |author=Polziehn RO, Strobeck C |title=Phylogeny of wapiti, red deer, sika deer, and other North American cervids as determined from mitochondrial DNA |journal=Mol. Phylogenet. Evol. |volume=10 |issue=2 |pages=249–58 |year=1998 |month=October |pmid=9878235 |doi=10.1006/mpev.1998.0527 |url=}} * {{cite journal |author=Polziehn RO, Strobeck C |title=A phylogenetic comparison of red deer and wapiti using mitochondrial DNA |journal=Mol. Phylogenet. Evol. |volume=22 |issue=3 |pages=342–56 |year=2002 |month=March |pmid=11884159 |doi=10.1006/mpev.2001.1065 |url=}} * Randi, E., Mucci, N., Claro-Herguetta, F., Bonnet, A., Douzery, E.J.P., 2001. A mitochondrial DNA control region phylogeny of the Cervinae : speciation in Cervus and its implications for conservation. Anim. Conserv. 4, 1–11. * {{cite journal |author=Mahmut H, Masuda R, Onuma M, ''et al.'' |title=Molecular phylogeography of the red deer (Cervus elaphus) populations in Xinjiang of China: comparison with other Asian, European, and North American populations |journal=Zool. Sci. |volume=19 |issue=4 |pages=485–95 |year=2002 |month=April |pmid=12130826 |doi= |url=http://www.bioone.org/doi/full/10.2108/zsj.19.485}} == Weblinks == {{Commons|Cervus elaphus}} * [http://www.hww.ca/hww2.asp?id=98 Detaillierte Hinterland Who's Who: Wapitis] (engl.) * [http://animaldiversity.ummz.umich.edu/accounts/cervus/c._elaphus.html Animal Diversity Web: Wapitis] (engl.) * [http://www.nsrl.ttu.edu/tmot1/cervelap.htm Wapitis in Texas] (engl.) == Einzelnachweise == <references/> {{Exzellent}} [[Kategorie:Hirsche]] {{Link FA|en}} {{Link FA|hu}} {{Link GA|zh}} [[bg:Уапити]] [[br:Wapiti]] [[ca:Uapití]] [[chy:Mo'ehe]] [[cs:Wapiti]] [[en:Elk]] [[eo:Kanada cervo]] [[es:Cervus canadensis]] [[fi:Vapiti]] [[fr:Wapiti]] [[he:אייל קנדי]] [[hu:Vapiti]] [[it:Cervus canadensis]] [[ja:アメリカアカシカ]] [[kk:Вапити]] [[ko:와피티사슴]] [[lv:Vapiti]] [[ml:എൽക്]] [[nl:Wapiti]] [[no:Wapiti]] [[nv:Dzeeh]] [[pl:Wapiti]] [[pt:Uapiti]] [[ru:Вапити]] [[simple:Wapiti]] [[sr:Вапити]] [[sv:Wapitihjort]] [[tl:Cervus canadensis]] [[tr:Kanada geyiği]] [[zh:加拿大馬鹿]] a6r8fz6a67dmkk9bqxgrh9q00nu0prj wikitext text/x-wiki Wappen Argentiniens 0 24474 28376 27910 2011-09-14T04:37:39Z 201.212.130.187 [[Datei:Coat_of_arms_of_Argentina.svg|thumb|130px|Das heutige Wappen Argentiniens]] Das '''Wappen Argentiniens''' (offizieller Name: ''Escudo Nacional Argentino'', Argentinisches Nationalwappen) wurde in seiner heutigen Form 1944 festgelegt, geht aber ohne große Veränderungen zurück auf die erste offizielle Version von 1813. == Blasonierung == Der [[Wappenschild]] [[Argentinien]]s hat die Form einer [[Ellipse]] im Verhältnis 14:11. Die auf der Hauptachse stehende Ellipse ist geteilt von ''celeste'' (hellblau) und silber (weiß) und somit in den Nationalfarben gehalten. [[Datei:Phrygian_cap.svg|thumb|left|110px|Phrygische Mütze]] Der Schild zeigt zwei sich über beide Felder [[Hand (Heraldik)|treue Hände]], die die [[Einigkeit]] und [[Brüderlichkeit]] der argentinischen Provinzen symbolisieren sollen. Die beiden Hände halten einen Stab (''Pica'') auf dem eine rote [[phrygische Mütze]] (''Gorro Frigio'', offiziell: ''gorro de gules'', rote Mütze) steckt. Der Stab soll die Bereitschaft zur Verteidigung der [[Freiheit]] darstellen. Die Mütze soll in Anlehnung an die [[Jakobiner]] während der [[Französische Revolution|Französischen Revolution]] die republikanische Gesinnung der nach Freiheit von [[Spanien]] strebenden Argentinier symbolisieren. Das Wappen Argentiniens spiegelt somit durch seine Symbole den Dreiklang der Französischen Revolution wider - [[Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit|Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit]]. [[Datei:Inti der Sonnengott Ausschnitt.png|thumb|right|110px|Darstellung des Sonnengottes Inti (1616)]] Auf dem Schild ruht eine aufgehende Sonne mit 21 abwechselnd geraden und geflammten Sonnenstrahlen, die den Aufstieg Argentiniens symbolisieren soll. Elf der 21 Strahlen sind gerade. Das [[Symbol|Sonnensymbol]] (''Sol de Mayo'' = Maisonne; aber auch [[Inka]]sonne genannt) tauchte auch seit April 1813 in der [[Flagge Argentiniens]] auf. Die Sonnenscheibe mit einem Gesicht, umgeben von Sonnenstrahlen, symbolisierte in der [[Inka]]mythologie den Sohn [[Inti (Gottheit)|Inti]] des göttlichen Schöpfers [[Viracocha]]. Um den Schild ranken sich zwei [[Lorbeer]]zweige, welche den (militärischen) Sieg im Unabhängigkeitskampf darstellt. Der linke Zweig hat auf seiner Innenseite 23 und auf seiner Außenseite 25 Blätter. Der rechte Zweig hat auf seiner Innenseite 21 und auf seiner Außenseite 20 Blätter. Die beiden Zweige sind durch ein hellblau-weiß-hellblaues Band miteinander verknotet.<ref>[http://www.edusalta.gov.ar/portal/digesto/descargar.php?archivo=../descargas/digesto/decretos/reglamento_egb.pdf Blasonierung des Wappens, auf S.64]</ref> == Geschichte des Wappens == [[Datei:Flag of Jujuy province in Argentina.gif|thumb|130px|right|[[Datei:FIAV historical.png]]die Fahne Belgranos vom 25. Mai 1812]] Unter dem Eindruck der Französischen Revolution und während der Schwächung Spaniens durch [[die Napoleonischen Kriege auf der Iberischen Halbinsel]] erklärten die Bürger der Stadt Buenos Aires am 25. Mai 1810 die Unabhängigkeit von Spanien ([[Mai-Revolution]]). Diese Unabhängigkeitserklärung hatte zwar zunächst nur lokale Bedeutung und wurde vom spanischen König anfangs ignoriert, sie ebnete aber den Weg für die weiteren Unabhängigkeitsbestrebungen des [[Vizekönigreich des Río de la Plata|Vizekönigreichs des Río de la Plata]] und somit auch des heutigen Argentiniens. In der Folge entstanden die ersten nationalen Symbole des heutigen Argentiniens, wie die Flagge Argentiniens ab Anfang 1812 und das Wappen ab Mitte 1812. Die erste heute noch belegbare Abbildung des argentinischen Wappens taucht auf einer Fahne auf, die auf Geheiß von [[Manuel Belgrano]]s – dem Schöpfer der argentinischen Flagge – angefertigt wurde. Sie wurde am 25. Mai 1812 dem zweiten Jahrestag der Mairevolution von Buenos Aires in der Hauptkirche von [[San Salvador de Jujuy]] von Domherr Juan Ignacio de Gorriti gesegnet. Ein Jahr später schenkte Manuel Belgrano diese Fahne dem jujenischen Volk als Dank für die Unterstützung im Unabhängigkeitskampf, besonders in der Schlacht von [[Salta (Stadt)|Salta]]. Die Fahne wird heute im Flaggensaal des Gouverneurspalasts von Jujuy aufbewahrt. Die ''Bandera Nacional de Nuestra Libertad Civil'' (Nationale Flagge unserer zivilen Freiheit) genannte Fahne ist heute die Flagge der [[Jujuy (Provinz)|Provinz Jujuy]] (Fotos der Original-Fahne: [http://www.ahorajujuy.com.ar/escolar/banderas/banderaj.htm]). Ob das auf der Fahne abgebildete Wappen auf den Entwurf von Manuel Belgrano zurückgeht ist allerdings umstritten oder zumindest heute nicht mehr nachweisbar, da die Autorenschaft des Wappens nicht schriftlich belegt ist. [[Datei:Sello asamblea soberana - Argentina 1813.png|thumb|130px|Das erste Siegel-(Wappen) Argentiniens 1813]] [[Datei:Sello supremo poder ejecutivo - Argentina 1813.jpg|thumb|130px|Das Siegel der ''Obersten Exekutiven Gewalt'' Argentiniens 1813]] Die erste offizielle Verwendung des argentinischen Wappens durch die provisorische Regierung der [[Provincias Unidas del Río de la Plata|Vereinigten Provinzen des Río de la Plata]] (diese umfassten die heutigen Staatsgebiete von Argentinien, Uruguay und des bolivianischen Departamentos Tarija) fand im Jahr 1813 statt, als der Abgeordnete der ''Asamblea General Constituyente'' (Konstituierende Generalversammlung) [[Agustín Donado]] aus [[San Luis (Provinz)|San Luis]] beauftragt wurde, einen Ersatz für das bis dahin genutzt [[Siegel]] des [[Vizekönigreich des Río de la Plata|Vizekönigreichs des Río de la Plata]] – welches dem Wappen [[Karl IV. (Spanien)|Karl IV. von Spanien]] entsprach – zu entwerfen. Donado betraute den Graveur [[Juan de Dios Rivera]] mit dieser Arbeit. Am 22. Februar 1813 wurde das Siegel zum ersten Mal genutzt. Dieser Tag wurde später als ''Día del Escudo Nacional'' (Tag des Nationalwappens) festgelegt. Am 12. März 1813 wurde das Siegel offiziell von der Konstituierenden Generalversammlung genehmigt. In dieser Sitzung wurde festgelegt: {| width=70% | :''Hecha una moción en este día por uno de los ciudadanos representantes para que se designe al Supremo Poder Ejecutivo el sello que debe usar en sus diplomas y contestaciones oficiales, se acordó por unanimidad de votos lo siguiente:'' | valign=top | :Entsprechend einem Antrag von einem der abgeordneten Bürger, dass bestimmt werden möge, welches Siegel die Oberste Exekutive Gewalt (Supremo Poder Ejecutivo) für seine Urkunden und offiziellen Bescheide benutzen möge, wurde einstimmig folgendes bestimmt: |- | :''La Asamblea General Constituyente ordena que el Supremo Poder Ejecutivo use el mismo sello de este Cuerpo Soberano, con la única diferencia de que la inscripción del círculo deberá ser „Supremo Poder Ejecutivo de las Provincias Unidas del Río de la Plata“'' | valign=top | :Die Konstituierende Generalversammlung (Asamblea General Constituyente) befiehlt der Obersten Exekutiven Gewalt, das gleiche Siegel wie das der Konstituierenden Generalversammlung zu nutzen, mit dem einzigen Unterschied, dass die zirkulare Inschrift „Supremo Poder Ejecutivo de las Provincias Unidas del Río de la Plata“ laute. |} Am 27. April des gleichen Jahres wurde außerdem festgelegt, dass das spanische, königliche Wappen an öffentlichen Plätzen oder in Wappen oder Flaggen offizieller Körperschaften durch das nationale Siegel ersetzt werde. Das Siegel der Konstituierenden Generalversammlung wurde somit zum Nationalsymbol. [[Datei:Bandera de los andes - san martin - bandera de mendoza.jpg|130px|thumb|left|''Bandera de los Andes'' - Fahne der Anden-Armee 1817]] Die Anden-Armee ([[Andenarmee|Ejército de los Andes]]) des südamerikanischen Freiheitskämpfers [[José de San Martín]] führte in den Jahren 1817 und 1818 während der Überquerung der Anden und des Befreiungskrieges in [[Chile]] eine 1816 geschaffene, hellblau-weiße Fahne mit. Diese Fahne war mit dem [[Siegel]] der Regierung versehen. Allerdings wird von einigen Quellen betont, dass es sich hierbei um eine reine [[Fahne|Militärfahne]] handelte und nicht um eine [[Flagge|nationale Flagge]]. Die heutige Flagge der [[Mendoza (Provinz)|Provinz Mendoza]] entspricht der Fahne der Anden-Armee. [[Datei:50 Centavos 1883.jpg|thumb|50 Centavos (1883)]] In der Zeit zwischen 1813 und 1944 erfuhr das Nationalwappen wiederholt Modifikationen. So wurde zum Beispiel die aufgehende Sonne weggelassen, die Jakobinermütze schief auf den Stab gesetzt oder die Proportionen der Ellipse verändert. Ein Beispiel hierfür ist die rechts abgebildete Münze aus dem Jahr 1883. <br style="clear:both;" /> Erst mit dem präsidialen Dekret Nr. 10302 wurde am 24. April 1944 durch den militärischen De-facto-Präsidenten [[Edelmiro Julián Farrell]] das Wappen genau festgelegt. Das Dekret des Vorgängers von [[Juan Domingo Perón]] sollte den teilweise „launenhaften“ Veränderungen ein Ende setzen und bestimmte: {| width=70% | :''Artículo 5: En adelante se adoptará como representación del escudo argentino, la reproducción fiel del Sello que usó la Soberana Asamblea General Constituyente de la Provincias Unidas del Río de la Plata, el mismo que ésta ordenó en sesión de 12 de marzo de 1813, usase el Poder Ejecutivo.''<ref>[http://infoleg.mecon.gov.ar/infolegInternet/anexos/55000-59999/59311/norma.htm Präsidiales Dekret Nr. 10302 vom 24. April 1944.]</ref> | valign="top" | :Artikel 5: Von nun an wird festgelegt, dass die Darstellung des argentinischen Wappens, die getreue Reproduktion des Siegels sei, welches von der Souveränen Konstituierenden Generalversammlung der Vereinigten Provinzen des Río de la Plata des Jahres 1813 benutzt wurde und dessen Gebrauch für die Exekutivgewalt durch die selbige Versammlung am 12. März 1813 bestimmt wurde. |} == Gebrauch des Wappens == Das Wappen Argentiniens kennzeichnet alle öffentlichen, der Bundesregierung unterstehenden Einrichtungen von Ministerien über Behörden bis zu Universitäten und Schulen. Es wird außerdem vom Präsidenten, der Regierung, dem Parlament sowie von der Bundesjustiz geführt. Auf Flaggen findet sich das Wappen außer auf den im Geschichtsteil erwähnten historischen Flaggen auch auf den modernen [[Rangflagge]]n des Präsidenten und des Verteidigungsministers. Des Weiteren taucht es als nationales Symbol auf vielen historischen und aktuellen Münzen auf. Die erste Abbildung auf einer Münze findet sich auf der ersten argentinischen Münze aus dem Jahr 1813. == Wappen der argentinischen Provinzen == Alle argentinischen Provinzen besitzen ein Wappen; Flaggen werden hingegen noch nicht von allen Provinzen geführt. Die Provinzen, die erst in den 1950er Jahren zur Provinz erhoben wurden (Chaco, Formosa, Misiones sowie alle Provinzen südlich der Linie [[Buenos Aires]]–[[Córdoba (argentinische Provinz)|Córdoba]]–[[San Luis (Provinz)|San Luis]]–[[Mendoza (Provinz)|Mendoza]] mit Ausnahme Tierra del Fuegos, die erst 1990 zur Provinz erhoben wurde) und vormals so genannte Nationalterritorien waren, gaben sich daher erst relativ spät ein eigenes Wappen. {| class="prettytable" ! bgcolor="#FFEBAD" | Provinz || bgcolor="#FFEBAD" width=40 | Lage || bgcolor="#FFEBAD" align="center" width=150 | Wappen || bgcolor="#FFEBAD" width=80 | in Gebrauch seit || bgcolor="#FFEBAD" | Kommentar |- | [[Buenos Aires|Autonome Stadt Buenos Aires]] || width=40 | [[Datei:Argentina Buenos Aires Stadt.PNG|40px|Lage der Autonomen Stadt Buenos Aires]] || align="center" width=150 | [[Datei:Escudo_de_la_Ciudad_de_Buenos_Aires.png|100px|Wappen der Stadt Buenos Aires]] || width=80 | 1923 (geht auf ein Wappen von 1649 zurück) || Das [[Wappen von Buenos Aires|aktuelle Stadtwappen]] wird seit dem 3. Dezember 1923 geführt, geht aber bis auf das Jahr 1649 zurück. Davor wurde das Wappen benutzt, welches heute die Flagge der Stadt zeigt. Das heutige Wappen hat eine [[Ellipse]]nform im Verhältnis 5:6. Es zeigt im oberen Teil eine Taube, die von Strahlen umgeben ist als Zeichen des [[Heiliger Geist|Heiligen Geistes]]. In der Mitte zwei Schiffe (eine [[Karavelle]] und ein [[Brigg]] aus dem 17. Jahrhundert) auf dem [[Río de la Plata]]. Im unteren Teil eine Sandbank, <!-- ?, orig: ''marizada'' --> aus der ein versunkener Anker ragt. |- | [[Buenos Aires (Provinz)|Buenos Aires]] || width=40 | [[Datei:Provincia de Buenos Aires, Argentina.png|40px|Lage der Provinz Buenos Aires]] || align="center" width=150 | [[Datei:Coat_of_arms_of_the_Buenos_Aires_Province.png|100px|Wappen der Provinz Buenos Aires]] || width=80 | 1935 (geht auf frühere Wappen zurück) || Das aktuelle Wappen ist seit dem 10. Oktober 1935 in Gebrauch, geht aber auf den Anfang des 20. Jahrhunderts zurück. Das Wappen der Provinz ist mit dem Wappen Argentiniens fast identisch, es unterscheidet sich nur in den [[Sonnenstrahl]]en, die ausschließlich gerade sind, und den Pflanzen, die das Wappen umranken (rechts: [[Olive]]nstrauch, links: [[Lorbeer]]). |- | [[Catamarca (Provinz)|Catamarca]] || width=40 | [[Datei:Provincia de Catamarca, Argentina.png|40px|Lage der Provinz Catamarca]] || align="center" width=150 | [[Datei:Escudo de Catamarca.PNG|100px|Wappen der Provinz Catamarca]] || width=80 | 1922 (geht auf frühere Wappen zurück) || Das aktuelle Wappen wird seit dem 25. August 1922 geführt. Ein Provinzwappen ist aber seit etwa 1900 in Gebrauch. Das Wappen ist rechteckig im Verhältnis 62:49. Darin befindet sich ein ovales Wappenfeld das wie das argentinische Wappen zwei sich reichende Hände zeigt, die einen Stab mit einer [[Jakobinermütze]] halten. Rechts oberhalb des Ovals befindet sich ein silbernes Kreuz über zwei silbernen Indianerpfeilen, links oberhalb Weintrauben, rechts unterhalb eine goldene Königskrone und links unterhalb ein goldenes Schloss. Das Wappen wird gekrönt von einer aufgehenden Sonne mit acht abwechselnd geraden und geflammten Strahlen. Das Wappen ist umgeben von vier argentinischen Flaggen und zwei Lorbeerzweigen. |- | [[Chaco (Provinz)|Chaco]] || width=40 | [[Datei:Provincia de Chaco, Argentina.png|40px|Lage der Provinz Chaco]] || align="center" width=150 | [[Datei:ChacoCOA.svg|100px|Wappen der Provinz Chaco]] || width=80 | 1955 (geht auf 1888 zurück) || Das aktuelle Wappen wird seit dem 20. Dezember 1955 geführt, es geht aber auf ein Wappen des Jahres 1888 zurück. Das ellipsenförmige Wappen zeigt in seiner Mitte eine Palme und einen Pflug. Das Oval ist umgeben von zwei Lorbeerzweigen und ist gekrönt von einer aufgehenden Sonne mit 23 abwechseln geraden und geflammten Sonnenstrahlen. |- | [[Chubut]] || width=40 | [[Datei:Provincia de Chubut, Argentina.png|40px|Lage der Provinz Chubut]] || align="center" width=150 | [[Datei:Chubut_COA.jpg|100px|Wappen der Provinz Chubut]] || width=80 | 1964 ||Das aktuelle Wappen wurde am 9. Dezember 1964 verabschiedet. Das blaue durch eine gelbe Linie zweigeteilte Wappen zeigt in seiner unteren Hälfte den Staudamm ''Florentino Ameghino'' und in der oberen Hälfte eine Weizenhalm vor dem Schriftzug ''Chubut''. Die gelbe Linie repräsentierte die Flüsse der Provinz, insbesondere den [[Río Chubut]]. Das Wappen wird von einer aufgehenden Sonne gekrönt, deren 15 Strahlen die 15 [[Departamento]]s der Provinz repräsentieren. Umgeben ist das Wappen von zwei Lorbeerzweigen. |- | [[Córdoba (argentinische Provinz)|Córdoba]] || width=40 | [[Datei:Provincia de Córdoba, Argentina.png|40px|Lage der Provinz Córdoba]]|| align="center" width=150 | [[Datei:Escudo heraldico de Cordoba (Argentina).svg|100px|Wappen der Provinz Córdoba]] || width=80 | 1925 (geht auf das 16. Jh. zurück) || Das Wappen der Provinz Córdoba wurde in seiner heutigen Form am 24. Juli 1925 eingeführt. Das Wappen geht aber bis auf die Zeit unmittelbar nach der Stadtgründung Córdobas im Jahre 1573 zurück. Es zeigt eine weiße, steinerne Burg mit drei Türmen, vier Zinnen, einem Torbogen und zwei Fenstern vor rotem Grund. Die Burg ist an seiner Spitze von einer und an den Seiten mit jeweils drei argentinischen Flaggen geschmückt. Zu Füßen der Burg fließen zwei Flüsse ([[Río Primero]] und [[Río Ctalamochita|Río Tercero]]) durch die grüne Landschaft. |- | [[Corrientes (Provinz)|Corrientes]] || width=40 | [[Datei:Provincia de Corrientes, Argentina.png|40px|Lage der Provinz Corrientes]] || align="center" width=150 | [[Datei:COA_Corrientes-argentina.svg|100px|Wappen der Provinz Corrientes']] || width=80 | ? (geht zurück auf ein Wappen von 1822) || Das aktuelle Wappen geht auf einen Entwurf des Jahres 1822 zurück. Es ist Ellipsenförmig und zeigt zwei Hände, die eine Stab mit einer Jakobinermütze festhalten. Unter den Händen ist das so genannte ''Cruz de los Milagros'' (Kreuz der Wunder) abgebildet unter dem Flammen lodern. Diese Darstellung geht auf ein Ereignis während eines Indianerüberfalls im Jahre 1588 zurück bei dem das besagte Kreuz von Indianern angesteckt wurde aber auf wundersame Weise nicht verbrannte. Neben dem Kreuz sind auf der rechten Seite vier und auf der linken Seite drei Landspitzen abgebildet, die die sieben Wasserströme symbolisieren, die in den [[Río Paraná]] fließen und die der [[Corrientes (Stadt)|Stadt Corrientes]] den Namen gaben: ''San Juan de Vera de las Siete Corrientes'' (Heiliger Johannes von Vera der sieben Ströme). |- | [[Entre Ríos (Provinz)|Entre Ríos]] || width=40 | [[Datei:Provincia de Entre Ríos, Argentina.png|40px|Lage der Provinz Entre Ríos]] || align="center" width=150 | [[Datei:Escudo_entre_rios.svg|100px|Wappen der Provinz Entre Rios']] || width=80 | 1967 (geht zurück auf ein Wappen von 1822) || Das erste Provinzwappen, das schon die gleichen Attribute wie das aktuelle zeigte, wurde am 12. März 1822 verabschiedet. Die aktuelle Form wurde am 23. Oktober 1967 festgelegt und zeigt auf einem ellipsenförmigen Schild in der Mitte zwei sich reichende Hände. Im roten Feld darüber ist ein silberner Stern abgebildet, der Friede und Milde symbolisiert und über dem der Schriftzug ''Provincia de Entre Rios'' steht. Unter den Händen ist im gründen Feld die Maisonne mit sechzehn abwechselnd geraden und geflammten Strahlen abgebildet über der der Schriftzug ''Federación, Libertad y Fuerza'' (Föderation, Freiheit und Kraft) steht. Der Wappenschild ist umgeben von einem silbernen Seil und innerhalb von zwei Lorbeerzweigen. Die Farbe Rot symbolisiert den föderativen Status der Provinz und Grün die lebendige Natur der Provinz. |- | [[Formosa (Provinz)|Formosa]] || width=40 | [[Datei:Provincia de Formosa, Argentina.png|40px|Lage der Provinz Formosa]] || align="center" width=150 | [[Datei:COA of Formosa.svg|100px|Wappen der Provinz Formosa]] || width=80 | 1959 || Das Wappen wurde per Gesetz am 7. Juli 1959 festgelegt und hat eine unregelmäßige polygone Form. Das Wappen hat zwei Felder. Das obere ist hellblau und zeigt einen [[Baumwolle|Baumwollsamen]], welcher die landwirtschaftliche und industrielle Produktion der Provinz symbolisiert. Um die Knospe sind neun Sterne abgebildet, die die ''Departamentos'' der Provinz symbolisieren. Im unteren weißen Feld sind zwei sich reichende Hände abgebildet. Über dem Wappenschild ist stilisiert eine aufgehende Sonne abgebildet, unter dem Schild zwei Lorbeerzweige. |- | [[Jujuy (Provinz)|Jujuy]] || width=40 | [[Datei:Provincia de Jujuy, Argentina.png|40px|Lage der Provinz Jujuy]] || align="center" width=150 | [[Datei:Escudo COA Jujuy province argentina.PNG|100px|Wappen der Provinz Jujuy]] || width=80 | 1960 (geht zurück auf ein Wappen von 1834) || Das 1960 verabschiedete Wappen geht auf die silbernen Siegel, die in [[Potosí]] für die Provinzregierung gemacht wurden zurück. Das aktuelle Wappen zeigt zwei Hände, die einen Stab mit einer Jakobinermütze festhalten. Die Hände befinden sich vor einem zweigeteilten Hintergrund, der oben hellblau und unten weiß ist. Der Wappenschild zeigt zwei Einschnitte mit Rosetten. Gekrönt wird der Schild von einer aufgehenden Sonne und ist umgeben von zwei Lorbeerzweigen. |- | [[La Pampa]] || width=40 | [[Datei:Provincia de La Pampa, Argentina.png|40px|Lage der Provinz La Pampa]] || align="center" width=150 | [[Datei:Arpampa.PNG|100px|Wappen der Provinz La Pampa]] || width=80 | 1964 || Das am 11. Mai 1964 verabschiedete Wappen der Provinz in einem zweigeteilten Wappenschild oben den Baum ''caldén tropical'' und unten einen Reiter mit einer Lanze, der die indigene Bevölkerung repräsentiert. Gekrönt wird der Schild von einer aufgehenden Sonne und eingerahmt durch Weizenähren, welche die Fruchtbarkeit symbolisieren. Hinter dem Schild kreuzen sich zwei Lanzen als Zeichen des Kampfgeistes. |- | [[La Rioja (Provinz)|La Rioja]] || width=40 | [[Datei:Provincia de La Rioja, Argentina.png|40px|Lage der Provinz La Rioja]] || align="center" width=150 | [[Datei:Coat of arms of La Rioja province.png|100px|Wappen der Provinz La Rioja]] || width=80 | 1926 || Das seit dem 5. Juli 1926 geführte Wappen zeigt in einem ellipsenförmigen Wappenschild einen Berg im Dämmerlicht. Gekrönt wird der Schild von einer aufgehenden Sonne und eingerahmt durch zwei Lorbeerzweige. |- | [[Mendoza (Provinz)|Mendoza]] || width=40 | [[Datei:Provincia de Mendoza, Argentina.png|40px|Lage der Provinz Mendoza]] || align="center" width=150 | [[Datei:Mendoza_province_COA.png|100px|Wappen der Provinz Mendoza]] || width=80 | 1941 (geht aber zurück auf ältere Wappen) || Das Wappen wurde per Gesetz am 25. Oktober 1941 festgelegt. Das Wappen zeigt zwei Hände, die einen Stab mit einer Jakobinermütze festhalten. Die Hände befinden sich vor einem zweigeteilten Hintergrund, der oben hellblau und unten weiß ist. Unter den Händen befindet sich ein [[Füllhorn (Heraldik)|Füllhorn]], welches seinen Reichtum ausgießt. Gekrönt wird der Schild von einer aufgehenden Sonne und ist umgeben von zwei Lorbeerzweigen. |- | [[Misiones (Argentinien)|Misiones]] || width=40 | [[Datei:Provincia de Misiones, Argentina.png|40px|Lage der Provinz Misiones]] || align="center" width=150 | [[Datei:Esc mis.jpg|100px|Wappen der Provinz Misiones]] || width=80 | 1959 || Das Wappen wird seit dem 30. Dezember 1959 geführt und zeigt innerhalb des ovalen Wappenschildes die [[Iguaçu-Wasserfälle|Iguazú-Wasserfälle]] im Norden der Provinz. Über den Wasserfällen ist eine aufgehende Sonne abgebildet über der wiederum zwei Missionars-Stäbe sowie Pfeil und Bogen gezeigt werden. Letztere symbolisieren die indigene Bevölkerung der Provinz, die Stäbe spanische Herrschaft. Über und unter dem Schild steht der Schriftzug ''Provincia de Misiones'', neben dem Schild sind auf beiden Seiten [[Mate|Yerba Mate]]-Blätter abgebildet, dem landwirtschaftlichen Hauptprodukt der Provinz. |- | [[Neuquén (Provinz)|Neuquén]] || width=40 | [[Datei:Provincia de Neuquén, Argentina.png|40px|Lage der Provinz Neuquén]] || align="center" width=150 | [[Datei:Escudo_de_Neuquen_(Provincia_de_Argentina).svg|100px|Wappen der Provinz Neuquén]] || width=80 | 1958 || Der Wappenschild ist ein unregelmäßiges Polygon, welches von einer aufgehenden Sonne gekrönt wird und das unten von zwei Lorbeerzweigen eingerahmt wird. Im Wappenschild befindet sich die Silhouette des [[Chilenische Araukarie|Pehuén]] oder ''Araucaria'', einen typischen Baum der Provinz. Hinter dem Baum befindet sich der [[Volcán Lanín]]. Umrahmt werden der Baum und der Vulkan unten von zwei Händen, die den Dank für die Gaben der Provinz repräsentiert und oben von 16 goldenen Sternen, welche die 16 [[Departamento]]s der Provinz symbolisieren. |- | [[Río Negro (Provinz)|Río Negro]] || width=40 | [[Datei:Provincia de Río Negro, Argentina.png|40px|Lage der Provinz Río Negro]] || align="center" width=150 | [[Datei:ESCUDO rio negro.jpg|100px|Wappen der Provinz Río Negro]] || width=80 | 1969 || Der ovale Wappenschild zeigt einen Indianer, der den Stamm der [[Comahue]] repräsentiert. Über dem Indianer sind 13 Sterne als Zeichen der Departamentos abgebildet. Gekrönt wird der Schild von einer aufgehenden Sonne und ist umgeben von zwei Lorbeerzweigen. Unterhalb des Schildes sind ein Kreuz als Zeichen für die Religion und ein [[Käppi]] als Zeichen für den Kampf in der Eroberung der Wüste abgebildet. |- | [[Salta (Provinz)|Salta]] || width=40 | [[Datei:Provincia de Salta, Argentina.png|40px|Lage der Provinz Salta]] || align="center" width=150 | [[Datei:Escudo_COA_Salta_province_argentina.svg|100px|Wappen der Provinz Salta]] || width=80 | 1946 (geht zurück auf frühere Wappen) || Der ovale Wappenschild mit blauem Grund zeigt einen silbernen sechszackigen Stern vor dem die Maisonne abgebildet ist. Die Sonne symbolisiert den Unabhängigkeitskampf, der Stern entspricht dem Stern der 1817 General [[Martín Miguel de Güemes]] im so genannten ''Guerra Gaucha'' (Gauchokrieg) verliehen wurde. Umgeben ist der Wappenschild von zwei Lorbeerzweigen. |- | [[San Juan (Provinz)|San Juan]] || width=40 | [[Datei:Provincia de San Juan, Argentina.png|40px|Lage der Provinz San Juan]] || align="center" width=150 | [[Datei:Arsjuan2.PNG|100px|Wappen der Provinz San Juan]] || width=80 | 1962 (geht auf 1821 und 1911 zurück) || Das seit dem 9. Mai 1962 geführte Wappen entspricht überwiegend dem Nationalwappen. Der Schild ist allerdings von einer Sonne mit 19 geraden Strahlen für die ''Departamentos'' gekrönt. |- | [[San Luis (Provinz)|San Luis]] || width=40 | [[Datei:Provincia de San Luis, Argentina.png|40px|Lage der Provinz San Luis]] || align="center" width=150 | [[Datei:Escudo de San Luis ARG.png|100px|Wappen der Provinz San Luis]] || width=80 | 1939 (geht zurück auf ein Wappen von 1836) || Das Wappen seit dem 27. Oktober 1939 festgelegte Wappen, zeigt eine typische Landschaft der Provinz mit heute in der Provinz ausgestorbenen Tieren (''Venados'' oder [[Pampashirsch]]e) vor vier Bergen über denen eine Sonne scheint. Das Wappen ist von zwei Lorbeerzweigen umrahmt. |- | [[Santa Cruz (Argentinien)|Santa Cruz]] || width=40 | [[Datei:Provincia de Santa Cruz, Argentina.png|40px|Lage der Provinz Santa Cruz]] || align="center" width=150 | [[Datei:Coat of arms of Santa Cruz.svg|100px|Wappen der Provinz Santa Cruz]] || width=80 | 1959 || Das 25. September 1959 verabschiedete und seit dem 9. Oktober 1959 geführte, ovale Wappen zeigt im unteren, weißen Feld die Maisonne mit dem Schriftzug ''Provincia de Santa Cruz'' darunter und im oberen hellblauen Feld den Berg [[Fitz Roy]] (''El Chaltén''), über den am Nachtfirmament das [[Kreuz des Südens]] steht. Der Schild ist von zwei Lorbeerzweigen umgeben. |- | [[Santa Fe (Provinz)|Santa Fe]] || width=40 | [[Datei:Provincia de Santa Fe, Argentina.png|40px|Lage der Provinz Santa Fe]] || align="center" width=150 | [[Datei:Arstafe2.gif|100px|Wappen der Provinz Santa Fe]] || width=80 | 1937 || Das ovale Wappen wird in seiner Mitte horizontal in zwei Felder geteilt. Das obere ist blau und das untere grau. Es zeigt zwei gekreuzte Indianerpfeile, die mit den spitzen nach unten zeigen und dahinter eine aufrechtstehende Lanze. Diese Darstellung soll den Sieg der Zivilisation (Lanze) über die Indianer (Pfeile) darstellen und wird von 23, die ''Departamentos'' darstellenden, goldenen Sternen umrahmt. Um den Wappenschild ranken sich zwei Lorbeerzweige. |- | [[Santiago del Estero (Provinz)|Santiago del Estero]] || width=40 | [[Datei:Provincia de Santiago del Estero, Argentina.png|40px|Lage der Provinz Santiago del Estero]] || align="center" width=150 | [[Datei:Escudo de la Provincia de Santiago del Estero.png|100px|Wappen der Provinz Santiago del Estero]] || width=80 | 1915 (geht auf frühere Wappen zurück) || Das Wappen der Provinz Santiago del Estero wurde in seiner heutigen Form durch Gesetz am 4. November 1915 festgelegt und entspricht in der Symbolik weitestgehend dem argentinischen Nationalwappen. |- | [[Tierra del Fuego (Argentinien)|Tierra del Fuego]] || width=40 | [[Datei:Provincia de Tierra del Fuego, Antártida e Islas del Atlántico Sur, Argentina.png|40px|Lage der Provinz Tierra del Fuego]] || align="center" width=150 | [[Datei:Escudo_COA_Tierra_del_Fuego_Province_Argentina.svg|100px|Wappen der Provinz Tierra del Fuego]] || width=80 | 1990 || Das Provinzwappen wurde per Gesetz am 26. April 1990 festgelegt. Es ist ellipsenförmig und zeigt auf seinem Schild vier [[Pinguine]] vor einem Gewässer und dem höchsten Berg der Provinz, den [[Cornú]], hinter dem die zehnstrahlige Sonne aufgeht. Der Schild ist umrahmt von Flammen als Referenz an den Namen der Insel [[Feuerland]] und der stilisierten Darstellung eines [[Albatrosse|Albatros]]. |- | [[Tucumán (Provinz)|Tucumán]] || width=40 | [[Datei:Provincia de Tucumán, Argentina.png|40px|Lage der Provinz Tucumán]] || align="center" width=150 | [[Datei:Escudo_COA_Tucuman_province_argentina.svg|100px|Wappen der Provinz Tucumán]] || width=80 | 1946 (geht auf frühere Wappen zurück) || Das Wappen der Provinz ist mit dem argentinischen Wappen praktisch identisch. Allerdings wird es nicht von einer aufgehenden Sonne gekrönt. |} == Literatur == * Luis Cánepa: ''Historia de los Símbolos Nacionales Argentinos''. Editorial Albatros, Buenos Aires 1953. * Adolfo Enrique Rodriguez: ''Escudos provinciales de la Argentina''. Consejo Federal de Inversiones (CFI), Buenos Aires 1996. ISBN 950-9899-90-9 * Dardo Corvalán Mendilaharsu: ''Los símbolos patrios. Bandera-Escudo-Himno Nacional''. 1994. == Weblinks == * [http://infoleg.mecon.gov.ar/infolegInternet/anexos/55000-59999/59311/norma.htm Gesetzestext zum Wappen: Dekret 10302/44 ''Que el Escudo, la Bandera, el Himno y su letra son los símbolos de la soberanía de la Nación''] (spanisch) * [http://www.guerriniisland.com/trabajos/marca_pais_estado/manual/escudo/escudo.html Manual de Identidad Visual del Gobierno de la Nación – El Escudo Nacional (Designhandbuch zur Verwendung des Wappens)] (spanisch) * [http://www.galeon.com/escudos/ Ausführliche Beschreibung des National- und der Provinzwappen] (spanisch) * [http://www.angelfire.com/realm/jolle/ Unter Argentinien findet sich eine ausführliche Sammlung von historischen und aktuellen Wappen Argentiniens und seiner Provinzen] (spanisch) == Quellenangaben == <references/> {{Navigationsleiste Wappen Staaten Südamerikas}} {{Exzellent}} [[Kategorie:Staatswappen|Argentinien]] [[Kategorie:Nationales Symbol (Argentinien)]] [[ar:شعار الأرجنتين]] [[bg:Герб на Аржентина]] [[bpy:আর্জেন্টিনার চিনত্হান]] [[bs:Grb Argentine]] [[ca:Escut de l'Argentina]] [[el:Εθνόσημο της Αργεντινής]] [[en:Coat of arms of Argentina]] [[es:Escudo de la República Argentina]] [[et:Argentina vapp]] [[fi:Argentiinan vaakuna]] [[fr:Écu de l'Argentine]] [[he:סמל ארגנטינה]] [[hr:Grb Argentine]] [[hu:Argentína címere]] [[it:Stemma dell'Argentina]] [[ja:アルゼンチンの国章]] [[ko:아르헨티나의 국장]] [[lt:Argentinos herbas]] [[nl:Wapen van Argentinië]] [[no:Argentinas riksvåpen]] [[pl:Godło Argentyny]] [[pt:Brasão de armas da Argentina]] [[ru:Герб Аргентины]] [[sh:Grb Argentine]] [[sv:Argentinas statsvapen]] [[tr:Arjantin arması]] [[yo:Coat of arms of Argentina]] [[zh:阿根廷国徽]] ibgss61adiobc45lf3dbmkksaloerph wikitext text/x-wiki Wappen Württembergs 0 24475 27076 2010-03-08T01:43:18Z TXiKiBoT 0 Bot: Ergänze: [[nl:Wapen van Württemberg]] Das '''Wappen Württembergs''' war bis 1806 in erster Linie das Erkennungszeichen der Mitglieder des [[Haus Württemberg|Herrscherhauses]]. Erst nach der Erhebung [[Württemberg]]s zum Königreich wurde zwischen dem Staatswappen und den persönlichen Wappen der königlichen Familie unterschieden. Im Laufe der Zeit durchlief das Wappen viele Änderungen; diese spiegelten territoriale Zuwächse, Rangänderungen der Herrscher oder Änderungen der Staatsform wider. Auch wenn die Existenz des Landes Württemberg 1945 endete und es 1952 in [[Baden-Württemberg]] aufging, sind die verschiedenen Wappen Württembergs noch immer vielfach an öffentlichen Bauten zu sehen. Die bekanntesten unter ihnen dürften das Stammwappen Württembergs, die beiden Wappen des Herzogtums zwischen 1495 und 1789 sowie das Wappen des [[Königreich Württemberg|Königreichs Württemberg]] sein. == Wappen der Grafen von Württemberg (bis 1495) == === Hirschstangen-Wappen === Bis Ende des 12. Jahrhunderts sind Nachrichten über das Geschlecht der Württemberger spärlich. Der erste bekannte Siegelabdruck ist von Graf Konrad aus dem Jahr 1228 überliefert. Er zeigt bereits das Stammwappen des Hauses Württemberg: drei liegende [[Hirschstange]]n übereinander. Es wird angenommen, dass die Württemberger das Wappen Ende des 12. Jahrhunderts von den [[Grafschaft Veringen|Grafen von Veringen]] übernahmen, nachdem [[Hartmann I. (Württemberg)|Graf Hartmann]], der Vater Konrads, deren Erbtochter geheiratet hatte. Nach dem Bericht im ''Clipearius Teutonicorum'' Mitte des 13. Jahrhunderts führten beide Familien die Hirschstangen in Schwarz auf gelbem Schild.<!-- Alberti, Seite V --> Auch in der [[Zürcher Wappenrolle]] um 1330 erscheint das Wappen der Württemberger in dieser Form, während die veringischen Hirschstangen nunmehr rot sind. Die beiden württembergischen Linien, die sich in der Nachfolge Hartmanns gebildet hatten, sind in der Zürcher Wappenrolle durch ihre [[Helmkleinod|Helmzier]] unterschieden: Die jüngere Linie zeigt ein Jagdhorn, die ältere, später ausgestorbene Linie [[Grüningen-Landau]] einen Helm mit Pfauenfedern. Nicht in dieses Bild passt ein Siegel aus dem Jahr 1238, das aus einer nur in Abschrift erhaltenen Urkunde bekannt ist und auf einem Dreiberg drei Türme zeigt. Wegen der spärlichen Überlieferung bleiben seine genauen Hintergründe im Dunkeln; es wird angenommen, dass es infolge der Heirat [[Ludwig II. (Württemberg)|Ludwigs&nbsp;II.]], dem Vater Hartmanns, mit der Tochter des Grafen von Kirchberg von diesem übernommen wurde.<!-- Schukraft, Seite 15 --> Jedenfalls scheint es nur kurzfristig in Gebrauch gewesen zu sein, da von ihm keine weiteren Überlieferungen bekannt sind. Stattdessen entwickelten sich die Hirschstangen zum württembergischen Stammwappen und waren bei allen nachfolgenden Wappenänderungen an prominenter Stelle vertreten. <gallery> Bild:Siegel Ulrich I Wuerttemberg 1259.jpg|Siegel [[Ulrich I. (Württemberg)|Graf Ulrichs I.]] von 1259 Bild:ZuericherWappenrolleWuerttemberg.jpg|Württemberg und Nellenburg in der Zürcher Wappenrolle Bild:ZuericherWappenrolleLandau.jpg|Veringen und Landau in der Zürcher Wappenrolle Bild:WuerttembergSiegel1238.jpg|Siegel von 1238 </gallery> === Mömpelgard und die württembergische Teilung im 15. Jahrhundert === Eine erste Änderung des Wappenbilds ergab sich Mitte des 15. Jahrhunderts, nachdem [[Eberhard IV. (Württemberg)|Eberhard IV.]] 1407 [[Henriette von Mömpelgard]] geheiratet hatte. Durch die dort zulässige weibliche Erbfolge fiel nach ihrem Tod 1444 das linksrheinische [[Montbéliard|Mömpelgard]] an ihren Sohn [[Ludwig I. (Württemberg-Urach)|Ludwig I.]] aus der Uracher Linie, die sich kurz zuvor von der Stuttgarter Linie unter [[Ulrich V. (Württemberg)|Ulrich V.]] abgespalten hatte. Die Uracher Grafen führten ab diesem Zeitpunkt ein geviertes Wappen, wobei im 1. und 4. Feld die Hirschstangen standen und im 2. und 3. Feld das Wappen Mömpelgards, in Rot zwei pfahlweis abgekehrte goldene [[Barben]]. Das Wappen der Stuttgarter Grafen änderte sich zunächst nicht. Erst im [[Uracher Vertrag]] von 1473 vereinbarten beide Linien, sich fortan „Grafen von Württemberg und Mömpelgard“ zu nennen und das entsprechende Wappen zu führen.<!-- Schukraft, Seite 47 --> <gallery> Bild:Ingeram Codex 089.jpg|getrennte Wappen Mömpelgard und Württemberg im [[Ingeram-Codex]], 1459 Bild:WappenUlrichV.jpg|Wappen [[Ulrich V. (Württemberg)|Graf Ulrichs V.]] von Württemberg-Stuttgart in [[Waiblingen]] Bild:WappenWürttembergWaiblingen.jpg|Wappen [[Eberhard I. (Württemberg, Herzog)|Graf Eberhards&nbsp;V.]] von 1491, ebenfalls in Waiblingen </gallery> == Wappen der Herzöge von Württemberg (1495 bis 1803) == === Vierteiliges Wappen (1495 bis 1705) === [[Eberhard I. (Württemberg, Herzog)|Eberhard im Bart]] erreichte auf dem [[Reichstag zu Worms (1495)|Reichstag zu Worms]] im Jahr 1495 die Erhebung der inzwischen wiedervereinigten Grafschaft zum Herzogtum Württemberg. Aus diesem Anlass nahm er ein neues, geviertes Wappen an, das im ersten Feld die Hirschstangen, im vierten Feld die Barben zeigte. Das zweite Feld war diagonal von Gold und Schwarz gerautet, wobei es sich um das Wappen der ausgestorbenen [[Herzöge von Teck]] handelte. Deren Stammbesitz hatten die Württemberger bereits im 14. Jahrhundert erworben, weshalb [[Maximilian I. (HRR)|Kaiser Maximilian]] Eberhard erlaubt hatte, Titel und Wappen eines Herzogs von Teck zu führen. Die [[Reichssturmfahne]] im dritten Feld erinnerte daran, dass die Württemberger das Amt eines Reichsbannerträgers innehatten. Diese (eher symbolische) Würde, die mit dem Besitz von [[Markgröningen]] verbunden war, war [[Ulrich III. (Württemberg)|Graf Ulrich III.]] 1336 verliehen worden. Dieser Wappenschild behielt 210 Jahre lang seine Gültigkeit. Im Vollwappen wurden ihm zunächst zwei Helmzieren aufgesetzt, das bereits zuvor verwendete rote Jagdhorn sowie die tecksche Helmzier, ein gold-schwarz gerauteter [[Bracke (Hund)|Bracken]]-Rumpf, womit die beiden Herzogstitel nochmals betont wurden. Eberhard im Bart setzte in seinem Siegel als persönliche Beizeichen noch eine [[Palmengewächse|Palme]] und seinen [[Wahlspruch]] ''„Attempto“'' (''Ich wag's'') hinzu, die auf seine Pilgerreise nach [[Jerusalem]] hinwiesen. Eberhards Nachfolger als Herzöge ersetzten diese durch ihre eigenen Beizeichen, ließen das Wappen aber sonst unverändert. Als [[Ulrich (Württemberg)|Herzog Ulrich]] 1519 aus seinem Land vertrieben wurde, übernahm [[Geschichte Österreichs#Die habsburgischen Länder in der frühen Neuzeit|Österreich]] die Herrschaft. Der als Gouverneur eingesetzte [[Ferdinand I. (HRR)|Erzherzog Ferdinand]] schuf zu diesem Zweck ein neues Wappen. Dieses war geviert, wobei alle Felder nochmals gespalten waren: im 1. und 4. Feld der [[Bundeswappen Österreichs|österreichische Bindenschild]] und die blau-gelben Schrägbalken von [[Burgund]], im 2. und 3. Feld Hirschstangen und Rauten von Württemberg bzw. Teck. Im goldenen [[Herzschild]] stand ein schwarzer Adler, der z.T. nochmals einen Brustschild mit dem Wappen Österreich/Burgunds trug. Mit der Rückkehr Herzog Ulrichs 1534 verschwand dieses Wappen. Ulrich erhielt sein Gebiet im [[Vertrag von Kaaden|Kaadener Vertrag]] aber nur als österreichisches [[Afterlehen]] zurück, und auch als Herzog [[Friedrich I. (Württemberg, Herzog)|Friedrich I.]] 1599 die Rückwandlung Württembergs in ein Reichslehen erkaufte, wurde den Habsburgern eine Anwartschaft auf das Land eingeräumt für den Fall, dass das Haus Württemberg in männlicher Linie aussterben sollte. Als Zeichen dieses Anspruchs wurden die Hirschstangen weiterhin im Wappen der Erzherzöge von Österreich geführt und erschienen selbst 1804 noch im großen Wappen des [[Kaisertum Österreich|Kaisertums Österreich]]. Erst 1805 beendete der [[Friede von Pressburg]] die österreichischen Ansprüche. <gallery> Bild:WappenWuerttembergWeinsberg.jpg|Schlussstein der [[Johanneskirche (Weinsberg)|Johanneskirche]] in [[Weinsberg]] von 1510 Bild:WappenWürttembergAlteKanzlei1.jpg|Wappen aus der Zeit [[Ulrich (Württemberg)|Herzog Ulrichs]] an der Alten Kanzlei in Stuttgart Bild:WappenWuerttembergOesterreich.jpg|Österreichisches Regentschaftswappen im [[Kloster Lorch]] Bild:Erzherzogtum Österreich 1605.jpg|Wappen des Erzherzogshaus Österreichs mit württembergischen Hirschstangen und Barben von Mömpelgard </gallery> Die Linie Württemberg-Mömpelgard, deren linksrheinisches Gebiet nicht in das Herzogtum miteinbezogen worden war, führte zunächst das alte gräfliche Wappen weiter.<!-- Schukraft, Seite 80 --> Als jedoch die Stuttgarter Linie des Hauses ausstarb und [[Friedrich I. (Württemberg, Herzog)|Friedrich I.]] aus der Mömpelgarder Linie 1593 Herzog wurde, übernahm er das herzogliche Wappen und ergänzte es durch eine dritte Helmzier in Form eines rotgekleideten Frauenrumpfs mit zwei Fischen anstelle der Arme; dieses war die Helmzier der Grafen von Mömpelgard.<!-- Alberti, Seite XI --> Unter den Nachkommen Friedrichs entstanden mehrere Seitenlinien des Hauses. Die meisten von ihnen führten das Familienwappen ohne weitere Unterscheidungsmerkmale, lediglich die 1648 durch [[Silvius Nimrod (Württemberg-Oels)|Herzog Silvius Nimrod]] entstandene Seitenlinie [[Württemberg-Oels]] ergänzte es durch einen Herzschild mit dem [[Schlesien|schlesischen]] Adler.<!-- Schukraft. Seite 144/148 --> <gallery> Bild:WappenWürttembergAlteKanzlei2.jpg|Wappen aus der Zeit [[Friedrich I. (Württemberg, Herzog)|Herzog Friedrichs I.]] an der Alten Kanzlei in Stuttgart Bild:WappenWuerttembergOels.jpg|Wappen der Herzöge von Württemberg-Oels </gallery> === Vierteiliges Wappen mit Herzschild (1705 bis 1789) === Die nächste Änderung des Wappenschilds ergab sich unter [[Eberhard Ludwig (Württemberg)|Herzog Eberhard Ludwig]]. Anlass dazu war ein Streit über das Amt des Reichsbannerträgers, das Württemberg durch die [[Fürstentum Calenberg|Kurfürsten von Hannover]] streitig gemacht wurde (siehe auch Artikel [[Erzamt]]). Nachdem Württemberg den Streit für sich entschieden hatte, wurde das Wappen 1705 geändert. Die ursprüngliche Absicht, die Reichssturmfahne stärker herauszustellen, wurde jedoch aufgegeben. Stattdessen wurden die Hirschstangen in einen Herzschild gesetzt, die übrigen Felder rückten auf, und ins vierte Feld kam in Gold ein rotgekleideter Mannsrumpf („Heidenkopf“), das Wappen der Stadt und Herrschaft [[Heidenheim an der Brenz|Heidenheim]], die Württemberg seit 1536 besaß. Die Zahl der Helme wurde auf fünf erhöht, so dass nun jedem Feld eine Helmzier entsprach.<!-- Alberti, Seiten XI und XII --> Wegen der komplizierten Gestaltung wurden diese Helmzieren auch oft weggelassen und durch einen Herzogshut ersetzt. <gallery> Bild:Röhrenbrunnen FEU 2007.JPG|Wappen [[Eberhard Ludwig (Württemberg)|Herzog Eberhard Ludwigs]] am Röhrenbrunnen in [[Feuchtwangen]] Bild:WappenWürttembergMarbach.jpg|Darstellung des Wappens von [[Karl Alexander (Württemberg)|Herzog Karl Alexander]] am [[Marbach am Neckar|Marbacher]] Stadttor Bild:Wappen Wuerttemberg Eberstadt Brunnen 20080330.jpg|Wappen Herzog [[Karl Eugen (Württemberg)|Karl Eugens]] am Röhrbrunnen in [[Eberstadt (Württemberg)|Eberstadt]] </gallery> === Die Wappenänderung von 1789 === Mehrere Gebietserwerbungen durch [[Karl Eugen (Württemberg)|Herzog Karl Eugen]] sollten 1789 zu einer erneuten Wappenänderung führen. Zunächst brachte der Erwerb der Herrschaft [[Justingen]] 1751 zusätzliche Stimmrechte im [[Schwäbischer Reichskreis|Schwäbischen Kreistag]] sowie im schwäbischen Grafenkollegium des [[Reichstag (HRR)|Reichstags]]. Ein 1780/82 erworbener Teil der [[Schenken von Limpurg|Grafschaft Limpurg]] brachte die Mitgliedschaft im fränkischen Grafenkollegium, und 1784/85 kaufte Karl Eugen noch die Herrschaft [[Bönnigheim]]. Zwei Jahre später brachte der Herzog erstmals den Wunsch zum Ausdruck, diese Zuwächse auch heraldisch zu verewigen. Die Verhandlungen zogen sich jedoch hin, und erst am 2. Dezember 1789 wurde per herzoglichem Befehl das neue Wappen festgelegt. Darin war Bönnigheim als „bloßes Stadtwappen“ nicht berücksichtigt, stattdessen war der Schild geteilt und zweimal gespalten mit Herzschild. Die neuen Felder waren: in Blau ein silberner Dornenschrägbalken (Justingen) bzw. geviert, im 1. und 4. Feld in Rot vier silberne Spitzen, im 2. und 3. Feld in Blau fünf (3:2) silberne Streitkolben (Limpurg). Bekrönt wurde das Wappen von insgesamt sieben Helmen, einem für jedes Feld, mit entsprechenden Helmzierden, und erstmals war das ganze Arrangement in einen Wappenmantel gesetzt. <!-- Adam / Ganerbenblätter 1986 --> Wegen der bekanntgewordenen Absicht des Herzogs, das Bönnigheimer Wappen zu berücksichtigen, und der mehrjährigen Verzögerung bis zur Annahme des neuen Wappens entstand Unsicherheit über seine tatsächliche Gestaltung. Schon vor 1789 schufen sich mehrere Prinzen des Hauses neue Siegel, und die königlichen Eisengießereien fertigten u.a. Brunnenwände mit anderen Schildeinteilungen, in denen auch Bönnigheim vorkam. Diese Sachlage macht es erklärlich, dass dieser Abschnitt der württembergischen Wappengeschichte auch in Fachwerken oft falsch dargestellt wird.<ref>Berichte, nach denen schon 1785 ein neues Wappen unter Einschluss Bönnigheims angenommen wurde, gehen auf einen Irrtum Lebrets von 1818 zurück, der durch Alberti und Adam widerlegt wurde. Siebmachers Wappenbuch datiert die Wappenannahme sogar auf Herzog Karl Alexander 1736, was aber schon deshalb nicht stimmen kann, weil die fraglichen Gebiete zu diesem Zeitpunkt noch nicht württembergisch waren.</ref> <gallery> Bild:WuerttembergWappen1789.jpg|Herzogliches Wappen ab 1789 Bild:WappenHzWuerttembergMaulbronn.jpg|Abweichende Darstellung im [[Kloster Maulbronn]] </gallery> == Kurfürstliches Wappen (1803 bis 1806) == Durch den [[Reichsdeputationshauptschluss]] von 1803 erlangte Württemberg die Kurwürde sowie beträchtliche Gebietszuwächse. Aus diesem Anlass wurde das Wappen wieder erweitert, wobei der nun gespaltene Herzschild mit seiner vorderen Hälfte (Reichssturmfahne) das mit der Kurwürde verbundene [[Erzamt|Erzbanneramt]] besonders hervorhob. An neuen Feldern kam die [[Fürstpropstei Ellwangen]] (in Silber eine goldene [[Inful]]) hinzu, die auf den Sitz der [[neuwürttemberg]]ischen Regierung in Ellwangen hinwies, ebenso die vormalige, mit großem Territorium ausgestattete Reichsstadt [[Schwäbisch Hall|Hall]] (geteilt, oben in Rot ein goldenes Kreuz, unten in Gold eine silberne Schwurhand), ein Reichsadler für die übrigen annektierten Reichsstädte sowie ein blanker „Warteschild“, der die Hoffnung auf weitere Gebietsgewinne widerspiegelte. Bemerkenswert ist, dass die Mömpelgarder Barben weiterhin im Wappen vertreten waren, obwohl die Grafschaft von Frankreich annektiert worden war; die zwei Fische wurden nun als redendes Symbol für die an Württemberg gefallene [[Kloster Zwiefalten|Reichsabtei Zwiefalten]] interpretiert.<!-- Siebmacher --> Die Helmzierden fielen allesamt weg, der Schild stand nur noch in einem Wappenmantel mit Kurfürstenkrone.<!-- Alberti, Seiten XIII/XIV --> Wegen der kleinteiligen und komplizierten Gestaltung dieses Wappens wurde gelegentlich auch nur dessen Herzschild dargestellt, z.&nbsp;B. über dem Portal des Prinzenbaus am heutigen Stuttgarter [[Schillerplatz (Stuttgart)|Schillerplatz]]. Auch Inbesitznahmeplaketten, die in den neuerworbenen Gebieten an öffentlichen Gebäuden angenagelt wurden, hatten die einfache Form, wie das hier abgebildete unberechtigterweise im Fürstentum Hohenzollern angebrachte Exemplar. <gallery> Bild:WuerttembergWappen1803.jpg|Kurfürstliches Wappen Bild:WappenWürttembergPrinzenbau.jpg|Herzschild am Prinzenbau in Stuttgart Bild:117Chur-Württembergische Hoheit.jpg|kurfürstlich württembergische Hoheitstafel </gallery> == Wappen des Königreichs Württemberg (1806 bis 1918) == === Das Wappen von 1806 bis 1817 === Im Ende 1805 abgeschlossenen [[Friede von Pressburg|Pressburger Frieden]] erhielt Württemberg [[vorderösterreich]]ische Gebiete in [[Oberschwaben]] und wurde zum Königreich erhoben, zunächst jedoch ohne aus dem [[Heiliges Römisches Reich|Heiligen Römischen Reich]] auszuscheiden. (Dieser Schritt erfolgte erst ein halbes Jahr später mit der Gründung des [[Rheinbund]]s.) Offiziell verkündet wurde die Annahme der Königswürde durch [[Friedrich I. (Württemberg, König)|Friedrich I.]] am 1. Januar 1806. Mit dieser Rangerhöhung war (wie nicht anders zu erwarten) wieder ein neues Wappen fällig, das jedoch im Unterschied zu früher ein Staatswappen war − als persönliches Wappen behielt Friedrich das kurfürstliche Wappen mit der (lateinischen) Umschrift „Friedrich von Gottes Gnaden König von Württemberg“. Die bedeutendsten Änderungen am Wappenschild waren die Hinzufügung zweier Felder sowie die Änderung des Herzschilds. Die neuen Felder repräsentierten dabei nicht etwa die neu erworbenen Gebiete, sondern griffen alte, lange erloschene Titel wieder auf. Im gespaltenen und gekrönten Herzschild standen nun neben den Hirschstangen drei Löwen, das Wappen der [[Staufer]], die bis zu ihrem Aussterben im 13. Jahrhundert [[Herzogtum Schwaben|Herzöge von Schwaben]] gewesen waren. Mit dieser Symbolik machte König Friedrich seinen Anspruch auf die Nachfolge der Staufer als Herrscher Schwabens deutlich; er nannte sich zunächst „Fürst zu Schwaben“, später „souveräner Herzog in Schwaben“ und hoffte (letztlich vergebens), sein Reich bei der absehbaren nächsten [[Mediatisierung]]s-Runde auf den Umfang des alten Herzogtums ausbauen zu können, d.h. inklusive [[Baden (Land)|Badens]], Teilen der [[Schweiz]] und der Gebiete bis zum [[Lech]].<!-- Schukraft, S. 204 --> Prominent in der ersten Reihe des Hauptschilds war das Wappen der [[Pfalzgrafschaft Tübingen|Pfalzgrafen von Tübingen]] hinzugekommen (in Gold eine rote Kirchenfahne), obwohl deren Gebiete schon seit dem 14. Jahrhundert zu Württemberg gehört hatten und im alten Herzogtum inbegriffen waren; dies entsprach dem Titel eines „Landgrafs zu Tübingen“, den Friedrich 1803 angenommen hatte. Erstmals traten in diesem Wappen [[Schildhalter]] auf, und zwar entsprechend dem Herzschild ein schwarzer Löwe sowie ein goldener Hirsch, die beide zusätzlich eine Reichssturmfahne hielten zum Zeichen des (zu diesem Zeitpunkt noch immer beanspruchten) Erzbanneramts; der Wappenmantel wurde nun mit einer Königskrone abgeschlossen. Mit diesem Wappen war der Höhepunkt der Formenvielfalt in der württembergischen Wappengeschichte erreicht. Wie schon zuvor wurde es in Darstellungen oft auf den Herzschild reduziert, so z.B. in der Verlagsvignette des Hof- und Kanzleidruckers [[Cotta'sche Verlagsbuchhandlung|Cotta]]. Die bald darauf folgenden Gebietserweiterungen von 1806 und 1810 fanden keinen Niederschlag in der Staatsheraldik. <gallery> Bild:Wappen Deutsches Reich - Königreich Württemberg (Grosses).jpg|Königliches Wappen 1806 Bild:Wappen Wuerttembergs Jagstbruecke Doerzbach-Hohebach 20070624.jpg|Herzschild an der Jagstbrücke Hohebach von 1810 </gallery> === Das Wappen ab 1817 === War in der bisherigen Geschichte das Wappen bei jeder Änderung umfangreicher geworden, so trat 1817 erstmals eine Minderung ein. Friedrichs Nachfolger als König, [[Wilhelm I. (Württemberg)|Wilhelm I.]], reduzierte nicht nur seinen Titel auf den eines „Königs von Württemberg“, sondern mit Dekret vom 30. Dezember 1817 auch das Wappen, das im Wesentlichen auf den bisherigen Herzschild reduziert wurde. Das Dekret legte als größeres Wappen einen ovalrunden, mit goldenem Eichenkranz umwundenen Schild fest, auf dem ein Helm und eine Krone saßen; die Schildhalter blieben (ohne Reichssturmfahne) bestehen und standen nun auf einem rot-schwarzen Band mit goldener Inschrift „Furchtlos und trew“<!--sic-->. Im kleineren Wappen fielen Schildhalter, Spruchband und Helm weg, und der Schild war mit einem [[Lorbeer]]- und Palmzweig umkränzt.<ref>Reyscher, ''Sammlung der württembergischen Gesetze'', Band III, Seite 501</ref> Die Farben des Spruchbands entsprachen zugleich den Landesfarben Schwarz-Rot, die ein Jahr zuvor, per Dekret vom 26. Dezember 1816, eingeführt worden waren. Sie lösten die erst am 14. Dezember 1809 eingeführten Farben Schwarz-Rot-Gold ab, durch die die seit [[Friedrich I. (Württemberg, Herzog)|Herzog Friedrich I.]] geltenden Hausfarben, das Mömpelgarder Rot-Gold, um das Schwarz der Hirschstangen ergänzt worden war;<!-- Verhandlungen des Landtags 1921, Seite 2622 unter Berufung auf Schneider, Württembergische Geschichte, S. 480 --> diese Änderung war nicht zuletzt vor dem Hintergrund geschehen, dass [[Trikolore]]n während der Vorherrschaft [[Frankreich]]s beliebt geworden waren. Nach den [[Befreiungskriege]]n war die damit verbundene revolutionäre Symbolik verpönt; jedoch waren Rot-Gelb nun auch die [[Landesfarben]] des neuen Nachbarn Baden, und Schwarz-Gelb waren die [[habsburg]]ischen Farben, so dass als einzige zweifarbige Kombination Schwarz-Rot übrig geblieben war. Im von [[Nikolaus Friedrich von Thouret|Thouret]] stammenden Wappenentwurf war die rechte Vorderpranke des schildhaltenden Löwen rot gefärbt, später wurde dies teilweise auch auf die Vorderpranken der Löwen im Schild übertragen (z.B. im Siebmacherschen Wappenbuch). Dies wurde mit einer Sage erklärt, die staufischen Löwen seien ursprünglich rot gewesen und erst nach der Hinrichtung [[Konradin von Hohenstaufen|Konradins]], des letzten Staufers, schwarz geworden, was jedoch nachweislich nicht stimmt.<ref>Die erste Erwähnung der Farbe Schwarz ist durch Konrad von Mure 1265, drei Jahre vor Konradins Tod, bekannt.</ref> Spätestens Ende des 19. Jahrhunderts wurden die Vorderpranken einheitlich schwarz [[Tingierung|tingiert]].<!-- Steinbruch, S. 194 --> Die Gestaltung des Wappens, in der zwei goldene Schildhälften aneinander stießen, wurde von Wappenkundlern oft kritisiert,<ref>Ströhl nannte es in seiner ''Deutschen Wappenrolle'' von 1897 − vielzitiert − „ein treffliches Beispiel, wie man ein Wappen nicht aufreißen soll.“</ref> so dass es im Laufe der Zeit nicht an Alternativ-Vorschlägen mangelte. Letztlich blieb es jedoch bis zum Ende des Königreichs unverändert. <!-- Seitenlinie Urach: Wappenschild und Schildhalter wie im Wappen des Königreichs, aber mit Wappenmantel und Jagdhorn als Helmzier, vgl. Schukraft S. 254 --> <!-- Seitenlinie Teck: geviert von Rauten und Hirschstangen mit entsprechenden Helmzieren, zwei Löwen als Schildhalter, Wappenmantel, Wahlspruch "Vertrau auf Gott", vgl. Schukraft S. 256 --> <gallery> Bild:Wappen Deutsches Reich - Königreich Württemberg.jpg|Größeres Wappen ab 1817 Bild:WappenKgrWuerttembergMaulbronn.jpg|Kleineres Wappen am Amtsgericht [[Maulbronn]] </gallery> == Wappen des Landes Württemberg nach 1918 == Im November 1918 dankte [[Wilhelm II. (Württemberg)|König Wilhelm II.]] ab, und der [[Freier Volksstaat Württemberg|freie Volksstaat Württemberg]] wurde ausgerufen. Den geänderten Verhältnissen wurde mit einem neuen Wappen Rechnung getragen, das der Landtag am 20. Dezember 1921 verabschiedete. Das ''Gesetz, betreffend Farben und Wappen von Württemberg''<ref>[http://www.verfassungen.de/de/bw/wuerttemberg/wuerttemberg-wappen22.htm Gesetz, betreffend Farben und Wappen von Württemberg] vom 20. Februar 1922 (RegBl 1922, Seite 105)</ref> trat am 20. Februar 1922 in Kraft und legte ein geviertes Wappen fest, wobei Feld 1 und 4 gold mit drei liegenden schwarzen Hirschstangen waren, Feld 2 und 3 hingegen dreimal geteilt von Schwarz und Rot. Als Schildhalter fungierten zwei goldene Hirsche, an Stelle königlicher Insignien wurde der Wappenschild von einer „Volkskrone“ überhöht, die die demokratische Grundordnung nach dem Ende der Monarchie symbolisierte. Eine Bekanntmachung des Staatsministeriums unter dem gleichen Datum bestimmte eine Mustervorlage für die amtliche Verwendung des Wappens. Ministerien und oberste Landesbehörden sollten in ihren Siegeln das volle Wappen verwenden, alle übrigen Behörden nur den Wappenschild. Die Gestaltung des Wappens war von dem Wunsch geleitet gewesen, den beibehaltenen Landesfarben Schwarz-Rot auch im Wappen Geltung zu verschaffen. Die Viertelung setzte sich gegenüber einem Entwurf durch, bei dem die Hirschstangen (in Gold) in einen schwarz-roten Schild gesetzt werden sollten, sah sich aber Kritik ausgesetzt, und zwar sowohl aus heraldisch-künstlerischen Gründen (kleinteilige Gestaltung) als auch aus politischen (Ablehnung eines neuen Wappens bzw. der neuen Staatsform an sich in konservativen Kreisen). Das Wappen fand daher im Landtag nur eine Mehrheit von 38:26 Stimmen.<ref>siehe dazu die ''Verhandlungen des Landtags des freien Volksstaats Württemberg'', Seiten 2622/2651 sowie Beilagen 356 und 600</ref> Die Machtübernahme der [[Nationalsozialismus|Nationalsozialisten]] und die folgende [[Gleichschaltung]] der Landesregierungen blieben nicht ohne Auswirkungen auf das württembergische Wappen. Durch Gesetz und Bekanntmachung vom 11. August 1933<ref>[http://www.verfassungen.de/de/bw/wuerttemberg/wuerttemberg-wappen22.htm Gesetz des Staatsministeriums über das Wappen von Württemberg] vom 11. August 1933 (RegBl 1933, Seite 337)</ref> wurden Details des Wappens geändert und eine neue Mustervorlage festgesetzt. Während der Wappenschild selbst unverändert blieb, entfiel die Volkskrone, und die Schildträger standen nun auf einem Spruchband mit dem alten Motto „Furchtlos und trew“. <gallery> Bild:Wappen Volksstaat Württemberg (Farbe).svg|Wappen ab 1922 Bild:Wappen Württemberg 1933.png|Wappen ab 1933 </gallery> Nach dem [[Zweiter Weltkrieg|Zweiten Weltkrieg]] wurde Württemberg entlang der Grenze von amerikanischer und französischer Besatzungszone geteilt; es entstanden die Länder [[Württemberg-Baden]] und [[Württemberg-Hohenzollern]], die sich 1952 unter Einschluss [[Baden (Südbaden)|Badens]] zu [[Baden-Württemberg]] vereinigten. Das württembergische Wappen blieb für Württemberg-Hohenzollern weiterhin in Gebrauch,<!-- Erlass des Innenministeriums vom 18. November 1947 --> während Württemberg-Baden ein neues Wappen schuf, das daraus die Hirschstangen und ein schwarz-rotes Streifenpaar übernahm. == Württembergische Spuren in heutigen Wappen == Das neue Bundesland Baden-Württemberg griff bei seiner Wappenwahl auf die Löwen der [[Staufer]] zurück. Obwohl diese bereits im württembergischen Königswappen gestanden hatten, galten sie als geeignet, ganz Baden-Württemberg zu repräsentieren, da die Staufer als [[Herzogtum Schwaben|Herzöge von Schwaben]] einst über den größten Teil des Landes geherrscht hatten. Im großen Landeswappen dient ein Hirsch als Schildhalter, und eine der Plaketten in der Schildkrone zeigt das Stammwappen Württembergs mit den drei Hirschstangen. In der Kommunalheraldik erinnern Hirschstangen vielfach an die ehemalige Zugehörigkeit von Gemeinden und Landkreisen zu Württemberg (siehe dazu ausführlich den Artikel [[Hirschstange]]). Die ehemalige Ausdehnung württembergischer Herrschaft wird auch in den Wappen der [[Elsass|elsässischen]] Gemeinden [[Andolsheim]] und [[Riquewihr]] und der oberschlesischen Gemeinde [[Pokój]] dokumentiert. Die Wappen der Städte [[Freudenstadt]] und [[Ludwigsburg]], die im 17. bzw. 18 Jahrhundert als herzogliche Neugründungen entstanden, sind ganz oder teilweise den herzoglichen Wappen entnommen: Freudenstadt zeigt die mömpelgardischen Barben, Ludwigsburg die Reichssturmfahne. Weltweit bekannt dürfte das Wappen des Automobilherstellers [[Porsche]] sein, welches das nach 1922 gültige Landeswappen mit dem Stadtwappen des Firmensitzes [[Stuttgart]] verbindet und seit 1953 in Gebrauch ist.<ref>[http://www.code-knacker.de/automobilhersteller.htm Informationen über Automobil-Herstellerzeichen]</ref> Beispielhaft für die Verwendung württembergischer Symbolik durch Sportvereine seien die Hirschstangen im Logo des [[VfB Stuttgart]] genannt. <gallery> Bild:Grosses_Landeswappen_Baden-Wuerttemberg.png|[[Wappen Baden-Württembergs|Großes Landeswappen Baden-Württembergs]] Bild:Ludwigsburg Wappen.png|Wappen der Stadt Ludwigsburg Bild:Porsche logo.png|Porsche-Logo Bild:VfB Stuttgart Logo.svg|Emblem des VfB Stuttgart </gallery> == Weitere Informationen == === Siehe auch === {{Commons|Category:Coats of arms of Württemberg|Württembergische Wappen}} * [[Wappen Baden-Württembergs]] * [[Hirschstange]] === Literatur === * Otto von Alberti: ''Württembergisches Adels- und Wappenbuch. Heft 1. Geschichte des Württembergischen Wappens''. Kohlhammer, Stuttgart, 1889 ([[:commons:Category:Alberti Wappenbuch Heft 01|Digitalisat]]) * [[Harald Schukraft]]: ''Kleine Geschichte des Hauses Württemberg''. Silberburg-Verlag, Tübingen 2006, ISBN 978-3-87407-725-5 * Otto Titan von Hefner: ''Siebmachersches Großes und Allgemeines Wappenbuch, Band 1: Die Wappen und Flaggen der Herrscher und Staaten der Welt''. Nürnberg 1856 * A. E. Adam: ''Das herzoglich-württembergische Wappen seit der Erwerbung Bönnigheims''. In: Württembergische Vierteljahreshefte, N.F. 1 (1892), S. 80–85 * Unbekannt: ''Bönnigheim und das württembergische Wappen''. In: Ganerbenblätter, 9. Jahrgang, Bönnigheim 1986, Seiten 34−39. * Karl-Heinz Steinbruch: ''Zur Geschichte der Staatsheraldik der Vorgängerterritorien der Länder der Bundesrepublik Deutschland. Teil 1: Baden-Württemberg und Bayern''. In: Herold-Jahrbuch, N.F. 7 (2002), S. 189–205 * Gerhard Graser: ''Die Reichssturmfahne''. In: Hie gut Württemberg, 2. Jahrgang, Ludwigsburg 1951, S. 81-82 === Weblinks === * [http://www.historisches-wuerttemberg.de/kultur/wappen/wappen1.htm Wappenkunde Württembergs] auf historisches-wuerttemberg.de * [http://www.uesenberger-webdesign.de/burgen/index1.php?content=wrzuerich1 Zürcher Wappenrolle] === Fußnoten === <references/> {{Exzellent}} [[Kategorie:Wappen (Baden-Württemberg)|Wurttemberg]] [[Kategorie:Württembergische Geschichte]] [[en:Coat of arms of Württemberg]] [[nl:Wapen van Württemberg]] dxbk3iil6lfrjyuc72j22fult8yzj65 wikitext text/x-wiki War of Jenkins’ Ear 0 24476 27077 2009-11-27T21:39:18Z 77.5.213.83 /* Weblinks */ [[Bild:Caricature Slavery 1738.png|thumb|300px|right|Walpole treibt den britischen Löwen hinter einem spanischen Pflüger her, der vier britische Handelsmatrosen vorgespannt hat. Im Hintergrund verliert Robert Jenkins sein Ohr, während ein britisches Kriegsschiff im Kampf gegen ein spanisches Schiff den Kürzeren zieht (englische Karikatur, 1738)]] Der '''War of Jenkins' Ear''' ([[1739]] bis [[1742]]) war ein Kolonialkrieg zwischen Großbritannien und [[Spanien]]. Er ist nach dem abgeschnittenen Ohr des Handelskapitäns [[Robert Jenkins]] benannt, das dieser als Beweis für gewaltsame spanische Übergriffe gegen britische [[Seefahrer]] [[1738]] dem britischen [[Parlament]] vorlegte. Der von den Briten in der[[ Karibik]] und den südlichen [[Kolonie]]n Nordamerikas geführte [[Krieg]] diente dem Ziel, die spanische Vormachtstellung im westindischen Raum zu brechen und den spanischen Überseehandel auszuschalten. Bei ihren Angriffen auf spanische Stützpunkte errangen die Briten allein im ersten Kriegsjahr mit der Einnahme des spanischen [[Portobelo]] einen signifikanten Erfolg. Nachdem alle weiteren, im Zusammenwirken von Einheiten der [[Flotte (Marine)|Flotte]] und Landungstruppen der britischen [[Infanterie]] als [[Amphibische Kriegführung|amphibische Unternehmen]] durchgeführten Aktionen scheiterten und das britische [[Expeditionskorps]] durch [[Tropenkrankheit]]en immer weiter zusammengeschmolzen war, wurden die Kämpfe im Verlauf des Jahres 1742 schließlich ergebnislos eingestellt. An den britischen Sieg von Portobelo erinnert noch heute die Straßenbezeichnung „Portobello Road“ in [[London]]. ==Vorgeschichte== Schon bald nach dem [[Spanischer Erbfolgekrieg#Friedensschluss|Frieden von Utrecht]] (1713) hatten die Briten begonnen, den [[Asiento]], in dem Spanien der britischen [[Südseeblase|South Sea Company]] das ausschließliche Recht zum Import von [[Sklaven]] in die südamerikanischen Kolonialgebiete Spaniens zugesichert hatte, auch zum ausgedehnten [[Schmuggel]] zu nutzen. Der Versuch der Spanier, diesen Schmuggelhandel zu unterbinden und britische Schiffe durch spanische Küstenwachboote (''guarda-costas'') nach [[Konterbande]] durchsuchen zu lassen, führte zu Spannungen zwischen Spanien und Großbritannien. Als der britische Handelskapitän [[Robert Jenkins]] schließlich im März 1738 sein in Alkohol eingelegtes Ohr vor dem britischen Parlament präsentierte und angab, dass ihm dieses 1731 von einer spanischen Küstenpatrouille abgeschnitten worden sei, heizte sich die ohnehin latente anti-spanische Stimmung in Großbritannien weiter auf. Obwohl ein vom britischen [[Premierminister]] [[Robert Walpole]] und dem spanischen [[Botschafter]] ausgearbeitetes Abkommen, nach dem sich Spanien zur Zahlung einer hohen Entschädigungssumme für widerrechtlich beschlagnahmte britische Schiffsladungen verpflichtete, im Januar 1739 ratifiziert wurde (sogenannte „Konvention von El Pardo“), kam es nach einer britischen Flottendemonstration vor der spanischen Küste (Admiral Haddock) zur Aufkündigung des Asiento durch die spanische Regierung und im Oktober 1739 zu [[Kriegserklärung]]en zwischen den beiden Staaten. ==Verlauf== ===Der westindische Kriegsschauplatz=== [[Bild:Jenkins-Ear-Westindien.png|thumb|300px|right|Der westindische Kriegsschauplatz]] Da die Briten den Spaniern (und ihren potentiellen Verbündeten, den Franzosen) in Europa an Truppenstärke weit unterlegen waren, versprach allein ein gegen den spanischen Handel in Übersee geführter Schlag Erfolg. Kernstück dieses Handels war die spanische Silberflotte, die auf den Messen von [[Portobelo]] und [[Cartagena (Kolumbien)|Cartagena]] südamerikanisches Silber aufnahm und nach einem Zwischenhalt in [[Havanna]], der letzten Versorgungsstation vor der Atlantiküberquerung, ins spanische Mutterland brachte. Um die Silbertransporte nach Spanien möglichst effektiv zu stören, war die Einnahme eines dieser Handelsstützpunkte durch britische Truppen notwendig. Nachdem sich die Kriegspläne der britischen Regierung zunächst auf Havanna und Cartagena konzentriert hatten, gelang dem britischen Vizeadmiral [[Edward Vernon]] in einem Überraschungscoup am 21. November 1739 die Einnahme des spanischen Portobelo. Da Vernon alle Verteidigungsanlagen durch seine Soldaten schleifen ließ, blieb der Platz nach der Rückkehr der Briten nach Jamaika schutz- und wertlos zurück. Nur kurze Zeit später gelang Vernon dasselbe mit Chagre, so dass Spanien schon in den ersten Monaten des Krieges alle seine Stützpunkte an der Landenge von Panama verloren hatte. Als Anfang Januar 1741 eine Reihe von eigens über den Atlantik transportierten britischen Infanterieregimentern auf Jamaika eintraf, waren erstmals auch Angriffe auf größere spanische Stützpunkte möglich. Da Havanna zu weit von Jamaika entfernt lag, um beide dauerhaft verteidigen zu können, erschien ein Angriff auf [[Cartagena (Kolumbien)|Cartagena]] am Erfolg versprechendsten. Während Vizeadmiral Vernon die britische Flotte befehligte, stand die &ndash; durch Truppenaushebungen in den nordamerikanischen Kolonien verstärkte &ndash; britische Infanterie unter dem Kommando von General Thomas Wentworth. Auf Seiten der Verteidiger führte der spanische Admiral [[Blas de Lezo]] das Kommando. Am 9. März begannen die Briten ihre Belagerung von Cartagena. Im Verlauf der Aktion stellte sich aber heraus, dass die Briten nicht nur ihren Gegner unterschätzt hatten, sondern sich auch erhebliche Schwierigkeiten bei dem kombinierten Einsatz ihrer See- und Landstreitkräfte ergaben. Nach starken Verlusten (nicht zuletzt wegen zunehmender Krankheitsfälle unter der bereits im Zuge der Atlantiküberquerung geschwächten britischen Infanterie) wurde der Angriff am 9. Mai 1741 schließlich erfolglos abgebrochen. [[Bild:Caricature Prison 1738.png|thumb|200px|right|Britische Seeleute liegen in einem spanischen Gefängnis in der Karibik. Auf einer Wolke sitzend rufen die Geister der Admiräle Cavendish, Raleigh und Blake britische Kriegsschiffe zur Verteidigung des Handels herbei (engl. Karikatur, 1738)]]Als nächstes Angriffsziel rückte der Hafen [[Santiago de Cuba]] ins Blickfeld der kombinierten britischen Streitkräfte, da sich von dort aus die strategisch wichtige ''Windward Passage'' zwischen dem spanischen Kuba und dem französischen Teil der Insel Hispaniola kontrollieren ließ. Da die starken Befestigungen Santiagos und die enge Hafeneinfahrt eine Einnahme von See unmöglich erscheinen ließen, entschlossen sich die Briten zu einer Landung in der [[Guantanamo-Bucht|Bucht von Guantanamo]]. Am 23. Juli 1741 gingen britische Truppen unter General Wentworth an Land, mussten jedoch bald erkennen, dass der geplante Angriff von dieser Stelle aus wegen der schlechten Wegeverhältnisse unmöglich war. Stattdessen wurde beschlossen, eine dauerhafte britische Basis nördlich der Landungsstelle einzurichten. Während der Befestigungsarbeiten an dem Lager im Landesinneren und der Ankerstelle in der Bucht fielen jedoch immer mehr Soldaten den grassierenden Tropenkrankheiten zum Opfer, so dass das Unternehmen im Dezember schließlich aufgegeben werden musste und die übrig gebliebene britische Streitmacht wieder nach Jamaika zurückkehrte. Im Januar beschlossen die inzwischen durch neue Truppen aus Europa verstärkten Briten einen Angriff auf das spanische [[Panama]]. Zu diesem Zweck sollte zunächst Portobelo eingenommen werden, um dann in Richtung Süden nach Panama vorzurücken. Wie die beiden vorangegangenen Angriffe gegen Cartagena und Santiago de Cuba entwickelte sich das am 5. März 1742 eingeleitete Unternehmen jedoch schnell zu einem Desaster. Aufgrund eines vorschnellen Angriffs der Flotteneinheiten unter Vizeadmiral Vernon auf Puerto Belo (der ursprüngliche Plan sah einen Angriff durch Infanterie von der Landseite aus vor) konnte die dort stationierte Garnison fliehen und Panama gewarnt werden. Daraufhin musste das Unternehmen bereits Ende März 1742, also rund einen Monat nach Beginn der Aktion, als aussichtslos abgebrochen werden. ===Die Rolle Frankreichs=== Durch die enge Verbindung Spaniens mit Frankreich ([[Bourbonischer_Hausvertrag|Bourbonischer Familienpakt]]) wurde auch Frankreich in den Konflikt hineingezogen. Auf die Entsendung der britischen Flottenverbände reagierte [[André-Hercule de Fleury|Kardinal Fleury]] mit der seinerseitigen Entsendung einer französischen Flotte unter [[Admiral]] [[Antoine-François d'Antin]] nach Westindien, die allerdings &ndash; nachdem sie lange vor [[Haiti|Saint Domingue]] gelegen hatte, um sich mit der spanischen Flotte zu vereinigen &ndash; durch Seuchen und Nachschubschwierigkeiten gezwungen wurde, kampflos nach Frankreich zurückzukehren. In der Folge kam es zu keiner weiteren Unterstützung Spaniens durch Frankreich und damit de facto zu einem Waffenstillstand Großbritanniens mit Frankreich zur See, der von 1741 bis 1744 anhielt. ===Die Auseinandersetzungen in Georgia und Florida=== Die Gründung der britischen Kolonie [[Georgia]] im Jahre 1733 hatte den Briten zur Erreichung unterschiedlicher Ziele gedient. Neben kaufmännischen (Anpflanzung von Maulbeerbäumen und Produktion von Seide, Flachs und Hanf) und philanthropischen Argumenten (Ansiedlung von entlassenen Strafgefangenen aus britischen Schuldgefängnissen und in Europa verfolgten Protestanten) ging es dabei vor allem um den Schutz der ökonomisch wertvollen britischen Kolonie [[South Carolina]] gegen die Spanier in [[Florida]] und die Franzosen in [[Louisiana]]. Nachdem die Spanier bereits 1735 einen Überraschungsangriff gegen Savannah ausgeführt hatten, begann [[James Edward Oglethorpe]], der zu dieser Zeit in Georgia die Machtbefugnisse eines Gouverneurs ausübte, mit dem planmäßigen Ausbau einer Verteidigungslinie und der Aushebung von Truppen zum Schutze der jungen Kolonie. Nachdem die westliche Flanke durch Verträge mit dort ansässigen Indianerstämmen gesichert war, konnte Oglethorpe nach Ausbruch des britisch-spanischen Krieges zu einer aggressiven Politik gegen Florida übergehen. Am 1. Januar 1740 begannen die Briten mit ihrem Angriff auf Florida, trotz großen Aufwands an Truppen und Material scheiterte die am 31. Mai 1740 begonnene Belagerung des spanischen [[St. Augustine (Florida)|St. Augustine]] jedoch, als die Spanier Anfang Juli Verstärkung aus Havanna erhielten. Damit endete das britische Unternehmen genauso erfolglos, wie ein zwei Jahre später vorgetragener Gegenangriff der Spanier auf Georgia (Juli 1742). ==Ausklang und Folgen== Nach dem abgebrochenen Angriffsversuch der Briten auf Panama im März 1742 bestand das britische Expeditionskorps in der Karibik nur noch aus rund 1.500 einsatzbereiten Männern. Weitere Angriffe auf spanische Stützpunkte im westindischen Raum waren damit aussichtslos geworden. Während der Befehlshaber der Infanterie, General Wentworth, eine Verlegung seiner Truppen nach Georgia vorschlug, setzte sich schließlich Vizeadmiral Vernon mit seinem Vorschlag durch, alle einsatzbereiten Männer auf die ihm unterstehenden Kriegsschiffe zu verteilen. Zu einer Lösung der offenen Georgia-Frage kam es offiziell erst durch den Vertrag von [[Aachen]] im Jahr 1748. Deshalb tauchen in der Literatur auch häufig unterschiedliche Jahreszahlen für das Ende des Krieges auf. Mit der Auflösung des britischen Expeditionskorps im Jahre 1742 kann der als „War of Jenkins' Ear“ bezeichnete Konflikt in Übersee aber als beendet gelten. In der Folgezeit begannen die Briten in der Karibik einen groß angelegten Kaperkrieg und unterbanden damit die großen Edelmetall-Transporte aus den spanischen Kolonien ins Mutterland nahezu vollständig. Gleichzeitig blühten der britische und der niederländische Schmuggelhandel auf. In Europa wurde die Konfrontation der großen Kolonialmächte noch 1740 durch den Ausbruch des [[Österreichischer Erbfolgekrieg|Österreichischen Erbfolgekrieges]] (1740–1748) überschattet. ==Zeittafel== *[[1738]] **März: Kapitän Jenkins präsentiert vor dem britischen Unterhaus sein abgeschnittenes Ohr *[[1739]] **Oktober: Offizielle Kriegserklärung Großbritanniens an Spanien **November Einnahme von Puerto Belo und Chagre durch Admiral Vernon *[[1740]] **Januar: Britische Truppen aus Georgia unter Colonel James Oglethorpe belagern St. Augustine, Florida **Juli: Infolge des Eingreifens spanischer Truppen aus Havanna bricht Oglethorpe die Belagerung von St. Augustine ab **November: Eine Flotte mit insgesamt zehn britischen Regimentern an Bord bricht in die Karibik auf, wird aber durch schlechtes Wetter mehrmals aufgehalten **November: Frankreich entsendet einen Flottenverband von 22 Schiffen unter Admiral d'Antin zur Unterstützung der Spanier nach Westindien *[[1741]] **Januar: Das britische Expeditionskorps trifft auf Jamaika ein **März&ndash;Mai: Zweimonatige erfolglose Belagerung der spanischen Festung Cartagena durch die Briten **Juli&ndash;Dezember: Ebenfalls erfolgloser Versuch der Einnahme von Santiago und Errichtung einer britischen Basis auf Kuba durch die Briten *[[1742]] **Januar: Durch Krankheiten sind die britischen Truppen inzwischen auf vier Regimenter zusammengeschmolzen **Mai: Scheitern eines britischen Versuchs, Panama durch frische Truppen aus Großbritannien einzunehmen **Juli: Ein spanischer Gegenangriff auf Georgia wird von den Briten zurückgewiesen == Rezeption in Großbritannien == [[Bild:Caricature_Vernon_1740.png|thumb|200px|right|Spain builds castles in the air, Britain makes commerce her care (englische Karikatur, 1740). Im Zentrum des Bildes steht Vizeadmiral Vernon, der durch seinen Sieg bei Puerto Belo zum britischen Nationalhelden avancierte.]] Bis weit ins 19. Jahrhundert war die Bewertung des War of Jenkins' Ear von Pamphleten, Korrespondenzen, Parlamentsdebatten und Zeitungsartikeln bestimmt, die während oder kurz nach den eigentlichen Kampfhandlungen entstanden waren und eine unvoreingenommene Sicht auf den Konflikt versperrten. In Briefen nach London hatte der britische Vizeadmiral Vernon seine Entscheidungen schon lange vor seiner Rückkehr aus der Karibik verteidigt. Unterstützung fand er bei einem seiner Offiziere namens Charles Knowles, der in seinem erstmals im April 1743 publizierten ''Account of the Expedition to Carthagena'' (als Manuskript kursierte das Pamphlet bereits seit 1741) General Wentworth die Hauptschuld an der missglückten Einnahme Carthagenas zuschob. Als im Dezember 1743 eine Entgegnung mit dem Titel ''A Journal of the Expedition to Carthagena'' erschien, die heute Wentworth und seinem Offizier William Blakeney zugeschrieben wird, reagierte Vernon mit der Publikation von Ausschnitten aus seiner offiziellen Korrespondenz. Sorgsam achtete er dabei darauf, nur solche Briefe aufzunehmen, die seine Argumentation bestätigten. Mit der Verschiebung des öffentlichen Augenmerks auf die politischen Entwicklungen auf dem Kontinent im Zuge des Österreichischen Erbfolgekrieges rückte eine Aufarbeitung des gescheiterten britischen Westindienunternehmens zunehmend in den Hintergrund. Nach dem Sturz des britischen Premierministers [[Robert Walpole|Walpole]] galt zudem die Frage nach seiner Mitschuld lange Zeit als positiv entschieden. Das öffentliche Bild Vizeadmiral Vernons wurde dagegen fast ausschließlich durch die Erinnerung an seinen Überraschungssieg von Portobelo bestimmt. Erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts legte der britische Admiral Sir Herbert Richmond eine wissenschaftlich-quellenbasierte Darstellung des britisch-spanischen Konflikts vor. Geschrieben zwischen 1907 und 1914 gehört ''The Navy in the War of 1739–48'' zu einer Reihe marinegeschichtlicher Studien, deren Ziel darin lag, die Bedeutung der Marine für die Kriegsführung hervorzuheben und gleichzeitig vor einer zu großen Einflussnahme ziviler, das heißt politischer Kräfte auf die Seekriegsführung zu warnen. Deshalb wird Richmonds Werk heute vor allem wegen seiner negativen Darstellung des Kabinetts Walpole kritisiert, in dessen Inkompetenz und Zögerlichkeit Richmond die Hauptursache für das Scheitern der britischen Westindienexpedition zu erkennen glaubte. Dennoch gehört Richmonds Arbeit auch heute noch zu den großen Werken britischer Marinegeschichtsforschung. Neuere Arbeiten &ndash; insbesondere Richard Hardings ''Amphibious warfare in the eighteenth century. The British Expedition to the West Indies, 1740–1742'' – relativieren Richmonds Darstellung insbesondere in Bezug auf die Bewertung der Rolle Vernons. In einer detaillierten Rekonstruktion des britischen Westindienunternehmens gelingt es Harding, sowohl die militärgeschichtlichen Aspekte des Krieges in der Karibik lückenlos aufzuarbeiten als auch Vernons Mitschuld am britischen Scheitern zu belegen. ==Literatur== *Herbert William Richmond: ''The Navy in the War of 1739–48''. 3 Bde. Cambridge 1920. (Der Klassiker aus der Feder des britischen Admirals Sir Herbert Richmond (1876&ndash;1946). Richmonds minutiöse Rekonstruktion des britisch-spanischen Konflikts stellt die erste wissenschaftlich-quellenbasierte Auseinandersetzung mit dem Thema dar) *Larry E. Ivers: ''British Drums on the Southern Frontier. The Military Colonization of Georgia, 1733–1749''. Chapel Hill 1974, ISBN 0-8078-1211-0 (Schilderung der spanisch-britischen Auseinandersetzungen in Nordamerika) *Richard Harding: ''Amphibious warfare in the eighteenth century. The British Expedition to the West Indies, 1740–1742''. Woodbridge 1991. ISBN 0-86193-218-8 (Wissenschaftlich ausgewogen, glänzend recherchiert und dabei ausgesprochen flüssig geschrieben, kann Hardings Arbeit heute als Referenzwerk zum militärgeschichtlichen Aspekt der britischen Westindienexpedition im War of Jenkins' Ear angesehen werden) *Philip Woodfine: ''Britannia's Glories. The Walpole ministry and the 1739 War with Spain''. Woodbridge 1998. ISBN 0-86193-230-7 (Detaillierte Analyse der britisch-spanischen Vorkriegsdiplomatie bis 1739 und damit das heute maßgebliche Werk zur Entstehungsgeschichte des Krieges) ==Weblinks== {{Commons|War of Jenkins' Ear}} *[http://www.nmm.ac.uk/collections/collectionsDetail.cfm?ID=MEC0889 Medal commemorating Admiral Edward Vernon (1684–1757) and the capture of Porto Bello, 1739] (Britische Gedenkmünze; National Maritime Museum, London) {{Exzellent}} [[Kategorie:Kolonialkrieg]] [[Kategorie:Britische Militärgeschichte]] [[Kategorie:Spanische Militärgeschichte]] [[Kategorie:Spanische Kolonialgeschichte]] [[Kategorie:Krieg (18. Jahrhundert)]] [[Kategorie:1739]] [[Kategorie:1740]] [[Kategorie:1741]] [[Kategorie:1742]] {{Link FA|es}} [[ca:Setge de Cartagena d'Índies (1741)]] [[en:War of Jenkins' Ear]] [[es:Guerra de la oreja de Jenkins]] [[he:מלחמת אוזנו של ג'נקינס]] [[hu:„Jenkins füle” háború]] [[ja:ジェンキンスの耳の戦争]] [[pl:Wojna o ucho Jenkinsa]] [[pt:Guerra da orelha de Jenkins]] [[ru:Война за ухо Дженкинса]] [[sv:Kriget om kapten Jenkins öra]] [[zh:詹金斯的耳朵戰爭]] 0t1pm75jpx1ysg0xz39rtoici8lqvto wikitext text/x-wiki Warschauer Aufstand 0 24477 28261 27447 2011-05-09T04:40:34Z Segu 579 Banica (PL) disaster errata {{Begriffsklärungshinweis}} {{Infobox Militärischer Konflikt |KONFLIKT=Warschauer Aufstand |TEILVON=[[Aktion Gewitter (Polen)|Aktion Gewitter]], [[Zweiter Weltkrieg]] |BILD=Warsaw wwII.jpg |BILDBREITE= |BESCHREIBUNG=Denkmal des Aufstandes in Warschau |DATUM=1. August |DATUMBIS=3. Oktober [[1944]] |ORT=[[Warschau]] |CASUS= |GEBIETE= |AUSGANG=Niederschlagung des Aufstandes |FOLGEN= |FRIEDENSSCHLUSS= |KONTRAHENT1=[[Datei:Flaga_PPP.svg|22px]] [[Polen]] ([[Armia Krajowa]]) |KONTRAHENT2=[[Datei:Flag of Germany 1933.svg|22px]] [[Deutsches Reich]] |BEFEHLSHABER1=[[Tadeusz Bór-Komorowski]], [[Antoni Chruściel]] |BEFEHLSHABER2=[[Erich von dem Bach-Zelewski]] |TRUPPENSTÄRKE1=45.000<ref>Norman Davies: ''Rising '44.'' Pan Books, London 2004, S. 419</ref> |TRUPPENSTÄRKE2=39.000<ref>Wlodzimierz Borodziej: ''Der Warschauer Aufstand 1944.'' Fischer, 2001, ISBN 3100078063, S. 144ff, Frankfurt/M. 2004, S. 190</ref> |VERLUSTE1=15.000 Tote, 25.000 Verwundete<ref>Wlodzimierz Borodziej: ''Der Warschauer Aufstand 1944.'' Fischer, 2001, ISBN 3100078063, S. 190</ref><ref name="Martin139"/> 150.000–225.000 Opfer in der Zivilbevölkerung<ref>Norman Davies: ''God's Playground – A History of Poland.'' Band 2. S. 477</ref><ref name="Krannhals214"/><ref name="Martin251"/> |VERLUSTE2 = 2.000–10.000 Tote, 0–7.000 Vermisste und 7.000–9.000 Verwundete<ref>Hans von Krannhals: ''Der Warschauer Aufstand 1944.'' Frankfurt am Main 1962, S. 120f</ref> |NOTIZEN= }} Als '''Warschauer Aufstand''' bezeichnet man die militärische [[Aufstand|Erhebung]] der [[Polnische Heimatarmee|Polnischen Heimatarmee]] ''(Armia Krajowa'' oder ''AK)'' gegen die deutschen Besatzungstruppen im besetzten [[Warschau]] ab 1. August 1944. Er stellte die größte einzelne bewaffnete Erhebung im besetzten Europa während des Zweiten Weltkrieges dar. Die Widerständler kämpften 63 Tage gegen die deutschen Besatzungstruppen, bevor sie angesichts der aussichtslosen Situation [[kapitulation|kapitulierten]]. Die deutschen Truppen begingen Massenmorde unter der Zivilbevölkerung, und die Stadt wurde nach dem Aufstand fast vollständig zerstört. In Polen wurde eine Kontroverse um das Verhalten der verbündeten [[Rote Armee|Roten Armee]] gegenüber dem Aufstand ausgetragen. Die Rote Armee habe nicht eingegriffen, obwohl sie dazu in der Lage gewesen sei. Dieser Aufstand ist nicht mit dem vorausgegangenen [[Aufstand im Warschauer Ghetto]] des Jahres 1943 zu verwechseln. == Vorgeschichte == === Lage in Polen === {{Hauptartikel|Deutsche Besetzung Polens 1939–1945}} Nachdem die polnische Armee durch den [[Polenfeldzug|deutschen Überfall]] im September 1939 zerschlagen worden war, besetzten [[Drittes Reich|deutsche]] und [[Sowjetunion|sowjetische]] Truppen gemäß dem [[Hitler-Stalin-Pakt]] das Land. Der westliche Teil fiel dabei an Deutschland, der östliche Teil an die Sowjetunion. Der deutsche Umgang mit den Besiegten stand von Beginn an im Zeichen der [[Nationalsozialismus|nationalsozialistischen]] Rassenpolitik. [[Westpreußen]], [[Ostoberschlesien]], das [[Wartheland]] und Südostpreußen wurden annektiert und als neue [[Reichsgau]]e dem Deutschen Reich angegliedert bzw. an bereits bestehende Reichsgaue angeschlossen.<ref>Norman Davies: ''Rising '44.'' Pan Books, London 2004, S. 649</ref> Zu den annektierten Gebieten gehörten Teile Polens, die zuvor nie zu Deutschland gehört hatten und überwiegend polnisch bevölkert waren. Der restliche Teil Polens unter deutscher Besatzung unterstand als [[Generalgouvernement]] deutscher Verwaltung. Hauptziel war die wirtschaftliche Ausbeutung und Unterdrückung der polnischen Bevölkerung. Zu Beginn trafen die deutschen Repressionen vorwiegend Intellektuelle und Polen jüdischer Abstammung. So kam es zu Massenerschießungen und Massenverhaftungen unter der gebildeten Elite des Landes. Die Juden wurden [[Ghetto|ghettoisiert]] und damit von der restlichen Bevölkerung abgetrennt. Das Erziehungswesen und Pressewesen wurde auf ein Minimum zurückgestutzt, um die Unterdrückung der slawischen Bevölkerung zu zementieren. In einer Notiz des SS-Chefs [[Heinrich Himmler|Himmler]] heißt es dazu:<ref>Klaus J. Bade: ''Migration in Geschichte und Gegenwart.'' S. 378</ref> {{Zitat|Eine grundsätzliche Frage bei der Lösung all dieser Probleme ist die Schulfrage, und damit die Sichtung und Siebung der Jugend. Für die nicht-deutsche Bevölkerung des Ostens darf es keine höhere Schule geben als die vierklassige Volksschule. Das Ziel dieser Volksschule hat lediglich zu sein: Einfaches Rechnen bis höchstens 500, Schreiben des Namens, eine Lehre, dass es ein göttliches Gebot ist, den Deutschen gehorsam zu sein, und ehrlich, fleißig und brav zu sein. Lesen halte ich nicht für erforderlich. Außer dieser Schule darf es im Osten überhaupt keine Schule geben […]. Die Bevölkerung des Generalgouvernements setzt sich dann zwangsläufig, nach einer konsequenten Durchführung dieser Maßnahmen, im Laufe der nächsten zehn Jahre aus einer verbleibenden minderwertigen Bevölkerung […] zusammen. Diese Bevölkerung wird als führerloses Arbeitsvolk zur Verfügung stehen und Deutschland jährlich Wanderarbeiter und Arbeiter für besondere Arbeitsvorkommen (Straßen, Steinbrüche, Bauten) stellen.}} Ebenso wurden die Industrie enteignet und rund 900.000 Polen als Zwangsarbeiter ins Reich deportiert. Durch die Einführung von Sondergerichten der Besatzungsmacht wurden die Polen in ihrem eigenen Land zu vollkommen rechtlosen Subjekten degradiert.<ref>Wlodzimierz Borodziej: ''Der Warschauer Aufstand 1944.'' Fischer, Frankfurt/M. 2004, S. 23ff</ref> In seiner Reichstagsrede vom 6. Oktober 1939 hatte Hitler bereits angekündigt, dass größere Umsiedlungen erfolgen müssten, um in Osteuropa zersplitterte deutsche Volksgruppen ins Reich zurückzuführen. Auf Grund von Staatsverträgen wurden [[Volksdeutsche|volksdeutsche]] Bevölkerungsgruppen in zwei Auswanderungswellen aus [[Wolhynien]], Ost[[galizien]], der [[Bukowina]] und [[Bessarabien]] sowie hauptsächlich aus dem [[Baltikum]] ausgesiedelt und im Wartheland neu angesetzt. Zu diesem Zweck wurde im Warthegau auf Anordnung der Behörden durch rücksichtslose Überführung von 1,2 Millionen Polen und 300.000 Juden in das Generalgouvernement Platz geschaffen unter Formen, die später auf die deutschen Volksgruppen zurückwirken sollten. Im Laufe des Krieges wurde das Generalgouvernement auch ein Hauptschauplatz des [[Holocaust]]s. Insgesamt kamen 2,7 Millionen polnische Staatsbürger jüdischer Abstammung im industrialisierten Massenmord zu Tode.<ref>Wolfgang Benz (Hrsg.): ''Dimension des Völkermords. Die Zahl der jüdischen Opfer des Nationalsozialismus.'' dtv, München 1996</ref> Der deutsche Generalgouverneur [[Hans Frank]] sagte im Februar 1940 zu einem Journalisten:<ref>Wlodzimierz Borodziej: ''Der Warschauer Aufstand 1944.'' Fischer, 2001, ISBN 3100078063, S. 27</ref> {{"|In Prag waren z.&nbsp;B. große rote Plakate angeschlagen, auf denen zu lesen war, dass heute 7 Tschechen erschossen worden sind. Da sagte ich mir; wenn ich für je 7 erschossene Polen ein Plakat aushängen lassen wollte, dann würden die Wälder Polens nicht ausreichen das Papier herzustellen für solche Plakate.}} Die UdSSR initiierte im besetzten [[Ostpolen]] von 1939 bis 1941 eine Sowjetisierungspolitik. Herausstechendste Merkmale dieses Vorhabens waren Bodenreform, Zwangskollektivierung, Auflösung gesellschaftlicher Vereine und die Verstaatlichung der Industrie. Diese Umgestaltung nach dem Vorbild des kommunistischen Staates ging mit Repressionen gegenüber der Bevölkerung einher. Erschießungen, Verhaftungen und Verurteilungen gingen über in massenhafte Deportationen in [[GULAG|Straflager]] auf sowjetischem Boden. Diese Repressionen folgten einem sozialen Raster. Besonders im Blick der sowjetischen Organe standen Grundbesitzer, ehemalige Staatsbedienstete, Unternehmer, Politiker der nicht-kommunistischen Parteien, Priester und Intellektuelle. Die Schätzungen über die Zahl der Verschleppten reichen von 700.000 bis 1,8 Millionen Menschen.<ref>Wlodzimierz Borodziej: ''Der Warschauer Aufstand 1944.'' Fischer, 2001, ISBN 3100078063, S. 25, S. 43</ref><ref>Norman Davies: ''Rising '44.'' Pan Books, London 2004, S. 32f</ref><ref>[http://www.expolis.de/schlesien/texte/kuczynski.jsp Internetartikel von Antoni Kuczynski abgerufen am 4. Juni 2007 19:05]</ref> === Polnische Exilregierung, Widerstand und Untergrundstaat === Nachdem ihr Land militärisch besiegt und geteilt worden war, gelang es etwa 85.000 polnischen Soldaten und Offizieren sowie einer großen Zahl polnischer Politiker nach [[Frankreich]] zu fliehen. Andere Teile des polnischen Militärs flohen zusammen mit dem polnischen Präsidenten [[Ignacy Mościcki]] und dem Oberbefehlshaber der Streitkräfte nach [[Rumänien]], wo beide Politiker interniert und die Soldaten entwaffnet wurden. Für den somit eingetretenen Fall, dass der Präsident sein Amt nicht mehr ausüben könne, sah die polnische Verfassung die Übergabe der Regierungsgewalt vor; aus diesem Grund ernannte Ignacy Mościcki den in Frankreich verweilenden [[Władysław Raczkiewicz]] zu seinem Nachfolger. Dieser bildete aus den Mitgliedern der größten politischen Parteien, die nach Frankreich geflohen waren, eine neue Regierung mit General [[Władysław Sikorski]] an der Spitze und General [[Kazimierz Sosnkowski]] als dessen Stellvertreter. Damit war am 30. September 1939 die [[Staatspräsident von Polen im Exil|polnische Exilregierung]] in Frankreich entstanden, die sofort von der Regierung Frankreichs und kurz darauf von den Regierungen Großbritanniens und der USA als einzige rechtmäßige polnische Regierung anerkannt wurde. Nach der Niederlage Frankreichs 1940 flüchteten diese Regierung und ein Teil des Militärs nach London. [[Datei:W.Sikorski.jpg|miniatur|Polnische Briefmarke zum ''100.Geburtstag von Władysław Sikorski'' von 1981]] Im Zuge der deutschen Unterdrückung bildete sich rasch ein polnischer Untergrundstaat, der an die lange Tradition des polnischen Widerstands gegen fremde Besatzer im Rahmen der [[Polnische Teilungen|Polnischen Teilungen]] anschloss. Ein geheimes Presse- und Sozialfürsorgewesen wurde ebenso organisiert wie „illegale“ Hochschulen. Die Geldmittel hierfür stammten aus der Bevölkerung selbst oder aus Mitteln, die aus London eingeschleust worden waren.<ref>Wlodzimierz Borodziej: ''Der Warschauer Aufstand 1944.'' Fischer, 2001, ISBN 3100078063, S. 33f</ref><ref>Norman Davies: ''Rising '44.'' Pan Books, London 2004, S. 184–188</ref> Dieser zivile Arm des Widerstandes ging nahtlos in den Aufbau bewaffneter Verbände über. Die polnischen Militärs hatten bereits am 27. September 1939, also kurz vor der Kapitulation, und noch vor der Entstehung der Exilregierung, die Untergrundorganisation ''Sluzba Zwyciestwu Polsce'' (''Dienst für den Sieg Polens'', SZP) gegründet.<ref>Wlodzimierz Borodziej: ''Der Warschauer Aufstand 1944.'' Fischer, 2001, ISBN 3100078063, S. 56</ref> Des Weiteren bildeten sich bereits Wochen nach der Niederlage der regulären Armee spontan weitere Widerstandsgruppen. Sie speisten sich vorwiegend aus dem Reservoir ehemaliger [[Offizier]]e und [[Beamte]]r, sowie aus den Jugendorganisationen der Parteien. Insbesondere [[Pfadfinder]]organisationen ([[Szare Szeregi]]) stellten später einen großen, und oftmals besonders motivierten Teil der Rekruten für den Widerstand. Der polnische Widerstand ordnete sich der Exilregierung unter, da er seinem Selbstverständnis nach von Beginn an eine Fortsetzung der zweiten Republik war. Die Exilregierung bemühte sich, all diese Widerstandsgruppen zusammenzuschließen, sodass bis zum Jahreswechsel 1943/44 der ZWZ ([[Polnische Sprache|polnisch]]: ''Zwiazek Walki Zbrojnej''; dt.: ''Verband für den bewaffneten Kampf'') entstand, der den größten Teil des polnischen Widerstandes in sich vereinte. Der vereinigte Widerstand wurde im Weiteren als ''Armia Krajowa'' (dt.: ''Heimatarmee'', Abkürzung: ''AK'') bezeichnet. Sie umfasste 1944 insgesamt rund 300.000–350.000 Mitglieder. Diesem Bündnis blieben nur die Kräfte der extremen Rechten und der extremen Linken fern: Auf der einen Seite die rechtsextreme NSZ-Miliz, welche in einigen Fällen sogar mit den deutschen Besatzern zusammenarbeitete, aber nur rund 35.000<ref>Norman Davies: ''Boze Igrzysko. Historia Polski.'' Wydawnictwo Znak, Krakow 2003, S. 925</ref> Anhänger besaß, auf der anderen Seite die kommunistische ''Armia Ludowa'' (dt.: ''Volksarmee''; Abkürzung: ''AL''), die sich nach dem [[Überfall auf die Sowjetunion]] als Gegenpol zur nationalistischen AK aufzubauen versuchte. Sie erreichte rund 100.000<ref>Norman Davies: ''Boze Igrzysko. Historia Polski.'' Wydawnictwo Znak, Krakow 2003, S. 926</ref>Mitglieder.<ref>Wlodzimierz Borodziej: ''Der Warschauer Aufstand 1944.'' Fischer, 2001, ISBN 3100078063, S. 30–37</ref> London und die AK-Führung in Polen waren sich einig, dass die Hauptaufgaben des Widerstandes darin bestehen sollten, Spionagearbeit für die Alliierten zu leisten, die deutsche Rüstung und das Transportwesen durch Sabotageakte zu schädigen, und besonders brutale Aktionen des Besatzers zu vergelten. Man wollte zunächst keine offenen kriegerischen Aktionen durchführen. Zum einen wegen der zu Beginn noch geringen militärischen Stärke des ZWZ, zum anderen um seitens der deutschen Besatzer keine Repressionen gegenüber der Zivilbevölkerung zu provozieren. Der Befehlshaber des ZWZ im Untergrund, Oberst [[Stefan Rowecki]] schrieb im November 1939: ''Der Widerstand kann erst dann offen auftreten, wenn Deutschland zusammenbricht, oder zumindest ein Bein einknickt. Dann sollten wir fähig sein, im zweiten Bein Adern und Sehnen durchzuschneiden, damit der deutsche Koloss umfällt.''<ref>Wlodzimierz Borodziej: ''Der Warschauer Aufstand 1944.'' Fischer, 2001, ISBN 3100078063, S. 57–59</ref> Der Widerstand radikalisierte sich erst, als man erkannte, dass sein „gemäßigtes“ Auftreten keinen Einfluss auf die radikale Unterdrückung und Vernichtung der Polen und Juden durch die Deutschen hatte. 1943 wurde die ''Kedyw'' als Organisation für [[Sabotage]] und Diversionsakte gegründet. Unter ihrer Ägide wurden Brandanschläge, Diversionsakte, Gefangenenbefreiungen und sogar Anschläge auf [[Schutzstaffel|SS]]-Führer geplant und durchgeführt. Der Widerstand stand über Kuriere in Verbindung mit der polnischen Exilregierung und wurde von ihr finanziell und – zu einem geringen Ausmaß – auch mit Waffen unterstützt.<ref>Norman Davies: ''Rising '44.'' Pan Books, London 2004, S. 196ff.</ref> Ebenso betrieb der Widerstand großangelegte Spionageoperationen im Dienste der Alliierten. So wurde im Juli 1944 eine zerlegte [[A4 (Rakete)|V2]]-Rakete, die von polnischen Widerstandskämpfern erbeutet worden war, von der [[Royal Air Force|RAF]] nach England ausgeflogen. Während des [[Aufstand im Warschauer Ghetto|Aufstands im Warschauer Ghetto]] im Sommer 1943 versuchten Kämpfer der Heimatarmee Hilfe zu organisieren.<ref>Norman Davies: ''Rising '44.'' Pan Books, London 2004, S. 102</ref> === Diplomatie und Politik === Die polnische Regierung befand sich innerhalb der Allianz in einem schweren Spannungsfeld. Ihr einziges Kapital nach der Niederlage waren die polnischen Truppen, die an der Westfront kämpften. Schon vor dem Beginn des Krieges machte die britische Regierung den Polen klar, dass sich ihre Garantien als Bündnispartner nur gegen das Deutsche Reich erstreckten, nicht gegen die Sowjetunion. Mit diesem Schritt wollte [[Arthur Neville Chamberlain|Chamberlain]] sich Stalins Neutralität im Krieg sichern.<ref>Wlodzimierz Borodziej: ''Der Warschauer Aufstand 1944.'' Fischer, 2001, ISBN 3100078063, S. 3ff</ref> Im Jahre 1941 erreichte der Einfluss Polens, durch den deutschen Überfall auf die Sowjetunion und den Kriegseintritt der [[Vereinigte Staaten|USA]], innerhalb der Allianz einen Tiefpunkt. Im polnisch-sowjetischen Vertrag vom 30. Juli 1941 erklärte die Sowjetregierung den Hitler-Stalin-Pakt zwar für null und nichtig, eine Zusicherung der Rückgabe annektierter Gebiete gab sie allerdings nicht. Der britische Geheimdienst [[Special Operations Executive|SOE]] schloss auf Drängen der Regierung mit der sowjetischen Geheimpolizei [[NKWD]] ein Abkommen, das die Zahl der Waffenlieferungen an den polnischen Widerstand beschnitt. Die AK erhielt somit zwischen 1941 und 1944 etwa 600 Tonnen Material, während der griechische Widerstand etwa 6.000 Tonnen, der französische Widerstand etwa 10.500 Tonnen erhielt.<ref>SOE-NKWD-Abkommen und Zahlen: Wlodzimierz Borodziej: ''Der Warschauer Aufstand 1944.'' Fischer, 2001, ISBN 3100078063, S. 53</ref> Einziger wirklicher Lichtblick war der Aufbau einer polnischen Armee in Russland aus den vormals deportierten polnischen Staatsangehörigen ([[2. Polnisches Korps|Anders-Armee]]). Bereits im Oktober folgte allerdings ein Skandal, als der britische Botschafter in Moskau eine Denkschrift vorlegte, die der Sowjetunion die Hoheitsrechte über das Baltikum und den annektierten Teil Polens zusicherte.<ref>Wlodzimierz Borodziej: ''Der Warschauer Aufstand 1944.'' Fischer, 2001, ISBN 3100078063, S. 42 ff</ref> Das angespannte polnisch-sowjetische Verhältnis wurde durch Probleme bei der Aufstellung der Anders-Armee noch mehr belastet. Die Soldaten klagten über mangelnde Nahrungsversorgung und Bewaffnung. Des Weiteren wurden Rekruten aus dem ehemals sowjetisch besetzten Ostpolen nicht zugelassen, sofern sie Weißrussen, Ukrainer oder jüdischer Abstammung waren. 1942 wurde die Armee dann über [[Iran|Persien]] in britische Hoheitsgebiete überführt.<ref>Wlodzimierz Borodziej: ''Der Warschauer Aufstand 1944.'' Fischer, 2001, ISBN 3100078063, S. 49f</ref> Im Januar 1941 stellte die Sowjetunion mit dem [[Verband polnischer Patrioten]] ([[polnische Sprache|polnisch]] ''Związek Patriotów Polskich''; Abkürzung: ''ZPP'') eine kommunistische Gegenorganisation zur Exilregierung zusammen. Außerdem existierte seit 1942 die kommunistische [[Polska Partia Robotnicza|Polnische Arbeiterpartei]] mit ihrer AL-Miliz im polnischen Untergrund. Den endgültigen Schlag für das Klima zwischen Stalin und Sikorski bildete die Bekanntmachung des [[Massaker von Katyn|Massakers von Katyn]] durch deutsche Propagandastellen 1943. Im September 1939 waren 14.552 polnische Kriegsgefangene, v.&nbsp;a. Offiziere, Soldaten, Reservisten, Polizisten und Intellektuelle durch den sowjetischen NKWD verschleppt worden und galten seitdem als vermisst. Die polnische Regierung schenkte den deutschen Berichten Glauben und forderte das [[Rotes Kreuz|Rote Kreuz]] auf, Nachforschungen anzustellen. Es konnten von 4.363 exhumierten Leichen 2.730 als polnische Soldaten identifiziert werden, die allesamt durch Genickschuss getötet worden waren.<ref>Zahlen zu den Exhumierungen: Christian Zentner (Hrsg.): ''Der Zweite Weltkrieg. Ein Lexikon.'' Wien, S. 288</ref> Damit war das Schicksal eines Teils der Kriegsgefangenen geklärt. Nach diesem Vorfall brach der sowjetische Außenminister [[Wjatscheslaw Michailowitsch Molotow|Molotow]] die diplomatischen Beziehungen zur Exilregierung im April 1943 ab, nachdem Sikorski eine weitere Zusammenarbeit aufgrund der Vorkommnisse für unmöglich hielt. Des Weiteren verstärkte die sowjetische Führung ihre Bemühungen, die ''ZPP'' als Gegenregierung aufzubauen und hob unter General [[Zygmunt Berling]] die 1. Polnische Armee unter sowjetischem Kommando aus.<ref>Norman Davies: ''Rising '44.'' Pan Books, London 2004, S. 132, S. 152–154, S. 183</ref> Während dieser Krisenzeit kam der polnische Staatschef Sikorski unter ungeklärten Umständen bei einem Flugzeugunglück auf [[Gibraltar]] ums Leben – und der Exilregierung damit eine Integrations- und Führungsfigur abhanden. Die britische Regierung bezeichnete das Massaker an den verbündeten Offizieren wider besseres Wissen als deutsches Verbrechen.<ref>Wlodzimierz Borodziej: ''Der Warschauer Aufstand 1944.'' Fischer, 2001, ISBN 3100078063, S. 49ff</ref><ref>Norman Davies: ''Rising '44.'' Pan Books, London 2004, S. 44f</ref> === Aufstandsplanungen === [[Datei:RedArmy22Jun19Aug.jpg|miniatur|Situation der Roten Armee 22. Juni 1944-19. August 1944]] Am 20. November 1943 formulierte die AK-Führung unter Bór-Komorowski einen ersten Plan, militärisch gegen die deutschen Besatzer vorzugehen. Der erste Entwurf der Operation ''Burza'' sah die Aktivierung größerer Partisanenverbände auf dem Lande vor, die nach dem Zurückdrängen der Deutschen eine unabhängige polnische Verwaltung bilden sollten. In [[Wolhynien]] sollte diese Methode als erstes umgesetzt werden. Allerdings schafften es die dortigen drei [[Division (Militär)|Divisionen]] der AK nicht, die Provinz von den Besatzern zu befreien. Sie wurden unter großen Verlusten nach [[Polesien]] und [[Lublin]] abgedrängt.<ref>Wlodzimierz Borodziej: ''Der Warschauer Aufstand 1944.'' Fischer, 2001, ISBN 3100078063, S. 80f</ref> Daraufhin überdachte die AK-Führung ihre Vorgehensweise. Entlang des Vorstoßes der Roten Armee durch Polen sollten von nun an die umliegenden AK-Einheiten versuchen, die großen Städte gegen die zurückweichenden Deutschen zu erobern und somit diese vor den anrückenden Sowjettruppen in Besitz nehmen. Die Methode, die Städte mit einem Angriff aus den ländlichen Gebieten allein zu erobern, erwies sich allerdings als Fehlschlag. Die lokalen AK-Truppen waren auf eine Zusammenarbeit mit der Sowjetarmee angewiesen, um die Städte einzunehmen. Bei der Befreiung von [[Vilnius]] am 13. Juli kämpften 6.000 Soldaten der AK Seite an der Seite mit den sowjetischen Truppen der [[3. Weißrussische Front|3. Weißrussischen Front]]. Sie wurden allerdings bereits einen Tag später unter Zwang von den sowjetischen Truppen entwaffnet<ref>Wlodzimierz Borodziej: ''Der Warschauer Aufstand 1944.'' Fischer, 2001, ISBN 3100078063, S. 85ff</ref>, die Offiziere verhaftet. Ein weiterer Prüfstein für die AK-Führung war die Zusammenarbeit mit der Sowjetarmee im Raum [[Lublin]]. Dort kämpften drei Divisionen der Heimatarmee in Zusammenarbeit mit der 2. Sowjetischen Panzerarmee gegen die Deutschen. Lublin lag westlich der [[Curzon-Linie]], war also im Gegensatz zu Vilnius von der Sowjetunion 1939 nicht annektiert worden. Deshalb erhofften die AK-Kommandeure eine freundlichere Haltung der Roten Armee. Nach den zehntägigen Kämpfen und der Befreiung Lublins wurden allerdings wieder sämtliche AK-Truppen von den Sowjettruppen entwaffnet.<ref>Wlodzimierz Borodziej: ''Der Warschauer Aufstand 1944.'' Fischer, 2001, ISBN 3100078063, S. 89ff</ref> Dasselbe wiederholte sich bei [[Lemberg]] und [[Ternopil]]. Diese Erfahrungen gaben für die AK-Führung ein zwiespältiges Bild ab. Die Widerständler konnten aus dem Land nur mit Hilfe der Roten Armee in die Städte eindringen. Ihre Hilfe wurde auch angenommen, sobald der Feind aber in einer Region besiegt war, wurden die AK-Truppen entwaffnet. Bemerkenswert hierbei war das Schweigen der Westmächte, die bei Stalin niemals Einspruch gegen die Entwaffnung der Soldaten ihres polnischen Verbündeten erhoben. Infolgedessen kam das AK-Kommando zum Entschluss, Warschau selbst zum Ort des Aufstands zu machen. Hier operierten die [[Guerilla]]s selbst aus der Stadt heraus. Des Weiteren sollte der Aufstand als medienwirksame Demonstration der polnischen Unabhängigkeit gegenüber der Sowjetunion dienen.<ref>Wlodzimierz Borodziej: ''Der Warschauer Aufstand 1944.'' Fischer, 2001, ISBN 3100078063, S. 97f</ref> Die sowjetische Seite erweckte trotz der Entwaffnungen den Eindruck, sie stünde einem Aufstand freundlich gegenüber. [[Radio Moskau]] sendete am 29. Juli einen Aufruf an die Bürger der Stadt, sich dem Kampf gegen die Deutschen anzuschließen.<ref>Wlodzimierz Borodziej: ''Der Warschauer Aufstand 1944.'' Fischer, 2001, ISBN 3100078063, S. 107</ref> Personell war die Heimatarmee mit rund 45.000 Kämpfern in und um Warschau gut ausgestattet. Unter dem Kommando der AL standen in Warschau rund 1.300 Soldaten, die sich dem Aufstand anschlossen. Es fehlte allerdings an Waffen, Ausrüstung und Munition. Nur jeder vierte Kämpfer der AK verfügte zu Aufstandsbeginn über eine Schusswaffe.<ref>Norman Davies: ''Rising '44.'' Pan Books, London 2004, S. 183f, S. 256f</ref> Nach den Berechnungen des Chefs der Warschauer AK-Zelle [[Antoni Chruściel]] würden die Ressourcen nur für drei bis vier Tage offensives Gefecht oder zwei Wochen defensive Operationen genügen. In Ermangelung eigener Vorräte behalfen sich AK-Kämpfer während des Aufstandes oft mit erbeuteten deutschen Uniformen und Stahlhelmen. Die polnische Führung hoffte allerdings auf Luftunterstützung seitens der Westalliierten und den Einsatz der an der Westfront kämpfenden [[1. Polnische Fallschirmjägerbrigade|polnischen Fallschirmtruppen]].<ref>Norman Davies: ''Rising '44.'' Pan Books, London 2004, S. 419, S. 247</ref><ref>Wlodzimierz Borodziej: ''Der Warschauer Aufstand 1944.'' Fischer, 2001, ISBN 3100078063, S. 103, S.115</ref> == Der Aufstand == === Erhebung und Massenmord === [[Datei:Warszawa Powstanie 1944-08-04.jpg|miniatur|Von den Aufständischen kontrollierte Stadtgebiete 4. August 1944]] Im Juli 1944 fanden mehrere geheime Sitzungen der AK-Führung in Warschau statt, in denen über verschiedene Varianten des Aufstandes debattiert wurde. Der Chef der AK in Polen, General Bór-Komorowski, äußerte bereits in der dritten Juli-Woche – auch gegenüber der Exilregierung – die Überzeugung, dass ein bewaffneter Aufstand in kürzester Zeit stattfinden müsse. Man war jedoch vor allem aufgrund des Mangels an Munition und Waffen noch unentschlossen. In den nächsten Tagen kam es zu einer Reihe von Ereignissen, die die AK-Führung und die Exilregierung immer mehr davon überzeugten, dass die Zeit für einen bewaffneten Aufstand gekommen sei. Zum Einen wusste man vom Attentat am 20. Juli auf Hitler und den gescheiterten Umsturzversuchen, zum Anderen verbreiteten sich Meldungen über den erfolgreichen Ausbruch der Alliierten aus den Brückenköpfen in der Normandie. Die teilweise Evakuierung deutscher Lagerräume und des administrativen Apparates der Deutschen aus Warschau ließ einen bevorstehenden Rückzug der Wehrmacht aus Warschau und einen kurz bevorstehenden allgemeinen Zusammenbruch Deutschlands vermuten. Außerdem zeigte die Bildung des [[Lubliner Komitee]]s – einer polnischen kommunistischen Marionettenregierung – durch die Sowjetunion, dass die Sowjetunion ungeachtet aller Proteste ihre eigenen politischen Ziele durchsetzen wollte; am 29. Juli verbreitete die kommunistische AL die Falschmeldung, dass die AK-Einheiten Warschau verlassen hätten. Am gleichen Tag sendete Radio Moskau einen Aufruf in polnischer Sprache, der die Bevölkerung zur bewaffneten Erhebung aufrief: ''„Für Warschau, das sich nie ergeben, sondern immer gekämpft hat, hat die Stunde des Kampfes geschlagen!”''. Am 31. Juli 1944 fand daraufhin eine weitere Versammlung der AK-Führung in Warschau statt, die jedoch zunächst ergebnislos endete. Als jedoch am gleichen Tag um 17:30 Uhr der AK-Nachrichtendienst meldete, sowjetische Panzer hätten bereits die Vorstadt Praga östlich der [[Weichsel]] erreicht, gab der Chef der AK in Polen General Bór-Komorowski, im Einvernehmen mit der Delegation der Exilregierung aus London, den Befehl, den Aufstand in Warschau durchzuführen. Alle AK-Verbände sollten am 1. August um 17:00 Uhr zeitgleich gegen die deutschen Besatzer losschlagen.<ref>Wlodzimierz Borodziej: ''Der Warschauer Aufstand 1944.'' Fischer, 2001, ISBN 3100078063, S. 110f</ref><ref>Norman Davies: ''Boze Igrzysko. Historia Polski.'' Wydawnictwo Znak, Krakow 2003, S. 932–934</ref> Es kam allerdings bereits vor der festgesetzten Stunde zu vereinzelten Feuergefechten zwischen AK-Einheiten und deutschen Truppen, da manche der Zellen zufällig von den Deutschen entdeckt wurden. Damit war das Überraschungsmoment nur in wenigen Fällen gegeben. Des Weiteren erhielten manche Einheiten den Befehl auch zu spät oder konnten sich bis 17:00 Uhr nicht mehr vollständig sammeln. Die AK-Zellen im Stadtzentrum litten aufgrund der kürzeren Wege in ihren Distrikten weniger unter diesem Manko. Dafür waren sie aber im Gegensatz zu den Kräften im Umland und den Vororten der Stadt schlechter bewaffnet.<ref>Wlodzimierz Borodziej: ''Der Warschauer Aufstand 1944.'' Fischer, 2001, ISBN 3100078063, S. 113ff</ref> Trotz dieser Faktoren gelangen den Aufständischen einige Erfolge. So konnten sie im Laufe der ersten Kampftage das 68 Meter hohe Gebäude der Versicherungsgesellschaft ''Prudential'' als weithin sichtbare Landmarke erobern. Des Weiteren brachten sie das zentrale Postgebäude der Stadt sowie das Elektrizitätswerk unter ihre Kontrolle. Einige wichtige Gebäude, wie die Telefonzentrale wurden von ihnen belagert. Ebenso griffen die Widerstandskämpfer die noch bestehenden Durchgangslager planmäßig an und befreiten so zahlreiche KZ-Insassen. Im Großen und Ganzen konnten sie rund die Hälfte Warschaus links der Weichsel unter ihre Kontrolle bringen.<ref name="Borodziej116ff"/><ref>Norman Davies: ''Rising '44.'' Pan Books, London 2004, S. 245f, 262f</ref> Der polnische Befehlshaber General Bór schilderte die Ereignisse wie folgt:<ref>Winston Churchill: ''Der Zweite Weltkrieg.'' Seite 951</ref> {{Zitat|Punkt fünf Uhr Nachmittags blitzten, als sie aufgerissen wurden, Tausende von Fenstern. Von allen Seiten ging ein Kugelhagel auf die vorübergehenden Deutschen nieder, zerfetzte ihre marschierenden Kolonnen und prallte gegen die von ihnen besetzten Gebäude. Die Zivilisten verschwanden im Nu von den Straßen, während die sich zum Angriff sammelnden Männer aus den Häusern strömten. Binnen fünfzehn Minuten war die ganze Stadt mit ihrer Million Einwohner zum Kampfplatz geworden. Jeder Verkehr hörte auf. Der große Knotenpunkt Warschau unmittelbar hinter der deutschen Front mit seinen aus Nord, Süd, Ost und West zusammenlaufenden Straßen bestand nicht mehr. Der Kampf um die Stadt war entbrannt.}} Viele strategisch wichtige Ziele blieben aber in der Hand der deutschen Besatzungstruppen. So gelang es den AK-Kämpfern nicht, die [[Weichsel]]brücken von deutschen Truppen freizukämpfen. Damit blieb die Ost-West-Verbindung durch die Stadt für deutsche Truppenbewegungen offen, auch wenn sie von den Soldaten der Heimatarmee ständig bedroht wurde. Ebenso konnten die Deutschen die Angriffe auf die beiden Flughäfen der Stadt, die Universitätsgebäude und das Polizeihauptquartier abschlagen.<ref>Wlodzimierz Borodziej: ''Der Warschauer Aufstand 1944.'' Fischer, 2001, ISBN 3100078063, S. 114f</ref> Beide Seiten hatten damit ihre Ziele verfehlt. Die Deutschen konnten den Aufstand nicht niederschlagen und die AK hatte die Schlüsselpositionen der Stadt nicht in ihrer Gewalt. Warschau glich nach den ersten Kampftagen einem „Puzzle“ aus deutsch oder polnisch kontrollierten Sektoren und Gruppen beider Seiten waren oftmals isoliert und eingekesselt. Die polnischen Widerstandskämpfer hatten allein am ersten Tag rund 2.500<ref>Norman Davies: ''Rising '44.'' Pan Books, London 2004, S. 245</ref> Soldaten verloren. Die Deutschen hatten 500<ref>Wlodzimierz Borodziej: ''Der Warschauer Aufstand 1944.'' Fischer, 2001, ISBN 3100078063, S. 118</ref> Tote zu beklagen. Am 3. August versuchten Panzereinheiten der [[Fallschirm-Panzer-Division 1 Hermann Göring|Division ''Hermann Göring'']], die Straßenverbindung Richtung Osten wieder für den Nachschub an die Ostfront durchgängig zu machen. Sie scheiterten aber am Feuer der Aufständischen. Ein zweiter Versuch durch ein Grenadierregiment der Wehrmacht scheiterte ebenso. Bei diesen Einsätzen wurden planmäßig polnische Zivilisten von deutschen Truppen als sogenannte ''menschliche Schutzschilde'' missbraucht.<ref name="Borodziej116ff"/> Doch auch polnische Einheiten sollen während der ersten Stunden der Kämpfe Kriegsverbrechen begangen haben. So sollen die Insassen des deutschen Hauptverbandsplatzes in Warschau massakriert worden sein, ebenso sollen gefangene aserbaidschanische Hilfstruppen von AK-Soldaten getötet worden seien.<ref>Günther Deschner: ''Warsaw Rising. History of World War II.'' Pan/Ballantine Books, London 1972, Seite 34</ref> [[Datei:Warsaw Uprising - Captured SdKfz 251 (1944).jpg|miniatur|Von der Armia Krajowa erbeuteter [[Sd.Kfz. 251]] der [[5. SS-Panzer-Division „Wiking“]]]] Währenddessen war dem deutschen Oberkommando klar geworden, dass die 20.000 Mann starke Warschauer Garnison, von denen lediglich 5.000 als gut ausgebildete und ausgerüstete Kampftruppen angesprochen werden konnten<ref>Günther Deschner: ''Warsaw Rising. History of World War II.'' Pan/Ballantine Books, London 1972, S. 45</ref>, nicht in der Lage war, den Aufstand niederzuschlagen. Der Vorschlag des Chefs des deutschen Heeres-Generalsstabs [[Heinz Guderian|Guderian]], Warschau in die Operationszone der Wehrmacht einzubeziehen und diese für die Niederschlagung des Aufstandes verantwortlich zu machen, wurde von Hitler zurückgewiesen. Ebenso zeigte sich das Oberkommando der 9. Armee aufgrund der Kämpfe an der Ostfront sehr widerwillig sich auch noch den Kampf gegen die Aufständischen aufbürden zu lassen. Den Auftrag zur Niederschlagung erhielt der Reichsführer-SS [[Heinrich Himmler]], der SS-Gruppenführer [[Heinz Reinefarth]] damit beauftragte, da der Stadtkommandant Warschaus [[Rainer Stahel]] in seinem Hauptquartier von Aufständischen umzingelt war.<ref>Wlodzimierz Borodziej: ''Der Warschauer Aufstand 1944.'' Fischer, 2001, ISBN 3100078063, S. 142f.</ref><ref>Norman Davies: ''Rising '44.'' Pan Books, London 2004, S. 252, S. 249</ref> Diesem stand zunächst nur eine Kampfgruppe aus verschiedenen intakten und teilweise abgeschnittenen Teilen der Garnison, ein Regiment der [[29. Waffen-Grenadier-Division der SS „RONA“]] unter [[Bronislaw Wladislawowitsch Kaminski|Bronislaw Kaminski]], das überwiegend aus Strafgefangenen und KZ-Häftlingen bestehende [[SS-Sondereinheit Dirlewanger|SS-Sturmbrigade Dirlewanger]], dem [[Sonderverband Bergmann]], SS-Polizeieinheiten aus Posen (''Poznań'') und einem 600 Mann starken Sicherungsregiment, das aus nicht fronttauglichen, älteren Männern aus dem Stand der 9. Armee bestand. Außerdem bekam er Unterstützung durch die Panzerdivision Hermann Göring und das 4. Panzergrenadierregiment.<ref>Wlodzimierz Borodziej: ''Der Warschauer Aufstand 1944.'' Fischer, 2001, ISBN 3100078063, S. 118, 120</ref><ref>Günther Deschner: ''Warsaw Rising. History of World War II.'' Pan/Ballantine Books, London 1972, S. 66</ref><ref>Rolf Michaelis: ''Die Grenadier-Divisionen der Waffen-SS.'' Erlangen 1995, S. 143</ref> [[Datei:Bundesarchiv Bild 183-97906, Warschauer Aufstand, Straßenkampf.jpg|miniatur|Angehörige der Waffen-SS, darunter Soldaten der Sondereinheit Dirlewanger in Warschau ; Aufnahme eines SS-Kriegsberichterstatters]] Himmler hatte im Sinne Hitlers bereits Tage zuvor den Befehl gegeben, sämtliche nichtdeutschen Einwohner Warschaus ohne Ansehen von Alter, Geschlecht oder Beteiligung am Aufstand zu töten und die Stadt dem Erdboden gleichzumachen. Durch diese Anordnung wollte er den Widerstand des polnischen Volkes gegen die NS-Herrschaft ein für allemal brechen.<ref>Norman Davies: ''Rising '44.'' Pan Books, London 2004, S. 249</ref> Infolgedessen endete der Angriff der „Kampfgruppe Reinefarth“ gegen den westlichen Stadtteil Wola mit einem Massaker an der Zivilbevölkerung. Schätzungen zufolge töteten die deutschen Einheiten zwischen 20.000 und 50.000 polnische Zivilisten.<ref>Norman Davies: ''Rising '44.'' Pan Books, London 2004, S. 253</ref> Die Einheiten vermieden es sogar, den Kampf gegen die Heimatarmee aufzunehmen. Der Kommandeur der in Wola liegenden AK-Einheiten bezeichnete seine Verluste an Soldaten mit 20 Toten und 40 Verwundeten. Reinefarth beschwerte sich unterdessen bei seinen Vorgesetzten, dass die ihm zugeteilte Munition nicht ausreiche, um alle gefangenen Zivilisten zu erschießen.<ref>Hans von Krannhals: ''Der Warschauer Aufstand 1944.'' Frankfurt am Main 1962, S. 312</ref> Die Wirkung des Massakers auf die Zivilbevölkerung ließ nicht auf sich warten. Wer konnte, versuchte sich in einen von Widerstandskämpfern kontrollierten Bereich der Stadt zu retten. Dadurch wurde der Kampfgeist der polnischen Soldaten gestärkt, aber es wurde damit auch der Grundstein für die Versorgungsprobleme und Überfüllung hinter den Stellungen des Widerstands gelegt.<ref>Wlodzimierz Borodziej: ''Der Warschauer Aufstand 1944.'' Fischer, 2001, ISBN 3100078063, S. 123</ref> [[Datei:Poland Beskid Niski Krzywa Banica Monument Of Polish 2nd War Pilots.jpg|miniatur|Gedenkstein für eine polnische [[Handley Page Halifax|Halifax]]-Besatzung, die beim Rückflug von Warschau abgeschossen wurden]] Am 6. August beschränkte der neu eingetroffene Oberbefehlshaber [[Erich von dem Bach]] den Massenmord aus taktischen Gründen. Frauen, Alte und Kinder wurden vom Erschießungsbefehl ausgeschlossen und die Durchführung des Massenmords wurde von den eigentlichen Kampfeinheiten auf speziell gebildete [[Einsatzgruppen]] hinter der Front verlagert. Damit sollte der Fortgang der Morde auch vor der Zivilbevölkerung verschleiert werden.<ref>Norman Davies: ''Rising '44.'' Pan Books, London 2004, S. 252f</ref> Während der ersten Aufstandstage hatte sich auch die Lage der Roten Armee verändert. Im Rahmen ihrer [[Operation Bagration|Westoffensive]] wurde sie von der Wehrmacht schon am 1. August kurz vor Warschau zurückgeschlagen. Bei dem deutschen Gegenangriff wurde das führende sowjetische Panzerkorps zeitweise abgeschnitten und die Rote Armee der Initiative beraubt. Der Oberbefehlshaber der [[1. Weißrussische Front|1. Weißrussischen Front]] [[Konstantin Konstantinowitsch Rokossowski|Konstantin Rokossowski]] sah dies allerdings nur als einen kurzzeitigen Misserfolg. Er legte bereits wenige Tage später einen Operationsplan vor, bei dem er die Einnahme Warschaus zum 10. August avisierte. Dieser Plan wurde allerdings von höheren Stellen abgelehnt und die Rote Armee vor Warschau angewiesen, in defensiver Position zu verweilen. Aufgrund mangelnder Quellenlage ist nicht klar, ob die Ablehnung aus der politischen oder militärischen Führung der Sowjetunion herrührte.<ref>Wlodzimierz Borodziej: ''Der Warschauer Aufstand 1944.'' Fischer, 2001, ISBN 3100078063, S. 127ff</ref><ref>Bernd Martin, Stanislawa Lewandowska (Hrsg.): ''Der Warschauer Aufstand 1944.'' Warschau 1999, S. 90</ref> === Internationale Situation === Seit dem 30. Juli befand sich der Nachfolger Sikorskis als Premier, [[Stanisław Mikołajczyk]], in Moskau, um die diplomatischen Spannungen mit dem sowjetischen Verbündeten auszuräumen. Ab dem 3. August traf er mehrmals mit [[Josef Stalin]] zusammen. Dieser sagte allerdings keinerlei Unterstützung für den Aufstand zu. Er forderte die Anerkennung des kommunistischen Lubliner Komitees und äußerte sich in einigen Bemerkungen sehr abschätzig über die militärischen Fähigkeiten der Aufständischen.<ref>Wlodzimierz Borodziej: ''Der Warschauer Aufstand 1944.'' Fischer, 2001, ISBN 3100078063, S. 126f</ref> Unter dem Druck der fast täglich eintreffenden Hilfsanforderungen und Lageberichten General Bors aus Warschau traf sich Mikołajczyk außerdem mit Vertretern der kommunistischen Gegenregierung und machte diesen bezüglich der Verfassung und territorialer Fragen weitgehende Zugeständnisse. Außerdem war er bereit dem Lubliner Ausschuss vierzehn Sitze in einer kombinierten Regierung einzuräumen<ref>Winston Churchill: ''Der Zweite Weltkrieg.'' Seite 953, 955</ref>. Wenige Tage später, am 9. August, sicherte Stalin ihm jegliche Unterstützung für die Heimatarmee in Warschau zu. Daraufhin verließ der polnische Premier Moskau Richtung London in dem Glauben, einen maßgeblichen außenpolitischen Erfolg erzielt zu haben.<ref>Wlodzimierz Borodziej: ''Der Warschauer Aufstand 1944.'' Fischer, 2001, ISBN 3100078063, S. 130</ref> Am 16. August erfolgte aber eine weitere Kehrtwende in der Politik der Sowjetunion. In einem Schreiben an Churchill lehnte Stalin jede Hilfeleistung an den polnischen Widerstand in Warschau ab.<ref>Wlodzimierz Borodziej: ''Der Warschauer Aufstand 1944.'' Fischer, 2001, ISBN 3100078063, S. 133</ref> Zudem lehnte er ein Gesuch Roosevelts ab, [[United States Army Air Forces|US-Flugzeuge]] auf sowjetischen Flugplätzen zwischenlanden zu lassen, um Warschau zu unterstützen. Dies war bereits mehrmals im Rahmen der [[Operation Frantic]] vorexerziert worden. Hierbei waren US-Bomber und Jäger in der Ukraine zwischengelandet und hatten jeweils auf dem Hin- und Rückflug militärische Ziele in [[Ungarn]], [[Rumänien]] und [[Polen]] bombardiert. Die Erfolgsaussichten dieser Missionen waren aufgrund der Jagdeskorte und der schieren Anzahl der US-Bomber weitaus erfolgversprechender als die bisherigen Flüge der [[Royal Air Force]] von Italien aus.<ref>Wlodzimierz Borodziej: ''Der Warschauer Aufstand 1944.'' Fischer, 2001, ISBN 3100078063, S. 137</ref><ref>Norman Davies: ''Rising '44.'' Pan Books, London 2004, S. 311</ref>. Am 4. August starteten die ersten Flüge der alliierten Luftwaffe in Richtung Warschau. Zwei Maschinen überflogen Warschau in der Nacht des 4. August, drei weitere erschienen dort vier Nächte später. Dabei warfen polnische, britische und [[Dominion]]-Besatzungen Waffen, Munition und Versorgungsgüter ab. Die Zahl der Flüge blieb jedoch gering und völlig unzureichend<ref>W. Churchill: ''Der Zweite Weltkrieg.'' Seite 952</ref>. Der einzige großangelegte Hilfsflug mit über 100 Flugzeugen erfolgte erst am 18. September durch die Amerikaner, nachdem mehrere alliierte Anfragen bezüglich der Nutzung sowjetischer Flugplätze stets ablehnend beantwortet wurden. === Kampf um die Altstadt === [[Datei:Opaska_powstancza.jpg|miniatur|Armbinde, mit der Abkürzung WP, die die Aufständischen trugen. Ausgeschrieben steht es für Wojsko Polskie (Polnische Streitkräfte).]] Am 13. August 1944 begannen die Deutschen mit 39.000 Soldaten die Offensive gegen die Aufständischen in der Altstadt. Von dem Bach hatte dieses Ziel gewählt, um die Eisenbahnbrücken und somit die Nachschubverbindung zur [[deutsche 9. Armee|9. Armee]], die an der Ostfront kämpfte, wiederherzustellen. Ihnen gegenüber standen 6.000 Kämpfer des Widerstands, die sich in dem wenige Quadratkilometer großen Stadtviertel mit rund 100.000 Zivilisten befanden. Die deutschen Truppen gingen dabei im Schutz von Panzern und unterstützt durch [[Artillerie]] und Luftwaffe entlang der Straßen vor. Diese Vorgehensweise scheiterte an der [[Guerilla]]taktik der Aufständischen. Insbesondere der Einsatz polnischer [[Scharfschütze]]n wurde von deutschen Stellen als besonders wirksam beschrieben. Es dauerte mehrere Tage, bis die Deutschen grundlegende Taktiken der Aufständischen übernahmen und anstatt der Bewegung unter freiem Himmel Mauerdurchbrüche und Kellergänge sowie hauptsächlich die Kanalisation zur Fortbewegung nutzten. In diesem [[Häuserkampf (Militär)|Häuserkampf]] konnten sie aber ihre zahlenmäßige Überlegenheit an Menschen und schweren Waffen kaum mehr zum Tragen bringen. Der Kampf um die Altstadt wurde somit zu einer Schlacht um jeden Raum und jedes Gebäude.<ref>Wlodzimierz Borodziej: ''Der Warschauer Aufstand 1944.'' Fischer, 2001, ISBN 3100078063, S. 144ff, Frankfurt/M. 2004, S. 144ff</ref> Bis zum 21. August hatten die deutschen Truppen die AK auf ein Gebiet von einem Quadratkilometer zurückgedrängt. Sie hatten bis zu diesem Datum rund 2.000 Soldaten durch Tod oder Verwundung verloren. Die deutschen Verluste beliefen sich bis zum 26. August auf rund 4.000 Mann.<ref>Wlodzimierz Borodziej: ''Der Warschauer Aufstand 1944.'' Fischer, 2001, ISBN 3100078063, S. 151</ref> Am 31. August entschloss sich das AK-Kommando der Altstadt, die restlichen Kämpfer und Zivilisten zu evakuieren. Sie zogen sich unbemerkt von den Deutschen über die [[Kanalisation]] in das von der AK kontrollierte Stadtzentrum zurück. Da sich die deutschen Truppen auf die Altstadt konzentriert hatten, waren die restlichen Enklaven des Widerstandes noch relativ unberührt. Der Anblick der evakuierten Zivilpersonen aus der Altstadt erwies sich für die dortige Bevölkerung oftmals als Schock. Wasser war im umkämpften Viertel knapp gewesen, da die Deutschen die Wasserversorgung der ganzen Stadt unterbrochen hatten. Die Benutzung von Brunnen bedeutete unter Artilleriebeschuss und Bombardement Lebensgefahr. Die Bemühungen der Verwaltung der Aufständischen, die medizinische Versorgung aufrechtzuerhalten, scheiterten. Ab dem 20. August waren keine [[Anästhetikum|Anästhetika]] mehr verfügbar und Operationen wurden bei vollem Bewusstsein durchgeführt. Am 22. August wurden die letzten Brotrationen an AK-Kämpfer ausgegeben. Rund 25.000 bis 30.000 Zivilisten fanden in der Altstadt den Tod. Deutsche Stellen sprachen von rund 35.000 internierten Zivilisten nach der Eroberung des Viertels. Diese Menschen erwartete die [[Deportation]] zur Zwangsarbeit in das Deutsche Reich.<ref name="Borodziej154ff"/> Nach der vollständigen Eroberung der Altstadt am 1. September 1944 begannen deutsche Truppen verwundete Zivilisten und verwundete AK-Soldaten zu erschießen. Nur in einem Fall verhinderten befreite deutsche Kriegsgefangene, die von ihren polnischen Gegnern im selben Lazarett wie Widerstandskämpfer und Zivilpersonen versorgt worden waren, den Massenmord. Des Weiteren sind Erschießungen gefangener AK-Soldaten durch deutsche Einheiten auch während der Kämpfe belegt.<ref name="Borodziej154ff"/> [[Datei:Pfadfinderpost.jpg|miniatur|Zu den Aufständischen zählten auch ''Pfadfinder'', die über eine eigene ''Pfadfinderpost'' verfügten]] Den Aufständischen der anderen Bezirke gelang es während des Kampfs um die Altstadt, einige lokale Erfolge zu erzielen. Sie eroberten einige Enklaven, in denen sich die Besatzungstruppen gehalten hatten, darunter das Gebäude der Telefongesellschaft PAST. Als höchstes Gebäude der Stadt bedeutete seine Erstürmung am 22. August 1944 einen großen moralischen Erfolg.<ref>Norman Davies: ''Rising '44.'' Pan Books, London 2004, S. 326</ref> Auch versuchten die Aufständischen, durch Angriffe auf strategisch wichtige Gebäude Verbindung untereinander herzustellen. Dort wo die Deutschen aber nicht selbst abgeschnitten waren, schlugen diese fehl, so dass die AK immer noch einen Flickenteppich isolierter Gebiete hielt, die untereinander nicht zusammenwirkten und auch kaum kommunizierten. Ebenso scheiterte der Versuch, größere Reserven über die umliegenden Waldgebiete in die Stadt einzuschleusen.<ref>Wlodzimierz Borodziej: ''Der Warschauer Aufstand 1944.'' Fischer, 2001, ISBN 3100078063, S. 152f</ref> === Hoffnung und Agonie === [[Datei:Bundesarchiv Bild 183-J27793, Warschauer Aufstand, Straßenkämpfe.jpg|miniatur|links|Deutsche Infanteristen in den Straßen von Warschau, Aufnahme eines deutschen Kriegsberichterstatters der SS]] Nach dem Fall der Altstadt verteidigte der Widerstand noch drei große Gebiete innerhalb der Stadt. Das Stadtzentrum war von deutschen Truppen in zwei Teile gespalten, doch umfasste es den stärksten Bezirk der AK. Hier befanden sich 23.000 Soldaten und die Verwaltung der Aufständischen war hier am weitesten fortgeschritten. Es gab Zeitungen, einen Postdienst, einen Radiosender sowie eine eigene Waffenproduktion, in der vor allem [[Handgranate]]n gefertigt wurden. Im Süden des Zentrums lag Mokotow. Seit den ersten Aufstandstagen, an denen es zu Kämpfen und Erschießungen durch deutsche Truppen gekommen war, war es hier relativ ruhig geblieben. Ein Versuch, die Verbindung zum Zentrum freizukämpfen, scheiterte allerdings Ende August, so dass Mokotow isoliert blieb. Im Norden des Zentrums hielten die Aufständischen mit dem Bezirk Zoliborz eine kleinere Insel des Widerstands. Auch hier war die Lage bis zum August vergleichsweise ruhig geblieben.<ref>Wlodzimierz Borodziej: ''Der Warschauer Aufstand 1944.'' Fischer, 2001, ISBN 3100078063, S. 157–161</ref> Das Zentrum wurde aus zwei Gründen zum nächsten Angriffsziel der deutschen Okkupanten. In ihm verliefen die Straßenverbindungen Richtung Osten und es war aufgrund seiner Größe die Hauptstütze der AK. Von dem Bach begann den Angriff am 2. September 1944. Die Besatzer gingen dabei entlang des westlichen Weichselufers vor, um die Aufständischen von den eventuell anrückenden Sowjettruppen abzuschneiden. Wie in den Kämpfen um die Altstadt ergaben sich durch die zähe polnische Verteidigung hohe Verluste unter den deutschen Truppen, doch konnten die Stellungen gegen die materielle Übermacht nicht gehalten werden. Am 6. September besetzten deutsche Truppen das Elektrizitätswerk und zogen den Ring um die Aufständischen immer enger. Bór-Komorowski war von der Aussichtslosigkeit der Lage überzeugt und erbat am 8. September per Funk die Ermächtigung zur Kapitulation von der Exilregierung. Sie wurde ihm gewährt, doch änderte sich die Lage einen Tag später drastisch. Am 9. September griff zum ersten Mal die sowjetische Luftwaffe ein, bombardierte deutsche Stellungen und brach die deutsche Luftherrschaft binnen eines Tages. Tags darauf begann Rokossowskis Angriff auf die östliche Vorstadt Praga. Daraufhin brach der polnische Oberbefehlshaber die Kapitulationsverhandlungen mit dem deutschen Befehlshaber ab. Am 14. hatte die Rote Armee das östliche Weichselufer vollständig im Griff. Polen und Russen waren nun nur noch wenige hundert Meter voneinander getrennt.<ref>Wlodzimierz Borodziej: ''Der Warschauer Aufstand 1944.'' Fischer, 2001, ISBN 3100078063, S. 167ff</ref> Die Moral der AK wurde am 18. September nochmals gestärkt. Die Sowjetunion hatte nun doch einen Flug der US-Luftwaffe genehmigt. Insgesamt starteten 110 [[B-17 Flying Fortress]], um Versorgungsgüter über der Stadt abzuwerfen. 104 schwere Bomber erreichten ihr Ziel<ref>Winston Churchill: ''Der Zweite Weltkrieg.'' Seite 957</ref> und landeten dann auf dem sowjetischen Stützpunkt [[Poltawa]]. Aufgrund der unübersichtlichen Verhältnisse erreichten aber nur rund 20 % der Container den polnischen Widerstand. Die US-Luftwaffe beantragte die weitere Nutzung sowjetischer Flugplätze zur Durchführung der Hilfsflüge, erhielt aber bis zum Ende des Aufstands keine Erlaubnis seitens der sowjetischen Führung. Dies blieb somit die einzige Unterstützung des amerikanischen Militärs für den Aufstand.<ref>Norman Davies: ''Rising '44.'' Pan Books, London 2004, S. 377, 381</ref> Bereits mehrere Tage zuvor, am 15. September, starteten drei polnische Divisionen Berlings nördlich und südlich der Stadt den Versuch, die Weichsel zu überqueren. Sie wurden dabei von sowjetischer Artillerie und der Roten Luftwaffe unterstützt. Die Kampftruppen der Roten Armee blieben aber immer noch passiv und Berling selbst beschwerte sich über den Mangel an zur Verfügung gestellter Pionierausrüstung für den Übergang. So konnten nur wenige Soldaten und ein geringer Teil an schweren Waffen übergesetzt werden. Nach einer deutschen Gegenoffensive brach Berling den Angriff am 23. September ab und befahl den Rückzug von den Brückenköpfen westlich der Weichsel.<ref>Norman Davies: ''Rising '44.'' Pan Books, London 2004, S. 383</ref> Am gleichen Tag eroberten die deutschen Truppen Zoliborz. Nachdem die letzten dortigen AK-Einheiten kapituliert hatten, kam es zu einem Massaker an der Zivilbevölkerung. Vier Tage später kapitulierten die AK-Truppen in Mokotow. Bis zum Oktober hatten die Deutschen den Widerstand im Stadtzentrum nicht brechen können. Doch angesichts der aussichtslosen Lage des Militärs wie der Zivilbevölkerung entschied sich Bór-Komorowski zur Kapitulation. Am 1. Oktober wurde ein Waffenstillstand vereinbart. Wenige Tage später erfolgte die Evakuierung der Soldaten und Zivilisten aus Warschau.<ref>Wlodzimierz Borodziej: ''Der Warschauer Aufstand 1944.'' Fischer, 2001, ISBN 3100078063, S. 180ff</Ref> Einer der letzten Funksprüche der Armia Krajowa aus dem umkämpften Warschau Anfang Oktober 1944, der in London aufgefangen wurde, lautete:<ref>Winston Churchill: ''Der Zweite Weltkrieg.'' Scherz, 1948, Seite 957. Neben 15.000 getöteten Widerstandskämpfern seitens der AK, gibt Churchill 10.000 Tote, 7.000 Vermisste und 9.000 Verwundete deutscherseits an, sowie rund 200.000 Opfer unter der Zivilbevölkerung Warschaus</ref> {{Zitat|Das ist die heilige Wahrheit. Wir sind schlimmer behandelt worden als Hitlers Satelliten, schlimmer als Italien, Rumänien, Finnland. Mag Gott der Gerechte sein Urteil über die furchtbare Ungerechtigkeit fällen, die dem polnischen Volk widerfahren ist, und möge Er alle Schuldigen strafen. Unsere Helden sind die Soldaten, deren einzige Waffe gegen Panzer, Flugzeuge und Geschütze ihre Revolver und Petroleumflaschen waren. Unsere Helden sind die Frauen, die die Verwundeten pflegten und unter Kugeln Meldedienste leisteten, die in zerbombten Kellern für Kinder und Erwachsene kochten, die den Sterbenden Linderung brachten und trösteten. Unsere Helden sind die Kinder, die in den rauchenden Ruinen unschuldsvoll spielten. Das sind die Menschen Warschaus. Ein Volk, in dem solche Tapferkeit lebt, ist unsterblich. Denn jene, die starben, haben gesiegt, und jene, die leben, werden weiterkämpfen, werden siegen und wiederum Zeugnis dafür ablegen, dass Polen lebt, solange Polen leben.}} == Folgen == [[Datei:Warszawa Powstaniec.png|miniatur|Gedenkfeier einer Pfadfinderorganisation am Denkmal des „Kleinen Partisanen“ in Warschau]] [[Datei:Polish civilians murdered by German-SS-troops in Warsaw Uprising Warsaw August 1944.jpg|miniatur|Von SS-Einheiten im August 1944 ermordete polnische Zivilisten]] === Kriegsfolgen === Im militärischen und politischen Sinne konnte die Aufstandsführung ihre Ziele nicht durchsetzen. Der Versuch, die Besatzer aus der eigenen Hauptstadt zu vertreiben, scheiterte. Durch die Aussichtslosigkeit der militärischen Lage stärkte der Aufstand die Position der Exilregierung gegenüber der Sowjetunion nicht, sondern schwächte sie, da man auf die Hilfe der Roten Armee hoffen musste. Auf polnischer Seite starben rund 15.000 Soldaten, 25.000 wurden verwundet.<ref>Wlodzimierz Borodziej: ''Der Warschauer Aufstand 1944.'' Fischer, 2001, ISBN 3100078063, S.190</ref><ref name="Martin139"/> Schätzungen für die Zivilbevölkerung bewegen sich zwischen 150.000 und 225.000 toten Zivilisten<ref>zu den zivilen Toten: Norman Davies: ''God's Playground – A History of Poland.'' Band 2. S. 477</ref><ref name="Krannhals214"/><ref name="Martin251"/>. Dieses massenhafte Leiden der Zivilbevölkerung machte die Exilregierung und die Aufstandsführung zum Ziel von Kritik aus dem eigenen Lager, wie von ihren kommunistischen Konkurrenten. Auch die deutsche Seite konnte ihre anfänglichen Ziele nicht durchsetzen, da eine schnelle Niederschlagung des Aufstands fehlschlug und die Widerstandskämpfer 63 Tage lang gegen die Besatzungstruppen kämpften. Über die Verluste der deutschen Streitkräfte gibt es zwei widersprüchliche Aussagen. Von dem Bach als direkt Verantwortlicher für die Operation gegen den Aufstand sprach in seinem Bericht über den Aufstand von 10.000 Toten, 7.000 Vermissten und 9.000 Verwundeten. Die Akten des Stabes der 9. Armee verzeichneten 2.000 Tote und 7.000 Verwundete, allerdings erheben diese Zahlen keinen Anspruch auf Vollständigkeit.<ref>zu den deutschen Verlustzahlen: Hans von Krannhals: ''Der Warschauer Aufstand 1944.'' Frankfurt am Main 1962, S. 120f</ref> Die Befürchtungen des Oberkommandos der 9. Armee, nämlich einer gleichzeitigen sowjetischen Offensive, bewahrheiteten sich aber nicht. Außerdem konnten nach dem Fall der Altstadt die Nachschublinien über Warschau an die Ostfront relativ schnell wiederhergestellt werden.<ref>Norman Davies: ''Rising '44.'' Pan Books, London 2004, S. 502, S. 626, S. 640</ref> Die AK-Führung unter Bór-Komorowski hatte weitgehend versucht, den Anforderungen des Kriegsvölkerrechts (offenes Tragen der Waffe; Armbinden als äußerliches Erkennungszeichen) zu entsprechen, und erhob deshalb während der Kapitulationsverhandlungen für ihre Soldaten Anspruch auf den Kombattantenstatus gemäß der [[Haager Landkriegsordnung]]. Das Gleiche wurde für die kleineren Gruppierungen inklusive der kommunistischen AL vereinbart. Am 30. August hatten zudem die Westmächte die Aufständischen zu Angehörigen der alliierten Streitkräfte erklärt und mit Repressalien gedroht, sollten diese nicht als solche behandelt werden. Die Wehrmacht erkannte deshalb allen etwa 17.000 Gefangenen seit Beginn des Aufstandes (auch den Angehörigen der kommunistischen ''Armia Ludowa'') den Kombattantenstatus zu. Außerdem sollten Transport und Bewachung von Kämpfern und Zivilisten nur durch reguläre Wehrmachtseinheiten, nicht aber durch die SS durchgeführt werden. Ein Problem ergab sich durch die 2000 bis 3000 Frauen, die sich unter den Gefangenen befanden. Bisher war kämpfenden Frauen der Kombattantenstatus nicht zuerkannt worden, laut den Kapitulationsverhandlungen standen sie nun allerdings unter dem Schutz des Kriegsvölkerrechts. In den Verhandlungen war auf Wunsch der Widerständler ein Passus aufgenommen worden, der Frauen und Jugendlichen ermöglichte, sich freiwillig als Zivilisten zu bekennen. Die deutsche Kriegsgefangenenverwaltung begann deshalb bald damit, unter Berufung auf diese Bestimmung die Frauen zwangsweise in das Zivilistenverhältnis zu überführen. Erst durch die Proteste des [[Christlicher Verein Junger Menschen|CVJM]] und des [[Internationale Rotkreuz- und Rothalbmond-Bewegung|IKRK]] erhielten die Frauen ab Dezember 1944 wieder den Kombattantenstatus.<ref>Rüdiger Overmans: ''Die Kriegsgefangenenpolitik des Deutschen Reiches 1939 bis 1945.'' In: ''Das Deutsche Reich und der Zweite Weltkrieg.'' Band 9/2. München 2005, (Hrsg. vom Militärgeschichtlichen Forschungsamt), S. 753f</ref><ref>Norman Davies: ''Rising '44.'' Pan Books, London 2004, S. 426</ref> Ebenso hatten die Widerständler dem deutschen Befehlshaber von dem Bach die Zusage abgerungen, Repressalien gegen die Zivilbevölkerung zu unterlassen. Gegenüber den AK-Kämpfern wurden diese Versprechen weitgehend eingehalten, gegenüber den Zivilisten jedoch nur teilweise. 100.000 Warschauer wurden nach dem Ende der Kämpfe als Zwangsarbeiter in das deutsche Reich verschleppt. Weitere 60.000 wurden in die Konzentrationslager [[KZ Auschwitz|Auschwitz]], [[KZ Mauthausen|Mauthausen]] und [[KZ Ravensbrück|Ravensbrück]] verbracht. Nach dem Sieg über die polnischen Kräfte verfügte Heinrich Himmler die völlige [[Zerstörung Warschaus|Zerstörung der polnischen Hauptstadt]]. Bis zur Eroberung durch die Rote Armee beschäftigten sich deutsche Truppen mit Sprengungen und Brandstiftungen in der Stadt. Sie konzentrierten sich hierbei vor allem auf kulturell bedeutsame Einrichtungen, wie Schlösser, Bibliotheken und Denkmäler. Durch die Kämpfe des Aufstandes waren rund ein Viertel der Vorkriegsbausubstanz der Stadt zerstört worden. Den deutschen Zerstörungsmaßnahmen nach der Kapitulation fiel ein weiteres Drittel zum Opfer. Warschau war zum Zeitpunkt der Eroberung durch die Rote Armee größtenteils unbewohnbar.<ref>Wlodzimierz Borodziej: ''Der Warschauer Aufstand 1944.'' Fischer, 2001, ISBN 3100078063, S. 206</ref><ref>Norman Davies: ''Rising '44.'' Pan Books, London 2004, S. 436–439</ref><ref>Bernd Martin, Stanislawa Lewandowska (Hrsg.): ''Der Warschauer Aufstand 1944.'' Warschau 1999, S. 252, S. 140</ref> === Weitere Entwicklung in Polen === Am 31. Dezember 1944 erkannte die UdSSR das [[Lubliner Komitee]] [[Unilateralismus|einseitig]] als einzige rechtmäßige Regierung Polens an. Zuvor war der polnische Premier Mikolajczik erfolgreich von den Westalliierten und der Sowjetunion zur Anerkennung der [[Westverschiebung Polens]] gedrängt worden. Die sowjetische Seite hatte dessen Zustimmung sowieso nicht abgewartet. Der NKWD hatte schon während des Aufstands mit der ethnischen Säuberung [[Ostpolen]]s von polnischen Einwohnern begonnen.<ref>Norman Davies: ''Rising '44.'' Pan Books, London 2004, S. 443ff</ref> Als einer der ersten westlichen Beobachter sah [[George Orwell]] den Weg Polens in einen von der Sowjetunion abhängigen [[Satellitenstaat]].<ref>Orwells Artikel in der Tageszeitung „Time and Tide“ wird zitiert in Norman Davies' ''Rising '44'' auf S. 442.</ref> {{Zitat-en|No, the 'Lublin Regime' is no victory for socialism. It is the reduction of Poland to a vassal state … Woe to those who want to maintain their independent views and policies.|Übersetzung=Nein, das ‚Regime von Lublin‘ ist kein Sieg des Sozialismus. Es ist die Herabsetzung Polens zu einem Vasallenstaat. … Not werden diejenigen leiden, die ihre unabhängigen Ziele und Politik behalten wollen.}} Dieses Bestreben, die nicht von Moskau abhängigen Kräfte zu unterdrücken, richtete sich auch stark gegen die ehemaligen Widerstandskämpfer. Als die Rote Armee am 17. Januar 1945 die Stadt eroberte, erging der Befehl an die nachrückenden NKWD-Truppen, noch eventuell vorhandene AK-Elemente einzusperren. Das Lubliner Komitee hatte schon während des Aufstandes in seinen Schriften die AK als Verräter und als von [[Volksdeutsche]]n unterwandert bezeichnet. Die Führung der Heimatarmee wurde der [[Kollaboration]] mit Deutschland bezichtigt.<ref>Norman Davies: ''Rising '44.'' Pan Books, London 2004, S. 440, S. 457</ref> Im Polen der Nachkriegszeit wurden diese Tendenzen auch schnell mit Hilfe der sowjetischen Sicherheitsdienste vorangetrieben. Im Juni 1945 wurde in Moskau ein Schauprozess gegen den letzten AK-Befehlshaber nach Bór-Komorowski [[Leopold Okulicki]] und mehrere Führer polnischer Parteien veranstaltet. Es wurden Freiheitsstrafen von vier Monaten bis zu zehn Jahren verhängt. Mehrere Verurteilte starben unter ungeklärten Umständen in den sowjetischen Straflagern.<ref>Norman Davies: ''Rising '44.'' Pan Books, London 2004, S. 462f, 466ff</ref> Nach diesem Beispiel richtete sich auch die Behandlung der einfachen Soldaten in Polen selbst. Einige von ihnen wurden in die Sowjetunion deportiert oder in ihrem Heimatland ins Gefängnis geworfen. In Polen selbst folgten Schauprozesse gegen AK-Soldaten bis in die 50er-Jahre. Sie galten als [[Verstoßene Soldaten]]. Des Weiteren waren ehemalige Widerständler vom Studium und einer beruflichen Karriere in der sozialistischen Planwirtschaft ausgeschlossen. Ebenso wurde versucht, die Erinnerung an den Aufstand durch die Politik des Einparteienstaates zu vereinnahmen. In den ersten Nachkriegsjahren, als der [[Stalinismus]] in Polen durchgesetzt wurde, wurde der Aufstand von staatlichen Stellen komplett übergangen. Im Zuge der [[Tauwetter-Periode]] nach dem Tod Stalins wurden diese Restriktionen gelockert. Am 1. August 1957 wurde das erste Mal im Nachkriegspolen von offizieller Seite des Aufstandes gedacht. Die Kriminalisierung der Aufstandsführung wurde aber in der Propaganda weiter aufrechterhalten. Allerdings versuchte die Regierung, durch die Würdigung der Leistung der Bevölkerung und der einfachen Soldaten den Aufstand für die Legitimation der eigenen Ideologie zu nutzen. In den 60er-Jahren wurden diese Tendenzen noch verstärkt, als man in begrenztem Ausmaß nationalistische Töne dem Andenken des Aufstands beimischte. Die erste nicht staatlich kontrollierte Diskussion über den Aufstand fand erst im [[Samisdat]] in der Ära der [[Solidarność]]-Bewegung der 80er-Jahre statt. Die Führung der Sowjetunion behielt den Warschauer Aufstand jedoch im Gedächtnis. Während in der DDR 1953, in Ungarn 1956, in der Tschechoslowakei 1968 sowjetische Panzer die Moskauer Parteilinie brutal durchsetzten, blieb Polen in den Krisenjahren 1956, 1970, 1976 und 1980 eine Militärintervention der Sowjetunion erspart. Somit war es möglich, dass sich in Polen eine der liberalsten Gesellschaften Osteuropas entwickeln konnte.<ref>Stephen Zaloga: ''The Polish Army 1939–45.'' London 1996, S. 30</ref> [[Datei:MPW Wall.JPG|miniatur|Wand der Erinnerung, 2004]] Nach der Wende wurden die politischen Aspekte in der polnischen Öffentlichkeit heiß debattiert. Generell wurde der Aufstand in der neuen Demokratie positiv bewertet. Laut einer Umfrage von 1994 sah eine Mehrheit der Polen den Aufstand als ein wichtiges historisches Ereignis. Im selben Jahr sorgte das Gedenken an den Aufstand für zwei außenpolitische Kontroversen. Die Absage der Teilnahme des russischen Präsidenten [[Boris Jelzin]] an den Gedenkfeiern sorgte für Unmut in Polen. Zudem sorgte der deutsche Bundespräsident [[Roman Herzog]] für Irritationen, als er in einer Rede vor den Feiern den Warschauer Aufstand mit dem Aufstand im Warschauer Ghetto verwechselte.<ref>Wlodzimierz Borodziej: ''Der Warschauer Aufstand 1944.'' Fischer, 2001, ISBN 3100078063, S. 210ff</ref><ref>Norman Davies: ''Rising '44.'' Pan Books, London 2004, S. 521 ff</ref> Die Verfolgung der deutschen Kriegsverbrecher von Warschau blieb gering. [[Bronislaw Kaminski]] wurde unter den Nationalsozialisten, angeblich wegen seines brutalen Vorgehens, erschossen. [[Oskar Dirlewanger]] starb unter ungeklärten Umständen in französischer Gefangenschaft. [[Erich von dem Bach]], der den Kampf gegen die Widerständler befehligt hatte, wurde in den 60er-Jahren in der [[Deutschland|Bundesrepublik]] zu lebenslanger Haft verurteilt − allerdings für Morde, die er als SS-Führer vor Kriegsausbruch befohlen hatte. Der SS-Offizier [[Heinz Reinefarth]] wurde nach dem Krieg Abgeordneter im Landtag von [[Schleswig-Holstein]].<ref>Norman Davies: ''Rising '44.'' Pan Books, London 2004, S. 547, 548, 332</ref><ref>[http://www.deutsche-und-polen.de/_/personen/person_jsp/key=erich+von+dem_bach-zelewski.html Internetquelle zu Erich von dem Bach des Rundfunks Berlin-Brandenburg abgerufen am 16. April 2007] [http://www.deutsche-und-polen.de/personen/person.jsp?key=oskar_dirlewanger Internetquelle zur Oskar Dirlewanger abgerufen am 2. Mai 2007] </ref> == Kontroverse um die Rolle der Roten Armee == [[Datei:RedArmy19Aug31Dec44.jpg|miniatur|links|Operationen der Roten Armee vom 19. August–31. Dezember 1944]] Die sowjetische Regierung gab an, vor dem Aufstand nicht informiert worden zu sein. Am 16. August stellte sie gegenüber den Westmächten fest, ''„dass die Aktion in Warschau ein unüberlegtes, furchtbares Abenteuer darstellt, das die Bevölkerung große Opfer kostet. Das hätte vermieden werden können, wenn das sowjetische Oberkommando vor Beginn der Warschauer Aktion informiert worden wäre und die Polen mit ihm Verbindung unterhalten hätte. Angesichts der entstandenen Lage ist das sowjetische Oberkommando zu der Schlussfolgerung gelangt, dass es sich von dem Warschauer Abenteuer distanzieren muss.“''<ref>Zit. nach: ''Die Geschichte des Großen Vaterländischen Krieges der Sowjetunion.'' Band 4. [[Deutscher Militärverlag]], Berlin 1965, S. 274</ref> In der ersten Hälfte des August 1944 stieß die [[2. Garde-Panzerarmee]] der 1. Weißrussischen Front vor Praga auf den Widerstand des III. Panzerkorps, welches zusammen mit dem IV. SS-Panzerkorps operierte.<ref>''Norman Davies: ''Rising '44.'' Pan Books, London 2004, S. 661</ref> Die sowjetischen Truppen verloren etwa 500 Panzer. Infolge des deutschen Gegenangriffs schmolz die Zahl der Panzer der Front auf 236 bis Anfang August zusammen. Auf ihrem linken Flügel bildete sie zusammen mit der [[1. Ukrainische Front|1. Ukrainischen Front]] mehrere Brückenköpfe über die Weichsel, die jedoch nicht erweitert werden konnten. Auf dem rechten Flügel erzielten die sowjetischen Verbände erst Ende August den Durchbruch zum [[Narew]], der für die Flankensicherung unumgänglich war. Ende August gingen die Verbände der Roten Armee deshalb in die Verteidigung über, nachdem die 1. Weißrussische Front allein im August und Anfang September 166.808 Mann verloren hatte. Zur Hilfe der Aufständischen wurde nur die [[Polnische Streitkräfte in der Sowjetunion|1. Polnische Armee (General Berling)]] angesetzt, nachdem die 47. Armee der 1. Weißrussischen Front am 14. September endlich Praga eingenommen hatte. Die polnischen Divisionen überquerten ab dem 16. September die Weichsel und bildeten einige Brückenköpfe, die jedoch unter starkem deutschen Druck schon am 23. September wieder aufgegeben werden mussten. Die 1. Polnische Armee hatte allein in diesen Tagen etwa 3700 Soldaten verloren.<ref>Peter Gosztony: ''Stalins fremde Heere – Das Schicksal der nichtsowjetischen Truppen im Rahmen der Roten Armee 1941–1945.'' Bonn 1991, S. 145</ref><ref>Bernd Martin, Stanislawa Lewandowska (Hrsg.): ''Der Warschauer Aufstand 1944.'' Warschau 1999, S. 90f</ref> Gleichzeitig mit dem Vorstoß setzte auch die sowjetische Luftunterstützung durch die 9. Garde-Nachtbomberdivision und die 16. Luftarmee ein und sowjetische Flugzeuge überflogen nach über fünf Wochen wieder die Stadt. Nach sowjetischen Angaben flogen diese vom 14. September bis zum 1. Oktober 2.243 Einsätze und versorgten die ''Armia Krajowa'' dabei mit 156 Granatwerfern, 505 Panzerbüchsen, 2.667 Schusswaffen, 41.780 Granaten, drei Millionen Patronen, 113 Tonnen Lebensmitteln und 500&nbsp;kg Medikamenten.<ref>''Die Geschichte des Großen Vaterländischen Krieges der Sowjetunion.'' Band 4. Deutscher Militärverlag, Berlin 1965, S. 275–279</ref> Doch viele Fallschirme öffneten sich nicht, so dass viele Behälter nutzlos am Boden zerschmetterten.<ref>Winston Churchill: ''Der Zweite Weltkrieg.'' Seite 956 ff</ref> Schon damals, aber auch besonders in der Folge des Aufstandes, entbrannte eine Kontroverse um das Verhalten der Sowjetunion bezüglich des Aufstands. Schon am Tag nach dem Beginn der Kämpfe äußerte der Befehlshaber der polnischen Truppen im Westen General [[Wladyslaw Anders]] in einem privaten Brief wie folgt: ''„Nicht nur werden die Sowjets sich weigern, unserem geliebten, heldenhaften Warschau zu helfen, sondern sie werden mit der größten Freude zuschauen, wie das Blut unserer Nation bis zum letzten Tropfen versickern wird.“''<ref>Norman Davies: ''Rising '44.'' Pan Books, London 2004, S. 348; Originalzitat in englischer Sprache: ''“Not only that the Soviets will refuse to help our beloved, heroic Warsaw, but also that they will watch with the greatest pleasure as our nations blood will be drained to the last drop.”</ref> Als Argumente werden angeführt, dass Moskau nur einen Hilfsflug der Alliierten genehmigte, obwohl die US-Luftwaffe weitere fliegen wollte. Ebenso wurden erst ab dem 9. September, also mehr als einem Monat nach Beginn des Aufstandes, sowjetische Luftangriffe gegen die Deutschen in Warschau geführt. Des Weiteren wird die Entscheidung Stalins, den Fokus der Offensive auf die Ukrainischen Fronten in Richtung [[Slowakei]] zu verschieben, oft als mangelnder Hilfswillen gegenüber der AK interpretiert. Ebenso kann die mangelnde Hilfe für Berlings Entsatzversuch, an dem keine sowjetischen Kampftruppen teilnahmen, in diesem Licht gesehen werden. Im weiteren wird auch das äußerst repressive Vorgehen des NKWD gegen AK-Einheiten vor und nach dem Aufstand als ein Indiz für eine feindliche Haltung gegenüber dem Aufstand herangezogen. Ebenso betrieb das von den Sowjets gesteuerte Lubliner Komitee schon während des Aufstands Propaganda, welche die AK kriminalisieren sollte.<ref>Wlodzimierz Borodziej: ''Der Warschauer Aufstand 1944.'' Fischer, 2001, ISBN 3100078063, S. 169, 175</ref><ref>Norman Davies: ''Rising '44.'' Pan Books, London 2004, S. 348, 350f, 381, 457, 440f</ref> Auf sowjetischer Seite verwies man auf die oben geschilderte militärische Lage, die eine umfangreichere Unterstützung des Aufstandes nicht zugelassen hätte. Hohe Militärs wie die Marschälle [[Konstantin Konstantinowitsch Rokossowski|Rokossowski]] und [[Georgi Konstantinowitsch Schukow|Schukow]] äußerten sich in dieser Hinsicht.<ref>Wlodzimierz Borodziej: ''Der Warschauer Aufstand 1944.'' Fischer, 2001, ISBN 3100078063, S. 127</ref><ref>Norman Davies: ''Rising '44.'' Pan Books, London 2004, S.322f, 421</ref> Zusätzlich verwies die offizielle sowjetische Historiographie später auf die angebliche Weigerung der ''Armia Krajowa'' mit der Roten Armee zu kooperieren. So hätten sich die Polen geweigert in den Weichselbrückenköpfen zusammen mit den sowjetischen Verbänden zu kämpfen.<ref>''Die Geschichte des Großen Vaterländischen Krieges der Sowjetunion.'' Band 4. Deutscher Militärverlag, Berlin 1965, S. 275–278</ref> Außer Frage steht, dass die ''Armia Krajowa'' als bewaffneter Arm der polnischen Exilregierung einen potentiellen Konkurrenten zur von Moskau präferierten [[Polska Partia Robotnicza|Polnischen Arbeiterpartei (PPR)]] und dem gleichzeitig existierenden Lubliner Komitee darstellte. Die Niederlage der AK musste es der sowjetischen Führung erleichtern, die politischen Verhältnisse im Nachkriegspolen zu ordnen ohne auf sie Rücksicht nehmen zu müssen. In der heutigen öffentlichen Meinung Polens herrscht deshalb die Ansicht vor, die Sowjetunion hätte die polnischen Widerstandskämpfer absichtlich ausbluten lassen. Da die Entscheidungsprozesse der sowjetischen Führung aufgrund mangelnden Zuganges zu den Archiven bzw. auch mangelnder Dokumentation bis zum heutigen Tag nicht ausreichend belegt werden können, kann diese Frage aus der geschichtswissenschaftlichen Perspektive nicht eindeutig entschieden werden. In diesem Zusammenhang konnte auch ein eindeutiger Haltebefehl für Rokossowskis Truppen, wie er oft in [[Populärwissenschaft|populärwissenschaftlichen]] Arbeiten postuliert wird, bisher nicht nachgewiesen werden.<ref>Wlodzimierz Borodziej: ''Der Warschauer Aufstand 1944.'' Fischer, 2001, ISBN 3100078063, S. 214</ref><ref>Norman Davies: ''Rising '44.'' Pan Books, London 2004, S. 314f</ref> == Museum des Warschauer Aufstandes == [[Datei:Warsaw Rising Museum.JPG|miniatur|Museumsgebäude]] In [[Wola]] im ehemaligen Elektrizitätswerk der Straßenbahn befindet sich heute das ''[[Museum des Warschauer Aufstandes]]'' ''(poln: Muzeum Powstania Warszawskiego)'' an der Przyokopowa/Ecke Grzybowska. Das ursprüngliche des nach dem Krieg vollkommen wieder erbaute Gebäude stammte von 1908. 2004 wurde das nach Plänen von [[Wojciech Obtułowicz]], Krakow, umgestaltete Haus als Museum eröffnet; das Ausstellungskonzept stammt von Mirosław Nizio, Jarosław Kłaput und Dariusz Kunowski mit modernsten Multimedia-Techniken. Ein 35-Meter-Turm stellt darin das Symbol des kämpfenden Polens dar. Im Hof eine lange ''Mauer der Erinnerung'' mit den Namen von über 6000 Kämpferinnen und Kämpfern, die von Angehörigen z T immer noch ergänzt werden. 2005 wurde auch eine Museumskapelle von Józef Kardinal [[Józef Glemp|Glemp]] mit dem Namen von [[Józef Stanek]] geweiht. == Einzelnachweise == <references> <ref name="Borodziej116ff">Wlodzimierz Borodziej: ''Der Warschauer Aufstand 1944.'' Fischer, 2001, ISBN 3100078063, S. 116ff</ref> <ref name="Borodziej154ff">Wlodzimierz Borodziej: ''Der Warschauer Aufstand 1944.'' Fischer, 2001, ISBN 3100078063, S. 154ff</ref> <ref name="Krannhals214">Hans von Krannhals: ''Der Warschauer Aufstand 1944.'' Frankfurt am Main 1962, S. 214</ref> <ref name="Martin139">Bernd Martin, Stanislawa Lewandowska (Hrsg.): ''Der Warschauer Aufstand 1944.'' Warschau 1999, S. 139</ref> <ref name="Martin251">Bernd Martin, Stanislawa Lewandowska (Hrsg.): ''Der Warschauer Aufstand 1944.'' Warschau 1999, S. 251</ref> </references> == Siehe auch == * [[Powązki-Friedhof]], Bestattungsplatz vieler Opfer des Aufstandes == Film == * Paul Meyer: ''Konspirantinnen.'' Dokumentarfilm. Deutschland, 2006, 88 Min. (Viele historische Aufnahmen. Interviews mit Frauen, die als Soldatinnen am Aufstand teilgenommen hatten und in den [[Emslandlager|Emsland-Lagern]] interniert worden waren. Am 12. April 1945 erreichten polnische Soldaten der Alliierten das Lager Oberlangen. Der Film zeigt auch, wie die Erfahrungen aus dem Widerstand das ganze weitere Leben dieser Frauen verändert und geprägt hatte. Paul Meyer, geboren 1945, wuchs im Emsland auf und war u.&nbsp;a. Dozent am Soziologischen Institut der Universität Freiburg; 1998 war er [[Adolf-Grimme-Preis|Grimme-Preisträger]].) Bekannt sind heute zwei dramatisierte Verfilmungen: * [[Andrzej Wajda]]: ''[[Der Kanal]]'' (1956. Der Film wirkt dokumentarisch, hat aber gar nicht diesen Anspruch und beschreibt, ausgehend von autobiografischen Aufzeichnungen eines Überlebenden ([[Jerzy Stefan Stawiński]]), das Schicksal einer Widerstandsgruppe, die sich in die Kanalisation unter Warschau zurückziehen muss.) * [[Roman Polański]]: ''[[Der Pianist]]'' (2002. Nach dem Drama von Władysław Szpilman. Der mit drei [[Oscar]]s ausgezeichnete Film behandelt auch den Aufstand im Warschauer Ghetto und den Warschauer Aufstand.) == Literatur == * Wlodzimierz Borodziej: ''Der Warschauer Aufstand 1944.'' S. Fischer, Frankfurt a. M. 2004, ISBN 3-596-16186-X * Bernhard Chiari (Hrsg.): ''Die polnische Heimatarmee – Geschichte und Mythos der Armia Krajowa seit dem Zweiten Weltkrieg.'' (= Beiträge zur Militärgeschichte 57) München 2003, ISBN 3-486-56715-2 * Jan Ciechanowski: ''The Warsaw Rising of 1944.' Cambridge, 1974 * Norman Davies: ''Aufstand der Verlorenen: Der Kampf um Warschau 1944.'' Droemer/Knaur, München 2004, ISBN 3-426-27243-1 ([http://www.perlentaucher.de/buch/18262.html Rezensionen in deutschsprachigen Zeitungen, zusammengefasst von perlentaucher.de], [http://www.sehepunkte.historicum.net/2005/04/pdf/6762.pdf Lars Jockheck, Rezension in sehepunkte]) * Bernd Martin/Stanislawa Lewandowska (Hrsg.): ''Der Warschauer Aufstand 1944.'' Warschau 1999 * [[Janusz Piekalkiewicz]]: ''Kampf um Warschau.'' Herbig, ISBN 3-7766-1699-7 * [[Winston Churchill]]: ''Der Zweite Weltkrieg.'' * ''Der Zweite Weltkrieg.'' Library of Congess Catalog Card Number 68-18769 Bertelsmann Lexikon-Verlag == Weblinks == {{Commons|Warsaw Uprising|Warschauer Aufstand}} * [http://www.1944.pl/index.php? Museum des Warschauer Aufstandes] (Muzeum Powstania Warszawskiego; engl.; auf dt. nur die Öffnungszeiten etc.) * [http://1944.wp.pl/index2.php# Wirtualne Muzeum Powstania Warszawskiego], Virtuelles Museum Warschauer Aufstand * [http://www.warsawuprising.com/ Warschauer Aufstand 1944] (englisch) * [http://www.dpg-brandenburg.de/nr_8_9/ansprachen.htm Ansprachen zum 50. Jahrestag 1994] des damaligen polnischen Staatspräsidenten [[Lech Wałęsa]] und des damaligen Bundespräsidenten [[Roman Herzog]] * [http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/tagungsberichte/id=1554&count=347&recno=34&sort=datum&order=down&epoche=22 Wahrheit, Erinnerung, Verantwortung – Der Warschauer Aufstand im Kontext der deutsch-polnischen Nachkriegsgeschichte] – Themen der polnischen und deutschen Forschungssicht auf den Aufstand (Tagung 2007) * [http://www.litdok.de/cgi-bin/litdok?lang=de&t_multi=x&v_0=THS&q_0=aufstand%2C+warschauer+(1944) Publikationen zum Warschauer Aufstand] bei LitDok Ostmitteleuropa/[[Herder-Institut (Marburg)]] [[Kategorie:Militärische Operation im Krieg gegen die Sowjetunion 1941–1945]] [[Kategorie:Polnische Militärgeschichte]] [[Kategorie:Deutsche Besetzung Polens 1939–1945]] [[Kategorie:Geschichte von Warschau|Aufstand]] [[Kategorie:NS-Kriegsverbrechen]] [[Kategorie:1944]] {{Exzellent}} {{Link FA|he}} [[af:Warskou-opstand]] [[be-x-old:Варшаўскае паўстаньне]] [[bg:Варшавско въстание]] [[ca:Sublevació de Varsòvia]] [[cs:Varšavské povstání]] [[el:Εξέγερση της Βαρσοβίας]] [[en:Warsaw Uprising]] [[eo:Ribelo de Varsovio]] [[es:Alzamiento de Varsovia]] [[fi:Varsovan kansannousu]] [[fr:Insurrection de Varsovie]] [[he:מרד ורשה]] [[hu:Varsói felkelés]] [[ia:Insurrection de Varsovia]] [[id:Pemberontakan Warsawa]] [[it:Rivolta di Varsavia]] [[ja:ワルシャワ蜂起]] [[ko:바르샤바 봉기]] [[lt:Varšuvos sukilimas]] [[nl:Opstand van Warschau (1944)]] [[no:Warszawaoppstanden]] [[pl:Powstanie warszawskie]] [[pt:Revolta de Varsóvia]] [[ru:Варшавское восстание (1944)]] [[sk:Varšavské povstanie]] [[sl:Varšavska vstaja (1944)]] [[sr:Варшавски устанак]] [[sv:Warszawaupproret]] [[uk:Варшавське повстання 1944 року]] [[zh:华沙起义]] rj92hhumib0681aqro29avfg6uyg37r wikitext text/x-wiki Waschbär 0 24478 27079 2010-05-05T09:07:00Z Spuk968 0 Änderungen von [[Special:Beiträge/87.160.228.115|87.160.228.115]] rückgängig gemacht und letzte Version von Spuk968 wiederhergestellt {{Dieser Artikel|beschreibt die Tierart, zur Gattung siehe den Artikel [[Waschbären]].}} <!-- Für Informationen zum Umgang mit dieser Tabelle siehe bitte [[Wikipedia:Taxoboxen]]. --> {{Taxobox | Taxon_Name = Waschbär | Taxon_WissName = Procyon lotor | Taxon_Rang = Art | Taxon_Autor = ([[Carl von Linné|Linnaeus]], 1758) | Taxon2_Name = Waschbären | Taxon2_WissName = Procyon | Taxon2_Rang = Gattung | Taxon3_Name = Kleinbären | Taxon3_WissName = Procyonidae | Taxon3_Rang = Familie | Taxon4_Name = Hundeartige | Taxon4_WissName = Canoidea | Taxon4_Rang = Überfamilie | Taxon5_Name = Raubtiere | Taxon5_WissName = Carnivora | Taxon5_Rang = Ordnung | Taxon6_WissName = Laurasiatheria | Taxon6_Rang = Überordnung | Bild = Procyon lotor qtl2.jpg | Bildbeschreibung = }} Der '''Waschbär''' (''Procyon lotor''), auch als '''Nordamerikanischer Waschbär''' oder altertümlich als '''Schupp''' bezeichnet, ist ein in Nordamerika heimisches mittelgroßes [[Säugetiere|Säugetier]]. Seit Mitte des 20. Jahrhunderts ist er als [[Neozoon]] auch auf dem europäischen Festland, dem [[Kaukasus]] und Japan vertreten, nachdem er dort aus [[Gehege]]n entkommen ist oder ausgesetzt wurde. Waschbären sind überwiegend [[Temporale Spezialisten|nachtaktive]] [[Raubtiere]] und leben bevorzugt in gewässerreichen [[Laubwald|Laub-]] und [[Mischwald|Mischwälder]]n. Aufgrund ihrer Anpassungsfähigkeit leben sie zunehmend auch in [[Bergwald|Bergwäldern]], [[Salzwiese|Salzwiesen]] und [[Stadt|urbanen]] Gebieten. Mit einer Körperlänge zwischen 41 und 71 Zentimeter und einem Gewicht zwischen 3,6 und 9,0&nbsp;Kilogramm ist der Waschbär der größte Vertreter der [[Familie (Biologie)|Familie]] der [[Kleinbären]]. Typisch für den Waschbären sind das ausgeprägte [[haptische Wahrnehmung|haptische]] Wahrnehmungsvermögen der [[Pfote|Vorderpfoten]] und die schwarze Gesichtsmaske. Hervorzuheben ist ferner das gute [[Gedächtnis]] der Tiere, die sich in Versuchen auch noch nach drei Jahren an die Lösung einer früher gestellten Aufgabe erinnern konnten. Waschbären sind [[Allesfresser]] und ernähren sich zu ungefähr 40 Prozent von pflanzlicher Kost, zu 33 Prozent von [[Weichtiere]]n und zu 27&nbsp;Prozent von [[Wirbeltiere]]n. In Gefangenschaft gehaltene Waschbären tauchen ihre Nahrung oft unter Wasser, was als „Waschen“ gedeutet wurde, sehr wahrscheinlich aber eine [[Leerlaufhandlung]] zur Imitation der Nahrungssuche an Fluss- oder Seeufern ist. Während der Waschbär früher als [[Einzelgänger]] angesehen wurde, gibt es heute Belege dafür, dass er ein geschlechtsspezifisches [[Sozialverhalten]] zeigt. Miteinander verwandte Weibchen (Fähen genannt) teilen sich oft ein gemeinsames Gebiet; nicht verwandte Männchen (Rüden genannt) dagegen leben in lockeren, aus bis zu vier Tieren bestehenden Kleingruppen zusammen, um sich gegenüber fremden Rüden während der [[Paarungszeit]] oder anderen potentiellen Angreifern behaupten zu können. Die Größe der [[Revier (Tier)|Streifgebiete]] variiert zwischen 0,03&nbsp;Quadratkilometer für Weibchen in Städten und 49,5&nbsp;Quadratkilometer für Männchen in der [[Prärie]]. Nach einer [[Trächtigkeit|Tragezeit]] von etwa 65 Tagen bringt das Weibchen im Frühling, abhängig von der örtlichen Situation zwei bis fünf Junge zur Welt. Die Welpen werden anschließend von ihrer Mutter bis zur allmählichen Trennung im Herbst alleine aufgezogen. Obwohl in Gefangenschaft gehaltene Waschbären über 20&nbsp;Jahre alt werden können, liegt ihre Lebenserwartung in freier Natur nur zwischen 1,8 und 3,1&nbsp;Jahre. [[Jagd]] und Verkehrsunfälle sind in vielen Gebieten die zwei häufigsten Todesursachen. == Taxonomie == === Namensgebung === Das englische Wort für den Waschbären, ''raccoon'' (gelegentlich auch ''racoon''), geht auf ein Wort in der [[Algonkin-Sprachen|Sprache]] der [[Algonkin]] zurück, das von Häuptling [[Powhatan (Häuptling)|Powhatan]] und seiner Tochter [[Pocahontas]] ''ahrah-koon-em'' – andere Schreibweisen existieren – ausgesprochen wurde und so viel wie „der mit seinen Händen reibt, schrubbt und kratzt“ bedeutet. Gleichermaßen leitet sich das von [[Spanische Kolonien|spanischen Kolonialisten]] eingeführte spanische Wort ''mapache'' vom [[Nahuatl|aztekischen]] Wort ''mapachitli'' ab, was mit „der alles in seine Hände nimmt“ übersetzt werden kann. Außer in Deutsch wird auch in vielen anderen Sprachen zur Bezeichnung des Waschbären ein Wort verwendet, das sich aus einem Begriff für das typische „Waschen“ der Nahrung in Gefangenschaftshaltung und dem jeweiligen Wort für ''Bär'' zusammensetzt, zum Beispiel ''orsetto lavatore'' in Italienisch und ''araiguma'' (洗熊) in Japanisch. Die [[Umgangssprache|umgangssprachliche]] englische Abkürzung ''coon'' wird in Worten wie ''coonskin'' für [[Pelz]]kleidung und ''old coon'' als Selbstbezeichnung von Trappern verwendet.<ref>Holmgren, S. 23, 52, 75–76</ref><ref>Zeveloff, S. 2</ref> In den ersten Jahrzehnten nach der Entdeckung des Waschbären durch die Mitglieder der Expedition von [[Christoph Kolumbus]], der als erster Mensch eine schriftliche Aufzeichnung über die Tierart verfasste, unterstellten [[Taxonomie|Taxonomen]] eine Verwandtschaft zu vielen anderen Tierarten, unter anderem den [[Hunde]]n, [[Katzen]], [[Dachse]]n und vor allem den [[Bären]]. [[Carl von Linné]], der Vater der modernen Taxonomie, ordnete den Waschbären ebenfalls der [[Gattung (Biologie)|Gattung]] ''[[Ursus (Bären)|Ursus]]'' zu, zuerst als ''Ursus cauda elongata'' („langschwanziger Bär“) in der zweiten Ausgabe seiner ''[[Systema Naturae]]'', und schließlich als ''Ursus Lotor'' („Waschbär“) in der zehnten Ausgabe. 1780 ordnete der deutsche [[Naturgeschichte|Naturforscher]] [[Gottlieb Conrad Christian Storr]] den Waschbären einer eigenen Gattung mit dem Namen ''[[Waschbären|Procyon]]'' zu, was übersetzt sowohl „vor dem Hund“ als auch „hundähnlich“ bedeuten kann. Storr könnte aufgrund des [[Temporale Spezialisten|nachtaktiven]] Lebensstils des Waschbären aber auch den Stern [[Prokyon]] als Namensgeber der Gattung ausgewählt haben.<ref>Hohmann, S. 44</ref><ref>Holmgren, S. 47–69</ref><ref>Zeveloff, S. 4–6</ref> === Evolution === Aufgrund von [[Fossil]]ienfunden in Frankreich und Deutschland wird davon ausgegangen, dass die ersten Vertreter der [[Familie (Biologie)|Familie]] der [[Kleinbären]] vor etwa 25 [[mya (Einheit)|mya]] (spätes [[Oligozän]]) in Europa lebten. Sich ähnelnde Zahn- und Schädelstrukturen deuten darauf hin, dass Kleinbären und [[Marder]] einen gemeinsamen Vorfahren besitzen, aber molekulare Analysen sprechen für eine nähere Verwandtschaft zu den Bären. Nach der Überquerung der [[Beringstraße]] mindestens sechs Millionen Jahre später lag das Zentrum des Verbreitungsgebiets der damals vorkommenden Arten vermutlich in Zentralamerika. [[Nasenbären]] (''Nasua'' und ''Nasuella'') und Waschbären (''Procyon'') gingen möglicherweise vor 5,2 bis 6,0 mya aus einer Art der Gattung ''[[Paranasua]]'' hervor. Dieser auf morphologischen Fossilienvergleichen basierenden Annahme steht eine 2006 durchgeführte genetische Analyse entgegen, nach der Waschbären näher mit den [[Katzenfrette]]n verwandt sind.<ref>{{cite journal | last=Koepfli | first=Klaus-Peter | coauthors=Gompper, Matthew E.; Eizirik, Eduardo; Ho, Cheuk-Chung; Linden, Leif; Maldonado, Jesus E.; Wayne, Robert K. | year=2007 | month=June | title=Phylogeny of the Procyonidae (Mammalia: Carnivora): Molecules, morphology and the Great American Interchange | journal=Molecular Phylogenetics and Evolution | volume=43 | issue=3 | pages=1076–1095 | publisher=Elsevier | location=Amsterdam | issn=1055-7903 | url=http://si-pddr.si.edu/dspace/bitstream/10088/6026/1/Koepfli_2007phylogeny_of_the_procy.pdf | format=[[PDF]] | accessdate=2008-12-07 | doi=10.1016/j.ympev.2006.10.003}}</ref> Im Gegensatz zu den anderen Kleinbären, wie etwa dem [[Krabbenwaschbär]]en (''Procyon cancrivorus''), verließen die Vorfahren des Waschbären [[Tropen|tropische]] und [[Subtropen|subtropische]] Gebiete und zogen vor etwa 2,5 mya weiter nach Norden, was durch den Fund von Fossilien, die aus dem mittleren [[Pliozän]] stammen und in den [[Great Plains]] gefunden wurden, gezeigt wurde.<ref>Hohmann, S. 46</ref><ref>Zeveloff, S. 16–20, 23–24, 26</ref> === Unterarten === Fünf [[Endemit|ausschließlich]] auf kleinen zentralamerikanischen und [[Karibik|karibischen]] Inseln vorkommende Waschbärarten wurden nach ihrer Entdeckung zumeist als eigenständige Arten angesehen. Dabei handelt es sich um den [[Bahamas-Waschbär]] und den [[Guadeloupe-Waschbär]], die sich sehr ähnlich sind, den [[Tres-Marias-Waschbär]], der überdurchschnittlich groß ist und sich durch einen auffällig quadratischen Schädel auszeichnet, den [[Cozumel-Waschbär]], der nur drei bis vier Kilogramm wiegt und besonders kleine Zähne aufweist, und den [[Aussterben|ausgestorbenen]] [[Barbados-Waschbär]]. In den Jahren 1999, 2003 und 2005 durchgeführte morphologische und genetische Studien führten jedoch dazu, dass alle diese sogenannten Inselwaschbären mit Ausnahme des Cozumel-Waschbären (''Procyon pygmaeus''), in der dritten Ausgabe des zoologischen Standardwerks ''[[Mammal Species of the World]]'' (2005) als Unterarten des (nordamerikanischen) Waschbären aufgelistet wurden.<ref>Zeveloff, S. 42–46</ref><ref>{{cite journal | last=Helgen | first=Kristofer M. | coauthors=Wilson, Don E. | year=2003 | month=January | title=Taxonomic status and conservation relevance of the raccoons (''Procyon'' spp.) of the West Indies | journal=Journal of Zoology | volume=259 | issue=1 | pages=69–76 | publisher=The Zoological Society of London | location=Oxford | issn=0952-8369 | doi=10.1017/S0952836902002972}}</ref><ref>{{cite book | last=Helgen | first=Kristofer M. | coauthors=Wilson, Don E. | editor=Sánchez-Cordero, Víctor; Medellín, Rodrigo A. | title=Contribuciones mastozoológicas en homenaje a Bernardo Villa | url=http://books.google.de/books?id=PQphdAd9KKcC | accessdate=2008-12-07 | year=2005 | publisher=Instituto de Ecología of the Universidad Nacional Autónoma de México | location=Mexico City | isbn=978-9703226030 | pages=230 | chapter=A Systematic and Zoogeographic Overview of the Raccoons of Mexico and Central America}}</ref><ref>{{cite book | last=Wozencraft | first=W. C. | editor=Wilson, D. E.; Reeder, D. M.; | title=Mammal Species of the World | url=http://www.bucknell.edu/msw3/browse.asp?id=14001658 | edition=3rd | year=2005 | month=November | publisher=Johns Hopkins University Press | isbn=0-801-88221-4 | pages=627–628}}</ref> Die vier kleinsten Unterarten, darunter zum Beispiel ''Procyon lotor marinus'', mit einem jeweils durchschnittlichen Gewicht von 1,8 bis 2,7 Kilogramm leben entlang der Südküste [[Florida]]s und den angrenzenden Inseln. Die meisten der anderen 15 Unterarten unterscheiden sich nur geringfügig voneinander bezüglich Fellfarbe, Größe oder anderen physischen Merkmalen. Die zwei am weitesten verbreiteten Unterarten sind ''Procyon lotor lotor'' und ''Procyon lotor hirtus''. Wie der größere ''P.l. hirtus'' weist auch ''P.l. lotor'' ein vergleichsweise dunkles, langhaariges Fell auf. ''P.l. lotor'' kommt in allen US-Bundesstaaten und kanadischen Provinzen nördlich von [[South Carolina]] und [[Tennessee]] vor. Das angrenzende Verbreitungsgebiet von ''P.l. hirtus'' umfasst alle US-Bundesstaaten und kanadische Provinzen nördlich von [[Louisiana]], [[Texas]] und [[New Mexico]].<ref>MacClintock, S. 9</ref><ref>Zeveloff, S. 59, 79–89</ref> == Merkmale des Waschbären == === Körperbau === [[Datei:Procyon lotor qtl6.jpg|thumb|Portrait]] [[Datei:Mm Hand.jpg|thumb|Unterseite der Vorderpfote]] [[Datei:Waschbaer fg01.jpg|thumb|Fährte]] [[Datei:Raccoonpenisbone.jpg|thumb|upright|Penisknochen]] Seine Körperlänge liegt zwischen 41 und 71 Zentimetern, nicht eingerechnet der zwischen 19,2 und 40,5 Zentimeter lange buschige [[Schwanz]], der normalerweise aber nicht deutlich länger als 25 Zentimeter ist. Die Schulterhöhe liegt zwischen 22,8 und 30,4 Zentimetern. Das Körpergewicht erwachsener Waschbären differiert je nach Verbreitungsgebiet und Jahreszeit zwischen 1,8 und 13,6 Kilogramm, wobei übliche Werte zwischen 3,6 und 9,0 Kilogramm liegen. Die kleinsten Individuen sind an der Südküste Floridas anzutreffen, die größten gemäß der [[Bergmannsche Regel|Bergmannschen Regel]] an der nördlichen Grenze des Verbreitungsgebiets. Männliche Exemplare sind in der Regel 15 bis 20 Prozent schwerer als Weibchen. Zu Winteranfang können Waschbären aufgrund des angefressenen [[Winterspeck]]s mehr als doppelt so viel wiegen wie im Frühling. Der schwerste in freier Natur lebende Waschbär wog 28,4 Kilogramm, was das mit Abstand höchste je gemessene Gewicht eines Kleinbären darstellt.<ref>Hohmann, S. 77</ref><ref>Lagoni-Hansen, S. 15–16, 18</ref><ref>MacClintock, S. 8, 44</ref><ref>Zeveloff, S. 58–59</ref> Die charakteristische Gesichtszeichnung des Waschbären mit der schwarz gefärbten Gesichtsmaske rund um die Augen, die sich scharf vom umgebenden weißen [[Fell]] absetzt, ähnelt der des [[Marderhund]]es. Auch die leicht abgerundeten Ohren werden von weißem Fell umrandet. Es wird angenommen, dass Waschbären den Gesichtsausdruck und die Körperhaltung gegenüberstehender Artgenossen aufgrund der markanten Gesichtszeichnung in Zusammenspiel mit dem hell-dunkel gestreiften Schwanz schneller erfassen können. Die dunkle Maske könnte auch [[Blendung (Überbelichtung)|Blendeffekte]] reduzieren und dadurch die Nachtsicht verbessern. Am restlichen Körper ist das lange und wasserabweisende Oberfell in verschiedenen Grau- und, in geringerem Umfang, Brauntönen gefärbt. Waschbären mit sehr dunkel gefärbtem Fell sind vor allem in der deutschen Population vertreten, da sich in der Gründerpopulation einzelne Tiere mit derartiger Fellzeichnung befanden.<ref name="stellungnahme">{{cite web | url=http://www.projekt-waschbaer.de/aktuelles/stellungnahme/ | title=Ökologische und ökonomische Bedeutung des Waschbären in Mitteleuropa – Eine Stellungnahme | accessdate=2008-12-07 | last=Michler | first=Frank-Uwe | coauthors=Köhnemann, Berit A. | year=2008 | month=May | work=„Projekt Waschbär“ | language=German}}</ref> Das dichte Unterfell, das fast 90 Prozent der Gesamtzahl an Haaren ausmacht, schützt die Tiere vor Kälte und besteht aus 2,0 bis 3,0 Zentimeter langen Haaren.<ref>Bartussek, S. 6</ref><ref>Zeveloff, S. 60–61, 63</ref><ref>Hohmann, S. 65–66</ref><ref>MacClintock, S. 5–6</ref> Waschbären, die im Allgemeinen als [[Sohlengänger]] eingestuft werden, können sich auf ihre Hinterbeine stellen und Objekte mit ihren [[Pfote|Vorderpfoten]] untersuchen. Weil Waschbären im Verhältnis zu ihrem gedrungenen Rumpf nur über kurze Beine verfügen, sind sie nicht dazu in der Lage, schnell zu rennen oder weit zu springen. Ihre Spitzengeschwindigkeit über kurze Strecken beträgt 16 bis 24 Kilometer pro Stunde.<ref>{{cite book | last=Saunders | first=Andrew D. | title=Adirondack Mammals | publisher=Syracuse University Press | location=Syracuse, New York | year=1989 | month=March | isbn=978-0815681151 | pages=256| chapter=Raccoon | chapterurl=http://www.esf.edu/aec/adks/mammals/raccoon.htm}}</ref> Waschbären können mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 4,8 Kilometern pro Stunde schwimmen und mehrere Stunden im Wasser ausharren. Um einen Baum mit dem Kopf voraus hinunter zu klettern, eine ungewöhnliche Fähigkeit für ein Säugetier dieser Größe, verdrehen Waschbären ihre Hinterpfoten bis diese nach hinten zeigen. Waschbären können zur [[Thermoregulation|Regulation ihrer Körperwärme]] sowohl [[Schwitzen]] als auch [[Hecheln]]. Ihr [[Gebiss]] mit der [[Zahnformel]] 3142/3142 setzt sich aus 40 Zähnen zusammen, welche an ihre Lebensweise als [[Allesfresser]] angepasst sind. Weder ist die Kaufläche der [[Backenzahn|Backenzähne]] so breit wie die reiner [[Pflanzenfresser]], noch sind die [[Schneidezahn|Schneidezähne]] so scharf und spitz wie die reiner [[Fleischfresser]]. Der [[Penisknochen]] der Rüden ist etwa zehn Zentimeter lang und am vorderen Ende stark gebogen. Sieben der 13 bekannten Lautäußerungen werden in der [[Zoosemiotik|Kommunikation]] zwischen Mutter und Jungtieren verwendet, darunter das vogelhafte Zwitschern von Neugeborenen.<ref>Hohmann, S. 27, 57, 66, 93</ref><ref>Zeveloff, S. 64, 71–73</ref><ref>MacClintock, S. 28–30, 33, 84, 92</ref> === Sinneswahrnehmung === Der für den Waschbären wichtigste [[Sinn (Wahrnehmung)|Sinn]] ist der [[Taktile Wahrnehmung|Tastsinn]]. Die „hypersensiblen“<ref>Hohmann, S. 55</ref> Vorderpfoten sind zu ihrem Schutz von einer dünnen [[Hornschicht#Stratum corneum|Hornschicht]] umgeben, die unter Wasser aufweicht. Ungewöhnlich für ein Raubtier sind zudem die fünf freistehenden [[Finger]], wobei die Beweglichkeit der Vorderpfoten aufgrund des nicht [[Opposition (Anatomie)|opponierbaren]] [[Daumen]]s aber nicht mit der der [[Hand|Hände]] von [[Primaten]] vergleichbar ist. Nahezu zwei Drittel des für die Sinneswahrnehmung zuständigen Areals der [[Großhirnrinde]] ist auf die Interpretation taktiler Reize spezialisiert, mehr als bei jeder anderen untersuchten Tierart. Mit den [[Vibrisse]]n über den scharfen, nicht einziehbaren [[Kralle]]n können Waschbären Gegenstände schon vor dem Anfassen erkennen. Es ist unbekannt, weshalb es die taktile Wahrnehmung nicht negativ beeinflusst, wenn ein Waschbär stundenlang in weniger als zehn Grad Celsius kaltem Wasser steht.<ref>Bartussek, S. 13</ref><ref>Hohmann, S. 55–60, 62</ref><ref>MacClintock, S. 15</ref><ref>Zeveloff, S. 69–70</ref> Es wird angenommen, dass Waschbären [[Farbenblindheit|farbenblind]] sind oder [[Farbe]]n zumindest schlecht unterscheiden können, wobei vor allem grünes [[Licht]] gut wahrgenommen wird. Obwohl sie aufgrund des als Restlichtverstärker wirkenden [[Tapetum lucidum]] hinter der [[Netzhaut]] auch im Dämmerlicht gut sehen können und der [[Akkommodation (Auge)|Sehschärfenbereich]] von elf [[Dioptrie]]n mit dem des Menschen vergleichbar ist, ist die [[visuelle Wahrnehmung]] für Waschbären von untergeordneter Bedeutung. Außer für die Orientierung im Dunkeln ist der [[Olfaktorische Wahrnehmung|Geruchssinn]] vor allem bei der Kommunikation mit Artgenossen wichtig. Urin, Kot und [[Sekretion|Drüsensekrete]], die zumeist mit der [[Analdrüse]] verteilt werden, kommen dabei als [[Duftmarke]]n zum Einsatz. Mit ihrem [[Auditive Wahrnehmung|Gehör]], dessen Hörgrenze bei 50 bis 85 kHz liegt, sind Waschbären dazu in der Lage, sehr leise Geräusche wahrzunehmen, wie sie etwa im Boden eingegrabene [[Regenwurm|Regenwürmer]] verursachen.<ref>Hohmann, S. 63–70, 72</ref><ref>MacClintock, S. 17–21</ref><ref>Zeveloff, S. 66–69</ref> === Geistige Fähigkeiten === Von den wenigen durchgeführten Studien über die geistigen Fähigkeiten des Waschbären basieren die meisten auf seiner taktilen Wahrnehmung. In einem Versuch des [[Verhaltensbiologie|Verhaltensforscher]]s H. B. Davis im Jahr 1908 gelang es den untersuchten Waschbären elf von 13 komplexen Verschlüssen in weniger als zehn Versuchen zu öffnen und ihre Vorgehensweise anschließend anzupassen nachdem die Schlösser anders angeordnet oder auf den Kopf gestellt wurden. Davis zog den Schluss, dass sie das [[Abstraktion|abstrakte]] Prinzip der Verschlussmechanismen verstanden hatten und dass ihre [[Lerngeschwindigkeit]] der von [[Rhesusaffe]]n entspricht.<ref>{{cite journal | last=Davis | first=H. B. | year=1907 | month=October | title=The Raccoon: A Study in Animal Intelligence | journal=The American Journal of Psychology | volume=18 | issue=4 | pages=447–489 | publisher=University of Illinois Press | location=Champaign, Illinois | doi=10.2307/1412576}}</ref> Bei Untersuchungen in den Jahren 1963, 1973, 1975 und 1992 wurde das [[Gedächtnis]] von Waschbären getestet und festgestellt, dass sie sich auch noch nach drei Jahren an die Lösung einer früher gestellten Aufgabe erinnern konnten. 1992 zeigte zum Beispiel B. Pohl, dass Waschbären drei Jahre nach der kurzen initialen Trainingsphase sofort wieder zwischen gleichen und verschiedenen Symbolen unterscheiden konnten. [[Stanislas Dehaene]] berichtet in seinem Buch ''Der Zahlensinn'', dass Waschbären Behälter, die zwei oder vier Trauben enthalten, von solchen unterscheiden können, die drei enthalten.<ref>{{Literatur | Autor=Stanislas Dehaene | Titel=Der Zahlensinn | Verlag=Birkhäuser Verlag | Ort=Basel | Jahr=1999 | Seiten=33 | ISBN=978-3764359607 | Originaltitel=The number sense | Originalsprache=en | Übersetzer=Anita Ehlers}}</ref><ref>Hohmann, S. 71–72</ref> == Lebensweise == === Sozialverhalten === [[Datei:Raccoons eat deer.png|thumb|Waschbären beim gemeinsamen Fressen]] Zwei in den 1990er Jahren von den Verhaltensforschern Stanley D. Gehrt und [[Ulf Hohmann]] geleitete Untersuchungen zeigten, dass Waschbären entgegen früherer Annahmen normalerweise nicht [[Einzelgänger|einzelgängerisch]] leben, sondern ein geschlechtsspezfisches [[Sozialverhalten]] zeigen.<ref name="gehrt">{{Literatur | Autor=Stanley D. Gehrt | Titel=Raccoon social organization in South Texas | Jahr=1994 | Kommentar=Dissertation an der Universität von Missouri | Originalsprache=en}}</ref> Miteinander verwandte Weibchen leben in einer sogenannten ''fission-fusion society'', das heißt sie teilen sich ein [[Revier (Tier)|Streifgebiet]] und treffen sich dabei gelegentlich an gemeinsam genutzten Futterstellen oder Schlafplätzen. Nicht miteinander verwandte Männchen leben in lockeren ''Rüdenkoalitionen'' zusammen, um sich so gegenüber fremden Rüden während der [[Paarungszeit]] oder anderen potentiellen Angreifern behaupten zu können. Solch eine Gruppe besteht in der Regel aus nicht mehr als vier Individuen. Weil erwachsene Männchen aggressives Verhalten gegenüber nicht mit ihnen verwandten Jungtieren zeigen können, gehen Mütter anderen Waschbären aus dem Weg bis ihre Jungen groß genug sind um sich selbst verteidigen zu können. Aufgrund dieser drei unterschiedlichen Lebensweisen wird die [[Sozialstruktur]] des Waschbären von Hohmann auch als ''Dreiklassengesellschaft'' bezeichnet.<ref>Hohmann, S. 133</ref> Samuel I. Zeveloff, Professor der [[Zoologie]] an der [[Weber State University]] und Autor der Monographie ''Raccoons: A Natural History'' (''Waschbären: Eine Naturgeschichte'') ist bei seiner Darstellung des Forschungsstands vorsichtiger und weist darauf hin, dass zumindest die Weibchen die meiste Zeit einzelgängerisch lebten und, unter Hinweis auf eine 1978 von Erik K. Fritzell in [[North Dakota]] durchgeführte Studie, ebenso Männchen in Gebieten mit geringen Populationsdichten.<ref>Bartussek, S. 10–12</ref><ref>Hohmann, S. 124–126, 133–155</ref><ref>Zeveloff, S. 137–139</ref> Bei ausreichendem Nahrungsangebot können sich die [[Aktionsraum|Aktionsräume]] von Waschbären stark überschneiden, ohne dass es zu Auseinandersetzungen kommt. Zum Informationsaustausch über ergiebige Futterstellen oder gut geschützte Schlafplätze treffen sich Waschbären an Sammelplätzen oder hinterlassen dort Nachrichten in Form von Duftmarken.<ref>Hohmann, S. 142–147</ref> Waschbären treffen sich außerdem zum gemeinsamen Fressen, Schlafen und Spielen. === Ernährung === [[Datei:Raccoon in bayou.jpg|thumb|Waschbär bei der Nahrungssuche am Seeufer]] Waschbären sind [[Allesfresser]], deren Speiseplan sich zu ungefähr 40 Prozent aus [[Wirbellose]]n, zu 33 Prozent aus pflanzlicher Nahrung und zu 27 Prozent aus [[Wirbeltiere]]n zusammensetzt.<ref>Hohmann, S. 82</ref> Laut [[Zoologie|Zoologe]] Samuel I. Zeveloff dürfte der Waschbär zu den „omnivorsten Tieren der Welt“ gehören.<ref>Zeveloff, S. 102</ref> Während Waschbären im Frühjahr vorwiegend [[Insekten]], [[Würmer]] und andere schon verfügbare Tiere fressen,<ref>Hohmann, S. 85–86</ref> bevorzugen sie im Herbst kalorienhaltige pflanzliche Kost wie [[Obst]] und [[Nussfrucht|Nüsse]] um sich genügend Winterspeck anzufressen.<ref>Hohmann, S. 88</ref> Was Wirbeltiere angeht, sind [[Fische]] und [[Amphibien]] die häufigsten [[Beutetier]]e.<ref name="hohmann83">Hohmann, S. 83</ref> Entgegen weitverbreiteter Ansicht fressen Waschbären nur vereinzelt [[Vögel]] und [[Kleinsäuger]], da sich die vergleichsweise aufwendige Jagd zur Erbeutung dieser Tiere für sie nicht lohnt.<ref name="hohmann83" /> Bei großer Nahrungsauswahl können Waschbären starke individuelle Vorlieben für bestimmte Nahrungsmittel entwickeln.<ref>MacClintock, S. 44</ref> Im Winter finden sie demgegenüber kaum noch Nahrung und müssen bei anhaltendem Frost sogar fasten. [[Datei:Procyon lotor 7 - am Wasser.jpg|thumb|left|upright|Waschbären „waschen“ in Gefangenschaft häufig ihre Nahrung]] === „Waschen“ der Nahrung === Waschbären tasten Nahrungsmittel und andere Gegenstände mit ihren Vorderpfoten sorgfältig ab, um sich ein Bild von ihnen zu machen und unerwünschte Teile zu entfernen. Wenn die schützende Hornhaut unter Wasser aufgeweicht wird, erhöht sich zudem deren Sensibilität.<ref>Hohmann, S. 55; Zeveloff, S. 7</ref> Während in freier Natur Waschbären an Land gefundenes Futter niemals zu einer Wasserstelle tragen um es dort vor dem Verzehr zu „waschen“,<ref>Lagoni-Hansen, S. 41; MacClintock, S. 57</ref> kann dieses Verhalten bei in Gefangenschaft gehaltenen Tieren häufig beobachtet werden.<ref>MacClintock, S. 56–57</ref> Der französische [[Naturforscher]] [[Georges-Louis Leclerc de Buffon]] (1707–1788) glaubte noch, dass Waschbären über keine ausreichenden [[Speicheldrüse]]n verfügten um das Futter anzufeuchten,<ref>Holmgren, S. 70</ref> was definitiv falsch ist.<ref>Holmgren, S. 70; Lagoni-Hansen, S. 41; MacClintock, S. 57; Zeveloff, S. 7</ref> In Gefangenschaft gehaltene Waschbären „waschen“ ihre Nahrung besonders häufig, wenn eine Wasserstelle, die einen Grund ähnlich einem Flussbett aufweist, nicht weiter als 3,0&nbsp;Meter entfernt ist.<ref name="MC" >MacClintock, S. 57</ref> Es wird weithin angenommen, dass es sich beim „Waschen“ der Nahrung um eine [[Leerlaufhandlung]] handelt, mit der die Nahrungssuche am Ufer nach Kleinlebewesen imitiert werden soll.<ref>Hohmann, S. 44–45; Lagoni-Hansen, S. 41–42; Zeveloff, S. 7</ref> Die Beobachtung, dass aquatische Nahrungsmittel häufiger „gewaschen“ werden, unterstützt diese Theorie.<ref name="MC" /> Das Säubern verschmutzter Nahrungsmittel scheint dagegen meistens keine Rolle zu spielen.<ref name="MC" /> Strittig dagegen ist, ob sogar wild lebende Waschbären dazu neigen sehr trockenes Futter bei Gelegenheit unter Wasser aufzuweichen.<ref>Holmgren, S. 22 (Pro); Lagoni-Hansen, S. 41 (Contra)</ref> === Habitat === [[Datei:Mm im Apfelbaum.jpg|thumb|Waschbär auf einem Apfelbaum]] Von verstädterten Tieren abgesehen sind gewässerreiche Misch- und Laubwälder mit einem hohen [[Eiche]]nanteil der bevorzugte Lebensraum von Waschbären. Hier finden sie genügend Nahrung und Unterschlupfmöglichkeiten. Bei Gefahr flüchten sie auf einen Baum, sie meiden deshalb offenes Gelände. Waschbären sind gute Schwimmer und leben bevorzugt in der Nähe von Flüssen oder anderen Gewässern, sie finden dort einen Großteil ihrer tierischen Nahrung. In Amerika gelingt es dem Waschbären aufgrund seiner Anpassungsfähigkeit zunehmend, für ihn als ungeeignet eingeschätzte Lebensräume wie [[Steppe]]n oder kalte, weiter nördlich gelegene Gebiete zu besiedeln. === Schlafplätze === [[Datei:Raccoon climbing in tree.jpg|thumb|Waschbären sind gute Kletterer]] Waschbären sind dämmerungs- und nachtaktive Tiere, was der Hauptgrund dafür ist, dass man sie nur selten zu Gesicht bekommt. Sie sind geschickte Kletterer und schlafen tagsüber mit Vorliebe in den Baumhöhlen alter Eichen. Wenn sich ein Waschbär außerhalb der Reichweite einer seiner bevorzugten Hauptschlafstätten befindet, bezieht er sein Taglager alternativ auch in alten [[Steinbruch|Steinbrüchen]], im dichten Gestrüpp oder in [[Dachs]]bauten. In den nördlichen Bereichen seines Verbreitungsgebiets hält der Waschbär eine [[Winterruhe]], während der er seine Aktivitäten stark reduziert. === Fortpflanzung === [[Datei:Common Raccoon (Procyon lotor) in Northwest Indiana.jpg|thumb|Waschbärwelpe (etwa acht Wochen alt)]] Damit die Aufzucht der Welpen nicht mit dem Beginn des nächsten Winters zusammenfällt, paaren sich Waschbären zumeist im Februar. Wenn ein Weibchen nicht trächtig wird oder seine Jungen frühzeitig verliert, wird es im Mai oder Juni manchmal erneut empfängnisbereit. Zur Paarungszeit ziehen die Männchen in ihren Streifgebieten rastlos umher und umwerben die an einigen Sammelplätzen zusammenkommenden Weibchen, deren drei- bis viertägige Empfängnisperioden zeitlich zusammenfallen. Die anschließende Paarung erstreckt sich über mehrere Nächte hinweg, während denen sich intensives Vorspiel, der eigentliche Akt und eine anschließende Ruhepause abwechseln. Die meisten Weibchen lassen sich dabei nur von einem Männchen begatten. Um eine hohe, zum Beispiel durch Bejagung ausgelöste Sterblichkeitsrate auszugleichen, steigt der Anteil der trächtig werdenden Weibchen stark an. Während die Gesamtpopulation dadurch annähernd stabil bleibt, sinkt der Altersdurchschnitt rapide. Insofern erweist es sich fast immer als wirkungslos, Waschbären durch vermehrte Jagd aus einem Gebiet, das für sie einen günstigen Lebensraum darstellt, dauerhaft vertreiben zu wollen. Selbst wenn dies ausnahmsweise gelingen sollte, würden aber schon bald darauf andere Waschbären in die derart frei werdenden Territorien nachfolgen. === Entwicklung der Jungen === Nach etwa 65 Tagen [[Tragzeit]] bringt das nach der Paarung wieder allein lebende Weibchen im Frühling im Schnitt 2,5 bis 3,5 Junge zur Welt. Die Welpen sind bei der Geburt blind und mit einem gelblichem Flaum bedeckt. Das Geburtsgewicht der zehn Zentimeter großen Welpen beträgt 65 bis 75 Gramm. Während des ersten Lebensmonats nehmen die Welpen keine feste Nahrung zu sich, sondern werden ausschließlich von ihrer Mutter gesäugt. Nach zwei bis drei Wochen öffnen sie erstmals die Augen. Im Alter von sechs bis neun Wochen verlassen die zu diesem Zeitpunkt ungefähr ein Kilogramm wiegenden Jungen erstmals die Wurfhöhle, werden jedoch auch danach noch ein bis zwei Monate lang mit nachlassender Intensität gesäugt. Im Herbst erfolgt die allmähliche Trennung von der Mutter. Während die Weibchen schon vor dem Beginn der nächsten Hauptpaarungszeit die [[Geschlechtsreife]] erreichen, ist dies nur bei einem Teil der Männchen der Fall. Während viele weibliche Nachkommen zeitlebens in der Nähe ihrer Mutter bleiben, suchen sich die jungen Männchen ein weiter entferntes Territorium, was als [[Instinkt|instinktives]] Verhalten zur Vermeidung von [[Inzucht]] zu verstehen ist. === Lebenserwartung === Genauso wie in Gefangenschaft gehaltene Tiere können auch wild lebende Waschbären 16 Jahre und älter werden, aber die meisten leben nur wenige Jahre.<ref>Zeveloff, S. 119</ref> Es ist nicht ungewöhnlich, dass nur die Hälfte der in einem Jahr geborenen Jungtiere bis zu ihrem ersten Geburtstag überleben.<ref>Hohmann, S. 163; Zeveloff, S. 119</ref> Anschließend fällt die jährliche Todesrate auf 10 bis 30 Prozent.<ref>Hohmann, S. 163</ref> Eine der häufigsten natürlichen Todesursachen für junge Waschbären außer dem Tod ihrer Mutter in den ersten Lebenswochen ist das [[Verhungern]] während des ersten Winters, gerade wenn dieser besonders kalt und lang ist.<ref>MacClintock, S. 73</ref> Die häufigste natürliche Todesursache in Nordamerika ist die häufig [[Epidemie|epidemisch]] auftretende Krankheit [[Staupe]], der ein Großteil der in einem Gebiet lebenden Waschbären zum Opfer fallen können.<ref name="ergebnisse">{{internetquelle|autor=Frank-Uwe Michler, Berit A. Köhnemann|hrsg=Gesellschaft für Wildökologie und Naturschutz e.V.|url=http://www.projekt-waschbaer.de/erste-ergebnisse/|titel=Erste Ergebnisse|werk=„Projekt Waschbär“|datum=2008-06-00|zugriff=2008-07-23}}</ref> In Gebieten mit viel Straßenverkehr und in denen Waschbären extensiv [[Jagd|bejagt]] werden, können diese beiden Todesursachen für bis zu 90 Prozent aller Todesfälle erwachsener Waschbären verantwortlich sein.<ref>Hohmann, S. 162</ref> [[Prädator|Natürliche Feinde]] wie [[Rotluchs]]e, [[Kojote]]n und andere [[Raubtiere]] spielen normalerweise keine entscheidende Rolle als Todesursache, zumal größere Räuber in vielen Gebieten durch den Menschen ausgerottet wurden.<ref>Zeveloff, S. 111–112</ref> Alles in allem beträgt die [[Lebenserwartung]] wild lebender Waschbären daher abhängig von den lokalen Bedingungen bezüglich Verkehrsaufkommen, Jagddruck und extremen Witterungsbedingungen nur 1,8 bis 3,1&nbsp;Jahre.<ref>Zeveloff, S. 118–119</ref> == Verbreitungsgebiet == === Verbreitung in Amerika === [[Datei:Raccoon-range.png|thumb|upright=1.5|Weltweite Verbreitung des Waschbären <br /> <span style="color:#FF4500;">♦</span>&nbsp;ursprüngliche Heimat <br /><span style="color:#0000FF;">♦</span>&nbsp;eingeschleppt]] Das ursprüngliche Verbreitungsgebiet des Waschbären erstreckt sich von [[Panama]] über [[Mexiko]] und fast die gesamte USA bis zum Süden [[Kanada]]s. Hiervon ausgenommen sind nur Wüstengebiete und das Hochgebirge der [[Rocky Mountains]]. [[Datei:Waschbaer-verbreitung.png|left|thumb|Verbreitung des Waschbären in Deutschland: Bei der Jagd getötete oder von Jägern tot aufgefundene Waschbären in den Jagdjahren 2000/01, 01/02 und 02/03 in den deutschen Landkreisen.]] === Verbreitung in Europa === Alle in Europa vorkommenden Waschbären gehen auf Tiere zurück, die im 20. Jahrhundert aus Pelztierfarmen und Gehegen entkommen sind oder ausgesetzt wurden. Als derartiger [[Gefangenschaftsflüchtling]] sind sie der Gruppe der [[Neozoen]] zuzurechnen, wobei sie in Deutschland inzwischen zu den einheimischen Tierarten gezählt werden. Heute gibt es in weiten Teilen Deutschlands sowie Gebieten der angrenzenden Länder stabile Waschbärpopulationen. Weitere Vorkommen existieren im Süden [[Weißrussland]]s, dem Kaukasus und im Norden [[Frankreich]]s, wo im Jahr 1966 bei [[Laon]] einige Exemplare von amerikanischen Soldaten ausgesetzt wurden. Das für die Verbreitung des Waschbären in Europa wichtigste Ereignis war das Aussetzen von zwei Waschbärpaaren am 12. April 1934 am [[Hessen|hessischen]] [[Edersee]]<ref>{{internetquelle |autor=O. Geiter, S. Homma, R. Kinzelbach |url=http://www.umweltdaten.de/publikationen/fpdf-l/2141.pdf#page=83 |titel=Bestandsaufnahme und Bewertung von Neozoen in Deutschland - Untersuchung der Wirkung von Biologie und Genetik ausgewählter Neozoen auf Ökosysteme und Vergleich mit den potenziellen Effekten gentechnisch veränderter Organismen |hrsg=Umweltbundesamt |seiten=83 |datum=2002-02-01 |zugriff=2009-02-05}}</ref> . Die vier Waschbären wurden vom Forstmeister Wilhelm Freiherr Sittich von Berlepsch auf Wunsch des Besitzers, dem Geflügelzüchter Rolf Haag, ausgesetzt, noch bevor er dazu zwei Wochen später die Genehmigung des [[Preußen|Preußischen]] [[Jagdbehörde|Landesjagdamts]] erhielt, um dadurch „die heimische Fauna zu bereichern“. Obwohl es schon vorher ein paar Ansiedlungsversuche gegeben hatte, war nur dieser erfolgreich. Das Gebiet um den Edersee stellte einen für die ausgesetzten Waschbären fast optimalen Lebensraum dar, so dass die von diesem Zentrum ausgehende weitere Verbreitung schnell und dauerhaft erfolgen konnte. 1956 wurde der Bestand in Deutschland auf 285 Tiere geschätzt, 1970 auf etwa 20.000 Tiere und im Jahr 2005 auf eine niedrige bis mittlere sechsstellige Zahl. Obwohl durch diesen [[Gründereffekt]] ein [[genetischer Flaschenhals]] entstanden ist, scheint dies keine negativen Auswirkungen auf die Gesundheit der Waschbärpopulation gehabt zu haben. Der Ausbruch von etwa zwei Dutzend Waschbären nach einem Bombentreffer auf ein Waschbärgehege in Wolfshagen (heute Ortsteil von [[Altlandsberg]]) bei [[Strausberg]] in [[Brandenburg]] im Jahre 1945 führte zu einem weiteren Verbreitungsgebiet. Die daraus entstandene Population lässt sich bis heute genetisch und [[Parasitologie|parasitologisch]] von der mitteldeutschen unterscheiden. Während über 70 Prozent der Waschbären der mitteldeutschen Population mit dem [[Waschbärspulwurm]] infiziert sind, wurde bislang bei keinem Waschbär aus dem brandenburgischen Verbreitungsgebiet eine Spulwurminfektion diagnostiziert. In [[Sachsen-Anhalt]] wurde eine Infektionsrate von 39 Prozent gemessen, weswegen dieses Gebiet eine wichtige Rolle als Verschmelzungsgebiet der beiden großen Populationen zu spielen scheint. === Der Waschbär als Neozoon === Der Waschbär ist einer der erfolgreichsten [[Neozoen]] des europäischen Kontinents, da er sich innerhalb weniger Jahrzehnte über weite Teile Deutschlands ausgebreitet hat. Viele [[Jagd|Jäger]] und [[Förster]], sowie einige [[Naturschutz|Naturschützer]] sind der Ansicht, dass die als unkontrolliert bezeichnete Ausbreitung äußerst negative Auswirkungen auf das [[Ökosystem]] der deutschen Wälder habe. Argumentiert wird dabei vor allem damit, dass der Waschbär heimische Raubtiere verdränge und geschützte Vogelarten ausrotte. Die Zoologen Ulf Hohmann und Frank-Uwe Michler, die sich mehr als sechs Jahre lang wissenschaftlich mit dem Verhalten und der Ausbreitung des Waschbären in Deutschland auseinandergesetzt haben,<ref>Hohmann, S. 41</ref><ref>{{internetquelle|autor=Frank-Uwe Michler, Berit A. Köhnemann|hrsg=Gesellschaft für Wildökologie und Naturschutz e.V.|url=http://www.projekt-waschbaer.de/-und-ansprechpartner/|titel=Projektleitung / Ansprechpartner|werk=„Projekt Waschbär“|datum=2008|zugriff=2008-07-09}}</ref> widersprechen dieser Auffassung teilweise vehement und verteidigen den „Prügelknaben“ Waschbär.<ref>Hohmann, S. 18</ref> Hohmann argumentiert, dass das Fehlen natürlicher Feinde im europäischen Raum alleine eine extensive Jagd nicht rechtfertige, da diese auch im nordamerikanischen Verbreitungsgebiet keine Rolle als wesentliche Todesursache spielten.<ref>Hohmann, S. 13–14</ref> Zudem lägen die in der Presse angegebenen Populationsdichten manchmal mehr als zehn mal über den gemessenen.<ref>Hohmann, S. 160</ref> Michler weist darauf hin, dass es keinerlei Anzeichen dafür gebe, dass eine hohe Populationsdichte negative Effekte auf die [[Biodiversität]] eines Gebiets habe. Daher sei es „reine Spekulation“ und entbehre „jeder Seriosität“, wenn ohne vorherige wissenschaftliche Untersuchung ein kausaler Zusammenhang zwischen Waschbärvorkommen und dem Bestandsrückgang einer anderen Art in einem Gebiet hergestellt werde. Aus diesem Grund wird die Bekämpfung des Waschbären nach der [[Berner Konvention|Berner Biodiversitäts-Konvention]] von ihm abgelehnt, da diese besonders negative Auswirkungen eines Neozoons auf ein Ökosystem voraussetze. Zum eventuell notwendigen Schutz lokaler Vogelpopulationen wäre demgegenüber ein konsequenteres Vorgehen als üblich erforderlich, was jedoch einen hohen personellen und finanziellen Aufwand erfordere.<ref name="stellungnahme">{{internetquelle|autor=Frank-Uwe Michler, Berit A. Köhnemann|hrsg=Gesellschaft für Wildökologie und Naturschutz e.V.|url=http://www.projekt-waschbaer.de/aktuelles/stellungnahme/|titel=Ökologische und ökonomische Bedeutung des Waschbären in Mitteleuropa – Eine Stellungnahme|werk=„Projekt Waschbär“|datum=2008-05-00|zugriff=2008-07-09}}</ref> Zudem weisen die Jäger Hohmann und Michler auf [[Tierschutz]]-Verstöße bei der Waschbärjagd hin.<ref>Hohmann, S. 20</ref> So wird in einer Pressemitteilung des von Michler geleiteten ''„Projekt Waschbär“'' zur Untersuchung des Waschbärvorkommens im [[Müritz-Nationalpark]] der Einsatz von [[Abzugeisen]] in Gebieten mit Waschbärvorkommen als „vorsätzliche Tierquälerei“ verurteilt, da durch die Aufnahme des Köders mit den Vorderpfoten kein Unterschied zur Wirkung verbotener [[Tellereisen]] bestehe.<ref>{{internetquelle|autor=Hendrik Fulda|url=http://www.lifepr.de/pressemeldungen/nationalparkamt-mueritz/boxid-52376.html |titel=Qualvoller Tod durch Tellereisen|datum=2008-07-30|zugriff=2008-07-09}}</ref> === Verstädterte Waschbären === Aufgrund seiner Anpassungsfähigkeit ist es dem [[Kulturfolger]] Waschbär gelungen, urbane Gebiete als Lebensraum zu nutzen. Die ersten Berichte über im städtischen Raum lebende Waschbären stammen aus den 1920er Jahren aus einem [[Vorort]] von [[Cincinnati]], [[Ohio]]. Seit den 1950er Jahren sind Waschbären in nordamerikanischen Metropolen wie [[Washington D. C.]], [[Chicago]] und [[Toronto]] in großer Zahl anzutreffen.<ref name="untersuchungen">{{Literatur | Autor=Frank-Uwe Michler | Titel=Untersuchungen zur Raumnutzung des Waschbären (''Procyon lotor, L. 1758) im urbanen Lebensraum am Beispiel der Stadt Kassel (Nordhessen) | Jahr=2003 | Monat=Juni | Tag=25 | Seiten=7 | Online=http://www.projekt-waschbaer.de/fileadmin/user_upload/Diplomarbeit-Waschbaer-Michler.pdf | Zugriff=2008-07-02}}</ref> Seit den 1960er Jahren beherbergt [[Kassel]] die europaweit erste und dichteste Waschbärpopulation in einem großen städtischen Gebiet mit ungefähr 50 bis 150&nbsp;Tieren pro Quadratkilometer; eine Zahl vergleichbar mit denen in urbanen Habitaten in Nordamerika.<ref>Hohmann, S. 108</ref><ref name="untersuchungen" /> Hohe Populationsdichten werden auch aus anderen Ortschaften in Nordhessen und [[Niedersachsen|Südniedersachsen]] gemeldet. In vielen anderen Städten wie [[Berlin]] gibt es vereinzelte Sichtungen.<ref>{{internetquelle|hrsg=Ullstein GmbH| url = http://www.morgenpost.de/printarchiv/berlin/article369638/Waschbaeren_Kleine_Raeuber_auf_Beutezug_durch_Berlin.html|titel=Waschbären: Kleine Räuber auf Beutezug durch Berlin|werk=Berliner Morgenpost Online|datum=11. Mai 2004|zugriff=23. Juli 2008}}</ref> Die Größe der Aktionsräume verstädterter Waschbären verringert sich auf etwa 0,03 bis 0,38&nbsp;Quadratkilometer für Weibchen und 0,08 bis 0,79&nbsp;Quadratkilometer für Männchen.<ref name="stand">{{internetquelle|autor=Frank-Uwe Michler, Berit A. Köhnemann|hrsg=Gesellschaft für Wildökologie und Naturschutz e.V.|url=http://www.projekt-waschbaer.de/stand-der-wissenschaft/|titel=Stand der Wissenschaft|werk=„Projekt Waschbär“|zugriff=23. Juli 2008}}</ref> In Kleinstädten und Vororten schlafen viele Waschbären im nahen Wald nach der Nahrungssuche im Siedlungsgebiet.<ref name="Bar.20" >Bartussek, S. 20</ref><ref name="untersuchungen" /> Früchte und Insekten in Gärten und Speisereste im Müll sind leicht verfügbare Nahrungsquellen.<ref>Bartussek, S. 21</ref> Außerdem gibt es eine große Anzahl zusätzlicher Schlaf- und Wurfplätze wie Baumhöhlen in alten Gartenbäumen, Gartenhäuschen, Garagen, verlassene Häuser und Dachböden. Die Anzahl der in Häusern schlafenden Waschbären schwankt von 15 Prozent in Washington D. C. (1991) bis zu 43 Prozent in Kassel (2003).<ref name="Bar.20" /> == Waschbär und Mensch == === Konflikte === [[Datei:Waschbaer auf dem Dach.jpg|thumb|Waschbär auf dem Dach eines Wohnhauses in Albertshausen, Nordhessen]] Die steigende Anzahl an Waschbären im menschlichen Siedlungsraum hat zu sehr unterschiedlichen Reaktionen geführt, die von totaler Ablehnung bis zur regelmäßigen Fütterung der Tiere reichen.<ref>Hohmann, S. 103–106</ref> Die meisten Behörden und einige Wildtierexperten warnen davor, [[Wildtier]]e zu füttern, weil diese dadurch immer aufdringlicher oder von Menschen als Futterquelle abhängig würden.<ref>Bartussek, S. 34</ref> Andere Wildtierexperten zweifeln dies an und geben in ihren Büchern Ratschläge für die Fütterung von Wildtieren.<ref>Holmgren, S. 117–121</ref><ref>{{Literatur | Autor=Stephen Harris, Phil Baker | Titel=Urban Foxes | Verlag=Whittet Books | Ort=Suffolk | Jahr=2001 | Seiten=78–79 | ISBN=978-1873580516 | Originalsprache=en}}</ref> Fehlende Scheu vor Menschen ist mit großer Wahrscheinlichkeit kein Anzeichen für Tollwut, sondern eine Verhaltensanpassung der seit vielen Generationen in der Stadt lebenden Tiere.<ref>Bartussek, S. 24</ref> Während ausgeräumte [[Mülltonne]]n und abgeerntete [[Obstbaum|Obstbäume]] von den Hausbesitzern zumeist nur als lästig angesehen werden, kann die Reparatur von Schäden, die Waschbären bei der Nutzung von Dachböden als Schlafplatz verursachen, mehrere tausend Euro kosten.<ref>{{Literatur | Autor=Frank-Uwe Michler | Titel=Untersuchungen zur Raumnutzung des Waschbären (''Procyon lotor, L. 1758) im urbanen Lebensraum am Beispiel der Stadt Kassel (Nordhessen) | Jahr=2003 | Monat=Juni | Tag=25 | Seiten=108 | Online=http://www.projekt-waschbaer.de/fileadmin/user_upload/Diplomarbeit-Waschbaer-Michler.pdf | Zugriff=2008-07-02}}</ref> Das Fangen oder Töten einzelner Tiere löst jedoch in der Regel nur Probleme mit sich besonders wild verhaltenden oder sogar aggressiven Exemplaren, da geeignete Schlafplätze entweder mehreren Waschbären bekannt sind oder bald wiederentdeckt werden.<ref>Bartussek, S. 32; Hohmann, S. 142–144, 169</ref> Stattdessen sind vorbeugende Maßnahmen − wie das Stutzen von Ästen −, die verhindern, dass Waschbären überhaupt in das Gebäude gelangen, viel effektiver und kostengünstiger.<ref>Bartussek, S. 36–40; Hohmann, S. 169</ref> Oft ist es nicht möglich, Waschbären durch starke Bejagung dauerhaft aus einem Gebiet zu vertreiben, das für sie einen gut geeigneten Lebensraum darstellt, da sie ihre Fortpflanzungsrate bis zu einer gewissen Grenze steigern können oder Tiere aus dem Umland in die frei gewordenen Streifgebiete einwandern. Junge Rüden reklamieren zudem kleinere Streifgebiete für sich als ältere, was einen Anstieg der Populationsdichte zur Folge hat.<ref name="stellungnahme" /> Die Kosten, um aus einem größeren Gebiet auch nur zeitweise alle Waschbären zu entfernen, übersteigen in der Regel die Kosten der durch sie verursachten Schäden um ein Vielfaches.<ref name="stellungnahme" /> === Waschbären als Krankheitsüberträger === [[Datei:Baylisascaris larvae.jpg|thumb|upright|Waschbärspulwurm-Larven]] Aus dem verstärkten Kontakt zwischen Waschbär und Mensch ergeben sich Probleme bezüglich der Übertragung von Krankheiten. Im Gegensatz zu seiner amerikanischen Heimat weist der Waschbär in Europa ein stark eingeschränktes [[Parasit]]enspektrum auf. Während die <nowiki>Waschbär</nowiki>[[tollwut]] in Amerika eine ernstzunehmende Gefahr darstellt, ist diese in Europa erst vereinzelt nachgewiesen worden. Hier gilt zur Zeit nur ein einziger Parasit des Waschbären als ein für den Menschen potentiell gefährlicher Erreger, nämlich der [[Waschbärspulwurm]], der im [[Dünndarm]] der Tiere lebt. Die Infektion erfolgt dabei durch die orale Aufnahme von [[Spulwurm]]eiern im <nowiki>Waschbär</nowiki>[[kot]], zum Beispiel bei der Säuberung von <nowiki>Waschbär</nowiki>[[latrine]]n. Weil der Mensch für den Spulwurm ein [[Fehlwirt]] ist, sind Erkrankungen aber sehr selten. === Haltung === Der Waschbär wird vor allem in den USA gelegentlich als [[Heimtier|Haustier]] gehalten, wovon aber viele Experten abraten, da er keine [[Domestizierung|domestizierte]] Tierart ist und sich unvorhersehbar und aggressiv verhalten kann.<ref name="bartussek44">Bartussek, S. 44</ref><ref>{{internetquelle|hrsg=Fohn.net|url=http://fohn.net/raccoon-pictures-facts/pet-raccoons.html|sprache=Englisch|titel=Pet Raccoons?|werk=Raccoon Tracks|datum=2005|zugriff=2008-07-10}}</ref> In vielen amerikanischen Bundesstaaten ist es daher verboten, Waschbären zu halten, wenn nicht ähnlich wie in Deutschland zumindest eine Genehmigung zur Haltung exotischer Haustiere erforderlich ist.<ref>{{internetquelle|url=http://www.mnsi.net/~remocoon/regulats.htm|sprache=Englisch|titel=State Regulations Concerning the Possession of Raccoons as Pets|werk=Remo Raccoon's Home Page|datum=2000-01-10|zugriff=2008-07-10}}</ref><ref name="haltung">{{internetquelle|autor=Oliver Knörzer|url=http://www.lotor.de/waschbaer-und-mensch/haltung.html|titel=Haltung von Waschbären|werk=Lotor.de: Alles über Waschbären|datum=2008-01-16|zugriff=2008-07-10}}</ref> In den USA werden privat gehaltene Waschbären, die einen Menschen gebissen haben, regelmäßig zur Durchführung einer Tollwutuntersuchung getötet. [[Datei:Mm Gehege 02.jpg|thumb|left|Gehege]] Viele geschlechtsreife Waschbären verhalten sich während der Paarungszeit aggressiv und beißen etwa unvermittelt zu.<ref name="bartussek44" /> Eine [[Kastration]] im fünften oder sechsten Lebensmonat reduziert die Wahrscheinlichkeit erheblich, dass derartige Verhaltensweisen auftreten.<ref>Hohmann, S. 185–186</ref> Wenn sie sich nicht genug bewegen oder falsch ernährt werden, können Waschbären [[Adipositas|verfetten]] oder Verhaltensstörungen entwickeln. Mit Hinblick auf die neuesten Forschungsergebnisse zum Sozialverhalten des Waschbären vertreten einige Halter inzwischen die Ansicht, dass sie möglichst nicht alleine gehalten werden sollten, damit sie nicht vereinsamen.<ref>{{internetquelle|autor=Kathrin Grüning|url=http://web.archive.org/web/20070122223221/http://www.waschbaeren-hilfe.de/grundsaetzliches.htm|titel=Grundsätzliches zur Haltung|werk=Waschbären-Hilfe|zugriff=2008-04-11}}</ref> === Pelzverarbeitung === [[Datei:Lanpher Furs Auto Coat Raccoon S71.jpg|thumb|upright|Automobilisten-Mantel aus Waschbärpelz; USA (1906)]] Das [[Pelzarten#Waschbär|Waschbärfell]] stellt einen wesentlichen Anteil der Pelzbekleidung und Pelzaccessoires. Zu Beginn des 20.&nbsp;Jahrhunderts wurden in Nordamerika so viele Waschbären für die Pelzherstellung erlegt, dass ihre Anzahl gebietsweise deutlich zurückging. In der zweiten Hälfte der 1920er Jahre wurde er daher erstmals in größerem Umfang gezüchtet, was aber sowohl in Nordamerika als auch in Europa bald wieder aufgegeben wurde. Immerhin gab es 1934 in Deutschland 228 Betriebe die Waschbären züchteten mit insgesamt allerdings nur 1583 Tieren.<ref>''Die Kürschnerfibel'', Nr. 1, 7. Jahrgang, Verlag Alexander Duncker, Leipzig, 21. Januar 1939, S. 22 (ohne Angabe des Autors)</ref> Nachdem zu Beginn der 1940er Jahre Langhaarpelze aus der Mode kamen und somit die Preise fielen, kommen bis heute praktisch ausschließlich Felle von Wildtieren in den Handel.<ref name="Schmidt Pelztiere">Fritz Schmidt: ''Das Buch von den Pelztieren und Pelzen'', 1970, F. C. Mayer Verlag, München. S. 311–315</ref> Im Pelzhandel wird auf den Rauchwarenauktionen das Marderhundfell, wohl wegen seines in Teilen waschbärähnlichen Aussehens, mit dem irreführenden Namen ''Finnraccoon'' oder ''Chinesisch Raccoon'' (raccoon = engl. Waschbär) angeboten; hier kommt es gelegentlich zu Verwechslungen. Waschbärfelle werden zu Mänteln, Jacken oder Mützen, beispielsweise auch zu den typischen [[Trapper]]<nowiki>mützen</nowiki>, verarbeitet.<ref name="Fränkel">Christian Franke/Johanna Kroll: ''Jury Fränkel’s Rauchwaren-Handbuch 1988/89'', 10. überarbeitete und ergänzte Neuauflage, Rifra-Verlag Murrhardt. S. 81''</ref><ref name="Winckelmann"> ''Winckelmann Pelz & Markt'', Frankfurt/Main, 29. Juni 2007</ref> === Der Waschbär in Mythologie und Kultur === In der [[Indianer|indianischen]] [[Mythologie]] war der Waschbär das Thema zahlreicher [[Sage]]n.<ref>Holmgren, S. 25–46</ref> Geschichten wie ''How raccoons catch so many crayfish'' (''Wie Waschbären so viele [[Krebse]] fangen'') vom Stamm der [[Tuscarora]] drehten sich um sein außergewöhnliches Geschick bei der Nahrungssuche.<ref>Holmgren, S. 41–43</ref> In anderen Erzählungen spielte der Waschbär, ähnlich wie der [[Rotfuchs]] in mitteleuropäischen Sagen, die Rolle des [[Trickster]]s, der andere Tiere wie [[Kojote]]n und [[Wolf|Wölfe]] überlistet.<ref>Holmgren, S. 26–29, 38–40</ref> Unter anderem glaubten die [[Sioux|Dakota Sioux]] daran, dass der Waschbär aufgrund seiner Gesichtsmaske, die der von ihnen bei [[Ritual]]en getragenen Gesichtsbemalung ähnelte, über magische Kräfte verfügte.<ref>Holmgren, S. 15–17</ref> Die [[Azteken]] sprachen übernatürliche Fähigkeiten vor allem den Weibchen zu.<ref>Holmgren, S. 17–18</ref> Der englische Name des Waschbären, ''Raccoon'', leitet sich vom Wort ''Aroughcun'' oder ''Ahrah-koon-em'' ab, den die [[Algonkin]]-Indianer dem Tier gaben, was soviel wie ''der mit den Händen kratzt'' bedeutet. Von [[Westliche Welt|westlichen]] Autoren gibt es einige für [[Kinder- und Jugendliteratur|Kinder]] geschriebene [[Autobiographie|autobiographische]] [[Roman]]e über das Zusammenleben mit einem Waschbären. Das bekannteste Werk ist [[Sterling North]]s ''[[Rascal der Waschbär]]'', in dem er erzählt, wie er als Kind zur Zeit des [[Erster Weltkrieg|Ersten Weltkrieges]] einen Waschbären aufzog. In den letzten Jahren spielten [[Anthropomorphismus|anthropomorphe]] Waschbären Hauptrollen in der Zeichentrickserie ''[[Die Raccoons]]'', dem Animationsfilm ''[[Ab durch die Hecke]]'' und der Videospielserie ''[[Sly Raccoon]]''. == Literatur == * {{Literatur | Autor=[[Ingo Bartussek]] | Titel=Die Waschbären kommen | Verlag=Cognitio | Ort=Niedenstein | Jahr=2004 | ISBN=978-3932583100}} * {{Literatur | Autor=[[Ulf Hohmann]], Ingo Bartussek, Bernhard Böer | Titel=Der Waschbär | Verlag=Oertel+Spörer | Ort=Reutlingen | Jahr=2001 | ISBN=978-3886273010}} * {{Literatur | Autor=Anke Lagoni-Hansen | Titel=Der Waschbär | Verlag=Verlag Dieter Hoffmann | Ort=Mainz | Jahr=1981 | ISBN=978-3873410374}} * {{Literatur | Autor=Samuel I. Zeveloff | Titel=Raccoons: A Natural History | Verlag=Smithsonian Books | Ort=Washington D. C. | Jahr=2002 | ISBN=978-1588340337 | Originalsprache=en}} * {{Literatur | Autor=Virginia C. Holmgren | Titel=Raccoons in Folklore, History and Today's Backyards | Verlag=Capra Press | Ort=Santa Barbara (Kalifornien) | Jahr=1990 | ISBN=978-0884963127 | Originalsprache=en}} * {{Literatur | Autor=Dorcas MacClintock | Titel=A Natural History of Raccoons | Verlag=The Blackburn Press | Ort=Caldwell (New Jersey) | Jahr=1981 | ISBN=978-1930665675 | Originalsprache=en}} == Weblinks == {{Wiktionary|Waschbär}} {{Commons|Procyon lotor|Waschbär}} * [http://www.diewaschbaerenkommen.de/ Die Waschbären kommen]: Website mit umfangreichen Informationen über verstädterte Waschbären * [http://www.lotor.de/ Lotor.de]: Website mit allgemeinen Informationen zum Waschbären * [http://www.projekt-waschbaer.de/ Projekt Waschbär im Müritz-Nationalpark]: aktuelles Forschungsprojekt über die Situation im ostdeutschen Verbreitungsgebiet * [http://www.gwn.de/ Gesellschaft für Wildökologie und Naturschutz e.V.]: Website mit Informationen zur Biologie und Verbreitung des Waschbären sowie zu Forschungsprojekten in Deutschland * [http://fohn.net/raccoon-pictures-facts/index.html Raccoon Tracks]: englische Website mit allgemeinen Informationen zum Waschbären * {{IUCN |Year=2006 |ID=41686 |ScientificName=Procyon lotor |YearAssessed=1996 |Assessor=Mustelid Specialist Group |Download=12. Mai 2006 }} {{Gesprochene Version |datei = De-Waschbaer_1-article.ogg |titel = Merkmale, Lebenserwartung, Lebensweise |länge = 18:02 min |größe = 6,7 MB |version = http://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Waschb%C3%A4r&oldid=26288093 |datum = 11. Januar 2007 |datei2 = De-Waschbaer_2-article.ogg |titel2 = Verbreitungsgebiet, Waschbär und Mensch, Literatur |länge2 = 14:46 min |größe2 = 5,6 MB |version2 = http://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Waschb%C3%A4r&oldid=26288093 |datum2 = 11. Januar 2007 |exzellent = nein |kattitel = }} == Einzelnachweise == <references /> {{Exzellent}} {{DEFAULTSORT:Waschbar}} [[Kategorie:Kleinbären]] [[Kategorie:Neobiota]] [[Kategorie:Kulturfolger]] [[Kategorie:Raubwild]] [[Kategorie:Haarwild]] {{Link GA|fr}} {{Link FA|en}} {{Link FA|sv}} [[ar:راكون (حيوان)]] [[bg:Американски енот]] [[br:Rakoun]] [[ca:Ós rentador]] [[cs:Mýval severní]] [[da:Almindelig vaskebjørn]] [[en:Raccoon]] [[eo:Lav-urso]] [[es:Procyon lotor]] [[fa:راکون]] [[fi:Pesukarhu]] [[fr:Raton laveur]] [[ga:Racún]] [[he:דביבון מצוי]] [[hsb:Šup]] [[hu:Mosómedve]] [[io:Ratono]] [[it:Procyon lotor]] [[ja:アライグマ]] [[ko:아메리카너구리]] [[lt:Paprastasis meškėnas]] [[lv:Parastais jenots]] [[mr:रॅकून]] [[ms:Rakun]] [[nl:Gewone wasbeer]] [[no:Vanlig vaskebjørn]] [[nv:Tábąąh mąʼii]] [[oc:Procyon lotor]] [[pdc:Ragguune]] [[pl:Szop pracz]] [[pt:Guaxinim]] [[ru:Енот-полоскун]] [[simple:Raccoon]] [[sv:Tvättbjörn]] [[ta:ரக்கூன்]] [[uk:Єнот звичайний]] [[zh:浣熊]] [[zh-min-nan:Sé-hîm]] nlz2g3m2hdrdak1n8m5trmi0dlrcpnh wikitext text/x-wiki Wasserbüffel 0 24479 27080 2010-05-08T16:38:05Z SieBot 0 Bot: Ergänze: [[fa:گاومیش]] <!-- Für Informationen zum Umgang mit dieser Tabelle siehe bitte [[Wikipedia:Taxoboxen]]. --> {{Taxobox | Taxon_Name = Wasserbüffel | Taxon_WissName = Bubalus arnee | Taxon_Rang = Art | Taxon_Autor = ([[Robert Kerr (Autor)|Kerr]], 1792) | Taxon2_Name = Asiatische Büffel | Taxon2_WissName = Bubalus | Taxon2_Rang = Gattung | Taxon3_Name = Rinder | Taxon3_WissName = Bovini | Taxon3_Rang = Tribus | Taxon4_WissName = Bovinae | Taxon4_Rang = Unterfamilie | Taxon5_Name = Hornträger | Taxon5_WissName = Bovidae | Taxon5_Rang = Familie | Taxon6_Name = Wiederkäuer | Taxon6_WissName = Ruminantia | Taxon6_Rang = Unterordnung | Bild = Water buffalo bathing.jpg | Bildbeschreibung = Wasserbüffel (''Bubalus arnee'') in [[Taiwan]] }} Der '''Wasserbüffel''' (''Bubalus arnee'') gehört zu den [[Rinder]]n (Bovinae) und ist die am weitesten verbreitete und bekannteste Art der [[Asiatische Büffel|Asiatischen Büffel]] (''Bubalus''). Er ist vielerorts zum Haustier geworden, wilde Wasserbüffel hingegen sind heute eine Seltenheit. Für wilde Büffel wird oft die indische Bezeichnung '''Arni''' verwendet; damit werden sowohl echte Wild- als auch verwilderte Hausbüffel bezeichnet. == Merkmale == [[Datei:Bubalus_arnee_schaedel.JPG|thumb|Schädel eines Wasserbüffels (noch als Hausbüffel bezeichnet)]] Ein Wasserbüffel bringt es auf eine Kopfrumpflänge von fast 3 Metern, eine Schulterhöhe von 180 Zentimetern und ein Gewicht von mehr als einer Tonne. Diese Maße werden fast nur von wilden Büffeln erreicht. Die domestizierten Exemplare sind für gewöhnlich sehr viel kleiner und selten schwerer als 500 Kilogramm. Der Rumpf ist rindertypisch tonnenförmig, der etwa 60 bis 80 Zentimeter lange Schwanz hat eine Endquaste. Die Farbe der wilden Tiere ist grau, braun oder schwarz. Bei domestizierten Büffeln gibt es auch schwarz-weiß gescheckte oder ganz weiße Tiere. Der Kopf ist meist lang und nach vorne hin verhältnismäßig schmal, die Ohren sind vergleichsweise klein. Beide Geschlechter tragen Hörner, die entweder geradlinig zur Seite weisen oder sich halbkreisförmig nach innen krümmen. Sie erreichen eine Spannweite von 2 Metern, mehr als bei jedem anderen lebenden Paarhufer; die Hörner der Weibchen sind allerdings meist etwas kürzer. Daneben existieren aber auch Büffelrassen mit kleineren Hörnern. Die weit auseinander gespreizten Hufe geben den Tieren in ihrem sumpfigen Lebensraum sicheren Halt. == Verbreitung == Das Verbreitungsgebiet des wilden Wasserbüffels ist seit der Eiszeit kontinuierlich geschrumpft. Noch im späten [[Pleistozän]] gab es Wasserbüffel auch in Nordafrika. Zur Zeit der frühen Hochkulturen [[Mesopotamien]]s waren sie zwischen [[Euphrat]] und [[Tigris]] noch häufig und von hier ostwärts über [[Indien]] bis nach [[China]] und [[Südostasien]] verbreitet. Durch Ansiedlung durch den Menschen gibt es Wasserbüffel heute auch in [[Australien|Nordaustralien]] und im [[Amazonasgebiet]] [[Brasilien]]s. [[Bild:Kwai050.jpg|thumb|300px|left|Domestizierter Wasserbüffel in Thailand]] Heute ist es oft schwierig zu bestimmen, welche Wasserbüffel echte Wildbüffel und welche bloß Nachkommen verwilderter Hausbüffel sind. In Kambodscha, Laos und Vietnam gibt es offenbar keine reinen Wildbüffel mehr. Dagegen sind einige kleine Gruppen über [[Nepal]], [[Bhutan]] und die [[Indien|indischen]] Bundesstaaten [[Assam]], [[Madhya Pradesh]], [[Meghalaya]] und [[Arunachal Pradesh]] verstreut. Umstritten ist, ob es sich bei den Büffeln des westlichen [[Thailand]]s und der Insel [[Sri Lanka]] um echte Wildbüffel handelt. Den [[Habitat|Lebensraum]] des Wasserbüffels bilden offene Feuchtgebiete, Sumpfwälder und dicht bewachsene Flusstäler. Zum Schutz vor Insekten und zur Abkühlung hält er sich oft im Wasser oder im Schlamm auf. Anschließend ist die Haut von einer dichten Schlammschicht bedeckt, die kein blutsaugendes Insekt durchdringen kann. == Lebensweise == [[Bild:Wasserbueffel.jpg|right|thumb|right|Wasserbüffel in Indien]] Da es in Asien fast nur noch domestizierte Wasserbüffel gibt, hat man das Verhalten dieser Tiere vor allem bei ausgewilderten Büffeln im Norden Australiens studiert. Wie weit dies dem ursprünglichen Verhalten entspricht, ist unbekannt. Wasserbüffel leben hier in Familiengruppen von dreißig Individuen, die von einer alten Kuh angeführt werden. Die Herden bestehen aus Weibchen und ihren Jungen. Junge Weibchen bleiben für gewöhnlich bei der Herde; jüngere Männchen werden dagegen im Alter von zwei Jahren aus der Herde vertrieben. Die Bullen werden nach einer Übergangszeit in Junggesellenverbänden, die jeweils etwa zehn Individuen umfassen, zu temporären Einzelgängern, schließen sich aber alljährlich zur Paarungszeit (in Nordindien im Oktober, weiter südlich zu keiner festgelegten Jahreszeit) einer Herde an. Die dominante Kuh behält auch in dieser Zeit die Führung der Gruppe und jagt nach dem Ende der Paarungszeit die Bullen davon. Alte Bullen, die sich nicht mehr paaren können, leben bis zu ihrem Tod als dauerhafte Einzelgänger. Meistens sondern sie sich freiwillig ab, gelegentlich werden sie von einem jüngeren Bullen gewaltsam vertrieben. Eine Kuh trägt etwa alle zwei Jahre ein Junges aus. Dies wird nach einer Tragzeit von 333 Tagen geboren und wiegt zunächst etwa 40 Kilogramm. Es wird etwa ein halbes Jahr gesäugt, ehe es selbständig grasen kann. Im Alter von zwei bis drei Jahren erlangen die Tiere die Geschlechtsreife. Die Lebensdauer eines wilden Wasserbüffels beträgt 25 Jahre; in der Obhut des Menschen werden Wasserbüffel noch einige Jahre älter. Die Nahrung des Wasserbüffels sind in erster Linie Gräser, daneben auch fast jede Art von Ufervegetation. Neben dem Menschen sind [[Tiger]] und [[Krokodile]] die einzigen Fressfeinde des Wasserbüffels. Tiger attackieren bevorzugt Jungtiere oder Einzelgänger, da eine geschlossene Herde durch koordiniertes Vorgehen oft in der Lage ist, die Raubkatzen zu vertreiben oder in Einzelfällen durch den Einsatz der Hörner sogar zu töten. == Menschen und Wasserbüffel == === Bedrohung === Der wilde Wasserbüffel wird von der [[IUCN|International Union for Conservation of Nature (IUCN)]] in der [[Rote Liste gefährdeter Arten|Roten Liste gefährdeter Arten]] als "stark gefährdete" Art (''Endangered'') <ref>{{IUCN |Year=2010 |ID=3129 |ScientificName=Bubalus arnee |YearAssessed=2008 |Assessor=Hedges, S., Sagar Baral, H., Timmins, R.J. & Duckworth, J.W. |Download=16. März 2010 }}</ref>geführt. Wegen der oben angeführten Schwierigkeiten, ausgewilderte Hausbüffel von echten Wildbüffeln zu unterscheiden, schwanken die Bestandsangaben zwischen 200 und 4000 Exemplaren. === Domestikation === [[Bild:Kwai051a.jpg|thumb|Domestizierte Wasserbüffel in Thailand]] Weltweit gibt es 150 Millionen domestizierte Wasserbüffel. Wann der Wasserbüffel domestiziert wurde, ist schwer zu sagen, da sich die Knochen wilder und domestizierter Tiere nicht unterscheiden lassen. Eventuell wurde die Art mehrfach unabhängig voneinander domestiziert. Die [[Domestikation]] erfolgte zuerst in China um etwa [[4. Jahrtausend v. Chr.|4000 v. Chr.]] In Fundstellen der indischen [[Harappa-Kultur]] tauchen Knochen des Wasserbüffels nur spärlich auf. Für [[Dholavira]], wo sehr viele Wasserbüffelknochen gefunden wurden, nimmt man eine Herdenhaltung an, wie auch für [[Shikapur]] in [[Gujarat]]. Kurz darauf wurde der Büffel auch in Mesopotamien domestiziert. Von Indien und China gelangten Hausbüffel nach Südostasien. Lange vor der Zeitenwende gab es im gesamten Verbreitungsgebiet domestizierte Büffel. In historisch jüngerer Zeit gelangten Wasserbüffel auch in andere Regionen: In Südeuropa, Nord- und Ostafrika, Australien, Mauritius, Hawaii, Südamerika und Japan werden heute in unterschiedlichem Maße Wasserbüffel gehalten. In Europa wird er in [[Italien]], [[Rumänien]] und [[Bulgarien]] in größerem Stil genutzt. In Australien, wo die Büffelhaltung weitgehend aufgegeben wurde, verwilderten die Tiere und besiedelten den Norden, wo sie heute in etwa 200.000 Exemplaren vorkommen. Verwilderte Wasserbüffel gibt es in kleinerer Zahl auch in Neuguinea, Argentinien und Tunesien. Die Büffel verhalten sich gegenüber Menschen friedlich und lassen sich sogar von Kindern dirigieren. Wilde Büffel ergreifen in der Regel vor dem Menschen die Flucht. Allerdings werden die einzelgängerischen alten Bullen gelegentlich sehr aggressiv und greifen dann Menschen und selbst Elefanten an. Sie sollen gelegentlich durch die Farben [[Gelb]] und [[Orange (Farbe)|Orange]] provoziert werden, weshalb z.B. die thailändischen Mönche mit ihrer orangen Robe oft einen größeren Bogen um sie machen. In Deutschland gibt es heute etwa 1800 Wasserbüffel.<ref>[http://www.golden-buffalo.de/bueffelhof.html Karte der deutschen Büffelhöfe]</ref>,<ref>[http://www.tagesspiegel.de/berlin/Brandenburg;art128,2606280 Der Büffel als Gärtner], Der Tagesspiegel Brandenburg, 3. September 2008</ref>,<ref>[http://www.albbueffel.de www.albbueffel.de], Albbüffel-Website</ref> Hatte die Büffelzucht noch bis vor kurzem wenig Bedeutung, so gibt es inzwischen einige Höfe, auf denen Wasserbüffel gezüchtet werden; es bleibt jedoch ein eher exotischer Wirtschaftszweig. === Nutzen === [[Bild:Indonesia-Bull.jpg|thumb|right|Domestizierter Wasserbüffel auf Sumatra]] Wasserbüffel werden zum Pflügen von [[Reis]]feldern und als Lasttiere verwendet. Milch, Fleisch und Leder werden ebenfalls genutzt. Aufgrund der Umstellung auf maschinelles Pflügen ist der Einsatz und dadurch auch die Verbreitung in den letzten ca. 25 Jahren drastisch zurückgegangen (besonders z.B. in Thailand) . Ein weiterer Vorteil des Wasserbüffels liegt darin, dass er von [[BSE]] nicht betroffen ist; Büffel in China erkranken gelegentlich an der [[Maul- und Klauenseuche]]. ==== Büffelmilch ==== Mit den heutigen [[Hausrind]]ern können Wasserbüffel bei der Menge von Fleisch und Milch je Tier noch nicht mithalten. Büffelmilch hat verglichen mit Kuhmilch einen doppelten Fettgehalt (8 %) und längere Haltbarkeit. Jährlich werden in Asien 45 Millionen Tonnen Büffelmilch gewonnen. Durch gezielte Zucht immer ergiebigerer Büffelrassen konnte die Milchproduktion je Tier in den letzten Jahrzehnten beträchtlich gesteigert werden. Noch 1970 wurde ein Wert von 3000 Litern je Tier und [[Laktation]]speriode (etwa 300 Tage) für einen Rekord gehalten; heute gibt es hochgezüchtete Büffelrassen, die 5000 Liter Milch im gleichen Zeitraum abgeben. Der Murrah gilt als die Büffelrasse, die in der Milchwirtschaft am vielversprechendsten ist; Züchter gehen davon aus, in naher Zukunft mit Wasserbüffeln ebenso viel Milch produzieren zu können wie mit Milchkühen. Büffelmilch enthält je Gramm 0,19 mg [[Cholesterin]] (Rindermilch: 0,14 mg).<ref> [http://www.ernaehrung.de/lebensmittel/de/M031000/Bueffelmilch.php Deutsches Ernährungsberatungs- und -informationsnetz (DEBInet)]</ref> Sie ist außerdem reicher an [[Kalzium]], [[Eisen]], [[Phosphor]] und [[Vitamin A]]. Echter [[Mozzarella]] wird aus Büffelmilch gewonnen - heute wird meistens aus Rindermilch hergestellter Mozzarella verkauft, der geschmacksärmer und von anderer Konsistenz ist. ==== Büffelrassen ==== [[Bild:BUFFALO159.JPG|thumb|right|Domestizierter Wasserbüffel in [[Thailand]]]] 74 Rassen von Hausbüffeln sind bekannt. Sie werden grob in Sumpf- und Flussbüffel unterteilt. Sumpfbüffel dienen vor allem als Arbeitstiere, Flussbüffel in erster Linie als Nahrungs- und Rohstofflieferanten. Die Sumpfbüffel werden überwiegend in China und Südostasien gezüchtet. Sie helfen bei der Bewirtschaftung der Reisfelder und werden, wenn sie als Arbeitstiere wegen ihres Alters nicht mehr geeignet sind, geschlachtet und gegessen. Für die Milchproduktion spielen sie so gut wie keine Rolle. Flussbüffel werden hingegen für Milch- und Fleischproduktion gezüchtet. Das Zentrum der Flussbüffelzucht liegt ohne Zweifel in Indien, wo es die meisten Rassen und die ergiebigsten Tiere gibt. Inzwischen wird die Zucht auch in Nordamerika und Europa fortgesetzt. Einige der wichtigsten Büffelrassen sind: * Baladi, [[Unterägypten]]; Zugtier, Milch * Saidi, [[Oberägypten]]; Zugtier, Milch * Kundi, [[Sindh]]; Milch; schwarzes Fell, besonders schwer und massig * Murrah, [[Haryana]], [[Punjab]]; Milch; gilt als ergiebigste aller Milchbüffelrassen, weltweit exportiert * Nili-Ravi, [[Punjab]]; Milch; schwarzes Fell mit weißer Zeichnung im Gesicht, sehr kurze Hörner * Pandharpuri, [[Maharashtra]]; Milch; schwarzes Fell, erkennbar an den schwertartigen, riesigen Hörnern (jeweils bis 150 cm lang) * Malaiischer Büffel, [[Südostasien]]; Zugtier; graues Fell, mittellange, halbmondförmige Hörner * [[Carabao (Wasserbüffel)|Carabao]], [[Philippinen]] und [[Guam]], Zug- und Arbeitstier, graues oder schwarzes Fell, halbmondförmige Hörner === Büffel in Volksglauben und Mythologie === Ein so eng mit dem Menschen verbundenes Tier wie der Wasserbüffel taucht naturgemäß in vielen Märchen und Sagen der mit ihm assoziierten Völker auf. In der [[Indische Mythologie|Indischen Mythologie]] verkörpert der Wasserbüffel unter anderem den Dämon [[Mahishasura]], ein Mischwesen aus Büffel und Mensch, das von keinem der Götter besiegt werden konnte, bis die Kriegsgöttin [[Durga]] ihn zuletzt doch niederrang. Im [[Hinduismus]] erinnert das [[Bengalen|bengalische]] [[Durgapuja]] sowie das nepalesische [[Dashain]]-Fest an diesen Kampf zwischen Gut und Böse. In [[Nepal]] ist es ein staatlicher Feiertag. Zu diesem Fest wird in einer Prozession ein Büffelkopf durch die Straßen getragen, der Mahishasura symbolisieren soll. Der Büffel taucht noch in einer anderen, ebenfalls nicht sehr positiven Rolle auf: [[Yama (Todesgott)|Yama]], im Hinduismus der Herr der Unterwelt, wird oft auf einem Wasserbüffel reitend dargestellt. Zu bestimmten Gelegenheiten nimmt der Gott selbst die Gestalt eines Büffels an. Kein Teil der indischen Mythologie, aber doch ein bekanntes, fabelhaftes Werk über Indien ist das [[Dschungelbuch]] von [[Rudyard Kipling]]. Hier wird Mogli nach seiner Rückkehr zu den Menschen zu einem Büffelhirten. Die Büffel sind es, die letztlich den bösartigen Tiger Shere Khan zu Tode trampeln. In der [[Chinesische Astrologie|chinesischen Astrologie]] ist der Büffel eines der zwölf Sternzeichen. 2009/10 ist das [[Jahr des Büffels]]. "Büffel" (''khwaai'') ist in Thailand eine der abfälligsten Bezeichnungen zur Charakterisierung eines Menschen, auch im Sinne einer Beleidigung, und in der Ausdrucksstärke vergleichbar mit "Schwein" im Deutschen. Gemeint ist damit jemand, der stur, dumm, lernunfähig, stumpf oder unbeweglich ist. Der chinesische Philosoph [[Laozi]] wird meistens auf einem Wasserbüffel reitend dargestellt. === Wasserbüffel in Australien === ==== Die Einführung der Wasserbüffel in Australien ==== Zwischen 1823 und 1840 wurden durch den Menschen 80 Wasserbüffel zur Fleischproduktion im [[Northern Territory]] in [[Australien]] eingeführt. Einzelne Tiere und Herden verwilderten und vermehrten sich unter ihren neuen Lebensbedingungen so schnell, dass nach Schätzungen der australischen Regierung zwischen 1880 und 1970 insgesamt 700.000 Tiere erlegt werden mussten. 1985 lebten mit einem Bestand von 350.000 Tieren mehr als die Hälfte der weltweit nicht als Haustiere gehaltenen Wasserbüffel in Australien. ==== Ökologische Probleme ==== Die verwilderten Wasserbüffel stellten in den Marschregionen an Australiens Nordküste ein gravierendes ökologisches Problem dar. Sie verstärkten durch ihre Trampelpfade und ihr [[Suhle]]n die [[Bodenerosion]], veränderten durch ihr Fressverhalten die Zusammensetzung der lokalen [[Pflanzenwelt|Flora]] und erleichterten durch ihr Suhlen das Eindringen von [[Salzwasser]] in [[Süßwasserhabitat]]e. Sie veränderten damit ihren Lebensraum so nachhaltig, dass die Anzahl der dort lebenden [[Australien-Krokodil]]e, des australischen Süßwasserfisches [[Barramundi]] und ähnlicher einheimischer Arten drastisch zurückging. Zu diesen gravierenden ökologischen Auswirkungen trug wesentlich bei, dass sich in den Trockenzeiten auf einem Quadratkilometer Marschland bis zu 35 Tiere aufhielten. Wasserbüffel sind außerdem Überträger von Rinderkrankheiten wie der [[Tuberkulose]] und der [[Rinderbrucellose]]. Besonders letztere hat dazu beigetragen, dass der Wasserbüffelbestand sowohl von der Regierung als auch von der Mehrheit der australischen Bevölkerung als zu bekämpfende Plage angesehen wird. ==== Das Abschussprogramm der australischen Regierung ==== Von 1979 bis 1997 wurde von der australischen Regierung ein Abschussprogramm verwilderter Wasserbüffel durchgeführt, wobei die Tiere, die im unzugänglichen Marschland lebten, zum Teil vom [[Helikopter]] aus abgeschossen wurden. Die Anzahl der verwilderten Wasserbüffel ist seitdem deutlich zurückgegangen. In dem zum [[Weltnaturerbe]] gehörenden [[Kakadu-Nationalpark]] beispielsweise wurde die Anzahl der dort lebenden Tiere von 20.000 im Jahre 1988 auf 250 im Jahre 1996 reduziert und damit erreicht, dass die Bestände einheimischer Pflanzen wie bestimmte [[Eukalyptus]]-Arten und die Rote Wasserlilie sich wieder erholten. == Taxonomie == Ursprünglich wurde der wilde Wasserbüffel als ''Bubalus arnee'', der Hausbüffel aber als ''Bubalus bubalis'' geführt. Heute werden sie zu einer Art zusammengefasst, laut Entscheidung des [[ICZN]] (Opinion 2027 <ref> [http://www.iczn.org/BZNMar2003opinions.htm Opinions März 2003]</ref>) ist ''arnee'' der gültige Name. Umstritten ist allerdings, ob wirklich alle Wasserbüffel einer Art angehören. So sehen manche in den chinesischen Büffeln, deren wilde Vorfahren vor etwa 3500 Jahren ausstarben, eine eigene Art ''Bubalus mephistopheles''. Als Unterart des Wasserbüffels wird gelegentlich der philippinische [[Tamarau]] geführt, der heute häufig den Rang einer eigenständigen Art erhält. == Literatur == * Bernhard Grzimek: ''Grzimeks Tierleben.'' Säugetiere Band 13. dtv, München 1970. ISBN 3423032073 * Ronald Nowak: ''Walker's Mammals of the World.'' Bd 2. Johns Hopkins University Press, Baltimore 1999. ISBN 0801857899 * ''The Water Buffalo. New Prospects for an Underutilized Animal''. Books for Business. Washington 1981, 2002. ISBN 0894991930 * Tim Low: ''Feral future - The untold story of Australia's exotic invaders''. Penguin Books Australia Ltd, Ringwood 2001. ISBN 0-14-029825-8 (Dieses Buch beschreibt u.a. die ökologischen Probleme, die die Verwilderung der Wasserbüffel in Australien nach sich zog.) * Dorian Fuller: ''An agricultural perspective on Dravidian historical linguistics, archaeological crop packages, livestock and Dravidian crop vocabulary.'' In: Peter Bellwood, Colin Renfrew: ''Examining the farming/language dispersal hypothesis.'' Macdonald Institute for Archaeological Research, Cambridge 2002, 191-213. ISBN 1902937201 (zur Domestikation) == Weblinks == {{Commons|Category:Bubalus bubalis|Wasserbüffel}} {{Wiktionary|Wasserbüffel}} * [http://www.bueffel-farm.de/ DBV Pressesprecher Peter Biel Landschaftspflege] * [http://www.deh.gov.au/biodiversity/invasive/publications/buffalo/ The feral water buffalo] (englisch; Seite der australischen Regierung über verwilderte Wasserbüffel) * [http://www.landwirtschaft-bw.info/servlet/PB/menu/1063251/index.html Wasserbüffel in der Landschaftspflege] (LEL BW) * [http://www.golden-buffalo.de/wasserbueffel-als-landschaftspfleger/ Möglichkeiten und Grenzen des Einsatzes von Wasserbüffel in der Landschaftspflege] ==Einzelnachweise== <references/> {{DEFAULTSORT:Wasserbuffel}} {{Exzellent}} [[Kategorie:Hornträger]] [[Kategorie:Haustier]] [[ace:Keubeuë]] [[ar:جاموس الماء]] [[az:Asiya kəli]] [[bn:মোষ]] [[bo:མ་ཧེ།]] [[br:Bual Azia]] [[ca:Búfal aquàtic]] [[cs:Buvol domácí]] [[en:Water Buffalo]] [[eo:Akvobubalo]] [[es:Bubalus bubalis]] [[fa:گاومیش]] [[fi:Vesipuhveli]] [[fr:Bubalus bubalis]] [[hu:Vízibivaly]] [[id:Kerbau]] [[io:Bufalo]] [[is:Vatnabuffall]] [[it:Bubalus bubalis]] [[ja:スイギュウ]] [[ko:물소]] [[lt:Azijinis buivolas]] [[lv:Ūdens bifelis]] [[ml:പോത്ത്]] [[mr:म्हैस]] [[my:ကျွဲ]] [[nap:Vufero]] [[nl:Waterbuffel]] [[no:Vannbøffel]] [[nv:Tábąąh béégashii]] [[pl:Bawół domowy]] [[pt:Búfalo-asiático]] [[ro:Bivol indian]] [[ru:Азиатский буйвол]] [[sh:Vodeni bivol]] [[simple:Water buffalo]] [[su:Munding]] [[sv:Vattenbuffel]] [[te:గేదె]] [[th:กระบือ]] [[tr:Asya mandası]] [[uk:Водяний буйвіл]] [[vi:Trâu]] [[zh:水牛]] [[zh-min-nan:Chúi-gû]] [[zh-yue:水牛]] 7tj3dpejwkh0k5est8f5hhyuouwcs31 wikitext text/x-wiki Wasserdampf 0 24480 27081 2010-05-02T13:54:34Z Dr.cueppers 0 weitere fehlende blanks eingesetzt und Formel vor demZeilenumbruch bewahrt [[Datei:Kochendes wasser02.jpg|thumb|upright|Siedendes Wasser, [[Blase (Physik)|Dampfblasen]] und teilkondensierter ''Wasserdampf'']] [[Datei:2008-07-15 Steam rising at Duke.jpg|thumb|upright|Wasserdampf]] <onlyinclude><!--- Den folgenden Teil des Artikels ins Physik-Portal einbinden ---> In der Umgangssprache versteht man unter '''Wasserdampf''' meist die sichtbaren [[Dampfschwaden]] von teilweise bereits kondensierendem Wasserdampf (Nassdampf), wie er auch als [[Nebel]] oder in [[Wolke]]n vorkommt. Im technisch-naturwissenschaftlichen Kontext ist Wasserdampf [[gas]]förmiges [[Wasser]], das in diesem [[Aggregatzustand#Dampf|Aggregatzustand]] unsichtbar ist wie Luft. Jedoch wird auch in diesem Zusammenhang von Wasserdampf und nicht von [[Wassergas]] gesprochen, da letzterer Begriff anders belegt ist. </onlyinclude><!--- Den folgenden Teil des Artikels nicht ins Physik-Portal einbinden ---> == Entstehung und Zustände == Bei einem normalen Umgebungsdruck von [[Normalbedingung|1,013 bar]] (101,325&nbsp;[[Pascal (Einheit)|kPa]]) [[Siedepunkt|siedet]] Wasser bei 100° [[Celsius]]. Wird dem verbliebenen Wasser darüber hinaus Energie (Wärme) zugeführt, verdampft es, ohne dass es zu einem weiteren Temperaturanstieg kommt. Aus 1&nbsp;[[Liter]] (entsprechend 1&nbsp;[[Gramm|kg]]) Wasser entstehen 1,673&nbsp;[[Kubikmeter|m³]] Wasserdampf<!-- Annahme: ideales Gas: 1 mol = 22,4 Liter, verglichen mit 1 mol H20. -->, wofür eine Energiezufuhr von 2.257&nbsp;[[Joule|kJ]] benötigt wird. Die zugeführte Energie erhöht die innere Energie des Dampfes um 2.088&nbsp;kJ und leistet gegenüber dem Umgebungsdruck eine Volumenänderungsarbeit W. [[Bild:TS-Wasserdampf 100.png|thumb|300px|]] :<math>\begin{align} W = p \cdot \Delta V &= {101{,}325\ \mathrm{kPa} \cdot 1{,}673\ \mathrm{m}}^3 \\&= {169{,}51\ \mathrm{kNm}} = {169{,}51\ \mathrm{kJ}} \end{align}</math> Beide Beiträge ergeben addiert die Verdampfungs[[enthalpie]] H, die sich in einem Enthalpie-Entropie-Diagramm (h-s-Diagramm) in Form einer Differenz auf der y-Achse als spezifische Größe ablesen lässt. Das hier abgebildete T-s-Diagramm stellt die für die [[Verdampfung]] (bei 100 °C) notwendige [[Wärme]] in Form der gepunkteten blauen Fläche dar. Ebenso lässt sich dabei der Zuwachs an Verdampfungs[[Entropie (Thermodynamik)|entropie]] <math>\Delta S</math> (Delta S) ermitteln: *<math>Q_H</math> = Verdampfungswärme bzw. Verdampfungsenthalpie *<math>T</math> = Siedetemperatur in [[Kelvin|K]] :<math>\begin{align} \Delta S &= \frac{Q_H}{T} \\ &= \frac{2257 \; \mathrm{kJ}}{373{,}15 \; \mathrm{K}} = 6{,}0485 \; \mathrm{\frac{kJ}{K}} \end{align}</math> <br style="clear:both;" /> Entsprechend dem [[Phasendiagramm]] [[Sieden|siedet]] Wasser bei einem Luftdruck von 0,4&nbsp;[[Bar (Einheit)|bar]], wie er beispielsweise auf dem [[Mount Everest]] gegeben ist, schon bei etwa 75&nbsp;°C. Die aufzuwendende [[Verdampfungswärme]] ist jedoch größer, ebenso die Volumenzunahme des Dampfes. Mit steigendem Druck nimmt die Verdampfungswärme des Wassers entsprechend den kleiner werdenden Flächen im T-s-Diagramm ab, bis sie im [[Kritischer Punkt (Thermodynamik)|kritischen Punkt]] gleich Null ist. == Erscheinungsformen == [[Datei:Dampfdruckkurve.png|thumb|right|300px|Siedepunktskurve des Wassers]] Der [[Dampfdruck]] des Wassers ist temperaturabhängig. Bei Temperaturen unterhalb des Siedepunktes spricht man von [[Verdunstung]]. In [[Sättigung (Physik)|gesättigter]] Umgebungsluft stellt sich ein Gleichgewicht zwischen verdunstendem Wasser und kondensierendem Wasserdampf ein. Die Übergangsbedingungen zwischen flüssigem Wasser und Wasserdampf sind in der [[Siedepunkt]]kurve des [[Phasendiagramm|Zustandsdiagramms]] dargestellt, welche in der rechten Abbildung dargestellt ist. === Nassdampf === Wenn Dampf in eine kältere Umgebung strömt, [[Kondensation|kondensieren]] Teile des gasförmigen Wassers wieder zu feinsten Tröpfchen. Ein solches Gemisch bezeichnet man als Nassdampf, der zum Beispiel beim Wasserkochen beobachtet werden kann. Im T-s-Diagramm erstreckt sich der Bereich des Nassdampfes bis zum kritischen Punkt bei ''374&nbsp;°C und 221,2&nbsp;bar''. Der Inhalt des Nassdampfes an flüssigem Wasser ist durch den [[Massenanteil]] ''x'' gekennzeichnet, der sich mit folgender Formel berechnen lässt: <math>x = \frac{m_{\rm Dampf}}{m_{\rm Fl\ddot ussigkeit} + m_{\rm Dampf}}</math> === Heißdampf === ==== Überhitzter Dampf ==== :''→ Hauptartikel: [[Heißdampf]], [[Überhitzer]]'' Überhitzter Dampf ist Dampf mit einer Temperatur oberhalb der [[Siedetemperatur]]. Der Dampf ist "trocken" und enthält keine Tröpfchen. In [[Dampfkessel]]n wird der erzeugte Dampf mittels des [[Überhitzer]]s in diesen Zustand gebracht. ==== Überkritischer Dampf ==== Oberhalb des [[Kritischer Punkt (Thermodynamik)|kritischen Punktes]] (374,12 °C / 221,2 bar) sind Wasserdampf und flüssiges Wasser in ihrer Dichte nicht mehr voneinander zu unterscheiden, weshalb dieser Zustand als „überkritisch“ bezeichnet wird. Unterhalb des kritischen Punktes ist der Wasserdampf folglich „unterkritisch“, wobei er sich in einem Gleichgewicht mit dem flüssigen Wasser befindet. Wird er in diesem Bereich nach dem vollständigen Verdampfen der Flüssigkeit über die zugehörige Verdampfungstemperatur weiter erwärmt, so entsteht „überhitzter Dampf“. Diese Form des Dampfes enthält keine Wassertröpfchen mehr und ist in ihrem physikalischen Verhalten ebenfalls ein Gas und nicht sichtbar. Überkritisches Wasser hat chemisch gesehen besonders aggressive Eigenschaften. Es wurden daher Versuche unternommen, mit dessen Hilfe biologisch schwer abbaubare organische Schadstoffe, wie z.&nbsp;B. [[Polychlorierte Dibenzodioxine und Dibenzofurane|Dioxine]], [[Polychlorierte Biphenyle|PCB]] etc., [[Hydrolyse|hydrolytisch]] zu spalten. In [[Dampfkessel]]n erfordert der überkritische Zustand eine besondere Bauart. Wegen des zu geringen Dichteunterschiedes zwischen Wasser und Dampf kommt kein [[Auftrieb]] und damit kein stabiler [[Naturumlauf]] zustande. Kessel, die über oder auch nahe unter dem kritischen Punkt betrieben werden, sind deshalb immer [[Zwangslaufkessel]]. Da bei überkritischen Kesseln keine Trennung von Dampf- und Wasserphase mehr notwendig bzw. möglich ist, entfällt die [[Trommel (Dampfkessel)|Trommel]] (→ [[Zwangsdurchlaufkessel]], meist Typ ''[[Mark Benson|Benson]]''). === Sattdampf oder trocken gesättigter Dampf === Der Grenzbereich zwischen Nass- und Heißdampf heißt „Sattdampf“, auch gesättigter Dampf oder trocken gesättigter Dampf, gelegentlich in Abgrenzung zum Nassdampf auch „Trockendampf“. Auf diesen Zustand sind die meisten Tabellenwerte über Wasserdampf bezogen. === x = 0 und x = 1 === Eine besondere Bedeutung kommt den beiden Grenzkurven ''x = 0'' und ''x = 1'' im T-s-Diagramm zu, die sich im [[Kritischer Punkt (Thermodynamik)|kritischen Punkt]] treffen: Die Kurve ''x = 0'' grenzt das Gebiet der Flüssigkeit vom Nassdampf ab, während die Kurve ''x = 1'' den Nassdampf vom Heißdampf trennt und gleichzeitig den Zustand des Sattdampfes markiert. Andere Bezeichnungen für die Kurve ''x = 0'' sind Siedelinie oder untere Grenzlinie, die Kurve ''x = 1'' wird auch Taulinie, Sattdampfkurve oder obere Grenzlinie genannt. Die Schreibweise mit ''x'' für den Massenbruch ist hierbei nicht einheitlich definiert, da vor allem in der [[Chemie]] der Massenanteil mit ''w'' angegeben wird und ''x'' hier mehrheitlich für den [[Stoffmengenanteil]] steht. Da beide Größen ineinander umrechenbar sind und sich in den Grenzwerten 0 und 1 gleichen, spielt dies hier eine untergeordnete Rolle. [[Datei:FA-18 Hornet breaking sound barrier (7 July 1999).jpg|thumb|right|300px| Kondensierter Wasserdampf in der Luft]] === Erscheinung === Gasförmiger oder überhitzter Wasserdampf ist farblos und damit unsichtbar, wie die meisten Gase. Nassdampf ist durch die mitgerissenen Wassertropfen dagegen sichtbar. Bei Kontakt mit hinreichend kühler Umgebungsluft kommt es zur Unterschreitung des [[Taupunkt]]es und folglich zu einer [[Kondensation]] weiterer feinster Wassertropfen. An ihnen wird Licht [[Streuung (Physik)|gestreut]], so dass dadurch die Existenz des Wasserdampfs in der Luft sichtbar wird. Wasserdampf kann auch direkt, ohne den Umweg über die Flüssigkeit, aus der festen Phase von Wasser entstehen: Aus [[Eis]] oder [[Schnee]]. Dieses Phänomen kann in der Natur bei extrem trockener Luft im Hochgebirge beobachtet werden, wenn verschneite Hänge bei Temperaturen von weit unter 0&nbsp;°C mit der Zeit schneefrei werden. Hierbei entsteht der Wasserdampf durch [[Sublimation (Physik)|Sublimation]]: Die Luftfeuchte nimmt durch Abdampfen aus dem Schnee zu, und zuvor verschneite Flächen [[Ausaperung|apern aus]], ein bekanntes Phänomen z.&nbsp;B. im [[Himalaya]]. Aus denselben Ursachen trocknet im Freien aufgehängte Wäsche auch, wenn es friert. Das Bild zeigt, wie in der Luft unsichtbar vorhandener Wasserdampf unter besonderen Bedingungen kondensiert und damit sichtbar wird, z.&nbsp;B. wenn ein Flugzeug in Bodennähe mit hoher Geschwindigkeit fliegt (oft falsch bezeichnet mit "die [[Wolkenscheibeneffekt|Schallmauer]] durchbricht"). Dieser Effekt ist kein Über- oder Unterschalleffekt. Er kann in beiden Geschwindigkeitsbereichen auftreten. Durch die hohe Anströmgeschwindigkeit der Luft kann aus Strömungsmechanischen Gründen, z. B. hohe Druckschwankungen, die Temperatur der anströmenden Luft stark und somit unter den Taupunkt abfallen, was zu einer Auskondensation führt. Der Wasserdampf im heißen Abgas wird hingegen von der sich erwärmenden Luft aufgenommen. === Sieden === [[Datei:Siedeformen.jpg|thumb|centre|500px|Siedeformen des Wassers]] In Abhängigkeit von der [[Wärmestromdichte]], die der siedenden Flüssigkeit über eine [[Heizfläche]] zugeführt wird, bilden sich unterschiedliche Siedeformen aus. Wenn die [[Temperatur]] der Heizfläche über der [[Siedetemperatur]] liegt, bilden sich an Riefen oder Kratzern [[Blase (Physik)|Blasenkeime]]. Bis zu [[Wärmestromdichte]]n von 2 kW/m<sup>2</sup> bilden sich Blasen, die beim Hinaufsteigen wieder kondensieren. Diese Siedeform wird als ''stilles Sieden'' bezeichnet. Die Oberflächentemperatur der [[Heizfläche]] liegt einige Grad über der Siedetemperatur. Mit steigender Wärmestromdichte nimmt die Blasenbildung zu, und die Blasen erreichen die Oberfläche. Die an den Heizflächen abreißenden Blasen führen zu einem hohen [[Wärmeübergangskoeffizient]]en. Die Wandtemperaturen steigen nicht wesentlich über die [[Siedetemperatur]] (bis etwa 30 K). Beim ''Blasensieden'' können Wärmestromdichten bis 1000 kW/m<sup>2</sup> erreicht werden. Wird die Wärmestromdichte dann noch weiter gesteigert, setzt sprunghaft das ''[[Filmsieden]]'' ein: Es bildet sich ein durchgehender Dampffilm. Dieser wirkt wie eine Isolierschicht, und der [[Wärmeübergangskoeffizient]] wird drastisch reduziert. Wird der [[Wärmestrom]] nicht reduziert, so wird erst dann wieder ein Gleichgewichtszustand erreicht, wenn die Wärme durch ausreichend hohe [[Wärmestrahlung]] abgegeben werden kann. Dieser Zustand wird aber erst bei einer Überhitzung der Heizfläche von ca. 1000 K erreicht. In der Regel wird bei diesem Übergang vom Blasensieden zum Filmsieden die Heizfläche zerstört. Um einer Zerstörung von Heizflächen an [[Dampfkessel]]n vorzubeugen, wird die maximale Wärmestromdichte auf 300 kW/m<sup>2</sup> begrenzt. == Tabellen, Diagramme und Formeln == {| align="right" |[[Datei:Ergänzungen im TS-Diagramm.png|thumb|300px|[[Entropie (Physik)|Entropie]]-[[Temperatur]]-Diagramm von Wasserdampf (1 MPa = 10 bar)]] |- |[[Datei:HS Wasserdampf SW.png|thumb|300px|Mollier Entropie-Enthalpie-Diagramm für Wasserdampf (1 bar = 0,1 MPa)]] |} Wegen seiner enormen Bedeutung für die [[Energiewirtschaft]] zählt Wasserdampf zu den am besten erforschten Stoffen innerhalb der [[Thermodynamik]]. Seine [[physik]]alischen Eigenschaften wurden durch [[Messung]]en und [[Berechnung]]en bestimmt und in umfangreichen [[Tabelle]]nwerken, den so genannten ''Wasserdampftafeln'' <ref name="Tafel1">z.B. [http://www.fh-kl.de/~albert.meij/Drucktafel.pdf Wasserdampftafel])</ref>, erfasst. === T-s-Diagramm === Im [[T-s-Diagramm]] ist klar zu erkennen, dass beim Übergang von Flüssigkeit zu Dampf die Entropie ''zunimmt''. Dies entspricht der Anschauung, dass die Teilchen einer Flüssigkeit wesentlich [[Ordnung|geordneter]] sind als die [[Chaos|chaotische]] Vermengung der Teilchen bei einem Gas. Auf Grund dieses Sachverhaltes wird die [[Entropie (Physik)#Entropie und Unordnung|Entropie]] auf der x-Achse aufgetragen. Eine weitere Besonderheit des Diagramms ist seine Eigenschaft, die zur Verdampfung des Wassers notwendige Wärmemenge als Fläche darzustellen. Mit der Beziehung: ΔH&nbsp;=&nbsp;T&nbsp;·&nbsp;ΔS ergibt sich für die Verdampfungsenthalpie eine Rechteckfläche, die zwischen T&nbsp;=&nbsp;0&nbsp;K und der jeweiligen Verdampfungsgeraden aufgespannt wird. === h-s-Diagramm === Bei einem [[Mollier]]-Diagramm wird die Entropie des Dampfes auf der x-Achse und die zugehörige [[Enthalpie]] auf der y-Achse aufgetragen. Die grundlegenden physikalischen Eigenschaften des Wasserdampfes lassen sich hier nicht so einfach interpretieren, jedoch können die zur Zustandsänderung des Dampfes nötigen Wärmemengen, also beispielsweise die [[Verdampfungsenthalpie]], direkt von der y-Achse abgelesen werden. <br style="clear:both;" /> === Magnus-Formel === Eine Näherungsformel für die Berechnung des [[Sättigungsdampfdruck]]es in Abhängigkeit von der Temperatur ist die ''Magnus-Formel'': :<math>E_{(\theta)}=E_{\mathrm(\theta=0\,^{\circ}\mathrm{C})}\cdot\exp\left(\frac{C_1\theta}{C_2+\theta}\right)\ ;</math> mit der Temperatur ''θ'' in °C und den Koeffizienten <math>E_{(\theta=0\,^{\circ}\mathrm{C})}=610{,}78\,\mathrm{Pa}\ ,</math> :<math>C_1=\left\{\begin{matrix} 17{,}08085&\mbox{falls }\theta\ge 0\,{}^{\circ}\mathrm{C}\\ 17{,}84362&\mbox{falls }\theta<0\,{}^{\circ}\mathrm{C} \end{matrix}\right.\ ,\quad \quad C_2=\left\{\begin{matrix} 234{,}175\,{}^{\circ}\mathrm{C}&\mbox{falls }\theta\ge 0\,{}^{\circ}\mathrm{C}\\ 245{,}425\,{}^{\circ}\mathrm{C}&\mbox{falls }\theta<0\,{}^{\circ}\mathrm{C} \end{matrix}\right. </math> Diese Formel ist sehr genau (< 0,22 %) im Bereich zwischen 0 und 100&nbsp;°C und immer noch gut (<4,3 %) zwischen -20 und 374&nbsp;°C (maximaler Fehler bei 290&nbsp;°C). Sie wird wegen ihres einfachen Aufbaues und wegen ihrer hohen Genauigkeit bei den auf der [[Erde]] üblichen Temperaturen der [[Luft]] vor allem in der [[Meteorologie]] und in der [[Bauphysik]] zur [[Taupunkt]]bestimmung verwendet. Mit leicht unterschiedlichen Koeffizienten <math>E_{(\theta=0\,^{\circ}\mathrm{C})}=611{,}2\,\mathrm{Pa}\ ,</math> :<math>C_1=\left\{\begin{matrix} 17{,}62&\mbox{bei Wasser }\,\\ 22{,}46&\mbox{bei Eis } \end{matrix}\right.\ ,\quad \qquad C_2=\left\{\begin{matrix} 243{,}12\,{}^{\circ}\mathrm{C}&\mbox{bei Wasser }\\ 272{,}62\,{}^{\circ}\mathrm{C}&\mbox{bei Eis } \end{matrix}\right. </math> ergeben sich Werte, die auf 0,1 % mit der in [[DIN]] 4108 abgedruckten Tabelle für bauphysikalische Berechnungen übereinstimmt. Die Magnus-Formel wurde von [[Heinrich Gustav Magnus]] auf [[Empirik|empirischem]] Weg, das heißt durch Messungen, gefunden und seitdem lediglich durch genauere Werte ergänzt. Eine aus der [[Thermodynamik]] abgeleite Gesetzmäßigkeit für [[Phasendiagramm]]e stellt die [[Clapeyron-Gleichung]] bzw. die [[Clausius-Clapeyron-Gleichung]] dar. Aufgrund vieler praktischer Probleme in Bezug auf diese eher theoretischen Gleichungen stellt die Magnus-Formel jedoch trotzdem die beste bzw. praktischste Näherung dar. Durch eine Anpassung der Werte auf ein Genauigkeitsoptimum in anderen Temperaturbereichen ließe sich bei Bedarf mit der Magnus-Formel auch bei diesen Temperaturen eine bessere Näherung ermöglichen. === Näherungs-Formel === Eine brauchbare [[Faustformel]] für die Berechnung der Sattdampftemperatur aus dem Sattdampfdruck und umgekehrt ist :<math>{\theta} = \sqrt[4]{p} \cdot 100</math> , wenn man den Druck ''p'' in [[Bar (Einheit)|bar]] (absolut) einsetzt. Die zugehörige Temperatur ''θ'' ergibt sich in [[Grad Celsius]]. <br />Diese Formel ist im Bereich p <sub>kr.</sub> > p > p = 3 bar (200 °C > ''θ'' > 100 °C) auf etwa 3 % genau. == Beeinflussung des Klimas == [[Datei:Feuchte Luft.png|thumb|350px|Maximaler Wasserdampfgehalt von Luft in Abhängigkeit von der Temperatur]] Im terrestrischen [[Wetter]]geschehen spielt Wasserdampf eine entscheidende Rolle. Ein Kilogramm [[Luft]] kann bei 30&nbsp;°C und 1&nbsp;bar Druck etwa 26 Gramm Wasserdampf als [[Luftfeuchtigkeit]] aufnehmen. Diese Menge fällt beispielsweise bei 10&nbsp;°C auf etwa 7,5&nbsp;g/kg ab. Die überschüssige Menge wird als [[Niederschlag]] in Form von [[Regen]], [[Schnee]], [[Hagel]], [[Nebel]], [[Tau (Niederschlag)|Tau]], [[Reif (Niederschlag)|Reif]] oder [[Raureif]] aus der Luft ausgeschieden. Durch die Bildung von [[Wolke]]n aufgrund des kondensierenden Wasserdampfs wird eine starke Dämpfung der [[Sonne]]neinstrahlung auf die [[Erde]] hervorgerufen. Der in der [[Erdatmosphäre]] vorhandene Wasserdampf ist zudem mit ca. 36-70 % Anteil die Hauptquelle der [[Gegenstrahlung]] an der Erdoberfläche ([[Treibhausgas]]).<ref name="Rahmstorf-APuZ-47-2007">Stefan Rahmstorf: [http://www.bpb.de/publikationen/MQNZOC,2,0,Klimawandel_einige_Fakten.html Klimawandel - einige Fakten] in: Aus Politik und Zeitgeschichte (APuZ 47/2007)</ref> Aber die Stärke der Gegenstrahlung ist kein Synonym für die Größe des natürlichen [[Treibhauseffekt]]s. In der Troposphäre (und hauptsächlich nur dort ist Wasserdampf vorhanden) ist der Temperaturgradient nicht durch die Strahlung, sondern durch die Vertikalzirkulation bestimmt. Ohne Wasserdampf wäre der Gradient und damit die Oberflächentemperatur höher. Der Treibhauseffekt ist für den [[Strahlungshaushalt der Erde]] ein wichtiger Effekt und hat eine Erhöhung der globalen Durchschnittstemperatur auf ein Niveau von 15&nbsp;°C zur Folge. Das [[Leben]] auf der Erde wird dadurch überhaupt erst möglich. Als Durchschnittstemperatur ohne Treibhauseffekt wird meistens eine Durchschnittstemperatur von etwa -18&nbsp;°C angegeben. Das ist ein unrealistisch hoher Wert unter der Annahme, dass jeder Punkt der Erdoberfläche die gleiche Leistung abstrahlt. Realer ist aber eine starke Differenzierung der Abstrahlung: hoch in der Äquatorregion und gering in den polaren Regionen. Eine solche Verteilung der Abstrahlung hat aber eine bedeutend niedrigere Durchschnittstemperatur zur Folge, wie z. B. der [[Mond#Oberfl.C3.A4chentemperatur|Mond]] zeigt. In der [[Stratosphäre]] vorhandene Spuren von Wasserdampf gelten andererseits als besonders klimaschädlich. Die [[Klimaforschung|Klimaforscher]] beobachteten in den letzten 40 Jahren einen Zuwachs des Wasserdampfs in der Stratosphäre von 75 % (siehe [[polare Stratosphärenwolken]]) und machen diesen für die Erhöhung der mittleren Erdtemperaturen mitverantwortlich.<ref name="FzJülich">Forschungszentrums Jülich (Pressemitteilung vom 31. Mai 2001): [http://www.fz-juelich.de/portal/index.php?index=163&jahr=2001&cmd=show&mid=89 Wasserdampf ist Treibhausgas Nr. 1 • Studie unter Jülicher Leitung]</ref> Die Herkunft des Wasserdampfs in diesen Höhen ist noch unklar, man vermutet jedoch einen Zusammenhang mit der in den letzten Jahrzehnten stark gestiegenen [[Methan]]produktion im Rahmen der industriellen [[Landwirtschaft]]. Methan wird in diesen großen Höhen zu [[Kohlendioxid]] und Wasserdampf [[Oxidation|oxidiert]], womit allerdings nur die Hälfte des Zuwachses zu erklären ist. == Natürliches Vorkommen == [[Datei:Atmospheric Water Vapor Mean.2005.030.jpg|thumb|300px|Verteilung des Wasserdampfs in der Erdatmosphäre. Der kondensierbare Wasserdampf einer Luftsäule über einer Grundfläche von 1 m² wird in cm angegeben]] Reiner Wasserdampf kommt in der [[Natur]] auf der [[Erde]] in [[Vulkan]]en, [[Fumarole]]n und bei [[Geysir]]en vor. Hierbei ist er der wichtigste Parameter bei [[Vulkanismus|vulkanischen]] [[Vulkanausbruch|Eruptionen]] und bestimmt deren Charakter mit. Es ist dabei maßgebend, dass viele [[Mineral]]e bzw. [[Gestein]]e Wasser oder andere flüchtige Stoffe in ihr [[Kristallgitter]] einbinden, besonders unter der Wirkung hoher Drücke. Da [[Magma]] beim Aufsteigen in der [[Erdkruste|Kruste]] eine Druckentlastung erfährt, treibt der Wasserdampf zusammen mit anderen Fluiden aus dem Magma aus und bildet Blasen, welche durch den Druck zunächst jedoch nicht frei expandieren. Unterschreitet der Druck einen bestimmten Wert, so verbinden sich diese Fluidblasen jedoch und führen zu einer Art enormen [[Siedeverzug]], werden also explosionsartig frei. Dabei reißen sie auch größere Mengen Magma mit und verursachen die vergleichsweise seltenen explosiven Vulkanausbrüche. Da der Anteil an Fluiden in den Gesteinen bei [[Plattentektonik|konvergierenden Plattengrenzen]] besonders groß ist, zeigt sich bei diesen auch die deutlichste Tendenz für diesen Vulkantyp. Wasserdampf ist zudem ein wichtiges Hilfsmittel für den [[mensch]]lichen Wärmehaushalt. Bei hohen Umgebungstemperaturen wird zur [[Thermoregulation]] durch [[Schweiß|Schwitzen]] die überschüssige Körperwärme ([[Verdunstungskälte]]) an die Umgebung abgegeben. Die dabei umgesetzten Wärmemengen sind erheblich, zur [[Verdunstung]] eines [[Gramm]]s Schweiß werden 2,43&nbsp;kJ Wärme benötigt. Der gesunde Mensch erzeugt bei normalen Umgebungstemperaturen täglich etwa 500&nbsp;g Wasserdampf durch Schwitzen, hinzu kommt noch einmal die doppelte Menge mit der ausgeatmeten [[Atemluft]]. Mit dieser Menge wird die [[Körpertemperatur]] auf 37&nbsp;°C [[Regelungstechnik|geregelt]]. == Wasserdampfeintrag == [[Datei:Contrail with jet (aka).jpg|thumb|right|250px|Flugzeug mit Kondensstreifen]] [[Datei:Braunkohlekraftwerk.jpg|thumb|right|250px|[[Dampfschwaden]] über [[Kühlturm|Nasskühltürmen]]]] Bei der Verbrennung von Erdölprodukten werden die [[Kohlenwasserstoff]]e der [[Erdölraffinerie|Erdölfraktionen]] im wesentlichen in Kohlenstoffdioxid und Wasserdampf umgesetzt. Im Autoverkehr sind dies [[Motorenbenzin|Benzin]] und [[Dieselkraftstoff|Diesel]], im Luftverkehr [[Kerosin]], in der Hausheizung [[Heizöl]] und in der Industrie [[Schweröl]]e. Der im [[Rauchgas|Abgas]] enthaltene kondensierende Wasserdampf macht sich beim Flugzeug durch [[Kondensstreifen]] am Himmel bemerkbar. Bei der Verbrennung von [[Erdgas]], das mittlerweile zur Heizung von Gebäuden verwendet wird, fällt wegen der vier Wasserstoffatome im Methanmolekül doppelt soviel Wasserdampf wie Kohlenstoffdioxid an. Dies ist der Grund dafür, dass [[Brennwertgerät]]e für Erdgas effektiver arbeiten als für Heizöl. Wasserdampf wird bei vielen großtechnischen Prozessen als Abfallprodukt in die Atmosphäre eingetragen. == Wasserdampf in der Klimatechnik == Eine [[Klimaanlage]] ist eine Gebäudeausstattung, die einen definierten Wasserdampfgehalt der Luft garantiert. Um Fertigprodukte aus Eisen- und Stahlwerkstoffen vor [[Rost (Korrosion)|Korrosion]], Lagerbestände wie Bücher vor Verwitterung und Lebensmittel vor Austrocknung zu schützen, werden Lagerhallen klimatisiert. In der Wohnraumklimatisierung trägt der Wasserdampfgehalt in erheblichem Maße zum Wohlbefinden des Menschen bei. Bei der Beurteilung der Raumluft spielt der Begriff der Behaglichkeit eine zentrale Bedeutung; ein Aspekt ist der als angenehm empfundene Zusammenhang zwischen Raumlufttemperatur und relativer Luftfeuchtigkeit. Dieser wird von einer Klimaanlage sichergestellt. == Quantifizierung von Wasserdampf == Da der Wasserdampf bei verschiedensten Gegebenheiten und Prozessen eine große Rolle spielt, wird er mit unterschiedlichsten Messmethoden bzw. -geräten erfasst und in einer Vielzahl von Größen angegeben. Für meteorologische Zwecke in Bezug auf die feuchte Luft wird oft die relative Luftfeuchte ''φ'' verwendet. Diese kann man unter anderem mit einem [[Hygrometer|Haarhygrometer]] messen. In der Technik wird in der Regel die absolute Feuchte ''x'' verwendet. Diese misst man mit einem LiCl-Geber oder [[Coulometrischer Feuchtesensor|Coulometrischem Feuchtesensor]], bei welchen (ausgehend von stark hygroskopischem [[Diphosphorpentoxid]]) auf den Wasserdampfgehalt der Luft geschlossen wird. Eine weitere Möglichkeit zur Bestimmung des Wasserdampfgehaltes der Luft ist die Messung ihrer Temperatur an je einem trockenen und angefeuchteten [[Thermometer]], wobei die Messstelle des zweiten Thermometers mit einem wassergetränkten Gewebe umwickelt und zur Förderung der [[Verdunstung]] mit einem kleinen Lüfter angeblasen wird. Mithilfe der beiden abgelesenen Werte lässt sich aus dem [[Mollier]]-[[h-x-Diagramm]] sofort die zugehörige Luftfeuchtigkeit ablesen. Das [[Psychrometer]] ist das praktische Ergebnis der Weiterentwicklung dieser Messmethode. In [[Dampferzeuger]]n dienen neben Thermometer auch [[Manometer]] zur einfachen Messung der Dampfparameter. == Wasserdampf in der Geschichte == Die Erscheinung des Wasserdampfes ist den Menschen seit der Nutzbarmachung des [[Feuer]]s bekannt; er entstand mehr oder weniger unbeabsichtigt beim [[Kochen]] oder beim Löschen der [[Lagerfeuer|Feuerstelle]] mit Wasser. Erste Überlegungen zur technischen Nutzung von Wasserdampf werden [[Archimedes]] zugeschrieben, der eine [[Dampfkanone]] konstruierte. [[Leonardo da Vinci]] stellte zu diesem Thema erste [[Berechnung]]en an, wonach eine 8&nbsp;kg schwere Kugel aus einer solchen [[Kanone]] verschossen etwa 1.250&nbsp;m weit fliegen würde. [[Heron von Alexandria]] erfand den [[Aeolipile|Heronsball]], eine erste [[Dampfturbine]]. Seine Erfindung hatte in der [[Antike]] keinen praktischen Nutzwert, sie zeigte aber die technischen Möglichkeiten der Nutzung von Wasserdampf auf. Auf [[Denis Papin]] geht die praktische Ausführung des [[Schnellkochtopf]]es zurück. Dieser erste [[Druckbehälter]] wurde von Anfang an mit einem [[Sicherheitsventil]] ausgerüstet, nachdem es mit einem Prototyp bei den ersten Versuchen zu einem [[Kesselzerknall|Zerknall]] kam. Die Erfindung und Nutzung der [[Dampfmaschine]] machten es notwendig, das [[Arbeitsmittel]] Wasserdampf [[Theorie|theoretisch]] und [[Praxis|praktisch]] zu untersuchen. Zu den Praktikern gehören [[James Watt]] und [[Carl Gustav Patrik de Laval]], die durch die Vermarktung ihrer Maschinen zu wohlhabenden Männern wurden. Zu den Theoretikern gehörte dagegen [[Nicolas Léonard Sadi Carnot]], der sich vom Wasserdampf und der Dampfmaschine zu seinen Überlegungen inspirieren ließ. In die Reihe der Forscher, die sich eingehend mit den Eigenschaften von Wasserdampf beschäftigten, gehören auch [[Rudolf Julius Emanuel Clausius]] und [[Ludwig Boltzmann]]. == Nutzung in der Technik == [[Datei:Grundfliessbild Dampfkraftwerk.png|thumb|180px|[[Fließbild|Grundfließbild]] von Wasser und Dampf in einem [[Dampfkraftwerk]]]] Wasserdampf wird in der [[Technik]] in [[Dampfkessel]]n erzeugt und beispielsweise zu folgenden Zwecken verwendet: * als [[Arbeitsmittel]] in [[Dampfmaschine]]n, [[Dampflokomotive]]n und [[Dampfturbine]]n, * bei der [[Erdöl#Gewinnung|Förderung von Erdöl]] und als Hilfsmittel beim [[Steamcracken]] für die Herstellung von [[Motorenbenzin|Benzin]], * als Zwischenprodukt bei der [[Meerwasserentsalzung#Vielstufige Entspannungsverdampfung|Meerwasserentsalzung]], * als ein [[Rohstoff]] für die Herstellung von [[Wassergas|Wasser-]] und [[Generatorgas]] durch das [[Dampfreformierung|Steam-Reforming]], * in [[Dampfheizung]]en und bei der [[Siedekühlung]] als Träger der Wärmeenergie. * zum Fördern von flüssigem Wasser mit einer [[Dampfstrahlpumpe]], * bei der [[Wasserdampfdestillation]] als [[Treibmittel]], * Erzeugen eines [[Vakuum]]s durch Verdrängung der [[Luft]] aus einem geschlossenen [[Druckbehälter]] mit anschließender [[Kondensation]]. Die derzeit größten [[Dampfkraftwerk|Kraftwerk]]-[[Dampferzeuger]] haben eine Leistung von bis zu 3.600 [[Tonne (Masseneinheit)|Tonnen]] Dampf pro Stunde. Derartige Mengen werden beispielsweise mit einem [[Wasserrohrkessel]] bereitgestellt. Beim technischen Einsatz von Wasserdampf ist zu beachten, dass Nassdampf im Unterschied zu den meisten anderen [[Flüssigkeit]]en und [[Gas]]en nicht [[Pumpe|gepumpt]] werden kann. Die beim Verdichten des Dampfes auftretenden [[Wasserschlag|Wasserschläge]] würden die Fördermaschine innerhalb kürzester Zeit zerstören. == Weitere Anwendungen == * zur Bodensterilisation bzw. Bodenhygienisierung durch [[Dämpfen (Bodendesinfektion)]] mit [[Heißdampf]] * zur [[Reinigung]] mittels [[Dampfreiniger]]n, * in der [[Küche]] zur schonenden Zubereitung von [[Lebensmittel]]n durch [[Dämpfen (Garmethode)|Dämpfen]], * in der [[Mehl]]erzeugung, vor allem bei [[Vollkornmehl]], zur Stabilisierung des Getreidekeimlings, * zum Biegen von [[Holz]] im Boots- Möbel- und Instrumentenbau, * zum Erzeugen eines [[Vakuum]]s in geschlossenen [[Druckbehälter]]n durch Verdrängung der [[Luft]] und anschließende [[Kondensation]], * zur [[Sterilisation]] von medizinischen und mikrobiologischen Instrumenten (sog. [[autoklav]]ieren), * im [[Privathaushalt|Haushalt]] zum [[Bügeleisen|Bügeln]] von [[Wäsche (Textilien)|Wäsche]]. In der [[Medizin]] und [[Therapie|Therapeutik]] wird Wasserdampf für die Wärmeübertragung und als Träger therapeutischer Stoffe verwendet: * [[Inhalation]] zur [[Heilung]], etwa von [[Husten]], oder zur Linderung von [[Erkältung]]en, z.&nbsp;B. mit [[Inhalator]]en oder einer [[Gesichtssauna]], * im [[Wellness]]bereich in [[Dampfbad|Dampfbädern]]. == Gefahren durch Wasserdampf == Geringe Mengen Wasserdampf können große Mengen [[Wärme]] und damit [[Energie]] transportieren. Aus diesem Grund ist das zerstörerische [[Potenzial]] von dampfführenden [[Apparat]]uren wie [[Dampferzeuger]] und [[Rohrleitung]]en erheblich. [[Kesselzerknall]]e von [[Dampfkessel]]n gehörten zu den schwersten [[Unfall|Unfällen]] in der [[Technikgeschichte]], derartige Ereignisse haben in der Vergangenheit mit einem Schlag ganze [[Industrie]]betriebe ausgelöscht. Der mit hoher Temperatur und hohem Druck aus einem defekten Dampfkessel frei austretende Wasserdampf ist unsichtbar, solange er überhitzt ist und kann einen Strahl von erheblicher Länge bilden. Betrachtet man das oben aufgeführte h-s-Diagramm, bedeutet die Freisetzung von Sattdampf zuerst eine adiabate Zustandsänderung, bei der der Druck reduziert wird. Den Ausgangspunkt bildet die Sattdampfkurve rechts vom kritischen Punkt (= Sattdampfzustand im Kessel). Die Druckreduzierung verläuft parallel zur x-Achse (die Enthalpie bleibt gleich). Der austretende Freistrahl vermischt sich mit der Umgebungsluft und kühlt ab. Bei Unterschreitung von 100 °C (= Sattdampftemperatur bei Umgebungsdruck) beginnt der Dampf zu kondensieren und sichtbar zu werden. Eine Gefahr bei großen Dampfaustritten ist die Bildung von Nebel, der für Flüchtende die Orientierung sehr erschwert. Weiterhin kann ausströmender überhitzter Wasserdampf sogar [[Brand|Brände]] auslösen. Hinzu kommt ein Nachverdampfen von flüssigem Wasser durch die in der Umgebung der defekten Stelle eintretende Druckverringerung. Ein großflächiger Kontakt mit diesem Strahl ist wegen der augenblicklich eintretenden [[Verbrühung]]en tödlich. In der letzten Zeit sind im Zusammenhang mit Wasserdampf weniger Unfälle geschehen, weil sich der [[Stand der Technik]] auf diesem Gebiet permanent zu größeren [[Sicherheit]]en hin entwickelt hat. Aufgrund des großen Volumenunterschiedes zwischen Wasser und Wasserdampf (1:1.700) ist es gefährlich, bestimmte Brände mit Wasser zu löschen. Bei einem [[Kaminbrand]] kann das Löschwasser zu einem Zerreißen des Kamins führen und somit die Löschkräfte gefährden und großen Sachschaden anrichten. Auch ein [[Fettbrand]] darf nicht mit Wasser gelöscht werden, da dieses unter das brennende Fett sinkt, dort verdampft, sich dabei ausdehnt und brennendes Fett mit hochreißt, es kommt zur [[Fettexplosion]]. == Begriffe und Stoffwerte == [[Datei:WD Begriffe.PNG|thumb|550px|Begriffe zum Wasserdampf]] ;Name : Wasserdampf ;weitere Namen : Diagramm rechts ;[[Summenformel]] : H<sub>2</sub>O ;[[Dichte]] bei 100&nbsp;°C und 1,01325&nbsp;bar : 0,598 kg/m<sup>3</sup> ;[[Wärmekapazität|spez. Wärmekapazität]] c<sub>p</sub> : 2,08&nbsp;kJ/kgK ;[[Wärmeleitfähigkeit]]&nbsp;<math>\lambda</math> : 0,0248 W/(m·K) ;[[Tripelpunkt]] : 273,160&nbsp;K entspricht 0,01&nbsp;°C : 0,00612&nbsp;bar ;[[Kritischer Punkt (Thermodynamik)|kritischer Punkt]] : 374,150&nbsp;°C : 221,20&nbsp;bar <br clear="all" /> == Siehe auch == * [[Kinetische Gastheorie]] * [[:Datei:TS-Wasserdampf. neu.png|Ein leeres TS-Diagramm für Wasser und Wasserdampf]] * [[:commons:Datei:HS-Wasserdampf.png|Ein leeres Mollier-hs-Diagramm für Wasserdampf in hoher Auflösung auf den Wikimedia-Commons]] * [[Taupunktdifferenz]] == Literatur == * ''Allgemeine Meteorologie''. Nr. 1. [[Deutscher Wetterdienst]] Zentralamt, Offenbach 1987. (3.Aufl.) ISBN 3-88148-236-9. * ''Meyers großer Rechen Duden''. Bibliographisches Institut, Zürich 1969, 1980 (3.Aufl.) ISBN 3-411-00920-9 . * ''[[Taschenbuch für den Maschinenbau|Dubbel Kapitel D]].'' Springer, Berlin 1990. (17. Aufl.) ISBN 3-540-52381-2. * ''Mollier h,s-Diagram for Water and Steam''. Springer, Berlin 1998. ISBN 3-540-64375-3. * Walter Wagner: ''Wasser und Wasserdampf im Anlagenbau''. Kamprath-Reihe. Vogel, Würzburg 2003. ISBN 3-8023-1938-9. * ''Properties of Water and Steam in SI-Units.'' Thermodynamische Eigenschaften von Wasser und Wasserdampf, 0 - 800 °C, 0 - 1000 bar. Springer, Berlin 1981. ISBN 3-540-09601-9, ISBN 0-387-09601-9. == Weblinks == * [http://www.iapws.org Homepage der International Association for the Properties of Water and Steam (engl.)] * [http://www.peter-junglas.de/fh/vorlesungen/thermodynamik2/html/table4.html Wasserdampftafel für flüssiges Wasser und Sattdampf] * [http://www.x-eng.com Wasserdampfkalkulation Freeware im [[Microsoft Excel|MS-Excel]], [[OpenDocument]] und anderen Formaten] * [http://www.higgins.ucdavis.edu/webMathematica/MSP/Examples/SteamTable Internet-Werkzeug zur Bestimmung beliebiger thermodynamischer Zustände von Wasserdampf] *[http://www.webgeo.de/beispiele/rahmen.php?string=1;k_202;1 WEBGEO-Modul: Kondensation und Feuchtemaße] - WEBGEO - E-Learning-Portal für Geographie und Nachbarwissenschaften * [http://www.mountair.com/software.asp Programmdownload (Win) "Air Humid Handling" zum Berechnen mithilfe des Mollier h-x-Diagramms] * [http://www.chemicalogic.com/download/mollier_chart_metric.pdf Mollier p-h-Diagramm für Wasserdampf] (PDF; 62&nbsp;kB) * [http://web.archive.org/web/20070928103949/http://www.unitica-thermodynamik.de/Software/UNWadata.xls Klassische Wasserdampftafel als Excel-Tabelle] Version von Sep 28, 2007 - ungültiger, ursprünglicher [http://www.unitica-thermodynamik.de/Software/UNWadata.xls Link] * [http://www.unitica-thermodynamik.de/Software/UNWadata.xls Klassische Wasserdampftafel als Excel-Tabelle - derzeit kein gültiger Link] == Einzelnachweise == <references /> {{Exzellent|18. Dezember 2005|11768840}} [[Kategorie:Wasser]] [[Kategorie:Thermodynamik]] [[Kategorie:Gas]] [[Kategorie:Dampftechnik]] {{Link FA|nn}} [[ay:Juwri]] [[bn:জলীয় বাষ্প]] [[br:Aezhenn]] [[cs:Vodní pára]] [[da:Vanddamp]] [[el:Υδρατμός]] [[en:Steam]] [[eo:Akvovaporo]] [[es:Vapor de agua]] [[et:Veeaur]] [[eu:Ur lurrun]] [[fi:Vesihöyry]] [[fr:Vapeur d'eau]] [[id:Uap air]] [[it:Vapore acqueo]] [[ja:水蒸気]] [[mr:वाफ]] [[ms:Wap air]] [[nds-nl:Waoterdamp]] [[nl:Waterdamp]] [[nn:Vassdamp]] [[no:Vanndamp]] [[pl:Para wodna]] [[pt:Vapor de água]] [[qu:Yaku wapsi]] [[ru:Водяной пар]] [[simple:Water vapor]] [[sr:Водена пара]] [[sv:Vattenånga]] [[th:ไอน้ำ]] [[tr:Su buharı]] [[zh:水蒸气]] j5lltvcjj4679wbzf3dy8jlhp4fxjhx wikitext text/x-wiki Wassermokassinotter 0 24481 27082 2009-09-06T12:38:00Z Zorrobot 0 Bot: Ergänze: [[no:Vannmokkasin]] <!-- Für Informationen zum Umgang mit dieser Tabelle siehe bitte [[Wikipedia:Taxoboxen]]. --> {{Taxobox | Taxon_Name = Wassermokassinotter | Taxon_WissName = Agkistrodon piscivorus | Taxon_Rang = Art | Taxon_Autor = [[Bernard Germain Étienne Médard de La Ville-sur-Illon, comte de La Cépède|Lacépède]], 1789 | Taxon2_Name = Dreieckskopfottern | Taxon2_WissName = Agkistrodon | Taxon2_Rang = Gattung | Taxon3_Name = Grubenottern | Taxon3_WissName = Crotalinae | Taxon3_Rang = Unterfamilie | Taxon4_Name = Vipern | Taxon4_WissName = Viperidae | Taxon4_Rang = Familie | Taxon5_Name = Schlangen | Taxon5_WissName = Serpentes | Taxon5_Rang = Unterordnung | Taxon6_Name = Schuppenkriechtiere | Taxon6_WissName = Squamata | Taxon6_Rang = Ordnung | Bild = Mocassin eau 48.JPG }} Die '''Wassermokassinotter''' (''Agkistrodon piscivorus'') ist eine im Südosten der [[Vereinigte Staaten|USA]] weit verbreitete [[Schlangen]]art, die in drei Unterarten auftritt. Sie gehört zur Unterfamilie der [[Grubenottern]]. Gelegentlich wird sie auch als '''Wassermokassinschlange''' bezeichnet. Die Art ist eng an stehende Gewässer aller Art gebunden, sie erbeutet dort alle vorkommenden kleinen [[Wirbeltiere]], außerdem verschiedene [[Wirbellose]] und frisst gelegentlich auch [[Aas]]. Die Wassermokassinotter ist wie alle Grubenottern giftig, der Biss ist für Menschen jedoch nur sehr selten tödlich. == Beschreibung == Wassermokassinottern sind gedrungen und kräftig gebaut. Die Körperlänge variiert stark und liegt meist zwischen 75 und 155&nbsp;cm, die größten Exemplare können 185&nbsp;cm lang werden. Die Art ist damit die Größte der Gattung. Männchen sind im Mittel deutlich größer als Weibchen und etwa doppelt so schwer. Beispielsweise waren auf den [[Cedar Key Islands]] vor der Westküste [[Florida]]s geschlechtsreife Weibchen im Mittel 98,4&nbsp;cm lang, geschlechtsreife Männchen im Mittel 122,4&nbsp;cm. Weibchen wogen im Mittel 635&nbsp;g, Männchen 1.126&nbsp;g.<ref>Charles A. Wharton: ''Reproduction and growth in the Cottonmouths, ''Agkistrodon piscivorus'' Lacépède, of Cedar Keys, Florida''. Copeia 2, 1966: S.&nbsp;149–161</ref> === Beschuppung === Die Art zeigt meist 9 große, symmetrische Schilde auf der Kopfoberseite. Die [[Scutum parietale|Parietalia]] sind jedoch häufig insbesondere zum Schwanzende hin (posterior) in mehrere kleinere Schuppen fragmentiert. Außerdem zeigt das [[Schlangenschuppe|Frontale]] häufig kleine Schuppen angrenzend an seine Ecken. Als einzige Vertreterin der Gattung hat ''A. piscivorus'' kein Zügelschild ([[Loreale]]) zwischen Nasenöffnung und Auge. Die Anzahl der [[Scutum supralabiale|Supralabialia]] kann beträgt 6 bis 9, die Zahl der [[Schlangenschuppe|Infralabialia]] 8 bis 12. Die Rückenschuppen sind in der Körpermitte in 23-27, im Mittel 25 Längsreihen angeordnet. Die Anzahl der Bauchschuppen ([[Scutum ventrale|Ventralschilde]]) variiert bei Männchen zwischen 130 und 145 bei Weibchen zwischen 128 und 144, die Zahl der [[Subcaudalia]] zwischen 38 und 54 bei Männchen und 36 bis 50 bei Weibchen. === Färbung === Die Grundfarbe der Oberseite ist schwarz, grau, gelbbraun, dunkelbraun oder dunkel olivgrün. Je nach [[Population (Biologie)|Population]] sind auf dem Rücken im Mittel 12 bis 13 dunkelbraune bis schwarze Querbänder vorhanden. Diese Bänder sind oft schwarz begrenzt und im Zentrum so hell wie die Grundfarbe des Körpers. Mit zunehmendem Alter wird diese Bänderung immer undeutlicher, insbesondere im Südosten des Areals können alte Individuen dann mehr oder weniger einfarbig dunkel gefärbt sein. Generell sind Vertreter der Art im östlichen und südöstlichen Teil des Verbreitungsgebietes blasser gefärbt und zugleich größer als jene in den westlichen zwei Dritteln des Areals. Jungtiere haben ein auffälligeres Erscheinungsbild. Sie zeigen eine deutliche, dunkle und helle Bänderung und ein hell gelbgrünes Schwanzende. Wenn sie älter werden, verblasst die Musterung und die helle Schwanzfärbung wechselt über hellgrün zur dunklen Grundfarbe des übrigen Körpers. === Ähnliche Arten === Innerhalb ihres Verbreitungsgebietes kann ''A. piscivorus'' am ehesten mit dem [[Nordamerikanischer Kupferkopf|Kupferkopf]] (''Agkistrodon contortrix'') verwechselt werden. Diesem fehlt jedoch der Postokularstreifen (ein breiter Streifen hinter dem Auge), und die Rückenschuppen stehen in der Körpermitte nur in 21–25, im Mittel 23 Längsreihen. Er ist außerdem wesentlich kleiner und nicht an Gewässer gebunden. Die beiden übrigen Arten der Gattung ''Agkistrodon'' sind in [[Mexiko]] und [[Mittelamerika]] verbreitet und kommen in den USA nicht vor. [[Bild:Taxodium distichum NRCSMS01010.jpg|thumb|[[Sumpfzypressen]]-Sumpf (''Taxodium distichum'') in [[Mississippi (Bundesstaat)|Mississippi]]; ein typischer Lebensraum der Wassermokassinotter]] == Verbreitung und Lebensraum == [[Bild:Reelfoot Lake.jpg|thumb|left|[[Sumpfzypressen]]-Nasswald am [[Reelfoot Lake]] in [[Tennessee]] (Frühjahrsaspekt)]] Die Art bewohnt die wasserreichen Niederungen im Südosten der USA. Das Verbreitungsgebiet entspricht weitgehend dem [[Naturraum]] der Atlantischen Küstenebene (Atlantic Coastal Plain). Die Arealgrenze der Art verläuft im Westen durch Zentral-[[Texas]] und den Osten von [[Oklahoma]], im Norden durch die Bundesstaaten [[Missouri]], [[Illinois]] und dann, unter südlicher Umgehung der [[Appalachen]], durch [[Georgia]], [[North Carolina|North]] und [[South Carolina]] und [[Virginia]] bis zur Atlantik-Küste. Im Süden endet das Areal an der Grenze zu [[Mexiko]], weiter östlich am [[Golf von Mexiko]] bzw. am Atlantik. Die Art schwimmt regelmäßig im Salzwasser und hat daher auch eine ganze Reihe von Inseln vor der Küste im Südosten der USA besiedelt. Wassermokassinottern sind [[aquatil|semiaquatisch]] und verbringen fast ihr ganzes Leben in oder sehr nah an permanenten Gewässern; das können langsam fließende Flüsse, Seeufer, Teiche, Sümpfe und selbst brackige Küstendeltas sein. Im größten Teil des Verbreitungsgebietes ist eine enge Bindung an Wälder unverkennbar, die Art gilt als charakteristisch für küstennahe Kiefernwälder (sogenannte ''Flatwoods'') und [[Sumpfzypresse]]n-Sümpfe. Bedingt durch die enge Bindung an Gewässer sind die Vorkommen auf Gebiete unter 500&nbsp;m [[Meereshöhe]] beschränkt. <br style="clear:all;" /> == Unterarten == Heute werden drei Unterarten anerkannt. Die Verbreitungsgebiete der Unterarten grenzen unmittelbar aneinander; in den Randbereichen gibt es jeweils eine breite Mischzone. [[Bild:Cottonmouth 800px-Map of USA.PNG|thumb|small|Verbreitung der Wassermokassinotter, differenziert nach Unterarten. Grün&nbsp;= ''Agkistrodon piscivorus piscivorus'', gelb&nbsp;= ''A. p. conanti'', rot&nbsp;= ''A. p. leucostoma''; blau&nbsp;= Mischzone]] * ''A. p. piscivorus'': Entlang der Ostküste der USA von [[Virginia]] bis [[Alabama]]. Die Oberseite und die Kopfseiten sind blassbraun; im Alter bleibt eine Bänderung der Oberseite erhalten. Der dunkle Postokularstreifen, ein breiter, waagerechter Streifen hinter dem Auge, ist oben und unten durch eine gelbliche Pigmentierung schwach abgegrenzt; das Schnauzenschild ([[Rostrale]]) zeigt keine dunklen Streifen. * ''A. p. conanti'': [[Florida]] und südlicher Teil von [[Georgia]]. Oberseite und Kopfseiten sind sehr dunkel, fast schwarz; bei adulten Individuen ist die Bänderung der Oberseite schwach oder verwaschen. Der Postokularstreifen ist oben und unten durch eine sehr kräftige, helle Pigmentierung abgesetzt. Das Schnauzenschild ([[Rostrale]]) sowie die angrenzenden Nasenschilder ([[Prae-Nasalia]]) und Oberlippenschilder ([[Supralabialia]]) zeigen eine deutliche, senkrechte Streifenzeichnung. * ''A. p. leucostoma'': Vom Westen des Bundesstaates [[Texas]] über Ost-[[Oklahoma]] und [[Missouri]] nach Norden bis in den Süden von [[Illinois]], nach Osten erreicht sie [[Kentucky]], [[Tennessee]] und [[Alabama]]. Oberseite und Kopfseiten sind sowohl bei adulten als auch bei Jungtieren oft sehr dunkel braun oder schwarz; die Bänderung ist bei adulten Individuen oft kaum noch erkennbar. Der Postokularstreifen ist insbesondere wegen der nur sehr schwachen oberen hellen Begrenzung kaum ausgeprägt. Das Schnauzenschild ([[Rostrale]]) zeigt ebenfalls keine dunklen Streifen. Die nächsten Verwandten der Art sind die [[Mexikanische Mokassinotter]] (''A. bilineatus'') und ''[[Agkistrodon taylori]]''. == Verhalten == [[Bild:Agkistrodonpconanti1.jpg|thumb|Schwimmende ''A. p. conanti'']] Diese Schlangen sind vorwiegend nachtaktiv. Morgens oder an kühlen Tagen sonnen sie sich am Gewässerufer oder auf Baumstämmen, sehr gern auch auf über das Wasser ragenden Ästen. An warmen, sonnigen Tagen ruht die Schlange zusammengerollt, im Schatten der Vegetation auch ausgestreckt. Die Wassermokassinotter schwimmt mit dem Kopf über der Wasseroberfläche. Zum Überwintern sucht die Schlange etwas höher gelegene Gebiete auf; als Winterquartiere wurden unter anderem hohle Bäume und Tierbauten nachgewiesen. == Ernährung == Wie alle [[Grubenottern]] hat die Wassermokassinotter spezielle Grubenorgane zwischen Nasenloch und Augen, mit denen sie Wärmestrahlung ([[Infrarotlicht]]) wahrnimmt, so dass sie auch nachts jagen kann. Die Nahrungssuche erfolgt jedoch auch optisch und mit dem Geruchssinn. Kleine [[Säugetiere|Säuger]] und andere [[Landwirbeltiere]] werden blitzschnell gebissen und sofort wieder losgelassen. Sollten sie dem Gift nicht sofort erliegen, folgt die Schlange dem Geruch, bis sie die Beute gefunden hat. [[Fische]] werden nach dem Biss etwas länger festgehalten als Landwirbeltiere. Im freien Wasser fällt Mokassinschlangen die Erbeutung von Fischen schwer, bei einer experimentellen Untersuchung im Labor waren nur 13 % der Angriffe auf Fische im freien Wasser erfolgreich.<ref> Shawn E. Vincent, Anthony Herrel und Duncan J. Irschick: ''Comparisons of aquatic versus terrestrial strikes in the Pitviper, ''Agkistrodon piscivorus''.'' Journal of Experimental Zoology 303A, 2005: S.&nbsp;476–488</ref> Offenbar werden Fische meist in austrocknenden Wasserlöchern erbeutet oder in ähnlichen Situationen, in denen die Bewegungsfreiheit der Fische eingeschränkt ist. Ungewöhnlich ist das Jagdverhalten von Jungtieren. Diese bewegen ihre helle Schwanzspitze als [[Köder]] hin und her, um Beute in ihre Nähe zu locken. Mit zunehmendem Alter schwindet die Farbe des Schwanzes ebenso wie das dazugehörige Verhalten. Hauptbeute der Wassermokassinotter sind im größten Teil des Areals Fische und [[Froschlurche|Frösche]]; zum Beispiel waren bei einer Untersuchung in [[Virginia]] die drei häufigsten Beutetiere [[Schreifrosch|Schreifrösche]] (''Rana clamitans''), [[Sonnenbarsche]] (''Lepomis sp.'') und [[Südlicher Leopardfrosch|Südliche Leopardfrösche]] (''Rana sphenocephala utricularia'').<ref>C. L. Cross: Natural History notes: ''Agkistrodon piscivorus piscivorus (eastern cottonmouth). Diet''. Herpetological Review 33(1) 2002: S. 55-56. zit. In: Jonathan A. Campbell und William W. Lamar: ''The Venomous Reptiles of the Northern Hemisphere''. Comstock; Ithaca, London 2004: S.&nbsp;692</ref> Das Nahrungsspektrum der Art ist jedoch sehr breit und umfasst außerdem praktisch alle kleinen [[Wirbeltiere]] ihres jeweiligen Lebensraumes, unter anderem kleine [[Schildkröte]]n, junge [[Alligatoren]], [[Echsen]], [[Schlangen]], [[Vögel]] und kleine [[Säugetier]]e. Kleine Wirbeltiere werden auch als [[Aas]] genutzt, in einem Fall wurden sogar ins Wasser geworfene Fischköpfe und -innereien gefressen.<ref>Jonathan A. Campbell, William W. Lamar: ''The Venomous Reptiles of the Western Hemisphere.'' Comstock; Ithaca, London 2004: S.&nbsp;256</ref> Insbesondere Jungtiere fressen auch [[Wirbellose]], nachgewiesen sind unter anderem [[Zikaden]], Schmetterlingsraupen und [[Landschnecken]]. Zumindest in einer Studie in [[Louisiana]] wies das Nahrungsspektrum deutliche geschlechtsspezifische Unterschiede auf: Männchen fraßen überwiegend Fische, Weibchen vor allem Reptilien.<ref> Shawn E. Vincent, Anthony Herrel und Duncan J. Irschick: ''Ontogeny of intersexual headshape and prey selection in the pitviper ''Agkistrodon piscivorus''.'' Biological Journal of the Linnean Society 81, 2004: S.&nbsp;151–159</ref> Ein extremes Beispiel für die Anpassungsfähigkeit von ''A. piscivorus'' ist die Population auf [[Seahorse Key]], einer zu den [[Cedar Key Islands]] gehörenden, gewässerfreien Insel im [[Golf von Mexiko]] 12&nbsp;km vor der Küste [[Florida]]s. Dort leben Wassermokassinottern von Februar bis Ende August überwiegend von Fischen, die in den dortigen [[Reiher]]- und [[Kormorane|Kormoran]]kolonien von den Nestern herabfallen. Während des übrigen Jahres fressen sie dort vor allem [[Hausratte]]n (''Rattus rattus'') und verschiedene Echsen.<ref>Charles A. Wharton: ''Reproduction and growth in the Cottonmouths, ''Agkistrodon piscivorus'' Lacépède, of Cedar Keys, Florida''. Copeia 2, 1966: S.&nbsp;149–161</ref> [[Bild:Tiki3 cropped.jpg|thumb|Wassermokassinotter (''A. p. piscivorus''), Jungtier mit auffallend gelbem Schwanzende]] == Fortpflanzung == Wassermokassinottern sind mit zwei Jahren (Männchen) bzw. drei Jahren (Weibchen) geschlechtsreif. Sie paaren sich im Herbst oder im Frühling unmittelbar nach Verlassen des Winterquartiers. Ähnlich wie beim nahe verwandten [[Nordamerikanischer Kupferkopf|Kupferkopf]]<ref>Campbell & Lamar 2004</ref> sind die Weibchen offenbar in der Lage, nach herbstlichen Paarungen Spermien bis zum Frühjahr zu speichern. Die Art ist wie alle Vertreter der Gattung lebendgebärend ([[ovovivipar]]), nach drei Monaten Tragzeit werden im Zeitraum August bis September zwei bis zwölf, im Mittel etwa acht Junge zur Welt gebracht. Die Jungen sind bei der Geburt 18 bis 35&nbsp;cm lang. Große Weibchen bekommen mehr Junge; bei einer Studie in Florida enthielten die kleinsten Weibchen (<&nbsp;80&nbsp;cm Körperlänge) drei bis fünf Embryos, die größten (>&nbsp;100 cm Körperlänge) acht bis elf Embryos.<ref>E. R. Allen und D. Swindell: ''Cottonmouth mocassin of Florida''. Herpetologia 4 (Suppl. 1) 1948: S.&nbsp;1–16. Diagramm nach Daten der Autoren in: Jonathan A. Campbell und William W. Lamar: ''The Venomous Reptiles of the Northern Hemisphere''. Comstock; Ithaca, London 2004: S.&nbsp;259</ref> Es wurde mehrfach beobachtet, dass Weibchen kurz vor der Geburt der Jungen kleine Gruppen bilden. Nach der Geburt werden die Jungtiere von den Weibchen einige Tage bewacht. == Lebenserwartung == Angaben zum durchschnittlichen und maximalen Alter freilebender Individuen gibt es nicht, in Gefangenschaft erreichte eine Wassermokassinotter ein Alter von 24 Jahren und 6 Monaten.<ref>A. T. Snider & J. K. Bowler: ''Longevity of reptiles and amphibians in North American collections.'' 2. Aufl. Society for the Study of Amphibians and Reptiles, Herpetological Circular No.&nbsp;21; 1992. Zit. in: Jonathan A. Campbell, William W. Lamar: ''The Venomous Reptiles of the Western Hemisphere.'' Comstock; Ithaca, London 2004: S.&nbsp;260</ref> == Bestandsentwicklung und Gefährdung == Bedingt durch Lebensraumveränderungen ist der Bestand der Art in vielen Teilen ihres Areals zurückgegangen, aber in geeigneten Lebensräumen ist sie immer noch häufig. In einem sumpfigen Bereich in [[Kentucky]] wurde der Bestand in den 1950er-Jahren auf 300 Individuen auf 0,405 Hektar (4.050&nbsp;m²) geschätzt, am [[Mississippi River|Mississippi]] konnten in den 1960er Jahren in einer Stunde 50 Individuen gefangen werden. In sehr trockenen Jahren bricht der Bestand regional offenbar stark ein, in normalfeuchten Jahren erholt sich die Population jedoch wieder sehr schnell. Insgesamt gilt die Art noch immer als ungefährdet. == Verhalten gegenüber Menschen == [[Bild:Agkistrodon piscivorus piscivorus CDC.png|thumb|Drohende Wassermokassinotter]] Wassermokassinottern gelten als aggressiv, doch bei einer Studie, die Aufschluss über das Verhalten wild lebender Wassermokassinottern beim Zusammentreffen mit Menschen geben sollte, versuchten 51 % der Schlangen zu fliehen, und 78 % nutzten Drohgebärden oder andere Verteidigungstaktiken. Nur 36 % (13 von 36) bissen zu, als man mit einer künstlichen Hand nach ihnen griff.<ref>http://www.uga.edu/srel/Reprint/2583.htm</ref> Außerdem haben bei dem Versuch viele Schlangen beim Biss kein Gift injiziert. Solch ein „trockener“ Biss könnte also auch nur eine weitere Drohgebärde sein. Anders als die meisten Schlangen richtet sich die Wassermokassinotter bei Gefahr auf und öffnet ihr Maul, um Angreifer zu warnen. Dieses Verhalten wird oft als aggressiv interpretiert, aber wenn sie dann in Ruhe gelassen wird, ergreift sie die Flucht. Oft halten Laien in den [[Vereinigte Staaten|USA]] jede Schlange, die sie in oder bei Gewässern antreffen, für eine Wassermokassinotter, was aber meist ein Trugschluss ist. Harmlose wasserbewohnende Schlangen wie die [[Amerikanische Schwimmnattern|Schwimmnattern]] (''Nerodia sp.'') sind viel häufiger als die Wassermokassinotter, verhalten sich manchmal aggressiv und imitieren durch die Haltung des Kopfes eine Grubenotter. Dieses Verhalten wirkt auf Laien sehr überzeugend. Zu Lande wird oft die [[Östliche Hakennatter]] (''Heterodon platyrhinos'') mit der Wassermokassinotter verwechselt. Auch sie imitiert die Otter, wenn auch nicht so überzeugend wie die Wassernattern, und zischt sehr laut zur Verteidigung. == Giftwirkung bei Menschen == Gifte von Grubenottern sind die mit Abstand komplexesten natürlichen [[Toxin]]e. Sie enthalten eine Mischung von [[Enzym]]en, niedermolekularen [[Polypeptid]]en, [[Metallion]]en und anderen, in ihrer Funktion bisher kaum verstandenen Komponenten. Entsprechend vielfältig sind die Wirkungen dieser Gifte. Das Gift von ''A. piscivorus'' wirkt stark [[proteolytisch|proteinabbauend]] und führt daher zur Zerstörung von [[Gewebe (Biologie)|Gewebe]]. Es verursacht starke Schmerzen, Rötungen, Schwellungen und [[Nekrose]]n in der Umgebung der Bissstelle.<ref>Fotos der Auswirkung von Bissen siehe http://www.gifte.de/Gifttiere/agkistrodon_piscivorus_biss01.htm</ref> Das Gift wirkt [[Hämolyse|hämolytisch]] und [[Antikoagulation|gerinnungshemmend]], in schweren Fällen kann es die [[Blutgerinnung]] völlig unterbinden. Es bewirkt weiterhin eine Ausschüttung des Peptids [[Bradykinin]], das unter anderem einen Abfall des Blutdrucks, Übelkeit, Brechreiz, Durchfall und eine Schmerzverstärkung verursacht. Es enthält außerdem das Enzym [[Phospholipase A2|Phospholipase A<sub>2</sub>]], das eine toxische Wirkung auf Muskelfasern hat.<ref>Robert Norris: ''Venom Poisoning by North American Reptiles''. In: Jonathan A. Campbell und William W. Lamar: ''The Venomous Reptiles of the Northern Hemisphere''. Comstock; Ithaca, London 2004: S.&nbsp;692</ref> Eine systematische Erfassung gibt es nicht, aber nach Schätzungen werden in den USA jährlich etwa 8000 Menschen von Giftschlangen gebissen. Etwa 9 % der Bisse, also ungefähr 700, erfolgen durch Wassermokassinottern. Todesfälle durch Bisse von ''A. piscivorus'' sind sehr selten. Die Anzahl der durch Giftschlangen verursachten Todesfälle in den USA wurde in den 1960er und 1970er Jahren auf neun bis vierzehn pro Jahr geschätzt. Der Großteil dieser Todesfälle war auf Bisse von [[Klapperschlangen]] (''Crotalus sp.'') zurückzuführen, nur 6,6 % (also weniger als ein Todesfall pro Jahr) auf Wassermokassinottern. Für die 1980er und 1990er Jahre geht man von noch erheblich niedrigeren Zahlen aus.<ref>Robert Norris: ''Venom Poisoning by North American Reptiles''. In: Jonathan A. Campbell und William W. Lamar: ''The Venomous Reptiles of the Northern Hemisphere''. Comstock; Ithaca, London 2004: S.&nbsp;705–706</ref> Hier spiegelt sich sicher auch die deutlich verbesserte medizinische Behandlung von Schlangenbissen wider. Die Gewebezerstörungen können jedoch irreversibel und mit einem dauerhaften Funktionsverlust der betroffenen Gliedmaße verbunden sein. Wie andere Grubenottern injiziert auch diese Art nicht unbedingt bei jedem Biss Gift in die Wunde (siehe oben), aber jeder Biss sollte ernst genommen werden und medizinische Hilfe gesucht werden, auch wenn keine sofortige Giftwirkung erkennbar ist. == Einzelnachweise == <references/> === Literatur === * Jonathan A. Campbell, William W. Lamar: ''The Venomous Reptiles of the Western Hemisphere''. Comstock. Ithaca/London 2004, ISBN 0-8014-4141-2. === Weblinks === {{Commons|Agkistrodon piscivorus|Wassermokassinotter}} * [http://nationalzoo.si.edu/Animals/ReptilesAmphibians/Facts/FactSheets/Cottonmouth.cfm Infos vom National Zoo, Washington, D.&nbsp;C.] (engl.) {{Exzellent}} [[Kategorie:Vipern]] {{Link GA|en}} [[en:Agkistrodon piscivorus]] [[fi:Vesimokkasiinikäärme]] [[fr:Mocassin d'eau]] [[it:Agkistrodon piscivorus]] [[ja:ヌママムシ]] [[lt:Vandeninis mokazinas]] [[nl:Watermoccasinslang]] [[no:Vannmokkasin]] [[pl:Mokasyn błotny]] [[tr:Su mokaseni]] kxhu5stywzbwtos453fcooneezdolpp wikitext text/x-wiki Wasserschläuche 0 24482 27343 27342 2010-06-07T16:51:50Z YMS 441 {{Test}} test iiyv51c084mmhq1yoovzrojgy3mxkwe wikitext text/x-wiki Wassertreter (Vögel) 0 24483 27085 2010-04-27T19:11:07Z Luckas-bot 0 Bot: Ergänze: [[ru:Плосконосые плавунчики]] <!-- Für Informationen zum Umgang mit dieser Tabelle siehe bitte [[Wikipedia:Taxoboxen]]. --> {{Taxobox | Taxon_Name = Wassertreter | Taxon_WissName = Phalaropus | Taxon_Rang = Gattung | Taxon_Autor = [[Mathurin Jacques Brisson|Brisson]], 1760 | Taxon2_Name = Schnepfenvögel | Taxon2_WissName = Scolopacidae | Taxon2_Rang = Familie | Taxon3_Name = Regenpfeiferartige | Taxon3_WissName = Charadriiformes | Taxon3_Rang = Ordnung | Taxon4_Name = Vögel | Taxon4_WissName = Aves | Taxon4_Rang = Klasse | Bild = Phalaropus fulicaria1.jpg | Bildbeschreibung = Thorshühnchen im Brutkleid | Subtaxa_Rang = Art | Subtaxa = * [[Odinshühnchen]] (''Ph. lobatus'') * [[Thorshühnchen]] (''Ph. fulicarius'') }} Die '''Wassertreter''' (''Phalaropus'') sind eine Gattung [[Arktis|arktischer]] [[Schnepfenvögel]]. Die Gattung besteht aus zwei Arten, dem [[Thorshühnchen]] und dem [[Odinshühnchen]]. Beide Arten sind gelegentlich während ihres Zuges an der [[Deutschland|deutschen]] [[Nordsee]]küste zu beobachten, selten im Binnenland. Im Vergleich mit dem meisten anderen Vogelarten ist bei den Wassertretern die Rolle der Geschlechter vertauscht. Das Gefieder der Weibchen ist farbenprächtiger als das der Männchen, die Weibchen verteidigen das Revier und balzen, die Männchen ziehen die Küken auf. == Systematik == Die Wassertreter wurden früher zusammen mit dem [[Wilson-Wassertreter]] als eigene Familie Phalaropodidae (oder Phalaropidae) zu den [[Regenpfeiferartige]]n gestellt. Hier nahm man eine Verwandtschaft mit der Familie der [[Säbelschnäbler]] an. Heute besteht aufgrund morphologischer und molekulargenetischer Analysen kein Zweifel daran, dass Wassertreter zur Familie der [[Schnepfenvögel]] gehören. Aufgrund ihrer abweichenden Merkmale werden sie aber innerhalb der Schnepfenvögel oft als eigene Unterfamilie Phalaropodinae geführt. Das Odinshühnchen wurde früher gelegentlich als eigene Gattung (''Lobipes'') abgetrennt. Für den Wilson-Wassertreter oder Amerikanisches Odinshühnchen (''Steganopus tricolor''), der gelegentlich dieser Gattung zugerechnet wird, ist die Zuordnung zur Gattung ''Steganopus'' üblich. In diesem Artikel wird der mittlerweile gängigen Zuordnung gefolgt, bei der nur Odinshühnchen und Thorshühnchen zur Gattung der Wassertreter gehören. == Merkmale == === Die gemeinsamen Merkmale der beiden Arten === [[Bild:Phalaropus lobatus.jpg|thumb|right|Weibchen des Odinshühnchen im Brutkleid]] Gestaltlich ähneln Wassertreter den [[Schnepfenvögel|Strandläufer]]n. Sie sind aber nicht so plump gebaut und wirken insgesamt zierlicher. Mit einer Körperlänge zwischen 18 und 25 cm sind sie außerdem etwas größer als diese. Im Gegensatz zu vielen anderen [[Limikolen]] sieht man Wassertreter selten beim Waten, sondern meistens schwimmend. Besonders im Winter sind sie sogar ausgesprochene Hochseevögel, die überhaupt keinen Kontakt zum Land benötigen. Sie liegen beim Schwimmen sehr hoch im Wasser und bewegen sich dabei mit rhythmischen Bewegungen der Füße fort; jedes Ausschlagen der Beine ist von einer Nickbewegung des Kopfes begleitet. Die Füße haben in Anpassung an die schwimmende Lebensweise Hautlappen an den Seiten der Vorderzehen ausgebildet, wie man sie auch bei der [[Blässralle]] findet. Diese Ähnlichkeit hat zu dem wissenschaftlichen Namen ''Phalaropus'' geführt (von griechisch ''phalaris'' = Blässhuhn und ''pous'' = Fuß). Hiervon leitet sich auch der englische Name ''phalarope'' ab. Bei Wassertretern unterscheiden sich Pracht- und Schlichtkleid stark voneinander. Im winterlichen Schlichtkleid sehen Weibchen und Männchen identisch aus und sind allenfalls anhand der leichten Größenunterschiede auseinander zuhalten. Zum Sommer hin ändert sich das Aussehen, beide Geschlechter bekommen ein farbiges Prachtkleid. Die Farbgebung ist bei Männchen und Weibchen grundsätzlich identisch oder zumindest sehr ähnlich, die Weibchen haben jedoch ein deutlich leuchtenderes Gefieder, während es bei den Männchen stumpf und blass wirkt. === Die Unterscheidung von Odinshühnchen und Thorshühnchen === [[Bild:Phalaropus fulicarius 2.jpg|thumb|right|Thorshühnchen im Schlichtkleid]] In ihrem jeweiligen Prachtkleid sind die zwei Arten der Wassertreter einfach voneinander zu unterscheiden. Die Grundfarbe des Gefieders des Thorshühnchen ist Rot. Die Farbe des Weibchens ist dabei etwas leuchtender als das des Männchens. Die Kopfseiten sind weiß. Das Weibchen trägt eine schwarzbraune, das Männchen eine hellbraune Kopfkappe. Der Schnabel ist gelb mit schwarzer Spitze, wobei die Gelb-Anteile beim Weibchen größer sind. Die Grundfarbe des Gefieders des Odinshühnchen im Prachtkleid ist dagegen Grau, wobei dies beim Weibchen ein Schiefergrau und beim Männchen Graubraun ist. Die Unterseite und die Kehle sind weiß. Auffällig ist ein Fleck auf dem Vorderhals, der bis zu den Wangen hinaufreicht und beim Weibchen orangerot, beim Männchen orangebraun und kleiner ist. Im Schlichtkleid ähneln sich die beiden Arten dagegen sehr. Bei beiden Arten ist dann das Gefieder an der Körperunterseite weiß und an der Oberseite hellgrau. Eine Unterscheidung der beiden Arten ist jedoch durch folgende Merkmale möglich: * Der Schnabel des Thorshühnchens ist kürzer und deutlich kräftiger als der des Odinshühnchens. * Die Oberseits ist beim Thorshühnchen einfarbig grau, beim Odinshühnchen grau mit weißen Strichen. * Ein im Flug sichtbarer Flügelstreifen ist beim Odinshühnchen viel deutlicher ausgeprägt als beim Thorshühnchen. == Brutgebiete== [[Bild:Phalaropus lobatus distribution.png|thumb|right|Verbreitungsgebiet des Odinshühnchen<br/><small>rot: Brutgebiete<br/>blau: Überwinterungsgebiete</small>]] [[Bild:Phalaropus fulicarius distribution.png|thumb|Brutgebiete des Thorshühnchen]] [[Bild:Phalaropus fulicarius distribution 2.png|thumb|Überwinterungsgebiete des Thorshühnchen]] Die Brutgebiete des Thorshühnchens liegen an den Nordrändern [[Kanada]]s, [[Alaska]]s und [[Sibirien]]s sowie auf [[Grönland]], [[Island]] und [[Svalbard|Spitzbergen]]. Die Brutgebiete des Odinshühnchen liegen längst nicht so hocharktisch wie beim Thorshühnchen. So finden sich Brutvorkommen auch auf den [[Färöer]]n, den [[Shetlandinseln]], den [[Orkney]]s und den [[Hebriden]] sowie auf dem Festland [[Norwegen]]s, [[Schweden]]s und [[Finnland]]s. Das Odinshühnchen brütet mitunter weit im Landesinneren und nicht immer so küstennah wie das Thorshühnchen. == Fortpflanzung == Wenn die Vögel aus den Winterquartieren in ihre arktischen Brutgebiete zurückkehren, treffen die Weibchen in der Regel eher ein. Dies geschieht Ende Mai oder Anfang Juni. Sind zu diesem Zeitpunkt die Binnengewässer noch nicht aufgetaut, warten die Vögel einige Tage am Rand des Eises ab. Dann suchen sie Seeufer, Tümpel oder Flusstäler auf. Die Thorshühnchen bleiben dabei stets in Küstennähe, während die Odinshühnchen entlang der Flusstäler auch einige Kilometer landeinwärts brüten können. Während das Thorshühnchen konkurrierende Weibchen bloß mit Drohgebärden fernzuhalten sucht, wurde beim Odinshühnchen die aktive Verteidigung eines [[Revier (Tier)|Reviers]] festgestellt. Dieses Revier umfasst eine etwa 15 m lange Uferzone. Werden die Grenzen von anderen Weibchen überschritten, so werden diese mit Schnabelhieben vertrieben. Bei der [[Balz]] sind die Weibchen ebenfalls die aktiveren Partner. Sie unternehmen ausgedehnte Balzflüge, zu denen sie sich vom Wasser erheben, rüttelnd auf der Stelle verharren, mit ausgestrecktem Kopf rufen und sich dann wieder auf dem Wasser niederlassen. Dieses Verhalten kann Stunden dauern. Wird durch diese Bemühungen ein Männchen angelockt, lässt sich das Weibchen vor diesem auf dem Wasser nieder und streckt sich flach aus, wobei es fast versinkt. Nimmt das Männchen diese Einladung zur Begattung nicht an, hebt das Weibchen Hals und Kopf senkrecht in die Höhe, ehe es erneut die Begattungsstellung annimmt, bis die Paarung endlich vollzogen ist. [[Bild:Phalaropus fulicarius 1.jpg|thumb|right|Thorshühnchen, Weibchen im Prachtkleid]] Das [[Nest]] ist anfangs eine einfache Mulde, die dadurch entsteht, dass ein Vogel die Brust auf den Boden presst und sich dabei im Kreis dreht. Erst wenn die [[Ei]]er abgelegt sind, polstert das Männchen die Mulde mit Blättern und Zweigen aus. Ein solches Nest hat beim Odinshühnchen einen Durchmesser von 6 bis 10 cm, beim Thorshühnchen 8 bis 14 cm. Es werden meist vier Eier abgelegt, gelegentlich auch drei. Die Eiablage erfolgt beim Thorshühnchen zwischen Mitte Mai und Mitte Juli, wobei die genaue Zeit von Region zu Region unterschiedlich ist. Die früheste Eiablage im Mai findet in [[Alaska]] statt, die späteste im Juli in [[Kanada]], [[Grönland]] und [[Sibirien]]. Beim Odinshühnchen erfolgt die Eiablage zwischen Anfang Mai und Anfang Juli; hier machen die Brutpopulationen in Grönland und auf den britischen Inseln den Anfang, während jene in Sibirien am spätesten dran sind. Das Ei des Thorshühnchens hat eine Größe von 3,1&nbsp;x&nbsp;2,2&nbsp;cm sowie eine olivgrüne Grundfarbe, auf der sich unregelmäßige, schwarzbraune Flecken ausbreiten, die zu den Polen des Eis hin größer werden. Es hat ein Gewicht von 10,2&nbsp;g. Das Ei des Odinshühnchens ist geringfügig kleiner (3&nbsp;x&nbsp;2,1&nbsp;cm) und sieht sehr ähnlich aus; die Grundfarbe geht mehr ins Olivbraune. Die Flecken sind für gewöhnlich ebenfalls vorhanden, können aber in Ausnahmefällen auch fehlen. Bald nach dem Schlüpfen verlassen die Weibchen ihre Jungen, und die weitere Aufzucht ist Aufgabe der Männchen. == Zug und Winterquartiere == Die Weibchen verlassen die Brutreviere oft schon zehn Tage nach der Eiablage und sind nur selten beim Schlüpfen der Jungen noch vor Ort. Entsprechend findet der Abzug ins Winterquartier bei den Geschlechtern zeitversetzt statt. Auch den Rückzug in die Brutgebiete scheinen Männchen und Weibchen meistens ebenfalls getrennt anzutreten, wenn auch nicht mit so großem zeitlichen Abstand wie auf dem Wegzug. Zwar finden sich sowohl Thors- als auch Odinshühnchen während der [[Vogelzug|Zugzeit]] an deutschen [[Nordsee]]küsten ein, doch ist dies offensichtlich nur ein Bruchteil der Populationen. Die Chance, die seltenen Vögel zu beobachten, besteht von August bis Oktober sowie im April und Mai. Die meisten Wassertreter dürften aber über das Meer ziehen und keine Berührung mit dem Festland haben. Es gibt aber auch Populationen, die hauptsächlich über Land ziehen: Die Odinshühnchen Kanadas rasten auf dem Zug zu Zehntausenden auf dem [[Großer Salzsee|Großen Salzsee]] und dem [[Mono Lake]] ein. Die sibirischen Populationen ziehen ebenfalls über Land und machen zum Beispiel am [[Kaspisches Meer|Kaspischen Meer]] Rast. Nach Stürmen verschlägt es über das Meer ziehende Wassertreter immer wieder an die Küsten, in sehr seltenen Fällen auch ins Binnenland. Außerhalb der Brutzeit sind Wassertreter ausgesprochene Hochseevögel. Ihre Winterquartiere befinden sich vor den Küsten Süd- und Mittelamerikas, Afrikas und Asiens (siehe Verbreitungskarten) und zeichnen sich durch einen ausgesprochenen Reichtum an Plankton aus, die Hauptnahrung der Wassertreter im Winter. Während des Zuges werden gewaltige Strecken zurückgelegt. Die Winterquartiere des Thorshühnchens liegen in den planktonreichen Meeren vor den Küsten [[Südamerika]]s, [[Westafrika]]s und [[Südafrika]]s. Die Thorshühnchen Alaskas, die teilweise bis nach [[Kap Hoorn]] ziehen, legen damit eine Strecke von 15.000 km zurück. Die Winterquartiere des Odinshühnchens liegen dagegen verstreut über tropische und subtropische Meere, aber auch an den Küsten [[Patagonien]]s und des südlichen [[Japan]]s. In den Winterquartieren schwimmen die Vögel zum Teil in riesigen Schwärmen auf dem offenen Meer. == Nahrung == Die Ernährung unterscheidet sich zwischen Brutgebieten und Winterquartieren. Auf See ernähren sich Wassertreter beinahe ausschließlich von [[Krill]] und nur gelegentlich von sehr kleinen Fischen. Sie lassen sich oft über großen Fischschwärmen nieder, um wie diese von den Mengen vorhandenen [[Plankton]]s zu profitieren. Es sind auch schon Thorshühnchen beobachtet worden, die sich auf den Rücken auftauchender [[Wale]] niederließen, um Parasiten abzupicken. [[Walfang|Walfänger]] sollen sich dies früher zunutze gemacht haben und gezielt nach Wassertretern gesucht haben, um so Wale zu finden. Meistens wird die Nahrung schwimmend erreicht, indem nur der Kopf eingetaucht wird; so gut wie nie sieht man Wassertreter ganz untertauchen. Im Sommer haben Wassertreter wegen ihrer Gebundenheit ans Binnenland ein anderes Nahrungsspektrum. Hier versuchen sie nach Möglichkeit, in Tümpeln, Seen und Flüssen lebende [[Käfer|Wasserkäfer]], [[Mücken]]larven, [[Köcherfliegen]]larven, [[Ringelwürmer]] und [[Krebstiere]] zu erhaschen. In sehr flachen Gewässern sieht man oft Wassertreter, die sich gegen den Uhrzeigersinn schnell um die eigene Achse drehen und dabei den Bodenschlamm aufwühlen, um anschließend die aufgewirbelten Kleintiere aufzupicken. Ebenso gehen sie oft im Verbund mit anderen Watvögeln, zum Beispiel [[Säbelschnäbler]]n, durch flache Gewässer, um von der gemeinsam aufgeschreckten Nahrung zu profitieren. Außerdem fressen Wassertreter in ihren Sommerquartieren Fluginsekten und selten auch pflanzliche Materialien. Pflanzen scheinen aber gerade bei jungen Vögeln einen großen Anteil am Nahrungsspektrum auszumachen. == Feinde == In den arktischen Brutgebieten machen unter anderem [[Gerfalke]]n, [[Wanderfalke]]n, [[Schnee-Eule]]n und [[Raubmöwen]] Jagd auf Wassertreter. Gelege und Jungvögel werden vor allem von [[Polarfuchs|Polarfüchsen]] gefressen. Um die Gelege nicht zur leichten Beute werden zu lassen, suchen Wassertreter manchmal die Gesellschaft von anderen Vogelarten, die in der Lage sind, ihre Eier aggressiv gegen Eindringlinge zu verteidigen, zum Beispiel [[Küstenseeschwalbe]]n. In den Überwinterungsgebieten versuchen [[Haie]] und andere Raubfische, die auf der Wasseroberfläche schwimmenden Vögel zu erbeuten. Der Mensch nutzt die große Zutraulichkeit der Wassertreter für seine Zwecke aus. In Kanada nähern sich manche [[Inuit]] problemlos den brütenden Vögeln, um sie zu erlegen und zu essen. Der Gesamtbestand der Wassertreter ist durch diese geringfügige Jagd nicht gefährdet. Beide Arten haben ein riesiges Verbreitungsgebiet und sind insgesamt als sehr häufig zu betrachten. Für das Thorshühnchen wird ein weltweiter Bestand zwischen 1 und 1,9 Millionen Individuen angenommen, für das Odinshühnchen sogar etwa 3,5 Millionen. == Literatur == * Stanley Cramp (Hrsg.): ''The complete birds of the western palearctic on CD-ROM.'' Oxford University Press, Oxford 1998, ISBN 0-19268579-1 (3 CD-ROMs und 1 Begleitheft) * [[Bernhard Grzimek]] (Hrsg.): ''[[Grzimeks Tierleben]] Band 8. Die Vögel 2.'' dtv, München 1980, ISBN 3-423-03205-7 * Otto Höhn: ''Die Wassertreter (Phalaropodidae).'' Westarp, Hohenwarsleben 2003, ISBN 3-89432-753-7 (Die neue Brehm-Bücherei 349) * Josep del Hoyo u.&nbsp;a. (Hrsg.): ''Handbook of the Birds of the World, Band 3. Hoatzin to Auks.'' Lynx Edicions, Barcelona 1996, ISBN 84-87334-20-2 {{DEFAULTSORT:Wassertreter (Vogel)}} [[Kategorie:Schnepfenvögel]] {{Exzellent}} [[br:Teleg]] [[ca:Escuraflascons]] [[da:Svømmesneppe]] [[en:Phalarope]] [[eo:Falaropo]] [[es:Phalaropus]] [[fi:Vesipääskyt]] [[fr:Phalarope]] [[io:Falaropo]] [[it:Phalaropus]] [[nl:Franjepoten]] [[nn:Phalaropus]] [[pl:Płatkonogi]] [[pt:Falaropo]] [[ru:Плосконосые плавунчики]] [[sv:Simsnäppor]] [[sw:Kipwita]] [[uk:Плавунець]] [[zh:瓣蹼鹬属]] 1sa0ht7h3bd7y70uw801mz9vgkrl31c wikitext text/x-wiki Erna Wazinski 0 24484 27086 2010-03-25T08:32:03Z Logograph 0 /* Die Tat */ präzisiert [[Datei:Erna Wazinski ArM.jpg|miniatur|Erna Wazinski]] [[Datei:Erna Wazinski Bekanntmachung.jpg|miniatur|Öffentliche Bekanntmachung des Sondergerichts Braunschweig vom 23. November 1944 über die Hinrichtung von Erna Wazinski vom selben Tag.]] '''Erna Gertrude'''<ref>Joachim Schmid in: Horst-Rüdiger Jarck, Günter Scheel (Hrsg.): ''Braunschweigisches Biographisches Lexikon. 19. und 20. Jahrhundert'', Hannover 1996, ISBN 3-7752-5838-8, S. 641.</ref> '''Wazinski''' (* [[7. September]] [[1925]] in [[Oberbarnim|Ihlow]]<ref name="Lebensweg1">Bernhild Vögel: ''Ein kurzer Lebensweg – Der Fall Erna Wazinski. Arbeitsmaterialien für die schulische und außerschulische Jugendbildungsarbeit'', Braunschweig 1996, S. 1.</ref>; † [[23. November]] [[1944]] in [[Wolfenbüttel]]) war eine deutsche Rüstungsarbeiterin, die im Alter von 19 Jahren wegen angeblicher [[Plünderung]] nach dem [[Bombenangriff auf Braunschweig am 15. Oktober 1944|Bombenangriff vom 15.&nbsp;Oktober auf Braunschweig]] von einer Nachbarin denunziert und vom [[Sondergericht Braunschweig]] auf Grundlage der am 5.&nbsp;September 1939 erlassenen [[Verordnung gegen Volksschädlinge]] (VVO) als „[[Volksschädling]]“ zum Tode verurteilt wurde.<ref> Aktenzeichen: SAW: 42 Neu Fb 7 Nr. 1610, 1 Sond Js 835/44, nach: Pollmann: ''Der Schwierige Weg in die Nachkriegszeit'', S. 91.</ref> Obwohl Erna Wazinski erst nach Misshandlungen durch Kriminalbeamte ein [[Geständnis]] ablegte und zwei [[Gnadenbefugnis|Gnadengesuche]] eingereicht wurden, wurde sie im [[Gedenkstätte Justizvollzugsanstalt Wolfenbüttel|Strafgefängnis Wolfenbüttel]] durch das [[Guillotine|Fallbeil]] hingerichtet. Der Fall kam nach dem Krieg – über einen Zeitraum von 40&nbsp;Jahren – mehrfach vor verschiedene deutsche Gerichte. 1952 wurde das Strafmaß abgemildert; 1991 erfolgte aufgrund einer neuen Zeugenaussage ein Freispruch.<ref>Ludewig, Kuessner: ''„Es sei also jeder gewarnt“ – Das Sondergericht Braunschweig 1933–1945'', S. 242.</ref> Bedingungslos aufgehoben wurden Urteile, die auf der Volksschädlingsverordnung beruhten, erst im Zuge des am 1. September 1998 in Kraft getretenen [[Gesetz zur Aufhebung nationalsozialistischer Unrechtsurteile in der Strafrechtspflege|Gesetzes zur Aufhebung nationalsozialistischer Unrechtsurteile in der Strafrechtspflege]].<ref>[http://bundesrecht.juris.de/ns-aufhg/anlage_9.html Gesetz zur Aufhebung nationalsozialistischer Unrechtsurteile in der Strafrechtspflege, Anlage (zu Artikel 1 § 2 Nr. 3) Nr. 32.]</ref> Die fast vollständig erhaltenen Prozessakten befinden sich heute im [[Niedersächsisches Staatsarchiv|Niedersächsischen Staatsarchiv]] in [[Wolfenbüttel]].<ref name="Unger">[http://bs.cyty.com/kirche-von-unten/archiv/kvu050/wazinski1.htm Johannes Unger: ''Der Fall Erna Wazinski'', In: ''Kirche von unten'', Heft 50, Braunschweig 1991, S. 14–20.]</ref><ref>[[Signatur (Dokumentation)|Signatur]] der Prozessakten im Niedersächsischen Staatsarchiv Wolfenbüttel: 42 B. Neu FB Nr. 7/1979 Nr. 60.</ref> == Leben == [[Datei:Erna Wazinski und Freundin.jpg|miniatur|Erna Wazinski (links) mit einer Freundin auf dem [[Löwenwall]].]] Erna war das einzige Kind von Wilhelmine Wazinski, geb. Chmielewski<ref>[http://www.vernetztes-gedaechtnis.de/erna6atext.htm Geburtsname der Mutter ''Chmielewski'' in der Urteilsbegründung des Sondergerichts Braunschweig.]</ref> beziehungsweise Schmielewski<ref>Von der Mutter unterzeichnete Aussage vom 26. Oktober 1944, In: Helmut Kramer (Hrsg.): ''„Die Verordnung gegen Volksschädlinge vom 5.9.1939 war geltendes Gesetz …“'', ''Reader zum Fall Erna Wazinski''.</ref> und deren späteren Ehemann, dem Invaliden Rudolph Wazinski. Ihre Eltern waren beide aus [[Ostpreußen]] gebürtig und arbeiteten um 1925 als Landarbeiter auf Gütern in [[Brandenburg]]. Ihr Vater, der 24&nbsp;Jahre älter als ihre Mutter war, heiratete diese erst, nachdem die Familie 1930 ins [[Ruhrgebiet]] gezogen war, wo sie in [[Essen]] wohnte.<ref name="Lebensweg1"/> 1931 zog die Familie nach [[Braunschweig]] um, wo sie in bescheidenen bis ärmlichen Verhältnissen in der Langen Straße, einem Armeleuteviertel in der Braunschweiger [[Neustadt (Braunschweig)|Neustadt]], wohnte. Im Zuge der Altstadtsanierung wurden in der alten Wohnumgebung ab 1936 viele der kleinen und verwinkelten [[Fachwerkhaus|Fachwerkhäuser]] abgerissen. Die Familie zog daraufhin in das [[Magniviertel]]. Die neue Wohnung befand sich Langedammstraße 14, wiederum in einem alten Fachwerkhaus.<ref>Bernhild Vögel: ''Ein kurzer Lebensweg – Der Fall Erna Wazinski. Arbeitsmaterialien für die schulische und außerschulische Jugendbildungsarbeit'', Braunschweig 1996, S. 2 f.</ref> Rudolph Wazinski verstarb wenige Monate später am 16. Februar 1938, als Erna noch keine 13&nbsp;Jahre alt war. Ab ihrem 12. Lebensjahr war Erna Wazinski im [[Bund Deutscher Mädel|Jungmädelbund]], trat aber anschließend nicht dem BDM bei. Ostern 1940 wurde sie in der [[St. Petri (Braunschweig)|Petrikirche]] [[Konfirmation|konfirmiert]].<ref>Bernhild Vögel: ''Ein kurzer Lebensweg – Der Fall Erna Wazinski. Arbeitsmaterialien für die schulische und außerschulische Jugendbildungsarbeit'', Braunschweig 1996, S. 3.</ref> Sie besuchte zunächst wohl die nahe der Langen Straße gelegene Mädchenschule am Südklint und später, nach dem Umzug in das Magni-Viertel, die [[Axel Schaffeld|Axel-Schaffeld]]-Schule (die heutige Georg-Eckert-Schule)<ref name="Voegel37">Bernhild Vögel: ''… und in Braunschweig? Materialien und Tips zur Stadterkundung 1930–1945'', 2. aktualisierte Auflage, S. 37.</ref>, die sie 1939 nach dem regulären Ende ihrer Schulzeit verließ. Anschließend blieb sie einige Zeit zuhause und durchlief dann verschiedene Anstellungen.<ref>[http://www.vernetztes-gedaechtnis.de/erna6atext.htm Urteilstext bei vernetztes Gedächtnis.de.]</ref> Unter anderem arbeitete sie ab 1942 einige Zeit bei Otto Block, der im Erdgeschoss des Wohnhauses Langedammstraße 14 einen [[Mittagstisch]] unterhielt. Block war mehrfach [[Vorstrafe|vorbestraft]], was das [[Jugendamt]] der Stadt Braunschweig zum Anlass nahm, Erna Wazinski im Alter von 17 Jahren der [[Jugendfürsorge]]erziehung durch Einweisung in ein [[Heimerziehung|Heim]] zuzuführen.<ref name="Lebensweg4">Bernhild Vögel: ''Ein kurzer Lebensweg – Der Fall Erna Wazinski. Arbeitsmaterialien für die schulische und außerschulische Jugendbildungsarbeit'', Braunschweig 1996, S. 4.</ref> Im August 1942 wurde sie nach [[Wunstorf]] geschickt, wo gerade ein neu eingerichtetes Aufnahme- und Beobachtungsheim eröffnet worden war. Nachdem Erna Wazinski dort von [[Psychiater]]n als „normal gefährdet“ eingestuft worden war, wurde sie in den „Birkenhof“<ref>[http://www.birkenhof.de/starth.htm Der „Birkenhof“ heute.]</ref>, ein evangelisches Heim für schulentlassene Mädchen überwiesen, wo sie etwa ein Jahr bleiben musste.<ref name="Lebensweg4"/> Nachdem Erna im November 1943 wieder nach Braunschweig zurückgekehrt war, vermittelte ihr das [[Arbeitsamt]] eine Anstellung als Hausgehilfin. Im Juli 1944 wurde ihr eine Stelle bei der Firma VIGA, einem Rüstungsbetrieb, zugewiesen. Das [[Hamburger Straße (Braunschweig)|Hamburger Straße]] 250 angesiedelte Unternehmen, ein Tochterbetrieb der [[Brunsviga]]-Werke, produzierte feinmechanische Teile für Waffen und war ein kriegswichtiger Betrieb. Erna Wazinski arbeitete für die VIGA-Werke bis zu ihrer Verhaftung am 20. Oktober 1944. === Die Tat === [[Datei:Braunschweig15101944.jpg|miniatur|[[Bombenangriff auf Braunschweig am 15. Oktober 1944|Braunschweig zwischen 02:00 und 03:00 Uhr am 15. Oktober 1944]] – zu dieser Zeit musste Erna Wazinski durch die brennende Stadt nach Hause laufen.]] In der Nacht vom 14. auf den 15. Oktober 1944, einem Sonntag, hatte Erna Wazinski Nachtschicht. Gegen 1:50 Uhr gab es [[Fliegeralarm]] und kurz darauf kam es durch die [[Royal Air Force]] zum verheerendsten Luftangriff des [[Zweiter Weltkrieg|Zweiten Weltkrieges]] auf Braunschweig, bei dem 90% der Innenstadt, zu der auch das Magni-Viertel gehört, zerstört wurden.<ref>Braunschweiger Zeitung (Hrsg.): ''Die Bomben-Nacht. Der Luftkrieg vor 60 Jahren.'' Braunschweig 2004, S. 8.</ref> Innerhalb von knapp 40&nbsp;Minuten wurden etwa 12.000 [[Sprengbombe]]n und 200.000 [[Phosphorbombe|Phosphor-]] und [[Brandbombe]]n abgeworfen. Dadurch entstand ein gewaltiger [[Feuersturm]], der zweieinhalb Tage ununterbrochen brannte und etwa 150 [[Hektar]] der Innenstadt vernichtete. Zusammen mit ihrer Arbeitskollegin und Freundin Gerda Körner ging Erna Wazinski, während die Innenstadt verbrannte, die mehreren Kilometer zu Fuß von der Hamburger Straße ins Magni-Viertel, um nach ihrer Mutter zu suchen. Gegen 4:00 Uhr kamen sie bei dem zerstörten Haus an. Es war bereits das vierte Mal, dass Mutter und Tochter Wazinski ausgebombt wurden und dabei den größten Teil ihrer Habe verloren. Sie konnte ihre Mutter nicht finden, nahm aber an, sie sei bei Nachbarn in Sicherheit. Später stellte sich heraus, dass Wilhelmine Wazinski im Keller des schräg gegenüber gelegenen Hauses Langedammstraße 8 überlebt hatte.<ref>Bernhild Vögel: ''Ein kurzer Lebensweg – Der Fall Erna Wazinski. Arbeitsmaterialien für die schulische und außerschulische Jugendbildungsarbeit'', Braunschweig 1996, S. 5.</ref> Die Nacht verbrachte Erna Wazinski bei ihrer Freundin, die in der Friedrich-Wilhelm-Straße 1 wohnte. Am Morgen des 16. Oktober, die Stadt brannte noch immer, ging sie zusammen mit ihrem Freund, dem auf [[Fronturlaub]] befindlichen Soldaten Günter Wiedehöft, in die Ruine des Wohnhauses, um evtl. noch persönliche Gegenstände bergen zu können. Nachdem sie etwa zwei Stunden lang Trümmer aus dem Weg geräumt hatten, barg Erna zwei Koffer, einen Rucksack und ein paar Kleidungsstücke, von denen nicht klar war, wem sie gehörten. Der Gesamtwert der Fundsachen belief sich auf etwa 200 [[Reichsmark]].<ref name=Voegel35>Bernhild Vögel: ''… und in Braunschweig? Materialien und Tips zur Stadterkundung 1930-1945'', 2. aktualisierte Auflage, S. 35.</ref> Erna nahm an, es handele sich um Eigentum ihrer Mutter, wie sie gegenüber ihrem Freund angab. Ein Irrtum, wie sich später herausstellte. Martha F.<ref name=Sondergericht240>Ludewig, Kuessner: ''„Es sei also jeder gewarnt“ – Das Sondergericht Braunschweig 1933–1945'', S. 240.</ref> beziehungsweise Marina Fränke<ref>Todesurteil vom 21. Oktober 1944 gegen Erna Wazinski, In: Helmut Kramer (Hrsg.): ''„Die Verordnung gegen Volksschädlinge vom 5.9.1939 war geltendes Gesetz…“'', ''Reader zum Fall Erna Wazinski''.</ref>, eine Nachbarin aus dem Haus Langedammstraße 8, erstattet am 18. Oktober ''Anzeige gegen Unbekannt'', da ihr einige Gegenstände gestohlen worden seien. Als Verdächtige gab sie jedoch Erna Wazinski an. Ludewig/Kuesser geben als Grund für die Nennung Erna Wazinskis als Verdächtiger den Umstand an, dass ein Bekannter der Nachbarin, der [[Schutzstaffel|SS]]-Angehörige F., Erna Wazinski nachgestellt habe, weswegen die Nachbarin auf die Beschuldigte „nicht gut zu sprechen gewesen“ sei.<ref name=Sondergericht125>Ludewig, Kuessner: ''„Es sei also jeder gewarnt“ – Das Sondergericht Braunschweig 1933–1945'', S. 125.</ref> === Verhaftung === [[Datei:VO gegen Volksschädlinge 1939.jpg|miniatur|Seite 1679 aus dem [[Reichsgesetzblatt]] I mit der ''„Verordnung gegen Volksschädlinge“'' vom 5. September 1939.]] Am Freitag, dem 20. Oktober, wollte Ernas Freund sie in ihrer Notunterkunft bei Familie Körner in der Friedrich-Wilhelm-Straße 1 besuchen, traf sie jedoch nicht an, da sie noch arbeitete. Während er wartete, erschienen zwei Kriminalbeamte, die wegen der „Anzeige gegen Unbekannt“ vom 18. Oktober ebenfalls zu Erna Wazinski wollten. Während man gemeinsam wartete, wurde Günter Wiedehöft formlos über seine Freundin verhört, wobei er detailliert das Vorgefallene, inkl. der gemeinsamen Bergungsaktion, schilderte.<ref name="ReaderAussage">Aussage von Günter Wiedehöft vom 13. Juni 1990, In: Helmut Kramer (Hrsg.): ''„Die Verordnung gegen Volksschädlinge vom 5.9.1939 war geltendes Gesetz …“'', ''Reader zum Fall Erna Wazinski''.</ref> Als Erna eintraf, musste er den Raum verlassen und vor der Tür auf dem Flur warten, während die Polizisten mit ihr sprachen. Nach kurzer Zeit hörte Wiedehöft die lauten Stimmen der Polizisten, darunter mehrfach das Wort „Volksverräterin“, sowie lautes Klatschen von Schlägen. Als alle drei den Raum verließen – Erna wurde abgeführt –, sah Wiedehöft, dass sie ins Gesicht geschlagen worden sein musste: Ihre Lippen waren geschwollen, und ihre Nase blutete.<ref name="ReaderAussage"/> Einer der Beamten sagte im Hinausgehen zu Wiedehöft, er solle so schnell wie möglich an die Front „verduften“.<ref>Urteilsbegründung des Landgerichts Braunschweig zum Freispruch vom 20. März 1991, zitiert in: Helmut Kramer (Hrsg.): ''„Die Verordnung gegen Volksschädlinge vom 5.9.1939 war geltendes Gesetz …“'', ''Reader zum Fall Erna Wazinski''.</ref> Da sich der 20-jährige Soldat nun selbst ebenfalls bedroht fühlte, wandte er sich an den Vater eines Bekannten, der bei der [[Geheime Staatspolizei|Gestapo]] war, und bat um Hilfe. Dieser versprach, ihn „da raus zu halten“, doch könne er „für die Verbrecherin“ nichts unternehmen. Daraufhin meldete sich Wiedehöft am 23. Oktober bei seiner Einheit zurück und kam an die [[Deutsch-Sowjetischer Krieg|Ostfront]]. Erst am 20. September 1949 kehrte er aus [[Kriegsgefangener|Kriegsgefangenschaft]] zurück.<ref name="ReaderAussage"/> === Vermeintliches Geständnis === Kurze Zeit später stellte sich heraus, dass Erna Wazinski während der Zeit mit den zwei Polizisten in einem Raum ein Geständnis abgelegt hatte, auf das sich die Anklageschrift am folgenden Tag gründete: Der Inhalt dieses erzwungenen „Geständnisses“ wich in wesentlichen Punkten vom tatsächlichen Geschehen am 16. Oktober 1944 ab, war aber dafür im Gegenzug fast deckungsgleich mit der Anzeige der Nachbarin. Danach gab die Beschuldigte zu, in einem unzerstörten Nebengebäude, in das die Nachbarin einige Gegenstände aus ihrem Eigentum in Sicherheit gebracht habe, einen Koffer geöffnet und aus diesem die beschriebenen Teile entnommen zu haben. Dass ihr Freund bei der Bergung dabei gewesen war, verschwieg Erna Wazinski. Auch wurden seine Anwesenheit während des Wartens im Beisein der Kriminalbeamten in der Friedrich-Wilhelm-Straße sowie die dort von ihm gemachten Angaben zur Sache nicht im Polizeiprotokoll erwähnt.<ref name="Sondergericht125"/> === Anklage === Wenige Stunden später, am Samstag, dem 21. Oktober, setzte Oberstaatsanwalt [[Wilhelm Hirte]] eine knappe [[Anklageschrift]] auf, die sich auf das „Geständnis“ vom Vortag stützte. Erna Wazinski wurde gemäß § 1 [[Verordnung gegen Volksschädlinge|VVO]]<ref>VVO: ''§ 1 Plünderung im frei gemachten Gebiet''<br />''(1) Wer im frei gemachten Gebiet oder in freiwillig geräumten Gebäude oder Räumen plündert, wird mit dem Tode bestraft.''<br />''(2) Die Aburteilung erfolgt […] durch die Sondergerichte. […]''.</ref> der „Plünderung“ angeklagt und sollte mit dem Tode bestraft werden. Der Vorsitzende Richter des [[Sondergericht]]s [[Walter Lerche]] berief noch für den selben Tag die Verhandlung ein, wobei nicht ersichtlich ist, warum der „Fall Wazinski“ beschleunigt verhandelt wurde, denn es lagen etliche ältere Fälle vor, die noch auf die Verhandlung warteten. Teilnehmende Richter waren außerdem [[Walter Ahrens]] sowie [[Ernst von Griesbach]]. Erna Wazinski erhielt [[Christian von Campe]] als [[Pflichtverteidiger]].<ref name="Sondergericht125"/> === Prozess und Verurteilung === [[Datei:Wazinski Todesurteil 1944 Seite 1.jpg|miniatur|1. Seite des Todesurteils.]] [[Datei:Wazinski Braunschweiger Tageszeitung 25.Okt.1944.jpg|miniatur|Kurze Meldung in der [[Braunschweiger Tageszeitung]] vom 25. Oktober 1944.]] Da das Sondergerichtsgebäude in der Münzstraße durch den Bombenangriff vom 15. Oktober stark beschädigt war, fand die Verhandlung im [[Justizvollzugsanstalt Braunschweig|Gefängnis Rennelberg]] statt, wo Erna Wazinski einsaß. Weniger als 19&nbsp;Stunden nach ihrer Verhaftung wurde die Verhandlung gegen die nicht vorbestrafte Angeklagte eröffnet. Der Vertreter der Anklage, Staatsanwalt [[Horst Magnus]], forderte auf Grundlage der Klageschrift die Todesstrafe. Die Richter des Sondergerichts Braunschweig hatten verschiedene Möglichkeiten, die vermeintliche Tat Erna Wazinskis rechtlich zu bewerten: Nach normalem [[Strafrecht]] könnte es sich um einen einfachen [[Diebstahl]] gehandelt haben, der – angesichts des vergleichsweise geringen Wertes der Gegenstände – mit einer Geld- oder geringen Gefängnisstrafe hätte geahndet werden können. Sie entschieden sich jedoch, den viel härteren [[Tatbestand|Straftatbestand]] des Plünderns, gemäß §&nbsp;1 der Verordnung gegen Volksschädlinge (VVO) anzuwenden, der nach VVO aufgrund der Schwere der Tat ausschließlich mit der Todesstrafe bewehrt war. Um dieses Todesurteil rechtfertigen zu können, war zweifelsfrei nachzuweisen, dass sowohl die Tat selbst entsprechend schwerwiegend war, als auch der Täter seiner Persönlichkeit nach als „[[Volksschädling]]“ einzustufen war. Selbst das [[Reichsgericht]] hatte Richtern nahe gelegt, ganz besonders zurückhaltend bei der Anwendung der VVO gegenüber Jugendlichen und jungen Erwachsenen zu sein.<ref name="Hakenkreuz33">Helmut Kramer (Hrsg.): ''Braunschweig unterm Hakenkreuz. Bürgertum, Justiz und Kirche – Eine Vortragsreihe und ihr Echo'', S. 33.</ref> Trotz der Anklage, die die junge Frau als „Volksschädling“ darstellte, zeigte sich der Vorsitzende Lerche von der Angeklagten positiv überrascht und notierte, dass sie den „Eindruck eines harmlosen, ordentlichen, jungen Mädchens“ machte.<ref name="Sondergericht126">Ludewig, Kuessner: ''„Es sei also jeder gewarnt“ – Das Sondergericht Braunschweig 1933–1945'', S. 126.</ref> Das äußere Erscheinungsbild Erna Wazinskis schien also so gar nicht zur Anklage und der Forderung nach der Todesstrafe zu passen. Der während der Verhandlung im Gerichtssaal anwesende Landgerichtspräsident [[Hugo Kalweit]] äußerte sich in einer Verhandlungspause – vor der Urteilsverkündung – gegenüber Verteidiger von Campe, dass dies kein Fall sei, „in dem die Todesstrafe verhängt werden müsse“. Er fügte sofort hinzu, dass ein anderes als ein Todesurteil wohl dennoch nicht zu erwarten sei.<ref name="Hakenkreuz33"/> Obwohl es [[Zeuge|Entlastungszeugen]] gab, rief der Verteidiger keine auf. Er stellte keine [[Antrag|Anträge]] und anstatt angesichts der Sachlage für ein mildes Urteil zu [[Plädoyer|plädieren]], stellte er das Urteil in das „Ermessen des Gerichts“.<ref name="Sondergericht125"/> Aufgrund des „Geständnisses“, das von keiner Prozessseite angezweifelt wurde, erfolgte schließlich das Todesurteil. Das Gericht sah die Tat als besonders verwerflich an und begründete folgendermaßen: {{Zitat|… Wer derart eigennützig die schwerste Notlage seiner Volksgenossen ausnutzt, handelt so verwerflich und gemein, dass ihn die für Volksschädlinge dieser Art nach §&nbsp;1 Volksschädlingsverordnung vom 5.9.1939 ausschließlich vorgesehene Todesstrafe treffen muss. Daran kann auch die Jugend der Angeklagten nichts ändern …|Aus der Urteilsbegründung des Sondergerichts Braunschweig vom 21. Oktober 1944<ref>[http://www.vernetztes-gedaechtnis.de/erna6atext.htm Urteil des Sondergerichts Braunschweig vom 21. Oktober 1944.]</ref> Die Passage: „Daran kann auch die Jugend der Angeklagten nichts ändern.“ wurde vom Vorsitzenden Walter Lerche nachträglich handschriftlich in das Urteil eingefügt.<ref>Bernhild Vögel: ''Ein kurzer Lebensweg – Der Fall Erna Wazinski. Arbeitsmaterialien für die schulische und außerschulische Jugendbildungsarbeit'', Braunschweig 1996, S. 10.</ref>}} Erna Wazinskis Verteidiger zeigte unmittelbar nach Urteilsverkündung keinerlei Reaktion im Interesse seiner Mandantin. Diese wiederum reagierte mit Verblüffung auf ihr Todesurteil. Auf die Frage des Vorsitzenden Walter Lerche, ob sie noch etwas zu sagen habe, entgegnete sie: „Was mache ich denn mit meiner Mutter? Ich muss doch meine Mutter ernähren.<ref name="Sondergericht125"/> Kein Sondergerichtsurteil hat die Braunschweiger Justiz in der Nachkriegszeit mehr und länger beschäftigt, als das Todesurteil gegen Erna Wazinski<ref>Ludewig, Kuessner: ''„Es sei also jeder gewarnt“ – Das Sondergericht Braunschweig 1933–1945'', S. 124.</ref>, das selbst nach damaliger Rechtsprechung außergewöhnlich hart war und vom Sondergericht augenscheinlich dazu genutzt wurde, ein Exempel zu statuieren. Von 56<ref>Ludewig, Kuessner: ''„Es sei also jeder gewarnt“ – Das Sondergericht Braunschweig 1933–1945'', S. 128.</ref> Anzeigen, die nach dem Bombenangriff vom 15. Oktober 1944 beim Sondergericht Braunschweig erstattet wurden, darunter allein 28<ref>Helmut Kramer (Hrsg.): ''Braunschweig unterm Hakenkreuz. Bürgertum, Justiz und Kirche – Eine Vortragsreihe und ihr Echo'', S. 41.</ref> Fälle von Plünderung, die z. T. erheblich schwerwiegender waren, kam es nur in 16 Fällen zur Anklage, darunter aber nur der Fall Wazinski wegen Plünderns. Es erging insgesamt auch nur ein einziges Todesurteil – das gegen Erna Wazinski. === Ermittlungen nach ergangenem Todesurteil === Nachdem am Samstag das Todesurteil ergangen war, forderte der Vorsitzende Richter Lerche überraschenderweise am Wochenanfang von der Staatsanwaltschaft nachträglich Ermittlungen zu Erna Wazinskis persönlichem Umfeld sowie ihren Lebensumständen anzustellen – eine Maßnahme, die normalerweise ''vor'' einer Verurteilung stattfindet.<ref name="Sondergericht126"/> Der mit den „Gnadenermittlungen“ beauftragte Staatsanwalt Magnus, der am Samstag zuvor noch die Todesstrafe gefordert hatte, stieß bei seinen Untersuchungen auf positive Aussagen zur Person der Verurteilten, die von Oberstaatsanwalt Hirte zu deren Nachteil ausgelegt wurden, da sie mit zwei Frauen bekannt sei, die wegen [[Schwangerschaftsabbruch|Abtreibung]]en vorbestraft seien. Magnus schloss seine Ermittlungen zwei Tage später ab und behauptete noch 1989 in einem Interview, er habe nichts Entlastendes finden können.<ref>Johannes Unger: ''„Gnade kann nicht gewährt werden“ – Der Fall Erna Wazinski'', Manuskript der NDR-4-Sendung vom 30. August 1990, S. 15.</ref> Befragte Arbeitskollegen im Rüstungsunternehmen VIGA betrachteten das Urteil als „zu hart“.<ref name="Sondergericht126"/> Die Unternehmensleitung zeichnete indessen ein negatives Bild und schrieb, sie sei des Öfteren unentschuldigt dem Arbeitsplatz fern geblieben.<ref>[http://www.vernetztes-gedaechtnis.de/erna8atext.htm Schreiben des VIGA-Werkes bei vernetztes Gedächtnis.de.]</ref> Das mit Abstand negativste Zeugnis stellte ihr jedoch am 26. Oktober der Direktor des Braunschweiger Jugendamtes, Evers, aus. Er schrieb unter anderem, sie „… erweckte schon als Schulkind den Eindruck einer gewissen [[Frühreife]] …“, „… Bemühungen, sie in ein geregeltes Arbeitsverhältnis zu vermitteln, setzte sie Widerstand entgegen …“, schließlich habe sie bei Herrn B. (dem Betreiber des Mittagstisches) zu arbeiten begonnen, der „im Ruf eines [[Zuhälter]]s und [[Hochstapler]]s“ stehe. Evers fuhr fort, „Erna […] wurde immer [[Dirne|dirnenhafter]] im Aussehen …“. Evers verwies auch auf ein psychiatrisches Gutachten aus dem Jahre 1943, wonach Erna Wazinski „im ganzen noch unreif mit erheblichen psychopathischen Zügen“ sei. Trotz dieses Gutachtens bejahte Evers in vollem Umfang ihre Einsichtsfähigkeit in ihre Handlungen. Den Abschluss bildete die Passage: „Es handelte sich bei Erna Wazinski um ein willensschwaches, triebhaftes, leichtfertiges Mädchen, das auch die jetzige Notzeit zu keinem stärkeren Verantwortungsgefühl gebracht zu haben scheint.“<ref>Bernhild Vögel: ''Ein kurzer Lebensweg – Der Fall Erna Wazinski. Arbeitsmaterialien für die schulische und außerschulische Jugendbildungsarbeit'', Braunschweig 1996, S. 11.</ref> Erna Wazinski selbst wurde nochmals am 25. Oktober vernommen, wobei sie erstmals erwähnte, dass sie verlobt sei. Sie weigerte sich jedoch den Namen ihres Verlobten zu nennen und Magnus fragte weder danach noch stellte er sonstige Fragen zu diesem Thema. Auch die Mutter wurde befragt, machte jedoch angesichts der Lage ihrer Tochter unvorteilhafte Angaben, die vom Sondergericht zum Nachteil der Verurteilten ausgelegt wurden.<ref name="Sondergericht127">Ludewig, Kuessner: ''„Es sei also jeder gewarnt“ – Das Sondergericht Braunschweig 1933–1945'', S. 127.</ref> === Gnadengesuche === [[Datei:Wazinski Gnadengesuch.jpg|miniatur|Gnadengesuch Erna Wazinskis vom 24. Oktober 1944.<br /><small>(Die [[Transkription (Editionswissenschaft)|Transkription]] befindet sich auf der Bildbeschreibungsseite.)</small>]] Nach dem Urteil stellte Erna Wazinskis Anwalt am Dienstag, dem 24. Oktober ein Gnadengesuch, in dem er unter anderem schrieb: {{Zitat|… Es ist zu berücksichtigen, daß die gerade 19 Jahre alt gewordene Angeklagte in der Nacht zum 15.10.44 Nachtschicht in den Viga-Werken hatte und erst um 4 Uhr morgens aus dem Luftschutzkeller des Werkes herauskam und dann durch die brennende Stadt zur Wohnung ihrer Mutter eilte. Der Eindruck der brennenden Stadt muß auf das junge Menschenkind schwer eingewirkt haben, unter besonderer Berücksichtigung der Sorge der Angeklagten um ihre kranke Mutter in der Wohnung auf der Langedammstraße. Als die Angeklagte zur Langedammstraße kam, mußte sie feststellen, daß die Wohnung völlig vernichtet war. Sie konnte ihre Mutter nicht finden. Sie hat auch die Mutter, wie sie glaubhaft versichert, am Montag, den 16.10.44 noch nicht gefunden. Der seelische Druck muß auf die nicht sehr kräftige Angeklagte doch sehr schwer eingewirkt haben, so daß sie wirklich am 16.10.44 sich in einem Zustande befand, der mit dem zu vergleichen ist, in dem die freie Willensbestimmung ausgeschlossen ist. Es ist meiner Überzeugung nach nicht zu verantworten, das junge Menschenleben auszulöschen wegen der Fortnahme von Gegenständen von ganz geringem Wert. …|Gnadengesuch des Verteidigers von Campe vom 24. Oktober 1944<ref>Gnadengesuch des Verteidigers, In: Helmut Kramer (Hrsg.): ''„Die Verordnung gegen Volksschädlinge vom 5.9.1939 war geltendes Gesetz …“'', ''Reader zum Fall Erna Wazinski''.</ref>}} Auch die Verurteilte selbst schickte an diesem Tag ein Gnadengesuch an das Sondergericht. Sie schrieb u. A.: {{Zitat|… Ich habe meinen Vater sehr früh verloren und lebe mit meiner Mutter, die schwer herzleidend ist, allein … Durch Terrorangriff auf Braunschweig sind wir schon dreimal ausgebombt und a. Verzweiflung ist es zu dieser Tat gekommen. Ich bin 19 Jahre alt und habe ohne Überlegung gehandelt. Da diese meine erste Strafe ist, trifft sie mich sehr hart. Meine Tat bereue ich noch einmal sehr tief und bitte um etwas Verständnis für meine schwere Lage. Erna Wazinski|Gnadengesuch Erna Wazinskis vom 24. Oktober 1944}} Oberstaatsanwalt Hirte lehnte zwei Tage später die Begnadigung mit der Begründung ab: {{Zitat|… Erna Wazinski aus Braunschweig ist durch Urteil des Sondergerichts vom 21. Oktober wegen Plünderns – §1 der Volksschädlingsverordnung – zum Tode verurteilt worden. […] Bedenken gegen das Urteil bestehen nicht. […] Kennzeichnend für die Verurteilte ist schließlich, daß sie sich auf ihrer letzten Arbeitsstelle an die Fräserin Gerda Körner angeschlossen hat. […] Diese ist wegen Arbeitsbummelei und Abtreibung vorbestraft und aus anderer Sache wegen ihres Herumtreibens mit Soldaten bekannt. Die Mutter Körner, zu der die Verurteilte nach ihrer Ausbombung gezogen ist, habe bis vor kurzem eine mehrjährige Zuchthausstrafe verbüßt. Die Verurteilte ist also trotz ihrer Jugend keine Persönlichkeit, die Nachsicht verdiente.|Stellungnahme vom 26. Oktober 1944 von Oberstaatsanwalt Hirte zum Gnadengesuch<ref>Stellungnahme von Oberstaatsanwalt Hirte zum Gnadengesuch von Erna Wazinski. In: ''Justiz im Nationalsozialismus'', S. 75.</ref>}} === Hinrichtung === [[Datei:Erna Wazinski Brief an Mutter.jpg|miniatur|Abschiedsbrief von Erna Wazinski kurz vor ihrer Hinrichtung am 23. November 1944 an ihre Mutter geschrieben.<br /><small>(Die [[Transkription (Editionswissenschaft)|Transkription]] befindet sich auf der Bildbeschreibungsseite.)</small>]] Wenige Tage später, Anfang November 1944, ordnete der Reichsjustizminister die [[Hinrichtung]] für den 23. November, 12:00 Uhr, im Strafgefängnis Wolfenbüttel an. Für die Vollstreckung wurde Erna Wazinski vom Gefängnis Rennelberg in Braunschweig in die Hinrichtungsstätte nach Wolfenbüttel überführt. Dort durfte sie kurz vor ihrer Hinrichtung einen letzten Brief an ihre Mutter schreiben (s. Bild). Staatsanwalt Magnus, der bei der Hinrichtung anwesend war, führte auch Protokoll: {{Zitat|Um 12 Uhr 07 wurde die Verurteilte gefesselt vorgeführt. Durch den Vollstreckungsleiter wurde hierauf nach Feststellung der Persönlichkeit der Verurteilten Wazinski dem Scharfrichter der Auftrag zur Vollstreckung des Urteils des Sondergerichts in Braunschweig vom 21. Oktober 1944 erteilt. Hierauf wurde der Kopf der Verurteilten mittels Fallbeils vom Rumpf getrennt. Der Leichnam wurde alsdann der Stadtpolizeibehörde in Wolfenbüttel zur Bestattung übergeben, da die Angehörigen der Verurteilten keinen Wunsch um Verabfolgung des Leichnams geäußert hatten. Die Vollstreckung dauerte vom Zeitpunkt der Vorführung bis zur vollendeten Verkündung 5 Sek., von der Übergabe an den [[Scharfrichter]] bis zur vollendeten Vollstreckung 6 Sekunden.|aus dem Protokoll der Hinrichtung}} Noch am Tag der Vollstreckung wurde in Braunschweig plakatiert, dass Erna Wazinski als Volksschädling hingerichtet worden sei. Wilhelmine Wazinski erhielt einige Tage später von Oberstaatsanwalt Hirte die Mitteilung, dass das Todesurteil an ihrer Tochter vollstreckt worden sei. Der Leichnam Erna Wazinskis wurde auf schriftliche Anweisung Hirtes von der örtlichen Polizeibehörde beigesetzt.<ref>Schreiben Hirtes vom 21. November 1944 an den Vorstand des Strafgefängnisses Wolfenbüttel, In: Helmut Kramer (Hrsg.): ''„Die Verordnung gegen Volksschädlinge vom 5.9.1939 war geltendes Gesetz …“'', ''Reader zum Fall Erna Wazinski''.</ref> Zwei Jahre später wurden die sterblichen Überreste Erna Wazinskis nach Braunschweig überführt und dort erneut bestattet. Die Grabstelle ist heute nicht mehr vorhanden.<ref>Johannes Unger: ''„Gnade kann nicht gewährt werden“ – Der Fall Erna Wazinski'', Manuskript der NDR-4-Sendung vom 30. August 1990, S. 20.</ref> == Juristische Nachspiele 1952–1991 == === Wiederaufnahmeverfahren 1952 === Wilhelmine Wazinski, Ernas Mutter, hatte 1946 wieder geheiratet und lebte in [[Hamburg]]. Sie bevollmächtigte ihren Bekannten Otto Block, beim Landgericht Braunschweig die Überprüfung des Sondergerichtsurteils zu erwirken. Am 5.&nbsp;April 1952 wurde der Fall vor der 3.&nbsp;Strafkammer auf Grundlage einer Verordnung aus dem Jahre 1947, nach der NS-Urteile bei grausamen oder übermäßig hohen Strafen auf ein gerechtes Strafmaß gemildert werden sollten, [[Wiederaufnahme des Verfahrens|neu verhandelt]].<ref name="VoegelKramer">Vögel: ''Ein kurzer Lebensweg – Der Fall Erna Wazinski'', zitiert nach Kramer: ''„Die Verordnung gegen Volksschädlinge vom 5.9.1939 war geltendes Gesetz …“'', ''Reader zum Fall Erna Wazinski''.</ref> Während der Verhandlung wurde weder die [[Rechtsstaat]]lichkeit eines NS-Sondergerichts in Frage gestellt noch die Details der Prozessführung gegen Erna Wazinski. Wiederum ohne (vorhandene) Zeugen wie die Mutter oder den ehemaligen Freund Erna Wazinskis zu befragen und allein gestützt auf die Prozessakten des Sondergerichts, wurde das einstige Todesurteil schließlich in eine [[Freiheitsstrafe]] von neun Monaten wegen [[Diebstahl]]s umgewandelt. Das bedeutete, dass Erna Wazinski erneut schuldig gesprochen war, lediglich ihre Strafe – [[postum]] – gemildert wurde. === Versuchtes Wiederaufnahmeverfahren 1959 === 1959 beantragte Block die Aufhebung des Urteils vom 5. April 1952, da sich die Kammer damals die Begründung des Todesurteils von 1944 zu Eigen gemacht habe. Gleichzeitig stellte Block [[Strafantrag|Strafanträge]] gegen die Eigentümerin der angeblich gestohlenen Gegenstände, die 1944 die ''Anzeige gegen Unbekannt'' erstattet und Erna Wazinski als Verdächtige angegeben hatte sowie gegen alle beteiligten Kriminalbeamten, Richter und Staatsanwälte. Die Verfahrenseröffnung wegen [[Aussageerpressung]] und [[Rechtsbeugung]] wurde jedoch vom Oberstaatsanwalt mit dem Hinweis abgelehnt, dass derlei seit dem 7. Mai 1955 [[Verjährung|verjährt]] sei.<ref name="VoegelKramer">Vögel: ''Ein kurzer Lebensweg – Der Fall Erna Wazinski'', zitiert nach Kramer: ''„Die Verordnung gegen Volksschädlinge vom 5.9.1939 war geltendes Gesetz …“'', ''Reader zum Fall Erna Wazinski''.</ref> === Versuchtes Wiederaufnahmeverfahren 1960/61 === Am 1. Dezember 1960 beantragte Block erneut die Wiederaufnahme des Verfahrens. Nach umfangreichen Ermittlungen und Aussagen von Zeugen wurde der Antrag jedoch vom Landgericht mit Beschluss vom 11. Juni 1961 verworfen. Auch die [[Beschwerde (Recht)|Beschwerde]] Blocks wies der Strafsenat des [[Oberlandesgericht Braunschweig|Oberlandesgerichts Braunschweig]] (OLG) am 28. Juni 1962 mit der Begründung zurück, dass das Geständnis Erna Wazinskis gegenüber der Polizei nicht angezweifelt werden dürfe. Eine zweite Beschwerde wurde im Oktober 1962 vom 2. Strafsenat des [[Bundesgerichtshof]]s verworfen.<ref name="Sondergericht240"/> === Wiederaufnahmeverfahren 1964 === 1964 erhob Otto Block Amtshaftungsklage beim Landgericht Braunschweig. Die 3. Zivilkammer betrachtete das Entschädigungsbegehren für gerechtfertigt und erklärte daraufhin am 29. Juli 1964, dass das Todesurteil auch aus Sicht des „nationalsozialistischen Rechts“ ein rechtswidriges [[Justizirrtum|Fehlurteil]] gewesen sei, ''„… eines der grausamsten Urteile […] unverantwortlich und unmenschlich.“''<ref>[http://www.justiz.nrw.de/JM/zeitgeschichte/3publikationen/jur_zeitgeschichte/bandXV/leseprobe.pdf Helmut Kramer: ''Richter vor Gericht. Die juristische Aufarbeitung der Sondergerichtsbarkeit'', S. 134.]</ref> Gegen diesen Beschluss legte das [[Niedersachsen|Land Niedersachsen]] [[Berufung (Recht)|Berufung]] ein, wobei es, nach der Schilderung des ehemaligen Richters am Oberlandesgericht Braunschweig,[[Helmut Kramer]], mit „ungeheurem juristischen Aufwand“ eine Entschädigungsleistung verweigerte und einen [[Vergleich (Recht)|Vergleich]] ablehnte.<ref>Helmut Kramer (Hrsg.): ''Braunschweig unterm Hakenkreuz. Bürgertum, Justiz und Kirche – Eine Vortragsreihe und ihr Echo'', S. 31.</ref> Der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts entschied daraufhin im April 1965, dass für eine Entschädigung eine Wiederaufnahme des Verfahrens notwendig sei. Diese wiederum wurde aber am 7. Oktober 1965 von der 3. Strafkammer des Landgerichts abgelehnt. Damit befand sich Wilhelme Wazinski juristisch betrachtet nach 13 Jahren wieder dort, wo sie mit ihrem Begehren 1952 angefangen hatte. === Rechtfertigung des Todesurteils durch das Landgericht Braunschweig 1965 === Die 3. Strafkammer rechtfertigte das 1944 ergangene Todesurteil (Aktenzeichen 12 AR 99/65 [1 Sond. KLs 231/44]). Grundlage für die 57 Seiten umfassende Entscheidung war der Umstand, dass sich die 3. Strafkammer ausschließlich an der 1944 zum Zeitpunkt der Verurteilung geltenden Gesetzeslage orientierte. Darüber hinaus stellte sie fest, dass die Volksschädlingsverordnung im Jahre 1944 bindendes Recht gewesen sei. In der Urteilsbegründung, die inhaltlich NS-[[Terminologie]] verwendete<ref name="Sondergericht241">Ludewig, Kuessner: ''„Es sei also jeder gewarnt“ – Das Sondergericht Braunschweig 1933–1945'', S. 241.</ref>, wies der berichterstattende Richter [[Henning Piper]] (späterer Richter beim [[Bundesgerichtshof]])<ref name="rehab">[http://www.forumjustizgeschichte.de/Erna-Wazinski-F.90.0.html ''Hingerichtete Frau rehabilitiert'', In: ''Frankfurter Rundschau'' vom 22. März 1991, zitiert nach Forum Justizgeschichte e. V.]</ref> auf folgendes hin: ''„…Inhaltlich konnte die Volksschädlingsverordnung nicht als schlechthin unverbindliches, weil unsittliches, die Richter des Jahres 1944 nicht bindendes Gesetzesrecht angesehen werden. […] So hart der Strafausspruch […] erscheint, hatte das [Sonder]Gericht aus damaliger Schau, […], bei Vorliegen des Plündereitatbestandes keine andere Wahl, als auf die in § 1 Volksschädlingsverordnung ausschließlich vorgesehene Strafe zu erkennen.“''<ref>[http://www.forumjustizgeschichte.de/Erna-Wazinski.201.0.html Auszug aus dem Beschluss des Landgerichts Braunschweig vom 7. Oktober 1965, Aktenzeichen 12 AR 99/65 (1 Sond. KLs 231/44).]</ref> === Versuchtes Wiederaufnahmeverfahren 1966 === Die nachfolgende Beschwerde gegen das Urteil vom 7. Oktober 1965 wurde vom Strafsenat des OLG, dem unter anderen [[Hans Meier-Branecke]] und [[Gerhard Eckels]] angehörten, im Januar 1966 abgewiesen. Auch ein weiterer Wiederaufnahmeantrag vom Sommer 1966 wurde – nachdem er sämtliche [[Instanz (Recht)|Instanzen]] durchlaufen hatte – am 27. Februar 1967 endgültig abgelehnt.<ref name="Sondergericht241"/> Otto Block, der im Auftrag der kränklichen Mutter Erna Wazinskis bis zu diesem Zeitpunkt sämtliche Verfahren betrieben hatte, verzweifelte angesichts der Aussichtslosigkeit seiner Bemühungen und hatte zunehmend Schwierigkeiten zwischen NS- und Nachkriegsrichtern zu unterscheiden, was schließlich zu einer Verurteilung wegen [[Richterbeleidigung]] führte.<ref>Helmut Kramer (Hrsg.): ''Braunschweig unterm Hakenkreuz. Bürgertum, Justiz und Kirche – Eine Vortragsreihe und ihr Echo'', S. 35.</ref> In einem weiteren Strafverfahren gegen Block wegen Verstoßes gegen das [[Rechtsberatungsgesetz|Rechtsberatungsmissbrauchsgesetz]] (vom 13. Dezember 1935) erging zunächst ein rechtskräftiger [[Strafbefehl]], welcher jedoch in der [[Revision (Recht)|Revisionsverhandlung]] wieder verworfen wurde.<ref>FN 22 in: Helmut Kramer (Hrsg.): ''Braunschweig unterm Hakenkreuz. Bürgertum, Justiz und Kirche – Eine Vortragsreihe und ihr Echo'', S. 56.</ref> === „Braunschweig unterm Hakenkreuz“ === Sämtliche [[Rechtsmittel]] schienen ausgeschöpft zu sein und der Fall Erna Wazinski endgültig zu den Akten gelegt. Im Frühjahr 1980 fand jedoch die von Helmut Kramer, Pfarrer Dietrich Kuessner, [[Historiker]] Ernst-August Roloff und anderen organisierte Vortragsreihe „Braunschweig unterm Hakenkreuz“ im [[Städtisches Museum (Braunschweig)|Städtischen Museum]] statt. Ziel der Vorträge und anschließenden Diskussionen war die unbewältigte NS-Vergangenheit in Bürgertum, Justiz und Kirche und deren Nachwirkungen in Braunschweig zu thematisieren. Eines der behandelten Themen war das Schicksal Erna Wazinskis und die juristischen Nachspiele im frühen Nachkriegsdeutschland. Aufgrund des großen Interesses an der Veranstaltung und der kontrovers geführten Diskussionen, veröffentlichte Kramer 1981 die Dokumentation der Vortragsreihe, inkl. Zuschriften, Zeitungsartikeln etc.<ref>Helmut Kramer (Hrsg.): ''Braunschweig unterm Hakenkreuz. Bürgertum, Justiz und Kirche – Eine Vortragsreihe und ihr Echo'', Magni-Buchladen, Braunschweig 1981, ISBN 3-922571-03-4.</ref> Die Dokumentation „Braunschweig unterm Hakenkreuz. Bürgertum, Justiz und Kirche – Eine Vortragsreihe und ihr Echo“ war eine der ersten lokalhistorischen Studien zur NS-Zeit und NS-Justizgeschichte.<ref>[http://www.vdj.de/index.php?id=29,16,0,0,1,0 ''Deutschen Richtertypen den Spiegel vorhalten''], Würdigung Helmut Kramers durch [[Ingo Müller]] anlässlich der Verleihung des [[Hans Litten|Hans-Litten-Preises]] am 26. November 1994.</ref> === Wiederaufnahmeverfahren 1991 === [[Datei:Wazinski Freispruch 1991 Seite 1.jpg|miniatur|1. Seite des Freispruchs vom 19. März 1991 durch das Landgericht Braunschweig.]] Ende der 1980er Jahre [[Recherche|recherchierte]] ein Journalist über den Fall, wozu er den bei der Hinrichtung anwesenden Staatsanwalt Horst Magnus interviewte.<ref name="Unger"/> Die Rechercheergebnisse flossen anschließend in das [[Norddeutscher Rundfunk|NDR-4]]-[[Radio-Feature]] ''„Gnade kann nicht gewährt werden“ – Der Fall Erna Wazinski'' ein, das am 19. Oktober 1989 gesendet wurde. Dadurch, sowie durch die Berichterstattung in der [[Braunschweiger Zeitung]], aufmerksam geworden, meldeten sich verschiedene [[Zeitzeuge]]n, darunter Günter Wiedehöft, der damalige Freund Erna Wazinskis. Erstmals sagte Wiedehöft öffentlich aus, dass er gemeinsam mit Erna Wazinski in den Trümmern des Wohnhauses nach Habseligkeiten gesucht habe und dass Erna Wazinski das Gefundene und Geborgene für ihr Eigentum beziehungsweise das ihrer Mutter gehalten habe. Aufgrund dieser neuen Erkenntnisse beantragte Richter Helmut Kramer erneut ein Wiederaufnahmeverfahren, das am 20. März 1991 mit einem Freispruch endete – allerdings nur aufgrund der neuen Zeugenaussagen, da, so die Argumentation von 1991, dem Sondergericht die jetzt geschilderten Sachverhalte 1944 unbekannt waren. Es kam zu keiner Wertung oder Verurteilung der Arbeit der Juristen des Sondergerichts.<ref>[http://www.justiz.nrw.de/JM/zeitgeschichte/3publikationen/jur_zeitgeschichte/bandXV/leseprobe.pdf Helmut Kramer: ''Richter vor Gericht. Die juristische Aufarbeitung der Sondergerichtsbarkeit'', S. 137.]</ref> == Der Fall Erna Wazinski und die Evangelisch-lutherische Landeskirche Braunschweig == Für die [[Evangelisch-lutherische Landeskirche in Braunschweig]] bekam der Fall Erna Wazinski durch die Aufhebung des gegen sie ergangenen Todesurteils – und die Veröffentlichung des Ergebnisses des Wiederaufnahmeverfahrens – eine besondere Bedeutung, da [[Walter Lerche]], 1944 vorsitzender Richter des Sondergerichts Braunschweig und für das Todesurteil im Fall Wazinski mitverantwortlich, nach seiner 1950 erfolgten [[Entnazifizierung]] zunächst Mitglied des Rechtsausschusses der Landeskirche, 1951 zum [[Oberkirchenrat|Oberlandeskirchenrat]] befördert und später zweiter Präsident der Generalsynode der [[Vereinigte Evangelisch-Lutherische Kirche Deutschlands|Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands]] wurde. Obwohl Lerche – wie die Öffentlichkeit erst Jahrzehnte nach seinem Tod erfuhr – als Richter am Sondergericht nachweislich an 59 Todesurteilen beteiligt war<ref>Ludewig, Kuessner: ''„Es sei also jeder gewarnt“ – Das Sondergericht Braunschweig 1933–1945'', S. 270.</ref>, war es ihm in der Landeskirche gelungen, bis zum hoch geachteten Amt des Präsidenten der Generalsynode aufzusteigen, ohne dass seine Sondergerichtsvergangenheit jemals von der breiten Öffentlichkeit wahrgenommen wurde. Der Vorsitzende Richter der 9. Strafkammer des Oberlandesgerichts Braunschweig, Gerhard Eckels, gleichzeitig Präsident der [[Landessynode]] der Evangelisch-lutherischen Landeskirche in Braunschweig, teilte nach dem Freispruch Wazinskis, den seine Kammer gefällt hatte mit, dass angesichts der bis zu diesem Zeitpunkt nicht bekannten Verstrickungen Lerches in die Braunschweiger Sondergerichtsbarkeit, eine von der Kirchenregierung eingesetzte Historische Kommission unter Leitung des Historikers [[Klaus Erich Pollmann]] die Tätigkeit Lerches am Sondergericht Braunschweig prüfen werde.<ref>Klaus Erich Pollmann (Hrsg.): ''Der Schwierige Weg in die Nachkriegszeit. Die Evangelisch-lutherische Landeskirche in Braunschweig 1945–1950'', S. 9 f.</ref> Wesentliche Frage sollte dabei sein, zu ergründen, wie es möglich war, dass Lerche, der in der Nachkriegszeit von der weiteren Ausübung des Richteramtes suspendiert war<ref>Ludewig, Kuessner: ''„Es sei also jeder gewarnt“ – Das Sondergericht Braunschweig 1933–1945'', S. 271.</ref>, eine so hohe Position in der Landeskirche erreichen konnte.<ref>Klaus Erich Pollmann (Hrsg.): ''Der Schwierige Weg in die Nachkriegszeit. Die Evangelisch-lutherische Landeskirche in Braunschweig 1945–1950'', S. 10.</ref> Erste Ergebnisse der historischen Kommission wurden im Juli 1993 während eines [[Kolloquium]]s zur Diskussion vorgestellt. 1994 erschien der Abschlussbericht unter dem Titel „Der Schwierige Weg in die Nachkriegszeit. Die Evangelisch-lutherische Landeskirche in Braunschweig 1945–1950“.<ref>Klaus Erich Pollmann (Hrsg.): ''Der Schwierige Weg in die Nachkriegszeit. Die Evangelisch-lutherische Landeskirche in Braunschweig 1945–1950'', Vandenhoeck und Ruprecht, Göttingen 1994, ISBN 3-525-55239-4.</ref> Der Fall Erna Wazinski fand im Bericht jedoch nur ganz am Rande Erwähnung, ohne dass auch nur ein Bezug zu Lerche und zu der Tatsache, dass der Fall der Auslöser für die Untersuchung war, angedeutet wurde. Lerches Tätigkeit als Sonderrichter bewertete die Kommission zum einen als „nicht in besonderer Weise negativ …, jedenfalls nicht mehr als alle Richter, die damals nach den Kriegsdienstverordnungen Urteile verhängten …“ Das sei laut Kommissionsbericht „… ein Indiz dafür, daß Lerche nicht als Einzelfall zu betrachten ist, auch wenn die Justiz-Spruchkammer 1946 sich in dieser Weise geäußert hat.“ Zum anderen stellt die Kommission fest: „… unter dem Vorsitz von Dr.&nbsp;Walter Lerche hat das Sondergericht etwa 54 Todesurteile … gefällt – Todesurteile, die größtenteils nach [[rechtsstaat]]lichen Maßstäben als [[Justizmord]]e bezeichnet werden müssen. Die Verantwortung dafür trugen Lerche und die an diesen Prozessen beteiligten Sonderrichter … Das relativiert zwar nicht die Schuld der Sonderrichter, begründet aber eine Mitschuld aller derjenigen Instanzen, die bei der Entstehung und Durchsetzung dieser Verordnung [VVO] beteiligt waren, und aller weiteren, die gegen solche inhumanen Verschärfungen des Strafrechts nicht protestiert haben.“<ref>Klaus Erich Pollmann (Hrsg.): ''Der Schwierige Weg in die Nachkriegszeit. Die Evangelisch-lutherische Landeskirche in Braunschweig 1945–1950'', S. 86 f.</ref> == „Die braunschweigische Johanna. Ein deutsches Requiem“ == Nachdem der Fall Erna Wazinski erstmals 1980 einer breiten Öffentlichkeit durch die Vortragsreihe „Braunschweig unterm Hakenkreuz“ bekannt wurde, wuchs das Interesse an der (lokal-)historischen Aufarbeitung der NS-Zeit und -Justizgeschichte in Braunschweig. Das Wiederaufnahmeverfahren und dessen Begleitumstände sowie die Einsetzung der Historikerkommission bei der Evangelisch-lutherischen Landeskirche in Braunschweig führten schließlich dazu, dass das Schicksal Erna Wazinskis auch von Journalisten, Schriftstellern und Theatermachern aufgegriffen wurde: [[Adam Seide]] verarbeitete ihre Lebensgeschichte in seinem 1986 veröffentlichten Roman „Die braunschweigische Johanna. Ein deutsches Requiem“<ref>Adam Seide: ''Die braunschweigische Johanna. Ein deutsches Requiem.'' Syndikat, Frankfurt am Main 1986, ISBN 3-8108-0243-3, Neuauflage anlässlich der Uraufführung der Theaterfassung im Staatstheater Braunschweig am 20. Nov. 1999: Revonnah, Hannover 1999, ISBN 3-934818-25-0 (2., erweiterte Auflage 2002), siehe auch: [http://www.revonnah.de/seide/johanna/ „Die braunschweigische Johanna. Ein deutsches Requiem“.]</ref> Die Theaterfassung des Werkes wurde am 20. Februar 1999 im [[Staatstheater Braunschweig]] [[Uraufführung|uraufgeführt]]. 1989, zum 45. Todestag Erna Wazinskis, wurde auf NDR-4 das Feature ''„Gnade kann nicht gewährt werden“ – Der Fall Erna Wazinski'' gesendet, das auf den Recherchen eines Journalisten beruht. Im Jahr darauf wurde das Feature in einer aktualisierten Fassung nochmals ausgestrahlt. Auch [[Wolfgang Bittner]] thematisierte den Fall in seinem 1992 erschienenen Roman „Niemandsland“ und erwähnt im Kapitel „Die Justiz ist schwarz“ neben einer detailgenauen Beschreibung des Falles „Erna W.“ auch die Nachkriegskarrieren des in den (realen) Fall verwickelten „[[Walter Lerche|Dr.&nbsp;L.]]“ und des „[[Hans Meier-Branecke|Dr.&nbsp;M.]]“.<ref>[http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=10152 Der Fortsetzungsroman in der NRhZ – Kapitel XIV] in: Neue Rheinische Zeitung (online), Online-Flyer Nr. 62 vom 19. September 2006.</ref> == Literatur == * [[Ernst Klee]]: ''Das Personenlexikon zum Dritten Reich'', Frankfurt a. M. 2003, ISBN 3-10-039309-0. * Wilfried Knauer, Niedersächsisches Justizministerium. In Zusammenarbeit mit der Presse- und Informationsstelle der Niedersächsischen Landesregierung (Hrsg): ''Nationalsozialistische Justiz und Todesstrafe''. Eine Dokumentation zur Gedenkstätte in der Justizvollzugsanstalt Wolfenbüttel. Steinweg, Braunschweig 1991, ISBN 3-925151-47-8. * [[Helmut Kramer]] (Hrsg.): ''Braunschweig unterm Hakenkreuz. Bürgertum, Justiz und Kirche – Eine Vortragsreihe und ihr Echo'', Magni-Buchladen, Braunschweig 1981, ISBN 3-922571-03-4. * Helmut Kramer (Hrsg.): ''„Die Verordnung gegen Volksschädlinge vom 5.9.1939 war geltendes Gesetz …“'', ''Reader zum Fall Erna Wazinski'', ohne Ort und Jahr. * Hans-Ulrich Ludewig, Dietrich Kuessner: ''„Es sei also jeder gewarnt“ – Das Sondergericht Braunschweig 1933–1945'', In: ''Quellen und Forschungen zur Braunschweigischen Landesgeschichte'', Band 36, Selbstverlag des Braunschweigischen Geschichtsvereins, Langenhagen 2000, ISBN 3-928009-17-6. * Niedersächsische Landeszentrale für politische Bildung (Hrsg.): ''Justiz im Nationalsozialismus. Verbrechen im Namen des Volkes''. Katalog zur Ausstellung. Nomos Verlag, Baden-Baden 2002, ISBN 3-7890-81787. * Klaus Erich Pollmann (Hrsg.): ''Der Schwierige Weg in die Nachkriegszeit. Die Evangelisch-lutherische Landeskirche in Braunschweig 1945–1950'', Vandenhoeck und Ruprecht, Göttingen 1994, ISBN 3-525-55239-4 [http://books.google.de/books?id=isrceg7drGEC&dq=pollmann+nachkriegszeit&printsec=frontcover&source=bl&ots=MlY_56yU_G&sig=FChMe0qZ6gGI_3JBybrGvriRZ6w&hl=de&ei=WXT8SrbmLozymwPkrPj2Bg&sa=X&oi=book_result&ct=result&resnum=1&ved=0CAgQ6AEwAA#v=onepage&q=&f=false Online verfügbar]. * Adam Seide:'' Die braunschweigische Johanna. Ein deutsches Requiem.'' Roman. Syndikat, Frankfurt am Main 1986, ISBN 3-8108-0243-3, Neuauflage anlässlich der Uraufführung der Theaterfassung im Staatstheater Braunschweig am 20.11.1999: Revonnah, Hannover 1999, ISBN 3-934818-25-0 (2., erweiterte Auflage: 2002) * Bernhild Vögel: ''Ein kurzer Lebensweg – Der Fall Erna Wazinski''. Arbeitsmaterialien für die Bildungsarbeit mit Begleitheft, hrsg. v. Bildungsvereinigung Arbeit und Leben, Braunschweig 2003. ISBN 3-932082-06-0. == Weblinks == * [http://www.vernetztes-gedaechtnis.de/ernatext1.htm Der Fall Erna Wazinski bei www.vernetztes-gedächtnis.de] * [http://www.forumjustizgeschichte.de/Erna-Wazinski.201.0.html Beschluss des Landgerichts Braunschweig vom 7. Oktober 1965 12 AR 99/65 (1 Sond. KLs 231/44)] * [http://www.forumjustizgeschichte.de/index.php?id=88 ''Erna Wazinski und die „Panzertruppe“ der Justiz''], Artikel in der [[Frankfurter Rundschau]] vom 22. August 1990 * [http://www.forumjustizgeschichte.de/index.php?id=90 ''Freispruch – doch Nazi Urteil ist nicht nichtig''], Artikel in der ''Frankfurter Rundschau'' vom 22. März 1991 * [http://www.justiz.nrw.de/JM/zeitgeschichte/3publikationen/jur_zeitgeschichte/bandXV/leseprobe.pdf Helmut Kramer: ''Richter vor Gericht. Die juristische Aufarbeitung der Sondergerichtsbarkeit''] (pdf-Datei) * [http://www.vdj.de/index.php?id=29,16,0,0,1,0 ''Deutschen Richtertypen den Spiegel vorhalten''], Würdigung Helmut Kramers durch die ''[[Vereinigung Demokratischer Juristinnen und Juristen]] e.V. (VDJ)'' anlässlich der Verleihung des [[Hans Litten|Hans-Litten-Preises]] am 26. November 1994 == Einzelnachweise == <references /> {{Normdaten|PND=120273004}} {{Exzellent|6. Januar 2010|68898929}} {{SORTIERUNG:Wazinski, Erna}} [[Kategorie:NS-Opfer]] [[Kategorie:Deutscher]] [[Kategorie:Braunschweigische Geschichte]] [[Kategorie:Person (Braunschweig)]] [[Kategorie:Geboren 1925]] [[Kategorie:Gestorben 1944]] [[Kategorie:Frau]] {{Personendaten |NAME=Wazinski, Erna |ALTERNATIVNAMEN=Wazinski, Erna Gertrude |KURZBESCHREIBUNG=deutsches NS-Opfer des nationalsozialistischen Sondergerichts Braunschweig |GEBURTSDATUM=7. September 1925 |GEBURTSORT=[[Oberbarnim|Ihlow]] |STERBEDATUM=23. November 1944 |STERBEORT=[[Wolfenbüttel]] }} mhtgre94ivlet7xmkgt05st00o0qbrp wikitext text/x-wiki Webspinnen 0 24485 28352 27087 2011-06-26T17:14:04Z 87.90.98.111 {{Taxobox | Taxon_Name = Webspinnen | Taxon_WissName = Araneae | Taxon_Rang = Ordnung | Taxon_Autor = [[Carl Alexander Clerck|Clerck]], 1757 | Taxon2_Name = Spinnentiere | Taxon2_WissName = Arachnida | Taxon2_Rang = Klasse | Taxon3_Name = Kieferklauenträger | Taxon3_WissName = Chelicerata | Taxon3_Rang = Unterstamm | Taxon4_Name = Gliederfüßer | Taxon4_WissName = Arthropoda | Taxon4_Rang = Stamm | Taxon5_Name = Häutungstiere | Taxon5_WissName = Ecdysozoa | Taxon5_Rang = Überstamm | Taxon6_Name = Urmünder | Taxon6_WissName = Protostomia | Taxon6_Rang = ohne Rang | Bild = Araneus quatratus MHNT.jpg | Bildbeschreibung = [[Vierfleckkreuzspinne]] (''Araneus quadratus'') }} Die '''Webspinnen''' (Araneae), häufig auch als '''echte Spinnen''' oder einfach nur als „Spinnen“ bezeichnet, sind die bekannteste [[Ordnung (Biologie)|Ordnung]] der [[Spinnentiere]] (Arachnida), einer [[Klasse (Biologie)|Klasse]] der [[Gliederfüßer]] (Arthropoda). Bis einschließlich Dezember 2009 wurden 41.253 Arten in 3.777 Gattungen und 109 Familien beschrieben<ref name="Platnickkatalog">[http://research.amnh.org/entomology/spiders/catalog/INTRO1.html Norman I. Platnick, 2009. The World Spider Catalog, Version 10.5. American Museum of Natural History.]</ref>. Sie sind damit nach den [[Milben]] (Acari) die artenreichste Ordnung der Spinnentiere. == Bau der Webspinnen == Webspinnen haben, wie alle Spinnentiere, acht Beine (im Unterschied zu den [[Insekten]] (Insecta), die nur sechs Beine haben). Kopf und Brust sind bei ihnen zu einem Stück, dem so genannten [[Prosoma]] (Cephalothorax) verschmolzen. Darauf folgt der ungegliederte, gestielte und meist deutlich größere Hinterleib, das [[Opisthosoma]] oder Abdomen. Die vorderen Gliedmaßen des Kopfes, die großen Kieferklauen ([[Chelicere]]n), dienen zum Ergreifen der Beutetiere. Sie enden mit einer wie die Klinge eines [[Taschenmesser]]s einklappbaren [[Klaue (Biologie)|Klaue]], an deren Spitze der Ausführungsgang einer [[Giftdrüse]] mündet. Das [[Gift]] fließt in die durch die Klaue geschlagene Wunde und tötet oder betäubt kleinere [[Beutetier]]e fast augenblicklich. Als zweite Kopfextremität folgen die Kiefertaster ([[Pedipalpus|Pedipalpen]]); diese sind mehrgliedrige Taster, beim Weibchen von der Form eines verkürzten Beins, beim Männchen mit aufgetriebenem, als Begattungsorgan dienendem Endglied. Es folgen dann am Prosoma vier Paar Laufbeine. Die Beine bestehen aus je sechs oder sieben Gliedern und sind zusammen mit den [[Trichobothrium|Trichobothrien]] (Becherhaaren) ein wichtiges Sinnesorgan. Die bei den einzelnen [[Gattung (Biologie)|Gattungen]] unterschiedlich langen und verschieden ausgeprägten Beinpaare enden bei den netzbauenden [[Trionycha]] mit zwei kammartig gezahnten Klauen (Tarsalklauen) und einer Mittelklaue am Tarsus, durch die der Faden meist mit den hinteren Beinen geführt wird. „Modernen“ Laufspinnen ([[Dionycha]]) fehlt diese Mittelklaue. An ihre Stelle treten etwa bei den [[Springspinnen]] [[Scopula (Spinne)|Scopulahaare]] in Büscheln, die durch [[Adhäsion]]skräfte selbst auf senkrechten Glasscheiben den Beinen sicheren Halt für einen katapultartigen Absprung geben. Der Hinterleib ist durch einen dünnen Stiel (Petiolus, gebildet aus dem ersten Hinterleibssegment) mit dem Prosoma verbunden. Er trägt keine Beine. An der Bauchseite des Opisthosomas liegt die Geschlechtsöffnung, und seitlich von dieser befinden sich die beiden [[Stigma (Zoologie)|Stigmen]] (Spaltöffnungen) der so genannten Lungensäckchen, öfters auch noch ein zweites Stigmenpaar. Den [[Anus|After]] umgeben am Ende des Hinterleibs vier oder sechs [[Spinnwarze]]n, aus denen die Absonderungen der [[Spinndrüse]]n hervortreten. Letztere sind birnenförmige, zylindrische oder gelappte Schläuche. Ihr [[Protein|proteinhaltiges]] [[Sekret]] gelangt durch Hunderte feiner Röhrchen nach außen, erhärtet an der Luft schnell zu einem Spinnfaden und wird unter Mithilfe der Fußklauen und manchmal der Spinnspulen zu einem Netz oder Gespinst verwebt. === Sinnesorgane === [[Datei:Cheiracanthium mildei male.jpg|thumb|Mildes Dornfingerspinne (''[[Cheiracanthium mildei]]'') Kopf und Vorderkörper mit den Punktaugen, [[Pedipalpus]] und [[Chelicere|Kieferklauen]]]] [[Datei:IMM027.JPG|thumb|Eichblatt-Radnetzspinne]] [[Datei:2007-07-13-Spinne.jpg|thumb|''[[Larinioides|Larinioides spec.]]'' im Netz]] Das [[Nervensystem]] besteht aus dem [[Gehirn]] und einer Brustganglienmasse. Hinter dem Stirnrand stehen acht [[Punktauge]]n in einer nach den Gattungen und [[Art (Biologie)|Arten]] verschiedenen Anordnung. Die Haupt[[auge]]n (das Paar der vorderen Mittelaugen, VMA) mit starrem Glaskörper befinden sich auf der Oberseite des Prosoma. Die [[Netzhaut]] der vorderen Mittelaugen ist durch ein bis sechs Muskeln seitlich verschiebbar, so dass das Gesichtsfeld erweitert wird. Eine [[Akkommodation (Auge)|Akkommodation]] findet nicht statt. Die VMA sind relativ gleichförmig gebaut. Sie verfügen wie etwa bei den [[Trichterspinnen]] über nur wenige bis hin zu vielen Sehzellen bei [[Springspinnen]] und [[Krabbenspinnen]]. Den sechsäugigen Spinnen (Dysderidae, Sicariidae, Oonopidae) fehlen die VMA. Die drei Paar kleineren Nebenaugen (vordere Seitenaugen (VSA), hintere Seitenaugen (HSA) und hintere Mittelaugen (HMA)) sind wie bei den Säugetieren inverse Augen, die über ein [[Tapetum lucidum|Tapetum]] verfügen und daher das Licht reflektieren. Der Aufbau der Augen variiert bei den Familien. Springspinnen und [[Luchsspinnen]] haben kein Tapetum. Die Anatomie der Nebenaugen wurde daher auch von [[Heinrich Homann (Zoologe)|Homann]] zur systematischen Unterscheidung herangezogen. Spinnen haben durch die Augenanordnung ein weites Gesichtsfeld. Trotzdem sind nur wenige Familien wie zum Beispiel die Springspinnen zum Formensehen befähigt. Wahrscheinlich können sie farbig sehen, und [[Ultraviolett]]<nowiki></nowiki>-Rezeptoren sind, wie bei anderen Gliederfüßern auch, vorhanden. Zu den Sinnesorganen gehört das [[Spaltsinnesorgan|lyriforme Organ]] zur Erkennung von Vibrationen. Das Organ findet sich an den Spinnenbeinen und besteht aus mehreren parallelen und unterschiedlich langen Spalten in der Exokutikula und sind meist in Gelenknähe platziert. Jeder Spalt endet in eine zylindrische Vertiefung, dem Kopplungszylinder, über den mittels eines [[Dendrit (Biologie)|Dendriten]] eine Sinneszelle gekoppelt wird. Spinnen können über das lyriforme Organ Netz- und Bodenvibrationen wahrnehmen und sie dienen wenigstens bei einigen Arten als [[Propriozeption|Propriorezeptoren]] und somit der Orientierung. Obwohl mit den lyraformen Organen auch [[Schall]] wahrgenommen wird, sind die [[Trichobothrium|Becherhaare]] (Trichobothrien) für die [[akustische Wahrnehmung]] wichtiger. Das Frequenzoptimum liegt bei 300 bis 700&nbsp;Hz, bei Luftschwingungen zwischen 100 und 2.500&nbsp;Hz. Die Vibrationen oder Schallkräfte verengen die Spalten und lösen so einen Reiz auf die Dendritenspitze aus. Schallwellen versetzen die Becherhaare in Schwingung, die auf dendritische Endigungen übertragen werden. Die Bewegungen des Haares werden mit Sinneszellen wahrgenommen, die auf drei verschiedene Auslenkungsrichtungen ansprechen. === Verdauung und Atmung === Der [[Darm]]kanal läuft relativ geradlinig vom [[Mund]] zum [[Anus|After]]. Er ist in die [[Speiseröhre]], den [[Magen]] mit fünf Paar Blindschläuchen und den Darm untergliedert. In den Darm münden die Lebergänge und zwei verästelte Harnkanäle. Der Lebersaft wirkt ähnlich dem der Bauchspeicheldrüse der höheren [[Wirbeltiere]]. Die Atmungsorgane sind meist eigentümliche so genannte Fächertracheen oder [[Buchlunge]]n, auch Lungensäckchen genannt. Aber es finden sich außerdem auch noch gewöhnliche [[Trachee (Wirbellose)|Tracheen]], in welche die Luft durch Luftlöcher (Stigmen) eintritt. Das [[Herz]] ist ein pulsierendes, im Hinterleib gelegenes Rückengefäß ([[Arterie]]). Es besitzt seitliche Spaltöffnungen (Ostien), welche zum Eintritt des Bluts dienen. Bei Kontraktion des Herzens wird das Blut in die Arterie gepresst, während sich die seitlichen Spaltöffnungen wie Ventile schließen. Das [[Blut]] fließt durch [[Arterie]]n zu den Gliedmaßen und zum Kopf, umspült zurückkehrend die Lungensäckchen und tritt durch die seitliche Spaltöffnungen in das Rückengefäß zurück. Es handelt sich also um einen [[Blutkreislauf#Formen|offenen Blutkreislauf]]. == Fortpflanzung und Entwicklung == [[Datei:Spinne_mit_Brut.jpg|thumb|[[Zitterspinnen|Zitterspinne]] (''Pholcus'' sp.) mit Eikokon]] [[Datei:Spinnennest.jpg|thumb|geschlüpfte Jungspinnen]] [[Datei:Spinnennest2.jpg|thumb|ein weiteres Spinnennest]] Die Männchen, oft durch äußere Merkmale erkennbar und meist kleiner als die Weibchen, haben einen Hinterleib von geringerem Umfang als die Weibchen und besitzen paarige [[Hoden]]schläuche, aber in der Regel keine [[Penis]]struktur, so dass mitunter so entfernt gelegene Gliedmaßen wie die Kiefertaster als sekundäre Begattungsorgane die Übertragung der [[Spermium|Spermien]] auf das Weibchen übernehmen. Das verdickte Endglied der Kiefertaster ist dazu löffelförmig ausgehöhlt und enthält einen spiralig gebogenen Faden nebst hervorstreckbaren Anhängen. Bei der [[Begattung]] füllt das Männchen dieses Glied mit Spermien und führt es in die weibliche Geschlechtsöffnung ein, wo sich ein besonderes Behältnis zur Aufbewahrung der Spermien (die Samentasche) befindet. Die Weibchen besitzen unpaare oder paarige [[Eierstock|Eierstöcke]], deren [[Eileiter]] meist gemeinschaftlich am Anfang des Hinterleibs ausmünden. Bei Webspinnen ist das Verhalten des männlichen Tieres wichtig für eine erfolgreiche Befruchtung: Wenn das Männchen nicht das artspezifische Ritual einhält, kann es vom Weibchen nicht als Geschlechtspartner erkannt werden und wird nicht selten Opfer desselben ([[Kannibalismus]]). Alle Webspinnen legen [[Ei (Biologie)|Eier]]. Die [[Embryonalentwicklung|Entwicklung]] im Ei ist insofern interessant, als der [[Embryo]] eine Zeit lang einen deutlich aus zehn bis zwölf Segmenten bestehenden Hinterleib besitzt, an dem sich auch die Anlagen von Gliedmaßen zeigen, die aber im weiteren Verlauf samt der Gliederung wieder verschwinden. Die Weibchen tragen die Jungen häufig bis zu ihrem Ausschlüpfen in einem Eikokon mit sich herum. Die ausschlüpfenden Jungen erfahren keine [[Metamorphose (Zoologie)|Metamorphose]]; haben also meist schon die Form der ausgewachsenen Tiere, bleiben aber bis nach der ersten Häutung im Gespinst der Eihüllen. Junge Webspinnen verschiedener Arten erzeugen im Herbst lange Fäden (''siehe'' [[Altweibersommer]]), mittels welcher sie sich hoch in die Luft erheben, um sich an andere Orte tragen zu lassen. Die Lebensdauer der Webspinnen ist nicht wie bei den [[Insekten]] beschränkt; auch geschlechtsreife Tiere häuten sich in bestimmten Zeiträumen je nach Nahrungsangebot. Die Weibchen einiger Arten sind mehrjährig fortpflanzungsfähig. Manche können monatelang ohne Nahrung existieren. Ihre [[Regeneration (Biologie)|Regenerationsfähigkeit]] ist enorm. Verlorene Gliedmaßen können bei frühen Häutungen (nicht mehr bei der Reifehäutung) ersetzt werden. === Wachstum und Häutung === Wie bei allen [[Gliederfüßer]]n ist das Körperwachstum durch das feste [[Exoskelett]] (Außenskelett) nur im sehr beschränkten Maße möglich. Bei Webspinnen kann sich das weichhäutige Abdomen ausdehnen. Extremitäten und Prosoma jedoch sind von einer harten [[Cuticula|Exocuticula]] umgeben, so dass sie nur durch eine [[Häutung]] wachsen können. Die Anzahl der bis zur Reife benötigten Häutungen ist abhängig von der Größe der Spinnen; kleinere Arten benötigen nur fünf, größere bis zu 10 Häutungen. Manche [[Vogelspinnenartige|Vogelspinnen]] häuten sich auch noch nach der Geschlechtsreife. In den frühen Nymphenstadien ist die Zeit zwischen den Häutungen sehr kurz. Die Frequenz der Häutungen nimmt mit zunehmenden Alter ab und ist vom Nahrungsangebot (Schnelligkeit des Wachstums) abhängig. [[Tegenaria]]-Arten zum Beispiel verdoppeln etwa ihr Gewicht bei jeder Häutung. Die Häutung kündigt sich durch den Rückzug der Spinne in ihren Schlupfwinkel und Nahrungsverweigerung an. Die Beine werden dunkler, und der zurückweichende Abdomen lässt den [[Petiolus]] sichtbar werden. Die neue Cuticula liegt dabei schon eingefaltet unter der alten. Haar und Borsten können komplett oder teilweise mit erneuert werden. Die meisten netzbauenden Spinnen lassen sich zur Häutung mit den Hinterbeinen am [[Spinnennetz|Häutungsfaden]] herunterhängen. Vogelspinnen legen sich auf den Rücken. In der erste Phase klappt der Rückenschild wie ein Deckel ab. Hierbei beschleunigt sich der Herzschlag, und [[Hämolymphe]] wird durch das Herz, aber auch durch Kontraktionen der dorso-ventralen Hinterleibsmuskeln, in den Vorderkörper gepumpt, bis das Gewicht desselben sich verdoppelt hat und der Druck auf 200 mbar (150 mmHg) gestiegen ist. Zwar widersteht die Cuticula dem fünfachen dieses Drucks, aber das Exoskelett wurde bereits durch den Abbau von innen geschwächt. Der Hinterleib schrumpft mit der alten Hülle dabei erheblich und sieht runzlig aus. Schließlich platzt die alte Hülle des Vorderkörpers an den seitlichen Rändern auf. Danach wird der Hinterleib befreit. Die Risse des abgeplatzten Rückenpanzers erreichen auch den Hinterleib. Der Hinterleib kontrahiert sich wellenförmig, und wird herausgezogen. Kurz zuvor heften die Spinnwarzen einen weiteren Faden an die alte Hülle, so dass sich die Spinne aus der alten Haut abseilen kann. Gleichzeitig mit dem Abseilen aus der alten Haut werden die Extremitäten herausgezogen. Dies ist der schwierigste Teil des Vorgangs, und hier können die schwerwiegendsten Komplikationen auftreten. Kann die Spinne ihre Beine nicht aus der [[Exuvie]] ziehen, stirbt sie. Nützlich ist dabei, dass die neue Cuticula noch nicht ausgehärtet ist, und damit leichter durch Engstellen wie [[Tibia (Gliederfüßer)|Tibia]] gleitet (besonders wichtig bei den männlichen [[Bulbus|Bulben]], den Palpentarsi). Steigender Hämolymphdruck kann auch ein Ausquellen hervorrufen. Nach unten gerichtete Borsten verhindern ein zurückgleiten der Beine. Bereits gehäutete Beine bilden ein Widerlager, um die restlichen Beine mit sehr großer Kraftanstrengung aus der alten Hülle zu ziehen. Die Reihenfolge kann artspezifisch sein. Zum Schluss hängt eine frische Spinne schlaff an der alten Haut. Darauf hin beginnt sie mit einer [[Gymnastik]], um während der Aushärtung die Gelenke beweglich zu halten. Der Häutungsvorgang kann von zehn Minuten bei kleinen Spinnen bis zu mehreren Stunden bei Vogelspinnen dauern. Nach der Gymnastik folgt häufig eine Körperreinigung, bei denen die Laufbeine und Palpen durch die Cheliceren und Mundöffnung gezogen und aneinander gerieben werden. == Lebensweise der Webspinnen == [[Datei:Kreuzspinne_fliege.jpg|thumb|Eine Kreuzspinne spinnt ihre Beute ein]] Webspinnen leben überwiegend [[Beutegreifer|räuberisch]] und ernähren sich meist von erbeuteten anderen [[Gliedertiere]]n, besonders [[Insekten]], die sie aussaugen. Hierzu werden die Beutetiere zunächst mit einem enzymhaltigen Verdauungssaft aufgelöst, welchen die Spinne in ihr mit den Kieferklauen getötetes Opfer einbringt (''siehe'' [[extraintestinale Verdauung]]). Viele Arten bauen [[Spinnennetz|Netze]], um ihre Beute zu fangen. Die Gespinste weichen bei den verschiedenen Gattungen im Aussehen stark voneinander ab. Oft halten sich die Spinnen in der Nähe der Netze in röhren- oder trichterartigen Verstecken auf. Es gibt aber auch viele Arten, die vagabundieren und ihre Beute im Lauf oder Sprung überfallen. Fast alle Webspinnen sind Landtiere. Sie sind über den ganzen Erdkreis verbreitet, doch finden sich in den heißeren Zonen die meisten und größten Arten. Die einzige Spinnenart, welche im Wasser lebt, ist die [[Wasserspinne]] (''Argyroneta aquatica''). Allerdings gibt es eine Reihe von Arten, die auf der Wasseroberfläche jagen. == Feinde == [[Datei:Spinne als Beute.jpg|thumb|Wegwespe mit erbeuteter Spinne]] Als Fressfeinde von Spinnen spielen unter den [[Wirbeltiere]]n vor allem Vögel eine wichtige Rolle. Amphibien, Reptilien (Geckos, Leguane, Salamander etc.) und Fledermäuse erbeuten seltener Spinnen. Weitere wichtige Fressfeinde sind andere Spinnen, so z. B. die [[Mimetidae]], die sich ausschließlich von Spinnen ernähren. Manche [[Insekten]] wie zum Beispiel einige tropische [[Libellen]] und verschiedene [[Ameisen]] fressen Spinnen. Alle [[Wegwespen]] (Pompilidae) und einige [[Grabwespen]] fangen Spinnen für ihren Nachwuchs. Sie erbeuten eine Spinne, die sie mit ihrem Giftstachel betäuben, und bringen sie dann in ihr Nest ein, wo die Wespenlarve die Spinne auffrisst. Einige [[Schlupfwespen]] legen ihre Eier in lebende, häufig vorher betäubte Spinnenkörper, die sich entwickelnden [[Larve]]n leben dann als [[Parasitoid]]e in diesen Wirten. Auch die [[Kugelfliegen]] entwickeln sich auf diese Weise in Spinnen. Hinzu kommen verschiedene [[Parasit]]en wie etwa [[Fadenwürmer]] und [[Milben]]. == Systematik und [[Evolution]] der Webspinnen == Die weltweit rund 40.000 Arten der Webspinnen werden aktuell in etwa 110 [[Familie (Biologie)|Familien]] aufgeteilt. In [[Mitteleuropa]] sind 43 Familien der [[Echte Webspinnen|echten Webspinnen]] und eine Familie der [[Vogelspinnenartige]]n, nämlich 3 Arten der [[Tapezierspinnen]] (Atypidae), heimisch.<ref>[http://www.arages.de/checklist.html#2004_Araneae Die Checklisten der Spinnentiere der AraGes]</ref> {| class="prettytable" ! !align="right"|Anzahl Familien !align="right"|Anzahl Arten |- |Belgien || align="right"|38 ||align="right"| 701 |- |Niederlande ||align="right"| 40 ||align="right"| 621 |- |Deutschland ||align="right"| 38 || align="right"|1.004 |- |Schweiz ||align="right"| 41 ||align="right"| 945 |- |Österreich || align="right"|40 ||align="right"| 984 |- |Tschechien || align="right"|38 || align="right"|841 |- |Schweden || align="right"|38 || align="right"|906 |- |Polen || align="right"|37 ||align="right"| 792 |- |''Mitteleuropa gesamt'' || align="right"|'''43''' ||align="right"| '''1.313''' |- |'''weltweit''' || align="right"| '''''110''''' ||align="right"| '''''38.998''''' |} Die systematische Einteilung erfolgt unter anderem aufgrund der Form und Größe der Spinndrüsen, der Anordnung der Augen, dem Bau der Cheliceren und der Pedipalpen sowie dem Vorhandensein eines [[Cribellum]]; in neuere Zeit aber immer häufiger aufgrund genetischer Analysen. Auf diese Weise ergeben sich drei als Unterordnungen eingestufte Gruppen: '''Webspinnen (Araneae)''' | | |--[[Gliederspinnen]] (Mesothelae) |--| |--Opisthothelae--| |--[[Vogelspinnenartige]] (Mygalomorphae) ca. 2500 Arten | |--[[Echte Webspinnen]] (Araneomorphae) ca. 36.000 Arten Die [[Gliederspinnen]] weisen als älteste Webspinnen noch eine deutliche [[Segmente|Segmentierung]] auf, die auf die Körpergliederung ihrer (marinen) Vorfahren, den [[Seeskorpione]]n (Eurypteriden), zurückgeht. Im Laufe der Entwicklung verschmolzen die sechs Extremitäten tragenden Segmente bereits im [[Devon (Geologie)|Devon]] zum [[Prosoma]] (Vorderkörper); das siebte wurde zum Petiolus, um die Beweglichkeit zu steigern. Die Spinnentiere waren unter den ersten Gliederfüßern an Land. Das sackförmige [[Opisthosoma]] (Hinterleib) der Webspinnen bildete sich aus den übrigen Segmenten, wie anhand ihrer Embryonalentwicklung zu sehen ist. Das zweite Segment trägt die Epigastralfurche (Geschlechtsöffnung). Zwischen dem zweiten und dritten Sternit befindet sich die Atemöffnungen zur [[Buchlunge]]. Die hypothetische Urform besaß vier Paar aktive Spinnwarzen, die sich aus den Segmenten zehn und elf (je Segment zwei Paar) auf der Ventralseite (Bauchseite) aus Extremitäten bildeten. Die Gliederspinne ''[[Liphistius]]'' besitzt noch vier Paare, das innere Paar am zehnten Segment ist aber bereits funktionslos. Die drei Paar Spinnwarzen liegen daher bei der Gliederspinne noch weit vorne. Die folgenden [[Sternum|Sternite]] sind noch nicht klar abgegrenzt, das 17 Körpersegment wurde zur Afteröffnung (Kloake). [[Datei:Marpissa_muscosa_front_(aka).jpg|thumb|Die [[Rindenspringspinne]] ''Marpissa muscosa'' ist ein Vertreter moderner Spinnen]] Die äußerliche Segmentierung spiegelt sich bei den Gliederspinnen noch in der inneren Organisation wider. Die Abdominalmuskulatur verbindet die Segmente jeweils zwischen den Sterniten und Tergiten und die dorso-ventrale Muskulatur verläuft von Tergit zu Sternit. Das [[Herz]] ist ebenfalls segmental gegliedert. Die Segmentierung geht bei der weiteren Entwicklung bis zum [[Karbon (Geologie)|Karbon]] fast vollständig verloren und lässt sich bei den Vogelspinnenartigen und bei den Echten Webspinnen nur noch ansatzweise erkennen, zum Beispiel an Sterniten, Reliefierung und Musterung des Hinterleibes. Die [[Cuticula]] gleicht weitgehend der der Insekten. [[Fossilien|Fossile]] Arten finden sich zum Beispiel in [[Bernstein]] eingeschlossen. Durch eine starke Streckung des dritten Sternits und eine Verkürzung der Tergite 13 bis 17 wanderten die Spinnwarzen nach hinten, wo sie bis heute bei den Mygalomorphen und Araneomorphen direkt unter der Kloake liegen. Zwischen dem dritten und vierten Sternit liegt direkt vor den Spinnwarzen, zusätzlich zu der nach außen gewanderten Atemöffnung der Buchlunge zwischen dem zweiten und dritten Hinterleibsternit, eine weitere Atemöffnung zum [[Trachee (Wirbellose)|Röhren-Tracheensystem]]. Die Geschlechtsöffnung wanderte ebenso an eine günstigere Stelle auf der Bauchseite nach hinten. Beide Unterordnungen verfügen über ein [[Endoskelett]], an dem die Saugmagenmuskulatur ansetzt. Im Laufe dieser Entwicklung entwickelten sich aus der hypothetischen Urform die Mygalomorphae mit meist drei Paar Spinnwarzen. Bei Angehörigen der [[Tapezierspinnen]] (Atypidae) sind drei Paar Spinnwarzen nur im Juvenilstadium aktiv, bei adulten Tieren bleibt das dritte Paar passiv. Bei anderen Vogelspinnenartigen sind nur noch die zwei Paare des elften Segmentes vorhanden. Das vierte Paar bildet sich bei den Echten Webspinnen teilweise zu weiteren Organen um. Bei den [[Cribellate Spinnen|Cribellaten Spinnen]] bildete sich diese Paar zum ''[[Cribellum]]'', auf denen die Spinnspulen im Ruhezustand eingeklappt sitzen. Das homologe Organ bei einigen [[Ecribellate Spinnen|Ecribellaten]] ist der ''Colulus'' (ein Hügel mit unklarer Funktion, vermutlich funktionslos<!--Information stammt von 1967, sorry-->); bei anderen Ecribellaten fehlt dieses vierte Paar. Ferner unterscheiden sich die Vogelspinnenartigen durch die Stellung der Kieferklauen; wegen dieser auffälligen Unterscheidung war dies früher namensgebend für die Unterordnungen. Bei den Echten Webspinnen arbeiten sie gegeneinander und sind auch als multifunktionales Werkzeug einsetzbar. Im Gegensatz dazu klappen die kräftigeren Cheliceren der Vogelspinnenartigen wie ein Taschenmesser auf das Kiefergrundglied. == Spinnen und Menschen == === Spinnen als Ekeltier, Delikatesse oder Gottheit === In den Gesellschaften der westlichen Industrieländer herrscht eine irrationale Abneigung gegen diese Tiergruppe vor, die bis zur krankhaften [[Arachnophobie]] gehen kann, obwohl hier, mit Ausnahme von Australien, kaum [[Humanpathogen|humanpathogene]] Spinnen vorkommen. Unter den rund 40.000 Arten sind weniger als ein dutzend Arten für den Menschen gefährlich; wobei diese „Gefährlichkeit“ nur in den seltensten Fällen ernsthafte Folgen hat. Hingegen werden sie in anderen Gesellschaften, in deren Umwelt gefährliche Spinnen häufiger sind, toleriert, als Delikatesse verspeist oder gar als Gottheit verehrt. In Kambodscha werden Vogelspinnen gesammelt. Ihnen werden die Kieferklauen herausgerissen, danach werden sie bei lebendigem Leibe frittiert und in den Städten frisch verkauft. In vielen Kulturen Asiens werden Spinnen in der Nähe des Menschen toleriert, da sie nützliche Insektenvertilger sind. In Westafrika wird ''die Spinne [[Anansi]]'' als hohe [[Gott]]heit verehrt. Anansi gilt hier als Urheber des Wissens und der Klugheit, Erfinder des Ackerbaus, Regen- und Wettergott. In Japan gibt es die Sage um die Riesenspinne [[Tsuchigumo]]. === Gefährliche Spinnen === Unterschieden werden muss zwischen neural wirkenden (''Neurotoxinen'') und nekrotisch, also zellzersetzend wirkenden Giften. Das Gift der in Amerika und Afrika beheimateten ''Loxosceles''-Arten wirkt zusätzlich [[Hämolyse|hämolytisch]]. Dabei sind die meisten Gifte der Spinnen nicht zum Töten gedacht, sondern zum Betäuben, um die Beute lebend als Vorrat zu konservieren. Erst der Verzehr oder ein Tötungsbiss tötet die Beute. Nur wenige in Mitteleuropa beheimatete Spinnen sind aufgrund ihrer Größe überhaupt in der Lage, die menschliche Haut zu durchdringen. Die durch die Öffnung der Cheliceren injizierte Dosis an Gift ist minimal, auch wenn die Gifte hochwirksam sind. Insgesamt ist die Wahrscheinlichkeit, von einer Spinne gebissen zu werden, verschwindend gering, denn Spinnen ergreifen zunächst die Flucht und stellen sich tot ([[Schreckstarre]]). Die einzige mitteleuropäische Spinne, deren Biss eine gewisse medizinische Relevanz hat, ist der nur regional verbreitete [[Ammen-Dornfinger]] (''Cheiracanthium punctorium''). Der Biss ist in erster Linie recht schmerzhaft. In seltenen Fällen wurde von Übelkeit, Kopfschmerzen und Erbrechen berichtet, seltener auch von Fieber und Schüttelfrost. Die Symptome klingen nach etwa drei Tagen ab. Die Bissstelle kann aber noch längere Zeit geschwollen oder gerötet sein. Die in Amerika gefürchtete und dort eingeschleppte [[Feldwinkelspinne]] (''Tegenaria agrestis'') bringt es immerhin auf leichte lokale Symptome wie Taubheitsgefühl, die nach kurzer Zeit wieder verschwinden und nur Allergikern Unannehmlichkeiten bereiten. Die Feldwinkelspinne ist in Mitteleuropa verbreitet, aber nicht sehr häufig, Bissunfälle wurden aus Europa bislang nicht bekannt. Große Exemplare der [[Kreuzspinne]] (''Araneus diadematus'') bringen es immerhin bis zu einem folgenlosen, manchmal schmerzhaften Zwicken, das nur in größter Not angewendet wird und sehr selten ist. Ähnlich wirkt das Gift der [[Wasserspinne]] (''Argyroneta aquatica''), die allerdings aufgrund ihrer Lebensweise mit dem Menschen kaum in Berührung kommen wird. Ein europäischer Vertreter der [[Latrodectus|Schwarzen Witwen]] ist die in den Mittelmeerländern vorkommende ''Latrodectus tredecimguttatus''. Die auch irreführend und falsch „Malmignatte“ genannte Spinne baute ihr Netz früher oft unter Toilettendeckeln einfacher [[Latrine]]n aufgrund des hohen Insektenaufkommens, das sich dort einstellte; bei der Latrinenbenutzung ist es gelegentlich zu Giftbissen gekommen. Einige Vertreter der Gattung [[Echte Witwen]] (''Latrodectus'') wie beispielsweise die in Nord- und Südamerika beheimatete „Schwarze Witwe“ (''L. mactans'') oder die australische [[Red Back Spider]] (''L. hasselti'') besitzen starke Gifte, so dass deren Biss für kranke Menschen, zum Beispiel für Allergiker, lebensgefährlich werden kann. Vom eigentlichen Biss einer Schwarzen Witwe ist zunächst nichts zu spüren, daher bleibt der Biss oft unbemerkt. Selbst Bisse der in Australien in der Region um Sydney beheimateten ''[[Atrax robustus]]'' verlaufen meist glimpflich. Da diese Art ein ausgesprochener Kulturfolger ist, kommt es häufig zu Begegnungen mit ihr. Trotzdem wurden seit 1927 nur 13 Todesopfer gezählt. Früher kam es bei der Einfuhr von Südfrüchten auch gelegentlich zu Bissunfällen durch Bananenspinnen ([[Phoneutria|''Phoneutria'' spp.]]). Nachdem in den 1980er und 1990er Jahren die kaum Einschleppereignisse dokumentiert werden konnten, sind diese zu Anfang des 21. Jahrhunderts wieder angestiegen. So wurden beispielsweise erst 2009 wieder eine mit einer Bananenkiste eingeschleppte ''Phoneutria boliviensis'' in Hessen entdeckt.<ref>Peter Jäger, Theo Blick (2009): Zur Identifikation einer nach Deutschland eingeschleppten Kammspinnenart. ''Arachnologische Mitteilungen'' 38:33-36.</ref> ''Phoneutria keyserlingi'' und ''[[Brasilianische Wanderspinne|Phoneutria nigriventer]]'' aus der Familie der südamerikanischen Kammspinnen besitzen das Neurotoxin mit der höchsten Letalität. Der lebensgefährliche Biss dieser zum Teil ungewöhnlich aggressiven Spinnen muss stets mit einem Antiserum behandelt werden. Größtenteils ungefährlich sind die gemeinhin gefürchteten [[Vogelspinnen]]. Nur wenige Arten (z. B. ''Poecilotheria'' spp.) sind in der Lage, eine für gesunde Menschen stärkere Giftwirkung mit Schüttelfrost, Lähmungen und Krämpfen auszulösen. Allergiker müssen sich allerdings auch vor harmloseren Vogelspinnen in Acht nehmen, deren Bisswirkung oft mit einem Bienenstich verglichen wird. Der primäre Schmerz selbst, welcher durch den reinen Biss entsteht, ist allerdings nicht zu unterschätzen, da die Beißwerkzeuge ([[Chelicere]]n) von großen Arten wie ''[[Theraphosa blondi]]'' eine Länge bis zu 2,5 cm erreichen können. Neuweltliche Arten der Unterfamilien Theraphosinae und Aviculariinae besitzen [[Brennhaar#Brennhaare bei Spinnen|Brennhaare]], die sie zum Teil auf Aggressoren schleudern können. Diese speziellen Haare, die mit Widerhaken versehen sind und sich in Augen und Schleimhäuten festsetzen können, werden nur bei neuweltlichen Gattungen wie beispielsweise ''[[Brachypelma]]'', ''[[Theraphosa]]'' und ''[[Avicularia]]'' durch das sogenannten Bombardieren verteilt. Hierbei streift die Spinne mit ihrem letzten Beinpaar in schnellen ruckartigen Bewegungen über ihren Hinterleib ([[Opisthosoma]]) und „bürstet“ die leicht abbrechenden Haare dem potentiellen Angreifer entgegen. (BERTANI et al. 2003) Diese Brennhaare führen zu starken Reizungen und allergischen Reaktionen. ''Siehe auch:'' [[Arachnologie]], [[Spinne des Jahres]] == Literatur == * Peter Ax: ''Das System der Metazoa. Ein Lehrbuch der phylogenetischen Systematik.'' Bd 2. Gustav Fischer, Stuttgart 2001. ISBN 3-8274-1179-3 * Heiko Bellmann: ''Spinnen, beobachten – bestimmen.'' Naturbuch, Augsburg 1992. ISBN 3-894-40064-1 * Heiko Bellmann: ''Kosmos-Atlas der Spinnentiere Europas.'' Kosmos, Stuttgart 2006. ISBN 3-440-10746-9 * Richard C. Brusca, G. J. Brusca: ''Invertebrates.'' Kap. 19. Sinauer, Sunderland Mass 1990, S. 661 (2.Aufl.). ISBN 0-87893-097-3 * Rainer F. Foelix: ''Biologie der Spinnen.'' Thieme, Stuttgart 1992. ISBN 3-13-575802-8 * Stefan Heimer, W. Nentwig: ''Spinnen Mitteleuropas''. Parey, Hamburg-Berlin 1991. ISBN 3-489-53534-0 * Dick Jones: ''Der Kosmos-Spinnenführer.'' Franckh-Kosmos, Stuttgart 1996. ISBN 3-440-06141-8 * Ernst Kullmann, Horst Stern: ''Leben am seidenen Faden''. Franckh-Kosmos, Stuttgart 1981, 1996. ISBN 3-570-00597-6 * Peter Klaas: ''Vogelspinnen im Terrarium. Lebensweise, Haltung und Zucht.'' Ulmer, 2003. ISBN 3-8001-7933-4 * [[Gerhard Neuweiler]], G. Heldmaier: ''Vergleichende Tierphysiologie.'' Bd 1. Neuro- und Sinnesphysiologie. Springer, Berlin 2003, S.164. ISBN 3-540-44283-9 * Rainar Nitzsche: ''Spinnen-Spiegelungen in Menschen-Augen.'' Nitzsche, Kaiserslautern 2004, 2005. ISBN 978-3-930304-65-3 * Franz Renner: ''Spinnen ungeheuer - sympathisch.'' Nitzsche, Kaiserslautern 1990, 2001. ISBN 978-3-980210201 * Michael J. Roberts: ''Field Guide. Spiders of Britain and Northern Europe.'' Harper Collins, London 1995. ISBN 0-00-219981-5 * Edward E. Ruppert, R. S. Fox, R. P. Barnes: ''Invertebrate Zoology - A functional evolutionary approach.'' Kap. 18. Brooks/Cole, Southbank 2004, S.571 (7.Aufl.). ISBN 0-03-025982-7 * Günter Schmidt: ''Giftige und gefährliche Spinnentiere.'' Westarp Wissenschaften, 2000. ISBN 3-89432-405-8 * Boris F. Striffler: ''Die Martinique-Baumvogelspinne. Avicularia versicolor.'' Natur und Tier Verlag, 2004. ISBN 3-937285-42-3 * Peter Weygoldt: ''Chelicerata - Spinnentiere''. in: W. Westheide: ''Spezielle Zoologie. Teil 1. Einzeller und Wirbellose Tiere'' Gustav Fischer, Stuttgart-Jena 1996, 2004. ISBN 3-437-20515-3 == Weblinks == {{Commons|Category:Araneae|{{PAGENAME}}}} {{Wiktionary|Webspinne}} * [http://www.araneae.unibe.ch/ Bestimmungschlüssel der Spinnen Mitteleuropas] * [http://research.amnh.org/entomology/spiders/catalog/INTRO2.html Norman I. Platnick, 2007: The World Spider Catalog, Version 8.0, American Museum of Natural History] * [http://www.arages.de/checklist/checklist04_araneae.html Checklist der Arachnologischen Gesellschaft e.V. - ARAGES] * [http://caucasus-spiders.info/ Die Spinnen des Kaukasus (caucasus-spiders.info)] * [http://www.xs4all.nl/~ednieuw/Spiders/spidhome.htm Spiders of North-West Europe] * [http://www.arachnology.org/Arachnology/Pages/Documents/Nomencla.html A proposal to standardise the ordinal names amongst the Arachnida] * [http://www.toxinfo.org/frameset.php?inhalt=menu.php%3Fclass%3D2&hauptframe=/tier/index.html Gifttier-Informationsdienst der Toxikologischen Abteilung Klinikum Rechts der Isar München] == Quellen == <references/> {{exzellent}} [[Kategorie:Webspinnen| ]] {{Link GA|en}} {{Link FA|it}} [[af:Spinnekop]] [[an:Araneae]] [[ang:Ātorcoppe]] [[ar:عنكبوت]] [[arc:ܓܘܓܝ]] [[ay:Kusikusi]] [[az:Hörümçək]] [[bg:Паяци]] [[bn:মাকড়শা]] [[br:Kevnid]] [[bs:Pauk]] [[ca:Aranya]] [[cs:Pavouci]] [[cy:Corryn]] [[da:Edderkop]] [[el:Αράχνη]] [[en:Spider]] [[eo:Araneo]] [[es:Araneae]] [[et:Ämblikulised]] [[eu:Armiarma]] [[fa:عنکبوت]] [[fi:Hämähäkit]] [[fiu-vro:Härmävitäi]] [[fo:Eiturkoppur]] [[fr:Araneae]] [[ga:Damhán alla]] [[gd:Damhan-allaidh]] [[gl:Araña]] [[gn:Ñandu]] [[hak:Tî-tû]] [[he:עכבישאים]] [[hi:मकड़ी]] [[hr:Pauci]] [[ht:Areye]] [[hu:Pókok]] [[hy:Սարդեր]] [[id:Laba-laba]] [[io:Araneo]] [[is:Köngulær]] [[it:Araneae]] [[iu:ᐋᓯᕙᖅ/aasivaq]] [[ja:クモ]] [[jv:Angga-angga]] [[ka:ობობები]] [[kn:ಜೇಡ]] [[ko:거미]] [[kv:Черань]] [[la:Araneae]] [[lb:Wiefspannen]] [[lt:Vorai]] [[lv:Zirnekļi]] [[mk:Пајак]] [[ml:എട്ടുകാലി]] [[ms:Labah-labah]] [[mt:Brimba]] [[nah:Tocatl]] [[nl:Spinnen (dieren)]] [[nn:Edderkoppar]] [[no:Edderkopper]] [[nrm:Pêtre]] [[nv:Naʼashjéʼii]] [[oc:Araneae]] [[pl:Pająki]] [[pt:Aranha]] [[qu:Awaq uru]] [[ro:Păianjen]] [[ru:Пауки]] [[scn:Araneae]] [[simple:Spider]] [[sk:Pavúky]] [[sl:Pajki]] [[sq:Merimanga]] [[sr:Пауци]] [[sv:Spindlar]] [[ta:சிலந்தி]] [[te:సాలెపురుగు]] [[th:แมงมุม]] [[tl:Gagamba]] [[tr:Örümcek]] [[ug:Ömüchük]] [[uk:Павуки]] [[ur:مکڑی]] [[vi:Nhện]] [[vls:Kobbe]] [[war:Lawà]] [[yi:שפין]] [[zh:蜘蛛]] [[zh-min-nan:Ti-tu]] [[zh-yue:蜘蛛]] 820p4cckdky4itd0y3qpfpezajrblth wikitext text/x-wiki Wechselläuten 0 24486 27088 2010-02-13T00:17:06Z 82.113.121.222 '''Wechselläuten''' (auch ''Variationsläuten'', engl. ''Change Ringing'') ist eine hauptsächlich im [[Angelsachsen|angelsächsischen]] Kulturraum verbreitete Kunstform des [[Glockengeläut|Glockenläutens]]. Drei bis zwölf, manchmal mehr, selten aber über sechzehn [[Glocke]]n werden reihum geläutet, wobei bei jeder Wiederholung, jedem ''Wechsel'', die Reihenfolge der Glocken so variiert wird, dass keine Reihe doppelt auftaucht – ausgenommen der letzte Wechsel, in dem die Glocken wie zu Beginn in absteigender Tonhöhe geläutet werden. Ursprünglich für [[Kirchenglocke]]n entwickelt, wird das Wechselläuten heute auch mit [[Schelle (Musikinstrument)|Handglocken]] praktiziert. Eine gewisse Popularität erlangte diese Praxis in der Zeit des [[zweiter Weltkrieg|Zweiten Weltkriegs]], als in England die Kirchenglocken nicht geläutet wurden und die Glöckner auf andere Trainingsmöglichkeiten ausweichen mussten. == Technik == [[Bild:Schema Englische Glocke.gif|thumb|Aufbau des englischen Glockenstuhls: die Hemmung (''b'') schlägt bei aufgeschwungener Glocke an den Gleitstock (''c'') und hält die Glocke bereit zum Schwung.]] === Kirchenglocken === Technische Voraussetzung für das Wechselläuten mit Kirchenglocken ist ein [[Glockenstuhl]], der eine Rotation der Glocken um 360 Grad erlaubt. Das Joch, an dem jede Glocke aufgehängt ist, ist mit einem hölzernen Rad ausgestattet, in welchem das Glockenseil geführt wird. Geläutet wird von einer unterhalb des Glockenstuhls gelegenen „Läutestube“ aus. Zu Beginn des Läutens wird die Glocke ''aufgeschwungen'', d.&nbsp;h. durch wiederholtes Ziehen am Seil immer höher bewegt, bis sie sich um 180 Grad gedreht in einem labilen [[Gleichgewicht (Physik)#Mechanik|Gleichgewicht]] befindet. Eine am Joch angebrachte Hemmung stabilisiert die Glocke in dieser Lage. Durch einen Zug am Seil lenkt der Glöckner die Glocke so aus dem Gleichgewicht, dass sie eine volle Drehung vollführt und wieder kopfüber stehen bleibt. Dabei schlägt der Klöppel auf den Glockenkörper und lässt die Glocke einmal erklingen. Die Aktion heißt ''Handzug''. Das Glockenseil wickelt sich beim Handzug zu einem guten Stück um das Rad, was die Arme des Glöckners über seinen Kopf hebt. Zieht der Glöckner jetzt nochmals am Seil, schwingt die Glocke in die entgegengesetzte Richtung und kehrt zu ihrer Ausgangsstellung zurück, wobei sie wiederum ertönt: der sogenannte ''Rückzug''. Zwischen der letzten Glocke im Rückzug und der folgenden ersten im Handzug wird ein Intervall doppelter Länge eingelegt. Ansonsten werden die Glocken unmittelbar nacheinander geläutet. Die Frequenz des Läutens ist dadurch relativ hoch. Eine nicht allzu schwere Glocke lässt sich etwa 30 mal in der Minute anschlagen. Entsprechend dauert das einmalige Durchläuten eines Geläuts von sechs Glocken etwa zwei Sekunden, was einem Intervall von einer Drittelsekunde zwischen den Schlägen entspricht. Bei diesem Tempo möglichst gleichmäßig zu läuten, ist ein Maß für die Qualität und wird im Englischen als ''good striking'' bezeichnet. <br style="clear:both;" /> [[Bild:Handbells Whitechapel.jpg|thumb|200px|Handglocken]] === Handglocken === Beim Wechselläuten mit Handglocken gibt es zwei unterschiedliche Techniken. Die erste imitiert im Prinzip das Läuten mit Kirchenglocken: Ein Aufwärtsschlag der Glocke entspricht dem Handzug, ein Abwärtsschlag dem Rückzug. Falls nicht speziell für das Kirchengeläut trainiert werden soll, kann eine Person auch durchaus mehrere Glocken bedienen. Alternativ dazu sind die Glocken in absteigender Tonhöhe von rechts nach links auf einem Tisch ausgelegt. In dieser Folge schlägt jeder Glöckner das vor ihm liegende Paar Glocken bei jedem Durchgang einmal an. Die Wechsel ergeben sich durch das Vertauschen entsprechender Glocken beim Zurücklegen; auf diese Weise lassen sich die Glocken immer in derselben Reihenfolge von rechts nach links durchläuten. <br style="clear:both;" /> == Grundlagen == Traditionell werden die Glocken in absteigender Reihe durchnummeriert. Die Sopranglocke (engl. ''treble'') wird mit 1 bezeichnet, die zweithöchste mit 2 und so weiter bis zur tiefen Bassglocke (''tenor (!)''). Das einfache Durchläuten der Glocken in absteigender Folge heißt ''Runde'' (''round''). Üblicherweise bilden eine oder mehrere Runden Auftakt und Abschluss des eigentlichen Wechselläutens. Jeder der auf die einleitende Runde folgenden Wechsel ist eine echte ''[[Permutation]]'' der Glocken, das heißt jede Glocke wird bei jedem Wechsel genau einmal geläutet; außerdem darf sich die Reihenfolge der Glocken bis zum Schluss bei keinem Wechsel wiederholen. Ein weiterer Grundsatz ist die Forderung, dass keine Glocke bei einem Wechsel um mehr als einen Platz nach vorne oder hinten rücken darf. Umgesetzt werden diese Regeln auf zwei verschiedene Arten: Beim sogenannten ''call change ringing'' wird bei jedem Wechsel auf Zuruf des leitenden Glöckners ein Paar Glocken benannt, das seine Plätze tauscht. Beim ''method ringing'' folgen die Wechsel einem von vornherein fest vorgegebenen Schema, einer ''Methode'' (''method''). Die Krönung des Wechselläutens ist es, wenn alle möglichen Permutationen der Glocken in einem sogenannten ''extent'' in Folge geläutet werden. Bei einem Geläut von <math>n</math> Glocken gibt es <math>n!</math> (''n [[Fakultät (Mathematik)|Fakultät]]'') mögliche Permutationen, eine Zahl, die mit der Anzahl der beteiligten Glocken rasant wächst. So gibt es bei sechs Glocken 720 mögliche Permutationen, bei sieben sind es 5.040 und bei zwölf bereits 479.001.600. ''Zyklus'' (''peal'') bedeutete ursprünglich einen ''extent'' von sieben Glocken, er umfasste also 5.040 Wechsel. Mit mehr als sieben Glocken ist ein ''extent'' kaum durchzuführen – die 479.001.600 Wechsel eines Zwölfergeläuts zu läuten dauerte über 30 Jahre – so dass in diesem Fall ein Läuten mit mindestens 5.000 Wechseln einen Zyklus darstellt. Bei weniger als sieben Glocken wird für den gleichen Titel eine Folge von mindestens 5.040 Wechseln gefordert. Unterhalb dieser Grenze spricht man von einem ''Satz'' (''touch''). == Methoden == [[Bild:Plain-bob-minor_2.png|200px|right|thumb|Notation der Methode „Plain Bob Minor“ (Ausschnitt), ''blue lines'' von Sopran und Nr.2 in blau und rot.]] [[Bild:Bob Minor, Synthesised Bell Sounds.ogg|thumb|right|200px|Hörprobe „Plain Bob Minor“ (synthetisch erzeugt)]] === Nomenklatur === Die Benennung der Methoden, wie z. B. ''Plain Bob Minor'', ''Kent Treble Bob Major'' folgt dem Schema [Name] [Klasse] [Läuteart]. Die Läuteart (''Minor'', ''Major'',...) bezeichnet dabei die Anzahl der Glocken, die an der Methode beteiligt sind. Sie ist nicht mit der Größe des Geläuts gleichzusetzen, oft wird mit den oberen Glocken eine „kleinere“ Methode geläutet, bei der man die tiefen Glocken an ihrer festen Position mitläuten lässt. Die Klasse (''Bob'',...) gibt die Eigentümlichkeit der Konstruktion an (''Bob'' = Scherschritt), nach der die Methode klassifiziert werden kann. Als individuelle Namen findet man schließlich gerne Orte (Kent, London,...) oder einfach den Erfinder der Methode (Stedman, Annable's London,...). {| class="prettytable" !beteiligte Glocken !mögliche Wechsel !Läuteart |- |3 |<math>3! = 6</math> |''Singles'' |- |4 |<math>4! = 24</math> |''Minimus'' |- |5 |<math>5! = 120</math> |''Doubles'' |- |6 |<math>6! = 720</math> |''Minor'' |- |7 |<math>7! = 5.040</math> |''Triples'' |- |8 |<math>8! = 40.320</math> |''Major'' |- |9 |<math>9! = 362.880</math> |''Caters'' |- |10 |<math>10! = 3.628.800</math> |''Royal'' |- |11 |<math>11! = 39.916.800</math> |''Cinques'' |- |12 |<math>12! = 479.001.600</math> |''Maximus'' |- |} Bei mehr als zwölf beteiligten Glocken werden die ungeraden Läutearten nach der Anzahl der möglichen [[Alternierende_Gruppe#Transpositionen|Transpositionen]] benannt (''Sextuples'', ''Septuples'' etc.), die geraden nach der Anzahl der beteiligten Glocken (wie bei ''Bristol Surprise Sixteen''). Bei weniger als vier Glocken ist die ''einfache Jagd'' (''plain hunt'') die einzige regelkonforme Methode. === Notation === Üblicherweise wird eine Methode in einer [[Matrix (Mathematik)|Matrix]] notiert, bei der jede Zeile einem Wechsel entspricht. Um den „Weg“ einer Glocke in diesem Schema leichter nachvollziehen zu können, wird dieser gerne farblich markiert. Man spricht daher von der ''blue line'' einer Glocke. Folgendes Beispiel zeigt einen Teil der ''blue line'' der fünften Glocke bei einer ''einfachen Jagd'' mit sechs Glocken. Der Weg der Sopranglocke ist hier rot markiert. <center><tt> <font color="darkred">'''1'''</font>234<font color="blue">'''5'''</font>6<br /> 2<font color="darkred">'''1'''</font>436<font color="blue">'''5'''</font><br /> 24<font color="darkred">'''1'''</font>63<font color="blue">'''5'''</font><br /> 426<font color="darkred">'''1'''</font><font color="blue">'''5'''</font>3<br /> 462<font color="blue">'''5'''</font><font color="darkred">'''1'''</font>3<br /> 64<font color="blue">'''5'''</font>23<font color="darkred">'''1'''</font><br /> 6<font color="blue">'''5'''</font>432<font color="darkred">'''1'''</font><br /> <font color="blue">'''5'''</font>634<font color="darkred">'''1'''</font>2<br /> <font color="blue">'''5'''</font>36<font color="darkred">'''1'''</font>42<br /> 3<font color="blue">'''5'''</font><font color="darkred">'''1'''</font>624<br /> 3<font color="darkred">'''1'''</font><font color="blue">'''5'''</font>264<br /> <font color="darkred">'''1'''</font>32<font color="blue">'''5'''</font>46<br /> <font color="darkred">'''1'''</font>234<font color="blue">'''5'''</font>6<br /> </tt></center> Die ''einfache Jagd'' ist eine der simpelsten Methoden: jede Glocke rückt bei jedem Wechsel um einen Platz in eine vorgegebene Richtung, bleibt einmal auf der Außenposition stehen und rückt dann in entgegengesetzter Richtung weiter, ein Verfahren, das in seiner Notation zu einer Art Zopfmuster führt. Die Muster bzw. die ''blue lines'' müssen von den Glöcknern im Übrigen auswendig beherrscht werden, da physische Hilfsmittel - wie Spickzettel - beim Wechselläuten prinzipiell nicht erlaubt sind. === Mathematische Aspekte === Das Wechselläuten stellt nicht nur ein anschauliches Anwendungsbeispiel für die mathematische Disziplin der [[Gruppentheorie]] dar, die mathematische Analyse bietet auch einen eleganten Weg für das Verständnis der Struktur und damit für den Beweis der Korrektheit einer Methode. Verließe man sich auf reines Abzählen und Vergleichen, würde der Nachweis, dass unter den mindestens 5.000 Wechseln eines Zyklus keiner doppelt auftritt, keine kleine Herausforderung darstellen. Ausgangspunkt der Betrachtung ist die Feststellung, dass die Wechsel mit den Elementen einer [[Permutationsgruppe]] identifiziert werden können. Methoden sind – wie der Name sagt – keine willkürlichen Abfolgen von Wechseln, sondern nach einem bestimmten Muster aufgebaut. Kann man dieses Muster einer Methode mit einem entsprechenden Muster einer Permutationsgruppe identifizieren, so erlaubt die genaue Kenntnis des Aufbaus der Gruppe eine ebenso genaue Beschreibung des Aufbaus der Methode. ==== Grundbegriffe ==== Zwei nacheinander ausgeführte Permutationen von ''n'' Glocken bilden offensichtlich wieder eine derartige Permutation. Eine Menge, bei der eine Verknüpfung von je zwei ihrer Elemente wieder ein Element der Menge ergibt, wird - etwas vereinfacht gesagt - in der Mathematik [[Gruppentheorie#Erklärung für Nicht-Mathematiker|Gruppe]] genannt. Die Menge der Permutationen von ''n'' Objekten bildet dabei die [[Symmetrische Gruppe]] von ''n'' Elementen, kurz <math>S_n</math>. Auch das unverändert lassen der Reihenfolge der Objekte stellt dabei eine Permutation dar, diese [[identische Abbildung]] ist das so genannte [[Neutrales Element|Neutrale Element]] ''e'' der Gruppe. Untergliedert wird eine Gruppe durch ihre [[Untergruppe]]n: Teilmengen, die für sich genommen wieder eine Gruppe bilden. Die Anzahl der Elemente einer Untergruppe ist immer ein Teiler der Gesamtzahl der Gruppenelemente. Der Quotient wird als [[Index (Gruppentheorie)|Index]] der Untergruppe bezeichnet. Der Index gibt die Anzahl der [[Gruppentheorie#Nebenklassen|Nebenklassen]] an, in die die Gruppe durch die Untergruppe zerlegt wird. Findet man beispielsweise in einer Gruppe, die aus 24 Elementen besteht eine Untergruppe mit sechs Elementen, kann man sich die ganze Gruppe als aus vier „Kopien“ der Untergruppe zusammengesetzt vorstellen. ==== Beispiel: ''Plain Bob Minimus'' ==== {| class="prettytable float-left" rules="none" !colspan="3" align="center"|Plain Bob Minimus |- align="center" | | <font color="darkred">1</font>234 || <font color="darkred">1</font>342 || <font color="darkred">1</font>423 |- align="center" | | 2<font color="darkred">1</font>43 || 3<font color="darkred">1</font>24 || 4<font color="darkred">1</font>32 |- align="center" | | 24<font color="darkred">1</font>3 || 32<font color="darkred">1</font>4 || 43<font color="darkred">1</font>2 |- align="center" | | 423<font color="darkred">1</font> || 234<font color="darkred">1</font> || 342<font color="darkred">1</font> |- align="center" | | 432<font color="darkred">1</font> || 243<font color="darkred">1</font> || 324<font color="darkred">1</font> |- align="center" | | 34<font color="darkred">1</font>2 || 42<font color="darkred">1</font>3 || 23<font color="darkred">1</font>4 |- align="center" | | 3<font color="darkred">1</font>42 || 4<font color="darkred">1</font>23 || 2<font color="darkred">1</font>34 |- align="center" | | <font color="darkred">1</font>324 || <font color="darkred">1</font>432 || <font color="darkred">1</font>243 |- align="center" | | || || <font color="darkred">1</font>234 |} ''Plain Bob Minimus'' umfasst als ''extent'' von vier Glocken 24 Wechsel. Diese entsprechen den Elementen der Gruppe <math>S_4</math>. Bezeichnet man mit ''a'' die Permutation, die die äußeren Paare der Reihe vertauscht und die Transposition des mittleren Paares mit ''b'', so ergeben sich die ersten acht Wechsel von ''Plain Bob Minimus'' aus der (auf das neutrale Element ''e'' folgenden) abwechselnden Anwendung von ''a'' und ''b'', also : <math> e, \, a, \, ab, \, aba, \, (ab)^2, \, (ab)^2a, \, (ab)^3, \, (ab)^3a </math>. Eine erneute Anwendung von ''b'' würde einen vorzeitig zur ursprünglichen Runde zurückbringen. Fortgesetzt wird daher durch eine dritte Permutation ''c'', welche die beiden letzten Glocken vertauscht. Der nächste Wechsel entspricht dann ''(ab)³ac'' und wenn man zur Abkürzung ''w = (ab)³ac'' setzt, erhält man das zweite Drittel von ''Plain Bob Minimus'' aus den Permutationen : <math> w, \, wa, \, wab, \, waba, \, w(ab)^2, \, w(ab)^2a, \, w(ab)^3, \, w(ab)^3a </math> und das letzte Drittel - nach einer weiteren Anwendung von ''c'' - aus : <math> w^2, \, w^2a, \, w^2ab, \, w^2aba, \, w^2(ab)^2, \, w^2(ab)^2a, \, w^2(ab)^3, \, w^2(ab)^3a </math>. Hintergrund ist, dass die beiden Permutationen ''a'' und ''b'' eine Untergruppe der <math>S_4</math> erzeugen, die [[Diedergruppe]] <math>D_4</math>, welche aus den erstgenannten acht Elementen besteht. Die drei Teile von ''Plain Bob Minimus'' können mit den drei Nebenklassen <math>D_4</math>, <math>w D_4</math> und <math>w^2 D_4</math> der Untergruppe <math>D_4</math> identifiziert werden. Die beiden Hauptforderungen beim Wechselläuten, dass kein Wechsel doppelt auftaucht und dass bei einem Wechsel keine Glocke um mehr als eine Stelle nach vorne oder hinten rücken darf, sind auf diese Weise relativ einfach geprüft: Die Eindeutigkeit der Wechsel ergibt sich aus der Tatsache, dass die Nebenklassen einer Untergruppe eine [[Partition (Mengenlehre)|Partition]] der gesamten Gruppe bilden, die Bewegung der Glocken wird durch die drei erzeugenden Permutationen ''a'', ''b'' und ''c'' vorgegeben, von denen alle drei die genannte Bedingung erfüllen. == Geschichte == === Anfänge === [[Bild:Tintinnalogia_Titel-4.jpg|thumb|Titelblatt von Duckworths ''Tintinnalogia''.]] Schriftliche Zeugnisse für das organisierte Läuten von Kirchenglocken aus säkularen Anlässen finden sich in England ab dem 15. Jahrhundert. Ab dieser Zeit lässt sich auch gut die beständige Verbesserung von Glockenstühlen und zugehöriger technischer Ausstattung nachweisen. Entscheidend für die Entwicklung des Wechselläutens war die Idee, ein Rad zur Führung des Seils und zur Kraftübertragung einzusetzen. Im 15. Jahrhundert wurde zwar schon ein halbes Rad zu diesem Zweck benutzt, aber erst der Einsatz des Dreiviertelrades in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts erlaubte eine kontrollierte Umdrehung der Glocke um 180 Grad. Zentren der Entwicklung waren – schon allein aufgrund der Infrastruktur – die Städte, allen voran [[London]], das 1552 über 80 Kirchen mit Geläuten von drei bis sechs Glocken zählte. Der deutsche Gelehrte [[Paul Hentzner]], der sich 1598 in London aufhielt, notierte in seinem Reisetagebuch: :''„Delectantur quoque valde sonitibus, qui ipsis aures implent, uti explosionibus tormentorum, tympanis et campanarum boatu, ita ut Londini multi qui se inebriaverint turrem unam vel alteram exercitii causa ascendant et per horas aliquot campandis signum dent.“'' <ref> Paul Hentzner: ''Itinerarium Germaniae, Galliae, Angliae, Italiae''. Wagenmann, Nürnberg 1612, § 61. [http://www.philological.bham.ac.uk/hentzner/ Auszug (mit englischer Übersetzung).] </ref> Übersetzt etwa: „Laute Töne wie das Krachen von Geschützen oder der Klang von Pauken und Glocken gefallen ihnen sehr. Viele Londoner erklimmen – nachdem sie einiges getrunken haben mögen – den ein oder anderen Kirchturm um dort für ein paar Stunden zum Zweck der Übung die Glocken zu läuten.“ Hentzners Verbindung von Wechselläuten mit ausgiebigem Alkoholgenuss darf in dieser Form allerdings bezweifelt werden, vermutlich wurde er hier von seinen Gewährsleuten etwas auf den Arm genommen. Frühe Formen des Wechselläutens bestanden lediglich in der ständigen Wiederholung einer bestimmten Reihenfolge der Glocken, bekannt sind ''rounds'' (123456), ''queens'' (135246) oder ''tittums'' (142536), die je nach Geschmack durch ''call changes'' variiert werden konnten. Methoden kamen im frühen 17. Jahrhundert auf. Auch die heutigen Techniken gehen im Wesentlichen auf diese Zeit zurück. Das erste grundlegende Lehrbuch „Tintinnalogia, or, the Art of Ringing.“ von Richard Duckworth und Fabian Stedman stammt aus dem Jahr 1668. Duckworths Rückblick :''„But for the Art of Ringing, it is admirable to conceive in how short a time it hath increased, that the very depth of its intricacy is found out; for within these Fifty or Sixty years last past, Changes were not known, or thought possible to be Rang.“'' <ref> Duckworth: ''Tintinnalogia'', Vorbemerkung ''„Of the Beginning of Changes“''.</ref> ist konform zur Datierung, die sich aus weiteren Quellen ergibt.<ref> John C. Eisel: ''The Development of Change Ringing in the Seventeenth Century''. In: Sanderson: ''Change Ringing''. Band 1, S. 40 ff.</ref> === Organisation in Zünften === [[Bild:StSepulchresChurch.jpg|thumb|St. Sepulchre-without-Newgate in London: Wurde hier der erste vollständige Zyklus geläutet?]] [[Bild:St Peter Mancroft.jpg|thumb|Oder war es in St. Peter Mancroft in Norwich?]] Um 1600 entstanden in den großen Städten auch die ersten unabhängigen Vereinigungen von Anhängern der jungen Kunst in Form von [[Zunft|Zünften]]. Älteste nachweisbare war die 1603 gegründete ''Company exercising the Arte of Ringing knowne and called by the name of the Schollers of Cheapeside in London'', weitere frühe Gründungen waren die ''Society of Ringers of St Hugh'' an der [[Kathedrale von Lincoln]] (1612) oder die ''Society of St Stephen's Ringers'' in [[Bristol]] (um 1620). Die städtischen Zünfte waren die treibende Kraft für den enormen Aufschwung, den das Wechselläuten ab der zweiten Hälfte des 17.&nbsp;Jahrhunderts erlebte. Die beständige Entwicklung und Erprobung neuer Methoden für immer größere Geläute wurde im Wesentlichen durch die Konkurrenz der angesehenen Gesellschaften vorangetrieben. Die Autoren der klassischen Lehrbücher der folgenden Zeit entstammten durchweg ihren Reihen. Schon der erwähnte Klassiker ''Tintinnalogia'' war von Duckworth der ''„Noble Society of Colledge-Youths“'' zugeeignet worden. Diese heute noch als ''Ancient Society of College Youths'' existente Londoner Gesellschaft von 1637 soll der Kopie eines Manuskriptes aus dem Jahr 1738 zufolge am 7.&nbsp;Januar 1690 in der Kirche St. Sepulchre-without-Newgate in London den ersten vollen Zyklus geläutet haben und zwar mit sieben Glocken nach der Methode ''Plain Bob Triples''. Aufgrund der nicht ganz einwandfreien Quellenlage und des frühen Datums wird die korrekte Durchführung der Methode aber bezweifelt.<ref> John C. Eisel: ''Campanolgia''. In: Sanderson: ''Change Ringing''. Band 1, S. 62 ff.</ref> Anerkannt ist hingegen der volle Zyklus, der am 2.&nbsp;Mai 1715 in der Kirche St. Peter Mancroft in [[Norwich]] geläutet wurde und damit – zumindest für das Gebiet außerhalb Londons – das Erstlingsrecht beanspruchen kann.<ref> Cyril A. Wratten ''The Growth of Change Ringing''. In: Sanderson: ''Change Ringing''. Band 2, S. 52.</ref> Die Zünfte waren nicht an eine feste Kirche gebunden, es war nachgerade üblich, Gastspiele in der näheren und weiteren Umgebung abzuhalten. Regelmäßig wurden die großen Gesellschaften zur Einweihung eines neuen oder vergrößerten Geläuts in das Umland eingeladen, wo sie durch eine Demonstration ihres Könnens zur wachsenden Popularität des Wechselläutens und der Verbreitung der jeweils neuesten Methoden beitragen konnten. Die vorherrschende Stellung der städtischen – genauer: der Londoner – Zünfte blieb aber bis zum Ende des 19.&nbsp;Jahrhunderts bestehen. === Wechselläuten als säkularer Sport === Die Umsetzung der [[Reformation]] in England führte in der Mitte des 16. Jahrhunderts zu einer Vereinfachung der [[Liturgie]], nach der Glocken nur noch sehr eingeschränkt bei Gottesdiensten eingesetzt wurden. Daneben hatte der Machtverlust der Kirche als Institution zur Folge, dass die Kontrolle über sowohl kirchlich als auch weltlich genutzte Ressourcen – und Glocken waren schon immer zu säkularen Zwecken eingesetzt worden – in der Regel vollständig in die Hände der jeweiligen Gemeinden überging. Die Folgezeit brachte den vermehrten Ausbau bestehender Geläute, eine deutliche Zunahme des organisierten Läutens bei weltlichen Festtagen und erstmals (strenge) Regelungen bezüglich des so genannten ''pleasure ringings''. Der ebenfalls in dieser Zeit aufkommende [[Puritanismus]] stand jeglicher Art von Vergnügung deutlich ablehnend gegenüber. Nachdem 1595 eine ähnliche Initiative am Einspruch von [[Elisabeth I. (England)|Elisabeth I.]] gescheitert war, verabschiedete das [[Langes Parlament (England)|englische Parlament]] 1643 ein Gesetz, das die Ausübung diverser Freizeitaktivitäten für den Sonntag verbot, unter anderem ''„ringing bells for pleasure“''. Auch wenn der Puritanismus mit der Restauration der englischen Monarchie 1660 wieder an Bedeutung verlor, hat diese zeitweilige Ächtung des Wechselläutens just an dem Tag, an dem Gottesdienst stattfindet, wohl einen weiteren Beitrag zu seiner Entwicklung hin zum säkularen Sport geleistet.<ref> William T. Cook: ''The Development of Change Ringing as a Secular Sport''. In: Sanderson: ''Change Ringing''. Band 1, S. 37 f.</ref> Für das 18. Jahrhundert ist eine Vielzahl von sportlichen Wettkämpfen belegt.<ref> Cyril A. Wratten ''Trials of Skill''. In: Sanderson: ''Change Ringing''. Band 2, S. 28 ff.</ref> Üblicherweise schrieb ein Gastwirt, der ansässige Landadel oder eine Gemeinde öffentlich einen Wettbewerb aus und stiftete einen eher bescheidenen Sachpreis. Die konkurrierenden Mannschaften hatten eine oder mehrere standardisierte Methoden – drei 120er-Sätze bei einem Fünfergeläut oder zwei 360er-Sätze bei einem Sechsergeläut waren die Regel – möglichst fehlerfrei zu absolvieren, die Leistung bewertete eine Jury. Nicht selten waren auch Zweikämpfe rivalisierender Vereine, häufig mit beachtlichen Wetteinsätzen. Hier bestand die Herausforderung entweder darin, einen längeren ''peal'' als die Konkurrenz zu läuten oder einen vorgegebenen ''peal'' in kürzerer Zeit. === Entwicklung in neuerer Zeit === Mitte des 19. Jahrhunderts fand in der [[Anglikanische Kirche|Anglikanischen Kirche]] unter dem Einfluss der [[Oxford-Bewegung]] eine neue Hinwendung zu liturgischer Tradition statt. Eine Folge war die so genannte ''Belfry Reform'' (''„Glockenstuhlreform“''), die dem Wechselläuten wieder Anerkennung verschaffen und es in das kirchliche Leben reintegrieren sollte. Insbesondere gab die Einführung von Verbänden auf Grafschafts- und Diözesanebene feste Strukturen vor. 1891 gründete sich als Dachverband das ''Central Council of Church Bell Ringers''. Ihm sind heute 67 Zünfte und Vereinigungen hauptsächlich aus Großbritannien und Irland aber auch aus Australien, Neuseeland, Kanada, den USA, Südafrika, Simbabwe und Italien angeschlossen. Nachrichtenorgan ist die seit 1911 herausgegebene und wöchentlich erscheinende Zeitung ''Ringing World''. Den englischen Glöcknern stehen heutzutage die Geläute von über 5.000 Kirchtürmen zur Verfügung.<ref>Peter Thomas: ''Sally, der Glöckner und die höhere Mathematik''. In: ''FAZ'' vom 31. Dezember 2001. (auch [http://www.heimatverein-raesfeld.de/Pressetxt/roasfeldse_glocken.htm hier] verfügbar)</ref> Kürzere Sätze von wenigen Minuten bis hin zu ''quarter-peals'', also Viertelszyklen, die etwa eine Dreiviertelstunde dauern, sind heute in England regelmäßig vor oder nach Gottesdiensten oder bei Hochzeiten und ähnlichen Anlässen zu hören. Das Läuten eines vollen Zyklus ist nach wie vor eine Besonderheit; immerhin geht man von etwa 4.000 Zyklen aus, die pro Jahr geläutet werden. Den Rekord für den längsten bekannten Zyklus halten im Übrigen Mitglieder der ''Ancient Society of College Youths''. Vom 5. auf den 6. Mai 2007 läuteten sie mit sechs Handglocken in fast genau 24 Stunden 72.000 Wechsel nach 100 verschiedenen ''Treble Dodging Minor''-Methoden.<ref>[http://peals.co.uk/pealdetails.asp?serno=H2007/0211 Meldung der ''Ringing World''.].</ref> Heute organisieren Verbände oder überregionale Komitees regionale und nationale Wettbewerbe unterschiedlicher Disziplinen. Prestigeträchtigste Veranstaltung ist der ''National Twelve Bell Striking Contest'', der jährlich an wechselnden Orten stattfindet. == Wechselläuten in der Literatur == Die früheste literarische Erwähnung findet das Wechselläuten um 1600 in Berichten von [[Kavalierstour]]en deutscher Adliger durch Europa, den Vorläufern der heutigen Reiseführer. Neben dem zitierten Paul Hentzner, der als Tutor eines schlesischen Patriziersohnes 1598 England bereiste, ist als Autor noch [[Friedrich Gerschow]] zu erwähnen, späterer Professor an der [[Universität Greifswald]] und 1602 als Begleiter des Herzogs [[Philipp Julius (Pommern)|Philipp Julius von Pommern-Wolgast]] in London. Gerschow berichtet in seinem Tagebuch<ref>''Tagebuch der Kavalierstour des Herzogs Philipp Julius von Pommern-Wolgast in den Jahren 1602 und 1603 durch Deutschland, Frankreich, England, Italien und die Schweiz.'' [http://www.uni-greifswald.de/~histor/~pommern/projekt_4.htm (Edition in Planung).]</ref> von einem großen Läuten an fast allen Kirchen Londons und erwähnt dabei auch den sportlichen Charakter dieser Veranstaltung.<ref> William T. Cook: ''The Organisation of the Exercise in the Seventeenth Century''. In: Sanderson: ''Change Ringing''. Band 1, S. 68</ref> [[Georg Christoph Lichtenberg]] referiert 1799 in seiner ''Erklärung der [[William Hogarth|Hogarthischen]] Kupferstiche'' eine Legende, die sich um [[Richard Whittington]] rankt.<ref>vgl. T. H. : ''The History of Sir Richard Whittington.'' London 1885. (In elektronischer Form [http://www.gutenberg.org/files/17652/17652-h/17652-h.htm hier] bei Project Gutenberg, siehe auch [http://en.wikipedia.org/wiki/Richard_Whittington Richard Whittington] der [http://en.wikipedia.org/wiki/ englischsprachigen Wikipedia].)</ref> Whittington war Anfang des 15. Jahrhunderts Oberbürgermeister von London und soll dieser Legende zufolge in seiner Kindheit als armer Küchenjunge im Haushalt eines reichen Kaufmanns gedient haben. Als der Knabe in einer verzweifelten Lage ausgerissen sei, habe ihn das Läuten der Glocken von St.&nbsp;Mary-le-Bow wieder auf den rechten Pfad zurückgebracht, was mit späterem Reichtum, Glück und Ansehen belohnt wurde. Lichtenberg nimmt diese Geschichte zum Anlass für einen kurzen Exkurs zum Wechselläuten. Bemerkenswert ist seine Beschreibung der Verhältnisse in London am Ende des 18. Jahrhunderts: :''„Da man in England die Glocken eines Kirchspiels läuten lassen kann, so oft man will, wenn man dafür bezahlt, so hört man sie, zumal in den östlichen Gegenden der Stadt und in den Provinzial-Städten sehr häufig, bei allerlei Veranlassungen.“''<ref> Georg Christoph Lichtenberg: ''Schriften und Briefe'', Band 3. Herausgegeben von Wolfgang Promies. Hanser, München 1972. (Lizenzausgabe Zweitausendeins, Frankfurt am Main 1994, ISBN 3-86150-042-6.) S. 1004 </ref> Auch wenn Lichtenberg in seinen weiteren Ausführungen dem Wechselläuten selbst im Vergleich zur deutschen Art des Glockenläutens recht wenig abzugewinnen scheint, schließt er fast versöhnlich: :''„Die Leser werden diese kleine Ausschweifung verzeihen, und gütigst als ein bloßes Geläute ebenfalls dulden, das, so viele es auch, wie ich das englische, für Geklimper halten mögen, doch immer hier oder da vielleicht seinen Whittington antrifft, der es gehörig aufnimmt.“''<ref> ebd. S. 1006 </ref> Das wohl populärste literarische Werk, in dem das Wechselläuten zudem noch eine zentrale Rolle spielt, ist [[Dorothy L. Sayers]]’ 1934 erschienener Kriminalroman ''The Nine Tailors'', zuletzt von Otto Bayer als ''[[Der Glocken Schlag]]'' ins Deutsche übersetzt. Schon die Gliederung des Buches ist eine metaphorische Übertragung des Aufbaus eines ''peals'' auf den Fortgang der Handlung. Während Sayers ihren Detektiv [[Lord Peter Wimsey]] einen Mordfall in einem englischen Dorf aufklären lässt, gibt sie außerdem durch Schilderungen wie die der in der Neujahrsnacht geläuteten ''„fünfzehntausend und achthundertvierzig Wechseln Kent Treble Bob Major“'' auch ''en passant'' eine kurze Einführung in die Kunst des Wechselläutens. In [[Connie Willis]]' preisgekrönten [[Science-Fiction]]-Roman ''Doomsday Book'' (deutsch: ''Die Jahre des Schwarzen Todes'') bilden die nervigen vorweihnachtlichen Übungen und Auftritte einer Gruppe von mit Handglocken arbeitenden „Bell Ringern“ einen untergeordneten Handlungsstrang, der im ironischen Gegensatz zu der sich gleichzeitig in [[Oxford]] abzeichnenden Katastrophe steht. In der Episode „Ring Out Your Dead“ der TV-Serie ''[[Inspector Barnaby]]'' dreht sich das Geschehen um einen Wechselläuten-Wettbewerb. == Literatur und Quellen == * Otto Bayer: ''Kleine Campanologie für Uneingeweihte''. In: Sayers: ''Der Glocken Schlag''. Rowohlt, Reinbek 1978, ISBN 3-499-14547-2. * Richard Duckworth, Fabian Stedman: ''Tintinnalogia, or, the Art of Ringing''. London 1668. (2. Auflage 1671 in elektronischer Form [http://www.gutenberg.org/etext/18567 hier] bei [[Project Gutenberg]].) * Jean Sanderson (Hrsg.): ''Change Ringing: The History of an English Art''. Central Council of Church Bell Ringers, 1987 ff. (3 Bände), ISBN 0-900271-50-7. * Dorothy L. Sayers: ''Der Glocken Schlag''. Rowohlt, Reinbek 1978, ISBN 3-499-14547-2. * [[Ian Stewart (Mathematiker)|Ian Stewart]]: ''Der Gruppentheoretiker von Notre Dame''. In: ''Pentagonien, Andromeda und die gekämmte Kugel''. Elsevier, München 2004, ISBN 3-8274-1548-9. * Arthur T. White: ''Fabian Stedman: The First Group Theorist?'' In: ''American Mathematical Monthly'' '''103''' (1996), S. 771-778. == Einzelnachweise == <references /> == Weblinks == * [http://www.handglockenchor-hannover.de/geschglo/changering.html Kurze Einführung] * [http://www.ringing.info/ Portal mit weiterführenden Links] (englisch) * [http://www.inspirewebdesign.com/home/mpaw/soundindex.asp Hörproben] * [http://www.cccbr.org.uk/ Seite des ''Central Council of Church Bell Ringers''] (englisch) * [http://ascy.org.uk/ Seite der ''Ancient Society of College Youths''] (englisch) * [http://www.12bell.org.uk/ Seite des ''National Twelve Bell Striking Contest''] (englisch) {{Exzellent}} [[Kategorie:Glocke]] [[Kategorie:Kultur (England)]] [[en:Change ringing]] [[lb:Wiessellauden]] [[sv:Växelringning]] fvo7diu5v1qxu54q63p06hvnflvqvwm wikitext text/x-wiki Wedeler Au 0 24487 27089 2010-03-30T10:25:32Z Wahrerwattwurm 0 /* Gedruckte Quellen */ typo {{Infobox Fluss |NAME = Wedeler Au |LAGE = [[Hamburg]], [[Schleswig-Holstein]] |LÄNGE = 12,6 km |BEZEICHNUNG-QUELLE = Quelle |QUELLE = [[Hamburg-Sülldorf]] |QUELLE_LAT_GRAD =53 |QUELLE_LAT_MIN =35 |QUELLE_LAT_SEK =12 |QUELLE_LAT_NS = N |QUELLE_LONG_GRAD =9 |QUELLE_LONG_MIN =48 |QUELLE_LONG_SEK =56.3 |QUELLE_LONG_WE =E |QUELLE_REGION = DE-HH/DE-SH |QUELLHÖHE-PREFIX = |QUELLHÖHE = 21 |HÖHENBEZUG-QUELLE = DE-NN |MÜNDUNG = westl. [[Wedel]] in die [[Elbe]] |MÜNDUNG_LAT_GRAD =53 |MÜNDUNG_LAT_MIN =34 |MÜNDUNG_LAT_SEK =34 |MÜNDUNG_LAT_NS =N |MÜNDUNG_LONG_GRAD =9 |MÜNDUNG_LONG_MIN =40 |MÜNDUNG_LONG_SEK =16 |MÜNDUNG_LONG_WE =E |MÜNDUNG_REGION = DE-SH |MÜNDUNGSHÖHE-PREFIX = |MÜNDUNGSHÖHE = 1 |HÖHENBEZUG-MÜNDUNG = DE-NN |HÖHENUNTERSCHIED = 20 m |FLUSSSYSTEM = Elbe |EINZUGSGEBIET = 55,85 km² |ABFLUSSMENGE = |EINWOHNER IM EINZUGSGEBIET = |GEMEINDEN = [[Hamburg]], [[Wedel]] |RECHTE NEBENFLÜSSE = [[Rüdigerau]], [[Hetlinger Binnenelbe]] |LINKE NEBENFLÜSSE = |SCHIFFBAR = Nein |BILD2= Wedelerau Karte neu.jpg |BILD2-BESCHREIBUNG = Verlauf und Einzugsgebiet;<br />in Rot die Hamburger Landesgrenze }} Die '''Wedeler Au''' ist ein [[Bach (Gewässer)|Bach]] in Norddeutschland von 12,6&nbsp;km Länge, davon 6&nbsp;km auf [[Hamburg]]er und 6,6&nbsp;km auf [[Schleswig-Holstein|schleswig-holsteinischem]] Gebiet. Sie ist damit der längste in Hamburg entspringende [[Liste von Nebenflüssen der Elbe|Elbnebenfluss]], weil die Quellen der längeren [[Fließgewässer]] [[Bille]], [[Alster]] und [[Este (Fluss)|Este]] sämtlich in Schleswig-Holstein bzw. [[Niedersachsen]] liegen. Ihre Quelle liegt in [[Hamburg-Sülldorf|Sülldorf]], einem Stadtteil im Bezirk [[Hamburg-Altona]], unmittelbar an der Grenze zu [[Schenefeld (Kreis Pinneberg)|Schenefeld]] und [[Hamburg-Iserbrook|Iserbrook]]; westlich des bebauten Stadtgebietes von [[Wedel]] mündet die Wedeler Au in die [[Elbe]]. Das Gebiet wird als „[[Ökoregion]] 14 (zentrales Flachland)“ klassifiziert.<ref>Amt für Umweltschutz, S.&nbsp;8</ref> Um 1960 zählte der Bach zu den am stärksten verunreinigten Gewässern der Bundesrepublik;<ref name="Regioparkweb">http://www.regionalpark-wedeler-au.de/index.php?id=14</ref> Mitte der 1980er begannen Maßnahmen zu seiner Renaturierung. Es ist beabsichtigt, die Wedeler Au zum Leitgewässer eines geplanten [[Regionalpark]]s von rund 5.130&nbsp;ha Größe zu entwickeln, der als Pilotprojekt für die länderübergreifende Zusammenarbeit in der [[Metropolregion Hamburg]] gilt und bis zur Eröffnung der [[Internationale Gartenschau|Internationalen Gartenschau]] 2013 in [[Hamburg-Wilhelmsburg]] in Teilbereichen fertiggestellt sein soll. == Bedeutung in der Vergangenheit == [[Datei:Wedelerau aus Joh Mejer Stormarn 1650.png|thumb|<center>Die Wedeler Au auf einer Karte von [[Stormarn (Gau)|Stormarn]] ([[Johannes Mejer]] 1650) ]]Als Verkehrsweg spielte die Wedeler Au aufgrund ihrer Kürze und der geringen Ausmaße, aber auch wegen ihrer elbparallelen Ausrichtung nie eine Rolle, sieht man vom geschützt liegenden Auhafen in Mündungsnähe ab. Vermutlich schon seit der [[Bronzezeit]] führte eine [[Furt]], die Teil des [[Ochsenweg]]es zwischen [[Jütland]] und der Unterelbe war, durch die Niederung am Unterlauf; nahe dieser Stelle liegt der Ursprung der Stadt Wedel.<ref>http://www.wedel.de/artikel.do?ok=30875&teaserId=52542&uk=30899&cid=6538667</ref> Auf [[Johannes Mejer]]s ''„Landt Carte von der [[Holstein-Pinneberg|Grafschaft Pinnenberg]]<!--sic!-->“'' von 1650<ref>Reproduktion der Karte in Markus Krohn (Hg.): ''Jubiläumsbuch 750 Jahre Sülldorf.'' MK Medien und Marketing, Hamburg 2006, S.&nbsp;12/13.</ref> heißt die Au noch ''Wedelbeck'' und weist einen markanten Unterschied zum heutigen Verlauf auf: seinerzeit entsprang sie weit nordöstlich von Schenefeld. Erst deutlich später wurde dieser Abschnitt teils trockengelegt, teils in die nordwärts fließende [[Düpenau]] abgeleitet. [[Bild:WedelLuft.jpg|thumb|<center>Wedeler Mühlenteich und Auwiesen aus westlicher Richtung; vorne die Schulauer Straße</center>]]Am Stauwehr des Mühlenteiches, in der damaligen Feldmark von [[Schulau]] –&nbsp;heute der östliche Teil Wedels&nbsp;–, wurde im 16. Jahrhundert eine Wassermühle errichtet.<ref>Auf http://www.wedel.de/bildgalerie.do?gView=GALERIE_BILDANSICHT&bildId=31086&ok=30889&uk=31011&cid=6537865 findet sich ein Foto der Kornmühle im heutigen Zustand.</ref> Dass Sülldorfer oder Rissener Bauern die Wedeler Au in der frühen Neuzeit nutzten, um Getreide zur dortigen Kornmühle zu bringen, wäre denkbar, ist aber unbelegt. Dagegen spricht die Tatsache, dass es in diesen beiden Dörfern nur eine Handvoll eher armseliger Bauernstellen gab, deren Felder vom Bachlauf weit entfernt lagen (etwa längs der heutigen [[Bundesstraße 431|B 431]]), während die dazwischen liegende, moorige Niederung (niederdeutsch als „Brook“ bezeichnet) lediglich als Weideland sowie zur Gewinnung von [[Gerberlohe|Lohe]] aus der Rinde der [[Eichen]] und von [[Röhricht|Schilf]] genutzt und erst im 19. Jahrhundert kultiviert wurde. Umso unwahrscheinlicher wäre die Existenz einer zweiten Mühle in diesem Gebiet, wie sie gelegentlich aus der alten, am Rissener Ufer der Wedeler Au belegenen [[Flurname|Flurbezeichnung]] „Woistmöhlen“ abgeleitet wurde. Zum Schneiden des Schilfes (hier „Katt’nküll“ oder „Bullnpesel“ genannt) zogen die Männer aus den Dörfern alljährlich gemeinsam in das Feuchtgebiet; getrocknet wurde es als [[Stroh]] und [[Futtermittel|Beifutter]] verwendet.<ref>Johannes Heidorn in Bürgerverein, S.&nbsp;14, 18 und&nbsp;25.</ref> Bis etwa 1800 war auch das nördlich bis an den Mittellauf der Au heranreichende Gebiet unbewaldet. Erst nach der holsteinischen Bodenreform von 1793 begann hier die Aufforstung der Moor- und Heideflächen zum heutigen Forst [[Klövensteen]].<ref>Behörde für Umwelt und Gesundheit (Freie und Hansestadt Hamburg): ''Natur in der Stadt. Die Hamburgischen Naturschutzgebiete.'' Hamburg o.J. (2003), S.&nbsp;56.</ref> Bis 1937 lag dieser Bach vollständig auf holsteinischem Territorium; erst durch das [[Groß-Hamburg-Gesetz]] wurden die Stadt Altona und damit die oberen 6&nbsp;km der Wedeler Au Teil des Landes Hamburg, ein Jahr später auch in die Stadt Hamburg eingemeindet. == Heutiger Verlauf und Begleitwege == [[Bild:Wedelerau Ellernholt.JPG|thumb|<center>Oberlauf in der Sülldorfer Feldmark</center>]] Die Breite der Wedeler Au schwankt zwischen 0,5&nbsp;m am Ober- und 3&nbsp;m am Unterlauf, wo sie mit gut 1&nbsp;m auch ihre größte Tiefe erreicht; nur am ehemaligen Auhafen ist sie künstlich deutlich verbreitert worden. Bei einem mittleren Gefälle von 0,02&nbsp;‰ weist sie nur eine geringe [[Strömung]]senergie auf. Ihr [[Einzugsgebiet (Hydrologie)|Einzugsgebiet]] umfasst 55,85&nbsp;km², von denen 21,64&nbsp;km² (entsprechend 39 %) auf Hamburger und 34,21&nbsp;km² auf Schleswig-Holsteiner Gebiet liegen; östlich und nördlich grenzt ihr Einzugsgebiet an das der Düpenau, südlich und westlich an dasjenige der Elbe an. Die Wedeler Au entspringt auf rund {{Höhe|21|DE-NN|link=true}} in der Sülldorfer [[Feldmark]], einem [[Geest]]gebiet, und fließt zunächst in nordnordwestlicher Richtung entlang der Stadtgrenze zwischen Hamburg und Schenefeld, wobei sie bereits nach wenigen Metern [[Rohrleitung|verrohrt]] zu einem [[Rückhaltebecken#Regenrückhaltebecken|Rückhaltebecken]] geführt wird, dem sie bei Überlauf infolge Starkregens als [[Vorfluter]] dient. Anschließend passiert sie das 1981 stillgelegte „[[Kläranlage|Klärwerk]] West“ an der Straße Ellernholt und beschreibt, wieder offen und überwiegend durch [[Grünland|Grün-]] und [[Acker]]land mit alten Baumreihen und [[Knick]]strukturen fließend, einen nur leicht [[Mäander (Flussschlinge)|mäandrierenden]] Halbbogen in westsüdwestlicher Richtung. Nach rund 3,5&nbsp;km –&nbsp;östlich des Klövensteenwegs, wo sich ein weiteres Rückhaltebecken befindet&nbsp;– verlässt sie das landwirtschaftlich genutzte Gebiet und grenzt den Forst Klövensteen von der südlich angrenzenden Einzel- und Reihenhausbebauung des Stadtteils [[Hamburg-Rissen|Rissen]] ab. Nach einem kurzen, scharfen Schwenk nach Süden (westlich der Gernotstraße) fließt sie auf Höhe des Geländes der Hanna-Reemtsma-Stiftung wieder in westsüdwestlicher Richtung weiter, wobei sie nach 6&nbsp;km, am Schulauer Moorweg, das Hamburgische Staatsgebiet verlässt. [[Bild:Wedelerau Batavia.JPG|thumb|<center>Tidebeeinflusster Unterlauf mit Theaterschiff Batavia; hinter dessen Heck liegt das Auhafenbecken, rechts hinter dem Schilfgürtel das neue Fluttor</center>]]Von da ab verläuft die Wedeler Au weitgehend parallel zur [[Altona-Blankeneser Eisenbahn|S-Bahnstrecke Altona–Wedel]] (S1) durch Wiesengelände, bis sie sich nördlich von Wedeler Bahnhof und Stadtzentrum zum Mühlenteich aufweitet, der durch ein erstmals 1314 urkundlich erwähntes [[Wehr (Wasserbau)|Wehr]] aufgestaut wird. Hinter dem Wehr tritt sie in die [[Wedeler Marsch]] ein, wo an der Unterquerung der Schulauer Straße der ehemalige Auhafen liegt; in diesem ankert seit Anfang der 1970er Jahre das ''Theaterschiff Batavia''.<ref>siehe http://www.batavia-wedel.de/batavia (mit Umgebungsfotos).</ref> Außerdem existiert dort ein kleiner [[Sportboot]]hafen. Die letzten 2,1&nbsp;km fließt die schilfbestandene, ab hier [[Gezeiten|tide]]beeinflusste Au zunächst vor dem alten Elbdeich (Brooksdamm) in südwestlicher Richtung durch das [[Marsch (Schwemmland)|Marsch]]land. Seit dem Ausbau des [[Hamburger Yachthafen]]s an der Elbe wird sie kurz vor ihrer historischen Mündung nach Nordwesten geführt, wo sie am Zusammenfluss mit der [[Hetlinger Binnenelbe]] erneut scharf nach Süden abknickt und durch ein [[sturmflut]]sicheres [[Sperrwerk]] in der neuen [[Deich]]linie in die [[Unterelbe]] entwässert. Ein durchgehender Weg längs des Bachufers existiert nicht. Die Quelle und weite Abschnitte des Oberlaufes sind, wenn überhaupt, bestenfalls aus der Distanz oder von einer der Feldwegbrücken zu sehen. Am Mittellauf verläuft ab der Einmündung des Laufgrabens bis zum Klövensteenweg ein Feld- und Reitweg für einige hundert Meter uferparallel, aber nur selten mit Blick auf das Gewässer, dann noch einmal ein Fußweg an dem Südschwenk westlich der Rissener Gernotstraße. Vom Klövensteen her ist die Zugänglichkeit besser, weil das rechte Ufer dort weniger steil abfällt; linksseitig ist es bis zu 4&nbsp;m hoch. Auf Wedeler Gebiet verläuft im [[Flussaue|Autal]] bis zum Mühlenteich ein langer, ausgebauter Rad- und Wanderweg („Auweidenweg“) direkt neben dem Bahndamm, der einen guten Blick über das breite Tal ermöglicht, vom Bachlauf aber relativ weit entfernt ist. Erst wieder westlich der Schulauer Straße und wiederum nur abschnittsweise existiert auf den letzten zwei Kilometern bis zur Mündung noch einmal die Möglichkeit, entlang der Wedeler Au zu gehen oder zu radeln. == Zuflüsse und Querungen == [[Bild:Wedelerau Laufgrabenmündung.JPG|thumb|<center>Einmündung des Laufgrabens</center>]]Die meisten Zuflüsse sind [[anthropogen]] zu [[Wassergraben|Gräben]] überformte, kurze Wasserläufe.<ref>Detailkarte des Gewässersystems unter http://www.regionalpark-wedeler-au.de/index.php?id=82</ref> Noch in der Feldmark fließen der Wedeler Au linksseitig Iserbrook-, Ellernholt-, Schlankweg- und Panzergraben zu. Bachabwärts folgen die rechtsseitigen Zuflüsse Lauf- (mit Seggen-) und Rissener Moorgraben sowie die [[Rüdigerau]], die aber gleichfalls hauptsächlich aus Entwässerungsgräben (Sandbargsmoor- bzw. Schnaakenmoorgraben) gespeist wird. Nahe der Stadtgrenze münden, wiederum am linken Ufer, der Schulauer Moorgraben (mit Steenbarg- und Rissener Dorfgraben) sowie kurz vor ihrer eigenen Mündung rechtsseitig die Hetlinger Binnenelbe in die Wedeler Au. Etliche [[Brücke]]n queren den Bach, darunter sechs zum Teil stark befahrene Straßenbrücken (Ellernholt, Klövensteen- und Sandmoorweg in Hamburg, Autal, Mühlen-, Schulauer bzw. Austraße in Wedel). Dazu kommen zahlreiche kleinere Brücken für Fußgänger bzw. landwirtschaftliche Nutzfahrzeuge, alleine fünf auf den ersten vier Bachkilometern (Feldwege&nbsp;65, 67, 68, 82 und&nbsp;81). Zu den ältesten Querungen gehörte die gewölbte ''Stockbrücke'' in Wedel, die allerdings Anfang der 1980er Jahre im Zuge des Ausbaues der Schulauer Straße abgerissen und durch eine neue Brücke, in die ein Fluttor eingelassen ist, ersetzt wurde. == Gewässerzustand == === Physikalisch-chemischer Zustand === [[Bild:Wedelerau quellnahesRHB.JPG|thumb|<center>Quellnahes Rückhaltebecken,<br />links die Wedeler Au</center>]]An Ober- und Mittellauf, insbesondere im intensiv landwirtschaftlich genutzten Bereich auf Hamburger Gebiet, sowie an den Zuflüssen wurden seit den 1950ern zahlreiche Begradigungs- und Befestigungsmaßnahmen ([[Trapez (Geometrie)|trapez]]förmiger Querschnitt, Uferverbau mit [[Bongossi]]holz) mit signifikanten [[Hydrologie|hydrologischen]] Konsequenzen durchgeführt. Dies führte generell zu einer Erhöhung der Fließgeschwindigkeit, die durch die entgegengerichtete Wirkung der Brückenbauwerke nur unwesentlich eingeschränkt wurde&nbsp;– vielmehr erreichte sie speziell nach starken Regenfällen regelmäßig Spitzenwerte, wodurch es für Gewässerorganismen zu einem „Ausräumungseffekt“ kam.<ref>Amt für Umweltschutz, S.&nbsp;25 und&nbsp;30.</ref> Zudem wurden bei einer Überlagerung der Niederschläge mit Mischwasserüberlauf aus dem Hamburger Sielnetz am quellnahen Rückhaltebecken zeitweise erhebliche [[Nährstoff (Pflanze)|Nähr-]] und [[Schadstoff]]frachten eingetragen, die den chemischen Zustand des Gewässers negativ beeinflussten. Zwar verfügt das Becken (Fassungsvermögen: 17.600&nbsp;m³) über einen Feinrechen zur mechanischen Klärung des abfließenden Wassers, aber alleine aus dieser Quelle werden im langjährigen Mittel 15.000&nbsp;m³ in den Bach eingespeist, die einem [[Chemischer Sauerstoffbedarf|CSB]] von 1,5&nbsp;t für diese Wassermenge pro Jahr entsprechen. Des Weiteren liegen in Rissen drei [[Kanalisation|Regensiel]]auslässe (Einleitstellen von Niederschlagswasser stark befahrener Straßen und aus Gewerbegebieten mit Abwassertrennung) für ca. 300&nbsp;ha angeschlossene befestigte Fläche. Durchschnittlich werden dort pro Jahr ca. 250.000&nbsp;m³ Niederschlagswasser in das Gewässer eingeleitet; das entspricht einer Fracht von ca. 11&nbsp;t [[Gesamter organischer Kohlenstoff|organischem Kohlenstoff]] (TOC) pro Jahr.<ref>Amt für Umweltschutz, S.&nbsp;19 und&nbsp;21.</ref> Im Boden der angrenzenden Felder und Weiden kommen größere [[Eisenhydroxid|Eisenocker]]-Ablagerungen vor, die bei [[Auswaschung]] die Besiedlungsmöglichkeit des Gewässerkörpers für Tiere und Pflanzen gleichfalls erheblich beeinträchtigen.<ref name="Regioparkweb" /> Bachbett, [[Sedimentation|Sedimente]] und [[Substrat (Ökologie)|Gewässersubstrat]] sind weitgehend organisch bis sandgeprägt, [[kies]]ige bzw. steinige Abschnitte mit ihrer höheren Reinigungswirkung hingegen selten; der in der Wedeler Au vorherrschende [[Schwebstoff]]transport trübt das Wasser. Sein [[Säuren|Säure]]bindungsvermögen liegt bei rund 2&nbsp;[[Mol|mmol]]/l, der [[pH-Wert]] zwischen 6,7 und 7,6; zu [[Chloride]]n liegen keine Angaben vor.<ref>Amt für Umweltschutz, S.&nbsp;11 und&nbsp;23.</ref> Die Belastung des Sauerstoffhaushalts durch abbaubare organische Substanzen ([[Saprobie]]) lag laut Gewässergütebericht von 1999 im mittleren Bereich.<ref>Amt für Umweltschutz, S.&nbsp;30.</ref> Eine Untersuchung der Gewässersedimente auf [[Schwermetalle]] ergab 1993, dass der Oberlauf mit [[Blei]] (31–60&nbsp;mg pro&nbsp;kg [[Trockenmasse|Trockensubstanz]]) und [[Cadmium]] (0,46–0,90&nbsp;mg/kg&nbsp;TS) relativ gering belastet war, am Mittellauf nahe der Landesgrenze allerdings viermal so hoch (Blei 120–240, Cadmium 1,81–3,60&nbsp;mg/kg&nbsp;TS).<ref>Umweltbehörde, S.&nbsp;116–118.</ref> Neben der Landwirtschaft haben auch die zunehmend intensivere Freizeitnutzung, insbesondere im Klövensteen, und die vor allem in Rissen und Wedel teilweise unmittelbar an den Uferbereich heranrückende Bebauung (Wohnen, Gewerbe, Verkehrswege) zum Verlust von natürlichen Uferrandstreifen und zur Einschränkung des ökologischen Entwicklungspotentials der Wedeler Au beigetragen.<ref>Amt für Umweltschutz, S.&nbsp;13/14.</ref> Zusammengenommen führte dies dazu, dass die [[Gewässergüteklasse|Gewässergüte]] der Wedeler Au noch 2001 als II-III („kritisch belastet“), nur abschnittweise als III („stark verschmutzt“) zu bewerten war.<ref>Amt für Umweltschutz, S.&nbsp;23–30.</ref> === Biologischer Zustand === ==== Flora ==== [[Autochthone Art|Autochthones]] [[Plankton]] kann sich in dem kleinen Fließgewässer kaum entwickeln. Erhebungen über das Vorkommen von [[Phytobenthos]] wurden bisher nicht vorgenommen.<ref>Amt für Umweltschutz, S.&nbsp;29.</ref> Überhaupt ist die Gewässerflora hier „im Vergleich zu anderen Flachlandbächen der Geest gering ausgeprägt; insbesondere im Wasser flutende Pflanzen fehlen weitgehend“,<ref name="Regioparkweb" /> wofür die Eisenocker-Ausfällungen ursächlich sein könnten. Bei einer Begehung wurden 2003 lediglich einzelne schwimmende ([[Wasserlinsengewächse|Wasserlinsen]], [[Teichrosen]]) und wurzelnde ([[Laichkraut]], [[Wassersterne]]) [[Wasserpflanzen]] festgestellt; eine systematische Erhebung existiert aber bisher nicht. [[Bild:Wedelerau Feldweg65.JPG|thumb|<center>Uferbewuchs auf Höhe des Feldwegs 65</center>]]Naturnahe Gewässerrandstreifen sind auf Hamburger Gebiet infolge der Bachregulierungsmaßnahmen und der abschnittsweise bis an das Ufer heranreichenden menschlichen Nutzungen nur teilweise vorhanden und oftmals nur schmal. Sie werden aber im Zuge der [[Renaturierung]] seit Ende der 1980er Jahre wiederhergestellt bzw. verbreitert (siehe [[#Renaturierung und Schutzgebiete|unten]]); 2003 wurden hauptsächlich [[Simsen (Gattung)|Simsen-]] und [[Seggen]]arten sowie [[Igelkolben]] festgestellt. Im Wedeler Abschnitt zwischen Landesgrenze und Mühlenteich waren diese Maßnahmen schon 1994 abgeschlossen; dort haben sich inzwischen auch wieder Schilfgürtel gebildet. Allerdings bieten die teilweise unmittelbar an den Bachlauf angrenzenden [[Pflanzendecke]]n (Wiesen und Weiden, Nadel-, Laub-, Misch- und Bruchwald, Moor, Marsch und Dünen) eine sehr viel größere botanische Vielfalt. ==== Fauna ==== [[Bild:Pungitius pungitius.jpg|thumb|<center>Neunstachliger Stichling</center>]]Für den Hamburger Teil des Baches liegen detaillierte Untersuchungsergebnisse vor.<ref>Amt für Umweltschutz, S.&nbsp;27 ff.</ref> Nach dem zwischen 1982 und 1986 erhobenen Artenkataster war bei der [[Biozönose|Fischbiozönose]] eine auffällige niedrige Individuendichte und Artenarmut zu beobachten; auch waren langlebige Arten unterrepräsentiert&nbsp;– ein Indikator für den schlechten Zustand der Wedeler Au. Das Vorkommen reduzierte sich im Wesentlichen auf [[Flussaale|Aale]] sowie zwei [[Stichlinge|Stichling]]sarten ([[Dreistachliger Stichling|drei-]] und [[Neunstachliger Stichling|neunstachliger Stichling]]); Stichlinge vermögen oft als einzige, Kleingewässer in der Kulturlandschaft zu besiedeln. Nur vereinzelt wurden Amerikanische [[Hundsfische]] (''Umbra pygmaea'')<ref>in der Untersuchung offenbar nur als „Hundsfisch (''Umbra sp.'')“ geführt; zur Art siehe Leonhard Diercking, Lorenz Wehrmann: ''Artenschutzprogramm Fische und Rundmäuler in Hamburg.'' Naturschutz und Landschaftspflege in Hamburg (Schriftenreihe der Umweltbehörde) Nr. 38, 1991, S.&nbsp;114.</ref> und [[Moderlieschen]], noch seltener [[Bachforelle]], [[Karausche]], [[Rotauge]], [[Gründling]], [[Schleie]] und [[Kaulbarsch]] festgestellt. Das [[Makrozoobenthos]] wurde 2000/01 an Ober- und Mittellauf untersucht. Es überwogen [[Ringelwürmer]] (Oligochaeten) und [[Krebstiere|Kleinkrebse]] ([[Flohkrebse]], [[Wasserassel]]n). Unter den Insekten sind [[Köcherfliegen]]-, [[Zweiflügler]]- und hier speziell [[Zuckmücken]]larven stark vertreten. Nahe der Quelle traten andere Insekten zusätzlich auf, wie z. B. Wanzen, Schlammfliegen und Käfer. Der [[Bachflohkrebs]] ist die individuenreichste Art im gesamten hamburgischen Abschnitt. [[Bild:Commonsnipe67.jpg|thumb|<center>Brütende Bekassine</center>]]Etliche [[Standvogel]]arten, die Mitte des 20. Jahrhunderts noch heimisch waren, kommen an der Wedeler Au nicht mehr vor, beispielsweise [[Birkhuhn|Birkhähne]], der [[Großer Brachvogel|Große Brachvogel]] und der [[Ziegenmelker (Art)|Ziegenmelker]], dem es infolge der landwirtschaftlichen Intensivierung und [[Kunstdünger|Düngung]] an Schmetterlingen, Käfern und anderen [[Fluginsekten]] mangelt.<ref>Wilhelm Schröder in Bürgerverein, S.&nbsp;33 f.</ref> Allerdings bietet das Gebiet aufgrund der Vielfalt angrenzender Vegetationstypen auch heute noch zahlreichen Vögeln Lebensraum. Hervorstechend sind zwei Bereiche: die offenen [[Feuchtwiese]]n am Ober- und Mittellauf, auf denen seltene und besonders geschützte Arten wie [[Kiebitz (Art)|Kiebitz]], [[Eisvogel]], [[Sumpfrohrsänger]], [[Bekassine]] und [[Braunkehlchen]] brüten und nisten,<ref name="Regioparkweb" /> und die mündungs- und [[Nordsee]]-nahe Marsch mit rund 160 Vogelarten.<ref name="Nyary">Nyary, a.a.O.</ref> == Renaturierung und Schutzgebiete == Ab Mitte der 1980er Jahre kam es zu einem vorsichtigen Richtungswechsel im Umgang mit der Wedeler Au. Dazu trug neben einem sich ändernden Umweltbewusstsein bei, dass sich das Betätigungsfeld der wenigen in der Sülldorf-Rissener Feldmark ansässigen Landwirte von intensivem Anbau weg und hin zu Dienstleistungen „rund um das Reitpferd“ verlagerte;<ref>Unter http://www.regionalpark-wedeler-au.de/index.php?id=17 findet sich eine Karte mit Reiterhöfen, Reitplätzen und -wegen.</ref> einer der verbliebenen Bauern betreibt heutzutage ökologischen Landbau. Auch in der Kommunalpolitik wuchs das Verständnis für veränderte Ansprüche an den Erholungswert naturnaher Landschaften in der Großstadt. In den 1990ern fand dies zunehmend Eingang in die stadt- und [[Landesplanung|landesplanerische]] Praxis; in Hamburg beispielsweise wurde ab 1995 anlässlich der Erstellung des neuen Stadtentwicklungskonzeptes nicht nur ein Landschafts-, sondern zusätzlich auch ein Artenschutzprogramm entwickelt.<ref>Stadtentwicklungsbehörde (Freie und Hansestadt Hamburg): ''Stadtentwicklungskonzept. Leitbild, Orientierungsrahmen und räumliche Schwerpunkte.'' (Stand: Dezember 1996), S.&nbsp;68–73.</ref> Allerdings konkurrieren andere Nutzungsinteressen (in diesem Gebiet hauptsächlich zusätzliche Pferdeställe, attraktive Wohnbauflächen und Straßenausbau) weiterhin mit der Renaturierung. Insbesondere die bauliche Erweiterung der Höfe in der Feldmark ist aufgrund des „Landwirtschaftsprivilegs“ nach [[Baugesetzbuch|BauGB]] in der Praxis häufig schwer zu verhindern.<br /> [[Bild:Wedelerau renaturiertesRHB.JPG|thumb|<center>Renaturierte Flutmulde am Mittellauf (rechts hinten),<br />links die Wedeler Au</center>]]Erste Maßnahmen ergriff die Stadt Wedel: ab 1984 wurde der Mühlenteich entschlammt und der oberhalb liegende Bachlauf entgradigt.<ref name="Regioparkweb" /> In Hamburg übernahmen private Naturschutzorganisationen ([[Naturschutzbund Deutschland|NABU]], [[Gesellschaft für ökologische Planung|GÖP]]) „Bachpatenschaften“ und arbeiteten, unterstützt von [[Bezirksversammlung]] und [[Bezirksamt]] Altona, in kleinen Schritten Defizite ab. Einige renaturierte Bachabschnitte [[Mäander (Flussschlinge)|mäandrieren]] wieder und wurden mit einer naturnahen, kiesbedeckten Sohle sowie Gehölzanpflanzungen am abgeflachten Ufer versehen; zwei Teiche mit ausgedehnten Sumpf- und Flachwasserzonen wurden angelegt und an die Wedeler Au angebunden. Außerdem wurde das Rückhaltebecken am Mittellauf zu einer [[Flutmulde]] zurückgebaut.<ref>Amt für Umweltschutz, S.&nbsp;25.</ref> Im Sommer 2006 waren an der Au wieder [[Kugelmuscheln]], [[Gründling]], [[Bachschmerle]], [[Schmalblättriger Merk|Berle]] und [[Brunnenkresse]] anzutreffen.<ref name="Nyary" /> Im Jahr 2007 stehen die Wedeler Au selbst und weite, vor allem nördlich angrenzende Gebiete unter Schutz. Dabei handelt es sich allerdings weder um eine zusammenhängende Unterschutzstellung noch um einheitliche Instrumente zur Durchsetzung dieser Schutzverordnungen. Vielmehr sind Teilräume als [[Landschaftsschutzgebiet]] (LSG), [[Naturschutzgebiet]] (NSG) oder nach in nationales Recht übergeleiteten [[EG-Richtlinie|EU-Richtlinien]] ausgewiesen, und die Zuständigkeiten verteilen sich gleichfalls auf verschiedene Organe der [[Exekutive]].<br /> Im Einzelnen sind dies: * in Hamburg<ref>siehe auch das Luftbild der Hamburger NSG und LSG unter http://hamburg.nabu.de/bilder/schutzgebiete/hamburger_naturschutzgebiete.jpg</ref> ** der im Bezirk Altona liegende Bachabschnitt und seine Uferbereiche als „Europäisches Fischgewässer“ nach der [[Europäische Wasserrahmenrichtlinie|EG-Wasserrahmenrichtlinie]], als Auenentwicklungsbereich nach dem [[Landschaftsprogramm]]<ref>Karte des Landschaftsprogramms der Freien und Hansestadt Hamburg vom Juli 1997 (einschließlich der Fortschreibungen bis November 2006), hg. von der Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt, April 2007.</ref> sowie, bis auf ein kurzes Stück östlich der Landesgrenze, als Teil des [[Wasserschutzgebiet]]es Baursberg ** Teile der Rissen-Sülldorfer Feldmark und des Forstes Klövensteen als LSG ** Das [[Schnaakenmoor]] als NSG,<ref>Verordnung vom 31. Oktober 2006; siehe auch Naturschutzamt (Freie und Hansestadt Hamburg): ''Natur in der Stadt. Die Hamburgischen Naturschutzgebiete.'' Hamburg 2002, S.&nbsp;56/57, sowie das Zitat über den Schutzzweck gem. §&nbsp;2,&nbsp;(1) der VO in [[Schnaakenmoor]].</ref> das zudem auch als Schutzgebiet nach der [[Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie]] angemeldet wurde * in Wedel<ref name="Regioparkweb" />[[Bild:Wedelerau Elbmündung.JPG|thumb|220px|<center>Mündung in die Unterelbe</center>]] ** der gesamte in Wedel liegende Bachabschnitt als Bestandteil des [[Natura 2000|Natura-2000]]-Gebiets „Schleswig-Holsteinisches Elbästuar und angrenzende Flächen“ ** der Bachabschnitt oberhalb des Mühlenwehrs als Teil des LSG „Holmer Sandberge und Moorbereiche“ ** der Bachabschnitt unterhalb des Mühlenwehrs als Teil des LSG „Wedeler Marsch“ ** der Mündungsbereich der Wedeler Au mit seinem außendeichs gelegenen [[Auwald]]rest als Teil des NSG „Haseldorfer Binnenelbe mit Elbvorland“ Außerdem ist der gesamte Bachlauf und seine weiträumige Umgebung im Rahmen der EG-Nitratrichtlinie als „gefährdetes“ und im Rahmen der Kommunalabwasserrichtlinie als „empfindliches Gebiet“ ausgewiesen.<ref>Amt für Umweltschutz, S.&nbsp;54.</ref> == Planung eines Regionalparks == Seit Beginn des 21. Jahrhunderts existiert das Projekt eines länderübergreifenden [[Regionalpark]]s „Wedeler Au / Rissen-Sülldorfer Feldmark“, der im Norden deutlich über den Einzugsbereich des Baches hinausreicht, städtische Siedlungskerne aber ausspart.<ref>Karte unter http://www.regionalpark-wedeler-au.de/index.php?id=11</ref> Von seinen geplanten 51,3&nbsp;km² Fläche liegen 36 % in Hamburg, 27 % in Wedel, 13 % in [[Holm (Kreis Pinneberg)|Holm]], 11 % in [[Pinneberg]], 7 % in [[Appen]] und 6 % in [[Schenefeld (Kreis Pinneberg)|Schenefeld]].<ref>Schaper/Steffen/Runtsch, S.&nbsp;4.</ref> Als erstes Projekt dieser Art in der [[Metropolregion Hamburg]] besitzt es Modellcharakter für die Kooperation der Bundesländer Schleswig-Holstein, Hamburg und des hieran allerdings nicht beteiligten Niedersachsens. Die Anerkennung als Modellprojekt erfolgte 2003; im Herbst 2005 wurde der Auftrag für ein fortlaufendes Gutachterverfahren an die Hamburger Landschaftsarchitekten Schaper, Steffen und Runtsch vergeben, ein projektbegleitender Arbeitskreis aus Vertretern der beteiligten Gemeinden unter Federführung der Wedeler Stadtverwaltung eingerichtet und diesem im Mai 2007 die erste Gutachtenfassung vorgestellt. Das Gutachten enthält eine Bestandsbewertung, stellt Nutzungskonflikte, Defizite und Entwicklungspotentiale dar und beinhaltet ein Ziel- und Rahmenkonzept sowie einen detaillierten Katalog von Vorschlägen für konkrete Maßnahmen. Der Zeitplan sieht vor, von 2008 bis 2013 einen Teil der Einzelprojekte zu realisieren und als regionalen Beitrag zur [[Internationale Gartenschau|Internationalen Gartenschau]] 2013 in [[Hamburg-Wilhelmsburg]] zu präsentieren. [[Bild:Wedelerau Handsiel.JPG|thumb|<center>Altes, schwer zugängliches [[Siel]] am Rande des Klövensteen</center>]]Zusammengefasst liegt der Schwerpunkt des Konzepts<ref>Alle folgenden Zitate aus Schaper/Steffen/Runtsch, S.&nbsp;11–13, wenn nicht anders angegeben.</ref> auf einer „Sicherung landschaftlich empfindlicher Zonen“ und ihrer „Entwicklung … zur Steigerung der Naherholungs-Attraktivität“, die durch einen Wegenetzverbund mit Aussichtspunkten hergestellt und um „Schwerpunkträume für intensive Erholung“ ergänzt werden sollen. „Die namensgebende Wedeler Au ist dabei als Leitgewässer zu entwickeln“, wobei dem Erhalt der extensiv genutzten Grünlandflächen und der „naturnahen Gewässerstrukturen“ zentrale Bedeutung zukommt.<ref>Detailvorschläge für den gesamten Bachverlauf auf http://www.regionalpark-wedeler-au.de/index.php?id=91</ref><br /> Von den 20 vorgeschlagenen Einzelprojekten in Teilräumen beziehen sich vier unmittelbar auf die Wedeler Au und ihren Nahbereich: An Ober- und Mittellauf wird u. a. die „Extensivierung und teilweise Wiedervernässung von Niederungsgrünland als Maßnahme zum Wiesenvogelschutz“ vorgeschlagen; außerdem soll die Quelle in eine neu anzulegende, kleine [[Sumpf]]fläche nördlich der Straße Ellernholt verlegt werden.<ref>Detailentwurf für das Quellgebiet in Schaper/Steffen/Runtsch, S.&nbsp;16, und auf http://www.regionalpark-wedeler-au.de/index.php?id=77</ref> Im Talraum auf Wedeler Gebiet bis zum Mühlenteich wird der Ausbau der Naherholungsfunktion „unter Berücksichtigung der Ansprüche als Schutzgebiet von europäischer Bedeutung“ –&nbsp;gemeint ist das Natura-2000-Gebiet&nbsp;– verfolgt, in der Innenstadt sollen „Zugänglichkeit und Erlebbarkeit“ verbessert werden. Im Mündungsbereich schließlich soll gleichfalls die „Entwicklung der landschaftsbezogenen, extensiven Naherholung“ vorangetrieben werden. Die Stadt Wedel wird als erste Maßnahme mit der Lückenschließung des [[Elberadweg|Elbufer-Rad-]] und [[Elbewanderweg|-wanderweg]]s im Bereich des [[Heizkraftwerk Wedel|Kraftwerk]]s –&nbsp;also nicht in Bachnähe&nbsp;– beginnen, wofür der Rat bereits [[Haushaltsplan|Mittel]] in einer Gesamthöhe von etwa 80.000&nbsp;€ bewilligt hat.<ref>nach fernmündlicher Mitteilung eines Arbeitskreis-Mitglieds aus dem Wedeler Rathaus an den Hauptautor dieses Artikels (zum Hauptautor siehe [[Diskussion:Wedeler Au#Hinweis bezüglich „Hauptautor“|hier]]).</ref> Wie das Vorhaben im kommenden Jahrzehnt tatsächlich umgesetzt werden kann, ist noch fraglich. Zum einen befindet sich ein Großteil der benötigten Flächen in Privatbesitz; zum anderen muss der Widerspruch zwischen beabsichtigter Verbesserung der verkehrlichen Erreichbarkeit bzw. Intensivierung der Naherholungsnutzung und dem Konzept von Erhalt und Ausbau der naturnahen Räume auch nach Auffassung der Gutachter erst noch gelöst werden.<ref>http://www.regionalpark-wedeler-au.de/index.php?id=31</ref> Im Frühjahr 2008 sollte das Konzept erstmalig öffentlich vorgestellt werden, was aber inzwischen frühestens 2010 stattfinden wird.<ref>Mitteilung des bezirklichen Naturschutzreferenten in der Sitzung des Planungsausschusses Altona am 15.&nbsp;Juli 2009.</ref> Ein neuer Verein ''(Regionalpark Wedeler Au e. V.)'' soll Träger des Regionalparks werden; nach rund anderthalbjähriger Satzungsdiskussion in den beteiligten Kommunen und dem Landkreis Pinneberg wurde der Verein im November 2009 offiziell gegründet. == Literatur == === Gedruckte Quellen === * Amt für Umweltschutz (Freie und Hansestadt Hamburg): ''Umsetzung der EG-Wasserrahmenrichtlinie (WRRL). Landesinterner Bericht zum Bearbeitungsgebiet Wedeler Au. Bestandsaufnahme und Erstbewertung.'' (Stand: 20. September 2004) * Bürgerverein Sülldorf-Iserbrook (Hg.): ''Sülldorfer Geschichte und Geschichten.'' Eigenverlag, Hamburg o.J., 2006 * Josef Nyary: ''Die Naturwunder der Wedeler Au.'' Hamburger Abendblatt vom 25. August 2006, auch unter http://www.abendblatt.de/daten/2006/08/25/602332.html?prx=1 * Schaper/Steffen/Runtsch Garten- und Landschaftsarchitekten (im Auftrag des Fachdienstes Stadt- und Landschaftsplanung der Stadt Wedel in Kooperation mit dem Fachamt Stadt- und Landschaftsplanung des Bezirksamts Hamburg-Altona): ''Regionalpark Wedeler Au / Rissen-Sülldorfer Feldmark. Rahmenkonzept Kurzfassung.'' (Stand: 16. April 2007; die Langfassung war Ende August 2007 noch nicht fertiggestellt) * Umweltbehörde (Freie und Hansestadt Hamburg): ''Umweltatlas Hamburg 1994.'' (Sonderdruck 1994) === Weblinks === * [http://www.regionalpark-wedeler-au.de Offizielle Seite zum Regionalpark Wedeler Au] * [http://www.hamburg.nabu.de/m05/m05_01/05347.html Seite zur Bachpatenschaft des NABU] == Einzelnachweise == <references/> {{Exzellent}} {{DEFAULTSORT:Wedeler Au}} [[Kategorie:Flusssystem Elbe|1Wedeler Au]] [[Kategorie:Fluss in Hamburg]] [[Kategorie:Fluss in Europa]] [[Kategorie:Fluss in Schleswig-Holstein]] [[Kategorie:Bezirk Hamburg-Altona]] [[Kategorie:Elbvororte]] [[Kategorie:Wedel]] nnuipuanvlqhqsrvp0vxlutr2bxe7wz wikitext text/x-wiki Alfred Wegener 0 24488 28366 28365 2011-08-12T19:45:15Z 87.79.193.194 [[Datei:Alfred Wegener.jpg|thumb|Alfred Wegener, etwa 1925]] '''Alfred Lothar Wegener''' (* [[1. November]] [[1880]] in [[Berlin]]; † November [[1930]] in [[Grönland]]) war ein deutscher [[Meteorologie|Meteorologe]], [[Polarforscher|Polar-]] und [[Geowissenschaft]]ler. Als sein wichtigster Beitrag zur Wissenschaft gilt seine erst postum anerkannte Theorie der [[Kontinentalverschiebung]], die zu einer wesentlichen Grundlage für das heutige Modell der [[Plattentektonik]] geworden ist. Zu seinen Lebzeiten war Wegener vor allem für seine Verdienste in der Meteorologie und als Pionier der [[Polarforschung]] bekannt. == Leben == === Frühe Jahre === Wegener war das jüngste von fünf Kindern einer Pastorenfamilie. Sein Vater war Richard Wegener, Theologe und Lehrer für Alte Sprachen am [[Berlinisches Gymnasium zum Grauen Kloster|Gymnasium zum Grauen Kloster]] in Berlin. Die Liebe zur Natur wurde in den Kindern wohl geweckt, als man 1886 das Gutshaus der alten Glashütte in [[Zechlinerhütte]] bei [[Rheinsberg]] als Feriendomizil erwarb und später als Wohnsitz der Familie nutzte. In dem Haus sind heute eine Touristen-Information und eine Alfred-Wegener-Gedenkstätte untergebracht. Wegener besuchte das ehemalige [[Köllnisches Gymnasium|Köllnische Gymnasium]] an der Wallstraße, dass er als Klassenbester abschloss, danach studierte er von 1900 bis 1904 [[Physik]], [[Meteorologie]] und [[Astronomie]] in Berlin, [[Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg|Heidelberg]] und [[Universität Innsbruck|Innsbruck]]. 1902 bis 1903 war Wegener während des Studiums Assistent an der Volkssternwarte ''[[Urania (Berlin)|Urania]]'' in Berlin. Seine [[Doktorarbeit]] schrieb er an der [[Humboldt-Universität zu Berlin|Berliner Universität]] 1905 zwar in Astronomie (unter der Leitung von [[Julius Bauschinger]]), er wandte sich danach aber mehr der Meteorologie und Physik zu. Seiner Meinung nach gab es in der Astronomie nicht mehr viel zu erforschen, zudem störte ihn, dass ein Astronom stark an seinen Beobachtungsort gebunden ist. 1905 wurde Wegener Assistent am [[Meteorologisches Observatorium Lindenberg|Aeronautischen Observatorium Lindenberg]] bei [[Beeskow]]. Er arbeitete dort mit seinem zwei Jahre älteren [[Kurt Wegener|Bruder Kurt]] zusammen, der ebenfalls Naturwissenschaftler war und mit dem er das Interesse für Meteorologie und Polarforschung teilte. Bei ihren Ballonaufstiegen für Luftuntersuchungen stellten die Wegener-Brüder vom 5. April bis 7. April 1906 mit 52 Stunden einen neuen Dauerrekord für Ballonfahrer auf. === Erste Grönlandfahrt und Marburger Jahre === [[Datei:KayakBearHunter.jpg|thumb|left|270px|Eisbärjäger in Grönland, 1904]] Im gleichen Jahr nahm Wegener an der ersten von insgesamt drei [[Grönland]]-Expeditionen teil. Wegener selbst hielt diese Entscheidung für einen der bedeutendsten Wendepunkte in seinem Leben. Der Auftrag der Expedition unter Leitung des Dänen [[Ludvig Mylius-Erichsen]] war es, das letzte unbekannte Stück der grönländischen Nordostküste zu erforschen. Wegener baute die erste meteorologische Station in Grönland bei [[Danmarkshavn]], wo er [[Drachen]] und [[Fesselballon]]s für meteorologische Messungen im [[Arktis|arktischen]] Klima aufsteigen ließ. Wegener machte auch die erste Bekanntschaft mit dem Tod im Eis: Bei einer Erkundungsfahrt mit [[Schlittenhund]]en kam der Expeditionsleiter zusammen mit zwei Gefährten ums Leben. Nach seiner Rückkehr 1908 war Wegener bis zum Ausbruch des [[Erster Weltkrieg|Ersten Weltkriegs]] Privatdozent für Meteorologie, praktische [[Astronomie]] und kosmische [[Physik]] in [[Universität Marburg|Marburg]]. 1909/10 arbeitete er an seinem Buch ''Thermodynamik der Atmosphäre'', in dem er auch zahlreiche Ergebnisse der Grönlandexpedition verwertete. Wegeners Studenten und Mitarbeiter in Marburg schätzten besonders sein Talent, auch komplizierte Fragen und aktuelle Forschungsergebnisse klar und verständlich zu vermitteln, ohne dabei auf Exaktheit zu verzichten. Diese Jahre gehören mit zu den wichtigsten Schaffensperioden Wegeners. Am 6. November 1912 stellte er bereits seine ersten Gedanken zur Kontinentalverschiebung in der Öffentlichkeit vor. In dieser Zeit traf er Else Köppen, die 1913 seine Frau wurde. [[Datei:Wegener 1912.gif|thumb|250px|Wegener im Winter 1912-1913, Grönland.]] === Zweite Grönlandfahrt === Noch vor der Hochzeit nahm Wegener an einer zweiten Grönlandexpedition teil. Nach einem Zwischenstopp auf [[Island]], wo die [[Islandpferd|Ponys]] für den Lastentransport gekauft und erprobt wurden, gelangte die Expedition wieder nach Danmarkshavn. Bevor man überhaupt mit dem Aufstieg auf das Inlandeis begonnen hatte, wäre die Expedition beinahe durch das Kalben eines [[Gletscher]]s ausgelöscht worden. Beim Sturz in eine Gletscherspalte brach sich der dänische Expeditionsleiter [[Johan Peter Koch]] einen Unterschenkel und musste für Monate das Krankenlager hüten. Ansonsten verlief die erste jemals unternommene Überwinterung auf dem Inlandeis ohne Zwischenfälle. Die Expeditionsteilnehmer führten die ersten [[Eisbohrung]]en auf einem bewegten Gletscher in der Arktis durch und machten viele meteorologische Beobachtungen. Im Sommer 1913 folgte die Durchquerung des Inlandeises, auf der die vier Expeditionsteilnehmer eine doppelt so lange Strecke zurücklegten wie einst [[Fridtjof Nansen]] bei seiner Durchquerung Südgrönlands 1888. Nur wenige Kilometer von der westgrönländischen Siedlung [[Kangersuatsiaq]] entfernt gingen der kleinen Gruppe in den unwegsamen Gletscherabbrüchen die Nahrungsmittel aus, selbst das letzte Pony und der Hund wurden verspeist. Im letzten Moment wurden sie aber an einem [[Fjord]] vom Pastor von [[Upernavik]] aufgelesen, der gerade eine entlegene Gemeinde besuchte. Nach seiner Rückkehr fand die Hochzeit mit Else Köppen statt. Sie war die Tochter von Wegeners früherem Lehrer und Mentor, dem Meteorologen [[Wladimir Peter Köppen|Wladimir Köppen]]. Das junge Paar zog nach Marburg, wo Wegener wieder seine Privatdozentur aufnahm. === Erster Weltkrieg === Als Reserveoffizier der Infanterie wurde Wegener bei Kriegsbeginn 1914 sofort eingezogen. Sein Kriegseinsatz an der Front in Belgien war mit heftigen Kämpfen verbunden, dauerte aber nur wenige Monate, da er nach zweimaliger Verwundung felddienstuntauglich geschrieben wurde. Danach wurde er dem Heereswetterdienst zugeteilt. Diese Tätigkeit erforderte ständiges Umherreisen zwischen den verschiedenen Wetterwarten in Deutschland, auf dem Balkan, an der Westfront und im Baltikum. Dennoch erarbeitete er 1915 die erste Fassung seines Hauptwerks ''Die Entstehung der Kontinente und Ozeane''. Wie sein Bruder Kurt dazu anmerkte, ging es Alfred Wegener dabei um die „Wiederherstellung der Verbindung zwischen der [[Geophysik]] einerseits und der [[Geographie]] und der [[Geologie]] andererseits, die durch die spezialisierte Entwicklung dieser Wissenschaftszweige vollständig abgerissen war“. Das allgemeine Interesse an dem Bändchen war aber, auch wegen der herrschenden Kriegswirren, nur gering. Bis zum Ende des Krieges publizierte Wegener nahezu 20 weitere meteorologische und geophysikalische Arbeiten, in denen er sich immer wieder auf wissenschaftliches Neuland begab. 1917 untersuchte er den [[Treysa (Meteorit)|Meteoriten von Treysa]] wissenschaftlich. Eine umfassende Darstellung zu Wegeners Arbeiten auf dem Gebiet der Physik der oberen Atmosphäre legte Wilfried Schröder vor (Astronomische Nachrichten, 1981), siehe auch: Wilfried Schröder, Entwicklungsphasen der Erforschung der [[Leuchtende Nachtwolke|Leuchtenden Nachtwolken]], Berlin, Akademie-Verlag, 1975, wo Wegeners Beitrag zu den Leuchtenden Nachtwolken behandelt wird. === Nachkriegszeit und letzte Grönlandfahrt === [[Datei:Wegener_Expedition-1930_026.jpg|thumb|Letztes Foto von Alfred Wegener (links) und Rasmus Villumsen vor der Abfahrt von ''Eismitte'']] Nach dem Krieg zog Wegener mit seiner Frau und den beiden Töchtern nach [[Hamburg]], wo er bei der [[Reichsinstitut Deutsche Seewarte|Deutschen Seewarte]] als Meteorologe arbeitete. 1921 wurde er dort zum außerordentlichen Professor an der neu gegründeten [[Universität Hamburg]] berufen. 1919 bis 1923 arbeitete Wegener sein Buch ''Die Klimate der geologischen Vorzeit'' aus, in dem er versuchte, den neuen Wissenschaftszweig der [[Paläoklimatologie]] im Rahmen seiner Kontinentalverschiebungstheorie zu systematisieren, und das er gemeinsam mit seinem Schwiegervater veröffentlichte. 1922 erschien die dritte, völlig neu bearbeitete Auflage seiner ''Entstehung der Kontinente und Ozeane''. In dieser Zeit setzte auch die verstärkte Diskussion um seine Verschiebungstheorie ein, zunächst nur im deutschsprachigen Raum, dann auch international. Die Kritik in der Fachwelt war meist vernichtend. 1924 erhielt Wegener einen ordentlichen Lehrstuhl für Meteorologie und Geophysik in [[Universität Graz|Graz]], wo er endlich eine gesicherte Position für sich und seine Familie fand. Hier widmete er sich vor allem der Physik und der Optik der [[Atmosphäre]] sowie dem Studium der [[Tornado|Tromben]] ([[Wirbelsturm|Wirbelstürme]]). Die wissenschaftliche Auswertung seiner zweiten Grönlandexpedition (Eismessungen, atmosphärische Optik, etc.) verzögerte sich bis zum Ende der 1920er Jahre. Im November 1926 fand in [[New York City|New York]] ein wichtiges Symposium der ''American Association of Petroleum Geologists'' zur Kontinentalverschiebungstheorie statt. Bis auf den Vorsitzenden verwarfen auch hier fast alle Beteiligten Wegeners Verschiebungstheorie. Drei Jahre später erschien die ''Entstehung der Kontinente und Ozeane'' in der vierten, erweiterten und letzten Ausgabe. 1929 unternahm Wegener seine dritte Reise nach Grönland, die nur als Vorbereitung für die Hauptexpedition geplant war. Ziel war unter anderem die Erprobung der neuartigen Propellerschlitten. Die Hauptexpedition ein Jahr später unter Leitung Wegeners, auf der von drei festen Stationen aus die Mächtigkeit des Festlandeises und das ganzjährige Wetter gemessen werden sollte, stand von Anfang an unter einem schlechten Stern. Der Zeitverlust von 38 Tagen durch ungünstige Eisverhältnisse bei der Landung an der Weststation konnte im Folgenden nicht wieder aufgeholt werden. Auf dem Rückweg von der Forschungsstation [[Eismitte]] (im Wesentlichen eine in das Eis gegrabene Höhle), die er mit zusätzlichen Lebensmitteln versorgte, kam Wegener vermutlich um den 16. November 1930 ums Leben. Am 12. Mai 1931 fand man Wegeners sorgfältig angelegtes Grab im Eis. Als Todesursache vermutete man Herzversagen in Folge von Überanstrengung. Sein grönländischer Begleiter [[Rasmus Villumsen]] blieb verschollen und mit ihm Wegeners Tagebuch. == Wegeners Theorie der Kontinentaldrift == [[Datei:Marburg, Gedenktafel für Alfred Wegener.jpg|thumb|Gedenktafel an Wegeners Wirkungsstätte in [[Marburg]]]] Wegeners Name wird immer mit der Theorie der Kontinentalverschiebung verbunden bleiben, die zu einer der wichtigsten Grundlagen für die heutige [[Plattentektonik]] werden sollte. Wegener war nicht der erste, dem der ähnliche Kurvenverlauf der afrikanischen West- und der südamerikanischen Ostküste auffiel. Als er aber im Herbst 1911 zufällig auf die paläontologischen Zusammenhänge zwischen Südamerika und Afrika aufmerksam wurde, keimte in ihm die Idee von einem Urkontinent, der zerbrochen war und dessen Teile danach auseinander drifteten. Bisher hatte man das Vorkommen bestimmter Fossilien auf verschiedenen Kontinenten mit der [[Landbrücken-Hypothese]] erklärt. Man ging davon aus, dass die Lebewesen der Vorzeit auf solchen [[Landbrücke]]n, ähnlich dem heutigen [[Isthmus von Panama]], von einem Kontinent zum anderen gewandert seien. {{Zitat|Wenn ich auch nur durch die übereinstimmenden Küstenkonturen darauf gekommen bin, so muß die Beweisführung natürlich von den Beobachtungsergebnissen der Geologie ausgehen. Hier werden wir gezwungen, eine Landverbindung zum Beispiel zwischen Südamerika und Afrika anzunehmen, welche zu einer bestimmten Zeit abbrach. Den Vorgang kann man sich auf zweierlei Weise vorstellen: 1) Durch Versinken eines verbindenden Kontinents ‚Archhelenis‘ oder 2) durch das Auseinanderziehen von einer großen Bruchspalte. Bisher hat man, von der unveränderlichen Lage jedes Landes ausgehend, immer nur 1) berücksichtigt und 2) ignoriert. Dabei widerstreitet 1) aber der modernen Lehre von der [[Isostasie]] und überhaupt unseren physikalischen Vorstellungen. Ein Kontinent kann nicht versinken, denn er ist leichter als das, worauf er schwimmt. [...] Warum sollten wir zögern, die alte Anschauung über Bord zu werfen?|Alfred Wegener|Brief vom [[6. November]] an seinen Mentor [[Wladimir Köppen]]}} Tatsächlich scheint diese Hypothese aber auch schon anderswo in der Luft gelegen zu haben. Bereits am 29. Dezember 1908 hatte der nordamerikanische Geologe [[Frank Bursley Taylor]] in einem Vortrag vor der ''Geological Society of America'' behauptet, die Kontinente seien nicht abgesunken, sondern langsam auseinandergedriftet. Im Gegensatz zu Taylor (der später zu einem von Wegeners ersten Anhängern wurde) gelang es Wegener jedoch, seine Theorie auch durch vielfältige Untersuchungen in den verschiedenen Zweigen der [[Geowissenschaften]] zu untermauern. === Argumente gegen die alte Landbrückentheorie === [[Datei:De Wegener Kontinente 018.jpg|thumb|300px|Wegeners Vorstellungen über das Auseinanderdriften der Kontinente]] [[Datei:Stamps of Germany (Berlin) 1980, MiNr 616.jpg|thumb| „Alfred Wegener“, Briefmarke 1980]] Wegener wies zunächst auf die Unzulänglichkeiten des bisherigen geotektonischen Modells hin, das von der unveränderlichen Lage der Kontinente ausging („[[Fixismus]]“). Zum Beispiel erkannte er, dass die erst kürzlich entdeckte natürliche [[Radioaktivität]] den bisher angenommenen Wärmehaushalt des Erdkörpers völlig über den Haufen warf. Selbst bei nur mäßigem Vorkommen von radioaktiven [[Mineral]]en im Erdinneren würde ihre Wärmeentwicklung den bisher behaupteten unaufhaltsamen Erkaltungs- und Schrumpfungsprozess der Erde, der für die Auffaltung der Gebirgsketten und das Einsinken der Ozeanbecken verantwortlich gemacht wurde, unmöglich machen. Im Laufe des 19. Jahrhunderts hatte man erkannt, dass die Kontinente aus vorwiegend [[Granit|granitischem]] Material (dem so genannten [[Sial]]) spezifisch leichter sind als die vorwiegend [[Basalt|basaltischen]] Ozeanböden ([[Ozeanische Erdkruste|SiMa]]). Vor Wegener hatte aber niemand diese Idee bis zu Ende gedacht. Wenn die Kontinente (bzw. die bisher postulierten Landbrücken zwischen den Kontinenten) wirklich in einem isostatischen Gleichgewicht auf dem dichteren Material schwammen, dann konnten sie genau so wenig versinken wie ein Eisberg im Meer. Schließlich war ja auch bekannt, dass ganz [[Skandinavien]] von den riesigen Eismassen der letzten [[Eiszeit]] in den Untergrund gedrückt worden war, und immer noch konnte man an den fallenden Küstenlinien beobachten, wie es ganz von selbst langsam wieder auftauchte. Ein weiteres Argument gegen die Landbrückentheorie lieferten die [[Echolot]]-Messungen des Forschungsschiffes [[Meteor (Forschungsschiff)|Meteor]] von 1924 bis 1927 im [[Atlantischer Ozean|Atlantik]]. Diese damals noch sehr junge Technologie erbrachte genauere Informationen über die Topographie des [[Mittelatlantischer Rücken|Mittelatlantischen Rückens]]. Anstatt der erwarteten von Ost nach West verlaufenden und versunkenen Landbrücken zwischen den Kontinenten entdeckte man überraschenderweise einen von Nord nach Süd verlaufenden Gebirgszug in der Mitte des Ozeans. === Argumente für die Kontinentalverschiebung === ==== Geologische Verbindungen über Ozeane hinweg ==== Zur Stützung seiner Theorie konnte Wegener die Ähnlichkeit von Gesteinsformationen in [[Indien]], [[Madagaskar]] und Ostafrika anführen. Ein Gebirgszug in [[Südafrika]] schien seine Verlängerung in einem ähnlich aufgebauten Gebirge in [[Argentinien]] zu haben. [[Präkambrium|Präkambrische]] Gesteine in [[Schottland]] entsprachen denen in [[Labrador (Kanada)|Labrador]] auf der anderen Seite des Atlantiks. Auch die [[Faltengebirge]] in [[Norwegen]] und Schottland schienen sich in den [[Appalachen]] in Nordamerika fortzusetzen. ==== Paläontologie ==== Im Bereich der [[Paläontologie]] wurden [[Fossil]]ien der [[Samenfarne|Samenfarn]]-Gattung ''[[Glossopteris]]'' samt der zugehörigen [[Pflanzenwelt|Flora]] sowohl in Afrika als auch in Brasilien gefunden. Eine fossile Schnecke (''[[Helix pomata]]'') kommt in [[Europa]] sowie im Osten Nordamerikas vor, aber nicht im Westen Nordamerikas. ==== Klimazeugen ==== Als Meteorologe befasste sich Wegener besonders mit der Geschichte des [[Klima]]s auf der Erde ([[Paläoklimatologie]]). Gerade auf diesem Gebiet sammelte er einige seiner wichtigsten Argumente: In der [[Antarktis]] hatte man [[Kohle]]vorkommen entdeckt, die sich fast nur unter [[Tropen|tropischen]] Bedingungen bilden können. Auf [[Spitzbergen (Insel)|Spitzbergen]] fanden sich [[Tertiär (Geologie)|tertiäre]] Fossilien von Bäumen, die heute im Mittelmeergebiet vorkommen. Im [[Jura (Geologie)|Jura]] existierten dort sogar tropische Pflanzen. Zur selben Zeit war die [[Sahara]] teilweise von Gletschern bedeckt. === Schlussfolgerungen Wegeners === Alle diese verwirrenden Befunde erklärte Wegener mit der Annahme eines ehemaligen Urkontinents, der aufbrach und dessen Teile auseinander drifteten. Später wurde für dieses Konzept der Begriff ''[[Pangaea]]'' eingeführt. Ein besonders klares Beispiel liefert Wegeners Rekonstruktion der Klimazeugen in der Epoche der [[Perm (Geologie)|Permo]]-[[Karbon (Geologie)|karbonen]] [[Eiszeit]]: Während sich die heute über alle Südkontinente verstreuten Vereisungsspuren (wie [[Moräne]]n, [[Gletscherschliff]]e, und die kälteliebende [[Glossopteris-Flora|''Glossopteris''-Flora]]) rund um den damaligen Südpol gruppieren, zeichnen die Salz- und Gipsablagerungen die subtropischen Trockengebiete nach. Die [[Kohle]]lagerstätten in Eurasien und Nordamerika gruppieren sich hingegen entlang der damaligen Äquatorialregion. Die jungen Kettengebirge, wie die amerikanischen [[Kordilleren]] oder die [[Alpen]], wären dann durch das Zusammenschieben der Gesteinsschichten an der Stirnseite der auseinander treibenden Kontinente entstanden, ähnlich wie eine Bugwelle. Das Auseinanderbrechen dieses Kontinents in einen nördlichen und südlichen Teil schätzte er auf einen Zeitpunkt vor etwa 200 Millionen Jahren. Selbst die Rolle, welche dem [[Mittelozeanischer Rücken|Mittelozeanischen Rücken]] in der heutigen Plattentektonik zukommt, hatte Wegener in gewisser Weise vorausgeahnt: {{Zitat|Da wir für größere Gebiete doch auch am Boden der Tiefsee isostatische Kompensation annehmen müssen, so besagt der Unterschied [in der Tiefe], daß die nach unserer Auffassung alten Tiefseeböden spezifisch schwerer sind als die jungen. Nun ist der Gedanke wohl nicht von der Hand zu weisen, daß frisch entblößte Simaflächen, wie der Atlantik oder westliche Indik, noch lange Zeit hindurch nicht nur eine geringere Riegheit [Starre] sondern auch eine höhere Temperatur ... bewahren als die alten, schon ausgekühlten Meeresböden. Und eine solche Temperaturdifferenz würde ... doch wahrscheinlich genügen, um die relativ geringfügigen Niveaudifferenzen der großen ozeanischen Becken untereinander zu erklären. Diese scheinen auch nahezulegen, die mittelatlantische Bodenschwelle als diejenige Zone zu betrachten, in welcher bei der noch immer fortschreitenden Erweiterung des Atlantischen Ozeans der Boden desselben fortwährend aufreißt und frischem, relativ flüssigem und hoch temperiertem Sima aus der Tiefe Platz macht.}} Allerdings muss betont werden, dass der Boden des Atlantiks für Wegener im Wesentlichen frisch entblößt war und nicht „frisch gebildet“. Und obwohl Wegener bereits spekulierte, dass es sich bei den großen [[Grabensystem]]en, wie dem [[Ostafrikanischer Graben|Ostafrikanischen Graben]], um die ersten Anfänge eines neuen Ozeans handeln könnte, so blieb ihm die Bedeutung der vulkanisch aktiven Spaltensysteme auf Island (also auf dem Mittelatlantischen Rücken) für die Kontinentaldrift verborgen. === Ursache der Kontinentaldrift === Das Problem an Wegeners Theorie war, dass es ihm nicht gelang, die wirkenden Kräfte plausibel zu machen. Er versuchte die Bewegungen der Erdplatten auf [[Zentrifugalkraft|Zentrifugal-]] und [[Gezeitenkraft|Gezeitenkräfte]] zurückzuführen, die aber, wie der britische Astronom und Geophysiker [[Harold Jeffreys]] 1924 nachwies, dafür viel zu schwach sind. Auch konnten seine Gegner, wie der Leipziger Geologe [[Franz Kossmat]], geltend machen, dass die ozeanische Kruste doch zu fest sei, als dass die Kontinente einfach „hindurchpflügen“ könnten, wie es Wegeners Theorie nahe zu legen schien. In der letzten Ausgabe seiner ''Entstehung der Kontinente und Ozeane'' griff Wegener bei der Suche nach den Ursachen der Drift aber bereits auf die Vorstellungen des Geologen und Geophysikers [[Robert Schwinner]] über thermisch bedingte Strömungen im Erdinnern zurück. Heute gelten solche [[Konvektion]]sströme tatsächlich als der wahrscheinlichste Motor der Plattentektonik. In diesem Zusammenhang ist bemerkenswert, dass Wegener erst so spät und so halbherzig auf dieses Konzept einging. Schließlich waren er und Schwinner viele Jahre lang Kollegen an der Universität Graz. Möglicherweise spielten Animositäten gegenüber dem persönlich schwierigen Schwinner mit; vielleicht begann Wegener aber auch schon, die allgemeine Ablehnung seiner Theorie durch die Geologen mit einer Ablehnung „der Geologen“ im Allgemeinen zu erwidern. Jedenfalls machte sich bei ihm eine gewisse Verbitterung darüber breit, dass man ihm als einziges verbleibendes „Gegenargument“ immer wieder vorhielt, er könne die Ursache der Kontinentaldrift nicht erklären. So ist von ihm der Ausspruch überliefert, mit der gleichen Logik könne man die Existenz des Universums in Zweifel ziehen, denn dessen Ursache könne auch niemand erklären. == Weitere Leistungen == === Geologie der Einschlagskrater === [[Datei:Barringer Crater from edge.jpg|thumb|Der Barringer-Krater bei Flagstaff (Arizona)]] Wenig bekannt sind Wegeners Arbeiten auf dem Gebiet der Impaktforschung. Ein [[Meteorit]], der am 3. April 1916 bei [[Schwalmstadt]]/[[Hessen]] (siehe [[Meteor von Treysa]]) auftraf, veranlasste Wegener, sich mit [[Einschlagkrater]]n zu beschäftigen, und er schrieb eine Abhandlung über die Entstehung der Mondkrater. Nach systematischen Experimenten mit Mörtelklumpen, die er auf Zementpulver fallen ließ, vertrat er die Meinung, die Mondkrater seien hauptsächlich von [[Meteorit]]en erzeugt worden. Mit dieser Ansicht war er ebenfalls seiner Zeit voraus. Schon 1921 prognostizierte er, dass man in Zukunft noch viele Meteoritenkrater auch auf der Erde nachweisen würde. Zu dieser Zeit war nur der [[Barringer-Krater]] bei [[Flagstaff]] ([[Arizona]]) bekannt, und selbst dieser wurde erst 1930 allgemein als Einschlagskrater anerkannt. Wegener selbst identifizierte und beschrieb 1927 den [[Saaremaa#Der Kaali-Meteoritenkrater|Kaali-Krater]] auf der Insel Ösel (heute [[Saaremaa]], [[Estland]]). Dies war damals der vierte Meteoritenkrater, der weltweit bekannt war. === Meteorologie === Daneben forschte Wegener vor allem auf dem Gebiet der Meteorologie und befasste sich insbesondere mit der Physik der Atmosphäre. Er führte als erster das Konzept der [[Turbulenz]] in die Meteorologie ein und entwickelte das Konzept der geschichteten Atmosphäre. Außerdem beschrieb er als erster korrekt das Prinzip der [[Fata Morgana]] als Lichtspiegelung an der Grenze zwischen zwei unterschiedlich dichten Luftschichten und untersuchte die Entstehung von [[Wolke]]n und [[Tornado]]s sowie die Zusammensetzung der Luft in höheren Atmosphärenschichten. == Wirkung == === Ablehnung === Wegeners Theorie von der Verschiebung der Kontinente blieb zu seinen Lebzeiten immer umstritten und geriet nach seinem Tod rasch in Vergessenheit. Nur wenige Wissenschaftler, wie der [[Paläogeographie|Paläogeograph]] [[Edgar Dacqué]], oder der Belgrader Astronom [[Milutin Milanković]], unterstützten Wegener von Anfang an. Andere Kollegen sprachen eher von ''„Gedankenspielerei'', ''Phantasiegebilden“,'' oder gar von ''„Fieberfantasien der von Krustendrehkrankheit und Polschubseuche schwer Befallenen“.'' Einer der wohlmeinenderen Kritiker, der Direktor des französischen Amtes für geologische Landesaufnahme, [[Pierre-Marie Termier]], meinte zumindest: „''Seine Theorie ist ein wundervoller Traum der Schönheit und Anmut, der Traum eines großen Poeten.''“ In Deutschland war besonders die Ablehnung durch die damals maßgeblichen Geologen [[Hans Stille]] und [[Hans Cloos]] entscheidend. Während Stille bis zu seinem Tod 1966 ein entschiedener Gegner des Wegenerschen „[[Mobilismus]]“ blieb, war Cloos zumindest von Wegeners Persönlichkeit beeindruckt und unterstützte ihn nach Kräften bei der Aufarbeitung der geologischen Fachliteratur. Da Wegener sich stets der Solidität seiner Theorie sicher war, nahm er selbst die teilweise sehr unsachliche Kritik mit derselben erstaunlichen Gelassenheit hin, die ihn auch auf seinen Grönlandexpeditionen ausgezeichnet hatte. Außerdem durchschaute er die Motive seiner Kritiker: {{Zitat|Die Leute, die so recht darauf pochen, auf dem Boden der Tatsachen zu stehen und mit Hypothesen durchaus nichts zu tun haben wollen, sitzen doch allemal selbst mit einer falschen Hypothese drin [...]. Hätten sie die Verschiebungstheorie schon auf der Schule gelernt, so würden sie sie mit demselben Unverstand in allen, auch den unrichtigen Einzelheiten, ihr ganzes Leben hindurch vertreten, wie jetzt das Absinken von Kontinenten.}} === Späte Rehabilitation === [[Datei:Stamp Alfred Wegener.jpg|thumb|Alfred Wegener auf einer DDR-Briefmarke]] Tatkräftige Unterstützung erfuhr Wegener nur von dem südafrikanischen Geologen [[Alexander Du Toit]], der sich intensiv mit der Vereisungsgeschichte der Südkontinente befasst hatte, und der bei einem fünfmonatigen Aufenthalt in Südamerika zahlreiche Pflanzen- und Tierfossilien entdeckt hatte, die er aus Südafrika kannte. In seinem 1937 erschienen Buch ''Our Wandering Continents'' (Unsere wandernden Kontinente), das er Wegener widmete, wich er jedoch von der ursprünglichen Theorie ab und postulierte zwei Urkontinente, den Südkontinent [[Gondwana]]land und den Nordkontinent [[Laurasia]]. Der irische Physiker und Geologe [[John Joly]] und der schottische Geologe [[Arthur Holmes]] befassten sich mit den Kräften, die die Kontinentalverschiebung bewirken konnten, und verbesserten, unter Einbeziehung älterer Arbeiten der Österreicher [[Otto Ampferer]] und Robert Schwinner, das Modell der Konvektionsströmungen. Weitere Untersuchungen nach dem [[Zweiter Weltkrieg|Zweiten Weltkrieg]], wie die seismische Messung der Mächtigkeit von Meeresbodensedimenten durch den amerikanischen Geophysiker [[Maurice Ewing]], bestätigten Wegeners Annahmen über das junge Alter der Ozeanböden. Der britische Geophysiker [[Edward C. Bullard]] fand zusammen mit seinem amerikanischen Kollegen [[Arthur Maxwell]] heraus, dass der Wärmefluss in der ozeanischen Kruste (und besonders an den Mittelozeanischen Rücken) deutlich höher war als in kontinentaler Kruste, so wie Wegener es vorausgesagt hatte. Nach den Erkenntnissen des amerikanischen Geophysikers [[Hugo Benioff]] über die Natur der [[Tiefseerinne]]n am Rand des [[Pazifischer Ozean|Pazifiks]] und den [[Paläomagnetismus|paläomagnetischen]] Messungen der britischen Wissenschaftler [[Patrick Maynard Stuart Blackett|Patrick Blackett]] und [[Keith Runcorn]], deren Rekonstruktionen der Lage des Nordpols im Lauf der Erdgeschichte nur Sinn ergab, wenn Europa und Nordamerika einstmals zusammen lagen und dann auseinander gedriftet waren, begann der amerikanische Geologe [[Harry Hess]] alle diese einzelnen Puzzlesteine zusammenzusetzen. Die von Forschungsschiffen Anfang der 1960er Jahre entdeckten Zonen der [[Ozeanbodenspreizung]], an denen neue ozeanische Kruste zwischen den auseinanderdriftenden Kontinenten gebildet wird, lieferten einen weiteren Hinweis zum Verständnis der tektonischen Vorgänge. Seit den 1970er Jahren ist die aus diesen Untersuchungen hervorgegangene Plattentektonik in Wissenschaftskreisen allgemein anerkannt. Der schon von Wegener geforderte direkte Nachweis der Kontinentalverschiebung konnte mittlerweile durch [[Satellitengeodäsie|satellitengeodätische]] Messungen erbracht werden. == Sonstiges == Der Ehe mit Else Köppen entstammten drei Töchter: Hilde (* 1914; † 1936) und Sophie ''Käte'' (* 1918) kamen in Marburg zu Welt, Hanna Charlotte (''Lotte'', * 1920; † 1989) in Hamburg. Lotte heiratete 1938 den bekannten [[Bergsteiger]] [[Heinrich Harrer]], von dem sie nach einigen Jahren geschieden worden ist. Käte ehelichte 1939 den [[Struktur der NSDAP#Die 43 Gaue (1941) inkl. Gauleiter|Gauleiter]] der [[Steiermark]], [[Siegfried Uiberreither]]. Für die Teilnehmer an seinen letzten Grönlandexpeditionen entwarf Wegener Spezialkleidung nach dem Vorbild des grönländischen [[Anorak]]s. Das Modell wurde später im Wesentlichen von der europäischen Wintersportmode übernommen. [[Bild:Awi brhv.JPG|thumb|AWI Bremerhaven]] In Anerkennung von Wegeners wissenschaftlicher Bedeutung wurde das 1980 gegründete [[Alfred-Wegener-Institut|Alfred Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung]] in [[Bremerhaven]] nach ihm benannt, ebenso der Asteroid [[(29227) Wegener]], der Mondkrater [[Wegener (Mondkrater)|Wegener]], ein [[Marskrater]] und die Alfred-Wegener Schule in Kirchhain (bei Marburg). Bereits 1967 wurde in [[Berlin-Zehlendorf]] eine Oberschule nach Alfred Wegener benannt.<ref> [http://nssdcftp.gsfc.nasa.gov/miscellaneous/planetary/viking/mars_gazetteer.txt MARS ,WEGENER] mars_gazetteer,NASA National Space Science Data Center(zugriff=2.April 2010) </ref> Bereits 1936 erwähnte der Schriftsteller [[H. P. Lovecraft]] im siebenten Kapitel seiner Horror-Erzählung ''[[Berge des Wahnsinns]]'' Wegeners damals noch allgemein abgelehnte und wenig bekannte Drifthypothese: ''Later maps [of the Old Ones], which display the land mass as cracking and drifting, and sending certain detached parts northward, uphold in a striking way the theories of continental drift lately advanced by Taylor, Wegener and Joly.''<ref> [http://en.wikisource.org/wiki/At_the_Mountains_of_Madness/Chapter_7 en.wikisource]</ref> Im Jahre 1935, zum 5. Todestag von Wegener, organisierte der Kameramann [[Walter Riml]] eine eigene Expedition nach Grönland. Er wiederholte die gesamte Wegener-Expedition von 1930 und nahm diese filmisch auf. In Zusammenschnitten von noch vorhandenem Negativmaterial der letzten Wegener Grönlandfahrt entstand der Film ''[[Das große Eis - Alfred Wegeners letzte Fahrt]]''.<ref>[http://walter-riml.at/12.html Homepage von Walter Riml]</ref> == Werke == * ''Thermodynamik der Atmosphäre'', 1911 und 1924 * ''Die Entstehung der Kontinente und Ozeane'', 1915, 1929 (4. Aufl.). * ''[http://www.tordach.org/education.htm Wind- und Wasserhosen in Europa]'', 1917. * ''Das detonierende Meteor vom 3. April 1916, 3 1/2 Uhr nachmittags in Kurhessen'', 1917 und 1918 * ''Der Farbenwechsel grosser Meteore'', 1918 * ''Durch die weiße Wüste'', 1919 * ''Theorie der Haupthalos'', 1926 * ''Versuche zur Aufsturztheorie der Mondkrater'', 1920 * ''Die Entstehung der Mondkrater'', 1921 * ''Pilotballonaufstiege auf einer Fahrt nach Mexiko März bis Juni 1922'' * ''Die Klimate der geologischen Vorzeit'', 1924, Wladimir Köppen, Alfred Wegener * ''Vertraulicher Bericht über die Grönland-Expedition 1929'' * ''[[s:Die Entstehung der Kontinente und Ozeane|Die Entstehung der Kontinente und Ozeane]]'', 1929 * ''Vorlesungen über Physik der Atmosphäre'', 1935 * ''Mit Motorboot und Schlitten in Grönland'', 1935 === Neuausgaben === * Alfred Wegener: ''Die Entstehung der Kontinente und Ozeane''. Mit handschriftlichen Bemerkungen von Alfred Wegener, Notizen und Briefen sowie neu erstelltem Index. Hrsgg. vom Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung. Vieweg, Braunschweig 1915, 1929, Borntraeger, Berlin 2005 (Repr. d. 4.Aufl.). ISBN 3-443-01056-3 * Alfred Wegener: ''Das detonierende Meteor vom 3. April 1916, 3 1/2 Uhr nachmittags in Kurhessen.'' Berlin 1917, 1918. Elwert, Marburg 2001 (Repr.). ISBN 3-7708-1160-7 * Alfred Wegener: ''Alfred Wegeners vertraulicher Bericht über die Grönland-Expedition 1929.'' Akademische Druck- und Verl.-Anst., Graz 1980. ISBN 3-201-01128-2 * Alfred Wegener: ''[http://www.tordach.org/education.htm Wind- und Wasserhosen in Europa.]'' Vieweg, Braunschweig 1917 (PDF). == Siehe auch == * [[Alfred-Wegener-Institut|Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung]] in [[Bremerhaven]] == Einzelnachweise == * <references /> == Literatur == === Bücher === * Hermann Günzel: ''Alfred Wegener und sein meteorologisches Tagebuch der Grönland-Expedition 1906–1908.'' Schriften der Universitätsbibliothek Marburg. Bd 59. Universitätsbibliothek, Marburg 1991. ISBN 3-8185-0091-6 * Christine Reinke-Kunze: ''Alfred Wegener, Polarforscher und Entdecker der Kontinentaldrift.'' Birkhäuser, Basel/Boston/Berlin 1994. ISBN 3-7643-2946-7 * Klaus Rohrbach: ''Alfred Wegener, Erforscher der wandernden Kontinente.'' Freies Geistesleben, Stuttgart 1993. ISBN 3-7725-1103-1 * [[Martin Schwarzbach]]: ''Alfred Wegener und die Drift der Kontinente.'' Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft, Stuttgart 1980. ISBN 3-8047-0582-0 * Ulrich Wutzke: ''Durch die weiße Wüste. Leben und Leistungen des Grönlandforschers und Entdeckers der Kontinentaldrift Alfred Wegener.'' Perthes, Gotha 1997. ISBN 3-623-00354-9 === Aufsätze === * Cornelia Lüdecke: ''Der Meteorologe Alfred Wegener.'' Naturwissenschaftliche Rundschau 60(3), S. 125 – 128 (2007), {{ISSN|0028-1050}} * Franz & Diedrich Fritzsche: ''Die Familie des Polarforschers Alfred Wegener und ihre Wurzeln in Wittstock und Ruppin.'' Jahrbuch 2007 / Kreisverwaltung Ostprignitz-Ruppin, 16, 134-140 (2006) [http://epic.awi.de/Publications/Fri2006g.pdf] * Imre Josef Demhardt: ''Alfred Wegener's Hypothesis on Continental Drift and its discussion in [[Petermanns Geographische Mitteilungen]] (1912-1942)'', Polarforschung 75 (2005), 29-35. [http://epic.awi.de/Publications/Polarforsch2005_1_3.pdf] == Weblinks == {{Commons}} {{Wikisource|Alfred Wegener}} * {{DNB-Portal|118629913}} * [http://www.awi.de/ Alfred-Wegener-Institut] * [http://www.geo-union.de/ Alfred-Wegener-Stiftung] * [http://www.awi.de/de/entdecken/geschichte_der_polarforschung/bedeutende_polarforscher/alfred_wegener/alfred_wegener_und_sein_elternhaus/ Alfred Wegener-Institut – Alfred-Wegener-Biografie] * [http://www.zechlinerhuette.com/de/tourismusinfo/wegener_gedenkstaette.php/ Alfred Wegener Gedenkstätte] * [http://www.wegcenter.at/ Wegener Zentrum für Klima und globalen Wandel – Graz] * [http://www.dradio.de/dlf/sendungen/wib/435158/ Das Puzzle des Herrn Wegener] − [[Radio-Feature|Feature]] des [[Deutschlandradio]]s vom 6. November 2005 * [http://www.tvciencia.pt/tvccat/pagcat/tvccat03.asp?codcat=CDI-5445-1937 Topographische Karte Grönlands mit markiertem Sterbeort Wegeners (etwa 71°11' N – 51°6' W) – Geodetic Institute. Copenhagen 1937] * [http://www.youtube.com/watch?v=O1OOueEppcs youtube-Film: Deutsche Gronland-Expedition Alfred Wegener 1930 (15 min)] {{Gesprochene Version |datei=De-Alfred_Wegener-article.ogg |länge=35:04 min |größe=16,1 MB |version=http://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Alfred_Wegener&oldid=27944796 |exzellent=nein }} {{Exzellent}} {{Normdaten|PND=118629913|LCCN=n/80/98269|VIAF=64096502}} {{SORTIERUNG:Wegener, Alfred}} [[Kategorie:Meteorologe]] [[Kategorie:Geophysiker]] [[Kategorie:Geologe (20. Jahrhundert)]] [[Kategorie:Polarforscher (Arktis)]] [[Kategorie:Hochschullehrer (Marburg)]] [[Kategorie:Hochschullehrer (Universität Graz)]] [[Kategorie:Mitglied der Österreichischen Akademie der Wissenschaften]] [[Kategorie:Deutscher]] [[Kategorie:Geboren 1880]] [[Kategorie:Gestorben 1930]] [[Kategorie:Mann]] {{Personendaten |NAME=Wegener, Alfred |ALTERNATIVNAMEN=Wegener, Alfred Lothar |KURZBESCHREIBUNG=deutscher Meteorologe, Polar- und Geowissenschaftler |GEBURTSDATUM=1. November 1880 |GEBURTSORT=[[Berlin]] |STERBEDATUM=November 1930 |STERBEORT=[[Grönland]] }} [[af:Alfred Wegener]] [[ar:ألفريد فاجنر]] [[az:Alfred Vegener]] [[bg:Алфред Вегенер]] [[br:Alfred Wegener]] [[bs:Alfred Wegener]] [[ca:Alfred Wegener]] [[cs:Alfred Wegener]] [[da:Alfred Wegener]] [[en:Alfred Wegener]] [[eo:Alfred Wegener]] [[es:Alfred Wegener]] [[et:Alfred Wegener]] [[eu:Alfred Wegener]] [[fa:آلفرد وگنر]] [[fi:Alfred Wegener]] [[fr:Alfred Wegener]] [[gl:Alfred Wegener]] [[he:אלפרד וגנר]] [[hr:Alfred Wegener]] [[id:Alfred Wegener]] [[is:Alfred Wegener]] [[it:Alfred Lothar Wegener]] [[ja:アルフレート・ヴェーゲナー]] [[ko:알프레트 베게너]] [[lb:Alfred Wegener]] [[mt:Alfred Wegener]] [[nds:Alfred Wegener]] [[nl:Alfred Wegener]] [[no:Alfred Wegener]] [[pl:Alfred Wegener]] [[pt:Alfred Wegener]] [[ro:Alfred Wegener]] [[ru:Вегенер, Альфред Лотар]] [[simple:Alfred Wegener]] [[sk:Alfred Wegener]] [[sl:Alfred Lothar Wegener]] [[sr:Алфред Вегенер]] [[sv:Alfred Wegener]] [[tr:Alfred Lothar Wegener]] [[uk:Альфред Лотар Вегенер]] [[vi:Alfred Wegener]] [[zh:阿尔弗雷德·魏格纳]] 7cobnmfm51gdtuupu717fesx6tzpe4b wikitext text/x-wiki Weiach 0 24489 27091 2010-05-10T11:26:49Z Weiacher Geschichte(n) 0 <!--schweizbezogen-->{{Infobox Ort in der Schweiz |NAME_ORT = Weiach |BILDPFAD_KARTE = Karte Gemeinde Weiach 2007.png |BILDPFAD_WAPPEN = Weiach.svg |REGION-ISO = CH-ZH |BEZIRK = [[Dielsdorf (Bezirk)|Dielsdorf]] |BFS = 0102 |PLZ = 8187 |BREITENGRAD = 47.558327 |LÄNGENGRAD = 8.437506 |HÖHE = 390 |FLÄCHE = 9.64 <!--Einwohner werden automatisch ergänzt--> |WEBSITE = www.weiach.ch }} '''Weiach''' ist eine [[politische Gemeinde]] im [[Dielsdorf (Bezirk)|Bezirk Dielsdorf]], [[Kanton Zürich]], [[Schweiz]]. Von den Einheimischen wird sie ''Weyach'' oder ''Weych'' genannt (''ey'' bzw. [{{IPA|ɛɪ̯}}] wird als [[Diphthong]] mit Betonung auf dem ''e'' ausgesprochen). Die Gemeinde liegt etwa 25&nbsp;km Luftlinie nördlich des Stadtzentrums von [[Zürich]]. Sie ist seit 1962 vor allem durch die ''[[Weiacher Kies AG]]'' bekannt, das erste Unternehmen in der Schweiz, welches den Kiesabbau mit industriellen Verfahren betrieb. Die Ausbeutung des einzigen in nennenswerten Quantitäten vorhandenen [[Bodenschatz]]es der Schweiz liess die Gemeinde zum ersten Mal in ihrer Geschichte ihre Finanzprobleme vergessen. 1995 machte Weiach als steuergünstigste Gemeinde des Kantons Schlagzeilen. == Geographie == Die Gemeinde liegt in der nordwestlichen Ecke des [[Zürcher Unterland]]es, an der Kantonsgrenze Zürich-[[Kanton Aargau|Aargau]]. Der [[Rhein]], der einige hundert Meter nördlich des Dorfes vorbeiströmt und die natürliche Grenzlinie zur [[Deutschland|Bundesrepublik Deutschland]] bildet, markiert den tiefsten Punkt im Kanton Zürich ({{Höhe|332|CH|link=true}}). Den höchsten Punkt auf Gemeindegebiet bildet das Plateau des Haggenbergs (Stadlerberg) mit 615&nbsp;m&nbsp;ü.&nbsp;M. Nachbargemeinden sind im Uhrzeigersinn, beginnend im Westen: [[Fisibach]] und das Städtchen [[Kaiserstuhl AG|Kaiserstuhl]] im Kanton Aargau, [[Hohentengen am Hochrhein]] im [[Landkreis Waldshut]] (Bundesrepublik Deutschland), sowie [[Glattfelden]], [[Stadel bei Niederglatt|Stadel]] (Ortschaft [[Raat]]) und [[Bachs]] im Kanton Zürich. Zur Gemeinde gehören die Kernsiedlung im Zentrum des Territoriums, einige Einzelhöfe (''Felsenhof'' an der Strasse nach Raat, ''Ofen'' an der [[Hauptstrasse 7]] nach Glattfelden und der ''Rheinhof'' am Flussufer), sowie zwei Industrie- und Gewerbegebiete im Bereich des alten Bahnhofs und des Kieswerks. Die Kernsiedlung liegt geschützt zwischen bewaldeten Hügelzügen, in einer noch bis vor wenigen Jahren dicht mit Obstbäumen bestandenen Mulde eingebettet, die sich nach Norden gegen den Rhein hin öffnet. Waldungen im Umfang von 461&nbsp;ha bedecken fast die Hälfte des gesamten Gemeindebanns. Grosse Teile des Waldes gehören der Gemeinde. Im Jahr 1996 waren von der Gemeindefläche 36.9 % landwirtschaftlich genutzt, 49.1 % waren mit Wald bestockt, die Verkehrsflächen betrugen 2.8 %, die Gewässer umfassten 2.0 % und die Siedlungsfläche betrug 8.8 %. Die Ebene im nordöstlichen Gemeindegebiet gehört zu den im Vorland des würmeiszeitlichen [[Rheingletscher]]s abgelagerten [[Schotter]]<nowiki/>terrassen des [[Rafzerfeld]]es, die seit Anfang der 1960er Jahre im industriellen Massstab ausgebeutet werden. (siehe [[#Industrie|Abschnitt ''Industrie'']]) == Wappen == [[Bild:Weiach.svg|right|50px]] [[Blasonierung]] : ''Schräggeteilt von Silber und Blau, mit achtstrahligem Stern in verwechselten Farben'' Der Stern steht in keinem bestimmten Verhältnis zum [[Fahne und Wappen des Kantons und der Stadt Zürich|Zürcherschild]] (schrägrechts von Silber und Blau geteilt) [[Bild:Logo weiach.gif|thumb|120px|Abb. 1: Logo der Gemeinde]] Das 1719 erstmals urkundlich belegte [[Wappen|Gemeindewappen]] zeigt eine Verbindung zum einzigen [[ehaft]]en (das heisst obrigkeitlich konzessionierten) [[Gasthaus|Gasthof]] mit Beherbergungsrecht in der Gemeinde, der alten Taverne «zum Sternen». Unklar ist, ob Name und Schild des Gasthofs von einem älteren Zeichen der Gemeinde übernommen wurden oder umgekehrt der Stern als Wirtshauszeichen später auf die Gemeinde überging. Im 19. Jahrhundert war auch ein sechsstrahliger goldener Stern auf blauem Grund gebräuchlich (ähnlich dem heutigen Wappen von [[Dietlikon]]). In seiner heutigen Form wurde das Weiacher Wappen vom Gemeinderat Ende November 1931 offiziell anerkannt. Das seit dem 1. Mai 2000 auf Gemeindedrucksachen gebräuchliche [[Logografie|Logo]] zeigt in stilisierter Form das Gemeindegebiet mit Rhein und Waldbestockung, wie es sich aus grosser Höhe auf Satellitenfotos ausnimmt. == Geschichte == [[Bild:Weiach Siegfriedkarte.jpg|thumb|250px|Abb. 2: Weiach im [[Topographischer Atlas der Schweiz|Siegfriedatlas]] von 1880]] === [[Ur- und Frühgeschichte]] === Zahlreiche archäologische Fundstellen machen deutlich, dass das Territorium der heutigen Gemeinde Weiach wegen seiner Lage am Rhein und seiner Topographie seit dem Ende der letzten [[Würmeiszeit|Eiszeit]] ein bedeutendes Siedlungsgebiet war. An den Rheinterrassen wurden an verschiedenen Orten Inventare von [[Feuerstein]]splittern entdeckt, welche auf die [[Mittelsteinzeit|Mittel-]] bis [[Jungsteinzeit]] datiert werden. Zu den Einzelfunden auf Gemeindegebiet gehört auch ein [[Beil|Steinbeil]] aus der Jungsteinzeit. Mögliche neolithische Höhensiedlungen werden auf den Plateaus des ''Stein'' und ''Stadlerberg'' vermutet. Grosse Wallanlagen ([[Refugium|Refugien]]), die auf Grund der Fundlage schon seit prähistorischer Zeit bestehen müssen, können auf einem Felssporn des ''Wörndel'' (genannt: ''Leuechopf'') und im ''Ebnet'' oberhalb der ''Fasnachtflue'' festgestellt werden. Grabungen auf dem ''Leuechopf'' brachten ausserdem Fundamente eines mittelalterlichen Rundturmes zum Vorschein. Zu den archäologischen Funden gehören weiter [[Grab]]beigaben wie Bronzespangen und -nadeln sowie ein zweinietiger [[Dolch]] aus der [[Bronzezeit|Mittelbronzezeit]] (ca. 1500–1300&nbsp;v.&nbsp;Chr.). Sie stammen aus mehreren frühbronzezeitlichen [[Hügelgrab|Grabhügel]]n, die in der Ebene des ''Hard'' liegen. Sieben von ihnen wurden 1855 erstmals inventarisiert und drei im Jahre 1866 durch [[Ferdinand Keller (Altertumsforscher)|Ferdinand Keller]], den Präsidenten der [[Antiquarische Gesellschaft in Zürich|Antiquarischen Gesellschaft in Zürich]], untersucht. Im Verlaufe des Kiesabbaus wurde im Frühjahr 2001 bei [[Ausgrabung|Notgrabungen]] durch die Kantonsarchäologie im Gebiet ''Winkelwiesen'' am nordöstlichen Dorfausgang eine bronzezeitliche Siedlung entdeckt. Neben verschiedenen Hausgrundrissen fand man auch einen gepflästerten Weg (Dorfstrasse aus Bollensteinen), welcher auf die Spätbronzezeit (ca. 1300-800&nbsp;v.&nbsp;Chr.) datiert wird. An die [[Spätantike|Römerzeit]] erinnern zwei [[Turm (Bauwerk)|Wachtturmfundamente]] (im ''Hard'' gut erhalten und 1969 konserviert, im Gebiet ''Leebern/Heidenbuck'' stark zerfallen). Die Türme wurden unter dem weströmischen Kaiser [[Valentinian I.]] um 370&nbsp;n.&nbsp;Chr. entlang des [[Hochrhein]]s zwischen dem [[Bodensee]] und dem [[Rheinknie]] bei Basel als Teil eines [[Limes (Grenzwall)|Abwehrsystems]] ([[Donau-Iller-Rhein-Limes]]) gegen die von Norden her vordringenden [[Alamannen]] errichtet. Neben mehreren [[Mammuts|Mammut]]zähnen förderte der Kiesabbau im Jahre 1979 auch ein frühmittelalterliches Gräberfeld zutage. Als Grabbeigabe fand man u.a. einen [[Sax (Waffe)|Skramasax]] (Kurzschwert). Während der heutige Dorfkern in den Bachtälern am südlichen Rand der Rheinebene liegt, sind die seit längerem bekannten bronzezeitlichen Gräber mitten in der Ebene zu finden. Die 2001 ausgegrabene bronzezeitliche Siedlung im südwestlichen Abbaugebiet der ''[[Weiacher Kies AG]]'' war zudem in unmittelbarer Nähe des Dorfbaches angelegt. Sie lag damit angrenzend an die früher als Viehweide begehrten Sumpfwiesen, die bis Ende des 19. Jahrhunderts bewirtschaftet und danach drainiert wurden. === Ortsnamenkunde === Auf das Jahr 1271 ist die älteste noch erhaltene urkundliche Erwähnung des Ortes datiert: ''in Wiâch''. Über die Bedeutung des Namens besteht heute weitgehende Einigkeit: Im 19. Jahrhundert vermutete man noch einen Zusammenhang mit dem [[Alemannische Dialekte|alemannischen]] Wortstamm ''wey'' als Bezeichnung für die ''Weihe'', einem kleinen [[Habichtartige|Greifvogel]], mit dem zweiten Bestandteil ''aha'' (für: ''Bach, Fluss'', siehe: ''[[Liste der Gewässer mit Aa|Aa]]''). Die jüngere Forschung rechnet mit einem in [[Römisches Reich|römischer]] Zeit gebildeten Namen eines hier befindlichen [[Gutshof]]es: dieses nicht bezeugte *''Veiacus'' oder *''Veiacum'' (ergänze: ''fundus'' oder ''praedium'', d.h. ''Landgut'') enthält den Namen des ersten Besitzers ''(Veius)'' und das im [[Gallien|gallorömischen]] Siedlungsbereich übliche besitzeranzeigende [[Suffix]] ''-acus/-acum''; ''Veiacus (fundus)'' bzw. ''Veiacum (praedium)'' bedeutet also ''Landgut des Veius''. Überreste eines solchen antiken Gutshofes wurden bis heute zwar keine gefunden, doch fügt sich der Name in eine ganze Reihe von im Norden des Kantons Zürich bestehenden Ortsnamen ein, die alle auch aus Gutshofbezeichnungen entstanden sein dürften (vgl. [[Windlach]], [[Bülach]], [[Flaach]] und [[Neerach]]) und die zur Versorgung römischer Ansiedlungen wie des ''vicus'' ''Vitudurum'' ([[Winterthur|Oberwinterthur]]) bzw. des Legionslagers ''[[Vindonissa#Römerzeit|Vindonissa]]'' ([[Windisch AG|Windisch]]) gegründet worden waren. === Politische Zugehörigkeit === 1295 verkaufte der Minnesänger [[Jakob von Wart]] die [[Niedere Gerichtsbarkeit|niederen Gerichte]] seines Meierhofs in Wiach sowie die des Dorfes Wiach an den [[Fürstbistum Konstanz|Bischof von Konstanz]], dem die niedere Gerichtsbarkeit bis zur Auflösung des [[Fürstbistum Konstanz|Fürstbistums]] mit dem [[Reichsdeputationshauptschluss]] 1803 zustand. Im 15. Jahrhundert verpfändete [[Fürstbistum Konstanz|Konstanz]] seine Rechte zur Hälfte und kaufte sie 1605 wieder zurück. Die [[Blutgerichtsbarkeit|hohen Gerichte]] gingen 1424 mit der [[Verpfändung]] der [[Grafschaft Kyburg]] an den Stadtstaat Zürich. 1442 gaben die Zürcher den [[Habsburg]]ern grosse Teile der Grafschaft wieder zurück, sie behielten jedoch deren Gebiete westlich des Flüsschens [[Glatt (Rhein)|Glatt]], die fortan [[Obervogtei Neuamt]] genannt wurden und im Gegensatz zu den übrigen Teilen der 1452 erneut an Zürich übergegangenen Grafschaft ununterbrochen unter Zürcher Herrschaft standen. Die zürcherische Obrigkeit war in Weyach durch einen [[Vogt|Untervogt]], der Bischof durch einen Dorfmeier vertreten. Erst in der [[Helvetische Republik|Helvetik]] kam Weyach mit allen Rechten an Zürich. Im Jahre 1798 wurde die Gemeinde dem [[Bülach (Distrikt)|Distrikt Bülach]] zugeteilt, nach dem Ende der [[Mediation (Geschichte)|Mediationsverfassung]] im Jahre 1814 dem [[Dielsdorf (Bezirk)|Oberamt Regensberg]]. Mit der Staatsverfassung von 1831 wurde das Oberamt zum [[Herrschaft Regensberg|Bezirk Regensberg]], mit der Verlegung des Hauptorts ins Tal im Jahre 1871 zum [[Dielsdorf (Bezirk)|Bezirk Dielsdorf]]. === Kirchliche Verhältnisse === [[Bild:Weiach-Kirche-Pfarrscheune.jpg|thumb|Abb. 3: Historisches Ensemble mit [[Reformierte Kirche Weiach|Kirche]] und Pfarrscheune]] Wiach gehörte im [[Mittelalter]] zur Pfarrei [[Hohentengen am Hochrhein|Hohentengen]] (eigentlich: ''Dengen bei der hohen Kirch'') und hatte wahrscheinlich schon früh eine Filial[[Kapelle (Kirchenbau)|kapelle]] (1594 erstmals erwähnt). Mit der Zürcher [[Reformation]] wurde Weyach aus dem alten Pfarreiverband herausgelöst und erhielt seine [[Prädikant]]en ab 1520 von Zürich aus zugeteilt. Nur die Verbindlichkeiten ([[Zehntherrschaft|Kirchen-Zehnten auf neu gerodetem Land]]) an den [[Fürstbistum Konstanz|Bischof]] als Inhaber der niederen Gerichtsbarkeit blieben. 1540 verlangten die Dorfbewohner ultimativ nach einem eigenen [[Leutpriester]], den sie auch erhielten, weil die seit 1525 unter [[Ulrich Zwingli]] protestantisch-reformierte Zürcher Obrigkeit nicht riskieren wollte, dass ihre Untertanen ins rekatholisierte [[Kaiserstuhl AG|Kaiserstuhl]] in die [[Heilige Messe|Messe]] gingen. In späteren Jahren (so z.B. 1602) wurden mehrfach Einwohner von Weyach bestraft, weil sie dem [[Fürstbistum Konstanz|Bischof von Konstanz]] [[Huldigung|gehuldigt]] hatten: Ausdruck eines klassischen Machtkampfes zwischen den Inhabern der hohen und der niedern Gerichtsbarkeit. Weyach wurde erst 1591 per Ratsbeschluss zu einer eigenen [[Kirchgemeinde]] mit residentem [[Pfarrer]]. Die [[Kollatur]] lag deshalb bei der Stadt Zürich. Die 1705/1706 an einem neuen Platz erbaute [[Reformierte Kirche Weiach|reformierte Pfarrkirche]] – das Wahrzeichen der Gemeinde – wurde mit Hilfe von Bund, Kanton und vielen freiwilligen Spendern letztmals 1966 bis 1968 total restauriert und am 8. Dezember 1970 unter eidgenössischen [[Denkmalschutz]] gestellt. Zusammen mit dem Pfarrhaus, der Pfarrscheune, dem [[Friedhof]] und dem alten Gemeindehaus bildet die Kirche eine harmonische Baugruppe im Zentrum des Dorfes. Die seit 1942 bestehende enge Zusammenarbeit der ''Kirchgemeinde Weiach'' mit der evangelisch-reformierten ''Kirchgenossenschaft Kaiserstuhl/Fisibach'' wurde durch die Kündigung des Pastorationsvertrags per 31. Dezember 2005 beendet. === Befestigter Kirchhof === [[Bild:KircheWeiach-Meister-1716.jpg|thumb|Abb. 4: Der Kirchhof von Weyach um 1716]] Als an der Grenze des Zürcher Herrschaftsgebietes gelegener Ort diente Weyach als [[Korpssammelplatz]] eines Teils der Unterländer Truppen. Der bei der Kirche erstellte [[Friedhof]] wurde durch den Festungsingenieur [[Hans Caspar Werdmüller]] gleichzeitig mit dem Bau der Kirche zu einem militärischen Stützpunkt ausgebaut, der auch die Pfarrscheune und das Pfarrhaus in das Verteidigungsdispositiv integrierte. Die noch gut erhaltenen [[Schießscharte|Schiessscharten]] in den Friedhofmauern, der Kirche, dem Pfarrhaus und der Pfarrscheune erinnern heute noch an die Zeit religiöser Auseinandersetzungen. Erst seit wenigen Jahren sind die konfessionellen Differenzen mit den Nachbarn kein Hindernis mehr für eine gute [[Geschichte der Ökumene|ökumenische]] Zusammenarbeit. === Grosse Schäden im Zweiten Koalitionskrieg === Nach dem Zusammenbruch des [[Ancien Régime]] der [[Alte Eidgenossenschaft|Alten Eidgenossenschaft]] und der Besetzung der Schweiz durch französische Truppen begann für die Gemeinde eine der schlimmsten Zeiten ihrer Geschichte. Mehrmals zog die [[Kriegsfront|Front]]linie im Verlauf des [[Koalitionskriege#Die zweite Koalition|Zweiten Koalitionskrieges]] über Weiach und das Zürcher Unterland hinweg und jedes Mal mussten Tausende von Soldaten – [[Helvetische Republik|helvetische]] Truppen und Franzosen auf der einen, Österreicher und Russen auf der anderen Seite – verpflegt und mit Brennholz versehen und Futter für ihre Pferde gestellt werden. Im Verlaufe einer dieser [[Einquartierung]]en brannte auch das Gemeindehaus ab. Der Eichenwald, der nach zeitgenössischen Berichten einer der schönsten im Kanton Zürich war, wurde weitgehend verwüstet und abgeholzt. Die Zeit des Mangels zog sich bis weit ins zweite Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts hinein. 1817 konnten nach einer [[Ernte|Missernte]] im Vorjahr viele Einwohner nur dank öffentlichen [[Suppenküche]]n vor dem Verhungern bewahrt werden. Ursache war das ''[[Jahr ohne Sommer]]'' 1816, das durch den Ausbruch des [[Tambora]] 1815 ausgelöst wurde. === Übervölkertes Bauerndorf === Das Zürcher Unterland ist eine traditionelle [[Ackerbau]]region, die noch bis ins 19. Jahrhundert hinein am mittelalterlichen [[Flurzwang]] und der [[Dorf#Haufendorf|Haufendorf]]siedlung festhielt. Im Gegensatz zu den Streusiedlungen im Zürcher Oberland konnte sich keine starke Heimindustrietradition entwickeln. Bereits im 17. Jahrhundert war die Kapazität des landwirtschaftlichen Bodens erreicht. Viele Weiacher mussten daher temporär oder für immer [[Auswanderung|auswandern]] (siehe Abschnitt [[Weiach#Bevölkerung|Bevölkerung]]). 1850 besassen nur 2 Bauern über 10 Hektar Acker- und Wiesland, alle anderen mussten mit wesentlich weniger auskommen. Beinahe 60 % der Landwirte besassen lediglich 5 [[Juchart]] (1.8 ha) oder noch weniger. Gegen die Mitte des 19. Jahrhunderts wurden – besonders nach der Staatsumwälzung von 1831 ([[Ustertag]]) – vielfältige Anstrengungen unternommen, um den Ertrag der landwirtschaftlichen Produktion zu steigern. Dennoch blieb die Abhängigkeit von der Scholle stark, was nach dem Wiener [[Börsenkrach]] von 1873 viele Kleinbauern die Existenz kostete. Andere Verdienstmöglichkeiten gab es kaum, auch die früher dank Monopol florierende herrschaftliche Ziegelhütte litt schwer unter Konkurrenz und Krise. Es ist daher kein Zufall, dass es damals in [[Hohentengen am Hochrhein|Hohentengen]] ein Anwerbebüro der Schweizertruppen in Diensten des [[Königreich beider Sizilien|Königreichs beider Sizilien]] gab. Erstaunlich ist in diesem Zusammenhang, dass die Gemeinde sich 1877 trotzdem eine für damalige Verhältnisse teure Druckwasserversorgung leistete. === Krise des Ersten Weltkriegs === Nach der langen Depression im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts ging es anfangs des 20. wirtschaftlich aufwärts, jäh unterbrochen durch den [[Erster Weltkrieg|Ersten Weltkrieg]], welcher die Schweiz an den Rand eines [[Bürgerkrieg]]s trieb. Für die [[Klassenkampf|klassenkämpferischen]] Ideen der fremden Bauarbeiter, welche das [[Laufwasserkraftwerk|Kraftwerk]] bei [[Rheinsfelden]] erstellten, hatten die Weiacher Bauern kein Verständnis. Da sie aber durch die Grenzlage und den kriegsbedingt unterbrochenen Austausch im kleinen Grenzverkehr mit [[Baden (Land)|badischen]] Gemeinden litten, bildeten sich dennoch für kurze Zeit politische Gruppierungen in der Gemeinde ([[Jungbauernbewegung|Jungbauern]]bewegung), welche sich nach dem Ende des Krieges aber wieder auflösten. === Kollateralschäden im Zweiten Weltkrieg === Im Ersten Weltkrieg berührten die Kampfhandlungen die Gemeinde nicht, auch im [[Zweiter Weltkrieg|Zweiten Weltkrieg]] blieb die Gemeinde im wesentlichen verschont. Es waren jedoch fast ständig Grenzschutzeinheiten in Weiach stationiert. Sie bauten Befestigungswerke und Bunker, um den Durchgang nach Süden notfalls sperren zu können – das Rheinufer wurde zum stacheldrahtbewehrten Bollwerk gegen Hitlerdeutschland. Trotz weitgehend geschlossener Grenzen wurde der Bau des schweizerisch-deutschen Kraftwerks bei [[Rekingen]] mitten im Krieg vollendet, was den Rhein auch im Abschnitt Rekingen-Rheinsfelden in einen trägen Strom verwandelte. In der Endphase des Krieges attackierten 1944 [[alliierte]] Jagdflugzeuge mehrmals Züge, Bahninfrastruktur und Kraftwerkanlagen in der Gemeinde und ihrer nächsten Umgebung. Nach dem offiziellen Ende des Krieges litten die deutschen Nachbarn in Hohentengen unter der französischen Besetzung, was den Schmuggel von dort raren und hohen Tauschwert aufweisenden Gütern (wie z.B. Kaffee) aus der Schweiz nach Deutschland begünstigte. === Aufschwung im 20. Jahrhundert === Nach Kriegsende hatte die weitgehend unzerstörte Schweiz einen Startvorteil. Auch die Weiacher Bauern konnten ihre [[Zugtier]]e nun weitgehend durch die früher für viele unerschwinglichen [[Landtechnik|Landmaschine]]n ersetzen. Viele Junge wanderten trotzdem nach Zürich und in andere städtische Zentren ab, weil dort der Verdienst wesentlich besser war. Dieser Strukturwandel wurde durch die Gründung der ''[[Weiacher Kies AG]]'' im Jahre 1961 noch verstärkt. Grosse Flächen wurden der landwirtschaftlichen Nutzung für Jahrzehnte entzogen. Im Voll- oder Nebenerwerb tätige Kleinbauern gibt es heute de facto keine mehr, was letztlich auch die Landarrondierung (Melioration) vereinfachte. Am meisten profitierte die Gemeindekasse vom Kiesabbau. Vor allem weil die politische Gemeinde in den Abbaugebieten selber Grundbesitzerin ist, aber auch dank stetig fliessender Steuereinnahmen des Kiesunternehmens. Diese erlaubten es, längst fällige Investitionen in die Infrastruktur vorzunehmen. === Flugzeugabsturz vom 14. November 1990 === Am 14. November 1990 prallte eine [[Douglas DC-9]]-32 der italienischen Fluggesellschaft [[Alitalia]] während des [[Landeanflug]]s auf die Piste 14 des [[Flughafen Zürich|Flughafens Zürich]] im Gebiet Surgen auf 520&nbsp;m&nbsp;ü.&nbsp;M. in den Haggenberg. Alle 46 Flugpassagiere und Besatzungsmitglieder des Fluges ''AZ 404'' fanden den Tod. Es handelt sich um das schlimmste Unglück auf Gemeindegebiet seit Menschengedenken. An der Absturzstelle erinnert ein schlichter Gedenkstein an die fatale Novembernacht. Die Absturzursache war ein Instrumentendefekt, der dazu führte, dass die [[Pilot]]en sich auf dem [[Instrumentenlandesystem|Leitstrahl]] wähnten, in Wahrheit jedoch über 300 Meter zu tief anflogen.<ref>[http://www.bfu.admin.ch/common/pdf/1457.pdf Schlussbericht der Eidgenössischen Flugunfall-Untersuchungskommission]</ref> (siehe auch: [[Weiach#Position in der Fluglärmdebatte|Abschnitt ''Position in der Fluglärmdebatte'']]). {{Siehe auch|Alitalia-Flug 404}} == Bevölkerung == {| class="prettytable float-right" ! style="background:#efefef;" | Jahr ! style="background:#efefef;" | Einwohner ! style="background:#efefef;" | Jahr ! style="background:#efefef;" | Einwohner |- | 1634 || align="right" | 361 || 1850 || align="right" | 716 |- | 1640 || align="right" | 428 || 1860 || align="right" | 720 |- | 1650 || align="right" | 483 || 1870 || align="right" | 737 |- | 1670 || align="right" | 624 || 1880 || align="right" | 743 |- | 1689 || align="right" | 767 || 1888 || align="right" | 643 |- | 1695 || align="right" | 583 || 1900 || align="right" | 601 |- | 1711 || align="right" | 668 || 1910 || align="right" | 583 |- | 1754 || align="right" | 547 || 1920 || align="right" | 655 |- | 1759 || align="right" | 573 || 1930 || align="right" | 642 |- | 1790 || align="right" | 530 || 1941 || align="right" | 610 |- | 1793 || align="right" | 540 || 1950 || align="right" | 590 |- | 1799 || align="right" | 548 || 1960 || align="right" | 646 |- | 1820 || align="right" | 550 || 1970 || align="right" | 688 |- | 1824 || align="right" | 671 || 1980 || align="right" | 692 |- | 1827 || align="right" | 700 || 1990 || align="right" | 719 |- | 1836 || align="right" | 675 || 2000 || align="right" | 994 |} === Historische Entwicklung der Einwohnerzahl === [[Bild:Weiach-Bevölkerungsstatistik.png|thumb|left|Abb. 5: Bevölkerungsentwicklung der Gemeinde Weiach von 1630 bis 2000]] In den Zürcher Steuerbüchern ist nur für 1470 ein vollständiger Eintrag für die Gerichtsherrschaft Weiach erhalten. Damals zählte das Dorf 16 Haushalte mit zusammen 48 steuerpflichtigen Erwachsenen über 15 Jahren. Ab 1634 bis 1760 erstellten die Pfarrer im Auftrag der Zürcher Obrigkeit in unregelmässigen Abständen detaillierte Bevölkerungsverzeichnisse. Spätere Zahlen sind folgenden Quellen entnommen: 1790 Werdmüllers [[Memorabilia Tigurina]], 1799 der Pfarrer-Enquête der [[Helvetische Republik|Helvetischen Regierung]], 1820 Ernis [[Memorabilia Tigurina]], 1827 Lutz’ Vollständiger Beschreibung des Schweizerlandes. Die Zahl von 1836 basiert auf der Zürcher Kantonalen Volkszählung, alle Daten ab 1850 wurden in der [[Volkszählung#Entwicklung in der Schweiz|Eidgenössischen Volkszählung]] erhoben. (Über die Jahrhunderte haben sich die Kriterien zur Erfassung der Wohnbevölkerung stark verändert. Je nach Auslegung kann die Einwohnerzahl merklich variieren. Die Zahlen stammen aus unterschiedlichen Quellen. Für die Jahre 1710 bis 1820 sind kaum Daten verfügbar.) Während Jahrhunderten war die Bevölkerungsentwicklung eng an die Ertragskraft des Bodens gekoppelt, exportierendes Handwerk existierte kaum. Die Wohnbevölkerung bewegte sich zwischen 500 und 750 Personen, womit Weiach eine der grösseren Gemeinden im Neuamt war. Ab Ende des 17. Jahrhunderts suchten sich viele Weiacher ihr Auskommen ausserhalb ihrer Heimatgemeinde, manche wanderten aus. Ziel ihrer Reise waren häufig die [[Vereinigte Staaten|USA]]. Die Vorfahren vieler US-Bürger mit Namen wie ''Bombgardner'' stammen ursprünglich aus Weiach. Schon in den 1960er und -1970er Jahren wurden vereinzelt neue Wohnblöcke gebaut. In den Sog der Agglomeration Zürich geriet Weiach aber erst ab Mitte der 1980er Jahre. Mittels Quartierplänen wurden neue Baugebiete für Wohnzwecke erschlossen, was zuerst an der Flanke des Sanzenberges, dann unter der Fasnachtflue einen wahren Bauboom auslöste. 30 Prozent der im Jahre 2000 bestehenden Wohnungen wurden in den vorangegangenen zehn Jahren gebaut. Mit den 80 von 1991 bis 2000 neu erstellten Wohngebäuden wuchs die Bevölkerung um über 35 Prozent. Noch nie in der Geschichte wohnten so viele Menschen gleichzeitig auf dem Gebiet der heutigen Gemeinde Weiach. Die beginnende Verstädterung ist auch an der ab 1990 explosionsartig um 132 Prozent zunehmenden Zahl der Einpersonenhaushalte abzulesen. Am 31. Dezember 2005 lebten 959 Personen in Weiach (Zivilrechtlicher Wohnsitz; ohne Wochenaufenthalter, Asylbewerber usw.). Wird ein Ende 2007 geplantes Gross-Bauprojekt mit 55 Wohnungen im Bereich des Bedmen realisiert, so steigt die Bevölkerungszahl wieder über die 1000er-Marke. === Sprachen === Bei der [[Volkszählung]] vom Dezember 2000 wurde ein [[Ausländer]]anteil von 9.7 % ermittelt, etwas weniger als in den Jahrzehnten davor. Der Ausländeranteil liegt damit weit unter dem kantonalen Durchschnitt von 22 %. Die Verteilung der von den Einwohnern hauptsächlich verwendeten Sprache gibt Hinweise auf die Herkunft: Häufigste Hauptsprache war bei der Volkszählung im Jahr 2000 ''Deutsch'' (93.56 %), am zweit- und dritthäufigsten waren ''Albanisch'' (1.51 %) und ''Serbokroatisch'' (1.21 %). === Religion === Die Weiacher waren früher fast ausschliesslich protestantisch-reformierten Glaubens. Durch die Einwanderung aus der übrigen Schweiz und dem Ausland nahm seit 1800 der Anteil der Einwohner mit protestantischer Konfession ab. Trotzdem ist immer noch die Mehrheit reformiert. Der Anteil der [[Reformierte Kirche|Reformierten]] nahm zwischen 1990 und 2000 sogar markant zu. Bei der Eidgenössischen Volkszählung 2000 waren von den rund 1000 Einwohnern 65.6 % reformiert und 17.5 % katholisch; als konfessionslos bezeichneten sich 9.1 %, weitere 1.3 % gaben keine Konfession an. == Wirtschaft == === Landwirtschaft === Seit dem frühen [[Mittelalter]] waren [[Viehzucht]] und [[Ackerbau]] die Haupterwerbsquellen der Einwohner. In den Jahren ab 1846 arbeitete der ''Landwirthschaftliche Verein'' unter der Leitung des damaligen Pfarrers intensiv an der «Hebung der Verhältnisse». Der Verein förderte unter anderem die Einführung der [[Seidenspinner|Seidenraupe]]nzucht, liess beim Schulhaus einen Obstbaumgarten pflanzen und beteiligte sich rege an den Wettbewerben des kantonalen landwirtschaftlichen Vereins. 1855 wurde auf Anregung des Vereins eine gemeindeeigene [[Sparkasse|Viehleihkasse]] gegründet. Während sich die Seidenmanufaktur nicht halten konnte und auch andere Versuche mit [[Hopfen]]- und [[Tabak]]anbau im Sande verliefen, war dem [[Obstbau]] mehr Erfolg beschieden, wie man noch heute rund um den Dorfkern sehen kann. Auch der [[Weinbau]] spielte bis ins 19. Jahrhundert eine bedeutende Rolle. Viele Rebbauern führten nach der Liberalisierung um 1831 nebenbei eine kleine Schenke, in der sie ihre eigenen Produkte feilbieten durften. Heute wird an den Hängen des Stein und der Fasnachtflue durch eine Firma aus [[Wil ZH]] wieder professioneller Weinbau betrieben. Die Produkte ''Weiacher Fluetröpfli'' (Rotwein) und ''Weiacher Weissherbst'' (Rosé) werden aus [[Spätburgunder|Blauburgunder]]-Trauben gekeltert. === Gastwirtschaften === [[Bild:Weiach-EhemGasthofSternen.jpg|thumb|Abb. 6: Ehemaliger Gasthof Sternen]] Der seit den 1830er-Jahren an der Verzweigung der [[Hauptstrasse 7|Hauptstrasse Nr. 7]] [[Basel]]-[[Winterthur]] und der Staatsstrasse nach [[Raat]] und [[Stadel bei Niederglatt|Stadel]] gelegene «''Sternen''» hat seinen Betrieb im Jahre 1991 eingestellt. Von den ehemals bestehenden [[Gaststätte|Gastwirtschaft]]en sind damit seit 2004 nur noch zwei übrig: Die «''Linde''» an der Staatsstrasse nach Stadel und das «''Wiesental''» an der Hauptstrasse Nr. 7 nach Kaiserstuhl. Der «''Bahnhof''», ebenfalls an dieser Hauptstrasse vis-à-vis des stillgelegten Bahnhofs gelegen, stand seit 2003 zum Verkauf und wurde nicht mehr aktiv betrieben, nachdem diverse Partyclub-Projekte gescheitert waren. Im März 2008 wurde das 1876 erstellte Gebäude abgerissen und das Gelände einplaniert. Seit 2007 existiert auf der gegenüberliegenden Strassenseite ein in Containern untergebrachtes Imbiss-Lokal. Ende August 2008 wurde im Speicher des Baumgartner-Jucker-Hauses an der Büelstrasse 18 die «''Caffè-Bar Lounge Chamäleon''» eröffnet. Das Nichtraucherlokal besetzt eine Nische, die durch das ''Wiesental'' und die ''Linde'' nicht abgedeckt wird. === Handel === Von den ehemals drei ''Handlungen'' ist heute nur noch die Filiale des [[Volg|VOLG]] im Dorfzentrum übrig. Das Depot der ''Landwirtschaftlichen [[Genossenschaft]] Weiach'' mit einer Agentur der [[Zürcher Kantonalbank]] liegt in der Nähe der früheren Bahnstation [[Bahnhof Weiach-Kaiserstuhl|Weiach-Kaiserstuhl]]. Eine Bäckerei gibt es seit 1958 nicht mehr, der letzte Metzger gab 2003 auf, nachdem eine Ladengemeinschaft mit dem VOLG nicht den gewünschten Erfolg brachte. === Gewerbe === [[Gewerbe]]betriebe (KMU) prägen das wirtschaftliche Bild der Gemeinde. So gibt es einen Filialbetrieb eines Holzhändlers (Heinrich Benz AG), einen Zweigbetrieb eines [[Autoreifen|Reifen]]händlers (Pneu Müller AG, heute ''FirstStop''), sowie diverse kleinere Technologie- und [[Handwerk]]sbetriebe. Entlang der Hauptstrasse finden dank der Grenznähe zwei [[Tankstelle]]n ihr Auskommen, eine beim Dorf und eine beim früheren Bahnhof. Die seit 1970 in den Räumlichkeiten der früheren [[Schuhhaus Walder|Schäftenäherei Walder]] (1920–1965) bei der Station Weiach-Kaiserstuhl eingerichtete ''Sattlerei Fruet AG'', welche die [[Schweizer Armee]] mit [[Leder]]waren belieferte, musste im Jahre 2000 den Betrieb mangels Aufträgen einstellen. Dafür sind einige kleine Dienstleistungsunternehmen mit teilweise starker Internet-Basierung entstanden. === Industrie === Ab 1962 entstand im ''Hard'', der zwischen [[Rheinsfelden]] und dem Dorf Weiach gelegenen Ebene, das grossangelegte [[Kieswerk]] der ''[[Weiacher Kies AG]]'', dessen [[Schüttgut|Schüttgüter-]] und [[Aushub]]wagen heute den Namen der Gemeinde in die weitere Umgebung der [[Schweiz]] hinaustragen. Das Unternehmen ist der einzige Industriebetrieb und grösste [[Steuerzahler]] auf Gemeindegebiet. Nicht zuletzt dadurch ist Weiach eine der steuergünstigsten Gemeinden im [[Zürcher Unterland]]. Der jeweilige Gemeindepräsident fungiert als Vizepräsident des [[Verwaltungsrat]]es. Die ''Weiacher Kies AG'' war bis im Frühjahr 2004 eine 100 %-ige Tochter der [[Franz Haniel & Cie. GmbH]] in [[Duisburg]], Deutschland ([[Fortune (Zeitschrift)|Fortune-Global-500]]-Liste 2006: Rang 179). Dann gehörte sie zum französischen Baustoff-Konzern [[Lafarge (Unternehmen)|Lafarge]] mit Sitz in [[Paris]] (Fortune Global 500-Liste 2006: Rang 325). Anfang Mai 2009 übernahm die Eberhard Holding AG in Kloten die Weiacher Kies AG. Auf dem Areal der ''Weiacher Kies AG'' sind weitere kleinere Betriebe der [[Baustoff]]industrie angesiedelt (u. a. die ''Fixit AG''). Die ''Weiacher Kies AG'' hat 2001 die Hauptstrasse Basel-Winterthur nach Süden an den Hangfuss verlegen lassen, um weitere Kiesreserven abbauen zu können. Sie plant darüber hinaus die Erschliessung neuer Gebiete im ''Hasli'', einer in Richtung Kaiserstuhl und Fisibach gelegenen Ebene nordwestlich des Dorfes. Nach dem Kiesabbau und der Wiederauffüllung entstand im Gebiet Rüteren nördlich der Bahnlinie Landwirtschaftsland aber auch unbewirtschaftete, naturnahe Zonen. So wurden grosse <!-- ss sic -->Flächen mit kiesig-steinigen Böden brach liegen gelassen. Darauf können sich Ersatzlebensräume für die mit der 5. Bauetappe des Flughafen Zürich überbauten Biotope schützenswerter Pflanzen und Tiere entwickeln. In Absprache mit Kanton und Gemeinde entstehen auf dem Areal der ''Weiacher Kies AG'' insgesamt rund 23 Hektaren ökologische Ausgleichsflächen ([[Weiher (Gewässer)|Weiher]], [[Biotop]]e, Trockenstandorte, [[Wiese (Grünland)|Wiesen]] und [[Hecke]]n). Die renaturierten Flächen werden zu Lebensräumen seltener [[Pionierpflanze]]n sowie bedrohter Vogel- und Insektenarten. Erste Bruterfolge des [[Flussregenpfeifer]]s sind zu verzeichnen. Das genannte Gebiet ist allerdings gemäss Kantonalem Richtplan langfristig als mögliche Abfalldeponie vorgemerkt, was im Rahmen der Richtplanrevision 2007 zu Einsprachen durch Naturschutzorganisationen führte. Anfang Februar 2008 wurde ein Komitee ''Pro Kiesgruben-Biotop Weiach'' gegründet. === Sondierbohrungen === In der ersten Hälfte der 1980er-Jahre war Weiach der Standort einer [[Prospektion (Geologie)|Sondierung]] der [[NAGRA]] (Nationale Genossenschaft für die Lagerung [[Radioaktiver Abfall|radioaktiver Abfälle]]). Die vom Januar bis November 1983 bis in eine Endtiefe von 2482&nbsp;m vorgetriebene Bohrung löste in der Gemeinde heftige Kontroversen aus und war Anlass zur Gründung der [[Bürgerinitiative]] WAG (Weiacher Aktionsgemeinschaft). Sie kämpfte gegen eine mögliche Wahl von Weiach als [[Endlagerung|Endlagerstandort]]. Dank der NAGRA-Bohrungen wurde das Vorhandensein des mit Sedimentgesteinen des Erdaltertums verfüllten [[Nordschweizer Permokarbontrog]]s nachgewiesen (bei Weiach beginnt das kristalline Grundgebirge erst in einer Bohrlochtiefe von 2112 m und nicht - wie erwartet - in rund 1000 m Tiefe) Die Bohrergebnisse ermutigten die texanische Firma ''Forest Oil'', [[Abteufen|Sondierbohrung]]en zur Suche nach [[Erdgas]]-[[Lagerstätte]]n vorzunehmen. Namhafte Erdgas-Vorkommen im benachbarten [[Süddeutschland]] liessen auf weitere Funde in Weiach hoffen. In grosser Tiefe liegt nämlich auch ein [[Kohle]]-[[Flöz]]. Nach der im Jahre 2000 von ''Forest Oil'' abgebrochenen Bohrung hat im Mai 2004 ein [[Konsortium]] unter der Führung der ''SEAG Aktiengesellschaft für schweizerisches Erdöl'' einen weiteren Bohrversuch begonnen, der Aufschluss über die Grösse der erwarteten Erdgas-Lager bringen sollte. Im Juni 2004 wurden die Erdgas-Tests eingestellt. Eine kommerziell lohnende Förderung ist wegen zu dichter Gesteinsschichten nicht möglich. === Position in der Fluglärmdebatte === In jüngster Zeit ist die Gemeinde aktiv involviert in die Auseinandersetzungen um die Verteilung des durch den internationalen [[Flughafen Zürich|Flughafen von Zürich]] verursachten [[Fluglärm]]s. Die Gemeinde liegt seit Fertigstellung der 3. Ausbauetappe im Jahre 1976 in der [[Landeanflug|Anflugschneise]] der Piste 14. Durch ihre Grenzlage wird die Nachtruhe von spät startenden [[Düsenflugzeug|Jets]] gestört, die über dem Gemeindegebiet abdrehen, um den deutschen Luftraum nicht zu verletzen. In den ersten Jahren der ''IG-Nord'', einem Zusammenschluss mehrerer Gemeinden nördlich des Flughafens ''([[Flughafen Zürich|UNIQUE Zurich Airport]])'', spielte ein früherer Gemeindepräsident von Weiach eine massgebende Rolle, weshalb sich bis Ende 2002 auch das Sekretariat der ''IG-Nord'' in Weiach befand. Die ''IG-Nord'' kämpft unter anderem gegen die Verhängung von [[Bauverbot]]en, welche durch die Kanalisierung von Starts und Landungen im Norden des Flughafens nötig würden (siehe auch: [[Weiach#Flugzeugabsturz vom 14. November 1990|Abschnitt ''Flugzeugabsturz vom 14. November 1990'']]). === Vom Bauerndorf zur Agglomerationsgemeinde === [[Bild:Weiach-Oberdorfstrasse.jpg|thumb|Abb. 7: Altes Haus an der Oberdorfstrasse, vor 1812]] Weiach konnte seinen Charakter als Bauerndorf bis gegen Ende des 20. Jahrhunderts bewahren. An den Sonnenhängen wurden in den letzten Jahren jedoch viele Einfamilienhäuser gebaut, was der Gemeinde heute nur noch einen halbagrarischen Charakter verleiht. Die Erschliessung weiterer [[Baugebiet]]e ist durch die Flughafenkontroverse derzeit teilweise blockiert. Mit dem Abschluss der landwirtschaftlichen [[Melioration]] entstanden erstmals Aussiedlerhöfe – eine Entwicklung, die in anderen Gemeinden schon Jahrzehnte früher ablief. Der massive Einfluss der [[Agglomeration]] Zürich wird immer stärker spürbar. Viele Einwohner pendeln zur Arbeit in die [[Agglomeration|Grossregion]] Zürich. Seit kurzem gehört Weiach auch offiziell dazu: Die Resultate der [[Volkszählung#Entwicklung in der Schweiz|Eidgenössischen Volkszählung]] 2000 haben nach den Kriterien des [[Bundesamt für Statistik|Bundesamtes für Statistik]] die Zuteilung zum sechsten Vorortsgürtel der Agglomeration Zürich zur Folge ([[Neue Zürcher Zeitung]], 25. Juli 2003). == Versorgung mit öffentlichen Diensten == === Kirche und Friedhof === [[Bild:Weiach-NeuerFriedhofteil.jpg|thumb|Abb. 8: Fuori le mure, Neuer Friedhofteil 2004]] Von 1977 bis 2010 existierten auf dem Gebiet der Gemeinde zwei Gotteshäuser: die alte [[evangelisch]]-[[Reformierte Kirche|reformiert]]e [[Reformierte Kirche Weiach|Kirche von 1706]] und eine [[Neuapostolische Kirche|neuapostolische]] [[Kapelle (Kirchenbau)|Kapelle]]. Letztere wird seit Jahren nicht mehr benutzt und wird im Rahmen eines Neubauprojekts abgerissen. Die Erweiterung des [[Friedhof]]s ausserhalb der historischen Befestigungsmauern (Projektname ''Fuori le mure'') wurde im Sommer 2004 abgeschlossen und setzt landschaftsarchitektonisch neue Akzente im Dorfbild. Im März 2006 war die Friedhofserweiterung eines von acht für den ''Europäischen Preis für Landschaftsarchitektur'' nominierten Projekten. Bei einem massgebenden Teil der Dorfbevölkerung stösst das neue Friedhofkonzept jedoch auf Ablehnung <ref>[http://www.tagesanzeiger.ch/zuerich/unterland/Weiacher-Friedhof-Die-Fachwelt-lobt-die-Bevoelkerung-kritisiert/story/29104128 Weiacher Friedhof: Die Fachwelt lobt, die Bevölkerung kritisiert]</ref>. === Schulen und Bibliotheken === In Weiach gibt es seit 1966 einen [[Kindergarten]]. Das Gebäude wurde von der ''Weiacher Kies AG'' gesponsert. Die Primarschule Weiach führt die ersten sechs Klassen der Zürcher [[Volksschule]]. Für den Abschluss der obligatorischen Schulzeit besuchen die Weiacher Jugendlichen die [[Oberstufenschule]] in [[Stadel bei Niederglatt|Stadel]], bzw. die [[Kantonsschule]] in [[Bülach]]. [[Bild:Weiach-AltesSchulhaus-1836.jpg|thumb|Abb. 9: Altes Schulhaus, Baujahr 1836]] Ein [[Schulgebäude|Schulhaus]] bestand schon vor 1799. Es wurde in der französischen Besatzungszeit zusammen mit dem Gemeinde- und dem Spritzenhaus eingeäschert. Im Jahre 1836 erstellte die Gemeinde einen vergrösserten Neubau – das nach dem Brand erbaute Schulhaus wurde zur Armenwohnung. 1862 wurde die ''Jugend- und Volksbibliothek Weiach'' gegründet, sie besteht als [[Bibliothek|Gemeindebibliothek]] bis heute und ist im Schulhaus von 1836 ''(Altes Schulhaus)'' untergebracht. Eine neue Schulanlage mit Turnhalle konnte 1976 fertiggestellt werden, der Rohbau des ursprünglich geplanten [[Hallenbad|Hallenschwimmbads]] im Untergeschoss des Turnhallentraktes wurde 1994/95 zum Gemeindesaal ausgebaut. === Post/Telefon/Telegraph/Kabelnetz === Schon zur Zeit der kantonalen Post, um etwa 1840, wurde in Weiach eine Postablage errichtet ([[Bote]]n nach [[Zürich]] gab es bereits um 1800). Im Jahre 1895 wurde die erste öffentliche [[Telefon]]station sowie ein Anschluss an den eidgenössischen [[Telegrafie#Elektrische Telegrafie|Telegraph]]endienst ([[Swisscom|PTT]]) erstellt. In den 80er-Jahren des 20. Jahrhunderts wurde die Gemeinde ans [[Kabelfernsehen|Kabelfernsehnetz]] der [[Cablecom]] angeschlossen, dessen Verbindungen bis nach Hohentengen reichen. In jüngster Zeit musste die [[Die Schweizerische Post|Poststelle]] ums Überleben kämpfen, blieb aber als Filiale mit reduzierten Öffnungszeiten bestehen. Am 1. März 2009 wurde das Postbüro geschlossen und durch eine Postagentur im [[VOLG]]-Laden ersetzt. === Eisenbahn und Postauto === Im Jahre 1876 eröffnete die [[Schweizerische Nordostbahn|Nordostbahn]] die [[Bahnstrecke Winterthur–Bülach–Koblenz]] mit dem Bahnhof [[Bahnhof Weiach-Kaiserstuhl|Weiach-Kaiserstuhl]]. Diese Bahnlinie konnte bereits im Jahre 1945 elektrifiziert werden. 1995 wurde der zwischen den Siedlungsschwerpunkten auf Weiacher Boden gelegene Bahnhof von den [[Schweizerische Bundesbahnen|Schweizerischen Bundesbahnen]] aufgehoben und als Haltestelle nach [[Kaiserstuhl AG|Kaiserstuhl]] verschoben. Die Linie S41 der [[S-Bahn Zürich]] von [[Winterthur]] über [[Bülach]] und [[Eglisau]] nach [[Waldshut-Tiengen|Waldshut]] wird heute durch das Bahnunternehmen [[Thurbo|THURBO]] betrieben. Seit 1974 besteht eine Bus-Verbindung nach [[Bülach]]. Sie wird heute als [[Postauto]]-Linie 515 des [[Zürcher Verkehrsverbund]]es (ZVV) geführt – mit Umsteigemöglichkeit auf die Linie 510 zum Flughafen Zürich in [[Stadel bei Niederglatt|Stadel]]. Mit Ausnahme einiger Taktlücken besteht den ganzen Tag über jede Stunde eine Verbindung Richtung Bülach bzw. Flughafen, an Werktagen verkehren die Busse zu den Hauptverkehrszeiten morgens und abends im Halbstundentakt. === Wasserversorgung/Abwasserreinigung === 1877 erhielt die Gemeinde ein Drucknetz für die [[Wasserversorgung|Trink-]] und [[Löschwasserversorgung]] mit Hausanschlüssen und [[Hydrant]]en. Das bis heute parallel bestehende System der privaten und öffentlichen [[Brunnen]] wird als Notwassernetz weiterbetrieben. Nach 1950 wurde sukzessive die Erstellung einer [[Kanalisation]] an die Hand genommen, welche schliesslich an die 1970 gebaute [[Kläranlage|Abwasserreinigungsanlage]] Weiach angeschlossen wurde. Von einer Sanierung dieser ARA wurde im November 2004 abgesehen. Als Ersatz hat sich die Gemeinde im April 2006 dem grenzüberschreitenden Verbund von [[Kaiserstuhl AG|Kaiserstuhl]] und [[Hohentengen am Hochrhein|Hohentengen]] mit Grosskläranlage auf der Nordseite des Rheins angeschlossen. === Elektrizitäts-Genossenschaft Weiach === Nachdem Vorabklärungen für ein eigenes Kleinkraftwerk gezeigt hatten, dass ein solches nicht rentabel wäre, liess die heute noch bestehende ''Elektrizitäts-Genossenschaft Weiach (EGW)'' [[Elektrischer Strom|elektrische Hausanschlüsse]] und eine [[Straßenbeleuchtung|Strassenbeleuchtung]] erstellen. Auf Weihnachten 1912 erhielt die Gemeinde erstmals elektrischen Strom ab dem öffentlichen Netz. Den Strom liefern bis heute die ''Elektrizitätswerke des Kantons Zürich'' (EKZ), die zur [[Axpo Holding|Axpo]]-Gruppe gehören. === Fernwärmenetz === Seit dem Spätherbst 1995 verfügt die Gemeinde über ein [[Fernwärme]]netz, das von einer [[Holzheizung|holzschnitzelbefeuerten Anlage]] gespiesen wird. Die [[Hackschnitzel|Holzschnitzel]] stammen aus dem gemeindeeigenen Wald. Dies ist der wichtigste materielle Beitrag der Gemeinde Weiach zu einer [[Nachhaltige Entwicklung|nachhaltigen Entwicklung]] im Rahmen der [[Lokale Agenda 21|lokalen Agenda 21]]. === Feuerwehr und Zivilschutz === Die Ortsfeuerwehr Weiach ist seit 1998 mit den Wehrdiensten von [[Stadel bei Niederglatt|Stadel]] und [[Glattfelden]] in einem [[Zweckverband|Sicherheitszweckverband]] zusammengefasst. Das ist umso nötiger, seit 1991 im [[Kanton Zürich]] die allgemeine [[Wehrpflicht]] im Bereich [[Feuerwehr]] abgeschafft wurde. Der Zweckverband mit Glattfelden und Stadel ergab sich aus der bereits gut funktionierenden Zusammenarbeit im Rahmen der ''[[Zivilschutz (Schweiz)|Zivilschutz]]organisation Glattfelden-Stadel-Weiach''. == Vereine == Wegen der etwas abgelegenen Lage war das [[Verein]]sleben traditionell gut entwickelt. Es bestehen noch folgende grösseren Vereine: * ''[[Frauenverein]] Weiach''. Er hat eine gemeinnützige Zielsetzung, veranstaltet Basare und pflegt die Gemeinschaft unter den Frauen. Der Verein entwickelte sich aus dem ''Frauenverein der Arbeitschule Weiach'', der die Handarbeitsklassen unterstützte. Er existiert in der heutigen Form seit 1929. * ''Schützengesellschaft Weiach''. Sie wurde 1904 gegründet mit dem Ziel, an den diversen Schiessanlässen bessere Sektionsränge zu erreichen. Die Gesellschaft verfügt seit 1907 über eine eigene Schiessanlage im ''Hasli''. * ''Turnverein Weiach''. Er wurde 1917 gegründet und umfasst heute die aktiven männlichen Turner. Die älteren Herren turnen in der ''Männerriege'', die Frauen in der ''Damenriege''. == Sport == Aus der Gemeinde kommen immer wieder erfolgreiche [[Radrennen|Radrennfahrer]] und -fahrerinnen. 2004 gewann die Weiacherin [[Sereina Trachsel]] überraschend die Schweizer [[Radrennen|Strassenmeisterschaft]] in der Kategorie Elite. Im Juni 2005 konnte sie ihren Titel erfolgreich verteidigen. Seit 2003 ist Weiach jeweils anfangs Juli Austragungsort eines durch den ''Veloclub Steinmaur'' organisierten ''Nationalen [[Kriterium (Radsport)|Kriteriums]]''. Der ca. 1&nbsp;km lange Rundkurs führt durch die Strassen von ''Oberdorf'' und ''Bühl''. == Persönlichkeiten == * ''Albert Meierhofer-Nauer'' (1887–1967), Kantonsrat, Gemeindepräsident von 1941 bis 1966, Oberstleutnant der Schweizer Armee, Präsident der Schützengesellschaft Weiach, Initiator für den Kiesabbau im ''Hard'' durch die ''Weiacher Kies AG''. Zu seinen Ehren wird seit 1969 in den ungeraden Jahren auf dem Schiessplatz Weiach das ''Albert Meierhofer-Erinnerungsschiessen'' abgehalten, an dem jeweils ca. 800 Schützen teilnehmen. * [[Marie Meierhofer]] (1909–1998), Bürgerin von Weiach, Schweizer Kinderärztin und Gründerin des ''Institutes für Psychohygiene im Kindesalter'' (seit 1978: ''Marie Meierhofer-Institut für das Kind''). * [[Fritz Näf]] (* 1943), Dirigent, künstlerischer Leiter des Schweizer Kammerchors und der Basler Madrigalisten. * [[Sereina Trachsel]] (* 1981), Radrennfahrerin, Schweizermeisterin Damen Elite auf der Strasse, 2004, 2005 und 2007. == Offizielles Publikationsorgan == Das Publikationsorgan ''Mitteilungen für die Gemeinde Weiach'', herausgegeben vom Gemeinderat, erscheint seit Juni 1982 monatlich und wird in alle Haushaltungen verteilt. Es hat eine Auflage von 500 Exemplaren und wird im Format A4 doppelseitig xerokopiert und mit einfacher Klammerheftung versehen. Das Titelbild wird seit der Gründung vom ortsansässigen Künstler Hans Rutschmann gezeichnet. == Politik == Charakteristisch für die Gemeinde Weiach ist das bis vor wenigen Jahren völlige Fehlen von Ortsparteien. Parteipolitik spielt für die Ortspolitik de facto keine Rolle, sämtliche Ämter sind durchwegs mit Parteilosen besetzt. * ''[[Politische Gemeinde]]:'' Der 5-köpfige [[Gemeinderat (Schweiz)|Gemeinderat]] (Exekutive) wird alle 4 Jahre in geheimer Wahl nach dem [[Majorzwahl|Majorzprinzip]] bestimmt. * ''[[Primarschule|Primarschulgemeinde]]:'' Sie ist territorial identisch mit dem Gebiet der politischen Gemeinde und wird geleitet durch die Primarschulpflege. * ''[[Oberstufenschule|Oberstufenschulgemeinde]]:'' Sie wird gemeinsam mit den politischen Gemeinden [[Bachs]], [[Stadel bei Niederglatt|Stadel]] und [[Neerach]] geführt. Die Schulgebäude stehen bei [[Schüpfheim ZH|Schüpfheim]]. * ''[[Gemeindeversammlung]]'' (Legislative). Sie besteht für alle obgenannten Weiacher Gemeinden aus allen Stimmberechtigten. Abstimmungen zu Gemeindeangelegenheiten erfolgen in der Regel mit offenem Handmehr. === Wahl- und Abstimmungsverhalten === In Weiach wird traditionell konservativ gewählt und abgestimmt. Europapolitische Vorlagen werden jeweils besonders wuchtig abgelehnt, meist im krassen Gegensatz zu den wirtschaftsfreisinnig geprägten Gebieten am Zürichsee und den eher sozialdemokratisch dominierten grossen Städten. Beispiele sind die eidgenössischen Volksabstimmungen vom 5. Juni 2005 über den Beitritt der Schweiz zu den Vertragswerken von Schengen/Dublin (64.3 % Nein-Stimmen) sowie über die Ausdehnung des Personenfreizügigkeitsabkommens auf die neuen EU-Mitgliedländer vom 25. September 2005 (64.6 % Nein-Stimmen). Diese Grundhaltung widerspiegelt sich auch in den Wähleranteilen der Parteien anlässlich der [[Nationalrat (Schweiz)|Nationalratswahlen]] 2007: [[Schweizerische Volkspartei|SVP]] 54.8% (2003: 51.5 %, [[Sozialdemokratische Partei der Schweiz|SP]] 12.8% (2003: 15.9 %), [[Freisinnig-Demokratische Partei|FDP]] 8.0% (2003: 7.7 %), [[Grüne Partei der Schweiz|GP]] 5.8% (2003: 6.3 %), Grünliberale 5.1%, [[Christlichdemokratische Volkspartei|CVP]] 4.7% (2003: 4.5 %), [[Evangelische Volkspartei|EVP]] 4.3% (2003: 6.8 %), EDU 1.88%, PS/AP 0.88% und SD 0.87%. Ähnlich das Bild bei den Zürcher Kantonsratswahlen 2003: SVP 52.8 %, SP 15.1 %, FDP 9.3 %, GP 6.7 %, CVP 3.1 %, EVP 8.0 %. Die Ergebnisse der Kantonsratswahlen 2007: SVP 45.4 %, SP 14.6 %, FDP 11.3 %, GP 6.8 %, CVP 3.6 %, EVP 7.3 %, EDU (Eidgenössisch-demokratische Union) 3.4 %, SD (Schweizer Demokraten, vormals: Nationale Aktion) 2.49 %, AL (Alternative Liste) 0.05 %, GLP (Grünliberale) 4.93 %, bestätigen das bekannte Bild. == Sehenswürdigkeiten == [[Bild:Weiach-Dorfzentrum.jpg|thumb|Abb. 10: Evangelisch-reformierte Pfarrkirche Weiach von der Staatsstrasse nach Stadel aus gesehen, rechts das Baumgartner-Jucker-Haus]] [[Bild:Weiach-BaumgartnerJucker-Haus.jpg|thumb|Abb. 11: Das Baumgartner-Jucker-Haus]] * Von besonderem Interesse ist das kompakte Ensemble aus [[Reformierte Kirche Weiach|Kirche]], Pfarrhaus, Pfarrscheune (2000–2001 zum Begegnungszentrum umgebaut), der Friedhofmauer mit Schiessscharten und dem alten [[Gemeindehaus]] im Dorfkern. In unmittelbarer Nähe findet man auch das in den 1990er Jahren renovierte ''Baumgartner-Jucker-Haus'', welches der politischen Gemeinde gehört (siehe Abb. 11). * Südlich davon liegt im Oberdorf ein stattliches Doppelbauernhaus im Privatbesitz aus der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts mit bemalter Fassade (1950er-Jahre). * Ein Kleinbauernhaus aus der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts, das ''Liebert-Haus'' im Oberdorf wurde von der Gemeinde 1966 gekauft und beherbergt heute das Orts[[museum]]. Dieses wurde 2008 mit einem neuen Dach versehen. * Neueren Datums sind der [[Skulpturenweg|Skulpturen-Weg]] entlang beider Rhein-Ufer zwischen [[Kaiserstuhl AG|Kaiserstuhl]], [[Hohentengen am Hochrhein|Hohentengen]] und [[Glattfelden]], sowie der * [[Gottfried Keller|Gottfried-Keller]]-[[Dichterweg]], der von [[Glattfelden]] dem linken (südlichen) Rheinufer entlang zum Platz des früheren Schlosses [[Schloss Schwarzwasserstelz|Schwarzwasserstelz]] führt. == Literatur == * W. Zollinger: ''Weiach 1271–1971. Aus der Vergangenheit des Dorfes Weiach.'' Gemeinderatskanzlei Weiach (1. Auflage, Dielsdorf 1972; 2. Auflage Weiach 1984). * U. Brandenberger: ''Weiacher Geschichte(n)''. Lokalhistorische Artikel. in: ''Mitteilungen für die Gemeinde Weiach''. Weiach 1999–2009. * U. Brandenberger: ''Weiach – Aus der Geschichte eines Unterländer Dorfes''. Dritte überarbeitete Auflage von Walter Zollingers «Weiach. 1271–1971». Gemeinderatskanzlei, Weiach 2003. * U. Brandenberger: ''«ein nöüer Kirchenbauw allhier zu Weyach». 300 Jahre Kirche Weiach, 1706–2006.'' Herausgegeben von der Evangelisch-reformierten Kirchgemeinde Weiach und der Ortsmuseumskommission Weiach. Weiach 2006. == Weblinks == {{commonscat}} * [http://www.weiach.ch/ Offizielle Website der Gemeinde Weiach] * [https://data.statistik.zh.ch/infospc/geport/gemeinde.jsp?bfs=82 Statistische Daten Gemeinde Weiach] * [http://weiachergeschichten.kirche-weiach.ch Weiacher Geschichte(n): Lokalhistorische Artikel, Ortsgeschichtliche Dokumentation] * [http://weiachergeschichten.kirche-weiach.ch/weiachweb/ WeiachWeb – eine Linkliste] == Einzelnachweise == <references /> {{Navigationsleiste Bezirk Dielsdorf}} {{Exzellent}} [[Kategorie:Ort im Kanton Zürich]] [[Kategorie:Schweizer Gemeinde]] [[Kategorie:Weiach| ]] [[als:Weiach]] [[en:Weiach]] [[eo:Weiach]] [[fr:Weiach]] [[it:Weiach]] [[nl:Weiach]] [[ro:Weiach]] [[ru:Вайах]] [[vo:Weiach]] 6uu6oqxemxnwqs6pm5hxnc8zyl0uk7g wikitext text/x-wiki Weinbau in Stuttgart 0 24490 27092 2010-04-05T08:05:09Z UlrichAAB 0 Kategorie:Weinort im Weinbaugebiet Württemberg Der '''Weinbau in Stuttgart''' umfasst 423 Hektar Rebfläche&nbsp;– gut zwei&nbsp;Prozent der Stadtfläche. Die baden-württembergische Landeshauptstadt [[Stuttgart]] liegt im klimatisch begünstigten [[Neckar]]tal und zählt zu Deutschlands größten Weinbaugemeinden. In 16 der 23 Stadtbezirke wird [[Weinbau]] betrieben, von den meisten der ca. 500 Betriebe im Nebenerwerb. Landwirtschaftliche Betriebe im engeren Sinne bewirtschafteten 358&nbsp;ha (Stand 2007)<ref name="Anbaufläche">[http://www.statistik.baden-wuerttemberg.de/SRDB/Tabelle.asp?05025032KR111 Landwirtschaftlich genutzte Fläche in Stuttgart – Statstisches Landesamt]</ref>. Die Anbaufläche verteilt sich auf 18 [[Lage (Weinbau)|Einzellagen]], die alle zur Großlage ''[[Weinsteige]]'' gehören. Bewirtschaftet werden großenteils [[Steillagenweinbau|Steillagen]]. 71&nbsp;Prozent der Produktion entfallen auf [[Rotwein]] (295 ha von insgesamt 415 ha bestockter Rebfläche)<ref>[http://www.wvwue.de/DATA/SERVICE/DOWNLOADS/090402_Daten%20und%20Fakten%20zum%20Weinland%20Wuerttemberg%202008.doc Daten und Fakten zum Weinland Württemberg] </ref>. [[Bild:Zuckerle.jpg|thumb|Steillagen des Zuckerle zwischen Cannstatt und Mühlhausen]] [[Bild:Wengert am Pragsattel.jpg|thumb|Weinberge am Pragsattel]] == Klima und Geologie == Das gesamte [[Württemberg (Weinbaugebiet)|Anbaugebiet Württemberg]] liegt in einer Übergangszone zwischen atlantischem und kontinentalem Klima. Das Neckartal profitiert vom mildernden Einfluss des Flusses. Aufgrund seiner Lage im Regenschatten des [[Nordschwarzwald]]es ist Stuttgart einer der Orte in Deutschland mit der höchsten [[Globalstrahlung|Sonneneinstrahlung]]<ref name="Globalstrahlung">[http://www.solarserver.de/service/strahlungsdaten_2003.html#karte Globalstrahlung in der Bundesrepublik Deutschland 2003]</ref>. Mit einer 230–240 Tage langen [[Vegetationsperiode]] (Durchschnittstemperatur über 5&nbsp;°C) besitzt Stuttgart die längste Wachstumszeit in ganz Württemberg. Nachteilig für den Weinbau ist lediglich die hohe Gefahr von Hagelschlag, gegen den ein [[Hagelflieger]] im Einsatz ist. Geologisch gehören die Stuttgarter Weinbergslagen überwiegend dem [[Keuper]] an. Lediglich im Nordosten des Stadtgebietes ([[Stuttgart-Bad Cannstatt|Bad Cannstatt]], [[Stuttgart-Mühlhausen|Mühlhausen]]) dominiert der [[Muschelkalk]]. Aufgrund der Steilheit der Lagen ist die Bodenschicht aus den Verwitterungsprodukten des Unterbodens&nbsp;– [[Mergel]] und sandiger bis toniger Lehm&nbsp;– recht dünn. Die Reben müssen deshalb ihre Wurzeln bis in das Muttergestein hineintreiben. == Rebsorten == Der württembergischen Tradition folgend, dominiert auch in Stuttgart der Rotwein. Zu Anfang der 1990er Jahre waren 62,5&nbsp;Prozent der 400 Hektar mit roten [[Rebsorte]]n bepflanzt. Allein auf den [[Trollinger]] entfielen 190&nbsp;ha. 15&nbsp;ha beanspruchte der [[Spätburgunder]]. Wachsende Bedeutung gewinnt inzwischen der [[Dornfelder]]. Daneben sind noch [[Blaufränkisch|Lemberger]], [[Heroldrebe]], [[Samtrot]], [[Muskat-Trollinger]] und [[Sankt Laurent]] zu nennen. In jüngster Zeit wurden auch [[Merlot]] und [[Cabernet Sauvignon]] gepflanzt&nbsp;– eine Reaktion auf die wachsende Nachfrage nach körperreichen Rotweinen. Das typischerweise trockene und sonnige Herbstwetter lässt auch diese aus weit südlicher gelegenen Weinbaugebieten stammenden Rebsorten noch ausreifen. Ihr Qualitätspotenzial ist allerdings schwer zu beurteilen, da diese Rebanlagen noch sehr jung sind. [[Bild:Uhlbacher_Götzenberg.jpg|thumb|Flurbereinigter Uhlbacher Götzenberg]] [[Bild:Cannstatter_Zuckerle.jpg|thumb|Mauerterrassen des Cannstatter Zuckerle]] In den letzten Jahrzehnten hat der Weißwein wieder an Boden gewonnen&nbsp;– 1950 waren über 90&nbsp;Prozent mit Rotweinreben bestockt. Unter den weißen Rebsorten ist der [[Riesling]] führend&nbsp;– er nahm Anfang der 1990er Jahre 65&nbsp;ha ein. 40&nbsp;ha entfielen auf den [[Müller-Thurgau]]. Daneben werden noch [[Silvaner]], [[Kerner (Rebsorte)|Kerner]], [[Weißburgunder]] und [[Gewürztraminer]] in größerem Umfang kultiviert. Neuerdings gewinnen auch [[Chardonnay]] und [[Sauvignon Blanc]] an Raum. == Weinlagen == Die Stuttgarter Weinbergslagen bilden zusammen mit denjenigen der Stadt [[Esslingen am Neckar]] und Teilen der [[Fellbach]]er Weinberge die Großlage „Weinsteige“. Letztere findet sich allerdings nur selten auf Etiketten, da die Stuttgarter Weine in der Regel ohnehin nur aus einer Einzellage stammen. Vor dem Lagennamen wird der Stuttgarter Ortsteil vermerkt, also z. B. „Cannstatter Zuckerle“ oder „Untertürkheimer Altenberg“. Lediglich die in den inneren Stadtbezirken gewachsenen Weine dürfen sich als „Stuttgarter“ bezeichnen. Die einst ausgedehnten Weinberge an den Hängen des Stuttgarter Kessels sind weitgehend dem Wachstum der Großstadt und den entsprechend hohen Bodenpreisen zum Opfer gefallen. So vereint die ''Mönchhalde'' neben einem größeren Weinberg an der Birkenwaldstraße drei kleine, weit voneinander entfernte Parzellen an der [[Karlshöhe (Stuttgart)|Karlshöhe]], an der Neuen [[Weinsteige]] und am Hasenberg. Letztere ist der Rest der früheren Südlagen ''Afternhalde'', ''Wanne'' und ''Gebelsberg''. Die am Neckar gelegenen Stadtteile [[Stuttgart-Hedelfingen|Hedelfingen]], [[Stuttgart-Obertürkheim|Obertürkheim]], [[Stuttgart-Untertürkheim|Untertürkheim]], [[Stuttgart-Uhlbach|Uhlbach]] und [[Stuttgart-Rotenberg|Rotenberg]] besitzen hingegen große zusammenhängende Weinbergflächen. Diese stark ansteigenden Lagen wurden im Rahmen von [[Flurbereinigung]]en in größere Terrassen umgewandelt und durch parallel zum Hang verlaufende Wirtschaftswege erschlossen. Die steilsten Lagen Stuttgarts&nbsp;– ''Cannstatter Zuckerle'', ''Degerlocher Scharrenberg'' und der in [[Stuttgart-Rohracker|Rohracker]] gelegene Teil des ''Lenzenbergs'' – besitzen hingegen nach wie vor ihre Mauerterrassen. Aufgrund des besonders günstigen Klimas zählen einige Stuttgarter Lagen zu den besten Württembergs. Besonderen Ruf genießen neben der ''Stuttgarter Mönchhalde'' die Untertürkheimer Lagen ''Herzogenberg'', ''Mönchberg'' und ''Schlossberg'', der ''Uhlbacher Götzenberg'' sowie das ''Cannstatter Zuckerle'' und die ''Cannstatter Halde''. Kuriositäten bilden der nur wenige hundert Meter vom [[Stuttgart Hauptbahnhof|Hauptbahnhof]] gelegene ''Kriegsberg'', der von der Stuttgarter [[Industrie- und Handelskammer|IHK]] und der [[Landesbausparkasse]] bewirtschaftet wird, sowie der ''Hohenheimer Schlossberg'', der als Versuchsgut der Landwirtschaftlichen Fakultät der [[Universität Hohenheim]] dient. Der teilweise auch auf Fellbacher Gemarkung gelegene ''Untertürkheimer Gips'' ist ein ehemaliger [[Gips]]<nowiki/>steinbruch, dessen ausgebeutete Flächen sukzessive wieder bestockt wurden. '''Die Stuttgarter Weinlagen im Einzelnen''' (von der Stadtmitte aus im Uhrzeigersinn): {| border="1" cellpadding="3" cellspacing="0" align="center" |- bgcolor="#efefef" !Lagenname || Stadtteile || Fläche (ha) || Ausrichtung || Steilheit || [[Bodenart]] |- valign="top" | '''Mönchhalde''' || Stuttgart, Bad Cannstatt || align="center"| 5 || West – Südost – Ost<br />(kleine isolierte Lagen) || steil || Keuper-Verwitterung<br />toniger Lehm – lehmiger Ton |- valign="top" | '''Kriegsberg''' || Stuttgart || align="center"| 1,5 || Süd – Südost || steil || Keuper-Verwitterung<br />lehmiger Ton |- valign="top" | '''Berg''' || Stuttgart, Wangen, Münster,<br />Bad Cannstatt, Feuerbach,<br />Zuffenhausen || align="center"| 90 || Südwest – Süd – Südost || mäßig geneigt bis steil || Keuper-Verwitterung<br />toniger Lehm, lehmiger Ton |- valign="top" | '''Halde''' || Bad Cannstatt || align="center"|3,5 || Südwest || stark geneigt bis steil || Muschelkalk-Verwitterung<br />toniger Lehm |- valign="top" | '''Zuckerle''' || Bad Cannstatt, Münster, Hofen, Mühlhausen || align="center"| 20 || West – Süd – Südost || steile Mauerterrassen || Muschelkalk-Verwitterung<br />toniger Lehm, lehmiger Ton |- valign="top" | '''Steinhalde''' || Bad Cannstatt, Münster, Mühlhausen || align="center"| 20 || Südwest – Süd – Ost || vorwiegend steil (terrassiert) || Muschelkalk-Verwitterung<br />toniger Lehm, lehmiger Ton |- valign="top" | '''Mönchberg''' || Bad Cannstatt, Untertürkheim, ''Fellbach'' || align="center"| 50 || West – Süd – Südost || schwach geneigt bis steil || Keuper-Verwitterung<br />leichter Mergel – sandiger Lehm, lehmiger Ton |- valign="top" | '''Herzogenberg''' || Bad Cannstatt, Untertürkheim || align="center"| 15 || West – Südwest – Süd || leicht bis stark geneigt || Keuper-Verwitterung<br />toniger Lehm |- valign="top" | '''Gips''' || Untertürkheim, ''Fellbach'' || align="center"| 10 || Südwest – Süd || mäßig geneigt || Gipskeuper-Verwitterung<br />toniger Lehm – lehmiger Ton |- valign="top" | '''Altenberg''' || Untertürkheim || align="center"| 23 || Südwest – Süd || steil || Keuper-Verwitterung<br />leichter Mergel – lehmiger Sand – lehmiger Ton |- valign="top" | '''Schlossberg''' || Rotenberg, Uhlbach, Untertürkheim || align="center"| 40 || Südwest – Süd – Südost || leicht geneigt bis steil || Keuper-Verwitterung<br />mergeliger bis sandiger Lehm |- valign="top" | '''Götzenberg''' mit Steingrube || Uhlbach || align="center"| 70 || West – Süd || steil || Keuper-Verwitterung<br />sandiger bis toniger Lehm |- valign="top" | '''Kirchberg''' || Obertürkheim || align="center"| 22 || West – Südwest – Südost || steil || Keuper-Verwitterung<br />leichter Mergelkies bis toniger Lehm |- valign="top" | '''Ailenberg''' || Obertürkheim, ''Esslingen'' || align="center"| 28 || West – Südwest || steil || Keuper-Verwitterung<br />leichter Mergelkies bis toniger Lehm |- valign="top" | '''Lenzenberg''' || Hedelfingen, Rohracker || align="center"| 27 || Südwest – Süd || stark geneigt, teils steile Terrassen || Keuper-Verwitterung<br />toniger Lehm, schwerer Letten |- valign="top" | '''Schlossberg''' || Hohenheim || align="center"| 3,7 || Süd || mäßig geneigt || Lehm auf Schwarzem Jura |- valign="top" | '''Scharrenberg''' || Degerloch || align="center"| 3,5 || Südwest || steil (terrassiert) || Keuper-Verwitterung<br />toniger Lehm, lehmiger Ton |- valign="top" | '''Abelsberg''' || Stuttgart, Gablenberg, Gaisburg || align="center"| 3 || West – Südost<br />(kleine isolierte Lagen) || mäßig bis stark geneigt || Keuper-Verwitterung<br />toniger Lehm, lehmiger Ton |} == Erzeuger == === Genossenschaften === {| border="1" cellpadding="3" cellspacing="0" style="float:right; margin-left:15px;" |- bgcolor="#efefef" !Genossenschaft || Gründung || Mitglieder || Rebfläche (ha) |- valign="top" align="center" | Bad Cannstatt || 1923 || 70 || 45 |- valign="top" align="center" | Hedelfingen || 1955 || 40 || 11,5 |- valign="top" align="center" | Rotenberg-Uhlbach || 1936 / 1906 || 214 || 120 |- valign="top" align="center" | Rohracker || 1919 || 37 || 8 |- valign="top" align="center" | Untertürkheim || 1887 || 91 || 95 |} Der größte Teil der Stuttgarter Weine wird von den fünf [[Winzergenossenschaft]]en erzeugt. Zu ihren Mitgliedern zählen nicht zuletzt die vielen [[Nebenerwerb]]swinzer. Die Produktion ist im Wesentlichen für den lokalen Markt bestimmt, weshalb der traditionelle Trollinger überwiegt. Auf eine Verschiebung der Nachfrage haben die größeren Genossenschaften jedoch mit neuen Produktlinien reagiert. Internationale Rebsorten, Ertragsbeschränkung und moderne Kellerverfahren einschließlich des [[Barrique]]<nowiki></nowiki>ausbaus gehören heute zum Repertoire. An der Spitze dieser Bewegung steht die [[Weinmanufaktur Untertürkheim]], eine Genossenschaft die sich seit 2001 ''Weinmanufaktur'' nennt. Ihr Kellermeister Jürgen Off wurde vom [[Gault-Millau]] zum „Gutsverwalter des Jahres“ 2005 gewählt. Durch die Verleihung der dritten Traube im [[Gault Millau]] 2009 hat die Weinmanufaktur Untertürkheim den Aufstieg ins württembergische Oberhaus geschafft. Dieser Erfolg überzeugte auch die Nachbarn: Die Obertürkheimer Genossen votierten 2004 einstimmig für den Anschluss an die Weinmanufaktur. Im Jahr 2007 schlossen sich die Weingärtnergenossenschaften Uhlbach und Rotenberg zum ''Collegium Wirtemberg – Weingärtner Rotenberg & Uhlbach e. G.'' zusammen. Ihre Weine werden in der Kelter „Fleckensteinbruch“ am Ortsrand von Untertürkheim bereitet. [[Bild:Untertürkheimer_Altenberg.jpg|thumb|Untertürkheimer Altenberg am Fuß des Württembergs]] === Private Weingüter === Die meisten der privaten Stuttgarter Weingüter produzieren nur kleine Mengen, die entweder in der angeschlossenen [[Straußwirtschaft|Besenwirtschaft]] oder aber in örtlichen Weinstuben ausgeschenkt werden. Nur wenige genießen überregionale Bekanntheit. Vier Güter mit Stuttgarter Lagen sind Mitglieder des [[Verband Deutscher Prädikats- und Qualitätsweingüter|Verbandes Deutscher Prädikats- und Qualitätsweingüter (VDP)]]: *Das in Fellbach ansässige [[Weingut Gerhard Aldinger|Weingut Aldinger]] bewirtschaftet insgesamt 23 ha, darunter als Monopollage den ''Untertürkheimer Gips'' (9,6&nbsp;ha). 24 % entfällt auf Riesling, 19 % auf Trollinger, je 12 % auf Rote Burgunder und Lemberger, der Rest auf Sauvignon Blanc, Weißburgunder, Cabernet-Rebsorten und Merlot. *Dem Untertürkheimer '''Weingut Wöhrwag''' gehört der ''Untertürkheimer Herzogenberg'' (15&nbsp;ha) im Alleinbesitz. Auf insgesamt 18,5&nbsp;ha wachsen 35&nbsp;Prozent Riesling, 20&nbsp;Prozent Trollinger und je 10&nbsp;Prozent Lemberger und Merlot, der Rest entfällt auf Grau- und Weißburgunder, Sauvignon Blanc, Muskateller, Spätburgunder und Cabernet Sauvignon. *Das zur [[Haus Württemberg|Württembergischen]] [[Hofkammer]] gehörende '''Weingut Herzog von Württemberg''' in [[Ludwigsburg]] besitzt 7,5&nbsp;ha im Untertürkheimer Mönchberg am [[Württemberg (Berg)|Württemberg]]. Als Lagenweine werden Lemberger und Spätburgunder angeboten. *Das Fellbacher [[Weingut Rainer Schnaitmann]] bewirtschaftet nicht nur Fellbacher Lagen, sondern auch kleinere Flächen im ''Uhlbacher Götzenberg'' und im ''Untertürkheimer Altenberg''. Ersterer liefert sogar ein Großes Gewächs. Weitere qualitätsorientierte Güter sind *''Weingut Bauer'' (4 ha), Bad Cannstatt (Lagen: Cannstatter Berg und Zuckerle, Feuerbacher Berg) *''Wein- und Sektgut Fritz Currle'' (8,5 ha), Uhlbach (Götzenberg) *''Weingut Diehl'' (5,4 ha), Rotenberg (Schlossberg) *''Weingut Peter Mayer Jägerhof'' (3,3 ha), [[Stuttgart-Burgholzhof|Burgholzhof]] (Cannstatter Berg) *''Weingut Gerhard Schwarz'' (2,5 ha), Untertürkheim (Altenberg und Mönchberg) *''Weingut Schwarz'' (8,6 ha), Untertürkheim (Altenberg und Mönchberg) *''Weingut Albert und Konrad Zaiß'' (11 ha), Obertürkheim (Kirchberg) [[Bild:Stuttgart-Uhlbach_Weinbaumuseum_2005.jpg|thumb|300px|Weinbaumuseum Uhlbach]] === Städtisches Weingut === Seit 1949 besteht das '''Weingut der Stadt Stuttgart'''. Zuvor wurde der Ertrag der städtischen Weinberge versteigert. Die Kellerei befindet sich in einem ehemaligen Luftschutzbunker in Bad Cannstatt. Das Gut bewirtschaftet 17,4&nbsp;ha in der Stuttgarter Mönchhalde (u.a. an der [[Karlshöhe (Stuttgart)|Karlshöhe]] und der [[Weinsteige|Neuen Weinsteige]]), dem Cannstatter Berg und dem Cannstatter Zuckerle. Mit der Pflege von zusammen 4,9&nbsp;ha [[Steillagenweinbau|terrassierten Steillagen]] leistet die Stadt ihren Beitrag zum Erhalt dieser Kulturdenkmäler. Qualitativ haben sich die Weine in den letzten Jahren deutlich verbessert. Im Jahr 2007 wurde durch den Verkauf von 124.000 Litern Wein ein Umsatz von 700.000 € erzielt, das Weingut schreibt damit rote Zahlen. Als Ausweg schlug ein von der Stadt beauftragter Gutachter eine Privatisierung oder Verpachtung des Gutes vor.<ref>Monika Spiegel: ''Weingut wieder in der Diskussion''. In: Amtsblatt Stuttgart, Nr. 15 vom 10. April 2008, S.&nbsp;6</ref> Nun soll eine Markterkundung die Alternativen Verpachtung oder Weiterführung als städtischer Eigenbetrieb untersuchen. Eine Entscheidung sollte bis Ende 2008 fallen.<ref>Monika Spiegel: ''Nicht den Blick verstellen''. In: Amtsblatt Stuttgart, Nr. 17 vom 24. April 2008, S.&nbsp;6</ref> Im April 2009 genehmigte der städtische ''Ausschuss für Wirtschaft und Wohnen'' eine Sanierung der städtischen Kelter, nachdem das Gebäude wegen statischer Mängel nur noch eingeschränkt nutzbar war.<ref>Monika Spiegel: ''Bis zur Weinlese muss alles fertig sein''. In: Amtsblatt Stuttgart, Nr. 18 vom 30. April 2009, S.&nbsp;6</ref> Neben dem Weingut betreibt die Stadt auch das [[Weinbaumuseum Uhlbach|Stuttgarter Weinbaumuseum]] in der ehemaligen Kelter von Uhlbach. == Geschichte == Möglicherweise reichen die Wurzeln des Weinbaus am mittleren Neckar in die [[Römisches Reich|Römerzeit]] zurück. Die erste urkundliche Erwähnung stammt aus dem Jahr 708 und belegt Weinbergbesitz des [[Fürstabtei St. Gallen|Klosters Sankt Gallen]] in Cannstatt. Im 10. Jahrhundert wurde im Neckartal der Anbau auf Mauerterrassen eingeführt. Im inneren Stadtgebiet wird mit hoher Sicherheit seit dem 11. Jahrhundert Wein angebaut, denn eine Urkunde aus dem Jahre 1108 erwähnt die Schenkung eines Stuttgarter Weinberges an das [[Kloster Blaubeuren]]. Ältester Stuttgarter Weinberg könnte aber der in der Nähe des Alten Schlosses gelegene ''Relenberg'' sein, dessen Name auf die Herzogin [[Reginlinda]] zurückgeht, Gattin des Herzogs [[Hermann I. (Schwaben)|Hermann I. von Schwaben]]. Erstmals urkundlich erwähnt wurden unter anderem 1229 die ''Mönchhalde'' und 1259 der ''Kriegsberg''. Seit dem 13. Jahrhundert sind Aufzeichnungen über die Qualität der Ernten erhalten. Im Jahr 1400 wurde eine Weingärtnerverordnung erlassen, die Weinfälschungen Einhalt gebieten sollte. Im frühen 16. Jahrhundert entstand die Stuttgarter Weingärtnerzunft. Um die häufigen Streitigkeiten über die Weinpreise zu unterbinden, wurde 1456 angeordnet, dass nach der Lese eine „Weinrechnung“ zu machen sei. Hierzu wurde eine Kommission aus zwei Ratsherren, einem ''Unterkäufer'' (Weinmakler) und vier Weingärtnern eingesetzt. Diese „Siebener“ machten einen Preisvorschlag für den Weinhandel. Trotz der Reglementierung schwankten die Preise sehr stark. Der Preis für einen [[Eimer (Volumenmaß)|Eimer]] (293,92&nbsp;l) bewegte sich im 16. Jahrhundert zwischen zwei und zehn [[Gulden]]. Missernten zwischen 1585 und 1589 trieben ihn bis auf 36 Gulden. [[Bild:Stuttgart.jpg|thumb|512px|Blick von Süden über Stuttgart Ende des 19. Jahrhunderts. Der nördliche Rand des Talkessels im Hintergrund ist erkennbar noch von Weinbergen geprägt.]] Der Weinbau blieb das ganze Mittelalter hindurch die Haupterwerbsquelle der Stuttgarter. 1350 waren bereits 502 Hektar bestockt, 1594 sogar über 1200 Hektar – die später eingemeindeten Vororte wie Cannstatt und Untertürkheim sind hier nicht mitgezählt! Nach [[Wien]] und [[Würzburg]] war Stuttgart im 16. Jahrhundert Deutschlands größte Weinbaugemeinde. Der Stuttgarter Wein wurde großenteils über [[Ulm]] nach Osten exportiert. Diese agrarische Wirtschaftsstruktur ihrer Residenzstadt störte jedoch die württembergischen Herrscher. In der Mitte des 16. Jahrhunderts verbot Herzog [[Christoph (Württemberg)|Christoph von Württemberg]] sogar unter Strafandrohung die Neuanlage von Weinbergen, außer in bis dato „ungeschlachter Wildnis“. Nach den Zerstörungen des [[Dreißigjähriger Krieg|Dreißigjährigen Krieges]]&nbsp;– ein Viertel der Rebfläche lag 1648 brach&nbsp;– schlug das Pendel jedoch zurück: Zum Schutz des Stuttgarter Weinbaus wurde 1655 der Import fremden Weines verboten, und 1667 wurde auch das Bierbrauen untersagt. 1710 wurde dieses Verbot auf ganz Württemberg ausgedehnt. Auch Maßnahmen zur Qualitätssicherung gehen in die frühe Neuzeit zurück: Die erste, 1595 erlassene ''Herbstordnung'' regelte unter anderem den Lesebeginn, den sogenannten ''Herbstsatz'', und den Betrieb der Keltern. Eine weitere Herbstordnung empfahl den Weinbauern im Jahr 1607 den Anbau von Qualitätssorten. Dies waren damals [[Klevner]], [[Silvaner]], [[Grüner Veltliner]], [[Gutedel]], [[Gewürztraminer]] und [[Muskateller]]. Bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts überwogen die weißen Rebsorten mit rund 80 %. Feudale Strukturen beherrschten den Weinbau bis ins 18. Jahrhundert. Erst 1813 wurde der sogenannte ''Kelterbann'' aufgehoben, der den Betrieb von Keltern nur adligen und geistlichen Grundherren erlaubte. So konnte die Menge des [[Zehnter|Zehntweines]] genau kontrolliert werden. Die Keltern gingen in städtisches Eigentum über, durften jedoch seitdem nur noch außerhalb der Stadtmauern betrieben werden. Die Bedeutung des Weinbaus für Stuttgart sank erst mit der Industrialisierung und der damit einher gehenden Verdrängung der Weinberge. In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts bewirtschafteten 400 Weingärtnerfamilien noch ein knappes Drittel der Gemarkung Alt-Stuttgarts, 1895 nur noch 15&nbsp;Prozent&nbsp;– 400 Hektar. Die Stuttgarter Weinbergfläche wuchs durch Eingemeindungen zwar nochmals bis auf 750 Hektar an, dem Wachstum der Großstadt fielen aber immer mehr Rebflächen zum Opfer. Mitte des 19. Jahrhunderts waren in Alt-Stuttgart nur noch sechs Keltern in Betrieb, zu Anfang des 18. Jahrhunderts gab es deren noch 27. Heute ist von diesen nur noch der „Fruchtkasten“ am Schillerplatz übrig geblieben, der als Museum für alte Musikinstrumente genutzt wird. '''Den Rückgang der Stuttgarter Weinbaufläche zeigt die nachfolgende Tabelle:''' {| border="1" cellpadding="3" cellspacing="0" style="float:left; margin-right:15px;" |- bgcolor="#efefef" !Stadtteil || Rebfläche (ha)<br />1850 || Rebfläche (ha)<br />2006 |- valign="top" align="center" | Alt-Stuttgart || 750 || 10 |- valign="top" align="center" | Degerloch || 23 || 3,5 |- valign="top" align="center" | Feuerbach || 140 || 15 |- valign="top" align="center" | Hedelfingen || 92 || 16 |- valign="top" align="center" | Rohracker || 66 || 12 |- valign="top" align="center" | Wangen || 112 || 2 |- valign="top" align="center" | Zuffenhausen || 50 || 10 |} Den letzten markanten Einschnitt brachte die Rebflurbereinigung seit den 1960er Jahren. Die Trockenmauern in Ober- und Untertürkheim, Hedelfingen, Rotenberg und Uhlbach wichen breiten Terrassen, die durch asphaltierte Wirtschaftswege erschlossen sind. 110 Hektar besitzen noch heute ihre ursprüngliche Gestalt. Die vom Verfall bedrohten Weinberge an der Neuen Weinsteige wurden bis 1990 restauriert und vom städtischen Weingut wiederbestockt. Die Weingärtner bildeten bis weit ins 19. Jahrhundert einen gewichtigen, zumeist konservativen, politischen Faktor. So lösten 1848 mit Stöcken bewaffnete „Wingerter“ in Stuttgart eine Demonstration von Demokraten auf. Die republikanische Minderheit unter den Weingärtnern gründete 1863 den „Winzerklubb“, und erst 1904 schlossen sich alle Wingerter im „Stuttgarter Winzerbund“ zusammen. Die erste [[Winzergenossenschaft|Weingärtnergenossenschaft]] entstand 1887 in Untertürkheim. Sie wurde allerdings in jedem Herbst neu gegründet und erst 1907 zur Dauerorganisation. Weitere Genossenschaften entstanden unter anderem 1918 in Obertürkheim, 1923 in Cannstatt und 1936 in Rotenberg. Nach dem [[Zweiter Weltkrieg|Zweiten Weltkrieg]] schlossen sich 45 Genossenschaften zur ''Landeszentralgenossenschaft württembergischer Weingärtnergenossenschaften'' mit Sitz in Untertürkheim zusammen. Sie nennt sich inzwischen ''Württembergische Weingärtnerzentralgenossenschaft'' und verlegte ihren Sitz 1968 nach [[Möglingen]]. Auch wenn der Weinbau in der Stuttgarter Wirtschaft heute nicht mehr ins Gewicht fällt, besitzen die „Wingerter“ noch immer politischen Einfluss: Zwei der 60 Stuttgarter Gemeinderäte sind hauptberufliche Weinbauern. == Weinkultur == [[Bild:Uhlbach-weinstrasse.jpg|thumb|[[Württemberger Weinstraße]]]] Zahlreiche Veranstaltungen zeigen die Verbundenheit Stuttgarts mit seinem Weinbau. Größtes Ereignis ist das ''[[Stuttgarter Weindorf]]'', das seit 1974 Ende August bis Anfang September in der Innenstadt seinen Platz findet. An 120 Ständen werden Stuttgarter und andere Württemberger Weine an die Besucher ausgeschenkt. Ableger hiervon gibt es in Hamburg und Berlin. Unter sich bleiben können die schwäbischen „Vierteles-Schlotzer“ auf den Kelterfesten der Stadtteile sowie in den zahlreichen [[Straußwirtschaft|Besenwirtschaften]] und Weinstuben. Die Spitze der Qualitätspyramide stellt sich auf der jährlich Mitte November stattfindenden Weinverkostung „Stuttgarts beste Weine“ dem Urteil des Publikums. Durch Stuttgart führt die [[Württemberger Weinstraße]], seit dem 12. April 2007 macht sie einen Schlenker von Stuttgart-Münster bis in die Innenstadt und von dort weiter nach Bad Cannstatt. Die Geschichte des Stuttgarter Weinbaus wird im Weinbaumuseum Uhlbach präsentiert. Das Fremdenverkehrsamt hat vier Weinwanderwege gekennzeichnet. == Quellenangaben == <references/> == Literatur == * Gunter Link: ''Stuttgart und sein Wein''. Silberburg Verlag, Tübingen/Stuttgart 1993, ISBN 3-87407-145-6 * Hans Ambrosi, Bernhard Breuer: ''Deutsche Vinothek – Württemberg''. Busse + Seewald, Herford 1996, ISBN 3-512-03044-0 * Hans Schleuning (Hrsg.): ''Stuttgart-Handbuch''. Konrad Theiss Verlag, Stuttgart 1985, ISBN 3-8062-0376-8 * Ulrike Maushake, Martin Nied: Württemberger Weinstraße – Menschen, Traditionen, Landschaften, Brackenheim 2006, ISBN 978-3-935474-04-7 * Stuttgart-Marketing GmbH (Hrsg.): ''Die Stuttgarter Weine''. Stuttgart 2008 == Weblinks == *[http://www.stuttgart-tourist.de/DEU/stadt/weininstuttgart.htm Der Wein in Stuttgart] *[http://www.stuttgart-tourist.de/DEU/stadt/weingueter.htm Stuttgarter Weinbaubetriebe] *[http://www.stuttgarter-weinwanderweg.de/ Stuttgarter Weinwanderwege] *[http://www.wirtemberg.de/ut5.htm Wein und Besenwirtschaften] [[Kategorie:Weinbau in Deutschland|Stuttgart]] [[Kategorie:Weinort im Weinbaugebiet Württemberg|Stuttgart]] [[Kategorie:Stuttgart]] {{Exzellent}} kwgy4dxgdzfuxy73z9it4693coz29nq wikitext text/x-wiki Weinbergkirche (Dresden) 0 24491 27093 2010-04-10T14:10:09Z Paulae 0 Linkfix {{Dieser Artikel|behandelt die Weinbergkirche in Dresden-Pillnitz. Zur Weinberg'''''s'''''kirche Dresden-Trachenberge siehe [[Weinbergskirche (Dresden)]].}} Die [[evangelisch]]e '''Weinbergkirche „Zum Heiligen Geist“''' ist eine [[Barock|barocke]] Dorfkirche im [[Dresden|Dresdner]] Stadtteil [[Pillnitz]]. Der Name geht auf die Lage im Königlichen Weinberg zurück. Der Sakralbau entstand ab 1723 als Ersatz für die Pillnitzer Schlosskirche, die für die Erweiterung des [[Schloss Pillnitz|Schlosses Pillnitz]] abgerissen werden musste. Er war der erste ausgeführte Kirchenbau von [[Matthäus Daniel Pöppelmann]], dem Architekten des Dresdner [[Zwinger (Dresden)|Zwingers]], und gilt als „Wahrzeichen der Pillnitzer Landschaft“.<ref>Dieter Fischer, Staatliche Schlösser und Gärten (Hrsg.): ''Die Weinbergkirche „Zum Heiligen Geist“ in Dresden-Pillnitz. Eine Darstellung ihrer Geschichte bis zur jetzigen Wiederherstellung''. Eigenverlag, Dresden 1994. S. 31.</ref> Nach jahrelangem Verfall im 20. Jahrhundert erfolgte in den 1990er-Jahren eine umfassende Restaurierung des Gebäudes. Die Weinbergkirche steht unter [[Denkmalschutz]] und gehörte als Teil der [[Kulturlandschaft Dresdner Elbtal]] von 2004 bis 2009 zum [[UNESCO-Welterbe]]. [[Datei:Weinbergkirche Pillnitz 2.jpg|miniatur|hochkant=2.0|Die Weinbergkirche in Dresden-Pillnitz]] == Geschichte == === Der Vorgängerbau === [[Datei:Rüdinger Pillnitzer Schlosskirche.jpg|miniatur|Die alte Pillnitzer Schlosskirche kurz vor dem Abbruch 1723, Zeichnung des Hosterwitzer und Pillnitzer Pfarrers Johann Christoph Rüdinger]] Pillnitz war seit Beginn des 16. Jahrhunderts nach [[Hosterwitz]] gepfarrt und bildete seit der [[Reformation]] die [[Parochie]] Hosterwitz-Pillnitz. Zum Gottesdienst begaben sich die Einwohner des Dorfes Pillnitz in die Schifferkirche [[Maria am Wasser]]. Nachdem im Jahr 1569 der spätere Oberschenk des Kurfürsten [[Christian I. (Sachsen)|Christian&nbsp;I.]] und Hofrat, Christoph von Loß (1548–1609), das Rittergut Pillnitz erworben hatte, kam es schon bald zu Konflikten mit dem Hosterwitzer Pfarrer. Im Jahr 1579 wandte sich Christoph von Loß an das Oberkonsistorium der evangelischen Kirche in Dresden, um den Bau einer „unabhängigen Privatkirche als Andachts- und Begräbnisstätte“ durchzusetzen.<ref>Dieter Fischer, Staatliche Schlösser und Gärten (Hrsg.): ''Die Weinbergkirche „Zum Heiligen Geist“ in Dresden-Pillnitz. Eine Darstellung ihrer Geschichte bis zur jetzigen Wiederherstellung''. Eigenverlag, Dresden 1994. S. 4.</ref> Die Grundsteinlegung für die sogenannte Pillnitzer Schlosskirche „Zum Heiligen Geist“ war am 8. Mai 1594. Es entstand ein spätgotischer Bau mit einem 30&nbsp;Meter hohen Turm, der 1596 fertiggestellt wurde. Die Weihe der ersten Pillnitzer Kirche vollzog der damalige Dresdner [[Superintendent]]en [[Polycarp Leyser der Ältere|Polycarp Leyser]]. Das Dorf Pillnitz bildete nun eine von Hosterwitz unabhängige Parochie. Der Stifter Christoph von Loß verstarb 1609 und erhielt ein überlebensgroßes [[Epitaph]] in der Kirche. Auch weitere Mitglieder der Familie von Loß, wie Joachim von Loß († 1633) und seine älteste Tochter Sophie Sibylle Loß, verheiratete von [[Bünau]] († 1640), wurden in der Schlosskirche beigesetzt. Sophie Sibylles Ehemann Günther von Bünau († 1659) und seine zweite Ehefrau Elisabeth von Löser († 1649) stifteten 1648 anlässlich ihrer Eheschließung und des Endes des [[Dreißigjähriger Krieg|Dreißigjährigen Krieges]] den Altar der Kirche, den [[Johann Georg Kretzschmar]] fertigte. Unter Günther von Bünau kam es zur Wiedervereinigung der [[Kirchspiel]]e Hosterwitz und Pillnitz – beide Kirchspiele bilden noch heute die Evangelisch-Lutherische Kirchgemeinde Dresden-Hosterwitz-Pillnitz. Im Jahr 1694 erhielt das Sächsische Kurhaus Pillnitz von Günther von Bünaus Sohn Heinrich, dem im Gegenzug [[Schloss Lichtenwalde|Lichtenwalde]] zugesprochen wurde. Ab 1707 befand sich Pillnitz im Besitz der Gräfin [[Constantia von Cosel]], bevor unter [[August II. (Polen)|August dem Starken]] ab 1720 der Bau des [[Schloss Pillnitz|Schlosses Pillnitz]] auf dem Grundstück begann, auf dem sich die Schlosskirche befand. Dem Abriss der Kirche stimmte das Oberkonsistorium der evangelischen Kirche in Dresden nur unter der Bedingung eines Kirchenneubaus in Pillnitz zu. Am 11. Mai 1723 gab August der Starke, der zunächst eine Erweiterung der Kirche Maria am Wasser als Alternative erwogen hatte,<ref name="Pöppelmann 121">Hermann Heckmann: ''Matthäus Daniel Pöppelmann und die Barockbaukunst in Dresden''. Verlag für Bauwesen, Berlin 1986, S. 121.</ref> den Befehl zum Kirchenneubau auf einem Grundstück im Königlichen Weinberg. Dafür sollten sowohl Baumaterialien als auch Altar, Glocken und Orgel der alten Schlosskirche im neuen Kirchengebäude wiederverwendet werden.<ref name="Urkunde">Vgl. Faksimile des Befehlsschreibens vom 11. Mai 1723 in: Dieter Fischer, Interessengemeinschaft Weinbergkirche Pillnitz e.V. (Hrsg.): ''Die Weinbergkirche „Zum Heiligen Geist“ in Dresden-Pillnitz. Geschichte und vollendete Restaurierung 270 Jahre nach der Kirchweihe''. Michel Sandstein, Dresden 1996, S. 22.</ref> Die Baukosten der neuen Kirche in Höhe von 2000 [[Taler]]n<ref name="Pöppelmann 121" /> übernahm das Königliche Oberbauamt. Die Schlosskirche „Zum Heiligen Geist“ wurde im Mai 1723 abgebrochen. An ihrer Stelle entstand der 1818 abgebrannte ''Venustempel'', ein Speisesaal, in dem Porträts von Hofdamen und Mätressen hingen. Heute befände sich der Standort der ehemaligen Kirche zwischen dem Neuen Palais und dem „Löwenkopf“ an der Elbe. === Bau der Weinbergkirche === [[Datei:Karte 1725 Königlicher Weinberg Pillnitz.jpg|miniatur|Lage der Weinbergkirche im Königlichen Weinberg oberhalb des Schlosses Pillnitz, Karte von April 1725, Ausschnitt]] August der Starke hatte angewiesen, dass die „Erbauung einer andern [Kirche] unweit des Dorffs an der Weinbergs-Preße“ erfolgen sollte.<ref name="Urkunde" /> Mit dem Entwurf wurde der damalige Oberlandbaumeister [[Matthäus Daniel Pöppelmann]] beauftragt, die Bauausführung hatte [[Christoph Schumann]] inne, der auch am Umbau des [[Schloss Moritzburg (Sachsen)|Schlosses Moritzburg]] und des [[Japanisches Palais|Japanischen Palais’]] mitgewirkt hatte.<ref>Hans-Günther Hartmann: ''Pillnitz. Schloss, Park und Dorf''. Hermann Böhlaus Nachfolger, Weimar 1981, S. 102.</ref> Im Beisein unter anderem von [[Valentin Ernst Löscher]], [[Christoph August von Wackerbarth]] und Bildhauer [[Johann Benjamin Thomae]] wurde am 24. Juni 1723 der Grundstein der neuen Weinbergkirche gelegt, die in Anlehnung an den Vorgängerbau auch ''Neue Schlosskirche „Zum Heiligen Geist“'' genannt wurde. Die Weinstöcke waren im Mai gezogen worden, im Juli überführte man die sterblichen Überreste aus sechs Grüften der alten Kirche in die bereits Anfang Juli fertiggestellten Gruftgewölbe der neuen Kirche. Mit dem Aufsetzen des Turms und dem Aufziehen der Glocken der alten Schlosskirche am Reformationstag 1723 wurde – nach nur fünf Monaten Bauzeit – der äußere Bau der Kirche beendet. Der Innenausbau der Kirche dauerte bis 1725. Die Kirchweihe war am 11. November 1725. Die Weinbergkirche diente bis 1918 sowohl den evangelischen Mitgliedern des Fürsten- und Königshofes als auch der Gemeinde als Gotteshaus. === Die Weinbergkirche bis 1990 === [[Datei:Fotothek df ps 0003643 Kirchen ^ Weinbau ^ Weinstöcke.jpg|miniatur|links|Die Weinbergkirche 1970]] Im 18. Jahrhundert erfolgten Umbauten in der Kirche. Kleinere Renovierungen am [[Dachstuhl]] fanden 1800 und 1839 statt. Während des ersten großen Umbaus von 1852 bis 1853 wurde die [[Kanzel]] versetzt und das Gestühl im Altarraum entfernt. Im Jahr 1876 erhielt die Kirche die Turmuhr. Der Einbau einer neuen Orgel im Jahr 1891 erforderte einen Umbau der westlichen [[Empore]]n mit neuen seitlichen Zugängen. Nach der Anschaffung eines Ofens zum Heizen der Kirche erhielt die Weinbergkirche um 1900 einen Schornstein. Im Jahr 1910 erhielt ein neuer Ofen einen anderen Standort. Für die Umsetzung des Ofens musste der Zugang zur [[Sakristei]] verlagert werden. Die Erhaltung der Kirche lag bis 1918 in der Hand des sächsischen [[Hofstaat|Hofes]], so wie der (katholische) König es zur Bauzeit zugesagt hatte. Mit dem [[Geschichte Sachsens#1918 bis 1933|Ende der Monarchie]] ging das Gebäude auf die [[Weinbaudomäne|staatliche Domänenverwaltung]] über. Als sich 1930 schließlich Finanzministerium und [[Evangelisch-Lutherische Landeskirche Sachsens|evangelisch-lutherischen Landeskirche]] über eine Kostenteilung verständigt hatten, folgten 1932 Dachreparaturen. Bereits zu dieser Zeit wurde der langsame Verfall eines Teils der Kirche beklagt, so die Lage der wertvollen Grabdenkmale an den feuchten Kirchmauern und die verblassten Farben der Kirche. Mit der [[Bodenreform in Deutschland#Bodenreform in der Sowjetischen Besatzungszone ab 1945|Bodenreform 1945]] ging die Weinbergkirche in das Eigentum der [[Evangelisch-Lutherische Landeskirche Sachsens|Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsens]] über. Sie wurde 1954 renoviert, verfiel aber danach zunehmend. Ihre Nutzung für Gottesdienste endete 1976, als sie zum Erntedankfest entwidmet wurde. Die Landeskirche, die nicht über die Mittel zum Erhalt der Kirche verfügte, beantragte die Übertragung des Bauwerks an den Staat. Neben verfallsbedingten Mängeln an Dach, Fenstern und Verputz waren weitere Schäden durch [[Vandalismus]] und Diebstahl verursacht worden. Im Jahr 1983 ging die Kirche nach langwierigen Verhandlungen in das Eigentum der Stadt Dresden über, die die [[Staatliche Kunstsammlungen Dresden|Staatlichen Kunstsammlungen]] als Rechtsträger einsetzte.<ref>Dieter Fischer, Interessengemeinschaft Weinbergkirche Pillnitz e.V. (Hrsg.): ''Die Weinbergkirche „Zum Heiligen Geist“ in Dresden-Pillnitz. Geschichte und vollendete Restaurierung 270 Jahre nach der Kirchweihe''. Michel Sandstein, Dresden 1996, S. 49.</ref> Die Kirche wurde teilweise gesichert und als Lagerraum benutzt. Erst nach der [[Wende (DDR)|Wende]] erhielt die verfallene Weinbergkirche wieder mehr Beachtung. === Restaurierung und heutige Nutzung === [[Datei:Pillnitz Königlicher Weinberg.JPG|miniatur|Blick auf den Königlichen Weinberg aus dem Glockenturm der Weinbergkirche]] Im Jahr 1990 gründete sich die ''Interessengemeinschaft Weinbergkirche Pillnitz e.&nbsp;V.'' unter anderem mit dem Ziel, Spenden für die Restaurierung der Kirche zu sammeln. Die Gemeinschaft organisierte zum Beispiel Benefizkonzerte und warb um Fördermittel. Das erste [[Elbhangfest]] unter dem Titel ''Von [[George Bähr|Bähr]] zu Pöppelmann'' machte 1991 auf den Zustand sowohl der Weinbergkirche als auch der im Wiederaufbau befindlichen [[Loschwitzer Kirche]] aufmerksam. Im Juni 1991 konnte der seit November 1990 mit Spendengeldern rekonstruierte [[Dachreiter]] der Weinbergkirche übergeben werden. Im Jahr 1992 wurde das Dach neu gedeckt und im folgenden Jahr der Außenputz der Kirche erneuert sowie in Anklang an die ursprüngliche Farbgebung in roten und gelben Tönen [[Scheinarchitektur|illusionistisch]] bemalt. Die äußere farbliche Wiederherstellung war 1993 abgeschlossen. Im selben Jahr ging die Kirche in den Besitz des [[Sachsen|Freistaates Sachsen]] über. Im Jahr 1994 wurde der Einsatz der Interessengemeinschaft für das Pöppelmannsche Bauwerk<ref>Dieter Fischer, Interessengemeinschaft Weinbergkirche Pillnitz e.&nbsp;V. (Hrsg.): ''Die Weinbergkirche „Zum Heiligen Geist“ in Dresden-Pillnitz. Geschichte und vollendete Restaurierung 270 Jahre nach der Kirchweihe''. Michel Sandstein, Dresden 1996, S. 58.</ref> mit der ''Silbernen Halbkugel'' des [[Deutsches Nationalkomitee für Denkmalschutz|Deutschen Preises für Denkmalschutz]] ausgezeichnet.<ref>Vgl. Liste der Preisträger auf [http://www.dnk.de/denkmalschutz_preise/n2393?node_id=2453 dnk.de]</ref> Es folgte die Restaurierung des Kircheninneren, die im Jahr 1995 weitgehend abgeschlossen war. Die feierliche Übergabe der restaurierten Kirche erfolgte am 12. November 1995, die Weihe der restaurierten [[Jehmlich Orgelbau Dresden|Jehmlich-Orgel]] fand anlässlich des Elbhangfestes 1997 statt. Seither finden wieder einige Gottesdienste der ''Evangelisch-Lutherischen Kirchgemeinde Hosterwitz-Pillnitz'' in der Weinbergkirche statt. Ansonsten wird die Kirche vor allem für Hochzeiten, Konzerte und Ausstellungen genutzt. Jedes Jahr findet um die Kirche ein Frühlingsfest und am dritten Adventssonntag ein Weihnachtsmarkt statt. Die Weinbergkirche ist auch ein „landschaftsgebundenes Bauwerk“.<ref>Hans-Günther Hartmann: ''Pillnitz. Schloss, Park und Dorf''. Hermann Böhlaus Nachfolger, Weimar 1981, S. 104.</ref> Sie befindet sich als farbiger Blickfang im ''Großen Königlichen Weinberg'', der seit 1976 nahezu vollständig wiederaufgerebt wurde. Seit den 1990er-Jahren werden unter anderem [[Müller-Thurgau]], [[Traminer]] und [[Weißburgunder]] angebaut.<ref>Dieter Fischer, Interessengemeinschaft Weinbergkirche Pillnitz e.V. (Hrsg.): ''Die Weinbergkirche „Zum Heiligen Geist“ in Dresden-Pillnitz. Geschichte und vollendete Restaurierung 270 Jahre nach der Kirchweihe''. Michel Sandstein, Dresden 1996, S. 80.</ref> Jedes Jahr im Oktober wird an der Weinbergkirche ein Weinfest veranstaltet. == Baubeschreibung == === Erstentwurf === [[Datei:Pöppelmann Erstentwurf Weinbergkirche Pillnitz 1.jpg|miniatur|Entwurf Pöppelmanns um 1723]] Die Weinbergkirche war „Pöppelmanns frühester ausgeführter Kirchenbau“.<ref>Hartmut Mai: ''Matthäus Daniel Pöppelmanns Anteil am evangelischen Kirchenbau des Barocks in Dresden''. In: Harald Marx (Hrsg.): ''Matthäus Daniel Pöppelmann. Der Architekt des Dresdner Zwingers''. VEB E. A. Seemann Buch- und Kunstverlag, Leipzig 1990, S. 266. Weitere in Dresden ausgeführte Kirchenbauten waren die Matthäuskirche und die nach seinem Tod fertiggestellte [[Dreikönigskirche (Dresden)|Dreikönigskirche]].</ref> Er entwarf zunächst einen Bau für einen ebenen Standort, „wahrscheinlich sogar im Hochwassergebiet der [[Elbe]], da er vier Stufen vor die Eingänge legt(e).“<ref>Hermann Heckmann: ''Matthäus Daniel Pöppelmann und die Barockbaukunst in Dresden''. Verlag für Bauwesen, Berlin 1986, S. 122.</ref> Die [[Sakristei]] war im Erstentwurf an den [[Altar]]bereich angeschlossen und lag auf der schmalen – in Bezug auf den ausgeführten Bau – Ostseite der Kirche. Gegenüber dem Altar plante Pöppelmann eine schmale [[Orgel]]empore. Im ausgeführten Bau wurde die Sakristei in den Hang hinein an die nördliche Längsseite der Kirche angebaut, wohingegen das Hauptportal statt auf der Nord- auf der Südseite lag. Pöppelmann plante einen reich dekorierten [[Dachreiter]], der schließlich in einfacherer Form ausgeführt wurde. Während der Renovierung der Weinbergkirche in den 1990er-Jahren wurde auch über eine farbliche Gliederung der Turmfassade diskutiert,<ref>Farbentwurf sh. Dieter Fischer, Interessengemeinschaft Weinbergkirche Pillnitz e.&nbsp;V. (Hrsg.): ''Die Weinbergkirche „Zum Heiligen Geist“ in Dresden-Pillnitz. Geschichte und vollendete Restaurierung 270 Jahre nach der Kirchweihe''. Michel Sandstein, Dresden 1996, S. 65.</ref> die jedoch schließlich 1992 mit Kupfer gedeckt wurde. Der verwirklichte Kirchentypus wurde nachfolgend auch bei anderen sächsischen Kirchenbauten, wie der Kirche in [[Rammenau]] und der in Röhrsdorf bei Pirna umgesetzt.<ref>Vgl. Hartmut Mai: ''Matthäus Daniel Pöppelmanns Anteil am evangelischen Kirchenbau des Barocks in Dresden''. In: Harald Marx (Hrsg.): ''Matthäus Daniel Pöppelmann. Der Architekt des Dresdner Zwingers''. VEB E. A. Seemann Buch- und Kunstverlag, Leipzig 1990, S. 266; [http://static.panoramio.com/photos/original/23977745.jpg Foto der Kirche in Rammenau].</ref> === Äußeres === [[Datei:Weinbergkirche Pillnitz Portal.jpg|miniatur|links|Portalplastik von Johann Benjamin Thomae]] [[Datei:August Kotzsch - Blick auf Pillnitz vor 1873.jpg|miniatur|Die Weinbergkirche vor 1873 auf einer Fotografie von [[August Kotzsch]] mit kurzer Sakristei, ohne Fassadenbemalung und ungedecktem Dachreiter]] [[Datei:Weinbergkirche Pillnitz.jpg|miniatur|Die Weinbergkirche 1994 mit verlängerter Sakristei, wiederhergestellter Illusionsbemalung und Kupferdachreiter]] [[Datei:Grundrisse Weinbergkirche Pillnitz.jpg|miniatur|Grundrisse 1820 (oben) und 1950 (unten). Erkennbar ist die Verlängerung der Sakristei, die Verlegung ihres Eingangs und der neue Standort der Kanzel.]] Die Weinbergkirche wurde auf rechteckigem Grundriss errichtet. Im Norden wurde eine Sakristei im ansteigenden Gelände angebaut, die während der Restaurierung der Kirche in den 1990er-Jahren verlängert wurde. Der Hauptzugang befindet sich an der Südseite, die als „Schauseite von fünf Achsen“<ref>Georg Dehio (Hrsg.): ''Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler. Dresden''. Aktualisierte Auflage. Deutscher Kunstverlag, München und Berlin 2005, S. 190.</ref> ausgebildet ist. Über eine zweiläufige Treppe gelangt man zum Portal der Weinbergkirche. Es besitzt als einzigen Fassadenschmuck eine zwischen 1726 und 1727 von [[Johann Benjamin Thomae]] gefertigte Sandsteinplastik. Sie enthält über einem [[Fries]] in einem [[Gesprengter Giebel|gesprengten Giebel]] eine [[Kartusche (Kunst)|Doppelkartusche]] mit dem kursächsischen und polnischen Wappen. Darüber befinden sich das [[Monogramm]] ''AR'' für ''Augustus Rex'', König [[August II. (Polen)|Friedrich August I. von Sachsen]], und die Königskrone. [[Cornelius Gurlitt (Kunsthistoriker)|Cornelius Gurlitt]] erwähnte eine Inschrift über dem Portal, von der trotz Übermalung um 1900 Reste sichtbar waren. Sie wurde im Zuge der Restaurierung in den 1990er-Jahren konserviert und mit Farbe überdeckt. Ein zweiter Zugang ist über die Westseite der Kirche möglich; zum dortigen schmucklosen Eingang führt eine einläufige Treppe. Beim Bau der Weinbergkirche wurden in ihrer Mitte [[Gruft]]gewölbe angelegt. Die Beisetzung der Toten aus der alten Schlosskirche ging über einen Eingang unter dem südlichen Hauptzugang vonstatten. Zunächst verschlossen nur die Grundmauern der Kirche diesen Eingang, später entstand davor noch die Treppe. Die Weinbergkirche besitzt ein [[Walmdach]] mit drei [[Gaupe]]n und einem zentralen, hölzernen [[Dachreiter]]. Er hat bis auf [[Dachfirst|Firsthöhe]] einen quadratischen Grundriss und baut sich danach „in derben Barockformen [achtseitig] auf“.<ref name="Gurlitt 160">Cornelius Gurlitt: ''Beschreibende Darstellung der älteren Bau- und Kunstdenkmäler des Königreichs Sachsen''. Band 26. Meinhold, Dresden 1904, S. 160.</ref> Er wird von einer helmartigen Dachhaube abgeschlossen; an der Spitze befindet sich auf einer [[Turmkugel]] eine [[Wetterfahne]] mit der Inschrift „ARPo 1723“ für ''Augustus Rex Poloniae'' und einer Krone. Das Jahr 1723 verweist auf den Zeitpunkt der Grundsteinlegung. Die Höhe der Kirche beträgt ohne Wetterfahne 31,10&nbsp;Meter. Die Fassaden wurden ursprünglich „als Ersatz für eine kostbare Gliederung aus Sandstein … als [[Putz (Baustoff)|Putzbau]] ausgeführt und mit einer [[Illusionsmalerei|Illusionsarchitektur]], [[Gewände]]n mit Schattenkanten, [[Verdachung]]en und Wand[[pfeiler]]n bemalt“.<ref>Dieter Fischer: ''Zur Geschichte und Restaurierung der Pillnitzer Weinbergkirche „Zum Heiligen Geist“''. In: Dresdner Geschichtsverein e.&nbsp;V. (Hrsg.): ''Dresdner Hefte''. Jahrgang 11, Heft 34, Ausgabe 2, 1993, S. 85.</ref> Damit glich die Kirche äußerlich dem Schloss Pillnitz. Die frühesten Zeichnungen zeigen die Putzfassaden der Kirche jedoch bereits in einem übertünchten Zustand, der bis in die 1990er-Jahre unverändert blieb. Die ursprüngliche Farbgebung der Fassade konnte im Zuge der Restaurierung in den 1990er-Jahren durch Untersuchung des Putzes rekonstruiert und wiederhergestellt werden. === Inneres === Der Kirchenraum misst rund 20 mal 10&nbsp;Meter und ist acht Meter hoch. Unter Einbeziehung des Gruftgewölbes beträgt die Höhe der Kirche 9,90, die Breite inklusive Außenmauern 21,8 und die Tiefe mit Außenmauern 12,6&nbsp;Meter. Der Boden ist mit Sandsteinplatten ausgelegt<ref>Sibylle Badstübner-Gröger: ''Von Loschwitz nach Pillnitz''. Deutscher Kunstverlag, München/Berlin 1997, S. 22.</ref>, der Altar ist um eine Stufe erhöht. Die zwölf hohen Fenster sind im [[Stichbogen]] geschlossen und von [[Fenstergewände|Sandsteingewänden]] umrahmt.<ref>Cornelius Gurlitt: ''Beschreibende Darstellung der älteren Bau- und Kunstdenkmäler des Königreichs Sachsen''. Band 26. Meinhold, Dresden 1904, S. 159.</ref> Sie wurden nach dem Vorbild der zerstörten Originalfenster gefertigt und der Kirche im Zuge der Restaurierung in den 1990er-Jahren gespendet. Zwei Fenster aus getöntem Glas, um die Jahrhundertwende an der Ostseite eingefügt, waren in den 1990er-Jahren nicht mehr erhalten und wurden nicht rekonstruiert.<ref>Dieter Fischer: ''Zur Geschichte und Restaurierung der Pillnitzer Weinbergkirche „Zum Heiligen Geist“''. In: Dresdner Geschichtsverein e.&nbsp;V. (Hrsg.): ''Dresdner Hefte''. Jahrgang 11, Heft 34, Ausgabe 2, 1993, S. 88. </ref> Die flache Decke ist mit einfachen [[Stuck]]leisten verziert. Hinter dem Hauptportal befinden sich auf der Südseite in Richtung Osten ebenerdige Logen mit einem Aufgang zu den Emporen. Sie gehören zum erhöhten Altarbereich, der die Ostseite der Kirche einnimmt. Dort steht der Altar, davor der Taufstein und an der Nordseite die Kanzel. Gegenüber dem Haupteingang befindet sich der Eingang zur Sakristei. Den hinteren Teil des Kirchenschiffs nehmen drei Betstübchen ein, über denen der Orgelchor liegt. Neben dem Westportal befinden sich an der rechten und linken Seite Zugänge zu den Emporen und zum Glockenturm. Bei der Restaurierung der Kirche wurde durch Farbuntersuchungen entdeckt, dass sich hinter dem Altar und der Kanzel bereits um 1725 gemalte rote Vorhänge befanden. Sie sollten möglicherweise den weißen Altar und die weiße Kanzel im ebenfalls in Weiß gehaltenen Kirchenraum hervorheben.<ref>Dieter Fischer, Interessengemeinschaft Weinbergkirche Pillnitz e.V. (Hrsg.): ''Die Weinbergkirche „Zum Heiligen Geist“ in Dresden-Pillnitz. Geschichte und vollendete Restaurierung 270 Jahre nach der Kirchweihe''. Michel Sandstein, Dresden 1996, S. 71.</ref> Den gemalten Vorhang hinter dem Altar stellten die Restauratoren wieder her. Da die Kanzel 1853 versetzt wurde, konnte der andere Vorhang am ursprünglichen Ort nicht wiederhergestellt werden. Er wäre heute teilweise von den verlängerten Emporen verdeckt. ==== Bestuhlung ==== Die Kirche bietet Platz für 450 bis 500 Personen. Im 18. Jahrhundert waren „der Beichtstuhl, der Kirchväterstuhl und 2 Reihen Männersitze“<ref>Dieter Fischer, Interessengemeinschaft Weinbergkirche Pillnitz e.V. (Hrsg.): ''Die Weinbergkirche „Zum Heiligen Geist“ in Dresden-Pillnitz. Geschichte und vollendete Restaurierung 270 Jahre nach der Kirchweihe''. Michel Sandstein, Dresden 1996, S. 41.</ref> im Altarraum aufgestellt; weitere Männersitze befanden sich auf den Emporen. Das Gestühl für Frauen stand im [[Kirchenschiff]] und war zudem außerhalb des Altarraums an der Kirchenwand aufgestellt. Bis 1728 wurden unter dem Chor auf der Westseite drei Betstübchen für reiche Pillnitzer angebaut. Sie lagen hinter den „Weiber-Stühlen“ unter der Orgelempore und mussten von den Besitzern auf eigene Kosten erbaut werden. Zudem musste eine Gebühr an die Kirche entrichtet werden. Die Bestuhlung im Altarraum wurde 1853 entfernt, als die Kanzel dorthin versetzt wurde. Die seitlichen Bänke im Kirchenschiff wurden 1954 entfernt.<ref>Dieter Fischer, Interessengemeinschaft Weinbergkirche Pillnitz e.&nbsp;V. (Hrsg.): ''Die Weinbergkirche „Zum Heiligen Geist“ in Dresden-Pillnitz. Geschichte und vollendete Restaurierung 270 Jahre nach der Kirchweihe''. Michel Sandstein, Dresden 1996, S. 46.</ref> ==== Emporen ==== Die Emporen der Kirche waren ursprünglich kürzer als heute. Sie nahmen zunächst die Süd- und Westseite ein; unter der Südempore wurde eine Hof- und Herrschaftsloge im Altarbereich und darüber eine Loge für Hofbeamte eingebaut. Die Emporen wurden bei der Renovierung von 1852 bis 1853 um ein Viertel verlängert und nehmen seit 1892 die halbe Nordseite bis zum Altarraum ein. Bei dem Einbau einer neuen, größeren Orgel im Jahr 1891 wurden die zweite Westempore bis zur Orgeltiefe zurückgenommen<ref>Dieter Fischer, Interessengemeinschaft Weinbergkirche Pillnitz e.&nbsp;V. (Hrsg.): ''Die Weinbergkirche „Zum Heiligen Geist“ in Dresden-Pillnitz. Geschichte und vollendete Restaurierung 270 Jahre nach der Kirchweihe''. Michel Sandstein, Dresden 1996, S. 42.</ref>, der Orgelchor auf der ersten Westempore vergrößert und neue seitliche Zugänge zu den Westemporen geschaffen. Die Emporen haben zwei Etagen und stehen auf quadratischen Säulen; „die Brüstungen sind in lange rechteckige Felder getheilt.“<ref name="Gurlitt 160" /> ==== Altar ==== [[DAtei:Weinbergkirche Pillnitz Altar.jpg|miniatur|Altar der Weinbergkirche]] Den Altar schuf der [[Colditz]]er [[Johann Georg Kretzschmar]] (1612–1653) 1648 nach dem Ende des Dreißigjährigen Krieges. Die Rückwand trägt die Inschrift „Johannes George Kretzschmer Bilthauer in Dresden den 19. 8ber anno 1648.“ Der Sandsteinaltar ist 2,70&nbsp;Meter breit und 5,85&nbsp;Meter hoch.<ref name="Gurlitt 160" /> Über der einfachen [[Mensa (Altar)|Mensa]] befindet sich die [[Predella]] mit dem Wappen der Stifterfamilien von [[Bünau]] auf der linken und von Löser auf der rechten Seite. Beide Wappen, getrennt durch einen [[Putte]]nkopf, sind farbig gehalten. Die Predella ist „durch Anläufe und [[Rollwerk]] gefüllt“<ref name="Gurlitt 160" /> und wird von zwei [[Piedestal]]en begrenzt, auf denen je eine von Weinranken umwundene [[Korinthische Ordnung|korinthische Säule]] steht. Zwischen den Säulen im Mittelfeld des Altars stellt ein 1,32 mal 1,73&nbsp;Meter großes Relief das [[Abendmahl]] mit Christus und den zwölf Jüngern dar, auf dem Tisch befinden sich das Osterlamm und der Weinkelch. Eine vierfache Säulenanreihe an jeder Seite gibt dem Relief Tiefe; über der Szene ist an einem [[Kreuzrippengewölbe]] ein Leuchter angebracht. Auf [[Konsole (Architektur)|konsole]]nartigen [[Volute]]n neben den Säulen stehen zwei metergroße Apostel-Figuren. Das linke Podest trägt [[Simon Petrus|Petrus]] mit Buch und Schlüssel, das rechte [[Paulus von Tarsus|Paulus]] mit Buch und Schwert. [[Architrav]] und [[Fries]] oberhalb der Apostelfiguren werden von der Deckendarstellung des [[Relief (Kunst)|Relief]]s unterbrochen, während das [[Gesims]] durchgehend ist. Über dem Gesims sitzen mit übergeschlagenen Beinen zwei Engelsfiguren mit [[Leidenswerkzeug]]en. Die linke hält einen Essigschwamm an einem Rohr und eine Rute, die rechte eine Rute und eine [[Lanze]]. Im Ziergiebel zwischen beiden Figuren befindet sich ein Relief des betenden Christus im Garten [[Getsemani]]. Im Vordergrund sind die schlafenden Jünger dargestellt. Den Altarabschluss bildet eine Figur des auferstandenen Christus, die rechte Hand segnend erhoben und in der linken die Glaubensfahne. Während [[Cornelius Gurlitt (Kunsthistoriker)|Cornelius Gurlitt]] dem Bildhauer Kretzschmar am Altar „überall ein kräftiges, formensicheres Können“ bescheinigte<ref name="Gurlitt 161">Cornelius Gurlitt: ''Beschreibende Darstellung der älteren Bau- und Kunstdenkmäler des Königreichs Sachsen''. Band 26. Meinhold, Dresden 1904, S. 161.</ref>, sah Walter Hentschel die Bedeutung von Kretzschmars Werk im Jahr 1966 nur im relativ guten Allgemeinzustand: {{Zitat|Aber das ist auch alles, was zum Lobe des Werkes zu sagen ist. Das Figürliche ist derb und wirkt in dem großen Abendmahlsrelief geradezu verwildert. Voluten, Konsolen, [[Kartusche (Kunst)|Kartuschen]] nähern sich in manchen Partien dem [[Knorpelwerk]], sind teigig weich geformt, aber zur vollen Freiheit dieses Stils vermag sich Kretzschmar nicht auszuschwingen […] Seine Kunst war provinziell … |Walter Hentschel, 1966<ref>Walter Hentschel: ''Dresdner Bildhauer des 16. und 17. Jahrhunderts''. Hermann Böhlaus Nachfolger, Weimar 1966, S. 97.</ref>}} Während der Restaurierung der Kirche Anfang der 1990er-Jahre wurde der Figurenschmuck am Altar ergänzt, da bereits um 1900 die Glaubensfahne, die Ruten und das Schwert der Paulus-Figur gefehlt hatten. Die weitgehend verblassten oder gänzlich verschwundenen Farben des Altars wurden von 1993 bis 1994 wiederhergestellt. Der Sandsteinaltar ist außer den farbigen Wappen in der Predella in Weiß mit vergoldeten Details gehalten. ==== Taufstein ==== [[Datei:Weinbergkirche Pillnitz Taufstein.jpg|miniatur|hochkant|Taufstein]] [[Datei:Weinbergkirche Pillnitz Kanzel.jpg|miniatur|hochkant|Kanzel]] Vor dem Altar befindet sich der rund einen Meter hohe [[Taufstein]], der wahrscheinlich zur gleichen Zeit wie der Altar entstand und Johann Georg Kretzschmar zugeschrieben wird. Der Aufbau besteht aus Sandstein, der Deckel aus Holz. Über einem profilierten Fuß und einem runden Sockel befindet sich die zylindrische [[Kuppa]], in die vier schwarze Felder mit Bibelzitaten in Goldlettern eingelassen sind. Die Tafeln sind von [[Rollwerk]] umschlossen. Der achtseitige Deckel mit Engelsköpfen trägt oben ein Kreuz. In einer Beschreibung des Taufsteins von Ferdinand Ludwig Zacharias aus dem Jahr 1826 wird als Abschluss kein Kreuz, sondern die Figur Johannes des Täufers genannt.<ref>Ferdinand Ludwig Zacharias: ''Sammlung historisch-topografisch- und genealogischer Nachrichten über das Königl. Sächs. Cammerguth und Lust-Schloß Pillnitz'', d 73.</ref> Wie der Altar ist auch der Taufstein in weiß mit Goldverzierungen gehalten. Am Sockel wurde, wie auch an den [[Balustrade]]n der Kirche, eine [[Stuckmarmor|Marmorierung aufgemalt]]. ==== Kanzel ==== Die [[Kanzel]] aus Sandstein, im Altarbereich an der Nordseite gelegen, wird von einer sechskantigen Säule getragen, die in einen wulstigen Übergang mit Konsolengesims<ref name="Gurlitt 161" /> zum Kanzelkorb übergeht. Der Kanzelkorb hat die Form eines Sechsecks und ist an vier Seiten geschlossen. Eine Seite ist offen und führt zum Treppenaufgang, die sechste Seite bildet die Kirchenwand. Die Felder des Kanzelkorbs werden von [[Dorische Ordnung|dorischen Säulen]] begrenzt, die zwischen [[Piedestal|Postament]] und [[Architrav]] stehen. Rundbögen in den Feldern zwischen den Säulen sind seitlich gequadert. Im durchgehenden Fries befinden sich [[Triglyphe]]n. Der [[Schalldeckel]] der Kanzel aus Holz ist wie der Kanzelkorb sechsseitig. Er gehörte zusammen mit der Brüstung des Kanzelkorbs zu einer älteren Anlage aus dem 17. Jahrhundert<ref name="Gurlitt 161" /> und entspricht in seiner Derbheit dem Stil des Altars und des Taufsteins. Wahrscheinlich ist, dass diese Kanzelteile aus der alten Schlosskirche stammen. Ursprünglich war die Kanzel über eine Treppe mit der Sakristei verbunden und befand sich in der Mitte der Nordwand gegenüber dem Hauptportal. Während der Renovierung von 1852 bis 1853 wurde die Kanzel nach Osten versetzt. Die neue Treppe zur Sakristei entstand zu dieser Zeit. ==== Epitaphien und Denkmäler ==== In der Weinbergkirche erinnern zahlreiche [[Epitaph]]ien und Denkmäler an Mitglieder der Familien von Loß und von Bünau. Sie wurden aus der alten Schlosskirche in die Weinbergkirche überführt und im Kirchinnenraum an der Ost- und Nordseite angebracht. ===== Ostseite ===== [[Datei:Weinbergkirche Pillnitz Epitaph Christoph von Loß Detail.jpg|miniatur|links|Epitaph des Christoph von Loß, Detail]] Hinter dem Altar befinden sich nebeneinander drei Epitaphien. Der 2,20&nbsp;Meter hohe rechte Grabstein der Ursula von Loß, geb. von Schleinitz, zeigt Christus am Kreuz, eine Inschrifttafel und Wappendarstellungen. Ursula von Loß war die Ehefrau des Joachim von Loß und verstarb 1632. Das mittlere, 2,30&nbsp;Meter hohe Epitaph besteht aus einer lebensgroßen Figur des Christoph von Loß († 1609) in voller Rüstung mit Feldherrnstab in der rechten Hand. Gurlitt bezeichnete das Denkmal als „beachtenswerthe tüchtige Arbeit“.<ref name="Gurlitt 164">Cornelius Gurlitt: ''Beschreibende Darstellung der älteren Bau- und Kunstdenkmäler des Königreichs Sachsen''. Band 26. Meinhold, Dresden 1904, S. 164.</ref> Der linke, 1,85&nbsp;Meter hohe Grabstein mit zahlreichen Wappendarstellungen und Engelsfiguren ist der von Martha von Loß, geborene [[Köckritz (Adelsgeschlecht)|von Köckeritz]]. Sie heiratete Christoph von Loß’ drittgeborenen Sohn Nicol und verstarb 1645. Ihr Grabmal „ist in Spätrenaissanceformen sauber durchgeführt“.<ref>Cornelius Gurlitt: ''Beschreibende Darstellung der älteren Bau- und Kunstdenkmäler des Königreichs Sachsen''. Band 26. Meinhold, Dresden 1904, S. 167.</ref> Über dem Epitaph Christoph von Loß’ befand sich ursprünglich ein hölzernes Totenschild, das anlässlich des Todes Günther von Bünaus 1659 gefertigt und später aus der alten Schlosskirche überführt wurde. Es zeigt mittig das Familienwappen derer von Bünau und um dieses angeordnet 16 weitere Wappen von Familien, die mit ihnen verbunden waren. Nach der Restaurierung 1996 wurde das Totenschild an die Mitte der Nordwand versetzt. <br style="clear:left;" /> ===== Nordseite ===== [[Datei:Weinbergkirche Pillnitz Epitaph Valentin von Pflugk.jpg|miniatur|hochkant|Epitaph des Valentin Pflugk]] [[Datei:Weinbergkirche Pillnitz Grab Anna Sophie von Bünau.jpg|miniatur|hochkant|Epitaph der Anna Sophie von Bünau]] An der Nordwand am Kanzelaufgang befindet sich das Epitaph für Valentin [[Pflugk]] auf Knauthain († 1568), den Schwiegervater von Christoph von Loß. Der Unterbau mit den Wappen derer von Pflugk (links) und [[Schönberg (Adelsgeschlecht)|von Schönberg]] (rechts) – Pflugks Frau stammte aus dem Haus Roth-Schönberg – über einem Engelskopf besteht aus Sandstein, der Aufbau ist aus [[Alabaster]] gefertigt. Auf dem breiten Sockel knien links fünf Männer und rechts fünf Frauen im Profil. Zwei seitliche [[Pilaster]] tragen jeweils vier Wappen, unter anderem der Familien Pflugk, Bünau und Schönberg. Zwischen den Pilastern befindet sich ein teilweise beschädigtes [[Relief (Kunst)|Relief]] mit der [[Auferstehung Christi]]. Der Mittelteil des Aufbaus schließt mit einem [[Gebälk]] ab, in dem sich [[Dorische Ordnung|dorische]] Säulen mit Löwenköpfen abwechseln. Das Epitaph endet mit einem spitzen Giebel. In ihm befindet sich ein Relief der [[Dreifaltigkeit]]. Dargestellt ist der sitzende [[Gottvater]], der vor sich Jesus hält und auf dessen linker Schulter die Taube sitzt. Gurlitt ordnete das Epitaph der Schule [[Hans Walther (Bildhauer)|Hans Walthers]] zu.<ref name="Gurlitt 164" /> Unter der Kanzel befindet sich der 1,80&nbsp;Meter hohe Grabstein der ersten Ehefrau Günther von Bünaus, Sophie Sibylle von [[Bünau]], geb. von Loß, die 1640 verstarb. Auf dem Grabstein ist auf einem ovalen Feld der gekreuzigte Christus dargestellt mit Anklängen an [[Renaissance]] und Barock.<ref>Cornelius Gurlitt: ''Beschreibende Darstellung der älteren Bau- und Kunstdenkmäler des Königreichs Sachsen''. Band 26. Meinhold, Dresden 1904, S. 166.</ref> Neben der Sakristeitür ist die Grabplatte Günther von Bünaus angebracht, der 1659 verstarb. Der einfache Grabstein trug ursprünglich in der Mitte eine Inschrift. An den Rändern befinden sich Wappenreliefs. Westlich davon steht der einfache Grabstein des 1654 verstorbenen Johann Albrecht [[Slavata von Chlum und Koschumberg]], eines Vetters von [[Wilhelm Slavata]], der in Pillnitz im Exil lebte. Neben Familienwappen enthält der Grabstein eine Inschrift. Vor allem die unteren Teile des Grabsteins sind stark beschädigt. An der westlichsten Ecke der Nordwand ist das 1,20&nbsp;Meter hohe Epitaph der Anna Sophie von Bünau angebracht, die 1637 im Alter von sieben Wochen verstorben war. Das Relief zeigt das Kind im Totenhemd mit gefalteten Händen, das von kindlichen Engelsfiguren geleitet wird. Anna Sophie von Bünau war die Tochter des Günther und der Sophie Sibylle von Bünau. ==== Verschollener Kirchenschmuck ==== Cornelius Gurlitt erwähnte 1904 zwei Gemälde, die sich damals in der Kirche befanden. Eines war ein Brustbild [[Martin Luther]]s in Öl von [[Lucas Cranach der Ältere|Lucas Cranach]] aus dem Jahr 1546. Gurlitt bezeichnete das Gemälde, das an der Brüstung der Orgelempore hing, als „sorgfältig durchgeführte Werkstättenarbeit“.<ref name="Gurlitt 168">Cornelius Gurlitt: ''Beschreibende Darstellung der älteren Bau- und Kunstdenkmäler des Königreichs Sachsen''. Band 26. Meinhold, Dresden 1904, S. 168.</ref> Ein zweites, beschädigtes Ölgemälde mit einem Bildnis [[Melanchthon]]s war vermutlich „blos Copie nach Cranach“<ref name="Gurlitt 168" />, wurde in der Sakristei aufbewahrt und später an der Kanzel angebracht. Um 1931 fiel erstmals das Fehlen beider Gemälde auf. Eine Befragung von früheren Pfarrern der Weinbergkirche ergab, dass „das Melanchthon-Bild … schon seit der Jahrhundertwende [fehlte], das Luther-Bild seit etwa 1920.“<ref>Dieter Fischer, Interessengemeinschaft Weinbergkirche Pillnitz e.V. (Hrsg.): ''Die Weinbergkirche „Zum Heiligen Geist“ in Dresden-Pillnitz. Geschichte und vollendete Restaurierung 270 Jahre nach der Kirchweihe''. Michel Sandstein, Dresden 1996, S. 45.</ref> Beide Gemälde sind verschollen. == Orgel == Die erste Orgel der Weinbergkirche stammte aus der alten Schlosskirche. Ihr Alter und der Erbauer sind nicht bekannt. [[Disposition (Orgel)|Disposition]] der Orgel aus der Schlosskirche: {| border="0" cellspacing="0" cellpadding="10" style="border-collapse:collapse;" | style="vertical-align:top" | {| border="0" | colspan="2" | '''Manual''' C–d<sup>3</sup> ---- |- | Gedackt || 8′ |- | Flöte || 4′ |- | Gedackt || 4′ |- | Principal || 2′ |- | Quinte || 1<sup>1</sup>/<sub>2</sub>′ |- | Cymbel II || |} | style="vertical-align:top" | {| border="0" | colspan="2" | '''Pedal''' C–c<sup>1 ---- |- | Principalbass || 8′ |} |} * [[Koppel (Orgel)|''Koppeln:'']] M/P. [[Datei:Jehmlich-Orgel Weinbergkirche Pillnitz.jpg|miniatur|Jehmlich-Orgel der Weinbergkirche]] Sie war für den Kirchenraum zu klein und wurde in einem Gutachten der [[Jehmlich Orgelbau Dresden|Orgelbaufirma Jehmlich]] als der Kirche „unwürdig“ bezeichnet.<ref name="Groß 9">zit. nach Ekkehart Groß: ''Die Geschichte der Orgeln in der Weinbergkirche''. In: ''Die restaurierte Jehmlich-Orgel der Weinbergkirche zu Dresden-Pillnitz''. Orgelbau Groß & Soldan, Waditz 1997, S. 9.</ref> Die Gebrüder Jehmlich erhielten 1889 den Auftrag für eine neue Orgel. Die heutige Orgel kostete 4200 Mark und wurde am 19. Juli 1891 geweiht. Es handelt sich um eine der frühesten [[Pneumatik|pneumatischen]] Orgeln Sachsens. Die erste solche Orgel wurde 1888 in der Kirche in Röhrsdorf geweiht. Eine Reparatur des Instruments erfolgte 1907, bei der es auch gereinigt und gestimmt wurde. Zum Ende des [[Erster Weltkrieg|Ersten Weltkriegs]] mussten 1918 die Prospektpfeifen aus Zinn zum Einschmelzen abgegeben werden, sie wurden durch Pfeifen aus Zink ersetzt. Nach dem Ende der Nutzung der Kirche im Jahr 1976 verblieb die Orgel an ihrem Standort und verfiel wie der Kirchenbau. Sämtliche [[Orgelpfeife]]n wurden gestohlen, sodass bei den Restaurierungs- und Rekonstruktionsarbeiten durch den ''Orgelbau Ekkehart Groß und Johannes Soldan'' im Jahr 1997 alle Pfeifen rekonstruiert werden mussten. Am 29. Juni 1997 feierte die Gemeinde die Wiederweihe der Jehmlich-Orgel mit Röhren-Pneumatik. Disposition der Jehmlich-Orgel:<ref name="Groß 9" /> {| border="0" cellspacing="0" cellpadding="10" style="border-collapse:collapse;" | style="vertical-align:top" | {| border="0" | colspan="4" | '''I Manual''' C–f<sup>3</sup> ---- |- | Principal || 8′ |- | Viola di Gamba || 8′ |- | Flöte || 8′ |- | Octave || 4′ |- | Quinte || 2<sup>2</sup>/<sub>3</sub>′ |- | Octave || 2′ |- | Terz || 1<sup>3</sup>/<sub>5</sub>′ |- | |} | style="vertical-align:top" | {| border="0" | colspan="2" | '''II Manual''' C–f<sup>3</sup> ---- |- | Aeoline || 8′ |- | Lieblich Gedackt || 8′ |- | Rohrflöte || 4′ |} | style="vertical-align:top" | {| border="0" | colspan="4" | '''Pedal''' C–d<sup>1</sup> ---- |- | Subbass || 16′<ref name="Reg">Originales Register.</ref> |- | Principalbass || 8′<ref name="Reg" /> |} |} * [[Koppel (Orgel)|''Koppeln:'']] II/I, I/P. * ''[[Spielhilfe]]n:'' Choralwerk, Volles Werk, [[Registercrescendo]]. == Glocken == Die Weinbergkirche besaß zu Beginn die drei Glocken aus der alten Schlosskirche. Die große Glocke zersprang im Jahr 1780 und wurde um 1800 durch einen Neuguss von August Weinholdt ersetzt. Eine zweite Glocke musste 1873 durch einen Neuguss von J. G. Grosse ersetzt werden, ging jedoch als Metallspende während des [[Erster Weltkrieg|Ersten Weltkriegs]] verloren. Sie wurde im Jahr 2002 durch einen Neuguss der [[Glockengießerei Bachert]] ersetzt. {| class="wikitable" |- class="hintergrundfarbe5" ! Bild !! Name !! Grundton !! Jahr !! Inschrift !! Größe, Schmuck |- | [[Datei:Weinbergkirche Pillnitz Glocke 1596.JPG|80px]] || Kleine Glocke || f’’ || 1596 || „anno M.D.XCVI sic transit gloria mundi“ || 43&nbsp;Zentimeter hoch, größter Durchmesser 57&nbsp;Zentimeter; „Rankenwerk mit Halbfiguren in Renaissanceformen“<ref>Cornelius Gurlitt: ''Beschreibende Darstellung der älteren Bau- und Kunstdenkmäler des Königreichs Sachsen''. Band 26. Meinhold, Dresden 1904, S. 163.</ref> |- | [[Datei:Weinbergkirche Pillnitz Glocke 2002.JPG|80px]] || Mittlere Glocke || des’’ || 2002 || „Aufbruch und Rettung“, „2002 wurde ich in [[Karlsruhe]] gegossen“ „Gott hat uns nicht gegeben den Geist der Furcht sondern den Geist der Besonnenheit“ || Aufhänger in Faustform, Hals mit Weinrankenband |- | [[Datei:Weinbergkirche Pillnitz Glocke 1800.JPG|80px]] || Große Glocke || b’ || 1800 || „Anno 1800 goss mich. Heinrich August Weinholdt in Dresden“ || 70&nbsp;Zentimeter hoch, größter Durchmesser 86&nbsp;Zentimeter; Ornamentband aus Weintrauben, Darstellung des Königs [[August II. (Polen)|Friedrich August II.]] |} == Literatur == * Georg Dehio (Hrsg.): ''Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler. Dresden''. Aktualisierte Auflage. Deutscher Kunstverlag, München und Berlin 2005, S. 190–191. * Dieter Fischer: ''Zur Geschichte und Restaurierung der Pillnitzer Weinbergkirche „Zum Heiligen Geist“''. In: Dresdner Geschichtsverein e.V. (Hrsg.): ''Dresdner Hefte''. Jahrgang 11, Heft 34, Ausgabe 2, 1993, S. 84–88. * Dieter Fischer, Staatliche Schlösser und Gärten (Hrsg.): ''Die Weinbergkirche „Zum Heiligen Geist“ in Dresden-Pillnitz. Eine Darstellung ihrer Geschichte bis zur jetzigen Wiederherstellung''. Eigenverlag, Dresden 1994. * Dieter Fischer, Interessengemeinschaft Weinbergkirche Pillnitz e.V. (Hrsg.): ''Die Weinbergkirche „Zum Heiligen Geist“ in Dresden-Pillnitz. Geschichte und vollendete Restaurierung 270 Jahre nach der Kirchweihe''. Michel Sandstein, Dresden 1996, ISBN 3-930382-15-6. * Cornelius Gurlitt: ''Beschreibende Darstellung der älteren Bau- und Kunstdenkmäler des Königreichs Sachsen''. Band 26. Meinhold, Dresden 1904. Textlich unveränderter Nachdruck. Verlag für Kunstreproduktionen, Neustadt an der Aisch 2002, ISBN 3-89557-185-7, S. 159–168. * Hans-Günther Hartmann: ''Pillnitz. Schloss, Park und Dorf''. Hermann Böhlaus Nachfolger, Weimar 1981, S. 101–104. * Hermann Heckmann: ''Matthäus Daniel Pöppelmann und die Barockbaukunst in Dresden''. Verlag für Bauwesen, Berlin 1986, ISBN 3-345-00018-0, S. 121–123. * Walter Hentschel: ''Dresdner Bildhauer des 16. und 17. Jahrhunderts''. Hermann Böhlaus Nachfolger, Weimar 1966, S. 97, 157–158. * Hartmut Mai: ''Matthäus Daniel Pöppelmanns Anteil am evangelischen Kirchenbau des Barocks in Dresden''. In: Harald Marx (Hrsg.): ''Matthäus Daniel Pöppelmann. Der Architekt des Dresdner Zwingers''. VEB E.&nbsp;A. Seemann Buch- und Kunstverlag, Leipzig 1990, S. 262–270, speziell S. 265–266. * Folke Stimmel, Reinhardt Eigenwill et al.: ''Stadtlexikon Dresden''. Verlag der Kunst, Dresden 1994, S. 452. == Weblinks == * {{Commons|Category:Weinbergkirche, Dresden-Pillnitz|Weinbergkirche (Dresden)}} * [http://www.weinbergkirche.de/ Offizielle Webpräsenz] == Fußnoten und Einzelnachweise == <references /> {{Exzellent|16. Januar 2010|69105985}} [[Kategorie:Kirchengebäude in Dresden]] [[Kategorie:Disposition einer Orgel|Dresden, Weinbergkirche (Dresden)]] {{Coordinate |NS=51/0/40.65/N |EW=13/52/41.56/E |type=landmark |region=DE-SN}} 9g6e3hddr70738bkxzrmxontyltim8p wikitext text/x-wiki Weinhaus Rheingold 0 24492 27094 2010-05-06T20:14:30Z Definitiv 0 re-categorisation per [[WP:CFD|CFD]] mit [[Project:AWB|AWB]] [[Datei:Berlin Weinhaus Rheingold Logo.png|rahmenlos|hochkant=1.65|rechts]] [[Datei:Berlin Weinhaus Rheingold 1907.jpg|miniatur|hochkant=1.6|Das Weinhaus Rheingold, Ansicht von der Bellevuestraße um 1907]] Das '''Weinhaus Rheingold''' in [[Berlin]] war ein 1907 eröffnetes [[Restaurant|Großrestaurant]] des [[Aschinger]]-Konzerns, in dem bis zu 4.000 Gäste gleichzeitig bewirtet werden konnten. Das Gebäude in der Nähe des [[Potsdamer Platz]]es wurde im [[Zweiter Weltkrieg|Zweiten Weltkrieg]] zerstört. Das nach Plänen des Architekten [[Bruno Schmitz]] von 1905 bis 1907 erbaute Weinhaus Rheingold sollte als Konzerthaus mit angeschlossenen Versammlungsräumen und Weinrestaurant den Einstieg der Firma Aschinger in die gehobene Gastronomie markieren. Um zusätzlichen Verkehr am bereits überlasteten Potsdamer Platz zu vermeiden, wurde die Nutzung jedoch baupolizeilich auf den reinen Gastronomiebetrieb beschränkt. Bereits die schwierigen Bauarbeiten, verbunden mit Grundwasserabsenkungen und aufwändiger Sicherung der Nachbarhäuser, erregten das Interesse der Tagespresse. Über den fertiggestellten Neubau berichtete die zeitgenössische Architekturpresse 1907 beinahe enthusiastisch. Viel Beachtung fand dabei die monumentale Fassade an der [[Bellevuestraße]] mit [[Relief (Kunst)|Reliefs]] des Bildhauers [[Franz Metzner (Bildhauer)|Franz Metzner]] – vielfach als gleichbedeutend eingestuft mit [[Alfred Messel]]s Fassade des nahe gelegenen [[Wertheim|Warenhauses Wertheim]] am [[Leipziger Platz]]. Die luxuriöse Innenausstattung der vierzehn Säle, teils eher exotisch, teils [[mittelalter]]lich inspiriert, erzeugte in jedem Raum eine andere Atmosphäre und sollte die Besucher in verschiedenste Welten eintauchen lassen. Wirtschaftlich war der Prestigebau für Aschinger ein Misserfolg. Nach Jahrzehnten mangelnder Rentabilität verkaufte der Konzern schließlich 1943 das schon vorher kriegsbedingt geschlossene Weinhaus an die [[Reichspost|Deutsche Reichspost]]. Im selben Jahr erlitt der Komplex schwere Schäden bei Bombardierungen. Die als wiederaufbaufähig klassifizierte Ruine wurde bereits zu Beginn der 1950er-Jahre abgetragen. Die Fläche des ehemaligen Weinhauses Rheingold teilen sich heute nach der Wiederbebauung des Potsdamer Platzes im Wesentlichen der [[BahnTower]], die umgelegte [[Potsdamer Straße]] und der [[Kollhoff-Tower]]. == Die Aschingers – Bauherren mit Visionen == [[Datei:Berlin Weinhaus Rheingold Entwurfszeichung Schmitz Berlin Moskau S 73.jpg|miniatur|Entwurfszeichnung für das ''Weinhaus Rheingold'' als Konzerthaus von [[Bruno Schmitz]]]] [[Datei:Berlin Bellevuestrasse 1900.jpg|miniatur|Die Bellevuestraße um 1900]] [[Datei:Berlin Bellevuestrasse 19A Hahnemann.jpg|miniatur|Wohnhaus Anker, der Vorgängerbau an der Bellevuestraße 19a]] Das 1892 von den Brüdern [[Carl Aschinger|Carl]] und [[August Aschinger]] gegründete Unternehmen ''Aschinger’s Bierquelle'' firmierte seit 1900 unter ''Aschinger’s Bierquelle AG'' als [[Aktiengesellschaft]] in Familienbesitz mit einem [[Grundkapital]] von drei Millionen [[Goldmark]]. Groß geworden und erfolgreich mit ihren „Bierquellen“ – Stehbierhallen mit preisgünstigen Mahlzeiten –, suchten die Aschingers ab 1905 den Einstieg in die gehobenere Gastronomie. Auch die Umbenennung der Gesellschaft im Dezember 1906 zu ''Aschinger’s Aktien-Gesellschaft'' illustriert das Bemühen, das billige Bierquellen-Image loszuwerden und neue Geschäftsfelder zu erschließen. Mit dem Erwerb des alten [[Hotel Fürstenhof (Berlin)|Hotels Fürstenhof]] am Potsdamer Platz war ein erster Schritt zu dieser Expansion getan. Nach einem Architekturwettbewerb 1905 entstand anstelle des Vorgängerbaues unter Einbeziehung bereits früher erworbener Nachbargrundstücke von 1906 bis November 1907 ein markanter Neubau mit luxuriöser Ausstattung. Ein Konzerthaus mit angegliederten Versammlungssälen und Restaurant sollte die Expansion ergänzen. Das Unternehmen erwarb 1905 dazu ebenfalls in der Nähe des Potsdamer Platzes mehrere verbundene Grundstücke an der Bellevuestraße und in der Potsdamer Straße. Für die Planungen konnten die Firmeninhaber den Architekten [[Bruno Schmitz]] gewinnen, der vor allem für seine Denkmäler wie das [[Kyffhäuserdenkmal]] oder das [[Deutsches Eck|Deutsche Eck]] bekannt war. Mit dem städtischen Festsaal [[Mannheimer Rosengarten|Rosengarten]] in [[Mannheim]] hatte er bereits 1903 eine verwandte Bauaufgabe gelöst. Seinen Namen erhielt das für Berlin geplante Konzerthaus nach [[Richard Wagner]]s Oper ''[[Das Rheingold]]'', dem ersten Teil des Zyklus ''[[Der Ring des Nibelungen]]''. Die ursprünglichen Absichten der Bauherren und des Architekten überlieferte der Architekturkritiker Hans Schliepmann in der Zeitschrift ''Berliner Architekturwelt'': Geplant war „ein Saalbau für vornehmste Konzertaufführungen“, eine „Art ‚Loge‘ für die wahrhaft Höchststehenden der Berliner Gesellschaft“.<ref>Hans Schliepmann: ''Bruno Schmitz; XIII. Sonderheft der Berliner Architekturwelt mit Text von Hans Schliepmann.'' Verlag Ernst Wasmuth, Berlin 1913, S. VIII.</ref> Die großen Erwartungen der Bauherren schilderte Maximilian Rapsilber in der Zeitschrift ''Der Profanbau'': „[…]&nbsp;in der Erwägung, daß in Berlin der große Erfolg nur durch ein wahrhaft großstilisiertes Unternehmen herbeigezaubert wird“, forderte er, „naiv ausgedrückt, das allerschönste Haus von Berlin als sein Eigen, koste es, was es wolle.“<ref>Maximilian Rapsilber, in: ''Der Profanbau'', 3 (1907), S.&nbsp;95.</ref> == Lage == [[Datei:Berlin Weinhaus Rheingold Lageplan.jpg|miniatur|links|Lageplan des verwinkelten Grundstücks zwischen Bellevue- und [[Potsdamer Straße]]]] Die Gegend um den Potsdamer Platz wechselte in der Entwicklung Berlins von der [[Residenzstadt|Residenz-]] zur Großstadt innerhalb weniger Jahrzehnte mehrmals ihren Charakter. Eine vorstädtische Bebauung verdrängte ab den 1820er-Jahren die bisherigen [[Landhaus (Architektur)|Landhäuser]]. Diese wich bereits zwischen 1850 und 1870 vornehmen Mietshäusern und Villen, als der Potsdamer Platz mit seinen Nebenstraßen zum bevorzugten Wohngebiet wohlhabender Berliner wurde. Die zentrumsnahe Lage in der Nähe des Regierungsviertels und des [[Potsdamer Bahnhof]]es steigerte die Attraktivität des Viertels nach der Reichsgründung von 1871, führte aber auch zur Verdrängung von Wohnraum durch Büro- und Verwaltungsbauten sowie Hotels und Restaurants. Viele dieser Bauten entstanden zwischen den 1890er-Jahren und dem Ersten Weltkrieg.<ref>Jörg Müller: ''Der Potsdamer Platz in Berlin. Zur Geschichte eines zentralen Platzes.'' Technische Universität Berlin, Berlin 1990, ISBN 3-79831339-3, S.&nbsp;30/31.</ref> Für den Bau des Weinhauses Rheingold erwarb die Firma Aschinger 1905 die nur wenige Meter vom Potsdamer Platz entfernt gelegenen Grundstücke Bellevuestraße 19, 19a sowie Potsdamer Straße 3.<ref>''Berliner Adressbuch: unter Benutzung amtlicher Quellen.'' Verlag Scherl, Berlin. Eintrag der Vorbesitzer für die Bellevuestraße 19 und 19a 1905 [http://adressbuch.zlb.de/viewAdressbuch.php?ImgId=134836] und Aschinger 1906 [http://adressbuch.zlb.de/viewAdressbuch.php?ImgId=139714].</ref><ref>''Berliner Adressbuch: unter Benutzung amtlicher Quellen.'' Verlag Scherl, Berlin. Eintrag des Vorbesitzers für die Potsdamer Straße 3 1905 [http://adressbuch.zlb.de/viewAdressbuch.php?ImgId=135353] und Aschinger 1906 [http://adressbuch.zlb.de/viewAdressbuch.php?ImgId=140255].</ref> Seit der Umnummerierung der Potsdamer Straße 1938 trägt die Parzelle die Nummer 8<ref>''Berliner Adressbuch: unter Benutzung amtlicher Quellen.'' Verlag Scherl, Berlin. Eintrag 1937 mit Hausnummer 3 [http://adressbuch.zlb.de/viewAdressbuch.php?CatalogName=adre2007&ImgId=339793&intImgCount=-2&CatalogCategory=adress&Counter=&CatalogLayer=7] und 1938 mit Hausnummer 8 [http://adressbuch.zlb.de/viewAdressbuch.php?CatalogName=adre2007&ImgId=346496&intImgCount=-2&CatalogCategory=adress&Counter=&CatalogLayer=6].</ref> und liegt heute, nach der Umlegung der Potsdamer Straße, an der Alten Potsdamer Straße. Auf den angrenzenden Grundstücken Bellevuestraße 17−18A entstand wenig später mit dem [[Hotel Esplanade (Berlin)|Grand Hôtel Esplanade]] ein weiteres Großhotel. Die drei Parzellen ergaben zusammen eine Fläche von 5044,67&nbsp;Quadratmetern.<ref name="Baumeister 73"/> Als Folge der kleinteiligen Parzellierung war das Grundstück schlecht geschnitten und verwinkelt, nur die 54&nbsp;Meter breite Front an der Bellevuestraße erlaubte eine repräsentative Fassadengestaltung, die Straßenfront an der Potsdamer Straße war mit 21&nbsp;Metern hierzu ungeeignet. Trotzdem zahlte Aschinger einen beträchtlichen Kaufpreis von insgesamt vier Millionen Mark.<ref name="Baumeister 73"/> Das Grundstück an der Potsdamer Straße war mit einem fünfgeschossigen Mehrfamilienwohnhaus bebaut, während die Parzellen an der Bellevuestraße mit dem „Wohnhaus Anker“ des Architekten [[Christian August Hahnemann]] und mit dem durch den gleichen Architekten umgebauten Wohnhaus Bellevuestraße 19 noch die typische Bebauung der 1850er-Jahre zeigte. == Nutzungsänderung wegen baupolizeilicher Bedenken == Das im hohen Kaufpreis des Grundstückes gebundene Kapital sollte schnell Rendite abwerfen und die Bauzeit für den Neubau demzufolge möglichst kurz sein. Um den Bau zu beschleunigen, reichte der Bauherr zwei Vorprojekte ein, die von der Baupolizei innerhalb von drei bis vier Wochen genehmigt wurden. Die Genehmigung des Projektes selber dauerte „trotz des größten und liebenswürdigsten Entgegenkommens von allen zuständigen Behörden“ neun Monate.<ref>Maximilian Rapsilber, in: ''Der Profanbau'', 3 (1907), S.&nbsp;139/140.</ref> Ein noch während der Prüfungszeit des Projektes eingereichter Nachtrag erforderte nochmals neun Monate – Zustände, die nach Meinung der Zeitschrift ''Der Profanbau'' die Reformbedürftigkeit der Berliner Baupolizei-Ordnung aufzeigten. Die Genehmigung war für die Firma Aschinger mit einer schweren Auflage verbunden. Die Baupolizei befürchtete durch das geplante Konzerthaus eine weitere Erhöhung des Verkehrs beim sowieso bereits überlasteten Potsdamer Platz. Verschärfend kam hinzu, dass sich mit dem ''Künstlerhaus'' des [[Verein Berliner Künstler|Vereins Berliner Künstler]] in der Bellevuestraße 3 gleich gegenüber dem geplanten Konzerthaus bereits ein Veranstaltungslokal befand. So erlaubte die Baupolizei nur die Nutzung als Restaurant. Die Auflage betraf hauptsächlich den als Konzerthaus vorgesehenen Flügel an der Bellevuestraße. Für größere Änderungen waren die Planungen aber bereits zu weit fortgeschritten und die ursprüngliche Konzeption des Rheingold blieb weitgehend erhalten, auch wenn nun der Konzerthausteil ebenfalls gastronomisch genutzt werden musste. Zudem ließ die seinerzeit geplante Verlängerung der [[Voßstraße]] bis zum Tiergarten neben dem Bauherrn auch einige Architekturkritiker hoffen, dass durch die Entlastung des Potsdamer Platzes die Nutzungsbeschränkung hinfällig würde und dass das Haus doch noch ganz seiner ursprünglichen Bestimmung dienen könnte.<ref name="PB 98">Maximilian Rapsilber, in: ''Der Profanbau'', 3 (1907), S.&nbsp;98.</ref><ref name="DKD 3" /> == Bauphase == [[Datei:Berlin Weinhaus Rheingold Fundierung und Isolierung.jpg|miniatur|Vorrichtung zur Grundwasserabsenkung und Abstützung der Baugrube]] [[Datei:Berlin Weinhaus Rheingold Vertikalschnitt Baugrube.jpg|miniatur|Vertikalschnitt der Baugrube mit Saugbrunnen und Sammelrohr]] Die Bauarbeiten begannen Mitte November 1905 mit den Abbruch- und Aushubarbeiten an der Bellevuestraße, gefolgt von der Herstellung der [[Gründung (Bauwesen)|Fundamente]]. Bereits im Februar 1906 konnten dort die Maurerarbeiten beginnen.<ref name="DBZ 110">''Der Neubau des Weinhauses „Rheingold” der Aktien-Gesellschaft Aschinger in der Bellevue- und der Potsdamer Straße zu Berlin.'' in: ''Deutsche Bauzeitung'', 1907, S.&nbsp;110.</ref> Gleichzeitig erfolgten die Gründungsarbeiten auf dem Grundstück an der Potsdamer Straße 3, wo zusätzlich die Maschinenfundamente für die hauseigene Kraftanlage gelegt werden mussten. Diese Arbeiten waren im Mai 1906 abgeschlossen.<ref name="DBZ 110" /> Die Fundierung, wie die Erdarbeiten ausgeführt von der Bauunternehmung [[Wayss & Freytag]], waren wegen der erforderlichen Absenkung des Grundwasserspiegels und der eingebauten Lage des Grundstückes schwierig und verschlangen nahezu 500.000&nbsp;Mark.<ref name="DBZ 262">''Der Neubau des Weinhauses „Rheingold” der Aktien-Gesellschaft Aschinger in der Bellevue- und der Potsdamer Straße zu Berlin.'' in: ''Deutsche Bauzeitung'', 1907, S.&nbsp;262.</ref> Zuerst erfolgte der Aushub der Baugrube bis auf die Höhe des Grundwasserstandes in ungefähr 3,1&nbsp;Metern Tiefe. 65 im Abstand von fünf Metern nach allen Seiten gebohrte vier[[Zoll (Einheit)|zöllige]] Saugbrunnen, die 7,5&nbsp;Meter tief von der Baugrubensohle ins Erdreich reichten, fassten das aufsteigende Grundwasser. Das auf der Ebene des Grundwasserspiegels gelegene Hauptsammelrohr mit 250&nbsp;Millimetern Durchmesser war über horizontale Rohrstränge einerseits mit den Brunnen und andererseits mit der elektrisch betriebenen [[Zentrifugalpumpe]] verbunden. Diese saugte das Grundwasser aus den Brunnen in das Hauptsammelrohr und hob es auf Straßenniveau, wo es in die städtische Kanalisation abfloss. Die Senkung des Grundwasserspiegels erfolgte in zwei Stufen: zuerst um 3,20&nbsp;Meter für das Anlegen der normalen Kellerfundamente und dann um 4,60&nbsp;Meter für die Maschinenfundamente. Der abgesenkte Spiegel beinhaltete eine Sicherheitsreserve von etwa 90&nbsp;Zentimeter, damit bei einem Pumpenausfall die Baustelle nicht sofort geflutet wurde. Trotzdem setzte das Versagen der Pumpe die Baustelle mehrmals unter Wasser, was insgesamt zu einem Ausfall von sieben Arbeitstagen führte.<ref name="Baumeister 74" /> Die Anlage zur Senkung des Grundwasserspiegels blieb sieben Monate in Betrieb, bis die Betonplatte des Fundamentes mit den Umfassungswänden einen dem Grundwasser[[auftrieb]] entsprechenden Gegendruck ausübte. Das umbaute Grundstück erforderte Sicherungen an benachbarten Gebäuden in Form von Absteifungen der Giebel und der Unterfahrung von Fundamenten der Nachbarhäuser. Setzungen und Risse auch als Folge der Grundwasserabsenkung ließen sich aber trotzdem nicht ganz vermeiden. Die Tagespresse berichtete darüber in Sensationsartikeln als „Häusereinsturz am Potsdamer Platz“.<ref name="Baumeister 74" /> Der schwerwiegendste Zwischenfall, bei dem im Seitenflügel des Hauses Potsdamer Straße 4 der Kellerfußboden riss, führte zur polizeilichen Sperrung des Hauses wegen Einsturzgefahr. Erst nach zusätzlichen Sicherungen konnten die Bauarbeiten fortgesetzt werden. Der Hausbesitzer erhielt eine Entschädigung von 30.000 Mark für die Schäden, ließ das Haus aber kurz danach abreißen, um das Grundstück, wie wohl seit längerem bereits geplant, neu zu bebauen.<ref name="Baumeister 78">Hermann Hinderer, in: Der Baumeister, 5 (1907), S.&nbsp;78.</ref> [[Datei:Berlin Weinhaus Rheingold Bauarbeiten Seitenfluegel Potsdamerstrasse BM.jpg|miniatur|hochkant|Abstützungen für den Teilabbruch an der Potsdamer Straße&nbsp;3]] Spezielle Vorkehrungen auf dem Baugrundstück selber erforderte das Haus an der Potsdamer Straße 3. Die Mieter, darunter eine Filiale der [[Annoncen-Expedition]] des [[Berliner Lokal-Anzeiger]]s, verfügten über noch lange laufende Mietverträge, wofür sie entsprechend hohe Abstandssummen verlangten. Schließlich gelang es der Firma Aschinger, sich mit den Mietern von Keller, Erdgeschoss und erstem Obergeschoss des Hauses zu einigen, was den Teilabbruch des alten Hauses ermöglichte. Der alte Seitenflügel und der westliche Teil des Hauses bis zum zweiten Obergeschoss wurden schrittweise abgebrochen, während gleichzeitig der Neubau in die Höhe wuchs. Über der komplizierten Baustelle schwebten die oberen Geschosse des alten Hauses, verstärkt durch Zuganker, Fenster- und Türversteifungen und getragen von zahlreichen Abstützungen.<ref name="Baumeister 78" /> Der gedrängte Zeitplan erforderte oft die Arbeit in Nachtschichten.<ref name="Baumeister 74" /> Auch mit Arbeitsniederlegungen hatte die Bauleitung zu kämpfen. Gleich zu Beginn legte ein [[Streik]] der Maurer alle Bauarbeiten still und acht Wochen vor der geplanten Eröffnung legten die Marmorarbeiter die Arbeit nieder. Sie forderten 25&nbsp;Prozent mehr Lohn und den Verzicht auf Nachtschichten − wohl wissend, dass die rechtzeitige Vollendung des Baus hauptsächlich von ihnen abhing.<ref name="Baumeister 74" /> Die ausführende Firma ließ schließlich Arbeiter aus ihren belgischen Werken kommen, um die Arbeiten abzuschließen. Trotz aller Widrigkeiten war der Rohbau im Juli 1906 vollendet<ref name="DBZ 110" /> und bereits Anfang Februar 1907 war der Bau abgeschlossen.<ref name="Baumeister 74" /><ref name="DBZ 110 Note">Abweichend davon datiert die Deutsche Bauzeitung die Vollendung des Baus auf Mitte Januar 1907, vgl. ''Deutsche Bauzeitung'', 1907, S.&nbsp;110.</ref> Die Eröffnung sollte ursprünglich am 27. Januar, dem Geburtstag Kaiser [[Wilhelm II. (Deutsches Reich)|Wilhelms II.]], stattfinden,<ref name="Voss" /> erfolgte aber verspätet erst am 6. Februar 1907.<ref name="Baumeister 73">Hermann Hinderer, in: Der Baumeister, 5 (1907), S.&nbsp;73.</ref> Die zeitgenössische Architekturpresse würdigte die kurze Bauzeit von 14½&nbsp;Monaten als Rekord angesichts der schwierigen Gründungsarbeiten und der reichen Innenausstattung. Die aufgelaufenen Baukosten von etwa 4,5&nbsp;Millionen Mark<ref name="DBZ 262" /><ref name="Baumeister 91">Hermann Hinderer, in: Der Baumeister, 5 (1907), S.&nbsp;91.</ref> überstiegen die anfänglich kalkulierten von 3,5&nbsp;Millionen Mark<ref name="Baumeister 74">Hermann Hinderer, in: Der Baumeister, 5 (1907), S.&nbsp;74.</ref> erheblich. Ursache der Kostensteigerung waren Planungsänderungen und der Innenausbau mit „edelsten Baumaterialien“, der teurer war als geplant.<ref name="Baumeister 74" /> Die für einen privaten Bauherrn beträchtlichen Baukosten illustriert der Vergleich mit den Baukosten von vier Millionen Mark für das 1897 fertig gestellte [[Kaiser-Wilhelm-Nationaldenkmal]] und von sieben Millionen Mark für das 1911 fertiggestellte [[Altes Stadthaus (Berlin)|Alte Stadthaus]] in Berlin. Die ''[[Deutsche Bauzeitung]]'' errechnete Kosten von 560&nbsp;Mark pro Quadratmeter für Rohbau einschließlich Gründung und 940&nbsp;Mark für den Innenausbau. Der Kubikmeter umbauten Raumes kostete total 55,60&nbsp;Mark, wovon 20,80&nbsp;Mark auf den Rohbau einschließlich Gründung und 34,80&nbsp;Mark auf den Innenausbau entfielen.<ref name="DBZ 262" /> == Baubeschreibung == Bruno Schmitz gliederte die Baumassen in drei Flügel. Der Saalbau des geplanten Konzerthauses als größter der drei erstreckte sich entlang der Bellevuestraße und schloss lückenlos an die Bebauung der Nachbargrundstücke an. Der Gastronomietrakt an der Potsdamer Straße durchstieß in den unteren Etagen das bestehende Vorderhaus. Im rechten Winkel zur Potsdamer Straße folgte er zunächst der südwestlichen Grundstücksgrenze und reichte bis zur anstoßenden Parzelle des ''Grand Hôtels Esplanade''. Der Verbindungstrakt, ebenfalls gastronomisch genutzt, verband die beiden anderen Flügel. Rechtwinklig von der Mittelachse des Saalbaues ausgehend traf er schiefwinklig auf den Flügel an der Potsdamer Straße, wobei eine [[Rotunde]] geschickt zwischen den verschiedenen Achsen vermittelte. Die Höfe auf den Restflächen des unregelmäßig geschnittenen Grundstückes dienten teils aufwendiger gestaltet im Sommer als Erweiterung der Restaurants, teils als reine Wirtschaftshöfe. <gallery> Datei:Berlin Weinhaus Rheingold Grundriss Erdgeschoss.jpg|Grundriss des Erdgeschosses Datei:Berlin Weinhaus Rheingold Grundriss Saalgeschoss.jpg|Grundriss des Saalgeschosses Datei:Berlin Weinhaus Rheingold Grundriss Emporengeschoss.jpg|Grundriss des Emporengeschosses </gallery> Die Vorschrift der Baupolizei, gemäß der die Höfe über eine Zufahrt verfügen mussten, und der Wunsch des Bauherrn nach möglichst durchgängigen Geschossen von der Bellevuestraße zur Potsdamer Straße bestimmten die horizontale Gliederung des Gebäudekomplexes. Da die repräsentative Fassade an der Bellevuestraße nicht durch eine Durchfahrt gestört werden sollte, mussten alle Höfe von der Potsdamer Straße her erschlossen werden. Die dazu notwendigen Durchfahrten erforderten die zweimalige Querung des Verbindungsbaues und hätten ein durchgängiges Erdgeschoss verhindert. Schmitz fand die Lösung darin, dass er einerseits das Niveau der beiden zu erschließenden Höfe gegenüber dem Straßenniveau um ein halbes Geschoss absenkte und andererseits das Niveau des Erdgeschosses im Verbindungsflügel und im hinteren Teil des Flügels an der Potsdamer Straße ein halbes Geschoss anhob. So ließen sich nicht nur die Durchfahrten problemlos durchführen – unter den angehobenen Sälen des Erdgeschosses fanden zusätzliche Räume Platz. Treppenanlagen im Inneren vermittelten zwischen den verschiedenen Ebenen und ließen interessante Durchgangsräume wie den „Roten Saal“ entstehen. Zusammen mit den eigentlichen Treppenanlagen erlaubten sie den Besuchern, die abwechslungsreich gestalteten Raumfolgen im Erd-, Saal- und Emporengeschoss auf vielfältige Art zu durchlaufen. Der vier- bis fünfgeschossige Stahlskelettbau versprach mit seiner fortschrittlichen Fassade an der Bellevuestraße eine dementsprechend moderne Innengestaltung. Diese erfolgte jedoch nach eher konservativen, dekorationsbetonten Gesichtspunkten. Ihre Motive fand sie hauptsächlich in der namensgebenden Oper ''Rheingold'' und den weiteren Opern aus Wagners [[Tetralogie]], integrierte aber auch mittelalterliche und exotische Dekorationen sowie weitere Sagen zu einer eigenartigen Verschmelzung mythischer und nationaler [[Symbolik]] mit [[Jugendstil]]-Elementen. Die teuren und edlen Baumaterialien, seltene Marmorsorten und Edelhölzer, erzeugten die dem „allerschönsten Haus Berlins“ angemessene luxuriöse [[Atmosphäre (Ästhetik)|Atmosphäre]]. Selbst für die Arbeiten legte die Firma Aschinger viel Wert auf Prestige − unter den ausführenden Firmen finden sich auffallend viele Hoflieferanten, vielfach beteiligt am Umbau des Berliner Stadtschlosses unter Wilhelm&nbsp;II. === Der Saalbau an der Bellevuestraße === ==== Fassade an der Bellevuestraße ==== [[Datei:Berlin Weinhaus Rheingold Fassade Bellevuestrasse DBZ.jpg|miniatur|Die Fassade an der Bellevuestraße]] [[Datei:Berlin Weinhaus Rheingold Ansicht Bellevuestrasse.jpg|miniatur|hochkant|Ansicht der Fassade Bellevuestraße 1907]] Zwei [[risalit]]artige, gegen die Bauflucht um 3,5&nbsp;Meter vortretende, 5,3&nbsp;Meter breite Portalvorbauten fassten die fünfachsige Hauptfassade an der Bellevuestraße ein. Ihr im wesentlichen halbkreisförmiger Grundriss war an der Schauseite durch [[Kurvatur|konkave Einbuchtungen]] gebrochen. Im Erdgeschoss führten die mit [[Dreiecksgiebel]]n überdeckten Portale von der Terrasse in die Pfeilerhalle des Saalbaues. In den oberen zwei Geschossen erhellten mit steinernen Pfosten unterteilte Fenster die dahinterliegenden Treppenhäuser. Ein glockenförmiges [[Haube (Architektur)|Haubendach]] aus Kupfer schloss die Risalite unterhalb des Hauptgesimes ab. Kräftige, glatte Wand[[pfeiler]], wie die übrige [[Werkstein]]fassade aus fränkischem [[Muschelkalk]], gliederten die 53,21&nbsp;Meter lange<ref name="CdB 199">Zentralblatt der Bauverwaltung, 27 (1907), S.&nbsp;199.</ref> Front vertikal. Die Horizontale betonten ein schmaleres, ein Meter breites Gurt[[gesims]] über dem Erdgeschoss und ein mit 1,2&nbsp;Meter etwas breiteres Gurtgesims über dem Zwischengeschoss. Die in der Mitte des oberen Sims mit vergoldeten Metallbuchstaben angebrachte Inschrift „WEINHAUS RHEINGOLD“ warb dezent für das Lokal. An diesen Simsen ließ sich die innere Teilung des Saalbaus in Erdgeschoss, Garderobengeschoss und Saalgeschoss von außen ablesen. Die das Hauptgesims [[Kreissegment|segment]]förmig durchbrechenden Rundbogen über den durchgehenden, mit Pfosten unterteilten großen Fenstern des Saalgeschosses bezeichnete der Architekturkritiker [[Hans Schliepmann]] als „wirkungsvollstes Moment der Fassadengestaltung“.<ref name="DKD 8">''Haus „Rheingold“ in Berlin. Eine Meisterschöpfung von Bruno Schmitz.'' in: Deutsche Kunst und Dekoration. Illustrierte Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst und künstlerische Frauenarbeiten, Darmstadt 1907, S.&nbsp;8.</ref> Anstoß zu dieser Lösung gab die baupolizeilich vorgeschriebene Höhe der Gebäudefront an der Bellevuestraße, die Bruno Schmitz zwang, die Deckenwölbung des geplanten Konzertsaales in das Dachgeschoss zu verlegen. So konnte er das Hauptgesims in Übereinstimmung mit den Vorschriften bringen und nur die Rundbogen der Fenster endeten darüber. Darüber folgte das ursprünglich mit Kupfer gedeckte Dach. Vermutlich verschwand das „eigenartig gestaltete und notwendig zum Gesamteindruck gehörige“<ref name="DKD 8"/> Kupferdach bereits wenige Jahre nach Vollendung des Baus als Metallspende während des [[Erster Weltkrieg|Ersten Weltkrieges]]. Aufnahmen aus den 1920er-Jahren zeigen das neu mit Ziegeln eingedeckte Dach mit dem aus weißen Ziegeln eingelegten großformatigen Schriftzug „WEINHAUS RHEINGOLD“. Das gleiche Motiv mit den das Hauptgesims durchbrechenden Rundbogenfenstern verwendete Schmitz 1910 ein zweites Mal bei seinem Wettbewerbsentwurf für das [[Reißmuseum]] in [[Mannheim]].<ref>Julius Posener: ''Berlin auf dem Wege zu einer neuen Architektur: das Zeitalter Wilhelms&nbsp;II.'' Prestel, München 1979 ISBN 3-7913-0419-4.</ref> <gallery perrow="5"> Datei:Berlin Weinhaus Rheingold Fassadenrelief 1 DKD.jpg|Fassadenrelief Bellevuestraße Datei:Berlin Weinhaus Rheingold Fassadenrelief Eitelkeit DKD.jpg|Relief ''Eitelkeit'' Datei:Berlin Weinhaus Rheingold Fassadenrelief Kunst DKD.jpg|Relief ''Kunst'' Datei:Berlin Weinhaus Rheingold Fassadenrelief Musik DKD.jpg|Relief ''Musik'' Datei:Berlin Weinhaus Rheingold Fassadenrelief Schoenheit DKD.jpg|Relief ''Schönheit'' </gallery> Die monumentale Wucht der [[Tektonik (Architektur)|tektonischen]] Urformen der Wandpfeiler und Gesimse erforderte passende Bauplastik. Die acht [[Hochrelief]]tafeln mit allegorischen Darstellungen wie „Eitelkeit“, „Kunst“, „Musik“ oder „Schönheit“ zwischen den 3,0&nbsp;Meter breiten<ref name="CdB 199"/> Fenstern des Saalgeschosses und links und rechts der Portalvorbauten schuf der Bildhauer [[Franz Metzner (Bildhauer)|Franz Metzner]], mit dem Bruno Schmitz bereits beim [[Völkerschlachtdenkmal]] in [[Leipzig]] zusammenarbeitete. Die allegorische Bedeutung scheint aber eher vorgeschoben. Hans Schliepmann sieht in der Zeitschrift ''Deutsche Kunst und Dekoration'' in den „atlantenartigen Figuren in den genannten Relieffüllungen lediglich Ausdruck strotzender Kraft des Tragens, Gegenstemmens“,<ref name="DKD 9">''Haus „Rheingold“ in Berlin. Eine Meisterschöpfung von Bruno Schmitz.'' in: Deutsche Kunst und Dekoration. Illustrierte Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst und künstlerische Frauenarbeiten, Darmstadt 1907, S.&nbsp;9.</ref> der Künstler wolle „den Konflikt zwischen Stütze und Last durch das Körperliche, durch Muskelspiel zum Ausdruck bringen“.<ref name="DKD 9"/> Einige Jahre später, im Sonderheft der ''Berliner Architekturwelt'' zum 55.&nbsp;Geburtstag von Bruno Schmitz 1913, betonte er nochmals die Bedeutung der Rheingoldfassade, an der zum ersten Mal ein „neues Schmuckmotiv, die rein dekorative Verwendung menschlicher Formen“ vor das Publikum getreten sei und prägte dafür den Begriff „Muskelornament“.<ref name="Sonderheft BAW">Hans Schliepmann: ''Bruno Schmitz; XIII. Sonderheft der Berliner Architekturwelt mit Text von Hans Schliepmann.'' Verlag Ernst Wasmuth, Berlin 1913, S.&nbsp;VIII.</ref> Als Konsequenz der Nutzungseinschränkung zum reinen Gastronomiebetrieb fiel die Terrasse gegenüber den ursprünglichen Entwürfen wesentlich größer aus. Insbesondere die nachträglich angebrachten Zeltdächer – bereits in der Zeichnung der Fassade eingezeichnet – beeinträchtigen die Ansicht der Front in der engen Bellevuestraße. ==== Pfeilersaal ==== [[Datei:WP Aschinger Berlin 2.JPG|miniatur|Entwurf des Pfeilersaals]] [[Datei:Berlin Weinhaus Rheingold Pfeilersaal PB.jpg|miniatur|Ansicht des Pfeilersaals]] Der Pfeilersaal umfasste mit gegen 700&nbsp;m² Fläche den Großteil des Erdgeschosses. Der erste Raum im Erdgeschoss des Saalbaues nahm die Besuchergarderobe auf und stellte die [[Erschließung (Gebäude)|Erschließung]] der weiteren Räume des Weinhauses Rheingold sicher. Bei den beiden Haupteingängen an der Bellevuestraße an den Kopfenden des Saales schlossen ihn zwei symmetrische dreiarmige Treppenanlagen ein, die zu den oberen Räumen des Weinhauses führten und den Raum auf ungefähr halber Höhe um zwei Galerien erweiterten. In der Mitte des Saales führten Treppenanlagen zu den Räumen des Verbindungsbaues. Vier Pfeilerreihen gliederten den mit 5,2&nbsp;Metern im Vergleich zur Fläche nur mäßig hohen Raum in ein breiteres [[Mittelschiff]] und je zwei schmalere [[Seitenschiff]]e. Die Pfeiler waren Teil eines den ganzen Bau an der Bellevuestraße durchziehenden Pfeilersystems, das den Boden des Kaisersaales im Saalgeschoss stützte. Zwischen den äußeren Pfeilerreihen und den Außenwänden trennten 3,2&nbsp;Meter hohe Holz[[paneel]]e kojenartige Bereiche ab. Pfeiler und Wände bekleidete tiefbraunes [[Palisander]]holz, stellenweise mit schmückenden Einlagen anderer exotischer Hölzer.<ref name="PB 107">Maximilian Rapsilber, in: ''Der Profanbau'', 3 (1907), S.&nbsp;107.</ref> Diese Kunsttischlerarbeiten lieferte die Firma [[Kimbel & Friederichsen]], Hoflieferant des Kaisers. Die „meisterlichen Schnitzereien“ in den Kojenwänden, welche „[[Bacchus|bacchische]] Motive enthalten“,<ref name="PB 107"/> wie auch die Bronzereliefs an den Pfeilern schuf der Bildhauer [[Hermann Feuerhahn]]. Vom tiefen Braun des Holzes hob sich die hellgrau getupfte Putzdecke wirkungsvoll ab.<ref name="DKD 30"/> Die großen Fenster gegen die Terrasse erhellten den Raum und ließen sich im Sommer im Boden versenken. Bei Dunkelheit erzeugten Wandleuchter in Kerzenform und Glühlampenreihen an der Decke „eine verschwenderische Lichtflut“.<ref name="DKD 30"/> ==== Garderobenvestibül ==== [[Datei:Berlin Weinhaus Rheingold Garderobenvestibuel Cafe.jpg|miniatur|Café im Garderobenvestibül]] [[Datei:Berlin Weinhaus Rheingold Garderobenvestibuel BAW.jpg|miniatur|Garderobenvestibül mit einer der Treppen zum Kaisersaal]] Der darüber liegende Saal im Garderobengeschoss nahm mit Ausnahme der Treppen und der von den Treppenhäusern zugänglichen Toilettenanlagen wiederum das gesamte Stockwerk ein. In den ursprünglichen Planungen sollte der Raum als [[Foyer]] die [[Garderobe (Raum)|Garderobe]] für die Konzertbesucher aufnehmen, konnte die gleiche Funktion aber auch für Bankette im auf dem gleichen Geschoss liegenden großen Bankettsaal wahrnehmen. Nach der Planungsänderung richtete Aschinger darin ein Café und eine ''Americain<!-- sic! --> [[Bar (Lokal)|Bar]]'' ein. Der riesige Raum erhielt wegen seines in den ursprünglichen Planungen eher untergeordneten Zweckes lediglich eine Höhe von 2,80&nbsp;Metern.<ref name="PB 107"/> Wie den Pfeilersaal strukturierten vier Reihen Pfeiler den Raum, die den Boden des Kaisersaales stützten. Griechischer Cipolline-Marmor mit [[Skyros]]marmor-Einlagen verkleidete die Pfeiler und Marmorfliesen bedeckten den Boden.<ref name="PB 107"/> An den Kopfenden des riesigen Raumes endeten die vom Pfeilersaal kommenden Marmortreppen. Sie fanden ihre Fortsetzung in vier einläufigen Treppen an den Längsseiten, die unter den Seitenemporen des Kaisersaales endeten. ==== Kaisersaal ==== {| align = "left" |[[Datei:Berlin Weinhaus Rheingold Schlusstein Kaisersaal 1 DKD.jpg|frameless|links|hochkant=0.25]] |- |[[Datei:Berlin Weinhaus Rheingold Schlusstein Kaisersaal 2 DKD.jpg|frameless|links|hochkant=0.25]] |- |[[Datei:Berlin Weinhaus Rheingold Schlusstein Kaisersaal 3 DKD.jpg|frameless|links|hochkant=0.25]] |- |[[Datei:Berlin Weinhaus Rheingold Schlusstein Kaisersaal 4 DKD.jpg|frameless|links|hochkant=0.25]] |- |[[Datei:Berlin Weinhaus Rheingold Kaisersaal Rittermedaillon 1 DKD.png|frameless|links|hochkant=0.25]] |- |[[Datei:Berlin Weinhaus Rheingold Kaisersaal Rittermedaillon 2 DKD.png|frameless|links|hochkant=0.25]] |- |[[Datei:Berlin Weinhaus Rheingold Kaisersaal Karl der Grosse DBZ.jpg|frameless|links|hochkant=0.25]] |- |[[Datei:Berlin Weinhaus Rheingold Kaisersaal Otto der Grosse DBZ.jpg|frameless|links|hochkant=0.25]] |} [[Datei:Berlin Weinhaus Rheingold Kaisersaal Ansicht DBZ.jpg|miniatur|Kaisersaal − Entwurf von Bruno Schmitz]] [[Datei:Berlin Weinhaus Rheingold Kaisersaal PB.jpg|miniatur|Kaisersaal]] [[Datei:Berlin Weinhaus Rheingold Kaisersaal Ansicht DBZ 2.jpg|miniatur|hochkant|Ansicht]] Im Saalgeschoss – 9,45 Meter über dem Niveau der Bellevuestraße – lag der „Kaisersaal“, der „krönender Teil der gesamten Bauanlage“<ref name="DBZ 122"/> war. Der mit 17,46 Metern Breite und 35,0 Metern Länge größte Raum des Hauses<ref name="CdB 199"/> war ursprünglich für Konzerte und Veranstaltungen geplant. Nach der durch die Baupolizei aufgezwungenen Konzeptänderung diente er als Restaurant mit über 1000 Plätzen. Ein durch große, flache Kassetten und [[Gurtung]]en aus vergoldetem [[Stuck]] gegliedertes Tonnengewölbe überspannte in Längsrichtung den ungefähr 11,2&nbsp;Meter hohen Saal und ragte weit in die Eisenkonstruktion des Dachstuhles. Im Hinblick auf die Nutzung als Konzertsaal hatte Bruno Schmitz eine doppelte Konstruktion gewählt. Hinter der sichtbaren inneren Schale aus Drahtputz verbarg sich eine äußere, feuerfeste gemauerte Schale. Zahlreiche Öffnungen in der inneren Decke ließen den Schall in den Hohlraum zwischen den Decken eintreten, der so als [[Resonanzkörper]] dienen sollte.<ref name="ZdB 210">Zentralblatt der Bauverwaltung, 27 (1907), S.&nbsp;210.</ref> Durch die gleichen Öffnungen trat auch die Abluft aus. Zwei Reihen mit je fünf großen Leuchtern aus Metall und farbigem Kristallglas in mittelalterlichen Formen hingen von der Decke.<ref name="ZdB 210"/> Die Gewölbe über den Rundbogenfenstern waren nicht wie üblich als [[Stichkappe]]n in das Hauptgewölbe eingeschnitten. Nur die Gurtungen des Tonnengewölbes setzten sich fort zu den Pfeilern, während die Wandflächen über den eingeschnittenen Gewölben senkrecht hochgeführt und waagrecht eingedeckt wurden. Die Wandflächen gestaltete Schmitz mit ausdrucksvollen [[Schlussstein]]en, flankiert von je zwei [[Zwickel (Architektur)|Zwickelmedaillons]] mit Ritterfiguren – beide entworfen von Franz Metzner. Im Saalgeschoss umgab ein Umgang den „Kaisersaal“ auf allen vier Seiten. An den Längsseiten mündeten darin die Treppen vom Garderobenvestibül sowie die Treppenhäuser an der Front- und Hofseite. Die tieferen Schmalseiten nahmen zusätzlich Nebenräume wie Toilettenanlagen oder die [[Buffet (Speise)|Buffets]] für das Restaurant auf. Im 3,65&nbsp;Meter höher gelegenen Emporengeschoss erweiterte sich der „Kaisersaal“ an den Längsseiten um diese Flächen, während die Empore etwa einen Meter in den Saal vorkragte. Die goldfarbene Brüstung der Empore gliederten als [[Baluster]] vorgesetzte bronzene Ritterfiguren.<ref name="DKD 42"/> An den beiden Schmalseiten schlossen sich zwei von einem Tonnengewölbe überwölbte Nischen an, die auf der Höhe des Dachgeschosses eine Orchesterloge aufnahmen. Die Goldmosaiken in den Orchesternischen mit den vier riesigen Wappenadlern lieferte die Firma [[Puhl &&nbsp;Wagner]] aus [[Berlin-Neukölln]].<ref name="DKD 42">''Haus „Rheingold“ in Berlin. Eine Meisterschöpfung von Bruno Schmitz.'' in: Deutsche Kunst und Dekoration. Illustrierte Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst und künstlerische Frauenarbeiten, Darmstadt 1907, S.&nbsp;42.</ref> Gegen die Hofseite fanden zwei Nebenräume Platz. Ihre Entsprechungen im Dachgeschoss dienten passend zu den benachbarten Orchesterlogen zur Aufbewahrung der Instrumente.<ref name="DBZ 122"/> Vier Kaiserfiguren – [[Karl der Große]] und [[Otto I. (HRR)|Otto der Große]] sowie [[Friedrich I. (HRR)|Barbarossa]] und [[Wilhelm I. (Deutsches Reich)|Wilhelm&nbsp;I.]] – rahmten auf Konsolen die östliche und westliche Nische. Die Figuren, weitere Werke Franz Metzners, ausgeführt von G. Knodt in Frankfurt, markierten für die Zeitschrift ''Der Profanbau'' wiederum „die äußerste Grenze eines künstlerischen Wagnisses, ohne sie indessen zu überschreiten“. Und weiter: „Es sieht so aus, als ob die Leichen Karls und Ottos des Großen, Friedrich Barbarossas und Kaiser Wilhelms aus den Sarkophagen hervorgeholt und da oben an die Wand genagelt wären.“<ref>Maximilian Rapsilber: ''Das Weinhaus Rheingold.'', Der Profanbau 1907, S.&nbsp;107/108.</ref> Als einer der wenigen Räume des Hauses erhielt der Raum einen [[Parkett]]boden. Die unteren Wandflächen bedeckten große Platten aus geflammtem, gelblich-bräunlichem [[Faune-de-Sienne-Marmor]]<ref name="PB 107"/>, unterbrochen durch die hochrechteckigen Gitter der Lufteinströmungsöffnungen aus getriebener Bronze.<ref name="CdB 211">Zentralblatt der Bauverwaltung, 27 (1907), S.&nbsp;211.</ref> Die oberen Wandflächen bekleideten Platten aus gräulichem Napoleon-Marmor, der seinen Namen nach dem grauen Mantel [[Napoléon Bonaparte|Napoleons]] erhielt.<ref name="PB 107"/> Die prägenden Materialien Marmor, vergoldeter Stuck und Bronze führten zu einer „wahrhaft gigantische[n] oder majestätische[n] Raumwirkung“ mit einer „feierliche[n] und mystisch getönte[n] Erhabenheit“.<ref name="PB 107"/> Die Deutsche Bauzeitung sprach von „eine[r] der bedeutendsten Saalschöpfungen der neueren Zeit“ und schloss in den Vergleich ausdrücklich den zwischen 1892 und 1902 mit Unterbrechungen durch den Architekten [[Ernst von Ihne]] umgebauten „Weißen Saal“ des [[Berliner Stadtschloss]]es mit ein.<ref name="DBZ 122"/> Aschingers Prestigeobjekt konnte es demnach also durchaus mit der Pracht des Residenzschlosses des Kaisers aufnehmen. === Der Flügel an der Potsdamer Straße === ==== Fassade an der Potsdamer Straße ==== [[Datei:Berlin Weinhaus Rheingold Fassade Potsdamer Strasse DBZ.jpg|miniatur|hochkant|Entwurf der Gesamtfassade Potsdamer Straße 3 mit altem und neuem Teil, Ausführung teilweise abweichend]] [[Datei:Berlin Weinhaus Rheingold Ansicht Potsdamerstrasse PB.jpg|miniatur|hochkant|Ansicht Potsdamer Straße 1907]] Im Gegensatz zur Bellevuestraße hatte Bruno Schmitz für die Fassade an der Potsdamer Straße nur eingeschränkte Gestaltungsmöglichkeiten, da das alte Haus wegen der Mieter nur teilweise abgebrochen werden konnte. Die Neugestaltung beschränkte sich so auf den Neubaubereich, also den unteren linken Teil der Fassade bis zum zweiten Obergeschoss und den Bereich über der Durchfahrt zum Hof. Den Fassadenteil des Weinhauses setzte Schmitz durch aufwendige und farbige Materialien wie Bronze, Kupfer und Marmor ab von der eher neutralen bestehenden Fassade mit ihren aufgereihten Fenstern und schlichtem Verputz. Elf Meter hohe, mit grün geflammtem weißen Marmor verkleidete Pfeiler rahmten den Eingang zum Weinhaus Rheingold und die Durchfahrt. Den Marmor für die vom Erdgeschoss bis zum zweiten Obergeschoss durchgehenden Pfeiler lieferte die ''[[Marmorindustrie Kiefer|Aktiengesellschaft für Marmorindustrie Kiefer]]'' in Berlin. Darüber warb auf einem ungefähr 1,1&nbsp;Meter breitem Gesims die über die gesamte Länge der Fassade von 22,5&nbsp;Meter gehende kupferne Inschrift „RHEINGOLD“ für das Restaurant. Die Fläche zwischen den Pfeilern löste Bruno Schmitz in große Fenster mit Bronzerahmen und engen Sprossen auf, über dem Eingang [[erker]]artig vortretend. Neuartig für Berlin war die Doppelfahrstuhlanlage, die links und rechts vor dem vertieften Eingang die Gäste direkt in das zweite Obergeschoss beförderte. Die Architekturkritiker und Journalisten betrachteten diese Fassade 1907 als provisorisch und aus der Not geboren. Hans Schliepmann verteidigt den Architekten sogar mit den Worten: „Auch ein Gott hätte aus einem solchen Haus, an dem die abscheulichsten Firmenschilder noch jahrelang zu kreischen ein leider nur zu wohlverbrieftes Recht haben, kein Kunstwerk gestalten können.“<ref name="DKD 7">''Haus „Rheingold“ in Berlin. Eine Meisterschöpfung von Bruno Schmitz.'' in: Deutsche Kunst und Dekoration. Illustrierte Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst und künstlerische Frauenarbeiten, Darmstadt 1907, S.&nbsp;7.</ref> Ein Umbau ist später aber nie erfolgt, sicher auch als Folge des ausbleibenden wirtschaftlichen Erfolgs. Äußerlich unterschied sich diese Fassade jedenfalls wenig von den zahlreichen Umbauten nach der Jahrhundertwende, wo alte Häuser für Geschäfte in den unteren Geschossen moderne Fassaden erhielten, auch wenn sich in diesem Fall hinter der Fassade tatsächlich ein Neubau verbarg. Der Architekturhistoriker [[Julius Posener]] sieht denn auch Parallelen zwischen dieser Fassade an der Potsdamer Straße und der 1906 vom österreichischen Architekten [[Josef Hoffmann (Architekt)|Josef Hoffmann]] und [[Koloman Moser]] gestalteten Fassade des Geschäftslokales der [[Bugholz]]firma ''[[Jacob & Josef Kohn]]'' an der Leipziger Straße 40.<ref>Julius Posener: ''Berlin auf dem Wege zu einer neuen Architektur: das Zeitalter Wilhelms&nbsp;II.'' Prestel, München 1979 ISBN 3-7913-0419-4, S.&nbsp;99 und 14. [http://www.bildindex.de/bilder/MI03779a07a.jpg Abbildung der Fassade an der Leipziger Straße 40].</ref> ==== Muschelsaal ==== [[Datei:Berlin Weinhaus Rheingold Muschelsaal DKD.jpg|miniatur|links|Muschelsaal, Übergang zur unteren Rotunde]] [[Datei:Berlin Weinhaus Rheingold Muschelsaal PB.jpg|miniatur|Ansicht des Muschelsaales 1907]] Der Muschelsaal lag 2,20&nbsp;Meter unter dem Niveau der Potsdamer Straße. Der 7,65&nbsp;Meter breite und 17,28&nbsp;Meter lange Saal<ref name="CdB 198">Zentralblatt der Bauverwaltung, 27 (1907), S.&nbsp;198.</ref> lag im hinteren Teil des Traktes. Die Besucher erreichten ihn über eine breite, mit Goldmosaiken eingefasste Treppe<ref name="PB 99"/> aus dem Galeriesaal oder über die Durchfahrt, die zum „Steinsaal“ im Verbindungstrakt überleitete. Der Lage in den Fundamenten des Gebäudes entsprechend wählte Bruno Schmitz schwere Bauformen. Ein großes, unmittelbar über dem von der Firma Johann Odorico<ref name="DKD 44"/> gelieferten Marmormosaik-Fußboden ansetzendes Tonnengewölbe überspannte den Raum in Längsrichtung und erreichte im Scheitel eine Höhe von ungefähr 3,7&nbsp;Metern. Die sich seitlich in das Gewölbe einschneidenden Zungenmauern und Fenster entlarvten das schwere Gewölbe aber als Drahtputzkonstruktion. Die Fenster ließen sich vollständig im Boden versenken und erweiterten den Saal bei warmem Wetter auf den künstlerisch gestalteten Hof.<ref name="DBZ 122"/> Ein schlichter kleiner Wandbrunnen aus poliertem Kalkstein an der abschließenden hinteren Querwand war der einzige bildhauerische Schmuck des Raumes.<ref name="ZdB 210"/> Dahinter befanden sich noch eine Damen-Toilette und ein Nebentreppenhaus. Seinen Namen erhielt der Saal nach den Muscheln, die zusammen mit grünlich und braunrot schimmernden Glasplättchen Gewölbe und Wände bekleideten.<ref name="ZdB 210"/> Diese [[Inkrustation (Baukunst)|Inkrustationen]] führte die in München ansässige Firma ''C. Ule'' aus<ref name="DKD 43">''Haus „Rheingold“ in Berlin. Eine Meisterschöpfung von Bruno Schmitz.'' in: Deutsche Kunst und Dekoration. Illustrierte Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst und künstlerische Frauenarbeiten, Darmstadt 1907, S.&nbsp;43.</ref>, die Treppenstufen und die Marmorsockel der Wände lieferte die ''Aktiengesellschaft für Marmorindustrie Kiefer'' in Berlin.<ref name="PB 142">Maximilian Rapsilber, in: ''Der Profanbau'', 3 (1907), S.&nbsp;142.</ref> Das unmittelbar aus dem Boden aufsteigende Tonnengewölbe mit den Inkrustationen erinnerte die Kritiker an eine Grotte eines Lustschlosses aus dem 17. oder 18.&nbsp;Jahrhundert, aber die Schwere der Architektur auch an eine [[Krypta]] oder ein [[Verlies]].<ref name="PB 99"/> Die „kühlgoldige Funkelpracht, herrührend von den farbigen Glasflüssen“ mit ihrem „Märchenzauber“ ließen sich auch mit „Gnomenkönigs Thronsaal“ aus [[Peer Gynt]] assoziieren.<ref name="PB 99"/> ==== Vestibül an der Potsdamer Straße ==== [[Datei:Berlin Weinhaus Rheingold Eingang Potsdamer Strasse BAW.jpg|miniatur|hochkant|links|Vestibül]] Das Vestibül erstreckte sich über alle drei durch das Weinhaus genutzte Geschosse im Vorderhaus an der Potsdamer Straße. Den Besuchern bot es mehrere Möglichkeiten in die Säle des Weinhauses zu gelangen. Neuartig in Berlin war die bereits bei der Beschreibung der Fassade erwähnte Doppel-Fahrstuhlanlage, geliefert von der [[Maschinenfabrik Carl Flohr]] in Berlin, die die Gäste direkt von der Straße in die beiden oberen Geschosse beförderte.<ref name="PB 139">Maximilian Rapsilber, in: ''Der Profanbau'', 3 (1907), S.&nbsp;139.</ref><ref name="PB 141">Maximilian Rapsilber, in: ''Der Profanbau'', 3 (1907), S.&nbsp;141.</ref> Betraten die Besucher das Haus durch die Drehtür, erschloss eine elegant geschwungene Treppenanlage die oberen Geschosse. Ein Mosaikboden bedeckte den Fußboden im Erdgeschoss, Wände und Treppe waren mit [[Echte Walnuss|Nussholz]] verkleidet und durch helleres Holz in Quadrate gegliedert.<ref name="PB 89">Maximilian Rapsilber, in: ''Der Profanbau'', 3 (1907), S.&nbsp;89.</ref> ==== Galeriesaal ==== [[Datei:Berlin Weinhaus Rheingold Galeriesaal.jpg|miniatur|hochkant|Galeriesaal in Blickrichtung des Mahagonisaals]] Der erste [[Gastronomie|Restaurationsraum]], den die Besucher von der Potsdamer Straße her betraten, war der „Galeriesaal“ im Erdgeschoss. Seiner Bedeutung als Eingangsraum entsprechend reichte der 7,92&nbsp;Meter breite und 19&nbsp;Meter lange Saal mit einer Höhe von rund 7,4&nbsp;Metern durch zwei Geschosse. Die in 4,5&nbsp;Metern Höhe umlaufende Galerie, nur vom Vestibül und nicht vom Raum selbst erreichbar, gab dem Saal seinen Namen. Den Innenausbau des Saales gestaltete Schmitz mit Holz, ausgeführt von der Kunsttischlerei ''Otto Salzmann & Sohn'' in [[Berlin-Kreuzberg]].<ref name="PB 140">Maximilian Rapsilber, in: ''Der Profanbau'', 3 (1907), S.&nbsp;140.</ref> Das polierte, dunkelbraunrote Palisanderholz der Wände mit eingelegten Intarsien aus vielfarbigen Hölzern und [[Perlmutt]]<ref name="ZdB 210"/><ref name="DBZ 269"/> kontrastierte mit dem helleren, geflammten Birkenholz, das die Holzpfeiler und die glatten Brüstungen der Galerie sowie die Decke bekleidete. Eher diskreten bildhauerischen Schmuck erhielten die Pfeiler durch vergoldete Reliefs von Hermann Feuerhahn. Verglaste Wände trennten die Galerie vom Saal und schützten die oben sitzenden Gäste vor Rauch und Zugluft.<ref name="ZdB 210"/> Den hinteren Raumabschluss bildete eine Treppenanlage aus dunklem Marmor, der wirkungsvoll mit den von der Firma ''Johann Odorico'' ausgeführten Goldmosaiken<ref name="DBZ 262"/> an Wänden und Treppenwangen kontrastierte.<ref name="DKD 30"/> Die mittlere Treppe führte hinunter in den „Muschelsaal“, die beiden äußeren Treppenläufe hinauf in den „Mahagonisaal“. Geätzte, mit Blumengirlanden geschmückte gelbe Fenster gaben „dem Saal eine Stimmung, wie sie sympathischer nicht gedacht werden kann“.<ref name="Voss"/> ==== Mahagonisaal ==== [[Datei:Berlin Weinhaus Rheingold Mahagonisaal DKD.jpg|miniatur]] Der anschließende, 1,84&nbsp;Meter über dem Niveau der Potsdamer Straße liegende<ref>Baumeister Schnitt Rotunde.</ref> „Mahagonisaal“ ließ sich vom Galeriesaal über eine zweiläufige Treppe erreichen. Die Verbindung zur Rotunde des Verbindungsbaues lag auf gleicher Höhe. Seinen Namen erhielt der Saal von der dunklen, bordeauxfarbenen<ref name="PB 100"/> Wand- und Deckentäfelung aus [[Mahagoni]], gefertigt von der Möbelfabrik ''W. Kümmel'' in Berlin.<ref name="PB 140"/> Wandpfeiler mit [[Volute]]nkapitellen strukturierten den 7,92&nbsp;Meter breiten und ungefähr 27&nbsp;Meter langen Raum, indem sie an den Längsseiten 4,8&nbsp;Meter breite Nischen bei Fenstern abtrennten.<ref name="ZdB 210"/> Zentrales Schmuckelement war ein lebensgroßes Holzrelief Franz Metzners an der hinteren Schmalwand des Saales, zusätzlich betont durch eine davorliegende [[Estrade]]. Es zeigte das „Liebesleben der Geschlechter, derart gekennzeichnet, daß das wollüstige Weib auf Vogelkrallen, und der geile Mann auf Bocksfüßen einherstelzt, davor sitzt, ein Phantom der gemeinen Häßlichkeit, ein Kind der Sünde.“<ref name="PB 100"/> Auch Hermann Feuerhahn war an der Ausschmückung des Raumes beteiligt mit den „poesivollen Symbolen“ an der Decke und den „exotischen Darstellungen“ an den Längswänden.<ref name="PB 100"/> ==== Ebenholzsaal ==== [[Datei:Berlin Weinhaus Rheingold Ebenholzsaal DKD.jpg|miniatur|Ebenholzsaal, in Blickrichtung zum Vestibül an der Potsdamer Straße]] Der „Ebenholzsaal“ erstreckte sich im Garderobengeschoss beinahe über die ganze Länge des Traktes an der Potsdamer Straße. Die Überhöhe des Galeriesaales mit seiner Galerie im Erdgeschoss führte dazu, dass die darüberliegende Hälfte des Ebenholzsaales rund 1,8&nbsp;Meter höher lag als seine Entsprechung über dem Mahagonisaal. Die beiden mit 3,6 und 3,9&nbsp;Meter auch in der Höhe leicht unterschiedlichen Saalhälften verband eine breite Treppe. Der Hauptzugang zum Saal erfolgte über das Vestibül an der Potsdamer Straße sowie durch die untere Rotunde, er ließ sich aber auch von der Galerie des Galeriesaales über zwei Treppen erreichen. In den Raum vortretende Pfeiler, verkleidet mit indonesischem [[Ebenholz]] aus [[Makassar]], trennten 4,8&nbsp;Meter breite Kojen ab und gliederten den langgestreckten Raum. Im „Ebenholzsaal“ verzichtete Schmitz auf eine bildhauerische Gestaltung, die „unsagbare Noblesse“<ref name="PB 106"/> des Saales prägten die Pfeiler- und Wandverkleidungen aus dem edlen Makassar-Ebenholz „von einer merkwürdig warmen und weichen Tönung“, die Decke in silberner Kammmalerei<ref name="PB 106"/> und die aufwändigen Leuchter der [[Baccarat (Kristall)|Kristallmanufaktur Baccarat]]. Die Firma ''Georg Kuhnert'' in Berlin führte die Kunsttischlerarbeiten aus.<ref name="PB 142"/> === Der Verbindungsflügel === [[Datei:Berlin Weinhaus Rheingold Schnitt Verbindungsflügel DBZ.jpg|miniatur|hochkant=1.9|Schnitt durch den Seitenflügel, von unten nach oben: „Steinsaal“, „Roter Saal“, „Onyxsaal“ und „Bankettsaal“, links die Rotunde, rechts Schnitt durch den Flügel an der Bellevuestraße]] [[Datei:Berlin Weinhaus Rheingold Hofansicht.jpg|miniatur|Hofansicht]] Der Verbindungsflügel verband den Saalbau an der Bellevuestraße mit dem Flügel an der Potsdamer Straße. Er führte in der Mittelachse des Saalbaues zum Trakt an der Potsdamer Straße, wobei eine Rotunde zwischen den verschiedenen Achsen vermittelte. Das Erdgeschoss war gegenüber den Trakten an der Straße um ein halbes Geschoss angehoben, um die baupolizeilich erforderlichen Durchfahrten zweimal den Verbindungsflügel queren zu lassen und den Besuchern trotzdem ein durchgängiges Geschoss von der Potsdamer bis zur Bellevuestraße zu ermöglichen. Der Trakt diente ausschließlich gastronomischen Zwecken und verfügte im Dachgeschoss über eine eigene Küche zur Versorgung seiner Restaurants. Im Inneren des Grundstückes gelegen waren seine Fassaden gegen die drei anstoßenden Innenhöfe schlicht gestaltet und entsprachen den rückwärtigen Fassaden der Straßenflügel. Die Böden aller Höfe bedeckten rutschfeste geriffelte Fliesen<ref name="Baumeister 91"/> und der Hof gegen das ''Grand Hôtel Esplanade'' erhielt eine Gestaltung durch Laternen mit aufwendig gestalteten Masten, da er bei warmer Witterung als Erweiterung der anstoßenden Säle ins Freie diente. [[Kübelpflanze]]n wie Dattelpalmen und Lorbeerbäume begrünten den Hof. ==== Steinsaal ==== {| align = "left" |[[Datei:Berlin Weinhaus Rheingold Steinsaal Gewoelbepfeiler 1 DKD.jpg|frameless|links|hochkant=0.25]] |- |[[Datei:Berlin Weinhaus Rheingold Steinsaal Gewoelbepfeiler 2 DKD.jpg|frameless|links|hochkant=0.25]] |- |[[Datei:Berlin Weinhaus Rheingold Steinsaal Gewoelbepfeiler 3 DKD.jpg|frameless|links|hochkant=0.25]] |} [[Datei:Berlin Weinhaus Rheingold Steinsaal 2 DKD.jpg|miniatur|Ansicht]] Der „Steinsaal“, auch „Wotansaal“ oder „Odinsaal“ genannt, lag 2,20&nbsp;Meter unter dem Niveau der Bellevuestraße. Über eine Treppe ließ er sich vom „Pfeilersaal“ des Hauptbaues an der Bellevuestraße erreichen und besaß über die Durchfahrt der Rotunde eine Verbindung zum auf gleicher Höhe liegenden „Muschelsaal“ des Flügels an der Potsdamer Straße. Die geringere Saalhöhe von ungefähr 3,7&nbsp;Metern und die dickeren Mauern, die die Last der darüber liegenden Säle aufnehmen mussten, veranlassten Bruno Schmitz zu schweren Gewölbeformen. Das Gewölbe, das unmittelbar aus dem Boden zu wachsen schien, ruhte auf riesigen mythischen Köpfen vor den Gurtungen des Gewölbes. Ähnliche Köpfe schuf Metzner auch für die [[Krypta]] des [[Völkerschlachtdenkmal]]s in Leipzig. Die schwere, massive Konstruktion war allerdings nur vorgetäuscht, dahinter verbarg sich eine Drahtputzkonstruktion. Die Gewölbe- und Wandflächen bedeckten von der Firma ''Johann Odorico'' ausgeführte Inkrustationen mit geometrischen Ornamenten aus grauen, in den Zement eingepressten [[Donau]]kieseln und dunkleren [[Schiefer]]stücken.<ref name="PB 99">Maximilian Rapsilber, in: ''Der Profanbau'', 3 (1907), S.&nbsp;99.</ref> Diese Gestaltung knüpfte an die [[Grotte]]narchitekturen der [[Renaissance]] und des [[Barock]] an, erinnerte aber auch an [[Mauren|maurische]] Flächendekorationen.<ref name="DKD 30">''Haus „Rheingold“ in Berlin. Eine Meisterschöpfung von Bruno Schmitz.'' in: Deutsche Kunst und Dekoration. Illustrierte Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst und künstlerische Frauenarbeiten, Darmstadt 1907, S.&nbsp;30.</ref> Zahlreiche im Gewölbe zwischen den Mustern eingelassene Glühlampen bildeten eine Art Sternenhimmel.<ref name="DKD 30"/> Den künstlerisch gestalteten Marmormosaik-Fußboden lieferte ebenfalls die Firma ''Johann Odorico''.<ref name="DKD 44">''Haus „Rheingold“ in Berlin. Eine Meisterschöpfung von Bruno Schmitz.'' in: Deutsche Kunst und Dekoration. Illustrierte Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst und künstlerische Frauenarbeiten, Darmstadt 1907, S.&nbsp;44.</ref> Die im Boden versenkbaren großen Bogenfenster ließen sich im Sommer zum künstlerisch gestalteten Hof öffnen.<ref name="DBZ 122">''Deutsche Bauzeitung'' 1907, S.&nbsp;122.</ref> ==== Roter Saal ==== [[Datei:Berlin Weinhaus Rheingold Durchgang Pfeilersaal zu Onyxsaal mit Rheingoldbrunnen.jpg|miniatur|hochkant|Treppenaufgang vom „Pfeilersaal“ zum „Roten Saal“, rechts der „Rheingoldbrunnen“]] Der „Rote Saal“ im Erdgeschoss, ein weiterer aufwendig gestalteter Übergangsraum, lag 1,85&nbsp;Meter über dem Straßenniveau der Bellevuestraße. Der ungefähr vier Meter hohe Raum erhielt seinen Namen von den Wandbespannungen aus roter Seide<ref name="PB 100">Maximilian Rapsilber, in: ''Der Profanbau'', 3 (1907), S.&nbsp;100.</ref> oder rotem Samt<ref name="DKD 32"/> zwischen den gliedernden Wandpfeilern aus rötlichem [[Pterocarpus|Padouk]]holz. Eine goldene<ref name="PB 100"/> oder silberne<ref name="DBZ 269">''Deutsche Bauzeitung'' 1907, S.&nbsp;269.</ref> Decke mit Märchenmotiven überspannte den Raum. Gedämpftes Licht erhielt der Raum durch zwei vom Kunstmaler August Unger entworfene Glasfenster, ausgeführt durch das ''Atelier für Glasmalerei August Wichmann'' in Berlin. Passend zur ursprünglich geplanten Nutzung als Konzerthaus zeigten sie Allegorien der [[Tempo (Musik)|musikalischen Tempi]] ''Adagio'' und ''Andante'' sowie ''Allegro'' und ''Furioso''. Eine zweiläufige Treppenanlage leitete zum tiefer gelegenen „Pfeilersaal“ im Hauptbau über, in den sie prägend in die Mitte der Längsseite hineinragte. Auf dem Podest der Treppenanlage und von beiden Seiten gut sichtbar erhob sich als „Prunkstück der Anlage“,<ref name="ZdB 210"/> als „Hauptsinnbild des Hauses“<ref name="PB 100"/>, der „Rheingoldbrunnen“. Der Bildhauer Franz Metzner modellierte die drei auf dem Rand einer grünen Marmorschale stehenden [[Rheintöchter]], die in den erhobenen Händen den [[Nibelungenhort]] tragen. Wie andere Arbeiten Metzners bewegten sich seine Nixen fern gängiger akademischer Schönheitsideale nach der Jahrhundertwende. Der Kritiker Maximilian Rapsilber attestierte den „kühlherzigen, herben, eckigen Nixen“ eine „wahrhaft abschreckende Hoheit, also dass kein Sterblicher ein Gelüsten nach ihnen hegen würde“.<ref name="PB 105">Maximilian Rapsilber, in: ''Der Profanbau'', 3 (1907), S.&nbsp;105.</ref> Der Guss der Bronzestatuen erfolgte durch die [[Gießerei G. Knodt]] in [[Frankfurt am Main]]. Der Schatz ließ sich von Innen elektrisch erleuchten und sorgte im Zusammenspiel mit dem aus der Marmorschale aufsteigenden Wasserstrahl für Effekte, „als ob flüssiges Gold ein Flammengaukelspiel betriebe“.<ref name="PB 100"/> ==== Onyxsaal ==== [[Datei:Berlin Weinhaus Rheingold Onyxsaal BAW.jpg|miniatur|Entwurf von Bruno Schmitz]] [[Datei:Berlin Weinhaus Rheingold Onyxsaal DKD.jpg|miniatur|Ansicht des Onyxsaales 1907]] Der „Onyxsaal“ erhielt seinen Namen nach den Wandplatten aus [[Onyxmarmor]], die die Wände und Pfeiler bedeckten. Der 230&nbsp;Quadratmeter große rechteckige Raum war vier Meter hoch, und die als Zungenmauern ausgebildeten Stützen für den darüber liegenden „Bankettsaal“ bildeten an den Längsseiten je fünf Nischen. Während auf der westlichen Seite alle Nischen große, engsprossige Fenster aufnahmen, schlossen sich an der östliche Seite an drei Nischen Durchgänge zu einem Nebenraum an. In diesem erreichten in zwölf Speiseaufzügen und einem Lastenaufzug die Speisen aus der Küche im Dachgeschoss das Restaurant. Die Aufnahmen aus dem Eröffnungsjahr zeigen ungefähr 50&nbsp;Tische, die jeweils für zwei Personen eingedeckt waren. Die großen hell-grünlichgelben Onyxplatten aus den [[Pyrenäen]] kontrastierten wirkungsvoll mit ihren dunklen Bronzeeinfassungen. Ein Fries aus Bronze – abwechselnd ausgestanzte Quadrate, in denen der Stein sichtbar war, und mit einfachen Mustern gefüllte Bronze-Quadrate – trennte diesen Bereich von der oberen Wandzone. Die Längsseiten der Stützpfeiler bedeckten Stuckreliefs des Bildhauers Hermann Feuerhahn zu dem Thema „Poesie der Jahreszeiten“ mit ''Frühling'', ''Sommer'', ''Herbst'' und ''Winter'' sowie Darstellungen der [[Vier-Elemente-Lehre|vier Elemente]] ''Feuer'', ''Wasser'', ''Luft'' und ''Erde'' und dem Emblem des Weinhauses Rheingold. An der Stirnseite sorgten in Bronze gefertigte Beleuchtungskörper zusammen mit zwei von der Decke hängenden, quadratischen Silberleuchtern der lothringischen Kristallmanufaktur ''Baccarat'' für stimmungsvolle Beleuchtung. Der obere Teil der Wände und die Decke waren in einem hellgelblichen Steinton gehalten. Nach den eher dunklen, teils fensterlosen und deshalb nur künstlich beleuchteten Räumen, die die Besucher bis zum „Onyxsaal“ durchschritten hatten, wirkte der Raum wegen der hellen Materialien und der guten Beleuchtung durch die großen Fenster und die zahlreichen Lampen hell und heiter. Die Zeitschrift ''Der Profanbau'' sprach von „lichtgleißende[r] Glorie“ und „Champagnerstimmung“.<ref name="PB 110">Maximilian Rapsilber, in: ''Der Profanbau'', 3 (1907), S.&nbsp;110.</ref> ==== Bankettsaal ==== [[Datei:Berlin Weinhaus Rheingold Bankettsaal PB.jpg|miniatur|Bankettsaal in Blickrichtung zur Rotunde]] [[Datei:Berlin Weinhaus Rheingold Bankettsaal Richtung Saalbau BAW.jpg|miniatur|Bankettsaal in Blickrichtung zum Saalbau]] Der größte Saal im Zwischentrakt war der „Bankettsaal“ im Garderobengeschoss, 6,25&nbsp;Meter über dem Niveau der Bellevuestraße. Er stand mit dem „Pfeilersaal“ des Hauptgebäudes über einen Vorraum in Verbindung, in dem je eine Treppe links und rechts des Durchganges zu den Emporen des „Bankettsaales“ führten. Am anderen Ende des Saales gelangten die Besucher in die Rotunde. In Längsrichtung überwölbte eine Decke in Form eines Tonnengewölbes den durch zwei Geschosse gehenden Raum. Seitlich schnitten sich die Stichkappen über den hohen Rundbogenfenstern in das Hauptgewölbe ein, dessen Scheitel 9,2&nbsp;Meter über dem Boden lag. Eher flach gehaltene Stuckaturen in an [[Barock]] erinnernden Formen bedeckten die grauweiße Putzdecke. Bis zum Gewölbeansatz bedeckte beinahe schwarzes Wassereichenholz in schlichten, einfachen Formen die Wände.<ref name="ZdB 210"/> Auch für die Balkone der Emporen mit ihren schlichten, kompakten Brüstungen, die sich zwischen die Pfeiler spannten, wählte Bruno Schmitz das gleiche Holz. Die oberen Wandflächen waren in einem hellgelblichen Steinton gehalten.<ref name="DKD 34">''Haus „Rheingold“ in Berlin. Eine Meisterschöpfung von Bruno Schmitz.'' in: Deutsche Kunst und Dekoration. Illustrierte Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst und künstlerische Frauenarbeiten, Darmstadt 1907, S.&nbsp;34.</ref> Die Eingangsbereiche an den Schmalwänden fassten portalartige Einbauten aus grauem, lebhaft geflammtem Schweizer [[Cipollino]], „dessen Brüche erst vor zwei Jahren wiedereröffnet wurden“.<ref name="PB 106"/> Über dem Durchgang auf der Empore in Richtung Rotunde war Hermann Feuerhahns Bronzerelief ''Hagen mit den Rheintöchtern'' eingelassen. Den Durchgang in Richtung Hauptgebäude zierte der ''Feuerzauber Brünhildes''.<ref name="PB 106"/> Beide Reliefs fertigte die Firma ''G. Knodt'' in Frankfurt. Sein Licht erhielt der Raum am Tag durch die zahlreichen Fenster, die aus verschiedenfarbigen rechteckigen Glasstücken zusammengesetzt waren, teils auch mit figürlichen Darstellungen. Bei Dunkelheit erhellten je zwei Leuchten pro Stichkappe und Wandleuchter an den Pfeilern den Saal. ==== Rotunde ==== [[Datei:Berlin Weinhaus Rheingold Mahagonisaal BM.jpg|miniatur|hochkant|Treppe in der unteren Rotunde, Blick vom „Mahagonisaal“]] [[Datei:Berlin Weinhaus Rheingold Blauer Kuppersaal BAW.jpg|miniatur|hochkant|Entwurf für den „Blauen Kuppelsaal“]] [[Datei:Berlin Weinhaus Rheingold Blauer Kuppersaal PB.jpg|miniatur|Ansicht des „Blauen Kuppelsaales“]] Die Rotunde, ein mehrgeschossiger zylindrischer Baukörper mit Radius 6,15&nbsp;Meter, verband als Gelenk den Zwischentrakt mit dem Trakt an der Potsdamer Straße und vermittelte durch ihren runden Grundriss zwischen den spitzwinklig aufeinander treffenden Flügeln. Auf der Ebene des Küchengeschosses, bereits 1,75&nbsp;Meter unter dem Niveau der Potsdamer Straße, querte eine Durchfahrt die Rotunde. Sie führte vom Wirtschaftshof an der Potsdamer Straße in den Hof im Inneren des Grundstücks, dessen Brandmauer gegen das ''Grand Hôtel Esplanade'' künstlerisch gestaltet war. Als Durchfahrt diente der 3,2&nbsp;Meter hohe Raum jedoch nur in Ausnahmefällen. Hauptsächlich verband er den „Muschelsaal“ im Trakt an der Potsdamer Straße mit dem „Wotansaal“ im Zwischenbau. Den Niveauunterscheid zu diesen angrenzenden Sälen glichen je drei Treppenstufen aus. Ein Ausgang führte auch zu einem Treppenhaus, das alle Geschosse des Zwischenbaues erschloss. Auch die untere Rotunde im Erdgeschoss war als Übergangsraum ausgebildet. Einerseits verband der 4,0 Meter hohe Raum den „Onyxsaal“ im Zwischenbau mit dem „Mahagonisaal“ im Flügel an der Potsdamer Straße. Anderseits führten zwei entlang der Außenmauern geführte, geschwungene Stiegen ins Garderobengeschoss. Die Treppen begannen im „Mahagonisaal“ und waren in der Rotunde nur hinter einem dekorativ behandelten Lattenwerk aus beinahe schwarzer [[Wassereiche]] sichtbar.<ref name="DKD 32">''Haus „Rheingold“ in Berlin. Eine Meisterschöpfung von Bruno Schmitz.'' in: Deutsche Kunst und Dekoration. Illustrierte Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst und künstlerische Frauenarbeiten, Darmstadt 1907, S.&nbsp;32.</ref> Die Treppenläufe verdeckten auch die beiden Fenster, sodass die untere Rotunde nur durch die Treppen mit ihrem Gitterwerk gedämpftes Licht erhielt. Das ''Zentralblatt der Bauverwaltung'' berichtete von „eigenartige[r] geometrische[r] Bemalung der Putzflächen, welche an Stoffbespannung erinnert“<ref name="ZdB 210"/> und auch die rot-schwarze Decke<ref name="PB 100"/> passte zum durch den starken Gegensatz der Farben geprägten Raum. Im Garderobengeschoss, wo die Treppenläufe endeten, nahm die Rotunde ein Restaurant auf. In Anlehnung an die Gestaltung des angrenzenden „Ebenholzsaales“ im Trakt an der Potsdamer Straße erhielt der 3,6&nbsp;Meter hohe Raum Wände aus Ebenholz. Die silbergraue Decke überzog ein Muster aus leicht mit Farbe gehöhtem Kammputz.<ref name="DKD 33">''Haus „Rheingold“ in Berlin. Eine Meisterschöpfung von Bruno Schmitz.'' in: Deutsche Kunst und Dekoration. Illustrierte Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst und künstlerische Frauenarbeiten, Darmstadt 1907, S.&nbsp;33.</ref> In Richtung Bellevuestraße schloss sich der „Bankettsaal“ an. Zwei Fenster beleuchteten den geradezu „ernst, monumental“<ref name="DKD 33"/> wirkenden Raum. Die „Blaue Rotunde“ im Saalgeschoss erreichten die Besucher entweder von der Galerie des „Bankettsaales“ oder über das an die Rotunde anschließende Treppenhaus. Da sich im Trakt an der Potsdamer Straße keine weiteren Säle sondern nur noch eine Küche befand, hatte der Raum keine Durchgangsfunktion zu erfüllen. Bruno Schmitz gestaltete einen „zu besonderen kleinen Festlichkeiten bestimmten Raum“.<ref name="DKD 33"/> Umlaufende Pfeilerstellungen gliederten den zweigeschossigen, 7,6&nbsp;Meter hohen Raum, den eine blau ausgemalte Flachkuppel mit großer Goldrosette überdeckte. Die acht Pfeiler aus weißem Marmor endeten in riesigen Menschenköpfen, gekrönt von elektrischen Beleuchtungskörpern. Sie trugen in der Höhe von ungefähr drei Metern eine Galerie. Ihre Brüstung schmückte ein Spruch des Schriftstellers [[Emil Jacobsen]]: <blockquote>Gottgeschenk ist uns die Freude, <br /> Achte keiner sie gering! <br /> Uns zu Schutz und Trutz im Leide − <br /> Freude ist ein ernstes Ding!</blockquote> Von Jacobsen stammen auch die Sprüche und Verse, die in den anderen Räumen wie zum Beispiel dem „Pfeilersaal“ im Saalbau in dekorativen Schriften die Wände schmückten. Kuppel wie die Wandflächen und Brüstung gestaltete der Maler August Unger. Der Raum „in gedämpfter blaugrüner Beleuchtung“ erinnerte die ''Zeitschrift für Bauwesen'' an einen „vorgeschichtlichen Götzentempel“<ref name="ZdB 210"/>, während er für die Zeitschrift ''Der Profanbau'' eher „das geheimnisvolle Gebaren eines Isistempels“<ref name="PB 106">Maximilian Rapsilber, in Der Profanbau, 3 (1907), S.&nbsp;106.</ref> hatte. === Neben- und Wirtschaftsräume === Das teure Grundstück erforderte eine größtmögliche Ausnutzung, soweit es die baupolizeilichen Vorschriften gestatteten. Die für die Restaurationsräume vorgesehene Fläche entsprach ungefähr der Fläche der Neben- und Wirtschaftsräume zusammen.<ref name="DBZ 121">''Der Neubau des Weinhauses „Rheingold” der Aktien-Gesellschaft Aschinger in der Bellevue- und der Potsdamer Straße zu Berlin.'' in: ''Deutsche Bauzeitung'', 1907, S.&nbsp;121.</ref> Die Neben- und Wirtschaftsräume fanden sich mehrheitlich in den für Kundenräume wenig attraktiven Keller- und Dachgeschossen. Um diesen riesigen Flächenbedarf abzudecken, verfügte das ''Weinhaus Rheingold'' als einer der ersten Großbauten in der Berliner Innenstadt über zwei voll nutzbare Kellergeschosse. <gallery> Datei:Berlin Weinhaus Rheingold Grundriss Kellergeschoss.jpg|Grundriss des Kellergeschosses Datei:Berlin Weinhaus Rheingold Grundriss Kuechengeschoss.jpg|Grundriss des Küchengeschosses Datei:Berlin Weinhaus Rheingold Grundriss Dachgeschoss.jpg|Grundriss des Dachgeschosses </gallery> Die Sohle des unteren Kellergeschosses lag 5,50&nbsp;Meter unter dem Straßenniveau, der Grundwasserpegel bei 3,15&nbsp;Meter, womit der Keller 2,35&nbsp;Meter im Grundwasser stand.<ref name="Baumeister 74"/> Nach unten dichtete eine 90&nbsp;Zentimeter starke, teils eisenarmierte Betonplatte mit einer 20&nbsp;Millimeter starken Isolierschicht aus drei Lagen verklebter Bitumenpappe mit Überzug aus heiß aufgebrachter [[Goudron]]masse.<ref name="Baumeister 74"/> Die gleichartige, an den Seitenwänden bis 30&nbsp;Zentimeter über den Grundwasserstand hochgezogene Bitumenpappe-Isolierung dichtete gegen das seitlich eindringende Grundwasser.<ref name="Baumeister 74"/><ref>Zentralblatt der Bauverwaltung 37. 1917, Nr.&nbsp;81/82, S.&nbsp;510.</ref> Die Kellerräume erstreckten sich bis zu den Grundstücksgrenzen. Das untere Kellergeschoss nahm neben den Kühlräumen vor allem Nebenräume mit technischen Einrichtungen wie den Kesselraum der Heizung, den Pumpenraum oder den Ölraum für die Generatoren auf. Der Maschinenraum gegen die Potsdamer Straße, dessen 28&nbsp;Meter langes und 4,50&nbsp;Meter breites Maschinenfundament weitere 1,4&nbsp;Meter tiefer lag als die Sohle des Kellerbodens, reichte bis in das zweite Kellergeschoss, in den Plänen als Küchengeschoss bezeichnet. In das Küchengeschoss schnitten sich die drei gegenüber dem Straßenniveau vertieft liegenden Höfe ein. Die Fläche unter dem Flügel an der Bellevuestraße teilten sich die Hauptküche des Weinhauses und der Weinkeller, der sieben Millionen Flaschen Wein fasste.<ref>Maximilian Rapsilber, in ''Der Profanbau'', 3 (1907), S.&nbsp;96.</ref> ==== Küchen ==== Das Weinhaus Rheingold verfügte über drei Küchenanlagen, je eine für jeden Bauteil. Die Küche für den Bau an der Bellevuestraße befand sich im Küchengeschoss unter den zu versorgenden Restaurants. Die größte Küchenanlage des Hauses, gut ausgerüstet mit elf [[Herd|Kochmaschinen]], sechs großen Dampfkochtöpfen, zahlreichen [[Grillen|Grills]] und Wärmeschränken<ref name="Baumeister 90"/>, erstreckte sich über rund zwei Drittel der Geschossfläche unter dem Saalbau. Zudem nahm sie spezielle Einrichtungen auf, wie die [[Konditorei]] und die Kupfer- und Silberabwaschräume.<ref name="Baumeister 90"/> 25 Speiseaufzüge, teilweise mit elektrischen [[Heizspirale]]n beheizt, um das Auskühlen der Speisen zu verhindern, transportieren die Speisen in die verschiedenen Restaurants des Traktes an der Bellevuestraße wie etwa den „Kaisersaal“. Die Küchen des Weinhauses Rheingold beschäftigten im Eröffnungsjahr 137 Angestellte, 70 davon arbeiteten in der Hauptküche.<ref name="Voss" /> Die Küchen zur Versorgung der Säle im Verbindungsbau und im Seitenflügel an der Potsdamer Straße befanden sich über den zugehörigen Restaurants im Dachgeschoss und im Saalgeschoss, mit denen sie ebenfalls über Speiseaufzüge verbunden waren. Den kleineren Sälen und der geringeren Anzahl der Gäste entsprechend kleiner dimensioniert, waren sie wie die Hauptküche hygienisch mit weiß gefliesten Wänden, Pfeilern und Decken versehen<ref name="Baumeister 90"/>, während ein glatter, heller Fliesenbelag den Boden bedeckte.<ref name="Baumeister 91"/> ==== Kühlräume ==== Die sieben Hauptkühlräume zur Aufbewahrung der verderblichen Lebensmittel wie Fleisch, Fisch, Geflügel, Butter, Käse und Gemüse bedeckten zusammen eine Fläche von ungefähr 160&nbsp;m² im Kellergeschoss.<ref name="Baumeister 90">Hermann Hinderer, in: Der Baumeister, 5 (1907), S.&nbsp;90.</ref> Der jeweilige Tagesbedarf der drei Küchen lagerte in zehn weiteren Kühlräumen von je 15 bis 20 Quadratmeter Fläche in den Küchen selber. Imprägnierte [[Kork]]platten isolierten die Kühlräume von der Umgebung. Ihre Wände, Decken und Böden waren mit weißen Fliesen ausgekleidet. Die Kälte produzierte eine von [[Borsig (Unternehmen)|August Borsig]] in [[Berlin-Tegel]] gelieferte [[Kompressionskältemaschine]] mit [[Schwefeldioxid]] als [[Kältemittel]].<ref name="Baumeister 90"/> Ein Rohrsystem mit Korkummantelung verteilte die auf −12&nbsp;°C gekühlte [[Sole (Kältetechnik)|Salzsole]] vom Kellergeschoss in die verschiedenen Kühlräume, deren Temperatur je nach Art der Lebensmittel zwischen +2 und +6&nbsp;°C eingestellt war. Die Kühlmaschine produzierte zusätzlich täglich 2000 Kilogramm Eis für den Bedarf in den verschiedenen Restaurants des Weinhauses.<ref name="DBZ 262"/> ==== Dampfwäscherei ==== In einer eigenen Dampfwäscherei wurde die gesamte im Haus anfallende Wäsche gewaschen und gebügelt. Die gebrauchte Tischwäsche erreichte über Wurfschächte in den Speisesälen die Wäschesammelstelle im Keller.<ref name="Voss" /> Von dort gelangte sie in die Waschküche und das zugehörige Wäschelager im dritten Geschoss des Seitenflügels an der Potsdamer Straße auf der Höhe des Emporengeschosses. Die technische Einrichtung für die mit weißen Fliesen verkleideten Räume lieferte die Firma ''H. Timm'' in Berlin, darunter vier große [[Waschmaschine|Waschtrommeln]], drei [[Wäscheschleuder|Wäschezentrifugen]] und zwei [[Mangel (Gerät)|Zylindermangeln]].<ref name="DBZ 262"/> Den zum Betrieb erforderlichen Dampf lieferten die Niederdruck-[[Dampfkessel]] im Kesselraum des Kellergeschosses. == Technische Einrichtungen == Schon die Größe des Weinhauses stellte besondere Anforderungen an die technischen Anlagen. Dazu kam der tief im Grundwasser gelegene Keller und der Wunsch des Bauherrn, das Haus möglichst unabhängig von äußeren Einflüssen zu betreiben. Aus wirtschaftlichen Überlegungen sollten die Betriebskosten möglichst gering gehalten werden – Überschlagsrechnungen veranschlagten beispielsweise allein die jährlichen Kosten für elektrische Beleuchtung auf ca.&nbsp;55.000&nbsp;Mark.<ref>Maximilian Rapsilber, in Der Profanbau, 3 (1907), S.&nbsp;108.</ref> Daher verfügte das ''Weinhaus Rheingold'' über eigene Brunnen und erzeugte die Elektrizität selber, wobei die Abwärme der Generatoren zugleich der Warmwasseraufbereitung diente. === Elektrische Anlagen === Den elektrischen Strom für die 5212 [[Glühlampe#Glühfaden|Tantallampen]], 544 [[Kohlenfadenlampe|Kohlefaden-Kerzenlampen]] und die 51 [[Kohlebogenlampe|Bogenlampen]] sowie für den Betrieb der zahlreichen Pumpen, Ventilatoren, Personen- und Warenaufzüge sowie der Eismaschinen produzierten drei [[Elektrischer Generator|Gleichstrom-Nebenschluss-Dynamomaschinen]] mit je 204&nbsp;[[Kilowatt]] [[Leistung (Physik)|Leistung]], die jeweils direkt mit einem Dieselmotor gekoppelt waren.<ref name="PB 90">Maximilian Rapsilber, in: ''Der Profanbau'', 3 (1907), S.&nbsp;90.</ref> Die Beleuchtungsanlage und die Generatoren wurden von der Firma [[Siemens-Schuckertwerke|Siemens-Schuckert-Werke GmbH]] in Berlin hergestellt. Die [[Maschinenfabrik Augsburg]] lieferte die drei vier[[Zylinder (Technik)|zylindrigen]] [[Dieselmotor]]en von je 300&nbsp;[[Pferdestärke|PS]], die mit 175 Umdrehungen pro Minute liefen. Die Maschinen waren im Maschinenkeller unter dem Trakt an der Potsdamer Straße untergebracht. Der acht Meter breite, 35&nbsp;Meter lange und fünf Meter hohe Raum lag 5,5&nbsp;Meter unter dem Straßenniveau, erhielt aber direktes Tageslicht durch einen zwei Meter breiten Lichtschacht an der Längsseite. Der 13&nbsp;Kubikmeter fassende Brennstofftank fand sich direkt neben dem Maschinenkeller unter der Hofeinfahrt. Zu den elektrischen Anlagen zählten auch die aus 125 Elementen bestehende [[Akkumulator]]enbatterie, untergebracht in zwei übereinander liegenden Kellerräumen von je 60&nbsp;Quadratmeter Fläche. Während des Betriebs parallel zu den Maschinen geschaltet, glichen sie Spannungsschwankungen der Generatoren und des Leitungsnetzes aus und waren in der Lage, das Haus nach Ausfall der Maschinen noch beinahe drei Stunden mit Strom zu versorgen.<ref name="PB 90"/> Diese Anlage lieferte die [[VARTA|Akkumulatoren-Aktien-Gesellschaft]] in [[Hagen]]. Die elektrischen Leitungen, unter 220&nbsp;[[Volt]] [[Elektrische Spannung|Spannung]] stehend, waren in Nebenräumen wie Küchen, Keller oder auf dem Dachboden sichtbar über dem Putz auf Rollen geführt. === Kalt- und Warmwasseranlagen === Zwei Tiefbrunnen auf dem Grundstück an der Potsdamer Straße förderten Grundwasser aus 48&nbsp;Meter Tiefe. Eine elektrisch betriebene Hochdruck[[zentrifugalpumpe]] mit einer Förderleistung von 1200&nbsp;[[Liter]]n pro Minute pumpte das wie im gesamten Berliner Raum stark eisenhaltige Wasser durch eine [[Enteisentes Wasser|Enteisenungsanlage]] im Dachgeschoss zu den beiden darüber stehenden Kaltwasserbehältern mit je acht Kubikmetern Fassungsvermögen.<ref name="PB 87">Maximilian Rapsilber, in: ''Der Profanbau'', 3 (1907), S.&nbsp;87.</ref> Von dort erfolgte die Weiterverteilung in das ganze Haus. Eine zweite Pumpe diente als Reserve und eine Schwimmkontaktvorrichtung unterbrach die Förderung der Pumpe, wenn beide Behälter voll waren. Deckte die selbst geförderte Menge die Nachfrage nicht, ergänzte Wasser aus dem städtischen Netz den Bedarf. Zur Erzeugung von Warmwasser wurde als frühes Beispiel von [[Kraft-Wärme-Kopplung]] das [[Kühlwasser]] der großen Dieselmotoranlage genutzt. Das Wasser erhitzte sich dabei auf circa 80&nbsp;°C und floss in zwei verzinkte Warmwasser-Reservoirs von zusammen 60&nbsp;Kubikmeter im Keller. Von dort pumpte ein Hockdruckzentrifugalpumpe das warme Wasser zu den Warmwasserbehältern im Dachgeschoss.<ref name="PB 87"/> Das Kühlwasser deckte nicht den ganzen Bedarf – den Rest des Warmwassers lieferte ein herkömmlicher Heizkessel im Kesselraum unter dem Hof an der Potsdamer Straße. === Entwässerung === Die tiefe Lage eines Teils des Kellers unter dem Niveau des städtischen Abwasserkanals erforderte spezielle Vorkehrungen. Einerseits war eine Ableitung über das natürliche Gefälle so nicht möglich, andererseits drohte der bei Regenwetter schnell überlastete Kanal an der Bellevuestraße die große Küche im unterirdischen Küchengeschoss durch Rückstau unter Wasser zu setzen. Schlossen sich bei Überlastung der städtischen Kanalisation in der Bellevuestraße die selbsttätigen [[Rückstausicherung|Rückstauklappen]], floss das im Haus anfallende Abwasser als Überlauf über Notleitungen, die höher lagen als die Hauptkanalisationsleitungen, in einen [[Straßenablauf|Gully]]. Dieser sammelte gleichzeitig das Wasser aus den tiefer als die Kanalisation liegenden Kellerbereichen, etwa das Überlaufwasser der Warmwasserbehälter oder das über die Kellertreppen eindringende Regenwasser. Eine Zentrifugalpumpe beförderte das Wasser aus dem Gully in den weniger überlasteten Kanal an der Potsdamer Straße. Die Anlagen lieferte die ''Allgemeine Städte-Reinigungsgesellschaft mbH'' in Berlin. === Heizung und Lüftung === Der Kesselraum der Niederdruck[[dampfheizung]] befand sich unter dem Wirtschaftshof an der Potsdamer Straße. Die mit Kohle beheizte Anlage aus sechs [[Dampfkessel]]n gliederte sich in zwei Gruppen, wovon die größere mit vier Kesseln ausschließlich der Erzeugung des Dampfes für die Heizung diente. Die kleinere Gruppe mit zwei Heizkesseln produzierte den Dampf für die Küchen und die Waschküche, ließ sich aber bei Bedarf der Heizung zuschalten.<ref name="Baumeister 89">Hermann Hinderer, in: ''Der Baumeister'', 5 (1907), S.&nbsp;89.</ref> Die Heizungsanlage war so bemessen, dass sie nur rund 80&nbsp;Prozent der Wärme erzeugte, die für eine Innentemperatur von 20&nbsp;°C erforderlich war.<ref name="Baumeister 89"/> Den Rest des Wärmebedarfes ergänzte die Lüftung. Durch diese Kopplung der Heizung mit der Lüftung musste auch die Lüftungsanlage permanent in Betrieb gehalten werden. Dies wiederum sicherte einen ausreichenden Luftaustausch in den Räumen des Weinhauses Rheingold.<ref name="PB 115">Maximilian Rapsilber, in: ''Der Profanbau'', 3 (1907), S.&nbsp;115.</ref> Die Restaurationsräume verfügten über eine Druck[[lüftung]], wo frische und bei Bedarf vorgewärmte Luft in den Raum hineingedrückt wurde – 20&nbsp;Kubikmeter pro Gast und Stunde. In den Küchen und Sanitäranlagen, wo die Luft fünffach pro Stunde erneuert wurde, verhinderte eine Sauglüftung die Ausbreitung übler Gerüche.<ref name="PB 118">Maximilian Rapsilber, in: ''Der Profanbau'', 3 (1907), S.&nbsp;118.</ref><ref name="Baumeister 88">Hermann Hinderer, in: Der Baumeister, 5 (1907), S. 88.</ref> Drei Ventilatoren im Keller unter dem Wirtschaftshof an der Potsdamer Straße saugten die frische Außenluft an. Ein 40&nbsp;Quadratmeter großer, im Hoffußboden eingebauter [[Koks]]filter befreite die Frischluft von Staub und Ungeziefer. In drei Heizungskammern, je eine pro Ventilator und mit unterschiedlicher Temperatur, ließ sich die Luft durch Rippenheizkörper erwärmen. Durch Mischung der Warmluft verschiedener Temperatur, bei Bedarf auch mit Kaltluft, konnte die Luft auf die gewünschte Temperatur eingestellt werden, bevor sie über die Lüftungskanäle in die Räume strömte. Schmitz integrierte die Öffnungen der Lüftungskanäle geschickt in die Architektur der einzelnen Räume. Die gesamte Heizungs- und Lüftungsanlage, geliefert von der Firma ''David Grove'' in Berlin,<ref name="PB 115"/> ließ sich zentral vom Bedienungszentralraum im Keller aus regeln. == Kritik == Die zeitgenössische deutsche Architekturpresse berichtete in den Hauptzügen positiv, teils beinahe enthusiastisch über den Neubau. Die ''[[Deutsche Bauzeitung]]'' etwa sah im Weinhaus Rheingold eine „der bedeutendsten baukünstlerischen Schöpfungen der Gegenwart, ein Werk von größtem Wurf und von sieghafter Gestaltungskraft“.<ref name="DBZ 85">''Der Neubau des Weinhauses „Rheingold” der Aktien-Gesellschaft Aschinger in der Bellevue- und der Potsdamer Straße zu Berlin.'' in: ''Deutsche Bauzeitung'', 1907, S.&nbsp;85.</ref> Die ''[[Berliner Architekturwelt]]'' zählte den Bau mit [[Alfred Messel]]s nahegelegenem Warenhaus [[Wertheim]] am [[Leipziger Platz]] zu den „besten Bauwerken unserer Zeit“.<ref name="BAW 5">Leo Nachtlicht: ''Weinhaus Rheingold in Berlin.'' in: Berliner Architekturwelt, 10 (1908), S.&nbsp;6.</ref> Auch die Zeitschrift ''Der Profanbau'' sah im Weinhaus Rheingold das „vollgewichtige Gegenstück“ zu Messels Warenhausbau, das gleiches für den Begriff „Aschinger” leisten werde, wie der Messelbau für den „Begriff Wertheim und überhaupt für die Nobilitierung des Warenhauses“.<ref name="PB 94/95">Maximilian Rapsilber, in: ''Der Profanbau'', 3 (1907), S.&nbsp;94/95.</ref> War der ''Deutschen Bauzeitung'' „keine neuere Schöpfung des Auslandes bekannt, welche an das Rheingold heranreicht“<ref name="DBZ 270">''Der Neubau des Weinhauses „Rheingold” der Aktien-Gesellschaft Aschinger in der Bellevue- und der Potsdamer Straße zu Berlin.'' in: ''Deutsche Bauzeitung'', 1907, S.&nbsp;270.</ref>, fand umgekehrt das Gebäude keine Würdigung in der zeitgenössischen Architekturpresse des Auslands.<ref>Keine Erwähnung in''The Architectural review.'' Boston, Jahrgänge 1907, 1908 und 1909.</ref><ref>Keine Erwähnung in ''L’architecte: revue mensuelle de l’art architectural ancien et moderne / publ. sous les auspices de la Société des Architectes Diplomés par le Gouvernement'', Paris, ISSN 0766-5490, Jahrgänge 1907, 1908 und 1909.</ref><ref>Keine Erwähnung in ''Academy architecture and architectural review.'' London, Jahrgänge 1907, 1908 und 1909.</ref> Die ''[[Vossische Zeitung]]'' würdigte den Neubau 1907 als „glanzvolles Neujahrsgeschenk, welches die Aschinger-Gesellschaft der Reichshauptstadt darbringt“, das Weinhaus Rheingold stehe „auf dem ganzen Erdenrund einzig und unvergleichlich da.“<ref name ="Voss">E. Carlotta in ''Vierte Beilage der Vossischen Zeitung (Nr.&nbsp;1/1907)''.</ref> Anerkennung fand auch das kulturelle Engagement der Aktiengesellschaft Aschinger – teils mit Seitenhieben auf die „Bierquellen“, denen „plötzlich märchenhafte Goldströme für höchste Kunst“ entfließen<ref name="DKD 1">''Haus „Rheingold“ in Berlin. Eine Meisterschöpfung von Bruno Schmitz.'' in: Deutsche Kunst und Dekoration. Illustrierte Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst und künstlerische Frauenarbeiten, Darmstadt 1907, S.&nbsp;1.</ref> – und ihre Wahl von Bruno Schmitz als Architekten, der „die Geschmacklosigkeit eines goldmosaik-strotzenden, romanisierend-byzantinisierenden Kaisersaales zur Vertilgung von Münchner Bier- und Bockwürsten, wie wir solchen schon einmal in Berlin haben, […] nimmermehr mitgemacht“ haben würde.<ref name="DKD 3">''Haus „Rheingold“ in Berlin. Eine Meisterschöpfung von Bruno Schmitz.'' in: Deutsche Kunst und Dekoration. Illustrierte Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst und künstlerische Frauenarbeiten, Darmstadt 1907, S.&nbsp;3.</ref> Auf Kritik dagegen stieß der Missklang zwischen der [[Ambition|ambitiösen]] künstlerischen Gestaltung des Weinhauses Rheingold und der eher profanen Nutzung als Großrestaurant. Der französische Journalist [[Jules Huret]] besuchte auf seiner Deutschlandreise in Berlin das neu eröffnete Haus und fragte in seinem 1909 erschienenen Reisebericht: {{Zitat-fr|Où suis-je? Dans quel château fort teutonique, dans quel cloître géant? Dans quelle crypte bouddhique ou quel Walhalla? Je suis dans un restaurant où la cuisine est mauvaise et où je peux manger à prix réduits.|Übersetzung=Wo bin ich? In welcher teutonischen Burg, in welchem riesigen Klosterkreuzgang? In welcher buddhistischen Krypta oder in welcher Walhalla? Ich bin in einem Restaurant, wo die Küche schlecht ist und wo ich zu verbilligten Preisen essen kann.|Jules Huret<ref name="Huret 65">Jules Huret: ''En Allemagne: Berlin.'' Fasquelle, Paris 1909, S. 65.</ref>}} Er würdigte die Anstrengungen zur Gestaltung mit den Worten: {{Zitat-fr|N'importe, on ne peut nier qu'il y ait là un effort énorme pour sortir du convenu et du mièvre, effort que je ne pouvais m'empêcher d'admirer, quand je ne songeais pas que quatre mille personnes viennent, entre ces murs de légende et de rêve, s'emplir le ventre.|Übersetzung=Gleichwohl, man kann nicht leugnen, dass es hier eine gewaltige Anstrengung gibt, vom Herkömmlichen und Faden wegzukommen. Eine Anstrengung, die zu bewundern ich mir nicht verwehren konnte, wenn ich nicht gerade daran dachte, dass 4000 Personen in diese Mauern der Legenden und Träume kommen, um sich den Bauch vollzuschlagen.|Jules Huret<ref name="Huret 65/66">Jules Huret: ''En Allemagne: Berlin.'' Fasquelle, Paris 1909, S.&nbsp;65/66.</ref>}} Der Kunstkritiker [[Max Osborn]] erwähnte bereits 1909 im 43. Band der Reihe ''Berühmte Kunststätten'' mit der Gesamtdarstellung der Kunstgeschichte Berlins das Weinhaus Rheingold, „dessen feierliche Front (mit Reliefgestalten von Franz Metzner) und überprächtige, wenn auch durch vorzügliche Behandlung in echten Materialien ausgezeichnete Innenausstattung nur mit dem Beruf des Hauses nicht im Einklang steht“.<ref>Max Ostborn: ''Berlin.'' Berühmte Kunststätten Band 43, Seemann, Leipzig 1909, S.&nbsp;270.</ref> Ein Teil der Zeitgenossen störte sich am nicht [[Naturalismus (Kunst)|naturalistischen]], ornamentalen Umgang Franz Metzners mit dem menschlichen Körper. Die ''Deutsche Bauzeitung'' etwa berichtete, dass „seine Kunstauffassung auf den stärksten Widerspruch des überlieferten Geschmacks gestoßen“ sei.<ref name="DBZ 270"/> Zeigte das ''Zentralblatt der Bauverwaltung'' Verständnis für „ein gewisses unbehagliches Gefühl“, das die „vergewaltigten Körper“ erzeugten, distanzierten sich die anderen Fachkritiker davon. So schrieb der spätere erste [[Bundespräsident (Deutschland)|Bundespräsident]] [[Theodor Heuss]], seinerzeit Kritiker der ''Neudeutschen Bauzeitung'': „Ich stoße mich nicht daran, daß die Männer, die da in Holz oder anderem Material an den Pfeilern und Wandverkleidungen gebildet wurden, enthauptet sind und dafür immerhin fragmentarischen und fragwürdigen Ersatz erhalten haben.“<ref name="NDBZ 145">Theodor Heuss: ''Rheingold von Bruno Schmitz.'' in: ''Neudeutsche Bauzeitung'', 3 (1907), S.&nbsp;145.</ref> Er lobte die Bemühungen Schmitz' zur Wiederbelebung der „Plastik in der Baukunst“ in der äußeren Gestaltung des Bauwerks und in den großen Räumen des Weinhauses Rheingold, insbesondere dem „Kaisersaal“. Für die kleineren Kabinette und Säle dagegen wirke „die monumentale Plastik gewaltsam und als eine Last“<ref name="NDBZ 145"/> und das „zu große Maß der Plastik“<ref name="NDBZ 146">Theodor Heuss: ''Rheingold von Bruno Schmitz.'' in: ''Neudeutsche Bauzeitung'', 3 (1907), S.&nbsp;146.</ref> erdrücke den Raum. Auch der Architekturhistoriker [[Julius Posener]] verglich 1977 in seiner Publikation ''Berlin auf dem Weg zu einer neuen Architektur 1889–1918'' das Weinhaus Rheingold mit Messels Warenhaus Wertheim. Er attestierte der Rheingold-Fassade eine überlegene Qualität und größere Modernität − „Nur lag Messels Leipziger Straßenfront auf dem Weg, der weiterführte. Die Rheingoldfront stellt die schönste Ausprägung eines errungenen Standes der Kunst dar, steht also eher am Ende eines Weges.“<ref>Julius Posener: ''Berlin auf dem Wege zu einer neuen Architektur: das Zeitalter Wilhelms&nbsp;II.'' Prestel, München 1979, ISBN 3-7913-0419-4, S.&nbsp;102.</ref> == Mangelnde Rentabilität von Aschingers Prestigeobjekt == Die [[Euphorie]] des Konzerns nach der Eröffnung am 6. Februar 1907 wich schnell Sorgen wegen Problemen in den Betriebsabläufen und der mangelnden Kostendeckung des Weinhauses Rheingold. Bereits im Juli 1907 bat deshalb Carl Aschinger seinen Bruder August wieder in das operative Geschäft einzutreten, obwohl er als [[Aufsichtsrat]] der Aktiengesellschaft Aschinger eigentlich nur noch überwachende und repräsentative Funktionen wahrnehmen sollte.<ref name="Glaser 95">Karl-Heinz Glaser: ''Aschingers „Bierquellen“ erobern Berlin: aus dem Weinort Oberderdingen in die aufstrebende Hauptstadt.'' Verlag Regionalkultur, Heidelberg, 2004, ISBN 3-89735-291-5, S.&nbsp;95.</ref> August Aschinger vermerkte in einer Notiz, dass die „finanzielle Seite des Rheingoldes […] wirtschaftlich einfach unmöglich“ war und „in der Tat die anderen Geschäfte aufgefressen“ hätte. „Dieses Haus betriebsfähig zu stellen, war die größte Aufgabe meines Lebens.“<ref>handschriftliche Notiz August Aschingers, zitiert nach Karl-Heinz Glaser: ''Aschingers „Bierquellen“ erobern Berlin: aus dem Weinort Oberderdingen in die aufstrebende Hauptstadt.'' Verlag Regionalkultur, Heidelberg, 2004, ISBN 3-89735-291-5, S.&nbsp;95.</ref> Probleme verursachte zum Beispiel die überdimensionierte Ausdehnung des Weinhauses Rheingold. So erkalteten die Speisen auf ihrem Weg zu den Gästen trotz der elektrisch beheizten Speiseaufzüge. Besuchten mehr als 3000 Gäste das Lokal, kamen die Küchen an ihre Kapazitätsgrenzen. Lange Wartezeiten sowie lauwarme oder gar kalte Speisen waren keine gute Reklame für das Vorzeigeobjekt des Aschinger-Konzerns und keine gute Basis für den Aufbau eines Kundenstamms. Durch den Einbau zusätzlicher Küchen und Wirtschaftsräume noch im Jahr 1907, vermutlich gekoppelt mit Verbesserungen im [[Servieren|Service]], gelang es August Aschinger, die Probleme in den Betriebsabläufen zu lösen.<ref name="Glaser 96">Karl-Heinz Glaser: ''Aschingers „Bierquellen“ erobern Berlin: aus dem Weinort Oberderdingen in die aufstrebende Hauptstadt.'' Verlag Regionalkultur, Heidelberg, 2004, ISBN 3-89735-291-5, S.&nbsp;96.</ref> Die Ertragslage blieb aber weiterhin schlecht, die Umsätze deckten kaum die laufenden Kosten. Bei dieser schlechten Ertragslage rentierten sich zudem die hohen Investitionskosten für das Grundstück und das Gebäude nicht. Die ursprüngliche Kalkulation des Gastronomiebetriebes war bereits bei der Eröffnung des Weinhauses Rheingold als Folge der baupolizeilich verordneten Nutzungsänderung und der Baukostenüberschreitung von einer Million Mark überholt. Dort hatte Aschinger „bei etwas erhöhten Weinpreisen“ mit „billige[n] und gute[n] Speiseportionen zu den Grundpreisen von M.&nbsp;0,80 und M.&nbsp;1,30“ und 3800 Sitzplätzen kalkuliert.<ref name="Baumeister 74">Hermann Hinderer, in: Der Baumeister, 5 (1907), S.&nbsp;74.</ref> Die schwache [[Umsatzrentabilität]] des Weinhauses Rheingold innerhalb des Aschinger-Konzerns illustrieren beispielhaft die Zahlen von Januar 1911. Die dreißig „Bierquellen“ erzielten bei einem Umsatz von 1.100.000&nbsp;Mark einen Gewinn von 160.000&nbsp;Mark und damit eine Umsatzrentabilität von 14,6&nbsp;Prozent. Das ''Weinhaus Rheingold'' dagegen erreichte bei einem Umsatz von 300.000&nbsp;Mark einen Gewinn von 15.000&nbsp;Mark und damit nur fünf Prozent Umsatzrendite, also rund ein Drittel. Besser investiert hatte der Konzern in das nahegelegene [[Hotel Fürstenhof (Berlin)|Hotel Fürstenhof]] am Potsdamer Platz, die Rentabilität erreichte dort 22,2&nbsp;Prozent basierend auf einem Gewinn von 30.000&nbsp;Mark bei einem Umsatz von 135.000&nbsp;Mark.<ref>Zahlen nach Karl-Heinz Glaser: ''Aschingers „Bierquellen“ erobern Berlin: aus dem Weinort Oberderdingen in die aufstrebende Hauptstadt.'' Verlag Regionalkultur, Heidelberg, 2004, ISBN 3-89735-291-5, S.&nbsp;96.</ref> Der Nachruf auf Carl Aschinger in der ''Deutschen Gastwirthe<!-- sic -->-Zeitung'' vom 8. Mai 1909 gibt ein Bild des weiterhin ausbleibenden Erfolgs des Weinhauses Rheingold. Gleichmäßig hohe Gästezahlen blieben aus und die Auslastung war nur sonntags einigermaßen befriedigend, sodass unter der Woche die meisten Säle geschlossen blieben. Küche und Keller waren „nicht auf der Höhe“ und standen hinter der Konkurrenz zurück.<ref name="Gastwirthe Zeitung">Deutsche Gastwirthe-Zeitung'' vom 8. Mai, zitiert nach Karl-Heinz Glaser: ''Aschingers „Bierquellen“ erobern Berlin: aus dem Weinort Oberderdingen in die aufstrebende Hauptstadt.'' Verlag Regionalkultur, Heidelberg, 2004, ISBN 3-89735-291-5, S.&nbsp;96.</ref> Das mit so hohen Ansprüchen gebaute Lokal konnte weder die Berliner Mittel- noch Oberschicht dauerhaft als Stammgäste gewinnen und wurde zum Touristenlokal. ''Griebens Reiseführer Berlin und Umgebung'' empfahl 1909 das Weinhaus Rheingold als „hochelegantes Wein- und Bier-Restaurant“.<ref>Griebens Reiseführer Berlin und Umgebung, Verlag Albert Goldschmidt, Berlin 1909, S.&nbsp;24.</ref> Etwas kritischer reihte ''Baedekers Berlin und Umgebung'' das Lokal 1910 unter die „nicht so anspruchsvollen“ Weinrestaurants ein<ref>„Baedekers Berlin und Potsdam.“ Leipzig 1910, S.&nbsp;8.</ref>, erwähnte aber beim Stadtrundgang am Potsdamer Platz „das prunkvoll ausgestattete Weinhaus Rheingold, von Bruno Schmitz erbaut, mit Skulpturen von F. Metzner“.<ref>„Baedekers Berlin und Potsdam.“ Leipzig 1910, S.&nbsp;168.</ref> Als Touristenattraktion mit mangelnder Rentabilität blieb das Weinhaus Rheingold ein wirtschaftlicher Fehlgriff des sonst so erfolgreichen Aschinger-Konzerns. == Zwischenkriegszeit == In den wirtschaftlich schwierigen Zeiten nach dem Ersten Weltkrieg erwog der Konzern 1919 den Verkauf des Weinhauses Rheingold. Doch die bereits durch den Aufsichtsrat genehmigten Verkaufspläne, die 15&nbsp;Millionen Mark einbringen sollten, zerschlugen sich.<ref name="Glaser 97">Karl-Heinz Glaser: ''Aschingers „Bierquellen“ erobern Berlin: aus dem Weinort Oberderdingen in die aufstrebende Hauptstadt.'' Verlag Regionalkultur, Heidelberg, 2004, ISBN 3-89735-291-5, S.&nbsp;97.</ref> Die im Kaiserreich moderne Ausstattung des Weinhauses Rheingold mit ihren Jugendstilanklängen galt nach dem Ende des [[Erster Weltkrieg|Ersten Weltkrieges]] als veraltet.<ref>Baldur Köster: ''Berliner Gaststätten von der Jahrhundertwende bis zum ersten Weltkrieg.'' Dissertation, TU Berlin 1964, S.&nbsp;34.</ref> Zu Beginn der 1920er-Jahre vermerkte ''Griebens Reiseführer'' abendliche Konzertveranstaltungen,<ref>''Griebens Reiseführer Berlin.'' Kleine Ausgabe, Verlag Albert Goldschmidt, Berlin 1920, S.&nbsp;13 / ''Griebens Reiseführer Berlin und Umgebung.'' Verlag Albert Goldschmidt, Berlin 1922, S.&nbsp;28.</ref> dazu sollten ab 1922 Tanz- und Kabarettveranstaltungen die Attraktivität des Lokals steigern.<ref name="Glaser 97" /> Der Erfolg ließ weiter auf sich warten und der Konzernvorstand stellte 1928 resigniert fest, dass das Weinhaus Rheingold „nicht annähernd seine Unkosten deckt, geschweige denn von einem Verdienst die Rede sein kann.“<ref>zitiert nach Karl-Heinz Glaser: ''Aschingers „Bierquellen“ erobern Berlin: aus dem Weinort Oberderdingen in die aufstrebende Hauptstadt.'' Verlag Regionalkultur, Heidelberg, 2004, ISBN 3-89735-291-5, S.&nbsp;97.</ref> Mit der [[Weltwirtschaftskrise]] verschärfte sich die Situation 1930, da wegen der eingebrochenen Erträge die Quersubvention des Weinhauses Rheingold durch andere Aschinger-Betriebe wegfiel und der Konzern 1931 in ernste finanzielle Schwierigkeiten geriet. Das Weinhaus Rheingold blieb in den Jahren 1931/1932 ganz geschlossen und fand auch in ''Baedekers Berlin und Umgebung'' 1933 keine Erwähnung mehr.<ref>„Baedekers Berlin und Potsdam.“ kleine Ausgabe, Leipzig 1933.</ref> Ab 1935 brachte die Verköstigung der zahlreichen Reisegruppen, die mit der Organisation „[[Kraft durch Freude]]“ nach Berlin reisten, und Veranstaltungen vaterländischer Vereinigungen etwas bessere Auslastung. Im [[Zweiter Weltkrieg|Zweiten Weltkrieg]] diente das Weinhaus Rheingold als Truppenunterkunft, allerdings musste im Winter 1940 der Betrieb wegen Kohlemangel eingestellt werden. == Verkauf und Zerstörung == [[Datei:Fotothek df pk 0000145 005.jpg|miniatur|Die Ruine des Weinhauses am linken Bildrand im Oktober 1945]] [[Datei:Berlin Weinhaus Rheingold Lageplan ueberlagert mit aktuell.jpg|miniatur|Historischer Lageplan, überlagert mit der heutigen Bebauung, rot markiert die Fassade des ehemaligen ''Grand Hôtel Esplanade'']] Im Januar 1943 weckte ein Bericht der ''[[Berliner Börsen-Zeitung]]'' über die Verkaufsabsichten der Firma Aschinger für das Weinhaus Rheingold das Interesse mehrerer Reichsministerien.<ref name="Glaser 99">Karl-Heinz Glaser: ''Aschingers „Bierquellen“ erobern Berlin: aus dem Weinort Oberderdingen in die aufstrebende Hauptstadt.'' Verlag Regionalkultur, Heidelberg, 2004, ISBN 3-89735-291-5, S.&nbsp;99.</ref> Das Grundstück lag nahe der neuen, prestigeträchtigen [[Nord-Süd-Achse (Berlin)|Nord-Süd-Achse]] in den Planungen [[Albert Speer]]s für die ''[[Welthauptstadt Germania]]''. In den Akten des ehemaligen Aschinger-Konzerns, verwahrt im [[Landesarchiv Berlin]], findet sich ein Vorvertrag mit dem Finanzministerium, der den Verkaufspreis auf sechs Millionen [[Reichsmark]] festlegte.<ref>[http://www.landesarchiv-berlin.de/php-bestand/arep225-pdf/arep225.pdf Landesarchiv Berlin: ''Findbuch Bestandsgruppe A Rep. 225 Aschinger Konzern.''] S.&nbsp;123.</ref> Den Zuschlag erhielt schließlich 1943 die [[Deutsche Reichspost]].<ref name="Glaser 99" /> Bei einem Bombenangriff im gleichen Jahr erlitt der Bau schwere Schäden<ref>[http://web.archive.org/web/20040201065750/http://www.luise-berlin.de/lexikon/mitte/w/Weinhaus_Rheingold.htm www.luise-berlin.de archiviert bei web.archive.org].</ref><ref>[http://www.bildindex.de/bilder/MI03497a09a.jpg Ruine des ''Weinhauses Rheingold'' (am linken Bildrand) um 1946].</ref>, und das beim Verkauf eingelagerte Inventar des Weinhauses im Wert von 250.000&nbsp;Reichsmark verbrannte bei einem Angriff im Frühling 1944.<ref name="Glaser 131">Karl-Heinz Glaser: ''Aschingers „Bierquellen“ erobern Berlin: aus dem Weinort Oberderdingen in die aufstrebende Hauptstadt.'' Verlag Regionalkultur, Heidelberg, 2004, ISBN 3-89735-291-5, S.&nbsp;131.</ref> Die Karte der Gebäudeschäden von 1945 wies das Gebäude als „beschädigt aber wiederaufbaufähig“ aus, trotzdem erfolgte eine schnelle Beseitigung der Ruinen des Weinhauses Rheingold in den ersten Nachkriegsjahren.<ref>Jörg Müller: ''Der Potsdamer Platz in Berlin. Zur Geschichte eines zentralen Platzes.'' Technische Universität Berlin, Berlin 1990, ISBN 3-79831339-3, S.&nbsp;55.</ref> Fotografien zeigen bereits zu Beginn der 1950er-Jahre das enttrümmerte Grundstück. Nach dem Bau der [[Berliner Mauer]] 1961 lief die als Umgehung des nicht mehr zugänglichen Potsdamer Platzes zur Bellevuestraße verlängerte Linkstraße über die Baubrache. In diese Verlängerung mündete auch die 1966 für den Neubau der [[Staatsbibliothek zu Berlin|West-Berliner Staatsbibliothek]] umgelegte Potsdamer Straße, ebenfalls über das Gelände des ehemaligen Weinhauses Rheingold. Mit der Neubebauung des Potsdamer Platzes nach der [[Deutsche Wiedervereinigung|deutschen Wiedervereinigung]] änderte sich die Situation erneut. Während die Verlängerung der Linkstraße wieder aufgehoben wurde, teilt die bis zum Potsdamer Platz durchgezogene Potsdamer Straße das Grundstück. Ungefähr an der Stelle des Saalbaus an der Bellevuestraße steht heute der [[BahnTower]], während der gegenüberliegende [[Kollhoff-Tower]] unter anderem die Fläche des ehemaligen Vorderhaus an der Potsdamer Straße einnimmt. == Literatur == * Jacob Brüstlein: ''Das Weinhaus Rheingold in Berlin.'' In: ''Zentralblatt der Bauverwaltung'', 27 (1907), S.&nbsp;198–202 [http://opus.kobv.de/zlb/volltexte/2008/4056/ Digitalisat 1238 KB], S.&nbsp;210–211, S.&nbsp;213 [http://opus.kobv.de/zlb/volltexte/2008/4058/ Digitalisat 1361 KB] * Karl-Heinz Glaser: ''Aschingers „Bierquellen“ erobern Berlin. Aus dem Weinort Oberderdingen in die aufstrebende Hauptstadt.'' Verlag Regionalkultur, Heidelberg, 2004, ISBN 3-89735-291-5, S.&nbsp;83–99. * Hermann Hinderer: ''Weinhaus Rheingold.'' In: ''Der Baumeister'', 5 (1907), Heft 7, S.&nbsp;73–84, S.&nbsp;87–91. * Karl-Heinz Hüter: ''Architektur in Berlin.'' Kohlhammer, Stuttgart 1988, ISBN 3-17-009732-6, S.&nbsp;46–48. * Theodor Heuss: ''Rheingold von Bruno Schmitz.'' In: ''Neudeutsche Bauzeitung'', 3 (1907), S.&nbsp;145–148. * Leo Nachtlicht: ''Weinhaus Rheingold in Berlin.'' In: ''Berliner Architekturwelt'', 10 (1908), S.&nbsp;5–40; [http://opus.kobv.de/zlb/volltexte/2006/495/ Digitalisat 13.259&nbsp;KB]. * Julius Posener: ''Berlin auf dem Wege zu einer neuen Architektur: das Zeitalter Wilhelms&nbsp;II.'' Prestel, München 1979, ISBN 3-7913-0419-4, S.&nbsp;85, S.&nbsp;100–105. * Maximilian Rapsilber: ''Das Weinhaus Rheingold.'' In: ''Der Profanbau'', 3 (1907), S.&nbsp;94–100, S.&nbsp;105–108, S.&nbsp;117–119, S.&nbsp;138–143. * Hans Schliepmann: ''Bruno Schmitz.'' [XIII. Sonderheft der Berliner Architekturwelt.] Verlag Ernst Wasmuth, Berlin 1913, S.&nbsp;VIII. * Hans Schliepmann: ''„Haus Rheingold“ in Berlin. Eine Meisterschöpfung von Bruno Schmitz.'' In: ''Deutsche Kunst und Dekoration. Illustrierte Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst und künstlerische Frauenarbeiten.'' Darmstadt 1907, S.&nbsp;1–60. * ''Der Neubau des Weinhauses „Rheingold“ der Aktien-Gesellschaft Aschinger in der Bellevue- und der Potsdamer Straße zu Berlin.'' In: ''Deutsche Bauzeitung'', 41 (1907), S.&nbsp;85–89, S.&nbsp;111–112, S.&nbsp;121–125, S.&nbsp;257–259, S.&nbsp;261–265, S.&nbsp;269–273. * o.V.: ''Die Metallarbeiten im Weinrestaurant Rheingold, Bellevue und Potsdamer Straße in Berlin.'' In: ''Bautechnische Zeitschrift'', 23 (1908), S.&nbsp;107, S.&nbsp;196–200. == Weblinks == {{Commons|Weinhaus Rheingold}} * [http://architekturmuseum.ub.tu-berlin.de/index.php?set=1&p=61&D1=Schmitz&D2=Bruno&D3=Weinrestaurant+Aschinger+%28Weinhaus+Rheingold%29%2C+Berlin-Tiergarten Entwurfszeichnungen im Architekturmuseum der TU Berlin] * [http://www.potsdamer-platz.org/weinhaus_rheingold.htm Weinhaus Rheingold bei www.potsdamer-platz.org] == Einzelnachweise == <references /> {{Exzellent|26.5.2009|60198831}} {{Coordinate|article=/|NS=52/30/34.27/N|EW=13/22/30.54/E|type=landmark|region=DE-BE}} [[Kategorie:Berlin-Tiergarten]] [[Kategorie:Bauwerk in Berlin|Weinhaus Rheingold]] [[Kategorie:Ehemaliges Gebäude]] [[Kategorie:Gastronomiebetrieb]] [[Kategorie:Erbaut in den 1900er Jahren]] oh0qvri1qp3kt16bxrdm1wwl8v662jd wikitext text/x-wiki Weinsberg 0 24493 28173 27095 2010-12-05T20:16:07Z 188.195.144.200 /* Klima */ linkfix {{Dieser Artikel|behandelt die Stadt Weinsberg; zu anderen Bedeutungen siehe [[Weinsberg (Begriffsklärung)]].}} {{Infobox Gemeinde in Deutschland |Art = Stadt |Wappen = Wappen Weinsberg.svg |Breitengrad = 49/9/6.5/N |Längengrad = 9/17/8.5/E |Lageplan = Weinsberg in HN.png |Bundesland = Baden-Württemberg |Regierungsbezirk = Stuttgart |Landkreis = Heilbronn |Gemeindeverwaltungsverband= „Raum Weinsberg“ |Höhe = 219 |Fläche = 22.22 |PLZ = 74189 |PLZ-alt = 7102 |Vorwahl = 07134 |Kfz = HN |Gemeindeschlüssel = 08125102 |NUTS = DE118 |LOCODE = DE WSB |Gliederung = Kernstadt und drei [[Ortschaft]]en |Straße = Rathaus, Marktplatz&nbsp;11 |Website = [http://www.weinsberg.de/ www.weinsberg.de] |Bürgermeister = Stefan Thoma |Partei = parteilos }} '''Weinsberg''' ist eine [[Stadt]] im [[Landkreis Heilbronn]], fünf Kilometer östlich von [[Heilbronn]] im Nordosten [[Baden-Württemberg]]s. Die Stadt wurde um das Jahr 1200 gegründet und hat etwa 11.600 Einwohner (Stand 2007). Sie liegt am Eingang des nach ihr benannten, von der [[Sulm (Neckar)|Sulm]] und ihren Zuflüssen gebildeten Weinsberger Tales zwischen [[Neckar]] und den [[Löwensteiner Berge]]n. Bekannt ist Weinsberg für den [[Weinbau]], der über Jahrhunderte hinweg zentral für die Stadt war und immer noch eine wichtige Rolle spielt, und für die aus dem frühen 11. Jahrhundert stammende [[Burgruine Weibertreu]]. Deren Name ist seit langem unzertrennlich mit den ''Treuen Weibern von Weinsberg'' verknüpft, die im Jahre 1140 ihre zum Tode verurteilten Männer retteten. Heute ist die Stadt der Zentralort des Weinsberger Tales mit ausgeprägter Infrastruktur und ein [[Unterzentrum]] mit [[Mittelzentrum|mittelzentralen]] Funktionen. __TOC__ <br style="clear: both;" /> {| align="center" |- | [[Datei:Weinsberg Panorama 4.jpg|780px|]] |- | align="center" | Weinsberg von Süden. Links der Burgberg, rechts davon die Johanneskirche |} == Geographie == === Geographische Lage === Weinsberg liegt im [[Naturraum]] [[Schwäbisch-Fränkische Waldberge]] im östlichen Landkreis Heilbronn im Nordosten Baden-Württembergs, zwischen dem [[Neckar]] im Westen und den [[Löwensteiner Berge]]n im Osten. In den Löwensteiner Bergen entspringt der kleine Fluss [[Sulm (Neckar)|Sulm]], der nach etwa 20&nbsp;km in den Neckar mündet. Das von der Sulm und ihren Zuflüssen gebildete Tal wird auch Weinsberger Tal genannt. Die Stadt liegt hauptsächlich im und auf den Hängen des Tales des Stadtseebaches (auch Saubach genannt), eines südlichen Zuflusses der Sulm. Die Sulm fließt zwar durch Weinsberger Gebiet, aber nicht durch die Stadt selbst, und nur ein kleiner Teil der Stadt liegt am Rand des Sulmtales im Norden der Stadt. [[Datei:WeinsbergLandkarte.png|thumb|300px|Plan von Weinsberg mit seinen Ortschaften]] Nordwestlich des Stadtkerns erhebt sich der Burgberg mit der Burgruine Weibertreu, westlich davon der Schemelsberg. Beide Berge werden intensiv für den [[Weinbau]] genutzt. Im Osten erstreckt sich das Sulmtal, südlich des bebauten Gebietes das Stadtseebachtal und das Brühltal. Im Süden und Westen grenzt das Stadtgebiet an die ''Heilbronner Berge'', das sind bewaldete Ausläufer der Löwensteiner Berge, die im Osten mit dem Reisberg beginnen und sich über den Hintersberg und die [[Waldheide]] bis zum [[Galgenberg (Heilbronn)|Galgenberg]] und [[Wartberg (Heilbronn)|Wartberg]] im Westen erstrecken. Die Beschreibung des Oberamts Weinsberg von 1861 vermerkt: „Die Lage der Stadt ist im Allgemeinen eine gesunde und sehr milde, gegen Nordwesten durch den Burgberg, an den sie sich anlehnt, gedeckt, gegen Süden den Sonnenstrahlen offen, vor den Nebeln des westlichen Neckarthales durch den dazwischenliegenden Jägerhaus-, Galgen- und Wartberg geschützt.“ An den Wartberg schließt sich im Nordwesten das Tal des Stadtseebaches an, nördlich davon der oben erwähnte Schemelsberg. Das Sulmtal nördlich des Schemelsberges wird von der [[Bundesautobahn 6]] dominiert, die sich nordöstlich der Stadt, unterhalb des Ranzenbergs im Nordosten, mit der [[Bundesautobahn 81|A&nbsp;81]] im Weinsberger Autobahnkreuz trifft. Nördlich des Sulmtals schließt sich die bewaldete ''Sulmer Bergebene'' an. Die A&nbsp;81 Richtung Stuttgart verläuft ungefähr entlang der östlichen Gemarkungsgrenze Weinsbergs. Der tiefste Punkt der Gemarkung liegt mit {{Höhe|166|DE-NN}} an der Sulm, in den Weißenhofwiesen an der Grenze zu Erlenbach, der höchste mit {{Höhe|338|DE-NN}} am Nordhang des Reisberges an der südöstlichen Gemarkungsgrenze zu Heilbronn.<ref>Quellen: ''Das Land Baden-Württemberg. Amtliche Beschreibung nach Kreisen und Gemeinden''. Band II. Kohlhammer, Stuttgart 1975, ISBN 3-17-002349-7. S.&nbsp;134.<br />Dass. Band IV. Kohlhammer, Stuttgart 1980, ISBN 3-17-005708-1. S.&nbsp;142ff.<br />Topographische Karte 1:25 000, Nr. 6821 Heilbronn, 3. Auflage 2001<br />Stadtverwaltung Weinsberg per E-Mail vom 30.&nbsp;Oktober 2006<br />''Naturräume Baden-Württembergs''. Landesanstalt für Umwelt, Messungen und Naturschutz Baden-Württemberg, Stuttgart 2009</ref> === Geologie === [[Datei:Weinsberg Geologische Schichten Burgberg Mai 2005.jpg|thumb|left|[[Bankung|Gebankte]] geologische Schichten am Burgberg]] Weinsberg liegt am Rand der [[Keuper]]stufe der Löwensteiner Berge, deren Ausläufer sich bis nach [[Neckarsulm]] und [[Öhringen]] erstrecken. Der Burgberg und der Schemelsberg sind [[Zeugenberg]]e, die Sulm und Stadtseebach vom restlichen Gebirgsstock abgetrennt haben. Beide haben eine Schicht aus [[Stuttgart-Formation|Schilfsandstein]], der auch zum Bau der [[Burgruine Weibertreu|Burg]] und der [[Johanneskirche (Weinsberg)|Johanneskirche]] verwendet wurde. Am Burgberg wurde von 1811 bis 1867 [[Gips]] abgebaut. Das Loch, das der Gipsabbau im Berg hinterlassen hatte, wurde in den 1950er-Jahren wieder zugeschüttet und in [[Weinberg]]e der örtlichen [[Staatliche Lehr- und Versuchsanstalt für Wein- und Obstbau Weinsberg|Weinbauschule]] umgewandelt. Im Umkreis von Weinsberg wurden früher an die zehn Schilfsandsteinbrüche betrieben. Auch in Weinsberg gab es an der südwestlichen Grenze zu Heilbronn sowie auf dem Burgberg Steinbrüche (letzterer allerdings sehr klein). [[Datei:Weinsberg Lage Stadtteile.png|200px|right]] === Ausdehnung des Stadtgebiets === Das Weinsberger Stadtgebiet umfasst 22,20&nbsp;km², wovon 13,94&nbsp;km² auf Weinsberg, 3,36&nbsp;km² auf Gellmersbach, 2,10&nbsp;km² auf Grantschen und 2,80&nbsp;km² auf Wimmental entfallen <small>(Stand: 30. Juni 2009).</small><ref name="Jahrbuch 2009">Quelle: ''Jahrbuch für die Stadt Weinsberg 2009'', S. 103</ref> Seit den Eingemeindungen kann die Form des Stadtgebietes am ehesten mit einem unregelmäßigen (Griechischen) Kreuz verglichen werden, wobei Weinsberg selbst den kurzen West- und den verdickten Südbalken darstellt, Gellmersbach den Nordbalken und Grantschen und Wimmental den verlängerten Ostbalken. Die Ausdehnung in Nord-Süd-Richtung beträgt etwa 8,6&nbsp;km, in West-Ost-Richtung etwa 9,3&nbsp;km. In den Jahren 1957 sowie 1988–2008 verteilte sich die Flächennutzung wie folgt <small>''(Flächenangaben in ha, Quelle 1957:''<ref>''Jahrbuch für die Stadt Weinsberg 1958''</ref>; ''1988–2008:''<ref name="SRDB">[http://www.statistik.baden-wuerttemberg.de/SRDB/ Struktur- und Regionaldatenbank des Statistischen Landesamts Baden-Württemberg] (abgerufen am 27.&nbsp;Dezember 2009)</ref>''):''</small> <br style="clear:both;" /> <div align="center"> {| class="prettytable" ! bgcolor="#e0e0e0" | ! bgcolor="#e0e0e0" |1957 ! bgcolor="#e0e0e0" |% ! bgcolor="#e0e0e0" |1988 ! bgcolor="#e0e0e0" |% ! bgcolor="#e0e0e0" |1992 ! bgcolor="#e0e0e0" |% ! bgcolor="#e0e0e0" |1996 ! bgcolor="#e0e0e0" |% ! bgcolor="#e0e0e0" |2000 ! bgcolor="#e0e0e0" |% ! bgcolor="#e0e0e0" |2004 ! bgcolor="#e0e0e0" |% ! bgcolor="#e0e0e0" |2008 ! bgcolor="#e0e0e0" |% |-align="right" !align="left" bgcolor="#e0e0e0" |Gesamtfläche |1.429 |100,00 |2.223 |100,0 |2.222 |100,0 |2.222 |100,0 |2.221 |100,0 |2.222 |100,0 |2.222 |100,0 |-align="right" |align="left" bgcolor="#e0e0e0" |Siedlungs- und <br />Verkehrsfläche |155,9 |10,90 |515 |23,2 |546 |24,6 |567 |25,5 |595 |26,8 |615 |27,7 |640 |28,8 |-align="right" |align="left" bgcolor="#e0e0e0"|Landwirtschaftsfläche |750,9 |52,50 |1.186 |53,4 |1.122 |50,5 |1.100 |49,5 |1.068 |48,1 |1.048 |47,1 |1.031 |46,4 |-align="right" |align="left" bgcolor="#e0e0e0" |Waldfläche |496,1 |34,70 |494 |22,2 |529 |23,8 |529 |23,8 |528 |23,8 |528 |23,7 |527 |23,7 |-align="right" |align="left" bgcolor="#e0e0e0"|Wasserfläche |6,5 |0,45 |10 |0,5 |12 |0,5 |12 |0,5 |13 |0,6 |13 |0,6 |13 |0,6 |-align="right" |align="left" bgcolor="#e0e0e0"|Übrige Nutzungsarten |19,6 |1,37 |17 |0,8 |13 |0,6 |14 |0,6 |17 |0,8 |18 |0,8 |11 |0,5 |} </div> Die Siedlungsfläche nimmt kontinuierlich zu, da Weinsberg nach wie vor Baugebiete ausweist. Im Umkehrschluss nimmt die landwirtschaftlich genutzte Fläche ab. [[Datei:Weinsberg Schemelsberg 20070725.jpg|thumb|Blick vom Heilbronner Wartberg auf den Schemelsberg. Rechts der Burgberg]] Der städtische Waldbesitz beträgt insgesamt 567&nbsp;ha. Neben 426&nbsp;ha Wald auf den Markungen Weinsbergs und seiner Ortschaften besitzt die Stadt auch noch 141&nbsp;ha Wald auf der Markung von [[Gemmingen]], der am 29. Juli 1936 erworben wurde, als Ausgleich für Weinsberger Gebietsabgaben an den Staat für Militärzwecke (Erweiterung des Heilbronner Exerzierplatzes auf der [[Waldheide]]). === Nachbargemeinden === Nachbarorte Weinsbergs sind (im [[Drehrichtung|Uhrzeigersinn]], beginnend im Westen): die Stadt [[Heilbronn]] ([[Kreisfreie Stadt|Stadtkreis]]) und die Gemeinden [[Erlenbach (Landkreis Heilbronn)|Erlenbach]], [[Eberstadt (Württemberg)|Eberstadt]], [[Bretzfeld]] ([[Hohenlohekreis]]), [[Obersulm]], [[Ellhofen]] und [[Lehrensteinsfeld]]. Bis auf Heilbronn und Bretzfeld gehören alle zum Landkreis Heilbronn. Zusammen mit Eberstadt, Ellhofen und Lehrensteinsfeld bildet Weinsberg den ''[[Gemeindeverwaltungsverband „Raum Weinsberg“]]'' mit Sitz in Weinsberg. Für diese vier Gemeinden ist die Stadt Weinsberg als [[Unterzentrum]] mit einzelnen mittelzentralen Funktionen festgelegt; das zugehörige [[Mittelzentrum|Mittel]]- und [[Oberzentrum]] ist die Stadt Heilbronn.<ref>''Regionalplan Heilbronn-Franken 2020''. Regionalverband Heilbronn-Franken, Heilbronn 2006. S. 29–40 (auch als [http://www.regionalverband-heilbronn-franken.de/regionalplan/Regionalplan%202020/Text_und_Karten/Text_2020.pdf PDF])</ref> === Stadtgliederung === {| class="wikitable float-right" ! style="background:#e3e3e3;" |Stadtteil ! style="background:#e3e3e3;" |Eingemeindung ! style="background:#e3e3e3;" |Einwohner<ref name="Jahrbuch 2009" /> ! style="background:#e3e3e3;" |Fläche |- | Weinsberg || align="center" | – || align="center" | 8977 || align="center" | 13,95&nbsp;km² |- | [[Gellmersbach]] || align="center" | 1.&nbsp;Januar 1975 || align="center" | 914 || align="center" | 3,36&nbsp;km² |- | [[Grantschen]] || align="center" | 1.&nbsp;Januar 1973 || align="center" | 810 || align="center" | 2,10&nbsp;km² |- | [[Wimmental]] || align="center" | 1.&nbsp;Januar 1975 || align="center" | 609 || align="center" | 2,79&nbsp;km² |} Weinsberg besteht aus der Kernstadt und den 1973/1975 eingemeindeten [[Ortschaft]]en [[Gellmersbach]], [[Grantschen]] und [[Wimmental]]. Außerhalb der geschlossenen Bebauung befinden sich auch die zu Weinsberg selbst gehörenden [[Wohnplatz|Wohnplätze]] Weißenhof (mit [[Klinikum am Weissenhof|Klinikum]]), Rappenhof und Stöcklesberg, ohne dass es sich dabei jedoch um eigene Ortschaften handelt. Abgegangene, heute nicht mehr bestehende Orte auf Weinsberger Markung sind u.&nbsp;a. Bodelshofen, Burkhardswiesen (bzw. Burchardeswiesen), Holßhofen, In dem Gründe, Lyndach, Uff dem Wier und Wolfshöfle.<ref>Zusätzliche Quelle für den Abschnitt Stadtgliederung: ''Das Land Baden-Württemberg. Amtliche Beschreibung nach Kreisen und Gemeinden. Band IV: Regierungsbezirk Stuttgart, Regionalverbände Franken und Ostwürttemberg.'' Kohlhammer, Stuttgart 1980, ISBN 3-17-005708-1. S. 142–146<br />Dumitrache/Haag: ''Archäologischer Stadtkataster Weinsberg'' (s. Literatur). S. 16ff.</ref> === Klima === [[Datei:Klimadiagramm-metrisch-deutsch-Weinsberg-Deutschland-1961-1990.png|thumb|200px|Klimadiagramm von Weinsberg]] Das [[Klima]] ist durch die geschützte Tallage meistens mild und begünstigt den ausgiebig betriebenen Weinbau. Die jährliche [[Sonnenschein]]dauer beträgt durchschnittlich 1638,7 Stunden.<ref>Jahresdurchschnittswert in der [[Normalperiode]] 1961–1990; Quelle: [[Deutscher Wetterdienst]], siehe [http://www.dwd.de/bvbw/generator/DWDWWW/Content/Oeffentlichkeit/KU/KU2/KU21/klimadaten/german/download__mw__sonne,templateId=raw,property=publicationFile.zip/download_mw_sonne.zip hier] bzw. [http://www.dwd.de/bvbw/appmanager/bvbw/dwdwwwDesktop/?_nfpb=true&_pageLabel=_dwdwww_klima_umwelt_klimadaten_deutschland&T82002gsbDocumentPath=Navigation%2FOeffentlichkeit%2FKlima__Umwelt%2FKlimadaten%2Fkldaten__kostenfrei%2Fausgabe__mittelwerte__node.html__nnn%3Dtrue hier] (abgerufen am 23. April 2008)</ref> Die durchschnittliche Jahres[[temperatur]] lag lt. Jahresberichten<ref>[http://www.landwirtschaft-mlr.baden-wuerttemberg.de/servlet/PB/menu/1120137_l1/index1168341062572.html Jahresberichte der LVWO] ab 1999</ref> der [[Staatliche Lehr- und Versuchsanstalt für Wein- und Obstbau Weinsberg|Weinbauschule Weinsberg]] in der [[Normalperiode]] 1961–1990 bei 9,6&nbsp;°C, der jährliche [[Niederschlag]] bei 740&nbsp;mm. Für die Periode 1971–2000 liegen diese Werte bei 10,0&nbsp;°C und 738,4&nbsp;mm, 2002 bei 11,1&nbsp;°C und 959&nbsp;mm. Der [[Januar]] hatte von 1961 bis 1990 durchschnittlich 0,6&nbsp;°C bei 57&nbsp;mm Niederschlag, 1971–2000 1,4&nbsp;°C bei 51,7&nbsp;mm und 2002 0,8&nbsp;°C bei 21&nbsp;mm. Der [[Juli]] hatte von 1961 bis 1990 durchschnittlich 18,7&nbsp;°C bei 65&nbsp;mm Niederschlag, 1971–2000 19,2&nbsp;°C bei 74,5&nbsp;mm und 2002 18,8&nbsp;°C bei 92&nbsp;mm. Nach Wetterdaten der Weinbauschule hat sich die mittlere Jahrestemperatur in Weinsberg von 1900 bis 2006 von 9,2&nbsp;°C auf 10&nbsp;°C erhöht.<ref>Kilian Krauth: ''Das Klima wandelt auch den Wein''. In: ''[[Heilbronner Stimme]]'' vom 19.&nbsp;Januar 2007, S.&nbsp;38</ref> == Geschichte == [[Datei:Weinsberg Roemerbad Maerz 2005.jpg|thumb|left|Das Römerbad (mit Schutzdach des 20. Jahrhunderts)]] === Vorgeschichte und Altertum === Die früheste bekannte Siedlungsspur in Weinsberg ist eine bislang nicht näher erforschte Gruppe von [[Hügelgrab|Grabhügeln]], die sich im Wald des Gewanns Jungberg befindet, nahe der sogenannten ''Kaiserforche'' an der Stadtgrenze zu Heilbronn. Es wird vermutet, dass die Grabhügel der [[Hallstattzeit]] zuzuordnen sind.<ref>[http://www.regionalverband-heilbronn-franken.de/Kulturdenkmale/maps/text/402.html Eintrag beim Projekt ''Kulturdenkmale in der Region Heilbronn-Franken''] (abgerufen am 13. November 2006)</ref> Im 19. Jahrhundert wurde auf Weinsberger Gemarkung eine [[Kelten|keltische]] Silbermünze (Typ Kreuzmünze) aus dem 2. Jahrhundert v. Chr. gefunden. Die Münzinschrift „V,O,L,C“ kann dem keltischen Stamm der [[Volcae]] zugeordnet werden, die damals u.&nbsp;a. in Süddeutschland lebten. Damit ist zu vermuten, dass sich zu dieser Zeit Kelten zumindest zeitweise im Gebiet des heutigen Weinsberg aufgehalten haben.<ref>Ulrich Maier: ''Siedlungsgeschichte des Unterlandes. Von der Steinzeit bis heute''. Landkreis Heilbronn, Heilbronn 1997 (Schriftenreihe des Landkreises Heilbronn, 4), ISBN 3-9801562-4-9. S.&nbsp;49–53</ref> Die ersten sicher bekannten Siedler auf Weinsberger Gebiet jedoch waren die [[Römisches Reich|Römer]]. Durch das heutige Stadtgebiet verlief im 2. Jahrhundert eine [[Römerstraße]], die vom (ehemaligen) [[Kastell Heilbronn-Böckingen|Kastell Böckingen]] des [[Neckar-Odenwald-Limes|Neckarlimes]] zum [[Kastell Öhringen]] des [[Obergermanisch-Raetischer Limes|Obergermanischen Limes]] führte. An dieser Straße wurde unterhalb des späteren Burgberges zwischen 148 und 161&nbsp;n.&nbsp;Chr. ein römischer Gutshof ''([[villa rustica]])'' errichtet, der bis zur Zerstörung durch [[Alamannen]] 234 oder 259/260 bestand. Das Badehaus dieses Gutshofes (in Weinsberg bekannt als ''[[Römerbad (Weinsberg)|Römerbad]]'') wurde 1906 ausgegraben und konserviert, Teile des restlichen Gutshofes 1977. === Mittelalter === [[Datei:Weinsberg Burgberg 20060905.jpg|thumb|Der Burgberg mit der Burgruine von Westen]] Die Alamannen wurden um 500 von den [[Franken (Volk)|Franken]] verdrängt, die im 7. Jahrhundert auf Weinsberger Gemarkung westlich des Weißenhofes, zwischen Erlenbach und Gellmersbach, siedelten. 778 wurde die Gegend um Weinsberg als Sulmanachgowe ([[Sulmgau]], Hauptort vermutlich Neckarsulm) in einer Schenkungsurkunde [[Karl der Große|Karls des Großen]] an das [[Kloster Lorsch]] erstmals erwähnt. Auf dem heutigen Gebiet der Stadt Weinsberg sind mehrere mittelalterliche Siedlungen (Bodelshofen, Burchardeswiesen, Lyndach u.&nbsp;a.) nachweisbar, die teilweise auch nach der Stadtgründung noch weiterbestanden, dann aber nach und nach aufgegeben wurden. Vermutlich um das Jahr 1000 wurde die [[Burgruine Weibertreu|Burg Weinsberg]] als [[Reichsburg]] auf einem Berg an der [[Handelsstraße]] von Heilbronn nach [[Schwäbisch Hall]] errichtet. 1140 wurde die Burg von König [[Konrad III. (HRR)|Konrad III.]] im Zuge der Auseinandersetzung zwischen [[Staufer]]n und [[Welfen]] belagert und musste sich, nachdem das zu ihrer Befreiung herangeführte Entsatzheer [[Welf VI.|Welfs VI.]] von den Staufern in einer Schlacht besiegt worden war, schließlich am 21. Dezember 1140 ergeben. Dem Bericht der [[Chronica regia Coloniensis|Kölner Königschronik]] zufolge wurde den Frauen auf der Burg freier Abzug gewährt unter Mitnahme von dem, was jede tragen könne. Sie trugen ihre Männer herab, denen sie so das Leben retteten, da der König sich an sein Wort hielt. Die Frauen wurden als Treue Weiber bekannt. Die Burg (heute Ruine) heißt aufgrund dieser Begebenheit Weibertreu. [[Datei:Weiber von Weinsberg Zacharias Dolendo 16 Jhdt.jpg|thumb|left|Phantastische Darstellung der Belagerung der Burg Weinsberg und der Treuen Weiber 1140. Kupferstich von [[Zacharias Dolendo]] nach [[Jacques de Gheyn II]], spätes 16. Jahrhundert]] Die Staufer setzten eine [[Ministeriale]]nfamilie aus dem [[Schwäbisch Gmünd|Gmünder]] Raum (Sitz in Lindach) als Verwalter auf der Burg ein, die sich bald nach ihrem Sitz „von Weinsberg“ ([[Herren von Weinsberg]]) nannte und bis 1450 die Burg als [[Lehnswesen|Reichslehen]] innehatte (mit Unterbrechungen im Nutzungsrecht). Es entstand eine Vorburgsiedlung an den Hängen des Burgberges. Eine an der Handelsstraße im Tal gelegene Marktsiedlung diente der Versorgung der Burg und der umliegenden Ortschaften. Um 1200 wurde auf Veranlassung der Herren von Weinsberg auch mit dem Bau der [[Johanneskirche (Weinsberg)|Johanneskirche]] zwischen diesen beiden Siedlungen begonnen. Zur gleichen Zeit wurde vermutlich auch die Stadt Weinsberg gegründet und mit einer [[Stadtmauer]] umgeben. 1241 setzt die schriftliche Überlieferung ein mit der Erwähnung der Stadt in einem staufischen Einkünfteverzeichnis (sogenannte Reichssteuerliste), in dem Weinsberg an 29. Stelle aufgeführt ist, ebenbürtig mit [[Donauwörth]], [[Wiesbaden]], [[Offenburg]] und [[Konstanz]]. Wann Weinsberg das Stadtrecht erlangte, ist unbekannt. Es muss aber vor 1283 gewesen sein, da in diesem Jahr König [[Rudolf I. (HRR)|Rudolf I.]] der Stadt [[Löwenstein]] das Stadtrecht verleiht nach dem Vorbild des Stadtrechtes, das seine Vorgänger der Stadt Weinsberg verliehen hatten. Zu Beginn war Weinsberg zur Hälfte [[Reichsstadt]], zur anderen Hälfte im Besitz der auf der Burg Weinsberg residierenden Herren von Weinsberg, die in der Stadt umfangreiche Rechte wie etwa das Kelterrecht, das Badstubenrecht und das Recht auf die Besetzung des [[Schultheiß]]enamtes hatten. Diese Rechte und das Beharren der Stadt auf ihrem Status als Reichsstadt, den sie durch Beitritt zu verschiedenen [[Städtebund|Städtebünden]] bekräftigte, führten zu zahlreichen Streitereien zwischen Stadt und Herren. [[Datei:Weinsberg Johanneskirche von NW 2006 05 07.jpg|thumb|Die nordwestliche Ecke der Altstadt mit der Johanneskirche und Resten der Stadtmauer]] Die im frühen 13. Jahrhundert errichtete Stadtmauer um die Stadt schloss ursprünglich durch Schenkelmauern auch die Burg im Nordwesten mit ein. Im Gebiet zwischen diesen Schenkelmauern, unmittelbar unterhalb der Burg, standen Häuser für Priester, Ministeriale und Leibeigene der Herren. Vermutlich 1332 zerstörten die Weinsberger Bürger diesen Stadtteil und schlossen die Stadt im Westen gegenüber der Burg ab, wie Urkunden aus dem Jahr 1375 aussagen. In Ausnutzung der Abwesenheit zweier der drei Burgherren und gegen den Widerstand des dritten errichteten sie eine Mauer zwischen Burg und Stadt mit einem davorliegenden Graben, der als Burgweg heute noch existiert. Die Schenkelmauern wurden vermutlich gleichzeitig abgebrochen.<ref>Simon M. Haag, Helmut Deininger, Manfred Wiedmann: ''Die Schenkelmauern zwischen Burg und Stadt Weinsberg und die Vorburgsiedlung oder die Unterstützung historischer Forschung durch neuere naturwissenschaftliche Errungenschaften''. In: ''Württembergisch Franken 84''. Historischer Verein für Württembergisch Franken, Schwäbisch Hall 2000. S.&nbsp;[75]–101</ref> Die Streitereien mit den Herren dauerten an. Schließlich, am 22.&nbsp;Mai 1417, belehnte König [[Sigismund (HRR)|Sigismund]] seinen [[Kämmerer|Reichserbkämmerer]] [[Konrad IX. (Weinsberg)|Konrad IX. von Weinsberg]] mit der Stadt Weinsberg, die damit vom Status einer Reichsstadt zu einer den Weinsberger Herren unterstellten Landstadt abgewertet worden wäre. Die Stadt suchte Schutz in einem weiteren Städtebund, dem Weinsberger Bund vom 27. November 1420, in dem sich 33 Reichsstädte zum Schutz der Stadt Weinsberg zusammenschlossen. Weil die Stadt sich weigerte, seine Herrschaft anzuerkennen, und auch die ihm zustehenden Abgaben nicht mehr zahlte, bewirkte Konrad IX. beim königlichen Hofgericht die am 10. Februar 1422 vom König bestätigte [[Reichsacht|Acht]] über die volljährigen Bürger. Weil diese nichts bewirkte, folgte 1425 die Aberacht. Außerdem verhängte der Papst&nbsp;– vermutlich [[Martin V.]]&nbsp;– 1424 den [[Anathema|Kirchenbann]] über sie. All das nutzte jedoch nichts, und Konrad griff zu drastischeren Maßnahmen. Er wollte die mit Weinsberg verbündeten schwäbischen Städte schädigen und erwarb zu diesem Zweck (durch Tausch gegen [[Weikersheim]] mit Pfalzgraf [[Otto I. (Pfalz-Mosbach)|Otto I. von Pfalz-Mosbach]]) die Stadt [[Sinsheim]], durch die einer der Hauptwege zur [[Messe Frankfurt|Frankfurter Messe]] führte, an dem er damit Rechte erwarb. Im August 1428 überfiel er in Sinsheim zur Messe ziehende Kaufleute und setzte 149 Kaufleute aus 20 mit Weinsberg verbündeten Städten fest, davon allein 37 aus [[Ulm]]. Die Frankfurter Messe musste ausfallen. Der König empfand das als persönliche Beleidigung und entzog Konrad seine Gunst. Die Städte einigten sich zwar im Oktober 1428 in [[Heidelberg]] mit Konrad, der König verbot ihnen aber diese Einigung. Erst 1430 kam es zu einem neuerlichen Vergleich der Parteien auf Grundlage der zwei Jahre zuvor in Heidelberg erzielten Einigung, dem der König nun zustimmte. In diesem Vertrag musste Konrad die Stadt Weinsberg als (ungeteilte) Reichsstadt anerkennen. [[Datei:Weinsberg 1578.jpg|thumb|left|Eine frühe Ansicht von Burg und Stadt. Ausschnitt aus einer Karte von 1578]] Bereits 1440 verlor Weinsberg im Zug der [[Bebenburger Fehde]] den Status der Reichsstadt wieder. Bei dieser Fehde, die 1435 über die Besetzung einer Pfarrerstelle in [[Wolpertshausen|Reinsberg]] bei [[Schwäbisch Hall]] ausgebrochen war, standen der [[Bistum Würzburg|Würzburger Bischof]] und sein Stiftshauptmann Kunz von Bebenburg der Reichsstadt Hall und den mit ihr verbündeten Städten, darunter Weinsberg, gegenüber. Die Haller ließen unter Berufung auf ihre kaiserlichen Privilegien Reiter der Gegenseite als Friedensbrecher aburteilen und aufhängen, wurden dafür aber vor dem Landgericht in [[Würzburg]] und [[Nürnberg]] verurteilt. Kunz von Bebenburg warb Bundesgenossen gegen die Städte und ging in einer Kette von einzelnen [[Fehde]]n, die bis 1446 andauerten, gegen sie vor. Der 1596 in Frankfurt am Main erschienenen Schwäbischen Chronik ''(Paraleipomenos Rerum Sueuicarum Liber)'' des Tübinger Professors [[Martin Crusius]] zufolge soll es einer Schar von Rittern unter Führung von Kunz von Bebenburg und Hans von Urbach am 2.&nbsp;September 1440 gelungen sein, einige Männer in einem großen Weinfass („Trojanisches Fass“) in die Stadt Weinsberg zu schmuggeln, die dann die Tore öffneten und so die Einnahme der Stadt ermöglichten. Am 16. September 1440 verkauften sie die Stadt für 3.000 Gulden an den Pfalzgrafen [[Ludwig IV. (Pfalz)|Ludwig bei Rhein]]. Da die mit Weinsberg verbündeten Städte die von diesem geforderte Auslöse von 7.966 Gulden nicht aufbringen konnte, wurde die Stadt Teil der [[Kurpfalz]].<ref>Simon M. Haag: ''„Jtem de Winsberc LX mr.“ Ausgewählte Urkunden im Bild zur Weinsberger Geschichte''. In: ''Jahrbuch für die Stadt Weinsberg 1996'', S.&nbsp;311–321</ref> 1450 kaufte Pfalzgraf [[Friedrich I. (Pfalz)|Friedrich]] den Herren von Weinsberg die Burg und die ihnen noch verbliebenen Rechte in der Stadt ab und war damit alleiniger Besitzer Weinsbergs. Im Frühjahr 1460 konnte der kurpfälzische Amtmann Weinsbergs, [[Lutz Schott von Schottenstein]], im Bündnis mit Bürgern der Reichsstädte Heilbronn und Wimpfen die Stadt Weinsberg gegen ein Heer des Grafen [[Ulrich V. (Württemberg)|Ulrich V. von Württemberg]] verteidigen, der sich im Krieg mit dem Pfalzgrafen und Kurfürsten [[Friedrich I. (Pfalz)|Friedrich I.]] befand und mit 2000 bis 3000 Mann vom [[Kloster Maulbronn]] her anrückte. Nach einem Bericht der ''Speyerischen Chronik'' verschanzten sich Schott und seine Verbündeten im Gelände und verteidigten Weinsberg erfolgreich, wobei sie außer zwei Rittern und weiteren 60 Mann auch [[Hans von Rechberg]] und einen [[Grafen von Helfenstein]] erschossen.<ref>Simon M. Haag: ''Aufstieg und Fall des ritterbürtigen Weinsberger Amtmanns Lutz Schott (1455–1484)''. In: ''Jahrbuch für die Stadt Weinsberg 1997'', S.&nbsp;277–289</ref> === 16. bis 19. Jahrhundert === 1504 eroberte Herzog [[Ulrich (Württemberg)|Ulrich von Württemberg]] im [[Landshuter Erbfolgekrieg]] Burg und Stadt Weinsberg nach dreiwöchiger Belagerung. Mit dem Uracher Vertrag von 1512 zwischen der Kurpfalz und Württemberg wurde Weinsberg dann auch offiziell [[Württemberg|württembergisch]]. 1520 wurde es wie ganz Württemberg [[Österreich|österreichisch]] (bis 1534). [[Datei:Graefin Helfenstein von Matthaeus Merian d Ae.jpg|thumb|Die Gräfin Helfenstein bittet um Gnade für ihren Mann. Stich von [[Matthäus Merian]] d. Ä.]] Im [[Deutscher Bauernkrieg|Bauernkrieg]] wurden am 16.&nbsp;April 1525, [[Ostersonntag]], Burg und Stadt von aufständischen Bauern eingenommen. Die Burg wurde geplündert und angezündet und ist seitdem Ruine. Der in Weinsberg gefangen genommene Graf Ludwig Helferich [[Grafen von Helfenstein|von Helfenstein]], Amtmann von Weinsberg und [[Vogt|Obervogt]] über alle württembergische Bauern, wurde vor den Stadtmauern mitsamt seinen Rittern und [[Reisiger|Reisigen]] von den Bauern [[Spießrutenlaufen|durch die Spieße gejagt]] und getötet. Dieses [[Weinsberger Bluttat|Weinsberger Blut-Ostern]] zog die Vergeltung des [[Schwäbischer Bund|Schwäbischen Bundes]] nach sich, der Weinsberg am 21.&nbsp;Mai niederbrennen ließ. Die Stadt verlor ihre Freiheiten und das Stadtrecht, ihre Einkünfte gingen künftig direkt an die Obrigkeit. Die Bürger mussten eine jährliche Buße von 200 Gulden zahlen. Bis 1534 wurden zudem Sühnegelder für die Hinterbliebenen Helfensteins von den Weinsbergern eingetrieben. Es wurde verboten, die zerstörten Häuser wieder aufzubauen; das Verbot wurde aber noch im selben Jahr wieder aufgehoben. Der [[Urfehde]]brief vom 17.&nbsp;November 1525, der dieses Verbot aufhob, bestimmte auch, dass die gesamte Stadtmauer mitsamt Türmen geschleift werden sollte, was aber nicht geschah. Nach der Rückkehr Ulrichs nach Württemberg 1534 huldigte ihm Weinsberg und nannte sich fortan wieder Stadt, wenngleich ein (neues, württembergisches) Stadtrecht erst 1553 von Herzog [[Christoph (Württemberg)|Christoph]] wieder verliehen wurde. Im [[Schmalkaldischer Krieg|Schmalkaldischen Krieg]] wurde Weinsberg am 21. Dezember 1546 von Kaiser [[Karl V. (HRR)|Karl V.]] ohne Kampfhandlungen eingenommen. In der Folge lagen von November 1549 bis Oktober 1551 spanische Truppen in der Stadt. Danach kehrte für mehrere Jahrzehnte Ruhe ein, die nur durch den Durchzug von Infektionskrankheiten&nbsp;– ''[[Englischer Schweiß]]'' ''(sudor anglicus)'' im Jahre 1529, [[Pest]] in den Jahren 1571, 1585, 1597 und 1612&nbsp;– gestört wurde. [[Datei:Weinsberg Stadtbrand 1707 Inschrift 20060909.jpg|thumb|left|An den Stadtbrand von 1707 erinnernde Inschrift über der Hofeinfahrt des ehemaligen Gasthauses ''Zur Sonne'' am Marktplatz]] Im [[Dreißigjähriger Krieg|Dreißigjährigen Krieg]] lagen dann mehrfach Soldaten in Weinsberg. Im September 1634 fielen kaiserliche Truppen ein, plünderten die Stadt und ermordeten zehn Menschen. 1625 und 1635 suchte erneut die Pest die Stadt heim, die bis 1640 fast zwei Drittel ihrer Einwohner verlor. Ebenfalls 1635 schenkte Kaiser [[Ferdinand II. (HRR)|Ferdinand II.]] Stadt und Amt Weinsberg dem Grafen [[Maximilian von und zu Trauttmansdorff]], der beide 1646 an Württemberg zurückgab. Aufgrund dieser Episode nennen sich seine Nachfahren bis heute von Trauttmansdorff-Weinsberg. 1649 bis 1742 gehörte Weinsberg (zusammen mit [[Möckmühl]] und [[Neuenstadt am Kocher]]) hälftig zur Herrschaft [[Württemberg-Neuenstadt]]. Während dieser Zeit wurde die Stadt am 19. August 1707 durch einen großen Brand zu zwei Dritteln zerstört und danach innerhalb weniger Jahre wieder aufgebaut, wobei das mittelalterliche Stadtbild mit engen Gassen wegen der Weiterverwendung der für den Weinbau wichtigen Keller weitgehend erhalten blieb&nbsp;– trotz anderer Wünsche der mit dem Wiederaufbau befassten herzoglichen Baumeister, die ihre barocken Ideale der geraden, breiten Straßen als [[Sichtachse]]n nur am Marktplatz durchsetzen konnten. 1755 wurde Weinsberg Sitz eines [[Oberamt (Württemberg)|Oberamtes]] ([[Oberamt Weinsberg]]). [[Datei:Weinsberg um 1803 1909 Lithographie-2.jpg|thumb|upright=1.17|Weinsberg zu Beginn des 19. Jahrhunderts]] 1817 setzte in der Stadt eine [[Auswanderung]]swelle vor allem nach Nordamerika ein, die bis ins späte 19. Jahrhundert anhielt. Die Gründe waren zum einen wirtschaftlicher Art (zum Beispiel durch Missernten verursachte Not), zum anderen aber auch politischer Natur. Der später berühmte Nationalökonom [[Friedrich List]], damals noch württembergischer Rechnungsrat, wurde im Frühjahr 1817 nach Weinsberg geschickt, um die Gründe der Auswanderungswilligen zu erforschen. Ihm wurden hauptsächlich Bedrückung durch Feudalrechte (zum Beispiel [[Frondienst|Fronen]]) oder persönliche Bedrückung durch willkürlich handelnde Beamte genannt. Lists Bericht an die Regierung in Stuttgart findet seinen Höhepunkt in der Aussage, die Auswanderer „wollen lieber sklaven in Amerika seyn als bürger in Weinsperg“. Erst Jahrzehnte später, 1892, wurde in Weinsberg die letzte Auswanderung nach Nordamerika verzeichnet. Die [[Industrialisierung]] und der damit verbundene Wirtschaftsaufschwung verbesserten die Lage der Bürger. [[Datei:Seracher Dichterkreis.jpg|thumb|left|Kerners Freundeskreis in seinem Garten]] Von 1819 bis zu seinem Tod 1862 lebte der Dichter und Arzt [[Justinus Kerner]] in Weinsberg. In seinem 1822 erbauten Haus, dem [[Kernerhaus]], trafen sich oft mit ihm befreundete Dichter wie [[Ludwig Uhland]], [[Gustav Schwab]] und [[Nikolaus Lenau]] und bescherten Weinsberg so den Ruf, ein „schwäbisches [[Weimarer Klassik|Weimar]]“ zu sein. Auch in der Heimat- und Denkmalpflege war Kerner tätig; er verhinderte den weiteren Abbruch der Burgruine, die im Laufe der Jahrhunderte verfallen und von den Weinsbergern als billige Steinquelle genutzt worden war. Für die weitere Instandhaltung der Burg gründete Kerner zusammen mit 142 Weinsberger Frauen den Frauenverein Weinsberg, der 1824 vom württembergischen König [[Wilhelm I. (Württemberg)|Wilhelm I.]] mit der Burgruine belehnt wurde und sie noch heute besitzt (jetzt unter dem Namen Justinus-Kerner-Verein und Frauenverein Weinsberg). 1860 bis 1862 wurde die Eisenbahnlinie von [[Heilbronn]] über Weinsberg nach [[Schwäbisch Hall]] ([[Hohenlohebahn]]) gebaut, bis 1867 deren Fortsetzung nach [[Crailsheim]]. Die Eisenbahn brachte den Fortschritt und mit einiger Verzögerung auch wirtschaftliche Prosperität in die Stadt. 1868 wurde nach jahrelangen Vorbereitungen eine [[Staatliche Lehr- und Versuchsanstalt für Wein- und Obstbau Weinsberg|Königliche Weinbauschule]] in Weinsberg eingerichtet, die unter anderem Namen bis heute besteht. === Seit Beginn des 20. Jahrhunderts bis zum Zweiten Weltkrieg === [[Datei:Weinsberg 1892.jpg|thumb|Weinsberg 1892]] Das erste Viertel des 20. Jahrhunderts sah die Gründung einiger Unternehmen, die sich hauptsächlich in zwei neu angelegten Gewerbegebieten in der Nähe des Bahnhofs ansiedelten und Güter wie Ziegel, Tabak und Möbel produzierten. 1903 wurde etwas außerhalb des Stadtgebietes die neu gebaute Königliche Heilanstalt (für Geisteskranke) eröffnet, die als [[Klinikum am Weissenhof]] heute der größte Arbeitgeber in der Stadt ist. 1900 gab es erste Schritte zu einer modernen Wasserversorgung, 1904 wurde ein städtisches Gaswerk errichtet, und ab 1912 war Weinsberg an das Stromnetz angeschlossen. Nach mehreren gescheiterten Versuchen unternahm es die württembergische Regierung 1923 erneut, die Zahl der Oberämter zu verringern. Auch diese Reform scheiterte und führte zum Rücktritt der Regierung. Die weitere politische Debatte führte schließlich zu einer Mini-Reform, der 1926 als einziges Oberamt das Oberamt Weinsberg zum Opfer fiel, das mit Wirkung vom 1.&nbsp;April gegen den heftigen Protest der Weinsberger aufgelöst und auf die umliegenden Oberämter verteilt wurde. Weinsberg selbst wurde dem [[Oberamt Heilbronn]] zugeteilt. Die ehemalige Oberamtsstadt verlor an Bedeutung, die Heilbronn im Gegenzug dazugewann. Die Veränderung von Staat und Gesellschaft zur [[Zeit des Nationalsozialismus]] blieb auch in Weinsberg nicht ohne Folgen. Die Stadt versuchte, den 1926 durch die Auflösung des Oberamtes erlittenen Bedeutungsverlust durch neue Funktionen im nationalsozialistischen Staat zu kompensieren. So wurde 1934 der Plan verfolgt, Weinsberg zur „Hauptstadt der deutschen Frauentreue“ ernennen zu lassen. Ein diesbezüglicher Vorstoß bei [[Joseph Goebbels]] scheiterte jedoch. Ebenso wenig von Erfolg gekrönt war der 1936 von Bürgermeister Weinbrenner an die Reichsfrauenführerin [[Gertrud Scholtz-Klink]] gerichtete Vorschlag, auf der Burgruine Weibertreu eine Schulungsstätte der [[NS-Frauenschaft]] einzurichten und die Burg so „gleichsam zur Walhalla der deutschen Frauen“ zu erheben. Zum 800. Jahrestag der Treu-Weiber-Begebenheit im Jahr 1940 wurden ab 1938 große Festlichkeiten geplant, anlässlich derer die Burg doch noch als „Walhalla der deutschen Frau“ an die Reichsfrauenführerin übergeben werden sollte. Der Beginn des Krieges am 1.&nbsp;September 1939 machte die Planungen zunichte.<ref>Rosemarie Wildermuth: ''„Zweimal ist kein Traum zu träumen“. Die Weiber von Weinsberg und die Weibertreu''. Deutsche Schillergesellschaft, Marbach 1990 (Marbacher Magazin; 53)</ref> [[Datei:Plan Weinsberg 1914 von Karl Burkhardt AM.png|thumb|left|Historischer Stadtplan von Weinsberg, um 1914]] Das Militär ließ sich verstärkt in und um Weinsberg nieder. 1934 sollte der Exerzierplatz auf der [[Waldheide]] zwischen Heilbronn und Weinsberg vergrößert werden, wozu Weinsberg 80&nbsp;ha Wald unentgeltlich abgeben sollte. Die Stadt konnte jedoch erreichen, dass zwar 66&nbsp;ha Wald abgegeben werden mussten, aber nicht umsonst, sondern im Wege des regulären Verkaufs. Vom Erlös wurden 1936 141&nbsp;ha Wald auf Gemarkung [[Gemmingen]] gekauft, die auch 70 Jahre danach noch im Besitz der Stadt Weinsberg sind. Im gleichen Jahr wurden auch im Brühltal im Süden des Stadtgebietes 14&nbsp;ha Privatgrundstücke beschlagnahmt, um dort einen Militärschießplatz anzulegen. 1937 wurde schließlich am damaligen Stadtrand ein Landwehrübungslager errichtet, das dann zu Kriegszeiten ab 1940 bis Ende März 1945 als Offiziersgefangenenlager ''(Oflag V A)'' diente. 1940 erreichte die [[Reichsautobahn]] von Stuttgart kommend Weinsberg, wo sie für die folgenden Jahrzehnte endete. Wie fast überall in Deutschland fanden auch in Weinsberg Verbrechen an Behinderten und Juden statt. Im Rahmen der [[Aktion T4]] zur [[Zeit des Nationalsozialismus]] wurden auch Weinsberger Patienten in die [[Tötungsanstalt Schloss Grafeneck]] gebracht, wo sie ermordet wurden. Später war das Krankenhaus eine der der [[NS-Tötungsanstalt Hadamar|Anstalt Hadamar]] zugeordneten ''Zwischenanstalten'', wo Geisteskranke gesammelt und dann zur Tötung nach Hadamar gebracht wurden. Von Januar 1940 bis Ende 1941 wurden aus der Heilanstalt insgesamt 908 Patienten, davon 426 aus Weinsberg und 482 aus anderen Anstalten, in die Vernichtungsanstalten transportiert.<ref name="Seitz">Paul-Gerhard Seitz: ''Zur Geschichte und Entwicklung der Heilanstalt Weinsberg vom 3. Reich bis 1975.'' Weissenhof-Verlag Dr. Jens Kunow, Heilbronn 1993, {{Falsche ISBN|3-923067-82-2}}, S. 25–27</ref> Von 1934 bis zum Kriegsende 1945 wurden zudem 96 männliche und 107 weibliche Patienten der Heilanstalt aufgrund des [[Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses|Gesetzes zur Verhütung erbkranken Nachwuchses]] [[Zwangssterilisation|zwangssterilisiert]].<ref name="Seitz" /> 1942 wurden zwei Juden aus Weinsberg ins [[Ghetto Theresienstadt]] deportiert. Im [[Zweiter Weltkrieg|Zweiten Weltkrieg]] kam Weinsberg lange Zeit relativ ungeschoren davon und konnte sogar viele Ausgebombte aus dem am 4.&nbsp;Dezember 1944 stark zerstörten Heilbronn aufnehmen. Es „war so übervölkert, daß<!-- „daß“ ist hier Original-Rechtschreibung in einem Zitat, bitte nicht in „dass“ ändern--> es mehr Flüchtlinge zählte als Einheimische“.<ref>Erwin Bosler: ''Aus den Schreckenstagen Heilbronns''. Neue Auflage. Heilbronn, 1952. S.&nbsp;23</ref> Die Heilanstalt wurde zum Notlazarett und Ersatz für das zerstörte Heilbronner Krankenhaus umfunktioniert. In der Endphase des Krieges, am 12.&nbsp;April 1945, wurde die Stadt dann doch noch durch Artilleriebeschuss und Bombardierung und die daraus resultierenden Brände großteils zerstört. Insgesamt starben 15 Menschen. 330 Häuser brannten ab, auch das Rathaus und mit ihm das Stadtarchiv, das schon bei den Bränden 1525 und 1707 dezimiert worden war. Weitere wichtige Quellen zur Stadtgeschichte gingen verloren. === Nach dem Zweiten Weltkrieg === Im vormaligen Landwehrübungs- und Kriegsgefangenenlager wurden von den Siegermächten nach Kriegsende ehemalige [[Zwangsarbeit]]er und andere ''[[Displaced Person]]s'' untergebracht. 1953 wurde das [[DP-Lager]] umfunktioniert zu einem Landesdurchgangslager für [[Flüchtling]]e aus den ehemals deutschen Ostgebieten, das noch bis zum 30. November 1972 existierte. Auch Bundespräsident [[Horst Köhler]] lebte als Kind für einige Tage hier. Viele Flüchtlinge aus dem Lager ließen sich permanent in Weinsberg nieder und trugen zum Wiederaufbau der Stadt in den späten Vierziger- und den Fünfzigerjahren bei. Bis 1955 war der Wiederaufbau mit 450 Neubauten oder wieder aufgebauten Gebäuden im Wesentlichen abgeschlossen. [[Datei:Weinsberg Marktplatz Maerz 2005.jpg|thumb|Der Marktplatz. Rechts das 1951–1953 neu erbaute Rathaus, am oberen Ende des Platzes das evangelische Dekanatsgebäude, darüber die Johanneskirche]] In den 1960er- und 1970er-Jahren veränderte der Bau zweier [[Autobahn (Deutschland)|Autobahnen]] und des [[Autobahnkreuz Weinsberg|Autobahnkreuzes Weinsberg]] die Stadt in bis dahin ungekanntem Ausmaß. Weinsberg war nun aus allen Himmelsrichtungen bequem und schnell per Automobil zu erreichen, musste dafür aber Flächenabgaben für den Autobahnbau hinnehmen, die von 1936 bis 1972 zusammen 113 [[Hektar|ha]] ausmachten, der Großteil davon ab 1963. Zudem sah sich die Stadt zunehmend Verkehrslärm in bislang unbekanntem Ausmaß ausgesetzt, was [[Lärmschutz]]maßnahmen notwendig machte. Ab Ende der 1960er-Jahre wurde in Baden-Württemberg eine [[Gebietsreform|Kreis- und Gemeindereform]] diskutiert. Die Zielplanung der Landesregierung für diese Reform sah die Eingemeindung der Gemeinden Eberstadt (mit [[Hölzern]]), Ellhofen, Gellmersbach, Grantschen und Lehrensteinsfeld in die Stadt Weinsberg vor. Besonders in Eberstadt, Ellhofen und Lehrensteinsfeld stieß dies auf Widerstand. Als Alternative zur Eingemeindung gründete Weinsberg zusammen mit diesen Gemeinden am 21.&nbsp;Dezember 1971 den [[Gemeindeverwaltungsverband „Raum Weinsberg“]] mit Sitz in Weinsberg. Grantschen wurde zum 1.&nbsp;Januar 1973, Gellmersbach zum 1.&nbsp;Januar 1975 nach Weinsberg eingemeindet. Die Gemeinde Wimmental, die nach der ursprünglichen Zielplanung Teil der neu zu bildenden Gemeinde Obersulm hätte werden sollen, entschied sich stattdessen lieber für die Eingemeindung nach Weinsberg, die ebenfalls zum 1.&nbsp;Januar 1975 erfolgte. [[Datei:Weinsberg Innenstadt von Burg 20060528.jpg|thumb|left|upright=1.5|Die Innenstadt von der Burgruine aus gesehen]] Der Beginn der 1970er-Jahre war eine Zeit, in der allenthalben Veränderungen anstanden und auch Zuschüsse dafür zu erhalten waren. Der Autobahnbau und die Verwaltungsreform kamen von außen. Die Stadt nutzte ihre Chancen, auch intern Neues anzustoßen. Schon ab den 1960ern waren Neubaugebiete ausgewiesen worden, dies wurde verstärkt fortgesetzt und hält mit Pausen bis in die Gegenwart (Stand: 2006) an. Auf der „grünen Wiese“ südlich des Friedhofes entstand im Verlauf dreier Jahrzehnte ab 1971 das Schulzentrum Rossäcker mit Gymnasium, Hauptschule, Realschule, zweiter Grundschule und zwei Hallen. Wenige Jahre später war es schon wieder von Wohngebieten umgeben. 1977 wurde angrenzend an Ellhofen ein großes neues [[Gewerbegebiet]] an der A&nbsp;81 ausgewiesen, dem 2000 ein weiteres folgte. Die Sanierung und Umgestaltung innerstädtischer Gelände wurde vorangetrieben (unter anderem Traubenplatz mit [[Staatliche Lehr- und Versuchsanstalt für Wein- und Obstbau Weinsberg|Weinbauschule]], 1972 bis 2002, Alte Ziegelei, 1984 bis 1990, und ehemaliges Gelände der [[Karosseriewerke Weinsberg]], 1986 bis 1994). Die Schließung des Flüchtlingslagers 1972 ermöglichte zum einen die Überbauung des Geländes mit Wohnhäusern, zum anderen die Realisierung des Naherholungsgebietes Stadtseebachtal. [[Flurbereinigung|Rebflurbereinigungen]] in den Weinsberger Weinbergen ab Mitte der 1970er-Jahre bis 1990 ermöglichten zeitgemäßen Weinbau. Der verstärkte Zustrom von [[Spätaussiedler]]n machte 1990 den Bau des Übergangswohnheimes ''Grabenäcker'' an der Straße nach Gellmersbach notwendig. Im gleichen Jahr erfolgte die Freigabe der [[Ortsumgehung|Umgehungsstraße]] der B 39, die schon seit 1964 in Planung gewesen war. Dem [[Hochwasserschutz]], der im Sulmtal seit dem großen Hochwasser vom Mai 1970 mit Millionenschäden bei [[Audi]] in Neckarsulm große Priorität genießt, wurde mit dem Bau zweier Rückhaltebecken 1988 und 1999 Rechnung getragen. Für Streit mit den Nachbargemeinden im Gemeindeverwaltungsverband sorgte die Ansiedlung eines Handelshof-Marktes der [[Kaufland]]-Gruppe. Die Nachbargemeinden wollten die Ansiedlung nicht genehmigen, da sie Kaufkraftabflüsse befürchteten. Am 21.&nbsp;Februar 2001 genehmigte der [[Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg]] letztinstanzlich den Bau, die Eröffnung wurde am 10.&nbsp;Oktober 2002 gefeiert. Das in die Jahre gekommene Weinsberger Freibad wurde 2002/2003 mit Baukosten von 3,76 Millionen Euro grundlegend überholt und erweitert. Am 10.&nbsp;Dezember 2005 schließlich erfüllte sich nach über zehnjähriger Planungszeit mit der Eröffnung der Strecke der [[Stadtbahn Heilbronn]] nach Öhringen ein lange gehegter Wunsch von Stadtverwaltung und Bevölkerung. === Religionen === [[Datei:Gedenktafel Oekolampadius.jpg|thumb|upright|Gedenktafel für Johannes Oekolampad an der Weinsberger Johanneskirche]] Weinsberg ist seit der [[Reformation]] überwiegend [[Evangelische Kirche|evangelisch]]. Nach Zahlen der Stadtverwaltung waren am 30.&nbsp;Juni 2009 von 8.977 Einwohnern der Kernstadt 4.130 (46,0 %) evangelisch und 1.944 (21,6 %) katholisch.<ref name="Jahrbuch 2009" /> Die Stadt war Hauptort des 1291 erstmals erwähnten Landkapitels Weinsberg des [[Bistum Würzburg|Bistums Würzburg]], das 52 Pfarreien umfasste, unter anderem Heilbronn. 1510 bis 1518 hatte [[Johannes Oekolampad]]ius, der spätere [[Reformator]] [[Basel]]s, eine Prädikantenstelle an der Weinsberger Johanneskirche inne. In Weinsberg erregte er mit seinen reformorientierten Predigten aber Anstoß und verließ die Stadt daher. 1520 kam der Heilbronner [[Erhard Schnepf]] als erster ausgesprochen evangelischer Prediger nach Weinsberg. 1522 wurde er von der österreichischen Regierung vertrieben. Nach der Rückkehr Herzog Ulrichs nach Württemberg, 1534, führte Schnepf im Auftrag des Herzogs die Reformation in Württemberg durch. In Weinsberg kam diese Aufgabe dem Pfarrer [[Johann Geyling]] zu, der 1548 als Folge des [[Augsburger Interim|Interims]] (Versuch einer Rekatholisierung mit geringfügigen Zugeständnissen) abgesetzt wurde. Nach dem Ende des Interims 1552 setzte sich die Reformation in Weinsberg endgültig durch. Weinsberg wurde Teil und zunächst auch Hauptort eines evangelischen [[Kirchenkreis|Kirchenbezirks]]. 1586 wurde dessen Hauptort nach [[Möckmühl]], 1612 nach [[Neuenstadt am Kocher]] verlegt, bis schließlich 1710 ein neuer Kirchenbezirk mit Hauptort Weinsberg errichtet wurde. Von 1752 bis 1759 war der [[Pietismus|Pietist]] [[Friedrich Christoph Oetinger]] Dekan in Weinsberg. Während dieser Zeit entstand sein Weinsberger Predigtbuch. Nach verschiedenen Änderungen entsprach der evangelische [[Kirchenbezirk Weinsberg]] ab 1812 dem politischen Oberamt Weinsberg und blieb von dessen Auflösung 1926 unberührt, so dass die heutigen Grenzen des Dekanats Weinsberg der [[Evangelische Landeskirche in Württemberg|Evangelischen Landeskirche in Württemberg]] die früheren politischen Grenzen widerspiegeln. Die sich nur auf Weinsberg selbst (einschließlich Klinikum) erstreckende Evangelische Kirchengemeinde Weinsberg hat heute rund 4.230 Mitglieder (Stand: 2008).<ref>[http://www.kirche-weinsberg.de/cms/startseite/unsere-kirchengemeinde-weinsberg/ Selbstdarstellung der Evangelischen Kirchengemeinde Weinsberg] (abgerufen am 29. Juli 2008)</ref> Ihre Kirche ist die [[Johanneskirche (Weinsberg)|Johanneskirche]]. Gellmersbach bildet eine eigene evangelische Kirchengemeinde mit etwa 530 Mitgliedern. Grantschen (530 Mitglieder) und Wimmental (170 Mitglieder) gehören zur Evangelischen Kirchengemeinde Sülzbach, die insgesamt etwa 1.700 Mitglieder hat (Stand 2008).<ref>[http://www.gemeinde.suelzbach.elk-wue.de/ Selbstdarstellung der Evangelischen Kirchengemeinde Sülzbach] (abgerufen am 29. Juli 2008)</ref> Beide Kirchengemeinden (Gellmersbach und Sülzbach) gehören ebenfalls zum Kirchenbezirk Weinsberg. [[Datei:Weinsberg St Josef Maerz 2005.jpg|thumb|left|upright|Die 1951 bis 1954 neu erbaute katholische Kirche]] In Weinsberg wurden erst nach Ende des Zweiten Weltkriegs, durch Zuwanderung von Flüchtlingen, Katholiken in nennenswerter Anzahl ansässig. Als Folge wurde die Katholische Kirchengemeinde St. Josef Weinsberg gegründet, die auch für Gellmersbach, das Klinikum am Weissenhof und die Nachbargemeinde Eberstadt zuständig ist. 1951 bis 1954 wurde die katholische Josefskirche neu gebaut. Gegenwärtig hat die Kirchengemeinde St. Josef 2.877 Mitglieder (Stand: 2003). In Wimmental gibt es eine eigene katholische Kirchengemeinde, die Katholische Kirchengemeinde St. Oswald Wimmental, die auch für Grantschen, Ellhofen und Lehrensteinsfeld zuständig ist und gegenwärtig 1.600 Mitglieder hat (Stand: 2003). Eine [[Judentum|jüdische]] Gemeinde gibt und gab es in Weinsberg nicht; es sind in der Weinsberger Geschichte aber vereinzelt Juden nachgewiesen. 1298 waren Weinsberger Juden von der [[Rintfleisch-Pogrom|Rintfleisch-Verfolgung]] betroffen. 1418 zahlten Juden in Weinsberg 100 Gulden Judensteuer an Konrad von Weinsberg. Im Laufe des 19. Jahrhunderts wurden wieder vereinzelt jüdische Familien ansässig, es gab aber keine jüdische Gemeinde. Die jüdischen Patienten der 1903 erbauten Heilanstalt wurden von [[Rabbiner]]n aus Heilbronn betreut. Am 22.&nbsp;August 1942 wurden mit einem großen Eisenbahn-Transport zumeist betagte Juden aus dem Stuttgarter Raum und dem Kreis Heilbronn ins [[Ghetto Theresienstadt]] gebracht, darunter auch zwei Juden aus Weinsberg.<ref>Zu Juden in Weinsberg: Wolfram Angerbauer und Hans Georg Frank: ''Jüdische Gemeinden in Kreis und Stadt Heilbronn''. Landkreis Heilbronn, Heilbronn 1986 (Schriftenreihe des Landkreises Heilbronn, 1). S. 238f.</ref> [[Neuapostolische Kirche|Neuapostolische]] Christen sind seit etwa 1920 in Weinsberg ansässig. Eine eigene Kirchengemeinde wurde 1931 gegründet, ein neugebautes [[Neuapostolische Kirche Weinsberg|Kirchengebäude]] am 29. Mai 1965 eingeweiht. Die neuapostolische Kirchengemeinde Weinsberg gehört zum Kirchenbezirk Heilbronn-Pfühl der Neuapostolischen Kirche Süddeutschland und hat 182 Mitglieder (Stand: Jahresende 2007).<ref>Quelle: ''Jahrbuch für die Stadt Weinsberg 2007'', S.&nbsp;154</ref> Die [[Evangelisch-methodistische Kirche|Evangelisch-methodistische]] Kirchengemeinde Weinsberg hat ein Einzugsgebiet von Neckarsulm bis ins Sulmtal und etwa 80 Mitglieder (Stand 2008) sowie „ebensoviel Freunde und Angehörige in allen Altersstufen“.<ref>[http://www.emk-weinsberg.de/index.php?page=wer-wir-sind Selbstdarstellung der Evangelisch-methodistischen Kirchengemeinde Weinsberg] (abgerufen am 29. Juli 2008)</ref> Erste methodistische Prediger kamen 1851 von Heilbronn nach Weinsberg; ein eigener Gemeindebezirk wurde 1884 geschaffen, eine eigene Kapelle 1887 errichtet. Diese 1934/1935 und 1967 erweiterte und renovierte Kapelle wurde im Jahr 2000 durch die neue Christuskirche mit Gemeindezentrum ersetzt. Weitere in Weinsberg vertretene Konfessionen und Religionen sind unter anderen die [[Zeugen Jehovas]] mit einem eigenem Königreichssaal, [[Baptisten]], die seit der Aufnahme der [[Spätaussiedler]] in den 1990er-Jahren in nennenswerter Anzahl hier wohnen, sich in der ''Evangeliumschristen-Baptisten Brüdergemeinde'' organisiert und ein eigenes Kirchengebäude errichtet haben, und [[Islam|Muslime]], in der Regel [[Türkei|Türken]] bzw. türkischstämmige Deutsche und seit Ankunft der türkischen Gastarbeiter hier ansässig. === Eingemeindungen === Im Zuge der baden-württembergischen [[Gebietsreform|Gemeindereform]] wurden die bis dahin selbstständigen kleinen Gemeinden [[Gellmersbach]], [[Grantschen]] und [[Wimmental]] als [[Ortschaft]]en in die Stadt Weinsberg eingemeindet. Alle drei Gemeinden hatten schon in früheren Jahrhunderten zum Besitz der Herren von Weinsberg gezählt. Die Zielplanung der Landesregierung sah für Gellmersbach und Grantschen die Eingemeindung nach Weinsberg, für Wimmental hingegen die Zuordnung zur neu zu bildenden Gemeinde Obersulm vor. Den Anfang machte Grantschen, dessen Bürger sich in einer Bürgeranhörung am 26.&nbsp;März 1972 für die freiwillige Eingliederung in die Stadt Weinsberg entschieden. Der Ort mit damals 652 Einwohnern wurde am 1.&nbsp;Januar 1973 eingemeindet. Die Wimmentaler Bürger stimmten in einer Bürgeranhörung am 20.&nbsp;Januar 1974 statt für Obersulm lieber für die freiwillige Eingliederung in die Stadt Weinsberg. Gellmersbach schließlich entschied sich im Dezember 1974 für die freiwillige Eingliederung. Beide Orte wurden am 1.&nbsp;Januar 1975 eingemeindet, Gellmersbach mit damals 691 Einwohnern, Wimmental mit 477.<ref>Stand der Einwohnerzahlen: Grantschen November 1973, Gellmersbach und Wimmental Oktober 1975. Quelle: Jahrbuch für die Stadt Weinsberg 1973, S.&nbsp;101 und Jahrbuch für die Stadt Weinsberg 1975, S.&nbsp;87</ref> {| align="right" border="1" cellpadding="1" cellspacing="0" ! style="background:#efefef;" | Jahr ! style="background:#efefef;" | Einwohner |- | 1525 || align="right" | 1.200 |- | 1620 || align="right" | 1.600 |- | 1640 || align="right" | 540 |- | 1670 || align="right" | 1.060 |- | 1800 || align="right" | 1.450 |- | 1810 || align="right" | 1.634 |- | 1820 || align="right" | 1.770 |- | 1830 || align="right" | 1.904 |- | 1840 || align="right" | 2.039 |- | 1845 || align="right" | 2.148 |- | 1858 || align="right" | 2.080 |- | 1900 || align="right" | 2.479 |- | 1907 || align="right" | 3.097 |- | 1920 || align="right" | 3.389 |- | 1930 || align="right" | 3.600 |- | 1939 || align="right" | 4.555 |- | 1947 || align="right" | 5.665 |- | 1952 || align="right" | 5.837 |- | 1955 || align="right" | 8.249 |- | 1960 || align="right" | 6.979 |- | 1965 || align="right" | 6.993 |- | 1970 || align="right" | 7.392 |- | 1975 || align="right" | 8.287 |- | 1980 || align="right" | 8.799 |- | 1985 || align="right" | 9.155 |- | 1990 || align="right" | 10.009 |- | 1995 || align="right" | 11.070 |- | 2000 || align="right" | 11.350 |- | 2005 || align="right" | 11.739 |} === Einwohnerentwicklung === Konkrete Bevölkerungszahlen werden erstmals mit einem überlieferten Herdstellenverzeichnis von 1525 zugänglich, das 224 Haushalte verzeichnet. Bei einer angenommenen durchschnittlichen Haushaltsgröße von fünf Personen plus Gesinde entspricht das etwa 1.200 Einwohnern. Trotz der Heimsuchung durch mörderische Infektionskrankheiten&nbsp;– ''[[Englischer Schweiß]]'' (sudor anglicus) im Jahre 1529, [[Pest]] 1571, 1585, 1597 und 1612&nbsp;– zählte die Bevölkerung im Jahr 1620 1.600 Personen. Durch den [[Dreißigjähriger Krieg|Dreißigjährigen Krieg]] und weitere Pestepidemien 1625 und 1635 schrumpfte sie auf 540 Einwohner im Jahre 1640. 1670 zählte die Stadt etwa 1.060 Bewohner, und erst 1810 wurde die Zahl von 1600 Einwohnern wieder überschritten. 1840 wurden dann 2.000 Personen erreicht, woran sich in der Folgezeit nicht viel änderte: Die Beschreibung des Oberamts Weinsberg vermeldet für den 3.&nbsp;Dezember 1858 2.080 Bewohner. 1907, nach der 1903 erfolgten Eröffnung der Königlichen Heilanstalt, lebten 3.097 Einwohner in Weinsberg, davon 654 in der Heilanstalt. Die Eröffnung des Lagers für ''[[Displaced Person]]s'', später Landesdurchgangslager für Ostflüchtlinge, ließ die Einwohnerzahl in die Höhe schnellen; zeitweise lebten noch einmal halb so viele Flüchtlinge in Weinsberg wie eigentliche Stadteinwohner, 1955 zum Beispiel 2.616 Lagerbewohner gegenüber 4.982 eigentlichen Stadteinwohnern und 651 Einwohnern des Landeskrankenhauses. Etliche dieser Flüchtlinge ließen sich auch in Weinsberg nieder, was zu Beginn der 1960er-Jahre bei abnehmendem Bevölkerungsstand im Lager zu einer Zahl von etwa 7.000 Einwohnern führte. Es folgte ein stetiges Wachstum, bis Ende 1972 durch die Schließung des Landesdurchgangslagers ein leichter Rückgang eintrat, der aber 1973 und 1975 durch die Eingemeindungen kompensiert wurde. In den 1990er-Jahren wurde erstmals die Zahl von 11.000 Einwohnern erreicht. Bis heute verzeichnet Weinsberg einen leichten Bevölkerungszuwachs durch Zuzug und weist deshalb noch neue Baugebiete aus. [[Ausländer]] sind in Weinsberg in nennenswerter Anzahl erst seit Eintreffen der [[Arbeitsmigration|Gastarbeiter]] in Deutschland ansässig. Die meisten von ihnen kommen aus klassischen Gastarbeiter-Ländern wie der [[Türkei]], [[Italien]] und [[Griechenland]]. Ihr Anteil hat sich seit Jahren um die 10 % eingependelt und betrug am 30.&nbsp;Juni 2009 in der Gesamtstadt 9,1 %,<ref name="Jahrbuch 2009" /> nicht mitgezählt jene, die inzwischen die [[Deutsche Staatsangehörigkeit|deutsche Staatsbürgerschaft]] angenommen haben. Ebenfalls in dieser Zahl nicht berücksichtigt sind die seit 1989 in größerer Zahl auch in Weinsberg aufgenommenen [[Spätaussiedler]], die zwar aus dem Ausland kommen, rechtlich gesehen aber Deutsche sind. In der Kernstadt Weinsberg ohne Ortschaften lag der Anteil etwas höher bei 10,3 %.<ref name="Jahrbuch 2009" /> ''Zur Tabelle: Frühe Zahlen sind Schätzungen, Geschichtsquellen oder der Beschreibung des Oberamts Weinsberg von 1861 entnommen. Spätere Zahlen entstammen amtlichen Zählungen oder Fortschreibungen und sind im Wesentlichen dem Jahrbuch für die Stadt Weinsberg entnommen. Ab 1907 mit Heilanstalt bzw. Krankenhaus/Klinikum, 1947 bis 1970 mit Landesdurchgangslager, ab 1975 mit eingemeindeten Ortsteilen.'' <br style="clear:both;" /> <timeline> ImageSize = width:830 height:200 PlotArea = width:760 height:170 left:40 bottom:20 AlignBars = late DateFormat = yyyy Period = from:0 till:12000 TimeAxis = orientation:vertical ScaleMajor = unit:year increment:1000 start:0 PlotData= color:blue width:9 bar:1525 from:start till:1200 bar:1620 from:start till:1600 bar:1640 from:start till:540 bar:1670 from:start till:1060 bar:1800 from:start till:1450 bar:1810 from:start till:1634 bar:1820 from:start till:1770 bar:1830 from:start till:1904 bar:1840 from:start till:2039 bar:1845 from:start till:2148 bar:1858 from:start till:2080 bar:1900 from:start till:2479 bar:1907 from:start till:3097 bar:1920 from:start till:3389 bar:1930 from:start till:3600 bar:1939 from:start till:4555 bar:1947 from:start till:5665 bar:1952 from:start till:5837 bar:1955 from:start till:8249 bar:1960 from:start till:6979 bar:1965 from:start till:6993 bar:1970 from:start till:7392 bar:1975 from:start till:8287 bar:1980 from:start till:8799 bar:1985 from:start till:9155 bar:1990 from:start till:10009 bar:1995 from:start till:11070 bar:2000 from:start till:11350 bar:2005 from:start till:11739 TextData= pos:(10,100) fontsize:S text: </timeline> <div align="center">Einwohnerentwicklung Weinsbergs 1525 bis 2005</div> == Politik == === Gemeinderat und Ortschaftsräte === Der Weinsberger [[Gemeinderat (Deutschland)|Gemeinderat]] hat regulär 22 Sitze, wie in der [[Gemeindeordnungen in Deutschland|Gemeindeordnung]] Baden-Württembergs für eine Kommune der Größe Weinsbergs vorgesehen. 16 Sitze sind für die Kernstadt und jeweils zwei für die drei [[Ortschaft]]en Gellmersbach, Grantschen und Wimmental reserviert. Die Wahlvorschläge der Parteien und Wählervereinigungen enthalten getrennte Listen für die vier einzelnen Wohnbezirke (Weinsberg, Gellmersbach, Grantschen, Wimmental) oder auch nur Listen für manche der Wohnbezirke, etwa wenn sich für die anderen keine Kandidaten finden. Jeder Wahlberechtigte kann aber nicht nur über Kandidaten seines jeweiligen Wohnbezirks abstimmen, sondern über die Kandidaten aus allen Wohnbezirken (sogenannte [[Unechte Teilortswahl]]). Konkret heißt das, dass auch die Wahlberechtigten der Kernstadt darüber abstimmen, wer jede der Ortschaften im Gemeinderat vertritt, und umgekehrt. Durch dieses komplizierte Kommunalwahlrecht können sich [[Ausgleichsmandat|Ausgleichssitze]] ergeben, wenn ein Wahlvorschlag in einem Wohnbezirk eine bedeutend höhere Zustimmung erfährt als im Gesamtergebnis. So auch bei der Gemeinderatswahl 2009 in Weinsberg: Die CDU war in den Ortschaften erfolgreicher als insgesamt und konnte jeweils einen der zwei pro Ortschaft reservierten Sitze erringen. Die SPD erhielt einen Ausgleichssitz, so dass der Gemeinderat in der Wahlperiode 2009–2014 23 Mitglieder hat. Die Mitglieder des Gemeinderats tragen als Person jeweils den Titel Stadtrat (StR) oder Stadträtin (StR’in). [[Datei:Weinsberg Gemeinderat Sitzverteilung seit 2009 ohne Beschriftung.png|thumb|250px|Sitzverteilung im Gemeinderat ab 2009]] Dominierende Fraktion im Weinsberger Gemeinderat ist seit ihrem ersten Antreten im Januar 1951 die [[Wählergruppe|Freie Wählervereinigung]] Weinsberg 1950. Auch [[Sozialdemokratische Partei Deutschlands|SPD]] und [[Christlich Demokratische Union Deutschlands|CDU]] sind seit Jahrzehnten vertreten. Die SPD, seit 1909 mit einem Ortsverein vertreten und in den 1950ern und 1960ern zweitstärkste Fraktion (von zweien) mit bis zu 40 % der Mandate, war noch bis 1975 stärker vertreten als die CDU, die 1971 zum ersten Mal überhaupt zu Gemeinderatswahlen angetreten war, von den Eingemeindungen dann aber stark profitieren konnte und seitdem die zweitstärkste Fraktion stellt. Vierte Fraktion waren von 1984 bis 1994 [[Bündnis 90/Die Grünen|Die Grünen]] und in deren Nachfolge ab 1994 die Unabhängige Liste Weinsberg, die aber bei der Wahl 2004 nicht mehr genügend Kandidaten fand und deswegen nicht mehr antrat. <div style="background:#f9f9f9"> Seit der letzten Kommunalwahl am 7. Juni 2009 hat der Gemeinderat 23 Mitglieder. Die Wahlbeteiligung lag bei 49,43 %. Die Wahl brachte folgendes Ergebnis: {| style="background:#aaaaaa" cellpadding="2" cellspacing="0" |- bgcolor="#f9f9f9" |&nbsp;||[[Freie Wähler|FWV]]<sup>1</sup>||align=right | &nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;12 Sitze ||align=right | &nbsp;(50,57 %) |- bgcolor="#f9f9f9" |&nbsp;||[[Christlich Demokratische Union Deutschlands|CDU]]||align=right | 6 Sitze ||align=right | (27,15 %) |- bgcolor="#f9f9f9" |&nbsp;||[[Sozialdemokratische Partei Deutschlands|SPD]]||align=right | 5 Sitze ||align=right | (22,28 %) |} Weiteres Mitglied des Gemeinderates und dessen Vorsitzender ist der Bürgermeister. <sup>1</sup>Freie Wählervereinigung Weinsberg 1950 </div> In jeder der drei Ortschaften gibt es einen bei jeder Kommunalwahl von der wahlberechtigten Bevölkerung zu wählenden [[Ortsbeirat|Ortschaftsrat]]. Die Ortschaftsräte haben jeweils sechs Mitglieder. Auf ihren Vorschlag hin wählt der Gemeinderat für jede Ortschaft einen ehrenamtlichen [[Ortsvorsteher]]. Diese Gremien sind zu wichtigen die Ortschaft betreffenden Angelegenheiten zu hören. === Bürgermeister === Der Weinsberger Bürgermeister ist gemäß der baden-württembergischen [[Gemeindeordnungen in Deutschland|Gemeindeordnung]] Vorsitzender des Gemeinderats und Leiter der Stadtverwaltung. Er ist hauptamtlicher Beamter auf Zeit und wird von den wahlberechtigten Weinsberger Bürgern direkt für eine Amtszeit von acht Jahren gewählt. Vor dem 1.&nbsp;Dezember 1930 führte das Weinsberger Stadtoberhaupt den Titel ''[[Schultheiß|Stadtschultheiß]]'', seither ''Bürgermeister''. Am 13.&nbsp;Februar 1820 wurde [[Heinrich Pfaff (Politiker)|Heinrich Pfaff]] Stadtschultheiß, der [[Justinus Kerner]] bei dessen Bemühungen um die Rettung der [[Burgruine Weibertreu]] unterstützte und 1832 bis 1838 das [[Oberamt Weinsberg]] als liberaler Abgeordneter im württembergischen Landtag vertrat. Nach Pfaffs Tod am 23.&nbsp;November 1845 wurde am 9.&nbsp;Dezember [[Franz Fraas]] zu seinem Nachfolger gewählt, der sich im November 1853 einer drohenden Zwangsversteigerung durch Flucht nach Amerika entzog. Ihm folgte Johann Jakob Haug, der sich erfolgreich für die Anbindung Weinsbergs an das Eisenbahnnetz einsetzte, aber die Einweihung der Bahnstrecke nicht mehr erlebte, da er am 14.&nbsp;Juli 1862 verstarb, wenige Tage vor der Eröffnungsfeier am 2.&nbsp;August 1862. (Johann) Franz Käpplinger, schon seit 1833 Weinsberger Ratschreiber, nach dem Tod Pfaffs Amtsverweser und bei Haugs Wahl dessen Gegenkandidat, wurde erneut Amtsverweser und mit königlichem Dekret am 3.&nbsp;Oktober zum Stadtschultheißen ernannt. In seiner Amtszeit bis zum 30.&nbsp;Juni 1875 vergrößerte sich die Stadt über die von der Stadtmauer vorgegebenen mittelalterlichen Grenzen. Von 1875 bis 1914 war Carl Seufferheld Stadtschultheiß, der Vater des Künstlers [[Heinrich Seufferheld]]. In seinen 38 Amtsjahren wurde vor allem die Versorgungs-Infrastruktur (Wasser, Abwasser, Gas, Strom) verbessert oder überhaupt erst aufgebaut, und Industriebetriebe siedelten sich an. In der anschließenden Amtsperiode Adolf Strehles (1914 bis 1924) gab Weinsberg 1923 eigene [[Notgeld]]-Scheine heraus. Karl Weinbrenner, dessen Amtszeit von 1924 bis 1945 dauerte, war vor allem damit beschäftigt, die Folgen der 1926 erfolgten Auflösung des Oberamts für die Stadt abzumildern. Nach 1945 durfte er nach dem Willen der amerikanischen Besatzungsmacht nicht Bürgermeister bleiben, wurde 1963 aber dennoch ebenso zum Weinsberger Ehrenbürger ernannt wie sein kurzzeitiger Nachfolger Karl Rebmann (1945/1946). Nach einer Übergangszeit mit verschiedenen jeweils für einen kurzen Zeitraum eingesetzten Bürgermeistern wurde 1948 Erwin Heim gewählt, in dessen bis 1972 reichende Amtszeit ein großer Teil des Wiederaufbaus der Stadt und der Beginn großer Umgestaltungsmaßnahmen ab Mitte der 1960er-Jahre fällt (beispielsweise Autobahnbau, Flurbereinigung und Gemeindereform). Jürgen Klatte führte die Umgestaltung ab 1972 bis 1996 fort. Nach der achtjährigen Amtsperiode Walter Kuhns ist seit April 2004 Stefan Thoma Bürgermeister der Stadt Weinsberg, der am 15.&nbsp;Februar 2004 im zweiten Wahlgang mit 43,36 % der Stimmen gewählt wurde. Noch im ersten Wahlgang hatte er auf dem dritten Platz gelegen, konnte sich bei der Wiederholung, bei der einige Kandidaten nicht mehr antraten, dann aber durchsetzen.<ref>Zusätzliche Quellen für den Abschnitt ''Bürgermeister:'' ''Das „who is who“ der Straßennamen in Weinsberg''. Serie im ''Nachrichtenblatt für die Stadt Weinsberg''. Folge ''Pfaffstraße'', Nr. 50/2006, S.&nbsp;2; Folge ''Käpplingerstraße'', Nr. 10/2007, S.&nbsp;3; Folge ''Seufferheldstraße'', Nr. 25/2007, S.&nbsp;3</ref> === Wappen und Flagge === Die [[Blasonierung]] des Weinsberger Wappens lautet: ''In gespaltenem Schild vorne in Silber ein rotbewehrter und rotbezungter halber schwarzer Adler am Spalt, hinten in Blau auf goldenem Berg ein goldener Rebstock an goldenem Pfahl''. Die Weinsberger Stadtfarben sind Blau-Weiß. <gallery> Bild:Wappen Weinsberg Siebmacher 1605 Tafel 226.jpg|Weinsberger Wappen in [[Johann Siebmacher]]s Wappenbuch von 1605 Bild:Weinsberger Wappen auf Brunnen 1803.jpg|Wappen auf dem Marktbrunnen von 1803 Bild:Wappen Weinsberg Hefner 1885 1.jpg|Weinsberger Wappen in einem Wappenbuch von 1885 Bild:Wappen Weinsberg.png|Heutiges amtliches Wappen </gallery> Die Bestandteile des Weinsberger Wappens ([[Rebstock|Weinstock]] als [[Redendes Wappen|redendes Zeichen]], [[Adler (Wappentier)|Reichsadler]] als Zeichen der [[Reichsunmittelbarkeit]]) waren nacheinander als Symbole der Stadt im Gebrauch, bis sie im 16. Jahrhundert erstmals in einem [[Wappenschild]] vereinigt wurden. Die ältesten bekannten [[Siegel]] ab 1318 zeigen den Weinstock auf einem [[Dreiberg]], ab 1423 erscheint auf den Siegeln der Reichsadler und dokumentiert das Streben der Stadt nach Reichsunmittelbarkeit. Der Adler blieb trotz des Verlustes der Reichsunmittelbarkeit zunächst alleinige Wappenfigur und wurde dann auf verschiedene Weise mit dem Weinstock kombiniert. Ab 1521 sind Siegel nachgewiesen, die den halben Adler in [[Heroldsbild#Teilungslinien/Teilungsformen|gespaltenem Schild]] mit dem Weinstock kombinieren, meistens mit dem Adler in der vorderen und dem Weinstock in der hinteren Schildhälfte. In Siegeln des 17. und 18. Jahrhunderts wurde der Weinstock auch in einem Brustschild des Adlers dargestellt, ab dem 19. Jahrhundert setzte sich dann die Darstellung mit gespaltenem Schild durch. Die älteste erhaltene farbige Wappenzeichnung zeigt als Weinsberger Wappen einen schwarzen Adler in einem [[Bord (Heraldik)|rotbordierten]] goldenen Schild. In späteren Zeichnungen seit 1535 sind wie in den Siegeln Adler und Weinstock in gespaltenem Schild vereint, meistens mit dem Adler in der vorderen und dem Weinstock in der hinteren Schildhälfte, bis ins 19. Jahrhundert mit der ganzen Adlerfigur, spätestens seit 1860 als halber Adler am Spalt wie schon in den Siegeln seit dem 16. Jahrhundert. Anders als beim Reichswappen befand sich der Adler üblicherweise auf silbernem Grund. Der Weinstock erscheint in verschiedenen Formen, mit und ohne Pfahl, auf einem Dreiberg, auf einem Boden oder frei schwebend; der Schild wurde im 16. Jahrhundert manchmal auch [[Heroldsbild#Teilungslinien/Teilungsformen|schräg geteilt]] dargestellt. In seiner heutigen Form wurde das Wappen 1958 von der Stadt festgelegt und am 12.&nbsp;Februar vom [[Innenministerium Baden-Württemberg|Innenministerium des Landes Baden-Württemberg]] bestätigt.<ref>Quellen für den Abschnitt Wappen und Flagge:<br />Heinz Bardua: ''Die Kreis- und Gemeindewappen im Regierungsbezirk Stuttgart''. Theiss, Stuttgart 1987, ISBN 3-8062-0801-8 (Kreis- und Gemeindewappen in Baden-Württemberg, 1). S. 139<br />Eberhard Gönner: ''Wappenbuch des Stadt- und des Landkreises Heilbronn mit einer Territorialgeschichte dieses Raumes''. Archivdirektion Stuttgart, Stuttgart 1965 (Veröffentlichungen der Staatlichen Archivverwaltung Baden-Württemberg, 9). S. 149f.</ref> [[Datei:Schild Weinsberger Partnerstaedte Mai 2005.jpg|thumb|130px|Partnerstädte]] === Städtepartnerschaften === Partnerstädte bzw. -gemeinden Weinsbergs sind [[Carignan (Ardennes)|Carignan]] in [[Frankreich]] (seit 9.&nbsp;April 1995) und [[Costigliole d’Asti]] in [[Italien]] (seit 23.&nbsp;September 2000). Die Beziehungen zu Carignan hatten schon in den frühen 1960er-Jahren mit einem [[Schüleraustausch]] des damaligen Justinus-Kerner-Progymnasiums mit dem ''Collège d′enseignement général'' in Carignan begonnen; erste Kontakte zu Costigliole kamen dagegen erst 1998 auf einer Weinbautagung in [[Brackenheim]] zustande. Beziehungen (ohne offizielle Städtepartnerschaft) bestehen auch zur Ortschaft [[Cossebaude (Ortschaft)|Cossebaude]], die zu [[Dresden]] gehört. Das Justinus-Kerner-Gymnasium unterhält darüber hinaus Beziehungen (Schüleraustausch) zur ''South Wolds Community School'' in [[Keyworth]] ([[Nottinghamshire]]), [[Vereinigtes Königreich|Großbritannien]], die Realschule Weinsberg zur ''Wellcome Memorial High School'' in [[Lake Crystal]] ([[Minnesota]]), [[Vereinigte Staaten|USA]]. == Kultur und Sehenswürdigkeiten == [[Datei:BW-weinsb-weibertr-denkm.jpg|thumb|left|upright=0.6|Das Weibertreu-Denkmal auf dem Marktplatz]] Als langjährige Wirkungsstätte des Dichters und Arztes [[Justinus Kerner]] versteht sich Weinsberg als ''Kernerstadt''. Von daher gilt das Interesse der Stadt besonders der Bewahrung von Kerners Erbe und Andenken. Dies ist auch Vereinszweck des Justinus-Kerner-Verein und Frauenvereins Weinsberg, der sich auch um Kerners Wohnhaus, das [[Kernerhaus]], und die von ihm vor dem Verfall gerettete Burgruine Weibertreu kümmert, die Werke Kerners und seines Sohnes pflegt und neu herausbringt und Veranstaltungen zu entsprechenden Anlässen organisiert. Die Stadt stiftete 1986 aus Anlass des 200. Geburtstages Kerners den [[Justinus Kerner#Justinus-Kerner-Preis|Justinus-Kerner-Preis]], der seit 1990 alle drei Jahre verliehen wird. Im Jahr 2001 fanden vom 28.&nbsp;September bis zum 21.&nbsp;Oktober die 18. Baden-Württembergischen Literaturtage mit einer Vielzahl von Veranstaltungen, Lesungen, Vorträgen und Aufführungen in Weinsberg statt. Neben Kerners Erbe pflegt die Stadt auch das Image Weinsbergs als Treu-Weiber-Stadt und Stadt des Weines, was in dem Leitspruch „Die Stadt der Treuen Weiber, des Dichters Justinus Kerner und des Weines“ zusammengefasst wurde. 2007 wurde dieser langjährige Slogan durch den neuen Text „Weinsberg – Treue Weiber, Reben und Romantik“ ersetzt.<ref>Joachim Kinzinger: ''Neuer Slogan wirbt mit Romantik statt mit Kerner''. In: ''[[Heilbronner Stimme]]'' vom 16. Juni 2007. S. 35</ref> 2008 wurde der neue Leitspruch mit einem neuen Stadtlogo ergänzt, das mit der Silhouette einer Frau, die ihren Mann trägt, die Treu-Weiber-Begebenheit aufgreift.<ref>Joachim Kinzinger: ''Reben und Romantik im neuen Logo''. In: ''Heilbronner Stimme'' vom 15. September 2008</ref> === Theater === [[Datei:Logo Weinsberg.svg|thumb|200px|Das neue Stadtlogo mit Leitspruch]] Der 1994 gegründete Theaterverein Weinsberg zeigt jedes gerade Jahr im Rahmen der Weibertreu-Festspiele Freilichttheater auf der Burgruine Weibertreu und in unregelmäßigen Abständen auch Zimmertheaterproduktionen. Bei den Festspielen kamen sowohl Stücke, die Stadtgeschichtliches wie die ''Treuen Weiber'' oder den Bauernkrieg behandeln, als auch damit nicht verbundene Stücke von Autoren wie [[Carl Zuckmayer]] oder [[William Shakespeare]] zur Aufführung. Auch Kinderstücke und musikalische Gastspiele haben den Spielplan schon bereichert. === Musik === Mit der Schaffung der Stelle eines besoldeten Stadtmusikus auf einen Ratsbeschluss aus dem Jahre 1835 hin nahm das Musikleben in Weinsberg einen Aufschwung. 1839 wurde der Liederkranz, 1845 der Gesangverein Urbanus Weinsberg gegründet, die nach Fusion als Liederkranz Urbanus Weinsberg heute noch bestehen. Weitere Musikvereine sind die auf das Jahr 1883 zurückgehende Stadtkapelle&nbsp;– Musikverein Weinsberg und die 1891 als Männergesangverein Weinsberg gegründete Singvereinigung Weibertreu Weinsberg. Den diversen Kirchengemeinden sind verschiedene Chöre und Orchester angegliedert oder lose angeschlossen, unter anderem der Coro Allegro und der Herrenchor Weinsberg. Seit 1993 verfügt Weinsberg über eine städtische Musikschule. Auch der international bekannte Jazzkontrabassist und Bandleader [[Jan Jankeje]] wohnt in Weinsberg. [[Datei:Kernerhaus in Weinsberg.jpg|thumb|Das Kernerhaus]] === Museen === Das am 11.&nbsp;Dezember 1988 eröffnete Weibertreu-Museum im Rathaus beherbergt eine große Anzahl von Kunstwerken zu Weinsberg und seiner Geschichte. Das [[Kernerhaus]] ist das 1822 erbaute Wohnhaus [[Justinus Kerner]]s und später seines Sohnes [[Theobald Kerner]], das 1907 vom Justinus-Kerner-Verein gekauft und im Folgejahr als Museum zugänglich gemacht wurde. In der Nähe des Kernerhauses befindet sich das Alexanderhäuschen, Justinus Kerners Gästehaus, benannt nach [[Alexander von Württemberg (1801–1844)|Alexander von Württemberg]]. Die Dokumentationsstätte Lager Weinsberg ist in der letzten noch erhaltenen [[Baracke]] des ehemaligen Lagers Weinsberg untergebracht, das von 1937 bis 1972 nacheinander als Landwehrübungslager, Kriegsgefangenenlager, Lager für ''Displaced Persons'' und Flüchtlingslager diente. [[Datei:Weinsberg Panorama 2.jpg|thumb|center|upright=4|Panorama von Weinsberg]] === Bauwerke === [[Datei:Weinsberg Baukelter 20080203.jpg|thumb|Die Baukelter, eines der ältesten erhaltenen Gebäude]] Weinsberg war von Beginn an als Stadt gegründet worden. Es diente schon den [[Herren von Weinsberg]] als Verwaltungsmittelpunkt für ihre in der Umgebung befindlichen Besitzungen der Herrschaft Weinsberg, und auch die neuen Besitzer ab 1440, die Pfalzgrafen bei Rhein und die württembergischen Grafen und Herzöge, verfuhren ebenso. Letztere machten die Stadt zum Sitz eines Oberamtes, die mit dem Staat eng verbundene Landeskirche machte sie zum Sitz eines Kirchenbezirkes. Im Lauf der Jahrhunderte entstanden so repräsentative Amtsbauten, die auch nach den Zerstörungen der Stadt im [[Deutscher Bauernkrieg|Bauernkrieg]] 1525 und beim Stadtbrand 1707 wieder errichtet oder ersetzt wurden. Auch die jüngste Zerstörung 1945, die große Teile der Altstadt vernichtete, überstanden dennoch einige Bauwerke. Die Pläne, nach dem Brand von 1707 das mittelalterliche Stadtbild mit den engen Gassen durch neue, breite Straßen zu ersetzen, ließen sich wegen der für den Weinbau lebensnotwendigen großen Gewöbekeller, die erhalten geblieben waren, nicht durchsetzen, nur der Marktplatz wurde großzügiger gestaltet. Auch heute verfügt Weinsberg noch über eine Vielzahl dieser alten Weinkeller, die allerdings zum allergrößten Teil nicht mehr als solche benutzt werden. Der Wiederaufbau 1946 musste nicht mehr so sehr auf sie Rücksicht nehmen, was an manchen Stellen deutlich breitere Straßen ermöglichte, so zum Beispiel in der Hauptstraße, die Jahrzehnte als durch den Ort führende Bundesstraße 39 diente. [[Datei:Weinsberg Roemerbad 20060902.jpg|thumb|left|Das Römerbad von oben]] ; Römerbad (Überreste einer römischen ''villa rustica'') Das Weinsberger [[Römerbad (Weinsberg)|Römerbad]], das 1906 beim Pflanzen eines Baumes zufällig entdeckt und ausgegraben wurde, war im 2. und 3. Jahrhundert n. Chr. Teil eines römischen Gutshofs an der Römerstraße zwischen [[Böckingen]] und [[Öhringen]] und zählt heute zu den ältesten Zeugnissen römischer Geschichte in Baden-Württemberg. 1977 wurde die restliche Anlage, soweit nicht überbaut, freigelegt und von der Stadt restauriert. Sie kann ganzjährig kostenlos besichtigt werden. <br style="clear: both;" /> ; Burgruine Weibertreu → ''Hauptartikel: [[Burgruine Weibertreu]]'' Die Weinsberger Burg, auf dem Burgberg oberhalb der Stadt gelegen, wurde als [[Reichsburg]] wahrscheinlich im 11. Jahrhundert erbaut. 1504 wurde sie bei der Eroberung der Stadt beschädigt, im Bauernkrieg 1525 zerstört und verfiel im Laufe der Jahrhunderte. Justinus Kerner stoppte ab 1823 den weiteren Verfall. Die Burgruine kann gegen Eintritt besichtigt werden. ; Stadtmauer und Wachturm [[Datei:Weinsberg Wachturm Maerz 2005.jpg|thumb|upright|Der Wachturm von Süden]] Schon bald nach der Stadtgründung, vermutlich im frühen 13. Jahrhundert, wurde die Stadt mit einer [[Stadtmauer]] aus [[Buckelquader]]n umgeben, die ursprünglich auch die Burg einschloss, im 14. Jahrhundert (vermutlich 1332) aber gegenüber der Burg abgeschlossen wurde. Sie wies sechs Türme und zwei Tore auf: das Obere Tor im Osten, an der Straße nach Ellhofen und Öhringen, und das Untere Tor im Südwesten, an der alten Straße nach Heilbronn. Nach dem Bauernkrieg und der Zerstörung der Stadt 1525 sollte die Mauer mitsamt ihren Türmen geschleift werden, was aber nicht geschah. 1784 wurde nach verheerenden Stadtbränden in anderen Städten mit der Einrichtung eines (offenen) Feuertores beim südlichen Wachturm erstmals eine Bresche in die bis dahin lückenlose Stadtmauer geschlagen. 1803 wurden die noch vorhandenen Teile des [[Wehrgang]]s abgebrochen, ab 1805 in einem jahrzehntelangen Prozess nach und nach fast die gesamte restliche Stadtmauer. In zwei Schritten wurde 1811 und 1844/1845 die Straße nach Heilbronn am westlichen Stadtausgang auf eine neue, weniger steile Trasse verlegt, wozu weitere Teile der Stadtmauer und auch einige Häuser abgerissen wurden. Reste der Stadtmauer existieren noch im Norden und Nordosten des alten Stadtkerns; im Süden ist nur noch ein kleines Stück zu finden. Drei der Türme&nbsp;– Wolfsturm, Diebsturm (später Geisterturm genannt) und Küh-, Säu- oder Wachturm&nbsp;– sind ebenfalls noch erhalten, vom Wolfsturm in der Nordwestecke der Stadtbefestigung gleich bei der Kirche allerdings nur der Turmstumpf. Der Wachturm wurde als Teil der südlichen Stadtmauer um 1200/1210 aus für die Stauferzeit typischen Buckelquadern erbaut. Andere Namen des Turms waren Kühturm, Säuturm oder Saubachturm. Er ist eines der ältesten erhaltenen Bauwerke der Stadt und wurde errichtet, um die Stadtverteidigung an dieser Stelle zu verbessern, die sich außer auf die Stadtmauer nur auf einen oft fast ausgetrockneten Wassergraben stützen konnte, der vom Stadtseebach bzw. Saubach gespeist wurde. Die der Stadt zugewandte Nordseite des Turms wurde vermutlich zunächst offen gelassen und erst später mit einer [[Fachwerkhaus|Fachwerkwand]] geschlossen. Beim großen Stadtbrand von 1707 blieb der Turm unversehrt. Für 1784 ist seine Nutzung als Unterkunft für Arme überliefert. 1853 geriet er in Brand und brannte aus, wurde aber noch im selben Jahr wieder instandgesetzt. Noch bis 1857 befand sich hier auch die Wachstube der städtischen Nachtwächter. Im Lauf der Jahre wurde er außerdem als Wohnung des Hochwächters, Gefängnis, Armenunterkunft und Jugendherberge genutzt. Im Glockenstuhl im obersten Stockwerk hängt heute die Glocke der ehemaligen, 1975 abgerissenen evangelischen Kirche des Lagers Weinsberg. Nach einer umfassenden Sanierung des Turms in den Jahren 1986/1987 sind im Wachturm heute u.&nbsp;a. verschiedene Vertriebenen-Landsmannschaften untergebracht. Sie unterhalten im Turm eine Heimatstube, die besichtigt werden kann. [[Datei:Weinsberg Johanneskirche von Sueden.jpg|thumb|left|Die Johanneskirche von Süden. Links unten vor der Kirche das Gebäude des ev. Dekanats]] ; Evangelische Johanneskirche → ''Hauptartikel: [[Johanneskirche (Weinsberg)|Johanneskirche]]'' Die Johanneskirche am Ökolampadiusplatz, eine [[Romanik|romanische]] [[Basilika]] und [[Chorturm]]kirche, ist die Kirche der Evangelischen Kirchengemeinde Weinsberg. Mit dem Bau der Kirche wurde um 1200/1210 wahrscheinlich im Auftrag der Herren von Weinsberg begonnen. Bei der Zerstörung der Stadt im Bauernkrieg 1525 brannte die Kirche aus und wurde danach wieder aufgebaut. Die späteren Zerstörungen der Stadt durch Brände 1707 und 1945 überstand die Kirche unversehrt. An der Ostseite der Kirche befindet sich das Ehrenmal für die Toten und Vermissten des Ersten Weltkrieges. Die Kirche ist im Sommer täglich, sonst nach Voranmeldung zu besichtigen. ; Sonstige Bauwerke Die ältesten erhaltenen Gebäude der Stadt nach Burg und Johanneskirche stehen an Orten, die von den Stadtbränden 1707 und 1945 nicht erfasst wurden. An der Kirchstaffel, die den Ökolampadiusplatz an der Johanneskirche mit dem tiefer gelegenen Marktplatz verbindet, sind vier Häuser aus dem 16. Jahrhundert erhalten, darunter das ehemalige Pfarrhaus, die ehemalige Lateinschule und die ehemalige Mesnerei und Deutsche Schule. Der Marktplatz entstand in seiner jetzigen Form nach dem Stadtbrand 1707. An seinem oberen Ende überragt ihn das 1708 als Vogtei erbaute jetzige evangelische Dekanatsgebäude. Die westliche Seite des Platzes überstand die Kriegszerstörung 1945, während die Ostseite mit dem Rathaus abbrannte. Das Rathaus wurde durch einen am 29.&nbsp;August 1953 eingeweihten Neubau ersetzt. [[Datei:Weinsberg Marktplatz nach 1835.jpg|thumb|Der Marktplatz Mitte des 19. Jahrhunderts]] Südwestlich vom Marktplatz hat in der Mönchhausgasse der ehemalige Stadthof des [[Kloster Schöntal|Klosters Schöntal]] die Zeiten überdauert und der Gasse den Namen verliehen. Das Kloster hatte mindestens seit dem 14. Jahrhundert Besitz in Weinsberg, sein Stadthof, der für die Verarbeitung und Einlagerung der Produkte der klösterlichen Felder und Weinberge benötigt wurde, wird erstmals 1455 erwähnt. Nach der Zerstörung im Bauernkrieg 1525 wurde das Haus an selber Stelle wieder aufgebaut. Etwas weiter südlich, am ehemaligen unteren Stadttor, erstreckte sich das städtische Spital für Arme, Kranke und Alte, von einem Engelhard von Weinsberg gestiftet und 1354 erstmals bezeugt. Nach den Zerstörungen 1525 wieder aufgebaut und 1707 nicht zerstört, blieb das Spital bis 1799 in Betrieb. Heute sind noch die ehemalige Spitalkirche und eine Hälfte des Pfründnerhauses erhalten. Östlich des Marktplatzes steht am heutigen Seufferheldplatz die [[Baukelter Weinsberg|Baukelter]], eine ehemalige herrschaftliche Kelter. Sie war schon vor dem Brand 1525 entstanden und in diesem Jahr ebenso wie 1707 und 1945 ausgebrannt, konnte wegen ihrer starken Mauern aber immer wieder aufgebaut werden. Seit dem 19. Jahrhundert ist das Gebäude in städtischem Besitz. Von 1933 bis 1945 diente es als Parteiheim der örtlichen [[Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei|NSDAP]], danach von 1949 bis zur Einweihung des neuen Rathauses 1953 als Sitz der Stadtverwaltung. Zuletzt wurde es Mitte der 1990er-Jahre restauriert und beherbergt seitdem die städtische Musikschule und den für Veranstaltungen gedachten Michael-Beheim-Saal. Im Helfensteinkeller getauften Gewölbekeller ist die Vinothek untergebracht. [[Datei:Weinsberg Haellische Strasse 4 20051023.jpg|thumb|Doppelte Versteinung: anderswo unbekannt]] ; Doppelt versteinte Hällische Straße → ''Hauptartikel: [[Doppelt versteinte Hällische Straße]]'' Ein wenig bekanntes [[Kulturdenkmal]] ist die ''Doppelt versteinte Hällische Straße''. Es handelt sich um einen etwa 1,7&nbsp;km langen Abschnitt eines alten Fernhandelsweges, der hier die Markungsgrenze zwischen Heilbronn und Weinsberg bildet. Um die Grenze nach Grenzstreitigkeiten eindeutiger zu markieren, drängte Heilbronn auf eine „doppelte Versteinung“, also auf einander gegenüberstehende [[Grenzstein]]e auf beiden Seiten der Straße. Dies stellt die große Besonderheit dar und ist in Deutschland von keiner anderen Straße bekannt. Quellen:<ref>Willi Lutz: ''Zwischen Heilbronn und Weinsberg: Die doppelt versteinte Hällische Straße''. In: ''Schwäbische Heimat'' Jahrgang 54. 2003, Heft&nbsp;3, S.&nbsp;330–332 und ''Die doppelt versteinte Hällische Straße''. In: ''Jahrbuch für die Stadt Weinsberg 1959''</ref> === Parks und Grünanlagen === Die älteste „Grünanlage“ Weinsbergs ist der städtische Friedhof, der 1612 nach einem Pestausbruch etwas außerhalb der Stadt angelegt wurde und den früheren Friedhof im Kirchhof rings um die Johanneskirche nach und nach ersetzte. Er befindet sich heute direkt südlich der Bahnlinie und weist einen großen Baumbestand auf. Neben den Gräbern bekannter Weinsberger Bürger wie denen von Justinus Kerner und seiner Frau Friederike befindet sich hier auch das Ehrenmal für die Weinsberger Toten und Vermissten des Zweiten Weltkrieges. Das Tal des Stadtseebachs südlich des bebauten Stadtgebiets wurde ab 1977 zu einer parkähnlichen Naherholungsanlage umgestaltet, um den in den vorigen Jahren und Jahrzehnten durch den Autobahnbau erlittenen Verlust an Erholungsflächen wenigstens zum Teil wieder auszugleichen. Bis zur Einweihung am 17.&nbsp;Juli 1983 wurden Wege und ein künstlicher See neu angelegt sowie 6000 Bäume und Sträucher gepflanzt. 1986 wurde das westlich der Bahnlinie anschließende Gelände bis zur Wohnbebauung ebenso gestaltet, so dass entlang dem Stadtseebach ein geschlossener Grüngürtel bis hin zum südlichen Stadtsee- und Brühltal entstand. Durch den Konkurs der alteingesessenen Weinsberger Ziegelei konnte die Stadt 1984 deren großes Gelände mitten im Stadtgebiet (südlich der Bahnlinie) erwerben. Nach Abbruch der Gebäude wurde das Gelände mit Pflanzung von 10.000 Bäumen und Sträuchern zur Erholungsanlage ''Alte Ziegelei'' umgestaltet und am 24.&nbsp;Juni 1990 der Öffentlichkeit übergeben. Der westliche Teil, in dem die Ziegelwerke den benötigten [[Lehm]] abgebaut hatten und in dem sich ein kleines Feuchtgebiet mit Tümpeln gebildet hatte, wurde als [[Biotop|Großbiotop]] belassen. Etwas außerhalb des Stadtgebiets befindet sich das [[Klinikum am Weissenhof]], das 1903 als Königliche Heilanstalt inmitten eines 43&nbsp;ha großen Parks eröffnet wurde, der heute mit 3.800 Bäumen bestanden und mit etwa 10&nbsp;km Wegen erschlossen ist. === Natur === [[Datei:Weinsberg Stadtseetal 20070506.jpg|thumb|Im Stadtseetal]] [[Datei:Bombina variegata Weinsberg 20070707 3 crop.jpg|thumb|Gelbbauchunke]] Durch die rege Bautätigkeit nach dem Zweiten Weltkrieg ist der Anteil der naturbelassenen Flächen an der Weinsberger Markung stetig zurückgegangen. Dennoch verfügt die Stadt vor allem im Süden des Stadtgebiets noch über größere Naturflächen. Das von der Bevölkerung als Erholungsgebiet genutzte Stadtsee- und Brühltal ist seit dem 17.&nbsp;April 1980 als ökologisch wertvolles, 89&nbsp;ha großes [[Landschaftsschutzgebiet]] ''Brühl- und Stadtseetal'' (Nr.&nbsp;1.25.014) eingestuft. Südlich daran anschließend befindet sich im Wald das [[Feuchtgebiet]] Hinteres Brühltal, das am 4.&nbsp;Dezember 2002 zum 20,4&nbsp;ha großen [[Naturschutzgebiet]] ''Brühl'' (Nr.&nbsp;1.254) erhoben wurde, nachdem ein Teilgebiet schon ab 1986 [[Naturdenkmal]] war. Durch militärische Nutzung seit 1936 (als Schießplatz) und die damit einhergehende Sperrung bis in die 1980er-Jahre hinein entstand hier ein Rückzugsraum für viele seltene Tier- und Pflanzenarten wie beispielsweise das [[Tausendgüldenkraut]], das [[Fleischfarbenes Knabenkraut|Fleischfarbene Knabenkraut]], die [[Schlingnatter]], die [[Gelbbauchunke]] oder den [[Großer Feuerfalter|Großen Feuerfalter]]. Bemerkenswert ist auch das häufige Vorkommen der [[Elsbeere]] und des [[Speierling]]s im Wald, in den Brühl- und Stadtseetal an der Stadtgrenze zu Heilbronn übergehen. Über 50 Exemplare des seltenen Speierlings wurden hier gezählt. Das 5&nbsp;ha große ''Elsbeerwäldle'', beiderseits der Autobahn&nbsp;81 direkt an der Ausfahrt Weinsberg gelegen, wurde am 2.&nbsp;September 1991 als [[Schonwald]] (Nr.&nbsp;302) ausgewiesen, um die Elsbeer- und Speierlingbestände zu schützen. Der Weinsberger Abschnitt des Sulmtals, in früheren Zeiten als landschaftlich sehr reizvoll gerühmt,<ref>Beispielsweise von Rolf Becker: ''„… Dir, o stilles Tal …“. Nachruf auf eine Landschaft''. In: ''Jahrbuch für die Stadt Weinsberg 1966'', S.&nbsp;133</ref> wird seit dem Autobahnbau vor allem vom Autobahnkreuz dominiert. Dennoch befindet sich auch hier, in der Nordostecke des Autobahnkreuzes, ein Naturschutzgebiet, an dem Weinsberg einen kleinen Anteil hat. Das Naturschutzgebiet ''Wildenberg'' (Nr.&nbsp;1.187) wurde am 16.&nbsp;Oktober 1992 auf dem Westteil des Wildenberges zwischen Weinsberg-Grantschen und Eberstadt, direkt südlich der A&nbsp;81, eingerichtet. Der Weinsberger Anteil ist mit 1,6&nbsp;ha aber ziemlich klein, verglichen mit dem 47,8&nbsp;ha großen Anteil Eberstadts. Das Schutzgebiet besitzt durch mehrere geologische [[Aufschluss (Geologie)|Aufschlüsse]] besondere geologische Bedeutung als Einblick in die Entstehungsgeschichte des [[Schilfsandstein]]s. Das ganze Naturschutzgebiet und ein kleines anschließendes Gebiet, insgesamt 57,5&nbsp;ha, wurde zudem schon am 2.&nbsp;September 1991 als Schonwald (Nr.&nbsp;01) ausgewiesen mit dem Ziel, die naturnahe Laubholzbestockung zu erhalten und pflegen. Ein weiteres Landschaftsschutzgebiet ist der Burgberg mit der Burgruine Weibertreu, der seit dem 21.&nbsp;Juli 1978 das 17&nbsp;ha große Landschaftsschutzgebiet ''Burgberg mit „Weibertreu“'' (Nr.&nbsp;1.25.002) bildet.<ref>Quellen für den Abschnitt ''Natur'': [http://www.lubw.baden-wuerttemberg.de/servlet/is/11385/ Verzeichnis der Natur- und Landschaftsschutzgebiete der Landesanstalt für Umweltschutz, Messungen und Naturschutz Baden-Württemberg], [http://web.archive.org/web/20051027174512/http://wald-online-bw.de/2wald/f1waldschutzgebiete.htm Waldschutzgebiete in Baden-Württemberg bei der Landesforstverwaltung Baden-Württemberg], [http://www.landkreis-heilbronn.de/lra/formular/umweltbericht.pdf Umweltbericht 2000 des Landkreises Heilbronn (PDF)], S.&nbsp;32 (alle Internetquellen abgerufen am 8.&nbsp;Oktober 2006) sowie Jahrbücher für die Stadt Weinsberg 1989, 1991, 2000 und 2002</ref> === Sport und Sportanlagen === Größter Sportverein und auch größter Verein Weinsbergs überhaupt ist der TSV 1866 e.&nbsp;V. Weinsberg, der mit zahlreichen Abteilungen unter anderem diverse Ballspiele (Fußball, Handball, Basketball), Tischtennis, Leichtathletik, Gymnastik, Kegeln und Reiten anbietet. Die 1. Männer-Handballmannschaft spielt seit der Saison 1997/98 in der Württemberg-Liga (Oberliga).<ref>[http://web.archive.org/web/20070813001111/http://www.tsv-weinsberg.de/handball/club/club_history.html Die Geschichte des Handballspiels in Weinsberg] beim TSV Weinsberg (abgerufen am 3. Mai 2007)</ref> Unter großem Aufsehen gründete sich 2006 der neue Verein Turngemeinschaft TG Weinsberg 2006 e.&nbsp;V. (TG) aus der TSV-Turnabteilung heraus (die TSV-Abteilung besteht in stark reduzierter Größe weiterhin). Außerdem gibt es noch den Fischereiverein Weinsberg e.&nbsp;V., den Radsportverein Weinsberg e.&nbsp;V., die Schützengilde 1862 Weinsberg, die Tauchergruppe Weinsberg und den Tennis-Club Weinsberg e.&nbsp;V. 1960 mit einer Wassersportabteilung, die hauptsächlich auf dem [[Breitenauer See]] in Obersulm/Löwenstein aktiv ist. [[Datei:Weinsberg Bildungszentrum Rossaecker 20060902.jpg|thumb|Das Schulzentrum Rossäcker mit vier Schulen und den Sporthallen]] Es gibt in Weinsberg drei Sporthallen: die 1975 eingeweihte Mehrzweckhalle Weibertreuhalle beim Schulzentrum Rossäcker, die 2001/2002 direkt nebenan erstellte und mit ihr verbundene Sporthalle Rossäcker sowie die ältere Mühlrain-Turnhalle von 1958. Beim Schulzentrum befinden sich auch Außensportanlagen. Für Leichtathletik, Rasenspiele und Kegeln steht das 1977 eingeweihte Sportzentrum Stämmlesbrunnen mit TSV-Vereinsheim zur Verfügung; direkt daneben liegt die 1960 bis 1986 erbaute Tennisanlage des Tennis-Clubs. Im Anschluss an diese befindet sich das 1929 am Stadtseebach erbaute Weinsberger Freibad, das mehrfach saniert und erweitert, zuletzt am 31.&nbsp;Mai 2003 neu eingeweiht wurde und nun über vier solarbeheizte Becken mit 25&nbsp;°C Wassertemperatur verfügt. Das Freibad zählt pro Saison Zehntausende von Badegästen, im heißen Ausnahmejahr 2003 über 100.000, in der Saison 2004 noch über 50.000. Die dem Freibad benachbarte, ab 1978 erstellte Reitanlage der Reitabteilung des TSV bildet den Übergang vom Freibad zum nördlich anschließenden Naherholungsgebiet Stadtseebachtal. Ein 1974 eröffneter [[Trimm-dich-Pfad]] im Wald beim Albvereinshaus war nach Jahrzehnten der Nutzung in schlechtem Zustand und wurde im Frühjahr 2008 abgebaut. Stattdessen richtete die Stadt unter dem Namen ''Fit im Park'' eine neue, am 27. Juli 2008 der Öffentlichkeit übergebene ''Lauf- und Fitness-Strecke'' ein, die in zwei Abschnitten von insgesamt 5,2&nbsp;km Länge durch das Stadtseetal und das Naherholungsgebiet führt. === Regelmäßige Veranstaltungen === Von 1977 bis 2007 fand jedes Jahr an einem Juni-Wochenende unter freiem Himmel in der Altstadt das ''Stadtfest'' statt, bei dem man neben einem kleinen kulturellen Rahmenprogramm im Wesentlichen essen, trinken, sich unterhalten und der Musik von Stadtkapelle und anderen Musikkapellen lauschen konnte. Wegen des Rückzugs mehrerer Vereine musste das Stadtfest 2008 und 2009 abgesagt werden und soll ab 2010 unter dem Titel ''Weinsberger Verführung''<ref>{{Literatur|Autor=Joachim Kinzinger|Titel=Ersatz für Infotage gefunden|Sammelwerk=Heilbronner Stimme|Jahr=2010|Monat=März|Tag=4|Online=[http://www.stimme.de/art1911,1781154 bei stimme.de]|Zugriff=25. April 2010}}</ref> durch „Weinsberger Wein- und Rosentage“ am Burgberg ersetzt werden.<ref>{{Literatur|Autor=Joachim Kinzinger|Titel=Wein- und Rosentage statt Stadtfest|Sammelwerk=Heilbronner Stimme|Jahr=2009|Monat=März|Tag=11|Online=[http://www.stimme.de/art1911,1480435 bei stimme.de]|Zugriff=15. März 2009}}</ref> Ähnlich wie das frühere Stadtfest präsentiert sich der Weibertreu-Herbst, auch bekannt als Herbstfest, das alljährlich an einem Wochenende im September oder Oktober auf dem Festplatz auf dem Grasigen Hag (nördlich der Johanneskirche) stattfindet. Das Festgeschehen findet hier im Festzelt statt. Außerdem gibt es noch eine Auswahl von [[Fahrgeschäft]]en, Losbuden etc. In unregelmäßigen Abständen, zuletzt 1994 und 2000, zieht am Wochenende des Herbstfestes ein historischer Festzug durch die Stadt. Abordnungen der Vereine repräsentieren in historischen Kostümen die Weinsberger Geschichte, die Schul- und Kindergartenkinder laufen mit; auch [[Spielmannszug|Fanfarenzüge]] aus der näheren und weiteren Umgebung, Abordnungen der Weinsberger Partnerstädte usw. sind präsent. Im Sommer jedes geraden Jahres finden seit 1996 auf der Burgruine Weibertreu die Weibertreu-Festspiele mit Theater und Gastspielen statt. Veranstalter ist der Theaterverein Weinsberg. Seit 1998 veranstaltet der [[Gemeindeverwaltungsverband „Raum Weinsberg“]] alle zwei Jahre in den sommerlichen Schulferien für jeweils zwei Wochen die [[Kinderstadt]] ''Gnurpsel-City'' für 260 neun- bis zwölfjährige Kinder aus den Orten des Verbandes.<ref>[http://www.gnurpselcity.de/ Website der ''Gnurpsel-City''] (abgerufen am 13.&nbsp;November 2006)</ref> Das jährlich Ende Juli, Anfang August veranstaltete ''Weinsberger Weinfestival'' beim Albvereinshaus, ein mehrtägiges Musikfestival mit Gastronomie, ist mittlerweile eine feste Einrichtung im Veranstaltungskalender. Bei der 14. Auflage 2008 zogen Interpreten verschiedener Musikrichtungen wie Reggae, Rock, Blues, Funk, Soul allabendlich 400 bis 500 Gäste an.<ref> {{Literatur|Autor=Joachim Kinzinger|Titel=Auf zum „kleinen Gaffenberg“|Sammelwerk=Heilbronner Stimme|Jahr=2008|Monat=August|Tag=2|Online=[http://www.stimme.de/art1911,1312759 bei stimme.de]|Zugriff=15. März 2009}}</ref> == Wirtschaft und Infrastruktur == Die für ein [[Unterzentrum]] üblichen Einrichtungen wie Lebensmittelgeschäfte, Post, Allgemeinärzte, Apotheken, Grundschulen, Stadtverwaltung etc. sind alle in Weinsberg vorhanden, und auch einige der für ein [[Mittelzentrum]] charakteristischen Merkmale wie weiterführende Schulen, Fachärzte, Anwälte und ein Krankenhaus sind anzutreffen, weshalb die Stadt als Unterzentrum mit mittelzentralen Funktionen eingestuft ist. Den Vorstößen der Stadtverwaltung auf eine Einstufung als Mittelzentrum war bislang (Stand: 2006) kein Erfolg beschieden. Die Landwirtschaft, insbesondere der [[Weinbau]], war bis ins 19. Jahrhundert die wesentliche Komponente der Weinsberger Wirtschaft. Auch Handwerk und Gastronomie waren immer schon vertreten. Daneben gab es aber auch früh schon typisch städtische Einrichtungen wie eine [[Lateinschule]]. Durch die Einrichtung des Kirchenbezirks und des Oberamtes in Weinsberg nahm die Zahl der Bediensteten an Verwaltungseinrichtungen im weitesten Sinne zu, durch die Ansiedlung staatlicher Institutionen wie Weinbauschule (1868) und Heilanstalt (1903) verstärkte sich dies noch. Auch nach Auflösung des Oberamtes 1926 blieb dies im Wesentlichen so; der Wegfall einiger Einrichtungen wurde durch den Ausbau der anderen (zum Beispiel der weiterführenden Schulen ab den späten 1960er-Jahren) kompensiert. Industrie siedelte sich in der Stadt erst ab Beginn des 20. Jahrhunderts an, vor allem die Dampfziegelei und die [[Karosseriewerke Weinsberg]] beschäftigten eine nennenswerte Anzahl von Arbeitern. Trotz Niedergang dieser Unternehmen ist auch heute noch Industrie in Weinsberg ansässig, zwei größere und eine Anzahl kleinerer und mittlerer Betriebe. In den ab den 1970er-Jahren errichteten Gewerbegebieten am Autobahnkreuz siedelten sich unter anderen das Handelsunternehmen Spar (heute Edeka) mit einem großen Lager sowie ein Baustoff-Großhändler an. Der Einzelhandel war noch bis in die 1980er-Jahre typisch kleinstädtisch geprägt mit vielen inhabergeführten Geschäften des Nahrungsmittelhandwerks (Bäcker, Metzger) und Lebensmittelhandels und Fachgeschäften für Kleidung, Schreibwaren, Kurzwaren und anderes mehr, ergänzt durch einige kleinere [[Supermarkt|Supermärkte]] und eine Filiale einer Lebensmittel-[[Konsumgenossenschaft]] (coop). Ab den späten 1980er- und vor allem in den 1990er-Jahren veränderte sich dies. Der inhabergeführte Einzelhandel ist zwar nach wie vor präsent, aber im Rückgang begriffen. Die Supermärkte und coop gaben auf, Lebensmittel-[[Discounter]] und ein größerer Verbrauchermarkt ([[Kaufland|Handelshof]]) siedelten sich stattdessen an. Da ein Kaufkraftabfluss ins direkt benachbarte [[Oberzentrum]] Heilbronn und in das ebenfalls nicht weit entfernte Mittelzentrum Neckarsulm und auch darüber hinaus in weiter entfernte Städte festgestellt worden war, hatte die Stadtverwaltung diese Ansiedlungen für nötig erachtet und deswegen auch einen letztlich vor Gericht entschiedenen Streit mit den Nachbargemeinden in Kauf genommen. === Weinbau === [[Datei:Weinsberg herbstliche Weinberge 20051029 Panorama.jpg|thumb|upright=1.2|Herbstliche Weinberge auf dem Schemelsberg, vom Burgberg aus gesehen]] Der [[Weinbau]] war, wie der Stadtname zeigt, in früheren Zeiten die Grundlage der Weinsberger Wirtschaft und spielt auch heute noch eine wichtige Rolle. 1271 wurde der Weinbau in Weinsberg erstmals erwähnt, 1636 sind 28 Keltern in der Stadt nachgewiesen. Mit 430&nbsp;ha Rebfläche (Stand: 2005, mit Ortschaften), davon ca. zwei Drittel rote [[Rebsorte]]n, steht Weinsberg heute an fünfter Stelle der Weinbaugemeinden im [[Württemberg (Weinbaugebiet)|Weinbaugebiet Württemberg]].<ref>[http://web.archive.org/web/20080204081626/http://www.wvwue.de/Daten_und_Fakten/daten_und_fakten.html ''Daten und Fakten zum Weinland Württemberg'' beim Weinbauverband Württemberg] (Version des [[Internet Archive]]; abgerufen am 14.&nbsp;Februar 2009)</ref> 1868 wurde die Weingärtnergenossenschaft Weinsberg gegründet, die sich am 14.&nbsp;Juni 1972 mit den [[Winzergenossenschaft|Weingärtnergenossenschaften]] aus Erlenbach und Heilbronn zur [[Genossenschaftskellerei Heilbronn-Erlenbach-Weinsberg]] e.&nbsp;G. (heute auf Erlenbacher Gemarkung gelegen) zusammenschloss, der auch heute noch die meisten Weinsberger [[Winzer|Weinbauern]] angeschlossen sind. Es gibt aber auch einige Selbstvermarkter, das heißt Weingüter, die ihren Wein selbst ausbauen und vermarkten. Außerdem gibt es in der Stadt die 1868 gegründete [[Staatliche Lehr- und Versuchsanstalt für Wein- und Obstbau Weinsberg|Staatliche Lehr- und Versuchsanstalt für Wein- und Obstbau]] (LVWO oder kurz Weinbauschule), die ausbildet und ihren Wein als Staatsweingut Weinsberg vermarktet. Seit dem 19.&nbsp;Januar 1957 ist zudem die Bundesfachschule für das [[Küfer|Weinküferhandwerk]] in Weinsberg ansässig, die jedes Jahr einen Vorbereitungslehrgang auf die [[Meisterprüfung]] in diesem Handwerk durchführt. Seit 1972 hat schließlich der Weinbauverband Württemberg in Weinsberg seinen Sitz, der 2002 das ebenfalls in Weinsberg ansässige ''Weininstitut Württemberg'' gründete. === Verkehr === [[Datei:Weinsberg Autobahnkreuz von Burg Maerz 2005.jpg|thumb|upright=1.17|Das Weinsberger Kreuz von der Burgruine (Südwesten) aus gesehen]] Auf Weinsberger Gebiet im Sulmtal liegt das ab 1966 erbaute [[Autobahnkreuz Weinsberg]], wo sich die [[Autobahn (Deutschland)|Autobahnen]] [[Bundesautobahn 6|A&nbsp;6]] ([[Mannheim]]–[[Heilbronn]]–[[Nürnberg]]) und [[Bundesautobahn 81|A&nbsp;81]] ([[Würzburg]]–[[Stuttgart]]) kreuzen. Die A&nbsp;81 Richtung Würzburg ist wenig befahren, die anderen drei Strecken dafür umso mehr. Besonders die in Ost-West-Richtung führende A&nbsp;6 ist seit der Öffnung des Ostblocks oftmals dem Verkehrsinfarkt nahe mit einem täglichen Verkehrsaufkommen von im Jahre 2001 bis zu 102.000 Fahrzeugen (Strecke Weinsberg–Walldorf), davon etwa 30 % [[Lastkraftwagen|Lkws]], einer der höchsten Anteile im deutschen Autobahnnetz. Der sechsspurige Ausbau der bislang noch vierspurigen A&nbsp;6 ist seit langem dringender Wunsch der ganzen [[Region Heilbronn-Franken|Region Heilbronn]], die deshalb in einem bis dahin beispiellosen Schritt auch die Vorfinanzierung der Ausbauplanung vom Weinsberger Kreuz bis zur bayerischen Grenze übernommen hat.<ref>Herbert Kaletta: ''100&nbsp;000 Euro für die Autobahn''. In: ''[[Heilbronner Stimme]]'' vom 26. Juli 2007, S. 30</ref> Als vorübergehende Abhilfe bis zum Ausbau, der zugesagt, aber nicht terminiert ist, wurden die [[Straßenquerschnitt#Seitenstreifen|Standstreifen]] der A&nbsp;6 zu behelfsmäßigen Fahrstreifen ummarkiert.<ref>[http://www.pro-ausbau-a6.de/ Website des ''Aktionsbündnisses pro Ausbau A&nbsp;6''] (abgerufen am 13.&nbsp;November 2006)</ref> Die stark befahrene [[Bundesstraße 39]] ([[Heilbronn]]–[[Schwäbisch Hall]]) führte früher in West-Ost-Richtung mitten durch die Stadt und teilte Weinsberg praktisch in einen Nord- und einen Südteil. Die Überquerung der B&nbsp;39 abseits von Ampeln war fast unmöglich, so dass über Jahrzehnte der Wunsch nach einer [[Ortsumgehung|Umgehungsstraße]] wuchs, die am 13.&nbsp;Juli 1990 schließlich eingeweiht wurde. Von Heilbronn kommend durchquert sie im Westen den Schemelsberg in einem Tunnel, umgeht Weinsberg im Norden entlang der Trasse der A&nbsp;6 und trifft schließlich im Osten, Richtung Ellhofen, wieder auf die alte B&nbsp;39. Die alte Strecke der B&nbsp;39 durch den Stadtkern wurde verkehrsberuhigt. An der Markungsgrenze zu Ellhofen zweigt der [[Autobahnzubringer]] B&nbsp;39a nach Süden ab, der zur [[Anschlussstelle (Autobahn)|Autobahnanschlussstelle]] Weinsberg an der A&nbsp;81 (südlich des Weinsberger Kreuzes) führt. Mit seinen Ortschaften und den übrigen Nachbargemeinden ist Weinsberg durch Landes- und Kreisstraßen verbunden. [[Datei:Weinsberg Stadtbahn 20070311.jpg|thumb|Eine Stadtbahn am Weinsberger Bahnhof]] Der [[Öffentlicher Personennahverkehr|Öffentliche Personennahverkehr]] wird von der [[Stadtbahn Heilbronn]] und den auf sie abgestimmten Bussen im Verkehrsverbund [[Heilbronner Hohenloher Haller Nahverkehr|HNV]] gewährleistet. Weinsberg liegt an der 1860 bis 1862 erbauten [[Hohenlohebahn]] von [[Heilbronn]] über [[Öhringen]] nach [[Schwäbisch Hall]]. Neben normalen Zügen der [[Deutsche Bahn|Deutschen Bahn]] fahren seit Dezember 2005 auch von der [[Albtal-Verkehrs-Gesellschaft]] betriebene [[Stadtbahn]]züge von Heilbronn nach Öhringen und stellen so die Anbindung an die Stadtbahn Heilbronn her. Die früher nicht elektrifizierte Strecke, in die schon lange nichts mehr investiert worden war und die sich signaltechnisch noch auf einem Stand von 1900 befand, wurde zu diesem Zweck von 2003 bis 2005 modernisiert und bis Öhringen erstmals mit einer [[Oberleitung]] versehen. Außerdem wurden neue Haltepunkte gebaut; in Weinsberg sind dies die Haltepunkte Weinsberg West (seit März 2009<ref>{{Literatur|Autor=Sabine Friedrich|Titel=Letzter Haltepunkt im Kreis in Betrieb|Sammelwerk=Heilbronner Stimme|Jahr=2009|Monat=März|Tag=28|Online=[http://www.stimme.de/art1911,1494166 bei stimme.de]|Zugriff=29. März 2009}}</ref>) und Weinsberg/Ellhofen Gewerbegebiet (seit Dezember 2006), so dass Weinsberg zusammen mit dem Haltepunkt Weinsberg Bahnhof über drei Haltestellen verfügt. === Beschäftigung === Von den 11.796 Weinsberger Einwohnern waren am 30.&nbsp;Juni 2004 nach Zahlen der [[Bundesagentur für Arbeit]] 436 arbeitslos, was einem Anteil von 5,5 % der 15- bis 65-Jährigen entspricht. 3969 Einwohner waren sozialversicherungspflichtig beschäftigt, von denen aber 3054, also etwa 77 %, als Berufsauspendler außerhalb Weinsbergs arbeiteten. Umgekehrt gibt es aber auch 2843 Berufseinpendler, die außerhalb wohnen, sodass insgesamt 3.759 sozialversicherungspflichtig Beschäftigte in Weinsberg arbeiten. Von diesen sind 67,3 % im Tertiären [[Wirtschaftssektor|Sektor]] ([[Dienstleistung]]sbereich), 31,5 % im Sekundären Sektor ([[Industrie|Verarbeitendes Gewerbe]], [[Bauwesen|Bauwirtschaft]] und andere) und 1,1 % im Primären Sektor (hauptsächlich [[Landwirtschaft|Land]]- und [[Forstwirtschaft]]) tätig. Zum hohen Anteil des Dienstleistungssektors tragen wesentlich die verschiedenen öffentlichen Einrichtungen wie das [[Klinikum am Weissenhof]], die [[Staatliche Lehr- und Versuchsanstalt für Wein- und Obstbau Weinsberg|Weinbauschule]], die von der Stadtverwaltung besorgte Verwaltung des [[Gemeindeverwaltungsverband „Raum Weinsberg“|Gemeindeverwaltungsverbands]] und die Schulen bei. Nicht enthalten sind in diesen Zahlen die [[Selbständigkeit (beruflich)|Selbstständigen]].<ref name="SRDB" /> === Ansässige Unternehmen === In Weinsberg sind zwei größere Unternehmen der Metallbranche ansässig. Die Vollert Anlagenbau GmbH + Co. KG (ehemals: Hermann Vollert KG) ist ein 1925 als [[Schlosserei]] gegründetes, mittelständisches [[Anlagenbau]]-Unternehmen, das mit 180 Mitarbeitern weltweit unter anderem in der Schwerlast-, [[Fördertechnik|Förder]]-, Transport- und [[Lagertechnik]] tätig ist. Die 1958 gegründete [[Fibro|Fibro GmbH]], seit 1974 ein Tochterunternehmen des Heilbronner Läpple-Konzerns, ist in den Bereichen [[Normalie]]n, [[Drehtisch|Rundschalttische]], [[Automatisierungstechnik|Automation]] und [[Robotik]] tätig. In zwei Werken in Weinsberg und [[Haßmersheim]] hat Fibro über 1100 Beschäftigte. Auch das heute in Heilbronn ansässige [[Werkzeugbau|Werkzeug]]- und [[Formenbau]]-Unternehmen [[Läpple AG]] wurde 1919 in Weinsberg gegründet. [[Datei:Logo Karosseriewerke Weinsberg 1969.svg|thumb|150px|Logo der Karosseriewerke (um 1969)]] Die 1912 gegründeten [[Karosseriewerke Weinsberg]] GmbH (KW) sind vor allem für die [[Wohnmobil]]e bekannt, die sie unter dem Markennamen ''Weinsberg'' von 1969 bis 1992 bauten. Auch für [[Fiat]] bzw. [[NSU Motorenwerke|NSU]] wurden Autos hergestellt, unter anderem in den 1960er-Jahren das Fiat Coupé Weinsberg 500. Später konzentrierte sich das Unternehmen auf die Teilefertigung und den Vorrichtungs- und Werkzeugbau. Aufgrund der schlechten wirtschaftlichen Lage der Kunden wurde im April 2002 [[Insolvenz]] angemeldet. Nach über drei Jahren übernahm ein neuer Investor die KW zum 1.&nbsp;August 2005. Die [[Finanzkrise ab 2007|Wirtschaftskrise]] führte zur erneuten Insolvenz im März 2009. Noch 1987 beschäftigten die KW 560 Mitarbeiter; gegenwärtig <small>(Stand März 2009)</small> sind es 85. Die 1903 als [[Gärtner]]ei gegründeten Weinsberger Rosenkulturen sind eine der größeren Rosenschulen in Süddeutschland. Außer [[Rosen]] werden auch noch andere Pflanzen kultiviert und verkauft. Im gemeinsamen Gewerbegebiet mit Ellhofen unterhielt das Unternehmen [[Spar|SPAR Handels AG]] über Jahrzehnte ein Großlager (sowie einen Eurospar-Markt). Nach der vom Bundeskartellamt im Jahr 2005 genehmigten Übernahme der deutschen SPAR durch [[Edeka]] ging auch dieses Lager an Edeka über. Von den einst (Stand Mitte Dezember 2005) über 700 Arbeitsplätzen waren zwischenzeitlich nur 370 übrig geblieben; bis September 2006 ist die Zahl aber wieder auf 540 angestiegen.<ref>Heiko Fritze: ''Unter Edeka blüht das Lager wieder''. In: ''[[Heilbronner Stimme]]'' vom 26.&nbsp;September 2006, S.&nbsp;10</ref> 2002 verlagerte die [[Neckarsulm]]er [[Kaufland]]-Gruppe ihr Rechenzentrum von Neckarsulm nach Weinsberg. Fast 300 Personen sind hier beschäftigt. Ehemalige, heute nicht mehr bestehende Weinsberger Unternehmen sind u.&nbsp;a. die Dampfziegelei Weinsberg, später Ziegelwerke Koch & Söhne, dann Weinsberger Ziegel GmbH (1900 gegründet, 1983 in Konkurs), auf deren ehemaligem Gelände sich heute die Erholungsanlage Alte Ziegelei befindet, die Tabakfabrik Weinsberg (1924 gegründet, Produktion von Pfeifentabaken, Gebäude in den 1970er-Jahren abgerissen) und die Chemische Fabrik Weinsberg (1909 gegründet, Herstellung von Wachspolitur, Bodencreme und Schuhcreme unter dem Markennamen ''Weibertreu''). === Ver- und Entsorgung === [[Datei:Weinsberg Stadtsee 20050918.jpg|thumb|Der Stadtsee]] Die [[Wasserversorgung]] Weinsbergs wurde früher über eigene Quellen sichergestellt. Wasserleitungen speisten Brunnen wie beispielsweise den Marktbrunnen von 1803. Ab 1900 verbesserte ein Hochbehälter am Burgberg, der 74 Hydranten im Stadtgebiet versorgte, die Lage. 1937 wurden zur Sicherung der Trinkwasserversorgung im Quellgebiet des Saubaches im Süden des Stadtgebietes zwei kleine Stauseen angelegt, die zusammen mit den vorhandenen und weiteren, neu erschlossenen Quellen bis in die 1970er-Jahre Trinkwasser lieferten. Ab 1961 wurde der Anschluss an die [[Bodensee-Wasserversorgung]] erwogen, 1962 erfolgte der Beitritt zum Zweckverband Bodensee-Wasserversorgung (BSWV). 1974/1975 wurde Weinsberg dann von Heilbronn aus ans Leitungsnetz der BSWV angeschlossen; das erste Bodenseewasser floss am 27. März 1975 ins Weinsberger Leitungsnetz. 1904 wurde ein städtisches Gaswerk errichtet, das die Stadt mit durch [[Kohlevergasung]] selbst erzeugtem Stadtgas versorgte. Ab 20. Dezember 1962 wurde die Selbsterzeugung aufgegeben zugunsten von Gas, das durch eine neu erbaute Leitung aus Heilbronn bezogen wurde. Ab 1973 wurde auf [[Erdgas]] umgestellt. Gas- und Wasserversorgung werden von der Stadtwerke Weinsberg GmbH übernommen. Um die technische Abwicklung kümmern sich die Stadtwerke Heilbronn. Das selbst erzeugte Stadtgas wurde auch zum Betrieb der öffentlichen [[Straßenbeleuchtung]] benutzt, die am 31. Dezember 1904 erstmals mit Gas leuchtete. Am 8.&nbsp;Oktober 1957 wurde mit der Umstellung auf elektrische Straßenbeleuchtung begonnen, die Anfang der 1970er-Jahre wegen der Umstellung auf Erdgas forciert werden musste und am 8.&nbsp;Juni 1972 abgeschlossen war. Die [[Energieversorgungsunternehmen|Stromversorgung]] erfolgte ab 1912 über das [[Überlandwerk Hohenlohe-Öhringen]]; später war die [[Energie-Versorgung Schwaben]] (EVS) zuständig, die heutige [[EnBW Energie Baden-Württemberg|EnBW]], die in Weinsberg seit 1964 ein [[Umspannwerk]] betreibt. Die offenen Gräben ([[Dole (Kanal)|Dolen]]), die früher zur Entsorgung der Abwässer dienten, wurden nach 1900 durch [[Kanalisation|unterirdische Rohrleitungen]] ersetzt. Zur Reinigung des [[Abwasser]]s betrieb Weinsberg früher zwei eigene [[Kläranlage]]n. Seit 1976 benutzt die Stadt zwei gemeinsam mit mehreren Nachbargemeinden erbaute und betriebene Kläranlagen in Ellhofen und Neckarsulm. === Medien === Über das Geschehen in Weinsberg berichtet die [[Tageszeitung]] ''[[Heilbronner Stimme]]'' in ihrer Ausgabe für das Weinsberger Tal ''(WT)''. Vom 5.&nbsp;März 1875 bis 1934 erschien in Weinsberg auch eine eigene Tageszeitung, die ''[[Weinsberger Zeitung]]'', und vom 1.&nbsp;Mai 1898 bis zum 21.&nbsp;Juni 1901 erschien mit dem Weinsberger Tagblatt sogar ein Konkurrenzblatt. Seit 1.&nbsp;März 1952 erscheint außerdem wöchentlich ein städtisches Amtsblatt, das ''Nachrichtenblatt für die Stadt Weinsberg'', mit einer Auflage von 3.000 Exemplaren (Stand: 2002). Darüber hinaus gibt es noch die kostenlos verteilten Anzeigenblätter ''Neckar Express'' (wöchentlich mittwochs), ''echo'' (mittwochs und sonntags, aus der Verlagsgruppe der Heilbronner Stimme), ''D’r Pfiff'' (monatlich) und ''Weinsberg aktuell'' (mehrmals im Jahr, vom Weinsberger Gewerbeverein). Das seit Oktober 2000 in Obersulm erscheinende wöchentliche Anzeigen- und Nachrichtenblatt ''sulmtal.de&nbsp;– das extrablatt'' (für das Weinsberger Tal) wird seit September 2006 auch in Weinsberg verteilt, in Grantschen und Wimmental schon seit August 2002.<ref>''sulmtal.de&nbsp;– das extrablatt'' Nr. 35/2006, S.&nbsp;9</ref> Seit dem 8.&nbsp;September 2006 bringt ein anderer Verlag von Bad Friedrichshall aus ein weiteres Anzeigenblatt für das Weinsberger Tal heraus, die ''Sulmtaler Woche''.<ref>[http://www.nussbaum-bfh.de/content/view/329/15/ Mitteilung des Verlages Nussbaum Medien] (abgerufen am 2.&nbsp;Oktober 2007)</ref> Im [[Radio]] berichtet gelegentlich das [[SWR4]] Frankenradio des [[Südwestrundfunk]]-Studios Heilbronn über Weinsberg. Der Südwestrundfunk betreibt seit 1. Juli 1976 in Weinsberg auch einen [[Ultrakurzwelle|UKW]]-Radiosender, der sich direkt an der westlichen Markungsgrenze zu Heilbronn im Wald auf dem Galgenberg befindet<ref>''Jahrbuch für die Stadt Weinsberg 1976'', [http://www.ukwtv.de/sender-tabelle/UKW/Deutschland/Baden-Wuerttemberg.htm Sendertabelle von www.ukwtv.de] (abgerufen am 27.&nbsp;November 2006) und Vor-Ort-Besuch</ref> und bis 5. November 2008 auch ein Fernseh-[[Grundnetzsender]] war.<ref>[http://www.swr.de/presseservice/archiv/2008/-/id=3212422/nid=3212422/did=3906300/sv6cpv/index.html ''Bald mehr TV-Programme über Antenne im nördlichen Baden-Württemberg'']. Pressemitteilung des Südwestrundfunks vom 29. August 2008 (abgerufen am 23. November 2008)</ref> === Öffentliche Einrichtungen === Weinsberg verfügt über ein [[Notar]]iat, über ein [[Polizeirevier]], das für den südöstlichen Landkreis Heilbronn zuständig ist, und über ein [[Autobahnpolizei]]revier. Die [[Freiwillige Feuerwehr]] Weinsberg ist für Brandschutz und Unfallhilfe im Stadtgebiet und auch auf den Autobahnen A&nbsp;6 und A&nbsp;81 zuständig (vom Weinsberger Kreuz aus in drei Fahrtrichtungen jeweils einige Kilometer, insgesamt 40&nbsp;km).<ref>''Nachrichtenblatt für die Stadt Weinsberg'' vom 17.&nbsp;November 2006, S.&nbsp;6</ref> Darüber hinaus befinden sich folgende öffentliche Einrichtungen in Weinsberg: ; Klinikum am Weissenhof [[Datei:Weinsberg Klinikum am Weissenhof Verwaltung Maerz 2005.jpg|thumb|300px|Verwaltungsgebäude des Klinikums]] → ''Hauptartikel: [[Klinikum am Weissenhof]]'' Das Klinikum am Weissenhof wurde als Königliche Heilanstalt (für Geisteskranke) 1903 auf dem Gelände der Staatsdomäne Weißenhof eröffnet. Heute ist das Klinikum am Weissenhof ein modernes Krankenhaus für [[Psychiatrie]] (mit Abteilungen für [[Gerontopsychiatrie]], [[Forensische Psychiatrie]] und [[Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie|Kinder- und Jugendpsychiatrie]]), [[Neurologie]], [[Sucht]] und [[Psychosomatische Medizin|Psychotherapeutische Medizin]]. Das Krankenhaus beschäftigt über 800 Menschen und ist damit der größte Arbeitgeber in der Stadt Weinsberg. ; Staatliche Lehr- und Versuchsanstalt für Wein- und Obstbau (LVWO) mit Staatsweingut [[Datei:Weinsberg LVWO Juni 2005.jpg|thumb|300px|Gelände der LVWO in Weinsberg]] → ''Hauptartikel: [[Staatliche Lehr- und Versuchsanstalt für Wein- und Obstbau Weinsberg]]'' Die Staatliche Lehr- und Versuchsanstalt für Wein- und Obstbau wurde als Königliche Weinbauschule 1868 gegründet und ist die älteste deutsche Wein- und Obstbauschule. Sie widmet sich der Ausbildung und der Forschung im [[Weinbau|Wein]]- und [[Obstbau]], wozu sie in Weinsberg und anderen Orten diverse Obstgüter und Weinberge bewirtschaftet. Einige bedeutende [[Rebsorte]]n, darunter der [[Kerner (Rebsorte)|Kerner]] und der [[Dornfelder]], wurden an der Weinbauschule gezüchtet. Die von der LVWO hergestellten Weine und Sekte werden seit 1995 unter der Bezeichnung Staatsweingut Weinsberg vermarktet. ; Sozialeinrichtungen Mit [[Kindergarten|Kindergärten]] ist Weinsberg gut versorgt: Neben fünf städtischen gibt es einen evangelischen und einen katholischen Kindergarten. Die Jugendlichen haben das vom Gemeindeverwaltungsverband unterhaltene Jugendhaus, das seit 1995 in einem umgebauten ehemaligen Güterschuppen am Bahnhof untergebracht ist. Vorher hatte seit 1980 an anderer Stelle ein städtisches Jugendhaus existiert. Für hilfsbedürftige Kinder und Jugendliche betreibt eine evangelische Einrichtung zusammen mit dem Landkreis Heilbronn in Weinsberg die ''Jugendhilfe im Lebensfeld'' (JuLe), seit 2002 in einem neu erstellten Gebäude. Beratung und Unterstützung in allgemeinen sozialen Belangen leistet die von der [[Diakonisches Werk|Diakonie]] getragene Diakonische Bezirksstelle Weinsberg. Die Aufbaugilde Heilbronn eröffnete am 21.&nbsp;Oktober 2005 in Weinsberg das ''Lebenshaus'', eine Einrichtung, die sich zum Ziel gesetzt hat, [[Abhängigkeitssyndrom|Suchtkranken]] bei der Wiedereingliederung ins Leben zu helfen. Bis zu 30 chronisch mehrfach Geschädigte können sich hier nach dem Entzug wieder an das Alltagsleben gewöhnen. Als Treffpunkt der Älteren wurde am 6. Mai 1995 die ''Begegnungsstätte Backhaus'' eröffnet. Gleich nebenan entstand 1991 bis 1994 das Altenheim ''Feierabendstift'' (heute ''Wohnstift'' der [[Dienste für Menschen|Dienste für Menschen gGmbH]]). Pflegedienste und Nachbarschaftshilfe bietet die vom Gemeindeverwaltungsverband getragene ''Sozialstation „Raum Weinsberg“'' mit insgesamt 35 Beschäftigten. Das ''Franken-Hospiz'', von einem gemeinnützigen Verein getragen und seit Anfang 2003 in Betrieb, ist das erste stationäre [[Hospiz]] der [[Region Heilbronn-Franken]]. Sechs Zimmer stehen hier für sterbenskranke Menschen zur Verfügung, die am Ende ihres Lebens mit Mitteln der [[Palliativmedizin]] betreut werden. === Bildung === [[Datei:Weinsberg Oekolampadiusplatz 2 20060910.jpg|thumb|Rechts die ehemalige Mädchenschule von 1807. Links die ehemalige Mesnerei und Deutsche Schule aus dem 16. Jahrhundert]] In Weinsberg gibt es zwei Grundschulen. Die alte Volksschule Weinsberg, in unmittelbarer Nähe zu Rathaus und Johanneskirche gelegen, hieß zuletzt Grund- und Nachbarschaftshauptschule Weinsberg und wurde am 12.&nbsp;Januar 1973 in Grundschule und Nachbarschaftshauptschule geteilt. Die Grundschule nutzte die bestehenden Gebäude weiter, die Hauptschule zog zusammen mit dem Gymnasium in einen Neubau im Süden der Stadt. Mit der Errichtung einer zweiten Grundschule, der am 30.&nbsp;April 1997 eingeweihten Grundschule Rossäcker, wurde die Grundschule Weinsberg in Grundschule am Grasigen Hag umbenannt. Das [[Justinus-Kerner-Gymnasium Weinsberg]] wurde vermutlich um 1500 als [[Lateinschule]] begründet. Für 1540 ist der Bau eines neuen Schulhauses nachgewiesen. Neben der Lateinschule bestand zeitweise eine Deutsche Schule und in der Mitte des 19. Jahrhunderts für zwei Jahrzehnte eine [[Realschule]]. 1903 wurde an der Lateinschule ein Realschulzug eingerichtet. Die Schule hieß dann 1907–1909 Latein- und Realschule Weinsberg und ab 1909 endgültig Realschule Weinsberg. Nach weiteren Umbenennungen (1937 Oberschule Weinsberg, 1953 [[Progymnasium]] Weinsberg, 1955 Justinus-Kerner-Progymnasium Weinsberg) wurde die Schule schließlich ab 1970 zum [[Gymnasium|Vollgymnasium]] ausgebaut und trägt seitdem ihren heutigen Namen. Die Nachbarschafts[[hauptschule]] (seit 1995 mit [[Werkrealschule]]) und die 1980 gegründete Realschule Weinsberg sind zusammen mit dem Gymnasium und der Grundschule Rossäcker im ab 1971 errichteten Bildungszentrum Rossäcker im Süden der Stadt untergebracht. Eine Städtische Musikschule wurde im Januar 1993 gegründet. Ab dem Schuljahr 2010/2011 wird die vom Gemeindeverwaltungsverband getragene Nachbarschaftshauptschule ganz in eine Werkrealschule umgewandelt werden und den Namen ''Stauferwerkrealschule Weinsberg'' tragen.<ref>{{Literatur|Autor=Karin Freudenberger|Titel=Gremium einigt sich auf Namen Stauferschule|Sammelwerk=Heilbronner Stimme, Ausgabe WT|Jahr=2010|Monat=April|Tag=16}}</ref> Das in der Stadt ansässige Klinikum am Weissenhof bietet für seine schulpflichtigen Patienten eine Schule für Kranke in längerer Krankenhausbehandlung. Zusammen mit der Klinik Löwenstein betreibt das Klinikum auch eine Krankenpflegeschule (an der Krankenschwestern und -pfleger ausgebildet werden). Seit dem 1.&nbsp;Januar 2004 heißt die Schule offiziell Gesundheits- und Krankenpflegeschule und bildet Gesundheits- und Krankenpfleger(innen) aus. In Weinsberg befindet sich außerdem die Staatliche Lehr- und Versuchsanstalt für Wein- und Obstbau (LVWO&nbsp;– s.&nbsp;o.), die zum Staatl. geprüften Techniker für Weinbau und Kellerwirtschaft, zum Staatl. geprüften Wirtschafter für Weinbau und zum Staatl. geprüften Wirtschafter für Obstbau ausbildet. Die Stadtbücherei Weinsberg mit einem Bestand von 22.000 Medien steht allen Bürgern Weinsbergs und anderer Gemeinden offen. Sie wurde, in Nachfolge anderer Büchereien der Stadt und der evangelischen Kirchengemeinde, am 8.&nbsp;März 1971 eröffnet. Eine [[Volkshochschule]] wurde erstmals 1922 eingerichtet. Sie hatte nur wenige Jahre Bestand. Nach Zwischenspielen 1945 und 1950–1959 wurde der Betrieb 1969 endgültig wiederaufgenommen. Seit 20.&nbsp;Juni 1991 ist die Weinsberger VHS Teil der an diesem Tag neu gegründeten ''Volkshochschule Unterland''. === Tourismus === [[Datei:Weinsberg.jpg|thumb|Die Burgruine Weibertreu auf dem Burgberg. Ansicht von Südwesten]] Ab den 1950er-Jahren war Weinsberg ein beliebtes Ziel für [[Sonderzug|Sonderzüge]] der [[Deutsche Bundesbahn|Deutschen Bundesbahn]] mit mehreren hundert oder gar über tausend Gästen. Noch bis Mitte der 1980er-Jahre fuhren bis zu vier Sonderzüge jährlich Weinsberg an. Mit der zunehmenden Verbreitung des Automobils und der leichten Erreichbarkeit Weinsbergs durch die neuen Autobahnen verlagerte sich dies später auf den Bustourismus und den Individualtourismus. Weinsberg liegt an der [[Burgenstraße]]; die Burgruine Weibertreu ist mit 26.000 Besuchern im Jahr 2004 die touristische Hauptattraktion der Stadt. Auch die [[Schwäbische Dichterstraße]] führt Besucher in die Stadt und ins Kernerhaus, das 2004 auf 2.800 Besucher kam. Schließlich liegt Weinsberg auch an der 2004 neu eingerichteten [[Württemberger Weinstraße]], auf der man die Sehenswürdigkeiten der [[Württemberg (Weinbaugebiet)|Weinbauregion Württemberg]] bereisen kann. Die Stadt verfügt seit 1993 über ehrenamtliche Gästeführer, die für allgemeine Stadt- und Burgführungen oder Themenführungen über zum Beispiel den Bauernkrieg in Weinsberg, Wein oder die Frauen Weinsbergs gebucht werden können. Rund 5.000 Gäste nutzten dieses Angebot im Jahr 2004. Die Stadtverwaltung bietet darüber hinaus in Zusammenarbeit mit der örtlichen Gastronomie und Hotellerie verschiedene Besichtigungs- und Übernachtungs-Pakete an und ist bemüht, auch auf individuelle Reisewünsche einzugehen. == Persönlichkeiten == === Ehrenbürger === Weinsberg hat in neuerer Zeit folgenden Personen das [[Ehrenbürger]]recht verliehen (mit Datum der Verleihung): ; Ehrenbürger Weinsbergs [[Datei:Theobald Kerner 1852.jpg|thumb|150px|Theobald Kerner]] * Friedrich August von Heyd (*&nbsp;1.&nbsp;Dezember 1749; †&nbsp;12.&nbsp;März 1840), evangelischer Pfarrer und Dekan in Weinsberg (vermutlich 1835) * Christian Jakob David Hildt (*&nbsp;25.&nbsp;Dezember 1814; †&nbsp;17.&nbsp;Februar 1909), Baumeister und Architekt (vermutlich vor 1895) * Johann Wilhelm Philipp Ammon (*&nbsp;6.&nbsp;Oktober 1829; †&nbsp;16.&nbsp;November 1897), Stadtpfarrer und Dekan in Weinsberg von 1881 bis 1896 (14.&nbsp;November 1896) * [[Theobald Kerner]] (*&nbsp;14.&nbsp;Juni 1817; †&nbsp;11.&nbsp;August 1907), Sohn Justinus Kerners, Dichter und Arzt (14.&nbsp;Juni 1897) * [[Karl Weller (Historiker)|Karl Weller]] (*&nbsp;22.&nbsp;November 1866; †&nbsp;24.&nbsp;Dezember 1943), Historiker, veröffentlichte 1903 „Die Weiber von Weinsberg“ (11.&nbsp;Juni 1903) * Erwin Hildt (*&nbsp;1.&nbsp;Juli 1851; †&nbsp;25.&nbsp;Februar 1917), Mitbegründer des Justinus-Kerner-Vereins und Stifter der nach ihm benannten Festhalle ''Hildthalle'' (21.&nbsp;März 1909) * Gottlob Wagner (*&nbsp;9.&nbsp;November 1839; †&nbsp;7.&nbsp;September 1926), Oberamtsbaumeister in Weinsberg und langjähriges Gemeinderatsmitglied (17.&nbsp;September 1925) * Hermann Ganzenmüller (*&nbsp;1.&nbsp;Januar 1858; †&nbsp;20.&nbsp;Dezember 1941), Stadtbaumeister und langjähriges Gemeinderatsmitglied (3.&nbsp;Oktober 1929) * Am 16.&nbsp;März 1933 wurden [[Adolf Hitler]] und [[Paul von Hindenburg]] zu Ehrenbürgern Weinsbergs ernannt. Hitlers Ehrenbürgerrecht wurde am 12.&nbsp;März 1946 rückgängig gemacht. Hindenburg blieb Ehrenbürger, wird aber im ''Jahrbuch für die Stadt Weinsberg'' nicht als Ehrenbürger geführt.<ref>Uwe Jacobi: ''Die vermißten Ratsprotokolle''. 3.&nbsp;Auflage. Verlag Heilbronner Stimme, Heilbronn 1995, ISBN 3-921923-09-3. S.&nbsp;47</ref> * Karl Rebmann (*&nbsp;8.&nbsp;März 1883; †&nbsp;1.&nbsp;Juni 1970), Oberamtsbaumeister, Kreisbrandmeister, langjähriges Gemeinderatsmitglied, Bürgermeister (1945/1946), Neubegründer der Freiwilligen Feuerwehr in Weinsberg und im Landkreis (8.&nbsp;März 1963) * Karl Weinbrenner (*&nbsp;5.&nbsp;Oktober 1888; †&nbsp;10.&nbsp;Mai 1968), Bürgermeister 1924–1945, Erwerber des Weinsberger Stadtwaldes auf Markung [[Gemmingen]] (5.&nbsp;Oktober 1963) * Ernst Klenk (*&nbsp;6.&nbsp;Januar 1905; †&nbsp;19.&nbsp;Juli 1996), Direktor und Leiter der Staatlichen Lehr- und Versuchsanstalt für Wein- und Obstbau (6.&nbsp;Januar 1970) * Erwin Heim (*&nbsp;15.&nbsp;Februar 1910; †&nbsp;17.&nbsp;März 1987), Bürgermeister 1948–1972 (24.&nbsp;März 1972) * Jakob Ringhof (*&nbsp;6.&nbsp;Juli 1911; †&nbsp;27.&nbsp;August 1993), langjähriges Gemeinderats- und Kreistagsmitglied, 1.&nbsp;Stellvertretender Bürgermeister 1965–1984 (4.&nbsp;Dezember 1984) * Helmut Läpple (*&nbsp;4.&nbsp;April 1916; †&nbsp;23.&nbsp;September 2005), langjähriger Gesellschafter und Geschäftsführer (1940 bis 2004) der [[Läpple AG|Läpple]]-Firmengruppe (11.&nbsp;Dezember 1992) * Jürgen Klatte (*&nbsp;23.&nbsp;August 1942), Bürgermeister 1972–1996 (29.&nbsp;März 1996) * Gerhard Scherr (*&nbsp;23.&nbsp;September 1933), langjähriges Gemeinderats- und Ortschaftsratsmitglied in Wimmental und Weinsberg, 1.&nbsp;Stellvertretender Bürgermeister 1984–2004 (23.&nbsp;September 2004) ; Ehrenbürger Gellmersbachs * Ludwig Bauer (*&nbsp;16.&nbsp;November 1919; †&nbsp;6.&nbsp;Juni 2006), 1946–1974 Bürgermeister, 1975–1989 Ortvorsteher Gellmersbachs (11.&nbsp;Dezember 1974) [[Datei:Oekolampad.jpg|thumb|150px|Johannes Oekolampadius]] === Söhne und Töchter der Stadt === * [[Hans Schweiner]] (*&nbsp;um 1473; †&nbsp;um 1534), [[Baumeister]], Erbauer des Westturms der [[Kilianskirche (Heilbronn)|Heilbronner Kilianskirche]] * [[Johannes Oekolampad]]ius (*&nbsp;1482; †&nbsp;23.&nbsp;November 1531), Theologe, [[Reformator]] von [[Basel]] * [[Heinrich Seufferheld]] (*&nbsp;27.&nbsp;Januar 1866; †&nbsp;20.&nbsp;Februar 1940), Künstler und Tübinger Universitätsprofessor * [[Carl Krayl]] (*&nbsp;17.&nbsp;April 1890; †&nbsp;1.&nbsp;April 1947), Architekt * [[Jürgen Blätzinger]] (*&nbsp;20.&nbsp;Dezember 1948), Generaloberstabsarzt der Bundeswehr * [[Lutz Hübner]] (*&nbsp;1964), Dramatiker, Schauspieler und Regisseur === Weitere Persönlichkeiten, die mit der Stadt in Verbindung stehen === * [[Michael Beheim]] (*&nbsp;27.&nbsp;September 1416; †&nbsp;um 1474), in Sülzbach bei Weinsberg geborener [[Meistersinger]] mit dem Beinamen ''Poeta Weinsbergensis'', ab 1439 in Diensten des [[Erbamt|Reichserbkämmerers]] [[Konrad IX. (Weinsberg)|Konrad (IX.) von Weinsberg]] * [[Friedrich Christoph Oetinger]] (*&nbsp;2.&nbsp;Mai 1702; †&nbsp;10.&nbsp;Februar 1782), evangelischer [[Theologe]] (seit 1765 Prälat), 1752 bis 1759 Spezialsuperintendent (Dekan) und Stadtpfarrer in Weinsberg [[Datei:Justinus Kerner 1852 von Ottavio d'Albuzzi.jpg|thumb|150px|Justinus Kerner]] * [[Justinus Kerner]] (*&nbsp;18.&nbsp;September 1786; †&nbsp;21.&nbsp;Februar 1862), [[Dichter]] und [[Arzt]], der von 1819 an in der Stadt lebte. Das 1822 von ihm erbaute Wohnhaus, seinerzeit ein beliebter Treffpunkt von Dichtern und Denkern, kann heute noch besichtigt werden. Er setzte sich auch für die Erhaltung der Burgruine Weibertreu ein und verhinderte ihren weiteren Abbruch. Mit der Pflege dieses kulturellen Erbes beschäftigt sich heute der ''Justinus-Kerner-Verein und Frauenverein''. * [[Ferdinand Ludwig Immanuel Dillenius]] (*&nbsp;2. Januar 1791; †&nbsp;11. Dezember 1871), langjähriger Stadtpfarrer und Dekan in Weinsberg, der eine Stadtchronik verfasste * [[Immanuel Dornfeld]] (*&nbsp;17.&nbsp;Mai 1796; †&nbsp;29.&nbsp;Dezember 1869), Verwaltungsbeamter, ab 1850 Kameralverwalter für das [[Oberamt Weinsberg]], Hauptinitiator der [[Staatliche Lehr- und Versuchsanstalt für Wein- und Obstbau Weinsberg|Weinbauschule]] in Weinsberg * [[Friederike Hauffe]] geb. Wanner (*&nbsp;1801; †&nbsp;25.&nbsp;August 1829), die sogenannte [[Seher]]in von Prevorst, war die bekannteste Patientin Justinus Kerners, der über sie ein berühmtes Buch verfasste ''(Die Seherin von Prevorst)'' * [[Theobald Kerner]] (*&nbsp;14.&nbsp;Juni 1817; †&nbsp;11.&nbsp;August 1907), Arzt und Dichter, Sohn Justinus Kerners, pflegte das Erbe seines Vaters * [[Hermann Essig]] (*&nbsp;28.&nbsp;August 1878; †&nbsp;21.&nbsp;Juni 1918), Dramatiker und Dichter, ging in Weinsberg zur Schule und veröffentlichte 1909 das satirische Lustspiel ''Die Weiber von Weinsberg'' * [[Otto Mörike]] (*&nbsp;7.&nbsp;April 1897; †&nbsp;9.&nbsp;Juli 1978), evangelischer Dekan Weinsbergs von 1953 bis Januar 1959, [[Gerechter unter den Völkern]] * [[August Herold]] (*&nbsp;7.&nbsp;August 1902; †&nbsp;8.&nbsp;Januar 1973), bedeutender Rebenzüchter an der [[Staatliche Lehr- und Versuchsanstalt für Wein- und Obstbau Weinsberg|Staatlichen Lehr- und Versuchsanstalt für Wein- und Obstbau Weinsberg]] * [[Egon Susset]] (*&nbsp;3.&nbsp;Juni 1929), aus Wimmental gebürtiger langjähriger CDU-Bundestagsabgeordneter * [[Hagen von Ortloff]] (*&nbsp;Mai 1949), bekannter Rundfunkmoderator, ging in Weinsberg zur Schule * [[Jan Jankeje]] (* 1950), bekannter Jazzmusiker und Komponist, lebt in Weinsberg == Weinsberg, Ohio == In [[Ohio]], USA, gab es eine Kleinstadt namens Weinsberg, die im frühen 19. Jahrhundert gegründet und nach ihrem deutschen Vorbild benannt wurde. 1833 wurde sie in [[Winesburg]] umbenannt, als dort ein Postamt eröffnet wurde.<ref>[http://archiver.rootsweb.com/th/read/OHHOLMES/2001-10/1004240152 Diesbezüglicher Thread auf RootsWeb.com] (englisch, abgerufen am 7.&nbsp;Oktober 2006)</ref> Unter diesem Namen existiert sie heute noch. ''Winesburg, Ohio'' ist auch der Titel eines Romans von [[Sherwood Anderson]] aus dem Jahr 1919. == Literatur == * Marianne Dumitrache, Simon M. Haag: ''Archäologischer Stadtkataster Weinsberg''. Landesdenkmalamt Baden-Württemberg, Stuttgart 1999<br />''Archäologische Bestandsaufnahme mit Stadtgeschichte.'' * Simon M. Haag: ''Römer – Salier – Staufer – Weinsberger: kleine Geschichte von Burg und Stadt Weinsberg''. Hrsg. vom Stadtarchiv Weinsberg. Verlag Nachrichtenblatt der Stadt Weinsberg, Weinsberg 1996, ISBN 3-9802689-9-3<br />''Knapper Überblick auf 74 Seiten im Taschenformat.'' * Simon M. Haag: ''Zur Baugeschichte der Oberamtsstadt Weinsberg''. Verlag Nachrichtenblatt der Stadt Weinsberg, Weinsberg 1995, ISBN 3-9802689-8-5<br />''Umfangreiches, reich illustriertes Geschichtswerk, das auf viele Bauten einzeln eingeht.'' * ''Jahrbuch für die Stadt Weinsberg''. Jahrbuch-Verlag, Weinsberg 1956–2004; RichterResponse, Weinsberg 2005–<br />''Erscheint jährlich. Mit ausführlichem Jahresrückblick, Einwohnerverzeichnis, Angaben zu Vereinen, Verwaltung und Institutionen.'' == Einzelnachweise == <references /> == Weblinks == {{Commons}} * {{dmoz|World/Deutsch/Regional/Europa/Deutschland/Baden-Württemberg/Landkreise/Heilbronn/Städte_und_Gemeinden/Weinsberg/|Weinsberg}} {{Navigationsleiste Städte und Gemeinden im Landkreis Heilbronn}} {{Exzellent}} [[Kategorie:Ort im Landkreis Heilbronn]] [[Kategorie:Reichsstadt]] [[Kategorie:Weinsberg| ]] [[Kategorie:Weinort im Weinbaugebiet Württemberg]] [[da:Weinsberg]] [[en:Weinsberg]] [[eo:Weinsberg]] [[es:Weinsberg]] [[fr:Weinsberg]] [[id:Weinsberg]] [[it:Weinsberg]] [[ja:ヴァインスベルク]] [[nl:Weinsberg]] [[pl:Weinsberg]] [[pt:Weinsberg]] [[ro:Weinsberg]] [[ru:Вайнсберг]] [[sv:Weinsberg]] [[vo:Weinsberg]] 33zj0nz4lmakiqr9jl18jlvaevs65ai wikitext text/x-wiki Peter Weiss 0 24494 27096 2010-04-26T13:32:58Z KWa 0 Bitte Struktur der Einzelnachweise nicht punktuell ändern: Inkonsistenz infolge dieses Edits http://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Peter_Weiss&diff=prev&oldid=73397865 behoben {{Dieser Artikel|behandelt den Schriftsteller und Grafiker; zum gleichnamigen Jazzmusiker siehe [[Peter Weiss (Schlagzeuger)]], weitere Namensträger unter [[Peter Weiß]].}} [[Datei:Peter Weiss 1982.jpg|miniatur|Peter Weiss während der Verleihung des Bremer Literaturpreises 1982]] '''Peter Ulrich Weiss''' (* [[8. November]] [[1916]] in [[Nowawes]] bei [[Potsdam]]; † [[10. Mai]] [[1982]] in [[Stockholm]]; Pseudonym: ''Sinclair'') war ein deutscher [[Schriftsteller]], [[Malerei|Maler]], [[Grafiker]] und [[Experimentalfilm]]er. Peter Weiss erwarb sich in der deutschen [[Deutschsprachige Literatur#Literatur nach 1945|Nachkriegsliteratur]] gleichermaßen als Vertreter einer [[Avantgarde|avantgardistischen]], minutiösen Beschreibungsliteratur, als Verfasser autobiografischer Prosa wie auch als politisch engagierter Dramatiker einen Namen. Internationalen Erfolg erzielte er mit dem Stück ''[[Marat/Sade]],'' das mit dem US-Theater- und Musicalpreis „Tony Award“ ausgezeichnet wurde. Das dem [[Dokumentarisches Theater|dokumentarischen Theater]] zugerechnete „Auschwitz-Oratorium“ ''[[Die Ermittlung]]'' führte Mitte der sechziger Jahre zu breiten [[Vergangenheitspolitik|vergangenheitspolitischen]] Auseinandersetzungen. Als Weiss’ Haupttext gilt der dreibändige Roman ''[[Die Ästhetik des Widerstands]],'' eines der „gewichtigste[n] deutschsprachige[n] Werk[e] der 70er und 80er Jahre“.<ref>Klaus Beutin, Klaus Ehlert, Wolfgang Emmerich, Helmut Hoffacker, Bernd Lutz, Volker Meid, Ralf Schnell, Peter Stein und Inge Stephan: ''Deutsche Literaturgeschichte. Von den Anfängen bis zur Gegenwart.'' 5., überarbeitete Auflage. Stuttgart-Weimar: Metzler 1994, S. 595.</ref> Weniger bekannt sind Weiss’ frühe, [[Surrealismus|surrealistisch]] inspirierte Arbeiten als Maler und experimenteller Filmregisseur. == Leben == [[Datei:Peter Weiss 1918.jpg|miniatur|Peter Weiss mit den Eltern, Sommer 1917 in [[Przemyśl]]]] === Kindheit und Jugend bei Berlin und in Bremen === Peter Weiss wurde am 8. November 1916 in [[Nowawes]] bei Potsdam als ältester Sohn der aus der Schweiz stammenden Schauspielerin Frieda Weiss (geborene Hummel) und Eugen ‚Jenö‘ Weiss geboren. Peter Weiss hatte zwei Halbbrüder, Hans und Arwed, aus der ersten Ehe der Mutter mit dem 20&nbsp;Jahre älteren Regierungsbaumeister Ernst Thierbach in Düsseldorf und Bochum, die 1912 geschieden wurde. Nach der Scheidung trat Frieda Weiss zwischen 1913 und 1915 zunächst neben [[Friedrich Wilhelm Murnau]] „in führenden Rollen auf [[Max Reinhardt|Reinhardt]]s Bühne“<ref>Peter Weiss: ''Fluchtpunkt. Roman.'' In: ''Peter Weiss. Prosa 2.'' Frankfurt am Main: Suhrkamp 1991, S. 164 (Peter Weiss. Werke in sechs Bänden. Hrsg. vom Suhrkamp Verlag in Zusammenarbeit mit Gunilla Palmstierna-Weiss, 2).</ref> auf, darunter als die Mutter in [[Gotthold Ephraim Lessing]]s ''[[Emilia Galotti]]'' am [[Deutsches Theater Berlin|Deutschen Theater in Berlin]]. Zugunsten einer erneuten Familiengründung brach Frieda Weiss 1915 ihre Theaterlaufbahn ab. Sie heiratete den jüdisch-ungarischen Textilkaufmann Eugen Weiss, der zu dieser Zeit als [[Oberleutnant]] der [[Österreich-Ungarns Armee im Ersten Weltkrieg|k.u.k. Armee]] im polnischen [[Przemyśl]] stationiert war. Nach Peter wurden die Geschwister Irene (* 1920), Margit (1922–1934) und Alexander (1924–1987) geboren.<ref>Jochen Vogt: ''Peter Weiss.'' Reinbek: Rowohlt 1987, S. 12–16 (rowohlts monographien, 376).</ref> Nach Jenö Weiss’ Entlassung aus dem Militärdienst siedelte die Familie 1918 nach [[Bremen]] über. Jenö gründete ein erfolgreiches Textilwarengeschäft (Hoppe, Weiss & Co.), das der Familie in den frühen zwanziger Jahren zu einem gehobenen Lebensstandard verhalf. Zeitweilig beschäftigte die Familie Weiss eine Köchin, eine Haushaltshilfe und ein Kindermädchen im Haushalt. 1920 konvertierte Eugen Weiss zum Christentum; fortan wurde in der Familie über die jüdische Abkunft des Vaters nicht mehr gesprochen. 1929 kehrte die Familie nach mehreren Umzügen innerhalb Bremens nach Berlin zurück. Peter Weiss besuchte das Heinrich-von-Kleist-Gymnasium in [[Berlin-Schmargendorf|Schmargendorf]], das sich durch eine vergleichsweise liberale Atmosphäre auszeichnete. Zu Beginn der dreißiger Jahre entwickelte Weiss ein gesteigertes Interesse an Kunst und Kultur: „In diesen Jahren, zwischen 1931 und 1933, erwarb ich meine ganzen Literaturkenntnisse, den ganzen [[Herrmann Hesse|Hesse]], den ganzen [[Thomas Mann]], den ganzen [[Bertolt Brecht|Brecht]], alles lasen wir damals als ganz junge Leute.“<ref name="pw11-43">''Der Kampf um meine Existenz als Maler. Peter Weiss im Gespräch mit Peter Roos.'' Unter Mitarbeit von Sepp Hiekisch und Peter Spielmann. In: Peter Spielmann (Hrsg.): ''Der Maler Peter Weiss. Bilder, Zeichnungen, Collagen, Filme Katalog zur Ausstellung im Museum Bochum, 8. März bis 27. April 1980.'' Berlin 1981, S. 14f.</ref> Unter Anleitung von [[Eugene Spiro|Eugen Spiro]], einem Mitglied der [[Berliner Secession]], begann er, an einer Zeichenschule zu malen. Jenö Weiss versuchte, sich in dieser Zeit zu assimilieren, und bewarb sich um die deutsche Staatsbürgerschaft. Angesichts der ungewissen Zukunft der Familie Weiss in Deutschland veranlasste der Vater den Wechsel seines Sohnes vom Gymnasium zur Rackow-Handelsschule. Dort lernte Weiss „Schreibmaschine und Stenographie“.<ref name="pw11-43"/> === Stationen der Emigration === [[Datei:Letecký snímek náměstí ve Varnsdorfu.jpg|miniatur|Marktplatz und Kirche des nordböhmischen Warnsdorf]] [[Datei:Hermann Hesse 1926 by Gret Widmann.jpeg|miniatur|Hermann Hesse im Jahr 1926]] Die unmittelbar folgenden Jahre im Ausland hatten aufgrund der verschwiegenen jüdischen Herkunft des Vaters zunächst noch den Charakter von Lehr- und Wanderjahren für Peter Weiss. Von Anfang 1935 bis Ende 1936 lebte Weiss’ Familie in [[London Borough of Bromley|Chislehurst]] im Südosten Londons. Kurz vor der Abreise starb Peters jüngere Schwester Margit Beatrice im Alter von zwölf Jahren an den Folgen eines Autounfalls, ein Ereignis, das das Familiengefüge dauerhaft aus dem Gleichgewicht brachte. Weiss erlebte den Tod seiner Schwester als „Anfang von der Auflösung unserer Familie“.<ref>Peter Weiss: ''Abschied von den Eltern. Erzählung''. In: ''Peter Weiss. Prosa 2.'' Frankfurt am Main: Suhrkamp 1991, S. 102 (Peter Weiss. Werke in sechs Bänden, 2).</ref> In London besuchte Weiss die [[Universität Westminster|Polytechnic School of Photography]], um entgegen der Vorstellungen der Eltern vom beruflichen Werdegang des Sohns „wenigstens Photographie lernen“<ref>''Der Kampf um meine Existenz als Maler. Peter Weiss im Gespräch mit Peter Roos.'' Unter Mitarbeit von Sepp Hiekisch und Peter Spielmann. In: Peter Spielmann (Hrsg.): ''Der Maler Peter Weiss. Bilder, Zeichnungen, Collagen, Filme Katalog zur Ausstellung im Museum Bochum, 8. März bis 27. April 1980.'' Berlin 1981, S. 21f.</ref> zu können. Weiss malte unter anderem ''Die Maschinen greifen die Menschen an'' und schrieb ''Bekenntnis eines großen Malers.'' Wenig später improvisierte er seine erste Ausstellung „in einem Raum über einer Garage in einer versteckten Seitengasse“<ref>Peter Weiss: ''Abschied von den Eltern. Erzählung.'' In: ''Peter Weiss. Prosa 2.'' Frankfurt am Main: Suhrkamp 1991, S. 121 (Peter Weiss. Werke in sechs Bänden, 2).</ref> Londons (Little Kinnerton Street). 1936 siedelte die Familie nach geschäftlichen Zerwürfnissen in die [[Nordböhmen|nordböhmische]] Stadt [[Varnsdorf|Warnsdorf]] über. Peter besaß wie der Vater und seine Geschwister die [[Tschechoslowakei|tschechoslowakische]] Staatsbürgerschaft. „Hier fing das Schreiben wieder an und wurde gleichzeitig mit der Malerei betrieben. Meine ersten Manuskripte sind damals geschrieben und gezeichnet worden.“<ref>''Der Kampf um meine Existenz als Maler. Peter Weiss im Gespräch mit Peter Roos.'' Unter Mitarbeit von Sepp Hiekisch und Peter Spielmann. In: Peter Spielmann (Hrsg.): ''Der Maler Peter Weiss. Bilder, Zeichnungen, Collagen, Filme Katalog zur Ausstellung im Museum Bochum, 8. März bis 27. April 1980.'' Berlin 1981, S. 23f.</ref> In Zusammenhang mit seinem ''Skruwe''-Manuskript stellte Weiss im Januar des Jahres 1937 Kontakt zu [[Hermann Hesse]] her. Hesses Werke waren für ihn Spiegel, „in denen eine sehnsüchtige Identifizierung gebannt ist“.<ref>Peter Weiss: ''Rekonvaleszenz.'' In: ''Peter Weiss. Prosa 2.'' Frankfurt am Main: Suhrkamp 1991, S. 448 (Peter Weiss. Werke in sechs Bänden. Hrsg. vom Suhrkamp Verlag in Zusammenarbeit mit Gunilla Palmstierna-Weiss, 2). Zitiert nach: Arnd Beise: ''Peter Weiss.'' Stuttgart: Philipp Reclam jun. 2002, S. 16.</ref> Weiss wurde in seinen künstlerischen Ambitionen von Hesse ermuntert und besuchte den späteren Nobelpreisträger im Sommer desselben Jahres in [[Montagnola]] im Tessin. Zahlreiche Weiss-Texte dieser Zeit schöpfen aus der Dichtung und Bilderwelt Hesses. Hesses Zuspruch bestärkte Weiss in der Entscheidung zu einem Studium an der [[Akademie der Bildenden Künste, Prag|Kunstakademie Prag]], das Weiss im Herbst 1937 bei dem Maler Willi Nowak aufnahm. Für seine Gemälde ''Das große Welttheater'' und ''Das Gartenkonzert'' wurde er 1938 mit dem Akademiepreis ausgezeichnet. Als die deutsche [[Wehrmacht#Die Wehrmacht in der Zeit des Nationalsozialismus|Wehrmacht]] im Oktober 1938 das [[Sudetenland]] besetzte, wurde Peter Weiss eine Rückkehr nach Warnsdorf unmöglich. Weiss’ Eltern gelang mit Unterstützung der Söhne aus erster Ehe von Frieda Weiss, die im [[Deutsches Reich 1933 bis 1945|Reich]] zurückgeblieben waren, die legale Übersiedlung zunächst nach [[Borås]], dann nach [[Alingsås]] in Südschweden. Eugen Weiss wurde Geschäftsführer einer neuen Textilfabrik (SILFA) in Alingsås. Peter Weiss selbst ging zunächst in die Schweiz, erlebte in Schweden dann angesichts ungewohnter sprachlicher Probleme das [[Auswanderung|Emigrationserlebnis]] in aller Schärfe. Die Eltern bemühten sich noch, die „Lebenslüge“<ref>Alexander Weiss: ''Bericht aus der Klinik und andere Fragmente.'' Aus dem Schwedischen von Wolfgang Butt und Lutz Fischer. Frankfurt am Main 1978, S. 36. Zitiert nach: Arnd Beise: ''Peter Weiss.'' Stuttgart: Philipp Reclam jun. 2002, S. 14.</ref> aufrechtzuerhalten, sie hätten Deutschland aus wirtschaftlichen und nicht aus politischen Gründen verlassen. Peter verdiente seinen Lebensunterhalt unter anderem als Textilmusterzeichner und an privaten Malschulen. === Frühe Prosaarbeiten und Filme in Schweden === Weiss zog 1940 nach Stockholm, wo er von seinem 24. Geburtstag an bis zu seinem Tod überwiegend lebte. Es entstanden die Gemälde ''Jahrmarkt am Stadtrand, Zirkus'' und ''Villa mia.'' Im März 1941 folgte die erste schwedische Ausstellung von Peter Weiss. Im selben Jahr reiste er nach Italien. Ab 1942 studierte er an der [[Kungliga Konsthögskolan Stockholm|Stockholmer Kunstakademie]]. 1943 heiratete er die schwedische Malerin und Bildhauerin Helga Henschen (geb. 1917), diese Ehe wurde 1947 geschieden. 1944 wurde die gemeinsame Tochter Rebecca beziehungsweise Randi-Maria geboren. Weiss fand Aufnahme in der schwedischen Künstlerszene. 1944 beteiligte er sich an der Ausstellung „Konstnärer i landsflykt“ („Künstler im Exil“) in Stockholm und [[Göteborg]]. Zeitweilig lebte Weiss 1946 mit der dänischen Künstlerin und Schriftstellerin [[Le Klint]] zusammen. Am 8. November desselben Jahres erhielt er die schwedische Staatsbürgerschaft.<ref>Der Beziehung von Peter Weiss zu seiner Wahlheimat Schweden geht Annie Bourguignon nach: ''Der Schriftsteller Peter Weiss und Schweden.'' St. Ingbert: Röhrig 1997.</ref> [[Datei:Konstakademien Stockholm.jpg|miniatur|links|Die Kunstakademie in Stockholm („Kungliga Akademien för de fria konsterna“), an der Weiss Gaststudent war.]] 1947 veröffentlichte Weiss bei dem renommierten Stockholmer Verlag Albert [[Bonnier]] unter dem Titel ''Från ö till ö (Von Insel zu Insel)'' einen von [[Stig Dagerman]] beeinflussten Band mit dreißig [[Prosagedicht]]en. Als Korrespondent der [[Stockholms-Tidningen]] schrieb Weiss sieben Reportagen aus dem zerstörten Berlin. Die Nähe zur deutschen [[Trümmerliteratur]] dieser Jahre legte eine genuin literarische [[Adaption (Literatur)|Adaption]] der Reportagen nahe, die Weiss in Gestalt des [[Prosa]]texts ''De Besegrade (Die Besiegten)'' vorlegte. 1949 heiratete er „‚pro forma‘ die spanische Diplomatentochter Carlota Dethorey (geb. 1928), weil der gemeinsame Sohn Paul 1949 auf die Welt“<ref>Arnd Beise: ''Peter Weiss.'' Stuttgart: Philipp Reclam jun. 2002, S. 18.</ref> kam. Der Einakter ''Rotundan (Der Turm)'' entstand. Ab 1952 arbeitete Weiss als Lehrbeauftragter an der Stockholmer „Högskola“ (heute: „Folkuniversitetet“) und lehrte [[Filmtheorie]] und -praxis sowie die Theorie des [[Bauhaus]]es. Die Experimentalfilme ''Studie I, II, III, IV'' und ''V'' entstanden. Weiss fasste seine filmtheoretischen Überlegungen im Buch ''Avantgardefilm'' (1956) zusammen. Bis 1961 drehte er insgesamt 16 [[Dokumentarfilm]]e, in denen er soziales Engagement und [[Avantgarde|avantgardistische]] Kunstpraxis miteinander zu verbinden suchte. In Kurzfilmen wie ''Ansikten i skugga'' (dt.: ''Gesichter im Schatten'') über das Leben mittelloser Menschen in Stockholm und ''Enligt lag'' (dt.: ''Im Namen des Gesetzes'') über die Lebenumstände in einem Jugendgefängnis in [[Uppsala]] benutzte Weiss dokumentarische Aufnahmen aus dem Alltagsleben. 1959 drehte er mit dem Spielfilm ''Hägringen/Fata Morgana'' nach der Buchvorlage ''Der Vogelfreie'' sein wohl wichtigstes filmisches Werk. Im folgenden Jahr verfasste er zusammen mit Barbro Boman das Drehbuch zu dem kommerziell angelegten Spielfilm ''Schwedische Mädchen in Paris'' (dt. Verleihtitel: ''Verlockung''), an dessen Dreharbeiten Weiss als Bildregisseur beteiligt war. Zu diesem Zeitpunkt – Weiss’ künstlerische Betätigung in Schweden war weitgehend erfolglos geblieben – nahm der [[Suhrkamp Verlag]] auf Vermittlung [[Walter Höllerer]]s Weiss’ bereits 1952 entstandenen „Mikro-Roman“ ''[[Der Schatten des Körpers des Kutschers]]'' an. Der Text wurde 1960 in einer Auflage von 1000 Exemplaren gedruckt<ref>Zu der intensiven Arbeitsbeziehung, die Peter Weiss ab 1960 zum Suhrkamp-Verlag unterhielt, siehe: Rainer Gerlach: ''Die Bedeutung des Suhrkamp Verlags für das Werk von Peter Weiss.'' St. Ingbert: Röhrig 2005. – Rainer Gerlach (Hrsg.): ''[[Siegfried Unseld]] / Peter Weiss: Der Briefwechsel.'' Frankfurt am Main: Suhrkamp 2007.</ref> und vom Autor durch eigene [[Collage]]n illustriert. Weiss’ [[Erzählung|narrative]] Methode einer minutiösen Beschreibung der Umgebung des Erzählers fand zahllose Nachahmer und machte Weiss zu einem häufig imitierten literarischen Avantgardisten (unter anderem inspirierte er [[Ror Wolf]] 1964 zu dem Roman ''Fortsetzung des Berichts''). 1961 erschien als zweite Erzählung ''[[Abschied von den Eltern]],'' eine nach dem Tod der Eltern (1958/59) entstandene Auseinandersetzung mit der eigenen Kindheit und der Geschichte der Familie bis zum Kriegsbeginn.<ref>Die ästhetischen Freiheiten, die sich der autobiografische Autor erlaubt hat, seine [[Fiktionalisierung]]sverfahren sowie das weite Feld [[Intertextualität|intertextueller]] Bezüge werden offengelegt in den Untersuchungen: Axel Schmolke: ''Das fortwährende Wirken von einer Situation zur andern. Strukturwandel und biographische Lesarten in den Varianten von Peter Weiss’ ‚Abschied von den Eltern‘.'' St. Ingbert: Röhrig 2006. – Nils Göbel: ''„Wir können keine Form erfinden, die nicht in uns vorhanden ist“. Gattungsfragen, Intertextualität und Sprachkritik in „Abschied von den Eltern“ und „Fluchtpunkt“ von Peter Weiss.'' Marburg: Tectum 2007.</ref> Für die schwedische Ausgabe von ''Abschied'' (1962) entstand zusätzlich eine Mappe von neun Collagen, die später auch in die deutsche Neuausgabe aufgenommen wurde. 1962 veröffentlichte Weiss den Roman ''[[Fluchtpunkt (Weiss)|Fluchtpunkt]]'', für den er mit dem Schweizer [[Charles-Veillon-Preis]] ausgezeichnet wurde. Im Zusammenhang der beiden autobiografischen Werke fand Peter Weiss im Oktober 1962 erstmals Aufnahme in der [[Gruppe 47]], dem Kreis bedeutender zeitgenössischer Autoren und Literaturkritiker, die nach dem Ende der [[Zeit des Nationalsozialismus|NS-Herrschaft]] eine Erneuerung der deutschsprachigen Literatur und die Demokratisierung der Gesellschaft hatten forcieren wollen. Am 4. Januar 1964 heiratete Weiss nach zwölfjährigem Zusammenleben die schwedische Bühnenbildnerin und Bildhauerin, Freiherrin [[Gunilla Palmstierna-Weiss|Gunilla Palmstierna]] (geb. 1928). === Literarischer Erfolg in Deutschland === [[Datei:Die Ermittlung Staatstheater Nuernberg 2009.jpg|miniatur|Inszenierung der ''Ermittlung'' auf dem [[Reichsparteitagsgelände]] am [[Staatstheater Nürnberg]], Juni 2009, Regie: Kathrin Mädler <small>(Fotografin: Marion Bührle)</small>]] Am 29. April 1964 wurde ein Weiss-Drama mit dem Titel ''[[Die Verfolgung und Ermordung Jean Paul Marats dargestellt durch die Schauspielgruppe des Hospizes zu Charenton unter Anleitung des Herrn de Sade]]'' uraufgeführt. Regie führte der polnische Regisseur [[Konrad Swinarski]] am Berliner [[Schillertheater (Berlin)|Schiller-Theater]]. Das Stück lebte von dem „Konflikt zwischen dem bis zum Äußersten geführten Individualismus und dem Gedanken an eine politische und soziale Umwälzung.“<ref>Peter Weiss: ''Anmerkungen zum geschichtlichen Hintergrund unseres Stückes (1963)''. In: ''Peter Weiss. In Gegensätzen denken. Ein Lesebuch''. Ausgewählt von Rainer Gerlach und Matthias Richter. Frankfurt am Main: Suhrkamp 1986. S. 154–158, hier S. 155.</ref> Dieser Konflikt manifestiert sich in der fiktiven Konfrontation des Revolutionärs [[Jean Paul Marat]] mit dem Genussmenschen [[Donatien Alphonse François de Sade|de Sade]] über das Thema Gewalt in Form einer spielerischen Reprise der anderthalb Jahrzehnte zurückliegenden Ermordung Marats in der Zeit der [[Geschichte Frankreichs#Das erste Kaiserreich unter Napoleon Bonaparte|napoleonischen Restauration]] des Jahres 1808. ''Marat/Sade'' – so der Kurztitel des Stückes – war weltweit erfolgreich und wurde 1966 mit dem US-amerikanischen Theater- und Musicalpreis [[Tony Award/Bestes Theaterstück|Tony Award]] für das „Beste Theaterstück“ ausgezeichnet.<ref>Die Rezeption des Stückes resümiert Christine Frisch: ''„Geniestreich“, „Lehrstück“, „Revolutionsgestammel“: zur Rezeption des Dramas „Marat/Sade“ von Peter Weiss in der Literaturwissenschaft und auf den Bühnen der Bundesrepublik Deutschland, der Deutschen Demokratischen Republik und Schwedens''. Stockholm: Almqvist & Wiksell 1992.</ref> Das nächste Theaterstück von Weiss, ''[[Die Ermittlung]]'' (Untertitel: „Oratorium in elf Gesängen“), befasste sich mit den [[Auschwitzprozesse]]n in Frankfurt am Main.<ref>Zur Entstehungs- und Rezeptionsgeschichte der ''Ermittlung'' siehe die umfassende zweibändige Studie von Christoph Weiß: ''Auschwitz in der geteilten Welt: Peter Weiss und die „Ermittlung“ im Kalten Krieg''. St. Ingbert: Röhrig 2000.</ref> Eine Uraufführung sagte [[Peter Palitzsch]] für das Staatstheater Stuttgart zu. Angesichts der außerordentlichen Bedeutung des Stoffes regte der Intendant der [[Freie Volksbühne Berlin|Freien Volksbühne Berlin]] und [[Nestor (Mythologie)|Nestor]] des politischen Theaters, [[Erwin Piscator]], im Mai 1965 gegenüber dem Suhrkamp-Theaterverlag eine offene Uraufführung an. Die Simultan-Premiere des Stückes wurde für den 19. Oktober 1965 vereinbart, den 75. Jahrestag der ersten Aufführung der [[Volksbühne Berlin|Berliner Volksbühne]]. 14 Bühnen in beiden Teilen Deutschlands sowie die [[Royal Shakespeare Company]] in London nahmen an der Ring-Uraufführung teil.<ref>Klaus Wannemacher: ''„Mystische Gedankengänge lagen ihm fern“. Erwin Piscators Uraufführung der ‚Ermittlung’ an der Freien Volksbühne''. In: ''Peter Weiss Jahrbuch für Literatur, Kunst und Politik im 20. Jahrhundert. Band 13''. Hrsg. von Michael Hofmann, Martin Rector und Jochen Vogt. St. Ingbert: Röhrig 2004. S. 89–102.</ref> Ebenso wie bereits von Inszenierungen des ''Marat/Sade'' entstanden auch von der ''Ermittlung'' filmische Aufzeichnungen. Im selben Jahr wurde Weiss mit dem [[Lessing-Preis der Freien und Hansestadt Hamburg]] ausgezeichnet, im Jahr 1966 folgte der [[Heinrich-Mann-Preis]] der Deutschen Akademie der Künste, Ost-Berlin. 1967 brachte Weiss sein politisches Musical ''Der Gesang vom Lusitanischen Popanz'', das sich kritisch mit der portugiesischen Kolonialherrschaft auseinandersetzte, auf die Bühne und nahm am [[Russell-Tribunal]] gegen den [[Vietnamkrieg]] in Stockholm und Roskilde teil. Einer der so genannten ‚Richter‘ des Russell-Tribunals war der französische Philosoph [[Jean-Paul Sartre]]. Weitere Uraufführungen folgten: die szenische Collage ''Viet Nam Diskurs'' in Frankfurt am Main (1968) und das [[Analytisches Drama|analytische Drama]] ''Trotzki im Exil'' in Düsseldorf (1970), das angesichts seiner Kritik am autoritären Stalinismus und der Aktualisierung der ‚[[Dissident]]en‘-Thematik in beiden Teilen Deutschlands abgelehnt wurde. Erste gesundheitliche Probleme äußerten sich in einem Herzinfarkt, den Peter Weiss mit 53 Jahren am 8. Juni 1970 erlitt. Seine szenische Biografie ''Hölderlin'' wurde 1971 in Stuttgart uraufgeführt. Weiss’ drittes Kind Nadja kam 1972 zur Welt. Der Autor reiste 1974 nach Moskau zum [[Sowjetunion|sowjetischen]] Schriftstellerkongress und nach Wolgograd. Auf Anregung des schwedischen Regisseurs [[Ingmar Bergman]] verfasste Weiss im selben Jahr eine Bühnenfassung von [[Franz Kafka]]s unvollendetem Roman ''[[Der Process|Der Prozess]]'', die sich eng an die Vorlage anlehnte und im folgenden Jahr in Bremen uraufgeführt wurde. === Das erinnerungspolitische Spätwerk === [[Datei:Kafka1906 cropped.jpg|miniatur|Wie schon in ''Fluchtpunkt'', ''Die Ästhetik des Widerstands'' und ''Der Prozess'' setzte sich Weiss auch in ''Der neue Prozess'' 1982 ausgiebig mit Kafka auseinander.]] 1975 erschien der erste Band von Peter Weiss’ Hauptwerk ''[[Die Ästhetik des Widerstands]]'', an dem Weiss seit 1972 gearbeitet hatte. Das Romanprojekt stellte den Versuch dar, die historischen und gesellschaftlichen Erfahrungen und die ästhetischen und politischen Erkenntnisse der [[Arbeiterbewegung]] in den Jahren des Widerstands gegen den Faschismus aufzuarbeiten und zu vermitteln. Der als Autor des ''Marat/Sade'' ehedem gefeierte Weiss erlebte zunächst vielfach Ablehnung durch die bundesdeutschen [[Feuilleton]]s. Er „habe seine ästhetischen Maßstäbe und damit seine Identität als Künstler der politischen Parteinahme geopfert; er habe in ‚[[Nibelungentreue]]‘ zur [[Sowjetunion|Sowjet-Union]] die inneren Widersprüche der Linken vertuscht; er habe schließlich keine individuelle Personenzeichnung, keine lebendige Handlung – kurz: keine romanhafte Gestaltung zuwege gebracht.“<ref name="jv127">Jochen Vogt: ''Peter Weiss''. Reinbek: Rowohlt 1987 (rowohlts monographien, 376), S. 127.</ref> Als in den Jahren 1978 und 1981 Band zwei und drei der ''Ästhetik'' publiziert wurden, führte die nunmehr einsetzende breitere Diskussion zu einem auffälligen Bewertungswandel und zu mehrheitlich positiven Besprechungen.<ref>[[Volker Lilienthal]]: ''Literaturkritik als politische Lektüre. Am Beispiel der Rezeption der ''Ästhetik des Widerstands'' von Peter Weiss''. Berlin 1988. S. 59–177. Nach: Arnd Beise: ''Peter Weiss''. Stuttgart: Philipp Reclam jun. 2002. S. 233.</ref> Kurz vor seinem Tod einigten sich Peter Weiss und [[Wolfgang Fritz Haug]], der Herausgeber der Zeitschrift „[[Das Argument]]“, auf eine Zusammenarbeit. Bis dahin hatte „Das Argument“ bereits mit zahlreichen Schriftstellern wie [[Christa Wolf]], [[Erich Fried]], [[Wolf Biermann]], [[Volker Braun]] und [[Elfriede Jelinek]] kooperiert. 1981 erschienen Weiss’ tagebuchartige ''Notizbücher 1971–1980'', die unter anderem den Arbeitsprozess an der ''Ästhetik des Widerstands'' transparent machen, wenig später gefolgt von den ''Notizbüchern 1961–1970''. Weiss wurde der [[Heinrich-Böll-Preis|Literaturpreis der Stadt Köln]] verliehen. 1982 wurde Peter Weiss mit dem [[Bremer Literaturpreis]] geehrt. Im selben Jahr wurde das Stück ''Der neue Prozess'' nach Franz Kafka unter der Regie des Autors in Stockholm uraufgeführt.<ref>Die Bedeutung Franz Kafkas für das Gesamtwerk von Peter Weiss erschließen Ulrike Zimmermann: ''Die dramatische Bearbeitung von Kafkas „Prozeß“ durch Peter Weiss''. Frankfurt am Main u.a.: Lang 1990. – Andrea Heyde: ''Unterwerfung und Aufruhr. Franz Kafka im literarischen Werk von Peter Weiss''. Berlin: Erich Schmidt 1997.</ref> Die bereits vereinbarte Zusammenarbeit mit „Das Argument“ kam nicht mehr zustande. Kurze Zeit nach der Premiere von ''Der neue Prozess'' starb Peter Weiss am 10. Mai 1982 nach einem Jahrzehnt verzehrender Arbeit an der ''Ästhetik des Widerstands'' in einer Stockholmer Klinik. Postum wurde Weiss 1982 von der [[Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung|Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung]] mit dem [[Georg-Büchner-Preis]] geehrt. Die von Wolfgang Fritz Haug mitinitiierte Berliner „[[Volksuni]]“ widmete unter dem Eindruck der Todesnachricht ihre Abschlussveranstaltung Peter Weiss und machte sich in der Folge mit Sammelbänden und Tagungen um die Verbreitung der ''Ästhetik des Widerstands'' verdient. Den Nachlass von Peter Weiss verwahrt seit 1986 die [[Akademie der Künste (Berlin)|Stiftung Archiv der Akademie der Künste]] (Peter Weiss Archiv). == Künstlerisches Werk und Wirkung == === Romantisierende Anfänge === [[Datei:Marat Sade at UCSD 2005.jpg|miniatur|''Marat/Sade''-Inszenierung an der [[University of California, San Diego]], 2005, Regie: Stefan Novinski]] Etwa seit dem Tod seiner Schwester Margit im Jahr 1934 verfasste Weiss erste Selbstverständigungstexte, die nicht zur Veröffentlichung gelangten. In diesen frühen [[Neuromantik (Literatur)|neoromantischen]] Texten musste Weiss „sich erst mühsam durch [[Epigone|epigonale]] Prägungen hindurch zu seiner eigenen Sprache durcharbeiten“.<ref>Martin Rector. In: ''Peter Weiss Jahrbuch 2''. Hrsg. von Rainer Koch, Martin Rector, Rainer Rother, Jochen Vogt. Opladen: Westdeutscher 1993. S. 19. Zitiert nach: Arnd Beise: ''Peter Weiss''. Stuttgart: Philipp Reclam jun. 2002. S. 158.</ref> Die ersten, seit den späteren 1940er Jahren in schwedischer Sprache veröffentlichten Prosatexte sind von avantgardistischen Autoren der schwedischen Moderne beeinflusst. Diese von einem [[Existentialismus|existentialistischen]] Lebensgefühl geprägten Texte verliehen der Heimatlosigkeit und prinzipiellen Verlorenheit aller Menschen Ausdruck. Besondere Bedeutung kommt dem 1952 entstandenen „Mikro-Roman“ ''Der Schatten des Körpers des Kutschers'' zu, in dem Weiss alltägliche Abläufe [[deskriptiv]] zergliederte und zu einer von subjektiver Empfindung befreiten Beschreibungssprache fand. In seiner konsequenten Abgrenzung von traditionellen [[Erzähltheorie|Erzählverfahren]] korrelierte der ''Kutscher''-Text bei seinem Erscheinen im Jahr 1960 mit der Beschreibungsliteratur dieser Jahre. Er fiel „nun als avantgardistische Prosa verspätet in die Rezeption des ''[[nouveau roman]]''.“<ref>Genia Schulz: ''Weiss, Peter''. In: ''Metzler Autoren Lexikon. Deutschsprachige Dichter und Schriftsteller vom Mittelalter bis zur Gegenwart''. Hrsg. von Bernd Lutz. Stuttgart: Metzler 1986. S. 626–629, hier S. 627.</ref> Nach dem Tod der Eltern traten autobiografische, psychoanalytisch geschulte Prosatexte in den Vordergrund (''Kopenhagener Tagebuch'', ''Abschied von den Eltern'', ''Fluchtpunkt''), die gerade in ihrem vergleichsweise konventionellen Erzählmuster manche Kritiker befremdeten. In diesen Texten suchte Weiss sich seiner Kindheits- und Jugenderlebnisse zu vergewissern und seine [[Sozialisation]]sgeschichte vor dem Hintergrund einer unüberbrückbaren Distanz zu seinen Eltern zu ergründen. Zum Durchbruch verhalf Peter Weiss 1964 das ''[[Die Verfolgung und Ermordung Jean Paul Marats dargestellt durch die Schauspielgruppe des Hospizes zu Charenton unter Anleitung des Herrn de Sade|Marat/Sade]]''-Stück. Das Disputierdrama konfrontierte die gnadenlos individualistische Haltung des [[Donatien Alphonse François de Sade|Marquis de Sade]] mit dem revolutionären Fanatismus des [[Jean Paul Marat]] und seines Parteigängers [[Jacques Roux]]. Im Stück ereifern sich die beiden weltanschaulichen Opponenten über Sinn und Unsinn von Revolutionen und Gewalt sowie über die Frage nach einer gerechten Wirtschafts- und Werteordnung. Damit alternierend trägt der [[Chor (Theater)|Chor]], den de Sade aus Anstaltsinsassen rekrutiert, die Sorgen der armen Stadtbevölkerung dem [[Nationalkonvent]] vor – und mithin dem Publikum im Theater. Durch das Niederreißen der „[[Vierte Wand|vierten Wand]]“ durch den [[Dritter Stand|dritten Stand]] entfaltet das „Stück im Stück“ seinen entgrenzenden Charakter. Der Intendant des [[Schillertheater (Berlin)|Schillertheaters Berlin]], [[Boleslaw Barlog]], hatte das Werk zunächst mit großer Skepsis aufgenommen. Doch legte der von ihm beauftragte polnische Regisseur [[Konrad Swinarski]], der noch nicht lange im Westen angekommen war, mit seiner Uraufführung am 29. April 1964 in West-Berlin das Fundament für den Welterfolg des Stückes. Der „[[Der Spiegel|Spiegel]]“ bilanzierte die Uraufführung des ''Marat/Sade'' anerkennend: „Auf der Bühne wurde geliebt, gebetet, gesegnet, gesungen, getanzt, gebadet, geduscht, gestritten, gefoltert, gepeitscht, gemordet, geköpft, Akrobaten traten auf, Pantomimen, ein Jongleur, Nonnen, eine Musikkapelle saß auf der Bühne und wich nicht.“<ref>„Spiegel“ Nr. 19/1964, S. 113.</ref> === Konfigurationen des Politischen === Mehrfach äußerte Weiss sich theoretisch zu seiner Theaterarbeit und beschrieb in den programmatischen Texten ''Das Material und die Modelle'' (1968) und ''Alle Zellen des Widerstands miteinander verbinden'' (1973) eine [[Dramaturgie]] von möglichst direkter Wirksamkeit, die die Bühne zu einem Instrument politischer Meinungsbildung machen solle. Den Anspruch, „dass Kunst die Kraft haben muss, das Leben zu verändern,“<ref>''Dramatiker ohne Alternativen. Ein Gespräch mit Peter Weiss'' [BBC-Interview von A. Alvarez]. In: ''Theater 1965. Chronik und Bilanz des Bühnenjahres. Sonderheft der deutschen Theaterzeitschrift „Theater heute“''. Hannover: Friedrich 1965. S. 89.</ref> hatte er bereits 1965 in dem als „Auschwitz-Oratorium“ bezeichneten Werk ''Die Ermittlung'' einzulösen versucht, das den ersten Frankfurter [[Auschwitzprozesse|Auschwitzprozess]] von 1963-65 mit den Mitteln des [[Dokumentarisches Theater|dokumentarischen Theaters]] thematisierte. In elf Gesängen ließ der Autor die faktenreichen Aussagen der anonymen Zeugen gegen die der namentlich genannten Angeklagten und ehemaligen [[Schutzstaffel|SS]]-Aufseher stehen. Weiss stellte die Aussagen von Tätern, Zeugen und Richtern einander so gegenüber, dass die Widersprüche in den Aussagen der Täter aufgedeckt wurden. Gleichzeitig klärten die Zeugen den Zuschauer über die Gräueltaten im Konzentrationslager auf. Der extrem versachlichte Bühnentext provozierte anonyme Schmäh- und Drohbriefe gegen den Autor und die Regisseure der Uraufführungs-Inszenierungen. Obwohl zahlreiche Bühnen bis auf West-Berlin, Essen, Köln, München und Rostock ''Die Ermittlung'' 1965/66 nur kurzzeitig auf dem Spielplan beließen, hat sich der Erinnerungstext seitdem als konsequentes Stück Literatur über den [[Holocaust]] auf deutschen Bühnen behauptet. [[Datei:Tübingen, Neckar, Hölderlinturm IMG 5192.JPG|miniatur|Tübinger Hölderlinturm, letzter Handlungsort des ''Hölderlin'' (1970/71), in dem Weiss den Lyriker als ‚missverstandenen Märtyrer‘ der Goethezeit zeigte.]] Die vertiefte Auseinandersetzung mit der Verdrängungspraxis der deutschen Nachkriegsgesellschaft in der ''Ermittlung'' ging mit einem Prozess der Politisierung des Autors einher. In seinen programmatischen ''10 Arbeitspunkten eines Autors in der geteilten Welt'' bezog Weiss 1965 für die [[Sozialismus|sozialistische]] Seite im antagonistischen Ost-West-Konflikt Position und schalt die deutschen Schriftsteller für mangelndes Engagement im Kampf gegen das Vergessenwollen, den Militarismus und Nationalismus. Die ab 1967 folgenden Bühnentexte zeugten ganz im Sinne der ''10 Arbeitspunkte'' von einer politisch-moralischen Stellungnahme für die aufbegehrenden Unterdrückten der Geschichte. Der politisch akzentuierten Dramaturgie, die Weiss in den späten 1960er Jahren verfolgte, dienten [[Topos (Geisteswissenschaft)|Topoi]] wie [[Angola]] als Beispiel für Geschäfte im Namen des Abendlandes ''(Gesang vom lusitanischen Popanz)'' und [[Vietnam]] zur Veranschaulichung einer mehrtausendjährigen „Geschichte der Machtergreifungen, Kolonisierungen und Befreiungen“<ref>Heinrich Vormweg ''Peter Weiss''. München 1981. S. 104.</ref> ''(Viet Nam Diskurs)''. Obwohl [[Botho Strauß]] Weiss’ Vietnam-Stück 1968 als eines „der spektakulärsten Theaterereignisse der Saison“<ref>Botho Strauß: ''Bilderbuch der Schauspiel-Saison 1967/68''. In: ''Theater 1968. Chronik und Bilanz des Bühnenjahres''. Hannover: Friedrich 1968. S. 39–68, hier S. 40.</ref> wertete, musste Weiss doch kurz darauf eingestehen, dass „der Weg, der ihn zum ‚Vietnam-Diskurs‘ geführt habe, zwar notwendig gewesen sei, aber nun nicht mehr weiter beschritten werden könne.“<ref>[[Siegfried Melchinger]]: ''Revision oder: Ansätze zu einer Theorie des revolutionären Theaters''. In: ''Theater 1969. Sonderheft „Chronik und Bilanz eines Bühnenjahres“ der Zeitschrift „Theater heute“''. Hannover: Friedrich 1969. S. 83–89, hier S. 89.</ref> In Abwendung von einer Dramaturgie der Dokumentarstücke, deren zunächst nüchtern konstatierender [[Duktus (Linguistik)|Duktus]] einer zunehmend agitativen Handschrift gewichen war, kehrte Weiss zu einer Dramenstruktur zurück, die wieder klassische [[Protagonist]]en in den Mittelpunkt rückte. Anhand der beiden Intellektuellengestalten [[Leo Trotzki]] und [[Friedrich Hölderlin]] arbeitete Weiss in Konfrontation zum offiziellen Geschichtsbild der Sowjetunion eine unbewältigte Revolutionsvergangenheit auf ''(Trotzki im Exil)'' und reflektierte die grundsätzliche Problematik der Revolution ''(Hölderlin)''. Eine Wiederholung der außerordentlichen Erfolge der mittleren 1960er Jahre gelang mit diesen Stücken nicht. In seinen letzten dramatischen Arbeiten überführte Weiss die hermetische Welt von Franz Kafkas ''Der Prozess'' in die Gegenwart multinationaler Konzerne und politischer Macht- und Überwachungsapparate (''Der Prozess'', ''Der neue Prozess''). === ''Die Ästhetik des Widerstands'' === [[Datei:Zitat-Harro-Schulze-Boysen-apel.JPG|miniatur|Zitat von [[Harro Schulze-Boysen]], einem der Handlungsträger der ''Ästhetik des Widerstands'' am [[Bundesministerium der Finanzen]]]] Das dreibändige Werk ''[[Die Ästhetik des Widerstands]]'', das in den Jahren zwischen 1975 und 1981 veröffentlicht wurde, reflektiert die Debatten und Konflikte innerhalb der [[Kommunismus|kommunistischen]] und [[Antifaschismus|antifaschistischen]] Bewegung zur Zeit der [[Deutsches Reich 1933 bis 1945|nationalsozialistischen]] Herrschaft. Vordergründig erzählt der Roman die Geschichte eines 1917 geborenen Arbeitersohns in NS-Deutschland und in der Emigration. Dieser fiktive [[Typologisches Modell der Erzählsituationen#Ich-Erzählsituation|Ich-Erzähler]] durchläuft eine Entwicklung hin zum Autor und Chronisten des antifaschistischen Kampfs. Er verkörpert die politische wie die künstlerische Verantwortung gegenüber einem [[Geschichtsphilosophie|geschichtsphilosophischen]] Auftrag: „der umfassenden Selbstbefreiung der Unterdrückten“.<ref>Genia Schulz: ''Weiss, Peter''. In: ''Metzler Autoren Lexikon. Deutschsprachige Dichter und Schriftsteller vom Mittelalter bis zur Gegenwart''. Hrsg. von Bernd Lutz. Stuttgart: Metzler 1986. S. 626–629, hier S. 628.</ref> Ein Kernanliegen der im Zeitraum zwischen 1937 und 1945 angesiedelten Trilogie bildet die Reflexion des Verhältnisses von Kunst und Politik. Anhand von Werken der bildenden Kunst und der Literatur entwickelt Weiss Modelle für die Aneignung des proletarischen Kampfes gegen die Unterdrückung. Dabei verfolgt der Gesprächsroman im Sinne kritischer Selbstvergewisserung stets auch die Auseinandersetzung mit den Widersprüchen und Fehlern linker Politik sowie mit dem historischen Scheitern der [[Arbeiterbewegung]]. Während der institutionalisierte Kulturbetrieb der Bedeutung der Trilogie erst spät gewahr wurde,<ref name="jv127"/> wurde ''Die Ästhetik des Widerstands'' unter Linken in West- und Ostdeutschland bald populär. Das Werk entwickelte sich im deutschsprachigen Raum zum Kristallisationspunkt politisch-ästhetischer Lektürekurse und Diskussionsveranstaltungen. Eine Art Initialzündung für diese Rezeptionsform war die Berliner „[[Volksuni]]“ 1981. Dort fanden sich bereits mehrere Lesekreise zusammen, teilweise aus Studenten und Dozenten, teilweise aus außeruniversitären, insbesondere linksgewerkschaftlichen Kreisen. Zur Anziehungskraft von Weiss’ dreibändigem Hauptwerk trug bei, dass der Autor jüngere deutsche Geschichte aus der Perspektive des [[Widerstand gegen den Nationalsozialismus|Widerstands gegen den Nationalsozialismus]] erzählte. Der monumentale Roman über die faschistische Epoche in Europa stellte ein Identifikationsangebot bereit, das im Kontext der Debatte um die [[Vergangenheitsbewältigung]] große Akzeptanz fand. In der [[Deutsche Demokratische Republik|DDR]] wurden alle drei Bände der ''Ästhetik des Widerstands'' 1983 in einer auf 5000 Exemplare beschränkten Erstauflage des [[E. A. Seemann|Henschel Verlags]] veröffentlicht. Das Werk war bis zu einer Zweitauflage im Jahr 1987 infolgedessen nur unter Schwierigkeiten erhältlich. Angesichts der außergewöhnlich breiten Rezeption der Trilogie hat [[Gerhard Scheit]] ''Die Ästhetik des Widerstands'' als den „letzten gemeinsamen Nenner“ der deutschen Linken bezeichnet.<ref>Die wechselvolle Rezeptionsgeschichte der ''Ästhetik des Widerstands'' beleuchtet der Band: ''„Diese bebende, zähe, kühne Hoffnung“. 25 Jahre Peter Weiss: Die Ästhetik des Widerstands''. Hrsg. von Arnd Beise, Jens Birkmeyer, Michael Hofmann. St. Ingbert: Röhrig 2008. – Die ''Ästhetik des Widerstands'' liegt seit 2007 in einer 630 Minuten umfassenden Hörbuch-Bearbeitung vor, die die zentrale Erzählerrolle aufspaltet in ein zeitgenössisches und ein schreibendes, reflektierendes Ich und damit den Text aus unterschiedlichen Perspektiven beleuchtet (Regie: [[Karl Bruckmaier]]. München: Der Hörverlag 2007).</ref> === Bildende Kunst und Experimentalfilm === [[Datei:Anatomen2.jpg|miniatur|Für das [[Karolinska Institutet]] in Stockholm führte Weiss 1944 das Wandgemälde ''Das Institut arbeitet'' aus.]] Weiss’ Malerei und seine grafischen Arbeiten zeichnen sich durch eine eher düstere, „[[Alte Meister|altmeisterliche]]“ Ausrichtung aus. Sie sind von einer gegenständlichen, ins [[Allegorie|Allegorische]] hinüberspielenden Malweise geprägt, die sich vom [[Expressionismus]] ebenso beeinflusst zeigt wie von den alten Meistern [[Hieronymus Bosch]] und [[Pieter Brueghel der Ältere|Pieter Brueghel]]. „Kompositorisch werden Selbstbildnis und Selbstdeutung mit dem Blick auf eine [[Totalität]] verbunden, die ein Gemälde von 1937 im Titel direkt anspricht: ''Das Große Welttheater'' (es befindet sich seit 1968 im Besitz des [[Moderna Museet|Moderna Muséet]] in Stockholm). Die Probleme der künstlerischen Existenz – und ihr Gegensatz zur bürgerlichen, von Katastrophen bedrohten Welt – werden hier sehr früh thematisch und bleiben es in gewissen Sinne im Gesamtwerk des Dichters und Malers.“<ref>Jochen Vogt: ''Peter Weiss''. Reinbek: Rowohlt 1987 (rowohlts monographien, 376), S. 27.</ref> Eine erste Ausstellung 1942 im Stockholmer Stadtbezirk [[Norrmalm]] (Brunkebergstorg) wurde wenig freundlich aufgenommen. Zwei Jahre später hingegen wurde gerade Weiss’ Gemälden auf der Gemeinschaftsausstellung „Konstnärer i landsflykt“ („Künstler im Exil“) Anerkennung zuteil.<ref>Helmut Müssener: ''Exil in Schweden. Politische und kulturelle Emigration nach 1933''. München 1974. S. 296f.</ref> In folgenden Arbeiten suchte Weiss den Anschluss an die künstlerische [[Moderne]]. In bildnerischen Collagen und Illustrationen zu seinen Prosabüchern verband Weiss dokumentarische und visionäre Elemente.<ref>Zur Bedeutung der Collagetechnik in Weiss’ Werk siehe: Christine Ivanovic: ''Die Ästhetik der Collage im Werk von Peter Weiss''. In: ''Peter Weiss Jahrbuch für Literatur, Kunst und Politik im 20. Jahrhundert. Band 14''. Hrsg. von Michael Hofmann, Martin Rector und Jochen Vogt. St. Ingbert: Röhrig 2005. S. 69–100.</ref> Angesichts der als allzu statisch empfundenen Grenzen der Bildenden Kunst wandte Weiss sich zwischen 1952 und 1961 filmästhetischen Experimenten zu. Seine kinematografischen Ambitionen überschrieb er explizit mit dem Begriff des ''Avantgardefilms'' (so der Titel einer programmatischen Schrift von 1956). Es entstanden sechs [[Surrealismus|surrealistische]] und fünf dokumentarische Kurzfilme. Letztere befassten sich mit Außenseitergruppen der skandinavischen Wohlfahrtsgesellschaft, führten jedoch im Fall von ''Enligt lag'' (dt.: ''Im Namen des Gesetzes'') 1957 aufgrund ‚pornografischer‘ Freizügigkeit zum Konflikt mit der staatlichen [[Filmzensur]]. Zudem drehte Weiss 1958/59 den 80-minütigen Spielfilm ''Hägringen'', eine [[Literaturverfilmung|Adaption]] seiner frühen Prosaarbeit ''Der Verschollene / Dokument I'' über die Begegnung eines fremden Jugendlichen mit der großen Stadt. Mit dem Spielfilm ''Svenska flickor i Paris'' ''(Schwedische Mädchen in Paris)'' folgte 1960 eine erfolglose kommerzielle Produktion. Die Arbeit an diesem, die surrealistische Kunst [[Jean Tinguely|Tinguely]]s reflektierenden Spielfilm war von einem grundsätzlichen Dissens zwischen dem Produzenten Lars Burman und dem Regisseur Weiss über die filmische Wirkungsabsicht überschattet. Weiss distanzierte sich nachträglich von diesem Experiment im kommerziellen Bereich. Seit den 1980er Jahren sind Weiss’ filmische Arbeiten auf verschiedenen Filmtagen auch einer deutschen Öffentlichkeit vorgestellt worden (Internationales Forum des jungen Films, 1980; [[Nordische Filmtage Lübeck]], 1986 etc.).<ref>Seither verlagerte sich die Auseinandersetzung mit dem Autor auch auf Weiss als künstlerischen „Grenzgänger“ sowie auf vielfältige [[Intermedialität|intermediale]] Wechselbezüge und Zusammenhänge. Siehe dazu die Ausstellungskataloge und Untersuchungen: Per Drougge: ''Peter Weiss. Måleri, Collage, Teckning. 1933-1960. En utställning producerad av Södertälje Konsthall, Sverige.'' Södertälje 1976 (schwedisch und deutsch). – Peter Spielmann (Hrsg.): ''Der Maler Peter Weiss. Bilder, Zeichnungen, Collagen, Filme''. Berlin: Frölich und Kaufmann 1982. – Annette Meyer zu Eissen: ''Peter Weiss als Maler. Katalog zur Ausstellung in der Kunsthalle Bremen, 16. Januar bis 20. Februar 1983''. Bremen 1983. – Raimund Hoffmann: ''Peter Weiss. Malerei, Zeichnungen, Collagen.'' Berlin: Henschel 1984. – Gunilla Palmstierna-Weiss und Jürgen Schutte (Hrsg.): ''Peter Weiss. Leben und Werk.'' Frankfurt am Main: Suhrkamp 1991. – ''Peter Weiss. Gemälde, Zeichnungen, Collagen, Film, Theater, Literatur, Politik. Verzeichnis zur Ausstellung der Akademie der Künste 24. Feb. bis 28. April 1991''. Berlin: Akademie der Künste 1991. – Alexander Honold, Ulrich Schreiber (Hrsg.): ''Die Bilderwelt des Peter Weiss''. Hamburg: Argument 1995. – ''Peter Weiss – Grenzgänger zwischen den Künsten. Bild – Collage – Text – Film''. Hrsg. von Yannick Müllender, Jürgen Schutte, Ulrike Weymann. Frankfurt am Main: Peter Lang 2007.</ref> Wenngleich Weiss zu keinem Zeitpunkt von seiner Tätigkeit als bildender Künstler zu leben vermochte und den überwiegend in Schweden entstehenden filmischen Arbeiten trotz verschiedener Auszeichnungen auch bei internationalen Wettbewerben<ref>Sverker Erk: „Eine Sprache suchen“. Peter Weiss als Filmemacher. In: ''Peter Weiss. Leben und Werk. Eine Ausstellung. Akademie der Künste, Berlin 24. Febr. bis 28. Apr. 1991''. Hrsg. von Gunilla Palmstierna-Weiss und Jürgen Schutte. Frankfurt am Main: Suhrkamp 1991. S. 138–154, hier S. 139f.</ref> nachhaltige Resonanz versagt blieb, wurde ihm vom Berliner Senat unmittelbar nach dem ''Marat/Sade''-Erfolg die Funktion des Gründungsdirektors der in Aufbau befindlichen [[Deutsche Film- und Fernsehakademie Berlin|Filmakademie in West-Berlin]] (dffb) angetragen. Wie sich der von Peter Weiss an seiner statt vorgeschlagene Gründungsdirektor [[Erwin Leiser]] erinnerte, lehnte Weiss jedoch „ab, weil er vor dem Gedanken an administrative Arbeit und ständige Konfrontation mit deutscher Bürokratie zurückschreckte.“<ref>Erwin Leiser: ''Gott hat kein Kleingeld. Erinnerungen''. Köln: Kiepenheuer & Witsch 1993. S. 111. – Vgl. Arnd Beise: ''Peter Weiss''. Stuttgart: Philipp Reclam jun. 2002. S. 19, 63.</ref> Bereits seit dem Prosatext ''Duellen'' in den frühen 1950er Jahren prägten filmästhetische Qualitäten Weiss’ Prosatexte maßgeblich. Noch Jahrzehnte nach Weiss’ Abwendung vom Experimentalfilm als Kunstform blieb die Übernahme visueller Techniken aus dem filmischen Bereich eine Konstante seiner literarischen Arbeit.<ref>Erst spät ist Weiss’ filmisches Œuvre in den Fokus der Forschung gerückt: Sepp Hiekisch-Picard: Der Filmemacher Peter Weiss. In: Rainer Gerlach. (Hrsg.): ''Peter Weiss''. Frankfurt am Main: Suhrkamp 1984. S. 129–144. – Hauke Lange-Fuchs (Hrsg. in Verbindung mit dem Amt für Kultur der Hansestadt Lübeck u.a.): ''Peter Weiss und der Film. Dokumentation.'' Lübeck, Essen 1986. – Jan Christer Bengtsson: ''Peter Weiss och kamerabilden''. Stockholm 1989. – Beat Mazenauer: ''Staunen und Erschrecken. Peter Weiss’ filmische Ästhetik''. In: ''Peter Weiss Jahrbuch 5''. Hrsg. von Martin Rector, Jochen Vogt […]. Opladen: Westdeutscher 1996. S. 75–94.</ref> === Weiss-Lektüre im Wandel === [[Datei:HDF 1.jpg|miniatur|Das Rostocker Haus der Freundschaft trägt seit 2009 den Namen „Peter Weiss Haus“.]] Die Sichtweisen auf Weiss' Texte haben sich seit den Tagen der Erstveröffentlichung seiner Texte stark verlagert. Neben die zunächst dominierenden politisch-ästhetischen Fragestellungen sind zahlreiche andere Deutungsansätze getreten. Jenseits einer „großen Erzählung“ wie der vom [[Kommunismus]] und des konstitutiven Moments eines erhofften undogmatischen Sozialismus, das sich mit Weiss’ Werk mitbegründen zu lassen schien, bestimmen neue Konstellationen die Auseinandersetzung mit seiner Kunst. Zu den neueren thematischen Zugängen zählen neben den intermedialen Bezügen seiner künstlerischen Arbeit die Auseinandersetzung mit sich [[Polyphonie|polyphon]] artikulierenden Ansprüchen auf Selbstbestimmung oder die interkulturellen Perspektiven innerhalb von Weiss’ Werk. Zu der Wirkungsgeschichte von Weiss’ Œuvre zählen mehrere kulturelle Initiativen, die sich der Tradierung seines Kunstbegriffs verschrieben haben. Seit 1989 widmet sich die „[[Internationale Peter Weiss-Gesellschaft]]“ der Pflege und Erforschung des literarischen, filmischen und bildkünstlerischen Werks von Peter Weiss sowie der Unterstützung und Förderung kultureller und politischer Initiativen im Sinne des Künstlers. Die Stadt Bochum zeichnet seit 1990 Theater- und Filmregisseure, Schriftsteller und bildende Künstler mit dem „[[Peter-Weiss-Preis]]“ aus. Dieser in zweijährigem Turnus verliehene Kulturpreis ist mit 15.000&nbsp;Euro dotiert. 1993 wurde in Berlin eine „[[Peter-Weiss-Stiftung|Peter-Weiss-Stiftung für Kunst und Politik]]“ gegründet. Das Ziel der Stiftung, die Trägerin des [[Internationales Literaturfestival Berlin|internationalen literaturfestivals berlin]] ist, besteht in der Förderung von Kunst, Kultur und politisch-ästhetischer Bildung. Darüber hinaus tragen ein [[Haus der Freundschaft|Kulturhaus in Rostock]], eine Berliner Spezialbibliothek, eine Gesamtschule in [[Unna]], ein Platz und eine Gasse in Berlin, ein Platz in Potsdam-Babelsberg sowie eine Straße in der Bremer Neustadt den Namen des Schriftstellers. == Werkübersicht == === Malerei und Grafik === '''Ausstellungskataloge''' * ''Peter Weiss. Måleri, Collage, Teckning. 1933-1960. En utställning producerad av Södertälje Konsthall, Sverige.'' Redaktion: Per Drougge. Södertälje 1976 (schwedisch und deutsch). * ''Der Maler Peter Weiss. Bilder, Zeichnungen, Collagen, Filme''. Redaktion und Gestaltung: Peter Spielmann. Berlin: Frölich und Kaufmann 1982 (zur Ausstellung im Museum Bochum). * ''Peter Weiss als Maler. Katalog zur Ausstellung in der Kunsthalle Bremen, 16. Januar bis 20. Februar 1983''. Redaktion: Annette Meyer zu Eissen. Bremen 1983. * Raimund Hoffmann: ''Peter Weiss. Malerei, Zeichnungen, Collagen''. Berlin: Henschelverlag Kunst und Gesellschaft 1984. * ''Peter Weiss. Leben und Werk. Eine Ausstellung. Akademie der Künste, Berlin 24. Febr. bis 28. Apr. 1991''. Hrsg. von Gunilla Palmstierna-Weiss und Jürgen Schutte. Frankfurt am Main: Suhrkamp 1991. '''Illustrationen eigener und fremder Prosa''' * 1938 [[Hermann Hesse]]: ''Kindheit des Zauberers. Ein autobiographisches Märchen. Handgeschrieben, illustriert und mit einer Nachbemerkung von Peter Weiss. Faksimile.'' Frankfurt am Main: Insel 1974 (Insel Taschenbuch 67). * 1938 Hermann Hesse: ''Der verbannte Ehemann oder Anton Schievelbeyn’s ohnfreywillige Reisse nacher Ost-Indien. Handgeschrieben und illustriert von Peter Weiss''. Frankfurt am Main: Insel 1977 (Insel Taschenbuch 260). (26 Zeichnungen) * 1947 ''Från ö till ö: teckningar av författaren.'' Stockholm: Bonnier (= ''Von Insel zu Insel''. Berlin: Frölich & Kaufmann 1984). (4 Illustrationen) * 1951 ''Duellen''. Privatdruck Stockholm 1953 (= ''Das Duell''. Frankfurt am Main: Suhrkamp 1972) (10 Federzeichnungen). * 1958 Nils Holmberg: ''Tusen och en natt. Första delen / Andra samlingen.'' Stockholm: Tidens bokklubb. (16 + 12 Collagen) * 1960 ''Der Schatten des Körpers des Kutschers''. Frankfurt am Main: Suhrkamp. (7 Collagen) * 1963 ''Diagnos''. Staffanstorp: Cavefors (= deutsche Neuausgabe ''Abschied von den Eltern''. Frankfurt am Main: Suhrkamp 1980). (8 Collagen) === Filme (Auswahl) === In frühen Experimentalfilmen zeichnete Peter Weiss nicht nur für Buch, Regie und Schnitt verantwortlich, sondern wirkte als Darsteller mit. * 1952 ''Studie I: Uppvaknandet'' (Svensk Experimentfilmstudio, sw, 6 Min.) * 1952 ''Studie II: Hallucinationer'' (Svensk Experimentfilmstudio, sw, 6 Min.) * 1953 ''Studie III'' (Svensk Experimentfilmstudio, sw, 6 Min.) * 1955 ''Studie IV: Frigörelse'' (Arbetsgruppen för Film, sw, 9 Min.)<ref>Siehe dazu: Martin Rector: ''Peter Weiss’ Experimentalfilm „Studie IV: Befreiung“''. In: ''Peter Weiss Jahrbuch für Literatur, Kunst und Politik im 20. Jahrhundert. Band 10''. Hrsg. von Michael Hofmann, Martin Rector und Jochen Vogt. St. Ingbert: Röhrig 2001. S. 28–53.</ref> * 1955 ''Studie V: Växelspel'' (Arbetsgruppen för Film, sw, 9 Min.) * 1959 ''Hägringen / Fata Morgana'' (nach Weiss’ Erzählung ''Dokument I / Der Vogelfreie'') (Nordisk Tonefilm, sw, 81 Min.) * 1960/61 ''Svenska flickor i Paris / Paris Playgirl''. ''(Eine Schwedin in Paris)'' (Wivefilm, sw, 77 Min. UA Finnland, 15. Juni 1962) === Prosa (Auswahl) === [[Datei:Från ö till ö.jpg|miniatur|Peter Weiss’ erste Publikation: ''Från ö till ö''. Stockholm: Bonnier 1947 (dt. ''Von Insel zu Insel''), Titelillustration: Peter Weiss]] * 1947 ''Från ö till ö''. Stockholm: [[Bonnier]] (= ''Von Insel zu Insel''. Berlin 1984). * 1948 ''De besegrade''. Stockholm: Bonnier (= ''Die Besiegten''. Frankfurt am Main: Suhrkamp 1985). * 1949 ''Dokument I''. Stockholm: Privatdruck (auch als: ''Der Vogelfreie'') (= Sinclair: ''Der Fremde. Erzählung.'' Frankfurt am Main: Suhrkamp 1980). * 1953 ''Duellen''. Stockholm: Privatdruck (= ''Das Duell''. Frankfurt am Main: Suhrkamp 1972). * 1956 ''Avantgardefilm.'' Stockholm: Wahlström & Widstrand (Svensk Filmbibliotek 7) (= Frankfurt am Main: Suhrkamp 1995). * 1960 ''[[Der Schatten des Körpers des Kutschers]]. Mikro-Roman.'' Frankfurt am Main: [[Suhrkamp Verlag|Suhrkamp]] (= Tausenddruck 3). * 1961 ''[[Abschied von den Eltern]]. Erzählung.'' Frankfurt am Main: Suhrkamp. * 1962 ''[[Fluchtpunkt (Weiss)|Fluchtpunkt]]. Roman.'' Frankfurt am Main: Suhrkamp. * 1963 ''Das Gespräch der drei Gehenden. Fragment.'' Frankfurt am Main: Suhrkamp (= edition suhrkamp 3). * 1968/71 '' Rapporte'' / '' Rapporte 2.'' Frankfurt am Main: Suhrkamp (= edition suhrkamp 276 / 444). * 1975–1981 ''[[Die Ästhetik des Widerstands]]. Roman.'' Frankfurt am Main: Suhrkamp (Erster Band: 1975. Zweiter Band: 1978. Dritter Band: 1981) (= ''Die Ästhetik des Widerstands''. Bearbeitung und Regie: [[Karl Bruckmaier]]. München: [[Der Hörverlag]] 2007). * 1981/82 ''Notizbücher. 1971–1980'' / ''Notizbücher. 1960–1971''. 2 Bände. Frankfurt am Main: Suhrkamp (= edition suhrkamp 1067 / 1135) (= ''Die Notizbücher. Kritische Gesamtausgabe''. Hrsg. von Jürgen Schutte in Zusammenarbeit mit Wiebke Amthor und Jenny Willner. Berlin: [[Directmedia Publishing]] 2006 (Digitale Bibliothek, 149)). * 2000 ''Die Situation''. Roman. Aus dem Schwedischen von Wiebke Ankersen. Frankfurt am Main: Suhrkamp (entstanden: 1956). * 2006 ''Das Kopenhagener Journal. Kritische Ausgabe''. Hrsg. von Rainer Gerlach, Jürgen Schütte. Göttingen: [[Wallstein Verlag|Wallstein]]. === Theaterstücke === * 1948 ''Rotundan'' (dt.: ''Der Turm''). Uraufführung: Studie-Scenen, Stockholm, 28. September 1950. Ursendung der Hörspielfassung: [[Hessischer Rundfunk]], 16. April 1962. Deutschsprachige Erstaufführung: Theater am Belvedere, Wien, 2. Dezember 1967 (Regie: Irimbert Ganser)<ref>Eine ausführliche Übersicht der Schriften von Peter Weiss bietet unter anderem: Jochen Vogt, ''Peter Weiss''. Reinbek: Rowohlt 1987 (rowohlts monographien, 376), S. 147–150.</ref> * 1952 ''Försäkringen'' (dt: ''Die Versicherung''). Uraufführung: Universität Göteborg, Winter 1966. Deutschsprachige Erstaufführung: [[Grillo-Theater|Städtische Bühnen]] Essen, 8. April 1971 (Regie: [[Hans Neuenfels]]) * 1963 ''Nacht mit Gästen''. Uraufführung: [[Schillertheater (Berlin)|Schillertheater]] Berlin, 16. November 1963 (Regie: Deryk Mendel) * 1962–65 ''[[Die Verfolgung und Ermordung Jean Paul Marats dargestellt durch die Schauspielgruppe des Hospizes zu Charenton unter Anleitung des Herrn de Sade]]''. Uraufführung: Schillertheater Berlin, 29. April 1964 (Regie: [[Konrad Swinarski]]) * 1963–68 ''Wie dem Herrn Mockinpott das Leiden ausgetrieben wird''. Uraufführung: [[Theater für Niedersachsen|Landestheater, Studio im Künstlerhaus]], Hannover, 16. Mai 1968 (Regie: Horst Zankl) * 1964 ''Inferno'' (Erstveröffentlichung 2003).<ref>Das zwischen 1964 und 1969 von Peter Weiss verfolgte ''Divina Commedia''-Projekt sowie das im Nachlass aufgefundene Drama ''Inferno'' behandelt Yannick Müllender: ''Peter Weiss’ 'Divina Commedia'-Projekt (1964-1969). „… läßt sich dies noch beschreiben“ – Prozesse der Selbstverständigung und der Gesellschaftskritik''. St. Ingbert: Röhrig 2007.</ref> Uraufführung: [[Badisches Staatstheater Karlsruhe]], 16. Januar 2008 (Regie: Thomas Krupa) * 1965 ''[[Die Ermittlung]]''. Offene Uraufführung am 19. Oktober 1965 an 14 deutschen Bühnen und der [[Royal Shakespeare Company]], London * 1965-67 ''Gesang vom lusitanischen Popanz''. Uraufführung: Scala Teatern, Stockholm, 26. Januar 1967 (Regie: Etienne Glaser mit Theaterkollektiv). Deutschsprachige Erstaufführung: [[Schaubühne am Halleschen Ufer]], Berlin, 6. Oktober 1967 (Regie: [[Karl Paryla]]) * 1966-68 ''Diskurs über die Vorgeschichte und den Verlauf des lang andauernden Befreiungskrieges in Viet Nam als Beispiel für die Notwendigkeit des bewaffneten Kampfes der Unterdrückten gegen ihre Unterdrücker sowie über die Versuche der Vereinigten Staaten von Amerika die Grundlagen der Revolution zu vernichten''. Uraufführung: [[Städtische Bühnen Frankfurt]], 20. März 1968 (Regie: [[Harry Buckwitz]]) als ''Viet Nam Diskurs'' * 1968-69 ''Trotzki im Exil''. Uraufführung: [[Düsseldorfer Schauspielhaus]], 20. Januar 1970 (Regie: Harry Buckwitz) * 1970-72 ''Hölderlin''. Uraufführung: [[Staatstheater Stuttgart|Württembergisches Staatstheater Stuttgart]], 18. September 1971 (Regie: [[Peter Palitzsch]]) * 1974-76 ''Der Prozess''. Uraufführung: [[Theater Bremen|Theater der Freien Hansestadt Bremen]], 28. Mai 1975 (Regie: Helm Bindseil) und [[Vereinigte Städtische Bühnen Krefeld und Mönchengladbach]] (Regie: Joachim Fontheim) * 1981-82 ''Der neue Prozess''. Uraufführung: [[Königliches Dramatisches Theater|Dramaten]], Stockholm, 12. März 1982 (Regie: Gunilla Palmstierna-Weiss und Peter Weiss). Deutschsprachige Erstaufführung: Freie Volksbühne, Berlin, 25. März 1983 (Regie: [[Roberto Ciulli]]) === Werk- und Sammelausgaben === Eine Gesamtausgabe der Werke von Peter Weiss liegt nicht vor. * 1976/77 Peter Weiss. ''Stücke I / Stücke II''. Frankfurt am Main: Suhrkamp. * 1977 Peter Weiss. ''Stücke''. Hrsg. und mit einem Nachwort von [[Manfred Haiduk]]. Berlin: Henschel. * 1986 Peter Weiss. ''In Gegensätzen denken. Ein Lesebuch''. Ausgewählt von Rainer Gerlach und Matthias Richter. Frankfurt am Main: Suhrkamp. * 1986 ''Peter Weiss im Gespräch''. Hrsg. von Rainer Gerlach und Matthias Richter. Frankfurt am Main: Suhrkamp. * 1991 Peter Weiss: ''Werke in sechs Bänden''. Hrsg. vom Suhrkamp Verlag in Zusammenarbeit mit Gunilla Palmstierna-Weiss. Frankfurt am Main: Suhrkamp. * 2007 ''Siegfried Unseld, Peter Weiss: Der Briefwechsel''. Hrsg. von Rainer Gerlach. Frankfurt am Main: Suhrkamp. == Rezeption in Film, Hörspiel, Musik und Bildender Kunst == '''Filmische Dokumentationen''' * ''Zur Ansicht: Peter Weiss''. Regie: [[Harun Farocki]]. Berlin: Harun Farocki Filmproduktion 1979 (44-minütige Darstellung der Arbeit an der ''Ästhetik des Widerstands'').<ref>Dazu auch: Harun Farocki: ''Gespräch mit Peter Weiss''. In: Rainer Gerlach (Hrsg.): ''Peter Weiss''. Frankfurt am Main: Suhrkamp 1984. S. 119–128.</ref> * ''Kurzfilme von Peter Weiss''. Regie: Harun Farocki. Berlin: Harun Farocki Filmproduktion 1982 (44- bzw. 80-minütige Einführung in Weiss' filmisches Schaffen im Auftrag des [[Westdeutscher Rundfunk Köln|WDR]]) * ''Fluchtpunkt Malerei. Der Maler Peter Weiss''. Regie: [[Norbert Bunge]], [[Christine Fischer-Defoy]]. Berlin: Norbert Bunge Filmproduktion 1986 (44-minütiger Fernsehfilm über Weiss und seine Malerei, in Kooperation mit dem WDR entstanden). * ''Strange walks in and through and out / Ingenting''. Regie: Staffan Lamm. Kopenhagen: Film og Lyd Produktion 1986 (50-minütiges Porträt von Weiss’ filmischer Arbeit).<ref>Dazu auch: Staffan Lamm: ''Ein fremder Vogel. Begegnungen mit Peter Weiss''. In: ''Sinn und Form 49'' (1997). Heft 2. S. 216–225.</ref> * ''Der Unzugehörige: Peter Weiss – Leben in Gegensätzen''. Regie: Ullrich Kasten. Berlin, Potsdam etc.: [[Rundfunk Berlin-Brandenburg|RBB]]/SWR/DRS/ARTE 2003 (88-minütiger literarischer Essay-Film; [[Adolf-Grimme-Preis]], NRW-Sonderpreis 2004). Darüber hinaus existieren mehrere Fernsehproduktionen von Weiss’ Texten. '''Radio-Feature über Peter Weiss''' * ''Peter Weiss, gesamtdeutsch – Eine Originalton-Chronik''. Regie: Thomas Kretschmer. [[Bayerischer Rundfunk|BR]] 2007 (ca. 60 Min.). * ''Mein Leben ist ein Zwiespalt: Die Umarmung und Verstoßung des Peter Weiss''. Ein Feature von [[Lutz Volke]] über den merkwürdigen Umgang mit einem sozialistischen Autor in einem sozialistischen Staat. [[Mitteldeutscher Rundfunk|MDR]] 2010 (ca. 60 Min.). Nicht aufgeführt sind etwa ein Dutzend Hörspielproduktionen nach Werken von Peter Weiss und mehrere Inszenierungsmitschnitte auf LP sowie CD-Hörbücher. '''Vertonungen des literarischen und filmischen Werks''' * [[Luigi Nono]]: ''Ricorda cosa ti hanno fatto in Auschwitz''. Uraufführung: 17. März 1967 (nach der Bühnenmusik zu ''Die Ermittlung'', uraufgeführt am 19. Oktober 1965 in Essen, Potsdam, Rostock und West-Berlin)<ref>Ulrich Engel: „Ricorda cosa ti hanno fatto in Auschwitz“. Philosophisch/theologische Ermittlungen zur literarischen/musikalischen Sprache wider das Vergessen bei Peter Weiss (1916-1982) und Luigi Nono (1924-1990). In: Paulus Engelhardt (Hrsg.): ''Die Sprachlichkeit in den Künsten''. Berlin, Hamburg, Münster: LIT 2008. S. 67–85.</ref> * Walter Haupt: ''Marat''. Uraufführung: Staatstheater Kassel, 23. Juni 1984 * [[Reinhard Febel]]: ''Nacht mit Gästen''. Uraufführung: [[Opernhaus Kiel|Kieler Oper]], 15. Mai 1988 * [[Gerhard Stäbler]]: ''Ruck- Verschie(o)ben Zuck-. Orchesterstücke (eins ins andere gekeilt) mit obligatem Akkordeon'', 1988 (nach Motiven aus ''Frigörelse'') * Detlef Heusinger: '' Der Turm. Musiktheater''. Uraufführung: [[Theater Bremen]] und [[Radio Bremen]], 1989 * [[Kalevi Aho]]: ''Pergamon. Kantate'', 1990 (nach Motiven der ''Ästhetik des Widerstands'') * [[Jan Müller-Wieland]]: ''Die Versicherung''. Uraufführung: [[Staatstheater Darmstadt]], 27. Februar 1999<ref>Dazu ausführlicher: Kai Köhler, Kyung Boon Lee: ''Schrecken und Attraktion der Revolte. Bemerkungen zu Jan Müller-Wielands Oper nach Peter Weiss’ „Versicherung“''. In: ''Peter Weiss Jahrbuch für Literatur, Kunst und Politik im 20. Jahrhundert. Band 10''. Hrsg. von Michael Hofmann, Martin Rector und Jochen Vogt. St. Ingbert: Röhrig 2001. S. 54–74. – Jan Müller-Wieland: ''„Die Versicherung“ als Oper. Sporadische Erinnerungen aus Komponistensicht''. In: ''Peter Weiss Jahrbuch für Literatur, Kunst und Politik im 20. Jahrhundert. Band 12''. Hrsg. von Michael Hofmann, Martin Rector und Jochen Vogt. St. Ingbert: Röhrig 2003. S. 49–58.</ref> * [[Johannes Kalitzke]]: ''Inferno: Oper''. Uraufführung: [[Theater am Goetheplatz]], Bremen, 11. Juni 2005<ref>Dazu ausführlicher: Claudia Heinrich: ''Vergleichende Analyse des Librettos von Johannes Kalitzke zur Operninszenierung ''Inferno'' und des Textes des gleichnamigen Theaterstücks von Peter Weiss''. In: ''Peter Weiss Jahrbuch für Literatur, Kunst und Politik im 20. Jahrhundert. Band 15''. Hrsg. von Michael Hofmann, Martin Rector und Jochen Vogt. St. Ingbert: Röhrig 2006. S. 69–96.</ref> * [[Helmut Oehring]]: ''Quixote oder Die Porzellanlanze.'' Uraufführung: [[Festspielhaus Hellerau]], 27. November 2008 (nach Motiven der ''Ästhetik des Widerstands'') '''Rezeption in der Bildenden Kunst''' * Hubertus Giebe: ''Der Widerstand – für Peter Weiss I–III'' (1984/85–1986/87). Neue National-Galerie, Berlin. * Rainer Wölzl: ''Pergamon. Zu Peter Weiss’ „Die Ästhetik des Widerstands“''. Wien: Picus 2002. == Literatur == === Bibliographie === * Peer-Ingo Litschke: ''Peter-Weiss-Bibliographie (PWB). Internationales Schrifttumverzeichnis der Primär- und Sekundärliteratur unter Einschluss der Bildenden Künste und der Filme mit Berücksichtigung der frühen künstlerischen Versuche''. Verlag Mainz, Aachen 2000, ISBN 3-89653-774-1. === Gesamtdarstellungen === * Arnd Beise: ''Peter Weiss''. Reclam, Stuttgart 2002, ISBN 3-15-017633-6 (Werkbiografie) * Margrid Bircken, [[Dieter Mersch]], Hans-Christian Stillmark (Hg.): ''Ein Riss geht durch den Autor – Transmediale Inszenierungen im Werk von Peter Weiss.'' Transcript, Bielefeld 2009, ISBN 978-3-8376-1156-4 (Reihe: Metabasis). * Volker Canaris (Hrsg.): ''Über Peter Weiss''. 5. Aufl. Suhrkamp, Frankfurt/M. 1981, ISBN 3-518-10408-X 1970 (edition suhrkamp; 408). * [[Jens-Fietje Dwars]]: ''Und dennoch Hoffnung. Peter Weiss. Eine Biographie''. Aufbau-Verlag, Berlin 2007, ISBN 978-3-351-02637-0. * Rainer Gerlach (Hrsg.): ''Peter Weiss''. Suhrkamp, Frankfurt/M. 1984, ISBN 3-518-38536-4 (Suhrkamp-Materialien; 2036). * Gunilla Palmstierna-Weiss, Jürgen Schutte (Hrsg.): ''Peter Weiss. Leben und Werk''. Suhrkamp, Frankfurt/M. 1991, ISBN 3-518-04412-5 (Begleitbuch zur gleichnamigen Ausstellung). * [[Alfons Söllner]]: ''Peter Weiss und die Deutschen. Die Entstehung einer politischen Ästhetik wider die Verdrängung''. Westdt. Verlag, Opladen 1988 (zugl. Habilitationsschrift, FU Berlin). * [[Jochen Vogt]]: ''Peter Weiss. Mit Selbstzeugnissen und Bilddokumenten''. 3. Aufl. Rowohlt, Reinbek 2005, ISBN 3-499-50367-0 (rowohlts monographien, 50376). * Rudolf Wolff (Hrsg.): ''Peter Weiss. Werk und Wirkung''. Bouvier, Bonn 1987, ISBN 3-416-01837-0 (Sammlung Profile; Bd. 27). === Einzelaspekte === * Anat Feinberg: ''Wiedergutmachung im Programm. Jüdisches Schicksal im deutschen Nachkriegsdrama''. Prometh-Verlag, Köln 1988, ISBN 3-922009-85-9. * Rainer Gerlach: ''Die Bedeutung des Suhrkamp Verlags für das Werk von Peter Weiss''. Röhrig, St. Ingbert 2005, ISBN 3-86110-375-3 (zugl. Dissertation, FU Berlin 2004). * Nils Göbel: ''„Wir können keine Form erfinden, die nicht in uns vorhanden ist“. Gattungsfragen, Intertextualität und Sprachkritik in ‘Abschied von den Eltern’ und ‘Fluchtpunkt’ von Peter Weiss''. Tectum-Verlag, Marburg 2007, ISBN 978-3-8288-9278-1. * [[Manfred Haiduk]]: ''Der Dramatiker Peter Weiss''. Henschel, Berlin 1977. * Raimund Hoffmann: ''Peter Weiss. Malerei – Zeichnungen – Collagen''. Henschel, Berlin 1984 (zugl. Dissertation, Humboldt-Universität Berlin). * Andreas Huber: ''Mythos und Utopie. Eine Studie zur Ästhetik des Widerstands von Peter Weiss''. Winter, Heidelberg 1990, ISBN 3-533-04248-0 (zugl. Dissertation, FU Berlin 1989). * Achim Kessler: ''Schafft die Einheit! Die Figurenkonstellation in der „Ästhetik des Widerstands“ von Peter Weiss''. Edition Argument, Hamburg 1997, ISBN 3-88619-644-5. * Peter Kuckuk: ''Die Bremer Räterepublik in der „Ästhetik des Widerstands“ von Peter Weiss''. In: ''Arbeiterbewegung und Sozialgeschichte. Zeitschrift für die Regionalgeschichte Bremens im 19. und 20. Jahrhundert'', Nr. 21-22/2008; Bremen 2008. {{ISSN|1436-3763}} * Gunilla Palmstierna-Weiss, Irene Armbruster: ''Drama eines Lebens: Die schwedische Feministin''. In: ''[[Aufbau]]''. Zürich, Heft 10/2008, S. 18ff. {{ISSN|0004-7813}} == Weblinks == {{Commonscat}} * {{DNB-Portal|118630539}} * {{LeMO|WeissPeter|Peter Weiss|Irmgard Zündorf}} * {{IMDb Name|ID=0919140|NAME= Peter Weiss}} * [http://www.xlibris.de/Autoren/Weiss Leben und Werk von Peter Weiss] – Biographie, Interpretationen, Kurzinhalte, Bibliographie (Xlibris) * [http://www.ub.fu-berlin.de/service_neu/internetquellen/fachinformation/germanistik/autoren/autorw/pweiss.html ub.fu-berlin.de] – Linksammlung der [[Universitätsbibliothek der Freien Universität Berlin]] * [http://www.ardmediathek.de/ard/servlet/content/3517136?documentId=3895014 Ausführliches Interview] der [[Deutsche Welle|Deutschen Welle]] mit Peter Weiss vom August 1977 in der [[Das Erste: Mediathek|ARD-Mediathek]] *[[Marcel Reich-Ranicki]]: [http://www.faz.net/s/RubB31053DF7CD04EB1AC6255608393AC68/Doc~ED54105AA4504468286403F61862FC452~ATpl~Ecommon~Scontent.html Er traf der Epoche ins Herz], [[FAZ]], 11. Januar 2010 '''Institutionen''' * [http://www.adk.de/de/archiv/archivbestand/literatur/index.htm?hg=literatur&we_objectID=443 Peter Weiss Archiv], [[Akademie der Künste (Berlin)|Stiftung Archiv der Akademie der Künste]], Berlin * [http://www.peterweiss.org Internationale Peter Weiss-Gesellschaft] – Herausgeberin des ''Peter Weiss-Jahrbuchs'' und der ''Notizblätter'' * [http://www.peter-weiss-stiftung.de/ Peter-Weiss-Stiftung für Kunst und Politik] * [http://www.peterweisshaus.de/ Peter-Weiss-Haus] [[Haus der Freundschaft|Bildungs- und Kulturhaus Rostock]] * [http://www.ab-hellersdorf.de/ Peter-Weiss-Bibliothek], [[Berlin-Hellersdorf]] == Einzelnachweise == <references/> {{Normdaten|PND=118630539|LCCN=n/80/13064|VIAF=19691290}} {{DEFAULTSORT:Weiss, Peter}} [[Kategorie:Autor]] [[Kategorie:Literatur (20. Jahrhundert)]] [[Kategorie:Literatur (Deutsch)]] [[Kategorie:Politische Literatur]] [[Kategorie:Drama]] [[Kategorie:Roman, Epik]] [[Kategorie:Deutschsprachiger Emigrant zur Zeit des Nationalsozialismus]] [[Kategorie:Deutscher]] [[Kategorie:Schwede]] [[Kategorie:Geboren 1916]] [[Kategorie:Gestorben 1982]] [[Kategorie:Mann]] {{Personendaten |NAME=Weiss, Peter |ALTERNATIVNAMEN= |KURZBESCHREIBUNG=deutsch-schwedischer Schriftsteller, Maler, Graphiker |GEBURTSDATUM=8. November 1916 |GEBURTSORT=[[Nowawes]] bei [[Potsdam]] |STERBEDATUM=10. Mai 1982 |STERBEORT=[[Stockholm]], [[Schweden]] }} {{Exzellent}} [[ca:Peter Weiss]] [[cs:Peter Weiss]] [[da:Peter Weiss]] [[en:Peter Weiss]] [[es:Peter Weiss]] [[fr:Peter Weiss]] [[he:פטר וייס]] [[hr:Peter Weiss]] [[it:Peter Weiss]] [[ja:ペーター・ヴァイス]] [[la:Petrus Weiss]] [[nl:Peter Weiss]] [[pt:Peter Weiss]] [[ru:Вайс, Петер]] [[sk:Peter Weiss (1916)]] [[sv:Peter Weiss]] [[tr:Peter Weiss]] 2lpb79wz3sazo9p4iyc3u95jlrt2pkn wikitext text/x-wiki Weißer Hai 0 24495 27097 2010-04-21T03:39:02Z Xqbot 0 Bot: Ändere: [[hr:Pas ljudožder]]; kosmetische Änderungen <!-- Für Informationen zum Umgang mit dieser Tabelle siehe bitte [[Wikipedia:Taxoboxen]]. --> {{Taxobox | Taxon_Name = Weißer Hai | Taxon_WissName = Carcharodon carcharias | Taxon_Rang = Art | Taxon_Autor = ([[Carl von Linné|Linnaeus]], 1758) | Taxon2_WissName = Carcharodon | Taxon2_LinkName = nein | Taxon2_Rang = Gattung | Taxon2_Autor = [[Andrew Smith (Zoologe)|Smith]], 1838 | Taxon3_Name = Makrelenhaie | Taxon3_WissName = Lamnidae | Taxon3_Rang = Familie | Taxon4_Name = Makrelenhaiartige | Taxon4_WissName = Lamniformes | Taxon4_Rang = Ordnung | Taxon5_WissName = Galeomorphii | Taxon5_Rang = Überordnung | Taxon6_Name = Plattenkiemer | Taxon6_WissName = Elasmobranchii | Taxon6_Rang = Unterklasse | Bild = White shark.jpg | Bildbeschreibung = }} Der '''Weiße Hai''' (''Carcharodon carcharias''), seltener auch als '''Weißhai''' oder '''Menschenhai''' bezeichnet, ist die einzige [[Art (Biologie)|Art]] der [[Gattung (Biologie)|Gattung]] '''''Carcharodon''''' aus der Familie der [[Makrelenhaie]] (Lamnidae). Der [[Trivialname]] bezieht sich auf die auffällig helle Bauchfärbung der Tiere. Die Art kommt fast weltweit vor und besiedelt bevorzugt gemäßigte Küstengewässer. Als die größte Haiart, die sich nicht von [[Plankton]] ernährt, ist der Weiße Hai der größte [[Raubfisch]] der Welt und kann auch Menschen gefährlich werden. Er ist im gesamten Verbreitungsgebiet selten und gilt heute durch [[Beifang]] in der kommerziellen Fischerei sowie gezielte Bejagung zum Gewinn von [[Trophäe]]n als im Bestand bedroht. == Merkmale == Der Weiße Hai gehört mit einer durchschnittlichen Länge von etwa vier bis fünf Metern und einer geschätzten Höchstlänge von fast acht Metern zu den größten [[Haie|Haiarten]]. Die Weibchen werden dabei deutlich größer als die Männchen, welche maximal etwa fünf Meter Länge erreichen. Das Gewicht kann bis zu dreieinhalb Tonnen betragen.<ref>{{Literatur| Herausgeber= A. Peter Klimley, David G. Ainley| Autor = Henry F. Mollet, Gregor M. Cailliet, A. Peter Klimley, David A. Ebert, Antonio D. Testi, Leonard J.V. Compagno|Titel= A review of length validation methods and protocols to measure large white sharks|Sammelwerk= Great White Sharks: The Biology of Carcharodon Carcharias| Seiten= 91-110|Verlag= Academic Press| Ort= San Diego| Jahr= 1998| ISBN= 9780124150317}}</ref> Der Körper ist gedrungen spindelförmig mit konisch zulaufender, stumpf endender Schnauze. Rücken und Flanken sind hellgrau bis bräunlich, seltener bläulich bis fast schwarz und weisen gelegentlich einen kupfernen Schimmer auf. Die Bauchseite ist weiß und in unregelmäßiger Linie scharf von der Flankenfärbung abgegrenzt. [[Datei:Grosser weisser Hai.jpg|thumb|Kopf eines Weißen Hais mit den typischen schwarzen Augen, der scharfen Grenze zum weißen Bauch und den langen Kiemenschlitzen]] Die [[Flosse#Brustflossen|Brustflossen]] weisen meistens, vor allem auf der Unterseite, schwarze Spitzen auf und der Körper trägt hinter ihrem Ansatz meist einen dunklen Fleck. Die Männchen weisen an den [[Flosse#Bauchflossen|Bauchflossen]] [[Klaspern]] auf, die bei Jungtieren wenige Zentimeter lang sind und bei geschlechtsreifen Tieren bis zu 50&nbsp;cm Länge und damit etwa 10&nbsp;Prozent der Gesamtkörperlänge erreichen und durch eingelagertes [[Calciumcarbonat]] versteift sind.<ref>{{Literatur|Autor=Douglas H. Adams, Michael E. Mitchell, Glenn R. Parsons|Titel=Seasonal Occurrence of the White Shark, Carcharodon carcharias, in Waters off the Florida West Coast, with Notes on its Life History|Sammelwerk=Marine Fisheries Reviews|Jahr=1994|Seiten=24-28|Band=56|Nummer=4|Online=[http://spo.nmfs.noaa.gov/mfr564/mfr5643.pdf Volltext]|Originalsprache=en}}</ref> Die erste [[Flosse#Rückenflosse|Rückenflosse]] ist groß und sichelförmig und beginnt auf Höhe des Hinterendes der ebenfalls sichelförmigen Brustflossen. Die zweite Rückenflosse beginnt vor der [[Flosse#Afterflosse|Afterflosse]], beide sind klein. Alle Flossen sind stachellos. Ein [[Interdorsalkamm]] ist nicht ausgebildet. Der Schwanz ist seitlich deutlich gekielt und weist vor der [[Flosse#Schwanzflosse|Schwanzflosse]] auf Ober- und Unterseite eine grubenartige Einkerbung auf. Die Schwanzflosse ist halbmondförmig, wobei der untere [[Lobus]] fast so groß ist wie der obere. Der Kopf weist keine [[Barteln]] oder Sinnesgruben auf. Die Nasenöffnungen sind klein. Die kleinen Augen sind vollständig schwarz, so dass die Pupille nicht klar erkennbar ist. Das Maul ist breit und lang mit kräftigen Kiefern und weist keine [[Labialfalte]]n auf. Die Zähne sind breit, dreieckig, mit gesägtem Rand und stehen, wie bei Haien üblich, in einem [[Revolvergebiss]], werden also zeitlebens nachgebildet. Die aktive Zahnreihe bildet eine geschlossene Schneidekante, wobei die Zähne zur Schnauzenspitze hin größer werden. Im Oberkiefer stehen 23 bis 28 Zähne nebeneinander, im Unterkiefer 20 bis 26, die enger zusammenstehen. Die fünf [[Kieme]]nöffnungen liegen als lange Schlitze vor den Brustflossen.<ref name="Threatened">{{Literatur|Autor=L.J.V. Compagno, M.A. Marks, I.K. Fergusson|Titel=Threatened fishes of the world: Carcharodon carcharias (Linnaeus, 1758) (Lamnidae)|Sammelwerk=Environmental Biology of Fishes|Jahr=1997|Seiten=61-62|Band=50|Nummer=1|Originalsprache=en}}</ref><ref name="world">L. J. V. Compagno: ''Sharks of the world. An annotated and illustrated catalogue of shark species known to date. Volume 2. Bullhead, mackerel and carpet sharks (Heterodontformes, Lamniformes and Orectolobiformes).'' FAO Species Catalogue for Fishery Purposes No. 1, Vol. 2. FAO Rom 2001; Seiten 98–107. ISBN 92-5-104543-7 ([http://www.fao.org/docrep/009/x9293e/x9293e00.htm Volltext], [ftp://ftp.fao.org/docrep/fao/009/x9293e/x9293e06.pdf Artportrait])</ref> == Schwimmweise und Physiologie == [[Datei:Whiteshark-TGoss1.jpg|thumb|Weißer Hai bei [[Guadeloupe]]]] Weiße Haie sind an eine [[Flosse#Schwimmweisen der Fische|thunniforme Schwimmweise]] angepasst, das heißt, die Schwanzflosse dient als Hauptantrieb, während der Rumpf nahezu keine Schwingungen ausführt. Dies erlaubt sowohl langsames, ausdauerndes Schwimmen bei hoher [[Energieeffizienz]], als auch sehr schnelles Schwimmen auf kürzeren Strecken. Als Anpassungen an diesen Schwimmstil dienen die durch [[Kollagen]]fasern stark verstärkte große erste Rückenflosse, die die Lage des Tieres während des Schwimmens im Wasser stabilisiert, so wie die ebenfalls durch Kollagenfasern bewirkte starke Versteifung der Schwanzflosse und des Schwanzstiels, die ein kräftiges, elastisches Schwingen des Schwanzes zur Erzeugung von Vorwärtsschub erlauben. Muskeln im unteren Lappen der Schwanzflosse könnten dabei dazu dienen, den [[Hydrostatischer Druck|hydrostatischen Druck]] in der Flosse zu verändern und ihre Eigenschaften so an ein langsames oder schnelles Schwimmen besser anzupassen.<ref>{{Literatur| Autor = Theagarten Lingham-Soliar| Titel = Caudal Fin in the White Shark, Carcharodon carcharias (Lamnidae): A Dynamic Propeller for Fast, Efficient Swimming | Sammelwerk = Journal of Morphology| Jahr = 2005| Seiten = 233-252| Band = 264|Originalsprache=en}}</ref> Messungen an markierten Tieren wiesen auf eine Durchschnittsgeschwindigkeit von etwas über drei Kilometern in der Stunde und Tagesstrecken von etwa 80 Kilometern hin. Weiße Haie sind auch zu plötzlichen Beschleunigungen und komplizierten Manövern in der Lage, inklusive dem vollständigen Springen aus dem Wasser. <ref name="world"/> Wie viele andere Makrelenhaie weisen Weiße Haie Blutgefäßnetze („[[Rete mirabile|retia mirabilia]]“) auf, die als [[Wärmeübertrager|Wärmetauscher]] der [[Thermoregulation]] dienen und die durch Muskelbewegung erzeugte Wärme im Körperinneren zurückhalten. Auf diese Weise werden das [[Gehirn]], die Augen, Muskeln und Eingeweide um etwa drei bis fünf Grad und der Magen um bis zu fünfzehn Grad über die Umgebungstemperatur erwärmt. Die hierdurch erreichte teilweise [[Endothermer Organismus|Endothermie]] dient wahrscheinlich dazu, die Leistungsfähigkeit der genannten Organe zu erhöhen, was insbesondere bei der Jagd auf warmblütige Beute von Vorteil sein könnte.<ref>{{Literatur| Herausgeber= A. Peter Klimley, David G. Ainley| Autor = Kenneth J. Goldman, Scot D. Anderson, John E. McCosker, A.Peter Klimley|Titel= Temperature, swimming depth and movement of a white shark at the South Farallon Islands, California|Sammelwerk= Great White Sharks: The Biology of Carcharodon Carcharias| Seiten= 111-120|Verlag= Academic Press| Ort= San Diego| Jahr= 1998| ISBN= 9780124150317}}</ref> == Vorkommen == [[Datei:Carcharodon carcharias distmap 2.png|thumb|Verbreitung des Weißen Hais, Hauptvorkommen dunkelblau]] Weiße Haie sind beinahe weltweit in allen [[Ozean]]en und im [[Mittelmeer]] verbreitet. Die Art fehlt in den kalten Gebieten um [[Arktis]] und [[Antarktis]], sowie im [[Schwarzes Meer|Schwarzen Meer]] und in der [[Ostsee]]. Die häufigsten Sichtungen stammen aus den küstennahen Gewässern der [[Gemäßigte Zone|gemäßigten Zone]] im westlichen Nord[[Atlantischer Ozean|atlantik]], dem Mittelmeer, vor den Südküsten Afrikas und Australiens, sowie aus dem östlichen Nord[[Pazifischer Ozean|pazifik]]. In den [[Tropen]] ist die Art weit verbreitet, wird aber seltener angetroffen. Im gesamten Verbreitungsgebiet ist der Weiße Hai eine eher seltene Fischart.<ref name="Threatened"/><ref name="world"/> Die Tiere besiedeln verschiedene Habitate in nahezu allen Klimazonen. Sie halten sich häufig in Küstennähe auf und dringen auch in relativ flaches Wasser sowie Buchten, Lagunen und Häfen vor, allerdings nicht in [[Brackwasser]] oder [[Süßwasser]]bereiche. Daneben finden sie sich aber auch regelmäßig an ozeanischen Inseln, insbesondere in der Nähe von Robbenkolonien. In den [[Randmeer]]en halten Weiße Haie sich in Wassertiefen von der Oberfläche bis zum Grund auf, dringen dabei aber nur selten bis zu den [[Kontinentalhang|Kontinentalhängen]] vor. Die größte Wassertiefe aus der ein Weißer Hai gefangen wurde betrug 1.280 Meter.<ref name="world"/> Etwa 90&nbsp;Prozent ihrer Zeit verbringen die Tiere entweder innerhalb von etwa 5 Metern unter der Wasseroberfläche oder in Tiefen von 300 bis 500 Metern, während sie sich nur selten in mittleren Wassertiefen aufhalten.<ref>{{Literatur| Autor = Andre M. Boustany, Scott F. Davis, Peter Pyle, Scot D. Anderson, Burney J. Le Boeuf, Barbara A. Block| Titel = Expanded niche for white sharks| Sammelwerk = Nature| Jahr = 2002| Seiten = 35-36| Band = 415| Online = [http://courses.washington.edu/mb351/shark%20references/tagged%20great%20white%20sharks.pdf Volltext]|Originalsprache=en}}</ref> Genetische Analysen weisen darauf hin, dass die Weibchen eher standorttreu sind, während hauptsächlich die Männchen zum Teil tausende Kilometer lange Wanderungen unternehmen und so für die Durchmischung der Populationen verantwortlich sind.<ref>{{Literatur| Autor = Amanda T. Pardini, Catherine S. Jones, Leslie R. Noble, Brian Kreiser, Hamish Malcolm, Barry D. Bruce, John D. Stevens, Geremy Cliff, Michael C. Scholl, Malcolm Francis, Clinton A.J. Duffy, Andrew P. Martin| Titel = Sex-biased dispersal of great white sharks| Sammelwerk = Nature| Jahr = 2001| Seiten = 139-140| Band = 412|Originalsprache=en}}</ref> == Lebensweise == === Sozialverhalten === [[Datei:Great_white_shark_and_a_cage.jpg|thumb|Weißer Hai beim Untersuchen eines Tauchkäfigs zur Haibeobachtung]] Weiße Haie treten meist einzeln oder paarweise auf, finden sich aber gelegentlich auch zu größeren Gruppen aus zehn oder mehr Tieren zusammen, wobei es Hinweise auf Jahreszeit- und Temperaturabhängigkeiten solcher Ansammlungen gibt. Das [[Sozialverhalten]] ist wenig untersucht, scheint aber ähnlich komplex wie bei besser untersuchten Arten zu sein. Die Kommunikation findet vor allem über Schwimmbewegungen statt, da Haie auf Grund der Unfähigkeit zur Lautproduktion und der relativ starren Körperform kaum andere Möglichkeiten haben, Signale zu geben. So wurden paralleles Schwimmen zweier Tiere, gegenseitiges Umkreisen, aufeinander zu Schwimmen und Ausweichen, sowie Schwimmen mit buckelartig erhobenem Rücken und angelegten Brustflossen beobachtet. Letzteres könnte wie bei anderen Haien Teil eines [[Drohung|Drohverhaltens]] gegenüber Artgenossen darstellen. Ebenfalls als Drohverhalten wurden das Schlagen mit dem Schwanz auf die Wasseroberfläche sowie ein Öffnen des Mauls und Vorschieben der Kiefer beschrieben. Beides wird häufig beim Fressen gegenüber Artgenossen aber auch gegenüber Menschen und unbelebten Gegenständen wie Booten gezeigt. Diese Verhaltensweisen könnten beim Etablieren einer [[Rangordnung (Biologie)|Rangordnung]] eine Rolle spielen, wie sie wahrscheinlich beim gemeinsamen Fressen eingehalten wird. Die Tiere sind allgemein neugierig und können oft dabei beobachtet werden, menschliche Aktivitäten zu untersuchen oder, häufig in der Nähe von Booten, den Kopf aus dem Wasser zu strecken.<ref name="world"/><ref>{{Literatur| Herausgeber= A. Peter Klimley, David G. Ainley| Autor = A. Peter Klimley, Peter Pyle, Scot D. Anderson|Titel= Tail slap and breach: Agonistic displays among white sharks?|Sammelwerk= Great White Sharks: The Biology of Carcharodon Carcharias| Seiten= 241-255|Verlag= Academic Press| Ort= San Diego| Jahr= 1998| ISBN= 9780124150317}}</ref><ref>{{Literatur| Herausgeber= A. Peter Klimley, David G. Ainley| Autor = George W. Barlow|Titel= Behavior of the white shark: An emerging picture|Sammelwerk= Great White Sharks: The Biology of Carcharodon Carcharias| Seiten= 257-261|Verlag= Academic Press| Ort= San Diego| Jahr= 1998| ISBN= 9780124150317}}</ref> === Ernährung und Jagd === [[Datei:Surfacing great white.JPG|thumb|Weißer Hai beim Schnappen nach einem Köder]] Weiße Haie sind [[Spitzenprädator]]en, die wahrscheinlich einen großen Teil ihrer Nahrung durch aktive Jagd gewinnen, daneben aber auch [[Opportunismus|opportunistisch]] [[Aas]] annehmen. Die Zusammensetzung der Nahrung variiert abhängig von der Verfügbarkeit von Beutetieren stark. Angegriffene Beutetiere sind dabei fast immer kleiner als der angreifende Hai. Bei den erbeuteten [[Wirbellose]]n handelt es sich um [[Tintenfische]], andere [[Weichtiere|Mollusken]] und große [[Krebstiere]]. Das Spektrum der von Weißen Haien gefressenen [[Knochenfische]] umfasst sowohl bodenbewohnende als auch das freie Wasser besiedelnde Arten von kleinen Schwarmfischen bis zu [[Thunfische]]n und [[Schwertfisch]]en. Gruppen Weißer Haie versammeln sich dabei in Gegenden, in denen Fischschwärme gehäuft auftreten. Schließlich werden auch [[Knorpelfische]] wie Haie, [[Rochen]] und [[Seekatzen|Chimären]] gefressen. [[Kannibalismus]] tritt offenbar selten oder nie auf, obwohl gelegentlich vom Menschen gefangene oder verwundete arteigene Tiere angegriffen werden. [[Meeresschildkröten]] machen einen geringen Anteil an der Beute aus. [[Meeresvogel|Seevögel]] werden teilweise gefressen, häufig aber auch nur geschnappt und wieder freigelassen oder auch getötet, ohne verschlungen zu werden. Vor allem große Weiße Haie mit über drei Metern Länge bejagen auch [[Meeressäuger|Meeressäugetiere]], von [[Seeotter]]n und kleineren [[Robben]] über [[See-Elefanten]] und kleine [[Zahnwale]] bis zu [[Grauwal]]kälbern. Bei manchen Individuen scheinen Robben einen Großteil der Beute auszumachen, wobei in den Mägen gefangener Tiere meist auch andere, häufig kleinere Beutetiere gefunden werden. Bei Gelegenheit können auch die Kadaver verendeter Großwale einen bedeutenden Anteil an der Ernährung ausmachen.<ref name="world"/> [[Datei:Carcharodon carcharias.jpg|thumb|Kopf eines weißen Hais mit teilweise geöffnetem Maul und gut sichtbarem Gebiss]] Die Augen des Weißen Hais weisen eine gut ausgebildete [[Fovea centralis]] mit [[Zapfen (Auge)|Zapfen]] auf, so dass die Tiere eine gute Sehschärfe und [[Farbwahrnehmung|Farbensehen]] besitzen. Daher wird meist angenommen dass sie vorwiegend tagsüber jagen und ihre Beutetiere per Sicht auswählen. Untersuchungen an mit Ultraschallsendern ausgestatteten Tieren haben gezeigt, dass sie bei der Suche nach Beute meist längere Zeit langsam nahe der Wasseroberfläche oder am Grund schwimmen, wobei ihre zweiteilige Färbung wahrscheinlich sowohl bei der Ansicht von oben als auch von unten als [[Tarnung (Biologie)|Tarnung]] dient ([[Konterschattierung]]). Die Tiere jagen dabei einzeln und ohne offensichtliche Jagdterritorien. Mögliche Angriffsbewegungen wurden meist tagsüber, in manchen Fällen aber auch nachts beobachtet. Die Abstände zwischen den Jagden können dabei mehrere Tage betragen. Berechnungen weisen darauf hin, dass eine große Robbe den Energiebedarf eines einzelnen Tieres für bis zu eineinhalb Monate decken könnte.<ref>{{Literatur| Autor = A. Peter Klimley, Burney J. LeBoeuf, Kelly M. Cantara, John E. Richert, Scott F. Davis, Sean Van Sommeran, John T. Kelly| Titel = The hunting strategy of white sharks (Carcharodon carcharias) near a seal colony| Sammelwerk = Marine Biology| Jahr = 2001| Seiten = 617-636| Band = 138| Online = [http://www.seaturtle.org/PDF/author/Klimley_2001_MarBiol.pdf Volltext]|Originalsprache=en}}</ref> Kleinere Beutetiere werden teilweise ganz geschluckt, größere Tiere dagegen durch einen kräftigen Biss getötet oder so schwer verwundet, dass sie fluchtunfähig [[Blutung|verbluten]] oder am [[Schock (Medizin)|Schock]] sterben.<ref name="world"/> [[Computersimulation]]en zur [[Biomechanik]] des Bisses weisen darauf hin, dass ein 200 bis 400&nbsp;kg schwerer Weißer Hai eine Bisskraft von etwa 3.000 bis 5.000 [[Newton (Einheit)|Newton]] und ein 3,5 Tonnen schweres Tier eine solche von über 18.000 Newton entwickeln könnte. Dies entspricht der [[Gewichtskraft]] einer Masse von 300 bis 500&nbsp;kg beziehungsweise 1,8 Tonnen und wäre damit die höchste Bisskraft aller heutigen Tiere.<ref>{{Literatur| Autor = S. Wroe, D.R. Huber, M. Lowry, C. McHenry, K. Moreno, P. Clausen, T. L. Ferrara, E. Cunningham, M. N. Dean, A. P. Summers| Titel = Three-dimensional computer analysis of white shark jaw mechanics: how hard can a great white bite?| Sammelwerk = Journal of Zoology| Jahr = 2008| Seiten = 336–342| Band = 276|Originalsprache=en}}</ref> Am besten untersucht sind Angriffe auf Robben. Meist werden dabei nahe der Wasseroberfläche schwimmende Tiere von unten attackiert, wobei der Schwung beim Angriff den Hai oft teilweise oder vollständig aus dem Wasser heraushebt. Wenn der Hai die Beute beim ersten Angriff verfehlt, verfolgt er sie teilweise an der Wasseroberfläche. Dabei sinkt die Wahrscheinlichkeit eines Jagderfolgs mit der Zeit deutlich. Nach einem Biss wird häufig gewartet, bis das Beutetier geschwächt ist. Die Tötung geschieht meist nach Annäherung von hinten durch einen kräftigen, seitlich ausgeführten Biss, bei dem der Hai die Augen im Sockel nach hinten dreht. Dies geschieht möglicherweise, um sie vor Verletzung zu schützen. Die Beute wird meist an Ort und Stelle an der Wasseroberfläche gefressen, vor allem bei Anwesenheit anderer Haie aber auch abtransportiert, in der Tiefe gefressen oder aufgegeben.<ref>{{Literatur| Autor = R. Aidan Martin, Neil Hammerschlag, Ralph S. Collier, Chris Fallows| Titel = Predatory behaviour of white sharks (Carcharodon carcharias) at Seal Island, South Africa| Sammelwerk = Journal of the Marine Biological Association of the United Kingdom| Jahr = 2005| Seiten = 1121-1135| Band = 85| Online = [http://www.elasmo-research.org/publications/pdfs/Predatory%20Behaviour%20of%20WS.pdf Volltext]|Originalsprache=en}}</ref> === Fortpflanzung und Entwicklung === [[Datei:Great white aqurium.jpg|thumb|Männlicher Weißer Hai im [[Monterey Bay Aquarium]] ]] Weibliche Weiße Haie erreichen die [[Zeugungsfähigkeit|Fortpflanzungsfähigkeit]] in einem Alter von 12 bis 14 Jahren und mit einer Länge von vier bis fünf Metern, männliche Tiere mit neun oder zehn Jahren und dreieinhalb bis vier Metern Länge. Über das [[Begattung|Paarungsverhalten]] ist so gut wie nichts bekannt, an ausgewachsenen Weibchen gefundene leichte Bissmarken an den Brustflossen weisen aber darauf hin, dass die Männchen sich bei der Paarung hier an den Weibchen festhalten, wie dies bei anderen Haiarten beobachtet wurde. Die zwei bis 14 Jungtiere schlüpfen bereits im Mutterleib aus ihren Eiern ([[Ovoviviparie]]) und ernähren sich vor der Geburt über von der Mutter produzierte Nähreier ([[Oophagie]]). Die Tragzeit ist unbekannt, wird aber auf ein Jahr oder länger geschätzt.<ref name="world"/> Die Geburt findet in warm-gemäßigten Küstengebieten statt.<ref name="Threatened"/> Die Jungtiere weisen zu diesem Zeitpunkt eine Länge von 120 bis 150&nbsp;cm und ein Gewicht von 26 bis 32&nbsp;kg auf, magern aber in der ersten Zeit, während des Erlernens der Jagd, auf etwa die Hälfte ihres Geburtsgewichts ab.<ref>{{Literatur| Herausgeber= A. Peter Klimley, David G. Ainley| Autor = Malcolm P. Francis|Titel= Observations on a pregnant white shark eith a review on reproductive biology|Sammelwerk= Great White Sharks: The Biology of Carcharodon Carcharias| Seiten= 157-173|Verlag= Academic Press| Ort= San Diego| Jahr= 1998| ISBN= 9780124150317}}</ref> Die Lebenserwartung wird auf etwa 30&nbsp;Jahre geschätzt.<ref name="fishbase"/> == Systematik und Evolution == [[Datei:Megalodon tooth with great white sharks teeth.jpg|thumb|Größenvergleich eines fossilen [[Megalodon]]-Zahns mit Zähnen eines Weißen Hais]] Der Weiße Hai wurde zuerst 1758 von [[Carl von Linné]] als ''Squalus carcharias'' [[Erstbeschreibung|wissenschaftlich beschrieben]], später aber von Smith in die [[monotypisch]]e Gattung ''Carcharodon'' gestellt. Diese wird meist zusammen mit den [[Makohaie]]n (''Isurus'') und den [[Heringshaie]]n (''Lamna'') in die Familie der Makrelenhaie (Lamnidae) gestellt. Manche Autoren grenzen ''Carcharodon'' allerdings von diesen beiden Gattungen ab und definieren für sie die eigene Familie der Carcharodontidae. [[Molekularbiologie|Molekularbiologische]] Untersuchungen weisen darauf hin, dass der Weiße Hai näher mit den Makohaien als mit den Heringshaien verwandt ist und sich die beiden Gattungen im [[Paläozän]] oder [[Eozän]] getrennt haben.<ref>{{Literatur| Herausgeber= A. Peter Klimley, David G. Ainley| Autor = Andrew P. Martin|Titel= Systematics of the Lamnidae and the origination time of Carcharodon carcharias inferred from the comparative analysis of mitochondrial DNA sequences|Sammelwerk= Great White Sharks: The Biology of Carcharodon Carcharias| Seiten= 49-53|Verlag= Academic Press| Ort= San Diego| Jahr= 1998| ISBN= 9780124150317}}</ref> Die [[Chromosom]]enzahl des Weißen Hais beträgt n=41.<ref name="fishbase">{{fishbase|g=Carcharodon|s=carcharias}}</ref> Da die [[Knorpel]]skelette von Haien nur selten vollständig versteinern, ist die Gattung ''Carcharodon'' [[fossil]] vor allem durch Zahnfunde bekannt, deren älteste aus dem mittleren [[Paläozän]] vor etwa 60 Millionen Jahren stammen. In der ursprünglich wahrscheinlich fischfressenden Gattung trat eine zunehmende Spezialisierung auf Meeressäugetiere und eine Aufspaltung in zwei Linien auf. Eine Linie mit auffällig großen Zähnen (englisch „megatooth sharks“) besiedelte vorwiegend wärmere Gewässer und brachte als letzte Art den bis zu 13 Meter langen [[Megalodon]] (''Carcharodon megalodon'' oder ''Carcharocles megalodon'') hervor. Von der Linie mit kleineren Zähnen stammt wahrscheinlich der heutige Weiße Hai ab. Die ältesten fossilen Zähne, die diesem zugeordnet werden, wurden in etwa elf Millionen Jahre alten Schichten des oberen [[Miozän]]s in Kalifornien gefunden.<ref>{{Literatur| Herausgeber= A. Peter Klimley, David G. Ainley| Autor = Shelton P. Applegate, Luis Espinosa-Arrubarrena|Titel= The fossil history of Carcharodon and its possible ancestor Cretolamna: A study in tooth identification|Sammelwerk= Great White Sharks: The Biology of Carcharodon Carcharias| Seiten= 19-36|Verlag= Academic Press| Ort= San Diego| Jahr= 1998| ISBN= 9780124150317}}</ref><ref>{{Literatur| Herausgeber= A. Peter Klimley, David G. Ainley| Autor = Robert W. Purdy|Titel= Paleoecology of fossil white sharks|Sammelwerk= Great White Sharks: The Biology of Carcharodon Carcharias| Seiten= 67-78|Verlag= Academic Press| Ort= San Diego| Jahr= 1998| ISBN= 9780124150317}}</ref> Manche Autoren teilen die ''Carcharodon''-ähnlichen fossilen Arten in mehrere Gattungen auf. So weist der Fund eines etwa vier Millionen Jahre alten ''Carachodon''-Fossils in [[Peru]], bei dem auch ein Großteil des Skeletts erhalten ist, darauf hin, dass die Abstammungslinie des Weißen Hais näher mit den Makohaien als mit den „megatooth sharks“ verwandt ist und die beiden Linien ihre außergewöhnliche Größe [[Konvergenz (Biologie)|unabhängig voneinander]] erwarben.<ref>{{Literatur| Autor = D.J. Ehret, G. Hubbell, B. J. MacFadden| Titel = Exceptional preservation of the white shark Carcharodon (Lamniformes, Lamnidae) from the early Pliocene of Peru| Sammelwerk = Journal of Vertebrate Paleontology| Jahr = 2009| Seiten = | Band = 29| Nummer = 1| Online = [http://www.vertpaleo.org/news/permalinks/2009/03/11/PRESS-RELEASE---Ancestor-of-Jaws-4-million-year-old-shark-fossil-from-Peru-provides-new-evidence-on-the-origins-of-the-great-white-shark/ Pressemitteilung zum Artikel]|Originalsprache=en}}</ref> == Weißer Hai und Mensch == === Bedrohung und Schutz === Ausgewachsene Weiße Haie haben kaum natürlichen Feinde, auch wenn sie von anderen großen Haiarten und [[Großer Schwertwal|Schwertwalen]] gelegentlich als Nahrungskonkurrenten angegriffen werden.<ref name="world"/> Auf Grund ihrer Seltenheit wird die Art nicht gezielt kommerziell [[Fischerei|befischt]], sie wird aber häufig als [[Beifang]] gefangen. Das Fleisch kann frisch, gesalzen oder geräuchert verzehrt werden, wobei es jedoch zu schweren [[Fischvergiftung|Vergiftungen]] kommen kann, die wahrscheinlich auf die hohen Konzentrationen an [[Trimethylaminoxid]]<ref>{{Literatur|Autor= Yiu H. Hui, David Kitts, Peggy S. Stanfield| Titel= Foodborne Disease Handbook: Volume 4: Seafood and Environmental Toxins| Verlag= Marcel Dekker| Ort= New York| Jahr= 2001| ISBN= 9780824703448}}</ref> und [[Quecksilber]] im Gewebe zurückzuführen sind. Die Flossen werden im asiatischen Raum zur Herstellung von [[Haifischflossensuppe]] und in der traditionellen Medizin verwendet. Die Haut kann zu [[Leder]] verarbeitet und aus der Leber [[Öle|Öl]] gewonnen werden.<ref name = "fishbase"/> Von [[Sportfischer]]n wird die Art auf Grund ihrer Größe bejagt. Zwar werden die gefangenen Tiere hierbei heute meist wieder freigelassen, ihr Zustand dabei ist allerdings häufig schlecht, so dass ihr weiteres Schicksal oft ungewiss ist. Daneben existiert eine gezielte Bejagung zur Gewinnung von [[Trophäe]]n. Als solche dienen besonders Zähne, Gebisse und ausgestopfte Tiere, welche teilweise für mehrere tausend Dollar gehandelt werden. Eine weitere Gefährdung stellen die Haischutzmaßnahmen an Badestränden dar, die gelegentlich gezielte Tötungen einschließen, aber auch Haischutznetze, in denen die Tiere sich verfangen und verenden können.<ref name = "IUCN"/><ref name="wwf">[http://www.wwf.de/fileadmin/fm-wwf/pdf-alt/arten/cites04/HG_Wei_er_Hai_0409.pdf Hintergrundinformation: Weißer Hai] des [[Worldwide Fund for Nature]]</ref> Der Weiße Hai gilt auf Grund seiner Seltenheit, der spät erreichten Geschlechtsreife sowie der geringen Zahl an Nachkommen als gefährdet. Genaue Bestandszahlen sind nicht bekannt, Schätzungen gehen davon aus, dass die Bestände im Nordatlantik zwischen 1986 und 2000 um 59 bis 89&nbsp;Prozent abgenommen haben.<ref name="Canada">[http://www.marinebiodiversity.ca/shark/english/document/white%20shark%20SSR_2006_052_E.pdf Recovery potential assessment report on white sharks in atlantic Canada] des Canadian Science Advisory Secretariat (engl.)</ref> Strenge Schutzvorschriften für die Art bestehen in [[Südafrika]], [[Namibia]], [[Florida]] und [[Kalifornien]], allerdings gelten lokale Schutzvorschriften wegen der von den Tieren unternommenen weitreichenden Wanderungen als wenig effektiv.<ref name = "wwf"/> In der [[Rote Liste gefährdeter Arten|Roten Liste gefährdeter Arten]] der [[International Union for Conservation of Nature and Natural Resources|IUCN]] wird sie als „vulnerable“ (gefährdet) gelistet, eine Einstufung als „endangered“ (stark gefährdet) wird erwogen.<ref name = "IUCN">{{IUCN|Year=2006|ID=3855|ScientificName=Carcharodon carcharias|YearAssessed=2000|Assessor=Fergusson ''et al''|Download=8. Mai 2006}} (engl.)</ref> Im [[Washingtoner Artenschutzübereinkommen]] wird sie in Anhang II aufgeführt.<ref>[http://www.cites.org/eng/app/appendices.shtml Anhänge des Abkommens] bei www.cites.org (eng.)</ref> Manche Wissenschaftler nehmen an, dass die Art zumindest in manchen Regionen bereits biologisch ausgestorben ist, dass die vorhandenen Populationen also nicht mehr in der Lage sind, sich zu erholen.<ref>{{Literatur| Autor= Allessandro de Maddalena, Harald Bänsch| Titel= Haie im Mittelmeer| Verlag= Franckh-Kosmos Verlags-GmbH| Ort= Stuttgart| Jahr= 2005| ISBN= 3-440-10458-3}}</ref> === Angriffe auf Menschen === [[Datei:PhiladelphiaInquirerJuly151916.gif|thumb|Bericht über die Haiangriffe von New Jersey 1916 im ''Philadelphia Inquirer'']] Auf Grund seiner Größe, Kraft und Aggressivität gilt der Weiße Hai als für den Menschen gefährlich und ist nach mehreren Studien die am häufigsten für Angriffe auf Menschen verantwortliche Art. Manche Autoren gehen allerdings davon aus, dass hierbei häufig andere Arten wie der [[Bullenhai]] mit dem bekannteren Weißen Hai verwechselt werden. Weltweit kommt es pro Jahr im Durchschnitt zu etwa drei bis sieben nicht provozierten Angriffen, von denen etwa 20&nbsp;Prozent tödlich enden. Die meisten Angriffe finden vor den Küsten Kaliforniens, Südafrikas, Südaustraliens und Japans statt. Gelegentlich werden auch Boote durch Bisse oder Rammen angegriffen und teilweise versenkt.<ref name = "world"/> Am häufigsten werden [[Wellenreiten|Surfer]] und Schwimmer in dunkler Kleidung an der Wasseroberfläche angegriffen, häufig in Ufernähe oder an Flussmündungen und in der Nähe von Robbenkolonien. Der Hai greift dabei meist überraschend von unten oder hinten kommend mit einem einzelnen Biss an, der zu schweren Verletzungen führen kann. Selten wird das Opfer weiter angegriffen oder gefressen, so dass eine Rettung, vor allem mit der Hilfe begleitender Personen, meist möglich ist. Aus diesen Gründen wird häufig angenommen, dass eine Verwechslung des Menschen mit Robben zu den Angriffen führt.<ref name = "Attacks">{{Literatur| Autor = John E. McCoscker, Robert N. Lea| Titel = White shark attacks upon humans in California and Oregon, 1993-2003| Sammelwerk = Proceedings of the California Acedemy of Sciences| Jahr = 2006| Seiten = 479-501| Band = 57| Nummer = 17| Online = [http://research.calacademy.org/research/scipubs/pdfs/v57/proccas_v57_n17.pdf Volltext]|Originalsprache=en}}</ref> Allerdings beobachten Weiße Haie Schwimmer und Taucher oft auch, ohne anzugreifen, und Angriffe bestehen oft aus einem leichten Zugreifen und Festhalten im Gegensatz zu den gegen Beutetiere angewandten kräftigen Tötungsbissen. Das Verhalten gegenüber Menschen wurde deshalb auch als Untersuchung aus Neugier oder [[agonistisches Verhalten]] interpretiert.<ref name = "world"/><ref>{{Literatur| Autor = E. Ritter, M. Levine| Titel = Use of forensic analysis to better understand shark attack behaviour| Sammelwerk = The Journal of Forensic Odonto-Stomatology| Jahr = 2004| Seiten = 40-46| Band = 22| Nummer = 2| Online = [http://www.sharks.org/articles/Ritter.pdf Volltext]|Originalsprache=en}}</ref> === Kulturelle Rezeption === Das Bild des Hais in der westlichen Gesellschaft wurde maßgeblich durch die [[Haiangriffe an der Küste von New Jersey (1916)]] beeinflusst, die möglicherweise auf einen jungen weiblichen Weißen Hai zurückgingen. Diese Vorfälle inspirierten auch das Buch [[Der weiße Hai]] (im englischen Original „Jaws“ - „Kiefer“) von [[Peter Benchley]], das später von [[Steven Spielberg]] unter dem gleichen Namen verfilmt wurde. Der Hai tritt im Buch teilweise als Sinnbild der dem Menschen feindlichen Natur auf, die im Widerstreit auch die Aggression des Menschen weckt. In dieser Form ersetzt der Hai den traditionell in dieser Rolle porträtierten Wal, wie er in [[Herman Melville]]s Roman [[Moby-Dick|Moby Dick]] erscheint. Insbesondere in der Verfilmung wird der Weiße Hai zum [[Archetypus]] des tierischen Filmmonsters, das Menschen gezielt aus einer überlegenen Position angreift und tötet.<ref>{{Literatur| Autor= Joseph Andriano| Titel= Immortal monster: the mythological evolution of the fantastic beast in modern fiction and film| Verlag= Greenwood Publishing Group| Ort= Westport| Jahr= 1999| ISBN= 9780313306679}}</ref> Der Film löste dabei bei vielen Zuschauern eine gesteigerte Angst vor Haien aus, die teilweise zu gezielten Haitötungen führte. Er weckte aber auch bei Abenteurern den Wunsch, sich mit dem vermeintlichen Monster zu messen. Im Gegensatz zu der westlichen Sicht stehen Haie bei manchen Völkern des [[Pazifischer Ozean|Pazifikraums]] in hohem Ansehen und dienen zum Beispiel auf den [[Fidschi|Fidschi-Inseln]] als Stammessymbole.<ref>{{Literatur| Autor = Horst Stern| Titel = Film - Das verkannte Un-Tier| Sammelwerk = [[Der Spiegel]]| Jahr = 1975| Seiten = 118-120 | Nummer = 51| Online = [http://wissen.spiegel.de/wissen/image/show.html?did=41343411&aref=image035/E0531/PPM-SP197505101180120.pdf&thumb=false Volltext]}}</ref> In den letzten Jahren bemühen sich verschiedene Umweltschutzorganisationen und Einzelpersonen darum, das westliche Bild der Haie allgemein und des Weißen Hais im besonderen zu verbessern. Hierzu gehört auch Peter Benchley, der nach weiteren Recherchen mehrere Bücher zum Hai- und Meeresschutz geschrieben hat und die Folgen von „Jaws“ bereute: «[T]he shark in an updated Jaws could not be the villain; it would have to be written as the victim, for, worldwide, sharks are much more the oppressed than the oppressors.» (deutsch: „In einem aktualisierten „Jaws“ könnte der Hai nicht den Bösewicht darstellen, er müsste als das Opfer beschrieben werden, denn weltweit sind Haie viel häufiger die Unterdrückten als die Unterdrücker.“)<ref>Peter benchley, [http://seawifs.gsfc.nasa.gov/OCEAN_PLANET/HTML/ocean_planet_book_peril_intro.html Ocean in Peril] auf der Ocean Planet Website der [[Smithsonian Institution]]</ref> === Weiße Haie als Attraktion === [[Datei:Chuming the water.jpg|thumb|''Chumming'' – Anlockung von Haien durch Fleisch und Blut]] Die Popularität des Weißen Hais erzeugt auch einen großen Schauwert der Tiere. So erhalten Angriffe durch Weiße Haie bis heute oft große Aufmerksamkeit durch die Medien. Daneben sind die Tiere aber auch beliebte Objekte bei [[Tierfilm]]ern und ihre Beobachtung in freier Wildbahn durch Taucher und Schnorchler wird, vor allem in Australien, seit einigen Jahren [[Tourismus|touristisch]] vermarktet.<ref name = "world"/> Das Anfüttern und Anlocken von Haien durch ins Wasser eingebrachtes Fleisch und Blut (''Chumming'') ist in Kalifornien allerdings seit 1994 verboten, da befürchtet wurde, dass diese Praxis Menschen und Haie gefährden könnte.<ref name = "Attacks"/> In [[Aquarium|Aquarien]] gehaltene Weiße Haie sterben meist nach wenigen Tagen auf Grund des beim Fang erlittenen [[Trauma (Psychologie)|Traumas]] und der Weigerung, Nahrung aufzunehmen. Im [[Monterey Bay Aquarium]] gelang mehrmals die Haltung junger Weißer Haie, die nach bis zu 198 Tagen im Aquarium mit Sendern versehen wieder freigelassen wurden. Das Monterey Bay Aquarium sieht die Zurschaustellung von Weißen Haien sowie die Präsentation seiner Forschungsprojekte dabei als Beitrag dazu, die Tiere zu entmythisieren und das Verständnis für die Art zu fördern.<ref>Monterey Bay Aquarium – White Shark Research Project [http://www.montereybayaquarium.org/cr/whiteshark.asp Webseite des Monterey Bay Aquarium zum Weißen Hai]</ref> == Belege == === Einzelnachweise === <references/> === Literatur === * {{Literatur| Autor = L.J.V. Compagno, M.A. Marks, I.K. Fergusson| Titel = Threatened fishes of the world: Carcharodon carcharias (Linnaeus, 1758) (Lamnidae)| Sammelwerk = Environmental Biology of Fishes| Jahr = 1997 | Seiten = 61-62| Band = 50| Nummer = 1|Originalsprache=en}} * {{Literatur| Herausgeber= A. Peter Klimley, David G. Ainley| Titel= Great White Sharks: The Biology of Carcharodon Carcharias| Verlag= Academic Press| Ort= San Diego| Jahr= 1998| ISBN= 9780124150317}} * L. J. V. Compagno: ''Sharks of the world. An annotated and illustrated catalogue of shark species known to date. Volume 2. Bullhead, mackerel and carpet sharks (Heterodontformes, Lamniformes and Orectolobiformes).'' FAO Species Catalogue for Fishery Purposes No. 1, Vol. 2. FAO Rom 2001; Seiten 98–107. ISBN 92-5-104543-7 ([http://www.fao.org/docrep/009/x9293e/x9293e00.htm Vollständiges PDF], [ftp://ftp.fao.org/docrep/fao/009/x9293e/x9293e06.pdf Artportrait]) == Weblinks == {{Commons|Carcharodon carcharias|Weißer Hai}} {{wiktionary|Weißer Hai}} * {{fishbase|g=Carcharodon|s=carcharias}} * [http://www.hai.ch/Datenbank/Suche/species.html?sh_id=1017 Datenbankeintrag zum Weißen Hai bei der Hai-Stiftung (Shark Foundation)] * [http://www.white-shark.net/ White-Shark – ausführliche deutsche Webseite zum Weißen Hai] * [http://www.shark-tracker.com Shark-Tracker – Forschungs-, Schutz- und Adoptionsprojekt zum Weißen Hai] (engl.) * [http://nhmag.com/master.html?http://nhmag.com/1006/1006_feature.html Sociable Killers] – Artikel zum Sozialverhalten des Weißen Hais von R. Aidan Martin und Anne Martin in [[Natural History]], Oktober 2006 (engl.) {{DEFAULTSORT:Weisser Hai}} {{Exzellent|31. März 2009|58527966}} [[Kategorie:Makrelenhaiartige]] {{Link FA|sl}} [[az:İri ağ köpək balığı]] [[bg:Голяма бяла акула]] [[bn:সাদা হাঙ্গর]] [[br:Rinkin gwenn]] [[bs:Velika bijela ajkula]] [[ca:Gran tauró blanc]] [[cs:Žralok bílý]] [[da:Hvid haj]] [[dv:ފެމުނު މިޔަރު]] [[el:Λευκός καρχαρίας]] [[en:Great white shark]] [[es:Carcharodon carcharias]] [[et:Mõrtsukhai]] [[fi:Valkohai]] [[fr:Grand requin blanc]] [[he:קרחה לבנה]] [[hr:Pas ljudožder]] [[hu:Nagy fehércápa]] [[is:Hvíthákarl]] [[it:Carcharodon carcharias]] [[ja:ホホジロザメ]] [[ka:თეთრი ზვიგენი]] [[ko:백상아리]] [[la:Carcharodon carcharias]] [[lt:Didysis baltasis ryklys]] [[lv:Lielā baltā haizivs]] [[mn:Аврага цагаан загас]] [[nl:Witte haai]] [[no:Hvithai]] [[nv:Łóóʼ hashkéhétsoh]] [[pl:Żarłacz biały]] [[pt:Tubarão-branco]] [[ru:Большая белая акула]] [[sh:Velika bijela psina]] [[simple:Great white shark]] [[sk:Žralok modrý]] [[sl:Beli morski volk]] [[sr:Велика бела ајкула]] [[sv:Vithaj]] [[th:ปลาฉลามขาว]] [[tr:Büyük beyaz köpekbalığı]] [[uk:Велика біла акула]] [[vi:Cá mập trắng lớn]] [[zh:大白鲨]] s4yto6qijukt68shfcy48wbxbtknrk8 wikitext text/x-wiki Weißkopfruderente 0 24496 27098 2010-02-18T14:23:26Z MondalorBot 0 Bot: Ergänze: [[fa:اردک سرسفید]] <!-- Für Informationen zum Umgang mit dieser Tabelle siehe bitte [[Wikipedia:Taxoboxen]]. --> {{Taxobox | Taxon_Name = Weißkopfruderente | Taxon_WissName = Oxyura leucocephala | Taxon_Rang = Art | Taxon_Autor = ([[Giovanni Antonio Scopoli|Scopoli]], 1769) | Taxon2_Name = Ruderenten | Taxon2_LinkName = Ruderenten (Gattung) | Taxon2_WissName = Oxyura | Taxon2_Rang = Gattung | Taxon3_Name = Ruderenten | Taxon3_WissName = Oxyurinae | Taxon3_Rang = Unterfamilie | Taxon4_Name = Entenvögel | Taxon4_WissName = Anatidae | Taxon4_Rang = Familie | Taxon5_Name = Gänsevögel | Taxon5_WissName = Anseriformes | Taxon5_Rang = Ordnung | Bild = | Bildbeschreibung = Weißkopfruderente (''Oxyura leucocephala'') }} [[Datei:Weißkopfruderente Oxyura leucocephala 050324 Ausschnitt.jpg|thumb|290px|Männliche Weißkopfruderente]] Die '''Weißkopfruderente''' (''Oxyura leucocephala'') ist eine [[Art (Biologie)|Art]] aus der [[Familie (Biologie)|Familie]] der [[Entenvögel]]. Sie ist ein Vertreter der [[Ruderenten]]. Die Bestände der Weißkopfruderenten insbesondere in [[Südeuropa]] und [[Nordafrika]] sind durch die [[Hybride|Bastardisierung]] mit [[Schwarzkopfruderente]]n bedroht. Sie zählt zu den seltensten Brutvögeln Europas. Aus diesem Grund sind in Europa umfangreiche Schutzmaßnahmen eingeleitet worden. Über die Lebensweise dieser Ente ist verhältnismäßig wenig bekannt. Viele Einzelheiten weiß man nur aus der Zoohaltung, die ab den 1970er Jahren verstärkt einsetzte, um die Art zu erhalten. == Erscheinungsbild == === Körperform === Wie alle Ruderenten zeichnet sich auch die Weißkopfruderente durch einen im Verhältnis zum Körper auffällig dicken Kopf mit einem breiten, etwas aufgetriebenen [[Schnabel]] aus. Der etwa 46 cm lange Körper ist gedrungen, und der Schwanz ist lang und wie für Ruderenten typisch steiffedrig. Er wird von beiden Geschlechtern auch außerhalb der [[Balz]]zeit häufig hochgestellt. Trotz der kleinen, gewölbten Flügel gelten Weißkopfruderenten als geschickte und schnelle Flieger. Beide Geschlechter wiegen circa 700 Gramm. Die Beine sind im Vergleich zu anderen Entenarten, die nicht zu den Ruderenten gehören, sehr weit hinten am Körper angesetzt. Sie liegen damit deutlich hinter dem Körperschwerpunkt. Die Weißkopfruderente ist dadurch in der Lage, sehr kraftvoll zu schwimmen und zu tauchen. An Land wirkt sie eher unbeholfen. === Brut- und Ruhekleid des Männchens === Wie bei den meisten Entenarten gibt es auch bei der Weißkopfruderente einen ausgeprägten [[Geschlechtsdimorphismus]]. Beim Männchen im Brutkleid sind die Kopfseiten weiß, auf der Kopfplatte und am Nacken befindet sich eine schwarze Gefiederzeichnung, die bei den einzelnen Individuen unterschiedlich stark ausgeprägt ist. Durch diese Kopffärbung ist die Weißkopfruderente auch am einfachsten von der nahe verwandten [[Nordamerika|nordamerikanischen]] [[Schwarzkopfruderente]] zu unterscheiden. Bei dieser ist nur das Wangenfeld weiß; ihre Körperbefiederung ist außerdem ein intensiveres Kastanienbraun. Das Körpergefieder der Weißkopfruderente ist rotbraun mit einer sehr feinen schwarzen Zeichnung. Auffällig ist während der Balz- und Brutzeit der leuchtend hellblaue Schnabel. Im Ruhekleid ist das Körpergefieder beim Männchen etwas blasser rotbraun, der Schnabel ist dann dunkelgrau. Ihr Brut- und Balzkleid tragen die Männchen von Ende Februar, Anfang März bis September. === Gefiederfärbung des Weibchens === Beim Weibchen ist der Schnabel dagegen dunkelgrau und deutlich weniger aufgeworfen. Ihr Körpergefieder ist ganzjährig dunkler als beim Männchen. Im unteren Wangenfeld ist sie gleichfalls weiß befiedert, und unterhalb des Auges verläuft ein leicht bogenförmiger, weißer Unteraugenstreif. Mit diesem Körpergefieder ähnelt das Weibchen dem der Schwarzkopfruderente. Der Unteraugenstreif ist beim Weibchen der Schwarzkopfruderente allerdings gradliniger. === Daunenkleid und Jugendkleid === Die Küken haben ein an der Oberseite des Körpers dunkel sepiabraunes Gefieder. Die Brust und der Bauch sind dagegen rahmweiß. Auffällig ist die Kopfzeichnung. Die Küken haben einen sepiabraunen Backenstreifen, der von einem hell rahmfarbenen Unteraugen- und Bartstreifen eingefasst ist. Im Jugendkleid ähneln die Jungenten beider Geschlechter den Weibchen. Bei Jungerpel tritt der blaugefärbte Schnabel bereits im Herbst auf; das vollständige Prachtkleid tragen sie das erste Mal kurz vor Vollendung des ersten Lebensjahres. == Stimme und Instrumentallaute == Die Weißkopfruderente ist eine weitgehend stumme Entenart. Gelegentlich sind von ihr harte und tief knarrende, grunzende und glücksende Laute zu hören. Das Männchen gibt während der Balz ein rhythmisch hartes „''krr-krr-k..''“ von sich sowie hohe Pfeiflaute, die sich lautmalerisch mit ''düdü'' umschreiben lassen. Vom Weibchen sind dagegen ein tiefes „''gagaga...''“ und ein kurzes, weiches „''geh''“ zu hören.<ref> Hans-Heiner Bergmann; Hans-Wolfgang Helb; Sabine Baumann; ''Die Stimmen der Vögel Europas – 474 Vogelporträt mit 914 Rufen und Gesängen auf 2.200 Sonogrammen'', Aula-Verlag, Wiesbaden 2008, ISBN 978-3-89104-710-1, S. 32 </ref> Zur Balz gehört auch ein geräuschhaftes, lautes Wasserspritzen. == Vorkommen und Bestand == === Verbreitungsgebiet === [[Datei:Oxyura leucocephala dis.png|thumb|220px|Verbreitungsgebiet]] Weißkopfruderenten sind Brutvögel, die ein sehr fleckenhaftes Verbreitungsgebiet in Nordwestafrika, in Vorder- und Mittelasien sowie stellenweise in Süd- und Südwesteuropa haben. So findet man die Enten in Teilen [[Russland]]s, [[Kasachstan]], [[Usbekistan]], der [[Mongolei]], [[Armenien]], dem [[Iran]], [[Afghanistan]], der [[Türkei]], dem südlichen [[Spanien]], [[Algerien]] und [[Tunesien]]. Die Populationen in [[Ungarn]] waren zwischenzeitlich erloschen und wurden dann durch Wiederansiedelungen neu begründet. Im Herbst und Winter sammeln sich die Weißkopfruderenten an größeren Gewässern. Sie sind dann gelegentlich auch mit anderen Tauchenten vergesellschaftet und halten sich häufiger auf offenem Wasser auf als während der Brutzeit. Zu den wichtigen Überwinterungsgebieten zählen die Steppenseen in Kasachstan und der [[Burdur-See]] in der Türkei.<ref> Gooders und Boyder, S. 172 </ref> [[Hartmut Kolbe]] schätzte den Bestand nach 1990 auf ca. 19.000 Tiere, von denen 80% in Kasachstan und Russland brüten und von denen die Mehrzahl an einigen wenigen Seen in [[Anatolien]] überwintert. Das Überwinterungsgebiet der übrigen Vögel konzentriert sich auf Seen in [[Pakistan]]. Der Bestand der Weißkopfruderente in [[Spanien|Südspanien]], [[Algerien]] und [[Tunesien]] betrug nach Kolbes Schätzung um 1992 1.000 Weißkopfruderenten. Die britische Regierung schätzte dagegen im Jahre 2003 die Zahl der europäischen Weißkopfruderenten auf 2.700 Individuen und ging von einem weltweiten Bestand von 10.000 Altvögeln aus. Die [[IUCN]], die international die [[Rote Liste gefährdeter Arten]] führt, ordnet die Weißkopfruderente seit 2004 als bedroht ein. Grund für diese Einstufung ist, dass in den letzten 10 Jahren die [[Population (Biologie)|Population]] um insgesamt 60% zurückging. Da sich insbesondere die spanische Population aber wieder erholt hat, geht die IUCN davon aus, dass der Populationsverlust in den kommenden Jahren weniger dramatisch ausfallen werde. Obwohl keine Bestandszahlen aus früheren Jahrhunderten für diese Ente vorliegen, wird davon ausgegangen, dass die Art in Südeuropa früher wesentlich häufiger vertreten war und dass ihre Zahl aufgrund von Entwässerungsprojekten und Ausweitung der landwirtschaftlichen Produktion zurückging. Weißkopfruderenten sind auf seichte Gewässer angewiesen. Diese sind jedoch im 19. und 20. Jahrhundert kontinuierlich trockengelegt worden, so dass dieser Art der Lebensraum zunehmend fehlt.<ref> Gooders und Boyer, S. 173 </ref> Damit erklärt man sich auch die inselartigen Vorkommen in Südeuropa und Nordafrika. Die Rückgänge im asiatischen Verbreitungsgebiet sind auf Verluste von Lebensraum und Bejagung zurückzuführen. === Bestandsbedrohung durch Bastardisierung === [[Datei:Oxyura jamaicensis FWS.jpg|thumb|[[Schwarzkopfruderente]]n bedrohen insbesondere die Bestände in Südeuropa und Nordwestafrika durch Bastardisierung]] Seit den 1950er Jahren wird insbesondere in [[Vereinigtes Königreich|Großbritannien]] die nah verwandte nordamerikanische Schwarzkopfruderente als [[Ziergeflügel]] gehalten. Spätestens in den 1960er Jahren sind aus der Haltung Vögel entwichen, die sich als sogenannte [[Gefangenschaftsflüchtling]]e stark vermehrten. Ihre Population umfasste 1993 3.500 Tiere, die in Europa brüteten und sich bis nach Südeuropa und Nordwestafrika ausbreiteten. 2003 betrug der Bestand allein in Großbritannien 6.000 Individuen dieser Art, die damit schon eine größere Populationsdichte als die in Europa beheimatete Weißkopfruderente aufweist. In vielen Gebieten ist es zu Vermischungen mit ansässigen Weißkopfruderenten gekommen, so dass deren reliktartige Populationen in Europa bedroht sind und die Wiederansiedelungsversuche gefährden. Die Männchen der Schwarzkopfruderenten sind aggressiver als die der Weißkopfruderenten, so dass sie die Weißkopfrudererpel aus dem Brutrevier vertreiben und Kopulationen mit deren Weibchen erzwingen können. Aus den Paarungen gehen fortpflanzungsfähige [[Hybride]]n hervor. Viele Vogelschützer befürchten, dass die Schwarzkopfruderente letztlich die Weißkopfruderente völlig verdrängen wird, wenn nicht weitgehende Maßnahmen ergriffen werden. == Lebensraum == Weißkopfruderenten leben bevorzugt an flachen [[See (Gewässer)|Seen]] mit ausgeprägten [[Röhricht|Riedzonen]]. Sie ziehen dabei schwach [[Brackwasser|brackiges]] salzhaltiges Wasser reinem [[Süßwasser]] vor. An stärker salzhaltigen Seen brütet die Weißkopfruderente dagegen nicht, da hier die Rieddickichte fehlen. Die Brutgebiete liegen außerdem alle in Regionen, die eine hohe Sommertemperatur sowie eine intensive Sonnenbestrahlung aufweisen. == Fortpflanzung == === Balz === [[Datei:Weißkopfruderente Oxyura leucocephala balzend 0505055 Aussch.jpg|thumb|260px|Während der Balz umschwimmt der Erpel die Ente in weiten Kreisen und wendet ihr dabei häufig den Kopf zu]] [[Datei:Weißkopfruderente Oxyura leucocephala Weibchen 0505051 Aussc.jpg|thumb|260px|Das Weibchen reagiert gelegentlich auf die Balz des Männchens übersprungsartig mit Gefiederputzen]] Die Balz beginnt mit der Rückkehr in die Brutareale im April. Zur [[Balz]] des Erpels gehört unter anderem ein ruckartiges Aufrichten des Schwanzes und ein Auf- und Abschnellen des Kopfes. Dieses Verhalten wechselt mit zwei Formen von Demonstrationsschwimmen. Bei der einen Form umschwimmt der Erpel schnell in weiten Kreisen die Ente und liegt dabei hoch auf dem Wasser. Der Schwanz liegt dabei waagrecht auf dem Wasser, der Kopf des Erpels ist häufig der Ente zugewendet. Bei der zweiten Form schwimmt der Erpel tief eingetaucht mit auf dem Rücken abgelegten Kopf in der Nähe der Ente auf und ab. Das Entenweibchen zeigt während dieses Werbens des Erpels häufig kein auffälliges Verhalten. Sie verfällt aber gelegentlich übersprungsartig in ein auffälliges Putzverhalten. === Nest und Gelege === Die Nester werden bevorzugt im Rieddickicht angelegt. Dabei werden häufig die Nistinseln von [[Rallen]] und [[Tauchenten]] genutzt. Als der [[Wildfowl Trust]] in den 1970er Jahren mit der Erhaltungszucht der Art begann, machte man die Erfahrung, dass balzende Entenpaare sich nur dann fortpflanzten, wenn man ihnen in ihrer [[Voliere]] künstlich solche Nisthilfen anbot. Das Gelege besteht aus etwa sechs bis dreizehn Eier mit rauer Schale, die anfangs hellgrün gefärbt sind und dann zunehmend eine schmutzig weiße Färbung annehmen. Die Ente bebrütet das Gelege allein. Bei Störungen taucht die Ente direkt am Nest ins Wasser und taucht erst in weiter Entfernung vom Nest wieder auf. Sie bleibt dabei bis zu zwei Minuten unter Wasser. Häufig kommt sie in der Nähe des Erpels wieder an die Wasseroberfläche. Da man aufgrund dieses Fluchtverhaltens selten Enten auf dem Nest beobachtete, findet man in der Literatur gelegentlich noch die Behauptung, dass Weißkopfruderenten die Eier nur einige Tage anbrüten und sie sich aufgrund ihrer Eigenwärme "fertigbrüten". Die Erfahrungen aus der Zoohaltung haben diese Ansicht widerlegt. Der Erpel hält sich zum Schlupf der Küken in der Nähe der Nestes auf. Er verlässt dann das Revier und bildet gemeinsam mit anderen Erpeln Mausergruppen. === Die Küken === Die Küken schlüpfen nach etwa 23 bis 25 Tagen. Sie werden nur durch die Ente geführt, die sich tagsüber mit ihrem Nachwuchs entlang der Röhrichtzone aufhält. Abends ist sie gelegentlich auch mit den Küken auf offener Wasserfläche zu beobachten. Die Küken sind nach etwa 60 Tagen flugfähig. Geschlechtsreif sind die Jungvögel in ihrem zweiten Lebensjahr. == Nahrung == Weißkopfruderenten leben überwiegend von Wasserpflanzen, von denen sie sowohl das junge Grün als auch die Samen fressen. Kleinlebewesen werden dabei nur zufällig aufgenommen. Die Küken und Jungenten fressen dagegen nahezu ausschließlich Wasserinsekten, Kleinkrebse und Wasserschnecken. == Mensch und Weißkopfruderente == === Weißkopfruderenten als Ziergeflügel === [[Datei:Weißkopfruderente Oxyura leucocephala 0505059 Wikiausschnit.jpg|thumb|260px|Weißkopfruderenten werden erst seit den 1960er Jahren in Gefangenschaft gehalten]] Weißkopfruderenten zählen nicht zum typischen [[Ziergeflügel]]. Lange Zeit wurde in [[Zoo]]s und bei Privatzüchtern lediglich die nordamerikanische Schwarzkopfruderente gehalten, die aufgrund ihrer Häufigkeit einfacher zu erhalten waren. In den 1960er Jahren zog ein Zoo in [[Spanien]] die ersten zwei wild gefangenen Küken auf. Die Erstzucht dieser Art gelang jedoch erst 1973 dem Wildfowl Trust, der dazu ausgewachsene Enten in Pakistan einfangen ließ. Die Nachzuchten wurden zum Zweck der Erhaltungszucht in zahlreiche Zoos abgegeben. Zu einem der Zoos, die seit langem erfolgreich Weißkopfruderenten nachzüchten, zählt der [[Zoo Wuppertal]]. Mittlerweile wird diese Art auch von Privatzüchtern gehalten; die Kükenaufzucht gilt jedoch als schwierig. === Schutzmaßnahmen === Seit 1993 gibt es ein umfangreiches Schutzprogramm zur Erhalt der Weißkopfruderenten, an denen unter anderem der britische Wildfowl Trust beteiligt sind. In Spanien werden unter anderem gezielt alle Hybriden abgeschossen. Zahlreiche europäische Zoos wie beispielsweise der [[Kölner Zoo]] haben die Haltung von Schwarzkopfruderenten aufgegeben und beteiligen sich an der Erhaltungszucht von Weißkopfruderenten. Wiederansiedlungsprogramme versuchen, diese Entenart wieder in [[Frankreich]], [[Ungarn]] und [[Italien]] ansässig zu machen. Zu den Schutzmaßnahmen gehört es auch, dass in Großbritannien die wildlebenden Schwarzkopfruderenten gezielt abgeschossen werden. Diese Abschussmaßnahmen führten in Großbritannien zu umfangreichen Diskussionen über Tierschutzprogramme, nachdem 2002 knapp ein Drittel der dort lebenden Tiere gezielt erjagt wurden. Andrew Tyler, Direktor der britischen Tierschutzorganisation [[Animal Aid]], bezeichnete innerhalb dieser Diskussionen die Tötungen der Schwarzkopfruderente als grotesk und absurd. Er sah in der Hybridisierung mit der robusteren Schwarzkopfruderente eine Möglichkeit für die Weißkopfruderente, langfristig zu überleben. Diese Ansicht wird von vielen Naturschützern allerdings nicht geteilt. Für sie ist die Verdrängung der Weißkopfruderente durch einen durch Menschen importierte [[Neozoen]] ein unwiederbringlicher Verlust an [[Biodiversität]]. == Nachweise == === Einzelnachweise === <references/> === Literatur === * T. Bartlett: ''Ducks And Geese - A Guide To Management.'' The Crowood Press, Ramsbury 2002, ISBN 1-85223-650-7 * John Gooders und Trevor Boyer: ''Ducks of Britain and the Northern Hemisphere''. Dragon's World Ltd, Surrey 1986, ISBN 1-85028-022-3 * Hartmut Kolbe: ''Die Entenvögel der Welt''. Verlag Eugen Ulmer, Stuttgart 1999, ISBN 3-8001-7442-1 * Erich Rutschke: ''Die Wildenten Europas – Biologie, Ökologie, Verhalten''. Aula Verlag, Wiesbaden 1988, ISBN 3-89104-449-6 === Weblinks === {{Commons|Category:Oxyura leucocephala|Weißkopfruderente}} {{Wiktionary|Weißkopfruderente}} * [[:species:Oxyura leucocephala|Wikispecies: Weißkopfruderente]] – Taxonomie * [http://www.animalaid.org.uk/campaign/wildlife/ruddycull.htm ''Animal Aid''] Britische Tierschutzorganisation zum Abschuss von Schwarzkopfruderenten zum Schutz der Weißkopfruderenten (Englisch) * [http://www.rspb.org.uk/policy/species/rspb_position.asp ''Royal Society for the Protection of Birds''] Britische Vogelschutzgesellschaft zum Abschuss von Schwarzkopfruderenten zum Schutz der Weißkopfruderenten (Englisch) * [http://www.issg.org/database/species/reference_files/oxyjam/GAP2005.doc ''International Species Action Plan'' für die Weißkopfruderente] (DOC, 3,2 MB) * {{IUCN |Year=2008 |ID=141428 |ScientificName=Oxyura leucocephala |YearAssessed=2006 |Assessor=BirdLife International |Download=24. Januar 2009 }} * {{IBC|ID=white-headed-duck-oxyura-leucocephala|Titel=Oxyura leucocephala}} {{DEFAULTSORT:Weisskopfruderente}} {{Exzellent}} [[Kategorie:Entenvögel]] [[az:Göydimdik]] [[bg:Тръноопашата потапница]] [[br:Piklost penn gwenn]] [[cs:Kachnice bělohlavá]] [[en:White-headed Duck]] [[eo:Blankkapa anaso]] [[es:Oxyura leucocephala]] [[fa:اردک سرسفید]] [[fr:Érismature à tête blanche]] [[gl:Malvasía (ave)]] [[hu:Kékcsőrű réce]] [[it:Oxyura leucocephala]] [[ja:カオジロオタテガモ]] [[mn:Цагаантолгой ямаансүүлт]] [[nl:Witkopeend]] [[pl:Sterniczka]] [[pt:Pato-de-rabo-alçado]] [[ro:Sauca, Ocniţa]] [[ru:Савка]] [[tr:Dikkuyruk]] [[uk:Савка]] [[zh:白头硬尾鸭]] m7lvsg4gui23hjl4rhxgzd7hqfabi33 wikitext text/x-wiki Weißeritztalbahn 0 24497 28167 27099 2010-11-13T08:39:06Z Axpde 417 BSicons aus dem Bilderkatalog verwendet {| class="wikitable float-right" {{BS-header|Freital-Hainsberg–Kurort Kipsdorf}} {{BS-daten | DE-KBS= 513 | DE-STRECKENNR= 6966; sä. [[Liste der Eisenbahnstrecken in Sachsen|HK]] | LÄNGE= 26,335 | SPURWEITE= 750 | NEIGUNG= 34,7 | RADIUS= 50 | V-MAX= 30 | BILDPFAD_KARTE= Streckenkarte Weißeritztalbahn.jpg | PIXEL_KARTE= 300px | TEXT_KARTE= Ausschnitt der Streckenkarte Sachsen von 1902 }} {{BS-table}} {{BS|exSTR|||[[Schmalspurbahn Freital-Potschappel–Nossen|Verbindungsgleis von Freital-Potschappel]]}} {{BS|KBHFxa|-0,113|[[Freital]]-[[Hainsberg (Freital)|Hainsberg]]||184 m}} {{BS|KRZu|||[[Bahnstrecke Dresden–Werdau]]}} {{BS|BRÜCKE2|0,973||[[Wilde Weißeritz]] (46 m)}} {{BS|BRÜCKE2|1,192||[[Rote Weißeritz]] (38 m)}} {{BSe|ABZrf|1,583||[[Gleisanschluss#Anschlussstelle|Anst]] Spinnerei Coßmannsdorf}} {{BS|HST|1,620|Freital-[[Coßmannsdorf]]|(ehem. Bf)|192 m}} {{BSe|ABZlf|1,995||Anst Steinbruch Coßmannsdorf}} {{BS|BRÜCKE2|2,556||Rote Weißeritz (43 m)}} {{BS|BRÜCKE2|2,941||Rote Weißeritz (38 m)}} {{BS|BRÜCKE2|3,123||Rote Weißeritz (28 m)}} {{BSe|xTUNNEL2|3,17{{0}}||Tunnel Einsiedlerfelsen (17 m; 1906 abgetragen)||}} {{BS|BRÜCKE2|3,196||Rote Weißeritz (30 m)}} {{BS|BRÜCKE2|3,614||Rote Weißeritz (17 m)}} {{BS|BRÜCKE2|3,760||Rote Weißeritz (15 m)}} {{BS|BRÜCKE2|4,197||Rote Weißeritz (13 m)}} {{BS|BRÜCKE2|4,286||Rote Weißeritz (17 m)}} {{BS|BRÜCKE2|4,411||Rote Weißeritz (24 m)}} {{BS|BRÜCKE2|4,550||Rote Weißeritz (24 m)}} {{BS|BRÜCKE2|4,645||Rote Weißeritz (15 m)}} {{BS|BRÜCKE2|4,728||Rote Weißeritz (13 m)}} {{BS|BHF|5,175|[[Rabenau (Sachsen)|Rabenau]]||249 m}} {{BS|BRÜCKE2|5,195||[[Oelsabach]] (11 m)}} {{BS|BRÜCKE2|5,391||Rote Weißeritz (29 m)}} {{BS|BRÜCKE2|5,909||[[Borlasbach]] (12 m)}} {{BS|HST|6,758|[[Spechtritz]]|(ehem. Bf)|274 m}} {{BSe|ABZlf|6,800||ehem. Trasse bis 1912, Anschl. [[Talsperre Malter]]}} {{BSe|ABZlf|6,885||Anst Korkmühle Spechtritz}} {{BS|BRÜCKE2|7,973||Bachbrücke (20 m)}} {{BSe|KRZo|8,478||Brücke Seifersdorf (70 m; ehem. Trasse bis 1912)}} {{BS|BHF|8,660|[[Seifersdorf (Dippoldiswalde)|Seifersdorf]]||301 m}} {{BS|BRÜCKE|9,926||Brücke Goldgrubenweg (45 m)}} {{BSe|ABZlg|10,404||Anst Talsperrenbaugenossenschaft}} {{BS|BHF|10,820|[[Malter (Dippoldiswalde)|Malter]]||335 m}} {{BS|BRÜCKE|11,244||Brücke Bormannsgrund (66 m)}} {{BSe|ABZlg|13,800||ehem. Trasse bis 1912}} {{BS|BRÜCKE2|14,006||Rote Weißeritz (18 m)}} {{BSe|ABZlf|14,322||Anst Großhandelsgesellschaft}} {{BSe|ABZlg|14,357||Anst Ratsmühle Dippoldiswalde}} {{BS|BHF|{{BSkm|14,885|14,800}}|[[Dippoldiswalde]]|Kilometersprung +85 m<ref>STREDA – Gesamtstreckenverzeichnis der DBAG; Stand: 1. Februar 2003</ref>|348 m}} {{BS|BRÜCKE2|16,172||Rote Weißeritz (22 m)}} {{BSe|HST|17,263|[[Ulberndorf]]||374 m}} {{BS|BRÜCKE2|18,443||Rote Weißeritz (15 m)}} {{BSe|ABZlg|18,505||Anst Küchenmöbelwerk}} {{BSe|BHF|18,820|[[Obercarsdorf]]||395 m}} {{BSe|ABZlf|||ehem. Trasse bis 1924}} {{BS|BRÜCKE2|20,140||[[Bundesstraße 171]] (16 m)}} {{BSe|HST|20,730|[[Schmiedeberg (Erzgebirge)|Schmiedeberg-Naundorf]]||410 m}} {{BSe|ABZlf|||Anst Metallaufbereitung}} {{BS|BRÜCKE|21,731||Viadukt Schmiedeberg (170 m)}} {{BS|BRÜCKE2|21,825||EÜ Schenkgasse (21 m)}} {{BSe|ABZlg|||[[Pöbeltalbahn]] (nie fertiggestellt)}} {{BSe|BHF|22,052|[[Schmiedeberg (Erzgebirge)|Schmiedeberg]] (Dresden)|([[Inselbahnhof]])|445 m}} {{BSe|ABZrg|23,074||Anst Gießerei Schmiedeberg; ehem. Trasse bis 1924}} {{BSe|HST|23,303|[[Buschmühle]]||462 m}} {{BS|BRÜCKE2|23,785||[[Rote Weißeritz]] (13 m)}} {{BSe|DST|25,4{{0}}{{0}}|Kurort Kipsdorf Ldst||517 m}} {{BSe|KBHFe|26,137|Kurort [[Kipsdorf]]||534 m}} |} |} Die '''Weißeritztalbahn''' ist die zweite [[Sächsische Schmalspurbahnen|sächsische Schmalspurbahn]] und gilt als die dienstälteste öffentliche Schmalspurbahn Deutschlands. Die Strecke führt von [[Hainsberg (Freital)|Freital-Hainsberg]] bei [[Dresden]] durch das Tal der [[Rote Weißeritz|Roten Weißeritz]] nach [[Kipsdorf]] im [[Erzgebirge|Osterzgebirge]]. Die Strecke wurde bei einem Hochwasser im August 2002 schwer beschädigt. Seit dem 14.&nbsp;Dezember 2008 ist der Abschnitt zwischen Freital-Hainsberg und Dippoldiswalde wieder in Betrieb, ein Wiederaufbau bis zum Endpunkt Kurort Kipsdorf ist bis 2011 geplant. == Geschichte == === Vorgeschichte === Ein erstes Bahnprojekt, das eine Streckenführung durch das Tal der Roten Weißeritz vorsah, wurde schon im Jahre 1865 vorgelegt. Damals wurde der Bau einer Hauptbahn von [[Duchcov|Dux]] nach [[Dresden]] für den Import der hochwertigen [[Nordböhmisches Becken|nordböhmischen]] Braunkohle diskutiert. Obwohl man seinerzeit im Falle der Realisierung des Vorhabens eine Verzinsung von sechs Prozent des Anlagekapitals errechnet hatte, kam es nicht zur Ausführung. Gründe dafür waren vermutlich neben zu hohen Kosten auch die ungeklärte Frage der Trassierung am südlichen Steilabfall des Erzgebirges. Gebaut wurde die Strecke später weiter westlich im Tal der [[Freiberger Mulde]] als [[Bahnstrecke Nossen–Moldau]]. Ein mittlerweile gegründetes Bahnbaukomitee in [[Dippoldiswalde]] forderte allerdings auch weiterhin eine Bahn im Tal der Roten Weißeritz. Mehrere Projekte sahen etwa Trassen in Verlängerung der [[Albertsbahn]] (Dresden–Tharandt) als auch von [[Possendorf (Bannewitz)|Possendorf]] ([[Windbergbahn]]) vor. Man erhoffte sich davon vor allem eine bessere Transportmöglichkeit für das im [[Döhlener Becken|Freitaler Steinkohlenbergbau]] benötigte Grubenholz. Keines dieser Projekte wurde realisiert. Am 11.&nbsp;April 1876 wandte sich das Dippoldiswalder Eisenbahnkomitee erneut an den sächsischen Landtag. In einer Petition forderte man nun den Bau einer Bahn von Dresden nach Schmiedeberg auf Staatskosten. Letztlich begannen im Dezember 1878 die Vermessungsarbeiten für eine normalspurige ''[[Sekundärbahn|Secundärbahn]]'' von Hainsberg nach Schmiedeberg. Der Bau einer normalspurigen Bahn durch den [[Rabenauer Grund]] erwies sich allerdings wegen der Enge des Tales als unmöglich. Erörtert wurden deshalb auch Trassierungsvarianten von [[Niedersedlitz]] durch das [[Lockwitzbach|Lockwitztal]] über [[Kreischa]] und [[Reinhardtsgrimma]] nach Dippoldiswalde. Nachteilig wäre hier die Notwendigkeit einer maximalen Neigung von 25&nbsp;Promille gewesen, im Rabenauer Grund kam man stattdessen mit nur 17&nbsp;Promille aus. Angesichts dessen entschied man sich wie bei der zur gleichen Zeit geplanten [[Schmalspurbahn Wilkau-Haßlau–Carlsfeld|Strecke Wilkau–Kirchberg]] für eine schmalspurige Ausführung der Strecke. Mit dieser Entscheidung betraten die Kgl. Sächsischen Staatseisenbahnen absolutes technisches Neuland, gab es doch bislang mit der [[Bröltalbahn]] nur eine einzige dem öffentlichen Verkehr dienende Schmalspurbahn in Deutschland. === Bau und Eröffnung === ;Hainsberg–Schmiedeberg Im Frühjahr 1880 begann man mit den Vermessungsarbeiten an der vorgesehenen Trasse, die sich wegen des schlechten Wetters bis in den Herbst hinzogen. Anschließend fanden die Verhandlungen für die Enteignung der für den Bau benötigten Grundstücke statt. Die gesamte Strecke wurde in drei Baulose eingeteilt, wobei das dritte Los noch nicht genehmigt worden war: * Los&nbsp;1: Hainsberg–Dippoldiswalde * Los&nbsp;2: Dippoldiswalde–[[Schmiedeberg (Erzgebirge)|Schmiedeberg]] * Los&nbsp;3: Schmiedeberg–Kipsdorf Die eigentlichen Bauarbeiten an den Losen&nbsp;1 und&nbsp;2 begannen am 16.&nbsp;Juli 1881 mit dem [[Erster Spatenstich|ersten Spatenstich]] an der Rabenauer Mühle. Schwierig gestalteten sich die Bauarbeiten vor allem im engen und felsigen Rabenauer Grund. Für die Erstellung der Bruchsteinmauern waren – wie seinerzeit vielfach üblich – darin erfahrene italienische Arbeiter beschäftigt. Für den Bau der zahlreichen Steinbogenbrücken waren allerdings einheimische Firmen mit entsprechenden Referenzen verpflichtet wurden. [[Datei:Muehlgrabenbruecke Seifersdorf.jpg|miniatur|links|Die 1881 erbaute Mühlgrabenbrücke in Seifersdorf gilt heute als älteste Betonbrücke Deutschlands (2008)]] Am 9.&nbsp;Oktober 1882 waren schließlich die Gleise der ersten beiden Sektionen bis Schmiedeberg fertiggestellt. Fünf Tage später trafen auch die ersten beiden Lokomotiven in Hainsberg ein. Ein erster Probezug mit der Lokomotive Nr.&nbsp;1 fuhr am 18.&nbsp;Oktober 1882 bis Naundorf. Die eigentliche Abnahmefahrt fand am 20.&nbsp;Oktober statt, dabei wurde der Eröffnungstermin auf den 1.&nbsp;November 1882 festgelegt. Mit einem Festzug für geladene Gäste wurde die Strecke schließlich am 30.&nbsp;Oktober 1882 eingeweiht. Der planmäßige Zugverkehr begann am Tag darauf mit zunächst drei gemischten Zugpaaren zwischen Hainsberg und Schmiedeberg. ;Schmiedeberg–Kipsdorf [[Datei:Weisseritztalbahn Buschmühle 1900.jpg|miniatur|Bauzug mit Lok der Reihe IV K im Bahnhof Buschmühle (1900)]] Am 22.&nbsp;Oktober 1881 begannen schließlich auch die Vermessungsarbeiten auf der restlichen Trasse bis Kipsdorf. Zwischenzeitlich war durch die ''Zwitterstocksgesellschaft zu Altenberg'' eine weitere Verlängerung der Strecke bis [[Altenberg (Erzgebirge)|Altenberg]] gefordert worden, was aber wegen zu hoher Kosten abgelehnt wurde. Altenberg erhielt später eine [[Müglitztalbahn|Eisenbahnverbindung durch das Müglitztal]]. Als unerwartet problematisch erwies sich die Trassierung oberhalb des Bahnhofes Schmiedeberg, wo die ursprünglich vorgesehene Streckenführung eine Maximalneigung von 40 Promille bedingt hätte. Erst am 3.&nbsp;April 1882 genehmigte die [[Sächsischer Landtag (1831–1918)|Ständeversammlung]] die Verlängerung bis Kipsdorf. Seit dem 3.&nbsp;September 1883 ist die Bahn bis zum heutigen Endpunkt Kipsdorf fertig gestellt. === Die ersten Betriebsjahre === [[Datei:Weißeritztalbahn1.jpg|miniatur|Zug mit [[Sächsische II K|II K]] im alten Bahnhof Schmiedeberg (um 1900)]] [[Datei:Weisseritztalbahn Kipsdorf 1909.jpg|miniatur|Zug mit IV K 111 in Kipsdorf (1909)]] Von Anfang an wurde die Schmalspurbahn von der Bevölkerung und dem ansässigen Gewerbe rege genutzt. Obwohl so ursprünglich nicht vorgesehen, musste schon bald die Mehrzahl der Züge zur Bewältigung des Verkehrsaufkommens mit Vorspannlokomotive gefahren werden. Zudem mussten schon 1883 einige Stationen mit längeren Ladegleisen ausgestattet werden. Eine Zäsur bedeutete das Jahrhunderthochwasser vom 29.&nbsp;Juli 1897, welches enorme Schäden an der Strecke hinterließ. Fast alle der 40&nbsp;Brücken der Weißeritztalbahn wurden beschädigt oder gar gänzlich zerstört. Die Wiederaufbauarbeiten begannen schon nach wenigen Tagen. Bereits am 25.&nbsp;August 1897 fuhren wieder Reisezüge zwischen Hainsberg und Rabenau. Nach nur knapp zwei Monaten – am 10.&nbsp;September 1897 – war die Gesamtstrecke auf provisorische Weise wieder befahrbar. Die Wiederaufbauarbeiten dauerten noch bis in das Jahr 1898 an, so musste etwa im Bahnhof Spechtritz die Stützmauer zur Weißeritz komplett neu errichtet werden. Ein weiteres Hochwasser, bei dem Schäden am Gleis der Weißeritztalbahn zu verzeichnen waren, ereignete sich am 14.&nbsp;September 1899. Schon vor der Jahrhundertwende plante man auf der Weißeritztalbahn die Einführung des bewährten [[Rollbock]]verkehrs, um in den Schmalspurzügen auch normalspurige Güterwagen befördern zu können. 1902 erfolgte in Hainsberg der Bau der Rollbockgrube. Rollbockverkehr fand zunächst nur bis Coßmannsdorf zur Bedienung der Spinnerei und des Steinbruches statt, da im weiteren Verlauf der Strecke erst das nötige vergrößerte [[Lichtraumprofil]] hergestellt werden musste. Neben der Vergrößerung der Gleismittenabstände in den Bahnhöfen mussten auf freier Strecke auch etliche Felsvorsprünge beseitigt werden. Der Tunnel am Einsiedlerfelsen wurde in dem Zusammenhang restlos abgetragen, da sich ein Aufweiten der Tunnelröhre nicht lohnte. Im Februar 1907 wurde die Umsetzanlage in Hainsberg für den geplanten Einsatz der moderneren [[Rollwagen]] nochmals umgebaut. Am 12.&nbsp;Juni 1907 erreichte schließlich erstmals ein Zug mit aufgebockten Normalspurgüterwagen Kipsdorf. === Der Bau der Talsperre Malter === [[Datei:Talsperre Malter Luftbild.jpg|miniatur|links|Die [[Talsperre Malter]]; das Gleis der Weißeritztalbahn verläuft seit 1912 am rechten Ufer]] {| class="wikitable float-right" width="260px" {{BS-header|alte Trasse bis 1912<br /><small>Spechtritz–Dippoldiswalde</small>}} {{BS-table}} {{BS|STR|||von Hainsberg}} {{BS|KMW|6,847||(Beginn Neubautrasse)}} {{BS|xABZrf}} {{BS|exBRÜCKE2|7,999||Rote Weißeritz (13 m)}} {{BS|exBRÜCKE2|8,176||Rote Weißeritz (13 m)}} {{BS|xKRZu|||(Neubautrasse)}} {{BS|exBHF|8,79{{0}}|Seifersdorf}} {{BS|exBRÜCKE2|8,919||Mühlgraben (10 m)}} {{BS|exBRÜCKE2|9,048||Mühlgraben (14 m)}} {{BS|exDST|10,6{{0}}{{0}}|[[Wendisch Carsdorf]]}} {{BS|exGRENZE|||(Lage der Staumauer)|}} {{BS|exDST|11,3{{0}}{{0}}|Malter Ldst}} {{BS|exBHF|11,48{{0}}|Malter}} {{BS|exBRÜCKE2|10,360||Rote Weißeritz (25 m)}} {{BS|xABZrg}} {{BS|KMW|13,766||(Ende Neubautrasse)}} {{BS|STR|||nach Kipsdorf}} |} |} Die [[Talsperre Malter]] war Teil eines Hochwasserschutzkonzeptes, welches nach dem verheerenden Hochwasser von 1897 umgesetzt wurde. Die Staumauer wurde in den Jahren 1908 bis 1913 unterhalb des Dorfes [[Malter (Dippoldiswalde)|Malter]] errichtet, was auch eine Neutrassierung der Weißeritztalbahn zwischen Spechtritz und Dippoldiswalde bedingte. Schon beim Bau der Weißeritztalbahn hatten die Gemeinden [[Oelsa (Rabenau)|Oelsa]], [[Wendisch Carsdorf]] und [[Oberhäslich]] eine Streckenführung durch das [[Oelsabach]]tal gefordert. Umso mehr hofften diese Orte nunmehr, dass die umzulegende Strecke im Oelsabachtal errichtet würde. Am 27.&nbsp;Juni richteten die drei Gemeinden eine entsprechende Petition an die Amtshauptmannschaft Dresden-Altstadt. Letztlich wurde diese Streckenführung wegen der ungünstigen Neigungsverhältnisse und dem geplanten Bau einer Talsperre im Oelsabachtal abgelehnt. [[Datei:Weisseritztalbahn Seifersdorf.jpg|miniatur|links|Ausfahrt Seifersdorf (2008)]] Die neue Trasse wurde parallel zur alten mit einer Neigung von 20&nbsp;Promille im Tal der Roten Weißeritz vorgesehen. 1909/10 wurden die benötigten Flurstücke enteignet. Kurz darauf begann der Bau der neuen Trasse. Die Hanglage der neuen Strecke bedingte umfangreiche Erdarbeiten und den Bau von vier großen Brücken. Im Bereich des Stausees wurde das Gleis zwei Meter über dem höchsten Wasserspiegel trassiert. Am 15.&nbsp;April 1912 wurde die neue Strecke mit einem Sonderzug eröffnet. Das alte Gleis von Spechtritz bis zur Sperrmauer wurde fortan noch als Anschlussgleis zur Baustelle genutzt. Später wurde dort ein Wanderweg eingerichtet. === Neutrassierung zwischen Obercarsdorf und Buschmühle === {| class="wikitable float-right" width="260px" {{BS-header|alte Trasse bis 1924<br /><small>Obercarsdorf–Buschmühle</small>}} {{BS-table}} {{BS|STR|||von Hainsberg}} {{BS|BHF|18,46{{0}}|Obercarsdorf}} {{BS|KMW|18,980||(Beginn Neubautrasse)}} {{BS|xABZrf|||}} {{BS|exBRÜCKE2|20,306||Rote Weißeritz}} {{BS|exHST|20,68{{0}}|Naundorf b Schmiedeberg}} {{BS|exBRÜCKE2|20,832||Rote Weißeritz}} {{BS|exBRÜCKE2|21,194||Rote Weißeritz}} {{BS|exBHF|21,52{{0}}|Schmiedeberg}} {{BS|exABZrg|||Anst Eisenwerk Schmiedeberg}} {{BS|exBRÜCKE2|22,899||Rote Weißeritz}} {{BS|xABZlg||}} {{BS|KMW|23,117||(Ende Neubautrasse)}} {{BS|STR|||nach Kipsdorf}} |} |} Nach 1900 wuchs die heute noch existierende Gießerei in Schmiedeberg von einem Kleinbetrieb zu einem Großunternehmen. Damit stieg auch die Güterverkehrsleistung für die Gießerei immer mehr an. Schon um 1907 musste darum der Bahnhof in Schmiedeberg um längere Kreuzungs- und Ladegleise erweitert werden. Allerdings fehlte der Platz für größere Erweiterungen. Um 1910 kam der Bahnhof Schmiedeberg schließlich an seine Kapazitätsgrenze. Oft musste nun der Güterumschlag unmittelbar auf der heutigen [[Bundesstraße 170|Bundesstraße&nbsp;170]] erfolgen. Jetzt erwies sich die in Straßenseitenlage trassierte Bahn in Schmiedeberg zunehmend als Verkehrshindernis. Wegen zu enger Gleisabstände war zudem das Kreuzen von Rollwagenzügen verboten. [[Datei:B 170 Schmiedeberg (01).JPG|miniatur|links|Schmiedeberg mit der [[Bundesstraße 170]] heute; am rechten Straßenrand befand sich bis 1924 die Bahntrasse]] Erste Planungen für eine Umverlegung der Bahn aus der Ortslage Schmiedeberg an den Talhang stammten schon von 1909. Die Umsetzung des Vorhabens wurde jedoch erst im Zusammenhang mit dem begonnenen Bau der [[Pöbeltalbahn]] nach dem [[Erster Weltkrieg|Ersten Weltkrieg]] Wirklichkeit. Die Enteignung des benötigten Grund und Bodens erfolgte im Laufe des Jahres 1919. Wegen der hohen Arbeitslosigkeit nach dem Ersten Weltkrieg wurden die Bauarbeiten 1920 in Regie der nunmehr gegründeten [[Deutsche Reichsbahn|Deutschen Reichsbahn]] als Notstandsarbeit begonnen, 125&nbsp;Arbeitslose aus Schmiedeberg und Umgebung fanden nun auf der Baustelle eine neue Beschäftigung. In Schmiedeberg musste über die Einmündung des Pöbeltales ein Viadukt errichtet werden, ansonsten kam die Neubautrasse ohne größere Kunstbauten aus. Die Bauarbeiten wurden allerdings mehrfach verzögert, einerseits durch die beginnende Hyperinflation zu Beginn der 1920er Jahre, andererseits auch durch schneereiche Winter. Am 23.&nbsp;Dezember 1923 kam der Streckenbau schließlich gänzlich zum Erliegen. Erst im April 1924 wurden die Arbeiten fortgesetzt, die sich noch bis in den November hinzogen. Probleme bereitete zum Schluss noch die Einbindung der neuen Trasse in den Bahnhof Obercarsdorf, musste doch dort der gesamte südliche Bahnhofskopf bei laufendem Betrieb umgebaut werden. Am 1.&nbsp;Dezember 1924 verließ um 12:20 Uhr der letzte Zug den alten Bahnhof Schmiedeberg. Danach wurde die neue Strecke in Obercarsdorf mit dem Einschub der schon bereitliegenden Weiche endgültig eingebunden. Der planmäßige nachmittägliche Gegenzug fuhr kurz nach 15:00&nbsp;Uhr schon über die neue Strecke. Die alte Strecke wurde kurz darauf abgebrochen. Am 1.&nbsp;Februar 1925 war sie gänzlich demontiert. === Im Betrieb der Deutschen Reichsbahn bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges === Die 1920er und 1930er Jahre waren für die Weißeritztalbahn vor allem durch eine umfassende Modernisierung und Kapazitätserweiterung der Strecke geprägt. Mit der Indienststellung neuer, moderner Wagen und leistungsfähiger Lokomotiven avancierte die Strecke nunmehr zur modernsten sächsischen Schmalspurbahn. Der in den Jahren 1933 bis 1934 durchgeführte Um- und Neubau des Bahnhofes Kipsdorf beseitigte schließlich das letzte betriebliche Nadelöhr der Strecke. Ab diesem Zeitpunkt war der Einsatz bis zu 56&nbsp;Achsen starker Reisezüge auf der Weißeritztalbahn berg- und talwärts zugelassen. Vor allem im Wintersportverkehr verkehrten nun planmäßig Reisezüge, die aus 13&nbsp;Personenwagen und einem Gepäckwagen bestanden. Diese Züge boten über 550&nbsp;Sitzplätze. <!-- === Im Zweiten Weltkrieg ===--> Mit dem Beginn des [[Zweiter Weltkrieg|Zweiten Weltkrieges]] wurde ein Teil des Personals zur [[Wehrmacht]] eingezogen. Damit einhergehend kam es im Laufe des Krieges zu immer mehr Einschränkungen im Zugverkehr. So waren etwa im Jahresfahrplan 1944/45 nur noch fünf Reisezugpaare auf der Gesamtstrecke verzeichnet<ref>[http://pkjs.de/bahn/Kursbuch1944/Teil1/168b.jpg Deutsches Kursbuch – Jahresfahrplan 1944/45]</ref>. Von direkten Kriegseinwirkungen blieb die Strecke wegen ihrer Frontferne jedoch verschont.<ref>THIEL 1994 S.&nbsp;71</ref> Mit der Besetzung des Bahngebietes durch die [[Rote Armee]] kam der Zugverkehr im Mai 1945 schließlich gänzlich zum Erliegen. === Der Neubeginn nach dem Zweiten Weltkrieg === Schwierig war der Neubeginn nach dem Zweiten Weltkrieg. Die meisten Lokomotiven waren schadhaft abgestellt, da eine Instandsetzung im zuständigen [[Raw Chemnitz]] wegen der dortigen starken Kriegszerstörungen vorerst nicht möglich war. So führten die Personale der Bahn die notwendigen Reparaturen selbst aus, um wenigstens einen eingeschränkten Betrieb zu ermöglichen. Der Zugverkehr auf der Weißeritztalbahn wurde nach Kriegsende am 15.&nbsp;Juni 1945 wieder aufgenommen. Die Züge wurden nun vor allem zu [[Hamsterkauf#Zweiter Weltkrieg|Hamsterfahrten]], aber auch von Berufspendlern genutzt. An einen Ausflugsverkehr war vorerst nicht zu denken. 1946 musste ein Teil der Lokomotiven als [[Reparationen|Reparationsleistung]] an die [[Sowjetunion]] abgegeben werden. Ein erheblicher Verkehrszuwachs im Personen- und Güterverkehr war durch die Aufnahme des [[Uran]]erzbergbaues im Revier Niederpöbel durch die sowjetische [[Wismut (Unternehmen)|Wismut&nbsp;AG]] im Jahr 1948 zu verzeichnen. Zu den Schichtwechseln verkehrten nun zum Teil besondere Züge, die den dort beschäftigten Bergarbeitern vorbehalten waren. Langsam normalisierte sich der Verkehr auf der Weißeritztalbahn. In den 1950er Jahren erlangte die Weißeritztalbahn zudem ihre alte Bedeutung im Ausflugsverkehr weitgehend zurück. Im Wintersportverkehr wurden nun auch wieder Vor- oder Nachzüge zu den planmäßigen Zügen gefahren, um den enormen Andrang zu bewältigen. 1953 sah der Fahrplan insgesamt sieben werktägliche Reisezugpaare vor.<ref>THIEL 1994 S.&nbsp;80</ref> === Stilllegungspläne === Anfang der 1960er Jahre fanden auf allen Nebenstrecken der Deutschen Reichsbahn Untersuchungen über deren Wirtschaftlichkeit statt. Angesichts des europaweiten Trends zur Verlagerung der Transporte von der Schiene auf die Straße wurde daraufhin 1964 die Stilllegung aller Schmalspurbahnen in der DDR bis 1975 beschlossen. Für die Weißeritztalbahn bedeutete dieser Beschluss, dass fortan keinerlei Investitionen mehr in die Infrastruktur erfolgten. Noch im Laufe des Jahres 1964 wurde der [[Vereinfachter Nebenbahnbetrieb|vereinfachte Nebenbahnbetrieb]] eingeführt. Fortan waren die Bahnhöfe Seifersdorf, Obercarsdorf und Schmiedeberg nicht mehr mit Fahrdienstleitern besetzt. Das Stellen der Weichen in diesen Bahnhöfen musste nun selbständig durch die Zugpersonale erledigt werden, was zu deutlich verlängerten Fahrzeiten bei den meisten Zügen führte. In den Folgejahren wurden an Gleisen und Anlagen nur noch die notwendigsten Erhaltungsarbeiten durchgeführt. Zunehmend mussten nun Langsamfahrstellen in abgängigen Abschnitten eingerichtet werden. In dieser Situation verlor die Bahn einen Gutteil des Reiseverkehrsaufkommens an die mittlerweile eingerichteten, schnelleren Buslinien. So schien die Einstellung des Zugverkehrs nur noch eine Frage der Zeit. Allerdings war es dem Kraftverkehr wegen fehlender Kapazitäten nicht möglich, den umfangreichen Ausflugsverkehr an Sonn- und Feiertagen zur Gänze zu übernehmen. Ein Großteil des Güterverkehrs wurde in den 1960er Jahren auf die [[Wagenladungsknoten]] Freital-Hainsberg und Freital-Potschappel, aber auch nach Dresden-Reick und [[Bahnhof Dresden-Friedrichstadt|Dresden-Friedrichstadt]] verlagert. Infolgedessen konnten die Güterverkehrsstellen Seifersdorf, Malter, Obercarsdorf und Kurort Kipsdorf ab 1968 aufgelassen werden. Der Schmalspurbahn blieben allerdings die Massentransporte, welche der Kraftverkehr nicht übernehmen wollte und konnte. So mussten nach wie vor umfangreiche Transporte für die Gießerei in Schmiedeberg bewältigt werden. Aber auch mehrere Betriebe in Dippoldiswalde, wie das ''Pflug-Hafernährmittelwerk'' oder die ''Großhandelsgesellschaft'', erhielten weiterhin noch Wagenladungen zugestellt.<ref>THIEL 1994 S.&nbsp;72ff</ref> === Entwicklung ab 1974 === Anfang der 1970er Jahre mehrten sich die Stimmen, die eine Erhaltung einiger Schmalspurbahnen als touristische Attraktion forderten. So beschloss die Hauptverwaltung des Betriebs- und Verkehrsdienstes am 17.&nbsp;September 1973 die langfristige Erhaltung von sieben Schmalspurbahnen in der DDR, darunter auch die der Weißeritztalbahn. Die Weißeritztalbahn sollte nun vorrangig zu einer touristischen Attraktion unter Beibehaltung des regulären Reise- und Güterverkehrs entwickelt werden. [[Datei:Fotothek df n-10 0000677.jpg|miniatur|Gleisbauarbeiten in Malter (1980)]] Nur langsam konnten in den nächsten Jahren die jahrzehntelang ausgebliebenen Investitionen nachgeholt werden. Gleiserneuerungen beschränkten sich etwa in den Folgejahren auf kürzere Abschnitte. Eine generelle Sanierung von Gleisen und Anlagen erfolgte nicht. Mehrfach war die Strecke in den 1970er Jahren von der Sperrung wegen Oberbauschäden bedroht. Nur durch das besondere Engagement der Bahnmeisterei und Einsatz von Freiwilligen konnte dies abgewendet werden. Typisch für jene Zeit waren Arbeitseinsätze von Studenten, die im Rahmen von ''[[Studentensommer]]n'' Gleisabschnitte erneuerten. [[Datei:Fotothek df n-10 0000372.jpg|miniatur|links|Ausfahrt eines Güterzuges in Malter (1981)]] Der Zustand der Fahrzeuge war in den 1970er Jahren noch zufriedenstellend. Angesichts des teilweise sehr hohen Alters der Wagen sah die Deutsche Reichsbahn bis 1979 eine Neubeschaffung bulgarischer Reisezugwagen vor, was sich aus finanziellen Gründen jedoch zerschlug. Ab 1977 wurde letztlich der vorhandene Bestand an Reisezugwagen grundlegend modernisiert. Die Reichsbahndirektion Dresden strebte auch weiterhin die Einstellung des Güterverkehrs an. Allerdings scheiterte dieses Vorhaben wie in den Jahren zuvor an den fehlenden Kapazitäten des Kraftverkehrs. So fehlten etwa spezielle LKW, um den für die Gießerei Schmiedeberg bestimmten [[Sandformverfahren|Gußsand]] zu transportieren. Erst nach der Ölkrise in der DDR 1981 stieg die Güterverkehrsleistung wegen der staatlich verordneten Verlagerung von Transporten von der Straße auf die Schiene wieder an. Oft mussten nun die Güterzüge bis Dippoldiswalde mit zwei Lokomotiven bespannt werden. Im Winterfahrplan 1980/81 waren sieben Reisezugpaare an Werktagen verzeichnet. Für den Ausflugsverkehr an Sonntagen wurden fünf Zugpaare eingesetzt. Besondere Wintersportzüge – wie auf der benachbarten [[Müglitztalbahn]] – gab es nicht.<ref>Winterfahrplan 1980/81 der Deutschen Reichsbahn – gültig vom 28.&nbsp;September 1980 bis 31.&nbsp;Mai 1981</ref> Ein herausragendes Ereignis in der Geschichte der Weißeritztalbahn war die 100-Jahr-Feier im Jahr 1983. Während einer Festwoche vom 27.&nbsp;August bis zum 4.&nbsp;September 1983 verkehrte eine Vielzahl von Sonderzügen, darunter auch der Traditionszug der [[Lößnitzgrundbahn]]. === Nach der politischen Wende in der DDR === Der [[Wende (DDR)|gesellschaftliche Umbruch]] im Osten Deutschlands 1989/90 war auch für die Weißeritztalbahn mit erheblichen Veränderungen verbunden. Innerhalb kürzester Zeit stellte ein Großteil der Betriebe im Einzugsgebiet ihre Produktion ein, was zu einem drastischen Einbruch der Verkehrsleistung im Personen- und Güterverkehr führte. Beispielsweise fielen die Gießerei in Schmiedeberg und das Küchenmöbelwerk in Obercarsdorf als Güterkunde weg. Nur im Ausflugsverkehr besaß die Bahn weiterhin eine gewisse Bedeutung. Die baldige Stilllegung schien somit bevorzustehen. Trotzdem erfolgten in Regie der Deutschen Reichsbahn in den Jahren 1991 bis 1993 noch enorme Investitionen in die Strecke und den Fahrzeugpark. So erhielten alle Lokomotiven größere Grundinstandsetzungen und die seit 1977 laufende Modernisierung des Wagenparkes wurde zum Abschluss gebracht. Im Sommer 1993 führte die Gleisbau Bautzen&nbsp;GmbH größere Erneuerungen am Oberbau aus. Dabei kam erstmals auch eine tschechische [[Stopfen (Gleisbau)|Gleisstopfmaschine]] zum Einsatz. === Im Betrieb der Deutschen Bahn AG === [[Datei:Rabenau - Weißeritztalbahn 01.jpg|miniatur|Einfahrender Zug in Rabenau (2001)]] Eine gänzlich neue Situation entstand mit Gründung der [[Deutsche Bahn|Deutschen Bahn&nbsp;AG]] (DB&nbsp;AG) zum 1.&nbsp;Januar 1994. Der neue Eigentümer strebte nun schnellstmöglich eine Privatisierung oder Stilllegung der Strecke an. Infolge dieser Entwicklung wurde die Weißeritztalbahn am 14.&nbsp;März 1994 durch das [[Landesamt für Denkmalpflege Sachsen]] einschließlich der Fahrzeuge unter Denkmalschutz gestellt. Am 31.&nbsp;Dezember 1994 wurde schließlich der verbliebene Güterverkehr trotz noch vorhandenen Bedarfs eingestellt. Zuletzt wurden Transporte für einen Schrotthandel in Schmiedeberg-Naundorf und mehrere Kohlehändler in Dippoldiswalde und Schmiedeberg ausgeführt. Mitte der 1990er Jahre gab es erste Bestrebungen von Seiten des [[Sachsen|Freistaates Sachsen]], die Strecke mittels einer landeseigenen Gesellschaft weiter zu betreiben. Letztlich zerschlugen sich diese Pläne und es wurde nun eine Privatisierung nach dem Vorbild der [[Zittauer Schmalspurbahn]] und der [[Fichtelbergbahn]] favorisiert. Allerdings zeigten weder der [[Kreis Dippoldiswalde]] noch die Anliegergemeinden entsprechendes Interesse, ein solches finanzielles Risiko einzugehen. Daraufhin beabsichtigte die Deutsche Bahn&nbsp;AG 1998 auch die Einstellung des Personenverkehrs. Dieses Vorhaben wurde nur durch einen buchstäblich in letzter Minute ausgehandelten Verkehrsvertrag mit dem in Gründung befindlichen [[Verkehrsverbund Oberelbe]] verhindert. Trotzdem hielt die Deutsche Bahn AG auch weiterhin an ihrer Absicht fest, die Strecke an einen privaten Betreiber abzugeben. Am 31.&nbsp;Dezember 2000 übernahm die DB-Tochtergesellschaft [[Mitteldeutsche Bahnreinigungsgesellschaft]] (BRG) die Betriebsführung der Weißeritztalbahn.<ref>[http://www.ig-weisseritztalbahn.de/Einfuehrung/text1.htm Geschichte der Weißeritztalbahn auf www.weisseritztalbahn.de]</ref> Ende der 1990er Jahre wies der Fahrplan werktags insgesamt acht Zugpaare im [[Taktfahrplan|Zweistundentakt]] aus. Ein weiteres Zugpaar verkehrte nur bis Dippoldiswalde.<ref>Kursbuch Sachsen der DBAG – gültig vom 30. Mai 1999</ref> Die Weißeritztalbahn beförderte vor dem Hochwasser 2002 jährlich rund 200.000&nbsp;Fahrgäste. === Das Jahrhunderthochwasser im August 2002 === [[Datei:Rote Weisseritz Dippoldiswalde 111-1122 IMG.JPG|miniatur|Hochwasser in Dippoldiswalde (13. August 2002)]] [[Datei:Weisseritztalbahn zerstoerte Gleise 117-1744 IMG.JPG|miniatur|Unterspülte Gleise in [[Ulberndorf]] (2002)]] Am 13.&nbsp;August 2002 wurde die Strecke – wie schon 1897 – bei einem [[Elbehochwasser 2002|Hochwasser]] schwer beschädigt. Die Strecke im Rabenauer Grund zwischen Freital-Coßmannsdorf und Spechtritz wurde am stärksten zerstört. Zwischen Buschmühle und Kurort Kipsdorf wurde der Bahnkörper abschnittsweise vollständig weggespült. Schon bald konnten durch Spenden von Eisenbahnfreunden zwei weniger beschädigte Teilabschnitte wieder aufgebaut werden. Auf diesen fanden von 2003 bis 2006 Sonderfahrten statt. Die Kosten für die Instandsetzung der gesamten Strecke wurden auf rund 20&nbsp;Millionen Euro geschätzt. Der [[Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung|Bund]] und der Freistaat Sachsen werden diese je zur Hälfte tragen. Der [[erster Spatenstich|erste Spatenstich]] zum Wiederaufbau erfolgte am 14.&nbsp;September 2004, fünf Tage vor der [[Wahlergebnisse und Landesregierungen in Sachsen|Landtagswahl 2004 in Sachsen]]. Der tatsächliche Baubeginn wurde immer wieder hinausgeschoben. Insgesamt stehen jetzt 30&nbsp;Millionen&nbsp;Euro zur Verfügung. Mit dem Freistaat wurde vereinbart, dass dieser noch weitere 9&nbsp;Millionen&nbsp;Euro bereitstellt, wenn der ''Zweckverband [[Verkehrsverbund Oberelbe]]'' wegen Mehrkosten eine weitere Million Euro bereitstellt.<ref>[[Dresdner Neueste Nachrichten]] vom 6. Juni 2007, Seite 23</ref> Am 14.&nbsp;September 2004 erfolgte die Übergabe der Bahn an die [[Sächsische Dampfeisenbahngesellschaft|BVO Bahn&nbsp;GmbH]]. Diese betreibt bereits die [[Fichtelbergbahn]] und die [[Lößnitzgrundbahn]]. Im Juni 2007 wurde aus steuerlichen und kommunalrechtlichen Gründen entschieden, die Grundstücke, über die die Bahnstrecke führt, für 206.000&nbsp;Euro an den [[Weißeritzkreis]] zu verkaufen. Im Gegenzug beteiligt sich der Verkehrsverbund Oberelbe mit 35&nbsp;Prozent an der nunmehr als [[Sächsische Dampfeisenbahngesellschaft]] firmierenden BVO Bahn.<ref>[http://www.ig-weisseritztalbahn.de/pdf/SZ_ftl_07_06_06a.pdf Presseartikel Sächsische Zeitung vom 6.&nbsp;Juni 2007]</ref> Am 27.&nbsp;September 2007 gab das [[Regierungsbezirk Dresden|Regierungspräsidium Dresden]] insgesamt 17,8&nbsp;Millionen&nbsp;Euro aus dem Bundes-Fluthilfefonds für den Wiederaufbau des Abschnittes Freital-Hainsberg–Dippoldiswalde frei. Diese Fördermittel für den Verkehrsverbund Oberelbe sind mit der Auflage verbunden, den Betrieb der wiederaufgebauten Strecke für die nächsten 20&nbsp;Jahre zu gewährleisten. === Wiederaufbau 2007/08 === Am 29.&nbsp;Oktober 2007 begannen im Bahnhof Rabenau die Arbeiten zum Wiederaufbau des Streckenabschnittes Freital-Hainsberg–Dippoldiswalde. Im Rabenauer Grund konnte als Zufahrtsstraße nur der schmale Wanderweg genutzt werden, was eine besonders ausgefeilte Baustellenlogistik erforderte. In einem ersten Bauabschnitt erfolgte die Wiederherstellung der Stützmauern und Brücken, sodass zunächst auch die Bahntrasse selbst als Baustraße genutzt werden konnte. Im August 2008 begann man mit der Verlegung des neuen Gleises. Die völlig zerstörte Station Spechtritz erhielt eine neue Wartehalle, wobei man sich aus Denkmalschutzgründen am historischen Vorbild orientierte. Auch der weniger zerstörte Abschnitt zwischen Freital-Hainsberg und Freital-Coßmannsdorf sowie Spechtritz und Dippoldiswalde wurde komplett erneuert. Neben der Sanierung der Brücken wurden auch dort zum Teil neue Gleise verlegt. <gallery> Datei:Baustelle Rabenau.jpg|Neuaufbau der Stützmauer im Bahnhof Rabenau Datei:Weißeritztalbahn Wiederaufbau1.jpg|ausgebaute Brücke im Rabenauer Grund (km&nbsp;4,411) Datei:Weißeritztalbahn Wiederaufbau2.jpg|erneuertes Brückenwiderlager (km&nbsp;4,728) Datei:Weißeritztalbahn Wiederaufbau3.jpg|Baustelle der Brücke am Bahnhof Rabenau (km&nbsp;5,391) </gallery> Der planmäßige Zugverkehr zwischen Freital-Hainsberg und Dippoldiswalde wurde zum Fahrplanwechsel am 14.&nbsp;Dezember 2008 wieder aufgenommen. Es verkehren nunmehr täglich sechs Reisezugpaare zwischen Freital-Hainsberg und Dippoldiswalde in einem angenäherten [[Taktfahrplan|Zweistundentakt]]. Die etwa 66.000&nbsp;Zugkilometer jährlich werden vom Zweckverband Verkehrsverbund Oberelbe bestellt.<ref>[http://www.bvo-annaberg.de/dokumente/pdf/HK_PI_210808.pdf Presseinformation der SDG vom 21. August 2008]</ref><ref>[http://www.ig-weisseritztalbahn.de/pdf/HK_PI_081006_Tarif.pdf Presseinformation der SDG vom 8. Oktober 2008]</ref><ref>[http://kursbuch.bahn.de/hafas/2009/kbview.exe/dn/513_Taeglich_G08102008.pdf?filename=513_Taeglich_G08102008.pdf&orig=utM Fahrplan 2009 im Online-Kursbuch der DBAG – gültig ab 14.&nbsp;Dezember 2008]</ref> In den ersten sechs Wochen seit der Wiederinbetriebnahme wurden an den Wochenenden über 2.000&nbsp;Reisende pro Tag gezählt. Teilweise wurden die Züge auf zehn Wagen verstärkt, um den Andrang zu bewältigen. An Werktagen werden derzeit etwa 1.000&nbsp;Reisende täglich befördert<ref>Sächsische Zeitung, Ausgabe Dresden, 28.&nbsp;Januar 2009</ref>. Am 3. April 2009 wurde im sächsischen Wirtschaftsministerium der weitere Wiederaufbau bis zum Endpunkt Kurort Kipsdorf beschlossen. Die Ausschreibung der Bauleistungen soll allerdings erst beginnen, wenn die Baumaßnahmen auf dem ersten Abschnitt bis Dippoldiswalde beendet und vollständig abgerechnet sind.<ref>[http://www.ig-weisseritztalbahn.de/pdf/2009/SZ_09_04_04.pdf sz-online 4. April 2009]</ref> Nach derzeitigem Stand sind die Kosten für den Wiederaufbau des ersten Abschnitts um sieben Millionen Euro höher ausgefallen, als geplant. Nach Aussage des sächsischen Ministerpräsidenten [[Stanislaw Tillich]] wird jedoch weiter am vollständigen Wiederaufbau festgehalten. Nach neueren Planungen soll nun zunächst der wenig beschädigte Abschnitt bis Schmiedeberg realisiert werden. Der Wiederaufbau bis zum Endpunkt Kurort Kipsdorf soll nun erst 2011 abgeschlossen werden. <ref>[http://www.ig-weisseritztalbahn.de/pdf/2009/SZ_09_05_14.pdf sz-online vom 14. Mai 2009]</ref> Für den völligen Wiederaufbau sprechen auch wirtschaftliche Gründe. Nach Angaben des [[Verkehrsverbund Oberelbe]] entsteht durch die Ausgaben der Tages- und Übernachtungsgäste, die wegen der Bahn die Region besuchen, eine zusätzliche regionale Wertschöpfung im Umfang von einer Million Euro, was einem Gegenwert von 40 Arbeitsplätzen entspricht.<ref>[http://www.vvo-online.de/download/pressemitteilungen/091008_Neues_Weisseritztalbahn.pdf Pressemeldung SDG/VVO vom 8. Oktober 2009]</ref> == Streckenbeschreibung == === Verlauf === [[Datei:Profil Weisseritztalbahn.png|miniatur|Vereinfachtes Höhenprofil der Weißeritztalbahn]] Die Weißeritztalbahn beginnt im heutigen Freitaler Stadtteil Hainsberg. Auf dem ersten Streckenkilometer folgt die Strecke zunächst der Hauptbahn Dresden–Werdau, erst in Höhe des Zusammenflusses von Roter und Wilder Weißeritz zweigt das Gleis der Schmalspurbahn von der Normalspurtrasse ab. Ab Freital-Coßmannsdorf tritt die Weißeritztalbahn in den felsigen und engen Rabenauer Grund ein. Das Gleis folgt nun in vielen engen Bögen dem Lauf der namensgebenden Roten Weißeritz, deren Lauf bis Rabenau insgesamt zwölfmal überbrückt wird. Am Anfang des Spechtritzgrundes kurz nach dem Bahnhof Rabenau passiert die Bahn einen der engsten Abschnitte des Tales. Hier befinden sich auch die zwei engsten Gleisbögen der Strecke mit 50 Metern Halbmesser. Am folgenden Haltepunkt Spechtritz beginnt die längere 25-Promille-Steigung bis zur Talsperre Malter. Fast eben führt das Gleis dann entlang der Stausees bis Dippoldiswalde. Ab Dippoldiswalde folgt die Strecke weitgehend der parallelen Bundesstraße 170. Nur zwischen Obercarsdorf und Schmiedeberg verläuft die Strecke in Hanglage, um das Ortszentrum von Schmiedeberg zu umgehen. Auf diesem Abschnitt befindet sich der Schmiedeberger Viadukt, der größte Kunstbau der Bahn. Auf den letzten Kilometern steigt die Strecke nochmals stark an. Kurz vor dem Endbahnhof Kurort Kipsdorf befindet sich die Maximalneigung von 34,7 Promille (1:28,8). === Betriebsstellen === ;Bahnhof Freital-Hainsberg Der Bahnhof Freital-Hainsberg (bis 1964: Hainsberg/Sachs) ist der Ausgangspunkt der Weißeritztalbahn. Sein heutiges Aussehen erhielt er bei einem Umbau in den Jahren 1903 bis 1912. Neben der [[Lokomotiveinsatzstelle]] und den ehemaligen Güterverkehrsanlagen befinden sich hier auch mehrere Abstellgleise. In Freital-Hainsberg besteht Anschluss von und nach den Zügen der [[S-Bahn Dresden|S-Bahnlinien S3 bzw. S30]] und der Regionalbahnlinie RB30 Dresden–Zwickau. ;Haltepunkt Freital-Coßmannsdorf [[Datei:Haltepunkt Cossmannsdorf.jpg|miniatur|Haltepunkt Freital-Coßmannsdorf]] Der Haltepunkt Freital-Coßmannsdorf besteht seit dem 1.&nbsp;April 1883. 1887 wurde er im Zusammenhang mit dem Bau des Anschlussgleises zur Spinnerei Coßmannsdorf an die heutige Stelle verlegt. 1905 wurde er zum Bahnhof erweitert, sodass auch Zugkreuzungen stattfinden konnten. Bereits Anfang der 1950er Jahre wurde Freital-Coßmannsdorf wieder zum Haltepunkt zurückgebaut.<ref>THIEL 1994 S.&nbsp;100</ref> Von 1935 bis 1974 befand sich direkt am Haltepunkt die Endstelle der [[Dresdner Verkehrsbetriebe|Dresdner Straßenbahnlinie]]&nbsp;3 <!-- die 12! irgendwie stimmt hier was nicht! Moment? Dazu -->. Stattdessen halten hier heute die Busse der Linie&nbsp;A (früher 3A) des Freitaler Stadtverkehrs. Heute besteht gegenüber dem Haltepunkt das Einkaufszentrum „[[Weißeritz-Park]]“, welches in die Gebäude der einstigen Kammgarnspinnerei Coßmannsdorf integriert wurde. Das historische Dienstgebäude des Haltepunktes ist bis heute original erhalten und steht unter Denkmalschutz. Es befindet sich heute im Eigentum der ''IG Weißeritztalbahn''. ;Bahnhof Rabenau Der Bahnhof Rabenau besteht seit Eröffnung der Strecke. Er ist einer der bemerkenswertesten Bahnhöfe der Weißeritztalbahn. Wegen Platzmangels befanden sich die in den 1970er Jahren abgerissenen Dienstgebäude auf einem Balkon frei schwebend über der Weißeritz. Bereits kurz nach Betriebseröffnung musste der Bahnhof wegen des regen Andranges der Reisenden erstmals erweitert werden. 1885 wurde das heute nicht mehr existierende Ladegleis im Oelsabachtal eingerichtet, welches vor allem der [[Stuhl (Möbel)|Stuhl]]bauindustrie in Rabenau und Oelsa diente. Am 1.&nbsp;Januar 1970 wurde Rabenau als Güterverkehrsstelle aufgelassen, 1981 wurden die Ladegleise abgebaut.<ref>THIEL 1994 S.&nbsp;100f</ref> [[Datei:Bahnhof Spechtritz.jpg|miniatur|Haltepunkt Spechtritz (2008)]] [[Datei:Bahnhof Seifersdorf.jpg|miniatur|Bahnhof Seifersdorf (2008)]] Zugkreuzungen fanden in Rabenau planmäßig bis in die 1990er Jahre statt. Der bemerkenswerte [[Güterboden]] mit der abgeschrägten Giebelseite wurde im Dezember 2007 abgerissen. Rabenau erhielt beim Wiederaufbau 2008 gemäß seiner Funktion als Kreuzungsbahnhof [[Rückfallweiche]]n. ;Haltepunkt Spechtritz Auch der heutige Haltepunkt Spechtritz besaß früher ein Ladegleis. Es wurde 1968 nach der Einstellung des Stückgutverkehrs abgebaut. Nahe dem Haltepunkt befand sich das kurze Anschlussgleis der ''Korkmühle Spechtritz'', welches noch bis 1986 regelmäßig bedient wurde. Die Hochbauten des Bahnhofes – bestehend aus Beamtenwohnhaus und Wartehalle – waren bis zum Hochwasser 2002 noch komplett erhalten. Anfang 2008 wurden sie wegen der Hochwasserschäden abgerissen. Die Wartehalle wurde mittlerweile in historischer Form wieder neu aufgebaut. ;Bahnhof Seifersdorf Der heutige Bahnhof Seifersdorf wurde 1912 in Betrieb genommen, als die Trasse wegen des Baues der Talsperre Malter neu trassiert werden musste. Der alte Bahnhof befand sich auf gleicher Höhe jenseits der Weißeritz und ist bis heute im Gelände trotz Überbauung mit Garagen noch auszumachen. Bemerkenswert ist die hohe Stützmauer zur Weißeritz. Die Hochbauten des Bahnhofes sind bis heute komplett erhalten und stehen unter Denkmalschutz. Sie befinden sich heute in der Obhut der IG&nbsp;Weißeritztalbahn. Zugkreuzungen fanden in Seifersdorf planmäßig bis in die 1990er Jahre statt. ;Ladestelle Wendisch Carsdorf Die Ladestelle Wendisch Carsdorf befand sich an der 1912 aufgegebenen Trasse in Höhe der Staumauer der [[Talsperre Malter]]. Sie diente ausschließlich der Holzverladung aus den Wäldern der [[Dippoldiswalder Heide]]. Für die vier Kilometer entfernte namensgebende Ortschaft [[Karsdorf (Rabenau)|Karsdorf]] besaß die Betriebsstelle keine Bedeutung. ;Bahnhof Malter [[Datei:Bahnhof Malter.jpg|miniatur|Bahnhof Malter (2008)]] Der heutige Bahnhof Malter wurde wie der Bahnhof Seifersdorf erst 1912 errichtet. Er ist insbesondere für die An- und Abreise von Urlaubern und Badegästen zur Talsperre Malter bedeutsam. Die Hochbauten des Bahnhofes sind bis heute komplett erhalten und stehen unter Denkmalschutz. Die alte Station befindet sich heute unter dem Wasserspiegel des Stausees. Sie bestand aus getrennten Anlagen für den Personen- und Güterverkehr. 1890 wurde der Personenhaltepunkt Malter wegen des stark angestiegenen Zugverkehrs zum Kreuzungsbahnhof ausgebaut. Planmäßige Zugkreuzungen fanden in Malter bis Ende der 1960er Jahre statt. Ein Rückbau des Kreuzungsgleises erfolgte bis heute nicht. ;Bahnhof Dippoldiswalde [[Datei:Bahnhof Dippoldiswalde.jpg|miniatur|Bahnhof Dippoldiswalde (2009)]] Der Bahnhof Dippoldiswalde ist der wichtigste Bahnhof der Weißeritztalbahn. Neben zwei Bahnsteiggleisen existieren auch umfangreiche Anlagen für den Güterverkehr, die seit 1995 allerdings nicht mehr genutzt werden. Bemerkenswert ist der für eine Schmalspurbahn ungewöhnliche Inselbahnsteig mit Bahnsteigdach. Der Bahnhof Dippoldiswalde wurde Zeit seines Bestehens mehrfach erweitert. 1905 wurde der Bahnhof in Vorbereitung der Einführung des Rollfahrzeugverkehrs zur heutigen Größe erweitert. Kurioserweise wurde seinerzeit auch ein normalspuriges Ladegleis eingerichtet, welches mit zwei Rollwagengruben an die schmalspurigen Gleisanlagen angebunden war. In den Jahren 1913 und 1914 wurde das markante Wasserstationsgebäude errichtet, welches bis heute der Versorgung der Lokomotiven mit Speisewasser bei der Bergfahrt dient. Seit einem nochmaligen Umbau 1932 besitzen die Kreuzungsgleise eine Nutzlänge von 200&nbsp;Metern. Seitens der SDG ist vorgesehen, den Bahnhof Dippoldiswalde zu einem musealen Ensemble umzugestalten. Der Bahnhof Dippoldiswalde erhielt 2008 gemäß seiner Funktion als Kreuzungsbahnhof Rückfallweichen. ;Haltepunkt Ulberndorf Der heutige Haltepunkt Ulberndorf besteht seit der Eröffnung der Strecke im Jahr 1881. Ursprünglich besaß er ein 30&nbsp;Meter langes Ladegleis, welches 1895 wegen des regen Güteraufkommens verlängert wurde. Es war beidseitig mit Weichen ins Streckengleis eingebunden. Das heute noch vorhandene hölzerne Stationsgebäude mit Dienst- und Warteraum wurde 1932 erbaut. Wichtigster Güterkunde war das Naßpappenwerk Ulberndorf, für das um 1960 bis zu vier Güterwagen täglich bereitgestellt wurden. 1971 wurde das Ladegleis letztmalig bedient, 1979 wurden die verschlissenen Weichen ausgebaut.<ref>THIEL 1994 S.&nbsp;106f</ref> ;Bahnhof Obercarsdorf [[Datei:Bahnhof Obercarsdorf.jpg|miniatur|Bahnhof Obercarsdorf (2008)]] Die Bahnstation in Obercarsdorf befand sich einst unmittelbar auf dem Dorfplatz. Sie wurde erst 1910 im Zusammenhang mit dem Ausbau zu einem Kreuzungsbahnhof an die heutige Stelle verlegt. Am 4.&nbsp;Mai 1971 wurde Obercarsdorf als öffentlicher Gütertarifpunkt aufgelassen, allerdings erhielt die örtliche [[Bäuerliche Handelsgenossenschaft]] (BHG) auch weiterhin noch Wagenladungen zugestellt. An der Einfahrt des Bahnhofes befand sich bis 1990 das Anschlussgleis des Küchenmöbelwerkes Obercarsdorf (heute: Sachsenküchen).<ref>THIEL 1994 S.&nbsp;107f</ref> Die Hochbauten des Bahnhofes Obercarsdorf sind bis heute nahezu komplett erhalten. Bis in die 1990er Jahre fanden in Obercarsdorf noch Zugkreuzungen statt. ;Haltepunkt Schmiedeberg-Naundorf Der heutige Haltepunkt Schmiedeberg-Naundorf wurde im Rahmen der Neutrassierung von 1924 errichtet. Das ursprünglich vorhandene Ladegleis existiert heute nicht mehr. An dessen Stelle befinden sich heute Garagen.<ref>THIEL 1994 S.&nbsp;108</ref> ;Bahnhof Schmiedeberg [[Datei:Bahnhof Schmiedeberg.jpg|miniatur|Bahnhof Schmiedeberg (2008)]] Der heutige Bahnhof Schmiedeberg wurde ebenfalls im Rahmen der Neutrassierung von 1924 errichtet. Vorbereitet war an seiner Westseite die Einbindung der nicht fertig gestellten [[Pöbeltalbahn]] nach Moldau. Die zusätzlichen Gleise wurden jedoch nur teilweise errichtet. 1983 wurde das für die Pöbeltalbahn vorgesehene Gelände an eine Bürgergemeinschaft verkauft, welche darauf Garagen errichtete. Das Empfangsgebäude wurde Anfang der 1990er Jahre an einen privaten Eigentümer veräußert und dient heute gewerblichen Zwecken.<ref>THIEL 1994 S.&nbsp;108f</ref> Zugkreuzungen fanden in Schmiedeberg noch bis in die 1990er Jahre statt. ;Haltestelle Buschmühle Die Haltestelle Buschmühle besteht seit der Eröffnung der Strecke. Bis Anfang der 1990er Jahre endeten hier die Güterzüge zur Bedienung der ''Gießerei Schmiedeberg''. Um die Lokomotive nach der Anschlussbedienung umsetzen zu können, wurde noch 1988 das ehemalige Ladegleis der Haltestelle erneuert. Die Anlagen des Haltepunktes wurden während des Hochwassers im Jahr 2002 nur gering beschädigt und sind noch heute komplett erhalten. ;Kurort Kipsdorf Güterbahnhof Der Güterbahnhof in Kurort Kipsdorf war aus Platzgründen räumlich vom Personenbahnhof getrennt. Während seiner Existenz wurde er mehrfach erweitert, 1926 entstand die bis heute bestehende Lokomotiveinsatzstelle. 1935 wurde der bislang selbständige Güterbahnhof betrieblich mit dem Personenbahnhof vereinigt. Um 1970 wurden die Gleise letztmalig zum Güterumschlag genutzt. Später wurde auch hier der Bau von Garagen genehmigt. Im Jahr 2002 wurde das Planum des ehemaligen Bahnhofes durch die Wassermassen des Hochwassers weitgehend zerstört. ;Bahnhof Kurort Kipsdorf [[Datei:Bahnhof Kipsdorf.jpg|miniatur|Bahnhof Kurort Kipsdorf (2009)]] Der Bahnhof Kurort Kipsdorf erhielt sein heutiges Gesicht bei einem Umbau im Jahre 1934. Statt der alten beengte Bahnhofsanlage von 1883 entstand seinerzeit ein großzügig gestalteter Kopfbahnhof mit vier Bahnsteiggleisen. Als Besonderheit besitzt das Empfangsgebäude eine Einfahrt für die Gepäckwagen, so konnte früher das Gepäck der Urlaubsgäste direkt aus dem Wagen zur Gepäckausgabe gebracht werden. Vergleichsweise einmalig für deutsche Schmalspurbahnen ist die Ausrüstung des Bahnhofes mit einem eigenen Hochstellwerk; nur noch der Bahnhof Bertsdorf der [[Zittauer Schmalspurbahn]]en besitzt noch ein solches. Das Empfangsgebäude befindet sich heute im Eigentum der [[Altenberg (Erzgebirge)|Stadt Altenberg]], die darin ein ''Bürgerzentrum'' betreibt.<ref>[http://www.kipsdorf.com Homepage Kurort Kipsdorf]</ref> === Ingenieurbauten === ==== Brücken ==== [[Datei:Weißeritztalbahn Wiederaufbau4.jpg|miniatur|Die neue Stabbogenbrücke bei Rabenau im Bau (Oktober 2008)]] [[Datei:Bruecke Seifersdorf.jpg|miniatur|Die Brücke in Seifersdorf überspannt die ehemalige Trasse (heute Wanderweg) und die Rote Weißeritz (Dezember 2008)]] [[Datei:Bruecke Borlasbach.jpg|miniatur|Einfache Blechträgerbrücke an der Einmündung des [[Borlasbach]]es in die Rote Weißeritz (2008)]] ;Weißeritzbrücken km 2,556, 2,941, 3,123 und 3,196 Die vier Brücken wurden 1881 in massiver Bauweise als Steinbogenbrücke erstellt. Die geringen Zugmassen ermöglichten eine sehr schlanke, formschöne Konstruktion, welche bis heute den mittlerweile gestiegenen Anforderungen des Bahnbetriebes vollauf genügt. In jüngerer Zeit erhielten alle Brücken eine neue Fahrbahnwanne aus [[Stahlbeton]]; zuletzt die Brücke am Wasserkraftwerk bei Kilometer&nbsp;2,556 im Jahr 2008. Die Brücke nach dem ehemaligen Tunnel am Einsiedlerfelsen bei Kilometer&nbsp;3,196 wurde bei dem Hochwasser 2002 komplett weggerissen. Im Laufe des Jahres 2008 wurde sie in ähnlicher Form als Stahlbetonkonstruktion mit Natursteinverblendung wieder aufgebaut. ;Weißeritzbrücke km 5,391 Die Brücke bei Kilometer&nbsp;5,391 liegt an einer der engsten Stellen des Rabenauer Grundes unmittelbar nach dem Bahnhof Rabenau. Wegen ihrer exponierten Lage an einer Flussbiegung wurde sie bei den beiden großen Hochwassern in den Jahren 1897 und 2002 jeweils schwer in Mitleidenschaft gezogen. Die erste Brückenkonstruktion bestand aus genieteten Blechträgern in Bogenbauweise, 1931 wurde sie wegen der notwendigen Erhöhung der Achslasten durch eine neue dreifeldrige Brücke aus geraden Blechträgern ersetzt. Im Herbst 2008 wurde eine neue [[Stabbogenbrücke]] eingebaut, die nunmehr ohne Pfeiler im Flussbett auskommt. ;Brücke Seifersdorf Die 70&nbsp;Meter lange Brücke über die alte bisherige Trasse und die Weißeritz bei Seifersdorf wurde 1911 im Rahmen der Neutrassierung des Abschnittes Spechtritz–Dippoldiswalde errichtet. Sie besteht aus Stahlbeton mit einer Natursteinverblendung. ;Brücke Goldgrubenweg Auch die 45&nbsp;Meter lange Brücke über den Goldgrubenweg liegt im bis 1913 neutrassierten Abschnitt Spechtritz–Dippoldiswalde. Bis in die 1990er Jahre trug die Brücke einen Windschutzzaun, um bei hohen seitlichen Winddrücken ein Entgleisen und Umkippen von Zügen zu verhindern. Im Rahmen der Wiederaufbauarbeiten nach dem Hochwasser 2002 erhielt sie eine neue Gewölbeabdichtung. ;Brücke Bormannsgrund Die Brücke über den Bormannsgrund führt heute über einen Seitenarm der Talsperre Malter. Ursprünglich war der Bau einer kombinierten Brücke für Straße und Bahn als dreifeldrige Blechträgerbrücke angedacht, gebaut wurden jedoch zwei separate Brücken in Steinbogenbauweise. Fertiggestellt wurde die 66 Meter lange Brücke im August 1911.<ref>THIEL 1994 S.&nbsp;34</ref> Sie besteht aus Stampfbeton mit Natursteinverblendung. Auch die Brücke Bormannsgrund besaß ursprünglich einen Windschutzzaun. ;Viadukt Schmiedeberg Der Viadukt Schmiedeberg ist mit 191&nbsp;Metern Gesamtlänge das längste Brückenbauwerk entlang der Weißeritztalbahn. Die Brücke wurde erst 1920 im Rahmen der Neutrassierung des Abschnittes Obercarsdorf–Buschmühle über die Einmündung des [[Pöbelbach]]tales in der Ortslage Schmiedeberg errichtet. Wegen der seinerzeit hohen Stahlpreise wurde anstatt der ursprünglich konzipierten Stahlträgerbrücke eine Bogenbrücke mit acht Bögen in [[Stahlbeton]]konstruktion ausgeführt.<ref>THIEL 1994 S.&nbsp;39</ref> Aus optischen Gründen erhielt die Brücke eine Natursteinverkleidung. ==== Tunnel ==== [[Datei:Tunnel Rabenau.jpg|miniatur|ehemaliger Tunnel bei Rabenau]] Beim Bau der Weißeritztalbahn wurde im Rabenauer Grund nahe dem Einsiedlerfelsen auch ein kurzer, nur 17&nbsp;Meter langer Tunnel erstellt. Am 11.&nbsp;Oktober 1881 erfolgte der Durchschlag, am 5.&nbsp;April 1882 war der Tunnel mit dem Setzen des Schlusssteines fertiggestellt.<ref>THIEL 1994 S.&nbsp;19</ref> Nach der Jahrhundertwende plante man die Beförderung normalspuriger Güterwagen mit [[Rollwagen]] auf der Weißeritztalbahn. Voraussetzung dafür war eine erhebliche Erweiterung des vorhandenen [[Lichtraumprofil]]es. In dem Zusammenhang wurde der Tunnel vom 28.&nbsp;Mai bis 15.&nbsp;August 1905 durch die [[Deuben (Freital)|Deubener]] Baufirma ''Emil Partzsch'' abgetragen.<ref>THIEL 1994 S.&nbsp;65</ref> Heute befindet sich an Stelle des Tunnels ein Einschnitt. == Fahrzeugeinsatz == →''Siehe auch: [[Sächsische Schmalspurbahnen#Fahrzeuge|Hauptartikel Sächsische Schmalspurbahnen]]'' === Lokomotiven === [[Datei:IV K Seifersdorf.jpg|miniatur|Sächsische IV K (99 608) in Seifersdorf (2006)]] [[Datei:Weisseritztalbahn 99.1747.jpg|miniatur|Einheitslokomotive 99 1746 in Dippoldiswalde (2008)]] In den ersten Betriebsjahren wurde der Zugverkehr zunächst mit den recht leistungsschwachen dreifachgekuppelten [[Sächsische I K|I-K]]-Lokomotiven abgewickelt. Schon bald zeigte es sich jedoch, dass diese kleinen Lokomotiven mit den steigenden Zugmassen überfordert waren. 1885 beschafften die Kgl. Sächs. Staatseisenbahnen darum zwei Lokomotiven von R.&nbsp;&&nbsp;W. Hawthorn aus England. Diese als [[Sächsische II K|II&nbsp;K]] bezeichneten Lokomotiven bewährten sich allerdings nicht. Sie blieben bis 1903 bzw. 1909 auf der Weißeritztalbahn und wurden danach verschrottet. Über zwei Jahrzehnte war die ab 1892 beschaffte [[Sächsische IV K|Gattung IV&nbsp;K]] (DR-Baureihe 99.51–60) die Stammlokomotive auf der Weißeritztalbahn. Diese Lokomotiven waren durch ihre Drehgestellbauart sehr kurvengängig und zugleich ungewöhnlich leistungsstark. Allerdings waren auch die IV&nbsp;K mit den überlangen Zügen des Wintersportverkehrs oft überfordert. Als erste wirklich leistungsfähige Bauart kam nach dem Ersten Weltkrieg die [[Sächsische VI K|Gattung VI&nbsp;K]] (DR-Baureihe 99.65–71) auf der Weißeritztalbahn zum Einsatz. Diese fünffachgekuppelten Lokomotiven nach dem [[Gölsdorf-Achse|Gölsdorf-Prinzip]] blieben bis Anfang der 1950er Jahre auf der Weißeritztalbahn. Ab 1928 gelangten fabrikneu die ersten Einheitslokomotiven der [[DRG-Baureihe 99.73–76]] zur Weißeritztalbahn. Nun war es möglich, auch die überlangen Wintersportzüge mit nur einer Lokomotive bergwärts zu befördern. Bis heute ist diese Baureihe prägend für den Betrieb auf der Weißeritztalbahn. Erst in den 1970er Jahren kamen infolge der Stilllegung der [[Trusebahn]] und der Strecken des [[Thumer Netz]]es auch einige Neubaulokomotiven der [[DR-Baureihe 99.77–79]] zur Weißeritztalbahn. Derzeit sind in Freital-Hainsberg drei betriebsfähige Lokomotiven für den planmäßigen Zugverkehr beheimatet. Es handelt sich dabei um die beiden Einheitslokomotiven 99&nbsp;1746 und 99&nbsp;1761 und die Neubaulokomotive 99&nbsp;1771. (Stand: 27.&nbsp;Januar 2009<ref>[http://www.ig-weisseritztalbahn.de/Lokomotiven/aktuell.htm Aktueller Lokomotivbestand auf www.weisseritztalbahn.de]</ref>) Seit 2002 befindet sich auch eine Diesellokomotive der rumänischen Bauart [[PKP-Baureihe Lxd2|L45H]] bei der Weißeritztalbahn, welche vom [[Oberschlesische Schmalspurbahn|Oberschlesischen Schmalspurnetz]] in Polen stammt.<ref>[http://www.tabor.wask.pl/egzemplarz.php?&id=50249&foto=833#opzdj Beschreibung der Lxd2-358 auf www.tabor.wask.pl]</ref> Während der Wiederaufbauarbeiten 2007 und 2008 kam sie im Bauzugverkehr zum Einsatz. === Wagen === [[Datei:Weißeritztalbahn Schneepflug DR 97-09-14 SPS 037 01.JPG|miniatur|Der Schneepflug der Weißeritztalbahn, im Hintergrund die [[PKP-Baureihe Lxd2|L45H-358]]]] Die eingesetzten Wagen entsprachen den allgemeinen sächsischen Bau- und Beschaffungsvorschriften für die Schmalspurbahnen und konnten daher freizügig mit Fahrzeugen anderer sächsischer Schmalspurstrecken getauscht werden. Jahrzehntelang prägend war für die Weißeritztalbahn ein großer Bestand an Einheitsreisezugwagen, die in den Jahren 1928 bis 1933 geliefert worden waren. Noch bis in die 1980er Jahre bestanden Reisezüge oftmals typenrein aus diesen Fahrzeugen. Heute kommen in den planmäßigen Reisezügen nur noch modernisierte [[Reko-Wagen (Eisenbahn)|Reko-Wagen]] zum Einsatz, welche von 1977 bis 1992 in der [[Werkabteilung Perleberg]] des [[Reichsbahnausbesserungswerk Wittenberge|Raw Wittenberge]] auf den alten Fahrgestellen neu aufgebaut wurden. == Die Weißeritztalbahn als Versuchsstrecke == [[Datei:Scharfenbergkupplung-Schmalspurbahnen-Sachsen.jpg|miniatur|In den 1920er Jahren wurde die [[Scharfenbergkupplung]] auf der Weißeritztalbahn erprobt]] Wegen ihrer Nähe zu Dresden und ihres Streckenprofils diente die Weißeritztalbahn auch als Versuchsstrecke: * 1885 kamen zwei Lokomotiven der [[Sächsische II K|Gattung II&nbsp;K]] des englischen Herstellers Hawthorn zur Weißeritztalbahn. Sie waren als leistungsstärkerer Nachfolger für die vergleichsweise leistungsschwachen I&nbsp;K konzipiert. Allerdings erwiesen sie sich aufgrund ihres hohen Gewichtes und der ungünstigen [[Führerhaus]]gestaltung für den Einsatz auf den sächsischen Schmalspurbahnen als ungeeignet. * 1912 wurde auf der Weißeritztalbahn ein Zugverband mit der neuartigen [[Saugluftbremse]] Bauart Körting erprobt. Da sich das System bewährte, begann im Herbst 1913 zunächst die Umrüstung der Fahrzeuge der Weißeritztalbahn. Ab 1914 wurde die Saugluftbremse auf den sächsischen Schmalspurbahnen allgemein eingeführt.<ref>FISCHER, HOYER, SCHULZ 1998 S.&nbsp;154–158</ref> * 1922 versah man zwei Wagen versuchsweise mit einer einfachen Bauform der neu entwickelten [[Scharfenbergkupplung]] und erprobte diese fortan im Betriebseinsatz. Im Juli 1925 wurden die Wagen gemeinsam mit der ebenso umgebauten IV&nbsp;K 99&nbsp;597 auf der Verkehrsausstellung in [[München]] präsentiert. Um 1927 verkehrte ein kompletter Versuchszug mit der neuen Kupplung. Da sich das neue System bewährte, wurden die ab 1928 neu gelieferten Einheitswagen bereits mit Scharfenbergkupplung ausgeliefert.<ref>FISCHER, HOYER, SCHULZ 1998 S.&nbsp;150f</ref> * Vom 15.&nbsp;September bis 20.&nbsp;Oktober 1947 erprobte die Firma [[Orenstein & Koppel|Orenstein&nbsp;&&nbsp;Koppel]] aus [[Potsdam-Babelsberg]] die vierfachgekuppelte [[Schlepptender]]lokomotive [[SŽD-Baureihe ГР|ГР&nbsp;001]] (GR&nbsp;001) auf der Weißeritztalbahn, welche für die [[Waldbahn]]en der [[Sowjetunion]] vorgesehen war. Die Probelokomotive verblieb später als 99 1401 im Bestand der Deutschen Reichsbahn, sie kam auf der [[Bahnstrecke Glöwen–Havelberg|Strecke Glöwen–Havelberg]] zum Einsatz. Die Sowjetunion erhielt bis 1954 insgesamt 427&nbsp;Lokomotiven dieses Typs als [[Reparationen|Reparation]]sleistung. * Am 19.&nbsp;August 1952 absolvierte die ''Neubaulokomotive'' [[DR-Baureihe 99.77–79|99&nbsp;771]] auf der Weißeritztalbahn ihre erste Probefahrt. Bis 1956 wurden insgesamt 24&nbsp;Lokomotiven dieser Bauart für die sächsischen Schmalspurbahnen in Dienst gestellt. * In den 1950er Jahren fanden Leistungsmessungen an Lokomotiven der Gattung IV K statt, um Vergleichsdaten für eine neu zu beschaffende Diesellokomotive zu erhalten. Ein avisierter Probeeinsatz der tschechoslowakischen [[ČSD-Baureihe T 47.0|Reihe T&nbsp;47.0]] musste aus technischen Gründen abgesagt werden.<ref>THIEL 1994 S.&nbsp;30</ref> * Im Mai 1962 absolvierten die neuen Streckendiesellokomotiven [[DR-Baureihe V 36.48|V&nbsp;36&nbsp;4801 und&nbsp;4802]] auf der Weißeritztalbahn Probefahrten. Wegen technischer Mängel blieb es bei den beiden Baumustern, die nie planmäßig eingesetzt und bald verschrottet wurden. * 1982 verkehrte auf der Weißeritztalbahn erstmals ein Zugverband mit [[Druckluftbremse (Eisenbahn)|KE-Druckluftbremse]]. Wenig später wurde sie auf den verbliebenen sächsischen Schmalspurbahnen allgemein eingeführt. == Die IG Weißeritztalbahn == Die „Interessengemeinschaft Weißeritztalbahn e.&nbsp;V.“ ist ein gemeinnütziger Verein von Eisenbahnfreunden. Gegründet wurde er 1978 als „Arbeitsgemeinschaft&nbsp;3/67“ des [[Deutscher Modelleisenbahner Verband|Deutschen Modelleisenbahner Verbandes]] (DMV). In den ersten Jahren unterstützte der Verein mit freiwilligen Arbeitseinsätze die Bahnmeisterei bei der Gleiserneuerung, später widmete er sich auch der Erhaltung der Bahnhofsgebäude. Ein wichtiges Ergebnis der Vereinsarbeit ist auch der seit 1980 eingesetzte Salonwagen, der seinerzeit aus einem ausgemusterten Einheitsreisezugwagen entstand. Nach dem Hochwasser 2002 kämpfte der Verein mit vielfältigen Aktionen für den Erhalt der Weißeritztalbahn. So wurde eine Spendensammlung initiiert, um zumindest einige Teilabschnitte des zerstörten Gleises wieder aufbauen zu können. Zwischen 2003 und 2006 organisierte der Verein auf dem wieder hergerichteten Abschnitt zwischen Seifersdorf und Dippoldiswalde Sonderfahrten.<ref>[http://www.ig-weisseritztalbahn.de/IGW/IGW.htm Vereinsgeschichte auf www.weißeritztalbahn.de]</ref> Die IG Weißeritztalbahn hat ihren Vereinssitz im Bahnhof Freital-Hainsberg. == Film == * SWR: ''[[Eisenbahn-Romantik]] – Die Weißeritztalbahn'' (Folge 224) == Literatur == * Hans-Christoph Thiel: ''Die Weißeritztalbahn – Schmalspurbahn Freital-Hainsberg–Kurort Kipsdorf'', Verlag Kenning, Nordhorn 1994, ISBN 3-927587-21-4 * Erich Preuß, Reiner Preuß: ''Schmalspurbahnen in Sachsen'', transpress Verlag, Stuttgart 1998, ISBN 3-613-71079-X * Gustav W. Ledig: ''Die schmalspurigen Staatseisenbahnen im Königreiche Sachsen'', Leipzig 1895. Reprint: Zentralantiquariat der DDR, Leipzig 1987, ISBN 3-7463-0070-3 * Rainer Fischer, Sven Hoyer, Joachim Schulz: ''Die Wagen der sächsischen Sekundärbahnen'', EK-Verlag, Freiburg i. Br, 1998. ISBN 3-88255-682-X * SSBMedien mbH (Hg.): ''Osterzgebirge - Die Weißeritztalbahn. Schmalspurbahn Freital-Hainsberg - Kurort Kipsdorf'', Dampfbahn-Magazin-Special 3-2009, Zittau 2009 * Prof. Dr.-Ing. Hans-Christoph Thiel, Christian Eißner: ''Wieder unter Dampf - Wiederaufbau der Weißeritztalbahn nach der Augustflut 2002'', Edition Sächsische Zeitung, Redaktions- und Verlagsgesellschaft Freital-Pirna, Freital, 2008 ISBN 978-3-936642-04-9 == Weblinks == {{Commons|Weißeritztalbahn}} * [http://www.weisseritztalbahn.com/ Internetpräsentation der SDG zur Weißeritztalbahn] * [http://www.weisseritztalbahn.de/ Internetpräsentation der IG Weißeritztalbahn e.&nbsp;V.] * [http://www.sachsenschiene.de Beschreibung sächsischer Bahnstrecken] * [http://www.eisenbahntunnel-portal.de/lb/inhalt/tunnelportale/6966.html Bilder der ehemaligen Tunnelportale] * [http://www.paranomia.de/weisseritztalbahn.htm Videos von der Weißeritztalbahn] == Einzelnachweise == <references/> {{Navigationsleiste Sächsische Schmalspurbahnen}} [[Kategorie:Bahnstrecke in Sachsen]] [[Kategorie:Spurweite 750 mm]] [[Kategorie:Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge]] {{Exzellent}} [[cs:Weisseritzská dráha]] [[en:Weisseritz Valley Railway]] 8el392vwxjnj8gtgrv296nail6udz0n wikitext text/x-wiki Weißspitzen-Hochseehai 0 24498 27100 2010-05-01T23:30:25Z Achim Raschka 104 <!-- Für Informationen zum Umgang mit dieser Tabelle siehe bitte [[Wikipedia:Taxoboxen]]. --> {{Taxobox | Taxon_Name = Weißspitzen-Hochseehai | Taxon_WissName = Carcharhinus longimanus | Taxon_Rang = Art | Taxon_Autor = ([[Poey]], 1861) | Taxon2_WissName = Carcharhinus | Taxon2_Rang = Gattung | Taxon3_Name = Requiemhaie | Taxon3_WissName = Carcharhinidae | Taxon3_Rang = Familie | Taxon4_Name = Grundhaie | Taxon4_WissName = Carcharhiniformes | Taxon4_Rang = Ordnung | Taxon5_WissName = Galeomorphii | Taxon5_Rang = Überordnung | Taxon6_Name = Plattenkiemer | Taxon6_WissName = Elasmobranchii | Taxon6_Rang = Unterklasse | Bild = Carcharhinus longimanus 1.jpg | Bildbeschreibung = Weißspitzen-Hochseehai (''Carcharhinus longimanus''), begleitet von [[Lotsenfisch]]en (''Naucrates ductor'') }} Der '''Weißspitzen-Hochseehai''' (''Carcharhinus longimanus''), auch '''Hochsee-Weißflossenhai''' genannt, ist ein Vertreter der [[Familie (Biologie)|Familie]] der [[Requiemhaie|Requiem- oder Grauhaie]]. Er ist als Hochseehai weltweit in tropischen, subtropischen und warm-gemäßigten Regionen beheimatet und gehört zu den größten Haien der Welt. Er wird als für den Menschen gefährlich eingestuft, eine Reihe von Angriffen ist dokumentiert. Aufgrund der hohen [[Mortalität]] durch die Hochseefischerei ist die ehemals sehr häufige Art gefährdet, für einige Meeresgebiete wird der Bestandsrückgang als kritisch beurteilt.<ref name="IUCN">{{IUCN|Year=2006|ID=39374|ScientificName=Carcharhinus longimanus|YearAssessed=2005|Assessor=J. Baum, E. Medina, J.A. Musick, M. Smale|Download=16. Oktober 2008}}</ref> == Merkmale == Mit einer Körperlänge bis zu 390&nbsp;cm gehört der Weißspitzen-Hochseehai zu den größten Haien, er erreicht allerdings selten mehr als 300&nbsp;cm Länge. Die Durchschnittslängen liegen bei 180 bis 190&nbsp;cm, wobei die Weibchen in der Regel etwas größer werden als die Männchen.<ref name="Compagno_1984">Compagno 1984, Seiten 484–86</ref> Dabei hat er ein maximales Gewicht von fast 170 Kilogramm, das bisher schwerste Tier wog 167,5&nbsp;kg.<ref name="flmnh" /> Die Art hat den für die Requiemhaie typischen Körperbau, wobei häufig ein leichter Buckel ausgebildet ist. Charakteristisch sind seine im Vergleich zu fast allen anderen Haiarten sehr langen, abgerundeten Flossen. Dies betrifft besonders die erste Rückenflosse, die ebenso wie die flügelartigen Brustflossen sehr groß ist. Der Beginn der ersten Rückenflosse liegt unmittelbar hinter dem Ende der freien Innenkante der Brustflossen. Ein [[Interdorsalkamm]] kann vorhanden sein, ist dann jedoch nur wenig entwickelt. Die zweite Rückenflosse ist deutlich kleiner als die erste. Die Analflosse ist ebenfalls größer als die zweite Rückenflosse und in einer langen Spitze ausgezogen, ihr Hinterrand ist dadurch stark [[Krümmung|konkav]]. Die Schwanzflosse besitzt einen vergleichsweise kleinen unteren und einen sehr großen oberen [[Lobus]]. [[Bild:Calon u0.gif||thumb|Zeichnung des Weißspitzen-Hochseehais]] Seine Rückenfarbe ist grau-braun bis bronzefarben oder bläulich, wobei die Färbung regional variieren kann. Der Bauch ist weiß und kann einen gelblichen Ton aufweisen; der Übergang zu den Flanken ist scharf begrenzt. Die Unterseiten der Brustflossen sind ebenfalls weiß und können vor allem an den Kanten sowie zum freien hinteren Ende hin die Rückenfarbe annehmen. Die Schwanzflosse sowie die erste Rückenflosse, die Brustflossen und die Bauchflossen weisen auffällige, weiße Spitzen auf, die weite Teile der Flossen einnehmen können, während die zweite Rückenflosse und die Analflosse mit einem unregelmäßigen schwarzen Muster der Spitzen gezeichnet sind. Die weißen Spitzen sind vor allem bei den Jungtieren stark ausgeprägt, bei ausgewachsenen Haien können sie auch fehlen. Neben den Spitzen weisen die großen Flossen oft zusätzlich weiße Sprenkel auf, die bei Jungtieren auch schwarz sein können. Zwischen der ersten und der zweiten Rückenflosse kann zudem ein sattelähnlicher, weißer Fleck vorhanden sein.<ref name="flmnh">Cathleen Bester: ''[http://www.flmnh.ufl.edu/fish/Gallery/Descript/OceanicWT/OceanicWT.html Oceanic Whitetip Shark.]'' Florida Museum of Natural History. Aufgerufen am 15. Oktober 2008</ref> Die Schnauze ist lang und breit abgeflacht, in der Aufsicht ist sie stark abgerundet. Das Maul ist von unten betrachtet breit und parabolisch mit kurzen [[Labialfalte]]n. Der Hai besitzt im Oberkiefer je Kieferseite 14 bis 15 dreieckige, große Zähne mit stark gesägten Kanten. Im Unterkiefer sitzen je Seite 13 bis 15 Zähne, die deutlich kleiner und ebenfalls dreieckig sind. Die Unterkieferzähne besitzen eine schmale, gezähnte Spitze und sind leicht gebogen. Hinter diesen Zähnen liegen fünf bis sieben weitere, flach anliegende Zahnreihen, die bei Bedarf in die Hauptreihe nachrücken. Die Augen sind relativ klein und rund und besitzen eine [[Nickhaut]],<ref name="flmnh" /> sie sind mittig am Kopf angeordnet. Die Nasalgruben sind klein, ein [[Spritzloch]] fehlt. Insgesamt besitzt der Hai wie alle Arten der Gattung fünf Kiemenspalten, wobei die letzten beiden über der Basis der Brustflosse angeordnet sind. == Verbreitung und Lebensraum == [[Datei:Carcharhinus longimanus distmap.png|thumb|Verbreitungsgebiete des Weißspitzen-Hochseehais]] Der Weißspitzen-Hochseehai ist weltweit in tropischen, subtropischen und warm-gemäßigten Hochseeregionen beheimatet. Die Wassertemperatur im Verbreitungsgebiet beträgt 18&nbsp;°C bis 28&nbsp;°C. Dies trifft für den westlichen Atlantik von [[Maine]] (USA) bis [[Argentinien]] zu, einschließlich der [[Karibik]] und dem [[Golf von Mexiko]]. Auch im [[Rotes Meer|Roten Meer]] und im gesamten [[Indischer Ozean|Indischen Ozean]] ist dieser Hai anzutreffen. Im westlichen [[Pazifischer Ozean|Pazifik]] liegt sein Verbreitungsgebiet zwischen China und dem Norden [[Australien|Australiens]] bis zu den [[Philippinen]]; im Zentralpazifik wurde er in der Nähe von [[Hawaii]], [[Tahiti]], dem [[Tuamotu-Archipel]] gesichtet, im östlichen Pazifik vor den [[Galápagos-Inseln]], dem südlichen [[Kalifornien]] bis [[Peru]]. [[Datei:Longimanus Okt2009.jpg|thumb|Ein Weißspitzen-Hochseehai mit seiner Flottille an Lotsenfischen im Roten Meer (Ägypten), direkt unter der Wasseroberfläche]] Im [[Mittelmeer]] ist der Weißspitzen-Hochseehai ein Gelegenheitsgast und nur sehr selten anzutreffen. Die Tiere wandern wahrscheinlich über die [[Straße von Gibraltar]] oder den [[Suez-Kanal]] ein. So wurde 1978 ein 2,50 Meter langes Tier in einem der Kanäle in [[Venedig]] gefangen, 1998 wurde ein etwa 3 Meter langer Hai vor [[Martigues]], Frankreich, von einem Taucher gesichtet.<ref name="Maddalena">de Maddalena & Bänsch 2005; Seiten 192–194</ref> Die Fortpflanzung findet im Mittelmeer nicht statt. Als Lebensraum bevorzugen die Tiere offenes Freiwasser ([[Pelagial]]) über Tiefseebereichen mit Wassertiefen von mindestens 180 Metern. Außerdem findet man sie im Bereich von Kontinental- und Insel[[Schelf|sockeln]] mit Wassertiefen von mindestens 35 Metern sowie über [[Kontinentalhang|Kontinentalhängen]]. Die Tiefenverbreitung reicht von der Wasseroberfläche bis in Tiefen von mindestens 152 Metern.<ref name="Maddalena" /> Im Roten Meer begleitet der Hai oft [[Safari]]<b/>boote.<ref name=rfrm>E. Lieske, R. Myers: ''Korallenriff-Führer Rotes Meer.'' 2004, Franckh-Kosmos Verlag, Stuttgart, ISBN 3440093565, S.&nbsp;15</ref> == Lebensweise == === Verhalten === Der Weißspitzen-Hochseehai ist ein sehr aktiver und meist mit geringem bis moderatem Tempo schwimmender Hochseehai. Dabei breitet er die großen Brustflossen weit aus. Er ist tag- und nachtaktiv, wobei er vor allem tagsüber in der Nähe der Wasseroberfläche schwimmt. Der Hai ist im Regelfall ein Einzelgänger, der sich jedoch zur Jagd auch in kleineren oder größeren Gruppen zusammenfinden kann. Dabei wurden Gruppenbildungen nach Größe und Geschlecht beobachtet. Der Hai wird als sehr neugierig beschrieben und kommt Tauchern sehr nahe. Zugleich ist er sehr ausdauernd und kann, vor allem in direkter Konkurrenz um Nahrung mit [[Seidenhai]]en, auch sehr aggressiv werden. Der französische Meeresforscher [[Jacques-Yves Cousteau|Cousteau]] beschreibt Carcharhinus longimanus als die für den Menschen gefährlichste Haiart.<ref>Jacques-Yves Cousteau & Philippe Cousteau: ''The Shark: Splendid Savage of the Sea.'' Doubleday & Company, 1970</ref> === Ernährung === [[Bild:Oceanic Whitetip Shark.JPG|thumb|right|Weißspitzen-Hochseehai (''Carcharhinus longimanus'') begleitet von [[Lotsenfisch]]en (''Naucrates ductor'')]] Der Weißspitzen-Hochseehai ernährt sich in erster Linie von mittelgroßen bis großen Hochseefischen, darunter [[Stachelmakrele]]n, [[Goldmakrele]]n, [[Thunfische]]n, [[Schwertfische]]n und [[Barrakuda]]s. Aber auch [[Meeresschildkröten]], [[Delfine]], [[Tintenfische]], Meeresvögel, Krebse oder Schnecken gehören zu seinem Nahrungsspektrum. Zudem frisst er Abfall von Schiffen und [[Kadaver]], beispielsweise von Walen; wie andere große Haie verschluckt er auch regelmäßig unverdaubare Gegenstände. Der Hai jagt beispielsweise, indem er beißend in Fischschwärme schwimmt. Es wurde auch beobachtet, dass er mit offenem Maul Thunfischschwärme durchquert, bis die Fische direkt hineinschwimmen. Die Jagd auf Hochseefische macht die Überwindung langer Strecken nötig. Ebenso wie andere pelagische Raubfische wie der [[Seidenhai]] (''C. falciformis''), der [[Blauhai]] (''Prionace glauca''), der [[Tigerhai]] (''Galeocerdo cuvier'') oder auch der [[Weißer Hai|Weiße Hai]] (''Carcharodon carcharias'') ist er in der Auswahl der Beutetiere nicht wählerisch und attackiert auf der Jagd alle der Größe nach passenden möglichen Beutetiere (opportunistischer Räuber). Die breite Nahrungspalette ermöglicht es diesen Arten, mit fast jedem marinen Habitat zurechtzukommen.<ref>Exkurs ''Opportunistischer Räuber'' im Artporträt ''Tigerhai'', de Maddalena & Bänsch 2005; Seite 2007</ref> Entsprechend kann er allerdings auch für Schwimmer und Taucher potentiell gefährlich werden, da er auch diese als Beute betrachtet. Dieser Hai bildet zwar keine Schulen, jagt aber manchmal in Gruppen, vor allem die jüngeren Haie schließen sich zu solchen zusammen. Bei größeren Beutetieren und Kadavern können sie auch gemeinsam mit anderen Hochseehaien, vor allem [[Blauhai]]en und [[Hammerhaie]]n, auftauchen. Auch Vergesellschaftungen mit [[Grindwale|Grindwal]]-Schulen sind bekannt, bei denen die Haie von den von diesen gejagten Fischschwärmen profitieren. === Fortpflanzung === Der Weißspitzen-Hochseehai ist wie andere Arten der Gattung ''[[Carcharhinus]]'' lebendgebärend ([[Viviparie|vivipar]]) und bildet eine [[Dottersack]]-[[Plazenta]]. Die 1 bis 15 Junghaie kommen nach einer Tragzeit von etwa 12 Monaten auf die Welt, wobei die älteren Weibchen mehr Junge haben. Die Weibchen gebären ihre Jungtiere in seichten Küstengebieten mit trübem Wasser. Dabei wurde bei den Tieren im westlichen Nordatlantik sowie im südwestlichen [[Indik]] eine [[Saisonalität]] der Wurfzeit im Frühsommer festgestellt, während im Zentralpazifik das gesamte Jahr über trächtige Weibchen gefangen werden können und hier Geburt und Paarung offensichtlich nicht an feste Saisonzeiten gebunden sind.<ref name=hennemann>{{Vorlage:BibISBN|3861325845|Seite=141–143}}</ref> Die Jungtiere haben eine Größe von etwa 60 bis 65 Zentimetern, bis zu einer Größe von 120 cm besitzen sie noch schwarze Flossenspitzen. Die Geschlechtsreife erreichen die Tiere mit 175 bis 200 cm. Dies dürfte auch, zusammen mit dem langsamen Heranwachsen der Jungen, ein Grund dafür sein, dass die Vermehrungsrate dieses Hais trotz der Mehrlingsgeburten nicht besonders hoch ist. == Taxonomische Beschreibung == [[Bild:Lesson and Poey.jpg|thumb|upright=0,8|[[René-Primevère Lesson]] (1794–1849) und [[Felipe Poey]] (1799–1891)]] Die Erstbeschreibung des Weißspitzen-Hochseehais erfolgte durch [[René-Primevère Lesson]] in seinen Aufzeichnungen während der Weltumsegelung von [[Louis Isidore Duperrey|Louis Duperrey]] 1822&ndash;1825 mit der ''La Coquille''. Lesson beschrieb zwei Individuen, die er im [[Tuamotu-Archipel]] in [[Französisch-Polynesien]] entdeckte und benannte den Hai als ''Squalus maou'' nach dem polynesischen Wort für "Hai". Diese Erstbeschreibung ging allerdings verloren und wurde vergessen.<ref name="ITIS">''[http://www.itis.usda.gov/servlet/SingleRpt/SingleRpt?search_topic=TSN&search_value=160330 Integrated Taxonomic Information System: Carcharhinus longimanus.]'' Aufgerufen am 15. Oktober 2008.</ref> 1861 erfolgte eine erneute Beschreibung der Art durch den Kubaner [[Felipe Poey]] unter dem Namen ''Squalus longimanus''.<ref name="ITIS"/> Dabei bezieht sich das [[Epitheton]] ''longimanus'' (aus dem Latein für "lange Hand") auf die Größe der Brustflossen des Hais,<ref name="flmnh" /> die im Vergleich zu anderen Arten flügelartig vergrößert sind. Nach verschiedenen taxonomischen Revisionen wurde der Hai später als ''Pterolamiops longimanus'' und abschließend unter dem heute gültigen Namen ''Carcharhinus longimanus'' eingeordnet. Nach den Regeln der [[Internationale Kommission für Zoologische Nomenklatur|Internationalen Kommission für Zoologische Nomenklatur]] (ICZN) wird die erste veröffentlichte Beschreibung als Priorität für die Namensgebung genutzt. Entsprechend müsste der wissenschaftliche Name ''Carcharhinus maou'' für diese Art bevorzugt werden. Da die Erstbeschreibung Lessons allerdings so lang verschollen und unbekannt war, wurde der Name ''Carcharhinus longimanus'' als allgemein akzeptierter wissenschaftlicher Name beibehalten.<ref name="Compagno_1984" /> == Systematik == [[Bild:Carcharinus galapagensis 1.jpg|thumb|[[Galapagoshai]] (''C. galapagensis'')]] Der Weißspitzen-Hochseehai wird heute als eine Art der Gattung ''[[Carcharhinus]]'' eingeordnet und lässt sich von den anderen Vertretern der Gattung durch eine Reihe morphologischer Merkmale sauber abgrenzen. Die Gattung umfasst aktuell etwa 30 Arten<ref>nach [http://www.itis.gov/servlet/SingleRpt/SingleRpt?search_topic=TSN&search_value=160267 ITIS] sind es 31 Arten, der Artstatus einzelner Arten ist jedoch noch nicht abschließend geklärt.</ref> Diese Art bildet innerhalb dieser Gattung wahrscheinlich eine [[Monophylum|monophyletische Gruppe]] mit dem [[Schwarzhai]] (''C. obscurus''), dem [[Galapagoshai]] (''C. galapagensis''), dem [[Seidenhai]] (''C. falciformis''), dem [[Sandbankhai]] (''C. plumbeus''), dem [[Großnasenhai]] (''C. altimus'') und dem [[Karibischer Riffhai|Karibischen Riffhai]] (''C. perezi'')<ref>G. J. P. Naylor: ''The phylogenetic relationships among Requiem and Hammerhead sharks: Inferring phylogeny when thousands of equally most parsimonious trees result.'' Cladistic 8, 1992; Seiten 295–318.</ref>, charakterisiert durch molekularbiologische Merkmale sowie morphologische Merkmale wie dem [[Interdorsalkamm]] auf dem Rücken sowie den großen dreieckigen Zähnen im Oberkiefer.<ref>Mine Dosay-Akbulut: ''The phylogenetic relationship within the genus Carcharhinusnext.'' Comptes Rendus Biologies 331 (7), 2008; Seiten 500–509. ([http://www.sciencedirect.com/science?_ob=ArticleURL&_udi=B6X1F-4SG01H3-1&_user=10&_rdoc=1&_fmt=&_orig=search&_sort=d&view=c&_version=1&_urlVersion=0&_userid=10&md5=70762785fed9cd6dc36a083df80ebc5c Abstract])</ref> Unterarten des Weißspitzen-Hochseehais sind nicht beschrieben. == Menschen und Weißspitzen-Hochseehaie == Der Weißspitzen-Hochseehai kann Menschen gefährlich werden. Durch seine Lebensweise fern den Küsten sind Begegnungen jedoch selten, allerdings gibt es eine Reihe von dokumentierten Fällen von Angriffen auf Schwimmer, Taucher und Boote durch diese Art sowie weitere, bei denen der Weißspitzen-Hochseehai als Angreifer vermutet wird.<ref name="Compagno 1984">Compagno 1984.</ref> Eine Reihe von Tauchern berichtet, dass Weißspitzen-Hochseehaie sie ausdauernd umkreist und sich in regelmäßigen Abständen genähert haben. Ihnen werden die meisten Unfälle nach Flugzeugabstürzen und Schiffsversenkungen in der Hochsee des Pazifiks während des [[Zweiter Weltkrieg|Zweiten Weltkriegs]] zugeschrieben.<ref name="hai.ch">[http://www.hai.ch/Datenbank/Suche/species.html?sh_id=1010 Weißspitzen-Hochseehai in der hai.ch-Datenbank]</ref> In diesen Fällen handelte es sich bei den Opfern vor allem um Verwundete, die eine leichte Beute für die Haie darstellten. Hennemann berichtet von einem Bericht des südafrikanischen ''Oceographic Research Institute'' (ORI), nach dem vermutet wird, dass Weißspitzen-Hochseehaie den Tod vieler Menschen verursacht haben, als vor der Küste von [[Natal (Provinz)|Natal]] das Schiff ''Nova Scotia'' von einem deutschen U-Boot versenkt wurde.<ref name="Compagno 1984_Bass">A.J. Bass, J.D. D'Aubrey, N. Kistnasamy: ''Sharks of the east coast of southern Africa. 1. The genus Carcharhinus (Carcharhinidae).'' Investigation Reports of the Oceanographic Research Institute, Durban, 33, 1973; zitiert in Compagno 1984.</ref> Auch der Großteil der Haiattacken auf die Überlebenden der ''[[USS Indianapolis (CA-35)|U.S.S. Indianapolis]]'' im Juli 1945 soll auf den Weißspitzen-Hochseehai zurückgehen.<ref>R. Aidan Martin: ''[http://www.elasmo-research.org/education/shark_profiles/carcharhinidae.htm Elasmo Research]''. Aufgerufen am 16. Oktober 2008.</ref> Diese Geschichte wurde im Kinofilm ''[[Der weiße Hai]]'' bei einem Monolog des Charakters Quint, gespielt von [[Robert Shaw]], ausführlich dargestellt. In dem [[Dokumentarfilm]] ''Blue water, white death'' von [[Jacques-Yves Cousteau]] wurden Weißspitzen-Hochseehaie gemeinsam mit einem großen [[Blauhai]] gefilmt, wie sie den Kadaver eines vorher durch Cousteau nach einem Unfall getöteten [[Pottwal]]kalbs „angriffen“. Das beteiligte Taucherteam berichtete, dass sich ihnen regelmäßig einzelne Haie annäherten und durch Schläge auf die Schnauze vertrieben werden mussten.<ref name="Compagno 1984" /> == Gefährdung und Populationsentwicklung == Die [[International Union for Conservation of Nature and Natural Resources|IUCN]] setzte ''Carcharhinus longimanus'' im Mai 2008 auf die ''[[Rote Liste gefährdeter Arten]]'' und stufte ihn als ''vulnerable'' (''gefährdet'') ein. Als Gefährdungsursache wird der Hohe Druck durch die [[Fischerei]] in einem großen Teil seines Verbreitungsgebietes angegeben. Er wird dabei vor allem als [[Beifang]] bei der [[Hochseefischerei]] mit Langleinen und Schleppnetzen gefangen. Seine sehr großen Flossen sind zudem sehr begehrt als Basis der bekannten [[Haifischflossensuppe]], der Kadaver wird nach der Entfernung der Flossen entsorgt. Aufgrund der sehr ungenauen Daten zur Hochseefischerei liegen keine konkreten Fangzahlen oder Angaben zur Populationsgröße und -veränderung vor.<ref name="IUCN"/> Einzelne Populationen im nordwestlichen und westlichen Atlantik gelten derzeit schon als ''vom Aussterben bedroht'' (''critically endangered''). In diesen gingen die Populationszahlen in den Jahren 1992 bis 2000 um über 70 % zurück. Im Golf von Mexiko betrug der Rückgang von den 1950er bis in die 1990er Jahre sogar 99,3 %.<ref name="IUCN" /><ref>[[International Union for Conservation of Nature and Natural Resources|IUCN]]: [http://www.iucn.org/search.cfm?uNewsID=979 ''You can swim but you can’t hide – more oceanic sharks on the IUCN Red List.''], Meldung vom 22. Mai 2008</ref> Während der Weißspitzen-Hochseehai noch vor ein paar Jahren gemeinsam mit dem Blauhai und dem Seidenhai als häufigste Großhaiart galt und sein Auftreten in Gebieten mit Meerestiefen über 180 Metern sehr häufig war, ist er heute nur noch gelegentlich anzutreffen.<ref name="IUCN" /> == Literatur == * L. J. V. Compagno: ''Sharks of the world. An annotated and illustrated catalogue of shark species known to date. Part 2. Carcharhiniformes.'' FAO Species Catalogue for Fishery Purposes Vol. 4. FAO Rom 1984, Seiten 484–86, 555–61, 588. ISBN 92-5-101383-7 ([http://www.fao.org/docrep/009/ad123e/ad123e00.htm Vollständiges PDF], [ftp://ftp.fao.org/docrep/fao/009/ad123e/ad123e27.pdf Artportrait]) * Leonard Compagno, Marc Dando, Sarah Fowler: ''Sharks of the World.'' Princeton Field Guides, Princeton University Press, Princeton und Oxford 2005, Seite 330, ISBN 978-0-691-12072-0 * Allessandro de Maddalena, Harald Bänsch: ''Haie im Mittelmeer'', Franckh-Kosmos Verlags-GmbH, Stuttgart 2005, Seiten 192–195, ISBN 3-440-10458-3 * {{Vorlage:BibISBN|3861325845|Seite=141–143}} == Einzelnachweise == <references /> == Weblinks == {{Commons|Category:Carcharhinus longimanus|Weißspitzen-Hochseehai}} * [http://www.hai.ch/Datenbank/Suche/species.html?sh_id=1010 Weißspitzen-Hochseehai in der hai.ch-Datenbank] * Cathleen Bester: ''[http://www.flmnh.ufl.edu/fish/Gallery/Descript/OceanicWT/OceanicWT.html Oceanic Whitetip Shark.]'' Florida Museum of Natural History. Aufgerufen am 15. Oktober 2008 * Ben S. Roesch: ''Biology and Behaviour of the Oceanic Whitetip (Carcharhinus longimanus = [maou])'' [http://www.ncf.carleton.ca/~bz050/whitetip.html online] [[Kategorie:Requiemhaie]] {{Exzellent}} {{Link FA|ca}} {{Link FA|en}} [[ca:Tauró de mans llargues]] [[cs:Žralok dlouhoploutvý]] [[dv:ފީ މިޔަރު]] [[en:Oceanic whitetip shark]] [[eo:Oceana blankmakula ŝarko]] [[es:Carcharhinus longimanus]] [[fi:Valkopilkkahai]] [[fr:Requin longimane]] [[he:כריש ארך-גף]] [[hu:Óceáni fehérfoltú cápa]] [[it:Carcharhinus longimanus]] [[ja:ヨゴレ (魚類)]] [[ko:장완흉상어]] [[nl:Oceanische witpunthaai]] [[pl:Żarłacz białopłetwy]] [[pt:Galha-branca-oceânico]] [[ru:Длиннокрылая акула]] [[sv:Årfenshaj]] [[zh:遠洋白鰭鯊]] 0bsbkc1ad226i87xouid1w93lnsaudx wikitext text/x-wiki Die Welle (2008) 0 24499 27101 2010-05-11T12:24:59Z Johamar 0 Änderungen von [[Special:Contributions/168.221.158.11|168.221.158.11]] ([[User talk:168.221.158.11|Diskussion]]) rückgängig gemacht und letzte Version von [[User:Church of emacs|Church of emacs]] wiederhergestellt {{Infobox Film |DT= Die Welle |OT= |PL= [[Deutschland]] |PJ= 2008 |LEN= 107 |AF= 12 |OS= [[Deutsche Sprache|Deutsch]] |PRO= [[Christian Becker]]<br />[[Nina Maag]]<br />[[Anita Schneider]] |MUSIK = [[Heiko Maile]] |KAMERA = [[Torsten Breuer]] |SCHNITT = [[Ueli Christen]] |REG= [[Dennis Gansel]] |DRB= Dennis Gansel <br /> [[Peter Thorwarth]] |DS= * [[Jürgen Vogel]]: Rainer Wenger * [[Frederick Lau]]: Tim * [[Max Riemelt]]: Marco * [[Jennifer Ulrich]]: Karo * [[Christiane Paul (Schauspielerin)|Christiane Paul]]: Anke Wenger * [[Cristina do Rego]]: Lisa * [[Elyas M’Barek]]: Sinan * [[Jacob Matschenz]]: Dennis * [[Maximilian Vollmar]]: Bomber * [[Maximilian Mauff]]: Kevin * [[Ferdinand Schmidt-Modrow]]: Ferdi * [[Tim Oliver Schultz]]: Jens * [[Amelie Kiefer]]: Mona * [[Odine Johne]]: Maja * [[Fabian Preger]]: Kaschi * [[Tino Mewes]]: Schädel * [[Karoline Teska]]: Miri * [[Marco Bretscher-Coschignano]]: Dominik * [[Lennard Bertzbach]]: Bommel * [[Thommy Schwimmer]]: Maxwell * [[Joseph M’Barek]]: Thorben * [[Jaime Krsto Ferkic|Jaime Kristo Ferkic]]: Bobby * [[Lucas Hardt]]: Kulle * [[Maren Kroymann]]: Dr. Kohlhage * [[Teresa Harder]]: Karos Mutter * [[Thomas Sarbacher]]: Karos Vater * [[Hubert Mulzer]]: Dieter Wieland * [[Alexander Held]]: Tims Vater * [[Johanna Gastdorf]]: Tims Mutter * [[Friederike Wagner]]: Marcos Mutter * [[Dennis Gansel]]: Martin }} '''Die Welle''' ist ein deutsches Filmdrama aus dem Jahr 2008. Darin führt ein Lehrer, gespielt von [[Jürgen Vogel]], seiner Schulklasse in einem von ihm konzipierten Sozialexperiment vor, wie autoritäre gesellschaftliche Strukturen entstehen. Er lässt die Schüler an einer von Disziplin und Gemeinschaftsgeist geprägten Bewegung namens ''Die Welle'' mitwirken, deren Anführer er selbst ist. Regisseur und Drehbuchkoautor [[Dennis Gansel]] stützte seine Handlung auf das Experiment „[[The Third Wave]]“, das 1967 in Kalifornien stattfand und in fiktionalisierter Form als Roman ''[[Die Welle (Roman)|Die Welle]]'' (1981), geschrieben von [[Morton Rhue]], in Deutschland zu einem Schullektüre-Klassiker geworden ist. Gansel wählte einen inszenatorischen Ansatz, der die Verführung durch die Bewegung für das Publikum erfahrbar machen soll. Sein Film lockte in Deutschland zweieinhalb Millionen Kinobesucher an. == Vorlage und Handlung == === Vom Schulversuch zum Schulstoff === ''Die Welle'' ist nicht der erste deutsche Film, der ein in den Vereinigten Staaten durchgeführtes Sozialexperiment als fiktionalisierte Spielhandlung darstellt. Das [[Stanford-Prison-Experiment]] von 1971 diente als Vorlage für ''[[Das Experiment (Film)|Das Experiment]]'' (2001) von [[Oliver Hirschbiegel]]. Dennis Gansels ''Die Welle'' basiert auf dem Versuch [[The Third Wave]], welches der Lehrer [[Ron Jones]] 1967 an einer [[Kalifornien|kalifornischen]] Schule durchführte. Weil seine Schüler nicht verstanden, wie es überhaupt zum [[Nationalsozialismus]] kommen konnte, stellte er eine „Bewegung“ auf, die er mit straffer Disziplin und Ahndung von Regelverstößen als Alleinherrscher führte. Das erlebte Gemeinschaftsgefühl begeisterte viele Schüler, und es schlossen sich sogar einige aus anderen Klassen an. Jones gab später offen zu, dass er die Gefolgschaft der Schüler sehr genossen habe. Um die vom Versuch entfesselte Eigendynamik aufzuhalten, brach er ihn am fünften Tag ab und zeigte den Jugendlichen die Parallelen ihrer Bewegung zu [[Hitlerjugend|Nazi-Jugendorganisationen]] auf.<ref name="Hanetseder">Christa Hanetseder: ''Lehrer gegen Vorurteile. Zwei Experimente mit unerwarteter Dynamik'' In: ''ph akzente'' Nr. 4/2008, S. 16</ref><ref name="Jung">Irene Jung: ''Keiner kann sagen, er hätte von nichts gewusst''. In: ''Hamburger Abendblatt'', 10. März 2008, S. 3</ref> Später verfasste Jones eine auf den Ereignissen beruhende Erzählung, die 1976 unter dem Titel ''The Third Wave'' erschien. Der Stoff wurde 1981 für das US-Fernsehen ebenfalls unter dem Titel ''[[Die Welle (1981)|Die Welle]]'' verfilmt. Im selben Jahr erschien der Roman ''[[Die Welle (Roman)|Die Welle]]'' von [[Morton Rhue]]. Die deutsche Ausgabe des Romans kam 1984 heraus, wurde in vielen deutschen Schulen zu einer oft eingesetzten Lektüre und seither über 2,5 Millionen Mal verkauft.<ref name="Hanetseder"/><ref name="Jung"/><ref name="StZ"/> Ebenso ist die Verfilmung von 1981 bei fast allen öffentlichen [[Medienzentrum|Medienzentren]] verfügbar.<ref name="taz_12-3-08"></ref><ref name="StZ"/> Weltweit ging der Stoff in etliche Theaterstücke und Rollenspiele ein.<ref name="Hanetseder"/><ref name="Jung"/> === Handlung des Films === Im Mittelpunkt der Handlung stehen der Gymnasiallehrer Rainer Wenger und eine Gruppe von Schülern, irgendwo in Deutschland in einer sozial gehobenen Gegend. Während einer Projektwoche zum Thema „[[Staatsform]]en“ bekommt der lockere und beliebte Wenger, der mal [[Hausbesetzung|Hausbesetzer]] war und sich von den Schülern duzen lässt, statt seines bevorzugten Themas [[Anarchie]] das Thema [[Autokratie]] zugeteilt. Seine Schüler finden das wiederholte „Durchkauen“ des Themas anhand des Nationalsozialismus langweilig und meinen, es bestehe im heutigen aufgeklärten Deutschland keine Gefahr einer Diktatur mehr. Also entschließt sich Wenger, die Woche als [[Pädagogik|pädagogischen]] Selbstversuch durchzuführen. Er ändert die Sitzordnung in eine frontal auf ihn gerichtete Position und fordert die Schüler auf, beim Reden aufzustehen und schnelle, knappe Antworten zu geben. Dann lässt er sie zwecks körperlicher Ertüchtigung im Gleichschritt auf der Stelle marschieren. Diese Übungen bringt er als Vorschläge, über die sie abstimmen dürfen. Der strenge Ton und die straffe Disziplin kommen bei den meisten Schülern gut an, und sie sind motivierter. Schließlich gründet der Lehrer zu Demonstrationszwecken – darüber klärt er die Schüler nicht mehr auf – eine Art autokratische Bewegung. Die Prinzipien der Gruppe sind „Macht durch Disziplin“, „Macht durch Gemeinschaft“ und „Macht durch Handeln“. Als Erkennungsmerkmal und eine Art Uniform sollen alle Mitglieder der Gruppe weiße Hemden tragen. Zwei Mädchen protestieren gegen diese Vorschriften, wechseln schließlich den Kurs und sehen sich deswegen zunehmenden Anfeindungen im Freundeskreis ausgesetzt. Der Kurs erhält unterdessen durch [[Mundpropaganda]] weiteren Zulauf von Schülern aus anderen Kursen. In ihrer Begeisterung bitten einzelne Schüler den Lehrer, dem Ganzen einen Namen zu geben. Die noch demokratische Abstimmung ergibt den Namen „Die Welle“, und einer der Schüler entwirft ein Logo. Es entstehen neue Ideen, die „Welle“ zu verbreiten und sich in die Bewegung einzubringen. Bald hat die „Welle“ den Rahmen des Unterrichts verlassen und durchdringt den außerschulischen Alltag. Die einst schleppend verlaufenden Theaterproben gewinnen an Struktur und die von Wenger trainierte Wasserballmannschaft mehr Zuschauer. Der Zusammenhalt wächst, die ''Welle''-Mitglieder beschützen einander vor außenstehenden Pöblern, sprühen das Welle-Logo nachts in wilden Gruppenaktionen an Wände in der ganzen Stadt und veranstalten eine spontane Fete. Der Schüler Tim, früher ein nicht respektierter Außenseiter und nun der flammendste Anhänger der „Welle“, erklärt sich zum persönlichen Leibwächter von Wenger. Der Lehrer ist anfangs nicht davon begeistert, lässt es jedoch aufgrund Tims familiärer Probleme zu. Umgekehrt widersetzt sich die liberal gesinnte Karo der Bewegung, anfänglich, weil ihr das weiße Hemd nicht gefällt, immer mehr aber, weil sie die Gefahren der Bewegung erkennt. Als sie eines Nachts allein im Schulgebäude Flugblätter kopiert und diese vor allen Schulzimmern auflegt, fühlt sie sich verfolgt. Allmählich läuft das Experiment aus dem Ruder, Wenger kann die Bewegung nicht mehr aufhalten, geschweige denn die Dynamik erfassen, die sich außerhalb der Schule abspielt. Seine Frau, Lehrerin an derselben Schule, wirft ihm vor, dass er seine Führerrolle genieße, doch er ignoriert ihre Warnungen. Erst als es zu Gewalttaten gegen Menschen kommt, die sich der Welle widersetzen, beschließt Wenger, das Experiment zu beenden und die Bewegung aufzulösen. Am letzten Tag lädt Wenger die Anhänger zu einer Vollversammlung. Zunächst macht er Stimmung, hetzt sie gegen einen [[Opposition (Politik)|opponierenden]] Schüler auf und befiehlt, ihn auf die Bühne zu bringen. Er beschimpft ihn als Verräter. Dann fragt er einen jener Schüler, die den Opponenten auf die Bühne gebracht haben, warum er dies getan habe. ''„Weil Sie es gesagt haben.“'' Wenger fragt die Schüler kritisch, ob sie den Dissidenten auch umgebracht hätten, wenn er das angeordnet hätte. Als er den Zuhörern erklärt, dass alles nur ein Experiment gewesen und jetzt vorbei ist, wollen einzelne Schüler das Ende ihrer Bewegung nicht wahrhaben und verteidigen leidenschaftlich ihre „Welle“. Nachdem sich Wenger gegen diese erste Reaktion mühsam durchsetzen und die Mehrheit überzeugen kann, tritt zunächst betretenes Schweigen unter den Schülern ein. Darauf zieht der verzweifelte Tim eine [[Pistole]], schießt zunächst einen Mitschüler an und erschießt sich danach selbst. Die Schule ist traumatisiert, und Wenger wird von der Polizei abgeführt. == Entstehungshintergrund == Das Drehbuch beruht auf einem Artikel von Ron Jones, in dem er seine Erinnerungen an den Versuch schilderte. Die Rechte daran lagen bei [[Sony]], die sie ihm für einen deutschen Film überließ.<ref name="DG_HA">Dennis Gansel im Gespräch mit dem ''Hamburger Abendblatt'', 10. März 2008, S. 3: ''„An den psychologischen Mechanismen hat sich nichts geändert“''</ref> Dadurch erhielten Morton Rhue, dessen Roman den Stoff insbesondere in Deutschland popularisierte, und der herausgebende [[Ravensburger]]-Verlag keine unmittelbare Vergütung aus dem Filmprojekt.<ref name="FR_13-3-08"/> Gansel schrieb ein Jahr lang am Buch, ehe er [[Peter Thorwarth]] als Koautor beizog.<ref>Dennis Gansel im Audiokommentar auf der DVD, bei 5:00</ref> Das Drehbuch verlegt den Versuch aus dem Kalifornien der 1960er Jahre ins Deutschland der Gegenwart, an einen nie namentlich genannten Ort, der stellvertretend für das ganze Land steht. Gansel erklärte, er wollte Jones' Versuch nicht exakt nacherzählen, sondern zeigen, wie er im heutigen Deutschland ablaufen würde. Der Film sei keine [[Adaption (Literatur)|Adaption]], Figuren und Dialoge, Anfang und Ende habe er geändert.<ref name="DG_Standard"/><ref>Dennis Gansel im Audiokommentar auf der DVD, bei 6:30</ref> Dazu zählen Nebenaspekte – das Footballteam der Vorlage spielt im Film Wasserball, und der Trainer ist der Lehrer selbst – vor allem jedoch die im Film eingeführte physische Gewalt und das blutige Ende. Dennoch behauptete Gansel in einem Pressegespräch, er habe unbedingt ausschließen wollen, dass sein Film so stark vom damaligen Versuch abweiche wie das Buch von Rhue. Dabei bezeichnete er Jones, der dem Filmprojekt als Berater zur Verfügung stand, als ''„praktisch unser lebendes Echtheitszertifikat“''. Jones halte die Figuren in Rhues Roman für schlecht getroffen.<ref name="DG_Cinema">Dennis Gansel im Gespräch mit ''Cinema'', Nr.4/2008, S. 36</ref> Der Ex-Lehrer äußerte sich dazu, Gansels Film komme den tatsächlichen Begebenheiten ''„unglaublich nahe“''.<ref name="Jung"/> Gemäß Gansel lehnten die Vertreter der zunächst angegangenen bayrischen Filmförderung das Filmprojekt ab, weil sie es stark an Rhues Roman maßen und im eingereichten Drehbuch eine klare Haltung des Lehrers gegen autoritäres Denken vermissten. Das Projekt war gefährdet und die erste Förderinstanz, die einstieg, war das [[Medienboard Berlin-Brandenburg]]. Danach kamen die [[Filmförderungsanstalt]] und der [[Deutscher Filmförderfonds|Deutsche Filmförderfonds]] sowie neben einigen anderen Koproduzenten die [[Constantin Film]] hinzu, die zudem den Verleih übernahm.<!-- 28:30 --> Bei 4,5 Millionen Euro Budget kam das Projekt auf 38 Drehtage.<!-- 29:00 --><ref>Dennis Gansel im Audiokommentar auf der DVD, ab 28:30</ref> [[Datei:MCG-Dallgow-P1140188.JPG|miniatur|Das Marie-Curie-Gymnasium in Dallgow-Döberitz]] Der Dreh fand im Juli und August 2007 statt. Wegen des gedrängten Drehplans entstanden einige Tagesszenen in der Nacht.<!-- u.a. 44:30 --> Für die meisten Szenen richtete man das Licht am Morgen ein und konnte dann ohne Umstellungen den ganzen Tag arbeiten. Daher kommt das Licht nur von einer Seite.<!-- 8:00 --> Als Drehort in Frage kam für Gansel nur ein modernes Schulgebäude, bei dem nicht der Eindruck entstehen könne, in ihm hätten schon Nazis unterrichtet, und das nichts [[Wilhelminismus|Wilhelminisches]] an sich hätte.<!-- 6:00 --> Die Wahl fiel auf das [[Marie-Curie-Gymnasium Dallgow-Döberitz|Marie-Curie-Gymnasium]] im brandenburgischen [[Dallgow-Döberitz]], das die meisten [[Komparse]]n als Schüler besuchten, einen jüngst bezogenen Neubau.<!-- 14:40 --> Die Aufnahmen rund um das Wasserballspiel entstanden in einem Hallenbad in [[Berlin-Reinickendorf]]. Weitere Drehorte befinden sich in Potsdam: Unter anderem spielte man die Strand-Fete in der [[Speicherstadt Potsdam]] und die Gerüstszene an der [[St. Nikolaikirche (Potsdam)|Nikolaikirche]].<ref>Dennis Gansel im Audiokommentar auf der DVD, bei 48:30 und 66:30</ref> Ursprünglich nicht vorgesehen war, die Rolle von Wengers Frau mit [[Christiane Paul (Schauspielerin)|Christiane Paul]] zu besetzen, die beim Dreh – wie im Film zu sehen – tatsächlich im siebten Monat schwanger war.<ref>Dennis Gansel im Audiokommentar auf der DVD, bei 4:00</ref> Ron Jones ist kurz als Gast im Restaurant zu sehen, als die Jugendlichen das Logo ans Gebäude sprühen. Eine kleine Nebenrolle übernahm der Regisseur, einmal auf der ersten Party und einmal im Hausflur vor Marcos Wohnung. Gansel und [[Jennifer Ulrich]], Darstellerin der Karo, wurden bei den Dreharbeiten zum Paar.<ref>Jessica Schulte am Hülse: ''Sie spielt couragierte Frauen'' In: ''Welt am Sonntag'', 2. März 2008, S. B3</ref> == Wesen des Films == === Gansels Konzept === Regisseur Dennis Gansel meinte, die deutschen Schüler seien seinem Eindruck nach der [[Nationalsozialismus|NS]]-Thematik überdrüssig. Bei sich selbst hatte er im Unterricht eine Übersättigung festgestellt und fand erst nach dem Film ''[[Schindlers Liste]]'' einen emotionalen Bezug zur deutschen Geschichte.<ref name="DG_Standard">Dennis Gansel im Gespräch mit ''Der Standard'', 11. Februar 2008, S. 28: ''Faschismus ist für alle anziehend''</ref><ref name="DG_HA"></ref> Einen Unterschied zwischen dem damaligen Experiment in den USA und dem heutigen Deutschland machte er darin aus, dass sich die amerikanischen Schüler schockiert gefragt hatten, wie es [[Konzentrationslager]] geben konnte. Der Ausgangspunkt seines Films sei, dass man sich aufgrund der intensiven Beschäftigung mit Nationalsozialismus und seinen Mechanismen davor gefeit fühle. ''„Genau darin liegt die große Gefahr. Es ist interessant, dass man immer meint, den anderen passiere so etwas und nie einem selbst. Man schiebt es auf die anderen, die weniger gut ausgebildeten oder die Ostdeutschen usw. Aber im Dritten Reich war der Hausmeister genauso von der Bewegung fasziniert wie ein Intellektueller.“''<ref>Dennis Gansel im Gespräch mit ''Der Standard'', 11. Februar 2008, S. 28 (auch Direktzitat); im Gespräch mit den ''Stuttgarter Nachrichten'', 10. März 2008, S. 12; im Gespräch mit dem ''Hamburger Abendblatt'', 10. März 2008, S. 3</ref> Der von Wohlstand geprägte Ort weist keine auffälligen sozialen oder wirtschaftlichen Probleme auf, und der Lehrer ist liberal eingestellt. Für Gansel erhält die Handlung durch die Ansiedlung in einem solchen Umfeld eine psychologische Allgemeingültigkeit, von der er sehr überzeugt sei.<ref>Dennis Gansel im Audiokommentar auf der DVD (Minute 6:20)</ref> ''„Es denken ja immer alle, dass sie in Hitler-Deutschland [[Anne Frank]]s und [[Sophie Scholl]]s gewesen wären. Ich halte das für ausgemachten Unsinn. Widerstandsbiografien entstehen eher aus Zufällen heraus.“'' Karos politisches Bewusstsein und ihre Oppositionshaltung entstehe aus Eitelkeit: Das weiße Hemd gefällt ihr nicht.<ref name="DG_StN">Dennis Gansel im Gespräch mit den ''Stuttgarter Nachrichten'', 10. März 2008, S. 12: ''„Widerstandsbiografien entstehen aus Zufällen“''</ref> Früher sei er sich sicher gewesen, er hätte zum Widerstand gezählt, doch bei der Arbeit an der ''Welle'' habe er gemerkt, dass die Vereinnahmung ''„so unpolitisch“'' ablaufe.<ref name="DG_HA"></ref> Jeder Mensch habe das Bedürfnis nach Zugehörigkeit zu einer Gruppe.<ref name="DG_HA"></ref><ref name="DG_Cinema"/> Die [[Globalisierungskritik|Antiglobalisierungsbewegung]] und andere aktuelle politische Jugendbewegungen funktionierten ähnlich wie die Welle, weil sie dieselbe [[Gruppendynamik]] besäßen. Entscheidend sei die jeweilige Zielsetzung.<ref name="DG_Standard"/><ref name="DG_StN"/> Dass Filme eine größere politische Wirkung entfalten könnten, glaube er nicht, zumal ein Film nur jene erreiche, die eine Sensibilität für das Thema schon mitbrächten. Allenfalls könnten Filme Diskussionen anstoßen, aber dazu müssten sie äußerst unterhaltsam sein. ''„Es gab in Deutschland immer ein großes Missverständnis, dass Politik im Kino gleichbedeutend mit Langeweile ist.“'' Zwischen anspruchsvollem Kino in der Art [[Christian Petzold (Regisseur)|Christian Petzolds]] und Unterhaltungskomödien von [[Til Schweiger]] klaffe in Deutschland eine enorme Lücke, die dringend auszufüllen sei.<ref name="DG_StN"/> Den Film habe er so gestaltet, dass er beim Publikum ''„verführerisch rüberkommt“'', Lust auf die ''Welle'' mache und die Anziehungskraft einer solchen Bewegung aufzeige.<ref name="DG_StN"/><ref name="DG_Standard"/> Seine Wahl des Hauptdarstellers fiel auf [[Jürgen Vogel]], weil er in dieser Rolle jemanden wollte, den man selbst gern als Lehrer gehabt hätte, Vogel echte Lebenserfahrung und eine bestimmte Art von Autorität mitbringe. In seiner Schulzeit sei es diese Art Lehrer gewesen, der er am meisten Vertrauen entgegenbrachte. Der Regisseur, dessen Großvater [[Wehrmacht]]s-Offizier gewesen war, gab zugleich bekannt, mit der ''Welle'' sei das NS-Thema für ihn als Filmemacher abgeschlossen.<ref name="DG_HA"></ref> === Formale Umsetzung === Lehrer Wengers lockeres Auftreten zu Beginn des Films fördert zunächst die Erwartung einer [[Filmkomödie|Komödie]].<!-- S. 6 --><ref name="Steller"/><ref name="Zeit_13-3-08"/> Rezensenten haben eine Nähe zu jenen amerikanischen Filmen festgestellt, in denen berufene Pädagogen das Potenzial benachteiligter Schüler wachrufen, wie etwa in ''[[Der Club der toten Dichter]]'',<ref name="SZ_12-3-08"/> sowie zum US-High-School-Film, in dem jede Figur einen bestimmten Typ Jugendlichen repräsentiert.<ref name="FR_13-3-08"/> Gansel fokussiert weniger auf die psychologischen [[Motivation]]sprozesse der individuellen Figuren als auf das resultierende Gemeinschaftsgefühl.<ref name="Focus"/> Sein Drehbuchkoautor Thorwarth betonte, man müsse die Figuren sehr klar zeichnen, wenn man ob ihrer Vielzahl den Erzählfaden nicht verlieren wolle.<ref>Drehbuchkoautor Peter Thorwarth im Audiokommentar auf der DVD (bei 42:30)</ref> Strukturiert ist der Film durch die fünf Tage der Projektwoche; der Beginn jedes neuen Wochentags wird mittels einer Einblendung kenntlich gemacht.<!-- S. 7 --><ref name="Steller"/> Der Erzählstil hält das Publikum nicht auf Abstand, damit es über das Gesehene nachdenken kann, sondern lässt es die Ereignisse miterleben.<!-- S. 6 --> So erzählt er den Handlungsablauf linear.<!-- S. 7 --> Ähnliche Erlebnisse mehrerer Figuren, zum Beispiel wenn die Schüler am Abend den Eltern vom Schultag erzählen, sind als [[Parallelmontage]] umgesetzt und demonstrieren die Bandbreite der Wahrnehmungen des Tages.<!-- S. 6 --> Die [[Erzählperspektive]] des gesamten Films ist die einer dritten Person, auch wenn er in einzelnen Sequenzen die subjektive Sicht einzelner Figuren einnimmt, etwa jene Karos nachts im Schulhaus, oder die Wengers am Schluss, als er abgeführt und weggefahren wird.<!-- S. 6-7 --> Hat er in der Eröffnungssequenz in [[Kameraperspektive#Untersicht|Untersicht]] gefilmt noch zu Rockmusik gesungen, so ist der Lehrer bei dieser Fahrt deutlich bedrückt. ''„Lange Zeitlupeneinstellungen spiegeln [seine] quälenden Selbstvorwürfe wider“.'' Der Wechsel in die subjektive Sicht der nachdenklich gewordenen Figur entspricht der Gesamtdramaturgie des Films, der den Zuschauer an diesem Punkt zur Reflexion aufruft.<!-- S. 7 --><ref name="Steller">Ulrich Steller: Kapitel ''Filmische Mittel'' in: ''Die Welle. Materialien für den Unterricht.'' Hrsg. von Vera Conrad, München 2008. Abrufbar auf der [http://www.welle.film.de offiziellen Seite des Filmverleihs]</ref> Die Drastik des Endes begründete Gansel mit der Notwendigkeit, das Publikum nach seiner Verführung über die Länge des Films schließlich zu schockieren, eine klare Gegenaussage zu liefern und Haltung zu beziehen.<ref>Dennis Gansel im Audiokommentar auf der DVD, bei 93:30</ref><ref name="DG_StN"/> Ein Kritiker vermutete, ''„dass man hierzulande nicht einfach Adolf sagen kann, ohne auch B zu sagen. Wer also den Faschismus entfesselt, muss dann schon ein paar Tote nachliefern.“''<ref name="SZ_12-3-08">Tobias Kniebe: ''[http://www.sueddeutsche.de/kultur/133/435879/text/ Der Faschist in uns]'' In: ''Süddeutsche Zeitung'', 12. März 2008</ref> Durch den ganzen Film hindurch verwendet die Kamera [[Kameraperspektive|Auf- und Untersichten]], um Machtverhältnisse auszudrücken, wer „oben“ ist und wer „unten“.<!-- S. 7-8 --> Bei manchen Einstellungen lehnt sich der Film an die Stilmittel von [[Die Deutsche Wochenschau|Nazi-Wochenschauen]] an, die [[Adolf Hitler|Hitlers]] Reden festhielten. So ist zum Beispiel während der Schlußrede, die Wenger vor dem Plenum hält, die Kamera dicht hinter ihm auf Nackenhöhe platziert und bietet einen Blick an ihm vorbei auf die geometrisch angeordnet sitzende Schülermasse hinunter.<!-- S. 8 --><ref name="Steller"/> Andere Szenen sind an der Popkultur orientiert, insbesondere ist die Sequenz, in der ''Welle''-Anhänger das Logo an Bauten sprühen, im Stil eines [[Musikvideo]]s inszeniert.<!-- S. 6 --><ref name="Steller"/><ref name="SpO"/> Dieses Logo ist als ''„eine zackige [[Tsunami]]-Welle wie aus einem [[Manga]]-Comic“'' gestaltet.<ref name="SpO"></ref> Die Schnitte haben eine hohe Frequenz und sind hart, ''„schnell, ja rasant ist die Kameraführung“''<ref name="StN"/>und die über viele Szenen gelegte Rockmusik wurde oft als ''„treibend“'' charakterisiert.<ref name="StZ"/><ref name="epd_3-08"/><ref name="Cinema_4-08"/> == Kritik == === Zu Darstellern, Glaubhaftigkeit der Figuren und zur Inszenierung === Die deutsche Kritik war über ''Die Welle'' insgesamt sehr gespalten. Ungeteilt waren die Meinungen nur hinsichtlich der Darsteller. ''„Von der ersten Szene an zieht dieser sympathische Kerl den Zuschauer auf seine Seite“'',<ref name="SpO"/> hieß es über Jürgen Vogel, er setze die moralische Zweideutigkeit seiner Figur in ''„quecksilbrige Energie“'' um.<ref name="FAZ_13-3-08">Andreas Kilb: ''Auf Wiedersehen, Kinder'' In: ''Frankfurter Allgemeine Zeitung'', 13. März 2008, S. 36</ref> Er spiele realitätsnah<ref name="epd_3-08">Ulrich Sonnenschein: ''Die Welle'' In: ''epd Film'', März 2008, S. 46</ref>, sei ''„glaubhaft“''<ref name="StZ"/> oder ideal besetzt.<ref name="Zeit_13-3-08"/> Bei den Jungdarstellern war ''„überzeugend“'' die meistbenutzte Vokabel,<ref name="epd_3-08"/><ref name="StZ"/><ref name="StN"/> wobei der 18-jährige [[Frederick Lau]] in der Rolle des Außenseiters Tim einige Hervorhebung fand.<ref name="StN"/><ref name="SpO"/> Im Unterschied zum Lob der Schauspieler äußerten viele Rezensenten Bedenken gegenüber den vom Drehbuch entworfenen Figuren. Psychologische Entwicklungen kämen zu kurz, Wenger und die übrigen Figuren seien teilweise mittels Klischees gezeichnet,<ref name="epd_3-08"/> ihnen hafte ''„etwas Modellhaftes“'' an,<ref name="StZ">Ina Hochreuther: ''Die Schule und die Diktatur'' In: ''Stuttgarter Zeitung'', 13. März 2008, S. 32</ref> sie seien ''„leicht überzeichnete Stereotypen“''<ref name="BZ"></ref> oder ''„Platzhalter“''.<ref name="FR_13-3-08"/> Mangels Vertiefung in ihre Motive und Gefühle wirkten sie distanziert, insbesondere Karos Wandlung von der begeistert Mitmachenden zur kämpferischen Opponentin sei nicht nachvollziehbar.<ref name="StN"/> Bei den Schülern sei keine zwingende Motivation zu erkennen, weshalb sie sich der Bewegung überhaupt anschließen, ihr Bekenntnis zu [[Konformität]] sei heute im Westen kaum vorstellbar. Der Film wirke deshalb ''„oft arg pädagogisierend: Man weiß, was gemeint ist, nur glaubt man es nicht so recht.“''<ref name="Tgs_13-3-08"/> Die angebliche Hörigkeit der ''Welle''-Anhänger werde zudem durch exzessives Feiern und [[Taggen]] unterlaufen.<ref name="SpO"/> Warum der als Persönlichkeit gefestigte Lehrer dem von ihm selbst in Szene gesetzten Rollenspiel anheimfalle, bleibe ''„etwas rätselhaft“''. Da Gansel ihm eine Position als Linker und ehemaliger Hausbesetzer zuschreibt, liefere er unfreiwillig einen Beleg für [[Götz Aly#Kritik an 1968|Götz Alys These]], die 68er hätten autoritäres Gedankengut von 33er-Nazis fortgesponnen.<ref name="Focus">Harald Pauli: ''Lass den Nazi raus!'' In: ''Focus'', 10. März 2008, S. 68</ref> Doch wurde die Figurenzeichnung des Films auch verteidigt: ''„Die Kategorisierung ist hier vielmehr notwendig, zeigt sie doch die Anfälligkeit gänzlich unterschiedlicher Menschen für ein und dieselbe Idee.“''<ref>Gebhard Hölzl: ''[http://www.fnweb.de/freizeit/kino/20080313_srv0000002272016.html Die Welle]''. In: ''Fränkische Nachrichten'', 13. März 2008.</ref> Uneinig war man auch hinsichtlich der Inszenierung. Spannend, aufwühlend und fesselnd sei der Streifen,<ref name="Cinema_4-08">Heiko Rosner: ''Das Ende der Unschuld'' In: ''Cinema'', Nr.4/2008, S. 34–36</ref> und behandle einen schwierigen Stoff als spannende Unterhaltung, lauteten manche Urteile.<ref name="fd_6-08">Mike Beilfuß: ''Die Welle'' In: ''film-dienst'' Nr. 6/2008, S. 53</ref> Für einen Mainstream-Film sei ''Die Welle'' oftmals ''„angenehm rau und rotzig.“''<ref name="SpO"/> Andere fanden den Film bieder, einem [[Tatort (Fernsehreihe)|Tatort]]-Fernsehkrimi ähnlich, inszeniert,<ref name="Tgs_13-3-08">Sebastian Handke: ''Die Weißwäscher'' In: ''Der Tagesspiegel'', 13. März 2008, S. 31</ref> oder ließen sich über die ''„Graffiti-Aktion und eine ausufernde Party in zäher Länge“'' aus.<ref name="StN">Eva Maria Schlosser: ''Das Experiment entgleist'' In: ''Stuttgarter Nachrichten'', 13. März 2008, S. 20</ref> Ebenso umstritten war die Bewertung des von Gansel geschriebenen Filmendes. An [[Amoklauf an einer Bildungseinrichtung|Schulmassakern]] orientiert, passe es nicht zum Thema der autoritären Strukturen.<ref name="FR_13-3-08">Daniel Kothenschulte: ''Der freie Wille'' In: ''Frankfurter Rundschau'', 13. März 2008, S. 33</ref> Die Zuspitzung zum Amok sei unnötig, weil ja gerade Jones' Experiment einen Alltagsfaschismus ohne Blut vordemonstriert habe.<ref name="FAZ_13-3-08"/><ref name="SZ_12-3-08"/> Doch es gab auch Lob, dass hier die Welle-Bewegung nicht bloß mit einem ''Aha-Effekt'' implodiere, sondern bei den Schülern eine lehrreiche Erschütterung auslöse.<ref name="Tgs_13-3-08"/> Spielfilme, die auch als Unterrichtsmaterial taugen sollen, seien schwierig herzustellen, denn zu direkte, plumpe Botschaften ließen die Schüler unbeeindruckt, ebenso wie eine allzu subtile Filmsprache an ihnen vorbeigehe. Gansel habe einen Kompromiss geschafft, er zeige die Probleme, lasse dem Publikum aber die Möglichkeit, sie selbst zu erkennen.<ref name="SpO"/> Das Konzept, dem Publikum eine schreckliche Gesellschaftsordnung fühlbar zu machen und es zu verstören, funktioniere.<ref name="StZ"/> Der Streifen suche die Nähe zum Gegenstand und mache das Verführtwerden und die Faszination plausibel erfahrbar. Als ''„wertvoller Beitrag zur Diskussion“'' um die Bedürfnisse des Individuums in der Gesellschaft gebe er keine fertigen Antworten und rege zur Auseinandersetzung an.<ref name="fd_6-08"/> ''„Die Welle ist der rechte Film zur rechten Zeit“,'' denn er zeige, wohin die aufkommenden Diskussionen über [[Schuluniform]]en und das [[Bernhard Bueb#Buch „Disziplin“|Lob der Disziplin]] führen könnten.<ref name="Zeit_13-3-08">Maximilian Probst: ''[http://www.zeit.de/2008/12/Film-Die-Welle Macht durch Handeln!]'' In: ''Die Zeit'', 13. März 2008</ref> === Zum Experiment === Einen Schwerpunkt der Kritik bildeten die Prämissen und Ergebnisse des dargestellten Sozialversuchs. Die Übertragung des Experiments aus den Vereinigten Staaten nach Deutschland überzeugte Julia Teichmann von der ''[[Berliner Zeitung]]'' nicht. Die hierzulande historisch bedingt erhöhte Sensibilität für autoritäre Ansätze hätte den Versuch schnell an verschiedenen Kontrollinstanzen scheitern lassen.<ref name="BZ">Julia Teichmann: ''Macht, Gemeinschaft, Disziplin'' In: ''Berliner Zeitung'', 12. März 2008, S. 27</ref> In der ''[[Süddeutsche Zeitung|Süddeutschen Zeitung]]'' besprach [[Tobias Kniebe]] den Film, der wenig mit dem Versuch von 1967 zu tun habe, negativ. Gansel erkläre undifferenziert das Gemeinschaftsgefühl für gefährlich: ''„Wer aber ausgerechnet damit vor dem Faschismus warnen will, dass er ihn aller Inhalte beraubt; wer die Gefahr ganz unhistorisch und undifferenziert in Nirgendwo verortet; und wer dann auch noch vorgibt, rettende Wachsamkeit zu verbreiten – der ist doch eher ein Teil des Problems als ein Teil der Lösung.“''<ref name="SZ_12-3-08"/> Auf vollkommene Ablehnung stieß der Film auch bei Ekkehard Knörrer von der ''[[Die tageszeitung|taz]]''. Für ihn hat Gansel seine Affinität zu Nazis schon mit ''[[Napola – Elite für den Führer|Napola]]'' (2004) bewiesen, und obwohl der Regisseur beide Filme als Warnung deklariert habe, sei er beide Male naiv der Lust an den gezeigten autoritären Gemeinschaften verfallen. ''Die Welle'' sei ''„einfach nur töricht,“'' Gansel völlig ''„auf die [[Sekundärtugend]] Handwerk fixiert“'', und verstehe Kunst als Angeberei und nicht als Suche nach Ausdruck für einen bestimmten Inhalt. Ihm fehle ein Erklärungsansatz für das Entstehen einer faschistischen Jugendbewegung, so dass die Dialoge aufgesagt und die Bilder klischiert wirkten. ''„So bezeichnend wie grundfalsch ist die Idee, die Geschichte aus allen genaueren geografischen und sozialen Zusammenhängen zu lösen.“'' Gansel unterbreite in seinen Filmen dem Publikum passives Verhalten als [[Identifikation#Identifikation und Theaterpraxis|Identifikationsangebot]] und unterstelle ''„einen Verhaltens-[[Determinismus]], der das [[Mitläufer]]tum als die natürlichste Sache der Welt erscheinen lässt.“'' Der Versuch solle belegen, was [[Prämisse|Voraussetzung]] des Versuchs sei, nämlich dass die Menschen gar nicht anders könnten. ''„Der Mensch in seiner Unfreiheit ist bloß die Laborratte, die man […] ins Nirgendwo einer vermeintlichen Allgemeingültigkeit transportiert. Das Prinzip der Verallgemeinerung ist dabei nicht die Schärfung und Zuspitzung, sondern die Reduktion: des Individuums auf die Versuchsmaus, des Verhaltens auf seine Determinierung […] und der persönlichen Entscheidung auf ihre Motivation.“'' Gansels Film funktioniere nach dem gleichen Muster wie ''[[Das Experiment (Film)|Das Experiment]]'' und ''[[Der Untergang]]'' (beide von [[Oliver Hirschbiegel]]), und wie ''[[Warum Männer nicht zuhören und Frauen schlecht einparken]]'' und ''[[Elementarteilchen (Film)|Elementarteilchen]]'', alle von der [[Constantin Film|Constantin]] produziert. Für sich alleine nur langweilig, ergäben diese Filme zusammen einen flächendeckend ausgeführten sozial- und geschlechterpolitischen Rückschlag.<ref name="taz_12-3-08">Ekkehard Knörrer: ''Der Mensch ist eben auch nur eine Ratte im Labor'' In: ''taz'', 12. März 2008, S. 15</ref> Demgegenüber äußerte sich Hanns-Georg Rodek von der ''[[Die Welt|Welt]]'' wohlwollend über den Film und seine Versuchsanordnung im Stil von ''Das Experiment''. Während der Regisseur bei ''Napola'' der NS-Ästhetik zu erliegen schien, sei er hier distanzierter und liefere eine brillante Analyse, nach welchem Verfahren eine Gemeinschaft das Individuum unterwerfe. Dabei müsse das Publikum zunächst den Ungläubigkeitsreflex überwinden, der sich aus einem der Grundsätze der Bundesrepublik herleite, nämlich dass totalitäre Strukturen nie wieder entstehen dürften. ''„Gansel spielt sein Drama mit der Mechanik eines [[Bertolt Brecht|Brechtschen]] Lehrstückes durch, vom unschuldigen Montag bis zum tödlichen Samstag.“'' Das rechtfertige die ''„stereotypen,“'' ''„klar konturierten“'' Figuren mit jeweils zugewiesener Funktion wie bisher Benachteiligter, Mitläufer oder Widerständler: ''„Experimente brauchen eindeutig definierte Parameter.“''<ref name="Welt_13-3-08">Hanns-Georg Rodek: ''Experiment Nationalsozialismus'' In: ''Die Welt'', 13. März 2008, S. 27</ref> In seiner tendenziell zustimmenden Besprechung in ''[[Spiegel Online]]'' empfahl Christoph Cadenbach den Streifen für den Unterricht. Er gebe jenen Sehnsüchten viel Raum, welche die Leerstellen in der Seele der Figuren seien, in die sich der Faschismus eingrabe. Der Kritiker bemängelte allerdings, der Film lasse eine wichtige Sehnsucht aus. ''„Der Außenseiter, der Ausländer, der Hedonist und der Unterschichtler. Sie alle sind anfällig für das Gemeinschaftsversprechen der „Welle“. In dieser Aufzählung fehlt, und das muss man dem Film ankreiden, die Figur des getriebenen Teenagers, dem Kind des Neoliberalismus, der sich den marktwirtschaftlichen Zwängen angepasst hat und vom Praktikum ins Fitnessstudio in die Theaterprobe eilt, weil er weiß, dass nur er allein dafür verantwortlich ist, was aus ihm wird. Auch dieser gehetzte Karrierist hätte ein Bad im Welle-Wasser wohl genossen.“'' Doch ausgerechnet Karo, die einer solchen Figur am nächsten komme, repräsentiere den Widerstand gegen die Bewegung. Damit erteile der Film dem Leistungsdenken der Marktwirtschaft unkritisch die Absolution.<ref name="SpO">Christoph Cadenbach: ''[http://www.spiegel.de/kultur/kino/0,1518,538623,00.html Wie Schüler sich freudestrahlend in Faschisten verwandeln]'' In: ''Spiegel Online'', 10. März 2008</ref> === Im Ausland === Der ''[[Corriere della Sera]]'' bedauerte, dass das politisch-pathologische Thema einhergehe mit einem banalen filmischen Medium, dem amerikanischen B-Film der 1950er-Jahre. Nach dem tragischen Ende in Zeitlupe scheine der kollektive Wahn wie von der Ambulanzsirene weggewischt.<ref>Maurizio Porro: ''[http://archiviostorico.corriere.it/2009/febbraio/27/classe_rischia_diventare_nazisti_co_9_090227144.shtml In classe si rischia di diventare nazisti]'' In: ''Corriere della Sera'', 27. Februar 2009, S. 59</ref> Das holländische ''[[Algemeen Dagblad]]'' sah einen eindrücklichen, realistischen Film, in dem aber die Wandlung von Schülern zu Welle-Mitgliedern zu abrupt erfolge.<ref>Rianne van der Molen: ''Als schaapjes over de dam'' In: ''Algemeen Dagblad'', 26. November 2008, S. 27</ref> Für brillant hielt ihn der britische ''[[The Guardian|Guardian]]''; trotz weit hergeholter Grundannahmen wirkten die Jugendlichen natürlich und glaubhaft.<ref>Johnny Dee: ''Follow the leader'' In: ''The Guardian'', 13. September 2008, S. 4</ref> Die Deutschen stünden für diese offensichtliche Parabel aufs Dritte Reich Schlange, weil sie die Erinnerung daran brauchten, war die spanische ''[[El Mundo]]'' überzeugt. Der Film sei bloßlegend und erschreckend real.<ref>Lucia Mendez: ''Asuntos internos'' In: ''[[El Mundo]]'', 29. November 2008, segunda edición, S. 5</ref> In seinem überraschenden Debüt (sic), so ''[[El País]]'', erzähle Gansel mit Überzeugung, Rhythmus und Glaubwürdigkeit. Schade sei nur, dass er auf gar akademische Weise inszeniere und die Verhaltensänderungen des Lehrers nicht immer auf der gewünschten Höhe seien.<ref>Javier Ocaña: ''[http://www.elpais.com/articulo/cine/Alegoria/IV/Reich/elpepuculcin/20081128elpepicin_2/Tes Alegoría del IV Reich]'' In: ''El País'', 28. November 2008</ref> Die französische ''[[Positif]]'' fand die behandelten Fragen interessanter als die Inszenierung. ''„Trotz der thematischen Fülle hat man als Zuschauer ein wenig den Eindruck, einer Curling-Partie beizuwohnen.“''<ref>Adrien Gombeaud: ''La Vague'' In: ''Positif'', Nr. 577, März 2009, S. 55</ref> Zustimmend begegneten die ''[[Cahiers du cinéma]]'' dem Film, der befreit von pädagogischer Schwere und gestützt von den jungen Schauspielern, universelle Tragweite habe. Das Wellen-Logo schmücke sich mit der falschen Unschuld einer Handelsmarke und beunruhige durch die Vermischung eines banalen Erkennungszeichens der Konsumgesellschaft mit dem Gruß eines totalitären Modells: Beide kennzeichnen Zugehörigkeit und Ausschluss. Die Rauferei mit Punks sei weniger ideologisch denn ein Aneinandergeraten modischer Stile. Beim nächsten Weltkrieg würden Soldaten von [[Adidas]] und von [[Reebok]] miteinander kämpfen; so gesehen sei ''Die Welle'' gelungen.<ref>Christophe Beney: ''La Vague'' In: ''Cahiers du cinéma'', März 2009, S. 40</ref> == Kassenerfolg und Auszeichnungen == Zum Kinostart stellte der Verleih die Broschüre ''Material für den Unterricht'' zur Verfügung, die Lehrkräften bei „Den Kinobesuch vorbereiten“ und „Den Kinobesuch nachbereiten“ helfen sollte. Außerdem erschien ein offizieller Roman zum Film, geschrieben von [[Kerstin Winter]]. Mit 279 Kopien<ref>''Spiegel Online'', 17. März 2008: ''[http://www.spiegel.de/kultur/kino/0,1518,541870,00.html Hu! Horton hört die Kassen klingeln]''</ref> kam ''Die Welle'' am 13. März 2008 in Deutschland in die Kinos, in Österreich einen Tag später. Der Film erreichte 2,5 Millionen deutsche Kinozuschauer.<ref>film-dienst Nr. 16/ 2008, S. 5</ref> Bei der Verleihung des [[Deutscher Filmpreis 2008|Deutschen Filmpreises 2008]] erhielt ''Die Welle'' den Preis für die ''Beste männliche Nebenrolle'' ([[Frederick Lau]]) und den Filmpreis in Bronze in der Kategorie ''Spielfilm''. Nominiert war außerdem [[Ueli Christen]] für den Schnitt des Films. Im selben Jahr wurde Hauptdarsteller Jürgen Vogel für den [[Europäischer Filmpreis 2008|Europäischen Filmpreis 2008]] als ''Bester Darsteller'' nominiert. Außerdem lief ''Die Welle'' auf dem [[Sundance Film Festival]] in der Sektion ''World Cinema - Dramatic'', ohne eine Auszeichnung zu erringen. Der Film kam auch in die engere Auswahl deutscher Bewerber für den [[Oscar/Bester fremdsprachiger Film|Auslands-Oscar]], hatte aber gegenüber ''[[Der Baader Meinhof Komplex]]'' das Nachsehen. == Literatur == === Gespräche === * Mit Dennis Gansel in ''Der Standard'', 11. Februar 2008, S. 28: ''Faschismus ist für alle anziehend'' * Mit Jürgen Vogel in der ''Süddeutschen Zeitung'', 19. Februar 2008: ''[http://www.sueddeutsche.de/kultur/809/319681/text/ Wer wären Sie unter Hitler gewesen, Herr Vogel?]'' * Mit Dennis Gansel im ''Hamburger Abendblatt'', 10. März 2008, S. 3: ''„An den psychologischen Mechanismen hat sich nichts geändert“'' * Mit Dennis Gansel in den ''Stuttgarter Nachrichten'', 10. März 2008, S. 12: ''„Widerstandsbiografien entstehen aus Zufällen“'' === Kritikenspiegel === Positiv * [[Cinema]], Nr.4/2008, S. 34–36, von Heiko Rosner: ''Das Ende der Unschuld'' * [[film-dienst]] Nr. 6/2008, S. 53, von Mike Beilfuß: ''Die Welle'' * [[Die Welt]], 13. März 2008, S. 27, von Hanns-Georg Rodek: ''Experiment Nationalsozialismus'' * [[Die Zeit]], 13. März 2008, von Maximilian Probst: ''[http://www.zeit.de/2008/12/Film-Die-Welle Macht durch Handeln!]'' Eher positiv * [[Spiegel Online]], 10. März 2008, von Christoph Cadenbach: ''[http://www.spiegel.de/kultur/kino/0,1518,538623,00.html Wie Schüler sich freudestrahlend in Faschisten verwandeln]'' Gemischt * [[epd Film]], Nr. 3, März 2008, S. 46, von Ulrich Sonnenschein: ''Die Welle'' * [[Focus]], 10. März 2008, S. 68, von Harald Pauli: ''Lass den Nazi raus!'' * [[Frankfurter Rundschau]], 13. März 2008, S. 33, von [[Daniel Kothenschulte]]: ''Der freie Wille'' * [[Der Tagesspiegel]], 13. März 2008, S. 31, von Sebastian Handke: ''Die Weißwäscher'' <!--Eher negativ Kein Eintrag--> Negativ * [[Frankfurter Allgemeine Zeitung]], 13. März 2008, S. 36, von Andreas Kilb: ''Auf Wiedersehen, Kinder'' * [[Süddeutsche Zeitung]], 12. März 2008, von [[Tobias Kniebe]]: ''[http://www.sueddeutsche.de/kultur/133/435879/text/ Der Faschist in uns]'' * [[Die tageszeitung|taz]], 12. März 2008, S. 15, von Ekkehard Knörrer: ''Der Mensch ist eben auch nur eine Ratte im Labor'' == Einzelnachweise == <references/> == Weblinks == * [http://www.welle.film.de/ Offizielle Netzpräsenz des Films] * {{IMDb Titel|tt1063669|Die Welle}} * {{OFDb|142909|Die Welle}} * [http://www.film-zeit.de/index.php?action=result&sub=film&info=cinema&film_id=19672 Zusammenstellung von Pressekritiken zu ''Die Welle''] auf ''film-zeit.de''. * {{Filmportal.de Titel|URL=http://www.filmportal.de/df/79/Uebersicht,,,,,,,,B184FF44F2F244A79E3DC20B9E65AEBA,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,.html|TITEL=Die Welle}} * [http://www.marie-curie-gymnasium-dallgow.de Netzauftritt des Marie-Curie-Gymnasiums in Dallgow-Döberitz], an dem der Film gedreht wurde. {{Navigationsleiste Filme von Dennis Gansel}} {{Exzellent|15. Februar 2010|70561357}} {{SORTIERUNG:Welle #Die}} [[Kategorie:Filmtitel 2008]] [[Kategorie:Deutscher Film]] [[Kategorie:Filmdrama]] [[Kategorie:Jugendfilm]] [[Kategorie:Literaturverfilmung]] [[br:Die Welle]] [[ca:L'onada]] [[en:The Wave (2008 film)]] [[es:La Ola]] [[fi:Die Welle]] [[fr:La Vague (film)]] [[hsb:Die Welle]] [[it:L'onda (film 2008)]] [[nl:Die Welle]] [[pt:Die Welle]] [[ru:Эксперимент 2: Волна (фильм)]] [[sv:Die Welle]] l31h22sinhdsul4tye670h1gz9up3pa wikitext text/x-wiki Die Weltbühne 0 24500 27102 2010-03-23T10:19:41Z Schreibkraft 0 Rev. Eulenberg war im Vergleich zu den anderen Genannten kein wichtiger Mitarbeiter des Blattes (21 Beiträge in 22 Jahren) [[Datei:Cover1930a.jpg|miniatur|Umschlag der ''Weltbühne'' vom 2.&nbsp;Dezember 1930]] '''Die Weltbühne''' war eine deutsche [[Zeitschrift|Wochenzeitschrift]] für Politik, Kunst und Wirtschaft. Sie wurde von [[Siegfried Jacobsohn]] in [[Berlin]] unter dem Namen ''Die Schaubühne'' als reine Theaterzeitschrift gegründet und erschien am 7. September 1905 zum ersten Mal. Am 4. April 1918 wurde die ''Schaubühne'', die sich seit 1913 für wirtschaftliche und politische Themen geöffnet hatte, in ''Die Weltbühne'' umbenannt. Nach dem Tode Jacobsohns im Dezember 1926 übernahm [[Kurt Tucholsky]] die Leitung des Blattes, die er im Mai 1927 an [[Carl von Ossietzky]] weitergab. Die [[Nationalsozialismus|Nationalsozialisten]] verboten nach dem [[Reichstagsbrand]] die ''Weltbühne'', die am 7. März 1933 zum letzten Mal erscheinen konnte. Im Exil wurde die Zeitschrift bis 1939 unter dem Titel ''Die neue Weltbühne'' fortgeführt. Nach dem Ende des [[Zweiter Weltkrieg|Zweiten Weltkrieges]] erschien die ''Weltbühne'' unter ihrem ursprünglichen Namen wieder in [[Ost-Berlin]], wo sie bis 1993 Bestand hatte. 1997 haben sich die Zeitschriften ''[[Ossietzky (Zeitschrift)|Ossietzky]]'' und ''[[Das Blättchen]]'' in die Tradition des berühmten Vorbilds gestellt. Mit ihren kleinen roten Heften galt die ''Weltbühne'' in der [[Weimarer Republik]] als ''das'' Forum der radikaldemokratischen bürgerlichen Linken. Rund 2500 Autoren schrieben von 1905 bis 1933 für die Zeitschrift. Dazu gehörten neben Jacobsohn, Tucholsky und Ossietzky auch prominente Journalisten und Schriftsteller wie [[Lion Feuchtwanger]], [[Moritz Heimann]], [[Kurt Hiller]], [[Erich Mühsam]], [[Else Lasker-Schüler]], [[Erich Kästner]], [[Alfred Polgar]], [[Carl Zuckmayer]] und [[Arnold Zweig]]. Auch ein wenig in Vergessenheit geratene Publizisten wie [[Rudolf Arnheim]], [[Julius Bab]], [[Erich Dombrowski]], [[Axel Eggebrecht]], [[Hellmut von Gerlach]], [[Richard Lewinsohn]], [[Fritz Sternberg]] und [[Heinrich Ströbel]] gehörten zu den wichtigen Mitarbeitern des Blattes. Selbst in ihrer Hochphase hatte die ''Weltbühne'' nur eine geringe [[Auflage einer Publikation|Auflage]] von rund 15.000 Exemplaren. Publizistisch drang sie dennoch durch. Beispiele dafür sind die Aufdeckung der [[Fememorde in der Weimarer Republik|Fememorde]] innerhalb der [[Schwarze Reichswehr|Schwarzen Reichswehr]] sowie Berichte über die heimliche Aufrüstung der [[Reichswehr]], die später zum sogenannten ''[[Weltbühne-Prozess]]'' führten. Auch der von Tucholsky geprägte Satz [[Soldaten sind Mörder]] führte zu einer Anklage des damaligen Herausgebers Ossietzky. [[Datei:Stamps of Germany (Berlin) 1989, MiNr 851.jpg|miniatur|Briefmarke der Landespostdirektion Berlin <!-- sic! Schreibung amtlich! -->(West) zum ''100.&nbsp;Geburtstag von Carl von Ossietzky'']] == Entstehung und Entwicklung == [[Datei:K. Tucholsky.jpg|miniatur|hochkant|Briefmarke der Landespostdirektion Berlin (West) zum ''50.Todestag von Kurt Tucholsky'']] Die Gründung der ''Schaubühne'' war das Resultat einer Plagiatsaffäre, in die der 23 Jahre alte Theaterkritiker Siegfried Jacobsohn verwickelt war. Am 12. November 1904 hatte das ''[[Berliner Tageblatt]]'' auf Parallelen zwischen Kritiken von Jacobsohn und [[Alfred Gold]] aufmerksam gemacht. Jacobsohn war zu diesem Zeitpunkt Theaterkritiker der ''[[Die Welt am Montag|Welt am Montag]]'', die ihren streitbaren, und in Presse- und Theaterkreisen daher zum Teil verhassten Mitarbeiter aufgrund der öffentlichen Empörung nicht mehr halten wollte. Der beruflich fürs erste gescheiterte Jacobsohn trat eine mehrmonatige Reise durch Europa an und beschloss, eine eigene Theaterzeitschrift ins Leben zu rufen. Diese Lebensphase, von Beginn der Plagiatsaffäre bis zur Gründung der ''Schaubühne'', beschrieb er in der 1913 erschienenen Schrift ''Der Fall Jacobsohn''. Im Rückblick schilderte er seine Affäre als „Sensationsstück ersten Ranges, für das es sich lohnte, die berliner Litfaßsäulen mit Riesenplakaten – Jacobsohns Entlarvung; Plagiator Jacobsohn; Siegfrieds Tod – wochenlang vollzukleben“ (S. 50). Neueren Untersuchungen zufolge fand der Fall in der Hauptstadtpresse aber nur ein geringes Echo. Jacobsohns Broschüre enthält auch eine Briefpassage, die seine Vorstellungen von der zukünftigen Arbeit als Herausgeber und Redakteur wiedergibt (S. 47): {{Zitat|Herrlich denk' ichs mir, nach meinem Geschmack jede Woche gewissermaßen ein Haus zu bauen, das immer eine andre und doch immer dieselbe Physiognomie haben wird, in immer neuem, immer wertvollem Menschenmaterial zu arbeiten – Regisseur einer gedruckten Bühne.}} === Theaterphase: 1905 bis 1913 === Die Zeitschrift hat während ihres Bestehens von 1905 bis 1933 mehrere Entwicklungsphasen durchlaufen. Bis 1913 konzentrierte sie sich auf „die gesamten Interessen des Theaters“, wie es bis dahin in ihrem Untertitel hieß. Jacobsohn war überzeugt, dass „der Geist eines Volkes und einer bestimmten Zeit eindringlicher als in der übrigen Literatur im Drama zum Ausdruck kommt“ – so heißt es in seinem Beitrag ''Zum Geleit'', mit dem er das erste Heft der ''Schaubühne'' eröffnete. [[Datei:Schaubuehne.jpg|miniatur|Kopf der ersten ''Schaubühne''-Seite]] Den ersten vier Nummern war ein Zitat aus [[Friedrich Schiller|Friedrich Schillers]] Aufsatz ''Die Schaubühne als moralische Anstalt betrachtet'' als Motto vorangestellt: „So gewiß sichtbare Darstellung mächtiger wirkt als toter Buchstabe und kalte Erzählung, so gewiß wirkt die Schaubühne tiefer und dauernder als Moral und Gesetze“. Das war ein Hinweis darauf, wie Jacobsohn sein Unternehmen verstanden wissen wollte: als Aufklärung im Geist der Klassik. Die große Bedeutung, die künstlerischen Debatten in der damaligen Zeit zukam, lag allerdings auch darin begründet, dass die Kunst im [[Deutsches Kaiserreich|Deutschen Reich]] unter [[Wilhelm II. (Deutsches Reich)|Kaiser Wilhelm&nbsp;II.]] weniger Repressionen ausgesetzt war als Politik und Journalismus. Zu den wichtigsten Mitarbeitern in der Anfangsphase der ''Schaubühne'' zählten die Theaterkritiker [[Julius Bab]], [[Willi Handl]] und [[Alfred Polgar]], in den Folgejahren traten auch Schriftsteller wie [[Lion Feuchtwanger]] und [[Harry Kahn]] sowie der Theaterkritiker [[Herbert Ihering]] hinzu. Im November 1908 wurde Feuchtwangers Zeitschrift ''Der Spiegel'' nach nur 15 Ausgaben mit der ''Schaubühne'' vereinigt. Als Theaterkritiker war Jacobsohn ein Antipode [[Alfred Kerr]]s. Anders als dieser war er ein entschiedener Kritiker des Naturalismus und schätzte im Gegensatz zu Kerr auch die Leistungen von [[Max Reinhardt]] als Theaterleiter und -regisseur weit höher ein als die von [[Otto Brahm]]. Reinhardts 1910 beginnende Hinwendung zum Massentheater in Zirkusarenen, die in Berlin schließlich im Bau des Großen Schauspielhauses mündete, wurde von Jacobsohn jedoch missbilligt. === Öffnung zur Politik: 1913 bis 1918 === Am 9. Januar 1913 erschien erstmals ein Beitrag des an diesem Tage 23 Jahre alt gewordenen Jura-Studenten Kurt Tucholsky in der ''Schaubühne''. Schon im ersten Jahr seiner Zusammenarbeit mit Jacobsohn avancierte Tucholsky zu dessen wichtigstem Mitarbeiter. [[Datei:GedenktafelSJ.jpg|miniatur|Gedenktafel am Redaktionssitz Dernburgstraße]] Um das Blatt nicht allzu „Tucholsky-lastig“ erscheinen zu lassen, legte er sich bereits 1913 drei Pseudonyme zu, die er bis zum Ende seines publizistischen Wirkens beibehielt: Ignaz Wrobel, Theobald Tiger und Peter Panter. Unter dem Einfluss von Tucholskys Mitarbeit sollte sich auch der Charakter der ''Schaubühne'' rasch wandeln. Schon im März 1913 erschienen die ersten „Antworten“, eine Rubrik, in der die Zeitschrift in Zukunft auf echte oder fingierte Leserbriefe Stellung nehmen sollte. Wichtiger war jedoch die Entscheidung Jacobsohns, sein Blatt für Themen aus Politik und Wirtschaft zu öffnen. Am 25. September berichtete der Wirtschaftsjurist [[Martin Friedlaender]] unter dem Pseudonym „Vindex“ über Monopolstrukturen in der [[Vereinigte Staaten|amerikanischen]] Tabakindustrie. Jacobsohn nahm in einer fingierten „Antwort“ dazu Stellung: {{Zitat|[…]&nbsp;Wenn hier neun Jahre das Theater und nur das Theater betrachtet worden ist, so habe ich damit noch nicht das Recht verwirkt, einmal andre Dinge betrachten zu lassen und zu betrachten. Ein Feld abgesondert von allen anderen zu beackern, hat seine Reize, seine Vorteile, aber auch seine Gefahren.&nbsp;[…]}} Während des Krieges gelang es Jacobsohn, dass seine Zeitschrift trotz schwieriger Bedingungen regelmäßig erscheinen konnte. Von August 1914 an eröffnete er jedes Heft mit einem politischen Leitartikel, in dem ein „patriotischer“ Standpunkt vertreten wurde. Im November 1915 startete der Journalist [[Robert Breuer]] unter dem Pseudonym „Cunctator“ eine Serie von Artikeln, die sich kritisch mit der Politik der Reichsregierung und dem politischen Zustand des Reiches auseinander setzten. Die Reihe gipfelte am 23. Dezember in dem Beitrag ''Die Krise des Kapitalismus'', der mit der Feststellung endete: „Nur die Internationale des Proletariats kann die Krise des national verbrämten Kapitalismus überwinden.“ Aufgrund dieses Artikel wurde die ''Schaubühne'' zunächst verboten. Jacobsohn konnte jedoch ein weiteres Erscheinen des Blattes sicherstellen, indem er in eine Vorzensur einwilligte. Zum ''Germanicus'' gewandelt kehrte Breuer im Januar 1916 als Kommentator zurück in das Blatt und führte dort trotz seines Namens einen permanenten Kampf gegen die Annexionsforderungen des [[Alldeutscher Verband|Alldeutschen Verbandes]]. Von 1916 druckte Jacobsohn, der 1915 nach dem Tod seines jüngsten Bruders an der Front ein leidenschaftliches pazifistisches Bekenntnis abgegeben hatte, regelmäßig Annoncen zur Zeichnung von Kriegsanleihen. Ungeklärt ist bislang, ob diese Anzeigen vergütet wurden und damit möglicherweise entscheidend zur Existenzsicherung der Zeitschrift beitrugen. Das insgesamt keineswegs pazifistische, politisch bestenfalls als lavierend zu bezeichnende Erscheinungsbild des Blattes trug Jacobsohn später nicht unberechtigte Kritik u.&nbsp;a. von [[Franz Pfemfert]] und [[Karl Kraus]] ein. Dem Wandel vom reinen Theaterblatt zur „Zeitschrift für Politik, Kunst, Wirtschaft“ trug Jacobsohn schließlich am 4. April 1918 mit der Umbenennung der ''Schaubühne'' in ''Weltbühne'' Rechnung. === Für Revolution und Republik: 1918 bis 1926 === Nach den Anfangserfolgen der deutschen Frühjahrsoffensive 1918 rückte Jacobsohns Leitartikler Robert Breuer von seiner bis dahin anti-annexionistischen Position ab und verließ auch auf anderen Gebieten die bisherige Linie des Blattes. Die Differenzen zwischen dem [[Mehrheitssozialdemokratischen Partei Deutschlands|MSPD]]-Anhänger Breuer und Jacobsohn, der sich mehr und mehr der Position der [[Unabhängige Sozialdemokratische Partei Deutschlands|USPD]] näherte, führte schließlich zum Abschied von „Germanicus“. Während der [[Novemberrevolution]] ließ sich die ''Weltbühne'' nicht auf einen Parteikurs festlegen. Von März 1919 bis Oktober 1920 schrieb der Sozialdemokrat [[Heinrich Ströbel]] die politischen Leitartikel. Am 21. November 1918 veröffentlichte Jacobsohn das Programm des „Rates geistiger Arbeiter“, dem er selbst kurzzeitig angehörte, den er aber verließ, weil er sich nicht für einen „Debattierklub“ die Zeit für die Redaktionsarbeit stehlen lassen wollte. Schon bald beschäftigte sich die ''Weltbühne'' kritisch mit der Zusammenarbeit von Sozialdemokratie und dem alten Heer sowie der unzureichenden Säuberung von Justiz und Verwaltung von monarchistisch und antirepublikanisch eingestellten Beamten. Im März 1919 wehrte sich Tucholsky in dem programmatischen Text „Wir Negativen“ gegen den Vorwurf, die neue Republik nicht positiv genug zu sehen: {{Zitat|Wir können nicht zu einem Volk Ja sagen, das, noch heute, in einer Verfassung ist, die, wäre der Krieg zufälligerweise glücklich ausgegangen, das Schlimmste hätte befürchten lassen. Wir können nicht zu einem Land Ja sagen, das von Kollektivitäten besessen ist, und dem die Korporation weit über dem Individuum steht|„Wir Negativen“, in: ''Die Weltbühne'', 13. März 1919, S. 279}} In den folgenden Jahren vertrat die ''Weltbühne'' einen strikt pazifistischen und antimilitaristischen Kurs, forderte eine harte Reaktion der Republik auf die zahlreichen politischen Morde und drängte auch während des [[Ruhrbesetzung|Ruhrkampfes]] auf die Erfüllung der im [[Friedensvertrag von Versailles|Versailler Vertrag]] festgelegten Friedensbedingungen. [[Datei:WeltbuehneKoenigsweg.jpg|miniatur|Redaktionssitz (1921–1926) am früheren Königsweg, Berlin-Charlottenburg]]Daher trat das Blatt auch entschieden für die Aussöhnung mit den Kriegsgegnern ein. Ein besonderes Verdienst der ''Weltbühne'' bestand darin, auf die [[Fememorde in der Weimarer Republik|Fememorde]] innerhalb der [[Schwarze Reichswehr|Schwarzen Reichswehr]] aufmerksam gemacht zu haben. Obwohl Jacobsohn wusste, dass er sich damit einer großen persönlichen Gefahr aussetzte, veröffentlichte er vom 8. August 1925 an entsprechende Aufzeichnungen des ehemaligen Freikorpsangehörigen [[Carl Mertens]]. Wegweisend für die weitere Entwicklung der Zeitschrift war auch die Verpflichtung des politischen Publizisten Carl von Ossietzky, der vom April 1926 an als Redakteur und politischer Leitartikler von Jacobsohn beschäftigt wurde. Mit dem plötzlichen Tod Jacobsohns am 3. Dezember 1926 war der Fortbestand der ''Weltbühne'', die damals eine Auflage von rund 12.500 Exemplaren hatte, jedoch in Frage gestellt. === Kampf gegen den Faschismus: 1927 bis 1933 === Nach dem Tod seines Mentors Jacobsohn gab Tucholsky zunächst sein Korrespondentendasein in Paris auf, kehrte zurück nach Berlin und wurde – wie er es spöttisch nannte – „Oberschriftleitungsherausgeber“ der ''Weltbühne''. Es zeigte sich jedoch schon bald, dass ihm diese Position nicht behagte. Daher übernahm Ossietzky im Mai 1927 die Redaktion und wurde von Oktober 1927 offiziell als Herausgeber genannt, „unter der Mitarbeit von Kurt Tucholsky“, wie es bis 1933 auf dem Titelblatt hieß. Obwohl von Ossietzky vom Typus her ein völlig anderer Redakteur als Jacobsohn war, blieb die Kontinuität der Zeitschrift gewahrt. Aus den Briefen Tucholskys an seine Frau [[Mary Gerold]] geht jedoch hervor, dass dieser in den Jahren 1927 und 1928 alles andere als zufrieden über die Arbeitsweise seines Nachfolgers „Oss“ war. Typische Briefpassagen lauteten: „Oss antwortet überhaupt nicht – geht auf nichts ein – und zwar sicherlich nicht aus Gemeinheit, sondern aus Faulheit“ (14. August 1927); „Oss ganz weit weg. Ich habe den lebhaften Eindruck, zu stören. Er mag mich nicht u. ich ihn nicht mehr. Behandelt mich um die entscheidende Nuance zu wenig respektvoll. Kriegt auf den Kopf“ (20. Januar 1928); „Oss ist ein aussichtsloser Fall – er weiß nicht einmal, wie langweilig er alles macht. Er ist faul und unfähig.“ (25. September 1929) Erst in den kommenden Jahren sollten sich die beiden Journalisten inhaltlich und persönlich näherkommen, sodass Tucholsky im Mai 1932 schließlich einräumte, Ossietzky habe dem Blatt einen „gewaltigen Auftrieb“ gegeben. [[Datei:WeltbuehneKantstr.jpg|miniatur|links|Gedenktafel am Redaktionssitz Kantstraße]] [[Datei:Bundesarchiv Bild 183-B0527-0001-861, Carl von Ossietzky vor der Strafanstalt Berlin-Tegel.jpg|miniatur|Vor der Strafanstalt in Berlin-Tegel. V.l.n.r.: Kurt Großmann, Rudolf Olden, beide Deutsche Liga für Menschenrechte; Carl von Ossietzky, Apfel, Rechtsanwalt; Rosenfeld]] Dieser Auftrieb schlug sich auch in der Auflage nieder, die Anfang der 1930er-Jahre mit 15.000 Exemplaren ihr Maximum erreichte. Von der Bedeutung der ''Weltbühne'' zeugen u.a. die Leserzirkel, die sich in zahlreichen deutschen Städten und selbst in Südamerika bildeten. Für Aufmerksamkeit auch über den Kreis der Leser hinaus sorgten die juristischen Auseinandersetzungen, die die ''Weltbühne'' aufgrund ihrer antimilitaristischen Aufklärungsarbeit fast permanent mit dem [[Reichswehrministerium]] führte. Höhepunkt dieser Konflikte war der sogenannte ''[[Weltbühne-Prozess|Weltbühne-Prozess]]'', in dessen Folge von Ossietzky und der Journalist [[Walter Kreiser]] wegen [[Spionage]] zu 18 Monaten Haft verurteilt wurden. Dem Kampf gegen die „Reise ins [[Drittes Reich|Dritte Reich]]“ (Tucholsky) galt gegen Ende der Weimarer Republik die volle Konzentration des Blattes, obgleich das kulturelle Leben nicht völlig ausgeblendet wurde. Allerdings hatte Tucholsky Anfang 1932 bereits resigniert und veröffentlichte nur noch sporadisch eigene Texte. Im Mai 1932 übernahm Hellmut von Gerlach vorübergehend die Leitung, da Ossietzky seine Haftstrafe absitzen musste. Während dieser Zeit fungierte der Journalist [[Walther Karsch]] als so genannter [[Sitzredakteur]], war also verantwortlicher Redakteur im Sinne des [[Presserecht]]s. Im Sommer wurde Ossietzky ebenfalls wegen des Tucholsky-Satzes „[[Soldaten sind Mörder]]“ angeklagt. Ein Gericht sprach den bereits Inhaftierten jedoch frei, der Weihnachten 1932 aufgrund einer Amnestie schließlich aus der Haft entlassen wurde. Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten am 30. Januar 1933 war vorauszusehen, dass ein Verbot der ''Weltbühne'' erfolgen würde. In der Nacht des Reichstagsbrands vom 27. auf den 28. Februar 1933 wurden Ossietzky und weitere Mitarbeiter verhaftet. Nach der Flucht Hellmut von Gerlachs übernahm Walther Karsch, der spätere Mitbegründer des Berliner ''[[Der Tagesspiegel|Tagesspiegels]]'', auch die Funktion des Chefredakteurs der ''Weltbühne''. Die für den 14. März geplante Ausgabe konnte zwar noch gedruckt, aber nicht mehr ausgeliefert werden. Die letzte Ausgabe der ''Weltbühne'' erschien somit am 7. März 1933 und endete mit der trotzigen Versicherung: „Denn der Geist setzt sich doch durch“. == Nachfolge-Zeitschriften == === Wechselvolle Jahre im Exil: 1933 bis 1939 === Das Verbot der Zeitschrift traf den Verlag der Weltbühne nicht unvorbereitet. Schon am 29. September 1932 war in [[Wien]] ein Ableger des Blattes erschienen, die ''Wiener Weltbühne''. Als Leiter der Wiener Dependance fungierte der Journalist [[William S. Schlamm|Willi Siegmund Schlamm]], ein Schüler von [[Karl Kraus]] und [[Leo Trotzki]]. Im Redaktionsvertrag zwischen Schlamm und Edith Jacobsohn war vorgesehen, dass Carl von Ossietzky im Falle einer Emigration auch die Redaktion des Exilblattes übernehmen würde. Doch dazu kam es nie. Edith Jacobsohn gelang jedoch gemeinsam mit ihrem Sohn Peter die Flucht in die [[Schweiz]]. Von dort aus versuchte sie, weiterhin Einfluss auf die Zeitschrift zu nehmen, die nach der Entmachtung des [[österreich]]ischen Parlaments durch Kanzler [[Engelbert Dollfuß]] ihren Redaktionssitz nach [[Prag]] hatte verlegen müssen. Da das Berliner Original inzwischen auch verboten worden war, änderte die Zeitschrift ihren Namen daher in ''Die neue Weltbühne'' um. Schon bald gab es Differenzen zwischen Schlamm und Jacobsohn, denn die Auflage des Blattes war nicht hoch genug, um die finanziellen Ansprüche Edith Jacobsohns zu decken. Dafür wurde auch Schlamms politische Linie verantwortlich gemacht, da dieser die Politik der Sozialdemokratie und der Sowjetunion kritisierte. Unter dem Einfluss des Wirtschaftsjournalisten [[Hermann Budzislawski]], der in Berlin sporadischer Mitarbeiter der ''Weltbühne'' gewesen war, ließ Jacobsohn es auf den Bruch mit Schlamm ankommen. Von März 1934 an übernahm Budzislawski die Redaktion in Prag. Zwar änderte er sogleich die politische Linie der Zeitschrift, doch die Auflage konnte er nicht wesentlich erhöhen. Dies lag auch daran, dass mit [[Austrofaschismus|Österreich]] und bald auch dem [[Saargebiet]] wichtige Absatzgebiete der Exilzeitschriften verloren gingen. Daher sah Edith Jacobsohn sich im Juni 1934 gezwungen, Verlag und Titelrechte zu verkaufen. Als Käufer traten der Physiker Albrecht Seidler-Stein (60&nbsp;Prozent Anteile), der Rechtsanwalt Hans Nathan-Ludwig (31&nbsp;Prozent) und der frühere ''Weltbühne''-Mitarbeiter Heinz Pol (neun&nbsp;Prozent) auf. Im Juli 1935 verkaufte Nathan-Ludwig seine Anteile jedoch an die mit Budzislawski befreundete Helene Reichenbach, Tochter eines chinesischen Diplomaten und Geschäftsmannes. Pol gab seinen Anteil im November 1935 ebenfalls wieder ab, sodass Seidler-Stein schließlich zwei Drittel der Anteile, Reichenbach ein Drittel besaß. Da Seidler-Stein versuchte, Budzislawski durch einen anderen Redakteur zu ersetzen, wurde er von Budzislawski schließlich aus dem Verlag gedrängt. Obwohl Budzislawski über keine finanziellen Rücklagen verfügte, stimmte die in Moskau lebende Reichenbach im August 1936 einem Vertrag zu, der beiden zu gleichen Teilen das Eigentum am Verlag zusicherte. Unter diesen Bedingungen konnte die Zeitschrift noch rund drei Jahre existieren. Im Juni 1938 wechselte die Redaktion von Prag nach [[Paris]], da ''Die neue Weltbühne'' in der [[Tschechoslowakei]] bereits mehrfach wegen Deutschland-kritischer Artikel konfisziert worden war. In [[Frankreich]] verboten die Behörden schließlich ebenfalls das Blatt, das am 31. August 1939 zum letzten Mal erscheinen konnte. Budzislawski ist in der Vergangenheit häufig vorgeworfen worden, die ''Weltbühne'' lediglich als kommunistischer Agent übernommen zu haben, um sie im Sinne der [[Kommunistische Partei Deutschlands|KPD]] und der [[Komintern|Kommunistischen Internationale]] weiterführen zu können. Neuere Forschungen unter Auswertung des Redaktionsarchivs gehen eher davon aus, dass Budzislawski aus Gründen der persönlichen Reputation und als entschiedener Hitler-Gegner die Leitung der ''Neuen Weltbühne'' übernehmen wollte. Dennoch bleibt festzuhalten, dass unter seiner Herausgeberschaft nach Moskau emigrierte deutsche Kommunisten wie [[Walter Ulbricht]] und [[Franz Dahlem]] ein Forum in dem Blatt fanden. Außerdem vermied es Budzislawski, über die so genannten [[Stalinsche Säuberungen|Stalinschen Säuberungen]] zu berichten. [[Kurt Hiller]], seit 1915 Mitarbeiter der ''Weltbühne'', appellierte 1937 aber vergeblich an Budzislawski, die charakteristische Ausgewogenheit und Freizügigkeit der Zeitschrift wiederherzustellen (vgl. seine kritische Schrift ''Rote Ritter. Erlebnisse mit deutschen Kommunisten'', Gelsenkirchen 1951). === Parteiblatt nach dem Krieg: 1945 bis 1993 === 1946 wurde die ''Weltbühne'' von [[Maud von Ossietzky]] und [[Hans Leonard]] wieder gegründet und im ''Verlag der Weltbühne'', Ost-Berlin, herausgegeben. Von den USA aus erhoben sowohl Peter Jacobsohn als auch Budzislawski Einspruch gegen die Neugründung. In den Jahren nach dem Kriege fand die Zeitschrift auch in den westlichen Besatzungszonen viele Abnehmer. In den 1950er und 1960er wurde die ''Weltbühne'' daher als Brücke zu den intellektuellen Kreisen im Westen gesehen sowie als Möglichkeit betrachtet, diese Kreise zu beeinflussen. In einem Antrag auf die Neuausstellung einer Lizenzurkunde im Jahre 1962 hieß es daher: {{Zitat|Besonders hervorzuheben ist, daß unter diesen Gründen die Beeinflussung der Intelligenzkreise im In- und Ausland, und speziell in Westdeutschland, als eine unserer Aufgaben angesehen und akzeptiert wurde. Der Unterzeichner dieses Antrags erhielt vom Zentralkomitee der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands bald nach der Währungsunion eine entsprechende Direktive.|Zitiert nach: Petra Kabus: „Hätte Tucholsky für die DDR-Weltbühne geschrieben?“, in: Stefanie Oswalt (Hg.): ''Die Weltbühne: zur Tradition und Kontinuität demokratischer Publizistik.'' St. Ingbert 2003, S. 216}} Im Zweifel entschied sich die Redaktion dabei für die aktuellen politischen Erfordernisse und gegen die Tradition der Zeitschrift, wie aus einer internen Charakteristik von Mitte der 1950er-Jahre hervorgeht: {{Zitat|In der Vergangenheit – vor 1933 – hatte die Weltbühne, besonders unter der Leitung Carl v. Ossietzkys und Kurt Tucholskys, leider vorbehaltlos pazifistischen Tendenzen gehuldigt. Da unsere Wochenschrift den Namen „Weltbühne“ trägt und zusätzlich auch den Namen Carl v. Ossietzkys führt, gilt es, den Nimbus dieser Namen und die Tradition der Weltbühne den eingangs skizzierten fortschrittlichen Bestrebungen von heute weitestgehend nutzbar zu machen ohne in den vorbehaltlosen Pazifismus abzugleiten: Die Weltbühne von 1954 unterstützt die Politik der Deutschen Demokratischen Republik, das heißt, daß sie selbstverständlich und konsequent die Bestrebungen der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands vertritt, ohne etwa nach außen hin als Parteiorgan erkennbar zu werden.|Zitiert nach: Kabus: S. 220}} „Kam die ''Weltbühne'' immer etwas intellektueller daher als andere DDR-Zeitschriften, so war sie doch im Grunde linientreu“, lautet das Resumee von Petra Kabus. Allerdings erreichte die Auflage mit 170.000 Exemplaren eine Größenordnung, die diejenige der Original-''Weltbühne'' um mehr als das Zehnfache überstieg. Von 1967 bis 1971 fungierte Budzislawski wieder als Herausgeber und Chefredakteur der ''Weltbühne''. Von Dezember 1989 bis zur Einstellung des Blattes im Juli 1993 übernahm [[Helmut Reinhardt]] diese beiden Aufgaben. Die Zeitschrift musste auch deswegen eingestellt werden, weil Peter Jacobsohn nach der [[Deutsche Wiedervereinigung|Wiedervereinigung]] die Rechte an dem Zeitschriftentitel geltend machte. Einen ersten Prozess vor dem [[Landgericht]] [[Frankfurt am Main]] verlor Jacobsohn jedoch. Der zwischenzeitliche Eigentümer des Verlages, [[Bernd F. Lunkewitz]], versuchte sich im anschließenden Berufungsverfahren vor dem [[Oberlandesgericht]] Frankfurt am Main außergerichtlich mit Jacobsohn zu einigen. Da diese Einigung misslang, stellte er die hochdefizitär gewordene Zeitschrift am 6. Juli 1993 ein. Seine Begründung: {{Zitat|Mit Herrn Peter Jacobsohn, Erbe des Verlagsgründers, will ich mich jedoch nicht streiten. Er war in Deutschland rassisch verfolgt, enteignet und musste emigrieren. Um das Unternehmen zu retten, hatte ich es ihm für 1&nbsp;DM zum Kauf angeboten. Das hat er abgelehnt. Danach habe ich einen Vergleich vorgeschlagen, der die moralisch saubere Lösung der Ansprüche Herrn Jacobsohns und die Interessen der Leser und Mitarbeiter der Zeitschrift vereinbaren sollte. (…) Er hat sich entschieden, nicht den Verlag, sondern lediglich die Titelrechte an sich zu nehmen, daher kann die Zeitschrift nicht mehr erscheinen.|In: ''Die Weltbühne'', 6. Juli 1993, S. 833}} Der Verlag der Weltbühne hatte als Vorleistung für den Vergleich die Ansprüche Jacobsohns voll anerkannt, was nicht mehr rückgängig gemacht wurde. Herausgeber Helmut Reinhardt war bis zuletzt davon ausgegangen, dass der Prozess vor dem Oberlandesgericht gewonnen werden würde. Die Redaktion des Blattes zeigte sich von dem eigenmächtigen Vorgehen Lunkewitz' daher völlig überrascht und fügte dessen Erklärung eine eigene Stellungnahme hinzu: {{Zitat|Das Ensemble der Weltbühne steht fassungslos an der Rampe, zieht den Hut, verbeugt sich vor dem treuen Publikum und läßt erklären: Zu diesem bösen Spiel fällt uns nichts mehr ein!}} Durch die [[Anerkenntnis]] des [[Zivilprozessrecht (Deutschland)|Klagebegehrens]] wurde juristisch nie geklärt, ob die Titelrechte tatsächlich den Jacobsohn-Erben zugestanden hätten. Zwar sicherte sich Jacobsohn zwischenzeitlich die Titelrechte, jedoch wurden diese anschließend nie genutzt. Dies ist mit einer Sicherung von [[Marke (Recht)|Markenrechten]] nicht dauerhaft vereinbar (siehe: [[Marke_%28Recht%29#Schutzdauer|Schutzdauer im Markenrecht]]) Lunkewitz verkaufte im August 1993 schließlich den Verlag samt Abonnentenkartei an Peter Großhaus, der damals auch die frühere [[Freie Deutsche Jugend|FDJ]]-Zeitung ''[[Junge Welt]]'' verlegte. Im Dezember 1993 wechselte der Verlag ein weiteres Mal den Besitzer und wurde in Webe Verlag und Beteiligungsgesellschaft umbenannt. Drei Jahre später, im November 1996, kaufte ''[[Titanic (Magazin)|Titanic]]''-Verleger <ref>[http://www.brandeins.de/home/inhalt_detail.asp?id=638 brand eins Magazin – Inhalte<!-- Automatisch generierter titel -->]</ref> [[Erik Weihönig]]<!-- tucholsky-gesellschaft.de schreibt Eric, Erik ist vermutlich korrekt --> den Verlag<ref>[http://www.tucholsky-gesellschaft.de/Ktgesellschaft/Rundbrief/Rundbrief_0803.htm#4 KTG Rundbrief August 2003<!-- Automatisch generierter titel -->]</ref>. Am 29. November 2001 wurde die Webe schließlich aus dem [[Handelsregister]] gelöscht. === Zwei Wiederbelebungsversuche 1997 === 1997 wurden sowohl in [[Berlin]] als auch in [[Hannover]] Wiederbelebungsversuche unternommen. Beide Autorengruppen scheuten eine juristische Auseinandersetzung um das Recht an dem Namen ''Weltbühne''. Nicht nur Peter Jacobsohn, sondern auch die neuen Besitzer des früheren Weltbühne-Verlages wollten die Verwendung des Namens unterbinden. Das Projekt aus Hannover wurde daher ''[[Ossietzky (Zeitschrift)|Ossietzky]]'' genannt und erscheint im gleichnamigen Verlag. Die Redaktion zog aber im Jahre 2000 von Hannover nach Berlin um. Herausgeber ist [[Eckart Spoo]], früher Korrespondent bei der ''[[Frankfurter Rundschau]]''. Das Ost-Berliner Zwillingsblatt legte sich den redaktionsinternen Spitznamen der Original-Weltbühne ''[[Das Blättchen]]'' zu und wurde bis September 2009 als gedruckte Ausgabe von einem Zirkel um [[Jörn Schütrumpf]] herausgegeben. Ab 2010 sollte es nur noch im Internet erscheinen. == Rezeption und Wirkung == Dass die ''Weltbühne'' trotz ihrer geringen Auflage eine so große Wirkung entfalten konnte, lässt sich wohl nur mit der Person Siegfried Jacobsohns begründen. Über einen Zeitraum von zwei Jahrzehnten war es ihm gelungen, wichtige Vertreter der intellektuellen Linken an sein Blatt zu binden und eine gleich bleibend hohe Qualität der Texte zu gewährleisten. ''„Der Mann war der idealste Redakteur, den unsre Generation gesehen hat“'', schrieb Tucholsky nach dem überraschenden Tod Jacobsohns im Dezember 1926. Im Unterschied zu [[Karl Kraus]]' ''Fackel'' und [[Maximilian Harden]]s ''Zukunft'' dominierten in der ''Weltbühne'' jedoch von Anfang an nicht die Texte eines [[Egomanie|egomanischen]] Herausgebers. Jacobsohn sah sich stets als der ''„Regisseur einer gedruckten Bühne“'', wie er im Mai 1905 in einem Brief geschrieben hatte. Die geringe Auflage steht nicht im Widerspruch zur, sondern kann eher als Begründung für die besondere Stellung der ''Weltbühne'' herhalten. Denn im Gegensatz zu größeren Blättern musste Jacobsohn weder auf Verlags-, Partei- noch Anzeigeninteressen Rücksicht nehmen. Auch um die Ansprüche seiner Leser scherte sich Jacobsohn wenig. ''„Sie haben nur ein Recht: mein Blatt nicht zu lesen“'', zitierte Tucholsky mehrfach das Credo seines Mentors. Charakteristisch dafür war eine ''Antwort'', die Jacobsohn einem Leser gegen Ende des [[Erster Weltkrieg|Ersten Weltkrieges]] gab: {{Zitat|'''Leisetreter'''. Sie beklagen sich über den Ton meines Blattes? Da weiß ich Ihnen ein sicheres Mittel: befreien Sie mich von Ihrem Lesertum, und das schnellstens. (…) Aber sollte die [[Zensur (Informationskontrolle)|Schweinerei]] je zu Ende sein, und sollte ich dieses Ende erleben, so wird hier ein Ton gepfiffen werden, ein Tönchen, daß Euch Hören und Sehen vergeht.|„Antworten“, in: ''Die Weltbühne'', 21. Oktober 1918, S. 424.}} Diese Unabhängigkeit war auch ein Grund dafür, dass ein Autor wie Tucholsky trotz des nicht gerade üppigen Honorars immer wieder zur ''Weltbühne'' zurückkehrte und dort Texte veröffentlichte, die er in bürgerlichen Blättern wie der ''[[Vossische Zeitung|Vossischen Zeitung]]'' oder dem ''[[Berliner Tageblatt]]'' nicht unterbringen konnte. Ein Resultat der Radikalität waren Vorwürfe, die sich das Blatt schon Anfang 1919 gefallen lassen musste und die Tucholsky damals wie folgt zusammenfasste: {{Zitat|Es wird uns Mitarbeitern der 'Weltbühne' der Vorwurf gemacht, wir sagten zu allem Nein und seien nicht positiv genug. Wir lehnten ab und kritisierten nur und beschmutzten gar das eigene deutsche Nest. Und bekämpften –&nbsp;und das sei das Schlimmste&nbsp;– Haß mit Haß, Gewalt mit Gewalt, Faust mit Faust.|Kurt Tucholsky: „Wir Negativen“, in: ''Die Weltbühne'', 13. März 1919, S. 279}} Der Hintergrund dieser Kritik lag wohl darin, dass sich die ''Weltbühne'' in der Weimarer Republik von Beginn an nicht auf eine bestimmte parteipolitische Position festlegen ließ und bei keiner Partei ihre Vorstellungen von einem demokratischen und sozialen Deutschland verwirklicht sah. Vor allem die [[Sozialdemokratische Partei Deutschlands|SPD]] musste sich bis zum Ende der Weimarer Republik vorhalten lassen, die Ideale der [[Novemberrevolution]] verraten und nicht energisch genug mit den Traditionen des Kaiserreiches gebrochen zu haben. Die Radikalität und Offenheit der ''Weltbühne''-Positionen waren jedoch gleichzeitig ein Grund dafür, dass sie innerhalb von Journalismus und Politik sehr aufmerksam wahrgenommen wurden. Diese Leserschicht des Blattes erfüllte somit eine Multiplikatorenfunktion und sorgte dafür, dass die ''Weltbühne''-Positionen in anderen Blättern Verbreitung fanden, wenn auch häufig verkürzt und verfälscht. ''„Die 'Weltbühne' hat immer zwei gewichtige Gegenpole gehabt: die Parteien und die große Presse“'', heißt es bei Tucholsky in „Fünfundzwanzig Jahre“. Charakteristisch für Rezeption und Wirkung der ''Weltbühne'' sowie Ton und Inhalt der damaligen Debatten ist folgende „Antwort“, die die Kritik eines sozialdemokratischen Blattes an der ''Weltbühne'' wiedergibt: {{Zitat|'''Volksblatt für Halle.''' Du hast dich über uns geärgert und schreibst nun: „In der ‚Weltbühne‘, die sich „Wochenschrift für Politik, Kunst, Wirtschaft“ nennt polemisiert ein gewisser Carl von Ossietzky gegen den Kieler Parteitag. Er sieht sich zwar zur Behauptung gezwungen, daß die Partei nicht zu erschüttern sei, dafür nennt er sie jedoch aus Rache ungeistig. Wenn wir auch das individualistisch-anarchistische Kaffeehaus-Literatentum, das sich in dieser Zeitschrift breitmacht, nicht für Politik nehmen, so ist es doch von Wichtigkeit, gelegentlich auf die infolge erstaunlicher geistiger Zuchtlosigkeit sich dort breitmachenden Anwürfe gegen alle und alles aufmerksam zu machen, da das Blatt merkwürdigerweise auch hier und dort im Kreis Organisierter gelesen wird. Der demokratische Reichstagsabgeordnete Erkelenz charakterisierte „Die Weltbühne“ kürzlich einmal sehr richtig, indem er schrieb: Was für Männer in Deutschland auch immer zu irgendeiner Zeit herrschen mögen, in kürzester Frist werden sie insgesamt, ohne Unterschied der Partei, von der „Weltbühne“ so madig gemacht sein, daß kein Hund ein Stück Brot von ihnen nimmt. Das zur Einleitung des nachstehenden Artikels.“ Der nachstehende Artikel aber beginnt: „Die Sozialdemokraten als die größte geistige Strömung der heutigen Zeit&nbsp;…“ Da kann man nix machen.|„Antworten“, in: ''Die Weltbühne'', 7. Juni 1927, S. 920}} Trotz dieser Dauerkritik an der SPD war der ''Weltbühne'' stets klar, dass die wahren Feinde der Republik auf der anderen Seite des politischen Spektrums zu suchen waren. In einem Gedicht Tucholskys hieß es Ende 1919: {{Zitat|Nun steh ich auf. Ich weiß Bescheid:<br />Nach jener winzigen, großen Zeit<br />sei dies der Wahrspruch des Geschlechts:<br />Der Feind steht rechts! Der Feind steht rechts!|Kaspar Hauser: „Morgenpost“, in: ''Die Weltbühne'', 27. November 1919, S. 674}} Das Blatt scheute daher nicht davor zurück, aus Protest gegen die judenfeindliche Politik der [[Ordnungszelle|Kahr-Regierung]] die Leser dazu aufzufordern, ihren Urlaub nicht mehr in Bayern zu verbringen. Die Kampagne „Reisende, meidet Bayern!“ schlug hohe Wellen, wie die folgende, von extremem [[Antisemitismus]] geprägte Reaktion zeigt: {{Zitat|Reisende, meidet Bayern! Das ist die Aufschrift von einem Schmotzes, was geschrieben hat der Chaim Wrobel, alias Teiteles Tucholsky, alias Isak Achselduft, in der „Weltbühne“ in der Spreestadt Berlin. Er ist, wie alle Neu-Berliner, aus Krotoschin in Galizien, wo man mit der linken Hand den Hintern kratzt und mit der rechten Hand in der Nos bohrt. (…) In Berlin darf der Teiteles ruhig schreiben, daß die „Kahr-Regierung lächerlich ist“, wenn er aber zu uns herunterkommt und so was sagt, kriegt er altbayerische Fotzen, daß ihm der gehamsterte Schlagrahm zu lauter Butter gerührt wird. Das ist ein Geheimnis, was wir dem Teiteles verraten.|Anonym ([[Ludwig Thoma]]) <!-- Zur Urheberschaft siehe Diskussion -->in: ''[[Miesbacher Anzeiger]]'', 2. Februar 1921}} Die ''Weltbühne'' wurde von Vertretern der radikalen politischen Rechten aber nicht nur aufmerksam verfolgt und angegriffen, sondern wegen ihrer Konzeption und ihres sprachlichen Niveaus auch bewundert. So schrieb der Nationalist [[Franz Schauwecker]] im Januar 1926 an [[Ernst Jünger]]: {{Zitat|Kennen Sie die ‚Weltbühne‘ nicht? U.&nbsp;das sehr ähnliche ‚Tagebuch‘? Dann rate ich Ihnen doch d&nbsp;r&nbsp;i&nbsp;n&nbsp;g&nbsp;e&nbsp;n&nbsp;d, diese beiden kleinen, vorzüglich geleiteten Wochenschriften der Linksdemokratie zu lesen. Dringend!|Zitiert nach: Ulrich Fröschle: „Stefanie Oswalt: Siegfried Jacobsohn (Rez.)“, in: ''[[Wirkendes Wort]]'', Nr. 3, Dezember 2000, S. 463–466, hier: S. 463}} Tatsächlich scheint die ''Weltbühne'' für einige nationalistische Blätter ein Vorbild abgegeben zu haben. Bemerkenswert ist auch eine Stellungnahme des jungkonservativen Publizisten [[Heinrich von Gleichen-Rußwurm]], der seine Kritik an der Haltung der ''Weltbühne'' mit einer scharfen Missbilligung antisemitischer Pöbeleien verband: {{Zitat|Wir lehnen es ab, die von uns bekämpften Autoren als Juden zu diffamieren. Wir lehnen das nicht nur deswegen ab, weil wir die antisemitische Hetze als moralisch unsauber und politisch unklug verwerfen. Vielmehr glauben wir, den rassischen Einwand gegen die Autoren der ‚Weltbühne‘ schon deswegen nicht erheben zu dürfen, weil ganz offenkundig ist, daß ihr Standpunkt, jenseits aller Rassenkämpfe gewählt, auch von Angehörigen aller Rassen eingenommen wird, ein Standpunkt außerhalb jeder Verantwortung ist und gerade diese Verantwortungslosigkeit, welche übrigens das Judentum seinen Rassenangehörigen nie verzeiht, auch das Objekt unserer Kritik ist. Dazu kommt, daß uns die Autoren der 'Weltbühne' die leichtere Möglichkeit versagen, welche die zweite Garnitur dieses Geschlechts bietet, nämlich die Möglichkeit, sie zu erledigen durch den Hinweis auf ihr sprachliches Unvermögen, kurz auf ihr 'Gemauschel'; die Peter Panter, Theobald Tiger – alias Kurt Tucholsky – aber auch die Weinert und Kaminiski mauscheln höchstens in Aufregung; sonst schreiben sie ein Deutsch, das wir den nationalsozialistischen Pressechefs und Studienräten mit der Fakultas für Germanistik wünschen möchten.|„Kulturbolschewisten“, in: ''[[Der Ring]]'', 30. Oktober 1931, S. 830 f., hier: S. 830}} Die weiter oben zitierte Beurteilung durch den [[Reichstag (Weimarer Republik)|Reichstagsabgeordneten]] [[Anton Erkelenz]] findet sich in ähnlicher Form auch Texten wieder, die sich aus historischer Perspektive mit der ''Weltbühne'' befassen. So kritisierte [[Rudolf Augstein]] die überzogenen Ansprüche des Blattes an die Politiker: {{Zitat|In ihrem gedanklichen und formalästhetischen Bereich waren die Protagonisten der „Weltbühne“ Persönlichkeiten, dies zweifellos. Aber das verführte sie zu einer überzogenen Persönlichkeitssuche im politischen Raum, wo die Tatsachen bekanntlich nicht aus ätherischem Stoff sind. Ein regierender Sozialdemokrat hatte allemal den Vorzug, als Persönlichkeit glatt durchzufallen. Er hieß dann etwa „Füllfederhalterbesitzer Hermann Müller“.|[[Rudolf Augstein]]: „Eine Republik und ihre Zeitschrift“, in: ''[[Der Spiegel]]'', 1978, 42, S. 239–249, hier S.&nbsp;249}} Allerdings lässt sich der ''Weltbühne'' nicht vorwerfen, sie habe von einer rein [[Idealismus (Philosophie)|idealistischen]] und [[Ästhetizismus|ästhetischen]] Warte aus agiert, ohne sich um die Aufdeckung konkreter Missstände zu kümmern. So ging Jacobsohn ein hohes persönliches Risiko ein, als er 1925 die Berichte über Fememorde innerhalb der Vaterländischen Verbände veröffentlichte. Nach Angaben Ossietzkys soll Jacobsohn darin auch seine wichtigste journalistische Leistung gesehen haben: ''„Und wenn ich nichts getan hätte als die Aufdeckung der Fememorde, so wäre mir das genug&nbsp;…“'' Auch die Reaktion der Reichsregierung auf die Enthüllungen, die zum [[Weltbühne-Prozess|''Weltbühne''-Prozess]] führten, zeigten sehr deutlich, dass bereits 1929 nur noch wenig von dem Staat übrig war, den die ''Weltbühne'' hätte verteidigen wollen. Und wie eine vorweggenommene Antwort auf die Kritiker der Nachkriegszeit liest sich eine Stelle aus einem Brief Tucholskys an Walter Hasenclever vom 17. Mai 1933: {{Zitat|Ich werde nun langsam größenwahnsinnig – wenn ich zu lesen bekomme, wie ich Deutschland ruiniert habe. Seit zwanzig Jahren aber hat mich immer dasselbe geschmerzt: daß ich auch nicht einen Schutzmann von seinem Posten habe wegbekommen können.|Kurt Tucholsky: ''Politische Briefe'', Reinbek 1969, S. 24}} == Urteile über die ''Weltbühne'' == {{Zitat|Die ‚Weltbühne‘ ist eine Tribüne, in der die gesamte deutsche Linke in des Wortes weitester Bedeutung zu Wort kommt; wir verlangen von unseren Mitarbeitern Klarheit, persönliche Sauberkeit und guten Stil. Ob dieser Grundsatz richtig ist oder nicht, ist eine andere Frage; so habe ich das Blatt von meinem verstorbenen Lehrmeister Siegfried Jacobsohn übernommen und so habe ich es an Carl von Ossietzky weitergegeben, der keinen Finger breit von dieser Richtung abgewichen ist. Die ‚Weltbühne‘ verzichtet bewußt auf ein starres Dogma; bei uns wird diskutiert.|Kurt Tucholsky: „Die Rolle des Intellektuellen in der Partei“, in: ''Die Front'', 1929, Nr. 9, S. 250}} {{Zitat|Die ‚Weltbühne‘ hat in langen Jahren für deutsche Angelegenheiten oft die schärfsten und schroffsten Formulierungen gefunden. Sie hat dafür von rechts den Vorwurf der Verräterei, von links den des verantwortungslos krittelnden Ästhetentums einstecken müssen. Die ‚Weltbühne‘ wird auch weiterhin das sagen, was sie für nötig befindet; sie wird so unabhängig bleiben wie bisher, sie wird so höflich oder frech sein, wie der jeweilige Gegenstand es erfordert. Sie wird auch in diesem unter dem Elefantentritt des Fascismus zitternden Lande den Mut zur eignen Meinung behalten.|Carl von Ossietzky: „Rechenschaft“, in: ''Die Weltbühne'', 10. Mai 1932, S. 692}} {{Zitat|Die linksradikalen Publizisten vom Schlage der Kästner, Mehring oder Tucholsky sind die [[Proletariat|proletarische]] [[Mimikry]] des zerfallenen [[Bürgertum]]s. Ihre Funktion ist, politisch betrachtet, nicht Parteien sondern Cliquen, literarisch betrachtet, nicht Schulen sondern Moden, ökonomisch betrachtet, nicht Produzenten sondern Agenten hervorzubringen. Und zwar ist diese linke Intelligenz seit fünfzehn Jahren ununterbrochen Agent aller geistigen Konjunkturen, vom [[Aktivismus]] über den [[Expressionismus]] bis hin zur [[Neue Sachlichkeit|Neuen Sachlichkeit]] gewesen. Ihre politische Bedeutung aber erschöpfte sich mit der Umsetzung [[Revolution|revolutionärer]] Reflexe, soweit sie am Bürgertum auftraten, in Gegenstände der Zerstreuung, des Amüsements, die sich dem [[Konsum]] zuführen ließen.|[[Walter Benjamin]]: „Linke Melancholie“, in: ''Die Gesellschaft'' 8 (1931), Bd. 1, S. 181–184}} {{Zitat|Gegen die ‚Weltbühne‘ und gerade gegen Tucholsky hat die [[NSDAP]] von Beginn an Tag für Tag einen Kampf geführt. Tucholsky war ein Gleichnis für die gesamte jüdische Schamlosigkeit und Frechheit der [[Weimarer Republik|Novemberrepublik]].|[[Alfred Rosenberg]] in einem Brief vom 7. Januar 1937 an [[Robert Ley]]. Zitiert nach: Léon Poliakow, Josef Wulf: ''Das Dritte Reich und seine Denker.'' Berlin 1959. Nachdruck München 1978, S. 42}} {{Zitat|Die Traditionslosigkeit vieler subjektiv überzeugter Demokraten zeigt sich darin, daß sie ihrerseits diesen angeblich ausschließlich ‚westlichen‘ Chararakter der Demokratie zur Grundlage ihrer Propaganda machten, ihr Antideutschtum, ihre Begeisterung für die westliche Demokratie taktlos und untaktisch in den Vordergrund stellten und damit der Reaktion in ihrer antidemokratischen Legendenbildung ungewollt eine Hilfe leisteten. (Am deutlichsten ist diese Ideologie im Kreis der damaligen Weltbühne sichtbar.)|[[Georg Lukács]]: ''Die Zerstörung der Vernunft''. Berlin 1954}} {{Zitat|Zu den Totengräbern der Weimarer Republik, da hilft kein Vertun, muß auch die ‚Weltbühne‘ rechnen&nbsp;(…). Die Metapher ‚Totengräber‘, so wie sie auch heute noch im Schwange ist, bedarf aber der Korrektur. In den seltensten Fällen sind es ja die Totengräber, die einen Leichnam zu Tode bringen. Vielmehr, sie tun den Leichnam, den bereits toten, unter die Erde. (…)<br />Die ‚Weltbühne‘ als die für den Weimarer Staat typischste periodische Hervorbringung zu bezeichnen, trage ich keine Bedenken, auch wenn von dieser Wochenschrift nie mehr als 15.000 Exemplare gedruckt worden sind.|[[Rudolf Augstein]]: „Eine Republik und ihre Zeitschrift“, in: ''[[Der Spiegel]]'', 1978, 42, S. 239–249 (siehe [[Die Weltbühne#Weblinks|Weblinks]])}} {{Zitat|Auch radikale publizistische Kritik muß jede Demokratie vertragen können. Aber die Verantwortungsethik demokratischer Journalisten darf sie die Grenze zur prinzipiellen Staatsfeindlichkeit nicht überschreiten lassen. Auf seine Art hat Carl v. Ossietzky mit der ''Weltbühne'' jedoch dazu beigetragen, die tief angeschlagene Republik noch weiter zu schwächen, ja durch seine von links aus geübte Kritik, ohne Pardon zu geben, aktiv zu diskreditieren. Von der linken ''Weltbühne'' ging, mochte v. Ossietzky auch glauben, stets für die Republik zu kämpfen, schließlich eine tendenziell destruierende Wirkung aus (…).|[[Hans-Ulrich Wehler]]: „Leopold Schwarzschild contra Carl v. Ossietzky. Politische Vernunft für die Verteidigung der Republik gegen ultralinke ‚Systemkritik‘ und Volksfront-Illusionen“, in: Ders.: ''Preußen ist wieder chic … Politik und Polemik in zwanzig Essays.'' Frankfurt a.M. 1983, S. 77-83}} == Redaktionelle Daten == Die ''Schaubühne'' erschien zunächst in der Schaubühne GmbH, die am 1. August 1905 eigens zu diesem Zweck ins Leben gerufen worden war. Im Januar 1906 übernahm der neu gegründete Verlag [[Oesterheld & Co.]] die Zeitschrift. Vom 1. Januar 1909 bis zum 1. Oktober 1912 kam die ''Schaubühne'' im Verlag [[Erich Reiß]] heraus. Danach erschien die Zeitschrift bis zu ihrem Verbot 1933 in Jacobsohns Verlag der Schaubühne (1918 in Verlag der Weltbühne umgewandelt). Die finanzielle Situation der Zeitschrift war bis Mitte der zwanziger Jahre eher prekär. Außerdem entstanden Jacobsohn durch erfolglose Buchausgaben von Texten seiner Autoren hohe Verluste, die er durch die Einnahmen aus seiner Zeitschrift decken musste. Die ''Schau''- und ''Weltbühne'' verzichteten fast völlig auf Fotografien und Illustrationen. Lediglich in einigen Ausgaben der ''Schaubühne'' finden sich Darstellungen von Bühnentechnik. Die Inserate in der ''Weltbühne'' beschränkten sich vorwiegend auf Anzeigen von Büchern. In einer Ausgabe von 1930, die 36 redaktionelle Seiten umfasst, finden sich zwölf Seiten Buchinserate und eine Seite mit Kleinanzeigen. {| class="prettytable" !Jahr !Herausgeber/Chefredakteur !Auflage !Redaktionssitz (Berlin) !Umfang (redaktionell) !Preis pro Heft |- |1905 | rowspan="21" | Siegfried Jacobsohn | rowspan="14" |1.200 |Hollmannstr. 10 |rowspan="15" |ca. 26 Seiten |20 Pf. |- |1906 |rowspan="6" |ab 1. Februar 1906:<br />[[Lietzenburger Straße]]&nbsp;60 |rowspan="7" |20 bis 50 Pf. |- |1907 |- |1908 |- |1909 |- |1910 |- |1911 |- |1912 |rowspan="9" |ab 1. Oktober 1912:<br />Dernburgstr. 25 |- |1913 |rowspan="5" |50 Pf. |- |1914 |- |1915 |- |1916 |- |1917 |- |1918 |60 Pf. |- |1919 |rowspan="6" | 1.200 bis ca. 8.000 |1 M |- |1920 |rowspan="4" |ca. 30 Seiten |1,50 M |- |1921 |rowspan="6" |ab März 1921:<br /> [[Königsweg (Berlin)#Grunewald (19. Jahrhundert)|Königsweg]]&nbsp;33 |2,50 M |- |1922 |4 M bis 50 M |- |1923 |150 M bis 350 Milliarden M |- |1924 |rowspan="10" |ca. 36 Seiten |0,35 bis 0,50 Rentenmark |- |1925 |ca. 9.000 bis 12.000 |0,50 RM |- |1926 |ab 3.12.: Kurt Tucholsky<br />[[verantwortlich im Sinne des Presserechts|ViSdP]] i.V.: Carl von Ossietzky |12.600 |rowspan="8" |0,60 RM |- |1927 | rowspan="5" |ab 25. Januar 1927: ViSdP: Carl von Ossietzky<br /> ab 11. Oktober 1927: "Unter Mitarbeit Kurt Tucholskys geleitet von Carl v. Ossietzky" |rowspan="7" |ca. 15.000 |rowspan="7" |ab April 1927:<br />[[Kantstraße]]&nbsp;152 |- |1928 |- |1929 |- |1930 |- |1931 |- |1932 |ab Mai: Hellmut von Gerlach<br />ViSdP: Walther Karsch |- |1933 |Carl von Ossietzky,<br />ab März: Walther Karsch |} == Bekannte und wichtige Mitarbeiter (1905–1933) == * Name (Mitarbeit von – bis, Zahl der Artikel) :Pseudonyme [[Datei:MitarbeiterWeltbuehne1929.jpg|miniatur|200px|Eigenanzeige der ''Weltbühne'' von 1929]] * [[Rudolf Arnheim]] (1925–1933, 174) * [[Julius Bab]] (1905–1926, 339) :Fero (1905–1923, 27) *[[Adolf Behne]] (1922–1932, 72) *[[Ernst Bloch]] (1919–1930, 19) :Karl Knerz (1931, 2) * [[Robert Breuer]] (= Lucien Friedlaender) (1911–1931, 93) :Cunctator (1915, 7) :Germanicus (1916–1918, 117) * [[Hermann Budzislawski]] (1932–1933, 9) :Ulrich Schweitzer (1933, 1) * [[Erich Dombrowski]] :Johannes Fischart (1918–1926, 128) * [[Axel Eggebrecht]] (1925–1933, 48) :Conrad Schulter (1926, 1) * [[Lion Feuchtwanger]] (1908–1931, 94) :J. L. Wetcheek (1926–1927, 2) * [[Hellmut von Gerlach]] (1919–1933, 124) * [[Alfons Goldschmidt]] (1918–1932, 119) :Lorarius (1917–1918, 20) * [[Moritz Heimann]] (1914–1929, 44) * [[Kurt Hiller]] (1915–1933, 167) * [[Siegfried Jacobsohn]] (1905–1926, 1796) :Dr. Balduin (1905–1912, 2) * [[Erich Kästner]] (1926–1933, 87) * [[Harry Kahn]] (1907–1930, 144) * [[Klabund]] (1914–1928, 34) * [[ Walter Kreiser]] (1898–1958) :Heinz Jäger (1929, 2) * [[Gustav Landauer]] (1905–1929 (postum), 6) * [[Else Lasker-Schüler]] (1905–1932, 15) * [[Rudolf Leonhard]] (1916–1933, 32) :Olf (1918–1919, 32) * [[Richard Lewinsohn]] (1921–1932, 22) :Morus (1921–1931, 389) [[Datei:MitarbeiterWeltbuehne1935.jpg|miniatur|200px|Eigenanzeige der ''Neuen Weltbühne'' von 1935]] * [[Walter Mehring]] (1920–1933, 90) * [[Erich Mühsam]] (1908–1932, 54) * [[Carl von Ossietzky]] (1926–1933, 639) :Celsus (19271933, 31) :Thomas Murner (1932, 9) :Lucius Schierling (1927–1928, 16) * [[Alfred Polgar]] (1905–1933, 742) * [[Walther Rode]] (1927-1934, 14) * [[Friedrich Sieburg]] (1921–1925, 17) * [[Fritz Sternberg]] (1931–1932, 3) :K. L. Gerstorff (1930–1933, 57) :Thomas Tarn (1931–1933, 18) * [[Heinrich Ströbel]] (1919–1920, 87) * [[Ernst Toller]] (1920–1932, 50) * [[Kurt Tucholsky]] (1913–1932, 64) :Paulus Bünzly (1915–1922, 2) :Kaspar Hauser (1918–1932, 183) :Theobald Körner (1926, 1) :Old Shatterhand (1927–1929, 2)<ref>Diese Zuschreibung ist in der Forschung umstritten. In der Tucholsky-Gesamtausgabe sind die beiden Texte beispielsweise nicht enthalten.</ref> :Peter Panter (1913–1933, 525) :Theobald Tiger (1913–1932, 405) :Ignaz Wrobel (1913–1932, 449) * [[Robert Walser]] (1907–1921, 58) * [[Arnold Zweig]] (1914–1932, 69) (Angaben laut: Bergmann, Joachim: ''Die Schaubühne – Die Weltbühne 1905–1933, Bibliographie und Register mit Annotationen.'' Saur, München 1991, sowie andere Quellen) == Siehe auch == * [[Weltbühne-Prozess]], [[Pressegeschichte]], [[Zeitungsmuseum]], [[Zeitungsantiquariat]] == Literatur == === Nachdrucke === * ''Die Schaubühne. Vollständiger Nachdruck der Jahrgänge 1905–1918.'' Athenäum Verlag, Königstein/Ts. 1978–1980 * ''Die Weltbühne. Vollständiger Nachdruck der Jahrgänge 1918–1933.'' Athenäum Verlag, Königstein/Ts. 1978 * ''Die Wiener Weltbühne. Nachdruck der Originalausgabe. 1. Jahrgang 1932''. o.A. * ''Die neue Weltbühne. Nachdruck der Originalausgabe. 2. Jahrgang der Wiener Weltbühne, 1. Halbjahr 1933''. o.A. * ''Die neue Weltbühne. Nachdruck der Originalausgabe Prag/Paris 4/1933–8/1939''. München/London/New York/Paris 1992 === Redaktionskorrespondenz === *Dietger Pforte (Hrsg.): ''Farbige weithin sichtbare Signalzeichen. Der Briefwechsel zwischen Carl von Ossietzky und Kurt Tucholsky aus dem Jahr 1932.'' Akademie der Künste, Berlin 1985, ISBN 3-88331-942-2 *Siegfried Jacobsohn: ''„der beste Brotherr dem schlechtesten Mitarbeiter“. Briefe an Kurt Tucholsky 1915-1926.'' Hrsg. von Richard von Soldenhoff. München/Hamburg 1989, ISBN 3-8135-1758-6 === Sekundärliteratur === * Joachim Bergmann: ''Die Schaubühne – Die Weltbühne 1905–1933, Bibliographie und Register mit Annotationen.'' Saur, München 1991, ISBN 3-598-10831-1 * Istvan Deak: ''Weimar Germany’s Left-Wing Intellectuals. A Political History of the Weltbühne and its Circle''. Berkley, Los Angeles 1968 * Alf Enseling: ''Die Weltbühne, Organ der intellektuellen Linken.'' Fahle, Münster 1962 * Friedhelm Greis, Stefanie Oswalt (Hg.): ''Aus Teutschland Deutschland machen. Ein politisches Lesebuch zur "Weltbühne"''. Lukas Verlag, Berlin 2008, ISBN 978-3-86732-026-9 * W. B. van der Grijn Santen: ''Die Weltbühne und das Judentum, eine Studie über das Verhältnis der Wochenschrift Die Weltbühne zum Judentum, hauptsächlich die Jahre 1918 – 1926 betreffend.'' Königshausen und Neumann, Würzburg 1994, ISBN 3-88479-953-3 * Heidemarie Hecht: ''Von der „Schaubühne“ zur „Weltbühne“. Der Entstehungsprozeß einer politischen Zeitschrift.'' Dissertation, Jena 1991. * Philipp Heyde: ''„Die Weltbühne“: Ein kleines, radikales Zorn- und Lustbrevier.'' in: ''Damals.'' 5.1993, S.64–68. * Elmar Holly: ''Die Weltbühne 1918–1933: ein Register sämtlicher Autoren und Beiträge.'' Berlin 1989, ISBN 3-7678-0749-1 * Ann-Katrin Silke Horst: ''Ein vernachlässigter Aspekt der Berliner Pressegeschichte. Die Journalistinnen der Zeitschrift 'Die Weltbühne' in der Weimarer Republik.'' Magisterarbeit Univ. München. München 1998. * Siegfried Jacobsohn: ''Der Fall Jacobsohn.'' Verlag der Schaubühne, Charlottenburg 1913. * Dieter Lang: ''Staat, Recht und Justiz im Kommentar der Zeitschrift Die Weltbühne.'' Lang, Frankfurt am Main 1996, ISBN 3-631-30376-9 * Ursula Madrasch-Groschopp: ''Die Weltbühne. Porträt einer Zeitschrift.'' Buchverlag Der Morgen, Berlin 1983, Bechtermünz im Weltbild Verlag, Augsburg 1999 (Repr.). ISBN 3-8289-0337-1 * Gunther Nickel: ''Die Schaubühne – Die Weltbühne, Siegfried Jacobsohns Wochenschrift und ihr ästhetisches Programm.'' Westdeutscher Verlag, Opladen 1996, ISBN 3-531-12810-8 * Stefanie Oswalt: ''Siegfried Jacobsohn. Ein Leben für die Weltbühne.'' Bleicher Verlag, Gerlingen <sup>2</sup>2001, ISBN 3-88350-665-6 * Oswalt, Stefanie (Hrsg.): ''Die Weltbühne, zur Tradition und Kontinuität demokratischer Publizistik.'' Röhrig, St. Ingbert 2003, ISBN 3-86110-336-2 * Peter Queckbörner: ''„Zwischen Irrsinn und Verzweiflung“. Zum erweiterten Kulturbegriff der Zeitschrift Die Schaubühne/Die Weltbühne im Ersten Weltkrieg.'' Lang, Frankfurt am Main 2000, ISBN 3-631-35701-X * Elke Suhr: ''Zwei Wege, ein Ziel – Tucholsky, Ossietzky und Die Weltbühne.'' Weisman, München 1986, ISBN 3-88897-026-1 * Toralf Teuber: ''Ein Stratege im Exil. Hermann Budzislawski und „Die neue Weltbühne“.'' Lang, Frankfurt am Main 2004, ISBN 3-631-52742-X == Weblinks == {{Wikisource|Kategorie:Die Weltbühne|Die Weltbühne}} * [http://www.hti.umich.edu/cgi/b/bib/bibperm?q1=ACD6054 Die ''Schaubühne'' in digitaler Form (Scans)] *[[s:Zeitschriften_(Literatur)#S|Wikisource: Verzeichnis der Digitalisate]] * [http://www.weltbuehne-lesen.de Website zu ''Weltbühne''-Lesebuch mit Autorenbiographien, Chronologie und Auswahlbibliographie] * [http://www.berlinonline.de/berliner-zeitung/archiv/.bin/dump.fcgi/1997/1212/medien/0007/index.html ''Jeder für sich – Wiederbelebungsversuche für die "Weltbühne" in Hannover und Berlin''], [[Berliner Zeitung]], 12. Dezember 1997 * [http://das-blaettchen.de/ Zweiwochenschrift ''Das Blättchen''] * [http://www.sopos.org/ossietzky/ Zweiwochenschrift ''Ossietzky''] * [http://www.tucholsky-gesellschaft.de/Ktgesellschaft/Rundbrief/Rundbrief_0803.htm#4 Der Streit um die Rechte am Namen ''Weltbühne''] * [http://www.freitag.de/2005/40/05400601.php Otto Köhler zum 100.&nbsp;Geburtstag der „Weltbühne“] im „Freitag“ * [{{Der Spiegel|40606931|Titel=Eine Republik und ihre Zeitschrift|Text=}} Rudolf Augstein: „Eine Republik und ihre Zeitschrift“, in: Der Spiegel, 42/1978 vom 16. Oktober 1978, Seite 239–249] {{ISSN-Link|0043-2598}} == Quellen und Einzelnachweise == <references /> {{SORTIERUNG:Weltbuhne, Die}} {{Exzellent}} [[Kategorie:Literaturzeitschrift]] [[Kategorie:Kulturzeitschrift]] [[Kategorie:Politische Zeitschrift]] [[Kategorie:Exilzeitschrift]] [[Kategorie:Zeitschrift (Berlin)]] [[Kategorie:Zeitschrift (DDR)]] [[Kategorie:Antiquarische Zeitschrift (Deutschland)]] [[Kategorie:Antiquarische Zeitschrift]] [[Kategorie:Literatur (20. Jahrhundert)]] [[Kategorie:Literatur (Deutsch)]] [[en:Die Weltbühne]] [[he:די ולטבינה]] [[sv:Die Weltbühne]] 3ot3a5v82ur35uxsyx40o4uvrm98nkb wikitext text/x-wiki Weltbühne-Prozess 0 24501 27103 2010-05-08T10:39:06Z PaulBommel 0 /* Politische Implikationen */ [[Datei:WBUmschlag12_03_1929.jpg|miniatur|hochkant|Umschlag der inkriminierten ''Weltbühne'' vom 12. März 1929]] Der '''Weltbühne-Prozess''' (häufig auch '''Weltbühnenprozess''') war eines der spektakulärsten Strafverfahren gegen militärkritische Presseorgane und Journalisten in der [[Weimarer Republik]]. In dem Prozess wurden der [[Herausgeber]] der Wochenzeitschrift ''[[Die Weltbühne]]'', [[Carl von Ossietzky]], sowie der Journalist [[Walter Kreiser]] wegen [[Landesverrat]]s und Verrats militärischer Geheimnisse angeklagt und im November 1931 vom IV. Strafsenat des [[Reichsgericht]]s in [[Leipzig]] zu je 18 Monaten [[Freiheitsstrafe]] verurteilt. Wegen des brisanten Themas, des heimlichen Aufbaus einer [[Luftwaffe (Wehrmacht)|deutschen Luftwaffe]], und des mit Anklage und Urteil intendierten Angriffs auf die [[Pressefreiheit]] erregte der Prozess im In- und Ausland großes Aufsehen. Eine Wiederaufnahme des Verfahrens vor bundesdeutschen Gerichten scheiterte 1992. Der Prozess gilt als Musterbeispiel politischer Justiz in der Weimarer Republik. == Vorgeschichte == === Vertrag von Versailles === Nach der Niederlage im [[erster Weltkrieg|Ersten Weltkrieg]] hatte das [[Deutsches Reich|Deutsche Reich]] mit dem [[Friedensvertrag von Versailles|Vertrag von Versailles]] in eine starke Beschränkung seiner militärischen Kräfte einwilligen müssen. Trotz der geleisteten Unterschrift versuchten Reichsregierung und [[Reichswehr]] systematisch, die Bestimmungen des Vertrages zu unterlaufen. Vor allem die in Artikel 163 festgelegte Stärke des deutschen Heeres von 100.000 Mann wurde von Anfang an zu umgehen versucht. So unterstützte die Reichswehr den Aufbau paramilitärischer Verbände und legte illegale Waffenlager an. Diese Verbände, die aus den [[Freikorps]] der unmittelbaren Nachkriegszeit hervorgegangen waren und auch als [[Schwarze Reichswehr]] bezeichnet wurden, bildeten einen ständigen Unsicherheitsfaktor der deutschen Innenpolitik. Die Verbände bildeten zum Teil rechtsfreie Räume, in denen Gewaltdelikte gegen Andersdenkende und abtrünnige Mitglieder toleriert wurden. Pazifistische und antimilitaristische Kräfte in der Weimarer Republik sahen im Verhalten der Reichswehr daher eine Gefahr für die außenpolitische Konsolidierung des Deutschen Reiches sowie den inneren Frieden. In verschiedenen Publikationsorganen wurde auf die Missstände aufmerksam gemacht. So führte eine Veröffentlichung der ''[[Weltbühne]]'' über die [[Fememorde in der Weimarer Republik|Fememorde]] in der [[Schwarze Reichswehr|Schwarzen Reichswehr]] schließlich zu mehreren Strafverfahren gegen die Täter. Die juristische Aufarbeitung dieser Delikte war von Beginn der Weimarer Republik an aber von einer extremen Parteinahme für die Täter geprägt. So räumte das Reichsgericht zu Gunsten der Fememörder ein, „daß es auch ein Notwehrrecht des einzelnen Staatsbürgers gegenüber rechtswidrigen Angriffen auf die Lebensinteressen des Staates gibt“ ([[RGSt]] 63, 215 (220)). Im Gegenzug wurden Pazifisten, die die illegalen Waffenlager verraten hatten, wegen Landesverrats zu 10 bis 15 Jahren Haft verurteilt. === Militärkritische Presse === Auch die Medien, die auf die Missstände aufmerksam machten, waren starken Repressionen ausgesetzt. Die Journalisten [[Berthold Jacob]] und [[Fritz Küster]] wurden beispielsweise 1928 wegen eines solchen „publizistischen Landesverrats“ im „Ponton-Prozess“ verurteilt, weil sie das System der Zeitfreiwilligen aufgedeckt hatten. Diese Soldaten wurden kurzfristig zu militärischen Übungen herangezogen und tauchten in keiner Statistik auf. Das Reichsgericht verstieg sich in seinem Urteil gegen Jacob und Küster zu der Behauptung, wonach der Gedanke ''abzulehnen'' sei, „dass die Aufdeckung und Bekanntgabe gesetzwidriger Zustände dem Reichswohle niemals abträglich, nur förderlich sein könne, weil das Wohl des Staates in seiner Rechtsordnung festgelegt sei und sich in deren Durchführung verwirkliche“ (RGSt 62, 65 (67)). Darüber hinaus verlangte das Reichsgericht: „Dem eigenen Staat hat jeder Staatsbürger die Treue zu halten. Das Wohl des eigenen Staates wahrzunehmen, ist für ihn höchstes Gebot“. Aus dieser Perspektive verwundert es nicht, dass allein in den Jahren 1924 bis 1927 mehr als 1000 Personen wegen Landesverrats, Beleidigung der Reichswehr und ähnlichen Delikten verurteilt wurden. Wie sehr sich die [[Rechtswissenschaft|Rechtslehre]] in dieser Frage mit der Politik identifizierte, zeigt eine Passage aus einer [[Abhandlung]] zum Landesverrat im deutschen [[Strafrecht]]: {{Zitat|Weist man auf die große Ziffer der Landesverratsprozesse nach dem Kriege im Vergleich zu der in Friedenszeiten hin, so ist hierauf zu antworten, daß die Zahl dieser Prozesse solange nicht sinken wird, als einmal der schmachvolle uns aufgezwungene Vertrag von Versailles Gültigkeit besitzt, welcher eben bewußt so ausgeklügelte Bestimmungen enthält, die auch beim besten Willen von uns nicht bis in das kleinste Detail erfüllt werden können, was letzten Endes auch von der Entente beabsichtigt ist, um uns dauernd die Peitsche der Frohn <!--sic--> fühlen zu lassen, und zum anderen solange, als es Deutsche geben wird, welche sich zum Büttel der Entente erniedrigen, ja selbst bewußt dazu bekennen, weil ihnen eine Erfüllung der Schmachfriedensbestimmungen wichtiger erscheint, als das Wohl des Vaterlandes.|ref=<ref>Josef Walter Frind: ''Der Landesverrat im deutschen Strafrecht''. Breslau 1931, S. 69.</ref>}} Die Bestimmungen des Versailler Vertrages beschränkten jedoch nicht nur die Stärke des Heeres. Sie verboten in Artikel 198 auch ausdrücklich den Aufbau einer eigenen Luftwaffe. In pazifistischen Kreisen war jedoch bekannt, dass auch diese Bestimmung umgangen wurde. So monierte Berthold Jacob an der ''Rangliste des deutschen Reichsheeres'' eine fehlende Transparenz, {{Zitat|weil eine Reihe von tatsächlich vorhandenen Abteilungen des [[Reichswehrministerium]]s, wie etwa die Fliegerei, die Gaskampfvorbereitung, die Abteilungen Gegenspionage und Spionage und viele andre, offiziell überhaupt nicht in Erscheinung treten.|ref=<ref>Von einem alten Soldaten: „Die neue Rangliste“, in: ''Die Weltbühne'', 20. Juli 1926, S. 83</ref>}} Zu den Journalisten, die sich besonders intensiv mit dem heimlichen Aufbau der deutschen Luftwaffe befassten, gehörte der Flugzeugkonstrukteur [[Walter Kreiser]]. In einem Brief vom August 1925 bezeichnete sich Kreiser als der „einzige in pazifistischen Kreisen, der genauen Einblick in die Fliegerei hat“. Daher hatte er bereits unter dem Pseudonym ''Konrad Widerhold'' sieben Beiträge zum Thema Luftfahrt in der ''Weltbühne'' veröffentlicht. Wegen der Mitarbeit an dem Werk ''Die deutsche Militärpolitik seit 1918'' war bereits 1926 gegen ihn ein Verfahren wegen Landesverrats und Verrats militärischer Geheimnisse eingeleitet worden, das 1928 jedoch eingestellt wurde. Anfang 1929 bot Kreiser schließlich der ''Weltbühne'' einen neuen Artikel an, von dessen Veröffentlichung er sich eine große Resonanz versprach. Dies geht auch aus einem Brief Kreisers vom 4. März 1929 an Ossietzky hervor, der später vom Gericht belastend gegen die Angeklagten gewertet wurde. Darin hieß es: {{Zitat|Es ist zweckmäßig, den Aufsatz in der ''Weltbühne'' vom 11. März zu bringen. An diesem Tage findet abends 8 Uhr im Herrenhaus eine von der W.G.L. einberufene Luftfahrtversammlung statt, wo alle Prominente der Luftfahrt und diejenigen, die es sein wollen, anzutreffen sind. Vielleicht beordern Sie einen tüchtigen Zeitungsverkäufer dorthin, der wird sicher einige Hundert Exemplare los, da der Artikel gerade auf diese Versammlung wie eine Bombe wirken dürfte.|ref=<ref>Walter Bußmann u. a. (Hrsg.):'' Akten zur deutschen auswärtigen Politik. 1918 – 1945. Serie B: 1925–1933. Band XIX. 16. Oktober 1931 bis 29. Februar 1932'', Göttingen 1983, S. 365.</ref>}} === Der inkriminierte Artikel === [[Datei:WBArtikelueberschrift.jpg|miniatur|Der Artikelanfang im Originalheft]] Vor dem geschilderten Hintergrund wundert es nicht, dass der unter dem Pseudonym ''Heinz Jäger'' am 12. März 1929 in der ''Weltbühne'' erschienene Artikel „Windiges aus der deutschen Luftfahrt“ das Missfallen der Reichswehr erregte. In dem umfangreichen, fünfeinhalbseitigen Artikel befasste sich Kreiser zunächst mit allgemeinen Fragen zur Situation der deutschen [[Luftfahrt]], bevor er sich auf den letzten anderthalb Seiten schließlich den Verbindungen zwischen [[Reichswehr]] und Luftfahrtindustrie widmete. Aus diesem Abschnitt ging hervor, dass die Reichswehr offensichtlich unter Umgehung des [[Versailler Vertrag]]es den heimlichen Aufbau einer Luftwaffe betrieb. Unter der Überschrift „Abteilung M“ schrieb Kreiser: {{Zitat|Ähnliche Kapriolen wurden auch auf dem [[Flugplatz Johannisthal|Flugplatz Johannisthal-Adlershof]] gemacht. Auf der Adlershofer Seite bestand als besondere Gruppe der [[Deutsche Versuchsanstalt für Luftfahrt|Deutschen Versuchsanstalt für Luftfahrt]] eine sogenannte Abteilung M. Als beim vorjährigen Luftfahrtetat der sozialistische Abgeordnete Krüger im Haushaltsausschuß die Regierungsvertreter um Auskunft bat, zu welchem Zweck die Abteilung M da sei, bekam er keine Antwort, denn sonst hätten die Behörden darauf aufmerksam machen müssen, daß ‚M‘ auch der Anfangsbuchstabe des Wortes Militär ist. So schwieg man lieber. Aber auch hier arbeitet Gröners findige Vernebelungstaktik. Um bei einer erneuten Anfrage sagen zu können: eine solche Abteilung M gibt es nicht mehr, mit diesen Schweinereien haben wir aufgeräumt, wurde diese Abteilung auch aufgelöst, kam auf die Johannisthaler Seite des Flugplatzes und heißt jetzt ‚Erprobungsabteilung Albatros‘, zum Unterschied von einer Versuchsabteilung, die [[Albatros_Flugzeugwerke|Albatros]] bereits besitzt. Diese ‚Erprobungsabteilung Albatros‘ ist zu Lande dasselbe, was an der See die ‚Küstenflugabteilung der Lufthansa‘ darstellt. Beide Abteilungen besitzen je etwa dreißig bis vierzig Flugzeuge, manchmal auch mehr. <br />Aber nicht alle Flugzeuge sind immer in Deutschland ….|ref=<ref>Heinz Jäger: ''Windiges aus der deutschen Luftfahrt.'' In: ''Die Weltbühne.'' 12. März 1929, S. 402–407, hier: S. 407.</ref>}} Im Manuskript soll außerdem gestanden haben, dass sich [[Geheime Fliegerschule und Erprobungsstätte der Reichswehr|die Flugzeuge zeitweise in Russland befänden]]. Diese Passagen hatte Ossietzky vorsichtshalber gestrichen und sich auf die Andeutung beschränkt. Kreiser bezog sich mit seinen Äußerungen zum Teil auf das Protokoll der 312. Sitzung des Ausschusses für den Reichshaushalt vom 3. Februar 1928. Obwohl dieses Protokoll als Drucksache vorlag, startete der Oberreichsanwalt ein Ermittlungsverfahren wegen Verstoßes gegen den Landesverratsparagrafen des [[Reichsstrafgesetzbuch]]es und gegen Paragraf 1, Absatz 2 des Gesetzes gegen den Verrat militärischer Geheimnisse (das sog. [[Spionage|Spionagegesetz]] vom 3. Juni 1914, [[RGBl]], 195). == Verfahren == Am 1. August 1929 wurde schließlich ein Strafantrag gestellt. In einem Schreiben vom 8. August 1929 teilte der Oberreichsanwalt dem preußischen Innenminister mit, dass eine [[Ermittlungsverfahren|Voruntersuchung]] wegen des inkriminierten Artikels eingeleitet worden sei. Zur Begründung hieß es, dass Ossietzky und Kreiser, {{Zitat|Nachrichten, von denen sie wussten, daß ihre Geheimhaltung einer anderen Regierung gegenüber für das Wohl des Deutschen Reiches erforderlich ist, öffentlich bekannt gemacht haben, sowie vorsätzlich Nachrichten, deren Geheimhaltung im Interesse der Landesverteidigung erforderlich ist, an eine ausländische Regierung oder an eine Person, die im Interesse einer ausländischen Regierung tätig ist, haben gelangen lassen und dadurch die Sicherheit des Reiches gefährdet haben.|ref=<ref>Ursula Madrasch-Groschopp: ''Die Weltbühne. Porträt einer Zeitschrift'', Berlin 1983, S. 257</ref>}} Im Zuge der Ermittlungen wurden die Redaktionsräume der ''Weltbühne'' sowie die Wohnung Ossietzkys durchsucht. Im August 1929 wurde Ossietzky außerdem zu dem Fall vernommen. Dass es anschließend nicht zur Verhandlung kam, wird den im Folgenden geschilderten politischen Implikationen zugeschrieben. === Politische Implikationen === Die Reichsregierung befand sich nach der Veröffentlichung des Artikels in einem Dilemma. Hätte sie den Artikel ignoriert oder lediglich dementiert, wäre sie Gefahr gelaufen, dass weitere Details aus den heimlichen Aufrüstungsbemühungen an die Öffentlichkeit gedrungen wären. Ein scharfes Vorgehen gegen Autor und Herausgeber kam jedoch dem Eingeständnis gleich, dass das [[Deutsches Reich|Deutsche Reich]] tatsächlich die Bestimmungen von Versailles verletzte und heimlich eine Luftwaffe aufbaute. Die Interessen von Reichswehrministerium und Auswärtigem Amt kollidierten daher sehr stark. Wie sich im weiteren [[Strafprozess|Prozessverlauf]] zeigte, wurden die militärischen Interessen wichtiger eingeschätzt als der außenpolitische Schaden, der sich durch eine Verurteilung der Journalisten ergeben sollte. Die Auswertung von [[Sowjetunion|sowjetischen]] Archiven ergab, dass die Veröffentlichung des Artikels auch in [[Moskau]] wahrgenommen worden war. {{Zitat|In der zweiten Jahreshälfte 1929 beriet im [[Moskauer Kreml|Kreml]] das Politbüro des ZK der Kommunistischen Partei Rußlands (Bolschewiki) über die Beziehungen zur Reichswehr. Unter Punkt 1a des Beschlußprotokolls ist zu lesen, daß man von der deutschen Seite ‚die Verstärkung der Konspiration in der Zusammenarbeit zwischen den beiden Heeren sowie Garantien (verlangte), daß fürderhin keine wie auch immer gearteten Informationen veröffentlicht werden, die diese Zusammenarbeit betreffen‘.|ref=<ref>Gerd Kaiser: ''Windiges aus der deutschen Luftfahrt (II).'' In: ''[[Das Blättchen]].'' 21. Dezember 1997</ref>}} Dem Reichswehrministerium musste sehr daran gelegen sein, die wichtige Militärkooperation mit der Sowjetunion nicht zu gefährden. Das Auswärtige Amt musste dagegen durch eine öffentliche Gerichtsverhandlung die Verhandlungsposition des Reiches bei den Genfer Abrüstungsverhandlungen als bedroht betrachten. Wie wichtig das Amt den Prozess nahm, zeigt auch die Tatsache, dass die gesammelten Unterlagen mehrere Aktenbände in der Rechtsabteilung füllten. Dass sich der Prozessbeginn so lange verzögerte, wird dem Widerstand des Außenministeriums zugeschrieben, das bis Oktober 1929 noch von [[Gustav Stresemann]] geführt worden war. Dort sei mit Blick auf das erwähnte Reichstagsprotokoll die Frage aufgeworfen worden, ob die Angaben aus dem Artikel tatsächlich geheim gewesen seien. Dennoch wurde das Verfahren nicht beendet. Im Frühjahr 1931 einigten sich die beteiligten Ministerien Reichswehr, Justiz und Auswärtiges Amt schließlich auf einen Kompromiss, um ein [[Gerichtsverfahren]] eröffnen zu können. Mehr als zwei Jahre nach Erscheinen des Artikels, am 30. März 1931, wurde [[Anklage]] erhoben. === Juristische Akteure === Auf seiten der Staatsanwaltschaft und des Reichsgerichts hatte es die ''Weltbühne'' mit Juristen zu tun, die bereits einschlägig Renommee erworben hatten. Reichsanwalt [[Paul Jorns]], unter dessen Leitung die Anklage gegen Ossietzky erarbeitet wurde, hatte erwiesenermaßen bei den Ermittlungen zu den Morden an [[Karl Liebknecht]] und [[Rosa Luxemburg]] Spuren verwischt und das Gegenteil der Ermittlungen in das Protokoll eintragen lassen.<ref>Siehe: Ingo Müller: „Der berühmte Fall Ossietzky vom Jahr 1930 könnte sich jederzeit wiederholen …“ In: ''Recht Justiz Kritik, Festschrift für Richard Schmid,'' hrsg. von Hans-Ernst Bötcher. Nomos, Baden-Baden 1985, S. 297–326, hier S. 307</ref> Der Vorsitzende des IV. Strafsenats, [[Alexander Baumgarten]], hatte [[Adolf Hitler]] im Herbst 1930 unbehelligt<ref>Nach dem [[Republikschutzgesetz]] wäre dies strafbar gewesen. Vergleiche: Ingo Müller, S. 305</ref> behaupten lassen, dass nach seinem Regierungsantritt „Köpfe rollen“ würden. Die Verteidigung der Angeklagten übernahmen die renommierten Anwälte [[Max Alsberg]], [[Kurt Rosenfeld]], [[Alfred Apfel]] und [[Rudolf Olden]]. Da die Verteidigung von einem erfolgreichen Ausgang des Prozesses überzeugt war, hatte von Ossietzky auch darauf verzichtet, einen Ablehnungsantrag gegen den IV. Strafsenat zu stellen. „Jahrelang hatte ich geschrieben, daß der IV. Strafsenat nicht das Recht der Deutschen Republik spricht, sondern durchaus die Gepflogenheiten eines Standgerichts angenommen hat“, begründete von Ossietzky sein Misstrauen gegen das Gericht. === Verhandlung === Die gesetzlichen Bestimmungen gemäß {{§|174|gvg|juris}}Abs. 2 [[Gerichtsverfassungsgesetz|GVG]] verboten es der ''Weltbühne'', detailliert über den Prozess zu berichten (und würden es selbst heute noch verbieten). Aus Gründen der Staatssicherheit war die Öffentlichkeit ohnehin von den Verhandlungen ausgeschlossen. Die Prozessbeteiligten waren außerdem zur Verschwiegenheit verpflichtet, was später auch die Urteilsbegründung betraf. Am 5. Mai 1931 erfuhren die Leser der Zeitschrift schließlich von dem Verfahren, das bereits seit zwei Jahren schwebte. Am 8. Mai 1931 sollte schließlich der Prozess beginnen. Die Verhandlungen wurden sogleich wieder vertagt, weil kein Vertreter des [[Außenministerium]]s erschienen war. Die Verteidigung hatte darauf beharrt, dass neben dem Reichswehrministerium auch das Auswärtige Amt einen Sachverständigen entsenden sollte. Dieser sollte die Frage beantworten, ob der Artikel tatsächlich Angaben enthalten habe, die dem Ausland unbekannt gewesen seien. Das Außenministerium ließ den Gerichtstermin jedoch platzen und trug weiter schwere Bedenken, was die außenpolitische Wirkung des Verfahrens betraf. Daher weigerte es sich auch einen Monat später ein weiteres Mal, einen Gutachter nach Leipzig zu schicken. Am 9. Juli 1931 wandte sich der General und spätere Reichskanzler [[Kurt von Schleicher]] daher in einem Brief an [[Bernhard Wilhelm von Bülow]], Staatssekretär im Auswärtigen Amt, und rügte dessen Verzögerungstaktik. Schleicher sah in dem Prozess einen Präzedenzfall, um die „wirksamste Abwehr und die beste Vorbeugung gegen das Verrätertum“ durchzusetzen. Aus diesem Grund solle das Auswärtige Amt seine politischen Bedenken „zurücktreten lassen“ und ein Gutachten verfassen. Bülow antworte wenige Tage später, dass sein Ministerium den „Kampf gegen das Verrätertum“ so gestalten wolle, „wie es die Interessen des Reiches, insbesondere […] der Landesverteidigung“ erfordern. Schließlich erstellte das Amt am 24. August 1931 ein schriftliches Gutachten, das während der Verhandlung verlesen wurde. Die Verhandlung unter Ausschluss der Öffentlichkeit fand schließlich am 17. und 19. November 1931 statt. Als Zeugen der Anklage fungierten Major Himer vom Reichswehrministerium und Ministerialrat Wegerdt vom Verkehrsministerium. Sie bestätigten, dass die Angaben aus dem Artikel der Wahrheit entsprächen und im Interesse der Landesverteidigung hätten geheim gehalten werden müssen. Major Himer war der Überzeugung, dass der Artikel auch von ausländischen [[Nachrichtendienst|Nachrichtenstellen]] ausgewertet worden sei. Einen Beweis dafür konnte er jedoch nicht erbringen. Das Gericht lehnte sämtliche 19 Zeugen der Verteidigung ab. Auch der zentrale Beweisantrag fand nicht das Gehör der Richter. Darin hatte die Verteidigung nachweisen wollen, dass die berichteten Aktivitäten dem Ausland schon lange bekannt waren. Ossietzky selbst argumentierte in eigener Sache, dass in dem Artikel nur Etatkritik hätte geübt werden sollen. Die Formulierungen in dem beanstandeten Abschnitt seien größtenteils auf ihn zurückzuführen und für das uninformierte Publikum auch kaum verständlich gewesen. Er habe damit den Zweck verfolgt, das Reichswehrministerium zu warnen, bevor aus der Angelegenheit ein öffentlicher Skandal würde. === Urteil === [[Datei:UrteilWeltbuehneprozess.jpg|miniatur|Das Urteil in der ''Weltbühne'']] Der Prozess endete am 23. November mit der Verurteilung der beiden Angeklagten wegen „Verbrechen gegen den § 1 Absatz 2 des Gesetzes über Verrat militärischer Geheimnisse vom 3. Juni 1914“ zu der von der Staatsanwaltschaft geforderten Gefängnisstrafe in Höhe von 18 Monaten. Auch waren die betreffende Ausgabe der ''Weltbühne'' vom März 1929 „ebenso wie die zu ihrer Herstellung notwendigen Platten und Formen“ unbrauchbar zu machen. Die Urteilsbegründung wurde ebenfalls unter Ausschluss der Öffentlichkeit verlesen, „da die tatsächliche und rechtliche Würdigung des inkriminierten Artikels durch das Gericht naturgemäß nicht erfolgen konnte, ohne die in Rede stehenden geheimen Nachrichten zu erwägen und zu beleuchten“. In seiner Begründung argumentierte das Gericht, dass die Angeklagten nach Angabe der Sachverständigen tatsächlich geheimzuhaltende Nachrichten verbreitet hätten. Der Begriff des Geheimseins sei in diesem Falle nur ein relativer. Es sei irrelevant, ob die genannten Aktivitäten innerhalb bestimmter Kreise bereits bekannt gewesen seien. Wie in dem Prozess gegen Küster und Jacob hob das Gericht darauf ab, dass der Staatsbürger seinem Land die Treue zu halten habe und nicht eigenmächtig die Verletzung internationaler Verträge anprangern dürfe. Dies sei nur möglich, indem innerstaatliche Organe in Anspruch genommen würden. Den erforderlichen Vorsatz begründete das Gericht damit, dass die Angeklagten Pazifisten gewesen seien. Dies rechtfertige den Schluss, dass sie antimilitärisch hätten wirken wollen. Woraus sich „zwanglos“ deren Wille ergäbe, etwas von der Militärverwaltung geheim Gehaltenes aufzudecken. Dass die Verurteilung nicht aufgrund des Landesverratsparagrafen erfolgte, bedeutete nach Ansicht des Gerichts jedoch nicht, dass die Angeklagten nicht die entsprechenden Straftatbestände erfüllt hätten. Das Reichsgericht war vielmehr der Ansicht, dass der [[Spezialität (Strafrecht)|speziellere]] Straftatbestand des Spionagegesetzes den ebenfalls einschlägigen Landesverratsparagrafen des Strafgesetzbuches im Wege der [[Konkurrenz (Recht)#Strafrecht|Gesetzeskonkurrenz]] verdränge. In der Urteilsbegründung hieß es dazu: {{Zitat|Bei der rechtlichen Würdigung des tatsächlichen Sachverhalts ist vorauszuschicken, daß das den Angeklagten zur Last gelegte strafbare Tun lediglich unter dem Gesichtspunkt des Verbrechens gegen das Gesetz gegen den Verrat militärischer Geheimnisse vom 3. Juni 1914 zu beurteilen ist. Zwischen diesem Vergehen und dem des Landesverrats nach § 92 Abs. 1 Ziffer 1 StGB liegt, wenn Verrat militärischer Geheimnisse in Frage steht, Gesetzeseinheit vor; in diesem Fall hat die rechtliche Beurteilung, wie der Senat mit der weitüberwiegenden Meinung im Schrifttum annimmt, lediglich nach dem spezielleren Gesetz, d. h. hier dem sog. Verratsgesetz vom 3. Juni 1914 zu erfolgen.}} == Folgen des Urteils == === Politische Reaktionen === Auf die Verurteilung reagierte von Ossietzky mit Sarkasmus. „Anderthalb Jahre Freiheitsstrafe? Es ist nicht so schlimm, denn es ist mit der Freiheit in Deutschland nicht weit her. Mählich verblassen die Unterschiede zwischen Eingesperrten und Nichteingesperrten.“ Das Urteil habe ihn nicht überrascht, auch wenn er den Ausgang des Prozesses nicht für denkbar gehalten habe: {{Zitat|Ich weiß, daß jeder Journalist, der sich kritisch mit der Reichswehr beschäftigt, ein Landesverratsverfahren zu gewärtigen hat; das ist ein natürliches Berufsrisiko. Dennoch war diesmal für eine reizvolle Abwechslung gesorgt: wir verließen den Saal nicht als Landesverräter sondern als Spione.|ref=<ref>„Der Weltbühnen-Prozeß“, in: ''Die Weltbühne'', 1. Dezember 1931, S. 803</ref>}} Damit spielte Ossietzky darauf an, dass er nicht, wie von der Staatsanwaltschaft beantragt, auch wegen Landesverrats verurteilt wurde. Eine Differenzierung, die eigentlich nicht angebracht war, wenn man die oben zitierten Ausführungen der Urteilsbegründung berücksichtigt, nach denen das Reichsgericht den Straftatbestand des Landesverrats durchaus als verwirklicht ansah. In späteren Artikeln verzichtete Ossietzky darauf, diesen Unterschied zu betonen. Er wählte nunmehr eine Formulierung, die den Ausführungen des Reichsgericht eher gerecht wird: {{Zitat|Das Reichsgericht hat mich vorsorglich in unangenehmster Weise abgestempelt. Landesverrat und Verrat militärischer Geheimnisse – das ist eine höchst diffamierende Etikette, mit der sich nicht leicht leben läßt.|ref=<ref>„Rechenschaft“, in: ''Die Weltbühne'', 10. Mai 1932, S. 691.</ref>}} Das Urteil erregte im In- und Ausland aus mehreren Gründen großes Aufsehen. Die ''Weltbühne'' veröffentlichte in den Ausgaben vom 1. Dezember und 15. Dezember 1931 zahlreiche ausländische Pressestimmen zu dem Prozess, deren Tenor in der folgenden Passage zum Ausdruck kommt: {{Zitat|Erstens: es ist das härteste Urteil, das jemals über einen nicht-kommunistischen Publizisten verhängt wurde, und es ist typisch für die rigorose Behandlung, die deutsche Gerichte jetzt jedem zuteil werden lassen, der mit einer Rückkehr zum Vorkriegsmilitarismus in Deutschland nicht einverstanden ist. Zweitens sollte man annehmen, daß die Regierung oder wenigstens das Auswärtige Amt dieses Urteil nicht billige, denn es lenkt die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf Vorgänge, die sonst vielleicht längst vergessen oder übersehen worden wären. Deutschland, dessen Argumentation vor der Abrüstungskommission immer darauf hinaus ging, daß der Versailler Vertrag erfüllt sei und es gänzlich abgerüstet habe, wird sich jetzt erneut gegen den Vorwurf verteidigen müssen, daß es eine verbotene Luftflotte unterhalte. Kritiker werden sich in Zukunft weniger auf den Weltbühnen-Artikel berufen als auf das Reichsgericht, das diesen Artikel für so gefährlich hielt, daß es ihn mit achtzehn Monaten Gefängnis bestrafte. Es gibt keine Berufung und Ossietzky … muß diese lange Strafe antreten. Charakteristisch für die Tendenz deutscher Gerichte ist, daß nationalsozialistische Verräter immer milder, meistens mit [[Festungshaft|Festung]] verurteilt werden, während ein liberaler Kritiker des Militarismus mit gemeinen Verbrechern zusammen eingesperrt wird.|ref=<ref>''New York Evening Post'' vom 24. November 1931</ref>}} Auch in Deutschland zeigten sich viele demokratische Politiker entsetzt. Reichstagspräsident [[Paul Löbe]] schrieb: „Ich habe selten ein Urteil als einen solchen Fehlschlag nicht nur in juristischer, sondern auch in politischer Hinsicht empfunden als dieses […] Meiner Kenntnis nach ist auch nichts geschrieben worden, was dem Ausland verborgen sein oder nützen konnte, so daß mir das Urteil vollkommen unverständlich erscheint.“ [[Datei:Bundesarchiv Bild 183-B0527-0001-861, Carl von Ossietzky vor der Strafanstalt Berlin-Tegel.jpg|miniatur|Vor der Strafanstalt in Berlin-Tegel. V.l.n.r.: Kurt Großmann, Rudolf Olden, beide Deutsche Liga für Menschenrechte; Carl von Ossietzky, Apfel, Rechtsanwalt; Rosenfeld]] Verschiedene Organisationen versuchten nach dem Urteilsspruch zu verhindern, dass Ossietzky tatsächlich die Haftstrafe antreten musste. So sandte die [[SPD]]-[[Reichstag (Weimarer Republik)|Reichstagsfraktion]] eine Interpellation an die Reichsregierung und fragte an, ob diese nicht bereit sei, „alle Schritte zu tun, um die Vollstreckung dieses Urteil des Reichsgerichtes zu verhindern.“ Es gab Protestveranstaltungen und Unterschriftenaktionen der [[Deutsche Liga für Menschenrechte|Deutschen Liga für Menschenrechte]]. Viele prominente Schriftsteller und Wissenschaftler wie [[Thomas Mann]], [[Heinrich Mann]], [[Arnold Zweig]] und [[Albert Einstein]] unterstützten ein Gnadengesuch an den Reichspräsidenten [[Paul von Hindenburg]], das in letzter Minute die Umsetzung des Urteils verhindern sollte. Doch das Justizministerium reichte das Gesuch erst gar nicht an Hindenburg weiter. So trat von Ossietzky schließlich am 10. Mai 1932 seine Haftstrafe im Gefängnis Berlin-Tegel an. Walter Kreiser hatte sich dagegen unmittelbar nach dem Urteil nach Frankreich abgesetzt und entzog sich damit der Haft. Ossietzky argumentierte stattdessen: {{Zitat|Über eines möchte ich keinen Irrtum aufkommen lassen, und das betone ich für alle Freunde und Gegner und besonders für jene, die in den nächsten achtzehn Monaten mein juristisches und physisches Wohlbefinden zu betreuen haben: – ich gehe nicht aus Gründen der Loyalität ins Gefängnis, sondern weil ich als Eingesperrter am unbequemsten bin. Ich beuge mich nicht der in roten Sammet gehüllten Majestät des Reichsgerichts sondern bleibe als Insasse einer preußischen Strafanstalt eine lebendige Demonstration gegen ein höchstinstanzliches Urteil, das in der Sache politisch tendenziös erscheint und als juristische Arbeit reichlich windschief.|ref=<ref>''Rechenschaft.'' In: ''Die Weltbühne.'' 10. Mai 1932, S. 690</ref>}} Aufgrund einer Weihnachtsamnestie für politische Häftlinge wurde Ossietzky am 22. Dezember 1932 nach 227 Tagen Haft vorzeitig entlassen. === Juristische Einschätzung === Der Prozess bedeutete sicherlich einen der schärfsten Angriffe von Reichswehr und [[Rechtspflege|Justiz]] gegen die kritische Presse in der Weimarer Republik. Außerdem war auf diese Weise dem Ausland deutlich geworden, dass Deutschland offensichtlich wichtige Punkte des Versailler Vertrages nicht mehr zu beachten beabsichtigte. Auch während seiner KZ-Haft sollte Ossietzky noch die Folgen der Verurteilung spüren. So wurde in der Auseinandersetzung um die Verleihung des [[Friedensnobelpreis]]es häufig als Argument gegen den KZ-Häftling angeführt, dass er schließlich ein verurteilter Landesverräter sei. Das Urteil wird von heutigen Juristen als wichtiger Schritt auf dem Weg zur NS-Justiz gesehen. Das Reichsgericht habe mit den Landesverratsprozessen eine eigene Rechtsordnung errichtet, die sich nicht an Gesetzen und Verfassung orientierte, sondern an Not und Treuepflicht des Bürgers sowie an dem unbestimmten Begriff des Staatswohls. {{Zitat|Reichsgerichtsrat Niethammer bestätigte ihm „Schrittmacher“-Dienste für das NS-Recht, und der „nationale“ Verteidiger [[Alfons Sack]] lobte das RG für den „mutigen Schritt, […] entgegen den Buchstaben der Verfassung dem neuen Staatsgedanken zum Siege zu verhelfen“, womit es seinen Beitrag geleistet habe zur „Schaffung des neuen Rechts, für das allein die Sicherung des Deutschen Volkes den Maßstab bildet“. Mit etwas anderen Worten beschrieb Ossietzky-Verteidiger Olden dasselbe: „Von hier stammt jene Verrottung des Rechts und des Rechtsgefühls, die den obersten Gerichtshof bis zur nationalsozialistischen Verdrehung aller Rechtsbegriffe, bis zur Legitimierung des Mords führt, wenn er nur dem ‚Staatswohl‘ dient.|ref=<ref>Gerhard Jungfer; Ingo Müller: „70 Jahre Weltbühnen-Urteil“ in: ''Neue Juristische Wochenschrift ([[NJW]])'', 2001, S. 3464 f.</ref>}} Ossietzky räumte nach seiner Verurteilung ein, dass die Republik zumindest „das Dekorum des Rechtsverfahrens“ gewahrt habe. „Wenn im Dritten Reich erst einmal nach der [[Boxheimer_Dokumente|Plattform von Boxheim]] regiert werden wird, dann werden Verräter wie Kreiser und ich ohne Aufhebens füsiliert“, schrieb er am 1. Dezember 1931 in der ''Weltbühne''. Während der so genannten [[Spiegel-Affäre]] wurden von der Presse Parallelen zum Weltbühne-Prozess gezogen. So veröffentlichte [[Bundesgerichtshof|BGH]]-Senatspräsident [[Heinrich Jagusch]] den vielbeachteten Artikel „Droht ein neuer Ossietzky-Fall?“.<ref>[{{Der Spiegel|46175943|Titel=DROHT EIN NEUER OSSIETZKY-FALL?|Text=}} ''Droht ein neuer Ossietzky-Fall?''] In: Der Spiegel, 45/1964</ref> Die Erinnerung an den Weltbühne-Prozess trug sicherlich dazu bei, dass die Öffentlichkeit in der [[Bundesrepublik]] in diesem Fall einen ähnlich gelagerten Eingriff in die [[Pressefreiheit]] nicht hinnehmen wollte. Inzwischen wäre eine Veröffentlichung wie im Falle des ''Weltbühne''-Textes ohnehin nicht mehr strafbar. Denn im Paragraf 93, Absatz 2 des [[Strafgesetzbuch (Deutschland)|StGB]] ist zum Begriff des Staatsgeheimnisses ergänzt:<ref name="müller">siehe dazu: Ingo Müller: Der berühmte Fall Ossietzky vom Jahr 1930 könnte sich jederzeit wiederholen … In: Recht Justiz Kritik, Festschrift für Richard Schmid, hrsg. von Hans-Ernst Bötcher. Nomos, Baden-Baden 1985, S. 297–326, hier S. 320f.</ref> {{Zitat|Tatsachen, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung oder unter Geheimhaltung gegenüber den Vertragspartnern der Bundesrepublik Deutschland gegen zwischenstaatlich vereinbarte Rüstungsbeschränkungen verstoßen, sind keine Staatsgeheimnisse.}} Allerdings bleibt der Verrat solcher ''illegaler Staatsgeheimnisse'' „einer fremden Macht oder einem ihrer Mittelsmänner“ nach § 97a StGB strafbar. Kritikern zufolge besteht die Gefahr, dass dies auch auf Presseveröffentlichungen ausgedehnt werden könnte.<ref name="müller" /> === Wiederaufnahmeverfahren === In den 1980er Jahren wurde von deutschen Juristen versucht, eine [[Wiederaufnahme des Verfahrens]] zu erreichen. Damit sollte das Urteil von 1931 revidiert werden. Rosalinde von Ossietzky-Palm, einziges Kind Carl von Ossietzkys, leitete als Antragsberechtigte am 1. März 1990 beim Berliner [[Kammergericht]] das Verfahren in die Wege. Als neue Beweismittel wurden die Gutachten zweier Sachverständiger vorgelegt, die zeigen sollten, dass die französische Armee bereits vor der Veröffentlichung des Textes über die Aktivitäten der Reichswehr informiert war. Außerdem hätten einige der beanstandeten „Geheimnisse“ nicht den Tatsachen entsprochen. Das Kammergericht erklärte eine Wiederaufnahme des Verfahrens für unzulässig. Die neuen Gutachten seien nicht als Tatsachen oder Beweismittel ausreichend, um von Ossietzky nach damaligen Recht freizusprechen. In der Begründung vom 11. Juli 1991 hieß es: {{Zitat|Der Umstand, daß ausländische Regierungen über die geheime Wiederaufrüstung des Deutschen Reiches informiert waren, begründet allenfalls die unbestimmte Vermutung, daß ihnen auch die im Zusammenhang mit dem Flugplatz Johannisthal-Adlershof aufgedeckten Vorgänge schon vor der Veröffentlichung bekannt waren. […] Für die Auffassung des Gutachters, daß die französische militärische Führung über jeden Schritt der deutschen Rüstung, also auch über die in dem Artikel mitgeteilten Tatsachen, unterrichtet gewesen sei, fehlt es an einer nachvollziehbaren Auseinandersetzung mit dem herangezogenen Material.}} Der [[Bundesgerichtshof]] lehnte anschließend eine Beschwerde gegen die Entscheidung des Kammergerichtes ab. Er begründete dies in einem Beschluss vom 3. Dezember 1992: {{Zitat|Fehlerhafte Rechtsanwendung für sich allein ist kein Wiederaufnahmegrund nach der Strafprozeßordnung. Mit Ausnahme des Falles der Mitwirkung eines unredlichen Richters kann die auf falscher Rechtsauffassung beruhende ‚noch so falsche Entscheidung‘ im Wiederaufnahmeverfahren nur bei Unrichtigkeit des der fehlerhaften Entscheidung zugrundeliegenden Sachverhalts beseitigt werden. […] Nach der Rechtsprechung des Reichsgerichtes schloß die Rechtswidrigkeit der geheim gehaltenen Vorgänge die Geheimniseigenschaft nicht aus. Jeder Staatsbürger schuldet nach Auffassung des Reichsgerichtes seinem Vaterland eine Treuepflicht des Inhalts, daß das Bestreben nach der Einhaltung der bestehenden Gesetze nur durch eine Inanspruchnahme der hierzu berufenen innerstaatlichen Organe und niemals durch eine Anzeige bei ausländischen Regierungen verwirklicht werden durfte.}} Der Bundesgerichtshof hat somit das Urteil das Reichsgerichts nicht im eigentlichen Sinne „bestätigt“, sondern lediglich entschieden, dass keine „neuen Tatsachen und Beweismittel“ im Sinne des {{§|359|stpo|juris}} [[Strafprozessordnung (Deutschland)|StPO]] vorgelegt wurden, die einen Freispruch des Verstorbenen gemäß § 371 Abs. 1 StPO ermöglicht hätten. Die Entscheidungen der beiden Gerichte wurden von Kritikern als Indiz dafür gewertet, dass sich die bundesdeutsche Justiz noch immer mit der Aufarbeitung der deutschen Rechtsgeschichte schwer tue. Die vom BGH bestätigte Auffassung des Kammergerichts, wonach „ein weiterer Sachverständiger als solcher grundsätzlich kein neues Beweismittel ist“, verstoße außerdem gegen die „einhellige Kommentarmeinung“ (Ivo Heiliger). Die Kritik am BGH geht damit in die Richtung, dass die neuen Gutachten schon in der Entscheidung über die Zulassung des Wiederaufnahmeverfahrens inhaltlich zu stark bewertet worden seien, anstatt diese Einschätzung dem Wiederaufnahmeverfahren selbst zu überlassen. Obwohl Rosalinde von Ossietzky-Palm inzwischen verstorben ist, gibt es noch eine Antragsberechtigte für ein erneutes Wiederaufnahmeverfahren: die [[Staatsanwaltschaft]]. Daher fordern die Juristen Gerhard Jungfer und Ingo Müller: {{Zitat|Nachdem sich auch beim BGH die Erkenntnis durchgesetzt hat, dass nicht jedes Reichsgerichtsurteil erhaltenswert ist und der 5. Strafsenat schon die mangelhafte Vergangenheitsaufarbeitung des BGH gerügt hat, wäre es ein nobile officium der deutschen Justiz, das 70 Jahre alte Urteil aufzuheben und den Nobelpreisträger – nicht zuletzt auch sich selbst – zu rehabilitieren.|ref=<ref>Gerhard Jungfer; Ingo Müller: ''70 Jahre Weltbühnen-Urteil.'' In: ''Neue Juristische Wochenschrift (NJW).'' 2001, S. 3465</ref>}} == Literatur == === Quellen === * ''Die Weltbühne. Vollständiger Nachdruck der Jahrgänge 1918–1933.'' Athenäum Verlag, Königstein/Ts. 1978. ISBN 3-7610-9301-2 * Walter Bußmann u.&nbsp;a. (Hrsg.): ''Akten zur deutschen auswärtigen Politik. 1918–1945.'' Serie B. 1925–1933. Bd 19. 16. Oktober 1931 bis 29. Februar 1932. Vandenhoeck u. Ruprecht, Göttingen 1983. * Auswärtiges Amt: Geheimakten der Alten Rechtsabteilung, Rechtssache: Strafverfahren wegen Landesverrat gegen Schriftleiter Carl von Ossietzky, Bände 1 und 2 (unveröffentlicht) * Auswärtiges Amt: Akten der Rechtsabteilung, Rechtssachen geheim, spec. Kreiser und Ossietzky, Bände 1–3 (unveröffentlicht) * Kammergericht Berlin 1. Strafsenat, Beschluss vom 11. Juli 1991, Az: (1) 1 AR 356/90 (4/90), veröffentlicht in: ''[[Neue Juristische Wochenschrift]] (NJW).'' Beck, München/Frankfurt M 1991, 2505–2507. {{ISSN|0341-1915}} * BGH 3. Strafsenat, Beschluss vom 3. Dezember 1992, Az: StB 6/92, veröffentlicht in: [[Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Strafsachen|BGHSt]] 39, 75–87. * Carl von Ossietzky: ''Sämtliche Schriften. Herausgegeben von Bärbel Boldt u.a. Band VII: Briefe und Lebensdokumente.'' Reinbek 1994 === Sekundärliteratur === ==== Monographien ==== * Bruno Frei: ''Carl von Ossietzky – eine politische Biographie.'' Das Arsenal, Berlin 1978. ISBN 3921810159 * Heinrich Hannover: ''Die Republik vor Gericht 1975–1995. Erinnerungen eines unbequemen Rechtsanwalts.'' Aufbau-Taschenbuch-Verl., Berlin 2003, ISBN 3-7466-7032-2 * Ursula Madrasch-Groschopp: ''Die Weltbühne. Porträt einer Zeitschrift.'' Buchverlag Der Morgen, Berlin 1983, Bechtermünz im Weltbild Verlag, Augsburg 1999 (Nachdr.), ISBN 3-7610-8269-X * Dieter Lang: ''Staat, Recht und Justiz im Kommentar der Zeitschrift „Die Weltbühne“.'' P. Lang, Frankfurt am Main 1996, ISBN 3-631-30376-9 * Elke Suhr: ''Carl von Ossietzky. Eine Biographie.'' Kiepenheuer & Witsch, Köln 1988, ISBN 3-462-01885-X * Hermann Vinke: ''Carl von Ossietzky.'' Dressler, Hamburg 1978, ISBN 3-7915-5007-1 ==== Aufsätze ==== * Gerhard Jungfer, Ingo Müller: ''70 Jahre Weltbühnen-Urteil.'' In: ''Neue Juristische Wochenschrift'' (NJW). Beck, München/Frankfurt M 2001, S. 3461–3465. {{ISSN|0341-1915}} * Ivo Heiliger: ''Ein zweites Fehlurteil gegen Ossietzky.'' In: ''Kritische Justiz'' (KJ). Nomos, Baden-Baden 1991, S. 498–500. {{ISSN|0023-4834}} * Ders.: ''Windiges aus der deutschen Rechtsprechung.'' In: ''Kritische Justiz'' (KJ). Nomos, Baden-Baden 1993, S. 194–198. {{ISSN|0023-4834}} * Ingo Müller: ''Der berühmte Fall Ossietzky vom Jahr 1930 könnte sich jederzeit wiederholen …'' In: ''Recht Justiz Kritik, Festschrift für Richard Schmid, hrsg. von Hans-Ernst Bötcher.'' Nomos, Baden-Baden 1985, S. 297–326, ISBN 3-7890-1092-8 * Elke Suhr: „Zu den Hintergründen des ’Weltbühnen'-Prozesses.“ In: ''Allein mit dem Wort. Erich Mühsam, Carl von Ossietzky, Kurt Tucholsky. Schriftstellerprozesse in der Weimarer Republik.'' Schriften der Erich-Mühsam-Gesellschaft. Heft 14, Lübeck 1997, S. 54–69, ISBN 3-931079-17-1 == Einzelnachweise == <references/> == Weblinks == {{Wikisource|Reichsgericht_Urteil_Weltbühne-Prozess|Das vollständige Urteil im Wortlaut}} * [http://hr-schmitz.de/wtc/Luftfahrt_2.htm Gerd Kaiser: Windiges aus der deutschen Luftfahrt (II)] * [http://www.versailler-vertrag.de/vv5.htm#53 Die Bestimmungen des Versailler Vertrages zur Luftwaffe] {{DEFAULTSORT:Weltbuhne-Prozess}} [[Kategorie:Pressefreiheit]] [[Kategorie:Entscheidung des Bundesgerichtshofs]] [[Kategorie:Entscheidung des Reichsgerichts (Deutschland)]] [[Kategorie:Weimarer Republik]] [[Kategorie:Reichswehr]] [[Kategorie:1931]] {{Exzellent}} o0310kezxv72obj4gxh6a5y4lvy5y5x wikitext text/x-wiki Welwitschie 0 24502 27104 2010-05-11T17:23:16Z Succu 0 Änderungen von [[Special:Contributions/80.121.97.115|80.121.97.115]] ([[User talk:80.121.97.115|Diskussion]]) rückgängig gemacht und letzte Version von [[User:Succu|Succu]] wiederhergestellt <!-- Für Informationen zum Umgang mit dieser Tabelle siehe bitte [[Wikipedia:Taxoboxen]]. --> {{Taxobox | Taxon_Name = Welwitschie | Taxon_WissName = Welwitschia mirabilis | Taxon_Rang = Art | Taxon_Autor = [[Joseph Dalton Hooker|Hook. f.]] | Taxon2_WissName = Welwitschia | Taxon2_Autor = Hook. f. | Taxon2_Rang = Gattung | Taxon3_Name = Welwitschiagewächse | Taxon3_WissName = Welwitschiaceae | Taxon3_Rang = Familie | Taxon3_Autor = [[Friedrich Markgraf|Markgr.]] | Taxon4_WissName = Gnetales | Taxon4_Rang = Ordnung | Taxon5_WissName = Coniferopsida | Taxon5_Rang = Klasse | Taxon6_Name = Samenpflanzen | Taxon6_WissName = Spermatophytina | Taxon6_Rang = Unterabteilung | Bild = Welwitschia.jpg | Bildbeschreibung = Welwitschie in Namibia }} Die '''Welwitschie''' (''Welwitschia mirabilis'') ist die einzige Art der [[Gattung (Biologie)|Gattung]] '''''Welwitschia''''' in der [[Familie (Biologie)|Familie]] der Welwitschiagewächse (Welwitschiaceae). Sie gehört zur [[Nacktsamer|nacktsamigen]] Ordnung [[Gnetales]] und wächst [[Endemit|endemisch]] in der Wüste [[Namib]] im südlichen Afrika. Aufgrund ihres häufigen Vorkommens ist die Welwitschie unter anderem im [[Wappen Namibias]], [[Wappen der Stadt Swakopmund]] und [[Liste der Wappen in Namibia|Wappen der Region]] [[Kunene]] abgebildet. Obwohl die Pflanze mehrere hundert Jahre alt wird, besitzt sie nur ein einziges Blattpaar. == Namen == Der österreichische Arzt und Botaniker [[Friedrich Welwitsch]] entdeckte diese Pflanze im Jahre 1859 in der Nähe von Cabo Negro in [[Angola]] (15 – 16° S). In einem Brief an Sir [[William Jackson Hooker]], den Leiter der [[Royal Botanic Gardens (Kew)|Royal Botanic Gardens Kew]], London, vom 16. August 1860 berichtete er erstmals über diese Pflanze. 1862 sandte er [[Joseph Dalton Hooker]], ebenfalls in Kew, ein Exemplar, der die Pflanze 1863 wissenschaftlich beschrieb<ref>in J. D. Hooker: ''On Welwitschia, a new Genus of Gnetaceae''. In: ''Transactions of the Linnean Society of London.'' London 24.1863, S.&nbsp;1–48.</ref> und sie nach dem Entdecker benannte. Dieser hatte jedoch den Namen ''Tumboa'' nach der einheimischen Bezeichnung empfohlen. Hooker äußerte sich über die Pflanze folgendermaßen: „It is out of the question the most wonderful plant ever brought to this country, and one of the ugliest.“<ref>[http://www.smith.edu/garden/Academics/acadwelwit.html], abgerufen 17. Februar 2006.</ref> (Dies ist ohne Frage die wunderbarste Pflanze, die je in dieses Land gebracht wurde, und eine der hässlichsten.) In Angola wird die Pflanze „N'Tumbo“ genannt, was so viel wie „Stumpf“ bedeutet. Die [[Nama (Volk)|Nama]] nennen sie „!kharos“ oder auch „khurub“, die [[Damara]] „nyanka“. Die [[Herero]] nennen sie „onyanga“, was „Wüstenzwiebel“ bedeutet. Das Mark wurde früher – roh oder in heißer Asche gebacken – gegessen. Auf [[Afrikaans]] heißt sie „tweeblaarkanniedood“, was etwa "Zwei-Blatt-kann-nicht-sterben" bedeutet. == Erscheinungsbild == [[Datei:Welwitschia mirabilis(1).jpg|thumb|Größenvergleich (Welwitschie in Namibia)]] [[Datei:XN Welwitschia mirabilis 04.jpg|thumb|Männliche ''Welwitschia mirabilis'', mit zapfenförmigen Blütenständen]] Die [[mehrjährige Pflanze]] besitzt einen kurzen, rübenförmigen Stamm, der aus dem [[Hypokotyl]] hervorgeht, eine tief reichende [[Pfahlwurzel]] und zwei [[Blatt (Pflanze)|Laubblätter]], die die [[Kotyledon|Keimblätter]] ersetzen. Der Stamm ist verholzt und wird oberirdisch meist rund 50 Zentimeter hoch, maximal 1,50 Meter. Er erreicht einen Durchmesser von bis zu einem Meter und weist [[Jahresring]]e auf. Einzelexemplare besitzen einen Umfang von 8,7 Metern. Die Oberseite des Stammes ist eine konkave Scheibe, da der terminale [[Apex (Botanik)|Apex]] das Wachstum sehr früh einstellt. Nahe der Blattbasis entspringen die [[Blütenstände]]. Das Sekundärholz besitzt [[Trachee (Pflanze)|Tracheen]], eigentlich ein typisches Merkmal der [[Angiosperme]]n. Die beiden [[Blatt (Pflanze)|Laubblätter]] können über 2,5 Meter lang werden, manche Berichte sprechen von 6,2 Metern. Am Blattende sterben sie ab und verwittern, die ältesten lebenden Teile können jedoch 10 Jahre alt werden. Da das Hypokotyl sich mit zunehmendem Wachstum auffaltet, reißen die Blätter häufig auf und täuschen so mehrere Blätter vor. In der Umgebung des [[Daures|Brandbergs]] wurden jedoch Individuen gefunden, die tatsächlich zwei Blattpaare besitzen. Dies tritt bei rund 5 % der Population auf. Die Blätter wachsen an einem basalen [[Meristem]]. Das Blattwachstum beträgt durchschnittlich 0,17 bis 0,83 Millimeter pro Tag. Die Jahreswerte variieren je nach Standort zwischen 40 und 409 Millimeter pro Jahr. Es besteht jedoch kein signifikanter Zusammenhang zwischen Blattwachstum und [[Niederschlag]]smenge. Bedeutender dürfte die Wasserverfügbarkeit in den tieferen Bodenschichten sein. Die Leitbündel der Blätter können [[Anastomose|anastomosieren]] oder blind im [[Mesophyll]] enden. Dies ist einzigartig unter den Gymnospermen. Ihr Wurzelwerk breitet sich unterirdisch über einen Radius von 15 Metern aus. Darüber hinaus hat die Pflanze eine Pfahlwurzel. Ob die Wurzeln den Grundwasserhorizont erreichen, ist wahrscheinlich, aber nicht gesichert, da sich die Wurzeln in einem harten, [[Calcit]]-verkitteten Kies verlieren. Die Wurzeln reichen bis in drei Meter Tiefe. == Fortpflanzung == [[Datei:Welwitschia mirabilis male flower diagram.png|thumb|Blütendiagramm einer männlichen Blüte. S = rudimentäre Samenanlage.]] Die Welwitschie ist zweihäusig getrenntgeschlechtig ([[diözisch]]), d.h. es gibt weibliche und männliche Pflanzen. Die [[Blüte]]n befinden sich in [[Zapfen (Botanik)|zapfenartigen]] Blütenständen und sitzen in der Achsel von Deckschuppen. === Männliche Blüten === Die Hülle der männlichen Blüten besteht aus zwei kreuzgegenständigen [[Braktee]]npaaren. Die sechs [[Staubblatt|Staubblätter]] stehen in einem [[Wirtel]] und sind an der Basis miteinander verwachsen. Jedes Staubblatt trägt drei miteinander verwachsene [[Pollensack|Pollensäcke]]. Die männlichen Blüten enthalten an der Spitze immer eine rudimentäre [[Samenanlage]], die von einem ebenfalls rudimentären Brakteenpaar umgeben ist. Diese Samenanlage produziert [[Nektar (Botanik)|Nektar]], der zu rund 50 % aus [[Zucker]] besteht. Die Pollensäcke öffnen sich wie bei den anderen Vertretern der [[Gnetopsida]] mit einem [[Exothecium]] in Form von oft nur kurzen Schlitzen. Bei der Welwitschie wird der [[Pollen]] beim Austrocknen der Pollensäcke nach außen gepresst, was durch die Anordnung von Wandverstärkungen im Exothecium verursacht wird. Der männliche [[Gametophyt]] besteht aus der [[Spermatogene Zelle|spermatogenen Zelle]] und zwei weiteren Zellen. Die spermatogene Zelle teilt sich zu zwei Spermazellen. Die [[Befruchtung]] erfolgt über einen [[Pollenschlauch]] ([[Siphonogamie]]). === Weibliche Blüten === [[Datei:Welwitschia mirabilis female flower diagram.png|thumb|Blütendiagramm einer weiblichen Blüte. S = Samenanlage.]] [[Datei:Welwitschia-seeds.jpg|thumb|Weibliche ''Welwitschia mirabilis'', mit zapfenförmigen Blütenständen.]] Die weiblichen Blüten sind von zwei miteinander verwachsenen Brakteenpaaren umgeben. Bei der Samenreife wird das innere Brakteenpaar hart, das äußere bildet Flügel. Jede Blüte enthält eine aufrechte [[Samenanlage]]. Das [[Integument]] ist zu einer langen [[Mikropyle]] ausgezogen, an der ein Befruchtungstropfen, der auch als Nektar fungiert, ausgeschieden wird. Der weibliche Gametophyt entsteht aus freien Kernteilungen aus allen vier aus der [[Meiose]] hervorgehenden Kernen und anschließender Zellwandbildung. Er kann bis zu eintausend Zellen umfassen. Es werden keine [[Archegonium|Archegonien]] gebildet, die Eizellen sind nicht von den übrigen Zellen des Archegoniums zu unterscheiden. Der Gametophyt wächst dem Pollenschlauch entgegen, indem er schlauchartige Strukturen ausbildet. === Bestäubung und Samenbildung === Die Pflanzen werden von Insekten bestäubt, als Kandidaten werden Wanzen und Wespen diskutiert. Die Wanze ''Probergrothius sexpunctatis'' ernährt sich vom Nektar, Bestäubung wurde jedoch noch nicht eindeutig nachgewiesen. Die Blüte erfolgt vom Hochsommer bis Herbst, die Samen reifen im Frühjahr und werden durch Zerfall der Zapfen freigesetzt. Die Samen sind rund 3,5 x 2,5 Zentimeter groß und besitzen einen papierartigen Flügel. Die Ausbreitung erfolgt durch den Wind. Die Samen bleiben einige Jahre keimfähig und keimen nur nach stärkeren Regenfällen. Aus den rund 10.000 bis 20.000 Blüten pro Pflanze und Jahr entstehen nur rund 20 bis 200 keimfähige Samen. === Jungpflanzen === [[Datei:Welwitschia mirabilis1.jpg|thumb|''Welwitschia mirabilis'', junge Pflanze]] Junge Pflanzen sind am Naturstandort sehr selten zu finden. Keimlinge können sich nur nach – sehr seltenen – Extremniederschlägen etablieren, wodurch die Altersstruktur stark diskontinuierlich ist. Der Oberboden muss komplett durchfeuchtet sein, damit die Wurzeln der Jungpflanzen in größere Tiefen vordringen können. Die zwei Keimblätter können bis zu 1,5 Jahre photosynthetisch aktiv sein und sterben danach ab. Schon zuvor entwickelt sich das einzige Laubblattpaar. === Alter === [[Radiokohlenstoffdatierung]] hat für die untersuchten Pflanzen ein Alter von 500 bis 600 Jahren ergeben. Für die größten Exemplare der Art wird durch [[Extrapolation]] dieser Ergebnisse ein Alter von bis zu 2.000 Jahren geschätzt. == Vorkommen == [[Datei:Welwitschia Mirabilis Area of Circulation.png|thumb|Verbreitungsgebiet der ''Welwitschia mirabilis'']] Die Art ist in der Wüste [[Namib]] beheimatet; ihr Areal umfasst Teile der Staaten [[Namibia]] und [[Angola]]. Das Areal beginnt im Norden am Nicolau-Rivier nördlich von Namibe (Angola) und reicht rund 1200 km nach Süden bis zum [[Kuiseb]]-Rivier bei Gobabeb (Namibia). Sie ist allerdings nie direkt an der Küste zu finden. Der mittlere Jahresniederschlag an ihren Wuchsorten reicht von 10 mm in Küstennähe bis zu 250 mm in der [[Mopane]]-Savanne. In manchen Gebieten der zentralen Namib ist die Welwitschie die dominante Pflanze. Die höchste Dichte erreicht sie in einer Entfernung von 50 bis 60 km von der Küste. Das Zentrum der Verbreitung ist die „Welwitschia-Vlakte“ im Dreieck zwischen [[Khan (Fluss)|Khan]] und [[Swakop]]-Fluss. Die Gesamtindividuenzahl in diesem Gebiet wurde auf 5.000 bis 6.000 Pflanzen geschätzt. Dieses Gebiet ist Teil des [[Namib-Naukluft-Park|Namib-Naukluft-Nationalparks]]. == Unterarten == Nach neueren Erkenntnissen unter anderem des [[Botanischer Garten Berlin|Botanischen Gartens Berlin-Dahlem]] (siehe Weblinks) ist diese Gattung nicht [[monotypisch]]. ''Welwitschia mirabilis'' wird demnach in zwei [[Unterart]]en aufgegliedert, die sich in ihrem Areal und in der [[Morphologie (Biologie)|Morphologie]] unterscheiden. Die Unterart ''Welwitschia mirabilis'' subsp. ''mirabilis'' wächst in Angola. Die männlichen Zapfen sind glatt, bräunlich und ohne deutliche Wachsschicht. Die Blütenstandsachsen sind meist 5 bis 11 Zentimeter lang, die sekundären Achsen bis 2 Zentimeter. Die größten männlichen Zapfen sind 30 bis 45 Millimeter lang. Die Brakteenpaare überlappen sich rund 2 Millimeter. Die Brakteen sind zu mehr als drei Viertel der Länge verwachsen, der Rand der Brakteen ist glatt. Die Unterart ''Welwitschia mirabilis'' subsp. ''namibiana'' <span class="Person">Leuenberger</span> wächst in Namibia. Die männlichen Zapfen sind gefurcht, grünlich oder lachsfarben und mit deutlicher Wachsschicht. Die Blütenstandsachsen sind rund 7 bis 15 Zentimeter lang, die sekundären Achsen bis 7 Zentimeter. Die größten männlichen Zapfen sind 20 bis 30 Millimeter lang. Die Brakteenpaare überlappen sich rund 1 Millimeter. Die Brakteen sind zu ein bis zwei Drittel der Länge verwachsen, der Rand der Brakteen ist zerfranst. == Physiologie == === Wasseraufnahme === [[Datei:Welwitschia mirabilis0.jpg|thumb|''Welwitschia mirabilis'', Nahaufnahme von Blättern und Blütenstand]] Vielfach wird angeführt, die Welwitschie nehme ihren Bedarf an Wasser als Tau über die Blätter oder auch über ein oberflächennahes Feinwurzelsystem auf. Die Welwitschie besitzt jedoch keine morphologischen Strukturen zur Aufnahme von Wasser über die Blätter. Die Blätter sind typisch [[Xeromorphie|xeromorph]] aufgebaut: Sie besitzen eine dicke [[Cuticula]], die [[Spaltöffnungen]] sind eingesenkt, die Spalten sind besonders [[cutin]]isiert und damit wasserabweisend. Zudem reicht der Nebel selten zu den Hauptvorkommen der Welwitschie und die Tau-Mengen reichen für die gemessene Pflanzenverdunstung nicht aus. Außerdem erreicht die Pflanze ihr morgendliches Wasserpotential bereits im Laufe der Nacht, lange bevor der Nebel einfällt. All dies spricht für den Boden als alleinige Wasserquelle. Versuche mit radioaktiv markiertem Wasser ergaben zwar, dass die Blätter Wasser aufnehmen können, jedoch nur sehr langsam und durch passive Diffusion, sodass diese keinen nennenswerten Beitrag zur Wasserversorgung leistet. Allerdings dürfte die Aufnahme von Tau über oberflächennahe Feinwurzeln eine gewisse Rolle in der Wasserversorgung der Pflanze spielen. Schätzungen sprechen von einem Äquivalent von 50 mm Jahresniederschlag. === Inhaltsstoffe === Wie für [[Xerophyten]] vielfach typisch, enthalten die Blätter der Welwitschie recht hohe Konzentrationen anorganischer Ionen (in der [[Vakuole]]), wobei in den jungen Blattabschnitten [[Kalium]]- und [[Chlor]]id-Ionen dominieren, in älteren Abschnitten nimmt der [[Natrium]]-Anteil deutlich zu, da das [[phloem]]mobile Kalium in die jungen Abschnitte verlagert wird, so ändert sich das K/Na-Verhältnis von 5:1 im Meristem zu 1:4 an der Blattspitze. Zum osmotischen Ausgleich wird im [[Cytosol]] vor allem [[Prolin]] gebildet. Die organischen Säuren, wie [[Äpfelsäure|Malat]], [[Citronensäure|Citrat]], [[Isozitronensäure|Isocitrat]] und [[Chinasäure|Chinat]], erreichen in Summe einen Gehalt von über 100 mmol kg<sup>-1</sup> Trockengewicht. Das Samenöl der Welwitschie enthält – wie auch das von ''[[Gnetum]]'' – [[Cyclopropen]]e. Damit besitzen diese beiden Gattungen eine Sonderstellung gegenüber den anderen Gymnospermen, inklusive ''[[Ephedra]]'', die alle Δ5-[[Fettsäuren]] enthalten. Mit ihrem Fettsäurespektrum steht ''Welwitschia'' den [[Malvales]] nahe, die aber zu den [[Angiospermen]] gehören.<ref>K. Aitzetmüller, K. Vosmann: ''Cyclopropenoic fatty acids in gymnosperms: The seed oil of Welwitschia.'' In: ''Journal of the American Oil Chemists Society'' 75(12); Dez 1998: S. 1761–1765. {{DOI|10.1007/s11746-998-0329-8}}</ref> === Gaswechsel === ==== CAM-Stoffwechsel ==== [[Datei:Welwitschia_mirabilis(2).jpg|thumb|Welwitschie in Namibia, südlich Swakopmund, zum Schutz eingezäunt. Größe: etwa mannshoch, geschätztes Alter: 1500 Jahre.]] Die Diskussion, ob die Welwitschie eine [[CAM-Pflanze]] ist, ist nach dreißig Jahren noch nicht endgültig beendet, obwohl sich die Anzeichen dafür mehren. Die δ-<sup>13</sup>C-Werte (zur Erklärung der Zahlenwerte siehe [[C4-Pflanze#Isotopendiskriminierung|Isotopendiskriminierung]]) liegen in der Welwitschia-Vlakte mit –17,5&nbsp;‰ bis –19,5&nbsp;‰ zwischen den Werten für [[C3-Pflanze|C3-]] und [[C4-Pflanzen]], was für CAM sprechen würde. In der Savanne erreicht ''Welwitschia'' jedoch Werte von –23,3&nbsp;‰ und entspricht eher einer C3-Pflanze. Auch eine hohe Aktivität der [[Phosphoenolpyruvat|PEP]]-[[Carboxylase]] und Labor-Gaswechselmessungen sprechen für den CAM-Metabolismus. In einer neueren Publikation konnten von Willert et al. (2005) zwar auch im Gelände eine nächtliche CO<sub>2</sub>-Aufnahme zeigen, die jedoch nur 4 % der CO<sub>2</sub>-Aufnahme während 24 Stunden entsprach. Die höchsten Raten lagen bei 0.2&nbsp;µmol&nbsp;m<sup>-2</sup>&nbsp;s<sup>-1</sup>. Diese nächtliche CO<sub>2</sub>-Aufnahme trat im Dezember und Januar auf, also im Sommer der Südhalbkugel. Diese Werte sprechen zumindest für ein sogenanntes CAM-cycling, d.&nbsp;h. die Refixierung des Atmungs-CO<sub>2</sub>. Die Blätter enthalten hohe Konzentrationen von Malat und Citrat. Bedingt durch die extrem hohe Variabilität im Blatt konnten von Willert et&nbsp;al. jedoch keine diurnale Änderung der Säurekonzentration zeigen. Dies wäre jedoch der deutlichste Hinweis für den CAM-Stoffwechsel gewesen. Gegen einen CAM-Stoffwechsel sprechen der xeromorphe Bau und der geringe Wassergehalt der Blätter, der ansonsten für CAM-Pflanzen typisch ist. Ebenso dagegen spricht, wie oben erwähnt, der fehlende Nachweis einer diurnalen Säureänderung. ==== Photorespiration, Photoinhibition ==== Die Welwitschie hat an ihrem natürlichen Standort auch eine hohe [[Photorespiration]], die nahe bei 50 % der Gaswechselaktivität liegt. Die hohe Strahlung am Standort führt auch zu einer starken [[Photoinhibition]], besonders in den Nachmittagsstunden. Dies ist vor allem in den älteren Blattabschnitten ausgeprägt und führt oft so weit, dass bereits ab Mittag der CO<sub>2</sub>-Gaswechsel negativ wird. == Herbivorie == Die Welwitschie dient vielfach als Futterpflanze, u. a. für [[Oryx-Antilopen]], [[Zebra]]s und [[Nashörner]]. Oryx-Antilopen reißen die Blätter vollständig aus der Hypokotylgrube heraus, wobei sie jedoch das Meristem nicht zerstören. So kann die Pflanze innerhalb einiger Jahre nachwachsen. Auch Sandstürme können die Blätter stark schädigen. == Schutz == Die Welwitschie ist zwar nicht bedroht, wegen ihrer Bekanntheit jedoch gesetzlich geschützt. Sie ist auch im Anhang II des [[Washingtoner Artenschutzabkommen]]s (CITES) aufgeführt; lediglich Samen und Sämlinge dürfen gehandelt werden. == Welwitschien in Europa == Welwitschien gedeihen auch in Europa, sie sind allerdings wenig frosttolerant (bis –6&nbsp;°C). Sie sind in vielen Botanischen Gärten zu sehen, werden aber auch privat als Zierpflanzen gehalten. Die Anzucht erfolgt aus Samen, die in Spezialhandlungen erhältlich sind. Jungpflanzen sind, wie auch im natürlichen Habitat, empfindlich gegen Pilze, deren Sporen besonders an Samen von Wildpflanzen haften. Ältere Pflanzen sind relativ unempfindlich, der Standplatz sollte jedoch ihrem natürlichen Habitat möglichst ähnlich sein, bessere Wasser- und Nährstoffversorgung ausgenommen. == Bildergalerie == <gallery> Image:Welwitschia-mirabilis-man.jpg|Männliche Pflanze mit Blütenständen Image:Welwitschia-bug Probergrothius-Angolensus.jpg|Weibliche Pflanze mit zapfenförmigen Blütenständen und Käfern. Image:Welwitschia-mirabilis-female.jpg|Weibliche Pflanze mit zapfenförmigen Blütenständen. Image:Namibia-061025_151142.jpg|Welwitschie </gallery> == Belege == * B. E. Leuenberger: ''Welwitschia mirabilis (Welwitschiaceae), male cone characters and a new subspecies''. in: ''Willdenowia'', Band 31, 2001, S.&nbsp;357–381. {{ISSN|05119618}} * M. Veste: ''Welwitschia mirabilis.'' In: H. Walter, S.-W. Breckle: ''Ökologie der Erde.'' Bd 2. Spezielle Ökologie der Tropischen und Subtropischen Zonen. Fischer, Stuttgart 1983, Elsevier, München 2004, S.&nbsp;474–480 (3.&nbsp;Aufl.). ISBN 3-8274-1540-3 *{{BibISBN|382741010X}} === Einzelnachweise === <references/> == Weiterführende Literatur == * Chris H. Bornman: ''Welwitschia — paradox of a parched paradise.'' C. Struik Publishers, Kapstadt-Johannesburg 1978 (1.&nbsp;Aufl.). ISBN 0-86977-097-7 * R.J. Rodin: ''Distribution of Welwitschia mirabilis.'' in: ''American Journal of Botany.'' Columbus Ohio 40.1953, S.&nbsp;280–285. (Repr. Johnson New York) {{ISSN|0002-9122}} * D. J. von Willert, N. Armbrüster, T. Drees, M. Zaborowski: ''CAM or not CAM — what is the answer?'' in: ''Functional Plant Biology'' Band 32, 2005, S.&nbsp;389–395. {{ISSN|1445-4408}} == Weblinks == {{Commons|Welwitschia mirabilis|{{PAGENAME}}}} {{wiktionary|Welwitschie}} * [http://www.bgbm.org/bgbm/garden/bereiche/bereiche/Welwitsh.htm Welwitschia im Botanischen Garten Berlin-Dahlem] * [http://www-x.nzz.ch/format/articles/210.html Neue Zürcher Zeitung - Welwitschia mirabilis: mit Tricks uralt werden] * [http://www.plantzafrica.com/plantwxyz/welwitschia.htm Ausführliche englische Beschreibung inkl. Pflegeanleitung] * [http://www.namibweb.com/welwitschia.htm Welwitschia auf Namibweb.com] (englisch) * [http://www.conifers.org/we/ Welwitschia auf conifers.org] (englisch) [[Kategorie:Gnetophyten]] [[Kategorie:Nationales Symbol (Namibia)]] {{Exzellent}} [[af:Welwitschia]] [[bg:Велвичия]] [[ca:Welwitschia]] [[cs:Welwitschie podivná]] [[da:Welwitschia]] [[en:Welwitschia]] [[eo:Velviĉio]] [[es:Welwitschia mirabilis]] [[et:Velvitšia]] [[eu:Welwitschia]] [[fi:Welwitschia]] [[fr:Welwitschia mirabilis]] [[he:ולויטשיה]] [[hsb:Prawa welwićija]] [[hu:Velvícsia]] [[it:Welwitschia mirabilis]] [[ja:ウェルウィッチア]] [[ka:ველვიჩია]] [[kk:Таңғажайып вельвичия]] [[lt:Nuostabioji velvičija]] [[ml:വെൽവിറ്റ്ഷിയ മിരാബിലിസ്]] [[nl:Welwitschia]] [[no:Welwitschia mirabilis]] [[pl:Welwiczja przedziwna]] [[pt:Welwitschia]] [[ro:Welwitschia mirabilis]] [[ru:Вельвичия]] [[simple:Welwitschia]] [[sv:Welwitschia]] [[zh:百歲蘭]] pxnzehbqcync85k9xbgcsptc6wht4w8 wikitext text/x-wiki Wendehals (Vogel) 0 24503 28532 28531 2012-01-01T13:59:16Z Steef389 427 Test <!-- Für Informationen zum Umgang mit dieser Tabelle siehe bitte [[Wikipedia:Taxoboxen]]. --> {{Taxobox | Taxon_Name = Wendehals | Taxon_WissName = Jynx torquilla | Taxon_Rang = Art | Taxon_Autor = [[Carl von Linné|Linnaeus]], 1758 | Taxon2_Name = Wendehälse | Taxon2_WissName = Jynx | Taxon2_Rang = Gattung | Taxon3_Name = Wendehälse | Taxon3_WissName = Jynginae | Taxon3_Rang = Unterfamilie | Taxon4_Name = Spechte | Taxon4_WissName = Picidae | Taxon4_Rang = Familie | Taxon5_Name = Spechtvögel | Taxon5_WissName = Piciformes | Taxon5_Rang = Ordnung | Taxon6_Name = Vögel | Taxon6_WissName = Aves | Taxon6_Rang = Klasse | Bild = Jynx torquilla.jpg | Bildbeschreibung = Wendehals (''Jynx torquilla'') }} Der '''Wendehals''' (''Jynx torquilla'') ist der einzige europäische Vertreter der [[Gattung (Biologie)|Gattung]] ''[[Wendehälse|Jynx]]'', die außer ihm noch den in Afrika beheimateten [[Rotkehl-Wendehals]] (''Jynx ruficollis'') umfasst. Die Art, von der bis zu sieben Unterarten beschrieben werden, ist in der gesamten mittleren und nördlichen [[Paläarktis]] vertreten. Die zentral- und nordeuropäischen Bestände haben in den letzten Jahren starke Einbußen erlitten. == Aussehen == Die Nominatform (''J. t. torquilla'') ist insgesamt sehr gut bestimmbar. Sie erinnert eher an eine kleine [[Drosseln|Drossel]] als an einen Specht. Die Körperlänge liegt mit etwa 17 Zentimetern deutlich unter der einer [[Singdrossel]], das Gewicht beträgt bis zu 50 Gramm. Der Vogel hat ein rindenfarbenes, graubraunes Gefieder ohne deutliche Feldkennzeichen, kurze hellgraue Beine, einen grauen, ebenfalls recht kurzen, spitzen Schnabel sowie einen auffallend langen, graubraunen Schwanz mit drei undeutlich dunkelbraunen Querbinden. Schnabel und Beine können einen leicht grünlichen Anflug aufweisen. Bei gutem Licht sind die pfeilspitzförmige Zeichnungen der Unterseite sowie die ''[[isabellfarbe]]ne'' Kehle erkennbar. Das Kopfgefieder wird in Erregungssituationen gesträubt und bildet so eine auffallende, undeutlich gebänderte Haube. Vom Oberkopf bis zum Rücken verläuft ein dunkelbraunes Band, das bei Altvögeln klar vom übrigen Graubraun des Obergefieders abgegrenzt ist. Bei Jungvögeln ist es verwaschener und verschmilzt stärker mit den Farbkonturen des übrigen Obergefieders. In derselben Farbe verläuft ein Zügelband bis weit hinter das Auge. Die Geschlechter unterscheiden sich kaum voneinander; Weibchen sind etwas matter gefärbt, rötlichbraune Töne des Bauchgefieders, die bei Männchen im Brutkleid häufig sind, fehlen bei ihnen. Auch die Jungvögel sind den Altvögeln sehr ähnlich, insgesamt überwiegen bei ihnen allerdings mattere Brauntöne, die Kehle kann sehr hell, fast weiß sein. Die pfeilspitzförmige Zeichnung des Bauchgefieders ist kaum erkennbar, am ehesten wirkt diese Körperregion leicht dunkelbraun gebändert. == Stimme == Während der [[Balz]]-, Brut- und Fütterungszeit können Wendehälse sehr auffällig sein. Außerhalb dieser Periode bemerkt man ihre Anwesenheit kaum. Der Gesang ist sehr deutlich und unverwechselbar und besteht aus in der Tonhöhe ansteigenden 'gäh'-Elementen, die schnell gereiht zuerst nasal und später gellend 'kje' klingen. Oft singen die Partner, auf einem Pfahl sitzend, im Duett, daneben geben sie bei Brutablösung ein leises Trommeln und Klopfen von sich. Vor allem Jungvögel, zuweilen aber auch Altvögel setzen einen schlangenähnlichen Zischlaut in Bedrohungssituationen ein, auch schlangenähnliche Bewegungen werden in solchen Situationen simuliert, ein Verhalten, das als [[Mimikry|Schlangenmimikry]] bekannt ist. == Systematik == Meistens werden sieben Unterarten genannt :* ''Jynx torquilla torquilla'' :* ''Jynx torquilla sarudnyi'' :* ''Jynx torquilla tschusii'' :* ''Jynx torquilla mauretanica'' :* ''Jynx torquilla chinensis'' :* ''Jynx torquilla himalayana'' :* ''Jynx torquilla japonica'' == Verbreitung == === Brutgebiet === [[Datei: Jynx torquilla distr .png|thumb|320px| '''orange''': Sommervogel <br /> '''grün''': Jahresvogel <br /> '''blau''': Winterverbreitungsgebiete]] Das Brutgebiet der Nominatform umfasst ganz Europa von [[Großbritannien (Insel)|Großbritannien]] bis zum [[Ural]]. Im Norden erreicht es den Polarkreis, im Südwesten Mittelspanien. Im Süden und Osten kommt es zur [[Intergradation]], das heißt, dem gemeinsamen Auftreten der Nominatform mit den dort heimischen Unterarten: ''J. t. tschusii'' (kleiner und mehr rötlichbraun), die von [[Korsika]], Italien über [[Dalmatien]] und Teile des [[Balkanhalbinsel|Balkans]] verbreitet ist; ''J. t. mauretanica'' (ebenfalls kleiner als Nominatform, heller, mit weißlicher Kehle und Vorderbrust), die in [[Sardinien]], [[Sizilien]], Teilen Nordafrikas und möglicherweise auf den [[Balearische Inseln|Balearen]] lebt, sowie ''J. t. sarudnyi'' (deutlich blasser als die Nominatform, noch undeutlichere Federzeichnung), welche im Uralgebiet und dann in einem breiten Streifen durch Südsibirien, Zentralasien inklusive des nordwestlichen [[Himalaja]]s bis zur Pazifikküste vorkommt. Sie besiedelt außerdem die Insel [[Sachalin]], Japan und die Küstengebiete Südchinas. === Wanderungen === Die Wendehals ist der einzige [[Langstreckenzieher]] unter den europäischen Spechten. Nur die Inselpopulationen (Korsika, Sardinien, Sizilien sowie Zyperns) sind zum Teil [[Standvogel|Standvögel]] oder Kurzstreckenzieher, wie auch ''J. t. mauretanica'' und die südlichsten Populationen der asiatischen Unterarten. Der Wegzug der Nominatform erfolgt in [[Breitfrontzug|breiter Front]] ab Mitte August. Die Alpen werden meistens überflogen, das Mittelmeer wird hingegen von den ''Westziehern'' über Spanien und Gibraltar, von den ''Ostziehern'' über den Balkan und die Ägäisinselbrücke, bzw. die [[Bosporus]]-[[Sinai-Halbinsel|Sinai]]-Strecke umflogen. Zunehmend werden Überwinterungen in Südspanien, dem südgriechischen Festland sowie auf einigen griechischen Inseln festgestellt. Nordskandinavische Populationen ziehen zum Teil über Großbritannien, wo einige Exemplare erfolgreich überwintert haben. In Mitteleuropa erscheinen die Heimzieher nicht vor der zweiten Märzdekade, häufiger erst Mitte April. In der Nordpaläarktis brütende Vögel erreichen ihr Brutgebiet erst Anfang Mai oder später. <br /> Wendehälse ziehen vor allem nachts und meist einzeln. Das Überwinterungsgebiet der europäischen Arten liegt südlich der [[Sahara]], und zwar in einem breiten Streifen von [[Senegal]], [[Gambia]] und [[Sierra Leone]] im Westen bis nach [[Äthiopien]] im Osten; nach Süden reicht es bis zur [[Demokratische Republik Kongo|Demokratischen Republik Kongo]] und [[Kamerun]]. Auch die westasiatischen Populationen bevorzugen diese Überwinterungsgebiete. Die zentral-und ostasiatischen Brutvögel überwintern auf dem indischen Subkontinent beziehungsweise im südlichen Ostasien einschließlich Südjapans. Vereinzelt gelangen ostasiatische Heimzieher nach West-[[Alaska]]. == Lebensraum == Wendehälse besiedeln offene und halboffene klimatisch begünstigte Landschaften mit zumindest einzelnen Bäumen. Geschlossene Wälder werden ebenso gemieden wie baumlose Steppen, Wüsten und Hochgebirge. Vor allem Parklandschaften, Streuobstwiesen, große Gärten sowie Weinbaugebiete, gerne mit Bruchmauerwerk, sind dagegen ideale Habitate dieser Art. Auch lichte Birken-, Kiefern- und Lärchenwälder, seltener sogar Auwälder, werden besiedelt. Das Angebot an bestimmten Ameisenarten sowie Brutmöglichkeiten in Spechthöhlen oder natürlichen Baumhöhlen begrenzen das Vorkommen. In letzter Zeit haben Wendehälse vor allem im südwestlichen Mitteleuropa Windbruchschneisen und großflächige, durch Windbruch entstandene Lichtungen besiedelt. Allgemein bevorzugen die Vögel Gegenden mit kontinentalem Klima; solche mit feuchtem Meeresklima, etwa die französische Atlantikküste, kann der Wendehals als Brutgebiet nicht oder nur in sehr geringer Zahl nutzen. In den Überwinterungsregionen werden vielfältige insektenreiche Habitate, vor allem aber [[Akazien]][[savanne]]n aufgesucht. Sie reichen vom Flachland bis weit in die montane Stufe. Reine Wüstengebiete werden nur temporär und an ihren Rändern aufgesucht, geschlossener Regenwald überhaupt nicht. == Nahrung und Nahrungserwerb == Im Brutgebiet ist der Wendehals sehr stark auf das Vorkommen bestimmter Ameisenarten angewiesen: [[Rasenameise|Rasen-]], [[Wiesenameise|Wiesen-]] und [[Wegameisen]] werden bevorzugt, ''[[Formica (Gattung)|Formica]]''-Arten, wie etwa die [[Rote Waldameise]] meistens gemieden. Larven und Puppen überwiegen, doch gehören voll ausgebildete Ameisen und auch Geschlechtstiere ebenso zur Nahrung der Art. In sehr geringem Umfang werden noch andere Insekten wie [[Blattläuse]], Schmetterlingsraupen oder Käfer sowie Früchte und Beeren verzehrt. Auffallend und nicht zur Gänze geklärt ist die Neigung des Wendehalses verschiedene, meist glänzende Gegenstände aufzusammeln, in die Nisthöhle einzutragen und möglicherweise an die Jungen zu verfüttern. Dazu gehören Plastikmaterialien, Metallteile, Alufolien, Porzellanbruchstücke und anderes. Im Magen einiger toter Küken wurden solche Materialien gefunden. Wendehälse überfallen gelegentlich die Bruthöhlen anderer Höhlenbrüter, vornehmlich die von [[Meisen]] und [[Fliegenschnäpper]]n. Aufgefundene Gelege werden zerstört und gefressen; Jungvögel werden gelegentlich auch an die eigene Brut verfüttert. Die Nahrung wird fast ausschließlich am Boden mit Hilfe der langen, klebrigen Zunge aufgelesen. Zuweilen werden [[Ameisen]]bauten mit Schnabelhieben geöffnet. Unverdauliche Nahrungsbestandteile werden in [[Speiballen]] (auch Gewölle genannt) abgesetzt. Seltener jagen Wendehälse an Bäumen oder Mauern. Sie sind jedoch nicht wie andere Spechte imstande, mit Hilfe des Schnabels die Baumrinde zu lösen und darunter nach Insekten zu suchen. == Verhalten == [[Datei:Jinxtorquilla.jpg|thumb|260px|Wendehals nach der Beringung <br /> Gut erkennbar sind der stressbedingt gefächerte Schwanz und die gesträubten Kopffedern]] Der Wendehals ist tagaktiv und oft im Eingang seiner Bruthöhle zu sehen. Der Vogel gehört zu den mäßig schnellen Fliegern, wobei er im Wellental die Flügel anlegt. Er klettert kaum und kann sich nur schlecht mit den nicht steifen Schwanzfedern abstützen. Sehr häufig befindet er sich am Boden, meistens hüpfend; dort ist er am ehesten verwechselbar. Die namensgebenden ruckartigen Kopfdrehungen sind nur in Bedrohungssituationen sehr auffällig. In dieser Situation werden bei meistens aufrechter Körperhaltung die Kopffedern aufgestellt und der Schwanz gespreizt. Der Kopf wird gedreht und gewendet, auch die Zunge kann vorgeschleudert werden. Der Vogel ist nicht sehr scheu. Während der Brutzeit lebt er paarweise und territorial, sonst, insbesondere im Überwinterungsraum, einzelgängerisch und umherstreifend. Jungvögel sind während der Führungszeit akustisch recht auffällig. Wendehälse können nicht wie andere Spechte an senkrechten Stämmen landen. Sie sitzen wie Singvögel entweder quer zur Astrichtung oder nach Art der [[Nachtschwalben]] in der Längsrichtung. Während der Brutzeit sind Wendehalspaare streng territorial und verteidigen ihr Brutgebiet energisch. Andere Vögel, insbesondere andere Spechte, werden sofort angeflogen und oft direkt attackiert. Auffallend ist ein besonders aggressives Verhalten gegenüber anderen [[Höhlenbrüter]]n, deren Bruten von Wendehälsen oft zerstört werden. == Brutbiologie == === Balz === Anders als einige andere Spechte, bei denen auch über die Wintermonate ein loser Paarzusammenhalt bestehen bleibt, führen Wendehälse eine Brutsaisonehe; die Bindung der Partner erlischt mit dem Flüggewerden der Jungen. Schon bei Zweitbruten kann es zu einem Partnerwechsel kommen. Auf Grund der sehr großen Brutorttreue beider Geschlechter kommt es jedoch relativ häufig zu Wiederverpaarungen. Sofort nach Ankunft im Brutrevier beginnen die Partner mit der Balz, die vor allem aus langen Verfolgungsflügen, Bruthöhlenzeigen und auffälligen Rufreihen besteht; letztere werden meist von niedrigen, oft exponiert liegenden Singwarten, wie einzelstehenden Büschen oder Pfählen, sowohl an den Reviergrenzen als auch im Revierzentrum vorgetragen. An der Nistplatzexploration beteiligen sich beide Geschlechter. Kopulationen finden meist auf dem Boden, nur selten auf Ästen statt. Gegen Ende der Balz reduziert das Männchen seine Gesangsaktivität und beschränkt sie auf nur eine Singwarte in der Nähe der Nisthöhle. Nach Ablage des ersten Eies halten sich Wendehälse sehr verborgen. === Fortpflanzung und Brut === Als Höhlenbrüter, der sich selbst keine Höhlen schaffen kann, ist der Wendehals auf das Vorhandensein von natürlichen Baumhöhlen oder Spechthöhlen angewiesen. Auch Nistkästen nimmt er an. Oft werden schon besetzte Bruthöhlen okkupiert und die Vorbesitzer samt Eiern oder Jungen entfernt. Unter solchen Überfällen leidet die Art selbst aber auch, vor allem [[Buntspecht]] (''Dendrocopos major'') und [[Blutspecht]] (''Dendrocopos syriacus'') räumen zuweilen Wendehalsbruten radikal aus. Daneben kommen in sehr geringer Zahl auch Niststandorte in Gemäuern oder Höhlen von [[Uferschwalbe]]n oder [[Europäischer Eisvogel|Eisvögeln]] vor. Nistmaterial wird nach Spechtart nicht oder nur in sehr geringem Maße eingetragen. Auch die Höhle selbst wird nicht bearbeitet, sieht man davon ab, dass Wendehälse Nistmaterial, Eischalen und andere Hinterlassenschaften von Vorbesitzern rigoros entfernen. Die Gelegegröße ist sehr variabel, liegt meistens aber zwischen sechs und zehn, in Ausnahmefällen bei bis zu 14 glatten, mattweißen Eiern, in einer durchschnittlichen Größe von etwa 21 x 16 Millimetern. Bei Erstbrütern, beziehungsweise bei sehr schlechter Nahrungsverfügbarkeit, wurden auch Kleingelege mit weniger als 5 Eiern festgestellt. Bei Verlust des Erstgeleges, oft aber auch bei erfolgreicher Erstbrut, kommen auch Zweitgelege mit meistens geringerer Eianzahl vor. Zweitbruten gehören bei weiter südlich lebenden Populationen eher zur Regel, dort brüten manchen Paare – dann meist [[Schachtelbrut|verschachtelt]] – auch ein drittes Mal. Zuweilen wurden Gelege mit über 20 Eiern festgestellt. Es wird angenommen, dass bei solchen ''Supergelegen'' intraspezifischer [[Brutparasitismus]] vorliegt, also zumindest noch ein zweites Weibchen an seinem Zustandekommen beteiligt war. Die Eier werden im Tagesabstand gelegt und zuerst nur vom Weibchen gewärmt, nicht aber fest bebrütet. Nach Ablage der letzten Eier brüten beide Partner, sodass die Küken nur in geringen Zeitintervallen schlüpfen. Die Nestlingszeit, während der beide Eltern die Brut versorgen, beträgt etwa 20 Tage. Flügge Wendehälse werden nur mehr kurze Zeit (maximal zwei Wochen) von den Eltern geführt. In dieser Zeit sind ihre Bettelrufe sehr auffällig. Danach verlassen sie, meistens bereits in Zugrichtung, das Elternrevier. == Bestand und Bestandtrends == In seinem großen Verbreitungsgebiet sind die Bestände des Wendehalses gegenwärtig nicht bedroht. Allerdings nahm in Zentral-, Nordwest- und Nordeuropa die Anzahl der Brutpaare in den letzten beiden Jahrzehnten kontinuierlich ab, auch das Gesamtareal der Wendehalsverbreitung wurde kleiner. Gravierende Bestandseinbußen verzeichnete Großbritannien, wo die Art als Brutvogel praktisch ausgestorben ist, aber auch in den skandinavischen Staaten, in Deutschland, Frankreich, Polen, Italien und den meisten südwestlichen Balkanstaaten gingen die Brutvorkommen deutlich zurück. Dem stehen allerdings stabile Bestandsverhältnisse auf zum Teil recht hohem Niveau in einigen Staaten Osteuropas gegenüber. Deshalb war der Wendehals 1988 [[Vogel des Jahres (Deutschland)|Vogel des Jahres in Deutschland]] und ist 2007 [[Vogel des Jahres (Schweiz)|Vogel des Jahres in der Schweiz]]. Der Wendehals gehört in Deutschland zu den streng geschützten Arten nach § 10 Abs.2 Nr.11 BNatSchG. Hauptursachen dieser Entwicklung liegen in landschaftlichen Veränderungen wie Ausräumen der Landschaft, Vernichtung der Streuobstwiesen, Verlust von Trockenrasengebieten u.&nbsp;a., in geänderten landwirtschaftlichen Kulturmethoden wie Vorverlegung von Mähterminen, häufige oder auch fehlende Mahd sowie im verstärkten Einsatz von [[Biozid]]en. Auch scheinen sich die bevorzugten Beutetiere des Wendehalses als Folge der Überdüngung in immer tiefer liegende Bauten zurückzuziehen, so dass sie für ihn nicht mehr erreichbar sind. Ferner ist das zunehmend atlantischer werdende Klima für die Art ungünstig, doch gehen die von dieser Klimaentwicklung kaum betroffenen Bestände in Süd- und Südosteuropa ebenfalls drastisch zurück. == Namensherleitung == In der griechischen Mythologie ist [[Jynx (Griechische Mythologie)|Jynx]] eine [[Nymphe]], die mit ihrer Zauberei die Liebe von [[Zeus]] gewann. Als Strafe dafür wurde sie von [[Hera]] in einen Wendehals verwandelt, der schon in vorklassischer Zeit als Medium für allerlei Liebeszauber galt. ''Torquilla'' leitet sich vom lat. Verbum ''torquere'' ab, was ''winden, drehen'' bedeutet und die außerordentlich auffälligen Kopfdrehungen dieser Art beschreibt. In anderen Sprachen sprechen die nationalen Gattungsnamen ebenfalls diese Verhaltensweise an, zum Beispiel im Englischen (''Wryneck'' - ''Schiefhals'') oder im Niederländischen (''Draaihals'' - ''Drehhals''). == Im übertragenen Sinn == Weil der Wendehals leicht und häufig seinen Blickwinkel wechselt, wurde sein Name schon früh <ref>[[Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache]]</ref> zur Bezeichnung von [[Opportunismus|Opportunisten]] angeführt. Sehr verbreitet wurde diese Übertragung im Verlauf der [[Wendehals (DDR)|''Wende'' in der DDR]]. == Literatur == *U. N. Glutz von Blotzheim (Hrsg.): ''[[Handbuch der Vögel Mitteleuropas]].'' Bd 9. Aula, Wiesbaden 1994, S. 881-916. ISBN 3-89104-562-X *Gerard Gorman: ''Woodpeckers of Europe.'' A Study of the european Picidae. Bruce Coleman 2004. pp 47-56. ISBN 1-872842-05-4 * Hans-Günther Bauer, P. Berthold: ''Die Brutvögel Mitteleuropas.'' Bestand und Gefährdung. Aula, Wiesbaden 1997, S. 283f. ISBN 3-89104-613-8 * Ludwig Sothmann, Schreiner, Ranftl: ''Das Braunkehlchen – Vogel des Jahres 1987. Der Wendehals – Vogel des Jahres 1988.'' Bayrische Akademie für Naturschutz und Landschaftspflege, Laufen/Salzach 1989. ISBN 3-924374-55-4 *Viktor Wember:''Die Namen der Vögel Europas.'' Bedeutung der deutschen und wissenschaftlichen Namen. AULA-Verlag GmbH Wiebelsheim 2005. S. 114. ISBN 3-89104-678-2 == Weblinks == {{Commons|Jynx torquilla|Wendehals (''Jynx torquilla'')}} {{Wiktionary|Wendehals}} * {{IBC|ID=eurasian-wryneck-jynx-torquilla|Titel=Jynx torquilla}} * [http://www.birdlife.org/datazone/species/BirdsInEuropeII/BiE2004Sp538.pdf Datasheet birdlife international 2005] (PDF-Datei; 330 kB) *[http://www.ivnvechtplassen.org/ivn_vogels_niet_vechtstreek/Draaihals_Jynx-torquilla.html Tarnfärbung des Vogels - Revierruf] == Einzelnachweise == <references /> {{Exzellent}} [[Kategorie:Spechte]] [[az:Buruqboyun]] [[bg:Въртошийка]] [[br:Penngamm Eurazia]] [[ca:Colltort]] [[cs:Krutihlav obecný]] [[da:Vendehals]] [[en:Eurasian Wryneck]] [[eo:Eŭrazia koltordulo]] [[es:Jynx torquilla]] [[et:Väänkael]] [[fi:Käenpiika]] [[fr:Torcol fourmilier]] [[he:סבראש]] [[hr:Vijoglav]] [[hu:Nyaktekercs]] [[it:Jynx torquilla]] [[ja:アリスイ]] [[ko:개미잡이]] [[lt:Grąžiagalvė]] [[nl:Draaihals]] [[no:Vendehals]] [[pl:Krętogłów]] [[ru:Вертишейка]] [[sah:Абааһы чыычааҕа]] [[sk:Krutohlav hnedý]] [[sv:Göktyta]] [[tr:Bayağı boyunburan]] [[zh:蚁鴷]] qq3gdwood1p60kj8r4p9wzkj9y6w8io wikitext text/x-wiki Wenegnebti 0 24504 27106 2010-04-16T21:54:02Z Muck 0 Form {{Infobox Pharao |TITEL_BILD = [[File:Abydos Koenigsliste 9-14-3.jpg|120px|]] |TITEL_BILDBESCHREIBUNG = Kartusche Nr.14 in der Königsliste von Abydos mit dem Namen „Wadjnes“ (Detail) |EIGENNAME = |EIGENNAME-ERKLÄRUNG = |THRONNAME = |THRONNAME-ERKLÄRUNG = |HORUSNAME = |HORUSNAME-ERKLÄRUNG = |NEBTINAME = ```[[Datei:weneg.jpg|9px]]´´´ |NEBTINAME-ERKLÄRUNG = ''Weneg-Nebti'' <br /> ''Wng-Nbtj'' <br /> „''Die beiden Herrinnen''“ (Nebti-Name des Königs) |GOLDNAME = |GOLDNAME-ERKLÄRUNG = |TURIN-KÖNIGSLISTE = <hiero>HASH-HASH-S29-V11A-G7 </hiero><small><ref>Alan H. Gardiner: ''The royal canon of Turin''. Bildtafel 1; Die hier von den sonst üblichen Syntax für Hieroboxen abweichende Darstellung des Eintrags im Turiner Papyrus ist auf den Umstand gemünzt, dass im [[Hieratische Schrift|Hieratischen]] offene Kartuschen zur Verwendung kamen. Das abwechselnde Mal-fehlen-mal-vorhandensein bestimmter Namenselemente ist auf Materialschäden im Papyrus zurückzuführen.</ref></small> |TURIN-KÖNIGSLISTE-OHNE-KARTUSCHE =ja |TURIN-KÖNIGSLISTE-ERKLÄRUNG = ......s <br /> (stark beschädigt) <br /> (mit Namens[[ideogramm]] <br /> für einen König, das den <br /> Horusfalken darstellt) |TURIN-KÖNIGSLISTE-NR =II./23 |ABYDOS-KÖNIGSLISTE = <hiero>M13-N35-S29</hiero> |ABYDOS-KÖNIGSLISTE-ERKLÄRUNG = Wadj-nes <br /> ''{{Unicode|W3ḏ-ns}}'' <br /> ''Mit frischer Zunge'' <small><ref name=E31>Iorwerth Eiddon Stephen Edwards: ''The Cambridge ancient history Vol. 1, Pt. 2''. S.&nbsp;31.</ref></small> |ABYDOS-KÖNIGSLISTE-NR = 12 |SAQQARA-KÖNIGSLISTE = <hiero>M13-F20:Z1-F51</hiero> |SAQQARA-KÖNIGSLISTE-ERKLÄRUNG = Wadjlas <small><ref name=S488>Thomas Schneider: ''Lexikon der Pharaonen'', S.&nbsp;311.</ref></small> <br /> ''{{Unicode|W3ḏ l3s}}'' <br /> ''Mit frischer Zunge'' <small><ref name=E31/></small> |SAQQARA-KÖNIGSLISTE-NR = 6 |GRIECHISCH = <br />[[Sextus Iulius Africanus|Africanus]]: Tlas <small><ref>Regierungsdauer 17 Jahre.</ref></small><br />[[Eusebius von Caesarea|Eusebius]]: fehlt<br />[[Eusebius von Caesarea#Überlieferungen der Aegyptiaca von Manetho|Eusebius,&nbsp;AV]]: fehlt<br /> |GRIECHISCH-ERWEITERT = [[Manetho]]-Varianten: }} '''Wenegnebti''' (auch '''Wadjnes''') war ein [[Ägypten|altägyptischer]] König ([[Pharao]]) der [[Frühdynastische Periode (Ägypten)|2. Dynastie]] (Frühdynastische Zeit), der im 28. Jahrhundert v. Chr. zwischen den Königen [[Ninetjer]] und [[Chasechemui]] regiert haben könnte. Seine [[Chronologie|chronologische]] Zuordnung und [[Identifikation]] ist aufgrund der spärlichen Fundlage und widersprüchlichen Hinweise besonders schwierig. Wadjnes gehört deshalb unter [[Ägyptologie|Ägyptologen]] zu den umstrittensten Königen der Frühzeit. == Hintergrund == === Zum Namen === Ein [[Hieroglyphenkartusche|Kartuschenname]] des „Wadjnes“ ist nur in den [[Ramessidenzeit|ramessidischen]] Königslisten aus der [[19. Dynastie]] belegt, die ihn in verschiedenen Schreibweisen nennen und stets als direkten Nachfolger von [[Ninetjer]] angeben.<ref Name=E275>Walter Bryan Emery: ''Ägypten. Geschichte und Kultur der Frühzeit.'' S.&nbsp;275.</ref> Der Mehrzahl von Ägyptologen zufolge ist Wadjnes mit dem [[Nebtiname]]n „Weneg“ identisch. [[Winfried Barta]], [[Bernhard Grdseloff]] und [[Iorwerth Eiddon Stephen Edwards]] vermuten in dem Namen „Wadjnes“ eine Verschreibung des Namens „Weneg“: [[Ramses II.|Ramessidische]] Schreiber könnten die [[Ägyptische Hieroglyphen|Hieroglyphen]] M13 (Papyrusstängel) und M45 (Weneg-Blume) verwechselt haben, da diese sich in der [[Hieratische Schrift|hieratischen Schrift]] sehr ähneln. Die Namenssilbe „nes“ (F20) in der [[Königsliste von Sakkara]] könnte eine Fehlinterpretation der [[Symbol]]e N35 und S29 gewesen sein.<ref>B. Grdseloff: ''Annales du Service des Antiquités de l'Égypte'' Nr. 44, 1944, S. 279–306.</ref><ref name=WiBa>Winfried Barta: ''Zeitschrift für Ägyptische Sprache und Altertumskunde'' Nr.108. Akademie-Verlag, Berlin 1981, ISSN 0044-216X, S.11.</ref> Aus „Weneg“ wurde also aufgrund einer Verlesung „Wadjnes“, was später in [[Koptisch|koptischen Schriften]] als „Wet-las“ gelesen wurde. [[Manetho]] (Africanus) übersetzte dies mit „Tlas“. Im Zusammenhang mit dem Sonnenkult verdient der Name „Weneg“ besondere Beachtung, da der König Weneg nach der gleichnamigen Gottheit [[Weneg (Ägyptische Mythologie)|Weneg]] benannt wurde, die in der [[5. Dynastie|5.]] und [[6. Dynastie]] als „Sohn des [[Re (Ägyptische Mythologie)|Re]]“ besondere Verehrung genoss.<ref name=E31/> === Fundlage === Die möglichen zeitgenössischen Belege, die bislang vorliegen, sind wenig aussagefähig. Aus diesen Gründen ist seine historische Figur Gegenstand von lebhaften [[Debatte]]n innerhalb der [[Ägyptologie]].<ref name="Fr">Francesco Raffaele: [http://xoomer.alice.it/francescoraf/hesyra/wneg.htm Weneg/Uneg]</ref> Eine mögliche frühe Form des Namens „Wadjnes“ ist bisher nur von rund sechs Gefäßinschriften<ref name="Fr" /> bekannt, die sich auf [[Alabaster]]-[[Scherben]] in der [[Djoser-Pyramide]] fanden.<ref>P. Lacau, J.P. Lauer: ''La Pyramide a Degeres IV. Inscriptions Gravees sur les Vases.'' Cairo 1959, Tafel 19, Nr. 105, Tafel 20, Nr. 101–107.</ref> Auf zweien dieser Gefäße erscheint die Inschrift „Wer-maa-wadjnes“ (''wahrhaft groß ist Wadjnes''). Ägyptologen wie beispielsweise [[Wolfgang Helck]] deuten das „Wer-maa“ allerdings als möglichen [[Horusname]]n. Diese [[Interpretation]] stößt wiederum auf starke [[Skeptizismus|Skepsis]] in der Ägyptologie. [[Jochem Kahl]] interpretiert das „Wer-maa“ als Titel des Hohepriesters des [[Re (Ägyptische Mythologie)|Re]] und liest den Namen als „Ni-su-Wadj“.<ref>Jochem Kahl: ''Ra is my Lord.'' Harrassowitz, Wiesbaden 2007, S.&nbsp;50.</ref> Auf vier der Gefäßbruchstücke erscheint der Name „Wadj-sen“ stets neben der Darstellung des [[Sed-Fest]]es<ref name="Fr" />, welches entweder alle sechs Jahre während des [[Sokar#Sokar-Fest|Sokar-Festes]] oder im 30. Regierungsjahr gefeiert wurde. Eine dreißigjährige Zeitspanne stünde jedoch in widersprüchlichem Verhältnis zu Wadjnes schwacher zeitgenössischer Präsenz. Dies ist mit ein Hauptgrund für die Debatten unter Ägyptologen.<ref name="Fr" /> Vor allem wirft die Anordnung der [[Ägyptische Hieroglyphen|Hieroglyphen]] auf den Fragmenten Fragen auf. Die Schriftzeichen M13 (Wadj) und S29 (se) stehen nebeneinander und gemeinsam dicht über dem Zeichen N35 (en). Aus dieser [[Konstellation]] heraus ist eine Lesung als „Wadj-'''sen'''“ wahrscheinlicher. Da auch keinerlei Königstitel neben dem Namen erscheinen, erschwert dies eine mögliche Verknüpfung zu jeglichen Herrschern der 2. Dynastie.<ref name=WiBa/> == Identifikation == {| class="wikitable" width="100%" |- | align="center" width="25%"|[[Datei:Wadj-sen.png|200px]] | align="center" width="25%"|[[Datei:Wenegbarke2.png|80px]] | align="center" width="25%"|[[Datei:Weneg.png|80px]] | align="center" width="25%"|[[Datei:Wenegbarke1.png|80px]] |- | <small>Alabasterscherbe mit dem Namen des Wadjnes aus dem Pyramidenkomplex des Djoser in [[Sakkara]] <small><ref>nach: P. Lacau, J.P. Lauer: ''La Pyramide a Degeres IV. Inscriptions Gravees sur les Vases.'' Cairo 1959; Seite 12; Abb.20</ref></small></small> | <small>Gravur auf Grünschiefer mit der Beischrift ''Semaat-tau''.<ref>vergl.: P. Lacau, J.P. Lauer: La Pyramide a Degeres IV. Inscriptions Gravees sur les Vases. Cairo 1959; Abb.107</ref></small> | <small>Alabasterscherbe mit dem Nebti-Namen ''Weneg''</small> | <small>Gravur auf [[Grünschiefer]] mit der Beischrift ''Hor seba-taui'' („Horus, der Stern der Beiden Länder“)<ref>vergl.: P. Lacau, J.P. Lauer: La Pyramide a Degeres IV. Inscriptions Gravees sur les Vases. Cairo 1959; Abb.106</ref></small> |} In der ägyptologischen Forschung wird immer wieder versucht, Wadjnes mit einem der frühdynastischen Herrscher der 2. Dynastie gleichzusetzen. Dies erweist sich aufgrund der Widersprüche in den Funden als ausgesprochen schwierig. Momentan haben sich drei Hauptthesen durchgesetzt: === Gleichsetzung mit dem Nebti-Namen ''Weneg'' und König ''Hor Nebre'' === Der Name „Weneg-Nebti“ ist auf 17 Steingefäßen erhalten, von denen sich 11 in den [[Bogengang (Architektur)|Galerien]] des [[Djoser-Pyramide#Der Pyramidenkomplex|Djoser-Komplexes]] fanden.<ref>P. Lacau, J.P. Lauer: ''La Pyramide a Degeres IV. Inscriptions Gravees sur les Vases.'' Cairo 1959.</ref> Ägyptologen wie Wolfgang Helck weisen auf die Merkwürdigkeit hin, dass nahezu sämtliche Inschriften des Weneg auf Rasur angebracht wurden, das heißt, der Name, der vor der Anbringung von Wenegs Nebti-Titulatur auf den Gefäßen stand, war ein gänzlich anderer gewesen.<ref>Wolfgang Heck: ''Zeitschrift für Ägyptische Sprache und Altertumskunde''Nr.106. Akademie-Verlag, Berlin 1981, ISSN 0044-216X, S.20-21.</ref> Seit geraumer Zeit jedoch wird der Nebtiname „Weneg“ vermehrt mit König [[Nebre]] gleichgesetzt. So konnte der Ägyptologe Jochem Kahl im Jahr 2005 auf dem Bruchstück einer Schale nachweisen, dass die Namen „Weneg“ und „Nebre“ ursprünglich nebeneinander [[Gravur|eingraviert]] waren. Er weist auf die Merkwürdigkeit hin, dass der Name des Königs [[Ninetjer]] spiegelverkehrt neben der Darstellung des [[Haus der Ewigkeit (Altes Ägypten)|Ka-Hauses]] von König Nebre eingeritzt worden und der Name von Nebre innerhalb des Ka-Hauses teilweise weggekratzt war. Unter dem Namen des Ninetjer sind schwache Konturen der Weneg-Blume erkennbar. Als tatsächlicher Vorgänger von Ninetjer ist jedoch bislang nur König Nebre nachgewiesen. Daraus schließt Kahl eine Gleichsetzung der Namen „Weneg“ und „Nebre“. Allerdings ist diese Entdeckung selbst Gegenstand von Diskussionen.<ref name="K1">Jochem Kahl: ''Ra is my Lord.'' S. 12–14.</ref> Kahl vermutet aber ebenfalls, dass der Name „Wadjnes“ auf eine Fehldeutung von „Weneg“ zurückzuführen ist<ref name="K1" />. Ein Gefäßfragment aus [[Schiefer]], das in der [[Mastaba]] S3014 in [[Sakkara]] entdeckt wurde, nennt in Verknüpfung mit dem Namen „Weneg“ das Fest „Hor wadjet sah“ („''Aufrichten der Pfeiler des Horus''“). Dieses Fest wird ausgiebig und oft auf Gefäßen aus der Regierungszeit der Könige Nebre und Ninetjer genannt, die Gefäßinschrift bestätigt somit eine chronologische Nähe von Weneg an den Beginn der 2. Dynastie.<ref>Toby A. H. Wilkinson: ''Early Dynastic Egypt''. S.87.</ref> === Gleichsetzung mit König ''Hor Sechemib'' === [[Nicolas Christophe Grimal|Nicolas Grimal]], Wolfgang Helck<ref name=H107 /> und [[Walter Bryan Emery]]<ref>Walter Bryan Emery: ''Ägypten. Geschichte und Kultur der Frühzeit.'' S.&nbsp;105.</ref> sind überzeugt, dass Wadjnes mit König [[Sechemib]] identisch ist. Diese Theorie fußt auf der Annahme, dass Sechemib und [[Peribsen]] die direkten Nachfolger von Ninetjer waren. Grimal und Helck setzen Wadjnes mit Sechemib und Peribsen mit [[Sened]] gleich. Allerdings ist die These nicht unwidersprochen: Da Funde von Tonsiegeln mit Sechemibs Namen im [[Abydos (Ägypten)|abydenischen]] Grab des [[Chasechemui]], des letzten Herrschers der 2. Dynastie, gemacht wurden, rückt Sechemibs chronologische Position sehr nahe an das Ende der 2. Dynastie. Und Sened und Peribsen werden in späteren Quellen stets getrennt geehrt. Wadjnes wird zudem in spätantiken Königslisten eher zu Beginn dieser Epoche erwähnt.<ref>Gunter Dreyer: ''Mitteilungen des Deutschen Archäologischen Instituts Kairo'' Nr.59. Deutsches Archäologisches Institut, Orient-Abteilung(Hg.). de Gruyter, Berlin 2003, S.&nbsp;115, Abbildung 42b.</ref> Wolfgang Helck hält aber ebenso auch König [[Sa (König)|Sa]] und andere Namen für weitere mögliche Horusnamen von Wadjnes.<ref>Francesco Raffaele: [http://xoomer.alice.it/francescoraf/hesyra/wneg.htm Horus Za?]</ref> === Wadjnes als eigenständiger Herrscher === Der Ägyptologe [[Richard Weill]] ist überzeugt, den Namen „Wadjnes“ als Horusnamen auf dem sogenannten [[Kairostein]], dem Gegenstück zum bekannteren [[Palermostein]], entdeckt zu haben. Seiner These geht voraus, dass Wadjnes mit dem Nebti-Namen ''Weneg'' identisch ist. [[Peter Kaplony]] liest den Namen als „Wenegsechemui“. Beide lesen die Namen über der dritten Jahreszeile ganz links. Teile der Namenspreisung des Herrschers verlieren sich in der Bruchkante der Steintafel. Die Platzierung des Beginns der Namens[[banderole]] lässt den Ägyptologen auf eine Regierungszeit von zehn bis zwölf Jahren schließen. Bedauerlicherweise ist der Kairostein von der dritten Jahreszeile an abwärts durch Abrieb stark beschädigt und viele der wichtigen Ereignisangaben sind zerstört.<ref>Francesco Raffaele: [http://xoomer.alice.it/francescoraf/hesyra/wneg.htm Unegsekhemwy?]</ref> == Regierungszeit == Bezüglich der Regierungsdauer herrscht in der Forschung Uneinigkeit. Die einzigen Quellen zu jeglichen Zeitangaben sind der [[Turiner Königspapyrus]], der Wadjnes eine Regierungsdauer von 54 Jahren zuspricht,<ref>[http://www.ancient-egypt.org/history/turin_kinglist/0211_0327.html Turin Kinglist: II,23 Unbekannter Name (Wadjnes)].</ref> und der antike Chronist [[Manetho]], der dem Herrscher 17 Jahre bescheinigt.<ref name=E275 /> Viele Gelehrte zweifeln jedoch an beiden Angaben.<ref name=H107>Wolfgang Helck: ''Untersuchungen zur Thinitenzeit.'' Harassowitz, Wiesbaden 1987, S.&nbsp;103–107.</ref> Falls Wadjnes ein eigenständiger, zeitgenössisch bisher nicht belegter Herrscher war und tatsächlich König Ninetjer auf den Thron folgte, kann vermutet werden, dass er bereits zu Beginn seiner Regentschaft mit innerpolitischen Problemen konfrontiert wurde. Weil der Name „Wadjnes“ bislang nicht in [[Oberägypten]] belegt ist, nehmen Ägyptologen wie Wolfgang Helck an, dass entweder die Macht von Wadjnes nur auf [[Unterägypten]] beschränkt war oder dass er sich das Ägyptische Reich mit einem anderen Herrscher teilen musste. Helcks Ansicht nach war Wadjnes Vorgänger [[Ninetjer]] aufgrund wirtschaftlicher Missstände gezwungen, das Ägyptische Reich an gleich zwei seiner Söhne weiterzureichen. Grund für diese Annahme sind die Angaben der [[Nil]]-Höhe auf dem Palermostein. Hier wird in den letzten Regierungsjahren Ninetjers von einer schwerwiegenden und mehrjährigen Dürre berichtet.<ref>Francesco Raffaele: [http://xoomer.alice.it/francescoraf/hesyra/pribsn.htm ''Sethian Period'']</ref> Diese Dürre könnte laut den Ägyptologen Wolfgang Helck, Nicolas Grimal und [[Barbara Bell]] Wadjnes' Vorgänger Ninetjer dazu bewogen haben, das ägyptische Reich zu teilen und zwei seiner Erben [[Synchronität|synchron]] regieren zu lassen, um der wirtschaftlichen und politischen Misslage wieder Herr werden zu können.<ref>B. Bell: ''Oldest Records of the Nile Floods.'' In: ''Geographical Journal'' 136 (1970), S. 569–573.</ref> Wenn die Herrscherriege in den ramessidischen Quellen stimmt, dann hatte Wadjnes als erster der Nachfolger nur in Unterägypten regiert. Allerdings ist noch unklar, mit wem er sich den Thron hatte teilen müssen. Zwar nennen alle Königslisten einen König [[Sened]] als Nachfolger von Wadjnes, doch Sened hatte selbst nachweislich ebenfalls nur in Unterägypten regiert, war also nicht Wadjnes Co-Regent.<ref>Francesco Raffaele: [http://xoomer.alice.it/francescoraf/hesyra/dynasty2.htm ''Historical Problems'']</ref> == Literatur == * [[Iorwerth Eiddon Stephen Edwards]]: ''The Cambridge ancient history Vol. 1, Pt. 2: Early history of the Middle East, 3. Ausgabe (Reprint)''. Cambridge University Press, Cambridge 2006, ISBN 0-521-07791-5 * Wolfgang Helck: ''Untersuchungen zur Thinitenzeit.'' Otto Harrassowitz, Wiesbaden 1987, ISBN 3-447-02677-4 * Walter Bryan Emery: ''Ägypten. Geschichte und Kultur der Frühzeit.'' Fourier-Verlag, Wiesbaden 1964, ISBN 3-921695-39-2 * Pierre Lacau & Jan-Phillip Lauer: ''La Pyramide a Degrees IV. - Inscriptions Gravees sur les Vases: Fouilles à Saqqarah''. Service des antiquités de l'Égypte, Kairo 1936. * Georg Steindorff: ''Urkunden des ägyptischen Altertums''; Hinrichs-Verlag, Leipzig 1961; ISBN 3-05-000193-3 * [[Jochem Kahl]]: ''Ra is my Lord - Searching for the rise of the Sun God at the dawn of Egyptian history''. Harrassowitz, Wiesbaden 2007, ISBN 3-447-05540-5 == Einzelnachweise == <references/> <br /> {{Folgenleiste|VORGÄNGER=[[Ninetjer]]|NACHFOLGER=[[Sened]]|AMT=[[Liste der Pharaonen|König von Ägypten]]|ZEIT=[[Frühdynastische Periode (Ägypten)|2. Dynastie]]}} {{Exzellent}} [[Kategorie:Mann]] [[Kategorie:Altägyptischer König (Frühdynastik)]] [[Kategorie:28. Jahrhundert v. Chr.]] [[Kategorie:Aegyptiaca (Manetho)]] [[Kategorie:Geboren im 3. Jahrtausend v. Chr.]] [[Kategorie:Gestorben im 3. Jahrtausend v. Chr.]] {{Personendaten |NAME=Wenegnebti |ALTERNATIVNAMEN=Wadjnes; Wadj-nes; Wadj-las; Tlas |KURZBESCHREIBUNG=ägyptischer Pharao der 2. Dynastie |GEBURTSDATUM=vor 2767 v. Chr. |GEBURTSORT= |STERBEDATUM=um 2760 v. Chr. |STERBEORT= }} [[bat-smg:Venegs]] [[ca:Weneg]] [[cs:Vadžnes]] [[el:Τλας]] [[en:Weneg (pharaoh)]] [[es:Uneg]] [[eu:Uneg]] [[fi:Weneg]] [[fr:Ouneg]] [[gl:Weneg]] [[hr:Ueneg]] [[it:Weneg]] [[ko:웨네그]] [[lt:Venegas]] [[nl:Weneg]] [[oc:Oneg]] [[pl:Uneg]] [[ro:Wneg]] [[ru:Венег]] [[sh:Wneg]] [[sv:Wenengnebti]] [[tr:Wneg]] jqa5el6gbjxrl09kmrl3z0evwpjcyco wikitext text/x-wiki Weser 0 24505 28402 28400 2011-09-22T20:06:32Z Axpde 417 link fix {{Dieser Artikel|beschreibt den deutschen Fluss Weser, weitere Bedeutungen siehe unter [[Weser (Begriffsklärung)]].}} {{Infobox Fluss | NAME= Weser | LAGE= In [[Hessen]], [[Niedersachsen]], <br />[[Nordrhein-Westfalen]], [[Freie Hansestadt Bremen|Bremen]] | GKZ= DE/4 | FLUSSSYSTEM= Weser | ABFLUSSWEG= | EINZUGSGEBIET= 41094 | NACHWEIS-EINZUGSGEBIET= | LÄNGE= 440 | NACHWEIS-LÄNGE= (mit [[Werra]] 744 km) | ABFLUSS-MNQ= | ABFLUSS-MQ= | ABFLUSS-MHQ= | ABFLUSS-HHQ= | ABFLUSS-HHQ-JAHR= | BEZEICHNUNG-QUELLE= Ursprung | QUELLE= Zusammenfluss von [[Werra]] und [[Fulda (Fluss)|Fulda]] in [[Hann. 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Münden]], [[Höxter]], [[Holzminden]], [[Hameln]], [[Rinteln]], [[Bad Oeynhausen]], [[Porta Westfalica]], [[Minden]], [[Petershagen]], [[Nienburg/Weser|Nienburg]], [[Achim (Landkreis Verden)|Achim]] | KLEINSTÄDTE= [[Vlotho]] | GEMEINDEN= | HÄFEN= | BEKANNTE BRÜCKEN= | SCHIFFBAR= 440 km, in ganzer Länge [[Bundeswasserstraße]], nennenswerte Frachtschifffahrt bis Minden (Mittellandkanal) | BILD= Weser_Hilwartshausen.jpg | BILDBESCHREIBUNG= Die junge Weser zwischen [[Hilwartshausen]] und [[Gimte]] <br />(Blick vom ''Roten Stein''). | KARTE= Weser Einzugsgebiet.png | KARTE-BESCHREIBUNG= Verlauf der Weser (mit Quellflüssen) }} Die '''Weser''' ist ein [[Strom (Gewässer)|Strom]] (großer Meereszufluss) und in ganzer Länge [[Bundeswasserstraße]]. Die Weser ist auch Gegenstand des [[Weserlied|Weserliedes]]. In [[Hann. Münden]] vereinigen sich [[Werra]] und [[Fulda (Fluss)|Fulda]] zur Weser. Sie durchfließt [[Hessen]], [[Nordrhein-Westfalen]], [[Niedersachsen]] und [[Freie Hansestadt Bremen|Bremen]], teilweise als Grenzfluss zwischen diesen Bundesländern. Ihr [[Einzugsgebiet (Hydrologie)|Einzugsgebiet]] besteht zusätzlich aus Teilen von [[Thüringen]] und [[Sachsen-Anhalt]]. Die etymologische Identität der Flussnamen ''Weser'' und ''Werra'' weist darauf hin, dass die Werra eigentlich der Oberlauf der Weser ist, während die Fulda nur als ein Nebenfluss der Weser/Werra angesehen wurde. Die klare Trennung der Namen ''Weser'' und ''Werra'' wurde im [[Frühneuhochdeutsch|Frühneuhochdeutschen]] gebildet. == Namensherkunft == Die latinisierte Form ''Visurgis'' bei [[Tacitus]] lässt germanisch ''*Visuri'' mit dem Genitiv ''*Visurjos'' erschließen. Dieser Name stammt wie der der französischen ''Vézère'' (Nebenfluss der Dordogne) und der ''Vesdre'' in Belgien (Nebenfluss der Ourthe, 915 auch als ''Wesere'' belegt) letztlich aus der [[Indogermanische Sprachen|indogermanischen]] Wurzel ''*u̯eis-'' „fließen, zerfließen“, die in fast allen indogermanischen Sprachgruppen – insbesondere im [[Keltische Sprachen|Keltischen]], [[Germanische Sprachen|Germanischen]], [[Romanische Sprachen|Romanischen]] und [[Baltische Sprachen|Baltischen]] – belegt ist.<ref>Julius Pokorny: ''Indogermanisches etymologisches Wörterbuch'', Bern 1959, S.&nbsp;1134.</ref> Weitere Flussnamen derselben Herkunft wie Weser/Werra sind ''La Vis'' in Frankreich, ''Wear'' (von ''*Visuria'') in Nordengland, ''Vesouze'' (Nebenfluss der Meurthe), ''Wiesaz'' in Württemberg, ''Vesonze'' im Wallis, ''Visance'' in Frankreich, Dep. Orne, ''Bisenzio'' in Etrurien, ''Besançon'' in Frankreich, ''Viešintà'' in Litauen, ''Visa'' in Norwegen und Schweden, sowie die ''Vistula'', heute ''Wisła'' „Weichsel“.<ref>Hans Krahe: ''Sprache und Vorzeit'', Heidelberg 1954, S&nbsp;51.</ref><!-- Das früher hier etymologisch angeschlossene deutsche Wort ''Wiese'' wird heute auf eine andere indogermanische Wurzel zurückgeführt --> Ab dem 8. Jahrhundert sind, sowohl für die Weser, als auch für die Werra, althochdeutsche Namensformen, wie ''Wesera, Wisura, Wisera, Wisora, Wisara'' überliefert, auch mit angehängtem ''-aha'' - „fließendes Wasser“ - ''Wiseraha'' oder ''Wisuraha''. Noch bei [[Adam von Bremen]] heißt es 1075 ausdrücklich: „Die hervorragendsten Flüsse [[Sachsen]]s sind die [[Elbe]], die [[Saale]] und die Wisara, die man jetzt auch Wissula oder Wirraha nennt.“ Es ist also anzunehmen, dass es sich bei ''Weser'' und ''Werra'' in alter Zeit um ein und denselben Namen gehandelt hat, wobei es im Laufe der Zeit durch regionale sprachliche Ausdifferenzierung zu einer begrifflichen Trennung des Oberlaufes vom übrigen Fluss gekommen ist, indem /sr/ zu /rr/ angeglichen wurde. Unterstützt wird die Annahme dadurch, dass die Grenze zwischen dem nieder- und oberdeutschen Sprachraum ziemlich genau bei Münden verlief, wobei aus der oberdeutschen Form ''Wirra'' sich ''Werra'' entwickelt hat. Die [[Niederdeutsche Sprache|niederdeutsche]] Form ''de Wersern'' oder ''de Werser'' enthält noch heute beide Mittelkonsonanten. Erst neuhochdeutsch wurden die Namen ''Werra'' und ''Weser'' deutlich getrennt und als Bezeichnung für Ober- bzw. Unterlauf desselben Flusses verwendet. == Verlauf == [[Datei:Weser Hann.Münden.jpg|miniatur|Zusammenfluss von Werra und Fulda in [[Hann. Münden]]; im Hintergrund der [[Kaufunger Wald]]]] === Quellflüsse === Die 292&nbsp;km lange Werra und die 218&nbsp;km lange Fulda vereinigen sich in Hann. Münden zur Weser. Dort steht an der Nordspitze der Fuldainsel ''Tanzwerder'' seit 1899 der [[Weserstein]] mit der Inschrift: {{Zitat|''Wo Werra sich und Fulda küssen<br />Sie ihre Namen büssen müssen,<br />Und hier entsteht durch diesen Kuss<br />Deutsch bis zum Meer der Weser Fluss.<br /><br />Hann. Münden, d. 31. Juli 1899||Inschrift Weserstein''}} === Oberweser === [[Datei:Weserpegel Münden.jpg|miniatur|Weserpegel [[Hann. Münden]]]] [[Datei:MI_Weserbruecke_-_Blick_auf_die_Porta.jpg|miniatur|Porta Westfalica mit [[Kaiser-Wilhelm-Denkmal an der Porta Westfalica|Kaiser-Wilhelm-Denkmal]] (klein am Berg), von [[Minden]] gesehen]] In Hann. Münden ist der Nullpunkt der Binnengewässerkilometrierung der Weser. Der Wasserspiegel liegt bei {{Höhe|116.5|DE-NN}}. Als Oberweser fließt sie im [[Oberes Wesertal|Oberen Wesertal]] bis zur [[Porta Westfalica (Durchbruchstal)|Porta Westfalica]] durch das [[Weserbergland]]. Die Hänge des Oberen Wesertals sind überwiegend bewaldet. Vielerorts wurde und wird [[Buntsandstein]] gebrochen, aus dem auch zahlreiche historische Bauten errichtet wurden. Viele Ortschaften sind von [[Fachwerk]] geprägt mit schrittweisem Übergang von hessischer zu niedersächsisch-westfälischer Bauweise. Von Hann. Münden bis Bad Karlshafen ist die Weser auf lange Strecke Grenze zwischen Niedersachsen und Hessen, von dort bis hinter Holzminden teilweise Grenze zwischen Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen. Anschließend fließt sie durch niedersächsisches Gebiet, hinter Rinteln dann durch Nordrhein-Westfalen. Bei Hann. Münden beginnt das Oberweser-Durchbruchstal, zunächst zwischen [[Reinhardswald]] und [[Bramwald]] nordwärts führend, knickt es am [[Kahlberg (Solling)|Kahlberg]] vor dem [[Solling]] scharf nach Westen ab. Zwischen Reinhardswald und Solling hat sich die Weser bis zu 300&nbsp;m tief eingegraben. Sie passiert [[Bad Karlshafen]] und die [[Hannoversche Klippen|Hannoverschen Klippen]] und knickt am Südwestrand des Solling nach Norden ab. Das Tal hat hier Aufweitungen, zum Beispiel bei [[Höxter]], [[Holzminden]] und zwischen [[Hameln]] und [[Rinteln]], dazwischen aber immer wieder enge Abschnitte mit steilen Hängen, beispielsweise die „[[Rühler Schweiz]]“. Zwischen Holzminden und [[Bodenwerder]] passiert die Weser die Höhen- und Gebirgszüge [[Burgberg (Höhenzug)|Burgberg]] und [[Vogler]], die wie der Solling zum [[Naturpark Solling-Vogler]] gehören. Nördlich von Bodenwerder durchquert die Weser den [[Naturpark Weserbergland Schaumburg-Hameln]]. In Hameln befindet sich die einzige Staustufe der Oberweser. Sie ist gleichzeitig die älteste Staustufe des gesamten Flusses, hervorgegangen aus einem mittelalterlichen [[Mühlenstau]]. Unterhalb von Hameln wendet sich der Flusslauf zunehmend westwärts, bei [[Vlotho]] dann wieder nach Norden. Nach Einmündung der [[Werre]] fließt die Weser durch das kurze etwa 200&nbsp;m tiefe Durchbruchstal der [[Porta Westfalica (Durchbruchstal)|Porta Westfalica]] zwischen [[Wesergebirge]] und [[Wiehengebirge]] (Weser-km&nbsp;199, Wasserspiegel etwa {{Höhe|40|DE-NN|link=true}}) in die [[Norddeutsche Tiefebene]] ein, wobei sie einen kleinen östlichen Teil des [[Naturpark TERRA.vita|Naturparks Nördlicher Teutoburger Wald-Wiehengebirge]] durchschneidet, der vom weit entfernten [[Teutoburger Wald]] kommend über das Wiehengebirge bis kurz vor [[Bückeburg]] in das Wesergebirge reicht. === Mittelweser === [[Datei:Drakenburg Wehr.jpg|miniatur|Weserwehr von [[Drakenburg]]]] Am Nordrand von [[Minden]] wird die Weser vom [[Mittellandkanal]] überquert. Ab diesem [[Wasserstraßenkreuz Minden|Wasserstraßenkreuz]] wird sie nach der Definition des Wasser-und Schifffahrtsamtes als Mittelweser bezeichnet. Aus geographischer Sicht wird manchmal auch die Porta Westfalica als Grenze zwischen Ober- und Mittelweser genannt. Bis [[Schlüsselburg (Petershagen)|Schlüsselburg]] fließt sie weiter durch Nordrhein-Westfalen, dann ab [[Stolzenau]] durch Niedersachsen. Hier in der Norddeutschen Tiefebene spricht man auch von der [[Weserniederung]]. Diese wird bis Hoya auch als [[Mittleres Wesertal]] bezeichnet. Von einigen sehr kleinen Hängen abgesehen handelt es sich dabei jedoch nicht um ein wirkliches Tal. Die Mittelweser wird durch sieben [[Staustufe]]n reguliert, und durch Schleusenkanäle teilweise abgekürzt. Die größten Städte in der überwiegend ländlich geprägten [[Mittelweserregion]] zwischen Minden und Bremen sind Petershagen, [[Nienburg/Weser|Nienburg]], [[Verden]] und Achim. In den Jahren 1919–1922 stellte der Bremer Wasserbau-Ingenieur [[Ludwig Plate (Wasserbauer)|Ludwig Plate]] der Öffentlichkeit Pläne eines Kanals vor, der von [[Bramsche]] nach [[Stade]] hätte führen sollen. Dieser [[Hansakanal]] genannte Kanal hätte die Weser bei Achim überquert. In den 1950er Jahren wurden entsprechende Pläne endgültig aufgegeben. Hydrografisch endet die Mittelweser am Hemelinger [[Weserwehr]] in Bremen-Hastedt bei Weser-km&nbsp;362,3 und einem Wasserspiegel von {{Höhe|4.50|DE-NN}} oberhalb des Wehres. === Unterweser === [[Datei:Weserwehr field downstream.JPG|miniatur|left|Hemelinger Weserwehr in Bremen-Hastedt]] [[Datei:Fährplate 2.jpg|thumb|Weser-Pegel [[Fährplate]]]] Der Flussabschnitt vom Hemelinger Weserwehr bis zur Mündung in die [[Nordsee]] unterliegt den [[Gezeiten]] und wird Unterweser genannt. Die Kilometrierung der Binnenwasserstraße reicht jedoch in den [[Tide]]nbereich der Unterweser bis 50&nbsp;m unterhalb der Wilhelm-Kaisen-Brücke. Hier bei Weser-km 366,72, wo seit dem 13. Jahrhundert eine Weserbrücke das obere Ende der Seeschifffahrt markierte, ist der Nullpunkt der Unterweser-Kilometrierung. Seit 1867 beginnt die Seeschifffahrtsstraße allerdings erst an der Brücke der [[Weserbahn GmbH|Weserbahn]] bei Unterweser-km 1,375. Der Tidenhub in Bremen ist durch die [[Weserkorrektion]] und nachfolgende Maßnahmen von 0,73&nbsp;m auf etwa 4&nbsp;m gestiegen (Niedrigwasser um {{Höhe|1|DE-NN}}, Hochwasser um {{Höhe|5|DE-NN}}) <ref>[http://www.bsh.de/de/Meeresdaten/Vorhersagen/Gezeiten/index.jsp Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrologie: Tidenkalender]</ref>. Die Unterweser fließt zunächst durch Bremen, dann durch Niedersachsen. In Bremerhaven, bei Unterweser-km&nbsp;65, endet die Unterweser und beginnt die innere Außenweser. === Außenweser === [[Datei:Wesermündung_uf.JPG|miniatur|Blick von Bremerhaven auf die Außenweser]] Außenweser wird die Fortsetzung des in Südost-Nordwest-Richtung verlaufenden Mündungstrichters ([[Ästuar]]) der Weser im [[Wattenmeer]] der [[Nordsee]] genannt. Die Außenweser durchschneidet den [[Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer]]. Zwei hintereinander in der Außenweser gelegene Wattflächen, [[Robbenplate]] und [[Tegeler Plate]], teilen sie in zwei Arme: Wurster Arm / Tegler Rinne im Nordosten und Fedderwarder Fahrwasser / Hohewegrinne im Südwesten. Heutzutage wird nur noch dieser westliche Arm als [[Fahrwasser]] genutzt. An der Mündung der Weser in die Nordsee, 452&nbsp;Flusskilometer von Hann. Münden entfernt, bei Unterweser-km&nbsp;85,248 ist seewärtige Begrenzung zur Nordsee (laut WaStrG). Hier liegt auf dem Ostufer die niedersächsische Gemeinde [[Misselwarden]]. Der Verlauf der Fahrrinne jenseits dieses Punktes wird als äußerer Bereich der Außenweser bezeichnet. Im Bereich der Außenweser stehen mehrere [[Leuchtturm|Leuchttürme]] im Wattenmeer, darunter der [[Leuchtturm Hohe Weg]] und der [[Leuchtturm Robbenplate]]. An ihrem nordwestlichen Ende steht der [[Alte Weser (Leuchtturm)#Leuchtturm Tegeler Plate|Leuchtturm Tegeler Plate]], weiter nordwestwärts in der Nordsee stehen die Leuchttürme [[Roter Sand (Leuchtturm)|Roter Sand]] und [[Alte Weser]]. === Nebenflüsse === Zu den [[Nebenfluss|Nebenflüssen]] der Weser gehören: <br /> (L = linksseitig, R = rechtsseitig) {| | width="380" valign=top | * [[Schede (Fluss)|Schede]] (R; zwi. Volkmarshausen u. Hilwartshausen) * [[Nieme]] (R; bei Bursfelde) * [[Schwülme]] (R; bei Wahlsburg) * [[Reiherbach (Weser)|Reiherbach]] (R; in Bodenfelde) * [[Diemel]] (L; bei Bad Karlshafen, Weser-km 44,800) * [[Bever (Weser)|Bever]] (L; bei Beverungen) * [[Nethe]] (L; bei Godelheim, Stadt Höxter) * [[Grube (Weser)|Grube]] (L; in Höxter) * [[Otterbach (Weser)|Otterbach]] (R; in Lüchtringen) * [[Holzminde]] (R; in Holzminden) * [[Lenne (Weser)|Lenne]] (R; in Bodenwerder) * [[Ilse (Weser)|Ilse]] (R; bei Latferde) * [[Emmer (Weser)|Emmer]] (L; in Emmerthal) * [[Humme (Weser)|Humme]] (L; kurz vor Hameln) * [[Hamel (Fluss)|Hamel]] (R; in Hameln) * [[Exter (Weser)|Exter]] (L; in Rinteln) * [[Kalle (Fluss)|Kalle]] (L; nahe Vlotho) | valign=top | * [[Werre]] (L; in Bad Oeynhausen) * [[Bastau]] (L; in Minden) * [[Aue (Weser)|Aue]] (R; bei Petershagen-Lahde) * [[Ösper]] (L; in Petershagen) * [[Gehle]] (R; bei Petershagen) * [[Große Aue]] (L; vor Nienburg) * [[Meerbach]] (R; in Nienburg) * [[Aller]] (R; bei Verden, Weser-km 326,400) * [[Eyter]] (L; bei Thedinghausen) * [[Ochtum]] (L; in Bremen-Seehausen, Unterweser-km 12,850) * [[Lesum]] (R; in Bremen-Vegesack, Unterweser-km 17,490) * [[Schönebecker Aue]] (R; in Bremen-Vegesack, Unterweser-km 17,500) * [[Blumenthaler Aue]] (R; in Bremen-Blumenthal) * [[Hunte]] (L; bei Elsfleth, Unterweser-km 32,090) * [[Drepte]] (R; in Dreptersiel) * [[Lune]] (R; bei Bremerhaven) * [[Geeste (Fluss)|Geeste]] (R; in Bremerhaven) |} == Geschichte == === Gewässergeschichte === Bis zur Mitte der [[Elsterkaltzeit]] floss die Weser in einem Zeitraum von anderthalb Millionen Jahren von [[Hameln]] aus durch die [[Deisterpforte]] und durch das [[Haller (Fluss)|Hallertal]]. Östlich von [[Adensen]] an der Hallerbrücke der [[Bundesstraße 3]] mündete die [[Leine (Fluss)|Leine]] in die Weser. Durch Fundstätten von Weserkies lässt sich der damalige gemeinsame Lauf von Leine und Weser rekonstruieren. Am ehemaligen Flusslauf liegen zunächst die Orte [[Nordstemmen]], [[Rössing (Nordstemmen)|Rössing]], [[Barnten]], [[Sarstedt]], [[Gleidingen]], [[Rethen (Leine)|Rethen]], [[Laatzen]], [[Höver (Sehnde)|Höver]], [[Altwarmbüchen]], [[Burgwedel]], [[Mellendorf]] und [[Brelingen]].<ref>Aufschlüsse sind an der [http://www.lbeg.de/extras/geologie/downloads/geotope/Brelingen.pdf Kies- und Sandgrube] nordöstlich von [[Brelingen]] zu finden.</ref> Weserkiese lassen sich über [[Hagen (Neustadt am Rübenberge)|Hagen]] bei Neustadt weiter in Richtung [[Nienburg/Weser|Nienburg]] verfolgen. Das Zeitalter der [[Eiszeit]]en, das [[Pleistozän]], gestaltete die Landschaft völlig neu und beeinflusste auch den Verlauf der ''Weser''. Funde von Wesergeröll in [[Holland]] weisen darauf hin, dass die ''Weser'' ab dem heutigen [[Minden]] dem nördlichen Rand des [[Wiehengebirge]]s folgte, um dann weiter in Richtung [[IJsselmeer]] zu fließen. Die zurückziehenden Eiszeiten gaben den Weg wieder frei, und die ''Weser'' änderte ihren Lauf in Richtung Norden. Schmelzwasser der Gletscher und Niederschlagswasser aus den Mittelgebirgen vereinten sich zu [[Urstromtal|Urströmen]], denen auch die Weser zufloss. Das Tal des [[Aller]]-Weser-Urstroms, am weitesten südlich gelegen, reichte von der mittleren Oder über den Mittellauf der Elbe bis zur Mündung der ''Weser''. Etwa in Höhe der heutigen Stadt [[Hoya]] an der Mittelweser vereinten sie sich mit der ''Weser'', um anschließend in das Bremer Becken zu strömen. Doch auch der Mündungstrichter in die [[Nordsee]] schwankte über die Jahrtausende hinweg zwischen [[Wangerooge]] und [[Helgoland]]. [[Datei:Emsjadeweser1300.jpg|miniatur|Küste zwischen Ems und Weser um 1300]] [[Datei:Braker_Tief.jpg|miniatur|Braker Tief, ein zarter Rest des Lockfleths]] Von der Mitte des 14. bis Anfang des 16. Jahrhunderts hatte die Weser ein [[Mündungsdelta]] mit mehreren Seitenarmen in den im Wesentlichen im 12. Jahrhundert entstandenen [[Jadebusen]] (<ref>[http://www.politische-bildung.de/niedersachsen/oldenburg.pdf Politische Bildung: Das Land Oldenburg], Seiten 11 u. 27-30: Geschichte von Jadebusen und Weserarmen</ref>, <ref>[http://www.bruyers.privat.t-online.de/sfl-g.htm Landverluste und Deichbau in der heutigen Wesermarsch]</ref>, <ref>[http://www.geschichtsatlas.de/~gc18/gr_flut.htm www.geschichtsatlas.de: Sturmfluten und langfristige Änderungen der Küstengewässer]</ref>). Entstanden sind diese Gewässer durch Meereseinbrüche, auch wenn sie dann überwiegend Weserwasser führten. Ahne und Heete flossen von Nordenham nach Westen, das Lockfleth von Brake nach Nordwesten, zeitweise gab es sogar eine Verbindung vom Elsflether Tief zum Fluss Jade. Große Teile der heutigen Halbinsel ([[Landkreis Wesermarsch]]) zwischen Unterweser und Jadebusen waren somit Inseln. Als Folge davon trägt die Halbinsel keinen einheitlichen Namen. Der nördliche Teil heißt ''[[Butjadingen]]'' (= Land außerhalb der Jade), der südliche Teil ''[[Stadland]]'' (von Gestade = Küste). Der erste Hafen der Stadt [[Bremen]] lag an einem Weserarm namens [[Balge (Arm der Weser)|Balge]]. Ob sie eventuell in karolingischer Zeit zeitweise Hauptarm war, ist fraglich. Im 12. Jahrhundert war die Balge immer noch tief genug für damalige Schiffe. Die Altstadt dehnte sich auf die Inseln zwischen Balge und eigentlicher Weser aus. Erst ab dem 13. Jahrhundert wurde auch das Weserufer als Hafen genutzt und die ''Schlachte'' als (hölzerne) Uferbefestigung gebaut. Ab dem 14. Jahrhundert diente die Balge nur noch als Binnenhafen. Anfang des 19. Jahrhunderts wurde sie zugeschüttet. <ref>[http://www2.bremen.de/info/history/12jh.html Geschichte Bremens]</ref> Die ''Kleine Weser'' in Bremen hatte schon lange vor den Baumaßnahmen des 19. Jahrhunderts keine regelmäßige Wasserzufuhr aus der Mittelweser und wurde deswegen früher auch Ohle Weser (Alte Weser) genannt. Bis ins 19. Jahrhundert gab es einen der militärischen Verteidigung dienenden Verbindungsgraben von der Weser her, der den Teerhof vom Stadtwerder trennte. In den 1920er Jahren war das Weserwasser so stark durch Abwässer der weiter flussaufwärts angesiedelten Kaliindustrie belastet, dass es sich kaum noch als Trinkwasser eignete, woraufhin das Land Bremen gegen die Länder [[Preußen]], [[Land Thüringen (1920–1952)|Thüringen]] und [[Freistaat Braunschweig|Braunschweig]] ein Verfahren vor dem [[Staatsgerichtshof für das Deutsche Reich]] initiierte. In den 1950er Jahren wurde die Flutrinne oberhalb der kleinen Weser ausgebaut und dabei der Werdersee angelegt. Seit 1968 trennt ein Wehr die Kleine Weser etwa 200&nbsp;m von ihrer Mündung von der Unterweser. Bei der Umgestaltung in den 1980er Jahren wurde die Engstelle zwischen [[Kleine Weser und Werdersee|Kleiner Weser und Werdersee]] beseitigt, so dass beide hydrologisch eine Einheit bilden. Gleichzeitig wurde ein Graben angelegt, um diesen See mit Frischwasser aus der Mittelweser zu versorgen. Noch bis Ende des 19. Jahrhunderts <!-- BITTE PRÜFEN: entweder ist hier das 20. Jh. gemeint, oder dieser Satz müsste ein paar Sätze weiter vorne stehen -->floss bei (Fluss-)Hochwasser Weserwasser am Südrand von Bremen durch eine Lücke im die Weser begleitenden Dünenrücken in die [[Wümme]]niederung (Ostgrenze von Bremen), von wo aus es bei Vegesack 26&nbsp;km weserabwärts durch die Lesum wieder in die Weser gelangte. === Siedlungs- und Staatengeschichte === ==== Antike und Völkerwanderung ==== [[Datei:Ausgrabung_bei_Kalkriese.jpg|miniatur|Die Varusschlacht (hier Ausgrabungsstätte im vermuteten Ort bei Kalkriese) beendete die römische Herrschaft, aber nicht den Handel]] Das Tal der Oberweser war vor dem Vordringen der Germanen [[Kelten|keltisch]] besiedelt. Die romanische, also mittelalterliche, Klosterkirche Bursfelde (siehe unten) steht auf einem alten keltischen Prozessionsweg. Zur Zeit der römischen Eroberungsversuche von [[Gaius Iulius Caesar|Caesars]] Gallienzug bis zur [[Varusschlacht]] wurde der Weserraum schon von [[Germanen]] bewohnt. [[Tacitus]] und andere römische Chronisten nennen am Unterlauf [[Chauken]], weiter flussaufwärts unter anderem [[Angrivarier]] und [[Cherusker]]. Antike wie frühmittelalterliche Autoren haben sich bei ihren Beschreibungen der Germanenstämme im Wesentlichen auf mündliche Überlieferung gestützt. Wegen Widersprüchen und offensichtlichen Fehlern bewerten heutige Historiker die alten Texte mit Vorsicht. Die [[Sachsen (Volk)|Sachsen]] werden erstmals Ende des 2. Jahrhundert genannt, für das heutige [[Holstein]]. Im 4. Jahrhundert haben sie schon im Weserraum gewohnt und sogar weiter westlich die [[Salfranken]] von der Ijssel vertrieben. Da sich das sächsische Siedlungsgebiet in der Zeit zu großen Teilen mit dem der Chauken deckte, ohne dass es Hinweise auf kriegerische Auseinandersetzungen zwischen beiden Völkern gibt, wird vermutet, die Chauken seien ein Teilstamm der Sachsen gewesen, die späteren [[Westfalen]] und [[Angrivarier|Engern]] umfassend. Zahlreiche Funde typischer [[Fibel (Kunstgeschichte)|Fibeln]] bestätigen der Ansässigkeit der Sachsen im Elbeweserdreieck und an der Mittelweser im 4. und 5. Jahrhundert. ==== Mittelalter ==== [[Datei:Eike_von_Repgow_Oldenburger_Sachsenspiegel.jpg|miniatur|Eike von Repgow<br />zeichnete 1220–1230<br />das Gewohnheitsrecht<br />im [[Sachsenspiegel]] auf]] Erst durch Konflikte mit der Expansion des [[Frankenreich]]es ist ab 775 der sächsische Teilstamm der [[Angrivarier|Engern]] im Einzugsgebiet der Weser namentlich erwähnt, vom Zufluss der [[Diemel]] bis zum Küstengebiet nördlich [[Bremen]]s. Engern gliederte sich in zahlreiche [[Gau (Landschaft)|Gaue]] unterschiedlicher Größe, die als Siedlungsräume zugleich die Grundlage für seine politische Organisation waren. Als [[Karl der Große]] das Land erobert hatte und den Sachsen 782/783 öffentliche Volksversammlungen verbot, war es mit dem politischen Eigenleben der sächsischen ''Heerschaften'' Engern, Westfalen und [[Ostfalen]] vorbei. An den von Karl dem Großen gegründeten Bischofssitzen Minden, Verden (sicher nachgewiesen erst unter [[Ludwig der Deutsche|Ludwig dem Deutschen]] 849) und Bremen entstanden Marktsiedlungen. Hameln und Höxter entstanden im 9. Jahrhundert als Marktsiedlungen neben Klöstern. Wirkliches Stadtrecht erhielten diese Städte aber erst im 12., Hameln und Verden im 13. Jahrhundert. 1127 erwarb der bayrische [[Welfen]]herzog [[Heinrich der Stolze|Heinrich X.]] das [[Stammesherzogtum Sachsen|Herzogtum Sachsen]] durch Heirat. Sein mächtiger Sohn [[Heinrich der Löwe]] trat in Opposition zu Kaiser [[Friedrich I. (HRR)|Friedrich Barbarossa]] und wurde daraufhin schrittweise entmachtet. Damit begann die politische Zersplitterung des Weserraums. Zahlreiche Grafen- und Edelherrengeschlechter entwickelten dynastische Eigeninteressen. Ähnlich war es mit dem Territorialbesitz der Bistümer [[Erzbistum Paderborn|Paderborn]], [[Bistum Minden|Minden]] und [[Bistum Verden|Verden]] und des [[Bistum Bremen|Erzbistums Bremen]]. Zweige des Welfenhauses blieben jedoch bis 1866 die wichtigsten Landesherren im Weserraum. Die am linken Weserufer unterhalb der Huntemündung siedelnden Friesen hatten jahrhundertelang unter dem Dach des Heiligen Römischen Reiches ihre Unabhängigkeit bewahrt. Im 15. Jahrhundert versuchte die Stadt Bremen, sie unter ihre Kontrolle zu bringen. 1499 wurden Stadland und Butjadingen jedoch von den Grafen von Oldenburg erobert. Besitzverhältnisse und Bedeutung der verschiedenen Herrschaften änderten sich immer wieder. Ein Geschlecht mit weit verteilten Besitzungen waren die Grafen von Schaumburg. Die Grafschaft Everstein, einst hervorgegangen aus einer Vogtei des [[Kloster Fulda|Klosters Fulda]], fiel 1408 an das welfische Herzogtum Braunschweig. [[Datei:StichHessOldendorf.jpg|miniatur|Stich: Hessisch Oldendorf]] ==== Neuzeit ==== Wegen der zunehmenden territorialen Zersplitterung wurden auf dem [[Reichstag zu Köln]] 1512 die zehn [[Reichskreis]]e geschaffen. An der Weser lag die Grenze zwischen den niederrheinisch-westfälischen und dem niedersächsischen Reichskreis. Die territoriale Zersplitterung behinderte auch die Weserschifffahrt, da jeder Anrainer Zölle erhob. Dazu kamen die Auswirkungen nachbarlicher Auseinandersetzungen. So schnitt ein Grundherr aus der verzweigten Familie der Freiherren von Münchhausen die flussabwärts gelegene Stadt [[Hessisch Oldendorf]] vom Weserhandel ab, indem er den Fluss auf die andere Talseite umleitete. Im Übergang vom Mittelalter zur Neuzeit entwickelten Adel und wohlhabende Städte im Weserbergland einen besonderen Baustil, die [[Weserrenaissance]]. [[Datei:Hameln Rattenfaengerhaus Fassade-.jpg|miniatur|Weserrenaissance: Rattenfänger-Haus (1603) in Hameln]] Beim [[Westfälischer Friede|Westfälischen Frieden]] 1648 bekam [[Schweden]] die Herzogtümer (bis dato (Erz-)Bistümer) Bremen und Verden und damit das rechte Ufer der unteren Weser zugesprochen. Anfang des 18. Jahrhunderts wurden beide Gebiete von [[Dänemark]] besetzt und anschließend an das welfische Kurfürstentum Hannover abgetreten. Die Stadt Bremen konnte ihre Reichsunmittelbarkeit nur mit Mühe behaupten. 1776 wurden in Karlshafen 12.000 hessische Soldaten eingeschifft, die [[Friedrich II. (Hessen-Kassel)|Friedrich II.]], Landgraf von Hessen-Kassel, an [[Georg III. (Vereinigtes Königreich)|Georg III.]], hannoverscher Kurfürst und König von [[Königreich Großbritannien|Großbritannien]], [[Soldatenhandel unter Landgraf Friedrich II. von Hessen-Kassel|vermietet]] hatte, um diesem im [[Amerikanischer Unabhängigkeitskrieg|Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg]] gegen die amerikanischen Truppen zu dienen. Die Soldaten, von denen kaum mehr als die Hälfte zurückkehrte, wurden zunächst in nordhessischen Orten wie [[Ziegenhain (Nordhessen)|Ziegenhain]] gesammelt, von Karlshafen aus über die Weser nach Bremen und von dort aus weiter nach [[Nordamerika]] transportiert. Seit dem Dreißigjährigen Krieg erwarb das [[Kurfürstentum Brandenburg]] beziehungsweise [[Königreich Preußen]] schrittweise den größten Teil des Weserlaufes: 1648 das ehemalige [[Bistum Minden]], auf dem [[Wiener Kongress]] 1812/15 das [[Hochstift Paderborn]] mit Höxter, nach dem [[Deutscher Krieg|Deutschen Krieg]] 1866 das [[Königreich Hannover]] mit über 50 % des Weserlaufes und [[Kurhessen|Hessen Kassel]] mit dem linken Ufer bis Karlshafen und der schaumburgischen Exklave um Hessisch Oldendorf und Rinteln. Im [[Deutsches Reich|Deutschen Reich]] gehörte die Weser außer zu Preußen zu [[Herzogtum Braunschweig|Braunschweig]] (rechtes Ufer vom [[Solling]] bis zum [[Ith]] mit [[Holzminden]], linkes Ufer um [[Thedinghausen]] bei Bremen), zu Bremen und zu [[Oldenburg (Land)|Oldenburg]] (linkes Ufer von Bremen bis zur Mündung). Bremen blieb wegen seiner Seehäfen auch als Teilstaat des Deutschen Reiches noch bis 1888 [[Deutscher Zollverein|Zollausland]]. 1939 kam Bremerhaven gegen eine Vergrößerung des stadtbremischen Gebietes an Preußen. 1945 wurde Bremen mit Bremerhaven, vergrößert um die Stadt Wesermünde, amerikanische Enklave im Küstenbereich der britischen [[Besatzungszone|Zone]] und 1947 eigenes Bundesland. == Hydrologie == === Einzugsgebiet === [[Datei:Weserprofil.png|miniatur|Höhenprofil und Wasserführung der Weser]] Das [[Einzugsgebiet (Hydrologie)|Wassereinzugsgebiet]] der Weser umfasst eine Fläche von 46.300&nbsp;[[Quadratkilometer]]n, einschließlich des 12.440&nbsp;km² großen Einzugsgebietes von Werra und Fulda. Die obere [[Hase (Fluss)|Hase]] gehört bis zu ihrer [[Bifurkation (Gewässer)|Bifurkation]] in (untere) Hase (Nebenfluss der [[Ems]]) und [[Else (Werre)|Else]] (Nebenfluss der [[Werre]]) zu den Einzugsgebieten von Weser und Ems. In einigen Bereichen des norddeutschen Tieflandes gibt es am Rand des Einzugsgebietes keine scharfe [[Wasserscheide]], sondern ausgedehnte ebene Feuchtgebiete, deren [[Drainage (Boden)|Drainagenetze]] von Fall zu Fall mehr zur Weser hin entwässert werden können oder zum [[Jadebusen]] ([[Stadland]] und [[Butjadingen]]) beziehungsweise der [[Elbe]] ([[Teufelsmoor]]). Daher sind quadratkilometergenaue Angaben methodisch fragwürdig. Die [[Werra]], der längere Quellfluss, entspringt in [[Thüringen]] auf der Südseite des [[Thüringer Wald]]es. Sie erhält auch Wasser von Teilen der Nordseite des Gebirges und angrenzenden Bereichen des [[Thüringer Becken]]s. Der kürzere Quellfluss, die [[Fulda (Fluss)|Fulda]], ist etwas wasserreicher und hat ihre Quelle in der [[Hessen|hessischen]] Rhön, ihr größter Nebenfluss [[Eder]] im [[Rothaargebirge]] im [[Wittgensteiner Land]] im [[Kreis Siegen-Wittgenstein]] ([[Nordrhein-Westfalen|NRW]]). Der größte Nebenfluss der Weser ist die [[Aller]], die in der [[Magdeburger Börde]] in [[Sachsen-Anhalt]] entspringt und zusammen mit ihrem längsten Zufluss [[Leine (Fluss)|Leine]] das gesamte Wasser aus dem westlichen Harz empfängt. === Wasserführung === Die Oberweser unterliegt als typischer Mittelgebirgsfluss starken Schwankungen in der Wasserführung. Im Winterhalbjahr kommt es hier nicht selten zu Hochwassern, im Sommer dagegen oft zu extremem Niedrigwasser. Für den [[Pegel (Wasserstandsmessung)|Pegel]] Porta Westfalica am Übergang zur Mittelweser beträgt die mittlere Wasserführung rund 180&nbsp;m³ in der Sekunde, die niedrigste 63&nbsp;m³ und die höchste 830&nbsp;m³. Am Beginn der Oberweser, am Pegel Hann. Münden, sind Niedrigwasserabflüsse um 30&nbsp;m³ in der Sekunde keine Seltenheit. Bei mittlerem Niedrigwasserstand beträgt die Fließgeschwindigkeit etwa 0,8&nbsp;m in der Sekunde. Die Mittelweser zwischen Minden und der [[Gezeiten|Tidegrenze]] in Bremen führt bereits deutlich mehr Wasser. Der Pegel Intschede (südlich von Bremen) registriert eine mittlere Wasserführung von 320&nbsp;m³ in der Sekunde. Die niedrigste liegt bei 120&nbsp;m³ und die höchste bei 1.200&nbsp;m³ in der Sekunde. Bei mittlerem Niedrigwasserstand beträgt die relativ geringe Fließgeschwindigkeit etwa 0,5–0,7&nbsp;m in der Sekunde, bedingt durch die Staustufen in der Mittelweser. Die „Reisedauer“ eines Wasserkörpers von Hann. Münden bis Bremen schwankt je nach Wasserführung zwischen 2,5 und 6&nbsp;Tagen, im Mittel etwa vier Tage. Wasserstand und Fließgeschwindigkeit der Seewasserstraße Unterweser werden von den [[Gezeiten]] bestimmt, dem [[Tidenhub]]. Die Wassermenge in der Unterweser beträgt bei mittlerem Abfluss und mittlerer Tide beim Bremer Weserwehr 327&nbsp;m³ in der Sekunde und steigt kontinuierlich bis zu einem Wert von circa 6.600&nbsp;m³ in der Sekunde bei Bremerhaven. Durch den ständigen Gezeitenwechsel braucht jedoch ein Wasserkörper zwischen zwei und 24&nbsp;Tage, um die relative kurze Strecke bis zur Nordsee zu überwinden. === Hochwasser === [[Datei:Weserhochwasser_2003.jpg|miniatur|Weserhochwasser Januar 2003 in Reinhardshagen, Pegelstand 5,81&nbsp;m]] Immer wieder wurden die an der Weser liegenden Städte und Gemeinden vom [[Hochwasser]] der Weser heimgesucht, trotz [[Flussbegradigung|Regulierung]] der Flussläufe von Fulda und Werra, bis in die heutige Zeit. Als Beispiel seien hier die Aufzeichnungen in der Chronik der Stadt Minden aufgeführt (Zitat aus ''Chronik der Stadt Minden''): * ''1342 Juli: Das auch [[Magdalenenhochwasser]] genannte Ereignis bewirkte nicht nur den höchsten historisch überlieferten Pegelstand der Oberweser, sondern verwüstete auch weite Teile Mitteleuropas.'' * ''1375 10. Februar: Weserhochwasser, das Wasser steht im Mindener Dom.'' * ''1513 reißt ein infolge anhaltender Regengüsse einsetzendes Hochwasser die hölzerne Weserbrücke von fünf steinernen Pfeilern.'' * ''1553 13. Januar: Hochwasser überflutet die Mindener Weserbrücke und steht auf dem Markt; anschließend bricht eine Seuche aus.'' * ''1643 7.–8. Januar: Weserhochwasser; das Wasser steht so hoch, dass Schiffe unmittelbar von der Brücke aus betreten werden können.'' * ''1658 16. Februar: Weserhochwasser; die Weserbrücke wird beschädigt.'' * ''1664 Weserhochwasser'' * ''1682 7. Januar: Zweithöchstes bekanntes Weserhochwasser; der Mindener Marktplatz kann mit Kähnen befahren werden.'' * ''1744 6. März: Weserhochwasser'' * ''1799 24. Februar: Weserhochwasser, nur drei Zoll niedriger als 1553; vier Bogen der Bunten Brücke stürzen ein.'' * ''1841 20. Januar: Weserhochwasser'' * weitere Hochwasser: 29. Januar 1846, 11. März 1881, 27. November 1890, [[Werrahochwasser 1909|7. Februar 1909]], 20. Januar 1918 und 3. Januar 1926 * ''1946 10. Februar: Weserhochwasser'' * ''2003 2. Januar: Starkes Hochwasser bedroht den Flugplatz'' * ''2003 5. Januar: Das Hochwasser der Weser gefährdet die [[Schiffmühle]] mit 6,40&nbsp;m über Normalpegel.'' In der Nacht vom 16. auf den 17. Mai 1943 wurde die Staumauer des [[Edersee]]s durch einen britischen Fliegerangriff ([[Operation Chastise]]) zerstört. Es entstand ein 70&nbsp;m breites und 22&nbsp;m tiefes Loch in der Mauer, aus dem rund 160&nbsp;Millionen&nbsp;Kubikmeter Wasser strömten. Eine sechs bis 8&nbsp;m hohe Flutwelle floss durch die Täler der [[Eder]], der unteren Fulda und der Weser und verursachte bis [[Minden]] erhebliche Überschwemmungen und Sachbeschädigungen. === Eisgang === [[Datei:Wesereisgang02.jpg|miniatur|Eisgang der Weser in Bremen Februar 1982]] Brücken, [[Schleuse]]n und [[Wehr (Wasserbau)|Wehre]] waren seit je her durch den Eisgang der Weser bei strengem Frost gefährdet. Türmten sich die Eisschollen zu gefährlichen Höhen auf, wurden sie gesprengt, um den Druck auf die Bauwerke zu mindern. Bis in die 1930er Jahre froren Ober- und Mittelweser regelmäßig zu, sodass eine Überquerung des Flusses zu Fuß oder manchmal auch mit Wagen möglich war. Auch die Unterweser bei Bremen trug bis in die 1890er Jahre in den meisten Wintern eine tragfähige Eisschicht. 1828 wettete eine Gruppe Bremer Junggesellen darauf, dass am Neujahrstag des Folgejahres die Eisschicht auf der Weser einem ''99 Pfund schweren Schneider samt glühendem Bügeleisen'' die Überquerung des Stromes trockenen Fußes ermögliche. Daraus entstand die [[Bremer Eiswette]], die alljährlich mit einem Festmahl zugunsten der [[Deutsche Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger|Deutschen Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger]] begangen wird, auch wenn die Unterweser seit Begradigung und Vertiefung nur noch sehr selten zufriert. Deshalb wird heute gelost; meistens verliert die Partei, die durch Los bestimmt auf „zugefroren“ setzen muss. Der Verlierer hat dann ein Festmahl für etwa 600 Gäste auszurichten, Hauptspeisen ''Kohl und Pinkel''! Ein Phänomen gab es gelegentlich früher bis in die 60er Jahre – heute wahrscheinlich nicht mehr – auf der Weser bei Vegesack, das sogenannte ''Pfannkucheneis''. Dieses entstand beim Zusammentreffen der Lesum mit der Weser. Durch die unterschiedlichen Strömungen der beiden Flüsse gerieten treibende Eisschollen in Drehung, scheuerten sich dabei aneinder ab bis sie nahezu kreisrund wurden, mit einem aufgewölbten Rand aus abgeriebenem Eis. Die Schollen sahen dann tatsächlich aus wie überdimensionale Pfannkuchen. Mit der Ausweitung des [[Kalisalz|Kaliabbaus]] in Thüringen und Osthessen und der Einschwemmung von großen Mengen Salzes in die Quellflüsse, gab es bis zur Auflassung der meisten Bergwerke in den 1990er Jahren keinen Eisgang mehr auf Ober- und Mittelweser. Seitdem stellt sich der alte Zustand langsam wieder her. Fünf Wochen Dauerfrost im Januar/Februar 1996 ließen die Werra zwischen [[Witzenhausen]] und Hann. Münden zufrieren, und durch starken Eisgang auf der Oberweser musste manche Fähre ihren Betrieb einstellen. === Wasserqualität === Bis zu Beginn des 20. Jahrhunderts war die Weser ein sehr fischreicher Fluss. Mit der zunehmenden Industrialisierung und dem Bevölkerungswachstum verschlechterte sich die Wasserqualität. Auch der Bau von [[Kläranlage]]n konnte daran nichts ändern. Der erweiterte Kaliabbau an Werra und Fulda führte zu starker Versalzung des Flusses. Nach dem Zweiten Weltkrieg nahm die Wasserqualität der Weser weiter rapide ab und erreichte bis Ende der 1980er Jahre die [[Gewässergüteklasse]] ''III-IV'' (sehr stark verschmutzt) und streckenweise sogar ''IV'' (übermäßig verschmutzt). Eine der Hauptursachen der Verschmutzung war die Einleitung stark salzhaltiger Abwässer aus der Kaliindustrie in Thüringen und Hessen. Der Aus- und Neubau kommunaler und industrieller Kläranlagen sowie Verfahrensverbesserungen der Industrie und Reduzierung des Kaliabbaus sorgten dafür, dass sich die Wasserqualität allmählich wieder verbesserte. Nach dem aktuellen Bericht zur ''Biologischen Gewässergüte der Weser'' entspricht die Wasserqualität zum Teil wieder der Güteklasse ''II'' (mäßig belastet), in einigen Abschnitten aber noch ''II-III'' (kritisch belastet), wobei die Versalzung immer noch eine Rolle spielt. Seit etwa 2005 gibt es wieder Diskussionen über eine Erhöhung der Einleitungsmengen von Kalilauge.<ref>[http://www.fr-online.de/frankfurt_und_hessen/nachrichten/hessen/1724299_Hintergrund-Kali-Salzlauge-Woher-und-wohin.html ''Kali-Salzlauge – Woher und Wohin?'' in Frankfurter Rundschau – Online vom 17. April 2009]</ref> == Flora und Fauna == [[Datei:Weserwehr Bremen Fishladder.JPG|miniatur|Fischpass am Hemelinger Weserwehr]] [[Ökologie|Ökologisch]] betrachtet durchfließt die Weser vier grundlegend unterschiedliche Lebensräume der [[Pflanzenwelt|Flora]] und [[Fauna]]. Ist das Weserbergland von Hann. Münden bis Porta Westfalica überwiegend durch zusammenhängende [[Fichten]]-, [[Buche]]n- und [[Eiche]]nwälder mit einem reichen Wildbestand geprägt, kennzeichnet die Mittelweserregion von Minden bis Bremen eine weite [[Marsch (Schwemmland)|Marschenlandschaft]] mit vorwiegend landwirtschaftlich ausgerichteten Strukturen und teilweise hohem Waldanteil. [[Heidekraut|Heide]] und [[Moor]]e sind für diesen Flussabschnitt ebenfalls charakteristisch. Hier vollführt der Strom zahlreiche Windungen und bildet [[Altarm]]e mit hohem Fischbesatz und ufernahem Lebensraum für Tier und Pflanze. Die Ufer der Unterweser werden von weiten, fast baumlosen Marschengebieten begleitet. Hier haben die regelmäßigen Hochwasser, die ungehindert durch Deiche bis an die [[Geest]]ränder reichten, eine eigene Landschaft geprägt. Mitgeführter und abgelagerter Sand, Schlick, Ton und Lehm formten das heutige Landschaftsbild zwischen Bremen und der Nordsee mit Niederungs- und Hochmooren im Übergangsbereich von Geest und Marsch. In vorgeschichtlicher Zeit befand sich die Nordseeküste mindestens 50&nbsp;km weiter nördlich als heute. Durch Absenkungen veränderte sich die ursprüngliche Küstenlinie, wobei der Mensch durch die Errichtung von Deichen dieser Entwicklung Einhalt gebot. Durch Ausschwemmungen und Ablagerungen im Mündungsbereich der Weser entstand im [[Gezeiten]]bereich das [[Wattenmeer]]. Es ist ein einzigartiger Lebensraum für Meerestiere. Zahlreiche [[Robbe]]nbänke befinden sich heute an und in der Außenweser. Die [[Richtlinie_92/43/EWG_(Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie)|Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie]] aus dem Jahr 1992 verpflichtet die Bundesländer, Gebietsvorschläge zum Schutz bestimmter Lebensraumtypen sowie [[Habitat]]e von gefährdeten Tier- und Pflanzenarten nach [[Europäische Union|Brüssel]] zu melden. Ausgewählte Gebiete aus den nationalen Vorschlägen sollen dann zusammen mit den nach der EU-Vogelschutzrichtlinie gemeldeten Vogelschutzgebieten das europaweite Schutzgebietssystem ''Natura 2000'' bilden. In dieses Projekt sind bereits einige Gebiete an der Weser eingebunden, zum Beispiel die Strohauser Plate. [[Datei:Weser-bei-Polle.jpg|miniatur|Die Oberweser bei Polle]] Wie vielfältig die Flora und Fauna an der Oberweser ist, zeigte die Begehung eines etwa 14&nbsp;km messenden [[Transsekt]]es südlich von [[Beverungen]] im Juni 2000. Die von mehr als 30 Spezialisten für Flechten, Moose, Gefäßpflanzen, Weichtiere, Insekten, Amphibien und Vögel erfasste Flora und Fauna belegte in diesem Wesertalabschnitt 576 Pflanzenarten (darunter 62 Moose und 487 Gefäßpflanzen) und 389 Tierarten (darunter 30 Libellen, 60 Käfer, 33 Schmetterlinge und 58 Vögel). Im Rahmen einer Voruntersuchung zum Bau einer [[Fischtreppe]] am Wehr der Pfortmühle in Hameln im Jahr 2001 wurden 28 Fischarten ermittelt, neben den bekannten Wanderfischen wie [[Aalartige|Aal]] und [[Lachse|Lachs]] auch zahlreiche andere Fischarten, die die Weser und ihre Nebenflüsse bewandern. == Wirtschaft == [[Datei:Atlantischer Lachs.jpg|miniatur|Lachs]] [[Datei:Hansekogge Bremerhaven uf.jpg|miniatur|Hansekogge von 1380 (Deutsches Schifffahrtsmuseum Bremerhaven)]] [[Datei:BremerhavenGera-1.jpg|miniatur|Fischereihafen in Bremerhaven: Museumsschiff Gera]] [[Datei:Bad Oeynhausen Flößerdenkmal.JPG|miniatur|Flößer-Denkmal in Bad Oeynhausen nahe der Werremündung]] === Fischerei === Schon lange vor der [[Industrialisierung]] wurde auf der gesamten Weser gewerbsmäßiger [[Fischfang]] mit Senknetzen betrieben. Viele erhaltene Fischer-Häuser in Orten an der Unter- und Mittelweser zeugen noch heute von einem gewissen Wohlstand. So betrug die Fangzahl für Lachs an Mittelweser und Aller im Jahre 1909 noch 4000 Stück. Durch den Ausbau der Weser mit Staustufen, Schleusen und Wasserkraftwerken sowie durch die mit der Industrialisierung verbundene Verschlechterung der Wasserqualität sank diese Zahl bis 1959 praktisch auf Null. Die letzten noch aktiven Berufsfischer an der Mittelweser sind Cord und Ludolf Dobberschütz in [[Nienburg/Weser]]. Die Familie Dobberschütz betreibt die Weserfischerei schon seit mehreren Generationen.<ref>[http://www.fischerei-niedersachsen.de/aktuell/nachruf.html Zwei Urgesteine der Binnenfischerei – Nachruf auf Willi Dobberschütz]</ref> Größere Bedeutung erlangte die Fischerei an der Unterweser, als der [[Geestemünde]]r Friedrich Busse 1884 einen Hochseefischdampfer bei der Bremerhavener Wencke-Werft in Auftrag gab und nach dessen Indienststellung zu einem bedeutenden Fischhändler wurde. 1888 gab es in Geestemünde eine erste Fischauktion nach englischem Vorbild. 1895 bestand die Geestemünder Hochseeflotte bereits aus 28 Schiffen. 1891 versuchte auch die Stadt Bremerhaven durch den Bau eines neuen Hafens mit Lagerschuppen und Fischversteigerungshalle mit Pack- und Eisräumen an der Westkaje, an dem Fischereigeschäft zu partizipieren. Zunächst erfolgreich, scheiterte dies jedoch wegen der Schleusungen in den Bremerhavener Hafen und den damit verbundenen hohen Kosten und geringeren Erlösen auf dem Markt. Geestemünde jedoch baute zwischen 1891 und 1896 den zwar tideabhängigen aber schleusenfreien Fischereihafen I aus und vergrößerte bis 1914 seine Fischereiflotte auf 93 Fischdampfer. In den 1930er Jahren erreichte die Flotte mit 215 Schiffen und 7.000 in 21 Hochseefischereireedereien beschäftigten Menschen einen vorübergehenden Höhepunkt. Nach dem Zweiten Weltkrieg kam Geestemünde zu Bremerhaven, das daraufhin bis 1960 zum größten Fischereihafen Europas wuchs. Durch die Erweiterungen der [[Fischereizone]]n Islands und Norwegens auf 200 [[Seemeile]]n gingen bis 1984 die wichtigsten Fischgründe und mehr als 2.000 Arbeitsplätze in der Hochseefischerei und etwa 4.000 Arbeitsplätze im Fisch verarbeitenden Gewerbe verloren. In Bremerhaven gibt es jetzt nur noch drei Fischereischiffe. Bis 1990 verursachte der Kalibergbau an der Werra zumeist eine massive Versalzung von Ober- und Mittelweser, unterbrochen von Süßwassereinträgen an den Wochenenden. Das führte sowohl beim Fischbesatz, als auch bei den für die Ernährung vieler Fische wichtigen Mücken(-Larven), zu einem schweren Zahlen- und Artenrückgang. Allein der Aal gedieh noch gut. Heute sorgen Sportfischerverbände und örtliche Angelvereine durch regelmäßigen Einsatz von Jungfischen für einen ausgeglichenen Besatz, während jetzt die Erträge der Aalfischerei zurückgehen. === Handel und Handwerk === Anders als auf dem Rhein wurden auf der Weser im Wesentlichen in der Region erzeugte oder für ihren Bedarf bestimmte Waren transportiert. Für die Transporte auf dem Fluss wurde [[Wegzoll|Zoll]] erhoben. An der Oberweser besaßen im [[Hochmittelalter]] die [[Grafschaft Dassel|Grafen von Dassel]] dieses Recht, das sie 1270 an [[Albrecht I. (Braunschweig)|Albrecht I. von Braunschweig]] verkauften.<ref>[http://regesten.regesta-imperii.de/index.php?pk=28457&offset=0&bandanzeige=1&begriffe=&q=&q2= Urkunde von 1270 im Wortlaut]</ref> In vorindustrieller Zeit ließen sich schwere Lasten viel besser zu Wasser als zu Lande befördern. So befand sich unter den Gütern spätestens seit Ende des 15. Jahrhunderts auch [[Steinkohle]] aus [[Obernkirchen]] (nahe der Porta Westfalica) für Bremen an der holzarmen Unterweser. Um 1600 wurde auf der Weser vor allem [[Getreide]] und [[Obst]] aus der [[Hildesheimer Börde]] nach Bremen und Holland, und von dort aus [[Käse]], [[Stockfisch]] und [[Tran]] flussaufwärts transportiert. Vom 16. bis 19. Jahrhundert gab es an der Oberweser und an Werra und Fulda zahlreiche Dörfer, in denen Töpferwaren hergestellt wurden. Umfangreiche [[Keramik]]funde in diesem Gebiet lassen auf eine starke Produktion schließen. Man schuf den Begriff ''Weserkeramik'', der auch zum Ausdruck bringt, dass die Weser als Handelsweg für die Keramik diente. Aus vielen Töpferorten der Oberweser gelangten [[Tonware]]n und [[Steinzeug]] nicht nur in den stets arm an Töpfereien gewesenen Raum an der Mittel- und Unterweser, sondern über die Außenweser auch in die Nordseeküstenländer [[Friesland]], [[Dänemark]], [[England]] und die [[Niederlande]]. Der Handel mit Keramik von der Oberweser beherrschte schließlich den Markt im gesamten Weserraum, so dass im 18. und 19. Jahrhundert die Produktionsstätten an Mittel- und Unterweser (zum Beispiel in Minden) keine Bedeutung mehr hatten. Als ausgesprochener [[Export]]schlager erwies sich der ''Veckerhäger Ofen'', der in der 1666 gegründeten [[Reinhardshagen#Veckerhagen|Kurhessischen Eisenhütte Veckerhagen]] (Oberweser) gegossen und von dort aus mit dem Schiff zunächst nach Bremen und weiter zu Kunden in [[Skandinavien]] und [[Nordamerika|Amerika]] transportiert wurde. Ein wichtiges Produkt des waldreichen Weserberglandes war und ist Holz. Bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts wurde Stammholz vorzugsweise [[Flößerei|geflößt]]. Der Arbeit der Flößer auf der Weser wurde in [[Bad Oeynhausen]] ein Denkmal in Form einer Bronze-Skulptur gesetzt. == Schifffahrt == === Geschichte === Schon die [[Imperium Romanum|Römer]] befuhren bei der versuchten Eroberung Germaniens mit ihren Schiffen die Weser. Eine römische Flottenstation wurde bei [[Seehausen (Bremen)|Bremen-Seehausen]] ausgegraben. Trotz der [[Varusschlacht]] gab es weiterhin Handel entlang der Weser mit Produkten aus dem Römerreich. So wurden an Mittel- und Unterweser und Hunte zahlreiche römische Mahlsteine aus [[Eifel]]-[[Basalt]] gefunden. Für das 8. Jahrhundert lässt sich ein Verkehr kleiner Handelsschiffe nachweisen, die über Aller, [[Leine (Fluss)|Leine]] und [[Oker]] bis [[Braunschweig]], [[Hildesheim]] und [[Elze]] fuhren, im 12. Jahrhundert über die [[Werre]], [[Else (Werre)|Else]] und [[Hase (Fluss)|Hase]] auch nach [[Westfalen]]. [[Datei:Finowkanal-treidel.jpg|miniatur|Treideln mit Zugtieren]] Flussaufwärts wurden die Lastkähne ausnahmslos an Seilen von Menschen oder [[Zugtier]]en gezogen, [[Treideln|getreidelt]]. Hierzu bestanden in Ufernähe befestigte Treidel- oder [[Leinpfad]]e, die zum geringen Teil heute noch erhalten sind. Die Treidelschifffahrt litt unter der oft schlechten Unterhaltung der Treidelwege. Mancherorts mussten die Treidler übersetzen, weil der Treidelpfad die Flussseite wechselte. Stromab wurde nicht getreidelt, die Strömung genügte, um die Kähne in Fahrt zu halten. Die traditionellen Weserkähne wurden ''Weserböcke'' genannt, eine Bezeichnung, die später aber auch für motorisierte Lastkähne verwendet wurde. An der Unterweser benutzte man zusätzlich eine Beseglung der Schiffe. <ref>[http://www.uni-bremen.de/~bremhist/bremSchiffahrt.html Bremer Schiffahrt auf Weser und Aller in der Frühen Neuzeit]</ref> [[Datei:Steamship_Die_Weser_1817.svg|miniatur|Dampfschiff ''Die Weser'', 1817]] Beinahe wäre die Weser 1707 Ort der weltweit ersten Dampfschifffahrt geworden, hätte nicht die Mündener Schiffergilde nur wenige Meter vor dem Zusammenfluss von Werra und Fulda die Erfindung des [[Denis Papin]], ein durch einen Dampfzylinder angetriebenes Schiff, im Fluss versenkt. So wurde erst 1817 mit dem in [[Bremen-Vegesack|Vegesack]] gebauten ersten von Deutschen konstruierten Dampfschiff ''[[Die Weser]]'' wieder ein Kapitel in der Geschichte der Dampfschifffahrt aufgeschlagen. ''Die Weser'' verkehrte bis 1833 auf der Unterweser zwischen Bremen, Vegesack, Elsfleth und Brake und transportierte Passagiere und Post. === Ausbau der Weser === 1399 beschrieb der Verdener Bischof Dietrich von Niem in seiner ''Kronik'', dass die Weser nach dem Absinken des Hochwassers im Frühjahr große Mengen ''steinigen und sandigen Bodens'' zurückließ. Ende des 16. Jahrhunderts beschloss der Rat der Stadt Bremen auf Antrag der Schiffergilde den Bau eines Hafens in [[Bremen-Vegesack|Vegesack]], weil ihre Schiffe aufgrund der Versandung der Unterweser die Stadt Bremen kaum noch anlaufen konnten. Aber auch der Hafen in Vegesack löste das Problem nicht dauerhaft. Schon bald mussten die Schiffe in [[Brake (Unterweser)|Brake]] ihre Fracht löschen. Weitere Versandung und Streit mit dem Herzogtum Oldenburg, zu dem Brake gehörte, führten 1827 zur Gründung [[Bremerhaven]]s. Die Frühjahrs- und Herbsthochwasser der Weser überschwemmten weite Teile des flachen Landes zwischen Minden und der Nordsee. Dabei lagerten sich schwerere Sinkstoffe dichter am Ufer ab als leichtere und schufen somit Dämme, die das Wasser irgendwann nicht mehr selbst überwinden konnte. Die dadurch entstandene Strömungsenergie sammelte sich im Flussbett selbst und die Weser grub sich immer tiefer ein. Der Auswasch wurde mit fortgespült. Bei Niedrigwasser lag der Wasserspiegel teilweise so tief, dass das Grundwasser der Uferregionen abgezogen wurde und Brunnen trocken fielen. Bei Eisgang oder Hochwasser schaffte die Weser oftmals bis zu 10&nbsp;m tiefe [[Kolk]]e, hinter denen sie das ausgegrabene Material zu Sandbänken oder Inseln anhäufte. Dabei wechselte sie häufig ihr Flussbett und wurde unberechenbar für die Schifffahrt. [[Datei:Lesum estuary Weser Bremen-Vegesack.jpg|miniatur|Unterweser bei Bremen-Vegesack]] [[Datei:Baggerschiff_Oberweser.jpg|miniatur|Baggerschiff „Oberweser“ vor Bursfelde]] Die ''Weserschifffahrtsakte'', von den Vertretern aller Weseruferstaaten am 10. September 1823 in Minden beschlossen, machte den Stapelrechten und anderen mittelalterlichen Privilegien ein Ende und verpflichtete alle Anliegerstaaten zu notwendigen Strombaumaßnahmen und zur Sicherung der Schifffahrt auf der Weser. Die Stadt Bremen begann 1845 mit der Vertiefung der ''Unterweser'' auf eigenem Staatsgebiet. 1847 hatte man den ersten Dampfbagger angeschafft, und versuchte durch den Bau von [[Buhne]]n mit mäßigem Erfolg, den Fluss einzuengen und das Fahrwasser gemäß den Plänen [[Ludwig Franzius]] auf 5&nbsp;m zu vertiefen. Erreicht wurde aber zunächst nur eine dauerhafte Tiefe von 2&nbsp;m. 1874 war Franzius Vertreter Bremens in einer Kommission, die sich mit der Förderung der Schifffahrt auf der Weser befassen sollte. Er sammelte zunächst Daten über die Weser und über ihr gesamtes Zuflussgebiet und erarbeitete aus seinen Erkenntnissen den Plan einer weiteren Vertiefung und einer trichterförmigen Verengung des Strombettes von Bremen bis zur Mündung, die ''„[[Weserkorrektion|Große Weserkorrektion]]“.'' Dabei setzte er sowohl auf das Ausbaggern mit technischen Mitteln wie auch auf die Räumkraft des Flusses selbst. Nachdem Franzius anfangs Schwierigkeiten hatte, seine Idee durchzusetzen, verhalf ihm das verheerende Hochwasser von 1881 zur Realisierung eines ehrgeizigen Plans: Die Weserschleife bei Lankenau-Gröpelingen, die ''Lange Bucht'', sollte abgeschnitten und der Strom in ein neues Bett verlegt werden. Trotz ungesicherter Finanzierung wurde diese Große Weserkorrektion bereits 1883 verwirklicht. Noch während weitere Korrekturen an der Unterweser in vollem Gange waren und größere Schiffe die Weser bis Bremen noch nicht befahren konnten, wurde 1888 das Hafenbecken des Europahafens eingeweiht. [[Datei:Mittelweser_Drakenburg-1.jpg|miniatur|Drakenburg: Blick von der Brücke auf der Staustufe]] Nach der „Weserkorrektion“ erfolgten wesentliche weitere wasserbauliche und wasserwirtschaftliche Maßnahmen <ref>[http://www.wsa-minden.de/wasserstrassen/weser/index.html Wasser- und Schifffahrtsamt Minden: Der Schifffahrtsweg Weser]</ref> im Bereich der ''Mittelweser''. Schon Ende des 19.Jahrhunderts wurde durch Buhnen der Wasserstrom konzentriert, um so eine Vertiefung des Fahrwassers zu bewirken. Mit dem Bau des Hemelinger Weserwehrs in Bremen-Hastedt 1911 begann die Anhebung des Wasserspiegels der Mittelweser durch Staustufen und Schleusenkanäle <ref>[http://www.wsd-m.wsv.de/Wasserstrassen/Weser_Werra_Fulda/Weser_Werra_Fulda_Schleusen.html Wasser- und Schifffahrtsdirektion Mitte: Liste der Schleusen der Weser und ihrer Quellflüsse]</ref>, so auch bei [[Dörverden]], wo 1911 die ''Lohofschleife'' durchschnitten wurde und ab 1914 am dort neu errichteten Stauwehr ein [[Wasserkraftwerk]] Strom erzeugt. Weitere Regulierungsdurchstiche und Stauwehre wurden bei Intschede (Gemeinde [[Blender (Landkreis Verden)|Blender]]) und [[Petershagen]] an der Einmündung der [[Ösper]] errichtet. Vollendet wurde die Maßnahmenserie erst in den Aufbaujahren nach dem Zweiten Weltkrieg. Nach Berechnungen der Mittelweser-Aktiengesellschaft und des Weserbundes e.V. wurden bis 1967 rund 330&nbsp;Millionen&nbsp;DM für Investitionen aufgewendet, die entsprechend den damaligen wirtschaftlichen Aufbauzielen die „Infrastruktur der Landschaft verbessern“ sollten. Darin waren vorbereitende Bauarbeiten bis zum Jahre 1942 mit einem umgerechneten Bauwert von 50 Millionen DM enthalten. Die Investitionen der privaten Wirtschaft, zu denen auch die Wasserkraftwerke zählen, beliefen sich auf rund 900 Millionen DM. Sieben Wasserkraftwerke entlang der Weser, von denen die bisher neueste Anlage in Landesbergen Ende 1960 fertiggestellt wurde, erzeugten jährlich rund 200&nbsp;GWh und wurden in ihrer Gesamtheit bis 1986 betrieben, kosteten aber mit zusammen 60&nbsp;Millionen&nbsp;DM kaum 5% der Gesamtinvestitionen von 1,33 Milliarden&nbsp;DM, welche für den Ausbau der Weser aufgewendet wurden Das Fahrwasser der ''Unterweser'' wurde mittlerweile bis auf 12&nbsp;m weiter vertieft, und während der Tidenhub bei Bremen vor der Weserkorrektur nur 73&nbsp;cm im Durchschnitt von zehn Jahren (1870–1879) betrug, vergrößerte er sich bis 2004 auf 4,50&nbsp;m. Die Dampfschifffahrt verdrängte sehr schnell den Berufszweig der Treidler. Dampf-Schlepper konnten mehrere Lastkähne gleichzeitig an ihre Zugseile nehmen. Auch talwärts wurden die Kähne nun gezogen und erreichten dadurch eine höhere Geschwindigkeit. Selbstfahrende, Lasten befördernde Dampfschiffe zählten zu den Ausnahmen, während Personendampfer zahlreich in Dienst gestellt wurden. Insgesamt sank jedoch die Bedeutung der Binnenschifffahrt auf der Weser, seit mit der Fertigstellung der Bahnlinien Hannover Bremen 1851 und Göttingen–Hannoversch Münden–Kassel 1856 eine durchgehende Eisenbahnverbindung von Hessen zu den Seehäfen bestand. Die Mittelweser erfuhr seit ihrem Anschluss an den [[Mittellandkanal]] 1915 dann wieder eine Aufwertung. Im 20. Jahrhundert ersetzten zunehmend durch [[Dieselmotor]]en angetriebene Schiffe die Weserdampfer. Zugverbände wurden von [[Schubverband|Schubverbänden]] abgelöst und die Anzahl von Lastkähnen mit eigenem Antrieb stieg. === Frachtschifffahrt === Die Weser ist vom Zusammenfluss von Werra und Fulda bis zur Mündung durchgehend schiffbar. Wie groß die Schiffe maximal sein und wie viel [[Tiefgang]] sie haben dürfen, ist in den einzelnen Abschnitten unterschiedlich. In welchem Umfang tatsächlich noch Lastverkehr auf einem Abschnitt stattfindet, ist abhängig von diesen Einschränkungen. [[Datei:Weserkai im Winter.jpg|miniatur|Weserkai und Speicher in [[Holzminden]]]] [[Datei:Weserumschlagstelle Verladung 2008.jpg|miniatur|Verladung an der reaktivierten Weserumschlagstelle [[Hann. Münden]] 2008]] Die ''Oberweser'' darf von Schiffen oder Schubverbänden mit einer Höchstlänge von 85&nbsp;m und einer Höchstbreite von 11&nbsp;m befahren werden. Der maximal erlaubte Tiefgang ist pegelabhängig. Vom aktuellen Pegelstand muss ein streckenweise unterschiedlicher Sicherheitsabstand abgezogen werden. Dieser beträgt für die Strecken Hann.&nbsp;Münden–Karlshafen 17&nbsp;cm, Karlshafen–[[Bodenwerder]] 5&nbsp;cm, Bodenwerder–Hameln 28&nbsp;cm und Hameln–Minden 31&nbsp;cm. Die aktuellen Pegelstände müssen von den [[Schiffsführer]]n beim [[Wasser- und Schifffahrtsamt]] abgefragt werden. Aufgrund dieser Einschränkungen verkehren aus [[Rentabilität]]sgründen auf der Oberweser kaum noch Lastschiffe, während in den ersten Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg noch Schleppverbände auf der Oberweser anzutreffen waren. Derzeit werden jährlich nur noch etwa 30.000&nbsp;t Güter auf der Oberweser mit dem Binnenschiff befördert. In erster Linie handelt es sich dabei um Getreide, das aus Beverungen, Holzminden und Hameln nach Bremen verschifft wird<ref>[http://www.wsa-minden.de/wasserstrassen/weser/index.html WSA-Minden Informationen zur Weser]</ref>. Der Warenumschlaghafen in Hann.&nbsp;Münden wurde in den 1970er Jahren stillgelegt, das Bahnanschlussgleis 1989 abgebaut. Im Juni 2008 nahm die [[Weserumschlagstelle]] in Hann.&nbsp;Münden den Hafenbetrieb wieder auf. Seitdem erfolgt die Be- und Entladung schwerer Maschinenteile von Schwerlasttransporten auf Binnenschiffe und umgekehrt. Die Weserumschlagstelle ist damit der südlichste Weserhafen mit Frachtaufkommen. Die Befahrung der ''Mittelweser'' zwischen Minden und Bremen ist [[Europaschiff]]en bis 85&nbsp;m Länge und 11,45&nbsp;m Breite und Schubverbänden von 91&nbsp;m Länge und 8,25&nbsp;m Breite erlaubt, wobei sie einen maximalen Tiefgang von 2,50&nbsp;m nicht überschreiten dürfen. Dies entspricht der [[Wasserstraßenklasse]] IV mit Einschränkungen. Bis 2010 soll der Weserabschnitt von Weser-km&nbsp;204,5 in Minden bis km&nbsp;360,7 beim Fuldahafen Bremen auf Klasse Va, mit Einschränkungen, ausgebaut werden. Dann dürfen [[Großmotorgüterschiff]]e (GMS) bis 110&nbsp;m Länge bei einer Beschränkung der Abladetiefe auf 2,50&nbsp;m diesen Abschnitt befahren. <ref>[http://www.wsa-verden.wsv.de/wasserstrassen/weser/Mittelweseranpassung/index.html WSA-Minden zur Mittelweseranpassung]</ref> Die ''Unterweser'' darf auch von Seeschiffen befahren werden, tidenunabhängig mit einem maximalen Tiefgang von 7,5&nbsp;m im Abschnitt Bremen – Brake, 9&nbsp;m zwischen Brake und Nordenham und 13,50&nbsp;m auf der Strecke Nordenham – Bremerhaven. Hinzu kommt ein mittlerer Tidenhub von 3,96&nbsp;m. Der 14,50-Meter-Ausbau der ''Außenweser'' ab Bremerhaven wurde 2003 fertiggestellt. === Personenschifffahrt === [[Datei:Oceana.jpg|miniatur|Das Ausflugsschiff „Oceana“ verkehrt zwischen Bremerhaven und Bremen]] Mit dem Aufkommen der Dampfschifffahrt auf der Weser ab 1817 übernahmen Personenschiffe den Transport von Reisenden. Lange Zeit war eine Reise mit dem Dampfschiff preiswerter als eine Bahnreise, so dass die Schiffe bis ins 20. Jahrhundert hinein als tägliches Verkehrsmittel genutzt wurden. 1851 zum Beispiel bot die ''Oberweser Dampfschifffahrt'' eine tägliche Talfahrt von Hann. Münden nach Hameln an und wartete in Bad Karlshafen auf die Ankunft der Züge aus Kassel, Marburg und Eisenach. An vier Tagen in der Woche ging von Hameln aus die Fahrt weiter nach Minden und Bremen. An sieben weiteren Tagen im Monat waren die Schiffe der ''Oberweser Dampfschifffahrt'' für den Transport von [[Auswanderung|Auswanderern]] reserviert, die von Bremen oder Bremerhaven aus die Reise in die [[USA]] und nach [[Kanada]] antraten. Die gesamte Fahrzeit von Hann. Münden bis Bremen betrug drei Tage, die Weiterfahrt bis Nordamerika acht bis zehn Tage. Bekannt waren die Schaufelraddampfer „Kaiser Wilhelm“ (die heute noch als Museumsdampfer bei Lauenburg auf der Elbe fährt), „Kronprinz Wilhelm“ ex „Meißen“ (deren Reste im Deutschen Schifffahrtsmuseum in Bremerhaven zu sehen sind) und „Fürst Bismarck“ (deren Verbleib unbekannt ist). Auch in heutiger Zeit verkehren auf der gesamten Weser Personenschiffe, darüber hinaus auch auf der Fulda zwischen Hann. Münden und Kassel. Während die Schiffe auf der Fulda, Ober- und Unterweser zwischen April und Oktober im regelmäßigen Linienverkehr die Anliegergemeinden bedienen, verkehren im Sommerhalbjahr Personenschiffe auf der Mittelweser nur sehr unregelmäßig und bieten vorwiegend eher kurze Ausflugsfahrten an. [[Datei:Fahrgastschiff Hessen.jpg|miniatur|Fahrgastschiff „Hessen“ auf der Oberweser 2004]] An die Personenschiffe, die auf der Oberweser verkehren, werden aufgrund der geringen Wassertiefe besondere Anforderungen gestellt. So darf auf der Strecke Hann. Münden – Bad Karlshafen der Tiefgang 45&nbsp;cm nicht überschreiten, um auch bei niedrigem Wasserstand den Linienverkehr bedienen zu können. Zum Beispiel hat das 1993 in Dienst gestellte Fahrgastschiff ''Hessen'' der ''Linie 2000'' nur einen Tiefgang von 30&nbsp;cm und besitzt eine nach beiden Seiten ausfahrbare [[Gangway]]. An den [[Schiffsanleger|Anlegestellen]], die keine Anlegebrücken mehr haben, ''ankert'' das Schiff in der Flussmitte, indem vier Stempel hydraulisch auf den Grund abgesenkt werden. Das derart aufgebockte Schiff verharrt unbeweglich im Wasser. Ein Anlegezwang gegen die Strömung entfällt somit, ebenso das Festmachen am Anleger. Wegen des geringen Tiefganges haben moderne Motorschiffe für die Oberweser vielfach keine herkömmlichen Propeller, sondern Antriebe, die aus dem der Raddampfer weiterentwickelt sind. Da im Sommer oft der größte Touristenandrang mit dem niedrigsten Wasserstand zusammenfällt, wird manchmal rechtzeitig vor dem Wochenende aus den Talsperren der Nebenflüsse die abfließende Wassermenge erhöht. [[Datei:Reileifzen.jpg|miniatur|Weserdorf Reileifzen bei Polle]] === Sportschifffahrt === Auf der Weser ist für Motor getriebene [[Sportboot]]e, bis auf die Stadtgebiete und Schleusenbereiche, eine Höchstgeschwindigkeit von 35&nbsp;km/h erlaubt. In den Stadtgebieten beträgt die erlaubte Geschwindigkeit 12&nbsp;km/h zu Tal und zu Berg 18&nbsp;km/h. Aufgrund der relativ geringen Strömung und der hohen erlaubten Geschwindigkeit ist die Weser ein ideales Gebiet für die Sportschifffahrt. Besonders die Oberweser ist beliebt bei [[Kanusport]]lern und [[Wasserwandern|Wasserwanderern]]. Durch die Fließgeschwindigkeit der Weser von durchschnittlich 4,5&nbsp;km/h bei normalem Wasserstand kann auch der Freizeitsportler längere Strecken ohne übermäßigen Kraftaufwand zurücklegen. Zahlreiche [[Bootsverleih]]e tragen dieser Tatsache Rechnung und bieten neben dem Verleih von [[Kajak]]s und [[Kanadier]]n auch einen Rückholservice an. Auch unter [[Rudern|Ruderern]] ist die Weser ein äußerst beliebtes Gewässer. Es gibt Rudervereine in Hannoversch Münden, Bodenwerder, Hameln, Rinteln, Minden, Stolzenau, Nienburg, Hoya und Bremen. Einmal im Jahr findet auf der Oberweser zwischen Hann. Münden und Hameln die „[[Weser-Marathon|ICF Wesermarathonfahrt]]“ statt, an der sich sowohl [[Ruderboot]]- als auch Kajak- und Kanufahrer beteiligen. Es können wahlweise 53, 80 oder 135&nbsp;km absolviert werden. 2006 gingen 1.800 Teilnehmer an den Start. Alle 2 Jahre (ungerade Jahreszahl) wird in Minden das „Blaue Band der Weser“ vom „Ring der Wassersportvereine um die Porta Westfalica“ veranstaltet. Immer am ersten Wochenende im September treffen sich hier Wassersportler aller Art und tragen ihre Wettkämpfe aus. Das gleichzeitig stattfindende Volksfest lockt regelmäßig ca. 100.000 Zuschauer an die Weser. Unter dem Motto „Weser in Flammen“ findet am Samstag mit beginnender Dunkelheit der Bootskorso der beteiligten Sportler statt. === Wasserstraßenkreuz Minden === [[Datei:WasserstrassenkreuzMinden.jpg|miniatur|Mittellandkanal kreuzt Weser]] Am [[Wasserstraßenkreuz Minden]] wird der Mittellandkanal nördlich von Minden seit 1916 in einer [[Trogbrücke]] über die Weser geführt. Die Brücke wurde 1945 durch deutsche Truppen zerstört und in den 1950er Jahren wieder aufgebaut. 1998 kam eine zweite [[Trogbrücke]] hinzu, um dem gestiegenen Schiffsverkehr und dem Ausbau des Kanals auf neue, größere Schiffsklassen Rechnung zu tragen. Die alte Brücke wird seitdem nur noch für die Sportschifffahrt benutzt. Drei Schleusen bilden zwei Verbindungen zwischen Weser und Mittellandkanal, es muss dabei eine Höhendifferenz von etwa 13,20&nbsp;m überwunden werden. Das ist zum einen der ''Nordabstieg'' über die [[Schachtschleuse Minden|Schachtschleuse]] und zum anderen der ''Südabstieg'' über zwei Schleusen und dem auf halber Höhe liegenden Hafenbecken. Weiterhin gibt es am Wasserstraßenkreuz ein Pumpwerk, mit dem Weserwasser in den Kanal gepumpt wird, um dessen Wasserstand konstant zu halten. Durch das Wasserstraßenkreuz Minden erhält die Weserschifffahrt eine direkte Verbindung in Richtung Westen zum Rhein und dem [[Ruhrgebiet]] sowie der [[Ems]] und nach Osten zur Elbe und über das [[Wasserstraßenkreuz Magdeburg]] und den [[Elbe-Havel-Kanal]] weiter bis nach [[Berlin]] und zur Oder. === Schleusen === {| class="wikitable" ! Ort, Bezeichnung ! Stromkilometer ! Nutzlänge ! Nutzbreite ! Hubhöhe ! Bemerkung |- | Hameln, Schleppzugschleuse | align="center" |134,8 | align="center" |222 m | align="center" |11,25 m | align="center" |3,17 m | align="left" |gebogene Schleusenkammer mit Mittelhaupt,<br />Bedienung: Bedienpersonal vor Ort |- | Petershagen | align="center" |223,1 | align="center" |215 m | align="center" |12,30 m | align="center" |6,00 m | align="left" |Bedienung: [[Wasser- und Schifffahrtsamt Minden#Fernbedienzentrale Schleusen|Fernbedienzentrale Minden]] |- | Schlüsselburg | align="center" |238,4 | align="center" |214 m | align="center" |12,30 m | align="center" |4,50 m | align="left" |Bedienung: Fernbedienzentrale Minden |- | Landesbergen | align="center" |251,8 | align="center" |221 m | align="center" |12,30 m | align="center" |5,50 m | align="left" |Bedienung: Fernbedienzentrale Minden |- | Drakenburg (Schleusenkanal) | align="center" |284,9 | align="center" |223 m | align="center" |12,30 m | align="center" |6,40 m | align="left" |Bedienung: Fernbedienzentrale Minden |- | Drakenburg, Prahmschleuse (Fluss) | align="center" |277,7 | align="center" |33 m | align="center" |6,60 m | align="center" |6,40 m | align="left" |Schleuse nur für WSA |- | Dörverden, Schleppzugschleuse | align="center" |313,9 | align="center" |225 m | align="center" |12,30 m | align="center" |4,60 m | align="left" |Beide Schleusen entsprechen nicht den Anforderungen für GMS,<br />Schleusen Neubau (139 m * 12,50 m) in Vorbereitung |- | Dörverden, Kleine Schleuse | align="center" |313,6 | align="center" |85 m | align="center" |12,30 m | align="center" |4,60 m | align="left" |Bedienung: Bedienpersonal vor Ort (beide Schleusen),<br />Anschluss an FBZ-Minden geplant |- | Dörverden, Prahmschleuse | align="center" |308,8 | align="center" |28 m | align="center" |6,50 m | align="center" |4,60 m | align="left" |Schleuse nur für WSA |- | Langwedel | align="center" |332,6 | align="center" |214 m | align="center" |12,30 m | align="center" |5,50 m | align="left" |Bedienung: Bedienpersonal vor Ort,<br />Anschluss an FBZ-Minden geplant |- | Hemelingen | align="center" |362,0 | align="center" |225 m | align="center" |12,50 m | align="center" |2,09–5,52 m | align="left" |Bedienung: Bedienpersonal vor Ort |- | Hemelingen, Sportbootschleuse | align="center" |362,0 | align="center" |25 m | align="center" |6,50 m | align="center" |2,09–5,52 m | align="left" |Bedienung: Bedienpersonal vor Ort |} [[Datei:Bremerhaven Oberfeuer 04.jpg|miniatur|Großer Leuchtturm von 1854 in Bremerhaven]] === Befeuerung der Unterweser === Die ersten [[Seezeichen|Leuchttonnen]] mit Gasfüllung wurden 1830 mit Hilfe des Tonnenlegers ''Barsen'' in der Außenweser eingebracht. 1853 wurde mit dem Bau des großen [[Leuchtturm Bremerhaven|Leuchtturms]] an der Bremerhavener [[Columbuskaje]] nach den Plänen des Architekten [[Simon Loschen]] begonnen. Der [[Neugotik|neugotische]] Backsteinturm wurde 1855 fertiggestellt und diente bis 1986 der Befeuerung der Unterweser. Seit 1984 steht er unter [[Denkmalschutz]]. 1855 bis 1856 folgte der Bau des Leuchtturmes ''Hohe Weg''. 1874 wurden die ersten [[Feuerschiff]]e in der Außenweser ausgelegt. Der berühmte Leuchtturm ''[[Roter Sand (Leuchtturm)|Roter Sand]]'' in der Außenweser wurde 1885 in Betrieb genommen, 1887 folgten die Leuchttürme auf dem ''Eversand''. 1907 wurde das Befeuerungssystem der Außenweser durch Auslegen des Feuerschiffes ''Norderney'' erweitert und eine erste [[Seezeichen|Leuchtbake]] an der ''Robbenplate'' errichtet, die 1928 durch einen Leuchtturm ersetzt wurde. Es folgten die Leuchttürme ''Solthörn'' (1904) und ''Brinkamahof'' (1912). 1953 begann man mit ersten [[Radar|Landradarversuchen]] an Elbe und Weser. 1965 war der Aufbau einer Landradarkette an der Außenweser abgeschlossen. Die provisorische Radarzentrale befand sich zunächst in Weddewarden, ab 1965 in Bremerhaven. 1964 war der Leuchtturm [[Alte Weser (Leuchtturm)|Alte Weser]] fertiggestellt, und die letzte Besatzung verließ den Leuchtturm ''Roter Sand''. Eine weitere Radarkette und der neue [[Ultrakurzwelle|UKW]]-[[Betriebsfunk]] verbesserten ab 1965 die Sicherung der Schifffahrt bei unsichtigem Wetter. 1966 ging der Leuchtturm ''Tegeler Plate'' in Betrieb und ersetzte das Feuerschiff ''Bremen''. In diesem Jahr wurden erste Versuche mit der [[Fernsteuerung]] im [[Seezeichen]]betrieb durchgeführt, nach deren Abschluss 1973 alle Besatzungen von den Leuchttürmen abgezogen wurden. Im folgenden Jahr begann man mit der Errichtung von Richtfeuerlinien an der Unterweser mit [[Leuchtturm|Ober- und Unterfeuer]] und ab 1975 zusätzlich mit dem Aufbau einer Radarkette zwischen Bremerhaven und Huntemündung. Diese Radarkette wurde 1981 in Betrieb genommen. In den Folgejahren wurden die Radarstationen an der Außenweser nach und nach gegen neuere Technik ausgetauscht oder an andere Standorte verlegt, ab 1989 die Radarkette Unterweser bis Bremen erweitert und dort eine weitere Radarzentrale errichtet. === Zuständige Wasser- und Schifffahrtsämter === * [[Wasser- und Schifffahrtsamt Hann. Münden]], von km 0 bis km 154,0 (Großenwieden) * [[Wasser- und Schifffahrtsamt Minden]], von km 154,0 bis km 213,0 (Petershagen) * [[Wasser- und Schifffahrtsamt Verden]], von km 213,0 bis km 354,2 (Landesgrenze Niedersachsen/Bremen) * [[Wasser- und Schifffahrtsamt Bremen]], von km 354,2 bis km 40,0 Seeschifffahrtsweg (Brake) * [[Wasser- und Schifffahrtsamt Bremerhaven]] von km 40,0 Seeschifffahrtsweg bis zur Ansteuerung der Außenweser nördlich der Insel Wangerooge == Kultur und Tourismus == [[Datei:Bad_Karlshafen01.jpg|miniatur|Bad Karlshafen: ehemaliges Packhaus von 1718]] Von touristischer Bedeutung ist das Weserbergland mit [[Hann. Münden]], [[Reinhardswald]], [[Solling]], Bad Karlshafen, [[Höxter]], Hameln sowie die verbliebenen Bauwerke aus dem 16. Jahrhundert im Baustil der [[Weserrenaissance]], von denen sich viele entlang der Ober- und Mittelweser befinden. An der Unterweser bietet die [[Wesermarsch]] mit den Städten Bremen, Bremerhaven und Brake sowie zahllosen [[Siel]]en, Kanälen und [[Reet|reetgedeckten]] Häusern touristische Höhepunkte. Im [[Oberes Wesertal|Oberen Wesertal]] und im [[Mittleres Wesertal|Mittleren Wesertal]] verläuft der Weserradweg, inzwischen einer der beliebtesten [[Radfernweg]]e in Deutschland. Autofahrer können dem Verlauf der Weser auf der [[Straße der Weserrenaissance]] folgen. === Weserradweg === [[Datei:Weserradweg_b_Oedelsheim.jpg|miniatur|Weserradweg zwischen Oedelsheim und Gieselwerder]] Radfahrer können dem Flusslauf auf dem circa 500&nbsp;km langen [[Weserradweg]] folgen <ref>[http://www.weser.org/de/index.php?auswahl=0 Weser-Radweg, offizielle Internetpräsenz]</ref>. Der verläuft an der Oberweser meist nahe am Wasser, an der Mittelweser oft weitab vom Fluss, unterhalb von Bremen lange Strecken hinterm Deich, also ohne Wasserblick. Wegen des sehr niedrigen Gefälles der Weser ist er ohne Mehranstrengung flussaufwärts zu fahren. === Schlösser, Burgen, Klöster === [[Datei:Bursfelde 10.jpg|miniatur|Klosterkirche Bursfelde]] [[Datei:Schloss Bevern.jpg|miniatur|Schloss Bevern]] * [[Welfen]]schloss in Hann. Münden, Ursprung 1501, nach einem Brand im Stil der frühen Weserrenaissance 1560 wiedererrichtet, beheimatet es heute das Stadtarchiv, die Stadtbücherei, das Amtsgericht und das Städtische Museum. * [[Reinhardshagen#Veckerhagen|Jagdschloss Karls von Hessen-Kassel]] in Veckerhagen, [[Barock]] 1690, linke Flussseite * ehemaliges Augustinerinnenstift [[Hilwartshausen]], 960 gegründet, Teile erhalten, linke Flussseite * [[Hemeln#Bramburg|Bramburg]] bei Hemeln, Ruine einer Schutzburg 1063, rechte Flussseite * Kloster [[Bursfelde]], 1093 gegründet, heute evangelische Tagungsstätte, romanische Basilika jetzt [[Simultankirche]], rechte Flussseite * ehemaliges Benediktinerinnenkloster [[Wahlsburg#Bauwerke|Lippoldsberg]], etwa 1056 gegründet, romanische Pfeilerbasilika erhalten, rechte Flussseite * Jagdschloss [[Nienover]] auf dem Gemeindegebiet des Flecken [[Bodenfelde]] im [[Solling]] am Mittellauf des Weserzuflusses [[Reiherbach (Weser)|Reiherbach]] gelegen. Zeitweise Staatsbesitz, heute privates Gestüt. Bekannte Filmkulisse unter anderen für [[Königliche Hoheit]] 1953. * (ehemaliges Benediktinerkloster [[Kloster Helmarshausen|Helmarshausen]], 997 gegründet, Entstehungsort des [[Evangeliar Heinrichs des Löwen|Evangeliars Heinrichs des Löwen]], nicht erhalten, linke Flussseite) * [[Krukenburg]] in Bad Karlshafen–Helmarshausen, Ruine einer Kirchenburg 1225, linke Flussseite * Schloss Würgassen, zu Beverungen, Barock 1698, rechte Flussseite * [[Abtei Herstelle|Benediktinerinnenabtei Herstelle]], 1899 gegründet, bestehend, linke Flussseite * Schloss [[Wehrden (Weser)|Wehrden]] bei Beverungen, Barock 1699, linke Flussseite * [[Fürstenberg (Weser)#Sehenswürdigkeiten|Schloss Fürstenberg]], Weserrenaissance 1590, Porzellanmuseum, rechte Flussseite * ehemalige Benediktinerabtei [[Corvey]] (zu Höxter), 815 erbaut, 1158 erweitert, Kirche und Kreuzgang erhalten, Wohngebäude im 18./19.Jahrhundert zum Schloss umgebaut, linke Flussseite * [[Tonenburg]] in Höxter-Albaxen, 1315, linke Flussseite * [[Schloss Bevern]], Vierflügelanlage Weserrenaissance 1612, rechte Flussseite * [[Polle# Kultur und Sehenswürdigkeiten|Burg Everstein]] in [[Polle]], Ruine der Aschenputtel-Burg 1265, linke Flussseite * ehemaliges Benediktinerinnenkloster Kemnade in Bodenwerder, 960 gegründet, romanische Klosterkirche erhalten, linke Flussseite * [[Stift Fischbeck|Damenstift Fischbeck]] bei Hameln, 955 als Kanonissenstift gegründet, bis auf vierjährige Unterbrechung unter [[Jérôme Bonaparte]] kontinuierlich besetzt, Klosterkirche erhalten, rechte Flussseite * Burg [[Schaumburg (Burg)|Schaumburg]] bei Schaumburg-Rosenthal (Stadtteil von Rinteln) auf dem Nesselberg, Stammsitz der Grafen von Schaumburg und Holstein, rechte Flussseite * ehemaliges [[Kanonissenstift Möllenbeck]] bei Rinteln, 896 gegründet, erhalten, linke Flussseite [[Datei:Bücken-2.jpg|miniatur|Stiftskirche in Bücken]] * [[Vlotho#Bauwerke|Burg Vlotho]], Reste einer Wehrburg aus dem 13. Jahrhundert, linke Flussseite * [[Kreuzkirche (Wittekindsberg)]] (Porta Westfalica), vermutlich im Zeitraum 978–996 erbaut. Fundamentreste unter schützendem Überbau. * ehemaliges Benediktinerinnenkloster St. Marien in Porta Westfalica, 993 gegründet, wenig später nach Minden verlegt (siehe unten), Reste erhalten, linke Flussseite * ehemaliges Benediktinerinnenkloster St. Marien (um 1000), ehemaliges Benediktinerkloster [[Kloster St. Mauritius (Minden)|St. Mauritii]] (1042) und ehemaliges Dominikanerkloster St. Pauli (1233) in Minden, alle bis 1539 aufgelöst, erhalten, rechte Flussseite * [[Schloss Petershagen]], Weserrenaissance 1547, linke Flussseite [[Datei:ValentinBremen.JPG|miniatur|U-Boot-Bunker Valentin in Bremen-Rekum]] [[Datei:Dreptersiel.jpg|miniatur|Dreptersiel aus dem 18. Jahrhundert]] * [[Burg Schlüsselburg]], 1335, linke Flussseite * Stiftskirche [[Bücken]], 1050–1350, Kloster mit der Reformation säkularisiert, Glasfenster (13. Jahrhundert), Schnitzaltar (1510), linke Flussseite * Schloss Hoya in Grafschaft Hoya, jetzt Amtsgericht, linke Flussseite * Schwedenschanze aus dem dreißigjährigen Krieg, Sternschanze im Winkel zwischen Weser und Allermünung, rechte Flussseite * Erbhof in [[Thedinghausen]], Weserrenaissance, 1620 als Sitz der (seit 1566 protestantischen!) Erzbischöfe von Bremen gebaut, linke Flussseite * [[Schloss Schönebeck|Wasserschloss Schönebeck]] in Bremen-Schönebeck, Fachwerkbau aus dem 17. Jahrhundert, heute Heimatmuseum, rechte Flussseite * Haus Blomendal in Bremen-Blumenthal, 1354, Graben und ein Gebäudeflügel erhalten, Deckenmalereien um 1600, rechte Flussseite * [[U-Bootbunker Valentin]] in Bremen-Rekum, 1942–1945 durch 13.000 Häftlinge des KZ Neuengamme errichtet, wobei 6000 umkamen, rechtes Flussufer * Dreptersiel, historisches Sieltor aus dem 18. Jahrhundert, wieder zusammengesetzt aus den in den 1990er Jahren bei der Deichsanierung gefundenen Steinen, rechte Weserseite * (Friedeburg (Vredenborch) in [[Nordenham]], 1404–1499 Bremer Stützpunkt in Butjadingen, keine Reste mehr sichtbar, linke Flussseite) [[Datei:Kaiser-Wilhelm-Denkmal-Porta 2.jpg|miniatur|Kaiser-Wilhelm-Denkmal]] === Markante Aussichtspunkte === * [[Hann. Münden#Sehenswürdigkeiten|Tillyschanze]] in Hann. Münden, Bastion mit Aussichtsturm 1885 erbaut, linke Flussseite * [[Weserliedanlage]] oberhalb von Hann. Münden, rechte Flussseite * ''Roter Stein'' am Berghang nördlich von [[Hann. Münden#Gimte|Gimte]], rechte Flussseite * Hugenottenturm und Juliushöhe bei Bad Karlshafen, linke Flussseite * [[Hannoversche Klippen|Hannoversche]] und [[Hessische Klippen]] zwischen Bad Karlshafen und Würgassen, rechte bzw. linke Flussseite * [[Klütturm]] bei Hameln, anstelle der 1774–1784 unter König Georg III. erbauten drei [[Fort]]s, linke Flussseite * [[Klippenturm]] bei Rinteln, rechte Flussseite * [[Kaiser-Wilhelm-Denkmal an der Porta Westfalica|Kaiser-Wilhelm-Denkmal]] in Porta Westfalica, 1896 vollendet, linke Flussseite * ''Portakanzel'' am Jakobsberg in Porta Westfalica, rechte Flussseite === Weserlieder === Unweit vom [[Weserstein]] befindet sich an einem [[Aussichtspunkt]] am Hang des Questenbergs die Weserliedanlage, ein 1931 errichtetes [[Denkmal]] zur Erinnerung an die Schöpfer des [[Weserlied (1835)|Weserlieds]], den Dichter [[Franz von Dingelstedt]] und den Komponisten [[Gustav Pressel]]. Der Gedenkstein trägt zwei [[Bronze]]tafeln mit den Portraits der beiden, geschaffen von [[Gustav Eberlein]], einem in der Nähe von Hann. Münden geborenen Bildhauer. Neben diesem Weserlied, dessen Text auf der Seite der [[Weserliedanlage]] wiedergegeben ist, gibt es noch ein weiteres [[Weserbogenlied|Weserlied]] als Regionalhymne Ost-Westfalens. == Daten zur Infrastruktur == === Weserkraftwerke === Die Kraftwerke entlang der Weser sind hauptsächlich [[Elektrizitätswerk]]e, die das Wasser der Weser für Kühlzwecke oder den Höhenunterschied des aufgestauten Wassers zur Energiegewinnung nutzen. Von ehemals drei [[Kernkraftwerk]]en ist heute noch das [[Kernkraftwerk Grohnde]] in Betrieb. Nach dem neuen Atomgesetz von 2011 soll die endgültige Abschaltung dieses Kernkraftwerks zum Jahresende 2021 erfolgen. <gallery> Datei:Weser Hastedt.jpg|Kraftwerk Bremen-Hastedt mit Weserwehr Datei:Kraftwerk Farge.jpg|Steinkohlekraftwerk der E.On in Farge Datei:Kernkraftwerk Unterweser fotogrfiert von der Weser.jpg|Kernkraftwerk Unterweser </gallery> {| class="wikitable" ! Ort ! Betreiber ! Energiequelle ! Leistung ! in Betrieb |- | [[Kernkraftwerk Würgassen]] | align="center" |E.ON | align="center" bgcolor="#CCAAAA"|[[Siedewasserreaktor]] | align="center" |670 MW | align="center" |1971–1995 |- | [[Kernkraftwerk Grohnde]] | align="center" |E.ON | align="center" bgcolor="#FF2222"|[[Druckwasserreaktor]] | align="center" |1430 MW | align="center" |seit 1985 |- | Hameln Pfortmühle, Werder | align="center" |GWS Stadtwerke GmbH | align="center" bgcolor="#99FFFF"|[[Wasserkraftwerk|Wasser]] | align="center" |1,95 MW | align="center" |seit 1933 |- | [[Kraftwerk Veltheim]], Porta Westfalica | align="center" |Gemeinschaftskraftwerk Veltheim GmbH | align="center" |[[Steinkohle]], [[Öl]], [[Müll]], [[Gas]], [[Tiermehl]] | align="center" |880 MW | align="center" |seit 1965 |- | Pumpwerk Minden | align="center" |WSA Minden | align="center" bgcolor="#99FFFF"|Wasser | align="center" |0,5 MW | align="center" |seit 1922, nur bei Wasserüberschuss im Mittellandkanal |- | [[Kraftwerk Heyden]] Petershagen | align="center" |E.ON | align="center" |Steinkohle | align="center" |865 MW | align="center" |seit 1987 |- | Wasserkraftwerk Petershagen | align="center" |E.ON | align="center" bgcolor="#99FFFF"|Wasser | align="center" |3,3 MW | align="center" |seit 1954 |- | Wasserkraftwerk Schlüsselburg | align="center" |E.ON | align="center" bgcolor="#99FFFF"|Wasser | align="center" |5,0 MW | align="center" |seit 1956 |- | Wasserkraftwerk Landesbergen | align="center" |E.ON | align="center" bgcolor="#99FFFF"|Wasser | align="center" |7,2 MW | align="center" |seit 1960 |- | Landesbergen | align="center" |E.ON | align="center" |[[Erdgas]], [[Biomasse]] | align="center" |511 MW | align="center" |seit 1973/2003 |- | Wasserkraftwerk Drakenburg | align="center" |E.ON | align="center" bgcolor="#99FFFF"|Wasser | align="center" |5,0 MW | align="center" |seit 1956 |- | Wasserkraftwerk Dörverden | align="center" |E.ON | align="center" bgcolor="#99FFFF"|Wasser | align="center" |4,2 MW | align="center" |seit 1913 |- | Wasserkraftwerk Langwedel | align="center" |E.ON | align="center" bgcolor="#99FFFF"|Wasser | align="center" |7,2 MW | align="center" |seit 1958 |- | [[Weserwehr#Weserkraftwerk|Wasserkraftwerk Bremen-Hemelingen]] | align="center" |([[Swb AG|Stadtwerke Bremen AG]])<br /><br />Weserkraftwerk Bremen GmbH & Co. KG | align="center" bgcolor="#99FFFF"|Wasser | align="center" |(8,5 MW)<br /><br />10,0 MW | align="center" |(1912–1987, abgerissen!)<br /><br />geplant, ab Ende 2010 |- | [[Kraftwerk Bremen-Hastedt]] | align="center" |[[Swb AG|swb Erzeugung GmbH & Co. KG]] | align="center" |Erdgas, Steinkohle | align="center" |300 MW | align="center" |seit 1972/1989 |- | [[Kraftwerk Bremen-Hafen]] | align="center" |swb Erzeugung GmbH & Co. KG | align="center" |Steinkohle | align="center" |450 MW | align="center" |seit 1968 |- | [[Kraftwerk Mittelsbüren|Kraftwerk Bremen-Mittelsbüren]] | align="center" |swb Erzeugung GmbH & Co. KG | align="center" |Gichtgas, Öl | align="center" |260 MW | align="center" |seit 1965/1974 |- | [[Kraftwerk Farge|Kraftwerk Bremen-Farge]] | align="center" |E.ON | align="center" |Steinkohle | align="center" |345 MW | align="center" |seit 1969 |- | [[Kernkraftwerk Unterweser]] ([[Kleinensiel]]) | align="center" |E.ON | align="center" bgcolor="#FF2222"|Druckwasserreaktor | align="center" |1410 MW | align="center" |seit 1978 |} Für den Neubau eines Wasserkraftwerkes an der Staustufe Bremen-Hemelingen wurden bis zum Jahre 2002 fünf Vorschläge erarbeitet. Dabei hat sich der Vorschlag einer Unternehmensgruppe, an der eine Tochterfirma von [[greenpeace energy]] eG beteiligt ist, letztlich bei der Genehmigungsbehörde durchgesetzt. Im Jahre 2006 wurde das Planfeststellungsverfahren eröffnet, bei dem auch die Einwände der Fischereiverbände gehört wurden. === Brücken, Fähren und Tunnel === In der Reihenfolge von der Quelle bis zur Mündung sind alle Weserquerungen aufgeführt. Bei den Fähren an Ober- und Mittelweser handelt es sich überwiegend um [[Gierseilfähre]]n. Im Tidenbereich der Unterweser wären Gierfähren durch die periodische Strömungsumkehr unpraktikabel. So gibt es dort nur Motorfähren. Viele Fährverbindungen haben eine lange Tradition. Einzelne sind nach längerer Unterbrechung aus touristischen Gründen reaktiviert worden. Einige Fähren an Ober- und Mittelweser haben recht eingeschränkte Betriebszeiten. ==== Oberweser ==== [[Datei:Faehre Veckerhagen.jpg|miniatur|Gierseilfähre zwischen Veckerhagen und Hemeln]] * In Hann. Münden überqueren die [[Bundesstraße 3|B 3]]/[[Bundesstraße 80|B 80]] auf der 1960 erbauten Straßenbrücke die Weser. * Die Gierseilfähre [[Veckerhagen]]–[[Hemeln]] befördert bis zu sechs PKW und ist ganzjährig in Betrieb. Das aktuelle Fährschiff ist im Jahr 2000 vom Stapel gelaufen, die Fährstelle selbst ist seit 1342 nachweisbar. * Die Gierseilfähre [[Oedelsheim]] fasst zwei PKW und ist nur in den Sommermonaten in Betrieb. Das aktuelle Fährschiff wurde 1997 gebaut. * In [[Gieselwerder]] quert die L 763 auf einer Straßenbrücke, die 1950 als Ersatz für die im Zweiten Weltkrieg zerstörte Vorgängerin von 1900 errichtet wurde. 60&nbsp;Jahre lang war hier der südlichste feste Weserübergang. * Die Gierseilfähre „Märchenfähre“ [[Lippoldsberg]] wurde 1981 gebaut. Sie verkehrt nur in den Sommermonaten und kann drei PKW befördern. Erstmals ist hier um 1300 eine Fähre erwähnt. * Die Gierseilfähre [[Wahmbeck (Bodenfelde)|Wahmbeck]]–[[Gewissenruh]] wurde 1957 in Dienst gestellt; sie fasst zwei PKW und verkehrt nur in den Sommermonaten. * In [[Bodenfelde]]-Wahmbeck überquert eine Auto- und Personenfähre die Weser, die seit 1900 besteht. * In Bad Karlshafen besteht eine am 22. Oktober 1894 eingeweihte Straßenbrücke. * Die Straßenbrücke der K 61 zwischen [[Herstelle]] und [[Würgassen]] wurde am 21. Oktober 1982 eingeweiht. * Die Straßenbrücke der [[Bundesstraße 241|B 241]] zwischen Beverungen und [[Lauenförde]] wurde 1902 eröffnet, 1945 gesprengt und 1950 wiedererrichtet. * Im Beverunger Ortsteil [[Wehrden (Weser)|Wehrden]] überquert eine 1875 erstmals erwähnte Gierseil-Personenfähre die Weser. * Im Beverunger Ortsteil Herstelle-Würgassen überquert eine 1432 erstmals erwähnte Gierseil-Personenfähre die Weser. * Die ehemals zweigleisige Brücke der [[Sollingbahn]] (KBS 356) Altenbeken-Ottbergen-Northeim in Wehrden ist seit dem Zweiten Weltkrieg nur noch eingleisig. * Die Eisenbahnbrücke in [[Boffzen]] wird nicht mehr befahren, seit der Betrieb der Strecke Holzminden-Scherfede eingestellt wurde. * Die Straßenbrücke in [[Höxter]] war seit ihrer ersten Errichtung 1115 der erste feste Weserübergang überhaupt. Nach ihrer Zerstörung durch französische Truppen 1673 wurde hier erst im 19. Jahrhundert wieder eine Brücke gebaut. Über sie führt die L 755. * Bei [[Corvey]] am Südrand von Höxter überspannt eine Eisenbahnbrücke der Verbindung Altenbeken-Ottbergen-Kreiensen den Fluss. * Die 1977 in [[Lüchtringen]] erbaute Straßenbrücke für die K 46 wurde am Ufer parallel zur Weser als Spannbetonkonstruktion hergestellt und dann um 90 [[Grad (Winkel)|Grad]] eingeschwenkt. [[Datei:Weser_Bodenwerder.jpg|miniatur|Blick flussauf von der alten Brücke in Bodenwerder]] * In [[Holzminden]] gibt es zwei Straßenbrücken, die Altstadtbrücke und die neue Brücke der [[Bundesstraße 64|B 64]] (Umgehung). * In Holzminden-Grave bestand lange eine Gierseilfähre. Seit 2005 ist hier eine solarbetriebene Personenfähre in Betrieb. * In Heinsen besteht eine Fährverbindung. * Die Gierseilfähre [[Polle]]–[[Heidbrink (Polle)|Heidbrink]] wurde 1988 gebaut und befördert bis zu vier PKW. Sie ist ganzjährig in Betrieb. Seit 1905 besteht hier eine Fährverbindung. * In Bodenwerder führen eine alte Balkenbrücke mit der L 580, eine neue Spannbetonbrücke mit der [[Bundesstraße 240|B 240]] und eine Stahl-Fachwerk-Brücke für die Emmerthalbahn (vollspurig, heute Museumseisenbahn) über die Weser. * Zwischen [[Daspe]] und [[Hehlen]] wird die K 8 über eine Straßenbrücke geführt. * Die Gierseilfähre [[Emmerthal|Hajen]] kann maximal zwei PKW befördern. Sie verkehrt nur im Winterhalbjahr. Hier besteht seit 1389 eine Fähre * Die Gierseilfähre [[Grohnde]] wurde um 1930 gebaut. Sie fährt nur im Sommerhalbjahr mit bis zu drei PKW an Bord. Seit 1633 besteht hier am Grohnder Fährhaus eine Fähre. * Zwischen [[Kirchohsen]] und [[Hagenohsen]] gibt es eine Straßenbrücke für die L 424 und eine Eisenbahnbrücke über die Weser. * In Hameln überspannte seit etwa 1300 eine steinerne Brücke die Weser. Im 19. Jahrhundert wurde dort eine Kettenbrücke errichtet. Die heutige Alte Brücke aus dem Jahr 1930 wurde im April 1945 von deutschen Pioniereinheiten gesprengt und bis 1950 wiederhergestellt. 2003 wurde sie grundlegend erneuert. Die Neue Brücke wurde 1975 zur Altstadtentlastung gebaut und führt seitdem die [[Bundesstraße 1|B 1]] und die B 83 über die Weser. Eine 1897 erbaute Eisenbahnbrücke wurde nach der Stilllegung des Eisenbahnverkehrs 1988 zunächst als Fußgängerbrücke genutzt und 1998 wegen Baufälligkeit geschlossen. Auch diese Brücke war 1945 gesprengt und bis 1947 wieder aufgebaut worden. * Vom 11. August 1950 bis zum 15. Februar 1971 wurde in Hameln zwischen der Fischbecker Straße und dem Breiten Weg eine Personenfähre betrieben. Sie wurde wegen Unrentabilität wieder eingestellt<ref>[http://hamelner-geschichte.de/index.php?id=29 Hamelner Geschichte.de]</ref>.'' * Auf der Straßenbrücke von [[Hessisch Oldendorf]] wird die L 434 über die Weser geführt. * Die Gierseilfähre [[Großenwieden]]–[[Rumbeck (Weser)|Rumbeck]] wurde 1960 gebaut und fasst bis zu 4 PKW. Sie verkehrt ganzjährig. Hier besteht seit 1617 eine Fährverbindung.'' [[Datei:Vlotho-Weser-Uffeln.JPG|miniatur|Vlotho: Straßenbrücke nach Uffeln, im Hintergrund das Wesergebirge]] * In Rinteln gibt es zwei Straßenbrücken: Für die B 238 und die L 435. * Die Straßenbrücke bei [[Eisbergen]] wurde 1927 erbaut. * In Porta Westfalica-Veltheim besteht eine Personenfähre über die Weser. * Zwischen [[Vlotho]] und [[Uffeln (Vlotho)]] überspannen eine Straßenbrücke (L 778) und eine Eisenbahnbrücke die Weser. * Die Weserquerung der [[Bundesautobahn 2|A 2]]/E 30 bei Bad Oeynhausen-[[Rehme]] besteht aus je einem Brückenbauwerk für jede Fahrtrichtung. * einen halben Kilometerflussabwärts überquert die [[Bahnstrecke Hamm–Minden]] den Fluss. Die erste Brücke hier wurde 1847 von der [[Cöln-Mindener Eisenbahn-Gesellschaft]] gebaut, später beim viergleisigen Ausbau eine zweite daneben gestellt. Wiederherstellung nach Zerstörung 1945 zunächst zwei, erst 1984 wieder viergleisig. * Ebenfalls in [[Rehme]] fährt die seit 1988 bestehende Personenfähre „Amanda“ über die Weser. * Das erste Bauwerk für eine Querung bei Porta Westfalica war eine Kettenhängebrücke aus dem Jahr 1865. Am 29. Mai 1954 folgte eine Stahlbrücke als Straßenüberführung (L 780), der seinerzeit größte voll verschweißte Stahlüberbau Deutschlands. Im Jahr 1995 wurde diese Brücke durch eine etwas weiter südlich erbaute Stahlverbundbrücke ersetzt. Nördlich hiervon besteht eine ehemalige Eisenbahnbrücke. * In Minden überqueren sieben Brücken die Weser, davon drei Straßenbrücken ([[Bundesstraße 65|B&nbsp;65]], L&nbsp;534, L&nbsp;764), eine Eisenbahnbrücke, die [[Glacisbrücke Minden]] als Fußgängerbrücke und zwei Kanalbrücken des Mittellandkanals ([[Wasserstraßenkreuz Minden]]). Die älteste hölzerne Weserbrücke in Minden wurde bereits 1232 erwähnt und 1594–1597 durch eine Steinbrücke ersetzt. Diese Steinbrücke wurde 1813 von französischen Truppen gesprengt, später notdürftig repariert und 1871–1874 durch eine Eisenbrücke ersetzt. Am 11. Mai 1915 wurde eine neue Weserbrücke ohne Pfeiler eröffnet, die 1945 gesprengt und bis 1947 wieder instand gesetzt wurde. Ab 1969 wurden zwei neue Straßenbrücken nördlich und südlich des Stadtzentrums erbaut. ==== Mittelweser ==== * Am Stauwehr Petershagen ist, außer im Winter, die Querung zu Fuß und bedingt (Treppen) mit Rad möglich. * Die Straßenbrücke (L&nbsp;770) bei Petershagen wurde 1970 erbaut. * Zwischen Hävern und Windheim verkehrt seit 2002 die Solar-Fähre „Petra Solara“ für Fußgänger und Fahrradfahrer an der Stelle einer im Zusammanhang mit dem Bau der Petershäger Weserbrücke aufgegeben Fähre. Der Fährbetrieb ist meist auf Wochenenden und Feiertage beschränkt und wird durch einen Verein aufrecht erhalten. * Bei [[Schlüsselburg (Petershagen)|Schlüsselburg]] quert die K&nbsp;1 auf einer 1956 eröffneten Straßenbrücke die Weser an einer Staustufe mit Kraftwerk. * Die [[Bundesstraße 441|B&nbsp;441]] und die B&nbsp;215 werden zusammen bei Stolzenau durch eine Straßenbrücke über die Weser geführt. * In Landesbergen gibt es zwei Straßenbrücken. * In Nienburg überqueren vier Brücken die Weser, davon zwei Straßenbrücken, eine stillgelegte Eisenbahnbrücke und eine Fußgängerbrücke. Die älteste, noch aus Holz erbaute Straßenbrücke wurde 1715–1723 durch eine Steinbrücke ersetzt. Diese Steinbrücke wurde 1903 abgerissen, weil die engen Brückenbögen ein Hindernis für den immer stärker werdenden Schiffsverkehr darstellten. An dieser Stelle wurde 1905 eine Fußgängerbrücke gebaut. Die neue Straßenbrücke wurde 500 m weiter weserabwärts erbaut. Bis zum Bau der Umgehungsstraße 1982 führte über diese die [[Bundesstraße 6|B&nbsp;6]]. [[Datei:Hoya_Weserbrücke.jpg|miniatur|Weserbrücke in Hoya]] [[Datei:Weserwehr-Bruecke.jpg|miniatur|Brücke über die Schleusenkammern des Weserwehres]] * Bei [[Drakenburg]] quert die K&nbsp;2 auf einer Straßenbrücke die Weser an einer Staustufe mit Kraftwerk und Prahmschleuse. * Die Hochseilfähre [[Schweringen]]–[[Gandesbergen]] wurde 1999 gebaut und ersetzte damit die in die Jahre gekommene Gierseilfähre. Bis zu vier PKW können befördert werden. Sie ist von Anfang November bis Ende Februar außer Betrieb. * Die Straßenbrücke (L&nbsp;330) in Hoya entstand 1883 zeitgleich mit der vollspurigen [[Kleinbahn]]linie nach [[Eystrup]]. * Die Straßenbrücke (L&nbsp;203) in [[Groß-Hutbergen]] bei Verden wurde 1884 erbaut und war lange Zeit die einzige Weserbrücke im Landkreis Verden. * Die Straßenbrücke (K&nbsp;9) über die Weserschleuse bei [[Langwedel (Weser)|Langwedel]] wurde 1958 eröffnet und für leichte Kraftfahrzeuge bis maximal sechs Tonnen freigegeben. * Die Straßenbrücke (L&nbsp;156) zwischen Achim-Uesen und [[Thedinghausen|Werder]] wurde am 28. August 1928 eröffnet. An dieser Brücke wurden 1966 Szenen von [[Richard Lester]]s Antikriegsfilm „[[Wie ich den Krieg gewann]]“ gedreht. In dem Film, der hauptsächlich durch die Mitwirkung von [[John Lennon]] Popularität erlangte, verkörpert die Ueser Brücke eine Rheinbrücke. * Es bestehen 13 Weserquerungen in Bremen, zwei weitere sind geplant: :* Die Eisenbahnbrücke der Bahnlinie Bremen-Osnabrück, ohne Geh- und Radweg bei Weser-km 357,200 :* Die Autobahnbrücke der [[Bundesautobahn 1|A&nbsp;1]] „Hansalinie“/E&nbsp;22 bei Arsten (Weser-km 358,500) wurde 1962 dem Verkehr übergeben und 1978 auf sechs Fahrstreifen verbreitert. :* Eine Fußgänger- und Radfahrerquerung über das [[Weserwehr]] in Hastedt bei Weser-km 362,100 ==== Unterweser ==== [[Datei:Sielwallfähre.jpg|miniatur|Die Sielwallfähre]] [[Datei:Unterweserkilometer-Null.jpg|miniatur|Direkt neben der heutigen Wilhelm-Kaisen-Brücke befand sich bis ins 19. Jahrhundert Bremens einzige Weserbrücke: Unterweser-km Null]] :* Die „Erdbeerbrücke“, eigentlich [[Karl-Carstens-Brücke]] (bis 1999 Werderbrücke), verbindet als Straßenbrücke die Stadtteile Hemelingen und Obervieland (Weser-km 362,950). :* Die motorgetriebene [[Hal över|Sielwallfähre]] verbindet die Östliche Vorstadt mit dem Stadtwerder (zwischen Weser und Werdersee). Sie transportiert Fußgänger und Fahrräder (Weser-km 365,400). :* Die heutige Wilhelm-Kaisen-Brücke wurde 1961 als Große Weserbrücke eröffnet (Weser-km 366,670). Über sie führt die in diesem Bereich mittlerweile herabgestufte [[Bundesstraße 75|B 75]]. Nur 50&nbsp;m flussabwärts hatte es seit dem Mittelalter Bremens einzige Brücke über die Weser gegeben (erste Erwähnung 1244). Bis Ende des 19.Jahrhundert musste allerdings die kleine Weser (südlich des Teerhofes) 200&nbsp;m flussabwärts versetzt auf der Brautbrücke überquert werden. Seit 1872 hieß die Weserbrücke „Große Weserbrücke“ (später „Adolf-Hitler-Brücke“ und nach Umbenennung der Kaiser-Wilhelm-Brücke in „Adolf-Hitler-Brücke“, hieß sie dann „Lüderitzbrücke“). 1895 wurde sie ersetzt und bekam eine geradlinige Fortsetzung bis in die Neustadt. :* Die 1993 eröffnete Teerhofbrücke (reine Fußgängerbrücke) und die anschließende Brautbrücke (Fuß und Rad, etwas westlich der historischen Brückenstelle) verbinden die Bremer Altstadt und Neustadt miteinander (Unterweser-km&nbsp;0,400). :* Die Bürgermeister-Smidt-Brücke wurde 1872 als Bremens zweite Straßenbrücke über die Weser gebaut und hieß damals Kaiser-Wilhelm-Brücke. Sie wurde dann in Adolf-Hitler-Brücke umbenannt. 1950–1952 wurde die im Krieg stark beschädigte stählerne Bogenbrücke durch die jetzige Stahl-Balkenbrücke ersetzt (Unterweser-km&nbsp;0,625). :* Die 196&nbsp;m lange Stephanibrücke ist aus dem Jahr 1965 (Überbau oberstrom) bzw. 1967 (Überbau unterstrom) und ersetzte mit dem Ausbau der Verbindung Bremen–Delmenhorst zur Kfz-Straße ([[Bundesstraße 6|B 6]], dann [[Bundesstraße 75|B 75]]) eine amerikanische Behelfsbrücke. Die ursprüngliche Westbrücke wurde 1936–39 an dieser Stelle erbaut und 1945 durch Bomben zerstört. Fuß- und Radverkehr werden hier beiderseits in Höhe der Stahlträger geführt, eine Etage tiefer als der Motorverkehr (Unterweser-km&nbsp;1,250). Dieser Abschnitt der B6 ist (Straßenverkehrszählung 2005) nach der B2R in [[München]] die meistbefahrene Bundesstraße Deutschlands (knapp 100 000 Fahrzeuge pro Tag). :* Die Eisenbahnbrücke der Bahnlinie Bremen–Oldenburg (Weserbahn), die letzte Weserbrücke und bis zum Bau des [[Wesertunnel]]s Dedesdorf die letzte feste Weserquerung, wurde 1867 errichtet, im März 1945 zerstört und bis zum Dezember 1946 wieder notdürftig repariert. Im Mai 1962 ersetzte eine neue Fachwerkbrücke das eingleisige Provisorium aus der unmittelbaren Nachkriegszeit (Unterweser-km&nbsp;1,3759). :* Zwischen dem Lankenauer Höft in Bremen-Rablinghausen und dem Einkaufszentrum Waterfront auf der anderen Weserseite ist eine Fährverbindung geplant. :* Zwischen Bremen-Seehausen und der anderen Weserseite ist ein Tunnelbau im Zuge der A281 in Planung, wodurch der Autobahnring um Bremen geschlossen werden soll. :* Die Fähre zwischen [[Lemwerder]] und [[Bremen-Vegesack]] besteht seit dem 13. Jahrhundert. Sie verkehrt tagsüber im Zehn-Minuten-Takt. Die heutige Motorfähre, das Fährschiff „Vegesack“ wurde 1992 gebaut und befördert bis zu 32&nbsp;PKW. Während der Hauptverkehrszeit wird eine zweite Fähre, das Fährschiff „Lemwerder“ eingesetzt (Unterweser-km&nbsp;20,500). :* Die Verbindung von [[Blumenthal (Bremen)|Bremen-Blumenthal]] nach Motzen wird ganzjährig mit der 1975 in Dienst gestellten Fähre „Rönnebeck“ bedient. 2004 wurde ihr Fassungsvermögen von 22 auf 25&nbsp;PKW erhöht (Unterweser-km&nbsp;22,000). :* Mit der Fähre von Berne nach Bremen-Farge wird die [[Bundesstraße 74|B 74]] über die Weser geführt. Das Fährschiff „Juliusplate“, 1995 gebaut, kann bis zu 26&nbsp;PKW befördern und ist auch für Gefahrgut und Schwerlasttransporte ausgelegt. Zu den Hauptverkehrszeiten wird auch hier eine zweite Fähre eingesetzt, die 1983 gebaute „Berne-Farge“ mit Platz für circa 18&nbsp;PKW (Unterweser-km&nbsp;25,300). :: Die Fähren in Vegesack, Blumenthal und Farge sind seit 1993 zu der Fähren Bremen–Stedingen GmbH, kurz FBS <ref>[http://www.faehren-bremen.de/ Fähren Bremen-Stedingen GmbH]</ref> zusammengeschlossen. [[Datei:Einfahrt-Wesertunnel.jpg|miniatur|Einfahrt in den Wesertunnel]] [[Datei:Fähre-Nordenham.jpg|miniatur|Schnellfähre „Nordenham“ zwischen Nordenham-Blexen und Bremerhaven]] * Von Brake auf die Weserinsel Harriersand und zurück befördert das Motorschiff Guntsiet <ref>[http://www.brake.de/index.php?bereich=6&rubrik=32 Personenfähre Brake–Harriersand, im Sommerhalbjahr mit Fahrplan]</ref> Personen und Fahrräder (Unterweser-km&nbsp;39) * Zwischen Brake-Golzwarden und [[Sandstedt]] transportiert die 1964 gebaute Motorfähre ''Kleinensiel'' bis zu 22 PKW. Sie ist auch für Schwerlastverkehr und Gefahrgut zugelassen. Ihr Betrieb war 2004/5 durch die Konkurrenz des Wesertunnels gefährdet. Nicht nur die Stadt [[Brake (Unterweser)|Brake]] hatte Interesse, sie zu erhalten. Als SBS (Schnellfähre Brake–Sandstedt) <ref>[http://www.weser-faehre.de/ Schnellfähre BrakeSandstedt mit Fahrplan]</ref> privatisiert, fährt sie jetzt gut ausgelastet einen dichteren Takt als vor Tunneleröffnung (Unterweser-km&nbsp;43). * Der [[Wesertunnel]] [[Dedesdorf]]–[[Kleinensiel]] wurde 2004 im Vorgriff einer möglichen Verlängerung der [[Bundesautobahn 22|A 22]] fertiggestellt. Die Fähre Dedesdorf-[[Kleinensiel]] wurde bei Tunneleröffnung eingestellt (Unterweser-km&nbsp;52). * Bremerhaven – Nordenham-Blexen <ref>[http://www.weserfaehre.de/ Weserfähre zwischen Nordenham-Blexen und Bremerhaven mit Fahrplan]</ref>: Die Motorfähre „Bremerhaven“ wurde 1957 gebaut und fasste maximal 40&nbsp;PKW. Sie war mit 56&nbsp;m Länge und 772 [[Bruttoregistertonnen]] die größte Weserfähre und ist inzwischen altersbedingt außer Dienst gestellt worden. Heute verkehren zwischen Bremerhaven und Nordenham-Blexen die Schnellfähren „Nordenham“ und die neue „Bremerhaven“, die jeweils 300 Personen und auch Fahrzeuge bis hin zu Schwertransportern befördern können. Auf der neuen Weserfähre „Bremerhaven“ dürfen nach vorheriger Anmeldung auch Gefahrgüter transportiert werden. Die Weserfähren können auch für Spezialfahrten („Partyschiff“) gechartert werden (Unterweser-km&nbsp;64–66). === Eisenbahnstrecken am Weserlauf === Im Gegensatz zum (Mittel- und Hoch-) Rhein, dessen Flusslauf auf weiten Strecken beidseitig von [[Eisenbahn]]linien begleitet wird, gibt es entlang der Weser keine durchgehende Eisenbahnstrecke. Das Tal der Oberweser war wirtschaftlich weniger interessant und durch seine Grenzlage für die [[Königlich Hannöversche Staatseisenbahnen|Königlich Hannöverschen Staatseisenbahnen]] keine Alternative zur [[Hannöversche Südbahn|Hannöverschen Südbahn]] durch das Leinetal. Trotzdem fehlte von den 1870er bis in die 1980er Jahre an einer durchgehenden Bahnverbindung Kassel–Holzminden durch unteres Diemeltal und Wesertal nur der Kilometer zwischen den damals zwei Karlshafener Bahnhöfen ([[Carlsbahn]] u. Sollingbahn). Auch im ostwestwärts laufenden Talabschnitt unterhalb von Hameln gibt es eine Wesertalbahn. An der Mittelweser existiert ein durchgehender Schienenweg, bestehend aus Teilen der Strecken Hannover–Bremen und Minden–Rotenburg (Wümme) (–Hamburg). Parallel zur Unterweser gibt es beidseits Bahnstrecken, teilweise in mehr als 10&nbsp;km Abstand vom Fluss, da der weiche Marschboden keinen geeigneten Untergrund für Bahntrassen hergab. Wesernahere Lokalbahnen haben dort keinen Personenverkehr mehr oder wurden ganz abgebaut. Folgende Teilstrecken meist kreuzender Bahnlinien verlaufen wesernah: * Strecke: [[Northeim]]–[[Ottbergen (Höxter)|Ottbergen]], Teilstück [[Bodenfelde]]–[[Wehrden (Weser)|Wehrden]] mit Halt in Bodenfelde, Bad Karlshafen und [[Lauenförde]]–[[Beverungen]] („[[Sollingbahn]]“) * Strecke: [[Paderborn]]–[[Altenbeken]]–[[Kreiensen]], Teilstück [[Godelheim]]–Holzminden mit Halt in Godelheim, Höxter, [[Lüchtringen]] und Holzminden („[[Egge-Bahn]]“) * Strecke: Paderborn–Altenbeken–[[Bad Pyrmont]]–[[Hannover]] (Hannoversche S-Bahnlinie), Teilstück Kirchohsen–Hameln mit Halt in Kirchohsen und Hameln * Strecke: Hildesheim–Löhne, Teilstück Hameln–Bad Oeynhausen mit Halt in Hameln, Hessisch Oldendorf, Rinteln, Vlotho und Bad Oeynhausen Süd („[[Weserbahn (Bahnstrecke)|Weserbahn]]“ *) * Strecke: [[Osnabrück]]/[[Dortmund]]–Hannover, Teilstück Bad Oeynhausen–Minden mit Halt in Bad Oeynhausen, Porta Westfalica und Minden * Strecke: Minden–Nienburg–Rotenburg (Wümme), Teilstück Minden–Nienburg–Verden mit Halt in Minden, [[Petershagen-Lahde]], [[Leese]]–[[Stolzenau]], Nienburg, [[Eystrup]], [[Dörverden]] und Verden („[[Weser-Aller-Bahn]]“) * Strecke: Hannover–Bremen, Teilstück Nienburg–Bremen mit Halt in Nienburg, Eystrup, Dörverden, Verden, Langwedel, Etelsen, Baden, Achim und Bremen * Strecke: Bremen–Nordenham, Teilstück Hude–Nordenham mit Halt in Berne, Elsfleth, Brake, Rodenkirchen, [[Kleinensiel]] und Nordenham (*) nicht zu verwechseln mit „Weserbahn“ als historischem Namen der Bahnlinie Bremen-Oldenburg == Weserinseln == * Am Zusammenfluss von Werra und Fulda zur Weser befinden sich in Hann. Münden die Flussinseln [[Tanzwerder]] (mit dem [[Weserstein]]) und [[Doktorwerder]]. * Die beiden Weserinseln ''Schleusenwerder'' und ''Werder'' in [[Hameln]] sind zusammen 800&nbsp;m lang. Auf den Inseln befinden sich Gebäude, die gastronomisch genutzt werden, und eine Schleusenanlage. Bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges arbeiteten dort zwei Getreidemühlen (Fabriken). * Bei [[Landesbergen]] befindet sich in Höhe der Staustufe eine Weserinsel. * Auf der Bremer „Weserinsel“, dem [[Stadtwerder]], liegen das [[Neues Museum Weserburg Bremen|Neue Museum Weserburg]] – das größte Museum für Gegenwartskunst in Deutschland –, die [[Hochschule Bremen|Hochschule für Nautik]], mehrere [[Kleingarten]]gebiete sowie Strandbäder an der Weser und am Werdersee. Der Stadtwerder ist 4,3&nbsp;km lang. Schon seit Jahrhunderten war vom südlichen Weserarm ''[[Kleiner Weser und Werdersee|Kleine Weser]]'' (s.&nbsp;u.) im oberen Teil nur eine Flutrinne übrig. * In [[Bremen]] wurde im Lauf des Mittelalters die untere Spitze der „Weserinsel“ durch Verteidigungsgräben zwischen Weser und Kleiner Weser abgetrennt. So entstanden die Inseln ''Brautwerder'' mit der Bastion „Braut“ und – auf der äußersten Spitze – der [[Teerhof]], im Mittelalter Werftgelände. * Der Werdersee mit der unzugänglichen ''Vogelinsel'' wurde nach der Sturmflut 1962 als Flutrinne neu ausgehoben. Der Erdaushub wurde zur Aufschüttung des Friedhofes ''Huckelriede'' verwendet. Nachdem beim Januarhochwasser 1981 die Generalprobe mit der Ableitung des Schmelzhochwassers durch den oberen Teil der Flutrinne wegen fehlerhafter Auslegung gescheitert war, wurde sie vergrößert und der Werdersee verlängert und außerdem der Stadtwerder auf der Südseite durch einen neuen Sommerdeich geschützt. Der naturähnlich angelegte ''Werderseezuleiter'' für die Frischwasserzufuhr aus der Mittelweser führt durch den Stadtwerder. * Der ''Peterswerder'' am Nordufer der Weser, auf dem heute das [[Weserstadion]] steht, war bis zum Bau des Osterdeichs in den 1880er Jahren durch das Altwasser „Schwarzes Meer“ vom die Weser begleitenden Dünenrücken mit der darauf verlaufenden Landstraße nach Verden getrennt. * Eine kleine und nicht bebaute Weserinsel befindet sich in Bremen zwischen dem Kap-Horn-Hafen und dem Wendebecken Neustadt. Zur Reduzierung des Bewuchses wird die Insel im Sommer von Ziegen beweidet, weshalb sie von der Lokalpresse inzwischen als „Ziegeninsel“ bezeichnet wird.<ref>http://www.duh.de/1830.html</ref> Anfangs war dies lediglich eine Halbinsel, was jedoch zu erheblichen Ablagerungen von Sedimenten in der Hafeneinfahrt führte. Seit dem Durchstich hat sich dieses Problem erledigt. * Gegenüber liegt das mit Pappeln bestandene „[[Shipyard Island (Bremen)|Shipyard Island]]“, eine Insel, die wenige Jahre vor der Schließung der Werft ''AG Weser'' nach Durchstich aus der Hafenmole des Werfthafens entstand. * Die einstige Weserinsel ''Elsflether Sand'' vor [[Elsfleth]] ist seit dem Bau des [[Huntesperrwerk]]s in den 1970er Jahren eine Halbinsel, die vom Weserdeich und einem 3,1&nbsp;km langen Radweg durchzogen wird. Sie ist über den Weserdeich und das [[Huntesperrwerk]] zugänglich. [[Datei:Fähre-Guntsiet.jpg|miniatur|Fähre „Guntsiet“ zwischen Brake und der Insel Harriersand]] * ''[[Harriersand]]'' gegenüber [[Brake (Unterweser)|Brake]]-Harrien ist etwa 11&nbsp;km lang und damit die längste Insel der Weser. Sie ist seit dem Jahr 1830 besiedelt. Vor der zweiten [[Weserkorrektion]] 1924–1932 bestand sie noch aus sieben kleinen, voneinander getrennten Inseln. ''Harriersand'' ist von Brake aus mit der Personenfähre ''Guntsiet'' und von [[Schwanewede|Rade]] aus über eine Straßenbrücke zu erreichen. Diese Insel hat lediglich einen [[Sommerdeich]] auf der Nordseite und auf der Südseite einen der wenigen naturbelassenen Sandstrände an der Weser. Die Häuser liegen wie die Hallighäuser auf einer kleinen Haus[[warft]]. Diese werden bei jeder stärkeren Sturmflut zu Miniinseln. * Vor dem Ort [[Rodenkirchen (Stadland)|Rodenkirchen]] (Gemeinde [[Stadland]]) liegt die ''[[Strohauser Plate]]''. Die als [[Natura 2000]]-Gebiet geschützte Weserinsel dehnt sich in Nord-Süd-Richtung über 6&nbsp;km und in Ost-West-Richtung an der breitesten Stelle über 1,3&nbsp;km aus und darf nur im Rahmen von geführten Exkursionen betreten werden. * Die ehemalige Flussinsel „Tegeler Plate“ im Deichvorland bei [[Dedesdorf]] dient als ökologische [[Kompensation#Ökologie|Kompensationsfläche]] für das [[Containerterminal]] III in Bremerhaven. Zu dem Zweck wurde der [[Sommerdeich]] aus den 1920er Jahren teilweise wieder abgetragen.<ref>[http://www2.bremen.de/web/owa/p_anz_presse_mitteilung?pi_mid=81999&pi_back=p_presse%3Fpi_bereich%3DS%26pi_archiv%3D1 Pressemitteilung von bremenports: Ökologischer Ausgleich für den Bau des Containerterminals III]</ref> * Die ehemalige Flussinsel „[[Luneplate]]“ bei Bremerhaven wurde eingedeicht und gehört nun zum Festland. <!-- dies aus [[Liste deutscher Inseln]] --> Sie war bis dahin die größte Insel in der Weser. Der 1924/25 angelegte Deich wurde in den 1970er Jahren verstärkt, und die Luneplate sollte Gewerbegebiet werden. 2003/04 wurden große Teile wieder vernässt als ökologische Ausgleichsmaßnahme für den Ausbau des [[Containerterminal]]s IV im Norden von Bremerhaven. Normale Tiden strömen jetzt durch [[Siel]]tore bis zum alten Deich. Der neue Deich dient nur noch dem Schutz vor schweren Hochwassern. <ref>[http://www.klimu.uni-bremen.de/Seiten/Seiten1/RGKuestenschutz/relasqku.html Relationsgeflecht Küstenschutz]</ref> * Wesermündung: Die kleinen Inseln ''[[Langlütjen]] I'' und ''Langlütjen II'' gegenüber von Bremerhaven-Weddewarden wurden in den Jahren 1876–1880 als kaiserliche [[Fort]]s ausgebaut. Während beider [[Weltkrieg]]e wurden die Bollwerke mit starken Abwehrgeschützen versehen. Von September 1933 bis Januar 1934 befand sich auf ''Langlütjen II'' ein [[Konzentrationslager]]. * ''Brinkamahöft'' vor Weddewarden, ebenfalls mit einem kleinen Fort, wurde im Zuge das Ausbaus des Containerterminals IVa eingeebnet und in die Hafenfläche einbezogen. * ''Tegeler Plate'' (namensgleich mit der ehemaligen Unterweserinsel bei Dedesdorf) und ''Robbenplate'' sind Sandbänke, also Wattflächen, zwischen den beiden Armen der Außenweser. Kleine Teilflächen sind im Sommer durchweg trocken und dienen den Robben als Ruhefläche und Kinderstube für die ''Heuler''. == Städte == Vom Ursprung der Weser (Zusammenfluss von Fulda und Werra) flussabwärts gesehen: {|align="right" |} {| | width="200" | * [[Hann. Münden]] * [[Bad Karlshafen]] * [[Beverungen]] * [[Höxter]] * [[Holzminden]] * [[Bodenwerder]] * [[Hameln]] * [[Hessisch Oldendorf]] * [[Rinteln]] * [[Vlotho]] * [[Bad Oeynhausen]] | width="200" | * [[Porta Westfalica]] * [[Minden]] * [[Petershagen]] * [[Nienburg/Weser|Nienburg]] * [[Hoya]] * [[Achim (Landkreis Verden)|Achim]] * [[Bremen]] * [[Elsfleth]] * [[Brake (Unterweser)|Brake]] * [[Nordenham]] * [[Bremerhaven]] |} {{Panorama|Wesermuendung.jpg|1800|Wesermündung Süd – West – Nordwest: ganz links der Seedeich des Fischereihafens von Bremerhaven – gegenüber Nordenham-Blexen – ganz rechts die Insel [[Langlütjen]] I}} == Siehe auch == {{Wiktionary|Weser}} {{commons|Weser}} {{commons|Bremen}} {{commons|Bremerhaven}} {{wikisource|Gesetz, betreffend die Erhebung einer Schiffahrtsabgabe auf der Unterweser|Gesetz, betreffend die Erhebung einer Schiffahrtsabgabe auf der Unterweser (1886)}} * [[Liste der längsten Flüsse der Erde]] * [[Liste der Flüsse in Deutschland]] * [[Weserdurchbruch 1981]] * [[Benutzer:Ulamm/Ehemalige Weserfähren|Ehemalige Weserfähren (Projekt)]] * [[Bremen-Mindener Schiffahrts-AG]] == Literatur == === Namensherkunft === * Dieter Berger: ''Geographische Namen in Deutschland.'' Duden-Verlag, Mannheim 1999. * Hans Krahe: ''Sprache und Vorzeit.'' Quelle & Meyer, Heidelberg 1954. (''Zur alteuropäischen Hydronomie.'') * Julius Pokorny: ''Indogermanisches etymologisches Wörterbuch.'' Francke, Bern 1959. === Geologie === * Karsten Meinke: ''Die Entwicklung der Weser im Nordwestdeutschen Flachland während des jüngeren Pleistozäns.'' Diss., Göttingen 1992. Mit Bodenprofilen der Weserstädte. * Ludger Feldmann und Klaus-Dieter Meyer (Hrsg.): ''Quartär in Niedersachsen. Exkursionsführer zur Jubiläums-Hauptversammlung der Deutschen Quartärvereinigung in Hannover.'' DEUQUA-Exkursionsführer, Hannover 1998, S.89ff. * Hans Heinrich Seedorf und Hans-Heinrich Meyer: ''Landeskunde Niedersachsen. Natur und Kulturgeschichte eines Bundeslandes.'' Band 1: ''Historische Grundlagen und naturräumliche Ausstattung.'' Wachtholz, Neumünster 1992, Seite 105ff. * Ludger Feldmann: ''Das Quartär zwischen Harz und Allertal mit einem Beitrag zur Landschaftsgeschichte im Tertiär.'' Papierflieger, Clausthal-Zellerfeld 2002, Seite 133ff und [[passim]]. === Archäologie === * Bremer Archäologische Blätter, Beiheft 2/2000 zur gleichnamigen Ausstellung im Focke-Museum: ''Siedler, Söldner und Piraten, Chauken und Sachsen im Bremer Raum'', © Der Landesarchäologe Bremen, ISSN 0068-0907. * Bremer Archäologische Blätter, Beiheft 3/2004 zur gleichnamigen Ausstellung im Focke-Museum: ''Gefundene Vergangenheit'', Archäologie des Mittelalters in Bremen, © Der Landesarchäologe Bremen, ISBN 3-7749-3233-6. (wg.Geschichte des Weserarms Balge) === Flussgeschichte === * [[Georg Bessell]]: ''Geschichte Bremerhavens.'' Morisse, Bremerhaven 1927, 1989. * Heinz Conradis: ''Der Kampf um die Weservertiefung in alter Zeit''. In: ''Bremisches Jahrbuch.'' Bremen 41.1944. * J. W. A. Hunichs: ''Practische Anleitung zum Deich-, Siel- und Schlengenbau.'' Erster Theil, von den Sielen. Bremen 1770. * ''Die Kanalisierung der Mittelweser''. Herausgegeben von der Mittelweser AG, Carl Schünemann Verlag, Bremen 1960. * Kuratorium für Forschung im Küsteningenieurswesen: ''Die Küste''. In: ''Archiv für Forschung und Technik an der Nord- und Ostsee.'' Boyens, Heide 51.1991. {{ISSN|0452-7739}} === Flussbeschreibung === * [[Karl Löbe]]: ''Das Weserbuch.'' Niemeyer, Hameln 1968. * [[Nils Aschenbeck]], Wolf Dietmar Stock: ''Eine Flussfahrt von der Aller bis zur Nordsee.'' Atelier im Bauernhaus, Fischerhude 1998. ISBN 3-88132-350-3. == Einzelnachweise == <references/> == Weblinks == * [http://www.wsa-verden.wsv.de Wasser- und Schifffahrtsamt Verden] * [http://www.wetteronline.de/pegel/pegelhtml/Weser.htm Pegelstände der Weser] * [http://www.bafg.de/php/PORTAWESERW.htm Pegelstände der letzten 30 Tage – Porta Westfalica] * [http://www.weser.nrw.de Die Umsetzung der EU-Wasserrahmenrichtlinie im Bearbeitungsgebiet der Weser in NRW] * [http://www.wsa-minden.de/td/fbz/index.html Wasser- und Schifffahrtsamt Minden: Fernbedienung der Weserschleusen] * [http://www.wsv.de/wsa-hb/wasserstrassen/wasserstrassen/weser/ Informationen des WSA-Bremen] * [http://www.turmbesteiger.de/w15.htm Aussichtstürme im Weserbergland] * [http://www.skipperguide.de/wiki/Weser Informationen zur Weser auf SkipperGuide] * [http://nds.wikipedia.org/wiki/Werser '''Plattdeutsche Wikipedia'''-Seite zum Stichwort '''Weser'''] {{Navigationsleiste Bundeswasserstraßen}} {{Exzellent}} [[Kategorie:Flusssystem Weser| Weser]] [[Kategorie:Fluss in Europa]] [[Kategorie:Fluss in Bremen]] [[Kategorie:Fluss in Hessen]] [[Kategorie:Fluss in Niedersachsen]] [[Kategorie:Fluss in Nordrhein-Westfalen]] [[Kategorie:Weser| ]] [[Kategorie:Bundeswasserstraße]] [[bg:Везер]] [[br:Weser]] [[ca:Weser]] [[cs:Vezera]] [[cy:Afon Weser]] [[da:Weser]] [[en:Weser]] [[eo:Weser]] [[es:Weser]] [[et:Weser]] [[eu:Weser ibaia]] [[fi:Weser]] [[fr:Weser]] [[fy:Weser]] [[gl:Río Weser]] [[he:וזר]] [[hr:Weser]] [[hu:Weser]] [[id:Sungai Weser]] [[is:Weser]] [[it:Weser]] [[ja:ヴェーザー川]] [[ko:베저 강]] [[la:Visurgis]] [[lb:Weser (Floss)]] [[lt:Vėzeris]] [[lv:Vēzere]] [[nds:Werser]] [[nl:Wezer]] [[nn:Weser]] [[no:Weser]] [[pl:Wezera]] [[pt:Rio Weser]] [[ro:Râul Weser]] [[ru:Везер]] [[simple:Weser]] [[sr:Везер]] [[sv:Weser]] [[uk:Везер]] [[vec:Weser]] [[zh:威悉河]] gc2aij53g33s1xbplzg5y5e1lpg5gw4 wikitext text/x-wiki Wespenbussard 0 24506 27108 2010-01-23T10:18:17Z TobeBot 0 Bot: Ergänze: [[mn:Балч гоорбис]] <!-- Für Informationen zum Umgang mit dieser Tabelle siehe bitte [[Wikipedia:Taxoboxen]]. --> {{Taxobox | Taxon_Name = Wespenbussard | Taxon_WissName = Pernis apivorus | Taxon_Rang = Art | Taxon_Autor = ([[Carl von Linné|Linnaeus]], 1758) | Taxon2_Name = Wespenbussarde | Taxon2_WissName = Pernis | Taxon2_Rang = Gattung | Taxon3_Name = | Taxon3_WissName = Perninae | Taxon3_Rang = Unterfamilie | Taxon4_Name = Habichtartige | Taxon4_WissName = Accipitridae | Taxon4_Rang = Familie | Taxon5_Name = Greifvögel | Taxon5_WissName = Falconiformes | Taxon5_Rang = Ordnung | Taxon6_Name = Vögel | Taxon6_WissName = Aves | Taxon6_Rang = Klasse | Bild = Pernis apivorus i080515 w ad 080519.jpg (4).jpg | Bildbeschreibung = Wespenbussard (''Pernis apivorus''), Weibchen }} Der '''Wespenbussard''' (''Pernis apivorus'') ist eine [[Vögel|Vogelart]] aus der [[Familie (Biologie)|Familie]] der [[Habichtartige]]n (Accipitridae). Die Art ist etwa so groß wie ein [[Mäusebussard]] und besiedelt den größten Teil Europas und das westliche Asien. Der deutsche Name bezieht sich auf die besondere Nahrung, die vor allem aus der Brut [[Echte Wespen|sozialer Faltenwespen]] der Gattung ''[[Vespula]]'' besteht. Der Wespenbussard zeigt in Anpassung an diese spezielle Nahrung zahlreiche [[Morphologie (Biologie)|morphologische]] und [[Phänologie|phänologische]] Besonderheiten, so sind die Nasenlöcher schlitzförmig, insbesondere das Kopfgefieder ist sehr steif und die Füße sind für eine grabende Tätigkeit optimiert. Die Art kommt erst sehr spät aus dem afrikanischen Winterquartieren zurück, so dass die Jungenaufzucht in die Zeit der größten Häufigkeit von Wespen im Hochsommer fällt. Der Wespenbussard gilt weltweit als nicht gefährdet. == Beschreibung == [[Datei:Wespenbussard von Jo Kurz.jpg|right|thumb|300px|Heller, männlicher Wespenbussard im Flug. Die arttypische Bänderung der Steuerfedern und der dunkle Fleck am Flügelbug sind gut erkennbar]] Wespenbussarde sind etwas größer als [[Mäusebussard]]e, sie sind auch langflügeliger und langschwänziger als diese Art, aber im Mittel etwas leichter. Die Körperlänge beträgt 50–60&nbsp;cm, wovon 21–27&nbsp;cm auf den Schwanz entfallen. Die Flügelspannweite beträgt 118–144&nbsp;cm. Der reverse [[Geschlechtsdimorphismus]] bezüglich der Größe ist sehr gering; Männchen erreichen 94 % der Größe der Weibchen. Männchen aus Mitteleuropa haben [[Flügellänge]]n zwischen 383 und 441&nbsp;mm, im Mittel 409&nbsp;mm, Weibchen aus diesem Gebiet messen 397–430&nbsp;mm, im Mittel 415&nbsp;mm. Repräsentative Daten zum Gewicht liegen bisher offenbar kaum vor, im August wogen Männchen aus Europa 790–943&nbsp;g, im Mittel 836&nbsp;g; Weibchen 790–1050&nbsp;g, im Mittel 963&nbsp;g. Bei adulten Vögeln ist die gesamte Oberseite fast einfarbig braun. [[Handschwinge|Hand-]] und [[Armschwinge]]n sowie der [[Steuerfeder|Stoß]] zeigen eine breite, dunkle Endbinde und außerdem zwei weitere, schmalere, dunkle Binden; die eine nahe der Basis und die zweite etwa auf Höhe des ersten Drittels der Federn. Die Unterseite ist erheblich variabler. Bei den meisten Vögeln sind Körper und alle Unterflügeldecken auf weißlichem Grund grob mittelbraun bis beigebraun quergebändert. Davon deutlich abgesetzt sind die weißlich grauen Schwingen und die ebenso gefärbte Schwanzunterseite. Die dunklen Binden der Schwingen und des Schwanzes sind wesentlich auffälliger als auf der Oberseite. Die selteneren farblichen Extreme sind Vögel mit sehr dunkler, dunkelbrauner Unterseite und unterseits cremefarbene bis fast weiße Vögel. In allen Färbungsvarianten zeigt die Art jedoch die dunklen Binden auf Schwanz und Schwingen sowie einen großen dunklen Bugfleck an der Vorderkante des Unterflügels, letzterer ist bei hellen Vögeln sehr auffällig. Adulte männliche Tiere haben in der Regel einen blaugrau gefärbten Kopf, bei Weibchen ist der Kopf wie die übrige Oberseite meist braun. [[Datei:Junger Wespenbussard Porträit.jpg|right|200px|thumb|Portrait eines fast flüggen Wespenbussards]] Das über dem Auge liegende [[Supraorbitalschild]] ist kaum ausgebildet, so dass der Kopf taubenähnlich wirkt. Die [[Iris (Auge)|Iris]] ist gelb. Der relativ kleine und schlanke Schnabel ist schwarzgrau, die [[Wachshaut]] dunkelgrau. Die Beine sind ebenfalls gelb, die Krallen sind schwarz. Im Flug sind die Flügelenden deutlich gerundet, der Flügelhinterrand ist leicht s-förmig geschwungen. Die Schwanzlänge entspricht etwa der Flügelbreite, die Schwanzecken sind gerundet. Beim Kreisen werden die Flügel waagerecht gehalten, im Gleitflug meist leicht nach unten gebogen. Jungvögel unterscheiden sich bis zur ersten [[Mauser (Vögel)|Mauser]] deutlich von den adulten Tieren. Der Rumpf ist bei dunklen Vögeln einfarbig, bei hellen Vögeln vor allem auf Hals und Brust kräftig gefleckt oder gestrichelt. Flügel und Schwanz zeigen wie bei adulten Vögeln drei Binden, die Endbinde ist jedoch deutlich schmäler. Sowohl Schwanz als auch Schwingen sind zusätzlich mehr oder weniger regelmäßig dicht dunkel quergebändert, so dass die drei Binden insgesamt viel weniger auffallen. Die Wachshaut ist gelb, die Iris dunkelbraun. Der Wespenbussard zeigt in Anpassung an seine hochspezialisierte Ernährung einige besondere Merkmale, die ihn von allen anderen europäischen Greifvögeln unterscheiden. Der Schnabel ist für das Herausziehen von Wespenlarven aus [[Wabe]]n optimiert. Er ist relativ lang und schmal, der Oberschnabel ist nur schwach gekrümmt. Zum Schutz vor Stichen sind die Nasenlöcher schmal und schlitzförmig, das Gefieder am Kopf ist schuppenartig und vor allem in der Augenumgebung sehr dicht und steif. Die Beine sind vor allem für das Graben im Boden optimiert. Der [[Tarsometatarsus]] ist kurz und sehr kräftig, dessen unbefiederter Teil ist sehr dick beschuppt. Die Krallen sind kaum gebogen. == Lautäußerungen == Insgesamt sind Wespenbussarde im Vergleich zu anderen mitteleuropäischen Greifvogelarten auffallend still. Der noch am häufigsten zu hörende Balzruf ist ein mehrsilbiges, flötendes Wimmern oder Pfeifen, das etwa mit „bliüi-joid-joid“, „gliüü-hü-hü-hü-hü-ü“ oder „flieuw“ wiedergegeben werden kann. Dieser Ruf wird bei Balzflügen geäußert, aber auch bei Erregung oder Bedrohung. Noch seltener wahrgenommen wird ein vergleichsweise leiser, klappernder und in der Tonhöhe variierender „Rasselruf“, der vor allem bei der Ablösung des Partners am Nest eingesetzt wird. Ebenfalls im Gegensatz zu den meisten anderen mitteleuropäischen Greifvogelarten sind auch junge Wespenbussarde nach dem Ausfliegen fast stumm. Nur wenn ein Altvogel mit Futter zum Horst kommt, rufen die Jungvögel gelegentlich und auch dann nur maximal etwa eine Minute lang. Diese Bettelrufe ähneln den Balzrufen der Altvögel. == Verbreitung == [[Datei: Pernis apivorus distr.png|thumb|200px|Verbreitung des Wespenbussards; Brutverbreitung (orange) und Überwinterungsgebiete (blau)]] Die Art bewohnt ein relativ kleines Areal in der westlichen [[Paläarktische Region|Paläarktis]]. Das Verbreitungsgebiet umfasst den größten Teil Europas sowie das südwestliche [[Sibirien]]. Die östliche Arealgrenze ist bisher nicht genau bekannt, sie wird im Gebiet [[Tomsk]] – [[Nowosibirsk]] – [[Barnaul]] vermutet. Der Wespenbussard fehlt im atlantisch geprägten äußersten Westen und im Norden Europas. In [[Großbritannien (Insel)|Großbritannien]] kommt die Art nur im Süden und Osten sowie lokal im Osten [[Schottland]]s vor; die weitere nordwestliche beziehungsweise nördliche Verbreitungsgrenze verläuft durch das südöstliche [[Norwegen]], [[Schweden|Mittelschweden]] und [[Finnland|Mittelfinnland]] und dann in [[Russland]] etwa zwischen 61° und 63° Nord. Die südliche Verbreitungsgrenze verläuft durch [[Spanien|Zentralspanien]], [[Italien|Süditalien]] und durch den Süden [[Griechenland]]s. Weiter östlich teilt sich das Verbreitungsgebiet unter Umgehung der zentralasiatischen Steppenregion in einen nördlichen und einen südlichen Teil. Die südliche Grenze des großflächigen nördlichen Teilareals folgt nach Norden der Westküste des [[Schwarzes Meer|Schwarzen Meeres]]. Der weitere Verlauf der Südgrenze ist dort ebenfalls nicht genau geklärt, sie verläuft vermutlich entlang einer Linie [[Wolgograd]] – [[Oral (Stadt)|Uralsk]] – [[Omsk]] bis in das nördliche Vorland des [[Altai]]. Das relativ schmale südliche Teilareal erstreckt sich am Nordrand der [[Türkei]] entlang und vom Ostufer des Schwarzen Meeres bis zum [[Kaukasus]] und bis in den Norden des [[Iran]]. Das Verbreitungsgebiet des Wespenbussards umfasst damit im wesentlichen die gemäßigte Zone des subkontinentalen bis kontinental geprägten Europas und des westlichsten Asien. == Systematik == Für die Art werden keine Unterarten unterschieden. Einige Autoren betrachteten den sehr ähnlichen [[Schopfwespenbussard]] (''Pernis ptilorhynchus'') als Unterart des Wespenbussards, diese Zuordnung akzeptierten aufgrund morphologischer Unterschiede jedoch weder Glutz von Blotzheim et al.<ref>U. N. Glutz v. Blotzheim und K. M. Bauer & E. Bezzel: ''Handbuch der Vögel Mitteleuropas''. Bd. 4., 2. Aufl., AULA-Verlag, Wiesbaden, 1989: S. 59</ref> noch Ferguson-Lees & Christie<ref name="Ferguson-Lees">J. Ferguson-Lees, D. A. Christie: ''Raptors of the World.'' Christopher Helm, London, 2001. ISBN 0-7136-8026-1: S. 345</ref>. Eine molekulargenetische Untersuchung der Gattung ''Pernis'' bestätigte diese Auffassung, die beiden Arten stellen demnach auch keine [[Schwestertaxon|Schwestertaxa]] dar.<ref> A. Gamauf and E. Haring: ''Molecular phylogeny and biogeography of Honey-buzzards (genera Pernis and Henicopernis)'' J. Zool. Syst. Evol. Research 42, 2004: S. 145–153</ref> == Lebensraum == Der Wespenbussard bewohnt zumindest teilweise bewaldete Landschaften aller Art; bevorzugt werden Waldbereiche, die durch Lichtungen oder abwechslungsreiche Ränder strukturiert sind oder die in der Nähe zu abwechslungsreichen Feuchtgebieten liegen. Das regelmäßige Vorkommen reicht vom Flachland bis in die montane Stufe, höchste Brutnachweise erfolgten in den [[Alpen]] auf etwa 1500&nbsp;m. == Ernährung == [[Datei:Vespula vulgaris.jpg|thumb|250px|Eingang zu einem Erdnest der [[Gemeine Wespe|Gemeinen Wespe]]. Nester dieser Wespe werden von Wespenbussarden häufig ausgegraben.]] Der Wespenbussard ist hinsichtlich seiner Ernährung hochspezialisiert und nimmt in dieser Hinsicht eine Sonderstellung unter den europäischen Greifvögeln ein. Er ernährt sich zumindest im Brutgebiet ganz überwiegend von der Brut sozialer [[Faltenwespen]] der Gattung ''[[Vespula]]'', in Mitteleuropa vor allem von Brut der [[Deutsche Wespe|Deutschen Wespe]] und der [[Gemeine Wespe|Gemeinen Wespe]]. Die wesentliche Suchstrategie ist das ausdauernde Sitzen in Bäumen unterhalb der Baumkrone in aufgelockerten Wäldern, an Waldrändern und an ähnlichen, offenen Strukturen. Dabei sucht der Greifvogel vermutlich nach fliegenden Wespen, die in Bodennähe verschwinden. Die gefundenen Nester gräbt er dann aus, zerstört das Nest und transportiert die Waben mit Larven und Puppen stückweise zum eigenen Nest, bis alle Waben ausgebeutet sind. Während des Grabens schließt der Wespenbussard seine Augen; die vor allem am Kopf sehr dichten Federn schützen den Vogel vor Stichen. Neben Wespennestern werden auch die Nester von [[Hummeln]] ausgegraben. Kleine Wirbeltiere spielen vor allem in nassen und kühlen und damit wespenarmen Sommern eine wichtige Rolle, am häufigsten erbeutet der Vogel Frösche der Gattung ''[[Echte Frösche (Gattung)|Rana]]'' – sowohl „Grünfrösche“ ([[Teichfrosch|Teich-]], [[Seefrosch|See-]] und [[Kleiner Wasserfrosch]]) als auch [[Grasfrosch|Gras-]] und [[Moorfrosch|Moorfrösche]]. Auch nestjunge Vögel gehören regelmäßig zu seiner Beute. Nach Magenuntersuchungen umfasst das Nahrungsspektrum neben diesen Hauptbeutetieren aber auch [[Reptilien]] sowie ein breites Spektrum von vor allem bodenbewohnenden Wirbellosen; viele dieser Arten fängt der Wespenbussard offenbar bei ausgedehnten Jagden zu Fuß. Kleine [[Säugetiere]] wie [[Mäuse]] sind hingegen seltene Ausnahmebeute. == Raumnutzung und Siedlungsdichte == Bisher liegt nur eine Untersuchung zur Größe des [[Aktionsraum]]es in der Brutzeit mit Hilfe von [[Telemetrie]]sendern vor. In den Jahren 1993–1995 wurden in [[Schleswig-Holstein]] zwei Männchen und zwei Weibchen besendert. Die beiden Männchen beflogen eine Fläche von 17,0&nbsp;km² und 22,0&nbsp;km². Sie zeigten deutliches Territorialverhalten, die durch Revierflüge markierte Fläche war jedoch deutlich kleiner und umfasste nur etwa 6,4&nbsp;km² bzw. 3,8&nbsp;km². Die beiden Weibchen nutzten etwa doppelt so große Flächen wie die Männchen, die beflogenen Areale waren 43,5&nbsp;km² bzw. 45,0&nbsp;km² groß. Die Weibchen zeigten kaum Territorialverhalten und ihre Aktionsräume überschnitten sich großräumig mit denen von Artgenossen.<ref>F. Ziesemer: ''Raumnutzung und Verhalten von Wespenbussarden (Pernis apivorus) während der Jungenaufzucht und zu Beginn des Wegzuges – eine telemetrische Untersuchung.'' Corax 17, 1997: S. 19–34</ref> Zur Siedlungsdichte liegen nur wenige Angaben vor. Auf einer 640&nbsp;km² großen Fläche in Nordrhein-Westfalen wurden zwischen 1976 und 1998 13–46 Paare gefunden, was 2,0 bis 7,2 Paaren/100&nbsp;km² entspricht, wobei die Siedlungsdichte eine stark abnehmende Tendenz aufwies.<ref>Arbeitsgruppe Greifvögel Nordrhein-Westfalen der NWO: ''Die Bestandsentwicklung und der Bruterfolg des Wespenbussards (Pernis apivorus) in Nordrhein-Westfalen von 1972–1998 mit Angaben zu Revierverhalten, Mauser und Beringungsergebnissen.'' Charadrius 36, 2000: S. 58–79.</ref> Für die [[Niederlande|holländische]] Provinz [[Drenthe]] wurden zwischen 1980 und 1991 etwa 80 Paare ermittelt, entsprechend 2,0 Paaren/100&nbsp;km².<ref>R. G. Bijlsma: ''Ecologische Atlas van de Nederlandse Roofvogels''. Schuyt & Co, Haarlem, 1993: S. 63</ref> == Fortpflanzung == === Balz und Nestbau === Nach der Ankunft im Brutrevier balzt das Männchen insbesondere im Mai und dann wieder ab Mitte Juli und im August. Der spektakuläre Balzflug besteht aus langen Flügen in eine Richtung, die plötzlich in einen flachen Wellenflug übergehen. Jeweils am höchsten Punkt einer „Welle“ streckt das Männchen die Flügel nach oben und schlägt sie 4–10 mal über dem Rücken fast zusammen, dies wird oft als „Schmetterlingsflug“ bezeichnet. Dabei wird häufig gerufen. Dieser Balzflug findet sowohl über dem Horstbereich statt als auch bis zu mehreren Kilometer von diesem entfernt und dient vermutlich sowohl der Paarbindung als auch der Abgrenzung von Nahrungsterritorien gegen Artgenossen. Das Nest wird fast immer im größten jeweils verfügbaren Wald und möglichst weit von dessen Rändern entfernt errichtet. Zur Nestanlage werden Bäume aller Art genutzt. Die genutzten Bäume sind häufig eher schwächere Individuen des Bestandes. Das Nest wird in der Baumkrone häufig so angelegt, dass es sowohl von oben als auch von unten gut gegen Sicht geschützt ist, bei schwächeren Bäumen nah am Stamm, bei dickstämmigen Bäumen häufig auf einem schwächeren Seitenast. Beide Geschlechter bauen. Vor allem neugebaute Nester sind für einen Vogel dieser Größe auffallend klein, ihr Durchmesser beträgt 65–90&nbsp;cm und die Höhe 25–40&nbsp;cm. Spätestens mit Beginn der Brutzeit und dann bis zum Ausfliegen der Jungvögel werden die meisten Nester ständig mit belaubten Zweigen belegt; durch die über den Rand hängenden Zweige ist das Nest oft leicht schirmförmig. [[Datei:Pernis apivorus juv. 080718.jpg|thumb|250px|Nest mit zwei jungen Wespenbussarden (28 und 30 Tage alt). Die sehr intensive Begrünung ist gut erkennbar]] === Gelege und Aufzucht der Jungvögel === Der Wespenbussard zählt in Europa zu den ausgesprochen spät brütenden Greifvogelarten. Die Eiablage erfolgt in Mitteleuropa frühestens Mitte, meist jedoch erst ab Ende Mai bis Mitte Juni. Bei einer Untersuchung in den Niederlanden wurde als frühester Legebeginn der 19. Mai und als spätester Legebeginn der 14. Juni festgestellt, im Mittel fiel der Legebeginn auf den 1. Juni.<ref>R. G. Bijlsma: ''Ecologische Atlas van de Nederlandse Roofvogels''. Schuyt & Co, Haarlem, 1993: S. 73</ref> Die Gelege bestehen ganz überwiegend aus zwei Eiern, selten aus nur einem und sehr selten aus drei Eiern. In den Niederlanden bestanden von insgesamt 42 Gelegen 39 aus 2 Eiern; zweimal wurden ein Ei und einmal drei Eier gefunden.<ref>R. G. Bijlsma: ''Ecologische Atlas van de Nederlandse Roofvogels''. Schuyt & Co, Haarlem, 1993: S. 74</ref> Die recht rundlichen Eier messen in Mitteleuropa im Mittel 49,8 × 40,8&nbsp;mm und wiegen im Mittel etwa 45&nbsp;g. Die Eier sind auf weißlichem bis hellbräunlichem Grund sehr intensiv variabel rotbraun bis schwarzbraun verwaschen gefleckt. Häufig ist die Fleckung so ausgedehnt, dass die Grundfarbe kaum noch erkennbar ist. Die Brutzeit beträgt etwa 34 Tage. Beide Partner brüten, lösen sich ab und gehen unabhängig voneinander auf Nahrungssuche. Etwa in den ersten drei Wochen nach dem Schlupf der Jungen beschafft das Männchen den überwiegenden Teil der Nahrung, danach beteiligt sich auch das Weibchen immer stärker an der Nahrungssuche, wobei im Normalfall immer ein Partner am Nest bleibt. Die angebrachten Waben werden vom Altvogel Zelle für Zelle mit dem Schnabel geleert und die Larven und Puppen einzeln an die Jungvögel verfüttert. Die Jungvögel können mit 16–20 Tagen stehen, im Alter von etwa vier Wochen erwacht bei ihnen der Scharrtrieb; sie graben dann das Nestmaterial um. In auffallendem Gegensatz zu allen anderen europäischen Greifvogelarten koten die Jungvögel nicht so früh wie möglich über den Nestrand, so dass auf dem Boden unter dem Nest auch bei älteren Jungvögeln nur wenige Kotspritzer zu finden sind. Der Kot wird stattdessen in bestimmten Bereichen auf dem Nestrand abgelegt und bildet dort kleine Häufchen. Nach etwa 44 Tagen werden die Jungvögel flügge, sie werden bis zum Abzug der Altvögel auf dem Nest mit Futter versorgt. == Geschlechtsreife und Lebensalter == Wespenbussarde sind im zweiten Lebensjahr ausgefärbt und dann vermutlich auch geschlechtsreif. Über das Durchschnittsalter freilebender Wespenbussarde ist nichts bekannt, das durch Beringung nachgewiesene Maximalalter betrug fast 29 Jahre (28 Jahre, 10 Monate, 27 Tage).<ref>U. N. Glutz v. Blotzheim und K. M. Bauer & E. Bezzel: ''Handbuch der Vögel Mitteleuropas''. Bd. 4., 2. Aufl., AULA-Verlag, Wiesbaden, 1989: S. 75</ref> == Wanderungen == Der Wespenbussard ist [[Langstreckenzieher]], die gesamte Population überwintert in Afrika südlich der [[Sahara]]. Wespenbussarde halten sich in Europa etwa von Anfang Mai bis Ende August auf, also nur etwa vier Monate. Sie sind als Thermikzieher ausgesprochene [[Schmalfrontzieher]], größere Meere werden an den schmalsten Stellen überflogen. Der Zug konzentriert sich daher auf die bekannten Schwerpunkte des Vogelzuges in Europa und im Nahen Osten. === Herbstzug === Die skandinavische Population zieht im Herbst über [[Falsterbo]], dort zogen im Herbst von 1973–1990 im Mittel jährlich 4704 Wespenbussarde nach Süden. Der Wegzug beginnt dort in der zweiten August[[Dekade (Begriffsklärung)|dekade]]. Der Hauptdurchzug findet in der letzten August- und der ersten Septemberdekade statt und läuft dann schnell aus. Maximal wurden in Falsterbo an einem Tag 2240 Wegzügler beobachtet. Letzte Durchzügler werden dort Ende September oder Anfang Oktober beobachtet. <ref>L. Karlsson: ''Birds at Falsterbo.'' Lund 1993. ISBN 91-86572-20-2: S. 46, 124 </ref> Nach Alter differenzierte Beobachtungen in den Jahren 1986–1990 ergaben dort ein etwas anderes Bild. Der Wegzug der Altvögel war schon in der ersten Augustdekade im Gange und beginnt wohl schon Ende Juli. Der [[Median]] des Wegzuges der Altvögel fiel auf den 27. August, letzte adulte Durchzügler wurden Mitte September beobachtet. Der Wegzug der Jungvögel begann erst Ende August, der Wegzugmedian fiel auf den 11. September, war also 15 Tage später als jener der Altvögel. Die letzten Jungvögel ziehen in der ersten Oktoberdekade.<ref>N. Kjellén: ''Differential timing of autumn migration between sex and age groups in raptors at Falsterbo, Sweden.'' Ornis Scandinavica 23, 1992: S. 420–434 </ref> Ebenso wie die skandinavischen Vögel zieht auch der größte Teil der west- und mitteleuropäischen Population nach Südwesten und verlässt Europa über [[Gibraltar]], maximal wurden hier im Herbst 1972 117.000 Durchzügler gezählt.<ref>D. Forsman: ''The Raptors of Europe and the Middle East – A Handbook of Field Identification''. T & A D Poyser, London, 1999.: S. 30. </ref> Der Hauptdurchzug findet dort in den ersten beiden Septemberdekaden statt, Mediandatum des Wegzuges war hier in den Jahren 1967–1970 der 5. September.<ref name="pre572-585">P. R. Evans & G. W. Lathbury: ''Raptor migration across the straits of Gibraltar.'' Ibis 115, 1973: S. 572–585</ref> Nur ein kleiner Teil überquert das Mittelmeer auf der Route [[Sizilien]] – [[Cap Bon]]. Ein Teil der osteuropäischen Population zieht nach Südosten über den [[Bosporus]]; zwischen 1966 und 1972 wurden dort maximal 25.000 Durchzügler pro Herbst gezählt.<ref>B. Acar, M. Beaman & R. F. Porter: ''Status and Migration of Birds of Prey in Turkey.'' In: R. D. Chancellor (Hrsg.): ''World Conference on Birds of Prey. Vienna, 1–3 October, 1975. Report of Proceedings.'' International Council for Bird Preservation, Hampshire, 1977: S. 182–187.</ref> Der weitere Zug verläuft dann entlang der östlichen Mittelmeerküste über die östliche [[Türkei]], [[Syrien]], den [[Libanon]] und [[Israel]] nach Afrika. Der überwiegende Teil der osteuropäischen und westasiatischen Wespenbussarde zieht jedoch an der Ostküste des [[Schwarzes Meer|Schwarzen Meeres]] entlang nach Süden, dann durch den Osten der Türkei und ebenfalls über [[Syrien]], den [[Libanon]] und [[Israel]] nach Afrika. Die weltweit größte Konzentration ziehender Wespenbussarde wird daher über [[Israel]] beobachtet. In [[Kefar Kassem]] nördlich von [[Tel Aviv]] wurden von 1982–1987 im Herbst im Mittel 337.000 Durchzügler erfasst<ref>E. Dovrat: ''The Kefar Kassem Raptor Migration Survey, Autumns 1977–1987: a brief summary.'' In: D. Yekutiel (Hrsg.): ''Raptors in Israel: Passage and wintering populations.'' Eilat, 1991: S. 13–30</ref>, in den weiter nördlich gelegenen „Northern Valleys“ wurden von 1988–1990 im Mittel 370.000 Durchzügler pro Herbst mit Tagessummen von bis zu 84.000 Individuen gezählt.<ref> A. Tsovel & D. Allon: ''Soaring bird migration survey in the Northern Valleys of Israel, Autumns 1988–1990.'' In: D. Yekutiel (Hrsg.): ''Raptors in Israel: Passage and wintering populations.'' Eilat, 1991: S. 31–45</ref> Um individuelle Zugwege verfolgen zu können, wurden in Schweden in den Jahren 1997–2000 Wespenbussarde mit [[Satellitentelemetrie]]sendern versehen. Dabei konnten deutlich unterschiedliche Zugstrategien von adulten und juvenilen Vögeln festgestellt werden.<ref>M. Hake, N. Kjellén & T. Alerstam: ''Age-dependent migration strategy in honey buzzards Pernis apivorus tracked by satellite.'' Oikos 103, 2003: S. 385–396</ref> Fünf adulte Vögel zogen zwischen dem 16. August und dem 7. September, im Mittel am 23. August, aus dem Brutgebiet ab, ein weiterer, verletzt gefundener Vogel 11 Tage nach seiner Freilassung am 15. September. Fünf Vögel verließen Schweden über Falsterbo, der sechste Vogel überquerte die Ostsee weiter östlich. Alle sechs Vögel zogen dann in einem relativ schmalen Korridor nach SW durch Deutschland, Frankreich und Spanien, überquerten das Mittelmeer bei Gibraltar und zogen dann über die westliche [[Sahara]] weiter nach Süden. Die fünf vor dem Abzug gesunden Vögel trafen zwischen 21. September und 21. Oktober, im Mittel am 5. Oktober, in ihren westafrikanischen Winterquartieren zwischen [[Sierra Leone]] und [[Kamerun]] ein. Drei Jungvögel zogen erst zwischen dem 5. und 15. September ab, im Mittel am 12. September, und flogen mehr oder weniger direkt nach Süden. Ein Vogel überquerte das Mittelmeer weit östlich von Gibraltar etwa auf Höhe der [[Balearische Inseln|Balearen]] und erreichte Afrika in [[Algerien]], zwei weitere Vögel zogen über das zentrale Mittelmeer oder über [[Italien]] und erreichten Afrika bei Cap Bon in [[Tunesien]]. Von ihrem Ankunftsort in Afrika zogen die Jungvögel dann über die Zentralsahara weiter nach Süden. Auf ihrem Zug legten die Jungvögel bis zu 16 Tage lange Pausen ein und erreichten dieselben Winterquartiere wie die adulten Vögel daher erst zwischen dem 11. und 13. November, also im Mittel 37 Tage nach den Altvögeln. [[Datei:Wespenbussard Pernis apivorus by A. Görtler edit2.jpg|thumb|Männlicher Wespenbussard im Flug]] === Winterquartier === Bis einschließlich 1996 lagen von in West- und Mitteleuropa sowie in [[Skandinavien]] und [[Finnland]] nestjung beringten Wespenbussarden 54 Funde aus den Winterquartieren vor. Diese Wiederfunde erfolgten alle in der Zone des Tropischen Regenwaldes südlich der Sahara von [[Sierra Leone]] im Westen bis in die [[Demokratische Republik Kongo]] in Zentralafrika.<ref>H. Schmid: ''Getrennte Wege: Der Herbstzug von juvenilen und adulten Wespenbussarden Pernis apivorus – eine Synthese.'' – Ornithol. Beob. 97, 2000: S. 191–222.</ref> Nach Sichtbeobachtungen überwintert die Art jedoch auch im gesamten übrigen Afrika südlich der Sahara, möglicherweise überwintern hier vor allem Vögel aus den östlichen Teilen des Verbreitungsgebietes, die Afrika überwiegend von Nordosten erreichen. === Frühjahrszug === Vorjährige Vögel werden in Europa nur sehr selten beobachtet, diese Vögel übersommern in ihrem ersten Lebensjahr also wohl überwiegend in den Winterquartieren. Wann die adulten Wespenbussarde aus ihren afrikanischen Winterquartieren abziehen, ist bisher nicht bekannt. Über Gibraltar beginnt der Heimzug zögerlich um den 20. April, erreicht Anfang Mai den Höhepunkt und läuft dann sehr schnell aus; mit letzten Heimzüglern Anfang Juni. Median des Heimzuges ist dort der 11. Mai.<ref name="pre572-585"/> Der größte Teil der Ostzieher verlässt Afrika an dessen Nordostspitze, umfliegt das [[Rotes Meer|Rote Meer]] am Nordende bei [[Elat]] und zieht dann weiter nach Norden und Nordosten. Der zeitliche Verlauf des Zuges über Elat ähnelt mit ersten Durchzüglern im April dem über Gibraltar, der Zug kulminiert dort ebenfalls Anfang Mai und läuft dann Ende Mai bereits aus. Ähnlich wie auf dem Herbstzug über Kefar Kassem zogen hier im Mittel der Jahre 1977–1988 rund 363.000 Individuen pro Frühjahr durch, maximal wurden im Frühjahr 1985 852.000 Heimzügler beobachtet.<ref> H. Shirihai & D. Yekutiel: ''Raptor migration at Eilat – Spring 1988.'' In: D. Yekutiel (Hrsg.): ''Raptors in Israel: Passage and wintering populations.'' Eilat, 1991: S. 2–12</ref> In Mitteleuropa trifft die Art frühestens Ende April in den Brutgebieten ein, meist jedoch erst Anfang bis Mitte Mai. == Bestandsentwicklung und Gefährdung == Großräumige Bestandserfassungen sind bei dieser Art aufgrund der späten Ankunft in den Brutgebieten und der sehr heimlichen Lebensweise sehr schwierig und liegen daher kaum vor; die folgenden Bestandsangaben stellen daher nur grobe Schätzungen dar. Für Deutschland wurden um das Jahr 2002 4000–4900 Paare angegeben, für Österreich etwa 1500 und für die Schweiz Mitte der 1990er Jahre 400–600 Paare. Der Gesamtbestand in Europa und Vorderasien wurde um 2000 auf etwa 130.000 Paare geschätzt. Da maximal jedoch allein in Elat 852.000 Heimzügler erfasst wurden (s. o.), was etwa 425.000 Paaren entsprechen würde, ist selbst bei Berücksichtigung der in der obigen Gesamtzahl nicht enthaltenen sibirischen Population von einer erheblichen Unterschätzung des Bestandes auszugehen.<ref>T. Mebs & D. Schmidt: ''Die Greifvögel Europas, Nordafrikas und Vorderasiens''. Franckh-Kosmos, Stuttgart 2006. ISBN 3-440-09585-1: S. 143–145</ref> Der Bestand in [[Deutschland]] insgesamt gilt nach der [[Rote Liste gefährdeter Arten|Roten Liste]] als ungefährdet, in Sachsen-Anhalt wird die Art jedoch als „gefährdet“ eingestuft. Auch weltweit gilt der Wespenbussard laut [[IUCN]] als ungefährdet („Least Concern“). Wie alle europäischen Greifvogelarten ist auch der Wespenbussard über die [[Vogelschutzrichtlinie]] nach Anhang I und die Berner Konvention „streng geschützt“. Er ist nach dem [[Washingtoner Artenschutzübereinkommen]] beziehungsweise der „EG-VO Nr. 338/97 zur Umsetzung der Washingtoner Artenschutzübereinkommens“ und nach der [[Bonner Konvention]] geschützt. == Quellen == === Einzelnachweise === <references/> === Literatur === * R. G. Bijlsma: ''Ecologische Atlas van de Nederlandse Roofvogels.'' Schuyt & Co, Haarlem, 1993. ISBN 90-6097-348-8 * U. N. Glutz v. Blotzheim und K. M. Bauer & E. Bezzel: ''Handbuch der Vögel Mitteleuropas''. Bd. 4., 2. Aufl., AULA-Verlag, Wiesbaden, 1989. ISBN 3-89104-460-7 * D. Forsman: ''The Raptors of Europe and the Middle East – A Handbook of Field Identification''. T & A D Poyser, London, 1999. ISBN 0-85661-098-4 * V. Looft und G. Busche: ''Vogelwelt Schleswig-Holsteins'', Band 2 (Greifvögel). Karl Wachholtz Verlag, Neumünster, 1981. == Weblinks == {{Commons|Pernis apivorus|Wespenbussard}} * {{IUCN |Year=2008 |ID=144311 |ScientificName=Pernis apivorus |YearAssessed=2008 |Assessor=BirdLife International |Download=13. Oktober 2008 }} {{Exzellent}} [[Kategorie:Habichtartige]] [[az:Adi arıyeyən]] [[be:Асаед звычайны]] [[be-x-old:Звычайны асаед]] [[bg:Осояд]] [[br:Bondrask]] [[ca:Aligot vesper]] [[cs:Včelojed lesní]] [[da:Hvepsevåge]] [[en:Honey Buzzard]] [[eo:Vespobuteo]] [[es:Pernis apivorus]] [[fi:Mehiläishaukka]] [[fr:Bondrée apivore]] [[gl:Miñato abelleiro]] [[he:איית צרעים]] [[hu:Darázsölyv]] [[it:Pernis apivorus]] [[ja:ヨーロッパハチクマ]] [[ka:ბოლოკარკაზი]] [[lt:Vapsvaėdis]] [[mn:Балч гоорбис]] [[nl:Wespendief]] [[no:Vepsevåk]] [[pl:Trzmielojad]] [[pt:Tartaranhão-apívoro]] [[ru:Обыкновенный осоед]] [[se:Uvlohávut]] [[sk:Včelár lesný]] [[sl:Sršenar]] [[sv:Bivråk]] [[sw:Kengewa]] [[tr:Bayağı arı şahini]] [[uk:Звичайний осоїд]] 4a9crkpsoay4xnka7uz3bwbcwm7c4ze wikitext text/x-wiki Westwall 0 24507 28385 28384 2011-09-21T21:51:30Z Peter200 615 Änderung 28384 von [[Special:Contributions/Peter200|Peter200]] ([[User talk:Peter200|Diskussion]]) rückgängig gemacht. [[Datei:Karte westwall.png|275px|thumb|right|Verlauf des '''Westwalles''', der [[Maginot-Linie]] und des [[Festungsring Lüttich|Festungsringes Lüttich]]]] Der '''Westwall''', entlang der Westgrenze des [[Deutsches Reich|Deutschen Reiches]] (bei den [[Alliierte]]n auch unter dem Namen '''Siegfried-Linie''' bekannt), war ein über ca. 630&nbsp;km verteiltes militärisches Verteidigungssystem, das aus über 18.000 [[Bunker (Bauwerk)|Bunkern]], [[Stollen (Bergbau)|Stollen]] sowie zahllosen Gräben und [[Panzersperre]]n bestand. Er verlief von [[Kleve]] an der [[Niederlande|niederländischen]] Grenze in Richtung Süden bis nach [[Weil am Rhein]] an der [[Schweiz]]er Grenze. Der Reichskanzler [[Adolf Hitler|Hitler]] ließ die Anlage, die eher von propagandistischem als strategischem Wert war, ab 1936 [[Planung|planen]] und zwischen 1938 und 1940 errichten. Zuvor hatte er 1936 entgegen den Auflagen aus dem [[Friedensvertrag von Versailles]] die durch die Folgen des [[Erster Weltkrieg|Ersten Weltkriegs]] vom Reich [[Demilitarisierung|demilitarisierten]] Gebiete beiderseits des [[Rhein]]s wieder von [[Wehrmacht]]struppen besetzen lassen. == Herkunft des Wortes „Westwall“ == [[Datei:Westwall01.jpg|thumb|thumb|[[Panzersperre]]n des Westwalls in der Eifel]] [[Datei:Eifel westwall2.jpg|thumb|Panzersperren des Westwalls bei [[Hollerath]]/Eifel (2008)]] Vermutlich kam der Begriff ''Westwall'' ab Ende des Jahres 1938 mehr und mehr in Gebrauch, ohne dass zunächst die nationalsozialistische [[Propaganda]] den Begriff in besonderem Maße benutzte. Er stammt wahrscheinlich aus dem Kreis der am Bau beteiligten Arbeiter. Im zweiten Halbjahr 1938 wurden noch Begriffe wie „Schutzwall“, „Todt-Linie“ oder „Limes-Programm“ verwendet, Militärkreise wollten Namen wie „Führer-Linie“ oder „Hitler-Linie“ populär machen. Der Name ''Westwall'' tauchte wahrscheinlich zum ersten Mal am 19. November 1938 in einem Artikel der „NSZ-Rheinfront“ auf, der den „Männern vom Westwall“ gewidmet war. Hitler gebrauchte den Namen erstmals öffentlich während seiner Besichtigungsreise zu den Westbefestigungen vom 14. bis zum 19. Mai 1939. Ab Mitte 1939 war der Name allgemein bekannt, denn [[Adolf Hitler|Hitler]] erließ am 20. Mai 1939 einen ''Tagesbefehl an die Soldaten und Arbeiter des Westwalls.'' Der offizielle Sprachgebrauch orientierte sich zuvor mehr an den nachfolgend beschriebenen Programmen, wobei mit dem Limes-Programm ein Deckname gewählt wurde, der an den ehemaligen [[Obergermanisch-Raetischer Limes|römischen Grenzwall]] in Germanien erinnern sollte. == Entwicklung 1936 bis 1940 == Die Entwicklung des Westwalls war keinesfalls homogen und wurde durch die politische Führung stark beeinflusst. Die heutige Sicht wird stark geprägt durch die Standardwerke von Groß (1982) und Bettinger & Büren (1990). Während Groß als einer der ersten dieses Thema wissenschaftlich aufarbeitete und die Entwicklung für Nordrhein-Westfalen beschrieb, waren Bettinger & Büren zehn Jahre später in der Lage, Erkenntnisse über den gesamten Bereich des Westwalls zu veröffentlichen. Groß unterscheidet folgende Entwicklungsschritte: * Grenzwacht-Programm (Pionier-Programm) für die vordersten Stellungen aus dem Jahre 1938, * [[#Limesprogramm|Limes-Programm]], ebenfalls aus dem Jahre 1938, * [[#Aachen-Saar-Programm|Aachen-Saar-Programm]] aus dem darauf folgenden Jahr 1939, * Die [[#Geldern-Stellung|Geldern-Stellung]] Brüggen-Kleve von 1939 und 1940, * Luftverteidigungszone West 1938 Bettinger & Büren stellten diese Entwicklungen in einen breiteren Kontext: * 1936: Nach der Wiederbesetzung des Rheinlandes wurden meistens vereinzelt und verstreut Bunker gebaut: ** Zwischen Mosel und Rhein an wichtigen Straßen, Brücken über die [[Saar]] oder als Vorbereitung zum Bau späterer Stellungen. ** Am Oberrhein werden die wichtigsten Übergangsstellen brückenkopfartig mit Bunkern versehen. ** Zudem werden die Übergänge vom Oberrheingraben in den Tälern des Schwarzwaldes mit jeweils kleinen Stützpunkten inklusive Bunker versehen. ** Die einzige richtige Stellung mit Bunkern entsteht südlich von Karlsruhe mit dem [[Ettlinger Riegel]]. * 1937: Die Planungen für die Befestigungssysteme ''Befestigungen zwischen Mosel und Rhein'' und die ''Befestigungen am Oberrhein'', darunter der [[Isteiner Klotz]], sehen die Implementierung von drei Befestigungskonzepten vor. Befestigungslinien im Festungsausbau soll unter anderem die historischen Einfallspforten durch das Rheintal westlich Karlsruhe (die sogenannte ''Weißenburger Senke'') und durch das Moseltal bei Trier schließen, aber um diese zu bauen, würden noch Jahre gebraucht werden. Dazwischen werden Befestigungslinien in Stellungsausbau angefangen. Vorgelagerte Befestigungslinien im Sperrausbau entlang der Saar und grenznah in der Pfalz sind nur zum vorübergehenden Schutz der dahinter zu bauenden Stellungen gedacht, die mit Absicht etwas weiter abgesetzt von der Grenze geplant werden. * 1938: Ein drittes Befestigungssystem, die ''Befestigungen Niederrhein und Eifel'' soll die Kette mit Befestigungsanlagen bis in Höhe der Nordgrenze Belgiens an der niederländischen Grenze verlängern. Groß (1982) nannte diesen Entwicklungsschritt ''Pionierbauprogramm 1938''. Ab Mai 1938 fanden die ursprünglichen Planungen eine drastische Veränderung, die nur noch den Bau von Befestigungslinien im Stellungsausbau unter dem Namen '''Limesprogramm''' vorsahen. Zudem wurden die verwendeten Bunkertypen&nbsp;– ''[[Regelbau]]ten'' genannt&nbsp;– vereinfacht, damit sie von der jetzt einzuschaltenden [[Organisation Todt]] schneller gebaut werden konnten. Grund für die Veränderung und Beschleunigung war die Teilmobilmachung der Tschechoslowakei als Reaktion auf die aggressive deutsche Außenpolitik und das Risiko, dass Frankreich in einem militärischen Konflikt mit der Tschechoslowakei eingreifen würde. Parallel dazu baute die Luftwaffe die ''LVZ-West'' hinter dem Westwall zwischen Mosel und Rhein eine Kette von Flugabwehrstellungen mit eigenen Bunkern zur Bodenabwehr. [[Datei:Bundesarchiv Bild 183-2004-1202-501, Westwall, Besichtigung durch Adolf Hitler.jpg|thumb|Westwall-Arbeiter begrüßen Adolf Hitler bei dessen Besuch im Oktober 1938]] Ab Oktober 1938 kündigte Hitler an, die Städte Aachen und Saarbrücken besser zu schützen und forderte den Ausbau der diesen Städten vorgelagerten Befestigungslinien im Sperrausbau zu einer richtigen Stellung. Dieser Schritt wurde unter dem Namen ''Aachen-Saar-Programm'' bekannt und wird oft mit der Einführung neuer Regelbauten im Februar 1939 vertauscht, die besonders in diesen auszubauenden Stellungen Verwendung fanden. * 1939: Der Bau der Bunker aus dem Limesprogramm ist noch längst nicht abgeschlossen als die im Bau befindlichen Stellungen mit neuen Regelbauten erweitert werden. Zudem wird die LVZ-West nach Norden bis nach Mönchengladbach und nach Süden zum Bodensee verlängert. Nach Kriegsanfang werden sogar nochmal neue Stellungen angefangen: ** Die Geldernstellung, die eine Verlängerung nach Norden bis zum Rhein vorsah. ** Der [[Orscholzriegel]] zwischen dem Westwall bei Mettlach und Luxemburg. ** Die [[Spichern-Stellung]] auf den Höhen südlich Saarbrückens, teilweise auf französischem Hoheitsgebiet. * 1940: Der Ausbau verlangsamt sich und wird nach dem [[Westfeldzug]] eingestellt. * 1944: Die erneute Bedrohung der deutschen Westgrenze führt zur Reaktivierung der technisch oft überholten Befestigungsanlagen. Der Bau von modernen Bunkern konnte nur in bescheidenem Umfang vorangetrieben werden. == Auswirkungen des Westwallbaus == Alle diese Programme wurden fortan unter höchster [[Priorität]] und der Nutzung aller verfügbaren [[Ressource]]n vorangetrieben. 20 % der Jahresproduktion an [[Zement]] (8&nbsp;Mio. Tonnen) und 5 % der Jahresstahlproduktion (1,2 Mio. Tonnen) wurden am Westwall verbaut. Da bereits Rohstoffknappheit herrschte und auch sehr viele Bauarbeiter am Westwall benötigt wurden, kam insbesondere die öffentliche und private [[Bauwirtschaft]] völlig zum Erliegen, obwohl damals der Bedarf an Wohnraum enorm war. Zu dieser Zeit fehlten in Deutschland etwa 1,5 Millionen Wohnungen. Sekundäre Auswirkungen hatte der Bau darüber hinaus auf die [[Agrarwirtschaft und Agrarpolitik im Deutschen Reich (1933–1945)|Landwirtschaft des Reiches]]. So mussten für den Westwallbau im Zeitraum von 1937 bis 1939 über 30.000 Bauern mit ihren Familien die eigenen rund 5600 Betriebe mit einer Fläche von 120.000 [[Hektar]] verlassen, was zusammen mit anderen Baumaßnahmen der Wehrmacht eine nicht unerhebliche Verminderung der landwirtschaftlichen Nutzfläche bedeutete.<ref>Militärgeschichtliches Forschungsamt: ''[[Das Deutsche Reich und der Zweite Weltkrieg]].'' Band 1, S. 267</ref> == Kosten == Der Bau des Westwalls kostete knapp 3,5 Mrd. [[Reichsmark]] (Zum Vergleich: Das Deutsche Reich hatte 1933 zivile Ausgaben von 6,2 Mrd. RM). Zusammen mit anderen gestiegenen Ausgaben wurde der Reichshaushalt völlig überlastet, so dass Deutschland 1938 vor dem Bankrott stand. Auch die deutlich steigende Inflation fand ihre Ursache insbesondere im Bau des Westwalls. Durch hohe Stundenzahlen, zahlreiche Zulagen und ständigen Bedarf an Arbeitskräften wurde das landesweite Lohngefüge erheblich gestört. Beispielsweise konnten beim Bau des Westwalls eingesetzte Hilfsarbeiter aus der Landwirtschaft umgerechnet eine bis zu dreifach höhere Entlohnung pro Stunde erzielen als mit ihrer eigentlichen Arbeit. Das Reichswirtschaftsministerium kritisierte eine verschwenderische Überbezahlung in der Größenordnung von mehreren hundert Millionen RM. == Beispielhafte Regelbauten == [[Datei:Tobruk Westwall Elmpt.JPG|thumb|Freigelegter Regelbau 56c (Tobruk) bei [[Elmpt]].]] Zu Beginn der jeweiligen Programme wurden Regelbauten am [[Reißbrett]] [[Baukonstruktion|konstruiert]], von denen dann zum Teil viele tausend nach dem vorher festgelegten Schema gebaut wurden. === Pionierprogramm === Für das Pionierprogramm wurden in erster Linie kleine Bunker mit drei frontal ausgerichteten [[Schießscharte|Scharten]] errichtet. Die Anlagen hatten nur eine Wandstärke von 0,3 m und waren nicht gegen [[Giftgas]] gesichert. Die dort stationierten Soldaten hatten keine eigenen Betten, sondern mussten sich mit [[Hängematte]]n behelfen. An exponierten Stellen wurden ähnlich kleine Anlagen mit kleinen [[Panzerkuppel]]n aufgestellt. Alle diese Bauwerke galten schon während ihres Baus als veraltet und boten bestenfalls Schutz gegen [[Bombe]]n- oder [[Granate|Granatsplitter]]. Durchgeführt wurde das Programm von der ''Grenzwacht'', einer kleinen militärischen Truppe, die unmittelbar nach der Besetzung des Rheinlandes dort ihre Tätigkeit aufnahm. Errichtet wurden die Anlagen in der Nähe der Grenze. === Limesprogramm === [[Datei:Westwall02.jpg|thumb|left|Regelbau 10 des Limesprogramms von der Rückseite aus gesehen]] Massiver konstruiert waren dagegen die Anlagen des ''Limesprogramms'' von 1938. Sie besaßen eine Decken- und Wandstärke von 1,5 m, was sich allerdings schon während des Baus als völlig unzureichend herausstellte. Vom Regelbau 10 wurden beispielsweise insgesamt 3.471 Anlagen am gesamten Westwall gebaut. Diese Anlage besaß einen Aufenthalts- und Schutzraum für 10 bis 12 Mann mit einem Eingang und nach rückwärts ausgerichteter [[Treppenscharte]] und einen 0,5 m höher angelegten Kampfraum mit jeweils einer flankierenden und frontalen Scharte für ein [[Maschinengewehr]] mit einem separaten Eingang. Weitere Scharten waren für [[Karabiner]] vorgesehen; die ganze Anlage war aus den Erfahrungen des [[Erster Weltkrieg|Ersten Weltkrieges]] heraus sicher gegen [[Giftgas]] ausgelegt. Der Bunker war mit einem gassicheren Ofen beheizbar, der nach außen führende Kamin mit einem massiven Gitter verschlossen. Jedem Soldat standen eine Schlafstelle und ein Hocker zu, der kommandierende Offizier erhielt einen Stuhl. Das Platzangebot war äußerst gering: Etwa 1 m² Fläche konnten einem Soldaten innerhalb der Bunker zur Verfügung gestellt werden, damit war eine drangvolle Enge in den Aufenthaltsräumen vorgezeichnet. Im Inneren der heute noch erhaltenen Bunker dieses Typs befinden sich noch die Aufschriften, mit denen die einrückenden Mannschaften auf ihre Aufgabe vorbereitet wurden: ''„Achtung, Feind hört mit!“'' oder auch: ''„Licht machen nur bei geschlossener Scharte!“''. Das Limesprogramm hatte seinen Ursprung in einem Befehl [[Adolf Hitler]]s zur verstärkten Befestigung der deutschen Westgrenze. === Aachen-Saar-Programm === Ähnlich typische Bauwerke waren die Doppel-MG-[[Kasematte]] vom Typ 107 und der Regelbau Typ 106a (MG-Kasematten mit Gruppenunterstand) des Aachen-Saar-Programms mit Betonstärken zwischen 2 m und 3,5 m. Allerdings verzichtete man in diesen Bunkern meist auf frontal wirkende Scharten und ordnete sie seitwärts an. Frontalscharten wurden nur in Ausnahmefällen eingebaut und dann mit einem massiven [[Panzerung|Panzerschutz]] versehen. Das veränderte Konzept der Bunker trug den Erfahrungen aus den vorher errichteten Regelbauten Rechnung. Das Platzangebot pro Soldat wurde so von 1 m² auf 1,3 bis 1,4 m² erhöht. Der Platzmangel für Verpflegung und Munition in den Bunkern des Pionier- und des Limesprogramms wurde behoben, indem spezielle Räume für Lebensmittel und Munition angelegt wurden. Das am 9. Oktober 1938 beschlossene und Anfang 1939 begonnene Programm schloss die beiden Städte [[Aachen]] und [[Saarbrücken]] wegen ihrer wirtschaftlichen Bedeutung mit ein. Diese lagen zunächst westlich der Verteidigungslinie des Limesprogramms. Im Saarland wurde in diesem Zuge die Saarufer-Stellung ausgebaut, wobei die Hauptkampflinie (HKL) von der Hilgenbachstellung bis zur Saar vorgeschoben wurde. Somit wurde, im Bereich von Beckingen bis Saarbrücken, die Hilgenbachstellung zu einer zweiten Linie, die bis dahin HKL gewesen war. [[Datei:RB_107.jpg‎|miniatur|Regelbau 107b mit Beschußspuren panzerbrechender Waffen in Dillingen/Saar]] === Luftverteidigungszone West === Im Jahr 1938 befasste sich die Luftwaffe erstmals mit der Planung einer Zone, die den Namen ''Luftschutzzone West'' erhalten sollte. Diese sollte aus 60 leichten und schweren Flakbatterien bestehen und von Jülich bis Speyer verlaufen. Ein Schwerpunkt sollte auf dem Bereich Mosel-Rhein liegen. Mit den ersten Bauarbeiten wurde im Bereich des erwähnten Schwerpunktes begonnen. Am 12. November 1938 wurde per Verfügung die Erweiterung der nun ''Luftverteidigungszone West'' genannten [[Flugabwehrkanone|Flakzone]] beschlossen. Als Termin für den Baubeginn dieser erweiterten Zone wurde in der Verfügung der 1. März 1939 festgehalten. Die Luftverteidigungszone West (LVZ-West) schloss sich parallel zu den bereits beschriebenen Linien in Richtung Osten an. Die Entfernung zwischen der ''LVZ-West'' und der Hauptkampflinie betrug rund 40 Kilometer. Die LVZ-West bestand im Wesentlichen aus betonierten Stellungen der [[Flugabwehr]]. Die dort eingesetzten Waffen sollten einen anfliegenden Gegner in eine größere Höhe zwingen, wodurch sie seinen Treibstoffverbrauch vergrößern und seinen Aktionsradius gleichzeitig verringern sollten. Die verwendeten Regelbauten waren den des zeitgleich begonnenen Limesprogramms sehr ähnlich und wurden auch noch gebaut als das Heer ab 1939 auf modernere Regelbauten umstieg. Zur Nahverteidigung besaßen diese Stellungen eigene Bunker für Maschinengewehre oder zur Unterbringung von Mannschaften oder eines Panzerabwehrgeschützes. Nur zwischen Mosel und Rhein wurde den Flakstellungen eine eigene Stellung mit LVZ-West-Regelbauten zur Bodenabwehr vorgelagert. Die LVZ-West konnte zu keinem Zeitpunkt vollständig realisiert werden. Es war nicht möglich, eine Zone von mehr als 600 km Länge durchgehend mit Flak-Geschützen auszustatten. Bis zum 1. März 1940 wären im Ausbaubereich der LVZ-West von Düren bis Basel 1544 Anlagen gebaut worden. Nach dem erfolgreichen [[Westfeldzug|Frankreichfeldzug]] wurde auch die LVZ-West in die Desarmierung der Westwallanlagen eingeschlossen. Zu Beginn des Westfeldzuges nutzte der Oberbefehlshaber der Wehrmacht, Adolf Hitler, eine zuvor umgebaute ehemalige LVZ-Stellung in Münstereifel-Rodert, [[Felsennest]]. [[Datei:Westwall07.jpg|thumb|Bunker der Geldern-Stellung in der Nähe von Kleve]] === Geldern-Stellung === Die Geldern-Stellung verlängerte den Westwall bis nach [[Kleve]] am [[Rhein|Niederrhein]] und wurde erst nach Ausbruch des Zweiten Weltkrieges gebaut. Ursprünglich endete der Westwall im Norden in der Nähe von [[Brüggen]] im Kreis Viersen. Errichtet wurden in erster Linie unbewaffnete Unterstände in allerdings massivster Bauweise aus Beton. Diese Regelbauten vom Typ 102V wurden aus Gründen der [[Tarnung]] gern in der Nähe von landwirtschaftlichen [[Gehöft]]en errichtet. Die ebenfalls hier errichteten Doppel-MG-Kasematten des Regelbautyps 107 sind restlos beseitigt worden. === Panzersperren === [[Datei:westwall03.jpg|thumb|Fünfreihiges Panzerhindernis des Aachen-Saarprogramms vom Typ 1939]] [[Datei:Westwall Panzergraben Elmpt.jpg|thumb|Panzersperrgraben bei Elmp]] [[Datei:Westwall geilenkirchen01.jpg|thumb|Überrest eines Hindernisses aus tschechischem Beutematerial]] Außerdem wurden auf vielen Kilometern entlang des Westwalls [[Panzersperre]]n gebaut. Diese Sperren wurden ihrer Form wegen auch ''[[Höckerlinie]]'' oder ''Drachenzähne'' genannt. Die Höcker aus Stahlbeton stehen in mehreren Reihen auf einem gemeinsamen Fundament. Regulär lassen sich zwei Hindernistypen nachweisen: Das Hindernis vom Typ 1938 mit vier von vorn nach hinten ansteigenden Zähnen und das Hindernis 1939 mit fünf dieser Zähne. Es wurden aber ebenfalls sehr viele unregelmäßige Höckerlinien gebaut. Sofern es die Topografie des Geländes zuließ, wurden anstatt der Panzersperren wassergefüllte Gräben ausgehoben. Derartige Anlagen finden sich beispielsweise nördlich von [[Aachen]] bei [[Geilenkirchen]]. Weiterhin befinden sich ebenfalls in der Nähe von Geilenkirchen die Überreste einer Panzersperre, die aus Beutematerial des [[Tschechoslowakischer Wall|Tschechoslowakischen Walles]] stammt. Es handelt sich hierbei um zwei durchgehende Schwellen aus [[Stahlbeton]] mit der Höhe von etwa einem Meter, denen im unregelmäßigen Abstand zwei gegeneinander gesetzte [[U-Profil]]e aufgesetzt wurden. Der Zwischenraum der beiden etwa zwei Meter hohen [[Profilstahl|Stahlträger]] wurde mit [[Beton]] ausgegossen. Nach dem Krieg wurden die Stahlträger verschrottet, indem man sie mit einem [[Schneidbrenner]] entfernte. Die Schwellen sind dagegen noch vorhanden. === Die Arbeitsbedingungen beim Bau === Die Bauleistungen des Pionier-Programms wurden größtenteils von Privatfirmen erbracht, dagegen war man innerhalb der privaten Wirtschaft nicht in der Lage, für die darauf folgenden Programme die notwendigen Arbeitskräfte zu stellen. Diese Lücke füllte die [[Organisation Todt]], benannt nach ihrem Gründer [[Fritz Todt]]. Durch Ausnutzung der ersten Dienstverpflichtung am 22. Juni 1938 durch [[Hermann Göring]] als Beauftragten für den Vierjahresplan, waren zeitweise bis zu einer halben Million Menschen mit den Bauarbeiten am Westwall beschäftigt. Die Abkommandierungen erfolgten äußerst kurzfristig, zum Teil in weniger als 24 Stunden. Die Verpflegung und Unterbringung der Arbeiter wurde von der [[Deutsche Arbeitsfront|Deutschen Arbeitsfront]] organisiert, die mit großen logistischen Schwierigkeiten zu kämpfen hatte. Als Wohnraum wurden nicht nur eigens errichtete Baracken, sondern auch Turnhallen, Privathäuser und Tanzsäle genutzt, was wiederum durch mangelnde sanitäre Einrichtungen zu erheblichen hygienischen Defiziten führte. Den Transport der Bauarbeiter aus ganz Deutschland und des notwendigen Materiales übernahm die [[Deutsche Reichsbahn]], die auf ein gut ausgebautes Netz von [[Strategische Eisenbahn|strategischen Eisenbahnen]] an der Westgrenze aus der Zeit vor dem [[Erster Weltkrieg|Ersten Weltkrieg]] zurückgreifen konnte. [[Datei:westwall04.jpg|thumb|Nasser Graben bei [[Geilenkirchen]]]] Die Arbeitsbedingungen auf den Baustellen waren äußerst schlecht, es kam häufig zu Unfällen, denn es mussten beispielsweise mit einfachen Mitteln Panzerteile mit bis zu 60 Tonnen Gewicht bewegt und montiert werden. Bei bis zu 36-Stunden-Schichten (Gießen eines Bunkers), anfangs ohne Urlaub, 7 Tage die Woche, gerieten die Arbeiter an die Grenzen ihrer Belastbarkeit. Schon die durchschnittliche Arbeitszeit betrug 10–12 Stunden, wobei Überstunden obligatorisch wurden. Bedingt durch harte Arbeitsbedingungen, unzureichende Versorgung, erzwungene Trennung von den Familien und ständige Verlängerung der eigentlich zeitlich begrenzten Dienstverpflichtungen wurde häufig versucht, durch eigenmächtig verlängerten Urlaub, „Bummelschichten“, oder Flucht zu entkommen. Es kam auch zu ersten kollektiven Streiks. Im Saarland legten 1938 über 1.000 Arbeiter ihre Arbeit nieder und verlangten bessere Entlohnung und Verpflegung, was ihnen auch gewährt wurde. Eine zweite Streikwelle führte zur Rücknahme von im Juni 1939 vorgenommenen Lohnkürzungen. Ab Kriegsbeginn wurde seitens der Regierung eine klare Sanktionshaltung gefahren. SS-Sonderlager und Polizeihaftlager wurden auf Drängen [[Fritz Todt|Todts]] für unkooperative Arbeitskräfte eingerichtet, von denen aus die Arbeiter zur Arbeit gefahren und „ideologisch unterwiesen“ wurden. Das [[SS-Sonderlager Hinzert]] wurde nach der Niederlage Frankreichs Durchgangslager für deportierte Juden und andere Häftlinge und 1945 dem KZ Buchenwald direkt unterstellt. Todt selbst schätzte die Rolle dieses Lagers so ein, dass es die Westwallbauten erst ermöglicht hätte. === Panzerteile und Bewaffnung === Die notwendigen stählernen Panzerteile für die Aufstellung von Waffen in den Bunkern konnte die Industrie weder in der benötigten Menge noch in der notwendigen Qualität liefern, so dass der militärische Wert der Anlagen nicht sonderlich hoch war. Zu den Panzerteilen gehörten die Scharten und ihre Verschlüsse sowie Panzerkuppeln für die Rundumverteidigung. Hinsichtlich der Legierungsmetalle für die Herstellung dieser Panzerteile (in erster Linie [[Nickel]] und [[Molybdän]]) war man vom Ausland abhängig, so dass man entweder überhaupt keine Panzerteile einbaute oder diese aus minderwertigem Ersatzmaterial herstellte. Dieser Mangel war selbst auf offiziellen Fotografien zu erkennen. Weiterhin waren die Bunker für Geschütze ausgelegt, die sich bereits in den ersten Kriegsjahren als unterdimensioniert herausstellten und deshalb wieder ausgebaut wurden. Die für eine wirksame Verteidigung notwendigen großkalibrigen Waffen ließen sich jedoch nicht in die vorhandenen Bunker einbauen. [[Datei:7P7.jpg‎‎|miniatur|links|Schartenplatte 7P7 der Baustärke B1]] [[Datei:20P7_Treppenscharte.jpg‎‎|miniatur|links|Sechsschartenturm 20P7 mit Treppenscharten und Treffern panzerbrechender Munition]] == Die Rolle des Westwalls zu Beginn des Krieges == [[Datei:Westwall oven.jpg|thumb|150px|Ein Ofen zur Beheizung eines Westwall-Bunkers]] Trotz der zu Beginn des [[Zweiter Weltkrieg|Zweiten Weltkrieges]] erfolgten [[Frankreich|französischen]] [[Kriegserklärung]] an Deutschland kam es bis zum Beginn des Westfeldzuges zu keinen größeren Kämpfen am Westwall. Stattdessen verharrten beide Gegner im [[Sitzkrieg]], wobei keine Seite die andere angreifen wollte und stattdessen in ihren sicheren Stellungen verharrte. Nach dem Abschluss des Frankreich-Feldzuges wurden alle beweglichen Waffen aus den Bunkern des Westwalls entfernt und an anderen Stellen verwendet. Die betonierten Teile ließ man in der Landschaft stehen, wodurch die Anlage innerhalb kürzester Zeit völlig unbrauchbar für die Verteidigung wurde. Stattdessen nutzte man die Bunker als Lagerräume, beispielsweise für landwirtschaftliche Geräte. Auch andere Einrichtungsgegenstände, wie z.&nbsp;B. die nicht mehr benötigten Betten, wurden aus den Bunkern entfernt und in die neu errichteten zivilen Luftschutzbunker eingebaut. Die Betten wurden aufgrund ihrer Herkunft oft als „Westwall-Betten“ bezeichnet. == Reaktivierung des Westwalls 1944 == Eine neue Situation entstand mit der [[Operation Neptune|Landung der Alliierten in der Normandie]] am 6. Juni 1944, als der Krieg auch im Westen wieder voll losbrach. Am 24. August 1944 erließ Adolf Hitler eine Führerweisung zum erneuten Ausbau des Westwalls. 20.000 [[Zwangsarbeiter]] und Mitglieder des [[Reichsarbeitsdienst]]es (kurz RAD) versuchten mit improvisierten Mitteln die Verteidigungsbereitschaft wieder herzustellen, was aber wegen der [[Alliierte|alliierten]] [[Luftüberlegenheit]] nicht gelang. Schon während dieser Arbeiten stellte sich heraus, dass die Bunker den weiterentwickelten panzerbrechenden Waffen in keiner Weise mehr gewachsen waren. Auch die ortsansässige Bevölkerung wurde für Arbeiten herangezogen, meist zum Bau von Gräben für die Panzerabwehr. Parallel zur Reaktivierung des eigentlichen Westwalls wurden entlang der Grenzen zum besetzten Ausland kleine [[Ringstand|Ringstände]] aus Beton errichtet, sogenannte ''Tobruks''. Diese Stände waren im Wesentlichen kleine [[Schützenloch|Schützenlöcher]] für einen einzelnen Soldaten, wie sie auch in der [[Maas-Rur-Stellung]] zum Einsatz kamen. == Kampfhandlungen am Westwall == [[Datei:Durmersheim Bunker.jpg|thumb|left|Reste einer Anlage südwestlich von Karlsruhe (in Richtung Durmersheim)]] [[Datei:Americans cross Siegfried Line.jpg|thumb|right|Amerikanische Soldaten durchqueren den Westwall]] Im Herbst 1944 kam es dann zu den ersten Kriegshandlungen vor dem Westwall. Der daraufhin am stärksten umkämpfte Bereich des Westwalls war die Gegend des [[Hürtgenwald (Forst)|Hürtgenwaldes]] in der [[Nordeifel]], ca. 20 km südöstlich von Aachen gelegen. In dem unübersichtlichen und waldreichen Gebiet starben 12.000 Deutsche und etwa 32.000 US-Soldaten bei der [[Schlacht im Hürtgenwald]].<ref>[http://www.huertgenwald.de/hoellehw.html Gemeinde Hürtgenwald: Die "Allerseelenschlacht" um Vossenack und Hürtgen im Jahr 1944]</ref> Die als Denkmal ausgeführte Kirchentür der Pfarrkirche im Hürtgenwalder Ortsteil Vossenack und eine Kreuzigungsgruppe eines modernen Künstlers auf dem benachbarten Friedhof berichten eindrucksvoll von diesen Ereignissen. Die [[Operation Market Garden]] der Alliierten im Herbst 1944 ist ebenfalls im Zusammenhang mit dem Westwall zu sehen. Innerhalb dieser Operation versuchte das alliierte Oberkommando, die deutsche Sperrstellung nördlich durch die [[Niederlande]] zu umgehen; das Unternehmen scheiterte jedoch am verbissenen deutschen Widerstand. Im Anschluss an die ''Schlacht im Hürtgenwald'' begann südlich davon in der Gegend zwischen [[Monschau]] und dem [[luxemburg]]ischen [[Echternach (Luxemburg)|Echternach]] die deutsche [[Ardennenoffensive]] aus der Deckung des Westwalls heraus. Diese [[Offensivoperation|Offensive]] war eine letzte Kraftanstrengung von deutscher Seite, das Kriegsgeschehen noch zu wenden. Sie kostete vielen Menschen das Leben, hatte aber keinen Einfluss auf den Kriegsausgang. Auch an anderen Stellen wurde am Westwall schwer gekämpft. Die Besatzungen vieler Bunker verweigerten aus Angst vor den deutschen [[Standgericht]]en die kampflose Übergabe. Viele deutsche Soldaten haben diese Entscheidung mit dem Leben bezahlt, da vor allem die Gruppenunterstände keinerlei Schutz gegen die Waffen der Angreifer boten. Im Frühjahr 1945 fielen die letzten Westwallbunker an der [[Saar]] und im vorderen [[Hunsrück]], wie beispielsweise die Bunkerkette von [[Osburg-Neuhaus]]. == Der propagandistische Wert des Westwalls == Der Bau des Westwalls wurde von der deutschen [[Propaganda]] deutlich über die Notwendigkeit hinaus als unbezwingbares Bollwerk dargestellt, und zwar sowohl im Inland als auch im Ausland. Das Reich sei von außen bedroht und baue daher eine rein defensive Anlage, was wiederum die Nachbarn beschwichtigen sollte. Diese Strategie erwies sich aus der Sicht der Nationalsozialisten zu Beginn wie zum Ende des [[Zweiter Weltkrieg|Zweiten Weltkrieges]] als überaus erfolgreich. Zu Beginn des Krieges verblieben die gegnerischen Truppen hinter ihren eigenen Grenzbefestigungen, der Westwall stellte für sie nicht nur eine reale, sondern auch eine psychologische Grenze dar. Darüber hinaus wurde der Westwall, insbesondere unter der Bezeichnung „Siegfried-Linie“, Gegenstand von Parodien in Soldatenliedern beider Kriegsparteien. :''Siehe: [[Wir trocknen unsere Wäsche an der Siegfriedlinie]]'' == Nachkriegszeit == [[Datei:westwall05.jpg|thumb|Bunkerruine in der Nähe von Aachen: Der abgebildete Bunker mit der ganzen Bunkergruppe wurde im Januar 2005 übererdet beziehungsweise zerstört und entfernt. Trotz bestehenden Denkmalschutzes ist dieser Teil der Umgebung Aachens heute „bunkerfrei“.]] In der Nachkriegszeit wurden viele der Westwallanlagen durch Sprengungen geschleift. Bei diesen Arbeiten sowie bei der Beseitigung der vielen [[Landmine|Minen]] verloren nochmals Menschen ihr Leben. === „Der Denkmalwert des Unerfreulichen“ (Zeitzeugen aus Beton) === In [[Nordrhein-Westfalen]] sind noch etwa 30 Bunker unzerstört vorhanden; der große Rest wurde entweder gesprengt oder mit Erde zugeschüttet. Von den Panzersperren sind allerdings noch große Teile an Ort und Stelle zu sehen, in der [[Eifel]] zum Beispiel auf vielen Kilometern Länge. Dort ist auch das [[Westwallmuseum Irrel]] zu finden. Unter dem Stichwort: ''„Der Denkmalwert des Unerfreulichen“'' wird heute versucht, die verbliebenen Reste des Westwalls unter Denkmalsschutz zu stellen, da nur so den nachfolgenden Generationen anschaulich Geschichte präsentiert werden kann. Allerdings werden immer noch öffentliche Gelder zur Beseitigung der Reste des Westwalls bereitgestellt. Da die Bunker aus den vergangenen Kriegen aber mittlerweile zum archäologischen Fundus gehören, werden beispielsweise in Nordrhein-Westfalen [[Archäologie|archäologische]] Notgrabungen durchgeführt, wenn einmal mehr ein Stück des Westwalls – beispielsweise für eine Straßenverbreiterung – beseitigt werden muss. Diese Notgrabungen können zwar nicht die vollständige Zerstörung des zugehörigen Abschnittes verhindern, bringen aber immer wieder neue wissenschaftliche Erkenntnisse und bislang unbekannte Details über das jeweilige Bauwerk zu Tage. In diesem Zusammenhang wird von manchen Menschen, ob Zeitzeuge oder nachfolgender Generation, die Frage nach der Rechtfertigung des [[Denkmalschutz]]es derartiger militärischer Bauwerke des [[Nationalsozialismus]] gestellt. Soll und will man diese ''Zeitzeugen aus Beton'' für die Nachwelt erhalten – ähnlich wie beispielsweise den römischen Befestigungswall [[Obergermanisch-Raetischer Limes|Limes]]? 2007 veranstaltete die [[Rheinische Bodendenkmalpflege]] in Bonn eine Fachtagung von 135 Historikern und Fachleuten aus der Arbeit an Gedenkstätten zum Thema ''Westwall'', die im Wesentlichen beklagten, dass die Erinnerungskultur hierzu eher geschichtslos, in der Art von Kriegserzählungen betrieben werde, ohne die NS-Geschichte, die NS-Propaganda und die mit dem Bau verbundenen Verbrechen kritisch zu hinterfragen. Dazu sollte eine behutsame Umwandlung der bestehenden Museumsanlagen erfolgen und eine ''alternative Musealisierungsstrategie'' entwickelt werden.<ref>F. A. Heinen:''Westwall-Gedenken ist geschichtsblind'', Kölner Stadtanzeiger, Region, S.7, vom 30/31 August 2008, Besprechung des Buches von Fings/Möller</ref> In [[Rheinland-Pfalz]] stehen sämtliche vollständig, teilweise oder zerstört erhaltenen, zum Westwall und zur Luftverteidigungszone West gehörenden Anlagen unter Denkmalschutz, betroffen sind unter anderem „Bunker, Minengänge, Stellungen, Höckerlinien, sonstige Sperranlangen, (…), künstliche Hindernisse, (…), umgestaltende Eingriffe in die natürliche Oberflächengestalt und natürliche Oberflächengewässer (wie insbesondere aufgeschüttete Rampen oder aufgestaute natürliche Bäche)“. Sie bilden das „Strecken- und Flächendenkmal ‚Westbefestigung‘“, das aus geschichtlichen Gründen Denkmalwert besitzt. Es erstreckt sich über acht Landkreise und vier kreisfreie Städte.<ref>{{literatur |Autor=Generaldirektion Kulturelles Erbe Rheinland-Pfalz (Hrsg.) |Titel=Nachrichtliches Verzeichnis der Kulturdenkmäler: Westwall und Luftverteidigungszone West |Ort=Mainz |Jahr=2009 |Online=[http://www.gdke-rlp.de/download/Westwall.pdf Online] |Zugriff=8. Februar 2009}}</ref> === Naturschutz am Westwall === [[Datei:westwall06.jpg|thumb|Der Westwall als Biotop-Kette]] In die Auseinandersetzung um die Reste des Westwalls haben sich auch die [[Naturschutz|Naturschützer]] zu Wort gemeldet. Große Reste des Westwalls sind heute wertvolle [[Biotop]]ketten, in die sich selten gewordene Tier- und Pflanzenarten zurückgezogen haben. Sie sind hier ungestört, da die Betonruinen nicht land- oder forstwirtschaftlich genutzt werden können. Im August 2006 hat der [[Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland]] für sein Projekt ''Grüner Wall im Westen'' erstmals von der Bundesvermögensverwaltung einen Westwallbunker bei [[Hellenthal]] übernommen. Die Initiative sieht dies als Initialzündung für Kommunen und Vereine, in ähnlicher Weise aktiv zu werden, um andere Teile dieses ''Grünen Korridors'' zu retten und dem Naturschutz zuzuführen. Das Bundesfinanzministerium stellte dem BUND für die Sicherung der Anlage 7.000 € zur Verfügung, das sind 70 % der sonst notwendigen Abrisskosten.<ref>Nach Kölner Stadtanzeiger vom 24. August 2006 (siehe auch Weblink Grüner Wall)</ref> == Siehe auch == * [[Liste der erhaltenen Bauten des Westwalles]] == Einzelnachweise == <references/> == Literatur == * ''DAWA-Nachrichten.'' Hrsg. v. Deutschen Atlantikwall-Archiv. Lippmann, Köln 1983ff. {{ISSN|1431-4541}} (halbjährlich erscheinende Zeitschrift mit verschiedenen Artikeln zum Festungsbau, darunter viele Begehungshinweise zum Westwall) * Harry Lippmann: ''Die gebräuchlichsten Sperranlagen des West- und Atlantikwalls in Wort, Skizze und Bild.'' in: ''Panzersperren und andere Hindernisse.'' DAWA-Nachrichten. Sonderband 13. Hrsg. v. Deutschen Atlantikwall-Archiv. Lippmann, Köln 1997. ISBN 3-931032-13-2, {{ISSN|1431-4541}} * Harry Lippmann: ''Militärmuseen in Deutschland.'' DAWA-Nachrichten. Sonderband 16. Hrsg. v. Deutschen Atlantikwall-Archiv. Lippmann, Köln 2005. ISBN 3-931032-16-7, {{ISSN|1431-4541}} (mit vielen Begehungshinweisen für Westwall-Bunker sowie allen Westwallmuseen) * Rheinischen Landesamt für Bodendenkmalpflege (Hrsg.): ''Der Westwall. Vom Denkmalswert des Unerfreulichen. Führer zu den archäologischen Denkmälern im Rheinland.'' Text und Karten 1:50.000. Rheinland-Verlag, Köln 1997, 1998. ISBN 3-7927-1668-2 (Eine ausführliche Beschreibung der Reste des Westwalls in Nordrhein-Westfalen mit Zusammenfassungen in englischer und französischer Sprache. Im Anhang 6 [[Topografische Karte]]n im Maßstab 1:50.000) * Manfred Groß: ''Der Westwall zwischen Niederrhein und Schnee-Eifel.'' Rheinland-Verlag, Köln 1989. ISBN 3-7927-0644-X (Ausführliche Beschreibung des Westwalls auf dem Gebiet von Nordrhein-Westfalen mit sehr vielen [[Technische Zeichnung|technischen Zeichnungen]] der einzelnen Anlagen sowie exaktem Kartenmaterial, in denen jeder einzelne Bunker eingezeichnet ist) * Dieter Robert Bettinger, Hans-Josef Hansen, Daniel Lois: ''Der Westwall von Kleve bis Basel. Auf den Spuren deutscher Geschichte.'' Podzun-Pallas, Wölfersheim-Berstadt 2002. ISBN 3-7909-0754-5 (Ein Tourenplaner mit ausgiebigen Beschreibungen erhaltener Westwallbauwerke, -museen und Ansprechpartner), aktualisierte Neuauflage im Nebel Verlag, Eggolsheim, 2. Auflage 2008. ISBN 978-3-89555-414-8 * Dieter Bettinger/Martin Büren: ''Der Westwall. Die Geschichte der deutschen Westbefestigung im Dritten Reich.'' Bd 1. Der Bau des Westwalls 1936-1945, Bd 2. Die technische Ausführung des Westwalls. Biblio, Osnabrück 1990. ISBN 3-7648-1458-6 (Beide Bände sind extrem ausführlich und decken auch die politischen, organisatorischen und finanziellen Aspekte des Westwalls ab) * Hans-Josef Hansen (Hrsg.): ''Auf den Spuren des Westwalls. Entdeckungen entlang einer fast vergessenen Wehranlage''. Helios, Aachen 2009. ISBN 3-925087-76-1 (Bildband über zahlreiche interessante/kuriose Entdeckungen entlang der ehemaligen Befestigungszone) * Wolfgang Franz Werner: ''Bleib übrig! Deutsche Arbeiter in der nationalsozialistischen Kriegswirtschaft.'' Schwann, Düsseldorf 1983. ISBN 3-590-18121-4 * Helmut Lauer: ''Der Westwall.'' Zweibrücken 1979, 1989. * Jörg Fuhrmeister: ''Der Westwall: Geschichte und Gegenwart.'' Motorbuch, Stuttgart 2004. ISBN 3-613-02291-5 * Wolfgang Wegener: ''Der Westwall. Denkmal und Mythos''. In: ''Rheinische Heimatpflege.'' Rheinland-Verl., Pulheim 43,2006, 4, S. 279ff. {{ISSN|0342-1805}} * ''Beiträge zur Geschichte des Bitburger Landes.'' Bd 14. Geschichtlicher Arbeitskreis Bitburger Land, Bitburg 5.1994,1. {{ISSN|0939-0189}} * Hans-Josef Hansen: ''Felsennest – Das vergessene Führerhauptquartier in der Eifel. Bau, Nutzung, Zerstörung.'' Helios Verlag Aachen, 2., erweiterte Auflage 2008 (u.a. Informationen über die Luftverteidigungszone West). ISBN 3-938208-21-X * {{Literatur | Autor=Edgar Christoffel | Titel=Krieg am Westwall 1944/45 : das Grenzland im Westen zwischen Aachen und Saarbrücken in den letzten Kriegsmonaten | Verlag=Verl. der Akad. Buchh. Interbook | Ort=Trier | Jahr=1989 | ISBN=3-88915-033-0 | Kommentar=Vergriffen; u. a. in Stadtbücherei Trier }} * Franziska Bedorf and Daniel Holder: ''Zukunftsprojekt "Westwall". Wege zu einem verantwortungsbewußten Umgang mit den Überresten der NS-Anlage. Tagungsbericht über die Westwall-Tagung vom 3. bis 4. März in Bonn''. In: Archäologie - Geschichte - Geographie 24, 2006, S. 379-389. Siehe auch diess.: Tagungsbericht Zukunftsprojekt Westwall. Wege zu einem verantwortungsbewussten Umgang mit den Überresten der NS-Anlage. 3. Mai 2007-4. Mai 2007, Bonn. In: H-Soz-u-Kult, 8. August 2007, <[http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/tagungsberichte/id=1663 http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/tagungsberichte/id=1663]>. * Frank Möller und Karola Fings (Hrsg.): ''Zukunftsprojekt Westwall. Wege zu einem verantwortungsbewussten Umgang mit den Überresten der NS-Anlage'' (Materialien zur Bodendenkmalpflege im Rheinland Bd. 20). Verlag Ralf Liebe, Weilerswist 2008, ISBN 978-3-941037-05-2. == Weblinks == {{Commons|Siegfried Line|Westwall}} * [http://www.westwall-ig.de Der Verein "WIG- die WESTWALL InteressenGemeinschaft" stellt sich vor] Schwerpunkte des Vereines sind: Denkmalschutz, Erhalt und Dokumentation der Anlagen, sowie die Restauration von Westwallanlagen im Saarland * [http://www.deep-darkness.de/Westwall.htm Der Westwall bei Deep Darkness – Bilder und Berichte] * [http://www.vive-vitam-tuam.de/westwal/ Das Westwallmuseum Bad-Bergzabern] * [http://www.westwall-museum.de/ Westwallmuseum bei Pirmasens] * [http://www.westwallmuseum-irrel.de/ Panzerwerk Katzenkopf in Irrel] * [http://www.westwallmuseum-sinz.de/ Westwallmuseum Sinz] * [http://www.bund-pfalz.de/natur/Der%20Wirbel%20um%20den%20Westwall.htm Denkschrift des BUND zum ökologischen Wert des Westwalls] * [http://www.westwallinfo.de Westwallinfo] * [http://www.westwall-im-saarland.de Westwall im Saarland] * [http://www.gruenerwallimwesten.de Grüner Wall im Westen] * [http://www.jinxed.de/westwall/update.php3 ''Die Westwallbunker von 1997 bis 2002.''] Westwall bei jinxed * [http://www.west-wall.de/ Westwall-Forum] * [http://gallery.dralzheimer.stylesyndication.de/westwall/ Fotos von Westwall-Anlagen im Saarland ] * [http://www.gdke-rlp.de/download/Westwall.pdf Nachrichtliches Verzeichnis der Kulturdenkmäler Rheinland-Pfalz: Strecken- und Flächendenkmäler, Westwall und Luftverteidigungszone West] als PDF-Datei von der Generaldirektion Kulturelles Erbe Rheinland-Pfalz * [http://saarlautern2.rodena.de Westwallinformationen in der Umgebung von Saarlautern des RODENA Heimatkunde-Verein Roden e.V.] {{Exzellent}} [[Kategorie:Westwall| Westwall]] [[Kategorie:Kulturdenkmal (Rheinland-Pfalz)]] [[Kategorie:Deutsche Militärgeschichte (Zweiter Weltkrieg)]] {{Link FA|bg}} [[ar:خط سيجفريد]] [[bg:Линия „Зигфрид“]] [[cs:Siegfriedova linie]] [[da:Siegfried-linjen]] [[en:Siegfried Line]] [[eo:Siegfried-linio]] [[es:Línea Sigfrido]] [[et:Siegfriedi liin]] [[fr:Ligne Siegfried]] [[he:קו זיגפריד]] [[it:Linea Sigfrido]] [[ja:ジークフリート線]] [[nl:Westwall]] [[no:Siegfriedlinjen]] [[pl:Linia Zygfryda]] [[pt:Linha Siegfried]] [[ro:Linia Siegfried]] [[ru:Линия Зигфрида]] [[sk:Siegfriedova línia]] [[sl:Siegfriedova linija]] [[sr:Зигфрид линија]] [[sv:Siegfriedlinjen]] [[uk:Лінія Зігфрида]] [[vi:Tuyến phòng thủ Siegfried]] [[zh:齊格菲防線]] ntqwyzk9l35lhq3j38notizv5a6h5jr wikitext text/x-wiki Wetzlar 0 24508 28287 28266 2011-05-14T14:42:45Z Axpde 417 link fix {{Dieser Artikel|befasst sich mit der Stadt Wetzlar in Hessen. Weitere Bedeutungen von „Wetzlar“ finden sich unter [[Wetzlar (Begriffsklärung)]].}} {{Infobox Gemeinde in Deutschland |Art = Stadt |Wappen = Wappen Wetzlar.svg |Breitengrad = 50/34//N |Längengrad = 8/30//E |Lageplan = |Bundesland = Hessen |Regierungsbezirk = Gießen |Landkreis = Lahn-Dill-Kreis |Höhe = 148–401 |Fläche = 75.67 |PLZ = 35576–35586 |PLZ-alt = 6330 |Vorwahl = 06441 |Kfz = LDK |Gemeindeschlüssel = 06532023 |LOCODE = DE WET |Ausländeranteil = 12 % (Dezember 2006) |Arbeitslosenquote = 5,9 % (September 2007) |Adresse = Ernst-Leitz-Straße 30<br />35578 Wetzlar |Website = [http://www.wetzlar.de/ www.wetzlar.de] |Bürgermeister = [[Wolfram Dette]] |Bürgermeistertitel= Oberbürgermeister |Partei = [[Freie Demokratische Partei|FDP]] }} [[Datei:Wetzlarskyline.jpg|miniatur|300px|Dom und Altstadt]] '''Wetzlar''', ehemals [[Freie Reichsstadt|Reichsstadt]] und Sitz des [[Reichskammergericht]]s, ist ein wirtschaftliches und kulturelles Zentrum sowie der herausragende Industriestandort in [[Mittelhessen]]. Seine optische, feinmechanische, elektrotechnische und stahlverarbeitende Industrie brachten es zur Weltgeltung.<ref>[http://www.ebn24.biz/index.php?page=3&id=959&projekt=62&sprach_id=1&seite=1&st_id=9&land=1 Medien Gruppe Kirk AG, 2001]</ref> Das Stadtgebiet liegt in Höhe der [[Dill (Fluss)|Dillmündung]] in die [[Lahn]]. Wetzlar ist Hauptsitz der Kreisverwaltung des [[Lahn-Dill-Kreis]]es und wie sechs weitere größere [[Mittelstadt|Mittelstädte]] in Hessen eine Stadt mit [[Sonderstatusstadt|Sonderstatus]]. Sie übernimmt Aufgaben des Landkreises und gleicht in vielen Bereichen einer kreisfreien Stadt. Sie ist als wichtiges Industrie- und Handelszentrum eines der zehn [[Oberzentrum|Oberzentren]] in Hessen.<ref>Hessisches Ministerium für Wirtschaft, Verkehr und Landesentwicklung: Landesentwicklungsplan Hessen 2000.</ref> Wetzlar ist als Sportstadt mit bedeutenden Sportlern, Sportveranstaltungen und -vereinen bekannt (darunter einige Bundesliga-Mannschaften). == Geografie == [[Datei:Wetzlar Altstadt 2003c.jpg|miniatur|Am Mühlgraben]] Wetzlar liegt im [[Lahn-Dill-Gebiet]] in [[Mittelhessen]] an der [[Lahn]], kurz nach ihrer Richtungsänderung von Süd nach West in Höhe der Dillmündung. Die Stadt erstreckt sich auf meist hügeligem Terrain bis auf die Anhöhen beiderseits des Lahntals. Sie liegt am Trennungspunkt hessischer [[Mittelgebirge]]: südlich der Lahn liegt der [[Taunus]]; nördlich der Lahn und westlich der [[Dill (Fluss)|Dill]] beginnt der [[Westerwald]]; nördlich der Lahn und östlich der Dill beginnt das [[Rothaargebirge]]. Der höchste Punkt des Stadtgebiets ist der [[Stoppelberg]] mit einer Höhe von 401&nbsp;Metern. Die nächsten größeren Städte sind [[Gießen]] (lahnaufwärts, von Zentrum zu Zentrum etwa 12&nbsp;km), [[Koblenz]] 80&nbsp;km lahnabwärts, [[Limburg an der Lahn]] 40&nbsp;km westlich, [[Siegen]] 50&nbsp;km nordwestlich, [[Dillenburg]] 30&nbsp;km nördlich, [[Marburg]] 40&nbsp;km nordöstlich sowie [[Frankfurt am Main]] 60&nbsp;km südlich. Wetzlar und Gießen sind die beiden Kerne des mittelhessischen Ballungsgebiets (etwa 200.000 Einwohner). Mit dem nahen [[Rhein-Main-Gebiet]] bestehen enge Verflechtungen. In den Tälern von Lahn (Osten und Westen) und Dill (Norden) grenzen dichtbebaute Nachbargemeinden an, die teilweise unmittelbar in Wetzlar übergehen. Die die Stadt im Nordwesten, Nordosten und Süden umgebenden Mittelgebirge sind waldreich und dünn besiedelt. {{Großes Bild|Panorama Wetzlar.jpg|750|Panoramablick von der Burgruine Kalsmunt nach Nordosten auf Altstadt und Neustadt, im Vordergrund die Firma Leica}} === Klima === Wetzlar weist ganzjährig ein [[Gemäßigte Zone|gemäßigtes Klima]] der mittleren Breiten auf. Aus den Talverläufen und unterschiedlichen Geländehöhen ergeben sich unterschiedliche kleinklimatische Verhältnisse. Die [[Tagesmitteltemperatur]] liegt im Sommer bei ungefähr 17 bis 18&nbsp;[[Grad Celsius|°C]] und im Winter etwa 1 bis 2&nbsp;°C. Die mittlere [[Niederschlagshöhe]] beträgt 600 bis 700&nbsp;Millimeter und liegt damit leicht unterhalb des Durchschnitts in Deutschland. Auf den Anhöhen südlich und nördlich des Lahntals regnet es mit 800&nbsp;Millimetern genau den Durchschnittswert.<ref>[http://atlas.umwelt.hessen.de/atlas/index-ie.html Umweltatlas Hessen]. In: Hessisches Landesamt für Umwelt und Geologie, 2005.</ref> Die niederschlagsreichsten Monate sind Juni und Dezember mit 74 und 73,3&nbsp;Millimeter, der regenärmste Monat ist der Februar mit 49,1&nbsp;Millimeter. {{Klimatabelle | TABELLE = | DIAGRAMM TEMPERATUR = deaktiviert | DIAGRAMM NIEDERSCHLAG = | DIAGRAMM NIEDERSCHLAG HÖHE = | QUELLE =<ref>Nach ehemals kostenfreiem Deutschen Wetterdienst, Normalperiode 1961–1990</ref> | Überschrift = Monatliche Durchschnittsniederschläge für Wetzlar-Nauborn | Ort = WETZLAR-NAUBORN | hmjan = | hmfeb = | hmmär = | hmapr = | hmmai = | hmjun = | hmjul = | hmaug = | hmsep = | hmokt = | hmnov = | hmdez = | lmjan = | lmfeb = | lmmär = | lmapr = | lmmai = | lmjun = | lmjul = | lmaug = | lmsep = | lmokt = | lmnov = | lmdez = | avjan = | avfeb = | avmär = | avapr = | avmai = | avjun = | avjul = | avaug = | avsep = | avokt = | avnov = | avdez = | nbjan = 56.5 | nbfeb = 49.1 | nbmär = 57.5 | nbapr = 53.3 | nbmai = 70.1 | nbjun = 74.0 | nbjul = 62.2 | nbaug = 66.2 | nbsep = 52.5 | nbokt = 55.5 | nbnov = 67.1 | nbdez = 73.3 | shjan = | shfeb = | shmär = | shapr = | shmai = | shjun = | shjul = | shaug = | shsep = | shokt = | shnov = | shdez = | wtjan = | wtfeb = | wtmär = | wtapr = | wtmai = | wtjun = | wtjul = | wtaug = | wtsep = | wtokt = | wtnov = | wtdez = | rdjan = | rdfeb = | rdmär = | rdapr = | rdmai = | rdjun = | rdjul = | rdaug = | rdsep = | rdokt = | rdnov = | rddez = }} === Nachbargemeinden === [[Datei:Wetzlar Stadtteile Karte.png|miniatur|250px|Nachbargemeinden, Stadtteile und Stadtbezirke Wetzlars]] Wetzlar grenzt im Nordwesten an die Stadt [[Aßlar]] (Lahn-Dill-Kreis), im Norden und Nordosten an die Gemeinden [[Hohenahr]] (Lahn-Dill-Kreis) und [[Biebertal]] ([[Landkreis Gießen]]), im Osten an die Gemeinden [[Lahnau]] (Lahn Dill Kreis) und [[Heuchelheim (Hessen)|Heuchelheim]] sowie an die Stadt Gießen (beide Landkreis Gießen), im Süden an die Gemeinden [[Hüttenberg (Hessen)|Hüttenberg]] und [[Schöffengrund]] sowie im Westen an die Stadt [[Solms]] (alle Lahn-Dill-Kreis). === Bevölkerung === Wetzlar hatte am 30. Juni 2009 nach Einwohnermelderegister der Stadt 51.804 Einwohner (davon sind 24.753 männlich und 27.051 weiblich); 30.490 davon entfielen auf die Kernstadt und 21.314 auf die Stadtteile. Wetzlar ist damit die [[Liste der größten Städte in Hessen|elftgrößte]] Stadt in Hessen. Der Ausländeranteil liegt bei 11,8 % (6.096 Einwohner), diese verteilen sich auf 99 Nationen.<ref>[http://www.wetzlar.de/index.phtml?NavID=370.16&La=1 wetzlar.de ''Stadtporträt'', ''Bevölkerungsstatistik'', ''Nationalitätenstatistik'']</ref> Die Arbeitslosenquote im Bezirk der Agentur für Arbeit Wetzlar ohne die Geschäftsstellen Dillenburg und Biedenkopf (umfasst die Stadt Wetzlar und 12 umliegende Gemeinden) lag im März 2010 bei 7,3 %, was 4.463 Arbeitslosen entspricht.<ref>[http://www.arbeitsagentur.de/nn_169846/Dienststellen/RD-H/Wetzlar/AA/A01-Allgemein-Info/Presse/2010/034-Arbeitsmarkt-im-Maerz-2010.html Agentur für Arbeit Wetzlar], 2010.</ref> === Stadtgliederung === Der alte Kernstadtbereich von Wetzlar mit 30.684 Einwohnern ist unterteilt in zwölf [[Stadtbezirk]]e: Altstadt, Neustadt, Hauserberg, Büblingshausen, Sturzkopf, Stoppelberger Hohl, Nauborner Straße, Silhöfer Aue/Westend, Altenberger Straße, Dalheim, [[Wetzlar-Dillfeld|Dillfeld]] und Niedergirmes. Niedergirmes ist mit über 6.000 Einwohnern der größte Stadtbezirk.<ref>[http://www.wetzlar.de/barriere_frei.phtml?NavID=370.957&La=1 Stadt Wetzlar: Der Stadtbezirk Niedergirmes]</ref> Weiterhin gibt es acht [[Ortsteil|Stadtteile]], die erst mit der Auflösung der Stadt [[Lahn (Stadt)|Lahn]] 1979 zu Wetzlar kamen, aber bis auf Blasbach, Dutenhofen und Münchholzhausen schon lange fest mit der Stadt verwachsen waren. Dies sind östlich der Kernstadt [[Naunheim (Wetzlar)|Naunheim]] (3882), [[Garbenheim]] (2080), [[Münchholzhausen]] (2.420) und [[Dutenhofen]] (3152). [[Nauborn]] (3721) liegt südlich der Kernstadt und [[Steindorf (Wetzlar)|Steindorf]] (1704) schließt sich westlich an die Kernstadt an. Nördlich der Kernstadt liegen [[Blasbach]] (994) und [[Hermannstein]] (3588) (Einwohnerzahlen jeweils in Klammern, Stand 31. Dezember 2007).<ref>[http://www.wetzlar.de/media/custom/370_3814_1.PDF?La=1&object=med|370.3814.1 Stadt Wetzlar: Hauptwohnstatistik und Bevölkerungsentwicklung]</ref> === Geologie === Wetzlar liegt am Ostrand des [[Rheinisches Schiefergebirge|Rheinischen Schiefergebirges]]. Der Untergrund besteht aus geologisch jungen [[Sedimente und Sedimentgesteine|Sedimenten]] der Lahn und wesentlich älteren [[Devon (Geologie)|devonischen]] und [[Karbon|karbonischen]] Gesteinen zweier geologischer Haupteinheiten des Schiefergebirges, der [[Lahnmulde]] und der sog. [[Gießener Decke]]. Den nordwestlichen Teil des Stadtgebietes unterlagern im Lahntal [[Schluff]]e, [[Sand]]e und [[Kies]]e, die nur wenig verfestigt sind. Sie wurden von der Lahn abgelagert, deren hier noch bis zu einen Kilometer breites Tal nach Westen immer schmaler und zunehmend tiefer wird. Der Hauptteil der Stadt ist auf teilweise intensiv [[Faltung (Geologie)|verfalteten]], [[Störung (Geologie)|gestörten]] und [[Schieferung|geschieferten]] [[Tonschiefer]]n, [[Sandstein]]en, [[Quarzit]]en und [[Kalkstein]]en errichtet. Sie wurden in Devon und Karbon in einem von Inselketten, [[Vulkan]]en und [[Atoll]]en geprägten Meer abgelagert, das während der [[Variszische Orogenese|variszischen Gebirgsbildung]] zusammengeschoben und von einer durch diese verfrachteten [[Tektonische Decke|tektonischen Decke]] überlagert wurde.<ref>Walter, Roland et al.: Geologie von Mitteleuropa. 5. Auflage, Schweizerbarth’sche Verlagsbuchhandlung, Stuttgart 1992, ISBN 3-510-65149-9.</ref> Die aus den Meeresablagerungen entstandenen Gesteine finden sich im Stadtbild wieder, da sie vielfach als Baumaterial verwendet wurden. <!--Überschrift erst bei weiteren Untergliederungen aktivieren (s.u.): === Geologische Einheiten === --> Die östliche Lahnmulde im Umfeld von Wetzlar besteht aus mehreren Untereinheiten und wird dort über große Flächen von der [[Überschiebung|überschobenen]] Gießener Decke überlagert. Vom Hintertaunus zum Lahn-Dill-Gebiet, also von Südosten nach Nordwesten gesehen, sind folgende geologische Untereinheiten aufgeschlossen: * Lahnmulde ** Schalstein-Hauptsattel ** Oberdevon der Lahnmulde ** Asslarer Mitteldevonsattel ** Lemptaler Kulm mit Hohensolmser Diabasdecke * Gießener Decke <!-- geologische Struktur: Falten und Schieferung, flache Überschiebungen, Querstörungen ==== Geologische Entwicklung ==== * Lahnmulde ** Unterdevonischer Sandstein ** Tonstein (teilweise mit Kieselgallen) ** Porphyroide ** Mitteldevonischer Schalstein ** Roteisenstein ** Massenkalk ** Allodapischer Kalk (Kalkturbidit)/Wissenbacher Schiefer ** Oberdevonischer Tonschiefer ** Bänderschiefer ** Flaser und Knollenkalk ** Unterkarbonischer Deckdiabas ** Kulmgrauwacke ** Kulmtonschiefer * Gießener Decke ** Oberdevonische Kieselschiefer ** Unterkarbonische Tonschiefer ** Alaunschiefer ** Rotschiefer ** Kieselschiefer ** Grauwacken --> == Geschichte == → ''Hauptartikel: [[Geschichte der Stadt Wetzlar]]'' === Vor- und Frühgeschichte === Bereits in der Altsteinzeit war die Wetzlarer Region besiedelt, so auch im Bereich des Stadtteils Dalheim (Wüstungen Dalheim und Wanendorf). Durch die vom Klima begünstigte Lage blieben dort die Menschen auch in der Würmeiszeit vor rund 50.000&nbsp;Jahren.<ref>August Schoenwerk: ''Geschichte von Stadt und Kreis Wetzlar.'' 2. überarb. u. erw. Auflage von Herbert Flender. Pegasus Verlag, Wetzlar 1975, ISBN 3-87619-005-3, S. 14.</ref> Jüngste umfangreiche Ausgrabungen längs der Lahn in Wetzlar-Dalheim haben größere, 7000&nbsp;Jahre alte Siedlungsreste einer [[Bandkeramische Kultur|Bandkeramik]]-Kultur hervorgebracht.<ref>[http://web11.p15166456.pureserver.info/justorange_cms-224.html Bereich für Ur- und Frühgeschichte an der Friedrich-Schiller-Universität Jena – Das bandkeramische Erdwerk von Wetzlar-Dalheim, „Rittplatz“]</ref> Weitere Siedlungen germanischen Ursprungs in der unmittelbaren Nähe werden gegenwärtig freigelegt. Sie stammen zum Teil aus der Zeit um Christi Geburt und waren für die Dauer von zirka 1400&nbsp;Jahren besiedelt. Auf der Gemarkung Wetzlars bestanden zudem drei [[Kelten|keltische]] Siedlungen. Schon aus der keltischen [[La-Tène-Zeit]] ist die Eisenerzgewinnung und -verhüttung<ref>[http://www.schmiede-balbach.de/seiten/rennoefen.html. In: Schmiedewerkstätte, Markus Balbach]</ref> in und um Wetzlar nachgewiesen.<ref>[http://web11.p15166456.pureserver.info/justorange_cms-222.html Bereich für Ur- und Frühgeschichte an der Friedrich-Schiller-Universität Jena – Der Schmied von Atzbach]</ref><sup>,</sup><ref>[http://web11.p15166456.pureserver.info/justorange_cms-221.html Bereich für Ur- und Frühgeschichte an der Friedrich-Schiller-Universität Jena – Die Ausgrabungen in Wetzlar-Dalheim 2002/2003]</ref> Somit hat die Eisenverarbeitung dort eine rund 2500-jährige Tradition. In Waldgirmes, unmittelbar an der östlichen Stadtgrenze, befand sich eine zivile römische Siedlung im Aufbau, siehe [[Römisches Forum Lahnau-Waldgirmes]] und in Dorlar gab es im ersten Jahrzehnt des ersten Jahrhunderts n. Chr. ein [[Römerlager Lahnau-Dorlar|römisches Militärlager]]. Das Gründungsdatum der Stadt ist bisher nicht bekannt oder belegt. Der Name ''Wetzlar'' entstand möglicherweise bis zum 3.&nbsp;Jahrhundert, die Endsilbe ''-lar'' weist darauf hin (Näheres in der [[Geschichte der Stadt Wetzlar]]), nachweislich besteht die Stadt seit dem 8.&nbsp;Jahrhundert. Der [[Konradiner]] Gebhard, [[Graf]] in der [[Wetterau]] und ab 904 [[Herzog]] von [[Lothringen]], ließ 897 eine Salvatorkirche (Erlöserkirche) weihen, welche frühere Bauten ersetzte. Zu Beginn des 10.&nbsp;Jahrhunderts erfolgte die Gründung des [[Wetzlarer Dom|Marienstift]]es. === Reichsstadt === [[Datei:Burgruine Kalsmunt.jpg|miniatur|[[Burg Kalsmunt|Burgruine Kalsmunt]]]] Zu einem unbekannten Zeitpunkt wurde Wetzlar das [[Marktrecht]] verliehen und damit die Möglichkeit, Marktzoll zu erheben. Im Laufe der Jahre entstand eine Marktsiedlung. Die Vorgänger des Marienstiftes auf dem Domhügel waren sicher mit ein Kristallisationspunkt, an dem sich vor allem an Feiertagen Gläubige, Händler und Handwerker trafen. Der Hohenstaufenkaiser [[Friedrich I. (HRR)|Friedrich I. Barbarossa]] schuf im Wetzlarer Gebiet eine [[Vogt|Reichsvogtei]] und stellte 1180 die Bürger Wetzlars den Bürgern Frankfurts gleich. Wetzlar wurde [[Freie Reichsstadt|Reichsstadt]] und blieb es bis 1803. Zum Schutz der Stadt und um die [[Wetterau]] als Reichsland zu sichern, baute er hoch über Wetzlar die sehr wahrscheinlich schon bestehende Reichsburg [[Burg Kalsmunt|Kalsmunt]] weiter aus. Es handelt sich um eine Anlage möglicherweise aus der Zeit [[Karl der Große|Karls des Großen]]. Hier wurden die kaiserlichen Münzen für Wetzlar geprägt. Die Handelsstraße, die bei Wetzlar die Lahn durchquerte, die Wetzlarer Eisenerzeugnisse, von denen heute noch der Eisenmarkt ''(forum ferri)'' zeugt, Wollweberei und Lederverarbeitung erschienen als eine gute Basis für die weitere Entwicklung der Stadt. Am 9. Juli 1277 werden in einer Kaiserurkunde erstmals [[Jüdische Gemeinde Wetzlar|Juden in Wetzlar]] erwähnt. Im Jahre 1285 kam der „falsche Kaiser“ Dietrich Holzschuh genannt [[Tile Kolup]], der sich als [[Friedrich II. (HRR)|Friedrich II.]] ausgab (welcher tatsächlich schon 1250 in Italien gestorben war), nach Wetzlar.<ref>Gustav Faber: Reisen durch Deutschland, S. 198 ff, Insel Verlag Ffm und Leipzig 1992, ISBN 3-458-33295-2</ref> Er zog von [[Neuss]] kommend dem rechtmäßigen König [[Rudolf I. (HRR)|Rudolf von Habsburg]] nach Frankfurt entgegen. Als der König daraufhin nach Wetzlar zog, nahmen die Stadtoberhäupter Tile Kolup fest und lieferten ihn aus. Er wurde als Zauberer, Ketzer und Gotteslästerer zum Flammentod verurteilt und am nächsten Tag in Wetzlar hingerichtet.<ref>Schoenwerk, A. Geschichte von Stadt und Kreis Wetzlar. 2. Auflage. Wetzlar, 1975</ref> Bis 1250 war der größte Teil der [[Stadtmauer|Stadtbefestigung]], deren Reste man heute noch besichtigen kann, fertiggestellt. Bis zur Mitte des 14. Jahrhunderts wird die Einwohnerzahl der Stadt auf 6.000 Einwohner geschätzt. Sie war damit für diese Zeit, im Vergleich zu anderen Städten in Deutschland, bereits eine ''Großstadt''. Um 1350 war der Höhepunkt der mittelalterlichen Stadtentwicklung erreicht. Die jahrzehntelange [[Fehde]] mit den [[Graf]]en von [[Solms (Adelsgeschlecht)|Solms]], die versuchten Wetzlar zu einer solmsischen Landstadt zu machen, bedrohten die lebenswichtigen Handelsstraßen. Deshalb wurde im Wetzlarer Norden die [[Burg Hermannstein]] (1373–79) zum weiteren Schutz der Stadt errichtet. Der Kaiser unterstützte zwar die Stadt, jedoch nicht sehr erfolgreich. Die Stadt verschuldete sich und fiel 1387 unter [[Zwangsverwaltung]], wurde aber in den [[Schwäbischer Städtebund|Rheinisch-Schwäbischen Städtebund]] aufgenommen. Der Niedergang der Stadt führte bis zum Ende des [[Dreißigjähriger Krieg|Dreißigjährigen Krieges]] zu einer Verringerung der Einwohnerzahl auf nur noch 1500. [[Datei:Wetzlar De Merian Hassiae.jpg|miniatur|Wetzlar – Auszug aus der [[Topographia Germaniae|Topographia Hassiae]] von [[Matthäus Merian]] 1655]] [[Datei:Wetzlar Reichskammergericht 2003.jpg|miniatur|Der ehemalige Sitz der Kanzlei des Reichskammergerichts]] Ein Glücksfall für Wetzlar war die 1689 vollzogene Verlegung des höchsten Gerichtes des [[Heiliges Römisches Reich|Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation]], des [[Reichskammergericht]]s, nach Wetzlar. Von Mai bis September 1772 war [[Johann Wolfgang von Goethe|Johann Wolfgang Goethe]] am Reichskammergericht als [[Praktikant]] eingeschrieben. Seine glücklose Romanze mit [[Charlotte Buff|Charlotte („Lotte“) Buff]] während dieser Zeit war Stoff für seinen Erstlingsroman „[[Die Leiden des jungen Werther]]“, mit dem er Wetzlar weltweit bekannt machte. Das Lotte-Haus am Deutschordenshof<ref>[http://www.wetzlar.de/index.phtml?NavID=370.224&La=1 Stadt Wetzlar: Der Deutschordenshof zu Wetzlar]</ref> in der Lotte-Straße erinnert noch heute daran. Mit der Auflösung des Reichs 1806 endete auch die Existenz des Reichskammergerichts. Das französisch besetzte Wetzlar verlor zudem bereits 1803 seine Reichsunmittelbarkeit im Zuge der [[Mediatisierung]] und kam zusammen mit dem [[Fürstentum Aschaffenburg]] und dem [[Fürstentum Regensburg]] als „Grafschaft Wetzlar“ zum Staat des Reichserzkanzlers Reichsfreiherr [[Karl Theodor von Dalberg]], 1810 zu dessen [[Großherzogtum Frankfurt]]. Nach dem [[Wiener Kongress]] fiel das Gebiet 1815 an [[Preußen]] und 1822 wurde es Sitz des [[Landrat (Deutschland)|Landrates]] des neu geschaffenen [[Landkreis Wetzlar|Landkreises Wetzlar]]. === Wetzlar wird Industriestadt === → ''Siehe auch: [[Lahn-Dill-Gebiet]]'' Die Eisenerzgewinnung, -verhüttung und -verarbeitung in und um Wetzlar hat bereits eine 2500 jährige Tradition. Die „moderne“ [[Industrialisierung]] begann jedoch erst mit der Schiffbarmachung<ref>[http://www.travelnotes.de/lahn/lahnbuch/kanal.htm. In Werner Brandel: Die Lahnkanalisierung]</ref> der [[Lahn]] im 19. Jahrhundert. Mit der Eröffnung zweier Eisenbahnlinien 1862/63 ([[Lahntalbahn]] mit der Strecke Wetzlar–Limburg–Koblenz und [[Dillstrecke|Köln-Gießener Eisenbahn]]), die sich in Wetzlar trafen, sowie der ''Berlin Wetzlarer Eisenbahn''<ref>[http://www.epilog.de/Berlin/Eisenbahn/Uebersicht/Die_Lokomotiveisenbahnen_T000003A.htm, in: „Geheimer Baurat Houselle in »Berlin und seine Bauten« (1896)“]</ref>, der sogenannten [[Kanonenbahn]] 1873, fand die Stadt Anschluss an ferne Rohstoff- und Absatzmärkte und wurde Industriestandort. 1869 waren allein im Stadtgebiet 100 Erzbergwerke in Betrieb. Der erste Wetzlarer [[Hochofen]] der Gebrüder [[Buderus AG|Buderus]] wurde 1872 in Betrieb genommen. Über 100 Jahre lang wurde in der ''Sophienhütte'' das im Bergbau und Hüttenwesen im [[Lahn-Dill-Gebiet]] gefundene [[Eisenerz]] ([[Roteisenstein]]) verarbeitet. Ab 1887 wurden nach und nach Erzbergwerke in Wetzlar stillgelegt, nur kurz unterbrochen durch den [[Erster Weltkrieg|Ersten Weltkrieg]]. Die danach auf dem Weltmarkt angebotenen, billiger im Tagebau gewonnenen ausländischen Erze, beschleunigten den Prozess. 1926 kam der Wetzlarer Bergbau ganz zum Erliegen. Weitere nennenswerte metallverarbeitende Unternehmen waren Röchling, die Hessischen Berg- und Hüttenwerke, die Carolinenhütte und das Herkuleswerk. Außerdem entstanden Unternehmen der optischen und feinmechanischen Industrie mit Weltruf wie [[Leitz (Optik)|Leitz]] ([[Leica Camera|Leica]]), [[Moritz Hensoldt|Hensoldt]] ([[Carl Zeiss (Unternehmen)|Zeiss]]), [[Minox]], [[Pfeiffer Vacuum|Pfeiffer]], [[Philips]], [[Wilhelm Loh|Loh]], Seibert, Hollmann, Leidolf und viele andere. Diese Unternehmen machten die Stadt zum heutigen [[Hochtechnologie]]standort. === Wetzlar im 20. Jahrhundert === Im Zuge der fortschreitenden Industrialisierung wuchs die Stadt über ihre mittelalterlichen Stadtgrenzen hinaus. 1903 erfolgte die Eingemeindung von Niedergirmes mit seinen ausgedehnten Industrieanlagen und dem Bahnhofsviertel. Im Ersten Weltkrieg befand sich etwa zwei Kilometer südöstlich des Stadtzentrums, hinter der ''Spilburg'' (urkundliche Ersterwähnung 1310)<ref>Schöber, Knud/Garn, Wilfried: Spilburg, ein Idyll im Dialog zwischen gestern, heute und morgen – Wetzlar: ICD GmbH, 2000 </ref> ein Gefangenenlager des XVIII. Armeekorps mit über 15.000 [[Kriegsgefangener|Kriegsgefangenen]] aus Russland.<ref>Doegen, Wilhelm/Kappstein, Theodor: Kriegsgefangene Völker. Berlin 1921, S. 16.</ref> Es handelte sich vor allem um ukrainische Gefangene, denen bessere Bedingungen als üblich geboten wurden, um sie als mögliche, spätere Bündnispartner gegen Russland zu gewinnen.<ref>Else-Lasker-Schüler-Stiftung, Wuppertal: [http://www.exil-club.de/groups/MigrationWetzlar/ukraine.htm exil-club.de], Ukrainische Soldaten in Wetzlar.</ref> Aus dem Lager entwickelte sich später der Stadtbezirk Büblingshausen. Zum Ende des Ersten Weltkrieges wurde die Einwohnerzahl der Stadt von 15.000 überschritten. Aufgrund zunehmender Verkehrsprobleme wurde eine Ringstraße im Westen der Altstadt gebaut und damit die alte steinerne Lahnbrücke durch eine weitere Brücke entlastet. Nach 1933 wurde an der Straße nach Steindorf ein weitläufiger neuer Kasernenkomplex errichtet. Von 132 Juden, die 1933 in Wetzlar wohnten, lebten 1939 noch 46 in der Stadt. Von den Wetzlarer Juden wurde etwa die Hälfte durch eine Frankfurter Dienststelle der Gestapo in Vernichtungslager deportiert. Die anderen Familien wanderten nach Amerika, Südafrika, Palästina und Frankreich aus.<ref>[http://www.exil-club.de/groups/MigrationWetzlar/juden.htm Geschichte der Juden in Wetzlar] und [http://www.porezag.de/buecher/buecher.htm Bücher über Wetzlar vor dem Zweiten Weltkrieg]</ref> Im [[Zweiter Weltkrieg|Zweiten Weltkrieg]] war die Stadt als Industrieschwerpunkt (Eisenwerke, optische Industrie) das Ziel schwerer Bombenangriffe, die besonders das Bahnhofsviertel und den Stadtteil Niedergirmes trafen. Die historische Altstadt, mit Ausnahme der Umgebung des Domplatzes, erlitt keine größeren Schäden. Mit dem Einmarsch amerikanischer Truppenverbände am 27. März 1945 endete in Wetzlar die [[Zeit des Nationalsozialismus]]. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs wurde die Stadt im Rahmen der Neugliederung Deutschlands dem neu gegründeten Bundesland Hessen zugeordnet. Der gewaltige Zuzug von [[Vertriebener|Heimatvertriebenen]] und Flüchtlingen führte zu einer Verdopplung der Einwohnerzahl auf über 30.000 zum Beginn der 1950er Jahre. 1957 entstand ein großer [[Bundeswehr]]-Standort in den ehemaligen [[Wehrmacht]]s-Kasernen aus der NS-Zeit. Hier waren zeitweise rund 6000 Soldaten stationiert. Nach der Auflösung des Standortes 1992 verblieb nur noch das für Mittelhessen zuständige [[Kreiswehrersatzamt]]. Am 1. Januar 1977 wurde Wetzlar im Zuge der hessischen [[Gebietsreform]] mit der Nachbarstadt Gießen und 14 Umlandgemeinden zur neuen [[Lahn (Stadt)|Stadt Lahn]] vereinigt. Die kreisfreie Stadt hatte zirka 156.000 Einwohner. Aufgrund scharfer Proteste, vor allem von Wetzlarer Seite, wurde ''Lahn'' zum 31. Juli 1979 aufgelöst und Wetzlar wieder zur eigenständigen Stadt. Die Gebietsreform wurde jedoch nicht rückgängig gemacht, sondern es wurde neu aufgeteilt. So kamen zum alten Stadtgebiet Wetzlars acht neue Stadtteile hinzu. Die Fläche und Einwohnerzahl gegenüber 1976 wurde deutlich vergrößert. Wetzlar ist seither Sitz des aus Teilen der Alt-Kreise Wetzlar und Dillenburg zusammengelegten [[Lahn-Dill-Kreis]]es. == Religionsgemeinschaften und Nationalitäten == Der Anteil der Religionsgemeinschaften lag 1939 bei 78,4&nbsp;Prozent Protestanten, 15,7&nbsp;Prozent Katholiken sowie einem Prozent sonstiger Christen.<ref>[http://www.verwaltungsgeschichte.de/wetzlar.html Daten bis 1939]</ref> Die [[Jüdische Gemeinde Wetzlar|jüdische Gemeinde in Wetzlar]] bestand bis in die [[Zeit des Nationalsozialismus]] und lebte durch die [[Displaced Person]]s in der Nachkriegszeit wieder auf. Erst seit im März 1949 die letzten DPs die Stadt verlassen haben, existiert keine Gemeinde mehr. Die 16 evangelischen Kirchen Wetzlars (einige Gemeindezentren sind für zwei Kirchen zuständig) gehören hauptsächlich zur [[Evangelische Kirche im Rheinland|Evangelischen Kirche im Rheinland]], denn Wetzlar ist eine kleine Exklave ganz im Osten dieses Gebietes. Nur die Stadtteile Naunheim und Hermannstein gehören zur [[Evangelische Kirche in Hessen und Nassau|Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau]]. Die evangelischen Kirchen in Wetzlar dürften zusammen mehr als 20.000 Mitglieder haben. Die Stadt Wetzlar und später der umliegende Raum, gehörte von den Ursprüngen an bis 1933 zum [[Bistum Trier|Erzbistum Trier]]. Der Erzbischof war [[Propst|Stiftspropst]] des [[Wetzlarer Dom]]es. Die vier katholischen Pfarreien Wetzlars verfügen über sieben Kirchenbauten und gehören zum ''Bezirk Wetzlar'' im nordöstlichen Teil des [[Bistum Limburg|Bistums Limburg]]. Die Gemeinden des gesamten Bezirks haben ungefähr 31.000 Mitglieder.<ref>[http://wetzlar.bistumlimburg.de/ Webseite des Bezirks Wetzlar im Bistum Limburg]</ref> Innerhalb der muslimischen Bevölkerungsanteile Wetzlars, für sie stehen zwei Moscheen zur Verfügung, besteht eine [[Aleviten|alevitische Gemeinde]].<ref>[http://www.moscheesuche.de/index.php?id=2&action=moschee&mid=177&loc_id=26072 www.moscheesuche.de – Moschee Wetzlar]</ref> Zahlreiche weitere Kirchengruppen sind in der Stadt vertreten, so die Zeugen Jehovas, die Mormonen, die Neuapostolische Kirche usw. 2006 waren Menschen aus 103 Nationalitäten in Wetzlar wohnhaft. Migranten machen einen Anteil von über 11&nbsp;Prozent der Gesamtbevölkerung aus.<ref>[http://www.wetzlar.de/index.phtml?NavID=370.16&La=1 www.wetzlar.de, Nationalitäten]</ref> == Politik == === Stadtverordnetenversammlung === Die [[Stadtvertretung|Stadtverordnetenversammlung]] wurde zuletzt am 26. März 2006 für eine fünfjährige [[Legislaturperiode]] gewählt. Die SPD verlor einen Sitz, die Grünen gewannen einen hinzu. Die Wahlbeteiligung sank von 45,9 % im Jahr 2001 auf 37,2 %. Von 38.918 Wahlberechtigten gingen 14.468 zur Wahl.<ref>[http://www.statistik-hessen.de/subweb/k2006/EG532023.htm Hessisches Statistisches Landesamt – Endgültiges Ergebnis der Gemeindewahl am 26. März 2006 532023 Wetzlar, St.]</ref> Die nächsten Kommunalwahlen in Hessen finden im März 2011 statt. {| class="wikitable" |--- class="hintergrundfarbe5" | colspan="2" | Parteien und Wählergemeinschaften | align="right" | %<br />2006 | align="right" | Sitze<br />2006 | align="right" | %<br />2001 | align="right" | Sitze<br />2001 |---- | CDU | [[Christlich Demokratische Union Deutschlands]] | align="right" |36,0 | align="right" |21 | align="right" |36,2 | align="right" |21 |---- | SPD | [[Sozialdemokratische Partei Deutschlands]] | align="right" |39,1 | align="right" |23 | align="right" |40,7 | align="right" |24 |---- | GRÜNE | [[Bündnis 90/Die Grünen]] | align="right" |8,0 | align="right" |5 | align="right" |7,1 | align="right" |4 |---- | FDP | [[Freie Demokratische Partei]] | align="right" |6,8 | align="right" |4 | align="right" |6,9 | align="right" |4 |---- | FW | Freie Wähler Wetzlar | align="right" |10,1 | align="right" |6 | align="right" |9,1 | align="right" |6 |--- class="hintergrundfarbe5" | colspan="2" |Gesamt | align="right" |100 | align="right" |59 | align="right" |100 | align="right" |59 |--- class="hintergrundfarbe5" | colspan="2" |Wahlbeteiligung in Prozent | colspan="2" align="right" |37,2 | colspan="2" align="right" |45,9 |} [[Datei:Sitzverteilung Stadtverordnetenversammlung Wetzlar 2011.png|miniatur|300px|Zusammensetzung des Wetzlarer Stadtparlaments nach der Wahl 2011]] Die Mehrheit im Stadtparlament und damit die Etathoheit hat eine Koalition der Fraktionen von CDU, Freien Wählern und FDP. Die Koalition hält wie in der vergangenen Legislaturperiode insgesamt 31 der 59 Sitze. Durch einen Fraktionsübertritt im Jahr 2007 verlor die CDU einen Sitz, die Freien Wähler gewannen einen hinzu. [[Stadtverordnetenversammlung|Stadtverordnetenvorsteher]] ist Udo Volck, Mitglied der SPD-Fraktion. === Oberbürgermeister und hauptamtlicher Magistrat === Direkt gewählter Oberbürgermeister von Wetzlar ist der FDP-Politiker [[Wolfram Dette]]. Wetzlar ist damit eine der wenigen deutschen Städte mit einem [[Liste der deutschen Oberbürgermeister|FDP-Oberbürgermeister]]. Darüber hinaus gehören dem hauptamtlichen Magistrat Bürgermeister Helmut Lattermann (CDU) sowie die Stadträte Achim Beck (CDU) und Peter Hauptvogel (FWG) als Dezernenten an. === Wappen === [[Blasonierung]]: In Rot ein goldgekrönter und –bewehrter schwarzer Adler, über dessen rechtem Flügel schwebend ein silbernes Tatzenkreuz.<ref> [http://www.wetzlar.de/media/custom/370_3271_1.PDF?La=1&object=med|370.3271.1 § 2 Abs. 2 der Hauptsatzung der Stadt Wetzlar]</ref> Bedeutung: Der schwarze [[Reichsadler]] auf rotem Grund mit goldener Krone steht für die Reichsunmittelbarkeit der ehemaligen Reichsstadt. Das silberne Tatzenkreuz steht für das ehemalige Münzrecht der Reichsstadt. Das Wappen blieb seit dem 12. Jahrhundert nahezu unverändert. [[Datei:wetzlar 19092005.jpg|miniatur|Blick auf Wetzlar]] [[Datei:Gedenktafel Ilmenau-Wetzlar.JPG|miniatur|Gedenktafel zum Abschluss der Städtepartnerschaft mit Ilmenau am Wetzlarer Platz in Ilmenau]] === Städtepartnerschaften === Wetzlar pflegt bereits seit einigen Jahrzehnten eine Reihe von [[Städtepartnerschaft]]en. Die erste internationale Städtepartnerschaft ging Wetzlar mit der [[Frankreich|französischen]] Stadt [[Avignon]] ein. Bereits im April 1960 unterzeichnet, wurde diese Verbindung zu einer der ersten deutsch-französischen Städtepartnerschaften überhaupt. 1969 kam die [[England|englische]] Partnerstadt [[Colchester]] hinzu, gefolgt 1974 von [[Schladming]] ([[Österreich]]) und 1987 von [[Siena]] ([[Italien]]). Eine weitere Partnerschaft besteht seit 1980 mit [[Reith bei Kitzbühel]] in [[Österreich]] als Partnergemeinde des Wetzlarer Stadtteils Garbenheim. Die jüngste internationale Städtepartnerschaft entwickelt sich derzeit mit der Stadt [[Písek]] in [[Tschechien]]. Wetzlar übernahm bereits 1959 für den Berliner Stadtbezirk [[Berlin-Neukölln|Neukölln]] eine Patenschaft, die später zur Partnerschaft weiterentwickelt wurde. Nach der politischen [[Wende (DDR)|Wende]] im Osten Deutschlands wurden Beziehungen in die Goethestadt [[Ilmenau]] geknüpft, aus denen 1990 eine offizielle Städtepartnerschaft entstand. Die Städtepartnerschaften werden intensiv durch gegenseitige Besuche gepflegt, beispielsweise in Form offizieller Delegationen und regelmäßiger Schüleraustausche. Die Partnerstädte werden zudem durch die Namensgebung einer Reihe Wetzlarer Parks gewürdigt, insbesondere wurden die Anlagen rund um die historische Altstadt nach den Partnerstädten benannt. Zur Würdigung ihres großen Engagements in den partnerschaftlichen Beziehungen wurde die Stadt 1990 mit der Ehrenplakette des [[Europarat]]es ausgezeichnet.<ref>[http://assembly.coe.int/Committee/ENA/EuropaPrize/winners.pdf Liste der Würdigungen des Europarats]</ref> Weitere partnerschaftliche Beziehungen bestehen zur [[Namibia|namibischen]] Hauptstadt [[Windhoek|Windhuk]], zur Stadt [[Point Pedro]] in [[Sri Lanka]] (durch Vermittlung von [[Humedica]]) und zur Gemeinde Nossa Senhora Apareçida in [[São Paulo]], [[Brasilien]]. Neben den Städtepartnerschaften hat Wetzlar eine Reihe von Patenschaften übernommen. Seit 1975 wird die in der Sahelzone gelegene Stadt [[Dori (Burkina Faso)|Dori]] ([[Burkina Faso]]) unterstützt. Im Rahmen dieser Patenschaft konnte eine Reihe von Projekten wie der Bau von Schulgebäuden und die Ausstattung des Krankenhauses gefördert werden. Eine ähnliche Patenschaft besteht zum [[Westlicher Verwaltungsbezirk (Moskau)|8. Bezirk]] der Stadt [[Moskau]]. Mit der im Jahr 1962 übernommenen ''Patenschaft für das Ostdeutsche Lied'' soll das Liedgut der früheren deutschen Siedlungsgebiete in Osteuropa erhalten und gepflegt werden. Die Stadt unterhält in diesem Zusammenhang ein Archiv mit ca. 1.700 Liederbüchern und einer Liedsuchdatei im Umfang von ca. 63.000 Liedtiteleinträgen.<ref>''Die Pommersche Zeitung.'' Nr. 13/2008, S. 3.</ref> Von 1958 bis 1995 war das [[Minensuchboot#Minensuchboote|Minensuchboot]] WETZLAR, ab 1976 umgebaut zum [[Minensuchboot#Minenjagdboote|Minenjagdboot]], der [[Bundesmarine]] in Dienst.<ref>[http://members.fortunecity.se/jarnasen/bundesmarine_ships2.htm members.fortunecity.se – Bundesmarine Ships]</ref> Seit 1990 trug ein [[Airbus A310|Airbus 310-300]] der [[Lufthansa]] mit der Kennzeichnung D-AIDH den Namen ''Wetzlar''. Die Maschine wurde 2003 von der Lufthansa an die inzwischen insolvente [[Air Madrid]] verkauft.<ref>[http://www.planepictures.info/spotterbrowser/result.php?regi=D-AIDH Flugzeugbilder.net]</ref> == Kultur und Sehenswürdigkeiten == [[Datei:Wetzlar - Dom und Bruecke bei Nacht.jpg|miniatur|Blick auf die Altstadt mit Dom und Lahnbrücke bei Nacht]] [[Datei:Domplatz Wetzlar.jpg|miniatur|Häuserzeile am Domplatz]] [[Datei:Wandstaenderbau Wetzlar.jpg|miniatur|Dreigeschossiger Wandständerbau von 1356]] [[Datei:Wetzlar Altstadt 2003b.jpg|miniatur|In der Altstadt]] Die wichtigsten Sehenswürdigkeiten befinden sich in der historischen [[Historischer Stadtkern|Altstadt]] mit dem romanischen [[Wetzlarer Dom|Dom]], den Museen und den behutsam restaurierten Fachwerkhäusern. Die Altstadt zieht sich mit Gassen und kleinen Plätzen terrassenförmig zur Lahn und zur [[Alte Lahnbrücke (Wetzlar)|alten Lahnbrücke]] hinab. Stellenweise ist noch eine gut erhaltene [[Stadtmauer]] zu sehen, deren Verlauf größtenteils von Parkanlagen gesäumt wird. Kulturelle Höhepunkte sind die [[Wetzlarer Festspiele]], die „Internationalen Gitarrentage Wetzlar“ und die [[Tage der Phantastik|Phantastiktage]]. Der [[Phantastik-Preis der Stadt Wetzlar]] ist ein Literaturpreis, der seit 1983 jährlich vergeben wird. Als kulturelle Einrichtungen sind zu nennen: die Stadthalle mit dem Theatersaal, die [[Rittal Arena Wetzlar]] mit Konzerten, Sportveranstaltungen und Shows sowie die [[Phantastische Bibliothek Wetzlar|Phantastische Bibliothek]]. Eine Reihe von Institutionen und Vereinen für Geschichte, Heimat und Brauchtum ist engagiert, Bräuche zu erhalten, Geschichte und Geschichten erlebbar zu machen sowie kulturelle Vielfalt zu schaffen. Nach einem Kabinettsbeschluss vom 19. Mai 2009 der Hessischen Landesregierung wird 2012 der 52. [[Hessentag]] in Wetzlar stattfinden. Bereits im Jahr 1975 war sie Hessentagsstadt gewesen.<ref>hr-online: [http://www.hr-online.de/website/rubriken/nachrichten/indexhessen34938.jsp?rubrik=36090&key=standard_document_37038668 ''Kabinettsbeschluss – Wetzlar ist Hessentagsstadt 2012'']</ref> === Historische Altstadt {{Anker|Altstadt}} === [[Datei:Brunnen Domplatz Wetzlar.jpg|miniatur|hochkant|links|Brunnen auf dem Domplatz]] Das nahezu geschlossene Ensemble historischer Bauwerke und Wohnhäuser in der Altstadt mit [[Fachwerkhaus|Fachwerkhäusern]] und Steinbauten aus der Zeit der [[Romanik]] ([[Wetzlarer Dom|Dom]]), der [[Gotik]], aus [[Renaissance]] und [[Barock]] ist größtenteils in einem Zustand erhalten und weitgehend restauriert, wie er sich gegen Ende des 18. Jahrhunderts darstellte. Es bestehen die Plätze ''Buttermarkt/Domplatz'', ''Fischmarkt'', ''Eisenmarkt'', ''Kornmarkt'' und der ehemalige ''Franziskanerhof'', jetzt ''Schillerplatz''. Zu den rund 50 besonders nennenswerten Gebäuden gehören: ein so genannter Wandständerbau aus dem Jahr 1356, die ''Alte Münze'' am Eisenmarkt, der ''Römische Kaiser'' (15. Jahrhundert), ein ehemaliges Theater- und Ballhaus; der ehemalige [[Deutscher Orden|Deutschordenshof]], heute Städtisches Museum, das [[Lottehaus]], Wohnhaus der [[Charlotte Buff]], das [[Karl Wilhelm Jerusalem|Jerusalemhaus]] in dem sich [[Karl Wilhelm Jerusalem]] erschoss und so eine traurige Berühmtheit als [[Die Leiden des jungen Werther|Werther]] erlangte, das fürstliche [[Palais Papius]], in dem sich die Sammlung historischer Möbel, zusammengestellt von [[Irmgard von Lemmers-Danforth]], befindet. Die steinerne [[Alte Lahnbrücke (Wetzlar)|Alte Lahnbrücke]] wurde im Jahre 1288 erstmals erwähnt. Ansehnliche Reste der Stadtbefestigung aus dem 13. und 14. Jahrhundert sind noch erhalten, zum Beispiel ein als ''Schneiderturm'' oder ''Säuturm'' bekannter Befestigungsturm, die ''Kalsmuntpforte'' als Stadttor zur früheren Vorstadt ''Silhofen'' sowie große Teile der Stadtmauer. Auch in den alten Vorstädten ''Langgasse'' und ''Neustadt'', durch die ''Alte Lahnbrücke'' mit der Altstadt verbunden, sind noch einige sehenswerte historische Gebäude erhalten. Jedoch hat insbesondere die Neustadt infolge vierspuriger Straßenbauten im 20. Jahrhundert ihren mittelalterlichen Charakter verloren. Ein in der Mitte des 14. Jahrhunderts als Rathaus errichtetes Gebäude wurde nach mehrfachem Umbau vom [[Reichskammergericht]] (1689 bis 1806) als Sitz und Kanzlei genutzt. Das Gericht zog später in das gegenüberliegende sogenannte ''Herzogliche Haus'' und danach bis zu seiner Auflösung 1806 ins ''Von Ingelheim’sche Palais''. Das Gebäude wurde nach einem weiteren Umbau als Kaserne, später als Hauptpost genutzt. Nach deren Auszug dient es unter anderem als Gaststätte und Wohnhaus. === Weitere Baudenkmale und Sehenswürdigkeiten === In den neueren Stadtvierteln rund um die Altstadt befinden sich eine Reihe gutbürgerlicher Wohnhäuser und Villen. Diese stammen vor allem aus der Blütezeit Wetzlars als [[Leitz (Optik)|Leitz]]-, später [[Leica Camera|Leica]]-Stadt (Villen von Leitz, Kellner, Barnack) und als [[Buderus]]-Standort (beispielsweise die Weiße Villa). Auch einige für die damalige Zeit moderne Meisterhäuser und Arbeitersiedlungen stammen aus dieser Ära. Die beiden im 14. Jahrhundert auf zwei Höhen östlich und südlich der Stadt erbauten Türme der [[Landwehr (Befestigung)|Landwehren]], die Garbenheimer Warte (um 1900 zum [[Bismarckturm (Wetzlar)|Bismarckturm]] umgebaut) und die [[Brühlsbacher Warte]] sind heute Aussichtstürme. Die Reichsburg [[Burg Kalsmunt|Kalsmunt]] wurde möglicherweise um das Jahr 800 gegründet. Zum Schutz der Stadt und um die [[Wetterau]] als Reichsland zu sichern, wurde sie im 12. Jahrhundert weiter ausgebaut. Die Herkunft des Namens der Reichsburg ''Kalsmunt'' ist nicht eindeutig geklärt. Nicht ausgeschlossen werden kann die folgende Deutung: Kals- = Karls und -[[munt]] = [[Vasall]], das heißt ein Lehnsmann des Fränkischen Hofes. Demnach handelte es sich um eine Anlage aus der Zeit [[Karl der Große|Karls des Großen]]. Auf der Reichsburg Kalsmunt wurden die kaiserlichen Münzen für Wetzlar geprägt. Zur Burg Kalsmunt gehörte schon im späteren Mittelalter der Wirtschaftshof ''Magdalenenhausen'', der seit 1324 auf der stadtabgewandten Seite des Kalsmunts bezeugt ist. Nach dem Verfall der Burg im Zuge häufiger Besitzerwechsel und des Übergangs an Hessen im 16. Jahrhundert kaufte Graf Bernhard III. von [[Solms-Braunfels]] das Hofgut. Der Name des Gutes geht auf die gegen Ende des 17. Jahrhunderts lebende Gräfin Magdalena von Solms-Braunfels zurück. Das zweigeschossige, repräsentative Fachwerkhaus wurde im Jahre 1693 für die Gräfin errichtet. 1716 legte Graf Wilhelm Moritz um das Gut herum einen [[Tiergarten (Park)|Tiergarten]] an, der aber schon um 1800 wieder aufgegeben wurde. Nach dem Tod der Gräfin Magdalena 1720 wohnte nur noch ein Förster und Verwalter auf dem Gut. 1810 erwarb der letzte Deutschordensamtmann Georg Buff aus Wetzlar das Anwesen. Seit dem 19. Jahrhundert dient das Haus als Gaststätte und Ausflugslokal. Die [[Burg Hermannstein]] ist ein typisches Beispiel einer gotischen Wohnturmanlage nach französischem Vorbild. Sie wurde 1373 bis 1379 für den Landgrafen Hermann I. von Hessen zum Schutz der Stadt errichtet. Die Fürsten von Solms-Braunfels lagen immer wieder in Fehde mit Wetzlar. ==== Wetzlarer Dom ==== [[Datei:Wetzlar Dom 2003.jpg|miniatur|hochkant|Wetzlarer Dom]] [[Datei:Aerial fg044.JPG|miniatur|links|Luftbild von Wetzlar mit dem Dom]] → ''Hauptartikel: [[Wetzlarer Dom]]'' Der Dom (Marienstift) ist eines der Wahrzeichen von Wetzlar. Baubeginn des Domes, der noch nicht vollendet ist, war 1230. Er ist Nachfolger einer im Jahre 897 geweihten Salvatorkirche und diese bereits in Nachfolge einer Vorgängerkirche. Dom hieß die Stifts- und Pfarrkirche ab Ende des 17. Jahrhunderts. Die Bezeichnung setzte sich in der Zeit des Reichskammergerichts (1689–1806) durch, als der Kur-[[Liste der Bischöfe von Trier|Erzbischof von Trier]] ''Stiftspropst'', der Dom also ''Bischofskirche'' war. Das Bauwerk wirkt wie ein „steingewordenes Buch über mittelalterliche Baustilkunde“. Er bietet trotz seiner über die Jahrhunderte dauernden Bauzeit und trotz eines nicht fertig gestellten Turms heute ein geschlossenes Bild. Eine weitere Besonderheit des Doms ist, dass er [[Ökumenische Theologie|ökumenisch]] genutzt wird (zu gleichen Teilen von der evangelischen und katholischen Kirche). ==== Andere Sakralbauten ==== Die Michaeliskapelle ist eine Doppelkapelle südlich des Domchores, die etwa um das Jahr 1250 erbaut wurde. Genutzt wurde sie als ehemalige Bauhütte des Domes und später als [[Beinhaus|Karner]] oder [[Beinhaus|Ossarium]]. An der Westwand steht eine große Kreuzigungsgruppe (1509). Die Überreste der Theutbirg-Basilika befinden sich nahe dem Stadtteil Nauborn. Die Kirche der Teutbirg ''in loco qui dicitur Nivora'' wurde erstmals 778 genannt, sie ist jedoch deutlich vor 778 entstanden. Die Kirche wird wahrscheinlich bis zur Wende zum 9. Jahrhundert bestanden haben. Ihre Mauerreste wurden erst 1927 entdeckt. Auf dem zugehörigen Friedhof wurden neben Knochen einige Gefäßscherben aus der Zeit zwischen 700 und 780 sowie eine Eisenaxt entdeckt. Die [[Franziskanerkirche (Wetzlar)|Franziskanerkirche]], eine Klostergründung aus dem Jahr 1263, wird auch als ''Untere Stadtkirche'' bezeichnet. Der Chor wird noch für Gottesdienste genutzt. Das Langhaus der Kirche ist [[Profanierung|profaniert]]. [[Kloster Altenberg]] ist ein ehemaliges [[Prämonstratenser]]innen-Kloster. Die etwa um 1260/1270 durch die selige [[Gertrud von Altenberg|Gertrud]], Tochter der heiligen [[Elisabeth von Thüringen|Elisabeth]], gegründete Anlage ist Gutshof und Königsberger-[[Diakonisse]]n-Mutterhaus. Die [[Hospitalkirche (Wetzlar)|Hospitalkirche]] ist eine in den Jahren 1755–1764 von J. L. Splittdorf errichtete Kirche mit sehenswertem Aufbau von Kanzel, Orgel über dem Altar und dreiseitigen Emporen. Die erste Erwähnung des Hospitals legt die Annahme dass es mit der dazu gehörenden Kapelle in der Mitte des 13. Jahrhunderts erbaut wurde. ==== Parks, Anlagen ==== Die Altstadt wird durch einen nahezu vollständigen Ring von Parks umschlossen, Anlagen genannt, die vornehmlich nach den Wetzlarer Partnerstädten benannt sind. Dies sind die ''Avignon-Anlage'' und die ''Schladming-Anlage'' im Süden, die ''Colchester-Anlage'' im Westen und die ''Siena Promenade'' im Osten. Geschlossen wird der Ring im Norden durch das ''Rosengärtchen'', ein historisches Friedhofsgelände. Hier befindet sich unter anderem die nicht näher bezeichnete Grabstätte des [[Karl Wilhelm Jerusalem]], Vorbild für Goethes [[Die Leiden des jungen Werther|Werther]]. Das Rosengärtchen ist Standort der Wetzlarer [[Freilichtbühne]]. Weitere größere Parks in den Außenbezirken der Stadt sind die ''Neukölln-Anlage'', die ''Ilmenau-Anlage'' und der ''Europapark'', Standort des ''Europabades''. ==== Denkmale, Kunstwerke, Brunnen ==== Der dreistufige [[Obelisk]] aus [[Lahnmarmor]] in Dalheim erinnert an die Schlacht bei Wetzlar<ref>[http://www.napoleon-online.de/AU_Generale/html/karl.html napoleon-online.de – Feldmarschall Karl Erzherzog von Österreich und Herzog von Sachsen-Teschen]</ref>, in der 1797 [[Karl von Österreich-Teschen|Erzherzog Karl von Österreich]] die [[Napoléon Bonaparte|napoleonischen Truppen]] unter [[General]] [[Lazare Hoche|Hoche]]/General Jourdan schlug. An [[Tile Kolup]], den ''falschen Kaiser'' Friedrich II, wird mit zwei Denkmalen erinnert. Das ältere befindet sich im Stadtwald nahe der Friedenstraße, das jüngere wurde als ''Flammenthron'' in der ''Spilburg'' errichtet. Die Colchester-Anlage auf der Lahninsel ist aufwendig landschaftsgärtnerisch gestaltet, unter anderem mit einem Stein-[[Labyrinth]] und einem [[Irrgarten]]. An der Frankfurter Straße befindet sich das Ukrainer-Denkmal<ref>[http://images.google.de/imgres?imgurl=http://www.exil-club.de/groups/MigrationWetzlar/ukraine005.jpg&imgrefurl=http://www.exil-club.de/groups/MigrationWetzlar/ukraine.htm&usg=__V5wQz04jUBFCesF4xUAwetrXb80=&h=226&w=276&sz=12&hl=de&start=70&um=1&itbs=1&tbnid=U-DfpwMUVJzazM:&tbnh=93&tbnw=114&prev=/images%3Fq%3Dwetzlar%2Bportrait%26start%3D54%26um%3D1%26hl%3Dde%26sa%3DN%26ndsp%3D18%26tbs%3Disch:1.html Ukrainer in Wetzlar]</ref>, das an verstorbene Lagerinsassen in der Zeit des Ersten Weltkriegs erinnert. Das Jägerdenkmal aus dem Jahr 1877 erinnert in der Hausertorstraße an das Rheinische Jägerbataillon. Im Rosengärtchen, einem heute als Parkanlage genutzten früheren Friedhof, befinden sich eine Reihe alter Grabdenkmale, am bekanntesten ist das der Freifrau von Albini. Einige Denkmäler stehen in Verbindung mit der industriegeschichtlichen Vergangenheit der Stadt. ''Der Giesser'' ist eine [[Buderus]]-Kunstguss-Skulptur vor der Hauptverwaltung Buderus. Eine andere moderne Guss-Skulptur ist die ''Familie'' von [[Ludwig Leitz]] am Karl-Kellner-Ring (Ecke Ernst-Leitz-Straße). Am früheren Erzbergwerk ''Grube Malapertus'' ist ein alter Förderturm erhalten, der heute als einer der beiden letzten Fördertürme von der Bergbauvergangenheit im Lahn-Dill-Gebiet zeugt. Im Bereich der Altstadt sind auch eine Reihe bekannter Brunnenbauwerke erhalten. Der Kornmarktbrunnen auf dem gleichnamigen Platz wurde bereits 1341 erstmals erwähnt. Der Eisenmarktbrunnen ist mit einer Figur der heiligen [[Barbara von Nikomedien|Barbara]] verziert. Am Philosophenweg, gegenüber dem Wöllbacher Tor, befindet sich der Goethebrunnen. === Veranstaltungen === ==== Theater und Konzerte ==== Das Theater- und Konzertangebot in Wetzlar ist breit gefächert. Von überregionaler Bedeutung sind die Kultur- und Musikevents der größten Multifunktionshalle der Region, der [[Rittal Arena Wetzlar]] (rund 6000 Zuschauerplätze). Ebenso bedeutsam sind die alljährlich in den Monaten Juni, Juli und August stattfindenden [[Wetzlarer Festspiele]] mit [[Oper]]n, [[Operette]]n, [[Musical]]s, mit [[Schauspiel]], [[Konzert (Veranstaltung)|Konzerten]] und [[Kleinkunst]], die überwiegend im ''Rosengärtchen'', im ''Lottehof'' und im ''Hofgut Hermannstein'' abgehalten werden. Daneben dient die ''Stadthalle Wetzlar'' als Kultur-, Kongress- und Tagungszentrum. Hier ist auch das ''Neue Kellertheater Wetzlar'' beheimatet, das mit [[Komödie]]n, [[Schauspiel]]en oder [[Musical]]s unterhält. Weitere kulturelle Höhepunkte sind die ''Internationalen Gitarrentage Wetzlar'' und die Sommer-Matineen im ''Rosengärtchen''. Die ''Wetzlarer Kulturtage'' Mitte Juni sind ein dreitägiges sommerliches [[Musikfestival]] auf der ''Lahninsel'' und in der Innenstadt mit [[Musik]], [[Folklore]], [[Theater]] und [[Kunst]]. Der ''Theaterring Wetzlar'' veranstaltet im Winterhalbjahr mit Tourneetheatern monatlich einen Theaterabend. Im ''Harlekin im Riesen'' spielen die Gruppen ''Wetzlarer Besenkammerspiele'' sowie das ''Merenberger Musiktheater''. Der ''Kulturring Nach Feierabend'' bietet Besuche von Theaterveranstaltungen des ''Stadttheaters Gießen'' an und führt eigene Kabarettveranstaltungen durch. Daneben gibt es regelmäßige Theater- und Konzertveranstaltungen (Rock, Pop, Jazz, Kabarett, Lesungen, Party, etc.) im Kulturzentrum ''Franzis'', in der ''Bunten Katze'' und in der ''Kleinen Bühne''. ==== Feste und Veranstaltungsreihen ==== Der traditionsreiche ''Gallusmarkt'' ist seit dem Jahr 1318 bezeugt. [[Ludwig IV. (HRR)|König Ludwig]] verlieh der Stadt das Recht, am Tag des heiligen [[Gallus (Heiliger)|Gallus]], also alljährlich am 16. Oktober, einen Jahrmarkt abzuhalten. Heute findet er unter anderem als verkaufsoffener Sonntag mit vielen Aktionen in den Fußgängerzonen statt. Die zahlreichen Karnevalsvereine sorgen in der [[Karneval, Fastnacht und Fasching|Fassenacht]] mit Veranstaltungen und Bällen für Stimmung. Der große Fassenachtsumzug quer durch die Stadt mit meist über hundert Zugnummern und mehreren Kilometern Länge findet unter großer Anteilnahme der Bevölkerung immer am Fassnachts-Sonntag statt. Das ''Ochsenfest'' ist das größte [[Volksfest]] in Mittelhessen und wird seit 1852 in dreijährigem Zeitabstand gefeiert.<ref>August Schoenwerk: ''Geschichte von Stadt und Kreis Wetzlar.'' 2. überarb. u. erw. Auflage von Herbert Flender. Pegasus Verlag, Wetzlar 1975, ISBN 3-87619-005-3, S. 300.</ref> Das eine Woche dauernde Fest mit angeschlossener Landwirtschafts- und Tierschau findet auf dem Festgelände ''„Finsterloh“'' statt. Ein Höhepunkt des Ochsenfestes ist ein Festumzug durch Wetzlar. Weitere regelmäßig wiederkehrende Veranstaltungen sind das ''Brückenfest'' rund um die ''Alte Lahnbrücke'', das ''„Sommernachtsweinfest“'' auf dem Schillerplatz in der Altstadt, das ''Familienfest'' auf der Bachweide und der Lahninsel und seit 2006 die ''„Gaudi-Olympiade“'' im ''Finsterloh'' – mit künstlichem Schnee jährlich im Februar. Im Rahmen des ''Autosalons'', bei dem heimische Händler die neuesten Automodelle präsentieren, wird der ''German City Cart Cup'' mit ''Großem Preis von Wetzlar'' durchgeführt. In der Vorweihnachtszeit werden Adventsmärkte in der Altstadt und in der Bahnhofsnähe abgehalten. [[Zirkus]]-Zeltaufführungen werden gelegentlich auf der ''Bachweide'' geboten. ==== Musik, Gesang, Tanz ==== Die Szene in Wetzlar ist besonders im Bereich der Kleinkunst und Independent Music stark vertreten. Neben den Lokalitäten ''Harlekin'', ''Bunte Katze'', ''Kleine Bühne'' und ''Café Vinyl'' ist das Kulturzentrum ''Franzis'' ein Standort der freien Musik. Dort werden aber auch allerlei andere künstlerischen Tätigkeiten gefördert und dargestellt. Vielfältige Angebote zum Zuhören, Zuschauen oder aktiv Mitmachen bieten neben den Musik- und Volkshochschulen die über 40 Chöre, 12 Orchester (zudem 13 Chöre und Orchester für Kirchenmusik), 16 Musikgruppen, neun Tanzgruppen, zwei Ballettstudios und einige Tanzclubs und Tanzschulen. === Museen, Bibliotheken und Galerien {{Anker|Museen}} === ==== Museen ==== Das ''Stadt- und Industriemuseum'' ist ein äußerst vielfältig ausgestattetes Museum mit [[Ausstellung|Exponaten]] aus der mittelalterlichen und frühneuzeitlichen [[Geschichte]] der Stadt und Zeugnissen der regionalen [[Industriekultur]] (Schwerindustrie, Optik und Feinmechanik, Bergbau), darunter die ''Sammlung Karsten Porezag'', eine bundesweit einzigartige Sammlung historischer Grubenlampen. Darüber hinaus eröffnet dieses Museum einen Einblick in die Vor- und Frühgeschichte der Region und präsentiert Zeugnisse der [[Kelten]]zeit. Zwei Museen sind dem Umfeld von Goethe gewidmet. Das [[Lotte-Haus]] ist eine Gedenkstätte für [[Charlotte Buff|Charlotte Kestner geb. Buff]] als Erinnerung an die Zeit, als [[Johann Wolfgang von Goethe|Goethe]] hier oft Gast war. Dank aufwendiger denkmalpflegerischer Untersuchungen war es möglich, das frühere [[Deutscher Orden|Deutschordenshaus]] in Wetzlar annähernd in jenen Zustand zu rekonstruieren, in dem Johann Wolfgang Goethe es am Ende des 18. Jahrhunderts vorfand. Jährlich besuchen Tausende [[Die Leiden des jungen Werther|Werther]]-Touristen aus aller Welt dieses Gebäude. Das [[Jerusalemhaus]] ist eine weitere Gedenkstätte für Goethes Roman [[Die Leiden des jungen Werther]]. In diesem Gebäude nahm sich einst [[Karl Wilhelm Jerusalem]], vermutlich aus Liebeskummer, das Leben. Jerusalem war eines der realen Vorbilder des ''Werther''. In der Gedenkstätte findet sich heute, wie im ''Werther'' beschrieben, „[[Emilia Galotti]] auf dem Pulte aufgeschlagen“. Heute beherbergt der restaurierte Altbau neben der Wetzlarer Museumsverwaltung auch die Goethe-Werther-Sammlung. Die Sammlung [[Irmgard von Lemmers-Danforth|Dr. Irmgard Freiin von Lemmers-Danforth]] zeigt europäische Wohnkultur aus [[Renaissance]] und [[Barock]], zusammengestellt und öffentlich zugänglich gemacht von der Wetzlarer Kinderärztin im ''fürstlichen Palais'', dem so genannten [[Palais Papius]] (benannt nach [[Johann Hermann Franz von Pape|Franz von Pape]], genannt Papius, einem Assessor am Reichskammergericht). Sie gehört zu den weltweit bedeutendsten Sammlungen historischer Möbel aus Renaissance und Barock. Das Museum des [[Reichskammergericht]]s ist bundesweit das einzige rechtsgeschichtliche Museum und deshalb ein Anziehungspunkt für Juristen und an der Geschichte des [[Recht]]s und der [[Rechtspflege|Justiz]] in Deutschland Interessierte. Es wird getragen von der Gesellschaft für Reichskammergerichtsforschung e.&nbsp;V. und der Stadt Wetzlar. Dort wird eine Reihe hochwertiger Exponate zur Verfassungsgeschichte des [[Heiliges Römisches Reich|Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation]] präsentiert. Dem Museum ist außerdem eine ''Forschungsstelle des [[Max-Planck-Institut für europäische Rechtsgeschichte|Max-Planck-Instituts für europäische Rechtsgeschichte]]'' zugeordnet. Mehrere Museen präsentieren den Bereich der Optik. Zunächst soll der [[Optikparcours]], ein einmaliger Wissenschaftsparcours, die optische Kompetenz des Standortes Wetzlar stärken. Er ist ein [[Private-Public-Partnership|Gemeinschaftsprojekt]] von Bürgern, Hochschulen, Schulen, des Stadtmarketings der Stadt Wetzlar, der [[Industrie- und Handelskammer]] und 70 Unternehmen. Er wurde im Mai 2008 mit zunächst acht Installationen eröffnet, die vom Einkaufszentrum Forum bis in die Altstadt führen. Insgesamt 20 unterschiedliche Hauptinstallationen sind geplant, im November 2008 wurde ein ''Dunkelkaufhaus''<ref>[http://www.dunkelkaufhaus.de/aktuelles.php Dunkelkaufhaus Wetzlar]</ref> zugefügt.<ref>[http://www.optikparcours.de/optikparcours.php Optikparcours Wetzlar]</ref> Weiterhin präsentiert das [[Viseum]], das Haus der Optik und Feinmechanik, in einem spätbarocken Gebäude modernste Hightech-Produkte von 14 Wetzlarer und mittelhessischen Unternehmen aus den Bereichen Optik, Sensorik und Feinmechanik. Das Motto dazu lautet: „Sehen verstehen!“. Die Exponate demonstrieren, wie optische und optoelektronische Systeme das Leistungsspektrum unserer Augen, mit Hilfe der technischen Nutzung der Eigenschaften des Lichts, verbessern können. Ein weiteres Museum in diesem Bereich ist die ''Sammlung historischer [[Mikroskop]]e [[Leitz (Optik)|Ernst Leitz]]'' im Neuen Rathaus. An weiteren kleineren und privaten Museen sind das ''Messingmuseum'' auf der „Spilburg“, das ''Wetzlarer Spielzeug- und Puppenmuseum'', das ''Landwirtschaftliche Museum'' sowie die ''Heimatmuseen'' und ''Dorfstuben'' in den Stadtteilen zu nennen. In der Nähe von Wetzlar in [[Oberbiel]] befindet sich das Besucherbergwerk ''[[Grube Fortuna]]'' mit Grubenbahnmuseum. Es handelt sich um eine der zahlreichen ehemaligen Eisenerzgruben im Lahn-Dill-Kreis. ==== Bibliotheken und Archive ==== 1962 wurde in Wetzlar die wissenschaftliche Sammelstelle und Bibliothek für Liedgut der ehemaligen deutschen Ostgebiete mit der ''Patenschaft für das ostdeutsche Lied'' gegründet. Die 1989 eröffnete ''[[Phantastische Bibliothek Wetzlar]]'' entwickelte sich zur weltweit größten öffentlich zugänglichen Sammlung phantastischer Literatur. Sie verfügt über einen Bestand von zirka 150.000 Titeln in den phantastischen Literaturgenres (Science Fiction, Fantasy, klassische Phantastik, Horror, Utopie, Reise- und Abenteuerliteratur, Märchen, Sagen/Mythen).<ref>[http://www.phantastik.eu Homepage der Phantastischen Bibliothek Wetzlar]</ref> Die ''Stadtbibliothek'' verfügt über einen Bestand von derzeit zirka 45.000 Medien. Aus der dazugehörenden [[Artothek]] können über 200 Bilder, meist Originale (hauptsächlich von einheimischen Künstlern), und Skulpturen ausgeliehen werden. Das ''Historische Archiv'' der Stadt verfügt unter anderem über eine große [[Urkunde]]nsammlung (mehr als 4400 Urkunden) sowie über Akten von der Reichsstadtzeit bis zur Gegenwart. ==== Galerien ==== Ein knappes Dutzend Galerien sind über das Stadtgebiet verteilt. In der ''Galerie am Dom'' sind Werke von Künstlern mit bekannten Namen wie [[Janosch]], [[Günter Grass]], [[Armin Mueller-Stahl]], [[James Rizzi]] oder [[Niki de Saint Phalle]] vertreten. Des Weiteren sind die Galerie im Stadthaus am Dom, das ''Atelier Ludwig Leitz'' mit dem künstlerischen Werken von [[Ludwig Leitz]], die Galerie im ''Alten Rathaus'', die Galerie im neuen Rathaus, die Galerie Atzbach, die Grafiken und Illustrationen beherbergt, sowie die Galerie [[Kunst+]] am Kornmarkt mit dem Schwerpunkt Bronzegüsse der Berliner Bildhauerschule sowie zeitgenössische, junge Kunst mit dem Schwerpunkt Bildhauerei, zu nennen. Daneben werden unter dem Titel ''Kunst im Krankenhaus'' regelmäßige wechselnde Fotoausstellungen auf den Stationen der Urologischen Klinik des Klinikums Wetzlar-Braunfels gezeigt. Das Kunstprojekt ''Atelier Löwenherz'' bietet Erwachsenen mit geistiger oder körperlicher Behinderung und Nichtbehinderten die Möglichkeit, sich unter Anleitung künstlerisch zu betätigen. In der ''Ersten Malschule Wetzlar'' wird Kindern ab sechs Jahren der Spaß am kreativen Tun vermittelt. Gleichzeitig werden Malkurse für Erwachsene, Anfänger und Fortgeschrittene angeboten. Die Vereinigung ''Form und Farbe'' (gegründet 1991) ist ein lockerer Zusammenschluss von Freizeitkünstlern mit dem Ziel, Gedanken und Erfahrungen auszutauschen, in kleinen Gruppen gemeinsam zu arbeiten und regelmäßige Ausstellungen zu veranstalten. === Kulturpreise === Die Stadt Wetzlar vergibt seit 1983 jährlich den mit 4000 Euro dotierten [[Phantastik-Preis der Stadt Wetzlar]] für deutschsprachige Originalveröffentlichungen aus dem Genre Fantastik. Seit 2006 vergibt die Stadt die ''Lotte-Plakette'' als undotierten Kulturpreis, benannt nach [[Charlotte Buff]]. Erster Preisträger war der Vorsitzende der Kulturgemeinschaft Hans-Günther Kolb, ihm folgten Georg Schmidt-von Rhein, Joachim Eichhorn und Hartmut Schmidt. === Kulinarische Besonderheiten === „Dulges“ (auch Rührdulges*) ist ein aus geriebenen und entwässerten rohen Kartoffeln, Zwiebeln, Speck, Salz und Gewürzen in einem möglichst gusseisernen Bräter (*unter immer wieder kurzem Umrühren) angebratener Teig. ''„Schmeckt weit besser als es aussieht“''. Dazu darf eine trockene Scheibe Graubrot und/oder Apfelmus gereicht werden. Es gibt unter anderen eine Variante bei der zusätzlich Hackfleisch-Bällchen im Kartoffelteig mit angebraten werden. „Schmierchelskuche“ (= Schmandkuchen?) ist eine Art Kartoffelkuchen mit Zwiebelbelag und süßer Abdeckung (Marmelade, Sahne oder ähnliches). Wein aus Wetzlar<ref>[http://www.rhein-lahn-info.de/geschichte/rhein-lahn/lahnwein.html. In Gottfried Pahl, Dausenau, Renate Schoene, Bonn 2002: „Bibliographie zum Weinbau an der Lahn“, Bad Ems 2002 – ISSN 1863-8619]</ref> gibt es zwar nicht mehr, dennoch: der Rebbau an den Ufern der Lahn breitete sich bis zum 14. Jahrhundert vom Rhein-Main-Gebiet unter dem Einfluss des [[Eberbach|Zisterzienserklosters Eberbach]] (Rheingau) aus. Erst die Einführung des Terrassenweinbaus im 10./11. Jahrhundert ermöglichte auch den Weinbau im sehr engen unteren Lahntal. Urkundlich erwähnt wird der Rebbau an der Lahn erstmals im 12. Jahrhundert, und zwar für Nassau (1159). Weitere Ersterwähnungen für Weinberge sind unter anderem: [[Kloster Arnstein]] (um 1200), Wetzlar (1242) oder [[Laurenburg]] (1275). Viele Hügel- und Straßennamen in und um Wetzlar verraten noch heute den einstigen Weinanbau. Das Lahntal war jahrhundertelang für seine vorzüglichen Rotweine bekannt. Witterungseinflüsse führten Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts zu Frostschäden, Rebkrankheiten und -schädlingen und damit zu einer Verringerung der Rebflächen und zum Niedergang des Weinbaus. Der Lahnwein hat heute kein eigenes Anbaugebiet mehr, sondern gehört zum Weinbaugebiet [[Mittelrhein]]. Heute gibt es hier nur noch zwei Weinorte: [[Obernhof]] und [[Weinähr]] im Gelbachtal.<ref>Gottfried Pahl, Renate Schoene (Hrsg.): Bibliographie zum Weinbau an der Lahn. 2002.</ref> == Sport und Freizeit == Eine Reihe Wetzlarer Vereine sind in den Bundesligen vertreten. Zu nennen sind insbesondere [[HSG Wetzlar]] ([[Handball-Bundesliga]] Männer) und [[RSV Lahn-Dill]] ([[Rollstuhlbasketball-Bundesliga]] Männer). Als siebenfacher deutscher Meister, siebenfacher Pokalsieger und vierfacher Europapokalsieger sowie Vize-Weltcupsieger 2006 zählt der RSV zu den weltbesten Vereinen. Im Turnen bilden KTV Wetzlar (Kunstturnen-Bundesliga) und TSG Niedergirmes gemeinsam ein Kunstturnleistungszentrum mit [[Deutscher Turner-Bund|DTB]]-Turnschule. Bekannt wurde die Stadt zudem durch ihre Spitzensportler im Kunstturnen, unter anderem [[Fabian Hambüchen]] am Reck als Welt- Europameister und Bronzemedaillengewinner 2008 in Peking. Im Rudern stellte die ''RG Wetzlar 1883'' bereits etliche Olympiasieger, Welt-, Europa- und Deutsche Meister, zum Beispiel die Weltmeister und Olympiasieger von 1968 [[Jörg Siebert]] und 1972 [[Johann Färber]]. Auch im Tanzsport (ebenfalls mit Welt-, Europa- und Deutschen Meistern wie die Tanzpaare Breuer, Jonas usw.), [[Twirling]], [[Radpolo]], [[Eisstockschießen]] und [[Skat]] brachten es Wetzlarer Sportler zu überregionaler Bekanntheit. [[Klaus Enders]], ein ehemaliger deutscher [[Motorradrennfahrer]], konnte als Pilot zwischen [[Motorrad-WM-Saison 1967|1967]] und [[Motorrad-WM-Saison 1974|1974]], zusammen mit Beifahrer Ralf Engelhardt, auf [[BMW]] insgesamt sechsmal [[Liste der Weltmeister im Motorradstraßenrennsport#Weltmeister der Seitenwagen-WM|Seitenwagen-Weltmeister]] werden. Der mitgliederstärkste Sportverein der Stadt und einer der größten Hessens ist der TV Wetzlar, dessen erfolgreichste Abteilungen im Volleyball (Damen) und im Badminton (Herren) bereits viele Jahre in der Bundesliga spielten. Im Fußball wurde Nationalspielerin [[Nia Künzer]] durch ihr [[Golden Goal]] beim Sieg im WM-Finale 2003 bekannt. [[Eintracht Wetzlar]] spielte in der Saison 2007/08 in der [[Fußball-Oberliga Hessen]]. In den 82 Sportvereinen mit 22.000 Mitgliedern, davon 7.300 Jugendliche, werden so gut wie alle Sportarten angeboten. Im Jahr 2004 wurden über das [[ZDF]] zwei Wetzlarer unter die besten 100 deutschen Sportler des Jahrhunderts gewählt. Wetzlar ist immer wieder Standort nationaler und internationaler Sportveranstaltungen von Rang. Die Stadt gehörte unter anderem zu den offiziellen Ausrichtungsorten der [[Handball-Weltmeisterschaft der Herren 2007|Handball-Weltmeisterschaft 2007]], der [[Rollstuhlbasketball-Europameisterschaft 2007|Europameisterschaft der Rollstuhlbasketballer 2007]], der [[American-Football-Europameisterschaft|Football-Europameisterschaft]]en 2010, sowie von Welt-, Europa- und Deutschen Meisterschaften im Tanzsport. Jährlich wiederkehrende Veranstaltungen mit internationaler Beteiligung sind unter anderem seit 2005 der ''Wetzlar Marathon'' und seit 2006 die ''Wetzlar Open'', ein [[Association of Tennis Professionals|ATP]]-Tennisturnier, bei dem Weltranglistenpunkte erzielt werden können. Die Stadt verfügt über eine Reihe hochwertiger Sportstätten. Das Stadion Wetzlar mit zwei Tribünen verfügt über 8000 Zuschauerplätze. Die 2005 eröffnete [[Rittal Arena]] mit max. 6.000 Plätzen gehört zu den modernsten Sportarenen Deutschlands und diente seit ihrer Eröffnung bereits mehrfach als Austragungsort internationaler Sportveranstaltungen. Das Europabad dient seit seiner Eröffnung 1973 als Wettkampfbad mit 50-Meter-Becken und Tribüne.<ref>[http://www.wetzlar.de/index.phtml?NavID=370.122&La=1 Stadt Wetzlar]: Sportstätten</ref> Seit Januar 2009 besteht das Cube-Kletterzentrum des [[Deutscher Alpenverein|Deutschen Alpenvereins e.&nbsp;V.]] im Sportpark des TV Wetzlar auf dem Spilburggelände. Auf den rund 1000&nbsp;m² Kletterfläche, bei einer Höhendifferenz von mehr als 13 m, befinden sich auch Schulungs- und [[Bouldern|Boulderbereiche]]. Diese künstliche Kletteranlage kann von Jedermann gegen Entgelt genutzt werden. Am 31. Oktober 2009 wurde dort die Hessenmeisterschaft ausgetragen.<ref>''Klettern wie in den Alpen''. In: Wetzlarer Neue Zeitung, 17. Januar 2009</ref> === Touristik-Routen, Wanderwege === [[Datei:Bruehlsbacher Warte (Wetzlar, Anfang 2007).jpg|miniatur|Brühlsbacher Warte („Bleistift“), Anfang 2007]] Der Tourismus gewinnt stetig an Bedeutung für Wetzlar. Die Stadt liegt an folgenden Ferienstraßen: [[Deutsche Fachwerkstraße]], [[Lahn-Ferien-Straße]] und [[Solmser Straße]]. Auch die [[Oranier-Route]] führt über Wetzlarer Stadtgebiet. Die Stadt ist Mitglied im [[Taunusklub]] und im [[Westerwald]]-Verein und ist Sitz des Lahntal Tourismus Verbandes e.&nbsp;V.<ref>[http://www.daslahntal.de/ Lahntal Tourismus Verband e.&nbsp;V.]</ref> Es gibt in Wetzlar und Umgebung eine Reihe von Wanderwegen. Die Stadt ist Ausgangspunkt des vom Taunusklub beschilderten [[Jakobsweg]]es.<ref>[http://www.bod.de/index.php?id=296&objk_id=82417.html. In: „Der Jakobsweg von Wetzlar nach Lahnstein“: Ein Pilgerwanderführer für den Lahn-Camino von Karl-Josef Schäfer, Weilburg], ISBN 978-3-8334-9475-8</ref> nach [[Burg Lahneck]] und zur Hospitalkapelle in [[Lahnstein]]. Zahlreiche Möglichkeiten für Wanderungen bestehen auf den [[Lahnhöhenweg]]en. Der Dill-Wanderweg führt von [[Haiger]] nach Wetzlar. Die ''Vier-Türme-Wanderung'' verläuft komplett im Wetzlarer Stadtgebiet und verbindet vier historische Türme: Die Garbenheimer Warte (heutiger Bismarckturm), die Brühlsbacher Warte ''(Bleistift)'', den Stoppelbergturm und die Burgruine Kalsmunt. Die Wegstrecke dieser Wanderung rund um die Altstadt beträgt ungefähr 14&nbsp;Kilometer, der Höhenunterschied 264&nbsp;Meter. Eine andere Wanderung verläuft zirka 18&nbsp;Kilometer durch das südliche Umland und führt von Brandoberndorf durch das ''Sieben-Mühlen-Tal'' nach Wetzlar. Am südlichen Stadtrand wurde in einem Wald am Finsterloh der ''Abenteuerparcours'', ein [[Hochseilgarten]] (Waldkletteranlage), errichtet. Der durch Wetzlar führende [[Lahntalradweg]] gehört laut [[Allgemeiner Deutscher Fahrrad-Club|ADFC]] zu den Top 10 der deutschen Radfernwanderwege. Die [[Lahn]] ist für Wasserwanderer mit Kanu oder Ruderboot gut geeignet. In der Stadt gibt es fünf offizielle Ein- und Ausstiegsstellen mit Raststätten, Toiletten, Campingplatz, Einkaufsmöglichkeiten, Unterkünften und Busanbindung. === Diskotheken und Szenegastronomie === Vor Ort sind einige seit Jahrzehnten bestehende Diskotheken. Zu den ältesten im Kernbereich Wetzlars gehört das ''Poco'', eine Rock-Disco an der Dill, das seit 1978 existiert, bekannt geworden ist das Poco insbesondere durch seine außergewöhnliche [[Karneval, Fastnacht und Fasching|Karnevalsveranstaltung]] ''(Fasching Total)'', bei der von Samstag bis [[Aschermittwoch]] rund um die Uhr gefeiert wird. Ebenfalls populär und stark besucht sind das Lolly Pop und das Super Mäx, die beiden Diskotheken im Lahnhof (direkt gegenüber dem neuen [[Forum Wetzlar]]). Auch haben sich hier einige Szenebars und -[[lounge]]s im Altstadtbereich etabliert, die mitunter am Wochenende nur per vorheriger Tischreservierung besucht werden können. In jüngerer Zeit entstanden auch auf dem Gelände der ehemaligen Spilburg-Kaserne eine Reihe von Lokalitäten. == Verkehr, Wirtschaft und Infrastruktur == === Verkehr === Ein römisches Wegenetz um Wetzlar war schon früh vorhanden. Bereits vom Mittelalter an war der Knotenpunkt Wetzlar gut an das überregionale Verkehrswegenetz angeschlossen. Unter anderem lag die Stadt an der historischen Handelsstraße [[Cölnische Hohe Heer- und Geleitstraße|Hohe Straße]], einem bedeutenden Handelsweg. Sie führte von [[Antwerpen]] über [[Köln]], die Reichsstädte Wetzlar und [[Friedberg (Hessen)|Friedberg]] nach [[Frankfurt am Main]]. Sie wurde auch als '''Cölnische Hohe Heer- und Geleitstraße''' bezeichnet. Oder der [[Weinstraße (Wagenstraße)]] sie führte von [[Mainz]] bzw. [[Frankfurt-Höchst]] über [[Usingen]] und Wetzlar, westlich an [[Marburg]] vorbei, nach [[Hildesheim]] und weiter Richtung [[Bremen]] bzw. [[Lübeck]]. ==== Straßenverkehr ==== Wetzlar liegt an der [[Bundesautobahn 45|A 45]] ([[Sauerlandlinie]] [[Dortmund]]–[[Aschaffenburg]]) bzw. Europastraße [[E 41]] mit den Abfahrten [[Wetzlarer Kreuz]] (zur [[Bundesautobahn 480|A 480]] nach Wetzlar-Nord, Aßlar und Wz-Blasbach), [[Wetzlar-Ost]] (zur [[Bundesstraße 49|B 49]] Richtung Stadtmitte) und Wetzlar-Süd (in die südlichen Stadtteile Münchholzhausen, Dutenhofen und Blankenfeld). Die Autobahn A 480 bzw. [[E 40]] sollte eigentlich von der luxemburgischen Grenze bei [[Trier]] durch den Westerwald bis zum [[Hattenbacher Dreieck]] führen. Diese Strecke war als [[Bundesautobahn 48|A 48]] geplant. Aus Kostengründen wurde sie nie vollständig realisiert. Den Verkehr soll nun die B 49 aufnehmen. Heute heißt sie A 480 und führt nur von der Abfahrt Wetzlar Nord/Aßlar bis zum Wetzlarer Kreuz und darüber hinaus bis zum derzeitigen Autobahnende mit der Behelfsausfahrt nach Wetzlar-Blasbach. Einige Kilometer nordöstlich Gießens geht der bisher ausgebaute Teil weiter und führt von Heuchelheim-Nord bis zum Reiskirchener Dreieck an der [[Bundesautobahn 5|A 5]]. Die Strecke von dort bis zum Hattenbacher Dreieck ist auch weiterhin die A 5. Folgende Bundesstraßen führen durch die Stadt: die B 49 ([[Trier]]–Wetzlar–[[Alsfeld]]) bzw. [[E 44]] als Ost-West-Verbindung. Des Weiteren die [[Bundesstraße 277|B 277]], sie verbindet Aßlar mit dem Knoten Dalheim. Zwischen Wetzlar und Limburg hat an der B 49 der mehrjährige, vierspurige Ausbau in 13 Bauabschnitten begonnen. Die B 49 führte früher mitten durch die Innenstadt und die Stadtteile Dutenhofen und Steindorf in Ost-West-Richtung. Die B 277 verlief von Aßlar kommend in Nord-Süd-Richtung durch die Innenstadt und dann über Rechtenbach nach Butzbach. Die heutige B 49 trug bis 1985 die Bezeichnung [[Bundesstraße 429|B 429]]. Die Bundesstraßen im Zuge der Ortsdurchfahrten im Stadtgebiet Wetzlar wurden zu Landesstraßen herabgestuft (B 49: 1. Januar 1985, B 277: 1. Januar 1990). Seit der Kommunalen Gebietsreform in den 1970er Jahren ist das Kraftfahrzeug-Unterscheidungszeichen bezüglich der Stadt Wetzlar ein Sonderfall. Von 1956 bis zum 31. Dezember 1976 hatte der [[Kreis Wetzlar]] mit der gleichnamigen Kreisstadt das Kennzeichen ''WZ''. Mit Gründung der Stadt Lahn zum 1. Januar 1977 wurde zwischenzeitlich das Autokennzeichen ''L'' eingeführt, seit dem 1. November 1990 gilt die Kombination ''LDK''. ==== Bahnverkehr ==== Wetzlar liegt an den Bahnstrecken Frankfurt am Main–Siegen–Köln ([[Dill-Strecke]]/[[Siegstrecke]]) und Gießen–Limburg–Koblenz ([[Lahntalbahn]] Wetzlar–Koblenz), die am [[Bahnhof Wetzlar|Wetzlarer Bahnhof]] zusammentreffen und hauptsächlich von [[Regionalbahn]]en und [[Regional-Express]]-Zügen befahren werden. Seit 2009 wird Wetzlar täglich von einem Zugpaar des internationalen Fernzugs [[EuroCity]] angefahren, der von Siegen über Frankfurt, Stuttgart und München nach [[Klagenfurt]] sowie [[Ljubljana]] und [[Zagreb]] fährt. Größere Städte, die von Wetzlar aus direkt angefahren werden, sind unter anderen [[Aachen]], [[Köln]], [[Koblenz]], Frankfurt am Main, [[Siegburg]]/[[Bonn]], [[München]], [[Stuttgart]] und [[Siegen]]. Bis 2002 war Wetzlar Haltepunkt für [[Interregio|InterRegios]] von und nach [[Norddeich#Verkehr|Norddeich-Mole]]. 2003 erfolgte ein kurzes Intermezzo von Connex-Zügen zwischen Köln und [[Berlin]]. Neben dem Bahnhof Wetzlar in der Kernstadt gibt es einen weiteren [[Bahnhof Wetzlar-Dutenhofen|Bahnhof]] im Stadtteil [[Dutenhofen]]. Der frühere Bahnhof in Wetzlar-Garbenheim wurde mit der Stilllegung der Strecke Wetzlar–Lollar ([[Kanonenbahn]]) geschlossen. Auf dem verkleinerten Güterbahnhof werden seit Februar 2007 wieder die Güterzüge für Mittelhessen ([[Railion]]) zusammengestellt. ==== ÖPNV ==== → ''Siehe auch: [[Nahverkehr in Wetzlar]]'' Der öffentliche Nahverkehr ist im Rahmen des [[Rhein-Main-Verkehrsverbund]] (RMV) organisiert. Die Stadt Wetzlar ist selbständiger Aufgabenträger für den ÖPNV und einer der 26 kommunalen Gesellschafter des RMV (15 Landkreise, 4 Großstädte und 7 Sonderstatusstädte). Mit der Durchführung des Busverkehrs hat die Lokale Nahverkehrsorganisation der Stadt Wetzlar ihr eigenes Unternehmen, die Werner-Gimmler-Wetzlarer-Verkehrsbetriebe und Reisebüro GmbH, beauftragt. Die Stadt verfügt über ein gut ausgebautes städtisches [[Omnibus|Buslinien]]-Netz mit zehn Buslinien im 20- bis 30-Minuten-Grundtakt. Diese haben alle Anschluss an die zentrale Haltestelle Busbahnhof, hinzu kommen noch diverse Linien im Überlandverkehr in das Wetzlarer Umland. In den späten Abendstunden fährt die Nachtbuslinie 007, der sogenannte ''Disco-Bus'', der fast alle Stadtteile anfährt. Auf allen Linien gilt der Tarif des Rhein-Main-Verkehrsverbunds. Zusätzlich verknüpft der ''Citybus'' zum Einheitstarif von 50 Cent wochentags von 10 bis 19 Uhr und werktags bis 15 Uhr die Altstadt mit dem Bahnhof und dem dortigen Einkaufszentrum ''Forum Wetzlar'' im 20-Minuten-Takt. ==== Luftverkehr ==== Die Entfernung zum [[Flughafen Frankfurt am Main]] beträgt etwa 70&nbsp;km, zum [[Siegerlandflughafen|Regional-Flughafen Siegerland]] ca. 40&nbsp;km. Direkt auf der Stadtgrenze zwischen Wetzlar und Gießen, zwischen den Stadtteilen Lützellinden und Münchholzhausen, gibt es für Sportflieger eine befestigte Bahn (Stripe). Zudem befindet sich in den Lahnwiesen nördlich des Stadtteils Garbenheim ein Segelflugplatz. === Einzelhandel === [[Datei:Wetzlar Forum.jpg|thumb|Forum Wetzlar]] [[Datei:P1020575.JPG|miniatur|Im Forum Wetzlar]] Nach den Zahlen der [[GfK Aktiengesellschaft|Gesellschaft für Konsumforschung]] gehört Wetzlar zu den attraktivsten Handelsstandorten Deutschlands. Die Stadt weist danach einen hohen Zentralitätskoeffizienten auf und liegt mit einem Einzelhandelsumsatz von ca. 10.000 Euro pro Einwohner deutschlandweit auf Platz drei unter allen Städten mit über 50.000 Einwohnern.<ref>Hanno Bender und Marcelo Crescenti in ''Der Handel 06/2008'': [http://www.wuerzburg.de/stadtmarketing/aktuell/newsticker/m_20127 Die besten Standorte]. Abgerufen am 4. Juni 2009.</ref> Im Frühjahr 2005 wurde in Bahnhofsnähe das neue [[Einkaufszentrum]] [[Forum Wetzlar|FORUM Wetzlar]] eröffnet. Es ist mit rund 24.000&nbsp;m² Verkaufsfläche und knapp 120 Geschäften nach Angaben des Betreibers das größte Einkaufszentrum in der Region Mittelhessen mit einem Einzugsbereich von zirka 540.000 Personen. Im zugehörigen Parkhaus stehen 1.700 Stellplätze zur Verfügung. Das Forum ist allerdings nicht das erste Einkaufscenter in der Stadt, unweit davon befinden sich noch das kleinere Herkules-Center mit 40 Geschäften sowie einige weitere große, zusammenhängende Einzelhandelsflächen (Lahnhof, Kaufhäuser entlang der Bahnhofstraße und des Karl-Kellner-Rings). Daneben gibt es viele kleine Einzelhandelsgeschäfte unterschiedlicher Branchen sowie Cafés und Gaststätten in der Wetzlarer Altstadt, die in ungefähr zehn Minuten Fußweg vom Bahnhofsbereich aus oder mit dem ''Citybus'' zu erreichen sind. === Ansässige Unternehmen === Die Stadt ist Standort einiger international tätiger und weltbekannter Unternehmen. Der [[Buderus]]-Konzern wurde im Jahre 1731 gegründet und ist damit europaweit eines der ältesten noch existierenden (Groß-)Unternehmen. Als ''BBT Thermotechnik'', inzwischen [[Bosch Thermotechnik]], war Buderus jahrzehntelang der mit Abstand größte Arbeitgeber im mittelhessischen Raum mit weit mehr als 10.000 Beschäftigten allein in Wetzlar (weltweit über 16.000) in den Bereichen Guss (mit Zement), Edelstahl und Heiztechnik sowie der Hauptverwaltung am Ort. Wirtschaftliche Veränderungen, wiederholte Übernahmen der Aktienmehrheit sowie Schließungen und Verkauf von Betriebsteilen haben den Konzern inzwischen stark verändert. Er zählt aber immer noch zu den großen Unternehmen in Hessen. 2008 eröffnete das neue, 30.000 m² große Versandlager der Firma Buderus, vertreten durch den Kontraktlogistiker LGI. Es befindet sich im Gewerbegebiet [[Wetzlar-Dillfeld|Dillfeld]]. Seit Mitte des 19. Jahrhunderts ist Wetzlar Sitz der Firma [[Leitz (Optik)|Leitz]] und bildet neben den beiden Standorten von [[Carl Zeiss (Unternehmen)|Carl Zeiss]] in [[Jena]] und [[Oberkochen]] ein Zentrum der optischen und feinmechanischen Industrie in Deutschland. Deren Industrieprodukte brachten es zu Weltruf, allen voran die Mikroskope des ''Optischen Instituts'', Vorgänger der heutigen [[Leica Microsystems]] GmbH. Die von [[Ernst Leitz senior|Ernst Leitz]] gegründeten Leitz-Werke beschäftigten in ihren Spitzenzeiten über 7000 Beschäftigte in der Stadt. Noch vor dem Ersten Weltkrieg entwickelte [[Oskar Barnack]] in Wetzlar mit der [[Schraubleica|Leica]]: Lei (=Leitz) + ca (=Camera) die erste [[Kleinbildkamera]]. Außerdem sind Kameras der Firmen [[Leidolf]] und [[Minox]], die Ferngläser und Fernrohre der Firma [[Moritz Hensoldt|Hensoldt AG]] (jetzt [[Carl Zeiss Sports Optics]]), [[Carl Zeiss (Unternehmen)|Zeiss]]-Gruppe (mit in Spitzenzeiten über 2.000 Beschäftigten), die Mikroskope der Firma Seibert, der [[Wilhelm Loh]] Optikmaschinenbau (jetzt [[Satisloh]]), die [[Helmut Hund]] GmbH, die Firma [[Hexagon Metrology GmbH]] (früher Leitz Messtechnik) und eine Vielzahl weiterer mittelständischer feinmechanischer und optischer Unternehmen zu nennen. Andere bekannte Unternehmen sind [[Siemens]], ''[[Philips]] Automotive Playback Modules AG'' (APM, mit seinerzeit rund 1.200 Beschäftigten - das Unternehmen wurden Anfang 2007 von der taiwanenischen [[Lite-On]] übernommen) sowie die im Juli 2007 an die [[Continental AG]] verkaufte [[VDO Automotive|Siemens VDO Automotive AG]]. Ferner die inzwischen im benachbarten [[Aßlar]] ansässige [[Pfeiffer Vacuum|Arthur Pfeiffer Vakuumtechnik]] (durch deren geänderten [[Kreiselkompass]] die Nutzung von [[Rakete]]n für die [[Raumfahrt]] erst möglich wurde) oder die Sancura BKK, eine überregionale [[Krankenversicherung]], die nach einer Fusion mit zwei anderen Betriebskrankenkassen als [[Taunus BKK]] firmiert. Der Gewerbepark Spilburg, eine ehemalige Kaserne, ist für eine Reihe innovativer Unternehmen, vor allem aus den Bereichen Optik/Feinmechanik, Informationstechnologie und Dienstleistungen, ein überwiegend positiv bewerteter Standort geworden. Seit Januar 2010 errichtet dort auch die [[Volksbank Mittelhessen eG]] ein Büro- und Verwaltungsgebäude. Außerdem sind für die Ansiedlung weiterer, neuer Gewerbe verkehrstechnisch gut erschlossene Gebiete im ''Westend'' sowie das ''Hörnsheimer Eck'' und das ''[[Dillfeld]]'' vorhanden. === Medien === Als größte Tageszeitung der Region wird die [[Wetzlarer Neue Zeitung]] als Hauptausgabe der in Wetzlar ansässigen [[Zeitungsgruppe Lahn-Dill]] herausgegeben. Daneben erscheinen wöchentlich die werbefinanzierten Anzeigenblätter ''Lahn-Dill-Anzeiger'' mit Veranstaltungskalender und ''Sonntag-Morgenmagazin'', sowie monatlich das Stadtmagazin ''Wetzlarer Hefte''. Der monatlich erscheinende [[Wetzlar Kurier]] als CDU-nahe „Zeitung für den Lahn-Dill-Kreis“ nimmt häufig politisch kontrovers diskutierte Positionen ein. Die quartalsweise erscheinende SPD-Zeitung ''Wetzlarer Nachrichten'' gilt als Gegenstück. Weitere Medien aus Wetzlar sind unter anderem das Jugendnetz Wetzlar, das Kindernetz Wetzlar und die NETZ Bangladesch Zeitschrift. Inzwischen hat sich ein [[Cluster (Wirtschaft)|Cluster]] aus christlichen Medieneinrichtungen und -unternehmen von überregionaler und teilweise weltweiter Bedeutung etabliert. Hierzu gehört der [[Evangeliums-Rundfunk]] (ERF) als Partner von [[Trans World Radio]] (TWR), der bereits 1959 gegründet wurde und Radio- sowie Fernsehprogramme produziert und weltweit ausstrahlt. Weitere Organisationen dieser Branche sind die Christliche InterNet-Arbeitsgemeinschaft (CINA), der [[Christlicher Medienverbund KEP|Christliche Medienverbund KEP]] mit der Christlichen Medienakademie sowie die [[Evangelische Nachrichtenagentur Idea|evangelikale Nachrichtenagentur IDEA]]. === Öffentliche Einrichtungen === Regional bedeutsame öffentliche Einrichtungen in Wetzlar sind neben der Kreisverwaltung für den Lahn-Dill-Kreis unter anderem die Agentur für Arbeit für den Arbeitsamtsbezirk Wetzlar und die [[Industrie- und Handelskammer]] (IHK) für den Kammerbezirk Dillenburg und Wetzlar. Weiter ist sie Standort eines [[Finanzamt]]s, eines [[Kreiswehrersatzamt]]s, eines Hessischen [[Forstamt]]s, eines staatlichen Umweltamts, der Abteilung Ländlicher Raum, Natur- und Verbraucherschutz des Regierungspräsidiums, einer [[Staatsanwaltschaft]], eines [[Arbeitsgericht|Arbeits]]- und eines [[Amtsgericht]]es, des Bildungs- und Beratungszentrums des Landesbetrieb Landwirtschaft Hessen, des [[Wasser- und Schifffahrtsamt]]s für den Außenbezirk Wetzlar und des [[Zollamtliche Überwachung|Zollamts]] Wetzlar. Ebenso hat die Obere Flurbereinigungsbehörde des Landes in Wetzlar ihren Hauptsitz. Die Stadt verfügt über eine [[Polizeipräsidium Mittelhessen#Polizeidirektion Lahn-Dill|Polizeistation]], drei Feuerwachen im Stadtgebiet sowie mehrere Stützpunkte in den Stadtteilen und mit dem Klinikum Wetzlar-Braunfels (jährlich etwa 25.000 Patienten) über eines der größten Krankenhäuser der Region. Des Weiteren befindet sich auf dem Gelände der ehemaligen Spilburg-Kaserne das Hessische [[Katastrophenschutz]]-Zentrallager, wo unter anderem Ausstattung für Katastrophenfälle vorgehalten wird. === Bildung === Die Geschichte der ''Hochschule'' in Wetzlar begann bereits vor 200 Jahren. Als Kaiser Franz II. im Jahre 1806 die Kaiserkrone niederlegte, endete das Heilige Römische Reich deutscher Nation und das Reichskammergericht wurde aufgelöst. Um die Nachteile für Wetzlar zu mindern, versuchte [[Karl Theodor von Dalberg]], etliche Juristen durch die Gründung einer Rechtsschule an Wetzlar zu binden, aber ihr war kein langes Bestehen beschieden. Bereits 1816 wurde sie wieder aufgelöst.<ref>Irene Jung: ''[http://www.ebn24.com/?page=3&id=1025&sprach_id=1&projekt=62&land=&st_id=9&seite=4 Von der Reichsstadt zur Kreisstadt – eine Stadtgeschichte mit Höhen und Tiefen]'' in: ''Wirtschaftsstandort Wetzlar''. Europäischer Wirtschafts Verlag, Darmstadt 2002, ISBN 978-3-932845-57-4, S. 132</ref> In der Gegenwart wird am ''Zentrum Dualer Hochschulstudien (ZDH)'' seit dem 25. April 2001 das [[StudiumPlus (Wetzlar)|StudiumPlus]] angeboten, ein duales [[Hochschule|Hochschulstudium]] mit internationalen Hochschulabschlüssen ([[Bachelor]] und [[Master]]). Die Zusammenarbeit der [[Fachhochschule Gießen-Friedberg]] mit der [[Industrie- und Handelskammer]] und Unternehmen der Region ermöglicht ein praxisnahes Studium. Es werden zur Zeit zwölf Fachrichtungen in den vier Studiengängen Wirtschaftsingenieurwesen, Betriebswirtschaft, Ingenieurwesen/Mikrosystemtechnik und dem Masterstudiengang – Prozessmanagement, der dreizehnte in der Fachrichtung "Office Consulting", neu zum Wintersemester 2011/12, angeboten. Weitere wie zum Beispiel die Fachrichtung Krankenhausmanagement (Master) und der neuartige Studiengang ''[[Frühpädagogik]]'' sind in Vorbereitung.<ref>[http://www.studiumplus.de/wps/splus/home/studiumplus/zdh/ Wissenschaftliches Zentrum dualer Hochschulstudien (ZDH)]</ref> Als [[Campus]] dient ein Gebäudekomplex auf dem Gelände der ehemaligen Wetzlarer Spilburg-Kaserne. Im Wintersemester 2009/2010 studieren dort 600 Studenten.<ref>{{Literatur | Autor= jow/pm | Titel= Studierendenzahlen auf Rekordmarke | Sammelwerk= [[Gießener Allgemeine Zeitung]] | Jahr= 2009 | Monat= Oktober | Tag= 09 | Seiten= 24 }}</ref> In der Stadt werden alle wichtigen Schultypen angeboten, hauptsächlich jedoch [[Gesamtschule]]n (Klassen 5–10) und drei [[Gymnasiale Oberstufe|Oberstufenschulen]] (Klasse 11–13). Darunter befindet sich die [[Goetheschule Wetzlar|Goetheschule]], das mit über 1000 Schülern größte Oberstufengymnasium Hessens. Es gibt [[Gymnasium|Gymnasien]], [[Fachgymnasium|Fachgymnasien]], [[Berufsschule]]n mit [[Techniker]]ausbildung, ein [[Hessenkolleg]] (Erwachsenenabitur), eine [[Zivildienstschule]], eine [[Gesundheits- und Krankenpflege|Krankenpflegeschule]], das [[Berufsausbildung|Berufsbildungs]]- und [[Technologie]]zentrum (BTZ) der hessischen [[Handwerkskammer]]n, eine [[Volkshochschule]], [[Tanz]]-, [[Ballett]]-, Gesangs- und [[Musikschule]]n. Die [[Naturschutz-Akademie Hessen]] {{Anker|Naturschutz-Akademie}} ist ein Kooperationsmodell des Landes Hessen mit dem Naturschutz-Zentrum Hessen e.&nbsp;V.<ref>[http://www.na-hessen.de/53446797810d6cb0b/index.html Naturschutz-Akademie Hessen]</ref> und wird getragen von hessischen Verbänden des Natur- und Umweltschutzes, vom Land Hessen, vom Lahn-Dill-Kreis und von der Stadt Wetzlar. Die Akademie ist auf dem Gebiet der [[Umweltbildung]] tätig und ist der hessische Vertreter im ''Bundesweiten Arbeitskreis der staatlich getragenen Bildungsstätten im Natur- und Umweltschutz'' (BANU)<!--sic, nicht Nabu; siehe http://www.na-hessen.de/53446797810d6cb0b/53446797e80ab8e04/index.html-->. Das ''Zentrum für Mathematik Wetzlar'' organisiert Kurse und Wettbewerbe für mathematisch interessierte und begabte Kinder und Jugendliche. Zum ''MatheTreff3456'' sind Schülerinnen und Schüler der Klassen 3 bis 6 eingeladen, die ''Samstagsakademie'' besuchen Schülerinnen und Schüler der Klassen 8 bis 13. Außerdem veranstaltet das Zentrum Fortbildungen für Mathematiklehrer. Die ''Christliche Medienakademie'' bietet journalistische Grundkurse für Studenten und Volontäre an. Daneben werden Aufbaukurse als Ergänzung und Fortbildung für Redakteure und Medienschaffende durchgeführt. Diese Medienschule ist ein Service des Christlichen Medienverbundes KEP e. V.. PR-/Öffentlichkeitsarbeits-Workshops, konzipiert für Mitarbeiter von Organisationen, Verbänden und Gemeinden, werden veranstaltet. Sie sind ebenso als ergänzende Weiterbildung für Journalisten und Volontäre geeignet.<ref>[http://www.kep.de Christlicher Medienverbundes KEP e.&nbsp;V. → Arbeitsbereiche → Christliche Medienakademie (Seitenaufruf am 24. Februar 2010)]</ref> == Persönlichkeiten == → ''Hauptartikel: [[Liste der Persönlichkeiten der Stadt Wetzlar]]'' Die erste bekannte Persönlichkeit in der Stadt war Graf [[Gebhard (Lothringen)|Gebhard]] ''dux regni quod a multis Hlotharii dicitur'' („Herzog des Königreiches, das von vielen dasjenige Lothars genannt wird“, gemeint ist das [[Lotharii Regnum]], das spätere Lothringen), ließ 897 eine Salvatorkirche (Erlöserkirche) an Stelle einer Vorgängerkirche auf dem späteren „Domberg“ weihen, stiftete 914/915 das Kloster St. Maria in Wetzlar, dort wurde er auch begraben.<ref>In Barth Rüdiger E.: Seite 180, „Der Herzog in Lothringen im 10. Jahrhundert“.</ref> Als wohl bekannteste Persönlichkeit der Wetzlarer Geschichte wirkte [[Johann Wolfgang von Goethe]] 1772 als Jurist am [[Reichskammergericht]]. Unter dem Eindruck seiner Liebe zur Wetzlarerin [[Charlotte Buff]] und des Suizides [[Karl Wilhelm Jerusalem]]s machte Goethe die Stadt mit seinem Roman [[Die Leiden des jungen Werther]] weltweit bekannt. Buff, „Werthers Lotte“, heiratete den hannoverschen Legationssekretär [[Johann Christian Kestner]], der schon seit 1767 als Kammergerichtssekretär am Reichskammergericht in Wetzlar tätig war. Er wurde später königlich großbritannisch-hannoverscher [[Hofrat]] und Vizearchivar in [[Hannover]]. Zu großer Bedeutung brachten es später die Pioniere der Optik wie [[Moritz Hensoldt]], [[Ernst Leitz senior|Ernst Leitz]], sein gleichnamiger [[Ernst Leitz junior|Sohn]] sowie [[Oscar Barnack]]. Als Wegbereiter und Entwickler technologischer [[Innovation]]en wie der ersten Kleinbildkamera der Welt hatten sie auch einen großen Einfluss auf die Entwicklung Wetzlars zur Industriestadt. == Literatur == * Magnus Backes, Hans Feldtkeller: ''Kunstreiseführer Hessen'', Sonderausgabe Gondrom Verlag, Bindach 1988, ISBN 3-8112-0588-9. * Rolf Beck: ''Die Leitz-Werke in Wetzlar''. 2. Auflage. Sutton, Erfurt 1999, ISBN 3-89702-124-2. * Rolf Beck: ''Mikroskope von Ernst Leitz in Wetzlar''. Sutton, Erfurt 2002, ISBN 3-89702-292-3. * Gustav Faber: ''Reisen durch Deutschland'', Zwölf Reisen durch deutsche Geschichte und Gegenwart. Insel Verlag Frankfurt am Main und Leipzig 1992, ISBN 3-458-33295-2. * Herbert Flender, Gerd Scharfscheer: ''Wetzlarer Stadtchronik''. 2. Auflage. Wetzlardruck, Wetzlar 1980. * Eduard Brüdern: Der Dom zu Wetzlar, 2. Aufl. 2001, Verlag LANGEWIESCHE, ISBN 3-7845-5191-2 aus der Reihe: Die Blauen Bücher * Knaurs Kulturführer Deutschland', Weltbild VerlagGmbH Augsburg 1998, ISBN 3-8289-0703-2. * Dr. Irmgard Freiin von Lemmers-Danforth: ''Europäische Wohnkultur, Renaissance und Barock'', W.Bechstein GmbH, Buch- und Offsetdruck, Wetzlar. * Landesamt für Denkmalpflege Hessen (Hrsg.): ''Kulturdenkmäler in Hessen. Stadt Wetzlar''. Theiss, Stuttgart 2004, ISBN 3-8062-1900-1. * Magistrat der Stadt Wetzlar: ''Goethes Wetzlarer Zeit. Bilder aus der Reichskammergerichts- und Wertherstadt von Heinrich Gloël''. Nachdr. (Druckerei Will) der Ausgabe Mittler, Berlin 1911. Magistrat der Stadt Wetzlar, Wetzlar 1999. * Karsten Porezag: ''Bergbaustadt Wetzlar: Geschichte von Eisenerzbergbau und Hüttenwesen in historischer Stadtgemarkung''. Wetzlardruck, Wetzlar 1987, ISBN 3-926617-00-4. * August Schoenwerk: ''Geschichte von Stadt und Kreis Wetzlar''. 2. überarb. u. erw. Auflage von Herbert Flender. Pegasus Verlag, Wetzlar 1975, ISBN 3-87619-005-3. == Einzelnachweise == <references /> == Siehe auch == {{Portal|Mittelhessen}} == Weblinks == {{Commonscat|Wetzlar}} {{Wiktionary|Wetzlar}} {{Wikisource|Topographia Hassiae (Hessen): Wetzlar|{{PAGENAME}} in Merians Topographia Hassiae}} {{Wikinews|Portal:Wetzlar|Wetzlar}} {{Wikiquote|Wetzlar}} * [http://www.wetzlarvirtuell.de/ Virtuelles 3D-Stadtmodell] {{NaviBlock |Navigationsleiste Ortsteile von Wetzlar |Navigationsleiste Städte und Gemeinden im Lahn-Dill-Kreis}} {{Exzellent|1. Juni 2008|47875998}} [[Kategorie:Ort im Lahn-Dill-Kreis]] [[Kategorie:Wetzlar| ]] [[Kategorie:Reichsstadt]] [[Kategorie:Mitglied des Rheinischen Städtebundes]] [[Kategorie:Ort am Jakobsweg (Lahnweg)]] [[af:Wetzlar]] [[an:Wetzlar]] [[ar:ويتزلا]] [[az:Vetzlar]] [[bg:Вецлар]] [[br:Wetzlar]] [[bs:Wetzlar]] [[ca:Wetzlar]] [[cs:Wetzlar]] [[cy:Wetzlar]] [[da:Wetzlar]] [[el:Βέτσλαρ]] [[en:Wetzlar]] [[eo:Veclaro]] [[es:Wetzlar]] [[et:Wetzlar]] [[eu:Wetzlar]] [[fa:وتسلار]] [[fi:Wetzlar]] [[fr:Wetzlar]] [[gl:Wetzlar]] [[he:וצלר]] [[hr:Wetzlar]] [[hsb:Wetzlar]] [[hu:Wetzlar]] [[ia:Wetzlar]] [[id:Wetzlar]] [[io:Wetzlar]] [[is:Wetzlar]] [[it:Wetzlar]] [[ja:ヴェッツラー]] [[kk:Ветцлар]] [[ko:베츨라르]] [[la:Wetzlaria]] [[lb:Wetzlar]] [[li:Wetzlar]] [[lt:Veclaras]] [[lv:Veclāra]] [[mk:Вецлар]] [[nds:Wetzlar]] [[nl:Wetzlar]] [[nn:Wetzlar]] [[no:Wetzlar]] [[oc:Wetzlar]] [[pl:Wetzlar]] [[pt:Wetzlar]] [[ro:Wetzlar]] [[ru:Вецлар]] [[sh:Wetzlar]] [[simple:Wetzlar]] [[sk:Wetzlar]] [[sl:Wetzlar]] [[sq:Vetclar]] [[sr:Вецлар]] [[sv:Wetzlar]] [[tr:Wetzlar]] [[uk:Ветцлар]] [[vec:Wetzlar]] [[vi:Wetzlar]] [[vo:Wetzlar]] [[wa:Weslår]] [[zh:韦茨拉尔]] i9b6irdlqv1evgp9yltx9wka68o7b1c wikitext text/x-wiki Alfred North Whitehead 0 24509 27111 2010-05-04T18:38:55Z BridgeNew2 0 [[Datei:ANWhitehead.jpg|thumb|Alfred North Whitehead]] '''Alfred North Whitehead''' [[Order of Merit|OM]] (* [[15. Februar]] [[1861]] in [[Ramsgate]]; † [[30. Dezember]] [[1947]] in [[Cambridge (Massachusetts)]]) war ein [[Vereinigtes Königreich|britischer]] [[Philosophie|Philosoph]] und [[Mathematiker]]. Bekannt wurde Alfred Whitehead durch das Standardwerk „[[Principia Mathematica]]“ über [[Logik]], das er zusammen mit seinem langjährigen Schüler und Freund [[Bertrand Russell]] zwischen 1911 und 1913 in drei Bänden veröffentlichte. Es stellte den Versuch dar, im Sinne des [[Logizismus|logizistischen Programmes]] alle wahren mathematischen Aussagen und Beweise auf eine symbolische Logik zurückzuführen. Obwohl ein geplanter vierter Band nicht mehr veröffentlicht wurde und die Frage, ob der Versuch selbst erfolgreich war, weiterhin kontrovers diskutiert wird, wurde „Principia Mathematica“ zu einem der einflussreichsten Bücher der Geschichte der Mathematik und Logik. In seiner Londoner Zeit von 1911 bis 1924 machte Whitehead sich einen Namen als [[Naturphilosophie|Naturphilosoph]], als [[Wissenschaftstheorie|Wissenschaftstheoretiker]], als Kritiker der Ausbildung an Großbritanniens Universitäten und als Autor mehrerer Bücher über Erziehung. Nach seiner Berufung an die [[Universität Harvard]] im Jahr 1924 konnte er sich ganz der weiteren Ausarbeitung seiner [[Prozessphilosophie|prozessphilosophischen]] [[Metaphysik]] widmen. Als sein philosophisches Hauptwerk gilt „[[Process and Reality]]“ (1929), in dem er seiner „Philosophy of Organism“ die Form gab, die später auch zur Grundlage der [[Prozesstheologie]] wurde. Darin strukturiert er auf der Grundlage der [[Rationalismus|Rationalität]] und [[Kohärenztheorie|Kohärenz]] die Wirklichkeit als einen Organismus, der sich in elementaren Ereignissen vollzieht und sich in einer evolutionären Entwicklung befindet. Obwohl die philosophische Sekundärliteratur zu Whitehead umfangreich ist, ist der Einfluss seiner Metaphysik auf die akademische Philosophie bis heute bescheiden geblieben. == Familie, Schule und Studium == Alfred North Whitehead wurde 1861 in [[Ramsgate]], einer kleinen Hafenstadt im Südosten Englands, geboren. Er war das jüngste der vier Kinder von Alfred Whitehead, einem anglikanischen Pfarrer, und Maria Sarah Buckmaster, einer Tochter eines wohlhabenden Kaufmanns. Sein Vater unterrichtete ihn bis zum Alter von 14&nbsp;Jahren zu Hause, da Alfreds Gesundheitszustand von den Eltern als zu schwach für den Besuch einer öffentliche Schule und der damit verbundenen körperlichen Aktivität eingeschätzt wurde. Vom September 1875 an wurde er vier Jahre an der Sherbourne Independent School in [[Dorset]] unterrichtet, wo sich sein herausragendes mathematisches Talent zeigte.<ref name="Hauskeller15"/> 1879 erhielt Whitehead ein Stipendium für das [[Trinity College (Cambridge)|Trinity College]] in [[Cambridge]] und begann dort 1880 mit dem Studium der Mathematik. Am Trinity College besuchte er unter anderem Vorlesungen von [[James Whitbread Lee Glaisher]], [[Arthur Cayley]] und [[George Gabriel Stokes]]. Bei den „Tripos“ (den nicht nur für eine mathematische Karriere entscheidenden schriftlichen, sehr kompetitiv angelegten Mathematik-Prüfungen in Cambridge) 1883/84, auf die er sich mit [[Edward Routh]] vorbereitete, wurde er Viertbester (''Fourth Wrangler'').<ref>Victor Lowe, „Understanding Whitehead“, Baltimore: The Johns Hopkins University Press, 1962, S. 231</ref> == Cambridge == 1884 wurde Whitehead [[Fellow]] und Assistant Lecturer und später (1888) [[Lecturer]] in Cambridge, obwohl er kaum publizierte. Ebenfalls 1884 wurde er in den [[Debattierklub]] der [[Cambridge Apostles]] aufgenommen. Hier lernte er nicht nur Persönlichkeiten wie [[George Edward Moore|Moore]], [[John Maynard Keynes|Keynes]] und [[John McTaggart Ellis McTaggart|McTaggart]] kennen, sondern hier wurde auch sein Interesse an Philosophie, Theologie und weiteren Wissenschaften geweckt und befriedigt. 1884 schrieb Whitehead seine Examensarbeit über [[James Clerk Maxwell|Maxwells]] Theorie der [[Elektrodynamik]]. Während eines Freisemesters 1885 reiste er nach Deutschland, um bei [[Felix Klein]] Mathematikvorlesungen zu besuchen. 1890 heiratete Whitehead Evelyn Willoughby Wade. Die Ehe, die bis zu seinem Tod Bestand hatte, war von Beginn an eine große Bereicherung für Whitehead. Insbesondere das Interesse seiner Frau für [[Ästhetik]] inspirierte ihn, diese Aspekte in seine grundlegenden Reflexionen über die Natur einzubeziehen.<ref name="Hampe20"/> Das Paar hatte drei Kinder, zwei Söhne, Thomas North und Eric Alfred, sowie eine Tochter, Jessie Marie. Der jüngere der beiden Söhne, Eric Alfred Whitehead, [[Gefallener|fiel]] 1918 während des [[Erster Weltkrieg|Ersten Weltkrieges]] bei einem Patrouillenflug in Frankreich im Rang eines Leutnants der [[Royal Air Force]]. Obwohl er durch die Familie und Erziehung in der anglikanischen Kirche beheimatet war,<ref>Neben seinem Vater und weiteren Familienmitgliedern, die anglikanische Geistliche waren, wurde sein Bruder [[Henry Whitehead]] 1899 anglikanischer Bischof in [[Madras]] (dessen Sohn wiederum war der Mathematiker [[J. H. C. Whitehead]]).</ref> begann er, ebenfalls 1890, eine mehrjährige Auseinandersetzung mit den Lehren der [[Römisch-katholische Kirche|römisch-katholischen Kirche]]. Angeregt und beeinflusst wurde dieses Interesse durch seine Frau und die Schriften von [[John Henry Newman]]. Diese Zeit endete nach einer Dekade mit der Feststellung Whiteheads, dass er nun eine [[Agnostik|agnostische]] Haltung gegenüber den Religionen eingenommen habe, nach eigenen Worten beeinflusst durch den raschen Fortschritt in der Physik und die damit verbundene Abkehr vom Newtonschen Weltbild. === Principia Mathematica === Ab 1891 arbeitete er an dem Werk „Treatise of Universal Algebra“, einer sehr ambitionierten Arbeit über vergleichende Untersuchungen rein symbolisch basierter Beweisführungen, die allerdings erst 1898 erschien. Aufgrund des Treatise wurde Whitehead 1903 in die [[Royal Society]] gewählt. Ab 1890 war Whitehead auch der Lehrer von [[Bertrand Russell]], nachdem dieser in Cambridge sein Studium begann. Ihre Zusammenarbeit an der „Principia Mathematica“ begann wahrscheinlich Ende 1901 oder Anfang 1902.<ref>Victor Lowe widmet dieser Frage in „Alfred North Whitehead: The Man and His Work“, Vol. I, 1985, S. 254ff, mehrere Seiten, kann aber den Beginn nicht näher bestimmen.</ref> Anlass war ihr Besuch des [[Internationaler Mathematikerkongress|Internationalen Mathematikkongresses]] in Paris 1900, wo sie mit der Arbeit von [[Giuseppe Peano]] über die Grundlagen der Mathematik bekannt und auch privat gute Freunde wurden. Russell führte Peanos Ansätze mit der herausragenden Veröffentlichung „Principles of Mathematics“ (1903) fort. Schon diesem Werk liegt der Anspruch zugrunde, die Logik als das fundamentale Prinzip der Mathematik darzustellen. Mit der „Principia Mathematica“ sollte dann gezeigt werden, dass die gesamte Arithmetik auf einen Satz aus [[Axiom]]en und Schlussregeln zurückgeführt werden kann, der direkt aus der Logik ableitbar ist. Damit führten die Autoren die grundlegenden Fortschritte der Mathematik und Logik durch [[George Boole]], [[Charles S. Peirce]], [[Gottlob Frege]], [[Hermann Graßmann]] und weiteren aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts weiter.<ref>Michael Hampe, „Alfred North Whitehead“, C.H.Beck, 1998, ISBN 3-406-41947-X, S. 16</ref> Die Arbeit an der „Principia Mathematica“ führte beide an ihre physischen und psychischen Grenzen und nahm sie bis zur Veröffentlichung des ersten Bandes 1910 stark in Anspruch. Um die drei Bände letztlich beim Verlag [[Cambridge University Press]] zu veröffentlichen, mussten Whitehead und Russel jeweils 50 Pfund aus eigener Tasche beisteuern.<ref> http://www.science.uva.nl/~seop/archives/fall1997/entries/principia-mathematica/</ref> Whitehead gab für diese Zusammenarbeit die Beschäftigung mit dem geplanten zweiten Band seiner Universellen Algebra auf. Trotz seiner Arbeit an „Principia Mathematica“ machte Whitehead in Cambridge keine typische Mathematikerkarriere. Sein Interesse blieb auf die Erfassung und Ausarbeitung der Grundlagen der Logik und Mathematik gerichtet. Einige seiner wenigen Veröffentlichungen in dieser Zeit sind „On Mathematical Concepts of the Material World“ (1905), „Axioms of Projective Geometry“ (1907) und „Axioms of Descriptive Geometry“ (1907).<ref>Victor Lowe, „Understanding Whitehead“, Baltimore: The Johns Hopkins University Press, 1962, S. 231–237</ref><ref>Ernest Wolf-Gazo, “Whitehead”, Verlag Karl Alber, 1980, ISBN 3-495-47428-5, S. 133</ref> 1911 veröffentlichte Whitehead eine an die breite Leserschaft gerichtete Einführung in die Mathematik („An Introduction to Mathematics”), die weithin populär wurde und auch heute noch als eines der besten Bücher seiner Art gilt. == London == [[Datei:ImperialCollegeLondon.jpg|thumb|Eingangsportal des Imperial College, London]] 1910 gab Whitehead seine Position in Cambridge auf und ging ohne die Aussicht auf eine konkrete Anstellung nach London. Äußerlicher Anlass war der Verlust der Fellowship seines Freundes und Kollegen [[Andrew Russell Forsyth]]. Ein Jahr später erhielt er eine Berufung als Lehrbeauftragter für Reine Mathematik an das [[University College London]] und 1914 eine Professur für [[Angewandte Mathematik]] (damals nicht unterschieden vom Fach Physik) am [[Imperial College]] of Science.<ref name="Hampe20"/> === Theorie der Erziehung === In seiner Londoner Zeit nahm Whitehead mehrere Stellen in der akademischen Administration an, unter anderem als [[Dekan (Hochschule)|Dekan]] der naturwissenschaftlichen Fakultät, als Mitglied verschiedener Kommissionen zur Reform der universitären Ausbildung und als Senatsmitglied der [[University of London]]. Hier versuchte er seine Kritik an den zu konservativen universitären Institutionen praktisch umzusetzen.<ref>Whitehead kämpfte in Cambridge jahrelang vergeblich gegen eine Benachteiligung der Frauen in den Ausbildungseinrichtungen. Weiterhin bemängelte er die fehlende institutionelle Unterstützung der empirischen Forschung an den Universitäten in Großbritannien, die sich besonders nachteilig auf die Physik auswirke.</ref> In „Aims of Education and other essays“ fasst er 1916 seine Forderungen an eine erfolgreiche [[Erziehung]] und Ausbildung zusammen. Kreativität und Genauigkeit oder Freiheit und Disziplin werden hier für Whitehead nicht nur die grundlegenden Elemente seiner Philosophie und die Ideale der Arbeitsweise in der Mathematik, sondern auch die allgemeinen Erziehungsideale eines Menschen.<ref>A.N. Whitehead, „Aims of Education and other essays“, London, 1929. S 47</ref> Erziehung sollte keine Vermittlung starrer Ideale und Inhalte sein, sondern den Menschen zur Selbstentwicklung stimulieren. Sie ist dann erfolgreich, wenn sie zu einer intensivierten Wahrnehmung der Gegenwart führt. Die Folge ist im idealen Fall die Entwicklung eines eigenen „geistigen Stiles“, der „höchsten Moralität des Geistes“, ein ästhetischer Wert, der allen Erfahrungsprozessen ihren Sinn verleiht und sich weiterhin in einer „Bewunderung“ für das direkte Erreichen eines Zieles ohne Überflüssigkeiten ausdrückt.<ref>A.N. Whitehead, „Aims of Education and other essays“ , London, 1929. S. 3 u. S. 47</ref><ref>Michael Hampe, „Alfred North Whitehead“, C.H.Beck, 1998, ISBN 3-406-41947-X, S. 34</ref> === Die Anfänge der Naturphilosophie === Whitehead, der nie eine Vorlesung in Philosophie besucht hatte, begann nun nach und nach seine Vorstellungen von einer naturphilosophischen Grundlegung zu veröffentlichen. Sein lebenslanges Leitmotiv war dabei die Ausarbeitung einer Systematik der grundlegenden Elemente der Wirklichkeit, die er sowohl mithilfe einer kreativen [[Spekulation (Philosophie)|spekulativen Philosophie]] formuliert, aber auch an den Kriterien der Logik und [[Kohärenztheorie|Kohärenz]] ständig überprüft. {{Zitat|Spekulative Philosophie ist das Bemühen, ein kohärentes, logisches und notwendiges System allgemeiner Ideen zu entwerfen, auf dessen Grundlage jedes Element unserer Erfahrung interpretiert werden kann.|A. N. Whitehead|Prozess und Realität, S. 31}} Am Beginn seiner Überlegungen standen häufig fundamentale philosophische Problem aus der Theorie und Praxis der Logik, Mathematik und Physik. ==== Geometrie und Logik ==== Seit der griechischen Antike galt die [[euklidische Geometrie]] als Sinnbild für die Fähigkeit des Menschen, die Natur des Raumes in allgemeinen Gesetzmäßigkeiten zu begreifen. Dieses Wissen schien sogar [[a priori]], also ''vor'' und unabhängig von jeder Erfahrung, möglich zu sein. Nach dem Aufkommen alternativer Geometrien im 19.&nbsp;Jahrhundert konnte dagegen keine Geometrie mehr beanspruchen, den ''wirklichen'' Raum zu beschreiben. Da aber die Newtonsche Physik die euklidische Geometrie ebenso wie die [[Albert Einstein|Einsteinsche]] [[Relativitätstheorie]] die [[Riemannsche Geometrie]] ''voraussetzt'', folgert Whitehead, dass es nicht entscheidbar ist, welche Geometrie den Raum tatsächlich beschreibt.<ref>Michael Hampe, „Alfred North Whitehead“, C.H.Beck, 1998, ISBN 3-406-41947-X, S. 31</ref> Ebenso hat sich die Unumstößlichkeit der aristotelischen „klassischen Logik“ als Abbild der Wirklichkeit infolge der Fortschritte der Logik als trügerisch erwiesen. Dies führte nach Whiteheads Ansicht gar in eine ''Krise der Vernunft''. Beide Erkenntnisse erschüttern demnach unsere Vorstellung, die Natur mit Hilfe unserer Alltagserfahrung zu verstehen. ==== Raum, Zeit und Materie ==== Grundlage der wissenschaftlichen Begrifflichkeit in der Newtonschen Physik und dem zugrunde liegenden Naturschema bilden die jeweils voneinander unabhängigen Kategorien „[[Raum (Philosophie)|Raum]]“, „[[Zeit (Philosophie)|Zeit]]“ und „Materie“. Diese [[Mechanizismus|mechanistische]] Naturauffassung ist für Whitehead jedoch generell ungeeignet, um Veränderungen darzustellen. So müsste beispielsweise jede Richtungsänderung eines (theoretisch unendlich harten) Körpers in der klassischen [[Mechanik]] mit unendlich hoher Geschwindigkeit erfolgen. Die Anwendung dieses Schemas in der Physik führt nach Whitehead zum „Trugschluss der unangebrachten Konkretisierung“ („Fallacy of misplaced concreteness“). Er argumentiert dabei, dass sich die scheinbar eindeutige Zuordnung von sehr abstrakten und vereinfachenden Begriffen zu umfassenden Beschreibungen der Wirklichkeit nicht mit unseren unmittelbaren Erfahrungen deckt, denn wir brauchen immer eine konkrete Gesamtheit, um daraus ein Teil zu isolieren. Ein Teilproblem davon ist der „Trugschluss einfacher Lokalisierung“ („fallacy of simple location“). Die Zuweisung eines Raumpunktes zu einer bestimmten Form Materie setzt die Unabhängigkeit beider Kategorien voraus. Dies führt aber nach Whitehead unweigerlich in Widersprüche. Dasselbe gilt für die Beziehung zwischen Zeit und Materie. So muss Vergangenes [[Präsenz|in der Gegenwart anwesend]] sein, damit wir Erinnerung besitzen können, die ja mit der materiellen Form korrespondiert. Ebenso wird der Materie eine „instantane Existenz“ zugesprochen, also eine nicht-zeitliche Präsenz, die für Whitehead jeder Erfahrung widerspricht, die Existenz nur anhand einer Dauer vermittelt.<ref>Michael Hauskeller, „Alfred North Whitehead – Eine Einführung“, Junius Verlag, 2004, S. 36-39</ref><ref>L.F. Fetz,, „Whitehead: Prozeßdenken und Substanzmetaphysik“, Freiburg, 1981,. Freiburg, S. 44ff</ref> ==== Kritik am Substanzmaterialismus ==== Die [[Substanz]]metaphysik seit [[Aristoteles]] beruht nach Ansicht Whiteheads auf einer zu starken Orientierung des Denkens und der Philosophie an der [[Syllogismus |Subjekt-Prädikat-Struktur]] der Alltagssprache.<ref name="Hampe25"/> Dinge, die lange andauern, halten wir nach Whitehead für realer als Dinge, die nur kurz in unserem Bewusstsein auftauchen. Da aber jede Wahrnehmung, jede Messung und jedes Ereignis „andauert“, sind für Whitehead die Geschehnisse selbst und nicht die Dinge oder die Tatsachen (wie nach [[Ludwig Wittgenstein|Wittgensteins]] Ontologie im [[Tractatus logico-philosophicus|Tractatus]]) die eigentlichen Grundbausteine der Realität. Die gewöhnliche, substanzmaterialistische Sicht ist, dass wir ein Geschehen immer an einer Substanz festmachen, „mit“ der etwas geschieht. Die Trennung der Substanzen „Materie“ und „Geist“ im [[Rene Descartes|cartesianischen]] [[Dualismus (Philosophie)|Dualismus]] lehnt Whitehead strikt ab. Nichts in unserer Erfahrung, so schreibt er, bestehe ausschließlich aus Materie oder ausschließlich aus Geist. Whitehead erkennt allerdings die Unterschiede zwischen Materie und Geist an und versucht nicht, sie in einem [[Neutraler Monismus|neutralen Monismus]] aufzuheben. In seiner späteren Metaphysik bilden die Bereiche Materie und Geist quasi die „Pole“ der „wirklichen Ereignisse“, die dann die grundlegenden Bausteine der Wirklichkeit sind.<ref>M. Hauskeller, „Alfred North Whitehead – Zur Einführung“, Junius Verlag, Hamburg, 1994, ISBN 3885068958, S. 77</ref> === Wirkliche Ereignisse === 1920 legte Whitehead in „The concept of Nature“ einen naturphilosophischen Ansatz vor, dessen grundlegender Terminus zur Bezeichnung dieser Grundbausteine das „wirkliche Ereignis“ („actual entity“, auch „wirkliches Einzelwesen“) ist. Das Ereignis ist das, was immer Teil der Realität ist, die substanzmaterialistischen Kategorien von [[Subjektivität]] und [[Objektivität]] oder von [[Wirklichkeit]] und Erscheinung spielen dafür keine Rolle. Ebenso vermeidet Whitehead so die Suche nach einer [[Seele]]nsubstanz oder die Bestimmung des „Wesens der Materie“, die viele [[Ontologie]]n bestimmt. Wirkliche Einzelwesen sind atomar, ihren Aspekten und Eigenschaften kann keine eigenständige Existenz zukommen. Das konkrete Bewusstsein eines Menschen.in einem Augenblick ist ein wirkliches Einzelwesen, ebenso wie „der trivialste Hauch von Sein im weit entlegenen leeren Raum“ („Prozess und Realität“, S. 58) und letztlich ebenso [[Gott]]. Ihr Sein ist ein Prozess des Werdens, ihre Bestimmung ist im höchsten Maße von den Beziehungen zu letztlich allen anderen wirklichen Einzelwesen abhängig.<ref>M. Hauskeller, „Alfred North Whitehead – Zur Einführung“, Junius Verlag, Hamburg, 1994, ISBN 3885068958, S. 33</ref> Das scheinbare Andauern der Dinge leitet sich aus der ständigen Wiederholung der Ereignisse ab, die diese Dinge zum Inhalt haben. Dinge, die nur eine einzige mögliche Bestimmung haben, können sich nicht verändern und dauern somit ewig an. Diese nennt Whitehead „ewige Objekte“ („eternal objects“) oder „reine Möglichkeiten“ („pure potentials“). Zusammen mit dem Begriff der „Erfassung“ („prehensions“) bilden sie das „Herzstück“ der späteren Metaphysik Whiteheads. Die Elemente der traditionellen Naturauffassung wie „Raum“ werden darauf aufbauend als Phänomen verstanden und konstruiert. „Dauer“, „[[Relationalität]]“ und „Bedeutung“ sind so keine ''nachträglich'' in den [[Naturwissenschaft]]en konstruierte Begriffe, sondern werden bei Whitehead zu den Grundelementen der Naturauffassung. Ist nach der traditionellen Auffassung die Materie das Reale und die Veränderungen sind Erscheinungen daran, so wird die passive, unveränderliche Materie bei Whitehead zur Erscheinung der natürlichen Realität, die durch Ereignisse und Veränderungen bestimmt wird. Prägend für die Erscheinung der Dinglichkeit ist demnach eine ständige Wiederholung der Ereignisse; die Täuschung ist die Annahme der selbstständigen Existenz eines Dinges, das Reale ist das Ereignis. So ist beispielsweise die Messung des Atomgewichtes eines [[Blei]]atomes ein einmaliges, reales Ereignis. Erst die Wiederholung dieses Ereignisses führt zur Annahme eines eigenständigen Objektes „Blei“ samt seiner Eigenschaft „Gewicht“. Beides sind konstruierte Abstraktionen und haben für Whitehead keine Entsprechung in der grundlegenden Realität der Natur.<ref name="Hampe59"/> {{Zitat|[..] Raum, Zeit und Materie sind Attribute der Ereignisse. Nach der alten Theorie der Relativität sind Raum und Zeit Relationen zwischen Materiepartikel; nach unserer Theorie sind sie Relationen zwischen Ereignissen.|An Enquiry into the Principles of Natural Knowledge, 25}} Wie Whitehead einräumt besitzen wir noch keine wissenschaftliche Methode oder auch nur ein Prinzip zur Bestimmung der aktuellen – und notwendiger Weise endlichen – Anzahl und Dauer wirklicher Ereignisse. Er sieht die Mathematik aber erst am Anfang ihrer Entwicklung und macht sich deshalb um diesen Umstand keine weiteren Gedanken.<ref>M. Hauskeller, „Alfred North Whitehead – Zur Einführung“, Junius Verlag, Hamburg, 1994, ISBN 3885068958, S. 172</ref> === Methode der extensiven Abstraktion === In „Enquiry concerning the Principles of Natural Knowledge“ (1919) stellte Whitehead seine Methode der „extensiven Abstraktion“ vor. Scheinbar einfache Grundelemente der euklidischen Geometrie, aber auch der mathematischen Physik wie ein Punkt, sind für Whitehead reine Abstraktionen. Um diese aus den wirklichen Elementen der Erfahrung abzuleiten, formuliert er eine Relation des „Ausgedehntseins-über“. Eine Menge von Ereignissen kann so zu einer komplexen Klasse zusammengestellt werden, die in einer Art [[Intervallschachtelung]] gegen das geometrische Element, ähnlich der [[Matrjoschka|russischen Puppen]], konvergiert.<ref>Michael Hampe, „Alfred North Whitehead“, C.H.Beck, 1998, ISBN 3-406-41947-X, S. 75.</ref> Die Methode der extensiven Abstraktion ist später von [[Alfred Tarski]] erweitert worden und heute unter dem Namen „[[Point-free geometry]]“ bekannt. === Wissenschaftstheorie und Wissenschaftsgeschichte === Whitehead untersucht die Wissenschaft als Teil des Lebensprozesses und ihre Methode der Erkenntnisgewinnung im Hinblick auf ihre naturphilosophische Deutung. Er kommt in seinen wissenschaftshistorischen Betrachtungen teilweise zu ähnlichen Ergebnissen wie später [[Paul Feyerabend]] und [[Thomas Samuel Kuhn|Kuhn]], bewertet sie aber anders. Auch in den Wissenschaften gibt es nach Whitehead ähnlich wie in der Politik konservative und revolutionäre Tendenzen; Wissenschaft als ein rein nach Wahrheit und Erkenntnisgewinn strebendes Unternehmen zu sehen, ist in seinen Augen viel zu naiv. Wenn die konservativen, [[Obskurantismus|obskuranten]], auf ihr Überleben eingestellten Wissenschaftsstrukturen die Oberhand gewinnen, wird alles Neue, das nicht in das Schema passt, als irrelevant eingestuft. So steht jede wissenschaftliche Methode in einer „Lebensphase“. Am Anfang werden Erfahrungen integriert, die vorher ignoriert wurden, dann folgt die Systematisierung (bei Kuhn: „normal science“) und die Endphase, in der nur noch über Nebensächliches diskutiert wird und die eigentlichen inhaltlichen Fragen nicht mehr behandelt werden. Die Relevanz neuer Erkenntnisziele wird geleugnet und die alte Methodik wird um ihrer selbst willen erhalten.<ref>Michael Hampe, „Alfred North Whitehead“, C.H.Beck, 1998, ISBN 3-406-41947-X, S. 91ff.</ref> Dem entgegen stellt Whitehead eine „methodisch kontrollierte Spekulation“, die einerseits vor Scharlatanerie und andererseits vor Obskurantismus schützen soll. Die Methode ist allgemein die Logik und die Mathematik. Der Obskurantismus der modernen Wissenschaft besteht für Whitehead vor allem in der widersinnigen Leugnung der Zweckmäßigkeit der Natur. So fragt Whitehead zugespitzt: Welchen Zweck verfolgt ein Naturwissenschaftler, der die Zweckmäßigkeit in der Natur leugnet? Die Zweckmäßigkeit einer Erkenntnisgewinnung, die per Definition über eine Erhaltung hinaus auf Neues gerichtet ist, müsse somit außerhalb einer Natur liegen, die selbst keiner Zweckmäßigkeit unterliegt. == Harvard == [[Datei:Harvard University Old Hall.jpg|thumb|right|Massachusetts Hall]] Anfang der zwanziger Jahre war Whitehead nicht nur einer der angesehensten Logiker und Mathematiker (er schrieb beispielsweise den Artikel „Mathematik“ für die 11. Auflage der [[Encyclopedia Britannica]]), sondern auch ein ebenso beachteter Wissenschaftsphilosoph.<ref name="Hampe59"/> Am 6. Februar 1924, Whitehead war 63 Jahre alt, erhielt er eine Einladung für eine auf zunächst fünf Jahre befristete Philosophieprofessur ohne inhaltliche Beschränkung an die Harvard-Universität in [[Cambridge]] ([[Massachusetts]], USA), die er im Oktober desselben Jahres antrat. Schnell wurde er dort dafür bekannt, dass er mit seinen Vorlesungen keine Rücksicht auf die Fähigkeit seiner Zuhörerschaft nahm, seinen komplexen und inhaltsschweren Ausführungen zu folgen. Während seiner Zeit in Amerika nahm Whitehead mehrere Gastprofessuren im Land an. In Amerika und im amerikanischen [[Pragmatismus]], insbesonderen in der von [[Charles Sanders Peirce|Peirce]] vertretenen Form, sah Whitehead auch in philosophischer Hinsicht die „Zukunft“. === Wissenschaftlicher Materialismus === Aus mehreren Vorlesungen im Rahmen der [[Lowell Lectures]] an der Universität Boston ist eines seiner bemerkenswertesten Bücher hervorgegangen. In „Science and the modern World“ (1925) kritisiert Whitehead den in den Naturwissenschaften verbreiteten [[Materialismus]] als die Folge des Irrtums, der die abstrakten Systeme der mathematisch formulierten Physik für die Wirklichkeit hält. Den Ausgangspunkt dieser Entwicklung sieht er im Beginn der naturwissenschaftlichen Forschung des 17. Jahrhunderts, als sich Wissenschaft und Philosophie den zunehmend getrennten Bereichen Natur und Geist zuwendeten.<ref>A. N. Whitehead, „Science and the modern World“, New York, 1925, S. 170</ref> Dies kommt für Whitehead letztlich einer „Entsubjektivierung der Natur“ und einer „Denaturalisierung des Subjekts“ gleich. Diese Trennung des Menschen und seiner Erfahrung von einer postulierten objektiven Wirklichkeit im Newtonschen Wissenschaftsbild war ein häufiger Ansatzpunkt für Whiteheads Kritik und der Ausarbeitung seiner prozessorientierten Metaphysik. === Process and Reality === Im Januar 1927 erhielt Whitehead von der [[University of Edinburgh]] in Schottland eine Einladung zur einer Vorlesungsreihe der berühmten [[Gifford Lectures]] zur [[Natürliche Theologie|natürlichen Theologie]]. Die angesetzten zehn Vorträge baute Whitehead später zu 25 Kapiteln aus. Die Veröffentlichung in Buchform 1929 wurde mit „[[Process and Reality]]. An Essay in Cosmology“ sein Hauptwerk und eines der wichtigsten der westlichen Metaphysik. Ähnlich wie seine Gifford Lectures, denen die Zuhörer in Scharen wegliefen, wurde „Process and Reality“ von der Fachwelt nur zögerlich aufgenommen. In diesem Werk fällt auch Whiteheads berühmtes Zitat<ref>Prozeß und Realität (Process and Reality), Teil II, Kapitel 1, Abschnitt 1</ref>: {{Zitat|Die sicherste allgemeine Charakterisierung der philosophischen Tradition Europas lautet, daß sie aus einer Reihe von Fußnoten zu Platon besteht.}} == Ruhestand und Würdigung == Nach seinem Schüler und Biographen [[Victor Lowe]] war Whitehead aufgrund seiner Höflichkeit und Hilfsbereitschaft ein beliebter Lehrer und Mensch, dazu klug, verbindlich, ruhig und bisweilen stur. Neben einer ausgeprägten Intuition zeichneten Whitehead auch ein klarer Verstand, ein realistischer Geist sowie Güte und Weisheit aus. Seinen Ruhestand trat Whitehead erst 1937 im Alter von 76 Jahren an. Aber auch danach blieb er noch produktiv, hielt noch Vorträge in Harvard und veröffentlichte unter anderem „Mathematics and the Good“ und „Immortality“ (beide 1941). Whitehead starb am 30. Dezember 1947; seine Leiche wurde auf seinen Wunsch hin verbrannt und seine Asche am 6. Januar 1948 auf dem Friedhof der Harvard Memorial Church beigesetzt. Ebenfalls auf seinen Wunsch hin, wurden alle unveröffentlichten Schriften aus seinem Besitz verbrannt. Whitehead erhielt viele Auszeichnungen während seiner Karriere. Die wichtigsten sind: die Wahl in die [[Royal Society]] im Jahre 1903. Die Verleihung der [[Sylvester-Medaille]] im Jahre 1925 zeichnete seine Arbeit über die Grundlagen der Mathematik aus und die Royal Society of Edinburgh verlieh ihm 1922 den James-Scott-Preis. Die [[Columbia University]] überreichte ihm ihre Butler-Medaille im Jahr 1930 und im darauf folgenden Jahr wurde er in die [[British Academy]] aufgenommen. Als Auszeichnung seines Lebenswerkes gilt die Verleihung des [[Order of Merit]] im Jahre 1945. Viele Universitäten verliehen ihm weiterhin eine Ehrendoktorwürde, unter anderem Manchester, St. Andrews, Wisconsin, Harvard, Yale und Montreal. == Prozessphilosophie == Viele Ansätze und Überlegungen der Whiteheadschen spekulativen Philosophie kulminieren in seinem Hauptwerk „Process and Reality: An Essay in Cosmology“ zu der heute so genannten „Prozessphilosophie“. Whitehead selbst nannte seinen Ansatz „Philosophy of Organism“, was meist mit „organismische Philosophie“, teilweise auch mit „organistische Philosophie“ oder „organische Philosophie“ übersetzt wird. Formaler Kernpunkt dieser Betrachtung ist die Strukturierung der Welt nach Ereignissen und nicht nach „Dingen“. Die Ereignisse spielen sich nach dieser Auffassung also nicht anhand der Dinge ab und können so auch nicht auf Dinge reduziert oder aus ihnen abgeleitet werden. Whitehead hält die gegebenen Ereignisse für die grundlegenden Elemente der Wirklichkeit. Er versucht so die Struktur der Erfahrung selbst und nicht die Kategorien Substanz und Qualität zum Ausgangspunkt aller Naturbeschreibung zu machen. Das organische Element drückt zum einen das Werden und Vergehen der Ereignisse aus. Zum anderen bezieht sich Whitehead damit auf die Eigenschaften von [[Organismus|Organismen]], die gleichzeitig von Zweck- und Wirkursachen bestimmt werden und überträgt diese dann auf die elementaren Ereignisse.<ref>Joachim Klose, „Die Struktur der Zeit in der Philosophie Alfred North Whitehead.“ Alber Symposion, 2002, S. 80</ref> Die Sichtweise unseres Alltagsverständnisses, aber auch die Sichtweise der Naturwissenschaften, die die Wirklichkeit als eine Ansammlung von Dingen (Materie, Energie, usw.) beschreibt, wird demnach erst aus den Ereignissen durch Abstraktion abgeleitet. Diese Neudefinition der grundlegenden Elemente unserer Wirklichkeitsauffassung stellt sowohl die Lektüre, als auch die Einordnung der prozessphilosophischen Werke Whiteheads vor andauernde Schwierigkeiten. Wie jede metaphysische Konzeption muss auch Whiteheads Ansatz bestehende Begriffe und Bedeutungsmuster übernehmen und diese einerseits mit logischer Schärfe begrenzen und andererseits für einen umfassenderen Gebrauch wiederum verallgemeinern. Dieser notwendigen Schwierigkeit der Neudefinition ist sich Whitehead bewusst und er beschreibt sein Vorgehen explizit. Die wichtigsten Hilfsmittel zur Überprüfung der Brauchbarkeit seiner Terminologie sind für ihn dabei die Logik und die Kohärenz. Die bestehende Begriffsbildung der Wissenschaften folgt dagegen seiner Meinung nach zu sehr der Subjekt-Prädikat-Struktur der (englischen) Sprache sowie generell dem Dualismus zwischen Subjekt und Objekt als epistemologischer Kategorie. Dies erschwere das Verständnis und die Einordnung der metaphysischen [[Terminologie]] Whiteheads zusätzlich.<ref name="Hampe25"/> So wird beispielsweise der prozessphilosophische Ansatz häufig als [[Panpsychismus]] eingeordnet. Whitehead selbst sieht diese Beurteilung dagegen wiederum nur als Ausdruck der unzulänglichen „Ontologie der Dinge“. Der Gegensatz zwischen Materie und Geist wie bei Descartes oder zwischen transzendentaler, metaphysischer und physikalisch-empirischer Realität wie bei Kant ist demnach erst eine Folge dieser Unzulänglichkeit.<ref> Hans Lenk, Reiner Wiehl, „Kant Today: Results of the Iip Conference“, LIT Verlag Berlin-Hamburg-Münster, 2006, S 339ff</ref> Wird „Panpsychismus“ aus diesen Dualitäten heraus definiert, dann gilt er als eine [[Idealismus (Philosophie)|idealistische]] Position, gegen die sich Whitehead aber vehement wehrt. [[Reiner Wiehl]] bezeichnet die Metaphysik der Prozessphilosophie als „revidierten Panpsychismus“ oder als „Pansubjektivismus“, da jedes „wirkliche Ereignis“ einen physischen und einen mentalen Pol besitzt. === Weitere Charakterisierungen und Folgen === Die wirklichen Ereignisse („actual entities“) als Grundbausteine der Wirklichkeit haben über das „Erfassen“ („prehension“) Anteil an allen anderen Ereignissen. Erfassen bedeutet soviel wie (unbewusste) Wahrnehmung oder Aufnahme eines Datums und stellt so das grundlegende, atomistische Element der [[Relation]] dar. Dieses Erfassen bezieht sich auf alle Arten von Abhängigkeiten, wie kausale und psychische Beeinflussung, aber auch intentionale. Überzeugungen und Bewertungen haben so Einfluss auf weitere Ereignisse. Nicht nur die Tatsache der Existenz eines Ereignisses, sondern auch die Art und Weise, „wie“ es geschieht, sind durch diese Bedingungen bestimmt. Sie repräsentieren somit die Vergangenheit eines Ereignisses und jedes Ereignis reflektiert letztlich die gesamte vergangene Wirklichkeit. Völlig gegensätzlich zur Substanz in der Substanzmetaphysik existieren wirkliche Ereignisse nicht unabhängig voneinander. Ein wirkliches Ereignis ist ein Produkt seiner Bezogenheit auf andere Ereignisse. Dagegen müssen Selbständigkeit und [[Autonomie]] oder auch die Vorstellung von einer Unabhängigkeit abgeschlossener Systeme nun aus dieser Wirklichkeit erst konstruiert werden.<ref>Michael Hampe, „Alfred North Whitehead“, C.H.Beck, 1998, ISBN 3-406-41947-X, S. 115ff.</ref> Relationalität innerhalb einer Substanzmetaphysik ist für Whitehead dagegen ein Unding.<ref>Gernot Böhme, „Whiteheads Abkehr von der Substanzmetaphysik. Substanz und Relation“, in Ernest Wolf-Gazo, “Whitehead”, 1980, S. 46</ref><ref>A. N. Whitehead, „Process and Reality“, 1960, S. 208</ref> Jedes wirkliche Ereignis als erfahrendes Subjekt wird nach seiner Vollendung wiederum durch andere wirkliche Ereignisse als Objekt erfasst. Ereignisse können durch ihre Bezogenheit aufeinander gruppiert werden. Ereignisse, die durch die wechselseitige Aufnahme von Informationen miteinander verbunden sind, nennt Whitehead einen [[Nexus (Philosophie)|Nexus]] (Verbindung, Zusammenhang). Die Einheit eines Nexus’ ergibt sich in der Wahrnehmung durch andere Ereignisse. Der größte Nexus ist die Welt selbst, alle anderen sind ihm gleichsam untergeordnet.<ref>A. N. Whitehead, „Process and Reality“, 1960, S. 67</ref><ref name="Hauskeller49/50"/> Weiterhin können Ereignisse als „Gesellschaften“ („Societies“) aufgefasst werden. Eine Gesellschaft besteht aus einer Menge von wirklichen Einzelwesen, die sich bestimmte Charakteristika teilen und sich so gegenüber einer Umwelt abgrenzen.<ref>Hinzu kommt noch die Forderung, dass sich Gesellschaften selbst tragen, indem sie ihre eigenen zeitlosen Gegenstände beständig realisieren. Eine Siehe auch A. N. Whitehead, „Process and Reality“, 1960, S. 167-190</ref><ref>M. Hauskeller, „Alfred North Whitehead – Zur Einführung“, Junius Verlag, Hamburg, 1994, ISBN 3885068958, S. 105</ref> In Abgrenzung zum Nexus sind Gesellschaften zeitlich organisiert. Gesellschaften sind so Ausdruck der Objekte, die uns in unserem Alltagsverständnis begegnen, wie Menschen, Maschinen und andere Gegenstände unseres Alltages. Bei Whitehead können diese somit auch aus den Grundelementen seiner Metaphysik und nach seinen Anforderungen an Rationalität und Kohärenz konstruiert werden.<ref>Joachim Klose, „Die Struktur der Zeit in der Philosophie Alfred North Whitehead.“ Alber Symposion, 2002, S. 129/130</ref> Mit der Konzeption der „ewigen Objekte“ kommt Whitehead der Philosophie [[Platon]]s und seiner Ideenlehre sehr nahe. Wirkliche Ereignisse haben die Möglichkeit bestimmte Eigenschaften zu realisieren. Diesen „reinen Möglichkeiten“ selbst schreibt Whitehead ebenso eine Existenz zu, eine Existenz, die sich konkret realisieren kann und die sich durch die konkreten Realisierungen in Ereignissen wiederum definiert. Diese Möglichkeiten gehen in die konkreten Ereignisse ein, sie werden von ihnen ebenso erfasst wie andere wirkliche Ereignisse. So lässt sich für Whitehead auch die relative Stabilität der Naturgesetze und Dinge erklären, die sich letztlich im Prozess des Werdens aber ebenfalls verändern. === Verhältnis zur Naturwissenschaft === Whitehead sieht seine Philosophie in einer Kontinuität zu der Naturwissenschaft im Sinne ihres Verständnisses der Wirklichkeit. So integriert er die Ergebnisse naturwissenschaftlicher Theoriebildung als Kenner der zeitgenössischen Forschung (insbesondere der Physik und Biologie) und nimmt sie mit als Ausgangspunkt für seine philosophischen Konzeptionen.<ref>A.N. Whitehead, „Science and the modern World“, 1925, S. 190</ref><ref>Friedrich Rapp, „Der Kreativitätsbegriff Whiteheads und die moderne Naturwissenschaft“, in „Whiteheads Metaphysik der Kreativität“, Hrsg. Friedrich Rapp und Reiner Wiehl, 1983, S. 99</ref> Andererseits wird die philosophische Disziplin der Metaphysik oft pauschal als unvereinbar mit einer positivistischen und naturalistischen Ausrichtung, wie sie die heutigen Naturwissenschaften und die Wissenschaftstheorie dominiert, angesehen.<ref>Adele Gerdes, „Prozesstheorie und gegenwärtige Naturalisierungsprojekte - einige Verortungen.“ In: Koutroufinis, Sp. (Hg.): Prozesse des Lebendigen. München, Freiburg: Alber-Verlag, 2007, S. 240</ref> Allerdings werden unter den naturphilosophischen Elementen, die den Modellen der heutigen Naturwissenschaften zugrunde liegen, nur diejenigen dort auch explizit behandelt, die sich operationalisieren und mathematisch beschreiben lassen (z.B. Raum, Zeit). Andere grundlegende Begriffe wie die [[Kausalität]] kommen in der praktischen Wissenschaft dagegen höchstens implizit zur Geltung.<ref>Bei Whitehead ist das Prinzip der Kausalität dagegen schon in der Konzeption der relationalen Ereignisse explizit gegeben.</ref> Whiteheads Anliegen ist es dagegen, keine naturphilosophischen Elemente vom Inhalt der Naturwissenschaft auszuschließen, indem dieser nicht auf numerisch-mathematische Kategorien reduziert wird.<ref>Friedrich Rapp, „Der Kreativitätsbegriff Whiteheads und die moderne Naturwissenschaft“, in „Whiteheads Metaphysik der Kreativität“, Hrsg. Friedrich Rapp und Reiner Wiehl, 1983, S 85</ref> Denn die Forderung nach invarianten und allgemeingültigen Naturgesetzen, sowie die Ausrichtung auf mathematische Beschreibbarkeit und technologische Nutzbarkeit verkürzen den Naturbegriff in den Naturwissenschaften nach Whiteheads Auffassung unangemessen. Die Konkretheit sinnlichen Erlebens und der „Fluss der Erscheinungen“, die die eigentliche, unmittelbare Wirklichkeit ausmachten, sei damit nicht erfassbar. Der Kosmos verliert nach Whitehead in der mechanistischen Deutung seine [[Qualität]] und wird auf die [[Quantität]] reduziert, die Qualität wird fortan lediglich dem Subjekt und seiner sinnlichen Erfahrung zugesprochen. So verzichtet die moderne Naturwissenschaft zugunsten einer mathematischen Abstraktion auch auf eine adäquate und umfassende Beschreibung der Wirklichkeit. Das Ideal der reinen empirischen Wahrnehmung ohne subjektive Qualitäten aus den Naturwissenschaften ist demnach eine nachgeordnete Vorstellung, die erst aus der Wiederholung konkreter Erfahrungen konstruiert wird. ;Naturgesetze Whitehead identifiziert drei unterschiedliche Positionen, die das Verhältnis der [[Physikalisches Gesetz|Naturgesetze]] zur Wirklichkeit ausdrücken. # Naturgesetze zwingen den Objekten von außen eine Gesetzmäßigkeit auf. Dies ist die klassische Position der Physik, wie sie durch [[Isaac Newton]] und Descartes formuliert wurde. # Die [[Positivismus|positivistische]] Lehre der bloßen Naturbeschreibung. Wirklichkeit kommt hierbei nur der konkreten Messung zu. # Die Lehre der immanenten Gesetze, wie sie von Whitehead bevorzugt wird. Die Kritik an den Positionen eins und zwei zieht sich durch den größten Teil seiner naturphilosophischen und wissenschaftstheoretischen Arbeit. Besonders die mathematische Physik erscheint Whitehead in vielerlei Hinsicht unbrauchbar zur adäquaten Beschreibung der Wirklichkeit. Die „Dinge“ sind hier sowohl voneinander, als auch von den Gesetzen getrennt. Dies ist durch die konkrete Erfahrung aber nicht zu rechtfertigen.<ref name="Klose139ff"/> Weiterhin lässt sich so aus den Gesetzen weder das Wesen der Dinge herleiten noch umgekehrt aus der Beobachtung der Dinge auf die Gesetze schließen. Der notwendige [[Theismus]] in einer solchen Position war den Schöpfern des 17. Jahrhunderts noch bewusst, wird aber heute meist übergangen.<ref name="Hauskeller49/50"/> ==== Evolution und Teleologie ==== Ähnliches gilt für zweckgerichtete ([[Teleologie|teleologische]]) Aspekte in der Naturbeschreibung. Die grundlegenden Elemente der Realität werden für Whitehead nicht bar einer Zwecksetzung einfach nur dadurch, dass man sie genauer untersucht. Wert- und zweckfreie Konzeptionen sind deshalb in einer materialistischen Auffassung lediglich nebulöse Resultate einer konstruierten „Komplexität“ der Lebewesen. Whitehead bestreitet im selben Maße auch, dass Phänomene der Bewertung und Zwecksetzung weniger real sind als beispielsweise Phänomene der [[Gravitation]]. Bewertung und Zwecksetzung ([[Bewusstsein|bewusstseins]])-idealistisch und die Gravitation realistisch zu beurteilen ist demnach nicht gerechtfertigt. Wenn man die Evolutionstheorie voraussetzt und alles Leben als verwandt betrachtet, dann ist es „empirischer“ die Lebensformen nicht „von unten“ zu betrachten, sondern „von oben“. Der Zwang spätere Lebensformen aus früheren zu erklären, ergibt sich nach Whitehead lediglich aus den konservativen Tendenzen in der Wissenschaft. Die nach Whitehead zweifelsfrei vorhandenen [[Axiologie (Philosophie)|axiologischen]] und teleologischen Phänomene dürfen daher nicht als „abgeleitet“ oder „irrelevant“ betrachtet werden. Teleologie ist vielmehr eine zentrale Eigenschaft lebender Systeme. Dabei werden in der Prozessphilosophie zukünftige Zustände durch gegenwärtige antizipiert, aber nicht deterministisch bestimmt.<ref name="Klose139ff"/> Die organische und anorganische Natur ist für Whitehead ebenso abhängig von Gefühlen und Intentionen. Eine wissenschaftliche Methode, die diese Ausdrucksbeziehungen erforschbar machen könnte, haben wir nach Whitehead allerdings noch nicht.<ref>Michael Hampe, „Alfred North Whitehead“, C.H.Beck, 1998, ISBN 3-406-41947-X, S. 102</ref> Weiterhin sieht Whitehead die offensichtlichen Gegebenheiten eines biologischen Organismus als unvereinbar mit einer materialistischen und mechanistischen Auffassung, wie sie den biologischen Naturwissenschaften zugrunde liegt. Zu einem Organismus gehöre untrennbar eine Dauer des Funktionierens, die reine Verteilung von Materie definiere dagegen noch keinen Organismus.<ref>Michael Hampe, „Alfred North Whitehead“, C.H.Beck, 1998, ISBN 3-406-41947-X, S. 56</ref> === Gott === Als „subjektives Ziel“ bezeichnet Whitehead die Finalursache eines wirklichen Einzelwesens. Diese bestimmt zusammen mit den Erfassungen der reinen Daten als Wirkursache die Form des wirklichen Einzelwesens. Das subjektive Ziel bildet den Charakter des wirklichen Einzelwesens und kann somit nicht durch dieses selbst bestimmt sein. Um die Konsistenz des metaphysischen Ansatzes zu wahren, muss das Ideal jedes subjektiven Zieles demnach außerhalb liegen, wobei wiederum nur ein weiteres wirkliches Einzelwesen in Betracht kommt. Dieses spezielle wirkliche Einzelwesen muss alle Möglichkeiten zeitloser Gegenstände in sich vereinen und ebenso in die (begriffliche) Erfassung jedes anderen wirklichen Einzelwesens eingehen. Seine Existenz und Charakterisierung ist somit eine direkte Folge der ontologischen Struktur der organismischen Philosophie. Whitehead nennt dieses wirkliche Einzelwesen Gott.<ref name="Hauskeller49/50"/> Gott umfasst somit alle zeitlosen Objekte und ermöglicht so eine Ordnung im Werden. Gleichzeitig geht er aber auch als wirkliches Einzelwesen in jede konkrete Erfahrung ein. Er ist damit bei Whitehead sowohl [[Immanenz|immanent]] als auch [[Transzendenz|transzendent]]. Transzendent als die Gesamtheit der Möglichkeiten, die den Wirklichkeiten gegenübergestellt sind, immanent als Teilhabe am Prozess der Wirklichkeit. Somit ändert sich Gott auch, indem er auf die Wirklichkeit, bzw. die realisierte Auswahl der Möglichkeiten reagiert.<ref>Michael Hampe, „Alfred North Whitehead“, C.H.Beck, 1998, ISBN 340641947X, S. 126</ref> Der Gott Whiteheads ist somit ein werdender Gott. Insofern gibt er auch keine finale Ordnung vor, sondern nur Ideale in einem pulsierenden Universum, in dem Ordnung und Chaos, Werden und Vergehen die wirkliche Natur ausmachen. Und Gottes Macht ist die Macht der Überredung, nicht des deterministischen Zwanges. Das „subjektive Ziel“ der wirklichen Einzelwesen ist von Gott beeinflusst, aber nicht bestimmt. Somit gibt es bei Whitehead auch kein eigenständiges göttliches Prinzip.<ref>Roland Faber, „Gott als Poet der Welt. Anliegen und Perspektiven der Prozesstheologie“, Darmstadt, 2003, S. 73</ref> Dieser Umstand wird oft als einer der wichtigsten Unterschiede zu konventionell theologischen Gottesbegriffen angesehen. Die [[Religionsphilosophie|Religionsphilosophen]] [[John B. Cobb]], [[David Ray Griffin]], [[Roland Faber]], aber besonders [[Charles Hartshorne]] entwickelten die Prozessphilosophie weiter zur [[Prozesstheologie]]. Besonders im Zusammenhang mit dem amerikanisch geprägten [[Pragmatismus]] erhielt dieser Ansatz eine gewisse Bedeutung. In diesem Bereich liegt auch die wichtigste Rezeption der Metaphysik Whiteheads. D.W. Sherburne entwickelte aus der Prozessphilosophie eine Konzeption ohne Gott, um zu zeigen, dass dieses Element in einer vollständigen prozessphilosophischen Metaphysik nicht notwendig ist.<ref>M. Hauskeller, „Alfred North Whitehead – Zur Einführung“, Junius Verlag, Hamburg, 1994, ISBN 3885068958, S. 165/166</ref> === Zeit === Den „Irrtum einfacher Lokalisierung“ sieht Whitehead analog zum Raum auch im Umgang mit dem Zeitbegriff. So kann aus getrennten Zeitpunkten niemals ein Werden, eine Entwicklung oder ein Prozess abgeleitet werden. Die Lösung sieht er in einer [[Quantelung]] der Zeit wie sie in den wirklichen Einzelwesen vollzogen ist. Das Werden dieser atomistischen Erfahrungen ist selbst nicht „in der Zeit“, sondern erst ihr Vollzug konstituiert Zeit auf der Beziehungsebene makroskopischer Prozesse.<ref>Alfred North Whitehead, übers. Hans-Günter Holl, „Prozess und Realität: Entwurf einer Kosmologie“, Suhrkamp, 1979, ISBN 3518075233, S. 87</ref> Den einzelnen Teilen eines wirklichen Einzelwesens kommt bei Whitehead keine separate Wirklichkeit zu, so dass man innerhalb einer elementaren Erfahrung nicht von einem Vorher und Nachher sprechen kann.<ref>M. Hauskeller, „Alfred North Whitehead – Zur Einführung“, Junius Verlag, Hamburg, 1994, ISBN 3885068958, S. 84-89</ref> Das Andauern in der Zeit ist dagegen eine Abstraktion über die wirklichen Ereignisse. Andauern bedeutet die ständige Wiederholung wirklicher Ereignisse (vgl „Gesellschaften“). Wobei sich eine Wiederholung immer nur auf bestimmte Charakteristika beziehen kann, würde sich die gesamte Wirklichkeit wiederholen, gäbe es nichts, woran man dies feststellen könnte. Die Welt hat für Whitehead somit keinen Anfang in der Zeit und kein Ziel. Da die Welt immer schon war, kann man nicht von einem umfassenden oder absoluten Ideal sprechen, auf das sich eine Entwicklung im Ganzen hinbewegen könnte. Das Ideal der Schöpfung ist also in den Grundelementen der Wirklichkeit direkt zu suchen. So ist für Whitehead die größtmögliche Intensität der Erfahrung für jedes wirkliche Einzelwesen das eigentliche Ziel.<ref>M. Hauskeller, „Alfred North Whitehead – Zur Einführung“, Junius Verlag, Hamburg, 1994, ISBN 3885068958, S. 131/132</ref> === Vernunft und Wert === In „Die Funktion der Vernunft“ („Function of Reason“)<ref>Alfred North Whitehead, ''Function of Reason'', Beacon Press, 1971, S. 8</ref> entwickelt Whitehead einen Vernunftbegriff, der den tatsächlichen Lebensbedingungen der Organismen angepasst ist. Vernunft leitet sich danach nicht nur vom Überleben eines Lebewesens, sondern ebenso vom „gut leben“ und vom „besser leben“ ab. Die Kunst zu leben besteht darin, dass man erstens überhaupt lebt, zweitens auf eine befriedigende Weise lebt und drittens einen noch höheren Grad von Befriedigung erreichen kann. Anorganische Strukturen sind oft perfekt im Andauern, sie sind dadurch aber nicht vernünftiger. „Gut leben“ und „besser leben“ sind für Whitehead die ''wertschaffenden Ziele'' der Lebewesen. Das bloße Andauern tritt hinter der Intensitätssteigerung im Erleben zurück. Demnach ist es für Whitehead falsch das Andauern der unbelebten Dinge zum alleinigen Maßstab eines Vernunftbegriffes in den Naturwissenschaften zu machen.<ref name="Hampe85-89"/> Wert kommt so den wirklichen Einzelwesen selbst zu und wird von Whitehead beschrieben als das Maß der Selbstverwirklichung in Bezug auf das Ideal des subjektiven Zieles. Je intensiver das Erleben der eigenen Subjektivität, desto höher ist der Wert des Ereignisses. Eine Steigerung dessen ist durch die Annäherung an das Ideal Gottes, aber auch durch ein höheres Maß an Freiheit, das den wirklichen Einzelwesen mitgegeben ist, möglich. Das Ideal der Schöpfung selbst ist gleichsam die größtmögliche Intensität aller Einzelwesen. Wertigkeit setzt in diesem Sinn Differenz voraus. Den indifferenten Objekten der wissenschaftlichen Abstraktionen kann nach Whitehead somit kein Wert zukommen.<ref>M. Hauskeller, „Alfred North Whitehead – Zur Einführung“, Junius Verlag, Hamburg, 1994, ISBN 3-88506-895-8, S. 144ff</ref> === Kreativität === Das Prinzip des Entstehens und Vergehens der wirklichen Einzelwesen ist für Whitehead nichts anderes als die Erfahrungstatsache der [[Kreativität]].<ref>Friedrich Rapp, „Der Kreativitätsbegriff Whiteheads und die moderne Naturwissenschaft“, in „Whiteheads Metaphysik der Kreativität“, Hrsg. Friedrich Rapp und Reiner Wiehl, 1983, S. 75</ref><ref name="Hauskeller15"/> In der Metaphysik Whiteheads nimmt sie den Stellenwert einer Akzidienz ein und existiert nicht nur als Eigenschaft der Einzelwesen, sondern bildet zusammen mit dem Begriffspaar des Einen und des Vielen eine eigene Kategorie. In der Rezeption bleibt es umstritten welchen Stellenwert das Prinzip der Kreativität im Hinblick auf die Beschreibung der Welt einnimmt. Als reine Eigenschaft des Prozess des Werdens verstanden, kommt ihr entweder lediglich eine abstrakte, beschreibende Rolle zu. Als übergreifendes, strukturierendes Prinzip könnte Kreativität andererseits nicht nur auf den Seinsgrund verweisen, sondern auch den Erkenntnisgrund beschreiben.<ref>M. Hauskeller, „Alfred North Whitehead – Zur Einführung“, Junius Verlag, Hamburg, 1994, ISBN 3-88506-895-8, S. 80/81</ref> == Einflüsse == === Mathematik und Philosophie === Als junger Mathematiker führte Whitehead Ansätze und Arbeiten im Bereich der Logik und Mathematik fort, die von [[Gottlob Frege]], [[George Boole]], Giuseppe Peano und [[Hermann Graßmann]] im 19. Jahrhundert begonnen wurden. Die „Treatise of Universal Algebra“ ist eine der letzten bedeutenden Arbeiten auf dem Gebiet einer „Algebra der Logik“, die inhaltlich in der Tradition der booleschen Algebra steht. In der Prinzipia Mathematica verwenden Russell und Whitehead dann aber ein [[Notation (Mathematik)|Notationssystem]], welches deutlich von Frege und Peano beeinflusst ist. Dies betrifft besonders Vorgehensweisen wie die axiomatische, von den bekannten algebraischen Strukturen losgelöste Festlegung von Elementen, Methoden und Symbolen. Whitehead war ein großer Bewunderer von [[Charles S. Peirce]]. Ähnlich wie Peirce sah er in den Entwicklungen der modernen Logik und Algebra über ihre Anwendung in der Mathematik hinaus ein neues Werkzeug zur Ausarbeitung einer Metaphysik, die den Erkenntnissen der Naturwissenschaften besser Rechnung tragen sollte. Der Einfluss von Russell auf Whitehead ist eher gering. Zwar sympathisierten beide anfangs mit dem britischen Idealismus, aber je länger die Zusammenarbeit dauerte, um so stärker traten ihre unterschiedlichen philosophischen Positionen hervor.<ref name="Hampe25"/> In der Tradition der britischen [[Empirismus|Empiristen]] wie [[John Locke]] und [[David Hume]] geht Whitehead in seiner Arbeit stets streng empirisch vor. Jede naturphilosophische Feststellung und jede metaphysische Konstruktion versucht er aus der direkten Sinneserfahrung abzuleiten.<ref>Joachim Klose, „Die Struktur der Zeit in der Philosophie Alfred North Whitehead.“ Alber Symposion, 2002, S. 16</ref> Einen besonderen Einfluss haben auch die Arbeiten [[Henri Bergson]]s. Whitehead greift die Kritik Bergsons an der „Verräumlichung“ der Naturprozesse auf, die über die Anwendung in den Naturwissenschaften auch unser Alltagsdenken prägt.<ref>Wolfhart Pannenberg. „Theologie und Philosophie: ihr Verhältnis im Lichte ihrer gemeinsamen Geschichte“, Vandenhoeck & Ruprecht, 1996, S. 350</ref> Bei Bergson besteht eine grundsätzliche Verschiedenheit zwischen der Dauer als Qualität der Erfahrung einerseits und der Zeit als quantitativem Begriff eines Zeitkontinuums andererseits. Die Erfahrung ist „unausgedehnt“, aber jede Art der Zeitmessung involviert eine Projektion der Dauer in den Raum. Im Hinblick auf die Beziehung (wissenschaftlicher) Begriffe und Theorien zur Wirklichkeit ist Whitehead ein empirischer [[Realismus (Philosophie)|Realist]] wie [[Immanuel Kant|Kant]], dessen transzendentalen Idealismus er jedoch ablehnt.<ref>Joachim Klose, „Die Struktur der Zeit in der Philosophie Alfred North Whitehead.“ Alber Symposion, 2002, S. 60</ref> Whitehead hat sich ausdrücklich auf [[Gottfried Wilhelm Leibniz|Leibniz]]' [[Monadologie|Monadenlehre]] berufen.<ref>Alfred H. Whitehead, „Science and the modern World“, Maxmillian, 1925, S. 68</ref><ref>Wolfgang Pannenberg, „Atom, Dauer, Gestalt. Schwierigkeiten mit der Prozessphilosophie“ in Friedrich Rapp und Reiner Wiehl: „''Whiteheads Metaphysik der Kreativität. Internationales Whitehead-Symposium Bad Homburg 1983.''“ Alber, Freiburg / München 1986, S. 189</ref> In Abgrenzung zur Monadenlehre versucht er Gesetzmäßigkeiten aus den Wechselbeziehungen der Monaden bzw. der wirklichen Einzelwesen selbst abzuleiten. Allgemeine Gesetze haben dagegen bei Leibniz ihren Ursprung in Gott und sind den Dingen äußerlich auferlegt. Whitehead war der bedeutendste Metaphysiker des 20.&nbsp;Jahrhunderts.<ref>So zum Beispiel [http://www.kath-info.de/wirklichkeit.html die Bewertung] von [[Robert Spaemann]]</ref> Die Veröffentlichungen seiner wichtigsten philosophischen Werke in den Jahren 1920 bis 1940 fielen in eine Zeit, in der metaphysische Spekulation in der traditionskritischen [[Gegenwartsphilosophie]] kaum beachtet wurde. Das gilt in wechselndem Maß für alle positivischen, sprachlogischen, marxistischen und existentialistischen Strömungen dieser Zeit.<ref name="Hampe85-89"/> Einzig im Rahmen der Prozesstheologie hat sich eine breite und besonders in den USA bedeutende Rezeption von Whiteheads Prozessphilosophie etabliert. Sein Schüler Charles Hartshorne, der wichtigste Vertreter der Prozesstheologie, sieht die Ursache der Geringschätzung gar in der „Größe und Wahrheit“ der Philosophie Whiteheads selbst.<ref>M. Hauskeller, „Alfred North Whitehead – Zur Einführung“, Junius Verlag, Hamburg, 1994, ISBN 3-88506-895-8, S. 173</ref> Weitere bedeutende prozessphilosophische Arbeiten in der Tradition Whiteheads sind eher von Einzelnen bekannt, wie beispielsweise von [[Isabelle Stengers]]. Einige seiner Schüler wurden ebenfalls bekannte Philosophen: allen voran Bertrand Russell, aber auch [[Donald Davidson]] und [[Willard Van Orman Quine]]. === Naturwissenschaften === Das naturwissenschaftliche Denken Whiteheads ist besonders durch den Elektromagnetismus Maxwells und die Relativitätstheorie Einsteins beeinflusst. Die Begriffe „Feld“ und „Kraft“ hält Whitehead zur Naturbeschreibung für wesentlich geeigneter als die Begriffe „Objekt“ und „Bewegung“ des mechanistischen Weltbildes der vorrelativistischen Physik. In „The Principle of Relativity“ entwirft er eine eigene [[Gravitationstheorie]]. Sie zeichnet sich dadurch aus, dass der zugrunde liegende geometrische Raum und die an den Objekten sich entfaltende Gravitation in zwei getrennten Metriken dargestellt werden. Er folgt damit der direkten Einwirkung physikalischer Kräfte auf die Geometrie durch Einstein in der [[Allgemeine Relativitätstheorie |Allgemeinen Relativitätstheorie]] nicht, sondern verharrt auf der klassischen Trennung. Diese Veröffentlichung wurde allerdings weder von der Mathematik noch von der Physik weiter beachtet, obwohl dieser Ansatz heute als „bimetrische Gravitationstheorie“ bekannt und insofern praktikabel ist, als sie den drei klassischen Tests der Allgemeinen Relativitätstheorie nicht widerspricht.<ref>Joachim Klose, „Die Struktur der Zeit in der Philosophie Alfred North Whitehead.“ Alber Symposion, 2002, S. 283</ref> Nach [[Clifford Will]] ist Whiteheads Theorie jedoch experimentell widerlegt.<ref>[http://arxiv.org/abs/gr-qc/0611006 Clifford Will, Gary Gibbons „On the multiple deaths of Whiteheads theory of gravitation“ 2006]</ref>. Viele bedeutende Ansätze und Erkenntnisse, die sich in den Naturwissenschaften im 20. Jahrhundert etabliert haben, wurden durch die Metaphysik Whiteheads antizipiert oder vorweggenommen. So ist der statistische Charakter der Naturgesetze eine direkte Folge der Abstraktion der Gesetze aus den Strukturidentitäten der wirklichen Ereignisse. Dies entspricht weitgehend der Interpretation der Gesetze der Quantenphysik und ihrer Aussagekraft. Auch die heute diskutierte Veränderung der Naturgesetze im Lauf der Zeit lässt sich auf einfache Weise aus den metaphysischen Konstruktionen Whiteheads ableiten.<ref>M. Hauskeller, „Alfred North Whitehead – Zur Einführung“, Junius Verlag, Hamburg, 1994, ISBN 3-88506-895-8, S. 130</ref> Einflüsse von Whiteheads prozessphilosophischer Metaphysik zeigen sich unter anderem bei Naturwissenschaftlern wie [[Ilya Prigogine]] und [[David Bohm]].<ref>M. Hauskeller, „Alfred North Whitehead – Zur Einführung“, Junius Verlag, Hamburg, 1994, ISBN 3885068958, S. 139</ref> Der Physiker [[Roger Penrose]] und der [[Quantenbiologie|Quantenbiologe]] [[Stuart Hameroff]] interpretieren wirkliche Ereignisse als theoretische Grundlage einer Formulierung elementarer Bewusstseinsprozesse.<ref>Stuart Hameroff: „Consciousness, Whitehead and Quantum Computation in the Brain: Panprotopsychism Meets the Physics of Fundamental SpaceTime Geometry“; in: Riffert, Fr.; Weber, M.,“Searching for New Contrasts“; Frankfurt/M.: Peter Lang, 2003, S 76-78</ref> Auch die systemtheoretischen Ansätze von [[Ervin László]] und [[Fritjof Capra]] nimmt Whitehead mit seiner Lehre der existentiellen Verbundenheit alles Seins im Kern vorweg.<ref>M. Hauskeller, „Alfred North Whitehead – Zur Einführung“, Junius Verlag, Hamburg, 1994, ISBN 3-88506-895-8, S. 107</ref> Die von Whitehead begründete [[Mereotopologie]] dient als Grundlage für spezielle Bereiche und Anwendungen in der Erforschung der [[Künstliche Intelligenz|künstlichen Intelligenz]]. == Werke == *Alfred N. Whitehead: ''A Treatise on Universal Algebra with Applications'', Cambridge: Cambridge University Press 1960 [englische Erstveröffentlichung 1898]. *Alfred N. Whitehead: ''Introduction To Mathematics'', Oxford: Oxford University Press 1990 [englische Erstveröffentlichung 1911]. *Alfred N. Whitehead und [[Bertrand Russell]]: ''Principia Mathematica'', 3 Bände, Cambridge: Cambridge University Press 2002 [englische Erstveröffentlichung 1910-1913]. *Alfred N. Whitehead: ''The Concept of Nature'', Cambridge: Cambridge University Press 1994 [englische Erstveröffentlichung 1919]. *Alfred N. Whitehead: ''An Enquiry Concerning the Principles of Natural Knowledge'', New York: Cosimo Classics 2007 [englische Erstveröffentlichung 1919]. *Alfred N. Whitehead: ''Science and the Modern World'', New York: Free Press 1967, dt. ''Wissenschaft und moderne Welt'', Frankfurt a.M.: Suhrkamp 1988 [englische Erstveröffentlichung 1925]. *Alfred N. Whitehead: ''Religion in the Making'', New York: Fordham University Press 1996, dt. ''Wie entsteht Religion?'', Frankfurt a.M.: Suhrkamp 1989 [englische Erstveröffentlichung 1926]. *Alfred N. Whitehead: ''Symbolism: Its Meaning and Effect'', New York: Fordham University Press 1985, dt. ''Kulturelle Symbolisierung'', Frankfurt a.M: Suhrkamp 2000 [englische Erstveröffentlichung 1927]. *Alfred N. Whitehead: ''Process and Reality: An Essay in Cosmology'', "Corrected Edition", hrsg. von David R. Griffin und Donald W. Sherburne. New York: Free Press 1978, dt. ''Prozeß und Realität: Entwurf einer Kosmologie'', Frankfurt a.M.: Suhrkamp 1987 [englische Erstveröffentlichung 1929]. *Alfred N. Whitehead: ''Function of Reason'', Boston: Beacon Press 1971, dt. ''Die Funktion der Vernunft'', Stuttgart: Reclam 1974 [englische Erstveröffentlichung 1929]. *Alfred N. Whitehead: ''The Aims of Education and Other Essays'', New York: Free Press 1985 [englische Erstveröffentlichung 1929]. *Alfred N. Whitehead: ''Adventures of Ideas'', New York: Free Press 1985, dt. ''Abenteuer der Ideen'', Frankfurt a.M.: Suhrkamp 2000 [englische Erstveröffentlichung 1933]. *Alfred N. Whitehead: ''Modes of Thought'', New York: Free Press 1968, dt. ''Denkweisen'', Frankfurt a.M.: Suhrkamp 2001 [englische Erstveröffentlichung 1938]. *Alfred N. Whitehead und Lucien Price: ''Dialogues of Alfred North Whitehead'', Jaffrey: Nonpareil 2001 [englische Erstveröffentlichung 1954]. == Literatur == * Lewis Ford: ''Emergence of Whitehead's Metaphysics, 1925-1929'', Albany: SUNY Press 1985. * David Ray Griffin: ''Whitehead's Radically Different Postmodern Philosophy. An Argument for Its Contemporary Relevance'', New York: State University of New York Press 2007. * Ernest Wolf-Gazo: ''Whitehead. Einführung in seine Kosmologie.'' Reihe: Kolleg Philosophie. Freiburg / München: Karl Alber 1980, ISBN 3-495-47428-5. * Michael Hampe: ''Alfred North Whitehead'', München: C.H. Beck 1998. * [[Charles Hartshorne]]: ''Whitehead's Philosophy: Selected Essays, 1935-1970'', Lincoln: University of Nebraska Press 1972, ISBN 978-0-803208063. * Charles Hartshorne: ''Aquinas to Whitehead: Seven Centuries of Metaphysics of Religion'', Milwaukee: Marquette University Publications 1976, ISBN 978-0-874621419 . * Michael Hauskeller: ''Alfred North Whitehead zur Einführung'', Hamburg: Junius 1994, ISBN 3-88506-895-8. * Helmut Holzhey, Alois Rust und Reiner Wiehl (Hrsg.): ''Natur, Subjektivität, Gott. Zur Prozeßphilosophie Alfred N. Whiteheads'', Frankfurt a.M.: Suhrkamp 1990 * Judith A. Jones: ''Intensity: An Essay in Whiteheadian Ontology'', Nashville: Vanderbilt University Press 1998. * [[Regine Kather]]: ''Ordnungen der Wirklichkeit. Die Kritik der philosophischen Kosmologie am mechanistischen Paradigma'', Würzburg: Ergon 1998 [insbesondere die Seiten 357 bis 480]. * Christoph Kann: ''Fußnoten zu Platon. Philosophiegeschichte bei A.N. Whitehead'', Hamburg: Meiner 2001. * Spyridon Koutroufinis (Hrsg.): ''Prozesse des Lebendigen: Zur Aktualität der Naturphilosophie A.N. Whiteheads'', Freiburg / München: Karl Alber 2007. * Victor Lowe: ''Understanding Whitehead'', Baltimore: Johns Hopkins University Press 1962. * Victor Lowe: ''A.N. Whitehead: The Man and His Work'', Band 1. Baltimore: Johns Hopkins University Press 1985. * Victor Lowe und J.B. Schneewind: ''A.N. Whitehead: The Man and His Work'', Band 2. Baltimore: Johns Hopkins University Press 1990. * William Palter: ''Whitehead's Philosophy of Science'', Chicago: University of Chicago Press 1960. * [[Friedrich Rapp]] und Reiner Wiehl: ''Whiteheads Metaphysik der Kreativität. Internationales Whitehead-Symposium Bad Homburg 1983.'' Freiburg / München: Karl Alber 1986, ISBN 3-495-47612-1. * Donald W. Sherburne: ''A Key to Whitehead ‘Process and Reality’'', Chicago: University of Chicago Press 1981. * Patrick Spät: "Enactivism, leibhaftige Qualia und Panpsychismus". 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Herstein}} *{{MacTutor Biography|id=Whitehead}} *[http://www.uni-salzburg.at/whiteheadconference Whitehead Conference Salzburg 2006] *[http://www.whitehead-bangalore.in/ Whitehead Conference Bangalore 2009] == Einzelnachweise und Anmerkungen == <references> <ref name="Klose139ff">Joachim Klose, „Die Struktur der Zeit in der Philosophie Alfred North Whitehead.“ Alber Symposion, 2002, S. 139ff</ref> <ref name="Hampe20">Michael Hampe, „Alfred North Whitehead“, C.H.Beck, 1998, ISBN 3-406-41947-X, S. 20</ref> <ref name="Hampe25">Michael Hampe, „Alfred North Whitehead“, C.H.Beck, 1998, ISBN 3-406-41947-X, S. 25</ref> <ref name="Hampe59">Michael Hampe, „Alfred North Whitehead“, C.H.Beck, 1998, ISBN 3-406-41947-X, S. 59</ref> <ref name="Hampe85-89">Michael Hampe, „Alfred North Whitehead“, C.H.Beck, 1998, ISBN 3-406-41947-X, S. 85-89</ref> <ref name="Hauskeller15">M. Hauskeller, „Alfred North Whitehead – Zur Einführung“, Junius Verlag, Hamburg, 1994, ISBN 3-88506-895-8, S. 15</ref> <ref name="Hauskeller49/50">M. Hauskeller, „Alfred North Whitehead – Zur Einführung“, Junius Verlag, Hamburg, 1994, ISBN 3-88506-895-8, S. 49/50</ref> </references> {{Normdaten|PND=118632175|LCCN=n/79/58622|VIAF=17265242}} {{DEFAULTSORT:Whitehead, Alfred North}} [[Kategorie:Philosoph (20. Jahrhundert)]] [[Kategorie:Mathematischer Logiker (20. Jahrhundert)]] [[Kategorie:Wissenschaftstheoretiker]] [[Kategorie:Brite]] [[Kategorie:Geboren 1861]] [[Kategorie:Gestorben 1947]] [[Kategorie:Mann]] {{Exzellent}} {{Personendaten |NAME=Whitehead, Alfred North |ALTERNATIVNAMEN= |KURZBESCHREIBUNG=britischer Philosoph und Mathematiker |GEBURTSDATUM=15. Februar 1861 |GEBURTSORT=[[Ramsgate]] |STERBEDATUM=30. Dezember 1947 |STERBEORT=[[Cambridge]] }} [[af:Alfred North Whitehead]] [[bn:আলফ্রেড নর্থ হোয়াইটহেড]] [[bs:Alfred North Whitehead]] [[ca:Alfred North Whitehead]] [[cs:Alfred North Whitehead]] [[da:Alfred North Whitehead]] [[en:Alfred North Whitehead]] [[es:Alfred North Whitehead]] [[fi:Alfred North Whitehead]] [[fr:Alfred North Whitehead]] [[gl:Alfred North Whitehead]] [[he:אלפרד נורת' וייטהד]] [[hr:Alfred North Whitehead]] [[ht:Alfred North Whitehead]] [[hu:Alfred North Whitehead]] [[id:Alfred North Whitehead]] [[is:Alfred North Whitehead]] [[it:Alfred North Whitehead]] [[ja:アルフレッド・ノース・ホワイトヘッド]] [[ka:ალფრედ ნორთ უაიტჰედი]] [[ko:앨프리드 노스 화이트헤드]] [[lv:Alfrēds Vaitheds]] [[nl:Alfred North Whitehead]] [[pl:Alfred North Whitehead]] [[pms:Alfred North Whitehead]] [[pt:Alfred North Whitehead]] [[ro:Alfred North Whitehead]] [[ru:Уайтхед, Альфред Норт]] [[simple:Alfred North Whitehead]] [[sk:Alfred North Whitehead]] [[sr:Алфред Норт Вајтхед]] [[sv:Alfred North Whitehead]] [[ta:ஆல்பிரட் நார்த் வொய்ட்ஹெட்]] [[tr:Alfred North Whitehead]] [[zh:阿爾弗雷德·諾思·懷特黑德]] tuyjqdwyqoauwvsgegjaxjpi2m4sb1p wikitext text/x-wiki Wiedehopf 0 24510 28401 28383 2011-09-22T19:59:50Z Axpde 417 Änderungen von [[Special:Contributions/Prolineserver|Prolineserver]] ([[User talk:Prolineserver|Diskussion]]) wurden auf die letzte Version von [[User:79.241.81.231|79.241.81.231]] zurückgesetzt {{Dieser Artikel|behandelt eine Vogelart. Für die Vogel[[Gattung (Biologie)|gattung]] ''Upupa'' siehe [[Wiedehopfe]].}} <!-- Für Informationen zum Umgang mit dieser Tabelle siehe bitte [[Wikipedia:Taxoboxen]]. --> {{Taxobox | Taxon_Name = Wiedehopf | Taxon_WissName = Upupa epops | Taxon_Rang = Art | Taxon_Autor = [[Carl von Linné|Linnaeus]], 1758 | Taxon2_Name = Wiedehopfe | Taxon2_WissName = Upupa | Taxon2_Rang = Gattung | Taxon3_Name = Wiedehopfe | Taxon3_WissName = Upupidae | Taxon3_Rang = Familie | Taxon4_Name = | Taxon4_WissName = Bucerotiformes | Taxon4_Rang = Ordnung | Taxon5_Name = Vögel | Taxon5_WissName = Aves | Taxon5_Rang = Klasse | Bild = ABUBILLA (Upupa epops).jpg | Bildbeschreibung = Wiedehopf (''Upupa epops'') }} Der '''Wiedehopf''' (''Upupa epops''), auch '''Hoppevogel''', '''Puvogel''', '''Krammetsvogel''', '''Langwiede''', '''Hupatz''' oder '''Wehdwinde''' ist die einzige Art oder nach anderer Auffassung eine von mehreren [[Art (Biologie)|Arten]] aus der [[Vögel|Vogel]][[Familie (Biologie)|familie]] der [[Wiedehopfe]] (''Upupidae''). Die Wiedehopfe werden gemeinsam mit der etwas artenreicheren Familie der [[Baumhopfe]] (Phoeniculidae) in die [[Ordnung (Biologie)|Ordnung]] der [[Bucerotiformes]] gestellt. Die Zuordnung zu den [[Rackenvögel]]n (Coraciiformes) ist nicht mehr üblich. Die Anzahl der Unterarten schwankt je nach wissenschaftlicher Auffassung zwischen fünf und zehn. Bis auf die in Ägypten vorkommende Subspezies ''U.&nbsp;e.&nbsp;major'' werden zur Zeit die früher als Unterarten von ''U.&nbsp;epops'' aufgefassten afrikanischen Wiedehopfe häufig als selbstständige Arten betrachtet. In Mitteleuropa kommt die [[Nominotypisches Taxon|Nominatform]] ''U.&nbsp;e.&nbsp;epops'' vor. Sie ist ein in ihrem Bestand stark zurückgehender, seltener, in weiten Teilen ihres früheren Verbreitungsgebietes verschwundener Brutvogel. == Aussehen == [[Datei:Hoopoe de.jpg|miniatur|hochkant|Illustration einer Enzyklopädie (1905)]] Der etwa [[Drosseln|drosselgroße]], aber bedeutend größer wirkende Vogel (durchschnittlich 28 cm vom Schnabel bis zur Schwanzspitze) ist unverkennbar und auch in Mitteleuropa allgemein bekannt, obgleich ihn hier wohl nur sehr wenige Menschen in freier Natur beobachten konnten. Charakteristisch sind die kontrastreich schwarz-weiß gebänderten Flügel mit deutlichen gelben Einschlüssen, der lange, gebogene Schnabel und die etwa fünf bis sechs Zentimeter lange aufrichtbare [[Haube (Vögel)|Federhaube]], deren Enden in einem weiß-schwarzen Abschluss auslaufen. Der Schwanz ist schwarz mit einer breiten weißen Binde etwa im letzten Schwanzdrittel und einer weißen Zeichnung auf der Schwanzwurzel. Der übrige Körper ist rostbraunrot. Charakteristisch ist auch der wellenförmige, schmetterlingsartig gaukelnde Flug, bei dem die breiten, tief gefingerten Flügel nach jedem Schlag fast angelegt werden. Auf mehrere lange, durchgezogene Flügelschläge erfolgen einige kurze, flatternde, so dass der Flug instabil und ungleichmäßig erscheint. Die Geschlechter sind einander sehr ähnlich; die Weibchen sind etwas kleiner und eine Spur matter gefärbt. Während der Nahrungssuche und in Erregungssituationen ist das ständige Kopfnicken sehr auffallend. == Stimme == Auch der von Singwarten vorgetragene Gesang des Männchens ist unverkennbar. Er besteht aus meistens drei (zwei bis fünf) dumpfen, rohrflötenähnlichen Elementen auf ‚u’ (auch ‚up’ oder ‚pu’), die recht weit tragen. Dieser Ruf hat zum wissenschaftlichen Gattungsnamen geführt ([[Onomatopoesie]]). Die Intervalle zwischen den Strophen sind nur selten länger als fünf Sekunden. Beide Geschlechter rufen bei Störung rau ‚rääh’, was stark an den Warnruf des [[Eichelhäher]]s erinnert. Das Futterbetteln der [[Nestling]]e ist ein [[mauersegler]]ähnliches ‚ssiiii’. Bei Erregung ist zuweilen [[Schnabelknappen]] zu hören.<ref>[http://www.vogelwarte.ch/db/sound/3360.mp3 Stimmbeispiel: Reviergesang] (mp3)</ref> == Lebensraum == Der Wiedehopf vermag vielfältige Lebensräume zu besiedeln, immer sind es jedoch wärmeexponierte, trockene, nicht zu dicht baumbestandene Gebiete mit nur kurzer oder überhaupt spärlicher Vegetation. In Mitteleuropa kommt die Art vor allem in extensiv genutzten Obst- und Weinkulturen, in Gegenden mit Weidetierhaltung sowie auf bebuschten [[Ruderalflora|Ruderalflächen]] vor. Auch sehr lichte Wälder, insbesondere Kiefernwälder, sowie ausgedehnte Lichtungsinseln in geschlossenen Baumbeständen dienen gelegentlich als Bruthabitat. Im mediterranen Bereich ist die Art relativ häufig in Olivenkulturen sowie in [[Korkeiche]]nbeständen anzutreffen; aber auch karge, nur spärlich mit Sträuchern und Büschen bestandene Stein- und Geröllfluren sowie weitgehend baumlose Steppenlandschaften können dem Wiedehopf geeignete Lebensräume bieten. Geschlossene Waldgebiete, Regenwaldgebiete sowie Wüsten werden im gesamten Verbreitungsgebiet der Art nicht beziehungsweise nur in ihren äußersten Randbereichen besiedelt. Im Allgemeinen ist der Wiedehopf eher ein Bewohner tieferer Lagen, doch gibt es, zum Beispiel aus dem [[Altai]]-Gebirge, Brutnachweise der Nominatform aus Höhen über 3.000 Metern; auch in [[Mitteleuropa]] brütet der Wiedehopf zumindest auch in der montanen Stufe, der höchstgelegene Brutnachweis in Österreich lag in einer Höhe von 1.260 Metern. == Verbreitung und Systematik == [[Datei:Upupa epops distribution.png|miniatur|hochkant=1.7|<small> '''orange''': Brutvorkommen <br /> '''blau''': Überwinterungsgebiete <br /> '''grün ''': Häufig Jahresvögel <br /> </small>Die afrikanischen Arten, resp. Unterarten sind bis auf ''U.&nbsp;e.&nbsp;major'' nicht berücksichtigt.]] [[Datei:UpupaEpopsMajor.JPG|miniatur|Upupa e. major]] * Die Brutgebiete der Nominatform (''U.&nbsp;e.&nbsp;epops'') erstrecken sich von den [[Kanarische Inseln|Kanarischen Inseln]] und [[Madeira]] ostwärts über das gesamte [[Europa]] mit Ausnahme der [[Britische Inseln|Britischen Inseln]], der [[Niederlande]] und [[Skandinavien]]s bis östlich des [[Ob]] und südöstlich über den gesamten [[Naher Osten|Nahen Osten]], den [[Iran]], [[Afghanistan]] und [[Pakistan]] bis nach Nordwestindien. Im Süden besiedelt diese Unterart weite Teile des [[Maghreb]] sowie einige [[Oasen]] in der zentralen [[Sahara]]. An dieses große Verbreitungsgebiet schließen sich im zentralen eurasischen Bereich das von ''U.&nbsp;e.&nbsp;saturata'', in den südöstlichen Bereichen die von ''U.&nbsp;e.&nbsp;longirostris'' und ''U.&nbsp;e.&nbsp;ceylonesis'', sowie in Ost[[libyen]] und [[Ägypten]] das von ''U.&nbsp;e.&nbsp;major'' an. * ''U.&nbsp;e.&nbsp;saturata'': Das Verbreitungsgebiet dieser insgesamt etwas dunkleren und an der Oberseite leicht grau gefärbten Unterart beginnt im Westen etwa im mittleren Abschnitt des [[Ob]] und reicht, nördlich vom Südrand der [[Borealer Nadelwald|Taiga]] begrenzt, in einem breiten Gürtel bis zum [[Pazifik]]. Auf [[Sachalin]], den [[Japan|Japanischen Inseln]] sowie dem größten Teil [[Korea]]s brütet diese Unterart nicht. * ''U.&nbsp;e.&nbsp;longirostris'': Diese lebhaft rötlichbraun gefärbte Unterart kommt in weiten Teilen des südöstlichen Asiens, südostwärts bis nach [[Sumatra]] vor. * Zentralindien, südwärts bis [[Sri Lanka]] ist das Verbreitungsgebiet der Unterart ''U.&nbsp;e.&nbsp;ceylonensis''. Auch bei dieser ist die Grundfärbung des Obergefieders ein intensives Rötlichbraun; von ''U.&nbsp;e.&nbsp;longirostris'' unterscheidet sie sich nur unwesentlich. * An die nordafrikanischen Brutgebiete der Nominatform schließen sich nach Osten hin die der großen, fahlgefärbten Unterart ''U.&nbsp;e.&nbsp;major'' an. Sie ist von den übrigen Subspezies deutlich durch den insgesamt stärkeren und auch etwas längeren Schnabel zu unterscheiden. Ihre Hauptverbreitungsgebiete liegen im [[Nil]]tal und reichen südwärts bis in den [[Sudan|Nordsudan]]; auch in einigen Oasen Ostlibyens und Ägyptens ist sie Jahresvogel. In Afrika kommen weitere vier Arten (Unterarten) der Gattung ''Upupa'' vor, die alle bis vor kurzem als Unterarten von ''Upupa epops'' galten. Zur Zeit ist ihr systematischer Rang als Art oder Unterart sehr umstritten. Allein dem auf Madagaskar vorkommenden Madagaskar-Wiedehopf wird ziemlich einhellig Artstatus zuerkannt. * ''U.&nbsp;e.&nbsp;senegalensis'' oder ''(U.&nbsp;senegalensis)'' ist im Trockengürtel südlich der Sahara von [[Senegal]] bis [[Äthiopien]] beheimatet. Die Gefiederfärbung dieser Vögel ist insgesamt heller, die Weißanteile an den großen Deckfedern sowie an den Handschwingen sind ausgedehnter als bei ''U.&nbsp;e.&nbsp;epops''. * Südöstlich davon beginnt das sehr große Verbreitungsgebiet von ''U.&nbsp;e.&nbsp;africana'' ''(U.&nbsp;africana)'', das sich von Äthiopien und [[Kenia]] bis zur [[Kapprovinz]] erstreckt. * Am Nordrand des Regenwaldgürtels liegen in einem schmalen Streifen die Brutgebiete von ''U.&nbsp;e.&nbsp;waibeli''. Diese Unterart ist größer und dunkler als die beiden zuvor genannten. Sie besiedelt auch Lichtungen und Rodungsgebiete im geschlossenen Regenwald. * ''U.&nbsp;e.&nbsp;marginata'' kommt nur auf [[Madagaskar]] vor. Auch dieser Hopf ist vergleichsweise groß. Die Weißanteile des Gefieders, insbesondere des Schwanzes sind kleiner als bei anderen Unterarten. == Nahrung und Nahrungserwerb == Der Wiedehopf ernährt sich fast ausschließlich von Insekten. Bevorzugt werden größere Insektenarten, wie [[Feldgrillen]], [[Maulwurfsgrille]]n, [[Engerling]]e, sowie verschiedene [[Raupe (Schmetterling)|Raupenarten]] und [[Käfer]]. Seltener werden [[Spinne]]n, [[Asseln]], [[Tausendfüßer]] oder [[Regenwürmer]] aufgenommen. Gelegentlich erbeutet er [[Froschlurche|Frösche]] und kleine [[Eidechsen]]. Auch Vogelgelege und Nestlinge gehören zur seltenen Beikost. Der Wiedehopf erbeutet seine Nahrungstiere am Boden, nur ausnahmsweise fängt er langsam fliegende Insekten auch im Fluge. Die Beutetiere werden meistens visuell, oft aber auch taktil, sowie wahrscheinlich auch akustisch geortet. Auf der Oberfläche laufende Beutetiere werden verfolgt, im Boden verborgene durch Stochern ertastet. Dabei werden die Stocherlöcher (insbesondere beim Fang von Maulwurfsgrillen) oft dadurch erweitert, dass der Wiedehopf mit in den Boden gestecktem Schnabel mehrmals im Kreis herumläuft. Oft werden die Beine sowie harte Chitinteile der Beutetiere vor dem Verzehr entfernt. Größere [[Insekten]] schlägt er häufig gegen einen Stein oder bearbeitet sie am Boden; zum Verschlucken wirft er sie oft etwas in die Luft. == Brutbiologie == === Balz und Paarbildung === [[Datei:Upupa epops 1 Luc Viatour.jpg|miniatur|Ein Wiedehopf mit aufgestellter Federhaube]] Der Wiedehopf führt eine monogame Brutsaisonehe. Seine Balz ist durch laute Rufreihen, die mit aufgestellter Federhaube und gesträubten Kehlgefieder meistens in guter Deckung vorgetragen werden, gekennzeichnet. Reagiert ein Weibchen, versucht er es mit Futterübergaben zu beeindrucken, auf die oft lange Verfolgungsflüge folgen. Häufig bietet er mit lautem Krächzen Bruthöhlen an. Schlüpft das Weibchen in eine solche Höhle, ist die Paarbildung abgeschlossen. Die Kopulationen finden meistens auf dem Boden statt.Der Wiedehopf nistet in Baum- oder Mauerlöchern. Meistens gelingt dem Wiedehopf nur eine Brut pro Jahr. Das Weibchen legt dabei zwischen 5 und 7 Eiern die dann 16 bis 19 Tage bebrütet werden. Die Jungen benötigen nach dem Schlüpfen noch zwischen 20 und 28 Tagen bis sie das Nest verlassen. === Neststandort, Gelege und Brut === [[Datei:Wiedehopf sandbadend 070608-1.jpg|miniatur|hochkant|Sandbadender Wiedehopf]] Die Neststandorte sind äußerst unterschiedlich und umfassen Ganz- oder Halbhöhlen jeglicher Art. Natürliche Baumhöhlen werden ebenso genutzt wie Spechthöhlen, Halbhöhlen in Bruchsteinmauern oder Holzstößen, Höhlungen unter Wurzeln oder andere Erdhöhlen. Bei Brutbäumen zeigt die Art eine Bevorzugung von hochstämmigen alten Obstbäumen, insbesondere von Apfelbäumen. Auch Nistkästen werden angenommen, wenn sie eine genügend große Einschlupföffnung und ein ausreichendes Raumvolumen aufweisen. Die Neststandshöhe liegt meistens in einem Bereich bis zu fünf Metern. Meistens kommt es nur zu einer Jahresbrut, südlichere Populationen scheinen öfter (vielleicht sogar regelmäßig) zu einer Zweitbrut zu schreiten. Das [[Ei (Biologie)|Gelege]] besteht aus sechs bis zehn, auffallend längselliptischen, auf bläulichem oder grünlichem Grund verschiedenfarbig gepunkteten Eiern in der Durchschnittsgröße von etwa 26 x 18 Millimetern; es wird ausschließlich vom Weibchen bebrütet, das meistens schon nach Ablage des ersten Eis zu brüten beginnt. Die Eier werden in den frühen Morgenstunden im Tagesabstand gelegt, sodass sich bei einer reinen Brutdauer von 16 Tagen die Brutperiode auf 25 Tage und mehr ausdehnen kann und Junge in sehr unterschiedlichen Entwicklungsstadien in einer Brut vereint sind. Die [[Nestling]]szeit kann bis zu 30 Tage währen. Während der gesamten Brutzeit sowie mindestens den ersten zehn Tagen der Nestlingszeit werden das Weibchen und später auch die Jungen ausschließlich vom Männchen mit Nahrung versorgt. Erst wenn die Jungen nicht mehr [[Hudern|gehudert]] werden müssen, beteiligt sich auch das Weibchen an der Futtersuche. Nach dem Verlassen der Bruthöhle werden die flüggen Jungvögel noch etwa fünf Tage von den Eltern gefüttert, ehe sie das Elternrevier verlassen und oft über weite Strecken [[Dismigration|dismigrieren]]. == Feindverhalten == Im Feindverhalten haben die Wiedehopfe und deren Junge einige besondere Verhaltensweisen entwickelt. Beim plötzlichen Auftauchen eines [[Greifvogel]]s, wenn eine gefahrlose Flucht in ein Versteck nicht mehr möglich ist, nehmen Wiedehopfe eine Tarnstellung ein, die untermauert, wie körperkonturauflösend das so kontrastreich gefärbte Gefieder sein kann. Dabei legt sich der Vogel mit breit gespreizten Flügeln und Schwanz flach auf den Boden, Hals, Kopf und Schnabel sind steil nach oben gerichtet. Meistens wird er in dieser regungslosen Schutzhaltung übersehen. Völlig abweichend von der Interpretation als Tarnstellung sehen neuerdings einige Forscher in dieser Körperposition einen Ausdruck des [[Komfortverhalten]]s beim Sonnenbaden; auch beim [[Einemsen]] wurden Wiedehopfe in dieser Körperhaltung beobachtet. Sich bedroht fühlende Nestlinge zischen [[Mimikry|schlangenähnlich]], etwas ältere Nestlinge spritzen als Abwehrreaktion ihren Kot aus der Höhle. Auch wenn sie gegriffen werden, koten sie intensiv. Besonders wirkungsvoll scheint jedoch das Absondern eines sehr übelriechenden Sekretes aus der [[Bürzeldrüse]] zu sein. Während der Brutzeit ist die Bürzeldrüse beim Weibchen besonders entwickelt, ebenso bei den Nestlingen. Beide geben offenbar in regelmäßigen Abständen das Bürzeldrüsensekret ab, in Erregungssituationen möglicherweise verstärkt. Von diesem Bürzeldrüsensekret rührt der strenge Geruch her, der üblicherweise von Wiedehopfbrutstätten ausgeht. Die Behauptung, dass Wiedehopfe grundsätzlich den Kot der Jungen nicht aus dem Nest befördern, ist nicht richtig. Zwar wurden Nestlinge gefunden, die auf einer bereits hohen Kotschicht saßen, doch handelte es sich in solchen Fällen meist um Bruthöhlen, die auf Grund ihrer Enge eine systematische Säuberung nicht ermöglichten. Häufig stammen die festgestellten Kotschichten auch von einem Vorbesitzer der Höhle, zum Beispiel der [[Hohltaube]], die tatsächlich den Kot der Jungen nicht aus dem Nest befördert. == Wanderungen == Die Nominatform ist fast in ihrem gesamten Verbreitungsgebiet Zugvogel, ihre Hauptüberwinterungsgebiete liegen im Savannengürtel südlich der Sahara. In Ostafrika überwintert die Art in Höhenstufen bis zu 3500 Metern. Kleine vor allem südwesteuropäische [[Population (Biologie)|Populationen]] (Südspanien, Balearen sowie Sizilien) überwintern im Brutgebiet. Zum Teil erfolgreiche Überwinterungen werden in Südengland regelmäßig, in Südschweden sowie in Mitteleuropa gelegentlich festgestellt. In Mitteleuropa beginnt der Abzug bereits Ende Juli mit einem Wegzugsgipfel Mitte August. Wiedehopfe ziehen meistens einzeln und während der Nachtstunden. Offenbar werden die Alpen, das Mittelmeer und zumindest gelegentlich auch die Sahara in ihrer gesamten Breite ohne Umgehungsstrategien überflogen. Im Himalayagebiet wurden ziehende Wiedehopfe in Höhen von annähernd 7000 Metern beobachtet. Die ersten Heimzieher erreichen ihre europäischen Brutplätze Mitte März, im letzten Aprildrittel sind die europäischen Brutplätze in der Regel besetzt. Relativ häufig wurde bei Heimziehern [[Zugprolongation]] festgestellt, sodass auch im Frühjahr ähnlich der nachbrutlichen [[Dismigration]] der Jungvögel einzelne Individuen in hochnordischen Gebieten erscheinen. Die Weibchen weisen eine bedeutend ausgeprägtere Brutplatztreue als die Männchen auf. <br /> Über die Zuggewohnheiten der außereuropäischen, insbesondere der asiatischen Populationen sind keine genauen Daten bekannt. (2007/8 überwinterte ein [[Irrgast]] nahe [[Lachendorf]] in der [[Lüneburger Heide]].<ref>Hans Jürgen Behrmann, ''Wiedehopf-Überwinterung am Südrand von Lachendorf'', in: ''Mitteilungsblatt der Samtgemeinde Lachendorf'', H. 3, 2008, S. 67</ref>) Die nördlicheren Populationen der Unterart ''U.&nbsp;e.&nbsp;longirostris'' überwintern in Südindien und in Sri Lanka. Die afrikanischen Unterarten sind Standvögel, streichen jedoch außerhalb der Brutzeit weiträumig umher. <br /> Die Dismigrationsflüge junger Wiedehopf können über weite Distanzen erfolgen. So gelangen junge Wiedehopfe regelmäßig nach Finnland, Schottland und auf die [[Orkneys]]. Auch von [[Island]] gibt es eine Reihe von Nachweisen. == Bestand und Bestandsentwicklung == In Europa war der Wiedehopf bis in die [[1950er|50er]]-Jahre des [[20. Jahrhundert]]s ein in manchen Gebieten häufiger Brutvogel. Verschiedene Faktoren (stärker atlantisch beeinflusstes Klima, Biotopzerstörung und zunehmender Pestizideintrag) lösten einen starken Areal- und Bestandsrückgang aus. Viele früher regelmäßig besetzte Brutgebiete in [[Großbritannien (Insel)|Großbritannien]], Süd[[skandinavien]], [[Belgien]] und den [[Niederlande]]n sowie im gesamten [[Mitteleuropa]] wurden aufgegeben. In den letzten Jahren ist ein besonders deutlicher Bestandsrückgang in Ost[[griechenland]] und in der [[Türkei]] feststellbar. Zurzeit scheinen sich einige Kleinpopulationen in Südengland und Südschweden wieder etwas zu erholen. In manchen Gebieten Mitteleuropas dürfte die Art von der intensivierten Pferdehaltung profitieren. In Gesamteuropa wird der Bestand, der insgesamt als gesichert gilt, auf fast eine Million Brutpaare geschätzt. In den Niederlanden, Belgien und [[Luxemburg]] gilt der Wiedehopf als ausgestorben, in [[Deutschland]], der [[Schweiz]], in [[Tschechien]] sowie in [[Österreich]] erscheint er auf den [[Rote Liste gefährdeter Arten|Roten Listen]], meistens in den höchsten Gefährdungsstufen. In Deutschland wurden 2005 nur 380 bis 450 Brutpaare gezählt. Die dichtesten Bestände dieser Art in Mitteleuropa werden heute in sogenannten [[Sekundärlebensraum|Sekundärlebensräumen]], insbesondere auf Truppenübungsplätzen beziehungsweise ehemals militärisch genutztem Gelände verzeichnet. In Deutschland laufen intensive Schutzmaßnahmen zum Beispiel auf den ehemaligen Truppenübungsplätzen [[Jüterbog]] und [[Lieberose]]. == Namensherleitung == Der deutsche Name hat weder mit ''[[Wiede]]'' noch mit ''hüpfen'' oder, wie trivialetymologisch ebenfalls oft vermutet wird, mit ''Schopf'' etwas zu tun. Am wahrscheinlichsten ist ein althochdeutsches, lautmalerisches ''wūthūp'' als Ursprung anzunehmen. Die [[Althochdeutsch|ahd.]] Bezeichnung ist jedoch bereits ''wituhopfa'' ([[Mittelhochdeutsch|mhd.]] ''wit(e)hopfe, widhopfe'', [[Altsächsisch|as.]] ''widohoppa''), in dem ein altes Wort für "Holz, Baum" (vgl. [[Altenglisch|ae.]] ''widu, wudu'', [[Altnordisch|anord.]] ''viðr'', [[Altirisch|air.]] ''fid'') enthalten ist, möglicherweise schon in dieser Zeit [[Volksetymologie|volksetymologisch]]. Der wissenschaftliche Gattungsname ist ebenfalls [[onomatopoetisch]]er Natur; ''epops'' ist der altgriechische Name des Vogels, ''upupa'' der lateinische. Weitere etymolgisch anschließbare deutsche Namen sind ''Hoppevogel'', ''Puvogel'', sowie das schlesisch/ostpreußische ''Huppup''. (Vgl.a. [[Niederländische Sprache|ndl.]] ''hop'', [[Afrikaans|afr.]] ''hoephoep'', engl. ''hoopoe'' und frz. ''huppe''). Die Herleitung der Schlachtrufe "Hipp hipp" bzw. "Hup hup" oder "Hopp hopp" (im englischen, niederländischen und deutschen Sprachraum) aus dem Ruf des Wiedehopfes ist zwar weit verbreitet, aber möglicherweise ebenso volksetymologisch. == Der Wiedehopf in den Künsten == [[Datei:Pisanello 019.jpg|miniatur|''Vogel'', Aquarell von [[Antonio Pisanello]] (1430-1440)]] In den ''[[Metamorphosen (Ovid)|Metamorphosen]]'' des [[Ovid]] verwandelt sich der Thrakerkönig [[Tereus]] in einen Wiedehopf. Diese Erzählung, die sich im 6. Buch der Metamorphosen findet, gilt als eine der grausamsten. Hier wird auch auf die Form des Schnabels hingewiesen, die einem Schwert gleicht: "''facies armata videtur''" (6. Buch, Vers 674). Der Wiedehopf ist König der Vögel in [[Aristophanes]]' ''[[Die Vögel (Aristophanes)|Die Vögel]]'' und ihr Anführer in [[Fariduddin Attar]]s Epos ''Mantiq ut-tair'' („Die Vogelgespräche“). Der mittelalterliche Dichter [[Heinrich von dem Türlin]] stellt in seinem Roman ''Diu Crône'' den Wiedehopf als böse der guten [[Lerche]] gegenüber. [[Otto von Loeben]] läßt in seiner Parodie ''Reise zum Parnaß'' einen Gegner der Romantik (bei dem es sich wohl um [[Christian Friedrich Voß]] handeln soll) in Gestalt eines "Wiedehopf auf stolzen Beinen" auftreten. Berühmt ist auch das Gedicht über den Hoppevogel in [[Joseph von Eichendorff]]s ''Aus dem Leben eines Taugenichts'': :''Wenn der Hoppevogel schreit,'' :''Ist der Tag nicht mehr weit.'' :''Wenn die Sonne sich aufthut,'' :''Schmeckt der Schlaf noch so gut! –'' Er versinnbildlicht hier die von Eichendorff mehrfach kritisierte gottferne Dichtung. Der Wiedehopf galt ja gleich in zweierlei Hinsicht als sündhaft: wegen seines unsauberen Nestes und des unangenehmen Geruchs versinnbildlicht er falschen Glauben und Unzucht, wegen seines prächtigen Federkleides hingegen besonderen Hochmut. In Eichendorffs Werken finden sich mehrfach Gestalten, die eine schlechte oder falsche Dichtung verkörpern, die den Schlachtruf "Hup Hup" ausstossen<ref>so z.B. der Musterphilister Pastinak in ''Krieg den Philistern'', der erste Literator und das Gefolge Meierbeths in ''Meierbeths Glück und Ende'', sowie der Dichter Winde in den Fragmenten ''Liebe versteht keinen Spaß'' und ''Wider Willen''</ref><ref>Eichendorffs Taugenichts: Quellen und Bedeutungshintergrund Von Otto Eberhardt, S. 395f.</ref> In [[Achim von Arnim]]s "[[Die Kronenwächter]]" beschimpft Anton die religiösen Schwärmer, die die alte Stadtkirche verwüsten wollen, mit den Worten: "Ihr Wiedehopfe, die ihr euer eignes Nest besudelt". Der Wiedehopf ist zudem Titelheld einer Oper von [[Hans Werner Henze]], ''L'Upupa und der Triumph der Sohnesliebe'' (2000–03, UA 2003). == Heraldik == [[Datei:Wappen Armstedt.png|miniatur|hochkant|Der Wiedehopf im Wappen von Armstedt]] Der Wiedehopf ist als [[gemeine Figur]] ein [[Wappentier]] in der [[Heraldik]]. Er wird in der Seitenansicht gezeigt und die Hauptblickrichtung ist nach heraldisch rechts. Oft erfolgt die Darstellung leicht stilisiert in den natürlichen Farben, aber auch gelb oder Gold ist möglich. Wichtig ist die Hervorhebung der Flügel und des Federkammes, um ihn eindeutig zu erkennen. Der Vogel wird auf einer Sitzgelegenheit (Zweig, Ast) abgebildet. Auf dem Brechtener Wappen ist ein Wiedehopf abgebildet. Über dem nur unten in blau- rot gespaltenem Wappen von [[Dortmund-Brechten|Brechten]] sind im oberen goldenen Teil zwei Wiedehopfe in naturnaher Farbe dargestellt. Sie werden als Sinnbild der beiden Ortsteile Unter- und Oberdorf angesehen. Unten sind zwei goldene Strohgarben. Auch das Wappen der Gemeinde [[Armstedt]] führt in Rot einen auf einem goldenen Ast sitzenden goldenen Wiedehopf. == Sonstiges == * Wiedehopfe gelten in einigen Kulturkreisen als eine unreine, stinkende Vogelart (siehe oben: ''Feindverhalten''). Die im Deutschen gebräuchliche [[Redewendung]] „''[[Gestank|stinken]] wie ein Wiedehopf''“ weist darauf hin. * Der Wiedehopf wurde in Deutschland [[Vogel des Jahres (Deutschland)|Vogel des Jahres]] [[1976]]. * Am [[29. Mai]] [[2008]] wurde der Wiedehopf in [[Israel]] zum [[Nationalvogel]] gewählt.<ref>[http://www.hagalil.com/01/de/Israel.php?itemid=2420 Boten in einer geschundenen Welt : Vögel ohne Grenzen, Nationalvogel Wiedehopf] "(...) Die Israelis, die den Nationalvogel gewählt haben - darunter Kinder, Soldaten, Akademiker und Knesset-Abgeordnete -, lehnten die Wahl eines Raubvogels (vor allem des vom Aussterben bedrohten Gänsegeiers) ab, da sie nicht an einem kämpferischen Image interessiert waren. Und auch die Eule wurde abgelehnt, da sie nach arabischem Glauben Unglück bringt. (...) Die Idee, dass Vögel als Boten in einer geschundenen Welt fungieren können – wie die Taube und der Rabe, die von Noah ausgesandt wurden -, hat Israels Entscheidung motiviert, als Teil des Gedenkens an die Staatsgründung vor 60 Jahren einen Nationalvogel anzunehmen. Auf Hebräisch lautet der Name des Vogels ‚duchifat’, auf arabisch ‚hud hud’. Und sein englischer Name ‚hoopoe’ klingt, wie Emily Dickinson bemerkt hat, nach ‚hope’ (Hoffnung). (...)"; Jonathan Rosen, [[Haaretz]], 13.06.2008</ref> == Briefmarken == <gallery> Datei:DBP 1963 401 Jugend Wiedehopf.jpg|[[Briefmarken-Jahrgang 1963 der Deutschen Bundespost|Briefmarke der Deutschen Bundespost (1963)]] Datei:Stamp of Moldova 281.gif|[[Moldawien|Moldawische]] Briefmarke (1992) </gallery> == Literatur == * Hans-Günther Bauer, [[Peter Berthold]]: ''Die Brutvögel Mitteleuropas. Bestand und Gefährdung.'' Wiesbaden: Aula-Verlag ²1997, S. 279 f. ISBN 3-89104-613-8 * [[Urs N. Glutz von Blotzheim]] (Hrsg.): ''[[Handbuch der Vögel Mitteleuropas]]''. Bearbeitet u.&nbsp;a. von Kurt M. Bauer und Urs N. Glutz von Blotzheim. Wiesbaden: Aula-Verlag. Bd. 9. [[Taubenvögel|Columbiformes]] – [[Spechtvögel|Piciformes]]. Wiesbaden: Aula-Verlag 1994, S. 852–876. ISBN 3-89104-562-X * Susanne Oehlschläger, Torsten Ryslavy: ''Brutbiologie des Wiedehopfes Upupa epops auf den ehemaligen Truppenübungsplätzen bei Jüterbog, Brandenburg.'' In: ''Die Vogelwelt.'' Wiebelsheim: Aula-Verlag, 123.2002, S. 171–188 {{ISSN|0042-7993}} <!--Hatte der Aula-Verlag einst seinen Sitz in Wiesbaden? Verlagsort ist heute jedenfalls Wiebelsheim http://www.verlagsgemeinschaft.com/cms/aula.php?--> * Hans Münch: ''Der Wiedehopf''. Die neue Brehm-Bücherei; Heft 90. Akademische Verlagsgesellschaft Geest & Portig K.-G.; Leipzig 1952 * Der Wiedehopf als Wappentier, Max Grube in Herold 47, 1916 * Der Wiedehopf als Wappenvogel, Bernhard Körner in „Der deutsche Roland“ 8, 1920 == Weblinks == * [http://www.birdlife.org/datazone/species/BirdsInEuropeII/BiE2004Sp984.pdf factsheet birdlife europe (en)] (PDF-Datei; 282 kB) * {{IBC|ID=hoopoe-upupa-epops|Titel=Upupa epops}} * {{IUCN |Year=2008 |ID=142032 |ScientificName=Upupa epops |YearAssessed=2004 |Assessor=BirdLife International |Download=4. Januar 2009 }} {{Commons|Upupa epops|Wiedehopf}} {{Wiktionary|Wiedehopf}} == Einzelnachweis == <references /> {{Exzellent}} [[Kategorie:Vögel]] {{Link FA|ru}} {{Link GA|uk}} [[af:Hoephoep]] [[an:Upupa epops]] [[ar:هدهد]] [[az:Adi hop hop]] [[bg:Папуняк]] [[bo:པུ་ཤུད།]] [[br:Houperig]] [[bs:Pupavac]] [[ca:Puput]] [[co:Puppusgiula]] [[cs:Dudek chocholatý]] [[cv:Хыркук]] [[da:Hærfugl]] [[diq:Hophopık]] [[en:Hoopoe]] [[eo:Upupedoj]] [[es:Upupa epops]] [[et:Vaenukägu]] [[fa:هدهد]] [[fi:Harjalintu]] [[fr:Huppe fasciée]] [[ga:Húpú]] [[gl:Bubela]] [[he:דוכיפת]] [[hr:Pupavac]] [[hu:Búbos banka]] [[it:Upupa epops]] [[ja:ヤツガシラ]] [[ko:후투티]] [[ku:Silêmanê dunikul]] [[la:Upupa epops]] [[lb:Mitock]] [[lt:Kukutis]] [[mn:Өвөөлж]] [[mr:हुपो]] [[ms:Burung hud-hud]] [[myv:Пичекивге]] [[nl:Hop (vogel)]] [[no:Hærfugl]] [[oc:Puput]] [[os:Дыгоппон]] [[pa:ਸ਼ਿਕਰਾ]] [[pl:Dudek]] [[pnb:چک چکیرا]] [[pt:Poupa]] [[ro:Pupăză]] [[ru:Удод]] [[sc:Pubusa]] [[sl:Smrdokavra]] [[sv:Härfågel]] [[sw:Hudihudi]] [[th:นกกะรางหัวขวาน]] [[tr:İbibik]] [[uk:Одуд]] [[ur:ہد ہد]] [[zh:戴胜]] 6zfsz9fxss96e6rkhdnjcup9mbaswko wikitext text/x-wiki Wiener Neustädter Kanal 0 24511 27113 2010-04-11T12:15:32Z Invisigoth67 0 /* Der Kanalbetrieb unter staatlicher Verwaltung (1803–1822) */ +wl Der '''Wiener Neustädter Kanal''' ist ein im [[Geschichte Österreichs#Der aufgeklärte Absolutismus|Erzherzogtum Österreich]] 1803 in Betrieb genommener und bis auf 63&nbsp;km Länge erweiterter [[Kanal (Wasserbau)|künstlicher Wasserlauf]], auf dem vor allem Holz, Ziegel und Kohle aus dem Raum südlich der [[Donau]] nach [[Wien]] transportiert wurden. Da spätere, private Eigentümer vorrangig [[Geschichte der Eisenbahn in Österreich|Bahnprojekte]] verfolgten und wichtige Teile des Wasserweges zur Bahntrasse umwidmeten, ging die Kanalschifffahrt ab 1879 stark zurück und hörte noch vor dem Ersten Weltkrieg ganz auf. Die von diesen Eigentümern zwischen den Weltkriegen betriebene Trockenlegung des Wasserlaufes konnte von den Nutzungsberechtigten am Kanalwasser teilweise abgewendet werden, bis nach dem Zweiten Weltkrieg das Land [[Niederösterreich]] den Großteil des auf 36&nbsp;km verkürzten Wasserlaufes übernahm und ihm als Erholungslandschaft eine neue Hauptfunktion gab. [[Bild:Kanalplan.jpg|thumb|443px|right|Skizze 1: Karte der Trassenführung des Wiener Neustädter Kanals um ca. 1875. Die durchgezogene blaue Linie markiert den 2007 noch befüllten Bereich.]] __TOC__ <br style="clear:both;" /> == Die Geschichte des Wasserweges == === Die Vorgeschichte === [[Bild:Karte_Kanal_bis_Laibach.jpg|thumb|Skizze 2: Karte der geplanten Trassenführung des Kanals von 1894. Im Kasten links oben ist der damals bereits realisierte Abschnitt dargestellt.]] [[Bild:XKanal in WienLegende.jpg|thumb|Skizze 3: Blau hervorgehobener Verlauf des Wiener Neustädter Kanals bei Wien auf einer Karte von 1832. (Süden ist auf dieser Karte oben)]] Im Jahr 1761 wurde in Nordwest-[[England]] der 23 Kilometer lange [[Bridgewater-Kanal]] eröffnet, der die Kohlengrube des Sir Francis Egerton mit [[Manchester]] verband. Während auf der Straße zwei Pferde lediglich zwei Tonnen bewegen konnten, genügte hier ein Pferd, um einen mit 30 Tonnen Kohle gefüllten [[Narrowboat|Kahn]] bei gleicher Geschwindigkeit ans Ziel zu bringen. Es dauerte nicht lange, bis das neue Transportmittel den Kohlepreis im Zielgebiet um fast zwei Drittel sinken ließ. Dies beflügelte die örtliche industrielle Entwicklung derart, dass die Stadt nicht zuletzt deshalb jene Beispielfunktion erhielt, die im „[[Manchesterkapitalismus]]“ auch ihre Schattenseiten zeigen sollte. In dem von permanenten Kriegen erschütterten [[Geschichte Österreichs#Der aufgeklärte Absolutismus|Kaiserreich Österreich]] ließ eine ähnliche Revolution noch auf sich warten. Man hatte gerade erst begonnen, den Verlust der im [[Siebenjähriger Krieg|Siebenjährigen Krieg]] an [[Preußen]] gefallenen [[Schlesien|schlesischen]] Industriegebiete durch Industrieförderung in Wien und im südlichen Niederösterreich zu kompensieren. Als diese Maßnahmen im letzten Drittel des 18.Jahrhunderts zu greifen begannen, zeigten sie aber bald auch Schattenseiten. Der hohe Energiebedarf, der in dieser Region noch weit ins 19. Jahrhundert hinein vorrangig durch Holz bzw. durch Holzkohle gedeckt wurde, trieb einerseits die Preise dieser Produkte in die Höhe, anderseits führte die lukrative Bedarfsdeckung zum Raubbau an den Wäldern, dem anfänglich noch keine gesetzlichen Schranken gesetzt waren. So schrieb 1803 der Reiseschriftsteller [[Joseph August Schultes]] in einem seiner Wanderberichte über die vor ihm liegende Hügelkette im Voralpenbereich: :''„Abgeholzt sind sie vom Gipfel bis zum Fuß, kein Stamm blieb von der mörderischen Axt unverschont, um dem Wald Gelegenheit zu geben sich selbst zu verjüngen. Welch ein Forstskandal, Berge ganz abzutreiben … Diese traurige Perspektive in die Zukunft findet man beinahe durchaus in allen Gebirgen Unterösterreichs in herrschaftlichen Wäldern.“ ''<ref>Rosecker 1997, Seite 7 und 8</ref> [[Bild:N Stossverkehr Spinnerin.jpg|thumb|Gemälde des dichten Lastenverkehrs auf der [[Wiener Neustädter Straße|Triester Poststraße]] bei der [[Spinnerin am Kreuz]] im Süden Wiens um ca. 1855. Der Wiener Neustädter Kanal war als ökonomischere Alternative dazu konzipiert.]] Alle Versuche, dem britischen Beispiel folgend die Mineralkohle als Hauptenergieträger zu etablieren, blieben trotz staatlicher Förderung (Verteilung von Gratiskohle, Befreiung der Kohle von Zöllen und Abgaben) <ref>Slezak (1981) Seite 7. Zollbefreiung: 21.9.1792, Gratiskohle: 1759</ref> zunächst erfolglos. Von der Zukunft der Kohle dennoch überzeugt, gründete Anton David Steiger gemeinsam mit Honoratioren der [[Statutarstadt]] Wiener Neustadt im Oktober 1791 die „Wiener Neustädter Steinkohlengewerkschaft“. Man pachtete die im Besitz der königlichen-ungarischen Freistadt [[Sopron|Ödenburg]] (Sopron) befindliche Kohlengrube am Brennberg unter desaströsen Bedingungen (faktisch unbegrenzte Kohlenlieferungen an die Bürger der Stadt zu Preisen, die sich als nicht kostendeckend erweisen sollten) und begann mit dem Abbau, der mangels erfahrener Bergleute und mangelndem Absatz zunächst nur schleppend voranging. Mehr Dynamik kam in das Unternehmen, als Bernhard von Tschoffen, Joseph Reitter und Graf Apponyi der Gesellschaft beitraten, sie übernahmen und zusätzliche Schürfrechte für Steinkohle im Raum Wiener Neustadt erwarben. Man fand zwar Abnehmer im lokalen Bereich, in Wien jedoch des teuren Transportes wegen kaum. Um den Gütertransport aus dem südlichen Niederösterreich nach Wien rationeller zu gestalten, legte die Gesellschaft auf Anraten Tschoffens 1794 Kaiser [[Franz II. (HRR)|Franz II.]] den Plan vor, einen Schifffahrtskanal zu errichten. <ref name="Riebe26"/> Kaiser Franz II. schickte einen seiner Genie-(Pionier) Offiziere, den Ingenieur-Oberstlieutenant Sebastian von Maillard <ref>Maillard (*1746 in Luneville, †1822 in Wien; 1797 Oberst; 1801 Generalmajor; 1812 Feldmarschallleutnant)</ref> zu einer Detailerkundung. Nach dessen positivem Bericht sendete ihn der Kaiser gemeinsam mit Tschoffen nach England, um dort das Kanalwesen zu studieren. Beeindruckt von der hohen Wirtschaftlichkeit dieser Anlagen erteilte Franz II. im Juli 1796 den Antragstellern per Hofdekret die Genehmigung zur Errichtung eines Schifffahrtskanals bis zur [[Adriatisches Meer|Adria]]. <ref>Hermann Mayrhofer: Kanal für Leser, in: Industrieviertel-Museum: 200 Jahre Wiener Neustädter Kanal (Wiener Neustadt 1997) Seite 35 </ref> [[Bild:Wr.Kanal Maillard.jpg|thumb|left|Porträt von Sebastian von Maillard, dem Planer und ersten Bauleiter des Kanals]] Es kam zur Gründung der „k.k. privilegierten Steinkohlen-& Canalbau A.G.“, die sich zunächst aber nur den Bau des Kanals von Wien bis Ödenburg bzw. [[Győr|Raab]] (Győr) zum Ziel setzte. Die dafür veranschlagten 2 Millionen [[Gulden]] stammten zu je einem Viertel von den „Gewerkschaftern“ und dem Kaiser, der Rest konnte durch Aktienverkäufe aufgebracht werden. Die Gesellschaft ernannte Maillard zum „Direktor der hydraulischen Unternehmung“ und beauftragte ihn mit der Erstellung der Pläne und der Bauleitung. Als wichtigste Mitarbeiter standen ihm Hauptmann Swoboda, Professor an der [[Theresianische Militärakademie|Theresianischen Militärakademie]], und Ingenieur Josef Schemerl, damals Landesbaudirektor für [[Krain]], zur Seite. Während Swoboda die Strecke nach Ödenburg trassierte, widmete sich Maillard mit Schemerl der schwierigeren Trassierungsarbeit in Richtung Adria über [[Ljubljana|Laibach]] (Ljubljana). Bei Oberlaibach (Vrhnika) war gemäß Maillard allerdings die Grenze des damals technisch Machbaren erreicht. Maillard: <ref>Fritz Lange: Von Wien zur Adria. Der Wiener Neustädter Kanal (Erfurt 2003)</ref> :''„Da endlich auf dem übrigen Wege von Oberlaubach nach Triest nichts als kahle, poröse und aus vielen Höhlungen bestehende Felsen angetroffen worden sind, so ist auf dieser Strecke kein Canal ausführbar.“'' === Der Bau des Kanals (1797–1803) === [[Bild:Ziegelofenland mit.jpg|thumb|Skizze&nbsp;5: Der Kanal von Kledering bis Guntramsdorf (ca. 1875)]] [[Bild:SschleusenlandNord mit.jpg|thumb|Skizze&nbsp;6: Der Kanal von Guntramsdorf bis Baden (ca. 1875)]] [[Bild:Schleusenland Süd mit.jpg|thumb|Skizze&nbsp;7: Der Kanal von Baden bis Sollenau (ca. 1875)]] [[Bild:XWrNeustadt 1880.jpg|thumb|Skizze&nbsp;8: Der Kanal in Wiener Neustadt (ca. 1860)]] [[Bild:Pöttschinger Ast.jpg|thumb|Skizze&nbsp;9: Der Pöttschinger Kanalast (ca. 1875)]] Nach der Trassierung, den Grundstücksankäufen, der Pacht von [[Steinbruch|Steinbrüchen]], [[Ziegelei|Ziegel]]- und Kalkbrennereien im Raum [[Guntramsdorf]] und [[Mannersdorf am Leithagebirge|Mannersdorf]] sowie einer Eisenschmelze in [[Pitten]] begann am 19.&nbsp;Juni 1797 die Umsetzung der Pläne. Sie sollte sich schwieriger darstellen, als dies ein rascher Blick auf die Karte des Wiener Beckens vermuten lässt. Dieses Becken ist keinesfalls flach, es weist vielmehr von Neunkirchen bis zur Donau mit 200 Metern auf 60&nbsp;km einen für Kanäle beträchtlichen Höhenunterschied auf. Überdies konnte man mit der Trasse keinem Talverlauf folgen, sondern stand vor der Aufgabe, zahlreiche kleine, aber hochwasserträchtige Wasserläufe zu queren. Dazu kam der vielfach extrem wasserdurchlässige Untergrund, der aufwändige Dichtungsmaßnahmen erforderte. Das Hauptproblem war und blieb jedoch der Mangel an Wasser, der neben einem komplexen Einspeisungssystem zu einem schmalen Kanal, zu kleinen Schleusenkammern und damit zu kleinen Kähnen zwang, was dem Wasserweg mittelfristig die Konkurrenzfähigkeit rauben sollte. Die ersten 48, nicht fachspezifisch eingesetzten zivilen Arbeiter verließen sehr bald die Arbeitsstätte. Sie wurden am 8.&nbsp;Juli durch 100, später 200 Soldaten ersetzt. Der vom Kaiser am 26.&nbsp;Oktober vor Ort kritisierte langsame Baufortschritt führte im Folgejahr zur Zuweisung von 1260 Bausoldaten. Das Unwetter vom 20.&nbsp;August 1798 zerstörte jedoch viel von deren Arbeit. Als diese Soldaten 1799 im Zuge eines weiteren [[Koalitionskriege|Feldzugs gegen Napoleon]] abgezogen wurden, ersetzte man sie durch Sträflinge, wobei die schweren Fälle in Ketten zu arbeiten hatten. Dieser kriegsbedingte Mangel an Arbeitskräften, Unwetterschäden und die inflationäre Entwicklung bei den Baukosten hemmten den Baufortschritt und führten zu Spannungen zwischen Bauleitung und Geldgebern. Die Kanalgesellschaft, die 1799 mit der „Innerberger Stahl- und Eisenhauptgewerkschaft“ zur „k.k. privilegierten Hauptgewerkschaft“ fusionierte, führte diese Zustände letztendlich auf Fehler des Bauleiters Maillard zurück. Die Hofkommission (Vorsitz Graf Saurau) griff ein. Man trennte Bauplanung (Maillard) von Baudurchführung (Schemerl) und forderte von Maillard am 27. August 1798 <ref>Riebe. Seiten 18–19</ref> die Vorlage eines Generalplanes. Trotz erfüllter Forderungen trennten sich die Gesellschafter 1799 vom Bauleiter ohne Abfertigung. Die Tatsache, dass Maillard vom Kaiser 8000 Gulden (offiziell für seine Kinder) erhielt und von diesem in den Folgejahren als Leiter der kaiserlichen Genie(Pionier-)truppen bis zum Feldmarschall befördert wurde, mag als Beweis dafür dienen, dass sein Ansehen zumindest bei Hof nicht gelitten hatte. <ref>Riebe. Seite 20</ref> Am 1. Oktober 1799 als Bauleiter nominiert, musste Josef Schemerl auch im Folgejahr Sträflinge auf den Baustellen akzeptieren. Hemmend wirkten sich in dieser Bausaison auch die Einsprüche der Barone Braun und Moser aus, die sich in [[Schönau an der Triesting]] zunächst weigerten, Land für den Kanalbau abzutreten und Trassenänderungen rund um einen Fasangarten durchsetzen konnten. <ref>Riebe. Seite 21</ref> 1801 übernahm Graf Rottenhan den Kanalausschuss der Hofkammer. Er ordnete nach Inspektion der fertigen Abschnitte Begradigungen der Trasse an und ließ das einsturzgefährdete Liesingaquädukt erneuern. Für Sanierung und Weiterbau konnte er dem Bauleiter ab 1. Mai 1801 einige hundert Pioniere zur Verfügung stellen, mit denen die Arbeit unter der Leitung von vier zusätzlichen Ingenieuren erstmals zügig voranging. Da für die Kosten dieser Sanierungsarbeiten wieder einmal die Hofkammer allein aufkommen musste, war Rottenhan bestrebt, den Kanal zur Gänze zu übernehmen. Es gelang ihm, die Unstimmigkeiten innerhalb der neuen „Hauptgewerkschaft“ dazu zu nutzen, die 1799 erfolgte Fusion wieder rückgängig zu machen und nach zähen Verhandlungen Tschoffen, Graf Apponyi und Reitter auszubezahlen, was am 13. April 1802 besiegelt wurde. <ref>Riebe. Seite 23</ref> Als man 1801 – noch immer ohne Speisewasser – Wiener Neustadt erreicht hatte, leitete der ungeduldige Schemerl für Prüfzwecke die [[Piesting]] ein. Dies konnte nur für jeweils 24 Stunden erfolgen, da von diesem Wasser das kriegswichtige Stuck(Geschütz)bohrwerk in [[Ebergassing]] abhängig war. Das Prüfwasser gelangte Richtung Norden immerhin bis zum Stadtrand von Wien, bei einem Versuch in Richtung Süden versickerte es bereits nach wenigen Kilometern. Um der „Durchseihung“ (Versickerung) entgegenzuwirken, ließ Schemerl im Bereich der wasserdurchlässigen Kieselschichten das Kanalbett „podeln“. Dabei wurde nach dem Aufackern der Kanalsohle ein Gemisch von zwei Drittel Kiesel und einem Drittel Erde eingebracht und durch den Beritt mit Pferden verdichtet. <ref name="Riebe26"/> Um endlich permanent Wasser zur Kanalbefüllung zu erhalten, wurde der Kanal 1802 von Wiener Neustadt Richtung [[Pöttsching]] bis über die [[Leitha]] ins Heutal geführt, wo das im damals ungarischen [[Neudörfl]] abgeleitete Leithawasser über die „Neudörfler [[Rigole]]“ in den Kanal fließen konnte (siehe Skizze&nbsp;8). Zum Schutz vor Verschlammung und Hochwässern wurde knapp vor der Einspeisung in den Kanal ein großes Schlammabsetzbecken angelegt und gleich nach der ungarischen Grenze ein Hochwasserkanal zur Leitha geführt. Die längeren Probefüllungen von 1802 bis zum Frühjahr 1803 zeigten weitere Dichtungsmängel auf, von denen diesmal nicht nur das Bauwerk selbst, sondern auch die Anrainer betroffen waren.<ref>Riebe. Seite 67</ref> Wasser aus Dammbrüchen und undichten Kanalteilen versumpfte Felder und Wiesen, verunreinigte Ortsbrunnen, drang in Keller ein und brachte Gebäude in Einsturzgefahr. In der Gruft der [[Franziskaner (OFM)|Franziskaner]] in [[Maria Lanzendorf]] schwammen die Särge. <ref>Josef Knoll: Heimatbuch Guntramsdorf (1977).Seiten 8–9</ref> Dazu kam am 29. Juli 1803 ein weiteres schlimmes Unwetter, bei dem das Peischinger Wehr von der [[Schwarza (Leitha)|Schwarza]] weggerissen und der [[Kehrbach (Kanal)|Kehrbach]] sowie die „Neudörfler Rigole“ mit Schotter und Schlamm gefüllt wurden. Die Schäden durch Kanalwasser und Unwetter verzögerten nicht nur die Fertigstellung, sie zogen auch langwierige und kostspieligen Gerichtsverfahren nach sich, die dazu beitrugen, die von Maillard errechneten Baukosten von zwei Millionen auf über 11 Millionen Gulden ansteigen zu lassen. === Der Betrieb bis zur offiziellen Einstellung des Schifffahrtsbetriebes (1803–1879) === ==== Der Kanalbetrieb unter staatlicher Verwaltung (1803–1822) ==== [[Bild:Kanalkahn.jpg|thumb|300px|Der Kanalkahn war 22,8 Meter lang und 2,05 (2,30) m breit (Skizze S. von Maillard)]] [[Bild:YKahnmanöver bei Maria Lanzendorf.jpg|thumb|Überholmanöver auf dem Kanal (Bild ca.1820)]] [[Bild:Kanalmaut St.Marx.jpg|thumb|Der Kanal vor der Maut beim Linienwall in Wien. (Bild um 1840)]] [[Bild:Neustaedter_Kanal_Triangel4.jpg|thumb|Wiener Neustadt: Blick vom „Triangel“ Richtung Hohe- oder Schelmerbrücke (2007).]] [[Bild:Neustaedter_Kanal_Fischaquerung.jpg|thumb|Das Fischaaquädukt in Wiener Neustadt (2007)]] Anfang März 1803 begann man mit der langsamen Füllung des Gesamtkanals. Bis 15.&nbsp;März waren die Kanalabschnitte zwischen den Schleusen, „Haltungen“ genannt, bis Lanzendorf ''gespannt''; am 29.&nbsp;März wurde die Kirchhofschleuse bei [[Sankt Marx]] am Wiener [[Linienwall]] geöffnet. Bevor jedoch erstes Wasser bis zum Wiener Hafen gelangen konnte, brach bei [[Simmering]] ein Damm, dessen Reparatur sechs Wochen in Anspruch nahm. Dadurch musste die für Mitte April festgelegte erste offizielle Befahrung der „Kanalbau – Hofkommission“ bei der Kirchhofschleuse am Stadtrand Wiens beginnen. Diese Fahrt dauerte vom 18.&nbsp;bis zum Abend des 21.&nbsp;April. Am geringen Tempo war vor allem die Begeisterung der Bevölkerung der anliegenden Gemeinden verantwortlich. <ref name="Riebe28"/> Die Wasserfahrzeuge waren Nachbauten der britischen [[Narrowboat]]s. Sie hatten eine Länge von 22,8&nbsp;m und eine Breite von 2,05&nbsp;m und wurden in Wiener Neustadt (Werft siehe Skizze 8) und [[Passau]] hergestellt. Durch ihre symmetrische Konstruktion mussten sie am Zielpunkt nicht gewendet werden; es wurde lediglich das Ruder und die Stange für den Seilzug umgesteckt. <ref>Diese Stange befand sich knapp vor dem Steuermann am Ende des Schiffes, bei einer Anbringung weiter vorne hätte der Steuermann Mühe gehabt den Zug des Pferdes Richtung Ufer auszugleichen und den Kahn weit genug in die Schleuse hinein zu bekommen.</ref> Die Mannschaft eines Schleppzuges bestand aus drei Mann, die sich in ihren Funktionen abwechselten. Das vom Steuermann gelenkte Boot zog ein Pferd, das vom Pferdeführer („[[Treideln|Treidler]]“) entlang des Treidel- oder [[Treppelweg]]es geführt wurde, der entlang des Ostufers und unterhalb der Brücken verlief. Getreidelt wurde im Gegenverkehr mit knapp vier Kilometer pro Stunde, auszuweichen hatte das leere bzw. das bergab fahrende Schiff. Da es nur einen Treppelweg gab, waren Gegenverkehr und Überholen mit einigen Seilmanövern verbunden (siehe Bild). Aufgrund der geringen Strömung in den Haltungen mussten die Fuhren in beiden Richtungen gezogen werden. Für die Strecke von Wien bis Wiener Neustadt benötigte man im Schnitt eineinhalb Tage. Bei Nacht ruhte der Kanalbetrieb, den Schiffern standen in den „Canalhäusern“ Schlafstellen zur Verfügung. Der Schifffahrtsbetrieb lief von Anfang April bis Ende Oktober, die verbleibende frostfreie Zeit wurde für Wartungs- und Reparaturarbeiten genützt. Zu dieser ''Kanalabkehr'' wurde der Kanal weitgehend trockengelegt. Der Frachtbetrieb lief am 12. Mai 1803 an, er begann wegen Lieferverzögerungen bei den Kähnen nicht mit 16, sondern nur mit vier Schiffen. Bei der erstmaligen Befüllung der Haltungen zwischen der Kirchhofschleuse und dem Hafen Wien traten auch hier die schon hinlänglich bekannten Dichtheitsprobleme auf, die ebenfalls nur mit sorgfältigem „Podeln“ zu beheben waren. Da Schemerl 1803 als reines Probejahr veranschlagt hatte, war er mit einer Erstbilanz von 400 Frachtfahrten zufrieden. <ref name="Riebe29"/> Im Frühjahr 1804 konnte der Transport zwar mit 55 Schiffen anlaufen, es kam jedoch zu einem weiteren Dammbruch, diesmal bei der Kirchhofschleuse und gleich nach der Schadensbehebung zu einer weiteren Kanalsperre wegen Unterspülung einiger Gebäude beim [[Linienamt]] und der Verseuchung von Brunnen, was den Verkehr zwischen dem Krottenbach und dem Hafen Wien für weitere sechs Wochen zum Erliegen brachte. Die Bilanz des zweiten Betriebsjahres belief sich auf 1.713 Schiffsladungen, die Hälfte waren aber nur Ziegelfuhren von Guntramsdorf nach Wien. Das dritte Betriebsjahr (1805) begann mit der dritten Unwetterkatastrophe. Plötzliches Tauwetter ließ die Flüsse und Bäche im Alpenvorland stark anschwellen. [[Fischa]] und Piesting vereinten sich im Steinfeld nördlich Wiener Neustadt und zerrissen den Kanaldamm zwischen Lichtenwörth und der Untereggendorfer Brücke, gleichzeitig brachte der Kehrbach erneut große Schlammmengen bis in den Neustädter Hafen ein. Auf andere Weise verheerend wirkte sich der Krieg gegen Napoleon aus. Am 14.&nbsp;August 1805 wurden die erfahrenen Schiffsknechte aus Norddeutschland so rasch in die Schlacht geworfen, dass nicht einmal Zeit vorhanden war, die Kähne an ihren Bestimmungsort zu bringen. Um Haftungsansprüche der Kunden zu vermeiden, wurde notdürftig geschulter Ersatz zum Einsatz gebracht, der zwar manchen Schaden anrichtete, mit deren Hilfe die Jahresbilanz dieses Katastrophenjahres aber doch noch auf 2.103 Fahrten und 42.000 Tonnen Fracht gesteigert werden konnte. Der Fahrbetrieb lag auch noch 1806 in der Hand dieser Amateure, was sich aber weniger nachteilig auswirkte als der schlechte Zustand der Schleusen, von denen die billigen Ziegelschleusen zu zerfallen begannen. Bei der Sanierung wurden sie um ein Fuß (32&nbsp;cm) verbreitert, was den Einsatz von 2,30&nbsp;m breiten Kähnen mit deutlich höherer Ladekapazität ermöglichte. 1807 kamen zwar wieder erfahrene „Pontonniers“ an den Kanal, doch 1809 mussten auch diese wieder zu den Waffen greifen. Da die napoleonischen Truppen bei diesem Feldzug auch über Süden vorrückten, war der Betrieb diesmal unmittelbar betroffen. Nach Plünderung der Schiffsladungen und Lager, Besetzung der Kanalhäuser und Beschlagnahme der Schiffe kam der Kanalbetrieb während der ersten Monate der Besetzung gänzlich zum Erliegen. <ref>Riebe. Seite 33</ref> 1810 bekam der „Canalfonds“ die Mittel für den Weiterbau der Strecke von der Einmündung der Neudörfler Rigole bis zum Pöttschinger Sattel. Dieser 3,8&nbsp;km lange Streckenabschnitt wurde von 500 Soldaten zwischen dem 1. August und 15. Dezember 1810 errichtet und ging im Frühjahr 1811 in Betrieb. Doch die für die Rentabilität so wichtige Weiterführung bis zu den Kohlengruben bei Ödenburg scheiterte am Widerstand der ungarischen Großgrundbesitzer, den auch eine persönliche Intervention des Kaisers nicht brechen konnte. <ref>Slezak (1981). Seite 15</ref> Die Magnaten fürchteten einerseits Absatzeinbußen durch geringere Nachfrage sowohl bei ihren Pferdezuchten – immerhin waren täglich 40.000 Pferde zwischen Wien und [[Triest]] unterwegs – als auch bei ihren landwirtschaftlichen Produkten, die sie durch Billigimporte nach Ungarn gefährdet sahen. Andererseits fürchteten die Mühlenbetriebe um Ödenburg den Entzug des spärlich vorhandenen Wassers. <ref>Riebe. Seite 34</ref> Dazu kamen noch die keineswegs ungetrübten politischen Beziehungen zwischen dem Kaiserhaus und den Ungarn, die sich nach der blutig niedergeschlagenen [[Deutsche Revolution 1848/49#Ungarn|Revolution von 1848]] noch wesentlich verschlechtern sollten. Damit waren auch die Pläne einer Fortsetzung des Kanals über Ödenburg bis [[Győr|Raab]] oder gar Triest als gescheitert zu betrachten. Der Pöttschinger Kanalast wurde wegen Frachtmangels bald wieder für neun Jahre stillgelegt und erst unter dem Pächter Fries wieder aktiviert. Nach drei ausgeglichen bilanzierten Jahren geriet die staatliche Betriebsgesellschaft 1815 erneut in die Verlustzone. Der Bergbau blieb ein Verlustbringer, dringende Reparaturen an den Schleusen zehrten am Gewinn. Dazu kamen noch umfangreiche Betrugshandlungen kaiserlicher Beamter. Am 11. Mai 1819 brachte daher Minister [[Johann Philipp von Stadion|Graf Stadion]] den Vorschlag ein, die Hofkammer möge sich auf die Erhaltung des Bauwerkes und eine eventuelle Fortsetzung der Trasse beschränken, den Schifffahrtsbetrieb selbst aber verpachten. <ref>Riebe. Seite 41</ref> ==== Der Kanal unter der Pacht des Bankhauses Fries, unter Matthias Feldmüller und Georg von Sina (1822–1846) ==== Als das Bankhaus Fries 1822 der Hofkammer eine Pachtübernahme vorschlug, wurde man relativ rasch handelseinig. Der Vertrag wurde am 14. Mai 1822 auf zwölf Jahre abgeschlossen. Der jährliche Pachtzins wurde mit 6.000 Gulden angesetzt und sollte erst nach Verlängerung des Kanals bis Ödenburg auf 12.000 Gulden hinaufgesetzt werden. Der Pächter musste sich darüber hinaus verpflichten, nicht nur für die Kosten aller anfallenden Reparaturarbeiten aufzukommen, sondern auch noch jährlich zwei große Objekte (Schleusen, Aquädukte) neu zu errichten, was sich auf ein Mehrfaches des Pachtzinses addieren sollte. Weiters sah sich Fries genötigt, in die langfristigen Verträge mit dem Grafen [[Hoyos (Adelsgeschlecht)|Hoyos]] (Holztransport auf eigene Regie), dem Fuhrwerksunternehmer Neilreich, dem Ziegelofenpächter Gansterer und dem Schiffsbaupächter Ledl einzusteigen. Angesicht der hohen Bonität von [[Moritz Reichsgraf von Fries]] – er galt als reichster Österreicher – nahm der Hof von der Gestellung einer Kaution Abstand. Der erste Jahresbericht der Hofkammer über die [[Haushaltsplan|Gebarung]] der „Niederösterreichische Schiffahrtskanal-Pachtungsgesellschaft“ war überaus positiv. Die Gesellschaft hatte neben den laufenden Reparaturen mehrere größere Objekte hergestellt, die seit neun Jahren nicht mehr benutzte Strecke von Wiener Neustadt zum Pöttschinger Sattel wieder in Betrieb genommen und dafür in Summe 27.000 Gulden aufgewendet. Die Verhandlungen bezüglich Weiterbau des Wasserweges in Richtung Ödenburg, die Fries mit dem Fürsten [[Nikolaus II. Fürst Esterházy|Nikolaus II. Esterházy]] und dem Ödenburger [[Gespanschaft|Obergespan]] (Leiter der Komitatsverwaltung) geführt hatte, waren allerdings erfolglos geblieben. Obwohl bereits der Kaiser selbst an diesem Problem gescheitert war, musste Fries fürchten, die Pachtung dadurch zu verlieren, dass er mit dem Bau Richtung Ödenburg nicht innerhalb der vertraglich festgelegten sechs Jahre beginnen konnte – eine nachträgliche Friststreckung lehnte die Hofkammer ab. Doch noch bevor dieser Fall eintreten konnte, schlitterte Fries aus anderen Gründen in den Konkurs. <ref>Riebe. Seite 45</ref> Da die Konkursmasseverwaltung der Bank ab 1. März 1827 Matthias Feldmüller als Unterpächter gewinnen konnte, war sie in der Lage, die Pachtraten weiterhin zu überwiesen und den Antrag der Hofkammer auf Rückstellung des Kanals abzuweisen. Feldmüller war ein, auch bei Hof, hoch angesehener Geschäftsmann, der sein Vermögen während der [[Türkenkriege]] als Transportunternehmer auf der Donau erworben hatte und zum Zeitpunkt der Pachtübernahme 1.225 Donauschiffe betrieb. Als die Frist für den Weiterbau des Kanals ohne Baubeginn verstrichen war, schrieb die Hofkammer die Pachtung neu aus. Den Zuschlag erhielt Feldmüller für die Dauer vom 1. Jänner 1829 bis Ende 1834. Der Pachtschilling blieb gleich, neben den Reparaturen war nur mehr ein großes Objekt jährlich neu zu erstellen, auch die Verpflichtung zum Weiterbau war nicht mehr enthalten. Sollte sich allerdings ein Unternehmer oder eine Gesellschaft zur Fortsetzung des Kanals durch einen Kanal oder eine [[Eisenbahn]] finden, so durfte der Pächter „kein Hindernis bilden“. Obwohl Feldmüller viel in den Kanal investierte, was diesen in einen besseren Zustand als je zuvor versetzte, konnte er als erster Pächter dauerhaft Gewinne aus dem Unternehmen ziehen. Bei der Versteigerung der Pacht am 17. September 1834 erhielt [[Georg Simon Freiherr von Sina|Baron Georg Freiherr von Sina]], der Besitzer eines großen Bankhauses, den Zuschlag bis ins Jahr 1846 für 13.085 Gulden jährlich, bei einer Kaution von 12.000 Gulden. Obwohl Sina den Kanal keineswegs vernachlässigte, war er für ihn vorwiegend Mittel für einen anderen Zweck. Da er die Zukunft des Transportes eher auf der Eisenbahn sah, erwartete er sich von einer vorbildlichen Kanalpacht eine bessere Ausgangslage für seine Bahnprojekte von Wien Richtung Süden und Osten. Am 16. Februar 1839 gelang es Sina tatsächlich, die Konzession für den nördlichsten Abschnitt der [[Österreichische Südbahn|Südbahn]], die Bahnstrecke [[Wien]]–[[Wiener Neustadt]]–[[Gloggnitz]] zu erhalten. Für Errichtung und Betrieb gründete er die „k.k.privilegierte Südbahngesellschaft“, der erste Zug auf der Strecke Wien – Gloggnitz fuhr am 5. Mai 1842. Am 6. Juni 1840 gelang es ihm überdies, die Konzession für die Strecke Wiener Neustadt – Ödenburg zu erlangen, die 1847 in Betrieb ging. Bauleiter bei beiden Bahnbauten war [[Matthias Schönerer]], der für Sina und Konsorten bereits die [[Pferdeeisenbahn Budweis–Linz–Gmunden]] errichtet hatte, die seit 1832 in Betrieb war. Auch Sina blieb von Kanalproblemen nicht verschont. Zunächst wurde ihm im Hafen Wien der Kohlenlagerplatz zum Bau des Münzamtes entzogen, was die Manipulation der Waren wesentlich erschwerte. Die Probleme mit dem Brennberg löste er durch Unterverpachtung der Gruben an Alois Miesbach, der bestrebt war, den Brennstoffbedarf für seine Ziegelöfen kostengünstig zu decken. <ref>Riebe. Seiten 51–52</ref> ==== Der Kanal unter den „Ziegelbaronen“ Miesbach und Drasche (1846–1871) ==== Als bei der mündlichen Versteigerung der Kanalpacht am 9. November 1846 zum Ausrufungspreis von 10.975 Gulden kein Angebot einging, erhielt [[Alois Miesbach]] mit seinem schriftliches Angebot in der Höhe von 15.551 Gulden den Zuschlag. Auch Miesbach zählte zu den Größen der österreichischen Wirtschaft. Er hatte 1826 mit der Herrschaft [[Inzersdorf (Wien)|Inzersdorf]] reiche Tonvorkommen erworben, was ihm als Basis für ein Baustoffunternehmen diente, das zuletzt 30 Bergwerke, eine Terrakottafabrik und neun Ziegeleien umfasste, womit der Grundstein für den heute weltweit agierenden Baustoffkonzern [[Wienerberger]] gelegt wurde. Unter Miesbach eskalierten die Probleme mit der Stadt Ödenburg, wo sich Spekulationsunternehmen niedergelassen hatten, die den vertraglichen Anspruch auf die billige Kohle für Ödenburger Bürger geltend machten und vor den ungarischen Gerichten Recht bekamen. Als sich Miesbach weigerte, an solche Unternehmen Kohle zu liefern, wurde Exekution erwirkt, die allerdings von der Hofkammer unterbunden wurde. <ref>Riebe. Seite 56</ref> Auch am anderen Ende der Kanalgeschäfte, in Wien, gab es Ärger. Dort hatte die unter Leitung von [[Carl Ritter von Ghega]], dem späteren Erbauer der [[Semmeringbahn]], stehende Gesellschaft zur Errichtung einer Verbindungsbahn zwischen den einzelnen Wiener Bahnhöfen die letzten beiden Kilometer des Kanales als Bahntrasse zugesprochen erhalten. Am 24. Mai 1848 begann man mit den Bauarbeiten für den neuen Kanalhafen (siehe Skizze 4) und dem Zuleitungsgerinne für die im Vertragsverhältnis mit der Kanalgesellschaft stehenden Werksbesitzer unterhalb des neuen Hafens. Am 24. April 1849 wurden die ''Haltungen'' unterhalb der stillgelegten Rennwegschleuse abgelassen und das Kanalbett zum Bahnkörper umgestaltet. Ab 11. Juni erhielten auch die Werksbesitzer wieder ihr Kanalwasser. Der durch die Verkürzung gleich mehrfach geschädigte Miesbach erhob keine Klage, da ihm eine Pachtminderung auf 6000 Gulden zuerkannt und die Pacht verlängert wurde. Mit dem Bau eines Stichkanals zum Biedermannsdorfer Ziegelofen konnte er seine Konkurrenzsituation verbessern, er musste allerdings hinnehmen, dass er 1855 mit dem Grafen Hoyos einen wichtigen Kanalkunden verlor. <ref name="Riebe28"/> Als Miesbach 1857 starb, übernahm dessen Neffe Heinrich Drasche, später [[Heinrich von Drasche-Wartinberg]], dessen Betrieb. ==== Der Verkauf des Kanals und die offizielle Einstellung des Schifffahrtsbetriebes (1871–1879) ==== Der verlorene [[Deutscher Krieg|Preußisch–Österreichische Krieg]] des Jahres 1866 hatte den Staat in finanzielle Schwierigkeiten gebracht, die man nicht zuletzt durch den Verkauf staatlichen Eigentums zu beheben trachtete. Dabei wurde auch der Kanal zur Disposition gestellt. Bei der Berechnung der Verkaufssumme wurde der Wert der errichteten Objekte, der Wert der Schifffahrtspacht, die Einnahmen aus der Eisgewinnung, aus der Gestellung von Werks- und Nutzwasser, sowie Servitutsrechten, dem Verkauf „überstämmiger“ Bäume, den Ertragsmöglichkeiten aus noch ungenützten Gefällen sowie der vertragsmäßig gesicherten Speisewässer (Leitharigole, Kehrbach, Guntramsdorfer Fabrikswasser) herangezogen. Davon wurden Grundsteuer, Erbpachten, Erhaltungs- und Personalkosten abgerechnet, worauf man auf einen Kapitalwert von 279.855 Gulden kam. Am 16. Februar 1869 wurde mit der „k.k. privilegierten österreichischen Vereinsbank“ ein Vorvertag abgeschlossen, der zur Gründung der „Ersten Österreichischen Schiffahrts Kanal A.G.“ führte, die den Kaufpreis von 350.000 Gulden erlegte. Da dieser Verkauf nicht in Einklang mit dem Pachtvertrag stand, strengte der überrumpelte Drasche einen Prozess gegen die Hofkammer an, der zu einem Vergleich und dem Ausstieg Drasches aus dem Vertrag führte. Der rechtsgültige Besitzerwechsel erfolgte am 15. Mai 1871. <ref>Riebe. Seite 76</ref> Obwohl die neuen Eigentümer auch noch in den Folgejahren Reingewinne am Kanal erzielten (1872: 15.560 Gulden, 1873 über 30.000 Gulden), blieb ihr Blick auf den Eisenbahnbau fixiert. Am 19. Oktober 1872 erhielt man die Befugnis, auch Eisenbahnlinien zu errichten und zu betreiben. Die Gesellschaft dachte dabei vor allem an den Bau einer Bahn von Wien bis [[Novi Sad]], wo man Anschluss an die seit 1873 bestehende Linie [[Saloniki]]–[[Kosovska Mitrovica|Mitrovica]] finden und damit eine Verbindung Saloniki–Wien zu knüpfen hoffte. 1874 wurde die Bewilligung für Vorarbeiten für die Strecke Wien–[[Aspang-Markt|Aspang]]–[[Friedberg (Steiermark)|Friedberg]]–[[Bad Radkersburg|Radkersburg]], die [[Aspangbahn]], erteilt. 1876 suchte die Gesellschaft um die Konzession des Baues bis Aspang an und erhielt sie auch. Bezüglich Finanzierung kam es zu einem Übereinkommen mit der „[[SNCB/NMBS|Société belge de chemin de fer]]“, der staatlichen belgischen Eisenbahngesellschaft, die nun das Ruder übernahm. Zunächst wurde die „Erste Österreichischen Schiffahrts Kanal A.G.“ in die „Austro-Belgische Eisenbahngesellschaft“ (kurz „Austro-Belgische“) umbenannt. Dann gründeten die Belgier eine Aktiengesellschaft mit dem Namen „k.k. privilegierte Eisenbahn Wien–Aspang“, der man nicht nur alle den Bahnbau betreffenden Konzessionen und Rechte der „Austro-Belgischen“ übertrug, sondern auch das Hafengelände und die 7&nbsp;km lange Kanalstrecke bis Kledering einschließlich des Liesingaquäduktes. Die gerade in „Eisenbahngesellschaft“ umfirmierte „Austro-Belgische“ wurde dadurch wieder eine reine Kanalgesellschaft, die weiterhin für die Wasserversorgung der Vertragspartner verantwortlich blieb. Der Kanal blieb daher in diesem Teil bis 1930 wasserführend, musste sich jedoch das Bett mit der eingleisigen Aspangbahn teilen. Als man nach diesen umfangreichen Adaptierungen im Mai 1881 das Gerinne unterhalb von Kledering wieder füllte, kam es zu ähnlichen Problemen wie 1803, undichte bzw. geborstene Wasserführungen zwangen mehrfach zur Trockenlegung der langen ''Haltung'' bis zur Krottenbachschleuse. <ref name="Riebe79"/> === Der Kanal nach Einstellung des offiziellen Schifffahrtsbetriebes (1879–2000) === [[Bild:Wr-Neust-Kanal3.jpg|thumb|right|Brücke über den Kanal bei Theresienfeld]] [[Bild:2Kanal bei Tritolwerk.jpg|thumb|right|Der Wiener Neustädter Kanal in der Trockenzone zwischen Wiener Neustadt und Sollenau (2007)]] [[Bild:Wr-Neust-Kanal1.jpg|thumb|right|Der Wiener Neustädter Kanal bei Leobersdorf (2006)]] [[Bild:UnterViehtriebbrücke.jpg|thumb|Blick von der Tribuswinkler Viehtriebbrücke zum Schwechataquädukt.(2007]] ==== Der lange Abschied vom Schiffsverkehr (1879–1914) ==== Obwohl der Schifffahrtsbetrieb nach den Umbauarbeiten nicht mehr offiziell aufgenommen wurde, kam er auch nach der zweiten Verkürzung des Kanals und der Fertigstellung der Aspangbahn, die bereits 1881 den Betrieb bis Pitten aufnahm, keineswegs zu einem raschen Ende. Einem Schreiben des Direktors der „Austro-Belgischen“, Tunkler von Treuimfeld, aus dem Jahre 1887(!) ist zu entnehmen, dass :„der Schiffahrtsbetrieb zum Zwecke des Transportes fremder Lasten … von der Zentrale fallweise angeordnet … wird.“ <ref name="Riebe79"/> Da im Zuge dieses „fallweisen“ Betriebes weiterhin bei acht Ladestationen Güter übernommen und von Personal der Gesellschaft transportiert wurden, scheint dies keineswegs selten gewesen zu sein. Einzige Einschränkung: Bei nicht regelmäßigen Transporten stellte die Gesellschaft lediglich den Kahn, das Zuggeschirr und bei Neukunden einen Lotsen. Trotz des eingeschränkten Betriebes konnte der Kanal noch bis 1890 positiv bilanzieren,<ref name="Slezak25"/> dann machte sich die Bahnkonkurrenz durch sinkende Frachtraten immer stärker bemerkbar. Der Verfall des Kanals mangels Geld schritt voran und schränkte den Schiffsverkehr noch weiter ein. Die verminderte Aufsicht und Wartung bekamen auch die Bezieher von Kanalwasser zu spüren, die über verminderte Wassermengen aufgrund von Lecks und unbefugten Entnahmen klagten und auch die zunehmende Verkrautung beanstandeten. ==== Der Erste Weltkrieg und die Kehrbachumlegung (1914–1918) ==== Da die Hauptwasserversorgung des Kanals weiterhin über die „Leitha-Rigole“ und den Pöttschinger Ast erfolgen musste, kam eine Trockenlegung dieser Strecke zunächst nicht in Frage. 1903 begann man die bereits desolate Holzkonstruktion des Leithaaquäduktes durch ein Stahltragwerk mit Betonfundamenten zu ersetzen. Als 1905 ein Hochwasser die unfertigen Fundamente zerstörte, besserte man lediglich die Holzkonstruktion aus und verwendete das verkürzte eiserne Tragwerk beim Umbau des Schwechataquäduktes bei [[Baden (Niederösterreich)|Baden]]. <ref>Lange: Von Wien zur Adria. Seite 123–124</ref> Nach der „Kehrbachumlegung“ konnte der Pöttschinger Ast am 18. April 1916 trockengelegt werden. Die Dämme und Brücken in den Flurbereichen wurden erst 1964 beseitigt, wobei 20 Hektar Ackerland gewonnen wurden.<ref>Hermann Mayrhofer: Kanal für Leser, in: Industrieviertel-Museum: 200 Jahre Wiener Neustädter Kanal (Wiener Neustadt 1997) Seiten 35–37</ref> Mit dem Zuschütten des Hafens und der Hafenzufahrt in Wiener Neustadt in den Jahren 1926/1927 wurde der Kanal um weitere 600&nbsp;m verkürzt und endete bzw. beginnt seitdem am Nordostrand von Wiener Neustadt beim Kraftwerk Ungarfeld. ==== Der Niedergang des Kanals (1918–1956) ==== Wegen der Beteiligung von Angehörigen eines „Feindstaates“ war die „Austro-Belgische“ während des [[Erster Weltkrieg|Ersten Weltkrieges]] unter staatliche Aufsicht gestellt worden. Durch Rekrutierung des Betriebspersonals und Beschlagnahme von Pferden litt die Wartung des Kanals, was zu Wassermangel und entsprechenden Klagen der Werksbesitzer führte. Da diese Mängel wegen der Rüstungsaufträge dieser Firmen von den Behörden ernst genommen wurden, forcierte man die Kehrbachumlegung, die ab 1916 durch mehr Wasser im Kanal eine Besserung brachte. Die Inflation und der Niedergang vieler Betriebe am Kanal nach dem Zusammenbruch der Monarchie verschärften die Finanzlage der Gesellschaft, die sich ab 15. April „Austro-Belgische Eisenbahn- und Industrie A.G“, nannte. Die fehlenden Gelder für die Wartung führten zu Versorgungsmängel, auf welche die Werksbesitzer mit Einstellung der Pachtzahlungen reagierten. Dazu Riebe: :„Schließlich geriet das Gerinne in völlige Verwahrlosung. Der Kanal war versumpft, versandet und meterhoch mit Schilf bedeckt. 1926 war es so arg, dass der Betrieb der Werke kaum mehr aufrecht zu halten war.“ <ref>Riebe. Seite 106</ref> Als sich die „Austro-Belgische“ entschloss, den Kanal aufzulassen, fand sie viel Unterstützung bei den Anrainergemeinden, die Interesse an den Grundstücken anmeldeten. Da jedoch die Nutzer des Kanals auf ihre Verträge pochten, griff das Land [[Niederösterreich]] ein und ließ im Sinne eines Gutachtens den Kanal von Wien bis zum Krottenbach trockenlegen und das verbleibende Gerinne mit Unterstützung des Landes und der Werksbesitzer sanieren. Diese Arbeiten waren 1930 abgeschlossen. Die Verhandlungen mit der Gemeinde Wien und den örtlichen Bezugsberechtigten zogen sich allerdings bis 1933 hin, wobei die Stadt für die Übernahme aller Verbindlichkeiten der Kanalgesellschaft die restlichen städtischen Grundstücke der Gesellschaft erhielt. Ab 1931 präsentierte sich die „Austro-Belgische“ unter neuer Führung. Leo Grünberg zeigte sich bemüht, den Betrieb des nun sanierten Kanals auf eine bessere finanzielle Basis zu stellen. Es gelang ihm im Zuge des Regierungsprogramms zur Arbeitsbeschaffung Gelder für die Errichtung von 13 Kleinwasserkraftwerken aufzutreiben. Diese Anlagen wurden in den Jahren 1935 und 1936 zwischen Baden und [[Kottingbrunn]] bei den Schleusen der Nummern 18 bis 33 errichtet, wobei die Schleusen 26, 30 und 31 ausfielen, da ihre Gefälle bereits einer anderen Nutzung zugeführt worden waren. Im [[Zweiter Weltkrieg|Zweiten Weltkrieg]] erlitt der Kanal schwere Schäden. Weil die „Alpen- und Donaureichsgaue“ (Österreich) von Luftangriffen zunächst verschont blieben, hatte man ab 1942 zahlreiche Industriebetriebe aus dem „Altreich“ hierher ausgelagert, wobei die Kanalnähe vor allem aufgrund des Löschwasserangebotes gesucht wurde. Der größte Industriebetrieb am Wasserweg, die [[Flugmotorenwerke Ostmark]], deren 200 Hektar großes Areal mit dem heutigen [[Industriezentrum Niederösterreich Süd]] identisch ist, hatte bereits 1942 das Teilstück zwischen dem Krottenbach und dem Kanalstück 300&nbsp;m südlich des Haidbachablasses erworben. Als am 13. August 1943 auch in Österreich Bomben zu fallen begannen, hatten sie zunächst die Luftfahrtindustrie zum Ziel. Diese hatte ihre wichtigsten Betriebe mit Wiener Neustadt ([[Messerschmitt AG|Messerschmitt]]), [[Bad Vöslau]] (Messerschmitt) und [[Wiener Neudorf]] (Flugmotorenwerke Ostmark) in unmittelbarer Kanalnähe. Bei diesen Angriffen wurde der Kanal von 127 Bomben direkt getroffen und lag ab Ende April 1944 weitgehend trocken. <ref>Slezak. (1981) Seite 26</ref> Weitere Zerstörungen brachten die Bodenkämpfe in den ersten Apriltagen 1945 zwischen Teilen der deutschen [[6. SS-Panzerarmee|6.&nbsp;SS-Panzerarmee]] und der sowjetischen [[3. Ukrainische Front|3.&nbsp;Ukrainischen Front]]. Dabei wurden mehrere Brücken gesprengt, Schleusenanlagen und Kleinkraftwerke zerstört und Industriebetriebe mit Kanalbezug devastiert. Da die erforderliche Generalsanierung in keiner Relation zu den verfügbaren Mitteln und möglichen Einnahmen stand, entschloss sich die „Austro-Belgische“ erneut, den Kanal still zu legen und zuzuschütten. ==== Neue Eigentümer und neue Funktionen ==== Knapp vor Umsetzung der Trockenlegung griff die Niederösterreichische [[Wirtschaftskammer Österreich|Handelskammer]] ein und erwarb im Sinne mehrerer Kammermitglieder die Kanalanteile samt allen Verbindlichkeiten, konnte aber die mit der Erhaltung verbundenen Lasten auf Dauer auch nicht tragen, da die angestrebte Wasserwerksgenossenschaft, die den Kanalbetrieb übernehmen sollte, nicht zustande kam. <ref>Slezak (1981) Seite 27</ref> 1956 übernahm dann das Land Niederösterreich den Südteil des Kanals, der Kaufvertrag wurde am 12. Juli 1956 abgeschlossen. Jenes Teilstück, das sich im Besitz der Flugmotorenwerke befand, lag auch nach der Teilsanierung des südlichen Kanalabschnittes weitgehend trocken, da das Kanalwasser im Bereich der Gemeindegrenze Guntramsdorf–Laxenburg beim sogenannten „Haidbachablass“ in den hier nahen Haidbach ([[Badener Mühlbach]]) umgeleitet wurde. Nachdem die Eigentumsrechte am Grundbesitz der Flugmotorenwerke an die „[[Industriezentrum Niederösterreich Süd]] GmbH“ (IZ NÖ-Süd) übergegangen waren, wurde die im ursprünglichen Kaufvertrag verankerte Verpflichtung zur Erhaltung des Kanals eingemahnt. Angesichts der massiven Zerstörungen vor allem im Nordteil kam es nach längeren Verhandlungen zu einem Kompromiss. Der Kanalteil bis zum [[Mödlingbach]] wurde Anfang der 1970er Jahre saniert, der Abschnitt bis zum Krottenbach jedoch endgültig stillgelegt.<ref>Hans Rosmann: ''Vom Schiffahrtskanal zum Kanal.'' In: Industrieviertel – Museum Wiener Neustadt (Hg.): ''200 Jahre Wiener Neustädter Kanal.'' Seiten 26–34 </ref> Der Kanalteil des „IZ-Süd“ ging 2007 in den Besitz der „[[Eco Plus|ECO-Plus Betriebsführungsgesellschaften]]“ über. == Die historischen Funktionen des Kanals == === Güterbeförderung === ;Die Kohle Trotz der Intentionen der ''Wiener Neustädter Steinkohlengewerkschaft'' wurde [[Kohle]] keineswegs zum dominanten Transportgut. Das Produkt vom Ödenburger Brennberg blieb aufgrund der ungünstigen Verträge und mangels Kanalanbindung weiterhin zu teuer und die im Raum Wiener Neustadt gepachteten Vorkommen erwiesen sich bald als unergiebig. Damit blieb der Beitrag der Kanalbetreiber zum Siegeszug dieses Energieträgers in Österreich gering. Sein steiler Aufstieg begann auch erst mit dem Eisenbahnboom in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, wobei die Bahn daran gleich mehrfach beteiligt war. Durch den Eigenbedarf regte sie selbst die Kohleförderung an, sie machte [[Dampfmaschine]]n generell populär und schaffte den gemeinsamen Energieträger auch gleich selbst herbei. Hohe, rauchende Fabriksschlote wurden zum Markenzeichen für Fortschritt und Erfolg. Als 1870 der Kohleverbrauch der Wiener von 50.000 Tonnen auf 200.000 Tonnen stieg, kam diese Kohle vorwiegend aus [[Böhmen]], [[Mähren]] und [[Schlesien]] und nicht von Süden her.<ref>Alois Brusatti (HG.): Die Habsburgermonarchie 1848–1918 Band 1 Die wirtschaftliche Entwicklung (Wien 1973) Seite151</ref> ;Das Holz Statt Kohle stand [[Holz]], und zwar vorwiegend Scheiterholz, ganz oben auf der Transportliste. Dieses Produkt stammte meist aus den Wäldern der Region um [[Rax]] und [[Schneeberg (Niederösterreich)|Schneeberg]], die sich vorwiegend im Besitz der [[Johann Ernst Hoyos von Sprinzenstein|Grafen von Hoyos]] befanden. Mit [[Georg Hubmer]] fanden diese 1805 einen genialen Schwemmmeister, der zusicherte, ab 1807 jährlich 10.000 [[Klafter]] (ca. 35.000 [[Raummeter]]) Scheiterholz nach Wiener Neustadt bzw. Wien zu schaffen. Während Hubmer die Holzrückung (-bringung) vorbereitete, gelang es dem Grafen, das Schwemmprivileg auf der Schwarza, die Genehmigung zur Adaptierung des Kehrbaches als Schwemmkanal und die Genehmigung zur Kanalnutzung mit eigenen Schiffen zum Pauschalpreis von 20 Gulden je Kahn (Hin- und Rückfahrt) zu erreichen. Da der Jahresschnitt der zwischen 1808 und 1827 auf dem Kanal nach Wien gelieferten Holzmenge 28.000&nbsp;Klafter betrug, wird klar, dass Hoyos allein die Hälfte dieser Menge beisteuerte. Zwischen 1840 und 1852 lieferte er in Summe 240.519 Klafter in die Haupt- und Residenzstadt, was einer jährlichen Fördermenge von über 20.000 Klafter (oder 70.000 Raummeter) entsprach. Als Anfang der 1850er Jahre der Kanal durchgehend für die breiteren Schiffe befahrbar wurde, wollte die Hofkammer von Hoyos mehr Geld für den Transport. Doch Hoyos, der unter dem Preisverfall des Scheiterholzes aufgrund der Umrüstung auf Kohle litt, kündigte den Vertrag mit 14. Februar 1856, was für Pächter Alois Miesbach eine beträchtliche Minderung der Einnahmen bedeutete. Nicht unerhebliche Mengen Holz kamen auch aus dem Einzugsgebiet der [[Schwechat (Fluss)|Schwechat]]. Dieses Holz wurde zunächst mittels der Klause in [[Klausenleopoldsdorf]] an den Westrand von Baden und dort über die Klause beim Urtelstein weiter zum Holzrechen in Möllersdorf an der Reichsstraße geschwemmt, von wo es mittels Fuhrwerk nach Wien gelangte. <ref>Riebe. Seite 62</ref>. Die Kanalbetreiber bemühten sich sehr früh, dieses Holz über den Kanal nach Wien zu bekommen. Man errichtete dafür einen neuen Holzrechen in Baden und transportierte von dort am 7. Juli 1804 die ersten Scheiter mittels Fuhrwerk nach Leesdorf, wo sie bei der Ladestation an der Schleuse 15 des Kanals auf Kähne verladen wurden. ;Weitere Transportgüter Als der Holztransport mit der Vertragskündigung des Grafen Hoyos abnahm, wurden Ziegel zum wichtigsten Transportgut. So fuhr Anfang der 1870er Jahre täglich nur mehr ein Schiff von Wiener Neustadt aus nach Wien, während 10 Kähne von den Ziegeleien ab Guntramsdorf abgefertigt wurden. <ref name="Slezak25"/> Auch Dachziegel, Kalk, Roheisen sowie Harze und Tonwaren wurden nach Wien verfrachtet. In die Gegenrichtung transportierte man Eisenwaren, Tonerde, Graphit, Schwerspat, Salz, Zucker, Wein und Mauthausener Granit, mit dem die Straßen von Wiener Neustadt gepflastert wurden. ;Personentransport Neben Gütern wurden auch Personen transportiert. So verkehrte dreimal in der Woche ein „Lustschiff“ von Wien nach [[Laxenburg]], das als Kaiserresidenz ([[Schloss Laxenburg]]) und des großen öffentlichen Parkes wegen, Interesse weckte. Zur Zeit der Herbstmanöver wurde täglich gefahren und dabei bis zu 80 Personen pro Kahn transportiert. Man zahlte für die Hin- und Rückfahrt 36 Kreuzer.<ref name="Riebe29"/> Aufgrund der langen Fahrzeit erlosch das Interesse an dieser Unterhaltung in den 1830er Jahren. <ref>Slezal (1981). Seite 17</ref> ;Frachtkosten Die Frachtpreise waren nach Gewicht, Ladegut und Distanz gestaffelt. 1868 hatte man beispielsweise für den Transport einer Schiffsladung Brennholz von der Ladestation Siebenhaus (Schleuse Nr. 34) bis nach Wien insgesamt 24 Gulden zu bezahlen. Für einen Zentner (ca. 56&nbsp;kg) heikler Fracht waren auf der gleichen Strecke 7 Kreuzer zu erlegen, was bei einer Schiffsladung (30 Tonnen) 38 Gulden bedeutete. === Der Kanal als Energie- und Wasserquelle === Das Interesse am Kanal als Energie- und Wasserspender war von Anbeginn an groß, immerhin konnte man mit diesem Wasser unter Nutzung der „Gefälle“ (Schleusenstufen) relativ preiswert Mühlen, Sägen und Bohrmaschinen betreiben, ohne auf teure Brennmaterialen angewiesen zu sein. Nachteilig war lediglich das Faktum, dass man als Bewerber keine gleichmäßige Wasserversorgung garantiert bekam, man hatte im Falle von Schäden und Sanierungsarbeiten am Gerinne vielmehr damit zu rechnen, wochen- ja monatelang ohne diese Energiequelle auskommen zu müssen, noch dazu ohne Anspruch auf Ersatz. Wasser war auch beliebt, um Fischteiche zu füllen, Gärten zu bewässern sowie den Wasserbedarf von Papierfabriken zu decken. Da die Bewerber beträchtliche Einstiegsinvestitionen zu tragen hatten, wurden die Verträge langfristig abgeschlossen, was sich bei der Auflassung von Kanalteilen als schwere Hypothek erweisen sollte. Es kam insgesamt zur Ansiedelung von 19 Betrieben mit Kanalbezug. Ende der 1850er Jahre wurde die Trinkwasserversorgung der rasant wachsenden Metropole Wien zu einem immer größeren Problem. Nachdem man den Kanal als Trinkwasserquelle ausgeschlossen hatte, schrieb die Gemeinde Wien Ende 1861 einen Wettbewerb zur Problemlösung aus. Am 7. Juli 1864 wurde jenes Projekt umgesetzt, das hochwertiges Wasser aus dem Bereich Rax und Schneeberg nach Wien leiten wollte. Da dieses Wasser der Schwarza entzogen wurde, protestierte neben anderen Betroffenen auch der Kanalfonds gegen die Ableitung dieser Quellen. Man verlangte als Kompensation des Wasserverlustes eine Einleitung des Wassers der Pitten in den Kehrbach, was (damals noch) aufgrund der hohen Kosten abgewiesen wurde. In Anbetracht der vorrangigen Interessen der Haupt- und Residenzstadt hatten sich die Kanaleigner mit einer einmaligen Entschädigung von 100.000 Gulden abzufinden.<ref>Riebe. Seite 71</ref> === Eisgewinnung am Kanal und andere Nutzungen === Nicht zu unterschätzen war auch die Funktion des Kanals als Eislieferant. Im Winter war der Kanal auf Grund seiner geringen Tiefe ein idealer Platz, um Eisblöcke zu schneiden, die bei Gastwirten und den Brauereien als Kältespender zur Sommerzeit von großer Bedeutung waren. In den Städten wurde Kanalwasser auch zum Berieseln der Straßen, Bewässerung von Gärten und Spülen der Unratkanäle geschätzt. == Die Infrastruktur des Kanals == [[Bild:KarteEinspeisvor.jpg|thumb|Skizze 10: Die Wasserversorgung des Kanals von 1803 bis 1916]] [[Bild:KarteEinspeisnach.jpg|thumb|Skizze 11: Die Wasserversorgung des Kanals ab 1916]] === Länge des Kanals === Die Länge des Kanals (wasserführend) betrug 56 Kilometer im Jahr 1803 (Hafen Wien bis Hafen Wiener Neustadt)<br /> Er wurde 1811 mit der Erweiterung zum Pöttschinger Sattel auf 63 Kilometer ausgeweitet und weist 2007 eine Länge von 36 Kilometern auf. === Wassereinspeisung === Die jahreszeitlich stark schwankende Wassermenge der Oberflächenwässer im Wiener Becken machte die ausreichende Befüllung des Kanals zu einem der Hauptprobleme des Projektes, zumal man zusätzlich mit dem Verlust von 2/5 der Wassermenge aufgrund von Verdunstung und „Durchseihung“ zu rechnen hatte. Maillard plante deshalb einen „ökonomischen“ Kanal, worunter er vor allem schmale Schleusenkammern verstand, die den Wasserverlust bei der Durchschleusung gering halten sollten. Trotz dieser Vorkehrungen wurde ein komplexes Einspeisungssystem unerlässlich, wozu auch Teiche gehörten, die bei der Dreifachschleuse in Guntramsdorf das zum Schleusen benötigte Wasser zwischenspeicherten. ;Einspeisung 1801–1916 Von den Probefüllungen des Jahres 1802 an war die Leitha die Hauptwasserquelle. Man hatte sich aber auch Wasser des Kehrbaches, der Hirm und Fabrikswässer von Guntramsdorf und Gumpoldskirchen gesichert.<ref name="Riebe26"/> Die Leitha hat mit der aus dem Rax-Schneeberggebiet kommenden Schwarza und der aus dem Wechselgebiet stammenden [[Pitten]] zwei Quellflüsse, die bei [[Haderswörth]], dem „Leitha-Ursprung“, zusammenfließen. (siehe Skizze 10) Das Leithawasser für den Kanal wurde bei Neudörfl nach der Mühle vom Neudörfler Leithamühlbach abgeleitet und über die 3&nbsp;km lange „Neudörfler Rigole“ nach Osten ins Heutal geführt (siehe Skizze 10). Hier traf es auf das vorläufige Ende des Pöttschinger Astes des Schifffahrtskanals, der erst 1810 bis zur ungarischen Grenze weitergebaut wurde. Das Wasser floss im Kanal über das mächtige Leithaaquädukt zurück Richtung Wiener Neustadt, wo es ab dem „Triangel“ auch den Wiener Ast des Kanals befüllte. Um auch im mittleren und nördlichen Kanalteil eine permanente Wasserversorgung sicherzustellen, wurde zur Zeit des Schifffahrtsbetriebes auch noch Wasser aus der Hirm und aus 16 kleineren Einlässen zwischen Baden und Guntramsdorf eingeleitet. Was das Kehrbachwasser betrifft, so legte die Bezirkshauptmannschaft Neunkirchen am 15. Mai 1876 fest, dass dieses nur im Fall der ungenügender Wasserführung der Leitha zur Kanalspeisung herangezogen werden dürfe. ;Einspeisung ab 1916 Da die „Neudörfler Rigole“ teilweise über ungarisches Gebiet führte, was immer wieder Probleme bereitete, einigte sich der „Leitha-Fischa-Wasserwerksverein“, eine Vereinigung von 37 Werksbesitzern an Kehrbach, Fischa und Leitha, auf das „Neudörfler Projekt“. Nicht mehr die Leitha, sondern der Kehrbach sollte die Mehrzahl der Vereinsmitglieder mit Wasser beliefern. Zur Sicherstellung einer auch in Trockenzeiten ausreichenden Wassermenge sollte überdies der „Katzelsdorfer Mühlbach“ nicht mehr wie vorher am Ortsende in die Leitha rückgeführt, sondern über das „Katzelsdorfer Zuleitungsgerinne“ durch den Park der Theresianischen Militärakademie in den Kehrbach geleitet werden. Dieses Projekt bot der Kanalgesellschaft neben der besseren Wasserversorgung auch die Möglichkeit, den Pöttschinger Kanalast trockenzulegen. Das Projekt wurde 1907 eingereicht und nach Kriegsausbruch beschleunigt, da die Erfüllung kriegswichtiger Aufträge durch Wassermangel gefährdet war. Die neue Einspeisung trat 1916 zunächst ohne „Kollaudierung“ in Kraft. Heute führt der [[Kehrbach (Kanal)|Kehrbach]] auf seinem 16&nbsp;km langen Lauf von Peisching zum Nordostrand von Wiener Neustadt bis zu 7.000 Liter/sec Wasser, das der Schwarza entnommen wird. Das Gefälle von über 90 Metern wird zum Betrieb der Kraftwerke Föhrenwald, Brunnenfeld, Akademie und Ungarfeld genutzt. Vor dem Kraftwerk Ungarfeld werden über das „Katzelsdorfer Zuleitungsgerinne“ im Jahresschnitt weitere 3.000 Liter/sec in den Kehrbach eingeleitet, die vor allem von der [[Pitten (Fluss)|Pitten]] stammen. Beim Kraftwerk Ungarfeld werden vom Kehrbach mindestens 1000 bis maximal 1440 Liter in der Sekunde in den Wiener Neustädter Kanal geleitet. <ref>Hans Rosmann: ''Woher kommt das Wasser?'' ,in: Industrieviertel Museum Wiener Neustadt: 200 Jahre Wiener Neustädter Kanal Wiener Neustadt 1997) Seiten 13–14. Rosman ist 2007 leitender Kanalingenieur </ref> {| border="0" style="border-collapse:collapse" cellpadding="3" !colspan="4"| Speisungsdetails |- |[[Bild:Peischinger Wehr.jpg|180px]] |[[Bild:Kehrbachbeginn.jpg|180px]] |[[Bild:Neustaedter_Kanal_Kehrbachende.jpg|180px]] |[[Bild:Katzelsdorfer Rauhwehr.jpg|180px]] |- | align="center" | Abb. 1 | align="center" | Abb. 2 | align="center" | Abb. 3 | align="center" | Abb. 4 |} Abb. 1: Das Peischinger (Land-) Wehr bei Neunkirchen dient der Ableitung des Kehrbaches. Abb. 2: In der Mitte die Kehrbacheinleitung, rechts das Peischinger Wehr, links die Ableitung des Peischinger Mühlbaches Abb. 3: Beim Kraftwerk Ungarfeld in Wiener Neustadt erfolgt seit 1916 die Einspeisung von Kehrbachwasser in den hier beginnenden Kanal (ganz rechts) Abb. 4: Hier wird das Leitha (eigentlich Pitten-) Wasser in das ''Katzelsdorfer Zuleitungsgerinne'' und über dieses in den Kehrbach geleitet === Die Schleusen === Die Kanalschleusen bestanden aus der ''Schleusenkammer'' sowie den oberen und unteren ''Schleusenhäuptern'', die die einflügeligen oberen bzw. zweiflügeligen unteren ''Schleusentore'' trugen. Die Tore wurden mit den integrierten ''Drehbäumen'' bewegt. [[Bild:xSchleuseIdeal.jpg|thumb|left|400px|Skizze 12: Idealschleuse nach Maillard]] In den Schleusen hob bzw. senkte man die Schiffe um 6 Fuß (1,9&nbsp;m). Schleuse Nr. 34 bildete mit 7 Fuß 2 Zoll (2,34&nbsp;m) eine Ausnahme. Die Schleusen unterteilen den Kanal in ''Haltungen'', wobei Name/Nummer der Haltung dem Oberwasser entspricht. Die Schleusen dienten auch der Regulation des Wasserstandes des Oberwassers, wobei die vorgeschriebene ''Spannung'' (Füllung) der jeweiligen ''Haltung'' von den Schleusenwärtern mit Hilfe von Pegeln überprüft und durch Einschub von Wehrbrettern in den Umlaufkanälen geregelt wurde. Nachdem sich die Dämme ausreichend gefestigt hatten, erhöhte man die ''Spannung'' um ein Fuß (32&nbsp;cm) auf 5 Fuß (1,58&nbsp;m). Überdies wurden ab 1820 die Schleusen im Zuge der jährlichen Reparaturen nicht nur schrittweise erneuert, sondern um einen Fuß (32&nbsp;cm) verbreitert. Als diese Maßnahme 1850 abgeschlossen war, konnte der gesamten Kanal mit breiteren Kähnen befahren werden, die statt 22,4 Tonnen 30,8 Tonnen zuladen konnten. Die Zahl der Schleusen betrug zunächst 50, mit denen 103 Höhenmeter überwunden wurden. Im heute noch wasserführenden Teil (86 Höhenmeter) gibt es noch 40 Schleusenbauwerke in unterschiedlichem Erhaltungszustand. Von den Schleusen im aufgelassenen Bereich ist lediglich jene am Krottenbach erhalten. Grundsätzlich handelte es sich um Einfachschleusen. Zur Überwindung größerer Höhenunterschiede wurden in Wien drei Doppelschleusen und bei Guntramsdorf eine Dreifachschleuse errichtet. Bei diesen Mehrfachschleusen befanden sich die Schleusenkammern unmittelbar hintereinander, wodurch 1 bzw. 2 Tore eingespart werden konnten. Die [[Schleuse]]n wurden von Wien bis Guntramsdorf einschließlich mit Namen versehen (Skizzen 3,4,5), ab Gumpoldskirchen von 1 bis 36 durchnummeriert (Skizzen 6,7). Die Kammer einer Einfachschleuse verfügte über ein zweiflügeliges unteres Tor, das als Stemmtor ausgeführt war. Bei dieser Bauweise werden die keilförmig nach oben weisenden Torflügel (Abb.1) durch den Wasserdruck gegeneinander gepresst. Das einflügelige obere Tor war um zwei Meter kürzer. Die Kammern der mit Namen versehenen Schleusen wurden von Anbeginn an in Steinquaderbauweise gemauert, der Rest in gemischter Bauweise, wobei die langen Kammerwände zwischen den Häuptern in kostensparender Ziegelbauweise errichtet wurden. Da sich der bei den Ziegelschleusen verwendete Mörtel als nicht ausreichend wasserfest erwies, waren in relativ kurzen Zeitabschnitten Reparaturen erforderlich. Mit Beginn der Verpachtung ging die Hofkammer dazu über, die Pächter im Zuge des Projekts Schleusenverbreiterung zu verpflichten zumindest ein Objekt pro Jahr in Quaderbauweise zu errichten. Dieses Projekt wurde aber lediglich bis Schleuse 25 durchgezogen. Bei der Durchschleusung wurde (am Beispiel eines bergauffahrenden Kahnes) zunächst das Schiff in die Schleusenkammer gezogen und das untere Schleusentor mit den ''Drehbäumen'' geschlossen. Anschließend öffneten Schiffer bzw. Schleusenwärter die beiden „Schützen“ (Schieber) an den Schützgängen (Einströmkanälen) am oberen Schleusenhaupt. Dies erfolgte mit Hilfe einer Kurbel und des an den Windensäulen angebrachten Zahnstangengetriebes (Abb. 4). Das Wasser strömte nun über die halbrunden Öffnungen, die sich links wie rechts in den Seitenwänden des oberen Schleusenhauptes befinden (Abb. 3), über die erwähnten Schützgänge in die Schleusenkammer, die innerhalb von 3 Minuten gefüllt war. Geleert wurden Schleusenkammern nicht wie bei Maillard (Skizze 12) dargestellt durch aufwändige Schützgänge in den Seitenwänden, sondern generell durch Schützen in den unteren Torflügeln. (Abb.1) {| border="0" style="border-collapse:collapse" cellpadding="1" !colspan="4"| Schleusendetails |- |[[Bild:3Schleusentor Kottingbrunn.jpg|180px]] |[[Bild:OberesTor.jpg|180px]] |[[Bild:ZSchleusentor Oben.jpg|180px]] |[[Bild:ZSchützmechanik.jpg|180px]] |- | align="center" | Abb. 1 | align="center" | Abb. 2 | align="center" | Abb. 3 | align="center" | Abb. 4 |} Abb. 1: Das Bild zeigt ein bei Schleuse 34 in Kottingbrunn restauriertes unteres Schleusentor, das heute vor allem Verschmutzungen von den unterhalb liegenden Kleinkraftwerken abhält. Zu erkennen ist die keilförmige Konstruktion des Stemmtores und die beiden an den Torflügeln angebrachten Windesäulen zur Bedienung der unter der Wasserlinie liegenden Schützen Abb. 2: Da kein oberes Schleusentor erhalten ist, zeigt das Bild ein Schema mit Abbildung der linken oberen Kammerwand Abb. 3: In der rechten oberen Kammerwand einer anderen Schleuse ist die Einströmöffnung des Schützganges zur Kammerfüllung noch erhalten. In die Nut ganz rechts konnten Bretter eingeschoben werden, die eine Reparatur am Tor ohne Ablass der Haltung möglich machten Abb. 4: Windesäule mit Zahnstange, Sperrklinke (eingerastet) und Kurbelansatz. Um Missbrauch zu verhindern, blieb die Kurbel nicht dran. === Gewässerquerungen, Brücken === ;Gewässerquerungen [[Bild:Neustaedter_Kanal_Schwechat.jpg|thumb|Das Aquädukt über die Schwechat bei Baden. Das Wasser läuft in einem mit Blech ausgekleidetem Holztrog auf Stahlträgern (2007) ]] [[Bild:XBrücke im Norden.jpg|thumb|left|Skizze 13:Brücke im Nordbereich des Kanals (2007)]] [[Bild:XBrücke im Süden.jpg|thumb|left|Skizze 14:Brücke im Südbereich des Kanals (2007)]] Kleinere Gerinne werden mit Durchlässen bzw. [[Düker]]n (1803 waren es 26) unter dem Kanal durchgeführt. Größere Wasserläufe überquert der Kanal mit Hilfe von [[Aquädukt]]en. Von diesen 16 Bauwerken der Endausbaustufe 1911 sind noch sieben in Betrieb. Es sind dies die Aquädukte über den [[Kehrbach (Kanal)|Kehrbach]], die [[Warme Fischa]], die [[Piesting]], die [[Triesting]], den Triestinger Hochwassergraben (auch Schleiferbach genannt), die [[Schwechat (Fluss)|Schwechat]] und den Badener Mühlbach. Das Wasser floss in Trögen aus Holz, die meist durch Betontröge ersetzt wurden. Die Liesing und die Fischa wurden/werden in Brücken aus Ziegelmauerwerk überquert. ;Brücken Zur Zeit der Inbetriebnahme führten 54 Brücken über den Kanal, von denen noch 9 zumindest optisch im Originalzustand erhalten geblieben sind. Sie wurden meist als Ziegelgewölbebrücken ausgebaut, es gibt jedoch auch reine Steinbrücken. Von der Schleuse 22 bergauf wurde die Spannweite der Übergänge um fast einen Meter erhöht (siehe Skizze 14) und mit zwei Treppelwegen versehen. Mit der Anhebung des Wasserspiegels in den Jahren nach 1820 um 1 Fuß und der Verbreiterung der Schleusen ebenfalls um ein Fuß mussten die Treppelwege entsprechend gehoben und die Durchfahrten verbreitert werden, was bei den südlichen Brücken zum Entfall des zweiten Treppelweges führte. Da die Tragwerke nur für die Belastung mit Pferdefuhrwerken ausgelegt waren, wurden sie im Zuge der Motorisierung durch tragfähigere Konstruktionen aus anderen Baumaterialien ersetzt. Somit blieben die alten Brückenkonstruktionen nur im Feldwegbereich erhalten. Als diese Bauwerke in den 1980er Jahren in die Verantwortung der entsprechenden Gemeinden übertragen wurden, wurden sie aus Sicherheitsgründen zum Teil abgetragen bzw. unter Wahrung des Denkmalcharakters durch Einziehen einer Stahlbetonplatte kostenaufwändig den aktuellen Verkehrserfordernissen angepasst. Die Bezeichnung der Brücken ist uneinheitlich. <ref>In dieser Arbeit wurden grundsätzlich die Bezeichnungen aus Slezak (1981) Seiten 225 bis 227 verwendet, deren Quellen allerdings nicht genannt werden </ref> === Verlade- und Entladestellen === Der Hafen am Wiener Ende lag zunächst nahe der Einmündung des [[Wien (Fluss)|Wienflusses]] in den heutigen [[Donaukanal]] (heute [[Bahnhof Wien Mitte]]), wurde aber 1849 knappe zwei Kilometer nach Süden an jene Stelle verlegt, wo später der [[Wien Aspangbahnhof|Aspangbahnhof]] errichtet wurde. In Wiener Neustadt lag der Hafen an der Ungargasse gegenüber der Neuklosterkirche. In der Winterzeit wurden die Kähne in der Schiffswerft (siehe Skizze 8) untergebracht, die gleichzeitig als Winterhafen diente. Entlang des Kanals gab es bis zu zehn weitere Verladestationen, die teilweise über Unterkünfte für die Schiffsmannschaften und das Betriebspersonal sowie Stallungen und Futterstellen für die Zugpferde verfügten. Die wichtigsten dieser Verladestellen waren Leopoldsdorf (Stichkanal zu Ziegelwerk), Biedermannsdorf (Stichkanal zu Ziegelwerk), Guntramsdorf (Stichkanal zu Ziegelwerk), Leesdorf (Schleuse 15 mit Stichkanal), Siebenhaus (Schleuse 34) und Sollenau (Schleuse 36). Die Bedeutung von Pöttsching blieb gering. == Der Kanal im 21. Jahrhundert == === Die aktuellen Funktionen des Kanals === [[Bild:Iris pseudacorus from sweden.jpg|thumb|Der Kanal und die Wasserschwertlilien]] [[Bild:HAm Mittel1.jpg|thumb|Im Mai prägen gelbe Kreuzblütler das Kanalbild von Kottingbrunn bis Wiener Neustadt]] [[Bild:ZRadsportKanal.jpg|thumb|Der Kanal als Revier für den Radsportler]] [[Bild:WrNKanalKleinkraftwerk.jpg|thumb|Wirtschaftliche Nutzung: Ein Kleinkraftwerk des Landes Niederösterreich]] ;Ökologische Funktion: Der Kanal prägt mit seinen Pappelreihen (bei [[Baden (Niederösterreich)|Baden]] als Naturdenkmal ausgewiesen) und Kunstbauten die Landschaft. Da die Kanalböschungen meist nur einseitig gemäht werden, stellt der Kanalbereich ein Refugium für nicht wenige teilweise seltene und bedrohte Pflanzen- und Tierarten dar.<ref>Jutta Edelbauer: Wiener Neustädter Kanal -Fauna und Flora, in: Industrieviertel-Museum: 200 Jahre Wiener Neustädter Kanal (Wiener Neustadt 1997) Seiten 15–17 </ref> Der Kanalbereich steht auch im Biotopenverbund mit den angrenzenden Lebensräumen, unter denen sich vor allem im Bereich [[Kottingbrunn]] einige interessante Nassbereiche und bei Gross-Mittel ausgedehnte Trockenbereiche befinden. An Bäumen sind [[Pappel]]n vorherrschend, die [[Weiden (Botanik)|Weide]] ist seltener. Sträucher sind vor allem mit [[Hartriegel]]arten (Cornus sanguinea und Cornus mas), dem [[Schlehdorn]], dem [[Pfaffenkäppchen]], dem [[Weißdorn]] und der [[Heckenrose]] vertreten. Sie werden öfters von der Waldrebe (meist Clematia vitalba) umrankt. Bei den kleineren Pflanzen sind in Wassernähe die [[Sumpfdotterblume]], die attraktive [[Wasserschwertlilie]] sowie [[Schilfrohr|Schilf]], der [[Fluss-Ampfer]], die [[Pestwurz]] (siehe Bild), das Bandgras, das Wasser-Süßgras mit seinen großen Rispen, der [[Raps]] und das [[Rohrglanzgras]] zu nennen. Auch [[Sumpf-Segge]], [[Blutweiderich]], [[Mädesüß]] und [[Beinwell]] sind nicht selten. In den höheren Böschungs-, Damm- und Uferwegbereichen herrschen Pflanzenarten der [[Trockenwiese]]n vor. Zu nennen sind u.&nbsp;a. [[Wiesenbocksbart]], Wundklee und andere [[Klee]]sorten, [[Salbei]], [[Thymian]], [[Sonnenröschen]], Ackersteinsame und die [[Aufrechte Trespe]]. Mit der [[Brennnessel]], dem [[Löwenzahn (Leontodon)|Löwenzahn]] und dem [[Beifuß]] sind auch Mitglieder der [[Ruderal]]gesellschaft vertreten. An Tierarten sind neben den Fischen vor allem Wasservögel wie die stets präsente [[Stockente]] und das [[Blässhuhn]] zu nennen. ;Wasserwirtschaftliche Funktionen: Dem Kanal wird Wasser zur Bewässerung, für Fischteicheinspeisungen (Schönau an der Triesting, Guntramsdorf) sowie für industrielle Zwecke entnommen. Die Funktion als Löschwasserquelle darf nicht unterschätzt werden. Bei Schneeschmelze und starken [[Gewitter]]regen nimmt der Kanal zwischen Baden und Guntramsdorf einige Bachläufe wie den Thallernbach in [[Gumpoldskirchen]] auf, er dient auch als [[Vorfluter]] für verschiedene Kläranlagen. Von den 1935 und 1936 errichteten 13 Kleinkraftwerken wurden annähernd die Hälfte im Krieg bzw. in den Besatzungsjahren zerstört bzw. devastiert. Heute betreibt das Land Niederösterreich bei den Schleusen 18, 20, 21, 22, 24, 27 und 32 Anlagen, die im Schnitt jährlich je 600.000 Kilowattstunden in das Netz der Wiener Stadtwerke ([[Wien-Energie|Wien-Strom]]) einspeisen. Bei der ''Haltung'' 13 produziert die [[Casinos Austria AG]] Strom für den Eigenbedarf ihres Zentrallagers, bei der ''Haltung'' 9 im Raum Pfaffstätten steht seit März 2006 als Pilotprojekt des Wiener Erfinders Adolf Brinnich eine [[Staudruckmaschine]] in Betrieb, von der man sich eine höhere Effizienz im Kleinkraftwerksbereich erwartet. ;Nutzung für Fischereizwecke: Die [[Fischerei]]berechtigten (Land Niederösterreich, ECO-Plus) haben die Fischerreichrechte an die Sportfischereiverbände Baden und Guntramsdorf verpachtet. Der Verein aus Baden nutzt die Reviere Wiener Neustädter Kanal DI/1 und DI/2, die Reviere DI/3 und DI/4 (ECO-Plus) jener aus Guntramsdorf. <ref>Das Revier DI/1 reicht vom Kanalende in Wiener Neustadt bis Schleuse 35 an der Landesstraße Sollenau-Schönau, das Revier DI/2 bis zur Schleuse 13 nahe der Landesstraße Pfaffstätten – Traiskirchen, das Revier DI/3 bis zur Gemeindegrenze Guntramsdorf -Laxenburg, das Revier DI/4 bis zum Mödlingbach.</ref> Ausgesetzt und gefangen werden [[Zander]], [[Forelle]]n, [[Hechte]], [[Karpfen]] und [[Weißfische]]. Mit Rücksicht auf die Fischerei wird der Kanal bei der jährlichen „Abkehr“ nicht vollständig trocken gelegt, ein Fischen im dann sehr eingeengten Lebensraum ist allerdings untersagt. ;Nutzung als Erholungsgebiet: Der milden Winter und der Strömung wegen steht auch nicht mehr der Eislaufsport im Vordergrund. Interessant ist der Rudersport, der der vielen Schleusen wegen aber lediglich im schleusenfreien Bereich zwischen Wiener Neustadt und Sollenau interessant ist. Ein Bootsverleih befindet sich am „Triangel“. Den größten Anklang findet der Wasserweg heute bei Wanderern und Radsportlern. Letztere finden auf dem nun asphaltierten Treppelweg ideale Bedingungen vor. Sowohl der Thermenradweg <ref>http://www.fahr-radwege.com/Thermenradweg.htm</ref> als auch der [[EuroVelo]] Nummer 9 nutzen diesen. === Zustand und Instandhaltung des Kanals === Nachdem der Schifffahrtsverkehr auf dem Kanal bereits seit dem Ersten Weltkrieg eingestellt worden war, wurden die nicht mehr benötigten Schleusentore entfernt und statt der oberen Tore teilweise Schützen oder fixe Schwellen eingebaut, um den Wasserstand in den Haltungen auf einem gewissen (in der Praxis sehr unterschiedlichem) Niveau zu halten. Die Einström- und Ausströmöffnungen zur Kammerfüllung wurden vielfach zugemauert, da beschädigte Einströmkanäle die Schleusenmauern selbst gefährden. Reparaturarbeiten an den Schleusen haben lediglich konservierenden Charakter, während bei den Aquädukten auf volle Funktionsfähigkeit geachtet wird. Der Kanal und sein Einzugsgebiet wird von zwei Bediensteten der Wasserbauabteilung des Landes Niederösterreich gewartet. Von Wiener Neustadt aus wird der Bereich Kehrbach, Katzelsdorfer Mühlbach und der Kanal bis Schönau an der Triesting betreut, von Kottingbrunn aus der Restbereich einschließlich der im Eigentum der ECO-Plus stehenden Kanalteile. Wartung bedeutet laufende Kontrollen des Zustandes, Beseitigung kleinerer Defekte und Mängel, das Mähen der Kanalböschungen und die Inspektion der Kleinkraftwerke. Diese Wartungsorgane erhalten bei größeren Bauarbeiten sowie beim jährliche „Kehren“ des Kanals (Entfernung von Schlamm- und Schotter sowie von Unrat) Verstärkung. Die Kosten für diese Tätigkeiten trägt das Land Niederösterreich, sie werden vermindert durch Beiträge des Bundes, der Gemeinden und der Wirtschaft, weiters durch Einnahmen aus Gestattungen (Servituts- und Grundpachtzinse, Fischereipacht etc.) sowie der Einnahmen aus der Stromerzeugung der sieben Kleinkraftwerke. === Spuren im aufgelassenen Bereich === [[Bild:Neustaedter_Kanal_Kriegsfleck.jpg|thumb|Spuren: Gedenkstein bei der ehemaligen ''Kriegsfleckbrücke'' des Pöttschinger Astes zwischen Lichtenwörth und Neudörfl (2007)]] [[Bild:Kanl Leopoldsdorf.jpg|thumb|Spuren: 6&nbsp;Meter hoher Kanaldamm in der Ortsmitte von Leopoldsdorf (2007)]] In den aufgelassenen Bereichen lässt sich die Existenz des Wiener Neustädter Kanals zumindest teilweise nachvollziehen. In Wien erinnern Verkehrsflächen wie [[Liste der Straßennamen von Wien/Landstraße#H|„Hafengasse“]] und [[Liste der Straßennamen von Wien/Simmering#A|„Am Kanal“]] an die Schifffahrtszeiten. Der letztgenannte Straßenzug begleitet zwischen dem Rennweg und Kledering gleich mehrere Kilometer lang die Bahntrasse, die von der heutigen Bahnstation Wien-Mitte an Teile des Kanalbettes verwendete. Jenseits des alten Linienwalls hat der Bau des [[Zentralverschiebebahnhof Wien-Kledering|Zentralverschiebebahnhof]]es der [[Österreichische Bundesbahnen|Österreichischen Bundesbahnen]] (ÖBB) zahlreiche Spuren verwischt. Auch in den Feldern südlich davon informiert nur mehr das Luftbild über den Kanalverlauf. Östlich der [[Wiener Außenring Schnellstraße|S 1]] ist 2007 ein Kanalstück in einer Länge von 500 Metern noch gut erhalten. Es führt nicht ganz zum ehemaligen Aquädukt über die B 16, die alte [[Ödenburger Straße]]. Unmittelbar westlich dieser Straße findet man auf der Krone eines 6&nbsp;m hohen Dammes das von Gestrüpp freigehaltene Kanalbett vor, das 300 Meter weit bis zum ehemaligen Aquädukt über den Petersbach verfolgt werden kann.<ref>siehe Bild, Skizze 5 und Luftbild:[http://tools.wikimedia.de/~magnus/geo/geohack.php?language=de&params=48_06_24_N_16_23_52_E_type:waterbody_region:AT-3]</ref> Hier wurde auf Basis des fruchtbaren Kanalschlammes auch Getreide angebaut.<ref>Mitteilung DI Lange</ref> Nach der Straße Hennersdorf–Leopoldsdorf verlieren sich die anfänglich noch deutlichen Spuren des Wasserweges nach 200&nbsp;m in den Feldern. Im Windschutzgürtel, der 1.000&nbsp;m weiter südlich vor Achau Richtung Westen zieht, stößt man erneut auf ein gut erhaltenes, wenn auch verwachsenes Kanalstück, das man über einen Kilometer bis zum Gleiskörper der [[Pottendorfer Linie]] der ÖBB verfolgen kann <ref>siehe Luftbild:[http://tools.wikimedia.de/~magnus/geo/geohack.php?language=de&params=48_05_36_N_16_22_35_E_type:waterbody_region:AT-3]</ref> 450 Meter westlich der Bahn findet die Baumreihe eine Fortsetzung Richtung Westen, sie verbirgt den wasserführenden Teil eines Schleppkanals, der vom Kanalpächter Miesbach in den 1850er Jahren als Verbindung zu einer seiner Ziegeleien errichten ließ. Am Ostende dieses ca. 1.200&nbsp;m langen Gerinnes haben sich die Stützmauern des Einfahrbauwerkes erhalten. An die Ziegelei am Westende erinnern heute nur mehr vier Teiche <ref>siehe Luftbild:[http://tools.wikimedia.de/~magnus/geo/geohack.php?language=de&params=48_05_50_N_16_20_47_E_type:waterbody_region:AT-3]</ref> und spärliche Reste der Fundamente. Der Hauptkanal führte vom Ostende des Ziegeleiastes nach Süden <ref>siehe Luftbild:[http://tools.wikimedia.de/~magnus/geo/geohack.php?language=de&params=48_05_32_N_16_21_34_E_type:waterbody_region:AT-3]</ref>, wo nach 200 Metern im Ufergehölz des Krottenbaches die Reste des Krottenbachaquäduktes <ref>siehe Luftbild:[http://tools.wikimedia.de/~magnus/geo/geohack.php?language=de&params=48_05_21_N_16_21_33_E_type:waterbody_region:AT-3]</ref>, eine Schleuse und Fundamente der 1812 von Karl Rheinboldt errichteten Papier- und Pappendeckelfabrik zu finden sind. <ref>Lange. Seite 47</ref> 1930 wurde der Kanal am Südende dieses Viaduktes abgemauert und das Wasser in den Krottenbach geleitet. Im Zweiten Weltkrieg adaptierte man die Schleusenkammer mittels einer massiven Betondecke als Luftschutzbunker. Folgt man den verwachsenen Kanalresten weiter nach Süden, so trifft man nach einem guten Kilometer auf den Mödlingbach und das aktuelle Ende des Wasserweges. In Wiener Neustadt weist eine Gedenktafel in der Ungargasse auf die Existenz des ehemaligen Kanalhafens hin.<ref>siehe Luftbild:[http://tools.wikimedia.de/~magnus/geo/geohack.php?language=de&params=47_48_47_N_16_14_52_E_type:waterbody_region:AT-3]</ref> Die Gasse ''Am Kanal'' begleitete den Wasserlauf vom Hafen bis zum Kehrbach. Ihre Verlängerung, die ''Rechte Kanalzeile'' führt neben dem aktuellen Kanal bis zu dessen scharfer Linksbiegung, dem „Triangel“. <ref>siehe Luftbild:[http://tools.wikimedia.de/~magnus/geo/geohack.php?language=de&params=47_48_59_N_16_16_02_E_type:waterbody_region:AT-3]</ref> Der Pöttschinger Kanalast verlief genau in Verlängerung der ''Rechten Kanalzeile'' weiter. Folgt man dieser, durch einen Fahrweg definierten Linie, so trifft man zunächst auf Kleingärten, die im Kanalbett errichtet wurden, die Dammstruktur ist hier noch klar erkennbar. In den anschließenden Feldern fehlen solche Spuren. Hier erinnert nach einem guten Kilometer lediglich ein Stein zwischen zwei Bäumen an die Kriegsfleckbrücke (siehe Bild). Dieser Name erinnert an den Tod des letzten Babenbergers, der hier 1246 in der Schlacht gegen den Ungarnkönig [[Béla IV. (Ungarn)|Béla IV.]] fiel. Der gedachten Geraden 800&nbsp;m weiter bis zum Waldstück ''Hauslüsse'' folgend, stößt man auf ein gut erhaltenes Kanalstück, das nach einer Biegung zum (meist trockenen) Leithabett leitet, über das der Kanal in einem 65 Meter langen hölzernen Trog geführt wurde. An dieses Bauwerk erinnert nur mehr das Kanalhaus am rechten Leitha-Ufer.<ref>siehe Luftbild:[http://tools.wikimedia.de/~magnus/geo/geohack.php?language=de&params=47_49_02_N_16_18_12_E_type:waterbody_region:AT-3]</ref> Vom restlichen Wasserweg sind lediglich im Luftbild Spuren zu erkennen.<ref>Lange.Von Wien zur Adria. Seiten 126 und 127</ref> == Geodaten == *Kanalhafen Wien (1803 bis 1849): {{Coordinate|NS=48/12/23/N|EW=16/23/05/E|type=waterbody|region=AT-9|text=DMS|name=Kanalhafen Wien 1803 bis 1849}} *Kanalhafen Wien (1849 bis 1879): {{Coordinate|NS=48/11/25/N|EW=16/23/41/E|type=waterbody|region=AT-9|text=DMS|name=Kanalhafen Wien 1849 bis 1879}} *Nördliches Kanalende (aktuell): {{Coordinate|NS=48/04/44.60/N|EW=16/21/31/E|type=waterbody|region=AT-3|text=DMS|name=Nördliches Kanalende}} *Südliches Kanalende (aktuell): {{Coordinate|NS=47/48/53/N|EW=16/15/25/E|type=waterbody|region=AT-3|text=DMS|name=Südliches Kanalende}} == Einzelnachweise == <references> <ref name="Riebe26">Valerie Else Riebe.Der Wiener Neustädter Schiffahrtskanal. Eigenverlag. Wien 1936. Seite 26. </ref> <ref name="Riebe28">Riebe. Seite 28</ref> <ref name="Riebe29">Riebe. Seite 29</ref> <ref name="Riebe79">Riebe. Seite 79</ref> <ref name="Slezak25">Slezak (1981) Seite 25</ref> </references> == Literatur == Wichtigste Grundlage des vorliegenden Artikels war Valerie Else Riebes Arbeit ''Der Wiener Neustädter Schiffahrtskanal'' (Eigenverlag, Wien 1936). Riebe stützte sich dabei vor allem auf die Akten des Hofkammerarchives sowie der Austro-Belgischen Kanalgesellschaft. Neben ihr ist noch Fritz Lange zu nennen, der als zurzeit fundiertester Kenner der Geschichte des Kanals mit dem Buch: ''Von Wien zur Adria – Der Wiener Neustädter Kanal'' (Sutton Verlag, 2003, ISBN 3-89702-621-X) über Riebes Arbeit hinaus auch die Entwicklung von 1936 bis 2003 einbringt. *Helmut Feigl und Andreas Kusternig (Hg.): ''Die Anfänge der Industrialisierung in Niederösterreich.'' Wien 1982 *Gertrud Gerhartl: ''Wiener Neustadt. Geschichte, Kultur, Wirtschaft.'' Wien 1993 *[[Karl Gutkas]] (Hg.): ''Landeschronik Niederösterreich. 3000 Jahre in Daten, Dokumenten und Bildern.'' Wien/München 1994 *Silvia Hahn und Karl Flanner (Hg.): ''Die Wienerische Neustadt. Handwerk, Handel und Militär in der Steinfeldstadt.'' Wien/Köln/Weimar 1994 *Rudolf Hock: ''Sollenauer Geschichte(n). Der Wiener Neustädter Schiffskanal.'' In: ''Nachrichten der Marktgemeinde Sollenau.'' Heft 3–4, Sollenau 1982 *Industrieviertel-Museum (Hrsg): ''200 Jahre Wiener Neustädter Kanal.'' Wiener Neustadt 1997 *Ernst Katzer: ''Die „Wiener Neustädter Steinkohlen Gewerkschaft“''. In: ''Unser Neustadt.'' 26. Jahrgang, Folgen 2–4 und 27.Jahrgang, Folge 1, Wiener Neustadt 1982/1983 *Josef Knoll: ''Heimatbuch Guntramsdorf.'' Guntramsdorf 1977 *Andreas Kusternig: ''Bergbau in Niederösterreich.'' Wien 1987 *Fritz Lange: ''Von Wien zur Adria – Der Wiener Neustädter Kanal.'' Sutton Verlag, 2003, ISBN 3-89702-621-X *Sebastian von Maillard: ''Anleitung zu dem Entwurf und der Ausführung Schiffbarer Kanäle.'' Pest 1817 *Inge Podbrecky: ''Der Wiener Neustädter Kanal.'' In: ''Denkmalpflege in Niederösterreich.'' Band 10 Verkehrsbauten *Valerie Else Riebe: ''Der Wiener Neustädter Schiffahrtskanal.'' Eigenverlag, Wien 1936 *Felix Rupp: ''Umgestaltungsmöglichkeiten am Wiener Neustädter Kanal.'' Wien 1996 *Josef August Schultes: ''Ausflüge nach dem Schneeberge in Unterösterreich.'' Wien 1803, herausgegeben vom Rotary-Club Wiener Neustadt 1982 *Paul Slezak und Josef Otto Friedrich: ''Vom Schiffskanal zur Eisenbahn. Wiener Neustädter Kanal und Aspangbahn.'' Wien 1981, ISBN 3-900134-72-3 *Paul Slezak und Josef Otto Friedrich: ''Kanal Nostalgie Aspangbahn.''. Ergänzungsband, Wien 1990, ISBN 3-85416-153-0 *Friedrich Umlauft: ''Der Wiener Neustädter Canal.'' In: ''Mittheilungen der k.k. Geographischen Gesellschaft in Wien''. Wien 1894 *Ludwig Varga, Robert Schwan und Davor Vytopil: ''Der Wiener Neustädter Kanal. Geschichte, Beschreibung, Inventarisation.'' Wien 1989, Übungsarbeit des Instituts für Denkmalpflege der TU Wien *Verwaltung der k.k.n.ö. Schiffahrts-Kanals (Hg.): ''Bestimmungen für die Frachtaufnahme am k.k.n.ö. Schiffahrts-Kanal''. Wien 1866 == Weblinks == {{commons|Category:Wiener Neustädter Kanal|Wiener Neustädter Kanal}} *[http://museum.highway.co.at/landstrasse/page.asp/730.htm Der Wiener Neustädter Kanal] auf den Seiten des [http://www.bezirksmuseum.at/default/index.php?id=30 Bezirksmuseums Landstraße] {{Coordinate |NS=48/04/31/N |EW=16/20/59/E |type=waterbody |region=AT-3}} [[Kategorie:Bauwerk in Niederösterreich]] [[Kategorie:Kanal in Österreich]] [[Kategorie:Ehemaliger Kanal]] [[Kategorie:Ehemaliges Bauwerk in Wien]] [[Kategorie:Landstraße]] [[Kategorie:Simmering]] [[Kategorie:Wiener Neustadt]] [[Kategorie:Bezirk Baden]] [[Kategorie:Baden (Niederösterreich)]] [[Kategorie:Bezirk Mödling]] [[Kategorie:Bezirk Wiener Neustadt-Land]] [[Kategorie:Naturdenkmal in Österreich]] [[Kategorie:Kulturdenkmal (Österreich) ]] {{Exzellent}} [[en:Wiener Neustadt Canal]] m94jip0ppp4ig7rul5dd09tx3r2pouj wikitext text/x-wiki Wiener Zentralfriedhof 0 24512 27114 2010-04-09T07:32:01Z Xqbot 0 Bot: Ändere: [[fr:Cimetière central de Vienne]]; kosmetische Änderungen Der '''Wiener Zentralfriedhof''' wurde 1874 eröffnet und ist mit einer Fläche von fast 2,5&nbsp;km² die zweitgrößte [[Friedhof]]sanlage Europas, an der Zahl der rund 3 Millionen Bestatteten gemessen, mit Abstand die größte. Er zählt aufgrund seiner vielen Ehrengräber, der [[Jugendstil]]-Bauwerke und des weitläufigen Areals zu den besonderen Sehenswürdigkeiten der Stadt [[Wien]]. [[Datei:Karl-Borromäus-Kirche mit Präsidentengruft.jpg|thumb|300px|Karl-Borromäus-Kirche und Präsidentengruft auf dem Wiener Zentralfriedhof]] == Geschichte == === Die Folgen der josephinischen Reformen === Die 1784 von [[Joseph II. (HRR)|Kaiser Joseph II.]] verfügten „[[Josephinische Reformen|Josephinischen Reformen]]“ hatten nachhaltige Auswirkungen auf das Wiener Bestattungswesen. Friedhöfe innerhalb des [[Linienwall]]s (was dem heutigen [[Wiener Gürtelstraße|Gürtel]] entspricht) mussten aufgelassen werden, stattdessen wurden fünf „Communale Friedhöfe“ außerhalb der ''Linien'' errichtet, der [[Sankt Marxer Friedhof]], der [[Hundsturmer Friedhof]], der [[Matzleinsdorfer Friedhof]], der [[Währingerpark|Währinger Friedhof]] und der [[Schmelzer Friedhof]]. Darüber hinaus sollten die Bestattungen selbst möglichst sparsam und funktionell gestaltet werden, [[Schachtgrab|Schachtgräber]] und mehrfach verwendbare [[Klappsarg|Klappsärge]] sind nur zwei Beispiele für diese kaiserlich verordneten Sparmaßnahmen. Einige dieser Reformen mussten aufgrund zu großen Widerstands in der Bevölkerung wieder zurückgenommen werden, das Prinzip der aus der Stadt verbannten, ''communalen Friedhöfe'' blieb jedoch. Mitte des 19. Jahrhunderts, als die Einwohnerzahl Wiens&nbsp;– und somit auch die Zahl der Toten&nbsp;– stetig wuchs, war bereits abzusehen, dass die ''communalen Friedhöfe'' in den Vororten an die Grenzen ihrer Auslastungskapazitäten stoßen würden. Außerdem gab es im Sinne einer expandierenden [[Stadtentwicklung]] das Bestreben, diese Friedhöfe möglichst bald aufzulassen. 1863 beschloss der Wiener [[Gemeinderat (Österreich)|Gemeinderat]] die Errichtung eines Zentralfriedhofs, weit außerhalb der Stadt, der so großflächig sein sollte, dass seine Aufnahmekapazitäten nie oder zumindest erst in ferner Zukunft ihre Grenzen erreichen sollten. Gleichzeitig wurde die bisherige alleinige Zuständigkeit der Kirche für Begräbnisstätten aufgehoben, damit war der Weg geebnet für einen von der Gemeinde verwalteten (und auch finanzierten) Friedhof. Bei der Planung der Größe des Friedhofsgeländes wurde angesichts des starken städtischen Wachstums und der damaligen Ausdehnung des [[Kaisertum Österreich|Kaisertums Österreich]] davon ausgegangen, dass sich die Haupt- und Residenzstadt Wien bis Ende des 20. Jahrhunderts zu einer Metropole mit rund 4 Millionen Einwohnern entwickeln würde. Auf der Suche nach einem geeigneten Areal kamen Grundstücke in [[Kaiserebersdorf]], [[Rannersdorf (Gemeinde Schwechat)|Rannersdorf]], [[Himberg]], [[Pellendorf (Gemeinde Himberg)|Pellendorf]] und [[Gutenhof]] in die engere Auswahl. Aufgrund einer vom Wiener Gemeinderat bei der ''k.k. geologischen Reichsanstalt'' in Auftrag gegebenen Studie wurde diese Auswahl auf die Grundstücke in Kaiserebersdorf und Rannersdorf eingeengt, da diese beiden Gebiete über eine für einen Friedhof ideale Bodenbeschaffenheit und ebene Lage verfügen. Der [[Geologe]] [[Dionýs Stur]] verwies in dieser Studie auf die günstigen Eigenschaften des dort vorhandenen [[Löss]]bodens, da ein solcher auf den [[Verwesung]]sprozess von Leichen im Vergleich zu anderen Bodenarten beschleunigend wirkt und zudem die Gefahr der ''Ausbreitung und Verschleppung epidemischer Krankheiten aus dem Friedhof'' geringer sei. Weiters wurde auf den Umstand hingewiesen, dass Lössboden bequem zu bearbeiten ist und somit der Aushub von Gräbern schneller durchführbar sei und überdies eine geringere Einsturzgefahr der Grabwände bestünde.<ref name="zf_boden">[http://www.geologie.ac.at Geologische Bundesanstalt]: [http://www.geologie.ac.at/de/GEONEWS/2003-11-01-geologie-friedhoefe.html Geologie der Wiener Friedhöfe], 21. September 2006</ref> Die Entscheidung fiel letztlich zugunsten Kaiserebersdorfs, so wurde 1869 vom Gemeinderat der Erwerb eines Grundstücks in Kaiserebersdorf und zweier kleiner Gründe in [[Simmering]] genehmigt. 1870 wurde eine Ausschreibung über die Gestaltung des Friedhofs durchgeführt, bei der die Entwürfe des Frankfurter Architektenteams [[Karl Jonas Mylius]] und [[Alfred Friedrich Bluntschli]] die Jury überzeugten, und nach nur drei Jahren Bauzeit (1871 bis 1874) war Wiens neue ''Totenstadt'' errichtet. Allerdings musste bereits 1872 der Sankt Marxer Friedhof geschlossen werden, und auch auf den anderen ''communalen Friedhöfen'' wurde der Platz knapp, weshalb schon rund ein Jahr vor der Eröffnung ein Teil des Geländes als provisorischer Friedhof ausgestaltet wurde. === Der konfessionelle Konflikt === Bereits 1863, als vom Wiener Gemeinderat der Beschluss über die Errichtung des Zentralfriedhofs gefasst wurde, war darin sowohl der [[Konfession|interkonfessionelle]] Charakter des Friedhofs festgelegt, als auch die Möglichkeit, einzelnen Glaubensgemeinschaften auf deren Wunsch eigene Abteilungen zu überlassen. Im Oktober 1874, rund zwei Wochen vor der Eröffnung, wurde in einem neuerlichen Gemeinderatsbeschluss sogar die [[Konfessionslosigkeit]] der Anlage betont und eine etwaige Einweihung des Areals explizit untersagt. Da diese Beschlüsse in [[katholisch]]en Kreisen sehr negativ aufgenommen wurden, kam es zu Protesten, die an Vehemenz zunahmen, als bekannt wurde, dass der [[Jüdisches Leben in Wien|jüdischen]] Glaubensgemeinschaft gegen einen hohen Geldbetrag eine eigene Abteilung im Westen des Friedhofsgeländes zugesichert wurde. Daraufhin wurde ein neuer Beschluss gefasst, der nunmehr eine etwaige Einweihung zuließ (allerdings ohne Einschränkung auf eine bestimmte Glaubensgemeinschaft), eine kirchliche Ministerialgewalt über den Friedhof jedoch ausschloss. Der Termin der Eröffnung stand unmittelbar bevor, die Proteste dauerten jedoch an und konservative Gruppierungen riefen zu Kundgebungen am Tag der Eröffnung auf. Zu einer solchen Eskalation kam es aber nicht, da [[Joseph Othmar von Rauscher|Kardinal Rauscher]] (andere Quellen nennen den Prälaten Ludwig Angerer <ref name="wz_1874">{{ANNO|wrz|31|10|1874|2|Centralfriedhof}}</ref>) in Absprache mit dem Wiener Bürgermeister [[Cajetan Felder]] am frühen Morgen des 30. Oktobers 1874 eine von der Öffentlichkeit nahezu unbemerkte katholische Einweihung des Friedhofs vornahm.<ref name="friedhof_buch">Werner T. Bauer: ''Wiener Friedhofsführer''</ref> Am 1. November 1874 schließlich wurde der Wiener Zentralfriedhof offiziell seiner Bestimmung übergeben. An diesem Tag noch wurde der [[Josefstadt (Wien)|Josefstädter]] Privatier Jakob Zelzer dort als Allererster in einem auch heute noch bestehenden Einzelgrab beerdigt, 13 weitere Tote fanden in einem gemeinsamen Schachtgrab ihre letzte Ruhe. === Der ungeliebte neue Friedhof === [[Datei:Wien Allerseelen 1903.jpg|thumb|Allerseelen 1903, Friedhofsbesucher auf der Simmeringer Hauptstraße auf dem Weg zum Zentralfriedhof]] Seit und teils auch schon vor seiner Eröffnung wurde der Zentralfriedhof häufig kritisiert und war bei der Bevölkerung nicht sehr beliebt&nbsp;– und dementsprechend schlecht besucht. So wurde die Trostlosigkeit des Areals bekrittelt, da im Vergleich zu heute nur eine karge [[Vegetation]] vorherrschte, außerdem verzögerte sich die Errichtung der dazugehörigen Bauwerke. Friedhofsbesucher mussten eine lange und mitunter beschwerliche Anreise auf sich nehmen, da es zu dieser Zeit noch keine direkte [[Bahn (Verkehr)|Bahnverbindung]] zum Friedhofsgelände gab. Im Oktober 1874 fasste eine Wiener Zeitung diese Stimmung in der Frage zusammen: ''„Eine Stunde Fahrzeit, zwischen Schlachthäusern und Heide und Bauern, und wofür?“'' Um diesem negativen Image entgegenzuwirken und die Attraktivität des Friedhofs zu steigern, beschloss der Gemeinderat 1881 die Errichtung einer [[Gewidmete Gräber der Stadt Wien|Ehrengräberanlage]]. Dazu wurden die sterblichen Überreste verschiedener prominenter Persönlichkeiten von anderen Friedhöfen auf den Zentralfriedhof verlegt, unter anderem [[Ludwig van Beethoven]] und [[Franz Schubert]] vom Währinger Ortsfriedhof. 1910 bekam der Friedhof endlich auch seine Friedhofskirche, die [[Karl Borromäus|Karl-Borromäus]]-Kirche, und damit einen weiteren Anziehungspunkt für die Besucher. === Der lange Weg zur letzten Ruhe === Ein anderes Problem, mit dem die Stadtväter zu kämpfen hatten, waren die Leichentransporte. Bei hunderten Toten pro Woche, die zur damaligen Zeit mit [[Pferdewagen]] in die neu entstandene ''Nekropole'' gebracht werden mussten, prägten diese kaum enden wollenden Leichenzüge schon bald das alltägliche Bild der [[Liste der Straßennamen von Wien/Simmering|Simmeringer Hauptstraße]], sehr zum Missfallen der anwohnenden Bevölkerung, der diese ständige Konfrontation mit dem Tod zusehends auf das Gemüt schlug. Schon ab dem ersten Winter kam es immer wieder dazu, dass [[Kondukt]]e im Schnee steckenblieben.<ref>Roswitha Kerschner: ''[http://textfeld.ac.at/text/547/ Der Umgang mit dem Sterben und dem Tod in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in Wien. unter besonderer Berücksichtigung der Kommerzialisierung des Bestattungswesens]'', Diplomarbeit an der Universität Wien, 2005, textfeld.ac.at, S. 119</ref><ref name="reisinger">Brigitte Reisinger: [http://www.wienerzeitung.at/Desktopdefault.aspx?tabID=3946&alias=wzo&lexikon=Friedhof&letter=F&cob=5788 U-Bahn ohne Wiederkehr - Der weite Weg zum Zentralfriedhof: Ein Wiener Verkehrsproblem], Wiener Zeitung, EXTRA Lexikon, 3. November 2000</ref> Vorschläge, Konzepte und Pläne für alternative Leichentransporte gab es viele, die jedoch allesamt nicht zur Durchführung gelangten. Ein Konzept sah den Bau einer eigenen Bahnlinie zu diesem Zwecke vor, ausgehend von einer zentralen Sammelstelle in einer ehemaligen [[Markthalle]]. Geradezu futuristisch war der Plan von Architekt [[Josef Hudetz]] und Ingenieur [[Franz von Felbinger]],<ref name="reisinger"/> ähnlich dem Prinzip der [[Rohrpost]] die Leichenbeförderung [[Pneumatik|pneumatisch]] in einem langen, beim Zentralfriedhof endenden Tunnel durchzuführen.<ref name="pneumatischer_transport">Florian Bettel: ''Anmerkungen zur Eroberung des Untergrunds. Der geplante pneumatische Leichentransport zum Wiener Zentralfriedhof''. In: ''UNI*VERS. Junge Forschung in Wissenschaft und Kunst''. Springer Verlag, Wien/New York 2010, ISBN 978-3-211-99284-5</ref> So wurde der Transport der Toten weiterhin mit Pferdefuhrwerken erledigt, erst 1918 wurde die seit der Jahrhundertwende elektrifizierte [[Straßenbahn]] dazu benutzt, 1925 wurde erstmals ein motorisierter Leichenwagen eingesetzt. === Das Politikum „Feuerbestattung“ === Nicht jeder Wiener wollte seine letzte Ruhe auf dem Wege der [[Erdbestattung]] antreten. So gab es seit dem ausklingenden 19. Jahrhundert mehr und mehr Befürworter der [[Feuerbestattung]], und Anfang des 20. Jahrhunderts stellten sich die Wiener [[Sozialdemokratie]] und [[Arbeiterbewegung]] mit ihrer Forderung nach einer Feuerhalle gegen die katholische Kirche, die dies strikt ablehnte. 1921 schließlich wurde der Bau des ersten Wiener [[Krematorium]]s vom Gemeinderat bewilligt, und bereits am 17. Dezember 1922 erfolgte die Eröffnung, ungeachtet eines noch rasch am Vortag von dem [[Christlichsoziale Partei (Österreich)|christlichsozialen]] Minister für soziale Verwaltung [[Richard Schmitz (CS)|Richard Schmitz]] verfügten Verbots. Dies brachte in weiterer Folge dem Wiener Bürgermeister [[Jakob Reumann]] eine Klage beim [[Verfassungsgerichtshof (Österreich)|Verfassungsgerichtshof]] ein, der aber letztlich zugunsten der Feuerbestattung und somit auch der Feuerhalle entschied. Erst 1966 wurde von der [[Erzdiözese Wien]] offiziell die Feuerbestattung der Erdbestattung gleichgestellt. Die [[Feuerhalle Simmering]] befindet sich nicht auf dem Gelände des Zentralfriedhofs, sondern jenseits der Simmeringer Hauptstraße, schräg gegenüber dem Hauptportal. === Der Friedhof im Schatten des Dritten Reiches === Das [[NS-Regime]] und der [[Zweiter Weltkrieg|Zweite Weltkrieg]] gingen auch am Zentralfriedhof nicht spurlos vorüber. Im Zuge des [[Pogrom]]s gegen die jüdische Bevölkerung in der so genannten [[Novemberpogrome 1938|Reichspogromnacht]] am 9. November 1938 wurde die Zeremonienhalle auf dem alten jüdischen Friedhof von [[Nationalsozialisten]] gesprengt und jene auf dem neuen jüdischen Friedhof verwüstet. Außerdem wurden auf beiden Friedhöfen zahlreiche Grabstätten beschädigt oder zerstört. In den Jahren 1938 bis 1945, zur Zeit des [[Nationalsozialismus in Österreich]], wurden hunderte [[Widerstandskämpfer]] und [[Opfer der NS-Militärjustiz|Deserteure der Wehrmacht]] im [[Wiener Hinrichtungsstätten|Wiener Landesgericht]] hingerichtet und deren Leichen anschließend in Schachtgräbern am Zentralfriedhof verscharrt. Die Angehörigen wurden weder über Ort noch Zeitpunkt der Beisetzung informiert, da die Friedhofsverwaltung diesbezüglich von der Leitung des Landesgerichtes strikte Anordnungen erhielt. Die Beerdigung erfolgte in der eigens dafür gesperrten Abteilung des Friedhofs unter Ausschluss der Öffentlichkeit und wurde von Polizeibeamten überwacht. Einige Jahre nach Kriegsende wurden die Grabstätten der Hingerichteten in der Gruppe 40 von der Stadt Wien zur Mahn- und Gedenkstätte erklärt. Im Zuge der [[Wiener Operation|Schlacht um Wien]] im April 1945 kam es auf dem Zentralfriedhof zu heftigen Gefechten zwischen der [[Rote Armee|Roten Armee]] und [[Wehrmacht|deutschen Einheiten]]. Die größten Schäden auf dem Friedhof wurden aber in den Monaten davor durch Bombenangriffe verursacht, was auch darauf zurückzuführen ist, dass sich in der näheren Umgebung strategisch wichtige Industriegebiete (beispielsweise die Erdölraffinerie in [[Schwechat]]) befanden. Nach Kriegsende zählte man auf dem Friedhofsgelände rund 550 Bombentrichter und über 12.000 zerstörte Gräber. Die Kuppel der Karl-Borromäus-Kirche wurde durch eine [[Brandbombe]] vernichtet, alle Gebäude auf dem Areal wurden in Mitleidenschaft gezogen. Im Februar 1945 wurden die Aufbahrungshallen durch Bombentreffer schwer beschädigt, für einige Zeit waren [[Aufbahrung]]en nur am offenen Grab möglich. Mit den Instandsetzungsarbeiten wurde nach Kriegsende zügig begonnen, der Wiederaufbau der Kuppel der Karl-Borromäus-Kirche zog sich allerdings bis in die 1950er Jahre, und selbst in den 1990er Jahren wurden noch unzählige beschädigte Gräber auf dem alten jüdischen Friedhof restauriert. Dort befindet sich auch in unmittelbarer Nähe des ''1. Tors'' eine brach liegende Fläche, auf der einst die 1938 gesprengte und in der Zwischenzeit vollständig abgerissene jüdische Zeremonienhalle stand. In der Gruppe 40, gegenüber der Mahn- und Gedenkstätte für die hingerichteten Widerstandskämpfer, befindet sich eine gemeinsame Grabstätte von über 400 Bombenopfern der Kriegsjahre 1944 und 1945. Zahlreiche andere Gedenkstätten und Kriegsgräber auf dem Zentralfriedhof erinnern ebenfalls an die unzähligen Opfer von NS-Herrschaft und Zweitem Weltkrieg. === Der Zentralfriedhof heute === [[Datei:Gräberreihe mit Kreuz.jpg|thumb|Zentralfriedhof, katholische Gräber]] Nach den schlichten und auf ein Minimum reduzierten „Sparbegräbnissen“ unter Kaiser Josef&nbsp;II. versuchte in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts das wohlhabende [[Bürgertum]], es den [[Adel]]igen gleichzutun, und inszenierte prunkvolle Trauerfeiern und Begräbnisse; der seither viel zitierte Begriff der ''„schönen Leich“'' war geboren. Auch heute noch stößt die ''schöne Leich'' auf das Interesse der Wiener Bevölkerung, so sind Staatsbegräbnisse von Politikern sowie Beerdigungen von Persönlichkeiten aus anderen Schaffensbereichen für viele Menschen Anlass, diesen prominenten Verstorbenen eine letzte Ehre zu erweisen. Wird beispielsweise ein Bundespräsident beigesetzt, so ist die Straße, die, zu beiden Seiten flankiert von Ehrengräbergruppen, vom Hauptportal zur Präsidentengruft führt, Schauplatz von langen Trauerzügen. Aber auch von Vertretern der zeitgenössischen [[Popkultur]] wird mitunter in großem Rahmen Abschied genommen: Im Februar 1998 wohnten der feierlichen Beisetzung von Popstar [[Falco]] in einem ehrenhalber gewidmeten Grab tausende Menschen bei. Bestattungen auf dem Zentralfriedhof werden in den meisten Fällen von der „Bestattung Wien“ durchgeführt, einem Unternehmen der im Eigentum der Stadt Wien befindlichen [[Wiener Stadtwerke|Wiener Stadtwerke Holding AG]]. Bis vor wenigen Jahren war die ''Bestattung Wien'' noch Monopolist, aber nachdem im Jahr 2002 das [[Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit (Österreich)|Wirtschaftsministerium]] den Bedarfsnachweis für Bestattungsunternehmen ersatzlos gestrichen hat, eröffnete im darauffolgenden Jahr der Bestatter „Pax“ als erster Konkurrent eine Niederlassung in der Simmeringer Hauptstraße. Bei der Gestaltung von Verabschiedungen haben die Hinterbliebenen viele Freiräume, von der (teils unkonventionellen) Auswahl der Musik während der Trauerfeier bis hin zur Möglichkeit, das Geleit des Sarges von der Aufbahrungshalle zur Grabstelle mittels einer historischen, sechsspännigen Trauerkutsche durchführen zu lassen. Die Verwaltung des Friedhofs fällt in die Zuständigkeit der ''Friedhöfe Wien GmbH'' (ehemals Wiener [[Magistratsabteilung]] 43, „Städtische Friedhöfe“), zu der unter anderem die untergeordneten Stellen „Städtische Friedhofsgärtnerei“ und „Städtische Steinmetzwerkstätte“ zählen, letztere müssen sich jedoch gegen eine Vielzahl an konkurrierenden Friedhofsgärtnereien und [[Steinmetz]]betriebe behaupten, die sich entlang der Simmeringer Hauptstraße in der Nähe angesiedelt haben. Der Zentralfriedhof wurde im Laufe seiner Geschichte insgesamt sieben Mal erweitert (zuletzt 1921) und beherbergt derzeit (2006) etwa 330.000 [[Grab]]stellen mit rund drei Millionen Verstorbenen. Zum Zeitpunkt seiner Eröffnung galt er als die größte Friedhofsanlage Europas, seine aktuelle Gesamtfläche von knapp 2,5 km² wird nur von dem 4 km² großen [[Hamburg]]er [[Friedhof Ohlsdorf]] übertroffen. Eine der letzten gestalterischen Neuerungen stellt der vom Architekten Christof Riccabona entworfene und 1999 eröffnete ''Park der Ruhe und Kraft'' dar. Es handelt sich um einen [[Geomantie|geomantischen]] Landschaftspark, der in fünf unterschiedlich gestaltete Bereiche gegliedert ist und zur körperlichen wie geistigen Entspannung und Besinnung einladen soll. == Lage und Infrastruktur == [[Datei:Zentralfriedhof Hauptportal.jpg|thumb|Hauptportal („2. Tor“)]] Der Zentralfriedhof liegt&nbsp;– im Widerspruch zu seinem Namen&nbsp;– am südöstlichen Stadtrand im [[Wiener Gemeindebezirke|Bezirk]] [[Simmering]], welcher zum Zeitpunkt des Baus noch gar nicht zum Stadtgebiet gehörte. Er erfüllt jedoch nach wie vor als größte Wiener Begräbnisstätte eine zentrale Funktion, nicht zuletzt, da die Kosten für [[Bestattung]]en auf dem Zentralfriedhof erheblich geringer sind als auf den anderen Wiener Friedhöfen. Die Simmeringer Hauptstraße, die wichtigste Verkehrsader Simmerings, führt direkt zum Zentralfriedhof und trägt somit maßgeblich zu dessen Erreichbarkeit bei. Je mehr man sich dem Friedhof nähert, umso dichter werden die Steinmetzbetriebe, Blumengeschäfte und andere Betriebe, die mit dem laufenden Friedhofsbetrieb in Verbindung stehen. Obwohl der Friedhof zwischen einer stark befahrenen Straße und einer Schnellbahn-Trasse gelegen ist, bleibt alleine durch die Weitläufigkeit des Areals der überwiegende Teil der Anlage von Verkehrslärm verschont. Einzig eine direkt über den Zentralfriedhof führende Flugschneise des südöstlich von Wien gelegenen [[Flughafen Wien-Schwechat|Vienna International Airports]] führt zu einer Beeinträchtigung der sprichwörtlichen Friedhofsruhe. === Verkehr im Friedhof === Der Zentralfriedhof weist aufgrund seiner Größe beträchtliche Wegstrecken auf. Seine Hauptwege können deshalb täglich gegen eine Gebühr auch mit dem Auto befahren werden.<ref name="einfahrtschein">[http://wien.gv.at Stadt Wien]: [http://www.wien.gv.at/kultur/friedhoefe/offen.html Öffnungszeiten der Wiener städtischen Friedhöfe], Abs. ''Fahrzeuge im Friedhofsareal'', 30. Juni 2009</ref> Höchstgeschwindigkeit sind 20 [[km/h]], ansonsten gilt die [[Straßenverkehrsordnung (Österreich)|StVO]]. Lediglich am 1. November ([[Allerheiligen]]) ist die Einfahrt nicht möglich, da an diesem Tag das Risiko eines Verkehrschaos zu hoch wäre. Personen mit entsprechendem [[Behindertenausweis]] sind generell gebührenbefreit und dürfen seit 2001 aus einem Anlassfall heraus auch zu Allerheiligen einfahren<ref name="anlassfall_behinderten_einfahrt">[http://www.volksanw.gv.at Volksanwaltschaft]: [http://www.volksanw.gv.at/presse/30-10-01.htm „Wiener Zentralfriedhof: Einfahrt für Gehbehinderte“ (PA 30. Oktober 2001)], 19. September 2006</ref>. Um entlegene Gräber aber auch für Menschen ohne Auto vergleichsweise schnell erreichbar zu machen, verfügt der Friedhof seit 1971 über einen eigenen Friedhofsbus. Dieser durchquert tagsüber halbstündlich in einem Rundkurs den Großteil des Friedhofsgeländes, ausgenommen zu Allerheiligen. Jährlich nutzen rund 60.000 Fahrgäste dieses Verkehrsangebot, dessen Betreiber das österreichische Privatbusunternehmen [[Dr. Richard]] ist. Seit 2. November 2004 subventioniert die Stadt Wien den Bus mit bis zu 34.000 Euro pro Jahr, er ist seitdem in den [[Verkehrsverbund Ost-Region]] (VOR) eingegliedert. Damit entfällt für Besucher mit bereits gültigem VOR-Fahrschein die sonst gegebene Benutzungsgebühr.<ref name="wien_businfo">[http://wien.gv.at Stadt Wien]: [http://wien.gv.at/vtx/vtx-rk-xlink?SEITE=020041025010&DATUM=20041025 Archivierte Rathauskorrespondenz zur Bus-Subventionierung], 19. September 2006</ref> Die Friedhofslinie hieß ursprünglich ''Linie 11'', wurde aber im Zuge der Eingliederung, um eine Namenskollision mit der VOR-Linie 11 zu vermeiden, in Linie 106 – Rundlinie Zentralfriedhof – umbenannt.<ref name="drrichard">[http://www.richard.at Dr. Richard]: [http://www.richard.at/richard/Linienverkehr/fahrplanarchiv/Wien/106/link1101218588/106_41102.pdf Fahrplan Linie 106, gültig seit 2. November 2004 (PDF)], 19. September 2006 </ref> === Der 71er === [[Datei:Wiener zentralfriedhof strassenbahn.jpg|thumb|Alte Straßenbahntafel vom ''71er'']] In einem Atemzug mit dem Zentralfriedhof wird auch die traditionelle [[Wiener Straßenbahn|Straßenbahnlinie 71]] (der ''71er'') genannt, die vom [[Schwarzenbergplatz]] direkt zum Friedhof fährt. Der 71er stellt so auch in zahlreichen Anekdoten oder Liedern den letzten Weg eines jeden Wieners dar. So kann man schon über einen Verstorbenen umgangssprachlich hören: ''"Er hat den 71er genommen"''. 1901 wurde die zum Zentralfriedhof führende ''Simmeringer Pferdebahn'' von der elektrischen Straßenbahn abgelöst, die seit 1907 die Liniennummer „71“ trägt. 1918 wurde erstmals damit begonnen, auf der 71er-Linie mit der Straßenbahn gesonderte, meist nächtliche Leichentransporte zum Zentralfriedhof durchzuführen, weil es an Pferden mangelte und die [[Spanische Grippe]] zahlreiche Todesopfer forderte. Dieses Vorgehen entsprach nicht den damaligen Anschauungen der Wiener Bevölkerung und wurde in der Zwischenkriegszeit darum auch eingestellt, musste jedoch im Zweiten Weltkrieg wegen erneuten Engpässen fortgesetzt werden. 1942 verfügte die [[Wiener Straßenbahn]] deswegen bereits über drei eigene Leichentransportwagen. Nach Ende des Krieges wurde allerdings endgültig von dieser Art des Totentransports Abstand genommen. Auch heute noch ist der 71er das meistgenutzte öffentliche Verkehrsmittel, das als direkter Zubringer zum Zentralfriedhof dient. Die in der Nähe eines hinteren Friedhofseinganges gelegene [[S-Bahn Wien|S-Bahn]]-Station ''Wien Zentralfriedhof'' der Linie S7 wird von den Friedhofsbesuchern vergleichsweise selten genutzt, eine weitere S-Bahn-Station ''Zentralfriedhof-Kledering'' wurde 2002 aufgelassen. Die [[U-Bahn Wien|U-Bahn-Linie U3]] endet knapp 2&nbsp;km vor dem Friedhof (eine Verlängerung ist derzeit nicht in Planung), diese „letzten Meter“ überbrückt somit der 71er gemeinsam mit der Straßenbahnlinie 6, die seit dem Jahr 2000 bis zum 3. Tor fährt. Zu Allerheiligen, wo es mit über 300.000 Besuchern einen regelrechten Ansturm auf den Zentralfriedhof gibt, werden die Intervalle der Linie 71 erheblich verdichtet. An diesem Tag verkehrte auch bis zur Eröffnung der [[Bahnhof Wien Simmering|U-Bahn-Station Simmering]] im Jahr 2000 als Verstärkung die sogenannte ''Allerheiligen-Linie'' 35. == Entwicklung der konfessionellen Abteilungen == Der Zentralfriedhof in seiner heutigen Form besteht einerseits aus dem interkonfessionellen „Hauptfriedhof“, der jedem Verstorbenen, ungeachtet der [[Glaube]]nsrichtung, als letzte Ruhestätte zur Verfügung steht, andererseits aus den verschiedenen konfessionellen Friedhöfen und Abteilungen. Der überwiegende Teil des Hauptfriedhofs besteht seit jeher aus [[katholisch]]en Gräbern. Darüber hinaus bestehen mittlerweile Abteilungen und Friedhöfe folgender weiterer Konfessionen: * [[buddhistisch]] * [[Evangelische Kirche|evangelisch]] * [[islam]]isch (alte, neue und islamisch-ägyptische Abteilung) * [[Jüdische Religion|jüdisch]] (alter und neuer Friedhof) * [[orthodox]] (russisch, griechisch, rumänisch, etc.) Auch nach den verschiedenen Erweiterungen macht der Hauptfriedhof sowohl nach Fläche als auch nach Anzahl der Grabstätten mit Abstand den größten Teil des gesamten Friedhofsareals aus. Während der evangelische und neue jüdische Friedhof räumlich klar abgegrenzt sind und über eigene Eingangsportale an der Außenmauer verfügen, bestehen die vergleichsweise kleinen orthodoxen und islamischen Abteilungen und der buddhistische Friedhof wie [[Enklave]]n an verschiedenen Stellen innerhalb des interkonfessionellen Teils des Friedhofsgeländes. Im allgemeinen Sprachgebrauch wird der „Zentralfriedhof“ sowohl mit dem gesamten Friedhofsareal, als auch dem interkonfessionellen Hauptfriedhof gleichgesetzt, weshalb im Gegensatz zu den konfessionellen Friedhöfen und Abteilungen für den Hauptfriedhof keine Bezeichnungen wie „katholischer Friedhof“ oder „katholische Abteilung“ üblich sind. === Alter und neuer jüdischer Friedhof === [[Datei:Zentralfriedhof Grabmal alter jüdischer Friedhof.jpg|thumb|Grabmal auf dem alten jüdischen Friedhof]] Als erste konfessionelle Abteilung wurde 1879 im Westen der Anlage bei ''Tor 1'' der „[[Jüdischer Friedhof|jüdische Friedhof]]“ eröffnet. Doch bereits 1916 war diese Abteilung ausgelastet, weshalb am östlichen Ende des Friedhofsareals der „neue jüdische Friedhof“ errichtet wurde. 1945 wurden durch fehlgeleitete Fliegerbomben in der alten Abteilung schwere Schäden angerichtet und rund 3000 Grabstätten zerstört. In den folgenden Jahrzehnten verwilderte die Abteilung zusehends, bis schließlich 1991 durch den im selben Jahr gegründeten, unabhängigen Verein „Schalom“ begonnen wurde, beschädigte Gräber zu restaurieren, Grabinschriften zu erneuern und generelle Instandhaltungsarbeiten durchzuführen.<ref name="zf_jüdisch">[http://www.ikg-wien.at/ IKG Wien]: [http://www.ikg-wien.at/static/unter/html/re/l_friedh.html#wien Zentralfriedhof 1. Tor], 19. September 2006</ref> <ref>[http://www.erinnern.at/bundeslaender/wien/unterrichtsmaterial/der-judische-friedhof-als-lernfeld Onlineauftritt erinnern.at] Der jüdische Friedhof als Lernfeld. Didaktische Überlegungen von [[Robert Streibel]]. August 2007 </ref>Der ''alte jüdische Friedhof'', wo u.&nbsp;a. [[Arthur Schnitzler]], [[Friedrich Torberg]], [[Gerhard Bronner]] und [[Viktor Frankl]] beerdigt sind, und die neue Abteilung, wo u.a. [[Otto Soyka]] beigesetzt ist, sind die mit Abstand größten konfessionellen Abteilungen auf dem Gelände des Zentralfriedhofs. === Orthodoxe Abteilungen === [[Datei:Zentralfriedhof Russisch-orthodoxe Kirche.jpg|thumb|Russisch-orthodoxe Kirche]] Am 9. Mai 1895 wurde die Friedhofskirche zum heiligen Lazarus in der neu angelegten russisch-orthodoxen Abteilung eingeweiht.<ref name="wz_1895">{{ANNO|wrz|10|05|1895|3|Russische Capelle}}</ref> Mittlerweile gibt es eigene Abteilungen folgender orthodoxer Glaubensgemeinschaften: * [[Bulgarisch-Orthodoxe Kirche]] * [[Griechisch-Orthodoxe Kirche]] * [[Koptische Kirche]] * [[Rumänisch-Orthodoxe Kirche]] * [[Russisch-Orthodoxe Kirche]] * [[Serbisch-Orthodoxe Kirche]] * [[Syrisch-Orthodoxe Kirche von Antiochien]] === Der evangelische Friedhof === ==== Vorgeschichte ==== ''Hauptartikel:'' [[Evangelischer Friedhof Matzleinsdorf]] Die evangelische Gemeinde Wien hatte durch die 1856 neu aufgekommene konfessionelle Gräbertrennung, die eine Folge des österreichischen Konkordats von 1855 war, bereits seit 1858, vor Errichtung des Zentralfriedhofs, einen eigenen evangelischen Friedhof im damaligen Wiener Stadtteil [[Matzleinsdorf (Wien)|Matzleinsdorf]] gegründet und betrieben (heutiger Bezirk [[Favoriten]]). Ab 1876 war der Friedhof deswegen von der behördlichen Schließung bedroht. Ein weiterer flächenmäßiger Ausbau an diesem Ort wurde letztlich von der Stadt Wien abgelehnt. Der einzige Ausweg war somit die Anlage eines neuen, eigenständigen Friedhofs an anderer Stelle. Ende des 19. Jahrhunderts war es soweit, die Wiener evangelischen Gemeinden [[Evangelische Kirche A.u.H.B. in Österreich|A.B. und H.B.]] erwarben – mehrere Kilometer entfernt – gemeinsam ein 11 [[Joch (Maß)|Joch]] großes Areal an der Ostseite des Zentralfriedhofes, das zum evangelischen Friedhof Simmering wurde. ==== Das Friedhofsgelände ==== Der evangelische Friedhof, der über das 4. Tor zu erreichen ist, wurde im Jahr 1904 eröffnet und eingeweiht. Er ist nach wie vor in evangelischem Besitz und wird nicht von der MA 43, sondern von einem eigenen Friedhofsausschuss der evangelischen Gemeinden A.B. und H.B. örtlich verwaltet. Die Ruhestätte hat eine Friedhofskirche, die ''Heilandskirche'', und eine eigene Aufbahrungshalle, beide sind bereits seit der Eröffnung vorhanden. Für die Gestaltung der Anlagen seinerzeit verantwortlich war ''Karl Friedrich Wolschner'' in Kooperation mit ''Rupert Diedtel'', die sich im Wettbewerb mit ihrem gemäßigten Konzept durchsetzen konnten. Das Gelände und dessen Kirche wirken durch den auf das Wesentliche reduzierten, [[Gotik|gotischen]] Charakter<ref name="wolschner">[http://www.azw.at Architekturzentrum Wien]: [http://www.azw.at/www.architektenlexikon.at/de/702.htm Eintrag zu ''Karl Friedrich Wolschner''], Abs. ''Stellenwert'', 18. September 2006</ref>, unaufdringlich und damit einem Friedhof angemessen. Die Friedhofshalle wurde bereits einmal in den Jahren 1977 bis 1978 umgebaut.<ref name="wien_evang">[http://wien.gv.at Gemeinde Wien]: [http://www.wien.gv.at/bezirke/simmering/geschichte-kultur/friedhofevangelisch.html Der evangelische Friedhof Simmering am Zentralfriedhof], 19. September 2006</ref> Das Grundstück selbst ist schmal und länglich und nimmt mit rund 6,3 [[Hektar]] eine bescheidene Fläche im 250 Hektar großen Gesamtareal ein. Von der Simmeringer Hauptstraße aus gesehen grenzt an seine rechte Längsseite der Hauptfriedhof, während sich an seiner linken Längsseite der 1917 entstandene neue jüdische Friedhof befindet. An der schmalen Hinterseite stößt der evangelische Friedhof an einen erweiterten Teil des Zentralfriedhofs. Flächenmäßig gibt es somit keine unmittelbaren Ausweichmöglichkeiten mehr. Der Friedhof ist allerdings ohnehin erst zu 40 % ausgelastet, insgesamt bietet er 8448 Grabstellen, 380 Urnengräber und 85 Urnennischen (Stand: Oktober 2006) <ref name="evang_auskunft2">lt. mündlicher Auskunft der evangelischen Friedhofsverwaltung, 5. Oktober 2006 (EDV-Abfrage)</ref>. Aufgrund der Schmalheit des Geländes gibt es nur einen einzelnen, mittigen Hauptweg, der beiderseitig von Gräbern und Urnennischen flankiert wird. Bis 1985 durfte dieser noch täglich mit dem Auto befahren werden, mittlerweile nur mehr mittwochs mit ärztlichem Attest<ref name="evang_befahrbarkeit">lt. mündlicher Auskunft der evangelischen Friedhofsverwaltung, 15. September 2006</ref> (im Gegensatz zum Hauptfriedhof). Vereinzelt bestehen für Fußgänger auch Durchgangsmöglichkeiten zu den umliegenden Abteilungen. === Islamische Abteilungen === Bereits seit Ende des 19. Jahrhunderts werden [[Muslim]]e auf dem Zentralfriedhof bestattet. Mitte der 1970er Jahre wurde die erste islamische Abteilung errichtet, später folgten eine zusätzliche und eine islamisch-ägyptische Abteilung. Die Gräber sind&nbsp;– unabhängig vom Verlauf der Gehwege&nbsp;– nach der vom [[Koran]] vorgeschriebenen Gebetsrichtung [[Qibla]], also gen [[Mekka]] ausgerichtet. Da diese Abteilungen bald an ihre Kapazitätsgrenzen stoßen werden, wurde der [[Islamische Glaubensgemeinschaft in Österreich|Islamischen Glaubensgemeinschaft]] seitens der Stadt Wien bereits 2001 ein eigener islamischer Friedhof im 23. Wiener Gemeindebezirk [[Liesing (Wien)|Liesing]] zugesichert. Nach mehreren Verzögerungen bei den Bauarbeiten wurde der [[Islamischer Friedhof Wien|Islamische Friedhof Wien]] am 3. Oktober 2008 eröffnet. === Buddhistischer Friedhof === [[Datei:Zentralfriedhof Wien Buddhistische Sektion.jpg|thumb|Eingangsbereich und Stupa des Buddhistischen Friedhofs]] Seit 2005 gibt es auch eine buddhistische Abteilung (Gruppe 48A). Nach erfolgreichen Gesprächen von Vertretern der ''Österreichischen Buddhistischen Religionsgesellschaft'' mit der zuständigen Magistratsabteilung 43 wurde im Herbst 2003 eine Bodeneinsegnung vorgenommen und mit der konkreten Planung und schließlich auch dem Bau begonnen. Am 23. Mai 2005, dem [[Vesakh]]tag 2549, wurde der ''Buddhistische Friedhof'' eingeweiht, in einer feierlichen Zeremonie wurde der [[Stupa]], ein im Zentrum der Anlage stehender Sakralbau, von [[Mönchtum|Mönchen]] mit [[Sutra|Sutrentexten]] aller in Österreich vertretenen buddhistischen Schulen befüllt.<ref name="zf_buddh">[http://www.buddhismus-austria.at/ Österreichische Buddhistische Religionsgesellschaft]: [http://www.buddhismus-austria.at/website/output.php?ba=1062 Buddhistischer Friedhof — Stupafüllung], 19. September 2006</ref> Die Eröffnung stieß auf großes mediales Interesse, da Friedhöfe dieser Art außerhalb der buddhistischen Kernländer kaum vorhanden sind. Die Gestaltung erfolgte nach Entwürfen des Architekten Christof Riccabona, der bereits den ''Park der Ruhe und Kraft'' für den Zentralfriedhof geplant hatte. Die Gräbergruppen sind in Form eines acht-speichigen Rades um den Stupa angelegt, die acht Rad-Segmente symbolisieren den [[Achtfacher Pfad|edlen achtfachen Pfad]] des Buddhismus. Zwölf am Umfassungsweg der Anlage gesetzte Steine stehen für die Ursachen [[Bedingtes Entstehen|bedingten Entstehens]] und somit der [[Reinkarnation|Wiedergeburt]]. Als Bestattungsarten sind sowohl Beerdigung als auch Einäscherung möglich. == Präsidentengruft und Staatsbegräbnis == Unmittelbar vor der Karl-Borromäus-Kirche befindet sich die Präsidentengruft, in der seit 1951 die [[Bundespräsident (Österreich)|Bundespräsidenten]] der [[Geschichte Österreichs#Die zweite Republik (seit 1945)|Zweiten Republik]] mit allen Ehren beigesetzt werden. Mit Stand Juni 2007 sind dies: [[Datei:Präsidentengruft.jpg|thumb|270px|Präsidentengruft]] {| border="0" cellpadding="6" cellspacing="1" |- ! style="background:#DDDDDD;" align="left" | Name ! style="background:#DDDDDD;" | Lebensdaten ! style="background:#DDDDDD;" | Amtszeit |- | style="background:#EEEEEE;" |[[Karl Renner]] | style="background:#EEEEEE;" align="center" |1870–1950 | style="background:#EEEEEE;" align="center" |1945–1950 |- | style="background:#EEEEEE;" |[[Theodor Körner (Bundespräsident)|Theodor Körner]] | style="background:#EEEEEE;" align="center" |1873–1957 | style="background:#EEEEEE;" align="center" |1951–1957 |- | style="background:#EEEEEE;" |[[Adolf Schärf]] | style="background:#EEEEEE;" align="center" |1890–1965 | style="background:#EEEEEE;" align="center" |1957–1965 |- | style="background:#EEEEEE;" |[[Franz Jonas]] | style="background:#EEEEEE;" align="center" |1899–1974 | style="background:#EEEEEE;" align="center" |1965–1974 |- | style="background:#EEEEEE;" |[[Rudolf Kirchschläger]] | style="background:#EEEEEE;" align="center" |1915–2000 | style="background:#EEEEEE;" align="center" |1974–1986 |- | style="background:#EEEEEE;" |[[Thomas Klestil]] | style="background:#EEEEEE;" align="center" |1932–2004 | style="background:#EEEEEE;" align="center" |1992–2004 |- | style="background:#EEEEEE;" |[[Kurt Waldheim]] | style="background:#EEEEEE;" align="center" |1918–2007 | style="background:#EEEEEE;" align="center" |1986–1992 |} Die sehr flache Bauweise der 1951 errichteten Gruftanlage und das dadurch nicht sehr prunkvolle Erscheinungsbild sind eine Folge der Vorgabe an den Architekten, die Sicht auf die Karl-Borromäus-Kirche nicht zu beeinträchtigen. Da die Gruft ursprünglich nur für den 1950 verstorbenen Karl Renner vorgesehen war, ist auf dem Steinsarkophag im Zentrum des Rondeaus nur dessen Name zu finden. Die Namen aller beigesetzten Präsidenten sind auf einer Gedenktafel und seitlich der Anlage, an der Position ihrer Särge verewigt. Für die Ehepartner der Bundespräsidenten ist es möglich, ebenfalls in der Gruft beigesetzt zu werden, dies bedarf jedoch der Zustimmung der Präsidentschaftskanzlei. So haben die Präsidentengattinnen Hilda Schärf († 1956), Aloisia Renner († 1963), Margarethe Jonas († 1976) und Herma Kirchschläger († 2009) ihre letzte Ruhe an der Seite ihrer Ehemänner gefunden. Staatsbegräbnisse und so genannte ''staatliche Begräbnisse'' werden von der Republik Österreich organisiert und bezahlt und sind für Bundespräsidenten, [[Bundeskanzler (Österreich)|Bundeskanzler]] und [[Nationalratspräsident (Österreich)|Nationalratspräsidenten]] vorgesehen. Falls die betreffende Person in Ausübung ihres Amtes verstirbt, wird ihr ein Staatsbegräbnis zuteil; einem ehemaligen Funktionsträger eines dieser Ämter hingegen ein staatliches Begräbnis. Bisher wurden mit einem Staatsbegräbnis die im Amt verstorbenen Bundespräsidenten Karl Renner, Theodor Körner, Adolf Schärf, Franz Jonas und Thomas Klestil geehrt. Rudolf Kirchschläger und Kurt Waldheim bekamen ein staatliches Begräbnis und lehnten zudem testamentarisch die ansonsten übliche öffentliche Aufbahrung in der [[Hofburg]] ab. Ebenfalls ein staatliches Begräbnis erhielten die ehemaligen Bundeskanzler [[Leopold Figl]], [[Julius Raab]], [[Alfons Gorbach]], [[Bruno Kreisky]] und [[Fred Sinowatz]]. [[Josef Klaus]] hingegen wurde seinem letzten Willen entsprechend im engsten Familienkreis beerdigt. Mit Ausnahme von Alfons Gorbach, Josef Klaus und Fred Sinowatz sind alle österreichischen Bundespräsidenten und Bundeskanzler der Zweiten Republik auf dem Wiener Zentralfriedhof beerdigt, die Präsidenten in der Präsidentengruft und die Kanzler in Ehrengräbern. == Gedenkstätten und Kriegsgräber == [[Datei:Gedenkstätte Erster Weltkrieg Rückansicht.jpg|miniatur|Kriegerdenkmal für die Opfer des Ersten Weltkrieges]] [[Datei:Gedenkstätte Opfer Juli 1927.jpg|miniatur|Gedenkstätte für die Opfer des 15. und 16. Juli 1927]] <!-- [[Datei:IMG_2080.jpg|miniatur|Deutsche Soldatengräber des 2. Weltkrieges auf dem Wiener Zentralfriedhof]] vorläufig entfernt (Layout-Überlappung, Lage auf dem Friedhof unklar) --> Auf dem Friedhofsgelände befinden sich zahlreiche Gedenkstätten und Kriegsgräber bzw. Soldatenfriedhöfe. Die größten derartigen Gräberanlagen sind: * ''Friedhof für die Kriegsopfer des [[Erster Weltkrieg|Ersten Weltkrieges]]'', an dessen Vorderseite sich das 1925 von [[Anton Hanak]] gestaltete, monumentale [[Kriegerdenkmal]] ''Schmerzensmutter'' befindet * ''Friedhof für die Kriegsopfer des Zweiten Weltkrieges'' * ''Mahnmal für die Opfer des Faschismus 1934–1945''<ref>{{AZ|Für die Opfer von 1934 bis 1945. Enthüllung des Opferdenkmals im Zentralfriedhof – Ein Grabdenkmal für Weissel|1948|10|27|3}}</ref> (Gruppe 41; Enthüllung am 1. November 1948) * ''Russische Heldenfriedhof'' mit den sowjetischen Kriegsgräber des Zweiten Weltkrieges, in denen 2624 gefallene Soldaten der Roten Armee (darunter zwölf [[Held der Sowjetunion|Helden der Sowjetunion]]) beerdigt sind.<ref>[http://www.wien.gv.at/ma53/45jahre/1946/0846.htm 10. August 1946: Feierliche Eröffnung des Russischen Heldenfriedhofes]</ref><ref Name="RIA"> Russische Informations- und Nachrichtenagentur: [http://de.rian.ru/society/20080508/106924489.html NOVOSTI, 12. Mai 2008]</ref> Darüber hinaus gibt es gemeinsame Gräberanlagen von Opfern, die bei verschiedenen Ereignissen ums Leben kamen, woran entsprechende Mahnmale oder Gedenksteine erinnern. Dies sind unter anderem: * Opfer der [[Märzrevolution]] von 1848 * Opfer des [[Ringtheaterbrand]]es vom 8. Dezember 1881 * Opfer der Luftschiffkatastrophe vom 20. Juni 1914 * Opfer des 15. und 16. Juli 1927 (erschossene Demonstranten beim [[Justizpalastbrand]]) * Opfer der Exekutive vom Juli 1927 (getötete Polizisten beim Justizpalastbrand) * Opfer des Lawinenunglücks am [[Hoher Sonnblick|Hohen Sonnblick]] vom 21. März 1928 * Opfer des 12. Februar 1934 (zivile Opfer des [[Österreichischer Bürgerkrieg|Bürgerkrieges]]) * Opfer der Exekutive der Februarkämpfe 1934 * Opfer der [[Nationalsozialist]]en und der NS-Justiz (Volks- wie Militärgerichtsbarkeit) ([[Widerstandskämpfer]] und [[Opfer der NS-Militärjustiz|Deserteure der Wehrmacht]] die während des NS-Regimes an dieser Stelle in Massengräbern beerdigt wurden)<ref>[http://www.wien.gv.at/ma53/45jahre/1946/1246.htm Denkmal für die Opfer des Naziterrors auf dem Zentralfriedhof]</ref> <ref>[http://www.wien.gv.at/vtx/vtx-rk-xlink?SEITE=%2F2005%2F0421%2F020.html Häupl enthüllt Denkmal zu Ehren der Opfer der NS-Justiz]</ref> * Opfer der tschechischen Widerstandsbewegung gegen die Nationalsozialisten (ebenfalls Gruppe 40) * Opfer des [[Bombenkrieg]]es von 1944 bis 1945 (ebenfalls Gruppe 40) * Opfer der Kindereuthanasie am [[Spiegelgrund]] von 1940 bis 1945 == Architektur == [[Datei:Karl-Borromäus-Kirche.jpg|miniatur|Karl-Borromäus-Kirche nach Max Hegele]] [[Datei:Altarzentralfriedhof.JPG|miniatur|Altar der Karl-Borromäus-Kirche]] [[Datei:Decke-Karl-Borromäus-Kirche-Wiener-Zentralfriedhof.jpg|miniatur|Innenansicht der Kirchenkuppel]] [[Datei:Zentralfriedhof Aufbahrungshalle.jpg|miniatur|Aufbahrungshalle nach Max Hegele]] Der Zentralfriedhof ist auf zuvor unbebautem Gebiet entstanden, weshalb seine Architekten große Freiräume bei der Gestaltung hatten. Er zeichnet sich bereits im Grundriss durch sehr klare, von Menschenhand sorgfältig geplante Strukturen aus, insbesondere in der Anordnung der Gräber und Friedhofsstrecken. Die parallel und normal zum Haupttor angelegten Wege ergeben hier ein funktionales rechtwinkliges Raster. Zusätzlich führen vom Haupttor zwei ca. in 45° diagonal angelegte Hauptwege in das Gelände hinein, zu denen weitere Parallelen existieren. Das erste Augenmerk bei der Ankunft gilt dem unübersehbaren Haupttorbereich. Er wurde 1905 nach Entwürfen von [[Max Hegele]], einem Schüler von [[Victor Luntz]] und [[Karl von Hasenauer]], erbaut und umfasst die Portalanlage selbst sowie die beiden Aufbahrungshallen 1 und 2 links und rechts davon. Aus praktischen Gründen stellten sie die frühesten Baumaßnahmen des Hegele-Konzepts dar. Das schöpferische und geographische Zentrum des Geländes ist jedoch unzweifelhaft die von Hegele entworfene Friedhofskirche zum heiligen [[Karl Borromäus]], auf die man direkt vom Haupttor aus zusteuert. Von 1908 bis 1910 errichtet, zählt sie heute zu den bedeutendsten Jugendstil-Kirchenbauten. Glasfenster und Wandmosaike stammen von [[Leopold Forstner]], der nach seinen Entwürfen in den Kuppel<nowiki />[[Kuppel#Bauformen|pendentifs]] die vier [[Evangelist (Neues Testament)|Evangelisten]] darstellte und die Eingangsbereiche zu den Seitenkapellen gestaltete. Unter dem Hauptaltar befindet sich die Gruft des 1910 verstorbenen Wiener Bürgermeisters [[Karl Lueger]], welcher 1908 den Grundstein für die Kirche gelegt hatte, weshalb die Kirche auch unter dem Namen Dr.-Karl-Lueger-Gedächtniskirche bekannt ist. Von 1995 bis 2000 wurde die Kirche einer Generalsanierung unterzogen, da der „Zahn der Zeit“ außen wie innen zum Teil erhebliche Schäden hinterließ; unter anderem wurde die Innenkuppel, die nach dem Zweiten Weltkrieg im Zuge der Rekonstruktion des von einer Fliegerbombe zerstörten Daches nur notdürftig restauriert worden war, originalgetreu wiederhergestellt. Teil des Hegele-Konzepts waren auch die zu beiden Seiten der Kirche gelegenen Gruftanlagen – die ''Arkaden und Kolumbarien'', die noch vor Baubeginn der Kirche in den Jahren 1905 bis 1907 errichtet wurden. Sie beinhalten 70 Arkadengrüfte, zwei Mausoleen und 768 [[Kolumbarium|Kolumbarnischen]], in denen nicht – wie mancher vermuten würde – Aschenurnen, sondern Särge untergebracht sind. Baulich bemerkenswert sind im Zusammenhang mit dem Areal rund um die Borromäus-Kirche auch die diese umgebenden Gräbergruppen- und Wegeanordnungen. Im Grundriss lässt sich um das Gebetshaus herum nämlich eine üppige Kreuzform erkennen. Diese optische Hervorhebung im flächendeckend dominierenden Kachelmuster wurde einerseits durch halbkreisförmige Wege als Hauptkonturen erreicht, andererseits auch durch eine wesentlich engere Rasterung der Gräbergruppen innerhalb dieser Konturen. Das gedachte Kreuz ist längssymmetrisch, sein Fuß geht elegant in den Haupttorbereich über. Durch das lange Bestehen des Friedhofs kamen mit der Zeit noch einige weitere architektonisch interessante Einrichtungen unterschiedlicher Art hinzu. [[Datei:Zentralfriedhof Krematorium.jpg|miniatur|left|Feuerhalle Simmering nach Clemens Holzmeister]] Die [[Feuerhalle Simmering]] wurde von 1921 bis 1922 nach Plänen des Architekten [[Clemens Holzmeister]] als erstes [[Krematorien in Österreich|österreichisches Krematorium]] in einem [[expressionistisch]]en Stil mit orientalischen Einflüssen errichtet. Holzmeister errang bei dem Gestaltungswettbewerb zwar nur den dritten Platz (es siegte ein Entwurf von [[Josef Hoffmann (Architekt)|Josef Hoffmann]]), wurde aber dennoch mit dem Bau beauftragt, da sein Konzept das auf demselben Areal bestehende [[Schloss Neugebäude]] besser mit einbezog. Für Holzmeister bedeutete dieser Auftrag seinen Durchbruch als Architekt, und nach Fertigstellung des Krematoriums wurde er zur Leitung einer Architekturklasse an die [[Akademie der bildenden Künste Wien|Wiener Akademie der bildenden Künste]] berufen. Fast ein halbes Jahrhundert später, von 1965 bis 1969, war es erneut Holzmeister, der einige Erweiterungen und Umbauten vornahm, unter anderem kamen neue Zeremonienhallen dazu und die 1927 von [[Anton Kolig]] gestalteten Fresken wurden in den Kuppelraum verlegt. In den 1920er Jahren wurde auch noch eine weitere, dritte Aufbahrungshalle am Friedhofsgelände errichtet, allerdings weder von Hegele noch von Holzmeister. Es war [[Karl Ehn]], ein weiterer Schüler Otto Wagners, der diese entwarf und für ihre Fertigstellung 1924 sorgte. Sie liegt weit im Inneren des Friedhofsgeländes, genau am Ende der links vom Haupttor wegführenden Diagonalachse, ist dadurch anders als die Hallen beim Haupttor nur eine Gruppe weit vom Ehrenhain entfernt. == Der Friedhof als Naturraum == [[Datei:Zentralfriedhof(Wien) jüdischer Teil.JPG|thumb|Dicht bewachsene Gräber auf dem ''alten jüdischen Friedhof'']] Der Zentralfriedhof zählt zum östlichen [[Wiener Grüngürtel|Grüngürtel von Wien]]. Aufgrund seiner Größe und des zum Teil dichten Baumbestandes beherbergt er eine vielfältige Fauna. Am häufigsten zu beobachten sind die vielen [[Europäisches Eichhörnchen|Eichhörnchen]], die von den Wienern „Hansi“ genannt werden und vergleichsweise zutraulich sind, da sie von Friedhofsbesuchern oft mit Nüssen gefüttert werden. Weniger bekannt sind die größten „tierischen Bewohner“ des Friedhofs, rund 20 [[Reh]]e, die vorzugsweise auf dem Areal des ''alten jüdischen Friedhofs'' anzutreffen sind, nicht zuletzt wegen der dort um die alten Grabsteine wachsenden immergrünen Pflanzen, die vor allem in den kälteren Jahreszeiten eine verlässliche Futterquelle sind. Darüber hinaus bietet der Zentralfriedhof Lebensraum für [[Turmfalke]]n, [[Feldhamster]], [[Dachs]]e, [[Echte Marder|Marder]], [[Froschlurche|Frösche]] und andere Kleintiere. Bis Mitte der 1980er Jahre war das Friedhofsgelände sogar offizielles Jagdgebiet und der Wildbestand wurde durch einen von der Forstverwaltung eingesetzten Jäger kontrolliert. Heutzutage wird versucht, das [[Ökologisches Gleichgewicht|ökologische Gleichgewicht]] auch ohne Einsatz von Gewehren zu bewahren, u.&nbsp;a. durch die Umweltschutzabteilung der Stadt Wien, die mit ihrem Arten- und Lebensraumschutzprogramm ''Netzwerk Natur'' dafür sorgt, dass abgesehen von den gepflegten Alleen und Gräberreihen auch verwilderte, naturnahe Bereiche erhalten bleiben. == Kulturelles und Mediales == Musikalisch verewigt wurde der Friedhof durch den [[Austropop]]-Musiker [[Wolfgang Ambros]], der sich 1974 von einem Plakat anlässlich des 100-Jahre-Jubiläums des Zentralfriedhofs zu einem seiner größten Erfolge, dem Lied ''„Es lebe der Zentralfriedhof“'', inspirieren ließ. Auch zahlreiche Filme und Fernsehproduktionen nahmen Bezug auf den Zentralfriedhof und bedienten sich seines morbiden Charmes als Schauplatz. Besonders erwähnenswert ist der Film ''[[Der dritte Mann]]'' von 1948 mit [[Orson Welles]], in dem einige Szenen auf dem Friedhof spielen. In dem 1981 entstandenen Musikvideo zum Song ''Vienna'' von [[Ultravox]], das sich stilistisch stark am „dritten Mann“ orientiert, ist der Zentralfriedhof ebenfalls in einigen Einstellungen zu sehen, auf dem Cover der Single ist das Grab von Carl [[Schweighofer]] abgebildet. Die 2005 vom [[ORF]] ausgestrahlte [[Universum (Fernsehserie)|Universum]]-Dokumentation „Es lebe der Zentralfriedhof“ widmet sich vor allem der zoologischen Artenvielfalt innerhalb der Friedhofsmauern. Aber auch österreichische TV-Krimis wie z.&nbsp;B. ''[[Kottan ermittelt]]'' und ''[[Kommissar Rex]]'' führen den Zuseher auf den Zentralfriedhof, und selbst im Kinderfilm ''[[Die Knickerbocker-Bande: Das sprechende Grab]]'' dient er in einer Szene als schaurige Kulisse. == Ehrengräber und ehrenhalber gewidmete Gräber == [[Datei:Ehrengräber Schild 2.jpg|thumb|Ehrengräber auf dem Wiener Zentralfriedhof]] [[Datei:Zentralfriedhof Plan Ehrengräber.jpg|thumb|Plan des Zentralfriedhofs mit eingezeichneten Ehrengräbergruppen]] [[Datei:Zentralfriedhof Ludwig van Beethoven.JPG|thumb|Ludwig van Beethoven]] [[Datei:Zentralfriedhof Johannes Brahms.jpg|thumb|Johannes Brahms]] [[Datei:Zentralfriedhof Carl Ritter von Ghega.jpg|thumb|Carl Ritter von Ghega]] [[Datei:Zentralfriedhof Mozart-Denkmal.JPG|thumb|W. A. Mozart Grabdenkmal]] [[Datei:Zentralfriedhof Ehrengrab Adolf Loos.jpg|thumb|Adolf Loos]] [[Datei:Grab Zentralfriedhof 01.jpg|thumb|Siegfried Marcus]] :''Hauptartikel: [[Liste gewidmeter Gräber auf dem Wiener Zentralfriedhof]]'' Als 1885 mit der Errichtung der ersten [[Gewidmete Gräber der Stadt Wien|Ehrengräbergruppe]] begonnen wurde, sollte mit dieser Konzentration an Grabstätten prominenter Verstorbener die Attraktivität des Friedhofs gesteigert werden. Seit 1954 gibt es neben den Ehrengräbern in den Ehrengräbergruppen auch noch die Kategorie ''ehrenhalber gewidmete Gräber'', die sich entweder in Gruppe 40 (Ehrenhain) oder vereinzelt in anderen Gruppen auf dem Friedhofsgelände befinden. Derzeit gibt es auf dem Zentralfriedhof mehr als 350 Ehrengräber und über 600 ehrenhalber gewidmete Gräber. Eines der von Touristen am häufigsten besuchten Grabmäler, jenes von [[Wolfgang Amadeus Mozart]], ist allerdings lediglich ein Denkmal, da sich die sterblichen Überreste Mozarts auf dem [[Sankt Marxer Friedhof]] befinden (wo jedoch die genaue Lage von Mozarts Grab nicht bestimmbar ist, da er aufgrund der josephinischen Reformen in einem Schachtgrab beerdigt wurde). Der Ehrenhain in Gruppe 40 beherbergt ehrenhalber gewidmete Gräber von größtenteils nach den 1960er Jahren verstorbenen Persönlichkeiten. Das mit Abstand meist besuchte Grab in dieser Gruppe ist jenes des 1998 verstorbenen Popstars Falco, das sich zu einer regelrechten [[Pilgerstätte]] für Falco-Fans entwickelt hat. === Ehrengräber (Auswahl) === <!-- Hinweis: weitere Ehrengräber bitte in die "Liste gewidmeter Gräber der Stadt Wien" eintragen und diese kurze Übersicht nur in Ausnahmefällen ergänzen --> {| class="prettytable" ! bgcolor="#CCCCFF" |Name ! bgcolor="#CCCCFF" |Lebensdaten ! bgcolor="#CCCCFF" |Tätigkeit |- | valign="top" |[[Ludwig Anzengruber]] | align="center" valign="top" |1839–1889 | valign="top" |Schriftsteller |- | valign="top" |[[Ludwig van Beethoven]] | align="center" valign="top" |1770–1827 | valign="top" |Komponist |- | valign="top" |[[Maxi Böhm|Max (Maxi) Böhm]] | align="center" valign="top" |1916–1982 | valign="top" |Schauspieler |- | valign="top" |[[Ludwig Boltzmann]] | align="center" valign="top" |1844–1906 | valign="top" |Mathematiker und Physiker |- | valign="top" |[[Johannes Brahms]] | align="center" valign="top" |1833–1897 | valign="top" |Komponist |- | valign="top" |[[Gerhard Bronner]] | align="center" valign="top" |1922–2007 | valign="top" |Kabarettist und Musiker |- | valign="top" |[[Karl Farkas]] | align="center" valign="top" |1893–1971 | valign="top" |Schauspieler und Kabarettist |- | valign="top" |[[Peter Fendi]] | align="center" valign="top" |1796–1842 | valign="top" |Maler und Lithograph |- | valign="top" |[[Leopold Figl]] | align="center" valign="top" |1902–1965 | valign="top" |Politiker |- | valign="top" |[[Carl von Ghega]] | align="center" valign="top" |1802–1860 | valign="top" |Ingenieur, Erbauer der [[Semmeringbahn]] |- | valign="top" |[[Christoph Willibald Gluck]] | align="center" valign="top" |1714–1787 | valign="top" |Komponist |- | valign="top" |[[Theophil von Hansen]] | align="center" valign="top" |1813–1891 | valign="top" |Architekt (Bauten an der [[Wiener Ringstraße]]) |- | valign="top" |[[Karl von Hasenauer]] | align="center" valign="top" |1833–1894 | valign="top" |Architekt |- | valign="top" |[[Josef Hoffmann (Architekt)|Josef Hoffmann]] | align="center" valign="top" |1870–1956 | valign="top" |Architekt und Designer |- | valign="top" |[[Paul Hörbiger]] | align="center" valign="top" |1894–1981 | valign="top" |Schauspieler |- | valign="top" |[[Ernst Jandl]] | align="center" valign="top" |1925–2000 | valign="top" |Schriftsteller |- | valign="top" |[[Curd Jürgens]] | align="center" valign="top" |1915–1982 | valign="top" |Schauspieler |- | valign="top" |[[Bruno Kreisky]] | align="center" valign="top" |1911–1990 | valign="top" |Politiker |- | valign="top" |[[György Ligeti]] | align="center" valign="top" |1923–2006 | valign="top" |Komponist |- | valign="top" |[[Theo Lingen]] | align="center" valign="top" |1903–1978 | valign="top" |Schauspieler |- | valign="top" |[[Adolf Loos]] | align="center" valign="top" |1870–1933 | valign="top" |Architekt |- | valign="top" |[[Siegfried Marcus]] | align="center" valign="top" |1831–1898 | valign="top" |Automobilpionier |- | valign="top" |[[Hans Moser]] | align="center" valign="top" |1880–1964 | valign="top" |Schauspieler |- | valign="top" |[[Alois Negrelli von Moldelbe]] | align="center" valign="top" |1799–1858 | valign="top" |Ingenieur, plante den [[Suezkanal]] |- | valign="top" |[[Johann Nestroy]] | align="center" valign="top" |1801–1862 | valign="top" |Schauspieler und Dramatiker |- | valign="top" |[[Peter von Nobile]] | align="center" valign="top" |1774–1854 | valign="top" |Architekt |- | valign="top" |[[Eduard van der Nüll]] | align="center" valign="top" |1812–1868 | valign="top" |Architekt ([[Wiener Staatsoper]]) |- | valign="top" |[[Ida Pfeiffer]] | align="center" valign="top" |1797–1858 | valign="top" |Entdeckerin und Reiseschriftstellerin |- | valign="top" |[[Marcel Prawy]] | align="center" valign="top" |1911–2003 | valign="top" |Dramaturg und Opernkritiker |- | valign="top" |[[Helmut Qualtinger]] | align="center" valign="top" |1928–1986 | valign="top" |Schauspieler, Kabarettist und Autor |- | valign="top" |[[Julius Raab]] | align="center" valign="top" |1891–1964 | valign="top" |Politiker |- | valign="top" |[[Erwin Ringel]] | align="center" valign="top" |1921–1994 | valign="top" |Arzt und Psychologe, Pionier der [[Suizid]]forschung |- | valign="top" |[[Antonio Salieri]] | align="center" valign="top" |1750–1825 | valign="top" |Komponist |- | valign="top" |[[Emil Jakob Schindler]] | align="center" valign="top" |1842–1892 | valign="top" |Maler |- | valign="top" |[[Friedrich von Schmidt]] | align="center" valign="top" |1825–1891 | valign="top" |Architekt ([[Wiener Rathaus]]) |- | valign="top" |[[Arnold Schönberg]] | align="center" valign="top" |1874–1951 | valign="top" |Komponist, Begründer der [[Zwölftonmusik]] |- | valign="top" |[[Franz Schubert]] | align="center" valign="top" |1797–1828 | valign="top" |Komponist |- | valign="top" |[[Albin Skoda]] | align="center" valign="top" |1909–1961 | valign="top" |Schauspieler |- | valign="top" |[[Robert Stolz]] | align="center" valign="top" |1880–1975 | valign="top" |Komponist |- | valign="top" |[[Johann Strauß (Vater)]] | align="center" valign="top" |1804–1849 | valign="top" |Komponist |- | valign="top" |[[Johann Strauß (Sohn)]] | align="center" valign="top" |1825–1899 | valign="top" |Komponist |- | valign="top" |[[Franz von Suppé]] | align="center" valign="top" |1819–1895 | valign="top" |Komponist |- | valign="top" |[[Karl Waldbrunner]] | align="center" valign="top" |1906–1980 | valign="top" |Politiker |- | valign="top" |[[Hans Weigel]] | align="center" valign="top" |1908–1991 | valign="top" |Schriftsteller |- | valign="top" |[[Max Weiler]] | align="center" valign="top" |1910–2001 | valign="top" |Maler |- | valign="top" |[[Franz Werfel]] | align="center" valign="top" |1890–1945 | valign="top" |Schriftsteller |- | valign="top" |[[Hugo Wiener]] | align="center" valign="top" |1904–1993 | valign="top" |Komponist und Autor |- | valign="top" |[[Anton Wildgans]] | align="center" valign="top" |1881–1932 | valign="top" |Dichter |- | valign="top" |[[Hugo Wolf]] | align="center" valign="top" |1860–1903 | valign="top" |Komponist |- | valign="top" |[[Fritz Wotruba]] | align="center" valign="top" |1907–1975 | valign="top" |Bildhauer |- | valign="top" |[[Joe Zawinul]] | align="center" valign="top" |1932–2007 | valign="top" |Jazz-Pianist, Keyboarder, Komponist und Bandleader |- | valign="top" |[[Helmut Zilk]] | align="center" valign="top" |1927–2008 | valign="top" |Politiker |} === Ehrenhalber gewidmete Gräber (Auswahl) === [[Datei:Falco Grab.jpg|thumb|Falco]] [[Datei:Zentralfriedhof Fatty George.jpg|thumb|Fatty George]] [[Datei:Ehrengrab Matthias Sindelar.jpg|thumb|Matthias Sindelar]] [[Datei:Torberg-Grab1.jpg|thumb|Friedrich Torberg]] <!-- Hinweis: weitere ehrenhalber gewidmete Gräber bitte in die "Liste gewidmeter Gräber der Stadt Wien" eintragen und diese kurze Übersicht nur in Ausnahmefällen ergänzen --> {| class="prettytable" ! bgcolor="#CCCCFF" |Name ! bgcolor="#CCCCFF" |Lebensdaten ! bgcolor="#CCCCFF" |Tätigkeit |- | valign="top" |[[Victor Adler]] | align="center" valign="top" |1852–1918 | valign="top" |Politiker |- | valign="top" |[[Jean Améry]] | align="center" valign="top" |1912–1978 | valign="top" |Schriftsteller |- | valign="top" |[[Franz Antel]] | align="center" valign="top" |1913–2007 | valign="top" |Filmregisseur, Produzent und Autor |- | valign="top" |[[Ludwig Bösendorfer]] | align="center" valign="top" |1835–1919 | valign="top" |[[Klavierbauer]] |- | valign="top" |[[Elfi von Dassanowsky]] | align="center" valign="top" |1924–2007 | valign="top" |Sängerin, Pianistin und Produzentin |- | valign="top" |[[Ferry Dusika|Franz (Ferry) Dusika]] | align="center" valign="top" |1908–1984 | valign="top" |Radrennfahrer |- | valign="top" |[[Falco|Falco (Johann Hölzel)]] | align="center" valign="top" |1957–1998 | valign="top" |Popmusiker |- | valign="top" |[[Fatty George]] | align="center" valign="top" |1927–1982 | valign="top" |Jazzmusiker |- | valign="top" |[[Alexander Girardi]] | align="center" valign="top" |1850–1918 | valign="top" |Schauspieler |- | valign="top" |[[Ludwig Gottsleben]] | align="center" valign="top" |1836–1911 | valign="top" |Schriftsteller und Schauspieler |- | valign="top" |[[Hans-Peter Heinzl]] | align="center" valign="top" |1942–1996 | valign="top" |Schauspieler und Kabarettist |- | valign="top" |[[Joachim Kemmer]] | align="center" valign"top" |1939–2000 | valign"top" |Schauspieler, Kabarettist und Synchronsprecher |- | valign="top" |[[Ludwig von Köchel]] | align="center" valign="top" |1800–1877 | valign="top" |Musikschriftsteller, Autor des [[Köchelverzeichnis]]ses |- | valign="top" |[[Karl Kraus]] | align="center" valign="top" |1874–1936 | valign="top" |Schriftsteller |- | valign="top" |[[Josef Kriehuber]] | align="center" valign="top" |1800–1876 | valign="top" |Maler und Lithograph |- | valign="top" |[[Carl Kundmann]] | align="center" valign="top" |1838–1919 | valign="top" |Bildhauer |- | valign="top" |[[Hermann Leopoldi]] | align="center" valign="top" |1888–1959 | valign="top" |Komponist und Kabarettist |- | valign="top" |[[Paul Löwinger]] | align="center" valign="top" |1904–1988 | valign="top" |Volksschauspieler („Löwinger Bühne“) |- | valign="top" |[[Karl Lueger]] | align="center" valign="top" |1844–1910 | valign="top" |Politiker |- | valign="top" |[[Carl Merz]] | align="center" valign="top" |1906–1979 | valign="top" |Kabarettist und Schriftsteller |- | valign="top" |[[Friedrich Ohmann]] | align="center" valign="top" |1858–1927 | valign="top" |Architekt |- | valign="top" |[[Hans Pemmer]] | align="center" valign="top" |1886–1972 | valign="top" |Lehrer und Heimatforscher, gründete das erste Wiener [[Bezirksmuseum]] |- | valign="top" |[[Annie Rosar]] | align="center" valign="top" |1888–1963 | valign="top" |Schauspielerin |- | valign="top" |[[Karl Seitz]] | align="center" valign="top" |1869–1950 | valign="top" |Politiker |- | valign="top" |[[Matthias Sindelar]] | align="center" valign="top" |1903–1939 | valign="top" |Fußballspieler, Kapitän des österreichischen „[[Wunderteam]]s“ |- | valign="top" |[[Erich Sokol]] | align="center" valign="top" |1933–2003 | valign="top" |Illustrator und Karikaturist |- | valign="top" |[[Franz Stoß]] | align="center" valign="top" |1909–1995 | valign="top" |Schauspieler und Theaterleiter |- | valign="top" |[[Friedrich Torberg]] | align="center" valign="top" |1908–1979 | valign="top" |Schriftsteller |- | valign="top" |[[Ernst Waldbrunn]] | align="center" valign="top" |1907–1977 | valign="top" |Schauspieler und Kabarettist |- | valign="top" |[[Peter Wehle]] | align="center" valign="top" |1914–1986 | valign="top" |Komponist, Autor und Kabarettist |- | valign="top" |[[Carl Zeller]] | align="center" valign="top" |1842–1898 | valign="top" |Komponist |- | valign="top" |[[Helmut Zenker]] | align="center" valign="top" |1949–2003 | valign="top" |Schriftsteller und Drehbuchautor |} == Einzelnachweise == <references /> == Siehe auch == * [[Liste von Friedhöfen in Wien]] * [[Liste berühmter Begräbnisstätten]] == Literatur == * Werner T. Bauer: ''Wiener Friedhofsführer. Genaue Beschreibung sämtlicher Begräbnisstätten nebst einer Geschichte des Wiener Bestattungswesens''. Falter Verlag, Wien 2004, ISBN 3-85439-335-0 * Robert S. Budig, Gertrude Enderle-Burcel, Peter Enderle: ''Wiener Zentralfriedhof. Ehrengräber auf dem Städtischen Friedhof''. Compress Verl., Wien 1995, Norbert Jakob Schmidt Verlagsges. mbH, Wien 2006. ISBN 3-900607-26-5 * Christopher Dietz: ''Die berühmten Gräber Wiens. Falco, Klimt, Kraus, Moser, Mozart, Qualtinger, Schiele, Schubert, Strauß u.v.a.'' Fotos von Wolfgang Ilgner, Sigrid Riedl-Hoffmann und Frank Thinius. Perlen-Reihe, Wien-München 2000, ISBN 3-85223-452-2 * Hans Havelka: ''Der Wiener Zentralfriedhof''. J & V Edition, Wien 1989, ISBN 3-85058-030-X * [[Hans Pemmer]]: ''Der Wiener Zentralfriedhof. Seine Geschichte und seine Denkmäler''. Österreichischer Schulbücherverlag, Wien 1924. * Patricia Steines: ''Hunderttausend Steine. Grabstellen großer Österreicher jüdischer Konfession auf dem Wiener Zentralfriedhof – Tor I und Tor IV''. Falter Verlag, Wien 1993, ISBN 3-85439-093-9 * Sepp Tatzel: ''Wien stirbt anders.'' Ibera Verlag, Wien 2002, ISBN 3-85052-146-X == Weblinks == {{Commonscat|Zentralfriedhof, Vienna|Wiener Zentralfriedhof}} * [http://www.friedhoefewien.at/fhw/ep/channelView.do?channelId=-26733&pageTypeId=13576 Friedhöfe Wien GmbH – Zentralfriedhof] * [http://www.viennatouristguide.at/Friedhoefe/Zentralfriedhof/Z_Startseite/z_start.htm Kunst und Kultur in Wien – Der Wiener Zentralfriedhof] * [http://www.la-belle-epoque.de/wien/zentrald.htm Belle Epoque und Jugendstil – Zentralfriedhof und Lueger-Gedächtniskirche] * [http://www.planet-vienna.com/spots/Zentralfriedhof/zentralfriedhof.htm Planet Vienna – Zentralfriedhof] * [http://www.euxus.de/wien-zentralfriedhof.html Bebilderter Bericht über den Zentralfriedhof] {{Coordinate |NS=48/8/58/N |EW=16/26/28/E |type=landmark |region=AT-9}} {{Exzellent}} [[Kategorie:Friedhof in Wien]] [[Kategorie:Jüdischer Friedhof in Österreich|Simmering]] [[Kategorie:Simmering]] [[Kategorie:Karl-Borromäus-Kirche|Wien]] [[da:Wiener Zentralfriedhof]] [[en:Zentralfriedhof]] [[es:Zentralfriedhof]] [[fr:Cimetière central de Vienne]] [[hu:Zentralfriedhof]] [[it:Zentralfriedhof]] [[nl:Zentralfriedhof]] [[pl:Cmentarz Centralny w Wiedniu]] [[pt:Cemitério Central de Viena]] [[sk:Zentralfriedhof (Viedeň)]] [[sv:Zentralfriedhof Wien]] [[tr:Zentralfriedhof]] [[vi:Nghĩa trang trung tâm Viên]] [[zh:维也纳中央公墓]] 5us3vchm4dr3irfng1i4bl24ygsnya4 wikitext text/x-wiki Wiese (Fluss) 0 24513 27116 2010-05-01T12:42:54Z Klugerrabe 0 Änderung 73768522 von [[Special:Contributions/SteveK|SteveK]] wurde rückgängig gemacht. typo korrekt {{Infobox Fluss | NAME= Wiese | LAGE= [[Baden-Württemberg]], [[Deutschland]] | GKZ= DE/232 | FLUSSSYSTEM= Rhein | ABFLUSSWEG= Rhein//Nordsee | EINZUGSGEBIET= 458 | NACHWEIS-EINZUGSGEBIET= | LÄNGE= 54.6 | NACHWEIS-LÄNGE= | ABFLUSS-NNQ= | ABFLUSS-NNQ-JAHR= | ABFLUSS-MNQ= | ABFLUSS-MQ= 11.3 | ABFLUSS-MHQ= | ABFLUSS-HHQ= | ABFLUSS-HHQ-JAHR= | ABFLUSS-PEGEL= | NACHWEIS-ABFLUSS= | QUELLE= Verschiedene Quellen am Südhang des Feldberg und am Nordhang der Grafenmatt | QUELLHÖHE-PREFIX= | QUELLHÖHE= 1218 | HÖHENBEZUG-QUELLE= DE-NN | QUELLHÖHE-SUFFIX= <ref name="TK25">Topografische Karte 1:25.000</ref> | QUELLE_LAT_GRAD= 47/51/23.82/N | QUELLE_LONG_GRAD= 8/1/31.05/E | QUELLE_REGION= DE-BW | MÜNDUNG= Im [[Basel|Basler]] Stadtteil Kleinhüningen | MÜNDUNGSHÖHE-PREFIX= etwa | MÜNDUNGSHÖHE= 244 | HÖHENBEZUG-MÜNDUNG= DE-NN | MÜNDUNGSHÖHE-SUFFIX= <ref name="TK25" /> | MÜNDUNG_LAT_GRAD= 47/34/58 | MÜNDUNG_LONG_GRAD= 7/35/13 | MÜNDUNG_REGION= CH-BS | LINKE NEBENFLÜSSE= Prägbach, Angenbach | RECHTE NEBENFLÜSSE= Wiedenbach, Böllenbach, Kleine Wiese, Steinenbach | SEEN= | STAUSEEN= | BILD= Wiese Staustufe.jpg | BILDBESCHREIBUNG= Die Wiese bei Lörrach }} Die '''Wiese''' ist nach der [[Kinzig (Schwarzwald)|Kinzig]], der [[Elz (Rhein)|Elz]] und der [[Murg (Nordschwarzwald)|Murg im Nordschwarzwald]] der viertlängste [[Fluss]] im [[Schwarzwald]]. Sie entspringt am [[Feldberg im Schwarzwald|Feldberg]] unmittelbar bei [[Feldberg (Schwarzwald)|Feldberg-Ort]] auf 1200&nbsp;Meter Höhe und fließt in südlicher Richtung durch das [[Wiesental]], bis sie nach etwa 55&nbsp;Kilometer in [[Basel]] auf 244&nbsp;Meter Höhe in den [[Rhein]] mündet. Größter Zufluss ist die ''Kleine Wiese'', die aus den zwei Quellflüssen [[Belchen (Schwarzwald)|''Belchenwiese'']] und ''Köhlgartenwiese'' gespeist wird, die sich in [[Tegernau]] zur ''Kleinen Wiese'' vereinigen. Von dort fließt die ''Kleine Wiese'' südwärts und mündet westlich von [[Schopfheim]] in die ''Große Wiese''. == Name == [[Etymologie|Etymologisch]] geht des Flussname ''Wiese'' wahrscheinlich auf die [[Vaskonische Sprache|alteuropäische]] Wortwurzel für Wasser oder Gewässer, ''vis'', ''is-'', zurück <ref>Krahe, Hans: Theorie über die älteste Gewässernamengebung, siehe auch Vennemann (1994), Steinbauer (1996).</ref> und hat nichts mit dem deutschen Wort ''[[Wiese (Grünland)|Wiese]]'' zu tun. == Flusslauf == Vom Feldberg kommend, fließt die Wiese, eingezwängt von den steilen Berghängen des Hochschwarzwaldes, noch als Bergbach an den Orten Fahl, Brandenberg und an [[Todtnau]] vorbei. Von dort fließt sie nach Schlechtnau, an Geschwend vorbei, durch die Orte [[Utzenfeld]], [[Schönau im Schwarzwald]], [[Wembach]], [[Fröhnd]], und schließlich durch Mambach, [[Atzenbach]] sowie [[Zell im Wiesental|Zell]]. [[Datei:Basel_Wiese_Muendung_20060802_055.jpg|thumb|left|Zwischen den beiden Basler Quartieren Kleinhüningen und Klybeck mündet die Wiese in den Rhein.]] Zwischen Zell und [[Hausen im Wiesental|Hausen]] öffnet sich das schmale Tal der Schwarzwaldwiese zu einer breiten Ebene, in der die Wiese an den Orten [[Fahrnau]], Schopfheim, Gündenhausen, [[Maulburg]], Höllstein, [[Steinen (Baden)|Steinen]] vorbei fließt und die Lörracher Stadtteile [[Hauingen]], [[Brombach (Lörrach)|Brombach]], [[Haagen (Lörrach)|Haagen]], [[Tumringen]], [[Lörrach]] selbst sowie [[Stetten (Lörrach)|Stetten]] passiert. Hinter der Stettener Eisenbahnbrücke verlässt die Wiese deutsches Gebiet und fließt die letzten sechs Kilometer auf Schweizer Boden über die Gemarkung der Gemeinde [[Riehen]] und mündet im schweizerischen [[Kleinbasel]] in den Rhein. Die Gemeinde [[Weil am Rhein]] grenzt nicht direkt an die Wiese, besitzt jedoch über den Weiler Mühleteich einen Zugang zum Wasser der Wiese. Die Städte und Gemeinden des Wiesentals gehören alle zum [[Landkreis Lörrach]], mit Ausnahme von [[Riehen]] und [[Basel]] in der [[Schweiz]]. == Geomorphologie == Seit der Entstehung des Schwarzwaldes und seiner Ausläufer während der geologischen Hebungsvorgänge des [[Oberrheingraben|oberrheinischen Grabenbruchs]] hat die Wiese durch ihre stetige Erosions- und Sedimentationsarbeit die Landschaft im Südschwarzwald und am [[Dinkelberg]] geformt. Die Wiese fließt durch zwei landschaftlich und geologisch unterscheidbare Abschnitte, welche das Wiesental in das Tal der Schwarzwaldwiese im Oberlauf zwischen Fahl und Zell und das Untere Wiesental im Unterlauf zwischen Hausen und Kleinhüningen gliedern. In jüngerer erdgeschichtlicher Zeit haben vor allem die Wechsel von Warm- und Kaltzeiten im [[Pleistozän]] das Erscheinungsbild des Wiesentales geprägt. Das Tal der Schwarzwaldwiese wurde durch den Feldberggletscher geformt. Nur im oberen Teil zwischen Fahl und Todtnau war der Gletscher mächtig genug, ein [[Trogtal]] in das [[kristallin|kristalline]] Grundgestein zu graben. Die Gletscherzunge reichte jedoch bis nach Wembach. Am Oberlauf bei Todtnau und Gschwend fließt die Wiese an einigen Stellen durch [[Klamm|klammartige]] Vertiefungen mit Stromschnellen und kleinen Wasserfällen. Nach dem Ende der letzten Eiszeit, der [[Würmeiszeit]], vor etwa 10.000 Jahren, war das untere Wiesental durch den Schotter und das Geschiebe des Feldberggletschers aufgefüllt worden und bildete den Talgrund etwa 20 bis 30 Meter oberhalb des heutigen Niveaus. Durch das Abschmelzen der eiszeitlichen Gletscher wurden große Schmelzwassermengen freigesetzt; daraufhin grub sich die Wiese bis zu 15 Meter unter das heutige Niveau ein. Nach abermaliger Aufschotterung und Bildung der heutigen [[Flussterrasse|Niederterrasse]] vor etwa 2500 bis 6000 Jahren schuf die Wiese durch erneutes Eingraben den heutigen Talboden mit den Wiesenauen, in denen der Fluss breit [[Mäander (Flussschlinge)|mäandrieren]] konnte. Im Bereich des Flussdeltas der Wiese wirkten die eiszeitlichen Flussablagerungen so stark auf den Verlauf des Rheins ein, dass dessen Flussbett um rundfünf Kilometer nach Südwesten abgedrängt wurde, wo es heute im charakteristisch geformten [[Rheinknie]] liegt. In Kleinbasel, unterhalb der Riehenringbrücke, wurde die Wiese wiederum von einer anstehenden Nagelfluhbank abgedrängt, welche den markanten 90°-Knick im Unterlauf der Wiese bewirkte. Bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts floss die Wiese von ihrer Quelle im Schwarzwald bis zu ihrer Mündung in den Rhein weitgehend unreguliert, pendelte zwischen den [[Flussterrasse|Hochgestaden]] der Niederterrasse und suchte sich ihren Weg durch die Kies- und Sandbänke der Flussauen. Die alljährlich auftretenden Hochwasser sorgten immer wieder für eine Änderung des Flusslaufes. Einzig die [[Wuhr|Wiesenwuhre]], welche Nutzwasser für Landwirtschaft, Gewerbe und Handwerk und später für die Wiesentäler und Kleinbasler Industrie abzweigten, stellten sich dem Wiesenfluss in den Weg und leiteten einen nicht unerheblichen Teil des Wiesenwassers in die verschiedenen Gewerbekanäle. Im Wiesental ist als Synonym für Gewerbekanal der Ausdruck ''Teich'' beziehungsweise auf alemannisch/[[baseldytsch]] ''Tych/Diich'' gebräuchlich. == Hydrologie == [[Datei:Einzugsgebiet_und_Flusssystem_der_Wiese.jpg|miniatur|230px|Wassereinzugsgebiet und Flusssystem der Wiese]] Das [[Einzugsgebiet (Hydrologie)|Wassereinzugsgebiet]] der Wiese beträgt 458 Quadratkilometer<ref name="Hydrodaten">[http://www.hydrodaten.admin.ch/lhg/hq/2199hq.pdf Hydrologische Daten des [[BAFU]]]</ref> und weist eine typische langgestreckte Form und eine gleichmäßige Breite auf. Im Oberlauf wird die Wiese von verschiedenen Bächen gespeist, rechtsseitig unter anderem von Wiedenbach und Böllenbach, linksseitig von Prägbach und Angenbach. Bei Maulburg mündet die Kleine Wiese, sie ist der größte und längste Zufluss. Der letzte größere Zufluss, der Steinenbach, mündet bei Hauingen in die Wiese. Die mittleren Jahresniederschläge innerhalb des Einzugsgebiets variieren zwischen etwa 2000&nbsp;mm gemessen im Feldberggebiet und 882&nbsp;mm in Lörrach. Tendenziell nehmen die Niederschlagsmengen von Westen nach Osten und von Norden nach Süden ab. Die größten Niederschläge fallen meist in den Monaten November bis Januar, in den Schwarzwaldlagen meist als Schnee. [[Datei:Monatsmittel Wasserabfluss Kleinhüningen.jpg|miniatur|links|Monatsmittel Wasserabfluss der Wiese bei Kleinhüningen 1993–2007]] [[Datei:Flusslängsprofil der Wiese.jpg|miniatur|230px|Flusslängsprofil der Wiese]] Bedingt durch das [[Flusslängsprofil|Flussrelief]], die geringe Speicherkapazität des Bodens im Einzugsgebiet im Oberlauf der Wiese und die Kombination von plötzlicher Schneeschmelze bei [[Föhn]] und ergiebigen Regenfällen, kam es in der Vergangenheit regelmäßig zu schweren Überschwemmungen, die große Schäden an Mensch und Land verursachten. Die sich in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts mehrenden starken Hochwasser wurden von den Zeitgenossen auf die rücksichtslose Abholzung der Wälder im kleinen und großen Wiesental und die öden und wertlosen Flächen am Feldberg und Belchen zurückgeführt, die offenbar das Wasser nicht mehr in bisherigem Maße speichern konnten.<ref>Schülin, F. (1965): Chronik von Rötteln/Haagen, S. 290.</ref> Über das Jahr gesehen führt die Wiese um die Weihnachtszeit sowie von Mitte März bis Mitte April am meisten und im August am wenigsten Wasser.<ref>[http://www.hvz.baden-wuerttemberg.de/ Hochwasservorhersagezentrale des Landes Baden-Württemberg]</ref> Die mittlere Abflussmenge in Kleinhüningen beträgt 11,3&nbsp;m³/s. Das [[Bundesamt für Umwelt|eidgenössische Bundesamt für Umwelt]] hat innerhalb des Zeitraumes von 1933–2006 im Jahre 1944 die höchste Abflussmenge mit 342,5&nbsp;m³/s gemessen. Mit Ereignissen dieser Größenordnung ist jedoch nur alle 200&nbsp;Jahre zu rechnen.<ref name="Hydrodaten" /> == Außergewöhnliche Hochwasser == * Am 20. Februar 1999 trat die Wiese nach ergiebigen Regenfällen bei Maulburg über die Ufer. Am Maulburger Wuhr brach der Fluss aus seinem Bett aus und riss an seinem rechten Ufer die Uferbefestigung bis zu einer Tiefe von 30 bis 50 Metern heraus. Die weggerissene Flussverbauung wurde nur am linken Ufer saniert. Heute sind die vom Wiesewasser umspülten Kiesbänke und Sandstrände bei Maulburg zu einem beliebten Naherholungsgebiet geworden. * Das Weihnachtshochwasser vom 22. Dezember 1991 war das stärkste Hochwasser der letzten 25&nbsp;Jahre mit einem Abfluss von über 170&nbsp;m³/s bei der Messstelle in Basel-Kleinhüningen. * Das Hochwasser vom 27. November 1944 führte in der Spitze 342,5&nbsp;m³/s mit sich und zerstörte unter anderem das Haagener Wehr. * Das Weihnachtshochwasser vom 28. Dezember 1882 muss eines der schlimmsten historischen Hochwasser gewesen sein. Hochrechnungen ergaben, dass die Wiese im Riehener Bann bis zu 450&nbsp;m³/s Wasser in der Spitze mit sich geführt haben muss. Dieses Hochwasser richtete in Riehen große Schäden an und war mit der Auslöser für die konsequente Umsetzung der Korrektionsarbeiten in den Langen Erlen.<ref>Kaufmann, G. (1984): Ein Fluss wird gebändigt, in: Z´Rieche 1985, S. 117ff.</ref> Auch flussaufwärts wurden Wuhre, Brücken und Uferbefestigungen zerstört. Beim Einsturz der Tumringer Wiesenbrücke kamen mehr als ein Dutzend Schaulustige ums Leben, die sich auf der Brücke aufgehalten hatten. * In der Nacht vom 14. auf den 15. Februar 1877 durchbrach die Wiese den Damm am Brombacher Kanal, fraß den Bahndamm an und umging das Haagener Wehr, dessen linker Teil weggerissen wurde. Weiter flussabwärts wurde die Haagener Brücke weggerissen. Die Wiese fraß auf Haagener Seite das gesamte Vorland weg, bis sie schließlich gegen die nördliche Giebelwand des Gasthauses zur Wiese prallte und diese einriss. Für die Gemeinde Haagen, die Wuhrgenossenschaft, die Mattenbesitzer und den Wiesenwirt bezifferte sich der finanzielle Schaden auf Hunderttausende von Mark.<ref> Schülin, F. (1965): Chronik von Rötteln-Haagen, S. 304ff.</ref> Was beim Umfließen eines Wuhrs passieren kann, sieht man auf Fotos des Maulburger Hochwassers von 1999. == Die Wiesekorrektion == Als die [[Alemannen]] im fünften und sechsten Jahrhundert das Wiesental zu besiedeln begannen, wählten sie die Orte mit Bedacht aus. Auf den Niederterrassen der letzten Eiszeit gelegen, waren die mittelalterlichen Siedlungen weitgehend von Wiesehochwassern verschont geblieben, die sich damals noch ungehindert in den Flussauen ausbreiten konnten. Doch mit zunehmender Kultivierung der fruchtbaren Flussauen wuchs das Bedürfnis der Bauern und Grundbesitzer, das kostbare Land vor den Hochwassern der Wiese zu schützen und die unbefestigten Ufer zu befestigen. Erste Hinweise auf Uferinstandsetzungsmaßnahmen finden sich in einer Vereinbarung zwischen dem Landvogt von Rötteln und dem Rat der Stadt Basel vom 18. Dezember 1562 über Schutzbauten an der Wiese. Dabei geht es um einen Wieseabschnitt oberhalb des Kleinbasler Teichwuhrs. Erste grafische Aufzeichnungen von Flussverbauungen stammen aus dem Jahr 1750. Sie zeigen die baulichen Maßnahmen zur Wiederherstellung eines von Ufereinbrüchen in Mitleidenschaft gezogenen Abschnitts der Wiese zwischen Weil und Kleinhüningen. Im badischen Wieseabschnitt war die Wiese in viele Arme aufgeteilt und führte viel [[Geschiebe]] mit sich. Dies führte bei Hochwasser immer wieder zu Überschwemmungen der Talaue. Da Landwirtschaft, Gewerbetreibende und die neu entstehenden Industriebetriebe im badischen Teil des unteren Wiesentals die Folgen der Hochwasser wesentlich stärker zu spüren bekamen als die Schweizer Flussanrainer in Riehen und Basel, wurden zwischen Hausen und Stetten die ersten groß angelegten Korrektionsarbeiten schon zwischen 1806 und 1823 durchgeführt. Die [[Begradigung|Flussbegradigung]] zwischen Lörrach und Hausen wurde durch den badischen Wasserbaumeister [[Tulla]] entworfen und durchgeführt. Der heutige Verlauf der Wiese auf Schweizer Gemarkung wurde bereits im frühen 19. Jahrhundert planerisch durch den Bauinspektor Baader festgelegt. Interessant ist dabei die kerzengerade Strecke zwischen Weiler Wiesenbrücke und dem Eisernern Steg. Sie liegt parallel zur Sichtachse Stettener Kirche und [[Basler Münster]]. Die ursprüngliche Uferbefestigung sah ein [[Buhne|Buhnensystem]] vor, wurde jedoch in den 1850er Jahren nach dem schweren Hochwasser von 1852 durch ein Schwellensystem ersetzt. Für das Flussbett wurde ein doppeltes Trapezprofil vorgesehen, mit einem Sommerbett und den Hochwasserdämmen. Die Ufer wurden noch weitgehend durch [[Faschine|Faschinen]], Flechtwerk und Grasbewuchs befestigt. Zwischen 1847 und 1878 wurden 13 schwere Hochwasser gezählt, die allesamt zu Beschädigungen und Zerstörungen der Uferbefestigungen geführt haben. Erst nach dem großen Weihnachtshochwasser von 1882 wurde ein einheitliches Befestigungssystem im Schweizer Wiesenabschnitt errichtet. [[Datei:Wiesenkorrektion Weilerbrücke 1898.jpg|miniatur|220px|Korrektionsarbeiten am Schlipf oberhalb der Weiler Wiesenbrücke]] Eine Besonderheit stellt die 1898 durchgeführte [[Korrektion]] zwischen der Landesgrenze und der Weilstrassenbrücke nach dem System Schindler dar. Nach diesem System bildet das Flussprofil eine durchgehende, ununterbrochene Bodenlinie, welche weder eine abgesonderte [[Gewässerbett|Sohle]], noch eine abgesonderte Uferbildung erhalte. Die Vorteile dieses Systems sollten darin liegen, dass bei Hochwasser die Uferverbauungen weniger angegriffen würden und das Flussbett ein größeres Wasservolumen aufnehmen könnte. Das System Schindler hatte sich in den Anfangsjahren nur unbefriedigend bewährt, so dass zwischen 1905 und 1910 die ursprünglich aus Holzwerk bestehenden Uferverbauungen durch Steinpflaster ersetzt werden mussten. Dem Schindlerschen Profil ist es jedoch zu verdanken, dass sich im Laufe der Zeit am rechten Ufer der Wiese eine bemerkenswerte Auenvegetation zwischen der Landesgrenze und dem Riehener Schwimmbad entwickeln konnte. Erst in jüngster Zeit wurde dieses schützenswerte Wieseufer durch die Baumaßnahmen zur [[Zollfreistrasse (Basel)|Zollfreien Strasse]] stark beeinträchtigt. Die Korrektionsmaßnahmen an der Wiese wurden in den vergangenen Jahrhunderten durch verschiedene natürliche Gegebenheiten und menschliche beziehungsweise behördliche Unzulänglichkeiten behindert. Die jahreszeitlich auftretenden Hochwasser und der große Geschiebeeintrag wirkten sich stets negativ auf Uferbefestigungen und die Höhe der Flusssohle und damit auf die Aufnahmekapazität des Flussbettes aus. Die im badischen Teil der Wiese durchgeführten Korrektionsmaßnahmen bewirkten einen verstärkten Abfluss der Hochwasser ins Schweizerische und damit eine stärkere Belastung der dortigen Uferschutzbauten. Die mangelnde Bereitschaft einzelner Flussanrainer, die Kosten für notwendige Instandhaltungsarbeiten zu übernehmen, verhinderten lange Zeit eine nachhaltige Korrektur längerer Flussabschnitte. Erst nach der Bildung des sogenannten Staatsverbands in Baden und der Übernahme der Flussstrecke im Riehener Bann durch den Kanton Basel konnte eine langfristige Sicherung der Wieseufer gewährleistet werden. Nachdem die Wiese auf der gesamten Strecke zwischen Hausen und Kleinhünignen in das künstliche Bett gebannt wurde, hat sie ihren Schrecken weitgehend verloren. Größere Hochwasser bleiben seitdem innerhalb der Dämme gefangen. Erst in jüngster Zeit wird wieder laut über eine Auflockerung der starren und unnatürlichen Wieseufer nachgedacht. == Nutzgewässer und Wirtschaftsfaktor == Wohl seit der Besiedlung des Wiesentals durch die Alemannen wurde die Wiese für land- und fischereiwirtschaftliche sowie gewerbliche und ab dem 18. Jahrhundert für industrielle Zwecke genutzt. === Fischerei === [[Datei:Die Wiesemündung Stich von Matthäus Merian d. Ä..jpg|miniatur|Die Wiesemündung bei Kleinhüningen, zu sehen sind Fischer bei der Arbeit mit [[Kescher]], [[Reuse]]n und Netzen, im Hintergrund Schloss Klybeck und Basel.]] Die Wiese war seit Menschengedenken ein sehr fischreiches Gewässer. Die zahlreichen Seitenarme, das kiesige Flussbett, die Schatten spendenden Auenwäldchen und die Strömungsverhältnisse boten zahlreichen Fischen und anderen Wasserlebewesen optimale Lebensbedingungen. In vielen Chroniken wird auf die Vielfalt und Menge vor allem von [[Salmoniden]] hingewiesen. Im Frühmittelalter waren die Fischgründe noch für jedermann frei zugänglich, spätestens seit der Anwendung des fränkischen Königsrechts wurde die Fischweid eingeführt, mit der die Allgemeinnutzung des Flusses verboten wurde. [[Datei:Wappen Haagen.png|miniatur|links|140px|Im Gemeindewappen von Haagen erinnert der Fisch an das Vorrecht der Hoffischer von Rötteln und Haagen, während der hohen Fischweid die Gewässer der Vogtei Rötteln befischen zu dürfen.]] Im 15. Jahrhundert vergaben die Röttler Markgrafen sämtliche Fischereirechte von Hausen bis nach Kleinhüningen (mit Ausnahme von Stetten). Besonders reich an Fischen war die Wiesenmündung bei [[Basel-Kleinhüningen|Kleinhüningen]]. Das wussten ebenso die Basler und [[Huningue|Hüninger]] Fischer, so dass es an der Wiesemündung des Öfteren zu heftigen Streitereien kam. Die Fischweid war sehr streng reglementiert. Es mussten Schonzeiten, Minimalgrößen, Losgrenzen und die Wassernutzungsrechte der Mühlengewerbe und Flößereiwirtschaft berücksichtigt werden. Ein großes Problem stellten zudem bereits im Mittelalter die Wiesenwuhre dar, die während der Fischwanderungszeit für den Durchzug der Lachse geöffnet werden mussten. In der ersten Hälfte des 20. Jahrhundert wurde die hauptberufliche Fischerei aufgegeben. Hohe Wasserverschmutzung, die Kanalisierung der Wiese und der Bau von unüberwindbaren [[Laufwasserkraftwerk|Laufwasserkraftwerken]] im Rhein zerstörten den Lebensraum und die Wanderwege vieler Flusslebewesen und damit die Wirtschaftsgrundlage der Fischerei. Heute besitzt einzig die alte Fischerfamilie Bürgin in Kleinhüningen noch das alte Fischereirecht und in Haagen erinnert der goldene Fisch im Wappen an das ehemalige Privileg, die Röttler Hochfischweid durchführen zu dürfen.<ref>Schülin, F. (1965): Chronik von Rötteln-Haagen, S. 123ff.</ref> Seitdem es die Wasserqualität wieder zulässt, kümmern sich verschiedene regionale Angelsportvereine um den Fischbestand und die Aufzucht von Jungfischen (Bachforellen). Im Rahmen gemeinschaftlich durchgeführter Flussputzaktionen tragen sie außerdem wesentlich zur Reinhaltung der Wiese und der übrigen Gewässer im Wiesental bei. === Mühleteiche, Gewerbekanäle und Wässerungswuhre === Neben den Fischern lebten vor allem die auf Wasser angewiesenen Gewerbe vom Wiesenwasser. Aufgrund der Dynamik des Flusses und seines im Mittelalter noch ungebändigten Flusslaufes war es jedoch relativ schwierig die Wasserkraft der Wiese für das [[Mühle|Müller]]-, [[Sägemühle|Säge]]- oder Schmiedegewerbe zu nutzen. Mit der zunehmenden Urbarmachung der Wiesenauen im Mittelalter und der wachsenden Bedeutung von Viehhaltung in der Landwirtschaft wurden die neu erschlossenen Wiesenmatten in der Aue und ihre Bewässerung zu einem Wirtschaftsfaktor. Um diese Probleme zu überwinden wurden im Wiesental seit dem [[Spätmittelalter]] künstliche Kanäle, Teiche genannt, meist im Relief eines alten Flussarms gegraben, die das Wasser, von [[Wuhr|Wuhren]] kontrolliert, zu den Gewerbetreibenden und auf die Wässerwiesen transportierten. Für die Bischöfe von Basel war die planmäßige Besiedlung [[Kleinbasel|Kleinbasels]] in der ersten Hälfte des 13.Jahrhunderts sicherlich nicht nur aus machtpolitischen Erwägungen (Kleinbasel gehörte damals noch zum [[Breisgau]]), sondern vor allem aus wirtschaftlichen Beweggründen motiviert. Die linksrheinischen Gewässer konnten schon längst nicht mehr den wachsenden Bedarf an Wasserkraft und Nutzwasser decken, so dass mit dem Bau des Kleinbasler Gewerbeteichs ein nachhaltiges Wachstum für die Gewerbetätigkeit auf Kleinbasler Gebiet erreicht werden konnte. Um 1280 bestanden in Kleinbasel acht separate Teiche, welche durch den Kleinbasler beziehungsweise Riehenteich gespeist wurden. <ref>Golder, E. (1991): Die Wiese. Ein Fluss und seine Geschichte, S. 138ff.</ref> [[Datei:Die Kleinbasler Teiche 1899 (LebinKB)-2.jpg|miniatur|links|600px|Die Kleinbasler Teiche auf einem Situationsplan von 1899]] Neben dem Kleinbasler Teich existierten westlich der [[Lange Erlen|Langen Erlen]] noch zwei weitere Teiche, die für das örtliche Gewerbe von lebensnotwendiger Bedeutung waren. Zum einen der Kleinhüninger Mühleteich zum anderen der Klybeckteich. Beide Kanäle wurden um 1900 stillgelegt. Die Teiche auf Lörracher, Stettener und Riehener Gemarkung waren in früherer Zeit Seitenarme der Wiese, die sich nach dem Rückzug der Wiese in ihr tiefergelegtes Bett als eigenständige Wasserläufe am Rande der Hochgestade erhalten haben. In Riehen wird der Alte Teich bereits 1262 bezeugt. Alter und Neuer Teich waren ursprünglich kleinere Flussarme der Wiese. Der Riehener Mühleteich zweigte sein Wasser vom Stettener Wiesenwuhr ab. Aufgrund der häufig anfallenden Reparaturen und den Streitereien mit den Stettenern wurde der Teich ab 1814 dem Verfall anheim gegeben. Dennoch mussten die Riehener nicht ohne Wasser auskommen, da noch eine direkte Verbindung zum Stettener Gewerbeteich bestand. Um das Jahr 1723 wurden die Riehener Teiche mit den Kleinbasler Teichen aufgrund lang anhaltender Trockenheit zusammengelegt.<ref>Golder, E. (1991): Die Wiese. Ein Fluss und seine Geschichte, S. 121ff.</ref> Die Geschichte der Nutzung der Gewerbekanäle war eine Geschichte steter Streitereien um Nutzungsrechte des Wiesenwassers und Instandhaltungspflichten der Nutzer belegen zahlreiche historische Gerichtsakten und Urkunden. Vor allem die ständig auftretenden Hochwasser, die verschiedenen Nutzungsansprüche und die unterschiedlichen Zuständigkeiten der örtlichen Behörden erschwerten die Rechtsprechung. Im Bereich Weil, Riehen und Stetten war die Lage besonders vertrackt, da das Weiler Wuhr auf Basler Gemarkung und das Riehener auf Stettener und damit Vorderösterreichischer Gemarkung lag. Die Stettener bezogen ihr Wasser wiederum vom Lörracher Gewerbeteich und damit von Markgräflerisch-Badischer Gemarkung.<ref>Vortisch, C.M. (1973): Wässerungstreit Im Grütt. In: Das Markgräflerland. Band 1/2, S. 38ff</ref> Auch zwischen Lörrach und Zell wurden im Mittelalter kleinere Nebenarme der Wiese zu Mühlteichen ausgebaut, von denen kleine Kanäle für die Wässerung der Wiesen abgeleitet wurden. Zwischen Haagen und Tumringen verlief der Haagener Mühleteich beziehungsweise [[Röttler Teich]]. Der Existenz des Mühlenteichs verdankt Haagen und Rötteln die Gründung verschiedener Textilfabriken, wie Spinnereien und Webereien. Der Steinener Mühleteich ist seit dem 14. Jahrhundert bezeugt und verlief vom heutigen Steinener Wasserwerk durch [[Steinen (Baden)|Steinen]] hindurch bis kurz vor [[Brombach (Lörrach)|Brombach]]. Im Mittelalter lieferte der Teich Wasserenergie für die Mühlen und Sägereien, sowie Nutzwasser für die Wässermatten und für das Vieh. Die Nutzungsrechte und Pflichten wurden durch die Satzung der Wuhrgenossenschaft geregelt. Ab 1834 hielt in Steinen die Industrie Einzug. Der Basler Fabrikant Major Geigy-Lichtenhahn errichtete am Ortsrand eine mechanische [[Spinnerei|Spinn-]] und [[Weberei]]. Mit der Inbetriebnahme der Textilfabriken mussten sich die bisherigen Teichnutzer das Wiesenwasser mit den Fabriken teilen, so dass es wegen der unterschiedlichen Ansprüche zu Nutzungskonflikten mit dem Spinn- und Webereibetrieb kam. Nach dem Zweiten Weltkrieg nahm das Interesse der Wuhranrainer und Landwirte, deren Zahl sich stark verringerte, an der Nutzung des Wiesewassers stark ab. Zudem wurden die ehemaligen Wässerungsmatten als Neubaugebiete erschlossen und verloren somit ihren ursprünglichen Nutzen. In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts gerieten viele der Wiesentäler Textilbetriebe, so beispielsweise in Steinen, in wirtschaftliche Schwierigkeiten. Die Wasserkraft wurde nicht mehr benötigt und der Steinener Gewerbeteich verlor an wirtschaftlicher Bedeutung. Im Jahre 1984 wurde beschlossen, den ehemaligen Mühlenteich zuzuschütten. Einzig der Mühleweg und der ehemalige Kanalverlauf westlich des Steinener Wasserkraftwerks zeugen heute noch vom Steinener Mühlenteich, der über 400&nbsp;Jahre lang Dorfgeschichte geschrieben hat. Die historische Entwicklung des Steinener Teichs skizziert beispielhaft die Nutzung der einzelnen Teiche. Nur das Ende des Steinener Mühlenteich bildet eine Ausnahme und bleibt bis zum heutigen Tag der einzige komplett zugeschüttete Gewerbekanal.<ref>Zimmermann, A. (1996): In: Das Markgräflerland. Band 1/1996, S. 9ff.</ref> === Flößerei === [[Datei:Holzumschlag am Riehentor.jpg|miniatur|230px|Holzumschlagplatz am Kleinbasler Riehentor]] Außer zum Antreiben von Wassermühlen und zur Bewässerung wurde die Wiese seit dem 14./15. Jahrhundert zum Transport von Holz aus dem Schwarzwald genutzt. Es war wiederum die Stadt Basel, die durch den wirtschaftlichen Aufschwung des Druck- und Papiergewerbes die Holzvorkommen im Schwarzwald erschloss. Durch Verträge mit den Markgrafen sicherte sich die Stadt Basel jährliche Einfuhrmengen von Holz. Flößsaison war im März und April, wenn die Wiese während der Schneeschmelze genügend Wasser führte. Im 18. Jahrhundert führte die starke Nachfrage aus Basel zu einem regelrechten Holzboom im Schwarzwald. Es wurde eigens für die [[Flößerei]] ein 6 Schuh breiter Kanal gebaut, auf dem zeitweise mehr als 7000 [[Klafter]] Holz (entspricht etwa 14.700 fm) jährlich nach Basel geschafft wurden. Die ungebremste Holznachfrage aus Basel führte zu erheblichen wirtschaftlichen Ungleichgewichten und einer wenig nachhaltigen [[Forstwirtschaft]] im Wiesental, woraufhin es nach und nach zu verschiedenen obrigkeitlichen Holz- und Kohleausfuhrverboten kam. Erst im ausgehenden 18. Jahrhundert wurde die Flößerei im Wiesental eingestellt. <ref>Tscherter, K. F. (1925): Zentralblatt für den deutschen Holzhandel.</ref> === Textilindustrie === Im 18. und 19. Jahrhundert entstanden im Wiesental die ersten Textilfabriken. Die nutzbare Wasserkraft der Wiese und die bereits existierende Kanalinfrastruktur, die Nähe zu Schweizer Kapitalgebern, sowie wirtschaftspolitische Überlegungen im Zuge des Beitritts Badens zum Deutschen Zollverein und staatliche Förderungszusagen begünstigten den Standort im Wiesental. Besonders Baumwoll- und Indiennefabriken, Seidenwebereien und Spinnereien sowie Stofffärbereien wurden gegründet. Die wachsenden Ansprüche der Wiesentäler Industriebetriebe an die Regulierbarkeit des Wiesenwassers und die ständige Bedrohung der Fabriken durch Hochwasser führten in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zu ernsthaften Planungen, den natürlichen Flusslauf in der Talaue nachhaltig zu korrigieren und die Wiese in ein künstliches Bett zu zwängen.<ref>Rothmund, P. (1984): In: Unser Lörrach 1984, S. 137ff.</ref> === Energieerzeugung === Heutzutage wird das Wasser der Wiese im Wesentlichen für die dezentrale Erzeugung von Strom durch insgesamt 34<ref>Badische Zeitung vom 3. Mai 2008: ''"Drei Länder, drei Strategien"'' [http://www.badische-zeitung.de/lokales/lokalausgaben/l246rrach/kreis_loerrach/33,51-21642817.html online]</ref> kleine [[Laufwasserkraftwerk|Wasserkraftwerke]] genutzt. Als ökologische Ausgleichsmaßnahmen für den Bau der Kraftwerke wurden zusätzlich [[Fischweg|Fischtreppen]] in die Wehre eingebaut, um den Fischen die Wanderung flussauf und -abwärts zu ermöglichen. {| class="prettytable" |-class="hintergrundfarbe5“ ! width="15%"| Standort || width="10%" |Leistung || width="15%" |mittlere Jahresstromproduktion || width="20%" |Baujahr beziehungsweise Jahr der Instandsetzung || Betreiber |- | Lörrach || 670 kW || 2,45 Mio. kWh || 2007 || Ökostrom/Bürgerbeteiligung<ref>[http://www.oekostrom-freiburg.de/index.php?id=52 Ökostrom Gruppe Freiburg]</ref> |- | Rötteln || 300 kW || || 1998 || Südstrom Wasserkraftwerke GmbH |- | Haagen || 100 + 220 kW || || 2000 || Südstrom Wasserkraftwerke GmbH |- | Steinen || 1000 kW || 4 Mio kWh || 1984 || energiedienst AG<ref>[http://www.energiedienst.de energiedienst AG]</ref> |- | Maulburg || 420 kW || 2,2 Mio kWh || 1998 || energiedienst AG (50%) |- | Schopfheim-Gündenhausen || 230 kW || 1 Mio kWh || 1912 || energiedienst AG |- | Schopheim-Fahrnau || 400 kW || 2,2 Mio kWh || 2001–2002 || energiedienst AG |- | [[Wasserkraftwerk_Mambach|Zell-Mambach]] || 1000 kW || 6,6 Mio kWh || 1887–1889 || energiedienst AG |} <gallery caption="Wasserkraftwerke an der Wiese"> Bild:Wasserkraftwerk Lörrach mit Fischtreppe.JPG|Wasserkraftwerk Lörrach mit Fischtreppe Bild:Wasserkraftwerk_Haagen.JPG|Wasserkraftwerk Haagen im ehemaligen Fabrikgebäude der Spinnerei Bild:Wasserkraftwerk_Rötteln.JPG|Wasserkraftwerk Rötteln, im Hintergrund Rötteln Weiler </gallery> == Wasserqualität == Bis in die 1880er Jahre war die Belastung der Wiese und ihrer Nebengewässer durch anthropogene Nutzungen und Eingriffe relativ gering. Erst mit der einsetzenden Industrialisierung, dem wachsenden Wohlstand und der damit verbundenen starken Zunahme von Bevölkerung, Siedlungsflächen und Infrastruktur wurde das natürliche Gleichgewicht der Flusslandschaft gestört. Die Zerstörung der Auenlandschaft durch die Flusskorrektion (1882–1898), die Intensivierung der Landwirtschaft sowie die mangelhafte Klärung von industriellen und städtischen Abwässern führten zu einer weiteren Verschlechterung des allgemeinen Flusszustandes. Seit den 1970er Jahren machte sich ein Umdenken bei Gemeinden und Städten bemerkbar und der Schutz der Wiese rückte wieder in den Vordergrund. Durch den Bau von neuen Kläranlagen und die Erlassung schärferer Umweltschutzauflagen konnte seitdem der Gütezustand stark verbessert werden. === Biologische Güte === Die [[Gewässergüteklasse|biologische Gewässergüte]] lässt insbesondere Beeinträchtigungen von Fließgewässern durch biologisch leicht abbaubare Stoffe und hieraus resultierende Defizite des Sauerstoffhaushaltes erkennen. Die Gewässergüte der Wiese hat sich in den letzten Jahrzehnten stark verbessert. Von ihrer Mündung bis nach Brombach ist das Wasser der Wiese mäßig belastet (Güteklasse II) und durch die Erweiterung der Kläranlage Steinen konnte sie sich ebenso am Mittellauf auf Güteklasse II verbessern. Zwischen Steinen und Zell und Schönau bis Todtnau ist das Wasser der Wiese gering belastet, also Güteklasse I-II. Die verschiedenen Zuflüsse, insbesondere die Kleine Wiese weisen keine oder sehr geringe Belastungen auf.<ref>[http://www2.lubw.baden-wuerttemberg.de/public/abt4/fliessgewaesser/biologie/guete_2004/guete_2004_r.pdf Landesanstalt für Umwelt, Messungen und Naturschutz, Baden-Württemberg]</ref> Fließgewässer mit Gütekategorie II, weisen laut [[Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft Wasser|LAWA]] ''Gewässerabschnitte mit mäßiger Verunreinigung und guter Sauerstoffversorgung'' auf. Sie besitzen ''eine sehr große Artenvielfalt und lndividuendichte von Algen, Schnecken, Kleinkrebsen, lnsektenlarven''. ''Wasserpflanzenbestände können größere Flächen bedecken'' und sie sind ''artenreiche Fischgewässer''. In der Wiese wurden bei jüngsten Bestandsaufnahmen elf Fischarten gezählt, darunter [[Europäischer Aal|Aal]], [[Elritze]], [[Barbe]], [[Nase (Fisch)|Nase]], Alet, [[Gründling]], [[Bachschmerle]] und [[Aesche]], [[Bachforelle]], [[Stichlinge|Stichling]], [[Mühlkoppe]]. Darüber hinaus wurden mehr als 60 Kleintierarten festgestellt.<ref>[http://www.aue.bs.ch/fachbereiche/gewaesser/oberflaechengewaesser/lr-gewaesser/lr-wiese.htm Amt für Umwelt und Energie, Basel Stadt]</ref> Für die biologische Reinheit der Wiese sorgen mehrere Kläranlagen. Aufgrund wetterbedingter Wasserstandsänderungen können dennoch starke Qualitätsschwankungen auftreten. Insbesondere bei Hochwasser können die Kläranlagen das anstehende Kanalisationswasser nicht ausreichend klären. Bei Niedrigwasser und hohen Wassertemperaturen kann es zu Sauerstoffmangel kommen, welcher sich negativ auf das natürliche Gleichgewicht der Wasserlebewesen auswirken kann. === Chemische Güte === Die Belastung der Wiese mit Nährstoffen wie [[Nitrat]] und [[Phosphat]] kann im Allgemeinen als gering und unbedenklich angesehen werden. Für Schwermetalle wie [[Blei]], [[Cadmium]] oder [[Zink]] jedoch, weisen die Sedimentproben der LAWA für den Oberlauf der Wiese hohe bis sehr hohe, für Mittel- und Unterlauf deutliche bis erhöhte Belastungswerte auf. Die Schwermetallvorkommen in den Flusssedimenten sind auf den mittelalterlichen Bergbau und die Erzverarbeitung im Schwarzwald zurückzuführen. Im Hinteren Wiesental waren im 14. Jahrhundert auf dem Territorium des Abtes von St. Blasien 45 Hüttenbetriebe und Schmelzmühlen im Betrieb. Die meisten Bergwerke und Erzhütten wurden jedoch schon im 18. und 19. Jahrhundert aufgelassen.<ref>[http://www2.lubw.baden-wuerttemberg.de/public/abt4/fliessgewaesser/chemie/index_sed.htm Landesanstalt für Umwelt, Messungen und Naturschutz, Baden-Württemberg]</ref> === Gewässerstrukturgüte === [[Datei:Wiese in ihrem Bett.JPG|miniatur|Die Wiese in Lörrach: Deutlich sind die unnatürlichen, trapezförmigen Sohlrampen und die Schwellen sichtbar.]] Die [[Gewässerstrukturgüte]] ist ein Maß für die ökologische Qualität der Gewässerstrukturen und der durch diese Strukturen angezeigten dynamischen Prozesse. Die natürliche Gewässerstruktur der Wiese wurde durch die Kombination von verschiedenen Korrektionsmaßnahmen und baulichen Eingriffe (z.B. in der Linienführung, durch Uferverbau, Querbauwerke, Stauregulierung, Anlagen zum Hochwasserschutz und/oder Nutzung in der Aue) weitgehend verändert und zerstört. Dies trifft vor allem für den Unterlauf der Wiese zwischen Zell und Basel zu. Doch selbst am Oberlauf der Wiese zwischen Todtnau und Zell ist die Gewässerstruktur immer noch deutlich bis stark verändert. Nur an drei relativ kurzen Flussabschnitten im Oberlauf der Wiese ist die Gewässerstruktur nur mäßig beeinflusst. Im Vergleich zu den meisten anderen Flüssen im südlichen Schwarzwald wurde die Wiese von ihren Quellen bis zur Mündung weitgehend durch flussbauliche Maßnahmen verändert.<ref>[http://www2.lubw.baden-wuerttemberg.de/public/abt4/fliessgewaesser/gewstruktur/index.htm Landesanstalt für Umwelt, Messungen und Naturschutz, Baden-Württemberg]</ref> In den letzten Jahren hat sich ein Umdenken in der öffentlichen Wahrnehmung der Wiese bemerkbar gemacht. Verschiedene Projekte auf Schweizer und Deutscher Seite haben es sich zum Ziel gesetzt, die Wiese in ihrer ökologischen und biologischen Funktion und in ihrer Funktion als Naherholungsgebiet aufzuwerten. == Revitalisierung und Naturschutz an der Wiese == Seit den späten 1990er Jahren wurden im Kanton [[Basel-Stadt]] die ersten Überlegungen und Planungen zur [[Renaturierung]] und [[Revitalisierung]] der Basler Fließgewässer angestellt. Anlass dazu war das veränderte [[Umweltbewusstsein]] bezüglich Stadtgewässern und die Erkenntnis, dass naturnahe Gewässer einen nachhaltigen Mehrwert für Flora, Fauna und Erholung suchende Menschen schaffen. In diesem Geiste wurde das ''Entwicklungskonzept Fliessgewässer Basel-Stadt'' erarbeitet, in dessen Zielkatalog verschiedene Revitalisierungsmaßnahmen festgelegt wurden. Zu den erstrangigen Zielen gehörten * die Wiederansiedlung von [[Biber]] und [[Lachse|Lachs]] an Rhein, [[Birs]] und Wiese, * der Ausbau von Wanderkorridoren zur [[Biotopvernetzung]], * die Schaffung von mehr Raum für Landbäche, * die naturnahe Pflege der revitalisierten Lebensräume sowie * der Schutz und die Verbesserung der ober- und [[Grundwasser|unterirdischen]] Gewässer. Für die Wieseebene wurden im Rahmen des Entwicklungskonzeptes zahlreiche Projekte entwickelt. Dazu gehören insbesondere die Revitalisierung der Wiese, des Riehenteichs, des Alten Teichs und des Otterbachs unter Berücksichtigung der [[Trinkwassergewinnung]] in den Langen Erlen sowie eine bessere Vernetzung der Wiese mit ihren Nebengewässern, um neue [[Laich]]- und Jungfischlebensräume zu erschließen. === Aktuelle Naturschutzprojekte im Bereich der Wiese === * Auf einem 600 Meter langen Abschnitt zwischen Erlenparksteg und Wiesebrücke wurden bereits 1999 erste Revitalisierungsmaßnahmen durchgeführt, die harten Flussverbauungen wurden entfernt und durch naturnahe Steinbuhnen ersetzt. * Zur langfristigen Erhaltung der einzigartigen Auenlandschaft und der angrenzenden Kulturlandschaft wurde 2001 der ''Landschaftspark Wiese'' geschaffen. Der Landschaftspark ist ein grenzüberschreitendes Projekt, an dem neben den Städten Weil am Rhein und Lörrach (seit 2007), der Gemeinde Riehen und der Stadt Basel auch das Trinationale Umweltzentrum (TRUZ) und weitere schweizerische Naturschutzorganisationen beteiligt sind.<ref>[http://www.hochrhein-zeitung.de/basel/6_jahre_landschaftspark_wiese.html?searchword=projekts Hochrhein-Zeitung]</ref> * Um eine gute [[Trinkwasserqualität]] des Grundwasserreservoirs in den Langen Erlen zu gewährleisten, muss für eine ausreichende Kontrolle der Wasserqualität gesorgt werden. Dazu wurden im Rahmen des Entwicklungskonzeptes in Zusammenarbeit mit der Universität Basel Studien durchgeführt, die die Mechanismen und möglichen Belastungsrisiken durch verschmutztes Flusswasser in den Langen Erlen erforschen sollten.<ref>[http://www.aue.bs.ch/fachbereiche/gewaesser/grundwasser/grundwasserschutz-massnahmen-gegen-verunreinigungen.htm Amt für Umwelt und Energie, Basel Stadt]</ref> [[Datei:Neuer Teich Revitalisiserungs- maßnahmen 04.03.2008.JPG|miniatur|Revitalisierung des Neuen Teichs bei [[Riehen]]]] * Die Sanierung des Neuen Teichs wird seit Oktober 2007 in Angriff genommen, um den Anforderungen des Grundwasserschutzes gerecht zu werden. Die Maßnahmen sehen vor, das Bett des Kanals abzudichten, damit bei Hochwasser keine [[Krankheitserreger|Keime]] aus belastetem Wiesenwasser in die Grundwasserbrunnen eindringen können. Bei den Sanierungsarbeiten soll der Teich zudem naturnah gestaltet und auf seiner gesamten Strecke fischgängig gemacht werden. * In der Stadt [[Lörrach]] wurde seit Anfang des Jahrzehnts das Projekt ''Wiesionen'' entwickelt. Das Projekt sieht vor, in mehreren Teilprojekten eine Aufwertung des Lebensraums Fluss für Natur und Mensch auf Lörracher Stadtgebiet zu erreichen. Da die enge Bebauung auf Lörracher Gebiet einen sehr geringen Spielraum für Renaturierungsmaßnahmen zulässt, kann nur in begrenztem Maße in die bestehende Gewässerstruktur eingegriffen werden. Innerhalb der Hochwasserdämme soll eine reduzierte Auendynamik hergestellt werden und Wanderungshindernisse im Fluss sollen beseitigt werden. Zudem soll der Fluss an ausgewählten Stellen durch entsprechende Baumaßnahmen in das städtische Leben integriert werden.<ref>[http://www.wrrl-kommunal.de/content,36.html?project_id=103 Projektbeschreibung Wiesionen]</ref> === Zollfreistrasse ===<!--mit ss belassen, da schweizbezogen --> [[Datei:Infotafel Zollfreie Strasse.JPG|miniatur|Infotafel Zollfreistrasse an der Weiler Wiesebrücke]] Bis Januar 2006 wurde das rechtsseitige Ufer der Wiese zwischen Stettener Eisenbahnbrücke und Weiler Wiesebrücke unterhalb des Tüllinger Schlipf von einem naturnahen Auenwald gesäumt. Im Zuge der Bauarbeiten zur [[Zollfreistrasse (Basel)|Zollfreistrasse]] wurden Teile dieses Waldes gerodet und der Lebensraum einiger seltener Vögel und Pflanzen stark beeinträchtigt. Das Genehmigungsverfahren für den Bau der Zollfreistrasse hatte sich über mehrere Jahrzehnte hingezogen und wurde bis zuletzt durch den Widerstand von regionalen Umweltschützern hinausgezögert. Obwohl der Bau der umstrittenen Straße letztlich nicht verhindert werden konnte, war die Initiative zum Schutz der Wiesenaue insofern erfolgreich, als dass die verschiedenen Bevölkerungsgruppen für den Schutz der Wieseebene sensibilisiert werden konnten und die lokalen Behörden weitgehende ökologische Ausgleichsmaßnahmen in Aussicht gestellt haben. == Die Wiese in Literatur und Malerei == === Literatur === [[Datei:Friesengger hausen 19. jahrhundert.jpg|miniatur|Die Wiese bei Hausen, G.W. Friesenegger, Erste Hälfte 19. Jahrhundert]] [[Johann Peter Hebel]] hat der Wiese in seinem 1803 veröffentlichten Gedichtband ''Alemannische Gedichte'' ein literarisches Denkmal gesetzt. Das Gedicht ''Die Wiese''<ref>[[s:Die Wiese|Die Wiese]] bei [[Wikisource]]</ref> beschreibt den Fluss Wiese, personifiziert als ''des Feldbergs liebligi Tochter'', von seiner Quelle bis zu seiner Mündung. === Malerei === Die Wiese ist als Motiv in der Landschaftsmalerei oder aufgrund ihres bloßen Vorhandenseins als Teil von Stadt- und Burgporträts auf verschiedenen Kunstwerken zu finden. Im 17. und 18. Jahrhundert findet man den Fluss auf Kupferstichen von [[Matthäus Merian]] und [[Emanuel Büchel]], wobei vor allem Letzterer in der Mitte des 18. Jahrhunderts auf zahlreichen Zeichnungen ihren Flusslauf und das Aussehen der Landschaft an ihrem Unterlauf dokumentiert hat. Auch der bekannte Schweizer Landschaftsmaler [[Samuel Birmann]] zeichnete als junger Mann die Wiese und das Untere Wiesental. Im 19. Jahrhundert entstanden zahlreiche Landschaftsbilder von heute eher unbekannten Malern, welche die Wiese und das Wiesental naturgetreu darstellten. == Literatur == * Eduard Golder: ''Die Wiese. Ein Fluss und seine Geschichte''. Baudepartement Basel-Stadt, Tiefbauamt, 1991. == Einzelnachweise == <div class="references-small" style="-moz-column-count:1; column-count:1;"> <references/> </div> == Weblinks == {{Commons|Wiese (Fluss)}} * [http://www.hr-funk.net/Wiesental/ Bildergalerie des Wiesentals „von der Quelle bis zur Mündung“] * [http://www.badische-seiten.de/wissen/wiese.php Wissen zum Fluss „Wiese“] * [http://www.fosor.de/artikel/wasseramsel.pdf Zur Verbreitung der Wasseramsel an der Wiese] (PDF-Datei; 63 kB) * [http://www.bd.bs.ch/landschaftsrichtplan-wiese_text_2001.pdf Landschaftsentwicklungsplan Landschaftspark Wiese] (PDF-Datei; 1,45 MB) * [http://www.wiesionen.de/ Das Lörracher Projekt Wiesionen] {{Exzellent}} [[Kategorie:Fluss in Europa]] [[Kategorie:Flusssystem Rhein|1Wiese]] [[Kategorie:Fluss in Baden-Württemberg]] [[Kategorie:Fluss im Kanton Basel-Stadt]] [[Kategorie:Landkreis Lörrach]] [[als:Wiese (Fluss)]] [[da:Wiese]] [[en:Wiese]] [[hr:Wiese]] [[nl:Wiese]] [[nn:Wiese]] [[no:Wiese (elv)]] [[pl:Wiese]] [[ru:Визе (река)]] i8e5xjmk7fw4b3rx8vhoxoa6x1nkxdr wikitext text/x-wiki Wiesen-Schaumkraut 0 24514 27117 2010-04-23T09:20:33Z DerHexer 155 Änderungen von [[Special:Contributions/87.189.52.78|87.189.52.78]] ([[User talk:87.189.52.78|Diskussion]]) rückgängig gemacht und letzte Version von [[User:Luckas-bot|Luckas-bot]] wiederhergestellt <!-- Für Informationen zum Umgang mit dieser Tabelle siehe bitte [[Wikipedia:Taxoboxen]]. --> {{Taxobox | Taxon_Name = Wiesen-Schaumkraut | Taxon_WissName = Cardamine pratensis | Taxon_Rang = Art | Taxon_Autor = [[Carl von Linné|L.]] | Taxon2_Name = Schaumkräuter | Taxon2_WissName = Cardamine | Taxon2_Rang = Gattung | Taxon3_Name = Kreuzblütengewächse | Taxon3_WissName = Brassicaceae | Taxon3_Rang = Familie | Taxon4_Name = Kreuzblütlerartige | Taxon4_WissName = Brassicales | Taxon4_Rang = Ordnung | Taxon5_Name = Eurosiden II | Taxon5_Rang = ohne | Taxon6_Name = Rosiden | Taxon6_Rang = ohne | Bild = WiesenschaumkrautSumpfdotterblume.jpg | Bildbeschreibung = Wiesen-Schaumkraut (''Cardamine pratensis'') }} Das '''Wiesen-Schaumkraut''' (''Cardamine pratensis'') ist eine [[Art (Biologie)|Art]] aus der [[Gattung (Biologie)|Gattung]] der [[Schaumkräuter]] und gehört zu den [[Kreuzblütengewächse]]n (Brassicaceae). Es dominiert mit seinen weiß bis zart violetten Blüten ab Ende April bis Mitte Mai häufig das Erscheinungsbild nährstoffreicher [[Feuchtwiese]]n. == Name == Die botanische Bezeichnung ''Cardámine praténsis'' setzt sich zusammen aus [[Griechische Sprache|griechisch]] ''κάρδαμων (kárdamon)'' = Kresse und [[Latein|lat.]] ''pratensis'', was mit „auf Wiesen wachsend“ übersetzt werden kann. Die im deutschsprachigen Raum übliche Bezeichnung Wiesen-Schaumkraut bezieht sich möglicherweise auf das Vorkommen von Schaumnestern der [[Schaumzikaden]] (Aphrophoridae) an dieser Pflanze. Diese sind im Frühjahr so häufig, dass die im [[Volksmund]] auch als „Kuckucksspeichel“ oder „Hexenspucke“ bezeichneten Nester der Pflanze den volkstümlichen Namen „Kuckucksblume“ gegeben haben. Als weit verbreitete und auffällige Wiesenblume besitzt das Wiesen-Schaumkraut eine Reihe weiterer regional sehr unterschiedlicher volkstümlicher Namen. Dazu gehören Bettbrunzer, blaues Brunnenkressich, Fleischblume, Gauchblume, Harnsamen, Maiblume, Marienblume, Pinksterbloem, Präriekraut, Schaumkraut, Storchenschnäbli, Strohblume, Wasserkraut, Wiesenkresse und Wilde Kresse. == Erscheinungsbild == [[Bild:Cardamine_pratensis-KumbaYo.jpg|thumb|Blüten des Wiesen-Schaumkrautes]] Das Wiesen-Schaumkraut ist eine [[mehrjährige Pflanze|mehrjährige]], [[krautige Pflanze]], die mit einem kurzen, wenig verdickten „Wurzelstock“ ([[Rhizom]]) im Boden überwintert. Die Pflanzen bilden eine niedrige Blattrosette, aus der ein runder, hohler, beblätterter [[Stängel]] hervor wächst, der Wuchshöhen zwischen 15 bis 60 Zentimeter erreicht. Die gestielten, unpaarig gefiederten [[Blatt (Pflanze)#Blattstellung|Grundblätter]] haben zwei bis 15 Paare rundlicher [[Fiederblättchen]]. Die kurz gestielten Stängelblätter sind ebenfalls gefiedert, tragen aber länglich schmale Fiederblättchen. Die zwittrigen [[Blüte]]n sind vierzählig. Die „Kreuzblüten“ des Wiesen-Schaumkrautes bestehen aus vier [[Kronblatt|Kronblättern]] und sechs gelben [[Staubblatt|Staubblättern]], die ungefähr dreimal so lang wie die vier grünen [[Kelchblatt|Kelchblätter]] sind. Die Kronblätter sind weiß bis blassrosa mit dunkleren Adern. Die „Kreuzblüten“ vereinigen sich in einer endständigen Traube, jedoch entstehen am oberen Teil des runden, hohlen Blütenstängels häufig noch weitere kleine Blütentrauben. Bei Regenwetter und Dunkelheit krümmen sich die Blütenstiele und die sich schließenden Blüten nehmen eine nickende Stellung ein. Die Blütezeit des Wiesen-Schaumkrautes ist von April bis Juni. Die Früchte sind [[Schote (Frucht)|Schote]]n, eine Unterform der [[Kapselfrucht]]. Sie sind stabförmig, mit einem Durchmesser von etwa einem Millimeter und etwa 2 bis 5,5 Zentimetern Länge. <!--== Botanik == Es werden zwei Unterarten unterschieden: * Eigentliches Wiesenschaumkraut (''C. pratensis'' subsp. ''pratensis'') * Großes Wiesenschaumkraut (''C. pratensis'' subsp. ''major'') Das Große Wiesen-Schaumkraut besitzt etwa 4 bis 6 Millimeter große [[Kelchblätter]], im Gegensatz zum Eigentlichen Wiesen-Schaumkraut mit etwa 2 bis 4 Millimeter großen Kelchblättern. Auch die [[Kronblätter]] sind mit 12 bis 19 Millimeter etwas größer. In [[Österreich]] ist das Große Wiesen-Schaumkraut selten und kommt nur in [[Niederösterreich]] etwa in den [[March (Fluss)|Marchauen]] vor. bitte prüfen, ob es diese Unterarten gibt, Referenz???--> == Ausbreitung== [[Bild:XN Cardamine pratensis fruits.jpg|thumb|Schoten des Wiesen-Schaumkrauts]] Die Blüten des Wiesen-Schaumkrautes sind sehr [[Nektar (Botanik)|nektarreich]] und werden durch zahlreiche Insekten bestäubt. Aus den Blüten entwickeln sich 2 bis 4 Zentimeter lange Schoten. Diese springen bei Reife auf und verstreuen die einreihig angeordneten, eilänglichen Samen. Das Wiesen-Schaumkraut nutzt damit eine [[Ausbreitungsmechanismen von Pflanzen|Ausbreitungsstrategie]], die man botanisch auch als [[Ballochorie]] bezeichnet. Die Pflanze gehört dabei zu den [[Saftdruckstreuer]]n, die in der europäischen Flora im Gegensatz zu den [[Austrocknungsstreuer]]n selten sind. Reifen die Schoten, steigt der [[Druck (Physik)|Zellsaftdruck]] und die Wände der Schote schwellen an. Ist ein bestimmter Druck überschritten, reißen die Wände der Schote [[Explosion|explosionsartig]] auf. Durch die dabei freigesetzte Energie wird der Samen bis zu 2,4 Meter weit verstreut. Das Wiesenschaumkraut ist ein Lichtkeimer/Hellkeimer. Dort, wo grundständige Blätter des Wiesen-Schaumkrautes den feuchten Boden berühren, bilden sich häufig an den Ansatzstellen der Fiederblättchen wurzelnde [[Brutknospe]]n. Aus diesen wachsen selbstständige Pflanzen heran. Mit dieser vegetativen Selbstausbreitung, die botanisch [[Blastochorie]] genannt wird, stellt die Pflanze eine Ausbreitung auch dann sicher, wenn die Standortbedingungen oder nasskaltes Wetter ein Ausreifen der Samenschoten verhindern. == Vorkommen == [[Bild:XN CP Pod 00.jpg|thumb|Aufgesprengte Schote des Wiesen-Schaumkrauts]] Das Verbreitungsgebiet des Wiesen-Schaumkrauts reicht von [[Europa]] bis zur arktischen [[Klimazone]] in [[Nordasien]] und [[Nordamerika]]. Es ist dabei in diversen [[Biotoptyp]]en zu finden. Es zählt zu den häufigen [[Mitteleuropa|mitteleuropäischen]] [[Pflanze]]n. Als Standort werden frische bis feuchte [[Fettwiese|Fett-]] und Feuchtwiesen sowie [[Bruchwald|Bruch-]] und [[Auwald|Auenwälder]] der collinen bis montanen [[Höhenstufe (Ökologie)|Höhenstufe]] bis etwa {{Höhe|1700|DE-NN|link=true}} bevorzugt. Durch eine Bewirtschaftung feuchter Wiesen wird die Ausbreitung dieser Art stark gefördert. Auch in nährstoffreichen Stauden- und ausdauernden [[Ruderalflur|Unkrautfluren]], an nährstoffreichen Gewässern, an Quellen und Quellläufen sowie in [[Hochstaudenflur]]en und Gebüschen der Gebirge ist die Art anzutreffen. == Aurorafalter und Wiesenschaumzikade == [[Bild:AurorafalterWiesenschaumkraut.jpg|thumb|[[Aurorafalter]] sitzt auf Wiesen-Schaumkraut]] Gemeinsam mit der [[Knoblauchsrauke]] ist das Wiesen-Schaumkraut die bevorzugte Nahrungspflanze der [[Raupe (Schmetterling)|Raupe]] des [[Aurorafalter]]s (''Anthocaris cardamines''). Der Aurorafalter, der das Wiesen-Schaumkraut auch als Nektarpflanze nutzt, legt seine Eier meist an der Blattunterseite ab. Die Raupen fressen an diesen Pflanzen bis Juli oder August, verpuppen sich zu einer so genannten [[Gürtelpuppe]] und überwintern dann. Zu den gleichfalls auf dieser Pflanze lebenden [[Insekten]] zählt die etwa fünf bis sechs Millimeter lange und variabel gefärbte [[Wiesenschaumzikade]] (''Philaenus spumarius''). Wiesenschaumzikaden leben auf [[Krautige Pflanzen|krautigen Pflanzen]], deren Pflanzensaft sie saugen. Sie legen an ihren Wirtspflanzen auch ihre Eier ab, aus denen im April und Mai Larven schlüpfen, die gleichfalls den Pflanzensaft saugen. Durch Einpumpen von Luftbläschen aus der Atemhöhle in eine eiweißhaltige Flüssigkeit, welche die Larven aus dem After abscheiden, wird der Schaum erzeugt. Der Schaum schützt die darin sitzende Larve vor Feinden, erhält aber in erster Linie die für die Weiterentwicklung nötige Feuchtigkeit und Temperatur. Diese auffälligen Schaumnester sind auch an der [[Kuckuckslichtnelke]] und an [[Süßgräser|Gräsern]] zu finden. == Volksmedizin == [[Bild:Philaenusspumarius1.jpg|thumb|[[Wiesenschaumzikade]] (''Philaenus spumarius'')]] Wiesen-Schaumkraut enthält als Inhaltsstoffe [[Senföl]]glykoside, [[Bitterstoffe]] und [[Vitamin C]]. Wiesenschaumkraut-Tee wird in der [[Volksmedizin]] gegen [[Rheuma]] und andere Schmerzzustände verwendet. Heilwirkungen beruhen vor allem auf dem enthaltenen Vitamin C sowie den Senfölglykosiden, die insbesondere auf [[Niere]] und [[Leber]] anregend wirken. Dieser Wirkung verdankt das Wiesen-Schaumkraut auch die volkstümlichen Bezeichnungen Bettsoicher, Harnsamen und Griesblümel. Die in der Pflanze enthaltenen Wirkstoffe wirken jedoch auf [[Magen]] und Nieren auch reizend und dürfen nur in Maßen genossen werden. == Verwendung als Nahrungsmittel == Die jungen Blätter, die vor der Blüte gesammelt werden, sowie die jungen Sprossen sind essbar und schmecken auf Grund des enthaltenen Senfölglykosids [[Winterkresse|kresseähnlich]] und leicht scharf. Sie werden in Salaten, in Kräutersuppen, als Gewürz für [[Quark (Lebensmittel)|Quark]] und [[Frischkäse]] sowie in Saucen verwendet. == Blume des Jahres 2006 == [[Bild:Wiesenschaumkraut.jpg|thumb|Wiesen-Schaumkraut zusammen mit [[Löwenzahn (Taraxacum)|Löwenzahn]] auf einer Wiese in der [[Eifel]]]] Das Wiesen-Schaumkraut wurde zur [[Blume des Jahres]] 2006 gewählt. Die [[Stiftung Naturschutz Hamburg und Stiftung zum Schutze gefährdeter Pflanzen]] begründete ihre Entscheidung für diese vielerorts noch häufig vorkommende Art damit, dass mit der Wahl einer solchen Feuchtwiesenart auf die zunehmende Gefährdung dieses Biotoptyps aufmerksam gemacht werden soll. Von dem Rückgang solcher Gebiete sind immer mehr Grünlandarten in ihrer Verbreitung betroffen. So sind in [[Sachsen-Anhalt]] und [[Mecklenburg-Vorpommern]] die Bestände des Wiesen-Schaumkrauts bereits so weit zurückgegangen, dass die Art dort als gefährdet eingestuft wird und den [[Rote Liste gefährdeter Arten|Rote Liste-Status]] 3 erhielt. == Literatur == * Gertrud Scherf: ''Wiesenblumen: der etwas andere Naturführer.'' BLV, München 2004, ISBN 3-405-16909-7 * Angelika Lüttig und Juliane Kasten: ''Hagebutte & Co: Blüten, Früchte und Ausbreitung europäischer Pflanzen.'' Fauna, Nottuln 2003, ISBN 3-93-598090-6 == Weblinks == {{Wiktionary|Wiesenschaumkraut}} {{Commons|Cardamine pratensis|Wiesen-Schaumkraut}} * [http://www.nabu.de/m05/m05_10/04298.html Nabu-Seite zum Wiesen-Schaumkraut] * [http://www.stiftung-naturschutz-hh.de/blume/2006.htm Seite der Stiftung Naturschutz zum Wiesen-Schaumkraut] * [http://www.exnatura.de/de/index.php?module=pagemaster&PAGE_user_op=view_page&PAGE_id=63 Infoseite zum Wiesen-Schaumkraut bei Ex&nbsp;::&nbsp;Natura] * [http://www.plant-identification.co.uk/skye/cruciferae/cardamine-pratensis.htm Detailbilder bei plant-identification.co.uk] * [http://www.floraweb.de/datenservice/artenhome.xsql?suchnr=1110 www.floraweb.de] - FloraWeb-Steckbrief mit Angaben zu Verbreitung, Bestandssitution, gesetzlichem Schutz, Biologie und Ökologie etc. * [http://kbd.kew.org/kbd/search.do?general=Cardamine+pratensis Literatur zu ''Cardamine pratensis'' in den Kew Bibliographic Databases] (englisch) {{Exzellent}} [[Kategorie:Kreuzblütengewächse]] [[cs:Řeřišnice luční]] [[da:Eng-Karse]] [[en:Cardamine pratensis]] [[es:Cardamine pratensis]] [[et:Aas-jürilill]] [[fr:Cardamine des prés]] [[hsb:Łučna žerchwica]] [[hu:Réti kakukktorma]] [[lt:Pievinė kartenė]] [[nds-nl:Pinksterblom]] [[nl:Pinksterbloem]] [[no:Engkarse]] [[pl:Rzeżucha łąkowa]] [[pt:Cardamine pratensis]] [[ru:Сердечник луговой]] [[sv:Ängsbräsma]] [[wa:Schite d' agaesse]] [[zh:草甸碎米荠]] rc6q8g3usrlsn0tmxotgv1cyf3nzkcf wikitext text/x-wiki Ulrich von Wilamowitz-Moellendorff 0 24515 27118 2010-04-05T12:43:24Z Jonathan Groß 12 +VIAF [[Datei:Wilamowitz.jpg|thumb|Wilamowitz-Moellendorff (1902)]] '''Ulrich von Wilamowitz-Moellendorff''' (* [[22. Dezember]] [[1848]] auf [[Markowice (Strzelno)|Gut Markowitz]], [[Kujawien]], [[Provinz Posen]]; † [[25. September]] [[1931]] in [[Berlin]]; vollständiger Name ''Enno'' [auch: ''Emmo''] ''Friedrich Wichard Ulrich von Wilamowitz-Moellendorff'') war ein deutscher [[Klassische Philologie|klassischer Philologe]]. Er lehrte und forschte als Professor in Greifswald (1876–1883), Göttingen (1883–1897) und Berlin (1897–1921). Mit seinen Editionsprojekten, seiner Erneuerung der [[Textkritik]] und Textinterpretation, seiner Einflussnahme auf die preußische Berufungspolitik und seiner Tätigkeit als Wissenschaftsorganisator war er einer der führenden Vertreter seines Faches und prägte die Klassische Philologie des 20. Jahrhunderts im internationalen Raum nachhaltig. Durch seine Monografien zu vielen Bereichen der griechischen Literatur, seine Neudefinition des Faches und nicht zuletzt durch seine zahlreichen Schüler übte er großen Einfluss auf die Klassische Philologie aus. Als Präsident der [[Königlich-Preußische Akademie der Wissenschaften|Preußischen Akademie der Wissenschaften]] brachte er viele Akademievorhaben auf den Weg, besonders die ''[[Inscriptiones Graecae]]'', die bis heute alle in Griechenland entdeckten Inschriften verzeichnen und herausgeben. == Familie == Die [[Moellendorff (Adelsgeschlecht)|Wilamowitz-Moellendorffs]] haben ihren Namen von [[Generalfeldmarschall]] [[Wichard von Möllendorff (Generalfeldmarschall)|Wichard von Möllendorff]] (1724–1816), der selbst kinderlos war und im hohen Alter den preußischen Major Theodor von Wilamowitz (1768–1837) und damit indirekt dessen drei Söhne adoptierte. Hugo, Ottokar und Arnold trugen ab 1815 mit königlicher Erlaubnis den Doppelnamen ''von Wilamowitz-Moellendorff''. Ulrich von Wilamowitz-Moellendorff war der zweite Sohn, das dritte von vier Kindern des Gutsbesitzers Arnold von Wilamowitz-Moellendorff (1813–1888) und dessen Ehefrau Ulrike, geborene von Calbo (1820–1874). Seine Geschwister waren der spätere Oberpräsident der Provinz Posen, [[Hugo von Wilamowitz-Moellendorff]] (1840–1905), der Husar Tello von Wilamowitz-Moellendorff (1843–1903) und der spätere Major Georg Wichard von Wilamowitz-Moellendorff (1852–1910). Er hatte noch eine Schwester Maria, die jedoch früh verstorben ist (16.–24. November 1847). == Leben == [[Datei:Gut Markowitz Sammlung Duncker.jpg|thumb|Gut Markowitz um 1860, Sammlung [[Alexander Duncker]]]] Wilamowitz verbrachte seine Kindheit auf dem väterlichen Gut Markowitz in Kujawien.<ref>Paul Dräger, An der Geburtsstätte und am Grabe Ulrich von Wilamowitz-Moellendorffs. Eine Dokumentation zu seinem 150. Geburtstag, ''Gymnasium'' 106, 1999, 97–151; „Origine Cujavus“. Beiträge zur Tagung anläßlich des 150. Geburtstags Ulrich von Wilamowitz-Moellendorffs (1848–1931). Hg. von Włodzimierz Appel, Toruń 1999 (= ''Xenia Toruniensia'' 4)</ref> Seine Mutter wusste seinen Bildungshunger zu fördern und verschaffte ihm einen geeigneten Hauslehrer. Am 24. April 1862 wurde er in der berühmten [[Landesschule Pforta]] eingeschrieben, die er Ostern desselben Jahres als Tertianer bezog. In Schulpforta traf Wilamowitz auch den älteren [[Friedrich Nietzsche]], und wie dieser wurde er ein Spitzenschüler.<ref>Siehe: ''Die Großen Deutschen'', Band 5, S. 416.</ref> Am 28. Februar 1864 wurde Wilamowitz konfirmiert. Der Direktor der Landesschule, [[Karl Ludwig Peter]], bei dem Wilamowitz als Extraneer wohnte, und der Lehrer [[Karl August Koberstein|August Koberstein]] weckten in dem Schüler Begeisterung für die Altertumswissenschaften. Wilamowitz las lateinische und griechische Autoren, besonders die griechischen Tragiker zogen ihn an. Carl Ludwig Peter empfahl seinem Schüler auch die Lektüre der ''Römischen Geschichte'' von [[Theodor Mommsen]], obwohl er sie selbst mit einer kritischen Replik bedacht hatte. === Studium in Bonn und Berlin === [[Datei:Diels Robert Kaibel Wilamowitz.jpg|thumb|350px|Wilamowitz (Mitte, mit Hut) im Kreis seiner Mitstudenten (Bonn, Sommersemester 1869).]] Im September 1867 verließ Wilamowitz Schulpforta mit dem Reifezeugnis und bezog die [[Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn|Universität Bonn]], um Klassische Altertumswissenschaften zu studieren. Hier wurde er stark von den Vertretern der sogenannten ''Bonner Schule der Klassischen Philologie'' geprägt: [[Otto Jahn]] und [[Hermann Usener]]. Daneben besuchte Wilamowitz die Lehrveranstaltungen des Kunsthistorikers [[Anton Springer]] und beschäftigte sich drei Semester lang beim Privatdozenten [[Johannes Schmidt (Sprachwissenschaftler)|Johannes Schmidt]] mit [[Sanskrit]]; über Schmidt fand er in seinen 1928 verfassten ''Erinnerungen 1848–1914'' anerkennende Worte. Auch die Veranstaltungen bei den Philologen [[Jacob Bernays]] und [[Friedrich Gottlieb Welcker]] besuchte er; für den Althistoriker [[Heinrich Nissen]], damals gerade Privatdozent, fand er nach dem Besuch eines einzigen Seminars lobende Worte. In seiner Bonner Studienzeit freundete sich Wilamowitz mit dem gleichaltrigen [[Hermann Diels]] an und lernte die jüngeren Kommilitonen [[Georg Kaibel]] und [[Carl Robert]] kennen, mit denen ihn später eine feste Freundschaft verband. Mit Diels, Robert und den späteren Gymnasiallehrern Walther Engel und August Fritzsche traf sich Wilamowitz regelmäßig in seiner Bonner Wohnung, wo die Studenten ein sogenanntes ''[[contubernium]]'' („Zeltgemeinschaft“) abhielten.<ref>[[Otto Kern]]: ''Hermann Diels und Carl Robert''. Leipzig 1927. S. 33.</ref> Die zunehmende Polarisierung zwischen den Bonner Professoren Otto Jahn und [[Friedrich Wilhelm Ritschl]], die im sogenannten ''[[Bonner Philologenstreit|Bonner Philologenkrieg]]'' (1865) gipfelte, hatte einen großen Teil der Bonner Philologiestudenten in zwei Lager gespalten. Viele Bonner Studenten waren mit Ritschl an die [[Universität Leipzig]] gezogen, darunter auch Nietzsche und [[Erwin Rohde]]. Nach Jahns Tod im September 1869 wechselte Wilamowitz zum Wintersemester 1869/1870 gemeinsam mit Diels an die ebenfalls traditionsreiche [[Humboldt-Universität zu Berlin|Berliner Universität]], wo ihn der Philologe [[Moriz Haupt]], ein Pionier der modernen Textkritik, anzog. Hier wurde Wilamowitz im folgenden Semester mit der Dissertation ''Observationes criticae in comoediam Graecam selectae'' („Ausgewählte textkritische Beobachtungen zur griechischen Komödie“) promoviert (20. Juli 1870), deren Hauptgutachter Haupt war; sein [[Rigorosum]] hatte er am 14. Juli abgelegt. === Kriegseinsatz, Reisen und Streit mit Nietzsche === [[Datei:Erstausgaben für Wikipedia II 017.jpg|thumb|Titelblatt der Schrift ''Die Geburt der Tragödie aus dem Geiste der Musik'']] [[Datei:Rohde Gersdorff Nietzsche-2.JPG|thumb|Von rechts nach links: Friedrich Nietzsche, Carl von Gersdorff und Erwin Rohde im Oktober 1871]] Noch im selben Monat trat Wilamowitz als [[Einjährig-Freiwilliger]] den Dienst im preußischen Militär an. Im wenige Tage zuvor ausgebrochenen [[Deutsch-Französischer Krieg|Deutsch-Französischen Krieg]] war er als Gardegrenadier des Ersatzbataillons des 2. Garderegiments eingesetzt. Zu seiner großen Enttäuschung bekam er keine Gelegenheit, sich im Gefecht zu beweisen.<ref>Siehe das Kapitel in seiner Autobiografie ''Erinnerungen 1848–1914. IV. Krieg'', Berlin 1928, S. 105–126.</ref> Am 20. Juli 1871, wenige Monate nach Kriegsschluss, endete Wilamowitz’ einjähriger Militärdienst und er kehrte nach Berlin zurück. Zu dieser Zeit kam er zum ersten Mal persönlich mit dem berühmten Historiker [[Theodor Mommsen]] in Kontakt, der Gefallen an Wilamowitz’ Arbeit fand und ihn einige Jahre später mit der Herausgabe der ''Kleinen Schriften'' des verstorbenen Moritz Haupt beauftragte. Ab August 1872 unternahm Wilamowitz, begleitet von Georg Kaibel, eine eineinhalbjährige Studienreise durch Italien und Griechenland, während der er zahlreiche Handschriften kopierte. Im Jahr 1872 kam es auch zum Konflikt mit Friedrich Nietzsche. Nietzsche, seit 1869 Professor in Basel, hatte im Mai 1872 die Schrift ''[[Die Geburt der Tragödie aus dem Geiste der Musik]]'' veröffentlicht und damit eine öffentliche Kontroverse ausgelöst. Dabei ging es um die Abwertung des [[Euripides]], dem Nietzsche die Zerstörung der Tragödie vorwarf; er setzte gegen den klassizistischen oder historistischen Ansatz der damaligen philologischen Wissenschaft ein intuitives, irrationales Element. Die etablierten Philologen Deutschlands ignorierten Nietzsches Angriff, weil sie seine Arbeit nicht ernst nahmen; auch der von Nietzsche verehrte Professor Ritschl distanzierte sich von der Schrift. Der einzige öffentliche Tadel aus den Reihen der Philologen kam vom jungen Wilamowitz, der im Mai 1872 in der von [[Rudolf Schöll]] angeregten Streitschrift ''Zukunftsphilologie!'' äußerte:<ref name="DBE1">''Deutsche Biographische Enzyklopädie'', Band 10 (1999), S. 494.</ref> „herr Nietzsche tritt ja nicht als wissenschaftlicher forscher auf: auf dem wege der intuition erlangte weisheit wird teils im kanzelstil, teils in einem raisonnement dargeboten, welches dem journalisten […] nur zu verwandt ist.“ Auf die Polemik, mit der Wilamowitz Nietzsches aus Sicht der Philologie unsaubere wissenschaftliche Arbeitsweise kritisierte, aber nicht inhaltlich auf die Thesen einging, reagierte Nietzsche nicht. Sein Freund Erwin Rohde jedoch verfasste eine Gegenschrift mit dem Titel ''Afterphilologie'', in der er ebenfalls gegen Wilamowitz nur polemisierte, und Richard Wagner schrieb einen offenen Brief. Im Februar 1873 reagierte Wilamowitz mit einer Replik: ''Zukunftsphilologie!, zweites Stück. Eine erwidrung auf die rettungsversuche für Fr. Nietzsches ‚Geburt der Tragoedie‘''. Damit endete der Streit ohne Einigung. Die Fachwelt hatte die Kontroverse mit Schweigen und Kopfschütteln verfolgt. In den eifernden gegenseitigen Anschuldigungen, größtenteils von Seiten Wilamowitz’ und Rohdes, machten sich Aneinander-vorbei-reden und Vermeidung der Kernthemen durch Polemik bemerkbar.<ref>''Der Streit um Nietzsches „Geburt der Tragödie“. Die Schriften von E. Rohde, R. Wagner, U. v. Wilamowitz-Möllendorff'' [sic]. Zusammengestellt und eingeleitet von Karlfried Gründer, Hildesheim 1969; [[Joachim Latacz]], ''Fruchtbares Ärgernis: Nietzsches ‚Geburt der Tragödie’ und die gräzistische Tragödienforschung''. Basel 1998 (Basler Universitätsreden, 94. Heft)</ref> Nietzsche wandte sich seiner Neigung folgend endgültig von der Klassischen Philologie ab, was Wilamowitz begrüßte. Erst Jahrzehnte später sollte sich Nietzsches Wirkung fachübergreifend manifestieren, während Wilamowitz’ antiklassizistische Sicht seit den 20er Jahren des 20. Jahrhunderts durch den „[[Dritter Humanismus|Dritten Humanismus]]“ verdrängt wurde. In seinen 50 Jahre später verfassten ''Erinnerungen'' motiviert Wilamowitz die Abfassung seiner Gegenschrift besonders mit dem Bedürfnis, die aus Sicht der Philologie unlautere Herangehensweise Nietzsches darzustellen, sowie unter anderem mit der scharfen Polemik Nietzsches gegen den von Wilamowitz verehrten Otto Jahn wegen seiner kritischen Besprechung Richard Wagners. Im April 1873 wurde Wilamowitz in Rom korrespondierendes Mitglied des [[Deutsches Archäologisches Institut|Deutschen Archäologischen Instituts]]. Hier festigte er seine Kontakte zu Kaibel und Robert und schloss Freundschaft mit seinem späteren Göttinger Kollegen [[Friedrich Leo]]. Außerdem begann hier sein regelmäßiger Kontakt mit Theodor Mommsen, mit dem er zeitlebens ein vertrautes, wenn auch spannungsreiches Verhältnis pflegte.<ref name="DBE1" /> Die Aufregung, welche der Laie [[Heinrich Schliemann]] zu dieser Zeit durch die Entdeckung des von ihm so genannten „[[Schatz des Priamos|Schatzes des Priamos]]“ verursachte, fand auch in Rom Widerhall. Besonders die Geschichte von Schliemanns Frau, die den Schatz in ihrem Umschlagtuch an den Wachen vorbeigeschmuggelt haben soll, beflügelte die Phantasie und den Spott der Fachwelt. Zur Weihnachtsfeier des Deutschen Archäologischen Instituts verkleidete sich Wilamowitz als Schliemanns Frau und stellte die Szene zur allgemeinen Erheiterung nach.<ref>''Erinnerungen 1848–1914'', S. 148</ref> In späteren Jahren bereute er diese „würdelose Travestie“.<ref>Detaillierte Darstellung bei William M. Calder III: ''Wilamowitz on Schliemann''. In: ''Philologus'' 124 (1980), S. 146–151.</ref> === Akademische Lehre === Nach den Reisen widmete sich Wilamowitz in Berlin seiner Habilitation, die er am 30. Juli 1875 mit den Theodor Mommsen gewidmeten ''Analecta Euripidea'' erreichte. Am 7. August hielt er seine Antrittsvorlesung. Einen Ruf an die [[Universität Breslau]] als außerordentlicher Professor lehnte er ab. Stattdessen ging er zu Ostern 1876 als Nachfolger [[Eduard Hiller (Altphilologe)|Eduard Hillers]] an die [[Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald|Universität Greifswald]]: Eine Stelle, für die eigentlich Nietzsche vorgesehen war. Am 20. September 1878 heiratete Wilamowitz in [[Berlin-Charlottenburg|Charlottenburg]] die 23-jährige Marie Mommsen (1855–1936), die älteste Tochter von Theodor Mommsen. Wilamowitz schrieb später, dass mit der Heirat „ein neues besseres Leben begann“.<ref>Wilamowitz, ''Erinnerungen 1848–1914'', S. 178</ref> Das Paar bekam drei Söhne und vier Töchter: Dorothea (1879–1972), Adelheid (1881–1954), Gottfried Hermann (*/† 1882), [[Tycho von Wilamowitz-Moellendorff|Tycho]] (1885–1914), Hermann (1887–1938) und Hildegard (1892–1989). Tychos Zwillingsschwester starb eine Woche nach der Geburt.<ref name="Familienfeier">Paul Dräger, Eine Familienfeier im Hause Wilamowitz (28. 6. 1925), ''Eikasmos'' 19, 2008, 397–450</ref> ==== Greifswald ==== [[Datei:Wilamowitz Young.jpg|thumb|left|150px|Wilamowitz in Greifswald (1878)]] In Greifswald fühlte sich Wilamowitz aus zwei Gründen unbehaglich: Stadt und Universität waren klein und nach seinen Begriffen verschlafen, und im Kollegium war er wegen seines scharfen Tones und seiner schonungslosen Kritik isoliert, zumal er sich etwa mit dem Althistoriker [[Otto Seeck]], den Mommsen empfohlen hatte, nicht verstand. Seine ersten größeren Publikationen erhielten nicht die erwünschte Aufmerksamkeit. Daneben beschäftigte sich Wilamowitz gemeinsam mit seinem Fachkollegen [[Adolph Kießling]] mit der Herausgabe der Reihe ''[[Philologische Untersuchungen]]'', die von 1880 bis 1925 in dreißig Bänden erschienen,<ref>Paul Dräger: ''Die ambivalente Freundschaft: Wilamowitz und Adolf Kießling'', in: ''Wilamowitz in Greifswald'', Hildesheim 1998, S. 216–261</ref><ref name="DrägerKern">Paul Dräger, [[Otto Kern]]: ''Wilmowitz in Greifswald'', Eikasmos 14, 2003, 331–392</ref> und half Mommsen bei der Bearbeitung des fünften Bandes der ''Römischen Geschichte''. Er verfasste auch Beiträge für die Zeitschriften ''[[Philologus]]'' und ''[[Hermes (Zeitschrift)|Hermes]]''; die Ausrichtung der Letzteren bestimmten Mommsen und er. Nach einem Streit mit dem Herausgeber [[Emil Hübner]] (1881) bestellte Wilamowitz seine Studienfreunde Carl Robert und Georg Kaibel zu den neuen Herausgebern des ''Hermes''.<ref>Über die Greifswalder Zeit vgl. Wilamowitz, ''Erinnerungen'' 178–197, sowie ''Wilamowitz in Greifswald. Akten der Tagung zum 150. Geburtstag Ulrich von Wilamowitz-Moellendorffs in Greifswald, 19.–22. Dezember 1998''. Hg. von [[William M. Calder III]] [u.a.], Hildesheim [u.a.] 2000 ([[Spudasmata]] 81)</ref> ==== Göttingen ==== [[Datei:Wilamowitz Sauppe.jpg|thumb|Wilamowitz (links) und [[Hermann Sauppe]] in Göttingen, Wintersemester 1887/88. Sauppe war ein Freund von Otto Jahn.]] Den Weggang aus Greifswald ermöglichte ein Ruf an die [[Georg-August-Universität Göttingen|Universität Göttingen]], der durch Wirkung des mit Wilamowitz befreundeten Ministerialdirektors [[Friedrich Althoff]] im Juli 1883 an ihn erging. Zum Wintersemester 1883 zog Wilamowitz als Nachfolger des emeritierten [[Ernst von Leutsch]] nach Göttingen. Wilamowitz erwirkte, dass Georg Kaibel als sein Nachfolger nach Greifswald berufen wurde. Bereits 1877, als der Göttinger Lehrstuhl für Klassische Philologie vakant war, war Wilamowitz neben Erwin Rohde und [[Karl Dilthey]] von der Universitätsleitung als Kandidat gehandelt worden. Wegen des Widerstandes von Seiten Ernst von Leutschs gegen die Berufung Wilamowitz’ wurde jedoch damals Dilthey auf den Lehrstuhl berufen.<ref>[[Carl Joachim Classen]]: ''Die klassische Altertumswissenschaft an der Georg-August-Universität Göttingen: Eine Ringvorlesung zu ihrer Geschichte'', Göttingen 1989, S. 117, Anm. 44.</ref> Da Leutsch und Sauppe altersbedingt nur wenig zur Lehre beitragen konnten und Dilthey häufig krank war, bemühte sich Wilamowitz um die Berufung kompetenter Kollegen. 1889 kamen Friedrich Leo und [[Wilhelm Meyer (Philologe)|Wilhelm Meyer]] an die Universität. Die Unzulänglichkeit des Althistorikers [[Christian August Volquardsen]] zwang Wilamowitz, auch die [[Alte Geschichte]] in der Lehre zu vertreten. Nach langen Bemühungen um eine Versetzung wurde Volquardsen 1897 bewegt, die Stelle mit dem Kieler Althistoriker [[Georg Busolt]] zu tauschen, der bis zu seinem Tode (1920) in Göttingen lehrte und forschte. Die Göttinger Zeit schätzte Wilamowitz später oft als „die glücklichste Zeit meines Lebens“<ref>Wilamowitz, ''Erinnerungen'' 239</ref> ein. Mit den Kollegen, vor allem mit [[Hermann Sauppe]] und Friedrich Leo, und mit dem auf Althoffs Wirken 1892 eingestellten Alttestamentler [[Julius Wellhausen]] verstand er sich bestens. Dem Letzteren, der in Greifswald sein Kollege gewesen war, hatte er 1884 seine ''Homerischen Untersuchungen'' gewidmet. In Göttingen ergingen mehrere Rufe anderer Universitäten an Wilamowitz, die dieser alle ablehnte: 1885 aus [[Universität Straßburg|Straßburg]], 1886 aus [[Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg|Heidelberg]] und 1889 aus Bonn (als Nachfolger des verstorbenen [[Eduard Lübbert]]). Schon 1880 war in der Bonner Philosophischen Fakultät Wilamowitz als Nachfolger für den 1877 verstorbenen [[Friedrich Heimsoeth]] gehandelt worden, aber aus finanziellen Gründen entschied man sich für Lübbert. Im akademischen Jahr 1891/1892 war Wilamowitz Prorektor der Universität Göttingen. Januar 1892 wurde Wilamowitz als ordentliches Mitglied in die [[Akademie der Wissenschaften zu Göttingen|Königliche Gesellschaft der Wissenschaften zu Göttingen]] gewählt, und nach Hermann Sauppes Tod im September 1893 wurde er 1894 Sekretär der Gesellschaft. Ebenfalls im Jahr 1894 wurde er vom Deutschen Archäologischen Institut zum ordentlichen Mitglied erklärt. ==== Berlin ==== Schon seit 1895 betrieb Friedrich Althoff in Berlin die Berufung Wilamowitz’ zum Professor an die Berliner Universität. Sein Studienfreund Hermann Diels, der seit 1882 außerordentlicher, seit 1886 ordentlicher Professor an der Universität war, unterstützte diese Bemühungen. Neben Skrupeln Wilamowitz’, Göttingen zu verlassen, stand vor allem die entschiedene Opposition der Berliner Professoren [[Ernst Curtius]], [[Adolf Kirchhoff]] und [[Johannes Vahlen]] im Weg.<ref name="berufungspolitik">''Berufungspolitik innerhalb der Altertumswissenschaft im wilhelminischen Preußen'' (Frankfurt am Main 1989) S. 112f. Anm. 475.</ref> Erst nach Curtius’ Tod im Juli 1896 konnte sich Wilamowitz entschließen, dem Ruf als Nachfolger von Curtius nach Berlin Folge zu leisten und Göttingen 1897 zu verlassen. Auf den Göttinger Lehrstuhl empfahl er Georg Kaibel – wie 1883 in Greifswald. In Berlin entfaltete Wilamowitz eine rege wissenschaftliche Tätigkeit. Er wirkte nach Mommsens Vorbild als Wissenschaftsorganisator und Vermittler zwischen den Staaten. Zu den von Althoff erhandelten Konditionen seines Lehrstuhls zählte die Befreiung von Examina, aber auch die Gründung des Instituts für Altertumskunde, dem Wilamowitz und Diels vorstanden, sowie regelmäßige öffentliche Vorträge, die Wilamowitz an jedem Montag und Donnerstag hielt und die stets gut besucht waren. Außerdem fand in seiner [[Berlin-Westend|Westender]] Wohnung (Eichenallee 12 – hier ein Nachbar der Eltern des Philosophen [[Leonard Nelson]]) alle zwei Wochen ein Treffen statt, bei dem kursorisch griechische Quellentexte gelesen wurden und das als „Graeca“ bekannt war. 1899 trat Wilamowitz in den Vorstand des Deutschen Archäologischen Instituts ein. Die [[Königlich-Preußische Akademie der Wissenschaften|Preußische Akademie der Wissenschaften]], die Wilamowitz 1891 als korrespondierendes Mitglied aufgenommen hatte, wählte ihn 1899 nach dem Tode [[Heinrich Kiepert]]s zum ordentlichen Mitglied. Wilamowitz spielte eine führende Rolle in der Akademie und übernahm 1902 ihre Leitung. [[Datei:Liebermann Wilamowitz.jpg|thumb|Lithographie von [[Max Liebermann]], die 1915 im Rahmen einer Serie von Porträts preußischer Patrioten entstand.<ref>Vgl. Wilt Aden Schröder, Wilamowitz-Bildnisse, ''[[Philologus]]'' 151, 2007, 335–374</ref>]] Einen Schicksalsschlag stellte der Tod seines engen Freundes Kaibel 1901 dar. Nur zwei Jahre später starb Mommsen hochbetagt. Wilamowitz trieb seine Arbeit trotz dieser Verluste unablässig voran und wurde 1910 zum Geheimen Regierungsrat ernannt. Gastvorträge im Ausland hielt er in [[University of Oxford|Oxford]] (1908) und [[Universität Uppsala|Uppsala]] (1912). Eine amerikanische Gastprofessur im Wintersemester 1912/1913 lehnte er ab, weil er das dortige Kollegium als unterlegen empfand. Im April 1913 nahm er am Dritten Internationalen Historikerkongress in London teil, im akademischen Jahr 1915/1916 übte er das Amt des Rektors der Berliner Universität aus. === Späte Jahre === Ein einschneidendes Ereignis war für Wilamowitz der [[Erster Weltkrieg|Erste Weltkrieg]]. Der streng konservative Sohn eines Großgrundbesitzers trat mit glühendem Patriotismus für sein preußisches Vaterland ein; er hielt patriotische Vorträge, die er 1915 auch drucken ließ, initiierte 1914 die ''[[s:Erklärung der Hochschullehrer des Deutschen Reiches|Erklärung der Hochschullehrer des Deutschen Reiches]]'' und unterzeichnete das ''[[Manifest der 93]]''; zur gleichen Zeit fiel sein Sohn Tycho an der Ostfront. Seine Einstellung und Aktivitäten kosteten ihn teilweise sein Ansehen im Ausland. 1915 wurde ihm die Mitgliedschaft in der Pariser [[Académie des Inscriptions et Belles-Lettres]] aberkannt. Wilamowitz’ Einstellung zum Krieg änderte sich, sobald er die Dimensionen des modernen Vernichtungskrieges erkannte. Im Jahr 1917/1918 gehörte Wilamowitz dem [[Preußisches Herrenhaus|Preußischen Herrenhaus]] an. Der Zusammenbruch des wilhelminischen Kaiserreichs 1918 und der Tod seiner Freunde Diels und Robert (beide 1922) verbitterten ihn. Seine Vorlesungen hatten zu dieser Zeit aus Enttäuschung das früher typische Pathos verloren, öffentliche Vorträge und Reden hielt er kaum noch.<ref name="Gnomon">Vergleiche den Nachruf im ''Gnomon'' 7 (1931), S. 557–560. Siehe exemplarisch die erste publizierte Vorlesung: ''U.v.W.-M.: Homers Ilias (Vorlesung WS 1887/1888 Göttingen)'', herausgegeben und kommentiert von Paul Dräger, Hildesheim [u.a.] 2006, 2., ergänzte Aufl. 2008; darin S. 17–30: ''Wilamowitz als Lehrer''. Rezensionen: Edith Foster, ''[[Bryn Mawr Classical Review]]'' 2007-02-35 ([http://ccat.sas.upenn.edu/bmcr/2007/2007-02-35.html online]); Herbert Bannert, ''[[Wiener Studien]]'' 120, 2007, S. 297–300; William M. Calder III, ''Classical Review'' Band 58, 2008, S. 302–304</ref> Seine Emeritierung im Jahr 1921 empfand er als verfrüht und ungerecht; er hielt auch weiterhin Vorlesungen und Seminare ab. Nachfolger auf dem Lehrstuhl wurde sein Schüler [[Werner Jaeger]] (1888–1961), der sich schon in vielerlei Hinsicht von Wilamowitz abgewandt hatte. Trotzdem hielt Wilamowitz weiterhin Vorlesungen an der Universität, bis seine Gesundheit es nicht mehr ermöglichte.<ref>Siehe: ''Die Großen Deutschen'', Band 5, S. 418.</ref> 1925 hielt Wilamowitz Vorträge in Kopenhagen. 1928 gratulierten ihm die Zeitschriften ''Philologus, Hermes'' und ''[[Gnomon (Zeitschrift)|Gnomon]]'' zum achtzigsten Geburtstag, und die Berliner Studenten veranstalteten einen Fackelzug zu seinen Ehren. [[Datei:Gedenktafel Eichenallee 12 (Weste) Ulrich von Milamowitz-Moellendorf.JPG|thumb|Gedenktafel an Wilamowitz’ Wohnhaus in Westend]] Um 1927 begann Wilamowitz’ Gesundheit sich rapide zu verschlechtern. Im September hielt er seinen letzten Vortrag auf der Göttinger Philologenversammlung.<ref>''[[s:de:Geschichte der griechischen Sprache|Geschichte der griechischen Sprache]]'', erschienen 1928 bei der Weidmannschen Buchhandlung.</ref> Sein letztes großes Werk ist der ''Glaube der Hellenen'', ein Gegenentwurf zu Hermann Useners ''Götternamen'' (Bonn 1896). Eine Nierenerkrankung fesselte Wilamowitz ans Bett, so dass er das Werk unter Einfluss von Schmerzmitteln seiner Tochter Dorothea diktierte, die seit 1905 mit dem Epigraphiker [[Friedrich Hiller von Gaertringen (Epigraphiker)|Friedrich Hiller von Gaertringen]] verheiratet war. 1929 musste Wilamowitz die Arbeit abbrechen; das Werk wurde vom Epigraphiker [[Günther Klaffenbach]] herausgegeben. Am 17. und 18. Juli 1931 nahm er zum letzten Mal an den Sitzungen des Deutschen Archäologischen Instituts teil. Am 25. September starb Ulrich von Wilamowitz-Moellendorff im 83. Lebensjahr, nach mehreren Monaten im komatösen Zustand. Er wurde auf seinen Wunsch hin im Familiengrab der Freiherren von Wilamowitz-Moellendorff in Möllendorf (heute [[Wymysłowice]], [[Woiwodschaft Kujawien-Pommern]]) bestattet, wohin sein Sohn Hermann die Urne mit der Asche seines Vaters brachte, die zusammen mit der seiner Frau noch neben dem für Sohn Tycho errichteten Kenotaph ruht. Die Grabstätte wurde bis vor einigen Jahren regelmäßig von Schülern und Studenten der Umgebung gepflegt.<ref>D. Alfred Fischer: Rede am Sarge von Ulrich von Wilamowitz-Moellendorff, hg. von Paul Dräger, ''Eikasmos'' 11, 2000, 381–400.</ref><ref name="Familienfeier" /> == Leistungen und Bedeutung == Ulrich von Wilamowitz-Moellendorff hat die Klassische Philologie in vielerlei Hinsicht beeinflusst und bestimmt. Seine Verdienste können kaum überschätzt werden: Er hat die Gedanken [[Friedrich August Wolf]]s zur Textgeschichte auf die griechische Tragödie und die [[Bukolische Dichtung|Bukolik]] angewandt; von ihm stammen zahlreiche Editionen, Kommentare und Übersetzungen auf den Gebieten Tragödie, Komödie, Platon, frühgriechische Lyrik und hellenistische Dichtung. Seine ''Griechische Verskunst'' stellte die Forschung in diesem Gebiet auf neue, heute noch gültige Grundlagen.<ref name="gjaeger">Gerhard Jäger: ''Einführung in die klassische Philologie'', München 1975, S. 25f.</ref> Insgesamt verdankt die Klassische Philologie Wilamowitz die „Entdeckung“ der vor- und nachklassischen Autoren als Gegenstand der Forschung sowie die Einbindung von Erkenntnissen und Methoden der Archäologie, Papyrologie, Vergleichenden Sprachwissenschaft, Epigraphik und Alten Geschichte in die philologische Arbeit.<ref name="Gnomon" /> === Wissenschaftspolitik und Wissenschaftsorganisation === Als Berater des Ministerialdirektors Friedrich Althoff hatte er großen Einfluss darauf, wer im preußischen Hochschuldienst auf welche Stelle berufen wurde. So lenkte er die Karriere seines Freundes Kaibel und verhinderte mit einer vernichtenden Rezension die akademische Laufbahn des Philologen [[Paul Cauer]]. Seine Gutachtertätigkeit ist in der Sammlung seiner Briefe an Althoff unter dem Titel ''Berufungspolitik innerhalb der Altertumswissenschaft im wilhelminischen Preußen'' (Frankfurt am Main 1989) nachzulesen.<ref name="berufungspolitik"/> Als Wissenschaftsorganisator war Wilamowitz im In- und Ausland um Zusammenarbeit bemüht. Er initiierte das von Friedrich Leo geleitete Lexikonprojekt ''[[Thesaurus Linguae Latinae]]'', das seit 1894 ein umfassendes Lexikon der lateinischen Sprache der Antike erstellt. Bei der Preußischen Akademie der Wissenschaften setzte er die Fortsetzung der Edition des ''[[Corpus Inscriptionum Graecarum]]'' durch, das allmählich zum Großvorhaben ''[[Inscriptiones Graecae]]'' ausgebaut wurde. Auch an der Kommission zur Herausgabe des ''[[Corpus scriptorum ecclesiasticorum latinorum|Corpus scriptorum ecclesiasticorum Latinorum]]'' beteiligte sich Wilamowitz rege, wobei er resolut den philologischen Anteil des Projektes betonte. Er war ab 1926 Mitherausgeber des philologischen Rezensionsorgans ''[[Litteris]]'' der [[Vetenskapssocieteten i Lund]]. An der Sammlung der ''[[Die Fragmente der Vorsokratiker|Fragmente der Vorsokratiker]]'' wirkte er ebenfalls mit. === Lehrtätigkeit === In seinen Vorlesungen und Vorträgen entfaltete Wilamowitz sein Talent, mit seinem Charisma, seiner Wortgewandtheit und seiner ansteckenden Begeisterung für die Antike die Zuhörer in seinen Bann zu ziehen. Von seinen zahlreichen Schülern sind vor allem zu nennen: [[Werner Jaeger]], [[Eduard Fraenkel]], [[Hermann Fränkel]], [[Paul Friedländer (Philologe)|Paul Friedländer]], [[Johannes Geffcken (Philologe)|Johannes Geffcken]], [[Alfred Gercke]], [[Felix Jacoby]], [[Paul Maas (Altphilologe)|Paul Maas]], [[Max Pohlenz]], [[Karl Reinhardt (Philologe)|Karl Reinhardt]], [[Wolfgang Schadewaldt]], [[Eduard Schwartz]] und [[Ludwig Traube (Philologe)|Ludwig Traube]].<ref>Aufzählungen bei R. L. Fowler, in: ''Classical Scholarship – A Biographical Encyclopedia'', 1990, S. 511. [[Friedrich Solmsen]], ''Wilamowitz in his Last Ten Years''. In: ''Greek, Roman and Byzantine Studies'', Band 20 (1979), S. 92–92. [[Walther Ludwig]], ''Würzburger Jahrbücher'', Neue Folge, Band 12 (1986), S. 232. [[Joachim Latacz]], ''Reflexionen Klassischer Philologen auf die Altertumswissenschaft der Jahre 1900–1930''. In: [[Hellmut Flashar]], ''Altertumswissenschaft in den 20er Jahren: Neue Fragen und Impulse'', Stuttgart 1995, S. 41–64.</ref> Im angelsächsischen Raum vermittelte Wilamowitz vor allem an [[Gilbert Murray]] in Großbritannien und an [[Basil Lanneau Gildersleeve]] in den Vereinigten Staaten die Idee der Klassischen Philologie als etablierter Wissenschaft und kann damit zumindest in den USA als ein Gründervater dieser Disziplin gelten. Einige seiner Schüler mussten während der [[Zeit des Nationalsozialismus]] emigrieren und stärkten die Klassische Philologie in den USA und Großbritannien, darunter Eduard Fraenkel, Hermann Fränkel, Jacoby, Jaeger und Maas. <gallery> Bild:Eduard Schwartz.jpg|[[Eduard Schwartz]] (Greifswald) Bild:Ludwig Traube.JPG|[[Ludwig Traube (Philologe)|Ludwig Traube]] (Greifswald) Bild:Liebermann Werner Jaeger.jpg|[[Werner Jaeger]] (Berlin) Bild:Gilbert Murray.jpg|[[Gilbert Murray]] </gallery> === Wissenschaftsverständnis und Forschung === Wilamowitz war ein international angesehener Vertreter des Historismus seines Faches. Er sah alle Altertumswissenschaften zu einer Einheit verwoben: Die Philologie betrachtete er als Geschichtswissenschaft, die Archäologie als „monumentale Philologie“.<ref>[[Wolfgang Schindler]]: ''Die Archäologie im Rahmen von Wilamowitz’ Konzeption der Altertumswissenschaft''. In: ''Wilamowitz nach 50 Jahren'', Darmstadt 1985. S. 244.</ref> Damit identifizierte er die Philologie nicht von einer ''Methode'', sondern von ihrem ''Fachgegenstand'' her: Ziel der Altertumswissenschaften sei die Vergegenwärtigung des gesamten griechisch-römischen Altertums auf der Grundlage von Texten und anderen urkundlichen Zeugnissen; Einzelerscheinungen seien analytisch, Gesamtentwicklungen synthetisch zu erforschen.<ref name="gjaeger"/> Die Sicht auf sein Fach bestimmte auch das Literaturverständnis von Wilamowitz. Er erklärte die Werke der Antike „aus den kulturellen und sozialgeschichtlichen Bedingungen ihrer Entstehungszeit und zog im Sinne einer umfassenden Altertumswissenschaft für die Textinterpretation auch die archäologischen Sachquellen heran“.<ref name="gjaeger"/> Seine Forschung zur griechischen Literatur betraf die Felder des Epos, der Tragödie und der hellenistischen Dichtung. In seiner Auseinandersetzung mit der [[Homerische Frage|Homerischen Frage]] vertrat Wilamowitz die Auffassung, die Großepen [[Ilias]] und [[Odyssee]] stammten von verschiedenen Verfassern. Er identifizierte verschiedene Redaktoren, welche nach seiner Auffassung die Odyssee in diejenige Textgestalt brachten, in der sie über die alexandrinische Philologie in die Neuzeit überliefert wurde. Ein großes Verdienst hat sich Wilamowitz mit seiner Behandlung der hellenistischen Dichtung erworben. Der [[Hellenismus]] als literarische Epoche war von [[Johann Gustav Droysen|Droysen]] erkannt und beschrieben worden. Wilamowitz bemühte sich um das Gesamtverständnis der Epoche. Seine Ablehnung des traditionellen Klassikverständnisses führte ihn dazu, auch die Deutung der hellenistischen Dichtung als Fortsetzung der klassischen Dichtung des 5. Jahrhunderts v.&nbsp;Chr. zu verwerfen. Die Besonderheit der hellenistischen Dichtung veranschaulichte er mit verschiedenen Begriffen. Besonders bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang die Einordnung als „barocke“ Literatur. Dabei griff Wilamowitz auf Nietzsches Erweiterung des Begriffs „Barock“ zurück, den er nicht einer bestimmten Literaturepoche vorbehielt, sondern als generelle Bezeichnung für ein kulturelles und literarisches Phänomen verwendete. Ein kritisches Urteil erfuhren die gelehrten „Künsteleien“ hellenistischer Dichter, die Wilamowitz „lebensfremd“ vorkamen.<ref>Wilamowitz, ''Hellenistische Dichtung in der Zeit des Kallimachos'', zwei Bände, Berlin 1924. Zweite Auflage 1973</ref> Mit der griechischen [[Verslehre|Metrik]] beschäftigte sich Wilamowitz seit den 70er Jahren des 19. Jahrhunderts. Neben einigen Aufsätzen veröffentlichte er 1895 in zwei kleinen Quartbänden ein ''Commentariolum metricum''. Seine große Monografie ''Griechische Verskunst'' konnte er erst 1921 fertigstellen. Darin stellte er den Stand der metrischen Forschung seiner Zeit dar, die Geschichte und Eigenschaften der Metrik sowie sämtliche Vers- und Strophenarten. Das Werk ist noch heute von grundlegender Bedeutung und wurde 1958, 1975 und 1984 unverändert nachgedruckt. Wilamowitz selbst hatte diesen Erfolg nicht erwartet. In der Vorrede zum Werk schrieb er: „…ich zweifle, ob der Erfolg das Wagnis rechtfertigen wird. Denn dies Buch ist ein harter Kuchen, und wenn man einst in der textkritischen Behandlung zahlreicher Verse so etwas wie Rosinen gefunden haben würde, heutzutage ist die Textkritik unmodern.“<ref>''Griechische Verskunst'', Berlin 1921, Vorrede, S. IX</ref> Das Buch von 630 Seiten Umfang ist in drei Abschnitte gegliedert. Der erste führt in das Verhältnis des griechischen zum modernen Versbau und der Poesie zur Prosa ein, behandelt die metrischen Theorien der antiken Griechen und schließt mit einer überblicksartigen Geschichte der griechischen Metrik. Der zweite Abschnitt besteht aus Einzeluntersuchungen zu verschiedenen [[Metrum (Antike)|Metren]], zum Strophenbau und zu ungleich gebauten Strophen. Der dritte Abschnitt enthält metrische Analysen einzelner Lieder (darunter [[Pindar]], [[Sophokles]], [[Euripides]] und [[Aristophanes]]) und schließt mit einem ausführlichen Register. === Bemühungen um die Stärkung und Popularisierung des Faches === In den durch die [[Preußische Schulkonferenzen|preußischen Schulkonferenzen]] 1890 und 1900 vollzogenen Reformen des Gymnasialunterrichts sah Wilamowitz eine Niederlage für die humanistische Bildung, er setzte sich weiter in Opposition zu [[Gottfried Friedrich Aly]] gegen die Senkung der altsprachlichen Anforderungen ein und wollte auch am lateinischen Schulaufsatz festhalten.<ref>Victor Stegemann: ''Aly, Friedrich''. In: ''[[Neue Deutsche Biographie]]'', Band 1, S. 235–236.</ref> Sein ''Griechisches Lesebuch'' (1902) wurde vielerorts verwendet und erfuhr mehrere Auflagen. Intensiv bemühte er sich darum, den Gegenstand der Altertumswissenschaft einem möglichst breiten Kreis von interessierten Nichtfachleuten zu vermitteln. Diesem Zweck dienten neben den öffentlichen Vorlesungen vor allem seine Übersetzungen, in denen er auch eine nationale Pflicht sah. Seine zwei Ansprüche an eine Übersetzung waren, dass sie dem modernen Leser mindestens so leicht verständlich sein sollte wie das Original dem antiken Leser und dass die poetische Form der Übersetzung derjenigen des Originals zwar nicht exakt entsprechen musste, wohl aber ihr sinnvoll nachempfunden sein sollte. Damit löste sich Wilamowitz von der klassizistischen Tradition und brachte eine ungewohnte Modernität in die Texte ein. Dieses Vorgehen stieß auch auf vereinzelte, aber heftige Kritik; ihm wurde Banalisierung und mangelnde Stilsicherheit vorgeworfen. Vor allem wandten sich [[Friedrich Gundolf]] (aus dem Kreis um den Dichter [[Stefan George]]) und [[Rudolf Borchardt]] gegen seine Übersetzung und Erläuterung der Werke [[Platon]]s, die Borchardt als „Instinktlosigkeit dieses großen Technikers“ und Gundolf mit dem Prädikat „Platon für Dienstmädchen“ kritisierte.<ref>[[Uvo Hölscher (Philologe)|Uvo Hölscher]]: ''Die Chance des Unbehagens. Zur Situation der klassischen Studien'', Göttingen 1965, S. 26f.</ref> Wilamowitz’ zahlreiche, für ein breites Publikum bestimmte Tragödienübersetzungen wurden nach seinem Tod nicht mehr aufgelegt. In seiner Berliner Zeit veranlasste Wilamowitz eine Reihe von Aufführungen in Berlin (mit Gastspielen in Wien). Nach seinem Tod kamen seine Übersetzungen nur wenige Male auf die Bühne: Anlässlich der [[Olympische Sommerspiele 1936|Olympischen Spiele]] 1936 wurde in Berlin die ''[[Orestie]]'' des [[Aischylos]] aufgeführt, 1955 in Essen die ''[[Hiketiden]]'' des [[Euripides]], 1978, 1979 und 1981 in Köln, Düsseldorf und Mülheim an der Ruhr der ''Zyklop'' des [[Euripides]]. Im Zusammenhang mit den Bühnenaufführungen ist das Bekenntnis von Wilamowitz interessant, er selbst sei kein Theaterfreund: „Theaterbesuch hat mich wenig gereizt, selten befriedigt, verbot sich auch durch die Zeitverschwendung“.<ref>''Erinnerungen 1848–1914'', S. 246</ref> === Wissenschaftshistorische Erforschung seines Wirkens === Die Forschung zum Wirken, zur Persönlichkeit und Rezeption von Wilamowitz wurde vor einigen Jahrzehnten vom US-amerikanischen Gräzisten [[William M. Calder III]] initiiert. Er hat mehrere Briefwechsel von Wilamowitz sowie andere Schriften veröffentlicht. Calder schöpfte dabei auch aus den Vorarbeiten der Wilamowitz-Tochter Dorothea († 1972) und ihres Ehemannes, Friedrich Freiherr Hiller von Gaertringen, die nach Wilamowitz’ Tod begannen, Briefe, Gedichte und Erinnerungen des Verstorbenen zu sammeln. Mit einer Anzeige im ''Gnomon'' riefen sie Schüler und Freunde des Verstorbenen auf, zu der Sammlung beizutragen. Calders Publikationen treffen jedoch wegen seiner ideologisch verzerrten Sicht auf die politischen und soziokulturellen Verhältnisse Deutschlands in der wilhelminischen Epoche und Weimarer Republik sowie seiner allzu autobiographischen Betrachtungsweise der schriftlichen Hinterlassenschaften Wilamowitz’ auf Kritik. Außer diesen methodischen Defiziten bemängeln die Rezensenten fehlerhafte Transkription deutscher Schriften und häufige Schreibfehler.<ref>Siehe etwa Paul Dräger: Eva Sachs und Josefine von Wilamowitz-Moellendorff, ''Eikasmos'' 10, 1999, 335–357, besonders 335 Anm. 3; ein Beispiel für häufige Schreibfehler die Festschrift für Calder ''Wilamowitz und kein Ende'', siehe Paul Dräger in ''Anzeiger für die Altertumswissenschaft'', Band 52, 2004, Sp. 197–202</ref> In Deutschland sind als Wilamowitz-Forscher beispielsweise zu nennen: [[Paul Dräger]], [[Stephan Heilen]], [[Rudolf Kassel]], [[Robert Kirstein]] und [[Wilt Aden Schröder]]. Die Wilamowitz- und Mommsen-Forschung betreibt besonders Dräger, der mit deren Familien in Kontakt steht und von ihnen mit Rat und unveröffentlichten Dokumenten unterstützt wird.<ref>Siehe seine Website [http://www.paul-draeger.de www.paul-draeger.de] → Wilamowitz-Seite</ref> Schon bald nach Wilamowitz’ Tod begann der Klassische Philologe und Fachhistoriker [[Otto Kern]] eine Wilamowitz-Biografie, die jedoch nach seinem Tod (1942) unvollendet und unveröffentlicht blieb. Sie wurde damals von der Familie des Verstorbenen wegen ihres panegyrischen Stils abgelehnt, ist aber wegen der zitierten Dokumente wertvoll. Das Kapitel über die Greifswalder Zeit hat Paul Dräger 2003 herausgegeben.<ref name="DrägerKern" /><ref>Siehe auch Otto Kern: ''Meine Lehrer. Erinnerungen.'' Hg. und komm. von [[Michael Hillgruber]], Hildesheim 2008</ref> == Persönlichkeit == [[Datei:Wilamowitz 3.jpg|thumb|left|[[Rudolf Dührkoop]]: Porträtfoto Ulrich von Wilamowitz-Moellendorffs; [[Heliogravüre]] (um 1905)]] Wie es seiner Herkunft entsprach, war Wilamowitz als Sohn eines adligen preußischen Grundbesitzers äußerst konservativ eingestellt. „Charakterlich war Wilamowitz-Moellendorff geprägt von der Spannung zwischen konservativer Starrheit und jungenhafter Unbefangenheit“, stellt [[Hans-Albrecht Koch]] in der ''[[Deutsche Biographische Enzyklopädie|Deutschen Biographischen Enzyklopädie]]'' fest<ref name="DBE1" /> und weist auf den bezeichnenden Umstand hin, dass die „wissenschaftlich höchst aufschlussreichen“ ''Erinnerungen 1848–1914'' mit dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs enden. Wilamowitz definierte sich als Bürger des wilhelminischen Reiches und konnte sich mit der Weimarer Republik nicht anfreunden, die er als „feige [[Ochlokratie]]“ empfand.<ref>Siehe: ''Die Großen Deutschen'', Band 5, S. 417.</ref> Er zog häufig Parallelen zwischen dem Aufstreben Athens im 5. Jahrhundert v. Chr. und dem Deutschen Reich, und pathetische Untertöne drangen bis in seine wissenschaftlichen Monografien ein. Mit dem politisch aktiven Mommsen, der entschieden liberal eingestellt war, geriet Wilamowitz häufig in Konflikt. Seit den 1890er Jahren trat eine immer stärkere Entfremdung zwischen den beiden ein, die in der Briefsammlung ''Aus dem Freund ein Sohn'' (Briefe von 1872 bis 1903) abgebildet wird. Der Titel spielt nicht nur auf die Heirat der Tochter Mommsens mit Wilamowitz, sondern auch auf den Wandel ihrer Beziehung an. Trotz seiner konservativen Einstellung war Wilamowitz ein entschiedener Gegner des [[Judenfeindlichkeit|Antisemitismus]], gegen den er in der Öffentlichkeit scharfe Worte fand. Dieser Umstand brachte ihn später bei den Nationalsozialisten in Verruf, die ihm die „Verjudung“ der Altertumswissenschaften durch die unterschiedslose Förderung seiner jüdischen Schüler anlasteten. Auch sah Wilamowitz seine preußische Identität stets im Lichte seiner polnischen Herkunft. Der Name ''Wilamowitz'' bedeutet „Wilhelmssohn“, und die Vorfahren von Wilamowitz-Moellendorff standen mit der polnischen Bevölkerung ihrer Ländereien stets auf gutem Fuß.<ref>Siehe: ''Die Großen Deutschen'', Band 5, S. 415.</ref> Neben aller politischen Starrheit zeigte sich Wilamowitz in jedem Lebensalter aufgeschlossen gegenüber neuen Ideen seiner Schüler. Werner Jaeger etwa wies den Alten Sprachen in seinem System der Altertumswissenschaft eine völlig neue Rolle zu. Die Reaktion von Wilamowitz auf die Dissertation seines Schülers Wolfgang Schadewaldt (1924), in der Schadewaldt die Euripides-Forschungen seines Lehrers weitgehend widerlegte, wurde zum geflügelten Wort: „umzulernen stets bereit.“<ref>Schlussworte von Wilamowitz’ Rezension zu Wolfgang Schadewaldt, ''Monolog und Selbstgespräch'', Berlin 1926 = KS I 466.</ref> Auch pflegte Wilamowitz seine nächsten Verwandten mit antiken Gestalten zu vergleichen: Die von ihm idealisierte Mutter war seine [[Sappho]], sein Vater zuerst [[Theseus]], später [[Amphitryon]]. Die biografischen Entsprechungen bei dem von Wilamowitz verehrten Philosophen und Staatstheoretiker [[Platon]] mit dem Philologen stellte Margherita Isnardi Parente 1973 in einem Aufsatz heraus.<ref>Margherita Isnardi Parente, ''Rileggendo il Platon di Ulrich von Wilamowitz-Moellendorff'' In: ''Annali della Scuola Normale Superiore di Pisa. Classe di lettere e filosofia'' 3. Ser. 3 (Florenz 1973), 147–167.</ref> == Ehrungen == * 1873 korrespondierendes Mitglied des [[Deutsches Archäologisches Institut|Deutschen Archäologischen Instituts]], 1891 ordentliches Mitglied, 1902 Vorstandsmitglied * 1886 Ritterkreuz des [[Königlicher Hausorden von Hohenzollern|Königlichen Hausordens von Hohenzollern]] * 1891 korrespondierendes, 1899 ordentliches Mitglied der [[Königlich-Preußische Akademie der Wissenschaften|Preußischen Akademie der Wissenschaften]], 1902 Vorsitzender * 1892 ordentliches Mitglied der [[Akademie der Wissenschaften zu Göttingen|Königlichen Gesellschaft der Wissenschaften zu Göttingen]], 1894 Sekretär, 1897 auswärtiges Mitglied, 1918 Ehrenmitglied * 1903 auswärtiges Mitglied der [[Accademia Nazionale dei Lincei]] in Rom * 1904 korrespondierendes Mitglied der [[Bayerische Akademie der Wissenschaften|Bayerischen Akademie der Wissenschaften]] * 1905 Mitglied der [[Académie des Inscriptions et Belles-Lettres]] (1915 ausgeschlossen) * 1907 korrespondierendes Mitglied der [[Russische Akademie der Wissenschaften|Akademie der Wissenschaften zu St. Petersburg]], 1929 Ehrenmitglied * 1908 Orden [[Pour le Mérite#Die Friedensklasse des „Pour le Mérite“|Pour le mérite für Wissenschaft und Künste]] * 1909 korrespondierendes Mitglied der [[Norwegische Akademie der Wissenschaften|Norwegischen Akademie der Wissenschaften]] * 1909 korrespondierendes Mitglied der [[Österreichische Akademie der Wissenschaften|Akademie der Wissenschaften zu Wien]], 1922 Ehrenmitglied * 1910 Ehrendoktorwürde der theologischen Fakultät der [[Humboldt-Universität zu Berlin|Friedrich-Wilhelms-Universität Berlin]] * 1911 Ehrendoktorwürde der philosophischen Fakultät der [[Universität Oslo]] * 1921 Ehrenmitglied der [[Vetenskapssocieteten i Lund]] * 1924 ordentliches Mitglied der [[Akademie gemeinnütziger Wissenschaften]] zu Erfurt * 1927 Ehrendoktorwürde der philosophischen Fakultät der [[Universität Genf]] * 1928 [[Adlerschild des Deutschen Reiches]] * 1928 Ehrendoktorwürde der medizinischen Fakultät der [[Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald|Universität Greifswald]] * 1991 Gedenktafel an seinem ehemaligen Wohnhaus in der Eichenallee 12 == Schriften (Auswahl) == Die Jahre und Zahlen der Neuauflagen zeigen an, inwiefern ein Werk seine Bedeutung bis heute bewahrt hat. * ''In wieweit befriedigen die Schlüsse der erhaltenen griechischen Trauerspiele? Ein ästhetischer Versuch [1867]''. Edited by William M. Calder III, Leiden 1974. * ''Observationes criticae in comoediam Graecam selectae'' (Dissertation Berlin 1870), Berlin: Schade 1870. * ''Analecta Euripidea'' (Habilitationsschrift Berlin 1875), Berlin: Borntraeger 1875. * ''Aus Kydathen'', Berlin 1880. * ''Antigonos von Karystos'', Berlin: Weidmann 1881. 2. Auflage 1966. * ''Homerische Untersuchungen'', Berlin: Weidmann 1884. * ''Aristoteles und Athen'', Berlin: Weidmann 1893. 2 Bände. 3. Auflage 1985. * ''Die Textgeschichte der griechischen Lyriker'', Berlin: Weidmann 1900. 2. Auflage 1970. * ''Reden und Vorträge'', Berlin: Weidmann 1901. 4., umgearbeitete Auflage 1925–1926. * ''Griechisches Lesebuch'', Berlin: Weidmann 1902. 2 Bände. * ''Die Textgeschichte der griechischen Bukoliker'', Berlin: Weidmann 1906. * ''Einleitung in die griechische Tragödie'', Berlin: Weidmann 1907. Unveränderter Nachdruck aus ''Euripides Herakles,'' Band 1, Kapitel 1–4. 1. Auflage. * Paul Hinneberg (Herausgeber): ''Die Kultur der Gegenwart''. Folgende Bände stammen von Wilamowitz: ** ''Die griechische und lateinische Literatur und Sprache'', Berlin: Teubner 1907. 2. verbesserte und vermehrte Auflage. 3. stark verbesserte und vermehrte Auflage 1912. Nachdruck 1995. ** ''Staat und Gesellschaft der Griechen und Römer'', Berlin: Teubner 1910. 2. Auflage 1923. Nachdruck 1979. * ''Sappho und Simonides: Untersuchungen über griechische Lyriker'', Berlin: Weidmann 1913. Nachdruck 1966, 1985. * ''Aischylos: Interpretationen'', Berlin: Weidmann 1914. 2. Auflage Zürich/ Dublin 1967. * ''Reden aus der Kriegszeit'', Berlin: Weidmann 1915. * ''Die Ilias und Homer'', Berlin: Weidmann 1916. 3. Auflage 1966. * ''Der griechische und der platonische Staatsgedanke'', Berlin: Weidmann 1919. Mit drei anderen Schriften von [[Luciano Canfora]] ediert: ''Tra scienza e politica: quattro saggi'' (Antiqua 18) * ''Platon. Leben und Werke/ Beilagen und Textkritik'', Berlin: Weidmann 1919. 2 Bände. 2. Aufl. 1920, 3. Aufl. 1929, 4. Aufl. 1948, 5. Aufl. 1969, Nachdruck 1992. * ''Griechische Verskunst'', Berlin: Weidmann 1921. 3. Auflage 1975. * ''Geschichte der Philologie'', Berlin/ Leipzig: Teubner 1921. Leipzig 1959. Stuttgart/Leipzig 1998. ** ''History of Classical scholarship.'' Translated from the German by Alan Harris. Edited with Introduction and Notes by [[Hugh Lloyd-Jones]], London 1982 * ''Hellenistische Dichtung in der Zeit des Kallimachos'', Berlin: Weidmann 1924. 2 Bände. 2. Auflage 1973. * ''Die Heimkehr des Odysseus: Neue homerische Untersuchungen'', Berlin: Weidmann 1927. * ''Erinnerungen 1848–1914'', Leipzig: Koehler 1928. **Englische Übersetzung von George Chatterton Richards: ''My recollections, 1848–1914'', London 1930. * ''Kyrene''. Berlin: Weidmann 1928. * ''Der Glaube der Hellenen'', 2 Bde. Berlin: Weidmann 1931–1932. 2. Auflage, Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft 1955, Nachdrucke 1959, 1984, 1994. * ''Kleine Schriften'', herausgegeben von Paul Maas u. a. mit Unterstützung der Preußischen Akademie der Wissenschaften. Berlin: Weidmann 1935–1972. 6 Bände. * Friedrich Hiller von Gaertringen (Hrsg.): ''ΕΛΕΓΕΙΑ [ELEGEIA]'', Berlin 1938 === Kritische Editionen und Übersetzungen === * ''Callimachi hymni et epigrammata'', Berlin: Weidmann 1882. 2. Auflage 1897. * ''Aischylos Agamemnon Griechischer Text und deutsche Übersetzung'', Berlin: Weidmann 1885. * ''Isyllos von Epidauros'', Berlin: Weidmann 1886. * ''Euripides Herakles'', Berlin: Weidmann 1889. 3 Bände. 2. Auflage 1895. 3. Auflage 1910. 4. Auflage 1959. * ''Euripides Hippolytos. Griechisch und deutsch'', Berlin: Weidmann 1891. * (mit Georg Kaibel): ''Aristotelis Politeia Athēnaiōn'', Berlin: Weidmann 1891. 3. Auflage 1898. * ''Orestie: Griechisch und deutsch'', Berlin: Weidmann 1896. * ''Bakchylides'', Berlin: Weidmann 1898. * ''Griechische Tragoedien'', Berlin: Weidmann ab 1899. 14 Bände * ''Die Reste des Landmannes von Menandros'', Berlin: 1899. * ''Adonis / Bion von Smyrna. Deutsch und Griechisch'', Berlin: Weidmann 1900. * ''Der Timotheos-Papyrus gefunden bei Abusir am 1. Februar 1902'', Leipzig: Hinrichs 1903. * ''Bucolici graeci'', Oxford: Clarendon Press 1905. * [[Wilhelm Schubart]], Ulrich von Wilamowitz-Moellendorff (Bearbeiter): ''Epische und elegische Fragmente'', Berlin: Weidmann 1907. * ''Aeschyli tragoediae'', Berlin: Weidmann 1914. Editio minor 1915. * ''Pindaros'', Berlin: Weidmann 1922. 2. Auflage 1966. * ''Menander: Das Schiedsgericht'', Berlin: Weidmann 1925. Nachdruck 1958. == Literatur == * ''Wilamowitz-Bibliographie: 1868 bis 1929. Herausgegeben von F. Frhr. Hiller v. Gaertringen und G. Klaffenbach;''. Berlin 1929. * Michael Armstrong, Wolfgang Buchwald, William M. Calder III (Hrsg.): ''Ulrich von Wilamowitz-Moellendorff bibliography 1867–1990''. Durchgesehen und ergänzt nach Friedrich Freiherr Hiller von Gaertringen und Günther Klaffenbach. Weidmann, Hildesheim, München, Zürich 1991, ISBN 3-615-00062-5. * William M. Calder III, [[Hellmut Flashar]], Theodor Lindken (Hrsg.): ''Wilamowitz nach 50 Jahren''. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1985, ISBN 3-534-08810-7. ** Einschlägige Rezension: [[Rudolf Kassel]], ''Göttingische Gelehrte Anzeigen'' 239, 1987, S. 188–228 = ''Kleine Schriften'', Berlin/New York 1991, S. 534–578 ** Zur hier fehlenden Behandlung der Komödie siehe: Rudolf Kassel: ''Wilamowitz über griechische und römische Komödie'', in: ''[[Zeitschrift für Papyrologie und Epigraphik]] 45, 1982, S. 271–300 = Rudolf Kassel: ''Kleine Schriften'', Berlin/New York 1991, S. 506–533 * [[William M. Calder III]] (Hrsg.) u. a.: ''Wilamowitz in Greifswald. Akten der Tagung zum 150. Geburtstag Ulrich von Wilamowitz-Moellendorffs in Greifswald, 19.–22. Dezember 1998''. Hildesheim [u.a.] 2000 ([[Spudasmata]] 81) * ''Der Streit um Nietzsches „Geburt der Tragödie“. Die Schriften von E. Rohde, R. Wagner, U. v. Wilamowitz-Möllendorff.'' Zusammengestellt und eingeleitet von [[Karlfried Gründer]], Hildesheim 1969 * [[Joachim Latacz]]: ''Fruchtbares Ärgernis: Nietzsches ‚Geburt der Tragödie’ und die gräzistische Tragödienforschung''. Basel 1998 (Basler Universitätsreden, 94. Heft) * Cornelia Wegeler: ''„… wir sagen ab der internationalen Gelehrtenrepublik“ – Altertumswissenschaft und Nationalsozialismus. Das Göttinger Institut für Altertumskunde 1921–1962''. Wien, Köln, Weimar 1996, ISBN 3-205-05212-9. === Biografische Darstellungen === * Włodzimierz Appel (Hrsg.): ''„Origine Cujavus“. Beiträge zur Tagung anläßlich des 150. Geburtstags Ulrich von Wilamowitz-Moellendorffs (1848–1931)''. Toruń 1999 (= ''Xenia Toruniensia'' 4) * [[Paul Dräger]]: ''An der Geburtsstätte und am Grabe Ulrich von Wilamowitz-Moellendorffs. Eine Dokumentation zu seinem 150. Geburtstag''. In: ''Gymnasium'' Band 106 (1999), S. 97–151. * Robert L. Fowler: ''Ulrich von Wilamowitz-Moellendorff''. In: ''Classical Scholarship: A Biographical Encyclopaedia''. Edd. by W. W. Briggs and William M. Calder III, New York, London 1990, S. 489–522. * [[Richard Harder (Philologe)|Richard Harder]]: ''Ulrich von Wilamowitz-Moellendorff †''. In: ''[[Gnomon (Zeitschrift)|Gnomon]]'' 7, 1931, S. 557–560. * [[Stephan Heilen]] u. a. (Hrsg.): ''In Pursuit of Wissenschaft. Festschrift für William M. Calder III zum 75. Geburtstag'', Hildesheim 2008 (= ''Spudasmata'' 119) * Hans-Albrecht Koch: ''Wilamowitz-Moellendorff, Ulrich von''. In: ''[[Deutsche Biographische Enzyklopädie]]''. Band 10, 1999, S. 494–495. * Markus Mülke (Hrsg.): ''Wilamowitz und kein Ende. Wissenschaftliches Kolloquium Fondation Hardt, 9. bis 13. September 2002'', Hildesheim 2003 (= ''Spudasmata'' 92) ** Einschlägige Rezension: Paul Dräger, ''Anzeiger für die Altertumswissenschaft'', Band 57, 2004, Sp. 197–202 * [[Karl Reinhardt (Philologe)|Karl Ludwig Reinhardt]]: ''Ulrich von Wilamowitz-Moellendorff''. In: ''Die Großen Deutschen''. Band 5, Berlin 1952, S. 415–421. * Wilt Aden Schröder: ''Wilamowitz-Bildnisse''. In: ''[[Philologus]]'' Band 151 (2007) S. 335–374 * Friedrich Solmsen: ''Wilamowitz in his Last Ten Years''. In: ''Greek, Roman and Byzantine Studies'' Band 20 (1979), S. 89–122 = ''Kleine Schriften'' III, 1982, S. 431–464. === Briefsammlungen === * ''Mommsen und Wilamowitz. Briefwechsel 1872–1903''. Hg. von Friedrich und Dorothea Hiller von Gaertringen, Berlin 1935 ** Dazu [[Jürgen Malitz]]: ''Nachlese zum Briefwechsel Mommsen-Wilamowitz''. In: ''Quaderni di Storia'' Band 17 (1983), S. 123–150 * ''Briefe von Ulrich von Wilamowitz-Möllendorff an Georg Finsler''. 1953. * ''Selected correspondence, 1869–1931''. Napoli 1983. * ''The preserved letters of Ulrich von Wilamowitz-Moellendorff to Eduard Schwartz''. C. H. Beck, München 1986, ISBN 3-7696-1539-5. * ''Berufungspolitik innerhalb der Altertumswissenschaft im wilhelminischen Preußen''. Klostermann, Frankfurt am Main 1989, ISBN 3-465-02200-9. ** Einschlägige Rezension: Edgar Pack: ''Ulrich von Wilamowitz-Moellendorff, Friedrich Althoff e gli studi classici in Prussia nell’epoca Guglielmina. A proposito di un libro recente''. In: ''Quaderni di storia'' Band 33 (1991), S. 191–241; Band 34 (1991), S. 235–284. Vgl. außerdem Wilt Aden Schröder, ''Göttingische Gelehrte Anzeigen'' Band 242, 1990, S. 211–236. * ''The Prussian and the poet: the letters of Ulrich von Wilamowitz-Moellendorff to Gilbert Murray''. Weidmann, Hildesheim 1991, ISBN 3-615-00071-4. * ''Further letters of Ulrich von Wilamowitz-Moellendorff''. Weidmann, Hildesheim 1994, ISBN 3-615-00099-4. * ''Usener und Wilamowitz. Ein Briefwechsel: 1870–1905''. 2. Auflage. Teubner, Stuttgart, Leipzig 1994, ISBN 3-519-07250-5. * ''„Lieber Prinz“: der Briefwechsel zwischen Hermann Diels und Ulrich von Wilamowitz-Moellendorff''. Weidmann, Hildesheim 1995, ISBN 3-615-00173-7. ** Einschlägige Rezension: Wilt Aden Schröder: ''Bemerkungen zum Briefwechsel Diels-Wilamowitz''. In: ''Eikasmos'' Band 8 (1997), S. 283–308. * ''„Sed serviendum officio …“: the correspondence between Ulrich von Wilamowitz-Moellendorff and Eduard Norden (1892–1931)''. Weidmann, Hildesheim 1997, ISBN 3-615-00188-5. * ''„Der geniale Wildling“: Briefwechsel 1874–1878, 1900–1903. Ulrich von Wilamowitz-Moellendorff und Max Fränkel''. Nachrichten der Göttinger Akademie der Wissenschaften. Philologisch-historische Klasse Jahrgang 1999, Nr. 5, Göttingen 1999. * ''„Aus dem Freund ein Sohn“. Theodor Mommsen und Ulrich von Wilamowitz-Moellendorff.Briefwechsel: 1872–1903''. 2 Bände, Weidmann, Hildesheim 2003, ISBN 3-615-00285-7. ** Einschlägige Rezension: Paul Dräger in ''Göttinger Forum für Altertumswissenschaft'' Band 9 (2006), S. 1131–1144. == Weblinks == {{Commons|Ulrich von Wilamowitz-Moellendorff}} {{Wikiquote|Ulrich von Wilamowitz-Moellendorff}} {{Wikisource|Ulrich von Wilamowitz-Moellendorff}} *{{DNB-Portal|11877171X}} {{Zeno-Autor|Kulturgeschichte/M/Wilamowitz-Moellendorff,+Ulrich+von}} * [http://bibliothek.bbaw.de/kataloge/literaturnachweise/wilamowi/literatur.pdf Ausgewählte Literaturnachweise] aus dem Bestand der Bibliothek der [[Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften|Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften]] (PDF-Datei; 122&nbsp;kB) * [http://www.sammlungen.hu-berlin.de/dokumente/7720/ Dokumente zu Wilamowitz] im Verschlagworteten Objektverzeichnis der Wissenschaftlichen Sammlungen der [[Humboldt-Universität zu Berlin]] * [http://www.luise-berlin.de/Gedenktafeln/cha/w/wilamowitz_moellendorff_emmo.htm Informationen zur Gedenktafel in der Eichenallee 12] == Einzelnachweise == <div class="references-small" style="-moz-column-count:2; column-count:2;"> <references /></div> {{Navigationsleiste Klassische Philologie in Göttingen}} {{Normdaten|PND=11877171X|LCCN=n/82/57012|VIAF=46781907}} {{Exzellent}} {{SORTIERUNG:Wilamowitzmoellendorff, Ulrich Von}} [[Kategorie:Altphilologe (19. Jahrhundert)]] [[Kategorie:Altphilologe (20. Jahrhundert)]] [[Kategorie:Althistoriker]] [[Kategorie:Mitglied des Preußischen Herrenhauses]] [[Kategorie:Hochschullehrer (Humboldt-Universität zu Berlin)]] [[Kategorie:Hochschullehrer (Göttingen)]] [[Kategorie:Hochschullehrer (Greifswald)]] [[Kategorie:Universitätspräsident]] [[Kategorie:Geheimrat]] [[Kategorie:Mitglied des Deutschen Archäologischen Instituts]] [[Kategorie:Mitglied der Académie des Inscriptions et Belles-Lettres]] [[Kategorie:Mitglied der Akademie gemeinnütziger Wissenschaften]] [[Kategorie:Mitglied der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen]] [[Kategorie:Mitglied der Bayerischen Akademie der Wissenschaften]] [[Kategorie:Mitglied der Österreichischen Akademie der Wissenschaften]] [[Kategorie:Mitglied der Preußischen Akademie der Wissenschaften]] [[Kategorie:Mitglied der Russischen Akademie der Wissenschaften]] [[Kategorie:Träger des Pour le Mérite (Friedensklasse)]] [[Kategorie:Mitglied der Accademia dei Lincei]] [[Kategorie:Deutscher]] [[Kategorie:Geboren 1848]] [[Kategorie:Gestorben 1931]] [[Kategorie:Mann]] {{Personendaten |NAME=Wilamowitz-Moellendorff, Ulrich von |ALTERNATIVNAMEN=Wilamowitz-Moellendorff, Enno Friedrich Wichard Ulrich von |KURZBESCHREIBUNG=deutscher klassischer Philologe |GEBURTSDATUM=22. Dezember 1848 |GEBURTSORT=[[Markowice (Strzelno)|Gut Markowitz]], Kujawien, Provinz Posen |STERBEDATUM=25. September 1931 |STERBEORT=[[Berlin]] }} [[cs:Ulrich von Wilamowitz-Moellendorff]] [[en:Ulrich von Wilamowitz-Moellendorff]] [[es:Ulrich von Wilamowitz-Moellendorff]] [[fr:Ulrich von Wilamowitz-Moellendorff]] [[is:Ulrich von Wilamowitz-Moellendorff]] [[it:Ulrich von Wilamowitz-Moellendorff]] [[ja:ウルリヒ・フォン・ヴィラモーヴィッツ=メレンドルフ]] [[la:Udalricus de Wilamowitz-Moellendorff]] [[nl:Ulrich von Wilamowitz-Moellendorff]] [[no:Ulrich von Wilamowitz-Moellendorff]] [[pl:Ulrich von Wilamowitz-Moellendorff]] [[ru:Виламовиц-Мёллендорф, Ульрих фон]] [[sv:Ulrich von Wilamowitz-Moellendorff]] m0j51fytqkswx6aum6nyon2b4u9t6qj wikitext text/x-wiki Jonathan Wild 0 24516 27119 2010-03-29T16:03:28Z LinkFA-Bot 0 Bot: [[Template:Link FA|Link FA]] -en [[Bild:Wild-sm.gif|thumb|280px|Jonathan Wild im [[Newgate Prison]]]] '''Jonathan Wild''' (* [[1683]] in [[Wolverhampton]]; † [[24. Mai]] [[1725]] in [[London]]) gilt als einer der berüchtigtsten Kriminellen [[England]]s. Seine Taten wurden durch [[Roman]]e, [[Dramatik|Dramen]] und politische [[Satire]]n in ganz Großbritannien bekannt. Der Charakter des ''Peachum'' in [[John Gay]]s ''[[The Beggar's Opera]]'' und später in [[Bertolt Brecht]]s ''[[Dreigroschenoper]]'' ist nach ihm geformt. Sowohl [[Daniel Defoe]] als auch [[Henry Fielding]] schrieben [[Biografie]]n über sein Leben. Jonathan Wild gelang es lange Zeit, ein [[Geheimes Doppelleben|Doppelleben]] zu führen, welches ihm erlaubte, eine Bande von [[Dieb]]en zu leiten und gleichzeitig in der Öffentlichkeit als jemand zu erscheinen, der die öffentliche Ordnung aufrechterhält. Nachdem er in den 1720er Jahren in London eine der angesehensten Personen war, schlug diese Wertschätzung in Hass und Verachtung um, als sein Doppelleben bekannt wurde. Nach seinem Prozess und seinem Tod am [[Galgen]] wurde er zum Symbol ungehemmter [[Korruption]] und Selbstherrlichkeit. == Leben == === Die frühen Jahre === Wild wurde in Wolverhampton im Jahre 1683 als Sohn einer armen Familie geboren. Nach einer Lehre bei einem [[Schließenmacher]] arbeitete er als Dienstbote und kam im Jahr 1704 nach London. Nachdem er von seinem Dienstherrn entlassen worden war, kehrte er nach Wolverhampton zurück, wo er wegen nicht bezahlter [[Schulden]] ins [[Schuldgefängnis]] geworfen wurde. Während seiner Zeit dort erhielt er die „''Liberty of the Gate''“ – eine Art Erlaubnis zum Ausgang, während dessen er nachts bei der Verhaftung von Dieben behilflich war. Dabei lernte er Mary Milliner, auch Mary Mollineaux genannt, kennen. Mary Milliner war eine [[Prostitution|Prostituierte]], von der Wild verschiedene Techniken des Trickdiebstahls lernte. Mit diesen neuen Fähigkeiten, an Geld zu kommen, war Wild in der Lage, seine Schulden zurückzuzahlen und so aus dem Schuldgefängnis freizukommen. Nach seiner Entlassung lebte Wild mit Mary Milliner zusammen. Beide waren zu dem Zeitpunkt bereits anderweitig verheiratet, und Wild, der damals wahrscheinlich als Milliners [[Zuhälter]] arbeitete, hatte sogar ein Kind. Bald war Wild gründlich vertraut mit den Methoden der Londoner Unterwelt und ihren Mitgliedern. Als er sich von Milliner wieder trennte, war sie die „Madame“ ([[Bordell]]wirtin) für mehrere andere Prostituierte, und Wild hatte begonnen, als [[Hehler]] mit gestohlenen Gütern zu handeln. Er ersann jedoch bald eine scheinbar erfolgversprechendere Methode. === Kriminalität in London === :''Hier in London kommt es beinahe jede Nacht zu einem üblen Überfall. Vergangene Woche sind ein Gentleman und zwei Damen in Hyde Park Corner ausgeraubt worden. Sie kamen aus Chelsea und hatten gerade St. James Park umrundet, als plötzlich sechs blanke Schwerter in ihre Kutsche gesteckt wurden.'' (Briefwechsel Sir John Verney, zitiert nach Waller, S.442) Zwischen 1680 und 1720 hatte die Anzahl der Verbrechen in London dramatisch zugenommen. Dies war unter anderem auf die wirtschaftlichen Probleme in Folge des [[Spanischer Erbfolgekrieg|Kriegs mit Frankreich]] und auf die zunehmende Zahl von entlassenen und verarmten Soldaten und Seeleuten zurückzuführen. [[Tageszeitung]]en, damals noch ein relativ junges Phänomen, berichteten häufig über Verbrechen und Verbrecher. Auch aufgrund der Berichte der Zeitungen nahm die öffentliche Besorgnis über den Anstieg der [[Kriminalität]] zu, und in der Öffentlichkeit begann man sich zunehmend für Formen der [[Kriminalpolizei (Deutschland)|Kriminalitätsbekämpfung]] zu interessieren. Vor diesem Hintergrund zirkulierten anonyme Schriften wie „''Hanging is not Punishment Enough for Murtherers, Highwaymen and House-Breakers''“ („''Der Tod am Galgen als unzureichende Strafe für Mörder, Wegelagerer und Einbrecher''“), die zusätzlich zur [[Todesstrafe]] eine vorhergehende [[Folter]] forderten, um endlich ausreichend Abschreckung zu schaffen. Eine [[Polizei]] im heutigen Sinne existierte noch nicht. Die Historikerin Maureen Waller beschreibt die Situation im London um die Wende zum 18. Jahrhundert folgendermaßen: :''Die Hüter von Gesetz und Ordnung in London waren schwach, da es keine zentrale Behörde gab. Eine richtige Polizeitruppe gab es nicht. Eine Polizei wurde als unenglisch betrachtet, während sie im benachbarten Frankreich ein Instrument königlicher Tyrannei war. Polizeiarbeit wurde in London nur sporadisch geleistet. Es gab die Königlichen Boten, die direkt dem Kronrat verantwortlich waren. Sie waren für Hochverrat und andere politische Verbrechen verantwortlich. Da Geldfälschen ebenfalls unter Hochverrat fiel, hatten sie viel zu tun. Der Rat beschäftigte die so genannten Stadtmarschalle, die sich um die Straßenbewohner kümmerten. Sie besaßen die Befugnis, auch in den umliegenden Countys Haftbefehle auszustellen. Bis zu einem gewissen Grad wurde ihre Arbeit auf Gemeindeebene von den Constablern, Kirchendienern und Straßenwächtern kopiert, auch wenn diese großen Einschränkungen unterlagen, was das Recht betraf, jemanden zu verhaften. Constabler wurden nicht bezahlt; einfache Bürger wechselten sich jährlich in diesem Posten ab – theoretisch. Praktisch bezahlten die Bürger Deputies (Stellvertreter), die ihnen diese Arbeit abnahmen und sie alsbald immer taten. … Der Großteil der Polizeiarbeit ruhte auf den Schultern der Bürger, die Bürgerwehren in ihren Vierteln organisierten und selber Detektivarbeit leisteten, um Kriminelle zur Strecke zu bringen.'' (Waller, S. 446f) Ein solches Umfeld schuf Menschen wie Wild ein ausreichend großes Betätigungsfeld, das sie nach außen hin als ehrbar erscheinen ließ. === Wilds Methoden === Wilds Methode, sich zum einen zu bereichern und gleichzeitig scheinbar auf der richtigen Seite des Gesetzes zu stehen, war raffiniert. Er leitete eine [[Bande (Gruppe)|Bande]] von Dieben, behielt deren gestohlene Güter ein und wartete ab, bis der Diebstahl in den Zeitungen erschien. Kurz danach behauptete er, seine private Polizeiarmee, die „''Thief taking agents''“, habe durch sorgfältige [[Detektiv]]arbeit die gestohlenen Güter gefunden und brachte sie dem rechtmäßigen Besitzer zurück. Dieser zahlte ihm eine Gebühr für diesen Fund, mit dem er angeblich seine Privatpolizei entlohnte. Neben dem „Auffinden“ gestohlener Güter unterstützte er die Polizei bei der Festnahme von Dieben. Die Diebe, zu deren Verhaftung Wild beitrug, waren entweder Mitglieder rivalisierender Banden oder solche, die sich einer [[Kooperation]] mit ihm entzogen. Um die Diebstähle einzugrenzen, waren Gesetze erlassen worden, die die Hehlerei mit gestohlenen Gütern hart bestraften. Gerade einfache und unerfahrene Diebe gingen ein erhebliches [[Risiko]] ein, wenn sie ihre gestohlenen Güter verkauften. Wilds Position wurde durch dieses Gesetz erheblich gestärkt. Für einen Dieb war der Weg über Wild eine der wenigen Methoden, verhältnismäßig ungefährdet Diebesgut zu Geld zu machen. Arbeitete ein Dieb nicht mit Wild zusammen, lief er Gefahr, von ihm den Gerichten überstellt zu werden. Geschickt verschleierte [[Erpressung]] gehörte gleichfalls zu Wilds Repertoire. In der Daily Post von 1724 erschien beispielsweise folgende Anzeige: :''Am 1. Oktober verloren; ein in schwarzes Noppenleder eingebundenes Notizbuch, Ränder mit Silber, mit einigen „Notes of Hand“ (Schuldverschreibungen). Das besagte Buch wurde in der Straße „The Strand“, nahe der „Fountain Tavern“, gegen sieben oder acht Uhr abends verloren. Wenn jemand dieses Buch bei Mr. Jonathan Wild im Old Bailey abliefert, wird er eine [[Guinee|Guinea]] als Belohnung erhalten. (Quelle: Howson)'' Die Nennung der Schuldverschreibungen war der dezente Hinweis, dass Wild wusste, wessen Notizbuch sich in seinem Besitz befand. Und Wild teilte dem Besitzer über die Anzeige auch mit, dass er wusste, weshalb dieser sich in dieser Straße aufhielt – Fountain Tavern war ein bekanntes [[Bordell]]. Der wirkliche Zweck der Anzeige war eine an den Notizbuchbesitzer gerichtete Drohung, dass man seinen Bordellbesuch öffentlich machen werde. Die Anzeige nannte auch den Preis für Verschwiegenheit (eine Guinea oder ein Pfund und ein Shilling). Dass Wild sich zu seinen Zwecken des Mittels der Verkleidung zu benutzen wusste, zeigt sein Ausspruch :''The mask is the summum bonum of our age.'' (Die Maske ist das höchste Gut unserer Tage.) === Der oberste Diebesfänger === In der Öffentlichkeit galt Wild als Held – er war einer von denen, der dafür sorgte, dass Verbrecher festgenommen wurden. 1718 bezeichnete Wild sich selber als „''Thief Taker General of Great Britain and Ireland''“ (Generaldiebesfänger von Großbritannien und Irland). Er selbst behauptete, über 60 Diebe seien aufgrund seiner Tätigkeit am Galgen zu Tode gebracht worden. Sein „Finden“ von gestohlenem Eigentum war dagegen eher eine bilaterale Angelegenheit zwischen ihm und dem Bestohlenen. Wild hatte ein Büro im [[Old Bailey]], in dem lebhafte Geschäftstätigkeit herrschte. Opfer von Diebstählen kamen häufig vorbei und waren erleichtert, wenn Wilds Agenten schon das gestohlene Gut „wiedergefunden“ hatten. Gegen eine Extragebühr bot Wild auch seine Hilfe an, den Dieb zu finden. Auch wenn die spätere literarische Behandlung dies oft anders schilderte, gibt es keine Belege darüber, dass Wild jemals ein Mitglied seiner Bande gegen eine Gebühr auslieferte. 1720 war der Ruhm von Wild so groß, dass er die Stadtverwaltung beriet, mit welchen Methoden man am besten die Kriminalität in London eindämmen könne. Wilds Empfehlung fiel nicht überraschend aus: Die Belohnung für Hinweise, die zur Ergreifung eines Diebes führen, sei deutlich zu erhöhen. Tatsächlich stieg dieser Betrag innerhalb eines Jahres von vierzig auf einhundertvierzig Pfund; für Wild stellte dies eine beträchtliche Einkommenssteigerung dar. Wild ging meisterhaft mit der [[Presse (Medien)|Presse]] um und glich damit den Gangsterbossen der US-amerikanischen Prohibitionszeit wie [[Al Capone]]. Wilds angeblicher Kampf gegen die Londoner Diebe war ein beliebter Stoff der damaligen Zeitungen. Wild versorgte sie gezielt mit Berichten über seine „heroischen“ Taten, die Zeitungen druckten diese gerne ab. So berichteten im Juli bis August 1724 die Londoner Zeitungen von Wilds Anstrengungen, die einundzwanzig Mitglieder der Carrick Gang festzusetzen (die Belohnung, die Wild dafür erhielt, betrug achthundert Pfund – was im Jahre 2000 etwa 40.000 US-Dollar entsprochen hätte). Als eines der Bandenmitglieder aus dem Gefängnis entlassen wurde, verfolgte Wild ihn und ließ ihn zwecks „''weiterer Informationen''“ festnehmen. Der Londoner Öffentlichkeit erschien dies als unermüdliche Anstrengung, die öffentliche Ordnung wieder herzustellen. In Wirklichkeit handelte es sich um einen [[Bandenkrieg]], der als Dienst an der Öffentlichkeit kaschiert wurde. === Der Fall [[Jack Sheppard]] === 1724 war in London das Vertrauen der Öffentlichkeit gegenüber staatlichen Autoritäten erheblich erschüttert. Vier Jahre zuvor, im Jahre 1720, war die [[South Sea Bubble]] geplatzt, eine von viel Korruption und Durchstecherei gekennzeichnete Spekulation über die Ausdehnung des Fernhandels. Die Aufarbeitung dieses Skandals hielt vier Jahre später noch an, so dass die Londoner Öffentlichkeit zunehmend ungehalten auf alle Anzeichen von Korruption reagierte: Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens wurden mit zunehmender Skepsis beobachtet. Im Februar 1724 nahm Wild einen der berühmtesten Einbrecher seiner Zeit, Jack Sheppard, fest. Sheppard hatte in der Vergangenheit mit Wild zusammengearbeitet, jedoch auch immer wieder unabhängig von ihm operiert. Wie bei so vielen anderen Verhaftungen, die Wild vornahm, lag es in Wilds persönlichem Interesse, dass Sheppard endlich festgenommen wurde. Sheppard wurde in den Gefängnisturm des Londoner Bezirks [[St. Giles]] gesperrt, entkam aber sofort. Im Mai verhaftete Wild Sheppard erneut. Diesmal wurde er im New Prison von [[Clerkenwell]] eingesperrt; in weniger als einer Woche war er jedoch erneut aus dem Gefängnis entflohen. Im Juli gelang Wild die Festsetzung ein drittes Mal. Sheppard wurde vor Gericht gestellt, verurteilt und im berüchtigten [[Newgate-Gefängnis]] eingesperrt. In der Nacht des 30. August – man hatte gerade das Datum seiner [[Hinrichtung]] festgesetzt – entkam Sheppard ein weiteres Mal aus dem Gefängnis. Mittlerweile war er, der bei seinen Verbrechen weitgehend gewaltfrei vorging und gut aussah, ein Held der Londoner Unterschicht. Als am 11. September Wilds Leute ihn ein viertes Mal fingen, wurde er in der sichersten Zelle von Newgate eingesperrt und zusätzlich an den Boden angekettet. Am 16. September entwich Sheppard jedoch erneut. Weder die Ketten noch die Vorhängeschlösser oder sechs eisenbeschlagene Türen hatten sein Entkommen verhindern können. [[Daniel Defoe]], der damals als Journalist arbeitete, widmete dieser unglaublichen Tat einen Artikel. Im späten Oktober fing Wild Sheppard ein fünftes und letztes Mal. Diesmal wurde Sheppard so untergebracht, dass er unter permanenter Überwachung stand. Außerdem kettete man ihn zur Vorsicht an 300 Pfund Eisengewichte an. Sheppard war zu diesem Zeitpunkt so berühmt, dass die Gefängniswärter Eintritt von den Schaulustigen nahmen und selbst Mitglieder der Londoner [[High Society]] erschienen, um Sheppard persönlich in Augenschein zu nehmen. Ein fünftes Mal gelang Sheppard die Gefängnisflucht nicht: Am 16. November 1724 wurde er gehängt. === Wilds Untergang === [[Bild:Wild-tick.jpg|thumb|250px|Ticket zur Hinrichtung von Jonathan Wild]] Während Sheppard so allmählich zu einem Held der Öffentlichkeit wurde, erhielt Wild zunehmend eine negative Presse. Als Wild im Februar 1725 einen gewaltsamen Gefängnisausbruch für eines seiner Bandenmitglieder organisierte, wurde endlich auch er festgenommen. Auch Wild sperrte man im Newgate-Gefängnis ein. Angeklagt wurde er nicht nur wegen des gewaltsamen Gefängnisausbruchs, sondern auch wegen des Diebstahls von [[Juwel]]en während der Ernennung der [[Hosenbandorden|Knights of the Garter]] im August 1724. Wilds Bild in der Öffentlichkeit erlebte nun eine vollständige Wandlung. Auch seinen Bandenmitgliedern wurde zunehmend klar, dass wenig Chancen bestanden, dass Wild entkommen würde. Sie begannen daher gegen Wild auszusagen, bis sein Doppelleben vollständig bekannt war. Parallel dazu fand man Beweise dafür, dass Wild regelmäßig Mitglieder der Stadtregierung bestochen hatte. Letzteres wurde von der Öffentlichkeit besonders negativ aufgenommen. Am 24. Mai 1725 wurde Wild zum Galgen von [[Tyburn]] nahe dem Nordostende des Londoner [[Hyde Park]]s geführt. Wilds Hinrichtung war ein gesellschaftliches Ereignis; Tickets für die besten Plätze am Hinrichtungsplatz wurden lange im Voraus verkauft. Daniel Defoe berichtet, dass die anlässlich dieser Hinrichtung versammelte Menschenmenge die größte je in London zusammengekommene sei. Anders als sonst üblich, hatte die Menge dieses Mal kein Mitleid mit dem zum Galgen Geführten. Nach seinem Tod wurde seine Leiche von den Anatomen des [[Royal College of Surgeons]] seziert; sein Skelett ist noch heute im Museum dieser Institution ausgestellt. == Jonathan Wild in der Literatur == Dass das Leben von Jonathan Wild auch heute noch von Interesse ist, hängt weniger damit zusammen, dass er zu den Ersten gehörte, die die [[Organisierte Kriminalität]] in großem Stil betrieben, sondern damit dass sein Leben später mehrfach literarisch verarbeitet wurde. Als Wild gehängt wurde, waren die Zeitungen wie bei den meisten Hinrichtungen angefüllt mit Berichten aus seinem Leben, Zitaten von ihm, Abschiedsreden und ähnlichem. Biografien von Kriminellen waren zu diesem Zeitpunkt sehr populär; [[Sex]], [[Gewalt]], [[Reue]] und/oder ein tränenreiches Ende faszinierten schon damals das lesende Publikum. Daniel Defoe schrieb daher im Mai 1725 einen Bericht über Wild für das „Appelbees Journal“ und publizierte im Juni 1725 „''The True and Genuine Account of the Life and Actions of the Late Jonathan Wild''“. Sein Bericht warb mit einem Abdruck von Auszügen aus Wilds Tagebuch um Leser. Von größerer literarischer Bedeutung ist, dass Wild die Vorlage für die Figur des Mr. Peachum in John Gays Oper ''[[The Beggar’s Opera]]'' lieferte und damit indirekt auch die für (hier heißt er sogar Jonathan) Peachum in Bertolt Brechts ''[[Dreigroschenoper]]''. John Gays Oper erschien im Jahr 1728. Ihre Haupthandlung schildert den Konkurrenzkampf zwischen Wild und Sheppard. Die Figur des Peachum ist jedoch auch durch den Whig-Politiker und britischen Premierminister [[Robert Walpole]] beeinflusst, zwischen dessen öffentlichem Auftreten und tatsächlichem Handeln in den Augen seiner politischen Gegner ein ähnlicher Widerspruch wie bei Jonathan Wild bestand. Auch Henry Fielding nutzte die Figur Jonathan Wild in „''The History of the Life of the late Mr. Jonathan Wild the Great''“ für eine bissige Satire auf diesen britischen Politiker. Robert Walpole wurde von seinen Parteikollegen als „''great man''“ („''bedeutender Mann''“) bezeichnet und so ließ Fielding auch seinen Jonathan Wild ständig danach streben, ein „''great man''“ zu werden. „''Greatness''“ (Bedeutung) erlangte man in Fieldings Satire nur, wenn man die Stufen hinaufkletterte – und seien es die des Galgens. Wild war ein „''Great Prig''“ (außerordentlicher Dieb), so wie Robert Walpole ein „''Great Whig''“ war – der Gleichklang war beabsichtigt. Vor dem Hintergrund des Korruptionsskandals der South Sea Bubble erschien Fielding die Verknüpfung der Whig-Partei mit Diebstahl angemessen. == Literatur == === Literatur des 20. Jahrhunderts === * Gerald Howson; ''Thief-Taker General: Jonathan Wild and the Emergence of Crime and Corruption as a Way of Life in Eighteenth-Century England.'' New Brunswick, NJ und Oxford, UK, 1970 ISBN 0-88738-032-8 * Frederick Lyons; ''Jonathan Wild, Prince of Robbers'', 1936 * Edwin Woodhall; ''Jonathan Wild, Old Time Ace Receiver'', 1937 * Maureen Waller; ''Huren, Henker, Hugenotten – Das Leben in London um 1700'' Verlag Lübbe, Bergisch Gladbach 2002, ISBN 3-404-64186-8 * Sir Arthur Conan Doyle; "The Valley of Fear", 1915 === Literatur des 18. Jahrhunderts === * Daniel Defoe; ''A True & Genuine Account of the Life and Actions of the late Jonathan Wild, Not made up of Fictions and Fable, but taken from his Own Mouth and collected from papers of his Own Writing'', June 1725 * Henry Fielding; ''Life of Jonathan Wild the Great'' * Captain Alexander Smith; ''The Memoirs of the Life & Times of the famous Jonathan Wild, together with the History & Lives of Modern Rogues'', 1726 == Weblinks == *[http://www.english.upenn.edu/~jlynch/Courses/95c/Texts/wild.html Bericht über die Verhandlung des Falls Jonathan Wild in ''The Complete Newgate Calendar'' ] *[http://onlinebooks.library.upenn.edu/webbin/gutbook/lookup?num=5256 Projekt Gutenberg edition von Fieldings ''Life of Jonathan Wild the Great''] *[http://www.bartleby.com/220/0210.html „Cambridge Literary History“-Bericht über den Charakter des Jonathan Wild bei Fielding ] {{DEFAULTSORT:Wild, Jonathan}} {{Exzellent}} [[Kategorie:Bandenführer]] [[Kategorie:Brite]] [[Kategorie:Geboren 1683]] [[Kategorie:Gestorben 1725]] [[Kategorie:Mann]] {{Personendaten |NAME=Wild, Jonathan |ALTERNATIVNAMEN= |KURZBESCHREIBUNG=britischer Krimineller |GEBURTSDATUM=1683 |GEBURTSORT=[[Wolverhampton]] |STERBEDATUM=24. Mai 1725 |STERBEORT=[[London]] }} {{Link GA|no}} {{Link GA|sv}} [[bg:Джонатан Уайлд]] [[en:Jonathan Wild]] [[eo:Jonathan Wild]] [[es:Jonathan Wild]] [[fr:Jonathan Wild]] [[he:ג'ונתן ויילד]] [[ja:ジョナサン・ワイルド]] [[nl:Jonathan Wild]] [[no:Jonathan Wild]] [[pl:Jonathan Wild]] [[pt:Jonathan Wild]] [[sv:Jonathan Wild]] [[zh:強納生·威德]] cvwvdv49p04nlfix4lth81xo1uqhfu3 wikitext text/x-wiki Wildschwein 0 24517 28199 28198 2011-03-08T15:28:00Z Daniel 1992 163 Änderungen von [[Special:Contributions/151.136.109.170|151.136.109.170]] ([[User talk:151.136.109.170|Diskussion]]) rückgängig gemacht und letzte Version von [[User:Trofobi|Trofobi]] wiederhergestellt <!-- Für Informationen zum Umgang mit dieser Tabelle siehe bitte [[Wikipedia:Taxoboxen]]. --> {{Taxobox | Taxon_Name = Wildschwein | Taxon_WissName = Sus scrofa | Taxon_Rang = Art | Taxon_Autor = [[Carl von Linné|Linnaeus]], 1758 | Taxon2_WissName = Sus | Taxon2_LinkName = Sus (Schweine) | Taxon2_Rang = Gattung | Taxon3_Name = Echte Schweine | Taxon3_WissName = Suidae | Taxon3_Rang = Familie | Taxon4_Name = Paarhufer | Taxon4_WissName = Artiodactyla | Taxon4_Rang = Ordnung | Taxon5_Name = Säugetiere | Taxon5_WissName = Mammalia | Taxon5_Rang = Klasse | Taxon6_Name = Wirbeltiere | Taxon6_WissName = Vertebrata | Taxon6_Rang = Unterstamm | Bild = Wild Boar Habitat quadrat.jpg | Bildbeschreibung = Wildschwein (''Sus scrofa'') }} [[Datei:Young wild boar.jpg|miniatur|290px|Junges Wildschwein.]] Das '''Wildschwein''' (''Sus scrofa'') gehört zur [[Familie (Biologie)|Familie]] der altweltlichen oder [[Echte Schweine|echten Schweine]] (Suidae) aus der [[Ordnung (Biologie)|Ordnung]] der [[Paarhufer]]. Das ursprüngliche Verbreitungsgebiet der Art reicht von Westeuropa bis Südost-[[Asien]], durch Einbürgerungen in [[Nordamerika|Nord-]] und [[Südamerika]], [[Australien]] sowie auf zahlreichen Inseln ist es heute fast weltweit verbreitet. Wildschweine sind Allesfresser und sehr anpassungsfähig, in Mitteleuropa nehmen sie vor allem durch den verstärkten Anbau von Mais derzeit stark zu und wandern verstärkt in besiedelte Bereiche ein. Das Wildschwein ist die Stammform des [[Hausschwein]]es. Wildschweine werden in Europa seit Urzeiten als Jagdwild genutzt, daher gibt es für Wildschweine unterschiedlichen Alters und beiderlei Geschlechts sowie für viele Körperteile Bezeichnungen aus dem jagdlichen Brauchtum. Im Deutschen allgemein verbreitet sind unter dem Oberbegriff '''Schwarzwild''' die jagdlichen Bezeichnungen '''Keiler''' für ein männliches und '''Bache''' für ein weibliches Wildschwein sowie '''Frischling''' für ein frisch geborenes Jungtier. Regionale Spitznamen sind zum Beispiel ''Schwarzkittel'' und für die weiblichen Tiere ''Wutz''. == Aussehen == === Körperbau === [[Datei:Skull of a wild hoag.png|miniatur|Schädel eines Wildschweines.]] <!-- [[Datei:Ebertzahngoldgefaßt-5-6Jhr-n-Chr.jpg|thumb|In [[Gold]] gefasster Eberzahn – osteuropäischer Goldschmuck aus der [[Völkerwanderung]]szeit.]] --> Der Körper des Wildschweins wirkt von der Seite betrachtet gedrungen und massiv. Dieser Eindruck wird durch die im Vergleich zur großen Körpermasse kurzen und nicht sehr kräftig wirkenden Beine verstärkt. Im Verhältnis zum Körper wirkt auch der Kopf fast überdimensioniert. Er läuft nach vorn keilförmig aus. Die Augen liegen weit oben im Kopf und sind nach schräg-vorn gerichtet. Die Ohren sind klein und von einem Rand zottiger Borsten umgeben. Der kurze, gedrungene und wenig bewegliche Hals ist nur erkennbar, wenn Wildschweine ihr Sommerfell tragen. Im Winterfell scheint der Kopf direkt in den Rumpf überzugehen. Von der Stirn bis über den Rücken verläuft ein Kamm langer Borsten, der aufgestellt werden kann. Die Körperhöhe nimmt zu den Hinterbeinen ab. Der Körper endet in einem bis zu den Fersengelenken hinabreichenden Schwanz, der sehr beweglich ist. Mit ihm signalisiert das Wildschwein durch Pendelbewegungen oder durch Anheben seine Stimmung. Von vorn betrachtet wirkt der Körper schmal. Das männliche Tier lässt sich von dem weiblichen – bei seitlicher Betrachtung – gut an der Form der Schnauze unterscheiden. Während sie beim Weibchen gerade verläuft, wirkt sie beim Männchen zur Stirn hin eingedellt. === Gebiss === [[Datei:Gewaff.jpg|miniatur|hochkant|Die Eckzähne des männlichen Wildschweins (in der Jägersprache als [[Gewaff]] bezeichnet) sind eine begehrte Jagdtrophäe.]] [[Datei:Zahnformel Schwein.png|links]] Das Wildschwein hat ein kräftiges [[Gebiss]] mit 44 Zähnen, in jeder Kieferhälfte drei [[Schneidezahn|Schneidezähne]] (''Incisivi'', Abk. „I“), einen [[Caninus|Eckzahn]] (''Caninus'', Abk. „C“), vier [[Prämolar]]en (Abk. „P“) und drei [[Molar (Zahn)|Molaren]] (Abk. „M“). Die oberen und unteren Eckzähne des Männchens krümmen sich aufwärts, bei Weibchen tritt dies nur in geringem Umfang bei älteren Tieren auf. Die Eckzähne dienen als [[Imponierverhalten|Imponierorgane]]. Die unteren Eckzähne des Männchens können in Ausnahmefällen eine Länge von bis zu 30&nbsp;cm erreichen. Bei normalen ausgewachsenen Männchen haben sie in der Regel eine Länge von 20&nbsp;cm, von denen aber selten mehr als 10&nbsp;cm aus dem Kiefer ragen. Die beim Männchen nach oben gekrümmten Eckzähne des Oberkiefers sind wesentlich kürzer. ''Siehe auch:'' [[Zahnformel#Zahnformel Schwein|Zahnformel]] === Fell === ==== Fell von ausgewachsenen und vorjährigen Tieren ==== Das Fell des Wildschweins ist im Winter dunkelgrau bis braun-schwarz mit langen borstigen Deckhaaren und kurzen feinen Wollhaaren. Es dient vor allem der Wärmeregulation, da der zwischen den Haaren eingeschlossene Luftraum eine zu starke Abgabe der Körperwärme verhindert. Die glatten Deckhaare verhindern, dass die Haut beim Durchstreifen von Gestrüpp verletzt wird. Das Wollhaar bedeckt den gesamten Körper mit Ausnahme einiger Kopfpartien und des unteren Teils der Beine. Im Frühjahr verliert das Wildschwein das lange, dichte Winterhaar und hat ein kurzes, wollhaarfreies Sommerfell mit hellgefärbten Haarspitzen. Der Fellwechsel findet in einem Zeitraum von etwa drei Monaten statt und beginnt in Mitteleuropa in den Monaten April bis Mai. Wildschweine wirken im Sommerfell wesentlich schlanker. Vorjährige Wildschweine beginnen bereits ab Ende Juli oder Anfang August mit dem Wechsel zum Winterfell. Bei ausgewachsenen Wildschweinen beginnt der Wechsel zum Winterfell erst im September. Im November ist der Fellwechsel abgeschlossen. [[Datei:Bache001.jpg|miniatur|hochkant|Bache]] Allerdings bestehen in der Fellfärbung sowohl regional als auch im selben Gebiet große Unterschiede. So sind Wildschweine der [[Balchaschsee]]-Region hell sandfarben oder sogar weißlich, in Weißrussland findet man rötlichbraune, hellere oder sogar tiefschwarze Tiere und am [[Ussuri]] trifft man auf hellbraune und schwarze Wildschweine. ==== Gefleckte Wildschweine ==== In freilebenden Wildschweinpopulationen treten immer wieder Individuen auf, die schwarzbraune bis schwarze Flecken unterschiedlicher Größe auf hellerem Grund aufweisen. Gelegentlich werden sogar schwarzweiß gefleckte Wildschweine beobachtet. Bei Untersuchungen in der [[Deutsche Demokratische Republik|DDR]] in den 1970er Jahren traten Fleckungen bei etwa drei von hundert Wildschweinen auf. Die Fleckung wird rezessiv vererbt. Diese Färbungen werden darauf zurückgeführt, dass [[Hausschwein]]e lange Zeit als Weideschweine gehalten wurden und es dabei zu Kreuzungen zwischen Wild- und Hausschweinen kam. [[Polen|Polnische]] Untersuchungen aus demselben Zeitraum haben gezeigt, dass stark schwarzweiß gefärbte Wildschweine im Vergleich zu ihren normal gefärbten Artgenossen eine höhere Sterblichkeitsrate haben, da bei ihnen die Wärmeregulation weniger gut funktioniert. ==== Fell der Jungtiere ==== [[Datei:Sus scrofa 1 - Otter, Owl, and Wildlife Park.jpg|miniatur|Bache mit Frischlingen]] Frisch geborene Wildschweine haben ein hellgelbbraunes Fell, das in der Regel vier bis fünf gelbliche, von den [[Schulterblatt|Schulterblättern]] bis zu den Hinterbeinen reichende Längsstreifen aufweist. Auf der Schulterpartie sowie auf den Hinterbeinen sind die Tiere gefleckt. Die Streifenform und die Fleckung ist so individuell, dass Jungtiere eindeutig identifiziert werden können. Ihr Deckhaar ist noch wesentlich weicher und wolliger als bei älteren Tieren und schützt die Tiere gegenüber Feuchtigkeit weniger gut. Dieses Jungtierfell wird etwa drei bis vier Monate getragen, bevor die Tiere allmählich das einfarbig bräunliche Jugendfell bekommen. Es ist grobhaariger als das Jungtierfell, jedoch immer noch weicher als jenes ausgewachsener Tiere und hat auch weniger gut entwickelte Wollhaare. In Mitteleuropa entwickeln die Jungtiere im Oktober und November ihr erstes Winterkleid, das dann auch vermehrt die graue bis schwarze Färbung ausgewachsener Tiere zeigt. === Körpergewicht und Körpergröße === Gewicht und Größe sind je nach geographischer Verbreitung sehr unterschiedlich, das Gewicht variiert außerdem je nach Jahreszeit. Als grobe Regel kann gelten, dass Körpermasse und Körpergröße von Südwesten nach Nordosten zunehmen. Vollkommen ausgewachsen sind Wildschweine ab ihrem fünften Lebensjahr; in Mitteleuropa haben Bachen dann eine Kopf-Rumpf-Länge von 130 bis 170&nbsp;cm, Keiler erreichen eine Länge von 140 bis 180&nbsp;cm.<ref>I. Haseder & G. Stinglwagner: ''Knaurs großes Jagdlexikon''. Weltbild Verlag, München 2000. S. 732</ref> Mindestens fünf Jahre alte Bachen im Osten Deutschlands wogen ohne innere Organe ("aufgebrochen") zwischen 43 und 95&nbsp;kg, Keiler ohne innere Organe zwischen 54 und 157&nbsp;kg. Die höchsten Gewichte erreichten Bachen dort von Oktober bis März, Keiler von August bis Dezember.<ref>[[Hans Stubbe]] (Hrsg.): ''Buch der Hege, Band 1 Haarwild.'' Verlag Harri Deutsch, Thun-Frankfurt/Main, 1988: S. 254-255.</ref> Das maximale Lebendgewicht von ausgewachsenen Bachen in Mitteleuropa liegt bei rund 150&nbsp;kg und das von ausgewachsenen Keilern bei rund 200&nbsp;kg.<ref>Edgar Böhm: Jagdpraxis im Schwarzwaldrevier. Leopold Stocker Verlag, Graz, 1997. S. 29ff</ref> Wildschweine in [[Astrachan]], im Schutzgebiet der [[Beresina]] und im [[Kaukasus]] werden deutlich größer und schwerer. Männchen können hier eine Körperlänge bis zu 200&nbsp;cm und ein Gewicht bis zu 200&nbsp;kg erreichen. In den 1930er Jahren wurden im Wolga-Delta und am Syr Daria Wildschweine von bis zu 260&nbsp;kg erlegt, und einige Jahre vorher sind sogar Tiere von 270&nbsp;kg und 320&nbsp;kg Gesamtgewicht belegt. Auch aus dem fernen Osten Russlands sind Keiler mit über 300&nbsp;kg Körpergewicht bekannt. Im gesamten Verbreitungsgebiet verringerte sich die Körpergröße des Wildschweins durch Bejagung und heute gelten Tiere mit 200&nbsp;kg Körpergewicht als sehr groß. Aus den [[Karpaten]] wird von Wildschweinen mit 110&nbsp;cm Schulterhöhe und 350&nbsp;kg berichtet. == Verbreitung == [[Datei:Zwijntje.JPG|miniatur|Ausgewachsenes Wildschwein]] [[Datei:Sus scrofa range map.jpg|miniatur|250px|Ursprüngliches Verbreitungsgebiet (grün) und Gebiete mit eingeführten Populationen (blau)]] Das Wildschwein ist ein in ganz Eurasien sowie in Japan und in Teilen der südasiatischen Inselwelt in etwa 20 Unterarten verbreitetes Wildtier. Es kam ursprünglich von den [[Britische Inseln|Britischen Inseln]], Südskandinavien und Marokko im Westen über ganz Mittel- und Südeuropa, Vorder- und Zentralasien, Nordafrika, [[Vorderindien|Vorder]]- und [[Hinterindien]] bis Ostsibirien, [[Japan]] und [[Vietnam]] im Osten vor und erreicht über die [[Sumatra]] und [[Java (Insel)|Java]] sogar die [[Kleine Sundainseln|Kleinen Sundainseln]] [[Bali]], [[Lombok]], [[Sumbawa]] und [[Komodo (Insel)|Komodo]]. Außerdem findet man es auf [[Sri Lanka|Ceylon]], [[Hainan]] und [[Taiwan]], auf [[Borneo]] scheint die Art dagegen zu fehlen. Die Vorkommen auf [[Sardinien]], [[Korsika]] und den [[Andamanen]] sind vermutlich durch den Menschen dort angesiedelt worden.<ref name="Walker">{{ISBN|0801857899}}</ref> In Nordafrika war es bis vor wenigen Jahrhunderten entlang des Niltals bis südlich von Khartum sowie nördlich der Sahara verbreitet. Mittlerweile gilt das Wildschwein in Nordafrika als selten. Die früher von der Südtürkei bis nach [[Palästina (Region)|Palästina]] vorkommende Unterart ''Sus scrofa libycus'' sowie die früher in Ägypten und Sudan beheimatete Unterart ''Sus scrofa barbarus'' gelten als ausgestorben. Auf der [[Arabische Halbinsel|Arabischen Halbinsel]] kommen Wildschweine nur im äußersten Norden vor. Die ursprüngliche Nordgrenze der Verbreitung erstreckte sich vom [[Ladogasee]] (auf 60°&nbsp;N) im Nordwesten südwärts über [[Weliki Nowgorod|Nowgorod]] bis Moskau um dann in west-östlicher Richtung über die [[Wolga]] bis zum südlichen [[Ural]] (wo sie 52°&nbsp;N erreichten). Von da aus schob sich die Grenze wieder leicht nach Norden um beinahe [[Ischim]] und weiter östlich den Irtysch auf 56°&nbsp;N zu erreichen. In der östlichen [[Barabasteppe]] (westlich [[Nowosibirsk]]) bog die Linie scharf nach Süden ab und erreichte beinahe die Ausläufer des [[Altai]]gebirges, das sie umkreiste und sich von dort aus über das [[Tannu-ola-Gebirge]] bis zum [[Baikalsee]] zog. Von hier verlief die Grenze nördlich des Amur bis zu seinem Unterlauf am Chinesischen Meer. Auf [[Sachalin]] ist das Wildschwein nur fossil nachgewiesen. In trockenen Wüsten, Hochgebirgen und im Tibetanischen Hochland fehlt das Wildschwein naturgemäß auch südlich der beschriebenen Linie. So fehlt es in den Trockengebieten der Mongolei ab 44–46°&nbsp;N südwärts, in China westlich von [[Sichuan]], und in Indien nördlich des Himalaya. In den hohen Berge des [[Pamir (Gebirge)|Pamir]] und im [[Tianshan]] findet man keine Wildschweine, im Tarimbecken und an den unteren Hängen des Tianshan kommen die Tiere dagegen vor. Das Verbreitungsareal hat sich im Laufe der Jahrtausende mehrfach verändert. Während der Kaltzeiten hat sich das Verbreitungsgebiet mehrfach in östlicher und südlicher Richtung verschoben und während Wärmeperioden wieder in westlicher und nördlicher Richtung ausgedehnt. In den letzten Jahrhunderten hat sich die Verbreitung des Wildschweins vor allem aufgrund menschlicher Eingriffe verändert. Mit der Ausdehnung und Intensivierung der Landwirtschaft nahm auch die Bejagung des Wildschweins zu, so dass beispielsweise die Art in England bereits zu Beginn des 17. Jahrhunderts ausgerottet war. In Dänemark erlegte man die letzten Wildschweine Anfang des 19. Jahrhunderts, bis 1900 gab es auch in Tunesien und dem Sudan keine Wildschweine mehr, und auch in Deutschland sowie in Österreich, Italien und der Schweiz waren weite Teile wildschweinfrei. Zu den deutschen Regionen, in denen bis in die 1940er Jahre Wildschweine nicht mehr vertreten waren, zählen beispielsweise Thüringen, Sachsen, Schleswig-Holstein und Baden-Württemberg. === Rückgewinnung des Verbreitungsgebiets === Im 20. Jahrhundert haben sich Wildschweine weite Teile ihres ursprünglichen Verbreitungsgebiets wieder zurückerobert. So sind beispielsweise in die italienische [[Toskana]], die lange Zeit aufgrund der intensiven landwirtschaftlichen Bewirtschaftung wildschweinfrei war, in den 1990er Jahren wieder Wildschweine eingewandert. Auch in Russland war das Wildschwein in den 1930er Jahren in weiten Teilen ausgerottet und die Nordgrenze der Verbreitung war besonders im Westen weit nach Süden verschoben. Bis 1950 hatten sich die Tiere jedoch wieder ausgebreitet und an vielen Stellen fast wieder die alte Nordgrenze des Verbreitungsgebietes erreicht. Besonders gut dokumentiert ist die Arealerweiterung in Osteuropa. Um 1930 gab es beispielsweise in den Sumpfwaldgebieten [[Weißrussland]]s, der [[Ukraine]], [[Litauen]]s und [[Lettland]]s noch Wildschweinbestände. Von dort aus verbreitete sich die Art anfangs entlang der Flussniederungen von [[Düna|Daugava]] (deutsch: ''Düna''), [[Dnepr]] und [[Desna (Fluss)|Desna]] sowie später auch entlang der [[Oka]], [[Wolga]] und dem [[Don (Russland)|Don]]. Um 1960 waren Wildschweine bereits von [[Sankt Petersburg]] bis [[Moskau]] wieder verbreitet; um 1975 erreichten sie [[Archangelsk]] bis [[Astrachan]]. Auch in Finnland wanderten Wildschweine wieder ein. Ähnliches vollzog sich auch in westlicher Richtung. In den 1970er Jahren gab es in [[Dänemark]] und [[Schweden]] wieder Wildschweinvorkommen, wobei diese jedoch auf aus Wildgehegen ausgebrochene Tiere zurückgingen. Die Populationsentwicklung der letzten Jahrzehnte wird auch an den [[Jagdstrecke]]n deutlich. So wurden in Deutschland in den Jahren 2000 bis 2003 erstmals jeweils mehr als 500.000 Wildschweine erlegt. In den 1960er Jahren lag die jährliche Jagdstrecke noch bei unter 30.000 Tieren. === Vordringen in den städtischen Lebensraum === [[Datei:Schweinerei-einer-schwarzkittelrotte-001.jpg|miniatur|Durch Wildschweine umgewühlte Wiese]] Die Anpassungsfähigkeit der Wildschweine zeigt sich besonders deutlich in [[Berlin]]. Wildschweine haben sich dort die stadtnahen Wälder als Lebensraum erobert und dringen heute auch in die Vorstädte ein. Gelegentlich führt sie ihr Weg bis in die Innenstadt. So mussten im Mai 2003 zwei Wildschweine erschossen werden, die auf dem [[Alexanderplatz]] auftauchten. Der Bestand an Wildschweinen rund um Berlin wird mittlerweile auf 10.000 Tiere geschätzt. Im unmittelbaren Stadtgebiet fühlen sich nach Schätzungen der Berliner Forstverwaltung rund 4.000 Tiere wohl. Sie dringen in die Gärten und Parks ein und richten dort z. T. beträchtliche Schäden an. Sie durchstöbern auch Mülltonnen nach Essensresten. Die intelligenten Tiere registrieren sehr schnell, dass ihnen in Wohngebieten keine Bejagung droht und werden gelegentlich sogar tagaktiv. So sind in einigen Berliner Stadtparks am helllichten Tag spielende Jungtiere zu beobachten. Der [[Berliner Senat]] hat ein strenges Fütterverbot erlassen, um zu verhindern, dass noch mehr Wildschweine in die Stadt gelockt werden. === Eingebürgerte Wildschweinbestände === [[Datei:Wild Pig KSC02pd0873.jpg|miniatur|Wildschweine auf dem Areal von [[Kennedy Space Center|Cape Canaveral]], in Florida sind Wildschweine [[Neozoen]].]] Das Wildschwein wurde Anfang des [[20. Jahrhundert]]s zu Jagdzwecken in den [[Vereinigte Staaten|USA]] eingebürgert, wo es sich zum Teil mit verwilderten Hausschweinen vermischt hat, die seit Anfang des [[16. Jahrhundert]]s im Südwesten der Vereinigten Staaten (vor allem in [[Texas]]) lebten. Durch diese Vermischung gibt es in [[Nordamerika]] heute keine klare Abgrenzung zwischen Hausschwein und Wildschwein. Dabei scheinen sich aber Tiere, die einen relativ hohen Wildschwein-Anteil haben, gegenüber Schweinen mit hohem Hausschwein-Anteil durchzusetzen, obwohl die Bestände oft scharf bejagt werden. Zu den US-Staaten mit einem hohen Wildschweinbestand zählen [[Kalifornien]], [[Florida]], [[South Carolina]], [[Georgia]], [[Alabama]], [[Arkansas]], [[Oklahoma]], [[Arizona]] und [[Louisiana]]. Auch in Südamerika gibt es eingebürgerte Wildschweinbestände. In Argentinien wurden Wildschweine um 1900 eingebürgert und leben dort zwischen dem 40. und 44. Breitengrad. Wildschweinbestände, die sich zum Teil ebenfalls mit dem Hausschwein vermischt haben, gibt es außerdem auch auf [[Neuguinea]], [[Neuseeland]] und in [[Australien]] sowie auf [[Hawaii]], [[Trinidad und Tobago|Trinidad]] und [[Puerto Rico]]. Teilweise wurden die Tiere hier bereits vor hunderten von Jahren eingeführt. Nach Hawaii etwa gelangten die ersten Schweine vor rund 1000 Jahren mit [[Polynesier|polynesischen]] Seefahrern. In Australien wurde das Wildschwein zu Beginn des 19. Jahrhunderts eingeführt, um dort unter anderem Schlangen zu bekämpfen. Heute gelten Wildschweine in Australien als Plage – sie töten beispielsweise regelmäßig neugeborene Lämmer und gelten daher als landwirtschaftliche Schädlinge. Auf zahlreichen südostasiatischen Inseln ([[Bismarck-Archipel|Bismarck]]- und [[Louisiaden|Louisiadearchipel]], [[Salomonen|Salomon]]- und [[Admiralitätsinseln]] und anderen im dortigen Bereich) wurde es ebenfalls durch den Menschen eingeführt. == Lebensraum == [[Datei:Heubach wild boar.jpg|miniatur|rechts|Wildschweine in der [[Suhle]]]] Wildschweine sind in der Lage, sich unterschiedlichsten Lebensräumen anzupassen. Dazu trägt bei, dass das Wildschwein ein ausgesprochener Allesfresser ist, der sich schnell neue Nahrungsnischen erschließt. Wildschweine haben durch die Fähigkeit, den Boden aufzubrechen, Zugang zu Nahrung, die anderen Großsäugern nicht zur Verfügung steht. Mit ihrem kräftigen Gebiss sind sie sogar in der Lage, hartschalige Früchte wie [[Kokosnuss|Kokosnüsse]] aufzubrechen. Wildschweine sind außerdem ausgezeichnete Schwimmer und verfügen über eine gute Wärmeisolation, so dass sie sich auch an Feuchtgebiete anpassen können. Auf Grund dieser Fähigkeit zählen sowohl borealer [[Nadelwald]], schilfbewachsene [[Sumpf]]gebiete als auch immergrüner [[Regenwald]] zu den Lebensräumen, die vom Wildschwein besiedelt werden können. Ihre nördliche Verbreitung wird dadurch begrenzt, dass über längere Zeit gefrorener Boden es ihnen unmöglich macht, an unterirdische Nahrungsreserven zu gelangen. Hoher Schnee behindert außerdem ihre Fortbewegung und damit ihre Nahrungssuche. Daher fehlen Wildschweine auch in Hochgebirgslagen. Im klimatisch gemäßigten Mitteleuropa entwickeln Wildschweine die höchste Bestandsdichte in Laub- und Mischwäldern, die einen hohen Anteil an Eichen und Buchen haben und in denen es sumpfige Regionen sowie wiesenähnliche Lichtungen gibt. Den subtropischen und tropischen Klimabedingungen passen sich Wildschweine durch eine Reduktion des Haarkleides an; sie bilden dort außerdem kein Unterhautfett, das ihnen im nördlichen Verbreitungsgebiet als Wärmeisolation dient. In heißen Regionen sind Wildschweine auf Wasserquellen angewiesen, Wüsten werden daher von ihnen nicht besiedelt. == Ernährung == [[Datei:Zwei Eicheln.jpg|miniatur|Eicheln gehören zur Lieblingsnahrung von Wildschweinen.]] Das Wildschwein durchwühlt bei der Nahrungssuche den Boden nach essbaren [[Wurzel (Pflanze)|Wurzeln]], [[Würmer]]n, [[Engerling]]en, Mäusen, [[Schnecken]] und [[Pilze]]n. Wildschweine fressen neben [[Wasserpflanze]]n wie beispielsweise dem [[Kalmus (Art)|Kalmus]] auch Blätter, Triebe und Früchte zahlreicher Holzgewächse, Kräuter und Gräser. Als [[Allesfresser]] nehmen sie auch Aas und Abfälle an. Es wurde beobachtet, dass Wildschweine Kaninchenbauten aufbrechen, um die Jungkaninchen zu fressen. Gelegentlich fallen ihnen auch Eier und Jungvögel bodenbrütender Vögel zum Opfer. An trockengefallenen Gewässern fressen sie sogar Muscheln. Eine besondere Rolle im europäischen Verbreitungsgebiet spielen in der Nahrung von Wildschweinen die Früchte von [[Eiche]]n und [[Bucheckern|Buchen]]. In Jahren, in denen diese Bäume besonders gut tragen (so genannte [[Mast (Wald)|Mastjahre]]), leben Wildschweine monatelang überwiegend von diesen Früchten. Im asiatischen Raum gilt ähnliches für die Samen verschiedener [[Zirbelkiefer]]arten. Zur bevorzugten pflanzlichen Nahrung gehören in Mitteleuropa auch die Wurzeln von [[Adlerfarn]] und [[Weidenröschen]]. Je nach Jahreszeit haben auch die Wurzeln von [[Buschwindröschen]], [[Schlangen-Knöterich]], [[Wegerich]] und [[Sumpfdotterblume]]n einen größeren Anteil an ihrer Nahrung. Wildschweine weiden außerdem gerne an [[Klee]] und fressen die oberirdischen Pflanzenteile von Süßgräsern, [[Ampfer]], [[Giersch]], Adlerfarn und [[Wiesen-Bärenklau]] sowie Eichenlaub. [[Datei:Eberjagd-Detail-Radschloßgewehr-1600.jpg|miniatur|hochkant|Detail eines Radschlossgewehres von ca. 1600.]] Wildschweine können erheblichen Schaden auf [[landwirtschaft]]lichen Nutzflächen verursachen. Sie fressen alle Feldfrüchte, die in Mitteleuropa in der Landwirtschaft angebaut werden. Bei [[Kartoffel]]n unterscheiden sie dabei sogar zwischen einzelnen Sorten und fressen besonders gerne Frühkartoffeln. Wildschweine durchwühlen auch Getreidefelder und richten mit ihrer Wühlerei regelmäßig einen größeren Schaden als durch das Fressen an. Auch die Schäden, die sie beispielsweise in [[Landschaftspark]]s anrichten, sind vor allem Wühlschäden. Sie graben dabei ganze Wiesen und Rabatten auf der Suche nach [[Blumenzwiebel]]n um. Große landwirtschaftliche Schäden treten vor allem dann auf, wenn Eichen und Buchen nicht ausreichend Frucht angesetzt haben und die Wildschweine daher bevorzugt auf den landwirtschaftlichen Feldfluren auf Nahrungssuche gehen. Dies ist der Hauptgrund, warum Wildschweine so stark bejagt wurden, dass sie in Teilen Europas über Jahrhunderte hinweg fehlten. Es wird vermutet, dass die schon in der [[Bronzezeit]] nachweisbaren Einzäunungen von Feldern den Versuch darstellten, Wildschweine aus den Feldern fernzuhalten. Wildschweine fressen allerdings auch Insekten, die einen Teil ihrer Entwicklungszeit im Boden verbringen und andere Kleintiere. Die starke Wühltätigkeit dabei kann auch unter der Bodenfauna erhebliche Schäden verursachen, so etwa bei Eigelegen und Überwinterungsplätzen von [[Eidechsen]]. == Fortbewegung und Ruheverhalten == === Gangarten === Ruhende Wildschweine belasten in der Regel alle vier Beine gleichermaßen. Im Schritttempo ist die normale Fortbewegungsform der [[Kreuzgang (Biologie)|Kreuzgang]], bei dem die jeweils diagonal gegenüber befindlichen Vorder- und Hinterläufe nahezu gleichzeitig vorwärts gesetzt werden. Vorder- und Hinterbein verlassen erst dann den Boden, wenn das jeweilige andere Bein bereits aufgesetzt hat. Die Tiere können dabei 3 bis 6&nbsp;km in der Stunde zurücklegen. Im [[Trab]] verlassen Hinter- oder Vorderbein bereits den Boden, bevor das jeweilige andere Bein aufgesetzt hat. Diesen Trab können Wildschweine über eine sehr lange Zeit aufrechterhalten und legen damit 6 bis 10&nbsp;km pro Stunde zurück. Im [[Galopp]] flüchten Wildschweine, wenn sie aufgeschreckt werden. Ausgewachsene Tiere legen mit jedem Galoppsprung bis zu zwei Meter zurück, allerdings können Wildschweine diese Gangart nicht lange aufrechterhalten. Sie fallen auch bei einer Flucht schnell in den Trab zurück. Wildschweine können außerdem sehr gut schwimmen und vermögen dabei längere Strecken zurückzulegen. Sie bewegen dabei ihre Beine ähnlich wie beim Trab und nur Teile des Vorder- und Oberkopfes ragen aus dem Wasser. === Ruheverhalten === [[Datei:Wildschein in der Suhle ruhend mit Äpfeln.jpg|miniatur|Ruhendes Wildschwein]] [[Datei:Susscr Malbaum frei Rehahn BAR 070802.jpg|miniatur|hochkant|Ein sogenannter „[[Malbaum]]“ ([[Fichten|Fichte]]) mit teilweise abgescheuerter Rinde und anhaftendem Schlamm.]] Wildschweine verbringen einen großen Teil ihres Tages ruhend. Zu welcher Tageszeit sie dies tun, ist abhängig von den jeweiligen Umweltbedingungen. Zum Ruhen benutzen sie gerne spezielle Ruheplätze, die sie sowohl einzeln als auch gemeinsam nutzen. Dösende Wildschweine liegen meist mit gestreckten Beinen, indem sie entweder auf dem Bauch ruhen und die Vorder- und Hinterbeine nach vorne oder hinten ausstrecken. Typisch ist auch die Seitenlage, bei denen die Beine im rechten Winkel abgestreckt sind. Die Kauerlage, bei der die Beine eingeknickt werden, kommt bei Wildschweinen nur für kurze Zeit vor. Das [[Suhle]]n in Schlammlachen gehört zum typischen Verhaltensrepertoire von Wildschweinen. Besonders im Sommer dient es der Wärmeregulation. Durch den Schlamm werden Hautparasiten eingekapselt; die trocknende Schlammschicht erschwert außerdem stechenden Insekten den Zugang zur Haut. In der Nähe der Suhlen findet man die so genannten Malbäume, an denen sich Wildschweine nach dem Suhlen scheuern. Dazu lehnen sie sich an einen Stamm und reiben ihren Körper daran entlang. Als Malbäume werden Bäume mit grober Rinde und/oder harzende Bäume bevorzugt, in Mitteleuropa vor allem Eichen, Kiefern und Fichten. Diese Bäume weisen bei längerer Nutzung deutliche Spuren auf. Durch den abgeriebenen Schlamm ist der Baum an den Scheuerstellen weißgrau, die Rinde ist in Teilbereichen abgetragen. Zum Scheuern ihres Unterkörpers stellen sich Wildschweine über Baumstümpfe und reiben sich daran. Das Scheuern des Körpers an Bäumen ist notwendig, da Wildschweine aufgrund ihres kurzen und unbeweglichen Halses nicht in der Lage sind, sich mit Hilfe ihres Gebisses zu putzen und von Schadinsekten zu befreien. == Fortpflanzung == === Paarungszeit === Weibliche Jungtiere können – sofern ihnen ausreichend Nahrung zur Verfügung steht – bereits nach 8 bis 10 Monaten geschlechtsreif werden. Männliche Tiere sind in der Regel erst im zweiten Lebensjahr fortpflanzungsfähig. Ausnahmen von dieser Regel hat man bisher nur in den USA beobachtet, wo Wildschweinpopulationen stark mit Hausschweinen durchmischt sind. Die Paarungszeit ist von den jeweiligen klimatischen Bedingungen abhängig; in Mitteleuropa beginnt sie meistens im November und endet im Januar oder Februar – der Höhepunkt ist im Dezember. Zu Verpaarungen kann es auch außerhalb dieser Zeit kommen – manche Autoren führen eine solche Paarungsbereitschaft außerhalb der typischen Zeit auf Hausschweineinfluss zurück. Weibchen, die eine Fehlgeburt erlebt haben, oder deren gesamter Wurf kurz nach der Geburt gestorben ist, können erneut empfängnisbereit sein. Der Beginn der Paarungszeit wird von den Bachen bestimmt. Die Männchen sind das ganze Jahr über befruchtungsfähig. Die Paarungszeit nennt der Jäger [[Rauschzeit]]. === Werbung und Paarung === Trifft ein Männchen in der Paarungszeit auf Weibchen, beriecht es diese in deren Genitalregion. Ist das Weibchen empfängnisbereit, stößt er es leicht in die Bauchseite, gegen die Flanken oder an die Halsunterseite und umkreist sie. Wenn das Weibchen sich dem entzieht, folgt das Männchen ihm und versucht, den Körperkontakt aufrechtzuerhalten, indem es seinen Schädel auf den Rücken des Weibchens legt oder an ihre Flanken presst. Dieses so genannte Treiben kann sich über längere Zeit hinziehen. Wenn das Weibchen noch nicht paarungsbereit ist, attackiert es das Männchen gelegentlich. Das Männchen versucht dann, das Weibchen durch Nasonasal-Kontakt und Anhauchen zu beruhigen. Will das Weibchen nicht kopulieren, kann es quiekende Abwehrlaute ausstoßen. Wenn es nicht anders möglich ist, entzieht es seine Analregion durch Hinsetzen oder -legen. Zur Paarung spreizt das Weibchen die Hinterläufe steif-schräg nach hinten und dreht den Schwanz seitlich weg. Das Männchen reitet auf, wobei es den Kopf auf ihren Rücken legt. In dieser Stellung verbleiben beide Tiere gewöhnlich fünf Minuten regungslos, bevor sie sich wieder trennen. Ein Weibchen kopuliert während der Paarungszeit etwa sechs bis sieben Mal. === Paarungssynchronisation === Bei gut gegliederten Familienverbänden mit intakter Sozialordnung synchronisiert das älteste fortpflanzungsfähige Weibchen, das als so genannte Leitbache die Familienrotte anführt, die Paarungsbereitschaft aller Bachen in der Rotte. Außerdem verhindert die Leitbache die Paarungsbereitschaft bei [[juvenil]]en weiblichen Rottenmitgliedern. Diese hormonell gesteuerten Abläufe bewirken nicht nur eine zeitgleiche Paarungsbereitschaft, sondern führen vor allem zu einer gemeinsamen Geburt, bei der die Altersunterschiede der [[Frischling]]e gering und damit ihre Überlebenschancen höher sind. Fehlt der steuernde Einfluss älterer Tiere auf das Paarungsgeschehen (etwa durch Abschuss, Verkehrsunfall, Unfall, Krankheit führender Bachen), können Bachen das ganze Jahr über empfängnisbereit sein. Bei guter Nahrungsversorgung kann es dazu kommen, dass sich sogar Einjährige ([[Überläufer (Jagd)|Überläufer]]) oder noch jüngere Tiere an der Fortpflanzung beteiligen. Hierdurch entsteht dann eine unkontrollierte Vermehrung. === Männchenkämpfe === Treffen während der Paarungszeit Männchen aufeinander, die um Weibchen konkurrieren, kommt es in der Regel zu Hierarchiekämpfen, die stark ritualisiert ablaufen. Zum [[Imponierverhalten|Imponiergehabe]] von aufeinandertreffenden Männchen gehört unter anderem ein Scharren mit den Hinterbeinen, das Verspritzen von Urin sowie das Wetzen des Kiefers. Beim Wetzen wird der Unterkiefer rasch seitlich hin und her geschoben. Die Eckzähne des Ober- und des Unterkiefers schleifen dabei aneinander. Mit zunehmender Erregung geht dies in Kaubewegungen oder Kieferschlagen über, bei denen Ober- und Unterkiefer laut auf- und zugeklappt werden. Häufig bildet sich dabei Speichelschaum am Maul der Männchen. Gleichzeitig sind die langen Borsten des Kamms aufgestellt, der Kopf ist gesenkt. Im Imponierlauf umkreisen sich die beiden Männchen, was häufig in Schulterkämpfe übergeht. Hat bis dahin keines der Tiere die Flucht ergriffen, kommt es zum echten Kampf, bei dem die Tiere ihre Unterkiefereckzähne einsetzen, um mit seitwärts-aufwärts gerichteten Hieben gegen Bauch und Körperseite zu schlagen. Dabei können sich die Tiere heftig blutende Verletzungen zufügen. Zum Ende des Kampfes kommt es erst, wenn eines der Tiere flieht. === Geburt der Jungtiere === [[Datei:Frischlinge mit Bachen.jpg|miniatur|Weibchen mit Jungtieren]] [[Datei:Bache mit Frischling.jpg|miniatur|Weibchen mit Jungtier]] Die Tragezeit der Weibchen beträgt etwa 114 bis 118 Tage („drei Monate, drei Wochen und drei Tage“). Die Jungtiere kommen in Mitteleuropa meist in der Zeit von März bis Mai zur Welt. Falls das Weibchen zu einer Rotte gehört, trennt es sich von dieser und geht seinen eigenen Weg, bis die Jungen groß genug sind, um mit der Rotte mitzuhalten. Das Weibchen wählt dabei vor der Geburt sorgfältig den Ort für ein Geburtsnest aus. Diese [[Wurfkessel]] sind häufig in Richtung Süden exponiert, so dass sie von der Sonne erwärmt werden. In sumpfigen Regionen sucht das Weibchen nach Bodenerhebungen, damit das Nest trocken ist. Sie polstert das Nest mit Gras aus und baut anschließend eine Art Dach. Im Durchschnitt bringen Weibchen etwa sieben Jungtiere zur Welt. Während der Geburt liegt das Weibchen gewöhnlich in der Seitenlage. Während der ersten Lebenstage der kälte- und nässeempfindlichen Jungtiere bleibt das Weibchen meist im Geburtsnest. Je nach Witterungsbedingungen verlässt das Weibchen das Nest mit seinen Jungtieren nach ein bis drei Wochen. Weibchen verteidigen ihre Jungtiere energisch. Dabei kann es auch zu Angriffen auf Menschen kommen. Die Sterblichkeit unter den Jungtieren ist sehr hoch. Sie sterben vor allem dann, wenn es während ihrer ersten drei Lebenswochen zu Kälteeinbrüchen und Nässeperioden kommt, da ihre Wärmeregulation noch nicht voll ausgebildet ist. Die Sterblichkeit ist auch davon abhängig, wie viele Fressfeinde im Gebiet leben. In raubtierfreien Gebieten überleben durchschnittlich 75 von 100 Jungtieren das erste Jahr (die, die nicht überleben, verenden meist schon im ersten Lebensmonat), in Gebieten, in denen Wölfe, Bären und Luchse den Lebensraum mit den Wildschweinen teilen, sind es hingegen nur etwa 30 von 100. == Sozialverhalten == [[Datei:Sus scrofa LC0074.jpg|miniatur|Bache mit Jungtieren und vorjährigem Weibchen]] Wildschweine leben in Mutterfamilien, im Harem oder in Gruppen vorjähriger Tiere zusammen. Einzelgängerisch leben insbesondere männliche Tiere. Die typischste Form des Zusammenlebens ist die Mutterfamilie, die aus einem Weibchen mit ihrem letzten Nachwuchs besteht. Gelegentlich bleibt der weibliche Nachwuchs des Vorjahres bei der Mutter und führt dann mitunter auch schon eigenen Nachwuchs. Die ursprüngliche Mutter ist in einem solchen Sippenverband das Leittier. Fremde Wildschweine werden in der Regel nicht in eine solche Gruppe aufgenommen. Treffen verschiedene Mutterfamilien aufeinander, wahren sie voneinander Abstand. Diese Gruppen brechen auseinander, wenn das Nahrungsangebot nicht ausreichend ist, wenn sie durch Jagd oder sonstige Störungen auseinandergesprengt werden oder wenn das Leittier stirbt. Aufgrund der hohen Sterblichkeit der Jungtiere schwanken die Gruppenstärken sehr stark. Gruppen von mehr als 20 Tieren sind in Mitteleuropa Ausnahmen. Die vorjährigen Männchen werden vom Weibchen aus der Gruppe vertrieben und leben dann in der Regel für mindestens ein Jahr in einem eigenen Verband. Auch hier kommt es nicht zu Zusammenschlüssen mit vorjährigen Tieren aus anderen Gruppen. Die Hierarchie zwischen den einzelnen Tieren einer solchen Gruppe ist seit der Jungtierzeit ausgekämpft. Ab dem zweiten Lebensjahr ziehen Männchen meist als Einzelgänger durchs Revier. Während der Paarungszeit von November bis Januar schließen sie sich einzeln Mutterfamilien an. Der Kontakt zwischen dem Männchen und der Mutterfamilie bleibt jedoch lose – er ruht nicht im gemeinsamen Lager und das Leitweibchen führt die Gruppe. Gelegentlich lassen sich auch Gruppen vorjähriger Tiere beobachten, in denen männliche und weibliche Tiere zusammenleben. Sie treten dann auf, wenn das Mutterweibchen entweder abgeschossen wurde oder eines natürlichen Todes starb. Solche untypischen Gruppen lösen sich in der nächsten Paarungszeit auf. == Fressfeinde == [[Datei:Canis lupus laying in grass.jpg|miniatur|[[Wolf]]]] Zu den natürlichen Feinden des Wildschweins zählen [[Tiger]], [[Wolf]], [[Braunbär]] und [[Eurasischer Luchs|Luchs]]. Sowohl [[Rotfuchs|Fuchs]], [[Wildkatze]] als auch der [[Uhu]] schlagen außerdem gelegentlich Jungtiere. Für Wölfe stellen Wildschweine eine Hauptbeute dar, wobei der Anteil je nach Lebensraum schwankt. Bei einer zu Beginn der 1980er Jahre im nordeuropäischen [[Russland]] durchgeführten Untersuchung enthielten 47 % der Wolfsexkremente Wildschweinreste. In anderen Regionen Russlands kamen ähnliche Untersuchungen zu dem Ergebnis, dass Wildschweine im Frühjahr und Sommer bis zu 80 % und im Herbst 40 % der Beute ausmachen. Bei der Jagd hetzen Wölfe die Wildschweingruppe über eine längere Strecke und versuchen dabei, ein Tier von der Gruppe abzutrennen. Vor allem Jungtiere und vorjährige Tiere fallen den Wölfen zum Opfer. Ausgewachsene Wildschweine sind – wenn sie in die Enge getrieben werden – durchaus in der Lage, sich Wölfen gegenüber zu verteidigen. Nach Untersuchungen in Osteuropa jagen Braunbären dann Wildschweine, wenn ihnen andere Nahrungsreserven nicht zur Verfügung stehen oder wenn sie aufgrund unzureichender Fettreserven nicht in den Winterschlaf verfallen. Sie beschleichen dann die nachts im Nest ruhenden Wildschweine oder überfallen sie in ihrer Suhle. Im Winter verfolgen sie aber auch kranke und geschwächte Tiere über weite Strecken. [[Datei:Uhu-muc.jpg|miniatur|Uhus schlagen gelegentlich Jungtiere.]] Luchs, Fuchs, Wildkatze und Uhu haben im Vergleich zu Wolf, [[Sibirischer Tiger]] und Braunbär nur eine untergeordnete Rolle als Beutegreifer. Sie jagen vor allem frisch geborene oder geschwächte Jungtiere. Vom Fuchs wird berichtet, dass er Weibchen mit Jungtieren gelegentlich nachfolgt, um eventuell zurückbleibende Jungtiere zu erjagen. == Krankheiten == Wildschweine gelten als ständiges Erregerreservoir und als Hauptüberträger der [[Klassische Schweinepest|Schweinepest]] auf Hausschweinbestände. 2002 wurden noch 451 Fälle bei Wildschweinen in Deutschland gemeldet, was auch zu einem erhöhten Jagddruck führte. In den letzten Jahren ist die Befallssituation jedoch zurückgegangen. Wildschweine sind Wirte für [[Trichinen]]. Aus diesem Grund muss Wildschweinfleisch vor der Verwertung einer [[Trichinenuntersuchung]] unterzogen werden. Positive Befunde sind sehr selten; die Untersuchung ist jedoch notwendig, da eine Erkrankung für den Menschen im Extremfall tödlich enden kann. == Lebenserwartung == Physisch ausgewachsen sind Wildschweine im Alter von fünf bis sieben Jahren; allerdings erreichen nur wenige Individuen dieses Lebensalter. Die Sterblichkeit besonders unter Jungtieren ist so hoch, dass im Durchschnitt weniger als 10 % neugeborener Wildschweine das vierte Lebensjahr erreichen. Physisch ausgereifte Wildschweine machen daher nur einen geringen Teil der Wildschweinpopulation aus. Nur wenige Tiere werden noch älter. In Gefangenschaft dagegen erreichen Wildschweine ein wesentlich höheres Lebensalter. Belegt sind Wildschweine, die das 21. Lebensjahr erreicht haben. == Gefährdungssituation == Obwohl es lokale Bedrohungen gibt, wird das Wilschwein aus globaler Sicht von der Weltnaturschutzunion [[IUCN]] in der [[Rote Liste gefährdeter Arten|Roten Liste gefährdeter Arten]] als nicht gefährdet (''Least Concern'') geführt.<ref>{{IUCN |Year=2010 |ID=41775 |ScientificName=Sus scrofa |YearAssessed=2008 |Assessor=Oliver, W. & Leus, K. |Download=16. März 2010 }}</ref> == Systematik == Die ältesten bekannten Fossilfunde, die eindeutig dem Wildschwein zugeordnet werden können, stammen in Europa aus dem späten [[Miozän]] (vor etwa 6 Millionen Jahren) und in Nordamerika aus dem frühen und mittleren [[Pleistozän]] (vor etwa 1,8 Millionen Jahren). Innerhalb der Gattung ''[[Sus (Schweine)|Sus]]'' ist die dem Wildschwein am nächsten verwandte Art mit sehr großer Wahrscheinlichkeit das [[Zwergwildschwein]] (''Sus salvanius''). Diesen beiden Arten stehen alle weiteren ''Sus''-Arten als [[Bartschwein|Bart-]] und [[Pustelschweine]] gegenüber. Deren innere Verwandtschaftsbeziehungen sind allerdings noch ungeklärt. == Unterarten == [[Datei:Sus scrofa cristatus Ranthambore 0.jpg|miniatur|Indisches Wildschwein (''Sus scrofa cristatus'') im [[Ranthambore-Nationalpark]], Indien]] Neben der [[Nominatform]] wurden eine Reihe von Unterarten beschrieben. Diese werden anhand der [[Basilarlänge]] des [[Schädel]]s und der Größenverhältnisse des [[Tränenbein]]s differenziert. Die Länge des Tränenbeins nimmt von Westen nach Osten ab und seine Höhe nimmt zu. Der gesamte Schädel wird dabei kürzer und höher. Die nördlicheren und nordwestlicheren Arten haben außerdem eine zunehmend dichtere und längere Behaarung. Auf Inseln lebende Wildschweine sind generell kleiner. Folgende Unterarten werden unterschieden: * ''Sus scrofa scrofa'' – die [[Nominatform]], die in West- und Mitteleuropa bis zu den [[Pyrenäen]] und Alpen sowie bis zum Nordwesten der [[Slowakei]] verbreitet ist. Die Unterart ist mittelgroß, dunkel mit rostbraunem Fell. * ''Sus scrofa castillianus'' – ist die auf der iberischen Halbinsel verbreitete Unterart. * ''Sus scrofa meridionalis'' – war die auf [[Korsika]] und [[Sardinien]] beheimatete Unterart. Sie gilt mittlerweile als ausgerottet. * ''Sus scrofa majori'' – die auf der italienischen Halbinsel verbreitete Unterart. Sie ist verhältnismäßig klein und dunkel. Im Norden Italiens ist sie mittlerweile von der Unterart ''scrofa'' verdrängt. * ''Sus scrofa reiseri'' – aus dem Gebiet des ehemaligen Jugoslawien. * ''Sus scrofa barbarus'' – die mittlerweile selten gewordene Unterart, die ursprünglich in [[Marokko]], [[Algerien]] und [[Tunesien]] verbreitet war. * ''Sus scrofa sennaarensis'' – war die mittlerweile ausgerottete Wildschweinunterart, die in Ägypten und im Sudan beheimatet war. * ''Sus scrofa libycus'' – war die von der Südtürkei bis nach Israel und Palästina verbreitete Unterart. Sie ist gleichfalls durch Bejagung ausgerottet. * ''Sus scrofa attila'' – ist die im Kaukasus, in Südosteuropa, Kleinasien, Nordpersien und entlang der Nordküste des Kaspischen Meeres beheimatete Unterart, die größer und schwerer als die mitteleuropäische Unterart wird. Das Fell ist dagegen etwas heller. * ''Sus scrofa nigripes'' – ist die mittelasiatische Unterart, die in Kasachstan, Südsibirien, dem östlichen Tianshan, der Westmongolei und möglicherweise in Afghanistan und dem Südiran verbreitet ist. Die Unterart ist im Durchschnitt recht groß, zeigt aber diesbezüglich eine große Variationsbreite. Die helle Fellfarbe kontrastiert mit den schwarzen Beinen. * ''Sus scrofa sibiricus'' – die im Baikalgebiet sowie der nördlichen [[Mongolei]] lebende Unterart. Sie gilt als eine verhältnismäßig kleine Unterart. Die Fellfärbung ist dunkelbraun, beinahe schwarz. * ''Sus scrofa ussuricus'' – das so genannte „Ussurische Wildschwein“, das zu den größten Unterarten zählt. Die Grundfärbung ist variabel, meist aber dunkel, vom Maul zum Ohr zieht sich ein weißes Band. Bewohnt das [[Amur]]- und Ussurigebiet. * ''Sus scrofa leucomystax'' – ist das in Japan lebende Wildschwein. * ''Sus scrofa riukiuanus'' – das als ''gefährdet'' eingestufte Wildschwein der Ryukyu-Inseln im Südwesten Japans. * ''Sus scrofa cristatus'' – das Indische Wildschwein ist die in Indien und Indochina lebende Unterart, die einen verkürzten Gesichtsschädel hat. * ''Sus scrofa vittatus'' – auf den Sunda-Inseln verbreitet. * ''Sus scrofa timorensis'' – auf Timor verbreitet. * ''Sus scrofa nicobaricus'' – von den Nicobaren. * ''Sus scrofa andamanensis'' – von den Andamanen. * ''Sus scrofa chirodontus'' – aus Südchina und Hainan. * ''Sus scrofa taivanus'' – aus Taiwan. * ''Sus scrofa moupinensis'' – aus Zentral-China. * ''Sus scrofa papuensis'' – aus Neu Guinea == Mensch und Wildschwein == === Wildschwein und Hausschwein === [[Datei:Pig DSC03969.jpg|miniatur|Ärchaologische Befunde lassen auf eine Domestikation des Wildschweins in der ersten Hälfte des 8. Jahrtausends v. Chr. schließen – hier sind Jungtiere einer dunkelhäutigen Hausschweinrasse zu sehen.]] In dem großen Verbreitungsgebiet des Wildschweins ist es mehrfach unabhängig voneinander zur Domestikation gekommen. Die Domestikation des Wildschweins ist ähnlich wie bei [[Schafe]]n und [[Ziegen]] mit einer Abnahme der Größe einhergegangen. [[Archäologie|Archäologische]] Funde von Schweineknochen, die deutlich unterhalb der Variationsbreite von Wildschweinknochen liegen, werden deshalb als Beleg für eine Wildschweindomestikation betrachtet. Die ältesten gesicherten Belege für eine Domestikation hat man im Südosten der [[Türkei]] gefunden. In [[Neolithikum|frühneolithischen]] Siedlungen aus der ersten Hälfte des 8. Jahrtausends v. Chr. haben Ausgrabungen Schweineknochen an den Tag gebracht, die sich in ihren Größenverhältnissen deutlich vom Wildschwein unterscheiden. Im Irak und für Europa datieren sichere Belege auf 7000 v. Chr. Unabhängig davon fand die Domestikation des Wildschweins in [[China]] statt, wo die ältesten Knochenfunde auf eine Haustierhaltung des Wildschweins im 6. Jahrtausend v. Chr. hinweisen. In Thailand lassen archäologische Befunde die Domestikation auf das 4. Jahrtausend v. Chr. datieren. Die Domestikation hat in Mitteleuropa zu Schweinen geführt, die im Mittelalter häufig nur eine [[Widerrist]]-Höhe von 75&nbsp;cm hatten. In ihrem Erscheinungsbild – dichte Körperbehaarung, langgestreckter Kopf, Stehmähne – glichen sie jedoch noch sehr dem Wildschwein: :''„Bis zum 18. Jahrhundert wich das Leben der europäischen Hausschweine nicht grundlegend von dem der Wildschweine ab. Durch die Haltungsbedingungen waren sie nicht gegen klimatische Unbilden abgeschirmt. Ihr Futter mussten sie überwiegend in den Wäldern selbst suchen, und sie bekamen nur Abfälle zugefüttert. Zudem dürfte gelegentlich ein Keiler in ihr Gehege eingedrungen sein, um eine Sau zu decken. Die Folge war, dass sich Hausschweine bis zu dieser Zeit im Typ kaum von Wildschweinen unterschieden. Es waren langbeinige schlanke Tiere mit langem gestrecktem Kopf und einem deutlichen Borstenkamm auf dem Rücken. Noch um 1800 betrug das Schlachtalter von Schweinen in Deutschland 1½ Jahre; ihre Gewicht lag damals bei 50 kg.“'' (Sambraus, S. 277) Die heutigen Hausschweine, wie etwa das [[Schwäbisch-Hällisches Landschwein|Schwäbisch-Hällische Landschwein]] oder das [[Deutsche Edelschwein]], sind verhältnismäßig moderne Züchtungen. Sie entstanden, nachdem die Praxis der [[Eichelmast]] zunehmend eingestellt wurde. Die erste moderne Schweinerasse entstand um 1770 in England. === Das Wildschwein als Jagdwild === [[Datei:EberreliefmitHund-3Jhrnchr-FOKoeln2.jpg|miniatur|Römisches Relief eine Wildschweines und eines Jagdhundes, [[Römisch-Germanisches Museum]], [[Köln]]]] [[Datei:Südindischer Meister um 1540 002.jpg|miniatur|Wildschweinjagd (Wandmalerei im Lepâkshî-Tempel in Hindupur, Südindien, um 1540)]] Für das Wildschwein und seine Körperteile haben sich im jagdlichen Brauchtum eigene Namen ausgebildet. Die Art wird hier als ''Schwarzwild'' oder ''Sauen'' bezeichnet. Männliche Wildschweine werden ''Keiler'' genannt, ein starker, älterer Keiler ab dem fünften oder sechsten Lebensjahr wird als ''Basse'' oder ''Hauptschwein'' bezeichnet. Das weibliche Tier heißt ''Bache'', das Jungtier beiderlei Geschlechtes nennt man von seiner Geburt bis zum darauffolgenden 31. März ''Frischling''. Ab dem der Geburt folgenden 1. April werden junge Wildschweine als ''Überläufer'', genauer als ''Überläuferbache'' bzw. ''Überläuferkeiler'', bezeichnet. Die Eckzähne werden beim Keiler auch als ''Gewaff'' bezeichnet. Die Eckzähne im Oberkiefer heißen ''Haderer'', die im Unterkiefer nennt man ''Gewehre''. Das Wildschwein gehörte zum wichtigsten Jagdwild der Menschen des [[Mesolithikum]]s. Aufgrund archäologischer Befunde ist man der Überzeugung, dass Wildschweine in Mitteleuropa etwa 40 bis 50 % der Jagdbeute ausmachten. Unsere Vorfahren verwendeten Fallgruben und jagten mit Pfeil und Bogen die leicht zu erlegenden Jungtiere und vorjährigen Tiere. Die Jagd auf einen ausgewachsenen Keiler stellte eine Mutprobe dar. Ein verletztes ausgewachsenes Wildschwein greift auch den Menschen an und insbesondere die männlichen Tiere vermögen mit ihren langen Eckzähnen dem Mensch tödliche Verletzungen beizufügen. Es galt daher durchaus als königliche Mutprobe, sich nur mit der so genannten [[Saufeder]] – einem Jagdspieß – auf Wildschweinjagd zu begeben. Die erfolgreiche Jagd [[Karl der Große|Karls des Großen]] auf einen Keiler wird dementsprechend auch in der [[Fürstabtei St. Gallen|St. Galler]] Handschrift ''Carolus Magnus et Papa Leo'' aus dem Jahre 799 gewürdigt. Wie zahllose [[Gemälde]] und kunsthandwerkliche Arbeiten zeigen, war die Wildschweinhatz mit [[Hauspferd|Pferd]] und [[Jagdhund]]en die übliche Jagdweise. Am [[württemberg]]ischen Herzogenhof wurden zu Anfang des 17. Jahrhunderts 900 große Jagdhunde gehalten, mit denen man auf Wildschweinjagd ging. Die wertvollen Hunde, die man auch als „Sauhunde“ oder „[[Saupacker]]“ bezeichnete, wurden gegen die Angriffe der Wildschweine mit breiten Halsbändern und mitunter sogar Panzerhemden geschützt. Aufgabe der Hunde war es, das Wildschwein so lange zu hetzen, bis es ermüdete und es dann an einem Ort festzuhalten, bis der Jäger es aus naher Entfernung tötete. Bei diesen Sauhatzen wurden regelmäßig Menschen, Pferde und Hunde durch angreifende Wildschweine schwer und mitunter tödlich verletzt. Die Entwicklung der Feuerwaffen machten die Jagd auf das Wildschwein einfacher. Es bestand keine Notwendigkeit mehr, sich einem mit seinen Hauern wild schlagenden Keiler direkt zu stellen. Trotzdem war insbesondere im Barock die Jagd auf das Wildschwein fester Bestandteil des höfischen Zeremoniells. Sauhatzen zu Pferd gehörten zwar noch zu den fürstlichen Vergnügungen, häufig wurden die Tiere jedoch auch in so genannten Hetz- oder Saugärten vor die Büchsen der höfischen Gesellschaft getrieben. Die erjagten Tiere spielten dabei durchaus auch eine Rolle bei der Versorgung der Bevölkerung mit Fleisch. 1669 verkaufte beispielsweise das „Proviant- und Rauchhaus des Jägerhofes Dresden“ 616 geschossene Tiere an die Bevölkerung; in [[Preußen]] waren die Bürger der Städte gezwungen, dem königlichen Hof erjagte Wildschweine abzukaufen. Dem gegenüber stand der massive landwirtschaftliche Schaden, den die Wildschweine auf den Feldern anrichteten. Den Bauern war es in der Regel nicht erlaubt, die in ihre Felder einfallenden Wildschweine abzuschießen – sie durften lediglich mit Knüppeln ihre Anbauflächen schützen. [[Datei:Eberkopfterrine rem.jpg|miniatur|Terrine in Form eines Eberkopfs, [[Höchster Porzellanmanufaktur|Höchst]], um 1748]] Dies änderte sich mit dem Verfall des [[Absolutismus]]. Jagdbeschränkungen auf Wildschweine wurden aufgehoben und ab dem letzten Drittel des 18. Jahrhunderts wurden in vielen mitteleuropäischen Ländern Verordnungen erlassen, nach denen Wildschweine nur noch in Tiergärten oder Wildgattern erlaubt waren. Mitte des 19. Jahrhunderts war das Wildschwein deswegen in zahlreichen mitteleuropäischen Regionen nicht mehr vertreten. Dazu trug wesentlich bei, dass in Folge der Revolution von 1848 das Jagdrecht an das Grundeigentum gebunden wurde. Der Jagdinhaber hatte den entstehenden Wildschaden zu ersetzen und dies führte zu einer massiven Dezimierung der Wildschweinbestände. Das preußische Wildschadengesetz von 1891 beispielsweise verlangte vom Jagdberechtigten vollen Ausgleich des Wildschweinschadens, wenn ihm [[Hege]]absichten unterstellt werden konnten. Als Hegeabsicht wurde dabei schon gewertet, wenn der Jagdberechtigte ein Weibchen mit Jungtieren nicht abschoss. Wie im Kapitel „Verbreitung“ beschrieben, waren in den 1940er Jahren des 20. Jahrhunderts viele Regionen Mitteleuropas von Wildschweinen nicht mehr besiedelt. Zur Ausbreitung des Wildschweins hat beigetragen, dass in den ersten Nachkriegsjahren insbesondere in Deutschland die Jagd nur eingeschränkt erlaubt war. Auch der vermehrte Anbau von Mais lässt die Wildschweinstrecken steigen. Im Jagdjahr 2007/2008 wurden in Deutschland 447.000 Tiere erlegt.<ref>[http://www.djz.de/447,1520/ Deutsche Jagdzeitung vom 19. November 2008: ''Wildschweinstrecke steigt rasant'']</ref> === Verhalten gegenüber Menschen === [[Datei:Labors of the months in Tres Riches Heures du Duc de Berry - December.jpg|miniatur|hochkant|Darstellung einer Sauhatz im [[Très Riches Heures|Stundenbuch des Herzogs von Berry]]]] Als Folge der intensiven Verfolgung durch den Menschen sind sie heute meist scheu und nachtaktiv. Männchen in der Paarungszeit und Weibchen mit Frischlingen können jedoch gelegentlich gegenüber Menschen aggressiv werden, insbesondere wenn diese mit Hunden unterwegs sind. In bekannten Vorkommensgebieten von Wildschweinen sollten Hunde daher nur angeleint mitgeführt werden. In Großstädten können Wildschweine ihre Scheu vor Menschen weitgehend ablegen, insbesondere wenn sie gefüttert werden. Erfahrungen in Berlin zeigen, dass die Bejagung im urbanen Raum von Teilen der Bevölkerung einerseits häufig aus Sympathie für die Tiere und Tierschutzgründen abgelehnt wird, andererseits wegen der verursachten Schäden in Gärten und Grünanlagen massiv gefordert wird. Hier steht daher neben der Bejagung vor allem die Beratung der Bürger zum angemessenen Umgang mit Wildschweinen im Wohnumfeld im Vordergrund.<ref>L. Wittich: ''Wildtierpräsenz und Wildtieraktivität im urbanen Raum.'' In: H. Hofer & M. Erlbeck (Hrsg.): ''Wildtiermanagement im urbanen Raum? Wildtiere im Spannungsfeld von Tierschutz, Jagdrecht und Naturschutz.'' Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung (IZW), Berlin, 2007 ISBN 978-3-00-021684-8: S. 16-20</ref> === Abgerichtete Wildschweine === Im Perigord (Frankreich) werden speziell zur [[Trüffel]]<span/>suche trainierte Wildschweine eingesetzt. In den 1980er Jahren gelangte ein im [[Hildesheim]]er Raum abgerichtetes Wildschwein zu weltweiter Bekanntheit und fand als erstes Schwein im Dienst der [[Polizei]] Aufnahme in das [[Guinness-Buch der Rekorde]]: Das Spürwildschwein ''[[Luise (Wildschwein)|Luise]]'' der [[Polizei Niedersachsen]] war nach Ausbildung durch einen [[Diensthund]]eführer in der Lage, vergrabene [[Sprengstoff]]e und [[Rauschgift]]proben ebenso wie [[Suchtmittelspürhund]]e zu finden. Die Bache stand von 1984 bis zur Pensionierung ihrer Ausbilders und Führers 1987 im Dienst der Polizei. Sie kam wegen ihrer aufwändigen [[Öffentlichkeitsarbeit]] nur in vier Fällen zu einem [[Polizeieinsatz]], wobei sie zweimal fündig wurde. === Wildschweine in der Literatur === [[Datei:Peter Paul Rubens 142.jpg|miniatur|Peter Paul Rubens: Jagd des Meleager und der Atalante]] Die Jagd auf das wehrhafte Wildschwein ist immer wieder Thema der Literatur gewesen. Das reicht von den Taten des [[Herakles]], der den [[Erymanthischer Eber|Erymanthischen Eber]] einzufangen hat, über das [[Nibelungenlied]] und die griechische Überlieferung der Wildschweinjagd der [[Atalante]] und des [[Meleager]] (von [[Peter Paul Rubens]] auch in Gemälden festgehalten) bis zur Darstellung in der [[Comic]]-Serie „[[Asterix]]“. Schon in den Erzählungen des [[Homer]] wird davon berichtet, wie die [[Griechenland|griechische]] Göttin der Jagd [[Artemis]] aus Rache ein Wildschwein auf die Erde schickt, das die Felder und Weingärten verwüstet. Auch der römische Dichter [[Ovid]] hat beschrieben, welche Schäden wühlende Wildschweine auf den Feldern der Bauern verursachen. In der germanischen [[Edda]] jagen die Helden jeden Tag den Keiler [[Sährimnir]], der am nächsten Morgen aufersteht, um erneut gejagt zu werden. Auch in Märchen taucht der heldenhafte Kampf gegen das Wildschwein auf. Im Märchen vom [[Das tapfere Schneiderlein|Tapferen Schneiderlein]], das die [[Gebrüder Grimm]] überliefert haben, fängt durch einen schlauen Trick das schmächtige Schneiderlein den wilden Eber, vor dem sich sogar die Jäger fürchten. [[Datei:Berlin-tiergarten luetzowplatz herkules 20050506 p1030068.jpg|miniatur|links|[[Louis Tuaillon]]: Herkules und der erymantische Eber]] In der Comic-Serie „Asterix“, deren Handlung im [[Gallien]] der [[Römisches Reich|Römerzeit]] um das Jahr 50 v. Chr. unter [[Julius Caesar]] spielt, gelten Wildschweine als Leibspeise nicht nur der Hauptcharaktere [[Asterix]] und [[Obelix]], sondern aller Bewohner des gallischen Dorfes, welches den Römern erbittert Widerstand leistet. Fast jedes Heft der Comic-Serie endet damit, dass das gesamte Dorf sich beim gemeinsamen Wildschweinessen versöhnt und feiert. Im Roman [[Hannibal (Buch)|Hannibal]] von [[Thomas Harris]] spielen Wildschweine eine Rolle in den Racheplänen von Mason Verger, eines Opfers von Doktor Lecter. Er lässt eine Wildschweinrasse züchten, die besonders wild und sogar blutrünstig ist, um sie als Mordwaffe gegen Doktor Lecter einzusetzen. === Wildschwein als Wappentier und Namensgeber für Ortschaften === [[Datei:Wappen Vorsfelde alt.png|miniatur|95px|Keiler als Wappentier]] [[Bild:Bassewitz-Wappen.png|miniatur|95px|Wappen der von Bassewitz]] Aufgrund seiner weiten Verbreitung taucht Schwarzwild wiederholt als [[Wappen]]tier auf und stand auch Pate für die Namensgebung von Ortschaften. Bekannte Beispiele sind die Kreisstadt [[Eberswalde]] nordöstlich von Berlin und die mehrfach auftretenden Ortsnamen [[Eberbach]] bzw. [[Ebersbach]]. Das Wappen von [[Vorsfelde]] zeigt auf silbernem Grund einen springenden schwarzen Keiler über grünem Boden. Es ist ein [[redendes Wappen]], denn das Wildschwein vergegenständlicht den Namensteil ''Vor'' im Ortsnamen Vorsfelde. ''Dat Vor'' ist ein Begriff aus dem [[Niederdeutsche Sprache|Niederdeutschen]] und steht für ein ''mageres Schwein''. Das Wappenbild in der heutigen Form tauchte erstmals um 1740 auf. Es entstand aus dem Vorsfelder [[Siegel|Ortssiegel]], auf dem ein springendes Wildschwein bereits 1483 nachweisbar ist. Die Übernahme als Wappentier beruht vermutlich auch auf der Häufigkeit von Schwarzwild in den nahen [[Drömling]]swäldern. Seit 1952 steht ein leibhaftiger Keiler als ausgestopftes ''Wappentier'' in einem Schaukasten im früheren Vorsfelder Rathaus (heute Verwaltungsstelle Stadt [[Wolfsburg]]), der in Ortsnähe geschossen wurde. Das in Mecklenburg ansässige alte Adelsgeschlecht [[Bassewitz]] leitet seinen Namen von dem Wort ''Basse'' ab, einer in der Jägersprache gebräuchlichen Bezeichnung für einen mächtigen Keiler. Auch sie tragen den keiler im Familienwappen. Der Keilerkopf ist Markenzeichen der Spirituosenfabrik [[Hardenberg-Wilthen]] in [[Nörten-Hardenberg]] („Hardenberger“). == Literatur == * Norbert Benecke: ''Der Mensch und seine Haustiere – Die Geschichte einer jahrtausendealten Beziehung''. Konrad Theis Verlag, Stuttgart 1994, S.248–260. ISBN 3-88059-995-5 * Lutz Briedermann: ''Schwarzwild''. 2., bearbeitete Auflage. Deutscher Landwirtschaftsverlag, Berlin 1990, 540 S., ISBN 3-331-00075-2 * [[Lutz Heck]]: ''Die Wildsauen''. Verlag Paul Parey, Hamburg 1980, 1985. ISBN 3-490-06612-X * [[Heinz Meynhardt]]: ''Schwarzwild-Report. Mein Leben unter Wildschweinen.'' 8., überarbeitete Auflage. Neumann, Leipzig und Radebeul 1990, 220 S., ISBN 3-7402-0080-4 * [[Rolf Hennig]]: ''Schwarzwild. Biologie, Verhalten, Hege und Jagd''. 7., überarbeitete Auflage (Neuausgabe). BLV, München 2007, ISBN 3-8354-0155-6 * Cord Riechelmann: ''Wilde Tiere in der Großstadt''. Nicolaische Verlagsbuchhandlung, Berlin 2004. ISBN 3-89479-133-0 * [[Michael Petrak]]: ''Schwarzwild. Biologie, Bestandsreduktion, Sozialstrukturen, Wildschadenseindämmung, Schweinepest''. Wild und Hund. Exklusiv, 22. Parey, Singhofen 2003, 114 S., ISBN 3-89715-022-0 * Hans Hinrich Sambraus: ''Farbatlas Nutztierrassen''. Ulmer, Stuttgart 2001. ISBN 3-8001-3219-2 * F. Müller, D. G. Müller (Hrsg): ''Wildbiologische Informationen für den Jäger. Band 1: Haarwild''. (Reprint der früheren Ausgabe aus ''Jagd+Hege''). Verlag Kessel, Remagen-Oberwinter 2004, ISBN 3-935638-51-5 * H. Gossow: ''Wildökologie.'' (Reprint der letzten Auflage des BLV.) Verlag Kessel, Remagen-Oberwinter 2005, ISBN 3-935638-03-5 * V. G. Heptner: ''Mammals of the Sowjetunion Vol. I Ungulates''. Leiden, New York, 1989 ISBN 9004088741 == Filmdokumentationen == * ''Schwarzwildreport'', TV-Dokumentarfilmreihe von [[Heinz Meynhardt]], 1974 bis 1977 * ''Wildschweingeschichten'', zehnteilige Fernsehserie von Heinz Meynhardt * ''Die Wildschweine im [[Teutoburger Wald]].'' 45 Min. (Reihe: ''[[Expeditionen ins Tierreich]]''), Erstausstrahlung am 26. März 2008 (NDR); Autor: Tierfilmer Günter Goldmann == Einzelnachweise == <references/> == Weblinks == {{Commons|Sus scrofa|Wildschwein}} {{Wiktionary|Wildschwein}} {{Exzellent}} [[Kategorie:Schweineartige]] [[Kategorie:Wild]] [[Kategorie:Waldschutz]] [[Kategorie:Haarwild]] {{Link FA|ar}} [[am:እሪያ]] [[an:Sus scrofa scrofa]] [[ar:خنزير بري]] [[az:Qaban]] [[bg:Дива свиня]] [[bn:বন্য বরাহ]] [[bo:ཕག་རྒོད།]] [[br:Hoc'h-gouez]] [[bs:Divlja svinja]] [[ca:Senglar]] [[co:Cignali]] [[cs:Prase divoké]] [[csb:Dzëk]] [[cv:Хир сысни]] [[cy:Baedd Gwyllt]] [[da:Vildsvin]] [[el:Αγριόχοιρος]] [[en:Wild boar]] [[eo:Apro]] [[es:Sus scrofa]] [[et:Metssiga]] [[eu:Basurde]] [[fa:گراز]] [[fi:Villisika]] [[fr:Sanglier]] [[frp:Sangllar]] [[fy:Wylde baarch]] [[ga:Torc allta]] [[gd:Torc fiadhach]] [[gl:Xabaril]] [[he:חזיר בר]] [[hi:जंगली सुअर]] [[hr:Divlja svinja]] [[hu:Vaddisznó]] [[id:Babi hutan]] [[io:Apro]] [[it:Sus scrofa]] [[ja:イノシシ]] [[ka:გარეული ღორი]] [[ko:멧돼지]] [[la:Sus scrofa]] [[lt:Šernas]] [[lv:Meža cūka]] [[mk:Дива свиња]] [[mr:रानडुक्कर]] [[ms:Babi Hutan]] [[myv:Идем туво]] [[nds:Wildswien]] [[nl:Wild zwijn]] [[nn:Villsvin]] [[no:Villsvin]] [[nv:Bisóodi ałchiní]] [[oc:Singlar]] [[os:Хъæддагхуы]] [[pl:Dzik]] [[pt:Javali]] [[ro:Mistreţ]] [[ru:Кабан]] [[sah:Кабаан]] [[sc:Porcabru]] [[scn:Cigniali]] [[sh:Divlja svinja]] [[simple:Boar]] [[sk:Diviak lesný]] [[sl:Divja svinja]] [[sr:Divlja svinja]] [[sv:Vildsvin]] [[th:หมูป่า]] [[tl:Sus scrofa]] [[tr:Bayağı yaban domuzu]] [[uk:Дикий кабан]] [[vec:Cinghiałe]] [[vi:Lợn rừng]] [[vls:Wild zwyn]] [[wa:Singlé]] [[zh:野豬]] [[zh-min-nan:Soaⁿ-ti]] [[zh-yue:野豬]] l7dgl3vy13u1q0u00ofkzi8mojdjqw1 wikitext text/x-wiki Morbus Wilson 0 24518 27121 2010-04-06T06:57:28Z Heinz-A.Woerding 0 Änderung 72791853 von [[Special:Contributions/217.236.62.138|217.236.62.138]] wurde rückgängig gemacht. Fachterminus. {{Vorlage:Infobox ICD | BREITE = | 01-CODE = E83.0 | 01-BEZEICHNUNG = Morbus Wilson }} Der '''Morbus Wilson''' ([[Synonymie|Synonyme]]: ''Hepatolentikuläre Degeneration'', ''Hepatozerebrale Degeneration'', ''Kupferspeicherkrankheit'', ''Wilson-Krankheit'', ''Pseudosklerose Westphal'') ist eine [[autosom]]al-[[rezessiv]] vererbte [[Krankheit|Erkrankung]], bei der durch eine oder mehrere [[Genmutation]]en der [[Kupfer]]<nowiki>stoffwechsel</nowiki> in der [[Leber]] gestört ist. In Folge kommt es zu einer verminderten Kupferausscheidung über die [[Galle]], woraus eine vermehrte Ansammlung von Kupfer in der Leber, dem Auge, dem [[Zentralnervensystem]] und anderen Organen resultiert. Daraus ergibt sich ein vielgestaltiges Muster von Symptomen, das sich vor allem in Leberschäden und neurologischen Defiziten äußert. Die Krankheit ist durch Medikamente, welche den Kupferspiegel im Blut senken oder die Aufnahme des Kupfers verhindern, gut zu behandeln. Als letzte Alternative steht die [[Lebertransplantation]] zur Verfügung. Die Krankheit wurde nach dem britischen Neurologen [[Samuel Alexander Kinnier Wilson]] benannt. Die Bezeichnung hepatolentikuläre Krankheit für Morbus Wilson gilt als veraltet, da Schäden durch Kupferansammlung nicht nur im [[Putamen|Linsenkern]] (Ncl. lentiformis) vorzufinden sind, sondern im gesamten Gehirn. Stattdessen wird heute die Bezeichnung hepatozerebrale [[Degeneration]] bevorzugt. == Häufigkeit == Die [[Inzidenz (Medizin)|Inzidenz]] wird populationsabhängig zwischen 1:30.000 und 1:300.000 Einwohnern angegeben.<ref>Olsson et al.: ''Determination of the frequencies of ten allelic variants of the Wilson disease gene (ATP7B), in pooled DNA samples.'' Eur J Hum Genet. 2000;8(12):933-8. PMID 11175281</ref> Das [[Mutation|mutierte]] [[Gen]] ist weltweit verbreitet, etwa einer von hundert gesunden Menschen ist [[heterozygot]] und kann somit potenziell die Krankheit an seine Kinder weitergeben.<ref name=rubin1>R. Rubin, E. Rubin: ''The Liver and Biliary System'' in R. Rubin, D. Strayer et al.: Rubin's Pathology, 5. Auflage, Philadelphia, 2008 S. 653f</ref> Aufgrund des [[Autosom|autosomal]]-[[rezessiv]]en [[Erbgang (Biologie)|Erbgangs]] ergibt sich ein [[Statistik|statistisches]] [[Risiko]] von 1:4 für Geschwister einer erkrankten Person ebenfalls zu erkranken. Für Kinder eines erkrankten Patienten ergibt sich ein Risiko von 1:200.<ref name=brewer>G. Brewer: ''Wilson Disease'' in A. Fauci et. al.: ''Harrison's Principles of Internal Medicine'', Band 2, New York, 2008 S. 2449 - 2552</ref> == Genetik == Die Ursache der Erkrankung ist eine Mutation im Gen ''ATP7B'', dem „Wilson-Gen“, das sich auf [[Chromosom 13 (Mensch)|Chromosom 13]] befindet. Dieses [[Genexpression|kodiert]] das „[[Wilson-Protein]]“, eine Kupfer bindende, [[Kation]]en transportierende [[ATPasen|ATPase]]. Es sind über 250 verschiedene Mutationen des 21 [[Exon]]s umfassenden Wilson-Gens bekannt, was den unterschiedlichen Verlauf des Morbus Wilson erklärt und die genetische [[Diagnose]] erschwert. Die Häufigkeit verschiedener Mutationen im Wilson-Gen wird durch seine im Vergleich zu anderen Genen große Länge erklärt. Die meisten Patienten, die an der Krankheit leiden, weisen auf ihren beiden Chromosomen jeweils zwei unterschiedliche Mutationen des Gens auf.<ref name=rubin1/><ref name=renz>H. Renz-Polster, S. Krautzig: ''Basislehrbuch Innere Medizin'', 4. Auflage, München, 2008 S. 921-923</ref> == Pathophysiologie == Durch die Mutation entsteht eine Fehlleistung des Wilson-Proteins in den [[Hepatozyt|Leberzellen]], das unter anderem für den Transport von Kupfer aus der Leber in die [[Galle]] verantwortlich ist. Beim Morbus Wilson wird das Kupfer nicht, wie bei einem gesunden Menschen üblich, mit der Galle und somit über den Stuhl ausgeschieden, sondern im Organismus eingelagert und entfaltet in verschiedenen Organen seine [[Toxizität|toxische]] Wirkung. Der genaue Mechanismus, durch den der hohe Kupferspiegel die Zellen schädigt, ist noch nicht abschließend geklärt. Man vermutet, dass der Überschuss an Kupfer die Bildung von [[Radikale (Chemie)|Radikalen]] innerhalb der Zellen fördert.<ref name=rubin1/> Der primäre Anreicherungsort des Kupfers ist die Leber, ein weiteres häufig betroffenes Organ ist das Auge. Bei rund 45 % der Patienten ist auch das [[Zentralnervensystem|zentrale Nervensystem]] betroffen. Bei rund 15 % werden die [[Erythrozyt|roten Blutzellen]] durch das Kupfer geschädigt. Selten ist die toxische Anreicherung in den [[Niere]]n und im [[Herz]]muskel.<ref name=renz/> == Altersverteilung == Häufig manifestiert sich die Krankheit im zweiten oder dritten Lebensjahrzehnt. Der Zeitpunkt ist allerdings sehr variabel. Es sind auch Fälle beschrieben, bei denen sich erste Symptome bereits in der Kindheit ab dem sechsten Lebensjahr gezeigt haben. Erstmanifestationen jenseits des 32. Lebensjahres sind selten, doch sind auch Patienten beschrieben, bei denen erst im hohen Alter Erscheinungen der Krankheit fassbar wurden.<ref name=renz/><ref name=rubin2>J. Trojanowski, L. Kenyon, T. Bouldin: ''The Nervous System'' in R. Rubin, D. Strayer et al.: ''Rubin's Pathology'', 5. Auflage, Philadelphia, 2008 S. 1214</ref> In einem Fallbericht wurde auf einen zweijährigen Patienten verwiesen, bei dem die Erkrankung aufgrund abnormaler Laborwerte bereits im frühesten Kindesalter diagnostiziert werden konnte.<ref>A. Beyersdorff, A. Findeisen in Scandinavian Journal of Gastroenterology 2006 Apr;41(4):496-7 ; PMID 16635921</ref> == Symptome == === Leber === Die Leber ist sehr häufig geschädigt, da die Leberzellen der primäre Ort der Kupferspeicherung sind und somit als erste von der Überladung betroffen werden. Das Ausmaß des Leberschadens ist jedoch sehr variabel. Das Spektrum reicht von einer asymptomatischen Erhöhung der [[Aminotransferase|Transaminasen]] oder einer [[Hepatomegalie|Lebervergrößerung]] bis zu einer schnellen und dabei auch sehr schwer (fulminant) verlaufenden Leberentzündung ([[Hepatitis]]) mit lebensbedrohlichem Verlauf. Der klassische Verlauf ist allerdings chronisch, es bildet sich unbehandelt über eine [[Fettleber|Leberverfettung]] schließlich eine [[Leberzirrhose]] aus, die schließlich zu einem Versagen des Organs führt.<ref name=renz/><ref name=neuroll>Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Neurologie zum Morbus Wilson erstellt 2003, aktualisiert 2005, online abrufbar als [http://www.uni-duesseldorf.de/awmf/ll/030-091.htm html] zuletzt abgerufen am 11. September 2008</ref> Der Morbus Wilson geht jedoch nicht mit einem erhöhten Risiko einher, an [[Leberzellkarzinom|Leberzellkrebs]] zu erkranken.<ref name=rubin1/> Durch einen massiven Untergang von Leberzellen können große Mengen an Kupfer freigesetzt werden, was zu einer fulminant verlaufenden Hepatitis führen kann.<ref name=renz/> Bei rund 5 % der Patienten führt ein fulminantes Leberversagen zur Erstdiagnose, ohne dass die Krankheit vorher erkannt wurde.<ref name=ala>A. Ala, A. Walker, K. Ashkan, J. Dooley, M. Schilsky: ''Wilson's Disease'' in [[The Lancet]], 2007 Feb 3;369(9559):397-408, PMID 17276780</ref> === Augen === [[Datei:Kayser-Fleischer ring.jpg|thumb|Kayser-Fleischer-Kornealring]] Häufig sind ebenso Symptome an den Augen der erkrankten Menschen. Der [[Kayser-Fleischer-Kornealring]] zeigt sich als goldbrauner bis grünlicher Rand, der die [[Iris (Auge)|Iris]] umgibt. Er kommt durch die Einlagerung von Kupfer in die [[Cornea|Hornhaut]] zustande.<ref name=renz/> [[Nachtblindheit]] kann ebenso durch die Kupfereinlagerung ausgelöst werden.<ref name=neuroll/> Durch eine augenärztliche Untersuchung kann auch bei einem Teil der Patienten eine ''Sonnenblumen-[[Katarakt (Medizin)|Katarakt]]'' festgestellt werden.<ref name=ala/> Darunter versteht man gelb-braune Kupferablagerungen in der [[Linse (Auge)|Augenlinse]],<ref>Atlas of Ophtalmology online, abrufbar als [http://www.atlasophthalmology.com/atlas/photo.jsf;jsessionid=C83A345C36987A89F3B51B4B046B15E7?node=2730&locale=de html]; Zuletzt abgerufen am 13. Oktober 2008</ref> die aber nicht zu einer Beeinträchtigung der Sehleistung führen. Ebenso kann die Erkrankung [[Schielen]] oder auch eine [[Neuritis nervi optici|Entzündung des Sehnervs]] auslösen.<ref name=ala/> === Zentrales Nervensystem === Das Hauptkrankheitsanzeichen ([[Kardinalsymptom]]) am zentralen Nervensystem ist eine Bewegungsstörung, die auch als flapping tremor bezeichnet wird: die Erkrankung verursacht sehr variable, teilweise [[Parkinsonoid|parkinsonähnliche]] oder auch [[Chorea Huntington|Chorea-artige]] Symptome wie unwillkürliche [[Hyperkinese|ruckartige Zuckungen]] oder [[Tremor|Zittern]] der [[Extremität]]en. Der [[Tonus]] der Muskulatur kann erniedrigt oder erhöht ([[Rigor]]) sein. Ebenso kann sie sich in einer [[Dysarthrie|verwaschenen Sprache]] äußern.<ref name=renz/> Auch können [[Ataxie|Koordinationsstörungen]], Störungen der [[Motorik|Feinmotorik]], [[Dystonie|muskuläre Verkrampfungen]] und [[Dysphagie|Schluckstörungen]] auftreten. Als mögliche vegetative Störung ist [[Hypersalivation|erhöhter Speichelfluss]] beschrieben. Selten sind [[Spastik]]en und [[Epilepsie|epileptische]] Anfälle. Zu diesen vielgestaltigen [[Neurologie|neurologischen]] Symptomen gesellen sich in insgesamt 10% der Fälle noch eine Vielzahl möglicher [[Psychiatrie|psychiatrischer]] Beeinträchtigungen. Der Morbus Wilson kann hierbei Verminderungen der [[Intelligenz]]leistung, einer [[Subkortikale Demenzen|subkortikalen Demenz]],<ref>Bonelli RM, Cummings JL. Frontal-subcortical dementias. Neurologist. 2008 Mar;14(2):100-7. PMID: 18332839.</ref><ref>Lang C, Müller D, Claus D, Druschky KF. Neuropsychological findings in treated Wilson's disease. Acta Neurol Scand. 1990 Jan;81(1):75-81. PMID: 2330819.</ref> Beeinträchtigungen des sozialen Umgangs sowie [[Depression]]en und auch [[Psychose]]n auslösen.<ref name=neuroll/> === Seltenere Symptome === Durch einen massiven Untergang von Leberzellen können große Mengen an Kupfer freigesetzt werden, was die Blutzellen schädigen und zu einer [[Hämolyse|hämolytischen]] [[Anämie]] führen kann. Selten sind Schädigungen der Niere und des Herzmuskels. Der Nierenschaden kann unbehandelt in ein [[nephrotisches Syndrom]] übergehen und bis zum [[Nierenversagen]] fortschreiten. Am Herzmuskel kann die Krankheit eine [[Kardiomyopathie]] verursachen.<ref name=renz/> Zusätzlich zu diesen eher seltenen [[Manifestation]]sorten sind auch Schädigungen des Knochens beschrieben. So kann der Morbus Wilson [[Osteomalazie]] und [[Osteoporose]] verursachen oder fördern.<ref name=rubin1/> == Diagnose == Die Diagnose eines Morbus Wilson ist nicht immer einfach zu stellen. Die Gründe hierfür sind einerseits die Seltenheit der Erkrankung und andererseits die Vielfalt der möglichen Symptome. Insbesondere bei Patienten im Kindes- und Jugendalter sollte bei unklarer Leberwerterhöhung und nicht eindeutig erklärbaren neurologischen Symptomen ein Morbus Wilson ausgeschlossen werden. Die technisch einfachste Untersuchung ist die [[Inspektion]] des Auges mittels [[Spaltlampe]]. Der [[Kayser-Fleischer-Kornealring|Kayser-Fleischer-Ring]] ist dabei ein auffälliges Zeichen der Krankheit, er ist allerdings nicht bei allen Patienten nachweisbar; bei dominierender neurologischer Symptomatik ist er fast zwingend (obligat), bei vorwiegend hepatischen Symptomen weitaus seltener. === Laboruntersuchungen === Ebenso wegweisend, aber nicht bei allen Patienten vorhanden, sind typische Laborwertveränderungen. Das transportierende [[Protein]] [[Caeruloplasmin|Coeruloplasmin]] ist dabei im [[Blutserum|Serum]] als Folge des gestörten Kupferhaushaltes erniedrigt. Dabei ist zu beachten, dass Coeruloplasmin ein [[Akute-Phase-Protein]] ist und somit im Rahmen von Entzündungen einen falsch-hohen Wert liefern kann. Der Gesamtkupfergehalt im Blut ist oft erniedrigt. Der Anteil des freien Kupfers jedoch häufig erhöht. Die Kupferwerte im Urin sind oft erhöht. Bei unauffälligem Labor empfiehlt sich der ''Penicillamintest''. Hierbei wird das freie Kupfer im Urin nach Gabe von 500 mg [[Penicillamin]] gemessen. Der Test ist jedoch nur für Kinder standardisiert, was seine Aussagekraft bei Erwachsenen deutlich einschränkt. Liegt der Kupferwert im Sechs-Stunden-Sammelurin über 600 µg, weist der Test auf das Vorhandensein eines Morbus Wilson hin. Bei nicht eindeutigen Testergebnissen kann der [[Radiokupfertest]] durchgeführt werden. Dabei wird der Einbau [[Radioaktivität|radioaktiv]] markierten Kupfers in das Coeruloplasmin über 48 Stunden überwacht.<ref name=renz/><ref name=ala/><ref>Gerd Herold : ''Innere Medizin'', Köln, 2009 S. 516</ref> === Leberbiopsie === Als [[invasiv]]e diagnostische Maßnahme kann eine [[Leberbiopsie]] durchgeführt werden. Bei einem Kupfergehalt von mehr als 250 µg/g Lebergewebe und einem erniedrigten Coeruloplasmin ist von einem Morbus Wilson auszugehen. Erhöhte Kupferwerte in der Leber finden sich aber auch bei anderen Erkrankungen dieses Organs, zum Beispiel der [[Primär biliäre Zirrhose|Primär biliären Zirrhose]]. Auch kann der Kupferwert in einer zirrhotisch umgebauten Leber falsch negativ ausfallen, da der Gehalt von kupferspeichernden Leberzellen zu Gunsten von Bindegewebszellen vermindert ist. Trotz dieser Fehlerquellen gilt die Leberbiopsie als [[Goldstandard (Verfahren)|Goldstandard]] bei der Diagnose des Morbus Wilson.<ref name=renz/><ref name=ala/> == Pathologie == In manchen Fällen lässt sich die krankheitsbedingende Kupfereinlagerung in der Leber bereits in einem frühen Stadium feingeweblich ([[Histologie|histologisch]]) erkennen. Dabei eingesetzte Färbungen, welche Kupfer sichtbar machen, sind die Rhodanin- oder Rubeansäurefärbung. Da der Nachweis aber auch häufig trotz Vorhandensein der Erkrankung fehlschlagen kann, sind Kupferfärbungen von begrenztem diagnostischen Wert.<ref name=ala/><ref name=brewer/> In einem fortgeschrittenen Stadium zeigen sich unter dem [[Mikroskop]] vergrößerte Leberzellen, welche oft [[Glykogen]]einschlüsse in den [[Zellkern]]en aufweisen. Oft zeigt sich zusätzlich ein der Hepatitis ähnliches Bild mit [[Lymphozyt]]en, welche die Bindegewebsfasern (Septen) und [[Leber#Feinbau der Leber|Portalfelder]], in welchen Gefäße und Gallengänge verlaufen, der Leber infiltrieren. Das [[Histologie|histologische]] Bild ist somit auch im fortgeschrittenen Stadium nicht spezifisch für die Krankheit und erlaubt keine zuverlässige Diagnose.<ref name=riede>H. Denk, H.P. Dienes, M. Trauner: ''Leber und intrahepatische Gallenwege'' in Ursus-Nikolaus Riede: ''Allgemeine und Spezielle Pathologie'', Stuttgart, 2004, S. 789</ref> Im Endstadium der Leberschädigung geht das Bild in eine [[Zirrhose]] über. Diese kann kleinknotig oder gemischt klein- und großknotig erscheinen. In 50 % der Fälle sind [[Mallory-Körper]] nachweisbar, die auch bei einer [[Alkoholkrankheit|alkoholischen Leberschädigung]] vorkommen.<ref name=ala/> Im Gehirn zeigt sich unter dem Mikroskop eine Vermehrung der [[Gliazelle]]n mit schwammartiger Auflockerung des Gehirngewebes. Typisch (aber nicht für die Erkrankung spezifisch) sind die nach dem Entdecker, dem polnischen Neurologen [[Adam Opalski]] (1897–1963), benannten sogenannten [[Opalski-Zelle]]n, bei denen es sich um degenerierte [[Astrozyt]]en mit [[Granula|granulärem]] [[Zytoplasma]] handelt.<ref>A. Opalski: Über eine besondere Art von Gliazellen bei der Wilson-Pseudosklerosegruppe. Zeitschrift für die gesamte Neurologie und Psychiatrie (1930) 124(1): 420-25</ref> == Therapie == === Diät === Eine kupferarme Diät ist schwierig durchzuführen, da Kupfer in sehr vielen Lebensmitteln vorkommt. Selbst bei maximaler Einhaltung von [[Diät]]</b>regeln ist sie nicht als einzige Behandlung zu empfehlen. Empfehlenswert im Rahmen der Diät ist es, den Verzehr von Leber, Niere, Hirn, Schokolade, Kakao, Nüssen, Pilzen, Bohnen, Rosinen und Krustentiere zu vermeiden.<ref name=renz/> === Chelatbildner === Zur medikamentösen Therapie werden in erster Linie [[Chelat-Therapie|Chelatbildner]] verwendet. Diese Medikamente bilden mit Kupfer [[Chelatkomplex]]e und fangen es somit aus dem Blut. Die wasserlöslichen Komplexe werden mitsamt des Kupfers über die Nieren in den Urin ausgeschieden. Es stehen zwei Medikamente zur Verfügung - [[Penicillamin]] und [[Triethylentetramin|Trientin]]. Welches Medikament die erste Wahl darstellen soll, ist bisher umstritten.<ref name=ala/> Penicillamin wird in der [[Medizinische Leitlinie|Leitlinie]] der [[Deutsche Gesellschaft für Neurologie|Deutschen Gesellschaft für Neurologie]] von 2005 über den Morbus Wilson weiterhin als Mittel der ersten Wahl empfohlen.<ref name=neuroll/> Die den Einsatz von Penicillamin am meisten begrenzende Nebenwirkung ist, dass sich in 20 % der Fälle die neurologische Symptomatik verschlechtert.<ref name=renz/> Aus diesem Grunde wird in der anglo-amerikanischen Literatur der Einsatz von Penicillamin als Mittel der ersten Wahl bei Patienten mit neurologischer Symptomatik nicht empfohlen.<ref name=rubin1/> Um dieses Problem zu umgehen, empfiehlt die Leitlinie die einschleichende Aufdosierung des Medikaments, da die neurologische Verschlechterung auf anfänglich durch die Therapie erhöhte Kupferspiegel im Blut zurückzuführen sei.<ref name=neuroll/> Für diese Praktik gibt es allerdings bis heute keine [[Evidenz]].<ref name=ala/> Weitere mögliche Nebenwirkungen der Penicillamintherapie sind Hörstörungen, Hautreaktionen, [[Fieber]], Nierenschäden und [[Lupus erythematodes]]. Des Weiteren wirkt Penicillamin als Antagonist zu [[Pyridoxin|Vitamin B6]], so dass eine Substitution des Vitamins angebracht ist.<ref name=renz/> Penicillamin ist bei Schwangerschaft nicht anzuwenden und tritt auch in die Muttermilch über.<ref name=neuroll/> Als alternativer Chelatkomplexbildner kann Trientin eingesetzt werden. Es wird in der anglo-amerikanischen Literatur mittlerweile als Medikament der ersten Wahl empfohlen. Laut diesen Autoren böte es ein günstigeres Nebenwirkungsprofil und löse nicht so häufig wie Penicillamin neurologische Verschlechterungen aus.<ref name=brewer/> Eine seltene Nebenwirkung ist die [[Panzytopenie]]. Ebenso wirkt das Medikament fruchtschädigend. Im Gegensatz zu Penicillamin sind bisher keine Nierenschäden und Hypersensitivitätsreaktionen berichtet worden. Trientin wird aber eine schwächere kupferbindende Wirkung als Penicillamin nachgesagt. Da bisher keine [[Randomisierung|randomisierten]] Studien vorliegen, die beide Medikamente direkt miteinander vergleichen, ist dieses Thema bis heute umstritten.<ref name=ala/> Unstrittig ist jedenfalls, dass beide Chelatbildner rund eine bis zwei Stunden nach dem Essen eingenommen werden müssen, da die Aufnahme der Medikamente gleichzeitig mit der Nahrung unzureichend ist.<ref name=ala/> === Kupferaufnahmehemmer === Ebenso kommen Zinkpräparate in Frage. Durch Zink wird der Stoffwechsel der Darmzellen so verändert, dass weniger Kupfer aufgenommen wird. [[Zink]] verursacht im Gegensatz zu den Chelatbildnern keine Schädigungen an ungeborenen Kindern und kann deshalb während Schwangerschaft und Stillzeit eingesetzt werden.<ref name=neuroll/> Bei 10 % der Patienten treten eine [[Refluxösophagitis]] (Sodbrennen) oder Übelkeit als Nebenwirkungen auf.<ref name=brewer/> In den [[Vereinigte Staaten|USA]] und [[Kanada]] befindet sich ein weiterer Hemmer der Kupferaufnahme namens [[Tetrathiomolybdat]] zur Zeit in Erprobung.<ref name=rubin1/> Der Wirkstoff bildet im Blut zusammen mit [[Albumin]] und frisch aufgenommenem Kupfer [[Komplexchemie|Komplexe]] die von der Leber verstoffwechselt und über die Galle ausgeschieden werden. Eine erste randomisierte Studie zeigte im Vergleich zu Trientinen ein günstigeres Nebenwirkungsprofil bezüglich der Verschlechterung neurologischer Symptome.<ref name=ala/> === Verlaufsbeobachtung und Therapieregime === Der Therapieerfolg mit Chelatbildnern kann durch die Bestimmung des Kupfers im 24-Stunden-Sammelurin überwacht werden. Bei Kupferaufnahmehemmern kann man den Erfolg der Behandlung über den Kupfergehalt des Stuhls verfolgen. Die [[Compliance (Medizin)|Compliance]] des Patienten kann bei Zinkpräparaten über den Zinkgehalt des Urins festgestellt werden. Des Weiteren ist die Bestimmung von Proteinen im Urin anzuraten um den Verlauf der Nierenfunktion verfolgen zu können.<ref name=renz/><ref name=ala/> Der Verlauf des Leberschadens ist durch [[Sonografie|Ultraschalluntersuchungen]] und die Bestimmung der [[Transaminase]]n überwachbar. Um den Verlauf der neurologischen Schädigungen zu verfolgen, ist die neurologische Untersuchung unter zu Hilfenahme eines [[Scoring-System|Scores]] angebracht. Bildgebende Verfahren ([[Computertomographie]], [[Magnetresonanztomographie]]) sowie die [[Elektroenzephalografie]] können auch Hinweise auf den Verlauf der Erkrankung unter Therapie geben.<ref name=neuroll/> Im Zuge des Therapieverlaufs ist darauf zu achten, dass der Kupferspiegel nicht unter das Bedarfsniveau des Körpers absinkt. Erste Anzeichen eines Kupfermangels sind Blutarmut oder eine Verminderung der Zahl der weißen Blutzellen ([[Leukopenie]]).<ref name=brewer/> Je nach Erfolg der Therapie kann diese individuell angepasst werden. Manche Autoren sprechen sich dafür aus, nach dem Entleeren der Kupferspeicher mit Chelatbildnern allein auf Zinkpräparate zu setzen. Wiederum andere sprechen sich für eine Kombinationsbehandlung aus beiden aus.<ref name=neuroll/> Einige Autoren halten auch eine lebenslange Therapie mit Chelatbildnern für sinnvoll.<ref name=renz/> === Lebertransplantation === Bei schweren Verläufen mit einer starken Leberschädigung kann eine [[Transplantation]] des Organs angestrebt werden. Die Krankheit wird dadurch geheilt, da der Patient die gesunden Leberzellen ohne Gendefekte vom Spenderorgan erhält.<ref name=renz/> In einer krisenhaften Verschlimmerung der Krankheit durch exzessiv hohe Kupferspiegel kann, bis eine Transplantation möglich gemacht wurde, notfallmäßig freies Kupfer durch die Infusion von [[Albumin]] gebunden werden.<ref name=neuroll/> === Asymptomatische Patienten === Ist bei einem Patienten die Diagnose Morbus Wilson gestellt, so ist ein [[Screening]] in seiner Familie auf noch asymptomatische Erkrankte notwendig. Es sollte die Geschwister und auch die Kinder des Patienten einschließen. Da eine Suche nach den über 250 Mutationen nicht praktikabel ist, wird eine [[Haplotypanalyse]] durchgeführt. Dabei wird nicht nach den über 250 Mutationen gesucht, sondern es wird nachgewiesen, ob die Angehörigen die entsprechenden Chromosomenbereiche, welche Mutationen tragen, von ihren Eltern geerbt haben. Sollte ein für die Krankheit [[Homozygotie|Homozygoter]] auf diese Weise festgestellt werden, ohne dass er Symptome zeigt, ist eine Behandlung mit Zinkpräparaten angezeigt ([[Indikation|indiziert]]). Dadurch soll verhindert werden, dass sich der Körper des betreffenden Menschen überhaupt erst mit Kupfer aufsättigen kann.<ref name=neuroll/> == Prognose == Unbehandelt führte der Morbus Wilson bei frühem Auftreten (in der Kindheit) und vorrangig [[Innere Medizin|internistischen]] [[Komplikation]]en (Leberversagen, Nierenversagen, [[Hämolyse]]) binnen 2 bis 7 Jahren zum Tod; die Lebenserwartung war bei den später einsetzenden vorwiegend neurologisch oder [[Psychiatrie|psychiatrisch]] auffälligen Patienten günstiger (über 10 bis 40 Jahre schleichender Verlauf). Frühzeitig erkannt und lebenslang therapiert ist Morbus Wilson als gut behandelbar anzusehen. Die Lebenserwartung unterscheidet sich dann nicht von gesunden Menschen. Unbehandelt oder als schwerer Morbus Wilson verläuft die Krankheit oft tödlich.<ref name=renz/> Neurologische Ausfälle können durch die Therapie geheilt werden, sofern sie nicht bereits mehrere Jahre bestehen. Falls die Schädigung der Leber nicht bereits zu einer [[Leberzirrhose]] geführt hat, ist auch dieser Schaden durch die Therapie beeinflussbar.<ref name=neuroll/> Bei rund drei Vierteln der Patienten kann das Fortschreiten der Erkrankung aufgehalten oder ein Rückgang der Symptome erzielt werden. Patienten, die primär an neurologischen Symptomen litten, haben dabei ein schlechteres [[Outcome]] als Patienten, bei denen die Leberschädigung führend ist.<ref name=merle>U. Merle, M. Schaefer, P. Ferenci, W. Stremmel: ''Clinical presentation, diagnosis and long-term outcome of Wilson's disease: a cohort study.'' in : Gut. 2007 Jan;56(1):115-20. Epub 2006 May 18 ; PMID 16709660</ref> == Forschungsgeschichte == Entdeckt und beschrieben wurde die Krankheit erstmalig 1854 von [[Friedrich Theodor von Frerichs]]. Eine detailliertere Darstellung erfolgte 1898 von [[Carl Friedrich Otto Westphal]] sowie [[Adolf von Strümpell]]. Die heute favorisierte Namensgebung erfolgte durch die umfassende Darstellung durch [[Samuel Alexander Kinnier Wilson]] in seiner Doktorarbeit, für die er 1912 eine Auszeichnung erhielt. Die Augenärzte [[Bernhard Kayser]] (1869–1954) und [[Bruno Fleischer]] beschrieben Kupferablagerung in der Hornhaut des Auges (Kayser-Fleischer-Kornealring). 1948 identifizierte [[John Nathaniel Cumings]] (1906-1974) eine Störung des Kupferstoffwechsels als Ursache.<ref>Cumings: ''The copper and iron content of brain and liver in the normal and in hepato-lenticular degeneration'' 1948;71: 410-5 PMID 18124738</ref> Der erste Therapieversuch mit einem Chelatbildner erfolgte 1951 mit 2,3-Dimercaptopropanol, bis dahin führte die Krankheit in den meisten Fällen zum Tod des Patienten. 1956 wurde Penicillamin als wirksam beschrieben und ersetzte das ältere Medikament, da Penicillamin wirksamer und weniger nebenwirkungsbehaftet ist.<ref name=neuroll/><ref name=walshe>J.M. Walshe: ''Wilson's disease; new oral therapy.'', in [[The Lancet]], 1956 Jan 7;270(6906):25-6. PMID 13279157</ref> Dass die Krankheit eine [[Anämie#H.C3.A4molytische An.C3.A4mie|hämolytische Anämie]] verursachen kann, wurde 1967 festgestellt.<ref>N. McIntyre, H.M. Clink, A.J. Levi, J.N. Cumings, S. Sherlock: ''Hemolytic anemia in Wilson's disease.'', in [[New England Journal of Medicine]], 1967 Feb 23;276(8):439-44, PMID 6018274</ref> 1969 wurde Triethylentetramin als alternativer Chelatbildner eingeführt. Ebenso begann in den 1960er Jahren die Therapie mit Zinkverbindungen.<ref name=ala/> Das betroffene Gen ''[[Wilson Protein|ATP7B]]'' wurde 1993 von mehreren unabhängigen Forschungsgruppen auf dem langen Arm des Chromosom 13 (13q14.3) lokalisiert.<ref name=ala/> == Siehe auch == [[Kupfertoxikose]] == Weblinks == * [http://www-klinik.uni-mainz.de/Zentrallabor/Lab-Web/Kupfer_Stoffwechsel.htm Kupfer-Stoffwechsel und Morbus Wilson - Seite des Zentrallabors der Universitätsklinik Mainz] * [http://212.99.52.2/eurowilson/ Europäisches Register für Morbus Wilson] == Literatur == === Leitlinien === * {{AWMF|http://www.uni-duesseldorf.de/awmf/ll/030-091.htm|Morbus Wilson||Deutschen Gesellschaft für Neurologie|Oktober 2005}} === Lehrbücher === * Anthony Fauci et. al.: ''Harrison's Principles of Internal Medicine'', Band 2, New York, 2008 * Herbert Renz-Polster, Steffen Krautzig: ''Basislehrbuch Innere Medizin'', 4. Auflage, München, 2008 * Andreas Straube, Wieland Hermann: ''Morbus Wilson.'' In: Thomas Brandt, Johannes Dichgans und Hans Christoph Diener (Hrsg.): ''Therapie und Verlauf neurologischer Erkrankungen.'' 5. Auflage, Kohlhammer, Stuttgart 2007, ISBN 978-3-17-019074-0. * Raphael Rubin, David Strayer et al.: ''Rubin's Pathology'', 5. Auflage, Philadelphia, 2008 * Ursus-Nikolaus Riede: ''Allgemeine und Spezielle Pathologie'', Stuttgart, 2004 === Artikel in Fachzeitschriften === * Aftab Ala, Ann Walker, Keyoumars Ashkan, James Dooley, Michael Schilsky: ''Wilson's Disease'' in The Lancet, 2007 Feb 3;369(9559):397-408, PMID 17276780 * G.J. Brewer, F.K. Askari: ''Wilson's disease: clinical management and therapy.'' in Journal of Hepatology, 2005;42 Suppl(1):S13-21. Epub 2004 Dec 18, PMID 15777568 * U. Merle, M. Schaefer, P. Ferenci, W. Stremmel: ''Clinical presentation, diagnosis and long-term outcome of Wilson's disease: a cohort study.'' in Gut, 2007 Jan;56(1):115-20. Epub 2006 May 18 ; PMID 16709660 == Einzelnachweise == <references/> {{Gesundheitshinweis}} {{DEFAULTSORT:Wilson}} {{Exzellent}} [[Kategorie:Erbkrankheit]] [[Kategorie:Stoffwechselkrankheit]] [[Kategorie:Hepatologie]] [[Kategorie:Krankheitsbild in der Gastroenterologie]] [[Kategorie:Krankheitsbild in der Neurologie]] {{Link GA|en}} [[ar:داء ويلسون]] [[bg:Болест на Уилсън]] [[ca:Malaltia de Wilson]] [[cs:Wilsonova choroba]] [[en:Wilson's disease]] [[es:Enfermedad de Wilson]] [[fa:بیماری ویلسون]] [[fi:Wilsonin tauti]] [[fr:Maladie de Wilson]] [[he:מחלת וילסון]] [[hu:Wilson-kór]] [[it:Malattia di Wilson]] [[ja:肝レンズ核変性症]] [[lb:Wilson-Krankheet]] [[nl:Ziekte van Wilson]] [[pl:Choroba Wilsona]] [[pt:Doença de Wilson]] [[ru:Болезнь Вильсона — Коновалова]] [[sl:Wilsonova bolezen]] [[sv:Wilsons sjukdom]] [[zh:肝豆狀核變性]] hu100nz8gay4lnw5d4thu2g65oqsjk6 wikitext text/x-wiki Alexander Wilson 0 24519 27122 2009-05-31T22:22:43Z APPERbot 0 PND-Vorlage durch Normdaten-Vorlage ersetzt, da keine Treffer im Katalog der DNB – siehe auch [[Wikipedia:Normdaten]] {{Dieser Artikel|behandelt den amerikanischen Ornithologen; zu anderen Personen gleichen Namens siehe [[Alexander Wilson (Begriffsklärung)]].''}} [[Bild:Wilson Alexander 1766-1813.jpg|200px|right|Alexander Wilson]] '''Alexander Wilson''' (* [[6. Juli]] [[1766]] in [[Paisley]], [[Schottland]]; † [[23. August]] [[1813]] in [[Philadelphia]]) war ein amerikanischer [[Ornithologe]], [[Zeichner]] und [[Schriftsteller]]. == Leben == === Kindheit und Jugend === Wilson wurde als fünftes von sechs Kindern eines [[Schottland|schottischen]] [[Weber]]s und [[Destillation|Schnapsbrenners]] in Seedhills, einem Stadtteil von Paisley, geboren und erhielt den gleichen Namen wie sein Vater. Seine Mutter Mary M’Nab starb an [[Tuberkulose]], als der Junge zehn Jahre alt war. Nachdem sein Vater schnell wieder geheiratet hatte, verließ Alexander Wilson im Alter von zwölf oder dreizehn Jahren die höhere Schule, auf die er mit dem Ziel einer Ausbildung zum [[Priester]] geschickt worden war, um zunächst als [[Hirte]] zu arbeiten und 1779 bei seinem Schwager William Duncan das Weberhandwerk zu erlernen. Nachdem er die dreijährige Lehre abgeschlossen hatte, bereiste er als [[Hausierer]] Schottland, immer wieder unterbrochen durch kurze Zeiten der Anstellung als Weber, zum Teil bei verschiedenen Verwandten. Briefe aus dieser Zeit belegen, dass Wilson der Arbeit als Weber und Hausierer nur widerwillig nachging und vor allem von der Arbeit am Webstuhl Gesundheitsschäden davon trug. Schon in seiner Jugend soll Wilson großes Interesse für die Natur gezeigt haben. === Der gesellschaftskritische Poet === In dieser Zeit kam Wilson mit einer Stilrichtung schottischer Dichter in Kontakt, die Werke im [[Dialekt]] ihrer Heimat verfassten. Vor allem [[Robert Burns]] machte großen Eindruck auf ihn. Bald begann er selbst [[Gedicht]]e zu schreiben. Einige Jugendwerke wurden in der Zeitung ''Glasgow Advertiser'' veröffentlicht. Wilsons Werke dieser frühen Schaffensphase reichen von naiver [[Naturlyrik|Natur]]- und [[Liebeslyrik]] bis zu [[Sozialkritik|sozialkritischen]] und [[Naturalismus (Literatur)|naturalistischen]] Gedichten. In seinen letzten Jahren in Schottland dominierten die kritischen Werke. Es geht in ihnen um zerfallende Familien, Auseinandersetzungen zwischen Arbeitgebern und -nehmern sowie allgemein um das Leben der schottischen [[Unterschicht]]en dieser Zeit. Diese Werke hatten vor allem beschreibenden und anklagenden Charakter der [[Oberschicht]] gegenüber. Sie stellten nicht die Forderung nach einer bestimmten politisch-sozialen Lösung dieser Probleme in den Vordergrund. Mehrfach versuchte Wilson, einen [[Verleger]] für seine Werke zu finden, hatte damit jedoch erst 1789 Erfolg. Die Sammlung seiner Werke mit dem Titel ''Poems, Humorous, Satirical, and Serious'' erschien 1790. Sie umfasste 308 Seiten in [[Oktave (Buchformat)|Oktav]]form und erschien in zwei Auflagen, zunächst mit 700, dann mit 500 Exemplaren. Wilson versuchte das Buch während seiner Hausierertouren zu verkaufen. Die Nachfrage war gering, so dass er mit seinem ersten Geschichtenband vermutlich finanzielle Verluste machte. Möglicherweise deswegen zog Wilson von Paisley in das nahe gelegene [[Lochwinnoch]] um. Von dort aus reiste er mehrfach nach [[Edinburgh]], um poetische Werke für die Zeitschrift ''Bee'' und an verschiedene literarische Gesellschaften einzureichen. Seine 1792 erschienene [[Ballade]] ''Watty and Meg or the Taming of a Shrew'' erreichte mit sieben oder acht Auflagen als einzige eine größere Verbreitung und wird noch heute als Wilsons gelungenstes [[Poesie|poetisches]] Werk angesehen. 1793 geriet Wilson zunehmend in gesellschaftliche und politische Schwierigkeiten, die schließlich zu seiner Auswanderung nach Amerika führten. Seine Schilderungen des Elends der Unterschichten waren zunehmend durch die [[Amerikanische Unabhängigkeitsbewegung]] und die [[Französische Revolution]] beeinflusst worden und hatte ihn in Konflikt mit der Obrigkeit gebracht. Ihm wurde vorgeworfen, dass er unter den Webern Edinburghs Unruhe schüre. Darüber hinaus hatte er [[Satire|satirische]] Texte verfasst, die Fabrikbesitzer der Region lächerlich machten. Vor allem eine Veröffentlichung mit dem Titel ''The Shark, or Lang Mills detected'' führte zu Anzeigen und Gerichtsurteilen gegen ihn, da sich der Manufakturbesitzer William Sharp durch sie persönlich angegriffen fühlte. Wilson musste seine Schriften öffentlich auf einer Wegkreuzung in Paisley verbrennen und erhielt eine kurze [[Zuchthaus]]strafe, weil er eine Geldstrafe wegen Verleumdung nicht zahlen konnte. Eine Rolle bei der Entscheidung für das Auswandern mag auch eine gescheiterte Liebesaffäre mit einer Frau namens Mathilda gespielt haben, der er eines seiner populäreren Gedichte widmete. Darüber hinaus ging es Wilson auch finanziell schlecht, vermutlich auch, weil das Schreiben seiner Gedichte ihm wenig Zeit für seine Arbeit als Weber und Hausierer ließ. Geldstrafen wegen seiner gesellschaftskritischen Schriften verschärften seine Lage zusätzlich, weshalb er sich mehrmals Geld leihen musste. === Neuanfang in Amerika === In [[Belfast]] ging der Dichter gemeinsam mit seinem 16-jährigen Neffen William Duncan als Deckspassagier an Bord des Schiffes ''The Swift'', mit dem er am 23. Mai 1794 ablegte und das er am 14. Juli in [[Delaware]] in den [[USA]] verließ. Wilson zog mit seinem Neffen den [[Delaware River]] hinauf nach [[Philadelphia]] und arbeitete in dieser Zeit als [[Tagelöhner]], Hausierer, [[Drucker (Beruf)|Drucker]] und Weber. Vor allem während seiner Hausiererreisen, die ihn unter anderem nach [[New Jersey]] führten, fertigte er Aufzeichnungen über die Natur an. [[1796]] fand Wilson eine Stelle als Lehrer an einer Schule in [[Milestown (Pennsylvania)]], rund 30 Kilometer entfernt von [[Philadelphia]]. Dort blieb er bis 1801, als er den Ort wegen einer Affäre mit einer verheirateten Frau, der er noch einige Zeit später Gedichte widmete, verlassen musste. Kurzfristig fand er in Bloomfield in New Jersey erneut Arbeit als Lehrer, bevor er auf eine gut besoldete Lehrerstelle an einer Schule in [[Gray's Ferry (Pennsylvania)]] wechselte. Dort begann er auch wieder Gedichte zu schreiben, die seinem Frühwerk in Schottland gegenüber eine deutlich höhere Qualität zeigten. Um 1800 hatte sich Wilson für kurze Zeit mit dem Plan getragen, sich im Bundesstaat [[New York (Bundesstaat)|New York]] als Farmer niederzulassen, was er aber schnell wieder aufgab. Die Familie seines Neffen William Duncan siedelte sich dort an, hatte jedoch wenig wirtschaftlichen Erfolg. In Gray's Ferry begann Wilson sich auch stärker mit der Naturbeobachtung zu befassen. Anstoß dazu war die Bekanntschaft mit seinem Nachbarn [[William Bartram]], der einen der ersten [[Botanischer Garten|botanischen Gärten]] in Nordamerika betrieb. Bartram stellte Wilson seine umfangreiche Bibliothek zur Verfügung und lenkte dessen bereits in Schottland vorhandene Interesse an der Natur und vor allem an der Vogelkunde in eine wissenschaftliche Richtung. Auf Anraten Bartrams und anderer Freunde begann Wilson auch mit dem Zeichnen vor allem von Säugetieren und Bäumen. Zunächst sollte dies vor allem den [[Depression]]en des jungen Lehrers entgegenwirken. In dieser Zeit lernte Wilson auch George Ord kennen, der später einer der wichtigsten Mitarbeiter beim Erstellen der ''American Ornithology'' werden sollte. Vermutlich kam es in dieser Zeit auch zu einer Affäre mit William Bartrams Nichte Ann, die aber von der Familie Bartram beendet wurde. === Wendung zur Vogelkunde === [[Bild:wilsonspatzenfalken.jpg|left|framed|Ammern und Falke aus ''American Ornithology'']] Im Zeitraum bis 1803 begann Wilson auch mit seinen weiten Wanderschaften durch die erst wenig erforschte Landschaft Nordamerikas. Bis 1808 besuchte er nach eigenen Angaben alle amerikanischen Städte westlich der Atlantikküste zwischen [[Sankt-Lorenz-Strom]] und Florida. Eine der ersten Touren führte ihn zusammen mit William Duncan und Isaac Leech, dem Sohn seiner Vermieterin, von Gray's Ferry bis zu den [[Niagarafälle]]n. Dabei konzentrierte er sich vor allem auf die Beobachtung von Vögeln sowie darauf, Vögel zu schießen und sie als Anschauungsobjekte herzurichten. Bereits in einem Brief aus diesem Jahr berichtete er von dem Vorhaben, eine illustrierte Aufstellung aller Vögel des Landes zu schaffen. Der Stil seiner Naturbeobachtungen entsprach dabei nur teilweise einem wissenschaftlichen Ansatz. Eher kann man wohl vom Blick eines engagierten Naturfreundes sprechen, bei dem der Schwerpunkt auf der [[Enzyklopädie|enzyklopädischen]] Darstellung der nordamerikanischen Vogelwelt lag und nicht etwa auf der Diskussion verschiedener naturwissenschaftlicher Thesen. Wissenschaftliche Kontroversen scheinen, sofern sie in der dünnen Forschungsinfrastruktur Nordamerikas überhaupt bekannt gewesen waren, von Wilson kaum aufgegriffen worden zu sein. Gründe für diesen Ansatz waren Wilsons fehlende wissenschaftliche Ausbildung (Nach Angaben seines [[Testamentsvollstrecker]]s befand sich bei Wilsons Tod lediglich ein vogelkundliches Buch in dessen Besitz) sowie die Tatsache, dass die weitgehend unerforschte Tierwelt des Kontinents genügend Raum für einen solchen eher breit als tief angelegten Ansatz bot. Beispielsweise trugen viele Vögel noch überhaupt keine allgemein verbindlichen Namen. Die Benennung war ein Problem, das mehrfach in Wilsons Briefen auftauchte und immer wieder zu Auseinandersetzungen mit anderen Naturforschern führte. Teilweise lehnte Wilson sich an [[Carl von Linné]]s [[Systema Naturae]] an, allerdings besaß er nur grundlegende Kenntnisse dieses [[Taxonomie]]-Systems. Obwohl die Naturforschung zu seiner neuen Hauptbetätigung wurde und die ''American Ornithology'' sein einziges wissenschaftliches Werk bleiben sollte, verfasste Wilson weiter Gedichte, die sich häufig um Beobachtungen auf seinen Reisen drehten und die Natur der „[[Neue Welt|Neuen Welt]]“ feierten. So schlug sich die Wanderung zu den Niagarafällen in der Ballade ''The Foresters'' nieder, die 1809 erschien. Wilson verfasste auch einige wenige vogelkundliche Aufsätze in den sich gerade erst entwickelnden naturkundlichen Zeitschriften Nordamerikas. Einige dieser Texte wurden später in die ''American Ornithology'' übernommen. In den folgenden Jahren sollten die meist einsamen Reisen die wichtigsten Quellen für Alexander Wilsons Arbeit werden. Am 9. Juni [[1804]] nahm er die amerikanische [[Staatsbürgerschaft]] an. 1805 war der erste Satz von 28 Vogelzeichnungen fertig, der zur Grundlage für die ''American Ornithology'' werden sollte. Das Jahr 1806 war für Wilson von Rückschlägen geprägt. Zunächst versuchte er, den befreundeten schottischen [[Kupferstecher (Beruf)|Kupferstecher]] [[Alexander Lawson]] zum Anfertigen von [[Druckplatte]]n nach seinen Zeichnungen zu gewinnen. Da Wilson über wenig Geld für das Projekt verfügte, nahm Lawson das Vorhaben jedoch nicht in Angriff. Im gleichen Jahr erfuhr Wilson von einer geplanten [[Expedition]] der US-Regierung, die das Land westlich des [[Mississippi River]] erkunden sollte, und bewarb sich in einem persönlichen Schreiben an Präsident [[Thomas Jefferson]] um die Teilnahme. Eine Antwort erhielt er jedoch nicht. Vermutlich ging der Brief damals verloren, denn Wilson hatte später ein sehr gutes Verhältnis zu Jefferson. Der Politiker interessierte sich ebenfalls lebhaft für Naturkunde. In Briefen tauschte er sich mit Wilson über die korrekte Benennung der von ihm beobachteten Vögel aus. === American Ornithology === Die Wende zum Besseren kam im Spätsommer des gleichen Jahres: Wilson wurde von [[Samuel Bradford]] als Assistent in dessen Verlag in Philadelphia angestellt, wohin er sofort übersiedelte. Seine erste Betätigung war die Mit-Herausgeberschaft von ''Rees' Cyclopedia''. Er arbeitete aber intensiv weiter an seinen Zeichnungen für das Vogelkunde-Projekt. Bis zum Beginn des folgenden Jahres gelang es Wilson, Bradford zur Drucklegung des Werks zu überreden. Ab 1807 arbeitete Wilson fast ausschließlich für die geplante ''American Ornithology''. Er reiste weite Strecken durch Pennsylvania, meist alleine. Während seiner Aufenthalte in Philadelphia fertigte er Zeichnungen an. Da Bradford das Vorhaben unterstützte, erklärte sich nun auch Alexander Lawson zur Mitarbeit bereit. Später beteiligten sich auch andere Kupferstecher. Im September 1808 erschien der erste von neun Bänden der ''American Ornithology'' in einer Startauflage von 200 Exemplaren mit 158 Seiten Umfang und 34 handkolorierten Farbtafeln. Nicht nur die Zeichnungen, auch der größte Teil des Textes stammte von Wilson. Darüber hinaus hatte er auch einige der gedruckten Zeichnungen selbst koloriert. Die ''American Ornithology'' weist einen deutlich patriotischen Ansatz auf. Aus den Texten sowie aus verschiedenen Briefen Wilsons geht hervor, dass er sie als Gegenentwurf zu der von vielen europäischen Naturforschern vertretenen Auffassung verstand, die amerikanische [[Fauna]] sei der europäischen gegenüber „minderwertig“. Vor allem in Briefen Wilsons, in denen es um die Benennung von Vogelarten geht, fordert er, der bis zu diesem Zeitpunkt herrschenden europäischen Vorrangstellung eine amerikanische „Souveränität“ bei der Namensgebung für die eigene Tierwelt entgegenzusetzen. Der Patriotismus ging sogar so weit, dass Wilson sich bemühte, die Bücher ausschließlich aus Papier und sonstigen Rohstoffen aus den USA herstellen zu lassen. Nachdem der erste Band erschienen war, begab sich Wilson auf Werbereisen, um [[Subskribent]]en für die Buchserie zu sammeln. Der Gesamtpreis für alle neun Bände betrug 120 Dollar - mehr als Wilsons Jahresgehalt als Lehrer gewesen war. Dementsprechend kamen nur die wohlhabendsten Bürger als Kunden in Frage. Insgesamt 250 Subskribenten sammelte Wilson auf seiner ersten Verkaufsreise, bei denen ihm sicher seine in Schottland als Hausierer gesammelten Erfahrungen zugute kamen. Darüber hinaus spielte er geschickt auf die patriotische Dimension seines Werks an. Einer der ersten Subskribenten war US-Präsident [[Thomas Jefferson]], mit dem Wilson einige Ansichten seiner „patriotischen Naturkunde“ teilte. Insgesamt hatten Wilsons Verkaufsversuche in den agrarisch geprägten Südstaaten überproportional mehr Erfolg als im stärker bürgerlichen Norden. Die zahlreichen Briefe, die Wilson von seinen Verkaufsreisen an Freunde und Bekannte schrieb, dienen noch heute als aussagekräftige Quellen für Gesellschaft und Wirtschaft in den Anfangsjahren der USA. 1809 dehnte er den Radius seiner Werbereisen bis nach [[Florida]] aus und legte den gesamten Weg zu Fuß zurück. 1810 befuhr er mit einem kleinen Boot den [[Ohio River]]. In [[Louisville (Kentucky)]] traf er auf den einige Jahre jüngeren [[John James Audubon]], den anderen großen amerikanischen Ornithologen dieser Zeit. Seine Reisebeschreibungen über den Weg nach [[Nashville]] nahmen teilweise den Charakter einer [[Lederstrumpf]]-Erzählung an. Ende 1810 erschien mit einiger Verspätung der zweite Band der ''American Ornithology'', in den folgenden zwei Jahren kamen jeweils zwei Bände heraus. Wilson lebte zu diesem Zeitpunkt meistens im Haus von William Bartram in Gray's Ferry. Inzwischen war er in den gebildeten Kreisen der USA zu einer populären Erscheinung geworden: Im März 1812 wurde er Mitglied der Gesellschaft der Künstler der Vereinigten Staaten und ein Jahr später der philosophische Gesellschaft von Philadelphia. 1812 oder 1813 muss Wilson sich mit Sarah Miller, der Schwester des Kongressabgeordneten aus Pennsylvania verlobt haben. === Die letzten Jahre === [[bild:Wilsonenten.jpg|right|framed|Enten aus ''American Ornithology'']] Im September 1812 brach Wilson zu seiner letzten Verkaufsreise in die Staaten von [[Neuengland]] auf, wo er allerdings wenig Erfolg hatte. Wissenschaftlich hatte er sich zu diesem Zeitpunkt bereits verstärkt den [[Wasservogel|Wasservögeln]] zugewandt, die den Schwerpunkt der letzten ''Ornithology''-Bände bilden sollten. 1813 erschien der siebte Band. Kurz darauf brach Wilson zusammen mit [[George Ord]] zu einer Reise nach [[Great Egg Harbour]] auf, um dort Wasservögel zu beobachten. Während dieser vier Wochen dauernden Reise scheint sich Wilsons Gesundheit, die nie besonders robust gewesen war, stark verschlechtert zu haben. Etwa zu diesem Zeitpunkt kündigten nach mehreren vorausgegangenen Auseinandersetzungen sämtliche Zeichner, die für die Kolorierung von Wilsons Zeichnungen zuständig gewesen waren. Wilson übernahm die Fertigstellung des achten Bandes selbst und begann gleichzeitig sowohl am letzten Band der ''American Ornithology'' als auch an einem Projekt über Säugetiere zu arbeiten. Damit belastete er seine Gesundheit offenbar zu sehr. Im August 1813 erkrankte er, nachdem er auf der Jagd nach einem Vogel durch einen Fluss gewatet war, an der [[Ruhr]] und starb am Ende des Monats. Obwohl er verfügt hatte, dass er „dort, wo die Vögel über mir singen“ begraben werden sollte, befindet sich sein Grab auf den Friedhof der Schwedischen Kirche in Philadelphia. Die Testamentsvollstrecker waren George Ord und Wilsons Verlobte Sarah Miller. Der achte und neunte Band der ''American Ornithology'' erschienen bis 1814 unter der Herausgeberschaft von George Ord, der dem letzten Band eine kurze Biografie Wilsons hinzufügte. Insgesamt stellte das Werk 268 Vogelarten vor, von denen 26 zuvor noch nicht beschrieben worden waren. Mehrere amerikanische Vogelarten wurden nach Wilson benannt, darunter Wilson's Storm-petrel ([[Buntfuß-Sturmschwalbe]]), Wilson's Plover ([[Dickschnabel-Regenpfeifer]]) und Wilson's Phalarope ([[Wilson-Wassertreter]]). [[Charles Lucien Jules Laurent Bonaparte|Charles Lucien Bonaparte]], der 1831 eine vierbändige Auflage der ''Ornithology'' in Edinburgh betreute, benannte die [[Waldsänger]]-Gattung ''Wilsonia'' mit den drei Arten [[Kanadawaldsänger]], [[Kapuzenwaldsänger]] und [[Mönchswaldsänger]] nach ihm. Letztlich verschwand Wilsons Werk relativ schnell aus der öffentlichen Wahrnehmung, da die ab 1827 erscheinenden ''Birds of America'' von [[John James Audubon]] erheblich populärer wurden. == The Wilson Ornithological Society == 1888 schlossen sich Vogelfreunde zur ''Wilson Ornithological Society'' zusammen. Heute hat sie rund 2500 Mitglieder und versteht sich als Gemeinschaft von engagierten Amateur-Vogelbeobachtern. == Werke (Auswahl) == === Naturforschung === *''American Ornithology.'' Neun Bände. Bradford and Inskeep, Philadelphia 1808-1814. === Lyrik === *''Poems.'' J. Neilson, Paisley 1790. *''Poems, Humorous, Satirical, and Serious.'' 2. Auflage. P. Hill, Edinburgh 1791. *''Poems Chiefly in the Scottish Dialect by Alexander Wilson with an Account of His Life and Writings.'' J. Neilson, Paisley 1816. *''The Poetical Works of Alexander Wilson.'' J. Henderson, Belfast 1844. *''The Poems and Literary Prose of Alexander Wilson.'' Ed. Rev. Alexander B. Grosart. 2 Bd. Alexander Gardner, Paisley 1876. == Literatur == * Robert Cantwell: ''Alexander Wilson - Naturalist and Pioneer.'' J.B. Lippincott Company, Philadelphia 1961. * Clark Hunter: ''The Life and Letters of Alexander Wilson.'' American Philosophical Society, Philadelphia 1983, 1984. ISBN 087169154X. == Weblinks == * [http://xroads.virginia.edu/~PUBLIC/wilson/front.html Galerie mit vielen Bildern aus der ''Ornithology''] * [http://www.ummz.lsa.umich.edu/birds/wos.html The Wilson Ornithological Society] * [http://apps.libraries.psu.edu/PACFTB/bios/biography.cfm?AuthorID=1262 Pennsylvania Center for the book] * [http://elibrary.unm.edu/sora/index.php Suchmaske für elektronische Ausgaben des Wilson Bulletins. Enthält auch biografische Artikel über Alexander Wilson.] {{Normdaten|PND=117581143|LCCN=n/50/15500}} {{DEFAULTSORT:Wilson, Alexander}} [[Kategorie:Autor]] [[Kategorie:Ornithologe]] [[Kategorie:Lyrik]] [[Kategorie:Schotte]] [[Kategorie:Geboren 1766]] [[Kategorie:Gestorben 1813]] [[Kategorie:Mann]] {{Exzellent}} {{Personendaten |NAME=Wilson, Alexander |ALTERNATIVNAMEN= |KURZBESCHREIBUNG=amerikanischer [[Ornithologe]], [[Zeichner]] und [[Schriftsteller]] |GEBURTSDATUM=6. Juli 1766 |GEBURTSORT=[[Paisley]] |STERBEDATUM=23. August 1813 |STERBEORT=[[Philadelphia]] }} [[en:Alexander Wilson]] [[es:Alexander Wilson]] [[fi:Alexander Wilson]] [[fr:Alexander Wilson]] [[ht:Alexander Wilson]] [[it:Alexander Wilson]] [[pt:Alexander Wilson]] [[sl:Alexander Wilson (ornitolog)]] l588aepmjrkzfuulr5a6mwbc9e9hbvf wikitext text/x-wiki Winchester ’73 0 24520 27123 2009-12-10T19:29:42Z Koerpertraining 66 [[WP:DK]], -leerzeichen {{Infobox Film |DT = Winchester ’73 |OT = Winchester ’73 |PL = [[Vereinigte Staaten|USA]] |PJ = [[Filmjahr 1950|1950]] |LEN = 92 |OS = [[Englische Sprache|Englisch]] |AF = 12 |REG = [[Anthony Mann]] |DRB = [[Borden Chase]]<br />[[Robert L. Richards]] |PRO = [[Aaron Rosenberg]] für <br />[[Universal Pictures]] |MUSIK = [[Walter Scharf]] |KAMERA = [[William H. Daniels]] |SCHNITT = [[Edward Curtiss]] |DS = *[[James Stewart]]: Lin McAdam<br /><small>(deutsche Synchronstimme: [[Siegmar Schneider]])</small> *[[Stephen McNally]]: Dutch Henry Brown<br /><small>(deutsche Synchronstimme: [[Werner Hinz]])</small> *[[Millard Mitchell]]: High-Spade<br /><small>(deutsche Synchronstimme: [[Franz Nicklisch]])</small> *[[Shelley Winters]]: Lola Manners<br /><small>(deutsche Synchronstimme: [[Gisela Trowe]])</small> *[[Dan Duryea]]: Waco Johnnie Dean<br /><small>(deutsche Synchronstimme: [[Peter Mosbacher]])</small> *[[Tony Curtis]]: Doan<br /><small>(deutsche Synchronstimme: [[Klaus Schwarzkopf]])</small> *[[Rock Hudson]]: Young Bull<br /><small>(deutsche Synchronstimme: [[Peter Petersz]])</small> }} '''Winchester ’73''' ist ein US-amerikanischer [[Western]]film von [[Anthony Mann]] aus dem Jahr 1950. Er gilt als Startpunkt der wirtschaftlich und künstlerisch erfolgreichen Epoche des amerikanischen Westernkinos, die bis in die 1960er Jahre andauerte. Darüber hinaus markiert der Film den Anfang einer erfolgreichen längeren Zusammenarbeit des Regisseurs Mann mit dem Schauspieler [[James Stewart]]. == Handlung == 1876 im Südwesten der [[Vereinigte Staaten|Vereinigten Staaten]]: Lin McAdam ist auf der Suche nach seinem Bruder Dutch Henry Brown. Dutch, der Anführer einer Verbrecherbande, hat den gemeinsamen Vater ermordet und Lin sehnt sich nach Rache. Schließlich finden Lin und sein Begleiter High-Spade Dutch in [[Dodge City]]. Eine Konfrontation der beiden Brüder wird durch ein Waffenverbot in der Stadt unterbunden. Sie nehmen an einem Schießwettbewerb um ein legendäres Gewehr – die „[[Winchester (Gewehr)|Winchester ’73]]“ in einer Spezialanfertigung als „eine unter Tausend“ – teil. Lin besiegt Dutch im Stechen des Wettbewerbs, doch kurz darauf überfällt Dutch Lin, nimmt ihm die gerade gewonnene Winchester ab und flieht mit seiner Bande aus der Stadt. [[Bild:Sequenzgrafik_(Winchester_73).png|thumb|left|''Winchester ’73'' als [[Transkription (Filmanalyse)|Sequenzgrafik]]: Inhalt und Sequenzen werden im Verhältnis zur Filmzeit eingezeichnet.]] In der Wüste verliert Dutch die Winchester beim Kartenspiel an einen Waffenhändler, der sie bei einem Geschäft mit den [[Indianer]]n vom Häuptling Young Bull abgenommen bekommt. Lin folgt Dutchs Spur durch die Wüste und flieht vor Indianern in eine Wagenburg der Kavallerie. Dort trifft er das junge Paar Lola Manners und Steve Miller. Durch die Hilfe von Lin kann ein Indianerangriff am nächsten Morgen abgewehrt werden und Lin folgt der Spur Dutchs weiter nach Tascosa. Steve wird die Winchester des toten Young Bull zum Schutz von Lola übergeben. Auf ihrer Farm angekommen, werden Lola und Steve von Banditen, die auf der Flucht vor dem Sheriff und seiner [[Posse (Begriffsklärung)|Posse]] sind, gefangen genommen. Waco Johnnie Dean, der Anführer der Banditen, erschießt Steve, um an die Winchester zu gelangen, und flieht mit Lola – seine Banditenbande in den Tod schickend – aus der Belagerung des Sheriffs. Waco trifft sich darauf mit Dutch und seiner Bande in einem Versteck in der Wüste, wo Dutch die Winchester Waco wieder abnimmt. Sie planen einen Banküberfall in Tascosa und reiten getrennt dorthin. In Tascosa überwältigt Lin zunächst Waco und stellt dann Dutch und seine Bande während des Bankraubes. Bei einer Schießerei kommen die Banditen um, Lola wird verwundet und Dutch kann in die Wüste fliehen. Dort stellt Lin seinen Bruder in einer Felsenlandschaft zum finalen Duell, tötet Dutch und kehrt mit der Winchester nach Tascosa zurück. == Geschichtlicher Hintergrund == === Das Ende des Wilden Westens === [[Bild:Wyatt Earp.jpg|thumb|Der historische [[Wyatt Earp]], circa 1869]] Die Handlung von ''Winchester ’73'' beginnt am 4. Juli 1876 – dem hundertsten Jahrestag der [[Unabhängigkeitserklärung der Vereinigten Staaten|Unabhängigkeit der Vereinigten Staaten]]. Die Besiedlung des Wilden Westens durch europäische Einwanderer ist fast abgeschlossen. Die Städte an der ehemaligen [[Grenzland#„Frontier“ in den USA|Frontier]] verfügen bereits über ein politisches System, in dem der [[Sheriff]] die Rechte der Bürger verteidigt. Diese Ordnung wird von [[Gesetzloser|Banditen]] bedroht, die in ''Winchester ’73'' durch die Banden von Dutch Henry Brown und Waco Johnnie Dean verkörpert werden. Gleichzeitig stellt der Film aber die Bedrohung der amerikanischen Siedler durch [[Indianer]] dar, die im Jahr der [[Schlacht am Little Bighorn]] aufgrund der bereits begonnenen [[Indianerpolitik der Vereinigten Staaten|Indianerumsiedlungsprogramme]] gerade akut geworden war. Manns Western bezieht sich neben diesen Ereignissen der [[Geschichte der Vereinigten Staaten]] auch auf konkrete bekannte Orte und Personen. Die beiden Städte [[Dodge City]] und Tascosa, die Startpunkt und Ziel der Handlung des Films darstellen, sind geschichtsträchtige Städte der Besiedlung des amerikanischen Westens. Vor allem Dodge City ist eine oft als Schauplatz von [[Western]] benutzte Stadt, da sie Aufenthaltsort bekannter [[Revolverheld]]en wie [[Doc Holliday]] war. So tritt in ''Winchester ’73'' die historische Person [[Wyatt Earp]] als Sheriff auf. Tascosa ereilte das Schicksal vieler Städte der Besiedlungszeit: Sie wurde zu einer [[Geisterstadt]]. === Das Winchester-Gewehr === [[Bild:Winchester_Model_1873_1769.jpg|thumb|280px|left|Ein [[Winchester (Gewehr)|Winchester-Gewehr]] der titelgebenden Baureihe ''Winchester ’73''.]] Das [[Winchester (Gewehr)|Winchester-Gewehr]] wurde zur Zeit des [[Sezessionskrieg]]s entwickelt. Berühmt wurde es vor allem durch seine Verbreitung bei der Besiedlung des Westens der Vereinigten Staaten ab Mitte des 19. Jahrhunderts. Besonders das Modell ''Winchester ’73'' der [[Repetiergewehr]]e der [[Winchester Repeating Arms Company]], das dem Film seinen Namen gab, wurden dabei als ''the gun that won the west'' (deutsch: „das Gewehr, das den Westen erobert hat“) zum Synonym für die Besiedlung des Westens. Im Film wird dies durch die besondere Verehrung und Gier nach dem Besitz der Waffe gezeigt. Die Modellreihe „Eine unter tausend“, die im Film besonders betont wird, wurde von Winchester ab 1875 auf den Markt gebracht. Von allen nach der Herstellung probegeschossenen Läufen aus einem Fertigungslos von jeweils 1000 Stück wurden die am präzisesten schießenden ausgesucht und in ein Gewehr eingebaut, das oben auf dem Lauf die Gravur „One of One Thousand“ oder „One of 1000“ erhielt. Von dieser Serie wurden 136 Exemplare gefertigt und zu einem Stückpreis von 100 US-Dollar verkauft, was nach heutiger Kaufkraft etwa 15.000 Dollar entsprechen würde. Eine handelsübliche Winchester kostete 40 Dollar. Der durchschnittliche Monatslohn eines [[Cowboy]]s betrug damals etwa 30 Dollar. Eines der ca. 60 heute noch erhaltenen Exemplare des Modells 1873 „One of One Thousand“ hat derzeit einen Sammlerwert von bis zu 125.000 Dollar.<ref name="Boorman2003"/> == Produktionsgeschichte == === Drehbuch, Beteiligte und Produktion === [[Fritz Lang]] wählte für seine gerade neu gegründete Produktionsfirma [[Diana Production Company]] als einen der Stoffe ''Winchester ’73,'' eine Geschichte von [[Stuart N. Lake]], aus und arbeitete an der Entwicklung des Films. Laut Lang war die Haupthandlung des Filmes zu diesem Zeitpunkt folgende: „''Ein Westerner verliert sein Gewehr, eine Winchester ’73, die für ihn der einzige Lebensgrund und das Symbol seiner Stärke war. Er muss diese Waffen finden oder einen neuen Grund zum Leben finden. Er muss seine verlorene Kraft wiederfinden.''“<!-- "a westener lost his rifle, a Winchester ’73, which was for him the only reason for living, and the symbol of his strenght. He needed to find the rifle or else find new reason to live, he needed to find his lost strength..." --><ref name="Grant2003"/> Unter Hollywood-[[Filmproduzent|Produzent]] [[Walter Wanger]], der u.&nbsp;a. bereits mit ''[[Ringo (1939)|Ringo]]'' ([[John Ford]], 1939) für Western verantwortlich war und mit Fritz Lang zuvor drei Filme produziert hatte, sollte ''Winchester ’73'' – nach Langs Vorstellung in [[Technicolor]]<ref name="Bernstein2000"/> – realisiert werden. Stuart N. Lake verfasste bereits bis April 1946 einen [[Drehbuch]]-Rohentwurf für ''Winchester ’73''.<ref name="Bernstein2000"/> Der 200 Seiten umfassende Entwurf wurde verworfen und Howard Dimsdale begann im Oktober desselben Jahres die Arbeit an einem völlig neuen Drehbuch. Währenddessen fiel Fritz Langs ''[[Geheimnis hinter der Tür]]'' (1948) an den Kinokassen durch, und Langs Zerwürfnis mit seinem Produzenten Walter Wanger und Probleme mit dem Vertrieb durch [[Universal Pictures]] und der [[Filmzensur#USA|Zensur]] führten dazu, dass Langs Verlängerung der Option auf die Idee ''Winchester ’73'' verfiel, da er nicht rechtzeitig bis Juni 1948 ein fertiges Drehbuch vorweisen konnte. Die Rechte gingen zurück an den ursprünglichen Inhaber Universal und die Leitung des Projekts wurde vom Produzent [[Aaron Rosenberg]] übernommen, der zunächst James Stewart mit dem Projekt zusammenbrachte.<ref name="Bernstein2000"/> [[Bild:James Stewart air force photo.jpg|thumb|right|[[James Stewart]] 1944 – 6 Jahre bevor er Lin McAdam in ''Winchester ’73'' spielte.]] Mit der Regie wurde nun [[Anthony Mann]] beauftragt. Stewart erinnert sich in einem Interview an die Verknüpfung Anthony Manns mit ''Winchester ’73'' auf die Frage, ob Stewart Mann als Regisseur vorgeschlagen hätte: ''„Niemand von uns hatte je den Namen Anthony Mann gehört. Aber auf den Film, den er gemacht hatte – ein Western – und sie alle hatten die gleiche Reaktion. Sie sagten: ‚Das ist ein wunderschön inszenierter Film. Wenn man einen guten Western hat, dann wäre dies der richtige Mann dafür.‘“''<!-- („None of us had ever heard the name Anthony Mann. But the picture that he made - a western - and all of us saying - an there where quite a few people there - and they all had the same reaction to it. They said: This is a beatifull directed picture. If you got a good western, this will be a good man to do it." --><ref name="Lindenschmidt1989"/> Stewart hatte Mann jedoch bereits in den 1930er-Jahren beim Theater kennen gelernt. Mann arbeitete mit [[Borden Chase]] – seinem ''„bevorzugten Drehbuchautor“''<ref name="Seeßlen1979"/> – am endgültigen Drehbuch. Die Besetzung wurde aus Vertragsschauspielern der Universal Pictures mit James Stewart in der Hauptrolle zusammengestellt. Nach drei Jahren der Vorproduktion begannen die Dreharbeiten schließlich 1949<ref name="Weniger2001"/> unter der künstlerischen Gesamtleitung Anthony Manns und als [[Schwarzweißfilm]] in [[Tucson]], [[Arizona]]. Da sich die Produktion die 200.000 US-Dollar Gagenforderung des bereits bekannten Star-Schauspielers James Stewart nicht leisten konnte, griff man auf eine damals unübliche Praxis zurück: Stewart wurde prozentual an den Einspielergebnissen des Filmes beteiligt. Der überraschende Erfolg des Filmes brachte Stewart schließlich ein Einkommen von 600.000 US-Dollar für seine Mitarbeit ein.<ref name="O'Hanlon-Lincoln2006"/> In den folgenden Jahren setzte sich diese Bezahlung für Starschauspieler immer weiter durch und ist bis heute in Hollywood üblich. Zwei Schauspieler, die später sehr erfolgreiche Hollywoodstars werden sollten, hatten ihre ersten Filmauftritte in kleinen Rollen: [[Tony Curtis]] spielt einen jungen Soldaten und [[Rock Hudson]] ist mit Schminke und Perücke als Indianer Young Bull zu sehen. Der Film erhielt 1967 ein gleichnamiges [[Remake]]. Der amerikanische [[Fernsehfilm]] fügte Szenen hinzu, die die Vergangenheit der Hauptcharaktere erzählen. [[Dan Duryea]], der im Original den Verbrecher Waco Johnnie Dean spielte, tritt hier als Vater der beiden verhassten Brüder auf. === Anthony Mann und James Stewart === Für den Regisseur Mann und seinen Hauptdarsteller Stewart war ''Winchester ’73'' ein entscheidender Wendepunkt in ihren Karrieren. Für Mann war es der Aufstieg zum Regisseur von [[B-Movie|A-Filmen]]; für Stewart war es ein wichtiger Schritt zur Veränderung seines Images. [[Roger Ebert]] schrieb in einem Artikel zum Tode Stewarts, dass ''„es Mann war – mehr als jeder andere –, der Mr. Stewart in die Richtung seiner späteren Laufbahn gelenkt hatte“.''<!-- („''It was Mann, more than anyone else, who pointed Mr. Stewart toward his later career.'') --><ref name="Ebert1997"/> Mann kam vom Theater zum Film. In den 1950ern führte er vor allem bei kostengünstigen Genrefilmen Regie, zunächst Filme des [[Film noir]] und bis Ende der 1950er vom Film noir beeinflusste [[Polizeifilm]]e. Mit dem 1950 veröffentlichen ''[[Die Farm der Besessenen]]'' drehte er seinen ersten Western, der ihm auch die Regiearbeit für ''Winchester ’73'' einbrachte. Der Erfolg dieses Filmes gab ihm die Möglichkeit, acht weitere Western zu drehen und zu einem der wichtigen Regisseure des Genres zu werden. Gleichzeitig feierte er ab den 1950ern mit Filmen verschiedenster Genres kommerzielle Erfolge. James Stewart war bereits ein Star, als er in ''Winchester ’73'' spielte. Nach der Arbeit am Theater wurde er in den 1930ern bekannt durch seine Mitarbeit in einer Vielzahl von [[Screwball-Comedy|Screwball-Komödien]]. Neben diesen prägten auch seine Hauptrollen in den Melodramen von [[Frank Capra]] Stewarts prominentes Image des ''American everyman''<ref name="Ebert1997"/> (deutsch: „amerikanischer Durchschnittsbürger“). Seine beachtete Teilnahme als Pilot in Kampfeinsätzen des [[Zweiter Weltkrieg|Zweiten Weltkriegs]] unterstützten dieses Image des perfekten Amerikaners weiter. Seine Rollen in den Filmen von [[Alfred Hitchcock]] und [[Anthony Mann]] in den 1950ern veränderten dieses Image. Der Gewaltausbruch und die Besessenheit seiner Figur in ''Winchester ’73'' schockierten die Zuschauer umso mehr, da er wider sein bisheriges Image spielte.<ref name="Yoggy1999"/> Auch in seinen späteren Western mit Mann waren die Figuren Stewarts ähnliche, von Besessenheit getriebene Westerner. Beinahe parallel ließ Hitchcock in seinen Filmen Stewarts Rollen immer mehr zum gebrochenen Mann werden. Diese Entwicklung der Figuren, die Stewart unter Mann und Hitchcock verkörperte, gipfelte schließlich in Hitchcocks ''[[Vertigo – Aus dem Reich der Toten]]'' (1958). Mann drehte in den 1950er Jahren insgesamt fünf Western mit Stewart. Die schon angesprochene Ähnlichkeit der Figuren vollzieht sich hier bis zur fast identischen Inszenierung von Gewaltausbrüchen Stewarts. Über die Western hinaus übernahm Stewart auch in weiteren Filmen Manns die Hauptrolle, etwa in der [[Filmbiografie]] ''[[Die Glenn Miller Story]]'' (1953). == Rezeption == === Erstaufführung === ''Winchester ’73'' war bei seiner Erstaufführung am 12. Juli 1950 in den [[Vereinigte Staaten|USA]] ein [[Box Office|Box-Office]]-Erfolg.<ref name="Bernstein2000"/> In der [[TIME]] wurde ''Winchester ’73'' als zweiterfolgreichster Film des Monats angegeben;<ref name="Time1950b"/> er war in dieser Auflistung der einzige ernste Western. Die Kritik der TIME eröffnete mit ''„Winchester ’73 ist ein flotter ''(crisp)'' Western“,''<!-- „Winchester '73 is a crisp western“ --><ref name="Time1950a"/> lobte die Darsteller, vor allem die Kameraarbeit und schloss mit: ''„Eindrucksvoll in Schwarzweiß gefilmt, ist der Film mit einem Blick für realistische Details, einem Ohr für die oft natürlichen Dialoge des Drehbuchs und der Fertigkeit, Spannung zu erzeugen, inszeniert.“''<!-- „Strikingly photographed in black & white, the film is directed with an eye to realistic detail, an ear for the script's frequently natural dialoge and knack for building suspense“ --><ref name="Time1950a"/> Der deutsche Filmstart vom 9. Februar 1951 wurde von der deutschen Tagespresse nicht beachtet. Die Filmseiten widmeten sich zum Großteil Retrospektiven des deutschen Films vor und nach der [[Zeit des Nationalsozialismus]] und dem damaligen Filmskandal ''[[Die Sünderin]];'' Western wurden kaum besprochen. In einer Filmbesprechung der [[Filmzeitschrift]] ''[[Deutsche Film-Illustrierte]]'' wurden wiederum die Darsteller gelobt und der Artikel mit einem positiven Resümee beendet: ''„Es wird zwar ein wenig viel mit der ‚Winchester ’73’ und anderen Modellen geschossen und getötet, aber nicht so unmotiviert, grausam-dilettantisch und in altbekannter Manier, dass nicht auch ein Wildwest-Verneiner sich diesen Film mit Genuss ansehen könnte.“''<ref name="Bl1951"/> === Spätere Rezeption, Einordnung und Einfluss === In der Nachbetrachtung wird ''Winchester ’73'' äußerst positiv bewertet. Gelobt wird der Film in zahlreichen Besprechungen vor allem für die Filmstruktur, die Beziehungen zwischen den Charakteren, die Darsteller und die Inszenierung. Das [[Lexikon des Internationalen Films]] fasst diese Argumente in zwei Sätzen zusammen: ''„Ein spannender, psychologisch sehr sorgfältig fundierter Western, der bei allem Aktionsreichtum das Geschehen in ruhigen, kalkulierten Einstellungen vermittelt, die der Landschaft und den sorgsam rekonstruierten Interieurs breiten Raum lassen.“'' Für die Bewertung der Schauspieler fügt das Lexikon nur ein einfaches ''„Ausgezeichnet gespielt“''<ref name="Brühne2002"/> hinzu. [[Thomas Jeier]] bescheinigt dem Film in einer vom ihm erstellten Übersicht über den Western-Film, ''„eine der spannensten und am besten fotografierten Schießereien in der Geschichte des Westernfilms“'' zu zeigen.<ref>Thomas Jeier: Der Western-Film. - Orig.ausg. - München: Heyne, 1987 (Heyne Filmbibliothek; 32/102) - ISBN 3-453-86104-3, S. 100</ref> ''Winchester ’73'' wird in späteren Rezensionen oft als Wendepunkt des Western und Startpunkt des [[Edelwestern]] genannt. Dabei wird der Erfolg von ''Winchester ’73'' an den Kinokassen auch immer als Beginn für die Produktion von teureren Westernfilmen genannt, der den großen Erfolg und die Wiederbelebung des amerikanischen Westerns in den 1950ern einläutete.<ref name="Oplustil2003"/> So schreiben [[Ulrich Gregor]] und [[Enno Patalas]] in ihrer ausführlichen Filmgeschichte: ''„[Anthony Mann] ist wie keinem anderen die Regeneration des Western zu verdanken.“''<ref name="Gregor1976"/> Der Western hatte in den 1940er Jahren zunehmend an Bedeutung verloren und fand vor allem in einfachen „Cowboy-und-Indianer-[[B-Movie]]s“ seinen Weg auf die Leinwand. Der große finanzielle Erfolg von ''Winchester ’73'' brachte die Studios dazu, vermehrt Gelder in die Produktion von Western zu stecken und wird oft als Startpunkt der an den Kinokassen und bei Filmkritikern äußerst erfolgreichen Phase des amerikanischen Westernfilms bis in die 1960er Jahre gesehen. Darüber hinaus sind die komplexeren Figuren und die darin mitschwingende kritischere Sicht auf die [[Geschichte der Vereinigten Staaten|Besiedlung Amerikas]] und den Westernfilm an sich ein neuer Ansatz, den sich ''Winchester ’73'' mit anderen Western dieser Zeit teilt. Die folgenden Filme – in der amerikanischen Filmgeschichte auch „adultwestern“ genannt – übernehmen zum Großteil diese Sichtweise. Der Western wurde vom einfachen Abenteuerfilm zur ''„Spielwiese für Fragen der Macht, Moral und Politik“''<ref name="Koebner2003"/> erhoben. Neben Manns Filmen sind es u.&nbsp;a. die Western von [[John Ford]], der mit ''[[Ringo]]'' und ''[[Faustrecht der Prärie]]'' schon vor 1950 ähnliche Ansätze zeigt, die den amerikanischen [[Edelwestern]] der 1950er prägten und die Motive des [[Spätwestern]] schon vorwegnahmen. Davon unabhängig wird ''Winchester ’73'' auch in eine Untergruppe der Western dieser Zeit eingeordnet, die vor allem die Waffen und das Schießen thematisieren. Andere Filme dieser Gruppe wie ''[[Vera Cruz (Film)|Vera Cruz]]'' ([[Robert Aldrich]], 1956) oder ''[[Der Scharfschütze (1950)|Der Scharfschütze]]'' ([[Henry King]], 1950) enthalten ebenfalls Duelle und die Verehrung von Waffen oder zeigen das Leben besonders bekannter Schützen.<!-- //Anmerkung: ordentliche Quelle leider verloren gegangen//Der [[Italowestern]] bediente sich nicht nur an der Entwicklung der amerikanischen Western der 1950er und frühen 1960er Jahre, er zitiert dabei auch Manns Western explizit. So bedienen sich u.&nbsp;a. die beiden frühen und prägenden Italowestern [[Für eine Handvoll Dollar]] und [[Django]] sowohl der Geschichte als auch der Inszenierung des Helden bei Manns letzten Western mit James Stewart [[Der Mann aus Laramie]]. Diese Figur des geheimnisvollen Reiters ist eine Variation der Hauptrolle aus ''Winchester ’73.'' Auch in den Italowestern [[Sergio Leone]]s wird die Motivation des Helden oft bis zum Ende verschleiert. Die Inszenierung des Duells, die in Manns Filmen oft gelobt wird, findet im Italowestern durch eine eigenständige Inszenierung seinen Höhepunkt. Die Darstellung der Gewalt wird dabei erhöht und die Motivation der Helden abgeschwächt. --> == Inszenierung == === Filmstruktur und Spannungslenkung === Mit ''„[eine] Kombination von gerader Linie und Kreis zeigt sich in der Konstruktion der Handlung von Winchester ’73“''<ref name="Oplustil2003"/> beschreibt Oplustil die Haupterzählstruktur des Filmes, die sich in Lins geradlinige Verfolgung von Dutch und den Verlauf der titelgebenden Waffe aufteilt. Diese Unterscheidung von zwei Handlungsebenen nehmen die meisten Rezensenten des Films vor. Dabei teilen sich beide Handlungsstränge auf eine große Anzahl für das Western-Genre typische Szenen und [[Kulisse (Bühne)|Settings]] auf: Saloon, Wettschießen, (Kutschen-)Verfolgungsjagd, Lagerfeuer, Wagenburg, Kavallerie, Indianerüberfall, Indianerbelagerung, Sheriff gegen Banditenbande, Pokerspiel, Banküberfall und schließlich der finale Shoot-Out Mann gegen Mann. Trotz dieser ''„[[Anthologie]]“''<ref name="Nettelbeck1965"/> des Westernfilms und der zwei Handlungsstränge wird ''Winchester ’73'' von Kritikern häufig große Spannung zugesprochen. Die [[Formalspannung]] (eine inhaltsunabhängige Untersuchung des Schnitte-pro-Minute-Verhältnisses eines Films; siehe Grafik unten) weist durch einige hervorstechende Höhepunkte vor allem auf die Sequenzen der Indianerangriffe und des Banküberfalls und finalen Shoot-Outs als spannend inszeniert hin. Diese Sequenzen werden auch in Besprechungen als Spannungshöhepunkte beschrieben; vor allem der finale Shoot-Out der beiden Brüder wird meist hervorgehoben. Mann wählte eine Felsformation mitten in der Wüste als Hintergrund für dieses Duell und zeigt sich erfreut, als er diesen Drehort entdeckt hatte, da die ''„beiden Männer […] nicht auf einem flachen Terrain miteinander [hätten] kämpfen dürfen. Beide sind zu gute Schützen, das Duell hätte nur 15 Sekunden gedauert.“''<ref name="Oplustil2003"/> [[Bild:Schnittfrequenzgrafik (Winchester 73).png|center|framed|Die Anzahl der Schnitte pro Minute als [[Transkription (Filmanalyse)#Visualisierung|Schnittfrequenzgrafik]]. Hervorstechende Sequenzen sind markiert und inhaltlich beschrieben.]] Der filmübergreifende Spannungsbogen ergibt sich bei ''Winchester ’73'' aus der Suche von Lin nach seinem Bruder. Diese Beziehung setzt Beginn und Ende und ist ''„zentraler Focus“''<!-- "but always Stewart's search for Stephen McNally is the central focus of Winchester 73" --><ref name="Loy2004"/> des Films. Die große Anzahl von Sequenzen in der Mitte des Films, die sich nur um die Geschichte der Winchester drehen, werden immer wieder von kurzen Reiseszenen Lins unterbrochen (siehe Grafik), denn ''„auch wenn die Erzählung ein wenig fragmentiert ist, […] [Lin] hat die Aufgabe den Film zusammenzuhalten“.''<!-- "''If the narrative is a bit fragmented, Stewart has the job of holding the film together.''" --><ref name="Frazer2003"/> [[Bild:Zeitleiste (Winchester 73).png|center|framed|''Winchester ’73'' als [[Transkription (Filmanalyse)#Visualisierung|Zeitleiste]], in der zur Orientierung Filmminuten und Sequenzen angegeben sind. Die blau markierten Bereiche stellen Szenen- und Szenenfolgen dar, in denen die Hauptfigur Lin auftritt. Zusätzlich sind Stellen, die neue Informationen über die Beziehung von Lin und seinem Bruder preisgeben, und Filmschnitte, die durch eine Ab- und Aufblende über schwarzes Bild den Film aufteilen, markiert.]] Zusätzlich wird Spannung dadurch erzielt, dass sich die genaue Beziehung (Lin und Dutch sind Brüder) und die Motivation von Lin (Dutch hat den gemeinsamen Vater umgebracht) erst im Laufe des Films stückweise dem Zuschauer erklärt. So erfährt der Zuschauer, nachdem er zu Beginn des Filmes keine Erklärung für die Jagd auf Dutch geboten bekommen hat, unter anderem zunächst nur, dass Lin und Dutch den gleichen Lehrer für den Umgang mit Waffen hatten; später wird dieser durch eine Fotografie als wahrscheinlicher gemeinsamer Vater enthüllt und erst kurz vor Schluss wird der Vatermord als Begründung für Lins Rachelust offenbart. Anthony Mann hat sich laut Stewart zu dieser Filmkonstruktion in ''Winchester ’73'' mit ''„don’t spill the beans“''<ref name="Lindenschmidt1989"/> (deutsch: „nicht gleich alles ausplaudern“) geäußert; eine Filmkonstruktion, die Mann auch in weiteren Filmen einsetzte (z.&nbsp;B. in ''[[Der Mann aus Laramie]],'' 1955, und ''[[Der Stern des Gesetzes]],'' 1957). Der Weg der Waffe als weiterer Handlungsstrang wird schon durch eine Texttafel am Anfang des Films deutlich. Sie verheißt, dass der folgende Film „die Geschichte der Winchester Büchse, Modell 1873“ sei. Weiter heißt es: „Dem Cowboy und dem Soldaten, dem Polizisten und dem Verfolgten war die Winchester 73 ein teurer Besitz. Und jeder Indianer hätte für dieses Gewehr seine Seele verkauft“ Dieser Fokus auf die Winchester wird auch in der Montage deutlich, so beginnt jedes der fünf durch eine Auf- und Abblende gekennzeichnete Kapitel des Filmes mit einer Nahaufnahme der Winchester. Erst mit einer Kamerafahrt wird der jeweilige Besitzer der Waffe in den Focus der Erzählung gerückt. Der Anfang des Films wird dabei jedoch durch eine Überblendung von der beschriebenen Texttafel auf die in einem Schaukasten ruhende Winchester realisiert. === Motive: Rache und Gier === Mann nutzt in seinem Film zwei Hauptmotive: Rache und Gier.<ref name="Nettelbeck1965"/><ref name="Loy2004"/> Diese für den Western typischen Motive treiben die jeweiligen Haupterzählstränge des Filmes voran. Dabei ist vor allem die Rache als Motivation der Hauptfigur in den amerikanischen Western der 1950er und 1960er (u.&nbsp;a. ''[[Der schwarze Falke]]'') und stärker noch im Italowestern ab 1963 als Hauptmotiv zu finden. Die Waffe zeigt die Gier der Charaktere und veranlasst sie zu verbrecherischen Taten wie einem kaltblütigen Mord, um sie in den eigenen Besitz zu bringen. In ''Movies and Methods. Vol. I'' wird die Winchester in ''Winchester ’73'' als ähnlich einem ''„göttlichen Objekt“'' beschrieben, das in einer sich verändernden Welt für etwas „''Beständiges, Perfektes und Schönes“'' steht und in der Art der ''„Waffen in der mittelalterliche Romantik“'' alleine durch die Präsenz das wahre menschliche Verhalten zeigt.<ref name="Nichols1976"/> Die Besonderheit der Sonderausgabe der Winchester, die im Film vorkommt, wird durch eine hohe Anzahl von Szenen hervorgehoben: Die Dorfbewohner bestaunen die Winchester im Schaukasten, der Sheriff stellt sie beim Duell als Hauptpreis ausgiebig vor und auch die folgenden Banditen, Indianer und Soldaten nehmen sich Zeit, die Winchester zu betrachten und zu preisen. Dabei wird die Waffe in vielen Rezensionen als eine Art [[MacGuffin]] beschrieben, der lediglich Aktionen der Personen veranlassen soll. Die Rache als Motiv des Protagonisten Lin treibt die andere Handlungsebene voran. Diese Rache wird durch die Konstellation zweier Brüder noch verstärkt. Es ist ein Motiv, das Mann auch in seinen folgenden Western einsetzen wird. Manns rachegetriebene Protagonisten, die in den Folgefilmen mehr noch als Lin in ''Winchester ’73'' außerhalb der Gesellschaft leben, zeigen dabei oft gleiche Charakteristika. Lin hat ein Leben in der Gesellschaft aufgegeben, um seine Rache auszuüben. Die Dauer der Suche nach Dutch wird dem Zuschauer nicht genau offenbart. Spätere Stewart/Mann-Protagonisten leben noch stärker in ihrer Vereinsamung und kämpfen nicht mehr wie Lin neben der Rache für die „gerechte Sache“. Dabei werden die negativen Aspekte der Protagonisten bei Mann durch den Vollzug oder das Ablassen von Rache am Ende des Filmes wieder zu rechtschaffenen Bürgern, denn die ''„[[Kain|Kain und Abel]]-Motive von Manns Western ''(Winchester ’73, [[Meuterei am Schlangenfluß]])'' […] scheinen eine Lösung deshalb zu finden, weil der Held positiv auf die geänderten Situationen reagiert“.''<ref name="Nichols1985"/> === Gewaltausbrüche === Besonders in der späteren Rezeption des Filmes wird auf den Gewaltausbruch Lins in der letzten Sequenz des Filmes eingegangen. Lin überwältigt Waco Johnny Dean dabei und ''„greift Deans Arm, verdreht ihn boshaft hinter dessen Rücken, und schlägt dessen Gesicht auf den Tresen, während Dean um Gnade bettelt“.''<!-- "Lin grabs Dean's arm, viciously twists it behind his back, and slams his face into the counter while Dean begs for mercy" --><ref name="Yoggy1999"/> Der Wutausbruch, der sich darüber hinaus im Gesicht des Schauspielers Stewart deutlich zeigt, wird dabei aus einer Untersicht gefilmt und ohne Vorwarnung inszeniert. Das Verhalten des Helden, das völlig entgegen den damaligen Westernkonventionen steht, wurde also als Schockeffekt inszeniert und zeigt deutlich die negative Seite des Protagonisten, der somit Züge eines Anti-Helden annimmt. Der Gewaltausbruch wird auch in späteren Mann/Stewart-Western – oft mit einer fast identischen Inszenierung – und weiteren Mann-Filmen genutzt, um den Zwiespalt des Charakters des Hauptdarstellers offenzulegen. == Medien == ''Winchester ’73'' wurde auf [[35 mm]]-[[Schwarzweiß]]-Film gedreht und – mit einem Bildformat von 1,37:1 – auch 1950 in die Kinos gebracht.<ref name="imdb2006"/> Für die deutsche Kinoauswertung 1951 erfuhr der Film eine [[Synchronisation (Film)|Synchronisation]] in deutscher Sprache. [[Siegmar Schneider]] spricht hier wie in über 30 weiteren deutschen Synchronisationen Stewart. Ab den 1970er Jahren wurde der Film in Deutschland häufig von verschiedenen Fernsehsendern (unter anderem [[ZDF]], [[Bayerisches Fernsehen]] und [[kabel eins]]) ausgestrahlt. Eine Auswertung auf [[Video Home System|VHS]] und [[DVD]] folgte. Für die [[Laserdisc]]-Veröffentlichung des Heimvertriebs von [[Universal Studios|Universal]] wurde ein [[Audiokommentar]] in Form eines Interviews mit [[James Stewart]] produziert. Dieser einzige Audiokommentar Stewarts wurde ebenfalls auf nachfolgenden DVD-Veröffentlichungen integriert. == Auszeichnungen == Die [[Writers Guild of America]] nominierte in ihrer dritten Auszeichnungs-Gala 1951 das Drehbuch von Robert L. Richards und Borden Chase in der Kategorie des besten Drehbuchs für einen Westernfilm. ''Winchester ’73'' verlor jedoch gegen ''[[Der gebrochene Pfeil]]'' ([[Delmer Daves]], 1950) nach einem Drehbuch von Albert Maltz, der ebenfalls James Stewart in der Hauptrolle hatte.<ref name="wg2006"/> Das [[American Film Institute]] hat in seiner Liste zur Nominierung der „besten amerikanischen Filme aller Zeiten“ ''Winchester ’73'' auf Rang 578 platziert.<ref name="afi2006"/> == Einzelnachweise == <!-- Zentrale Definition von Einzelnachweisen (siehe [http://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Hilfe_Diskussion:Einzelnachweise/Beispiele&oldid=26541550 hier]]). --> <div style="display:none"> <ref name="Bernstein2000">Bernstein, Matthew: ''Walter Wanger. Hollywood independent''. University of Minnesota Press, Minneapolis 2000, S. 207ff, ISBN 0-8166-3548-X</ref> <ref name="Boorman2003">Boorman, Dean K.:''Die Waffen von Winchester''. Motorbuch-Verlag. Erste Auflage 2003, Seite 38, ISBN 3-7276-7141-6</ref> <ref name="Brühne2002">Brühne, Klaus (Hrg): ''Lexikon des internationalen Films''. rororo, Reinbek 2002. Lemma: ''Winchester 73''</ref> <ref name="Ebert1997">[[Roger Ebert|Ebert, Roger]]: ''Screen icon James Stewart dies''. In: [[Chicago Sun-Times]] 3. Juli 1997. ([http://www.reelclassics.com/Actors/Jimmy/jimmy-article4.htm online])</ref> <ref name="Frazer2003">Frazer, Bryant: ''WINCHESTER ’73 [A-] (Mann, 1950)''. Auf: [http://www.deep-focus.com Deep-Focus]. Abgerufen am 7. Dezember 2003 ([http://www.deep-focus.com/flicker/summer2003.html#winchester73 online])</ref> <ref name="Gregor1976">Gregor, Ulrich/Patalas, Enno: ''Geschichte des Films 2. 1940-1960.'' Reinbek bei Hamburg: Rowohlt 1976</ref> <ref name="Koebner2003">Koebner, Thomas (Hrg.): ''Filmgenres. Western.'' Reclam, Stuttgart 2003, Seite 36, ISBN 3-15-018402-9</ref> <ref name="Grant2003">Grant, Barry Keith (Hrg.): ''Fritz Lang: Interviews.'' University Press of Mississippi, Jackson 2003, Seite 57 ISBN 1-57806-577-1</ref> <ref name="Lindenschmidt1989">Lindenschmidt, Paul: ''Interview with James Stewart''. In: Winchester ’73. Universal DVD. 1989</ref> <ref name="Loy2004">Loy, R. Philip: ''Westerns in a Changing America. 1955-2000''. 2004, S. 39</ref> <ref name="Nettelbeck1965">Nettelbeck, Uwe: ''Winchester ’73''. In: ''Filmkritik.'' Heft 4. 1965 (9. Jg.)</ref> <ref name="Nichols1976">Nichols, Bill (Hrg.): ''Movies and Methods. Vol. I.'' University of California Press: Berkley und Los Angeles, 1976, S. 159</ref> <ref name="Nichols1985">Nichols, Bill (Hrg.): ''Movies and Methods. Vol. II.'' 1985, S. 176</ref> <ref name="afi2006">o.A.: ''AFI 100 Greatest American Movies of All Time Nominees''. Auf: [http://www.films101.com films101.com]. Abgerufen am 1. November 2006 ([http://www.films101.com/afi100n.htm online])</ref> <ref name="imdb2006">o.A.: ''Technical Specifications for Winchester ’73''. Auf: [http://german.imdb.com imdb.com]. Abgerufen am 20. Oktober 2006 ([http://german.imdb.com/title/tt0043137/technical online])</ref> <ref name="wg2006">o.A.: ''Writers Guild Awards. Past Winners.'' Auf: [http://www.wga.org wga.org]. Abgerufen am 1. November 2006 ([http://www.wga.org/awards/awardssub.aspx?id=1551 online])</ref> <ref name="O'Hanlon-Lincoln2006">O’Hanlon-Lincoln, Ceane: ''County Chronicles, Volume II: A Vivid Collection of Pennsylvania Histories''. Mechling Bookbindery: Chicora 2006, Seite 9, ISBN 0-9760563-4-8</ref> <ref name="Oplustil2003">Oplustil, Karlheinz: ''Winchester ’73''. In: ''Bernd Kiefer / Norbert Grob (Hrg.): Filmgenres. Western.'' Ditzingen: Reclam 2003</ref> <ref name="Seeßlen1979">George Seeßlen, Claudius Weil: ''Grundlagen des populären Films 1: Western-Kino. Geschichte und Mythologie des Western-Films.'' Rowohlt Taschenbuch Verlag GmbH, Reinbek bei Hamburg. 1979</ref> <ref name="Bl1951">Bl., Th.: ''Winchester ’73''. In: ''Deutsche Film-Illustrierte''. Heft 25 1951</ref> <ref name="Time1950a">''Time''. August 19. Juli 1950</ref> <ref name="Time1950b">''Time''. 21. August 1950</ref> <ref name="Weniger2001">Weniger, Kay (Hrg): ''Das große Personenlexikon des Films.'' Schwarzkopf & Schwarzkopf, Berlin 2001. Lemma: ''Anthony Mann'', ISBN 978-3-89602-340-7</ref> <ref name="Yoggy1999">Yoggy, Gary A.: ''Back in the Saddle: Essays on Western Film and Television Actors''. McFarland & Company, 1999. Seite 103, ISBN 0-7864-0566-X</ref> </div> <div class="references-small" style="-moz-column-count:2; column-count:2;"> <references /></div> == Literatur == * Jim Kitses: ''Horizons West - Directing the Western from John Ford to Clint Eastwood.'' London: British Film Institute 2004. Seite 139-171, ISBN 1-84457-050-9 (''Analyse der Figuren, Themen und Inszenierungsstrategien in Anthony Manns Western'') * Karlheinz Oplustil: ''Winchester ’73''. In: ''Bernd Kiefer / Norbert Grob (Hrg.): Filmgenres. Western.'' Reclam, Ditzingen 2003, ISBN 3-15-018402-9 (''Kurzanalyse von'' Winchester ’73) == Weblinks == * {{IMDb Titel|tt0043137|Winchester ’73}} * {{OFDb|11234|Winchester ’73}} * {{rottentomatoes|1=winchester_73|2=Winchester ’73}} {{Navigationsleiste Filme von Anthony Mann}} {{Exzellent}} [[Kategorie:Filmtitel 1950]] [[Kategorie:US-amerikanischer Film]] [[Kategorie:Schwarzweißfilm]] [[Kategorie:Western]] [[ca:Winchester '73]] [[cs:Winchester '73]] [[en:Winchester '73]] [[es:Winchester '73]] [[fi:Winchester '73 – kohtalon ase]] [[fr:Winchester '73]] [[it:Winchester '73]] [[pt:Winchester '73]] [[sv:Winchester '73]] 5i0jofyxodr7thgfyhsied9mmuk97sd wikitext text/x-wiki Windbergbahn 0 24521 27124 2010-04-18T20:03:57Z Rolf-Dresden 0 so besser lesbar {| class="wikitable float-right" {{BS-header|Abzw Freital Ost–Possendorf}} {{BS-daten |KBS=159g <small>(1957)</small> |STRECKENNR=6609; sä. [[Liste der Eisenbahnstrecken in Sachsen|PP]] |LÄNGE=13,266 |SPURWEITE=1435 |STRECKENKLASSE=C3 |NEIGUNG=25 |RADIUS=85 |V-MAX= |BILDPFAD_KARTE=Karte der Windbergbahn.png |PIXEL_KARTE=280px |TEXT_KARTE= }} {{BS-table}} {{BS|STR|||[[Bahnstrecke Dresden-Werdau|von Dresden]]}} {{BS|BST|-0,039|Abzw Freital Ost|([[Blockstelle|Bk]])|156 m}} {{BS|ABZrf|0,000||[[Bahnstrecke Dresden-Werdau|nach Werdau Bogendreieck]]}} {{BS|eABZrg|||Anst Weizenmühle Plauenscher Grund}} {{BS|eDST|0,26{{0}}|[[Freital]] Ost|früher Niedergittersee|}} {{BS|HST|0,492|Freital-[[Birkigt (Freital)|Birkigt]]||158 m}} {{BS|BRÜCKE2|0,872||EÜ Coschützer Straße (18 m)}} {{BS|eABZrg|1,476||Anst [[Moritzschacht]]}} {{BS|eABZlg|5,035||Anst [[Meiselschacht]]}} {{BS|BRÜCKE2|5,204||EÜ Karlsruher Straße (18 m)}} {{BS|eABZrg|||Anst [[Gewerbegebiet Coschütz/Gittersee]]}} {{BS|BHF|5,683|[[Dresden]]-[[Gittersee]]||276 m}} {{BS|xENDEe|6,060||(Ende Strecke 6609)}} {{BS|exABZrf|6,59{{0}}||Anst [[Reiboldschacht]]}} {{BS|exABZlg|||Windberg-Zweigbahn}} {{BS|exBST|7,866|Abzw Kleinnaundorf Po77}} {{BS|exABZrf|8,224||Anst [[Glück-Auf-Schacht]]}} {{BS|exHST|8,314|[[Kleinnaundorf]]||307 m}} {{BS|exABZrf|8,990||Anst Steinbruch Thürk}} {{BS|exHST|9,530|[[Cunnersdorf (Bannewitz)|Cunnersdorf]] (b Freital)||304 m}} {{BS|exABZlf|9,608||Anst [[Marienschacht]]}} {{BS|exBHF|10,500|[[Bannewitz]]||299 m}} {{BS|exBRÜCKE2|10,730||EÜ Horkenstraße}} {{BS|exBHF|11,753|[[Hänichen]]-[[Goldene Höhe]]||306 m}} {{BS|exABZrg|12,142||Zweigbahn zum [[Beharrlichkeitsschacht]]}} {{BS|exABZrf|||Anst [[Berglustschacht]]}} {{BS|exABZlf|||Zweigbahn zum [[Hermannschacht]]}} {{BS|exBHF|13,266|[[Possendorf (Bannewitz)|Possendorf]]||300 m}} {{BS|exENDEe|13,573||(Streckenende)}} |} |} Die '''Windbergbahn''' (auch ''[[Sächsische Semmeringbahn]], Possendorfer Heddel'') ist eine normalspurige [[Nebenbahn]] bei [[Dresden]] in [[Sachsen]], die als erste deutsche [[Gebirgsbahn]] gilt. Erbaut wurde sie 1856 durch die [[Albertsbahn AG]] als ''Hänichener Kohlezweigbahn'' für die Abfuhr der am [[Windberg (Freital)|Windberg]] bei Freital geförderten [[Steinkohle]]. Nach einem Umbau zu einer öffentlichen Linie und der Verlängerung nach [[Possendorf (Bannewitz)|Possendorf]] war sie auch eine bedeutende Ausflugsbahn. Der obere Abschnitt wurde bereits 1951 stillgelegt, die Reststrecke diente bis 1989 vor allem den strategisch wichtigen Uranerztransporten der [[SDAG Wismut]]. Der verbliebene Güterverkehr endete 1993. Seit 2008 befindet sich das noch vorhandene Gleis bis Dresden-Gittersee im Eigentum des ''Sächsischen Museumsbahn Vereins Windbergbahn e.&nbsp;V.<!--Name offiziell mit Deppenleerzeichen-->'', der eine Nutzung als [[Museumsbahn]] anstrebt. Die Windbergbahn steht seit 1980 wegen ihrer eisenbahngeschichtlichen Bedeutung unter [[Industriedenkmal|Denkmalschutz]]. == Geschichte == === Vorgeschichte === Erste Nachweise für die Förderung von [[Steinkohle]] im [[Döhlener Becken]] stammen schon von 1452. Aber erst mit der beginnenden Industrialisierung Anfang des 19.&nbsp;Jahrhunderts nahm der Abbau größere Ausmaße an. In dieser Zeit entstanden auch die ersten Tiefbauschächte. Dem Transport der Kohle nach Dresden diente in dieser Zeit die ''[[Kohlenstraße]]'', die von den Fördergebieten bei [[Hänichen]] und am [[Windberg (Freital)|Windberg]] über [[Coschütz (Dresden)|Coschütz]] direkt zu den Abnehmern in Dresden führte. Im Jahr 1849 entstand mit dem [[Hänichener Steinkohlenbauverein]] eine Aktiengesellschaft, zu der die Gruben ''Beckerschacht, Beharrlichkeitsschacht'' und ''Berglustschacht'' bei Hänichen gehörten. Der Hänichener Steinkohlenbauverein forderte 1852 den Bau einer Eisenbahnverbindung zu den Schächten auf privater Basis, um die unzureichenden Transportverhältnisse zu verbessern. Die Strecke sollte in [[Niedersedlitz]] an der [[Bahnstrecke Dresden–Děčín|Sächsisch-Böhmischen Staatseisenbahn]] beginnen und durch das [[Lockwitz]]tal nach Hänichen führen. Die nötige Konzession wurde allerdings verweigert, da der sächsische Staat zu dieser Zeit vor allem an gewinnbringenden Hauptbahnen interessiert war. Ähnliche Forderungen nach einer Eisenbahnverbindung kamen jedoch zur gleichen Zeit auch von den Bergbauunternehmern und Fabrikanten des [[Plauenscher Grund|Plauenschen Grundes]]. Hier stimmte der sächsische Staat den Plänen zum Bau einer Bahnstrecke zu, die von Dresden aus bis [[Tharandt]] führen und später ein Teil einer Fernverbindung Richtung [[Freiberg (Sachsen)|Freiberg]] und [[Chemnitz]] werden sollte. Am 4.&nbsp;Mai 1853 gründete sich die [[Albertsbahn]]gesellschaft, am 28.&nbsp;Juni 1855 wurde ihre Strecke von Dresden nach Tharandt eröffnet. Die Konzession zum Bau der Strecke Dresden–Tharandt bezog auch den etwaigen Bau einer Zweigbahn nach Hänichen mit ein. Am 31.&nbsp;Mai 1855 schloss die Albertsbahn AG mit dem Hänichener Steinkohlenbauverein einen Vertrag, der die Einrichtung einer Zweigbahn zu deren Schächten bei Hänichen vorsah. === Bau und Eröffnung === Der Bau der Hänichener Kohlenzweigbahn erwies sich letztlich als außerordentlich problematisch. Wegen der enormen Höhenunterschiede war zunächst der Bau einer Seilzugbahn konzipiert worden, die an eine mit Pferden betriebene Strecke im [[Poisental]] anschließen sollte. Eine solche Lösung hätte allerdings eine viel zu niedrige Beförderungskapazität gehabt, so dass sie – auch aus Kostengründen – verworfen wurde. [[Datei:Windbergbahn 1895.png|miniatur|links|Die Streckenführung der ''Hänichener Kohlezweigbahn'' am Windberg]] Der für die Planung und Bauleitung zuständige Eisenbahningenieur [[Karl Gustav Brescius]] entwarf schließlich eine als reine [[Adhäsionsbahn]] konzipierte Trassenführung, die in künstlicher Längenentwicklung in Kehren am [[Birkigt (Freital)|Birkigter]] Hang aufwärts führte. Durch eine geschickte Wahl der Streckenführung gelang es, ohne teure Kunstbauten wie Brücken und Einschnitte auszukommen. Die meisten Zechen konnten zudem durch sehr kurze Anschlussbahnen an die neue Strecke angeschlossen werden. Allerdings war auch hier zunächst noch ein Betrieb mit Pferden vorgesehen. [[Datei:Brescius Graphik Windbergbahn.jpg|miniatur|Die Trasse auf einer Zeichnung von Guido Brescius (1861)]] Nach Bekanntwerden des Bahnprojektes schlossen die interessierten Steinkohlenwerke Anschlussverträge mit der Albertsbahn&nbsp;AG über die zu transportierenden Tonnagen ab. Die avisierten Transportmengen nahmen jedoch einen solchen Umfang an, dass an einen Betrieb mit Pferden nicht mehr zu denken war. Karl Gustav Brescius plante die Strecke nunmehr als normale Lokomotiveisenbahn. Gegen erhebliche Widerstände von Kritikern des eigenen Berufsstandes und den Aktionären der Albertsbahn setzte er letztlich seinen Plan durch. Im Lauf des Jahres 1855 begannen schließlich die Bauarbeiten, die rasch voranschritten. Am 4.&nbsp;April 1856 wurde die Abzweigweiche zur Albertsbahn in Niedergittersee eingebaut. Am 21.&nbsp;Oktober 1856 war die Strecke mit der Prüfung durch ein Sachverständigengremium fertiggestellt. Im Februar und März 1857 lieferte die Firma [[Sächsische Maschinenfabrik|Hartmann]] in [[Chemnitz]] die drei bestellten Lokomotiven aus.<ref>Günther Reiche: ''Der Chemnitzer Maschinenbauer Richard Hartmann und seine Lokomotiven''. Oberbaum Verlag, Chemnitz 1998, S. 82.</ref> Der erste Leergüterzug fuhr am 1.&nbsp;April 1857 vom Dresdner Kohlehafen nach Hänichen, um am Nachmittag, beladen mit Kohle des Hänichener Steinkohlenbauvereins, wieder talwärts zu rollen. Damit hatte die erste Gebirgsbahn Deutschlands ihren Betrieb aufgenommen. Am 15.&nbsp;April 1857 unternahm der sächsische König [[Johann (Sachsen)|Johann]] eine Inspektionsfahrt auf der Hänichener Kohlenzweigbahn. Im Anschluss an die Fahrt äußerte er in einer Rede vor den Aktionären der Albertsbahn AG den Satz: ''„Nun meine Herren, jetzt stehen wir den Österreichern in nichts mehr nach. Auch wir haben nun eine Semmeringbahn, eine Sächsische Semmeringbahn.“'' Seitdem ist auch der Name ''Sächsische Semmeringbahn'' für die Strecke in Gebrauch.<ref>Jürgen Schubert: Die Windbergbahn. Verlag Kenning, Nordhorn 1993, S.&nbsp;16</ref> === Im Betrieb der Albertsbahn AG === [[Datei:Haenichener Kohlezweigbahn.jpg|thumb|Ein Kohlezug mit 5-Tonnen-Kohlehunten in Niedergittersee (1867)]] Die neue Bahn erfüllte von Beginn an die Erwartungen. Der Betrieb auf den engen Radien erwies sich als vollkommen sicher. Problematisch war in den ersten Betriebsjahren die zu geringe Ausstattung mit Betriebsmitteln. Bis zur Verstaatlichung hatte die Albertsbahn AG für die Hänichener Kohlezweigbahn nur 290 Fünf-Tonnen-[[Hunt]]e beschafft, was nie ausreichte. Das Problem verschärfte sich noch dadurch, dass der Hänichener Steinkohleverein als Hauptaktionär der Albertsbahn AG bei der Gestellung von Leerwagen bevorzugt wurde. Ab dem 10.&nbsp;März 1857 bot die Albertsbahn an Sonntagen auch Ausflugsfahrten für die Öffentlichkeit an. Die unbequemen Kohlehunte erhielten dafür eine Ausstattung mit Bänken. In jener Zeit wurde der geradezu legendäre Ruf der Windbergbahn als Ausflugsbahn begründet. === Nach der Verstaatlichung === Die Konzession für die Albertsbahn war zunächst auf 20&nbsp;Jahre bis 1873 an ausgestellt gewesen. Nach dem [[Deutscher Krieg|Deutschen Krieg]] 1866 strebte der sächsische Staat eine Verstaatlichung seiner Eisenbahnen an. Mit der schon länger geplanten Strecke zwischen Freiberg und Tharandt sollte zudem die notwendige Verbindung zwischen den bislang getrennten Netzen der Östlichen und Westlichen Staatsbahn entstehen. Die Albertsbahn AG setzte diesen Plänen keinen Widerstand entgegen, waren doch die erhofften reichen Gewinne für die Aktionäre ausgeblieben. So ging die Albertsbahn&nbsp;AG am 1.&nbsp;Juli 1868 für 2.862.800 [[Taler]] in das Eigentum des sächsischen Staates über. Zum Zeitpunkt der Verstaatlichung standen auf der Hänichener Kohlezweigbahn fünf Lokomotiven und 290 Fünf-Tonnen-Hunte mit einem Nettoladegewicht von 1450 Tonnen im Einsatz. [[Datei:Beharrlichkeitsschacht.jpg|miniatur|Der Beharrlichkeitsschacht in Rippien (1882)]] [[Datei:Umladeanlage Niedergittersee.jpg|miniatur|links|Schema der Umladeanlage Niedergittersee]] Im Jahr 1869 wurde der Lückenschluss zwischen Tharandt und Freiberg in Regie der [[Königlich Sächsische Staatseisenbahnen|Königlich Sächsischen Staatseisenbahnen]] vollendet. Damit erschlossen sich auch neue Absatzgebiete für die am Windberg geförderte Steinkohle. Da ein Übergang der Fünf-Tonnen-Kohlehunte der Albertsbahn auf Staatsbahngleise nicht zugelassen war, errichtete man 1870 in Niedergittersee eine Umladeanlage. Für den Einsatz auf der Umladeanlage ließ die Staatsbahn 1873 nochmals 80&nbsp;Kohlehunte in verbesserter Konstruktion herstellen, die unterflur entladen werden konnten. In den nächsten Jahrzehnten sank die beförderte Tonnage erheblich. Bemerkenswert ist der Rückgang von 171.000&nbsp;t im Jahr 1872 auf nur noch 137.000&nbsp;t sechs Jahre später. Grund dafür war die zunehmende Erschöpfung der bauwürdigen Vorräte im Windberggebiet. Der einst bedeutende Windbergschacht wurde 1877 stillgelegt, kurz darauf auch der benachbarte Neuhoffnungsschacht. Die Hänichener Kohlezweigbahn erfuhr 1879 eine Abstufung zur ''[[Haupt- und Nebenbahnstrecke|Secundärbahn]]''. In den Jahren 1893/94 erfolgte ein Streckenausbau für größere Achslasten. Von nun an war neben dem Einsatz stärkerer Lokomotiven auch die Beförderung normaler Zehn-Tonnen-Güterwagen zugelassen. Trotzdem blieb ein Teil der nicht mehr zeitgemäßen Fünf-Tonnen-Hunte bis nach 1900 im Einsatz. === Die Verlängerung nach Possendorf === [[Datei:Eroeffnungszug Windbergbahn.jpg|miniatur|Der Festzug zur Eröffnung des Personenverkehrs mit zwei Lokomotiven der [[Sächsische VII T (Bauart Hartmann)|Gattung VII&nbsp;T]] am 21.&nbsp;September 1907]] [[Datei:Eroeffnungszug Windbergbahn 2.jpg|miniatur|Am 30.&nbsp;September 1908 wurde die Streckenverlängerung bis Possendorf eröffnet.]] Um 1900 waren die Kohlevorkommen bei Hänichen erschöpft. Der Berglustschacht schloss 1905, die beiden anderen Schächte kurz darauf. Am 18.&nbsp;Mai 1906 wurde der Hänichener Steinkohlenbauverein aus dem Gewerberegister gestrichen. Nach der Entlassung der Belegschaften entstand in den Orten der Umgebung ein sozialer Notstand. In dieser Situation regte man erneut die Fortführung der Bahn bis Possendorf und den Ausbau zu einer dem öffentlichen Verkehr dienenden Linie an. Am 16.&nbsp;Dezember 1905 wurde der Ständekammer ein Dekret zum Ausbau der Kohlebahn vorgelegt. Noch vor Jahresende genehmigte der Landtag das Vorhaben. Das königliche Finanzamt bewilligte Anfang 1906 die erforderlichen Mittel von 490.000 [[Goldmark|Mark]], und der Bau konnte beginnen. Am 12.&nbsp;September 1907 begannen bei laufendem Betrieb die Umbauarbeiten. Neben der Verlängerung der Trasse bis Possendorf wurde auch der Oberbau der gesamten Strecke erneuert. Allerdings gelang nicht, die vorhandenen engen Radien deutlich zu erweitern, da dies eine umfassende Neutrassierung erfordert hätte. So blieb etwa auch der 85-Meter-Radius des Gleises im Geiersgraben erhalten. Nach nur 100 Tagen Bauzeit war die umgebaute Strecke bis Hänichen-Goldene Höhe fertiggestellt. Mit einem Festzug wurde die Strecke am 21.&nbsp;Dezember 1907 für den öffentlichen Verkehr eröffnet. Der Bau der Verlängerungsstrecke bis Possendorf dauerte indes noch weitere neun Monate. Am 30.&nbsp;September 1908 eröffnete der Possendorfer Bürgermeister den über einen Kilometer langen Neubauabschnitt. Am 1.&nbsp;Oktober 1908 begann der planmäßige Zugbetrieb in der Relation Dresden–Possendorf. Die neue Verbindung entwickelte sich in kürzester Zeit zu einer der wichtigsten Ausflugsbahnen Sachsens. Dem wurde noch vor dem Ersten Weltkrieg mit der Entwicklung leistungsstarker Lokomotiven und entsprechender Aussichtswagen entsprochen. === Im Betrieb der Deutschen Reichsbahn bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges === Nach dem Ersten Weltkrieg – am 1.&nbsp;April 1920 – gingen die Königlich Sächsischen Staatseisenbahnen in der neugegründeten [[Deutsche Reichsbahn|Deutschen Reichsbahn]] auf. Die Windbergbahn gehörte nun zum Netz der [[Reichsbahndirektion Dresden]]. [[Datei:Wasserhaus Freital-Birkigt.jpg|miniatur|Die Wasserstation in Freital-Birkigt wurde 1944 bei einem Luftangriff zerstört und später nur vereinfacht wieder aufgebaut.]] Der Kohletransport verringerte sich in den folgenden Jahren mit der Erschöpfung der Vorräte immer mehr. Die letzten beiden aktiven Schächte des Windberggebietes stellten 1930 ihre Förderung ein. Von nun an sank die Verkehrsleistung auf der Windbergbahn auf ein Minimum. Im Berufsverkehr verlor die Windbergbahn viele Reisende an den 1919 eingerichteten Linienbusverkehr auf der heutigen [[Bundesstraße 170|Bundesstraße&nbsp;170]]. Unverändert bedeutsam blieb dagegen der Ausflugsverkehr an Sonntagen. Ab 1933 versuchte die Deutsche Reichsbahn den Reisezugverkehr in Tagesrandlagen mit modernen Verbrennungstriebwagen rationeller zu gestalten. Sie stellte jedoch Mitte 1934 die Triebwageneinsätze aus unbekannten Gründen wieder ein.<ref>Jürgen Schubert: ''Die Windbergbahn''. Verlag Kenning, Nordhorn 1993, S.&nbsp;83.</ref> Mit Beginn des Zweiten Weltkrieges wurde der Ausflugsverkehr eingeschränkt, 1943 entfielen die sonntäglichen Ausflugszüge gänzlich. Der Fahrplan 1944 wies schließlich nur noch zwei Zugpaare an Werktagen aus. Sonntags war der Verkehr eingestellt.<ref>[http://pkjs.de/bahn/Kursbuch1944/Teil1/159g.jpg Deutsches Kursbuch – Jahresfahrplan 1944/45 – gültig vom 3.&nbsp;Juli 1944 bis auf weiteres]</ref> Am 24.&nbsp;August 1944 erfolgte erstmals ein [[Luftangriffe auf Dresden|Luftangriff auf die Industrieanlagen um Dresden]]. Vorrangiges Ziel des Bombenangriffs war das in Freital-Birkigt gelegene Mineralölwerk der [[Rhenania-Ossag]], das allerdings verfehlt wurde. Umso schwerer waren die Zerstörungen an der umliegenden Wohnbebauung, was viele Todesopfer in der Zivilbevölkerung forderte.<ref>''Der Ablauf der Angriffe''. In: ''Sächsische Zeitung'', 12. Februar 2005.</ref> Auch der Bahnhof Freital-Birkigt erlitt dabei erhebliche Beschädigungen. === Nach dem Zweiten Weltkrieg === Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges wurde der Verkehr auf der Windbergbahn am 14.&nbsp;Mai 1945 wieder aufgenommen. Personenzüge verkehrten allerdings fortan fast ausschließlich für den Berufsverkehr. Sonntags fuhr nur ein einziges Reisezugpaar. In der Nachkriegszeit fiel der nur schwach ausgelastete Abschnitt zwischen Kleinnaundorf und Possendorf den Maßnahmen zur Oberbaustoffgewinnung für den [[Berliner Außenring]] zum Opfer. Der Streckenabschnitt wurde am 20.&nbsp;April 1951 stillgelegt und binnen einer Woche abgebaut. Die ausgebauten Schienen der Bauform S33 nutzte man wenig später für den Umbau der [[Bahnstrecke Frose–Quedlinburg]], um deren stärkere Schienen der Bauform S49 gewinnen zu können.<ref>http://www.selketalbahn.de/streckenverlaengerung.htm?gde-qlb/chronik.htm</ref> === Als Erzbahn im Dienst der SDAG Wismut === Das sowjetische Bergbauunternehmen [[Wismut (Unternehmen)|Wismut AG]] (ab 1954: SDAG Wismut) errichtete 1952 in Gittersee eine Erzaufbereitungsanlage und reicherte dort die in Sachsen geförderten [[Uran]]erze für den Transport in die [[Sowjetunion]] an. Von nun an nahm der Güterverkehr auf der Windbergbahn auf enorme Weise zu. Problematisch war in dem Zusammenhang die nun vorrangig bergwärtige Lastrichtung. Die aus dem Westerzgebirge in Freital-Potschappel eintreffenden Erzzüge wurden in Freital-Birkigt geteilt und dann mit je zwei der betagten Windbergbahnlokomotiven bergwärts befördert. In den Jahren 1951 und 1952 teufte zudem der VEB Steinkohlenwerk Freital am Bahnhof Gittersee einen neuen Schacht ab. Das Steinkohle-Bergwerk nahm 1954 seinen Betrieb auf. Die Wismut AG förderte dort auch Urankohle, die später alleiniges Produkt des Schachtes war. Damit stieg der Güterverkehr auf der Windbergbahn noch weiter an. Die [[Reichsbahndirektion Dresden]] beantragte deshalb 1957 beim Verkehrsministerium die Einstellung des Personenverkehrs, um fortan sämtliche Strecken- und Fahrzeugkapazitäten für den Uranerzverkehr zur Verfügung zu haben. Am 9.&nbsp;November 1957 fuhren schließlich die letzten Reisezüge auf dem verbliebenen Abschnitt zwischen Dresden und Kleinnaundorf. In den folgenden Jahren wurde die nun militärisch wichtige Strecke zunehmend in die Vergessenheit gedrängt. Die Erzwäsche schloss 1965. Von nun an lag die vorrangige Lastrichtung wieder talwärts. Haupttransportgut war nun die in Gittersee geförderte Urankohle, die in Ganzzügen nach den Aufbereitungsbetrieben in [[Crossen (Zwickau)|Crossen]] und [[Seelingstädt]] gebracht wurde. Auf dem Gelände der Erzwäsche entstand Ende der 1960er Jahre ein [[Pneumant]]-Reifenwerk, das fortan zu einem weiteren wichtigen Güterkunden avancierte.<ref>Jürgen Schubert: ''Die Windbergbahn''. Verlag Kenning, Nordhorn 1993, S. 89f.</ref> Der verbliebene Güterverkehr bis Kleinnaundorf endete 1967. Studenten bauten das Streckengleis Dresden-Gittersee–Kleinnaundorf von 1972 bis 1974 im Rahmen von [[FDJ-Studentensommer]]n ab.<ref>Jürgen Schubert: ''Die Windbergbahn.'' Verlag Kenning, Nordhorn 1993, S.&nbsp;88.</ref> Am 8.&nbsp;März 1979 stellte der Dresdner Professor [[Hans-Ullrich Sandig]] einen Antrag auf [[Denkmalschutz]] für die Windbergbahn. Am 10.&nbsp;April 1980 fand die Gesamtstrecke bis Possendorf als eine der ersten Eisenbahnstrecken auf dem Gebiet der DDR Aufnahme in die Kreisdenkmalliste. Am 20.&nbsp;Juli 1980 gründete sich im Rahmen des [[Deutscher Modelleisenbahnverband|Deutschen Modelleisenbahnverbandes]] (DMV) die „AG&nbsp;Windbergbahn“. Deren Mitglieder betreuten den Bahnhof Dresden-Gittersee und retteten ihn vor dem Verfall. Zwischen 1980 und 1985 restaurierten sie das Stationsgebäude, das sich wieder im Originalzustand von 1916 zeigt, und richteten darin 1988 eine Ausstellung zur Geschichte der Windbergbahn ein. Von nun an rückte die Strecke langsam wieder ins Blickfeld der Öffentlichkeit. Mitte der 1980er Jahre änderte sich die Politik der Sowjetunion, die bislang auf einer Erhaltung des strategischen Gleichgewichts durch immer mehr Atomwaffen ausgerichtet war. [[INF-Vertrag|Abrüstungsverträge]] mit den USA verringerten plötzlich den Bedarf an waffenfähigem Uran. Infolgedessen wurde u.&nbsp;a. auch die Stilllegung des Wismut-Schachtes in Dresden-Gittersee zum 31.&nbsp;Dezember 1989 verfügt. Damit verlor die Windbergbahn einen Großteil des bisherigen Güteraufkommens. Im Dezember 1993 endete schließlich auch der zuletzt noch für einige Anschließer im heutigen [[Gewerbegebiet Coschütz/Gittersee]] ausgeführte Güterverkehr. === Neue Perspektiven als Museumsbahn === Nach der politischen [[Wende (DDR)|Wende]] im Osten Deutschlands 1989/90 entstand aus der AG Windbergbahn der Sächsische Museumsbahn Verein Windbergbahn e.&nbsp;V.<!--Offiziell mit Deppenleerzeichen-->, der im Sommer 1991 ins [[Vereinsregister]] eingetragen wurde. Bereits ab dem 19.&nbsp;Mai 1991 organisierte er Sonderfahrten – die ersten Fahrten von Personenzügen auf der Windbergbahn seit 1957 – zwischen [[Dresden Hauptbahnhof]] und [[Gittersee]]. Seit im Dezember 1993 der Güterverkehr auf der Strecke eingestellt worden war, ist der Verein alleiniger Nutzer. Im Zuge der mehrmals jährlich durchgeführten Sonderfahrten war auf der Strecke auch der letzte erhaltene ''Windberg-Aussichtswagen'' unterwegs, der nach 14-jähriger Instandsetzung im September 1997 erstmals wieder Teil eines Personenzuges war. Ein Jahr danach, im November 1998, musste die Strecke wegen Schäden am [[Oberbau (Eisenbahn)|Oberbau]] gesperrt werden. Fahrten waren seither nur im Bahnhofsbereich von Dresden-Gittersee möglich. [[Datei:Bahnhof Dresden-Gittersee 2.jpg|miniatur|Der Museumsbahnhof Dresden-Gittersee (2009)]] Eine Zäsur war der nach 1997 geplante Ausbau der Strecke Dresden–Werdau. Um den kostenintensiven Neubau des Abzweigs einzusparen, strebte die Deutsche Bahn AG schließlich eine Stilllegung der Windbergbahn an. Am 2.&nbsp;Mai 2002 lehnte das [[Eisenbahnbundesamt]] (EBA) den Antrag zur Stilllegung der Strecke ab. Die Behörde begründete ihren Bescheid damit, dass ''„die Bahn den Großteil der Kosten für eine Neuanbindung der Strecke an die Hauptstrecke Chemnitz–Dresden einem Übernahmeinteressenten aufbürden wolle“''. Der Rechtsstreit mit dem EBA endete erst am 2. November 2006 mit einer mündlichen Verhandlung vor dem [[Verwaltungsgericht Dresden]]. Die DB&nbsp;AG zog ihren Einspruch im Lauf der Verhandlung zurück; der Bescheid des EBA erreichte damit Rechtskraft.<ref>[http://www.eba.bund.de/cln_015/nn_205976/SharedDocs/Aktuelles/DE/Presse_26Fachmitteilungen/Pressemitteilungen/Archiv/2006/stilllegung__1.html Presseinformation des Eisenbahn-Bundesamtes vom 14. November 2006]</ref> Daraufhin wurde die Strecke durch die DBAG zur Abgabe an ein privates Infrastrukturunternehmen ausgeschrieben. Als Kaufpreis forderte der Eisenbahnkonzern 113.000&nbsp;Euro, zuzüglich 11.000&nbsp;Euro jährlich für den Betrieb der Anschlussweiche in Freital Ost.<ref>''Windbergbahn steht zum Verkauf''. In: ''Sächsische Zeitung'' Ausgabe Dresden, 15. Dezember 2006.</ref> Ein Käufer fand sich bis zum Ende der Angebotsfrist am 23.&nbsp;Februar 2006 allerdings nicht. [[Datei:Myriameterstein.jpg|miniatur|links|hochkant=0.8|[[Myriameterstein]] am stillgelegten Abschnitt bei Bannewitz (2009)]] Nach der Gründung des [[Verkehrsverbund Oberelbe|Verkehrsverbundes Oberelbe]] (VVO) im Jahr 1998 wurde der historisch für die Windbergbahn verbürgte Name ''Sächsische Semmeringbahn'' zur Vermarktung der [[Bahnstrecke Bautzen–Bad Schandau|Sebnitztalbahn]] in der Sächsischen Schweiz benutzt. Daraufhin ließ sich der ''Windbergbahn e.&nbsp;V.'' im Jahr 2006 den Namen ''Sächsische Semmeringbahn'' beim [[Deutsches Patent- und Markenamt|Deutschen Patent- und Markenamt]] als [[Wortmarke]] schützen. Seitdem ist die kommerzielle Verwendung des Namens nur noch für die Windbergbahn zulässig. Für dieses Vorgehen kritisierten regionale Medien und die Öffentlichkeit, aber auch der VVO den Windbergbahnverein scharf.<ref>http://www.saechsische-semmeringbahn.de/aktuell.htm?meldung2006/t0612031.htm</ref> Die Sebnitztalbahn wird heute mit dem neu ''erfundenen'' Kunstnamen ''Sächsisch-Böhmische Semmeringbahn'' vermarktet.<ref>[http://www.vvo-online.de/de/vvo-shop/broschueren_downloads/fuer_touristen/index.aspx?product_id=2602 Informationsbroschüre des VVO zur Sächsisch-Böhmischen Nationalparkbahn als pdf-Download]</ref> Nachdem von Seiten einiger Kommunalpolitiker in Freital die Errichtung eines Radweges auf der Bahntrasse gefordert worden war, startete der Verein am 25.&nbsp;Mai 2008 eine Unterschriftensammlung für den Erhalt der Windbergbahn. Am 4.&nbsp;Dezember 2008 wurden die gesammelten 4743 Unterschriften dem Freitaler Stadtrat übergeben.<ref>http://www.saechsische-semmeringbahn.de/aktuell.htm?meldung2008/t0812041.htm</ref> Am 22.&nbsp;Dezember 2008 unterzeichneten die [[DB Netz|DB&nbsp;Netz&nbsp;AG]] und der Windbergbahn e.&nbsp;V. einen Pachtvertrag für die Eisenbahnstrecke Freital&nbsp;Ost–Dresden-Gittersee mit einer Laufzeit von 20 Jahren. Im Jahr 2010 sind die nötigen Gleisbauarbeiten und die baldige Aufnahme des Museumsbahnverkehrs geplant. Auch der Wiedereinbau der Abzweigweiche in Freital Ost ist in nächster Zeit vorgesehen, so dass wieder direkte Zugläufe zwischen Dresden Hbf und Gittersee möglich werden. Langfristig wird ein Wiederaufbau der Strecke bis zum Haltepunkt Boderitz-Cunnersdorf (Marienschacht) angestrebt.<ref>[http://www.saechsische-semmeringbahn.de/info/satzung_windbergbahn_ev.pdf Satzung des Sächsischen Museumsbahn Vereines Windbergbahn e.&nbsp;V. vom 7.&nbsp;März 2009]</ref> == Streckenbeschreibung == === Verlauf === [[Datei:Profil Windbergbahn.png|miniatur|Vereinfachtes Höhenprofil der Windbergbahn]] Der Beginn der Windbergbahn befindet sich unmittelbar an der Stadtgrenze zwischen Dresden und Freital, am Kilometer 5,717 der [[Bahnstrecke Dresden–Werdau]]. Direkt am Abzweig liegen die ehemaligen Anlagen des Güterbahnhofes Freital Ost mit dem Haltepunkt Freital-Birkigt. Nach dem Haltepunkt beginnt in einem Linksbogen die fünf Kilometer lange, durchschnittlich 25&nbsp;Promille steile Rampe bis zum Bahnhof Dresden-Gittersee. In etlichen Kehren führt das Gleis nun durch den Freitaler Stadtteil Birkigt bergwärts. Im Geiersgraben befindet sich in einem Rechtsbogen mit 85&nbsp;Metern Halbmesser der engste Radius der Strecke. Nach dem Bahnhof Dresden-Gittersee erreicht die Trasse noch weiter ansteigend das Windbergplateau. Im weiteren Verlauf führte das Gleis ohne größere Neigungen in Sichtweite der historischen [[Kohlenstraße]] über Kleinnaundorf und Bannewitz nach Hänichen. Das letzte Stück bis Possendorf lag in leichtem Gefälle parallel zur heutigen [[Bundesstraße 170|Bundesstraße&nbsp;170]] (Dresden–Zinnwald), die kurz vor dem Endpunkt niveaugleich überquert wurde. === Betriebsstellen === '''Abzweig Freital Ost''' An der ehemaligen [[Blockstelle]] Abzweig Freital Ost der [[Bahnstrecke Dresden–Werdau]] beginnt die Windbergbahn. Ab 1912 zweigte die Strecke nach rechts parallel zum Güterzuggleis nach Tharandt aus der Hauptbahn ab und unterquerte diese dann im sogenannten ''Höllenmaul''. Eine weitere Gleisverbindung zum Bahnhof Freital Ost diente nur dem Güterverkehr. Die Deutsche Reichsbahn baute 1946 beide Abzweiggleise als [[Reparation]]sleistung für die [[Sowjetunion]] ab. Sämtliche Zugfahrten fanden nun über das Gleis&nbsp;1 statt, das ursprünglich als separates Verbindungsgleis zum Bahnhof Freital-Potschappel errichtet worden war. Das ''Höllenmaul'' wurde 1984 verfüllt und beim Streckenausbau auf der Bahnstrecke Dresden–Werdau im Jahr 2003 gänzlich abgerissen. Seit 2003 besteht am Abzweig Freital Ost keine Abzweigweiche mehr.<ref>Jürgen Schubert: ''Die Windbergbahn''. Verlag Kenning, Nordhorn 1993, S.&nbsp;94f.</ref> '''Bahnhof Freital Ost''' [[Datei:Bahnhof Freital-Birkigt.jpg|miniatur|Haltepunkt Freital-Birkigt (2009)]] Der Bahnhof Freital Ost befand sich unmittelbar an der Abzweigstelle von der Hauptbahn Dresden-Werdau. Er diente stets nur dem Güterverkehr, der Personenverkehr nutzte den benachbarten Haltepunkt Freital-Birkigt. In seinen Ursprüngen geht der Bahnhof auf die Umladestation Niedergittersee zurück, wo die Kohle von den Zweigbahnwagen auf Wagen der Staatsbahn umgeladen wurde. In Freital Ost begann das Anschlussgleis der Weizenmühle im Plauenschen Grund. Mit der Einstellung des Güterverkehrs 1993 wurden die Anlagen aufgelassen und später teilweise zurückgebaut. '''Haltepunkt Freital-Birkigt''' Der 1907 eingerichtete Personenhaltepunkt Freital-Birkigt (ehemaliger Haltepunkt Potschappel-Birkigt) befindet sich am Gleisbogen zwischen dem ehemaligen ''Höllenmaul'' und dem Bahnübergang Coschützer Straße. Seine Bedeutung lag vor allem im Berufsverkehr zu den umliegenden Fabriken. Das Wasserstationsgebäude wurde am 24.&nbsp;August 1944 bei einem Luftangriff schwer beschädigt und später in veränderter Form wieder aufgebaut. Die Anlagen sind heute bis auf das durchgehende Streckengleis zurückgebaut.<ref name="Schubert 1993 45">Jürgen Schubert: ''Die Windbergbahn''. Verlag Kenning, Nordhorn 1993, S.&nbsp;45.</ref> '''Bahnhof Dresden-Gittersee''' [[Datei:Bahnhof Dresden-Gittersee.jpg|miniatur|Bahnhof Dresden-Gittersee]] Der Bahnhof Dresden-Gittersee (ehemals ''Obergittersee'') war in den letzten Jahren die wichtigste Betriebsstelle der Windbergbahn. Am Bahnhof befand sich ab 1951 die Schachtanlage „Willy Agatz“ der SDAG Wismut, die bis 1990 für einen regen Güterverkehr sorgte. Zudem existierte noch eine weitere Anschlussgleisanlage zum VEB Reifenwerk Dresden. Die Gleise und Hochbauten des Bahnhofes sind bis heute im ursprünglichen Zustand erhalten. Im Dienstgebäude befindet sich seit 1988 das Museum zur Geschichte der Windbergbahn. Derzeit wird das gesamte Areal durch den Windbergbahn e.&nbsp;V. zu einem Museumsbahnhof umgestaltet. Mittelfristig ist etwa der Wiederaufbau des [[Toilette|Abortgebäudes]] („Freiabtritt“) an historischer Stelle und die Erneuerung der Bahnhofsbeleuchtung mit Pilzleuchten vorgesehen.<ref>[http://www.saechsische-semmeringbahn.de/meldung2008/t0808231.htm# Aktuelles vom Windbergbahn e.&nbsp;V. auf www.windbergbahn.de]</ref> Der Bahnhof wurde am 13.&nbsp;Juni 2000 als Kulturdenkmal eingestuft. '''Abzweig Kleinnaundorf Po77''' Der Abzweig Kleinnaundorf Posten 77 (ehemals ''Wechselstelle 77'') war Ausgangspunkt der Windbergzweigbahn zu den Schächten auf dem Windbergplateau. Das einstige Postenhaus ist bis heute erhalten und dient Wohnzwecken. '''Haltestelle Kleinnaundorf''' [[Datei:Haltepunkt Kleinnaundorf.jpg|miniatur|Haltestelle Kleinnaundorf (2009)]] Die Haltestelle Kleinnaundorf liegt am heute stillgelegten Abschnitt. Direkt am Haltepunkt begann die Anschlussbahn des Glück-Auf-Schachtes. Bedeutung hatte Kleinnnaundorf darüber hinaus für den Reiseverkehr. Um 1972 wurden die Gleisanlagen der Betriebsstelle abgebaut. Heute ist das Gelände der Haltestelle mit Garagen überbaut. Der Windbergbahnverein richtete das kleine Dienstgebäude der Haltestelle in den 1980er Jahren wieder originalgetreu her. '''Haltepunkt Cunnersdorf (b Freital)''' Petitionen der Gemeindevertreter von Neubannewitz, Boderitz und Cunnersdorf bewirkten erst 1908 die Einrichtung des Haltepunkts Cunnersdorf (b&nbsp;Freital) (ehem. ''Boderitz-Cunnersdorf''). Der Haltepunkt diente vor allem dem Berufsverkehr des nahegelegenen [[Marienschacht]]es. Darüber hinaus war an Sonn- und Feiertagen auch ein reger Ausflugsverkehr zu verzeichnen. Das kleine, hölzerne Stationsgebäude wurde 1923 vom aufgelassenen Haltepunkt ''Zellscher Weg'' der Bahnstrecke Dresden–Werdau umgesetzt, es blieb in desolatem Zustand bis heute erhalten.<ref>Jürgen Schubert: ''Die Windbergbahn''. Verlag Kenning, Nordhorn 1993, S.&nbsp;49.</ref><ref>[http://www.sachsenschiene.de/index.htm?http://www.sachsenschiene.de/str/pag_str19.htm Beschreibung der Windbergbahn auf www.sachsenschiene.de]</ref> Im Jahr 2010 ist mit finanzieller Hilfe eines Sponsors die denkmalgerechte Erneuerung des Gebäudes vorgesehen. '''Bahnhof Bannewitz''' [[Datei:Bahnhof Haenichen-Goldene Hoehe.jpg|miniatur|Bahnhof Hänichen-Goldene Höhe (2009)]] [[Datei:Bahnhof Possendorf.jpg|miniatur|Bahnhof Possendorf (2009)]] Der Bahnhof Bannewitz war vor dem Zweiten Weltkrieg der betriebliche und verkehrliche Mittelpunkt der Windbergbahn. Nach der Stilllegung der Strecke 1951 übernahm der VEB Kompressorenbau Bannewitz das Gelände, der nach und nach sämtliche Hochbauten abreißen ließ. Zuletzt verschwand 1993 der denkmalgeschützte Güterboden.<ref>Jürgen Schubert: ''Die Windbergbahn''. Verlag Kenning, Nordhorn 1993, S.&nbsp;50.</ref> '''Bahnhof Hänichen-Goldene Höhe''' Der Bahnhof Hänichen-Goldene Höhe war früher die wichtigste Station im Ausflugsverkehr. Mit der [[Goldene Höhe|Goldenen Höhe]] befand sich ein damals bedeutendes Ausflugsziel mit Ausflugsgaststätte in der Nähe. Darüber hinaus wies Hänichen-Goldene Höhe auch einen regen Stückgutverkehr auf. Das Stationsgebäude diente nach der Stilllegung u.&nbsp;a. als Kindergarten und Stützpunkt der Straßenmeisterei. Es existiert in desolatem Zustand bis heute. '''Bahnhof Possendorf''' Zur Errichtung des Bahnhofs Possendorf kam es erst 1908 im Zuge der Streckenverlängerung. Neben dem Ausflugsverkehr war in Possendorf auch ein reger Güterverkehr zu verzeichnen. Umgeschlagen wurden neben den landwirtschaftlichen Produkten der Region Kohlen, Düngemittel und Baumaterialien. Nach der Streckenstilllegung zog die Possendorfer Kindertagesstätte ins Empfangsgebäude ein. Die ehemaligen Güterverkehrsanlagen nahm ein [[Agrochemisches Zentrum]] ein, dessen Nachfolgefirmen das Gelände auch heute noch nutzen. Von den Hochbauten des Bahnhofes ist heute nur noch das Empfangsgebäude erhalten, der zweiständige Lokschuppen wurde 1972 abgerissen.<ref>Jürgen Schubert: ''Die Windbergbahn''. Verlag Kenning, Nordhorn 1993, S.&nbsp;52f.</ref> === Zweigbahnen und Anschlussgleise === '''Anschlussbahn Weizenmühle''' Die Anschlussbahn zur Weizenmühle im Plauenschen Grund zweigte direkt am Bahnhof Freital Ost ab. Das noch bis Anfang der 1990er Jahre bediente<ref name="Schubert 1993 45" /> Anschlussgleis wurde nach dem Hochwasser 2002 im Zusammenhang mit dem Neuaufbau der Hauptbahn Dresden–Werdau abgebaut. '''Anschlussstelle Elektrizitätswerk Coschütz ''' Der Anschluss Elektrizitätswerk Coschütz bestand von 1906 bis 1955. '''Anschlussstelle Moritzschacht''' Das Anschlussgleis zum Moritzschacht des Gitterseer Steinkohlenvereins befand sich am Kilometer 1,4. Es bestand seit der Eröffnung der Strecke. Schon nach vier Betriebsjahren war das Kohlevorkommen erschöpft. Der Schacht wurde verfüllt und das Anschlussgleis am 10.&nbsp;Juli 1861 aufgelassen. '''Anschlussstelle Ziegelwerk Birkigt / Maschinenfabrik Hänsel''' Die Inbetriebnahme des Anschlusses zum Ziegelwerk Birkigt erfolgte 1893. Nach der Stilllegung der Ziegelei 1915 entstand auf dem Gelände die Maschinenfabrik Hänsel, die den Anschluss bis zum 30. September 1969 weiter nutzte. '''Anschlussstelle Meiselschacht''' Auch der Meiselschacht in Obergittersee gehörte dem Gitterseer Steinkohlenverein. Das Anschlussgleis wurde 1859 nach Stilllegung des Schachtes aufgelassen. '''Anschlussbahn Bergbaubetrieb „Willy Agatz“''' Die Anschlussgleisanlage zum Schacht des [[Wismut (Unternehmen)#Lagerstätte Freital / Dresden-Gittersee|Steinkohlenwerkes „Willy Agatz“]] wurde erst nach dem Zweiten Weltkrieg direkt am Bahnhof Dresden-Gittersee eingerichtet. Nach dem Bau einer Uranerzaufbereitungsanlage avancierte der Anschluss zur wichtigsten Güterverkehrsstelle der Windbergbahn. Mehrmals täglich endeten hier Ganzzüge mit Uranerz. Nach der Stilllegung der Aufbereitungsanlage blieb der nunmehrige Wismutschacht der wichtigste Güterkunde der Strecke. Auf dem Gelände der Aufbereitungsanlage siedelten sich später der VEB Reifenwerk, der VEB Polypack und der VEB Fettchemie an. Der Anschluss wurde Ende 1993 aufgelassen und später durch den Windbergbahnverein abgebaut. '''Anschlussstelle Reiboldschacht''' Die Anschlussbahn des Reiboldschachtes war bis 1872 in Betrieb. [[Datei:PP Bannewitz (01).JPG|miniatur|Die ehemalige Bahntrasse am [[Marienschacht]], dem letzten erhaltenen Steinkohlenschacht des Windberggebietes (2009).]] [[Datei:Ladestelle Marienschacht.jpg|miniatur|Ehemalige Laderampe am Marienschacht (2009)]] '''Windberg-Zweigbahn (Zweigbahnen GHW und GHS)''' Die Windberg-Zweigbahn begann auf freier Strecke am Abzweig Posten 77. Sie führte zu den Zechen Windbergschacht, Neuhoffnungsschacht und Segen-Gottes-Schacht der [[Freiherrlich von Burgker Steinkohlen- und Eisenhüttenwerke]] auf dem Windbergplateau. Die Trasse ist bis heute zur Gänze erhalten, teilweise wird sie als Fahrweg oder Wanderweg genutzt. '''Anschlussstelle Glückauf-Schacht''' Der Glückauf-Schacht wurde 1867 aufgefahren. Die auf Kosten des Grubenbesitzers 1875 in Betrieb genommene Anschlussbahn begann unmittelbar am Haltepunkt Kleinnaundorf und führte dann stetig ansteigend bis zum Schachtgelände. Sie diente bis zur Stilllegung der Zeche 1930 dem Kohleversand. Am 25.&nbsp;Juli 1942 ging die noch vorhandene Zweiggleisanlage an die ''Dresdner Minerölproduktengesellschaft „Kontak“ GmbH'' über, die sich auf dem Schachtgelände ansiedelte. Nach dem Zweiten Weltkrieg nutzten die Nachfolgefirma VEB Tankholzwerk und weitere sieben Anschließer das Anschlussgleis weiter. Die DR kündigte es am 19.&nbsp;August 1967 und ließ es kurze Zeit später demontieren.<ref>Jürgen Schubert: ''Die Windbergbahn''. Verlag Kenning, Nordhorn 1993, S.&nbsp;85.</ref> '''Anschlussstelle Steinbruch Thürk ''' Der Anschluss Steinbruch Thürk bestand ab 1859. Vor allem lieferte der Steinbruch für den Bahnbau Schotter und versandte diesen schon von Beginn an in normalen Zehn-Tonnen-Güterwagen. Der Anschluss wurde 1884/85 aufgelassen. '''Anschlussstelle Marienschacht''' Der 1893 in Betrieb genommene [[Marienschacht]] der Freiherrlich von Burgker Steinkohlen- und Eisenhüttenwerke war der jüngste Schacht im Windberggebiet. Er befand sich unmittelbar am Gleis der Windbergbahn bei Neubannewitz. Ein Anschlussgleis bestand seit 1898. Der Schacht förderte bis zum 11. April 1930. Nach dem Zweiten Weltkrieg nutzten der VEB Steinkohlenwerk Freital und die SDAG Wismut den Marienschacht als Betriebsschacht weiter. Das erhaltene Schachtgebäude mit dem markanten [[Malakow-Turm|Malakoff]]-Förderturm steht heute unter Denkmalschutz. '''Anschlussbahnen Beckerschacht und Berglustschacht''' [[Datei:Beckerschachthalde.jpg|miniatur|An den Beckerschacht am Bahnhof Hänichen-Goldene Höhe erinnert heute nur noch eine ausgedehnte, bewaldete Halde (2009).]] Die Schachtanlagen Beckerschacht und Berglustschacht in Hänichen und der benachbarte Beharrlichkeitsschacht in Rippien des Hänichener Steinkohlevereins waren der ursprüngliche Grund für den Bau der Hänichener Kohlezweigbahn gewesen. Im Berglustschacht befand sich bei Kilometer 12,478 das nominelle Streckenende der Hänichener Kohlezweigbahn. '''Zweigbahn GHR (Beharrlichkeitsschacht) ''' Die etwa einen Kilometer lange Zweigbahn bestand seit der Streckeneröffnung. Sie begann kurz vor dem Streckenendpunkt am Berglustschacht und führte zum Beharrlichkeitsschacht in Rippien. Nach der Stilllegung der Zeche erfolgte 1907 der Gleisabbruch. '''Zweigbahn GHP (Hermannschacht)''' Zum Hermannschacht in Possendorf führte ab 1862 eine privat finanzierte, über zwei Kilometer lange Zweigbahn. Die Strecke war bis zur Stilllegung des Bergwerkes 1868 in Betrieb, dann wurde sie abgebaut. Ab 1908 nutzte man einen Teil der alten Trasse für die Streckenverlängerung der Windbergbahn nach Possendorf. [[Datei:Windbergbahn Bruecke.jpg|miniatur|Aus Sandstein gemauerter Durchlass ‎in der Kleinnaundorfer Senke]] === Kunstbauten === Der Bau von Viadukten und Tunneln konnte dank der gut an die Geländeform angepassten Trassierung vermieden werden. Nötig war nur der Bau von mehreren kleinen, durchweg aus [[Elbsandstein|Sandstein]] gemauerten Durchlässen. Sie sind zum Teil noch heute erhalten und für den heutigen Bahnverkehr tragfähig. Die größten Brücken sind heute die jeweils 18&nbsp;m langen Überführungen über die Coschützer Straße in Freital-Birkigt und die Karlsruher Straße in Dresden-Gittersee. Insgesamt bestanden einst 21&nbsp;Brücken und Durchlässe. == Fahrzeugeinsatz == Wegen des 85-Meter-Bogens im Geiersgraben bestehen für den Fahrzeugeinsatz auf der Windbergbahn bis heute besondere Beschränkungen. So dürfen starrachsige Fahrzeuge – unabhängig davon, ob es sich um Lokomotiven oder Wagen handelt – nur bis zu einem Achsstand von 3,00&nbsp;m eingesetzt werden. Fahrzeuge mit [[Lenkachse]]n können dagegen einen Achsstand von 4,50&nbsp;m haben.<ref>Jürgen Schubert: ''Die Windbergbahn''. transpress VEB Verlag für Verkehrswesen, Berlin 1982, S.&nbsp;151.</ref> Wagen mit [[Drehgestell]]en waren bis zu einem Drehzapfenabstand von 8,00&nbsp;m und 2,60&nbsp;m Überhang bis zur Pufferebene zugelassen.<ref>[http://www.saechsische-semmeringbahn.de/ghp_fzg6.htm#Gueterwagen Güterwagen auf www.windbergbahn.de]</ref> === Lokomotiven und Triebwagen === [[Datei:Lokomotive BURGK.jpg|miniatur|Die ''[[Albertsbahn – Elbe bis Burgk|BURGK]]'' (Werkfoto von 1866)]] [[Datei:Bundesarchiv Bild 183-15765-0009, Dampflok "Werk-Lok 2".jpg|miniatur|Die ehemalige [[Sächsische VII T (Bauart Hartmann)|VII&nbsp;T ''HEGEL'']] als Werklokomotive im [[Bahnbetriebswerk Dresden-Friedrichstadt|Bw Dresden-Friedrichstadt]] (1952)]] [[Datei:Dampflokomotive 98 001 Chemnitz-Hilbersdorf.jpg|miniatur|Die Museumslokomotive [[Sächsische I TV|98&nbsp;001]] (Gattung I&nbsp;TV) zusammen mit dem ''Windbergaussichtswagen'' im [[Sächsisches Eisenbahnmuseum|Sächsischen Eisenbahnmuseum]] in Chemnitz (2001)]] Die Albertsbahn&nbsp;AG beschaffte ab 1856 speziell für den Einsatz auf der ''Hänichener Kohlezweigbahn'' [[Albertsbahn – Elbe bis Burgk|fünf Lokomotiven]] von [[Sächsische Maschinenfabrik|Hartmann]] in [[Chemnitz]]. Sie erhielten die Namen ''ELBE, WINDBERG, STEIGER, FREIBERG'' und ''BURGK''. Durch ihre Konstruktion mit voranlaufendem Drehgestell waren sie für den Verkehr auf den engen Radien der Kohlebahn gut geeignet. Nach der Verstaatlichung der Albertsbahn&nbsp;AG gelangten alle fünf Lokomotiven noch in den Bestand der Kgl.&nbsp;Sächsischen Staatseisenbahnen, wo sie fortan in die Gattung H&nbsp;VIIIb&nbsp;T eingeordnet waren. In den Jahren 1885 bis 1893 wurden sie ausgemustert. Als Ablösung der alten Lokomotiven der Albertsbahn kamen die zweifachgekuppelten Tenderlokomotiven der Gattung [[Sächsische VII T (Bauart Hartmann)|VII&nbsp;T]] zur ''Hänichener Kohlezweigbahn''. Bis zum Ersten Weltkrieg bewältigten die VII&nbsp;T den Gesamtverkehr. Nachgewiesen sind insgesamt 19&nbsp;verschiedene Lokomotiven, die seinerzeit auf der Windbergbahn zum Einsatz kamen. Die 1886 bei der [[Sächsische Maschinenfabrik|Sächsischen Maschinenfabrik]] in [[Chemnitz]] gebaute ''HEGEL'' blieb erhalten und gehört heute als nicht betriebsfähige Museumslokomotive zum Bestand des [[Verkehrsmuseum Dresden|Verkehrsmuseums Dresden]]. Um 1900 erprobte man die Gattung [[Sächsische M I TV|sä.&nbsp;M&nbsp;I&nbsp;TV]]. Ein planmäßiger Einsatz erfolgte jedoch nicht. In den Jahren 1910 bis 1914 wurden stattdessen die speziell für die Windbergbahn konstruierten Lokomotiven der Gattung [[Sächsische I TV|I&nbsp;TV]] in Dienst gestellt. Sie waren wie die M&nbsp;I&nbsp;TV als Drehgestelllokomotiven der [[Meyer (Lokomotive)|Bauart Meyer]] ausgeführt. Als konstruktives Vorbild hatten dabei vor allem die Schmalspurlokomotiven der [[Sächsische IV K|Gattung IV&nbsp;K]] gedient, die sich im Einsatz auf den kurvenreichen [[Sächsische Schmalspurbahnen|Schmalspurbahnen Sachsens]] gut bewährten. Die [[Deutsche Reichsbahn]] ordnete die Lokomotiven ab 1925 in die Baureihe 98.0 ein. Bis Mitte der 1960er Jahre bewältigten die Lokomotiven den Gesamtverkehr der Windbergbahn, bis Diesellokomotiven sie ablösten. Die 98 001 (ex I&nbsp;TV 1394) blieb erhalten und gehört heute als nicht betriebsfähige Museumslokomotive zum Bestand des [[Verkehrsmuseum Dresden|Verkehrsmuseums Dresden]]. Sie befindet sich heute als Leihgabe im [[Sächsisches Industriemuseum|Sächsischen Industriemuseum]] in [[Chemnitz]]. In den Jahren 1933 und 1934 verkehrte auf der Windbergbahn der vierachsige Benzoltriebwagen [[DRG 755 bis 766|vT&nbsp;766]] zusammen mit einem zweiachsigen Beiwagen (Nummernbereich 140 001ff).<ref>Jürgen Schubert: ''Die Windbergbahn''. Verlag Kenning, Nordhorn 1993, S.&nbsp;82f.</ref> Die Lokomotiven der [[DR-Baureihe V 60|DR-Baureihe V&nbsp;60]] (später Baureihe 106, heute 346) mit [[Spurkranzschmierung]] lösten Ende der 1960er Jahre die verschlissenen Dampflokomotiven ab. Sie bewältigten bis 1993 den Gesamtverkehr. === Wagen === '''Güterwagen''' Als Vorbild für die Kohlewagen hatten Brescius' belgische Kohlehunte mit drei Tonnen Tragfähigkeit gedient. Die Wagen der Albertsbahn&nbsp;AG hatten fünf Tonnen Tragfähigkeit und waren als Holzkonstruktion ausgeführt. Die verlängerten Längsträger dienten gleichzeitig als ungefederte Puffer. Eine einfache Kupplung mit Haken und Hakenbügel fungierte als Zugvorrichtung, die mit normalen Staatsbahnwagen kompatibel war. Zunächst baute die Dresdner Firma Schrumpf & Thomas, später die Firma Lüders in [[Görlitz]] die Wagen. Die 34&nbsp;Wagen der ersten Lieferung waren nur von Hand entladbar, dazu besaßen sie abnehmbare Seitenwände. Alle weiteren 256&nbsp;Wagen waren mit einem Klappboden zur Schwergewichtsentladung ausgestattet.<ref>Jürgen Schubert: ''Die Windbergbahn''. Verlag Kenning, Nordhorn 1993, S.&nbsp;25.</ref> Als Nachfolger der Kohlehunte kamen ab der Jahrhundertwende normale Güterwagen der Staatsbahn zum Einsatz, welche die geforderte Kurvenläufigkeit aufwiesen. Eine besondere Situation entstand erst ab den 1960er Jahren, als das Reifenwerk Coschütz immer mehr Wagen fremder Bahnen im Eingang erhielt. Mit einer Sondergenehmigung durften deshalb ab 1965 auch Wagen mit zu großem Achsstand befördert werden, wenn sie mit einer speziellen Zugstange am Zugschluss eingereiht waren. Problematisch waren auch Wagen mit Puffertellern kleiner als 450&nbsp;mm. Um Überpufferungen zu vermeiden, erhielten sie für die Fahrt auf der Windbergbahn ab 1971 Behelfspufferteller entsprechender Größe aufgeschraubt.<ref>Jürgen Schubert: ''Die Windbergbahn''. Verlag Kenning, Nordhorn 1993, S.&nbsp;76.</ref> '''Reisezugwagen ''' [[Datei:Windbergbahnwagen.jpg|miniatur|Der ehemalige 4.-Klasse-Wagen der Gattung Di Sa 87 befindet sich heute im Eigentum des Windbergbahn e.&nbsp;V.]] In den ersten Jahren des Personenverkehrs kamen zunächst schon vorhandene Reisezugwagen zum Einsatz, die mit ihrem kurzen Achsstand auf der Windbergbahn eingesetzt werden konnten. Es handelte sich dabei durchweg um Abteilwagen, die zum Teil schon 35&nbsp;Jahre alt und mit ihren kleinen Fenstern nicht mehr zeitgemäß waren. Ab 1910 liefen auf der Windbergbahn erstmals zwei offene, mit einem Dach versehene [[Aussichtswagen]], die aus zwei alten Abteilwagen umgebaut worden waren. Erst 1911 kam eine gänzlich neue Wagengeneration zum Einsatz, die als ''Windbergaussichtswagen'' bekannt geworden ist. Die [[Waggonbau Bautzen|Waggon- und Maschinenfabrik]] in [[Bautzen]] baute vier Exemplare der neuen Wagen speziell für die Windbergbahn. Neuartig waren die breiten Fenster und verglaste Aussichtsplattformen. Einer dieser Wagen blieb bis heute erhalten. Er befindet sich als betriebsfähiger Museumswagen im Besitz des Windbergbahn e.&nbsp;V.<ref>Jürgen Schubert: ''Die Windbergbahn''. Verlag Kenning, Nordhorn 1993, S.&nbsp;69ff.</ref> == Museum zur Geschichte der Windbergbahn == Das ''Museum zur Geschichte der Windbergbahn'' ist in der Wartehalle des ehemaligen Empfangsgebäudes des Bahnhofs Dresden-Gittersee eingerichtet. Es ist neben dem [[Eisenbahnmuseum Bw Dresden-Altstadt]], dem [[Verkehrsmuseum Dresden]] und dem [[Straßenbahnmuseum Dresden]] eines von vier [[Museen in Dresden]] die sich mit schienengebundenen Verkehrsmitteln beschäftigen. Die kleine Ausstellung erinnert an die Geschichte der Bahnstrecke. Zu sehen sind Schautafeln mit Fotos und Zeichnungen sowie historische Gegenstände. Ergänzt wird sie durch einen Souvenirladen, in dem betreffende Literatur angeboten wird. Im Güterschuppen, der 1920 fertiggestellt worden war, kann ein [[mechanisches Stellwerk]] der Bauart ''[[Max Jüdel|Jüdel neu]]'' besichtigt werden. Es befindet sich seit 1957 an diesem Ort und ist das einzige im Streckenverlauf. Auf den Gleisen des Bahnhofes Dresden-Gittersee werden die Eisenbahnfahrzeuge des Vereins präsentiert. <gallery> Datei:Windbergbahnmuseum 1.jpg|Detail am Museumsgebäude Datei:Saechsischer Neigungszeiger.jpg|Sächsischer Neigungszeiger Datei:Hinweisschild Windbergbahn.jpg|Hinweisschild Datei:Gueterboden Gittersee.jpg|Ehemalige Güterabfertigung </gallery> == Die Strecke heute == [[Datei:Strassenbruecke Windbergbahn.jpg|miniatur|In Hänichen wird die Trasse der Windbergbahn als Straße benutzt.]] Bis Dresden-Gittersee ist die Strecke mit Ausnahme des abgebauten Abzweigs in Freital Ost in einem befahrbaren Zustand erhalten. Nach Beseitigung einiger Gleisschäden wäre hier zukünftig wieder regulärer Zugverkehr möglich. Die weitere Strecke bis zum Endpunkt Possendorf ist seit 1951 bzw. 1972 abgebaut. Dank des 1980 ausgesprochenen Denkmalschutzes ist die ehemalige Bahntrasse mit Ausnahme eines kurzen Abschnittes auf dem Betriebsgelände von Kompressorenbau Bannewitz durchgängig erhalten geblieben. Seit den 1990er Jahren verläuft auf dem Bahnkörper ein Radweg. == Literatur == * Jürgen Schubert: ''Die Windbergbahn''. transpress VEB Verlag für Verkehrswesen, Berlin 1982, ohne ISBN. * Jürgen Schubert: ''Die Windbergbahn''. Verlag Kenning, Nordhorn 1993, ISBN 3-927587-18-4. * Gunther Hoyer: ''Die Windbergbahn, erste deutsche Gebirgsbahn.'' in: ''Mitteilungen des Landesvereins Sächsischer Heimatschutz''. Heft 2/1992, S.&nbsp;29–33. == Film == * SWR: ''[[Eisenbahn-Romantik]] – Die Windbergbahn'' (Folge 276) == Weblinks == {{commons|Windbergbahn}} * [http://www.saechsische-semmeringbahn.de/ Sächsischer Museumseisenbahn Verein Windbergbahn e.&nbsp;V.] * [http://www.sachsenschiene.de/index.htm?http://www.sachsenschiene.de/str/pag_str19.htm Informationen zur Windbergbahn auf www.sachsenschiene.de] == Einzelnachweise == <references/> {{Coordinate|NS=51/0/23.48/N|EW=13/40/31.59/E|type=landmark|region=DE-SN}} {{Normdaten|SWD=4066262-7}} [[Kategorie:Bergbau (Sachsen)]] [[Kategorie:Bahnstrecke in Sachsen]] [[Kategorie:Kulturdenkmal (Sachsen)]] [[Kategorie:Erbaut in den 1850er Jahren]] [[Kategorie:Freital]] [[Kategorie:Bannewitz]] [[Kategorie:Verkehr (Dresden)]] {{Exzellent|10. März 2010|71417250}} 8x3x8fwtcrkik7a2gr1rzofgjzfpmst wikitext text/x-wiki Windkraftanlage 0 24522 27125 2010-05-11T10:07:53Z Spuk968 0 Änderungen von [[Special:Beiträge/79.215.111.11|79.215.111.11]] rückgängig gemacht und letzte Version von Zaphiro wiederhergestellt [[Datei:Windkraftanlagen Dänemark gross.jpg|miniatur|Windkraftanlagen an der dänischen Küste]] [[Datei:Windrad-Wind-Turbine.jpg|miniatur|Windrad aus der Vogelperspektive]] [[Datei:Windrad4.jpg|miniatur|Windkraftanlage (REpower MM92) in Deutschland, Baden-Württemberg]] Eine '''Windkraftanlage''' (WKA) wandelt die [[kinetische Energie]] des [[Wind]]es in [[Elektrische Arbeit|elektrische Energie]] um und speist sie in das [[Stromnetz]] ein. Dies geschieht, indem die [[Bewegungsenergie]] der [[Strömung|Windströmung]] auf die [[Rotorblatt|Rotorblätter]] wirkt und sie somit den [[Rotor]] in eine [[Rotation (Physik)|Drehbewegung]] versetzt. Der Rotor gibt die [[Rotationsenergie]] an einen [[Elektrischer Generator|Generator]] weiter, die dort in [[Elektrischer Strom|elektrische Energie]] umgewandelt wird. In der Fachliteratur hat sich ebenfalls der Begriff '''Windenergieanlage''' (WEA) etabliert, manchmal wird auch als universeller Sammelbegriff '''[[Windkraftkonverter]]''' (WKK) verwendet. Ferner wird '''Windkraftwerk''' als Synonym verwendet. In der Umgangssprache findet sich oft der Begriff '''[[Windrad]]''' oder fälschlicherweise '''[[Windmühle]]'''. Dieser Artikel befasst sich mit leistungsstarken Windkraftanlagen, die zur [[Stromerzeugung]] errichtet werden. Weitere Anwendungen werden unter [[Windrad]] und [[Windgenerator]] erläutert. Die Stromerzeugung durch Nutzung des [[Aufwind]]es mittels hoher Türme erfolgt in [[Thermikkraftwerk]]en. Die Betrachtung mehrerer Windkraftanlagen findet sich im Artikel ''[[Windpark]]''. Energiepolitische Aspekte werden im Artikel ''[[Windenergie]]'' genannt. == Geschichte der Windkraftanlagen == [[Datei:Windenergy.jpg|miniatur|Windkraftanlage in [[Luxemburg]]]] [[Datei:Breitenlee-Windpark-320x240.ogg|thumb|Windräder im Windpark Breitenlee]] : ''Hauptartikel: [[Geschichte der Windenergienutzung]]'' Die heutigen Windkraftanlagen entwickelten sich aus der [[Windmühle]]ntechnik und dem Wissen über die [[Aerodynamik]]. Die ersten Anlagen zur Stromerzeugung sind Ende des 19.&nbsp;Jahrhunderts entstanden. 1920 zeigte [[Albert Betz]], dass physikalisch bedingt höchstens 59,3 % der Energie des Windes nutzbar sind. Seine Theorie zur Formgebung der Rotorblätter ist auch heute noch Grundlage für die aerodynamische Auslegung der Anlagen. 1957 wurde von [[Ulrich W. Hütter]] die Grundlage für alle modernen Windkraftanlagen gelegt: das Windtestfeld, das später nach ihm benannt wurde, wurde in der Nähe von [[Geislingen an der Steige]] auf der [[Schwäbische Alb|Schwäbischen Alb]] in Betrieb genommen. Anfang der 1980er Jahre setzte sich das ''Dänische Konzept'' bei Windkraftanlagen durch. Im Gegensatz zu anderen Versuchsanlagen wie beispielsweise [[GROWIAN]] wurde dabei auf eine einfache Konstruktion mit der heute allgemein üblichen horizontalen Rotationsachse, drei [[Luv und Lee|luvseitigen]] Rotorblättern und drehzahlstarrer Betriebsführung gesetzt, um so robuste Anlagen zu erhalten, deren Größe erst mit den Jahren immer weiter anstieg. In [[Dänemark]] wurden damals die Grundlagen für die moderne Windenergienutzung gelegt. Mit dem [[Stromeinspeisungsgesetz]] von 1991 begann der Aufschwung der [[Windenergie]] auch in Deutschland. In den letzten Jahren des 20.&nbsp;Jahrhunderts sorgten die politischen Rahmenbedingungen für einen [[Hochkonjunktur|Boom]] der [[Windkraftanlagenhersteller]] und förderten die industrielle Fertigung. Die Entwicklung führte zu immer größeren Anlagen mit verstellbaren Rotorblättern und variabler Drehzahl, aber auch zu politischen Auseinandersetzungen zwischen Investoren, Gegnern und Befürwortern der Windenergienutzung. Mit dem Nachfolgegesetz, dem [[Erneuerbare-Energien-Gesetz]], setzte sich diese Entwicklung fort. Nach den Daten für das Jahr 2005 ist in Deutschland die weltweit größte [[Nennleistung]] installiert und erzeugt mehr elektrischen Strom aus [[Windenergie]] als aus [[Wasserkraft]]. Auch bei der Produktion der Anlagen und der Anlagenteile gehört Deutschland zu den Technologie- und Weltmarktführern. Die Marktführerschaft bei neu installierten Windkraftanlagen ging 2004 erstmals an Spanien. == Grundlagen und Energiewandlung == === Energie des Windes === : ''Hauptartikel: [[Windenergie]]'' Die [[kinetische Energie]] des Windes steigt mit der dritten Potenz seiner Geschwindigkeit – sie setzt sich zusammen aus der momentanen kinetischen Energie des Windes, die linear mit der [[Luftdichte]] ([[Masse (Physik)|Masse]] pro [[Volumen]]einheit) und mit der zweiten Potenz der Geschwindigkeit steigt, und einer weiteren Potenzierung durch den bei steigender Luftgeschwindigkeit zunehmenden [[Volumenstrom]] in der vom Rotor überstrichenen Querschnittsfläche. Die im Wind enthaltene Energie <math>E</math> bei einer Windgeschwindigkeit <math>v</math> und [[Luftdichte]] <math>\rho</math>, die senkrecht durch die kreisförmige Rotorfläche mit [[Radius]] <math>r</math> einer Windkraftanlage mit horizontaler Achse in der Zeit <math>t</math> strömt, ist durch folgende Formel gegeben: : <math>E = \frac{\pi}{2} r^2 \cdot \rho \cdot v^3 \cdot t</math>. Aufgrund des starken Anstiegs der Windenergie bei zunehmender Windgeschwindigkeit sind windreiche Standorte besonders interessant. Bei einer Luftdichte von 1,22&nbsp;kg/m<sup>3</sup>, einer Windgeschwindigkeit von 8&nbsp;m/s (≈&nbsp;Windstärke 4&nbsp;[[Beaufortskala|Bft]]) und einem Rotordurchmesser von 100&nbsp;m beträgt die kinetische Energie der innerhalb einer Sekunde durch die Fläche des Rotorkreises strömenden Luft 2,45&nbsp;[[Joule (Einheit)|Megajoule]] oder 0,68&nbsp;kWh. === Wirkungsgrad === : ''Hauptartikel: [[Betzsches Gesetz]]'' Die Effizienz, mit der die Energie des Windes auf den Rotor übertragen wird, ist für eine Windkraftanlage eine wichtige Kenngröße. Durch die dem Luftstrom entnommene kinetische Energie sinkt die [[Windgeschwindigkeit]] am Rotor. Der Wind kann jedoch nicht bis zum Stillstand abgebremst werden, da sonst keine Luft mehr nachströmen könnte. So können theoretisch nur bis zu maximal 59,3 % der im Wind enthaltenen Energie entnommen werden. Dieser Wert wird nach dem Göttinger Physiker, der ihn ermittelte, [[Betzsches Gesetz#Betzscher Leistungsbeiwert|Betzscher Leistungsbeiwert]] (<math>c_{p,\text{Betz}}</math>) genannt. Bei einer im Wind enthaltenen [[Leistung (Physik)|Leistung]] (Leistung = Energie/Zeit) von ''P''&nbsp;=&nbsp;2,45&nbsp;MW errechnet sich eine theoretisch nutzbare (maximale) Leistung ''P''<sub>n</sub> am Rotor von: : <math>P_\mathrm{n} = 0{,}593 \cdot 2{,}45\ \mathrm{MW} = 1{,}45\ \mathrm{MW}</math>. Wie bei allen Maschinen kann auch bei Windkraftanlagen das theoretische Maximum nicht erreicht werden. Moderne Windkraftanlagen kommen auf einen Leistungsbeiwert von <math>c_{p} = 0{,}45 \,\text{bis}\, 0{,}51</math>. Der aerodynamische [[Wirkungsgrad]] einer Anlage kann über das Verhältnis des Leistungsbeiwertes der Maschine zum Betzschen Leistungsbeiwert ausgedrückt werden und liegt demnach bei etwa 70 % bis 85 % je nach Windverhältnissen und Auslegung. Zur Berechnung des Gesamtwirkungsgrades müssen zusätzlich noch die Wirkungsgrade aller mechanischen und elektrischen Maschinenteile berücksichtigt werden. Der Betzsche Leistungsbeiwert stellt dabei keinen Wirkungsgrad dar. Es gehen nur etwa 12 % des Windimpulses durch ein ideales, nach Betz extensiv erntendes Einzelwindrad verloren. Die restlichen 29 %, die nicht geerntet werden können, sind darauf zurückzuführen, dass der Wind dem Windrad ausweicht und es verlustfrei umströmt. In Windparks, einer räumlichen Ansammlung vieler WEA, wird dem Rechnung getragen, indem die Auslegungsschnelllaufzahl auch an die [[Windschatten]]wirkung der Rotoren untereinander angepasst wird. Die Betzschen 59 % sind dann nicht mehr erreichbar. === Rotorgeschwindigkeit === Eine weitere wichtige Kennzahl ist die [[Schnelllaufzahl]] <math>\lambda</math> (lambda). Sie gibt das Verhältnis der Umfangsgeschwindigkeit des Rotors (Blattspitzengeschwindigkeit) zur Windgeschwindigkeit an. Dreiblattrotoren, wie sie heute bei großen Anlagen Standard sind, erreichen bei einer Schnelllaufzahl von 6 bis 8 den größten Wirkungsgrad. Daraus resultieren Blattspitzengeschwindigkeiten in der Größenordnung von etwa 250–300&nbsp;km/h unabhängig vom Rotordurchmesser. Durch den Betriebspunkt mit dem höchsten Leistungsbeiwert und der Auslegungsschnelllaufzahl ergibt sich auch die ''Auslegungswindgeschwindigkeit''. Die Regelung der Rotordrehzahl erfolgt entweder über den so genannten Stalleffekt ([[Strömungsabriss]]) oder über eine Veränderung des [[Anstellwinkel]]s des Rotorblattprofils (Pitchen; von Englisch ''to pitch'' – neigen). ''Weitere Informationen dazu weiter unten im Abschnitt [[Windkraftanlage#Drehzahlregelung|Drehzahlregelung]]''. === Auftriebsläufer === [[Datei:Enercon E-40 in der Dämmerung.jpg|thumb|right|Enercon E-40 (Auftriebsläufer, drehzahlvariabel und pitchgeregelt)]] Moderne Windkraftanlagen zur Stromerzeugung sind aerodynamisch angetriebene Anlagen. Bei ihnen sind die [[Rotorblatt|Rotorblätter]] als [[Profil (Flügel)|aerodynamisches Profil]] ausgeprägt, das ähnlich wie bei [[Flugzeug]]en durch einen [[Druck (Physik)|Druckunterschied]], der aus einem Geschwindigkeitsunterschied zwischen Saug- und Druckseite des Flügels herrührt, einen [[Auftrieb]] erzeugt. Dieser Auftrieb wird in ein [[Drehmoment]] und in Drehzahl zum Antrieb des Generators umgesetzt. Nur mit Auftriebsläufern können hohe Wirkungsgrade, die den Werten der [[Betzsches Gesetz|''Betzschen Theorie'']] nahe kommen, erreicht werden. Auch historische Windräder ohne aerodynamisch ausgebildete Flügelprofile zählen – mit einigen Ausnahmen, zu denen die [[Persische Windmühle]] gehört – zu den Auftriebsläufern. Beispiele dafür sind die mit Dreiecksegeln betriebenen Mühlen, wie man sie hauptsächlich im Mittelmeerraum beheimatet findet, und die [[Holländerwindmühle]] in allen ihren Varianten. Alle letztgenannten Typen zählen außer der persischen Windmühle zu der Kategorie der Rotoren mit horizontaler Drehachse. Es gibt aber auch eine [[Chinesische Windmühle|chinesische]]<ref>Caroline Draxl: Seminararbeit – Präsentation zur Theorie der Windenergienutzung – mit Fotografie der chinesischen Windmühle ([http://imgi.uibk.ac.at/fritzp/meteo9_weppages/Seminare/Draxl_101203.pdf etwas Ähnliches leider nur verfügbar], PDF-Datei, 2,03 MB)</ref> historische Windmühle, die wie das persische Modell mit vertikaler Rotordrehachse läuft, die – im Gegensatz zur persischen Version – ein Auftriebsläufer ist. Hier läuft eine Anzahl von [[Dschunkensegel]]n – bekannt dafür, dass sie sich von selbst an die Windrichtung anpassen können – aufrecht stehend um eine gemeinsame Drehachse. Dschunkensegel ähneln in dieser Eigenschaft dem bei uns bekannten [[Luggersegel]]. Man nutzte diese Technik, wie angenommen wird, in China zur Bewässerung der Felder. === Rotorblatt-Anzahl === [[Datei:Lagerwey Zweiblattrotor.JPG|thumb|Anlage mit Zweiblattrotor]] Bei großen Windkraftanlagen haben sich luvseitige (dem Wind zugewandte) Dreiblatt-Rotoren etabliert. In der Aufbruchszeit, etwa seit Mitte der 1970er Jahre bis weit in die 1980er Jahre hinein, wurden auch größere Anlagen mit einem (z.&nbsp;B. [[Monopteros (WEA)|Monopteros]]) oder zwei Rotorblättern gebaut. Diese Anlagen haben eine noch höhere Schnelllaufzahl (bis zu 15). Anlagen mit mehr als drei Rotorblättern wurden nur in sehr kleinen Bauformen entwickelt. Dreiblatt-Rotoren sind [[schwingung]]stechnisch einfacher beherrschbar als Ein-, Zwei- oder Vierblatt-Rotoren. Wenn ein Rotorblatt vor dem Turm durchläuft, nimmt es durch den Luftstau vor dem Turm (luvseitiger Windschatten) für einen Moment deutlich weniger Energie auf, weshalb die Rotorachse ungleich belastet wird. Ein linear gegenüberliegendes Blatt würde diese Kippkraft noch verstärken und erhöhte Anforderungen an Mechanik und Material stellen. Hinzu kommt, dass die Windgeschwindigkeit mit zunehmender Höhe steigt, so dass ein Rotorblatt in der oberen Position ohnehin mehr Kraft aufnimmt. Bei den heute üblichen Rotordurchmessern ist dieser Effekt mittlerweile sehr ausgeprägt und wird bei der Auslegung berücksichtigt. Im Sinne einer möglichst gleichmäßigen Druckbelastung von Achse und Turm sind Rotoren mit einer geraden Zahl an Rotorblättern oder gar einem einzigen Blatt daher ungünstig – ein großer Zweiblattrotor muss zur Dämpfung des Windschatteneffekts senkrecht schwenkbar ausgeführt werden (Pendelnabe). Fünf oder sieben Blätter würden zwar die Auswirkungen des Windschatteneffekts reduzieren, jedes weitere zusätzliche Blatt bedeutet aber Mehraufwand, der nicht durch die gewonnene Ertragsteigerung wieder eingebracht wird. Eine sehr hohe Blattanzahl führt daneben zu aerodynamischen Zuständen, die sich nur schwer mathematisch beschreiben lassen, da sich die Luftströmungen an den Blättern dann gegenseitig beeinflussen. === Widerstandsläufer === [[Datei:Wind turbine in Rebielice Krolewskie.jpg|miniatur|Windkraftanlage in Rebielice Krolewskie ([[Polen]])]] Parallel zu den Auftriebsläufern gibt es schon wesentlich länger die so genannten Widerstandsläufer. Bei diesen wird die [[Luftwiderstand]]skraft zum Antrieb genutzt, der ein umströmter Körper ausgesetzt ist. Die Kraft wirkt in Richtung der Anströmung und nicht senkrecht zur Anströmung wie die bei Auftriebsläufern genutzte Auftriebskraft. Ein Beispiel für einen Widerstandsläufer ist das zur Windmessung verwendete [[Anemometer|Schalenkreuzanemometer]] oder die vom Deutschen Museum als Horizontalwindmühle bezeichnete [[Persische Windmühle]]. Widerstandsläufer haben einen niedrigeren Wirkungsgrad. Sie können theoretisch Leistungsbeiwerte bis <math>c_p = 0{,}2</math>, also etwa ein Drittel des [[Betzsches Gesetz|Betzschen Leistungsbeiwertes]] für Auftriebsläufer erreichen. Obgleich auch Auftriebsläufer den Wind abbremsen, kann der Wind durch die 45-Grad-Stellung der Blätter noch vergleichbar gut abziehen, da er nicht die ganze Anlage erst umströmen muss und dadurch Wirbel vor der Anlage erzeugt. Eine Windkraftanlage mit gutem Wirkungsgrad ergibt sich demnach stets aus einem Kompromiss zwischen der Abströmung für den Wind und dem Widerstand gegen den Wind. === Leistung und Ertrag === Ihre [[Nennleistung]], manchmal auch als [[installierte Leistung]] bezeichnet, gibt eine Windkraftanlage bei ''Nennwindgeschwindigkeit'' ab. Sie ist immer größer als die Auslegungswindgeschwindigkeit und liegt meist zwischen 12&nbsp;m/s und 16&nbsp;m/s ([[Beaufortskala|Windstärke]] 6 bis 7&nbsp;Bft). Oberhalb der Nennwindgeschwindigkeit wird die Leistung der Anlage konstant gehalten, da sonst die Belastungen auf alle Anlagenkomponenten zu Überlastungen führen würden. Bei sehr großen Windgeschwindigkeiten ([[Sturm]]) wird die Anlage abgeschaltet, um Schäden zu vermeiden (Details siehe unten Abschnitt: [[Windkraftanlage#Regelung und Betriebsführung|Regelung und Betriebsführung]]). Da der Wind keine konstante Größe ist, kann aus der Nennleistung nicht ohne weiteres auf den zu erwartenden Jahresertrag, also die von der WKA in das [[Stromnetz]] eingespeiste Strommenge, geschlossen werden. Hierzu müssen die lokalen Gegebenheiten des [[Wind]]es, also Windstärke und Häufigkeitsverteilung, und die Eigenschaften der Anlage bekannt sein. Mit Hilfe eines [[Windgutachten]]s können die lokalen Windeigenschaften, einschließlich der zu erwartenden Unsicherheiten, routinemäßig ermittelt werden. Für eine überschlägige Abschätzung der erzeugten elektrischen Energie genügt es, die installierte Leistung mit der Anzahl der so genannten Volllaststunden zu multiplizieren. Bei Anlagen im Binnenland werden 2000 Volllaststunden als realistisch angesehen, bei Anlagen in Küstennähe ca. 2500 Stunden und für zukünftige Off-Shore-Anlagen werden 3800<ref>[[Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit|BMU]]: [http://www.erneuerbare-energien.de/files/pdfs/allgemein/application/pdf/ee_innovationen_energiezukunft.pdf ''Erneuerbare Energien''], S. 70, abgerufen am 14. September 2009.</ref> Volllaststunden angegeben. Die Anzahl der ''Volllaststunden'' ergibt sich aus dem Quotienten der voraussichtlichen tatsächlichen Jahresstrommenge und der installierten Leistung. Zur Abschätzung des Jahresertrages wird für den Standort der WKA die so genannte ''mittlere Windgeschwindigkeit'' angegeben. Sie ist ein Durchschnittswert der über das Jahr auftretenden Windgeschwindigkeiten. Die untere Grenze für den wirtschaftlichen Betrieb einer Anlage liegt, abhängig von der Einspeisevergütung, bei einer mittleren Windgeschwindigkeit von etwa 5–6&nbsp;m/s. Dabei sind jedoch noch weitere Faktoren zu berücksichtigen. ''Siehe auch:'' [[Windkraftanlage#Statistik|Statistik]] Einrichtungen, die den Wind von einer größeren Fläche auf die Rotorfläche bündeln, so genannte [[Windkonzentrator]]en, haben in den modernen Megawatt-Windkraftanlagen aus wirtschaftlichen Gründen keinen Eingang gefunden. Es gibt sie allerdings bei einigen [[Windgenerator|Kleinwindanlagen]] und als Forschungsanlagen. Eine gängige Form der Windkonzentration ist jedoch durch die günstige Wahl des Standortes möglich. So erreicht der Wind an Berghängen ([[Aufwind]]) oder in bestimmten [[Tal]]formen höhere Geschwindigkeiten als in der Umgebung, er kann daher in diesen natürlichen Windkonzentratoren besser genutzt werden. == Bauformen == [[Datei:Scout moor gearbox, rotor shaft and brake assembly.jpg|thumb|Montage]] Zur Stromerzeugung haben sich heute Windkraftanlagen mit horizontaler Rotationsachse durchgesetzt. Daneben existieren noch andere Bauformen mit vertikaler Rotationsachse, welche je nach den vorherrschenden Standortbedingungen eine gute oder sogar bessere Alternative zu Anlagen mit horizontaler Rotordrehachse sein können. Sie werden im übernächsten Absatz kurz beschrieben. Die dort meist der Vollständigkeit halber auch aufgeführte Bauform des [[Flettner-Rotor]]s in der Version mit vertikaler Rotationsachse hat in Anlagen, in denen die im Wind enthaltene Energie primär in Rotationskraft umgewandelt wird, heute noch keine Bedeutung, könnte jedoch rein technisch wegen seiner extrem hohen Auftriebsbeiwerte für eine Nutzung als Auftriebselement (Flügel) auf einer [[Kreisbahnlagerung]] in Frage kommen. === Horizontale Rotationsachse === [[Datei:Windrad-Nahaufnahme.jpg|thumb|left|Nahaufnahme Rotornabe]] Windkraftanlagen mit horizontaler Rotorachse müssen der Windrichtung nachgeführt werden. Die Gondel ist mit einem so genannten [[Azimut]]lager horizontal drehbar auf dem Turm angebracht. Die Windrichtung wird bei großen Anlagen über die [[Windrichtungsgeber]] ermittelt. Die Ausrichtung des Rotors in den Wind erfolgt dann mittels Stellmotoren. Es wird danach unterschieden, ob sich der Rotor auf der dem Wind zugewandten Seite (Luvläufer) oder auf der dem Wind abgewandten Seite ([[Luv und Lee|Leeläufer]]) des Turmes befindet. Ein Vorteil von Leeläufern ist, dass (bei kleinen Anlagen) auf einen Windnachführungsmechanismus verzichtet werden kann. Der Wind dreht den Rotor automatisch in die richtige Richtung und sorgt für eine so genannte ''passive Windnachführung''. Leeläufer haben den weiteren Vorteil, dass die Gefahr einer Rotorblatt-Berührung mit dem Turm deutlich geringer ist, jedoch konnten sie sich bei großen Anlagen nicht durchsetzen, da es zu Unstetigkeiten in der Rotordrehzahl, zu mechanischen Schwingungs-Erscheinungen und zu elektrischen Schwankungen kommt ([[Oberwelle]]n), wenn ein Rotorblatt den [[Windschatten]] des Turmes durchquert und dabei kurz das Antriebsdrehmoment schwankt. === Vertikale Rotationsachse === [[Datei:H-Darrieus-Rotor.png.jpg|thumb|H-Darrieus-Rotor]] [[Datei:Chin windmuehle.jpg|thumb|Beschnitten|Als historisches Beispiel die Chinesische Windmühle mit vertikaler Rotationsachse, zur Bewässerung von Feldern genutzt]] [[Datei:IM003117.JPG|thumb|H-Darrieus-Rotor als Einflügler mit Kontergewicht in Galdar, Gran Canaria]] [[Datei:Windlahor.jpg|thumb|[http://hr.wikipedia.org/wiki/Vjetrenja%C4%8Da_s_rotiraju%C4%87im_jedrima Windkraftanlagen mit Segeln]]] Windkraftanlagen mit vertikaler Rotationsachse gibt es unter anderem als [[Savonius-Rotor]] oder [[Darrieus-Rotor]]. Ein Beispiel für eine WKA des klassischen [[Darrieus-Rotor]]s, der von dem Franzosen [[Georges Darrieus]] erfunden wurde, ist die 110 Meter hohe Anlage [[Éole]] in [[Le Nordais]], Cap-Chat in Canada mit 4&nbsp;MW Nennleistung. Beispiele für den [[H-Darrieus-Rotor|H-Darrieus Rotortyp]] waren vier Anlagen der Fa. Heidelberg Motors mit je 1&nbsp;MW Leistung am [[Kaiser-Wilhelm-Koog]] neben der Elbmündung in Brunsbüttel. Letztere mussten zurückgebaut werden, weil ihr damals noch nicht ausgereifter getriebeloser Ringgenerator wegen Lärm nachts abgeschaltet werden musste. Das minderte den Ertrag und damit die Wirtschaftlichkeit der Anlagen. Beim klassischen [[Savonius-Rotor]] des finnischen Erfinders [[Sigurd Savonius]] wurden in jüngerer Zeit Weiterentwicklungen bekannt, die einige weitere Verbesserungen und Vorteile erbrachten und zudem einstige Nachteile aufheben konnten. Ein Beispiel für alte Windmühlen des Typs mit vertikaler Rotordrehachse ist die [[Persische Windmühle]] und die chinesische Windmühle, letztere auffindbar im Artikel [[Windmühle#Frühzeit|Windmühle]]. Ein Prototyp einer moderneren Version des [[Darrieus-Rotor]]s mit 2,4&nbsp;m Rotordurchmesser steht in [[Gáldar]] in der [[Provinz Las Palmas]] auf der [[Kanarische Inseln|Kanarischen Insel]] [[Gran Canaria]]. Diese Version, mit wie beim [[Heidelberg-Rotor]] getriebelosem Generator, benutzt auf einem H-Darrieus-Rotortyp nur einen angeströmten Flügel (mit entsprechendem Kontergewicht), der bei offener durchströmter Anordnung seiner Flügelkomponenten auch bei extremen Anstellwinkeln zur Strömung bedeutend mehr Drehkraft erzeugen kann als bisher übliche geschlossene, symmetrisch aerodynamische Profile. Sie läuft bei zugeschaltetem, kurzgeschlossenem, also bremsendem Generator ab einer Windgeschwindigkeit von etwa 3 Metern pro Sekunde ganz ohne jede Anfahrhilfe an. Der Wirkungsgrad ist im theoretischen Rahmen der Leistungsfähigkeit eines Rotors mit vertikaler Drehachse deutlich höher als in der Version mit umschlossenen, symmetrischen Flügelprofilen. Die Anzahl der Flügel ist dabei frei wählbar. Das dazugehörige Patent ''DP 41 20 908'' ist lizenzfrei nutzbar. ==== Vorteile ==== Man muss bei vertikal stehender Rotationsachse den Rotor nicht zur Windrichtung nachführen. Der Rotor ist meist zweipunkt-gelagert, wodurch die Belastungen durch Gewicht, Schwingungen und andere mechanische im Betrieb auftretende Kräfte besser verteilt und aufgefangen werden können. Der Generator kann am Boden angeschlossen sein, was sowohl die Konstruktion vereinfacht, als auch den Betrieb sicherer macht. Die Flügel werden von der Schwerkraft immer gleichmäßig belastet, weshalb hierdurch keine materialbelastenden Schwingungen auftreten können. Der Geräuschpegel bewegt sich in tolerierbaren Grenzen. Bei direkter Nutzung mechanischer Kraft wie auch bei der Umwandlung in elektrische Energie kann diese an der am Boden gelagerten Rotorwelle leichter abgenommen bzw. erzeugt werden. Turbulenzen, wie sie an 80 % der möglichen Standorte mit guten Windverhältnissen vor allem in Bodennähe auftreten, werden von Läufern mit vertikaler Rotordrehachse hervorragend toleriert und genutzt, ohne nennenswerte Wirkungsgrad-Verluste. Die konstruktiven Vorgaben sind durch die Möglichkeit, Anlagen mit vertikaler Rotordrehachse auf einer Kreisbahnlagerung am Boden auf breiter Fläche zu lagern insofern stark erweitert, als damit Größenabmessungen realisierbar sind, die für Anlagen mit horizontaler Rotordrehachse heutzutage technisch unmöglich erscheinen. Dies wurde bereits als Konzept mit aerodynamischen Flügelprofilen genau so wie bei einem Darrieus-Rotor, den man mit zur Strömung nachgeführten Flügeln konzipiert, in England und Amerika als Patentanmeldung eingereicht (siehe im Artikel [[Kreisbahnlagerung]]). Insbesondere für Anwendungen an Land gilt des Weiteren, dass eine Turbine mit vertikaler Rotationsachse wegen der dort gut aufgefangenen Lastverteilung durch Zweipunktlagerung vorteilhaft in Systeme integriert werden kann, die die Möglichkeit einer vorherigen Konzentration der Strömungsenergie durch speziell dafür entworfene feststehende Einleitflächen ähnlich einer Mantelturbine nutzt. Ein Beispiel ist hierzu der TMA-Rotor, der im Artikel [[Savonius-Rotor]] im Abschnitt [[Savonius-Rotor#Entwicklung|Entwicklung]] beschrieben wird. Bei diesem Konzept kann man bei gleicher Leistung eine nur etwa halb so große Turbine wählen, was sich bei entsprechend stabiler Konstruktion sehr vorteilhaft sowohl auf die Herstellungskosten als auch die Lebensdauer einer Anlage auswirken kann. Der Strömungsdurchsatz der Turbine wird zudem nicht behindert, das Maschinenhaus befindet sich hier unten am Boden. Vorstellbar ist bei Rotoren mit vertikaler Drehachse auch die Möglichkeit, verstärkte Strömungen zu nutzen, wie sie sich beispielsweise hinter baulichen Hindernissen, in Bergschluchten, in Tunneln und in Hanglagen bilden können. Dort kommt in besonderem Maße die gute Turbulenzverträglichkeit aller Anlagen mit vertikalen Rotationsachsen zum Tragen. Nicht zuletzt mag es manchen Architekten vor eine besonders interessante Herausforderung stellen, seine baulichen Entwürfe so zu gestalten, dass diese ein besonders strömungsverstärkendes Profil erhalten, das durch solche Turbinen dann zur Energieerzeugung genutzt werden kann. ==== Nachteile ==== Da sich die Flügel an einer Windkraftanlage mit vertikaler Rotordrehachse in einem etwa auf ein Viertel des Rotordrehkreises bezogenen Abschnitt im Arbeitsumlauf in einer zur Strömung ungünstigen und energetisch nicht nutzbaren Position befinden, können sie nur den Teil der Strömung in nutzbare Energie umwandeln, zu dem sie sich in einer dafür günstigen Stellung befinden. Also bestenfalls auf drei Vierteln ihres Drehkreises nutzen sie den Wind. Dies ist abhängig vom Rotortyp und der Art der Flügel, es kann bis zu einer Hälfte des Drehkreises der Flügel von diesem Nachteil betroffen sein, bei historischen Modellen dieser Bauart ist dies zum Beispiel bei der persischen Windmühle der Fall. Der Leistungsbeiwert um etwa 0,3 ist für einen Rotor mit vertikaler Drehachse also eine sehr gute Leistung. Verglichen mit Läufern, die nach dem Konstruktionsprinzip der horizontalen Rotordrehachse gebaut sind, gleicht sich dieser Nachteil des geringeren Wirkungsgrades dann aus, wenn der Standort eine turbulente Strömungscharakteristik aufweist. Dann nämlich werden die Flügel der horizontal liegenden Läufer von der wechselnden Strömung oft falsch angeblasen, wodurch wegen des falschen Anströmwinkels zum Blattprofil der Wirkungsgrad dann starke Differenzen zeigen kann. Ein weiterer Nachteil sind die Schwingungen und Belastungen der Flügelkonstruktion und deren Halterungen, die durch die zyklisch auftretenden Lastwechsel verursacht werden, die wiederum durch die unterschiedliche Reaktion der Blätter oder Flügel auf die Strömung im Drehkreis entstehen. Hinzu kommt, dass die Flügel bzw. Blätter, je nachdem, auf welcher Seite ihres Drehkreises sie gerade durch die Strömung laufen, sei es nun auf der Luv- oder auf der Leeseite des Rotors, auch die Seite wechseln, von der sie angeströmt werden. Der Effekt dieser Lastwechsel ähnelt oberflächlich betrachtet einer durch ungleichmäßige Masseverteilung verursachten Unwucht und kann relativ starke Belastungen auf die Konstruktion ausüben. == Technik von Windkraftanlagen == Da gegenwärtig im Wesentlichen nur Windkraftanlagen mit horizontaler Rotationsachse errichtet werden, beschränkt sich dieser Abschnitt auf Anlagen dieser Bauform. === Bestandteile einer Windkraftanlage === [[Datei:Windkraftanlage.svg|thumb|upright=1.2|Schema einer Windkraftanlage]] Eine Windkraftanlage besteht im Wesentlichen aus einem Rotor mit [[Nabe]] und Rotorblättern sowie einer Maschinengondel, die den Generator und häufig ein Getriebe beherbergt. Es gibt auch Anlagen ohne Getriebe. Die Gondel ist drehbar auf einem [[Turm (Bauwerk)|Turm]] gelagert, dessen [[Fundament]] die notwendige Standsicherheit gibt. Dazu kommen die Überwachungs-, Regel- und Steuerungssysteme sowie die Netzanschlusstechnik in der Maschinengondel und im Fuß oder außerhalb des Turmes. ==== Rotorblätter ==== Die [[Rotorblatt|Rotorblätter]] sind elementarer und prägender Bestandteil einer WKA. Mit ihnen wird die Windenergie aus der Luft entnommen und dem Generator zugeführt. Sie sind für einen Teil der Betriebsgeräusche verantwortlich. Deshalb werden sie nicht nur stets auf einen höheren Wirkungsgrad, sondern auch auf Geräuschminderung hin optimiert. Die Rotordurchmesser bei den heute üblichen Anlagengrößen liegen etwa zwischen 40 und 90&nbsp;m mit Trend zu größeren Durchmessern. Aktueller Spitzenreiter (Januar 2009) ist die Enercon [[Enercon#E-126|E-126]] mit einem Rotordurchmesser von 127&nbsp;m. Moderne Rotorblätter bestehen aus [[Glasfaserverstärkter Kunststoff|glasfaserverstärktem Kunststoff]] und werden in Halbschalen-[[Sandwichbauweise]] mit Versteifungsholmen oder -stegen im Inneren hergestellt. Auch [[Kohlenstofffaser]]n haben bereits bei einigen Herstellern Eingang in die Fertigung gefunden. Die Rotorblätter sind mit einem [[Blitzableiter|Blitzschutzsystem]] ausgerüstet, das die Entladung an die [[Erdung]] des Maschinenhauses abgibt. Ein mögliches Phänomen an den Blättern ist [[Eis]]bildung. Sie führt zu einer Wirkungsgradminderung, da sie die Form und damit das aerodynamische Profil der Blätter verändert. Auch [[Unwucht]] des [[Rotor]]s ist eine Folge. Herabfallende Eisbrocken stellen eine mögliche Gefährdung unterhalb der Rotorblätter und in der näheren Umgebung dar. Eisabbruch wurde schon mehrfach dokumentiert, jedoch keine Personen- oder Sachschäden, da er wegen der verschlechterten Aerodynamik nur bei geringer Drehzahl oder im Trudelbetrieb nach Eisabschaltung auftritt. Eisbildung tritt jedoch nur selten und nur bei bestimmten Wetterlagen auf. Die Anlagen schalten sich bei Eisansatz automatisch ab, der in der Regel durch eine Änderung der intern aufgezeichneten Leistungskurve (Leistung und Wind passen wegen schlechterer Aerodynamik nicht mehr zusammen) und durch Beobachtung der Temperatur oder Unwucht am Rotor ermittelt wird. Die Rotorblätter einiger Firmen können mit einer Rotorblattheizung ausgerüstet werden. Diese soll Eisansatz an Blättern vermindern beziehungsweise das Abtauen beschleunigen. Die Heizung hat eine Leistung im ein- bis zweistelligen Kilowattbereich pro Rotorblatt, was jedoch wenig ist gegenüber der eingespeisten Leistung (mehrere hundert bis einige tausend Kilowatt). Bei einigen Anlagen wird zur Blattheizung die Abluft aus der Gondel (dem Generatorhaus auf dem Turm) durch die Rotorblätter gepumpt, so dass die Abwärme von Generator und Stromwandler genutzt wird. ==== Maschinenstrang ==== Für die Umwandlung mechanischer in elektrische Leistung werden Drehstrom-[[Drehstrom-Asynchronmaschine|Asynchron-]] oder [[Drehstrom-Synchronmaschine|-synchron]]-Generatoren eingesetzt. Die [[Drehzahl]] des Generators (und damit des Rotors) kann konstant, zweistufig (für niedrige und hohe Windgeschwindigkeit) oder stufenlos anpassbar sein. Es haben sich einerseits verschiedene Varianten von getriebegekoppelten Asynchrongeneratoren sowie andererseits direkt gekuppelte, vielpolige Synchrongeneratoren durchgesetzt. Die einfachste Art eines Asynchrongenerators ist ein solcher mit [[Kurzschlussläufer]]. Ist er nicht polumschaltbar, kann man ihn direkt am Netz nur mit einer Drehzahl betreiben: bei einer [[Polpaarzahl]] von z.&nbsp;B. 2 (d.&nbsp;h. vier Pole) ergibt sich mit der [[Netzfrequenz]] von 50&nbsp;[[Hertz (Einheit)|Hertz]] eine Drehfelddrehzahl von 1500&nbsp;U/min. Wenn die Läuferdrehzahl (Drehzahl des vom Getriebe übersetzten Rotors) über der Drehfelddrehzahl liegt, dann ist die Asynchronmaschine im Generatormodus, liegt sie darunter, dann arbeitet sie als Motor. Letzteres wird von der Steuerung nicht zugelassen. [[Datei:E-112 Egeln feb2005.jpg|thumb|E-112 in Egeln, getriebelos mit Synchrongenerator 4,5&nbsp;MW]] Bei polumschaltbaren Asynchrongeneratoren gibt es die Möglichkeit, die WKA wahlweise mit zwei festen Drehzahlen zu betreiben, entsprechend besitzt der Generator getrennte Wicklungen z.&nbsp;B. mit zwei oder drei Polpaaren. Damit liegen die Drehfelddrehzahlen bei 1.500&nbsp;U/min und 1.000&nbsp;U/min. Der Vorteil besteht darin, dass so der Generator sowohl bei niedrigen als auch bei hohen Windgeschwindigkeiten mit hohem Wirkungsgrad arbeiten kann.<br /> Diese einfachen Varianten mit Asynchrongeneratoren kommen heute in der Regel nicht mehr zum Einsatz, sondern solche, die über einen weiten Drehzahlbereich an die Turbine anpassbar sind und so einen hohen Wirkungsgrad zeigen. Das ist beispielsweise mit [[Doppelt gespeiste Asynchronmaschine|doppelt gespeisten Asynchronmaschinen]] mit Schleifringläufer und läuferseitigem [[Frequenzumrichter]] möglich. Der Vorteil ist, dass der Frequenzumrichter nur eine vergleichsweise kleine Leistung liefern muss, es ist jedoch weiterhin ein Getriebe nötig.<br /> Synchrongeneratoren mit [[Frequenzumrichter]] erlauben dagegen aufgrund ihrer wesentlich höheren Polpaarzahl von z.&nbsp;B. 36, dass auf ein Vorschaltgetriebe verzichtet werden kann – sie können mit der Drehzahl des Rotors betrieben werden. Allerdings wird dies mit Nachteilen erkauft: einem vergrößerten Generatordurchmesser (nennleistungsabhängig zwischen ca. 3 und 12&nbsp;m, letzterer für [[Enercon#E-112|Enercon E-112]]) und einem folglich höheren Generatorgewicht. Auch muss die mit der Drehzahl des Rotors schwankende Frequenz der erzeugten [[Elektrische Spannung|Spannung]] zunächst in Gleichstrom umgeformt (gleichgerichtet) und dann mit einem netzgeführten [[Wechselrichter]] wieder in einen Wechselstrom umgeformt werden, um mit den gewünschten Werten von Spannung, Frequenz und [[Phasenverschiebung|Phasenwinkel]] ins Netz zu gelangen. Der Umrichter muss die volle Generatorleistung verarbeiten; durch die Entkoppelung von Generator und Einspeisung erreichen diese Anlagen jedoch eine hohe Effizienz und beim heutigen Stand der Leistungselektronik auch eine gute [[Netzverträglichkeit]]. Der Generator und ein eventuelles Getriebe werden auf Lebensdauer, Gewicht, Größe, Wartungsaufwand und Kosten optimiert. Ein weiterer Parameter ist die Polpaarzahl des Generators, womit das Übersetzungsverhältnis eines eventuellen Getriebes festgelegt ist. Die Art der [[Bremse]] hängt von der Wahl der Rotorblattsteuerung ab. Bei Anlagen mit Stallregelung muss die Bremse in der Lage sein, die gesamte Bewegungsenergie des Rotors und des Generators im Notfall aufzunehmen. Sie muss deshalb sehr leistungsfähig sein. Teilweise wird sie auch als Betriebsbremse eingesetzt, um die Rotordrehzahl bei Windböen innerhalb der Toleranzen zu halten. Hierzu kommen meist große [[Scheibenbremse]]n zum Einsatz. Anlagen mit aktiver Stallregelung und Pitchregelung können die Rotorblätter aus dem Wind drehen und aerodynamisch abbremsen. Eine mechanische Bremsanlage fällt dann kleiner aus oder kann sogar ganz entfallen. Alle Anlagen müssen mit zwei voneinander unabhängigen Bremssystemen ausgerüstet sein. Dazu zählen auch unabhängig voneinander verstellbare Rotorblätter. Zertifizierungsgesellschaften wie z.&nbsp;B. der [[Germanischer Lloyd|Germanische Lloyd]] setzen Vorgaben fest für die Teile des Antriebsstranges in Bezug auf Geräusche, Schwingungsverhalten und Lastprofile. Dies ist von großer Bedeutung, da diese Teile außergewöhnlichen Beanspruchungen unterliegen. ==== Elektrik / Elektronik / Einspeisung ==== Die elektrische Ausrüstung lässt sich in den [[Generator]], in das System zur Netzeinspeisung und in das Steuer- und Überwachungssystem für den Anlagenbetrieb unterteilen. Bei den älteren, drehzahlstarren Anlagen ist der Generator, teils mit Zwischen[[transformator]] zur Spannungsanpassung, direkt an das öffentliche Stromnetz gekoppelt – er läuft mit Netzfrequenz. Bei einem [[Asynchrongenerator]] mit Kurzschlussläufer wird eine Vorrichtung zur [[Blindleistungskompensation]] parallel zum Generator geschaltet. Bei modernen drehzahlvariablen Anlagen mit [[Synchrongenerator]] (z.&nbsp;B. von Enercon) schwankt der vom Generator erzeugte [[Wechselstrom]] in Frequenz und Betrag ständig. Deshalb wird er mit einem [[Gleichrichter]] in [[Gleichstrom]] umgewandelt, gefiltert und in einem [[Wechselrichter]] wieder in Wechselstrom zurückverwandelt. Bei beiden Generatorvarianten wird die Spannung zuletzt ggf. auf das Netzanschlussniveau [[Transformator|transformiert]]. Die WKA wird über eine Leistungsmesseinrichtung und einen Energiezähler ans Stromnetz angeschlossen. Einspeisungen von Windkraftanlagen in das [[Bahnstromnetz]] wurden bisher nicht realisiert. Der oft befürchtete „Stromüberlauf“, also eine Spannungsüberhöhung im Stromverbundnetz durch deutlich höher eingespeiste als abgenommene Leistung, wird von neueren Anlagen durch Herabregeln der Einspeiseleistung verhindert. Diese Anlagen sind in der Lage, Spannung und Frequenz im Verbundnetz zu stützen. Außerdem werden die Netzkapazitäten langsam den neuen Stromanbietern angepasst. Neuere Windparks sind auch in ihrer Gesamtheit regelbar. Ein weiterer wichtiger Teil ist die [[Sensorik (Technik)|Sensorik]] zur Anlagensteuerung und -überwachung. Die Windkraftanlagen besitzen eine permanente Überwachung ihrer mechanischen Komponenten, um Veränderungen zu erkennen und Schadensereignissen durch rechtzeitige Maßnahmen vorbeugen zu können (z.&nbsp;B. mittels Schwingungsdiagnose). Die [[Versicherungsgesellschaft|Versicherer]] von Windkraftanlagen fordern solche Fernüberwachungs- oder auch [[Condition-Monitoring]]-Systeme, wenn die Anlagen günstig versichert werden sollen. Die Anlagen sind an ein Ferndiagnosenetz angeschlossen, das alle Werte und Betriebszustände und eventuelle Störungen an eine Zentrale übermittelt. Von dort aus werden alle Wartungsarbeiten koordiniert. Die wichtigsten Kenndaten einer WKA können in speziellen [[Internet]]-Portalen den Eigentümern zur Ansicht gestellt werden. Es gibt auch Systeme, die die Eigentümer zusätzlich beim Anfahren, Abschalten oder bei Störungen per [[Short Message Service|SMS]] informieren. ==== Turmvarianten ==== [[Datei:Windkraftwerk Turm innen.jpg|thumb|Leiter im Stahlturm einer WKA]] Der Turm, auf den die bis zu mehreren hundert [[Tonne (Masseneinheit)|Tonnen]] schwere Maschinengondel aufgesetzt wird, ist ein hochbelastetes technisches Bauteil. Er muss unter allen Betriebsbedingungen den Schwingungen der Gondel und den auftretenden Windkräften sicher widerstehen. Die Berechnung der Türme erfolgt für die vorgesehene Lebensdauer der Anlage. Vorhandene Türme können daher nach Ablauf dieser Lebensdauer in der Regel nicht weiter als Träger für modernere Anlagengenerationen genutzt werden und werden beim Abbau der Anlage mit demontiert. Die Höhe des Turmes ist ein entscheidender Faktor für den Ertrag einer WKA, da in höheren Luftschichten die durch Bodenrauigkeit (Bebauung und [[Pflanzenreich|Flora]]) hervorgerufen Turbulenzen wesentlich verringert sind und somit der Wind gleichmäßiger und stärker weht. Während an Küstenstandorten schon relativ kleine Türme ausreichen, werden im Binnenland zumeist höhere Türme aufgestellt. Die Hersteller bieten verschiedene Turmhöhen und Varianten für die gleiche Anlage an. Beispiele für Turmhöhen in Bezug auf Rotordurchmesser und Nennleistung: * etwa 40 m Rotordurchmesser, etwa 500–600&nbsp;kW Nennleistung, etwa 40–65&nbsp;m Nabenhöhe * etwa 70–90 m Rotordurchmesser, etwa 1,5–3&nbsp;MW Nennleistung, etwa 65–114&nbsp;m Nabenhöhe * etwa 112–126 m Rotordurchmesser, etwa 4,5–6&nbsp;MW Nennleistung, etwa 120–130&nbsp;m Nabenhöhe [[Datei:Windenergieanlagen Tarifa2004.jpg|thumb|Gittermastwindkraftanlage bei [[Tarifa]]]] Stahltürme bestehen meist aus zwei bis vier Segmenten, die mit [[Flansch (Stahlbau)|Flansch]]</b>verbindungen verschraubt werden. Die Wandstärken betragen 20&nbsp;mm bis 40&nbsp;mm. Auch das Verschweißen von Segmenten auf der Baustelle wurde getestet.<ref>[http://www.enercon.de/de/windblatt.htm ''Enercon GmbH'': Windblatt] – 06-2004, S. 4 u. 5</ref> Die 100-Meter-Türme wurden danach in einem Stück aufgerichtet und mit dem Fundament verschweißt. Vorteil dieser Variante ist der Wegfall der Schraubflansche. Es handelte sich jedoch noch um Prototypen. Betontürme können in [[Gleitschalung]], auch [[Beton#Ortbeton|Ortbeton]]-Turm genannt, gebaut werden, da der Turm „vor Ort“ gebaut wird und der Beton von einem regionalen Zulieferer kommt. Der Bau von Betontürmen in Fertigteilbauweise ist ebenfalls möglich. Dabei werden vorgefertigte Elemente auf der Baustelle aufeinandergesetzt und mit Stahlseilen, die durch Leerrohre in der Wandung geführt werden, auf Vorspannung gebracht ([[Spannbeton]]). Eine weitere Turmvariante ist der [[Gittermast]]. Als Alternative zu den bisherigen Turmvarianten wurde ein [[Sandwichturm]] im Rahmen der Dissertation von Dipl.-Ing. Christian Keindorf entwickelt. Mit einem Sandwichturm kann die Schalenstabilität und Tragfähigkeit gegenüber der üblichen Stahlbauweise gesteigert werden. Eine Sandwichturmsektion besteht dabei grundsätzlich aus einem stählernen Innen- und Außenrohr, die durch einen dazwischen liegenden Verbundwerkstoff vollflächig ausgesteift werden. Als Verbundwerkstoffe können pumpfähige Elastomere, Epoxidharze und Vergussmörtel zum Einsatz kommen, die vom Turmfuß aufsteigend in den Ringspalt gefüllt werden. Neben der Steifigkeit und Druckfestigkeit der Füllmaterialien ist deren Verbundfestigkeit von essentieller Bedeutung für das Tragverhalten des Sandwichquerschnitts. Bei kleineren Anlagen (bis ca. 500&nbsp;kW) wurden zum Teil Türme mit Außenaufstieg, also einer Leiter außen am Turm, verwendet. Dies erlaubte eine schlankere Gestaltung der Türme, da dann das Innere nicht begehbar sein musste. Größere Anlagen werden, mit Ausnahme von Gittermasten, grundsätzlich innerhalb des Turmes bestiegen. Große Türme (über 80&nbsp;m) haben im Inneren in aller Regel einen Fahrkorb oder [[Aufzugsanlage|Aufzug]], der den Aufstieg erleichtert. Daneben gibt es oft auch noch eine Materialwinde zum Transport von Ersatzteilen. ==== Fundamentvarianten ==== Die Windkraftanlage muss sicher im Boden verankert werden. An Land wird am häufigsten eine [[Flachgründung]] gewählt. Am Anlagenstandort wird auf einer [[Sauberkeitsschicht]] eine kreisförmige oder auch eine vier- oder mehreckige Fundamentplatte [[Bewehrung|bewehrt]], [[Schalung (Beton)|geschalt]] und dann mit Beton gegossen. Die Platte befindet sich in der Regel unter einer Erddeckschicht unterhalb der Geländeoberkante. Bei inhomogenen Bodenverhältnissen kann vor dem Fundamentbau ein Bodenaustausch zur Verbesserung der Tragfähigkeit notwendig sein. Stehen in der Gründungsebene nur sehr weiche Böden an, dann werden Pfähle in tragfähigere Schichten gebohrt oder gerammt und deren gekappte Köpfe mit der Fundamentbewehrung verflochten ([[Pfahlgründung]] oder [[Tiefgründung]]). Da die Pfähle Druck- und Zugkräfte abtragen können, sind Pfahlkopf-Fundamente in der Regel kleiner als Flachgründungs-Fundamente. Für die Gründung von [[Offshorebauwerk]]en gibt es verschiedene bewährte Verfahren. So kann die Windkraftanlage auf einen dreibeinigen Fuß (Tripod), auf ein [[Bucket-Fundament]] oder auf einen einzelnen Mast (Monopile; ''pile'': englisch für Pfahl, Pfosten) gestellt werden. Ebenfalls ist die Verwendung von Schwerkraft-Fundamenten möglich, bei denen beispielsweise Betongewichte auf dem Seeboden abgelegt werden. Diese sind so schwer und stabil, dass sie die Kräfte, die auf eine Windkraftanlage einwirken, ohne weitere Verankerungen am Seeboden aufnehmen können. Es gibt Konzepte, eine Windkraftanlage auf Schwimmkörper zu stellen und nur diese über Stahlseile am Meeresboden zu verankern. Eine solche [[schwimmende Windkraftanlage]] könnte an besonders windreichen Standorten, in bisher nicht nutzbaren tieferen Gewässern, aufgestellt werden. [[Datei:WKA Fundament.JPG|thumb|right|230px|Fundament einer Enercon E-82 im niederländischen Eemshaven]] ==== Sonderausstattungen ==== Bei einer versicherten WKA ist in der Regel eine Feuerlöschanlage vorhanden, um Brände in der Mechanik und Elektronik bekämpfen zu können. Im Windpark [[Holtriem]] bei Westerholt gibt es eine WKA vom Typ E-66, die mit einer Aussichtsplattform ausgerüstet ist. Über eine [[Wendeltreppe|Innenwendeltreppe]] mit 297 Stufen gelangen die Besucher zum verglasten Aussichtsrondell in 65&nbsp;m Höhe unter dem Maschinenhaus. Weitere baugleiche WKA dieser Art stehen bei Aachen, nahe der Messe Hannover, in Österreich und in Großbritannien bei Swaffham (Norfolk). Manche Windkraftanlagen dienen auch als Standort für [[Sendeantenne]]n von Funkdiensten mit kleiner Leistung im [[Ultrakurzwelle]]n-Bereich wie dem [[Mobilfunk]]. ==== Offshore-Ausrüstung ==== [[Datei:Multibrid5000 jg.jpg|thumb|Prototyp einer 5-MW-Windkraftanlage für Offshore-Windparks (Multibrid 5000), gebaut 2004 nördlich von Bremerhaven]] Windkraftanlagen auf dem offenen Meer sind, wie alle [[Offshorebauwerk|Offshore-Installationen]], durch die aggressive, salzhaltige Meeresluft stark [[korrosion]]sgefährdet. Es werden daher zusätzliche Schutzmaßnahmen ergriffen. Dazu zählt unter anderem die Verwendung meerwasserbeständiger Werkstoffe, Verbesserung des [[Korrosionsschutz]]es und die vollständige Kapselung bestimmter Baugruppen. Zum Aufbau, beim Austausch von Komponenten und bei der Wartung vor Ort muss auf die Offshore-Bedingungen Rücksicht genommen werden. So wird die Anlage auf durchschnittlich höhere Windgeschwindigkeiten (andere Windklasse) ausgelegt, was z.&nbsp;B. eine entsprechende Konstruktion des Rotors und seine Abstimmung auf den Generator notwendig macht. Ein weiteres Standortproblem sind die Schwingungen, zu denen eine WKA durch die See angeregt werden kann. Unter ungünstigen Bedingungen können sie selbstverstärkend wirken, so dass ihr Auftreten ebenfalls in der Konstruktion und Betriebsführung berücksichtigt werden muss. Da deutsche Windkraftanlagen nicht in der Nähe der Küste, sondern in der Regel in der [[Ausschließliche Wirtschaftszone|Ausschließlichen Wirtschaftszone]] des deutschen Festlandsockels weit draußen in tiefem Wasser geplant werden (''siehe auch'' [[Seerecht]]), muss der Zugang zu den Anlagen ermöglicht werden. Einige Konzepte sehen dabei auch Hubschrauberplattformen vor. Auch der Transport der erzeugten elektrischen Energie bis zum Einspeisepunkt an der Küste bedarf gesonderter Vorkehrungen. Es werden [[Hochspannungsleitung]]en als [[Seekabel]] verlegt. === Typenklasse (Windklasse) === WKA können für verschiedene Windklassen zugelassen werden. International ist die Normung der [[International Electrotechnical Commission|IEC]] (International Electrotechnical Commission) am geläufigsten. In Deutschland gibt es zudem die Einteilung des Deutschen Institutes für Bautechnik ([[Deutsches Institut für Bautechnik|DIBt]]) in Windzonen. Die IEC-Windklassen spiegeln die Auslegung der Anlage für windstarke oder windschwache Gebiete wider. Charakteristisch für Windkraftanlagen in höheren Klassen (weniger Wind) sind größere Rotordurchmesser bei gleicher Nennleistung und oft auch ein höherer Turm. Als Bezugswerte werden die durchschnittliche Windgeschwindigkeit in Nabenhöhe und ein Extremwert verwendet, der statistisch nur ein Mal im 10-Minuten-Mittel innerhalb von 50&nbsp;Jahren auftritt. {| class="wikitable centered" |+ Vergleich verschiedener Typenklassen hinsichtlich der Windgeschwindigkeit |- ! IEC Windklasse !! I !! II !! III !! IV |- | 50-Jahres-Extremwert || 50 m/s || 42,5 m/s || 37,5 m/s || 30 m/s |- | durchschnittliche Windgeschw. || 10 m/s || 8,5 m/s || 7,5 m/s || 6 m/s |} === Regelung und Betriebsführung === Für die [[Regelungstechnik|Regelung]] der Anlagen existieren verschiedene Konzepte, die sich zum Teil auch auf die Anlagenkonstruktion und deren Bestandteile auswirken. ==== Anlauf- und Abschaltwindgeschwindigkeit ==== Die Windkraftanlagen werden von der [[Regler|Regelelektronik]] bei ertragsversprechenden Windgeschwindigkeiten (Anlaufwindgeschwindigkeit) angefahren und bei zu großen Windgeschwindigkeiten (Abschaltwindgeschwindigkeit) wieder abgeschaltet. Die Windgeschwindigkeit kann dabei von der [[Steuerungstechnik|Steuerung]] über das [[Anemometer]] ermittelt oder aus der Drehzahl des Rotors und der abgegebenen Leistung abgeleitet werden. [[Datei:EnerconE70-Magedeburg 2005-Steinkopfinsel01.jpg|thumb|Montage einer WKA auf der Steinkopfinsel in Magdeburg]] Ist die Windgeschwindigkeit für einen wirtschaftlichen Betrieb zu gering, wird die Anlage in [[Leerlauf]]- bzw. Trudelzustand versetzt. Dabei werden die Blätter bei Anlagen mit Pitchregelung in Segelstellung gedreht, Anlagen mit Stallregelung werden aus dem Wind gedreht. Ein Festsetzen des Rotors würde die [[Lager (Maschinenelement)|Lager]] mehr belasten als der Trudelbetrieb mit leichter Bewegung. Der Generator beziehungsweise der Wechselrichter wird vom Stromnetz getrennt. Die Steuerelektronik und die Stellantriebe für Rotorblattverstellung und Windrichtungsnachführung beziehen dann ihre Energie aus dem Netz. Die Anlagen besitzen auch eine Notstromversorgung, um bei Netzausfall ein sicheres Abschalten (Blätter in Segelstellung drehen oder bremsen) zu gewährleisten. Ab einer Windgeschwindigkeit von 2–4&nbsp;m/s ([[Beaufortskala|Windstärke]] 2–3&nbsp;Bft) schaltet die Steuerung die WKA ein, da erst dann nennenswerte Energiemengen in das Stromnetz abgegeben werden können. Im normalen Betrieb wird die Anlage dann entsprechend den konstruktiv festgelegten Drehzahlregelkonzepten (siehe folgende Absätze) betrieben. Bei sehr großen Windgeschwindigkeiten (typische ''Abschaltgeschwindigkeit'' 25–35&nbsp;m/s, Windstärke&nbsp;10–12 Bft) wird die Anlage abgeschaltet, um Schäden durch mechanische Überbelastung zu vermeiden. Pitchgeregelte Anlagen drehen ihre Blätter in Segelstellung und gehen in den Trudelbetrieb, stallgeregelte Anlagen werden aus dem Wind gedreht und durch die Bremse festgesetzt. Neuere Anlagen besitzen eine ''Sturmregelung''. Diese schaltet die Anlage nicht einfach ab, sondern erlaubt den reduzierten sicheren Betrieb der Anlage bei fast jeder Windgeschwindigkeit, da sie bei [[Sturm]] die Rotorblätter so verstellt, dass die Anlage in einem sicheren Betriebszustand verbleibt. Sie sorgt auch für ein „sanfteres“ Ab- und wieder Zuschalten der Anlage, wenn der zu starke Wind ein wenig schwächer wird. Das schont das Spannungsniveau im Stromnetz. ==== Drehzahlregelung ==== Eine WKA ist nur dann optimal zu betreiben, wenn die Rotordrehzahl und die Generatordrehzahl auf die augenblicklich herrschende Windgeschwindigkeit abgestimmt sind. Dabei muss auf die Kombination der Regelkonzepte für Rotor (Stall, aktiven Stall oder Pitch) und Generator (drehzahlkonstant, zweistufig oder variabel) Rücksicht genommen werden. ===== Regelkonzepte ===== [[Datei:Regelkonzept.png|thumb|right|Rotorblatt bei unterschiedlichen Windgeschwindigkeiten je nach Regelkonzept]] Bei einem Rotor mit Stallregelung tritt über der Nenngeschwindigkeit ein [[Strömungsabriss]] am Rotorblatt auf, der die Drehzahl und damit die Leistung begrenzt. Diese konstruktive Regelung ist sicher und einfach, bringt jedoch auch einige Nachteile mit sich. Bei Rotorblättern mit aktiver Stallregelung kann der Punkt des Strömungsabrisses zusätzlich über eine Veränderung des [[Anstellwinkel|Rotorblattanstellwinkels]] gesteuert werden. Da diese Anlagen in der Regel mit netzsynchronen Generatoren arbeiten, muss die Rotationsgeschwindigkeit des Rotors sehr schnell auf die sich ständig ändernde Windgeschwindigkeit abgestimmt werden, um die Frequenz und den Betrag der Spannung innerhalb der geforderten Toleranzen zu halten. Rotoren mit Pitchregelung werden ebenfalls durch Verstellen des Anstellwinkels an die momentane Windgeschwindigkeit angepasst. Jedoch arbeitet die Verstellung entgegengesetzt zu Anlagen mit Stallregelung. Durch die Drehung des Rotorblattes wird die Auftriebskraft verändert und kann die Rotationsgeschwindigkeit geändert werden. Diese Windkraftanlagen arbeiten zumeist drehzahlvariabel, d.&nbsp;h. die Rotordrehzahl schwankt in einem gewissen Toleranzbereich. Der Generator bringt ein [[Drehmoment|Gegenmoment]] zum Rotor auf. Es ist abhängig von der Leistungsabgabe des Generators. Bei einer Asynchronmaschine mit zwei fixen Drehzahlen muss die WKA je nach Windstärke zwischen diesen beiden Stufen umschalten. Generatoren mit variabler Drehzahl, Asynchrongeneratoren und Synchrongeneratoren können sich ohne Zutun den wechselnden Rotationsgeschwindigkeiten des Rotors anpassen. ===== Drehzahlvariable pitchgeregelte Anlagen ===== Drehzahlvariable pitchgeregelte Anlagen stellen zur Zeit (2007) den aktuellen Stand der Technik im Windkraftanlagenbau dar. Es wird zwischen zwei Betriebszuständen unterschieden: der Drehzahlregelung im Teillastbetrieb (Momentenregelung) und der Drehzahlregelung im Volllastbetrieb (Pitchregelung). ; Momentenregelung: * Um eine optimale Leistungsausbeute zu erreichen, wird die Drehzahl der Anlage im Teillastbereich auf das optimale Verhältnis zwischen Umfangsgeschwindigkeit des Rotors und Windgeschwindigkeit eingestellt (Schnelllaufzahl <math>\lambda</math> optimal). Die Blätter sind dabei auf den Blattwinkel eingestellt, der das höchste Antriebsmoment an der Rotorwelle erzeugt. Die Drehzahl wird über das Gegenmoment am Generator beeinflusst. ; Pitchregelung: * Ist bei der Nennwindgeschwindigkeit das maximale Gegenmoment am Generator (Nennleistung) erreicht, kann die Drehzahl durch weiteres Erhöhen des Generatormoments nicht mehr auf dem Arbeitspunkt gehalten werden. Daher wird der aerodynamische Wirkungsgrad der Blätter verschlechtert, indem sie aus ihrem optimalen Anstellwinkel herausgefahren werden. Diesen Vorgang nennt man ''Pitchen''. Die Drehzahl der Anlage wird daher ab Erreichen des maximalen Generatormoments über den Anstellwinkel der Blätter beeinflusst. Böen werden durch kurzzeitige Erhöhung der Rotordrehzahl und Verstellung des Anstellwinkels besser ausgesteuert als bei anderen Anlagen. Die Trennung von Generator und Netzeinspeisung verhindert Rückwirkungen der Rotordrehzahl auf Netzfrequenz und Spannungsstabilität, diese Schwankungen werden durch Einspeiseleitungen aufgefangen. Windkraftanlagen mit Pitchregelung werden zumeist ausschließlich aerodynamisch abgebremst. Dabei wirken die drei voneinander unabhängigen Blattverstellsysteme als Bremse. Sie besitzen keine mechanische Betriebsbremse. Der Rotor wird nur zu Wartungsarbeiten festgesetzt. ===== Netzsynchrone Anlagen mit Stallregelung ===== Dieser Anlagentyp wurde auch als „Dänisches Konzept“ bekannt und stellte lange Zeit den Stand der Technik im Windkraftanlagenbau bis zu einer Nennleistung von etwa 500&nbsp;kW dar. Er besteht aus einem Dreiblattrotor mit nicht verstellbaren Rotorblättern, der sein Drehmoment über ein Stirnradgetriebe an den Generator weiterleitet. Der Generator läuft netzsynchron. Durch die Anwendung der [[Asynchrongenerator#Dahlander-Schaltung|Dahlander]]-Polumschaltung am Generator können zwei Drehzahlen im Verhältnis 1:2 gefahren werden, um den Teillast- und Volllastbereich abzudecken. Dieser Anlagentyp ist maßgeblich für den schlechten Ruf der WKA in Bezug auf die Netzverträglichkeit verantwortlich. Es ist nur in einem Toleranzbereich möglich, die Rotordrehzahl konstant zu halten. [[Bö|Windböen]] können kurzzeitige Einspeisespitzen verursachen, die zu Spannungsschwankungen, Spannungs- und Stromoberwellen im Stromnetz führen. Dieses Manko konnte erst durch drehzahlvariable Anlagen mit einem [[Wechselrichter]] ausgeglichen werden. Viele dieser Anlagen verfügen über eine mechanische Betriebsbremse, eine große Scheibenbremse zwischen Getriebe und Generator, die bei Überdrehzahl eingesetzt wird, um den Rotor wieder auf Nenndrehzahl zu bringen. Eine weitere Bremsmöglichkeit ist die so genannte Blattspitzenbremse. Dabei wird das Ende des Rotorblattes durch die Fliehkraft auf einer schneckenförmigen Welle aus dem Blatt herausgezogen und dabei quer zur Anströmung gestellt. Die Anlagen waren teilweise durch die Rotorblattauslegung nicht in der Lage, bei wenig Wind selbstständig anzulaufen. Daher wurde bei ausreichender Windgeschwindigkeit der Generator kurz als Motor verwendet, um den Rotor in Drehung zu versetzen. Die Rotorblätter sind so geformt, dass im Nennlastbereich ein Strömungsabriss auftritt und so die Leistung auch bei starkem Wind auf die Nennleistung begrenzt. Dieser so genannte Stalleffekt bringt jedoch starke Geräuschentwicklungen mit sich. ===== Netzsynchrone Anlagen mit aktiver Stallregelung ===== Windkraftanlagen mit aktiver Stallregelung sind der Versuch, das Konzept der Stallregelung und des netzsynchronen Betriebs ohne teureren Gleich- und Wechselrichter auch auf größere Anlagen bis in den Megawattbereich zu übertragen. Bei diesen Anlagen lässt sich der Strömungsabriss an den Rotorblättern zusätzlich über eine Blattverstellung steuern. Schwankungen im Wind (Böen) können so besser als bei reinen Anlagen mit Stallregelung ausgeglichen werden. Die Blattverstellung arbeitet entgegengesetzt der Pitchregelung und erhöht den Anstellwinkel immer weiter, bis es zum Strömungsabriss kommt. Im Sturmfall können die Blätter mit der Hinterkante nach vorn gedreht werden. Die Anlage muss dann nicht aus dem Wind geschwenkt werden. ==== Windrichtungsnachführung ==== Die [[Windrichtungsnachführung]] erfolgt bei modernen Anlagen durch Stellmotoren (auch [[Azimut]]antrieb oder Giermotoren genannt). Die Windrichtung wird dabei über Sensoren, so genannte [[Windrichtungsgeber]] ermittelt. Um Schwingungen der Anlagen um die Turmachse zu vermeiden, werden die Stellmotoren (meist sind mehrere vorhanden) gegeneinander verspannt oder das gesamte Lager wird mit einer Bremse festgesetzt, wenn es nicht in Bewegung ist. Auch die natürliche [[Dämpfung]] von Gleitlagern wird genutzt. Bei Bewegungen um die Hochachse wirken starke [[Präzession|Widerstandsmomente]] auf den Rotor und die übrige Struktur ein. Die Windrichtungsnachführung erfolgt daher langsam und stark gedämpft. Die elektrische Anbindung der Gondel (Steuersignale und erzeugter Strom an der Turminnenseite nach unten) erfolgt über fest verbundene Kabel; Schleifkontaktringe sind bei den hohen elektrischen Strömen zu wartungsintensiv. Um diese Kabel nicht zu sehr zu verdrehen, ist die Anzahl der Gondelumdrehungen je Richtung auf bis zu fünf (anlagenabhängig) von der Mittelstellung begrenzt. Ein Verwindungszähler kontrolliert diese Position und sorgt bei Bedarf für Entdrillung, wobei sich die Gondel bei stehendem Rotor ein paar Mal um die Hochachse dreht. == Umweltauswirkungen == [[Datei:Begutachtung eines Rotorblattes.JPG|thumb|Begutachtung eines Rotorblattes und des Turmes einer Windkraftanlage]] Wie auch andere Bauwerke und Anlagen zur Energieerzeugung stehen Windkraftanlagen in Wechselwirkungen mit der Umwelt. Dazu gehören Auswirkungen auf die Tierwelt, Geräuschentwicklung, Schattenwurf oder Beeinflussung des Landschaftsbildes. Bei der ästhetischen Bewertung von Windkraftanlagen spielen subjektives Empfinden, Gewöhnung und gesellschaftliche Einstellungen eine wichtige Rolle. === Vogel- und Fledermausschlag === Schon Anfang der 1980er Jahre wurde bei der deutschen Versuchsanlage [[Growian|GROWIAN]] darüber diskutiert, ob vermehrt Vögel an schnell rotierenden Flügeln zu Schaden kommen könnten. Zum Ausmaß dieser Fälle von [[Vogelschlag]] gibt es inzwischen kontroverse Untersuchungen. Nach einer Studie des [[Naturschutzbund Deutschland|NABU]] von 2005 sterben in Deutschland jährlich etwa eintausend Vögel durch Kollision mit einer WKA, was ca. 0,5 Vögeln pro Anlage und Jahr entspricht. Dem gegenüber stehen etwa fünf bis zehn Millionen getöteter Vögel durch Straßenverkehr und Stromleitungen.<ref>Einschätzung nach [[Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland|BUND]], siehe http://vorort.bund.net/bawue/positionen/klima/strom.htm. Die Elektrizitätswirtschaft rechnet mit 400 bis 700 „Drahtflugopfern“ pro Jahr und Kilometer Hochspannungsleitung. Vgl. Palic, M. u.&nbsp;a.: Kabel und Freileitungen in überregionalen Versorgungsnetzen. Ehningen, 1992</ref> Der NABU hatte 127 internationale Studien ausgewertet und kam zum Schluss, dass die meisten in Deutschland vorkommenden Vogelarten nicht gefährdet seien. Allerdings bestehe eine Problematik im Hinblick auf den [[Rotmilan]] und den [[Seeadler (Art)|Seeadler]].<ref>[http://www.nabu.de/m05/m05_03/03410.html ''Nabu'']: Windräder schaden vor allem Rastvögeln – Neue Studie des Michael-Otto-Instituts im NABU; vgl. auch TU Berlin: Windenergie und Vögel – Ausmaß und Bewältigung eines Konflikts. Berlin 2002; Michael-Otto-Institut im Naturschutzbund Deutschland: Auswirkungen der regenerativen Energiegewinnung auf die biologische Vielfalt am Beispiel Vögel. Fakten, Wissenslücken, Anforderung an die Forschung, ornithologische Kriterien zum Ausbau von regenerativen Energiegewinnungsformen. Bergenhusen 2004 </ref> Seit einigen Jahren ist auch bekannt, dass [[Fledermäuse]] an Windkraftanlagen verunglücken können. Zunächst wurde dieses Phänomen in den USA sowie in Australien beobachtet. Inzwischen laufen auch in Europa eine Reihe von Untersuchungen, die versuchen, Umfang und Hintergründe zu beleuchten. In Deutschland sind bislang 13 Fledermausarten (Stand November 2005) an den Anlagen verunglückt, jedoch fehlen verlässliche Zählungen. Es häufen sich die Kollisionen während der Zugzeit im August und September. Betroffen sind vor allem Arten, die im freien Luftraum jagen oder über große Strecken ziehen, wie der [[Großer Abendsegler|Große Abendsegler]], die [[Breitflügelfledermaus]], der [[Kleiner Abendsegler|Kleine Abendsegler]] oder die [[Zweifarbfledermaus]]. Einige Standorte, z.&nbsp;B. im Wald oder in dessen Nähe, sind besonders schlagträchtig. Auch bestimmte Witterungsbedingungen – Temperatur, Windgeschwindigkeit – begünstigen den Fledermausschlag. Fledermäuse sind in Deutschland nach dem Bundesnaturschutzgesetz „streng geschützte“ Tiere. Um Kollisionen mit Fledermäusen zu vermeiden, können verschiedene Strategien verfolgt werden. Dazu zählen der Verzicht auf besonders gefahrenträchtige Standorte oder auch das Abschalten der Anlagen zu bestimmten Jahreszeiten oder Witterungsbedingungen (Windgeschwindigkeiten). Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass die Fledermausaktivität vor Ort und ihre Wechselwirkung mit WKA bekannt ist. Untersuchungen ergaben mittlerweile, dass kein direkter Kontakt zwischen Fledermaus und Windkraftanlage als Todesursache notwendig ist, sondern die Tiere ein [[Barotrauma]] erleiden. Dieses Platzen der Lungen wird durch Druckunterschiede in der Nähe der Anlagen ausgelöst.<ref>[[Badische Zeitung]]: ''[http://www.badische-zeitung.de/fledermaeuse-sterben-an-barotrauma Freiburg: Fledermäuse sterben an Barotrauma]'', Zugriff am 8. September 2008</ref> Die niedrigeren Umdrehungsraten neuerer Anlagen kommen auch fliegenden Tieren zugute, da hier die Bewegungen für die Tiere besser kalkulierbar sind. === „Landschaftsverbrauch“ === Der überwiegende Anteil heute installierter Windkraftanlagen befindet sich auf landwirtschaftlich genutzten Flächen. Benötigt wird nur die Standfläche der WKA und ein Zuweg für die Wartung. Die gemeindliche Entwicklung kann durch eine WKA negativ beeinflusst werden, da genehmigte Anlagen Bestandsschutz genießen und die Ausweisung von neuen Gewerbe- und Wohngebieten, die in der Nähe von Windkraftanlagen aufgrund von Abstandsregelungen nicht mehr möglich sind, verhindern können. In Deutschland wird dieses Problem mit einem [[Flächennutzungsplan]] und in Österreich mit einem [[Flächenwidmungsplan]] angegangen, so dass auch ein „Wildwuchs“ von Einzelanlagen vermieden wird. Wurden in einem Flächennutzungsplan so genannte Vorrangflächen für die Windenergie aufgestellt, sind sie für die Windkraftanlagen zu nutzen. Die Errichtung an einem anderen Standort innerhalb der Gemeinde oder des Kreises ist dann unzulässig. Nach dem von der Agentur für erneuerbare Energien vorgelegten Potenzialatlas 2009 kann die Windenergie an Land mit auf 0,75 Prozent der Landesfläche ein Fünftel des deutschen Strombedarfs decken. <ref>[http://www.unendlich-viel-energie.de/de/wirtschaft/detailansicht/article/201/viel-ertrag-auf-wenig-flaeche-erster-potenzialatlas-erneuerbare-energien-erschienen.html Potenzialatlas Erneuerbare Energie]</ref> Ein fester bundeseinheitlicher Abstand von Windkraftanlagen zu Wohngebieten etc. existiert in Deutschland nicht, jedoch erfüllt man in den meisten Fällen mit einem Abstand von 500&nbsp;m zu Wohngebieten alle gesetzlichen Auflagen (wie Obergrenzen für Lärm und Schattenwurf; siehe unten). === Gesellschaftliche Akzeptanz === Nach einer repräsentativen Forsa-Umfrage ist die Akzeptanz von Windenergieanlagen auch in der eigenen Nachbarschaft hoch. Dabei steigt die Akzeptanz für neue Anlagen, je mehr Erfahrungen die Bevölkerung bereits mit den Windkraftanlagen gesammelt hat. Wer Erneuerbare Energien bereits aus der eigenen Umgebung kennt, bewertet sie überdurchschnittlich gut: 55 Prozent der Gesamtbevölkerung stehen Windkraftanlagen positiv gegenüber. In der Gruppe, die Windräder in der Nachbarschaft haben, wächst die Zustimmung auf 74 Prozent. <ref>[http://www.unendlich-viel-energie.de/de/panorama/detailansicht/article/195/forsa-umfrage-mehrheit-der-bundesbuerger-ist-fuer-ausbau-erneuerbarer-energien-bei-unverminderter-f.html Forsa-Umfrage: Mehrheit der Bundesbürger ist für Ausbau Erneuerbarer Energien bei unverminderter Förderung]</ref> === Auswirkungen auf Standorte im Meer === [[Datei:WindradKop.jpg|thumb|Windkraftanlagen vor [[Kopenhagen]]]] Um die erheblich stärkeren Winde auf See nutzen zu können, wird in Deutschland vermehrt die Errichtung von Windparks auf dem offenen [[Meer]], so genannte ''[[Windpark#Offshore-Windparks|Offshore-Windparks]]'', geplant. In anderen europäischen Ländern ([[Dänemark]], [[Schweden]], [[Vereinigtes Königreich|Großbritannien]]) sind sie bereits realisiert, die jedoch sehr nahe an der Küste liegen (Nearshore). Befürchtet werden beispielsweise Kollisionen mit vom Kurs abgekommenen Schiffen und eine Beeinträchtigung der Meeresökologie (vornehmlich durch Geräuschentwicklung unter Wasser während des Fundamentbaus). Unsicher sind die Auswirkungen von Offshore-Windparks auf Meeressäuger wie Delfine und Schweinswale. Mögliche Naturschutzbedenken werden bei den Standortplanungen der Parks berücksichtigt. Die Verlegung von Kabeln von den offshore-Windparks zum Land könnte zu Baumaßnahmen im [[Wattenmeer]] führen, das fast komplett als [[Biosphärenreservat]] und [[Nationalpark]] (wichtiges Gesetz hier: [[Eingriffsregelung]]) ausgewiesen ist. Die konkreten Auswirkungen auf die Meeresökologie sind noch unklar und derzeit Gegenstand der Forschung. === Schattenwurf === Der Schattenwurf tritt unangenehm in Erscheinung, weil der [[Schatten]] einer WKA im Gegensatz zum Schatten von unbewegten Gegenständen periodische Helligkeitsschwankungen am Immissionsort hervorruft. Die Ursache ist der drehende Rotor. Der Schatten einer stehenden WKA ist hingegen nicht anders zu bewerten als der Schatten eines normalen Gebäudes. Das Auftreten des Schattenwurfes hängt von der Lage und Größe der WKA, der Lage des Immissionspunktes und vom Wetter ab. Weitere Informationen im ''Artikel: [[Schattenwurf von Windenergieanlagen]]'' Nach dem [[Bundes-Immissionsschutzgesetz]] darf der Schattenwurf (auch Schlagschatten genannt) durch Windkraftanlagen auf (bestehende) Wohnhäuser jeweils nicht mehr als 30 Stunden pro Jahr und 30 Minuten pro Tag betragen. Diese Grenzwerte gelten unabhängig von Anlagenzahl und -größe. Bei dem Jahresgrenzwert handelt es sich um eine theoretische Größe, die sich unter Annahme von stetigem Wind, Betrieb, Sonnenschein und maximaler Schattenprojektion ergibt. Dies führt zu realen Belastungen von etwa sieben bis acht Stunden im Jahr pro Immissionspunkt, die über Mess- und Steuerungseinrichtungen in den Anlagen eingehalten werden müssen. Insbesondere der flackernde Schatten des drehenden Rotors wird oft als belästigend empfunden. Anlagen, bei denen Gutachten zur Genehmigung eine Überschreitung der Grenzwerte zeigen, werden heute mit einer sonnenstands- und wetterabhängigen Schattenwurfregelung ausgerüstet, die durch die automatische zeitweise Abschaltung der Anlagen für die Einhaltung der Grenzwerte sorgen. === Diskoeffekt === Der „Diskoeffekt“ bezeichnet periodische Lichtreflexionen durch die Rotorblätter, er wird häufig mit der Schattenwurf-Erscheinung des Rotors verwechselt. Er trat vor allem bei Anlagen aus den Anfängen der Windenergienutzung auf, als noch glänzende Lackierungen an den Rotorblättern benutzt wurden. Mittlerweile werden die Oberflächen der Anlagen mit matten, nicht reflektierenden Lackierungen versehen. Daher spielt der Diskoeffekt bei der Immissionsbewertung durch moderne Windkraftanlagen keine Rolle mehr. === Hindernis-Befeuerung === Die auch bei Windkraftanlagen mit mehr als 100 Metern Höhe vorgeschriebene Hindernis[[befeuerung]] dient der Sicherheit des Flugverkehrs. Sie arbeitet bei alten Anlagen mit Neonröhren, bei neueren mit Leuchtdioden (LED) oder Blitzlampen. Mit ihrem charakteristischen Blinkmuster können sie – besonders bei größeren Ansammlungen von Anlagen – störend auf Anwohner wirken und sind oftmals Grund für das Scheitern von Genehmigungsverfahren. Neuerdings dürfen die Warnlichter bei guter Sicht gedimmt werden. Es sind auch radargestützte Befeuerungssysteme in der Entwicklung, die sich nur dann einschalten, wenn sich ein Flugzeug in der Nähe befindet. === Rundfunk-Interferenzen === Aufgrund der Reflexionen an den Rotorflügeln entstehen Interferenzen (Überlagerungen) der elektromagnetischen Wellen von Rundfunksendern, die lokal zu schwankenden Empfangsfeldstärken, [[Überreichweite]]n oder [[Mehrwegeempfang]] führen können. Die Auswirkungen beschränken sich im Wesentlichen auf den analogen Fernsehempfang bei schlechten Empfangsbedingungen. === Schall === Der Schall von Windkraftanlagen ist in der Hauptsache das Windgeräusch der sich im Wind drehenden Rotorblätter. Der A-bewertete Schallleistungspegel wird nach genormten Verfahren durch akustische Messungen bestimmt. Gängige Werte liegen zwischen 98&nbsp;dB und 109&nbsp;dB. Diese Werte stellen die rechnerische Konzentration der Schallenergie der Rotorfläche auf einen Punkt in der Rotormitte dar. An keinem Ort an der Windkraftanlage, zum Beispiel auf der Gondel, wird er tatsächlich erreicht. Für die Vorhersage der Schallimmission an weiter entfernten Orten ist diese Vereinfachung vollkommen ausreichend. Die stärkste Wahrnehmbarkeit wird bei 95 % der Nennleistung angenommen, also bei Windgeschwindigkeiten zwischen etwa 10&nbsp;m/s und 12&nbsp;m/s in Nabenhöhe. Bei niedrigeren Windgeschwindigkeiten sind die Schallleistungspegel geringer, bei höheren werden sie von natürlichen Windgeräuschen überlagert. Bei einer als Punkt betrachteten Schallquelle nimmt die Lautstärke bei Verdoppelung des Messabstandes jeweils um ca. 6&nbsp;dB ab. Mit 500&nbsp;m Abstand zum nächsten Wohngebäude ist der Schalleinfluss einer einzelnen Windkraftanlage in jedem Fall unter 45&nbsp;dB(A), oft wird bereits bei 300&nbsp;m dieser Wert unterschritten. Besondere Schalleffekte durch Windkraftanlagen, wie etwa Innenraumgeräusche in Wohnungen, konnten bisher nicht durch wissenschaftliche Untersuchungen belegt werden (Infraschall). Drehzahlvariable Windkraftanlagen, die in der Nähe von Wohngebieten stehen, können zu bestimmten lärmsensiblen Zeiten, beispielsweise nachts, in einen schallreduzierenden Betriebszustand gebracht werden. Da die Schallemission besonders von der Blattspitzengeschwindigkeit und dem Getriebe abhängt, wird dazu die Drehzahl der Anlage abgesenkt. Diese Maßnahme führt jedoch immer auch zu einem Ertragsverlust für den Betreiber. Die Verringerung von Schallemissionen ist eines der Hauptanliegen bei der Weiterentwicklung der Anlagen, bei der in den letzten Jahren große Fortschritte erzielt wurden. So wurde die Geräuschemission durch bessere Körperschallentkopplung, Schalldämpfung und Aerodynamik stark reduziert und damit der Schallleistungspegel der Anlagen im Verhältnis zu Leistung und Ertrag gesenkt. Nach dem [[Bundes-Immissionsschutzgesetz]] (s.&nbsp;a.: [[Technische Anleitung Lärm]]) darf die von einer technischen Anlage verursachte [[Schallimmission]] in Deutschland in reinen Wohngebieten nachts einen A-bewerteten Dauerschalldruckpegel von 35&nbsp;[[Pegel (Physik)|dB]] nicht überschreiten (allgemeines Wohngebiet 40&nbsp;dB, Dorf- und Mischgebiet 45&nbsp;dB, Gewerbegebiet 50&nbsp;dB, Industriegebiet 70&nbsp;dB). Für baurechtlich nicht festgesetzte Gebiete (z.&nbsp;B. Einzelgehöft im Außenbereich) werden nach aktueller Rechtsprechung die Werte für Mischgebiete angesetzt. Beim Bauantrag ist im Rahmen des Genehmigungsverfahrens eine rechnerische Vorhersage der erwarteten Schallimmissionen vorzulegen. == Rahmenbedingungen == === Genehmigungsgrundlage === In Deutschland sind Windkraftanlagen nach § 35 Abs. 1 Nr. 5 Baugesetzbuch – BauGB<ref>[http://norm.bverwg.de/jur.php?baugb,35 § 35 BauGB, Bauen im Außenbereich<!-- automatisch generierter Titel -->]</ref> – als Vorhaben im Außenbereich „privilegiert“. Durch planungsrechtliche Instrumente (Regionalplanung, Flächennutzungsplanung bzw. Bebauungspläne) können Vorrangflächen festgelegt und damit auch andere Flächen von der Windenergienutzung ausgeschlossen werden. Die Genehmigung erfolgt in der Regel als immissionsschutzrechtliche Genehmigung, die gleichzeitig alle anderen erforderlichen Genehmigungen einbezieht. In der Praxis wird oft versucht, politisch auf die Genehmigungsbehörden sowohl pro als auch contra Windenergienutzung Einfluss zu nehmen. Dies ist genauso wenig zulässig wie eine übermäßige Standardisierung der Verfahren durch Windenergieerlasse (vgl. z.&nbsp;B. Abstandsregelungen im Windenergieerlass NRW<ref>[http://www.bielefeld.ihk.de/fileadmin/redakteure/standortpolitik/Verkehr_und_Planung/windenergieerlass_vom_21.10.05.pdf Grundsätze für Planung und Genehmigung von Windkraftanlagen, Windenergie-Erlass, 21. Oktober 2005] (PDF-Datei, 160 kB)</ref>). === Förderung === Da die Technologie von Windkraftanlagen relativ neu ist, entstehen immer noch relativ hohe Ausgaben für Forschung und Weiterentwicklung. Ebenfalls existiert nur eine sehr begrenzte Serienproduktion. Aus diesem Grund können Windkraftanlagen noch nicht auf derzeitigem Marktniveau mit konventionellen Kraftwerken konkurrieren. Da jedoch Investitionen in alternative Energiequellen, speziell auch die Windenergie, aus verschiedenen Gründen erwünscht sind, gibt es in vielen Ländern entsprechende Förderprogramme. Weitere Informationen zur Förderung finden sich im Artikel [[Windenergie#Förderung der Windenergienutzung|Windenergie]]. === Energierücklaufzeit === Die [[Energierücklaufzeit]] (energetische Amortisationszeit) beschreibt die Zeit, die vergeht, bis ein Kraftwerk genauso viel Energie erzeugt hat, wie zu seiner Produktion, Transport, Errichtung, Betrieb usw. benötigt wurde. Die Energierücklaufzeit beträgt bei WKA etwa zwei bis sechs Monate, auch nach konservativen Schätzungen jedoch deutlich unter einem Jahr. Der erzeugten Strommenge wird in der Regel die eingesparte Primärenergie gegenübergestellt. Eine erzeugte kWh<sub>elektrisch</sub> entspricht dabei je nach Vergleichsgrundlage 2&nbsp;bis&nbsp;3&nbsp;kWh<sub>Primärenergie</sub>. Energetisch können sich nur Kraftwerke amortisieren, die regenerative Energiequellen nutzen, da fossile Brennstoffe verwendende Kraftwerke ständig nicht-regenerative Energievorräte verbrauchen. Während erste Untersuchungen aus der Pionierzeit der Windenergienutzung (1970er und frühe 1980er Jahre), beruhend auf unausgereiften Testanlagen, durchaus den Schluss zuließen, dass eine energetische Amortisation kaum möglich ist, belegen zahlreiche Studien seit Ende der 1980er Jahre, dass sich die heutigen ausgereiften Serienanlagen in wenigen Monaten energetisch amortisieren. Bei den Ergebnissen der verschiedenen Untersuchungen gibt es allerdings gewisse Unterschiede. Dies hängt zum einen mit den stark unterschiedlichen, standortabhängigen Energieerträgen von Windkraftanlagen zusammen, zum anderen mit dem betrachteten Lebenszyklus. Zudem unterscheiden sich oft auch die Bilanzierungsmethoden. Teilweise wird nur die Herstellung der Anlage betrachtet (alte Untersuchungen), teilweise der Energieaufwand für Transport, Wartung über die Lebenszeit und Rückbau mit hinzugerechnet (neuere Untersuchungen). {| class="prettytable" |+ Beispiele !Typ !Offshore !Küste !Küstennah !Binnenland |- |Windkraftanlage 200 kW, 25 m Rotordurchmesser Herstellung Anlage inkl. Fundament<ref>W. Jensch: ''Energetische und materielle Aufwendungen beim Bau von Energieerzeugungsanlagen, zentrale und dezentrale Energieversorgung''. FFE Schriftenreihe, Band 18, Springer Verlag 1987 </ref> | - | colspan="3" align="center" | 4&nbsp;Monate |- |Windkraftanlage Enercon E-32; 300&nbsp;kW, 32&nbsp;m Rotordurchmesser<ref>R. Domrös: ''Energetische Amortisationszeit von Windkraftanlagen auf der Basis der Prozesskostenanalyse'', Diplomarbeit, TU Berlin, Fachgebiet für Energie und Rohstoffwirtschaft, 1992.</ref> | - |2,1&nbsp;Monate |2,5&nbsp;Monate |4,3&nbsp;Monate |- |Windkraftanlage Enercon E-66; 1.500&nbsp;kW, 66&nbsp;m Rotordurchmesser; Mischanalyse Herstellung, Auf- und Abbau, Wartung<ref name="Geuder 2004">Matthias Geuder: ''Energetische Bewertung von Windkraftanlagen''. Diplomarbeit, 2004. ([http://www.wind-energie.de/fileadmin/dokumente/Themen_A-Z/Energiebilanzen/Studie_FH-Würzburg_EnergBewertung.pdf PDF-Datei], 2,03 MB)</ref> | - |3,7&nbsp;Monate |4,7&nbsp;Monate |6,1&nbsp;Monate |- |Offshore-Windkraftanlage; 5&nbsp;MW auf Tripod-Fundament; Erfassung gesamter Lebensweg, ohne Netzanbindung<ref name="Tryfonidou">Tryfonidou, R., Wagner, H.-J.: ''Offshore-Windkraft – Technikauswahl und aggregierte Ergebnisdarstellung'', Lehrstuhl für Energiesysteme und Energiewirtschaft, Ruhr-Universität Bochum, 2004 (Kurzfassung: [http://www.ier.uni-stuttgart.de/forschung/projektwebsites/lci_bmwi/ergebnisse/offshore-windkraft.pdf PDF-Datei], 128 kB).</ref> |4&nbsp;Monate | - | - | - |- |Offshore-Windpark 2010; 200&nbsp;MW (40 × 5 MW) Erfassung gesamter Lebensweg, inkl. Netzanbindung<ref name="Tryfonidou"/> |5&nbsp;Monate | - | - | - |} == Hersteller und Preise == : ''Hauptartikel: [[Windkraftanlagenhersteller]].'' Die Preise für Windkraftanlagen unterliegen marktüblichen Schwankungen. Zum einen halten sich die Anbieter eher bedeckt, zum anderen müssen viele individuelle Rahmenbedingungen berücksichtigt werden. Dazu zählen beispielsweise die Art des Fundamentes, die Turmvariante, die Infrastruktur (Zuwegung zur Baustelle, Entfernung zum Stromnetz, Art der Einspeisung usw.) Die Deutsche Energie-Agentur GmbH gibt die Preise (Stand 2004) bei Nennleistungen von 100 bis 1.000&nbsp;kW zwischen 615 und 870&nbsp;Euro und bei großen Anlagen im Megawattbereich zwischen 770 und 1.025&nbsp;Euro pro installiertem Kilowatt an (inklusive Montage und Abnahme). Die Einspeisevergütungen sind in Deutschland im [[Erneuerbare-Energien-Gesetz]] festgeschrieben. == Unfallrisiken == Unglücksfälle kommen auch bei Windkraftanlagen vor, doch da sie meist fernab von Siedlungen stehen, kam es abgesehen von Arbeitsunfällen bei der Montage und Wartung nicht zu Personenschäden. Waren früher [[Blitz]]schläge und defekte Rotorblätter die Hauptursache, so waren es in letzter Zeit eher Turmberührungen bei extremen Wind[[bö]]en. Dabei kann eine Anlage umstürzen oder Teile der Rotorblätter verlieren. Die Unfälle an Windkraftanlagen sind spektakulär und relativ selten in Relation zur Zahl der Anlagen. Allerdings häufen sich die gemeldeten Fälle mittlerweile offenbar.<ref>{{Internetquelle | autor=Michael Fröhlingsdorf, Simone Kaiser | url=http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-52637606.html | titel=Unerwartete Kräfte | werk=DER SPIEGEL 34/2007 | seiten=42 | zugriff=2010-01-25 | zitat=„Tausende teils schwere Schäden […] Kaum ein Getriebe […] trotzt der Dauerbelastung länger als fünf Jahre“}}</ref> Der besonders hohe Sicherheitsstandard moderner Windkraftanlagen drückt sich sehr anschaulich in der Höhe der Betriebshaftpflichtversicherung aus, die unter anderem Unfälle und Personenschäden abdeckt. Für eine Windkraftanlage mit 2–3&nbsp;MW Nennleistung (entspricht dem Durchschnitt neu installierter Anlagen) beträgt diese nur 70 bis 90 Euro im Jahr. Im Jahre 2003 gab es sechs Brände, die hauptsächlich durch [[Funkenflug]] wegen mangelhaft hergestellter elektrischer Verbindungen entstanden und weil hydraulische Leitungen brachen und sich das [[Hydraulikflüssigkeit|Hydrauliköl]] anschließend [[Selbstentzündung|selbst entzündete]]. Brände können in der Regel durch die [[Feuerwehr]] nur im unteren Turmbereich bekämpft werden. Bei einigen der neuen Multimegawatt-Offshore-Anlagen wird inzwischen standardmäßig ein Brandschutzsystem eingebaut. Die Rotorblätter von Windkraftanlagen können bei entsprechender Witterung Eis ansetzen, das sich bei Tauwetter bei stehender und - als [[Eiswurf]] – bei anlaufender Anlage ablösen kann. Alle modernen Anlagen verfügen über eine Eiserkennung, die, beruhend auf Temperatur, Windsensorstatus, Windgeschwindigkeits- und Leistungsdaten, bei Vereisung automatisch abschalten und erst bei Tauwetter wieder anlaufen. Einige Hersteller bieten auch Rotorblattheizungen an. Eisabfall wurde dabei schon oft beobachtet, es wurden jedoch noch keine Personen- oder Sachschäden dokumentiert. Die Fallweite (niedrige Anlaufdrehzahl und schlechte Aerodynamik bei Eisansatz) und Eisgröße ist meist gering. Bei Eiswetterlage oder Tauwetter sollte der Aufenthalt unter Windkraftanlagen ebenso wie unter anderen hohen Gebäuden oder Konstruktionen vermieden werden. == Statistik == {{Deutschlandlastig}} {| class="prettytable" width="50%" align="right" style="margin: 1em 0em 0em 1em;" |+ colspawn="5" | Beitrag erneuerbarer Energien zum [[Primärenergieverbrauch]] – in&nbsp;PJ<ref>[http://bmwi.de/BMWi/Navigation/Energie/energiestatistiken.html BMWi-Energiestatistiken, Seite 20]</ref> |- | | 2004 | 2005 | 2006 | 2007<sup>a)</sup> |- | Wasserkraft | 76 | 77 | 77 | 75 |- | Windkraft | 92 | 95 | 110 | 142 |- | Photovoltaik | 2 | 4 | 7 | 13 |- | Holz, Stroh u.&nbsp;a. feste Stoffe | 224 | 293 | 334 | k. A. |- | Biodiesel u.&nbsp;a. flüssige Brennstoffe | 42 | 85 | 163 | 167 |- | Klärschlamm, Müll, Deponiegas | 40 | 48 | 57 | k. A. |- | Klärgas einschl. Biogas | 28 | 39 | 66 | k. A. |- | Sonstige Erneuerbare <sup>(1)</sup> | 15 | 16 | 19 | k. A. |- | '''Insgesamt''' | 518 | 659 | 834 | 932 |-style="background:#addeff;" | Prozentualer Anteil am<br />Primärenergieverbrauch | 3,5 | 4,6 | 5,7 | 6,7 |- | colspan="5" |(1) Solarthermie, Geothermie, Wärmepumpen Quelle: Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie; &nbsp;&nbsp;<sup>a)</sup>[http://www.bmu.de BMU] |} ''Weitere Statistiken zum Thema sind unter [[Windkraftanlagenhersteller]], [[Windenergie]] und [[Auslastung]] zu finden.'' Die durchschnittliche jährliche Betriebsdauer einer Windkraftanlage, in der Strom ins Netz eingespeist wird, beträgt je nach Windangebot etwa 5.000 (schlechter Binnenlandstandort) bis 8.000&nbsp;Stunden (guter Küstenstandort) pro Jahr (ein Jahr hat bei 365&nbsp;Tagen 8.760&nbsp;Stunden). Davon arbeitet die Anlage nur einen kleinen, standortabhängigen Anteil der Zeit mit Nennleistung und die restliche Betriebszeit im Teillastbereich. Dabei sind vor allem die Windverhältnisse und die Auslegung der Anlage auf die Standortbedingungen ausschlaggebend. Wird der Jahresertrag durch die Nennleistung geteilt, so ergeben sich die so genannten [[Volllaststunde|Jahresvolllaststunden]]. Im Jahr 2007 lag die statistisch durchschnittliche [[Volllaststunde]]nzahl deutschlandweit über alle Anlagen (laut Tabelle) bei ungefähr 1.775&nbsp;Stunden. Dieser Wert ist jedoch geringer als in der Realität. Er berücksichtigt nicht, dass die in einem Jahr neu installierten Windkraftanlagen nicht ein volles Jahr zum gesamten Jahresgesamtenergieertrag beitragen konnten. Rund zwei Drittel der neuen Anlagen werden in der Regel während der zweiten Jahreshälfte installiert. Damit geht die Nennleistung der Neuanlagen in die Jahresstatistik ein, ohne dass diese ein volles Jahr Energie erzeugen konnten. Die zahlreichen kleineren Altanlagen haben nicht die Effizienz moderner Multimegawatt-Anlagen. Die Auslastung moderner Anlagen liegt zwischen 15 % und 25 %, im Offshorebereich sollen 40 % bis 50 % möglich sein. In der Statistik ergeben sich Veränderungen zudem aus dem schwankenden Windangebot. {| class="prettytable" style='margin: 1em auto; width:80%;' |+ style="text-align:center;" | Einige statistische Angaben zur Windenergie in Deutschland für die Jahre 2001 bis 2008 ! width="30%" | &nbsp; ! width="10%" | 2001 ! width="10%" | 2002 ! width="10%" | 2003 ! width="10%" | 2004 ! width="10%" | 2005 ! width="10%" | 2006 ! width="10%" | 2007 ! width="10%" | 2008 |-- | Stromverbrauch gesamt (TWh) || 580,5 || 581,7 || 588,0 || 600,6<sup>a)</sup> || 610,0 || 615,8<sup>e)</sup> || 616,2<sup>e)</sup> || 617,5<sup>e)</sup> |-- | Windstromerzeugung (TWh)<sup>e)</sup>|| 10,5 || 15,8 || 18,9 || 25,5 || 27,2 || 30,5 || 39,5 || 40,4 |-- | Anteil an der Gesamtstromerzeugung (%)|| 1,8 || 2,8 || 3,2 || 4,2<sup>a)</sup> || 4,3 || 5,0<sup>e)</sup> || 6,4<sup>e)</sup> || 7,0<sup>e)</sup> |-- | [[Installierte Leistung|installierte Anlagenleistung am Jahresende (GW)]] || 8,7 || 11,8 || 14,6<sup>d)</sup> || 16,6<sup>d)</sup> || 18,4 <sup>d)</sup> || 20,6<sup>d)</sup> || 22,2<sup>d)</sup> ||23,9<sup>d)</sup> |-- |Anlagenzahl am Jahresende<sup>d)</sup> || 11.438 || 13.759 || 15.387<sup>d)</sup> || 16.543<sup>d)</sup> || 17.574<sup>d)</sup> || 18.685<sup>d)</sup> || 19.460<sup>d)</sup> || 20.301<sup>d)</sup> |-- |durchschnittliche Nennleistung pro Anlage (kW) || 763 || 864 || 949<sup>d)</sup> || 1.005<sup>d)</sup> || 1.049 <sup>d)</sup> || 1.103<sup>d)</sup> || 1.143<sup>d)</sup> || 1.177<sup>d)</sup> |-- |durchschnittliche [[Auslastung]] (Prozent der Nennleistung) || 14,0 || 16,0 || 14,5 || 17,1 || 16,6 ||17,3 || 20,27 || 20,54 |-- | colspan="9" align="center" style='font-size: smaller;' | '''Quellen:''' [http://www.iwr.de VDN/VdEW], DEWI, a):Schätzung [http://www.erneuerbare-energien.de AGEE-Stat], b):VDEW d):[http://www.dewi.de DEWI] e):[http://www.erneuerbare-energien.de/files/pdfs/allgemein/application/pdf/strom_aus_ee.pdf BMU], Seite 8. |} == Forschung und Entwicklung == [[Ulrich W. Hütter|Prof. Ulrich Hütter]] etablierte an der [[Universität Stuttgart]] und später an der [[DFVLR]] (Vorgänger des [[Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt|DLR]]) in [[Stuttgart]] die Forschung an der Windenergietechnik. Er hatte bereits während des Zweiten Weltkriegs solche Anlagen konzipiert, damals noch im Umfeld des [[Generalplan Ost]]. Nachdem Ende der neunziger Jahre des 20.&nbsp;Jahrhunderts die Forschung an der Windenergie in Stuttgart eher abnahm, wurde sie [[2004]] durch die Gründung des [[Stiftungslehrstuhls Windenergie]] am Institut für Flugzeugbau an der [[Universität Stuttgart]] wiederbelebt. Seit Windkraftanlagen in großer Zahl hergestellt werden, ist die staatliche Forschung in Universitäten und Forschungsinstituten verstärkt worden. Ein Beispiel ist die Gründung des [[Deutschen Windenergie-Institut]], DEWI, mit Sitz in [[Wilhelmshaven]] im Jahr 1990, wo alle zwei Jahre die [[Deutsche Windenergie-Konferenz]] (DEWEK) stattfindet. Das [[Fraunhofer-Gesellschaft|Fraunhofer]]-Institut für Windenergie und Energiesystemtechnik IWES befasst sich mit anwendungsorientierter Forschung und ist in 2009 aus dem ehemaligen Fraunhofer-Center für Windenergie und Meerestechnik CWMT in [[Bremerhaven]] sowie dem Institut für Solare Energieversorgungstechnik - ISET e.V. in [[Kassel]] hervorgegangen. Ein Schwerpunkt der Forschung sind Offshore-Windkraftanlagen und deren Einfluss auf die [[Ökosystem]]e vor der Küste. Es wird auch das Zusammenspiel von Windstrom und konventionell erzeugtem Strom untersucht. Ein Aspekt ist dabei die Unstetigkeit der Windleistung, die mit [[Energiespeicher]]n kompensiert werden könnte. Techniken existieren bereits in Form von [[Pumpspeicherkraftwerk]]en, elektrochemischen [[Akkumulator]]zellen und Verfahren, die überschüssige Energie in chemische [[Energieträger]] (beispielsweise [[Wasserstoff]]) umwandeln. Auf der [[Norwegen|norwegischen]] Insel [[Utsira]] wurde im August 2004 das erste autarke Stromnetz eingeweiht, das ausschließlich von Windenergie als [[Primärenergie]] gespeist wird. In dem auf zwei bis drei Jahre angelegten Versuch, dem ersten in diesem Maßstab, sollen zehn der insgesamt siebzig Haushalte ihren Strom von zwei [[Enercon]] E-40-Anlagen beziehen. Kurzfristige Stromschwankungen werden durch einen [[Schwungrad]]speicher (5&nbsp;kWh) ausgeglichen. Überschüssige Energie wird in Form von Wasserstoff in einem Druckspeicher mit einer Kapazität von maximal drei Tagen zwischengespeichert. Dieser wird bei Flaute oder Sturm, also dann, wenn die Anlagen nicht ausreichend Energie liefern, über eine 60-kW-[[Brennstoffzelle]] wieder in Strom umgesetzt. Ein Generator dient während der Erprobungsphase zur Absicherung gegen Stromausfall. Einer der Hauptinvestoren ist der norwegische (Öl-)Konzern [[Norsk Hydro]] mit seiner Wasserstoffsparte. Derzeit werden [[Schwimmende Windkraftanlage|schwimmende Offshore-Windkraftanlagen]] weit ab von der Küste getestet.<ref>[http://www.heise.de/tr/Windenergie-aus-tiefen-Gewaessern--/artikel/109839 ''heise.de'']: Windenergie aus tiefen Gewässern</ref> Im Mai 2009 ließ die Firma Windtest in Frimmersdorf bei Köln ein Windkraftrad mit einer Nabenhöhe von 133 m aufstellen. Es ist die erste Windkraftanlage weltweit mit "Hybridturmtechnik": der untere Teil des Turms ist aus Beton-Fertigteilen, in die ca. 100 Wagenladungen Beton hineingegossen wurden, bevor die übrige WKA aufgesetzt wurde. Man erwartet von den 33 m mehr Höhe eine ca. 20 % höhere Stromausbeute.<ref>http://www.ngz-online.de/grevenbroich/nachrichten/Windtest-checkt-Weltneuheit_aid_639897.html</ref> <ref>Rheinische POst vom 15.5.2009, Seite A3: "Windrad höher als Kölner Dom".</ref> == Internationale Rekorde == [[Datei:Eoliennes Gaspesie.jpg|upright=1.2|thumb|Darrieus-Rotor Eole, Cap-Chat, Kanada]] [[Datei:183m Windrad.JPG|thumb|upright=1.2|5M der REpower Systems in Brunsbüttel]] * Mit 110 Metern Höhe und vier Megawatt installierter Leistung ist der [[Darrieus-Rotor]] EOLE in [[Le Nordais]], Cap-Chat, Kanada, unter den Windkraftanlagen mit vertikaler Rotordrehachse die größte und stärkste Anlage der Welt und war zum Zeitpunkt seiner Erstellung weltweit auch die leistungsstärkste Windkraftanlage insgesamt, alle Bautypen einbegriffen. * Die derzeit leistungsstärkste Windkraftanlage (Stand Januar 2010) ist die [[REpower#6M]] mit 6,15&nbsp;MW installierter Leistung. * Die höchste Windkraftanlage der Welt ist die [[Fuhrländer Windkraftanlage Laasow|Fuhrländer FL2500 bei Laasow]]/Brandenburg. Sie wurde am 14.&nbsp;September 2006 fertiggestellt. Der Gittermastturm für diesen Prototyp erlaubt eine Nabenhöhe von 160&nbsp;m. Bei einem Rotordurchmesser von 90&nbsp;m erreicht die Anlage eine Gesamthöhe von 205&nbsp;m<ref>Internetseite von Laasow http://home.arcor.de/laasow/index.htm (abgerufen am 21. Januar 2007; 01:00)</ref>. * Die weltweit höchstgelegene Windkraftanlage der [[DeWind|Fa. DeWind]] steht in den argentinischen Anden auf 4.100&nbsp;m. Es ist der Typ D8.2 – 2000&nbsp;kW / 50&nbsp;Hz. Diese Turbine hat ein neuartiges Triebstrangkonzept mit einem speziellen Drehmomentwandler (WinDrive) der Fa. [[Voith]] und einem Synchrongenerator. Die WKA wurde im Dezember 2007 in Betrieb genommen und versorgt seitdem die ansässige Goldmine im [[Inselnetz]] Betrieb mit Elektrizität.<ref>[http://www.barrick.cl/operaciones/generador_eolico.php ''Generador Eólico de Veladero''] (spanisch; [http://www.barrick.cl/operaciones/generador_eolico_veladero.pdf PDF-Datei], 1,81 MB)</ref> * Die nördlichsten Windkraftanlagen der Welt (Stand August 2005) sind 16 [[Nordex]] N-80 mit jeweils 2,5&nbsp;MW Nennleistung im Windpark Havøygavlen bei Hammerfest in [[Norwegen]]. * Die südlichsten Windkraftanlagen der Welt (Stand August 2005) sind zwei Enercon E-30 (je 300&nbsp;kW) in der Antarktis. Zusammen mit Dieselaggregaten (zuvor nur Dieselaggregate) versorgen sie seit 2003 die Station Mawson Bay der Australian Research Division. == Siehe auch == * [[Repowering]] * [[Offshorebauwerk]] * [[Windleistungsvorhersage]] * [[Kaskadenmaschine]] * [[Liste von Windkraftanlagenherstellern]] == Literatur == * Bundesverband WindEnergie (Hrsg.): ''[http://www.offshore-wind.de/page/fileadmin/offshore/documents/Naturschutz/BWE-Broschuere__A-Z_Fakten_zu_Windenergie_.pdf A-Z Fakten zur Windenergie]'' (PDF-Datei) * Robert Gasch (Hrsg.): ''Windkraftanlagen''. Teubner, Stuttgart 2005, ISBN 3-519-36334-8. * Erich Hau: ''Windkraftanlagen''. 3.&nbsp;Aufl. Springer-Verlag, Berlin – Heidelberg – New York 2003, ISBN 3-540-42827-5. (enthält auch einen recht ausführlichen Teil zur Geschichte der Windenergienutzung) * Albert Betz: ''Windenergie und ihre Ausnutzung durch Windmühlen''. Vandenhoeck and Ruprecht, Göttingen 1926, Ökobuch, Kassel 1982 (Repr.), ISBN 3-922964-11-7. * Andreas Jungbauer: ''[http://elite.tugraz.at/diplomarbeiten/Jungbauer.pdf Windenergienutzung in einem regenerativen Energiesystem, Analyse der Windkraftanlagen Eberschwang und Laussa.]'' Diplomarbeit Technischen Universität [[Graz]], Institut für Hochspannungstechnik, Elektrotechnik-Wirtschaft und Energieinnovation. Graz 1998. (PDF-Datei) * Gerd Rosenkranz, Harald Schumann: ''[http://www.netzeitung.de/medien/280679.html Dokumentation. Was kostet die Windkraft?]'' in: ''[[Netzeitung]].'' Berlin 5. April 2004 (online-Magazin). * Craig Morris: ''[http://www.heise.de/tp/deutsch/special/zen/17075/1.html Windenergie hat Zukunft]''. in: ''[[Telepolis]].'' Heise, Hannover 30. März 2004 (Online-Magazin). * Werner Bennert: ''Windenergie''. Verlag der Technik, Berlin 1989, ISBN 3-341-00627-3. == Einzelnachweise == <references/> == Weblinks == {{Commons|Wind turbine|Windkraftanlage}} === Forschungsinstitute === * [http://www.dewi.de/ DEWI GmbH – Deutsches Windenergie-Institut] * [http://www.iwes.fraunhofer.de/ Fraunhofer-Institut für Windenergie und Energiesystemtechnik] * [http://www.uni-stuttgart.de/windenergie Stiftungslehrstuhl Windenergie der Universität Stuttgart] * [http://www.forwind.de/ [[ForWind - Zentrum für Windenergieforschung]]] === Technische Informationen === <!-- hier bitte nur Links einfügen, die zur Überschrift und [[WP:WEB]] passen --> * [http://www.strom-online.ch/windkraftwerk.html Strom online - Windkraftwerk] * [http://www.wwindea.org/technology/ch01/estructura-de.htm Historische Entwicklung der Windenergie - Altertum bis Neuzeit] === Interessengruppen === * [http://www.wind-energie.de/ Bundesverband WindEnergie e.V. (Deutschland)] * [http://www.wind-fgw.de/ Fördergesellschaft Windenergie e.V. (Deutschland)] * [http://www.bundesverband-kleinwindanlagen.de/ Bundesverband Kleinwindanlagen (Deutschland)] * [http://www.igwindkraft.at/ IG Windkraft: Österreichische Interessenvertretung für Windenergiebetreiber, -hersteller und -förderer] * [http://www.ewea.org/ EWEA: Europäischer Windkraftverband] (englisch) * [http://www.windkraftgegner.de/ Portal mit Linksammlung von Initiativen gegen Windkraftanlagen] * [http://www.windjournal.de/index.php?id=0&wka Portal mit zusammengestellten News über Windenergie und regenerative Energien] === Offshore-Windenergie === * [http://www.offshore-wind.de/ Informationsportal der dena zur Offshore-Windenergie] * [http://www.wissenschaft.de/wissen/news/269853.html www.wissenschaft.de: Windenergie mit Wellengang] – schwimmende Windkraftwerke auf dem offenen Meer sollen in Zukunft Strom erzeugen === Multimedia zur Windenergie === * [http://www.windjournal.de/videos Internetseite mit Zusammenstellung von Videos und Bildern über Windkraftanlagen und Windenergie] * [http://wkaero.calcing.de/ Internetseite zur Auslegung und Nachrechnung (Kennfeld) von Windkraftanlagen] {{Exzellent}} [[Kategorie:Windkraftanlage| ]] [[Kategorie:Windkraftanlagentyp|!]] [[az:Külək turbini]] [[bg:Ветрогенератор]] [[br:Rod-avel]] [[ca:Aerogenerador]] [[cs:Větrná turbína]] [[el:Αιολική μηχανή]] [[en:Wind turbine]] [[eo:Ventoturbino]] [[es:Aerogenerador]] [[fi:Tuuliturbiini]] [[fr:Éolienne]] [[gl:Aeroxerador]] [[he:טורבינת רוח]] [[hr:Vjetroelektrana]] [[ht:Eolyèn]] [[id:Turbin angin]] [[ja:風力原動機]] [[ko:풍력 터빈]] [[lt:Vėjo jėgainė]] [[nl:Windturbine]] [[nn:Vindkraftverk]] [[no:Vindkraftverk]] [[pl:Turbina wiatrowa]] [[pt:Aerogerador]] [[ro:Centrală electroeoliană]] [[ru:Ветрогенератор]] [[sl:Vetrna turbina]] [[sr:Ветроелектрана]] [[sv:Vindkraftverk]] [[th:กังหันลมผลิตไฟฟ้า]] [[tr:Rüzgâr türbini]] [[uk:Вітрогенератор]] [[vi:Tuốc bin gió]] [[wa:Tourniketreye]] [[zh:風力發動機]] jixtce1lgcauctlmc7im57qhhqiwvx2 wikitext text/x-wiki Windmühlen in Berlin 0 24523 27126 2010-04-21T15:40:51Z Ottomanisch 0 /* Sonstige Quellen */ Von rund 150 '''Windmühlen in Berlin''', die um 1860 in der Stadt und den umliegenden, noch selbständigen Dörfern existierten, gibt es an ihren ursprünglichen Standorten auf dem heutigen Stadtgebiet noch vier (Britzer Mühle, Jungfernmühle, Adlermühle, Zehlendorfer Mühle). Hinzu kommen ein Neubau (Bockwindmühle Marzahn) und zwei umgesetzte [[Mühle]]n im [[Deutsches Technikmuseum Berlin|Deutschen Technikmuseum Berlin]], in dem sich ferner eine [[Wassermühle]] befindet. Eine weitere umgesetzte Mühle wurde in [[Berlin-Gatow|Gatow]] aufgebaut. Diese acht [[Windmühle]]n verteilen sich auf fünf [[Holländermühle]]n und drei [[Bockwindmühle]]n. Neben den noch vorhandenen Mühlen und rund zwanzig Straßenbezeichnungen wie ''Mühlsteinweg'' oder ''Am Mühlenberg'' erinnert das [[Wappen des Bezirks Pankow|Wappen des ehemaligen Bezirks Prenzlauer Berg]], das als stilbildendes Element vier schwarze Windmühlenflügel in goldenem Schild zeigte, an die große Zeit der Berliner Windmühlen. Besondere Bedeutung unter den bestehenden Berliner Mühlen kommt der [[Britzer Mühle]] zu, die als einzige der ursprünglichen Mühlen vollständig funktionsfähig ist. Die Mühle bildet seit 1987 in einem anderthalbjährigen Lehrgang Hobbymüller zum/zur ''Diplom-Windmüller/-Müllerin'' aus. Ein ähnliches Ausbildungsangebot bietet die gleichfalls funktionsfähige Bockwindmühle in [[Berlin-Marzahn|Marzahn]], die als Neubau aus dem Jahr 1994 allerdings nicht zum historischen Mühlenbestand zählt. Beide Ausbildungen gelten nicht als Berufsausbildung. [[Bild:Muehle_Marzahn2.JPG|thumb|310px|[[Berlin-Marzahn|Marzahner]] [[Bockwindmühle]]]] == Geschichte == Der Schwerpunkt dieses Beitrages liegt in der Beschreibung der heute vorhandenen Mühlen. Deshalb beschränkt sich der Geschichtsteil auf die Nachzeichnung der wichtigsten Entwicklungslinien in der Berliner Mühlengeschichte. === Zisterzienser und Gewerbefreiheit === In der [[Hochmittelalter|hoch]]- und [[spätmittelalter]]lichen Wirtschaft gehörte das [[Mühlenrecht]], das eng an das [[Wasserrecht]] gekoppelt war, ''zu den ergiebigsten und daher auch am meisten umkämpften Privilegien […].'' (Warnatsch) Gab es im Berliner Raum bereits im [[13. Jahrhundert]] mit der [[Panke]]-Mühle und einer Mühle am Mühlendamm zwischen Berlin und [[Cölln]] zwei Wassermühlen, folgten die ersten Windmühlen um 1375 in den damaligen Dörfern [[Berlin-Buckow|Buckow]], [[Berlin-Rudow|Rudow]] und dem [[Kloster Lehnin (Kloster)|Lehniner Klosterbesitz]] ''Celendorpe'', dem heutigen Ortsteil [[Berlin-Zehlendorf|Zehlendorf]]. In der [[Zauche]] und im [[Teltow (Landschaft)|Teltow]] betätigten sich die einflussreichen [[Zisterzienser]]mönche aus Lehnin als Pioniere im Mühlenbau. Aufgrund ihrer fortschrittlichen Technologie waren sie in den Dörfern der jungen [[Mark Brandenburg]] willkommene Entwicklungshelfer und besaßen selbst insgesamt 19 Mühlen. Stefan Warnatsch veranschlagt die Einnahmen der Mönche aus ihren 19 Mühlen auf mindestens durchschnittlich rund 100 [[Gulden]] jährlich pro Mühle; der Gewinn der Müller dürfte die drei- bis vierfache Summe betragen haben. [[Bild:Windmuehlenberg-um-1800.jpg|thumb|310px|[[Prenzlauer Berg]], früher ''Windmühlenberg'', um 1800]] Nachdem die [[Gewerbefreiheit]] die Restriktionen des [[Zunft]]wesens und der [[Ständegesellschaft]] abgelöst hatte und im Jahr 1810 als Hauptbestandteil der [[Stein-Hardenbergsche Reformen|Stein-Hardenbergschen Reformen]] in [[Preußen]] eingeführt worden war, kam es zu einem kurzen Boom an Mühlenbauten. Um 1860 existierten in der Stadt und ihrer Umgebung noch rund 150 Betriebe, die aufgrund mangelnder Kapitalausstattung überwiegend zum technisch rückständigen Typus Bockwindmühle gehörten; die ertragreicheren, erheblich teureren Holländermühlen konnten sich nur wenige [[Müller]] leisten. [[Bild:Coat of arms de-be prenzlauer berg 1992.png|thumb|left|100px|[[Wappen des Bezirks Pankow|Wappen des ehemaligen Bezirks Prenzlauer Berg]]]] === Vier Zentren === Im Wesentlichen hatten sich vier Zentren mit hohen Mühlenkonzentrationen herausgebildet. Rund dreißig Mühlen standen am [[Prenzlauer Berg]], davon zierten alleine acht [[Getreidemühle]]n den Rand des ''Windmühlenbergs'', der dem Bezirk den ursprünglichen Namen gegeben hatte. Das 1992 verliehene [[Wappen des Bezirks Pankow|Wappen des ehemaligen Bezirks Prenzlauer Berg]] versinnbildlichte den größten Berliner Mühlenstandort, indem es als stilbildendes Element vier schwarze Windmühlenflügel in goldenem Schild zeigt, die diagonal ausgerichtet sind. Das zweite große Zentrum bildete das Gebiet um [[Müllerstraße (Berlin)|Müller-]] und Seestraße im [[Berlin-Wedding|Wedding]], elf Mühlen standen nördlich von [[Berlin-Schöneberg|Schöneberg]] und eine große Zahl [[Lohmühle|Loh-]] und [[Walkmühle]]n befand sich in [[Berlin-Neukölln|Rixdorf]]. Mehr als zwanzig Straßennamen erinnern im Jahr 2005 an die alten Mühlenstandorte, davon tragen allein zehn die Bezeichnung ''Mühlenstraße'' oder ''Mühlenweg''. Hinzu kommen weitere Namen mit den unterschiedlichsten Zusammensetzungen wie beispielsweise ''Mühlbergstraße'', ''Mühlsteinweg'' oder ''Am Mühlenberg''. === Berliner Mühlenberge === [[Bild:Britzer_Muehle7.JPG|thumb|220px|Mühlstein, [[Britzer Mühle]]]] Die Berliner Mühlenberge und Hügel liegen überwiegend auf den rund 15 Meter dicken Platten des [[Barnim]] und [[Teltow (Landschaft)|Teltow]], geschlossenen [[Grundmoräne]]nbildungen der [[Saaleeiszeit]] und der [[Weichseleiszeit|letzten Eiszeit]], die zum Teil von flachwelligen [[Endmoräne]]nbildungen überlagert sind. Insbesondere in den Randbereichen hinterließen die Wassermassen der abtauenden [[Gletscher]] vor rund 15.000 Jahren hügelige Ablagerungen aus [[Geschiebemergel]] und [[Sand]]. Die in weiten Teilen [[Tundra|tundraähnlichen]] Hügel mit spärlichem Bewuchs waren als Standorte für Windmühlen sehr geeignet. Auch auf dem Hangbereich der [[Nauener Platte]], deren Ausläufer bis zur westlichen [[Havel]]niederung reichen, findet sich mit dem Gatower [[Naturschutzgebiet Windmühlenberg|Windmühlenberg]] ein alter –&nbsp;und demnächst erneuerter&nbsp;– Mühlenstandort, der mit dem seltenen Vegetationstyp [[Sand-Magerrasen|Sand-Trockenrasenflora]] unter [[Naturschutz]] steht. === Dampfkraft und Elektrifizierung === Die Einführung der effektiveren Antriebsform [[Dampfmaschine|Dampfkraft]] führte dazu, dass die meisten naturkraftbetriebenen Mühlen um 1870 dem Konkurrenzdruck nicht mehr gewachsen waren und verschwanden. Diesem sogenannten ''Ersten Mühlensterben'' folgte mit der zunehmenden [[Elektrifizierung]] des Mühlenantriebs und der Ausbildung der Großmühlen das ''Zweite Mühlensterben''. Von den ehemals rund 150 Betrieben blieb eine Handvoll übrig, die nach 1945 zum Teil noch einmal –&nbsp;vergeblich&nbsp;– versuchten, mit den Großbetrieben mitzuhalten. Die letzte noch tatsächlich produzierende Windmühle, allerdings bereits motorbetrieben, war die ''Jungfernmühle'' in [[Berlin-Buckow|Buckow]], die 1980 den Betrieb aufgab. Die neben dem [[Wasserrad]] älteste Kraftmaschine der [[Menschheit]], das [[Windrad]], hatte damit hinsichtlich der Müllerei in Berlin endgültig ausgedient und wird heute nur noch aus historischen beziehungsweise musealen Gründen, zu Liebhaber-, zu Lehrzwecken und zur Bewahrung eines Stücks alter Mühlenromantik gepflegt. == Erhaltene Windmühlen, ursprünglicher Bestand == [[Bild:Britzer_Muehle1.JPG|thumb|180px|[[Britzer Mühle]]]] [[Bild:Adlermuehle3.JPG|thumb|180px|Adlermühle, [[Berlin-Mariendorf|Mariendorf]]]] Sämtliche heute vorhandenen und im Folgenden aufgeführten Berliner Mühlen stehen unter [[Kulturdenkmal|Denkmalschutz]]. Zwei Berliner Mühlen, die historische Britzer Mühle und die 1993 neugebaute Bockwindmühle in Marzahn, sind vollständig funktionsfähig. === Britzer Mühle === ''Siehe auch Hauptartikel'': [[Britzer Mühle]] Die [[Britzer Mühle]] am Buckower Damm 130 in [[Berlin-Britz|Britz]], ehemals Stechan'sche Mühle, ist eine typische [[Holländermühle|Galerie-Holländermühle]], windgängig und voll funktionsfähig. Der Zwölfkant-Bau aus dem Jahr 1866 hat eine Höhe von rund 20 Metern, der Durchmesser der Jalousieklappenflügel beträgt von Spitze zu Spitze 25 Meter. Eine [[Windrichtungsnachführung|Windrose]] dreht die auf gusseisernen Rollen gelagerte Kappe selbsttätig im Wind. Der ehemalige Name geht auf den Mühlenmeister Karl Albert August Stechan zurück, der die Mühle samt Inventar im Jahr 1874 für 19.000 Taler kaufte. Die Mühle gehört organisatorisch zum [[Britzer Garten]], der ehemaligen [[Bundesgartenschau|BUGA]] 1985, liegt allerdings nicht auf dem Gelände, sondern am Rand inmitten eines weitläufigen Obstgartens. Die Verwaltung obliegt der landeseigenen ''Grün Berlin Park und Garten GmbH''. Führungen durch die Mühle und die Ausbildung zum „Diplom Windmüller“ sind vom Britzer Müller Verein organisiert. Die Mühle ist individuell und auch bei Führungen zu besichtigen, Brot wird als eigenes Mühlenprodukt zum Verkauf angeboten. Zudem bietet die Britzer Mühle wie auch die gleichfalls funktionsfähige und 1994 neu gebaute Bockwindmühle in [[Berlin-Marzahn|Marzahn]] die Möglichkeit, den Traum einer [[Heirat|Hochzeit]] „Ganz in Weiß“ zu verwirklichen. === Adlermühle in Mariendorf === Die ''Adlermühle'' (auch mit der Schreibweise Adler Mühle) aus dem Jahr 1889 im [[Berlin-Mariendorf|Mariendorf]]er Buchsteinweg 32–34 ist gleichfalls eine achteckige Galerieholländermühle, allerdings ist keine Technik mehr vorhanden und die Mühle ist nicht mehr windgängig. Der Mahlbetrieb endete im Jahr 1959, seit 1963 steht der Bau unter Denkmalschutz. Nachdem die Mühle lange Zeit ohne Flügel war, ersetzen seit 1982 Segelgatterflügel die historischen Jalousieflügel, außerdem bekam die Mühle einen [[Steert]]. Die ehemalige Kornmühle wird heute als Vereinsheim und Freizeitstätte eines Schwimmvereins genutzt, der sich mit Eigen- und öffentlichen Mitteln um den Ausbau und Erhalt der verwahrlosten Mühle verdient gemacht hat. Es finden gelegentlich öffentliche Veranstaltungen wie Pfingstkonzerte, Führungen am [[Tag der offenen Tür]] und Ausstellungen am ''Deutschen Mühlentag'' statt, den die [[Deutsche Gesellschaft für Mühlenkunde und Mühlenerhaltung]] alljährlich durchführt. In der ersten Etage kann ein Raum für Festlichkeiten für bis zu 50 Personen gemietet werden. Den Namen führte die Mühle nach dem [[Adler (Wappentier)|Adler]], dem [[Wappentier]] [[Preußen]]s, der über der Eingangstür angebracht ist. Laut Gerhard Schlimpert ''soll die Adlermühle die größte Windmühle der ehemaligen Mark Brandenburg gewesen sein.'' === Zehlendorfer Mühle === Die ''Zehlendorfer Mühle'' zwischen der Schlettstadter und Berliner Straße 75 am einstigen [[Berlin-Zehlendorf|Zehlendorfer]] Mühlenpark ist eine Holländermühle in der selteneren Rundform. Die Kornmühle, die auf das Jahr 1881 (andere Angaben 1879, 1880) und den Mühlenmeister Radlow zurückgeht, ist nicht funktionsfähig, hat bereits seit 1943/1944 keine Flügel mehr und auch die Kappe und die Galerie fehlen, so dass nur noch das dreigeschossige Grundgemäuer aus [[Backstein]]en vorhanden ist. [[Bild:Zehlendorfer_Muehle1.JPG|thumb|left|160px|[[Berlin-Zehlendorf|Zehlendorfer]] Mühle]] Diese Mühle ist die dritte in Zehlendorf. Der erste Bau, eine Bockwindmühle, fand bereits im [[Landbuch Karls IV.]] von [[1375]] Erwähnung und stand am Südausgang des Ursprungsdorfes, das im Besitz der [[Zisterzienser]]mönche vom [[Kloster Lehnin (Kloster)|Kloster Lehnin]] war. Da die Mönche zu dieser Zeit insbesondere auch im Mühlenbau führend waren, besteht eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass der Bau der ersten Zehlendorfer Mühle auf ihre Initiative zurückgeht. Erst im Jahr 1875 musste sie dem Ausbau der [[Eisenbahn]] weichen. Fünf Jahre später kam es dann gleich zu zwei Neubauten, wovon einer nach nur 5 Jahren wieder abgerissen wurde; er befand sich an der Sundgauer Straße. Der andere Neubau war die heute noch vorhandene ''Zehlendorfer Mühle''. Schon im Jahr 1898 stellten die Betreiber wegen Windmangel auf einen Antrieb mit einem [[petroleum]]betriebenen Motor um, den sie 1921 durch einen Elektromotor ersetzten. Die Flügeldemontage erfolgte 1943/1944 aus Gründen der Kriegsführung, um feindlichen Flugzeugen den Orientierungspunkt zu nehmen. Seit den 1950er Jahren war die leerstehende und im Privatbesitz befindliche Mühle [[Zankapfel]] zwischen Behörden und dem Besitzer, für eine denkmalgerechte Erhaltung fehlten die finanziellen Mittel. Nach jahrzehntelangem Verfall war das Gemäuer in einem desolaten Zustand. Im Jahr 1997 fand sich ein privater Investor, der mit erheblichen Eigenmitteln und in enger Absprache mit den Denkmalschützern den Grundbau bis unter die ehemalige Kappe sanierte und zu seinem sehr originellen, privaten Wohnhaus umbaute. Die historische Backsteinfassade und die Holzfenster konnten nach dem alten Vorbild bewahrt werden. === Jungfernmühle in Buckow === Auch die kleine achteckige ''Jungfernmühle'' (Wienecke'sche Mühle) in der [[Berlin-Buckow|Buckow]]er Goldammerstraße 34 ist eine Galerie-Holländermühle (Kornmühle). Die älteste erhaltene Mühle der Stadt aus dem Jahr 1757 (andere Angaben 1753) hat nur noch Jalousieflügel- und Windrosenattrappen und ist ohne Funktion. Allerdings wurde hier noch bis zum Frühjahr 1980 –&nbsp;mittels elektrischer Energie&nbsp;– Korn gemahlen, so dass die Jungfernmühle die letzte aus wirtschaftlichen (und nicht musealen) Gründen betriebene Berliner Windmühle ist. Heute beherbergt das Gemäuer ein Restaurant. Mit den Neubauten am umgebenden Platz versuchten die Städteplaner, ein harmonisches Ensemble zu gestalten und statteten die Neubauten daher als holländische Giebelhäuser mit roten Backsteinen aus. [[Bild:Jungfernmuehle3.JPG|thumb|left|180px|Jungfernmühle, [[Berlin-Buckow|Buckow]]]] Die Jungfernmühle hat zwei Umsetzungen hinter sich. Der Bau des holländischen [[Zimmerer|Zimmermanns]] ''Adrian den Ouden'', einem der letzten niederländischen Bewohner des berühmten [[Potsdam]]er [[Holländisches Viertel|Holländischen Viertels]] und verheiratet mit der Witwe des Baumeisters des im holländischen Stil gehaltenen [[Jagdschloss Stern (Potsdam)|Jagdschlosses Stern]], befand sich ursprünglich auf dem Amtsacker in der Nähe des [[Nauener Tor (Potsdam)|Nauener Tores]] in [[Potsdam]]. Seit 1788 im Eigentum des ''Müllermeisters Walsleben'', musste die Mühle 1860 nach rund einhundertjährigem Betrieb der ''Arndt'schen Villa'', in der heute eine Polizeiwache untergebracht ist, weichen. Ein neuer Besitzer, ''Johann Wilhelm Blankenberg'' aus [[Berlin-Neukölln|Rixdorf]], ließ die Mühle sehr wahrscheinlich auf den Rixdorfer [[Rollbergsiedlung|Rollbergen]] wieder aufbauen. Hier stand sie nur kurze Zeit, denn nach erneutem Eigentümerwechsel im Jahr 1872 ließ der nächste Besitzer und Namensgeber des Zweitnamens der Mühle (Wienecke'sche Mühle), ''Otto Wienecke'', das Gebäude an ihren heutigen Standort nach Buckow verlegen. Eine Inschrift teilt dazu mit: ''Vier Generationen Müllermeister Wienecke 1969''. Der Erstname ''Jungfernmühle'' geht auf eine tragische Begebenheit beim Bau im Jahr 1757 in Potsdam zurück, als die Müllertochter bei der Besichtigung der neuen Mühle unter plötzlich auftretendem Wind von den Flügeln erfasst und in einem hohen Bogen auf der Galerie zerschmettert wurde. ''„Der Vater ließ das Bildnis der toten Tochter in Eichenholz stechen und zur Erinnerung an das tragische Ende seines Kindes unter der Welle der Mühle einsetzen, wo es sich heute noch befindet.“'' (Zitat: Berlin.de) == Neue und umgesetzte Windmühlen == Da in den folgenden Abschnitten von Mühlen die Rede ist, die nach Berlin umgesetzt wurden, sei einleitend erwähnt, dass diese Umsetzungen auch in umgekehrter Richtung stattfanden, also aus Berlin heraus. Insbesondere in der [[Gründerzeit]] nahmen die aus dem Boden schießenden Wohnsiedlungen den Mühlen zunehmend den Wind. So kam es beispielsweise im Jahr 1888 zur Umsetzung einer [[Berlin-Schöneberg|Schöneberger]] Mühle nach [[Berlin-Mariendorf|Mariendorf]], die von dort bereits 1903 weiter zu ihrem heutigen Standpunkt auf dem Mühlenberg in Saalow, Ortsteil der Gemeinde [[Am Mellensee]] bei [[Zossen]], transportiert wurde. Dort steht die 1974/1975 restaurierte [[Paltrockwindmühle]] noch heute. Die Kastenbauweise der hölzernen Paltrock- und Bockwindmühlen war so konstruiert, dass sie leicht auseinanderzunehmen und an anderem Ort wieder aufzubauen waren. === Marzahner Bockwindmühle, Neubau von 1994 === [[Bild:Muehle_Marzahn3.JPG|thumb|240px|Marzahner Mühle]] Die zurzeit einzige –&nbsp;nichtmuseale&nbsp;– Berliner [[Bockwindmühle]], ein Neubau aus dem Jahr 1994 des niederländischen Mühlenbauers ''Harrie Beijk'', befindet sich in [[Berlin-Marzahn|Marzahn]], in der Straße ''Hinter der Mühle''. Sie ist neben der Britzer Mühle die zweite komplett eingerichtete und funktionsfähige Mühle und verfügt über Jalousieflügel und intakten Schrotgang, doppelten Sechskantsichter, Quetsche, Ausmahlmaschine und Askaniasichter. Bei einem Flügeldurchmesser von 20,5 Metern und einem Gesamtgewicht von 44 Tonnen kann die Mühle mit 2 Gängen bis zu 1000 Kilogramm Roggen- oder Weizenmehl pro Tag erzeugen. Die Luftströmungen lassen jährlich rund 200 windbetriebene Betriebstage mit einer nutzbaren Antriebsleistung von 8–12 [[Watt (Einheit)|Kilowatt]] zu. Neben der Mühle steht ein Kleinwindkraftwerk, das als Windmessstation ([[Anemometer]]) dient. Wie bei der Britzer Mühle bieten auch hier qualifizierte Fachkräfte Fortbildungskurse zur historischen Müllerei an. Die ''Marzahner Mühle'' steht für Besichtigungen oder für die Teilnahme an Führungen offen. Sie liegt unmittelbar benachbart zum alten Kern des ehemaligen [[Angerdorf]]es Marzahn auf einem kleinen Hügel, auf dem kleinere Tiergehege mit Gänsen, Schafen, einem Pferd und einem Esel sowie ein kleines Areal mit historischen landwirtschaftlichen Geräten eingerichtet wurde. Eingebettet in die dichte Hochhaus- und [[Plattenbau]]kulisse Marzahns an der Ecke der stark frequentierten [[Landsberger Allee]] und [[Allee der Kosmonauten (Berlin)|Allee der Kosmonauten]] bietet das historische Marzahn mit seiner neuen Mühle ein bizarr-kontrastreiches Bild. Die drei Vorläufermühlen dieses Neubaus reichen zurück bis in das Jahr 1815, als der erste Marzahner Müller Christian Friedrich Krüger eine Bockwindmühle errichten ließ. Diese erste Mühle, die Folgebauten von 1873 und 1908 und der heutige Neubau verteilten sich auf drei Standorte in Marzahn. 1978 erwarb der [[Deutsche Demokratische Republik|Staat]] die letzte Mühle, die nur noch aus einem gemauerten Turm mit einem flügellosen Stahlgerüst bestand, und ließ sie abreißen. Vier Jahre später fasste der [[Ost-Berlin|Ostberliner]] [[Berliner Magistrat|Magistrat]] den Beschluss zum Neubau, um den Marzahner Dorfkern gestalterisch aufzuwerten. Ursprünglich hatten die Planungen die Errichtung einer Hollandmühle vorgesehen. Der erste Müller fand sich 1994 auf eine Stellenanzeige, auf die sich 10 Interessenten gemeldet hatten. === Holländermühle Foline im Technikmuseum === [[Bild:Muehle_Foline2b.JPG|thumb|180px|Foline, [[Deutsches Technikmuseum Berlin|Technikmuseum]]]] Die sehr kleine, achteckige Galerieholländermühle ''Foline'' kam aus Poghausen, Ortsteil von [[Uplengen]] in [[Ostfriesland]], in das [[Deutsches Technikmuseum Berlin|Deutsche Technikmuseum]] nach [[Berlin-Kreuzberg]] und 1985 zur Aufstellung. Die komplette Kornmühle mit Windrose und Jalousieflügeln ist windgängig und gelegentlich in Betrieb. Ursprünglich eine reine Schrotmühle, ist sie heute mit einer zusätzlichen kleinen Motormühle mit Quetsche, Walzenstuhl, Sichtung etc. ausgestattet. Der Name ''Foline'' zählt zu den typischen [[Ostfriesische Sprache|altostfriesischen]] weiblichen Namen. Die beiden Mühlen des Technikmuseums befinden sich landschaftlich eingebettet im grünen, sechs Hektar umfassenden Museumspark, der auf dem Gelände des seit langem stillgelegten [[Bahnbetriebswerk]]s des ehemaligen [[Berlin Anhalter Bahnhof|Anhalter Bahnhofs]] liegt. Ganz ähnlich wie im neuen [[Natur-Park Südgelände|Natur-Park Schöneberger Südgelände]] mit seinem doppelsinnigen Motto „Bahnbrechende Natur“, der seit dem Jahr 2000 als [[Naturpark]] unter Schutz steht, konnte sich auch hier eine über Jahrzehnte unberührte Natur mit für Berlin seltenen und vielfältigen Beständen herausbilden und über das alte Bahngelände ausbreiten. === Bohnsdorfer Bockwindmühle im Technikmuseum === Im Technikmuseum befindet sich eine weitere Bockwindmühle, die ''Bohnsdorfer Bockwindmühle''. Die etwa 14 Meter hohe Mühle verfügt über Türenflügel mit rund 20 Metern Durchmesser, ist windgängig mit einem Schrotgang und Beutelwerk und manchmal in Betrieb. {| border="0" cellspacing="10"; cellpadding="0"; align="left" style="clear:left; float:left; padding:0; margin-left:0; margin-right:1ex;" | [[Bild:Bohnsdorfer_Bockmuehle3.JPG|180px|thumb|left|]] |---- | [[Bild:Bohnsdorfer_Bockmuehle4.JPG|thumb|180px|left|Bohnsdorfer [[Bockwindmühle]], [[Deutsches Technikmuseum Berlin|Technikmuseum]]]] |} Das ursprünglich ''Vollkropfmühle'' oder nach einem Besitzer auch ''Staberow'sche Mühle'' genannte Bauwerk stammt aus dem Jahr 1820, stand bis 1874 in der Grünauer Straße bei [[Berlin-Köpenick|Köpenick]] und kam anschließend nach [[Berlin-Bohnsdorf|Bohnsdorf]] in die Glienicker Straße 508. 1958 unter Denkmalschutz gestellt und 1983 abgebaut, erfolgte noch im gleichen Jahr ihre Neuaufstellung auf dem Gelände des Technikmuseums. Auch wenn diese Mühle in Berlin verblieben ist, zählt sie wegen der Umsetzung in das Museum nicht zu den erhaltenen historischen Mühlen an ihren originären Standorten. Die älteren Namen der Mühle finden sich in amtlichen Aufzeichnungen beispielsweise als ''Wuhlkropfmühle'' (1820) oder ''Vollkropfs Mühle'' (1850). Nach den Analysen des Namensexperten für den Teltow, Gerhard Schlimpert, geht der Name auf den sogenannten ''Vollkropf'' zurück, der bereits 1704 als Amtsforst verzeichnet ist. An den Namen erinnern heute zwischen [[Glienicker Weg]] und [[Spree]] ein Reststück des ''Vollkropfgrabens'' und das kleine [[Biotop]] ''Vollkropfwiesen'' an diesem Graben. Die [[Feuchtwiese|Feucht-]] und Nasswiesen mit [[Magerrasen]] und [[Röhricht]]beständen stehen unter Naturschutz. Da auf dem ausgedehnten Gebiet südlich der [[Spree]] eine [[Slawen|slawische]] Siedlung gefunden wurde, könnte es sich um einen alten slawischen [[Wüstung]]snamen handeln. Ein Nachweis dazu existiert jedoch nicht und eine stimmige [[Etymologie|etymologische]] Ableitung zum Namen ''Vollkropf'' liegt nicht vor. Kursierende Ableitungen aus dem [[Mittelniederdeutsche Sprache|mittelniederdeutschen]] ''Krop'' = ''Auswuchs, Kropf, Schlund'' hält Schlimpert für nicht plausibel, da zum einen die [[Dialekt|Mundartform]] fehlt und zum anderen das Beiwort ''Voll-'' unklar bleibt, das sich auch als ''Vulc-krop'' findet. === Wieder errichtete Bockwindmühle in Gatow === Seit dem Jahr 2004 gibt es eine weitere –&nbsp;anfangs noch zerlegte&nbsp;– Bockwindmühle in Berlin, die nach Auskunft der Käufer der Mühle im Technikmuseum sehr ähnlich sein soll und die aus Metzelthin, Ortsteil von [[Wusterhausen/Dosse]], von der [[Prignitz]] nach [[Berlin-Gatow|Gatow]] in die Buchwaldzeile 43 umgesetzt wurde. Der Aufbau der Mühle, für die ursprünglich ein Standort bei [[Wriezen]] am [[Oderbruch]] geplant war, wurde seit 2004 vorbereitet und im Jahr 2008 vollendet. [[Bild:Windmühlenberg_Gatow1.JPG|thumb|230px|[[Naturschutzgebiet Windmühlenberg|Windmühlenberg Gatow]] mit<br />[[Sand-Magerrasen|Sand-Trockenrasenflora]]]] Standort ist der historische Windmühlenberg mit der seltenen [[Sand-Magerrasen|Sand-Trockenrasenflora]], der heute inmitten einer kleinen Siedlung liegt und seit dem 9. Februar 2002 als [[Naturschutzgebiet Windmühlenberg]] unter [[Naturschutzgebiet|Schutz]] steht. Auf dem 52 Meter hohen Berg stand bis 1921 (nicht 1923, wie oft angegeben) die alte Gatower Bockwindmühle aus dem Jahr 1845 (andere Angaben 1824 und 1844), die ein skurriles Ende nahm, als sie für einen Film des Regisseurs [[Richard Eichberg]] (1888–1953) regelrecht abgefackelt wurde. Der Mühlenbesitzer, der Ortsbäcker, hatte die verwahrloste und ausgediente Mühle zuvor an die Produktionsfirma des Films verkauft, die das hölzerne Bauwerk gemäß Drehbuch für die letzte Szene in Brand steckte. Recherchen des ''Fördervereins historisches Gatow'' ergaben, dass es sich bei dem Film von Eichberg, der 1938 mit dem zweiteiligen und vertonten Remake von [[Joe May]]'s ''[[Das indische Grabmal (1921)|Das indische Grabmal]]'' (1. Teil: ''[[Der Tiger von Eschnapur (1938)|Der Tiger von Eschnapur]]'') weltweit bekannt wurde, um den Stummfilm ''Die Liebesabenteuer der schönen Evelyne'', Deutscher Titel ''Die Mordsmühle auf Evenshill'', handelte. Die Uraufführung des in den USA [[Indizierung|indizierten]] und auch im Deutschen Reich nicht jugendfreien Films fand am 23. Dezember 1921 in Berlin statt. Das weitere Schicksal des Films ist unklar, die Kopien sind offenbar verschollen (Darsteller waren u.&nbsp;a. [[Lee Parry]], [[Oskar Sima]] in einem seiner ersten Filme überhaupt, Karl Falkenberg und Felix Hecht). [[Bild:Gatower_Mühle.2008.jpg|thumb|left|230px|2008 wieder errichtete Bockwindmühle in Gatow]] Der Förderverein Gatow kaufte die neue Mühle für rund 4000 Euro aus der [[Konkursmasse]] der Gesellschaft, die die Mühle der Stadt Wriezen hatte spenden wollen. Die zerlegte Mühle lagerte bereits auf dem Güterbahnhof des Oderbruch-Städtchens. Laut Förderverein gleicht die rund 225 Jahre alte Mühle der abgebrannten Gatower Mühle. In Absprache mit den Behörden fand sich am Rand des Schutzgebietes ein Platz neben einem alten Wasserturm, an dem sich die Errichtung der Mühle mit den Erfordernissen des Naturschutzes in Einklang bringen ließ. Von Oktober 2005 bis Oktober 2006 ruhte das Bauvorhaben, da gegen die bereits erteilte [[Baubewilligung|Baugenehmigung]] aus [[Nachbarrecht|nachbarrechtlichen]] Gründen [[Widerspruch (Recht)|Widerspruch]] eingelegt wurde. Der Widerspruch wurde 2006 abgewiesen. Der Bau begann noch im Oktober 2006. Maßgeblich an den Arbeiten beteiligt waren die Auszubildenden der Knobelsdorff-Schule unter der Leitung des Zimmerermeisters Wellner. Die Taufe der im Großen und Ganzen fertig gestellten Mühle fand am 6. September 2008 in Gegenwart des regierenden Bürgermeisters Klaus Wowereit mit einem Festakt statt. Nach 87 Jahren drehen sich also wieder Windmühlenflügel auf dem Gatower Berg. Die Kosten des gesamten Baus betrugen ca. 180.000,- €. Die Finanzierung erfolgte mit 150.000,- € Lottomitteln, 30.000,- € Eigenmitteln und zahllosen Stunden ehrenamtlicher Arbeit. Im Jahr 2008 fand das Jubiläum ''750 Jahre Gatow an der Havel, 1258–2008'' statt – das Logo zu dieser Feier zeigt eine Bockwindmühle, das ehemalige und jetzt wieder hergestellte Wahrzeichen des Dorfes in der Stadt. == Verweise, Quellen, Literatur == [[Bild:Muehle_Foline3.JPG|thumb|280px|Holländermühle Foline]] === Siehe auch === * [[Geschichte der Windenergienutzung]] * [[Deutsche Gesellschaft für Mühlenkunde und Mühlenerhaltung]] * [[Windmüller]] === Sonstige Quellen === * Zur Zehlendorfer Mühle Informationstafel vor Ort, 2005 * Diverse Informationsblätter verschiedener Mühlen, 2005 jeweils vor Ort erhältlich * Telefonische Auskünfte am 21. Oktober 2005 zur vorgesehenen Mühle in Gatow durch das Bezirksamt Berlin-Spandau, Natur- und Grünflächenamt * Telefonische Auskünfte am 1. November 2005 zur vorgesehenen Mühle in Gatow durch Ulrich Reinicke vom ''Förderverein historisches Gatow''. Der Einspruch der Nachbarn wurde abgewiesen. Baubeginn fand am 24. Oktober 2006 statt. Die Kosten des gesamten Baues werden ca. 180.000,- Euro betragen. Die Finanzierung ist bereits gesichert: 150.000,-€ Lottomittel und 30.000,00 € Eigenmittel. Wir gehen davon aus, termingerechte Holzlieferung vorausgesetzt, dass die Mühle 2008 fertig wird. Ulrich Reinicke === Literatur === * ''Britzer Mühle.'' Herausgegeben von Britzer Garten GmbH. Berlin 1991 (Broschüre). * Micaela Haas, Joachim Varchmin: ''Mühlen gestern und morgen, Wind- und Wasserkraft in Berlin und Brandenburg.'' Martina Galunder Verlag, Nümbrecht 2002. ISBN 3-89909-009-8 * Heinrich Herzberg, Hans Joachim Rieseberg: ''Mühlen und Müller in Berlin. Ein Beitrag zur Geschichte der Produktivkräfte.'' Berlin 1986. * Werner Peschke: ''Das Mühlenwesen in der Mark Brandenburg. Von den Anfängen der Mark bis um 1600.'' Diss. VDI-Verlag, Berlin 1937. <!-- Gits auch in anderen UBs --> * Gerhard Schlimpert: ''Brandenburgisches Namensbuch. Teil 3. Die Ortsnamen des Teltow.'' Hermann Böhlaus Nachf., Weimar 1972. (Zitat zur Adlermühle S. 214, zur Bohnsdorfer Bockwindmühle = Wuhlkropfmühle/Vollkropfmühle S. 251f.) * Stephan Warnatsch: ''Geschichte des Klosters Lehnin 1180–1542.'' Studien zur Geschichte, Kunst und Kultur der Zisterzienser. Band 12.1. Diss. Berlin, Freie Universität 1999. Lukas Verlag, Berlin 2000. ISBN 3-931836-45-2 (zum Klosterbesitz Zehlendorfer Mühle S. 276 und allgemein zum Mühlenwesen der Mönche in der Mark S. 276 ff.; Zitat zum Mühlenrecht S. 279) * Jürgen Wolf: ''Die Bockwindmühle in Marzahn.'' in: ''Edition Luisenstadt.'' Berlin 1999. ([http://www.luise-berlin.de/bms/bmstxt99/9905prof.htm online]) * Hans Joachim Rieseberg: ''Mühlen in Berlin'', Katalog zur Ausstellung in der Domäne Dahlem vom 20. Mai bis 28. August 1983, Verein der ''Freunde der Domäne Dahlem'' (Hrsg.), Medusa Verlagsgesellschaft m.b.H., Berlin 1983, ISBN 388602-077-0 == Weblinks == {{Commons|Windmills in Berlin|Windmühlen in Berlin}} * [http://www.windmill.de/ Britzer Mühle (Seite Britzer Müller Verein e.V.)] * [http://www.neukoelln-online.de/britzer-muehle/ Trauung in der Britzer Mühle (Seite Neukölln-Online)] * [http://www.bsv-friesen.de/pageID_5468786.html Adlermühle (Seite des BSV Friesen)] * [http://www.jungfernmuehle.de Die Website der Jungfernmühle in Berlin-Buckow] * [http://www.berlin.de/ba-neukoelln/derbezirk/jungfer_muehle.html Berlin.de, Jungfernmühle (Seite Bezirksamt Neukölln)] – Zitat zu Jungfernmühle * [http://www.bwmbm.de Bockwindmühle Berlin-Marzahn] * [http://www.dtmb.de/ Deutsches Technikmuseum Berlin] *[http://www.adlershoferbuergerverein.de/heide.htm Artikel aus der Adlershofer Zeitung 09/2001] mit Beschreibung des Vollkropfgrabens und Erwähnung der Vollkropfmühle (heutige Bohnsdorfer im Technikmuseum) * [http://www.wir-in-gatow.de/sehenswertes/muehle.php Projekt neue Gatower Windmühle] – Die Seite enthält u.&nbsp;a. eine ausführliche Inhaltsangabe zum verschollenen Film von Eichberg {{DEFAULTSORT:Windmuhlen In Berlin}} {{Exzellent}} [[Kategorie:Kultur (Berlin)]] [[Kategorie:Berliner Geschichte]] [[Kategorie:Mühlenanlage in Berlin| ]] [[Kategorie:Windmühle in Deutschland|Berlin]] gfjlsp0mpew9vhilovm229bqrkcf8bm wikitext text/x-wiki Max Windmüller 0 24524 27127 2010-04-28T17:54:34Z Yomtov 0 /* Gedenken */ Zeitform <!-- Erstellt nach [[Wikipedia:Formatvorlage Biografie]] --> '''Max Windmüller,''' genannt Cor (* [[7. Februar]] [[1920]] in [[Emden]], [[Ostfriesland]]; † [[21. April]] [[1945]] in [[Cham (Oberpfalz)|Cham]], [[Oberpfalz]]) war ein [[Juden in Deutschland|deutsch-jüdischer]] [[Holocaust#J.C3.BCdischer_Widerstand|Widerstandskämpfer gegen den Nationalsozialismus]]. Nachdem er mit seinen Eltern vor den Nationalsozialisten in die Niederlande fliehen musste, schloss er sich dort der [[Gruppe Westerweel]] an und rettete vielen jüdischen Kindern und Jugendlichen das Leben. Die Mitglieder der Gruppe Westerweel organisierten Ausweispapiere, Verstecke und Fluchtmöglichkeiten vor allem für aus [[Deutschland]] geflohene deutsch-jüdische Kinder und Jugendliche. In dieser Gruppe arbeiteten Juden und Angehörige anderer Glaubensgemeinschaften gemeinsam daran, jüdische Verfolgte zu retten. Eine solche Zusammenarbeit war auch in den Niederlanden nicht selbstverständlich. Etwa 100 junge Juden wurden von Windmüller persönlich in die Freiheit geschleust, die gesamte Gruppe Westerweel rettete 393 Juden. == Leben == === Kindheit === Max Windmüller wurde als Sohn des Schlachters und Viehhändlers Moritz Windmüller sowie Jette Windmüller, geb. Seligmann, geboren und hatte vier Geschwister. Die Eltern gaben ihm den Vornamen Max nach dem im [[Erster Weltkrieg|Ersten Weltkrieg]] gefallenen Bruder des Vaters. Von 1926 bis 1933 besuchte er die [[Judentum|jüdische]] [[Volksschule]] in Emden. In seinem letzten Schuljahr wurde er Mitglied der [[sozialistische Arbeiterjugend|sozialistischen Arbeiterjugend]]. === Flucht in die Niederlande === Nachdem die deutschen Behörden dem Vater die Gewerbeerlaubnis entzogen hatten, flüchtete die Familie 1933 in die [[Niederlande]]. Die Flucht führte die Familie über [[Delfzijl]] nach [[Beilen]] zu einer Schwester der Mutter. Von dort ging es weiter nach [[Groningen]]. Hier schloss sich Windmüller mit seinem Bruder Isaak einer Gruppe an, welche die Auswanderung von Jugendlichen nach [[Palästina (Region)|Palästina]] organisierte. Sein Bruder Isaak wurde Leiter dieser Gruppe, und Windmüller absolvierte als Vorbereitung für die Auswanderung nach Palästina eine landwirtschaftliche Ausbildung auf einem Bauernhof in der Nähe von [[Assen]]. Kurz vor Ausbruch des Krieges im Jahre 1939 floh sein Bruder Isaak mit dem Schiff ''Dora'' nach Palästina, das illegale Auswanderer dorthin brachte. Max, der auch schon an Bord war, wurde von [[Rue Cohen]], dem Organisator der Ausbildung für Palästina-Pioniere, dazu bewogen, wieder an Land zu gehen; er sollte weiter beim Aufbau der ''[[Hachscharah]]'' helfen, die junge Juden aus [[Deutschland]] und [[Österreich]] zur Ausbildung für Palästina auf niederländsichen Bauernhöfen unterbrachte. 1940 wurden die Niederlande vom deutschen Reich überfallen und besetzt. Nun waren auch die dort lebenden Juden dem deutschen Regime unterworfen. Im Jahr 1941 kam es für die Juden in den Niederlanden zu einem traumatischen Ereignis, denn 900 Juden – allesamt junge Menschen – wurden von den deutschen Besatzern gefangen genommen und in das [[KZ Mauthausen]] [[Deportation|deportiert]]. Bis Ende September wurden nahezu alle von ihnen in [[Mauthausen]] ermordet. Die deutschen Besatzungsbehörden drohten jedem, der ihren Anordnungen nicht folgte, mit der Deportation nach Mauthausen. Angesichts dieser Gefahr bereiteten sich viele der auswanderungswilligen Jugendlichen auf ein Leben im [[Untergrundbewegung|Untergrund]] vor. Dabei wurden sie von holländischen Helfern unterstützt. Windmüller lernte seine spätere Verlobte Metta Lande kennen, eine aus [[Wien]] geflüchtete Jüdin. Im Juli 1942 begannen die Nationalsozialisten mit den Massendeportationen aus den Niederlanden, zehntausende Juden wurden in das [[Durchgangslager Westerbork]] verbracht, von wo aus wöchentlich Transporte in die Vernichtungslager [[KZ_Auschwitz-Birkenau|Auschwitz]] und [[Vernichtungslager Sobibor|Sobibor]] starteten. Unter den Deportierten befanden sich auch die Mutter Windmüllers sowie sein Bruder Salomon nebst Frau und ihrem wenige Wochen alten Kind. === Gruppe Westerweel === [[Bild:Joopwesterweel.gif|thumb|right|Joop Westerweel]] Windmüller versteckte sich in dieser Zeit mit seinem jüngeren Bruder Emil an verschiedenen Orten in den Niederlanden, unter anderem 13 Monate lang auf Dachböden in [[Amsterdam]] und [[Haarlem]]. Er schloss sich der [[Gruppe Westerweel]] an, deren Leiter der überzeugte Pazifist [[Joop Westerweel]] war. Diese Gruppe hatte sich der Organisation von Verstecken und Ausweispapieren für jüdische Flüchtlinge in den Niederlanden verschrieben. Am 14. August 1942 erfuhr der Amsterdamer Judenrat von der geplanten Deportation aller Kinder und Jugendlichen sowie ihrer Erzieher. Die Gruppe um Windmüller wurde hierüber rechtzeitig von [[Erika Blüth]] informiert. Am 16. August 1942 verschwanden mehr als dreißig jüdische Jugendliche aus einem Heim der Deventer Vereniging in Loosdrecht – drei Tage, nachdem die Leiter der Palästina-Pioniere erfahren hatten, dass die „Kinder“ abgeholt und in das so genannte Judendurchgangslager Westerbork gebracht werden sollten. Es war gelungen, für sie alle kurzfristig „Untertauch-Adressen“ zu finden. Windmüller allerdings wurde zum ersten Mal von der [[Gestapo]] gefasst und in das [[KZ Westerbork]] verbracht, konnte aber schon nach zwei Tagen in einem Wäschewagen fliehen. Er tauchte bei Frans und Henny Gerritsen in Haarlem unter, wo auch sein Bruder Emil mit zeitweise bis zu zehn „Onderduikers“ (Untergetauchten) versteckt war. Hier war eines der Zentren des niederländischen Untergrundes. Frans war Graphiker und konnte in Zusammenarbeit mit Widerstandsleuten in den Gemeindeverwaltungen die dringend nötigen Pässe, Lebensmittelkarten, Marschbefehle und andere Dokumente fälschen. Windmüller erhielt neue Papiere, hieß jetzt offiziell Cornelius Andringa und nannte sich ''Cor.'' Im Jahre 1943 nahm die Widerstandsgruppe um Joop Westerweel, [[Menachem Pinkhof]], Joachim Simon und Max Windmüller über Belgien und Frankreich Kontakt zu anderen jüdischen Gruppen, zur [[Jewish Agency]] und zum [[Joint Distribution Committee|Joint]] (American Joint Distribution Committee) auf. Windmüller organisierte mit seiner Gruppe Fluchtwege in den Süden [[Vichy-Regime|Frankreich]]s und über die [[Pyrenäen]] nach [[Spanien]]. === Windmüller in Frankreich === Ende 1943 wurde Max Windmüller unter seinem Decknamen [[Cor]] Verbindungsmann der Juden im besetzten Frankreich. Mit ihm arbeitete eine ganze Gruppe von jungen Leuten, die um ihr eigenes Überleben und das ihrer jüdischen Schicksalsgenossen kämpften. Im April 1944 war Cor unterwegs auf einer seiner Rettungsfahrten nach Holland, als in seiner Pariser Wohnung eine erste Gruppe von Mitkämpfern von der [[Geheime Staatspolizei]] verhaftet wurde. Cor und seine Kameraden versuchten alles, um den Aufenthaltsort der Verhafteten zu ermitteln und sie zu befreien. Seine Genossin Paula Kaufmann schmuggelte sich als Sekretärin ins Gestapo-Hauptquartier in [[Chinatown]]. Die beiden gaben sich als Liebespaar aus, wenn Max sie vom Dienst abholte. Paula kam immer zusammen mit ihrem Chef aus der Zentrale und umging dadurch die Kontrollen. In ihrer Tasche brachte sie dabei geheime Unterlagen und Blankopapiere heraus. Cor hatte jetzt einen Ausweis als Mann des [[Sicherheitsdienst des Reichsführers SS|Sicherheitsdienstes]] für die besetzten Gebiete in Frankreich und konnte aufgrund seiner Bewegungsfreiheit Fluchtwege in den Süden Frankreichs und über die Pyrenäen nach Spanien aufbauen. Sie alle – jüdische Flüchtlinge, zumeist aus Österreich und Deutschland, darunter Max’ Verlobte Metta Lande – gaben sich den Besatzungsbehörden gegenüber als Holländer aus. Zehntausende von zivilen Arbeitern – Belgier, Dänen, Holländer – wurden für den Bau des [[Atlantikwall]]s eingesetzt. In diesen Menschenmassen, die von einer Arbeitsstelle zur anderen unterwegs waren, „schwammen“ die jüdischen Flüchtlinge mit. Cors Aufgabe bestand unter anderem darin, die einzelnen Flüchtlinge an der sogenannten grünen Grenze – an illegalen Grenzübergängen – abzuholen und durch Belgien in den Süden Frankreichs zu schleusen. „Kop op!“ (Kopf hoch!)<ref>Arbeitskreis ''Juden in Emden'' (Hrsg.): ''Max Windmüller (1920–1945) – Eine Recherche von Klaus Meyer Dettum,'' Emden 1997, S. 3</ref> – so erinnerten sich einige der Geretteten noch später – war das Wort, mit dem Cor die vom Terror der Nazis geängstigten und gedemütigten jungen Flüchtlinge ermuntert. Unermüdlich war Cor zwischen den Niederlanden, Belgien, Nordfrankreich (Paris, Bretagne) und dem Süden Frankreichs (Toulouse, Lyon) unterwegs. Es gelang ihm auf diese Weise, etwa einhundert junge Leute in die Freiheit zu schleusen. So rettete Cor auch seinen Bruder Emil. Von den insgesamt 716 in den Niederlanden „auf Hachscharah“ lebenden jungen Juden überlebten 393 durch das Engagement der Westerweel-Gruppe. Im Kontakt mit der im Vichy-Frankreich operierenden „Resistance Juive“ waren Cor und seine Gruppe an einem erfolglosen Versuch beteiligt, gefangene Chaverim (Kameraden) zu befreien. Weiter wollten sie die im Aufbau befindliche „Armée Juive“ mit dem britischen [[Secret Intelligence Service]] in Verbindung bringen. Sie wurden getäuscht: Die Kontaktleute, „Lydia“ und „Charles“ genannt, arbeiteten als Doppelagenten nicht nur für den britischen Geheimdienst, sondern auch für die Gestapo. === Festnahme === Am 18. Juli 1944 wurde ein geheimes Treffen der Jüdischen [[Résistance]] in der Rue Erlanger in Paris von der Gestapo gestürmt, nachdem es von dem Doppelagenten [[Karl Rebh]] verraten worden war. Windmüller und andere Mitglieder des jüdischen Widerstands, u. a. [[André Amar]], [[Henri Pohoryles]], [[Ernest Appenzeller]], [[César Chamy]] und [[Maurice Loebenberg]] wurden verhaftet. Der Haftbefehl lautete auf Hochverrat, Feindbegünstigung und Spionage. Metta entging ihrer Verhaftung durch einen glücklichen Zufall. Die Verhafteten wurden in das Gestapo-Hauptquartier in die [[Rue de la Pompe]] <ref>In dem Artikel über [[Pierre Brossolette]] wird als Adresse des Gestapo-Hauptquartiers Avenue Foch Nr. 84 angegeben, was auch gem. anderen Recherchen richtig ist. In der Rue de la Pompe befand sich zwar ein Büro der Gestapo, aber nicht das Hauptquartier. Eine Liste aller Gestapo-Stellen in Paris findet sich unter http://www.paris.fr/portail/Culture/Portal.lut?page_id=7125&document_type_id=5&document_id=22886&portlet_id=16402</ref> verbracht, verhört und auch gefoltert, woran Loebenberg starb. Die übrigen wurden über das Gefängnis Fresnes in das [[Sammellager Drancy|Lager Drancy]] gebracht. Von dort aus wurden insgesamt mehr als 61.000 Personen – Juden und Widerstandskämpfer – in die Todeslager deportiert. Von der Gruppe um Cor fanden sich dort auch Kurt Reilinger (Nanno), Paula Kaufmann, Alfred Fraenkel (Tzippy), Ernst Hirsch, Ernst Ascher, Gert Sperber, Paul Wolf und von der französischen Gruppe René Kapel, Jacques Lazarus und andere. === KZ Buchenwald === [[Bild:KZ-Tor_Buchenwald.jpg|thumb|Konzentrationslager Buchenwald]] Als die Befreiung des Lagers durch alliierte Truppen kurz bevorstand, wurden Cor und weitere 50 Personen mit dem letzten Transport aus dem besetzten Frankreich deportiert. [[Alois Brunner]], welcher seit Juli [[1943]] als Leiter eines Sonderkommandos der [[Gestapo]] und in einem Vorort von Paris, im Durchgangs- und [[Sammellager Drancy]] tätig war, ließ zu diesem Zweck eigens einen Waggon an „seinen“ Fluchtzug anhängen, der die Aufschrift: „Juden Terroristen“ trug. Wahrscheinlich sollte zu einem späteren Zeitpunkt ein Schauprozess gegen die angebliche „jüdische Weltverschwörung“ inszeniert werden. Metta folgte mit Freunden in einem Auto der Spur des Zuges bis zur Grenze in Lüttich – vergeblich. Zwar glückte unterwegs 21 Gefangenen die Flucht, aber Cor war nicht unter ihnen. Max Windmüller wurde am 25. August 1944 im [[KZ Buchenwald]] als Neuzugang unter der Häftlingsnummer 54573 als staatenloser Jude, Beruf „Landarbeiter“, registriert. Er musste zusätzlich zum gelben Dreieck für jüdische Häftlinge den [[Kennzeichnung der Häftlinge in den Konzentrationslagern|roten Winkel]] der politischen Gefangenen tragen. Am 20. September 1944 kam Windmüller in ein Außenkommando nach [[Bochum]] zur Zwangsarbeit in einer Panzerplattenfabrik der Eisen- und Hüttenwerk AG (heute Teil der [[ThyssenKrupp AG]]). Er wurde zum Aufseher über seine Kammer mit 16 Mitgefangenen bestellt und nach einigen Tagen aufgefordert, strenger zu sein. Als er sich weigerte, wurde er zu allerschwersten Arbeiten eingeteilt. Die Essensration bestand aus ¾ Liter Suppe und 200 Gramm Brot am Tag. Ab dem 7. März 1945 wurde Windmüller wieder in der Lagerkartei Buchenwald geführt. === Todesmarsch aus dem KZ Buchenwald === [[Bild:Kz_flossenbuerg.jpg|thumb|right|Kommandantur am Eingang zur KZ-Gedenkstätte Flossenbürg]] Am 3. April 1945 erfolgte der letzte Appell in Buchenwald vor dem [[SS]]-Lagerkommandanten [[Hermann Pister]]. Dieser gab am nächsten Tag den Befehl zur Evakuierung aller jüdischen Häftlinge. Vom 7. bis 10. April 1945 – und damit kurz vor dem Eintreffen der amerikanischen Armee – wurde ein Teil der jüdischen Häftlinge in den Hallen der [[Deutsche Ausrüstungswerke|Deutschen Ausrüstungswerke]] zusammengetrieben. In mehreren Transporten wurden über 10.000 Häftlinge mit dem Ziel [[KZ Flossenbürg|Konzentrationslager Flossenbürg]] (nahe [[Weiden in der Oberpfalz|Weiden]] an der tschechischen Grenze) in Marsch gesetzt. Die erste Kolonne sollte ganz zu Fuß ihr Ziel erreichen, war aber in Wirklichkeit dazu bestimmt, auf diesem [[Todesmarsch|Marsch]] zu sterben. Die Häftlinge sollten „keinesfalls in die Hände des Feindes fallen“. Bereits auf den wenigen Kilometern bis [[Weimar]] wurden 40 Häftlinge ermordet und noch am gleichen Tag in das [[Krematorium|Lagerkrematorium]] zurückgebracht. Auf der kurzen Strecke zwischen [[Orlamünde]] und der bayerischen Grenze wurden 238 Häftlinge von der SS erschlagen oder erschossen. Andere wurden in offenen Güterwagen nach Flossenbürg abtransportiert, auch Paul Wolf und Max Windmüller. Wegen des Vorrückens der Amerikaner wurde ihre Kolonne von dort auf einen Fußmarsch zum [[Konzentrationslager Dachau]] gezwungen. Auf dem ganzen Weg blieben zahllose Häftlinge infolge körperlicher Schwäche und Misshandlungen liegen, sie wurden von der SS erschlagen und erschossen. Nur etwa 300 Häftlinge kamen in Dachau an. Am 21. April 1945 wurde Max Windmüller von einem SS-Angehörigen erschossen, nachdem er sich – durch [[Lungenentzündung]] und [[Fieber]] entkräftet – aus der [[Kolonne (Militär)|Kolonne]] entfernt hatte, um sich auszuruhen. Metta Lande, die Verlobte von Max Windmüller, überlebte den Holocaust und siedelte später nach Israel über. == Gedenken == [[Datei:אנדרטת זכרון ב"יער יופ וסטרויל".jpg|miniatur|Denkmal im Westerweel-Gedächtniswald bei Haifa]] Im Jahr [[1946]] erhielt Windmüller posthum die [[Médaille de la Résistance]] verliehen. An verschiedenen Stellen wird heute an das Leben und den Widerstandskampf Windmüllers erinnert, so etwa in [[Yad Vashem]]. Im Westerweel-Gedächtniswald, in der Nähe von [[Haifa]], steht ein Denkmal für [[Joop Westerweel]], Max Windmüller und ihre Mitstreiter aus der jüdischen Widerstandsbewegung und auch das Museum der [[Ghetto]]-Kämpfer [[Ghetto Fighters' House|Beit Lochamei ha Ghettaot]] im [[Kibbuz]] [[Lochamej haGeta’ot]] ([[Israel]]) ehrt ihn als Widerstandskämpfer. Eine Gedenkstätte befindet sich außerdem im ehemaligen Konzentrationslager Flossenbürg. Schließlich wurde in <!-- der Stadt-->[[Emden]] die <!-- ehemalige-->Webergildestraße am [[8. November]] [[1998]] in Max-Windmüller-Straße<ref>[http://62.225.158.162:1080/sessionnet_bi/to0050.asp?__ktonr=8366 Protokoll der Stadtratssitzung zur Umbenennung der ''Webergildenstraße'' in ''Max-Windmüller-Straße'']</ref> umbenannt. == Literatur == * Berrie J. Asscher: ''Van Mokum naar Jerusalem (1924–1944).'' Beerscheva 1996. * Yigael Benjamin: ''They were our friends. A memorial for the members of the Hachsharot und Helalutz underground in Holland, murdered in the holocaust.'' Tel Aviv 1990. * Jean-Francois Chaigneau: ''Le dernier Wagon.'' Paris 1981. ISBN 2-260-00273-0 * Marianne Claudi, Reinhard Claudi (Hrsg.): ''Die wir verloren haben. Lebensgeschichten Emder Juden.'' Aurich 1991. ISBN 3-925365-31-1 * René S. Kapel: ''Un rabbin dans la tourmente (1940–1944).'' Centre de documentation juive contemporaine, Paris 1986. * Anny Latour: ''The Jewish Resistance in France 1940–44.'' Holocaust Library, New York 1981. ISBN 0-89604-026-7 * Lucien Lazare: ''La résistance Juive en France. Un combat pour la survie.'' Paris 2001. ISBN 2-902969-73-2 * Jacques Lazarus: ''Les Juifs au combat T’moignage sur l’activité d’un mouvement de résistance.'' Centre de documentation juive contemporaine, Paris 1947. * Klaus Meyer-Dettum: ''Max Windmüller (1920–1945). Eine Recherche.'' Arbeitskreis ''Juden in Emden'', Emden 1997. == Einzelnachweise/Anmerkungen == <references/> == Weblinks == * [http://www.joodsmonument.nl/article.php?thg_id=1005.359&lang=nl&lang=en Digital Monument to the Jewish Community in the Netherlands – Westerweel group] (englisch) * [http://www.joodsmonument.nl/person/474445 Digital Monument to the Jewish Community in the Netherlands – Max Windmüller] (englisch, mit Bild) * [http://www.memoresist.org/fiches/resist.php?id_res=1171 Gedächtnis und Hoffnungen des Widerstandes] (französisch) * [http://www.gz-tm-dachau.de/ Internetseite über den Todesmarsch von Dachau] {{DEFAULTSORT:Windmuller, Max}} [[Kategorie:Holocaust]] [[Kategorie:Widerstand gegen den Nationalsozialismus]] [[Kategorie:Deutsche Besetzung der Niederlande 1940–1945]] [[Kategorie:Person (Emden)]] [[Kategorie:Résistance]] [[Kategorie:Mann]] [[Kategorie:Deutscher]] [[Kategorie:Geboren 1920]] [[Kategorie:Gestorben 1945]] [[Kategorie:KZ-Häftling]] [[Kategorie:Judentum (Ostfriesland)]] {{Exzellent}} {{Personendaten |NAME=Windmüller, Max |ALTERNATIVNAMEN=Cor |KURZBESCHREIBUNG=deutscher Widerstandskämpfer |GEBURTSDATUM=7. Februar 1920 |GEBURTSORT=[[Emden]] |STERBEDATUM=21. April 1945 |STERBEORT=[[Cham (Oberpfalz)|Cham]] }} [[fr:Max Windmüller]] [[fy:Max Windmüller]] aadihl2zmhmt6lobl7kswx0qxqzv09r wikitext text/x-wiki Windpocken 0 24525 27128 2010-05-11T14:54:47Z Umweltschützen 0 Änderungen von [[Special:Beiträge/79.210.55.77|79.210.55.77]] rückgängig gemacht und letzte Version von Spuk968 wiederhergestellt {{Infobox ICD | 01-CODE = B01.- | 01-BEZEICHNUNG = Varizellen [Windpocken] | 02-CODE = B01.1† | 02-BEZEICHNUNG = Varizellen-Meningitis (G02.0*) | 03-CODE = B01.1† | 03-BEZEICHNUNG = Varizellen-Enzephalitis (G05.1*) | 04-CODE = B01.2† | 04-BEZEICHNUNG = Varizellen-Pneumonie (J17.1*) | 05-CODE = B01.8 | 05-BEZEICHNUNG = Varizellen mit sonstigen Komplikationen | 06-CODE = B01.9 | 06-BEZEICHNUNG = Varizellen ohne Komplikationen }} Die '''Windpocken''' ('''Varizella'''/'''Varizellen''') sind eine durch [[Tröpfcheninfektion]] übertragene Erkrankung, die durch das [[Varizella-Zoster-Virus]] ausgelöst wird. Andere Bezeichnungen für Windpocken sind '''Wasserpocken''', '''Spitze Blattern''', '''Wilde Blattern''', vor allem in Österreich '''Feuchtblattern''', '''Schafplattern''' bzw. '''Schafblattern'''. Der Name ''Windpocken'' kommt von der hohen Ansteckungsfähigkeit dieser [[Viren]], die auch über einige Meter in der Luft übertragen werden. Die Windpocken sind zu unterscheiden von den [[Pocken]] (Variola), einer gefährlichen [[Infektionskrankheit]], die von Viren der Gattung [[Orthopoxvirus]] verursacht wird. Die Windpocken betreffen überwiegend Kinder im Vorschulalter und führen bei der Mehrzahl der [[Infektion|Infizierten]] anschließend zu einer lebenslangen [[Immunität (Medizin)|Immunität]], weshalb man sie auch zu den [[Kinderkrankheit]]en zählt. [[Symptom]]e sind im Wesentlichen [[Fieber]] und ein charakteristischer, juckender [[Exanthem|Hautausschlag]] mit wasserklaren Bläschen. Es können [[Komplikation]]en in Form von Kleinhirn- oder [[Enzephalitis|Hirnentzündungen]], einer [[Lungenentzündung]] oder bakteriellen [[Superinfektion]]en der Haut auftreten. Da es sich um eine [[Virusinfektion]] handelt, ist die Behandlung in der Regel symptomatisch. In besonderen Fällen – beispielsweise bei [[Immunsuppression|immunsupprimierten]] Patienten – kann ein [[Virostatikum]] eingesetzt werden. Nachdem die Krankheitszeichen abgeklungen sind, verbleiben Varizella-Viren in den [[Spinalganglion|Spinal-]] oder [[Hirnnerv]]enganglien und können von hier aus in Form einer Gürtelrose ([[Herpes Zoster]]) wieder reaktiviert werden. Zur [[Prophylaxe]] gibt es eine [[Impfung]], die seit Juli 2004 in Deutschland allgemein empfohlen ist.<ref name="rki"/> Seit August 2006 ist auch ein [[MMR-Impfstoff|Mehrfachimpfstoff gegen Masern, Mumps, Röteln]] und Windpocken verfügbar.<ref name="ImpfDialog"/> Auch eine [[Postexpositionsprophylaxe]] mit einer [[Impfung#Passive Immunisierung|Passiv-Impfung]] oder mit Virostatika ist möglich. == Häufigkeit == Vor der allgemein empfohlenen Impfung waren Windpocken mit bundesweit 750.000 Fällen jährlich und Häufigkeitsgipfel im Kindesalter die häufigste impfpräventable Erkrankung. Mehr als 90 % aller Jugendlichen waren bis zum 14.&nbsp;Lebensjahr infiziert. Ein Herpes Zoster trat gewöhnlich jenseits des 40.&nbsp;Lebensjahres auf. Bei Kindern war Herpes Zoster wesentlich seltener: von 1000&nbsp;Kindern erkrankte durchschnittlich lediglich eines nach 5&nbsp;±&nbsp;2,5 Jahren an Herpes Zoster.<ref name="DGPI"/> Eine Krankheitshäufung besteht im Winter und Frühjahr. == Erreger == [[Datei:Varicella (Chickenpox) Virus PHIL 1878 lores.jpg|thumb|150px|Varizella-Zoster-Virus ([[Transmissionselektronenmikroskop|TEM]]-Aufnahme)]] Der Erreger der Windpocken ist das ''Varizella-Zoster-Virus'' (VZV), das gemäß der [[Virus-Taxonomie]] auch als ''Humanes Herpesvirus 3'' (HHV-3) bezeichnet wird. Einziges bekanntes [[Reservoir#Biologische Reservoire|Reservoir]] ist der Mensch.<ref name="rki-merkbl"/> Dieses Virus ist ein [[Virushülle|behülltes]], doppelsträngiges [[Desoxyribonukleinsäure|DNA]]-Virus (dsDNA) und gehört zur Familie der ''[[Herpesviridae]]'', zur Unterfamilie ''[[Alphaherpesvirinae]]'' und zur Gattung ''[[Varicellovirus]]''. Alle Viren dieser Familie umschließen ihre DNA mit einem [[Kapsid#Ikosaedrische Symmetrie|ikosaedrischen Kapsid]], einer aus Dreiecksflächen bestehenden [[Protein]]hülle. Das Varizella-Zoster-Virus ist weltweit verbreitet und wird bereits in der Kindheit übertragen. Exemplarisch stieg bei Kindern in Schweden zwischen 9 und 12 Jahren in den letzten 30 Jahren die [[Prävalenz]] von [[Antikörper]]n gegen VZV von etwa 50 % Ende der 1960er Jahre bis auf 98 % 1997,<ref>A. Svahn et al.: ''Changes in seroprevalence to four herpesviruses over 30 years in Swedish children aged 9-12 years''. J. Clin. Virol. (2006) 37(2): S. 118–123, PMID 16971177</ref> was der zunehmend verbreiteten Impfung zugeschrieben wird. Bei der erwachsenen Bevölkerung in Mitteleuropa sind bei etwa 93 bis 96 % Antikörper nachweisbar.<ref>J. Gallagher et al.: ''Susceptibility to varicella zoster virus infection in health care workers''. Occup. Med. (Lond). (1996) 46(4): S. 289–292, PMID 8854707</ref><ref>S. J. Knowles et al.: ''Susceptibility to infectious rash illness in pregnant women from diverse geographical regions''. Commun. Dis. Public Health. (2004) 7(4): S. 344–348, PMID 15779804</ref> Die vom Erreger verursachte Windpocken-Erkrankung als Erstinfektion des VZV nimmt nur sehr selten einen tödlichen Verlauf; dies kann gelegentlich ohne Vorerkrankung bei Patienten mit intaktem [[Immunsystem]] vorkommen, häufiger jedoch bei Immundefizienten und Schwangeren.<ref>J. W. Gnann et al.: ''Varicella-zoster virus: atypical presentations and unusual complications''. J. Infect. Dis. (2002) 15;186 (Suppl 1): S. S91-S98 (Review), PMID 12353193</ref> Dies zeigt auch, dass das VZV sehr stark an den Menschen als seinen einzigen [[Wirt (Biologie)|Wirt]] angepasst ist und es daher als „wirtsspezifisch und teiladaptiert“ eingestuft werden kann. Es verbleibt nach einer Infektion stets lebenslang als [[Desoxyribonukleinsäure|DNA]]-Ring im [[Karyoplasma|Nukleoplasma]] der Nervenzellen der Spinal- oder Hirnnervenganglien. == Übertragung == Die hoch ansteckenden Viren werden teils über direkten Kontakt mit den Varizellen- oder Zosterbläschen übertragen. Die Tröpfcheninfektion, also direktes Einatmen von Ausatmungströpfchen (Exspirationströpfchen) infizierter Personen, ist ein bis zwei Tage vor Ausbruch des [[Exanthem]]s möglich. Es ist möglich, dass das Varizella-Zoster-Virus mit der Luft übertragen wird („Wind“pocken). Da die Erreger an der Luft einige Meter weit „fliegen“ und überlebensfähig sind, ist eine Ansteckung über die Luft auch bei nicht direktem Kontakt möglich. Eine Übertragung durch herumliegende Kleidung oder Spielzeug ist in der Regel nicht zu befürchten. Eine [[Exposition (Medizin)|Exposition]] ist sicher immer dann anzunehmen, wenn bei [[Immunkompetenz|immunkompetenten]] Personen der Kontakt länger als eine Stunde gedauert hat, bei abwehrgeschwächten Personen ist von einer Mindestzeit von zehn Minuten auszugehen.<ref name="DGPI">[[Deutsche Gesellschaft für Pädiatrische Infektiologie]]: Handbuch Infektionen bei Kindern und Jugendlichen. 2. Auflage, Futuramed Verlag München 1997</ref> Nach einer Virusexposition infizieren sich über 90 von 100 empfänglichen (zuvor [[Serologie|seronegativ]]en) Personen mit diesem Virus und erkranken auch anschließend, die Windpocken treten bei ihnen sichtbar auf.<ref name=" rki-merkbl">[http://www.rki.de/cln_048/nn_196658/DE/Content/Infekt/EpidBull/Merkblaetter/Ratgeber__Mbl__Varizellen.html Varizellen (Windpocken), Herpes zoster (Gürtelrose)]: Merkblatt des RKI </ref> Windpocken sind bereits zwei Tage vor Auftreten des Hautausschlags ansteckend und bleiben dies fünf bis zehn Tage nach Bildung der ersten Bläschen bzw. bis das letzte Bläschen verkrustet ist. Die Meinung, dass die Ansteckungsfähigkeit bis zum Abfallen der letzten Kruste vorhanden sei, gilt als überholt. In dieser Zeit sollte die erkrankte Person nicht in Kontakt mit anderen kommen, vor allem nicht mit Risikopersonen wie Immuninkompetenten ([[Cortison]]behandlung, [[AIDS]], [[Krebs (Medizin)|Krebskranke]], [[Atopisches Ekzem|Neurodermitis]]kranke, ältere Menschen) oder auch Frauen, die sich in der 8. bis 21.&nbsp;Schwangerschaftswoche befinden, da bei den letztgenannten eine Gefährdung des ungeborenen Kindes und auch der Mutter gegeben ist. Eine Windpockenerkrankung der Mutter zwischen sieben Tagen vor und drei Tagen nach der Entbindung kann für sie tödlich verlaufen. (Siehe auch [[Windpocken#Windpocken in der Schwangerschaft|Windpocken in der Schwangerschaft]]) Ein [[Nestschutz]] bei Neugeborenen und Säuglingen immuner Mütter durch übertragene [[Antikörper|IgG-Antikörper]] besteht sicher drei Monate, danach nimmt die Empfänglichkeit bei den Kindern zu, ab dem sechsten Lebensmonat besteht kein Nestschutz mehr, ab dem neunten Monat kann eine Impfung durchgeführt werden.<ref name="Heininger2006">Heininger, U. et al. (2006): [http://www.ncbi.nlm.nih.gov/sites/entrez?Db=pubmed&Cmd=ShowDetailView&TermToSearch=16459000&ordinalpos=1&itool=EntrezSystem2.PEntrez.Pubmed.Pubmed_ResultsPanel.Pubmed_RVAbstractPlus ''Seroprevalence of Varicella-Zoster virus IgG antibodies in Swiss children during the first 16 months of age.''] Vaccine 2006 Apr 12;24(16):3258-60.</ref> == Krankheitsentstehung == Frühere [[Pathogenese|pathogenetische]] Konzepte mussten sich aufgrund der strengen Wirtsspezifität von VZV auf klinische Beobachtungen und Untersuchungen des [[Ektromelie-Virus|Mäusepockenvirus]] als [[Modellorganismus|Tiermodell]] stützen. Es wurde angenommen, nach Eindringen über die Schleimhaut der oberen Luftwege erfolge zunächst eine erste Virus[[replikation]] im [[Lymphatisches Gewebe|lymphatischen Gewebe]] des Rachenraumes mit einer anschließenden [[Monozyt|monozytären]] [[Virämie]]. Erst nach einer zweiten Replikationsphase in den retikuloendothelialen Organen ([[Leber]], [[Milz]]) gelangten die Erreger mit einer sekundären Virämie in die Haut. Die Infektion der sensiblen Nervenzellen, in deren [[Ganglion (Nervensystem)|Ganglien]] die Viren anschließend lebenslang überdauern, erfolge entweder von den [[läsion|Hautläsionen]] aus oder auch über den Blutweg. Durch dieses Konzept war die lange [[Inkubationszeit]] gut erklärt. Mittlerweile gibt es Untersuchungen an Mäusen mit [[Severe Combined Immunodeficiency|schwerem Immundefekt]], denen menschliche [[T-Lymphozyt|T-Zellen]], Haut- und Nervengewebe transplantiert wurden. Die Ergebnisse legen nahe, dass die Viren direkt nach der ersten Replikation in regionalen Lymphknoten des Rachens T-Zell-gebunden über die Blutbahn in die Haut gelangen. Die lange Zeit zwischen Infektion und Ausbruch des Hautausschlags wird damit erklärt, dass VZV zunächst bisher unbekannte angeborene, sehr wirksame Abwehrmechanismen überwinden müssen. Dazu gehört eine direkt in den Zellen der Oberhaut verankerte [[Interferone#Alpha-Interferon|α-Interferon]]-Produktion.<ref name="ccku"> C.-C. Ku et al.: Varicella-Zoster virus pathogenesis and immunobiology: new concepts emerging from investigations with the SCIDhu mouse model. In: J Virol. 2005 Mar;79(5):2651-2658, PMID 15708984 [http://jvi.asm.org/cgi/content/full/79/5/2651?view=long&pmid=15708984 Volltext online] (englisch)</ref> == Klinische Erscheinungen == === Windpocken bei Kindern === [[Datei:windpocken.jpg|thumb|Kleinkind mit Windpocken]] [[Datei:Chickenpox blister-(closeup).jpg|thumb|Bläschen]] Nach einer Inkubationszeit von 10 bis 21 (meist 14 bis 17) Tagen kann es zum Auftreten von leichtem und kurzanhaltendem Fieber sowie [[Kopfschmerz|Kopf]]- und Gliederschmerzen kommen. Tags darauf bilden sich im Bereich des [[Rumpf (Anatomie)|Rumpfes]] und [[Gesicht]]es, typischerweise aber auch des behaarten Kopfes, erst später an den Gliedmaßen bis zu linsengroße, manchmal juckende rote Flecken, aus denen später [[Papel|Knötchen]] entstehen, in deren Zentrum sich innerhalb von Stunden bis maximal Tagen reiskorngroße Bläschen bilden. Diese sind häufig gedellt. Seltener können auch die [[Schleimhaut|Schleimhäute]] im Bereich des [[Mund]]es (hier vor allem am [[Gaumen]] als gelblich belegte [[Erosion (Medizin)|Erosionen]] sichtbar), der [[Nase]], der [[Auge]]n, sowie die Haut der [[Geschlechtsorgan|Genitalien]] und des [[Anus|Afters]] betroffen sein. Die Bläschen platzen schließlich, und es bildet sich eine hellbraune Kruste. Da die [[Läsion]]en nicht gleichzeitig entstehen, findet sich zu einem gegebenen Zeitpunkt eine vielgestaltige Ausprägung der Hauterscheinungen, so dass oft von einem Bild ähnlich einem „Sternenhimmel“ gesprochen wird, das eine Blick[[diagnose]] ermöglicht. Der Krankheitsverlauf ist meist gutartig und dauert in der Regel drei bis fünf Tage an.<ref name="rki-merkbl"/> Die Krusten fallen ohne Narbenbildung ab, sofern darauf geachtet wird, dass das Kind nicht kratzt und die Hautläsionen auf die Oberhaut begrenzt bleiben. Gewöhnlich kann der Mensch Windpocken nur einmal im Leben bekommen, er ist also, nachdem er die Krankheit einmal durchgemacht hat, immun. Es gibt jedoch Ausnahmen, nämlich dann, wenn das erste Auftreten der Windpocken sehr leicht und sehr früh in der Kindheit stattfand und sich somit nicht genügend [[Antikörper]] bilden konnten. === Windpocken bei Erwachsenen === [[Datei:IMG 6933.JPG|thumb|Mann mit Windpocken]] Erstinfektion mit dem Varizella-Zoster-Virus im Erwachsenenalter ''(Varicellae adultorum)'' sind aufgrund der hohen [[Durchseuchung]] eher selten und nehmen meist einen schwereren Krankheitsverlauf als bei Kindern. Es sind Komplikationen mit [[Enzephalitis|Meningoenzephalitis]], Lungen- ([[Lungenentzündung|Pneumonie]]) und Leberentzündung ([[Hepatitis]]) möglich. So zeigen sich bei Erwachsenen meist deutlich mehr Pocken. Der gesamte Rumpf, der behaarte Kopf, das Gesicht, Beine, Arme und die Genitalien können befallen sein. Rund eine Woche lang treten immer wieder neue Pocken auf, bei manchen Erwachsenen bis zu vier Wochen. Sie erscheinen zuerst als rote Punkte, die sich dann mit Flüssigkeit füllen, dann eitern und entweder direkt verkrusten oder zuvor aufplatzen. Das Fieber kann auf über 40 Grad ansteigen und tritt meist schon vor den ersten roten Punkten gemeinsam mit allgemeinem Krankheitsgefühl auf. Bei Erwachsenen muss besonders auf Komplikationen geachtet werden, da hier Gehirnhautentzündung ([[Meningitis]]), Lungenentzündung oder Magen-Darm-Komplikationen auftreten können. Zur Abklärung einer Hirnhautentzündung sollte überprüft werden, ob das Kinn schmerzfrei auf die Brust gesenkt werden kann (Prüfung auf [[Meningismus]]). Treten Atembeschwerden oder Auswurf aus der Lunge auf, muss sofort eine Röntgenaufnahme des Brustkorbes zum Ausschluss einer Lungenentzündung gemacht werden. Starke Bauchschmerzen und ein geblähter Bauch weisen auf Komplikationen im Magen-Darm-Trakt hin. === Komplikationen === In der bei weitem überwiegenden Zahl der Fälle speziell im Kleinkind- und Kindesalter verläuft die Krankheit komplikationsfrei. Die Hospitalisierungsrate ist niedrig: nur 2,5 bis 7 von 100.000 Einwohnern müssen in Deutschland jährlich wegen Varizellen in ein Krankenhaus aufgenommen werden.<ref name="rki"/> Die häufigsten Komplikationen sind bakterielle [[Superinfektion]]en meist durch [[Staphylokokken]], wie eine Lungenentzündung (bei Erwachsenen 0,2 bis 0,3 %), eine kleinhirnbedingte Koordinationsstörung ([[Ataxie]]) oder eine bakterielle körperweite Infektion ([[Sepsis]]) ausgehend von der Haut (bei Kindern 2–3/10.000). Weitere schwere Komplikationen sind das [[Reye-Syndrom]], eine [[Enzephalitis]] oder Meningitis – also eine Entzündung des Gehirns oder der Hirnhäute – sowie eine Leberentzündung (Hepatitis) oder [[Arthritis|Gelenksbeschwerden]]. Eine weitere seltene Windpocken-bedingte Komplikation betrifft die Veränderung von Blutgefäßen ([[Angiopathie]]), welche zu [[Schlaganfall|Schlaganfällen]] führen können.<ref>R. Askalan et al.: ''Chickenpox and stroke in childhood: a study of frequency and causation.'' Stroke. 2001;32(6):1257-62, PMID 11387484</ref> Die durch solche Komplikationen begründete Todesrate wird in Deutschland auf 25 bis 40 Fälle pro Jahr geschätzt.<ref name="cdc"> [http://www.cdc.gov/vaccines/pubs/pinkbook/downloads/varicella.pdf Varicella-Kapitel], Pink-Book, Center of Disease Control (CDC), PDF, engl.</ref> In einer Schweizer Untersuchung wurde eine Sterblichkeit von 1 auf 100000 Erkrankungsfälle bei nicht geimpften Personen gefunden.<ref name="jb45-47">Bonhoeffer J., Heininger, U.: ''Varizellen-Impfung in der Schweiz.'' In: ''Paediatrica'' 2008; 19(3):45-47 [http://www.swiss-paediatrics.org/paediatrica/vol19/n3/pdf/45-47.pdf Volltext online (pdf)]</ref> Da Windpocken keine [[meldepflichtige Krankheit]] sind, sind die Daten zu Komplikationen umstritten, da einerseits die meisten harmlos verlaufenden Windpockenfälle gar nicht erfasst werden, andererseits Windpocken-Komplikationen bei älteren Kindern, Heranwachsenden oder Jugendlichen möglicherweise gar nicht als solche behandelt bzw. erfasst werden. Windpocken sind meldepflichtig, solange Kinder eine Gemeinschaftseinrichtung (Kindergarten, Schule) besuchen. === Windpocken in der Schwangerschaft === Da nur etwa 3–4 % aller Frauen im gebärfähigen Alter keine Antikörper gegen ''Varizella-Zoster-Virus'' aufweisen und somit empfänglich für die Erkrankung sind, treten Windpocken in der [[Schwangerschaft]] mit etwa 1–7&nbsp;Fällen je 10.000 Schwangerschaften insgesamt selten auf.<ref name="sauerbrei">A. Sauerbrei, P. Wutzler: Fetales Varizellensyndrom. In: Monatsschrift Kinderheilkunde 2003; 151:209-213</ref> Aufgrund der möglichen schwerwiegenden Folgen sowohl für die Schwangere als auch das ungeborene Kind verdienen sie eine besondere Betrachtung. Dagegen stellt eine Gürtelrose während der Schwangerschaft kein erhöhtes Risiko für Mutter oder Kind dar, da einerseits keine Streuung der Viren über das Blut erfolgt und die Mutter andererseits Antikörper gegen die Erreger produziert, die auf das Ungeborene übertragen werden und es vor einer Infektion schützen.<ref name="wutzler">A. Sauerbrei, P. Wutzler: Neonatal Varicella. In: Journal of Perinatology 2001; 21:545–549, PMID 11774017, [http://www.nature.com/jp/journal/v21/n8/pdf/7210599a.pdf Volltext online (engl., pdf)]</ref> ==== Windpocken bei der Schwangeren ==== Eine erfolgreiche Schwangerschaft erfordert Veränderungen des Abwehrsystems, damit es den genetisch von der Mutter verschiedenen [[Fetus]] toleriert. Obwohl nur wenig über diese Anpassungsvorgänge des [[Immunsystem]]s bekannt ist, gilt es als anerkannte Tatsache, dass während einer Schwangerschaft sowohl eine erhöhte Infektanfälligkeit besteht als auch erschwerte Verläufe von Infektionskrankheiten beobachtet werden. Windpockenerkrankungen führen bei Schwangeren etwa zehnmal häufiger zu einer Lungenentzündung als Komplikation als bei Nichtschwangeren. Gleichzeitig steigt die [[Mortalität|Sterblichkeit]] an einer solchen Varizellen-Pneumonie auf das etwa Dreifache von etwa 11 auf 35 %.<ref name="jamieson"> D. J. Jamieson et al.: Emerging infections and pregnancy. In: Emerg Infect Dis. 2006; 12(11):1638-1643, PMID 17283611, [http://www.cdc.gov/ncidod/EID/vol12no11/pdfs/06-0152.pdf Volltext online (engl., pdf)]</ref> ==== Fetales Varizellen-Syndrom ==== Eine Übertragung der Windpockenerreger von der erkrankten Mutter auf das Kind kann über den Mutterkuchen ([[Plazenta|diaplazentar]]) während der gesamten Schwangerschaft erfolgen. Die Art der Schädigung hängt dabei vom Zeitpunkt ab und reicht von der symptomlosen Infektion bis zur [[Fehlgeburt]]. Da nur in etwa einem Viertel der Windpockenerkrankungen in einer Schwangerschaft mit einer Übertragung gerechnet werden muss und von diesen wiederum nur ein Bruchteil von einem fetalen Varizellen-Syndrom betroffen sind, wird eine [[Embryopathie|Embryo- oder Fetopathie]] lediglich mit einer Häufigkeit von etwa 1–2 % aller Windpockenerkrankungen in der Schwangerschaft gefunden.<ref name="sauerbrei"/> Eine Übersichtsarbeit listet insgesamt 112&nbsp;Fälle seit der Erstbeschreibung 1947 auf. Als häufigstes Symptom werden Hautdefekte, die sich einem sogenannten [[Dermatom (Anatomie)|Dermatom]] zuordnen lassen, in etwa drei Vierteln der Fälle, gefolgt von Schädigungen des Nervensystems ([[Atrophie|Gewebsschwund]] von [[Telencephalon|Gehirn]] oder [[Rückenmark]], Lähmungen, [[Epilepsie|Krampfanfälle]] und andere) in knapp zwei Dritteln der betroffenen Kinder beobachtet. Etwa jeweils jedes zweite Neugeborene weist darüber hinaus Augenerkrankungen oder Fehlbildungen des Skelettsystems auf. Schädigungen innerer Organe oder der Muskulatur kommen vergleichsweise seltener vor. 25–30 % der Kinder versterben.<ref name="sauerbrei"/> Fast 80 % aller fetalen Varizellen-Syndrome traten nach mütterlicher Erkrankung zwischen der neunten und zwanzigsten Schwangerschaftswoche auf, wobei schon ab der 5. und bis zur 24.&nbsp;Schwangerschaftswoche ein grundsätzliches Risiko für diese Komplikation besteht. ==== Konnatale Varizellen ==== Vom fetalen Varizellen-Syndrom abzugrenzen ist eine Windpocken-Erkrankung des Neugeborenen, die kurz vor der Entbindung noch im Mutterleib über den Mutterkuchen übertragen wurde und nach der Geburt bis zum zwölften Lebenstag zur Erkrankung führt. Gefährdet sind Kinder, deren Mutter fünf Tage vor bis zwei Tage nach Entbindung erkennbar an Windpocken erkranken.<ref name="rki-merkbl"/> Außerhalb dieses Zeitraums hat die Mutter schon so viele schützende Antikörper produziert und dem Neugeborenen mitgegeben, dass dieses nicht so schwerwiegend erkrankt. Entsprechend dem riskanten Zeitraum der mütterlichen Infektion haben besonders diejenigen Neugeborenen ein hohes Risiko für einen schwerwiegenden Verlauf ihrer Windpocken-Erkrankung, bei denen der Ausschlag zwischen dem sechsten und elften Lebenstag auftritt. In dieser Gruppe beträgt die Sterblichkeit ohne antivirale Therapie fast ein Viertel.<ref name="wutzler"/> === Gürtelrose als Zweiterkrankung === [[Datei:DGK Guertelrose.jpg|thumb|150px|Gürtelrose (Herpes zoster)]] Etwa 20 % der Menschen, die eine Infektion mit Windpockenviren durchgemacht haben, erkranken in ihrem weiteren Leben mindestens einmal an einer Gürtelrose ([[Herpes Zoster]]).<ref name="Leitlinie"> ''Leitlinien der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft – Arbeitsgemeinschaft Dermatologische Infektiologie'': ''Zoster und Zosterschmerzen, Epidemiologie.'' http://www.uni-duesseldorf.de/awmf/ll/013-023.htm </ref> Die Ursache bilden nach der Erkrankung im Körper verbliebene Varicella-Zoster-Viren, die entlang sensibler Nervenfasern in die [[Spinalganglion|Spinalganglien]] wandern und dort latent verbleiben. Bei einem geschwächten Immunsystem, auch bedingt durch Stress, können nun diese Viren reaktiviert werden und eine Gürtelrose im Verbreitungsgebiet der betroffenen Nerven verursachen. Patienten mit Gürtelrose können Windpocken auf Ungeschützte übertragen, während umgekehrt ein an Windpocken erkranktes Kind keine Infektionsquelle für eine Gürtelrose darstellt. == Therapie == Die Behandlung der Windpocken beschränkt sich meist auf symptomatische Maßnahmen. Dazu gehört die Linderung eines bestehenden Juckreizes, indem kühle und feuchte Kompressen aufgelegt oder [[Adstringens|adstringierende]] Emulsionen aufgetragen werden. Die Fingernägel des Kindes können geschnitten werden, um die Gefahr der Entwicklung einer bakteriellen Superinfektion zu minimieren. Ein bestehendes Fieber darf mit [[Paracetamol]] oder [[Ibuprofen]] behandelt werden. [[Acetylsalicylsäure]] ist wegen der möglichen Auslösung eines [[Reye-Syndrom]]s bei Kindern [[Kontraindikation|kontraindiziert]]. [[Aciclovir]] oder [[Vidarabin]] können als [[Virostatikum|virushemmende]], ursächliche Therapie die Symptome bei Kindern, die älter als zwei Jahre sind, minimieren helfen, sofern sie innerhalb 24&nbsp;Stunden eingenommen werden. Bei einer bestehenden [[Immundefekt|Immunschwäche]] ist eines dieser Medikamente immer angezeigt. In Studien konnte eine gegenüber Aciclovir 100&nbsp;fach erhöhte Wirksamkeit des Wirkstoffs [[Brivudin]] nachgewiesen werden, das daher in kleineren Dosen und nur einmal täglich gegeben werden kann. == Vorbeugung == === Expositionsprophylaxe === In der häuslichen Umgebung sind keine besonderen Maßnahmen für Patienten und Kontaktpersonen nötig. Lediglich Risikopersonen sollen den Kontakt zu Erkrankten meiden. Im Krankenhaus ist hingegen eine strenge Isolierung von Patienten mit Windpocken einzuhalten.<ref name="rki-merkbl"/> Außerdem dürfen an Varizellen Erkrankte keine Tätigkeiten in Gemeinschaftseinrichtungen ausführen (§&nbsp;34&nbsp;(1) [[Infektionsschutzgesetz]]), bei denen sie in Kontakt mit den betreuten Personen kommen. === Postexpositionsprophylaxe === Nach einer Ansteckung mit Windpocken kann eine vorbeugende Behandlung ([[Postexpositionsprophylaxe]]) mit einem Antikörper-Präparat, das einen besonders hohen Anteil an spezifischen Antikörpern gegen Varizella-Zoster-Virus enthält (sogenanntes Varizellen-Zoster-[[Antikörper|Immunglobulin]]), den Ausbruch der Erkrankung verhindern, wenn es innerhalb der ersten 96&nbsp;Stunden verabreicht wird. Dies wird für Schwangere ohne Impfung und ohne Windpocken in der Vorgeschichte, abwehrgeschwächte Patienten mit fehlender oder unbekannter Varizellenimmunität und Neugeborene, deren Mütter fünf Tage vor bis zwei Tage nach Entbindung an Windpocken erkranken, empfohlen.<ref name="rki-merkbl"/> === Impfung === Eine Impfung ist verfügbar und gehört seit Juli 2004 zu den von der STIKO ([[Ständige Impfkommission]]) empfohlenen Impfungen.<ref name="rki"> [http://www.rki.de/cln_091/nn_195848/DE/Content/Infekt/EpidBull/Archiv/2004/49__04,templateId=raw,property=publicationFile.pdf/49_04.pdf Begründung der STIKO für eine allgemeine Varizellenimpfung], PDF</ref> Die allgemeine Empfehlung der STIKO für die Windpockenimpfung wird sowohl in der Fachwelt als auch in der Bevölkerung kontrovers diskutiert.<ref>Neuere Erkenntnisse zur Varizellenimpfung, ''Journal of the German Society of Dermatology (JDDG)'' 4 (7), 540–543.[http://dx.doi.org/10.1111/j.1610-0387.2006.06032.x]</ref> ==== Impfstoff ==== Der [[Impfstoff]] besteht aus abgeschwächten Varizella-Zoster-Viren, die sich im Geimpften vermehren. Die Impfung kann ab einem Alter von neun bzw. zwölf Monaten (je nach Impfstoffhersteller) gegeben werden. Kinder vor dem 13.&nbsp;Geburtstag erhalten eine [[Spritze (Medizin)|Injektion]]. Bei Kindern ab dem 13.&nbsp;Geburtstag, Erwachsenen und Säuglingen, die eine erste Impfung vor Vollendung des zwölften Lebensmonats erhalten haben, ist eine zweite Injektion im Mindestabstand von sechs Wochen notwendig. Bei normaler [[Immunsystem|Immunkompetenz]] wird ca. 4&nbsp;(±&nbsp;1) Wochen nach der letzten Injektion eine Immunität erworben. Eine zweifache Impfung erhöht den Impfschutz von 72 auf über 90 %. Seit August 2006 ist ein Vierfachimpfstoff gegen Masern, Mumps, Röteln und Varizellen ([[MMR-Impfstoff|MMRV]]) in Deutschland zugelassen und allgemein verfügbar. Das Präparat ist für Kinder zwischen 9 Monaten und 12 Jahren zugelassen und muss zweimal geimpft werden.<ref name="ImpfDialog">[http://www.scientificjournals.com/sj/impfdialog/Pdf/aId/8873?PHPSESSID=b51e1c8da13a130ba64ed122bf3bcf76 www.scientificjournals.com – ImpfDialog 3/2006 ]</ref> ==== Indikationen zur Impfung ==== Die Impfung ist in Deutschland für Kinder im Alter von 11 bis 14 Monaten, parallel zur ersten [[MMR-Impfstoff|MMR-Impfung]] oder frühestens vier Wochen nach dieser empfohlen. Personen, die noch keine Windpocken durchgemacht haben, sollen im Alter zwischen 9 und 17&nbsp;Jahren geimpft werden. Für empfängliche Personen besteht darüber hinaus eine Impfempfehlung für Frauen mit Kinderwunsch, Patienten mit schwerer Neurodermitis, Patienten mit [[Leukämie]], Patienten vor geplanter, die Funktion des Immunsystems unterdrückender (immunsuppressiver) Therapie oder [[Transplantation|Organtransplantation]], Personen mit Kontakt zu den oben genannten Patienten, Medizinisches Personal (besonders in der Kinderheilkunde, [[Onkologie]], Frauenheilkunde/Geburtshilfe und [[Intensivmedizin]]) und Neuangestellte in Gemeinschaftseinrichtungen für das Vorschulalter. In Österreich wird eine Varizellen-Impfung seit 2005 für alle ungeimpften 9 bis 17&nbsp;Jährigen ohne Windpocken-Erkrankung in der Vorgeschichte angeraten.<ref>[http://www.bmgfj.gv.at/cms/site/attachments/1/4/0/CH0780/CMS1038913010412/b)_impfplan_20081.pdf Bundesministerium für Gesundheit, Familien und Jugend Österreichs (pdf)]</ref> In der Schweiz ist die Varizella-Zoster-Impfung für alle 11 bis 15&nbsp;jährigen ohne Windpocken-Anamnese empfohlen. Eine Nachimpfung wird für alle jungen Erwachsenen unter 40&nbsp;Jahren, insbesondere bei Frauen mit Kinderwunsch, empfohlen, wenn diese noch keine Windpocken durchgemacht haben.<ref name="jb45-47"/> ==== Gegenanzeigen zur Impfung ==== Wer an einer akuten, behandlungsbedürftigen Krankheit mit Fieber (über 38,5&nbsp;°C) leidet, sollte nicht geimpft werden. Im Allgemeinen werden auch Personen mit geschwächtem Immunsystem nicht gegen Windpocken geimpft, allerdings sind Ausnahmen unter Umständen möglich und notwendig. Während einer Schwangerschaft wird in der Regel keine Impfung vorgenommen, da das Impfvirus auf das Kind im Mutterleib übertragen werden könnte. Aus dem gleichen Grund ist für die Dauer von mindestens drei Monaten nach der Impfung eine Schwangerschaft zu vermeiden. Sollte jedoch zufällig eine Schwangere geimpft worden sein, zum Beispiel weil die Schwangerschaft noch nicht festgestellt wurde, besteht kein Anlass zu einem [[Schwangerschaftsabbruch]], weil in solchen Fällen bislang keine Schäden des ungeborenen Kindes nachgewiesen worden sind. == Geschichte == Lange Zeit wurden die Windpocken als eine Sonderform der [[Pocken]] angesehen. Erstmals im 16.&nbsp;Jahrhundert wurden sie von verschiedenen Autoren unter dem Begriff ''Cristalli'' oder ''Verole volante (fliegende Blattern)'' von diesen abgegrenzt. Der Ausdruck ''Windpocken'' wird unter anderen [[Daniel Sennert]] 1632 zugesprochen. Erst der englische Arzt [[William Heberden]] grenzte die Windpocken wieder klar von den Pocken ab, obwohl dies ein Streitpunkt unter Gelehrten bis ins 19.&nbsp;Jahrhundert hinein blieb. Von der zweiten Hälfte des 19.&nbsp;Jahrhunderts an stellten [[Eduard Heinrich Henoch]] und [[Antoine Marfan]] die Gefahren der Erkrankung genauer dar. Der Hamburger Hautarzt [[Paul Gerson Unna]] beschrieb die feingeweblichen ([[Histologie|histologischen]]) Veränderungen der pockenartigen Elemente 1894 exakt. In der ersten Hälfte des 20.&nbsp;Jahrhunderts wurde allmählich der Zusammenhang zwischen den Windpocken und der Gürtelrose erkannt und schließlich 1925 am [[Menschenversuch|Menschenexperiment]] nachgewiesen. Von 1952 an wurde [[Blutserum|Serum]] von [[Rekonvaleszenz|Rekonvaleszenten]] zur Behandlung schwerer Verläufe eingesetzt noch bevor sich 1956 die Erkenntnis durchsetzte, dass insbesondere abwehrgeschwächte Menschen durch die Erkrankung gefährdet sind. Ebenfalls 1952 gelang der [[Elektronenmikroskop|elektronenmikroskopische]] Nachweis des verursachenden Virus.<ref> Max Micoud: Die ansteckenden Krankheiten: Klinische Beobachtung. Illustrierte Geschichte der Medizin, S. 4419 (vgl. GdMed Bd. 4, S. 2200) 1986 </ref> == Einzelnachweise == <references/> == Weblinks == {{Wiktionary|Windpocken}} {{Commons|Chickenpox|{{PAGENAME}}}} {{RKI|http://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/V/Varizellen/Varizellen.html|Varizellen (Windpocken), Herpes zoster (Gürtelrose), Zoster}} * [http://dermis.net/dermisroot/de/11116/diagnose.htm Bilder von Windpocken] auf dermis.net * [http://www.aerzteblatt.de/v4/archiv/artikel.asp?id=33849 Deutsches Ärzteblatt: Ist eine Elimination der Varizellen durch eine allgemeine Impfung möglich?] * kindergesundheit-info.de – [http://www.kindergesundheit-info.de/611.0.html Windpocken, Übertragung, Folgen, Behandlung, Schutz]: unabhängiges Informationsangebot der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) {{Gesundheitshinweis}} {{Exzellent}} [[Kategorie:Virale Infektionskrankheit des Menschen]] [[Kategorie:Krankheitsbild in der Kinderheilkunde]] [[ar:حماق]] [[az:Su çiçəyi]] [[bg:Варицела]] [[bn:জলবসন্ত]] [[ca:Varicel·la]] [[cs:Plané neštovice]] [[cy:Brech ieir]] [[da:Skoldkopper]] [[en:Chickenpox]] [[eo:Varioleto]] [[es:Varicela]] [[et:Tuulerõuged]] [[eu:Barizela]] [[fa:آبله مرغان]] [[fi:Vesirokko]] [[fr:Varicelle]] [[he:אבעבועות רוח]] [[hi:छोटी माता]] [[hu:Bárányhimlő]] [[id:Cacar air]] [[it:Varicella]] [[ja:水痘]] [[ka:ჩუტყვავილა]] [[kk:Жел шешек]] [[ko:수두]] [[la:Varicella]] [[lb:Waasserpouken]] [[mk:Средна сипаница]] [[ml:ചിക്കൻപോക്സ്]] [[ms:Cacar air]] [[nl:Waterpokken]] [[nn:Vasskoppar]] [[no:Vannkopper]] [[pl:Ospa wietrzna]] [[pt:Varicela]] [[qu:Hawaqlla muru unquy]] [[ro:Varicelă]] [[ru:Ветряная оспа]] [[simple:Chickenpox]] [[sk:Ovčie kiahne]] [[sl:Norice]] [[sv:Vattkoppor]] [[ta:சின்னம்மை]] [[th:อีสุกอีใส]] [[tl:Bulutung-tubig]] [[tr:Su çiçeği]] [[uk:Вітряна віспа]] [[vi:Thủy đậu]] [[war:Hangga]] [[zh:水痘]] c1vwkr5ujqteciq6b5e6uxwj219ynxm wikitext text/x-wiki Winterkrieg 0 24526 27129 2010-05-10T19:04:13Z Matthias Hake 0 /* Probleme der sowjetischen Streitkräfte */ Der '''Winterkrieg''' ([[Finnische Sprache|finn.]] ''{{lang|fi|Talvisota}}'', [[Schwedische Sprache|schwed.]] ''{{lang|sv|Vinterkriget}}'', [[Russische Sprache|russ.]] {{lang|ru|Зимняя война}} ''Simnjaja Woina''; auch vollständig {{lang|ru|Советско-финская война}} ''Sowetsko-Finskaja Woina'' „Sowjetisch-Finnischer Krieg“ oder {{lang|ru|Советско-финляндская война}} ''Sowetsko-Finljandskaja Woina'' „Sowjetisch-Finnländischer Krieg“) war ein vom 30. November 1939 bis zum 13. März 1940 zwischen der [[Sowjetunion]] und [[Finnland]] ausgetragener Krieg. Im Herbst 1939 hatte die Sowjetunion Finnland mit Gebietsforderungen in der [[Karelische Landenge|Karelischen Landenge]] konfrontiert und diese mit unabdingbaren Sicherheitsinteressen für die Stadt [[Sankt Petersburg|Leningrad]] begründet. Nachdem Finnland die Forderungen abgelehnt hatte, griff die [[Rote Armee]] am 30. November 1939 das Nachbarland an. Ursprüngliches Kriegsziel der Sowjetunion war die Besetzung des gesamten finnischen Staatsgebiets. Der Angriff wurde aber von den zahlen- wie materialmäßig erheblich unterlegenen [[Finnische Streitkräfte|finnischen Streitkräften]] zunächst gestoppt. Erst nach umfassenden Umgruppierungen und Verstärkungen konnte die Rote Armee im Februar 1940 eine entscheidende Offensive beginnen und die finnischen Stellungen durchbrechen. Am 13. März 1940 beendeten die Parteien den Krieg mit dem [[Frieden von Moskau|Friedensvertrag von Moskau]]. Finnland konnte seine Unabhängigkeit wahren, musste aber erhebliche territoriale Zugeständnisse machen, insbesondere große Teile [[Karelien]]s abtreten. Rund 70.000 Finnen verloren in dem Konflikt ihr Leben oder wurden verletzt. Die Größenordnung der sowjetischen Verluste ist umstritten, wird aber auf ein Vielfaches geschätzt. Der Kriegsverlauf offenbarte Schwächen in der Roten Armee, welche die Sowjetführung in der Folge zu umfassenden Reformen veranlassten, und die im [[Deutsches Reich 1933 bis 1945|Deutschen Reich]] zu einer folgenreichen Unterschätzung der militärischen Stärke der Sowjetunion beitrugen. Für die Finnen wurde die Abwehr des sowjetischen Angriffes zu einem Mittel zur Überwindung der gesellschaftlichen Spaltung nach dem [[Finnischer Bürgerkrieg|Bürgerkrieg]]. [[Datei:Winterwaroverview.JPG|thumb|upright=1.2|Verlauf des Winterkrieges]] == Ursachen und Ausgangslage == === Vorgeschichte aus finnischer Sicht === Finnland war seit 1809 als [[Großfürstentum Finnland|Großfürstentum]] in das [[Russisches Reich|Zarenreich]] integriert. Die Finnen bewahrten sich gegenüber mehreren Versuchen der [[Russifizierung]] ihre kulturelle Eigenständigkeit und gewisse politische Autonomie innerhalb des autokratischen Systems. Die finnische Unabhängigkeitsbewegung erstarkte nach dem Ausbruch des [[Erster Weltkrieg|Ersten Weltkrieges]]. Als das Russische Reich nach der [[Oktoberrevolution]] und der Machtübernahme der [[Bolschewiki]] im [[Russischer Bürgerkrieg|Russischen Bürgerkrieg]] versank, erklärte Finnland im Dezember 1917 seine Unabhängigkeit. Da [[Lenin]] die finnische Selbstständigkeit im Gegensatz zu den [[Weiße Armee|Weißen Armeen]] in Russland nicht als Bedrohung für die sowjetische Herrschaft sah, erkannte er Finnland im Januar 1918 als [[Souveränität|souveränen]] Staat an.<ref>William R. Trotter: ''A Frozen Hell''. Algonquin Books, Chapell Hill 1991, S. 3–12</ref> Das unabhängige Finnland wurde kurz darauf von einem [[Finnischer Bürgerkrieg|Bürgerkrieg]] erschüttert, ausgelöst durch einen Umsturzversuch sozialistischer Kräfte mit Unterstützung der russischen Bolschewiki. Den bürgerlichen Kräften unter Führung von [[Carl Gustaf Emil Mannerheim]] gelang es mit deutscher Hilfe, den Krieg für sich zu entscheiden. Der größte Teil der sozialistischen Führung setzte sich nach Russland ab. Das bürgerliche Finnland interpretierte den Bürgerkrieg in erster Linie als Freiheitskrieg gegen Russland. Die Beziehungen der beiden Staaten blieben in der Folge weiter spannungsreich. Besonders trugen hierzu Bestrebungen zur Schaffung eines [[Großfinnland]]s und damit verbundene Gebietsansprüche gegen den östlichen Nachbarn bei. In mehreren [[Finnische Ostkriegszüge 1918–1920|Ostkriegszügen]] zwischen 1918 und 1920 versuchten halboffizielle finnische Verbände erfolglos, die sowjetischen Teile [[Karelien]]s an Finnland anzuschließen. 1920 besiegelten beide Staaten im [[Frieden von Dorpat]] das Ende der Feindseligkeiten. Der großfinnische Gedanke lebte jedoch weiter. Die 1922 gegründete [[Akademische Kareliengesellschaft]] ''(Akateeminen Karjala-Seura)'' betrieb offen Propaganda für den Anschluss Ostkareliens. Die Beziehungen der beiden Länder in der Folgezeit waren „korrekt, aber kühl“.<ref>Pentti Virrankoski: ''Suomen historia 2''. Helsinki 2001, S. 782</ref> Anfang 1932 schlossen die Nachbarn einen [[Sowjetisch-finnischer Nichtangriffspakt 1932|Nichtangriffspakt]]. Das gegenseitige Misstrauen konnte dadurch aber kaum abgebaut werden. Im sich zuspitzenden Interessengegensatz zwischen der Sowjetunion und Deutschland versuchte [[Josef Stalin|Stalin]] vergeblich, Finnland durch weitere Verträge enger an sich zu binden. Die Einordnung Finnlands als zum kapitalistischen Lager gehörig, die Propaganda der Akademischen Kareliengesellschaft sowie die betont deutschfreundlichen Umtriebe der rechtsradikalen [[Lapua-Bewegung]] trugen zum Wachsen der Spannungen bei.<ref>Virrankoski, S. 782 f. und 854 f.</ref> In Finnland hatte der Bürgerkrieg und der gegenseitige Terror zwischen „Roten“ und „Weißen“ eine tiefe Spaltung der Gesellschaft hinterlassen. Erst in den 1930er Jahren, besonders nach der Wahl von [[Kyösti Kallio]] zum Präsidenten 1937, begann eine Versöhnungspolitik im Land zu greifen. Im gleichen Jahr wurde die [[Sozialdemokratische Partei Finnlands]] unter Ministerpräsident [[Aimo Kaarlo Cajander]] erstmals seit dem Bürgerkrieg an einer Regierung beteiligt.<ref>Virrankoski, S. 823 f.</ref> Auch der ehemalige „weiße General“ Mannerheim warb für die Überwindung der Gräben. Zum Jahrestag der Beendigung des Bürgerkriegs im Mai 1933 erklärte er:<ref>Zitat nach Virrankoski, S. 857. Originaltext: ''Isänmaallinen henki, jonka merkkinä on puolustustahto ja päätös seisoa yhtenä miehenä rivissä, jos tätä maata on kerran puolustettava, siinä kaikki mitä vaadimme, eikä meidän tarvitse enää kysyä, missä kukin oli viisitoista vuotta sitten.''</ref> {{Zitat|Ein vaterländischer Geist, dessen Ausdruck der Verteidigungswille ist und der Entschluss, wie ein Mann in der Linie zu stehen, wenn dieses Land einmal verteidigt werden muss, das ist alles, was wir fordern, und wir brauchen nicht mehr zu fragen, wer vor fünfzehn Jahren jeweils wo gewesen ist.}} === Ausgangslage aus Sicht der Sowjetunion === [[Datei:Schutzcor1940.jpg|thumb|Finnland als Schoßhund der Nazis auf einer sowjetischen Propagandapostkarte. Die Unterschrift lautet: ''Das faschistische [[Schutzkorps]] bellt, doch unsere Abrechnung mit ihm folgt bald.'']] Seit der Mitte der 1930er Jahre war die sowjetische Führung durch das Wiedererstarken Japans und den Aufstieg [[Adolf Hitler|Hitlers]] in Deutschland vom Kommen eines neuen Krieges zwischen den Großmächten überzeugt. Die militärische und politische Führung der Sowjetunion sah das [[Baltikum]] und Finnland als strategisch wichtig an. Der [[Finnischer Meerbusen|Finnische Meerbusen]] und die Küste der baltischen Staaten wurden als potenzielles Einfallstor fremder Mächte zur zweitgrößten Stadt [[Sankt Petersburg|Leningrad]] betrachtet. Ebenso war Stalin davon überzeugt, dass etwaige Küstenbefestigungen Finnlands und der baltischen Staaten die Aktionsfähigkeit der sowjetischen [[Baltische Flotte|Baltischen Flotte]] in der [[Ostsee]] im Kriegsfall empfindlich einschränken könnten.<ref name="ausgangsow">Carl van Dyke: ''The Soviet Invasion of Finland 1939-40'', London, Portland, 1997 S. 13ff</ref> Im Falle eines Landkrieges sah die Führung der Sowjetunion die baltischen Staaten als notwendiges Durchmarschgebiet für einen Einsatz ihrer Truppen gegen potenzielle Gegner in Mitteleuropa und den finnischen Teil Kareliens als ein mögliches Aufmarschgebiet für fremde Mächte gegen Leningrad. Ebenso vermutete Stalin Finnland als mögliche Basis für Luftangriffe einer fremden Macht gegen sowjetisches Territorium.<ref name="ausgangsow" /> Bis zum Abschluss des [[Deutsch-sowjetischer Nichtangriffspakt|Deutsch-sowjetischen Nichtangriffspaktes]] im September 1939 und dessen Ausführung im Angriff auf Polen versuchte die sowjetische Führung, die Neutralisierung des strategisch wichtigen Gebiets durch Nichtangriffspakte mit den Anrainerstaaten, unter anderem mit Finnland, zu verwirklichen. Durch die Zerstörung Polens als Staat hatte sich das Gleichgewicht in [[Osteuropa]] allerdings geändert. Stalin versuchte nun, [[Estland]], [[Lettland]] und [[Litauen]] durch Bündnisse und die Stationierung sowjetischer Truppen in das Verteidigungssystem der Sowjetunion einzugliedern. Die kleinen Nachbarn stimmten diesen Bündnissen nach kurzen, von militärischen Drohungen begleiteten Verhandlungen im Herbst 1939 zu.<ref>van Dyke S. 1, S. 8f, S. 14ff</ref> === Verhandlungen mit Finnland und Kriegsbeginn === Am 11. September 1939 begann die Sowjetunion eine neue Verhandlungsrunde mit Finnland. Stalin begründete seine Forderungen mit der drohenden Kriegsgefahr und der Notwendigkeit der Sicherung Leningrads durch strategische Neuregelungen. Zu diesem Zweck sollte Finnland den Südteil der befestigten [[Karelische Landenge|Karelischen Landenge]] im Austausch gegen andere karelische Gebiete abtreten. Ebenso forderte Stalin die Verpachtung der Halbinsel Hankoniemi um die Stadt [[Hanko]], die Überlassung von Inseln im finnischen Meerbusen und die [[Fischerhalbinsel]] an der Küste des [[Nördliches Eismeer|Nördlichen Eismeeres]]. Die finnische Regierung unter Ministerpräsident Cajander leitete daraufhin eine Teilmobilmachung ihrer Armee ein und versuchte erfolglos, sich mit [[Schweden]] zu verbünden. Auch eine Anfrage zwecks diplomatischer Unterstützung an Deutschland brachte keinen Erfolg. Die Verhandlungen dauerten noch bis zum 13. November an, ohne dass eine Einigung erzielt werden konnte.<ref name="verhandlungen">van Dyke S. 19f</ref> Da der finnische Nachrichtendienst die Rote Armee als nicht einsatzbereit bezeichnete, ging der finnische Außenminister [[Eljas Erkko]] davon aus, die Sowjetunion werde keinen Krieg beginnen. Auch die Einschätzung der Regierung, dass das [[Finnisches Parlament|Parlament]] keinen Gebietsabtretungen zustimmen würde, trugen zur ablehnenden Haltung Finnlands bei.<ref name="verhandlungen" /> Die sowjetische Seite hatte allerdings schon vor dem Ende der Verhandlungen eine militärische Option ins Auge gefasst. Am 3. November 1939 unterstellte der sowjetische Außenminister [[Wjatscheslaw Molotow]] in der [[Prawda]] Finnland kriegerische Absichten gegenüber dem Sowjetstaat. Am selben Tag erhielt die Baltische Flotte den Befehl, in Bereitschaft zu gehen und endgültige Pläne für eine Invasion Finnlands auszuarbeiten. Das Gleiche befahl Stalin dem Leningrader Militärdistrikt der Roten Armee am 15. November. Am 26. November inszenierte die Rote Armee im Dorf [[Mainila]] einen Grenzzwischenfall, bei dem angeblich sowjetische Truppen von finnischer [[Artillerie]] beschossen worden seien. Als die finnische Regierung diese Vorwürfe zurückwies, brach Molotow die Beziehungen zu Finnland ab und kündigte den bestehenden Nichtangriffspakt.<ref>van Dyke S. 20–27, 42</ref> Ohne dass die Sowjetunion eine formelle Kriegserklärung abgegeben hätte, überschritt die Rote Armee am frühen Morgen des 30. November 1939 die Grenze. Begleitet wurde der Kriegsbeginn von einem schweren Luftangriff auf die finnische Hauptstadt [[Helsinki]]. Am Nachmittag stellte Präsident Kallio formell fest, dass sich das Land im Kriegszustand befindet. Cajanders Regierung, deren Einschätzung der Kriegsgefahr sich als unzutreffend erwiesen hatte, trat noch am selben Abend zurück und wurde am folgenden Tag durch eine auf breiterer parlamentarischer Grundlage stehende neue Regierung unter [[Risto Ryti]], dem bisherigen Chef der [[Suomen Pankki|Finnischen Zentralbank]], ersetzt.<ref>Virrankoski, S. 870; Juhani Suomi: ''Myrrysmies. Urho Kekkonen 1936–1944.'' Otava, Keuruu 1986, ISBN 951-1-06567-X, S. 177–182.</ref> === Finnische Verteidigung === Die finnische Armee war zu Kriegsbeginn nicht nur wegen der geringen Bevölkerung zahlenmäßig unterlegen, sondern auch in materieller Hinsicht schlecht auf den Krieg vorbereitet. In den Vorkriegsjahren befanden sich die militärische und die politische Führung in dauerndem Streit um das aus Sicht der ersteren völlig unzureichende Militärbudget. Insbesondere die beiden stärksten Parteien, die antimilitaristisch eingestellten Sozialdemokraten und der auf Sparsamkeit bedachte [[Finnische Zentrumspartei|Landbund]] blockierten eine Steigerung der Rüstungsausgaben selbst unter dem Eindruck der sich zuspitzenden internationalen Lage. Noch im August 1939 drückte Ministerpräsident Cajander, der einer Koalition beider Parteien vorstand, seine Freude darüber aus, dass Finnland seine Mittel statt für schnell veraltendes Kriegsmaterial für nützlichere Dinge verwendet habe. Außerdem bevorzugte die Regierung die im Aufbau befindliche heimische Waffenindustrie gegenüber ausländischen Herstellern. Dies verlangsamte zusätzlich zum Geldmangel die Modernisierung der Bestände der Streitkräfte.<ref>Anthony Upton: ''Finland 1939-40'', Newark, 1974, S. 53; Virrankoski, S. 858 f.</ref> [[Datei:Blemheim-I.jpg|thumb|Finnischer [[Bristol_Blenheim|Blenheim Bomber]] 1939]] Die finnische Armee umfasste bei Kriegsbeginn 250.000 Soldaten, von denen 130.000 die Karelische Landenge und 120.000 die übrige Ostgrenze verteidigten. Wegen des Mangels an Waffen verringerte sich die tatsächliche Einsatzstärke jedoch um 50.000. Schwere Bewaffnung war noch knapper. So hatte die finnische Armee nur dreißig Panzer zur Verfügung, die auch erst einige Wochen in Dienst waren. Ebenso herrschte Mangel an automatischen Waffen. Die ganze Armee besaß insgesamt nur einhundert [[Panzerabwehrkanone]]n, importiert aus Schweden. Die Soldaten mussten daher in der Panzerabwehr oft auf improvisierte Lösungen zurückgreifen, so etwa auf aus Flaschen gefertigte Wurfbrandsätze, denen sie den Namen [[Molotowcocktail]] gaben. Die Artillerie stammte in vielen Einheiten noch aus Zeiten des Ersten Weltkriegs und hatte eine geringe Reichweite. Pro Division waren nur 36 Geschütze vorhanden. Darüber hinaus herrschte Mangel an Artilleriemunition. Die finnische Luftwaffe umfasste nur hundert Flugzeuge. An die Kampftruppen selbst konnten keine Flugabwehrkanonen ausgegeben werden, da die verfügbaren einhundert Stück für die Verteidigung der Städte gegen Bombenangriffe verwendet wurden.<ref>Upton, S. 52–55; Virrankoski, S. 874 f.</ref> [[Datei:Mannerheim-Linie.png|thumb|Die Mannerheimlinie stellte die Hauptverteidigungslinie der Finnen auf der Karelischen Landenge dar.]] Das finnische Oberkommando hatte in der Vorkriegszeit die Sowjetunion als einzig realistischen Kriegsgegner betrachtet. Deshalb war die Karelische Landenge durch die von der Presse später so genannte [[Mannerheim-Linie]] befestigt worden. Hier sah das Kommando unter Carl Gustaf Emil Mannerheim, der 1939 erneut die Führung der Armee übernommen hatte, die entscheidende Front des Krieges, da hier der schnellste Weg nach [[Wyborg|Viipuri]] und Helsinki ins finnische Kernland führte. Die seit den Zwanzigerjahren errichtete Linie bestand aus rund hundert Betonbunkern. Diese waren strukturell allerdings oft schwach, nur die neuesten bestanden aus festem [[Stahlbeton]]. Am dichtesten waren die Bunker im Bereich um [[Summa (Ort)|Summa]], das sich einerseits gefährlich nahe bei Viipuri befand und in dem außerdem das baumlose Heideland einen Panzerangriff begünstigte. Außerdem wurde die Linie durch von den Truppen angelegte Feldbefestigungen verstärkt. Bereits im Frieden wurde die Grenze durch vier ''Deckungsgruppen'' abgeschirmt. Diese verstärkte Mannerheim noch durch fünf Divisionen, gegliedert im 2. und 3. Korps der Armee. Insgesamt hatte der Befehlshaber an der Landenge, [[Hugo Österman]], rund 92.000 Soldaten unter seinem Kommando.<ref>Trotter, S. 47; S. 62–66 Upton, S. 51f, 61f; Virrankoski, S. 874 f.</ref> Auch am nördlichen Ufer des [[Ladogasee]]s war genug Infrastruktur vorhanden, um eine Offensive einer modernen Armee zu ermöglichen. Um diese Flanke der Mannerheimlinie zu verteidigen, postierten die Finnen hier das 4. Korps unter [[Woldemar Hägglund]]. Dem 4. Korps standen zwei Divisionen mit insgesamt rund 28.000 Soldaten zur Verfügung. Nach Einschätzung des finnischen Oberkommandos war der übrige Teil der ungefähr tausend Kilometer langen Grenze mit Russland aufgrund der dichten Bewaldung und mangelnder Straßen für eine Armee unpassierbar. Deshalb wurden hier nur improvisierte kleinere Verbände eingesetzt, welche die wenigen Verkehrsachsen blockieren sollten. Diese ''Gruppe Nordfinnland'' stand unter dem Befehl von General [[Viljo Tuompo]]. Mannerheim selbst hielt als Oberbefehlshaber der Armee zwei Divisionen als Reserve zurück.<ref>Trotter, S. 47; Upton, S. 51f, 61f</ref> === Sowjetischer Invasionsplan === Während der laufenden Verhandlungen beauftragte Stalin den Chef des Generalstabs der Roten Armee, [[Boris Michailowitsch Schaposchnikow|Schaposchnikow]], mit der Ausarbeitung eines Plans zur Invasion Finnlands. Schaposchnikow skizzierte eine mehrmonatige Operation, welche einen Großteil der Armee benötigt hätte. Dies lehnte Stalin ab und delegierte die Arbeit an den Befehlshaber des Leningrader Militärdistrikts [[Kirill Afanasjewitsch Merezkow|Merezkow]]. Dieser General stellte eine Operation in Aussicht, die nur auf wenige Wochen angelegt war und bezüglich der Landstreitkräfte nur den Einsatz der Truppen des Leningrader Militärverwaltungsgebiets vorsah.<ref>van Dyke S. 8f; S. 19 </ref> Merezkows Plan legte das Hauptaugenmerk auf die Karelische Landenge und damit auf die Mannerheimlinie. Dieses Nadelöhr stellte den kürzesten Weg zur finnischen Hauptstadt Helsinki dar. Des Weiteren waren die Straßen- und Eisenbahnverbindungen hier am besten ausgebaut. Die 7. Armee unter ''Jakowlew'' sollte mit Hilfe von 200.000 Soldaten und 1.500 [[Panzer]]n direkt durch die finnische Befestigungslinie brechen. Die 8. Armee unter ''Chabarow'' sollte nördlich des Ladogasees die finnischen Befestigungen umgehen und den Verteidigern der Linie in den Rücken fallen. Dazu standen 130.000 Soldaten und 400 Panzer zur Verfügung. Weiter nördlich sollten zwei weitere Armeen an der fast unbewohnten und kaum durch Straßen erschlossenen Grenze der beiden Länder Angriffe durchführen, um die Verkehrsverbindungen abzuschneiden und finnische Truppen zu binden. Dazu stand die [[9. Armee (Rote Armee)|9. Armee]] unter ''Duchanow'' nördlich der sowjetischen 8. Armee. Sie stellte das Bindeglied zur 14. Armee unter ''Frolow'' dar, welche nach [[Petsamo]] vorrücken sollte. Den beiden Armeen an dieser Nebenfront standen insgesamt 140.000 Mann und 150 Panzer zur Verfügung. Ihr Ziel war die Besetzung des gesamten finnischen Staatsgebietes.<ref>van Dyke S. 38f, S. 44 </ref> Die Baltische Flotte sollte in diesem Plan mehrere Aufträge erfüllen. Durch U-Boote sollten die Nachbarländer beobachtet und die Seeverbindungen Finnlands abgeschnitten werden. Marineinfanterie sollte die kleinen Inseln im Finnischen Meerbusen einnehmen, während die Marineflieger die Landstreitkräfte an der Hauptfront unterstützen sollten. Zusätzlich sollte ein sowjetischer Flottenverband mit drei [[Schlachtschiff]]en auf dem Ladogasee den Bodentruppen Artillerieunterstützung liefern. Insgesamt hatte die Rote Armee eine Überlegenheit an Soldaten von drei zu eins, an Artillerie von fünf zu eins und an Panzern achtzig zu eins.<ref>van Dyke S. 40, 42, 52f </ref> == Verlauf == === Der erste sowjetische Angriff 1939 === In den frühen Morgenstunden des 30. November setzte die Rote Armee ihre Divisionen entlang der Front von Petsamo bis Karelien in Marsch. Die 7. Armee unter Jakowlew benötigte bis zum 6. Dezember, um das Vorfeld von 25 bis 65 Kilometern vor den finnischen Befestigungen zu überwinden und zur Mannerheimlinie an der Karelischen Landenge aufzuschließen. Währenddessen war im finnischen Oberkommando eine Kontroverse entbrannt. Mannerheim wollte gegen den Widerstand des Befehlshabers der Landenge Östermann die im Vorfeld eingesetzten Deckungsgruppen offensiv vorgehen lassen, anstatt sie unter hinhaltendem Widerstand auf die Befestigungen zurückziehen zu lassen. Östermann setzte sich in dieser Frage durch.<ref>Upton, S. 62–70; van Dyke S. 8f, 60, 72; Trotter, S. 61; Hans Gossens (Hrsg.): ''Die Geschichte des Großen Vaterländischen Krieges der Sowjetunion.'' Band 1, Berlin, 1962 S. 316</ref> [[Datei:Finn ski troops.jpg|thumb| Finnische Ski-Truppe]] Noch vor den ersten großen Offensiven ließ Stalin den Oberbefehlshaber der 7. Armee Jakowlew durch [[Kirill Afanasjewitsch Merezkow|Kirill Merezkow]] ersetzen, da er mit dem langsamen Vormarsch an der Landenge unzufrieden war. Merezkow plante Offensiven an zwei verschiedenen Abschnitten der Linie. Am 14. Dezember wurde die Sowjetunion anlässlich des Angriffs auf Finnland aus dem [[Völkerbund]] ausgeschlossen. Dies hielt die Rote Armee aber nicht davon ab, ihre Offensive fortzuführen. Am 16. Dezember startete sie den Angriff am östlichen Rand der finnischen Befestigungen bei [[Taipale (Liperi)|Taipale]]. Der finnischen 10. Division gelang es allerdings, diese Angriffe ohne Zuhilfenahme ihrer Reserven abzuschlagen. Ein erneuter Versuch der Sowjets vom 25. bis zum 27. Dezember führte ebenso zu keinem Durchbruch der Linie. Als eigentlichen Durchbruchsort hatte Merezkow den Abschnitt bei [[Summa (Karelien)|Summa]] ausersehen. Zeitgleich zur Offensive bei Taipale versuchten hier die sowjetischen Truppen nach einer langen Artillerievorbereitung, die Linie zu durchbrechen. Der Versuch wurde aber ähnlich wie bei Taipale von der finnischen 3. Division ohne den Ruf nach Verstärkungen abgeschlagen.<ref>Upton, S. 62–70; van Dyke S. 8f; S. 60; S. 72; Trotter, S. 61; Hans Gossens (Hrsg.): ''Die Geschichte des Großen Vaterländischen Krieges der Sowjetunion.'' Band 1, Berlin, 1962 S. 316</ref> Ein sowjetischer Überlebender gab folgenden Bericht über einen der wiederholten Angriffe auf die finnischen Stellungen ab:<ref>Übersetzung eines Zitats in Trotter, S.83; Originaltext in englischer Sprache: "The rest I remember through a fog. One of the wounded, among whom we advanced grabbed my leg an I pushed him away. When I noticed I was ahead of my men, I lay down in the snow and waited for the line to catch up to me. There was no fear, only a dull apathy and indifference to impending doom pushed us ahead. This time. the Finns let us approach to within 100 feet of their positions before opening fire…"''</ref> {{Zitat|An den Rest erinnere ich mich durch einen Nebel. Einer der Verwundeten, zwischen denen wir vorrückten, griff nach meinem Bein und ich stieß ihn weg. Als ich bemerkte, dass ich vor meinen Männern war, legte ich mich in den Schnee und wartete, dass die Linie zu mir aufschloss. Da war keine Angst, nur eine stumpfe Teilnahmslosigkeit und Gleichgültigkeit gegenüber dem bevorstehenden Unheil trieb uns nach vorne. Dieses Mal ließen uns die Finnen bis auf 100 Fuß an ihre Stellungen herankommen, bevor sie das Feuer eröffneten.}} Sowohl Mannerheim als auch Östermann sahen Mitte Dezember die Chance, einen Gegenangriff zu starten. Zu diesem Zweck setzten sie am 23. Dezember zusammen mit den bereits im Kampf stehenden Einheiten die in Reserve gehaltene 6. Division ein. Diese Operation wurde aber nach acht Stunden abgebrochen. Den hohen finnischen Verlusten von 1.500 Mann standen keine relevanten Geländegewinne gegenüber. Den Sowjets war es nicht gelungen, an der Hauptfront des Krieges eine Entscheidung herbeizuführen, die Finnen vermochten aber auch nicht die sowjetischen Kräfte an der Landenge zu zerschlagen. Nachdem beide Seiten dies erkannt hatten, folgte eine Phase relativer Ruhe, während der das sowjetische Militär die Gründe für sein Scheitern analysierte.<ref>Upton, S. 62–70; van Dyke S. 8f, 60, 72; Trotter, S. 61; Hans Gossens (Hrsg.): ''Die Geschichte des Großen Vaterländischen Krieges der Sowjetunion.'' Band 1, Berlin, 1962 S. 316</ref> [[Datei:Red army party convention winter war.png|thumb|Soldaten der Roten Armee in einem Schützengraben]] Nach dem Plan des sowjetischen Oberkommandos sollte die 8. Armee den Ladogasee binnen zehn bis fünfzehn Tagen umgangen haben, um den Verteidigern der Mannerheimlinie in den Rücken zu fallen. Auch an dieser Front verlief der sowjetische Vormarsch schleppend. Infolgedessen wurde der Befehlshaber der Armee Divisionskommandeur I.N. Chabarow am 3. Dezember durch den Korpskommandeur W. Kurdionow ersetzt. Die finnische Armee nutzte abseits des [[Stellungskrieg]]es an der Karelischen Landenge ihre Beweglichkeit auf Skiern zu erfolgreichen Angriffsoperationen gegen die eingedrungenen sowjetischen Verbände. Der sowjetische Vormarsch konnte in der [[Schlacht von Kollaa]] zum 9. Dezember aufgehalten werden. Ab dem 27. Dezember konnte das finnische IV. Korps unter Hägglund die ihr gegenüberstehenden zwei sowjetischen Divisionen in die Defensive zwingen. Dabei wurden zwei Divisionen in sogenannten ''Mottis'', durch schnelle Umkreisungsbewegungen kleiner, beweglicher Verbände entstandene Einkesselungen, gefangen. Die eingekesselte 18. Division wurde am 29. Februar 1940 zerstört, die 168. Division konnte sich bis Kriegsende halten.<ref name="angriff1">Upton, S. 66ff, 84ff; van Dyke S. 8f, 47, 80ff</ref> Weiter nördlich standen der finnischen ''Gruppe Talvela'' unter [[Paavo Talvela]] drei sowjetische Divisionen gegenüber. Diese Einheiten sollten dem IV. Korps in die Flanke fallen und dadurch die Bewegung zur Umgehung der Mannerheimlinie unterstützen. Den finnischen Truppen gelang es in diesem Sektor, die sowjetische 139. Division und die 75. Division bis zum 23. Dezember bei der [[Schlacht von Tolvajärvi]] zurückzutreiben. Ebenso gelang es den finnischen Truppen, die 155. Division aufzuhalten und in die Defensive zu drängen. Die geplante Umgehung der Mannerheimlinie scheiterte somit für die Sowjets unter großen Verlusten. Die eingekesselten sowjetischen Kräfte banden aber bis Kriegsende finnische Truppenteile, die Mannerheim eigentlich so schnell wie möglich an die Landenge hatte verlegen wollen.<ref name="angriff1" /> Die sowjetischen Offensiven in Nordfinnland stießen anfangs auf geringen Widerstand, da der finnische Generalstab nicht mit einem Angriff in diesem Landesteil gerechnet hatte. Der sowjetischen 104. Division gelang es nach wenigen Kriegstagen, den Hafen [[Petsamo]] einzunehmen. Die Einheit sollte sich mit der 88. und 122. Division zum Vormarsch auf [[Rovaniemi]], der Hauptstadt der Region [[Lappland (Finnland)|Lappland]] vereinigen. Die beiden letzteren Divisionen wurden in der [[Schlacht von Salla]] von improvisierten finnischen Verbänden in die Defensive gedrängt und am weiteren Vormarsch gehindert. Der 104. Division selbst erging es nach dem Erfolg in Petsamo genauso. In der [[Schlacht von Suomussalmi]] schafften es die Finnen durch das Aufbieten einer Reservedivision, die 163. sowjetische Division und die 44. Motorisierte Schützendivision in ''Mottis'' einzuschließen und zu zerschlagen. Damit hatte die Rote Armee auch das Ziel, [[Oulu]] zu erobern und damit Finnland von Schweden zu isolieren, verfehlt.<ref name="angriff2">Upton, S. 67, 86ff; Trotter, S. 174ff, 150-193</ref> Die finnischen Truppen nahmen danach an der [[Schlacht von Kuhmo]] teil. Dort konnten sie die sowjetische 54. Division zwar einkesseln, diese verteidigte aber bis zum Kriegsende ihre Position. Bis auf die Eroberung von Petsamo konnte die sowjetische Führung im finnischen Norden keines ihrer strategischen Ziele erreichen. Da die Finnen die sowjetischen Einheiten aber auch nicht vollständig von ihrem Territorium vertreiben konnten, banden diese Gefechte finnische Reserven, die an der Landenge fehlten.<ref name="angriff2" /> === Die finnische Heimatfront === Die neue finnische Regierung unter Risto Ryti strebte zunächst eine baldige Wiederherstellung des Friedens durch Verhandlungen mit Moskau an. Es stellte sich jedoch heraus, dass die Sowjetunion die Regierung in Helsinki nicht mehr anerkannte. Statt dessen installierte Stalin mit Kriegsbeginn eine kommunistische Gegenregierung, bestehend aus finnischen Bürgerkriegsemigranten unter der Führung von [[Otto Wille Kuusinen]]. Nachdem die Rote Armee die ersten Geländegewinne erzielt hatte, trat Kuusinens „Volksregierung Finnlands“ im finnischen Grenzort [[Terijoki]] zusammen. Am 2. Dezember 1939 schloss sie mit der Sowjetunion einen Bündnisvertrag, in dem sie die in den Verhandlungen von Moskau geforderten Gebiete abtrat. Im Gegenzug sagte die Sowjetregierung die Abtretung der Hälfte Ostkareliens zu.<ref>Virrankoski, S. 871</ref> Die Einsetzung der Regierung von Terijoki und deren Ankündigung volksdemokratischer Reformen in Finnland erfolgten in der Erwartung, dass Kuusinen unter den sozialistisch gesinnten Finnen Unterstützung gewinnen werde. Damit wäre die finnische Heimatfront geschwächt und die Besetzung des Landes legitimiert worden. Die erwartete Reaktion blieb aber aus. Vielmehr demonstrierten die finnischen Bevölkerungsgruppen in ihrer Verteidigungsbereitschaft eine Einmütigkeit, die auch inländische Beobachter überraschte. Das bedingungslose Zusammenrücken der Finnen im Kampf gegen den übermächtigen Angreifer, das noch lange nach dem Krieg unter der Bezeichnung „der Geist des Winterkrieges“ beschworen wurde, löste das [[Schisma]] des Bürgerkrieges auf und bildete in der Folge eine neue Grundlage für das finnische Selbstverständnis.<ref>Virrankoski, S. 871 f. und 875</ref> Sinnbildlich für die Überbrückung bestehender Feindbilder war das sogenannte „Januarverlöbnis“: Am 23. Januar 1940 erkannte der Arbeitgeberzentralverband ''(Suomen työnantajain keskusliitto)'' in einer gemeinsamen öffentlichen Stellungnahme erstmals den Gewerkschaftsbund ''(Suomen Ammattiyhdistysten Keskusliitto)'' als Vertreter der Arbeitnehmer und gleichwertigen Verhandlungspartner an. Der Vorsitzende des Gewerkschaftsbundes, [[Eero Vuori]], stellte im Anschluss fest:<ref>Zitat aus ''Sodan lehdet'', Ausgabe 5, 2001. Originalzitat: ''Kansa taistelee nyt vapautensa puolesta. Rintamalla taistelevat rinta rinnan niin työnantajat kuin työntekijät. Uskoni on, että ne verisiteet, jotka rintamalla solmitaan, tulevat myös lujittamaan ystävällisiä suhteita eri yhteiskuntapiirien välillä rintaman takana.''</ref> {{Zitat|Das Volk kämpft nun um seine Freiheit. An der Front kämpfen Arbeitgeber wie Arbeitnehmer Seite an Seite. Ich glaube daran, dass die Blutsbande, die an der Front geschlossen wird, die freundschaftlichen Beziehungen zwischen den verschiedenen Gesellschaftskreisen hinter der Front festigen werden.}} Nichtsdestoweniger waren die Erwartungen in der finnischen Öffentlichkeit zunächst düster. Der Finanzminister der Regierung Ryti, [[Rainer von Fieandt]], schrieb in seinen Memoiren:<ref>Zitat nach Martti Turtola, ''Risto Ryti''. In: Matti Klinge (Hrsg.): ''Suomen kansallisbiografia 8''. SKS, Helsinki 2006, ISBN 951-746-449-5, S. 453. Originalzitat: ''Epätasaisen taiselumme tulos ei voinut olla muu kuin Suomen häviö. Kysymys oli vain siitä, kuinka kauan jaksaisimme puolustautua ja olisiko uudella hallituksella sinä lyhyenä aikana mahdollisuutta solmia rauha.''</ref> {{Zitat|Das Ergebnis unseres ungleichen Kampfes konnte kein anderes sein als die Niederlage Finnlands. Die Frage lautete nur, wie lange es uns gelingen würde, uns zu verteidigen, und ob die neue Regierung in dieser kurzen Zeit die Möglichkeit haben würde, Frieden zu schließen.}} Die in der Anfangsphase des Krieges erzielten Erfolge, als das Vorrücken des Feindes gestoppt und diesem schwere Verluste zugefügt worden waren, führten sodann zu einem völligen Umschwung in der Stimmungslage. In Politik, Militär und Presse schaffte sich die Auffassung Raum, der Krieg sei zu gewinnen.<ref>Sinikka Wunsch: ''[http://herkules.oulu.fi/isbn9514266331/html/t857.html Image Research and the Enemy Image: The Soviet Union in Finnish Newspapers during the Winter War] (November 30, 1939 – March 13, 1940)'', Oulu, 2002; abgerufen am 7. Dezember 2007; van Dyke S. 20ff</ref> Da nur die wenigsten über die genaue Lage an den Fronten informiert waren, hielt diese Stimmung bis zum Ende des Krieges an. === Reform der sowjetischen Kräfte === ==== Probleme der sowjetischen Streitkräfte ==== Ende Dezember zeigte sich für das sowjetische Oberkommando, dass sein Plan einer schnellen Niederschlagung Finnlands gescheitert war. Stalin äußerte sich in einer Konferenz mit Merezkow und seinem Stab:<ref>Übersetzung eines Zitats aus van Dyke S. 103; Originaltext in englischer Sprache: "The authority of the Red Army is a guarantee for the USSR's national security. If we struggle for a long time against such a weak opponent this will stimulate the anti-Soviet forces of the imperialists."</ref> {{Zitat|Die Autorität der Roten Armee ist eine Garantie der nationalen Sicherheit der UdSSR. Wenn wir für eine lange Zeit mit einem solch schwachen Gegner zu kämpfen haben, wird dies die antisowjetischen Kräfte der Imperialisten anstacheln.}} Die sowjetische Führung hatte zu Kriegsbeginn die eigenen Kräfte überschätzt und hatte nur wenige Kenntnisse über die Stärken der finnischen Armee. Die Befestigungen der Mannerheimlinie waren im vorhinein nicht ausreichend durch Aufklärung kartographiert worden. Die Sowjets hatten sich hierbei fast ausschließlich auf Luftaufklärung verlassen, und so waren ihnen getarnte Stellungen vor dem Angriff kaum bekannt. Merezkow war sich zwar darüber im Klaren, dass Betonbefestigungen das Rückgrat der Linie bildeten, dennoch wurden die Truppen vor dem Krieg nicht im Kampf gegen solche Bunker trainiert. Die Aufklärung durch die Bodeneinheiten selbst wurde vernachlässigt, so dass die sowjetischen Truppen, insbesondere im Norden Finnlands, kein treffendes Bild der gegnerischen Einheiten hatten.<ref name="probleme">van Dyke S. 45ff, 65ff, 78f, 84ff, 107ff; Upton, S. 62–70; van Dyke S. 57ff, 206f</ref> Die klimatischen Bedingungen des finnischen Kriegsschauplatzes wurden von den Sowjets ebenso missachtet. Starke Schneefälle machten das Gelände fast nur per Ski oder Schneeschuh begehbar. Fahrzeugen war das Terrain querfeldein kaum zugänglich. Die tiefen Temperaturen beanspruchten Maschinen und Menschen gleichermaßen. Dazu kam, dass insbesondere im finnischen Norden kaum Straßen und Wege vorhanden waren. Während der ersten Phase des Krieges stand der Roten Armee keinerlei Wintertarnkleidung zur Verfügung. Zu allem Überfluss war selbst warme Winterkleidung in einigen Einheiten aufgrund von Logistikproblemen knapp. Da die sowjetischen Truppen fast keine [[Ski]]er erhalten hatten und im Umgang mit diesen auch nie trainiert worden waren, blieb die Beweglichkeit der Armee auf dem Gefechtsfeld sehr beschränkt. Dies hatte besonders im unwegsamen Gelände Nordfinnlands katastrophale Auswirkungen. Ferner beschwerten sich sowjetische Offiziere über die mangelnden Fähigkeiten der Soldaten im Umgang mit feindlichen Minen. Die finnischen Deckungsgruppen legten beim Rückzug intensiv Minen und Sprengfallen, welche große Verluste unter den sowjetischen Soldaten forderten und durch den psychologischen Effekt die Beweglichkeit der Soldaten noch weiter einschränkten.<ref name="probleme" /> Die Sowjets scheiterten aber nicht nur an den Eigenheiten des finnischen Kriegsschauplatzes, sondern auch an der eigenen Kriegsführung. Die sowjetische Militärdoktrin und Merezkows Plan sahen ein enges Vorgehen zwischen Luftwaffe, Panzern, Infanterie, Artillerie und gegebenenfalls [[Marine]]einheiten vor. Dies verwirklichte sich aber nicht auf dem Gefechtsfeld, meist gingen Panzer oder Fußsoldaten getrennt voneinander ohne entsprechende Artillerieunterstützung vor. Die Koordination zwischen den verschiedenen Truppenteilen war zu schwach. Offiziere gaben Befehle, die ein sinnvolles Zusammenwirken der verschiedenen Elemente unmöglich machten, und die Kommunikation zwischen den Einheiten sowie den übergeordneten Stellen brach oft zusammen. Verschlimmert wurden diese Probleme noch durch Materialausfälle von Funkgeräten, sowohl an der Front wie auch in den Stäben. Der Grund dafür, dass die Rote Armee ihrem Standard nicht gerecht wurde, lag in einer mangelhaften Ausbildung vor dem Krieg begründet. Das [[Offizier]]skorps war durch die [[Stalinistische Säuberungen]] nicht groß genug, um alle Rekruten entsprechend zu schulen. Ein leistungsfähiges [[Unteroffizier]]korps fehlte durch den inneren Aufbau der sowjetischen Armee vollkommen. Infolgedessen wurde die Armee in Einheiten minderer und höherer Ausbildungsqualität unterteilt. Diese Einheiten wurden ohne Berücksichtigung ihrer tatsächlichen Fähigkeiten in Finnland zusammengewürfelt.<ref>van Dyke S. 45ff, 65ff, 78f, 84ff, 107ff; Upton, S. 62–70; van Dyke S. 57ff; S. 206f; Hans Gossens (Hrsg.):'' Die Geschichte des Großen Vaterländischen Krieges der Sowjetunion. ''Band 1, Berlin, 1962 S. 327</ref> Während der [[Stalinsche Säuberungen|Stalinschen Säuberungen]] waren große Teile des Offizierskorps den politischen Verfolgungen der Jahre 1937/1938 zum Opfer gefallen. Sie mussten durch unerfahrene Nachrücker ersetzt werden. Die nachwirkende Atmosphäre der Bedrohung hemmte die Initiative der verbleibenden Befehlshaber. So beschwerte sich Merezkow nach dem Krieg darüber, dass Soldaten wie Offiziere zögerten, ihren Vorgesetzten offen die Wahrheit zu sagen. In einem internen Bericht an Stalin schilderte dessen enger Mitarbeiter [[Lew Sacharowitsch Mechlis|Lew Mechlis]], dass eine große Zahl der einfachen Soldaten den Krieg für ungerecht halte.<ref name="probleme" /> Dieselben Probleme betrafen die sowjetische Luftwaffe. Sie blieb stark hinter den Erwartungen zurück. Schlechtes Wetter, technische Probleme, geringer Ausbildungsstand und schlechte Kommunikation mit den Bodentruppen ließen ihr Eingreifen auf dem Schlachtfeld [[marginal]] werden. Die sowjetische Luftkampagne zielte darauf ab, die Mobilisierung der finnischen Armee in ihrem rückwärtigen Gebiet zu stören. Da die Armee aber zwei Wochen vor Kriegsausbruch mobilisiert wurde und sich zu Kriegsausbruch bereits in ihren Stellungen befand, lief diese Operation ins Leere. Auch parallel dazu unternommene Versuche, durch die Bombardierung von Städten und Eisenbahnlinien den finnischen Nachschub zu behindern, zeigten keine maßgebliche Wirkung. Hauptziele der sowjetischen Bombardements waren [[Helsinki]], [[Tampere]], [[Turku]] und im späteren Kriegsverlauf [[Viipuri]]. Finnische Quellen sprechen insgesamt von 2.075 Luftangriffen auf zivile Ziele. Der Ausfall an Arbeitsstunden in den Industriezentren des Landes betrug aber weniger als fünf Prozent. Aufgrund des finnischen Zivilschutzsystems, das Verdunkelungsmaßnahmen und Rettungseinsätze regelte, hielten sich die zivilen Opfer in Grenzen. Die finnische Luftwaffe, die durch ausländische Lieferungen auf rund 200 Flugzeuge anwuchs, erzielte 240 Abschüsse bei 26 eigenen Verlusten. Schläge gegen das sowjetische Hinterland konnte sie aufgrund ihrer zahlenmäßigen Unterlegenheit jedoch kaum durchführen. Insgesamt verlor die Rote Armee rund 800 Maschinen während des gesamten Krieges.<ref>van Dyke S. 47ff, 65ff, 78ff; Upton, S. 59; Trotter, S. 187–193</ref> Weitgehend folgenlos blieb auch die Unterstützung durch Flotteneinheiten. Die Ladogaflottille hatte stark mit technischen Problemen und Navigationsfehlern zu kämpfen. Unter anderem lief ein Schlachtschiff wenige Tage nach Kriegsbeginn auf Grund. Auch die Einheiten der [[Baltische Flotte|Baltischen Flotte]] griffen in den Krieg ein. Ihre Anstrengungen hatten aber wegen Nachschubproblemen, technischer Unzulänglichkeiten, schlechtem Ausbildungsniveau und mangelnder Aufklärung keinen Einfluss auf den Verlauf der Kämpfe. So warfen Flugzeuge der Flotte rund 64,5 Tonnen Bomben auf finnische Inseln im [[Finnischer Meerbusen|Finnischen Meerbusen]] ab. Die Inseln waren jedoch größtenteils evakuiert worden, und die einzige Küstenbatterie der Finnen auf den Inseln wurde durch diese Angriffe nicht ausgeschaltet. Ende Dezember kamen die Flottenoperationen durch [[Packeis]] weitgehend zum Stillstand.<ref>van Dyke S. 47ff, 65ff, 78ff; Trotter, S. 54</ref> ==== Neue Planungen der sowjetischen Führung ==== Schon am 26. Dezember ließ Stalin die Einheiten an der Karelischen Landenge neu organisieren. Das Kommando der 7. Armee wurde von Merezkow selbst übernommen. Dazu wurde noch eine neue Armee aufgebaut, die 13. unter V.D. Grendal. Am 7. Januar berief er [[Semjon Konstantinowitsch Timoschenko|Semjon Timoschenko]] zum Oberbefehlshaber über die [[Nordwestfront (Rote Armee)|Nordwestfront]]. In diesem Großverband wurden die Einheiten des finnischen Kriegsschauplatzes nun zusammengefasst, analog zur weißrussischen Front und ukrainischen Front, die 1939 [[Sowjetische Besetzung Ostpolens|Ostpolen]] besetzt hatten. Damit hatte Stalin die Hoffnung, Finnland nur mit begrenzten Kräften aus dem Leningrader Militärdistrikt zu besiegen, endgültig verworfen. Neue Einheiten wurden aus anderen Militärbezirken herangeschafft, und der neue Offensivplan unter Timoschenkos Ägide sah nun eine alleinige Offensive an der karelischen Landenge vor. Im Grunde genommen ähnelte sein Plan dem von Stalin vor dem Krieg abgelehnten Vorschlag Schaposchnikows.<ref name="neuplan">Upton, S. 110–120; van Dyke S. 108f, 138, 152ff, 198</ref> Timoschenkos Grundidee war es, die Mannerheimlinie durch zahlenmäßige Überlegenheit zu brechen und die Truppen besser für die Erfordernisse des Schauplatzes auszubilden. Als Hauptfaktor sah er eine starke Überlegenheit der Artillerie vor. Diese sollte zuerst in einem langen Bombardement die feindlichen Stellungen schwächen. Sobald die Bodentruppen angriffen, sollten die Geschützbesatzungen den Vormarsch eng mit ihnen abstimmen und die Angriffe in Form einer [[Feuerwalze]] unterstützen. Im Gegensatz zu den Planungen der ersten Offensive sollten Kommandeure kleinerer Einheiten bis zum [[Zug (Militär)|Zugführer]] Geschützfeuer anfordern können. Insgesamt massierten die Sowjets rund 48 Geschütze pro Frontkilometer. Ebenso sollte Langstreckenartillerie Bewegungen hinter der Front der Finnen niederhalten. Die Bodentruppen wurden im Umgang mit Betonbefestigungen eigens an Modellen im Hinterland ausgebildet und spezielle ''Sturmgruppen'' wurden geschaffen. Diese Einheiten umfassten Gruppen aus normaler Infanterie, Panzern, [[Pionier (Militär)|Pionieren]] und Panzerabwehrgeschützen. Sie sollten die stärksten Punkte der feindlichen Linie brechen.<ref>Upton, S. 110–120; van Dyke S. 108f; S. 138; S. 152ff; S. 198; Hans Gossens (Hrsg.): Die Geschichte des Großen Vaterländischen Krieges der Sowjetunion. Band 1, Berlin, 1962 S. 316 </ref> Des Weiteren wurde der Infanterie befohlen, Gräben und Feldbefestigungen möglichst nah an die finnischen Stellungen heranzutreiben, um das zu überquerende Niemandsland möglichst klein zu halten. Auch wurden neue Waffen an die Front geschafft, unter anderem Panzer vom Typ [[KW-1]] und [[T-34]]. Manche dieser Fahrzeuge wurden zur Bekämpfung der Betonbunker mit [[Flammenwerfer]]n ausgerüstet. Für den Schutz der Infanterie wurden gepanzerte Schlitten bereitgestellt, die von Panzern gezogen wurden. Um die Kampfmoral zu heben, wurden Auszeichnungen im Gefecht nicht nur durch Orden honoriert, sondern auch durch materielle Geschenke wie Uhren und Fahrräder. Um den Mangel an erfahrenen Offizieren zu mindern, wurden rund 4.000 Inhaftierte aus den Lagern des [[Gulag]] entlassen und an die Front geschickt.<ref name="neuplan" /> === Zweite sowjetische Offensive Anfang 1940 === Mit den Verstärkungen verfügte die Rote Armee an der karelischen Landenge kurz nach Jahresbeginn 1940 über rund 600.000 Soldaten, zweitausend Panzer und 3.137 Geschütze. Die finnische Armee war zahlenmäßig am Ende ihrer Ressourcen. Die sowjetischen Truppen konnten vor und während der Offensive ihre Fronttruppen rotieren. Die finnischen Einheiten standen seit Kriegsbeginn im Feld. Nur im am stärksten umkämpften Sektor von Summa wurde die dortige Division durch eine Reservedivision ersetzt. Das finnische Oberkommando hob zwei neue Divisionen aus, die aber nur aus älteren Reservisten bestanden und mangelhaft ausgerüstet waren.<ref name="offensive">Upton, S. 107–112; van Dyke S. 138ff; S. 145ff</ref> Einen Eindruck über die psychische Belastung der Soldaten gibt das Schicksal eines finnischen Zugführers. Dieser halluzinierte, seine Ehefrau sei auf dem Weg, ihnen mehr Waffen zu bringen. Daraufhin verließ er den schützenden Bunker und fiel dem russischen Artilleriefeuer zum Opfer.<ref>Wiedergabe nach Trotter, S.120</ref> [[Datei:Raattentie T-26.jpg|thumb|Finnische Soldaten begutachten einen erbeuteten T-26]] Die sowjetische Armee begann am 15. Januar den kontinuierlichen Artilleriebeschuss der finnischen Linien, gleichzeitig erkundete sie systematisch durch Luftaufklärung und Aufklärung der Fronttruppen den Befestigungsapparat. Am 1. Februar leitete Timoschenko den ersten Angriff von Bodentruppen ein. Fünf Divisionen griffen im Zentrum der Mannerheimlinie an. Dieser Angriff sollte laut Timoschenko nur eine Art Demonstration sein. Das sowjetische Kommando experimentierte dabei mit der Doktrin der [[Führen mit Auftrag|Auftragstaktik]], welche die deutsche [[Wehrmacht]] verwendete. Die untergeordneten Befehlshaber konnten dabei frei ihre Zwischenziele und den Einsatz ihrer Truppen zum Erreichen ihres Ziels planen. Die Angriffe brachten limitierte Gebietsgewinne und wurden von den sowjetischen Befehlshabern positiv bewertet. Zwischen diesen Angriffen und der eigentlichen Offensive auf breiter Front war eigentlich eine Pause vorgesehen. Timoschenko ließ die Demonstrationsangriffe aufgrund ihres Erfolges dann aber nahtlos in die Großoffensive übergehen. Am 11. Februar ließ der sowjetische Befehlshaber die ganze Front angreifen. Am selben Tag durchbrachen die Divisionen, die seit dem 1. Februar kämpften, die vorderste Befestigungslinie der Mannerheimlinie.<ref name="offensive" /> [[Datei:Talvisota 7th Army 1939.PNG|thumb|Vormarsch der Sowjet-Armee durch unwegsames Gelände auf der Karelischen Landenge]] Mannerheim führte mit seiner einzigen kampferfahrenen Reservedivision einen Gegenangriff. Dieses Vorhaben derjenigen Einheit, die noch im Vorjahr Summa erfolgreich verteidigt hatte, schlug allerdings fehl. Als mögliche Gründe werden Munitionsmangel und ein Zögern Mannerheims zum Gegenangriff diskutiert. Infolgedessen zogen sich die finnischen Truppen auf die mittlere Linie ihrer Befestigungen zurück. Dieser Durchbruch wird generell als der militärische Wendepunkt des Krieges gesehen. Trotzdem kritisierte Timoschenko den Mangel an Koordination, der noch in der Truppe geherrscht habe. Er führte dies auf den Mangel an ausgebildeten Offizieren zurück. Um dieses Problem zu mildern, wurden die Regimentskommandeure angewiesen, das Kommando von mobilen Befehlsposten aus zu führen.<ref name="offensive" /> [[Datei:Lahti-Saloranta M-26 in position.jpg |thumb|Finnischer Soldat mit Maschinengewehr, Februar 1940]] Am 19. Februar gelang es den sowjetischen Truppen, auch die mittleren Stellungen der Finnen zu durchbrechen. Ein Gegenangriff einer Reservedivision wurde durch die Bombardierung von deren Verkehrswegen verhindert. Am 25. Februar brachen die sowjetischen Truppen durch die rückwärtigen Befestigungen der Mannerheimlinie, auf die sich die finnischen Einheiten am 20. Februar zurückgezogen hatten. Tags darauf setzte das finnische Oberkommando erstmals 15 Panzer zu einem Gegenangriff ein. Die Fahrzeuge britischer Fertigung vom Typ [[Vickers 6-Tonner|Vickers]] waren aber den sowjetischen Modellen technisch unterlegen. Ihr Einsatz wurde zur Katastrophe, denn die Geräusche der Fahrzeuge lösten in den eigenen Reihen Panik aus, da sie für sowjetische Panzer gehalten wurden. Nachdem Timoschenko seine Frontdivision durch frische Einheiten ersetzt hatte, befahl er die Fortsetzung des Angriffs auf breiter Front am 28. Februar.<ref>Upton, S. 110–122; van Dyke S. 163ff; Hans Gossens (Hrsg.): ''Die Geschichte des Großen Vaterländischen Krieges der Sowjetunion.'' Band 1, Berlin, 1962 S. 319</ref> Während der zweiten sowjetischen Großoffensive offenbarten sich die Schwächen der finnischen Verteidigung an der Landenge. Die starke Konzentrierung auf die Mannerheimlinie machte die Truppen unbeweglich. Da sich hinter der Linie kaum noch Befestigungen befanden, bestand kein Spielraum für ein Zurückweichen. So war den finnischen Offizieren in der Ausbildung eingeschärft worden, dass verlorene Stellungen durch Gegenangriffe zurückzuerobern seien. Diese [[Strategie (Militär)|Strategie]] wurde später dafür kritisiert, die Verluste unnötig erhöht zu haben.<ref>Virrankoski, S. 862</ref> [[Datei:Red Army Finnish flag Winter War.png|thumb|Eine Gruppe von Rotarmisten demonstriert eine erbeutete finnische Flagge]] Timoschenko bemerkte allerdings, dass ein Hauptziel der Offensive gegen die Befestigungen nicht erreicht worden war: Der Roten Armee war es nicht gelungen, größere finnische Truppenteile einzuschließen und somit die finnische Armee im Feld zu vernichten. Nachdem sie die Mannerheimlinie überwunden hatte, begann die Rote Armee ihren Angriff auf das eigentliche Ziel der Offensive: die Stadt [[Wyborg|Viipuri]]. Sie wurde von den sowjetischen Truppen sowohl von Land als auch von der See her am 1. März eingeschlossen.<ref>Upton, S. 110–122; van Dyke S. 163ff; Hans Gossens (Hrsg.): ''Die Geschichte des Großen Vaterländischen Krieges der Sowjetunion.'' Band 1, Berlin, 1962 S. 319</ref> Den sowjetischen Truppen gelang es, ein ganzes Schützenkorps, eine Panzerbrigade und [[Kavallerie]] über den gefrorenen Finnischen Meerbusen an die Stadt heranzubringen. Ebenso führte die baltische Flotte zahlreiche kleinere amphibische Landungsunternehmen an der finnischen Küste durch. Diese Angriffe erfüllten ihr Ziel, nämlich finnische Reserven von der Front um Viipuri abzuziehen.<ref>Upton, S. 110–122; van Dyke S. 163ff; Hans Gossens (Hrsg.): ''Die Geschichte des Großen Vaterländischen Krieges der Sowjetunion.'' Band 1, Berlin, 1962 S. 316 S. 315</ref> [[Datei:Karelian Isthmus 13 March 1940.png|thumb|Stellungen der sowjetischen und finnischen Truppen zum Kriegsende am 13. März 1940]] Die vollständige Eroberung Viipuris gelang den sowjetischen Truppen allerdings nicht. Am Tag des Friedensschlusses, dem 13. März 1940, waren sowjetische Einheiten bis ins Zentrum der Stadt vorgedrungen, doch konnten sie den finnischen Widerstand in der Stadt nicht brechen. Den eigentlichen Plan, eine schnelle Eroberung von Viipuri bis zum 7. März konnten sie nicht erfüllen. Die militärische Situation der Finnen war aber nach dem Durchbruch so prekär, dass sich die finnische Regierung mehr und mehr gezwungen sah, Friedensverhandlungen aufzunehmen.<ref>Upton, S. 110–122; van Dyke S. 163ff</ref> === Unterstützung durch das Ausland === Die öffentliche Meinung bekannte sich in vielen Staaten zur Unterstützung Finnlands. In den Vereinigten Staaten wurden [[Demonstration]]en als Ausdruck der Solidarität mit Finnland gehalten und [[Benefizkonzert]]e gegeben. Der amerikanische Präsident [[Franklin D. Roosevelt]] rief ein „moralisches Embargo“ auf den Handel mit der Sowjetunion aus, so dass der Handel von Januar 1940 bis zum 21. Januar 1941 eingestellt wurde. Die diplomatische Brandmarkung der Sowjetunion durch die Entfernung aus dem Völkerbund stellte dabei die Spitze der diplomatischen Bemühungen dar. Dies blieb für den Kriegsverlauf aber folgenlos, da die Frage von [[Sanktion]]en der Mitgliedsstaaten gegen die UdSSR nicht einmal zur Sprache kam. Die Wirkungskraft des Beschlusses wurde auch dadurch geschwächt, dass die Mehrheit der Mitgliedsstaaten der Sitzung ferngeblieben waren. So wurde der Beschluss nur durch sieben von insgesamt fünfzehn Mitgliedern gefasst. Die Sowjetunion selbst ließ der Ausschluss unbeeindruckt. Sie war dem Völkerbund erst 1934 in erster Linie mit dem Ziel beigetreten, sich vor dem erstarkten Deutschland zu schützen. Dieser Zweck war jedoch mit dem Hitler-Stalin-Pakt obsolet geworden. Für den Niedergang des politischen Einflusses des Völkerbunds war die Entscheidung bezüglich des Krieges nicht maßgeblich. Die Organisation war durch den Mitgliederschwund in den dreißiger Jahren, unter anderem den Austritt Deutschlands, [[Japanisches Kaiserreich|Japan]]s und [[Italien]]s bereits entscheidend geschwächt. Im Hinblick auf ihr Versagen, die aggressive Politik dieser drei Staaten einzudämmen, konnte das Vorgehen gegen die Sowjetunion ihr Prestige auch nicht wieder herstellen.<ref name="ausland">[http://www.winterwar.com/War'sEnd/casualti.htm#recent Internetquelle in englischer Sprache] abgerufen am 7. Dezember 2007; Trotter, S. 190–202; Upton: S. 16, S. 19, S. 72f; Thomas Munch-Petersen: ''Britain and the outbreak of the Winter War'' in Robert Bohn: ''Neutralität und totalitäre Aggression: Nordeuropa und die Grossmächte im Zweiten Weltkrieg'', Stuttgart, 1991 S. 85–86; George Scott: ''The Rise and Fall of the League of Nations'', London 1973 S. 398ff</ref> Zahlreiche Nationen unterstützten Finnland aber in gewissem Maß materiell. Der größte Beitrag wurde hierbei von Schweden geleistet. Zwar konnte Finnland die schwedische Regierung, die auf der Neutralität bestand, nicht zu einem aktiven Eingreifen in den Krieg bewegen, jedoch gestattete Schweden es, dass 8.000 schwedische Freiwillige in der finnischen Armee dienten. Diese Einheiten griffen zum Ende des Krieges in die Gefechte ein. 33 schwedische Staatsangehörige fanden dabei den Tod, 185 wurden verletzt. Insbesondere ein Kontingent an schwedischen Piloten erwies sich für die finnischen Streitkräfte als besonders wertvoll. Entscheidender war aber die Lieferung von Waffen und Ausrüstung. Das Nachbarland lieferte an die Finnen unter anderem 77.000 [[Gewehr]]e, große Mengen an [[Munition]] und auch Flugabwehrgeschütze.<ref name="ausland" /> Andere Kontingente umfassten 800 [[Dänemark|Dänen]] und Norweger, 230 US-Amerikaner und 150 [[Italien]]er. Diese Einheiten kamen aber zu spät in Finnland an, als dass sie noch an den Kämpfen beteiligt gewesen wären. [[Ungarn]] stellte noch eine vergleichsweise große Zahl von 5.000 Mann in Aussicht, aber davon kamen nur 450 vor dem Friedensschluss in Finnland an und auch diese kamen nicht mehr zum Einsatz. Die Vereinigten Staaten stellten Finnland darüber hinaus einen Kredit von 10 Millionen [[US-Dollar]] zur Verfügung. Sie weigerten sich allerdings unter Berufung auf die [[Cash-and-carry-Klausel]], direkt Waffen nach Finnland zu liefern. Die finnische Regierung konnte aber über den Ankauf von Nahrungsmitteln das Geld für Waffenkäufe einsetzen. Diese Lieferungen trafen auch nicht mehr vor Kriegsende an der Front ein.<ref name="ausland" /> [[Datei:Norwegian Winter War Volunteers.jpg|thumb|Norwegische Freiwillige in der finnischen Armee]] Ebenso wurde die [[Luftstreitkräfte Finnlands|finnische Luftwaffe]] durch Flugzeuge aus dem Ausland verstärkt. Die bedeutendste Lieferung kam aus Frankreich in Form von 30 [[Morane-Saulnier MS.406|Morane-Saulnier-MS.406]]-Jagdflugzeugen. Das Vereinigte Königreich schickte 30 veraltete [[Gloster Gladiator|Gloster-Gladiator]]-Doppeldecker. Italien stellte 17 moderne Bomber des Typs [[Fiat BR.20]] zur Verfügung. Diese Lieferungen stockten die kleine finnische Luftwaffe zwar auf, sie blieben aber in ihrer Wirkung marginal und änderten wenig an der materiellen Überlegenheit der sowjetischen Luftwaffe. Die Mehrzahl der 800 verlorenen Flugzeuge der sowjetischen Streitkräfte wurde durch finnische Flugabwehrgeschütze abgeschossen.<ref>Trotter, S. 190–202</ref> Große Hoffnungen setzte die finnische Seite in den Erhalt unmittelbarer militärischer Unterstützung aus Westeuropa. Frankreich und England signalisierten bereits am 19. Dezember 1939 die Möglichkeit, starke Hilfsverbände nach Finnland zu entsenden. Die Bedeutung und die Verfügbarkeit solcher Hilfe blieb für Finnland jedoch beständig im Dunkeln. Schweden und Norwegen hatten sehr deutlich gemacht, dass sie den Durchmarsch fremder Armeen nicht erlauben würden. Es hätte außerdem rund drei Monate gedauert, die Truppen über Norwegen und Schweden heranzubringen und die notwendige Infrastruktur für ihre Versorgung aufzubauen. Die Westalliierten hatten ein erkennbares Interesse an der Fortsetzung der Kriegsaktivitäten im Norden. Durch eine Intervention in Skandinavien erhofften sie sich, den militärischen Druck auf den Kriegsgegner Deutschland zu erhöhen. Besonders verlockend erschien ein mögliches Abschneiden der Erzgebiete im nordschwedischen [[Kiruna]] von den deutschen Nachschubwegen.<ref>Virrankoski, S. 884; Hans-Joachim Lorbeer: Westmächte gegen die Sowjetunion 1939–1941, Freiburg, 1975 S. 58ff</ref> Als der französische Außenminister [[Édouard Daladier]] den Finnen im Februar 1940 ein Expeditionskorps von 50.000 Soldaten versprach, fasste der britische General [[Henry Royds Pownall]] diese Offerten wie folgt zusammen:<ref>Übersetzung eines Zitats von Pownall nach Upton, S.145; Originaltext in englischer Sprache: "of the four or five divisions that might have been sent across the North Sea not one division was intended for Finland - perhaps a brigade or two if they were lucky (…) The rest were simply intended for occupying and holding the iron-ore mines and for the support of Norway and Finland. It is really a most dishonest business."''</ref> {{Zitat|Von den vier oder fünf Divisionen, die vielleicht über die Nordsee gesandt worden wären, war nicht eine für Finnland bestimmt – vielleicht ein oder zwei Brigaden, wenn sie Glück hatten (…) Der Rest war einfach dazu bestimmt, die Eisenerzminen zu besetzen und zu halten und Schweden und Norwegen zu unterstützen. Es ist wirklich ein höchst unehrliches Geschäft.}} Am 3. März stellte die britische Regierung den Finnen eine Eingreiftruppe von rund 12.500 Mann in Aussicht, die aber bestenfalls erst im April hätte ankommen können. Die finnische Regierung fühlte sich durch das dauernde Taktieren getäuscht und verlor auch vor dem Hintergrund der Ereignisse in Polen und der [[Tschechoslowakei]] das Vertrauen in ein Eingreifen der Westmächte. Schließlich stellte sich die militärische Lage Anfang März für Finnland bereits so dramatisch dar, dass westliche Hilfe nach Einschätzung des finnischen Oberkommandos jedenfalls zu spät gekommen wäre.<ref>Upton, S. 122–148</ref> === Der Weg zum Frieden === Nachdem die Vorkriegsverhandlungen abgebrochen worden waren, bestanden zwischen den beiden kriegführenden Staaten keine offiziellen diplomatischen Verbindungen mehr. Die finnische Regierung war hinsichtlich der Notwendigkeit eines schnellen Friedensschlusses gespalten. Die Siege an der nördlichen Front und das Halten der Mannerheimlinie verführten weite Teile der Politik, des Militärs und der Medien zu der Vorstellung, der Krieg sei zu gewinnen. Eine treibende Kraft hinter den Friedensbemühungen war der ehemalige Chefunterhändler [[Juho Kusti Paasikivi]], der sich keinen Illusionen hingab:<ref>Übersetzung eines Zitates von Paasikivi in: Upton, S.91; Originaltext in englischer Sprache: „our victories are considered tremendously great, and from our point of view they are magnificient, but they have no effect on the final result, since in view of the power of the huge Russian state, these defeats have no significance“</ref> {{Zitat|Unsere Siege werden entsetzlich groß erachtet, und von unserem Blickwinkel aus sind sie herrlich. Sie haben aber keine Auswirkung auf das endgültige Ergebnis. Angesichts der Macht des riesigen russischen Staates haben diese Niederlagen keine Bedeutung.}} Am 10. Januar öffnete die finnische Regierung unter Ministerpräsident [[Risto Ryti]] über die sowjetische Botschafterin in [[Stockholm]], [[Alexandra Kollontai]], einen ersten Kanal zu sowjetischen Stellen. Ende des Monats signalisierte Moskau die Bereitschaft, mit der Regierung Rytis einen Frieden zu schließen. Damit wurde inzident gleichzeitig die von Moskau installierte Gegenregierung unter Kuusinen fallengelassen. Am 12. Februar erhielt die finnische Seite erstmals Kenntnis von den von der Sowjetregierung aufgestellten Bedingungen. Diese beinhalteten Gebietsabtretungen, die deutlich über die von den Finnen vor dem Krieg abgelehnten Forderungen hinausgingen. Zwar wurden die Bedingungen zunächst mit Bestürzung aufgenommen, jedoch zwang die sich rasch verschlechternde militärische Lage zum Handeln. Am 28. Februar beriet Ryti mit Mannerheim, der feststellte, der Frieden müsse sehr bald, zur Not auch unter harten Bedingungen geschlossen werden.<ref>Virrankoski, S. 884</ref> Am 8. März traf eine offizielle finnische Delegation unter Führung von Ryti und Paasikivi in Moskau ein. Auf sowjetischer Seite führte Molotow die Gespräche, Stalin selbst nahm an ihnen nicht teil. Zu Zugeständnissen zeigte sich die russische Seite nicht bereit, statt dessen wurden noch einmal leicht verschärfte Bedingungen gestellt. Die finnische Seite zögerte noch, jedoch teilte die militärische Führung am 9. März mit, dass die Stärke der erschöpften Bataillone an der Landenge meist kaum noch 250 Mann betrug und an der Front der völlige Zusammenbruch drohte. Dieser Situationsbericht gab den Ausschlag. Am 13. März unterzeichnete die Delegation den [[Vertrag von Moskau]], der am selben Tag um 12:00 Uhr die Kampfhandlungen zwischen beiden Staaten beendete.<ref>Virrankoski, S. 885 f.</ref> == Folgen == [[Datei:Finnische abgetretene Gebiete 1940.png|thumb|Abgetretene finnische Gebiete, 1940]] === Gebietsabtretungen === Durch den Friedensvertrag verlor Finnland große Teile Kareliens, darunter die gesamte Landenge und große Gebiete nördlich des Ladogasees. Die neue finnische Südostgrenze folgte im Wesentlichen der Grenze des [[Frieden von Nystad|Friedens von Nystad]] von 1721. Es handelte sich bei dem abgetretenen Gebiet also weitgehend um dieselben Gebiete, die 1721 von Schweden an Russland abgetreten und 1812 als Teil des sogenannten [[Altfinnland]]s durch Zar [[Alexander I. (Russland)|Alexander I.]] wieder an das Großfürstentum Finnland angegliedert worden waren. Die finnische Wirtschaft und Gesellschaft wurde durch diesen Verlust hart getroffen. Rund 420.000 Finnen flohen aus den verlorenen Gebieten und mussten von staatlicher Seite bei einer Neuansiedlung unterstützt werden. Mit den abgetretenen Gebieten verlor das Land rund 10 % seiner [[Agrarwirtschaft]] und [[Industrie]].<ref>Upton, S. 155ff; Trotter, S. 263f; [http://www.winterwar.com/War'sEnd/casualti.htm#nonc finnische Internetquelle in englischer Sprache abgerufen am 7. Dezember 2007]; [http://www.sicherheitspolitik-dss.de/gaeste/gl891200.htm#kap8 deutsche Internetquelle zur finnischen Sicherheitspolitik abgerufen am 7. Dezember 2007]</ref> Weiterhin abgetreten werden mussten zahlreiche strategisch wichtige Inseln im Finnischen Meerbusen sowie die Fischerhalbinsel im Norden. [[Hanko]] wurde für dreißig Jahre an die Sowjetunion als Flottenstützpunkt verpachtet. Außerdem musste Finnland sich bereit erklären, eine Eisenbahnverbindung zwischen der schwedischen Grenze bei [[Tornio]] und [[Murmansk]] zu bauen und zu betreiben. Ein militärisches Bündnis verlangten die sowjetischen Unterhändler im Gegensatz zu 1939 nicht mehr. Damit war die ursprünglich beabsichtigte militärische und gegebenenfalls auch politische Integration der Finnen in das kommunistische System gegenstandslos geworden.<ref>Upton, S. 122–148</ref> Der Friedensvertrag löste in der finnischen Bevölkerung und weiten politischen Kreisen, die nicht im Detail über die verheerende militärische Lage informiert gewesen waren, Entsetzen aus. Am 13. März wurde im ganzen Land Trauerbeflaggung gehisst. Der Präsident Finnlands [[Kyösti Kallio]] erklärte, unmittelbar nachdem er die Ratifizierung des Friedensvertrages unterzeichnet und damit in Kraft gesetzt hatte, verbittert:<ref>zitiert nach Virrankoski, S. 886. Übersetzung durch den Verfasser, Originaltext: „Kuivukoon käteni, joka on pakotettu tällaisen paperin allekirjoittamaan.“</ref> {{Zitat|Möge meine Hand verdorren, die gezwungen ist, ein derartiges Papier zu unterschreiben.}} Die Sowjetunion integrierte die abgetretenen Gebiete in die neugegründete [[Karelo-Finnische SSR]], deren Vorsitz der einstige Chef der kommunistischen Gegenregierung Kuusinen übernahm. Die Annexionen verstärkten die sowjetische Verteidigungsposition gegenüber Finnland und gegenüber Seeangriffen aus der Ostsee. Als Deutschland im Juni 1941 die Sowjetunion angriff, erfolgte der deutsche Hauptstoß von Westen und nicht über Skandinavien, so dass die Annexionen aus der militärischen Perspektive keinen Vorteil für die Verteidigung der Sowjetunion bedeuteten.<ref>van Dyke S. 191</ref> === Kriegsopfer === Die Verluste der Roten Armee wurden in den offiziellen Zahlen nach dem Krieg mit rund 48.000 Toten und rund 159.000 Verwundeten und Kranken angegeben. Diese Zahlen sind sowohl in der westlichen wie in der russischen Literatur umstritten. Russische Quellen gehen heute von rund 127.000 Toten und Vermissten, sowie 265.000 Verwundeten und Kranken aus. Finnische Historiker nehmen noch höhere Zahlen an: rund 230.000–270.000 Tote und 200.000–300.000 Verwundete und Kranke, ein großer Teil davon durch Erfrierungen und mangelnde Versorgung mit Kleidung und Nahrungsmitteln. Ungewiss ist das Schicksal von rund 5.000 repatriierten sowjetischen Kriegsgefangenen. In westlichen Quellen wird der Verdacht geäußert, diese seien nach dem Kriege größtenteils in Lagern des [[NKWD]] ermordet worden.<ref>van Dyke S. 191; Trotter, S. 263f; [[Grigori Fedotowitsch Kriwoschejew|G. F. Krivošeev]] (Hrsg.), [http://www.soldat.ru/doc/casualties/book/chapter4_8.html ''Rossija i SSSR v vojnach XX veka. Poteri vooružennych sil. Statističeskoe issledovanie''.] (Russland und die UdSSR in den Kriegen des 20. Jahrhunderts. Verluste der Streitkräfte. Statistische Untersuchung.) Olma-Press, Moskau 2001, ISBN 5-224-01515-4, ISBN 978-5-224-01515-3. Tabelle 111</ref> Ein sowjetischer Offizier äußerte sich über das Kampfgebiet in Karelien nach dem Krieg:<ref>Schilderung des Obersten G.I. Antonow Quelle: G.I. Antonow: ''Der Sowjetisch-Finnische Krieg'' in [[Basil Liddell Hart]]: ''Die Rote Armee'', Bonn, 1956 S. 100</ref> {{Zitat|Die Tatsache, dass im folgenden Frühjahr und Sommer, als der Schnee zu schmelzen begann, viele Leichen unserer Soldaten aus den Sümpfen und Seen geborgen wurden, ist nicht in den offiziellen Kriegsberichten erwähnt. Die Überlebenden pflegten scherzhaft zu sagen, dass das Land, das wir den Finnen nahmen, gerade ausreichte, um unsere während des Feldzugs gefallenen Offiziere und Soldaten zu begraben.}} Die Verluste der finnischen Streitkräfte umfassten nach finnischen Berichten rund 25.000 Tote und rund 43.500 Verwundete. Die sowjetischen Bombenangriffe auf zivile Ziele forderten rund 900 Todesopfer und rund 1.800 Verwundete unter der Zivilbevölkerung. Die wirtschaftlichen Schäden durch die Luftoffensive behinderten aber die Kriegsanstrengungen der finnischen Seite nur marginal.<ref>Upton, S. 155ff; Trotter, S. 263f; [http://www.winterwar.com/War'sEnd/casualti.htm#nonc finnische Internetquelle in englischer Sprache abgerufen am 7. Dezember 2007]; [http://www.sicherheitspolitik-dss.de/gaeste/gl891200.htm#kap8 deutsche Internetquelle zur finnischen Sicherheitspolitik abgerufen am 7. Dezember 2007]</ref> === Reform der sowjetischen Streitkräfte === Durch die geringe Leistung und hohen Verluste der Roten Armee wurde deren Ruf unter den Großmächten desavouiert, infolgedessen wurde sie unterschätzt. Ein interner Bericht der deutschen Wehrmacht konstatierte, dass die sowjetischen Streitkräfte gegen eine moderne und gut geführte Armee chancenlos seien. Es wird angenommen, dass diese Umstände die Bereitschaft Hitlers zum Angriff auf die UdSSR weiter steigerten. Auch im westlichen Lager litt der Ruf der Roten Armee. Als die Sowjetunion 1941 von Deutschland angegriffen wurde, schätzte der US-General [[George C. Marshall]] in einem Bericht an den Präsidenten [[Franklin D. Roosevelt|Roosevelt]], die Sowjetunion werde binnen drei Monaten zusammenbrechen. Britische Schätzungen aus dieser Zeit sprachen sogar von nur zwei Monaten.<ref>van Dyke S. 189–194; Trotter, S. 264ff</ref> Die sowjetischen Militärstellen reagierten auf den Krieg mit Versuchen, die Leistungsfähigkeit der Armee zu erhöhen. Es kam auch zu einem personellen Wechsel an der Spitze, als Stalin [[Kliment Jefremowitsch Woroschilow|Woroschilow]] als [[Volkskommissar]] für Verteidigung durch Timoschenko ersetzte. In diesem Zuge wurden die letzten Überbleibsel der Idee einer sozialistischen Armee getilgt und der Schaffung der Disziplin durch Drill und autoritäre Führung mehr Raum gegeben. Um das Offizierskorps weiter zu stärken, wurde der Einfluss der [[Politoffizier]]e zurückgefahren und ein neues Beförderungssystem eingeführt, das Leistung mehr entlohnen sollte. Die Autorität der Offiziere im Feld sollte in den neuen Dienstvorschriften durch größere Privilegien wie einen eigenen Unterstand und bessere Kost gegenüber den Mannschaften gestärkt werden. Die Offiziere erhielten außerdem das Recht, über ihre Untergebenen selbstständig Strafmaßnahmen zu verhängen. Um die Autorität der Truppenführer noch weiter zu stärken, führte die Rote Armee nach dem Winterkrieg [[General]]s- und [[Admiral]]sränge ein.<ref>van Dyke S. 199–213; Hans Gossens (Hrsg.): ''Die Geschichte des Großen Vaterländischen Krieges der Sowjetunion.'' Band 1, Berlin, 1962 S. 329</ref> Im Bereich von Strategie und Taktik sprachen sich Stalin und sein neuer Volkskommissar für eine Abkehr vom [[Bewegungskrieg]] des [[Russischer Bürgerkrieg|Russischen Bürgerkriegs]] aus und proklamierten eine eher statische Kriegsführung. Stalin war trotz der Fortschritte der kombinierten Waffen und des deutschen „[[Blitzkrieg]]s“ davon überzeugt, dass ein kommender Krieg zwischen den Großmächten sich als [[Stellungskrieg]] abspielen werde. Ob der Winterkrieg die Kampffähigkeit der Roten Armee bis zum Angriff der deutschen Armee insgesamt durch die Reformen gestärkt oder durch die Verluste geschwächt hat, ist unter Historikern bisher umstritten.<ref>van Dyke S. 199–213</ref> === Auswirkungen in Finnland === Nach dem Krieg hatte Finnland mit massiven Problemen zu kämpfen. Die Flüchtlingsströme aus den abgetretenen Gebieten führten zu inneren Spannungen und wirtschaftlichen Engpässen. Die durch Waffenkäufe und Kredite gestiegene [[Auslandsverschuldung]] hatte einen negativen Effekt auf den finnischen Staatshaushalt und dessen Möglichkeiten, die Krise zu kompensieren. Die territorialen Verluste verschlimmerten auch die militärische Lage. Eine Verteidigung des Landes gegen einen neuerlichen sowjetischen Angriff wäre weitaus schwieriger geworden. Infolgedessen leitete die finnische Regierung eine Politik der [[Aufrüstung]] ein. Die Armee wurde auf 400.000 Mann in etwa verdoppelt und auf eine schnellere Mobilisierung und höhere Bereitschaft ausgelegt.<ref name="auswirkungenfin">Upton, S. 155ff; Trotter, S. 263f; [http://www.winterwar.com/War'sEnd/casualti.htm#nonc finnische Internetquelle in englischer Sprache abgerufen am 7. Dezember 2007]; [http://www.sicherheitspolitik-dss.de/gaeste/gl891200.htm#kap8 deutsche Internetquelle zur finnischen Sicherheitspolitik abgerufen am 7. Dezember 2007]</ref> [[Datei:Evacuees from East-Finland.jpg |thumb|Finnische Flüchtlinge]] Andererseits half das Erlebnis der gemeinsamen Bedrohung und das während des Krieges immer wieder beschworene Thema der nationalen Einheit, die inneren Zerwürfnisse infolge des Bürgerkrieges von 1918 zu überwinden. Die Verwundbarkeit des Landes war den Finnen ebenso deutlich vor Augen geführt worden wie die Tatsache, dass Finnland sich gegen einen sowjetischen Angriff nicht dauerhaft allein verteidigen kann.<ref>Virrankoski, S. 890–900</ref> Die diplomatischen Geplänkel um eine alliierte Intervention waren nicht geeignet, Vertrauen in eine Zusammenarbeit mit den Westmächten zu schaffen. So versuchten die Finnen, sich einerseits in Skandinavien Verbündete zu suchen und sich andererseits wieder an Deutschland anzunähern. Ersteres wurde nach der Intervention deutscher Truppen in Skandinavien („[[Unternehmen Weserübung]]“) mit der Besetzung Dänemarks und Norwegens unmöglich. Die Zusammenarbeit mit Deutschland wurde dagegen schon bald Realität und mündete im Juni 1941 in der Beteiligung Finnlands am deutschen Angriff auf die Sowjetunion und dem Beginn des finnisch-sowjetischen [[Fortsetzungskrieg]]es.<ref name="auswirkungenfin" /> == Bewertungen == Der Winterkrieg hat in der Geschichtsschreibung zwei vollkommen gegensätzliche Bewertungen erfahren. In der Sowjetunion und ihren Verbündeten wurde das sowjetische Vorgehen als legitime Wahrnehmung der strategischen Interessen und als Sicherung der strategischen Lage Leningrads betrachtet. Leningrad, das nur 50 Kilometer von der alten finnischen Grenze entfernt lag, sei einem Angriff von finnischem Boden aus schutzlos ausgeliefert gewesen. Finnland habe unter dem Einfluss sowohl der westlichen Mächte als auch des deutschen Imperialismus gestanden und hätte daher einen wichtigen Aufmarschraum im Falle eines Krieges gegen die Sowjetunion dargestellt.<ref>''Die Geschichte der UdSSR – Von den Anfängen bis zur Gegenwart''. VEB Deutscher Verlag der Wissenschaften, Berlin, 1978, S. 382f.</ref> Nach dieser Bewertung hätte der Krieg durch angemessene Zugeständnisse der finnischen Regierung vermieden werden können. Auch finnische Historiker mit prosowjetischer Einstellung haben sich in der Nachkriegszeit dieser Bewertung angeschlossen. Die bürgerlich-finnische und westliche Geschichtsschreibung hält den Angriff der Sowjetunion dagegen für den Ausdruck der imperialistischen Politik Stalins und Molotows. Ein Einlenken in den Verhandlungen des Herbstes 1939 hätte nach dieser Ansicht die Stellung Finnlands entscheidend geschwächt und das Land neuen Gefahren ausgesetzt. Hier wird insbesondere darauf verwiesen, dass, nachdem der Krieg begonnen hatte, Stalin nachweislich zunächst das Ziel der vollständigen Besetzung Finnlands verfolgt habe.<ref>Virrankoski, S. 870 f. und 886 f.</ref> == Einzelnachweise == <references/> == Literatur == * Richard W. Condon: ''Winterkrieg Russland–Finnland''. Moewig-Verlag, München 1980, ISBN 3-8118-4302-8 * Max Jakobson: ''The Diplomacy of the Winter War: An Account of the Russo-Finnish War, 1939-1940''. Cambridge 1961 * Allan Sandström: ''Krieg unter der Mitternachtssonne – Finnlands Freiheitskampf 1939–1945''. Leopold Stocker Verlag, Graz 1996, ISBN 3-7020-0747-4. * William R. Trotter: ''A Frozen Hell''. Algonquin Books, Chapell Hill 1991, ISBN 978-0-945575-22-1. * Anthony Upton: ''Finland 1939–40''. Newark, 1974. * Carl van Dyke: ''The Soviet Invasion of Finland 1939–40''. Frank Cass Publishers, London, Portland 1997, ISBN 0-7146-4753-5. * Pentti Virrankoski: ''Suomen historia 2''. SKS, Helsinki 2001, ISBN 951-746-342-1. * Antti Tuuri: ''Winterkrieg''. Kiepenheuer, Leipzig; Weimar 1992, ISBN 3-378-00504-1. == Weblinks == {{Commons|Category:Winter War|Winterkrieg}} * [http://defmin.fi/winterwar/ Webseite des Finnischen Verteidigungsministeriums zum Winterkrieg] (englisch) * [http://www.sicherheitspolitik-dss.de/gaeste/gl891200.htm Artikel eines ehemaligen NVA-Offiziers über die finnische Sicherheitspolitik] * [http://www.ekritik.de/html/die_sonderstellung_finnlands_w.html Die Sonderstellung Finnlands während des Zweiten Weltkrieges] (ekritik) {{Exzellent}} [[Kategorie:Winterkrieg| ]] {{Link GA|da}} {{Link GA|en}} {{Link GA|fi}} {{Link GA|no}} {{Link GA|ru}} {{Link GA|zh}} {{Link FA|af}} [[af:Winteroorlog]] [[an:Guerra d'Hibierno]] [[ar:حرب الشتاء]] [[az:SSRİ-Finlandiya müharibəsi]] [[bat-smg:Žėimuos vaina]] [[bg:Зимна война]] [[ca:Guerra d'Hivern]] [[cs:Zimní válka]] [[da:Vinterkrigen]] [[en:Winter War]] [[eo:Vintra milito]] [[es:Guerra de Invierno]] [[et:Talvesõda]] [[eu:Neguko Gerra]] [[fi:Talvisota]] [[fr:Guerre d'Hiver]] [[fy:Winterkriich]] [[ga:Cogadh an Gheimhridh]] [[he:מלחמת החורף]] [[hr:Zimski rat]] [[hu:Téli háború]] [[id:Perang Musim Dingin]] [[is:Vetrarstríðið]] [[it:Guerra d'inverno]] [[ja:冬戦争]] [[ka:სსრკ-ფინეთის ომი]] [[ko:겨울 전쟁]] [[la:Bellum Hiemale]] [[lt:Žiemos karas]] [[lv:Ziemas karš]] [[mk:Зимска војна]] [[nl:Winteroorlog]] [[nn:Finske vinterkrigen]] [[no:Vinterkrigen]] [[pl:Wojna zimowa (1939-1940)]] [[pt:Guerra de Inverno]] [[ro:Războiul de Iarnă]] [[ru:Советско-финская война (1939—1940)]] [[simple:Winter War]] [[sk:Zimná vojna]] [[sl:Zimska vojna]] [[sr:Зимски рат]] [[sv:Finska vinterkriget]] [[th:สงครามฤดูหนาว]] [[tr:Kış Savaşı]] [[uk:Радянсько-фінська війна]] [[vi:Chiến tranh Liên Xô-Phần Lan]] [[zh:冬季战争]] 2md4tq5sdcqs2wcep6lbcpniz1rth3g wikitext text/x-wiki Wiprechtsburg Groitzsch 0 24527 27130 2010-05-07T12:24:49Z Metilsteiner 0 /* Forschungsgeschichte */ Bild+ {{Infobox Burg |Name = Wiprechtsburg Groitzsch |Bild = Groitzsch Wiprechtsburg 2.jpg|thumb|400px |Bildbeschreibung = Burg Groitzsch, Kernburg mit den Ruinen der Rotunde und des Wohnturmes |Alternativname = |Entstehungszeit = um 1070 |Typologie n. geo. Lage = Höhenburg |Erhaltungszustand = Ruinen von Kapelle und Wohnturm |Ständische Stellung = Grafen |Mauerwerksmerkmale = |Heutiger Ortsname = [[Groitzsch|Stadt]] |Breitengrad = 51/9/34.50/N |Längengrad = 12/16/29.89/E |Region-ISO = DE-SN |Poskarte = |Höhenordinate = |Höhe-Bezug = DE-NN }} Die '''Wiprechtsburg Groitzsch''', in der gleichnamigen [[Groitzsch|Stadt]], ist ein herausragendes [[Bodendenkmal]] mit den ältesten, bislang bekannten Steinbauten in [[Sachsen]]. Sie war im späten 11. und frühen 12. Jahrhundert die [[Burg]] des bedeutenden Grafen [[Wiprecht von Groitzsch]], und eine der größten Anlagen der Region. == Lage == Die Burg liegt am nordwestlichen Ortsrand der Stadt [[Groitzsch]], gegenüber der Stadt [[Pegau]], am Ostufer der [[Weiße Elster|Weißen Elster]], ungefähr 30&nbsp;km südwestlich von [[Leipzig]] und jeweils etwa 15&nbsp;km von [[Altenburg]], [[Merseburg]], [[Zeitz]] und [[Borna]] entfernt. Wichtige Verkehrsverbindungen, die die genannten Städte verbanden und in weitere [[Mittelalter|mittelalterliche]] Zentren führten, liefen durch Groitzsch und an der Burg vorbei. == Historische Bedeutung == Der Name leitet sich von [[Slawen|slawisch]] ''grodisce'' ab, was soviel wie „befestigter, umhegter Ort“ bedeutet. Die Anlage ist als Burg des [[Graf]]en [[Wiprecht von Groitzsch]] von großer historischer Bedeutung. Dieser war um 1073/74 aus dem Gebiet von [[Stendal]]/[[Tangermünde]], durch Tausch an die Burg gekommen. Der Bericht hierüber ist gleichzeitig die erste sichere urkundliche Erwähnung der Burg. Insgesamt ist Groitzsch eine der wenigen Burgen, deren Schicksal in Schriftquellen des 11. und 12. Jahrhundert verzeichnet wurde. Damit bestand die Möglichkeit, [[Mittelalterarchäologie|archäologische]] Datierungen zu überprüfen sowie für Befunde und Funde erstmals einen genaueren Datierungshinweis zu erhalten. Diese gelten nicht nur für Nordwestsachsen, sondern auch weit darüber hinaus. Bei [[Archäologie|archäologischen]] [[Ausgrabung]]en im Burgbereich konnten über 6&nbsp;m hohe Schichtenkomplexe [[Stratigraphie (Archäologie)|stratigraphisch]] ergraben werden. Diese lassen die kontinuierliche Entwicklung sowohl der Befestigungsweise, als auch der materiellen Kultur in fünf unmittelbar aufeinanderfolgenden Burgperioden vom 10. bis zum Ende des 13. Jahrhundert, verfolgen. Dabei ist Groitzsch eine der wenigen Anlagen in Ostthüringen und Westsachsen mit einer längeren kontinuierlichen Besiedlung und wurde namengebend für die mittel- und spätslawische [[Keramik]] des 10. und 11.&nbsp;Jahrhundert („[[Keramik des Leipziger Kreises|Groitzscher Gruppe]]“). In den Bauphasen I und II, wurde die Befestigung durch ein rostartiges [[Kernwerk]] gebildet, das - wenn auch in unterschiedlicher Ausprägung - im [[Westslawen|westslawischen]] Raum weit verbreitet ist. In besonderer Weise markiert die im letzten Viertel des 11. Jahrhunderts entstandene Wiprechtsburg mit der Phase III den Übergang vom Holz-Erde-Bau zum [[Mörtel|mörtelgebundenen]] [[Steinbau]]. Eine [[Rotunde|Rundkapelle]] und ein Rund[[Turm (Bauwerk)|turm]] gelten als älteste Steinbauten Sachsens. Diese Gebäude läuteten die Errichtung zahlreicher weiterer [[Heilig|sakraler]] und [[profan]]er Steinbauten in (Ober-)Sachsen des 12. Jahrhunderts ein. == Heutige Nutzung == Die [[Ruine|Burgruine]] kann ständig kostenlos besichtigt werden. Sehenswert sind besonders die teilweise rekonstruierte Rundkapelle und der Stumpf eines runden Turmes, die beide aus der Zeit um 1080 stammen. In den Sommermonaten finden häufig Veranstaltungen wie [[Freiluftkonzert]]e oder Aufführungen in dem [[Amphitheater|amphitheaterförmig]] gestalteten Gelände statt. Es wurde ein [[Weinberg]] mit über 5.000 [[Rebstock|Rebstöcken]], Blumenbeete und Wanderwege angelegt. Das [[Lapidarium]] im Innenraum der Burg umfasst mittlerweile eine Sammlung von etwa 40 Flur- und [[Grenzstein]]en aus der Region. == Topografische Situation == Die Burg liegt auf einem aus [[Pleistozän|pleistozän]]en [[Schotter]]n bestehenden [[Geländesporn]], der weit ins breite Tal der [[Weiße Elster|Weißen Elster]], hineinragt. Sie wird von den Elsternebenflüssen [[Schwennigke]] im Südwesten, Westen und Norden und weiter im Osten der [[Schnauder]], umflossen. Aufgrund der [[Fort|fortifikatorisch]] günstigen Lage wurde hier eine [[Abschnittsbefestigung]] in Spornlage errichtet. Das Burggelände wird heute durch eine Straße, die von [[Pegau]] in die Stadt Groitzsch führt, durchschnitten. Diese verläuft weitgehend im mittelalterlichen Burggraben, einem ehemaligen breiten Trockengraben. Westlich von diesem befindet sich die Hauptburg, die rund 10 bis 12 m höher als die Straße liegt. Nur im Osten besitzt die 150 x 100 m große Burg einen etwa 4 m hohen [[Abschnittswall]], die anderen Seiten fallen steil zur [[Schwennigke]] ab. Östlich der Straße schließt sich ein Vorburggelände mit dreifachem Flächeninhalt an. Dies war ursprünglich ebenfalls befestigt, jedoch haben sich nur an der Ostseite noch Reste erhalten. Außerdem war ein Graben vorgelagert, der nur noch z.T. nachweisbar ist. Die Fläche wird heute hauptsächlich von einer Gärtnerei, einem Friedhof und dem Kirchbereich mit den Resten der [[Romanik|romanischen]] [[Frauenkirche]] eingenommen. Südlich der Vorburg schließt sich die mittelalterliche Altstadt Groitzsch an. == Forschungsgeschichte == [[Datei:Wiprechtsburg 1928.jpg|miniatur|rechts|Freilegungsarbeiten an der Kapelle (1928)]] Bereits 1743 ließ der Gerichtsherr von Groitzsch, Baron von Schwedendorf, ''„Aufgrabungen“'' vornehmen. Da in rund 10&nbsp;m Tiefe Konstruktionsteile - Holzreste, die ''„als wie ein Rost aussehen“'' - gefunden wurden, hatte man wohl im Bereich der Burgbefestigung gegraben. 1849 wurden bei Bauarbeiten für eine Gaststätte auf der Hauptburg, die Mauern einer romanischen [[Rotunde]] (Rundkapelle) freigelegt und das Innere der Kirche ausgegraben. Dieses füllte sich schnell durch die Hang[[Erosion (Geologie)|erosion]] sowie mit Unrat, so dass es nach 75&nbsp;Jahren erneut ausgegraben werden musste. 1863 ließ ein ''„Comitee zur Hebung des Schatzes“'' Wiprechts die Schwennigke auspumpen, fand aber neben einer reichen Fischausbeute nur ein neuzeitliches Hufeisen, eine Schwertklinge und einen Degenkorb. Die Wiprechtsburg ist als wichtiges und gut erhaltenes [[Bodendenkmal]] schon 1936 unter [[Denkmalschutz]] gestellt worden. Pläne für Bau eines Altersheims in den 1950er Jahren führten zunächst 1959 zur Untersuchungen der Baugruben, die sich schnell zu langjährigen Forschungsgrabungen erweiterten und bis 1967/68, unter der Leitung von Heinz-Joachim Vogt fortgeführt wurden. Anschließend restaurierte man die Rundkapelle und den bei den Grabungen entdeckten Rest eines romanischen Rundturmes und gestaltete das umliegende Gelände amphitheaterförmig als Erholungsanlage. == Grabungsergebnisse und Bauphasen der Burg == === Urgeschichtliche Funde === Nur an wenigen Stellen in der Hauptburg und in der Vorburg konnten Reste einer [[Ur- und Frühgeschichte|urgeschichtlichen]] Kulturschicht angetroffen werden. Die Funde, v.a. Keramik und Steingeräte, gehören zum großen Teil ins [[Neolithikum]] (v.a. [[Trichterbecherkultur]]), es sind jedoch auch wenige [[Bronzezeit|bronze]]- und [[eisenzeit]]liche Stücke darunter. Insgesamt waren die untersuchten Flächen jedoch zu klein, um zu weiterführenden Aussagen zu gelangen. === Periode I: 10. Jahrhundert === Der Wallkörper bestand zu unterst aus einer mindestens 8 m breiten und 2,80 m hohen Rostkonstruktion aus halbierten [[Eiche]]nstämmen und kleinen Rundhölzern. Darauf erhob sich an der inneren Wallfront eine 2,9 m breite Holz-Erde-Mauer, an die sich außen noch eine 5 m breite humose [[Lehm]]packung anschloss. Wie die äußere Wallfront beschaffen war, konnte nicht mehr festgestellt werden. Ebenfalls bleibt durch die Baumaßnahmen der späteren Befestigungen unklar, ob auf der Mauer Oberbauten aufsaßen, und ob ein Graben die Hauptburg im Osten abgrenzte. Zur Besiedlung der Innenfläche konnten wegen der Eingriffe und Umlagerungen bei der Anlage der Burg II, und den nur geringen Flächen, kaum genauere Aussagen getroffen werden. Sie begann anscheinend unmittelbar hinter der Mauer, und war zur Burgmitte hin, eher gering. Aufgrund von starken Holzkohleschichten unmittelbar hinter der Mauer, vermutete Vogt hier einen Holzbau. 4 m hinter der Rückfront der Mauer, wurde eine erste Herdstelle angetroffen, die wahrscheinlich zu einem [[Grubenhaus]] gehörte. Ein weiteres Grubenhaus war offensichtlich durch Brand zerstört worden, der auch gesamte Befestigung betroffen hatte. Bereits in der ersten Burg zeigten sich Bemühungen, den Hang nach außen zu verlagern, um so eine größere Innenfläche zu gewinnen. Dazu hatte man die Innenfläche planiert, und die Siedlungsreste den Hang hinuntergekippt, wodurch die gesamte Nordseite um nahezu 20 m verbreitert wurde. Die [[Stratigraphie (Archäologie)|stratigraphische]] Trennung der Keramik von der Periode II, gelang nur an sehr wenigen Stellen. Ansätze für eine Datierung bieten Teile eines Stachelsporns, der wohl in die erste Hälfte der 10. Jahrhunderts gehört. Die Gründung der ersten Befestigung wird auch in dieser Zeit liegen, das Ende der Burg I, durch einen Brand, ist wohl in die zweite Hälfte des 10. Jahrhunderts, zu datieren. Die Gründung wird zumeist mit dem historischen Ereignis der Eroberungen [[Heinrich I. (Ostfrankenreich)|Heinrichs I.]] 928, in dessen Folge die Burg [[Meißen]] gegründet wurde, in Verbindung gebracht. Möglicherweise, erfolgte zu dieser Zeit auch die Ablösung des ungefähr 2 km südlich liegenden [[Burgwall]]s Altengroitzsch, von dem hauptsächlich Fundmaterial des 9. und frühen 10. Jahrhunderts, vorliegt. === Periode II: Ende 10. Jahrhundert (?) bis um 1080 === Auf den planierten Resten der Burgmauer der ersten Burg wurde eine Rostkonstruktion ähnlich wie in Burg I, errichtet und die anfallenden Schuttmassen, hangseitig als Basis für die Mauer angeschüttet. Steine, die auf Trockenmauer schließen lassen könnten, fehlen hier. Im östlichen Teil des Schnittes gelang der Nachweis eines aus starken Stämmen errichteten Turmbaus, der jedoch nicht völlig freigelegt werden konnte. Die Interpretation des Befundes als Turm ist damit schwierig, es könnte sich auch um ein Tor handeln, jedoch spricht nach Ansicht von Vogt die Geländesituation dagegen. Die Innenbesiedlung war dichter als in Burg I. Sie begann ebenfalls direkt hinter der Mauer, und umfasste aber die gesamte Innenfläche, wobei mehrere Herdstellen und Teile von Grubenhäusern untersucht worden sind. Auch hier waren aber wieder die Ausschnitte zu klein, um genauere Angaben zur Grundrissgestaltung machen zu können. Bei den archäologischen Funden ermöglichte ein reiches Knochenmaterial einen guten Einblick in die Nahrungsgewohnheiten der Burgbewohner. 98,6 % der Knochen stammen von [[Haustier]]en, wobei hier das [[Hausschwein|Schwein]] dominiert. Die [[Jagd]] spielte eine untergeordnete Rolle, was v.a. im Vergleich zu zeitgleichen Befestigungen im brandenburgischen Raum festgestellt werden kann. Auch hier war wieder das Wildschwein am beliebtesten. Des Weiteren wurde eine große Zahl von Knochengeräten wie [[Ahle|Pfriemen]] und Nadeln, beziehungsweise Schlittknochen geborgen. Letztere dienten mit hoher Wahrscheinlichkeit als [[Kufe|Schlittenkufen]], für den Transport schwerer Lasten und nicht als Schlittschuh. An Eisengeräten und anderen Metallfunden sind Sporen, Griffangelmesser und [[Feuerstahl|Feuerstähle]] gefunden worden. Auch die übrigen Stücke sind typischer Siedlungsabfall: Bruchstücke eines [[Henkel (Griff)|Henkel]]s, wohl von einem Holzeimer, [[Kesselhaken]], Beschläge und Gürtelteile. Mehrere Eisenschlacken lassen Eisenverarbeitung durch einen oder mehrere [[Schmied]]e in der Burg vermuten. Aufgrund der Keramik- und Metallfunde kann die Burg II in das 10. und 11. Jahrhundert datiert werden. Die Befestigung fiel einer umfassenden Zerstörung zum Opfer, die sich in starken Brandschichten dokumentiert. Ob dies mit den Auseinandersetzungen zwischen Wiprecht und den umliegenden Adligen in den 1070er Jahren, oder dem [[Investiturstreit]] zu verbinden ist, die mit der [[Schlacht von Hohenmölsen]] 1080, hier seinen Höhepunkt erreicht hatten, kann nicht geklärt werden. === Periode III: um 1080 bis um 1120 === Die nachfolgende Burg III wurde nach völlig neuen Prinzipien errichtet, was sowohl für Befestigungssystem als auch die Innenbebauung gilt. Die Schuttschichten der Burgen I und II bildeten das Fundament für einen gewaltigen aufgeschütteten Wall aus Sanden und Kiesen, der eine Basisbreite von 27 bis 30 m hatte. Die Befestigung überragte das damalige Burghofniveau um 8-10 m. Der Außenhang wurde wiederum, diesmal um durchschnittlich 10 m, nach außen verlagert. Die Innenfront wurde von einer Kastenkonstruktion von 2,80 m Stärke gebildet. Diese bestand aus waagerecht verbauten, hochkant übereinandergestellten und miteinander winklig verplatteten 2-4 cm starken Bohlen, die Kästen von 3,80 Länge und unterschiedlicher Breite (80 cm - 3,50 m) ergaben. Sie waren teilweise noch bis in 3,20 m Höhe erhalten und mit Sand, grobem Kies und stellenweise Lehm gefüllt. Die innere Holz-Erde-Mauer konnte auf mehr als 25 m Länge verfolgt werden. Sie umgab den Wall polygonal an der Nord- Ost und Südseite. Der Sinn dieser Konstruktion war wohl, den enormen Seitendruck des Walles und eventuell weiterer Oberbauten abzufangen und das Abfließen der Sandmassen auf die Burginnenfläche zu verhindern. Vogt vermutete auf der 15 bis 18 m breiten Krone des Walles weitere Gebäude, das heißt Wehrbauten, die jedoch nicht mehr nachgewiesen werden konnten, da spätere Baumaßnahmen alle Reste beseitigten. Die Wallinnenfläche war anscheinend durch dammartige Erdaufschüttung in einen Ost- und Westteil unterschieden. Der letztere ist der größere Teil, der aber nicht untersucht werden konnte. Auch die Innenbesiedlung war völlig anders konzipiert als in den vorangegangenen Burgen. In der ersten Phase des Burgausbaus sind Holzhäuser hinter der Kastenkonstruktion und ein Grubenhauses mit Eingangsrampe nachgewiesen. Das nicht vollständig freigelegte Grubenhaus gehört wohl zu einer Werkstatt von [[Steinmetz]]en, denn direkt über den Schichten von Burg II konnte im Sand ein Steinsplitterhorizont festgestellt werden. Dieser steht im Zusammenhang mit dem Bau eines [[Romanik|romanischen]] Rundturms mit 9,30 m Innendurchmesser und 2,00 m Mauerstärke. Dieser diente offensichtlich sowohl zu Wohn- als auch zu Verteidigungszwecken und ist wahrscheinlich mit einem der beiden in den [[Pegau]]er Annalen genannten Türmen identisch. Wenig später hatte man ungefähr 10 m entfernt die romanische Rundkapelle mit 6,4 m Innendurchmesser und hufeisenförmiger [[Apsis]] errichtet. Dem Bauhorizont folgten vier weitere Niveaus, die teilweise mit Bohlenbelag versehen waren. Sie waren also eindeutig einander ablösende Hofhorizonte und sprechen für eine länger währende Nutzung dieser Anlage. Stärkere Tonschichten auf den Bohlenbelägen machten deren häufige Erneuerung notwendig. In der zweiten Hofphase hatte man im Norden der Burg, nur 50 cm hinter der Kastenkonstruktion, ein Holzhaus in der gleichen Technik wie die Kästen errichtet. In einer Ecke konnte ein zusammengebrochener Kuppelofen festgestellt werden. Unmittelbar nach Fertigstellung des fünften Hofes erfolgte eine Teilzerstörung der Burg und Schuttschichten überdeckten die Hofoberfläche. Gleichzeitig erfolgte auch der Ausbau der Vorburg durch die Errichtung einer Befestigung - wohl mit Palisaden - und mit einer intensiveren Besiedlung. Möglicherweise wurde auch bereits ein Vorgängerbau der romanischen St.-Marien-Kirche errichtet. Anhand des ausgegrabenen Tierknochenmaterials und mit Hilfe [[Osteologie|osteologischer]] Untersuchungen konnte erstmals für Westsachsen Abgabenverhältnisse nachgewiesen werden. Bei den Rinderknochen war eindeutig zu erkennen, dass keine ganzen Tiere, sondern nur die fleischreichen Partien an die Burg geliefert wurden. Wie schon bei den älteren Burgen ist der Anteil von Wildtieren überraschend gering (1,2 %). Dass darunter Knochen von [[Rothirsch]]en, [[Wildschwein]]en, [[Elch]]en und [[Wisent]]en sowie [[Braunbär]]en - also Tieren der „[[Jagd|hohen Jagd]]“ - nachweisbar sind, unterstreicht die soziale Stellung der Burgherren. Dies verdeutlicht auch der hohe Anteil von [[Greifvögel|Greiftierknochen]], die sicherlich bei der [[Falkner|Beizjagd]] eine Rolle spielten. Als Indiz für eine mehr oder weniger höfische Kultur kann auch die Haltung von [[Asiatische Pfauen|Pfauen]] und [[dackel]]artigen Hunden gesehen werden. Bei dem Fundgut können wieder zahlreiche Schlittknochen genannt werden, wobei es sich in einem Fall wohl tatsächlich um eine Schlittschuhkufe handelt. Weitere verzierte Knochenobjekte liegen mit Nadeln, Teilen von Kämmen, einem Knochengriff, einer Flöte und einem Würfel vor. Eisengeräte wie Messer sind relativ selten. Aus Bronze bestehen unter anderem die Teile von Messerscheidenbeschlagteilen und eine Vielzahl an Nägel und Krampen. Ein besonderes Objekt ist die Schnellwaage aus Blei mit wahrscheinlich zugehörigem Bleigewicht. An Schmuckobjekten sind eine Reihe von Glasfingerringen und Reste einer Bronzebommel bekannt. An Resten von Reiterausstattung, Pferd und Bewaffnung liegen eine schachbrettartig verzierte goldene [[Trense]] und mehrere Wellen[[hufeisen]] vor. Neben [[Slawen|spätslawischer]] Keramik erscheint erstmals eine neue scheibengedrehte, dünnwandige und auch härtergebrannte Keramik, die wesentlich qualitätvoller als die vorangegangene ist und als „uneinheitlich gebrannte Irdenware“ bezeichnet wird. Bei der Burg III handelt es sich zweifellos um die Burg des Grafen [[Wiprecht von Groitzsch]]. Nicht nur die Erwähnung der Türme und die komplette Umgestaltung der Burg in den [[Pegauer Annalen]] für das Jahr 1080, sondern auch die Baugestalt des ergrabenen Turms sprechen für dessen Datierung in das Ende des 11. Jahrhunderts. Das Hauptverbreitungsgebiet der nur wenig später errichteten Rundkapelle ist [[Böhmen]] und [[Mähren]], wohin Wiprecht ja enge Beziehungen unterhalten hatte, was in der Heirat der [[Přemysliden]] Königstochter Judith von Böhmen seinen stärksten Ausdruck fand. Das Konstruktionsprinzip der Befestigung mit aufgeschüttetem Wall und einer Kastenkonstruktion als innerer Mauer ist bislang in Obersachsen unbekannt. Ihr Hauptverbreitungsgebiet liegt im westelbischen Raum (Hannoversches [[Wendland]]) und ist auch bei [[Obodriten|obodritischen]] Burgen [[Mecklenburg]]s sowie in [[Dänemark]] nachweisbar. Wiprecht stammte wiederum aus der Umgebung dieses Raumes. Eine [[Radiokarbonmethode|C-14-Bestimmung]] erbrachte ein Datum 1120 ± 40 Jahre. Auch die Keramik sowie die übrigen Funde sprechen für diese Datierung und mit ihrer hohen Qualität für die besondere Bedeutung der Burg zu dieser Zeit. Das Ende der Burg dokumentiert ein Zerstörungshorizont, der archäologisch in die ersten Jahrzehnte des 12. Jahrhunderts datiert wird. Er kann mit den Auseinandersetzungen zwischen Wiprecht und [[Heinrich I. (Ostfrankenreich)|Heinrich V.]] um 1115 in Zusammenhang gebracht werden, bei denen die Burg mehrfach erobert und zurückerobert wurde. === Periode IV: um 1120 bis 1224 === Reste der Befestigung dieser Burg haben sich nicht erhalten, da für die nachfolgende Burg V umfangreiche Planierungen durchgeführt worden sind, die die Befestigung wie auch die meisten übrigen Befunde der Burg IV beseitigen. Der Ausgräber Vogt meinte aber aus stratigraphischen Befunden am Außenhang erschließen zu können, dass Burg IV von einer [[Backstein]]mauer umschlossen war. Im Inneren der Anlage wurde der Burghof um mindestens drei bis vier Meter erhöht, um Anschluss an das Niveau der Wallkrone zu erhalten und um der ständigen Feuchtigkeit im Burghof zu begegnen. Dazu errichtete man große kastenartige Einbauten im Burghof, die man mit Schutt verfüllte. Dabei hatte man das Gelände zwischen Rundkapelle und Turm zunächst noch ausgespart. Die Rundkapelle blieb zunächst weiter in Funktion, sie war nur noch von der Nordwestseite aus, auf altem Niveau, erreichbar. Möglicherweise lag in der Nähe des Rundturmes auch das Burgtor. Im ersten Drittel des 13. Jahrhunderts sind erneut Planierungs- und Baumaßnahmen durchgeführt wurden. Mit dem Schutt verfüllte man die restlichen Kästen und erhöhte das Gesamtniveau des Burghofes, wobei die Rundkapelle aufgegeben wurde. Dadurch wurde ein einheitliches Hofniveau erreicht. Den nun [[Motte (Burg)|eingemottenen]] Turm nutzte man weiterhin. Bei diesen Baumaßnahmen beseitigte man auch ein [[Fachwerkhaus|Fachwerk]]gebäude in der Südostecke der Burg auf dem Wall, in dem der älteste bisher östlich der Saale nachgewiesene [[Kachelofen|Topfkachelofen]] gestanden hatte. Außer Fachwerkgebäuden waren auch [[Backstein]]bauten vorhanden. Das Fundgut zeigt insgesamt wenig Veränderungen zu Burg III. Das gilt für die Nahrungsreste, vor allem den Anteil der Tierknochen genauso wie für Produktionsinstrumente und Gegenstände von Haus und Hof. Weiterhin liegen Schlittknochen, Messerklingen und -scheidenbeschläge, Wetz- und Schleifsteine, Nägel usw. vor. Besonders zu erwähnen sind nur Bronzeglocke und Bronzegegenstand mit Dorn von unbestimmter Funktion. Außerdem gibt es auch hier nur wenige Schmuckobjekte und Waffen und Reitausstattung. Auch die Keramik ist kaum verändert. Immer noch treten einige spätslawische Stücke auf, aber die uneinheitlich gebrannte Irdenware dominiert. Die Burg kann über das Fundgut in das 12. und beginnende 13. Jahrhundert datiert werden. Nach dem Aussterben des Hauses Groitzsch 1144 fiel die Burg an den [[Wettiner]] [[Dedo V. der Feiste|Dedo V. („den Feisten“)]], der das [[Allod]]ialgut durch Heirat Berthas, der Tochter Wiprechts, erhalten hatte. Seinen Sitz nahm Dedo jedoch höchstwahrscheinlich auf seiner [[Schloss Rochlitz|Burg in Rochlitz]]. Für 1224 sind eine Belagerung der Wehranlage und Brandschatzungen in der Vorburg durch Thüringer Landgraf [[Ludwig IV. (Thüringen)|Ludwig IV. den Heiligen]] bezeugt, die mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit das Ende der Burg IV bedeuteten. === Periode V: 1224 bis um 1300 === Die Burg hatte weitgehend dieselben Ausmaße wie die Vorgängeranlagen, aber offenbar hatte sich die Funktion der Burg völlig verändert. Das Befestigungssystem bestand aus zwei Backsteinmauern, die parallel zueinander am Hang und an der Außenkante des Burgareals verliefen. Im Nordostteil der Burg wurden außerdem zwei gewölbte viereckige Backsteintürme mit Mittelstütze ergraben. Sie hatten ungefähr 10 m innere Seitenlänge und sind wohl ebenfalls Bestandteile der Befestigung gewesen. Die Burginnenfläche wurde zunächst mit dem Bauschutt der am Ende der Periode IV zerstörten Gebäude weiter erhöht und der Wehrturm, soweit er noch erreichbar war, dann nach und nach zur Steingewinnung abgetragen. Mehrere Backsteinbauten, von denen einige Mauerreste und vermutlich Unterfundamente gefunden wurden, lassen auf differenzierte Bedürfnisse schließen. Genauere Aussagen sind schwierig zu machen, da die Reste nur knapp unter der Oberfläche lagen und v.a. bei dem Bau der Gaststätte und anderen Baumaßnahmen nachhaltig gestört worden waren. Neben größeren Gebäudekomplexen bestanden an der Südseite der Burg wahrscheinlich Pferdeställe, wie die in dem Gebäude gemachten Funde vermuten lassen. [[Glasur (Keramik)|Glasierte]] [[Dachziegel]] und Giebelabschlüsse betonten den repräsentativen Charakter der Anlage. Auch diese Burg wurde gewaltsam vernichtet, wie Schutt- und Ascheschichten und v.a. darin eingebettete menschliche Überreste klar belegen. Aus Burg V stammt das umfangreichste Fundmaterial aller fünf Befestigungen. Fast unvermittelt tritt eine gänzlich neue Art von Keramik, sogenannte graue/blaugraue Irdenware auf, die das Bild völlig dominiert. In weiter zunehmender Zahl wird glasierte Keramik verwendet, wobei das Bruchstück eines Spielzeugpferdchens mit Reiter besonders zu erwähnen ist. Außerdem liegen die Bruchstücke zweier [[Aquamanile]] (Handwasch- /Gießgefäße) vor. Die übrigen reichhaltige Fundmaterialien geben einen Querschnitt durch das Inventar einer mittelalterlichen Burg: verschiedene Produktionsgerät wie Bohrer, Meißel, Äxte, Knochengriffe für Geräte, außerdem Messer, Beschläge, Steck- und Bartschlüssel usw.. Mehrere Stücke, vornehmlich aus Eisen, wie Striegel, Trensenteile, Hufeisen, Sporen und Steigbügel belegen die Anwesenheit von Ross und Reiter. Des weiteren liegen auch Teile der Bewaffnung wie Messer, Schwerter (Parierstange) sowie Pfeil- und Armbrustspitzen vor. Der Beginn der Burg V um 1224 wird durch das Vorkommen von grauer/blaugrauer Irdenware gesichert. Aufgrund einer [[Brakteat]]endose, die zwischen 1280 und 1288 hergestellt wurde, und dem Fehlen jüngerer Keramiktypen kann das Ende der Burg in die Zeit um 1300 datiert werden. Wahrscheinlich erfolgte die restlose Zerstörung in den Erbfolgekriegen 1294 oder 1296 beziehungsweise spätestens bei dem Durchzug der Truppen [[Adolf von Nassau]]s 1306/07. Auf dem Westrand des Burgberges bestand eine kleine Turmhügelbefestigung weiter, auf die die mit dem Burggrafenamt verbundenen Rechte und Pflichten übergingen. Das Amt Groitzsch hatte jedoch seine Bedeutung weitgehend verloren. == Literatur == * Susanne Baudisch: ''Burgen und Herrensitze in Nordwestsachsen.'' Ausgang 11. Jahrhundert bis Mitte 14. Jahrhundert. Haus Katzbach, Regis-Breitingen 1996. ISBN 3-930044-04-8 * Hansjürgen Brachmann: ''Zum Burgenbau salischer Zeit zwischen Harz und Elbe.'' In: [[Horst Wolfgang Böhme]] (Hrsg.): ''Burgen der Salierzeit.'' Teil 1. In den nördlichen Landschaften des Reiches. Publikation zur Ausstellung „Die Salier und ihr Reich“. RGZM-Monografien. Bd 25. Thorbecke, Sigmaringen 1992, S.97-148 (hierzu bes. 135-137). ISBN 3-7995-4134-9 * Lothar Herklotz: ''Groitzsch, Wiprechtsburg.'' In: ''Leipzig und sein Umland.'' Archäologie zwischen Elster und Mulde. Führer zu archäologischen Denkmälern in Deutschland. Bd 32. Theiss, Stuttgart 1996, S.142-146. ISBN 3-8062-1272-4 * Yves Hoffmann: ''Ein „Turmstreit“ oder ein Methodenstreit? Über das Datieren von Bauwerken.'' in: ''Burgen und Schlössern in Sachsen-Anhalt.'' Halle Saale 9.2000, S.67-83 (hierzu 78f.). {{ISSN|0944-4157}} * Herbert Küas, Manfred Kobuch: ''Rundkapellen des Wiprecht von Groitzsch.'' Bauwerk und Geschichte. Veröffentlichungen des Landesmuseums für Vorgeschichte. Bd 15. Deutscher Vlg der Wissenschaften, Berlin 1977. {{ISSN|0070-7201}} * Herbert Küas: ''Steinbauten der Wiprechtsburg bei Groitzsch, Kreis Borna, seit dem Ende des 11. Jahrhunderts.'' in: ''Arbeits- und Forschungsberichte zur sächsischen Bodendenkmalpflege.'' Landesamt, Dresden 23.1979, S.107-146. {{ISSN|0402-7817}} * Heinz-Joachim Vogt: ''Die Wiprechtsburg Groitzsch. Eine mittelalterliche Befestigung in Westsachsen.'' Veröffentlichungen des [[Landesmuseum für Vorgeschichte Dresden|Landesmuseums für Vorgeschichte Dresden]]. Bd 18. Berlin 1987. ISBN 3-326-00067-7 * Heinz-Joachim Vogt: ''Die archäologische Untersuchung auf der Wiprechtsburg bei Groitzsch, Kr. Borna.'' In: ''Archäologische Feldforschungen in Sachsen. Arbeits- und Forschungsberichte zur sächsischen Bodendenkmalpflege.'' Beiheft 18. Berlin 1988, S.387-396. ISBN 3-326-00337-4. * Thomas Nabert (Hrsg.): ''Im Elsterland zwischen Zwenkau, Groitzsch und Pegau.'' Hrsg. von Pro Leipzig in Zusammenarbeit mit den Städten Zwenkau, Groitzsch und Pegau. Leipzig 2002. ISBN 3-936508-92-5. == Siehe auch == * [[Liste der Burgen und Schlösser in Sachsen]] == Weblinks == {{Commons|Wiprechtsburg Groitzsch}} * [http://www.leipzigerneuseenland.de/tvll/cms/front_content.php?client=1&lang=1&parent=8&subid=8&idcat=56&idart=177 Die Wiprechtsburg] auf den Seiten des Tourismusvereins Leipziger Neuseenland e.V. * [http://www.dickemauern.de/groitzsch/ Kurzinformationen und Ansichten] * [http://www.lireel.de/sehenswertes/wiprechtsburg/wiprechtsburg.html Eine große Karten und Informationen und Bilder zur touristischen Nutzung.] {{Exzellent}} [[Kategorie:Burgwall in Sachsen]] [[Kategorie:Burgruine in Sachsen]] [[Kategorie:Zentralbau]] [[Kategorie:Groitzsch]] 1hzvgqf7ynrzkflhfpb80c6nycsp0yr wikitext text/x-wiki Wirtschaftsgeschichte der Republik Venedig 0 24528 28359 27410 2011-07-17T14:24:47Z 87.90.98.111 /* Schlagartiger Reichtum und feudaler Lebensstil */ Die '''Wirtschaftsgeschichte der [[Republik Venedig]]''' und der die Stadt umgebenden Lagune reicht bis in die [[Etrusker|etruskische]] Zeit zurück. Am äußersten Ende der [[Adriatisches Meer|Adria]] gelegen, profitierte die Stadt im Mittelalter von ihrer Lage nahe an den Märkten<ref>Der Begriff ist hier nicht im modernen Sinne zu verstehen (vgl. [[Kapitalismus]], [[Markt (Ökonomie)|Markt]]), wenn auch die Tauschbeziehungen gerade innerhalb Venedigs sehr früh und stark marktvermittelt waren.</ref> Mitteleuropas und von der Zugehörigkeit zu [[Byzantinisches Reich|Byzanz]]. Sie errang bei zunehmender Autonomie Handelsvorrechte sowohl in Byzanz als auch im [[Heiliges Römisches Reich|Heiligen Römischen Reich]]. Mit dem [[Vierter Kreuzzug|4. Kreuzzug]] wurde der [[Doge von Venedig|Doge]] 1204 nominell zum Herrn von drei Achteln des Byzantinischen Reiches, und ein [[Venezianische Kolonien|Kolonialreich]] entstand. Es bildete das logistische Rückgrat der Schiffskonvois und des freien Handels<ref>Mit „freiem“ Handel ist hier der nicht der Steuerung durch Vorschriften der Kommune und durch von der Kommune bestellte Schiffsführer unterworfene Handel gemeint, der auch außerhalb von Konvois fahren durfte.</ref>, sowie der Versorgung Venedigs mit dem Grundnahrungsmittel [[Weizen]]. [[Bild:Giovanni Battista Tiepolo 080.jpg|thumb|[[Neptun (Mythologie)|Neptun]] bietet Venedig Gaben, [[Giovanni Battista Tiepolo|Giambattista Tiepolo]] 1748–50, Öl auf Leinwand, 135 × 275 cm, [[Dogenpalast]]]] Die ''kommerzielle Revolution''<ref>Raymond de Roover: ''The Commercial Revolution of the Thirteenth Century''. Diskussionsbeitrag zu N. S. B. Grass: ''Capitalism - Concept and History'', in: Business History Review 16 (1942) 34-36, Nachdruck 1962.</ref> mit ihren neuen Organisations-, Lebens- und Kulturformen führte zu einer zuvor nie gesehenen Dominanz des Wirtschaftlichen, des Rechenhaften und der Kontrollmechanismen. Venedigs Handelstechniken, Gesellschaftsformen und Finanzierungsmethoden<ref>Zum Finanzmarkt vgl. Hans-Jürgen Hübner: ''Quia bonum sit anticipare tempus. Die kommunale Versorgung Venedigs mit Brot und Getreide vom späten 12. bis ins 15. Jahrhundert'', Frankfurt u.a. 1998, ISBN 978-3-631-32870-5, S. 111–198, leicht überarbeitet [http://www.geschichte-venedigs.de/finanz.html online] (ohne Anmm).</ref>, aber auch Mittel der Wirtschaftsförderung, sind der europäischen Entwicklung oft weit vorausgeeilt. Kreuzzüge und die Eroberung Konstantinopels öffneten für mehrere Jahrhunderte zugleich den direkten Handel bis tief nach Asien, doch erforderten diese Handelsreisen, ebenso wie die Ausstattung der regelmäßigen [[Geleitschutz (Militär)#Schifffahrt|Schiffskonvois]], Kapitalmengen, die überwiegend als [[Kredit]]e bereitgestellt wurden. Dabei verfügte nur der [[Adel]]<ref>In der Literatur wird der Stadtadel häufig als ''Patriziat'' bezeichnet, jedoch hat sich in der deutschsprachigen Literatur der Begriff ''Adel'' zur Bezeichnung der im Fernhandel tätigen und politisch führenden Familien weitgehend etabliert (Girgensohn, Rösch).</ref> über das Recht, den [[Fernhandel]] zu betreiben – bekannt ist das Quasi-Monopol im Pfefferhandel<ref>Zu Monopolen im 15. Jahrhundert: Helmut Schippel: ''La storia delle privative industriali nella Venezia del '400'', Venedig 1989.</ref> –, derselbe Adel, der auch die politische Führung monopolisierte. Trotz der Dominanz des Zwischenhandels war der [[Schiffbau]] die herausragende „[[Industrie]]“ und der mit Abstand größte „Arbeitgeber“. Dazu kamen im Spätmittelalter die Produktion von [[Tuch]]en, von [[Seide]] und [[Glas]]. Von größter Bedeutung waren ebenso der monopolisierte [[Salzhandel]]<ref>Vgl. die einschlägigen Arbeiten von Hocquet.</ref> und der Getreidehandel, der nicht weniger zum Vermögen des Adels beitrug, als der gesamte übrige Handel.<ref>Hübner, Quia bonum sit anticipare tempus, 132.</ref> Von Anfang an hatte sich Venedig scharfer Konkurrenz zu erwehren, und lieferte sich allein mit [[Genua]] vier umfassende Kriege. In der [[Frühe Neuzeit|Frühen Neuzeit]] verlor Venedig nach und nach seine Kolonien an die [[Osmanisches Reich|Osmanen]] und büßte die Monopolstellung in der Adria ein. Zudem verdrängten [[Republik der Sieben Vereinigten Niederlande|Holländer]] und [[Geschichte Englands#Das Elisabethanische Zeitalter|Engländer]] die venezianische Konkurrenz und die Portugiesen zogen den Gewürzhandel an sich. Darüber hinaus erschwerte der [[Protektionismus]] in den Staaten Europas und im Osmanenreich den Marktzugang. So basierte die Regionalmacht am Ende überwiegend auf der Produktion von Luxusartikeln und der Agrarproduktion des oberitalienischen Festlands. == Bis zum 9. Jahrhundert == [[Bild:TorcelloLagune.jpg|thumb|Die Kathedrale auf dem heute fast unbewohnten [[Torcello]], Michael Johanning 1985]] [[Bild:Venice Denaro 814 631878.jpg|thumb]] In der Antike lag der Meeresspiegel mehrere Meter tiefer als heute. [[Griechische Antike|Griechische]] und etruskische Spuren deuten auf frühere Besiedlung hin, als lange angenommen.<ref>[http://www.archeosub.it/lgngreca.htm Graziano Tavan: ''Archeologia della Laguna di Venezia'', in: Veneto Archeologico Januar/Februar 1999]</ref> [[Chioggia]] (Clodia) war eine [[Römisches Reich|römische]] Militärsiedlung und im [[Fontego dei Turchi]] am [[Canal Grande]] kam eine Münze aus der Zeit Kaiser [[Trajan]]s zu Tage. Spätestens im 6. Jahrhundert spielen Fischerei, besonders [[Meersalz]] und [[Getreide]] die Hauptrollen.<ref> Cassiodor, Variae, X, 27 und XII, 24</ref> Um 750 untersagte jedoch der [[Langobarden]]könig [[Aistulf]] jeden Handel mit den byzantinischen Untertanen, damit wohl auch mit den Orten der Lagune.<ref>Beyerle, Leges Langobardorum, 195 (Ahistulfi leges I,4). </ref> Doch um 780 lassen sich Händler in [[Pavia]] fassen, die orientalische Waren zum Verkauf anboten, wie [[Purpur (Farbstoff)|Purpurstoffe]] aus [[Tyros]].<ref>Honorantiae Civitatis Papiae</ref> Bereits vor 785 residierten außerdem venezianische Händler in [[Ravenna]] und in der [[Pentapolis]], die von den Franken 787/791 „vertrieben“ wurden.<ref>Codex Carolinus 86, Monumenta Germaniae Historica, Epistolae III, S. 622</ref> Schon früher waren sie zu Zeiten Papst [[Zacharias (Papst)|Zacharias']] (741–52) im Sklavenhandel mit den [[Sarazenen]] tätig.<ref>Liber pontificalis 222, Hg. Duchesne</ref> [[Bild:Venezia denaro 819 76001716.jpg|thumb|Venezianische Denare aus der Zeit Ludwigs des Frommen, 1,13 g. Auf der Vorderseite HLVDOVVICVS IMP um ein Kreuz, auf der Rückseite VINICIAS]] Der Handel war dabei noch überwiegend [[Tauschhandel]]. Zwar kannte man [[Münze]]n, und man prägte sogar eigene, indem man die kaiserlichen, z. B. die Kaiser [[Ludwig der Fromme|Ludwigs des Frommen]], übernahm und auf der Rückseite „Vinicias“ einprägte. Doch bevorzugte man die Münzen Veronas. Eine eigene Münzprägestätte, die ''[[Zecca]]'' (arab. ''Münze''), lässt sich zu Anfang des 9. Jahrhunderts fassen. Die frühe Phase der „[[Feudalismus|Feudalisierung]]“ mit dem Erwerb umfangreicher Landgüter brachte erste, größere [[Kapital]]mengen in die Hand einzelner Familien.<ref>Um diese „frühkapitalistische“ Phase entstand Ende des 19. Jahrhunderts eine Debatte (Reinhard Heynen: ''Zur Entstehung des Kapitalismus in Venedig'', Stuttgart, Berlin 1905; Werner Sombart: ''Der moderne Kapitalismus'', Leipzig 1900 u. a.)</ref> Das [[Testament]] des Dogen [[Giustiniano Participazio]] von 829 zeigt, dass außer den Wirtschafts- und Wohnbauten Handelsgüter, Schmuck, vor allem aber Bargeld und Kredite zu seinem Vermögen gehörten – und schließlich erhebliche Summen, die zur Zeit seines Todes noch in Handelsunternehmen steckten. Die Führungsschicht war also fast von Anfang an sehr stark im Handel tätig, im Gegensatz zu ihren Standesgenossen auf dem Festland. <br style="clear:both;" /> == Zwischen Byzanz und dem Heiligen Römischen Reich (9. bis 12. Jahrhundert) == [[Bild:Republik Venedig.png|thumb|upright=1.5|Venezianische Besitzungen um das Jahr 1000]] Mit der Zerstörung [[Comacchio]]s (854 bzw. 946), das die Mündung des Po beherrschte, war der Handel bis Pavia und [[Piacenza]] frei – in die sich dahinter anschließenden Gebiete hatte schon ein Abkommen mit [[Karl III. (Ostfrankenreich)|Karl III.]] die Handelswege geöffnet. Ähnliche Ziele verfolgte Venedig in [[Istrien]]. Viel schwieriger war das Verhältnis zu den ''[[Narentaner]]n'', den [[Piraterie|Piraten]] [[Dalmatien]]s. Erst 1000 gelang es dem Dogen [[Pietro II. Orseolo]], das nördliche und mittlere Dalmatien seiner Oberherrschaft zu unterwerfen.<ref>Vgl. Johannes hoffmann, Venedig und die Narentaner, in: Studi Veneziani 11 (1969) 3-41.</ref> Die Privilegierung des Handels im Reich<ref>Grundlegend für die Handelsbezienungen: Gerhard Rösch, Venedig und das Reich in ihren handels- und verkehrspolitischen Beziehungen der deutschen Kaiserzeit, Tübingen 1998.</ref> in Kombination mit der Beherrschung der Adria stellte das westliche Pendant zu einer ersten [[Bulle (Urkunde)|Goldbulle]] des byzantinischen Kaisers von 992 dar<ref>Zur Wirtschaft von Byzanz: Angeliki E. Laiou (Hg.): ''The Economic History of Byzantium. From the Seventh through the Fifteenth Century'', 3 Bde, Washington 2002.</ref>, der weitere Handelsprivilegien folgten.<ref>Erstmals wurde der in [[Abydos (Kleinasien)|Abydos]] eingezogene Zoll von durchschnittlich wohl 30 auf 17 ''Soldi'' gesenkt und venezianische Schiffe mussten keine Waren mehr für [[Amalfi]], [[Bari]] oder für Juden fahren. Dies und das zu Byzanz Folgende nach Ralph-Johannes Lilie: ''Handel und Politik zwischen dem Byzantinischen Reich und den italienischen Kommunen Venedig, Pisa und Genua in der Epoche der Komnenen und Angeloi (1081–1204)'', Amsterdam 1984. Zum 11. Jahrhundert vgl. Peter Frankopan: ''Byzantine trade privileges to Venice in the eleventh century: the chrysobull of 1092'', in: Journal of Medieval History 30 (2004) 135-160.</ref> Wie im Westen, so war Venedig nun auch im Osten bevorrechtet. Im Gegenzug für militärische Hilfe gegen die Araber Süditaliens hatte Kaiser [[Basileios II.]] die Abgaben pro Handelsschiff beinahe halbiert. Gleichzeitig nahmen Venezianer Handelskontakte bis nach [[Tunis]] auf. Dorthin, und nach [[Alexandria]], lieferten sie Holz, Waffen und Metalle, und slawische Sklaven – auch wenn dieser Handel 960 verboten wurde.<ref>Dölger, Regesten n. 738</ref> Der Durchbruch gelang 1082 mit dem [[Privileg]] Kaiser [[Alexios I. (Byzanz)|Alexios' I.]], das den freien Handel garantierte und große Teile des Reichs überhaupt erst öffnete. Eigene Kaufmannskolonien, Handelshäuser und Anlegestellen kamen an die Venezianer. Die mit Abstand größte Kolonie entstand dabei am [[Goldenes Horn (Türkei)|Goldenen Horn]] in Konstantinopel. Auch im [[Heiliges Land|Heiligen Land]], das ab 1098 von den [[Kreuzzug|Kreuzfahrer]]n erobert wurde, erhielt Venedig das Recht auf freien Handel, weil es 1100 [[Gottfried von Bouillon]] unterstützt, und vor allem [[Tyros]], das Handelszentrum in [[Syrien]], erobert hatte. Die Kolonien stellten eine fast autarke Stadt in der Stadt dar, meist sogar ummauert, von Syrien und [[Königreich Kleinarmenien|Kleinarmenien]] aus dirigierten sie den Handel bis tief nach Asien. Auch Alexandria und der [[Maghreb]] wurden häufiges Ziel ihres Handels. Das Pendant des Privilegs von 1082 stellte das Privileg Kaiser [[Heinrich IV. (HRR)|Heinrichs IV.]] dar, das er 1084 für das [[Heiliges Römisches Reich|Heilige Römische Reich]] ausstellte. Tief verstrickt in den [[Investiturstreit]] erlaubte er Venedig den Handel im gesamten Reich, den Reichsbewohnern aber nur den Handel bis Venedig. Damit hatte die Stadt den Adriahandel monopolisiert, denn dort durften nur Waren nach Venedig gebracht werden, das heißt die Stadt setzte das [[Stapelrecht]] durch. Stapel und Umschlag zwangen die Händler von außerhalb dazu, sich in Handelshäusern einzufinden, wobei die als „Deutsche“ bezeichneten Händler aus dem Reich im [[Fondaco dei Tedeschi|Handelshaus der Deutschen]] wohnen mussten. Um 1130 gelang es den vorherrschenden Familien, den Einfluss des Klerus' deutlich einzuschränken, und sich in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts einen erheblichen Teil der Güter der rund 100 kirchlichen Einrichtungen anzueignen. Nun versuchten die alten Familien den Verkauf von Kirchenbesitz einzuschränken, indem sie bestimmten, dass etwa im Falle von Klosterbesitz der Abt und das Kapitel, der Bischof und ein weltlicher Advokat zustimmen mussten. In der Folge drängten die zu Reichtum gelangten neuen Familien, denen hier der Zugriff verwehrt wurde, auf Besitzerwerb auf dem Festland. == Kapitalvervielfachung, Kolonien und Konflikte in der Herrenschicht (1171 bis 1261) == Die venezianischen Privilegien wurden zu einer Bedrohung des byzantinischen Handels und der Einnahmen des Staates. Obwohl die daraus resultierende Feindseligkeit seit Jahrzehnten erkennbar war<ref>Vgl. Eric R. Dursteler: Venetians in Constantinople. Nation, identity, and coexistence in the early modern Mediterranean, Baltimore/London: The Johns Hopkins University Press 2006, ISBN 978-0-8018-8324-8.</ref>, erfolgte die Verhaftung aller (angeblich) 10.000 Venezianer im Byzantinischen Reich am 12. März 1171 und das folgende Handelsverbot völlig überraschend. Das Händlerquartier am Goldenen Horn wurde praktisch aufgehoben. Der militärische Gegenschlag scheiterte trotz des Einsatzes von 120 Galeeren. In Venedig kam es zu Tumulten und der [[Doge von Venedig|Doge]] [[Vitale Michiel II.]] wurde auf offener Straße erschlagen. Venedig verlor alle Vorrechte und konnte erst 14&nbsp;Jahre später wieder ein wenig Fuß fassen. Mit dem [[Vierter Kreuzzug|IV. Kreuzzug]] bot sich dem Dogen [[Enrico Dandolo]] eine Gelegenheit zur Rache am verhassten Kaiserreich. === Schlagartiger Reichtum und feudaler Lebensstil === [[Bild:Siege constantinople bnf fr2691.jpg|thumb|Belagerung Konstantinopels, Jean Chartier, 3. Viertel des 15. Jahrhunderts, Bibliothèque nationale de France, Manuscript Français 2691 folio CCXLVI]] [[Bild:Fondaco dei Turchi.jpg|thumb|Der älteste erhaltene Stadtpalast, das spätere Handelshaus der Türken (Fontego dei Turchi), H.-J. Hübner 2007]] Die Eroberung Konstantinopels und die Errichtung eines [[Venezianische Kolonien|Kolonialreichs]] machten Venedig, gegen den wachsenden Widerstand [[Genua]]s, zur Vormacht im östlichen Mittelmeer.<ref>Dazu: Wolfgang von Stromer (Hg.): ''Venedig und die Weltwirtschaft um 1200'', Sigmaringen 1999.</ref> Dieses Kolonialreich und das [[Lateinisches Kaiserreich|Lateinische Kaiserreich]] (1204–1261) bildeten den politischen Rahmen für die massive Expansion des Handels. Darüber hinaus partizipierten die Händler am Warenaustausch mit dem [[Heiliges Land|Heiligen Land]], wo bis 1291 [[Akkon]] eine wichtige Handelsdrehscheibe bildete. Der Handel war zunächst gar nicht in der Lage, solche Kapitalmengen aufzunehmen, so dass zahlreiche Adlige, aber auch „neureiche“ Popularen, die „Populari grassi“<ref>Zur Entstehung und Abschließung des Adels vgl. Gerhard Rösch: ''Der venezianische Adel bis zur Schliessung des Grossen Rates: zur Genese einer Führungsschicht'', Sigmaringen: Thorbecke 1989.</ref>, Land auf der [[Terraferma|Terra ferma]] kauften – trotz des massiven Widerstands der betroffenen Städte. Der Gegensatz zwischen den beiden Gruppen des Adels und der Neuaufsteiger löste sich nach und nach dadurch, dass die beiden Gruppen zum neuen, beherrschenden Stand der ''Magni'' verschmolzen. Diese teilten sich die politische Macht und die Gewinne aus dem Fernhandel.<ref>Vgl. Irmgard Fees: ''Reichtum und Macht im mittelalterlichen Venedig. Die Familie Ziani'', Tübingen 1988.</ref> Außerdem verschlossen sie den begehrten Lebensstil, zu dem ein Landgut zunehmend gehörte, weiteren Aufsteigern. Dazu wurde ab 1226 der Grundstückspreis vom Staat festgesetzt, und zwar so, dass er mit höherem Verwandtschaftsgrad rapide sank. Der Doge durfte außerhalb des venezianischen Machtbereichs keinen Grund erwerben.<ref>Giorgio Cracco: ''Società e stato nel medioevo veneziano'', Florenz 1967, S. 81. Dandolo nennt diese neuen Bestimmungen „statuta de vendicione posesionum ad ussum novum“ (S. 290).</ref> 1297 wurde schließlich genau festgesetzt, wer zum Kreis des Adels gehörte (Serrata). Des Weiteren entstanden sowohl in Venedig als auch im Kolonialreich an vielen Stellen neue Machtpositionen, die den fast ausschließlich adligen Inhabern ein Auskommen sicherten. Damit war der neuformierte Adelsstand gegenüber der restlichen Bevölkerung erheblich privilegiert. Einige Adlige eroberten zudem in der Ägäis ganze [[Venezianische Kolonien#Inseln in der Ägäis|Inselreiche]]. Durch den intensivierten Handel und durch die Kriegsanstrengungen stieg der Bedarf an Schiffsbesatzungen stark an, was zahlreichen Männern Beschäftigung bot. Außerdem verringerte man die soziale Sprengkraft, die die Veränderungen bewirkten, indem drei- bis viertausend Männer nebst ihren Familien die Besiedlung [[Venezianische Kolonien#Candia (Kreta)|Kretas]] ab 1211 übernahmen. Sie erhielten dort Feudalgüter und wurden so an den Möglichkeiten gesellschaftlichen Aufstiegs beteiligt. === Kolonialreich und Handelskolonien === Das [[Venezianische Kolonien|Kolonialreich]] zog sich von der Lagune bis nach Kreta.<ref>Zur Kolonialgeschichte immer noch grundlegend: Freddy Thiriet: ''La Romanie vénitienne'' von 1959.</ref> Der Mittelpunkt des Kolonialreichs war zunächst die Kaufmannschaft am [[Goldenes Horn (Türkei)|Goldenen Horn]]. Obwohl Venedig gar nicht in der Lage war, die während der Belagerung Konstantinopels als ihren Anteil vereinbarten drei Achtel des Byzantinerreichs in Besitz zu nehmen, sicherte es sich doch die wichtigsten Punkte, an denen Lagerhäuser, Unterkünfte, Getreide- und Schiffszwiebackspeicher, eigene Flotten und auch Nachrichtensysteme eingerichtet wurden, die den Handel stark beförderten und sicherten. Zusätzlich saßen in [[Bari]] und [[Syrakus]], in [[Tripolis]] und [[Tunis]], auf den [[Balearen]] und in [[Valencia]], [[Sevilla]] und [[Barcelona]], in [[Montpellier]], [[Nîmes]] und [[Aigues-Mortes]], in [[Southampton]] und [[London]], vor allem aber in [[Brügge]] – kleine, kapitalstarke, kundige Gruppen von Männern, die das Rückgrat des dortigen Handels bildeten. Dazu kam ein festes Kuriersystem, das Brügge und Venedig binnen acht Tagen verband. Schließlich konnten Händler Stationen in [[Augsburg]], [[Ulm]], [[Nürnberg]], [[Frankfurt am Main|Frankfurt]], [[Köln]] und [[Wien]] nutzen. Darüber hinaus zeigen zahllose Händlerbriefe, dass man sich mit jedem Schreiben über Preisschwankungen, Zolländerungen und Wechselkurse bis hin zu Gerüchten über politische Umbrüche auf dem Laufenden hielt. === Zuwanderung === Venedig, das um 1300 vielleicht 85.000 bis 100.000 Einwohner hatte, konnte die durch Handelsniederlassungen und Kolonisierungen entstandenen Bevölkerungseinbußen nur verkraften, weil zugleich viele Menschen in die Metropole einwanderten. Venedig förderte dabei, vor allem nach den [[Schwarzer Tod|Pestwellen ab 1348]], die Zuwanderung von Spezialisten, wie [[Lucca|Luccheser]] Seidenwebern oder Mühlenbauern und Bäckern aus dem [[Heiliges Römisches Reich|''Römischen Reich'']]. Die Stadt wuchs dabei hauptsächlich nach innen, das heißt, bisher von Gärten und Sümpfen geprägte Stadtteile wurden zunehmend bebaut. Ähnliche Kolonien wie die Handwerker bildeten die ausländischen Händler, die sich, wie die Mailänder, in einer Gasse nahe bei Rialto ballten. Ab dem 14. Jahrhundert traten die vor allem im Tuchhandel tätigen Toskaner hervor, die im Bankgewerbe eine wichtige Rolle spielten, allen voran die Florentiner. Aus Süditalien kamen vor allem Apulier, dazu Slawen, Griechen und Franzosen, wenn auch in geringerer Zahl. Ab etwa 1250 kamen Leute aus dem Reich – seien es Deutsche, Ungarn, oder Böhmen, die pauschal „Tedeschi“ genannt wurden – im „Handelshaus der Deutschen“ (Fondaco dei Tedeschi) unter. Eigene ''Visdomini del Fondaco'' überwachten die Tätigkeit der Bewohner, Makler vermittelten den Handel, überwachten ihn aber auch. Schließlich siedelte sich eine Gruppe von Zuwanderern, die Juden, mehrheitlich in [[Mestre]] an.<ref>Vgl. Reinhold C. Mueller, The Jewish Moneylenders of late Trecento Venice: a revisitation, in: The Mediterranean Historical Review 10 (1995) 202–17.</ref> Dort waren sie beispielsweise im Kreditwesen tätig und boten – zum Ärger der eingesessenen Wucherer – erheblich günstigere Kredite. Erst mit der Gründung des [[Ghetto (Venedig)|Ghettos]] ab 1516 lebte der überwiegende Teil von ihnen in einem abgeschlossenen Quartier. == Venedig als Welthandelsmacht (13. bis 15. Jahrhundert) == [[Bild:Marco Polo. Map of explore.jpg|thumb|upright=1.5|Reiseroute [[Marco Polo]]s]] Mit dem endgültigen Fall [[Jerusalem]]s (1244) verlagerte sich die Ausgangsbasis des Handels Richtung [[Bagdad]] und [[Täbriz]] nach [[Königreich Kleinarmenien|Kleinarmenien]]. Doch mit der Expansion der ägyptischen [[Mamelucken]] bis nach Syrien – 1291 fiel als letzte Stadt [[Akkon]] – wurden die Venezianer aus dem Nahen Osten verdrängt. So drängten sie in den Handel über das Schwarze Meer<ref>Vgl. Sergej P. Karpov, La navigazione veneziana nel Mar nero, XIII–XV sec., Ravenn 2000 ISBN 8875673594.</ref> Richtung Armenien, [[Iran|Persien]], [[Turkestan]]. Nach zähen Verhandlungen wurden sie wieder zum Handel im Byzantinischen Reich zugelassen. Das war umso wichtiger, als die Durchfahrt durch den [[Bosporus]] die wichtigste Voraussetzung für den Zentralasienhandel darstellte. Nicht zufällig reiste [[Marco Polo]] von 1278 bis 1291 durch Asien. Ein zweiter Weg führte von [[Trabzon|Trapezunt]] über den [[Persischer Golf|Persischen Golf]] bis nach [[Indien]], ein dritter führte von [[Tanais|Tana]] an der Mündung des [[Don (Russland)|Don]] über [[Wolga]] und [[Kaspisches Meer]] bis nach Indien. === Handelsstrukturen === ==== Gesellschaftsformen und Kredit ==== Einfache Kredite waren für den Handel zu teuer (ca. 20 % pro Jahr bei extremen Schwankungen, dazu hohe Bürgschaften),<ref>Luzzatto: ''Storia economica'', 82.</ref> und auch der Handelskredit (mutuo ad negotiandum) bot nur den Vorteil, dass er durch Teilung des erwarteten Handelsgewinns abgedeckt werden konnte. Für den Überseehandel setzte sich ab der 2. Hälfte des 12. Jahrhunderts der Seehandelskredit (prestito maritimo) durch, der eher eine Art Gewinnbeteiligung darstellte. Der Vorteil für die Kreditnehmer lag darin, dass sie über das Geld frei verfügen konnten und keiner sonst üblichen Kontrolle unterlagen. Die ''Comenda'', die auf diese Art Geldgeber und Händler verband, weitete sich durch mehrere Teilhaber an einem einzelnen Unternehmen zur ''Colleganza'' aus. Von etwa 1200 bis 1350 war sie die vorherrschende Form der Handelsgesellschaft. Dabei steuerte ein stiller Teilhaber etwa drei Viertel des Investivkapitals bei, der aktive Teilhaber, der die Handelsfahrt durchführte, den Rest. Zweck, Aufgabenverteilung und Anteile wurden vor der Reise schriftlich festgelegt, doch konnte der aktive Teilhaber seine Gewinne schon unterwegs wieder investieren. Stiller und aktiver Teilhaber waren zwei mögliche Rollen, die mit jeder Fahrt neu festgelegt wurden, wobei häufig mehrere stille Teilhaber das nötige Kapital stellten. So wurden die Risiken verteilt und zugleich Kumulationsmöglichkeiten eröffnet. Aus dem Überseehandel wurde diese Gesellschaftsform erst Ende des 14. Jahrhunderts durch regelrechte ''Societates'' verdrängt, Handelsgesellschaften, die auf längere Zeit angelegt waren, und ohne Festlegung auf eine einzelne Handelsfahrt bestanden. Außerdem ermöglichten [[Buchführung#Doppelte Buchführung – Grundlagen|doppelte Buchführung]] und die Einrichtung fester [[Faktorei]]en im Ausland eine viel engere Kontrolle und Steuerung, zugleich aber auch eine engere Verflechtung mit den auswärtigen Märkten. Auch gestattete sie die reine Kapitalbeteiligung. Gegen die mangelnde Kontinuität und Überprüfbarkeit dieser Geschäfte setzte man ein weiteres Konzept: das der Familie. So galten Brüder auch ohne Vertrag als Gesellschaft (fraterna societas).<ref>Vgl. Frederic C. Lane, Family Patnerships and Joint Ventures in the Venetian Republic, in: Journal of Economic History 4 (1944) 178–196.</ref> Damit hafteten sie füreinander. ==== Überseehandel, Konvois für Luxusgüter und Massengüter ==== [[Bild:Venice-galleyslaves.jpg|thumb|Modell einer Galeere, Venedig, Museo Storico Navale]] Spätestens in der 2. Hälfte des 13. Jahrhunderts verkehrten ''Mude'' genannte Schiffskonvois meist zweimal pro Jahr, im Frühjahr und im August oder September. Dabei nahmen je 30 – 50 Schiffe teil. Anfangs waren die Schiffe, die in die Romania (das Gebiet des Byzantinischen Reiches) fuhren, kleiner, dafür ihre Zahl größer: meistens neun oder zehn Galeeren. Später fuhren oftmals nur zwei bis vier. Bald stieg die Zahl der ''Mude'' auf bis zu fünf pro Jahr. Ab Beginn des 14. Jahrhunderts fuhren sie auch nach England und [[Flandern]], nach Tunis und [[Aigues-Mortes]]. Trotz sinkender Schiffszahlen stieg die Gesamtwarenlast von 3 bis 5.000 auf 7.500 bis 10.000 t an, immer größere Schiffe verkehrten, zu denen sich häufig auch unbewaffnete, private Schiffe gesellten. Die Anpassung an die Zeiten der Befahrbarkeit des Meeres und die Passierbarkeit der [[Alpen]] stellte dabei die Rahmenbedingung dar. Zeitgerechte Lieferung der aus der [[Levante]] kommenden Waren an die Kaufleute des Reichs und umgekehrt war eine wichtige Voraussetzung für den schnellen Kapitalumschlag. [[Bild:Canaletto Bacino di San Marco.jpg|thumb|Canaletto, Bacino di San Marco, 1738-40, Öl auf Leinwand, 125 x 204 cm, Museum of Fine Arts, Boston. Blick aus Richtung Dogana da mar (Zollhaus für Waren, die über die Adria kamen) ostwärts]] Doch nicht nur die Konkurrenz anderer Seemächte trug zur Unsicherheit auf dem Meer bei, sondern auch Piratenflotten. Das Machtvakuum, das die Auflösung der byzantinischen Flotte hinterließ, führte zu einem Aufleben der Piraterie in der gesamten Romania. So entsandte Venedig eine große Flotte von 31 Galeeren, der es schließlich gelang, einen Leo Vetrano („pirata“) mit seiner Flotte zu stellen und neun Galeeren zu kapern.<ref>Dandolo, ed. Pastorello, 282f.</ref>1278 stellte Venedig eine umfangreiche Liste der Überfälle der letzten zehn Jahre zusammen.<ref>Tafel und Thomas III, n. CCCLXX, 159-281, März 1278. Allgemein zum Piratenwesen in der Ägäis: Peter Charanis: ''Piracy in the Aegean during the reign of Michael VIII Paleologus'', in: Mélanges Henri Grégoire. Annuaire de l'Institut de Philologie et d'Histoire Orientale et Slave 10 (1950) 127-136. Grundlegend für die Zeit von 1300 bis 1460: Alberto Tenenti: ''Venezia e la pirateria nel Levante: 1300c.-1460c.'', in: Venezia e il Levante fino al secolo XV, Bd. 1,2, Civiltà Veneziana, Studi 27, Florenz 1973, 705-771.</ref> Piraterie wurde zu einem Faktor, der die Seehandelsorganisation dauerhaft veränderte. Die Unterscheidung zwischen wertvollen Frachten einerseits und Massenverkehr andererseits setzte sich an Land fort. An der ''Dogana da Mar'', wo alle „teuren“ Waren verzollt und eingelagert wurden, waren nur 40 Lastträger, beim Verladen von Mehl und Getreide, typischen Massenwaren, waren jedoch mehrere hundert beschäftigt. Zu den überaus teuren Waren zählten Gewürze, allen voran [[Pfeffer]], [[Aromen]] und [[Parfüm]]e, Farbpigmente, [[Edelsteine]], [[Seide]], aber auch edle Metalle. Dagegen wurden Eisen, Kupfer, Wollstoffe, später auch Leinen und Seide, exportiert. Doch auch Massengüter wie Salz und Getreide, sogar Öl und Baumwolle, wurden in Konvois transportiert, obwohl es sich meistens um private Schiffe handelte. Solche zentralen Steuerungen waren nicht ohne Risiko, denn das gemeinsame Auftreten zahlreicher Händler an einem Ort führte zu heftigen Preisausschlägen. Die Teilnahme an den ''Mude'' erfolgte durch Ersteigerung eines Teils des Schiffsraums. Diese ''Incanti'' waren öffentlich, aber nur wer die vollen Bürgerrechte „de intus et de extra“ besaß, konnte daran teilnehmen. Dazu musste man mindestens 25&nbsp;Jahre in Venedig wohnen und Bürgen beibringen. Allein die Pacht für den Schiffsraum konnte leicht tausend [[Dukaten]] überschreiten. Das ist allerdings eine vergleichsweise geringe Investition, wenn man bedenkt, dass die ''Mude'' aus [[Beirut]] oder Alexandria im 15. Jahrhundert Waren für bis zu 200.000 Dukaten trugen. Der Doge [[Tommaso Mocenigo]] nennt 1423 allein 45 [[Galeere]]n, 300 Segelschiffe mit mehr als 120 t und 3.000 Schiffe und Boote zwischen 6 und 120 t. Sie transportierten eher Massengüter, in erster Linie Getreide und Salz, aber auch Holz, Felle, Pelze, Wein, Baumwolle. Das Holz zum Schiffbau stammte aus dem [[Cadore]], aus [[Trentino]] und [[Tirol]], ebenso von Istrien. Die Händler mussten es zuerst nach Venedig bringen. Das galt auch für [[Pech (Stoff)|Pech]] und [[Hanf]]. Zu dieser Zeit führte man jährlich 4 bis 500.000 ''Libre'' Hanf ein und 1000 ''Libre'' Pech.<ref>Luzzatto, Storia economica 41f.</ref> ==== Die Getreidekammer als Staatsbank ==== [[Bild:Fontego del Megio.jpg|thumb|Hirsespeicher am Canal Grande (neben dem Fontego dei Turchi), erbaut ab 1423, H.-J. Hübner 2007]] Zehntausende Tonnen von Salz und bis zu hunderttausend Tonnen Getreide brachten private Händler nach Venedig – den überwiegenden Teil zum Weiterverkauf nach Oberitalien.<ref>So wurden 1511/12 allein 60.000 Tonnen Weizen nach Venedig verschifft, eine Menge, die ungefähr für 300.000 Menschen ausreichte (Lane, S. 476).</ref> Dabei setzte man jährlich Garantiepreise für Weizen aus, die präzise nach Regionen differenzierten, um den Zulauf bestimmter Sorten und Mengen zu steuern. Da Getreide den natürlichen Zyklen von Aussaat und Ernte unterlag, der Brotkonsum aber eher unelastisch war, trat eine eigene Institution als Zwischenhändler auf, die ''Weizenkammer'' (Camera Frumenti). Dazu bedurfte es aber umfangreicher Geldmittel, die durch Staatsanleihen, Zölle, Getreide- und Mehlverkauf, aber auch Mahl- und Wiegegebühren zusammenkamen. Bald nahmen diese Rücklagen den Charakter einer [[Staatsbank]] an, die Einlagen größten Ausmaßes, auch von ausländischen Potentaten, entgegennahm und verzinste, aber auch selbst Kredite vergab.<ref>Dazu Hans-Jürgen Hübner: ''Cum continue de venditione frumenti recipiat denarios'' und Reinhold C. Mueller: ''La Camera del frumento: un 'banco publico' veneziano e i gruzzoli dei signori di Terra Ferma'', in: Istituzioni, società e potere nella Marca Trevigiana e Veronese (secoli XIII–XV), Rom 1988, 321–360.</ref> Zugleich ergab sich eine enge Verflechtung mit den [[Verfassung der Republik Venedig#Die Prokuratoren|Prokuratoren von San Marco]], die gern als „Finanzministerium“ bezeichnet werden. ==== Fern- und Nahhandel über Flüsse und über Land ==== Bereits 840 garantiert das [[Pactum Lotharii]], ein Vertrag mit dem in Italien herrschenden Enkel Karls des Großen, Venedigs [[Binnenschifffahrt|Flussschiffern]] freie Fahrt über „Land und Flüsse“ innerhalb des ''Regnum Italicum'', wo sie große Mengen Getreide gegen die mitgebrachten orientalischen Waren und gegen Salz eintauschten. Dabei waren die Flussschiffe zwar eher klein, aber ihre große Zahl erlaubte trotzdem große Mengen zu transportieren, wie z. B. 1219, als rund 4.500 t Weizen von Mailand nach Venedig fuhren.<ref>Morozzo della Rocca/Lombardo, Documenti, n. 584.</ref> Doch diese schmalen Handelswege, die den Warentransport großen Stils zu Preisen erlaubten, die den Handel erst lukrativ machten, waren dauernde Konfliktherde. Je mehr Venedig von den Waren des Festlands abhängig wurde, desto mehr pochte man dort auf Durchfahrtsrechte und Zollbefreiung. Gleichzeitig patrouillierte eine venezianische Flussflotte auf dem [[Po (Fluss)|Po]] und auf der [[Etsch]]. Eine bewaffnete Barke konnte zum Schutz von den Händlern herbeigerufen werden. Städte wie [[Bergamo]] oder [[Brixen]] waren jedoch über Flüsse nicht erreichbar. Daher beschloss der Große Rat 1283, die Wege dorthin zu befestigen, was 1286 auch für die Wege der Deutschen und Ungarn gelten sollte. Dabei handelte es sich wohl eher um [[Saumpfad]]e, die für Karren befahrbar waren. [[Altstraße|Straßen]] lassen sich erst im 15. Jahrhundert fassen, und erreichten auf zwei Wegen das Reich: über [[Kärnten]] und über den [[Brennerpass|Brenner]]. ==== Kontrolle und Steuerung des Schiffsverkehrs, Seerecht ==== Spätestens ab dem 13. Jahrhundert unterlag der Schiffsverkehr, sei es der staatlich organisierten Konvois, sei es der eher „privaten“ Schifffahrt, strenger Kontrolle. Dass der Senat bei den Kriegsgaleeren und den ''mude'' die Leitung, die Mannschaft, Sold, Verpflegung, den Zeitpunkt der Abfahrt, die Fracht usw. bestimmte, überrascht wenig, doch auch die übrige Schifffahrt unterlag geradezu pedantischen Kontrollen. Das bezog sich etwa auf die Aushebungen von Mannschaften, vor denen viele flohen.<ref>Das stellte etwa ein Senatsbeschluss vom 23. Januar 1301 fest (Le deliberazioni del Consiglio dei Rogati (Senato). Serie „Mixtorum“, Bd. 1: Libri I-XIV, Hg. Roberto Cessi/Pietro Sambin, Venedig 1961, n. 56).</ref> Ab einer Größe von 100 ''milliaria'' (ca. 48 Tonnen) musste jedes Schiff von einer eigenen Behörde untersucht werden. Diese ''Konsuln'' kontrollierten die Ausfahrt zum vereinbarten Zeitpunkt, die Anbringung der Ausgleichsfrachten und teilten Schiffsschreiber zu, die über die Verpflegung, Löhne und Frachten Buch führten. Sie spielten zudem eine wichtige Rolle bei der späteren Verzollung der Waren. Für die Bezahlung waren die Schiffsführer, die ''Patroni'' zuständig. Die Vorschriften gingen dabei sehr weit. So musste etwa jeder der mit einem Schiff reiste, auch die Passagiere, die außenbords angebrachte Ladelinie im Auge behalten, um Überladung zu verhindern. Für jede Fingerbreite, die diese Linie unter Wasser lag, wurde ein Bußgeld angedroht. Solche Vorschriften wurden im ''Seerecht des Ranieri Zeno'' von 1255 gesammelt, doch bestand wohl schon 1233 eine solche Sammlung. Dazu kamen Ergänzungen des Senats und weitere Sammlungen. === Die Regulierung der Einnahmen und Ausgaben === ==== Reguläre Einnahmequellen ==== [[Bild:Dogana da Mar.jpg|thumb|Dogana da Mar, Zollstelle für Waren aus dem Überseehandel und Lager für Salz und Luxuswaren, H.-J. Hübner 2007]] Venedig erhob zwar in der Frühzeit Abgaben auf Landbesitz und auf das Fernbleiben vom Militärdienst, aber ansonsten verzichtete man auf direkte Steuern.<ref>Grundlegend und quellengesättigt sind hier immer noch die Arbeiten von Cessi (Hrsg.): ''La regolazione delle entrate e delle spese'', Luzzatto: ''I prestiti'' und Bertelè: ''Bilanci generali''.</ref> Eine Haupteinnahmequelle bestand in Zöllen und Abgaben. Venezianer entrichteten dabei nur den halben Zoll. Wenn sie genauso viele Waren exportierten, wie sie importierten, wurden sie sogar gänzlich davon befreit. Dazu kam eine Gebühr für alle Schiffe, die im Hafen festmachten. Zu den genannten Abgaben zahlte jeder Händler noch eine Summe für sich und für das Schiff, sowie für sämtliche Genehmigungen. Abgaben wurden beim Lagern in den Speichern fällig und an der Waage. Dazu kamen Marktgebühren, Gebühren für die Handelsvermittlung, für Maße und Gewichte, und vor allem Verbrauchsabgaben. 1495 beliefen sich allein die Einnahmen aus Weizenzöllen auf mindestens eine halbe Million ''Soldi''. 1513 wurden sie verdoppelt und neben dem Weizenzoll ein neuer Zoll auf [[Gerste]] erhoben. Die Ausfuhr war sogar doppelt so hoch mit Zöllen belastet. ==== Anleihen ==== Bei sprunghaft ansteigenden Ausgaben lieh sich die Kommune Geld von den vermögenden Familien. Das geschah meist zur Finanzierung von Kriegen oder zur Getreideversorgung. Zunächst waren diese ''Imprestiti'' genannten [[Anleihe]]n ausschließlich freiwillig, doch 1207 wurde die erste [[Zwangsanleihe]] erhoben.<ref>Vgl. Merores</ref> Daneben wurden weiterhin freiwillige Anleihen erhoben. Meistens betrugen freiwillige wie unfreiwillige Anleihen 0,5 bis 2 % des beeideten Vermögens, gemeint ist der mobile Besitz – dazu zählten Waren, Bargeld, Schmuck, aber auch Einnahmen aus Häusern und Grundbesitz. Wer vermögend war und nicht entsprechend zahlte, dessen Haus wurde im äußersten Fall zerstört; Ausnahmen sind erstmals 1268 fassbar. Schon 1262 gründete man eine „schwebende Schuld“, den ''Monte Vecchio'', aus dem die Anleihen zurückgezahlt und verzinst werden sollten. Um die vermögenden Bewohner effektiver an den gemeinsamen Lasten, vor allem an der Kriegführung zu beteiligen, wurde vor 1250 ein ''Estimo'', eine Vermögensschätzung, veranlasst. Außerdem durfte niemand bei den ''Incanti'' mehr investieren, als an Vermögen im ''Estimo'' erschien. Jeder, der eine Anleihe zeichnete, erhielt eine Quittung. Diese „Anleihescheine“ konnten wiederum verkauft und beliehen werden. So entwickelte sich auf diese Papiere eine Art spekulativer Verkehr, dessen Kurse sich überwiegend an der außenpolitischen Lage orientierten. Als die Flotte Genuas 1379 [[Chioggia-Krieg|Chioggia]] besetzte, fiel ihr Wert um beinahe 90 %. Zugleich konnte der Anteil der Anleihen am Vermögen der Zeichner die 100 % weit übersteigen – was nur scheinbar paradox ist, denn die Vermögen wurden von den Zeichnern selbst deklariert, wohl immer weniger in der tatsächlichen Höhe. Die Rückzahlung konnte Jahre auf sich warten lassen. Jedoch blieb die Verzinsung bis weit ins 15. Jahrhundert hinein bei 5 % – sie stellte also eher eine Dauerrendite dar. Gegen 1380 trugen rund 1.200 Zeichner die Hauptlast der Sonderausgaben. Im 15. Jahrhundert senkte man den Zins auf bereits weiterverkaufte Anleihen und bot einen neuen Anleihetyp an, nämlich einen, bei dem der Zeichner sein Vermögen nie wiedersah, aber für alle Zeit Zinsen bezog (a fondo perduto). ==== Sonstige Einnahmequellen, ausländisches Kapital ==== [[Bild:SanGiorgioMaggiore20031231.jpg|thumb|Die Klosterinsel San Giorgio Maggiore, heute Sitz der Cini-Stiftung, einem der wichtigsten Forschungsinstitute zu Geschichte und Kultur Venedigs]]Weitere Einnahmen bezog die Kommune aus der Verwaltung von Immobilien, Stiftungen und Vermögen ihrer Bewohner. Auch mussten kirchliche Einrichtungen Anleihen zeichnen, vor allem die großen Klöster, wie [[San Giorgio Maggiore]] (Foto von 2003). Als besonders wichtig erwies sich, dass auch Ausländer ihr Vermögen bei der Weizenkammer (Camera frumenti) oder bei den [[Verfassung der Republik Venedig#Die Prokuratoren|Prokuratoren von San Marco]] deponierten. Zahlreiche [[Signoria|Signori]] des Festlandes, wie die [[Carrara]], hinterlegten hier ihr Vermögen, weil Venedig als besonders verlässlich und sicher galt. Doch bis weit in die 1360er Jahre versuchte eine Fraktion der Fernhändler die ausländische Konkurrenz aus Venedig hinauszuwerfen, was ihr zweimal gelang. Erst mit dem erneuten Wirtschaftsaufschwung ab den 1370er Jahren erkannten auch sie die Vorteile, die ausländisches Vermögen bei entsprechenden Kontrollen bot. === Geld- und Münzpolitik, Gold und Silber === [[Bild:Matapan.jpg|thumb|Venezianische Silbermünze (Denar), 1280. Der Hl. Markus überreicht dem Dogen die Fahne, auf der Rückseite ein sitzender Christus]] [[Bild:BartolomeoGradonicoGoldCoin.jpg|thumb|Goldmünze aus der Zeit des Dogen [[Bartolomeo Gradenigo (Doge)|Bartolomeo Gradenigo]]. Der Doge nimmt kniend die Fahne entgegen.]] [[Bild:Venezia Matapan 1339 76001835.jpg|thumb|Silbermünzen (Grosso oder Matapan) aus der gleichen Zeit. Doge und Heiliger halten die Fahne gemeinsam.]] Gold und Silber waren das einzig zweifelsfrei anerkannte Tauschmittel. Doch im Hochmittelalter wuchs der Bedarf an genormten und besicherten Nominalen, etwa um bequem bei Bauarbeiten Löhne auszahlen zu können. Venedig begann jedoch erst im 12. Jahrhundert eigene Münzen zu prägen<ref>Bis dahin genügten die in Verona geprägten Münzen, und diejenigen, die durch Handel, Pacht und Raub nach Venedig kamen. Vgl. Louise Buenger Robbert, The Venetian Money Market 1150–1229, in: Studi Veneziani 13 (1971) 3–121.</ref>: Der ''Grosso'' mit seinem Silberanteil von etwa 2,1 g wurde für umfangreichere Käufe benutzt. Dazu kamen [[Soldo]] und Lira als reine Recheneinheiten – nicht als Münzen. Dabei entsprach ein ''Soldo di Grossi'' zwanzig, eine ''Libra di Grossi'' 240 Denaren. Im Binnenhandel lief hingegen eine Münze um, die nicht ''Grosso'' genannt wurde (der Dicke), sondern ''Piccolo'' (der Kleine). Auch hier standen als Recheneinheiten ''Libra'' und ''Solidus'' oder ''Lira'' und ''Soldo'' zur Verfügung. Doch enthielt der ''Piccolo'' weniger als ein Zehntel Gramm Silber. Legt man den Silberanteil zugrunde, so hatten 26,1 ''Piccoli'' den gleichen Wert, wie ein ''Grosso''. Ab 1268 durften nicht mehr als 25 der kleinen ''Denare'' ins Ausland gebracht werden. Der ''Piccolo'' zirkulierte folglich in Venedig und den Orten der Lagune, der ''Grosso'' im Ausland. Das Vertrauen ausländischer Geschäftspartner in die Stabilität erhielt man, indem nur der ''Piccolo'' Wertschwankungen unterworfen wurde, im Allgemeinen Abwertungen. Um diese Schwankungen in internationalen Abmachungen nicht berücksichtigen zu müssen, und damit Investoren zu verschrecken, wurde sogar neben ''Lira di Piccoli'' und ''Lira di Grossi'' eine dritte Zählwährung erfunden, die so genannte ''Lira '''a''' Grossi'', deren Verhältnis zum ''Piccolo'' immer bei 1 zu 26 lag, egal, wie sich das Wertverhältnis zur ''Lira di Grossi'' entwickelte. Venezianer zahlten im Osten mit Silber und nahmen das dort umlaufende Gold wieder mit. Während Silber im Westen an Wert verlor, floss gleichzeitig das künstlich teuer gehaltene Silber nach Osten ab. Venedig drohte sozusagen die Eingliederung in die arabisch-byzantinische Welt, in der Gold vorherrschte, und damit der Verlust der Funktion als Handelsdrehscheibe durch Auszehrung seiner Silberreserven. Florenz und Genua erging es genauso. Sie ließen ab 1252 daher Gold- und Silbermünzen gleichzeitig zirkulieren. Venedig zögerte, da hier der Goldzustrom wesentlich geringer war. Erst 1284 begann unter dem Dogen [[Giovanni Dandolo]] die Prägung des goldenen [[Dukaten]].<ref name=Zar1>Stephen Zarlenga: ''Der Mythos vom Geld - die Geschichte der Macht - '', Conzett, Zürich 1999, S. 81.</ref> Für den Fernhandel standen nun Silbergrossi und Golddukaten zur Verfügung. Ab Juni 1285 war ein Dukaten 18,5 ''Grossi'' wert. Das zunächst eingeführte feste Wertverhältnis von 1 zu 10,7 musste wegen der sonst üblichen Handelsmargen 1296 aufgegeben werden.<ref name=Zar1 /> 1328 senkte der Senat dieses Verhältnis auf 1 zu 24, womit eine ''Lira di Grossi'' genau 10 Dukaten entsprach. War Gold 1284 noch elfmal so teuer wie Silber, so stieg der Kurs 1305–1330 auf 1 zu 14,2. Seit den 1330er Jahren kam es jedoch zu einem verstärkten Goldzustrom, der den Silberverfall bremste. Außerdem lieferten ungarische Minen ab etwa 1320 große Goldmengen. Binnen weniger Jahre stellte sich Venedig weitgehend auf Gold um, wurde sogar zum größten Goldexporteur, wo es früher der größte Silberexporteur gewesen war. Daneben begann Venedig 1330 erstmals mit der Prägung einer ''Soldo''-Münze – allerdings mit einem Wert von 16 bis 18 statt 20 ''Piccoli''. Doch die Pilgerreise König [[Mansa Musa]]s von Mali nach [[Mekka]] brachte zehn Tonnen Gold auf den Markt. Die Wertrelation der beiden Edelmetalle fiel schlagartig von 1 zu 20 (1340) auf 1 zu 11 (1342), bis 1350 schließlich auf 1 zu 9,4. Silber wurde immer teurer, Gold immer billiger. Wohl in den 1370er Jahren kam es jedoch zu einem fast vollständigen Abreißen der Goldkarawanen. Man versuchte durch Zollbefreiungen die Zufuhr des jeweils nur mangelhaft einlaufenden Edelmetalls zu verstärken. 1354 stelle Venedig die Prägung des ''Grosso'' ein, um durch ein künstliches Unterangebot seinen Wert zu halten – was bis 1379 auch gelang. In dieser Zeit stabilisierte sich die Gold-Silber-Relation bei etwa 1 zu 9,9 bis 1 zu 10,5, überschritt nie wieder den Wert von 1 zu 12,5. Entscheidend war wohl, dass Venedig seine Gewürze – bekannt ist der Pfefferreichtum –, die es praktisch zu einem Monopol ausbaute, fast nur noch mit Golddukaten kaufte. Venedig wurde damit auf Dauer zum größten „Goldleck“ Europas. [[Bild:Venice - Zecca - Libreria Marciana.jpg|thumb|Die Zecca, der Entstehungsort der Münzen, neben der Biblioteca Marciana, rechts der Dogenpalast, Nino Barbieri 2004]] Der Zwangsumtausch in Münzen, deren Realwert erheblich niedriger war als ihr [[Nominalwert]], war ein oft eingesetztes Mittel. 1353 schuf der Senat eine eigene Münze für die Kolonien: den silbernen ''Tornesello''.<ref> Dies und das Folgende nach: Alan M. Stahl, The Venetian Tornesello. A medieval colonial coinage, New York 1985.</ref> 1362 wurde eine große Ladung ''Torneselli'' nach Kreta gebracht, wobei es niemand wagen durfte, die neuen Münzen abzulehnen. 1 ''Tornesello'' entsprach 1,6 ''Piccoli'', der offizielle Wechselkurs lag aber bei eins zu drei. Die Münze war also fast doppelt so hoch bewertet, wie es dem tatsächlichen Edelmetallanteil entsprochen hätte. Anfang 1386 stellte der Senat fest, dass in diesem Jahr 4000 Dukaten Reingewinn aus diesem Geschäft gezogen worden seien. Auf ähnliche Weise verfuhr die ''Zecca''<ref>Allgemein zur Zecca im Mittelalter: Alan M. Stahl: ''Zecca: The Mint of Venice in the Middle Ages'', Baltimore 2001.</ref> im [[Veneto]] mit dem ''Bagattino''.<ref>Vgl. Michael Knapton, I rapporti fiscali tra Venezia e la Terraferma: il caso padovano nel secondo '400, in: Archivio Veneto n.s. 117 (1981) 5–65.</ref> Doch kollidierte diese Geldpolitik mit den Interessen Mailands, das 1429 eine gezielte Destabilisierungspolitik begann, indem es überbewertete Münzen in Umlauf brachte, die im Tausch gegen venezianisches Silbergeld 20 % Gewinn einbrachten. Sofort reduzierte Venedig den Silbergehalt des ''Bagattino'' von 11 auf 5,5 %. Gleichzeitig verlangte es Abgaben seiner „Untertanen“ in „guten“ Münzen. Erst 1472 verabschiedete sich Venedig von dieser Variante des „Münzimperialismus“,<ref>Reinhold C. Mueller, L'imperialismo monetario veneziano nel quattrocento, in: Società e Storia VIII (1980) 277–297.</ref> der die ''Terra ferma'' auf Dauer ruiniert hätte. Insgesamt verzögerte diese Münzpraxis die Entwicklung einer Gewinn bringenden Landwirtschaft, da Gewinne ständig vom Fiskus eingestrichen wurden. === Staatsbanken und private Banken, Wechsel und Spekulation === [[Bild:San Giacomo di Rialto.jpg|thumb|upright|San Giacomo di Rialto, dessen Glocken die Öffnungszeiten des Marktes und der Bank verkündeten, H.-J. Hübner 2007]] Die großen Vermögen entstanden im Fernhandel und mit [[Immobilie]]n. Damit steht Venedig in Gegensatz zu den [[Metropole]]n Oberitaliens, wie Florenz, wo es eher Geldverleiher und Bankiers zu enormen Vermögen brachten. Dennoch brauchte Venedig Bankiers. Als erstes dürfte der wachsende Bedarf, von einer Währung in die andere zu wechseln, dazu geführt haben, dass am Platz vor [[San Giacomo di Rialto]] nahe der [[Rialtobrücke]] – und in geringerem Maße auf dem [[Markusplatz]] – die ersten Wechslertische aufgestellt wurden. Diese ''Campsores'' tauschten per Hand Münzen gegen Münzen. Doch das genügte den Bedürfnissen nach schnellen Münztransfers zwischen weit auseinander liegenden Orten nicht. So genannte ''Banchi de scripta'', in denen „auf Zuruf“ ein Kunde der Bank von seinem [[Konto]] auf ein anderes „überweisen“ konnte, übernahmen zunächst diese Aufgabe. Dazu mussten aber beide, Geber und Empfänger, ein Konto bei derselben Bank haben. Bald bediente man sich beim Begleichen von Schulden und Krediten zwischen Kunden verschiedener Banken einer einfachen Form des [[Wechsel (Urkunde)|Wechselbriefs]]. Das ermöglichte die Überweisung durch ''schriftliche'' Anweisung, wenn diese Form des Geldtransfers in Venedig auch erst spät greifbar ist. Bei diesem Vorgang muss man im Auge behalten, dass das Handelsvolumen oftmals den Mengen an verfügbarem Edelmetall vorauseilte, so dass leicht ein Mangel an Münzen entstehen konnte, was die Handelsaktivitäten auf bloßen Tauschhandel zurückwarf. Daher war ein münzloser Geldverkehr bald unverzichtbar. Verschärft wurde der Kreditbedarf durch die Kommune selbst. Dabei trat sie oft als Kreditnehmer auf, um beispielsweise Kriege oder Weizenimporte zu finanzieren. So störten große Kreditaufnahmen den Kredit- und Geldmarkt und trieben die Zinsen in die Höhe. Erst der wachsende Geldumlauf ab der 2. Hälfte des 14. Jahrhunderts reduzierte langsam das Zinsniveau. Der Wechsel taucht kurz nach 1200 in Venedig auf. Doch noch 1227 schickte man lieber einem Weizenaufkäufer im städtischen Auftrag unter hohen Sicherheitsmaßnahmen Silberbarren nach Apulien hinterher<ref>Liber plegiorum, n. 564, 24. Sept. 1227.</ref>, als dieses Transfermittel einzusetzen. Es dauerte noch ein Jahrhundert, bis der Gebrauch des Wechsels beinahe selbstverständlich war. Bald haben sich Bankiers als „Wechselmakler“ auf die Spekulation auf Wechsel spezialisiert. Dabei wurden für diese Geschäfte bereits Provisionen eingezogen, dazu die Kosten für Wechsel, Briefe und andere Posten. Eine andere, weniger an einzelne Personen gebundene Art der Spekulation lebte von den schwankenden Geldmärkten. Sie war damit auch sicherer für den „Anleger“. So stieg der Bedarf an Gold, wenn die regelmäßigen Schiffskonvois nach Syrien und Ägypten ausliefen, um dort Luxuswaren einzukaufen. Dadurch wurde der Geldmarkt eng und man erzielte regelmäßig höhere Gewinne auf Wechsel. === Gewerbe und Zünfte === [[Bild:Venezia - Ospedale - Foto G. Dall'Orto, 2 lug 2006 - 03_retouched.jpg|thumb|Scuola Grande di San Marco, Giovanni Dall'Orto 2006]] Venedig war keine reine Handelsstadt. Zur Schiffbauindustrie mit ihrem Bedarf an Holz, Metall, Pech, Hanf usw. kam die „Bauindustrie“. Die wachsenden Vermögen ermöglichten Gewerbe, die Leder, Pelze, Tuche, Edelsteine, aber auch Waffen, Kristalle und Glas in höchster Qualität bereitstellten. Jeder Import konnte dabei zu neuen Veredlungen führen. So wurde syrische und zypriotische Seide mit [[Barchent]] weiterverarbeitet. Davon wurde wiederum ein erheblicher Teil über die Alpen verkauft, ebenso wie Zucker, Öl und Wein, aber auch Seide. Die Handwerke waren in [[Berufsvereinigung (Venedig)|zunftartigen Verbänden]] organisiert, den ''Scuole'', die aber in Venedig nie die Macht gewannen, wie etwa in Florenz. Zum einen wurden sie stärker kontrolliert und gesteuert, zum anderen stärker in die Staatsrepräsentation eingebunden. ==== Schiffbau ==== [[Bild:Venedig.SanTrovaso.jpg.JPG|thumb|[[Squero]] bei [[San Trovaso]], unweit der [[Zattere]], 2005]] [[Bild:Speicher am Arsenal.jpg|thumb|Schifffahrtsmuseum, ursprünglich Zwiebackspeicher für die Flotte und das Arsenal, 14. Jahrhundert, H.-J. Hübner 2007]] ''Marangoni'' und ''Calafati'', [[Schiffszimmermann|Schiffszimmermänner]] und [[kalfatern|Kalfaterer]], gehörten zu den wichtigsten Handwerken, die durch den Ausbau der Werften in der Stadt, den ''squeri'', vor allem aber durch das [[Arsenal (Venedig)|Arsenal]] stark zunahmen.<ref>Sozialgeschichtlich grundlegend: Robert C. Davies, Shipbuilders of the Venetian Arsenal. Workers and workplace in the preindustrial city, Baltimore/London 1991.</ref> Dabei bestand eine Konkurrenz um ihre Arbeitskraft zwischen dem staatlichen Kriegsschiffbau und dem eher privaten Bootsbau. Auf Anordnung mussten die Schiffshandwerker ihre Arbeit liegen lassen und im Arsenal mitarbeiten. Zwar mussten die Meister in einer Art Handwerksrolle eingetragen sein und durften bis zu zwei Gehilfen mitbringen, aber ansonsten war der Betrieb des Arsenals in der Hand der Kommune, die für Verpflegung, Material und Arbeitskräfte sorgte – und deren Entlohnung. Die ''squeri'', die von einem oder einer Gruppe von Gesellschaftern geführt wurden, engagierten im Allgemeinen einen ''Protomaestro'', der wiederum ''Maestri'' einstellte. Sie, die eher Facharbeiter darstellten, erhielten einen Werk- oder Wochenlohn, durften aber Lehrlinge und Gehilfen mitbringen. Dabei konnte der Besitzer des ''squero'' genauso gut die Arbeit steuern, oder seine Arbeitsstätte den Auftraggebern überlassen, die nur Pacht dafür zahlten. [[Tommaso Mocenigo]], Doge von 1414 bis 1423, berichtet, dass in Venedig 3000 ''Marangoni'' und weitere 3000 ''Calafati'' arbeiteten. Das Potenzial des Schiffbaus für den Export war hoch, aber Sicherheitsinteressen und die Wahrung von Produktionsgeheimnissen veranlassten spätestens 1266, dass Ausländer nur noch mit höchster Genehmigung Schiffe in Venedig bauen lassen durften, ab 1293 gar nicht mehr. Ähnliches galt für die [[Segelmacher]]ei und die Seilwinderei, die überwiegend für den städtischen Markt und die Marine arbeiteten. Allein die Segelmacher und Seilwinder brauchten große Mengen an robusten Tuchen und Fasern, während selbst einfache Kleider aus feineren und teureren Tuchen hergestellt wurden. Auch unterschieden sich ihre Ausgangsmaterialien und ihre innere Organisation dermaßen, dass sie eine weitgehend unabhängige Entwicklung nahmen. ==== Tuche ==== Allgemein war die handwerkliche Produktion eher auf den lokalen Markt ausgerichtet. Dennoch brauchte auch diese Produktion Rohstoffe aus weit entfernten Gegenden. So importierte man Baumwolle von Sizilien, aus Ägypten und Syrien.<ref>Vgl. E. Valet, Marchands vénitiens en Syrie à la fin du XVe siècle, Paris 1999.</ref> Im 15. Jahrhundert produzierten auch die Kolonien, wie Kreta, später auch Zypern, Baumwolle und vernachlässigten dabei sogar die Getreidekultivierung. Der überwiegende Teil der Tuche wurde importiert. Erst um 1300 kann man eine gewisse Förderung durch die Magistrate erkennen. Anweisungen an alle Magistrate, nur venezianische Stoffe zu tragen, sorgten für einen Anstieg der Produktion. Doch der Entwicklung der Wollindustrie standen Handels- und fiskalische Interessen im Wege. Zum einen importierten die Fernhändler die feinsten Wollstoffe aus Flandern, um sie in den Nahen Osten zu exportieren. Trotzdem dürfte davon viel in Venedig „hängen geblieben“ sein, was der lokalen Industrie geschadet haben dürfte. Auch die noch nicht voll entwickelten Qualitäten aus der Toskana standen schon im 13. Jahrhundert auf der Liste der hohen Zölle, die dem Fiskus zuflossen – erst recht, als sie später die besten Tücher überhaupt lieferten. Fiskus und Fernhändler hatten weder Interesse an einer heimischen Industrie, noch hatte man das nötige Know-how – und wenn, dann ging es in der überlegenen Konkurrenz unter. Ganz anders war die Situation der Seidenindustrie, die schon vor der Zuwanderung aus [[Lucca]] bestand, durch diese aber Menge und vor allem Qualität steigerte. Die Meister waren hoch qualifiziert und stießen durch ihre Arbeit andere Produktionen an, wie Färbereien und Goldwirkereien. Solche Prachtstoffe wurden zunehmend von einer reich gewordenen Händlerschicht nachgefragt. ==== Glas ==== [[Datei:Venezia - Chiesa dei SS. Giovanni e Paolo (S. Zanipolo) - Foto G. Dall'Orto 2 lug 2006 - 11.jpg|thumb|Glasmalerei, [[Santi Giovanni e Paolo (Kirche in Venedig)|S. Zanipolo]], 15. Jahrhundert, Giovanni Dall'Orto 2006]] Die Produktion von [[Glas]] lässt sich bereits für das 4. Jahrhundert nachweisen.<ref>[http://groups.colgate.edu/venice/abstracts.html Zusammenfassungen der Beiträge zur Konferenz der New Yorker Colgate-University „Venice before San Marco. Recent Studies on the Origin of the City“ vom 5. bis 6. 10. 2001, zuletzt abgerufen am 20. April 2008]</ref> Bis 1291, als man wegen der Brandgefahr die Glasöfen nach [[Murano]] verbannte, bestanden Glasbetriebe innerhalb der Stadt. 1295 wurden alle Meister aus der Zunft entfernt, die auch nur einen der inzwischen zahlreichen Glasöfen außerhalb Venedigs betrieben. Außerdem durfte kein Ausländer in die Geheimnisse der Glaskunst eingeweiht werden<ref>Salvatore Ciriacono, Industria e artigianato, in: Storia di Venezia, Bd. 5, 523–592, hier 570</ref>. Glas wurde fast ausschließlich mit der [[Glasmacherpfeife]] geblasen und gedreht, selbst Fensterglas. Glasfenster waren lange ein ungeheurer Luxus, was sich nicht nur aus der aufwändigen Technik und dem hohen Energiebedarf erklärt, sondern vor allem daraus, dass für die Gewinnung eines der Vorprodukte, der [[Pottasche]], enorme Pflanzenmengen verbrannt werden mussten. Um ein Kilogramm Pottasche zu gewinnen, brauchte man 1000 Kilogramm Holz. Die Beimengung von Pottasche zur Glasmasse war notwendig, um den Schmelzpunkt von etwa 1800&nbsp;°C auf 1200&nbsp;°C zu senken. Als Grundmasse für das Glas achtete man darauf, möglichst weißen Sand für das ''cristallo'' zu benutzen. Hochreiner Glassand aus dem [[Tessin (Fluss)|Ticino]] oder gebrannter [[Marmor]] dienten als Grundstoff.<ref>Erst mit dem Ende der Republik (1797) ging die Glasindustrie dramatisch zurück. Ihr Wiederaufstieg begann rund 60&nbsp;Jahre später (vgl. [[Fratelli Toso]])</ref> Wenig erforscht ist der umfangreiche Handel mit Glasperlen, mit denen Murano über Zwischenhändler wie die [[Hudson’s Bay Company]] ganz Amerika<ref>Dazu Arthur Woodward, ''Indian Trade Goods'', Portland, Oregon 1965, Nachdruck 1989, S. 4-14.</ref>, aber auch Asien und Afrika vom 16. bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts versorgte. Diese reichten von einfachen Perlen bis zu handpolierten Kunstwerken. Sie wurden von ''verixelli'' hergestellt, während die ''phioleri'' Flaschen und dergl. herstellten. == Behauptung zwischen den Weltmächten (Mitte 15. Jahrhundert bis 1571) == === Steigende Kriegskosten: Flottenbau und Condottieri === [[Bild:Eingang_zum_Arsenal.jpg|thumb|Südeingänge zum [[Arsenal (Venedig)|Arsenal]], rechts ''Ingresso all'Aqua'' (Wassertor), links ''lngresso di Terra'' (Landtor), H.-J. Hübner 2007]] Im 15. Jahrhundert dominierten die iberischen Reiche zunehmend den Mittelmeerraum – und das [[Osmanisches Reich|Osmanenreich]]. Dennoch band Venedig fast alle seine Kräfte in Italien. Die Kriege gegen das rivalisierende Mailand brachten es dabei an die Grenze der ökonomischen Belastbarkeit. Da die Kriegsfinanzierung auf Zwangsanleihen basierte, schlug sich dies bereits nach zwei Jahren der Kriegführung darin nieder, dass 59 % des beeidigten Vermögens eingezogen wurden. Zwar kam es 1428–31 zu einer gewissen Beruhigung, aber von 1431 bis 1441 näherten sie sich manchmal der Marke von 40 % – insgesamt summierten sie sich auf 288 %. Abgesehen davon, dass zwischen dem geschätzten Vermögen, das diesen Zahlen zugrunde liegt, und dem tatsächlichen eine immer größere Lücke klaffte, bedeutete dieses Verfahren doch für zahlreiche Familien den Bankrott. Zudem kam es zur Herabsetzung der jährlichen Zinserträge von 5 auf 4 %, dann auf 3 %.<ref>Hübner: ''Quia bonum'', 181f.</ref> Als [[Francesco Sforza]] 1450 Herzog von Mailand wurde, und die Osmanen 1453 [[Belagerung von Konstantinopel (1453)|Konstantinopel eroberten]], entwarf der Senat ein Programm von ungewöhnlicher Schärfe: Fast alle Staatseinnahmen sollten nur noch der Kriegsfinanzierung dienen, alle Gehaltszahlungen wurden für ein Jahr eingestellt, alle Mieter brachten eine halbe Jahresmiete ein, alle Vermieter ein Drittel ihrer Einnahmen für Häuser und Läden. Die jüdische Gemeinde musste einen Sonderbeitrag von 16.000 Dukaten leisten. Schließlich wurden die Zölle angehoben, die Liegegebühren für die Schiffe und deren Ladung. Die direkte Besteuerung nicht nur der Bewohner der ''Terra ferma'', sondern auch der Venezianer selbst, wurde nie wieder aufgegeben. Immerhin erreichte Venedig am 18. April 1454 einen Friedensschluss mit den Osmanen, der die Häfen für seine Händler offen hielt. Darüber hinaus bestand die Kolonie in Konstantinopel weiter, und nur verkaufte Waren unterlagen einem moderaten Zoll von 2 %. 1463 begann Venedig einen neuerlichen Krieg. Mit dem Frieden vom 26. Januar 1479 musste es auf das albanische [[Shkodra|Scutari]] und auf Negroponte, das heutige [[Euböa]], verzichten und einen jährlichen Tribut von 10.000 Dukaten leisten. Immerhin blieb der Handel frei, sogar bis zur Krim und nach [[Kaiserreich Trapezunt|Trapezunt]]. Doch die Haupthandelsrouten verlagerten sich immer mehr nach Beirut und Alexandria. Auf dem Tiefpunkt, 1483, fuhr keine einzige Galeere mehr nach Konstantinopel. Jedoch florierte der Handel mit Flandern, vor allem der mit Gewürzen, in erster Linie Pfeffer. 1486 trugen vier Galeeren Waren im Wert von 180.000 Dukaten an Bord. Ähnlich florierte der Handel Richtung Frankreich und nach Tunesien. Dabei spielten „neue“ Massenwaren, wie Wein, Metalle, Seife, Stoffe eine zunehmende Rolle. Trotz aller Schwierigkeiten dürfte Venedig am Ende des 15. Jahrhunderts größte Prosperität genossen haben. === Protektionismus und neue Industrien === Methoden, den eigenen Handel und die eigenen Industrien zu protegieren, gab es schon sehr lange. Doch die Eingriffe der Jahre 1423 und 1436 stellen insofern einen Höhepunkt des [[Protektionismus]] zugunsten der Tuchindustrie dar, als sie das Tragen von Tuchen, die in Städten des Festlands erworben worden waren, streng verboten. Damit nahmen zwei eng verflochtene Industrien einen weiteren Aufschwung, nämlich die Färberei und die Seidenproduktion. 1421 durfte Seide kaum noch importiert werden. 1457 verbot man sogar auf der gesamten ''Terra ferma'' den Export von Rohseide, es sei denn, sie war erst nach Venedig gebracht und den üblichen Zöllen unterworfen worden. So beschäftigte die aufstrebende Seidenindustrie nach 1500 rund 2.000 Seidenweber, und war damit neben der Produktion von [[Brokatstoff|Brokat]] und [[Damast]], die größte Luxusindustrie. Die größten Industrien waren jedoch weiterhin die Bauindustrie und der Schiffbau. Doch gerade letzterer war ab etwa 1370 nicht mehr in der Lage, ausreichend Kalfaterer und Schiffszimmerleute zu beschäftigen, so dass sie in großer Zahl abwanderten. Darüber hinaus hatte der Senat die Löhne der 6.000 Kalfaterer und Schiffszimmerleute so hoch angesetzt, dass die Schiffsproduktion Schwierigkeiten hatte, sich gegen die zunehmende Konkurrenz zu behaupten. Eine gewisse Entspannung brachte hier die Entwicklung neuer Produktionszweige, wie etwa die des Zuckerrohrs. 1366 war es der Familie [[Cornaro|Corner]] di San Luca gelungen, auf Zypern große Ländereien zu erwerben. Das dortige Zuckerrohr machte sie zu einer der reichsten Familien Venedigs. Auf Zypern lag der Produktionsprozess bis zum raffinierten Zucker noch weitgehend in einer Hand, doch die Verfeinerung wurde partiell in Venedig durchgeführt. Für andere Waren galt dieser Grundsatz noch viel deutlicher, sowohl für alte Produktionszweige, wie die Herstellung von Pelzen und Leder, als auch für neue, wie die Seifenproduktion. Letztere verteilte sich überwiegend auf eine große Menge kleiner Betriebe, aber sie ließ auch Raum für kapitalstarke Unternehmen. Auch die Produktion von Kerzen entwickelte zunehmend eine Arbeitsteilung, bei der auf dem Balkan Rohwachs gewonnen wurde, der erst in Venedig zu Kerzen verarbeitet wurde – auch für den Export. Diese Arbeitsteiligkeit zwischen Rohstoffgebieten auf der einen Seite und Veredelung in Venedig auf der anderen wurde noch dadurch verstärkt, dass bereits raffinierte Produkte der ''Terra ferma'' häufig nur über Venedig exportiert werden durften. Doch die Wirtschaftspolitik, die zunehmend Konturen gewann, war nicht nur darauf bedacht, die Gewinne nach Venedig zu lenken, den Fiskus zu stärken oder die Beschäftigungsmöglichkeiten zu schützen und zu erweitern. Sie ermutigte darüber hinaus Ausländer zum Einbringen neuer Technologien, bald auch von Kapital. Schon im 13. Jahrhundert hatte man aus dem Reich angelockten ''Inzenieri'' ermöglicht, Windmühlen zu bauen. Sie erhielten seit dem frühen 15. Jahrhundert nicht nur erleichterten Zugang zu Finanzierungsmöglichkeiten, Baugenehmigungen und Wegerechte, sondern vor allem einen ersten, echten [[Patent]]schutz. Damit konnten erstmals Konstrukteure komplizierter Maschinen, wie sie die im Nordwesten Europas entwickelten [[Windmühle]]n darstellten, ihre Erfindungen mehrere Jahrzehnte ökonomisch nutzen, ohne fürchten zu müssen, von [[Plagiat]]oren verdrängt zu werden. Binnen weniger Jahrzehnte erhoben sich in Venedig Dutzende von großen Windmühlen, die einen erheblichen Teil des enormen Mahlbedarfs deckten. In dieser „innovationsfreundlichen“ Umgebung erhielt Johannes von Speyer 1469 ein Privileg, das ihm gestattete, mit [[Buchdruck|beweglichen Lettern]] zu drucken. Innerhalb weniger Jahre stieg Venedig zur Buchpresse Italiens auf, im 16. Jahrhundert sogar zu der ganz Europas. Fünfzig Druckwerkstätten erreichten dabei nicht nur große kulturelle Bedeutung, sondern waren auch ein gewichtiger Wirtschaftsfaktor in der Stadt (vgl. [[Buchdruck in Venedig]]). Einen wesentlich langsameren, aber umso nachhaltigeren Aufschwung nahm die Glasindustrie. Der wachsende Bedarf an Gefäßen, aber auch an Fensterglas, Linsen und Brillen, vor allem aber an Spiegeln machte sie zu einer der ertragreichsten Industrien. Schon im 15. Jahrhundert erscheinen 41 Geschäfte, in denen nur der Verkauf betrieben wurde. Doch der Löwenanteil war bald für den Export bestimmt. Dabei gesellte sich zum berühmten ''cristallo'' eine weitere Wiederentdeckung, das ''lattimo'' oder das Milchglas, ein [[Opazität|opakes]], weißes Glas. Dank des Ausbaus der Stadt zu einem Gesamtkunstwerk blühten die Werkstätten der [[Steinmetz]]e, die neben den staatlichen Prunkbauten auch zahlreiche Paläste, Brücken und Straßen ausbauten und verschönten. Aber auch [[Intarsie]]narbeiten und [[Kassettendecke]]n brauchten zahlreiche Handwerker und Künstler, Maler, Bronzegießer, [[Gemme]]nschneider, und zahlreiche andere Künste versorgten einen schnell wachsenden Luxus- und Kunstmarkt. === Staat und Finanzen === [[Bild:Gentile_bellini,_ritratto_del_Doge_Giovanni_Mocenigo.jpg|thumb|upright|Portrait des Dogen [[Giovanni Mocenigo]] ([[Gentile Bellini]] 1480)]] Zwei Aufgaben ließen sich nur durch Ad-hoc-Maßnahmen finanzieren: Kriege und die Lebensmittelversorgung. Der ''Monte Vecchio'' als eine Art „öffentlicher Schuld“ speiste sich entweder aus Anleihen oder aus Zöllen – also entweder aus der Belastung der Vermögen der pflichtigen Familien oder aus der Belastung des Fernhandels. Um diese grundsätzliche Frage tobte ein langer Streit, wobei der Senat meistens das Mittel der Zwangsanleihe bevorzugte. Erst als der Kurs der Anleihescheine 1474 auf 13 % abstürzte, war das Ende dieses Systems nahe. Für die Zeichner der Zwangsanleihen hatte der Niedergang dieses Finanzierungssystems gravierende Folgen: Zunächst sank der Zinssatz auf 1 %, dann geriet die Zahlung immer länger in Verzug. 1453 war man bereits 8&nbsp;Jahre mit der Zinszahlung in Verzug geraten, 10&nbsp;Jahre später bereits 13, 1480 bereits volle 21&nbsp;Jahre. 1463 führte Venedig eine direkte Steuer ein. Zum Abschluss brachte man diese Entwicklung 1482 mit der Schaffung des ''Monte Nuovo''. Die Abgabe basierte nicht mehr auf den schwer zu überprüfenden Angaben des Pflichtigen, sondern bezog die in einem Kataster erfassten Immobilien und ihre Erträge mit ein. Das neue Erfassungssystem bewirkte, dass Venedig aus seinem inzwischen erheblich größeren Herrschaftsbereich rund eine Million Golddukaten einziehen konnte. Damit war die Stadt eine der vermögendsten Mächte der damaligen Welt. === Geld- und Münzpolitik === [[Bild:Zecchino Antonio Venier 1382.jpg|thumb|Zecchino aus der Zeit des Dogen [[Antonio Venier]] von 1382, 3,51 g]] Schon 1407 stellte der Senat fest, dass „Syrien“ (gemeint war der gesamte Nahe Osten) nach Gold verlange, nicht mehr nach Silber. Dennoch gab man dieses Zahlungsmittel nicht sofort auf. Das könnte mit dem Wechselkurs zwischen dem goldenen Dukaten und den in Venedig umlaufenden „kleinen“ Denaren, den ''Denari piccoli'' zusammenhängen. 1284 entsprach ein Dukaten noch 576 ''Piccoli'', 1380 bereits 1.032 und 1417 sogar 1.212. Zwar konnte der [[Rat der Zehn]], der das Münzwesen strenger zu ordnen versuchte, die Abwertung zwischen 1472 und 1517 bei 1:1.488 stoppen, doch danach verfiel der ''Piccolo'' bis 1592 endgültig und erreichte ein Wertverhältnis von 1:2.400. Diese Wertminderung des ''Piccolo'' lässt sich weder aus dem Wertverhältnis zwischen Gold und Silber ableiten, noch genügen äußere Faktoren, wie Pest und Kriege, als Erklärung. Zum einen fiel bei Minderung des Edelmetallanteils der Ausgabepreis nicht in gleichem Maße – die Differenz zog der Fiskus ein. Schon 1379 lag diese Differenz bei 19 %. Bei diesen Verfahren wurde die Münze allerdings nach und nach so klein, dass man bald neue Münzen mit dem vierfachen (Quattrino) oder gar achtfachen (Ottino) Wert des ''Piccolo'' prägte. Doch das genügte bald nicht mehr, und so erschienen bald Münzen zu 2 und 4 Soldi, was 24 und 48 ''Piccoli'' entsprach. Für alle, die auf die Erträge aus der Binnenwirtschaft angewiesen waren, stellten diese Maßnahmen eine schwere Belastung dar. Doch der Senat wurde überwiegend von Fernhändlern dominiert, die im Gegenteil von günstigen Löhnen und Produkten profitierten. Im Großen Rat sah die Interessenverteilung etwas anders aus, so dass hier 1456 die Forderung gestellt wurde, die Prägung von Kupfermünzen endlich einzustellen. Diese Münzen waren inzwischen die einzigen, die noch auf dem Festland umliefen, da die Silbermünzen viel zu unzuverlässig waren. Daher hatte die feindliche Geldpolitik Mailands, die das venezianische Münzsystem in ein völliges Chaos zu stürzen drohte, eine vom Senat selbst geschaffene Basis. 1472 zog der immer mächtiger werdende Rat der Zehn die Münzaufsicht an sich und ordnete an, alle Münzen einer Echtheitsprüfung zu unterziehen. Die Silbermünzen wurden in ihrem Wert neu festgesetzt, ein weniger wertvoller ''Grossetto'' geprägt, dazu ein teurerer ''Grossone'', der so viel Silber enthielt, dass 24 ''Grossoni'' wieder einem Dukaten entsprachen. [[Bild:Lira tron.jpg|thumb|Lira Tron (nach dem Dogen [[Niccolò Tron]], 1471–73), 6,43 g, geflügelter Markuslöwe mit Evangelium, porträthafte Darstellung des Dogen]] Dazu befahl der Rat, die alten Denare einzuziehen und stattdessen erstmals eine ''Lira'' (= 240 Denar) in Umlauf zu bringen. Sie wurde nach dem herrschenden Dogen ''Lira Tron'' genannt. Der rigorose Kurs der „Zehn“ sorgte dafür, dass in den nächsten 45 Jahren ein Golddukaten immer 124 Silbersoldi entsprach. === Banken und Versicherungen === Schon im ersten Viertel des 15. Jahrhunderts lassen sich 14 private Banken nachweisen. Sie hatten ihren Sitz am Rialtomarkt, der gleichsam zu einer täglich am Vormittag stattfindenden [[Börse]] avancierte. [[Bild:Vittore Carpaccio 002.jpg|thumb|Fondamenta del Vin und die hölzerne Rialtobrücke im Jahr 1494([[Vittore Carpaccio]])]] Dabei hatte eine ''Banco de Scripta'' nicht nur reine Notarsfunktion, indem sie Kontobewegungen beglaubigte, sondern die Kunden mussten eine [[Kaution]] hinterlegen, womit der Bank große Vermögen zur Verfügung standen. Dem Senat war daran gelegen, die Risiken der Kreditvergabe aus diesen Kautionen, die die Bankiers trotz Verboten durchführten, zu begrenzen. So durften sie ab 1404 auf keinen Fall mehr Geld in Handelsunternehmungen anlegen, als sie Anleihen gezeichnet hatten. Nur beim Handel mit Getreide durfte dies außer Kraft gesetzt werden. Man ging das Risiko eines Bankrotts (banca rotta) ein, wenn damit die Getreideversorgung sicherer wurde. Ursprünglich ein Mittel zum Tausch zwischen verschiedenen Münzen an verschiedenen Orten, entwickelte sich der Wechsel zum wichtigsten Mittel der Übertragung von Geldwerten – trotz des kirchlichen Zinsverbots. Dieses Zinsverbot richtete sich gegen eine Eigenheit des Wechsels, die sich gewissermaßen ungewollt entwickelte. Da zwischen den Tauschvorgängen eine gewisse Zeit verstrich, wurde dieses Verfahren fast sofort zu einem Mittel des Kredits, wofür man mehr oder minder gut kaschierte Zinsen verlangte. Außerdem konnte man mittels Wechseln von den Wechselkursen zwischen den verschiedenen Münzen profitieren. Italienische Bankiers und Händler wie [[Francesco Datini]] dominierten dieses Verfahren um 1400 vollständig, und auch Venezianer, wie [[Giacomo Badoer]] beherrschten dieses Spekulationsverfahren virtuos.<ref>Das zeigt ''Il libbro dei conti di Giacomo Badoer'', Umberto Dorini/Tommaso Bertelè (Hg.), Rom 1956.</ref> Das wiederum zog Bankiers aus dem Reich an, die auf die entwickelten Strukturen Italiens zurückgriffen. Dabei war die Einklagbarkeit von Wechseln ein zentraler Schritt, der kurz nach 1400 in Barcelona erstmals vollzogen wurde. Spätestens Ende des 14. Jahrhunderts bestand in Venedig eine Seeversicherung, wie sie Genuesen und Florentiner schon länger besaßen. Im Allgemeinen wurde damit allerdings nicht das Schiff versichert, sondern die Waren, die es transportierte. Durchschnittlich zahlte man 6 % des Warenwerts, mit starken Abweichungen nach unten und nach oben. Diese Abweichungen dürften in Abhängigkeit von der Dauer der Reise, der geladenen Ware und der Sicherheit der Seewege geschwankt haben. === Buchhaltung und Handelstechniken === Die Kommunikation innerhalb der wachsenden und komplexer werdenden Handelsgesellschaften erforderte extensiven Schriftverkehr. Dazu kam, dass die meisten Kaufleute sehr früh dazu übergingen, ihre Aufzeichnungen in ihrer Muttersprache, dem ''Volgare'' zu schreiben, nicht mehr in Latein. So galt das Schreiben in der adligen Lebenswelt noch lange als verachtenswert, während diese Tätigkeit im venezianischen Fernhandel zur Grundausbildung gehörte. Üblicherweise lernte man drei Jahre lang Elementarwissen, ging danach zur Abakusschule. Der eigentliche Umgang mit Kaufmannsschriftgut (Rechnungsbücher, Kontoführung, Buchhaltung usw.) wurde allerdings in der Praxis, in der Niederlassung eines Kaufmanns vermittelt. Durch die Buchführung wurden Geschäftserfolge oder -misserfolge genau und zeitnah messbar, durch die ständige Aktualisierung der Daten aber auch rationaler steuerbar. Dennoch darf nicht übersehen werden, dass nicht alle Handelshäuser diese Technik für nötig hielten. Klare Darstellung und weitere Verbreitung fand dieses System, das als ''scrittura alla veneziana'' bekannt war, durch die „Summa di Arithmetica“ des [[Luca Pacioli]] von 1494. In Venedig benutzten es die Soranzo und andere bereits seit den 1430er Jahren. Daneben entwickelte sich ein komplexes Instrumentarium verschiedener Bücher, Kladden, Heftchen, Zettel, aber auch Übertragungen, Vervielfältigungen und schließlich geheimer Bücher, wie sie von [[Francesco Datini]] umfangreich erhalten sind. Im 15. Jahrhundert entwickelte sich ein eigener Handbuchtyp, die Beschreibung der Buchhaltungsmethoden, wie sie 1494 Benedetto Cotrugli verfasste.<ref>Summa de arithmetica geometria proportioni et proporzionalità, Venedig 1494, hg. v. Balduin Penndorf, Luca Pacioli, Abhandlung über die Buchhandlung 1494, Stuttgart 1933.</ref> Dieses System korrespondierte aufs Engste mit Methoden der Warenkennzeichnung und -registrierung durch die Händler und die Zollstellen. Auch die regelmäßigen Mitteilungen, die sich in den Händlerbriefen finden, die Listen von [[Wechselkurs]]en, von Maßen und Gewichten, von regionalen Handelsgebräuchen, beförderten das Handelswesen. Eigene Handelshandbücher, ''pratiche della mercatura'' genannt, zirkulierten in zahlreichen Handschriften.<ref>Die bekannteste wurde die ''Pratica della mercatura'' des Francesco Balducci Pegolotti, die um 1340 entstand, hgg. v. Franco Borlandi, Turin 1936.</ref> Dem Informationsbedarf trug Venedig Rechnung, indem es den Nachrichtentransport übernahm und regelmäßige Eilboten unterhielt, die beispielsweise den Weg von Venedig nach [[Brügge]] in einer Woche zurücklegten. === Grundbedürfnisse === Venedig war im 15. Jahrhundert die zweitgrößte Stadt Italiens. Doch der Zustrom muss gewaltig gewesen sein, was die Miet- und Kaufpreise in die Höhe trieb. Daher griff die Kommune durch Preisfestsetzungen an vielen Stellen ein. So genannte ''calmieri'' schrieben die Preise für Brennholz, Öl, Fleisch und vor allem Brot vor. Prinzipiell machte man dabei den Brotpreis vom Weizenpreis abhängig.<ref>Für die 2 Hälfte des 16. Jahrhunderts vgl. Maurice Aymard, Venise, Raguse et le commerce du blé pendant la seconde moitie du XVIe siècle, Paris 1966, für das 12. bis 15. Jahrhundert Hans-Jürgen Hübner, Quia bonum sit anticipare tempus. Die kommunale Versorgung Venedigs mit Brot und Getreide vom späten 12. bis ins 15. Jahrhundert, Peter Lang 1998 ISBN 3-631-32870-2.</ref> Jedoch änderte sich der Preis des Brotes nur sehr selten, stattdessen wurde das Gewicht angepasst. Bei hohen Weizenpreisen wurden die Brote also kleiner, bei niedrigen größer. Da Venedig allein für seine Bewohner jährlich rund 30.000&nbsp;t Weizen einführen musste – von den enormen Mengen, die der Versorgung halb Oberitaliens dienten, einmal abgesehen –, handelte es sich um eines der größten Geschäftsfelder überhaupt. Dazu einem der brisantesten, so brisant, dass 1268 der Doge auf offener Straße erschlagen wurde, als nur das Gerücht von Preiserhöhungen die Runde machte. Dass nur die Gebühren an den Mühlen erhöht werden sollten, zeigt, dass jedem Venezianer klar war, dass die Erhöhung dieser Gebühren für eine Verkleinerung der Brote sorgen würde. Doch genau dies zeigt auch, dass sich die Lebenssituation bis zum 15. Jahrhundert deutlich verbessert hatte, denn es war inzwischen kein Problem mehr, aus Mahlgebühren und Zöllen hohe Beträge für den Fiskus einzuziehen, ohne dass sich die unteren Schichten der Bevölkerung dermaßen bedroht fühlten, wie noch zwei Jahrhunderte zuvor. === Land- und Seekriege === [[Bild:Bartolomeo Colleoni, statua equestre del Verrocchio, Venezia, campo di san Zanipolo.jpg|thumb|upright|Bronzestatue des [[Condottiere]] [[Bartolomeo Colleoni]] von [[Verrocchio]], heute auf dem Campo Zanipolo, Giovanni Dall'Orto 2006]] Die neuzeitlichen Kriege – vor allem, als die Großmächte Frankreich, Spanien und des [[Heiliges Römisches Reich|Reiches]] 1508 venezianisches Gebiet berührten – unterschieden sich in ihren Folgen für Venedig erheblich von den zuvor geführten Kriegen. Die Landkriege wurden schon länger von [[Condottiere|Condottieri]] geführt, von denen sich Venedig dank seiner Ressourcen die teuersten leisten konnte. Damit blieb die Wirtschaftsmetropole, abgesehen von den Belastungen der Staatskasse, in erstaunlichem Maß von ökonomischen Schäden verschont. Das sah jedoch bei den Seekriegen inzwischen anders aus. Sie wurden nicht von Söldnern, sondern von den venezianischen Seeleuten selbst getragen. Abgesehen von den hohen Kosten, die beispielsweise der Krieg gegen die Osmanen von 1499 bis 1503 verursachte, schädigten Tod, Verstümmelung und Gefangenschaft dieser Männer die wirtschaftlichen Grundlagen Venedigs. Arbeitskräftemangel war sowohl in den Kolonien als auch in Venedig selbst immer wieder ein fast unlösbares Problem. === Die Krise von 1508 bis 1517 === Der Konflikt mit der von Papst [[Julius II.]] geführten [[Liga von Cambrai]], zu der auch Kaiser [[Maximilian I. (HRR)|Maximilian I.]] gehörte, der die ''Terra ferma'' als ehemaliges Reichsgebiet zurückforderte, drohte selbst die Mittel Venedigs zu überfordern. Damit nicht genug gehörten auch Spanien, das die von Venedig besetzten Häfen Apuliens zurückverlangte, Frankreich, das [[Cremona]] forderte, und Ungarn, das Dalmatien wieder seinem Staatsgebiet einverleiben wollte, der Liga an. [[Bild:Tizian 059.jpg|thumb|upright|Portrait Andrea Grittis von [[Tizian]], 1540.]] Nur dadurch, dass alle Handwerker Freiwillige stellten, Matrosen als Soldaten für den Landkrieg eingesetzt wurden, und man neue Geldquellen erschloss<ref>So verkaufte man beispielsweise das Handelsmonopol für [[Alaun]] an [[Agostino Chigi]]. Vgl. Felix Gilbert: ''Venedig, der Papst und sein Bankier'', Fischer Verlag, Frankfurt a.M., 1997, ISBN 3596126134.</ref>, konnte es dem späteren Dogen [[Andrea Gritti]] gelingen, das bereits verlorene Padua im Juli 1509 zurückzuerobern. Dabei war der ''Monte Vecchio'' inzwischen mit 6 Millionen Dukaten, der ''Monte Nuovo'' mit mehr als 3 Millionen völlig überschuldet, und es musste jede Rückerstattung und Verzinsung eingestellt werden. An ihrer Stelle gründete man den ''Monte Nuovissimo'', wenig später den ''Monte del Sussidio'', dessen Name schon verrät, dass er nur der Unterstützung (der Kriegsmaschinerie) diente. Zwar brachten in den Sommermonaten die Galeeren Waren im Wert von über 600.000 Dukaten herbei, aber sie konnten nicht ausgeliefert werden, da Venedig abgeriegelt war. Das auf Fernhandel basierende Wirtschaftssystem konnte nur sehr kurze Zeit ohne Außenkontakte überleben. Die Kriegswende brachte die Diplomatie, der es gelang, ein Bündnis mit Spanien und dem Papst gegen die Franzosen zu schließen. [[Bild:PietroCoppo.jpg|thumb|Weltkarte des Pietro Coppo (1470-1555), Venedig 1520]] So katastrophal der Krieg und seine Folgen im Einzelnen waren, so gefährlich wie die portugiesische Konkurrenz im Gewürzhandel (vor allem Pfeffer und Gewürznelken) und die von [[Antwerpen]] und [[Sevilla]] im Transatlantikhandel waren, so gelang es Venedig dennoch, als Finanzplatz, als Umschlagplatz für Metalle und für Waren aus dem [[Osmanisches Reich|Osmanischen Reich]] fortzubestehen. Und obwohl die Osmanen 1517 Ägypten eroberten und Alexandria für über dreißig Jahre ausfiel, verlagerte Venedig seinen Handel nun vollends nach Syrien, wo der Austausch auch vom Aufschwung Persiens und des Osmanenreichs selbst profitierte. Als 1505 das Handelshaus der Deutschen nach einem verheerenden Brand noch größer wieder aufgebaut wurde, genügten seine Räumlichkeiten noch immer nicht dem gestiegenen Andrang. Die Tuchproduktion verzwanzigfachte sich von 1516 bis 1569. Doch die stärksten Impulse lieferten die künstlerische und kunsthandwerkliche Produktion für den schnell wachsenden Luxusmarkt – sowohl innerhalb Venedigs, als auch im gesamten europäisch-mittelmeerischen Raum. War die Bevölkerungszahl Venedigs 1509 wohl auf unter hunderttausend gefallen, so stieg sie im letzten Viertel des 16. Jahrhunderts auf rund 175.000. Dies war nicht zuletzt darauf zurückzuführen, dass neue Industrien blühten. Die zeitweilige Abriegelung von den Lebensmittelmärkten des Ostens und Südens hatte zur Folge, dass mehr Kapital und Arbeit in den Landausbau in Oberitalien flossen. Damit versuchte man, eine Brotversorgung ohne extreme Abhängigkeiten von der Außenpolitik zu sichern. === Zwischen Spaniern und Osmanen === Im Krieg gegen die Osmanen von 1537 bis 1540 war Venedig mit Kaiser [[Karl V. (HRR)|Karl V.]] verbündet. Doch [[Andrea Doria]], Führer der gemeinsamen Flotte, unterlag 1538 bei [[Seeschlacht von Prevesa|Preveza]]. Erstmals errangen die Osmanen damit die Seeherrschaft. Außerdem musste Venedig 1540 einen Friedensvertrag unterzeichnen, der der Hohen Pforte das [[Herzogtum Archipelagos|Herzogtum Naxos]] überließ. Bis 1545 hatten die Flottenführer noch erhebliche Mengen an freien Männern für die Galeeren anwerben können, wenn diese auch nur noch selten Venezianer waren. Sie stammten aus Dalmatien, von Kreta und aus Griechenland. Nun ging man zunehmend zur Zwangsverpflichtung von Gefangenen und Schuldnern über, wie es im übrigen Europa bereits seit langem in Gebrauch war. Langfristig dürfte dies den Arbeitsmarkt insofern verändert haben, als immer weniger Lohnarbeiter ihren Lebensunterhalt auf See verdienten. Doch selbst die Tatsache, dass Venedig in einem ungeheuren Kraftakt nochmals all seine Erfahrung, seine Mittel und Arbeitskräfte anspannte, indem es mehr als die Hälfte der über 200 Galeeren baute, die die Osmanen 1571 vor [[Seeschlacht von Lepanto|Lepanto]] besiegten, änderte nichts daran, dass es im Konzert der Weltmächte nicht mehr mithalten konnte. Außerdem unterstützte Spanien Venedigs Anspruch auf [[Zypern]] nicht weiter, und so musste es im Frieden von 1573 endgültig auf die Insel verzichten. == Neue Konkurrenten, Dominanz des Seehandels und Verlust der Kolonien (1571–1700) == === Kupferzeit, Papiergeld und günstiger Kredit === [[Bild:Venice - Rialto Bridge - 01.jpg|thumb|Rialtobrücke mit Geschäften. Sie ersetzte eine Holzbrücke und überspannt 28 m; gegründet auf 12.000 Eichenstämmen wurde sie 1588–91 erbaut (Entwurf: [[Antonio da Ponte]])]] Trotz gewisser Erfolge im münzlosen Geldverkehr und im Kreditwesen blieb Europas Wirtschaft noch lange von der ausreichenden Zufuhr von Edelmetallen abhängig. Um 1660 kamen aus Lateinamerika Gold und Silber im Wert von rund 365 Tonnen Silber, während Europa nur noch 20 bis 30 Tonnen produzierte. Doch Spanien investierte den überwiegenden Teil dieses Edelmetallstroms in den [[Achtzigjähriger Krieg|Krieg gegen die Niederlande]]. Dabei standen kurzfristige fiskalische Interessen im Vordergrund, aber langfristig löste diese Politik inflationäre Schübe aus und schadete der Wirtschaft. Ähnlich agierte Frankreich. [[Jean-Baptiste Colbert|Colbert]], Berater König [[Ludwig XIV.|Ludwigs XIV.]], ersetzte diese Politik durch Behinderung des Edelmetallabflusses und Förderung des Zuflusses. Dazu stärkte er die Exportindustrien, erhöhte den Gold- zu Lasten des Silberkurses und stabilisierte die Staatsschuld so beeindruckend, dass viele Ausländer ihre Edelmetalle hier anlegten. Gewinner dieser Entwicklung waren die Niederlande, die den [[Guldiner|Dukaton]] nach dem Vorbild des Dukaten als Großsilbermünze von hohem Ansehen einführten. [[Bild:Banco Giro.jpg|thumb|Bancogiro an der Piazza di Rialto, H.-J. Hübner 2007]] Doch nicht nur hierin gewannen die Niederlande, wenig später England, einen entscheidenden Vorsprung. Zunächst gründete man nach dem Vorbild des venezianischen ''Banco di Piazza di Rialto'', die ''Wisselbank''. Ihr gelang es, nicht nur den Münzwert zu stabilisieren, sondern man erzwang, dass Wechsel ab 600 [[Gulden]] nur noch über diese [[Clearing]]stelle verrechnet werden durften. Doch man ging viel weiter als in Venedig, um den Geldumlauf zu erhöhen und zu beschleunigen. Man gestattete den Kunden Gold zu deponieren, wofür sie als Quittung ''Recepissen'' erhielten. So wurde Amsterdam zum bedeutendsten Edelmetallmarkt, an dem alle Münzen in ausreichender Menge vorhanden waren, aber nur noch die ''Recepissen'' als Bargeld für größere Beträge umliefen. Eine ähnliche Ausweitung des Geldverkehrs erreichte Frankreich durch die Ausgabe von verzinslichen Staatspapieren, die gleichfalls veräußert werden konnten. Neben der Alltagstauglichkeit und dem hohen Vertrauen, das die Papiere genossen, weiteten sie die umlaufende Geldmenge sprunghaft aus und verbilligten langfristig Kredite – und stimulierten so Handel und Produktion weiter. Venedig dagegen misstraute dieser künstlichen Aufblähung und sah sich dementsprechend Konkurrenten ausgesetzt, die mit billigen Krediten und reichlich Edelmetallen ausgestattet waren. === Kampf um Monopole === Der Verlust Zyperns bezeichnete nur einen Höhepunkt in der Kette der Verluste, die erst mit dem Verlust Kretas (1645–69) ihr Ende fand. Immerhin verteidigte Venedig in der Adria ein gewisses Monopol, das erst 1717 durch die Habsburger offiziell nicht mehr anerkannt wurde. Mit gewissem Erfolg baute man den Hafen von Spalato ([[Split]]) 1581 aus und befreite 1590 osmanische Waren, die hier in das venezianische Gebiet gelangten, von jedem Zoll. Insgesamt wurden die Versuche der italienischen Mächte, durch Veränderung ihrer Wirtschaftspolitik alte Monopole zu brechen, sehr bedrohlich für Venedig. Das galt in begrenztem Umfang für [[Ancona]], das der [[Kirchenstaat]] 1593 zum [[Freihafen]] erklärte, aber besonders für [[Livorno]], das im selben Jahr zum Freihafen wurde und schnell erhebliche Teile des nahöstlichen Warenangebots an sich zog. Auch mit [[Republik Ragusa|Ragusa]], das gegen Tribut von den Osmanen unabhängig blieb, trat in der Adria eine scharfe Konkurrenz auf.<ref>Bariša Krekić: ''Dubrovnik (Raguse) et le Levant au Moyen Age'', Paris 1961 und ders.: Dubrovnik in the 14th and 15th Centuries, Norman, Oklahoma 1972</ref> Gerade in dieser Zeit ging, nachdem der Pfefferhandel erstaunlich lange Widerstand geleistet hatte, sein Volumen nach 1620 erheblich zurück. Wenige Jahre später galt Pfeffer nicht mehr als östliche Ware, sondern als westliche (ponente). Holländer und Engländer hatten den Gewürzhandel weitgehend monopolisiert. Katastrophale Ereignisse, wie die [[Pest]] von 1630, die beinahe 50.000 Venezianer das Leben kostete, begleiteten die einsetzende wirtschaftliche Stagnation. Dennoch konnte für den Bau der Kirche [[Santa Maria della Salute]], die zum Dank für die Erlösung von der Epidemie errichtet wurde, immer noch die gewaltige Summe von 420.136 Dukaten aufgebracht werden, wenn sich auch der Bau bis 1686 hinzog. === Rückläufige Industrien, Verlagerungen aufs Festland, Staatsschuld === Englische und holländische Tuche verdrängten zunehmend venezianische. Um 1600 hatte Venedig noch 30.000 Stück Wolltuch produziert, um 1700 waren es noch rund 2.000. Man versuchte sich in Imitaten und trat immer häufiger nur noch als Zwischenhändler auf. Zucker und Baumwolle, zwei aufstrebende Produktionszweige seit dem 15. Jahrhundert, wanderten nach und nach Richtung Amerika ab, so dass die Rohzuckerproduktion zwischen 1630 und 1700 von zwei Millionen Pfund auf rund 600.000 zurückging. Papiermühlen, Färbereien, Tuchwalkereien konnten sich in einer eng bewohnten Stadt auf Dauer nicht halten. Dagegen blieben die Produktion von Seife, Zucker, Wachs, die Verarbeitung von Edelmetallen und Kupfer, die Möbelindustrie und der Bau von Musikinstrumenten, besonders die Segel- und Tauproduktion in Venedig. Doch das dortige Klima war zunehmend innovationsfeindlich, so dass beispielsweise das [[Schütze (Weben)|Weberschiffchen]] erst 1784 in Venedig eingeführt werden konnte. Hingegen siedelten sich größere Betriebe auf der ''Terra ferma'' an, wo [[Manufaktur]]en mit über 600 Arbeitern (in [[Spilimbergo]]) entstanden, in einem Unternehmen bei [[Treviso]] sogar 1000. Die Papierindustrie fand ihre Zentren um [[Toscolano-Maderno]]. Ihr Ertrag wurde 1615 auf 40.000 Dukaten geschätzt. Rodungen, Trockenlegungen und Bewässerung nahmen zu, so dass man annimmt, die Agrarproduktion habe zwischen 1550 und 1600 auf dem Höhepunkt gestanden. Insgesamt brachten die neuen Industrien, dazu der [[Mais]]- und der [[Reis]]anbau mit seinen höheren Preisen, mehr Kapital ins Land.<ref>Grundlegend ist hier Aymard: ''Venise, Raguse et le commerce du blé ''. Zuletzt Jörg Reimann: ''Venedig und Venetien 1450 bis 1650''.</ref> Hingegen ging die Verstädterung zwischen 1600 und 1700 zurück. Venedigs Festland war in der 2. Hälfte des 16. Jahrhunderts, mit über 20 % der Einwohnerzahl in Städten über 10.000 Einwohnern, die am stärksten verstädterte Region Italiens –, während die Landbevölkerung von 1548 bis 1764 von 1,6 Millionen auf über 2,1 Millionen anstieg. Um 1600 arbeiteten bereits mehr als 25 % der Beschäftigten außerhalb der Landwirtschaft. Um 1700 hingegen war Venedig zum Selbstversorger bei den meisten Agrarprodukten geworden. Der [[Belagerung von Candia|Krieg um Kreta]] verstärkte den Abzug von Menschen und Kapital aufs Land erheblich. So verkaufte die Stadt in ihrer Geldnot rund 900 km² staatlichen Landes, vor allem zwischen 1665 und 1682. Dazu kam der Verkauf von Kirchengut ab 1676. Wurden 1662 noch 8 % der Staatseinnahmen für den Schuldendienst aufgebracht, so waren es 1670 bereits 54 %, bei einem Schuldenberg von 35 Millionen Dukaten. Der Krieg um [[Kreta]] soll Venedig 125 Millionen Dukaten gekostet haben, was 40 Jahreseinkünften des Staates entsprach. In seiner Not fand sich der Adel 1646 bereit, die Zugehörigkeit zu dem ansonsten weitgehend unzugänglichen Stand für 100.000 Dukaten zu verkaufen. 125 Familien machten bis ins zweite Jahrzehnt des 18. Jahrhunderts davon Gebrauch. Ihr Aufstieg löste einen Prestigestreit zwischen alten und neuen Familien aus, der sich vor allem in den Luxusindustrien als anregend erwies.<ref>Die Frage nach der ökonomischen Wirkung des Aufstiegs und der dadurch veränderten Repräsentationsbedürfnisse und -zwänge, sowie der Konkurrenz zwischen alten und neuen Familien ist noch wenig untersucht. In Marburg arbeitet derzeit Annika Höppner am Kunstgeschichtliche Institut der Philipps-Universität an einer Untersuchung mit dem Arbeitstitel ''Zur Innenausstattung venezianischer Paläste, 1700-30: Adelige Repräsentationsstrategien im Vergleich''.</ref> === Merkantilismus und Regionalkrisen === Die Exportindustrien litten vor allem unter dem Protektionismus der Flächenstaaten und der ökonomischen Schwäche des Mittelmeerraums. Schon das osmanische Importverbot für Seide (1540) hatte die Seidenproduzenten gezwungen, auf andere Märkte auszuweichen. Die französische Wirtschaftspolitik schottete ihren Markt ihrerseits zunehmend gegen Konkurrenz ab, um eigene Industrien zu fördern und dem Fiskus Geldmittel zur Verfügung zu stellen. So erging ein Einfuhrverbot für Muranoglas, um die königliche Glasmanufaktur zu schützen. Ähnliches galt für die französische Seidenproduktion. Hatte Venedig um 1590 noch 10.000 Stück höchstwertiger Seidentuche produziert, so fiel dieses Niveau um 1660 bis auf 2.300, um sich gegen 1700 wieder auf rund 6.000 zu erholen. Bald genehmigte man sogar die Produktion von Rohseide, eine Rolle, die bisher die Kolonien übernommen hatten, während Venedig sich lange die Veredelung vorbehalten hatte. Ähnlich wirkte der Rückgang der Kaufkraft im Reich, das während des [[Dreißigjähriger Krieg|Dreißigjährigen Krieges]] hohe Bevölkerungsverluste und einen drastischen Wirtschaftsrückgang erleiden musste. Auch die Wirtschaftsimpulse aus Spanien und Portugal blieben zunehmend aus, ebenso aus dem Osmanischen Reich. Der Mittelmeerraum insgesamt stagnierte, wozu die überhand nehmende Piraterie der [[Barbaresken]] ihren Teil beitrug. Venedig unterhielt um 1650 nur noch rund 100 mittlere bis größere Schiffe, wenn diese Zahl auch bis 1720 wieder auf über 200 anstieg. Allerdings waren dies überwiegend kleinere Schiffe. Die Kaufleute gingen zunehmend dazu über, holländische Schiffe zu erwerben. Der Senat befreite schließlich alle ausländischen Schiffe von den seit Jahrhunderten gewohnten Sonderabgaben. Der Vorrang der Schiffbauindustrie war längst aufgegeben. Zu den „äußeren“ Faktoren zählte die [[Pest]], die Venedig vor allem in den 1630er Jahren verheerend traf. Der Verlust von mehr als einem Drittel der Bevölkerung sorgte dafür, dass der [[Belagerung von Candia|Kretakrieg]] die Stadt noch härter traf. [[Bild:Canaletto (II) 013.jpg|thumb|[[Giovanni Antonio Canal|Canaletto]]: Canal Grande, Fondaco dei Tedeschi und Rialtobrücke. nach 1730]] Dabei zeigte sich ein struktureller Nachteil in zunehmender Schärfe. Venedig schwankte viel länger als der Nordwesten Europas zwischen fiskalischen Interessen, Protektionismus und Handelsfreiheit hin und her. So nahm die Stadt aus den Zöllen für Waren im [[Fondaco dei Tedeschi]] 1709/10 mehr als 35.000 Dukaten ein. Andererseits wollte man den Handel mit den „Deutschen“ fördern, die im ''Fondaco'' durchgehend weniger Abgaben zu leisten hatten. Doch diese staatlichen Zolleinnahmen waren zu unbeweglich und sollten endlich an die „congiunture“ angepasst werden – womit Konjunkturen in einem sehr weiten Sinne gemeint waren. Aber selbst die private Verpachtung der Zölle brachte nicht die erhofften Erträge, im Gegenteil geriet der Pächter 1711 so stark in Zahlungsverzug, dass man ihm mit Konfiszierung seiner Kaution von 4.000 Dukaten drohte. Insgesamt folgte Venedig jedoch zunehmend, wenn auch mit Verspätung, der Wirtschaftslehre dieser Zeit, dem [[Merkantilismus]]. Zu Beginn des 18. Jahrhunderts wurden noch Waren im Wert von 650.000 Dukaten über die Alpen verkauft und von 800.000 in den Rest Italiens. Gleichzeitig gingen Waren für fünf Millionen Dukaten in die ''Terra ferma''. Venedig bildete also beinahe einen ökonomischen Mikrokosmos mit seinem verbliebenen Staatsgebiet. == Stagnation und Agrarisierung (1700–1797) == [[Bild:Venice arsenale 2 1724.JPG|thumb|Das Arsenal, Joan Blaeu: Nouveau théatre d'Italie, La Haye: Alberts 1724, Bd. 1, Abb. 30, Ausschnitt]] Da die europäischen Minen immer weniger Erträge brachten, blieb die Abhängigkeit vor allem von spanischen und portugiesischen Edelmetallen sehr hoch. Der erste [[Goldrausch]] der Geschichte, ab 1693/95 in Brasilien, brachte fast während des gesamten 18. Jahrhunderts jährlich 10 bis 15 Tonnen Gold nach Europa. <ref>Michael North, Das Geld und seine Geschichte, München 1994, ISBN 3-406-38072-7.</ref> Bis gegen Mitte des Jahrhunderts verdoppelte sich zudem der Ertrag aus den spanischen Silberminen, die um 1800 über 700 Tonnen pro Jahr lieferten. Diese Edelmetallmengen förderten den Handel nach Asien ungemein, der schon immer große Edelmetallmengen verschlang, doch nur wenig davon gelangte nach Venedig. Venedig reformierte 1722 und 1733 sein Münzsystem und reduzierte, ähnlich wie Genua, [[Savoyen]] und Mailand, die Zahl der [[Nominale]], begrenzte die Kupfermünzen und passte die Münzprägung an die Wertrelation von Gold und Silber an. Schon jetzt unternahm man Versuche einer währungspolitischen Einigung Italiens, eine Zerklüftung, die immer deutlicher zum Hindernis wurde. Darüber hinaus wurde immer deutlicher, dass Währungspolitik ein wichtiger Faktor der Wirtschaftspolitik war. Um also die Geldmenge auszuweiten, die die Kredite verbilligte und damit den Austausch anregte, versuchte man den Gebrauch von edelmetallfreiem Geld auszuweiten. Dies schien der Schlüssel zum Wettstreit der nationalen Ökonomien untereinander zu sein. Dennoch endete der 1716 gestartete Versuch [[John Law]]s in einer Katastrophe, dessen Folgen er sich nur durch die Flucht aus Frankreich entziehen konnte. Seine letzten Lebensjahre verbrachte er in Venedig, wo er auch 1729 starb. [[Bild:Zecchino Manin.jpg|thumb|Zecchino des Dogen [[Ludovico Manin]],1789–1797, 3,54 g, 21 mm]] Venedigs Adel war viel zu vorsichtig und zu konservativ geworden, um solche Versuche zu wagen. Die Wirtschaft blieb in viel höherem Maß von Edelmetallen abhängig, hatte bei Weitem nicht die Kreditinstrumente zur Verfügung und konnte schon aufgrund der Größe seines Kapitalmarkts nicht mehr mithalten. Venedig wurde zunehmend zu einem Agrarstaat, der Handel innerhalb seines Gebiets abhängig vom relativ bescheidenen Binnenkonsum. Rohstoffe waren zudem teuer, die Löhne dagegen niedrig, was wiederum den Binnenhandel auf niedrigem Niveau hielt. Auch als erstmals der Getreidehandel 1764 im [[Großherzogtum Toskana]] freigegeben wurde, was auf Dauer die Versorgung deutlich erfolgreicher stabilisierte, blieb Venedig auf dem Sektor der Lebensmittelversorgung der liberaleren Wirtschaftsordnung abgeneigt. == Siehe auch == * [[Verfassung der Republik Venedig]] == Literatur == Der Beitrag beruht in seinen Grundzügen auf den Arbeiten von [[Roberto Cessi]], [[Giorgio Cracco]], [[John Day]], [[Peter Spufford]], [[Frederic C. Lane]], [[Reinhold C. Mueller]] und [[Gino Luzzatto]], dazu kommen [[Gerhard Rösch]], [[Freddy Thiriet]] und [[Ugo Tucci]] – wobei zahlreiche Details aus den folgenden Werken stammen. Dazu kommen Studien von Hans-Jürgen Hübner. === Quelleneditionen === * [http://archivi.beniculturali.it/Biblioteca/index_dm1Testo.html Alvise da Mosto, L'ARCHIVIO DI STATO DI VENEZIA. INDICE GENERALE, STORICO, DESCRITTIVO ED ANALITICO (PDF, 796 kB oder im HTML-Format)] – das Überblickswerk über die Bestände des Staatsarchivs von Venedig und damit über die wichtigsten Quellenbestände zum Thema. * [http://www.maas.ccr.it/PDF/Venezia.pdf Einen aktuellerer Überblick über die Archivalienbestände liefert das Zentrum für Forschung und Entwicklung von Methodologien und Anwendungen historischer Museen] PDF-Datei, 4,3 MB * [http://freespace.virgin.net/angus.graham/Cassiodorus.htm Cassiodors Variae als Doc-Datei] * [http://www.thelatinlibrary.com/cassiodorus.html der Text der 12 Bücher] * [[Roberto Cessi]] (Hrsg.): ''Documenti relativi alla storia di Venezia anteriori al Mille''. In: ''Testi e Documenti di storia e di letteratura latina medioevale''. Bd. 1-3, Padua 1942–43. * Cinzio Violante/[[Carlrichard Brühl]] (Hrsg.): ''Die „Honorantie civitatis Papie“''. Köln/Wien 1983, ISBN 3412004839. * Roberto Cessi (Hrsg.): ''Liber Plegiorum & Acta Consilii Sapientum''. (Deliberazioni del Maggior Consiglio di Venezia, Bd. 1), Bologna 1950. * [[Franz Dölger]] (Hrsg.): ''Regesten der Kaiserurkunden des oströmischen Reiches von 565–1453''. 1. Teil: ''Regesten von 565–1025''. München/Berlin 1924. * Gottlob Lukas Friedrich Tafel/Georg Martin Thomas (Hrsg.): ''Urkunden zur älteren Handels- und Staatsgeschichte der Republik Venedig''. Wien 1856. * Georg Martin Thomas: ''Diplomatarium Veneto-Levantinum sive Acta et Diplomata Res Venetas Graecas atque Levantis illustrantia''. 2 Bände, Venedig 1880/99, Nachdruck New York 1966 (enthält zahlreiche Vertragstexte zwischen Byzanz und Venedig). * [[Marino Sanudo|Marin Sanudo il Giovane]]: ''De origine, situ et magistratibus urbis venetae, ovvero La città di Venezia (1493–1530)''. Herausgegeben von Angela Caracciolo Aricò, Mailand 1980. === Stadtarchäologie === * John McManamon/Marco D'Agostino/Stefano Medas: ''Excavation and Recording of the Medieval Hulls at San Marco in Boccalama (Venice)''. In: ''The INA Quarterly. The Publication of the Institute of Nautical Archaeology''. Bd. 30, 2003, S. 22–28 [http://ina.tamu.edu/quarterly/V30%20No1.pdf (als PDF Nr.1, Jahrgang 30, 3,5 MB)]. === Überblickswerke === *[[Ludwig Beutin]]: ''Der wirtschaftliche Niedergang Venedigs im 16. und 17. Jahrhundert''. In: ''Hansische Geschichtsblätter''. Bd. 76, 1958, S. 42–72. * [[Ludo Moritz Hartmann|Ludo (Ludwig) Moritz Hartmann]]: ''Die wirtschaftlichen Anfänge Venedigs''. In: ''Vierteljahrschrift für Wirtschafts- und Sozialgeschichte''. Bd. 2, 1904, S. 434–442 ([http://www.digizeitschriften.de/index.php?id=loader&tx_jkDigiTools_pi1[IDDOC]=132630 Online unter www.digizeitschriften.de]). * [[Heinrich Kretschmayr]]: ''Geschichte von Venedig''. 3 Bände, Gotha 1905 und 1920, Stuttgart 1934, Nachdruck Aalen 1964. * Frederic C. Lane: ''Seerepublik Venedig''. München 1980 (engl. 1973). * [[Gino Luzzatto]]: ''Storia economica di Venezia dall'XI al XVI secolo''. Venedig 1961, Nachdruck 1995. * ''Storia di Venezia''. 8 Bände, Rom 1992–2002. === Händler, Dogen, Clans und Handelstechniken === * Benjamin Arbel: ''Trading Nations: Jews and Venetians in the Early Modern Eastern Mediterranean''. Leiden 1995. * Jean-Claude Hocquet: ''Denaro, navi e mercanti a Venezia 1200–1600''. Rom 1999. * Benjamin Z. Kedar: ''Merchants in Crisis. Genoese and Venetian men of affairs and the fourteenth-century depression'', New Haven/London 1976. * Gherardo Ortalli: ''Petrus I. Orseolo. Der 'heilige Doge' zwischen Venedig und dem Ottonischen Reich''. Stuttgart 1998. === Seefahrt und Arsenal === * Robert C. Davies: ''Shipbuilders of the Venetian Arsenal. Workers and workplace in the preindustrial city.'' Baltimore/London 1991 === Zu einzelnen Gewerben und Handelsgütern === * Salvatore Ciriacono: ''Les manufactures de luxe à Venise: contraintes géographiques, goût méditerranéen et compétition internationale (XIVe–XVIe siècles)''. In: ''Les villes et la transmission des valeurs culturelles au bas Moyen Age et aux temps modernes''. Brüssel 1996, S. 235–251. * N. Fano: ''Ricerche sull'arte della lana a Venezia nel XIII e XIV secolo''. In: ''Archivio Veneto ''. Va serie 18, 1936, S. 73–213. * Jean-Claude Hocquet: ''Chioggia, Capitale del Sale nel Medioevo''. Sottomarina 1991. * Johannes Hoffmann: ''Die östliche Adriaküste als Hauptnachschubbasis für den venezianischen Sklavenhandel bis zum Ausgang des elften Jahrhunderts''. In: ''Vierteljahrschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte''. Bd. 55, 1968, S. 165–181. * Hans-Jürgen Hübner: ''Cum continue de venditione frumenti recipiat denarios. Saisonaler Weizenkauf, unelastischer Verbrauch und die Getreidekammer als Vermittlungsinstanz auf dem Finanzplatz Venedig (ca. 1280–1380)'', in: Quellen und Forschungen aus italienischen Archiven und Bibliotheken 79 (1999) 215–266 * Hans-Jürgen Hübner: ''Quia bonum sit anticipare tempus. Die kommunale Versorgung Venedigs mit Brot und Getreide vom späten 12. bis ins 15. Jahrhundert.'' Peter Lang, Frankfurt/M. – Berlin – Bern – New York – Paris – Wien 1998 ISBN 3-631-32870-2. * Luca Molà (Hrsg.): ''The Silk Industry of Renaissance Venice''. Baltimore 2000. === Grundbesitz, Kolonien und Handelsregionen === - siehe auch [[Venezianische Kolonien]] * J. Jegerlehner: ''Der Aufstand der kandiotischen Ritterschaft gegen das Mutterland Venedig (1363–1365)''. In: ''Byzantinische Zeitschrift''. Bd. 12, 1903, S. 78–120. * Sergej P. 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Vicende femminili fra Trecento e Settecento, Rom - Venedig 2004 == Weblinks == * [http://www.geschichte-venedigs.de/wirtschaft.html Ausführlichere Version dieses Beitrags mit Zeittafel, Kolonial- und Politikgeschichte sowie Quellen und Literaturliste] (deutsch) * [http://home.eckerd.edu/~oberhot/venice.htm Münzen Venedigs] (englisch) * [http://www.dszv.it/ ''Deutsches Studienzentrum in Venedig''] deutsches Forschungsinstitut im Palazzo Barbarigo della Terrazza, mit eigener Bibliothek, Publikationsreihen; vergibt Forschungsstipendien im Bereich der Byzantinistik, Geschichte, Judaistik, Kunst- und Architekturgeschichte, Literatur- und Musikwissenschaft, Medizin-, Rechts- und Wirtschaftsgeschichte (deutsch und ital.) * [http://www.newsontherialto.com/ News on the Rialto] Newsletter zu Studien zur venezianischen Geschichte (engl. und ital.) * [http://www.museiciviciveneziani.it/ offizielle Seite der städtischen venezianischen Museen] (ital. und engl.) * [http://venus.unive.it/riccdst/sdv/links/index.html Linksammlung der Seite ''Storia di Venezia: Materiali per la ricerca''] Links zu Archiven, Quelleneditionen, Bibliotheken, Zeitschriften, Datenbanken, Kulturinstituten und Onlinetexten (ital.) == Anmerkungen und Belege == <references/> [[Kategorie:Venedig|!Wirtschaftsgeschichte Venedigs]] [[Kategorie:Geschichte Venedigs]] [[Kategorie:Wirtschaftsgeschichte|Venedig]] {{Exzellent}} i4ztthf7dcifo91iix97evuqk968e1d wikitext text/x-wiki Wisent 0 24529 27132 2010-05-05T22:51:01Z Luckas-bot 0 Bot: Ergänze: [[sl:Zober]] <!-- Für Informationen zum Umgang mit dieser Tabelle siehe bitte [[Wikipedia:Taxoboxen]]. --> {{Taxobox | Taxon_Name = Wisent | Taxon_WissName = Bison bonasus | Taxon_Rang = Art | Taxon_Autor = ([[Carl von Linné|Linnaeus]], 1758) | Taxon2_Name = Bisons | Taxon2_WissName = Bison | Taxon2_Rang = Gattung | Taxon3_Name = Rinder | Taxon3_WissName = Bovini | Taxon3_Rang = Tribus | Taxon4_WissName = Bovinae | Taxon4_Rang = Unterfamilie | Taxon5_Name = Hornträger | Taxon5_WissName = Bovidae | Taxon5_Rang = Familie | Taxon6_Name = Wiederkäuer | Taxon6_WissName = Ruminantia | Taxon6_Rang = Unterordnung | Bild = Bison bonasus (Linnaeus 1758).jpg| Bildbeschreibung = Männlicher Wisent im [[Wisentgehege Springe]]. }} Der '''Wisent''' oder der '''Europäische Bison''' (''Bison bonasus'') ist eine [[Europa|europäische]] [[Rinder|Wildrindart]]. Wisente kamen noch bis in das frühe Mittelalter in den Urwäldern von West-, Zentral- und Südosteuropa vor. Ihr Lebensraum sind gemäßigte Laub-, Nadel- und Mischwälder. Diesem Lebensraum entsprechend ist der Wisent als Herdentier nur in kleinen Gruppen anzutreffen. Typische Herden umfassen 12 bis 20 Tiere und bestehen aus Kühen und Jungtieren. Geschlechtsreife Bullen halten sich nur während der [[Brunft]]zeit bei den Herden auf. Der nächste Verwandte des Wisents ist der [[Amerikanischer Bison|amerikanische Bison]], mit dem er uneingeschränkt [[Kreuzung (Genetik)|kreuzbar]] ist. In den 1920er-Jahren war der Wisent vom Aussterben bedroht; der letzte freilebende Wisent wurde 1927 im Kaukasus geschossen. Alle heute lebenden Wisente stammen von nur zwölf in Zoos und Tiergehegen gepflegten Wisenten ab.<ref name="kra42"/> Die niedrige [[genetische Variabilität]] gilt als eine der wesentlichen Gefahren für den langfristigen Erhalt der Art. Nach Anstrengungen seitens Zoos und Privatpersonen, die Art zu erhalten, konnten die ersten freilebenden Wisentherden 1952 im Gebiet des heutigen [[Białowieża-Nationalpark|Nationalparks Białowieża]] an der polnisch-weißrussischen Grenze wieder ausgewildert werden. 2004 existierten 31 frei lebende Populationen in einer Gesamtstärke von 1955 Wisenten. Das entspricht rund 60 Prozent des Weltbestandes.<ref name="kra265"/> Die [[Schutzgemeinschaft Deutsches Wild]] erklärte den Wisent im Jahr 2008 zum [[Wildtier des Jahres]]. == Merkmale == === Biometrische Daten === [[Datei:Wisent.jpg|miniatur|rechts|Wisentbulle in Białowieża]] Der Wisent ist seit der Ausrottung des [[Auerochse]]n [[Europa]]s schwerstes und größtes [[Säugetiere|Landsäugetier]] und zudem der letzte Vertreter der wildlebenden [[Rinder]]arten des europäischen Kontinents. Wisente weisen 14 Rippenpaare und fünf Lendenwirbel auf. Das [[Hausrind]] dagegen hat 13 Rippenpaare und sechs Lendenwirbel.<ref> Mohr, S. 7 </ref> Geschlechtsreife Wisentbullen sind wesentlich schwerer und größer als ausgewachsene Kühe. Der auffällige Gewichtsunterschied zwischen Männchen und Weibchen entwickelt sich erst ab dem dritten Lebensjahr. Kuhkälber wiegen bei Geburt durchschnittlich 24 und Stierkälber 28 Kilogramm.<ref name="kra38"/> In den ersten drei Lebensmonaten verdoppelt sich das Gewicht und beträgt am Ende des ersten Lebensjahres durchschnittlich 175 Kilogramm bei Kühen und 190 Kilogramm bei Bullen. Mit vier Jahren bringen in Gehegezucht gehaltene Bullen dagegen bereits 500 Kilogramm auf die Waage, während die Kühe bei durchschnittlich 400 Kilogramm liegen. Der schwerste in polnischer Gehegezucht gehaltene Bulle erreichte ein Körpergewicht von 920 Kilogramm.<ref name="kra39"/> Die freilebend im Białowieżaer Reservat gehaltenen Wisente sind dagegen deutlich leichter. Vierjährige Bullen haben ein durchschnittliches Gewicht von 467 Kilogramm, während Kühe 341 Kilogramm wiegen. Der schwerste freilebende Bulle wog 840 Kilogramm.<ref name="kra38"/> Die Kopf-Rumpflänge beträgt bei Bullen, die älter als sechs Jahre sind, bis zu drei Meter. Ihre [[Widerrist]]höhe kann bis zu 1,88&nbsp;Meter betragen. Wisentkühe erreichen eine Widerristhöhe von maximal 1,67&nbsp;Meter und eine Kopf-Rumpflänge von 2,70&nbsp;Meter.<ref name="kra39"/><ref name="kra40"/> === Weitere Merkmale === [[Datei:Bison bonasus right eye close-up.jpg|miniatur|Rechtes Auge des Wisent mit [[Pupille#Pupillenform und -motorik|querovaler Pupille]]]] Der Rumpf ist bei beiden Geschlechtern verhältnismäßig kurz und schmal. Der Kopf ist tief angesetzt und im Verhältnis zum Körper klein. Auffällig ist bei Wisenten vor allem die vom Widerrist nach hinten abfallende Rückenlinie und die im Vergleich zum relativ schwachen Hinterteil sehr muskulöse Vorderpartie.<ref> Mohr, S. 17 </ref> Wisentkälber sind zunächst hochbeinig und ohne solche disproportionale Unterschiede. Die wisenttypischen Körperproportionen entwickeln sich bei ihnen im Alter von acht bis zehn Monaten. Bei den Bullen sind die [[Wirbel (Anatomie)#Dornfortsatz|Dornfortsätze]] der [[Brustwirbel]] länger und stärker von Muskeln umgeben, so dass ihr Buckel auffallend größer ist als der der Weibchen.<ref name="kra30"/> Die Ohren sind kurz, breit, dicht behaart und im dichten Kopfhaar weitgehend verborgen.<ref> Niethammer et al., S. 280 </ref> Beide Geschlechter haben [[Horn|Hörner]], die am hinteren Kopfrand stehen. Die Hörner der Kühe sind im Vergleich zu denen der Bullen kürzer und dünner. Hornanlagen sind bereits bei neugeborenen Kälbern entwickelt. Erst ab dem zweiten Lebensjahr biegen sich die Hörner nach innen, dabei bleibt der Abstand zwischen den Hornspitzen größer als an den Hornbasen.<ref> Mohr, S. 9 </ref> Die Hornkrümmung ist bei Kühen stärker entwickelt, so dass der Hornabstand bei den Bullen größer ist. Die Hörner sind in der Regel grauschwarz, bei einzelnen Individuen treten jedoch helle Hornspitzen auf. Ältere Bullen haben häufig abgestumpfte Hornspitzen.<ref name="kra33"/> Das [[Euter]] der Kühe, das zwei Zitzenpaare aufweist, ist klein und hoch angesetzt. Der [[Hodensack]] der Bullen liegt dicht am Unterbauch und ist deutlich kleiner als beispielsweise bei einem Hausrind. Die [[Vorhaut|Vorhaut des Penis]] endet mit einem Haarbüschel, so dass sich bei Feldbeobachtungen die Geschlechter relativ eindeutig bestimmen lassen. Die [[Auge]]n sind relativ klein, von brauner Farbe mit einer quer-ovalen [[Pupille]]. Die Lidränder und die [[Bindehaut]] sind schwarz.<ref name="Ni281"/> Charakteristisch für Wisente ist außerdem ein [[Moschus]]geruch. Die Haut von Wisenten ist am dicksten am mittleren Halsrücken und extrem elastisch. In der Literatur finden sich Schilderungen von Unfällen oder Kämpfen mit Artgenossen, bei denen die Tiere schwere innere Verletzungen erlitten, die Haut jedoch nicht durchdrungen wurde.<ref> Krasińska et al., S. 37 </ref> Das Lautrepertoire der Wisente ist nicht sehr groß. Charakteristische Laute sind ein brummendes Knören und bei Erregung ein scharfes Prusten.<ref> Mohr, S. 21 </ref> Kühe sind in der Lage, ihre Kälber anhand der Stimmen zu identifizieren, und Kälber können auch innerhalb größerer Herden ihre Mütter anhand deren Stimme finden.<ref name="kra34"/> === Fell und Haarwechsel === [[Datei:Neandertal - Wisent.jpg|miniatur|Grasende Wisentkuh im Wildgehege Neandertal]] [[Datei:Bison bonasus horn p.jpg|thumb|Horn eines Wisents]] Die Fellfarbe kann individuell leicht variieren, ist aber bei ausgewachsenen Wisenten überwiegend fahlbraun bis braun. Am dunkelsten sind die Kopfseiten und der untere Teil der Beine. Um Schnauze und Augen sind die Haare kurz und glatt. Oberhalb des nackten Nasenfeldes findet sich in der Regel ein schmaler, hellgrauer Streif.<ref> Mohr, S. 18 </ref> Am Vorderkörper sind [[Leithaar|Leit-]] und [[Grannenhaar]]e verlängert und bilden entlang der Kehle und der Vorderbrust eine Mähne. Die Stirnhaare sind mit 20 Zentimetern mäßig lang. Sie fallen nach vorne und liegen auf der Stirn fest auf.<ref> Mohr, S. 11 und S. 17</ref> Der Kehlbart bei ausgewachsenen Bullen kann bis zu 34 Zentimeter lang sein.<ref> Niethammer et al., S. 284 </ref> Am längsten sind die Haare am Schwanzende. Sie können bis zu 50 Zentimeter lang sein und reichen bis zum Sprunggelenk.<ref name="kra30"/><ref name="kra31"/> Die Zahl der [[Wollhaar|Woll-]] und Grannenhaare variiert in Abhängigkeit der Jahreszeit und ist am höchsten während des Winters. Der Wechsel ins Sommerkleid beginnt meistens Anfangs März. Meist sind es die älteren Bullen, die zuerst ihr Kopf- und Halshaar verlieren. Beim Haarwechsel schiebt sich die abgelöste Unterwolle in Klumpen an den Grannen entlang und hängt am Fell, bis sie vom Wisent abgestreift wird.<ref> Mohr, S. 18 und S. 19</ref> Der Haarwechsel dauert bei den Bullen durchschnittlich 138 Tage, während er sich bei den Kühen über 183 Tage hinziehen kann.<ref name="kra31"/> Kälber sind unmittelbar nach der Geburt rotbraun. Erst wenn sie im dritten oder vierten Lebensmonat erstmals das Haarkleid wechseln, weisen sie eine ähnliche Fellfarbe wie ausgewachsene Tiere auf. === Sinnesleistungen und Fortbewegung === Das Sehvermögen von Wisenten ist nicht sonderlich gut ausgeprägt, dagegen ist ihr Geruchssinn gut entwickelt. So finden versprengte Mitglieder einer Herde zu ihr zurück, indem sie den Fährten der Herdenmitglieder folgen. Ähnlich folgt ein Bulle einer Herde von Kühen, indem er die Fährten der Kühe erschnuppert.<ref name="kra33"/><ref name="kra34"/> Wisente können verhältnismäßig schnell galoppieren und erreichen im Sprint bis zu 60 km/h.<ref name="ni90"/> Sie können eine so hohe Geschwindigkeit jedoch nur über weniger als 100&nbsp;Meter halten und müssen in der Regel anschließend schwer atmend pausieren. Typischer ist für sie ein langsames Gehen, wobei das Körpergewicht erst dann auf das vordere Bein verlagert wird, wenn dieses fest auf dem Boden steht<ref name="kra35"/>, die Schrittlänge beträgt dabei etwa 75 bis 115 Zentimeter.<ref name="Ni281"/> Sie sind jedoch so wendig und geschickt, dass sie bis zu 2&nbsp;Meter hohe Hindernisse und 3&nbsp;Meter breite Gräben überspringen können.<ref name="ni90"/> == Verbreitung == Die ursprüngliche Verbreitung des Wisents umfasste einen großen Teil des europäischen Kontinents. In vor- und frühgeschichtlicher Zeit reichte sein Verbreitungsareal vom Norden [[Spanien]]s über [[Mitteleuropa]] und den Süden der skandinavischen Halbinsel bis ins [[Baltikum]]; von der [[Riga]]er Bucht verlief die Verbreitungsgrenze südostwärts bis ans Schwarze Meer und zum Kaukasus. Die Verbreitung reichte im Kaukasus vom Meeresniveau bis in eine Höhe von 2100 Metern.<ref name="nie291"/> [[Datei:AltamiraBison.jpg|miniatur|Wisentdarstellung aus dem [[Jungpaläolithikum]] in der spanischen [[Höhle von Altamira]]]] Der Lebensraum der Wisente begann bereits während des [[Neolithikum]]s vor etwa 6000 Jahren zu schrumpfen. Der Übergang von Jäger- und Sammlerkulturen zu sesshaften Bauern, der im Neolithikum begann, ging mit einer immer stärkeren menschlichen Nutzung und Abholzung von Wäldern einher. Auf Lichtungen und gerodeten Flächen wurden zunehmend Kulturfrüchte angebaut und der Wald als Weidefläche für Haustiere genutzt.<ref> Nigge et al., S. 53 </ref> In Folge dieser zunehmenden Urbarmachung und Nutzung der Wälder war der Wisent in weiten Teilen Frankreichs bereits im 8. Jahrhundert ausgestorben. Auf dem Gebiet des heutigen Deutschlands verschwand der Wisent zwischen dem 14. und 16. Jahrhundert.<ref name="kra47"/> In Ostpreußen gab es zu Beginn des 18. Jahrhunderts noch so viele Wisente, dass man im [[Königsberg (Preußen)|Königsberger]] [[Hetztheater]] anlässlich der Krönungsfeierlichkeiten von [[Friedrich I. (Preußen)|Friedrich I.]] im Januar 1701 mehrere Wisente gegen Bären und Wölfe kämpfen ließ.<ref> Gottschalk, S. 64 und 65 </ref> Der letzte ostpreußische Wisent wurde 1755 erlegt.<ref name="kra49"/> In Rumänien gab es wildlebende Wisente noch im ausgehenden 18. Jahrhundert.<ref name="nig54"/><ref name="nie291"/> Im Gebiet des heutigen Polens waren Wisente bereits im 11. Jahrhundert selten, Restbestände konnten sich jedoch in größeren Waldgebieten halten, in denen sie als königliches Jagdwild geschützt waren.<ref name="nie291"/> Besondere Bedeutung für den Erhalt des Wisents hatte der [[Białowieża-Nationalpark|Wald von Białowieża]]. Bereits im Mittelalter war diese entlegene Region im Grenzgebiet zwischen dem heutigen Polen und Weißrussland ein privilegiertes Jagdgebiet der polnischen Könige. Wisente durften hier nur mit besonderer Bewilligung des polnischen Herrschers gejagt werden.<ref name="nig54"/> Ab 1795 stand das Gebiet unter strengem Schutz des russischen Zaren. Das Gebiet wurde zwar als [[Hudewald]] genutzt, auf Wilderei stand jedoch die Todesstrafe und ab 1803 war in weiten Teilgebieten des Waldes Holzeinschlag untersagt.<ref> Nigge et al., S. 79 </ref><ref> Gottschalk, S. 70 </ref> Von 1832 bis zum Ende des [[Erster Weltkrieg|Ersten Weltkriegs]] wurde der Wisentbestand jährlich gezählt.<ref> Gottschalk, S. 71 </ref> Er erreichte 1857 mit 1.900 Wisenten sein Maximum. Danach kam es durch zwei [[Epizootie]]n in den Jahren 1890 und 1910 zu einem Rückgang der Bestände. Anfang 1915 lebten noch etwa 770 Wisente in diesem Gebiet. Im Herbst 1917 waren es nur noch 150 Tiere. Unmittelbar nach Ende des Ersten Weltkriegs fielen die meisten Tiere marodierenden Soldaten sowie Wilderern zum Opfer.<ref name="ni55"/> Überreste eines gewilderten Wisents sowie Fährten von vier weiteren Tieren wurden letztmals am 4. April 1919 gefunden. Da jedoch während des 19. Jahrhunderts aus Wisentbeständen dieses Gebietes immer wieder Wisente gefangen und an Zoos und Gehege verschenkt worden waren, konnte auf diese Nachkommen Białowieżaer Wisente zurückgegriffen werden, als in den 1920er-Jahren die Bemühungen einsetzten, die Art zu erhalten. Die sogenannte [[Pleß-Linie]] geht beispielsweise auf einen Bullen und vier Kühe zurück, die 1865 dem [[Hans Heinrich XI. von Hochberg|Fürsten von Pleß]] geschenkt und mit denen über einige Jahrzehnte in den Pleßer Wälder gezüchtet wurde. Große Bedeutung hat in der heutigen Erhaltungszucht der Bulle Plisch mit der Zuchtbuchnummer 229, der 1936 von Pleß wieder nach Białowieża zurückgebracht wurde. Von ihm stammen fast alle zur Zeit im Urwald von Białowieża lebenden Wisente ab.<ref> Krasińska et al., S. 22 und S. 23 </ref> [[Datei:Vanatori neamt.jpg|thumb|Wisente in Rumänien]] Bereits im 17. Jahrhundert war in Mitteleuropa bekannt, dass es auch in [[Kaukasien]] Wisentbestände gab.<ref> Gottschalk, S. 79 </ref> Erst im 19. Jahrhundert sammelten Naturforscher wie [[Alexander von Nordmann]] und [[Gustav Radde]] während ihrer Forschungsreisen nähere Einzelheiten über die dort lebenden Wildrinder. Das Verbreitungsgebiet des Kaukasuswisents war der Nordhang des Kaukasusmassivs sowie dessen Vorgebirge. Auf der Südseite des Gebirges kamen Wisente nur im Westen bis etwa zur Grenze von [[Abchasien]] vor. Im 19. Jahrhundert lebten von der kaukasischen Unterart noch etwa 2.000 Individuen. Die Bestände gingen aufgrund des [[Kaukasischer Krieg|Kaukasischen Kriegs]] sowie zunehmender menschlicher Besiedlung des Verbreitungsgebietes mehr und mehr zurück.<ref name="kra20"/> In den 1890er-Jahren existierten nur noch 442 Kaukasuswisente, die vom russischen [[Zar]]en unter Schutz gestellt wurden. Nachdem im Jahr 1919 zusätzlich eine Epizootie durch Hausrinder eingeschleppt wurde, verringerte sich die Zahl der Tiere auf 50 Individuen. Der letzte freilebende Kaukasuswisent wurde 1927 getötet.<ref name="kra21"/><ref name="ni55"/> Ein Bulle dieser Unterart mit Namen [[Kaukasus (Wisent)|Kaukasus]] und Zuchtbuchnummer 100 spielte jedoch in der Erhaltungszucht der Wisente eine Rolle. Er wurde mit Flachlandwisenten gekreuzt und begründete damit die [[Flachland-Kaukasus-Linie]]. Wiederansiedlungen von Wisenten erfolgten 1952 im polnischen Teil und 1953 im weißrussischen Teil von Białowieża. 2004 lebten in Polen, Weißrussland, der Ukraine, Russland, Litauen und der Slowakei 29 freie und zwei halbfreie Populationen.<ref name="kra265"/> Im März 2010 wurden neun Wisente in [[Bad Berleburg]] im [[Kreis Siegen-Wittgenstein]] in ein 80 Hektar großes Auswilderungsgehege gebracht. Die aus Zoos und Wildparks stammenden Tiere sollen dort eine Herde bilden und ihre natürliche Scheu zurückgewinnen. Der Plan sieht vor, dass sie ab 2013 wieder in die freie Natur ausgesetzt werden. == Lebensraum == [[Datei:Wisente Bison bonasus-cc.jpg|miniatur|Wisente im Tierpark]] Der Lebensraum der Wisente sind ausgedehnte Laub- und Mischwälder mit einem ausgeprägten Mosaik unterschiedlich dichter Vegetationsstrukturen. Reine Nadelwälder werden nur selten aufgesucht, Mischwäldern wird aber der Vorzug vor reinen Laubwäldern gegeben.<ref name"kra159"> Krasińska et al., S. 159 </ref> Eine Vorliebe zeigen sie für [[Erlenbruchwald|Erlenbruchwälder]]. Im Wald von Białowieża, der nicht nur die ältesten freilebenden Wisentherden beherbergt sondern auch das ursprünglichste und vom Menschen am wenigsten geprägte Waldgebiet in Mitteleuropa ist, machen tote Bäume etwa 20 Prozent der Gesamtholzmasse aus. Dadurch ist der Wald deutlich lichter als mitteleuropäische Wirtschaftswälder.<ref> Nigge et al., S. 71 </ref> Entsprechend kann sich eine dichtere Krautschicht entwickeln. Die jahreszeitlich unterschiedliche Entwicklung der Krautschicht in Białowieża prägt das Nutzungsverhalten der Tiere: So halten sich Wisente im Frühjahr überwiegend in Laubwäldern auf, in denen sich die Krautschicht am frühesten entwickelt. Ab Ende Mai nutzen sie bevorzugt frische Mischwälder, in denen die Krautschicht sich später entwickelt und im Juni und Juli in voller Blüte steht.<ref> Niethammer et al., S. 303 </ref> Die Reviergröße einer Gruppe von Wisenten beträgt etwa 4.600 bis 5.600 Hektar. Die Reviere einzelner Gruppen können sich jedoch zu einem großen Teil überlappen.<ref> [http://www.landwirtschaft-bw.info/servlet/PB/menu/1063235/index.html Wisente in der Landschaftspflege, LEL Schwäbisch Gmünd], aufgerufen am 2. Dezember 2009</ref> == Nahrung == [[Datei:Zubr BPN 04.jpg|thumb|Weidender Wisentbulle]] Der Wisent ist ein typischer [[Raufutter]]verwerter. Dies unterscheidet ihn vom [[Rothirsch]], der den sogenannten Intermediärtyp vertritt, und vom [[Reh]], das als sogenannter Konzentratselektierer nur energiedichte Pflanzenarten und -teile frisst. Die drei Arten sind deshalb keine Konkurrenten um Nahrungsressourcen. Die Literaturangaben über den täglichen Nahrungsbedarf eines ausgewachsenen Wisents reichen von 30 bis 60 Kilogramm.<ref name="kra158"/> Während der Vegetationszeit äsen Wisente überwiegend die Krautschicht, und unabhängig vom Waldtyp stellt dies die Hauptquelle der Nahrung dar.<ref name="kra156"/> Regelmäßig werden auch junges Laub und Triebe gefressen, allerdings macht dies immer einen geringen Teil der Nahrung aus. Baumrinde wird vor allem gegen Ende des Winters abgeschält und gefressen. Bei Populationen, die im Winter kein Heu erhalten –&nbsp;wie die in freier Wildbahn lebenden Wisente im Zentralkaukasus&nbsp;–, stellen Brombeersträucher und unter dem Schnee freigescharrte Krautvegetation den Hauptteil der Nahrung dar. Auch hier steigt der Anteil von Baumrinde in der Nahrung deutlich an, wenn die Schneedecke höher ist.<ref name="kra157"/> In Białowieża hat man insgesamt 137 Pflanzenarten identifiziert, die in der Ernährung der Wisente eine Rolle spielen. Dazu zählen [[Wald-Reitgras]], [[Wald-Segge]] und [[Behaarte Segge]], [[Giersch]], [[Große Brennnessel]], [[Wolliger Hahnenfuß]] sowie [[Kohl-Kratzdistel]]. Triebe und junges Laub werden insbesondere von [[Hainbuche]], [[Salweide]], [[Eschen (Pflanzengattung)|Esche]] und [[Himbeere]] gefressen. Die Baumrinde von [[Stiel-Eiche]], Hainbuche, Esche und Fichten spielt im Winter eine Rolle.<ref name="kra152"/> Daneben werden im Herbst Eicheln und Bucheckern aufgenommen. == Sozialverhalten == Wisente sind Herdentiere. Lediglich ältere Bullen leben meist einzelgängerisch, während junge Bullen sich gewöhnlich zu kleinen Gruppen zusammenschließen. Die typische Wisentherde ist jedoch eine gemischte Gruppe, die aus Kühen, zwei bis dreijährigen Jungtieren, Kälbern und während der Brunftzeit zeitweise auch erwachsenen Bullen besteht.<ref> Krasińska et al., S. 170 und S. 173</ref> Die Gruppenzusammensetzung ist nur sehr selten über längere Zeit stabil. Herden vermischen sich, wenn sie aufeinandertreffen, und wenn sie sich wieder trennen, ist häufig ein Teil der jeweiligen Gruppenangehörigen ausgetauscht.<ref> Krasińska et al., S. 170 </ref> Eine Herde wird von einer Leitkuh angeführt. Das Alter ist ein bestimmender Faktor für den Rang, wobei einzelne Kühe ihre Stellung zum Teil über mehrere Jahre innehaben, wie man aus Untersuchungen an freilebenden Herden weiß. Bullen, die während der Fortpflanzungszeit zu den Herden stoßen, haben keinen Einfluss auf die Gruppenhierarchie. Ihre Anwesenheit dient lediglich der Fortpflanzung.<ref> Krasińska et al., S. 180 und S. 181 </ref> Wisente halten in der Regel einen Abstand von zwei bis drei Meter voneinander. Wird diese Distanz von einem rangniedrigeren Tier etwa beim Passieren einer engen Wegstelle unterschritten, kann das ranghöhere Tier aggressiv reagieren. Kämpfe sind jedoch ausgesprochen selten.<ref> Sambraus, S. 60 </ref> == Aktivitätsrhythmus == Studien zur Lebensweise der Wisente liegen nur für solche Tiere vor, die zumindest zeitweise zugefüttert werden. So werden auch die im Urwald von [[Białowieża-Nationalpark|Białowieża]] freilebenden Wisentherden während des Winters mit Heu gefüttert, bei großen Schneehöhen nehmen die Tiere keine andere Nahrung mehr zu sich.<ref name="kra111"/> === Jahreszyklus im Nationalpark Białowieża === [[Datei:Bison bonasus Białowieża pl.jpg|miniatur|Äsende Jungkuh im Nationalpark Białowieża]] Die Paarungszeit der Wisente fällt in den Zeitraum August bis Oktober. Ab August schließen sich ausgewachsene Bullen den Herden an. Die Bullen tolerieren dann in der Nähe ihrer Herde keine Rivalen und auch Jungtiere halten sich in dieser Zeit etwas von den Kuhherden entfernt. In diesen Monaten legen Wisente auch die Energiereserven für den Winter an, wobei sie Pilze wie [[Hallimasche]] und in großen Mengen Brennnesseln fressen. Im Nationalpark Białowieża beginnen die Wisentherden sich allmählich den Wintereinständen zu nähern, an denen sie traditionell mit Heu gefüttert werden. Ab November halten sie sich in unmittelbarer Nähe dieser Fütterungsstellen auf und wandern auf der Suche nach Grünpflanzen nur in näher gelegene Gebiete, wenn die Schneedecke noch nicht geschlossen ist. Altbullen sind in der Regel die letzten Wisente, die sich an den Fütterungsstellen einfinden. Die Konzentration rund um die Fütterungsstellen währt bis März. Erst im April lösen sich die Wintergruppierungen auf. Die Wisente entfernen sich immer weiter von den Fütterungsstellen und suchen insbesondere in Eichen-Hainbuchen-Wäldern nach den ersten grünen Pflanzen. Eine der wesentlichen Nahrungspflanzen in dieser Zeit ist das [[Buschwindröschen]]. Sobald das Laub austreibt, fressen die Wisente auch die frischen Triebe.<ref name="kra109"/> In den Zeitraum Mai bis Juli fällt die Setzzeit und die Aufzucht der Kälber. Wisente durchstreifen dann sehr weiträumig das Gebiet. Sie legen durchschnittlich aber nicht mehr als fünf Kilometer am Tag zurück und halten sich an Stellen mit reichlichem Nahrungsangebot über mehrere Tage auf.<ref name="kra114"/> Bei den Wanderungen nimmt die Leitkuh grundsätzlich die Position an der Spitze der Gruppe ein. Die anderen Wisente folgen ihr dicht nebeneinander gehend. Jungwisente und ältere Kälber halten sich dabei meist in der Gruppe auf. Begleitet ein erwachsener Bulle die Herde, geht er in der Regel am Ende.<ref name="kra135"/> === Tagesrhythmik === [[Datei:Wisentsauerland.jpg|miniatur|Der Tagesrhythmus ist durch lange Ruhephasen bestimmt]] Wie für Wiederkäuer typisch ist der Tagesrhythmus von mehreren Phasen des Äsens und Ruhens bestimmt. Die Länge einer einzelnen Äsungsphase ist sehr variabel und kann von 15 Minuten bis zu fünf Stunden dauern.<ref> Krasińska et al., S. 113 und S. 114 </ref> Während der Vegetationsphase verbringen Wisente im polnischen Teil des Nationalparks etwa 60 Prozent ihrer Zeit mit Äsen, im weißrussischen Teil dagegen durchschnittlich 80 Prozent. Dieser Unterschied wird auf das unterschiedliche Nahrungsangebot zurückgeführt.<ref name="kra112"/> Die erste Äsungsphase beginnt bei Sonnenaufgang, die letzte spielt sich während der Abenddämmerung ab. Bei den im Nationalpark Białowieża untersuchten Wisenten sind während des Tages zwei weitere Äsungsphasen zu beobachten. Länge und Zeitpunkt sind abhängig vom Wetter, von der Belästigung durch Insekten, der Qualität des Nahrungsangebots und der Störung durch Menschen. Im weißrussischen Teil des Nationalparks, der den Tieren eine weniger gute Nahrungsbasis bietet, äsen die Wisente auch nachts. Auch im polnischen Teil des Nationalparks verschieben Wisente bei hohen Tagestemperaturen ihre Äsungsphase in die Abend- und Nachtstunden und ruhen während des Tages.<ref name="kra113"/> Im Winter kehrt sich das Verhältnis von Äsungs- und Ruhephasen um. Sie verbringen dann etwa 30 Prozent ihrer Zeit mit dem Fressen von Heu. 60 Prozent des Tages ruhen sie.<ref name="kra112"/> == Fortpflanzung == === Geschlechtsreife und Fruchtbarkeit === Zur Fortpflanzung kommen in der Regel Bullen zwischen dem 6. und 12. Lebensjahr. Weder jüngere noch ältere Bullen können sich in den Revierkämpfen gegen ihre männlichen Artgenossen durchsetzen. Unter Gehegebedingungen sind aber auch ältere Bullen noch fortpflanzungsaktiv.<ref name="kra118"/> Freilebende Kühe gebären ihr erstes Kalb in der Regel im vierten Lebensjahr. Sie bleiben bis ins hohe Alter fruchtbar. Kühe, die noch mit 20 Jahren Kälber werfen, sind auch in der freien Haltung keine Seltenheit.<ref name="kra118"/> Unter natürlichen Umständen kalben die Kühe durchschnittlich alle zwei Jahre. In Gehegehaltung, wo das Futter ganzjährig reichlich zur Verfügung steht, werfen viele Kühe auch jährlich. === Brunft === [[Datei:Zubr BPN 02.jpg|miniatur|Wisentkuh mit Jungtier]] Wisente haben ein [[polygyn]]es Paarungssystem: ein Bulle deckt mehrere Kühe. In der Regel bestehen die Harems aus zwei bis sechs paarungsbereiten Kühen.<ref name="nig92"/> Die [[Brunft]]erscheinungen bei den Weibchen sind nicht sehr auffällig. Die Kühe sind lediglich etwas unruhiger. Bullen sind dagegen deutlich aggressiver und vertreiben beispielsweise auch kleine Vögel, die in der Nähe nach Insekten suchen. Auch Kälber werden gelegentlich von ihnen angegriffen.<ref> Sambraus, S. 62 </ref> Die meisten Deckakte finden zwischen August und Oktober statt.<ref name="kra121"/> Brunftkämpfe zwischen Bullen sind verhältnismäßig selten, beispielsweise im Vergleich zu [[Rothirsch]]en. Treffen zwei Bullen von ähnlicher Größe und Kraft aufeinander, geht dem Kampf ein ritualisiertes Verhalten voraus, bei dem sich der hohe Erregungszustand der Bullen unter anderem durch ein Wühlen im Boden mit den Klauen, ein Wälzen an Stellen, die sie zuvor mit Urin getränkt haben oder ein Bearbeiten von Bäumen mit den Hörnern ausdrückt.<ref name="kra124"/> In der Hauptphase des Kampfes stehen die Bullen frontal mit den Köpfen zueinander, greifen sich in kurzen Zeitabständen mit den Hörnern an und versuchen sich über den Kampfplatz zu schieben. Der Kampf wird in der Regel beendet, wenn einer der beiden Bullen aufgibt. Gelegentlich enden die Kämpfe mit Verletzungen der beteiligten Bullen oder auch tödlich. Zum typischen Verhalten der Bullen während der Brunftzeit gehört ein Beschnuppern der äußeren Geschlechtsteile der Kühe. Bei diesem sogenannten [[Flehmen]] hebt der Bulle den Kopf an, streckt den Hals hoch und zieht die Lippen auseinander. Dabei prüft der Bulle die Konzentration der Sexualhormone im Harn der Kühe, um deren Paarungsbereitschaft zu beurteilen.<ref name="kra122"/> Eine hochbrünftige Kuh wird für ein oder zwei Tage nahezu ununterbrochen vom Bullen begleitet. Dabei flehmt er wiederholt oder beleckt und beschnuppert ihre Schamgegend. Der hohe Erregungszustand des Bullen drückt sich durch ein Verhalten aus, das den Handlungen kurz vor einem Kampf mit einem anderen Bullen gleicht. Sehr häufig sind von ihnen knörende Rufe zu hören.<ref name="kra123"/> Während der Brunftzeit fressen Bullen verhältnismäßig selten und verlieren in dieser Zeit erheblich an Gewicht.<ref name="nig92"/> === Tragezeit, Geburt und Lebenserwartung === Die Kühe tragen in der Regel nur einzelne Kälber aus, welche meistens zwischen Mai und Juli geboren werden. Die [[Tragezeit]] beträgt durchschnittlich etwa 264 Tage.<ref name="kra128"/> Auf Grund der geringen Größe der Kälber und des Körperbaus der Kühe sind Trächtigkeitsanzeichen bei den Kühen nur schwach sichtbar. Trächtige Kühe sondern sich vor der Geburt von der Herde ab und suchen geschützte Orte auf, um dort zu gebären. Der Geburtsvorgang ist verhältnismäßig schnell und verläuft meist komplikationslos. Die Kälber, die ein Geburtsgewicht von nur 25 bis 30 Kilogramm haben, kommen binnen einer bis zwei Stunden zur Welt.<ref> Sombraus, S. 63 </ref> Bereits wenige Minuten nach der Geburt beginnt das Kalb mit Aufstehversuchen. Meist kann es bereits nach 30 Minuten stehen. Die Kühe schließen sich mit ihren Kälbern wenige Tage nach der Geburt wieder den Herden an. Im Gegensatz zu vielen anderen Huftieren wird das Kalb nach dem Säugen nicht versteckt abgelegt, sondern es bleibt ständig in unmittelbarer Nähe der Mutterkuh.<ref name="kra137"/> Bis zu einem Alter von drei Monaten stellt die Muttermilch die Hauptnahrung der Kälber dar. Beim Säugen steht das Kalb parallel zum mütterlichen Körper. Ab drei Monaten spielt Pflanzennahrung eine zunehmende Rolle in seinem Nahrungsspektrum. Es hält sich ab diesem Zeitpunkt zunehmend weniger in unmittelbarer Nähe der Mutter auf, sondern ist häufiger mit Altersgenossen vergesellschaftet.<ref> Kresinska et al., S. 109 und S. 110 </ref> Wisentkühe erreichen nur in Ausnahmefällen das 25. Lebensjahr. Bullen werden selten älter als 20 Jahre.<ref name="kra41"/> == Todesursachen und Krankheiten == Eine Bedeutung als Fressfeind haben heute lediglich [[Wolf|Wölfe]] und [[Eurasischer Luchs|Luchse]].<ref> Niethammer et al., S. 307 </ref> Als großes Herdenwild ist der Wisent für diese Arten jedoch nur schwer zu erbeuten. Am ehesten werden noch Kälber gerissen. [[Małgorzata Krasińska|Małgorzata]] und [[Zbigniew Krasiński]] gehen davon aus, dass ein zunehmender Wolfsbestand keinen wesentlichen Einfluss auf die Wisentpopulation hat.<ref> Krasinka et al., S. 95</ref> Im polnischen Teil des Urwalds von Białowieża sind Verletzungen, Altersschwäche, der Befall durch Parasiten wie etwa Lungenwürmer sowie Wilderei die häufigsten Todesursachen. Bestandsbedrohend können sich ansteckende Krankheiten wie [[Maul- und Klauenseuche]], [[Wild- und Rinderseuche]] sowie [[Rindertuberkulose]] auswirken. Wisente sind besonders gefährdet, sich mit dem Virus der Maul- und Klauenseuche anzustecken. In den Jahren 1953 und 1954 verendeten 35 Wisente in polnischen Reservaten an dieser Krankheit.<ref> Krasińska et al., S.236 </ref> Die niedrige genetische Vielfalt der gegenwärtig lebenden Wisente gilt als die größte Bedrohung des langfristigen Fortbestands dieser Art. Eine [[Inzuchtdepression]] kann zu einem vermehrten Auftreten genetischer Fehler und einer Schwächung des Immunsystems führen. Möglicherweise sind die bei untersuchten Wisentbullen zunehmend festgestellten [[Lageanomalie des Hodens|Lageanomalien der Hoden]], [[Hypoplasie|Hodenhypoplasien]] und [[Nebenhoden]]-[[Zyste (Medizin)|Zysten]] auf solche genetischen Ursachen zurückzuführen.<ref> Krasińska et al., S. 228 </ref> Vermehrt bei männlichen Tieren tritt außerdem eine [[Vorhaut]]-Entzündung auf. Diese führt zu [[Nekrose|nekrotisch-eitrigen]] Veränderungen an Vorhaut und Penis und im fortgeschrittenen Stadium zu einer Verwachsung der Vorhautöffnung mit Harnfistelbildung und in seltenen Fällen auch Harnverhaltung und [[Urämie]].<ref> Krasińska et al., S. 234 </ref> Bislang sind weder die Übertragungswege erforscht noch die Krankheitserreger eindeutig identifiziert. Die Erkrankung, wegen der bereits in der Ukraine eine Population aufgelöst<ref> Krasińska et al., S. 231 </ref> sowie im Urwald von Białowieża eine Reihe von Bullen gezielt abgeschossen wurden, tritt gelegentlich bereits bei Kälbern auf und wird offensichtlich nicht nur auf geschlechtlichem Wege übertragen.<ref> Krasińska et al., S. 233 </ref> == Systematik == Wisente gehören zur [[Ordnung (Biologie)|Ordnung]] der [[Paarhufer]], die etwa 150 rezente Arten umfasst. Innerhalb dieser Ordnung werden Wisente der [[Familie (Biologie)|Familie]] der [[Hornträger]] zugeordnet. Die Gattung ''Bison'' –&nbsp;das spätlateinische Wort ''Bison'' ist vermutlich eine Entlehnung des germanischen Wortes ''wisund''<ref> Kluge-Seebold (2002): Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache. 24. Aufl. Berlin: De Gruyter</ref>&nbsp;– erschien gegen Ende des [[Tertiär (Geologie)|Tertiärs]] im [[Pliozän]] in Süd- und Ostasien. Während des [[Pleistozän]]s besiedelte die Gattung das Gebiet des heutigen Asiens und Europas und erreichte über die [[Beringstraße]] den nordamerikanischen Kontinent.<ref name="Kra19"/> Die ältesten fossilen Wisentknochen datieren aus dem frühen Pleistozän, d.h. sie sind ein bis zwei Millionen Jahre alt.<ref> Nigge et al., S. 34 </ref> Heute existieren noch zwei Arten, neben dem europäischen Wisent (''Bison bonasus'') ist dies der [[Amerikanischer Bison|Amerikanische Bison]]. Der [[Steppenwisent]] (''Bison priscus'') ist in der Nacheiszeit ausgestorben.<ref> Gottschalk, S. 53 </ref> [[Datei:Bison live in Bialowieza forest 2.jpg|thumb|Ein Wisent der Flachlandlinie überquert in Białowieża einen Weg]] In älterer Literatur wird noch diskutiert, dass der Amerikanische Bison und der europäische Wisent einer Art angehören.<ref> siehe beispielsweise Niethammer et al., S. 278 und S. 280 </ref> Analysen der DNA ergaben jedoch, dass Wisente und Amerikanische Bisons sich genetisch teilweise stark voneinander unterscheiden, obwohl beide Formen untereinander uneingeschränkt kreuzbar sind. Während Bisons und Wisente in den paternal vererbten [[Y-Chromosom]]en stark übereinstimmen, gibt es bei der Sequenz der maternal vererbten [[Mitochondriale DNA|mitochondrialen DNA]] erhebliche Unterschiede. So bildet der Amerikanische Bison bezüglich der mitochondrialen DNA eine Einheit mit dem [[Yak]], während der Wisent hierin mit dem Auerochsen übereinstimmt. Eine mögliche Erklärung hierfür wäre, dass prähistorische Bisonbullen sich einst mit Verwandten des Auerochsen oder deren Vorfahren kreuzten und so die Vorfahren des Wisents hervorbrachten. Insgesamt deuten diese Untersuchungen darauf hin, dass die Gattungen ''[[Eigentliche Rinder|Bos]]'' und ''[[Bison]]'' [[paraphyletisch]] sind und damit zu einer einzigen Gattung ''Bos'' zusammengeführt werden müssten<ref>Alexandre Hassanin and Anne Ropiquet: ''Molecular phylogeny of the tribe Bovini (Bovidae, Bovinae) and the taxonomic status of the Kouprey,'' Bos sauveli ''Urbain 1937''. Molecular Phylogenetics and Evolution. Volume 33, Issue 3, December 2004, Pages 896-907. [http://www.sciencedirect.com/science?_ob=ArticleURL&_udi=B6WNH-4DF47D9-1&_user=616145&_rdoc=1&_fmt=&_orig=search&_sort=d&_docanchor=&view=c&_searchStrId=1121104570&_rerunOrigin=scholar.google&_acct=C000032322&_version=1&_urlVersion=0&_userid=616145&md5=aab45b516c5bb96163ec5d5b341e09a0 online]</ref>. Drei neuzeitliche Wisent-Unterarten werden in der Literatur erwähnt, von denen nur zwei allgemein anerkannt werden:<ref>Z. Pucek, I. P. Belousova, Z. A. Krasiński, M. Krasińska, W. Olech: ''[http://www.coe.int/T/E/Cultural_Co-operation/Environment/Nature_and_biological_diversity/Nature_protection/sc22_inf29e.pdf European bison, current state of the species and an action plan for its conservation.]'' Convention on the Conservation of European Wildlife and Natural Habitats, Strasbourg 2-5 December 2002. Strasbourg T-PVS/Inf 29.2002. (Online-Resource)</ref> * Flachlandwisent (''B. b. bonasus''): Das Verbreitungsgebiet der einzigen nicht ausgestorbenen Unterart umfasste noch in historischer Zeit die Waldgebiete West-, Mittel- und teilweise Südosteuropas bis zum [[Don (Fluss)|Don]]. Flachlandwisente sind etwas größer als die anderen Vertreter der Art und weisen längliche Klauen auf.<ref name="Niet300"/> * Kaukasuswisent oder Bergwisent (''B. b. caucasicus''): Die Endhaare des Schwanzes sind anders als beim Flachlandwisent gekräuselt.<ref name="Niet300"/> Als dritte Unterart wird von einigen Autoren der Karpatenwisent (''B. b. hungarorum'') aufgeführt. Die Beschreibung dieser Unterart erfolgte anhand eines Schädelfragments, das sich in der Sammlung des Nationalmuseums in Budapest befand, aber während der [[Ungarischer Volksaufstand|Ungarischen Revolution]] im Jahre 1956 verlorenging.<ref name="kra21"/> Die Unterart war in Siebenbürgen sowie in den Karpaten beheimatet. Sie wurde in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts ausgerottet.<ref name="kra22"/> Von den Unterarten ist nur noch der Flachlandwisent reinblütig erhalten. Diese sogenannte [[Flachlandlinie]] geht auf nur sieben der zwölf Wisente zurück, die in der Erhaltungszucht eine Rolle spielten. Bei der [[Flachland-Kaukasus-Linie]] ist die genetische Vielfalt etwas größer, allerdings haben alle Wisente der Flachland-Kaukasus-Linie den Bullen [[Kaukasus (Wisent)|Kaukasus]], den einzigen Kaukasus-Wisent in der Erhaltungszucht, als Vorfahren. Daneben lebt im Zentralkaukasus eine Population von [[Hybride]]n von Wisenten und Bisons. Es gibt Vorschläge, die kaukasische Hybridlinie (''B. b. bonasus'' × ''B. b. caucasicus'' × ''B. bison'') als neue Unterart ''Bison bonasus'' subsp. ''montanus'' anzuerkennen.<ref>G.&nbsp;S. Rautian, B.&nbsp;A. Kalabushkin, A.&nbsp;S. Nemtsev: ''A new subspecies of the European bison, Bison bonasus montanus ssp. nov. (Bovidae, Artiodactyla).'' In: ''Doklady Biological Sciences.'' Nr. 375, 2000, {{ISSN|1608-3105}}, S. 636–640.</ref> == Mensch und Wisent == === Der Wisent in Kunst und Literatur === [[Datei:F07 0054.Ma.JPG|miniatur|Darstellung eines Wisents; in Rentierhorn geritzte Zeichnung, ca. 13.000 vor Beginn unserer Zeitrechnung]] [[Datei:Wisentsm.JPG|thumb|Die Wisentskulptur von Ernst Gorsemann im Bremer Rhododendronpark]] Wisente tauchen bereits auf Höhlenmalereien im Südwesten Europas auf, die vor 32.000 Jahren entstanden. Auf 15.000 Jahre alten Wandmalereien sind Wisente neben Wildpferden die am häufigsten abgebildete Tierart.<ref> Nigge et al., S. 33 </ref> Zu den bekanntesten gehören die Darstellungen in der [[Altamira-Höhle]] in Spanien sowie Darstellungen in Höhlen im [[Dordogne (Département)|Départment Dordogne]] in Südwestfrankreich. Zu den schönsten Darstellungen zählt eine 1910 in der [[La Madeleine|La Madeileine-Höhle]] gefundene Skulptur aus Rentierhorn. Sie zeigt ein Wisent, das mit zurückgedrehtem Kopf seine Weichen beleckt. Obwohl der Wisent im Mittelmeerraum schon vor Beginn menschlicher Geschichtsschreibung ausstarb, war sowohl Griechen als auch Römern diese Tierart wegen ihrer Verbreitung in [[Thrakien]] und [[Magna Germania|Germanien]] bekannt. Wisente wurden unter anderem ab 27 v. Chr. nach Rom gebracht, um sie in [[Tierhetzen im Römischen Reich|Tierhetzen]] zu zeigen.<ref> Gottschalk, S. 59 </ref> [[Plinius der Ältere]] beschrieb den Wisent allerdings noch als ein Rind mit einer Pferdemähne, das so kurze Hörner habe, dass diese im Kampf von keinerlei Nutzen seien. Statt zu kämpfen laufe der Wisent vor jeder Bedrohung davon und hinterlasse dabei über eine Strecke von einer halben Meile unablässig eine Spur von Dung, die bei Berührung die Haut eines Verfolgers verbrenne wie Feuer.<ref> [http://old.perseus.tufts.edu/cgi-bin/ptext?doc=Perseus%3Atext%3A1999.02.0137&query=head%3D%23349 Englische Übersetzung der entsprechenden Textstelle], aufgerufen am 24. November 2009</ref> In der mittelalterlicher Literatur ist der Wisent gelegentlich beschrieben worden. Im [[Nibelungenlied]] etwa wird die Stimme [[Dietrich von Bern|Dietrichs von Bern]] mit dem Klang des Horns eines Wisents verglichen und von einer Jagd [[Siegfried der Drachentöter|Siegfrieds]] wird berichtet, dass er neben vier Auerochsen und einem Elch auch einen Wisent erlegte.<ref> Gottschalk, S. 56 </ref> In der spätmittelalterlichen und frühneuzeitlichen Literatur wird zwischen Auerochsen und Wisenten nicht immer eindeutig unterschieden, da mit zunehmendem Verschwinden des Auerochsens dessen Bezeichnung auch für den Wisent verwendet wurde. Das erste literarische Werk der polnischen Literatur beispielsweise, das sich mit Sicherheit auf den Wisent bezieht, ist ein anonym gebliebenes Gedicht aus dem 16. Jahrhundert, das als Auftragsarbeit für Papst [[Leo X.]] entstand.<ref name="Go83"> Gottschalk, S. 83 und S. 84 </ref> Bezeichnet wird der Wisent in diesem Gedicht jedoch als Auerochse. Während in deutschsprachiger Literatur der Wisent ansonsten nur in einigen neuzeitlichen Jagderzählungen erwähnt wird, spielt diese Tierart in der polnischen Literatur und Kunst eine etwas größere Rolle. Im 1834 erschienen polnischen Nationalepos ''[[Pan Tadeusz]]'' von [[Adam Mickiewicz]] wird der Wisent in mehreren Versen erwähnt.<ref name="Go83"> Gottschalk, S. 83 und S. 84 </ref> Polnische Maler des 19. Jahrhunderts wie [[Juliusz Kossak]] und [[Michał Elwiro Andriolli]] haben diese Wildrindart auf ihren Gemälden dargestellt.<ref name="Go83"> Gottschalk, S. 83 und S. 84 </ref> In Polen finden sich auch mehrere Denkmäler und Skulpturen, die an die Jagden polnischer und russischer Herrscher erinnern. In Deutschland entstanden vergleichbare Skulpturen erst während des [[Drittes Reich|Dritten Reichs]] als Auftragsarbeit von [[Hermann Göring]], der unter anderem als Reichsjägermeister fungierte. Auf diese Zeit gehen beispielsweise das im [[Rhododendron-Park Bremen|Bremer Rhododendronpark]] befindliche Wisentstandbild von [[Ernst Gorsemann]] sowie das Wisentrelief von [[Max Esser]] zurück, das in der Nähe der [[Schorfheide]] steht.<ref> Gottschalk, S. 84 - 86 </ref> === Erhaltungsmaßnahmen === Der polnische [[Ornithologe]] und Vizedirektor des Zoologischen Museums in Warschau [[Jan Sztolcman]] forderte in einer Rede am 2. Juni 1923 die anlässlich des Internationalen Naturschutzkongresses in Paris Versammelten auf, Anstrengungen zur Erhalt des Wisents zu unternehmen. Der Kongress regte darauf hin die Gründung einer internationalen Gesellschaft an, in der Vertreter der Länder zusammenarbeiten sollten, auf deren Gebiet sich noch Wisente befanden. Knapp drei Monate später, am 25. und 26. August 1923, wurde die [[Internationale Gesellschaft zur Erhaltung des Wisents|Internationalen Gesellschaft zur Erhaltung des Wisents]] in Berlin gegründet. Der Gesellschaft, zu deren erstem Vorsitzenden der [[Frankfurter Zoo]]direktor [[Kurt Priemel]] gewählt wurde, traten neben einer Reihe von Privatpersonen unter anderem die ''American Bison Society'', der Zoo in Posen und der Polnische Jägerverband bei.<ref> Krasińska et al., S. 23 </ref> Primäres Ziel der Gesellschaft war es, alle in Gehegen und Zoos gehaltenen Wisente ausfindig zu machen und mit diesen eine Erhaltungszucht zu begründen. Man fand insgesamt 29 Wisentbullen und 25 Kühe. Letztendlich stammen aber alle heute lebenden Wisente von nur zwölf Tieren ab. [[Datei:Fleischextrakt 0002774 m.jpg|miniatur|Italienische Werbekarte für Liebigs Fleischextrakt mit einer Darstellung der Wisentjagd]] Da man befürchtete, auf Grund der geringen Zahl an reinrassigen Wisenten die Art nicht erhalten zu können, kreuzten in den 1920er- und 1930er-Jahren einige Zoos Wisente mit anderen Arten.<ref> Sambraus, S. 64 </ref> So wurde im [[Wisentgehege Springe]], das 1928 unter Anleitung von [[Lutz Heck]], dem Direktor des [[Zoologischer Garten Berlin|Berliner Zoos]], angelegt worden war, ein Wisentbulle mit mehreren [[Bison]]kühen verpaart. Ziel war es, in Form einer [[Verdrängungszucht]] die Bisonerbanlagen durch Rückkreuzungen mittelfristig wieder heraus zu züchten. Dieser Versuch wurde erst 1935 eingestellt, als man reinrassige Wisentkühe erwerben konnte.<ref> ''60 Jahre Wisentgehege „Saupark Springe“.'' In: ''Niedersächsischer Jäger.'' Jg. 34, 1989, S. 1431–1435 </ref> Auch in Białowieża wurden zeitweilig Wisent-Bison-Hybriden gehalten. Der letzte dieser Mischlinge wurde 1936 im Warschauer Zoo untergebracht. Nach den ersten Zuchterfolgen in den 1920er- und 1930er-Jahren führten die Folgen des Zweiten Weltkrieges erneut zu einem starken Rückgang der Wisentbestände. In Białowieża als dem wichtigsten Zentrum der Erhaltungszucht wurde eine weitgehendes Erlöschen der Wisentbestände durch Wilderei vermieden, indem im Juli 1944, als die deutschen Truppen aus der Region vor den herannahenden russischen abzogen, die Gattertore geöffnet und die Tiere in das große Waldgebiet getrieben wurden.<ref> Mohr, S. 58 </ref> Die nach dem Ende der Kriegshandlungen neugeschaffenen polnischen Behörden ergriffen sofort weitgehende Maßnahmen, um die Wisente wieder unter Schutz zu stellen. Bereits 1946 konnten aus dem polnischen Bestand einige Wisente für den Beginn der Wisentzucht im weißrussischen Teil von Białowieża abgegeben werden.<ref> Gottschalk, S. 96 und S. 97 </ref> 1949 lebten in vier polnischen und zwei sowjetischen Zuchtstätten insgesamt 69 reinblütige Wisente und damit etwas mehr als die Hälfte des Weltbestandes.<ref> Gottschalk, S. 97 </ref> Das Zuchtbuch für Wisente gilt als das älteste Zuchtbuch für eine Wildtierart<ref> Sambraus, S. 16 </ref> und berücksichtigte von Beginn an die drei heute noch bestehenden Zuchtlinien Pleß-, Flachland- und Flachland-Kaukasus-Linie. Es wurde in den 1930er-Jahren von [[Erna Mohr]] geführt, die bereits großen Anteil an der Erhaltungszucht des [[Przewalskipferd]]es hatte. <ref> Krasińska et al., S. 24 </ref> Nach dem Zweiten Weltkrieg führte es der Warschauer Zoodirektor [[Jan Żabiński]] (1897–1974) in Zusammenarbeit mit Erna Mohr fort, wobei das erste Ziel darin bestand, die Ahnenreihen der nach dem Zweiten Weltkrieg noch überlebenden Wisente nochmals zu verifizieren.<ref> Krasińska et al., S. 25 </ref> Heute wird das Zuchtbuch in Białowieża geführt. === Aktueller Bestand und Ziele der Bestandsentwicklung === [[Datei:Box transport bisons.jpg|thumb|Transportkiste für Wisente]] Im Jahre 2006 standen etwa 3200 reinblütige Wisente im Zuchtbuch. Davon wurden ungefähr 420 in Deutschland, 26 in der Schweiz und 13 in Österreich gehalten.<ref name="Sa17"/> Rund 60 Prozent des Weltbestandes lebte im Jahre 2004 in freilebenden Populationen.<ref> Krasińska et al., S. 261 </ref> Der heutige Schwerpunkt der Wisentzucht liegt in einer Verbesserung der Zusammenarbeit zwischen Zuchtstätten und Züchtern. So gibt es seit 1996 ein [[Europäisches Erhaltungszuchtprogramm]], das Zoo-übergreifend die Zucht der in Gefangenschaft gehaltenen Wisente koordiniert. Ein weiteres Ziel ist der Aufbau weiterer freilebender Wisentbestände, wobei zwei Aspekte eine besondere Rolle spielen: Wisente in freien Populationen sind in der Lage, die Merkmale ihrer wilden Vorfahren unter den Bedingungen der natürlichen Selektion wiederzuerlangen. Wegen der hohen Kosten der Gehegehaltung ist es nur über Auswilderungen möglich, den Wisentbestand weiter zu erhöhen.<ref name="kra260"/> So kommt es seit einigen Jahren zu Selektionsabschüssen bei in Gehegen gehaltenen Wisenten, wenn die Kapazitätsgrenze eines Geheges erreicht und für die nachgezüchteten Tiere keine Aufnahmeplätze gefunden werden. Im mecklenburgischen Wisentgehege [[Damerower Werder]] beispielsweise, in dem eine Herde von 25 Tieren auf 320 Hektar naturnah gehalten wird, werden dann von Hochkanzeln aus gezielt solche Wisente geschossen, die nicht dem Hegeziel entsprechen.<ref> Gottschalk, S. 31 und S. 32 </ref> Dabei handelt es sich gewöhnlich um Tiere, die die typische Widerristhöhe nicht erreichen, eine wisentuntypische Hornstellung oder andere Fehlentwicklungen aufweisen. Seit einigen Jahren versucht man bevorzugt, Wisente in solchen Lebensräumen anzusiedeln, in denen die jeweilige Population eine [[Demografie|demographisch]] unbedenkliche Mindeststärke von 100 Tieren erreichen kann. Ein Koordinierungsprogramm soll sicherstellen, dass in den bestehenden freien Populationen die genetische Vielfalt erhalten und nach Möglichkeit erhöht wird. Dazu sollen gegebenenfalls Wisente zwischen den einzelnen freien Populationen transferiert werden. Langfristiges Ziel ist es, dass es sowohl von der Flachlandlinie als auch der Flachland-Kaukasus-Linie jeweils 3.000 wildlebende Tiere gibt.<ref> Krasińska et al., S. 263 - 265 </ref> Pläne für die Auswilderung gibt es unter anderem für Deutschland und Frankreich.<ref name="Sa17"/> In Deutschland ist dieses Vorhaben relativ weit fortgeschritten. Die ersten Wisente im [[Rothaargebirge]] wurden Ende März 2010 ausgewildert.<ref name="rothaargebirge"/><ref>http://www.hna.de/nachrichten/kreis-waldeck-frankenberg/frankenberg/deutschlands-erste-freilebende-wisente-rothaargebirge-bn-688564.html</ref> === Interaktionen zwischen Wisent und Mensch === [[Datei:Wisentsauerland1.jpg|miniatur|Wisent]] Vorfälle, bei denen Menschen von Wisenten angegriffen wurden, sind sehr selten und in der Regel waren an solchen Vorfällen Wisente beteiligt, die auf Grund der Gehegehaltung an Menschen gewöhnt waren.<ref> Gottschalk, S. 79 </ref> In Gehegen wie dem Damerower Werder werden zum Schutz der beteiligten Personen Betäubungsgewehre eingesetzt, wenn Wisente von der Herde abgesondert werden müssen.<ref> Gottschalk, S. 39 </ref> Freilebende Wisente, die im Wald von Menschen überrascht werden, reagieren grundsätzlich mit Flucht. Meist entfernen sie sich 100 bis 150 Meter im schnellen Lauf und scharen sich dann zusammen. Am scheuesten verhalten sich dabei Herden mit mehreren Jungtieren. Potentiell für den Menschen gefährliche Situationen entstehen, wenn die Tiere überrascht werden und die Fluchtdistanz bereits unterschritten ist. Insbesondere Kühe, die Jungtiere führen und Bullen während der Brunftzeit können bei Unterschreitung der Fluchtdistanz aggressiv gegenüber dem Menschen reagieren. Hierin unterscheidet sich der Wisent nicht von anderen Wildtierarten. Da Wisente wachsame Tiere sind, kommt es zu solchen Situationen nur in Ausnahmefällen. In der Literatur wird eher darauf hingewiesen, wie schwierig es ist, Wisente in freier Laufbahn zu beobachten.<ref> siehe beispielsweise Gottschalk, S. 43 oder Nigge </ref> Ihre Erregung signalisieren Wisente durch Schütteln des Kopfes, drohendes Knören, Aufwühlen des Bodens mit den Vorderklauen und heftige Schwanzbewegungen. Zieht sich der Mensch dann nicht zurück, kann er vom Wisent angegriffen werden.<ref name="kra144"/> Im Angriffsfall hat der Mensch dem Wisent auf Grund dessen Größe und Stärke nur wenig entgegenzusetzen. Zu Konflikten zwischen Wisenten und Menschen kommt es, wenn Wisente landwirtschaftliche Anbauflächen heimsuchen oder Heuschober aufbrechen. In Polen hat man die Erfahrung gemacht, dass selbst eine Umsiedlung der Tiere nicht wirksam ist, da sie an solche nahrungsreichen Orte wieder zurückkehren.<ref name="kra144"/> Im Bereich des Urwaldes von Białowieża wurden außerdem in einem Zeitraum von knapp 40 Jahren elf Mal [[Hauspferd|Pferde]] und fünf Mal [[Hausrind]]er durch Wisente verletzt. Die Verletzungen resultieren meist aus einem einzelnen Hornhieb eines erwachsenen Bullen gegenüber einem Haustier, das Sozialkontakt suchte. Hunde werden in der Regel ignoriert. Wisente, die sich durch Hunde bedroht fühlen, können diese auf die Hörner nehmen oder zertrampeln.<ref> Fritz Gottschalk war persönlich Zeuge, wie im Damerower Wisentgehege ein doggengroßer Mischlingshund von einem Wisentbulle getötet wurde, S. 27. Bei Nigge findet sich eine Fotosequenz, die die Tötung eines Wildschweins durch einen Wisentbullen zeigt.</ref><ref name="kra147"/> === Neuzeitliche Bejagung === [[Datei:Ruseckas-Stumbro medžioklė.jpg|thumb|[[Kanuti Rusiecki]]: Wisentjagd mit Hunden, 19. Jahrhundert, Vilnius]] Von den Wildereien nach Ende des Ersten Weltkriegs abgesehen, erfolgte die Jagd auf den Wisent in der Neuzeit überwiegend als aufwendig inszenierte Hofjagd. Bei diesen sogenannten „eingestellten Jagden“ wurden Wisente gemeinsam mit anderem Hochwild über mehrere Wochen auf einer zunehmend kleiner werdenden Fläche zusammengetrieben. Am eigentlichen Jagdtag wurde das Wild so von den Treibern gelenkt, dass es sich optimal für den Abschuss präsentierte. Bei der Hofjagd des polnischen Königs [[August III. (Polen)|August III.]] im Jahre 1752 erlegte die höfische Jagdgesellschaft neben einer großen Zahl von Rothirschen, Rehen und Wildschweinen auch 42 Wisente. Allein zwanzig Wisente wurden dabei vom polnischen König und seiner Gemahlin [[Maria Josepha von Österreich (1699–1757)|Maria Josepha von Österreich]] von Kanzeln aus geschossen.<ref name="nig126"/><ref> Gottschalk, S. 68 und S. 69 </ref> Obwohl mit der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert solche Jagdformen in Europa zunehmend aus der Mode gerieten und vor dem Hintergrund der [[Romantik]] die Jagdethik zunehmend ein waidgerechtes Jagen betonte, ließ der russische Hof solche Hofjagden in Białowieża noch bis ins Jahr 1900 veranstalten. Für Zar [[Alexander II. (Russland)|Alexander II.]] und seine Gäste aus dem europäischen Hochadel trieben 1860 2.000 Bauern im Frondienst über Wochen das Wild in einem großen Gehege zusammen. Auf der letzten, von Zar [[Nikolaus II. (Russland)|Nikolaus II.]] im Herbst 1900 veranstalten Hofjagd wurden noch 40 Wisente auf diese Weise erlegt.<ref> Gottschalk, S. 75 </ref> Seit einigen Jahren geben Forst- und Naturschutzbehörden in Weißrussland, Russland, Polen und der Ukraine jährlich wieder freilebende Wisente zum kommerziellen Abschuss frei. Dabei handelt es meist um überalterte Bullen und Kühe.<ref name="nig126"/> Solche Jagden finden beispielsweise auf der weißrussischen Seite von Białowieża sowie in [[Masuren]], den ukrainischen [[Karpaten]] und dem russischen Kaukasus statt. [[Drückjagd|Drück-]] und [[Ansitzjagd]] sind verboten, der zum Abschuss freigegebene Wisent muss auf einer teils mehrtägigen [[Pirsch]]jagd vom Jäger verfolgt werden, bis dieser zum Schuss kommt. Die Jagd gilt wegen der Scheu der Wisente als ausgesprochen schwierig und setzt beim Jäger insbesondere in den ukrainischen Karpaten und im russischen Kaukasus wegen des schwierigen Geländes hohe körperliche Fitness voraus. Für die Abschusserlaubnis auf einen kapitalen Bullen waren zu Beginn des 21. Jahrhunderts ungefähr 5.000 EUR zu zahlen.<ref name="nig127"/> Kritiker solcher Praktiken sehen einen Widerspruch, wenn die Jagd auf eine vom Aussterben bedrohte Art ermöglicht wird. Befürworter der Bejagung argumentieren, dass bei einem Überschreiten der Kapazitätsgrenzen und zu hohen Bestandsdichten das Gleichgewicht eines Ökosystems gestört wird und das Risiko für Tierseuchen deutlich ansteigt. Der drastische Rückgang der zuvor zu hohen Wisentpopulation in Białowieża um 1890 in Folge einer Epizootie wird dabei häufig als Beispiel genannt. Aus Sicht der Befürworter trägt eine geregelte Bejagung zum Schutz einer Großtierart und ihres Lebensraumes bei und die Abschussprämien finanzieren zumindest teilweise die Kosten des Managements einer Wisentpopulation.<ref name="nig127"/> === Kreuzung mit Hausrindern === [[Datei:Żubroń head Białowieża cropped.jpg|thumb|Kopf eines Żubrońs]] Bis heute ist es nicht gelungen, Wisente völlig zu zähmen. Selbst Wisente, die aus Populationen stammen, die seit mehreren Generationen unfrei gehalten wurden, behalten ein Misstrauen gegenüber dem Menschen.<ref name="kra260"/> Diese Erfahrung gilt auch für die wenigen Handaufzuchten im Zuchtreservat Białowieża.<ref> Krasińska et al., S. 139 und S. 140 </ref> Obwohl in den Zeiten, in denen der Urwald von Białowieża noch als [[Hutewald]] genutzt wurde, Hausrinder in der Nähe der Wisente weideten, sind natürliche Hybridengeburten unbekannt. Dies unterscheidet den Wisent unter anderem vom Bison, bei dem dies häufiger vorkommt.<ref> Krasińska et al., S. 292 </ref> Die erste belegte Kreuzung zwischen Wisenten und Hausrindern gelang 1847 dem polnischen Landbesitzer Leopold Walicke, der besonders starke Zugrinder züchten wollte. Die Hybriden, die als [[Żubroń]] bezeichnet werden, übertreffen ihre Ausgangsarten an Körpergewicht und -größe. Männliche Żubrońs der ersten Generation sind [[Unfruchtbarkeit|unfruchtbar]], die weiblichen können sich dagegen mit beiden Elternarten fortpflanzen. Żubrońs zeichnen sich durch eine Farbvielfalt in der Behaarung aus und gelten als zäh und widerstandsfähig. Die Zucht von Żubrońs ist jedoch heute weitgehend eingestellt. == Belege == === Literatur === * Fritz Gottschalk: ''Wisentinseln – Lebensbilder des europäischen Urwaldriesens'', WAGE Verlag, Tessin, ISBN 3-9807492-5-8 * [[Małgorzata Krasińska]] und [[Zbigniew Krasiński]]: ''Der Wisent'', Die Neue Brehm-Bücherei Band 74, Westarp Wissenschaften, Hohenwarsleben 2008, ISBN 978-3-89432-481-0 * [[Erna Mohr]]: ''Der Wisent'', Akademische Verlagsgesellschaft Geest & Portig, Leipzig 2003, 2. unveränderte Auflage, Nachdruck der 1. Auflage von 1952, ISBN 3-89432-481-3 * Jochen Niethammer und Franz Krapp (Hrsg.): ''Handbuch der Säugetiere Europas - Band 2 Paarhufer (Suidae, Cervidae, Bovidae)'', Aula Verlag, Wiesbaden 1986, ISBN 3-89104-026-1 * Klaus Nigge, Karl Schulze Hagen: ''Die Rückkehr des Königs. Wisente im polnischen Urwald''. Tecklenborg, Steinfurt 2004, ISBN 3-934427-46-4 * Hans Hinrich Sambraus: ''Exotische Rinder – Wasserbüffel, Bison, Wisent, Zwergzebu, Yak'', Eugen Ulmer KG, Stuttgart 2006, ISBN 978-3-8001-4835-6 * Bernhard Schmidtmann (Bearbeiter), Planungsgruppe Natur und Umwelt (PGNU): ''Naturentwicklung mit großen Pflanzenfressern in Niedersachsen. Machbarkeitsstudie.'' Naturschutzbund Deutschland, Landesverband Niedersachsen, Hannover 2004 * Friedrich Türcke: ''Erhaltung und Zucht der Wisente in Deutschland.'' In: ''Deutsche Tierärztliche Wochenschrift.'' 87/11, 1980, S. 416–419 === Weblinks === {{Commons|Category:Bison bonasus|{{PAGENAME}}}} * [http://www.sielmann-stiftung.de/de/projekte/sielmanns_naturlandschaften/doeberitzer_heide/index.php Auswilderungsprojekt Sielmanns Naturlandschaft Döberitzer Heide - Heinz Sielmann Stiftung] * [http://www.wisente-rothaargebirge.de/ Auswilderungsprojekt im Rothaargebirge] * [http://www.sdw-nrw.de/aktiv/wisent.htm SDW-Wisent-Projekt: Der Wisent] * [http://www.landwirtschaft-bw.info/servlet/PB/menu/1063235/index.html Wisente in der Landschaftspflege] (LEL BW) * [http://www.bfn.de/fileadmin/MDB/documents/themen/landschaftsundbiotopschutz/Wisentpositionspapier_20070725_FINAL.pdf Vilmer Thesen zum Wisent in der Landschaft in Deutschland.] Erarbeitet von den Teilnehmern des vom Bundesamt für Naturschutz veranstalteten Workshops „Wisente in der Landschaft – Erfahrungen und Perspektiven“, 25–28. Juni 2007 (PDF; 151 kB) * {{IUCN |Year=2008 |ID=2814 |ScientificName=Bison bonasus |YearAssessed=2008 |Assessor=W. Olech |Download=31. Dezember 2008 }} === Einzelbelege === <references> <ref name="Kra19"> Krasińska et al., S. 19 </ref> <ref name="kra20"> Krasińska et al., S. 20 </ref> <ref name="kra21"> Krasińska et al., S. 21 </ref> <ref name="kra22"> Krasińska et al., S. 22 </ref> <ref name="kra30"> Krasińska et al., S. 30 </ref> <ref name="kra31"> Krasińska et al., S. 31 </ref> <ref name="kra33"> Krasińska et al., S. 33 </ref> <ref name="kra34"> Krasińska et al., S. 34 </ref> <ref name="kra35"> Krasińska et al., S. 35 </ref> <ref name="kra38"> Krasińska et al., S. 38 </ref> <ref name="kra39"> Krasińska et al., S. 39 </ref> <ref name="kra40"> Krasińska et al., S. 40 </ref> <ref name="kra41"> Krasińska et al., S. 41 </ref> <ref name="kra42"> Krasińska et al., S. 42 </ref> <ref name="kra47"> Krasińska et al., S. 47 </ref> <ref name="kra49"> Krasińska et al., S. 49 </ref> <ref name="kra109"> Krasińska et al., S. 109 </ref> <ref name="kra111"> Krasińska et al., S. 111 </ref> <ref name="kra112"> Krasińska et al., S. 112 </ref> <ref name="kra113"> Krasińska et al., S. 113 </ref> <ref name="kra114"> Krasińska et al., S. 114 </ref> <ref name="kra118"> Krasińska et al., S. 118 </ref> <ref name="kra121"> Krasińska et al., S. 121 </ref> <ref name="kra122"> Krasińska et al., S. 122 </ref> <ref name="kra123"> Krasińska et al., S. 123 </ref> <ref name="kra124"> Krasińska et al., S. 124 </ref> <ref name="kra128"> Krasińska et al., S. 128 </ref> <ref name="kra135"> Krasińska et al., S. 135 </ref> <ref name="kra137"> Krasińska et al., S. 137 </ref> <ref name="kra144"> Krasińska et al., S. 144 </ref> <ref name="kra147"> Krasińska et al., S. 147 </ref> <ref name="kra152"> Krasińska et al., S. 152 </ref> <ref name="kra156"> Krasińska et al., S. 156 </ref> <ref name="kra157"> Krasińska et al., S. 157 </ref> <ref name="kra158"> Krasińska et al., S. 158 </ref> <ref name="kra260"> Krasińska et al., S. 260 </ref> <ref name="kra265"> Krasińska et al., S. 265 </ref> <ref name="Ni281"> Niethammer et al., S. 281 </ref> <ref name="nie291"> Niethammer et al., S. 291 </ref> <ref name="Niet300"> Niethammer et al., S. 300 </ref> <ref name="Go83"> Gottschalk, S. 83 und S. 84 </ref> <ref name="nig54"> Nigge et al., S. 54 </ref> <ref name="ni55"> Nigge et al., S. 55 </ref> <ref name="ni90"> Nigge et al., S. 90 </ref> <ref name="nig92"> Nigge et al., S. 92 </ref> <ref name="nig126"> Nigge et al., S. 126 </ref> <ref name="nig127"> Nigge et al., S. 127 </ref> <ref name="rothaargebirge">{{Literatur|Titel=Wiederansiedlung von Wisenten im Rothaargebirge|Online=[http://www.wisente-rothaargebirge.de Die Rückkehr des Königs]|Zugriff=2009-10-01}} </ref> <ref name="Sa17"> Sambraus, S. 17 </ref> </references> {{Exzellent|22. Dezember 2009|68187913}} [[Kategorie:Wisent| ]] [[Kategorie:Hornträger]] [[Kategorie:Wild]] {{Link FA|ia}} [[an:Bison bonasus]] [[be:Зубр]] [[be-x-old:Зубар]] [[bg:Зубър]] [[br:Bizon Europa]] [[ca:Bisó europeu]] [[cs:Zubr evropský]] [[da:Europæisk bison]] [[en:Wisent]] [[eo:Eŭropa bizono]] [[es:Bison bonasus]] [[eu:Europako bisonte]] [[fi:Visentti]] [[fr:Bison d'Europe]] [[ga:Bíosún Eorpach]] [[he:ביזון אירופי]] [[hu:Európai bölény]] [[ia:Bisonte europee]] [[id:Bison Eropa]] [[it:Bison bonasus]] [[ja:ヨーロッパバイソン]] [[jv:Wisent]] [[ka:დომბა]] [[ko:유럽들소]] [[lt:Stumbras]] [[nl:Wisent]] [[nn:Visent]] [[no:Visent]] [[nv:Béésh Bichʼahníí Bikéyahdę́ę́ʼ ayání]] [[os:Домбай]] [[pl:Żubr]] [[pt:Bisonte-europeu]] [[ro:Zimbru]] [[ru:Зубр]] [[sk:Zubor lesný]] [[sl:Zober]] [[sr:Европски бизон]] [[sv:Visent]] [[tr:Avrupa bizonu]] [[uk:Зубр]] [[zh:欧洲野牛]] 1x3d29ztwldjqyigmj5zmgvporf4ewc wikitext text/x-wiki Wolf 0 24530 27133 2010-05-03T14:38:52Z Vergelter 0 Design - Abb. verschoben {{Begriffsklärungshinweis}} <!-- Für Informationen zum Umgang mit dieser Tabelle siehe bitte [[Wikipedia:Taxoboxen]]. --> {{Taxobox | Taxon_Name = Wolf | Taxon_WissName = Canis lupus | Taxon_Rang = Art | Taxon_Autor = [[Carl von Linné|Linnaeus]] 1758 | Taxon2_WissName = Canis | Taxon2_Rang = Gattung | Taxon3_Name = Echte Hunde | Taxon3_WissName = Canini | Taxon3_Rang = Tribus | Taxon4_Name = Hunde | Taxon4_WissName = Canidae | Taxon4_Rang = Familie | Taxon5_Name = Hundeartige | Taxon5_WissName = Canoidea | Taxon5_Rang = Überfamilie | Taxon6_Name = Raubtiere | Taxon6_WissName = Carnivora | Taxon6_Rang = Ordnung | Bild = Canis lupus.jpg | Bildbeschreibung = Wolf (''Canis lupus'') }} Der '''Wolf''' (''Canis lupus'') ist eine [[Raubtier]]art aus der [[Familie (Biologie)|Familie]] der [[Hunde]] (Canidae). Wölfe leben und jagen im [[Rudel (Jagd)|Rudel]], Hauptbeute sind mittelgroße bis große [[Huftiere]]. Die Art war früher auch in ganz Europa verbreitet, wurde jedoch in West- und Mitteleuropa weitgehend ausgerottet. Deutschland wurde erst Ende der 1990er Jahre wieder besiedelt, im Jahr 2000 wurden erstmals Welpen festgestellt. Wölfe haben schon frühzeitig Eingang in die Mythen und Märchen vieler Völker gefunden, sie zählen daher zu den bekanntesten [[Raubtiere]]n. == Merkmale == Grundsätzlich ähnelt der Wolf einem großen [[Haushund]], wobei der [[Rumpf (Anatomie)|Rumpf]] im Vergleich zu ähnlich gebauten Haushunden länger und der [[Brustkorb]] höher, aber schmaler ist. Der Kopf ist relativ groß, die Stirn ist breit. Die Augen setzen schräg an, die Ohren sind eher kurz. Der buschige Schwanz hat etwa ein Drittel der Körperlänge.<ref>H. Okarma 1997: S. 11 ff.</ref> Die Färbung ist sehr variabel, es gibt weiße, cremefarbene, dunkle, gelbliche, rötliche, graue und schwarze Wölfe. In den gemäßigten Zonen Europas und Asiens überwiegen graue Wölfe, die nördlichen Populationen zeigen größere Anteile schwarzer und weißer Tiere. Meist überwiegen dunkle Haare auf dem Rücken und dem Schwanz. Bauch, Beine und Schnauze sind meist deutlich heller gefärbt. Nach genetischen Untersuchungen beruht die schwarze Fellfarbe bei Grauwölfen auf einer Mutation, die zuerst unter Haushunden auftrat und später in die Wolfspopulation gelangte.<ref>{{Internetquelle|hrsg=NewScientist|url=http://www.newscientist.com/article/mg19926754.600-a-wolfs-dark-pelt-is-a-gift-from-the-dogs.html|titel=A wolf's dark pelt is a gift from the dogs|zugriff=9. April 2009}}</ref> [[Datei:Scandinavian grey wolf Canis lupus .jpg|miniatur|Wolf im Profil (''C. l. lupus'')]] Maße und Gewichte des Wolfes sind aufgrund seines ausgedehnten Verbreitungsgebietes sehr unterschiedlich (siehe [[Bergmannsche Regel]]): Die größten Wölfe in den Waldzonen [[Lettland]]s, [[Weißrussland]]s, [[Alaska]]s und [[Kanada]]s erreichen eine Kopfrumpflänge von bis zu 160&nbsp;cm, der Schwanz ist zusätzlich bis zu 52&nbsp;cm lang. Die Schulterhöhe beträgt etwa 80&nbsp;cm. Diese Wölfe können bis zu 80&nbsp;kg wiegen. Die kleinsten Wölfe leben im [[Vorderer Orient|vorderen Orient]] und auf der [[Arabische Halbinsel|Arabischen Halbinsel]]; ihre Körperlänge beträgt etwa 80&nbsp;cm bei einem Gewicht von rund 20&nbsp;kg und einer Schwanzlänge von etwa 29&nbsp;cm. Die Weibchen sind um 2 bis 12 % kleiner als die Rüden und 20 bis 25 % leichter. Mitteleuropäische Wölfe liegen zwischen diesen Extremen. Männliche polnische Wölfe aus dem [[Bialowieza]]-Urwald hatten eine Körperlänge (einschließlich Schwanz) von im Mittel 119&nbsp;cm (Extreme 140-195&nbsp;cm) und eine Schulterhöhe von 70-90&nbsp;cm, Weibchen aus demselben Gebiet eine mittlere Körperlänge von 111&nbsp;cm (Extreme 97-124&nbsp;cm) und eine Schulterhöhe von 60-80&nbsp;cm. Männchen aus dem Südosten Polens wogen 35-67&nbsp;kg, Weibchen 27-50&nbsp;kg.<ref> H. Okarma 1997: S. 11-12 und dort zitierte Literatur</ref> [[Datei:Polarwolf004.jpg|miniatur|[[Polarwolf]]]] == Unterschiede zum Haushund == Haushunde sind domestizierte Formen des Wolfes und gehören daher ebenso wie der [[Dingo]] der gleichen Art (''Canis lupus'') an. Anhand einiger charakteristischer Merkmale ist die Unterscheidung von Wölfen und Haushunden meistens möglich, wobei das Ausmaß der Unterschiede je nach Hunderasse stark variieren kann. In einigen Fällen ist es allerdings sehr schwierig, festzustellen, ob ein Individuum ein zu 100 % reiner Wolf bzw. Haushund ist. === Morphologische und anatomische Unterschiede === Wölfe tragen ihren Schwanz meist waagerecht oder etwas gesenkt, Hunde hingegen oft nach oben oder eingerollt. Wölfe haben eine [[Violdrüse]] an der Oberseite des Schwanzes, die bei vielen Hunden fehlt bzw. reduziert auftritt, bei anderen aber ein weites Drüsenfeld bildet.<ref>{{Literatur|Autor=Dorit Urd Feddersen-Petersen|Titel=Ausdrucksverhalten beim Hund|Verlag=Franckh-Kosmos Verlags-GmbH & Co. KG|Ort=Stuttgart|Jahr=2008|ISBN=978-3-440-09863-9}}</ref> Insbesondere am Schädel lassen sich zahlreiche Unterschiede zwischen Wolf und Hund feststellen, dies betrifft unter anderem die Form der Augenhöhle, der Ohrmuschel, des [[Praesphenoid]]s, des [[Basis vomerus]], der [[Fissura petrobasialis]] sowie die Form des Unterkiefers und die Anordnung der Schneidezähne im Unterkiefer. === Weitere Unterschiede === Wölfe bekommen nur einmal jährlich Nachwuchs, Hunde meist zweimal. Bei der Entscheidung, ob [[Fährte]]n Hunden oder Wölfen zuzuordnen sind, hilft der Verlauf dieser Fährten. Wölfe setzen im Schnee ihre Hinterpfoten in die Abdrücke der Vorderpfoten (s.&nbsp;o.), im Rudel laufen sie hintereinander und setzen ihre Pfoten in die Abdrücke des Vorderwolfes. Daher entsteht oft der Eindruck, dass man der Spur eines einzelnen Wolfes folgt, bis sich die Fährte plötzlich in mehrere Individualfährten aufteilt. == Verbreitung und Lebensraum == [[Datei:Wolf distr.gif|miniatur|Verbreitung des Wolfes</br><small>(''grün'' = aktuell, ''rot'' = ehemalig)</small>]] Der Wolf war bis zur Entwicklung von [[Landwirtschaft|Land-]] und [[Herde]]nwirtschaft das am weitesten verbreitete [[Raubtiere|Raubtier]] der Erde. Er war in ganz [[Europa]] und [[Asien]] bis nach [[Nordafrika]] sowie in [[Nordamerika]] beheimatet. In weiten Teilen dieses einst riesigen Verbreitungsgebietes, besonders im westlichen Europa und in Nordamerika, wurde die Art durch menschliche Verfolgung ausgerottet. In Osteuropa, auf dem [[Balkanhalbinsel|Balkan]], in [[Kanada]], [[Sibirien]], der [[Mongolei]], und zu einem geringeren Grade dem [[Iran]] gibt es noch größere zusammenhängende [[Population (Biologie)|Populationen]]. Ansonsten ist der Wolf heute nur in isolierten Beständen (manche umfassen weniger als 100 Tiere) anzutreffen. Wölfe bewohnen eine Vielzahl von Habitaten. Ihre hohe Anpassungsfähigkeit lässt sie in der [[Arktis|arktischen]] [[Tundra]] ebenso leben wie in den [[Wüste]]n Nordamerikas und Zentralasiens. Die meisten Wölfe bewohnen Grasland und Wälder. Dass sie vor allem als Waldtiere bekannt wurden, liegt daran, dass der Mensch sie in großen Teilen des Verbreitungsgebietes frühzeitig aus offeneren Landschaften vertrieben hat. == Systematik == Nach [[Dimitrij I. Bibikow|Bibikow]] ist die Unterartengliederung bis heute umstritten; seit 1985 gibt es Versuche einer genetischen Revision der Unterarten des Wolfes (''Mitochondrial DNA Method''). In den letzten Jahren hat man sich weitgehend auf eine Einteilung in dreizehn lebende und zwei ausgestorbene Unterarten geeinigt. [[Haushund]] (''Canis lupus familiaris''), sowie [[Neuguinea-Dingo]] (''Canis lupus hallstrom'') und australischer [[Dingo]] (''Canis lupus dingo'') sind durch [[Domestizierung]] entstandene Unterarten des Wolfs. Wegen ihrer teilweise erheblichen domestikationsbedingten Unterschiede zu den Wildformen wird auf die betreffenden Einzelartikel verwiesen. Unterarten (Auswahl): [[Datei:Canis lupus lycaon qtl2 (bearbeitet).jpg|miniatur|Timberwolf (''Canis lupus lycaon'')]] [[Datei:Canis lupus arabs head front.JPG|miniatur|Arabischer Wolf (''Canis lupus arabs'')]] * [[Polarwolf]] (''C. lupus arctos''); kanadische Arktis, Grönland; mittelgroß, weiß oder cremeweiß mit langem Fell; legal bejagt, stabil * [[Timberwolf]] (''C. l. lycaon''); Südostkanada, östliche USA; größere Unterart, sehr variable Fellfarbe von weiß bis schwarz, meist jedoch braun; in Teilen Kanadas legal bejagt, gefährdet * [[Büffelwolf]] (''Canis l. nubilus''); südliche Rocky Mountains, Mittlerer Westen, Ost- und Nordostkanada, südwestlichstes Kanada und Südost-Alaska; mittelgroß, meist grau, schwarz, gelbbraun oder rötlich; in Teilen Kanadas legal bejagt, stabil * [[Mackenzie-Wolf]] (''C. l. occidentalis''); Alaska, nördliche Rocky Mountains, West- und Zentralkanada; sehr groß; meist schwarz oder ein gemischtes grau oder braun, allerdings ist das gesamte Farbspektrum vertreten; diese Unterart wurden 1995 im Yellowstone-Nationalpark und in Idaho wiedereingeführt; legal in Alaska und Teilen Kanadas bejagt, sonst geschützt, stabil * [[Mexikanischer Wolf]] (''C. l. baileyi''); Zentral-Mexiko, West-Texas, südliches Neu-Mexiko und Arizona; kleinere Unterart, meist gelbbraun oder rostfarben; seit 1998 in Arizona wieder eingeführt, die Zahl der wildlebenden Tiere beträgt 35-50; vom Aussterben bedroht und geschützt * [[Tundrawolf]] (''C. l. albus''); nördliches Russland, Sibirien; relativ groß, typischerweise cremeweiß oder grau; legal bejagt, stabil * [[Russischer Wolf]] (''C. l. communis''); Zentral-Russland; sehr groß; legal bejagt; stabil oder rückläufig * [[Eurasischer Wolf]] (''C. l. lupus''); Europa, Skandinavien, Russland, China, Mongolei, Himalaya; durchschnittlich groß, gewöhnlich kurzes, graubraunes Fell; die am weitesten verbreitete Unterart Europas und Asiens, geschätzte Zahl 100.000; in einigen Gebieten legal bejagt, in anderen geschützt, stabil * [[Iberischer Wolf]] (''C. l. signatus''); Spanien und Nordportugal; mittelgroß; gewöhnlich graubraunes Fell mit einem charakteristischen Paar dunkler Markierungen an seinen vorderen Beinen und Weißmarkierungen auf den oberen Lippen; gering gefährdet, in Nordspanien teilweise bejagt, sonst geschützt, stabil * [[Italienischer Wolf]] (''C. l. italicus''); Italienische Halbinsel; mittelgroß; Färbung variabel; stark gefährdet und geschützt * [[Kaspischer Wolf]] (''C. l. cubanensis''); zwischen Schwarzem und Kaspischem Meer; relativ klein; als Schädling verfolgt, stark gefährdet, rückläufig * [[Hokkaido-Wolf]] (''C. l. hattai''); japanische Insel Hokkaido; kleinere Unterart; 1889 aufgrund von Nachstellungen mit Gift ausgestorben * [[Honshu-Wolf]] (''C. l. hodophilax''); japanische Inseln Honshu, Shikoku und Kyushu; kleinste bekannte Unterart; 1905 durch Tollwut und menschliche Nachstellung ausgestorben * [[Indischer Wolf]] (''C. l. pallipes''); Iran, Afghanistan, Pakistan, Indien; sehr kleine Unterart; typischerweise gelbbraun, sandfarben oder rötlich mit sehr kurzem, dichten Fell; als Schädling verfolgt, stark gefährdet, rückläufig * [[Arabischer Wolf]] (''C. l. arabs''); Saudi-Arabien, Jemen, Oman; sehr kleine Unterart, meist braun mit kurzem Fell; wird als Schädling verfolgt, vom Aussterben bedroht, rückläufig * [[Ägyptischer Wolf]] (''C. l. lupaster''); Nordafrika; kleine, schlanke Unterart; Fell meist silbernes bis meliertes grau oder braun; sehr selten, vom Aussterben bedroht. Eng verwandt mit dem Wolf sind der [[Rotwolf]] (''Canis rufus'') aus Nordamerika (der vielleicht ein [[Hybride]] aus Wolf und [[Kojote]] ist), der [[Kojote]] (''Canis latrans'') und der [[Äthiopischer Wolf|Äthiopische Wolf]] (''Canis simensis''). == Lebensweise == === Soziale Organisation === Obwohl man auch einzelne Wölfe in der Wildnis antrifft, ist die normale Sozialordnung des Wolfes das [[Rudel (Jagd)|Rudel]]. Das Wolfsrudel besteht im Regelfall aus dem Elternpaar und deren Nachkommen, es handelt sich also um eine Familie. Wölfe werden erst mit zwei Jahren geschlechtsreif (Haushunde schon mit 7 bis 11 Monaten) und verbleiben bis zur Geschlechtsreife bei den Eltern. Die vorjährigen Jungwölfe unterstützen das Elternpaar bei der Aufzucht der neuen Welpen. Unter normalen Bedingungen besteht ein Rudel im Herbst also aus dem Elternpaar, dem Nachwuchs aus dem Vorjahr und dem Nachwuchs aus demselben Jahr. Mit Erreichen der Geschlechtsreife wandern die Jungwölfe in der Regel aus dem elterlichen Territorium ab und suchen ein eigenes Revier. Die Elterntiere sind grundsätzlich dominant gegenüber ihrem Nachwuchs, Kämpfe um die Rangordnung gibt es daher nicht. Eine Paarung verwandter Tiere findet üblicherweise auch dann nicht statt, wenn keine anderen Sexualpartner zur Verfügung stehen, denn der Rüde verweigert eine solche Paarung. In der Literatur findet sich häufig die Darstellung einer streng hierarchischen Rangordnung mit einem dominanten [[Alpha-Paar]], das in der Regel die Nachkommen des Rudels zeugt, einer Gruppe nachgeordneter Tiere und einem schwachen Tier am Ende der Rangordnung in der Rolle des „Prügelknaben“ oder [[Omega]]-Wolfs. Diese Darstellungen sind das Ergebnis der Forschung an Wölfen in Gefangenschaft und keinesfalls auf natürliche Verhältnisse übertragbar. In Gefangenschaft wurden meist Wölfe unterschiedlicher Herkunft oder Familiengruppen zusammengesperrt und gezüchtet. Hier ist weder eine Abwanderung mit Erreichen der Geschlechtsreife möglich, noch die (mit der Abwanderung verbundene) Vermeidung von Verpaarungen verwandter Tiere. In diesen in Gefangenschaft gehaltenen Rudeln sind daher Auseinandersetzungen häufig. [[Datei:Howlsnow.jpg|miniatur|Heulender Wolf]] === Raumorganisation === Wolfsrudel leben im Normalfall in festen Revieren, die sowohl gegen andere Rudel als auch gegen einzelne Artgenossen abgegrenzt und falls nötig auch vehement verteidigt werden; die Reviere benachbarter Rudel überschneiden sich daher meist nur minimal. Die Größe der Reviere wird im Wesentlichen durch die Größe der Beutetierarten und die Zahl der Beutetiere bestimmt, die durchschnittliche Größe der Reviere variiert daher von Region zu Region sehr und reicht von einigen Dutzend bis zu 13.000 Quadratkilometern. Aus Mitteleuropa liegen bisher nur Werte aus Polen vor, dort wurden Reviergrößen zwischen 150 und 350&nbsp;km² festgestellt<ref>Ilka Reinhardt, Gesa Kluth: ''Leben mit Wölfen, Leitfaden für den Umgang mit einer konfliktträchtigen Tierart in Deutschland.'' BfN-Skripten Band 201, 2007: S. 18</ref>, im [[Białowieża]]-Wald waren die Reviere von vier Rudeln im Mittel 238&nbsp;km² groß.<ref name="s1993-2004">Jedrzejewski W, Schmidt K, Theuerkauf J, Jedrzejewska B, Okarma H: ''Daily movements and territory use by radio-collared wolves (Canis lupus) in Bialowieza Primeval Forest in Poland''. Can. J. Zool. 79, 2001: S. 1993-2004</ref> Zur Abgrenzung der Reviere werden vor allem [[Harn]]markierungen benutzt. Bei ihren Wanderungen durch das Revier setzen Wölfe etwa alle 350&nbsp;m mit erhobenem Bein Harnmarken ab, hierzu werden markante Objekte wie einzelne Bäume oder Sträucher, Steine oder Pfosten ausgesucht. Im Bereich der Reviergrenzen wird besonders intensiv markiert. Als weiteres Mittel zur Reviermarkierung dient das gemeinschaftliche Heulen der Rudelmitglieder, dieses wird meist von den benachbarten Rudeln beantwortet. Diese Reviere werden regelmäßig von den Rudelmitgliedern durchwandert; im [[Białowieża]]-Wald lag die durchschnittliche tägliche Laufstrecke der Wölfe von vier Rudeln bei 22,1&nbsp;km für Weibchen und 27,6&nbsp;km für Männchen. Pro Tag wurden dabei etwa 9 % des Reviers genutzt, die an aufeinander folgenden Tagen genutzten Revierteile überschnitten sich jeweils nur minimal. Dies dient mit hoher Wahrscheinlichkeit einerseits der Notwendigkeit, möglichst kontinuierlich im gesamten Revier präsent zu sein, um dieses gegen Artgenossen abzugrenzen, zum anderen aber vermutlich auch zur Erhöhung des Jagderfolges, da die Beutetiere auf die längere Anwesenheit der Wölfe mit erhöhter Vorsicht und Ausweichbewegungen reagieren.<ref name="s1993-2004" /> === Ernährung === Grundnahrung des Wolfes bilden im größten Teil des Verbreitungsgebietes mittelgroße bis große pflanzenfressende Säugetiere, er nutzt dabei die im jeweiligen Lebensraum dominierenden Arten. Wölfe jagen im Norden ihres Verbreitungsgebietes überwiegend im Rudel vor allem [[Elch]]e, [[Ren]]tiere und verschiedene andere [[Hirsche|Hirscharten]]. Weiter südlich sind auch [[Wildschwein]]e und in Gebirgen [[Wildschaf]]e und [[Steinböcke]] eine häufige Beute. Kleinere Säuger wie [[Hasen]], [[Kaninchen]], [[Wühlmäuse]] und [[Lemmini|Lemminge]] werden ebenfalls häufig erbeutet. In der Nähe des Menschen schlagen sie auch [[Hausschaf|Schafe]] oder junge [[Hausrind|Rinder]], [[Haushund]]e und [[Hauskatze]]n. In nahrungsarmen Zeiten frisst der Wolf sowohl [[Aas]] als auch [[Abfall|Abfälle]]. Neuere Untersuchungen eines Zoologenteams um Chris T. Darimont von der [[University of Victoria (Kanada)|University of Victoria]] haben erbracht, dass sich Wölfe in der kanadischen Küstenprovinz [[British Columbia]] im Herbst bevorzugt von [[Lachse|Lachs]] ernähren. Der Anteil an der Nahrung beträgt dann bis zu 70 %, obwohl die Nahrung der Wölfe im übrigen Jahr zu 95 % aus Wild besteht. Erklärt wird dieses Verhalten damit, dass der Lachsfang einfach und gefahrlos ist bei gleichzeitig höherem Nährwert als Wild.<ref Name="bdw12080141">Wölfe: Isegrim Fischt Frischen Fisch. In: bild der wissenschaft, 12/2008. Konradin Medien GmbH, Leinfelden-Echterdingen. ISSN 0006-2375.</ref> [[Datei:Canis lupus pack surrounding Bison.jpg|miniatur|250px|Ein [[Amerikanischer Bison]] verteidigt sich gegen ein Wolfsrudel.]] [[Vitamine]] und [[Spurenelement]]e nimmt der Wolf nicht nur über den Verzehr pflanzenfressender Beutetiere auf, sondern er frisst auch selbst pflanzliche Nahrung. Zur Nahrung des Wolfes zählen auch [[Heidelbeeren]], [[Preiselbeeren]], [[Brombeeren]], [[Wildobst]], [[Hagebutte]]n sowie Blätter von [[Seggen]] und [[Süßgräser|Gräsern]]. Jungwölfe verzehren auch Insekten. In Mitteleuropa dominieren Wildschweine, Hirschartige und Haustiere im Nahrungsspektrum. So wurden in der [[Slowakei]] Wildschweine in 45,5 % aller Wolfsexkremente gefunden, zweitwichtigste Beute war dort der [[Rothirsch]] (23,3 %), danach folgten [[Rotfuchs]] (10,4 %), Haushund (7,9 %) und [[Reh]] (5,5 %). Im polnischen [[Bialowieza]] konnten Hirschartige (Rothirsch und Reh) im Sommer in 93,1 %, im Winter in 97,0 % aller Exkremente nachgewiesen werden; dort war das Wildschwein im Sommer in 47,7 % aller Exkremente und im Winter in 29,0 % der Exkremente nachweisbar und damit das zweitwichtigste Beutetier.<ref>H. Okarma 1997: S. 46 ff. und dort zitierte Literatur</ref> Freilebende Wölfe fressen nach verschiedenen Untersuchungen täglich Fleisch mit einer Masse von 10-21 % ihres Körpergewichtes, bei einem mittleren Gewicht von etwa 40&nbsp;kg also 4,0-8,4&nbsp;kg pro Tag.<ref>H. Okarma 1997: S. 50 und dort zitierte Literatur</ref> Wölfe können innerhalb von 24&nbsp;h bis zu 12,5 Kilogramm Fleisch verzehren, ein Teil davon wird jedoch wieder ausgewürgt und als Vorrat verscharrt. === Jagdweise === Wölfe finden Beutetiere meist direkt durch deren Geruch, seltener durch die Verfolgung frischer Spuren. Sie versuchen sich den Beutetieren dann unbemerkt bis auf geringe Distanz zu nähern. Fliehende Tiere werden meist nur wenige Dutzend Meter weit mit hoher Geschwindigkeit verfolgt, gelingt es den Wölfen bis dahin nicht, das Beutetier zu erreichen, wird die Jagd abgebrochen. Längere [[Hetzjagd]]en über mehrere Kilometer sind seltene Ausnahmen. Häufig versuchen Wölfe, für sie günstige Geländegegebenheiten zu nutzen, indem ein Teil des Rudels die Beute in Richtung anderer Rudelmitglieder jagt, die an einer geeigneten Stelle in Deckung liegen. Im Winter versuchen Wölfe, Huftiere auf zugefrorene Seen oder Flüsse zu treiben, wo diese mit ihren glatten Hufen schnell ausrutschen.<ref>H. Okarma 1997: S. 91 ff. und dort zitierte Literatur</ref> Huftiere bis zur Größe eines weiblichen Rothirsches versuchen Wölfen durch Flucht zu entkommen. Große und wehrhafte Beutetiere wie Elche, Bisons, Moschusochsen oder auch Wildschweine stellen sich oft und verteidigen sich häufig erfolgreich. Elche flüchten bei Angriffen häufig ins Wasser und bleiben dort stehen, sie werden dann meist nicht weiter attackiert. Kleinere Huftiere werden meist durch einen einzigen, sehr kraftvollen Biss in die Kehle oder in den Nacken getötet. Große Tiere, wie Elche, werden durch Bisse in Hinterteil, Flanken, Rücken und Nase aufgehalten und zu Fall gebracht und dann ebenfalls durch Bisse in die Kehle getötet. Das Opfer wird im Normalfall möglichst vollständig gefressen, große Huftiere werden über mehrere Tage lang genutzt und bis auf große Knochen, das Fell und Teile des Darmtraktes verwertet.<ref>Wildbiologische Gesellschaft München e.&nbsp;V. (Hrsg.): ''Wer war es? Raubtierrisse erkennen und dokumentieren.'' Broschüre, München 1997: S. 32-33</ref> === Fortpflanzung === In Mitteleuropa fällt die Paarungszeit in den Spätwinter und das zeitige Frühjahr von Ende Januar bis Anfang März. Weibchen sind jeweils etwa 7 Tage lang empfängnisbereit. Wie bei vielen Hundeartigen wird die Paarung durch das sogenannte „Hängen“ abgeschlossen, wobei der angeschwollene Penis des Männchens noch bis zu 30 Minuten lang in der [[Vagina]] des Weibchens gehalten wird. Die Tragzeit wird je nach Autor mit 62 bis 64 oder 62 bis 75 Tagen angegeben. Vor der Geburt der Jungen wird im Normalfall eine Erdhöhle gegraben oder von anderen Säugern übernommen und vergrößert. Die Höhlen haben ein oder zwei Eingänge, von diesen führt ein Gang in die große Kammer. Etwa drei Wochen vor der Geburt verlässt das tragende Weibchen die Höhlenumgebung meist nicht mehr.<ref>H. Okarma 1997: S. 35-37</ref> Die Geburt der Jungen erfolgt in der Höhle. In einem Wurf befinden sich ein bis zwölf, in der Regel vier bis sechs Welpen. Die frisch geborenen, noch blinden und tauben Welpen wiegen 300 bis 500&nbsp;g und haben ein feines, dunkles Fell. Die Augen öffnen sich nach 11 bis 15 Tagen, die Welpen können nun auch laufen, knurren und kauen und die ersten Zähne sind erkennbar. Etwa um den 20. Tag beginnen die Jungen Laute wahrzunehmen, verlassen erstmals die Höhle und beginnen mit den Geschwistern und älteren Familienmitgliedern zu spielen. Ab etwa diesem Alter können die Welpen auch feste Nahrung zu sich nehmen, sie werden jedoch noch bis zum Alter von 6 bis 8 Wochen gesäugt. Die mit Nahrung zurückkehrenden Rudelmitglieder werden von den Welpen am Maul beschnuppert und deren Schnauze mit der eigenen Schnauze umklammert, bis sie Nahrung auswürgen. In der 16. bis 20. Lebenswoche wachsen die festen Zähne, nach etwa einem Jahr ist das Skelettwachstum abgeschlossen.<ref>H. Okarma 1997: S. 37-43</ref> == Bestand und Gefährdung == [[Datei:Monument for the last wolf in westphalia.jpg|miniatur|Denkmal für den letzten freien Wolf im Münsterland bei [[Ascheberg]]]] Seit dem 19. Jahrhundert gilt der Wolf in Nord- und Mitteldeutschland sowie in England als ausgestorben. Wolfs[[Population (Biologie)|populationen]] gab es damals noch in [[Ungarn]], [[Galizien]], [[Kroatien]], der [[Krain]], [[Serbien]], [[Bosnien]], [[Rumänien]], [[Polen]], [[Russland]] und [[Skandinavien]]. In vielen Teilen der Welt, in denen der Wolf noch vorkommt, wird er auch heute aktiv verfolgt. Allerdings setzt sich zunehmend die Erkenntnis durch, dass der Wolf keine Gefahr für den Menschen oder seine Landwirtschaft darstellt; vielmehr wird der Wolf zunehmend im Rahmen der [[Naturschutz]]bemühungen als ein willkommener Bestandteil der Tierwelt gesehen. === Bestand in Europa === Insgesamt nimmt der Bestand des Wolfes in vielen europäischen Ländern wieder zu, beispielsweise in [[Spanien]], [[Italien]], [[Slowenien]], [[Kroatien]] und der [[Slowakei]]. Die sehr kleine Population in Skandinavien gilt vor allem aufgrund ihrer geringen genetischen Vielfalt als gefährdet.<ref>[http://www.wissenschaft.de/wissen/news/249720.html www.wissenschaft.de: Zu enge Familienbande unter skandinavischen Wölfen]</ref> Für das Jahr 2008 gibt das Schwedische Raubtierzentrum den Bestand für Schweden und Norwegen mit etwa 180 Tieren an.<ref>[http://www.de5stora.com/omrovdjuren/varg/utbredning/ Rovdjurscentret De 5 Stora] (schwedisch)</ref> Neu besiedelt wurden in den letzten Jahrzehnten [[Frankreich]] und die [[Schweiz]]. === Der Wolf in Deutschland === Der auf dem Gebiet der heutigen Bundesrepublik vorläufig letzte freilebende Wolf wurde am 27. Februar 1904 in der [[Lausitz]] erschossen. Er war 160&nbsp;cm lang, hatte eine [[Widerrist]]höhe von 80&nbsp;cm und wog 41&nbsp;kg. Da es in der Gegend lange Zeit keinen Wolf mehr gegeben hatte, vermutete man hinter dem gerissenen Wild erst ein ausgebrochenes Zirkustier, weshalb er den Spitznamen „[[Tiger von Sabrodt]]“ (Ort des ersten Auftauchens) erhielt. Seit den 1990er Jahren sind immer wieder Wölfe über die [[Polen|polnische]] Grenze nach Deutschland eingewandert und hielten sich bevorzugt auf Truppenübungsplätzen auf. In der Zwischenzeit sind die Wölfe in der [[Lausitz]] ([[Sachsen]] und [[Brandenburg]]) wieder heimisch geworden. Als nachgewiesen gilt, dass dort in fünf Rudeln (Sachsen) 40–50&nbsp;Wölfe leben, etwa die Hälfte davon Jungtiere, ein weiteres Rudel und ein territoriales Wolfspaar in Brandenburg (Stand: Oktober 2009).<ref>Wolfsbüro Lausitz - Bestand in der Lausitz - [http://www.wolfsregion-lausitz.de/sonstiges/56-oktober2009 Stand Oktober 2009]</ref> Einzelne Wölfe bewegen sich auch in Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg, Niedersachsen und in Hessen, womit man von einem Wolfsbestand im Sommer 2008 von 50–60 frei lebenden Wölfen in Deutschland ausgehen kann.<ref name="Naturschutzaktuell -Nabu ">Naturschutzbund Deutschland e.V. - [http://www.nabu.de/modules/presseservice/index.php?show=1252&db= Nachweis über neue Wolfsfamilie in der Lausitz]</ref> Mit der wachsenden Gesamtpopulation und seiner langsamen Ausbreitung kann bei weiterem erfolgreichen Schutz davon ausgegangen werden, dass der Wolf in Deutschland wieder dauerhaft ansässig wird. Allerdings fordern einzelne Jäger und Jägervertreter in der Lausitz einen Abschuss bzw. eine kontrollierte Bejagung der dort lebenden Wölfe.<ref name="taz">taz-Artikel [http://www.taz.de/pt/2007/04/11/a0097.1/textdruck „Wölfen soll es an den Pelz gehen“]</ref> Von drei im Frühjahr 2009 besenderten Wolfsrüden des Nochtener (2 junge Rüden) bzw. Neustädter Rudels (ca. 2 bis 3 Jahre alter Rüde) ist ein junger Rüde<ref>Wolfsbüro Lausitz - [http://www.wolfsregion-lausitz.de/besenderte-woelfe/85-besenderte-woelfe006 Dritter Jungwolf besendert]</ref> nach einem über 1000 km langen Weg im Juni 2009 an der Ostgrenze Polens angelangt.<ref>Wolfsbüro Lausitz - [http://www.wolfsregion-lausitz.de/besenderte-woelfe/87-besenderte-woelfe007 Wolf "Alan" an der Grenze zu Weißrussland]</ref> Dort besteht die Möglichkeit des Zusammentreffens mit den baltischen Populationen. Dies ist der erste Nachweis des Auswanderns eines in Deutschland freilebend geborenen Wolfes seit Beginn des 20. Jahrhunderts. Ein zweiter junger Rüde<ref>Wolfsbüro Lausitz - [http://www.wolfsregion-lausitz.de/besenderte-woelfe/76-besenderte-woelfe002 Zweiter Wolf in der Lausitz mit Halsbandsender]</ref> des Rudels war nach einem zweiwöchigen „Ausflug“ mit Distanzen von bis zu 150&nbsp;km Anfang April 2009 zu diesem Rudel zurückgekehrt.<ref>Wolfsbüro Lausitz - [http://www.wolfsregion-lausitz.de/besenderte-woelfe/83-besenderte-woelfe004 Junger Wolf kehrt zum Rudel zurück]</ref> Obwohl sie streng geschützt sind, wurden sie immer wieder von [[Jagd|Jägern]] geschossen – angeblich wegen Verwechslungen mit wildernden Hunden. Beispielsweise wurde im Zeitraum August/September 2007 eine einjährige Wölfin illegal in der Nähe von [[Luckau]] ([[Landkreis Dahme-Spreewald]]) abgeschossen. Am 15. Dezember 2007 wurde in einem Wald bei Gedelitz (nahe [[Gorleben]], [[Landkreis Lüchow-Dannenberg]], Niedersachsen) während einer Gesellschaftsjagd ein 37 Kilogramm schwerer männlicher Wolf von zwei auswärtigen Jägern getötet. Die Täter gaben an, das Tier wäre bereits angeschossen gewesen und hätte gelahmt, was im Prozess durch Sachverständigengutachten angezweifelt wurde. Gegen sie wurde ein Strafverfahren wegen Verstoßes gegen Naturschutzrecht eingeleitet, welches für die beiden Jäger in erster Instanz mit einer Verurteilung zu hohen Geldstrafen endete. Der zweijährige Rüde soll eindeutig ein freilebender Wolf gewesen sein, womit dies wohl der zweite aktuelle Nachweis der Art aus dem niedersächsischen Tiefland wäre (ein – wahrscheinlich – anderes Exemplar lebt in der [[Lüneburger Heide]], wo es erstmals im September 2006 bei [[Unterlüß]] gesichtet wurde<!--später auch noch mehrmals, zuletzt wohl im Mai 2007-->).<ref>Bericht in der „Elbe-Jeetzel-Zeitung“ vom 17. Dez. 2007 ([http://www.ejz.de/ Webseite])</ref><ref>[http://www.nabu.de/m01/m01_03/07605.html Wolfsrüde im Wendland erschossen], Artikel bei nabu.de</ref> Bei Süsel in Schleswig-Holstein wurde am 23. April 2007 ein junger Wolfsrüde von einem Auto überfahren. Dabei handelte es sich um den ersten Wolfsnachweis im Bundesland seit 187 Jahren. Genetische Untersuchungen an der Universität Kiel haben gezeigt, dass der Wolf mit sehr großer Wahrscheinlichkeit aus einem Rudel in der Lausitz oder Westpolen stammte.<ref>[http://www.agnj-sh.de/archiv2008/ueberfahrenerwolfbeiluebeckvermutlicheinsachse/index.html Überfahrener Wolf bei Lübeck vermutlich ein Sachse]</ref> Auch in Mecklenburg-Vorpommern werden seit mehreren Jahren regelmäßig Wölfe beobachtet, mehrfach wurden Schafe gerissen. Ein genetischer Wolfsnachweis konnte bisher allerdings nicht erbracht werden. <ref>[http://www.nabu.de/m01/m01_03/06492.html Wolfsverdacht in Mecklenburg-Vorpommern]</ref><ref>[http://www.regierung-mv.de/cms2/Regierungsportal_prod/Regierungsportal/de/lm/_Service/Presse/Archiv_Pressemitteilungen/index.jsp?&pid=7757 Schafrisse bei Lübtheen vermutlich durch Wölfe - Minister Dr. Backhaus sichert Schafhaltern Unterstützung zu]</ref> Im Mai 2008 wurde bestätigt, dass ein Wolf im [[Reinhardswald]] (Hessen) sesshaft geworden ist.<ref>[[Frankfurter Allgemeine Zeitung]] (15. Juni 2008): [http://www.faz.net/s/Rub5785324EF29440359B02AF69CB1BB8CC/Doc~E17704A2E9C7F4C69A3128C2F09D803D6~ATpl~Ecommon~Scontent.html Wolf im Reinhardswald. Ein Rudel in weiter Ferne]</ref> Auch in Sachsen-Anhalt wurden 2008&nbsp;Wölfe gesichtet, beispielsweise im September in Nedlitz im Landkreis Anhalt-Bitterfeld.<ref>http://sachsen-anhalt.nabu.de/modules/presseservice_sachsenanhalt/index.php?show=143&db=</ref> Ein Wolfsrüde wurde von einem Jäger erschossen. Die Jungen konnte bisher überleben.<ref>http://www.nabu.de/aktionenundprojekte/wolf/woelfeindeutschland/bundeslaender/sachsenanhalt/11819.html</ref> === Gesetzlicher Schutz === In Europa ist der Wolf durch drei Richtlinien geschützt: * Dem [[Washingtoner Artenschutzabkommen]] ([[CITES]], ''Convention on International Trade in Endangered Species of the Wild Fauna and Flora'') vom 3. März 1973 gehören 152 Staaten an. Es stellt Richtlinien für den Handel mit geschützten Tieren und deren Erzeugnissen auf und schränkt die Ein- und Ausfuhr der Tiere oder ihrer Teile (Felle, Schädel, Knochen…) ein. Der Wolf ist hier in Anhang II (gefährdete Tierart) aufgeführt, einige Subpopulationen sind vom Aussterben bedroht und in Anhang I aufgeführt. * In der [[Berner Konvention]] haben sich 45 Staaten auf die Erhaltung und den Schutz wildlebender Pflanzen und Tiere und ihrer Lebensräume verständigt. Der Wolf ist in Anhang II der Konvention aufgeführt. * Die [[Richtlinie_92/43/EWG_(Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie)|FFH-Richtlinien]] (''Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie'', 92/43/EWG) wurde 1992 von der EU in Kraft gesetzt und soll europaweit die Ausweisung und Erhaltung von Lebensräumen und Wildtieren regeln. Der Wolf ist hier in Anhang IV aufgeführt, sein Lebensraum in Anhang II. Diese Richtlinie ist von allen EU-Mitgliedsstaaten jeweils in nationales Recht umzusetzen. == Mensch und Wolf == [[Datei:Timba+1.jpg|miniatur|[[Tamaskan]]: Einige [[Haushund]]e habe eine sichtbare Ähnlichkeit zum Wolf]] [[Datei:Canis lupus tracks in sand.jpg|miniatur|Wolfsspuren im Sand]] === Domestizierung === → ''Hauptartikel [[Haushund#Domestizierung|Domestizierung (Haushund)]]'' Heute ist nachgewiesen, dass der [[Haushund]] vom Wolf abstammt. Wie Wölfe domestiziert wurden, ist unbekannt. Die Verwandtschaft zum Wolf zeigt sich recht deutlich bei einigen [[Hunderasse]]n; [[Samojede (Hunderasse)|Samojede]], [[Siberian Husky]], [[Alaskan Malamute]], [[Kanaanhund]] oder der [[Akita (Hund)|Akita]] weisen einen ursprünglichen Typ mit spitzem [[Schnauze|Fang]], spitzen Stehohren und quadratischem [[Körperbau]] auf; auch andere Rassen wie der [[Deutscher Schäferhund|Deutsche Schäferhund]] zeigen noch eine gewisse äußere Ähnlichkeit zum Wolf. Die Annahme, dass diese Rassen daher enger mit dem Wolf verwandt wären als andere, ist jedoch falsch. Das Lautverhalten der Wolfs- und [[Schlittenhund]]e ähnelt dem der Wölfe, sie bellen kaum und wenn, dann nicht anhaltend, statt dessen jaulen und heulen sie in vielen Variationen. === Verhältnis des Menschen zum Wolf === ==== Verehrung ==== Viele Völker, die von der Jagd lebten (Nordeuropa, Nordamerika), sahen im Wolf einen ihnen ebenbürtigen oder überlegenen Konkurrenten, dessen Ausdauer und Geschick bewundert und begehrt waren. Der Wolf wurde auch als Beschützer oder als übernatürliches Wesen betrachtet und verehrt. Krieger identifizierten sich mit dem Wolf ([[Therianthropie]]). [[Vorname]]n wie [[Wolf (Vorname)|Wolf]], [[Adolf]], [[Wolfgang]] oder [[Wolfhard]] erinnern an die Wertschätzung des Tiers. Verschiedene Teile des Wolfs galten auch in Deutschland als heilkräftig. So sollten Schuhe aus Wolfsfell Knaben zu tapferen Männern erwachsen lassen. ==== Der Wolf als Feind des Menschen ==== Da der Wolf auch [[Nutztier]]e schlägt wurde er oft als der Feind angesehen. So erwarb er sich den Fabelnamen als blutrünstiger [[Isegrim]]. Ab dem Mittelalter und in der frühen Neuzeit wurde die Beziehung des Menschen zum Wolf in Europa zunehmend einseitig von Angst und Dämonisierung geprägt. Die starke Ausbreitung menschlicher Siedlungs- und Agrarflächen, sowie die offene Viehhaltung, hier vor allem die bis ins 19. Jahrhundert verbreitete [[Waldweide]] von Rindern, Schafen, Schweinen und Pferden, führte zu zahlreichen Haustierverlusten durch Wölfe. Auch wenn die angegebenen Verluste in vielen Fällen sicher maßlos übertrieben waren oder durch wildernde Hunde verursacht wurden, dürften die Verluste bei dieser Art der Viehhaltung für die Bauern wirtschaftlich häufig bedeutend gewesen sein. Zu der direkten Nahrungskonkurrenz zwischen Mensch und Wolf gesellte sich im Laufe der Zeit noch die Verurteilung des Wolfes als Jagdkonkurrent. Berichte und Geschichten über „Wolfsplagen“ und Angriffe auf Menschen (zum Teil mit Todesfolge) finden sich bis in die Neuzeit in zahlreichen schriftlichen Quellen. So wird schon 1197 von einer „Wolfsplage“ an der [[Mosel]] berichtet, die angeblich mehrere menschliche Opfer forderte. Noch 1849, also zu einer Zeit, als Wölfe in Mitteleuropa schon weitgehend ausgerottet waren, wurde aus [[Kottenheim#Kleine Geschichte der Not und Plagen|Kottenheim]] eine „Wolfsplage“ gemeldet, als ein strenger Winter bis Ostern anhielt. Diese Einstellung zum Wolf führte in West- und Mitteleuropa zu einer beispiellosen Verfolgungskampagne, deren Ziel schließlich, unabhängig von etwaigen Schäden, die völlige Ausrottung des Wolfes war. Der Wolf wurde unter anderem in Großbritannien (letzte Erlegung 1743), Dänemark (1772), Luxemburg (1893)<ref>Siehe S. 372: J.A. Massard: [http://massard.info/pdf/wolfpm.pdf ''Wölfe in Luxemburg.''] In: Lëtzebuerger Almanach 1987, Luxemburg: 353-374. Siehe auch: J.A. Massard: [http://massard.info/pdf/pasteur_2.pdf ''Zum hundertsten Jahrestag der ersten Tollwutimpfung (II): Von Hunden und Wölfen.''] Tageblatt 1985, Nr. 159 (13. Jul.): 9. </ref> und Deutschland (1904) ausgerottet. In Süd- und Osteuropa wurde dem Wolf (und anderen Großraubtieren) mit erheblich mehr Toleranz begegnet. Auch wenn dort bei verstärkten Schäden an Haustieren Wölfe regional und zeitlich intensiver verfolgt wurden, war dort die völlige Ausrottung nie das Ziel. ==== Angriffe auf Menschen ==== Während die Erbeutung von [[Haustier]]en durch Wölfe unstrittig ist, entbehren die Berichte über Angriffe auf Menschen meist jeder Grundlage. Gesicherte Belege für Angriffe gesunder Wölfe auf Menschen konnten für Europa bisher nicht erbracht werden. In [[Nordamerika]] zeigt eine Reihe von Fällen, dass es beim Kontakt von Menschen zu halbzahmen, durch ständige direkte oder indirekte Fütterung an Menschen gewöhnten Wölfen zu Missverständnissen, unbeabsichtigten Provokationen u.&nbsp;ä. mit zum Teil fatalen Folgen kommen kann. In den letzten ca. 30 Jahren sind dort 39 Fälle von gegenüber Menschen aggressiven Wölfen bekannt geworden. In 12 dieser Fälle wurde eine Tollwutinfektion nachgewiesen oder vermutet. In sechs Fällen wurden die Menschen durch Hunde begleitet, vermutlich war hier der Hund Auslöser der Attacke. In 16 Fällen wurden Menschen von nicht mit [[Tollwut]] infizierten Wölfen gebissen. Diese Fälle waren durch die Opfer fast ausschließlich provoziert und hätten leicht vermieden werden können. Keine der Bissverletzungen war lebensbedrohlich, aber in sechs Fällen waren die Bissverletzungen ernst („severe“).<ref>[http://www.wc.adfg.state.ak.us/pubs/techpubs/research_pdfs/techb13_full.pdf McNay M. E.: ''A case history of Wolf - Human encounters in Alaska and Canada.'' Wildlife Technical Bulletin, 2002]</ref> === Wirtschaftliche Nutzung === Wölfe wurden über Jahrhunderte verfolgt und teilweise systematisch ausgerottet; daneben diente der Wolf aber auch als [[Pelz]]lieferant. Im 19. Jahrhundert wurden Wölfe vor allem mit [[Strychnin]] getötet, indem man ein getötetes Schaf damit imprägnierte und dieses auf die bekannten [[Wildwechsel|Wechsel]] der Wölfe warf. [[Pelzarten#Wolf|Wolfsfelle]] wurden für Bekleidungszwecke und in den Wohn- und Schlafstätten verwendet; sie galten umso wertvoller, je weißer sie waren. Die Wolfshaut wurde auch zu Leder gegerbt und zu [[Handschuhe]]n, [[Pauke]]n- und [[Trommelfell]]en verarbeitet. In den meisten Ländern ist die wirtschaftliche Nutzung des Wolfes heute verboten, obwohl teilweise noch [[Abschussprämie]]n gezahlt werden. === Der Wolf in Mythos und Literatur === Der Wolf spielt als Motiv in den Mythologien, Sagen und Märchen sowie in der Literatur und Kunst zahlreicher Völker eine zentrale Rolle. Dabei spiegelt sich die ambivalente Einstellung des Menschen gegenüber dem Wolf wider. Einerseits verehrt er ihn als starkes und überlegenes Tier, zum anderen projiziert er auf das aggressive Tier verschiedenartigste Ängste (vgl. Abschnitt [[#Einstellung des Menschen zum Wolf|Einstellung des Menschen zum Wolf]]). ==== Totem-Kultur ==== In etlichen Kulturen erscheint der Wolf als [[Totem]], etwa bei dem Indianerstamm der [[Tlingit (Volk)|Tlingit]], bei den [[Irokesen]], bei den [[Turkmenen]] und bei den [[Mongolen]]. Die [[Usbeken]] und die [[Hunnen]] leiteten ihre Herkunft vom Wolf ab, ebenso galt die Wölfin als Urmutter der alten [[Türken]]. ==== Bibel ==== Bereits in der [[Bibel]] wird der Wolf mehrfach als die Herden reißendes, gefährliches Tier dargestellt, so etwa in [[1. Buch Mose|Gen 49,27]]; [[Jeremia|Jer 5,6]]; [[Evangelium nach Johannes|Joh 10,12]]. Wenn „der Wolf beim Lamme“ liegt, so bedeutet dies dementsprechend die Verbindung von Ungleichem und wird daher von Jesus Sirach als Gleichnis für den Umgang zwischen Sündern und Gerechten gebraucht, [[Buch Jesus Sirach|Sir 13,21]]. Jesaja indes verwendet das utopische Bild als Metapher für den Anbruch des Reiches Gottes, [[Buch Jesaja|Jes 65,25]]. ==== Griechische Mythologie ==== Die griechische Göttin [[Hekate]], die mit dunkler Hexerei und Zauberei in Verbindung stand, wurde in der bildenden Kunst häufig in der Begleitung von drei Wölfen dargestellt. Der griechische König [[Lykaon (Arkadier)|Lykaon]] wurde von [[Zeus]] in einen Wolf verwandelt. ==== Die säugende Wölfin ==== [[Datei:She-wolf suckles Romulus and Remus.jpg|miniatur|215px|Romulus und Remus]] Die Gründer der Stadt [[Rom]], die [[Zwillinge]] [[Romulus und Remus]], sollen von einer Wölfin gesäugt und aufgezogen worden sein. Die Geschichte beruht indes auf einem Missverständnis: Das Wort ''lupa'' bedeutet im Lateinischen sowohl „Wölfin“ als auch „[[Hure]]“. Mit diesem Wort war ursprünglich [[Acca Laréntia|Larentia]], die leichtlebige hurende Gattin des Hirten [[Faustulus]] gemeint, der das Brüderpaar aufgezogen hatte. Vergleichbare Überlieferungen gibt es aus dem indischen Raum; auch die [[Slowakei|slowakischen]] Recken [[Waligor]] und [[Wyrwidub]] sowie der Gründer des [[Perserreich|altpersischen Reiches]], [[Kyros II.]], sollen von Wölfen aufgezogen worden sein. Auch das moderne Motiv der [[Wolfskind]]er hat hier seine Ursprünge. ==== Germanische Mythologie ==== In der [[Germanische Mythologie|germanischen]] bzw. [[Nordische Mythologie|nordischen Mythologie]] werden dem Siegesgott [[Odin]] neben [[Hugin und Munin|zwei Raben]] auch die Wölfe [[Geri und Freki]] beigesellt, die als streitlustige und tapfere Tiere den Kampf verfolgen und sich auf die gefallenen Leichen stürzen. Sonne und Mond werden von den Wolfsbrüdern [[Skalli|Skoll]] bzw. [[Hate]] gejagt<ref>Gylfagynning 12.</ref>. Beide besitzen noch einen weiteren Bruder namens [[Managarm]], der sich vom Fleisch der Toten ernährt. Der [[Fenriswolf]] spielt beim Weltuntergang [[Ragnarök]] eine entscheidende Rolle. Er verschlingt zu Beginn der Götterdämmerung den Mond, später Odin. Der Wolf [[Ysengrin]] des Mythos besitzt viele Wesensmerkmale des verschlagenen [[Rotfuchs|Fuchses]]. Germanischen Ursprungs ist auch die Figur des [[Werwolf]]s, der ungeachtet seines Lebens in der bürgerlichen Gesellschaft zeitweilig Wolfsgestalt annimmt. ==== Sonstige Kulturen ==== Den [[Chinesische Kultur|Chinesen]] galt der Wolf als [[Chinesische Symbole|Symbol]] für Grausamkeit, Gefräßigkeit und Gier. Die nordamerikanischen Ureinwohner kennen mit dem [[Waheela]] eine Art Geist in der Gestalt eines riesigen Wolfes. ==== Literatur ==== In [[Fabel]]n antiker Autoren wie [[Äsop]] und [[Phädrus]], deren Stoffe später insbesondere [[Jean de Lafontaine]] und [[Gotthold Ephraim Lessing]] aufgriffen, werden negative menschliche Charaktereigenschaften wie [[Habgier]], [[Streit]]lust, [[Heimtücke]] und [[Chiado|Verschlagenheit]] auf den Wolf projiziert. In ''Der Wolf und das Lamm'' etwa sucht der Wolf mit aller Macht einen Vorwand, um das mit ihm am Fluss trinkende Lamm zu zerreißen. In ''Löwe, Wolf und Fuchs'' fällt eine vom Wolf angezettelte Intrige auf ihn zurück. In ''Der Wolf und der Kranich'' betrügt er einen hilfsbereiten Vogel um seinen Lohn. In ''Der Wolf und der Hund'' steht er als Vertreter des gefährdeten, aber freien Lebens im Gegensatz zum unter dem Joch lebenden Haushund. Bekannt ist auch ''[[Der Junge, der Wolf schrie]]'' vom Hirtenjungen, der so oft um Hilfe wegen angeblicher Wölfe rief, bis ihm niemand half, als eines Tages wirklich ein Wolf seine Herde riss. [[Datei:Wolf-Rotk.jpg|miniatur|links|165px|Der Wolf an der Seite Rotkäppchens]] Als negative, bösartige Figur erscheint der Wolf auch in den meisten [[Märchen]]. In [[Brüder Grimm|Grimms]] [[Rotkäppchen]] etwa erschleicht er sich das Vertrauen eines kleinen Mädchens, frisst dann dessen Großmutter und will am Ende auch Rotkäppchen selbst fressen. In [[Der Wolf und die sieben jungen Geißlein]] verschafft er sich mit durch Kreide verfälschter Stimme Zutritt zum Haus einer Ziegenfamilie und verschlingt alle deren Kinder bis auf eines. In beiden Fällen werden die Opfer gerettet und der Wolf getötet. Einige Märchen der Gebrüder Grimm (''[[Der Wolf und der Mensch]]'', ''[[Der Wolf und der Fuchs]]'', ''[[Der Fuchs und die Frau Gevatterin]]'') berichten von weiteren Wölfen, denen ihre Habgier und Aggression teuer zu stehen kommt: Sie werden zu Opfern sowohl der überlegenen Körperkraft des Menschen wie der Schläue von Füchsen. Aus dem angelsächsischen Bereich schließlich stammt das [[Die drei kleinen Schweinchen|Märchen vom Wolf und den drei Schweinchen]]. In der modernen Wolfsliteratur findet sich das Wolfsmotiv insbesondere in [[Rudyard Kipling]]s [[Das Dschungelbuch]] und bei [[Jack London]] ([[Ruf der Wildnis]], [[Wolfsblut (Roman)|White Fang]]). In [[Hermann Hesse]]s Roman [[Der Steppenwolf|Steppenwolf]] schließlich wird das Wolfmotiv als Metapher für die animalische, die triebgesteuerte Seite des einsamen und menschenscheuen Protagonisten ''Harry Haller'' benutzt. Ein bekannter Fantasy-Roman von [[Käthe Recheis]] trägt den Titel ''[[Der weiße Wolf]]''. ==== Comic und Zeichentrickfilm ==== Auch in Comics und Zeichentrickfilmen tauchen vielfach Wölfe auf. In der sowjetischen Zeichentrickserie [[Hase und Wolf]] spielen ein böser, tollpatschiger Wolf sowie ein guter Hase mit. Im [[Walt Disney|Disney]]-[[Zeichentrickfilm]] ''[[Die drei kleinen Schweinchen|Three little Pigs]]'' will ein schlaksiger, schwarzfelliger Wolf mit bunter Latzhose und Schlapphut die Häuschen der drei Schweinchen umblasen. Bei jenen aus Stroh und Holz gelingt ihm dies, nicht so indes bei dem aus Stein. Unter Aufgreifung des Verkleidungsmotivs aus [[Rotkäppchen]] nähert er sich den Schweinchen im Aufzug einer alten Frau. Der Kurzfilm beinhaltete auch den von Frank Churchill geschriebenen berühmt gewordenen Song ''Who's Afraid of the Big Bad Wolf''. Im Disney-Comic ''Lil' Bad Wolf'' versucht ein böser Wolf namens ''Zeke'' (deutsch: ''Ede'') erfolglos seinen Jungen nach seinem Bilde zu formen: Stattdessen schließt der Kleine enge Freundschaft mit den kleinen Schweinchen. Ein weiterer schurkenhafter Vertreter der Gattung tritt im Disney-Film ''The big bad wolf'' auf. Er hat auch ein Gastspiel im [[Micky Maus|Mickey-Mouse]]-Cartoon [[Mickey's Polo Team]] von 1936, in dem Disney-Figuren gegen Zeichentrick-Versionen berühmter Schauspieler dieser Zeit Polo spielten. Zu nennen sind in diesem Zusammenhang auch die Wolfs-Figuren Lupo, Lupinchen und Eusebia aus [[Rolf Kauka]]s Serie [[Fix und Foxi]] von 1953. Auch in der auf [[Runer Jonssen]]s Büchern beruhenden Zeichentrickserie ''[[Wickie|Wickie und die starken Männer]]'' von 1974 kommen häufig Wölfe vor, ausgehungerte Tiere von grotesk-zottiger Magerkeit, die den ängstlichen Wikingerjungen ''Wickie'' jagen. == Literatur == ; Sachliteratur: * Dimitrij I. Bibikow: ''Der Wolf.'' Die Neue Brehm-Bücherei Bd. 587. Westarp Wissenschaften, Hohenwarsleben 2003, ISBN 3-89432-380-9 * [[Günther Bloch]], Peter A. Dettling: ''Auge in Auge mit dem Wolf: 20 Jahre unterwegs mit frei lebenden Wölfen.'' Franckh-Kosmos Verlag, Stuttgart 2009, ISBN 978-3440114520 * [[L. David Mech]], [[Luigi Boitani]]: ''Wolves - Behaviour, Ecology, and Conservation''. The University of Chicago Press, Chicago 2003, ISBN 0-226-51696-2 * Virginia Morell: ''Wölfe in [[Äthiopien]]. Vor 100.000 Jahren kamen sie aus Europa ins afrikanische [[Hochland (Landschaft)|Hochland]] – Heute sind sie die letzten ihrer Art.'' In: ''[[National Geographic Deutschland]].'' G&J, Hamburg 2006, 5, S. 94-105 * Henryk Okarma: ''Der Wolf. Ökologie, Verhalten, Schutz''. Parey, Berlin 1997, ISBN 3-8263-8431-8 * [[Elli H. Radinger]]: ''Wolfsangriffe – Fakt oder Fiktion''. Peter von Döllen, Worpswede 2004, ISBN 3-933055-33-4 * [[Elli H. Radinger]]: ''Die Wölfe von Yellowstone''. Peter von Döllen, Worpswede 2004, ISBN 3-933055-15-6 * Ilka Reinhardt, [[Gesa Kluth]]: ''Leben mit Wölfen, Leitfaden für den Umgang mit einer konfliktträchtigen Tierart in Deutschland'' ([http://www.bfn.de/fileadmin/MDB/documents/service/skript201.pdf]; PDF-Datei; 3,3&nbsp;MB). BfN-Skripten Band 201, [[Bundesamt für Naturschutz]] (BfN), Bonn 2007 * [[Thomas Riepe]]: ''Wolf und Hund''. Monsenstein und Vannerdat, Münster 2004, ISBN 3-86582-041-7 * Beatrix Stoepel: ''Wölfe in Deutschland.'' Aus der ARD-Reihe Expedition ins Tierreich. Hoffmann und Campe, Hamburg 2004, ISBN 3-455-09470-8 * [[Erik Zimen]]: ''Der Wolf: Verhalten, Ökologie und Mythos [...]''. Neuauflage, Kosmos, Stuttgart 2003, ISBN 3-440-09742-0 ; Über angebliche „Wolfsplagen“: * Walter Lung: ''Kottenheim – ein Dorf und seine Landschaft''. Louis Schreder, Mayen 1962 * Nikolaus Kyll: ''Zur Trierer Wolfsprozession.''. Landeskundliche Vierteljahrblätter. Trier 7.1961, H. 1, S. 16 ff. {{ISSN|0458-6905}} * Heinrich Strangmeier: ''Wolfsplagen und Wolfsjagden in Hilden und anderswo. Eine Sammlung von Quellen und Beiträgen zum Thema''. Peters, Hilden 1977 == Einzelnachweise == <references /> == Weblinks == {{Wiktionary|Wolf}} {{Commons|Canis lupus}} * {{IUCN |Year=2008 |ID=3746 |ScientificName=Canis lupus |YearAssessed=2008 |Assessor=L. D. Mech, L. Boitani |Download=2. Januar 2009 }} * [http://www.nabu.de/m01/m01_03/ „Willkommen Wolf“ – Ein Projekt des Natuschutzbundes Deutschland (NABU)] * [http://www.wolfsregion-lausitz.de Wolfsregion Lausitz] {{Exzellent|19. April 2004|1185698}} [[Kategorie:Hunde]] {{Link GA|es}} {{Link FA|ka}} {{Link FA|no}} {{Link FA|pl}} {{Link FA|uk}} [[af:Wolf]] [[an:Canis lupus]] [[ang:Ƿulf]] [[ar:ذئب رمادي]] [[ast:Llobu]] [[ba:Бүре]] [[bar:Wuif]] [[bat-smg:Vėlks]] [[be:Воўк]] [[bg:Вълк]] [[bn:নেকড়ে]] [[br:Bleiz gris]] [[bs:Vuk]] [[ca:Llop]] [[co:Lupu]] [[cr:ᒪᐦᐃᐦᑲᓐ]] [[cs:Vlk]] [[cu:Влькъ]] [[cv:Кашкăр]] [[cy:Blaidd]] [[da:Ulv]] [[el:Λύκος]] [[eml:Lauv]] [[en:Gray Wolf]] [[eo:Lupo]] [[es:Canis lupus]] [[et:Hunt]] [[eu:Otso]] [[fa:گرگ]] [[fi:Susi]] [[fiu-vro:Susi]] [[fo:Úlvur]] [[fr:Loup]] [[frp:Lop]] [[gd:Faol]] [[gl:Lobo]] [[glk:ورگ]] [[got:𐍅𐌿𐌻𐍆𐍃]] [[hak:Lòng]] [[he:זאב מצוי]] [[hr:Sivi vuk]] [[ht:Lou]] [[hu:Farkas]] [[ia:Lupo gris]] [[id:Serigala abu-abu]] [[io:Volfo]] [[is:Úlfur]] [[it:Canis lupus]] [[ja:オオカミ]] [[ka:მგელი]] [[kk:Қасқыр]] [[ko:늑대]] [[ku:Gur]] [[kv:Кӧин]] [[ky:Карышкыр]] [[la:Lupus]] [[lb:Wollef]] [[lij:Canis lupus]] [[lmo:Luf]] [[lt:Pilkasis vilkas]] [[lv:Pelēkais vilks]] [[mk:Волк]] [[ml:ചെന്നായ്]] [[mn:Саарал чоно]] [[ms:Serigala]] [[myv:Верьгиз]] [[nah:Cuetlāchtli]] [[nl:Wolf (dier)]] [[nn:Ulv]] [[no:Ulv]] [[nrm:Loup]] [[nv:Mąʼiitsoh]] [[oc:Canis lupus]] [[pl:Wilk]] [[pt:Lobo]] [[qu:Lupu]] [[ro:Lup cenuşiu]] [[ru:Волк]] [[sah:Бөрө]] [[scn:Lupu]] [[sh:Vuk]] [[simple:Grey wolf]] [[sk:Vlk dravý]] [[sl:Sivi volk]] [[sq:Ujku]] [[sr:Вук]] [[stq:Wulf]] [[sv:Varg]] [[szl:Wilk]] [[ta:ஓநாய்]] [[tg:Гург]] [[th:หมาป่า]] [[tl:Lobo (hayop)]] [[tr:Kurt]] [[uk:Вовк]] [[vi:Chó sói xám]] [[wa:Leu]] [[zh:狼]] [[zh-min-nan:Lông]] dawhff0qtcyiayk3we7gn0th023adaj wikitext text/x-wiki Anna May Wong 0 24531 27134 2010-05-03T14:40:50Z Jesi 0 BKL-Link, VIAF [[Bild:AnnaMayWong.jpg|thumb|Anna May Wong, 25. April 1939<br /><small>Fotografie von [[Carl van Vechten]], aus der ''Van Vechten Collection'' der [[Library of Congress]]</small>]] '''Anna May Wong''', eigentlich ''Wong Liu Tsong'' ({{zh|v=黃柳霜|t=黄柳霜|p=Huáng Liǔshuāng}}; * [[3. Januar]] [[1905]] in [[Los Angeles]], [[Kalifornien]]; † [[2. Februar]] [[1961]] in [[Santa Monica]], Kalifornien) war eine US-amerikanische Schauspielerin chinesischer Herkunft. In den 1920er und 1930er Jahren, als [[Hollywood]] tief vom [[Rassismus]] geprägt war und die Selbstzensur der Filmindustrie die Karrieren vieler ostasiatischer Darsteller massiv behinderte, war sie unter den amerikanischen Schauspielerinnen chinesischer Herkunft die erste, der der Aufstieg zum weltweit bekannten Filmstar gelang. == Leben und Filme == === Anfänge === <!-- [[Bild:Anna May Wong holds child in The Toll of the Sea.jpg|thumb|Anna May Wong in dem Film „Toll of the Sea“ (1922); links: Beatrice Bentley]] --> Anna May Wong war das zweite von sechs Kindern eines Ehepaars, das in Lo Sang, der [[Chinatown]] von Los Angeles, eine Wäscherei betrieb. Ihre Großeltern waren in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts aus [[Qing-Dynastie|China]] nach Kalifornien eingewandert. Wie viele chinesische Amerikaner wuchs Wong mit einer teils [[Presbyterianische Kirchen|presbyterianischen]], teils neo-[[Konfuzianismus|konfuzianischen]] Erziehung auf. Sie besuchte zunächst eine gemischte Schule, wechselte nach schlechter Behandlung durch weiße Mitschüler jedoch auf eine Schule, die nur von Chinesen besucht wurde. Nachdem sie bereits als Zehnjährige für einen Modefotografen posiert hatte, spielte sie als Vierzehnjährige neben dem großen Stummfilmstar [[Alla Nazimova]] eine kleine Rolle in dem Film „The Red Lantern“ (1919) von [[Albert Capellani]]. Die Schauspielerei brachte Wong sich in dieser Zeit selbst bei, indem sie nach Kinobesuchen heimlich zu Hause vor dem Spiegel übte. Ihr erster Förderer war der Regisseur [[Marshall Neilan]], der sie 1920 in einer kleinen Rolle in seinem Abenteuerlustspiel „Dinty“ einsetzte. 1921 brach sie den Besuch der [[High School]] ab, um sich ganz ihrer Filmkarriere zu widmen. Ihre nächste wichtige Rolle war die der Toy Sing in Neilans „Bits of Life“, einem Film, der in Wongs Gesamtwerk insofern eine Sonderstellung einnimmt, als sie darin – als Sechzehnjährige – zum ersten und einzigen Mal die Rolle einer Mutter spielte. Später verhinderten die in Hollywood verbreiteten [[Stereotyp]]en, dass eine asiatische Figur als Mutter erschien. <!-- [[Bild:Anna May Wong as Lotus Flower calling out in The Toll of the Sea.jpg|thumb|Anna May Wong in dem Film „Toll of the Sea“ (1922)]] --> 1922 folgte in „Toll of the Sea“ Anna May Wongs erste große Hauptrolle. Der Film, dessen Drehbuch auf [[Giacomo Puccini|Puccinis]] Oper „[[Madama Butterfly]]“ basierte, war im frühen [[Technicolor]]verfahren produziert und damit einer der ersten [[Farbfilm]]e der Welt. Die „Lotosblüte“ in „Toll of the Sea“ war für Wong auch die erste einer lange Reihe von Rollen, die dem Klischee der [[China Doll]] entsprachen: der Asiatin, die aus unerfüllbarer Liebe zu einem weißen Mann ihr Leben opfert. 1924 war Anna May Wong in [[Raoul Walsh]]s Abenteuerfilm „[[Der Dieb von Bagdad (1924)|Der Dieb von Bagdad]]“ neben [[Douglas Fairbanks senior|Douglas Fairbanks]] als mongolische Sklavin zu sehen. Aufsehen erregte in diesem Film ihr knappes, bauchfreies Kostüm, und sie trug die Ponyfransen, die von da an ihr Markenzeichen werden sollten. Wong erlangte mit diesem Film internationale Bekanntheit und avancierte gleichzeitig zum ersten chinesisch-amerikanischen Filmstar. Noch im selben Jahr trat Wong in [[Herbert Brenon]]s „[[Peter Pan (1924)|Peter Pan]]“-Film als Tiger Lily auf und 1927 wirkte sie als Nebendarstellerin unter anderem in einem Film mit [[Oliver Hardy]] („The Honorable Mr. Buggs“) und einem [[Laurel & Hardy]]-Film („Why Girls Love Sailors“) mit. === Europa (1928–1930) === In der zweiten Hälfte der 1920er Jahre wurden die Arbeitsbedingungen für Anna May Wong immer bedrückender. Da interessante Asiaten-Rollen vorzugsweise mit weißen Darstellern besetzt wurden, boten sich in Hollywood für ihre weitere Karriere kaum Perspektiven. Unerträglich eingeschränkt waren auch ihre Möglichkeiten, Chinesen sympathisch oder einfühlsam darzustellen. Ärger mit der [[Metro-Goldwyn-Mayer|MGM]] – die in ihrem jüngsten Film „Across to Singapore“ drastische [[Filmzensur|Zensurschnitte]] vorgenommen hatte – veranlasste sie schließlich, die USA Ende Mai 1928 zu verlassen und nach Europa zu gehen. Auch andere nicht-weiße Künstlerinnen kehrten der USA damals den Rücken – [[Josephine Baker]] z. B. war bereits 1925 nach Paris gegangen. In London stand Wong gemeinsam mit dem jungen [[Laurence Olivier]] in dem Stück „The Circle of Chalk“ (''Der Kreidekreis'' von [[Klabund]]) auf der Bühne. Ihre nächsten Filme drehte sie mit britischen und deutschen Firmen. In [[E. A. Dupont]]s britischer Produktion „[[Piccadilly – Nachtwelt|Piccadilly]]“ (1929) spielte sie neben [[Jameson Thomas]] die Tellerwäscherin Shosho, die als Showtalent entdeckt wird. Eine Szene dieses Films, in dem Shosho ihren Arbeitgeber verführt, wird von Wongs Biografen Hodges als „die erotischste Szene der Stummfilmgeschichte“ beschrieben. In Deutschland war Wong, wie Hodges vermutet, seit dem Film „Shame“ (1921) ein Begriff; von der deutschen Öffentlichkeit wurde sie als großer Hollywoodstar empfangen. Der Regisseur und Filmproduzent [[Richard Eichberg]] holte sie auf Empfehlung seines Freundes [[Karl Gustav Vollmoeller]] gleich für drei Filme nach Berlin: In dem [[Kolportage|Kolportagefilm]] „[[Schmutziges Geld]]“ (1928), nach der Erzählung von [[Karl Gustav Vollmoeller]] spielte sie eine Asiatin, die sich in einen Messerwerfer ([[Heinrich George]]) verliebt; als er in den Sog seiner lasterhaften und kriminellen Vergangenheit gerät, zieht er auch seine Geliebte in den Abgrund. In „[[Großstadtschmetterling]]“ (1928/29) liebt sie einen russischen Maler ([[Fred Louis Lerch]]), wird jedoch von einem brutalen Kriminellen ([[Alexander Granach]]), der sie begehrt und ihr nachstellt, kompromittiert. Der dritte Eichberg-Film war „[[Hai-Tang. Der Weg zur Schande]]“ (1930) – Wongs erster [[Tonfilm]], der in verschiedenen Sprachversionen mit jeweils unterschiedlichen männlichen Hauptdarstellern gedreht wurde. Wong, die neben Englisch gut Deutsch und Französisch sprach, wirkte in allen drei Sprachversionen mit. Sie spielte in dem Film eine chinesische Sängerin, die einen russischen Offizier ([[Francis Lederer]]) liebt, jedoch auch von dessen Vorgesetzten ([[Georg H. Schnell]]) verfolgt wird. Obwohl auch diese europäischen Filmproduktionen nicht frei von ethnischen Klischees waren, bedeutete es für Wong eine besondere Genugtuung, dass sie Charaktere spielen durfte, die im Handlungsverlauf nicht zu sterben brauchten. Filmhistorisches Gewicht gewannen Wongs Auftritte in deutschen Filmen vor dem Hintergrund, dass Chinesen – insbesondere chinesische Frauen – im öffentlichen und medialen Leben dieses Landes bis dahin kaum existierten. Für große Teile der deutschen Öffentlichkeit war Anna May Wong die erste Chinesin, deren Persönlichkeit für sie sichtbar wurde, und die Bedeutung von Wongs Leinwandpräsenz für die Wahrnehmung von Chinesinnen in Deutschland in dieser Zeit kann kaum überschätzt werden. In der deutschen Presse wurde sie meist auch nicht als chinesische Amerikanerin, sondern als (amerikanische) Chinesin angekündigt – ein Eindruck, den sie in Interviews selbst noch verstärkte, indem sie diese stets für Auskünfte über den chinesischen Nationalcharakter nutzte. [[Berlin]] galt um 1930 wegen seines avantgardistischen Kulturlebens und seiner Toleranz gegenüber Minderheiten, die unter anderem viele [[Homosexualität|Homosexuelle]] anzog, als die modernste Stadt der Welt. Wong fühlte sich in diesem Klima sehr heimisch und bewegte sich in Künstler- und Intellektuellenkreisen. Ein Interview, das sie 1928 in Berlin dem Philosophen [[Walter Benjamin]] gab, gehört zu den aufschlussreichsten Zeugnissen über die Persönlichkeit der Schauspielerin. [[Bild:AnnaMayWong2.jpg|thumb|Anna May Wong, 22. September 1935, <small>Fotografie von Carl van Vechten</small>]] === Frühe 1930er Jahre === Von Heimweh getrieben und da sie durch ihre Erfolge in Europa auch in den USA an Ansehen gewonnen hatte, kehrte Anna May Wong 1930 in ihr Heimatland zurück. Zunächst spielte sie am [[Broadway (Theater)|Broadway]] in dem Erfolgsstück „On the Spot“ und schloss dann einen Vertrag mit der [[Paramount Pictures|Paramount]]. Ihre Rückkehr wurde in der Fachpresse als bedeutendes Ereignis kommentiert – sie hatte sich aus einer Darstellerin ethnischer Rollen zu einem anerkannten amerikanischen Filmstar entwickelt. So schrieb die bekannte Kolumnistin Elizabeth Yeaman wie folgt: ''„One of the most stirring pieces of news that has reached Hollywood came in the wire today from Jesse Lasky who announces that Anna May Wong has been signed to a long-term Paramount contract. Miss Wong has created quite a sensation in New York this season where she has been appearing in the stage production of "On the Spot," by Edgar Wallace... Her career has been a brilliant one ever since she first entered pictures. She was born in San Francisco of Chinese parents, and she holds the distinction of being the first Chinese actress to achieve stardom in American picture.“'' (Quelle: gdhamann.blogspot.com, Eintrag vom 29.&nbsp;Juni 2006) :„Eine der aufregendsten Nachrichten aus Hollywood von heute war die von Jesse Lasky, der ankündigte, dass Anna May Wong für einen langfristigen Vertrag mit Paramount verpflichtet wurde. Fräulein Wong erregte in der laufenden Broadwaysaison eine ziemliche Sensation durch ihren Auftritt in der Bühneproduktion von ''On the Spot'' von Edgar Wallace... Sie hat eine brillante Karriere seit sie erstmals in Filmen mitgespielt hat. Sie wurde in San Francisco als Tochter chinesischer Eltern geboren und zeichnet sich dadurch aus, als erste chinesische Schauspielerin Starruhm in amerikanischen Filmen erlangt zu haben.“ Wong wurde gelegentlich sogar auf dem Cover von Fanmagazinen präsentiert, was ihren Status als Star unterstreicht. Wong drehte bei Paramount zwei Filme: „Daughter of the Dragon“ (1931) und „Shanghai Express“ (1932). In dem Actionfilm „Daughter of the Dragon“, der typisch für den antichinesischen Rassismus der Zeit ist, spielte Wong die Tochter des intriganten Super-Kriminellen [[Dr. Fu Manchu]] ([[Warner Oland]]). Eindringlicher als alle früheren Filme, in denen Wong mitgewirkt hatte, warnte „Daughter of the Dragon“ vor der Liebe, die es wagte, die Rassenschranken zu überschreiten. Darauf folgte Wongs wohl bekanntester Film, in dem sie allerdings nur in einer Nebenrolle zu sehen war. Der Star von [[Josef von Sternberg]]s [[Abenteuerfilm]] „[[Shanghai Express]]“ (1932) war [[Marlene Dietrich]], deren Gage 78.000 [[US-Dollar|Dollar]] betrug, während Wong nur 6.000 $ erhielt. Dietrich spielt in diesem Film eine geheimnisvolle Frau, die im China der frühen Revolutionszeit unter die Passagiere eines Zuges gerät, der von Rebellen überfallen wird. Wong erscheint als eine chinesische Prostituierte, die den Rebellenführer aus Rache für eine Vergewaltigung ersticht und den Shanghai Express und seine Passagiere damit befreit. Die Gelegenheit in diesem, für Wongs Karriere, wichtigem Film mitspielen zu können, verdankte sie ebenfalls den freundschaftlichen Kontakten, die [[Karl Gustav Vollmoeller]], der Drehbuchautor von [[Der blaue Engel]] zu Regisseur [[Josef von Sternberg]] und dem angehenden Weltstar [[Marlene Dietrich]] seit 1924 bzw. 1923 unterhielt. Vollmoeller und Wong hatten sich 1924 in den USA kennen gelernt. Auf den Erfolgsfilm „Shanghai Express“ folgten zwar weitere amerikanische und britische Filme, in denen Anna May Wong stets die weibliche Hauptrolle spielte, ihr Erfolg ließ jedoch nach. Aufgrund ihrer chinesischen Herkunft war sie durch den Zeitgeschmack auf klischeehafte Rollen festgelegt, die zu spielen ihr stets widerstrebte. So trat sie als verbrecherische Witwe („[[Eine Studie in Scharlachrot (1933)|Eine Studie in Scharlachrot]]“, 1933), Bartänzerin („Tiger Bay“, 1934), Manchu-Prinzessin („Java Head“, 1934) oder orientalisches Sklavenmädchen auf („[[Chu-Chin-Chow (1934)|Chu-Chin-Chow]]“, 1934). In den USA, wo seit 1930 der [[Hays Code|Production Code]] die [[Filmzensur|Selbstzensur]] der Filmindustrie regelte und verbot, dass Angehörige verschiedener Hautfarben auf der Leinwand miteinander in sexueller Beziehung standen, spielte sie immer wieder [[China Doll]]s, Frauen, die von ihrem weißen Geliebten verlassen oder verschmäht wurden (z.&nbsp;B. „Limehouse Blues“, 1934). Da sie ihre weißen Partner aus diesem Grund auch nicht vor der Kamera küssen durfte, verhinderte diese Regelung, dass Wong – die sonst alles hatte, was eine Filmdiva ausmacht – in Hollywood den Rang einer [[Leading Lady]] einnehmen konnte. Der einzige Film, in dem sie je eine Kussszene mit dem männlichen Hauptdarsteller hatte – „Java Head“ – blieb zeitlebens ihr Lieblingsfilm. Wong hat immer wieder versucht, ihren Rollen durch die Qualität ihres Spiels Differenziertheit und Seele zu geben und damit das Image ihres Volkes zu verbessern, ist an dieser unlösbaren Aufgabe letztlich jedoch gescheitert, was sie zunehmend unter Depressionen leiden ließ. === „Die gute Erde“ === [[Bild:AnnaMayWongTurandot.jpg|thumb|Anna May Wong in „Turandot“, fotografiert von Carl van Vechten am 11. August 1936]] 1936/37 bereitete die [[Metro-Goldwyn-Mayer|MGM]] eine Verfilmung von [[Pearl S. Buck]]s Roman „[[Die gute Erde]]“ vor, für den die Autorin 1932 den [[Pulitzer-Preis]] erhalten hatte und wenig später den [[Literaturnobelpreis]] erhalten sollte. Der Roman spielt in China unter chinesischen Bauern und schildert besonders eindringlich die Lage der Frauen. Filme, die das Schicksal von Chinesen zum Thema hatten, waren bei der MGM nichts Neues; bereits 1927 war Anna May Wong in dem MGM-Film „Mr. Wu“ aufgetreten. Im Gegensatz zu früheren Filmen war „[[Die gute Erde (Film)|Die gute Erde]]“ als aufwändige Prestigeproduktion konzipiert; sie sollte die MGM 3 Millionen Dollar kosten. Wong, die zu dieser Zeit die prominenteste chinesische Filmschauspielerin der Welt war, rechnete fest mit einem Angebot für die weibliche Hauptrolle, O-Lan Lung, und wurde dabei von der Presse von Los Angeles unterstützt, die im März 1933 einen Werbefeldzug für sie führte. Als für die Rolle von Wang Lung, dem Ehemann von O-Lan, schließlich der Österreicher [[Paul Muni]] ausgewählt wurde, kam Wong für die Rolle der O-Lan aufgrund des Production Code nicht mehr in Frage, und die Rolle wurde mit der deutschstämmigen [[Luise Rainer]] besetzt, die für ihre Darstellung einen [[Oscar]] als beste Hauptdarstellerin erhielt. Da das Publikum an weiße Darsteller gewöhnt war, die als Asiaten geschminkt und verkleidet waren, war es damals auch gar nicht üblich, solche Hauptrollen mit asiatischen Darstellern zu besetzen. Besonders Produktionsassistent Albert Lewin, der die Probeaufnahmen für „Die gute Erde“ organisierte, war berüchtigt wegen seiner Neigung, fernöstliche Darsteller abzulehnen, weil sie nicht seinen Vorstellungen von Asiaten entsprachen. Auch später noch haben selbst Schauspieler wie [[Katharine Hepburn]] und [[Marlon Brando]] gelegentlich Fernöstler gespielt. Wong wurde im Dezember 1935 zwar zu Probeaufnahmen für die kleine Rolle der Konkubine Lotus eingeladen, die dann jedoch mit einer weißen Schauspielerin besetzt wurde; ob Wong diese Rolle selbst abgelehnt hat oder ob die Produktionsleitung Wong für ungeeignet hielt, ist umstritten. === Reise nach China === Nachdem Anna May Wong als junge Frau ihre chinesische Herkunft abzustreifen versucht hatte und den Lebensstil eines [[Flapper]]s führte – einer ultra-modernen Frau, die die traditionsorientierte Lebensweise ihrer Eltern demonstrativ ablehnte – erwachte in ihr später ein lebhaftes Interesse an ihren kulturellen Wurzeln. Im Januar [[1936]] trat sie eine neunmonatige Reise nach China an, wo sie unter anderem die [[Peking-Oper]] studieren und [[Hochchinesisch]] erlernen wollte; in ihrem Elternhaus hatte Wong nur [[Kantonesische Sprache|Kantonesisch]] gesprochen. Den endgültigen Anstoß, die seit langem geplante Reise wirklich anzutreten, hatte ihr die Entscheidung der MGM gegeben, die Rolle der O-Lan mit Luise Rainer zu besetzen. Von der kulturellen Elite in den kosmopolitischen Städten [[Peking]] und [[Shanghai]] wurde sie als Star gefeiert, von der übrigen chinesischen Öffentlichkeit jedoch abgelehnt, da sie nach den Begriffen ihres Abstammungslandes gegen die Sitten verstieß: ihre Ehelosigkeit und ihre Schauspieltätigkeit rückten sie nach traditionellen chinesischen Maßstäben in die Nähe zur Prostitution. Ihre chinesischen Landsleute in den USA teilten diese Einschätzung. In einer Zeit des erstarkenden chinesischen Nationalismus war sie als Filmdarstellerin, die die amerikanische Öffentlichkeit – wenn auch gegen ihren Willen – mit unvorteilhaften Bildern von der chinesischen Kultur belieferte, Chinesen im In- und Ausland auch aus politischen Gründen suspekt. Trotz der zwiespältigen Gefühle, die ihr während ihrer Reise entgegengebracht wurden, identifizierte Anna May Wong sich nach ihrer Rückkehr in die USA noch stärker als zuvor mit China und bemühte sich als Schauspielerin noch angelegentlicher, zu einer Verbesserung des Image dieses Landes beizutragen. Nachdem sie in ihren früheren Filmen oft nackte Beine gezeigt hatte – was nach chinesischen Maßstäben anstößig wirkte und ihr besonders in [[Kuomintang]]-China viel Kritik eingetragen hatte -, trat sie von nun an stets in langen Kleidern vor die Kamera. Da China seit den frühen 1930er Jahren zunehmend unter den politischen und militärischen Druck [[Japan]]s geriet, gab sie ihrem Engagement für das Land ihrer Vorfahren bald auch eine politische Dimension, in dem sie ihre Popularität einsetzte, um in den USA Geld für die China-Hilfe zu sammeln. Als Vorsitzende der ''Motion Pictures Devision'' des ''Bowl of Rice Drive'' widmete sie dieser Aufgabe zeitweilig ihre gesamte Zeit. === Paramount (1937–1939) === Von 1937 bis 1939 hatte Anna May Wong ein Engagement bei der [[Paramount Pictures|Paramount]], das den künstlerischen Höhepunkt ihrer Karriere markiert. Gefördert durch die Sympathien, die das chinesische Volk während des [[Republik_China#Der_Sino-Japanische_Krieg|Sino-Japanischen Krieges]] in der amerikanischen Öffentlichkeit genoss, entstanden in Hollywood seit der zweiten Hälfte der 1930er Jahre erstmals Filme, die Chinesen differenziert, menschlich und sympathisch portraitierten. Obwohl sie die Rolle der O-Lan nicht spielen durfte, trat Anna May Wong 1937 in einem ihrer interessantesten Filme auf: in „Daughter of Shanghai“ spielt sie eine chinesische Amerikanerin, die den Tod ihres Vaters rächt und einen [[Menschenhändler|Schlepperring]] aufdeckt. Bemerkenswert ist der künstlerisch durchschnittliche Film vor allem dadurch, dass er auf grobe Stereotype verzichtet und für die Heldin ein Liebes-Happy-End bietet. „Daughter of Shanghai“ war eine Inszenierung des talentierten B-Movie-Machers [[Robert Florey]], für den Wong 1938 noch einmal vor der Kamera stand („Dangerous to Know“). In beiden Filmen erschien in einer Nebenrolle der junge [[Anthony Quinn]]. In „Dangerous to Know“ und einem weiteren Paramount-Film – „King of Chinatown“ (1939) – spielte sie zusammen mit dem Russen [[Akim Tamiroff]], der später in einigen der wichtigsten Filme von [[Orson Welles]] mitwirkte. === Engagement für China === Während des [[Zweiter Weltkrieg|Zweiten Weltkrieges]] nutzte Anna May Wong die Gelegenheit, den Interessen ihrer chinesischen Landsleute durch Mitwirkung in antijapanischen Propagandafilmen zu dienen. 1942 und 1943 spielte sie die weiblichen Hauptrollen in zwei Produktionen der Alexander-Stern Productions – „[[Lady from Chungking]]“ und „[[Bombs Over Burma]]“ –, die beide von den heroischen Bemühungen der Chinesen handeln, die Überlegenheit der japanischen Invasoren durch Spionage auszuhöhlen. Zur Truppenbetreuung bereiste sie in dieser Zeit wiederholt auch alliierte Militärbasen in den USA und [[Kanada]]. === Nachkriegszeit === Nach dem Ende des [[Zweiter Weltkrieg|Zweiten Weltkrieges]] geriet Anna May Wongs Karriere endgültig ins Stocken. Mit dem Einsetzen des [[Kalter Krieg|Kalten Krieges]] flammte in den USA der anti-chinesische Rassismus wieder auf und erschwerte die Arbeitsbedingungen asiatisch-amerikanischer Schauspieler erneut. Nach sechsjähriger Pause stand Wong erst 1949 wieder für einen Spielfilm vor der Kamera: in „[[Impact (1949)|Impact]]“, einem Film von [[Abbott und Costello]]-Regisseur [[Arthur Lubin]], war Wong in einer Nebenrolle als Dienstmädchen zu sehen. 1951 stand sie als Nebendarstellerin für [[William Dieterle]]s Film „Peking Express“ vor der Kamera, bei der Endfertigung des Films fielen die Szenen, in denen sie auftrat, jedoch der Schere des [[Cutter (Film)|Cutters]] zum Opfer. Im selben Jahr bekam sie beim Dumont Network allerdings eine eigene Fernsehserie, „The Gallery of Madame Liu Tsong“, für die ihr eine Rolle als chinesische Detektivin auf den Leib geschrieben wurde. Es war die erste amerikanische Fernsehserie, die eine Asiatin als Hauptdarstellerin zeigte. Bis zu ihrem Tod, 1961, trat Wong immer wieder in amerikanischen Fernsehserien auf. Ihre letzte kleine Spielfilmrolle – als Haushälterin der weiblichen Hauptfigur – hatte sie 1960 in „Das Geheimnis der Dame in Schwarz“, einem Kriminalfilm mit [[Lana Turner]] und [[Anthony Quinn]]. Nachdem Anna May Wong infolge ihres Alkoholismus seit den späten 1940er Jahren auch an [[Leberzirrhose]] erkrankt war, starb sie im Alter von 56 Jahren an einem Herzinfarkt, noch bevor sie für [[Henry Koster]]s Filmmusical „Flower Drum Song“, in dem sie die Rolle der Madame Liang spielen sollte, vor der Kamera stehen konnte. Sie liegt in einem unbezeichneten Grab auf dem Rosedale Cemetery in Los Angeles. === Privatleben === Anna May Wong war nie verheiratet. Wie sie 1932 in einem Artikel für die [[Paris]]er ''Revue Mondiale'' bekannte, hätte eine Heirat mit einem chinesischen oder chinesisch-amerikanischen Mann das Ende ihrer Filmkarriere bedeutet, da nach chinesischen Wertvorstellungen eine verheiratete Frau nicht als Schauspielerin hätte arbeiten können. Wong hatte Liebesbeziehungen mit mehreren weißen Männern – darunter dem Regisseur [[Marshall Neilan]] und dem britischen Entertainer [[Eric Maschwitz]] –, mit denen eine Ehe teils deshalb nicht in Frage kam, weil in [[Kalifornien]] „[[interkulturelle Ehe|Mischehe]]n“ bis 1948 verboten waren, teils weil eine (außerhalb Kaliforniens geschlossene) Mischehe nicht nur ihrer Reputation, sondern auch der ihres Partners geschadet hätte. Eine lebenslange Freundschaft verband sie mit dem amerikanischen Fotografen [[Carl van Vechten]] und seiner Frau Fania Marinoff und über mehrere Jahrzehnte hinweg teilte sie sich einen Haushalt mit ihrem jüngeren Bruder Richard. Anna May Wongs jüngere Schwester Mary (1910–1940) war ebenfalls Schauspielerin und erschien in einer kleinen Rolle unter anderem in dem Film „[[Die gute Erde (Film)|Die gute Erde]]“. Sie erhängte sich im Alter von dreißig Jahren. Wong war auch eine Cousine des bedeutenden Kameramanns [[James Wong Howe]] (1899–1976). == Ausdrucksmittel == Charakteristisch für Anna May Wongs Darstellungskunst war die Erweiterung der schauspielerischen Ausdrucksmittel auf Frisuren, Kostüme und Gesten – vor allem Handgesten –, die sie aus der chinesischen Kultur entlieh. Die zeitgenössische Filmpresse rühmte Wong wegen ihrer Hände, die als die schönsten Hände Hollywoods galten. Die Kostüme, die Wong in ihrem Filmen trug, stammten meist aus ihrem sehr umfangreichen privaten Fundus und wurden von ihr, ebenso wie ihre Frisuren, selbst ausgewählt. Da weder der Regisseur noch der übrige Produktionsstab mit dem [[Semantik|semantischen]] Gehalt chinesischer Kleidungsstücke, Haartrachten und Gesten vertraut waren, gelang es ihr mit diesen Mitteln immer wieder, ihrem chinesischen Publikum Ausdrucksnuancen und Hinweise zu bieten, die westlichen Zuschauern weitgehend verborgen blieben. In „[[Piccadilly – Nachtwelt|Piccadilly]]“ (1929) zum Beispiel, einem Film, in dem das Drehbuch sie eigentlich auf den Charakter einer [[Dragon Lady]] festlegte, konterkariert sie dieses Stereotyp, indem sie bei ihrem ersten Auftritt, in dem sie dem uninformierten weißen Publikum als tanzende Verführerin erscheint, das Haar im Stile einer chinesischen Landarbeiterin am Hinterkopf hochgesteckt trägt. Die Figur der Shosho wird damit als unschuldige Jungfrau charakterisiert. Auch ihr Gesicht ist voller Unschuld. Selbst ihre vermeintlich erotischen Körperbewegungen zitieren, wie Wongs Biograf aufgewiesen hat, einen traditionellen Tanz der chinesischen [[Tang-Dynastie|Tang-Periode]]. Typisch für Anna May Wongs Spiel waren [[Ironie]] und [[Understatement]]. Sie besaß jedoch auch die seltene Fähigkeit, auf Regieanweisung hin zu weinen. In den Filmen, in denen sie eine [[China Doll]] spielte, die von ihrem weißen Liebhaber verlassen wird, war dies besonders häufig nötig. == Wirkung == === Anna May Wongs Ansehen in der chinesisch-amerikanischen Öffentlichkeit === Anna May Wong galt in ihrer Zeit als die bedeutendste, weltweit wahrgenommene Repräsentantin der modernen, artikulierten Chinesinnen. In China, besonders in der chinesischen Presse, wurden Anna May Wongs Filme, allen voran „Shanghai Express“, kontrovers diskutiert. Die 1930er Jahre waren in China eine Zeit des blühenden [[Nationalismus]], vor dessen Hintergrund die von Wong unfreiwillig mitgetragenen chinesischen Filmklischees viel Kritik hervorriefen – zumal es in Hollywood auch Schauspieler wie z. B. Li Shimin gab, die Angebote für stereotype Rollen aus Nationalstolz ablehnten. Hinzu kam, dass die [[Kuomintang]]regierung in dieser Zeit eine Kampagne zur Hebung der Sittlichkeit förderte, die Wong – unter anderem wegen ihrer Prostituiertendarstellungen – ebenfalls viel Kritik eintrug. Kontrovers und überwiegend ablehnend diskutiert wurde auch die [[Emanzipation]] der Frau, wodurch Wong, die ja als internationale Repräsentantin der modernen chinesischen Frauenwelt galt, zusätzlich unter öffentliche Kritik geriet. Verteidigt wurde Wong hingegen von weiten Teilen der chinesischen Künstler und Intellektuellen sowie von den Liebhabern internationaler Filme, die sie in China als Weltstar empfingen und feierten. Während des [[Zweiter Weltkrieg|Zweiten Weltkrieges]] nahm das offizielle China – allen voran [[Song Meiling|Sòng Měilíng]], die einflussreiche Frau [[Chiang Kai-shek]]s, die den USA 1942/43 einen Propagandabesuch abstattete, – Wong gegenüber eine noch ablehnendere Haltung ein. Obwohl Anna May Wong für die in den USA lebenden Chinesinnen zu einem modischen Leitbild wurde, teilten die chinesischen Amerikaner die Auffassungen ihrer in Asien lebenden Landsleute weitgehend. Linke Intellektuelle schlossen sich insbesondere den Argumenten von Sòng Měilíng an, die Wong vorgeworfen hatte, ihre stereotypen Filmcharaktere seien aus dem Geist der alten Zeit geboren. Die Folge war, dass Wong in den USA lange Zeit mehr oder weniger vergessen war. Die Filmgeschichtsschreibung hat Anna May Wong erst zu Beginn des 21. Jahrhunderts wiederentdeckt. In der chinesisch-amerikanischen Öffentlichkeit stößt sie auch heute noch auf gemischte Gefühle, für viele gilt Wong inzwischen jedoch als eine Pionierin, deren lebenslange Anstrengung dem Bemühen galt, das Image der Chinesen im amerikanischen Kino zu verbessern. Die Nachfolge von Wong, die 1938 von der Zeitschrift „Look“ als „world's most beautiful Chinese girl“ (das schönste chinesische Mädchen der Welt) bezeichnet wurde, haben seitdem Schauspielerinnen wie [[Soo Yong]], [[Nancy Kwan]], [[Joan Chen]], [[Li Gong]], [[Lucy Liu]] und [[Bai Ling]] angetreten. === Anna May Wong als Ikone der homosexuellen Szene === Während ihres Aufenthalts in Berlin begegnete Anna May Wong im Herbst 1928 [[Marlene Dietrich]] und [[Leni Riefenstahl]]. Dem Film „Shanghai Express“ wurde gelegentlich lesbischer [[Subtext]] nachgesagt, und Dietrichs Biografen schreiben Wong und Dietrich eine Affäre miteinander zu, die Wongs Biograf Hodges mit dem Hinweis relativiert, dass solche Affären bzw. dass homosexuelle Posen in Berliner Künstler- und Intellektuellenkreisen in dieser Zeit quasi zum guten Ton gehörten und wenig über die wirklichen sexuellen Präferenzen einer Person besagten. Dennoch ist in der homosexuellen Öffentlichkeit wiederholt der Versuch gemacht worden, Wong als [[Lesbe]] zu „demaskieren“ und sie damit als [[Ikone (Medien)|Ikone]] für die eigene Sache zu gewinnen. Auch mit Riefenstahl ist Wong ein Liebesverhältnis nachgesagt worden. Unstrittig ist jedoch, dass Wong mit ihrer Eleganz, ihrem ausgeprägten Modebewusstsein – in ihrer Zeit galt sie als eine der bestgekleideten Frauen der Welt –, ihrer knabenhaften Figur und ihrer tiefen Stimme asiatischen [[Cross-Dressing|Cross-Dressern]] – besonders den [[Camp (Kunst)|Camp]]-[[Fan]]s unter ihnen – eine Fülle von stilistischen Anregungen hinterlassen hat. === Anna May Wong in der Kunst === [[Andy Warhol]] hat Anna May Wong sein persönliches Denkmal in Form einer [[Collage]] mit dem Titel „Crazy Golden Slippers“ gesetzt. Der [[Mail Art]]-Künstler [[Ray Johnson]] schuf einen imaginären Anna May Wong-[[Fanklub|Fanclub]], auf dessen ''[[Besprechung|Meeting]]'' am [[3. Juni]] [[1972]] in [[New York City]] das [[Fotomodell|Model]] [[Naomi Sims]] als Wong auftrat. Am Leben erhalten hat sich der Name von Anna May Wong insbesondere bei solchen Intellektuellen und Künstlern, die der [[Camp (Kunst)|Camp]]-Kultur nahe stehen, d. h. die gerade solche Kunststile und Künstler schätzen, die im Massengeschmack aus der Mode gekommen sind. In den Jahren um 1990 hat sich auch der Maler [[Martin Wong]] immer wieder mit Wong beschäftigt und damit erneut das Interesse vieler asiatisch-amerikanischer Intellektueller an der Schauspielerin geweckt. Der Künstler [[Mike Kelley]] hat Wong 1999 mit einer Brunnenskulptur in der Chinatown von Los Angeles ein Denkmal gesetzt. === Anna May Wong im Schauspiel und in der Literatur === Die amerikanische Dramatikerin [[Elizabeth Wong]], die bereits zuvor mit Arbeiten zu chinesisch-amerikanischen Themen (z. B. „Letters to a Student Revolutionary“) hervorgetreten ist, schrieb mit „China Doll – The Imagined Life of an American Actress“ ein Schauspiel über Anna May Wong, das 1997 am Bowdoin College in [[Maine]], wo die Autorin einen Lehrstuhl hat, uraufgeführt wurde. Das Stück hat seitdem mehrere Preise wie den ''David Mark Cohen National Playwriting Award'', den ''Petersen Emerging Playwright Award'' und den ''Jane Chambers Award'' gewonnen. Neben Anna May Wong erscheinen auf der Bühne unter anderem Marlene Dietrich, Douglas Fairbanks und der Produzent [[Samuel Goldwyn]]. Anna May Wong wird kurz auch in [[David Henry Hwang]]s Schauspiel „M. Butterfly“, das als Vorlage für [[David Cronenberg]]s gleichnamigen Film (1993) gedient hat, zitiert, indem eine der Figuren der Handlung ein Filmmagazin in Händen hält, auf dessen Titelseite die Schauspielerin abgebildet ist. Von dem Kritiker und Schriftsteller [[John Yau]] stammt ein Gedicht mit dem Titel „''No One Ever Tried to Kiss Anna May Wong''“. [[Jessica Hagedorn]] schrieb 1971 das Gedicht „''The Death of Anna May Wong''“. === Filme über Anna May Wong === *Becoming American. The Chinese Experience (dreiteiliger Dokumentarfilm von Bill Moyers über die Geschichte der chinesischen Einwanderung in die USA; der 2. Teil „Between the Worlds“ enthält einen Abschnitt über Anna May Wong), 2003 *Frosted Yellow Willows (Dokumentarfilm von Elaine Mae Woo über das Leben und die Filme von Anna May Wong, mit der chinesisch-amerikanischen Schauspielerin [[Nancy Kwan]] als Sprecherin, 2005 == Zusatzinformationen == === Preise === Der einzige Filmpreis, den Anna May Wong errang, war ein Stern auf dem [[Hollywood Walk of Fame]] (bei 1708 Vine Street). === Zitate === {{Zitat-en|A lot of people, when they first meet me, are surprised that I speak and write English without difficulty. But why shouldn't I? I was born right here in Los Angeles and went to the public schools here. I speak English without any accent at all. But my parents complain that the same cannot be said of my Chinese. Although I have gone to Chinese schools, and always talk to my father and mother in our native tongue, it is said that I speak Chinese with an English accent!|Anna May Wong|1926 in der Filmzeitschrift „Pictures”|Übersetzung=Viele Menschen sind, wenn sie mir zum ersten Mal begegnen, überrascht, dass ich ohne Probleme Englisch spreche und schreibe. Aber warum sollte ich das auch nicht? Ich bin hier in Los Angeles geboren und hier zur Schule gegangen. Ich spreche Englisch ohne jeden Akzent. Meine Eltern hingegen beklagen, dass man das von meinem Chinesisch nicht sagen kann. Obwohl ich auf chinesische Schulen gegangen bin und mit meinen Eltern immer in unserer Muttersprache gesprochen habe, sagt man, dass ich Chinesisch mit englischem Akzent spreche!}} {{Zitat-en|I was so tired of the parts I had to play. Why is it that the screen Chinese is always the villain? And so crude a villain – murderous, treacherous, a snake in the grass. We are not like that. How could we be, with a civilization that is so many times older than the West?|Anna May Wong|1931 in einem Interview mit der Journalistin Doris Mackie|Übersetzung=Ich war die Rollen, die ich zu spielen hatte, so satt. Warum ist der Leinwandchinese immer der Bösewicht? Und so ein plumper Bösewicht: ein Mörder, ein Verräter, eine Schlange im Gras. So sind wir nicht. Wie könnten wir auch, mit einer Zivilisation, die so viel älter ist als der Westen?}} == Filmografie == Amerikanische Produktionen, wenn nicht anders angegeben: *1919: The Red Lantern (Regie: [[Albert Capellani]]) *1920: Outside the Law ([[Tod Browning]]) *1920: Dinty ([[John McDermott]], [[Marshall Neilan]]) *1920: A Tale of Two Worlds ([[Frank Lloyd]]) *1920: The White Mouse ([[Bertram Bracken]]) *1921: The First Born ([[Colin Campbell (Regisseur)|Colin Campbell]] *1921: Bits of Life ([[Marshall Neilan]]) *1921: Shame ([[Emmett J. Flynn]]) *1922: The Toll of the Sea ([[Chester M. Franklin]]) *1923: Drifting ([[Tod Browning]]) *1923: Thundering Dawn ([[Harry Garson]]) *1923: Mary of the Movies ([[John McDermott]]) *1924: Lilies of the Field ([[John Francis Dillon]]) *1924: [[Der Dieb von Bagdad (1924)|Der Dieb von Bagdad]]/The Thief of Bagdad ([[Raoul Walsh]]) *1924: The Fortieth Door ([[George B. Seitz]]) *1924: The Alaskan ([[Herbert Brenon]]) *1924: [[Peter Pan (1924)|Peter Pan]] ([[Herbert Brenon]]) *1925: Forty Winks ([[Paul Iribe]], [[Frank Urson]]) *1925: His Supreme Moment ([[George Fitzmaurice]]) *1926: Fifth Avenue ([[Robert G. Vignola]]) *1926: A Trip to Chinatown ([[Robert P. Kerr]]) *1926: The Silk Bouquet/The Dragon Horse ([[Harry Revier]] (Wongs Biograf Hodges vermutet, dass dieser Film über das Stadium der Vorbereitung nicht hinauskam) *1926: The Desert's Toll ([[Clifford Smith]]) *1927: Driven from Home ([[James Young (Regisseur)|James Young]]) *1927: Mr. Wu ([[William Nigh]]) *1927: The Honorable Mr. Buggs ([[Fred Jackman]] *1927: Old San Francisco ([[Alan Crosland]]) *1927: Why Girls Love Sailors ([[Fred Guiol]] (Szenen herausgeschnitten) *1927: The Chinese Parrot ([[Paul Leni]]) *1927: Die Teufelstänzerin/The Devil Dancer ([[Fred Niblo]]) *1927: Streets of Shanghai ([[Louis J. Gasnier]]) *1928: Across to Singapore ([[William Nigh]] *1928: The Crimson City ([[Archie Mayo]] *1928: Chinatown Charlie ([[Charles Hines]]) *1928: [[Schmutziges Geld]]/Song/Show Life/Wasted Love (Deutschland, Großbritannien; [[Richard Eichberg]]) *1928/29: [[Großstadtschmetterling]]/City Butterfly/Pavement Butterfly (Deutschland, Großbritannien; [[Richard Eichberg]]) *1929: [[Piccadilly – Nachtwelt|Piccadilly]] (Großbritannien; [[Ewald André Dupont]]) *1930: [[Hai-Tang. Der Weg zur Schande]]/The Flame of Love (Deutschland, Großbritannien, [[Richard Eichberg]]) *1930: [[Elstree Calling]] (Großbritannien; [[Alfred Hitchcock]], [[André Charlot]], [[Jack Hulbert]]) *1931: Daughter of the Dragon ([[Lloyd Corrigan]]) *1932: [[Shanghai Express]] ([[Josef von Sternberg]]) *1932: Hollywood on Parade ([[Louis Lewyn]]) *1932: Hollywood on Parade No. A-3: Down Memory Lane *1933: [[Eine Studie in Scharlachrot (1933)|Eine Studie in Scharlachrot]] ([[Edwin L. Marin]]) *1934: Tiger Bay (Großbritannien; [[J. Elder Wills]]) *1934: [[Chu-Chin-Chow (1934)|Chu-Chin-Chow]]/Ali Baba Nights (Großbritannien; [[Walter Forde]]) *1934: Limehouse Blues/East End Chant ([[Alexander Hall]]) *1934: Java Head (Großbritannien; [[J. Walter Ruben]]) *1937: Hollywood Party ([[Roy Rowland]]) *1937: Daughter of Shanghai ([[Robert Florey]]) *1938: Gefährliche Mitwisser/Dangerous to Know ([[Robert Florey]]) *1938: When Were You Born? ([[William C. McGann]]): ''Dr. Mary Ling'' *1939: Island of Lost Men ([[Kurt Neumann (Regisseur)|Kurt Neumann]] *1939: Disputed Passage ([[Frank Borzage]] *1940: Chinese Garden Festival (Teil von Harriet Parsons Serie „Meet the Stars“) *1941: Ellery Queen's Penthouse Mystery ([[James P. Hogan (Regisseur)|James P. Hogan]]) *1942: [[Lady from Chungking]] ([[William Nigh]]) *1943: [[Bombs Over Burma]] ([[Joseph H. Lewis]]) *1949: [[Impact (1949)|Impact]] ([[Arthur Lubin]]) *1960: Das Geheimnis der Dame in Schwarz/Portrait in Black ([[Michael Gordon]]) == Bühnen-, Fernseh- und Hörfunkauftritte == === Mitwirkung in Bühnenstücken (Auswahl) === *März 1929 – London: „Circle of Chalk“ (von Basil Dean) *April 1930 – London: „On the Spot“ (Bühnenfassung des gleichnamigen Romans von [[Edgar Wallace]]) *Herbst 1930 – Wien (Neues Wiener Schauspielhaus): „Die chinesische Tänzerin“ (Oper) *Herbst 1930 – New York City (Broadway): „On the Spot“ *Herbst 1931 – Los Angeles: „On the Spot“ *Frühjahr 1937 – [[Westport (Connecticut)|Westport]] (Westchester Playhouse): „Turandot“ (Bühnenfassung von [[Giacomo Puccini|Puccinis]] [[Turandot (Oper)|gleichnamiger Oper]]) *August 1943 – [[Cambridge (Massachusetts)|Cambridge]]: „The Willow Tree“ (J. H. Benrimo, Harrison Rhodes) Bei ihren zahllosen [[Vaudeville]]-Auftritten in aller Welt präsentierte Anna May Wong als „Erkennungszeichen“ meist den von [[Noël Coward]] komponierten Song „Half-Caste Woman“. === Fernsehauftritte (Auswahl) === *1951 – The Gallery of Madame Liu-Tsong/Madame Liu-Tsong (10-teilige Fernsehserie) – ''Mme. Lui-Tsong'' *1956 – Producers' Showcase: The Letter (Episode einer Fernsehserie; Regie: [[William Wyler]] u. a.) – ''Chinese Woman'' *1956 – Bold Journey: Native Land (Episode einer Fernsehserie) *1958 – Mickey Spillane’s Mike Hammer: So That’s Who it Was (Episode einer Fernsehserie) *1958 – Climax!: The Deadly Tattoo (Episode einer Fernsehserie) – ''Mayli'' *1956 – Climax!: The Chinese Game (Episode einer Fernsehserie) – ''Clerk'' *1959 – Adventures in Paradise: The Lady from South Chicago (Episode einer Fernsehserie) *1960 – The Life and Legend of Wyatt Earp: China Mary (Episode einer Fernsehserie) – ''China Mary'' *1961 – The Barbara Stanwyck Show: Dragon by the Trail (Episode einer Fernsehserie) – ''A-hsing'' === Hörfunkauftritt === *„The Patriot“ (Roman von [[Pearl S. Buck]]), produziert von [[Orson Welles]], gesendet am 14. April 1939 == Literatur == ;Schriften von Anna May Wong * ''The True Life Story of a Chinese Girl.'' in: ''Pictures.'' Hollywood, Sept./Okt. 1926. * ''The Chinese Are Misunderstood.'' in: ''The Rexall Magazine.'' United Drug Companies, Nottingham 1930 (Mai). * ''The Orient, Love, and Marriage.'' in: ''Revue Mondiale.'' Paris 1. Juni 1932. * ''My Life by Huang Liushang.'' in: ''Liangyu Huabo.'' Shanghai Februar 1936. ;Monografien und Aufsätze * Conrad Doerr: ''Reminiscences of Anna May Wong.'' in: ''Films in Review.'' New York 1968, Dez. . {{ISSN|0015-1688}} *[[Walter Benjamin]]: ''A Chinoiserie from the Old West.'' in: Walter Benjamin: ''Gesammelte Schriften.'' 5 Bde. Suhrkamp, Frankfurt/Main 1990. ISBN 3-518-57306-3 * Anthony B. Chan: ''Perpetually Cool. The Many Lives of Anna May Wong (1905–1961)''. Scarecrow Press, Lanham Md 2003. ISBN 0810847892 (engl.) * Philip Leibfried, Chei Mi Lane: ''Anna May Wong. A Complete Guide to Her Film, Stage, Radio and Television Work''. McFarland & Company, Jefferson NC 2003. ISBN 0786416335 (engl.) * Graham Russell Gao Hodges: ''Anna May Wong. From Laundryman’s Daughter to Hollywood Legend''. Palgrave Macmillan, New York 2004. ISBN 0312293194 (engl.) ;Bücher mit Abschnitten über Anna May Wong * Ray Stuart: ''Immortals of the screen''. Bonanza Books, New York 1965, 1967. (engl.) * Susan Sinnott: ''Extraordinary Asian Pacific Americans''. Childrens Press, Chicago 1993. ISBN 051603152X (engl.) * Geraldine Gan: ''Lives of notable Asian Americans: arts, entertainment, sports''. Chelsea House Publishers, New York 1995. ISBN 0791021882 (engl.) * Hans J. Wollstein: ''Vixens, floozies, and molls. 28 actresses of late 1920s and 1930s Hollywood''. McFarland & Co., Jefferson NC 1999. ISBN 0786405651 (engl.) * Karen Covington: ''Performers: actors, directors, dancers, musicians''. Raintree Steck-Vaughn, Austin 2000. ISBN 0817257276 (engl.) * Darrell Y. Hamamoto, Sandra Liu: ''Countervisions: Asian American Film Criticism''. Temple University Press, Philadelphia 2000. ISBN 1566397758 (engl.) * Karen Leong: ''The China Mystique: Pearl S. Buck, Anna May Wong, Mayling Soong, and the Transformation of American Orientalism''. University of California Press, Berkeley Cal 2005. ISBN 0520244222 (engl.) * Shirley Jennifer Lim: ''A feeling of belonging: Asian American women's public culture, 1930–1960''. New York University Press, New York 2005. ISBN 0814751938 (engl.) * Judy Yung, Gordon H. Chang, H. Marl Lai: ''Chinese American voices: from the gold rush to the present''. University of California Press, Berkeley Cal 2006. ISBN 0520243099 (engl.) ;Fiktionale Literatur * [[Jessica Hagedorn]]: ''The Death of Anna May Wong.'' in: ''Danger and Beauty.'' City Lights Books, San Francisco 2002. ISBN 0872863875 (engl.) * [[Elizabeth Wong]]: ''China doll, the imagined life of an American actress''. Dramatic Publishing, Woodstock Ill 2005. ISBN 158342315X (engl.) == Weblinks == {{commons|Anna May Wong}} * {{IMDb Name|ID=0938923|NAME=Anna May Wong}} * [http://www.annamaywongsociety.com The Anna May Wong Society] (englisch) * [http://www.annamaywongsociety.com/blog These Foolish Things], Anna May Wong Blog (englisch) * [http://www.myspace.com/theworldofannamaywong The World of Anna May Wong], Fansite auf [[MySpace]] (englisch) * [http://www.cyranos.ch/spwong-d.htm www.cyranos.ch], Foto und Kurzbiografie * [http://us_asians.tripod.com/features-am-wong.html Anna May Wong], Leben und Filme (englisch) * [http://www.webcitation.org/5kbBI1oHL Anna May Wong], The Queen of Chinese Mystery Productions (englisch) * [http://www.dramaticpublishing.com/pdf/Excerpts/exChinaDollCD3.pdf China Doll], Exzerpte aus Elizabeth Wongs Schauspiel (englisch, PDF) * {{VHy Name|ID=638}} * [http://hcl.harvard.edu/hfa/films/2006fall/starlets.html Anna May Wong] {{Exzellent}} {{Normdaten|PND=128686936|LCCN=no/89/6298|VIAF=56811987}} {{SORTIERUNG:Wong, Anna May}} [[Kategorie:Schauspieler]] [[Kategorie:Person (Los Angeles)]] [[Kategorie:US-Amerikaner]] [[Kategorie:Geboren 1905]] [[Kategorie:Gestorben 1961]] [[Kategorie:Frau]] {{Personendaten |NAME=Wong, Anna May |ALTERNATIVNAMEN=Wong Liu Tsong |KURZBESCHREIBUNG=chinesisch-amerikanische Filmschauspielerin |GEBURTSDATUM=3. Januar 1905 |GEBURTSORT=[[Los Angeles]] |STERBEDATUM=2. Februar 1961 |STERBEORT=[[Santa Monica]] }} {{Link FA|en}} {{Link FA|hu}} [[en:Anna May Wong]] [[es:Anna May Wong]] [[fi:Anna May Wong]] [[fr:Anna May Wong]] [[fy:Anna May Wong]] [[hu:Anna May Wong]] [[id:Anna May Wong]] [[ja:アンナ・メイ・ウォン]] [[nl:Anna May Wong]] [[no:Anna May Wong]] [[pl:Anna May Wong]] [[pt:Anna May Wong]] [[ru:Анна Мэй Вонг]] [[sh:Anna May Wong]] [[zh:黄柳霜]] ckan0fdh6yjc6hjwyn11vkwwm5kqi9s wikitext text/x-wiki Woodstock-Festival 0 24532 27135 2010-05-11T16:06:52Z Luderboeck 0 Das '''Woodstock Music and Art Festival''' war ein [[Musikfestival]], das als musikalischer Höhepunkt der US-amerikanischen [[Hippie]]bewegung gilt. Es fand offiziell vom 15. bis 17. August 1969 statt, endete jedoch erst am Morgen des 18. August. Der Veranstaltungsort war eine Farm in [[Bethel (New York)|Bethel]] im US-amerikanischen [[New York (Bundesstaat)|Bundesstaat New York]]. Auf dem [[Musikfestival|Festival]] traten 32 [[Band (Musik)|Bands]] und [[Solist]]en der Musikrichtungen [[Folk]], [[Rockmusik|Rock]], [[Soul]] und [[Blues]] für insgesamt rund 200.000 [[United States Dollar|US-Dollar]] [[Honorar|Gage]] auf. Auf dem Festivalgelände herrschten chaotische Zustände, da die erwarteten Besucherzahlen um ein Vielfaches übertroffen wurden. [[Datei:Woodstock redmond hair.JPG|miniatur|Besucher des Woodstock-Festivals]] [[Datei:Woodstock redmond tents.JPG|miniatur|[[Camping]] in Woodstock]] == Veranstalter == [[Datei:Woodstock map.jpg|miniatur|Der namensgebende (Woodstock), der geplante (Wallkill) und der tatsächliche Veranstaltungsort (Bethel)]] [[Datei:Max Yasgurs Farm 2.JPG|miniatur|Max Yasgurs Farm]] Das Festival entsprang einer kommerziellen Idee: Der junge Musikproduzent [[Michael Lang (Musikproduzent)|Michael Lang]] wollte mit den Einnahmen des Festivals sein Aufnahmestudio ''Media Sounds'' finanzieren. Dieses Studio befand sich in [[Woodstock (New York)|Woodstock]]; dort und in der näheren Umgebung lebten gegen Ende der 1960er viele Stars wie [[The Band]] und [[Tim Hardin]]. Langs Nachbar [[Artie Kornfield]] – früher Sänger und Songschreiber, inzwischen bei [[Laurie Records]], einem Label, das damals zu [[Capitol Records|Capitol]] gehörte – half ihm, zwei Unternehmer aus [[New York City]] für die Idee zu gewinnen und mit ihnen ''Woodstock Ventures'' zu gründen. Diese beiden Unternehmer waren John Roberts und Joel Rosenman (beide damals 24), die im [[The Wall Street Journal|Wall Street Journal]] inseriert hatten, dass sie eine Investitionsmöglichkeit suchten. Das Festival sollte zusätzlich zu den Kosten für das Aufnahmestudio noch Gewinn abwerfen. Die Veranstaltung sollte ursprünglich nicht in Woodstock stattfinden, sondern in [[Wallkill (New York)|Wallkill]], das 50 km südlich lag. Das Festival musste dann aber nach Protesten der Dorfbevölkerung auf ein 243 [[Hektar]] großes Gelände des Farmers Max Yasgur (1919–1973) in White Lake bei [[Bethel (New York)|Bethel]], ebenfalls im Bundesstaat New York gelegen, ausweichen. Bethel liegt ca. 150 km von New York entfernt, 70 km südwestlich von Woodstock und hatte damals weniger als 4000 Einwohner. Yasgur erhielt für die Dauer des Festivals 50.000 Dollar Miete. Er wurde aber am 7. Januar 1970 von seinen Nachbarn auf 35.000 Dollar Ersatz für Schäden verklagt, die Konzertbesucher an ihrem Eigentum verursacht hatten. Dass das Festival als ''The Woodstock Art and Music Fair'' bezeichnet wurde, obwohl es nicht dort stattfand, wird von einigen Leuten auch als kleine [[Hommage]] an [[Bob Dylan]] verstanden, der damals in Bearsville bei Woodstock lebte und seine Teilnahme nicht zugesagt hatte. Nun warb ''Woodstock Ventures'' in Zeitungen für das ''festival for peace and music'' und rechnete mit 60.000 Besuchern. Tatsächlich machten sich rund eine Million Menschen auf den Weg, die Hälfte von ihnen blieb in verstopften Zugangswegen stecken und wurde von der Polizei wieder nach Hause geschickt. Über 400.000 Besucher erreichten das Festival. Eine Eintrittskarte für alle drei Tage kostete 18 Dollar. Da mit dem Aufstellen der Kassenhäuschen bis zuletzt gewartet worden war und bald die Umzäunungen niedergetrampelt wurden, wurde das Festival von den Veranstaltern als kostenlos erklärt. Das Festival selbst wurde für die Veranstalter zunächst zu einem finanziellen Misserfolg. Wegen der unerwartet hohen Besucherzahl war es schon bald nicht mehr möglich, Tickets zu verkaufen. Zusätzlich mussten Verpflegung und medizinische Betreuung für die Besucher sowie die Musiker selbst wegen der verstopften Zugangswege mit [[Hubschrauber]]n eingeflogen werden. Erst mit der Vermarktung des Festivals durch den [[Woodstock (Film)|gleichnamigen Film]] und das [[Woodstock (Album)|Dreifachalbum]] stellte sich der kommerzielle Erfolg ein. Allerdings hatte Woodstock Ventures nicht in diese Medien investiert. == Künstler == Auch wenn die meisten der ganz großen Namen, wie z.&nbsp;B. [[The Beatles]], [[Bob Dylan]], [[Johnny Cash]], [[The Rolling Stones]], [[Led Zeppelin]], [[The Doors]] sowie viele damals sehr bekannte schwarze Künstler fehlten, gelang es Woodstock Ventures, teilweise durch Überbezahlung der Künstler und zusätzliche [[Provision]]en für einige [[Manager (Kunst und Sport)|Manager]], folgende Interpreten zu engagieren: {| border="0" width="800" |- valign="top" | [[Joan Baez]] | [[Country Joe McDonald]] | [[Blood, Sweat & Tears]] |- | [[Jethro Tull ]] | [[Canned Heat]] | [[Mountain (Band)|Mountain]] |- | [[Country Joe and the Fish]] | [[Creedence Clearwater Revival]] | [[Crosby, Stills and Nash|Crosby, Stills, Nash and Young]] |- | [[Grateful Dead]] | [[Arlo Guthrie]] | [[Iron Butterfly]] |- | [[Keef Hartley Band]] | [[Richie Havens]] | [[Jeff Beck Group]] |- | [[Incredible String Band]] | [[Janis Joplin]] | [[Jefferson Airplane]] |- | [[Melanie Safka]] | [[Joe Cocker]] | [[Quill]] |- | [[Santana Blues Band]] | [[John Sebastian]] | [[Sha Na Na]] |- | [[Ravi Shankar]] | [[Sly & the Family Stone]] | [[Bert Sommer]] |- | [[Sweetwater (Band)|Sweetwater]] | [[Ten Years After]] | [[The Who]] |- | [[Johnny Winter]] | [[The Band]] | [[Tim Hardin]] |- | [[Jimi Hendrix]] | [[Butterfield Blues Band]] |} == Ablauf == === Freitag === [[Datei:Woodstock redmond havens.JPG|miniatur|Richie Havens eröffnet das Festival]] Um 17:07 Uhr eröffnete der bis dahin recht unbekannte [[Folk]]-Musiker [[Richie Havens]] das Festival. Er sprang für [[Sweetwater (Band)|Sweetwater]] ein, die noch nicht eingetroffen waren. Havens erhielt viel [[Beifall]] und spielte viele [[Zugabe]]n, bis ihm die Songs ausgingen. Anschließend improvisierte er eine Version des [[Negro Spiritual|Spirituals]] ''Motherless Child'' („Kind ohne Mutter“), der er eine Strophe mit dem ständig wiederholten Wort Freedom („[[Freiheit]]“) hinzufügte. Der Song wurde ein internationaler Hit. Ihm folgte ein spontaner Auftritt von [[Country Joe McDonald]]. Er hatte erst während Havens' Auftritt erfahren, dass er einen Soloauftritt haben würde. McDonald war eigentlich nur als Zuschauer gekommen, war von der riesigen Menschenmasse ziemlich schockiert und wäre an einem der folgenden Tage mit seiner Band [[Country Joe and the Fish]] aufgetreten. Nachdem er den Organisatoren gesagt hatte, dass er keine Gitarre dabei habe, besorgte man ihm kurzerhand eine [[Yamaha FG 150]] und schickte ihn damit auf die Bühne. McDonald stellte während der ersten vier Lieder fest, dass ihm die Menge nicht zuhörte und machte eine F-[[Stimmprobe]]. Dazu rief Joe dem Publikum zu: „Gimme an F“ (gebt mir ein „F“), woraufhin sämtliche Unterhaltungen verstummten und die Menge ihm ein lautes „F“ entgegenschrie. Als er mit den restlichen Buchstaben „U“, „C“ und „K“ fertig war, fragte er mehrfach: „What's that spelled?“, begann dann, seinen Hit ''[[I-Feel-Like-I’m-Fixin’-To-Die Rag]]'' zu spielen und beendete somit seinen Auftritt erfolgreich. Auch der nächste Auftritt von [[John Sebastian]] war improvisiert. Er wurde von [[Wavy Gravy]] hinter der Bühne entdeckt, obwohl er überhaupt nicht für das Festival gebucht worden war. Sebastian trug wilde Binde[[batik]]-Kleidung und stand laut Berichten unter Drogeneinfluss, so dass er nicht in der Lage war, die Aufforderung abzulehnen. Als er die Bühne (nur mit einer akustischen Gitarre ausgestattet) betrat, wies er die Menge an, „einfach jeden um sich herum zu lieben und auf dem Heimweg ein wenig Müll mitzunehmen“. Sein kurzer Auftritt mit einer Art [[Rap]], die infolge seines [[psychedelisch]]en Zustands beinahe eine Parodie einer Hippie-Unterhaltung darstellte, wurde von der Menge begeistert aufgenommen. Als er plötzlich Text-Aussetzer hatte, hörte er auf, Gitarre zu spielen und rief der riesigen Menschenmenge „Help me!“ zu. Schnell fielen ihm die vergessenen Worte wieder ein, so dass er sein Stück korrekt beenden konnte. Inzwischen waren [[Sweetwater (Band)|Sweetwater]] per [[Hubschrauber]] zusammen mit [[Satchidananda|Swami Satchidananda]] eingeflogen worden. Sie hielten Woodstock für ein weiteres simples Festival und waren ebenfalls von der Menschenmenge schockiert. Ihre Instrumente waren bereits vor Havens Auftritt aufgebaut worden, jedoch hatte nie ein [[Soundcheck]] stattgefunden. Sie spielten ihr 45-minütiges Set und waren mit ihrem Auftritt sehr unzufrieden. Anschließend begann es zu regnen und [[Bert Sommer]] hatte seinen Auftritt zusammen mit seinem Studiogitarristen [[Ira Stone]]. Sie spielten zehn Lieder, darunter das [[Simon and Garfunkel|Simon-&-Garfunkel]]-Cover ''America'' und ''Jennifer.'' Letzteres hatte Sommer über [[Jennifer Warnes]] geschrieben, die er von [[Hair]] aus [[Los Angeles]] kannte. [[Datei:Woodstock redmond crowd.JPG|miniatur|Fans am Freitagnachmittag]] Mit dem Einbruch der Dämmerung folgte der Auftritt von [[Tim Hardin]], der zu dieser Zeit in Woodstock lebte und dessen Karriere sich bereits dem Ende zuzuneigen schien. Er und seine Band spielten Songs wie ''Misty Roses'' und ''If I Were a Carpenter.'' Bei letzterem brach an mehreren Stellen seine Stimme, was wahrscheinlich am starken Drogeneinfluss lag. Anschließend kam [[George Harrison]]s [[Mentoring|Mentor]], der [[Indien|indische]] [[Sitar]]spieler [[Ravi Shankar]], auf die Bühne, der vor Woodstock bereits beim [[Monterey Pop Festival]] aufgetreten war. Woodstock war sein letztes Konzert auf Festivals dieser Art, da er den offenen Drogenkonsum der Hippies und ihre Einstellung gegenüber Indien, die sich z.&nbsp;B. in [[Kamasutra]]-Partys mit [[Haschisch]] ausdrückte, immer stärker missbilligte. Gegen 22:30 Uhr sah er sich genötigt, den Auftritt wegen des Einsetzens starken Regens abzubrechen. Nach ihm hätte eigentlich die [[Incredible String Band]] auftreten sollen, diese weigerte sich aber im Regen aufzutreten. An ihrer Stelle trat die damals 22-jährige [[Folk]]-Sängerin [[Melanie Safka]] auf, die nach eigener Aussage den Eindruck hatte, dass sie anscheinend die einzige war, die nicht unter Drogeneinfluss stand. Sie kannte zwar alle Künstler aus den Medien, hatte aber keinen davon jemals aus der Nähe gesehen. Nicht nur deshalb trat sie mit starkem [[Lampenfieber]] auf. Sie spielte ihre beiden Lieder ''Beautiful People'' und ''Birthday of the Sun,'' während das Publikum in der Dunkelheit Kerzen, die zuvor ausgeteilt worden waren, im Takt der Musik bewegte. Diesen Moment hielt sie später im Lied ''Lay Down (Candles in the Rain)'' („Kerzen im Regen“) fest, das im folgenden Jahr bis auf Platz vier der US-amerikanischen Charts kam. Danach trat der ebenfalls aus dem Folk-Bereich stammende Künstler [[Arlo Guthrie]], der Sohn von [[Woody Guthrie]], auf. Er spielte Bob Dylans ''Walking Down the Line,'' ''[[Amazing Grace]]'' und seinen Song ''Coming into Los Angeles,'' bei dem er kurz von einer Ansage durch [[Jerry García]] unterbrochen wurde. Der Auftritt des offensichtlich auch unter Drogeneinfluss stehenden Arlo Guthrie enthielt unter anderem auch einen Monolog über etwas, das mit einem Pharao zu tun hatte, wie sich ein Zuschauer erinnert. Außerdem prägte er mit seinem „New York State Thruway is Closed, Man“ einen der wichtigen Sätze des Festivals. Höhepunkt und „[[Headliner]]“ dieses Abends war [[Joan Baez]]. Die schwangere Sängerin nutzte die Gelegenheit, um dem Publikum von ihrem inhaftierten Ehemann David Harris zu erzählen und den Song ''[[Joe Hill]]'' zu präsentieren. Anschließend legte sie ihre Gitarre beiseite und sang ''Swing Low, Sweet Chariot.'' Als sie ihren Auftritt mit ''[[We Shall Overcome]]'' beendete, begann ein Wärmegewitter, bei dem innerhalb von ungefähr drei Stunden über [[Niederschlag|120 mm Niederschlag]] fiel. === Samstag === [[Datei:Woodstock redmond girl.JPG|miniatur|Tanzendes Publikum am Samstag]] Das Konzert begann am darauffolgenden Tag um 12:15 Uhr mit einem 40-minütigen Auftritt der relativ unbekannten Band [[Quill]]. Der Auftritt erschien nicht auf dem Woodstock-Film, da die Aufnahme der Tonspur nicht mit dem Film synchronisiert war. Anschließend folgte die [[Keef Hartley Band]], die sich gerade in ihrem Wandel zum [[Fusion (Musik)|Jazz-Rock]] befand. Abgesehen von ihrem immer in Indianerkleidung auftretenden Schlagzeuger [[Keef Hartley]] war es für die gesamte britische Band der erste Auftritt in den [[Vereinigte Staaten|USA]]. Da die Band weder im Film noch auf der Schallplatte zu hören war, gelang es Keef Hartley erst 2004, durch einen Fan eine Aufnahme des Konzertes zu erhalten. [[Carlos Santana|Santana]], die als nächstes folgten, hatten gerade ihr erstes Album aufgenommen. Obwohl die Menge im Chor „No Rain“ („kein Regen“) rief und, um dies zu untermauern, auf diverse Objekte klopfte, gehörte der Auftritt mit dem Song ''Soul Sacrifice'' zu den Höhepunkten des Festivals. Die Bühnenmannschaft hatte Lattenreste verteilt, die die Fans nun im Takt zu diesem Song gegeneinander schlugen. Das bald nach dem Festival erschienene [[Debütalbum]] der Band schaffte es hauptsächlich wegen des 45-minütigen Festival-Auftrittes in die Top 5 der Albumcharts in den USA. Anschließend fand der vom Vortag verlegte Auftritt der [[Incredible String Band]] statt. <!--Die Band war durch den wegen des Regens am Vortag eingestellten Helikopterbetrieb nicht in der Lage gewesen, das Gelände zu verlassen.--> Sie hatte nach eigenen Angaben den Auftritt am Freitag abgesagt, da sie für sämtliche Instrumente elektrische [[Verstärker (Elektrotechnik)|Verstärker]] benutzte, was im Regen zu gefährlich war. Das Publikum war nach Canned Heat auf „harte Musik“ eingestellt und bekam mit der String Band stattdessen [[Psychedelic Folk]] in glühendheißer Sonne. Die Begeisterung hielt sich in Grenzen, und die Band wurde die einzige des Festivals, von der keine [[Zugabe]] verlangt wurde. Dies führte dazu, dass der Auftritt weder in der ersten Version des [[Woodstock (Film)|Films]] noch der des [[Woodstock (Album)|Albums]] zu finden ist. Der Bandmanager Joe Boyd betrachtet die Verlegung des Auftritts deshalb auch noch immer als verpasste Gelegenheit. [[Datei:Woodstock redmond stage.JPG|miniatur|Die Bühne]] Dem anschließenden Headliner-Auftritt der [[Blues]]-Formation [[Canned Heat]] war ein Streit zwischen dem [[Gitarrist]]en Henry „Sunflower“ Vestine und dem [[Bass (Instrument)|Bassisten]] Larry „The Mole“ Taylor zwei Tage zuvor auf der Bühne des [[Fillmore East|Fillmore West]] vorausgegangen, in dessen Folge Vestine die Band verlassen hatte. Diese sah sich genötigt, umgehend [[Harvey Mandel]] zu engagieren, um die Tournee fortsetzen zu können. Da sie nicht einmal in der Lage gewesen waren, zusammen zu proben, weigerte sich der damalige Schlagzeuger und spätere Bandleader Adolfo „Fito“ De La Parra anfangs, auf dem Festival aufzutreten. Er verließ kurzfristig sogar die Band. Allerdings gelang es dem Manager Skip Taylor mit Hilfe eines Generalschlüssels, Zugang zu seinem Zimmer zu erhalten und ihn zusammen mit dem Rest der Band in den Helikopter zu befördern und zum Spielen zu bewegen. Die Band traf gleichzeitig mit den [[Roadie]]s ein, denen es gelungen war, sich im LKW mit der Ausrüstung durch das Chaos zu bewegen, wobei sie für den Weg zwischen den [[Catskill Mountains|Catskills]] und [[New York City|New York]] über 13 Stunden benötigten (normalerweise zwei bis drei Stunden). Die Band spielte während des Sonnenuntergangs und wurde vom Publikum gefeiert wie kaum eine andere während des Festivals. Ihr Song ''Goin’ up the Country'' ({{Audio|GoingUpTheCountryAusschnitt.mid|Hörbeispiel Midi}}) erreichte in dieser Woche die Spitze der amerikanischen Charts und wurde später zur inoffiziellen Hymne des Festivals. Im Film sieht man weiterhin, wie während ''A Change is Gonna Come'' ein Mann aus dem Publikum auf die Bühne kommt und beginnt, sich mit dem Sänger der Band zu unterhalten, der ihm erlaubt dort zu bleiben und ihm sogar eine Zigarette abgibt. Der nachfolgende Auftritt von [[Leslie West]]s Band [[Mountain (Band)|Mountain]] war der vierte gemeinsame Live-Auftritt der vier Bandmitglieder überhaupt. Die Band war erst 1969 gegründet worden. Ebenfalls unzufrieden war [[Jerry García]] mit dem mehrstündigen Auftritt von [[Grateful Dead]], der mit ''St. Stephen'' begann und bald von der Band wegen angeblicher Monitorprobleme auf der Bühne unterbrochen wurde. Durch den Regen während des Auftritts soll die Band auch einige Stromstöße durch ihre elektrischen Instrumente erlitten haben, was später sogar in einem Comicstrip verarbeitet wurde. Rückblickend betrachtet waren auch viele Fans der Meinung, dass die Band zuvor bereits bessere Auftritte gehabt hatte. Da der Auftritt bewusst weder in den Film noch in das Album mit aufgenommen wurde, wussten viele Menschen lange Zeit überhaupt nichts davon. Auch der nachfolgende Auftritt der Mit-Headliner [[Creedence Clearwater Revival]] erschien weder im Film noch im ursprünglichen Album, da [[John Fogerty]] und die Plattenfirma [[Fantasy Records|Fantasy]] dies ablehnten. Fogerty betrachtete den Auftritt, der gegen drei Uhr nachts stattgefunden hatte, als zu schlecht, um veröffentlicht zu werden. Es war nur ein kleiner Teil des Publikums wach, und die Band hatte angeblich mit technischen Schwierigkeiten zu kämpfen. [[Janis Joplin]] trat danach auf, aber auch ihr Auftritt wird von Fans als einer ihrer schlechtesten bewertet. Viele meinten, das Engagement der Band fehlte, wodurch Janis Joplin nicht in der Lage war, ihre gewohnte Explosivität auszuleben. Ihre Stimme brach häufig. Allerdings machte sie eine Bemerkung über die Hippiebewegung, die später oft zitiert wurde: „Früher waren wir nur wenige, jetzt gibt es Massen und Massen und Massen von uns.“ Der Auftritt wurde ebenfalls nicht veröffentlicht. In den frühen Morgenstunden folgte dann der Auftritt von [[Sly & the Family Stone]], der als einer der besten des Festivals und Höhepunkt von [[Sly Stone]]s Karriere bezeichnet wird, obwohl er im Regen stattfand. Es folgte die Band [[The Who]], die für ihren Auftritt 11.200 Dollar erhielt. Deren Manager weigerte sich zuerst, die Band ohne [[Vorkasse]] auftreten zu lassen, wie es auch die Manager von Janis Joplin und den Grateful Dead taten. Erst als Organisator Mike Lang drohte, diesen Umstand per Durchsage an die Menge zu verbreiten, konnte er von diesem Vorhaben abgebracht werden. Ihr durch den späteren Film sehr bekannt gewordener Auftritt enthielt einige Songs von ihrem im Juni erschienenen Doppelalbum [[Tommy (The Who)|Tommy]]. Während des Auftritts der Band passierten teilweise gewalttätige Szenen: Als sich beispielsweise der Kameramann [[Roger Daltrey]] näherte, trat ihm [[Pete Townshend]] ins Gesäß und stieß ihn von der Bühne. Außerdem schlug er [[Abbie Hoffman]] mit der Gitarre auf den Kopf, als dieser eine Durchsage über die Gefangennahme von [[John Sinclair (Anarchist)|John Sinclair]] am Mikrofon machen wollte. Townshend sagte später, dass er bezüglich Sinclairs Gefangennahme eigentlich mit Hoffman einer Meinung war. Townshend beendete den Auftritt mit dem rituellen Zertrümmern seiner Gitarre.<ref>The Music Festival Home Page: The Festival. Day Two ([http://web.archive.org/web/20041023042020/http://www.geocities.com/~music-festival/day2.htm Archivversion] aus dem [[Internet Archive]], Zugriff am 28. Juli 2009)</ref> Beendet wurde das Festival an diesem Tag, der durch die regenbedingten Wartezeiten sehr lang geworden war, durch [[Jefferson Airplane]]. Sie begannen kurz nach Sonnenaufgang zu spielen. Sängerin [[Grace Slick]] kündigte an, dass die Band ein wenig „morning maniac music“ (grob: „Musik für die Morgenverrückten“) spielen würde. Sie spielten unter anderem den Song ''Volunteers,'' der erst sechs Monate später zusammen mit dem gleichnamigen Album erschien. === Sonntag === [[Datei:Woodstock redmond cocker.JPG|miniatur|[[Joe Cocker]]s Auftritt]] Der letzte Tag von Woodstock begann mit dem Auftritt von [[Joe Cocker]], der mit seiner bereits im Vorjahr erschienenen [[Coverversion]] des Beatles-Klassikers ''[[With a Little Help from My Friends]]'' den ersten großen Durchbruch in seiner Karriere erreichte. Nach dessen Auftritt setzten starker Regen und Sturm ein. Als der Regen aufgehört hatte, betrat der Farmer Max Yasgur die Bühne. Er dankte dem Publikum dafür, dass sie ihm halfen, der Welt etwas zu beweisen. Sie hatten seiner Meinung nach zusammen bewiesen, dass eine halbe Million Menschen zusammenkommen und nichts als Spaß und Musik haben könnte. Er behauptete, dass dies die größte Ansammlung von Leuten an einem Ort überhaupt wäre. Danach folgte der Auftritt von [[Country Joe and the Fish]], die in letzter Minute als Ersatz für [[Jethro Tull]] gebucht worden waren. Auch wenn die Band bereits 1967 beim [[Monterey Pop Festival]] aufgetreten war, war Woodstock der Höhepunkt ihrer Karriere. Wieder wurde der ''I-Feel-Like-I’m-Fixin’-to-Die Rag'' gespielt. Der nachfolgende Auftritt von [[Leslie West]]s Band [[Mountain (Band)|Mountain]] war der vierte gemeinsame Live-Auftritt der vier Bandmitglieder überhaupt. Die Band war erst 1969 gegründet worden. Gegen 20:00 Uhr gab es einen weiteren Höhepunkt: Den 90-minütigen Auftritt von [[Ten Years After]], die ziemlich rastlos nach einem Konzert mit [[Nina Simone]] aus [[St. Louis]] angereist waren. Da der Regen die [[Luftfeuchtigkeit]] verändert hatte, musste die Band während ihres ersten Songs ''Good Morning Little School Girl'' nach etwa einer Minute unterbrechen, um die Gitarren erneut zu stimmen. Nach dem regulären Set folgte die [[Zugabe]] ''I’m Going Home,'' in welcher der Gitarrist [[Alvin Lee]] ein fast zehnminütiges [[Solo (Musik)|Solo]] spielte. Dies war der einzige Song des Auftritts, der von der Filmcrew aufgenommen wurde. Sie hatte mit drei Kameras begonnen zu filmen, von denen eine nach der Hälfte des Auftritts ausfiel. Für die Dreifach-[[Split Screen|Split-Screen]]-Version des Films wurde deshalb gegen Ende das gespiegelte Filmmaterial der rechten Kamera benutzt, um die Lücke zu füllen. [[Datei:Woodstock redmond rain.JPG|miniatur|Warten auf das Ende des Regens]] Der Auftritt von [[The Band]] um 22:30 Uhr, ebenso wie der zwei Wochen später stattfindende Auftritt beim [[Isle of Wight Festival]], wo die Musiker zusammen mit Bob Dylan spielten, war Auslöser für starke Anfälle von Lampenfieber bei den Mitgliedern. Die Musiker von The Band waren derartige Menschenmengen nicht gewöhnt und verarbeiteten diese Erlebnisse später im Song ''Stage Fright'' („Lampenfieber“). Um Mitternacht folgten [[Blood, Sweat & Tears]], die als einer der Headliner galten. Nach Meinung des Managers der Band hätte der Auftritt nicht im Film erscheinen sollen, da die 7.500 Dollar, die die Band für den Auftritt erhalten hatte, angeblich zu wenig gewesen seien, um den Auftritt für die Zukunft zu erhalten. Allerdings schaffte es die Filmcrew, das Eröffnungsstück ''More and More'' aufzuzeichnen, bevor sie der Bühne verwiesen wurde. Obwohl der nachfolgende Auftritt von [[Johnny Winter]] gefilmt wurde, erschien er nicht im Film, da sein Manager sich mit der Filmcrew zerstritten hatte, welche die Veröffentlichung des Auftritts anschließend mit der Begründung, dass er „zu merkwürdig“ gewesen sei, verhinderte. Gegen 5 Uhr folgte der Auftritt von [[Crosby, Stills and Nash]]. Dieser Auftritt, währenddessen auch das neue Bandmitglied [[Neil Young]] auf die Bühne kam, war der zweite Liveauftritt der Formation in der neuen Besetzung. Die Bandmitglieder waren dementsprechend nervös und spielten zwei Sets. Den Anfang machte ''Suite: Judy Blue Eyes'', eine [[Suite (Musik)|Suite]] von 8 Minuten, die vom Ende der Liebesbeziehung zwischen [[Stephen Stills]] und [[Judy Collins]] handelt und unter anderem ''Someday Soon'' von [[Ian Tyson]] enthält. Außerdem spielten sie mit ''4 + 20'' (ebenfalls geschrieben von Stephen Stills) einen Song, der auf dem 1970er Album ''Déjà Vu'' erschien. Danach trat die [[Butterfield Blues Band]] auf, die sich kurz zuvor nach einer Studiopause neu formiert hatte. Beim Auftritt der Band um [[Paul Butterfield]] war auch [[Buzz Feiten]] dabei. Für ihn war es der erste professionelle Auftritt. Mit ihrem Auftritt danach wurde [[Sha Na Na]] einer breiten Öffentlichkeit bekannt. Die Band begann, sich in der US-amerikanischen [[Rock ’n’ Roll|Rock-’n’-Roll]]-Landschaft zu etablieren. Sha-Na-Na waren die einzigen Interpreten des Woodstock-Festivals ohne [[Plattenvertrag]]; sie spielten ca. 40 Minuten lang für 300 Dollar. [[Jimi Hendrix]] hatte für das Festival eine neue Band zusammengestellt: [[Gypsy Sun & Rainbows]] mit Mitch Mitchell (Schlagzeug), seinem alten Armee-Freund Billy Cox (Bass), Larry Lee (Rhythmusgitarre) und zwei [[Perkussion (Musik)|Perkussionisten]]. Hendrix spielte unter anderem den Titel [[The Star-Spangled Banner]], seine Interpretation der US-amerikanischen Nationalhymne, als einen Friedensappell vor dem Hintergrund des Vietnamkrieges, in der er das Geräusch einschlagender Raketen und das Sterben der Soldaten musikalisch wiederzugeben versuchte. Mit Hendrix’ Darbietung von [[Are You Experienced?|Purple Haze]], einer Improvisation und Villanova Junction (gefolgt von ''[[Hey Joe]]'' als Zugabe) endete das Konzert am Montagmorgen gegen 9:00 Uhr. === Absagen === Trotz Verpflichtung waren die Bands [[Jeff Beck|Jeff Beck Group]] und [[Iron Butterfly]] nicht aufgetreten. Erstere hatten sich kurz vor dem Festival getrennt, letztere den Weg vom Flughafen nicht geschafft, da sie die verlangten Hubschrauber nicht erhielten. Geplant war außerdem ein Auftritt von [[The Moody Blues]], die auf frühen Plakaten des Festivals noch aufgeführt waren. Da sie auch für die gleichzeitig stattfindende politische Veranstaltung ''Socialist Rally'' in Paris engagiert worden waren, entschied sich die Band per Münzwurf. Die dadurch getroffene Entscheidung, in Paris aufzutreten, bereute die Band im Nachhinein. Auch [[Joni Mitchell]] gelang es nicht, wie geplant am Festival teilzunehmen, weswegen sie zu Hause vor dem Fernseher mit ''Woodstock'' eine Hymne auf das Festival schrieb. Dieser Song wurde durch [[Crosby, Stills and Nash|Crosby, Stills, Nash & Young]] und [[Ian Matthews]]’ Band ''Matthews Southern Comfort'' ein Welthit. Durch die Existenz verschiedener, unterschiedlicher Setlisten<ref>woodstock69.com: ''[http://www.woodstock69.com/Woodstock_songs.htm Woodstock '69 Song List]'', Zugriff am 2. Juli 2009</ref><ref>digitaldreamdoor.nutsie.com: ''[http://digitaldreamdoor.nutsie.com/pages/music0_woodstock.html Woodstock 1969 Lineup and Songlist]'', Zugriff am 2. Juli 2009</ref> lässt sich heute die exakte Reihenfolge der Bands nicht mehr feststellen. Es existiert eine inoffizielle Mailingliste, mit dem Ziel, die exakte Reihenfolge der Auftritte und der gespielten Songs zu rekonstruieren.<ref>woodstock.wikia.com: ''[http://woodstock.wikia.com/wiki/Setlist#cite_note-0 Setlist – Woodstock Wiki]'', Zugriff am 2. Juli 2009</ref> Aber sogar die Berichte über die Anzahl der aufgetretenen Künstler gehen bisweilen auseinander.<ref>Sheila Lennon: ''[http://www.projo.com/blogs/shenews/stories/woodband.html Woodstock: Who plays]'', Zugriff am 2. Juli 2009</ref> Auf diese Mythisierung der gesamten Ära bezieht sich folgendes Zitat, das, je nach Quelle, entweder [[Robin Williams]], [[Wavy Gravy]] oder [[David Crosby]] zugeschrieben wird: : ''„If you remember the sixties, you probably weren’t there.“'' : („Wer sich an die Sechziger erinnern kann, war wahrscheinlich nicht dabei.“) == Versorgung == === Verpflegung === Ursprünglich war die Firma ''Food for Love'' ''(Essen für Liebe)'' mit der alleinigen Essensausgabe betraut gewesen, die in Verbindung mit den Eintrittskarten hätte erfolgen sollen. Da allerdings der Großteil der Leute keine Eintrittskarten besaßen, die Straßen für Nachlieferungen verstopft waren und die Mitarbeiter der Firma im Geiste des Festivals begannen, die Ware auch an Menschen ohne Ticket zu vergeben, reichte dies bei weitem nicht aus. Allein am ersten Tag wurden 500.000 [[Hamburger]] und [[Hot Dog]]s verzehrt. Neben der Bevölkerung Bethels und der umgebenden Gemeinden, die teilweise zu horrenden Preisen ihre Agrarprodukte an die Zuschauer verkaufte oder sehr preiswert riesige Mengen Hühnersuppe und [[Sandwich]]es verteilte, gab es noch die Hippiekommune [[Hog Farm]] mit ihrem Leiter [[Wavy Gravy]], die ebenfalls massenhaft Nahrung zubereitete und an die Menschen verteilte. === Medizin === Die Bewohner der Hog Farm waren es auch, welche die Unmengen an [[Droge]]nopfern betreuten, die durch den offenen Verkauf und Konsum von [[Mescalin]] und [[LSD]] zustande kamen. Auch bei kleineren Verletzungen, wie beispielsweise den häufig vorgekommenen Schnittwunden wegen herumliegender Flaschen, unterstützte die Gruppe die etwa 50 Ärzte, die nachträglich eingeflogen worden waren und die teilweise ohne Bezahlung arbeiteten. Diese mussten sich außerdem mit einer großen Anzahl von [[Sonnenbrand|Sonnenbränden]] und [[Hitzschlag|Hitzschlägen]] befassen. Das [[United States Army|US-Militär]] half dabei, Menschen aus dem Gebiet auszufliegen um sie in [[Krankenhaus|Krankenhäuser]] zu bringen. === Sanitäre Anlagen === Die 600 aufgestellten [[Mobile Toilettenkabine|mobilen Toilettenkabinen]] waren sehr schnell überfüllt und verströmten einen beißenden Gestank. Für ihre Benutzung mussten die Konzertbesucher oft mehrere Stunden anstehen, was viele dazu brachte, die umliegenden Büsche oder einfach die Wiese zur Verrichtung ihrer Notdurft zu nutzen. Bald wurden von den Leuten selbst Schilder aufgestellt, die anzeigten, wo das [[Miktion|Urinieren]] wegen des Trinkwassers verboten war. === Elektrizität === Die komplette Stromversorgung wurde durch die ''Pantel Electric Company'' aus [[South Fallsburg]] bereitgestellt, nachdem diese 14 Tage vor dem Festival das Monopol dazu erhalten hatte. Zu ihrer Arbeit, die zu Beginn des Festivals noch auf Hochtouren lief, gehörte unter anderem der Anschluss der 40 Verpflegungsstände, eine Art Freilichtkino, Außensteckdosen für den Campingbereich, sowie die Wegbeleuchtung im gesamten Gelände. Firmenchef Pantel zog mit seinem Wohnwagen direkt neben die Bühne, um dort seine Kommandozentrale zu errichten und direkt vor Ort zu sein. Es wurde in zwei Schichten mit jeweils 25 Mann gearbeitet. Immer wieder kam es zu Engpässen in Sachen Material, das oft direkt aus New York City beschafft werden musste. Eine Verteileranlage mit 1200 Ampere [[Dreiphasenwechselstrom]] für die Hauptbühne erhielt Pantel von einem Freund, der die Ausstattung einiger Gebäude der New Yorker [[Weltausstellung]] aus den Jahren 1964 und 65 erworben hatte. Die komplette Stromversorgung kostete die Woodstock Ventures 150.000 US-Dollar.<ref>''Challenging Jobs: Woodstock Music & Art Fair in: Electric contractor'', August 1976, Seite 29-31</ref> === Bühnentechnik === Auf dem Gelände des Festivals gab es eine große Bühne, die von zwei Lautsprechertürmen mit 22 bis 25 Metern Höhe flankiert war. Diese waren mit jeweils zwölf 5000-Watt-Scheinwerfern ausgerüstet. Gegenüber der Bühne in der Zuschauermenge stand ein notdürftig errichtetes Zelt, in dem das FoH ([[Front Of House]]: [[Tontechnik]] wie [[Mischpult]], etc.) mit den Technikern untergebracht war. Über das Gelände verteilten sich weitere Lautsprechertürme, um auch weiter hinten gelegene Gebiete beschallen zu können. Alle Bühnenkonstruktionen bestanden aus [[Holz]]; die Lautsprechertürme waren aus Metallgerüsten errichtet. Die Bühne sowie die Dächer der weiteren Gebäude waren mit großen Planen aus [[Segeltuch]] überspannt. Alle Konstruktionen wurden nach dem Festival wieder entfernt. Hinter der Bühne befanden sich auch die Aufnahmegeräte, die im Anhänger eines [[Sattelzug]]es untergebracht waren. Die Bühne selbst maß ungefähr 20 × 15 × 5 Meter und besaß in der Mitte ein großes, rundes Holzpodest, welches auf Rollen drehbar gelagert war. Während auf der vorderen Hälfte die jeweils aktuelle Band spielen sollte, war die rückwärtige Hälfte für Auf- und Abbau vorgesehen. Es war geplant, die Umbaupausen so auf ein Minimum zu reduzieren und am Ende eines Konzertes die Bühne für die nächste Band lediglich zu drehen. Da man das Gewicht des Musikequipments unterschätzt hatte, brachen die Rollen schon am ersten Tag und man kehrte zum herkömmlichen System mit Umbaupausen zurück. Der Aufbau der Bühne wurde von [[Chip Monck]] organisiert. Er war bereits für die Bühnen- und Beleuchtungstechnik des Monterey Pop Festivals verantwortlich gewesen und hatte ein eingespieltes Team, sowie zahlreiche Hilfskräfte unter sich. Neben dieser großen Hauptbühne gab es auch noch eine kleinere ''offene'' bzw. ''freie'' Bühne, die ''Alternative Stage.'' Sie war von den Mitgliedern der [[Hog Farm]] errichtet worden und stand der breiten Masse zur Verfügung. Außerdem spielte [[Joan Baez]] dort 40 Minuten lang, bevor sie ihren Auftritt auf der Hauptbühne hatte. Für die Aufnahmen standen in dem Anhänger hinter der Hauptbühne zwei [[Tonspur|Achtspur]]-[[Tonbandgerät]]e zur Verfügung, die jeweils zeitversetzt liefen. So war es möglich, immer eine Tonbandmaschine aufnehmen zu lassen, während auf der anderen das [[Tonband]] gewechselt wurde. Ein Wechsel der Spulen war aus Sicherheitsgründen alle 20 bis 25 Minuten fällig, da diese maximal 30 Minuten Musik aufnehmen konnten. Da durchgängig eine [[Tonspur]] benutzt wurde, um für den Film eine [[Synchronisation (Film)|Synchronisationsspur]] der Kameras aufzuzeichnen, sowie eine zweite den Applaus des Publikums festhielt, blieben dem Tontechniker [[Eddie Kramer]] mit seinen Assistenten lediglich sechs Tonspuren, um die Musik aufzunehmen. Konnten die Tontechniker Solokünstler, die lediglich mit [[Gesang]] und [[Akustische Gitarre|Akustikgitarre]] arbeiteten, noch adäquat auf zwei getrennten Spuren aufzeichnen, wurden bei Bands mit mehr als sechs Tonquellen ähnlich klingende Instrumente auf einer Spur zusammengefasst. Bei Jimi Hendrix’ Auftritt verwendete Kramer eine Spur für das [[Schlagzeug]], eine für weitere [[Perkussion (Musik)|Percussion]], eine für Hendrix’ [[E-Gitarre]], eine für Hendrix’ Stimme sowie eine weitere für den [[E-Bass]]. Während der Auftritte wurde teilweise ein neues [[Mikrofon]]system eingesetzt, das von den Technikern der Band [[Grateful Dead]] für deren ''[[Grateful Dead#Wall of Sound|Wall of Sound]]'' entwickelt worden war: ein Sänger bekam pro Mikrofonständer zwei Mikrofone, die [[Phase (Schwingung)|phasenverdreht]] nebeneinandergeschaltet wurden. Sinn dieser Konstruktion war die Unterdrückung von [[Rückkopplung]]en bei hohen Lautstärken. Da diese Schaltung jedoch auch eine reduzierte Klangqualität mit sich brachte, wurde sie nicht bei allen Künstlern eingesetzt. Bei späteren Konzerten rückte man von dieser Technik ganz ab. == Nachwirkungen == Bereits zuvor hatten einige große Festivals wie das [[Monterey Pop Festival]] stattgefunden. Keines wurde aber zu einem derartigen Ereignis wie Woodstock. Dies hatte verschiedene Gründe: Zum einen hatte sich die Hippie-[[Subkultur]] bereits vom Untergrund zum [[Mainstream]] entwickelt und war entsprechend [[kommerz]]ialisiert worden. Ein weiterer Punkt war das Streben nach Freiheit und Ungebundenheit, das von jeder [[Jugendkultur]] ausgeht. In diesem Fall gab es einige mehr oder weniger akute Bedrohungen und Missstände, gegen die man sich auflehnen konnte. Großen Einfluss auf Woodstock hatte der [[Vietnamkrieg]]. Auch die [[Bürgerrechtsbewegung]] hatte Ende der 1960er Jahre einige Siege errungen, was ebenfalls diese Strömungen begünstigte. Auch musikalisch gab es zu dieser Zeit Ereignisse, die eine gewisse Beachtung erfuhren: Der Rock ’n’ Roll erfuhr gegen Ende der 1960er ein Revival, das sich im explosionsartigen Ansteigen der Anzahl erfolgreicher Rockbands ausdrückte. [[Elvis Presley]] war nach vielen Jahren 1969 wieder in seine Heimatstadt [[Memphis (Tennessee)|Memphis]] gekommen, um dort Plattenaufnahmen durchzuführen. Trotz der unkontrollierten und unkontrollierbaren Menschenmenge kam es zu keinen nennenswerten Gewalttätigkeiten. Im Gegensatz zu einigen anderen [[Musikfestival|Rockfestivals]] wie dem [[Altamont Free Concert]] war ''Woodstock'' außerordentlich friedlich. Laut [[Legende]] gab es während des Festivals drei Tote: Zwei Personen seien an einer [[Überdosis]] Drogen gestorben und eine sei von einem Traktor überfahren worden. 1989 wurde für ein Buch eine Umfrage durchgeführt, aus der hervorging, dass 70 Prozent der befragten [[Baby-Boomer]] es bereuen, das Festival nicht besucht zu haben.<ref>* Anthony M. Casale, Philip Lerman: ''Where have all the flowers gone?. the fall and rise of the Woodstock generation'' Andrews McMeel Pub, 1989, ISBN 0-8362-1847-7, S. 13</ref><!-- Umfrage von wem an wen? Alle Menschen der Woodstock-Generation? Das ist zu bezweifeln. --> == Wichtige Jahrestage == [[Datei:Woodstock 8.JPG|miniatur|Gedenkstein zum 15-jährigen Jubiläum]] * 1979 wurde anlässlich des 10. Jahrestages ein Konzert im [[Madison Square Garden]] in New York City veranstaltet bei dem unter Anderem [[Richie Havens]], [[Taj Mahal (Musiker)|Taj Mahal]], [[Country Joe and the Fish]], [[Canned Heat]], [[Jeff Baxter|Jeff „Skunk“ Baxter]] und [[Elliott Randall]] (beide ehemalige Mitglieder der Band [[Steely Dan]]) auftraten. Dieses Ereignis wurde auch unter dem Titel ''The Celebration Continues – Woodstock ’79'' auf [[Video Home System|VHS]] veröffentlicht. * 1979 tourte außerdem zum 10. Jahrestag das „Woodstock Revival on Tour“ durch die Bundesrepublik. Zum Abschluss dieser vier bundesweiten Auftritte traten am 23. September 1979 in Düsseldorf [[Joe Cocker]], [[Richie Havens]], [[Arlo Guthrie]] und [[Country Joe McDonald]] in der [[Philipshalle]] auf. * 1984 wurde am ehemaligen Festivalgelände ein Gedenkstein aufgestellt, der an das Festival und seine Teilnehmer erinnert. * 1989 fand im August ein spontanes Konzert statt, das mit einem einzelnen [[Folk]]-Gitarristen begann, der zum einstigen Festivalgelände gekommen war. Das Publikum des Konzerts, auf dem hauptsächlich unbekannte Bands wie [[The Fugs]] spielten, wuchs schnell auf 30.000 Menschen an. Anwesend waren außerdem [[Wavy Gravy]] und Al Hendrix, der Vater von [[Jimi Hendrix]]. * 1994 fand zum 25-jährigen Jubiläum in [[Saugerties]] im Bundesstaat New York das Konzert [[Woodstock II]] statt, auf dem neben vielen [[Alternative (Musik)|Alternative]]-Interpreten wie den [[Red Hot Chili Peppers]], [[Green Day]] oder [[Nine Inch Nails]], auch Interpreten wie [[Joe Cocker]] und [[The Band]] auftraten, die schon bei dem Woodstock-Festival 1969 aufgetreten waren. Der Headliner war [[Peter Gabriel]].<ref>ram.org: ''[http://www.ram.org/music/woodstock/woodstock.html Woodstock 1994 concert review]'', Zugriff am 29. August 2009</ref> Als Höhepunkt des Woodstock II zählt der Auftritt von [[Bob Dylan]], welcher den ungefähr 350000 Zuschauern<ref>Michael Hill: ''[http://www.woodstocknation.org/ap.htm Getting Back To the Garden in Bethel]'', Februar 1997, Zugriff am 29. August 2009</ref> in Anspielung auf seine Abwesenheit beim 1969er-Festival mit den Worten „We have waited 25 years to hear this …“ angekündigt wurde.<ref>veoh.com: ''[http://www.veoh.com/collection/classicsrock/watch/v17133221JTTxdhTn Bob Dylan Woodstock '94]'', Zugriff am 29. August 2009</ref>Im selben Jahr erschien mit ''Woodstock Two'' die CD-Version des zweiten Albums zum Woodstock-Festival von 1969. * 1999 fand zum 30-jährigen Jubiläum das Festival [[Woodstock III]] statt, das allerdings von gewalttätigen Auseinandersetzungen überschattet wurde. * 2009: Zum 40. Jahrestag des Festivals war ein Jubiläumskonzert in New York geplant.<ref>Katrin Schoelkopf: ''[http://www.morgenpost.de/berlin/article1031989/Woodstock_auf_dem_Tempelhofer_Flugfeld.html Woodstock auf dem Tempelhofer Flugfeld]'', in: [[Berliner Morgenpost]] vom 10. Februar 2009, Zugriff am 19. Februar 2009</ref> == Diskografie == Neben den beiden Fassungen des [[Woodstock (Film)|Woodstock-Films]] von Michael Wadleigh (Regie u. Drehbuch) aus dem Jahren 1970 und 1994 und den offiziellen Alben wurden die Auftritte einiger Künstler durch ihre Plattenfirmen veröffentlicht. Auswahl offizieller Alben mit verschiedenen Künstlern: * 1970 ''Woodstock: Music from the Original Soundtrack and More'', 3 LPs bzw. 2 CDs mit je einem oder zwei Stücken pro Auftritt * 1971 ''Woodstock 2'' als Doppel-LP * 1994 ''Woodstock Diary'', [[Atlantic Records]] * 1994 ''Woodstock: Three Days of Peace and Music'' mit zusätzlichen Titeln, ohne Nebengeräusche und Ankündigungen von der Bühne etc. publiziert von [[Atlantic Records]] als 4-CD-Box * 2009 ''Woodstock 40'', [[Rhino Records]], 77 digital überarbeitete Songs vom Festival auf insgesamt sechs CDs<ref>swr.de: ''[http://www.swr.de/swr1/bw/musik/-/id=446320/nid=446320/did=5241612/dnl5xw/index.html Woodstock 40: Sechs CDs mit Frieden und Musik]'', Zugriff am 14. August 2009</ref> Auswahl offizielle Alben einzelner Künstler: * 1972: [[Ravi Shankar]] – ''At the Woodstock Festival'' ([[World Pacific Records|World Pacific]]) * 1999: [[Jimi Hendrix]] – ''Live at Woodstock'' ([[Music Corporation of America|MCA]]) * 2009: [[Carlos Santana|Santana]] – ''The Woodstock Experience'' ([[Sony BMG Music Entertainment|Sony BMG]]) * 2009: [[Janis Joplin]] – ''The Woodstock Experience'' ([[Sony BMG Music Entertainment|Sony BMG]]) * 2009: [[Johnny Winter]] – ''The Woodstock Experience'' ([[Sony BMG Music Entertainment|Sony BMG]]) * 2009: [[Jefferson Airplane]] – ''The Woodstock Experience'' ([[Sony BMG Music Entertainment|Sony BMG]]) * 2009: [[Sly & The Family Stone]] - ''The Woodstock Experience'' ([[Sony BMG]]) * 2009: [[Joe Cocker]] - ''Live At Woodstock'' ([[A&M Records]]) Die Veröffentlichungen ''Woodstock Experience'' bestehen aus dem kompletten Auftritt der jeweiligen Band am Woodstock Festival und dem 1969 dazugehörigen Studioalbum der Band. Im Fall von'' Jefferson Airplane'' ist dies beispielsweise das Album ''Volunteers''. Daneben existieren unzählige [[Bootleg]]s. == Einzelnachweise == <references /> == Literatur == * Joel Rosenman, John Roberts, Robert Pilpel: ''MAKING WOODSTOCK – Ein legendäres Festival und seine Geschichte (erzählt von denen, die es bezahlt haben)'' orange-press, Freiburg 2009, ISBN 978-3-936086-42-3 * Jan Feddersen: ''Woodstock. Ein Festival überlebt seine Jünger.'' Ullstein, Berlin 1999, ISBN 3-548-35834-9 * Elliott Landy: ''Woodstock Dream.'' Teneues Buchverlag, Kempen 2000, ISBN 3-8238-5452-6 * Elliott Landy: ''Woodstock Vision.'' Rowohlt Pegasus, Reinbek 1984, ISBN 3-498-03829-X * Frank Schäfer: ''Woodstock ’69 – Die Legende.'' Residenz Verlag, St.Pölten-Salzburg 2009, ISBN 978-3-7017-3138-1 * Wolfgang Tilgner: ''Open Air. Monterey – Woodstock – Altamont.'' Lied der Zeit Musikverlag, Berlin 1988, ISBN 3-7332-0038-1 * Elliot Tiber & Tom Monte: ''Taking Woodstock.'' Edel, Hamburg, September 2009, ISBN 978-3-941376-02-1 * Mike Evans, Paul Kingsbury (Hrsg.): ''Woodstock – Die Chronik.'' Collection Rolf Heyne, München, 2009, ISBN 978-3-89910-419-6. * [[Jörg Gülden]]: ''Woodstock – Wunder oder Waterloo? Eine Abrechnung von Jörg Gülden.'' Hannibal-Verlag, Höfen 2009, ISBN 978-3-85445-299-7 == Weblinks == {{Commons|Woodstock}} * [http://www.discoverynet.com/~barnes/ Viele Infos zum Woodstock-Festival] (Englisch) * Wolfgang Kraushaar: ''[http://www.taz.de/pt/2002/08/17/a0238.nf/textdruck Sie hatten einen Traum.]'' In: [[Die tageszeitung|taz]], 17. August 2002 („Es war vielleicht nicht die Geburtsstunde aller alternativen Bewegungen – aber ihr … kraftvollstes Aufbruchsignal.“). * [http://www.waycoolinc.com/z3/00/101400/4.html Woodstock heute] (Englisch) * [http://www.landyvision.com/photos/Woodstock_69/ Sehr viele Fotos] {{Exzellent}} {{Coordinate |NS=41/42/05/N |EW=74/52/49/W |type=landmark |region=US-NY}} [[Kategorie:Hippiebewegung]] [[Kategorie:Musikfestival (Vereinigte Staaten)]] [[Kategorie:1969]] [[als:Woodstock-Festival]] [[ar:وودستوك]] [[bg:Удсток (фестивал)]] [[ca:Festival de Woodstock]] [[cs:Hudební festival Woodstock]] [[da:Woodstock (festival)]] [[en:Woodstock Festival]] [[eo:Woodstock-festivalo]] [[es:Festival de Woodstock]] [[et:Woodstocki festival]] [[fa:وودستاک]] [[fi:Woodstock]] [[fr:Festival de Woodstock]] [[fy:Woodstock (muzykfestival)]] [[ga:Féile Woodstock]] [[gl:Festival de Música e Artes de Woodstock]] [[he:פסטיבל וודסטוק]] [[hr:Woodstock]] [[hu:Woodstocki fesztivál]] [[id:Festival Woodstock]] [[is:Woodstock]] [[it:Festival di Woodstock]] [[ja:ウッドストック・フェスティバル]] [[ka:ვუდსტოკის ფესტივალი]] [[ko:우드스탁 페스티벌]] [[lt:Woodstock]] [[nl:Woodstock (muziekfestival)]] [[no:Woodstockfestivalen]] [[pl:Festiwal w Woodstock]] [[pt:Festival de Woodstock]] [[ro:Festivalul de la Woodstock]] [[ru:Вудсток (фестиваль)]] [[scn:Festival di Woodstock]] [[simple:Woodstock Festival]] [[sk:Woodstock Music and Art Fair]] [[sr:Вудсток (фестивал)]] [[sv:Woodstockfestivalen]] [[th:เทศกาลวูดสต็อก]] [[tr:Woodstock Festivali]] [[uk:Вудсток]] [[zh:胡士托音樂節]] gi8gcw1gnha6mcp2h9bt1v7n2wkydr3 wikitext text/x-wiki Würdenhain 0 24533 27137 2010-02-15T14:34:58Z Eriosw 0 {{Infobox Ortsteil einer Gemeinde |Ortsteil = Würdenhain |Gemeindename = Röderland |Gemeindewappen = Wappen Roederland.png |lat_deg = 51|lat_min = 28|lat_sec = 29.50 |lon_deg = 13|lon_min = 27|lon_sec = 30.247 |Bundesland = Brandenburg |Höhe = 89.2 |Höhe-Bezug= |Fläche = |Einwohner = 122 |Einwohner-Stand-Datum= 2009 |Eingemeindungsdatum = 1993 |Postleitzahl1 = 04932 |Postleitzahl2 = |Vorwahl1 = 03533 |Vorwahl2 = |Lagekarte = |Lagekarte-Beschreibung = }} {{Positionskarte | Deutschland Brandenburg | width=270 | border= | mark=Reddot.svg | marksize=5 | float=right | caption=Lage von Würdenhain im Land Brandenburg | lat=51/28/29 | long=13/27/30 | region=DE-BB }} [[Datei:Wappen Würdenhain 2.png|miniatur|Wappen]] '''Würdenhain''' ist mit 122 Einwohnern der kleinste Ortsteil der Gemeinde [[Röderland]] im [[Brandenburg|südbrandenburgischen]] [[Landkreis Elbe-Elster]].<ref>Stand:2009</ref><ref name="Ortsteilseite Würdenhain">{{internetquelle |url=http://www.gemeinde-roederland.de/ortsteile/wuerdenhain.html |hrsg=Gemeinde Röderland |titel=Ortsteilseite von Würdenhain auf der Gemeinde-Homepage von Röderland|zugriff=15. März 2009}}</ref> Er befindet sich linksseitig der Mündung der [[Große Röder|Großen Röder]] in die [[Schwarze Elster]] im Süden des [[Naturpark Niederlausitzer Heidelandschaft|Naturparks Niederlausitzer Heidelandschaft]]. In Würdenhain gab es nachweislich eine befestigte Anlage in Form einer Burg oder eines Schlosses, die vermutlich im ersten Viertel des 11. Jahrhunderts entstand. Der Ort selbst wurde 1346 erstmals urkundlich erwähnt. Im Jahr 1370 war die Herrschaft Würdenhain im Besitz von [[Römisch-deutscher Kaiser|Kaiser]] [[Karl IV. (HRR)|Karl IV]]. Das Schloss wurde 1442 auf Befehl des sächsischen Kurfürsten [[Friedrich II. (Sachsen)|Friedrich der Sanftmütige]] zerstört, da sich der dortige kursächsische Vasall des Landfriedensbruches schuldig gemacht hatte. Das Herrschaftsgebiet wurde der benachbarten Herrschaft Mühlberg zugeteilt. Als das Gebiet durch Tausch- und Kaufgeschäfte an den böhmischen Adligen Hinko [[Berka von Dubá|Birke von der Duba]] kam, wurde in der Kaufurkunde vermerkt: ''„Das Waell zcu Werdenhein sol zcu ewigen Zeiten nicht bebauwet noch betzimmert werden.“'' Nach der politischen [[Wende (DDR)|Wende]] in Deutschland bildete am 26. Oktober 1993 Würdenhain mit den umliegenden Dörfern Haida, Prösen, Reichenhain, Saathain, Stolzenhain und Wainsdorf die Gemeinde Röderland. == Geografie == === Geografische Lage und Naturraum === [[Datei:Karte vom Naturpark Niederlausitzer Heidelandschaft.png|miniatur|Naturpark Niederlausitzer Heidelandschaft]] [[Datei:Würdenhain 2.jpg|miniatur|Das Landschaftsschutzgebiet ''Elsteraue II'' mit der Ortslage von Würdenhain.]] Würdenhain liegt im Norden der Gemeinde Röderland linksseitig der Mündung der [[Große Röder|Großen Röder]] in die [[Schwarze Elster]]. Der Verwaltungssitz der Gemeinde Röderland, [[Prösen]], befindet sich etwa zehn Kilometer südöstlich des Dorfes. Der Ort liegt etwa sechs Kilometer westlich der Stadt [[Elsterwerda]] und acht Kilometer östlich der Kurstadt [[Bad Liebenwerda]] im Süden des [[Naturpark Niederlausitzer Heidelandschaft|Naturparks Niederlausitzer Heidelandschaft]], der ein 484 Quadratkilometer großes Gebiet im Landkreis Elbe-Elster und im [[Landkreis Oberspreewald-Lausitz]] umfasst. Sein Kernstück, das [[Naturschutzgebiet Forsthaus Prösa]] mit einem der größten zusammenhängenden [[Traubeneiche]]nwälder Mitteleuropas liegt nur wenige Kilometer nördlich Würdenhains in der einstigen [[Liebenwerdaer Heide]].<ref>{{internetquelle |url=http://www.naturpark-nlh.de/index.php?id=103 |hrsg=Naturpark Niederlausitzer Heidelandschaft |titel=Internetauftritt des Naturparks Niederlausitzer Heidelandschaft |zugriff=21. August 2009}}</ref><ref>{{internetquelle |url=http://www.naturpark-nlh.de/fileadmin/Naturpark_Niederlausitz/photos/Downloads/Naturschutzgebiete/NSG_Pr%C3%B6sa.pdf |hrsg= Naturpark Niederlausitzer Heidelandschaft|titel=Schutzgebietsinformationen des Naturschutzgebietes „Forsthaus Prösa“ |format=PDF-Datei|zugriff=21. August 2009}}</ref> Der Ort ist vom etwa 6011&nbsp;Hektar großen [[Landschaftsschutzgebiet]] ''Elsteraue'' umgeben, das in drei ökologische Raumeinheiten aufgeteilt ist, wobei das Teilgebiet ''Elsteraue II'' Würdenhain einschließt. Einer der Schutzzwecke des Landschaftsschutzgebietes ist „die Erhaltung des Gebietes wegen seiner besonderen Bedeutung für die naturnahe Erholung im Bereich des [[Kurort]]es Bad Liebenwerda.“<ref> [http://www.landesrecht.brandenburg.de/sixcms/detail.php?gsid=land_bb_bravors_01.c.15774.de Verordnung über das Landschaftsschutzgebiet „Elsteraue“]</ref> Nordwestlich des Ortes erstreckt sich entlang des Flusslaufs der alten Röder bis [[Prieschka]] das etwa 80 Hektar große [[Naturschutzgebiet Alte Röder bei Prieschka|Naturschutzgebiet Alte Röder]]. Sein Schutzzweck besteht unter anderem in der Erhaltung und Entwicklung dieses Gebietes als Lebensraum des [[Biber|Elbebibers]] und anderer existenzbedrohter Tierarten. Die bereits 1981 unter Naturschutz gestellte Röderniederung beherbergt eines der beständigsten Vorkommen des vom Aussterben bedrohten Elbebibers.<ref>{{internetquelle |url=http://www.naturpark-nlh.de/fileadmin/Naturpark_Niederlausitz/photos/Downloads/Naturschutzgebiete/NSG_Alte_R%C3%B6der.pdf |hrsg= Naturpark Niederlausitzer Heidelandschaft|titel=Schutzgebietsinformationen des Naturschutzgebietes ''Alte Röder'' |format=PDF-Datei|zugriff=21. August 2009}}</ref> === Geologie === Würdenhain befindet sich im [[Breslau-Magdeburger Urstromtal]], das wenige Kilometer östlich in der Niederung des [[Schraden (Landschaft)|Schradens]] zwischen Elsterwerda und [[Merzdorf]] mit sieben Kilometer Breite seine engste Stelle erreicht und dann nach Nordwesten schwenkt. Das heutige Landschaftsbild ist maßgeblich von der vorletzten [[Eiszeitalter|Eiszeit]] geprägt. Eine mehrere hundert Meter mächtige Schicht Sand und Kies bedeckt das kristalline [[Grundgebirge]], das Teil der Saxothuringischen Zone des [[Variszische Orogenese|variszischen]] Grundgebirges ist. Die höchste Erhebung im Ort hat eine Höhe von etwa 90&nbsp;m&nbsp;ü.&nbsp;NN.<ref>''Heimatkalender für den Altkreis Bad Liebenwerda, das Mückenberger Ländchen, Ortrand am Schraden und Uebigau-Falkenberg – 1998'', Beitrag von Dietmar Winkler: ''Zur Entstehung unserer Landschaft'', Hrsg.: Arbeitsgemeinschaft für Heimatkunde e.V., Druck: Starke und Sachse GmbH, Großenhain 1998, S. 207–214, ISBN 3-932913-01-9</ref><ref name="Der Schraden">{{Literatur | Autor=Luise Grundmann, Dietrich Hanspach (Verf.) | Titel= Der Schraden. Eine landeskundliche Bestandsaufnahme im Raum Elsterwerda, Lauchhammer, Hirschfeld und Ortrand | Verlag=Böhlau Verlag |Herausgeber= Institut für Länderkunde Leipzig und der Sächsischen Akad. der Wissenschaften zu Leipzig| Ort=Köln, Weimar, Wien | Jahr=2005 | ISBN=3-412-10900-2|}}</ref> === Klima === [[Datei:Klimadiagramm-deutsch-Doberlug-Kirchhain (BG)-Deutschland.png|miniatur|Klimadiagramm von [[Doberlug-Kirchhain]] etwa 20&nbsp;km nordöstlich von Würdenhain]] Würdenhain liegt mit seinem [[Humides Klima|humiden Klima]] in der [[Gemäßigte Zone|kühl-gemäßigten Klimazone]], jedoch ist ein Übergang zum [[Kontinentalklima]] spürbar. Die nächsten [[Wetterstation]]en befinden sich in Richtung Nordosten in [[Doberlug-Kirchhain]], westlich in [[Torgau]] und südlich in [[Oschatz]] und [[Dresden]]. Der Monat mit den geringsten Niederschlägen ist der Februar, der niederschlagsreichste der Juli. Die mittlere jährliche Lufttemperatur beträgt an der etwa 20&nbsp;Kilometer nordöstlich gelegenen Wetterstation Doberlug-Kirchhain 8,5&nbsp;°C. Der Unterschied zwischen dem kältesten Monat Januar und dem wärmsten Monat Juli beträgt 18,4&nbsp;°C.<ref>Geoklima 2.1</ref> {{Klimatabelle | TABELLE = | DIAGRAMM TEMPERATUR = deaktiviert | DIAGRAMM NIEDERSCHLAG = deaktiviert | QUELLE = Luise Grundmann, Dietrich Hanspach: ''Der Schraden'', S. 14 ISBN 978-3-412-10900-4 | Überschrift = Monatliche Durchschnittsniederschlagshöhen für das etwa fünf Kilometer östlich gelegene Elsterwerda von 1951 bis 1980<ref name="GrundmannHanspach14">Luise Grundmann, Dietrich Hanspach: ''Der Schraden'', S. 14 Böhlau, September 2001, ISBN 978-3-412-10900-4 – Messwerte 1951–1980 Niederschlag: Elsterwerda</ref> | Ort = | hmjan = | hmfeb = | hmmär = | hmapr = | hmmai = | hmjun = | hmjul = | hmaug = | hmsep = | hmokt = | hmnov = | hmdez = | lmjan = | lmfeb = | lmmär = | lmapr = | lmmai = | lmjun = | lmjul = | lmaug = | lmsep = | lmokt = | lmnov = | lmdez = | avjan = | avfeb = | avmär = | avapr = | avmai = | avjun = | avjul = | avaug = | avsep = | avokt = | avnov = | avdez = | nbjan = 37 | nbfeb = 33 | nbmär = 34 | nbapr = 45 | nbmai = 54 | nbjun = 70 | nbjul = 72 | nbaug = 66 | nbsep = 48 | nbokt = 49 | nbnov = 41 | nbdez = 48 }} == Geschichte == [[Datei:Würdenhain 11b.jpg|miniatur|Der Ortseingang von Würdenhain aus Richtung Haida]] === Ortsname === Der Name Würdenhain leitet sich von [[Werder (Landschaft)|Werder]] (Insel) und [[Hain]] (Wald) ab und bedeutet ''bewaldete Insel''.<ref>http://www.onomastik.com Onomastik, Namenkunde, Namenforschung …</ref><ref name="Geschichte des Dorfes Würdenhain">{{Literatur|Titel= „Geschichte des Dorfes Würdenhain“|Autor= Rudolf Matthies|Jahr= 1953|Kommentar=Aufgestellt im Rahmen des Nationalen Aufbauwerkes mit nachträglichen Ergänzungen von Ursula, Heinz und Matthias Lohse}}</ref> Frühere Schreibweisen waren 1346 Werdenhayn, 1405 Werdinhain, Wirdenhain, 1410 Werdenhain, 1486 Wirdenhain, 1529 Werdenhayn, 1577 Wirdenhan, 1617 Wirdenhain und Werdenhain. Seit 1675 hieß der Ort Würdenhain. === Ortsgeschichte === ==== Frühgeschichte und erste urkundliche Erwähnung Würdenhains ==== [[Datei:Würdenhain 11a.jpg|miniatur|Würdenhain]] Bodenfunde beweisen, dass auf Würdenhainer Gebiet bereits steinzeitliche [[Jäger und Sammler]] ihre Feuersteinwaffen und [[Werkzeug]]e bearbeitet haben. So machte der Prieschkaer Ernst Voegler, bis zum Ersten Weltkrieg Lehrer in Würdenhain, auf der Gemarkung von Würdenhain mehrere Funde aus der jüngeren und mittleren [[Steinzeit]]. Außerdem wurden [[bronzezeit]]liche Scherben gefunden.<ref name="Geschichte des Dorfes Würdenhain">{{Literatur|Titel= „Geschichte des Dorfes Würdenhain“|Autor= Rudolf Matthies|Jahr= 1953|Kommentar=Aufgestellt im Rahmen des Nationalen Aufbauwerkes}}</ref><ref name="Fitzkow Urmenschen 65">{{Literatur | Autor=M. Karl Fitzkow| Titel= „Werkzeuge und Waffen der Urmenschen in unserem Heimatgebiet.“ In: Heimatkalender für den Kreis Bad Liebenwerda | Druck=Druckerei Aktivist Bad Liebenwerda | Ort=Bad Liebenwerda | Jahr=1965/66 | Herausgeber=Arbeitsgemeinschaften der Natur- und Heimatfreunde des Deutschen Kulturbundes Kreis Bad Liebenwerda|Seiten=95 bis 100| ISBN= }}</ref> Im Jahr 1947 fand man eine 25&nbsp;Zentimeter hohe Urne sowie Reste von zwei Schalen aus der frühen [[Eisenzeit]] ([[Billendorfer Kultur]]).<ref name="Geschichte des Dorfes Würdenhain">{{Literatur|Titel= „Geschichte des Dorfes Würdenhain“|Autor= Rudolf Matthies|Jahr= 1953|Kommentar=Aufgestellt im Rahmen des Nationalen Aufbauwerkes}}</ref> Der Ort Würdenhain wurde urkundlich zum ersten Mal 1346 erwähnt.<ref name="Geschichte des Dorfes Würdenhain">{{Literatur|Titel= „Geschichte des Dorfes Würdenhain“|Autor= Rudolf Matthies|Jahr= 1953|Kommentar=Aufgestellt im Rahmen des Nationalen Aufbauwerkes}}</ref> ==== Die Herrschaft Würdenhain ==== In Würdenhain gab es eine befestigte Anlage in Form einer Burg oder eines Schlosses, die vermutlich im ersten Viertel des 11. Jahrhunderts entstand. Würdenhain war Eckpunkt des [[Gau Nizizi|Gaues Nizizi]] beziehungsweise der [[Marcha orientalis|Ostmark]] und dürfte vom Ort [[Belgern]] aus angelegt worden sein. Die [[Vasallen]] lebten von der Arbeit ihrer Bauern, die um 1200 die Dörfer Würdenhain, [[Reichenhain (Röderland)|Reichenhain]] und [[Haida (Röderland)|Haida]] gründeten und die alten [[Sorben]]dörfer [[Prieschka]], [[Oschätzchen]], [[Kröbeln]] und [[Kosilenzien]] ausbauten. Zur [[Herrschaft (Territorium)|Herrschaft]] Würdenhain gehörten die [[Gemeinde]]n Prieschka, Haida, Würdenhain, Reichenhain und Oschätzchen und ursprünglich wohl auch Kosilenzien und Kröbeln, wie aus den alten [[Kirchspiel]]grenzen geschlossen werden kann. Das Kernstück der Herrschaft bildete der [[Oppach (Landschaft)|Oppach]], ein etwa 1700 Morgen großer Eichenwald. Weiterhin gehörten die Wälder [[Ziegram]] und Kliebing zur Herrschaft Würdenhain. Im Jahr 1370 kam der [[Römisch-deutscher Kaiser|römisch-deutsche Kaiser]] [[Karl IV. (HRR)|Karl IV.]], der bereits 1367 die [[Niederlausitz]] und die Herrschaft [[Strehla]] an der Elbe erworben hatte, in den Besitz der Herrschaft Würdenhain sowie der angrenzenden Herrschaften Mühlberg, [[Schloss Elsterwerda|Elsterwerda]], [[Lauchhammer-West|Mückenberg]] und [[Ortrand]]. Er schlug das Gebiet seinem Stammbesitz, den [[Böhmische Kronländer|böhmischen Kronländern]], zu.<ref>{{Literatur|Autor=Ulrike Hohensee|Titel=„Zur Erwerbung der Lausitz und Brandenburgs durch Kaiser Karl IV.“ in „Kaiser, Reich und Region. Studien und Texte aus der Arbeit an den Constitutiones des 14. Jahrhunderts und zur Geschichte des Monumenta Germaniae Historica.“|Verlag=Akademie Verlag|Ort=Berlin|Jahr=1997|Seiten=221}} ([http://edoc.bbaw.de/oa/series/re0GqpzWMQfaQ/PDF/20HF5gvMeEtQ.pdf Online als PDF-Datei])</ref><ref>{{Literatur | Autor=Luise Grundmann, Dietrich Hanspach (Verf.) | Titel= Der Schraden. Eine landeskundliche Bestandsaufnahme im Raum Elsterwerda, Lauchhammer, Hirschfeld und Ortrand | Verlag=Böhlau Verlag |Herausgeber= Institut für Länderkunde Leipzig und der Sächsischen Akad. der Wissenschaften zu Leipzig| Ort=Köln, Weimar, Wien | Jahr=2005 | ISBN=3-412-10900-2|Seiten=90|Kommentar=Die Jahreszahl 1370 bezieht sich in dieser Quelle nur auf Elsterwerda}}</ref><ref name="Fitzkow Liebenwerda">{{Literatur|Autor=[[Matthäus Karl Fitzkow]]|Titel=Zur älteren Geschichte der Stadt Liebenwerda und ihres Kreisgebietes|Herausgeber=Kreismuseum Bad Liebenwerda|Jahr= 1961|Ort=Bad Liebenwerda|Kommentar=Heft 2}}</ref> Gegen Ende des 14. Jahrhunderts kam die Herrschaft Würdenhain wie auch Mühlberg, das 1397 verpfändet wurde, an die [[Markgrafschaft Meißen|Mark Meißen]].<ref name="Fitzkow Liebenwerda">{{Literatur|Autor=[[Matthäus Karl Fitzkow]]|Titel=Zur älteren Geschichte der Stadt Liebenwerda und ihres Kreisgebietes|Herausgeber=Kreismuseum Bad Liebenwerda|Jahr= 1961|Ort=Bad Liebenwerda|Kommentar=Heft 2}}</ref><ref>{{Literatur|Autor=Ulrike Hohensee|Titel=Zur Erwerbung der Lausitz und Brandenburgs durch Kaiser Karl IV.|Seiten=221}} ([http://edoc.bbaw.de/oa/series/re0GqpzWMQfaQ/PDF/20HF5gvMeEtQ.pdf Online als PDF-Datei])</ref> [[Datei:1412 Friedrich.jpg|miniatur|Kurfürst Friedrich II. von Sachsen, genannt ''der Sanftmütige'']] 1405 wurde das [[Schloss Würdenhain]], das sich südöstlich des heutigen Ortes befand,<ref name ="Zwischen Röder und Neugraben">{{Literatur | Autor=M. Karl Fitzkow| Titel= „Zwischen Röder und Neugraben.“ In: Heimatkalender für den Kreis Bad Liebenwerda | Druck=Druckerei Aktivist Bad Liebenwerda | Ort=Bad Liebenwerda | Jahr=1964 | Herausgeber=Arbeitsgemeinschaften der Natur- und Heimatfreunde des Deutschen Kulturbundes Kreis Bad Liebenwerda|Seiten=146 bis 158| ISBN= }}</ref> in einer [[Verpfändung]]surkunde bezeugt, als der seit 1398<ref name="Der Schraden">{{Literatur | Autor=Luise Grundmann, Dietrich Hanspach (Verf.) | Titel= Der Schraden. Eine landeskundliche Bestandsaufnahme im Raum Elsterwerda, Lauchhammer, Hirschfeld und Ortrand | Verlag=Böhlau Verlag |Herausgeber= Institut für Länderkunde Leipzig und der Sächsischen Akad. der Wissenschaften zu Leipzig| Ort=Köln, Weimar, Wien | Jahr=2005 | ISBN=3-412-10900-2|Seiten=151 bis 155 }}</ref> auf [[Lauchhammer-West|Mückenberg]] sitzende Heinrich von Waldow, mit dem Schloss ''Werdinhain'' für 1000 Gulden vom Meißner Markgrafen [[Wilhelm I. (Meißen)|Wilhelm I.]] belehnt wurde. Letzter bekannter Besitzer des Würdenhainer Schlosses war Hans Marschalk. Man warf dem kursächsischen [[Vasall]]en 1442 Untreue vor, da er es offenbar mit dem Landvogt der Niederlausitz [[Nickel von Polenz]] auf [[Senftenberg#Mittelalter|Senftenberg]] hielt. Dieser hatte sich zum Missfallen der Sachsen am 3. Januar 1441 vom [[Mark Brandenburg|brandenburgischen]] Kurfürsten [[Friedrich II. (Brandenburg)|Friedrich dem Zweiten]] gegen Zahlung von jährlich 500 Gulden für drei Jahre unter Schutz stellen lassen.<ref name="Brandenburgische Geschichte">{{Literatur |Autor=Autorenteam|Herausgeber=[[Ingo Materna]], [[Wolfgang Ribbe]]|Titel=„Brandenburgische Geschichte“|Verlage=[[Akademie-Verlag]]|Ort=Berlin|Jahr=1995|Seiten=201|ISBN=3-05-002508-5}}</ref> Zuvor hatte der Liebenwerdaer Amtsvogt einen heimlichen Boten ausgeschickt, „daß er zur Lußitz ging, Erfahrung zu haben, ob nymant Hans Marschalk wolde zu Hülffe kommen.“ Hans Marschalk wurde ins Gefängnis geworfen, sein Lehen eingezogen und das Schloss [[Schleifung|geschleift]]. Das in der [[Bad Liebenwerda|Liebenwerdaer Chronik]] von 1837 aufgeführte Vergehen, Marschalk habe sich gegen eine Hofdame der zu Liebenwerda residierenden Kurfürstin ungebührlich gezeigt, diente wohl nur als Vorwand. [[Friedrich II. (Sachsen)|Kurfürst Friedrich der Sanftmütige]] ließ das Würdenhainer Herrschaftsgebiet an die Herrschaft Mühlberg übertragen. Im Jahr 1443 kam das Gebiet durch Tausch- und Kaufgeschäfte an den böhmischen Adligen Hinko [[Berka von Dubá|Birke von der Duba]]. In der Kaufurkunde wurde vermerkt: ''„Das Waell zcu Werdenhein sol zcu ewigen Zeiten nicht bebauwet noch betzimmert werden.“'' Die „Wahlstedt“ Würdenhain erschien in einem Lehnsbrief letztmalig im Jahre 1480.<ref name="Fitzkow Liebenwerda">{{Literatur|Autor=[[Matthäus Karl Fitzkow]]|Titel=Zur älteren Geschichte der Stadt Liebenwerda und ihres Kreisgebietes|Herausgeber=Kreismuseum Bad Liebenwerda|Jahr= 1961|Ort=Bad Liebenwerda|Kommentar=Heft 2}}</ref><ref name="Geschichte des Dorfes Würdenhain">{{Literatur|Titel= „Geschichte des Dorfes Würdenhain“|Autor= Rudolf Matthies|Jahr= 1953|Kommentar=Aufgestellt im Rahmen des Nationalen Aufbauwerkes}}</ref><ref name="Herrschaft Würdenhain">{{Literatur | Autor=Rudolf Matthies | Titel= „Die Herrschaft Würdenhain“. In: Heimatkalender für den Kreis Bad Liebenwerda | Druck=Druckerei Aktivist Bad Liebenwerda | Ort=Bad Liebenwerda | Jahr=1962 | Herausgeber=Arbeitsgemeinschaften der Natur- und Heimatfreunde des Deutschen Kulturbundes Kreis Bad Liebenwerda|Seiten=112 bis 116| ISBN= }}</ref><ref name="Schloss Würdenhain">{{Literatur | Autor=Rudolf Matthies | Titel= „Vom alten Schloss zu Würdenhain“. In: Heimatkalender für den Kreis Bad Liebenwerda | Druck=Druckerei Aktivist Bad Liebenwerda | Ort=Bad Liebenwerda | Jahr=1955 | Herausgeber=Arbeitsgemeinschaften der Natur- und Heimatfreunde des Deutschen Kulturbundes Kreis Bad Liebenwerda|Seiten=85 bis 89| ISBN= }}</ref> ==== Würdenhain als Mühlberger Amtsgemeinde ==== Das Herrschaftsgebiet Würdenhain gehörte ab 1520 zum [[Amt Mühlberg]], an das fortan [[Steuer]]n und [[Frondienst]]e geleistet werden mussten.<ref name="Herrschaft Würdenhain">{{Literatur | Autor=Rudolf Matthies | Titel= „Die Herrschaft Würdenhain“. In: Heimatkalender für den Kreis Bad Liebenwerda | Druck=Druckerei Aktivist Bad Liebenwerda | Ort=Bad Liebenwerda | Jahr=1962 | Herausgeber=Arbeitsgemeinschaften der Natur- und Heimatfreunde des Deutschen Kulturbundes Kreis Bad Liebenwerda|Seiten=112 bis 116| ISBN= }}</ref> In Würdenhain gab es einen [[Dingstuhl|Dingestuhl]], dem außer dem Dorf auch Haida, Reichenhain und Oschätzchen angehörten. Am Dingetag mussten alle Bauern dieser Dörfer erscheinen und der Dorfrichter nahm nach Entrichtung einer Gebühr Klagen an, um sie dann beim Amt einzurügen.<ref name ="Gerichtstage">{{Literatur | Autor=Rudolf Matthies | Titel= „Gerichtstage im alten Amt Mühlberg.“ In: Heimatkalender für den Kreis Bad Liebenwerda | Druck=Druckerei Aktivist Bad Liebenwerda | Ort=Bad Liebenwerda | Jahr=1964 | Herausgeber=Arbeitsgemeinschaften der Natur- und Heimatfreunde des Deutschen Kulturbundes Kreis Bad Liebenwerda|Seiten=180 bis 185| ISBN= }}</ref> Im Jahr 1564 war der Würdenhainer [[Schankwirt|Kretzschmann]] Hans Bräunig Wortführer eines Aufruhrs der Bauern von Würdenhain und der Nachbardörfer Haida, Reichenhain und Prieschka gegen den [[Valtin Fuchs junior|Mühlberger Amtsvogt Fuchs]]. Sie legten ihre Beschwerden in einem Schriftstück mit der Überschrift „Die 10 Klageartikel der Dorfschaften Werdenhayn und Heide“ nieder und leiteten es über den [[Amtmann]] nach Dresden. Da sie aber dem Dienstweg nicht trauten, schickten sie eine zweite Ausfertigung direkt an den Kurfürsten „zu seinen selbstigen Händen“. Sie beschwerten sich unter anderem über die Beeinträchtigung der Fischerei und der Forstnutzungsrechte sowie über geschmälerten Lohn beim Schlossbau in Mühlberg. Dresden ordnete daraufhin zunächst Nachforschungen nach den „Rehdelsführern“ an, da man das Vorgehen der Bauern als gefährlich und strafwürdig ansah. Hans Breunig, der zunächst verhaftet wurde, und einige andere Bauern wurden später mit Gerichtsbußen belegt.<ref name="Geschichte des Dorfes Würdenhain">{{Literatur|Titel= „Geschichte des Dorfes Würdenhain“|Autor= Rudolf Matthies|Jahr= 1953|Kommentar=Aufgestellt im Rahmen des Nationalen Aufbauwerkes}}</ref><ref>{{Literatur | Autor=Rudolf Matthies | Titel= Aus alten Akten des Amtes Mühlberg. In: Heimatkalender für den Kreis Bad Liebenwerda | Druck=Druckerei Aktivist Bad Liebenwerda | Ort=Bad Liebenwerda | Jahr=1957 | Herausgeber=Arbeitsgemeinschaften der Natur- und Heimatfreunde des Deutschen Kulturbundes Kreis Bad Liebenwerda|Seiten=78 bis 81| ISBN= }}</ref> [[Datei:Schenkmap.jpg|miniatur|Amt Mühlberg auf einer 1745 erstellten Karte von [[Peter Schenk der Jüngere|Peter Schenk]]]] Während des [[Dreißigjähriger Krieg|Dreißigjährigen Krieges]] erlitt Würdenhain schwere Verwüstungen. Besonders hart traf es das Dorf 1637, als schwedische Truppen des Generals [[Johan Banér]] im Januar das nicht weit entfernte [[Torgau]] einnahmen und dort bis in den Frühsommer lagerten.<ref>{{Literatur | Autor=[[Johann Gottfried Gruber]], [[Johann Samuel Ersch]] | Titel=Allgemeine Encyclopädie der Wissenschaften und Künste | Verlag= | Ort=Leipzig | Jahr=1818 bis 1889 | ISBN= }} [http://books.google.de/books?id=P7IqAAAAMAAJ&pg=PA341&lpg=PA341&dq=Baner+Torgau+1637&source=bl&ots=2B7jbTLkKU&sig=FLJS5knVo4rp0-HE0kgQzRSaaR0&hl=de&ei=mQP1SqefB5OD_Abu1bS1Aw&sa=X&oi=book_result&ct=result&resnum=7&ved=0CB4Q6AEwBjgK#v=onepage&q=&f=false Digitalisat]</ref> Sie durchstreiften das angrenzende Elbe-Elster-Gebiet, plünderten die Orte und setzten sie in Brand. Mehrere Höfe wurden auch in Würdenhain niedergebrannt; noch bis etwa 1700 waren die Spuren des Krieges sichtbar.<ref>{{Literatur | Autor=Rudolf Matthies | Titel= „Verwüstete Heimat.“ In: Heimatkalender für den Kreis Bad Liebenwerda | Druck=Druckerei Aktivist Bad Liebenwerda | Ort=Bad Liebenwerda | Jahr=1960 | Herausgeber=Arbeitsgemeinschaften der Natur- und Heimatfreunde des Deutschen Kulturbundes Kreis Bad Liebenwerda|Seiten=142 bis 148| ISBN= }}</ref><ref>{{Literatur | Autor=M. Karl Fitzkow, [[Fritz Stoy]] | Titel= „Tod und Brand des Dreißigjährigen Krieges.“ In: Jahrbuch für den Kreis Bad Liebenwerda | Druck=Druckerei Aktivist Bad Liebenwerda | Ort=Bad Liebenwerda | Jahr=1969/70 | Herausgeber=Kreismuseum Bad Liebenwerda, Arbeitskreis für Heimatliteratur des Deutschen Kulturbundes Kreis Bad Liebenwerda|Seiten=61 bis 64| ISBN= }}</ref> Neben den Folgen des Krieges litten die Bewohner des Dorfes auch unter der [[Pest]]. Besonders schwer traf es den Ort 1680, als etwa 40 der 100 Einwohner der Seuche zum Opfer fielen, die der Bruder des Würdenhainer Pastors aus Dresden mitgebracht haben soll. Die alte Burgstätte wurde als Pestfriedhof genutzt, aber auch im Oppach und im Dorf selbst wurden die Opfer beerdigt.<ref name="Geschichte des Dorfes Würdenhain">{{Literatur|Titel= „Geschichte des Dorfes Würdenhain“|Autor= Rudolf Matthies|Jahr= 1953|Kommentar=Aufgestellt im Rahmen des Nationalen Aufbauwerkes mit nachträglichen Ergänzungen von Ursula, Heinz und Matthias Lohse}}</ref><ref name="Herrschaft Würdenhain">{{Literatur | Autor=Rudolf Matthies | Titel= „Die Herrschaft Würdenhain“. In: Heimatkalender für den Kreis Bad Liebenwerda | Druck=Druckerei Aktivist Bad Liebenwerda | Ort=Bad Liebenwerda | Jahr=1962 | Herausgeber=Arbeitsgemeinschaften der Natur- und Heimatfreunde des Deutschen Kulturbundes Kreis Bad Liebenwerda|Seiten=112 bis 116| ISBN= }}</ref><ref>{{Literatur | Autor=Rudolf Matthies | Titel= „Der schwarze Tod.“ In: Heimatkalender für den Kreis Bad Liebenwerda | Druck=Druckerei Aktivist Bad Liebenwerda | Ort=Bad Liebenwerda | Jahr=1958 | Herausgeber=Arbeitsgemeinschaften der Natur- und Heimatfreunde des Deutschen Kulturbundes Kreis Bad Liebenwerda|Seiten=109 bis 112| ISBN= }}</ref> Etwa um 1700 ließ sich der Besitzer des Freigutes Prieschka, Obrist-Wachtmeister Andreas Gottfried von Kirchbach, in der Kirche zu Würdenhain einen Herrschaftsstuhl einrichten. Zum eigenen Schankgut erwarb er noch das Schankgut Würdenhain. Das Gut Prieschka hatte damals eigene [[Winzer]] in [[Prieschka]] und Haida. Die Prieschkaer Weinberge befanden sich in Haida.<ref>{{internetquelle |url=http://www.badliebenwerda.de/prieschka/rittergut.htm|hrsg= |titel=Das Prieschkaer Rittergut auf der Ortsteilseite von Prieschka der Bad Liebenwerdaer Homepage|zugriff=9. Mai 2009}}</ref> Von Kirchbach wurde 1724 in einer Gruft in der Würdenhainer Kirche beigesetzt.<ref name="Geschichte des Dorfes Würdenhain">{{Literatur|Titel= „Geschichte des Dorfes Würdenhain“|Autor= Rudolf Matthies|Jahr= 1953|Kommentar=Aufgestellt im Rahmen des Nationalen Aufbauwerkes mit nachträglichen Ergänzungen von Ursula, Heinz und Matthias Lohse}}</ref> Der 1756 begonnene [[Siebenjähriger Krieg|Siebenjährige Krieg]] hatte auch Auswirkungen auf das im preußisch-sächsischen Grenzgebiet liegende Würdenhain. Durchziehende Truppen suchten die Gegend immer wieder heim und die Preußen versuchten mit Zwangsrekrutierungen junge Männer aus den besetzten Gebieten in ihre Armee zu pressen. Im Oktober 1757 rückten fünfhundert Kroaten im Dorf ein. Die Truppen, deren [[Generalmajor]] in der [[Kirchengemeinde|Pfarre]] eingemietet war, blieben drei Tage. Dabei waren sie ''„überaus bescheiden und zechten nur von ihrem eigenen Geld“.''<ref name="Geschichte des Dorfes Würdenhain">{{Literatur|Titel= „Geschichte des Dorfes Würdenhain“|Autor= Rudolf Matthies|Jahr= 1953|Kommentar=Aufgestellt im Rahmen des Nationalen Aufbauwerkes mit nachträglichen Ergänzungen von Ursula, Heinz und Matthias Lohse}}</ref> ==== Vom Wiener Kongress bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges ==== [[Datei:Würdenhain 11c.jpg|miniatur|Alte Röder]] [[Datei:Panorama Oppach 1.jpg|miniatur|Oppach]] [[Datei:Röder bei Würdenhain 2.jpg|miniatur|Die Röder kurz vor ihrem Eintritt in die Schwarze Elster.]] [[Datei:Elsterbrücke Haida-Würdenhain2.jpg|miniatur|Die von 1958 bis 1959 errichtete Elsterbrücke.]] Nach den Bestimmungen des [[Wiener Kongress]]es 1815 gelangte Würdenhain vom [[Königreich Sachsen]] zum [[Regierungsbezirk Merseburg]] der preußischen [[Provinz Sachsen]] und es entstand 1816 der [[Landkreis Liebenwerda|Kreis Liebenwerda]], in dem ein großer Teil des Amtes Mühlberg, das [[Amt Liebenwerda]] sowie Teile des [[Amt Hayn|Amtes Großenhain]] aufgingen. 1833 wurde der Oppach zwecks [[Separation (Flurbereinigung)|Separation]] vermessen. Die Rechte der anliegenden Dörfer (mit Ausnahme von Saathain) zur Nutzung dieses Gebietes wie Hutung, Graserei, Fischerei, Entnahme von Raff- und Leseholz, Lehm, Sand oder Kies wurden durch Übertragung großer Flächen abgefunden. Dabei entstanden auch die neuen Gemeindegrenzen, die zum Teil schnurgerade verliefen. Der Oppach ist jetzt nahezu vollständig entwaldet.<ref name="Geschichte des Dorfes Würdenhain">{{Literatur|Titel= „Geschichte des Dorfes Würdenhain“|Autor= Rudolf Matthies|Jahr= 1953|Kommentar=Aufgestellt im Rahmen des Nationalen Aufbauwerkes mit nachträglichen Ergänzungen von Ursula, Heinz und Matthias Lohse}}</ref> Im Jahr 1852 begannen im wenige Kilometer flussabwärts gelegenen [[Zeischa]] Bauarbeiten zur Regulierung der Schwarzen Elster. Der Fluss, der bis dahin aus zahlreichen [[Bach (Gewässer)|Fließen]] bestand, erhielt bis 1861 sein heutiges Bett und wurde mit Dämmen eingedeicht. Die Röder, die vorher hinter dem alten Würdenhainer Schenkgut mündete, wurde in das alte Elsterbett geleitet, das als ''Alte Röder'' bekannt ist, und mündete am Prieschkaer Gänsewinkel in den neuen Flusslauf der Schwarzen Elster.<ref>{{Literatur | Autor=Rudolf Matthies | Titel= „Die Elsterbrücke zwischen Haida und Würdenhain.“ In: Heimatkalender für den Kreis Bad Liebenwerda | Druck=Druckerei Aktivist Bad Liebenwerda | Ort=Bad Liebenwerda | Jahr=1964 | Herausgeber=Arbeitsgemeinschaften der Natur- und Heimatfreunde des Deutschen Kulturbundes Kreis Bad Liebenwerda|Seiten=108 bis 110| ISBN= }}</ref><ref>{{Literatur | Autor=Luise Grundmann, Dietrich Hanspach (Verf.) | Titel= Der Schraden. Eine landeskundliche Bestandsaufnahme im Raum Elsterwerda, Lauchhammer, Hirschfeld und Ortrand | Verlag=Böhlau Verlag |Herausgeber= Institut für Länderkunde Leipzig und der Sächsischen Akad. der Wissenschaften zu Leipzig| Ort=Köln, Weimar, Wien | Jahr=2005 | ISBN=3-412-10900-2|Seiten=}}</ref><ref name="Matthies Röder 65">{{Literatur | Autor=Rudolf Matthies | Titel= „Wo die Röder mündet.“ In: Heimatkalender für den Kreis Bad Liebenwerda | Druck=Druckerei Aktivist Bad Liebenwerda | Ort=Bad Liebenwerda | Jahr=1965/66 | Herausgeber=Arbeitsgemeinschaften der Natur- und Heimatfreunde des Deutschen Kulturbundes Kreis Bad Liebenwerda|Seiten=223 bis 225| ISBN= }}</ref> Kurz nach der Jahrhundertwende wurde im Zuge von Straßenbauarbeiten von 1906 bis 1907 eine dreibogige Betonbrücke mit zwei Pfeilern über die Schwarze Elster nach Haida errichtet. Vorher konnten die Röder und die Schwarze Elster nur an Furten sowie zu Fuß über Stege passiert werden. Bei Hochwasser verkehrte ein sogenanntes „Schulschiff“, das die Haidaer Kinder zur Würdenhainer Schule übersetzte. Die [[Flussbegradigung|Regulierung]] der Röder erfolgte 1916 im [[Erster Weltkrieg|Ersten Weltkrieg]]. Für die Bauarbeiten wurden größtenteils [[Kriegsgefangener|Kriegsgefangene]] eingesetzt. Der Fluss mündet seitdem wieder unweit des Dorfes in die Schwarze Elster.<ref name ="Elsterbrücke">{{Literatur | Autor=Rudolf Matthies | Titel= Die Elsterbrücke zwischen Haida und Würdenhain. In: Heimatkalender für den Kreis Bad Liebenwerda | Druck=Druckerei Aktivist Bad Liebenwerda | Ort=Bad Liebenwerda | Jahr=1964 | Herausgeber=Arbeitsgemeinschaften der Natur- und Heimatfreunde des Deutschen Kulturbundes Kreis Bad Liebenwerda|Seiten=108 bis 110| ISBN= }}</ref> Auch nach der Regulierung der Flüsse kam es zu weiteren Hochwassern, so unter anderem in den Jahren 1895, 1923, 1926, 1930 und 1946. Ein Röderdammbruch am 18. Juni 1926 überflutete den gesamten Ort. Das Hochwasser betraf mit Röder, [[Pulsnitz]], Schwarzer Elster und [[Kleine Elster|Kleiner Elster]] nahezu alle Flüsse der Umgebung und verursachte riesige Schäden. Im Überschwemmungsgebiet des damaligen Kreises Bad Liebenwerda wurden zwei Drittel der Ernte vernichtet.<ref name="Geschichte des Dorfes Würdenhain">{{Literatur|Titel= „Geschichte des Dorfes Würdenhain“|Autor= Rudolf Matthies|Jahr= 1953|Kommentar=Aufgestellt im Rahmen des Nationalen Aufbauwerkes mit nachträglichen Ergänzungen von Ursula, Heinz und Matthias Lohse}}</ref> Gegen Ende des [[Zweiter Weltkrieg|Zweiten Weltkrieges]] wurde die Elsterbücke am 22. April 1945 zerstört, um den Einmarsch der vorrückenden Truppen der [[Woronescher Front|1. Ukrainischen Front]] der [[Rote Armee|Roten Armee]] zu verhindern. In diesen Tagen kam es auch zur Zerstörung der wenige Kilometer flussaufwärts gelegenen Saathainer Brücke und des benachbarten Schlosses. Beim Brand des Saathainer Schlosses, von dem nur die Grundmauern stehen blieben, verbrannte auch das alte Würdenhainer Kirchenbuch mit den Eintragungen von Taufen, Trauungen und Beerdigungen der Jahre 1655 bis 1812. Der 587&nbsp;Hektar umfassende Grundbesitz des zum Schloss gehörenden [[Rittergut]]es wurde später im Rahmen der [[Bodenreform in Deutschland#Bodenreform in der Sowjetischen Besatzungszone ab 1945|Bodenreform in der Sowjetischen Besatzungszone]] aufgeteilt, wobei 78,8&nbsp;Hektar der auf Würdenhainer Flur liegenden Flächen an einen Neubauern, neunundzwanzig Kleinbauern und vier Arbeiter aufgeteilt wurden.<ref>{{Literatur | Autor=Felix Hoffmann| Titel= Die steinerne Chronik von Saathain. In: Heimatkalender für den Kreis Bad Liebenwerda | Druck=Druckerei Aktivist Bad Liebenwerda | Ort=Bad Liebenwerda | Jahr=1960 | Herausgeber=Arbeitsgemeinschaften der Natur- und Heimatfreunde des Deutschen Kulturbundes Kreis Bad Liebenwerda|Seiten=198 bis 201| ISBN= }}</ref><ref>{{Literatur | Autor=Felix Hoffmann| Titel= Über acht Jahrhunderte liegt Saathain an der Röder... . In: Heimatkalender für den Kreis Bad Liebenwerda | Druck=Druckerei Aktivist Bad Liebenwerda | Ort=Bad Liebenwerda | Jahr=1957 | Herausgeber=Arbeitsgemeinschaften der Natur- und Heimatfreunde des Deutschen Kulturbundes Kreis Bad Liebenwerda|Seiten=63 bis 66| ISBN= }}</ref> ==== Von der Nachkriegszeit bis zur Gegenwart ==== In der Folgezeit konnte die Schwarze Elster nur über Holzbrücken überquert werden, wobei ein als Hängebrücke konstruiertes Bauwerk unter der Last eines LKWs zusammenbrach. Die 1950 gebaute Holzbrücke wurde 1959 durch die noch bestehende Betonbrücke ersetzt. Die Bauarbeiten führte der [[Volkseigener Betrieb|VEB]] ''Bau Elsterwerda'' aus. Für den mit 210.000 [[Mark (DDR)|DM]] veranschlagten Bau wurden 50 Tonnen Stahl, 150 Tonnen Zement und 500 Kubikmeter Kies verarbeitet.<ref name ="Elsterbrücke">{{Literatur | Autor=Rudolf Matthies | Titel= Die Elsterbrücke zwischen Haida und Würdenhain. In: Heimatkalender für den Kreis Bad Liebenwerda | Druck=Druckerei Aktivist Bad Liebenwerda | Ort=Bad Liebenwerda | Jahr=1964 | Herausgeber=Arbeitsgemeinschaften der Natur- und Heimatfreunde des Deutschen Kulturbundes Kreis Bad Liebenwerda|Seiten=108 bis 110| ISBN= }}</ref> Später wurde diese Brücke auch von Militärfahrzeugen benutzt, die zum [[Naturschutzgebiet Forsthaus Prösa#„Truppenübungsplatz Bad Liebenwerda“|Truppenübungsplatz Bad Liebenwerda]] nördlich von Haida fuhren. Dafür wurde eine [[Panzerstraße]] gebaut, die nördlich an Würdenhain vorbeiführte. Von 1971 bis 1972 wurden die Dämme der Röder nach außen gerückt, verbreitert und erhöht.<ref name="Geschichte des Dorfes Würdenhain">{{Literatur|Titel= „Geschichte des Dorfes Würdenhain“|Autor= Rudolf Matthies|Jahr= 1953|Kommentar=Aufgestellt im Rahmen des Nationalen Aufbauwerkes mit nachträglichen Ergänzungen von Ursula, Heinz und Matthias Lohse}}</ref> Kurz nachdem Würdenhain am 1. April 1974 in die benachbarte Gemeinde Haida eingemeindet worden war, wurde die Dorfstraße ausgebaut. Nach der politischen [[Wende (DDR)|Wende]] kam es am 15. Januar 1992 zunächst zur Bildung des [[Amt Röderland|Amtes Röderland]], das aus den Gemeinden Haida mit dem Ortsteil Würdenhain und den umliegenden Dörfern Prösen, Reichenhain, Saathain, Stolzenhain und Wainsdorf bestand. Am 26. Oktober 1993 folgte im Zuge der Gemeindegebietsreform im Land Brandenburg der Zusammenschluss der amtsangehörigen Dörfer zur amtsfreien Gemeinde Röderland.<ref name="HGV 2008">Historisches Gemeindeverzeichnis 2005 für Brandenburg ([http://www.statistik.brandenburg.de/sixcms/media.php/4055/Beitrag19.4_Landkreis62_HistorischesGemeindeverzeichnis2005.pdf Online als PDF-Datei])</ref><ref name="Wende-Extra">Sonderveröffentlichung der Lausitzer Rundschau „Das Extra zur Wende“, 7. November 2009, Seite 19</ref> Würdenhain gehörte bis zur [[Kreisreform Brandenburg 1993|Kreisgebietsreform in Brandenburg]] im Jahre 1993 zum [[Kreis Bad Liebenwerda|Landkreis Bad Liebenwerda]], der am 6. Dezember 1993 mit den Landkreisen [[Kreis Herzberg|Herzberg]] und [[Kreis Finsterwalde|Finsterwalde]] in den [[Landkreis Elbe-Elster]] einging. Im Sommer 2009 wurde eine über die Mündung der Großen Röder führende Brücke auf Grund akuter Einsturzgefahr abgerissen. Das 1918 errichtete Bauwerk war für den an der Schwarzen Elster entlangführenden Radweg und damit auch für die touristische Anbindung Würdenhains sehr wichtig, da es die kürzeste Verbindung zum benachbarten Saathain darstellte. Eine Ersatzlösung wurde bisher nicht gefunden; die Radtouristen werden nördlich über Haida umgeleitet.<ref>[http://www.lr-online.de/regionen/Elsterwerda-Radler-Route-ueber-die-Roeder-ist-jetzt-in-Potsdam-Chefsache;art1059,2717468 „Radler-Route über die Röder ist jetzt in Potsdam Chefsache“] in Lausitzer Rundschau, 23. Oktober 2009</ref><ref>Das Alter der abgerissenen Brücke über die Röder wird in „Geschichte der Tragkonstruktionen – Massive Brücken“ von Dipl.-Ing. Martin Tasche angegeben. ([http://tu-dresden.de/die_tu_dresden/fakultaeten/fakultaet_bauingenieurwesen/bauko/studium/dateien_lehre/091014%20Bruecken1.pdf Online als PDF-Datei])</ref> === Bevölkerungsentwicklung === Obwohl es in Würdenhain bereits frühzeitig einen Herrschaftssitz gab, ist es eines der kleinsten Dörfer im Landkreis Elbe-Elster. Um 1550 gab es 17 Bauerngüter und etwa 100 Einwohner.<ref name ="Zwischen Röder und Neugraben">{{Literatur | Autor=M. Karl Fitzkow| Titel= „Zwischen Röder und Neugraben.“ In: Heimatkalender für den Kreis Bad Liebenwerda | Druck=Druckerei Aktivist Bad Liebenwerda | Ort=Bad Liebenwerda | Jahr=1964 | Herausgeber=Arbeitsgemeinschaften der Natur- und Heimatfreunde des Deutschen Kulturbundes Kreis Bad Liebenwerda|Seiten=146 bis 158| ISBN= }}</ref> Auch 1835 waren es mit 174 Einwohnern sowie 28 Wohnhäusern, 19 Pferden, 157 Stück Rindvieh, 6 Ziegen und 17 Schweinen nur wenig mehr.<ref>{{Literatur|Titel=„Übersicht der Bevölkerung und des Viehstandes im Jahre 1835“ in „Die Schwarze Elster-Unsere Heimat in Wort und Bild“|Ort=Bad Liebenwerda|Nummer=596|Jahr=1985|Seiten=8 bis 10}}</ref> 1946 stieg die Einwohnerzahl nach dem Zweiten Weltkrieg durch den Zuzug von Vertriebenen auf 237. Bis 2009 sank die Zahl mit 122 auf nahezu die Hälfte davon. {| class="prettytable" |- class="hintergrundfarbe6" ! colspan="14" | Einwohnerentwicklung von Würdenhain von 1875 bis 2009<ref name="HGV 2008">Historisches Gemeindeverzeichnis 2005 für Brandenburg ([http://www.statistik.brandenburg.de/sixcms/media.php/4055/Beitrag19.4_Landkreis62_HistorischesGemeindeverzeichnis2005.pdf Online als PDF-Datei])</ref> |- class="hintergrundfarbe6" ! Jahr || Einwohner ! ! Jahr || Einwohner ! ! Jahr || Einwohner |- | ''1875 '' || align="center"|143 |style="white-space: nowrap; background-color:#B3B7FF;"| | ''1933 '' || align="center"|157 |style="white-space: nowrap; background-color:#B3B7FF;"| | ''1964 '' || align="center"|171 |- | ''1890 '' || align="center"|143 |style="white-space: nowrap; background-color:#B3B7FF;"| | ''1939 '' || align="center"|168 |style="white-space: nowrap; background-color:#B3B7FF;"| | ''1971 '' || align="center"|158 |- | ''1910 '' || align="center"|150 |style="white-space: nowrap; background-color:#B3B7FF;"| | ''1946 '' || align="center"|237 |style="white-space: nowrap; background-color:#B3B7FF;"| | ''2006 '' || align="center"|140<ref>Einwohnerzahl 2006 aus [[Lausitzer Rundschau|Elbe-Elster-Rundschau]] „Das Rundschau-Magazin“ (Ausgabe für Bad Liebenwerda/ Elsterwerda), 23. Dezember 2006, Seite 6</ref> |- | ''1925 '' || align="center"|168 |style="white-space: nowrap; background-color:#B3B7FF;"| | ''1950 '' || align="center"|239 |style="white-space: nowrap; background-color:#B3B7FF;"| | ''2009 '' || align="center"|122<ref name="Ortsteilseite Würdenhain">{{internetquelle |url=http://www.gemeinde-roederland.de/ortsteile/wuerdenhain.html |hrsg=Gemeinde Röderland |titel=Ortsteilseite von Würdenhain auf der Gemeinde-Homepage von Röderland|zugriff=15. März 2009}}</ref> |} == Politik == === Ortsteilvertretung === Seit dem Zusammenschluss von Würdenhain mit den umliegenden Dörfern Haida, Prösen, Reichenhain, Saathain, Stolzenhain und Wainsdorf am 26. Oktober 1993 ist der Ort ein Ortsteil der Gemeinde Röderland. Vertreten wird Würdenhain nach der Hauptsatzung der Gemeinde durch den [[Ortsvorsteher]] und einen dreiköpfigen [[Ortsbeirat]].<ref name="Satzung Röderland">{{internetquelle |url=http://www.gemeinde-roederland.de/verwaltung/satzungen/hauptsatzung.pdf Satzung |hrsg=Gemeinde Röderland |titel=Satzung der Gemeinde Röderland |zugriff=25. August 2009|format=PDF}}</ref> Ortsvorsteher in Würdenhain ist gegenwärtig Frank Heelemann.<ref>{{internetquelle |url= http://www.gemeinde-roederland.de/gemeinde/ortsvorsteher.html|hrsg=Gemeinde Röderland |titel=Auflistung der Ortsvorsteher der Gemeinde Röderland auf der Gemeindehomepage |zugriff=8. November 2009}}</ref> === Wappen und Siegel === [[Datei:Siegel Würdenhain.jpg|miniatur|upright|Dorfsiegel von 1815/16]] [[Blasonierung|Beschreibung]] des ehemaligen Wappens von Würdenhain: Unter goldenem Schildhaupt mit dem Namen "Würdenhain" in schwarzer Frakturschrift in Silber auf einem grünen Grasstreifen ein rotbewehrter grauer Hahn. In einem ersten ovalen Dorfsiegel aus dem Jahre 1810 war der Hahn nach links gewendet. Nachdem der Ort nach dem [[Wiener Kongress]] zum 1816 neu entstandenen preußischen [[Landkreis Liebenwerda|Kreis Liebenwerda]] gekommen war, erschien ein Dorfsiegel mit einem nach rechts gewendeten Hahn. Die Buchstaben ''KL'' standen für den Kreis Liebenwerda.<ref name="Geschichte des Dorfes Würdenhain">{{Literatur|Titel= „Geschichte des Dorfes Würdenhain“|Autor= Rudolf Matthies|Jahr= 1953|Kommentar=Aufgestellt im Rahmen des Nationalen Aufbauwerkes mit nachträglichen Ergänzungen von Ursula, Heinz und Matthias Lohse}}</ref> Die Umschrift des Siegels lautete: „GEMEINDE WUIRDENHAYN“.<ref>{{Literatur | Autor=M. Karl Fitzkow | Titel= „Die älteren Siegel unserer Städte und Dörfer.“ In: Heimatkalender für den Kreis Bad Liebenwerda | Druck=Druckerei Aktivist Bad Liebenwerda | Ort=Bad Liebenwerda | Jahr=1962 | Herausgeber=Arbeitsgemeinschaften der Natur- und Heimatfreunde des Deutschen Kulturbundes Kreis Bad Liebenwerda|Seiten=95 bis 102| ISBN= }}</ref> Ein Hahn befand sich auch auf einer 1825 für fünf Taler in Haida gefertigten Windfahne auf dem 1972 durch einen Sturm zerstörten Turm der Würdenhainer Kirche.<ref name="Geschichte des Dorfes Würdenhain">{{Literatur|Titel= „Geschichte des Dorfes Würdenhain“|Autor= Rudolf Matthies|Jahr= 1953|Kommentar=Aufgestellt im Rahmen des Nationalen Aufbauwerkes mit nachträglichen Ergänzungen von Ursula, Heinz und Matthias Lohse}}</ref> Der heutige Ortsteil Würdenhain führt laut Satzung der Gemeinde Röderland kein eigenes Wappen.<ref name="Satzung Röderland">{{internetquelle |url=http://www.gemeinde-roederland.de/verwaltung/satzungen/hauptsatzung.pdf Satzung |hrsg=Gemeinde Röderland |titel=Satzung der Gemeinde Röderland |zugriff=25. August 2009|format=PDF}}</ref> == Kultur und Sehenswürdigkeiten == === Freizeit und Tourismus === [[Datei:Würdenhain 2009 b.jpg|miniatur|upright=1.1|Das Würdenhainer Gemeindehaus.]] [[Datei:Dorfkirche Würdenhain.jpg|miniatur|Dorfkirche]] [[Datei:Fachwerkhaus Würdenhain 1.jpg|miniatur|Umgebindehaus aus dem 18. Jahrhundert]] In der Würdenhainer Dorfstraße befindet sich in der Nähe des Friedhofs das Gemeindehaus. Es wurde 1964 als Gemeindeamt mit Nutzungsmöglichkeiten für die [[Landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaft]] im [[Nationales Aufbauwerk|Nationalen Aufbauwerk (NAW)]] errichtet. Das vorherige Gemeindeamt befand sich im Auszugshaus des einstigen Hofes Kühn im Zentrum des Dorfes. Nach der Eingemeindung Würdenhains nach Haida im Jahre 1974 wurde im Gemeindehaus eine Poststelle eingerichtet. Nach der deutschen Wiedervereinigung hatte es längere Zeit keine Funktion, bis es 1995 durch freiwillige unbezahlte Arbeit der Freiwilligen Feuerwehr Würdenhain und der Frauengruppe umgebaut wurde und für verschiedene Veranstaltungen genutzt wird. Mitprägend für das kulturelle Leben sind der ''Dorfverein Würdenhain'' sowie die [[Freiwillige Feuerwehr]] des Dorfes. Einige hundert Meter flussaufwärts der Mündung in die Schwarze Elster befindet sich linksseitig der Großen Röder das Vereinsgelände des Haidaer Angelsportvereins ''Hecht 90 e.&nbsp;V.'', auf dem sich neben einem Vereinsheim auch ein 0,37&nbsp;Hektar großer Angelteich befindet.<ref>{{internetquelle |url=http://www.hecht-90.de/index_start.html |hrsg=Angelsportverein „Hecht 90 e.V.“ |titel=Vereinshomepage des Angelsportvereins „Hecht 90 e.V.“ |zugriff=9. November 2009}}</ref> Ein Reiterhof sowie ein Landcafé bieten im Dorf Übernachtungsmöglichkeiten an.<ref>{{internetquelle |url=http://www.landcafe-wuerdenhain.de/cafe.html |hrsg= |titel=Internetauftritt des Landcafe Würdenhain |zugriff=19. August 2009}}</ref> Im benachbarten Haida befindet sich mit dem neu erschaffenen ''Bürgerhaus'', ein weiteres Gebäude, das bei gesellschaftlichen und sportlichen Anlässen genutzt werden kann. Sportplätze gibt es in Haida und in den Nachbarorten. Mehrere befestigte Radwege entlang der Schwarzen Elster verbinden Würdenhain mit den Sehenswürdigkeiten des Umlandes, dem [[Naturpark Niederlausitzer Heidelandschaft]] und der etwa acht Kilometer östlich gelegenen Niederung des [[Schraden (Landschaft)|Schradens]]. Mit der [[Tour Brandenburg]] führt der mit 1111 Kilometern längste Radfernweg Deutschlands am Dorf vorbei. Weitere Radrouten sind der [[Fürst-Pückler-Radweg]], der unter dem Motto ''500 Kilometer durch die Zeit'' in die Projektliste der [[Internationale Bauausstellung Fürst-Pückler-Land|Internationalen Bauausstellung Fürst-Pückler-Land]] aufgenommen wurde und der 108&nbsp;Kilometer lange [[Schwarze-Elster-Radweg]].<ref>[http://www.magicmaps.de/produktinfo/touren/deutschland/berlinbrandenburg/rad-und-inlinetouren/schwarze-elster-radweg.html Der Schwarze-Elster-Radweg auf magicmaps]</ref> === Bauwerke und Denkmäler === Das älteste Gebäude ist die Würdenhainer Dorfkirche, die im [[Mittelalter]] der [[Katharina von Alexandrien|Heiligen Katharina]] geweiht war.<ref name="HK 1958">{{Literatur | Autor=Rudolf Matthies | Titel= „Rund um den Oppach.“ In: Heimatkalender für den Kreis Bad Liebenwerda | Druck=Druckerei Aktivist Bad Liebenwerda | Ort=Bad Liebenwerda | Jahr=1958 | Herausgeber=Arbeitsgemeinschaften der Natur- und Heimatfreunde des Deutschen Kulturbundes Kreis Bad Liebenwerda|Seiten=121 bis 125| ISBN= }}</ref> Sie ist etwa um 1450 aus den [[Steine]]n des zerstörten Schlosses entstanden. Dies geht aus der Beschwerdeschrift der Bauern von 1564 und aus einer Mühlberger Amtsrechnung mit einer Würdenhainer Kirchenrechnung von 1570 hervor. Zum Bau des [[Kirchturm]]s, der 1577 vollendet war, wurden Steine herbeigeschafft, so für 36 [[Groschen]] [[Backstein]]e aus [[Glaubitz]] bei [[Riesa]] im Jahre 1570. Achtundzwanzig Groschen erhielten die Bauern der vier Dörfer für „Steine uffn Wahl aus der Erde schieben“ und als Trinkgeld „von der Steinen vom Wahl uffn Kirchhof fahren“. Im Jahre 1680 diente die alte Burgstätte als Pestfriedhof. Der Kirchturm wurde im Herbst 1972 durch einen Sturm stark beschädigt. Deshalb wurde das Turmoberteil mit der Turmzwiebel vom 9. bis 10. Dezember 1972 abgerissen.<ref>[[Landeshauptarchiv Sachsen-Anhalt|LHASA]], [[Magdeburg]], Rep. D Mühlberg, A V Nr. 1c</ref><ref name="Geschichte des Dorfes Würdenhain">{{Literatur|Titel= „Geschichte des Dorfes Würdenhain“|Autor= Rudolf Matthies|Jahr= 1953|Kommentar=Aufgestellt im Rahmen des Nationalen Aufbauwerkes}}</ref><ref>{{Literatur | Autor=Autorenkollektiv des MUG Brandenburg e.V. | Titel=Heimatbuch Landkreis Elbe-Elster | Verlag= | Ort=Herzberg | Jahr=1996 | Seiten=97|ISBN=}}</ref><ref name="Denkmalliste des Landkreises Elbe-Elster" >Denkmalliste des Landkreises Elbe-Elster vom 31. Dezember 2008 ([http://preview.bldam-brandenburg.de/website/images/stories/PDF/DML2008/07-ee-internet-08.pdf Online als PDF-Datei])</ref> In der Dorfstraße steht ein Wohnstallhaus aus dem 18. Jahrhundert mit Giebelgebinde unter Denkmalschutz.<ref name="Denkmalliste des Landkreises Elbe-Elster" >Denkmalliste des Landkreises Elbe-Elster vom 31. Dezember 2008 ([http://preview.bldam-brandenburg.de/website/images/stories/PDF/DML2008/07-ee-internet-08.pdf Online als PDF-Datei])</ref> Das einzige erhaltene [[Umgebindehaus]] im Landkreis Elbe-Elster ist das älteste Bauernhaus des Dorfes und seit 2009 im Besitz der Gemeinde Röderland. Der Würdenhainer Bauer Jost soll es um 1780 nach einem Brand auf seinem Hof errichtet haben. Der Sage nach träumte er bei der nächtlichen [[Hirse]]wache vom Brand und eilte nach Hause um Frau und Kind zu retten. Der einstige Ortschronist Rudolf Matthies berichtete, Jost habe aus Dankbarkeit die nicht mehr erkennbaren Worte ''„Ein Traum steht auch in Gottes Hand, sonst wären mir Weib und Kind verbrannt“'' in die Giebelbalken des Hauses hauen lassen. <ref>[http://www.lr-online.de/regionen/Elsterwerda-Umgebindehaus-in-Wuerdenhain-wird-geraeumt;art1059,2617601 „Umgebindehaus in Würdenhain wird geräumt“] in [[Lausitzer Rundschau]], 25. Juli 2009</ref><ref>[http://www.lr-online.de/regionen/Elsterwerda-Umgebindehaus-soll-erneuert-werden;art1059,1825362 „Umgebindehaus soll erneuert werden“] in [[Lausitzer Rundschau]], 1. November 2007</ref><ref name="HK 1958">{{Literatur | Autor=Rudolf Matthies | Titel= „Rund um den Oppach.“ In: Heimatkalender für den Kreis Bad Liebenwerda | Druck=Druckerei Aktivist Bad Liebenwerda | Ort=Bad Liebenwerda | Jahr=1958 | Herausgeber=Arbeitsgemeinschaften der Natur- und Heimatfreunde des Deutschen Kulturbundes Kreis Bad Liebenwerda|Seiten=121 bis 125| ISBN= }}</ref> Unweit der Würdenhainer Dorfkirche befindet sich ein Kriegerdenkmal in Form einer [[Stele]] zu Ehren der in den beiden Weltkriegen gefallenen Dorfbewohner.<ref>[http://www.denkmalprojekt.org/dkm_deutschland/wuerdenhain_brb.htm Onlineprojekt Gefallenendenkmäler]</ref> Das Gebäude der einstigen Dorfschule befindet sich ebenfalls in unmittelbarer Nähe der Kirche. === Sagen === [[Datei:Libr0080.jpg|miniatur|Darstellung eines Wassermanns aus dem Jahr 1696.]] Die Niederung der Schwarzen Elster ist sehr sagenreich. Der Fluss, der einst mit zahlreichen gewundenen Fließen durch das Tal floss, so dass die Region dem [[Spreewald]] ähnelte, bot der Phantasie der Menschen reichlich Stoff. [[Wassermann (Mythologie)|Wassermänner]], [[Nixe]]n, [[Kobold]]e und [[Irrlicht]]er tummelten sich dort. Sagenumwoben ist immer noch das einstige [[Schloss Würdenhain|Würdenhainer Schloss]], das bereits im 15. Jahrhundert auf Befehl des sächsischen Kurfürsten zerstört wurde. Die Sage ''Der Nix von Würdenhain'' berichtet von einem [[Wassermann (Mythologie)|Nix]], der nahe der wüsten Schlossstätte im Schilf gehaust haben soll. Ängstliche Eltern warnten ihre Kinder in früheren Zeiten davor, der Stätte zu nahe zu treten, damit sie vom Nix nicht ins Wasser gezogen wurden. Weitere Sagen handeln von unterirdischen Gängen, durch die die Würdenhainer Dorfkirche mit den Schlössern in Saathain und [[Schloss Elsterwerda|Elsterwerda]] verbunden sein soll.<ref>{{Literatur | Autor=Rudolf Matthies | Titel= „Der Nix von Würdenhain.“ In: Heimatkalender für den Kreis Bad Liebenwerda | Druck=Druckerei Aktivist Bad Liebenwerda | Ort=Bad Liebenwerda | Jahr=1959 | Herausgeber=Arbeitsgemeinschaften der Natur- und Heimatfreunde des Deutschen Kulturbundes Kreis Bad Liebenwerda|Seiten=191| ISBN= }}</ref><ref>{{Literatur | Autor=Rudolf Matthies | Titel= „Von unterirdischen Gängen und Schätzen.“ In: Heimatkalender für den Kreis Bad Liebenwerda | Druck=Druckerei Aktivist Bad Liebenwerda | Ort=Bad Liebenwerda | Jahr=1963 | Herausgeber=Arbeitsgemeinschaften der Natur- und Heimatfreunde des Deutschen Kulturbundes Kreis Bad Liebenwerda|Seiten=223 bis 226| ISBN= }}</ref><ref name="Geschichte des Dorfes Würdenhain">{{Literatur|Titel= „Geschichte des Dorfes Würdenhain“|Autor= Rudolf Matthies|Jahr= 1953|Kommentar=Aufgestellt im Rahmen des Nationalen Aufbauwerkes mit nachträglichen Ergänzungen von Ursula, Heinz und Matthias Lohse}}</ref> == Wirtschaft und Infrastruktur == === Wirtschaft und Verkehr === [[Datei:Kneipe Würdenhain 1.jpg|miniatur|Einstige Dorfschenke]] Erwerbsquellen für die Würdenhainer waren von jeher die Landwirtschaft und der Fischfang in den Flüssen, der allerdings mit deren Verunreinigung durch die am Ende des 19. Jahrhunderts entstandenen Betriebe, wie das Zellstoffwerk in [[Gröditz]], ein jähes Ende fand. Mit der Industrialisierung fanden viele Würdenhainer außerhalb des Ortes Arbeit.<ref name="Geschichte des Dorfes Würdenhain">{{Literatur|Titel= „Geschichte des Dorfes Würdenhain“|Autor= Rudolf Matthies|Jahr= 1953|Kommentar=Aufgestellt im Rahmen des Nationalen Aufbauwerkes}}</ref><ref name="Matthies Röder 65">{{Literatur | Autor=Rudolf Matthies | Titel= „Wo die Röder mündet.“ In: Heimatkalender für den Kreis Bad Liebenwerda | Druck=Druckerei Aktivist Bad Liebenwerda | Ort=Bad Liebenwerda | Jahr=1965/66 | Herausgeber=Arbeitsgemeinschaften der Natur- und Heimatfreunde des Deutschen Kulturbundes Kreis Bad Liebenwerda|Seiten=223 bis 225| ISBN= }}</ref> Die einstige [[Schänke|Dorfschenke]] und ein seit 1935<ref name="Geschichte des Dorfes Würdenhain">{{Literatur|Titel= „Geschichte des Dorfes Würdenhain“|Autor= Rudolf Matthies|Jahr= 1953|Kommentar=Aufgestellt im Rahmen des Nationalen Aufbauwerkes}}</ref> bestehender kleiner Dorfladen am Abzweig Reichenhain/Prieschka schlossen nach der Wende. Das dem Dorf am nächsten gelegene Gewerbegebiet mit einer Größe von 27&nbsp;Hektar befindet sich im benachbarten Haida. Schwerpunkt ist die Kies- und Sandgewinnung. Weitere Gewerbegebiete sind in Elsterwerda und im ebenfalls zur Gemeinde Röderland gehörenden Prösen zu finden.<ref name="Wende-Extra">Sonderveröffentlichung der Lausitzer Rundschau „Das Extra zur Wende“, 7. November 2009, Seite 19</ref> Der Ort ist durch Verbindungsstraßen mit den [[Landesstraße]]n 59 bei Reichenhain und 593 in Prieschka verbunden und durch Busverbindungen an den öffentlichen Nahverkehr angeschlossen. Die nächstgelegenen Bahnhöfe befinden sich in [[Bahnhof Elsterwerda|Elsterwerda]] (Bahnstrecken [[Bahnstrecke Berlin–Dresden|Berlin–Dresden]] und [[Bahnstrecke Riesa–Elsterwerda|Riesa–Elsterwerda]]) sowie in [[Biehla]] ([[Bahnstrecke Węgliniec–Falkenberg/Elster]]). === Bildung === [[Datei:Schule Würdenhain.jpg|miniatur|Die alte Schule von Würdenhain.]] Der rote Backsteinbau der alten Würdenhainer Schule stammt aus dem Jahr 1861. Zuvor befand sich an dieser Stelle gegenüber der Würdenhainer Kirche ein mit Stroh gedecktes Schulgebäude, dessen Giebel zur Straße ausgerichtet war.<ref name="Geschichte des Dorfes Würdenhain">{{Literatur|Titel= „Geschichte des Dorfes Würdenhain“|Autor= Rudolf Matthies|Jahr= 1953|Kommentar=Aufgestellt im Rahmen des Nationalen Aufbauwerkes}}</ref> Begünstigt durch die [[Reformation]] war erstmals im 16. Jahrhundert die Rede von einer Schule in Würdenhain. Um 1590 wurden die Kinder vom Schneider Martinus Thiemig im [[Katechismus]] und ein wenig im Lesen, Schreiben und Rechnen unterrichtet. Die Schule wurde zunächst von den Kindern des gesamten Kirchspiels besucht, das neben Würdenhain auch die Dörfer Reichenhain, Oschätzchen, Prieschka und Haida umfasste. Im Lauf der Zeit beschäftigten die Ortschaften eigene Lehrer und errichteten Schulen. Zunächst wurde 1675 in Oschätzchen ein eigener Kinderlehrer eingestellt, 1829 folgte Reichenhain und 1898 Prieschka. Zuletzt baute Haida 1912 ein eigenes Schulhaus, bildete allerdings mit Würdenhain einen gemeinsamen Schulverband, der zunächst auch noch zu DDR-Zeiten als Schulkombinat bestand hatte.<ref name="Geschichte des Dorfes Würdenhain">{{Literatur|Titel= „Geschichte des Dorfes Würdenhain“|Autor= Rudolf Matthies|Jahr= 1953|Kommentar=Aufgestellt im Rahmen des Nationalen Aufbauwerkes mit nachträglichen Ergänzungen von Ursula, Heinz und Matthias Lohse}}</ref> Das Schulkombinat wurde später aufgelöst und die Kinder in die [[Polytechnische Oberschule]] in [[Biehla|Elsterwerda-Biehla]] eingeschult, die bis zur Wende bestand und dann in eine [[Realschule]] umgewandelt wurde.<ref>{{internetquelle |url=http://www.friedrich-starke-grundschule.de/die-geschichte-unserer-grundschule-warum-wir-friedrich-starke-sind.html |hrsg= |titel=Die Geschichte der Biehlaer Schule auf der Homepage der Friedrich-Starke-Grundschule|zugriff=31. August 2009}}</ref> Die Schüler des Ortsteils werden gegenwärtig in die Grundschule Prösen eingeschult, die den Status einer ''Verlässlichen Halbtagesschule'' besitzt und deren Träger die Gemeinde Röderland ist.<ref>{{internetquelle |url=http://www.gemeinde-roederland.de/verwaltung/satzungen/schuleinzugsbereich.pdf Weiterführende|hrsg=Gemeinde Röderland |titel=Schuleinzugsbereich der Gemeinde Röderland |zugriff=2. September 2009|format=PDF-Datei}}</ref> In Prösen befindet sich eine Oberschule in privater Trägerschaft.<ref>{{internetquelle |url=http://www.aes-proesen.de/index.html|hrsg= |titel=Internetauftritt der Oberschule Prösen |zugriff=17. Juni 2009}}</ref> In der wenige Kilometer östlich gelegenen Stadt [[Elsterwerda]] gibt es eine Oberschule, ein Gymnasium sowie weitere Bildungseinrichtungen. Die nächsten Kindertagesstätten sind in den benachbarten Ortsteilen Haida und Saathain zu finden. Bibliotheken befinden sich in Prösen, Elsterwerda und Bad Liebenwerda.<ref>[http://www.gemeinde-roederland.de/gemeinde/einrichtungen.html Bildungseinrichtungen der Gemeinde Röderland]</ref> === Medien === Monatlich erscheinen in Würdenhain der ''Gemeindeanzeiger'' sowie das ''Amtsblatt für die Gemeinde Röderland''. Der ''Kreisanzeiger'' des Landkreises Elbe-Elster erscheint nach Bedarf.<ref>{{internetquelle |url=http://www.gemeinde-roederland.de/verwaltung/amtsblatt.html |hrsg=Gemeinde Röderland |titel=Unterseite zum Amtsblatt und dem Gemeindeanzeiger auf der Homepage der Gemeinde Röderland |zugriff=25. September 2009}}</ref> Als regionale [[Tageszeitung]] erscheint im Elbe-Elster-Kreis die zur [[Lausitzer Rundschau]] gehörende ''Elbe-Elster-Rundschau'' mit einer Auflage von etwa 99.000 Exemplaren. Die kostenlosen Anzeigenblätter ''Wochenkurier'' und ''SonntagsWochenBlatt'' kommen wöchentlich heraus. == Persönlichkeiten == Würdenhain ist eng mit dem Ortschronisten [[Rudolf Matthies]] (* 1909; † 1996) verbunden, der dort bis zu seinem Tod lebte. Der Heimatforscher war seit 1939 Lehrer an der Würdenhainer Dorfschule und seit 1961 Leiter der Schule Haida-Würdenhain. Im Jahr 1953 verfasste er die ''Geschichte des Dorfes Würdenhain''. In seiner Freizeit widmete sich Matthies, der unter anderem auch Mitarbeiter des Museums für Ur- und Frühgeschichte Potsdam war, der Heimatforschung des [[Kreis Bad Liebenwerda|Altkreises Bad Liebenwerda]] und verfasste zahlreiche Artikel. Außerdem sammelte er regionale Sagen, die im ''Heimatkalender für den Kreis Bad Liebenwerda'' veröffentlicht wurden.<ref>{{Literatur | Autor=Heinz Kettmann| Titel=Rudolf Matthies 1909–1996. In: Heimatkalender für den Altkreis Bad Liebenwerda, das Mückenberger Ländchen, Ortrand am Schraden und Uebigau-Falkenberg | Herausgeber=Arbeitsgemeinschaft für Heimatkunde e.&nbsp;V. Bad Liebenwerda|Verlag= | Ort=Bad Liebenwerda | Jahr= 1997| ISBN=|Seiten=252-253}}</ref> == Literatur (Auswahl) == * {{Literatur | Autor=[[M. Karl Fitzkow]] | Titel=„Die Verschwörung des Kretzschmann von Würdenhain“ in „Heimatkalender für den Kreis Bad Liebenwerda.“| Verlag= | Ort=Bad Liebenwerda | Jahr=1955|Seiten=47 bis 58|Kommentar=Erzählung | ISBN= }} === Periodika === * ''„Heimatkalender für den [[Kreis Bad Liebenwerda]].“'' (für den [[Kreis Bad Liebenwerda|Altkreis Bad Liebenwerda]], das [[Mückenberger Ländchen]], [[Ortrand]] am [[Schraden (Landschaft)|Schraden]] und [[Uebigau]]-[[Falkenberg/Elster|Falkenberg]])-Erscheinungsweise: jährlich * ''„Die Schwarze Elster.“'' (heimatkundliche Schriftenreihe für den Altkreis Bad Liebenwerda) == Fußnoten und Einzelnachweise == <references/> == Weblinks == {{Commons|Category:Würdenhain|Würdenhain}} * [http://www.gemeinde-roederland.de/ortsteile/wuerdenhain.html Ortsteilseite von Würdenhain auf der Gemeinde-Homepage von Röderland] * [http://rcswww.urz.tu-dresden.de/~ml6/public/dorfchron.html Ausführliche Chronik des Dorfes Würdenhain von Rudolf Matthies aus dem Jahr 1953 mit Ergänzungen von Ursula, Heinz und Matthias Lohse] {{DEFAULTSORT:Wurdenhain}} {{Exzellent|17. Dezember 2009|67998588}} [[Kategorie:Ort im Landkreis Elbe-Elster]] [[Kategorie:Röderland]] {{Navigationsleiste Ortsteile der Gemeinde Röderland}} eh8o4ez93ok6xtjg6u7boallfut0vvp wikitext text/x-wiki Wurminfektionen der Katze 0 24534 27138 2010-02-24T08:04:01Z Uwe Gille 0 [[Kategorie:Parasit]] nach [[Kategorie:Parasitose bei Tieren]] geändert '''Wurminfektionen der Katze''' – die Ansteckung ([[Infektion]]) von [[Katzen]] (Felidae) mit [[Parasitismus|parasitisch]] lebenden Würmern – kommen häufig vor. Die meisten Wurmarten treten sowohl bei [[Hauskatze|Haus-]] als auch den übrigen Katzen weltweit auf, hinsichtlich der Befallshäufigkeit gibt es aber regionale, tierartliche und durch die Lebensweise bedingte Unterschiede. Nach der Einordnung der entsprechenden Parasiten in die zoologische Systematik lassen sich die Infektionen in solche durch [[Fadenwürmer|Faden]]- und [[Plattwürmer]] – bei letzteren vor allem [[Bandwürmer|Band-]] und [[Saugwürmer]] – einteilen, andere [[Stamm (Systematik)|Stämme]] sind tiermedizinisch ohne Bedeutung. Während Fadenwürmer zumeist keinen [[Wirt (Biologie)#Zwischenwirt|Zwischenwirt]] für ihre Vermehrung benötigen, verläuft der Entwicklungszyklus bei Plattwürmern stets über Zwischenwirte. Für die meisten Würmer sind Katzen als Raubtiere der Endwirt. Die Würmer besiedeln als sogenannte [[Parasitismus#Ekto- und Endoparasiten|Endoparasiten]] („Innenschmarotzer“) verschiedene innere Organe, rufen aber zumeist keine oder nur geringe Krankheitserscheinungen hervor. Die Infektion muss sich also nicht zwangsläufig auch in einer [[Wurmerkrankung]] ''(Helminthose)'' äußern. Für die meisten Parasiten lässt sich eine Infektion durch eine Untersuchung des Kots auf Eier oder Larven nachweisen. Einige bei Katzen vorkommende Würmer können auch auf den Menschen übergehen und sind damit [[Zoonose]]-Erreger. Von größerer Bedeutung sind hierbei der [[Toxocara mystax|Katzenspul-]] und der [[Fuchsbandwurm]]. Insbesondere solche Wurminfektionen sollten durch regelmäßige [[Entwurmung]] von enger mit dem Menschen in Kontakt lebenden Katzen bekämpft werden. [[Datei:Toxocara cati 2 beentree.jpg|miniatur|hochkant=2|Der [[Toxocara mystax|Katzenspulwurm]] – ein auch auf den Menschen übergehender Parasit.]] == Infektionen durch Fadenwürmer == Bei Katzen parasitieren verschiedene Vertreter der [[Fadenwürmer]] (''Nematoda''), vor allem Spul-, Haken-, Lungen-, Haar- und Magenwürmer. === Spulwurmbefall === [[Datei:Spulwurmei Wikipedia.jpg|thumb|Das etwa 85 µm große Ei von ''Toxocara mystax'' im mikroskopischen Bild.]] : → ''Hauptartikel:'' [[Spulwurmbefall der Katze]] Der häufigste Spulwurm bei den meisten Katzen ist ''[[Toxocara mystax]]'' (Syn. ''Toxocara cati''), seltener ist der Befall mit ''[[Toxascaris leonina]]''. Lediglich bei [[Ozelot]]s in Texas war ''T. leonina'' bei jedem Tier nachweisbar und damit der häufigste Parasit<ref>D.B. Pence et al.: ''Helminths of the ocelot from southern Texas.'' In: J Wildl Dis. 39 (2003), S. 683–689. PMID 14567231</ref>, bei [[Rotluchs]]en in Nebraska wurde er fast genauso oft beobachtet wie ''T. mystax''.<ref>K.L. Tiekotter: ''Helminth species diversity and biology in the bobcat, Lynx rufus (Schreber), from Nebraska.'' In: J Parasitol. 71 (1985), S. 227–234. PMID 3998960</ref> Beide Spulwurmarten kommen weltweit vor und der Spulwurmbefall ist eine sehr häufig auftretende Endoparasitose. Die bis zu 10&nbsp;cm langen [[adult]]en Spulwürmer leben im [[Dünndarm]]. Die Wurmweibchen produzieren sehr viele Eier, die mit dem Kot in die Umwelt gelangen. In den Eiern entwickeln sich nach etwa vier Wochen die infektiösen Larven. [[Datei:Spulwurmbezoar.jpg|thumb|Spulwürmer und ein Gurkenkernbandwurm im Erbrochenen einer Katze]] Die Ansteckung erfolgt stets [[peroral]] und kann auf drei Wegen erfolgen: * über die Aufnahme mit Larven infizierter Transportwirte, * von der Katzenmutter auf ihre Welpen über die Muttermilch (nur bei ''T. mystax'') oder * als Schmutzinfektion durch Aufnahme larvenhaltiger Eier. Prinzipiell benötigen Spulwürmer keine Zwischenwirte. Dennoch ist die Ansteckung über [[Wirt (Biologie)#Transportwirt/Paratenischer Wirt/Sammelwirt|Transportwirte]] wie [[Nagetiere]] der häufigste Infektionsweg bei erwachsenen Katzen. Die Larven wandern im Transportwirt durch die Darmwand in die Muskulatur oder innere Organe. In der Katze werden sie bei der Verdauung freigesetzt. Bei einer [[Schmierinfektion|Schmutzinfektion]] nimmt die Katze selbst larvenhaltige Eier auf. Die Larven werden im Magen freigesetzt, durchbohren die Magen- oder Dünndarmwand und gelangen über den Blutkreislauf in die Lunge. Von hier aus werden sie hochgehustet und gelangen durch Abschlucken des [[Sputum]]s wieder in den Dünndarm, wo sie sich zu den adulten Würmern [[Häutung|häuten]]. Bei ''T. mystax'' können die Larven – wie in den Transportwirten – auch über den Blutweg in andere Organe (unter anderem die [[Milchdrüse]]) wandern und dort ein Ruhestadium in [[Granulom|abgekapselten Knötchen]] einnehmen. Die hormonell ausgelöste Mobilisierung dieser ruhenden Larven in der Milchdrüse zum Ende der Trächtigkeit ist die Grundlage des dritten Infektionsweges, welcher der häufigste bei Katzenwelpen ist. Die über die Milch ausgeschiedenen Larven gelangen in den Darm der Kätzchen und verhalten sich im weiteren wie bei der Infektion über Transportwirte. Im Allgemeinen bleibt der Befall mit Spulwürmern bei Katzen symptomlos. Erst bei stärkerem Befall treten – vor allem bei Jungtieren – unspezifische Symptome wie breiiger Kot sowie infolge eines Nährstoffmangels struppiges Fell, Haarausfall, Abmagerung und [[Dehydratation (Medizin)|Austrocknung]] auf. Ein massiver Befall kann bei Jungtieren auch zu Wachstumsstörungen des Skeletts mit Verformungen der Knochen und aufgetriebenen Gelenken führen. Sehr selten kommt es zu einem [[Darmverschluss]] durch die Anhäufung von Würmern oder zu einer [[Peritonitis|Bauchfellentzündung]] infolge die Darmwand durchbohrender Würmer. In diesen Fällen treten schwere Allgemeinstörungen („[[Akutes Abdomen|akuter Bauch]]“) auf. Die [[Diagnose]] kann bei Würmern in Erbrochenem bereits ohne Spezialuntersuchungen gestellt werden. Relativ sicher kann ein Spulwurmbefall durch mikroskopischen Nachweis der über das [[Flotationsverfahren]] aus dem Kot herausgelösten Eier nachgewiesen werden. === Hakenwurmbefall === [[Datei:Hookworms.JPG|thumb|left|''A. caninum'' auf der Darmschleimhaut]] [[Datei:Hookworm egg 1.JPG|thumb|Ei von ''A. caninum'']] [[Hakenwürmer]] kommen bei Katzen häufig vor, insbesondere ''[[Ancylostoma tubaeforme]]''. Andere Hakenwürmer wie ''[[Ancylostoma caninum]]'' (Hauptwirt: Hunde) und ''[[Uncinaria stenocephala]]'' (Hauptwirt: Füchse) werden bei Katzen dagegen deutlich seltener beobachtet. Hakenwürmer sind bis zu 1,5&nbsp;cm lang und Dünndarmparasiten. Die Larven dieser Hakenwürmer werden entweder durch Fressen von Transportwirten (Nagetiere) aufgenommen oder bohren sich durch die Haut der Katze ([[perkutan]]e Infektion). Die Infektion mit Hakenwürmern bleibt bei Katzen häufig symptomlos. Bei stärkerem Befall können sie Abmagerung, Blutarmut oder Durchfall auslösen. Der Nachweis der Infektion erfolgt wie bei Spulwürmern über den Nachweis der Eier im Kot mittels Flotationsverfahren. Sie sind oval, kleiner als Spulwurmeier (etwa 60×40&nbsp;µm groß) und im Inneren sind bereits bei der Eiablage [[Furchung]]sstadien erkennbar. === Magenwurmbefall (Ollulanose) === Magenwürmer (vor allem ''[[Ollulanus tricuspis]]'') sind bis zu einem Zentimeter lang und besiedeln die [[Magenschleimhaut]], wo sie sich in deren Schleimschicht oder in den Öffnungen der Magendrüsen einnisten. Die gesamte Entwicklung von ''O. tricuspis'' findet im Magen der Katze statt, die von den Weibchen abgegeben Larven entwickeln sich innerhalb desselben Tieres zu den adulten Würmern. Andere Tiere stecken sich durch das Fressen von Erbrochenem befallener Katzen an. ''O. tricuspis'' ruft bei Hauskatzen nur selten klinische Erscheinungen hervor. Ein stärkerer Befall zeigt sich in gelegentlichem Erbrechen. Andere Katzen können dagegen schwerere Krankheitsbilder mit Fressunlust, Abmagerung und Austrocknung zeigen. Die Infektion kann durch Nachweis der Würmer in [[Magenspülung|Magenspülproben]] oder Erbrochenem nachgewiesen werden. Da ''O. tricuspis'' lebendgebärend (larvipar) ist, sind im Kot keine Wurmeier und nur ausnahmsweise Larven nachweisbar.<ref>A.M. Hargis et al.: ''Ollulanus tricuspis found by fecal flotation in a cat with diarrhea.'' In: J. Am. Vet. Med. Assoc. 182 (1983): S. 1122–1123.</ref> === Lungenwurmbefall (Aelurostrongylose) === Der Lungenwurm ''[[Aelurostrongylus abstrusus]]'' ist bis zu einem Zentimeter lang und besiedelt die [[Lunge]], genauer die kleinen [[Bronchialsystem|Bronchien]] und [[Lungenbläschen]]. Im Gegensatz zu den zuvor behandelten Fadenwürmern benötigen Lungenwürmer für ihre Entwicklung einen [[Wirt (Biologie)#Zwischenwirt|Zwischenwirt]]. Die Wurmweibchen legen Eier, aus denen noch in den Luftwegen die Larve 1 schlüpft. Diese wird hochgehustet, abgeschluckt und gelangt nach der Passage durch den Magen-Darm-Trakt über den Kot in die Außenwelt. Hier sind die Larven in feuchter Umgebung bis zu einem halben Jahr infektiös. Sie dringen in verschiedene [[Schnecken]] ein, die als Zwischenwirt dienen, und entwickeln sich in diesen über die Larve 2 zur Larve 3. Zumeist infizieren sich Katzen aber nicht durch das Fressen von Schnecken, sondern über Transportwirte wie Amphibien, Reptilien, Vögel und Nagetiere, die diese Schnecken zuvor aufgenommen haben. Nach der Aufnahme bohrt sich die Larve durch die Magen- oder Darmwand der Katze und gelangt über den Blutkreislauf in die Lunge. Die [[Präpatenz]]zeit – die Zeitspanne von der Infektion bis zur Ausscheidung der ersten Larven – beträgt etwa sechs Wochen. Der Lungenwurmbefall ruft bei Katzen nur selten Krankheitserscheinungen hervor, er gilt als selbstausheilend. Erst bei massivem Befall oder Störungen des Abwehrsystems kann es zu Atemwegsbeschwerden wie Husten, erschwerter Atmung, Niesen, Augen- und Nasenausfluss sowie Fressunlust, Abmagerung und Antriebslosigkeit kommen. Sehr selten treten plötzliche Todesfälle auf, wenn besonders viele Larven in den Luftwegen schlüpfen. Der Lungenwurmbefall wird über den Nachweis der bis zu 400&nbsp;µm langen Larven im Kot mittels [[Larvenauswanderungsverfahren]] gestellt, wobei zu beachten ist, dass sie unregelmäßig über den Kot ausgeschieden werden. Aussagekräftiger ist der Nachweis in [[Bronchoalveoläre Lavage|Lungenspülproben]] oder Lungen[[biopsie]]n.<ref>Binke Dürr: Feinnadelaspiration der Lunge bei zwei Katzen mit Aelurostrongylus-abstrusus-Infektion. In: Kleintierpraxis 54 (2009), S. 88–92.</ref> === Haarwurmbefall === Haarwürmer (''[[Capillaria]]'' ssp.) sind sehr dünne, 0,7 bis 8&nbsp;cm lange Fadenwürmer. Am häufigsten kommen Haarwürmer als Parasiten im Magen-Darm-Trakt bei Katzen vor, beispielsweise ''[[Capillaria putorii]]''. Sie gelten als wenig krankheitsauslösend, lösen aber gelegentlich Erbrechen und Durchfall aus und selten auch [[Magengeschwür]]e mit Blutarmut.<ref>D. K. Curtsinger et al.: ''Gastritis caused by Aonchotheca putorii in a domestic cat.'' In: J Am Vet Med Assoc. 203 (1993), S. 1153–1154. PMID 8244862</ref> Die Eier von Magen-Darm-Haarwürmern sind oval, etwa 60–70 × 35–40&nbsp;µm groß und lassen sich mittels Flotationsverfahren nachweisen.<ref name="fd">Frank Dieffenbacher: ''Untersuchung zur Parasitenfauna von verwilderten Hauskatzen und deren Behandlung mit Selamectin und Praziquantel.'' Vet. Med. Diss., FU Berlin, 2007. ([http://www.diss.fu-berlin.de/diss/receive/FUDISS_thesis_000000003081 online-Version])</ref> Der [[Lungenhaarwurm]] (''Capillaria aerophila'') ist zwar bei Wildtieren wie Igeln oder Füchsen weit verbreitet, bei Katzen aber sehr selten. Der 25 bis 35&nbsp;mm lange Wurm besiedelt die Luftwege. Die Eier werden – wie bei Spul- und Lungenwürmern – hochgehustet, abgeschluckt und über den Kot ausgeschieden. Als Zwischenwirt dienen Regenwürmer, der Parasit wird aber zumeist über zwischengeschaltete Transportwirte auf Katzen übertragen.<ref>Heinz Sager: ''Lungenwürmer, Capillaria aerophila''. In: Katzen Magazin 1/2007 ([http://www.svk-asmpa.ch/katze/lungenwurm/lungenwurm4.htm Online-Version])</ref> Der Lungenhaarwurm ruft selten Krankheitserscheinungen hervor, nur bei stärkerem Befall kommt es – meist infolge bakterieller Begleitinfektionen – zu einer [[Bronchitis]] mit Husten.<ref name="fd"/> Der Nachweis kann durch eine Kotuntersuchung auf Eier oder die Untersuchung von [[Bronchoalveoläre Lavage|Lungenspülproben]] erfolgen. Die Harnblasenhaarwürmer (''[[Capillaria plica]]'' und ''[[Capillaria feliscati]]'') besiedeln die [[Harnblase]]. Die Ausscheidung der Eier erfolgt über den Urin, der Nachweis einer Infektion ist demzufolge nur aus dem [[Urinsediment]] möglich. Harnblasenhaarwürmer können eine [[Zystitis|Blasenentzündung]] mit Harnabsatzstörungen, bei stärkerem Befall auch eine Blutarmut auslösen.<ref name="fd"/> Der Leberhaarwurm (''[[Capillaria hepatica]]'') parasitiert in der [[Leber]] und kann Abgeschlagenheit, Erbrechen, vermehrten Durst und Harnabsatz sowie [[Ikterus|Gelbsucht]] verursachen. Der Befall kann nur anhand einer [[Leberbiopsie]] mit anschließender [[Histologie|feingeweblicher Untersuchung]] der Gewebsprobe gestellt werden.<ref name="fd"/> [[Datei:Trichinella larv1 DPDx.JPG|thumb|Trichinenlarve]] === Trichinenbefall (Trichinellose) === Der Befall mit [[Trichinen]] (vor allem ''Trichinella spiralis'') ist in Mitteleuropa bei Katzen sehr selten. Trichinen kommen weltweit vor und haben keine Entwicklungsphase in der Außenwelt. Die Infektion erfolgt durch Aufnahme larvenhaltigen Fleisches. Die Larven bohren sich in die Dünndarmwand und entwickeln sich dort zu den adulten Würmern. Die von den Weibchen abgegebenen Larven gelangen über [[Lymphe]] oder Blut in die Skelettmuskulatur, wo sie als Wartestadium die Infektionsquelle für andere fleisch- und allesfressenden Tiere darstellen. Ein geringer Trichinenbefall bleibt bei der Katze ohne Krankheitszeichen. Bei ausgeprägtem Befall können – wie beim Menschen (→ [[Trichinellose]]) – in der Phase der Darmbesiedlung zunächst Allgemeinstörungen, Erbrechen und blutiger Durchfall auftreten. Selten kommt es bei Katzen allerdings zu Muskelschwäche, Gangstörungen, Atemproblemen und Fieber durch eine [[Myositis|Muskelentzündung]] infolge der in die Muskulatur eingewanderten Larven. === Herzwurmbefall (Dirofilariose) === [[Datei:Microfilaria.jpg|thumb|Mikrofilarie im Blutausstrich]] Die Infektion mit dem bis zu 30&nbsp;cm langen Herzwurm (''[[Dirofilaria immitis]]'') ist bei Katzen selten, Hauptwirt für diesen Parasiten ist der Hund. In Mitteleuropa ist die Dirofilariose ohne Bedeutung, da der Parasit nur im Mittelmeerraum und den US-amerikanischen Südstaaten beheimatet ist. Die Erkrankung wird durch Stechinsekten übertragen, die als obligate Zwischenwirte fungieren. Sie nehmen beim Saugakt sogenannte Mikrofilarien aus dem Blut infizierter Tiere auf. In den Insekten findet die Entwicklung zur Larve 3 statt, die bei einem weiteren Saugakt auf ein neues Wirtstier übertragen wird. In der Unterhaut erfolgt die Entwicklung zur Larve 4. Diese wandert über die Blutgefäße in die Herzvorhöfe und die herznahen großen Gefäße und häutet sich zum adulten Herzwurm. Die Präpatenzzeit beträgt 8 Monate. Der Herzwurm hat eine relativ hohe krankmachende Wirkung auf Katzen. Die Erkrankung zeigt sich in schlechtem Allgemeinbefinden, Durchfall und Husten. Sie kann durch Nachweis der 250&nbsp;µm großen Mikrofilarien im [[Blutausstrich]] diagnostiziert werden, was bei Katzen aber schwierig und damit relativ unzuverlässig ist. === Nierenwurmbefall === Die Infektion mit dem Nierenwurm ''[[Dioctophyma renale]]'' ist nur in Südeuropa, Asien und Nordamerika anzutreffen und auch dort bei Katzen selten, der Hauptwirt sind [[Nerz]]e. Der Nierenwurm ist mit bis zu einem Meter Länge der größte parasitisch lebende Fadenwurm und zeigt einen zweifachen Wirtswechsel: Erster Zwischenwirt sind [[Wenigborster]], zweiter Süßwasserfische. Er parasitiert im Endwirt vor allem im [[Nierenbecken]] oder -fett. Der Befall einer Niere verläuft meist ohne Krankheitszeichen. Sind beide Nieren betroffen, können Nierenfunktionsstörungen infolge einer [[Hydronephrose]] oder [[Pyelonephritis]] auftreten. Die Infektion lässt sich durch eine Nierenbiopsie oder [[bildgebendes Verfahren (Medizin)|bildgebende Verfahren]] nachweisen. Die fassförmigen, gelbbraunen und 71–84 × 45–52&nbsp;µm großen Eier treten nur im [[Urinsediment]] auf, wenn ein weiblicher und männlicher Nierenwurm in einer Niere aufeinandertreffen.<ref>''Giant Kidney Worm Infection in Mink and Dogs.'' [http://www.merckvetmanual.com/mvm/index.jsp?cfile=htm/bc/130506.htm merckvetmanual.com]</ref> == Infektionen durch Bandwürmer == Bei den Bandwurminfektionen muss zwischen dem Befall mit adulten [[Bandwürmer]]n und dem Befall mit ihren Entwicklungsstadien unterschieden werden. Ersteres spielt bei Katzen die weitaus größere Rolle, die häufigsten Auslöser sind der Dickhalsige und der Gurkenkernbandwurm. Die Schadwirkung der adulten Bandwürmer ist gering, nur bei stärkerem Befall können aufgrund des Nährstoffentzugs Appetitlosigkeit, Abmagerung und struppiges Fell auftreten. Die aus dem Anus wandernden Glieder können Juckreiz und damit das sogenannte „Schlittenfahren“ (Rutschen auf dem Hinterteil) auslösen. === Befall mit dem Dickhalsigen Bandwurm === Der 15 bis 60&nbsp;cm lange und etwa 5&nbsp;mm breite [[Dickhalsiger Bandwurm|Dickhalsige Bandwurm]] (''Hydatigera'' oder ''Taenia taeniaeformis'', auch ''Katzenbandwurm'' genannt) parasitiert im Dünndarm. Er ist ein bei Katzen häufiger Bandwurm, nur ausnahmsweise tritt er bei anderen Raubtieren auf. Die abgegebenen Bandwurmglieder verlassen mit dem Kot oder durch aktive Wanderung den Anus. Aus den eingetrockneten Gliedern werden in feuchtem Milieu die beschalten [[Onkosphäre]]n (reife Eier mit Larve 1, „Sechshakenlarve“) frei. Diese können durch Fliegen, Käfer und Schnecken verbreitet werden. Die beschalten Onkosphären werden von (obligaten) Zwischenwirten (Nagetiere, Eichhörnchen) aufgenommen und die freiwerdende Sechshakenlarve besiedelt vor allem die Leber des Zwischenwirts. Aus ihr entsteht die bereits bandwurmähnliche, bis zu 30&nbsp;cm lange [[Finnenstadium|Finne]] (''Strobilocercus fasciolaris''), die beim Fressen des Zwischenwirts aufgenommen wird. Im Dünndarm angekommen, stülpt sich der [[Scolex]] aus und der Bandwurm saugt sich an der Darmschleimhaut fest. Die Präpatenz beträgt im Mittel fünf Wochen. Im gleichen Tier sind zumeist nur zwei bis zehn Katzenbandwürmer anzutreffen, täglich scheiden sie etwa vier bis fünf Glieder aus. Diese länglich-trapezförmigen Gebilde sind unter Umständen bereits in der Analregion mit bloßem Auge sichtbar. Die etwa 35&nbsp;µm großen beschalten Onkosphären lassen sich mittels Flotationsverfahren im Kot nachweisen, können aber morphologisch nicht von denen anderer Vertreter der [[Taeniidae]] (einschließlich des Fuchsbandwurms) unterschieden werden. === Befall mit dem Gurkenkernbandwurm === [[Datei:Dipylidium caninum ovum 1.JPG|thumb|left|Mikroskopisches Bild eines Eipakets des Gurkenkernbandwurms]] [[Datei:Dipyl can worm1.JPG|thumb|Gurkenkernbandwurm]] Der [[Gurkenkernbandwurm]] (''Dipylidium caninum'') – benannt nach seinen an einen Gurkenkern erinnernden Gliedern – ist bis zu 80&nbsp;cm lang und parasitiert im vorderen Dünndarm. Als obligater Zwischenwirt fungiert vor allem der [[Katzenfloh]], gelegentlich auch der [[Katzenhaarling]]. Die im Darm abgegebenen Bandwurmglieder verlassen mit dem Kot oder durch aktive Wanderung den Anus. Die Eier werden von den Larven der Insekten aufgenommen, durchdringen deren Darmwand und entwickeln sich im Fettkörper zum Finnenstadium (Zystizerkoid). Je nach Außentemperatur ist das Zystizerkoid bereits mit dem Schlüpfen des erwachsenen Flohs oder erst einige Tage später infektiös. Die Infektion erfolgt durch Fressen der Flöhe, worauf die Finne im Dünndarm zum adulten Bandwurm auswächst. Die Präpatenzzeit beträgt etwa drei Wochen. Der Befall mit dem Gurkenkernbandwurm lässt sich durch den Nachweis der Glieder in der Analregion oder den Nachweis der 35–53&nbsp;µm großen Eier oder von Eipaketen im Kot mittels Flotationsverfahren feststellen. <br clear="all" style="clear:both;" /> === Befall mit dem Fuchsbandwurm === Der Befall mit dem [[Fuchsbandwurm]] (''Echinococcus multilocularis'') ist bei Hauskatzen sehr selten (0,4 %), sie stellen einen Nebenwirt dar – als Hauptwirt fungieren Füchse. Da die Infektion mit diesem Parasiten aber für den Menschen lebensbedrohlich ist (siehe [[#Gefahren für den Menschen|unten]]), ist auch die geringe Befallshäufigkeit von gesundheitspolitischer Bedeutung. [[Datei:Cotton rat infected with Echinococcus multilocularis 3MG0020 lores.jpg|thumb|Metacestode des Fuchsbandwurms in einer Baumwollratte]] Der nur etwa drei Millimeter lange Fuchsbandwurm kommt auf der gesamten Nordhalbkugel vor. Er parasitiert im Dünndarm, zumeist im hinteren Drittel, und pflanzt sich tief zwischen die Darmzotten ein. Etwa alle zwei Wochen wird ein beschalte [[Onkosphäre]]n enthaltendes Bandwurmglied freigesetzt und über den Kot ausgeschieden. Die beschalten Onkosphären sind in der Umwelt sehr stabil, selbst Einfrieren und die meisten Desinfektionsmittel überstehen sie unbeschadet. Nur gegenüber Trockenheit, Temperaturen über 80 °C und [[Natriumhypochlorit]] sind sie empfindlich. Sie werden von Zwischenwirten (vor allem Nagetiere) aufgenommen und entwickeln sich in ihnen innerhalb von 40 bis 60 Tagen zu einem großen, schwammartigen Gewebe (''[[Metazestode]]'') mit den infektiösen [[Scolex|Protoscolices]]. Die Infektion der Katze erfolgt über die orale Aufnahme der Zwischenwirte. Die Präpatenzzeit beträgt einen bis vier Monate. Der Befall ruft bei Katzen zumeist keine Symptome hervor. Er kann anhand der beweglichen, etwa einen Millimeter langen Glieder im Kot oder der Analregion sowie bereits im Darm freigesetzter Onkosphären mittels Flotationsverfahren nachgewiesen werden. Letztere sind aber morphologisch nicht von denen der anderen [[Taeniidae]] zu unterscheiden. Eine einmalige Kotuntersuchung hat aufgrund der zyklischen Freisetzung nur eine Sicherheit von etwa 30 %. Weitere Möglichkeiten zur Diagnostik sind ein spezifischer [[Enzyme-linked Immunosorbent Assay|ELISA]] für Kotproben und der DNA-Nachweis mittels [[Polymerase-Kettenreaktion|PCR]].<ref>P. Deplazes et al.: ''Echinococcus multilocularis coproantigen detection by enzyme-linked immunosorbent assay in fox, dog, and cat populations.'' In: J Parasitol. 85 (1999), S. 115–121. PMID 10207375</ref> Nach den WHO-Richtlinien zur Bekämpfung dieses Parasiten müssen alle in der Diagnostik eingesetzten Gerätschaften und Materialien [[autoklav]]iert oder verbrannt werden.<ref name="eckert">J. Eckert et al.: ''WHO/OIE Manual on Echinococcosis in Humans and Animals: a Public Health Problem of Global Concern''. World Organisation for Animal Health and World Health Organization, 2001. ISBN 92-9044-522-X ([http://whqlibdoc.who.int/publications/2001/929044522X.pdf pdf])</ref> === Selten vorkommende Bandwürmer === Infektionen mit anderen [[Taeniidae]] als dem Dickhalsigen Bandwurm sind bei Katzen selten. Der 30 bis 150&nbsp;cm lange ''[[Taenia pisiformis]]'' (Hauptwirte: Hunde, Füchse) benötigt als Zwischenwirte Hasenartige und Nagetiere. Katzen sind für diesen Bandwurm ein wenig geeigneter Endwirt, er wird zumeist bereits vor der Bildung eihaltiger (gravider) Glieder von der Katze ausgeschieden. Der Befall mit dem 50 bis 250&nbsp;cm langen ''[[Taenia hydatigena]]'' (Hauptwirte: Hunde und Füchse), als dessen Zwischenwirte Schweine, Wiederkäuer und Pferde dienen, sowie mit [[Taenia crassiceps]] (Zwischenwirte Hasenartige und Nagetiere) ist ebenfalls selten. Diese Vertreter rufen bei Katzen keine Krankheitserscheinungen hervor. Ihre medizinische Bedeutung liegt eher darin, dass ihre Eier morphologisch nicht von denen des Fuchsbandwurms zu unterscheiden sind, und dass ''Taenia hydatigena'' ein – wenn auch seltener – Zoonoseerreger ist. [[Datei:Diphyl proglottidE.JPG|thumb|Bandwurmglieder des Fischbandwurms]] Auch für den [[Fischbandwurm]] (''Diphyllobothrium latum'') sind Katzen ein wenig geeigneter Endwirt. Er wird in Katzen bis zu 1,5&nbsp;m lang und 2&nbsp;cm breit. Der Fischbandwurm benötigt zwei Zwischenwirte: Im ersten ([[Ruderfußkrebse]]) bildet sich das Procercoid, das für Säugetiere infektiöse Plerozerkoid in der Leibeshöhle und der Muskulatur von Fischen. ''[[Spirometra erinacei-europaei]]'', ein weiterer Vertreter der Diphyllobothriidae, ist in Mitteleuropa sehr selten und kommt vor allem im Mittelmeerraum vor. Als erster Zwischenwirt fungieren ebenfalls Ruderfußkrebse, als zweiter Frösche, Schlangen und Vögel. Neben dem Gurkenkernbandwurm können bei Katzen weitere Vertreter der Familie [[Dipylidiidae]] vorkommen. Diese sind jedoch vorwiegend im Mittelmeerraum anzutreffen, lediglich ''[[Joyeuxiella pasqualei]]'' wurde mittlerweile auch in Deutschland beobachtet. Sein Zwischenwirt sind [[Dungkäfer]] (Aphodiidae), in die Infektionskette können aber auch Transportwirte wie Reptilien und kleine Säugetiere eingeschaltet sein. Er ist bis zu 50&nbsp;cm lang. ''[[Joyeuxiella echinorhynchoides]]'' ist nur etwa halb so lang, seine Infektionskette entspricht der von ''J. pasquallei''. ''[[Diplopylidium noelleri]]'' und ''[[Diplopylidium acanthotretum]]'' sind etwa 12&nbsp;cm lang und benötigen als Zwischenwirt Dungkäfer oder Flöhe. Der Befall mit Vertretern der Gattung [[Mesocestoides]] ist – obwohl in Mitteleuropa heimisch – bei Katzen sehr selten. Ihr erster Zwischenwirt sind vermutlich Moosmilben<ref name="fd"/>, als zweiter dienen je nach Spezies Reptilien, Vögel und Säugetiere. === Befall mit Finnenstadien === [[Finnenstadium|Finnenstadien]] sind bei Katzen sehr selten anzutreffen. Sie schädigen das Tier durch ihr raumforderndes Wachstum mit Zerstörung befallener Organe. Das reiskornähnliche Finnenstadium ([[Tetrathyridium]]) von ''[[Mesocestoides leptothylacus]]'' kann selten auch bei Katzen auftreten. Der eigentliche zweite Zwischenwirt sind [[Gemeine Feldmaus|Feldmäuse]]. Bei starkem Befall kann es zu schweren Krankheitsbildern mit starker Abnahme ([[Kachexie]]) und Todesfällen infolge einer [[Peritonitis|Bauchfellentzündung]] kommen. Durch das [[Coenurus]] von ''[[Taenia serialis]]'' sowie den [[Cysticercus]] von ''[[Taenia crassiceps]]''<ref>A. Wunschmann et al.: ''Cerebral cysticercosis by Taenia crassiceps in a domestic cat''. In: Journal of Veterinary Diagnostic Investigation 15 (2003), S. 484–488.</ref> wurden infolge einer Schädigung des Gehirns zentralnervöse Störungen (ähnlich der [[Coenurose|Coenurose der Schafe]]) beobachtet. Weitere bei Katzen auftretende Finnenstadien sind die [[Metazestode]] des [[Dreigliedriger Hundebandwurm|Dreigliedrigen Hundebandwurms]] (''Echinococcus granulosus''), das [[Sparganum]] von ''[[Spirometra mansonoides]]'' und der Cysticercus des [[Schweinebandwurm]]s (''Taenia solium''). Zumeist rufen sie aber keine Krankheitssymptome hervor, sondern werden als Nebenbefund bei Obduktionen entdeckt. == Infektionen durch Saugwürmer == Infektionen durch [[Saugwürmer]] (''Trematoda'') sind in Mitteleuropa selten und verlaufen im Allgemeinen ohne Krankheitszeichen. Sie sind durch den Nachweis der Eier im Kot feststellbar. === Leberegelbefall === Die bei Katzen vorkommenden Leberegel (''[[Katzenleberegel|Opisthorchis felineus]]'', ''[[Pseudoamphistomum truncatum]]'' und ''[[Metorchis bilis]]'') benötigen für ihre Entwicklung einen zweifachen Wirtswechsel. Als erster Zwischenwirt dienen Wasserschnecken, als zweiter Süßwasserfische. Katzen infizieren sich durch die Aufnahme von Fischen. Die eingekapselten (enzystierten) [[Zerkarie|Metazerkarien]] in Fischen sind sehr widerstandsfähig und werden nur durch Kochen sicher abgetötet. In seltenen Fällen kann der Befall mit Leberegeln eine Darmentzündung mit Durchfall, ein gestörtes Allgemeinbefinden und Leber- und Bauchspeicheldrüsenveränderungen hervorrufen. === Darmegelbefall === Bei Katzen kommen verschiedene Darmegel vor, deren Entwicklung wie bei den Leberegeln über zwei Zwischenwirte erfolgt. Der erste Zwischenwirt ist stets eine Süßwasserschnecke. Der zweite Zwischenwirt – und damit die Infektionsquelle für Katzen – variiert je nach Parasitenart: Bei ''[[Alaria alata]]'' sind es [[Kaulquappe]]n, Reptilien, Vögel und Säugetiere, bei ''[[Metagonimus yokogawai]]'' und ''[[Apophallus donicus]]'' Fische, bei ''[[Isthmiophora melis]]'' Fische und Amphibien und bei ''[[Echinochasmus perforans]]'' Kaulquappen und Fische. Ein Darmegelbefall ruft nur selten Krankheitserscheinungen wie Durchfall hervor. [[Datei:Parago wester egg1 DPDx.JPG|thumb|Ei von ''[[Paragonimus westermani|P. westermani]]'']] === Lungenegelbefall === Lungenegel (in Asien vor allem ''[[Paragonimus westermani]]'', in Amerika vor allem ''[[Paragonimus kellicotti|P. kellicotti]]'') spielen in Europa keine Rolle. Erster Zwischenwirt sind Wasserschnecken, der zweite Süßwasserkrabben und Krebse. Die Infektion erfolgt durch Aufnahme roher Schalentiere. Lungenegel wurden in Thailand recht häufig bei [[Tiger]]n und [[Leopard]]en, dagegen nicht bei [[Bengalkatze]]n nachgewiesen.<ref name="pr"/> In Amerika kommen sie sowohl bei Hauskatzen<ref name="hawkins">Eleanor C. Hawkins: ''Pulmonary parasites''. In: Richard W. Nelson und C. Guillermo Couto: ''Small Animal Internal Medicine''. Mosby, 3. Aufl., S. 302–303. ISBN 0-323-01724-X</ref> als auch Wildtieren<ref name="Patton"/> vor. Die im Darm frei werdenden Metazerkarien wandern in die Lunge, wo sie sich in Zysten zu den adulten Egeln entwickeln. Die Eier werden – wie bei den übrigen Lungenwürmern – hochgehustet und gelangen über den Kot in die Umwelt. Der Befall mit Lungenegeln kann symptomlos bleiben, aber auch Atemprobleme auslösen, die denen des [[Felines Asthma|Katzenasthmas]] gleichen. Durch Platzen der Zysten kann ein [[Pneumothorax]] mit akuter Atemnot entstehen. Der Nachweis der Infektion kann durch Kotuntersuchungen auf Eier, mittels [[Bronchoalveoläre Lavage|Lungenspülproben]] oder mittels [[Röntgen]]bild der Lunge erfolgen.<ref name="hawkins"/> == Befallshäufigkeit und ihre Einflussfaktoren == [[Datei:Cat-parasites-germany.png|thumb|Befallshäufigkeit mit Würmern bei Hauskatzen in Deutschland]] Die Befallshäufigkeit ist je nach Wurmart sehr unterschiedlich. In einer deutschen Studie an 3167 Hauskatzen wurde mittels Flotationsverfahren bei 24 % der Tiere Endoparasiten nachgewiesen, wobei ''T. mystax'' mit 26 % die höchste Befallsrate aufwies.<ref>D. Barutzki und R. Schaper: ''Endoparasites in dogs and cats in Germany 1999-2002.'' In: Parasitol Res. 90 (2003), Suppl 3, S148–S150. PMID 12928886</ref> Eine andere Studie an 441 Kotproben wies ''T. mystax'' nur bei 3,9 % der Proben nach, aber auch hier war dieser Spulwurm der häufigste Parasit.<ref>C. Epe et al.: Ergebnisse parasitologischer Kotuntersuchungen von Pferden, Wiederkäuern, Schweinen, Hunden, Katzen, Igeln und Kaninchen in den Jahren 1998–2002. In: Dtsch. Tierärztl. Wochenschr. 111 (2004), S. 243–247. PMID 15287577</ref> Auch in Belgien<ref name="Vanparijs">O. Vanparijs et al.: ''Helminth and protozoan parasites in dogs and cats in Belgium.'' In: Vet Parasitol. 38 (1991), S. 67–73. PMID 2024431</ref>, den Niederlanden<ref>P.A. Overgaauw: ''Prevalence of intestinal nematodes of dogs and cats in The Netherlands.'' In: Vet Q. 19 (1997), S. 14–17. PMID 9225423</ref>, dem Vereinigten Königreich<ref>S. Nichol et al.: ''Prevalence of intestinal parasites in domestic cats from the London area.'' Vet Rec. 109 (1981), S. 252–253. PMID 7340062</ref>, den Vereinigten Staaten<ref name="Guterbock">W.M. Guterbock und N.D. Levine: ''Coccidia and intestinal nematodes of East Central Illinois cats.'' In: J Am Vet Med Assoc. 170 (1977), S. 1411–1413. PMID 873847</ref><sup>,</sup><ref>C.V. Spain et al.: ''Prevalence of enteric zoonotic agents in cats less than 1 year old in central New York State.'' In: J Vet Intern Med. 15 (2001), S. 33–38. PMID 11215908</ref>, Australien<ref>C.S. Palmer et al.: ''National study of the gastrointestinal parasites of dogs and cats in Australia.'' In: Vet Parasitol. 151 (2008), S. 181–190. PMID 18055119</ref> und Nigeria<ref>N. Umeche und A.E. Ima: ''Intestinal helminthic infections of cats in Calabar, Nigeria.'' In: Folia Parasitol (Prag) 35 (1988), S. 165–168. PMID 3169644</ref> dominiert der Befall mit ''T. mystax'', die Befallsraten liegen hier bei bis zu 60 %. In [[Katar]] wurden bei streunenden Katzen dagegen vor allem Bandwürmer (''T. taeniaeformis:'' 76 %, Dipylidiidae: 43 %) beobachtet, ''T. mystax'' nur bei 0,4 % der Tiere.<ref name="Abu-Madi">M.A. Abu-Madi et al.: ''Descriptive epidemiology of intestinal helminth parasites from stray cat populations in Qatar.'' In: J Helminthol. 82 (2008), S. 59–68. PMID 18199386</ref> Es gibt zahlreiche Einflussfaktoren auf den Befall mit Würmern. Wildtiere sind in der Regel deutlich häufiger betroffen als Katzen in menschlicher Obhut, da letztere häufig regelmäßig entwurmt werden. Auch bei Hauskatzen gibt es deutliche Unterschiede zwischen reinen Wohnungskatzen und solchen mit Freigang oder streunenden, da von letzteren häufiger Nagetiere oder Fische aufgenommen werden, die als Zwischen- oder Transportwirte eine Infektionsquelle darstellen. Darüber hinaus fressen verwilderte Haus- und Wildkatzen aus Hunger gelegentlich Erbrochenes von anderen Katzen, so dass der Magenwurmbefall bei ihnen deutlich häufiger auftritt. Streunende Katzen in Spanien wiesen zu fast 90 % einen Befall mit Magen-Darm-Würmern auf.<ref name="Calvete">C. Calvete et al.: ''Gastrointestinal helminth parasites in stray cats from the mid-Ebro Valley, Spain.'' In: Vet Parasitol. 28 (1998), S. 235–240. PMID 9637225</ref> Katzen in größeren Beständen wie Tierheimen oder Laborhaltungen sind aufgrund des engeren Kontakts mit potentiellen Wurmträgern deutlich häufiger betroffen.<ref name="Guterbock"/><sup>,</sup><ref>G. Miró et al.: ''Prevalence of antibodies to Toxoplasma gondii and intestinal parasites in stray, farm and household cats in Spain.'' In: Vet Parasitol. 126 (2004), S. 249–255. PMID 15567588</ref> Bei Kotuntersuchungen an Groß- und anderen Wildkatzen konnten je nach Spezies bei 66 bis 100 % der Tiere Wurmeier oder -larven nachgewiesen werden.<ref name="pr">S. Patton und A.R. Rabinowitz: ''Parasites of wild felidae in Thailand: a coprological survey.'' In: J Wildl Dis. 30(1994), S. 472–475. PMID 7933301</ref><sup>,</sup><ref name="Patton">S. Patton et al.: ''A coprological survey of parasites of wild neotropical felidae.'' In: J Parasitol. 72 (1986), S. 517–520. PMID 3783346</ref> Neben global vorkommenden Parasiten wie ''T. mystax'' haben einige ein beschränktes Verbreitungsgebiet. Dies kann in geografischen oder klimatischen Bedingungen und dem Vorkommen geeigneter Zwischenwirte begründet sein. So ist beispielsweise der Katzenleberegel (''Opisthorchis felineus'') in Asien sowie Süd- und Osteuropa häufiger, in Deutschland vor allem im östlichen Brandenburg verbreitet, wo eine Befallshäufigkeit von 16 % ermittelt wurde.<ref>R. Schuster et al.: ''Untersuchungen zur Endoparasitenfauna der Hauskatze in Ostbrandenburg.'' In: Berl Münch Tierarztl Wochenschr 110 (1997), S. 48–50</ref> Der Fischbandwurm tritt in Deutschland vor allem entlang der großen Flüsse sowie in den Küstenregionen, in der Schweiz an den großen Seen auf. Die meisten Dipylidiidae sind ausschließlich in Südeuropa anzutreffen. == Diagnostik == {| class="wikitable float-right" |+ Geeignetes Untersuchungsmaterial zum Nachweis von Wurminfektionen |- style="background: #DDFFDD;" ! Material ! Parasit |- | Kot ([[Flotationsverfahren|Flotation]]) | Spul-, Haken-, Magen-Darm-Haarwürmer<br />adulte Bandwürmer<br />Leber-, Lungen und Darmegel |- | Kot ([[Larvenauswanderungsverfahren|Auswanderung]]) | Lungenwürmer |- | Mageninhalt | Magenwürmer |- | Gewebsproben | Trichinen (Muskel)<br />Leberhaarwurm (Leber)<br />Nierenwurm (Niere) |- | Blut | Herzwurm |- | Urin | Harnblasenhaarwürmer<br />Nierenwurm |} Über die tatsächlichen Befallsraten in den Gesamtpopulationen der verschiedenen Katzenarten gibt es kaum zuverlässige Daten. Klinisch lassen sich nur die wenigsten Wurminfektionen – beispielsweise beim Vorkommen von Spulwürmern im Erbrochenen oder von Bandwurmgliedern in der Analregion – nachweisen. Für die meisten Katzenarten gibt es gar keine oder allenfalls Einzelstudien an regional begrenzten Populationen. Die meisten Studien beruhen auf Kotuntersuchungen bei Hauskatzen. Eine Reihe von Wurminfektionen kann aber mit dieser Untersuchungsmethode nicht aufgedeckt werden oder der Nachweis ist infolge einer zyklischen Ausscheidung wie beim Fuchsbandwurm nur unsicher. Gegebenenfalls müssen mikroskopische Verfahren durch aufwändige molekularbiologische ergänzt werden, um beispielsweise Eier der Taeniidae voneinander abzugrenzen. Die wenigen Erhebungen anhand von [[Obduktion]]en<ref name="Vanparijs"/><sup>,</sup><ref name="Abu-Madi"/><sup>,</sup><ref name="Calvete"/> basieren nicht auf [[Zufallsstichprobe]]n, sondern auf eingesendeten Material von verstorbenen Tieren. Vor allem für den Befall mit Finnenstadien von Bandwürmern ist die Obduktion – wenn man von wenigen aufwändigen [[Bildgebendes Verfahren|bildgebenden Verfahren]] absieht – das einzig sichere Nachweisverfahren. == Bekämpfung == Eine vollständige Eliminierung der Wurminfektionen bei Katzen ist unmöglich. Die Entwicklungszyklen der Parasiten lassen sich nicht unterbinden, da über freilebende Katzen oder andere Wirte stets neue Parasitengenerationen nachwachsen. Auch die Bekämpfung eventueller Zwischenwirte ist kaum praktikabel und ökologisch nicht vertretbar. Die unschädliche Beseitigung von Katzenkot ist eine hygienische Maßnahme, die zumindest zu einer Erregerverdünnung führt. Die Behandlung von Wurminfektionen beschränkt sich zumeist auf die in menschlicher Obhut gehaltenen Katzen. Die meisten Infektionen sind für Katzen eher harmlos, da sich bei intaktem Immunsystem ein Erreger-Wirt-Gleichgewicht einstellt. Da aber einige von ihnen gesundheitliche Störungen auslösen können und einige auch eine potentielle Gefahr für den Menschen darstellen, sind regelmäßige [[Entwurmung|Wurmkuren]] bei Katzen im menschlichen Umfeld durchaus sinnvoll. Der ''European Scientific Counsel Companion Animal Parasites'' (ESCCAP) – die europäische Vereinigung der Fachleute für Parasiten bei Haustieren – hat daher Empfehlungen für die Bekämpfung der Wurminfektionen herausgegeben. Diese werden durch nationale tiermedizinische Fachgesellschaften an regionale Besonderheiten angepasst. In den Vereinigten Staaten gibt es ebenfalls solche Leitlinien, die hier vom ''Companion Animal Parasite Council'' (CAPC) herausgegeben werden. Die zuletzt im Januar 2008 nach den ESCCAP-Richtlinien für Deutschland angepassten Empfehlungen zielen darauf, Katzen ''„… durch eine fachgerechte Diagnostik, Therapie und Prävention vor Infektionen mit Würmern und deren Folgen zu schützen“''.<ref name="ESCCAP">ESCCAP-Empfehlungen Bekämpfung von Würmern (Helminthen) bei Hunden und Katzen. Deutsche Adaption der ESCCAP-Empfehlung. ([http://www.bundestieraerztekammer.de/datei.htm?filename=esccap_endoparasiten_2008.pdf&themen_id=6684 pdf])</ref> Eine zielgerichtete Bekämpfung wird vor allem für Spul-, Haken- und Fuchsbandwürmer empfohlen. Die Herzwurmbekämpfung spielt in Mitteleuropa nur eine Rolle bei den Katzen (und Hunden), die in den Mittelmeerraum verbracht werden sollen oder von dort stammen. [[Datei:Cat-anthelminths.jpg|thumb|Einige Anthelminthika für Katzen]] Katzenwelpen sollten bei einem ''Toxocara''-Befall der Mutter ab einem Alter von drei Wochen mit einem geeigneten Wurmmittel ([[Anthelminthikum]]) behandelt werden und anschließend in zweiwöchigem Abstand bis zwei Wochen nach dem Absetzen. Auch die Katzenmutter sollte nach der Geburt behandelt werden, da schlummernde Toxocara-Larven in dieser Zeit aktiviert werden. Eine sichere Prophylaxe gegen ''T. mystax'' bietet nur eine monatliche Behandlung, die allerdings nur für Katzen in größeren Haltungen oder mit Kontakt zu Kleinkindern erwogen werden sollte. Generell wird eine vierteljährliche prophylaktische Entwurmung vorgeschlagen.<ref name="ESCCAP"/> Für die Behandlung gegen Spulwürmer sind in Deutschland für Hauskatzen Arzneimittel auf der Basis von [[Emodepsid]], [[Fenbendazol]], [[Flubendazol]], [[Mebendazol]], [[Milbemycinoxim]], [[Moxidectin]], [[Pyrantel]] und [[Selamectin]] zugelassen. Diese Arzneistoffe sind Breitbandanthelminthika und entfalten eine Wirkung auch gegen die meisten anderen bei Katzen vorkommenden Fadenwürmer, die im Einzelfall aber auch fehlend oder unzureichend sein kann. Zum Schutz vor Herzwürmern sind von diesen Stoffen nur Moxidectin, Milbemycinoxim und Selamectin wirksam.<ref> Vetidata-Liste in Deutschland für Hunde und Katzen zugelassener Wurmmittel ([http://www.esccap.org/index.php/fuseaction/download/lrn_file/anthelmintika_hund_katze_2008-07-08.pdf pdf])</ref> Magenwürmer werden von keinem dieser Wirkstoffe erfasst, hier sind in Deutschland keine für Katzen zugelassenen Präparate auf dem Markt, so dass andere Tierarzneimittel auf der Basis von [[Levamisol]] oder [[Ivermectin]] [[Therapienotstand|umgewidmet]] werden müssen. Beim Nierenwurmbefall ist nur die Entfernung der betroffenen Niere möglich. Für die Bekämpfung des in ganz Mittel- und Osteuropa heimischen Fuchsbandwurms – für dessen Verbreitung Katzen allerdings nur eine geringe Bedeutung haben – wird empfohlen, kein rohes Fleisch oder Schlachtabfälle zu verfüttern. Bei Freigängern beziehungsweise Katzen, die Nagetiere jagen ist eine regelmäßige Kotuntersuchung oder monatliche prophylaktische Behandlung gegen Bandwürmer angezeigt. Wichtig ist, dass jedes Vorkommen morphologisch gleicher Bandwurmeier ([[Taeniidae]]) diagnostisch in einem Speziallabor abzuklären ist. Bei einem positiven Nachweis müssen rigide Hygienemaßnahmen wie Baden unter Schutzkleidung und strikte unschädliche Beseitigung des Kots erfolgen.<ref name="eckert"/> Zur Behandlung und Prophylaxe des Fuchsbandwurms werden [[Praziquantel]] oder [[Epsiprantel]] eingesetzt, Praziquantel ist auch gegen die anderen Plattwürmer wirksam.<ref name="ESCCAP"/> Einige europäische Länder wie das Vereinigte Königreich, Irland, Malta, Finnland, Schweden oder Norwegen verlangen eine im [[EU-Heimtierausweis]] dokumentierte prophylaktische Behandlung gegen den Fuchsbandwurm als Einreisevoraussetzung. == Gefahren für den Menschen == Einige der bei Katzen auftretenden Würmer sind auf den Menschen übertragbar, also [[Zoonose]]erreger. Die größte Gefährdung für den Menschen stellt der [[Fuchsbandwurm]] (''Echinococcus multilocularis'') dar. Er ruft das Krankheitsbild der [[Alveoläre Echinokokkose|alveolären Echinokokkose]] hervor, das durch eine kleinblasige Zerstörung innerer Organe – vor allem der Leber – gekennzeichnet ist und unbehandelt zumeist tödlich endet. Allerdings ist diese Erkrankung sehr selten und Katzen spielen, da der Bandwurm bei ihnen kaum vorkommt, bei der Verbreitung dieses Parasiten nach Meinung der meisten Autoren keine Rolle.<ref>P. Deplazes: ''Ecology and epidemiology of Echinococcus multilocularis in Europe.'' In: Parassitologia. 48 (2006), S. 37–39. PMID 16881392</ref> In einer österreichischen Studie an 21 Patienten erwies sich der Besitz von Katzen jedoch als Risikofaktor für diese Erkrankung.<ref>P. Kreidl et al.: ''Domestic pets as risk factors for alveolar hydatid disease in Austria.'' In: Am J Epidemiol. 147 (1998), S. 978–981. PMID 9596476</ref> [[Datei:Toxocara larva2 h&e.jpg|thumb|Toxocara-Larve in der Leber eines Menschen]] Von den Spulwürmern ist ''[[Toxocara mystax]]'' als Schmierinfektion auf den Menschen übertragbar. Häufigste Ansteckungsquelle sind bei Kleinkindern mit Katzenkot verunreinigte Sandkästen. Die Infektion entspricht der eines Transportwirtes und verläuft – im Gegensatz zur Ansteckung mit dem [[Toxocara canis|Hundespulwurm]] – meist klinisch unauffällig. Die Larven können auch beim Menschen in innere Organe oder die Muskulatur wandern (sogenannte [[Toxocariasis|Larva migrans visceralis]]). Gelegentlich können durch solche Wanderlarven Augenschäden, zentralnervöse Erscheinungen (Kopfschmerz, Verhaltensstörungen), Lebervergrößerung, [[Bronchitis]] mit Husten oder bei Kindern auch [[Allergie|allergische]] Reaktionen wie [[Nesselsucht]] auftreten. Auch die bei Katzen eher seltenen Fadenwürmer wie ''[[Ancylostoma caninum|A. caninum]]'', ''[[Capillaria hepatica|C. hepatica]]'' und der Nierenwurm können als Wanderlarven innere Organe des Menschen befallen.<ref>Paul C. Beaver: ''Larva migrans''. In: Experimental Parasitology 5 (1956), S. 587–621.</ref> Für die Verbreitung der [[Trichinellose]] spielen Katzen keine Rolle, da Trichinen bei ihnen selten sind und sie normalerweise nicht von Menschen gegessen werden. Der [[Gurkenkernbandwurm]] kann selten auch Erkrankungen bei Kindern verursachen, wenn diese – zumeist versehentlich – infizierte Flöhe verschlucken (→ [[Dipylidiasis]]). Der Mensch fungiert hier wie die Katze als Endwirt, eine direkte Ansteckung von einer Katze ist nicht möglich. Zudem spielt der Haushund bei der Verbreitung dieses Bandwurms die weitaus größere Rolle. Auch die anderen Vertreter der Dipylidiidae sind Zoonoseerreger. Der [[Katzenleberegel]] kann in seltenen Fällen auch auf den Menschen übergehen. Die Infektion erfolgt aber nicht durch Katzen, sondern durch Aufnahme Metazerkarienhaltiger Fische. Neben Katzen spielen Fischotter und Füchse als Endwirte eine Rolle bei der Aufrechterhaltung der Parasitenpopulation. Auch Darmegel sind für den Menschen pathogen, allerdings spielen Katzen für die Verbreitung dieser Parasiten kaum eine Rolle, die Infektion erfolgt bei ''[[Alaria alata]]'' zumeist über Schweinefleisch (Schweine fungieren als Transportwirte). Gleiches gilt für die Verbreitung der Lungenegel wie ''[[Paragonimus westermani]]'' – der Mensch infiziert sich über die Aufnahme roher Schalentiere. Zum Schutz vor zoonotischen Wurminfektionen empfiehlt die ESCCAP<ref name="ESCCAP"/>: * Hygienemaßnahmen wie Händewaschen oder Gartenarbeit mit Handschuhen, * kein Verzehr von ungewaschenen Pflanzen (Gemüse, Früchte und Pilze), * regelmäßige parasitologische Untersuchungen oder prophylaktische Entwurmungen der Katzen, * regelmäßiges Beseitigen von Katzenkot (dies ist bei Freigängern und wildlebenden Katzen aber nicht praktikabel) sowie * Vermeiden potentiell mit Wurmstadien kontaminierter Umgebungen (Hundewiesen, Gärten oder Spielplätze, Sandkästen), insbesondere für Kinder. == Literatur == * {{Literatur | Autor=Johannes Eckert | Titel=Lehrbuch der Parasitologie für die Tiermedizin | Auflage=2. | Verlag=Enke-Verlag | Ort=Stuttgart | Jahr=2008 | ISBN=978-3-8304-1072-0 }} * {{Literatur | Autor=Theodor Hiepe, Regine Ribbeck | Titel=Lehrbuch der Parasitologie | Verlag=Fischer-Verlag | Band=Bd. 4 | Ort=Stuttgart | Jahr=1982 | ISBN=3-437-20252-9 }} * {{Literatur | Autor=Regine Ribbek, Steffen Rehbein | Herausgeber=Marian C. Horzinek | Titel=Krankheiten der Katze | Kapitel="Helminthosen" | Seiten=207–226 | Auflage=4. | Verlag=Enke-Verlag | Ort=Stuttgart | Jahr=2005 | ISBN=3-8304-1049-2 }} * {{Literatur | Herausgeber=Thomas Schnieder | Titel=Veterinärmedizinische Parasitologie | Auflage=6. | Verlag=Parey-Verlag | Ort=Stuttgart | Jahr=2006 | ISBN=978-3-8304-4135-9 }} == Einzelnachweise == <references/> == Weblinks == * [http://www.esccap.de/ European Scientific Counsel Companion Animal Parasites (ESCCAP)] {{Exzellent|8. November 2008|52752764}} [[Kategorie:Parasitose bei Tieren]] [[Kategorie:Katzenkrankheit]] qb2n90eoj8x23pe391jd26joe13zxsd wikitext text/x-wiki Wutachtalbahn 0 24535 27139 2010-05-10T06:49:57Z Fomafix 0 Syntax wieder korrigiert, verlinkt {| class="wikitable float-right" {{BS-header|Lauchringen–Immendingen}} {{BS-daten |DE-KBS=743, 12737 |STRECKENNR=4403 |LÄNGE=61,5 |SPURWEITE=1435 |STROMG= |STROMW= |ZAHNSTANGE= |NEIGUNGA= |NEIGUNG= |RADIUS= |BILDPFAD_KARTE=Karte_wutachtalbahn2.png |PIXEL_KARTE=300px }} {{BS-table}} {{BS|STR|||[[Hochrheinbahn]] von Basel}} {{BS|BHF|0,0|[[Lauchringen]]|}} {{BS|ABZrf|||Hochrheinbahn nach Schaffhausen}} {{BSe|BHF|3,2|Horheim||373 m}} {{BS|BHF|5,7|[[Wutöschingen]]|}} {{BSe|BHF|7,4|[[Ofteringen]]||398 m}} {{BS|BHF|9,7|[[Eggingen]]||410 m}} {{BSe|BHF|13,7|[[Eberfingen]]||434 m}} {{BS|BHF|17,4|[[Stühlingen]]||455 m}} {{BS|STR|||Übergang zur [[Strassenbahn Schaffhausen-Schleitheim]]}} {{BS|BHF|20,4|[[Weizen (Stühlingen)|Weizen]]-Bahnhof||471 m}} {{BS|HST|23,6|[[Stühlingen|Lausheim-Blumegg]]||502 m}} {{BS|TUNNEL1|24,5||Kehr-Tunnel im Grimmelshofer Weiler (1205 m)}} {{BS|BRÜCKE|||Wutachbrücke Grimmelshofen (107,5 m)}} {{BS|TUNNEL1|27,2||Tunnel bei Grimmelshofen (225 m)}} {{BSe|BHF|28,5|[[Stühlingen|Grimmelshofen]]||539 m}} {{BS|TUNNEL2|28,2||Kleiner Stockhalde-Tunnel Grimmelshofen (86 m)}} {{BS|TUNNEL1|28,4||Großer Stockhalde-Tunnel Grimmelshofen (1700 m)}} {{BS|BRÜCKE|||Talübergang Fützen (153 m)}} {{BS|BHF|33,5|[[Blumberg|Fützen]]||587 m}} {{BS|HST||[[Wutachschlucht|Wutachblick]]|}} {{BS|TUNNEL1|37,0||Tunnel am Achdorfer Weg (540 m)}} {{BS|BHF|40,9|[[Epfenhofen]]||655 m}} {{BS|BRÜCKE|||Epfenhofer Viadukt (264 m)}} {{BS|BRÜCKE|||Biesenbach-Viadukt (252,5 m)}} {{BS|TUNNEL1|45,0||Buchbergtunnel (805 m)}} {{BS|BHF|46,0|[[Blumberg]]-[[Zollhaus (Blumberg)|Zollhaus]]||702 m}} {{BS|HST|50,4|Blumberg-[[Riedöschingen]]||692 m}} {{BS|HST|54,2|[[Geisingen]]-[[Leipferdingen]]||690 m}} {{BS|HST|56,5|Geisingen-[[Aulfingen]]||684 m}} {{BS|HST|58,8|Geisingen-[[Kirchen-Hausen|Kirchen]]|}} {{BS|HST|59,7|Geisingen-[[Kirchen-Hausen|Hausen]]||671 m}} {{BS|ABZrg|||[[Schwarzwaldbahn (Baden)|Schwarzwaldbahn]] von Offenburg}} {{BSe|BHF|61,7|[[Hintschingen]]|stillgelegt||662 m}} {{BS|HST||Immendingen-[[Zimmern (Immendingen)|Zimmern]]|}} {{BS|BHF|119,0|[[Immendingen]]||658 m}} {{BS|ABZlf|||[[Donautalbahn (Baden-Württemberg)|Donautalbahn]] nach Ulm}} {{BS|STR|||Schwarzwaldbahn nach Konstanz}} |} |} Die '''Wutachtalbahn''' ist eine der außergewöhnlichsten [[Eisenbahnstrecke]]n [[Deutschland]]s. Sie verbindet [[Waldshut-Tiengen|Waldshut]] an der [[Hochrheinbahn]] mit der an der [[Schwarzwaldbahn (Baden)|Schwarzwald-]] und [[Donautalbahn (Baden-Württemberg)|Donautalbahn]] liegenden Gemeinde [[Immendingen]] und führt durch den [[Naturpark Südschwarzwald]]. Wegen ihres kurvenreichen Verlaufes und speziell wegen des [[Kreiskehrtunnel]]s in der Stockhalde heißt sie auch '''Sauschwänzlebahn'''. Den Bau der Wutachtalbahn hat maßgeblich das [[Militär]] vorangetrieben. Die Strecke sollte als [[strategische Bahn]] einem allfälligen weiteren Krieg gegen das 1870/1871 besiegte [[Frankreich]] dienen. Heute ist die Wutachtalbahn vor allem wegen ihres [[Museumsbahn]]-Betriebs überregional bekannt und verfügt mit dem [[Ringzug]] im nördlichen Streckenabschnitt nach jahrzehntelanger Streckenstilllegung wieder über ein attraktives Nahverkehrsangebot. == Geografie == === Topografie und Bahnhalte === [[Bild:Füetzen Epfenhofenviadukt.jpg|thumb|left|Technische Zeichnungen der Brücken bei Fützen und Epfenhofen]] [[Bild:Wutachtalbahn 08.jpg|thumb|left|Die gewundene Streckenführung der Wutachtalbahn zwischen Schwarzwald und Randen]] Die Strecke verläuft am südöstlichen Rand des [[Schwarzwald]]s bzw. dem Nordwestrand des [[Randen (Berg)|Randen]], der je nach Sichtweise den südlichsten Abschnitt der [[Schwäbische Alb|Schwäbischen Alb]] oder den nördlichsten Abschnitt des [[Schweizer Jura]] bildet. Sie folgt von [[Lauchringen]] bis zum Bahnhof [[Stühlingen|Lausheim-Blumegg]] dem Lauf der [[Wutach]]. Von Lauchringen bis [[Stühlingen|Grimmelshofen]] befindet sie sich im [[Landkreis Waldshut]], innerhalb der Gemeinde Blumberg – also von Fützen bis Riedöschingen – im [[Schwarzwald-Baar-Kreis]]; der restliche Teil der Strecke bis zum Streckenendpunkt Immendingen durchquert den [[Landkreis Tuttlingen]]. Der Abschnitt zwischen [[Hintschingen]] und Immendingen Bahnhof ist sowohl betrieblich als auch historisch Teil von [[Schwarzwaldbahn (Baden)|Schwarzwald-]] und [[Donautalbahn (Baden-Württemberg)|Donautalbahn]], wird allerdings auch als Teil der Wutachtalbahn betrachtet, da die Personenzüge stets mindestens bis zum Eisenbahnknotenpunkt Immendingen Bahnhof durchgebunden werden. Ebenso verhält es sich mit dem 9,4&nbsp;Kilometer langen Abschnitt zwischen Lauchringen und [[Waldshut-Tiengen|Waldshut]], der historisch Teil der [[Badische Hauptbahn|Badischen Hauptbahn]] und betrieblich heute Teil der [[Hochrheinbahn]] ist. Dieser Abschnitt wird meist ebenfalls als Teil der Wutachtalbahn betrachtet, weil die Züge der Wutachtalbahn früher meist bis Waldshut fuhren. Der Abschnitt Lauchringen–Waldshut ist jedoch nicht Gegenstand dieses Artikels. [[Bild:Ringzug Geisingen Kirchen.jpg|thumb|[[Ringzug]] am 2004 neu errichteten Haltepunkt [[Geisingen]]-Kirchen]]Im Laufe ihrer Geschichte hat es auch Umbenennungen von Unterwegshalten gegeben: Der Ausgangsbahnhof Lauchringen an der [[Hochrheinbahn]] Basel–Singen hieß früher ''Oberlauchringen'', ''Lausheim-Blumegg'' trug ursprünglich den Namen ''Im Weiler''. Bei der Reaktivierung des nördlichen Streckenabschnitts im Zuge des [[Ringzug]]-Konzepts Ende 2004 wurden den Bahnhalten entlang der Strecke zwecks besserer Orientierung der jeweilige Gemeindename vorangestellt, da die dortigen Orte im Zuge der baden-württembergischen Verwaltungsreform in den 1970-er Jahren durch Eingemeindungen ihre Selbständigkeit verloren hatten. Dabei erhielten Geisingen-[[Kirchen-Hausen|Hausen]], Geisingen-[[Aulfingen]] und Geisingen-[[Leipferdingen]] neue [[Haltepunkt]]e, die meist günstiger als die Jahrzehnte vorher aufgegeben Bahnhofsgebäude zur Besiedlung liegen. Die mit dem Ringzug eingerichteten Halte Geisingen-Kirchen und Immendingen-[[Zimmern (Immendingen)|Zimmern]] haben hingegen keine historischen Vorbilder, sie wurden erst im Jahr 2004 dem Verkehr übergeben. Im nördlichen Wutachtalbahn-Abschnitt zwischen Immendingen und Blumberg sind so nur die Haltepunkte [[Blumberg]]-Riedöschingen und [[Zollhaus (Blumberg)|Zollhaus]]-Blumberg an historischer Stelle wiedererrichtet worden. Von der Reaktivierung eines Haltepunktes in Hintschingen sahen die Ringzug-Planer 2004 ab. Der zwischen Fützen und Epfenhofen gelegene Haltepunkt ''Wutachblick'' wurde erst zu Zeiten des Museumseisenbahnbetriebs errichtet und dient vor allem dem Tourismus, da sich in unmittelbarer Nähe die [[Wutachschlucht]] befindet. === Bauliche Besonderheiten der Strecke === [[Bild:Karte_wutachtalbahn.png|thumb|Gewundene Streckenführung der Wutachtalbahn in ihrem mittleren Teil]] Da der Streckenabschnitt Oberlauchringen–Weizen ziemlich parallel entlang dem Unterlauf der Wutach folgt, gestaltete sich der dortige Bahnbau vergleichsweise unproblematisch. Aufgrund der schwierigen geographischen Verhältnisse sah dies jedoch zwischen [[Weizen (Stühlingen)|Weizen]] und Zollhaus-Blumberg anders aus: auf diesem Streckenabschnitt wurde die Wutachtalbahn mit mehreren offenen [[Kehre (Eisenbahn)|Kehren]], einem [[Kehrtunnel]] und sogar mit dem einzigen deutschen [[Kreiskehrtunnel]] ausgestattet. Vor allem dieser Streckenabschnitt brachte der Bahnlinie auch den im Volksmund sehr oft gebrauchten Namen „Sauschwänzlebahn“ ein. Der ''Große Stockhalde-Kehrtunnel'' ist 1700&nbsp;Meter lang und als Kreiskehrtunnelf weltweit der einzige dieser Bauart in einem [[Mittelgebirge]]. Weiterhin ist dieses Bauwerk nach dem 2296&nbsp;Meter langen in [[Italien]] an der [[Simplonbahn]] gelegenen ''Varzo Elicoidale-Tunnel'' der zweitlängste Kreiskehrtunnel in [[Europa]]. Der zweite auf der Strecke liegende Kehrtunnel mit dem Namen ''Kehrtunnel im Weiler'' hat die Länge von 1205&nbsp;Metern. Für die Strecke mussten insgesamt vier [[Viadukt]]e und [[Brücke]]n zur Überquerung der Quertäler in der Gegend gebaut werden. Die Bauwerke haben durchweg eine Höhe von bis zu 30&nbsp;Metern und eine Länge von 100 bis 250 Metern. Für die [[Statische Berechnung|statische]] Bemessung der Brücken waren die damals schwersten [[Kanone]]n der Firma ''[[Friedrich Krupp AG|Krupp]]'' mit einem [[Masse (Physik)|Gewicht]] von 140&nbsp;Tonnen maßgebend.[[Bild:Biesenbachviadukt.jpg|thumb|left|Technische Zeichnung des Biesenbachviadukts]] Der kleinste [[Radius]] des Gleises betrug 300&nbsp;Meter und wurde nur bei der Umfahrung des an der Strecke liegenden Dorfes Epfenhofen ausgeführt. Von den sechs Tunneln dienen zwei der Streckenverlängerung, drei weitere unterqueren einen Bergsporn und nur einer ist ein echter Gebirgstunnel, der als ''Buchbergtunnel'' mit 805&nbsp;Metern Länge an der höchsten Stelle der Strecke die [[Wasserscheide#Europäische Wasserscheide|Wasserscheide]] zwischen den [[Einzugsgebiet (Hydrologie)|Einzugsgebieten]] von [[Rhein]] und [[Donau]] unterquert. Die Anforderungen als strategische Bahn umfassten nicht nur eine geringe Steigung, sondern auch die Vorbereitung für einen zweigleisigen Ausbau. Deutlich zu erkennen ist dies noch an den [[Widerlager (Brückenbau)|Widerlagern]] und Pfeilern der Brücken. In den Tunneln jedoch wurde im Zuge der NATO-Renovierung in den 60er Jahren das Gleis zur Tunnelmitte hin verschoben. == Geschichte == === Die Strecke als europäische Magistrale === [[Bild:Wutachtalbahn bei Epfenhofen.JPG|thumb|upright|Wutachtalbahn bei Epfenhofen]] Die ersten Überlegungen, eine Bahnlinie durch das Wutachtal zu bauen, gehen bis ins Jahr 1857 zurück. Beim Bau der [[Badische Hauptbahn|Badischen Hauptbahn]] von [[Mannheim]] bis nach [[Konstanz]] hatte man sich am Lauf des Rheins orientiert, sodass man dazu gezwungen war, die Strecke zweimal, nämlich bei [[Basel]] und bei [[Schaffhausen]], über [[Schweiz]]er Gebiet laufen zu lassen. Daher gab es auch Bestrebungen, die Linie entlang der Wutach um den Schweizer [[Kanton Schaffhausen]] herum zu führen, die sich allerdings letzten Endes nicht durchsetzen konnten. Die Gemeinden entlang der Wutach verfochten dennoch hartnäckig einen Anschluss an das Eisenbahnnetz, was zunächst aber erfolglos blieb. Erst als das [[Großherzogtum Baden]] in Erwägung zog, einen Anschluss zur [[Gotthardbahn]] herzustellen, war der Bau einer Bahnstrecke entlang der Wutach wieder ein Thema. Diese sollte dabei auch den ersten deutsch-schweizerischen Grenzübergang für die Eisenbahn zwischen Waldshut und [[Koblenz AG|Koblenz im Aargau]] nutzen. Ersten Planungen zufolge sollte die Strecke von Oberlauchringen beginnend entlang der [[Wutach]] bis nach [[Donaueschingen]] führen. Die Bahn sollte sowohl Anschluss an die [[Schwarzwaldbahn (Baden)|Schwarzwaldbahn]] [[Offenburg]]–Konstanz als auch an die obere Neckarbahn [[Villingen-Schwenningen|Villingen]]–[[Stuttgart]] erhalten. Für letztere wurde sogar eine Streckenführung über [[Trossingen]] projektiert. Die in Erwägung gezogenen Varianten [[Engen]]–[[Thayngen]] und Donaueschingen–Schaffhausen waren von [[Baden (Land)|Baden]] von vornherein abgelehnt worden, da Baden die Strecke nicht über Schweizer Gebiet führen lassen wollte. In einem am 16.&nbsp;April 1870 erlassenen Gesetz wurden Oberlauchringen und Donaueschingen schließlich als Anfangs- bzw. Endpunkt bestimmt. Ein erstes Teilstück wurde am 16.&nbsp;April 1875 zwischen Oberlauchringen und [[Stühlingen]] eröffnet; sechs Tage später wurde der offizielle Betrieb aufgenommen. Ursprünglich war die Intriebnahme bereits zum Jahreswechsel 1870/1871 geplant gewesen, jedoch war sie durch das [[Geologie|geologisch]] sehr instabile Gelände verzögert worden. So waren während des Bahnbaus unter anderem die Erdmassen immer wieder gerutscht. Ein Jahr später, am 15.&nbsp;Oktober 1876, wurde die Strecke bis nach Weizen verlängert. Der Weiterbau in Richtung Donaueschingen stockte dann wegen geologischer Probleme in der immer noch instabilen [[Wutachschlucht]]. Die projektierenden Ingenieure stellten fest, dass eine Weiterführung der Bahn durch diese erst 20.000 Jahre alte [[Schlucht]] unmöglich war. Damit galt das Projekt als gescheitert. === Die Strecke als strategische Eisenbahn === [[Bild:Strategischer Bahnbau in Südbaden.png|thumb|left|upright=2.0|Die Fertigstellung der Wutachtalbahn als Teil des strategischen Bahnbaus zur Umgehung der Schweiz]] Einige Jahre später begann man sich von neuem für die Wutachtalbahn zu interessieren, diesmal von [[Militär|militärischer]] Seite aus: Im [[Deutsch-Französischer Krieg|Deutsch-Französischen Krieg]] 1870/1871 hatte die Eisenbahn in Europa erstmals eine bedeutende Rolle gespielt. Der deutsche [[Generalstab]] machte sich deshalb in den 1880-er Jahren an Überlegungen, wie man im Fall eines weiteren Krieges gegen Frankreich die [[Logistik]] mit Hilfe der Eisenbahn am Besten organisieren, d.&nbsp;h. Truppen und Gerät schnell mit der Eisenbahn verlegen könnte. Im Süden des [[Deutsches Reich|Deutschen Reiches]] war aus militärischer Sicht besonders folgendes Problem augenfällig: Wollte man von der [[Bundesfestung Ulm]] in das südliche [[Elsass]] und so an eine mögliche [[Kriegsfront|Front]] mit Frankreich, musste man dafür die [[Hochrheinbahn]] nutzen, die mehrfach durch [[Schweiz|schweizerisches]] Gebiet bei [[Schaffhausen]] und [[Basel]] führte. Beim Bau dieser Strecke war eine Nutzung durch das Militär in einem [[Staatsvertrag]] zwischen Deutschland und der Schweiz explizit ausgeschlossen worden. [[Bild:Stockhalde1.JPG|thumb|upright|Kurz vor dem Stockhalde-Tunnel bei Grimmelshofen]] Um dieses Problem zu lösen, stellte der Generalstab Überlegungen an, im [[Naturpark Obere Donau|Donautal]] zwischen [[Inzigkofen]] und [[Tuttlingen]] sowie in [[Baden (Land)|Südbaden]] neue [[Eisenbahnstrecke]]n gebaut werden könnten, die weder größere Steigungen aufweisen noch über Schweizer Territorium führen durften: In diesem Kontext strategischer Umgehungsbahnen, die sich von Inzigkofen im Nordosten bis nach [[Weil am Rhein]] in Südwesten ziehen sollten, war auch der Weiterbau der Wutachtalbahn vorgesehen: Die [[Donautalbahn (Baden-Württemberg)|Donautalbahn]], die seit 1878 [[Ulm]] und Inzigkofen verband, sollte durch das enge Donautal von Inzigkofen bis Tuttlingen verlängert werden. Zwischen Tuttlingen und dem kleinen Dorf [[Hintschingen]] bei [[Immendingen]] lagen zu diesem Zeitpunkt bereits Gleise. Von Hintschingen bis [[Stühlingen]] sollte die Wutachtalbahn fertig gestellt werden, um so den [[Kanton Schaffhausen]] zu umgehen und die Strecke weiter nach Südwesten zu verlängern. Ab Stühlingen war mit der 1875 fertig gestellten südlichen Wutachtalbahn wiederum eine Anschlussstrecke vorhanden und die ab [[Lauchringen]] weiterführende Hochrheinbahn in diesem Streckenabschnitt unproblematisch, da diese zwischen Lauchringen und [[Säckingen]] stellenweise zwar in Sichtweite zur Schweizergrenze, aber eben immer noch auf deutschem Hoheitsgebiet verlief. Um die Stadt Basel zu umfahren, war es für eine militärische Nutzung aber notwendig, von Säckingen bis [[Schopfheim]] erneut eine strategische Bahn – die [[Wehratalbahn]] – vorzusehen. Ab Schopfheim war mit der [[Wiesentalbahn]] wieder eine militärisch nutzbare Trasse bis [[Lörrach]] vorhanden, von wo mit einer weiteren Verbindungsbahn bis Weil am Rhein ein letztes Stück Schweizer Territorium umfahren werden musste. Von Weil am Rhein führte seit 1872 eine Eisenbahnstrecke über den [[Rhein]] nach Sankt Ludwig, dem heutigen [[Saint-Louis (Haut-Rhin)|Saint Louis]], und so an eine mögliche deutsch-französische Front. [[Bild:Wutachtalbahn_Brücke2.jpg|thumb|left|upright|Brücke bei Epfenhofen]] Trotz absehbar hoher Kosten eines solchen strategischen Bahnbaus und geringem zivilen Nutzen der hauptsächlich durch dünn besiedeltes Gebiet führenden Neubaustrecken kam es ab 1887 zur Durchführung dieses doch abenteuerlichen Eisenbahnbau-Vorhabens. Ab 1887 begann man so auch mit dem Weiterbau der eingleisigen Wutachtalbahn von Hintschingen nach Südwesten. Da die Strecke den Ansprüchen an eine eventuelle militärische Nutzung genügen musste, durfte die Steigung der Bahn den Wert von zehn Promille nicht übersteigen; das hieß die Trasse durfte auf einem Kilometer Fahrtstrecke nicht mehr als zehn Meter ansteigen. Die [[Geografie]] des Wutachtales brachte es aber mit sich, dass genau in dieser Richtung ein Anstieg von über 230&nbsp;Metern zu bewältigen war. Die Strecke musste daher einschließlich der ebenen Gleise an den Bahnhöfen über 25&nbsp;Kilometer lang ausgeführt werden, obwohl die zu überwindende Entfernung nur 10&nbsp;km in der Luftlinie beträgt. Damit war die Bahn nur durch eine extreme Entwicklung in die Länge zu verwirklichen, ähnlich wie man es im [[Hochgebirge]] von der [[Gotthardbahn]] oder der [[Albulabahn]] her kannte. Während der Spitzenzeiten des Streckenbaues in den Jahren 1889 und 1890 waren bis zu 3700 Arbeiter beschäftigt. Dieser immense Bedarf an Arbeitskräften wurde durch Anwerbung im Ausland, speziell in [[Italien]], gedeckt. === Eröffnung und Betriebsjahre bis zum Zweiten Weltkrieg === [[Bild:fuetzen.jpg|thumb|Fützener Viadukt]] Am 20. Mai 1890 konnte die Wutachtalbahn dem Verkehr übergeben werden. Während des Baues hatten sich immer wieder geologische Schwierigkeiten ergeben, die das Projekt verteuerten. So musste beispielsweise der [[Stahl|stählerne]] ''Biesenbach-Viadukt'' verlängert werden, weil an seinen [[Widerlager (Brückenbau)|Widerlager]]n der bereits aufgeschüttete [[Damm (Wall)|Damm]] immer wieder abgerutscht war. Die Bahnhöfe der Strecke wurden wegen des zu erwartenden geringen Verkehrsaufkommens in einem einheitlichen Stil gebaut, um an dieser Stelle die Baukosten reduzieren zu können. Die Ausweich- und Überholgleise an den Bahnhöfen haben dagegen eine Überlänge, um auch den längsten Militärtransport über die Strecke führen zu können. In den Anfangsjahren verkehrten auf der Strecke drei Personenzugpaare und zusätzlich noch eines als kombinierter Güter- und Personenzug, das bis nach Waldshut an der [[Hochrheinbahn]] durchgebunden war. Einige Züge befuhren auch nur einzelne Streckenabschnitte. Aufgrund der topografischen Verhältnisse betrug die Durchschnittsgeschwindigkeit zunächst auch nur 26&nbsp;Kilometer pro Stunde. Erst zum Sommerfahrplan des Jahres 1927 wurde sie auf ungefähr 50&nbsp;Kilometer pro Stunde angehoben. Den intensivsten Betrieb erlebte die Wutachtalbahn zwischen dem 5. und 12. Dezember 1923 aufgrund der französischen Besetzung von Offenburg, wodurch die Oberrheinstrecke und die Schwarzwaldbahn unterbrochen und weiträumige Umleitungen über die Hochrheinstrecke, Wutachtalbahn und [[Gäubahn (Stuttgart–Singen)|Gäubahn]] erforderlich wurden. 1937 eröffnete am Ostkopf des Bahnhofs Blumberg-Zollhaus ein Verladebahnhof für [[Doggererz]], das im Zuge der nationalsozialistischen Autarkiepolitik im Raum Blumberg abgebaut wurde. Bis zur Einstellung des Bergbaus 1942 verkehrten Güterzüge meist an die [[Saar]], selten an die [[Ruhr]]. Im Sommer 1944 fuhren außerdem mehrere Lazarettzüge über die Wutachtalbahn. [[Bild:Wutachtalbahn_Brücke.jpg|thumb|left|Biesenbach-Viadukt, im Vordergrund ist ein weiterer Teil der Eisenbahnstrecke zu erkennen]] Die Nutzung der Wutachtalbahn war aber insgesamt betrachtet sowohl in [[Frieden]]s- als auch in [[Krieg]]szeiten mäßig. Zum einen verteuerte die künstliche Entwicklung in die Länge jede [[Fahrkarte]] und auch die Gütertarife. Die [[Fahrplan|Fahrpläne]] und [[Kursbuch|Kursbücher]] weisen während der gesamten Betriebszeit der Strecke nicht mehr als fünf [[Liste der Zuggattungen|Personenzüge]] und einen [[Güterzug]] aus. Zum anderen war das Militär in beiden [[Weltkrieg]]en nicht auf die Strecke angewiesen, obwohl die Strecke oft von Militärzügen befahren worden war. Bereits in den 1920-er Jahren wurde zum Beispiel der Bahnhof Grimmelshofen aufgrund seiner ortsfernen Lage aufgegeben; die Bewohner des Ortes hatten statt dessen vorzugsweise den Bahnhof Lausheim-Blumegg genutzt, der deutlich näher am Ort lag. === Stilllegung === Nach dem [[Zweiter Weltkrieg|Zweiten Weltkrieg]] erhielt die Wutachtalbahn die Kursbuchnummer 304f. Allerdings stellte die Strecke mit ihrer schlechten Auslastung und ihrem immensen Instandhaltungsaufwand für die finanziell angeschlagene [[Deutsche Bundesbahn]] ein ernsthaftes Problem dar. Deshalb wurde der durchgehende Verkehr zwischen den Bahnhöfen Lausheim-Blumegg und [[Zollhaus (Blumberg)|Zollhaus-Blumberg]] am 22.&nbsp;Mai 1955 eingestellt und fortan mit [[Omnibus]]sen und [[Lastkraftwagen|LKWs]] abgewickelt. Bereits zu diesem Zeitpunkt gab es erste Bestrebungen von Seiten von [[Ferdinand Mollet]], dem damaligen Präsidenten von ''[[EUROVAPOR]]'', die Wutachtalbahn in eine Museumseisenbahn umzuwandeln, die aber trotz seiner Hartnäckigkeit vorerst erfolglos blieben. [[Bild:Schi-Stra-Bus.jpg|thumb|left|Schi-Stra-Bus, restauriert, von Mai 1953 bis November 1955 auf der Wutachbahn im Einsatz]] Ein kurzes Gastspiel gab in diesem Zeitraum im Wutachtal der [[Schienen-Straßen-Omnibus]] (Schi-Stra-Bus), ein sowohl auf der [[Straße]] als auch auf der [[Vignolschiene|Schiene]] lauffähiges Fahrzeug. Mit diesem Bus wurde der aufwändige Teil der Strecke auf der Straße umfahren, während die weniger problematischen Teile der Strecke nach wie vor von der Schiene aus bedient wurden. Das nicht ausgereifte Konzept der Fahrzeuge verursachte Verspätungen; vor allem der Antrieb der gummibereiften Räder an der [[Achse (Technik)|Hinterachse]] bereitete auf den Schienen große Probleme und verhinderte eine dauerhafte Einführung dieses Fahrzeuges, so dass der ''„Schi-Stra-Bus“'' rasch wieder aus dem Wutachtal verschwand. Von 1962 bis 1965 wurde die Strecke auf Kosten der [[NATO]] durchgehend saniert, beispielsweise wurden die Tunnel gegen das eindringende Wasser neu abgedichtet und die [[Eisenbahnsignal|Signale]] an den Bahnhöfen erneuert. Trotz dieses Aufwandes in Millionenhöhe wurde die Strecke nicht mehr befahren, obwohl das [[Bundesministerium der Verteidigung]] ab diesem Zeitraum bis 1974 Jahr für Jahr 50.000&nbsp;[[Deutsche Mark|DM]] für den Unterhalt der Strecke zahlte. Der Personenverkehr auf dem 15 Kilometer langen Abschnitt Zollhaus-Blumberg–Hintschingen wurde am 28.&nbsp;Mai 1967 eingestellt, die insgesamt 24&nbsp;Kilometer lange Strecke Lauchringen–Lausheim-Blumegg folgte am 25.&nbsp;September 1971. Am 1.&nbsp;Januar 1976 legte die ''Deutsche Bundesbahn'' den gesamten Abschnitt zwischen Weizen und Zollhaus-Blumberg still. === Betrieb als Museumseisenbahn === [[Bild:Wutachtalbahn Talquerung Epfenhofen.JPG|thumb|left|Zug auf der Talbrücke Epfenhofen]] Ab 1976 konstituierte sich ein Verein mit Sitz in [[Blumberg]]. Bereits am 21.&nbsp;Mai 1977 wurde auf der Strecke ein [[Museumseisenbahn]]betrieb eingerichtet, der aber nur im mittleren Streckenabschnitt zwischen [[Stühlingen|Weizen]] und Zollhaus-Blumberg verkehrt. Dieser erwies sich von Anfang an als außerordentlich erfolgreich und sogar kostendeckend. Damit konnte eine der interessantesten Eisenbahnstrecken Deutschlands vor dem endgültigen Verfall bewahrt werden. 1988 erhielt die Strecke den Rang eines technischen Denkmals von nationaler Bedeutung. Durch umfangreiche Renovierungsmaßnahmen an den Tunneln und Brücken in den darauffolgenden Jahren ist ihr weiterer Bestand zu Beginn des 21.&nbsp;Jahrhunderts gesichert. Im Jahr 1992 berichtete die [[Südwestrundfunk|SWR]]-Sendereihe ''[[Eisenbahn-Romantik]]'' in ihrer ersten Folge über die Wutachtalbahn. Während der Dreharbeiten entgleiste die [[Dampflok]] 38&nbsp;1772 an der unteren Einfahrweiche des Bahnhofs Epfenhofen. 1987 ereignete sich der einzige bekannte tödliche Unfall, als eine Frau versuchte, auf den bereits rollenden Zug noch aufzuspringen. Mehrfach diente die Wutachtalbahn als Filmkulisse, beispielsweise in ''[[Heinrich der Säger]]'', ''[[Der Transport]]'', ''Viehjud Levi'' oder ''Brass Target'' (deutscher Titel: ''Verstecktes Ziel''). Bis Mitte 2001 verkehrten Kurzgüterzüge, die von der ''Deutschen Bahn'' betrieben wurden, um den Rohstoffbedarf der Firma ''Sto AG'' in Weizen zu decken. Bis zu den frühen 1990-er Jahren wurden diese Güterzüge von Oberlauchringen aus mit der [[DB-Baureihe V 100|Baureihe 212]] gefahren, dann entschied man sich für die [[DB-Baureihe V 90|Baureihe 290]]. Die [[Durchschnittsgeschwindigkeit]] war aufgrund des überholungsbedürftigen Oberbaus sehr bescheiden (z.&nbsp;B. auf dem Abschnitt Bhf. [[Eberfingen]]–Bhf. Stühlingen 30&nbsp;km/h). Bevor die Gemeinde Blumberg eingesprungen ist, hat die ''DB'' einen Kostenvoranschlag von 20&nbsp;Millionen&nbsp;[[Deutsche Mark|DM]] für die Renovierung des Oberbaus publiziert. War zuvor die ''EUROVAPOR'' für den Betrieb zuständig, übernahm deren 1997 gegründete Tochtergesellschaft ''Wutachtalbahn (WTB) e.&nbsp;V.'' im selben Jahr den Betrieb. Diese Ausgliederung war von Seiten der ''EUROVAPOR'' aus Flexibilitätsgründen beschlossen worden. Um die [[Jahrtausendwende]] herum wurde außerdem das Wagenmaterial der Strecke saniert; ebenso wurden zusätzliche Personenwagen gekauft. === In Erwägung gezogene und durchgeführte Reaktivierungen === ==== Lauchringen–Weizen ==== In Folge der [[Bahnreform (Deutschland)|Bahnreform]] und der damit verbundenen Regionalisierung des Schienennahverkehrs kam es Mitte der 1990-er Jahre zu Überlegungen, zumindest Teile der Wutachtalbahn wieder für den Regelbetrieb zu reaktivieren. Eine 1998 erstellte Studie empfahl dabei den südlichen Abschnitt von [[Stühlingen|Weizen]] bis [[Lauchringen]] zu reaktivieren und diesen südlichen Abschnitt der Wutachtalbahn umsteigefrei über die [[Hochrheinbahn]] mit [[Basel Badischer Bahnhof]] zu verbinden. Die Fahrgastprognose ging bei diesem Modell von 3000 Fahrgästen täglich auf der südlichen Wutachtalbahn aus. Mangels politischer Unterstützung wurde die Reaktivierung des südlichen Wutachtalbahn-Abschnitts aber bis zum heutigen Tag nicht weiterverfolgt, obwohl die verhältnismäßig dichte Besiedlung verbunden mit im Vergleich der mittleren Wutachtalbahn unproblematischen Streckenführung den südlichen Teil der Strecke als den für eine Reaktivierung interessantesten erscheinen lässt. ==== Ringzug-Konzept ==== [[Bild:RingzugLinienplan.png|upright=2|thumb|[[Ringzug]]-Streckenplan mit dem 2004 wieder in Betrieb genommenen Wutachtalbahnabschnitt Immendingen–Blumberg]] Die ab 1995 vorangetriebenen Überlegungen in der [[Region Schwarzwald-Baar-Heuberg]], den Schienennahverkehr in der Region neu zu organisieren, schlossen die Wutachtalbahn zunächst noch nicht ein. Die Studie des Verkehrsplaners Gerd Hickmann, die vorschlug, in den Landkreisen [[Landkreis Tuttlingen|Tuttlingen]], [[Landkreis Rottweil|Rottweil]] und [[Schwarzwald-Baar-Kreis|Schwarzwald-Baar]] mittels eines [[Ringzug]]s den öffentlichen Verkehr von der Straße zurück auf die Schiene zu verlagern, brachten eine Reaktivierung der nördlichen Wutachtalbahn noch nicht mit ins Spiel. Zu niedrig erschien das Fahrgastpotential der nach [[Geisingen]] eingemeindeten Dörfer Kirchen-Hausen (1128 Einwohner), Aulfingen (595 Einwohner) und Leipferdingen (829 Einwohner). In [[Blumberg]] lag der Bahnhof im Stadtteil Zollhaus darüber hinaus auch recht weit von der Stadt entfernt. Das ursprüngliche Ringzug-Konzept sah so auch vor, dass der Zug einen Ring von [[Donaueschingen]], [[Villingen-Schwenningen]], [[Rottweil]] und [[Tuttlingen]] zurück nach Donaueschingen fährt. Der Ringzug sollte also im Kreis fahren und die Wutachtalbahn nicht mit einschließen. Die Wutachtalbahn kam erst für eine Reaktivierung ins Spiel, als das ursprüngliche Konzept eines geschlossenen Rings sich als nicht durchführbar erwies. Ende der 1990-er Jahre belegten die [[InterRegio]]-Züge der Relation [[Konstanz]]–[[Hamburg]] genau zu den Zeiten die Trassen des [[Schwarzwaldbahn (Baden)|Schwarzwaldbahn]]-Abschnitts zwischen Donaueschingen und Immendingen, zu denen der Ringzug diese benötigt hätte. Die Verkehrsplaner mussten deshalb ihr ursprüngliches Konzept eines geschlossenen Rings aufgeben und machten sich an Alternativen, wie man trotz gesperrter Strecke zwischen Immendingen und Donaueschingen noch für den Ringzug interessante Umläufe organisieren könnte. In diesem Zusammenhang setzte sich die ursprünglich nicht vorgesehene Reaktivierung der nördlichen Wutachtalbahn als wirtschaftlichste Option durch, da trotz dünner Besiedlung des Gebietes die fehlenden [[Schule]]n entlang der Strecke auf verhältnismäßig hohe Schülerbeförderungszahlen auf der Wutachtalbahn schließen ließen. Der Ende 2003 gestartete [[Ringzug]]-Betrieb schloss die Wutachtalbahn zunächst aber noch nicht mit in das Streckennetz ein, da am Wutachtalbahn-Abzweig in [[Hintschingen]] zuvor die [[Stellwerk]]stechnik umgestellt werden musste. Aber ein Jahr später, am 12.&nbsp;Dezember 2004 wurde der nördliche Abschnitt der Wutachtalbahn von Immendingen bis Zollhaus-Blumberg nach fast 40&nbsp;Jahren ohne regelmäßigen [[Öffentlicher Personennahverkehr|ÖPNV]] reaktiviert. == Betrieb == [[Bild:Ringzug Wutachtalbahn.jpg|thumb|left|[[Ringzug]] auf der Wutachtalbahn beim Haltepunkt [[Geisingen]]-Kirchen]] Seitdem die ''[[Deutsche Bundesbahn]]'' 1955 den ersten Wutachtalbahn-Abschnitt zwischen [[Stühlingen|Lausheim-Blumegg]] und [[Blumberg|Zollhaus-Blumberg]] stillgelegt hat, wird die Wutachtalbahn nicht mehr durchgängig von [[Lauchringen]] nach [[Immendingen]] befahren. Auch die Museumsbahn und der [[Ringzug]] nutzen nur einzelne Abschnitte der Gesamtstrecke. Von der ursprünglichen Idee mit der Wutachtalbahn einen Teil einer überregionalen Verbindung von [[Ulm]] ins [[Elsass]] zu schaffen, sind so nur regionale [[Insellösung|Inselverkehre]] übrig geblieben. Seit der Ausweitung des Ringzug-Betriebes auf die Wutachtalbahn 2004 ist es jedoch erstmals nach fast 50&nbsp;Jahren wieder möglich, mit zweimaligem Umsteigen die gesamte Strecke der Wutachtalbahn von Lauchringen bis Immendingen zu bereisen: im nördlichen Teil von Immendingen nach Blumberg mit dem [[Ringzug]], im Mittelteil von Blumberg nach Weizen mit der Museumsbahn und im südlichen Teil mit dem Zubringerverkehr von Weizen nach Waldshut. Dies mag auch der Grund dafür gewesen sein, dass seit dem [[Fahrplanwechsel]] im Dezember 2005 die Wutachtalbahn als Teil der [[Kursbuchstrecke]] 743 wieder in ihrer ganzen Länge als Einheit im Kursbuch der ''[[Deutsche Bahn|Deutschen Bahn]]'' vertreten ist. Innerhalb der Blumberger Stadtteile, also zwischen Blumberg-Riedöschingen und Fützen verläuft dieser Verkehr innerhalb des ''[[Verkehrsverbund Schwarzwald-Baar|Verkehrsverbundes Schwarzwald-Baar]] (VSB)''. Im nördlichen Streckenabschnitt zwischen Geisingen-Leipferdingen und Immendingen im Bereich des ''Verkehrsverbundes [[TUTicket]]'' und im südlichen Teil der Strecke zwischen Grimmelshofen und Lauchringen im ''[[Waldshuter Tarifverbund]]''. In der Museumsbahn gilt allerdings ein gesonderter Tarif. Verbundfahrscheine werden dort nicht anerkannt. === Ringzug zwischen Immendingen und Zollhaus-Blumberg === [[Bild:Gesamtansicht_Freigel_RS1_TELE.JPG|thumb|Der Ringzug im Bahnbetriebswerks der ''[[Hohenzollerische Landesbahn|HZL]]'' in [[Immendingen]]]] Im nördlichen Abschnitt zwischen Immendingen und Blumberg herrscht heute ein so attraktiver Personenverkehr wie nie zuvor in der Geschichte der Wutachtalbahn. Es fahren die [[Stadler Regio-Shuttle RS1|Stadler-Regio-Shuttles]] des [[Ringzug]]s, die von [[Rottweil]] kommen und über die [[Gäubahn (Stuttgart–Singen)|Gäubahn]] bis [[Bahnhof Tuttlingen|Tuttlingen Bahnhof]] fahren. Von Tuttlingen aus fährt der Ringzug dann weiter über die [[Donautalbahn (Baden-Württemberg)|Donautalbahn]] bis Immendingen-[[Hintschingen]]. In Hintschingen wechselt der Ringzug auf die Wutachtalbahn und fährt dort bis [[Geisingen]]-Leipferdingen oder Blumberg. Einzelne Züge fahren auch von [[Fridingen an der Donau]] über die Donautalbahn bis Hintschingen und dann weiter Richtung Blumberg. Werktags fahren diese Züge der ''[[Hohenzollerische Landesbahn|Hohenzollerischen Landesbahn]]'' in einem annähernden Stunden-[[Taktfahrplan|Takt]]. An Werktagen fahren die meisten Ringzüge jedoch nicht bis Blumberg durch, sondern starten und enden in Leipferdingen. Das hat seine Begründung darin, dass es wegen der fehlenden Begegnungsmöglichkeiten der Züge auf der eingleisigen Strecke nicht möglich wäre, einen Stunden-Takt bis Blumberg zu fahren. Darum herrscht in Leipferdingen Busanschluss von und nach Blumberg. Am Wochenende besteht jedoch nur ein Zwei-Stunden-Takt. Die Züge starten und enden aber am Wochenende anders als unter der Woche in Blumberg. An den Wochenenden von Mai bis Oktober werden seit dem Jahr 2006 einzelne Ringzüge durch den [[Naturpark-Express]] ersetzt, der [[Gammertingen]] und [[Sigmaringen]] über Tuttlingen und Immendingen mit Zollhaus-Blumberg verbindet und auf die Fahrtzeiten der Museumsbahn abgestimmt ist. Dieser Radwanderzug, der vor allem auf den [[Tourismus|touristischen]] Markt zielt, soll den [[Naturpark Obere Donau]] mit dem Wutachtal und der Museumsbahn verbinden. === Museumsbahn zwischen Zollhaus-Blumberg und Weizen === [[Bild:Stockhalde2.JPG|thumb|left|Stockhalde-Tunnel bei Grimmelshofen mit der Dampflok 86 333]] Zur Zeit sind auf der Wutachtalbahn drei [[Dampflokomotive]]n und ungefähr zwölf Personenwagen stationiert. Die Museumszüge verkehren seit 1997 hauptsächlich mit der Dampflok 86&nbsp;333, die vorher im [[Bayerisches Eisenbahnmuseum|Eisenbahnmuseum]] von [[Nördlingen]] untergebracht war. Weitere Dampflokomotiven, die gelegentlich zum Einsatz kommen, sind die 1943 gebaute und 2003 renovierte 50&nbsp;2988. Außerdem sind noch die 52&nbsp;8012 und die 105 ausgestellt, welche aber nicht betriebsfähig sind. Bei Letzterer handelt es sich um eine so genannte „Werksdampflok“, die 1952 gebaut und seit 2002 in Blumberg stationiert ist. Seit Anfang 1989 wird eine kleinere Diesellokomotive, eine sogenannte ''[[Köf]]'' eingesetzt, die sowohl zum Rangieren als auch für Arbeitszüge der Bahnmeisterei verwendet wird. Gelegentlich wird sie auch für Sonderfahrten benutzt. Seit Ende 2003 ist auf der Strecke noch eine zweite nahezu identische Köf stationiert. Ebenso wird seit 1995 ein Dieseltriebwagen des Typ [[VT 3]] eingesetzt. Die Waggons stammen hauptsächlich von der ''Schweizerischen Industriegesellschaft (SIG)'' beziehungsweise von der ''AW Karlsruhe''; gebaut wurden sie zwischen den ersten Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts und den fünfziger Jahren. Sie bieten durchweg die zweite Klasse. Die Museumsbahn fährt ausschließlich zwischen April und Oktober nach festem Fahrplan. Dieser [[Plandampf]]-Verkehr findet während der Saison jeweils an Samstagen, Sonn- und Feiertagen sowie mittwochs und seltener auch donnerstags satt. Die Museumsbahn fährt einmal, zu den Spitzenzeiten im Sommer fahrplanmäßig mitunter auch zweimal täglich von Weizen nach Blumberg und zurück. === Weizen–Lauchringen === Auf dem südlichen Abschnitt zwischen Lauchringen und Weizen findet zur Zeit kaum Verkehr statt. Die ''[[Deutsche Bahn]]'' richtete 2003 lediglich einen auf die Fahrtzeiten der Museumsbahn abgestimmten Zubringerverkehr von [[Waldshut-Tiengen|Waldshut]] an der [[Hochrheinbahn]] nach [[Stühlingen|Weizen]] ein. Dieser wird aus Richtung Lauchringen mit Dieseltriebwagen der [[Baureihe 641]] betrieben. Die Strecke zwischen Oberlauchringen und Weizen wurde dazu von der Stadt Blumberg zu einem symbolischen Preis aufgekauft und notdürftig instand gesetzt. [[Bild:Reiterstellwerk Blumberg.JPG|thumb|upright|Stellwerk am Eisenbahnmuseum in Zollhaus-Blumberg]] === Güterverkehr === Seit der Einstellung des Güterverkehrs zwischen Immendingen und Zollhaus-Blumberg am 31. Oktober 1995 und zwischen Lauchringen und Weizen im Jahr 2001 dient die Wutachtalbahn nunmehr ausschließlich dem Personen- bzw. Museumsverkehr. == Wutachtalbahn-Museum und Eisenbahn-Lehrpfad == Seit 1992 gibt es im ehemaligen Güterschuppen des Bahnhofs Zollhaus-[[Blumberg]] ein [[Eisenbahnmuseum]], das die außergewöhnliche Geschichte der Wutachtalbahn in einer Dauerausstellung dokumentiert. Das Museum wird von [[Ehrenamt]]lichen betrieben und ist stundenweise an den Betriebstagen der Museumsbahn für das Publikum geöffnet. Parallel zur Museumsstrecke [[Stühlingen|Weizen]]–Zollhaus-Blumberg wurde außerdem ein so genannter ''Eisenbahn-[[Lehrpfad]]'' eingerichtet, der etwa zwanzig Kilometer lang ist und auf dem ein Höhenunterschied von rund dreihundert Metern bewältigt wird. Dieser Lehrpfad bindet auch den ''Vierbahnenblick'' ein, bei dem die schleifenartige Streckenführung der Wutachtalbahn besonders gut zu sehen ist. == Literatur == *Ulrich Müller: ''Die Wutachtalbahn, Strategische Umgehungsbahn, (Sauschwänzlebahn).'' Ferrovia, Grenzach-Wyhlen 1981. ISBN 3-88275-020-0 *Interessengemeinschaft zur Erhaltung der Museumsbahn Wutachtal e.&nbsp;V. (IG WTB e.&nbsp;V.): ''Die Museumsbahn Wutachtal.'' Markorplan Agentur und Verlag, Bonn 2002. ISBN 3-933356-08-3 *Hans-Wolfgang Scharf: ''Die Eisenbahn am Hochrhein.'' Bd 3. Die Strategischen Bahnen in Südbaden. EK-Verlag, Freiburg 1993. ISBN 3-88255-757-5 *Zweckverband Ringzug Schwarzwald-Baar-Heuberg (Hrsg.): ''Der 3er Ringzug. Eine Investition für die Zukunft der Region Schwarzwald-Baar-Heuberg.'' Broschüre. Villingen-Schwenningen 2006. ([http://www.ringzug.net/de/aktuelles-00000181-00000002.html Info beim Zweckverband Ringzug]) *Klaus-Peter Ziegler: ''Pioniere der Eisenbahn'', Tatsachenroman über den Bau berühmter Bahnstrecken, Verlag Carl Ueberreuter Wien/Stuttgart 1982. ISBN 3-8000-3178-7 == Weblinks == * {{Commons|Wutachtalbahn}} *[http://www.wutachtalbahn.de/ Die Seite der Museumsbahn Wutachtalbahn] *[http://www.sauschwaenzlebahn.de/ Eine weitere Seite, diesmal unter dem Namen ''Sauschwänzlebahn''] *[http://kartan.de/index.php?id=stockhaldetunnel Webseite speziell zum Stockhaldetunnel] *[http://pkjs.de/bahn/Kursbuch1944/Teil4/308d.jpg Fahrplan im Kursbuch 1944/45] *[http://www.kleinheitz.de/cgi/thmbs.cgi?dir=/bahn/2006/04aitrachtal/ Fotoseite mit Ringzügen, Dampfloks und Naturpark-Express] *[http://www.eisenbahn-tunnelportale.de/lb/inhalt/tunnelportale/4403.html Bilder aller 12 Tunnelportale] *[http://www.bbbahn.eu/sauschwanz.htm Wutachtalbahn Bilder und Sonstiges] {{Exzellent}} {{Coordinate |NS=47.83787 |EW=8.55641 |type=landmark |region=DE-BW}} [[Kategorie:Bahnstrecke im Schwarzwald]] [[Kategorie:Museumsbahn]] [[Kategorie:Museum in Baden-Württemberg]] [[Kategorie:Schwarzwald-Baar-Kreis]] [[Kategorie:Landkreis Tuttlingen]] [[Kategorie:Landkreis Waldshut]] [[Kategorie:Strategische Bahn]] [[Kategorie:Erbaut in den 1890er Jahren]] [[en:Wutach Valley Railway]] q6pg65vei2a5iihegy74fgdom47gi3s wikitext text/x-wiki Xanten 0 24536 27140 2010-04-16T23:48:21Z Geitost 0 /* Weitere Personen mit Bezug zur Stadt */ lf {{Infobox Gemeinde in Deutschland |Art = Stadt |Wappen = Wappen von Xanten.svg |Breitengrad = 51/39/44/N |Längengrad = 06/27/14/E |Lageplan = Xanten in WES.svg |Bundesland = Nordrhein-Westfalen |Regierungsbezirk = Düsseldorf |Kreis = Wesel |Höhe = 24–75 |Fläche = 72.40 |PLZ = 46509 |PLZ-alt = 4232 |Vorwahl = 0 28 01 und 0 28 04 ([[Marienbaum]]) |Kfz = WES |Gemeindeschlüssel = 05170052 |LOCODE = DE XTE |NUTS = DEA1F |Gliederung = 6 [[Stadtbezirk]]e |Adresse = Karthaus 2<br />46509 Xanten |Website = [http://www.xanten.de/ www.xanten.de] |Bürgermeister = Christian Strunk |Partei = CDU }} Die Stadt '''Xanten''' [{{IPA|ˈksantən}}] liegt am unteren [[Region Niederrhein|Niederrhein]] im Nordwesten [[Nordrhein-Westfalen]]s und ist eine [[Gemeindearten in Deutschland#Kreisangehörige Gemeinde|mittlere kreisangehörige Stadt]] des [[Kreis Wesel|Kreises Wesel]] sowie Mitglied der [[Euregio Rhein-Waal]]. Die ''Römer-, Dom- und Siegfriedstadt'' Xanten blickt auf eine über 2000-jährige Geschichte zurück. Ihre Anfänge liegen in der Errichtung von [[Vetera]] und der [[Colonia Ulpia Traiana]] im [[Römisches Reich|Römischen Reich]] und setzen sich fort mit der Gründung des Stifts [[Xantener Dom|St. Viktor]] im [[8. Jahrhundert]]. Nach Eröffnung des [[Archäologischer Park Xanten|Archäologischen Parks]] und des [[Freizeitzentrum Xanten|Freizeitzentrums]] wurde Xanten 1988 zum ersten [[Erholungsort|staatlich anerkannten Erholungsort]] im [[Regierungsbezirk Düsseldorf]]. == Geographie == [[Datei:XantenBezirke.PNG|thumb|Bezirke Xantens]] [[Datei:XantenNachbargemeinden.png|thumb|Nachbargemeinden und -städte Xantens]] Xanten, die einzige mit einem „[[X]]“ beginnende Stadt Deutschlands, liegt bei 51°&nbsp;39′&nbsp;44″&nbsp;nördlicher Breite und 6°&nbsp;27′&nbsp;14″&nbsp;östlicher Länge in der [[Niederrheinisches Tiefland|niederrheinischen Tiefebene]] 35&nbsp;km nordwestlich von [[Duisburg]]. Die zur Stadt Xanten gehörenden Ortschaften sind in die sechs Stadtbezirke [[Birten]], [[Lüttingen]], [[Marienbaum]], [[Vynen]]/[[Obermörmter]], [[Wardt]] (mit [[Mörmter]] und [[Willich (Xanten)|Willich]]) und Xanten (mit [[Beek (Xanten)|Beek]] und [[Ursel (Xanten)|Ursel]]) eingeteilt. Xanten selbst teilt sich weiter in die drei Ortsteile Hochbruch, Niederbruch und den eigentlichen [[Stadtkern]] Xantens, die Ortschaft Birten in Ober- und Unterbirten. Im Nordosten wird das Stadtgebiet durch den [[Rhein]] begrenzt. Zwischen diesem und der Ortschaft Birten trennt der Xantener [[Altrhein]], ein nur über den Graben ''„Göt“'' mit dem Rhein verbundener [[Mäander (Flussschlinge)|Mäander]], das Naturschutzgebiet [[Bislicher Insel]] vom restlichen Stadtgebiet und bildet die Grundlage der dortigen [[Flussaue|Auenlandschaft]]. Zwischen Birten und Xanten gelegen bildet der teils unter Naturschutz stehende [[Fürstenberg (Xanten)|Fürstenberg]] eine der wenigen Erhöhungen im ansonsten meist ebenen Stadtgebiet. Über eine schmale, teils bewaldete Hügelkette setzt sich diese über das Waldstück ''„Hees“'' und das Naturschutzgebiet [[Grenzdyck]] bis zur so genannten ''„Sonsbecker Schweiz“'' südwestlich von Xanten fort. Entstanden ist dieser Höhenzug als [[Endmoräne]] in der [[Saaleeiszeit]]. Nordwestlich von Xanten, nur durch den Stadtpark und die [[Bundesstraße 57]] vom Stadtzentrum getrennt, befindet sich der [[Archäologischer Park Xanten|Archäologische Park Xanten]], nördlich die Ortschaft Lüttingen. Nordöstlich an den Rhein grenzend liegt diese unmittelbar an der ''„Xantener Südsee“'', einem durch Kiesaushebungen entstandenen See. Über einen schmalen Kanal ist dieser mit der ''„Xantener Nordsee“'', welche ebenfalls durch Kiesaushebungen entstand, verbunden. Die Ortschaft Wardt liegt auf einer „Insel“ zwischen dem Rhein auf der nordöstlichen und den beiden Seen samt Kanal auf der südwestlichen Seite und somit in direkter Nähe zum [[Freizeitzentrum Xanten]]. Nordwestlich der ''Xantener Nordsee'' liegt an diese angrenzend die Ortschaft Vynen. Dem Verlauf des Rheins nach Norden folgend liegen die Ortschaft Obermörmter und die Naturschutzgebiete [[Gut Grindt und Rheinaue]] sowie [[Reeser Schanz]]. Westlich von Vynen gelegen beginnt in der Umgebung der Ortschaft Marienbaum der [[Uedemer Hochwald]]. Zwischen Marienbaum und Xanten liegen die Bauernschaften Mörmter, Ursel und Willich. Das Xantener Stadtgebiet wird begrenzt durch die Stadt [[Rees]] ([[Kreis Kleve]]) im Norden, die Stadt [[Wesel]] im Osten, die Gemeinden [[Alpen (Gemeinde)|Alpen]] und [[Sonsbeck]] im Süden sowie die Städte [[Uedem]] und [[Kalkar]] (beide Kreis Kleve) im Westen. == Geschichte == === Frühgeschichte === [[Datei:Harbor temple (1) (archaeological park Xanten, Germany, 2005-04-23).jpg|thumb|Rekonstruierter Hafentempel der [[Colonia Ulpia Traiana]]]] Erste Belege menschlichen Lebens im heutigen Stadtgebiet stellen im Raum Obermörmter gefundene Geweihhacken dar, die aus der ausgehenden [[Mittelsteinzeit]] stammen. Im heutigen Stadtzentrum wurden [[jungsteinzeit]]liche Gräber, Steinwerkzeuge und Töpfereiprodukte, in den Ortschaften Wardt und Vynen jungsteinzeitliche Beile gefunden. [[Bronzezeit]]liche Schwerter, Dolche und Ziernadeln wurden in Lüttingen, Wardt und Vynen entdeckt. Die frühesten Spuren einer dauerhaften Besiedlung sind auf dem Gelände des Archäologischen Parks nachweisbar und stammen aus der [[Eisenzeit]]. === Römische Besiedlung === [[Datei:Ausgrabungsstelle Tempel der Matronen (Xanten) rIMG 5445.jpg|thumb|Grabungsstelle "Tempel der [[Matronen]]]] [[13 v. Chr.|13]]/[[12 v. Chr.]] wurde das [[Römisches Reich|römische]] [[Römische Militärlager#Legionslager|Legionslager]] [[Vetera]] auf dem [[Fürstenberg (Xanten)|Fürstenberg]] nahe dem heutigen [[Birten]] gegründet. Es sollte als Ausgangspunkt für Feldzüge ins [[Magna Germania|rechtsrheinische Germanien]] dienen und war bis zu seiner Vernichtung im Rahmen des [[Bataveraufstand]]s im Jahr [[70|70 n. Chr.]] dauerhaft durch 8.000 bis 10.000 Legionäre besetzt. Nach der Zerstörung des Lagers ''Vetera I'' wurde nahe diesem ein zweites Lager, [[Vetera#Vetera II|Vetera II]], auf der [[Bislicher Insel]] errichtet. [[Datei:Vetera.png|thumb|Lage der Legionslager [[Vetera]] und der [[Colonia Ulpia Traiana]]]] Die erste namentlich belegbare Zivilbevölkerung im Xantener Raum waren die im Jahr [[8 v. Chr.]] in linksrheinische Gebiete umgesiedelten [[Sugambrer]]. Deren Siedlung unweit nordwestlich der ''Vetera I'' sollte sich später zu einer von 10.000 bis 15.000 romanisierten Galliern und Germanen sowie ehemaligen Legionären und deren Angehörigen bewohnten Stadt entwickeln. Der römische Kaiser [[Trajan|Marcus Ulpius Traianus]] erhob sie um 110 n. Chr. zur [[Colonia (Rom)|Colonia]] [[Colonia Ulpia Traiana|Ulpia Traiana]]. Die Niederlassung entwickelte sich zum zweitwichtigsten Handelsposten der Provinz [[Germania Inferior|Germania inferior]] nach [[Colonia Claudia Ara Agrippinensium|Claudia Ara Agrippinensium]] (dem heutigen [[Köln]]). Einer lateinischen Inschrift zufolge kamen auch Besucher aus dem Gebiet der heutigen Niederlande zu Festspielen in die Stadt. Im Jahr 275 wurde ''Ulpia Traiana'' durch [[Franken (Volk)|Franken]] beinahe vollständig zerstört. Um 310 entstand auf dem Gebiet der ''Ulpia Traiana'' eine neue Stadt namens [[Tricensimae]], welche zwar kleiner, dafür aber besser befestigt und leichter zu verteidigen war. Zu Beginn des 5. Jahrhunderts nahmen die Überfälle durch germanische Stämme jedoch dermaßen zu, dass die Siedlung endgültig aufgegeben wurde. Die jüngste im Gebiet der antiken Stadt gefundene römische Münze wurde auf die Zeit um 426 datiert. === Entstehung des Viktorstifts und der Stadt Xanten === [[Datei:Xanten dom IMGP1422 wp.jpg|thumb|upright|Die Westfassade des [[Xantener Dom|Doms St. Viktor]].]] [[Datei:Antoniuskapelle (Xanten) rIMG 5453.jpg|thumb|Antoniuskapelle]] [[Datei:Xanten Marienbaum - Sankt Mariä Himmelfahrt 01 ies.jpg|thumb|Die Wallfahrtskirche [[St. Mariä Himmelfahrt (Marienbaum)|St. Mariä Himmelfahrt]] im Ortsteil [[Marienbaum]].]] [[Datei:Xanten1500.PNG|thumb|Das Viktorstift innerhalb Xantens im 15. Jahrhundert.]] Im [[5. Jahrhundert]] begannen sich [[Chattuarier|chattuarische]] [[Franken (Volk)|Franken]] auf dem Gebiet des heutigen Xantens niederzulassen. 590 erwähnte [[Gregor von Tours]] in seiner Schrift ''„Liber in gloria martyrum“'' die Errichtung eines Oratoriums durch den [[Erzbistum Köln|Kölner Bischof]] [[Everigisil]] in der Nähe der Ortschaft „Bertuna“ zu Ehren des Heiligen [[Mallosus]]. Obgleich „Bertuna“ mit dem heutigen Ortsteil Birten gleichgesetzt werden kann, muss die Kapelle nicht notwendigerweise in Birten errichtet worden sein, so dass eine Errichtung über dem Gräberfeld südlich der einstigen Colonia im heutigen Stadtzentrum, wo der Bau mehrerer [[Memoria (Architektur)|cellae memoriae]] bis ins 4. Jahrhundert nachgewiesen werden konnte, am wahrscheinlichsten erscheint. Gregor von Tours berichtete weiterhin, die Gebeine Mallosus' seien erst nach Errichtung der Kapelle geborgen und in deren Innern beigesetzt worden, und auch die Gebeine [[Viktor von Xanten]]s seien bei Bertuna begraben, bislang aber noch nicht gefunden worden. Ab 752 ist im heutigen Stadtzentrum eine karolingische Kirche belegbar, um die in der zweiten Hälfte des 8. Jahrhunderts ein [[Stift (Kirche)|Stift]] zu Ehren Viktors angelegt wurde, dessen vermutliche Gebeine demnach schon zuvor geborgen und innerhalb der Vorgängerbauten bestattet worden sind. Im Glauben, das Stift über der Grabstätte Viktors und seiner Legionäre zu errichten, nannte man Kirche und Stift ''ad Sanctos'' (deutsch: ''bei den Heiligen''). Erst nach Gründung des Stifts entwickelte sich südlich an diesen angrenzend der heutige Stadtkern, der insbesondere von [[Franken (Volk)|fränkischen]] und [[Friesen|friesischen]] Händlern besiedelt wurde und auf den der Stiftsname ''Sanctos'' überging. Bereits 967 war daraus ''Xanctum'' geworden, 1144 ''Xantum'', wenngleich sich auch ''Santen'' als Bezeichnung der Stadt noch bis ins 18. Jahrhundert und als rheinischer Dialektausdruck noch bis heute bewahrt hat. Da Xanten somit über dem ehemaligen Friedhof der Colonia entstand, blieben die Ruinen der einstigen Stadt unüberbaut, wurden jedoch fast vollständig abgetragen und für den Bau neuer Gebäude verwendet oder verkauft. Mit seinem durch Grundbesitz und Kirchenschätzen bedeutenden Viktorstift war Xanten zum Ende des [[9. Jahrhundert]]s mehrfach von [[Normannen]]einfällen betroffen. 863 überwinterten diese auf der [[Bislicher Insel]], zerstörten die mittlerweile durch einen dreischiffigen Kirchenbau ersetzte karolingische Kirche und brandschatzten 880 die Ortschaft Birten. 939 besiegten Truppen unter König [[Otto I. (HRR)|Otto I.]] in der ''Schlacht bei Birten'' [[Fränkisches Reich|fränkische]], [[Stammesherzogtum Sachsen|sächsische]] und [[Lotharii Regnum|lothringische]] Truppen unter [[Heinrich I. (Bayern)|Heinrich I.]] Zusammen mit der [[Schlacht von Andernach]] im selben Jahr besiegelte dies die Zugehörigkeit des Rheinlands zum Reich Ottos I. Spätestens seit der Ernennung des Kölner Erzbischofs [[Brun (Köln)|Brun]] zum [[Herzogtum Lothringen|Herzog von Lothringen]] 953 stand Xanten unter kölnischer Obrigkeit. Im ausklingenden 10. Jahrhundert entstand im Westen der Stiftsimmunität ein befestigter Wohnsitz der Kölner Erzbischöfe, die Bischofsburg, von der bis heute nur die Grundmauern erhalten blieben. 1096 gewährte Erzbischof [[Hermann III. von Hochstaden]] während des [[Deutscher Kreuzzug von 1096|Deutschen Kreuzzugs]] einigen Juden Zuflucht in der Bischofsburg, die schließlich jedoch Selbstmord begingen, um den Kreuzfahrern zu entgehen. Spätestens mit Beginn der Amtszeit des Kölner Erzbischofs [[Hermann II. (Erzbischof)|Hermann II.]] wurden in Xanten Münzen [[Münzprägung|geprägt]]. Die ältesten erhaltenen Münzen aus den Jahren 1036 bis 1056 tragen die Umschrift ''„SCA TROIA“'', begründet durch den zu dieser Zeit ebenfalls verwendeten Ortsnamen ''„Troiae Minoris“'', der wahrscheinlich auf die Colonia Ulpia Traiana zurückging, aber auch Anlass für eine Legende um die Gründung Xantens durch die [[Troja]]ner gab. Zwischen 1216 und 1225 entstanden Münzen mit den Umschriften ''„SANTUS VICTOR“'' und ''„MON[ETA] DE SANTEN“''. Um 1260 geprägte Münzen trugen schließlich die Umschrift ''„SANTEN CIVI[TATIS]“''. 1122 wurde Xanten als Teil eines kaufmännischen Netzwerkes am [[Region Niederrhein|Niederrhein]] genannt, kurz darauf wurde das [[Kloster Hagenbusch]] als eines von sieben bis zur [[Säkularisierung]] im Stadtgebiet bestehenden Klöstern gegründet. Am 15. Juli 1228 verlieh Erzbischof [[Heinrich I. von Müllenark|Heinrich von Molenark]] Xanten einen Tag nach [[Rees]] als ältester Stadt des unteren Niederrheins die [[Stadtrecht]]e, in erster Linie um seine territorialen Ansprüche gegenüber den [[Herzogtum Kleve|Grafen von Kleve]] zu unterstreichen. [[Friedrich von Hochstaden]] legte am 29. August 1263 den Grundstein für den Bau des gotischen [[Xantener Dom|St.-Viktor-Doms]], welcher nach 281 Jahren schließlich vollendet und zum Zentrum des [[Region Niederrhein|niederrheinischen]] [[Archidiakonat]]s werden sollte. === Entwicklung der mittelalterlichen Stadt === Im Gegensatz zum längst mit Mauern und Gräben bewehrten Stift war Xanten weitgehend unbefestigt, die zunächst angelegten Holzpalisaden konnten die Besetzung Xantens im [[Erster Geldrischer Erbfolgekrieg|Geldrischen Erbfolgekrieg]] 1372 nicht verhindern. Nachdem Xanten von 1322 bis 1331 an die Grafen von Kleve verpfändet worden war, die gleichfalls [[Vogt]]rechte über das Stift und das 1116 gegründete [[Kloster Fürstenberg]] besaßen, war neben [[Rees]], der [[Linn (Krefeld)|Herrschaft Linn]] und [[Rheinberg]] insbesondere Xanten Anlass für drei zum Ende des 14. Jahrhunderts geführte Kriege zwischen Graf [[Adolf III. (Mark)|Adolf I. von Kleve]] und dem Kölner Bischof [[Friedrich III. von Saarwerden]], der versuchte seinen weltlichen Einfluss am Niederrhein zu festigen und auszuweiten. Erst jetzt wurde Xanten ab 1389 auf einem fast rechteckigen Areal von knapp 25 Hektar mit einer bis zu acht Metern hohen Mauer (Bauzeit ca. 60 Jahre), vier Doppeltoren sowie achtzehn Türmen und Kleintoren befestigt. Während der Rhein im Nordosten und sumpfiges Gelände im Süden und Westen zusätzlichen Schutz boten, wurde die nördliche Befestigung unter anderem mit dem [[Klever Tor]] und einem heute als [[Kriemhildmühle]] genutzten Rundturm verstärkt ausgebaut. Während der [[Linner Fehde]] konnte Friedrich III. 1392 schließlich [[Linn (Krefeld)|Linn]] und Rheinberg für sich gewinnen, verlor jedoch Rees und den nördlichen Teil Xantens an Adolf I. Von der Teilung der Stadt zeugt noch heute das über einen Wehrgang mit dem ''Meertor'' verbundene, 1392 erbaute ''Mitteltor''. Nachdem bereits 1402 das [[Agnetenkloster Xanten]] von [[Franziskanerinnen]] gegründet worden war, stieg der Ortsteil [[Marienbaum]] zwischen 1430 und 1441 zum ältesten Wallfahrtsort des Niederrheins auf. 1460 entstand dort ein Kloster der [[Birgitten]], dessen Abteikirche [[St. Mariä Himmelfahrt (Marienbaum)|St. Mariä Himmelfahrt]] heute als Pfarrkirche dient. Mit Beginn der [[Soester Fehde]] 1444 fiel auch der südliche Teil Xantens an die Herzöge von Kleve. In der Folgezeit sank die Einwohnerzahl Xantens bedingt durch mehrfache Kriege und Missernten von 5000 zu Beginn des 16. Jahrhunderts bis zum Ende des 18. Jahrhunderts auf etwa 2000. Die Verlagerung des Rheins, an welchem die Stadt bis dahin gelegen hatte und der die Grundlage des Xantener Handels gewesen war, zerstörte mehrfach die Ortschaft [[Birten]] und führte zusätzlich zu einer Verschlechterung der wirtschaftlichen Situation der Stadt, die zu Beginn des 14. Jahrhunderts noch vierzehn [[Gilde (Kaufleute)|Gilden]] gezählt hatte und nun allmählich in wirtschaftlicher Bedeutungslosigkeit versank. === Neuzeitliche Entwicklung === 1572 entstand in Xanten eine [[Evangelische Kirche|evangelische]] Gemeinde, der jedoch bis ins 20. Jahrhundert hinein nur knapp fünf Prozent der Bevölkerung angehörten; bis zum Beginn des 21. Jahrhundert wuchs die Gemeinde auf zwanzig Prozent an. 1547 war bereits im Ortsteil [[Mörmter]] eine evangelische Gemeinde entstanden, was bis ins Jahr 1811 zu zwei getrennten reformierten Kirchengemeinden führte. Als Xanten nach dem [[Jülich-Klevischer Erbfolgestreit|Jülich-Klevischen Erbfolgestreit]] als Teil des Herzogtums Kleve mit dem [[Vertrag von Xanten]] an die [[Kurfürst]]en von [[Mark Brandenburg|Brandenburg]] fiel, wurde die Evangelische Kirche mit der [[Römisch-katholische Kirche|Katholischen Kirche]] gleichgestellt, 1647 wurde daraufhin auf dem ''Großen Markt'' eine Kirche errichtet und 1662 durch einen Kirchturm erweitert. 1609 wurde das [[Jesuitenkloster Xanten]] gegründet, 1628 verlegten [[Kartäuser]] ihr Kloster von Wesel nach Xanten und begründeten die [[Karthaus Xanten|Kartause Xanten]]. Während des [[Achtzigjähriger Krieg|Achtzig-]] beziehungsweise [[Dreißigjähriger Krieg|Dreißigjährigen Krieges]] wurde Xanten 1598 und erneut 1614 von [[Spanien|spanischen]], 1641 von [[Hessen|hessischen]] Truppen besetzt und teils entfestigt. Im [[Holländischer Krieg|Französisch-Niederländischen Krieg]] eroberten [[Frankreich|französische]] Truppen 1672 die Stadt, im [[Spanischer Erbfolgekrieg|Spanischen Erbfolgekrieg]] wurde Xanten schließlich abermals besetzt und zu Teilen zerstört. 1794 eroberten französische Revolutionstruppen die Stadt, die daraufhin wie der gesamte linke Niederrhein von [[Frankreich]] annektiert wurde. Ab 1798 wurde Xanten zum Verwaltungssitz eines [[Kanton (Frankreich)|Kantons]] im [[Arrondissement]] Kleve des [[Département de la Roer]], der neben Xanten auch die [[Mairie]]n [[Büderich (Wesel)|Büderich]], [[Labbeck]], [[Marienbaum]], [[Sonsbeck]], [[Veen (Alpen)|Veen]] und [[Wardt]] umfasste. 1802 ließ [[Napoléon Bonaparte]] das Viktorstift säkularisieren und die Bibliotheken der aufgehobenen Klöster mit der [[Stiftsbibliothek Xanten]] vereinigen. Durch den Wegfall der einstigen Stiftsangehörigen als wohlhabender Käuferschaft setzte daraufhin eine erneute Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage ein. Aus Kostengründen wurde 1821 das ''Marstor'', 1825 das ''Scharntor'' und weite Teile der Stadtmauer abgerissen. [[Datei:Xanten - Evangelische Kirche 01 ies.jpg|thumb|Die evangelische Kirche am Markt]] [[Datei:Xanten - Markt - Gotisches Haus 01 ies.jpg|thumb|Das ''Gotische Haus'']] Durch den [[Wiener Kongress]] gelangte Xanten ab 1814/15 wieder an [[Preußen]], wo die Stadt im Zuge der Preußischen Verwaltungsorganisation am 23. April 1816 dem [[Kreis Rheinberg]] zugeordnet wurde, welcher 1823 mit dem [[Kreis Geldern]] vereinigt wurde. Von 1857 bis 1975 war Xanten schließlich dem neu gegründeten [[Kreis Moers]] angegliedert. Die Ruinen der [[Colonia Ulpia Traiana]] weckten zu dieser Zeit erstmals das Interesse von Archäologen, so dass zwischen 1819 und 1844 und abermals zu Beginn des 20. Jahrhunderts Ausgrabungen durchgeführt wurden. Auch die ehemaligen römischen Militärplätze von [[Vetera]] wurden in dieser Zeit untersucht. Obgleich im 19. Jahrhundert 45 Prozent der Bevölkerung im verarbeitenden Gewerbe tätig waren und die Ansiedlung kleinerer Textilmanufakturen und Schnaps- und Bierbrauereien für einen bescheidenen wirtschaftlichen Aufschwung sorgte, blieb Xanten weitgehend landwirtschaftlich geprägt. Xantener Gewerbetreibende beschränkten sich vor allem auf die Weiterverarbeitung landwirtschaftlicher Produkte, wovon noch heute die ursprünglich als Ölmühle, heute als Getreidemühle genutzte [[Kriemhildmühle]] und die 1853 errichtete Dampfkornbrennerei zeugen. 1885 lebten 3621 Einwohner in Xanten. Seit 1922 existiert wieder ein Kloster im Stadtgebiet, das [[Kloster Mörmter]]. Fünf Jahre später, im September 1927, feierte die katholische Kirchengemeinde ihr 1600-jähriges Bestehen. Zur gleichen Zeit wurden unter anderem durch [[Walter Bader]] Ausgrabungen unter dem [[Xantener Dom]] vorgenommen, bei denen schließlich zwei Märtyrergräber entdeckt und in die neu angelegte [[Krypta]] eingebunden wurden. 1937 verlieh Papst [[Pius XI.]] dem [[Xantener Dom|St. Viktor-Dom]] den Titel einer [[Basilika minor]]. === Nationalsozialismus in Xanten === Die Zeit des [[Nationalsozialismus]] begann in Xanten im Jahr 1933, als der damalige Bürgermeister Heinrich Wagner wegen angeblicher Vetternwirtschaft bei Kreditgeschäften angeklagt und im ''Meerturm'' eingesperrt wurde. Sein Nachfolger wurde Friedrich Karl Schöneborn, während der Posten des stellvertretenden Bürgermeisters von nun an durch Heinrich Prang jr. bekleidet werden sollte. Prang hatte bereits 1925 die Ortsgruppe Xanten der [[Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei|NSDAP]] gegründet. Als daraufhin die lokale Fraktion der [[Deutsche Zentrumspartei|Zentrumspartei]] aufgelöst wurde, schlossen sich drei der ehemals acht Fraktionsangehörigen der NSDAP an. Die verbliebene Opposition wurde hierdurch handlungsunfähig. Im Folgenden wurde die Stadt zunehmend als Geburtsort [[Siegfried der Drachentöter|Siegfrieds]] aus dem [[Nibelungenlied]] instrumentalisiert. In der Nachkriegszeit wurde insbesondere im Hinblick auf diese Instrumentalisierung die angedachte Errichtung eines Siegfried-Denkmals verworfen. Die [[jüdische Gemeinde]] Xantens hatte sich bereits nach dem ungeklärten Mord an einem fünfjährigen Jungen wenige Jahrzehnte zuvor stark verkleinert. So war 1891 die Leiche eines Jungen mit durchtrennter Kehle in einer Scheune aufgefunden und im Folgenden der jüdische Schächter Adolf Buschhoff unter dem Vorwurf des antichristlichen [[Ritualmord]]es verdächtigt worden, worüber landesweit als [[Xantener Ritualmordvorwurf|Prozess Buschhoff]] berichtet werden sollte. Als sich [[Antisemitismus|antisemitische]] Übergriffe im Folgenden auf die gesamte jüdische Gemeinde Xantens ausweiteten, sank die Zahl der Mitglieder von 80 im Jahr 1890 auf 46 im Jahr 1895 und auf 14 im Jahr 1925. Der ungeklärte Mord wurde im Jahr 1934 durch die antisemitische Zeitung „[[Der Stürmer]]“ in einer Sondernummer erneut aufgegriffen; zu diesem Zeitpunkt zählte die jüdische Gemeinde Xantens noch acht Mitglieder, die sich im Folgenden erneuten Übergriffen ausgesetzt sahen. Hervorzuheben ist hierbei die Zerstörung der Betstube auf der Scharnstraße und die Verwüstung mehrerer Wohnungen im Bereich der Orkstrasse und Scharnstraße in der [[Novemberpogrome 1938|Reichspogromnacht]]. Nach diesen Ereignissen floh die gesamte jüdische Bevölkerung aus Xanten. Der vor der Stadt gelegene [[Jüdischer Friedhof|jüdische Friedhof]] blieb dabei weitgehend unversehrt. === Xanten im Zweiten Weltkrieg === Während des [[Zweiter Weltkrieg|Zweiten Weltkrieges]] errichtete die [[Luftwaffe (Wehrmacht)|Luftwaffe]] die [[Luftmunitionsanstalt]] 2/VI in einem der Stadt nahe gelegenen Waldstück, der ''Hees'', die auch Torpedos für den Einsatz der Luftwaffe im Mittelmeerraum produzierte. Arbeiteten dort zunächst beinahe ausschließlich Xantener Bürger, so wurden im Laufe des Krieges vermehrt Frauen und Kinder, vor allem jedoch Ausländer zur Zwangsarbeit herangezogen. Bei Zwischenfällen auf dem Gelände der Fabrik kam es sowohl im November 1942 als auch im Oktober 1944 zur Explosion von Teilen der gelagerten Munition, die mehrere Arbeiter das Leben kostete. Die Druckwelle soll noch im Stadtzentrum zu spüren gewesen sein. Im Mai 1940 wurde die 256. Infanterie-Division nach Xanten verlegt um von dort am bevorstehenden Einmarsch in die [[Niederlande]] teilzunehmen. [[Datei:Lorry-mounted 40mm Bofors anti-aircraft gun.jpg|thumb|Soldaten der 15th (Scottish) Division bei der Rheinüberquerung während der [[Operation Plunder]]]] Als sich [[alliierte]] Truppen im Februar 1945 Xanten näherten, verließ Bürgermeister Schöneborn die Stadt; mit ihm floh beinahe die gesamte Stadtverwaltung nach [[Herbede]]. Im selben Monat kam es bereits am 10. Februar zur Bombardierung Xantens, bei der weite Teile der Stadt zerstört wurden und vor allem Zivilisten umkamen, die zum Teil noch am gleichen Tag in Massengräbern bestattet wurden. Auch der ''St. Viktor-Dom'' wurde von Fliegerbomben getroffen und schwer beschädigt, der nördliche der beiden Türme stürzte ein. Schließlich konnte Xanten am 8. März 1945 durch [[Kanada|kanadische]] Truppen eingenommen werden. Das kanadische Militär verlor dabei nach eigenen Angaben 400 Soldaten im Kampf gegen die verteidigenden Fallschirmjäger der Wehrmacht. Die Stadt, die zu diesem Zeitpunkt bereits zu 85 Prozent zerstört worden war, wurde daraufhin durch [[Vereinigtes Königreich|britische]] Truppen besetzt und die Bevölkerung in Vorbereitung auf die Überquerung des Rheins bei [[Wesel]] nach [[Bedburg-Hau]] evakuiert. Durch Wehrmachtsverbände am rechten Rheinufer abgefeuerte Artillerie-Geschosse verwüsteten Xanten in dieser Zeit zusätzlich. Als die Rheinüberquerung und die Eroberung Wesels im Zuge der [[Operation Plunder]] am 23./24. März 1945 gelang, war der Zweite Weltkrieg in Xanten beendet. Die Einwohnerzahl war von 5030 im November 1939 auf rund 2500 gesunken. Noch im April setzten die Briten einen kommissarischen Bürgermeister ein, der mit dem Aufbau einer provisorischen Verwaltung begann. === Xanten seit 1945 === Der Wiederaufbau Xantens und die detailgetreue Rekonstruktion des Xantener Doms, welche erst durch den Archäologen und Denkmalschützer [[Walter Bader]] realisiert werden konnte, dauerten bis 1966. Durch sich in Xanten ansiedelnde Flüchtlinge aus den verlorenen Ostgebieten stieg die Bevölkerung Xantens in dieser Zeit um beinahe 40 Prozent an. 1969 wurden im Zuge des 1. Neugliederungsprogramms in [[Nordrhein-Westfalen]] die Gemeinde [[Birten]] des Amtes [[Alpen (Gemeinde)|Alpen-Veen]] sowie die bis dahin selbstständigen Gemeinden [[Marienbaum]] und [[Wardt]] in die Stadt Xanten eingegliedert. Die Fläche der Stadt vergrößerte sich von 8 km² auf 72 km², die Einwohnerzahl von rund 7000 auf 16.000. Wirtschaftliche Grundlage blieb neben der wenig ausgeprägten Industrie die Landwirtschaft. Nach der Auflösung des [[Kreis Moers|Kreises Moers]] wurde Xanten 1975 dem neu gegründeten [[Kreis Wesel]] zugeordnet. Von September 1971 bis November 1989 war die [[Belgien|belgische]] 59. Staffel des 9. Missile Wing im Rahmen der [[NATO]]-Luftverteidigung in einer am Rand des Waldstücks ''Hees'' errichteten Kaserne stationiert. Die dazu gehörende ''launching area'' lag im Höhenzug Sonsbecker Schweiz, eine Radarstellung befand sich bei Marienbaum. 1997 wurde die ehemalige Kaserne zu einer Wohnanlage mit 43 öffentlich geförderten Mietwohnungen umgestaltet. Da Xanten als einzige ehemals römische Siedlung nördlich der [[Alpen]] nicht auf dem Gelände der ''Colonia'', sondern über deren Friedhof entstanden war, wurde 1977 der [[Archäologischer Park Xanten|Archäologische Park Xanten]] als teilweiser Wiederaufbau der römischen ''Colonia Ulpia Traiana'' eröffnet und touristisch erschlossen. Weiterhin wurden verschiedene historische Gebäude des Xantener Stadtkerns restauriert und an ''Xantener Südsee'' und ''Xantener Nordsee'', zwei durch einen Kanal verbundene Seen nahe der Ortschaften Wardt und Vynen, im Jahr 1982 das [[Freizeitzentrum Xanten]] eröffnet. Am 28. November 1988 erhielt Xanten, welches im selben Jahr von rund 800.000 Touristen besucht wurde, als erste Stadt im Regierungsbezirk Düsseldorf den Titel eines [[Erholungsort|Staatlich anerkannten Erholungsortes]]. Am 1. Januar 2010 ist Xanten zu einer [[Gemeinde (Deutschland)|Mittleren kreisangehörigen Stadt]] erhoben worden. Ein dementsprechender Beschluss wurde am 11. November 2008 vom Kabinett des Landes Nordrhein-Westfalen gefasst. === Demografie === Im Jahr 2002 zählte die Stadt bei 6276 in Xanten wohnenden [[Sozialversicherung]]spflichtigen 699 Arbeitslose und 3708 in Xanten beschäftigte Sozialversicherungspflichtige, von denen 104 (2,8 %) in der Landwirtschaft, 1269 (34,2 %) im verarbeitenden Gewerbe und 2335 (62,9 %) im Dienstleistungssektor tätig waren. ==== Bevölkerungsstruktur ==== <small>(Stand: 31. Dezember 2004)</small> {| border="1" cellspacing="0" | valign="top" | {| ! style="background:#efefef;" | Alter&nbsp; ! style="background:#efefef;" | &nbsp;Einwohner |- | align="right" | < 6 || align="right" | 1.118 |- | align="right" | 6–14 || align="right" | 2.411 |- | align="right" | 15–17 || align="right" | 838 |- | align="right" | 18–24 || align="right" | 1.486 |- | align="right" | 25–44 || align="right" | 5.941 |- | align="right" | 45–65 || align="right" | 5.710 |- | align="right" | > 65 || align="right" | 3.863 |} | valign="top" | {| ! style="background:#efefef;" colspan="2" | &nbsp;Einwohner gesamt |- | align="left" | Männlich || align="right" | 10.363 |- | align="left" | Weiblich || align="right" | 11.004 |- ! style="background:#efefef;" colspan="2" | &nbsp;davon Ausländer |- | align="left" | Männlich || align="right" | 633 |- | align="left" | Weiblich || align="right" | 512 |- ! colspan="2" | <small>(5,4 % der Einwohner)</small> |} | valign="top" | {| ! style="background:#efefef;" colspan="2" | &nbsp;Konfession |- | align="right" | katholisch || align="left" | 63,77 % |- | align="right" | evangelisch || align="left" | 19,98 % |- | align="right" | sonstige || align="left" | 16,25 % |} |} ==== Bevölkerungsentwicklung ==== Amtliche Einwohnerzahlen am 31. Dezember: {| border="1" cellspacing="0" | valign="top" | {| ! style="background:#efefef;" | Jahr&nbsp; ! style="background:#efefef;" | &nbsp;Einwohnerzahl |- | 1500¹ || align="right" | ca. 5.000 |- | 1721 || align="right" | 1.716 |- | 1765 || align="right" | 1.672 |- | 1784 || align="right" | 1.984 |- | 1817 || align="right" | 2.505 |- | 1828 || align="right" | 3.040 |- | 1885 || align="right" | 3.621 |- | 1939 || align="right" | 5.030 |- | 1945¹ || align="right" | ca. 2.500 |- | 1968¹ || align="right" | ca. 7.000 |- | 1969¹ || align="right" | ca. 16.000 |} | valign="top" | {| ! style="background:#efefef;" | Jahr&nbsp; ! style="background:#efefef;" | &nbsp;Einwohnerzahl |- | 1987 || align="right" | 16.013 |- | 1988 || align="right" | 16.097 |- | 1989 || align="right" | 16.497 |- | 1990 || align="right" | 16.930 |- | 1991 || align="right" | 17.041 |- | 1992 || align="right" | 17.504 |- | 1993 || align="right" | 17.798 |- | 1994 || align="right" | 18.691 |- | 1995 || align="right" | 18.902 |- | 1996 || align="right" | 19.319 |- | 1997 || align="right" | 19.868 |} | valign="top" | {| ! style="background:#efefef;" | Jahr&nbsp; ! style="background:#efefef;" | &nbsp;Einwohnerzahl |- | 1998 || align="right" | 20.199 |- | 1999 || align="right" | 20.443 |- | 2000 || align="right" | 20.575 |- | 2001 || align="right" | 20.841 |- | 2002 || align="right" | 20.979 |- | 2003 || align="right" | 21.281 |- | 2004 || align="right" | 21.367 |- | 2005 || align="right" | 21.477 |- | 2006 || align="right" | 21.586 |- | 2007 || align="right" | 21.571 |} |} <small>¹ nichtamtliche Angabe</small> == Mythen und Sagen == === Siegfried von Xanten === Der [[Nibelungenlied|Nibelungensage]] nach ist [[Siegfried der Drachentöter|Siegfried von Xanten]] nach Aufgabe der [[Colonia Ulpia Traiana]] in den Ruinen der Stadt geboren worden und regierte als König in Xanten das [[Niederland]]. {| | valign="top" | : &nbsp; : 19,1&nbsp; : &nbsp; : 19,2&nbsp; : &nbsp; : 19,3&nbsp; : &nbsp; : 19,4&nbsp; : &nbsp; | valign="top" | : <div style="background:#ffffff;">'''Mittelhochdeutsch'''</div> : Da wohs in nider landen : eins edeln kuniges chint : des vater der hiez Sigemvnt : sin mvter Sigelint : ineiner richen burge : witen wol bechant : nidene bi dem Rine : div was ze Santen genant | valign="top" | : <div style="background:#ffffff;">'''Übersetzung''' ([[Karl Joseph Simrock]])</div> : Da wuchs im Niederlande : eines edeln Königs Kind. : Siegmund hieß sein Vater : die Mutter Siegelind. : In einer mächt'gen Veste : weithin wohlbekannt, : Unten am Rheine : Xanten war sie genannt. |} Auch [[Hagen von Tronje]] wurde über den Namen der „Colonia Ulpia ''Traiana''“ und dem [[Niederrheinischer Trojamythos|Niederrheinischen Trojamythos]] mit Xanten in Verbindung gebracht. 2010 wurde im ehemaligen Xantener Regionalmuseum das neue Museum Nibelungen(h)ort eröffnet, das sich der Geschichte und der Rezeption der Nibelungensage widmet. === Viktor von Xanten === Der christliche Legionär [[Viktor von Xanten]] soll zusammen mit 330 weiteren Angehörigen der [[Thebaische Legion|Thebäischen Legion]] im [[4. Jahrhundert]] im [[Amphitheater]] ''Veteras'' hingerichtet worden sein. Viktor von Xanten gilt seitdem als Märtyrer und späterer Schutzpatron des über seiner vermuteten Grabstätte errichteten [[Xantener Dom|St. Viktor-Doms]]. Ähnlich der Legende [[Gereon von Köln|Gereons von Köln]] zählt auch zur Legende Viktors die [[Flavia Iulia Helena Augusta|Kaiserin Helena von Konstantinopel]], die die Gebeine des heiligen Viktor und seiner Legionäre geborgen und ihnen eine Kapelle errichtet haben soll. === Klein-Troia === ''Hauptartikel: [[Niederrheinischer Trojamythos]]'' Begründet durch den Namen der ehemaligen Colonia Ulpia Traiana, etablierten sich bis ins Mittelalter auch die Bezeichnungen ''Troia Minor'' ''(Klein-Troia)'' und ''Troia Francorum'' ''(fränkisches Troia)'' für Xanten. Um 1100 erzählte schließlich das [[Annolied]] von der Gründung Xantens durch die im [[Troianischer Krieg|Troianischen Krieg]] unterlegenen Troianer: {| | valign="top" | : &nbsp; : 389&nbsp; : 390&nbsp; : 391&nbsp; : 392&nbsp; : 393&nbsp; : 394&nbsp; : 395&nbsp; : 396&nbsp; | valign="top" | : <div style="background:#ffffff;">'''Mittelhochdeutsch'''</div> : Franko gesaz mit den sînin : vili verre nidir bî Rîni. : dâ worhtin si duo mit vroudin : eini luzzele Troii. : den bach hîzin si Sante : nâ demi wazzere in iri lante; : den Rîn havitin si vure diz meri. : dannin wuohsin sint Vreinkischiu heri. | valign="top" | : <div style="background:#ffffff;">'''Übersetzung''' (Eberhard Nellmann, [[Reclam-Verlag|Reclam]])</div> : Franko ließ sich mit den Seinigen : ganz in der Ferne am Rhein nieder. : Dort erbauten sie damals mit Freuden : ein kleines Troja. : Den Bach nannten sie Sante : nach dem Fluss ihrer Heimat. : Den Rhein nahmen sie statt des Meeres. : Dort wuchs seitdem das fränkische Volk. |} Noch als Xanten 1444 an das [[Herzogtum Kleve]] fiel, wurden schon im selben Jahr Münzen mit der Aufschrift ''„Joannes Troianorum Rex“'' ''(„Johannes, König der Troianer“)'' geprägt. == Politik == Die Stadt hatte 2003 bei 33.852.000&nbsp;€ Bruttoeinnahmen und 32.027.000&nbsp;€ Bruttoausgaben Schulden in Höhe von 9.579.000 €. === Stadtrat === <!--[[Bild:Stadtrat Xanten.JPG|thumb|Sitzverteilung im Stadtrat der Stadt Xanten nach der Kommunalwahl 2004]]--> Zum [[Bürgermeister]] der Stadt wurde 1999 mit 53,1 Prozent der Stimmen Christian Strunk ([[Christlich Demokratische Union Deutschlands|CDU]]) gewählt und 2004 sowie 2009 mit 53,8 Prozent beziehungsweise 46,7 Prozent der Stimmen in seinem Amt bestätigt. Die Sitzverteilung im [[Stadtrat]] nach den Ergebnissen der [[Kommunalwahl]]en (insgesamt 38 Sitze vor 2009, 32 Sitze seit 2009): {| ! style="background:#efefef; text-align: center;" | Partei ! style="background:#efefef; text-align: center;" | Sitze im Stadtrat<br />1999 ! style="background:#efefef; text-align: center;" | Wahlergebnis<br />1999 ! style="background:#efefef; text-align: center;" | Sitze im Stadtrat<br />2004 ! style="background:#efefef; text-align: center;" | Wahlergebnis<br />2004 ! style="background:#efefef; text-align: center;" | Sitze im Stadtrat<br />2009 ! style="background:#efefef; text-align: center;" | Wahlergebnis<br />2009 |- | [[Christlich Demokratische Union Deutschlands]] || style="text-align: right;" | 21 || style="text-align: right;" | 54,2 % || style="text-align: right;" | 19 || style="text-align: right;" | 50,2 % || style="text-align: right;" | 15 || style="text-align: right;" | 48,30 % |- | [[Sozialdemokratische Partei Deutschlands]] || style="text-align: right;" | 10 || style="text-align: right;" | 26,0 % || style="text-align: right;" | 9 || style="text-align: right;" | 23,6 % || style="text-align: right;" | 7 || style="text-align: right;" | 21,41 % |- | [[Freie Wähler|Freie Bürgerinitiative]] || style="text-align: right;" | 4 || style="text-align: right;" | 11,9 % || style="text-align: right;" | 5 || style="text-align: right;" | 13,8 % || style="text-align: right;" | 4 || style="text-align: right;" | 13,03 % |- | [[Bündnis 90/Die Grünen]] || style="text-align: right;" | 2 || style="text-align: right;" | 5,6 % || style="text-align: right;" | 3 || style="text-align: right;" | 8,5 % || style="text-align: right;" | 3 || style="text-align: right;" | 8,21 % |- | [[Freie Demokratische Partei]] || style="text-align: right;" | 1 || style="text-align: right;" | 2,3 % || style="text-align: right;" | 2 || style="text-align: right;" | 3,9 % || style="text-align: right;" | 2 || style="text-align: right;" | 5,87 % |- | [[Die Linke]] || style="text-align: right;" | – || style="text-align: right;" | – || style="text-align: right;" | – || style="text-align: right;" | – || style="text-align: right;" | 1 || style="text-align: right;" | 3,17 % |} === Städtepartnerschaften === Es bestehen [[Städtepartnerschaft]]en mit [[Geel]] in [[Belgien]] seit 1990, mit [[Saintes]] in [[Frankreich]] seit 2002 und seit dem 23. April 2006 mit der Stadt [[Salisbury]] in [[England]], die ebenfalls eine Partnerschaft mit Saintes unterhält. Die Partnerschaften mit Geel und Saintes begründen sich auf eine gemeinsame oder zumindest ähnliche Geschichte der Städte. So sind sowohl in Saintes als auch in Xanten Spuren römischer Besiedlung zu finden und auch die Ortsnamen nehmen jeder für sich in Anspruch ein „Ort der Heiligen“ zu sein - allerdings geht der Name von Saintes (lat. ''Mediolanum Santonum'') auf den keltischen Stamm der Santonen zurück. Mit Geel verbindet Xanten die Legende um den heiligen [[Gerebernus]], dessen Gebeine von „Räubern aus Xanten“ aus Geel entwendet worden sein sollen und so die Wallfahrt im benachbarten [[Sonsbeck]] begründeten. === Stadtwappen === [[Datei:Wappen von Xanten.svg|thumb|140px|Wappen<br />der Stadt Xanten]] Das Xantener [[Wappen|Stadtwappen]] zeigt auf silbernem Grund mit schwarzem Schildrand, der mit elf goldenen Münzen ([[Besant|Bezants]]) oder Kugeln belegt ist, zwei schwarze, schräg gekreuzte Schlüssel mit abgewendeten Schlüsselbärten und zwischen diesen ein gleichfarbenes kurkölnisches [[Kreuz (Symbol)|Kreuz]]. Die Schlüssel, welche in der gekreuzten Form erstmals im Schöffensiegel der Stadt aus dem Jahr 1303 belegbar sind, gehen wie das Kreuz auf das [[Kurköln|Erzbistum Köln]] zurück, welches diese als Attribute des Bistums-Schutzpatrons [[Simon Petrus|Petrus]] führte und zur Zeit der Verleihung der Stadtrechte die Herrschaft über Xanten besaß. Das auch als griechisches Kreuz interpretierbare Kreuz könnte ebenfalls auf die kurkölnische Teilnahme am [[4. Kreuzzug]] und entsprechend die Bezants („[[Solidus|Byzantiner]]“) im Schildrand auf einen besonders namhaften Beuteanteil nach der Erstürmung [[Konstantinopel]]s 1204 hinweisen. Doch werden die elf „Münzen“ meist als elf „Kugeln“ aufgefasst und auf die (sonst allerdings regelmäßig) drei Kugeln des heiligen [[Nikolaus von Myra#Ausstattung der drei Jungfrauen|Nikolaus von Myra]] im Schöffensiegel aus dem Jahr 1338 zurückgeführt. Der Schildrand als solcher ist von unbekannter Herkunft und erscheint erstmals in einem Wappen aus dem 16. Jahrhundert, die nahe Xanten beheimateten [[Bergh (Adelsgeschlecht)|Grafen von dem Bergh]] führten allerdings ebenfalls elf goldene Kugeln auf schwarzem Rand im Wappen.<br />Das Stadtwappen wurde 1953 genehmigt. == Kultur und Sehenswürdigkeiten == [[Datei:Xanten - Klever Tor 05 ies.jpg|thumb|Inneres [[Klever Tor]] an der ''Klever Straße'']] [[Datei:Xanten - Nordwall - Krimhildmühle 05 ies.jpg|thumb|Die [[Kriemhildmühle]]]] [[Datei:Xanten Mörmter - Kloster Mörmter 03 ies.jpg|thumb|[[Kloster Mörmter]]]] [[Datei:Burginatiumtor Xanten.jpg|thumb|Rekonstruiertes Stadttor im [[Archäologischer Park Xanten|Archäologischen Park]]]] [[Datei:Rathaus Xanten rIMG 5475 (2).jpg|thumb|Rathaus am Markt]] [[Datei:Xanten - Karthaus - Karthaus 01 ies.jpg|thumb|[[Karthaus Xanten|Karthaus]]]] [[Datei:Xanten - Klever Straße-Kurfürstenstraße 01 ies.jpg|thumb|Das früher die Stadt teilende Mitteltor]] [[File:Xanten - Südsee - Freizeitzentrum 03 ies.jpg|thumb|Xantener Südsee mit [[Freizeitzentrum Xanten|Freizeitzentrum]]]] [[Datei:Bislicher Insel Wasser.jpg|thumb|Das Naturschutzgebiet [[Bislicher Insel]]]] [[Datei:Xanten Marienbaum - Uedemer Hochwald 01 ies.jpg|thumb|Im [[Uedemer Hochwald]]]] === Sehenswürdigkeiten === Von der römischen Vergangenheit Xantens zeugen heute der [[Archäologischer Park Xanten|Archäologische Park Xanten (APX)]] und das Amphitheater in Birten. Erstgenannter ist der teilweise Wiederaufbau der im Jahr 275 zerstörten und als [[Tricensimae]] wiedererrichteten [[Colonia Ulpia Traiana]]. Weitere Teile des APX sind die außerhalb des eigentlichen Parks gelegenen und mit einem Glas-Stahl-Bau versehenen Überreste der „Großen Thermen“ mit dem Römermuseum, in dem zumeist Funde aus der römischen Geschichte Xantens ausgestellt sind. Das Amphitheater in Birten stellt den einzig rekonstruierten Teil des Legionslagers [[Vetera]] dar. Von der mittelalterlichen Blütezeit Xantens zeugt vor allem der gotische [[Xantener Dom|St.-Viktor-Dom]] mit der [[Stiftsbibliothek Xanten|Stiftsbibliothek]] und dem Dommuseum, das reiche Kunstschätze ausstellt. Ab 1263 erbaut, gilt St. Viktor als ''„Größter Dom zwischen [[Kölner Dom|Köln]] und dem Meer“''. Der Dom, das [[Klever Tor]], die [[Kriemhildmühle]] und ihr Gegenstück, die Siegfriedmühle, sowie das [[Karthaus Xanten|Karthaus]] und weitere historische Gebäude prägen das Bild des mittelalterlichen Stadtkerns. Von der einstigen Stadtbefestigung sind neben den bereits genannten ein Mauerturm am Westwall, der Meerturm, ein Rundturm am Westwall, der Schweineturm und ein Rundturm am Nordwall erhalten geblieben, die während des 18. Jahrhunderts zumeist umgestaltet wurden. Das 1392 erbaute Mitteltor zeugt noch heute von der einstigen Teilung Xantens in den nördlichen, klevischen und den südlichen, kurkölnischen Teil der Stadt. Von der im 10. Jahrhundert im Bereich der Stiftsimmunität errichteten Bischofsburg sind heute nur noch wenige Mauerreste erhalten. Der als Eckturm der Immunität errichtete Romanische Turm aus dem 11. Jahrhundert ist heute Teil der Xantener Marienschule. Das um 1540 erbaute Gotische Haus gilt als herausragendes Beispiel der spätgotischen Baukunst am Niederrhein. Es beschreibt anschaulich, durch sein original erhaltenes Holzwerk (Balkendecken und Dachstuhl), die aktive [[Denkmalpflege]] in Xanten. Das Arme-Mägde-Haus aus dem späten 16. Jahrhundert wurde errichtet, um den im Viktorstift arbeitenden Frauen ein Heim für ihren Lebensabend zu geben; direkt gegenüber dem Arme-Mägde-Haus steht ein Gotischer Treppengiebel aus dem 15. Jahrhundert. Neben der gotischen Architektur sind unter anderem mit Rokokofassaden an Gebäuden aus dem 18. und 19. Jahrhundert, dem barocken Pavillon am östlichen Eckpunkt der Immunität und dem Renaissance-Erker von 1634 weitere Baustile erhalten geblieben. Die 1648/49 an der Südecke der Stiftsimmunität erbaute evangelische Kirche blieb bis heute namenlos. Den Kirchturm mit seiner geschweiften Haube erhielt die Kirche erst 1662. Die Michaelskapelle wurde zwischen 1472 und 1478 auf das um 1000 errichtete Südportal der Stiftsimmunität aufgesetzt. Die Fürstenbergkapelle wurde 1671 erbaut und erinnert an das [[Kloster Fürstenberg|Benediktinerkloster Fürstenberg]], das fast 500 Jahre Bestand hatte und 1586 zerstört wurde. Das heutige Rathaus der Stadt wurde ursprünglich als Kapuzinerkloster errichtet. Die Viktorstatue auf dem erhöhten Standort eines staufischen Kapitells an der einstigen Gerichtsstätte des Domkapitels wurde 1468 zu Ehren [[Viktor von Xanten|Viktors von Xanten]] entworfen. Den Obelisk de Pauw ließ [[Napoléon Bonaparte|Napoléon]] 1811 zu Ehren [[Cornelius de Pauw]]s errichten. Zahlreiche Brunnen und Pumpen existieren im Stadtgebiet, wie die Marktpumpe aus dem Jahr 1736 und der an [[Norbert von Xanten]] erinnernde Norbertbrunnen. Die ''Alte Kornbrennerei'' ist das einzige erhaltene Denkmal der Xantener Industriegeschichte des 19. Jahrhunderts. 1853 wurde die Anlage als Ölmühle erbaut und 20 Jahre später zur Dampfkornbrennerei umgerüstet. 2010 wurde im ehemaligen Xantener Regionalmuseum das neue Museum Nibelungen(h)ort eröffnet, das sich der Geschichte und der Rezeption der [[Nibelungensage]] widmet. Aber auch in den Xantener Ortsteilen gibt es weitere Sehenswürdigkeiten. So wurde nahe der Ortschaft Birten mit der Wasserburg [[Burg Winnenthal|Winnenthal]] die älteste erhaltene Wasserburg des Niederrheins errichtet; das Gnadenbild der Maria in der Wallfahrtskirche [[St. Mariä Himmelfahrt (Marienbaum)|St. Mariä Himmelfahrt]] zieht noch heute jährlich 15.000 Wallfahrer in den Ortsteil Marienbaum. === Freizeit und Natur === Das ab 1979 errichtete [[Freizeitzentrum Xanten|Freizeitzentrum Xanten (FZX)]] ist ein Naherholungszentrum bestehend aus der Xantener Nordsee und der Xantener Südsee mit dem Nibelungenbad, den Freizeithäfen in Wardt und Vynen, einer Wasserski-Anlage und einem Hochseilgarten sowie einer Vielzahl weiterer Angebote. Das zu Teilen im Stadtgebiet gelegene Naturschutzgebiet [[Bislicher Insel]] ist eine der wenigen Auenlandschaften Deutschlands, welche zu den wichtigsten Winterquartieren arktischer Gänse zählt und die einzige Biber-Population des Niederrheins beherbergt. Weiterhin liegen die Naturschutzgebiete [[Fürstenberg (Xanten)|Fürstenberg]] und [[Gut Grindt und Rheinaue]] sowie Teile der Naturschutzgebiete [[Grenzdyck]], [[Reeser Schanz]] und [[Uedemer Hochwald]] im Stadtgebiet. Der auf dem [[Fürstenberg (Xanten)|Fürstenberg]] gelegene „Garten Krautwig“ zeigt auf 1,5 Hektar eines 130 Jahre alten Bauernhofs einen Innenhof mit Myrthen und Buchs, einen Kräuter- und einen Staudengarten. Esskastanien, ein Teich und viele, teils seltene Rosen runden den an der [[Straße der Gartenkunst zwischen Rhein und Maas]] liegenden Garten ab. Xanten ist Ausgangspunkt der Radfernwege [[Römerroute]] und [[Via Romana]], Station der [[2-Länder-Route]], der [[NiederRheinroute]] und des [[Rheinradweg]]s sowie Station des [[Europäischer Fernwanderweg E8|Europäischen Fernwanderwegs E8]]. === Aufführungen und Ausstellungen === In der rekonstruierten Arena des Archäologischen Parks und auf der Freilichtbühne des ehemaligen Veteras richtet die Arena-Theater GmbH jährlich die [[Xantener Sommerfestspiele]] aus. Diese zeichnen sich durch ein jährlich wechselndes Programm aus Ballett, Musicals und Opern aus und finden meist von Juni bis August statt. 2006 werden die Sommerfestspiele zum 24. Mal ausgerichtet, unter anderem mit den Opern [[Il Trovatore]] und [[La Traviata]]. Im Rahmen der Sommerfestspiele werden seit 2003 zudem Theaterstücke wie [[Jedermann]] vor der Kulisse des Xantener Doms aufgeführt. Begründet durch den Erfolg der Sommerfestspiele etablierte sich die Arena des Archäologischen Parks auch abseits der Festspiele als Veranstaltungsort insbesondere für Konzerte und Musicals. Im Inneren des Xantener Doms finden monatlich klassische Domkonzerte statt; vor der Kulisse des Klever Tors wird jährlich das so genannte ''Siegfriedspektakel'' ausgerichtet. Die Bühne im Nibelungenbad des Freizeitzentrum Xanten hingegen dient zumeist Comedians als Auftrittsort. Der 1996 gegründete ''Verein Stadtkultur Xanten e.V.'' widmet sich der Förderung von Kunst und Kultur in Xanten und zählte 2007 rund 100 Mitglieder. Unter anderem veranstaltet der Verein regelmäßig Ausstellungen, Vorträge, zeitgenössische Tanz- und Theateraufführungen sowie Diskussionsrunden, fördert die Erweiterung der Stadtbücherei und unterstützt Heimatpflege, Heimatkunde und Sport im Stadtgebiet. === Volksfeste === Im Archäologischen Park wird jährlich der „Tag der Begegnung“ begangen. 1998 erstmals stattfindend lockt dieses größte Volksfest seiner Art in Deutschland inzwischen über 20.000 behinderte und nichtbehinderte Menschen auf das Gelände des APX. Der Tag der Begegnung geht auf eine Initiative des [[Landschaftsverband Rheinland|Landschaftsverbands Rheinland]] zurück, der damit auf ein Urteil des Oberlandesgerichtes Köln vom 8. Januar desselben Jahres reagierte. Dieses hatte in Folge einer Klage wegen Lärmbelästigung durch eine Wohnsiedlung behinderter Menschen festgestellt ''„Bei den Lauten, die die geistig schwerbehinderten Heimbewohner von sich geben, ist der „Lästigkeitsfaktor“ besonders hoch“''. Für ''„mehr Akzeptanz und ein normales Miteinander zwischen Behinderten und Nicht-Behinderten“'' wurde daraufhin der Tag der Begegnung ins Leben gerufen, bei dem beispielsweise 2003 auch [[Die Prinzen]] auftraten. Der jährlich von Ende November bis zum letzten Adventssonntag vor Heiligabend auf dem „Kleinen Markt“ stattfindende Weihnachtsmarkt profitiert vor allem von der Atmosphäre des mittelalterlichen Stadtbilds. Ebenfalls jährlich wird die Xantener [[Jahrmarkt|Kirmes]] auf dem „Großen“ und dem „Kleinen Markt“ ausgerichtet. Sie findet immer vom Fronleichnams-Donnerstag bis zum darauf folgenden Montag statt. In jedem zweiten Jahr findet am Tag vor Rosenmontag der [[Karneval]]s-Umzug im Xantener Stadtkern statt. Dieser wird ''„Blutwurstsonntags“''zug genannt, da traditionell vom letzten Wagen des Umzugs (verpackte) Blutwurststücke als Wurfgeschosse den Zuschauern zugeworfen werden. Weiterhin werden auf dem Gelände des FZX jährlich das Oktoberfest und ähnliche Feste veranstaltet. === Brauchtum === Zum traditionellen Brauchtum der Stadt Xanten zählt insbesondere die alle 25 Jahre stattfindende „Viktortracht“ genannte Prozession, in der der Domschatz feierlich durch die Stadt getragen wird (zuletzt 1991). Weiterhin findet jährlich das so genannte Turmblasen statt, in dessen Rahmen an Heiligabend auf den Türmen des St. Viktor-Doms weihnachtliche Blasmusik gespielt wird. Ein von vielen Xantener Bürgern gepflegter Brauch spiegelt sich in den vielen vorhandenen [[Pumpennachbarschaft]]en und den damit verbundenen Straßenfesten wider. In Xanten existieren drei Bruderschaften, die St. Victor Bruderschaft Xanten e.V., sie nennt als Gründungsjahr 1393 und wird im Jahre 1400 erstmalig in den Rentenverzeichnissen der Stadt erwähnt, sowie die St. Helena Schützenbruderschaft Xanten e.V., sie ist die älteste, erwähnte Schützenbruderschaft der Stadt, sowie die Schützengesellschaft. Alle drei Vereine blicken auf eine lange Tradition und eine verbundene Gemeinschaft in Xanten hin. === Sport === Mit rund 2500 Mitgliedern stellen die [[TuS Xanten|Turn- und Sportfreunde Xanten 05/22]] den größten Sportverein im Stadtgebiet dar. Jährlich richtet der Verein die überregional bedeutenden Sportveranstaltungen [[Nibelungen-Triathlon]] und „Internationaler Xantener Citylauf“ aus. Der „Stadtsportverband Xanten e.V.“ umfasst als lokaler Dachverband 32 Vereine, von denen neben TuS Xanten vor allem die Breitensportvereine DJK Eintracht Wardt, SSV Rheintreu Lüttingen, SV Viktoria Birten und SV Vynen-Marienbaum zu nennen sind. Daneben existieren unter anderem drei Tennisvereine, zwei Bogenschützenvereine, ein Tauchclub und ein Basketballverein. == Wirtschaft und Infrastruktur == === Gewerbebetriebe === Die Stadt Xanten verfügt über zwei Gewerbegebiete, den ''„Gewerbepark Sonsbecker Straße“'' mit einer Fläche von 110.623 m² in Xanten sowie das ''„Gewerbegebiet Birten“'' mit einer Fläche von 98.907 m². Zu den nennenswerten Unternehmen zählen die ''„Wessel GmbH“'' (Kessel- und Apparatebau) und die ''„Schwartz GmbH“'' (Spezialkunststoffe). Im Bereich des Hoch- und Tiefbau waren 2002 17 Unternehmen im Stadtgebiet vertreten. Über 140 Xantener Handels-, Handwerks- und Gewerbebetriebe sind in der ''„Interessengemeinschaft Gewerbetreibender Xanten“'' organisiert. === Tourismus === [[Datei:Muenze gepraegt Xanten.jpg|thumb|Eine Centmünze, wie sie Touristen in Xanten überprägen lassen können.]] Jährlich besuchen rund 800.000 Touristen die Stadt, zumeist wegen des historischen Stadtkerns, des [[Archäologischer Park Xanten|Archäologischen Parks]] oder des [[Freizeitzentrum Xanten|Freizeitzentrums]]. Letztgenannte stellen zugleich die wichtigsten Arbeitgeber im Bereich Tourismus dar. 2003 bestanden neben zahlreichen Gastronomiebetrieben zehn Herbergen mit 358 Betten. Diese verbuchten bei 23.903 Gästen 43.601 Übernachtungen. Rund 7000 dieser Mehrtagestouristen besuchten die durch die ''Arena-Theater GmbH'' jährlich ausgerichteten [[Xantener Sommerfestspiele|Sommerfestspiele]]. Zur Förderung des Tourismus steht derzeit die Einrichtung eines weiteren Freizeithafens als Teil des Freizeitzentrums an der ''Xantener Südsee'' zur Diskussion. Ebenfalls geplant ist die Erweiterung des Archäologischen Parks, der daraufhin das gesamte Areal der ehemaligen Colonia Ulpia Traiana umfassen soll. Derzeit durchquert die Bundesstraße 57 das Gelände und trennt dabei unter anderem die Überreste der ''Großen Thermen'' vom Rest des Parks. Xanten gehört zum Fördergebiet des ''Regionalen Wirtschaftsförderungsprogramms'' (RWP), durch das bestimmte gewerbliche Neuansiedlungen, Betriebserweiterungen und sonstige Investitionen in die touristische Wirtschaft gefördert werden. Insbesondere bei Investitionen im Bereich des Gastgewerbes sind finanzielle Zuschüsse durch das RWP möglich. === Medien === Die Tageszeitungen [[Neue Rhein Zeitung]] und [[Rheinische Post]] sowie die zweimal wöchentlich erscheinenden „Niederrhein-Nachrichten“ unterhalten Lokalredaktionen in Xanten. Weiterhin erscheinen wöchentlich die Lokalzeitung ''„Der Xantener“'' und quartalsweise das Magazin ''„Xanten Live“''. Die Verlage ''„Live Magazine Verlagsgesellschaft“'', ''„Organischer Landbau Verlagsgesellschaft“'' und ''„Verlag Focus Rostfrei“'' haben ihren Sitz in Xanten. === Öffentliche Einrichtungen === ==== Ämter ==== Die Außenstelle Xanten des [[Rheinisches Amt für Bodendenkmalpflege|Rheinischen Amts für Bodendenkmalpflege]] ist für ein Gebiet von insgesamt 3812,5 km² bestehend aus den Kreisen Kleve, Wesel und Viersen und den kreisfreien Städten Duisburg, Essen, Krefeld, Mönchengladbach, Mülheim an der Ruhr und Oberhausen verantwortlich. ==== Bildungseinrichtungen ==== In Xanten existieren 13 [[Kindergarten|Kindergärten]], die ''„Gemeinschafts[[grundschule]] Viktor“'' in Xanten sowie vier katholische Grundschulen in den Ortschaften Birten, Lüttingen ''(„Hagelkreuzschule“)'', Marienbaum ''(„Marienschule“)'' und Vynen ''(„Martinschule“)''. Weiterführende Schulen sind die ''„Gemeinschafts[[hauptschule]] Xanten“'', die ''„[[Walter Bader|Walter-Bader]]-[[Realschule]]“'', die private Mädchen-Realschule ''„Marienschule“'' sowie das ''„[[Städtisches Stiftsgymnasium Xanten|Städtische Stiftsgymnasium Xanten]]“''. Zudem bestehen im ''„[[Engelbert Humperdinck|Engelbert-Humperdinck]]-Förderzentrum für Lernbehinderte und Erziehungshilfe“'' eine Sonderschule und im ''„Placidahaus Xanten“'' ein [[Berufskolleg]] der katholischen Propsteigemeinde. Außerdem besteht eine [[Volkshochschule]] in Gemeinschaft mit den Nachbargemeinden Alpen, Rheinberg und Sonsbeck. Die ''„Stadtbücherei Xanten“'' ist mittwochs bis samstags geöffnet. Die durch eine Initiative der [[Universität Duisburg-Essen|Universität-Gesamthochschule Duisburg]] entstandene Niederrhein Akademie/Academie Nederrijn zur Erforschung der Geschichte und Kultur des Niederrheins hat ihren Sitz in Xanten. ==== Medizinische Einrichtungen, Seniorenheime ==== Die medizinische Versorgung wird durch das ''„Sankt Josef-Hospital“'' mit 159 Betten gewährleistet. Zudem unterhalten fünf Ärzte für [[Allgemeinmedizin]], elf [[Facharzt|Fachärzte]] und sieben [[Zahnarzt|Zahnärzte]] in Xanten ihre Praxen. Es existieren fünf [[Apotheke]]n. Die [[Sozialpsychiatrische Initiative Xanten]] betreibt in Xanten und Wesel unter anderem Einrichtungen zum betreuten Wohnen, sozialpsychiatrische Zentren und das „Institut für Systemische Forschung und Therapie“. In Xanten werden drei [[Altenheim|Seniorenheime]] betrieben. Diese sind das ''„Evangelische Altenzentrum“'' am Stadtpark, das katholische ''„Elisabeth-Haus“'' in der Nähe des Fürstenbergs und die ''„Seniorenresidenz [[Burg Winnenthal]]“'' bei Birten. === Verkehr === ==== Fernstraßen ==== Eine eigene Autobahnanbindung existiert nicht, jedoch ist Xanten durch die Anschlussstellen 5 (Sonsbeck) und 6 (Alpen) der [[Bundesautobahn 57]] ([[Liste der Europastraßen#E26 bis E50|E 31]]) an das Fernstraßennetz angebunden. Die [[Bundesstraße 57]] durchquert das Stadtgebiet in Nord-Süd-Richtung. ==== Öffentlicher Personennahverkehr ==== Xanten verfügt über einen Bahnhof in der Nähe des Stadtzentrums an der [[Niederrheinstrecke]] ([[Liste der deutschen Kursbuchstrecken#Region Nordrhein-Westfalen .28400 bis 499.29|KBS 498]]), auf der die [[Liste der SPNV-Linien in NRW#Linien 30–39|Regionalbahn&nbsp;„Der&nbsp;Niederrheiner“&nbsp;(RB&nbsp;31)]] Xanten–[[Moers]]–[[Duisburg]] verkehrt. Der von Xanten weiter nach [[Kleve]] führende Abschnitt der Eisenbahnstrecke ([[Hippeland-Express]]) ist seit 1990 außer Betrieb, die früher nach [[Goch]] beziehungsweise Wesel führende Strecke ([[Boxteler Bahn]]) ist abgebaut. Durchgeführt wird der Schienenpersonennahverkehr von der [[NordWestBahn]] (NWB), welche Dieseltriebwagen vom Typ [[LINT 41]] in Einzel- und Doppeltraktion einsetzt. Im [[Öffentlicher Personennahverkehr#Straßenpersonennahverkehr (ÖSPV)|Straßenpersonennahverkehr]] besteht eine [[Städteschnellbus|Schnellbus]]-Verbindung (SB 6) mit der Kreisstadt Wesel, sowie weitere Buslinien nach Kleve (44), Geldern (36), sowie Stadtbusse, welche die einzelnen Ortsteile von Xanten mit dem Zentrum verbinden. Für den gesamten [[Öffentlicher Personennahverkehr|ÖPNV]] gilt der Tarif der [[Verkehrsgemeinschaft Niederrhein]] und tarifraumüberschreitend der [[NRW-Tarif]]. ==== Schiffsverkehr ==== Neben dem bei [[Rhein]]kilometer 823 betriebenen Anleger, den auch die Fahrgastschiffe ''„Stadt Rees“'', ''„Rheinkönigin“'' und ''„River Lady“'' nutzen, verbindet die Personenfähre ''„Keer Tröch II“'' von Palmsonntag bis Ende Oktober mittwochs, freitags, samstags, sonntags und feiertags von 10 Uhr bis 19 Uhr, ab 1. Oktober bis 18 Uhr die Stadt Xanten mit dem [[Wesel]]er Stadtteil [[Bislich]]. Diese Fährverbindung wurde bereits im 12. Jahrhundert als regelmäßige Verbindung erwähnt. == Persönlichkeiten == === Ehrenbürger === Die Stadt Xanten und die bis 1969 selbständigen Gemeinden Marienbaum und Wardt verliehen folgende [[Ehrenbürger]]schaften: ''(Jahreszahlen geben das Jahr der Verleihung an)'' * 1926, Langenberg (†), Pfarrer * 1928, Günter van Endert († 1958), Politiker (Landrat) * 1960, [[Heinrich Hegmann]] († 1970), Politiker (Landtagsabgeordneter) * 1962, [[Margarete Underberg]] († 1986), Unternehmerin * 1963, Matthias Kempkes († 1964), Pfarrer * 1977, [[Walter Bader]] († 1986), Archäologe und Denkmalschützer * 1999, Heinz Trauten, Politiker (Stadtdirektor a.D.) === Söhne und Töchter der Stadt === [[Datei:Xanten - Nordwall - Siegfried 01 ies.jpg|thumb|Relief ''Siegfried in Xanten'' am Nordwall]] Folgende Personen wurden in Xanten oder den Xantener Ortsteilen geboren: ''(Jahreszahlen geben das Geburtsjahr an)'' * Im [[Nibelungenlied]] wird Xanten als Geburtsort und Sitz [[Siegfried der Drachentöter|Siegfried von Xantens]] erwähnt, der Namensdeutung nach wird auch für [[Hagen von Tronje]] Xanten als Herkunft angenommen * 1080/85, [[Norbert von Xanten]] († 1134), Heiliger, Erzbischof von Magdeburg und Gründer des [[Prämonstratenser]]ordens * 1230, [[Gottfried Hagen]] († 1299), Kölner Stadtschreiber * 1411, [[Gert van der Schuren]] († 1496), Sekretär und Chronist der Herzöge von Kleve * 1767, [[Philipp Houben]] († 1855), Altertumsforscher * 1794, [[Diederich Franz Leonhard von Schlechtendal]] († 1866), Botaniker * 1813, [[Cornelius Heinrich Scholten]] († 1851), Historiker und Politiker * 1828, [[Georg Bleibtreu]] († 1892), Schlachtenmaler * 1829, [[Johannes Janssen]] († 1891), Historiker * 1853, [[Leopold Wilhelmi]] († 1904), Jurist und Statistiker * 1868, [[Otto Schmitz-Hübsch]] († 1950), Obstbaupionier und Züchter * 1885, [[Heinrich Hegmann]] († 1970), Politiker * 1929, [[Kaspar Elm]], Kirchenhistoriker * 1935, [[Reinhart Maurer]], Philosoph * 1952, [[Karl Timmermann]], Musiker * 1958, [[Klaus Evertz (Künstler)|Klaus Evertz]], Kunsttherapeut * 1963, [[Klaus Girnus]], Künstler * 1969, [[Anne Gesthuysen]], Fernsehmoderatorin * 1974, [[Dorothe Ingenfeld]], Opernsängerin === Weitere Personen mit Bezug zur Stadt === [[Datei:Xanten Marienbaum - Maria von Burgund 01 ies.jpg|miniatur|Denkmal für Maria von Burgund in Marienbaum]] Folgende Personen lebten und wirkten in Xanten oder sind auf andere Weise mit Xanten verbunden: ''(Jahreszahlen geben das Geburtsjahr an)'' * um 45 v. Chr., [[Marcus Caelius]] († vermutlich 9 n. Chr.), [[Centurio]] der römischen [[Legio XVIII]] * Der heilige [[Viktor von Xanten]] war der Überlieferung zufolge [[Präfekt (Römisches Reich)|Praefectus cohortis]] der [[Thebaische Legion|Thebäischen Legion]], der zusammen mit dem heiligen [[Mallosus]] und weiteren bei Xanten das Martyrium erlitt * Die Gebeine des heiligen [[Gerebernus]] gelangten der Überlieferung zufolge durch „Räuber aus Xanten“ ins heutige Sonsbeck * 6. Jh., [[Everigisil]], Bischof von Köln, ließ die erste Kirche im heutigen Stadtgebiet errichten * um 1055, Graf [[Hermann III. von Hochstaden]] († 1099), Erzbischof von Köln, Propst in Xanten * 11. Jh., [[Gebhard III. von Zähringen]] († 1110), Bischof von Konstanz, Propst in Xanten * um 1098, Graf [[Arnold II. von Wied]] († 1156 in Xanten), Erzbischof von Köln * um 1120, [[Rainald von Dassel]] († 1167), Erzbischof von Köln, Propst von Xanten * 12. Jh., [[Otto I. von Geldern]] († 1215), Bischof von Utrecht, Propst in Xanten * 14. Jh., [[Reinhard von Hanau (Kleriker)|Reinhard von Hanau]] († 1369), Kleriker, Propst in Xanten * 14. Jh., [[Hugo von Hervorst]] († 1399), Generalvikar, Propst in Xanten * 1405, [[Pius II.]] († 1464), Papst, Propst in Xanten * vor 1424, [[Arnold Heymerick]] († 1491 in Xanten), päpstlicher Abbreviator, Dekan in Xanten * 1457, [[Maria von Burgund]] († 1482), Herzogin von Burgund, Gründerin des Marienbaumer Birgittenklosters * 1503, [[Johannes Gropper]] († 1559), Theologe, Dekan in Xanten * 1519, [[Kaspar Gropper]] († 1594), Theologe, Dekan in Xanten * 1520, [[Stephanus Winandus Pighius]] († 1604 in Xanten), Humanist * 1562, Herzog [[Johann Wilhelm (Jülich-Kleve-Berg)|Johann Wilhelm von Jülich-Kleve]] († 1609), Bischof von Münster, Propst in Xanten * 1590, [[Werner Techenmacher]] († 1638 in Xanten), Theologe * 1630, [[Johann von Alpen]] († 1698), Generalvikar, Propst in Xanten * 1739, [[Cornelis de Pauw]] († 1799 in Xanten), Kulturphilosoph * 1803, [[Wilhelm Josef Sinsteden]] († 1891 in Xanten), Mediziner und Physiker * 1854, [[Engelbert Humperdinck]] († 1921), Komponist, lebte zeitweise in Xanten * 1885, [[Josef Hehl]] († 1953 in Xanten), Keramikkünstler * 1887, [[Otto Marx (Maler)|Otto Marx]] († 1963), Maler, lebte zeitweise in Xanten * 1896, [[Carl Josef Barth]] († 1976), Maler, lebte zeitweise in Xanten * 1889, [[Mathilde Gantenberg]] († 1975), Politikerin, Studienrätin in Xanten * 1890, [[Ludwig Benninghoff]] (†1966), Schriftsteller und Dramaturg, verbrachte seine letzten Lebensjahre in Xanten * 1900, [[Emil Barth (Schriftsteller)|Emil Barth]] († 1958), Schriftsteller, lebte zeitweise in Xanten * 1901, [[Harald Braun]] († 1960 in Xanten), Regisseur * 1901, [[Walter Bader]] († 1986 in Xanten), Archäologe und Denkmalschützer * 1924, [[Herbert Zangs]] († 2003 in Krefeld), Künstler, lebte zeitweilig in Xanten * 1929, [[Werner Böcking]], archäologischer Zeichner, wohnhaft in Xanten * 1929, [[Willi Fährmann]], Jugendbuchautor, wohnhaft in Xanten * 1932, [[Heinrich Janssen]], Weihbischof mit Sitz am Xantener Dom * 1943, [[Alfred Wittinghofer]], Chemiker, Abitur in Xanten * 1943, [[Dieter Geuenich]], Historiker, ehem. Direktor der ''Niederrhein-Akademie'' in Xanten und Herausgeber der ''Xantener Vorträge'' * 1943, [[Ilse Falk]], Politikerin, MdB, wohnhaft in Xanten * 1956, [[Tom Fährmann]], Kameramann, Abitur in Xanten * 1958, [[Paul Schönewald]], Kunsthändler, zeitweitse in Xanten tätig * 1959, [[Michael Blaszczyk]], Künstler, wohnhaft in Xanten * 1960, [[Armin Reutershahn]], Fußballspieler und -trainer, ehemals bei TuS Xanten * 1961, [[Thomas Brezinka]], Musikwissenschaftler und Dirigent, Leiter der Dom-Musikschule * 1961, [[Ulrich Moennig]], Philologe, Abitur in Xanten * 1962, [[Hubertine Underberg-Ruder]], Unternehmerin, Abitur in Xanten * 1969, [[Jens Petersen (Jurist)|Jens Petersen]], Jurist, Abitur in Xanten * 1970, [[Marc-Oliver Hendriks]], Rechtswissenschaftler, Abitur in Xanten * 1971, [[Nicola Ransom]], Schauspielerin, Abitur in Xanten * 1971, [[Suzie Kerstgens]], Sängerin, Abitur in Xanten * 1979, [[Ina Reinders]], Triathletin, ehemals bei TuS Xanten == Einzelnachweise == <references/> == Literatur == * Clive Bridger, Frank Siegmund: ''Die Xantener Stiftsimmunität. Grabungsgeschichte und Überlegungen zur Siedlungstopographie.'' In: Beiträge zur Archäologie des Rheinlandes. Rheinische Ausgrabungen 27, Rheinland-Verlag, Köln 1987, S. 63-133. * Michael Brocke: ''Xanten – Fund im Lapidarium''. Erschienen in: Salomon Ludwig Steinheim-Institut für Deutsch-Jüdische Geschichte Duisburg (Hrsg.): ''Kalonymos – Beiträge zur deutsch-jüdischen Geschichte aus dem Salomon Ludwig-Institut der Universität Duisburg–Essen'', 9. Jahrgang Ausgabe 3. Salomon Ludwig Steinheim-Institut, Duisburg 2006, S. 10–12, {{ISSN|1436-1213}}. * [[Dieter Geuenich]] (Hrsg.): ''Xantener Vorträge zur Geschichte des Niederrheins.'' Band 2ff. Univ. Duisburg, Duisburg 1994ff. ([http://www.uni-duisburg-essen.de/inkur/xanten.php Die Beiträge der Reihe werden als Einzelhefte und in Sammelbänden publiziert]) * [[Friedrich Gorissen]] (Hrsg.): ''Florilegium Xantense. Xanten in der Literatur von 1464–1892''. Rheinland-Verlag, Köln 1984, ISBN 3-7927-0808-6 * Heike Hawicks: ''Sanctos – Xantum – Troia. Zum Einfluss ottonisch-byzantinischer Beziehungen auf die Toponymie im Xantener Raum''. Erschienen in: Uwe Ludwig, Thomas Schilp (Hrsg.): ''Mittelalter an Rhein und Maas. Beiträge zur Geschichte des Niederrheins'' (= Studien zur Geschichte und Kultur Nordwesteuropas 8), S. 27–41. Waxmann, Münster/New York/München/Berlin 2004, ISBN 3-8309-1380-X * Heike Hawicks: ''Xanten im späten Mittelalter. Stift und Stadt im Spannungsfeld zwischen Köln und Kleve'' (= Rheinisches Archiv 150). Verlag Böhlau, Köln 2007, ISBN 3-412-02906-8 * Hermann Hinz: ''Xanten zur Römerzeit.'' Th. Gesthuysen, Xanten 1960, W. Renckhoff, Duisburg-Ruhrort 1963, Th. Gesthuysen, Xanten 1967, Dombuchhandlung, Xanten 1971, 1973, 1976 (6. Auflage). * Dieter Kastner: ''750 Jahre Stadt Xanten. Ausstellung der Stadt Xanten und der Archivberatungsstelle Rheinland''. Rheinland-Verlag, Köln 1978, ISBN 3-7927-0425-0 * Julia Obladen-Kauder: ''Spurensuche in Xanten'' (= Führer zu archäologischen Denkmälern im Rheinland 3). Rheinischer Verein für Denkmalpflege und Landschaftsschutz, Köln 2005, ISBN 3-88094-927-1 * Thomas Otten: ''Die Ausgrabungen unter St. Viktor zu Xanten – Dom und Immunität'' (= Rheinische Ausgrabungen 53). Zabern, Mainz 2003, ISBN 3-8053-3148-7 * Ingo Runde: ''Xanten im frühen und hohen Mittelalter. Sagentradition – Stiftsgeschichte – Stadtwerdung'' (= Rheinisches Archiv 147). Verlag Böhlau, Köln/Weimar/Wien 2003, ISBN 3-412-15402-4. * Stadt Xanten (Hrsg.): ''Studien zur Geschichte der Stadt Xanten 1228–1978''. Rheinland-Verlag, Köln 1978, 1983 (2. Auflage), ISBN 3-7927-0749-7 * Frank Siegmund: ''Merowingerzeit am Niederrhein''. Rheinische Ausgrabungen 34. Rheinland-Verlag, Köln 1998, S. 246-267 und 440-470, ISBN 3-7927-1247-4 * Ralph Trost: ''Eine gänzlich zerstörte Stadt – Nationalsozialismus, Krieg und Kriegsende in Xanten''. Waxmann, Münster 2004, ISBN 3-8309-1413-X * Verein zur Erhaltung des Xantener Domes e. V. (Hrsg.): ''Xantener Vorträge zur Geschichte des Niederrheins''. Band 1 – 1990–1992. Mönchengladbach 1993. == Weblinks == * [http://www.rathaus-xanten.de/ Website der Stadt Xanten] * [http://www.xanten.de/ Internetpräsenz der Touristeninformation Xanten] * [http://xanten.afg.hs-anhalt.de/ Digitales Informationssystem der Hochschule Anhalt: „Der Xantener Raum in der Antike“] {{Commons|Xanten}} {{Wikisource|Xanten}} {{Wikinews|Kategorie:Xanten|Xanten}} {{Wiktionary|Xanten}} {{NaviBlock |Navigationsleiste Ortsteile von Xanten |Navigationsleiste Städte und Gemeinden im Kreis Wesel}} {{Exzellent}} {{Normdaten|GKD=2026780-0}} [[Kategorie:Ort im Kreis Wesel]] [[Kategorie:Xanten| ]] [[cs:Xanten]] [[cy:Xanten]] [[da:Xanten]] [[en:Xanten]] [[eo:Xanten]] [[es:Xanten]] [[et:Xanten]] [[eu:Xanten]] [[fi:Xanten]] [[fr:Xanten]] [[it:Xanten]] [[ja:クサンテン]] [[li:Xanten]] [[nds:Santen]] [[nl:Xanten]] [[pl:Xanten]] [[pt:Xanten]] [[ro:Xanten]] [[ru:Ксантен]] [[simple:Xanten]] [[sv:Xanten]] [[vo:Xanten]] mbb1rlz6bcooh5x9p58qzrs8z92s6ty wikitext text/x-wiki Xenon 0 24537 27141 2010-05-10T11:46:18Z Spuk968 0 Änderungen von [[Special:Beiträge/84.142.113.82|84.142.113.82]] rückgängig gemacht und letzte Version von 160.45.27.79 wiederhergestellt {{Dieser Artikel|behandelt das Edelgas Xenon, weitere Bedeutungen unter [[Xenon (Begriffsklärung)]].}} {{Infobox Chemisches Element <!--- Periodensystem ---> | Name = Xenon | Symbol = Xe | Ordnungszahl = 54 | Serie = Eg | Gruppe = 18 | Periode = 5 | Block = p <!--- Allgemein ---> | Aussehen = farblos | CAS = 7440-63-3 | ATC-Code = * {{ATC|N01|AX15}} * {{ATC|V09|EX02}} (<sup>127</sup>Xe) * {{ATC|V09|EX03}} (<sup>133</sup>Xe) | Massenanteil = 9 · 10<sup>−6</sup>&nbsp;ppm<ref name="Harry H. Binder">Harry H. Binder: ''Lexikon der chemischen Elemente'', S. Hirzel Verlag, Stuttgart 1999, ISBN 3-7776-0736-3.</ref> <!--- Atomar ---> | Hauptquelle = <ref>Die Werte für die Eigenschaften (Infobox) sind, wenn nicht anders angegeben, aus [http://www.webelements.com/xenon/ www.webelements.com (Xenon)] entnommen.</ref> | Atommasse = 131,293 | Atomradius = | AtomradiusBerechnet = 108 | KovalenterRadius = 140 | VanDerWaalsRadius = 216 | Elektronenkonfiguration = <nowiki>[</nowiki>[[Krypton|Kr]]<nowiki>]</nowiki> 4[[D-Orbital|d]]<sup>10</sup> 5[[S-Orbital|s]]<sup>2</sup> 5[[P-Orbital|p]]<sup>6</sup> | ElektronenProEnergieNiveau = 2, 8, 18, 18, 8 | Austrittsarbeit = | Ionisierungsenergie_1 = 1170,4 | Ionisierungsenergie_2 = 2046,4 | Ionisierungsenergie_3 = 3099,4 <!--- Physikalisch ---> | Aggregatzustand = gasförmig | Modifikationen = | Kristallstruktur = kubisch flächenzentriert | Dichte = 5,8982 kg · m<sup>−3</sup><ref name="GESTIS"/> | RefTempDichte_K = 273,15 | Mohshärte = | Magnetismus = | Schmelzpunkt_K = 161,4 | Schmelzpunkt_C = −111,7 | Siedepunkt_K = 165,1 | Siedepunkt_C = −108,0 | MolaresVolumen = 35,92 · 10<sup>−3</sup> | Verdampfungswärme = 12,64 | Schmelzwärme = 2,30 | Dampfdruck = 4,13· 10<sup>6</sup> | RefTempDampfdruck_K = 273,15 | Schallgeschwindigkeit = 1090 | RefTempSchallgeschwindigkeit_K = | SpezifischeWärmekapazität = | RefTempSpezifischeWärmekapazität_K = | ElektrischeLeitfähigkeit = | RefTempElektrischeLeitfähigkeit_K = | Wärmeleitfähigkeit = 0,00569 | RefTempWärmeleitfähigkeit_K = <!--- Chemisch ---> | Oxidationszustände = | Oxide = | Basizität = schwach [[Säure|sauer]] | Normalpotential = | Elektronegativität = 2,6 <ref>L. C. Allen, J. E. Huheey: ''The definition of electronegativity and the chemistry of the noble gases.'' In: ''[[Journal of Inorganic and Nuclear Chemistry]].'' 1980, 42, S.&nbsp;1523–1524, {{DOI|10.1016/0022-1902(80)80132-1}}.</ref><ref>T. L. Meek: ''Electronegativities of the Noble Gases.'' In: ''Journal of chemical education.'' 1995, 72, S.&nbsp;17–18.</ref> | Quelle GefStKz = <ref name="GESTIS">{{GESTIS|Name=Xenon |ZVG= |CAS=7440-63-3 |Datum=27. April 2008 }}.</ref> | Gefahrensymbole = {{Gefahrensymbole|-}} | R = {{R-Sätze|-}} | S = {{S-Sätze|-}} <!--- Isotope ---> | Isotope = {{Infobox Chemisches Element/Isotop | AnzahlZerfallstypen = 1 | Symbol = Xe | Massenzahl = 124 | NH = 0,1 | Halbwertszeit = >4,8 · 10<sup>16</sup> [[Jahr|a]] | Zerfallstyp1ZM = [[Doppelter Elektroneneinfang|εε]] | Zerfallstyp1ZE = | Zerfallstyp1ZP = [[Tellur|<sup>124</sup>Te]] }} {{Infobox Chemisches Element/Isotop | AnzahlZerfallstypen = 1 | Symbol = Xe | Massenzahl = 125 | NH = 0 | Halbwertszeit = 16,9 [[Stunde|h]] | Zerfallstyp1ZM = [[Elektronen-Einfang|ε]] | Zerfallstyp1ZE = 1,652 | Zerfallstyp1ZP = [[Iod|<sup>125</sup>I]] }} {{Infobox Chemisches Element/Isotop | AnzahlZerfallstypen = 0 | Symbol = Xe | Massenzahl = 126 | NH = 0,09 }} {{Infobox Chemisches Element/Isotop | AnzahlZerfallstypen = 1 | Symbol = Xe | Massenzahl = 127 | NH = 0 | Halbwertszeit = 36,4 [[Tag|d]] | Zerfallstyp1ZM = [[Elektronen-Einfang|ε]] | Zerfallstyp1ZE = 0,662 | Zerfallstyp1ZP = [[Iod|<sup>127</sup>I]] }} {{Infobox Chemisches Element/Isotop | AnzahlZerfallstypen = 0 | Symbol = Xe | Massenzahl = 128 | NH = 1,91 }} {{Infobox Chemisches Element/Isotop | AnzahlZerfallstypen = 0 | Symbol = Xe | Massenzahl = 129 | NH = 26,4 }} {{Infobox Chemisches Element/Isotop | AnzahlZerfallstypen = 0 | Symbol = Xe | Massenzahl = 130 | NH = 4,1 }} {{Infobox Chemisches Element/Isotop | AnzahlZerfallstypen = 0 | Symbol = Xe | Massenzahl = 131 | NH = 21,29 }} {{Infobox Chemisches Element/Isotop | AnzahlZerfallstypen = 0 | Symbol = Xe | Massenzahl = 132 | NH = '''26,9''' }} {{Infobox Chemisches Element/Isotop | AnzahlZerfallstypen = 1 | Symbol = Xe | Massenzahl = 133 | NH = 0 | Halbwertszeit = 5,253 [[Tag|d]] | Zerfallstyp1ZM = [[Betastrahlung|β<sup>−</sup>]] | Zerfallstyp1ZE = 0,427 | Zerfallstyp1ZP = [[Caesium|<sup>133</sup>Cs]] }} {{Infobox Chemisches Element/Isotop | AnzahlZerfallstypen = 0 | Symbol = Xe | Massenzahl = 134 | NH = 10,4 }} {{Infobox Chemisches Element/Isotop | AnzahlZerfallstypen = 1 | Symbol = Xe | Massenzahl = 135 | NH = 0 | Halbwertszeit = 9,14 [[Stunde|h]] | Zerfallstyp1ZM = [[Betastrahlung|β<sup>−</sup>]] | Zerfallstyp1ZE = 1,151 | Zerfallstyp1ZP = [[Caesium|<sup>135</sup>Cs]] }} {{Infobox Chemisches Element/Isotop | AnzahlZerfallstypen = 1 | Symbol = Xe | Massenzahl = 136 | NH = 8,9 | Halbwertszeit = >10 · 10<sup>21</sup> [[Jahr|a]] | Zerfallstyp1ZM = [[Doppelter Betazerfall|β<sup>−</sup>β<sup>−</sup>]] | Zerfallstyp1ZE = | Zerfallstyp1ZP = [[Barium|<sup>136</sup>Ba]] }} | NMREigenschaften = {{Infobox_Chemisches_Element/NMR | Symbol = Xe | Massenzahl_1 = 129 | Kernspin_1 = 1/2 | Gamma_1 = −7,452 · 10<sup>7</sup> | Empfindlichkeit_1 = 0,0057 | Larmorfrequenz_1 = 27,81 | Massenzahl_2 = 131 | Kernspin_2 = 3/2 | Gamma_2 = 2,209 · 10<sup>7</sup> | Empfindlichkeit_2 = 0,0006 | Larmorfrequenz_2 = 8,24 }} }} '''Xenon''' ist ein [[chemisches Element]] mit dem Symbol Xe und der [[Ordnungszahl]] 54. Im [[Periodensystem]] steht es in der 8.&nbsp;Hauptgruppe (Gruppe&nbsp;18) und zählt daher zu den [[Edelgase]]n. Wie die anderen Edelgase ist es ein farbloses, äußerst reaktionsträges, einatomiges [[Gas]]. In vielen Eigenschaften wie [[Schmelzpunkt|Schmelz]]- und [[Siedepunkt]] oder [[Dichte]] steht es zwischen dem leichteren [[Krypton]] und dem schwereren [[Radon]]. Xenon ist das seltenste nicht-radioaktive Element auf der Erde und kommt in geringen Mengen in der Atmosphäre vor. Trotz seiner Seltenheit kann es vielfach eingesetzt werden, so als Füllgas von [[Xenon-Gasentladungslampe]]n, die unter anderem in Autoscheinwerfern ([[Xenonlicht]]) eingesetzt werden und als [[Inhalationsanästhetikum]]. Das Edelgas wurde 1898 von [[William Ramsay]] und [[Morris William Travers]] durch [[fraktionierte Destillation]] von flüssiger Luft entdeckt. Xenon ist das Edelgas mit der umfangreichsten Chemie, es sind eine größere Anzahl Xenonverbindungen bekannt. Die stabilste ist dabei das [[Xenon(II)-fluorid]], das als starkes Oxidations- und Fluorierungsmittel eingesetzt wird. == Geschichte == [[Datei:William Ramsay.jpg|thumb|left|William Ramsay]] Nachdem [[Lord Rayleigh]] und [[William Ramsay]] 1894 das erste Edelgas [[Argon]] entdeckten und Ramsay 1895 das bislang nur aus dem [[Sonnenspektrum]] bekannte [[Helium]]s aus [[Uran]]erzen isolierte, erkannte dieser aus den Gesetzen des [[Periodensystem]]s, dass es noch weitere derartige Elemente geben müsste. Er untersuchte daher ab 1896 zunächst verschiedene Minerale und [[Meteorit]]en und die von diesen beim Erhitzen oder Auflösen abgegebene Gase. Ramsay und sein Mitarbeiter Morris William Travers waren dabei jedoch nicht erfolgreich. Es wurden Helium und seltener Argon gefunden. Auch die Untersuchung heißer Gase aus [[Cauterets]] in [[Frankreich]] und aus [[Island]] brachten keine Ergebnisse.<ref name="Nobel-ramsay">William Ramsay: ''[http://nobelprize.org/nobel_prizes/chemistry/laureates/1904/ramsay-lecture.html The Rare Gases of the Atmosphere].'' Nobelpreisrede, 12. Dezember 1904.</ref> Schließlich begannen sie, 15&nbsp;Liter Rohargon zu untersuchen und durch Verflüssigung und [[fraktionierte Destillation]] zu trennen. Als sie den Rückstand, der bei fast völligem Verdampfen des Rohargons übrigblieb, untersuchten, entdeckten sie das neue Element [[Krypton]]. Nachdem sie [[Neon]] entdeckten, begannen Ramsay und Travers im September 1898, Krypton durch fraktionierte Destillation weiter zu untersuchen und entdeckten dabei ein weiteres Element mit einem höheren Siedepunkt als Krypton. Dieses nannten sie nach dem [[Altgriechische Sprache|altgriechischen]] {{lang|grc|ξένος}} ''{{lang|grc-Latn|xénos}}'' „fremd“ ''Xenon''.<ref name="Nobel-ramsay"/> 1939 entdeckte Albert R. Behnke die [[Anästhesie|anästhetische]] Wirkung des Gases. Er untersuchte die Wirkung verschiedener Gase und Gasmischungen auf [[Tauchen|Taucher]] und vermutete aus den Ergebnissen, dass Xenon auch bei Normaldruck eine narkotische Wirkung haben müsse. Er konnte dies jedoch aus Mangel an Gas nicht überprüfen. Erstmals bestätigt wurde diese Wirkung 1946 von J. H. Lawrence an Mäusen, die erste Operation unter Xenon-Narkose gelang 1951 Stuart C. Cullen.<ref name="anäst">T. Marx, M. Schmidt, U. Schirmer, H. Reinelt:'' Xenon anaesthesia.'' In: ''Journal of the Royal Society of Medicine.'' 2000, 93, 10, S.&nbsp;513–517 ([http://jrsm.rsmjournals.com/cgi/reprint/93/10/513.pdf PDF]).</ref> [[Neil Bartlett]] entdeckte mit [[Xenonhexafluoroplatinat]] 1962 erstmals eine Xenonverbindung und damit die erste [[Edelgasverbindung]] überhaupt.<ref>Neil Bartlett: ''Xenon Hexafluoroplatinate(V) Xe<sup>+</sup>[PtF]<sup>-</sup>.'' In: ''Proceedings of the Chemical Society.'' 1962, S.&nbsp;218, {{DOI|10.1039/PS9620000197}}.</ref> Nur wenige Monate nach dieser Entdeckung konnten nahezu zeitgleich im August 1962 [[Xenon(II)-fluorid]] von [[Rudolf Hoppe]] und [[Xenon(IV)-fluorid]] von einer Gruppe um die amerikanischen Chemiker C. L. Chernick und H. H. Claassen synthetisiert werden.<ref>R. Hoppe: ''Die Valenzverbindungen der Edelgase.'' In: ''Angewandte Chemie.'' 1964, 76, 11, S. 455-463, {{DOI|10.1002/ange.19640761103}}.</ref> == Vorkommen == Während Xenon im Universum nicht selten vorkommt und in seiner [[Elementhäufigkeit|Häufigkeit]] mit der von [[Barium]], [[Rubidium]] und [[Nickel]] vergleichbar ist,<ref>A. G. W. Cameron: ''Abundances of the elements in the solar system.'' In: ''Space Science Reviews'', 1970, 15, S.&nbsp;121–146; [http://adsabs.harvard.edu/full/1973SSRv...15..121C PDF].</ref> zählt es auf der Erde zu den seltensten Elementen. Es ist das seltenste stabile Element, lediglich [[Radioaktivität|radioaktive]] Elemente, die überwiegend als kurzlebige Zwischenprodukte in [[Zerfallsreihe]]n auftreten, sind seltener. Dies wird dadurch bedingt, dass Xenonatome wie andere Edelgase langsam aus der Atmosphäre in den Weltraum entweichen und daher ein Großteil des bei der Entstehung der Erde vorhandenen Xenons nicht mehr in der Atmosphäre ist. Der größte Teil des Xenons ist in der Atmosphäre vorhanden, der Anteil beträgt etwa 0,09&nbsp;ppm.<ref name="ullmann">P. Häussinger, R. Glatthaar, W. Rhode, H. Kick, C. Benkmann, J. Weber, H.-J. Wunschel, V. Stenke, E. Leicht, H. Stenger: ''Noble Gases.'' In: ''[[Ullmann's Encyclopedia of Industrial Chemistry]].'' Wiley-VCH, Weinheim 2006, {{DOI|10.1002/14356007.a17 485}}.</ref> Aber auch die Ozeane, manche Gesteine wie [[Granit]] und Erdgas-Quellen enthalten geringe Mengen Xenon. Entstanden ist dies - wie durch die vom atmosphärischen Xenon abweichende [[Isotope]]nzusammensetzung nachweisbar - unter anderem durch [[Spontanzerfall]] von [[Uran]] und [[Thorium]].<ref name="Hintenberger">H. Hintenberger: ''Xenon in irdischer und in extraterrestrischer Materie (Xenologie).'' In: ''Naturwissenschaften''. 1972, 59, 7, S.&nbsp;285–291, {{DOI|10.1007/BF00593352}}.</ref> [[Meteorit]]en enthalten Xenon, das entweder seit Entstehung des Sonnensystems in Gesteinen eingeschlossen ist oder durch verschiedene Sekundärprozesse entstanden ist. Zu diesen zählen der Zerfall des radioaktiven [[Iod]]isotops <sup>129</sup>I, [[Spallation]]sreaktionen und die Kernspaltung schwerer Isotope wie <sup>244</sup>Pu. Auch auf der Erde lassen sich die Xenon-Produkte dieser Reaktionen nachweisen, was Rückschlüsse auf die Entstehung der Erde ermöglicht.<ref>Ichiro Kaneoka: ''Xenon's Inside Story.'' In: ''Science.'' 1998, 280, S.&nbsp;851–852, {{DOI|10.1126/science.280.5365.851b}}.</ref> Auf dem [[Mond]] wurde Xenon gefunden, dass durch den [[Sonnenwind]] dorthin gebracht wurde (im Mondstaub) sowie im Mondgestein solches, dass durch Spallationen oder Neutroneneinfang aus dem Bariumisotop <sup>130</sup>Ba entstanden ist.<ref name="Hintenberger"/> == Gewinnung == Die Gewinnung von Xenon erfolgt ausschließlich durch das [[Linde-Verfahren]] aus Luft. Bei der Stickstoff-Sauerstoff-Trennung reichert es sich auf Grund der hohen Dichte zusammen mit Krypton im flüssigen Sauerstoff an, der sich im Sumpf der [[Kolonne (Verfahrenstechnik)|Kolonne]] befindet. Dieses Gemisch wird in eine Kolonne überführt, in der es auf etwa 0,3 % Krypton und Xenon angereichert wird.<ref name="ullmann"/> Dazu enthält das flüssige Krypton-Xenon-Konzentrat neben Sauerstoff noch eine größere Mengen Kohlenwasserstoffe wie [[Methan]], fluorierte Verbindungen wie [[Schwefelhexafluorid]] oder [[Tetrafluormethan]] sowie Spuren an [[Kohlenstoffdioxid]] und [[Distickstoffmonoxid]]. Methan und Distickstoffmonoxid können über Verbrennung an [[Platin]]- oder [[Palladium]]katalysatoren bei 500&nbsp;°C zu Kohlenstoffdioxid, Wasser und Stickstoff umgesetzt werden, die an [[Adsorption]] an [[Molekularsieb]]en entfernt werden können.<ref name="Meilinger">{{Patent | Land = EP | V-Nr = 1752417 | Typ = Patent | Titel = Process and apparatus for the production of krypton and/or xenon | A-Datum = 2005-09-20 | V-Datum = 2007-02-14 | Erfinder = Matthias Meilinger | Anmelder = Linde AG}}</ref> Fluorverbindungen können dagegen nicht auf diese Weise aus dem Gemisch entfernt werden. Um diese zu zerlegen und aus dem Gemisch zu entfernen, kann das Gas mit [[Mikrowellen]] bestrahlt werden, wobei die Element-Fluor-Bindungen aufbrechen und die entstehenden Fluoratome in [[Natronkalk]] aufgefangen werden können<ref>Jean-Christophe Rostaing, Francis Bryselbout, Michel Moisan, Jean-Claude Parenta: ''Méthode d’épuration des gaz rares au moyen de décharges électriques de haute fréquence.'' In: ''Comptes Rendus de l'Académie des Sciences - Series IV - Physics.'' 2000, 1, 1, S.&nbsp;99–105, {{DOI|10.1016/S1296-2147(00)70012-6}}.</ref>, oder über einen [[Titandioxid]]-[[Zirconiumdioxid]]-Katalysator bei 750&nbsp;°C geleitet werden. Dabei reagieren die Fluorverbindungen zu Kohlenstoffdioxid und [[Fluorwasserstoff]] und anderen Verbindungen, die abgetrennt werden können.<ref name="Meilinger"/> Anschließend werden Krypton und Xenon in einer weiteren Kolonne, die unten beheizt und oben gekühlt wird, getrennt. Während das Krypton und Sauerstoffreste am oberen Ende der Kolonne entweichen, sammelt sich Xenon am Boden und kann gesammelt werden. Auf Grund der Seltenheit bei gleichzeitig hoher Nachfrage ist Xenon das teuerste Edelgas. Die Gesamtproduktionsmenge 1998 wird auf 5000–7000&nbsp;m<sup>3</sup> geschätzt.<ref name="ullmann"/> == Eigenschaften == === Physikalische Eigenschaften === [[Datei:Cubic, face-centered.png|thumb|left|kubisch-dichteste Kugelpackung von festem Xenon, ''a''&nbsp;=&nbsp;620&nbsp;pm]] [[Datei:Xenon_discharge_tube.jpg|thumb|In [[Gasentladungsröhre]]n leuchtet Xenon blau]] Xenon ist ein bei Normalbedingungen ein einatomiges, farbloses und geruchloses [[Gas]], das bei 165,1&nbsp;K (−108&nbsp;°C) [[Kondensation|kondensiert]] und bei 161,7&nbsp;K (−111,76&nbsp;°C) erstarrt. Wie die anderen Edelgase außer dem Helium kristallisiert Xenon in einer [[Kubisches Kristallsystem|kubisch dichtesten Kugelpackung]] mit dem [[Gitterparameter]] ''a''&nbsp;=&nbsp;620&nbsp;[[Picometer|pm]].<ref>K. Schubert: ''Ein Modell für die Kristallstrukturen der chemischen Elemente''. In: ''Acta Crystallographica''. 1974, 30, S.&nbsp;193–204.</ref> Wie alle Edelgase besitzt Xenon nur abgeschlossene [[Schalenmodell (Atomphysik)|Schalen]] ([[Edelgaskonfiguration]]). Dadurch lässt sich erklären, dass das Gas stets einatomig vorliegt und die Reaktivität gering ist. Jedoch ist die Ionisierungsenergie der äußersten Elektronen so niedrig, dass sie sich im Gegensatz zu den Valenzelektronen der leichteren Edelgase auch chemisch abspalten lassen und Xenonverbindungen möglich sind. Mit einer Dichte von 5,8982&nbsp;g/cm<sup>3</sup> bei 0&nbsp;°C und 1013&nbsp;hPa ist Xenon deutlich schwerer als Luft. Im [[Phasendiagramm]] liegt der [[Tripelpunkt]] bei 161,37&nbsp;K und 0,8165&nbsp;bar,<ref>W. T. Ziegler, J. C. Mullins, A. R. Berqist: ''Calculation of the Vapor Pressure and Heats of Vaporization and Sublimation of Liquids and Solids below One Atmosphere Pressure. VIII. Xenon.'' In: ''Ga. Inst. Technol., Eng. Exp. Stn., Proj. A-764, Tech. Rep. No. 1'', 1966 ([http://webbook.nist.gov/cgi/cbook.cgi?ID=C7440633&Units=SI&Mask=4#Thermo-Phase NIST webbook]).</ref> der [[Kritischer Punkt (Thermodynamik)|kritische Punkt]] bei 16,6&nbsp;°C, 5,84&nbsp;MPa sowie einer kritischen Dichte von 1,1&nbsp;g/cm<sup>3</sup>.<ref name="römpp">Xenon. In: Römpp Chemie-Lexikon, Thieme Verlag, Stand März 2002.</ref> Unter hohem Druck von 33&nbsp;GPa und bei einer Temperatur von 32&nbsp;K verhält sich Xenon wie ein Metall, es ist elektrisch leitfähig.<ref name="römpp"/> === Chemische Eigenschaften === Wie alle Edelgase ist Xenon reaktionsträge und reagiert kaum mit anderen Elementen. Jedoch ist Xenon zusammen mit Radon das reaktivste Edelgas, es ist eine größere Zahl Xenonverbindungen bekannt. Die Anzahl dieser übertrifft sogar die des schwereren Radons, da dieses zwar eine geringere Ionisierungsenergie besitzt, jedoch die starke [[Radioaktivität]] und kurze [[Halbwertszeit]] der Radonisotope bei der Bildung von Verbindungen stört. Xenon reagiert direkt nur mit dem [[Fluor]]. Je nach Verhältnis von Xenon und Fluor entstehen dabei unter [[exotherm]]er Reaktion bei erhöhten Temperaturen [[Xenon(II)-fluorid]], [[Xenon(IV)-fluorid]] oder [[Xenon(VI)-fluorid]]. Verbindungen mit einigen anderen Elementen wie Sauerstoff oder Stickstoff sind ebenfalls bekannt. Sie sind aber instabil und können nur durch Reaktionen von Xenonfluoriden oder wie [[Xenon(II)-chlorid]] bei tiefen Temperaturen durch elektrische Entladungen dargestellt werden.<ref name="HoWi">Arnold F. Holleman, Nils Wiberg: ''Lehrbuch der Anorganischen Chemie.'' 102. Auflage, de Gruyter, Berlin 2007, ISBN 978-3-11-017770-1, S.&nbsp;417–429.</ref> Xenon bildet [[Clathrate]], bei denen das Atom nur physikalisch gebunden und in einen Hohlraum des umgebenden Kristalls eingeschlossen ist. Ein Beispiel hierfür ist das Xenon-Hydrat, bei dem das Gas in [[Eis]] eingeschlossen ist. Es ist zwischen 195 und 233&nbsp;K stabil.<ref>T. Pietrass, H. C. Gaede, A. Bifone, A. Pines, J. A. Ripmeester: ''Monitoring Xenon Clathrate Hydrate Formation on Ice Surfaces with Optically Enhanced <sup>129</sup>Xe NMR.'' In: ''J. Am. Chem. Soc.'' 1995, 117, 28, S.&nbsp;7520–7525, {{DOI|10.1021/ja00133a025}}.</ref> Auch in [[Fullerene]]n können Xenonatome eingeschossen sein, diese beeinflussen auch die Reaktivität des Fullerens, etwa bei der Reaktion mit [[9,10-Dimethylanthracen]].<ref>Michael Frunzi, R. James Cross, Martin Saunders: ''Effect of Xenon on Fullerene Reactions.'' In: ''J. Am. Chem. Soc.'' 2007, 129, 43, S.&nbsp;13343–13346, {{DOI|10.1021/ja075568n}}.</ref> == Isotope == Es sind insgesamt 37 [[Isotop]]e sowie zwölf weitere [[Kernisomer]]e des Xenons bekannt. Von diesen sind sieben, die Isotope <sup>126</sup>Xe, <sup>128</sup>Xe, <sup>129</sup>Xe, <sup>130</sup>Xe, <sup>131</sup>Xe, <sup>132</sup>Xe und <sup>134</sup>Xe stabil. Die beiden instabilen Isotope <sup>124</sup>Xe und <sup>136</sup>Xe haben so lange [[Halbwertszeit]]en, dass sie zusammen einen deutlichen Anteil des natürlichen Xenons ausmachen, ohne dass dieses deshalb nennenswert radioaktiv wäre. Alle anderen Isotope und Isomere haben dagegen nur kurze Halbwertszeiten zwischen 0,6&nbsp; µs bei <sup>110</sup>Xe und 36,4 Tagen bei <sup>127</sup>Xe. Xenon ist damit nach Zinn das Element mit den meisten stabilen Isotopen. Im natürlichen Isotopengemisch besitzen <sup>132</sup>Xe mit 26,9 %, <sup>129</sup>Xe mit 26,4 % und <sup>131</sup>Xe mit 21,2 % den größten Anteil. Es folgen <sup>134</sup>Xe mit 10,4 % und <sup>136</sup>Xe mit 8,9 %, die übrigen besitzen nur geringe Anteile. <ref name="nubase">G. Audi, O. Bersillon, J. Blachot, A. H. Wapstra: ''[http://www.nndc.bnl.gov/amdc/nubase/Nubase2003.pdf The NUBASE evaluation of nuclear and decay properties]''. In: ''Nuclear Physics''. 2003, Bd. A 729, S.&nbsp;3–128.</ref> Xenonisotope entstehen bei der [[Kernspaltung]] in [[Kernkraftwerk]]en. Besonders wichtig ist hierbei das kurzlebige <sup>135</sup>Xe, das in größeren Mengen direkt als Spaltprodukt oder aus dem bei der Spaltung entstehenden <sup>135</sup>Te über <sup>135</sup>I gebildet wird. <sup>135</sup>Xe besitzt einen sehr großen [[Wirkungsquerschnitt|Einfangquerschnitt]] für [[thermische Neutronen]] von 2,9&nbsp;·&nbsp;10<sup>6</sup>&nbsp;[[Barn]], wobei sich das stabile <sup>136</sup>Xe bildet. Dies vermindert die Leistung des Reaktors, da die Neutronen nun nicht mehr für Kernspaltungen zur Verfügung stehen. Während des laufenden Betriebes eines Kernkraftwerkes bildet sich ein Gleichgewicht von Bildung und Zerfall von <sup>135</sup>Xe, wird der Reaktor dagegen abgeschaltet, bildet sich aus den schon vorhandenen Spaltprodukten weiterhin <sup>135</sup>Xe, während der Abbau durch die fehlenden Neutronen verlangsamt abläuft. Man spricht hierbei von einer [[Xenonvergiftung]], diese verhindert auch das direkte Wiederanfahren eines abgeschalteten Kernreaktors.<ref>Wolfgang Demtrader: ''Experimentalphysik 4: Kern-, Teilchen- und Astrophysik.'' 3. Auflage, Springer Verlag, 2009, ISBN 978-3-6420-1597-7, S.&nbsp;232–233.</ref> Dies spielte eine Rolle beim Entstehen der [[Katastrophe von Tschernobyl]].<ref>Jeremy I. Pfeffer, Shlomo Nir: Modern physics: an introductory text. Imperial College Press, 2000, ISBN 978-1-8609-4250-1, S.&nbsp;421–422.</ref> <sup>133</sup>Xe wird in der Nuklearmedizin eingesetzt und dient dort unter anderem zur Untersuchung der Durchblutung von Gehirn, Muskeln, Haut und anderen Organen.<ref name="römpp"/> <sup>129</sup>Xe wird als Sonde in der [[Kernspinresonanzspektroskopie]] zur Untersuchung von Oberflächeneigenschaften verschiedener Materialen<ref>Christopher I. Ratcliffe: ''Xenon Nmr''. In: ''Annual Reports on NMR Spectroscopy'', Vol. 36, 1998, S. 123–221.</ref> und von Biomolekülen<ref>Thomas J. Lowery, Seth M. Rubin, E. Janette Ruiz, Megan M. Spence, Nicolas Winssinger, Peter G. Schultz, Alexander Pines, David E. Wemmer: ''Applications of laser-polarized <sup>129</sup>xe to biomolecular assays''. In: ''Magnetic Resonance Imaging'', Vol. 21, 2003, S. 1235–1239.</ref> eingesetzt. :''→ [[Liste der Isotope/5. Periode#54 Xenon|Liste der Xenonisotope]]'' == Verwendung == [[Bild:Xenon short arc 1.jpg|thumb|Xenon-Gasentladungslampe mit 15&nbsp;kW aus einem [[IMAX]]-Filmprojektor]] Xenon wird vor allem als Füllgas von Lampen eingesetzt. Dazu zählt die [[Xenon-Gasentladungslampe]], bei der Xenon in einem [[Lichtbogen]] gezündet und auf etwa 6000&nbsp;K erhitzt wird. Dabei gibt das ionisierte Gas eine Strahlung ab, die dem Tageslicht vergleichbar ist. Diese Lampen werden beispielsweise in [[Filmprojektor]]en, [[Blitzlicht]]ern und für die Befeuerung von [[Start- und Landebahn]]en auf Flughäfen eingesetzt.<ref name="ullmann"/> Auch in Autoscheinwerfern werden Xenon-Gasentladungslampen verwendet. Dieses sogenannte [[Xenonlicht]] ist etwa 2,5 mal so lichtstark wie eine [[Halogenlampe]].<ref>Hans-Hermann Braess, Ulrich Seiffert: ''Vieweg Handbuch Kraftfahrzeugtechnik.'' 5. Auflage, Vieweg+Teubner Verlag, 2007, ISBN 978-3-8348-0222-4, S.&nbsp;674–676.</ref> Glühlampen können mit Xenon oder Xenon-Krypton-Mischungen gefüllt werden, wodurch eine höhere Temperatur des Glühfadens und damit eine bessere Lichtausbeute ermöglicht wird.<ref name="römpp"/> Xenon ist ein [[Lasermedium]] in [[Excimerlaser]]n. Dabei bildet sich ein instabiles Xe<sub>2</sub>-Dimer, das unter Aussendung von Strahlung bei einer typischen [[Wellenlänge]] von 172&nbsp;nm<ref>G. Ribitzki, A. Ulrich, B. Busch, W. Krötz, J. Wieser, D. E. Murnick: ''Electron densities and temperatures in a xenon afterglow with heavy-ion excitation.'' In: ''Phys. Rev. E.'' 1994, 50, S.&nbsp;3973–3979, {{DOI|10.1103/PhysRevE.50.3973}}.</ref> im [[ultraviolett]]en Spektralbereich zerfällt. Auch Laser, bei denen Xenon mit verschiedenen [[Halogene]]n gemischt wird und sich Xe-Halogen-Dimere bilden, sind bekannt. Diese besitzen andere ausgestrahlte Wellenlängen, so strahlt der Xe-F-Laser Licht einer Wellenlänge von 354&nbsp;nm ab.<ref name="römpp"/> Xenon wirkt [[Narkose|narkotisierend]] und kann als [[Inhalationsanästhetikum]] verwendet werden. Es ist seit 2005 für den Einsatz bei [[ASA-Klassifikation|ASA]] I und II-Patienten zugelassen. Aufgrund der hohen Kosten gibt es zur Zeit (März 2010) noch nicht viel Erfahrungen mit diesem Narkosegas. Aufgrund seines sehr niedrigen Blut-Gas-Verteilungskoeffizienten flutet es sehr schnell an und ab. Beim Abfluten kann wie beim [[Distickstoffmonoxid]] eine [[Diffusionshypoxie]] entstehen, es muss also mit reinem Sauerstoff ausgewaschen werden. Gegenüber dem häufig verwendeten Distickstoffmonoxid besitzt es einige Vorteile, so ist es ungefährlich im Umgang und kein [[Treibhausgas]]. Auch die [[Hämodynamik]] ist bei Xenon besser als bei anderen volatilen Anästhetika d.h. es kommt nicht zum Blutdruckabfall, die Herzfrequenz steigt eher etwas an. Ein Nachteil ist, dass aufgrund des [[Minimale alveoläre Konzentration|MAC-Wertes]] im Bereich von 60-70 % nur bis zu 40 % Sauerstoff im Atemgasgemisch gegeben werden können. Der größte Nachteil des Xenons ist sein hoher Preis und die geringe Verfügbarkeit des Gases.<ref name="anäst"/> [[Datei:Ion_Engine_Test_Firing_-_GPN-2000-000482.jpg|thumb|Testlauf eines mit Xenon betriebenen Ionentriebwerks]] Xenon wird in [[Ionenantrieb]]en oft als Antriebsmittel verwendet. Die nur geringe Schubkräfte erzeugenen Ionentriebwerke sind durch ihren hohen [[Spezifischer Impuls|Spezifischen Impuls]] wesentlich effizenter als konventionelle chemische Triebwerke und werden deshalb in manchen [[Satellit (Raumfahrt)|Satellit]]en für [[Korrekturtriebwer]]ke oder als Hauptantrieb einiger [[Raumsonde]]n verwendet, die so Ziele erreichen können die für sie sonst nicht erreichbar wären. Xenon wird verwendet, da es als Edelgas leichter handhabbar und umweltfreundlicher ist als die ebenfalls möglichen [[Caesium]] oder [[Quecksilber]].<ref>[[European Space Agency]]: ''[http://www.esa.int/esaCP/SEMNRG0P4HD_Austria_0.html Ionentriebwerke: Der Ritt auf geladenen Teilchen]''. Stand September 2003, abgerufen am 26. September 2009.</ref> == Biologische Bedeutung== Wie die anderen Edelgase hat Xenon auf Grund der Reaktionsträgheit keine biologische Bedeutung und ist auch nicht toxisch. In höheren Konzentrationen wirkt es durch Verdrängung des Sauerstoffs erstickend.<ref>[http://www.linde-gas.at/datenblaetter/xenon_verdichtet_8324.pdf Sicherheitsdatenblatt] (Xenon), Linde AG, Stand 4. August 2006.</ref> == Verbindungen == [[Datei:Xenon tetrafluoride.gif|thumb|Xenon(IV)-fluorid]] Es ist eine größere Zahl Xenonverbindungen in den [[Oxidationsstufe]]n +2 bis +8 bekannt. Die stabilsten Xenonverbindungen sind die Xenon-[[Fluor]]-Verbindungen, es sind aber auch welche mit [[Sauerstoff]], [[Stickstoff]], [[Kohlenstoff]] und sogar manchen Metallen wie [[Gold]] bekannt. === Fluorverbindungen === Es sind insgesamt drei Verbindungen des Xenons mit Fluor bekannt. Dies sind [[Xenon(II)-fluorid]], [[Xenon(IV)-fluorid]] und [[Xenon(VI)-fluorid]]. Die stabilste hiervon und gleichzeitig die stabilste Xenonverbindung ist das linear aufgebaute Xenon(II)-fluorid. Diese wird als einzige Xenonverbindung in geringen Mengen auch technisch genutzt. In Laborsynthesen dient es als starkes Oxidations- und Fluorierungsmittel, etwa zur direkten Fluorierung aromatischer Verbindungen.<ref name="roempp-verbindungen">Helmut Sitzmann: ''Xenon-Verbindungen''. In: ''Römpp Chemie-Lexikon'', Thieme Verlag, Stand Mai 2005.</ref> Während Xenon(II)-fluorid sich ohne Zersetzung in Wasser und Säuren löst und nur langsam hydrolysiert, hydrolysieren das quadratisch-planar aufgebaute Xenon(IV)-fluorid und das oktaedrische Xenon(VI)-fluorid schnell. Sie sind sehr reaktiv, so reagiert Xenon(VI)-fluorid mit [[Siliciumdioxid]] und kann darum nicht in Glasgefäßen aufbewahrt werden.<ref name="HoWi"/> === Sauerstoffverbindungen und Oxidfluoride === Mit Sauerstoff erreicht Xenon die höchste mögliche Oxidationsstufe +8. Diese wird in [[Xenon(VIII)-oxid]] und dem Oxifluorid [[Xenondifluoriddioxid]] XeO<sub>3</sub>F<sub>2</sub> sowie in [[Perxenate]]n der Form XeO<sub>4</sub><sup>−</sup> erreicht. Weiterhin sind[[ Xenon(VI)-oxid]] und die Oxifluoride XeO<sub>2</sub>F<sub>2</sub> und XeOF<sub>4</sub> in der Oxidationsstufe +6 sowie das Oxifluorid XeOF<sub>2</sub> mit vierwertigem Xenon bekannt. Alle Xenonoxide und -oxifluoride sind instabil und vielfach explosiv. === Weitere Xenonverbindungen === Als weitere Xenon-Halogenverbindung ist [[Xenon(II)-chlorid]] bekannt, diese ist aber sehr instabil und nur bei tiefen Temperaturen spektrokopisch nachweisbar. Ähnlich konnten auch gemischte Wasserstoff-Halogen-Xenon-Verbindungen und die Wasserstoff-Sauerstoff-Xenonverbindung HXeOXeH durch Photolyse in der Edelgasmatrix hergestellt und spektroskopisch nachgewiesen werden.<ref>Leonid Khriachtchev, Karoliina Isokoski, Arik Cohen, Markku Räsänen, R. Benny Gerber: ''A Small Neutral Molecule with Two Noble-Gas Atoms: HXeOXeH.'' In: ''J. Am. Chem. Soc.'' 2008, 130, 19, S.&nbsp;6114–6118, {{DOI|10.1021/ja077835v}}.</ref> Organische Xenonverbindungen sind mit verschiedenen Liganden bekannt, etwa mit fluoriertem [[Aromat]]en oder [[Alkine]]n. Ein Beispiel für eine Stickstoff-Fluor-Verbindung ist FXeN(SO<sub>2</sub>F)<sub>2</sub>. Xenon ist in der Lage, unter [[Supersäuren|supersauren]] Bedingungen mit Metallen wie [[Gold]] oder [[Quecksilber]] [[Komplexchemie|Komplexe]] zu bilden. Das Gold kommt dabei vorwiegend in der Oxidationsstufe +2 vor, auch Gold(I) und Gold(III)-Komplexe sind bekannt.<ref>In-Chul Hwang, Stefan Seidel, Konrad Seppelt: ''Gold(I)- und Quecksilber(II)-Xenon-Komplexe.'' In: ''Angewandte Chemie.'' 2003, 115, S.&nbsp;4528–4531, {{DOI|10.1002/ange.200351208}}.</ref> Einen Überblick über Xenonverbindungen gibt die [[:Kategorie:Xenonverbindung]]. == Einzelnachweise == <references /> == Literatur == * P. Häussinger, R. Glatthaar, W. Rhode, H. Kick, C. Benkmann, J. Weber, H.-J. Wunschel, V. Stenke, E. Leicht, H. Stenger: ''Noble Gases.'' In: ''[[Ullmann's Encyclopedia of Industrial Chemistry]].'' Wiley-VCH, Weinheim 2006 ({{DOI|10.1002/14356007.a17 485}}). * ''Xenon''. In: ''[[Römpp Chemie Lexikon]].'' Thieme Verlag, Stand März 2002. * Arnold F. Holleman, Nils Wiberg: ''Lehrbuch der Anorganischen Chemie.'' 102. Auflage, de Gruyter, Berlin 2007, ISBN 978-3-11-017770-1. == Weblinks == {{Wiktionary|Xenon}} {{Commons|Xenon|Xenon}} * [http://environmentalchemistry.com/yogi/periodic/Xe.html EnvironmentalChemistry.com – Xenon] (englisch) {{Navigationsleiste Periodensystem}} {{Exzellent|7. März 2010|71545955}} [[Kategorie:Anästhetikum]] {{Link FA|en}} {{Link FA|sv}} [[af:Xenon]] [[ar:زينون]] [[az:Ksenon]] [[be:Ксенон]] [[be-x-old:Ксэнон]] [[bg:Ксенон]] [[bn:জেনন]] [[bs:Ksenon]] [[ca:Xenó]] [[co:Xenu]] [[cs:Xenon]] [[cv:Ксенон]] [[cy:Senon]] [[da:Xenon]] [[el:Ξένο]] [[en:Xenon]] [[eo:Ksenono]] [[es:Xenón]] [[et:Ksenoon]] [[eu:Xenon]] [[fa:زنون]] [[fi:Ksenon]] [[fr:Xénon]] [[fur:Xenon]] [[ga:Xeanón]] [[gl:Xenon]] [[gv:Xenon]] [[he:קסנון]] [[hi:ज़ेनान]] [[hr:Ksenon]] [[hu:Xenon]] [[hy:Քսենոն]] [[id:Xenon]] [[io:Xenono]] [[is:Xenon]] [[it:Xeno]] [[ja:キセノン]] [[jbo:fangynavni]] [[kn:ಝೆನಾನ್]] [[ko:제논 (원소)]] [[la:Xenon]] [[lb:Xenon]] [[li:Xenon]] [[lij:Seno]] [[lt:Ksenonas]] [[lv:Ksenons]] [[ml:സെനൊൺ]] [[mr:झेनॉन]] [[ms:Xenon]] [[nds:Xenon]] [[nl:Xenon]] [[nn:Xenon]] [[no:Xenon]] [[oc:Xenon]] [[pl:Ksenon]] [[pt:Xenônio]] [[qu:Senun]] [[ro:Xenon]] [[ru:Ксенон]] [[scn:Xenu]] [[sh:Ksenon]] [[simple:Xenon]] [[sk:Xenón]] [[sl:Ksenon]] [[sr:Ксенон]] [[stq:Xenon]] [[sv:Xenon]] [[sw:Xenoni]] [[ta:செனான்]] [[th:ซีนอน]] [[tl:Henon (elemento)]] [[tr:Ksenon]] [[ug:كسېنون]] [[uk:Ксенон]] [[ur:زینون]] [[uz:Ksenon]] [[vi:Xenon]] [[war:Xenon]] [[yo:Xenon]] [[zh:氙]] [[zh-yue:氙]] mwkvy9ynr6ww5xwsbqftouetv0ybnl8 wikitext text/x-wiki Yagan (Noongar) 0 24538 27142 2010-03-22T01:16:03Z Alex. 0 /* Repatriierung */ Orthographie [[Bild:Yagan.jpg|thumbnail|''Portrait of Yagan'' von George Cruikshank.<br/>Die [[Grafik]] entstand nach Yagans abgeschlagenem Kopf, der geräuchert worden war, um ihn zu erhalten. Während dieses Vorgangs veränderte sich die Kopfform stark. [[George Fletcher Moore]] wies deshalb darauf hin, dass der Kopf keine lebensgetreue Abbildung von Yagan sei. Yagans Gesicht sei in Wirklichkeit rundlich und kräftig gewesen.]] '''Yagan''' (spr. {{IPA|ˈjæɪ gən}}) (* vermutlich [[1795]]; † [[11. Juli]] [[1833]] in Belhus, einem Vorort von [[Perth]]) war ein [[Krieger]] der [[Noongar]], eines [[Aborigine]]-Volkes [[Australien]]s. Im Widerstand der Bevölkerung der Region um Perth gegen die [[Europäische Expansion|Inbesitznahme des Landes]] durch Europäer spielte er eine wesentliche Rolle. Yagan wurde im Juli 1833 von einem jungen [[Siedler]] erschossen, nachdem er eine Reihe von Angriffen auf Weiße angeführt hatte und deswegen für seine Gefangennahme oder Tötung ein [[Kopfgeld]] ausgesetzt worden war. Yagans Tod ist als Symbol für die Konflikte zwischen der [[Indigenes Volk|indigenen Bevölkerung]] Australiens und den europäischen Eroberern in die westaustralische [[Folklore]] eingegangen. Yagans Kopf wurde nach seiner Erschießung nach [[London]] gebracht und dort zunächst als [[Anthropologie|anthropologische]] Kuriosität ausgestellt. Nachdem der Kopf über ein Jahrhundert lang in einem Museumsspeicher aufbewahrt worden war, wurde er 1964 auf einem [[Liverpool]]er [[Friedhof]] beigesetzt. 1993 konnte dieses Grab lokalisiert werden und vier Jahre später wurde der Kopf [[Exhumierung|exhumiert]] und nach Australien zurückgebracht. Die angemessene Zeremonie zur Beerdigung dieses Kopfes wird seitdem unter den indigenen Einwohnern der Region Perth kontrovers diskutiert. Bis heute ist der Kopf unbeerdigt. == Leben == === Stammeszugehörigkeit und Familie === Yagan gehörte dem Volk der Whadjuk-Noongar an und zählte nach den Informationen von [[Robert Lyon]] innerhalb dieses Volkes zu einem etwa 60 Personen zählenden Aborigine-Stamm, den Lyon als „[[Beeliar]]“ bezeichnete. Robert Lyon war ein zeitgenössischer australischer Siedler, der sich um eine Verständigung mit den Aborigines bemühte. Seine Informationen sind jedoch nicht immer zuverlässig. Heute vermutet man eher, dass die Beeliar lediglich ein [[Familienverband]] innerhalb eines größeren Stammes war, der nach [[Daisy Bates]] als [[Beelgar]] bezeichnet wurde.<ref name="Bourke 1987">Bourke, Michael: ''Chapter 3: Yagan 'The Patriot' and 'Governor' Weeip''. In: ''On the Swan''. University of Western Australia Press, Nedlands, Western Australia 1987. ISBN 0-85564-258-0</ref> Nach den Informationen von Robert Lyon zog der Verband der Beeliar in einem Gebiet umher, das vom Südufer der Flüsse [[Swan River (Australien)|Swan]] und [[Canning River (Australien)|Canning]] bis zur [[Mangles Bay]] reichte. Offensichtlich besaß die Gruppe aber viel umfangreichere Gebietsansprüche, die im Norden bis zum [[Lake Monger]] und nordöstlich bis zum [[Helena River]] reichten. Sie konnten sich auch auf benachbarten Gebieten ungewöhnlich frei bewegen, was möglicherweise auf Verwandtschafts- oder Ehebeziehungen mit den benachbarten Stämmen zurückzuführen ist <ref name="Hallam 1990">Sylvia K. Hallam & Lois Tilbrook: ''Aborigines of the Southwest Region, 1829–1840 (The Bicentennial Dictionary of Western Australians, Volume VIII)''. University of Western Australia Press, Nedlands, Western Australia 1990. ISBN 0855642963</ref>. Wie alle Aborigine-Völker betrieben die Beeliar keine Landwirtschaft im europäischen Sinne <ref>Die australische Landschaft wurde durch die Anwesenheit der Aborigines wesentlich geprägt. Das Sammeln spezifischer Pflanzen mit dem Grabstock begünstigte häufig deren Vermehrung. Weit prägender war das von Aborigines praktizierte regelmäßige Abbrennen von Landstrichen. Diese Form des Landmanagements verhinderte das Aufkommen von Buschwerk und führte zu der Ausbreitung von Grasland. Nach Schätzungen von europäischen Siedlern des 19. Jahrhunderts, die noch Zeugen der traditionellen Lebensweise von Aborigines waren, erfolgte ein Abflämmen spätestens alle fünf Jahre. Siehe dazu auch Geoffrey Blainey: ''Triumph of the Nomads''. Sydney 1982. ISBN 0-7251-0412-0. S. 67 – 84</ref>. Sie waren Sammler und Jäger, die nur dann länger an einem Ort blieben, wenn das Nahrungsangebot vor Ort sehr reichlich war. Yagan wurde vermutlich um 1795 geboren. Sein Vater war Midgegooroo, ein Stammesältester der Beeliar, seine Mutter wahrscheinlich eine von Midgegooroos beiden Ehefrauen. Yagan war in der Klassifikation der Noongar möglicherweise ein ''Ballaroke''. Laut dem Historiker Green hatte er eine Frau und zwei Kinder,<ref name="Green 1981">Neville Green. ''Aborigines and White Settlers in the Nineteenth Century''. In: Tom Stannage (Hg.). ''A New History of Western Australia''. University of Western Australia Press, Nedlands, Western Australia 1981. S. 72-123. ISBN 0855641703</ref> die meisten Historiker sind jedoch der Überzeugung, dass Yagan unverheiratet und kinderlos war. Er wird als überdurchschnittlich groß und eindrucksvoll stämmig beschrieben. Eine [[Tätowierung]] auf seiner rechten Schulter identifizierte ihn als „Mann von hohem Rang im Stammesrecht“.<ref name="Green 1981"/> Er galt allgemein als der kräftigste Vertreter seines Stammes.<ref name="Green 1979">Neville Green: ''Yagan, the Patriot''. In: Lyall Hunt (Hg.): ''Westralian Portraits''. University of Western Australia Press, Nedlands, Western Australia 1981. ISBN 0855641576</ref> Zeitgenössische Dokumente schrieben seinen Namen ''Egan'' oder ''Eagan'', was nahe legt, dass die korrekte Aussprache näher an {{IPA|/'iː gən/}} lag als die heutige Version {{IPA|/'jæɪ gən/}}. === Der Beginn der Eroberung & Besiedlung durch Europäer === Yagan war etwa 35 Jahre alt, als im Jahre 1829 britische Siedler begannen, im Gebiet der Noongar zu siedeln. Zu den Gründungen der Siedler zählte unter anderem die [[Swan River Colony]], deren Siedlungsgebiet auf dem Land der Beeliar lag. Während der ersten zwei Jahre, in denen diese [[Siedlung]] bestand, waren die Beziehungen zwischen den europäischen Siedlern und den Aborigines überwiegend freundlich. Die beiden Gruppen konkurrierten noch nicht um die Ressourcen des Landes, und die Noongar begriffen die weißen Siedler als ''Djanga'' oder wiedergekehrte Geister der Noongar-Ahnen. Mit dem Wachsen der Siedlung nahmen jedoch auch allmählich die Konflikte zwischen den beiden Kulturen zu. Die Siedler waren der Auffassung, dass den Noongar als Nomaden kein Besitzrecht auf das Land zustand, das diese in ihrer traditionellen Lebensweise durchstreiften. Sie fühlten sich daher im Recht, Land für Beweidung und Ackerbau einzuzäunen. Den Noongar wurde damit zunehmend der Zugang zu ihren traditionellen Jagdgebieten und heiligen Stätten verwehrt. Bereits 1832 war der Gruppe, zu der Yagan gehörte, der Zugang zum Swan oder Canning River nahezu unmöglich, da sich die Siedler bevorzugt entlang der Flussufer angesiedelt hatten. Die Noongar reagierten auf den Verlust ihrer Jagd- und Sammelgebiete, indem sie zunehmend Anbauflächen der Siedler abernteten oder die Rinder der Siedler erlegten. Außerdem begannen sie, die ihnen bislang unbekannten Lebensmittel der Siedler zu schätzen. Die zunehmende Aneignung von Mehl oder anderen Lebensmitteln durch die Noongar war nach den Maßstäben der Siedler ein zu bestrafender [[Diebstahl]] und stellte außerdem ein potentiell bedrohliches Problem für die Siedlung dar. Zur traditionellen Landnutzung der Noongar gehörte außerdem ein regelmäßiges Abbrennen von Flächen. Dieses Abbrennen scheuchte nicht nur jagdbares Wild auf, sondern förderte auch das Wachstum einer Reihe von Pflanzen, die in der Ernährung der Aborigines eine Rolle spielten. Es ist eine Form der Landbewirtschaftung, die heute teilweise in Australien wieder praktiziert wird, weil sie eine den Gegebenheiten dieses Kontinents angemessene Form des Landmanagements ist <ref>Sie wird unter anderem in australischen Nationalparks (wieder) praktiziert. Das kontrollierte, schnelle Abflämmen von vertrocknetem Bewuchs, bei dem in der Regel keine hohen Hitzegrade entstehen, verhindert das Entstehen größerer und verheerenderer Buschbrände und fördert unter anderem das Keimen von Samen. Die Samen einiger Pflanzen müssen sogar erst Feuer ausgesetzt gewesen sein, bevor sie zur Keimung kommen</ref><ref>Auch in der traditionellen europäischen Landwirtschaft wurden beispielsweise [[Stoppelfeld]]er abgeflämmt, damit die Asche die Felder düngte und Unkraut vernichtet wurde. Nur sehr wenige Siedler realisierten, dass die gezielt angelegten Buschfeuer der Aborigines eine vergleichbare Form der Landbewirtschaftung waren. Dazu wäre zunächst die Erkenntnis notwendig gewesen, dass auch Nomaden eine gezielte und geplante Landnutzung betreiben. Diese Erkenntnis hat sich erst in der zweiten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts durchgesetzt.</ref> Aus Sicht der Siedler stellten die Feuer eine Bedrohung ihrer Anbauflächen und Häuser dar.<ref name="Green 1984">Green, Neville. ''Broken spears: Aborigines and Europeans in the Southwest of Australia''. Focus Education Services, Perth, Western Australia. 1984. ISBN 0959182810</ref> === Die ersten Konflikte === Die erste bedeutsame Auseinandersetzung zwischen Aborigines und weißen Siedlern im westlichen Australien ereignete sich im Dezember 1831. Thomas Smedley, ein Arbeiter auf der Farm von Archibald Butler, lauerte einigen Aborigines auf, die ein Kartoffelfeld der Siedler abernteten und erschoss einen von ihnen. Der Tote gehörte zum Familienverband von Yagan. Einige Tage nach diesem Vorfall überfielen Yagan, Midgegooroo und einige andere das Farmhaus von Archibald Butler. Als sie die Eingangstür des Hauses verschlossen fanden, begannen sie ein Loch in die aus [[Lehmziegel]]n bestehenden Hauswände zu schlagen. Im Hausinnern befand sich Erin Entwhistle, ein weiterer Arbeiter auf der Butler-Farm, mit seinen zwei Söhnen Enion und Ralph. Nachdem er seine Söhne unter einem Bett versteckt hatte, öffnete Entwhistle die Tür, um mit den Angreifern zu verhandeln. Er wurde sofort von den [[Speer]]en von Yagan und Midgegooroo durchbohrt. Das Stammesrecht der Noongar verlangte, dass ein [[Mord]] durch den Tod eines Mitglieds aus dem Familienverband des Mörders [[Sühne|gesühnt]] wurde. Der Tote musste dabei keineswegs zwangsläufig der Mörder sein. Die Ermordung von Erin Entwhistle konnte daher aus der Sicht der Noongar, die die zur Farm der Butler gehörenden Personen vermutlich als ein Familienverband ansahen, als die angemessene Sühne für die zuvor erfolgte Ermordung des eigenen Familienmitglieds angesehen werden.<ref name="Hallam 1990"/> Für die weißen Siedler war es eine unprovozierte Ermordung eines unschuldigen Mannes. Im Juni 1832 führte Yagan einen Angriff der Aborigines gegen zwei Arbeiter, die auf einem Feld am Canning in der Nähe von Kelmscott [[Weizen]] säten. Einer der beiden Männer konnte fliehen. Der zweite mit Namen William Gaze wurde verwundet und starb später an seinen Verletzungen, die sich wahrscheinlich [[Infektion|infiziert]] hatten. Yagan wurde daraufhin zum [[Gesetzloser|Gesetzlosen]] erklärt. Für seine Ergreifung setzte man eine Belohnung von 20 [[Pfund Sterling|£]] aus. Er konnte der Verhaftung entgehen, bis Anfang Oktober 1832 eine Gruppe von Fischern Yagan und zwei seiner Freunde in ihr Boot lockten und mit ihnen aufs Meer hinaus fuhr. Die drei Noongar wurden zunächst im Wachhaus von Perth eingesperrt und später in das [[Round House]] bei [[Fremantle]] überführt. Yagan wurde zum Tode verurteilt. Dass das Todesurteil nicht vollstreckt wurde, verdankte er Robert Lyon, der argumentierte, dass Yagan lediglich sein Land gegen die Inbesitznahme durch weiße Siedler verteidige und daher kein [[Kriminalität|Krimineller]] sondern ein [[Kriegsgefangener]] sei und deswegen auch als solcher behandelt werden müsse. Bis zur Entscheidung des Gouverneurs über die Beurteilung des Falles, wurden auf Vorschlag von [[John Septimus Roe]] Yagan und seine zwei Freunde auf die Insel Carnac verbannt. Dort standen sie unter der Überwachung von Robert Lyon und zweier Soldaten. Lyon war überzeugt, dass er Yagan [[Zivilisation|zivilisieren]] und ihn zum [[Christentum]] [[Konversion (Religion)|bekehren]] könne. Da Yagan innerhalb seines Volkes ein hohes Ansehen genoss, war Lyon davon überzeugt, dass durch Yagan die Noongar davon überzeugt werden könnten, die Autorität der Weißen anzuerkennen. Um dies zu erreichen, verbrachte Lyon viele Stunden mit Yagan, um unter anderem seine Sprache sowie seine Lebensauffassung zu erlernen. Yagan und seine Begleiter entkamen allerdings bereits nach einem Monat von der Insel. Ihnen gelang es, ein unbewachtes [[Dingi]] zu stehlen und dieses bis nach [[Woodman Point]] auf dem Festland zu rudern. Versuche, die drei Männer wieder festzusetzen, wurden nicht unternommen. In der Region des [[Albany (Australien)|King George Sund]] lebten andere Familiengruppen der Noongar und dort waren die Beziehungen zwischen den Siedlern und den Aborigines nach wie vor freundlich. Als im Januar 1833 Gyallipert und Manyat, zwei Noongar aus dieser Region, Perth besuchten, organisierten die zwei Siedler Richard Dale und George Smythe ein Treffen zwischen den lokalen Noongar und diesen zwei Männern. Sie verbanden damit die Hoffnung, dass das Beispiel der Noongar vom King George Sund die vor Ort ansässigen Noongar überzeugen könne, eine ähnlich gute Beziehung zur Swan River Colony aufzubauen. Am 26. Januar 1833 führte Yagan eine Gruppe von zehn formell bewaffneten Männern an, die in der Nähe des Lake Monger mit den zwei Männern vom King George Sund zusammentrafen. Die beiden Gruppen tauschten Waffen untereinander aus und hielten ein [[Corroboree]] ab, obwohl sie sich offenbar auf Grund von Dialektunterschieden nicht unterhalten konnten <ref> Durch die relative Isolation der einzelnen Familiengruppen sprachen die Aborigines in Australien mindestens 300 unterschiedliche [[Sprache]]n. Dabei sind starke [[Dialekt]]unterschiede noch nicht mitgezählt. Selbst die Sprache zweier benachbarter Gruppen konnte sich so stark unterscheiden, dass eine Verständigung unter ihnen ausgeschlossen war. So waren die Sprachunterschiede zwischen den zwei Aborigine-Gruppen, die an den sich gegenüberliegenden Küsten des Naturhafens von [[Sydney]] lebten, so groß, dass zwischen ihnen keine Unterhaltung möglich war. Siehe dazu auch Blainey, S. 31. </ref>. Yagan und Gyallipert traten dann in einem Speerwurf-Wettbewerb gegeneinander an, bei dem Yagan unter Beweis stellte, dass er mit seinem Speer noch einen 25 Meter entfernten Stock treffen konnte. Gyallipert und Manyat blieben für einige Wochen in der Region um Perth und Yagan holte sich die Erlaubnis ein, ein weiteres Corroboree abzuhalten. Der Ort des Zusammentreffens war diesmal der Garten des Postgebäudes in Perth. In der Abenddämmerung des 3. März trafen sich die Noongar aus Perth und King George Sund, kreideten ihre Körper ein und führten eine Reihe ihrer traditionellen Tänze auf, darunter den Känguru-Jagd-Tanz. Die örtliche [[Zeitung]], die ''Perth Gazette'' schrieb dazu, dass Yagan nicht nur der [[Zeremonie]]n</b>meister dieses Abends gewesen sei, sondern sich auch durch „körperliche Anmut und Würde“ ausgezeichnet habe.<ref name="Perth Gazette 18330316">''The Perth Gazette'', 16. März 1833. Wörtlich schrieb die Zeitung: „[Yagan] was master of ceremonies and acquitted himself with infinite grace and dignity.“</ref> Während der Monate Februar und März 1833 war Yagan in eine Reihe von kleineren Konfrontationen zwischen Noongar und weißen Siedlern involviert. Im Februar hatte sich der Siedler William Watson darüber beschwert, dass Yagan gewaltsam die Tür seines Hauses geöffnet habe, nach einem [[Gewehr]] verlangte, sich Taschentücher aneignete und dass Watson ihm und seinen Begleitern Mehl und [[Brot]] geben musste. Im März gehörte Yagan zu einer Gruppe von Noongar, die von einem Militärkontingent unter Leitung von [[Leutnant]] Norcott Zwieback erhielten. Als Leutnant Norcott die Menge des Zwiebacks begrenzen wollte, die den Noongar gegeben wurde, bedrohte ihn Yagan mit dem Speer. Wenig später im selben Monat drang Yagan mit einer Gruppe anderer Noongar erneut in das Haus von Watson ein. William Watson selbst war nicht anwesend und die Noongar verließen das Haus erst, als Watsons Frau ihre Nachbarn zur Hilfe holte. Für die ''Perth Gazette'' war dies der Anlass, sich über die „rücksichtslosen Kühnheiten dieses [[Desperado]]s“ auszulassen, der „sein Leben für den Gegenwert einer Stecknadel riskiert […]. Er würde aus dem nichtigsten Anlass heraus jedem Menschen, der ihn provoziert, das Leben nehmen. Er ist derjenige, der hinter jedem Unfug steckt“.<ref name="Perth Gazette 18330302">''The Perth Gazette'', 2. März 1833. Wörtlich bezeichnete ihn die ''Perth Gazette'' als „the reckless daring of this desperado who sets his life at a pin's fee“ und kommentierte dann weiter: „For the most trivial offence [...] he would take the life of any man who provoked him. He is at the head and front of any mischief.“</ref> === Zum Gesetzeslosen erklärt === In der Nacht des 29. April 1833 brach eine Gruppe von Noongar in einen Laden in [[Fremantle]] ein. Sie wurden von Peter Chidlow überrascht, der auf sie schoss. Domjum, ein Bruder von Yagan, wurde dabei schwer verletzt und starb ein paar Tage später im Gefängnis. Die restlichen Mitglieder der Gruppe zogen von Fremantle nach Preston Point, wo man hörte, wie Yagan Rache für den Tod schwor. Fünfzig bis sechzig Noongar versammelten sich in Bull Creek in Sichtweite der High Road, wo sie auf eine Gruppe von Siedlern trafen, die Wagen mit Vorräten beluden. Später am Tag überfielen sie den führenden Wagen aus dem Hinterhalt und töteten Tom und John Velvick mit Speeren. Das Stammesrecht der Noongar verlangte nur den Tod eines Mannes, um Domjum zu sühnen. Der Aborigine Munday erklärte später, dass beide Velvicks getötet worden wären, weil sie zuvor Aborigines misshandelt hätten. Tatsächlich waren die Velvicks früher bereits verurteilt worden, weil sie Aborigines und farbige Seeleute angegriffen hatten. Alexandra Hasluck nannte den Wunsch, die Vorräte zu stehlen, als wichtiges Motiv für den Angriff,<ref name="Hasluck 1961">Alexandra Hasluck: ''Yagan, the Patriot''. In: ''Early Days: Journal and Proceedings of the Royal Western Australian Historical Society (Inc.)''. V, VII, S. 33-48</ref> was aber von anderen Forschern abgelehnt wird.<ref name="Green 1984"/> [[Vizegouverneur]] Frederick Irwin erklärte Yagan, Midgegooroo und Munday wegen der Ermordung der Velvicks zu Geächteten. Für die Gefangennahme von Midgegooroo und Munday wurden jeweils 20 Pfund Belohnung ausgesetzt. Wem es dagegen gelingen sollte, Yagan gefangen zu nehmen oder zu töten, sollte 30 Pfund erhalten. Der Aborigine Munday legte dagegen erfolgreich Einspruch ein. Midgegooroo und Yagan scheint es klar gewesen zu sein, dass die Siedler nun Jagd auf sie machen würden. Ihre Gruppe verließ sofort die Region, in der sie traditionell umherstreiften und zog nach Norden in Richtung des [[Helena River]]. Dort wurde vier Tage nach der Ermordung der beiden Velvicks Midgegooroo gefangen. Nach einem kurzen, formlosen Gerichtsprozess wurde Midgegooroo durch ein Erschießungskommando [[Todesstrafe|hingerichtet]]. Yagan konnte seiner Gefangennahme weitere zwei Monate entgehen. Gegen Ende Mai traf [[George Fletcher Moore]] auf seiner Farm im Gebiet von [[Upper Swan]] auf Yagan und die zwei unterhielten sich zunächst in [[Pidgin-Sprachen|Pidgin]]-Englisch. Yagan wechselte während dieser Unterhaltung in seine eigene Sprache und Moore hielt in seinem später veröffentlichten Tagebuch fest: :''Yagan kam näher, legte seine linke Hand auf meine Schulter, blickte mich ernst an und verfiel in eine Art [[Rezitation]], während er mit der anderen Hand dazu gestikulierte. Ich bedauere es immer noch, dass ich ihn nicht verstehen konnte. Vom Tonfall und der Art, wie er es sagte, aber dachte ich, dass er mir folgendes sagen wollte:<br/>Ihr seid in unser Land gekommen; ihr habt uns von unseren Jagdgründen vertrieben und unsre Lebensweise zerstört. Wenn wir heute in unserem eigenen Land herumziehen, schießen die weißen Männer auf uns. Warum behandeln uns die weißen Männer so?''<ref name="Moore">George Fletcher Moore: ''Diary of Ten Years Eventful Life of an Early Settler in Western Australia, and also a Descriptive Vocabulary of the Language of the Aborigines''. M. Walbrook, London 1884. [[Faksimile]]-Ausgabe: University of Western Australia Press, Nedlands, Western Australia 1978. ISBN 0855641371. In Englisch lautet das Zitat: „Yagan stepped forward and leaning with his left hand on my shoulder while he gesticulated with the right, delivered a sort of recitation, looking earnestly into my face. I regret that I could not understand it. I thought from the tone and manner that the purport was this: You came to our country; you have driven us from our haunts, and disturbed us in our occupations. As we walk in our own country we are fired upon by the white men; why should the white men treat us so?“</ref> Da Moore nur sehr wenig von Yagans Sprache beherrschte, hat die Historikerin Hasluck allerdings darauf hingewiesen, dass dieser Tagebucheintrag mehr die moralische Gefühlswelt eines europäischen Siedlers in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts widerspiegelt als das, was Yagan zu diesem Zeitpunkt gedacht und gefühlt haben mag.<ref name="Hasluck 1961"/> Yagan fragte dann Moore darüber aus, ob Midgegoroo noch am Leben sei. Moore selbst gab auf diese Frage keine Antwort. Einer von Moores Arbeitern behauptete an seiner Stelle, dass Midgegooroo auf der Carnac Insel gefangen gehalten werde. Yagan antwortete darauf mit der Drohung: „White man shoot Midgegooroo, Yagan kill three“ (Weißer Mann erschießt Midgegooroo, Yagan tötet drei). Moore selber unternahm keinerlei Versuche, Yagan gefangen zu nehmen, meldete aber an den nächsten [[Friedensgericht|Friedensrichter]], dass Yagan sich in der Region aufhalte. In seinem [[Tagebuch]] hielt George Fletcher Moore fest: :''Es ist wahr, dass jeder [der weißen Siedler] sich wünscht, dass er [Yagan] gefangen wird, aber keiner möchte der Fänger sein… Sein [Yagans] Wagemut zwingt einen dazu, ihn zu bewundern''<ref>Moore 1884. Moore schrieb wörtlich: „The truth is, every one wishes him taken, but no one likes to be the captor … there is something in his daring which one is forced to admire.“</ref> === Yagans Tod === [[Bild:Yagan-Belhus.png|thumb|right|250px|Karte, auf der Henry Bulls Mühle sowie mehrere Orte der Auseinandersetzungen eingezeichnet sind]] Am 11. Juli 1833 kam es nördlich von [[Guildford]] erneut zu einer Begegnung zwischen Weißen und Yagan. Die beiden Brüder William und James Keates, die beide noch im Teenager-Alter waren, trieben eine Herde von Rindern entlang des Ufers des Swan Rivers. Ihnen kam eine Gruppe von Noongar entgegen, die auf dem Weg zu [[Henry Bull]]s Haus war, um dort ihre Ration Mehl zu erhalten. In der Gruppe befand sich auch Yagan. Die Brüder und Yagan kannten sich durch frühere Begegnungen und waren bislang freundschaftlich miteinander umgegangen. Die Keates-Brüder schlugen daher vor, dass Yagan bei ihnen bleiben sollte, um sich nicht der Gefahr einer Gefangennahme bei Henry Bulls Haus auszusetzen. Yagan nahm den Vorschlag an und blieb während des gesamten Vormittags bei den beiden Brüdern. Im Laufe des Vormittags allerdings beschlossen die beiden Brüder, Yagan zu töten und anschließend die Belohnung zu kassieren. Beim ersten Versuch von William Keates, unbemerkt auf Yagan anzulegen und ihn zu erschießen, blockierte das Gewehr und der Versuch scheiterte. Vor der Rückkehr der anderen Noongar von Henry Bulls Mühle bot sich den beiden Brüdern keine Gelegenheit mehr, Yagan zu töten. Erst als die Noongar sich von den Brüdern trennen wollten, um weiterzuziehen, bot sich den Brüdern erneut eine Schussmöglichkeit. William Keates erschoss Yagan und James Keates einen weiteren Aborigine mit dem Namen Heegan, als dieser einen Speer in ihre Richtung schleuderte. Die beiden Brüder rannten in Richtung Fluss. William Keates wurde allerdings von den überlebenden Noongar eingeholt und von ihren Speeren getötet. James Keates konnte schwimmend den Fluss durchqueren und eine Gruppe bewaffneter Siedler von Henry Bulls Anwesen herbeiholen. George Fletcher Moore hat diesen Vorfall in seinem Tagebuch ebenfalls festgehalten und berichtet, dass eine Gruppe von Soldaten kurz nach dem Vorfall in der Nähe vorbeikam. Nach Moores Überzeugung war es ihre Nähe, die verhinderte, dass die Noongar die Körper von Yagan und Heegan bargen. Als die Gruppe der bewaffneten Siedler wenig später eintraf, fand sie Yagan tot und Heegan sterbend vor. Heegan hatte schwere Kopfverletzungen und lag stöhnend am Boden. Einer der Siedler setzte das Gewehr an Heegans Kopf und erschoss ihn. Moore lässt offen, ob dies aus einem Rache- oder Mitgefühl geschah.<ref>Nach Moores Schilderungen waren Heegans Schussverletzungen so schwerwiegend, dass Teile des Gehirns ausgetreten waren. Er hätte damit keine Überlebenschancen gehabt und wäre vermutlich in den nächsten Stunden gestorben. Es ist daher tatsächlich nicht auszuschließen, dass mit dem Kopfschuss Heegans Leiden beendet werden sollte.</ref> Yagans Kopf wurde vom Körper abgetrennt und sein Rücken gehäutet, um seine Stammestätowierungen als [[Trophäe]] aufzubewahren. Beide Körper wurden in unmittelbarer Nähe beerdigt. James Keates, der die Belohnung für Yagans Erschießung erhielt, wurde für sein Verhalten überwiegend kritisiert. Die ''Perth Gazette'' bezeichnete die Erschießung Yagans als eine unüberlegte und verräterische Tat. Die Zeitung schrieb auch, dass es abstoßend und abscheulich sei, diesen Vorgang als verdienstvoll zu loben.<ref name="Perth Gazette 18330713">''The Perth Gazette'', 13. Juli 1833</ref> James Keates verließ die Kolonie noch im folgenden Monat. Die Gründe sind unbekannt. Es ist aber nicht unwahrscheinlich, dass er eine tödliche Vergeltung seitens der Noongar befürchtete. == Yagans Kopf == === Ausstellung und Begräbnis === [[Bild:Yagan's head from Moore's diary.png|thumbnail|Ausschnitt aus George Fletcher Moores handgeschriebenem Tagebuch mit Skizzen von Yagans Kopf]] Yagans Kopf war zunächst zu Henry Bulls Haus gebracht worden. George Fletcher Moore sah den Kopf dort und skizzierte ihn mehrmals in seinem Tagebuch. Er hielt damals bereits fest, dass dieser Kopf möglicherweise in Großbritannien in einem Museum ausgestellt werden könnte. Um den Kopf vor der [[Verwesung]] zu bewahren, wurde er in einem hohlen Baum aufgehängt und mehrere Wochen über einem [[Eukalyptus]]feuer [[Räuchern|geräuchert]]. Im September 1833 nahm der [[Fähnrich|Ensign]] Robert Dale Yagans Kopf mit nach [[London]]. Nach Meinung des Historikers Paul Turnbull überzeugte Robert Dale den verantwortlichen Gouverneur Irwin, ihm dem Kopf als „anthropologische Kuriosität“ zu überlassen.<ref name="Turnbull">Paul Turnbull: ''Outlawed Subjects: The Procurement and Scientific Uses of Australian Aboriginal Heads, ca. 1803–1835''. In: ''Eighteenth-Century Life''. 22, 1, S. 156-171</ref> Nach seiner Ankunft in London trat Dale an eine Reihe von [[Anatomie|Anatomen]] und [[Phrenologie|Phrenologen]] heran und versuchte, ihnen den Kopf für 20 Pfund zu verkaufen. Als niemand Interesse bekundete, überließ er den Kopf ein Jahr lang [[Thomas Pettigrew]]. Pettigrew war [[Arzt]] und [[Antiquar]], der in der Londoner Gesellschaft bekannt dafür war, private Abendgesellschaften zu veranstalten, bei denen er unter anderem [[Obduktion|Autopsie]]n an [[Altes Ägypten|altägyptischen]] [[Mumie]]n vornahm. Pettigrew zeigte Yagans Kopf auf einem Tisch vor einem [[Panoramabild|Panorama]] des King George Sunds, das nach [[Skizze]]n von Dale gemalt worden war. Um den Effekt des Kopfes zu erhöhen, wurde der Kopf mit einem Stirnband und [[Kakadu]]federn verziert. Thomas Pettigrew ließ den Kopf auch durch einen [[Phrenologie|Phrenologen]] untersuchen. Die Untersuchungen wurden jedoch erschwert, weil die Schädelknochen am Hinterkopf [[Knochenbruch|Frakturen]] aufwiesen. Die Befunde des Phrenologen entsprachen erwartungsgemäß dem zeitgenössischen europäischen Bild über die Charaktereigenschaften der indigenen Bevölkerung Australiens<ref name="Turnbull"/> und waren Bestandteil einer Publikation von Dale über den King George Sund und das angrenzende Land<ref name="Dale 1834">Robert Dale. ''Descriptive Account of the Panoramic View &amp;c. of King George's Sound and the Adjacent Country. J. Cross & R. Havell, London 1834.</ref>, die unter anderem von Pettigrew als Erinnerung an die Gäste seiner Abendveranstaltungen verkauft wurde. Das Deckblatt des Pamphlets war eine handkolorierte [[Aquatinta]] von [[George Cruikshank]], die Yagans federgeschmückten Kopf zeigte Anfang Oktober 1835 gab Thomas Pettigrew sowohl Yagans Kopf als auch das Panoramagemälde an Robert Dale zurück. Dale lebte zu dem Zeitpunkt in [[Liverpool]]. Er übergab beides der Liverpool Royal Institution, wo der Kopf möglicherweise gemeinsam mit anderen, ähnlichen Kopfpräparaten sowie Wachsmodellen ausgestellt wurde. 1894 wurde diese Sammlung aufgelöst und Yagans Kopf dem [[Liverpool Museum]] übergeben. Es ist verhältnismäßig sicher, dass diese Institution den Kopf nie in ihren Schauräumen zeigte. Der Kopf wurde wahrscheinlich lediglich in den Lagerräumen des Museums aufbewahrt. Zu Beginn der 1960er Jahre zeigte Yagans Kopf deutliche Verfallsspuren und im April 1964 wurde entschieden, dass der Kopf entsorgt werden sollte. Am 10. April 1964 wurde Yagans Kopf gemeinsam mit einer [[peru]]anischen Mumie und einem [[Maori]]-Kopf in eine [[Sperrholz]]kiste gelegt und auf dem Everton Friedhof in Liverpool beerdigt. In den folgenden Jahren wurden die benachbarten Gräber belegt und 1968 ließ ein ortsansässiges Krankenhaus in dem Grab, in dem sich die Sperrholzkiste mit den Überresten von Yagans Kopf befanden, die Leichen von 20 Totgeburten sowie von zwei Babys, die ihre ersten 24 Lebensstunden nicht überlebt hatten, beerdigen. Das war möglich, weil die Sperrholzkiste 1964 sehr tief beigesetzt worden war. === Kampf um die Repatriierung === Es lässt sich nicht genau datieren, ab wann Noongar-Gruppen Schritte unternahmen, um Yagans Kopf zurückzuerhalten. Die ersten Aktivitäten lassen sich mindestens bis in die frühen 1980er Jahre zurückverfolgen. Nach dem Glauben der Aborigines bleibt ein Geist eines Toten mit der Erde verbunden, wenn sein Körper nicht vollständig und an einer Stelle beerdigt wird. Eine Beisetzung von Yagans Kopf dort, wo auch der Torso begraben war, würde bedeuten, dass sein Geist endlich die Ewigkeitsreise würde antreten können.<ref name="Colbung 1996">Ken Colbung. ''Yagan: The Swan River "Settlement"''. Australia Council for the Arts 1996</ref> Zu Beginn der achtziger Jahre war den Noongar unbekannt, was mit Yagans Kopf geschehen war, nachdem Thomas Pettigrew ihn an Robert Dale wieder zurückgegeben hatte. [[Ken Colbung]] wurde von den Ältesten des Noongar-Volkes damit beauftragt, diesbezüglich Nachforschungen anzustellen. Nachfragen bei verschiedenen britischen Museen nach dem Verbleib des Kopfes blieben zunächst erfolglos. In den frühen 1990er Jahren gelang es Ken Colbung, die Unterstützung des [[Archäologe]]n [[Peter Ucko]] von der [[University of London]] zu gewinnen. Mit Mitteln der australischen Regierung wurde Cressica Fforde, eine von Uckos Mitarbeiterin, damit beauftragt, in Veröffentlichungen der damaligen Zeit nach Informationen über den Verbleib von Yagans Kopf zu recherchieren. Dies erwies sich als erfolgreich. Im Dezember 1993 wusste man, dass der Kopf an das Liverpool Museum übergeben worden war und dass der Kopf 1964 beigesetzt worden war. Im April 1994 stellte Colbung den Antrag, den Kopf nach „Section 25 of the Burial Act 1857“ exhumieren zu dürfen. Dazu wäre nach britischem Recht die Einwilligung der jeweils nächsten Verwandten der 22 Kleinkinder notwendig gewesen, die ebenfalls in dem Grab beerdigt waren. Mit der Argumentation, dass die Exhumierung für Yagans noch lebende Verwandte von großer persönlicher Wichtigkeit sei, und dass die Wiederauffindung auch Bedeutung für die australische Nation habe, versuchten Ken Colbungs Anwälte diese Forderung allerdings auszusetzen. Mittlerweile war es innerhalb der Noongar-Gemeinde von Perth zu Streitigkeiten gekommen. Die Beauftragung von Ken Colbung, der kein reinblütiger Aborigine war, wurde von einer Reihe von Volksältesten hinterfragt. Ein Noongar reichte sogar eine offizielle Beschwerde über Colbungs Rolle in der geplanten Exhumierung und Rückführung von Yagans Kopf beim Stadtrat von Liverpool ein. Die Debatte innerhalb der Noongar-Gemeinde, welche kulturellen Qualifikationen jemand haben müsse, der sich um die Wiedererlangung der Kopfes kümmere, wurde teilweise mit Verbitterung geführt und in den Medien kommentiert. Am 25. Juli 1994 wurde in Perth ein öffentliches Treffen veranstaltet, bei dem die zu diesem Zeitpunkt involvierten Parteien übereinkamen, dass man die Streitigkeiten beilegen und kooperieren wolle, um möglichst schnell eine Rückführung des Kopfes zu erreichen. Ken Colbung durfte seine Arbeit fortsetzen; ihm wurde ein „Yagan Steering Committee“ als Beirat zur Seite gestellt. Im Januar 1995 entschied das britische [[Home Office]], dass sie auf die Einwilligung der Verwandten der in dem Grab beigesetzten 22 Kleinkinder bestehen müsse, bevor eine Exhumierung vorgenommen werden könne. Das Home Office kontaktierte fünf Familienangehörige, deren Adresse man ausfindig machen konnte. Eine uneingeschränkte Einwilligung gab nur eine Familie. Am 30. Juni 1995 wurde daher Ken Colbung mitgeteilt, dass man keine Bewilligung für die Exhumierung erteilen könne.<ref name="Fforde 2002">Cressida Fforde: ''Chapter 18: Yagan''. In: Cressida Fforde, Jane Hubert & Paul Turnbull (Hg.): ''The Dead and Their Possessions: Repatriation in Principle, Policy, and Practice'' Routledge, London 2002. S. 229-241. ISBN 0-415-23385-2</ref> Das Yagan Steering Committee traf sich am 21. September 1995 und entschied, dass man sich zunächst darauf konzentrieren wolle, die Unterstützung von australischen und britischen Politikern zu gewinnen. Dieses Vorgehen resultierte in einer Einladung für Colbung nach Großbritannien auf britische Regierungskosten. Colbung kam am 20. Mai 1997 in Großbritannien an. Über seinen Besuch in Großbritannien wurde umfangreich in der britischen Presse berichtet. Dies erhöhte den politischen Druck auf die britische Regierung, ebenfalls nach einer Lösung zu suchen. Während Colbungs Aufenthalt in Großbritannien hielt sich auch der australische Premierminister [[John Howard (Politiker)|John Howard]] anlässlich einer Staatsvisite in Großbritannien auf. Ken Colbung gelang es während dieser Visite, ein Gespräch mit John Howard zu erzwingen und damit auch die persönliche Unterstützung des australischen Premierministers zu erhalten. === Exhumierung === [[Bild:Yagan's grave surface EM data.png|thumbnail|right|Die Karte der Grundleitfähigkeit von Yagans Begräbnisstätte zeigt eine Anomalie in der [[Elektromagnetische Welle|elektromagnetischen]] Signatur, verursacht durch metallische Artefakte, die zusammen mit Yagans Kopf begraben wurden.]] Während sich Colbung im Vereinigten Königreich aufhielt, waren Martin und Richard Bates mit einer [[geophysik]]alischen Untersuchung der Begräbnisstätte beauftragt. Mit [[Elektrodynamik|Elektromagneten]] und [[Bodenradar]] konnten sie die ungefähre Position der Sperrholzkiste in der Grabstätte lokalisieren. In ihrem anschließenden Bericht wiesen sie auch auf die Möglichkeit hin, die Sperrholzkiste von einem benachbarten Grab aus zu erreichen, ohne die Totenruhe der oberhalb der Sperrholzkiste beigesetzten Kleinkinder zu stören. Die Untersuchung wurde an das britische Home Office weitergeleitet und führte zu weiteren Gesprächen zwischen der britischen und australischen Regierung.<ref name="Bates 2005">[http://www.st-andrews.ac.uk/~www_sgg/personal/crblink/web/arch/yagan.htm Archaeological Geophysics: Yagan's Head]</ref> In der Zwischenzeit erhielt das britische Home Office eine unbekannt gebliebene Anzahl von Briefen, in denen Einwände gegen Ken Colbungs Rolle in der Rückführung des Kopfes erhoben wurde. Das Home Office wandte sich an die australische Regierung, um überprüfen zu lassen, ob Ken Colbung zu Recht die führende Rolle in diesem Prozess spielte. Als Reaktion darauf bat Colbung die Ältesten der Noongar, von der [[Aboriginal and Torres Strait Islander Commission]] (ATSIC) seine Funktion bestätigen zu lassen. Die ATSIC trat darauf hin in Perth zusammen und bestätigte erneut Ken Colbungs Auftrag. Trotz dieser internen Zwistigkeiten versuchte Ken Colbung weiterhin die Exhumierung durchzusetzen. Er bat darum, dass die Exhumierung möglichst vor dem 11. Juli 1997 durchgeführt werde, damit der 164. Jahrestag des Todes von Yagan für eine angemessene Feier genutzt werden könnte. Seiner Bitte wurde jedoch nicht entsprochen und an dem Jahrestag hielt Colbung lediglich eine kleine Gedenkfeier an der Grabstätte auf dem Liverpooler Friedhof ab. Am 15. Juli 1997 kehrte er mit leeren Händen nach Australien zurück. Ohne dass Colbung davon Kenntnis hatte, begann man in Großbritannien endlich, Yagans Kopf zu exhumieren. Dazu wurde an der Seite des Grabes ein sechs [[Fuß (Einheit)|Fuß]] tiefer Schacht ausgehoben und von dort aus horizontal in Richtung der Stelle gegraben, an der man die Sperrholzkiste vermutete. Die Exhumierung konnte so erfolgen, ohne die Überreste der anderen dort Beerdigten zu stören. Am nächsten Tag wurde durch den [[Forensik|forensischen]] [[Paläontologe]]n der [[University of Bradford]] bestätigt, dass es sich beim Fund um Yagans Kopf handelt. Die Bruchstellen am Hinterkopf, die ausführlich in zeitgenössischen Berichten beschrieben waren, stimmten mit dem ausgegrabenen Schädel überein. Der Schädel wurde bis zum 29. August in einem Museum aufbewahrt und dann dem Stadtrat von Liverpool übergeben.<ref name="Bates 2005"/> === Repatriierung === Am 27. August 1997 reiste eine [[Delegation]] der Noongar nach Großbritannien, um den Schädel in Empfang zu nehmen. Der Delegation gehörten Ken Colbung, [[Robert Bropho]], Richard Wilkes und Mingli Wanjurri-Nungala an und sie sollte ursprünglich aus noch mehr Noongar-Mitgliedern bestehen. Die Finanzierung der Reise der Noongar durch offizielle Stellen des britischen [[Commonwealth]]s scheiterte kurz vor der Abreise, die Delegation musste daher auf vier Personen begrenzt werden. Die Übergabe verzögerte sich jedoch, da ein Noongar namens Corrie Bodney beim Supreme Court (Oberstes Gericht) von [[Western Australia]] eine [[vorläufiger Rechtsschutz|einstweilige Verfügung]] beantragte. Mit Verweis auf die alleinige Verantwortung seiner Familie für Yagans Überreste erklärte er die Exhumierung für illegal und leugnete die Existenz einer Tradition oder eines Glaubens, der die Exhumierung und die Rückkehr nach Australien erforderte. Dem Supreme Court von Western Australia war es rechtlich nicht möglich, einen Eilbeschluss zu fassen, der für die britische Regierung bindend gewesen wäre. Er wandte sich stattdessen mit der Bitte an die Regierung des australischen Bundesstaates Westaustralien, bei der britischen Regierung einen vorläufigen, förmlichen Einspruch gegen die Übergabe einzulegen. Die britische Regierung stoppte daraufhin tatsächlich die Übergabe, bis über den Einspruch von Bodney entschieden war. Am 29. August wies das Gericht die Klage zurück, da Bodney zuvor mit dem Vorgang einverstanden gewesen sei und ein Noongar-Älterer und ein Anthropologe, die als Zeugen gehört worden waren, Bodneys Anspruch auf alleinige Verantwortung zurückwiesen.<ref name="Fforde 2002"/> Am 31. August 1997 wurde in einer Zeremonie in der [[Liverpool Town Hall]] Yagans Schädel an die Noongar-Delegation überreicht. Am Morgen dieses Tages war [[Diana Spencer|Diana, Princess of Wales]] tödlich verunglückt und die Worte, mit denen Ken Colbung den Schädel entgegennahm, wurden mit diesem Unglücksfall in Verbindung gebracht. Colbung hatte bei der Übergabe gesagt :''Die Briten taten falsche Dinge und deswegen müssen sie leiden. Sie müssen lernen, mit diesem Leiden zu leben, wie wir es auch lernen mussten. So ist die Welt.''<ref>In Englisch lautet das Zitat: „Because the Poms did the wrong thing they have to suffer. They have to learn too, to live with it as we did and that is how nature goes.“</ref> Ken Colbungs Kommentar löste in Australien ein großes Medienecho aus; Australische Zeitungen erhielten zahlreiche Briefe ihrer Leser, die Schock und Verärgerung über diese Äußerungen ausdrückten. Ken Colbung hat später behauptet, dass man seinen Kommentar fehlinterpretiert habe. === Die Diskussion über die geeignete Beerdigungsstätte === Auch nach seiner Rückkehr nach Perth war Yagans Kopf weiterhin der Anlass für Kontroversen und Konflikte. Für die erneute Bestattung des Kopfes wurde ein Komitee ernannt, dem Richard Wilkes vorstand. Die Beerdigung wurde jedoch durch Diskussionen zwischen den Ältesten der Noongar verzögert. Der genaue Bestattungsort von Yagans Torso war unbekannt und die Ältesten waren sich uneinig, wie wichtig es sei, den Kopf dort zu beerdigen, wo auch der Körper bestattet lag. Man versuchte mehrfach, den genauen Bestattungsort von Yagans Torso zu finden. Generell war man der Überzeugung, dass sich das Grab auf einem Grundstück an der West Swan Road in Belhus, einem der äußeren Vorort von Perth befände. Dort wurden sowohl 1998 als auch 2000 Untersuchungen vorgenommen. Ein Grab konnte allerdings nicht gefunden werden <ref name="Fforde 2002"/>. Das führte zu Diskussionen darüber, ob der Kopf separat vom Körper beerdigt werden könne. Richard Wilkes, der Vorsitzende des Beerdigungskomittees argumentierte, dass es ausreichend sei, den Kopf dort zu beerdigen, wo Yagan getötet wurde. Die „[[Traumzeit]]-Geister“ würden die leiblichen Überreste dann zusammenführen.<ref name="Lampathakis 2005">Paul Lampathakis: ''Hunt for Yagan narrows''. ''The Sunday Times'', 6. März 2005.</ref> Auch offizielle australische Regierungsstellen mischten sich in diese Diskussion ein. Bereits 1998 hatte die „Western Australian Planning Commission“ und das „Department of Aboriginal Affairs“ gemeinsam ein Dokument mit dem Titel „Yagan’s Gravesite Master Plan“ (Richtschnur für Yagans Beerdigungsstätte) veröffentlicht. In diesem Bericht wurden Überlegungen angestellt, wie zukünftig mit dem Grundstück verfahren werden sollte, auf dem man Yagans Körper vermutete. Vorgeschlagen wurde, das Grundstück in eine traditionelle Beerdigungsstätte für die indegene Bevölkerung von Perth zu verwandeln. Das Grundstück sollte von der Behörde verwaltet werden, die auch für die übrigen Friedhöfe in Perth zuständig war. Bis heute ist Yagans Kopf unbeerdigt. Der Kopf wurde einige Zeit in einem Banksafe verwahrt und dann an forensische Experten übergeben, die auf Basis des Schädels versuchten, die Gesichtszüge von Yagan zu rekonstruieren. Seitdem befindet sich der Kopf im staatlichen Leichenschauhaus von Westaustralien. Die Bestattung des Kopfes wurde mehrfach verschoben und ist nach wie vor die Ursache für eine Reihe von Konflikten zwischen einzelnen Noongar-Gruppen. Dem Beerdigungskomitee wurde wiederholt vorgeworfen, gegen die Wünsche der Noongar-Gemeinde zu handeln und den Kopf auszunutzen, um Parks und Denkmäler in Erinnerung an Yagan errichten zu lassen. Richard Wilkes hält diesen Angriffen entgegen, dass die Mitglieder des Komitees mit Yagan verwandt seien und daher eine angemessene Beerdigung wünschten. Die Beerdigung sei bisher lediglich wegen der Suche nach der richtigen Beerdigungsstelle verzögert worden. Mittlerweile sind auch alternative Vorschläge zur Beisetzung diskutiert worden. Ken Colbung schlug zu Beginn des Jahres 2006 beispielsweise vor, den Kopf verbrennen zu lassen und die Asche auf dem Swan River zu verstreuen<ref name="NIT 2006">[http://www.nit.com.au/news/story.aspx?id=6355 Press Cuts]. ''National Indigenous Times'', Issue 97, 26. Januar 2006</ref><ref>Eine Feuerbestattung würde durchaus im Einklang mit den traditionellen Beerdigungsriten der Aborigines stehen. Eine der ältesten Fundstellen einer Aborigine-Beerdigungsstätte ist die mindestens 23.000 Jahre alte Grabstätte einer jungen Frau, die nach ihrem Tod teilweise verbrannt wurde. Siehe auch Blainey, S. 6</ref>. Im Juni 2006 kündigte Richard Wilkes an, dass der Kopf bis Juli 2007 beerdigt sein werde.<ref name="Philip 2006">Martin Philip: ''Yagan waits for final resting place''. ''The West Australian'', 26. Juni 2006</ref> == Der Krieger Yagan in der australischen Kultur == === Yagan als Comic-Figur: ''Alas Poor Yagan'' === Am 6. September 1997 veröffentlichte die australische Zeitung „The West Australian“ ein [[Comic]] von [[Dean Alston]] mit dem Titel „Alas Poor Yagan“ (angelehnt an Shakespeare's Hamlet, Akt 5, Szene 1, etwa mit „Ach, armer Yagan“ zu übersetzen).<ref name="Alston 1997">Dean Alston: ''Alas Poor Yagan''. ''[[The West Australian]]'', 6. September 1997</ref>, der sich sehr kritisch darüber ausließ, dass die Rückkehr von Yagans Kopf die Ursache zahlreicher Konflikte innerhalb der Noongar-Gemeinde war statt diese zu einigen. Die Art, wie der Comic das Thema behandelte, konnte dabei durchaus so interpretiert werden, dass er Aspekte der Noongar-Kultur beleidigte. Der Comic hinterfragte außerdem die Motive und die Legitimität nicht reinblütiger Aborigines, die an der Rückführung und der Diskussion über die Beerdigung des Kopfes beteiligt waren. Für eine Gruppe von Noongar-Ältesten war dies der Anlass, sich bei der australischen Gleichstellungsbehörde<ref>Ihr offizieller Title ist „Human Rights and Equal Opportunity Commission“</ref> zu beschweren. Die Behörde entschied tatsächlich, dass sich der Comic in einer nicht angemessenen Weise über Glaubensinhalte der Noongar auslasse. Er verstoße jedoch nicht gegen das Gesetz gegen Rassendiskriminierung<ref name="Human Rights and Equal Opportunity Commission 2001">Human Rights and Equal Opportunity Commission: ''Corunna v West Australian Newspapers (2001) EOC 93-146''. 12. April 2001.</ref> Dies sah der [[Federal Court of Australia]] genauso.<ref name="Federal Court of Australia 2004">Federal Court of Australia. [http://www.austlii.edu.au/au/cases/cth/FCAFC/2004/16.html ''Bropho v Human Rights & Equal Opportunity Commission <nowiki>[2004]</nowiki> FCAFC 16'']. 6. Februar 2004.</ref> === Das Yagan-Denkmal === [[Bild:Yagan Statue 2005.jpg|thumb|right|Yagans Statue auf Heirisson Island]] Mitglieder der Noongar-Gemeinde hatten sich bereits Mitte der 1970er Jahre dafür eingesetzt, dass in Erinnerung an Yagan ein Denkmal errichtet werden sollte. Das Denkmal sollte anlässlich der 150-Jahr-Feier der Gründung des westaustralischen Bundesstaates im Jahre 1979 errichtet werden. Der Vorschlag der Noongar-Gemeinde fand jedoch kein Gehör. Charles Court, der zu dem Zeitpunkt amtierende Staatsminister dieses australischen Bundesstaates, folgte mit seiner Ablehnung dem damaligen Ratschlag von Historikern, die Yagan als für die westaustralische Geschichte zu unwesentlich einordneten, um ein Denkmal zu rechtfertigen. Ken Colbung behauptet, dass die Mittel, die zur Verfügung gestanden hätten, stattdessen für die Renovierung der Beerdigungsstätte von James Stirling, dem ersten Gouverneur von Westaustralien verwendet wurden.<ref name="Colbung 1996"/> Trotz dieser Ablehnung hielt die Noongar-Gemeinde an der Idee eines Denkmals für Yagan fest. Sie gründete ein Komitee und begannen, Geld für ein solches Denkmal zu sammeln. Mit der Gestaltung des Denkmals wurde der australische Bildhauer Robert Hitchcock beauftragt. Hitchcock schuf eine lebensgroße Bronzestatue, die Yagan nackt mit einem über den Schultern getragenem Speer zeigt. Das Denkmal wurde auf der [[Heirisson Insel]] im Swan River nahe Perths errichtet und am 11. September 1984 der Öffentlichkeit übergeben. 1997, nur eine Woche nach der Rückkehr von Yagans Kopf nach Perth, wurde dem Denkmal der Kopf abgeschlagen und gestohlen. Das wiederholte sich ein zweites Mal, nachdem das Denkmal restauriert worden war. Seit der zweiten Renovierung ist das Denkmal bis heute unbeschädigt geblieben. Die Täter konnten nicht gefunden werden, obwohl es ein anonymes Bekennerschreiben gab, in dem behauptet wurde, die Beschädigung des Denkmals sei als Rache für Ken Colbungs Kommentar bei der Übergabe erfolgt, der sich auf den Unfalltod von Diana, Princess of Wales bezog. Im Jahre 2002 schlug allerdings Janet Woollard, ein Mitglied des westaustralischen Landesparlaments vor, dass die Statue überarbeitet und dabei die [[Geschlechtsteil]]e bedeckt werden sollten. Der Vorschlag wurde im November 2005 auch von Richard Wilkes aufgegriffen. Er argumentierte, dass diese Veränderung dazu beitrüge, ein historisch korrekteres Bild von Yagan wiederzugeben. Yagan habe vermutlich für den größten Teil des Jahres einen Lendenschurz getragen. Zur Zeit wird außerdem die Errichtung eines weiteren Denkmals erwogen. Bei diesem neuen Denkmal soll die Kopfform den Erkenntnissen aus der forensischen Gesichtsrekonstruktion entsprechen <ref name="Kent 2005">Melissa Kent: ''Yagan centre of cover-up bid''. ''The West Australian'', 24. November 2005</ref> === Literatur und Film === 1964 veröffentlichte [[Mary Durack]] einen [[Kinderbuch|Jugendroman]], der das Leben Yagans in fiktiver Form nacherzählte. Das Buch trug den Titel ''Der höfliche Wilde: Yagan vom Swan River''.<ref name="Durack 1964">Mary Durack: ''Courteous Savage: Yagan of the Swan River''. Thomas Nelson (Australia) Limited, West Melbourne, Victoria 1964</ref> Bei seiner Wiederauflegung im Jahre 1976 wurde der Titel des Buches in „Yagan, der Bibbulmun“ geändert.<ref name="Durack 1976">Mary Durack: ''Yagan of the Bibbulmun''. Thomas Nelson (Australia) Limited, West Melbourne, Victoria 1976. ISBN 0170019969</ref>, da man den ursprünglichen Titel wegen der Verwendung des Ausdrucks „der Wilde“ als rassistisch begriff. Die wiederholte Köpfung des Yagan-Denkmals im Jahre 1997 veranlasste den Aborigine-Schriftsteller [[Archie Weller]] eine Kurzgeschichte mit dem Titel ''Bekenntnisse eines Kopfgeldjägers''<ref>Der englische Originaltitel lautet ''Confessions of a Headhunter''.</ref> zu veröffentlichen. Weller arbeitete später mit der Filmregisseurin Sally Riley zusammen, um ein Drehbuch auf Basis dieser Erzählung zu erarbeiten.<ref name="Riley 1999">Sally Riley& Archie Weller: ''Confessions of a Headhunter'' Scarlett Pictures, Surrey Hills, New South Wales 1999</ref> Aus diesem Drehbuch entstand im Jahre 2000 ein 35 Minuten langer Kurzfilm mit demselben Titel.<ref name="AFC">[http://www.afc.gov.au/filmsandawards/filmdbsearch.aspx?view=title&title=CONFHE Australian Film Commission Film Database: Confessions of a Headhunter]</ref> Sowohl der Film als auch das Drehbuch wurden in Australien mit Preisen ausgezeichnet. Im Jahre 2002 veröffentlichte der in [[Südafrika]] geborene, aber mittlerweile in Australien lebende [[Dichter]] [[John Mateer]] seine vierte Gedichtsammlung mit dem Titel „''Loanwords''“ (Geliehene Worte). <ref name="Mateer 2002">John Mateer: ''Loanwords''. Fremantle Arts Centre Press, Fremantle, Western Australia 2002. ISBN 1863683593</ref> Die Gedichtsammlung ist in vier Teile aufgeteilt. Der dritte Teil trägt den Titel ''In the Presence of a Severed Head'' (In Gegenwart eines abgeschlagenen Kopfes). Die dort wiedergegebenen Gedichte befassen sich mit Yagan. === Weitere kulturelle Bezüge === Im September 1989 wurde eine früh reifende Sorte [[Gerste]] in den Handel gebracht, die die Bezeichnung „Hordeum vulgare (Barley) c.v. Yagan“ trägt.<ref name="Portman 1989">P. Portman: ''Register of Australian Winter Cereal Cultivars. Hordeum vulgare (Barley) cv. Yagan''. In: Australian Journal of Experimental Agriculture. 29,1. S. 143</ref> Züchter dieser Gerstensorte, die vor allem auf sandigen Böden gut gedeiht, war das „Australian Department of Agriculture“. Die Sorte wird im normalen Sprachgebrauch als „Yagan“ bezeichnet und trägt den Namen in Erinnerung an den Noongar-Krieger. Mit der Namensgebung folgte das „Australian Department of Agriculture“ dem Brauch, dass in Westaustralien gezüchtete Getreidesorten nach historischen Persönlichkeiten der westaustralischen Geschichte benannt werden. == Einzelnachweise == <!--Allgemeine Angaben zur Entstehung des Artikel s auf die Diskussionsseite--> <div class="references-small"><references/></div> == Weblinks == {{commons|Yagan}} {{DEFAULTSORT:Yagan}} [[Kategorie:Geschichte der Aborigines]] [[Kategorie:Australier]] [[Kategorie:Geboren im 18. Jahrhundert]] [[Kategorie:Gestorben 1833]] [[Kategorie:Mann]] {{Personendaten |NAME=Yagan |ALTERNATIVNAMEN=Egan, Eagan |KURZBESCHREIBUNG=Noongar-Krieger |GEBURTSDATUM=um 1795 |GEBURTSORT=[[Western Australia]], [[Australien]] |STERBEDATUM=11. Juli 1833 |STERBEORT=Belhus, Vorort von [[Perth]], [[Australien]] }} {{Exzellent}} {{Link GA|es}} {{Link FA|en}} [[bg:Яган]] [[en:Yagan]] [[es:Yagan]] [[fi:Yagan]] [[fr:Yagan (Australie)]] [[ja:イェーガン]] [[simple:Yagan]] [[zh:雅岡]] bapwds4gpm7mui87hphcwibgfa4wyj9 wikitext text/x-wiki Yongle 0 24539 27143 2010-05-02T09:00:42Z 80.131.102.171 /* Reichsinstitutionen */ {{Begriffsklärungshinweis}} '''Yongle''' ({{zh|t=永樂|v=永乐|p=Yǒnglè|w=Yung-lo}}; * [[2. Mai]] [[1360]] in [[Nanjing]]; † [[12. August]] [[1424]] in Yumuchuan, [[Innere Mongolei]]) war der dritte chinesische [[Kaiser]] der [[Ming-Dynastie]] und regierte seit dem 17. Juli 1402 das [[Kaiserreich China|Kaiserreich]]. Sein Geburtsname war ''Zhū Dì'' ({{zh|kurz=|c=朱棣}}), sein [[Tempelname]] ''Tàizōng'' ({{zh|kurz=|c=太宗|b=Höchster Ahne}}). Letzterer wurde 1538 in ''Chéngzǔ'' ({{zh|kurz=|c=成祖|b=Vollendeter Ahne}}) geändert. Yongle war der vierte Sohn des Kaisers [[Hongwu]]. [[Datei:Yongle-Emperor1.jpg|thumb|upright=1.2|Hofporträt des Yongle-Kaisers]] Der Yongle-Kaiser gilt als bedeutendster Herrscher der [[Ming-Dynastie]] und wird zu den herausragendsten Kaisern in der [[Geschichte Chinas]] gezählt. Er stürzte seinen Neffen [[Jianwen]] in einem Bürgerkrieg vom Thron und übernahm selbst das Amt des Kaisers. Yongle setzte die Zentralisierungspolitik seines Vaters fort, stärkte die Institutionen des Reiches und gründete die neue Hauptstadt [[Beijing]]. Er verfolgte eine expansive Außenpolitik und unternahm mehrere groß angelegte Feldzüge gegen die [[Mongolen]]. Um seinen Einfluss in Ost- und Südasien zu stärken, ließ er eine große Flotte bauen und beauftragte den Admiral [[Zheng He]] mit der Durchführung von diplomatischen Missionen. == Jugend == [[Datei:Confucius and his students2.jpg|right|upright=1.4|thumb|[[Konfuzius]] mit Schülern (Buchdruck, Ming-Zeit)]] Zhu Di wurde im Jahr 1360 als vierter Sohn des zukünftigen ersten Ming-Kaisers [[Hongwu]] in dessen Hauptstadt [[Nanjing]] geboren. Offiziell wurde als seine Mutter Kaiserin Ma verzeichnet, doch es ist durchaus möglich, dass eine [[Konkubine]] namens Gong seine leibliche Mutter war. Wenn dem so war, dann verstarb diese kurz nach der Geburt, so dass die Kaiserin den neugeborenen Prinzen Zhu Di als leibliches Kind annahm. Zumindest gibt es keinen Zweifel, dass die Beziehung des Prinzen zur Kaiserin recht innig war, denn nach der Thronbesteigung erhob Yongle die Kaiserinmutter zur Gottheit und ließ Tempel zu ihren Ehren erbauen. Als Zhu Di geboren wurde, war sein Vater Zhu Yuanzhang noch ein Kriegsherr Chinas, der um die Macht kämpfte, während die [[Yuan-Dynastie]] im Begriff war unterzugehen. Mit der endgültigen Vertreibung der Mongolendynastie aus China gründete er 1368 als Hongwu die Dynastie der Ming. Bei den Krönungs- und Gründungsfeierlichkeiten spielten auch Zhu Di und seine Brüder als Statisten eine Rolle. Gleichzeitig wurde Nanjing zur neuen Hauptstadt eines geeinten Chinas erhoben. Hongwu überwachte die Ausbildung seiner Söhne streng. Dem [[Kronprinz]]en Zhu Biao gebührte zwar der Vortritt, da aber alle Ming-Prinzen gemeinsam mit dem Thronfolger unterrichtet wurden, erhielten alle denselben Unterricht. Der Meister Kong Keren unterwies die Kaisersöhne ausgiebig in den [[Konfuzianismus|konfuzianischen Klassikern]] und Geschichte sowie in [[Philosophie]] und [[Ethik]]. Angeblich sollen Yongle die [[Qin-Dynastie|Qin]]- und [[Han-Dynastie]] besonders interessiert haben und in späteren Jahren soll er oft Zitate des [[Qin Shihuangdi|Ersten Kaisers]] und der berühmten Han-Kaiser [[Han Gaozu|Gaozu]] und [[Han Wudi|Wudi]] rezitiert haben. 1370 schuf Kaiser Hongwu für seine Söhne kaiserliche Fürstentümer an den Grenzen des Reiches. Damit wurde Zhu Di im Alter von zehn Jahren zum [[Prinz]]en von Yan 燕王 ernannt; jene Region im Norden, deren Regierungssitz die einstige Yuan-Hauptstadt Dadu war, die nun [[Peking|Beiping]] ''(Nördlicher Friede)'' hieß. Da er noch zu jung war, ernannte sein Vater gleichzeitig mit der Übergabe der ''Königlichen Siegel von Yan'' an Zhu Di, einen [[Statthalter]] in Beiping. Nun erhielt der neue Prinz von Yan seine eigenen Lehrer, die ihn auf seine zukünftige Aufgabe als Regionalfürst des Nordens vorzubereiten hatten. == Prinz von Yan == [[Datei:Chinese Ming Dynasty Empresss RenXiaoWen.JPG|right|upright=1.1|thumb|Zhu Dis Gemahlin, die Dame Xu, Hofporträt als Kaiserin]] Bereits als jungen Mann hielt der Hof den Prinzen Zhu Di für einen der fähigsten Söhne des Hongwu-Kaisers, der besondere Aufmerksamkeit von seinem Vater erhielt. Zhu Di zeigte sich als begabter Schüler mit schneller Auffassungsgabe. Er war von großer athletischer Statur und [[jagd]]begeistert, weshalb der Vater gern Zeit mit seinem vierten Sohn verbrachte. 1376 wurde der Prinz mit sechzehn Jahren verheiratet. Er heiratete die Dame Xu, Tochter des Generals [[Xu Da]]. Der General hatte eine tragende Rolle bei der Eroberung Chinas durch Hongwu gespielt und war nun nicht nur Schwiegervater eines kaiserlichen Prinzen geworden, sondern zugleich Zhu Dis Statthalter in Beiping und Oberkommandierender der Nordarmeen. Im Jahr 1380 siedelten Zhu Di und seine junge Familie (der erste Sohn [[Hongxi|Zhu Gaozhi]] wurde 1378 geboren) von der Hauptstadt [[Nanjing]] nach Beiping in das Fürstentum Yan über. Der Prinz bezog nun die alten Paläste der [[Yuan-Dynastie|Mongolenkaiser]], die sein Vater einst hatte versiegeln lassen. Die Residenz war nicht im bestem Zustand, wies aber ähnliche Dimensionen wie der Kaiserpalast von Nanjing auf, wodurch der Prinz nun bei weitem prächtiger residierte als alle seine Brüder in den anderen Fürstentümern. Zhu Di hatte mit Yan das wichtigste aller Fürstentümer erhalten und wollte seine neue Machtfülle auch auskosten. Er schuf um sich herum einen Stab aus erfahrenen Beratern und suchte Yan vorbildlich zu verwalten. Weiterhin an seiner Seite war sein Schwiegervater Xu Da, der seit 1371 in Beiping verweilte und die Stadt zur militärischen Hauptbasis des Nordens ausgebaut hatte. Von dort aus hatte er bereits einige erfolgreiche Feldzüge gegen die [[Mongolen]] entlang der Grenzen unternommen. Der altgediente General unterwies Zhu Di in [[Taktik (Militär)|Kriegstaktik]], militärischer Organisation und Verteidigungs[[Strategie (Militär)|strategie]]. Daraufhin unternahm der Prinz mit dem General Jahr für Jahr [[Militärmanöver|Manöver]] in Nordchina. Dem Kaiser konnte Zhu Di erfolgreiche, wenn auch kleine Expeditionen in die [[Innere Mongolei]] melden. General Xu Da erkrankte 1384 schwer und wurde nach Nanjing zurückberufen. Er hinterließ seinem Schwiegersohn eine gut trainierte [[Armee]] von etwa 300.000<ref name="Zahlenangaben">Diese Zahlenangaben stammen aus der traditionellen chinesischen Geschichtsschreibung, in der die Angaben aus propagandistischen Gründen oft stark übertrieben sind.</ref> Mann, die nun ihre [[Loyalität]] auf den Prinzen übertrug. Neunzehn Jahre lang blieb Zhu Di in Beiping und konnte ein gut organisiertes Gebiet vorweisen. Während dessen waren 1392 der [[Kronprinz]] Zhu Biao, später auch Zhu Dis andere ältere Brüder gestorben. Der Prinz war also guter Hoffnung, dem alten Hongwu-Kaiser im Amt nachzufolgen. Aber Hongwu war immer launischer und unberechenbarer geworden. Er misstraute seinen zahlreichen Söhnen und auch Zhu Di schloss er davon mittlerweile nicht mehr aus. Auf die vergangenen guten Beziehungen zu seinem Vater konnte sich Zhu Di nicht verlassen. Er wartete ab, wen der alte Kaiser als designierten Nachfolger ernennen würde. Entgegen seiner Erwartung entschied sich sein Vater für seinen Enkel Zhu Yunwen. Im Jahr 1398 verstarb Kaiser Hongwu und sein Enkel bestieg als [[Jianwen]] den Drachenthron. Die neue Regierung nahm einen schlechten Anfang für den Prinzen von Yan, denn der Jianwen-Kaiser verbot seinem ältesten Onkel Zhu Di ausdrücklich an den [[Begräbnis]]feierlichkeiten seines Vaters in Nanjing teilzunehmen. Das sollte nicht die einzige [[Demütigung]] bleiben, die Zhu Di von seinem Neffen, dem Kaiser, erfuhr. Zahlreiche folgten. Der Kaiserhof teilte das Misstrauen des Hongwu gegenüber den einflussreichen Prinzen an den Grenzen des Reiches angesichts ihrer enormen militärischen Machtfülle und den großen finanziellen Ressourcen über die sie verfügten. Kaiser Jianwen und seine Berater suchten das kaiserliche System zu reformieren und die Machtkompetenzen der Prinzen erheblich zu beschneiden. Doch dies stieß unweigerlich auf den Widerstand der Prinzen. Zhu Di war das älteste Mitglied des kaiserlichen [[Clan]]s und an ihn wandten sich nun seine Brüder und Neffen, um eine entschiedene Reaktion zu fordern. Dies kam Zhu Di nicht ungelegen, sah er sich doch selbst als den rechtmäßigen Thronerben. == Machtübernahme == [[Datei:Nj02.jpg|right|upright=1.1|thumb|Ming-zeitliche Stadtmauer in Nanjing]] Nachdem Zhu Dis Versuch, eine [[Audienz]] beim Kaiser in Nanjing zu erwirken, gescheitert war, entschloss er sich zu handeln. 1399 erklärte er Nanjing den Krieg mit der Rechtfertigung, dass er seinen ''„kaiserlichen Neffen aus den Fängen übler Berater befreien“'' müsse. Der [[Bürgerkrieg]] verlief zunächst sehr günstig für den Jianwen-Kaiser. Er hatte mehr [[Truppen]] und mehr Geld zur Verfügung sowie die bessere strategische Position. Recht schnell stand die kaiserliche Armee vor Beiping, das von Zhu Dis Frau, der Dame Xu, verteidigt wurde. Doch die gut ausgebaute Stadt hielt dem Ansturm stand. Der Prinz von Yan wechselte daraufhin seine militärische Strategie. Erstens setzte er verstärkt auf seine mongolische [[Kavallerie]]. Als Fürst des Nordens hatten sich während seiner zwanzigjährigen Amtszeit dort zahlreiche Mongolenstämme ergeben, die ihm gegenüber nun uneingeschränkt loyal waren. Dieser Elitetruppe konnte die kaiserliche Kavallerie nicht standhalten. Zweitens befehligte Zhu Di im Gegensatz zum Jianwen-Kaiser seine Armee nun selbst, was ihm in der feindlichen Armee und auch in der Bevölkerung großen [[Respekt]] einbrachte. Der dritte Punkt sollte den Prinzen von Yan zum Kaiser machen. Anstatt Nanjing über den gut verteidigten [[Kaiserkanal]] erreichen zu wollen, führte der Prinz seine Armee westwärts über das Land. In offener Feldschlacht vermochten die Truppen des Jianwen den Prinzen nicht zu schlagen. Im Frühjahr 1402 gelang der Durchbruch. Zhu Di stand am unteren [[Yangzi]]. Die Unterhändler des Kaisers paktierten heimlich und die Kommandeure der Flussarmee liefen über. Am 13. Juli 1402 öffneten Überläufer die Stadttore der Hauptstadt Nanjing. Angeblich hat Kaiser Jianwen daraufhin selbst das Feuer im Palast gelegt, um mit seiner Frau und seinem ältesten Sohn [[Selbstmord]] zu begehen. Damit entschied Zhu Di den Bürgerkrieg für sich. Er bestieg nun am 17. Juli 1402 im Alter von zweiundvierzig Jahren selbst den Thron und nahm die [[Äraname|Regierungsdevise]] ''yǒnglè'' (gesprochen „junglä“) an, was ''Immerwährende Freude'' bedeutet. Gemäß der Tradition wurde sein Geburtsname Zhu Di damit zum Tabu, denn der ''Sohn des Himmels'' hatte als Gott keinen Namen mehr. Die Herrschaftsperiode [[Jianwen]] wurde aus den historischen Aufzeichnungen gestrichen, die fehlende Zeit einfach der [[Hongwu]]-Ära hinzugerechnet. Als erstes begann der neue Kaiser eine groß angelegte Säuberungsaktion. Alle Berater seines Neffen ließ er samt deren Familien hinrichten. Auch große Teile des [[Beamter|Beamte]]nstabs wurden beseitigt. Viele begingen freiwillig Selbstmord, da sie Yongles [[Usurpation]] verachteten. Ein anderes gewichtiges Problem waren die verbliebenen zwei Söhne des Jianwen, sowie dessen drei Brüder. Auch diese wurden als potenzielle Rivalen ausnahmslos exekutiert. Etwa 20.000 Personen fielen den Säuberungsaktionen in der Hauptstadt zum Opfer. == Innenpolitik == Trotz des blutigen Anfangs, ging die Herrschaft des Kaisers Yongle als eine Blütezeit des Reiches in die chinesische Geschichte ein. Als eine Epoche blühenden [[Wohlstand]]s und innerer Stärke, angeführt durch einen starken Kaiser und kompetente [[Minister]]. === Reichsinstitutionen === [[Datei:TempleofHeaven-HallofPrayer.jpg|right|upright=1.3|thumb|Der [[Himmelstempel]], einer der bekanntesten Bauten des Yongle-Kaisers]] Die erste offizielle Amtshandlung der Ära Yongle betraf die [[Privileg]]ien der Ming-Prinzen. Mit der Stärke seiner Armeen im Rücken entzog Yongle den Prinzen unverzüglich die Kontrolle über ihre Truppen und nahm ihnen auch einen Großteil ihrer finanziellen Mittel. Damit war sichergestellt, dass sich ein Bürgerkrieg nicht wiederholte. Stück für Stück entmachtete Yongle seine männliche Verwandtschaft, ein Prozess, der unter seinem Enkel [[Xuande]] seinen endgültigen Abschluss fand. Zunächst bezog der neue Kaiser die restaurierten Paläste von Nanjing und machte sich das Machtzentrum seiner einstigen Feinde zu eigen. Im Laufe eines Jahrzehnts tauschte er praktisch alle höheren Beamten aus oder schickte sie in weit entfernte [[Provinz]]en fernab der Hauptstadt. Der gesamte [[Verwaltung]]sapparat wurde neu besetzt mit loyalen Männern, die oftmals schon am Hof von Yan gedient hatten. Die kaiserliche [[Bürokratie]] war ein Hauptaugenmerk des Kaisers. Die [[Absolutismus|Zentralisierung]] der Verwaltung und damit die Machtbündelung in der Hand der Himmelssohns trieb Yongle konsequent voran. Aus dem persönlichen Beraterstab des Kaisers formte er eine neue mächtige Institution, das ''Neige.'' Dieser Geheimrat, besser bekannt als Großsekretariat, war mit Verwaltungsexperten besetzt, die im Inneren des Palastes ihren Dienst taten und ausschließlich dem Herrscher bei der Erledigung der Staatsangelegenheiten zur Hand gingen. Die Großsekretäre des ''Neige'' genossen nicht nur enormes [[Prestige]], sondern konnten in späteren Zeiten auch große Macht auf sich vereinen. Kaiser Yongle sah sich zwar selbst gern als martialischen Herrscher, schätze aber ebenso die klassische chinesische [[Bildung]]. Selbst ein begabter [[Chinesische Kalligrafie|Kalligraf]], förderte er die Literatenklasse und die kaiserlichen [[Chinesische Beamtenprüfung|Beamtenprüfung]]en. Besonders talentierte Kandidaten holte Yongle zu sich an den Hof. Um die Arbeit der Gelehrten zu erleichtern, ließ er die bekannte [[Yongle-Enzyklopädie]] anlegen, die das gesamte Wissen der Zeit umfassen sollte. Über 2000 Beamte arbeiteten fünf Jahre an der Zusammenstellung dieses Werks, das nach seiner Fertigstellung 22.938 Kapitel mit mehr als 50 Millionen Wörtern umfasste. Die Yongle-Enzyklopädie war bei weitem zu umfangreich, um je regulär gedruckt zu werden. Daher wurden nur wenige Exemplare hergestellt. Das Originalmanuskript behielt der Kaiser im Palast, um es für sich selbst und seine Berater zu nutzen. === Eunuchen === [[Datei:Ming-Emperor3.jpg|right|upright=1.3|thumb|Kaiser Yongle mit seinen Hofeunuchen]] Die [[Eunuch]]en waren zu allen Zeiten Teil der kaiserlichen Hofhaltung. Allein der kaiserlichen Familie war es erlaubt, sich solcher Personen zu bedienen. Die Eunuchen wurden besonders für ihre [[Loyalität]] geschätzt, da sie entweder als Kinder von ihren Familien an den Hof verkauft wurden oder gar keine Familienverbindungen mehr hatten. Somit waren sie vom Herrscher vollkommen abhängig. Wie die Palast[[diener]]innen waren auch die Eunuchen Angestellte im Range eines Beamten, mit zahlreichen Aufstiegsmöglichkeiten. Diese speziellen Diener umgaben den Kaiser und seine Familie ständig, auch in privatesten Augenblicken. Der Yongle-Kaiser setzte verstärkt auf Eunuchen, sowohl als Palastdiener, wie auch als Repräsentanten seiner kaiserlichen [[Autorität]]. Er sorgte nicht nur für eine exzellente Ausbildung der Hofeunuchen, sondern gründete ebenfalls die so genannten ''Vierundzwanzig Büros'' der Palastverwaltung, welche ausschließlich mit Eunuchen besetzt wurden. Diese ''Vierundzwanzig Büros'' setzten sich zusammen aus den ''Zwölf Aufsichtsräten,'' den ''Vier Agenturen'' und den ''Acht Unterbüros.'' Alle diese Abteilungen waren mit der Organisation des Palastlebens beschäftigt, also der Verwaltung der kaiserlichen [[Siegel]], [[Hauspferd|Pferde]], Tempel und Schreine, der Beschaffung von Lebensmitteln und Gegenständen, aber auch das Putzen und die [[Gartenkunst in China|Gartenpflege]] gehörten zu den Aufgaben der Eunuchen. Im Jahr 1420 erweitere Yongle die Arbeiten seiner Eunuchen um geheimdienstliche Tätigkeiten. Er schuf das ''Östliche Depot'' ''(Dongchang),'' einen berüchtigten [[Nachrichtendienst|Geheimdienst]], in dem Eunuchen unablässig damit beschäftigt waren, die Beamten daraufhin zu überprüfen, ob diese [[Korruption|korrupt]] oder illoyal waren. Ergänzt wurde das ''Östliche Depot'' durch die ''Garde in den Brokatuniformen'' ''(Jinyi wei),'' einer Elitetruppe aus [[Leibwächter]]n des Kaisers. Die Brokatkleidgarde bestand ausschließlich aus verdienten [[Soldat]]en mit großer Kampferfahrung und diente als [[Militärpolizei]]. Sie überwachte das [[Gefängnis]] des ''Östlichen Depots'' und führte auf dessen Veranlassung Verhaftungen und Verhöre durch. Die ''Garde in den Brokatuniformen'' war ganz allgemein für sämtliche sensiblen Aufträge der Regierung zuständig. Durch dieses enge Netz geheimdienstlicher Überwachung wollte Yongle sicherstellen, dass er über alles innerhalb und außerhalb des Palastes informiert war. So konnte er möglichen Aufrührern schnell entgegenarbeiten, aber auch überprüfen, ob Eingaben und Berichte die man ihm übersandt hatte, der Wahrheit entsprachen. === Beijing === [[Datei:Verbotene-Stadt1500.jpg|right|upright=1.1|thumb|''Ankunft in der Verbotenen Stadt'' – Malerei, Ming-Zeit, um 1500]] Nach seiner Thronbesteigung residierte Yongle vorerst noch in [[Nanjing]]. Dort ließ er zu Ehren seiner Mutter als erstes großes Bauprojekt den Bao’en-Tempel mit der berühmte Porzellan[[pagode]] errichten. Seine alte Residenz Beiping nannte er in Shuntian ''(Dem Himmel gehorsam)'' um. Bereits 1406 ließ Yongle verkünden, dass er die Hauptstadt in den Norden verlegen würde. Dabei nannte er Shuntian in [[Peking|Beijing]], die ''Nördliche Hauptstadt,'' um. Die Baupläne waren umfangreich. Sowohl den Kaiserpalast von Nanjing als auch die alten Paläste der Mongolen befand der Kaiser als zu klein und zu wenig repräsentativ. Die gesamte Innenstadt des einstigen Dadu der Yuan-Khane wurde dem Erdboden gleich gemacht. Beijing sollte völlig neu erstehen. Als Abbild der Weltordnung umfasste es vier Bezirke, die quadratisch ineinandergeschachtelt waren. Im Zentrum wurde die [[Verbotene Stadt|Purpurne Verbotene Stadt]] errichtet, die etwa doppelt so groß war wie die alten Paläste. Gefolgt von der Kaiserstadt, in der sich kaiserliche [[Park]]anlagen, die westlichen Seenpaläste und weitere Residenzen für Prinzen und Beamte befanden. Danach folgten die innere und die äußere Wohnstadt für die normale Bevölkerung. Bereits zum Ende der Yongle-Regierung umfasste Beijing mit seinen Außenbezirken etwa 350.000 Einwohner. Seit 1408 verbrachte der Kaiser die meiste Zeit in Beijing, um die Bauarbeiten persönlich zu überwachen. Er ließ seinen Kronprinzen Zhu Gaozhi in Nanjing zurück, der dort einen provisorischen Regentschaftsrat leitete und die alltägliche Routine erledigte. Nanjing wurde offiziell erst 1421 zur Nebenresidenz degradiert und musste damit Beijing als [[Regierungssitz]] weichen. Die ausschlaggebenden Punkte für eine Verlagerung der Hauptstadt waren zum einen, dass Yongle die Region von Nanjing verlassen wollte, da ihm diese als am wenigsten vertrauenswürdig erschien. In Nanjing hatte sein Neffe [[Jianwen]] regiert, dort gab es noch immer Kräfte, die gegen ihn arbeiteten. Seine alte Residenz im Norden war zugleich seine Machtbasis, wo es zahlreiche mächtige Familien gab, die ihm den Aufstieg verdankten. Zum anderen war das [[Mongolen]]problem noch immer präsent. Im fernen Nanjing war er abgeschnitten von den Ereignissen an den Grenzen. Da Yongle eine offensive Politik gegen die nördlichen Gebiete plante, brauchte er räumliche Nähe zur [[Steppe]] und kurze Reaktionszeiten für die Armee. In Beijing boten sich also innen- wie außenpolitische Vorteile an. <center><gallery> Bild:Palace Museum 7.jpg|Blick über Yongles Palast, die [[Verbotene Stadt]] File:Forbiddencityviewpic3.jpg|Mittagstor und Goldwasserfluss File:Forbiddencityviewpic1.jpg|Palast der Himmlischen Reinheit, Privatgemächer File:Forbiddencitycornertower.jpg|Eckturm des Kaiserpalasts </gallery></center> Kaiser Yongle ging darüber hinaus als einer der bautätigsten Himmelssöhne überhaupt in die Geschichte ein. Neben dem neuen Palastbezirk von [[Beijing]] ließ er in seiner neuen Hauptstadt zahlreiche große Tempelanlagen erbauen. Darunter den [[Himmelstempel]] für das Opfer an die höchste kosmische Ordnung und viele bekannte Bauten mehr. Um Beijing mit ausreichend Nahrungsmitteln aus dem Süden versorgen zu können, ließ Yongle den [[Kaiserkanal]] restaurieren und bis vor die Stadt ausbauen. Die gewaltigen Mengen an Gütern, die Beijing verschlang, machten den Kanal bald wieder zur Haupthandelsroute des Reiches. Auch außerhalb der Hauptstadt wurde der Kaiser als Bauherr tätig. Besonders erwähnenswert ist seine Bautätigkeit in den [[Wudang Shan|Wudang]]-Bergen. Dort erbaute er für über eine Million Silberunzen einen [[Taoismus|daoistischen]] Tempel, der sogar zu einem Staats[[schrein]] erhoben wurde. Der Wudang-Tempel war einem daoistischen Kriegsgott geweiht, der schnell große Mengen von [[Pilger]]n anzog und bis heute als das Zentrum des [[Kungfu]] bekannt ist. == Außenpolitik == Kaiser Yongle suchte die Position Chinas in der Welt zu festigen. Außenpolitischen Bedrohungen und Feinden ging er nicht aus dem Weg, sondern versuchte diese militärisch unschädlich zu machen. Seine Herrschaft war von einem hohen [[Sendungsbewusstsein]] nach außen geprägt. Der Kaiser wollte allen Nachbarregionen nicht nur verdeutlichen, dass das Reich der Mitte unter einer [[Han-Chinesen|han-chinesischen]] Dynastie wieder erstarkt ist, sondern wollte ebenfalls aufzeigen, dass China die [[Hegemonialmacht]] Asiens ist, mit dem Sohn des Himmels im Zentrum der [[Sinozentrismus|Weltordnung]]. === Mongolenfeldzüge === [[Datei:Ming-Empire2.jpg|right|upright=1.1|thumb|Das Ming-Reich unter Yongle]] Das China der Ming-Zeit fühlte sich ständig von den nördlich lebenden [[Mongolen]]stämmen bedroht. Während der Yongle-Ära war die Vertreibung der [[Yuan-Dynastie|Yuan]]-Khane gerade erst vierzig Jahre her. Deshalb betrachtete man in China eine [[Invasion (Militär)|Invasion]] der Nachkommen [[Dschingis Khan]]s zur Zurückeroberung der Macht oder mögliche [[Plünderung]]sfeldzüge als eine realistische Bedrohung. Yongle versuchte diese potentielle Gefahr zu beseitigen. Viele Mongolen waren nach 1368 in China geblieben und wurden zu loyalen Untertanen der Ming. Diese Gruppe konnte der Kaiser für sich nutzen, zum einen als Elitesoldaten, zum anderen als Instrumente gegen ihre Vettern aus der Steppe. Die meisten treuen Mongolenfamilien wurden an der Nordgrenze in [[Pufferzone]]n angesiedelt. Doch Yongle versuchte die feindlich gesinnten Steppenbewohner auch mit Ehrentiteln und Geschenken ruhigzustellen. Dies gelang nur selten. Die Mongolen hatten ihre einstige Größe eingebüßt und lebten zersplittert in zwei großen politischen Blöcken, den westlichen und östlichen Mongolen. Die Westmongolen, auch [[Oiraten]] genannt, waren ein recht stabiles Gebilde, doch von China weiter entfernt. Die [[Chalcha]] im Osten wiederum lebten unmittelbar an den nördlichen Grenzen Chinas und stellten insoweit eine unmittelbare Gefahr dar, waren aber andererseits in sich zerstritten. Yongle wollte jede militärische Wiedervereinigung der mongolischen Kräfte verhindern und die Mongolen weiter schwächen. Zunächst dehnte er die Reichsgrenzen weit nach Nordosten aus, wo er die chinesische Provinz [[Mandschurei]] gründete. Die [[Jurchen]] der Nordmandschurei wurden in einem [[Protektorat]] zusammengefasst, indem man mit diesen [[Bündnis|Allianz]]- und Freundschaftsverträge abschloss. Dadurch sollte der Druck auf die Mongolen erhöht werden. Als jedoch der Mongolengeneral Arughtai zahlreiche Stämme der Ostmongolen vereinigen konnte und sogar einen Gesandten der Ming hinrichten ließ, verstärkte Yongle seine militärischen Ambitionen. In groß angelegten [[Feldzug|Feldzügen]] attackierte er die Mongolengebiete. Yongle befehligte persönlich fünf Kampagnen gegen die Mongolenstämme: 1410, 1414, 1422, 1423 und 1424. Die Truppenstärke belief sich dabei angeblich auf etwa 250.000<ref name="Zahlenangaben">Alle Zahlenangaben stammen aus der traditionellen chinesischen Geschichtsschreibung, in der die Angaben aus propagandistischen Gründen oft stark übertrieben sind.</ref> Mann, die der Kaiser tief in die [[Mongolei]] hineinführte. Dabei brachte er den Mongolen verheerende Niederlagen bei. Obwohl Yongles Mongolenfeldzüge ausnahmslos erfolgreich waren, so waren diese nie von einem endgültigen Sieg gekrönt. Die Gefangennahme Arughtais konnte nicht erreicht werden, und immer wieder schafften es die Mongolen, sich zu reorganisieren und neue Truppenteile zur Abwehr aufzustellen. Yongle konnte die nördlichen [[Volksstamm|Stämme]] zwar in Schach halten und neue Gebiete im Norden erobern, aber eine endgültige Lösung der Grenzprobleme im Norden erreichte auch er nicht. === Annamkrieg === Im Jahr 1400 tötete der [[Usurpation|Usurpator]] Le den König von [[Annam]] aus dem Hause Tran. Daraufhin riefen verschiedene Parteien ihren eigenen König aus und schickten Gesandte an den Ming-Hof, um ihre Herrschaft zu legitimieren. Am Kaiserhof wusste man wenig über die Ereignisse in Annam und akzeptierte den Vertreter der Le-Partei mit der Auskunft, dass die Tran-Familie ausgestorben sei. Mit Yongles Amtsantritt meldete jedoch ein Mitglied der Tran-Familie Anspruch auf den annamesischen Thron an und bat den Kaiser um Hilfe. Yongle erkannte ebenfalls den Fehler seines Vorgängers und forderte Le auf, den Thron dem rechtmäßigen Erben zu überlassen. Le akzeptierte die Forderung. Als 1405 der legitime Tran-Prinz, begleitet von einer chinesischen Expeditionsarmee und einem Ming-Gesandten, das Land betrat, wurden alle auf Les Befehl niedergemetzelt. Da es keinen weiteren Vertreter der Tran gab, entschloss sich Yongle Annam als neue [[Provinz]] in das Reich zu integrieren und Le zu bestrafen. 1406 marschierte eine Ming-Armee in Annam ein und [[Annexion|annektierte]] das Land, Le tauchte unter. Yongle war der Ansicht, da Annam von der [[Han-Dynastie|Han]]- bis zur [[Tang-Dynastie|Tang]]-Zeit chinesische Provinz gewesen war, es ohnehin ein natürlicher Bestandteil Chinas wäre. Außerdem wollte der Kaiser so die militärische Stärke Chinas unter Beweis stellen. Doch die Bevölkerung wehrte sich hartnäckig gegen die Angliederung an das Reich der Mitte und gab Le so die Möglichkeit, den Kampf wieder aufzunehmen. Ein langer Krieg gegen [[Rebell]]enarmeen war die Folge. Der Annamkrieg gilt als größter Fehler des Yongle-Kaisers, da Annam wirtschaftlich wie strategisch keinerlei Attraktivität für China hatte. Sein Enkel [[Xuande]] nahm eine moderatere Haltung zu Annam ein, beendete den nutzlosen Krieg und legitimierte die [[Lê-Dynastie]] als neues Herrscherhaus von Annam. === Schatzflotte === ''Siehe Hauptartikel:'' '''[[Zheng He]]''' [[Datei:Yongle-Giraffe1.jpg|right|upright=1.1|thumb|Zheng He brachte als Geschenk für den Kaiser diese Giraffe mit – Der Hofmaler Shen Du malte sie im Jahr 1414]] Unter allen Projekten des Yongle gehören die Fahrten der Schatzflotte zu den beeindruckendsten. Der Kaiser gab unmittelbar mit seiner Thronbesteigung den Auftrag zum Bau einer [[Flotte (Marine)|Flotte]], die aus großen [[Dschunke]]n bestand (siehe [[Schatzschiff]]) und angeblich mit etwa 300 [[Schiff]]en 33.000<ref name="Zahlenangaben">Alle Zahlenangaben stammen aus der traditionellen chinesischen Geschichtsschreibung, in der die Angaben aus propagandistischen Gründen oft stark übertrieben sind.</ref> Personen transportierte. Ein Hauptziel seiner Flottenpolitik war, die seefahrenden Länder davon in Kenntnis zu setzen, dass er nun der rechtmäßige Herrscher auf Chinas Thron war. Fremdländische Herrscher sollten durch die Größe der Flotte eingeschüchtert werden, indem sie die Überlegenheit und den Glanz Chinas widerspiegelte. Die ausländischen Könige wurden eingeladen, persönlich oder stellvertretend durch einen [[Botschafter]] an den Kaiserhof der Ming zu kommen, um sich dort dem Sohn des Himmels mit dem dreifachen [[Kotau]] zu unterwerfen. Als Oberkommandierenden seiner Schatzflotte wählte Yongle seinen Hofeunuchen [[Zheng He]]. Schon als Jugendlicher war Zheng He an den Hof von Yan gelangt und hatte dort das Vertrauen des Prinzen erworben. Im Bürgerkrieg kommandierte Zheng He erfolgreich eine Armeekompanie und nach dem Amtsantritt des Yongle blieb Zheng He einer der wichtigsten Vertrauten des Kaisers. Als Expeditionsleiter geeignet war Zheng He, weil er zur loyalen Gruppe der [[Eunuch]]en zählte, und weil er [[Moslem]] war. Yongle wollte vornehmlich Kontakt mit Gebieten aufnehmen, in denen der [[Islam]] die vorherrschende Philosophie war. Daher übergab er das Kommando jemandem, der nicht nur ein vertrauenswürdiger Diener war, sondern sich auch mit den Eigenarten der fremden Völker auskannte. Zheng He unternahm auf Yongles Anweisung im Zeitraum von 1405 bis 1422 sechs große Fahrten, die ihn bis an die Küsten [[Arabische Halbinsel|Arabiens]] und [[Afrika]]s führten. Dabei befuhr er allerdings Routen, die die Chinesen bereits seit Jahrhunderten mit ihren Dschunken nutzten, weshalb die Bezeichnung „Expedition“ als eher unangemessen gelten muss. Neu waren hingegen die enorme Größe der Flotten, dass der Kaiser selbst der Auftraggeber war und dass der [[Profit]] bei dieser Unternehmung völlig zweitrangig war. Zheng He sollte [[Diplomatie]] betreiben und allen besuchten Länder die Pracht Chinas verkünden. Mit großer Zufriedenheit konnte Kaiser Yongle unzählige [[Gesandtschaft]]en aus ganz Südasien in der Hauptstadt begrüßen, die bereitwillig ihren „Tribut“ dem Himmelssohn überbrachten. Es gelang Yongle also tatsächlich, sein Prestige im Ausland enorm zu steigern. Das politische Hauptziel wurde übererfüllt, aber die Kosten sprengten alle Handelsgewinne. Die Schatzflotte vermochte zwar enorme Mengen Güter zu transportieren, doch diese dienten allein zur Refinanzierung der Unterhaltskosten. Außerdem waren die meisten transportierten Gegenstände als Geschenke für den Kaiser gedacht, wurden also nie verkauft und verblieben im Besitz des Hofes. Unter anderem erwarb Zheng He in [[Dschidda]] für seinen [[kurzsichtig]]en Herrn einen Satz [[Brille]]n aus [[Republik Venedig|Venedig]], eine europäische Erfindung, die in China bis dahin völlig unbekannt war. So überwältigend und erfolgreich die Seereisen des Zheng He auch waren, so stellten sie andererseits eine riesige Belastung für den [[Haushaltsplan|Staatshaushalt]] dar. Deshalb legten viele Berater und Minister des Kaisers schon zu Yongles Zeiten heftigen Einspruch gegen eine [[Handelsflotte]] ein, die allein vom [[Staat]] getragen werden musste und außer Ruhm nichts einbrachte. Deshalb sprach sich die Beamtenelite dafür aus, es beim privaten Seehandel zu belassen. === Korea und Japan === [[Datei:Ming-Schale1.jpg|right|upright=1.3|thumb|Ming-Porzellan: Eine begehrte Exportware]] In [[Korea]] war 1392 durch einen [[Staatsstreich]] die [[Joseon-Dynastie]] gegründet worden. Schon als Prinz in Yan pflegte Zhu Di gute Kontakte zum koreanischen Königshof. Nach Yongles gewaltsamer Machtübernahme war die neue Joseon-Dynastie nur allzu bereit, den Regimewechsel in China zu akzeptieren. Da Korea der reichste chinesische [[Vasall]] war, war es auch der wichtigste unter allen Vasallenstaaten. Yongle zeigte sich dankbar für dessen schnelle Unterwerfung unter seine [[Supremat|Oberhoheit]] und bedachte es bei Audienzen seiner Gesandten mit reichen Geschenken. Auch zu [[Japan]] suchte Yongle gute Kontakte. Die in der Vergangenheit oft angespannten Beziehungen sollten sich normalisieren. Yongle plante auch Japan in den Wirkungsbereich seines Einflusses hineinzuziehen. Doch da die Japaner nie chinesischer Vasall waren und auch nicht wurden, traten sie stets mit großem [[Selbstvertrauen]] auf. Eine gute Gelegenheit zur politischen Offerte bot sich an, als [[Ashikaga (Familie)|Ashikaga-Shogun]] [[Ashikaga Yoshimitsu|Yoshimitsu]] 1403 eine Gesandtschaft zu Yongle schickte. Da er in Geldnöten war, versuchte der Shogun den sehr profitablen Chinahandel Japans unter seine Kontrolle zu bringen. Yongle bot ihm ein Handels[[monopol]] an und finanzielle Zuwendungen, wenn er sich formal unterwirft. Tatsächlich nahm Yoshimitsu den Titel ''König von Japan'' an und akzeptierte zahlreiche Geschenke von Yongle, die der Shogun stolz zu präsentieren wusste. Letztlich blieb der Titel aber ein Amt ohne jegliche Relevanz und der Einfluss der Ming blieb nach dem Tode Yoshimitsus negierbar, sein Nachfolger zeigte auch weit weniger Interesse am Chinahandel. == Mausoleum == [[Datei:Mingdynastytombs1.jpg|upright=1.3|thumb|Changling-Mausoleum: ''Halle der himmlischen Gunst'']] [[Datei:Noel 2005 Pékin tombeaux Ming voie des âmes 13.jpg|upright=1.3|thumb|Der Weg der Seelen – Eingang zu den Ming-Gräbern]] Der Yongle-Kaiser starb am 12. August 1424 während seines letzten Feldzugs gegen die Mongolen in der Inneren Mongolei im Alter von 64 Jahren an einem [[Schlaganfall]]. Schon in den Jahren zuvor hatte der Kaiser mehrere leichte Schlaganfälle erlitten, hatte sich jedoch jedes Mal wieder erholt. 1424 machte er sich, körperlich bereits angeschlagen, mit seiner Armee von Beijing aus auf den Weg in die Mongolei. Offenbar erlitt er auf dem Rückweg einen letzten schweren Anfall, in dessen Verlauf er vier Tage später verschied. Kurz vor seinem Tod war er noch fähig, seinem General Zhang Fu eine letzte Instruktion mitzuteilen: ''Übergebt dem Kronprinzen den Thron; folgt in Fragen der Begräbniskleidung, der Zeremonien und des Opfers der Etikette des Dynastiegründers.'' Sein Körper wurde in einem Zinnsarg verschlossen und nach Beijing zurückgebracht, wo die [[Staatstrauer]] verhängt wurde und der neue Kaiser die offiziellen Begräbnisfeierlichkeiten einleitete. Yongle hatte sich schon lange mit seinem letzten Ruheplatz beschäftigt. Eines war ihm klar: Er wollte nicht in [[Nanjing]] ruhen, sondern eine neue Ruhestätte im Norden für sich und seine Nachfolger schaffen. Im Sommer 1407 starb Kaiserin Xu und der Yongle-Kaiser befahl den [[Feng Shui|Geomanten]], die Suche nach einem Ort für die kaiserlichen Mausoleen aufzunehmen. 50 km nördlich der Hauptstadt wurden diese am ''Berg der Himmlischen Langlebigkeit'' fündig, dort erbaute der Kaiser für sich und seine Ehefrauen das Changling-[[Mausoleum]], was soviel wie ''Heimstatt des ewigen Verweilens'' bedeutet. Das Changling 長陵 hat monumentale Ausmaße, es ist auch tatsächlich das größte der kaiserlichen Ming-Mausoleen und wird zu den größten Kaisergräbern Chinas gezählt. Es ist eine verkleinerte Version der Verbotenen Stadt, mit zwei großen Eingangstoren, jeweils gefolgt von einem Vorhof. Im Zentrum steht die Opferhalle ''(Halle der himmlischen Gunst),'' welche ein Abbild der ''Halle der höchsten Harmonie'' ist. Danach kommen der Opferaltar und der Seelenturm, gefolgt von einem Grab[[tumulus]] mit einem Durchmesser von dreihundert Metern. Unter diesem befindet sich der ''Unterirdische Palast'' des toten Kaisers. Darin wurde Yongle mit einer großen Zahl von kostbaren [[Grabbeigabe]]n bestattet. Das Changling ist bis heute ungeöffnet. Nach Yongles Tod ließen sich alle Ming-Kaiser im selben glückverheißenden Tal ihre Mausoleen nach dem Schema des Changling errichten. Das Tal ist heute als Bezirk der [[Ming-Gräber]] bekannt und geschätzt. Auf Yongle folgte sein Sohn Zhu Gaozhi als [[Hongxi]] auf den Thron, dieser regierte aber nur sehr kurz. Daher bestieg Yongles Lieblingsenkel Zhu Zhanji bald darauf den Thron. Als [[Xuande]] sollte er die Politik seines Großvaters fortsetzen. Der Yongle-Kaiser gilt als sehr erfolgreicher Herrscher, doch hinterließ er seinem Sohn weitestgehend leere Staatskassen. Der Bau einer riesigen neuen Hauptstadt, eine teure [[Außenpolitik]] und eine höchst kostspielige Flottenpolitik hatten Chinas Staatsfinanzen überstrapaziert. Dennoch war das Reich der Mitte nach Innen und Außen so gefestigt wie seit fünfhundert Jahren nicht mehr. Einzig der noch lodernde Konflikt in [[Annam]] bildete eine Belastung für die Ming-Administration. In die Geschichtsbücher ging die Yongle-Ära ein als der Anfang einer zweihundertjährigen Epoche des inneren Friedens in China. Sein Sohn verlieh Yongle den [[Tempelname]]n ''Taizong;'' ein Ehrenname, der einem starken Nachfolger eines Dynastiegründers gewährt wird und damit als Mitbegründer gilt. Kaiser [[Jiajing]] änderte den Namen später in ''Chengzu.'' Der Bestandteil ''zǔ'' 祖 ist ein besonders ehrenvolles Wort für ''Ahne'' und steht eigentlich nur dem Dynastiegründer zu. Jiajing erhöhte damit also den Status des dritten Ming-Kaisers und gewährte damit zum ersten Mal in der Geschichte den Beinamen ''zǔ'' 祖 einem Nachfolger eines Dynastiebegründers. == Anmerkungen == <references /> == Literatur == '''Ming-Dynastie:''' * Patricia Buckley-Ebrey: ''China. Eine illustrierte Geschichte.'' Campus, Frankfurt am Main 1996, ISBN 3-593-35322-9 * Frederick Mote: ''Imperial China 900–1800.'' Harvard, Cambridge 2003, ISBN 0-674-44515-5 * Ann Paludan: ''Chronicle of the Chinese Emperors.'' Thames & Hudson, London 1998, ISBN 0-500-05090-2 * [[Denis Twitchett]], Frederick W. Mote: ''The Cambridge History of China.'' Bd 7. The Ming Dynasty 1368–1644. Teil 1. University Press, Cambridge 1988, ISBN 0-521-24332-7 * Denis Twitchett: ''The Cambridge History of China.'' Bd 8. The Ming Dynasty 1368–1644. Teil 2. University Press, Cambridge 1998, ISBN 0-521-24333-5 '''Kaiser Yongle:''' * Louise Levathes: ''When China Ruled the Seas.'' Oxford Univ. Press, New York 1996, ISBN 0-195-11207-5 * Shih-Shan Henry Tsai: ''Perpetual Happiness. The Ming Emperor Yongle.'' Univ. of Washington Press, Seattle 2001, ISBN 0-295-98124-5 '''Beijing:''' * May Holdsworth: ''The Forbidden City. The Great Within.'' London 1995, Odyssey, Hong Kong 1998, ISBN 9-622-17590-2 * Susan Naquin: ''Peking Temples and City Life. 1400–1900.'' Univ. of California Press, Berkley 2000, ISBN 0-520-21991-0 * Ann Paludan: ''The Imperial Ming Tombs.'' Yale University Press, New Haven 1981, ISBN 0-300-02511-4 == Weblinks == {{Commons|Category:Yongle Emperor|Yongle-Kaiser}} {{Commons|Category:Changling tomb|Changling-Mausoleum}} '''Dokumentation:''' * [http://www.zdf.de/ZDFmediathek/hauptnavigation/startseite/#/beitrag/video/525090/China---Der-Schicksalsplan-des-Kaisers/ ZDF-Mediathek: Der Schicksalsplan des Kaisers] '''Bauten des Yongle in Beijing:''' * [http://www.orientalarchitecture.com/beijing/forbiddenindex.htm Die Verbotene Stadt] * [http://www.orientalarchitecture.com/beijing/taimiaoindex.htm Der kaiserliche Ahnentempel] * [http://www.orientalarchitecture.com/beijing/coalhillindex.htm Der Jingshan-Park] * [http://www.orientalarchitecture.com/beijing/tiantanindex.htm Der Himmelstempel] * [http://www.orientalarchitecture.com/beijing/drumbellindex.htm Der Trommel- und der Glockenturm] * [http://www.orientalarchitecture.com/beijing/confucianindex.htm Der Konfuziustempel] '''Ming-Gräber:''' * [http://www.orientalarchitecture.com/beijing/mingindex.htm Übersicht der Ming-Gräber] * [http://www.orientalarchitecture.com/china/beijing/changling-tomb.php Das Changling-Mausoleum] '''Yongles Bauten außerhalb Beijings:''' * [http://www.china.org.cn/english/TR-e/43409.htm Die Porzellanpagode von Nanjing] * [http://www.damo-qigong.net/temple/wudang/wudang.htm Der Wudang-Tempel] {{Folgenleiste|VORGÄNGER=[[Jianwen]]|NACHFOLGER=[[Hongxi]]|AMT=[[Kaiser der Ming-Dynastie|Kaiser von China]]|ZEIT=[[1402]]–[[1424]]}} {{Exzellent}} {{Normdaten|PND=123403766|LCCN=n/80/132282}} [[Kategorie:Kaiser der Ming-Dynastie]] [[Kategorie:Geboren 1360]] [[Kategorie:Gestorben 1424]] [[Kategorie:Mann]] {{Personendaten |NAME=Yongle |ALTERNATIVNAMEN=Zhu Di; Chu Ti; Taizong; T'ai-tsung; Chengzu; Ch'eng tsu; Yung-lo |KURZBESCHREIBUNG=Kaiser von China (1403–1424) |GEBURTSDATUM=2. Mai 1360 |GEBURTSORT=[[Nanjing]] |STERBEDATUM=12. August 1424 |STERBEORT=[[Yumuchuan]], [[Innere Mongolei]] }} [[cs:Jung-le]] [[da:Yongle-kejseren]] [[en:Yongle Emperor]] [[es:Yongle]] [[fi:Keisari Yongle]] [[fr:Ming Yongle]] [[hu:Yongle]] [[id:Kaisar Yongle]] [[it:Yongle]] [[ja:永楽帝]] [[ko:영락제]] [[mr:याँग-ल्]] [[ms:Maharaja Yung Lo]] [[nl:Yongle]] [[no:Yongle-keiseren]] [[nv:Hastiin Emperor Yongle]] [[pl:Yongle]] [[pt:Yongle]] [[ru:Чжу Ди]] [[sv:Yongle-kejsaren]] [[th:จักรพรรดิย่งเล่อ]] [[tr:Yonglo]] [[vi:Minh Thành Tổ]] [[zh:明成祖]] [[zh-classical:明成祖]] ck7d64vid4li56i825tgy8eaq0pequi wikitext text/x-wiki Zabern-Affäre 0 24540 27144 2010-02-14T23:49:23Z Gemini1980 0 + {{Link GA|fr}} [[Datei:Zabern Militärpatrouille.PNG|miniatur|350px|Militärpatrouille in den Straßen von Zabern Anfang Dezember 1913]] Die '''Zabern-Affäre''' (frz. '''Affaire de Saverne''' oder '''Incident de Saverne''') war eine innenpolitische Krise, die sich Ende [[1913]] im [[Deutsches Kaiserreich|Deutschen Kaiserreich]] ereignete. Ursache waren Proteste im [[Elsass|elsässischen]] [[Saverne|Zabern]] (frz. ''Saverne''), dem Standort zweier Bataillone des preußischen [[2. Oberrheinisches Infanterie-Regiment Nr. 99|Infanterie-Regiments 99]], nachdem ein Leutnant die elsässische Bevölkerung beleidigt hatte. Das Militär reagierte auf die Proteste mit rechtlich nicht gedeckten Willkürakten. Diese Übergriffe führten zu einer Reichstagsdebatte über die militaristischen Strukturen der deutschen Gesellschaft und die Stellung der Reichsleitung im Verhältnis zu Kaiser [[Wilhelm II. (Deutsches Reich)|Wilhelm II]]. Die Affäre belastete nicht nur das Verhältnis zwischen dem [[Reichsland Elsaß-Lothringen]] und dem übrigen Deutschen Reich schwer, sondern führte auch zu dem ersten Missbilligungssvotum in der deutschen Geschichte gegen den [[Reichskanzler]] und zu einem erheblichen Ansehensverlust des Kaisers. == Anlass und Verlauf der Zabern-Affäre == === Leutnant Forstner beleidigt die Elsässer === [[Datei:Zabern Leutnant von Forstner.PNG|thumb|Leutnant Günter Frh. v. Forstner]] Der noch nicht 20-jährige [[Leutnant]] Günter Freiherr von Forstner hatte sich während einer Rekruteneinweisung in Zabern am 28. Oktober 1913 in abfälliger Weise über die Einwohner geäußert. Zu seinen Soldaten sagte er: ''„Wenn Sie angegriffen werden, dann machen Sie von Ihrer Waffe Gebrauch; wenn Sie dabei so einen [[Wackes]] niederstechen, dann bekommen Sie von mir noch zehn Mark.“'' Zudem warnte er seine Männer mit einer aggressiv wirkenden Sprache vor französischen Auslandsagenten, die sie für die [[Fremdenlegion]] abwerben wollten. === Öffentliche Entrüstung und unnachgiebige Militärs === [[Datei:Berthold.jpg|thumb|left|Berthold von Deimling]]Am 6. November informierten die beiden Lokalzeitungen ''Elsässer'' und ''Zaberner Anzeiger'' die Öffentlichkeit über diese Ereignisse. Die Bevölkerung protestierte in den nächsten Tagen entschieden gegen diese Behandlung durch das preußische Militär. Der elsass-lothringische Statthalter [[Karl von Wedel]] legte dem [[Regimentskommandeur]] [[Ernst von Reuter]] sowie dem [[Kommandierender General|Kommandierenden General]] [[Berthold Deimling|Berthold von Deimling]] die Versetzung des Leutnants nahe. Aus Sicht der Militärs war dies jedoch mit der Ehre und dem Ansehen der Armee nicht vereinbar. Leutnant von Forstner wurde lediglich zu sechs Tagen Hausarrest verurteilt. Die amtliche Stellungnahme der Behörden in Straßburg am 11. November spielte den Vorfall herunter und interpretierte „[[Wackes]]“ als allgemeine Bezeichnung für streitsüchtige Personen. Elf Tage später verhaftete man zehn Angehörige der fünften Kompanie des Infanterieregimentes 99, denen vorgeworfen wurde, geheimhaltungspflichtige Tatsachen über die Zabern-Affäre der Presse gemeldet zu haben. Die Proteste in der elsässischen Öffentlichkeit gingen davon unbeeindruckt weiter. Zur weiteren Verschlechterung der Stimmung trug bei, dass sich Leutnant von Forstner nach seinem Hausarrest wieder in der Öffentlichkeit zeigte und dabei auf Weisung des Garnisonskommandos stets von einer [[Eskorte]] aus vier bewaffneten Soldaten begleitet wurde, was besonders bei alltäglichen Verrichtungen wie dem Einkaufen von Schokolade und Zigaretten<ref>Albert Hopmann: ''Das ereignisreiche Leben eines 'Wilhelminers'. Tagebücher, Briefe, Aufzeichnungen 1901-1920.'' Hrsg. Michael Epkenhans (Schriftenreihe des Militärgeschichtlichen Forschungsamtes), Oldenbourg, München 2004, S. 344 f.</ref> wie eine Provokation wirkte. Bei seinen Auftritten außerhalb der Kaserne wurde von Forstner dann auch wiederholt vor allem von jugendlichen Demonstranten verhöhnt und beschimpft, ohne dass die lokalen Polizeibehörden dies verhindern konnten.<ref>Wolfgang J. Mommsen: ''War der Kaiser an allem schuld?'', S. 203.</ref> Oberst Ernst von Reuter forderte daraufhin auf Weisung von General von Deimling den Vorsitzenden der lokalen Zivilverwaltung, Direktor Mahler, auf, die Ordnung mit Hilfe der Polizei wiederherzustellen, anderenfalls müsse er selbst Maßnahmen ergreifen. Mahler, der als Elsässer mit der Bevölkerung sympathisierte, wies die Bitte zurück, da die Protestierenden sich friedlich verhalten und keine Gesetzesverstöße begangen hätten. === Die Situation eskaliert === [[Datei:Zabern Kaserne.PNG|miniatur|hochkant=1.7|Vorderseite des [[Rohan-Schloss]]es in Zabern, das zu jener Zeit als Kaserne des preußischen Infanterie-Regiments Nr. 99 diente, während der Zabern-Affäre. Im Vordergrund eine Militärpatrouille mit aufgepflanztem [[Bajonett|Seitengewehr]].]] Am 28. November versammelte sich erneut eine große Menschenmenge auf dem Platz vor der Kaserne des preußischen Militärs, was diesmal zu einer unangemessenen Gegenreaktion der Truppen führte. Von Reuter wies Leutnant Schadt, der zu diesem Zeitpunkt die Kommandogewalt über die Wachposten hatte, an, die Menschenmenge aufzulösen. Dieser rief die Wachen zu den Waffen und forderte die demonstrierenden Bürger dreimal auf, auseinander zu gehen und ihre Versammlung zu beenden. Anschließend trieben die Soldaten die Menge unter Androhung von Waffengewalt über den Platz in eine Seitenstraße und verhafteten ohne Rechtsgrundlage eine größere Anzahl von Personen. Unter den Gefangenen waren auch der Präsident, zwei Richter und ein Staatsanwalt des Zaberner [[Landgericht]]s, die beim Verlassen des Gerichtsgebäudes zufällig in die Menge geraten waren. 26 der verhafteten Personen wurden über Nacht im Keller des Schlosses, dem so genannten ''Pandurenkeller'', festgehalten. Außerdem durchsuchten Soldaten rechtswidrig die Redaktionsräume einer der lokalen Zeitungen nach Hinweisen auf jene Informanten, die die Fehlgriffe Forstners an die Öffentlichkeit gebracht hatten. Über die Stadt wurde der [[Belagerungszustand]] verhängt, sodass das Militär faktisch die Regierungsgewalt übernahm und die zivile Verwaltung außer Kraft setzte. Zur Verhinderung weiterer Demonstrationen und Aufläufe ließ man Soldaten mit aufgepflanztem [[Bajonett]] in den Straßen patrouillieren und [[Maschinengewehr]]e aufstellen. === Die ersten Reaktionen des Kaisers === [[Datei:Bain_News_Service_-_The_Library_of_Congress_-_Kaiser_Wilhelm_(LOC)_(pd).jpg|thumb|Kaiser Wilhelm II.]] Kaiser [[Wilhelm II. (Deutsches Reich)|Wilhelm II.]] befand sich zu der Zeit zur Jagd auf dem Gut von [[Max Egon II. zu Fürstenberg|Max Egon Fürst zu Fürstenberg]] in [[Donaueschingen]]. Obwohl diese Reise schon lange vor den Ereignissen in Zabern organisiert wurde, hinterließ das Desinteresse Wilhelms einen schlechten Eindruck. Gerüchten zufolge hatte Kaiserin [[Auguste Viktoria]] sogar einen Zug angefordert, mit dem sie zu ihrem Ehegatten fahren und ihn zu einer Rückkehr nach [[Berlin]] bewegen wollte. Nach Einschätzung des Historikers [[Wolfgang J. Mommsen]] unterschätzte Wilhelm II. zu diesem Zeitpunkt die politische Dimension der Vorfälle im Elsass. Die Berichte, die der elsass-lothringische Statthalter Karl von Wedel nach Donaueschingen sandte und in denen er die Vorfälle als exzessiv sowie unrechtmäßig beschrieb und um persönliche Rücksprache mit dem Kaiser bat, wurden hinhaltend beantwortet. Wilhelm II. wollte zuvor den Bericht des Militärischen Hauptquartiers in Straßburg abwarten. Am 30. November trafen der preußische Kriegsminister [[Erich von Falkenhayn]], der zuständige Kommandierende General in Straßburg Berthold von Deimling und einige andere ranghohe Offiziere in Donaueschingen ein, womit sechstägige Beratungen begannen. Die Öffentlichkeit wurde dadurch zusätzlich aufgebracht, da der Kaiser offenbar nur die Sichtweise des Militärs hören wollte. Reichskanzler [[Theobald von Bethmann Hollweg]], der übergangen wurde und immer mehr unter Druck geriet, trat der Konferenz kurz vor ihrem Ende bei. Das Ergebnis war aus Sicht kritischer Bevölkerungsschichten ernüchternd, der Kaiser billigte das Verhalten der Militäroffiziere und sah keine Anhaltspunkte dafür, dass sie ihre Befugnisse überschritten hätten. Deimling sandte einen General nach Zabern, der die Zivilgewalt am 1. Dezember wieder einsetzte. === Forstners zweiter Fehltritt === Am 2. Dezember fand in Zabern eine Militärübung statt. Die Szenerie wurde u.&nbsp;a. von einem Schustergesellen von der Straße aus beobachtet, der beim Anblick des jungen, herausgeputzten Forstner in Gelächter ausbrach, dem sich einige umstehende Einwohner anschlossen. Der Leutnant verlor daraufhin die Beherrschung und streckte mit seinem Säbel den Schuster nieder, der schwere Kopfverletzungen davontrug. Dieser neuerliche Akt der Aggression spitzte die Affäre weiter zu. Forstner wurde von einem Militärgericht in erster Instanz zu 43 Tagen Arrest verurteilt, die zweite Instanz hob das Urteil sogar ganz auf. <ref>Anschließend wurde er zum Infanterie-Regiment Nr.67 nach Metz versetzt. Mit diesem Regiment rückte er mit Kriegsausbruch aus und fiel bereits am 1. September 1914 bei Dannevoux. <br>Quelle: Ehren-Rangliste des ehemalige Deutschen Heeres, Mittler & Sohn, Berlin 1926</ref> Obwohl ihn fünf bewaffnete Soldaten begleitet hatten und der Schuster unbewaffnet sowie halbseitig gelähmt war, interpretierten die Richter sein Handeln als [[Notwehr]], da der Schuhmacher sich der [[Majestätsbeleidigung]] schuldig gemacht hatte. In Militärkreisen erhielt Forstner Zuspruch, da er mit seiner Gewalttat die Ehre der Armee verteidigt habe. === Proteste im ganzen Deutschen Reich === [[Datei:Zabern_Pandurenkeller.PNG|thumb|Der ''Pandurenkeller'': Arrestzellentrakt im Keller des Zaberner Schlosses, wo die vom Militär festgenommenen Zivilisten über Nacht in Gewahrsam gehalten wurden. Darunter waren auch an den Demonstrationen gänzlich unbeteiligte Personen, u.&nbsp;a. mehrere Richter, was von der bürgerlichen Öffentlichkeit in Deutschland mit Fassungslosigkeit aufgenommen wurde.]] Bereits am 28. November hatte sich der Gemeinderat von Zabern in einem [[Telegramm]] an Kaiser Wilhelm II., Bethmann Hollweg und Falkenhayn gewandt und gegen die willkürlichen Verhaftungen seiner Bürger protestiert. Zwei Tage später fand in [[Mülhausen (Elsass)|Mülhausen]] eine 3000 Teilnehmer starke Versammlung der SPD statt, die gegen die Übergriffe der Soldaten demonstrierte. In einer Resolution bezeichneten die Teilnehmer den Staat als Militärdiktatur und forderten dazu auf, notfalls auch durch [[Streik]]s gegen die herrschenden Zustände zu opponieren. In Straßburg riefen die [[Bürgermeister]] mehrerer Städte Elsass-Lothringens am 2. Dezember den Kaiser auf, Maßnahmen zu ergreifen, um den Schutz ihrer Bewohner vor Militärwillkür zu gewährleisten. Die Welle der Empörung breitete sich auf das ganze Reich aus, insbesondere im Umfeld der SPD herrschte Entsetzen über die Vorgehensweise des Militärs. Am 3. Dezember rief der Parteivorstand der SPD alle Organisationen der Partei zu Protestversammlungen auf. Vier Tage später fanden in siebzehn deutschen Städten, u.&nbsp;a. in [[Berlin]], [[Breslau]], [[Chemnitz]], [[Duisburg]], [[Düsseldorf]], [[Elberfeld]], [[Köln]], [[Leipzig]], [[Mülheim an der Ruhr]], [[München]], [[Solingen]] und [[Straßburg]], Kundgebungen statt, auf denen Sozialdemokraten gegen die Willkürherrschaft der Militärs demonstrierten und Bethmann Hollweg sowie Falkenhayn zum Rücktritt aufforderten. An den Ereignissen in Zabern entzündete sich eine Volksbewegung gegen den [[Militarismus]] und für die Verteidigung der Rechte der nationalen Minderheiten im deutschen Reich. Ein Einlenken der Regierung oder des Kaisers war jedoch nicht zu erkennen. Um weiteren Problemen vorerst aus dem Weg zu gehen, ordnete der Kaiser von Donaueschingen aus am 5. Dezember eine vorübergehende Verlegung der [[2. Oberrheinisches Infanterie-Regiment Nr. 99|Zaberner Einheiten]] an. In den nächsten beiden Tagen zogen die Soldaten auf die Truppenübungsplätze Oberhofen (bei [[Haguenau|Hagenau]]) und [[Bitsch (Frankreich)|Bitsch]] um. Die weiteren Auflehnungen wurden unterdrückt. Das Kriegsgericht in Straßburg verurteilte am 11. Dezember zwei Rekruten aus Zabern zu drei bzw. sechs Wochen Militärarrest, weil sie die beleidigenden Äußerungen Forstners öffentlich bestätigt hatten. Die Straßburger Polizei beschlagnahmte auf Antrag des dortigen Generalkommandos des XV.&nbsp;Armeekorps unter General von Deimling am 17. Dezember eine von der [[Grammofon]]firma Cromer und Schrack hergestellte [[Schallplatte]]. Diese offenbarte in Dialogen, die mit Trommelwirbel untermalt waren, die Geschehnisse im Rahmen der Zabern-Affäre. Zudem stellten die Militärs [[Strafantrag]] wegen der Beleidigung deutscher Offiziere. Dementsprechend erlahmten die Proteste. === Missbilligungsvotum gegen Bethmann Hollweg === [[Datei:Theobald von Bethmann-Hollweg Portrait.jpg|thumb|right|Theobald von Bethmann Hollweg]] Die Ereignisse in Zabern lösten auch im [[Reichstag (Deutsches Kaiserreich)|Reichstag]] erregte Debatten aus. Das [[Deutsche Zentrumspartei|Zentrum]], die [[Sozialdemokratische Partei Deutschlands|SPD]] und die [[Fortschrittliche Volkspartei]] richteten parlamentarische Anfragen an den Kanzler. Drei Abgeordnete&nbsp;– [[Karl Hauss]] vom Zentrum, [[Adolph Röser]] von der Fortschrittspartei und [[Jacques Peirotes]] von den Sozialdemokraten&nbsp;– eröffneten die Diskussion am 3. Dezember, indem sie jeweils stellvertretend für ihre Partei ihre kritische Sicht auf die Zabern-Affäre darlegten. Bethmann Hollweg spielte in seiner anschließenden Rede das Verhalten der Militärs herunter. Laut Beobachtern der Debatte wirkte er sichtlich nervös und angeschlagen. Nach ihm äußerte sich zum ersten Mal Falkenhayn vor dem Reichstag. Er verteidigte die Offiziere, die nur ihre Pflicht getan hätten und griff unter anderem die Presse scharf an, die mit propagandistischen Methoden die Affäre hochgespielt hatte, um Einfluss auf das Militär zu nehmen. Zu diesem Zeitpunkt wurde deutlich, wie unterschiedlich die Ansichten von Reichstag und Reichskanzler waren. Die Debatte wurde am nächsten Tag fortgeführt, Bethmann Hollweg äußerte sich dabei erneut zu den Ereignissen. Zwar machte seine zweite Rede einen besseren Eindruck, doch sie konnte die Stimmung im Reichstag nicht mehr umdrehen. Noch am 4. Dezember machte zum ersten Mal in der Geschichte des Kaiserreichs das Parlament von der Möglichkeit eines Missbilligungsvotums (§ 33a der Geschäftsordnung des Reichstags) Gebrauch, die ihm seit 1912 zustand. Mit 293 Stimmen bei 4 Enthaltungen und 54 Gegenstimmen, welche ausschließlich aus den Reihen der [[Konservatismus|Konservativen]] kamen, missbilligte es das „nicht der Anschauung des Reichstages“ entsprechende Verhalten der Regierung. Auswirkungen hatte das Votum jedoch nicht, sodass die Zabern-Affäre als anschauliches Beispiel für die politischen Verhältnisse im Deutschen Kaiserreich am Vorabend des Ersten Weltkriegs dienen kann. Zwar forderte die SPD Bethmann Hollweg auf, die Konsequenzen aus der Missbilligung zu ziehen, doch der Kanzler lehnte einen Rücktritt erwartungsgemäß ab und verwies darauf, nur vom Vertrauen des Kaisers abhängig zu sein, wie es Artikel 15 der [[Bismarcksche Reichsverfassung|Reichsverfassung]] in der Tat vorsah: Allein der Kaiser konnte das Amt des Reichskanzlers neu besetzen. Wilhelm II. war aber keinesfalls bereit, sich der Entscheidung des Reichstags zu beugen, da er eine Parlamentarisierung des Reiches, die seinen Interessen und staatsphilosophischen Anschauungen widersprach, bekämpfte und den Einfluss des Reichstags und der [[Politische Partei|Parteien]] möglichst gering halten wollte. Zugleich bestritt Bethmann Hollweg auch, dass [[Interpellation]]en des Parlaments eine bindende Wirkung auf die Regierung entfalten. Ein Versuch der SPD, den Haushalt des Reichskanzlers am 9. Dezember abzulehnen und ihn dadurch aus dem Amt zu drängen, fand nicht genügend Zustimmung. Lediglich die [[Polenpartei]] unterstützte das Ansinnen der Sozialdemokraten. == Folgen == === Der Prozess gegen von Reuter und Schadt === [[Datei:Zabern Oberst von Reuter.PNG|thumb|Oberst Ernst von Reuter war 1913 Kommandeur des in Zabern garnisonierten preußischen [[Infanterie]]-Regiments]] Die vom 5. bis 10. Januar 1914 vor dem Kriegsgericht in [[Straßburg]] erfolgte Gerichtsverhandlung sprach die beiden Hauptverantwortlichen Oberst von Reuter und Leutnant Schadt vom Vorwurf frei, sich unrechtmäßig Zivilpolizeigewalt angeeignet zu haben. Das Gericht entschuldigte sich zwar für die Übergriffe der Soldaten, sprach die Schuld aber den Zivilbehörden zu, deren Aufgabe es gewesen wäre, für Ordnung zu sorgen. Es verwies dabei auf eine bis dahin vergessene preußische Kabinettsorder aus dem Jahre 1820, bei der es zudem zweifelhaft war, ob sich die Rechtmäßigkeit auch auf die [[Reichsland Elsaß-Lothringen|Reichslande]] erstreckte. Gemäß der Order muss der höchstrangige [[Militärbeamter|Militärbeamte]] einer Stadt die rechtliche Gewalt an sich reißen, wenn die Zivilverwaltung den Schutz der Ordnung vernachlässigt. Weil die Angeklagten aufgrund dieser Bestimmungen gehandelt hatten, konnten sie nicht verurteilt werden. Während viele liberale Bürger, die den Prozess interessiert verfolgt hatten, nun bitter enttäuscht waren, machte sich unter den anwesenden Militärs großer Jubel über das Urteil breit, noch im Gerichtssaal gratulierten sie den Angeklagten. Auch Wilhelm II. zeigte sich sichtlich erfreut und verlieh von Reuter gar postwendend einen Orden. Das Militär verließ die Bühne als starker und selbstbewusster Sieger, hatte sich doch seine Unantastbarkeit im Kaiserreich bestätigt. === Gesetzliche Regelung des Militäreinsatzes im Inneren === Am 14. Januar beschloss der Reichstag, einen Ausschuss einzusetzen, der die Rechte des Militärs gegenüber der Zivilgewalt gesetzlich regeln sollte. Zwei Anträge des [[Nationalliberale Partei|NLP]]-Vorsitzenden [[Ernst Bassermann]] und des Zentrumspolitikers [[Martin Spahn]], welche die Reichsregierung zur Klärung der zivilrechtlichen Kompetenz militärischer Instanzen aufforderten, wurden zehn Tage später vom Reichstag mehrheitlich gebilligt. Das Ergebnis, die „Vorschrift über den Waffengebrauch des Militärs und seiner Mitwirkung zur Unterdrückung innerer Unruhen“, erließ der Kaiser am 19. März. Sie untersagte es der preußischen Armee, eigenmächtig in die Kompetenz ziviler Behörden einzuschreiten. Stattdessen muss ein Truppeneinsatz vorher von der Zivilgewalt angefordert werden. Das Gesetz hatte bis zum 17. Januar 1936 Bestand, als die [[Nationalsozialismus|Nationalsozialisten]] es mittels der „Verordnung über den Waffengebrauch der Wehrmacht“ aufhoben. === Wiederaufleben der Reichstagsdebatte === Der Strafrechtstheoretiker [[Franz von Liszt]] entfachte eine neue Debatte im Reichstag, als er die Gültigkeit der Kabinettsorder aus dem Jahre 1820 bestritt. Am 23. Januar bestätigte Bethmann Hollweg im Reichstag jedoch die Geltung der Order und legitimierte dadurch die militärischen Handlungen in Zabern. === Folgen für Elsass-Lothringen === [[Datei:Elsass-Lothringen 1905.png|miniatur|230px|Karte der Reichslande aus dem Jahr 1905]] Das Verhältnis zwischen [[Reichsland Elsaß-Lothringen|Elsaß-Lothringen]] und dem übrigen Deutschen Reich wurde merklich in Mitleidenschaft gezogen. Elsässer und Lothringer fühlten sich der Willkür des deutschen Militärs schutzloser denn je ausgeliefert. Die zweite [[Länderkammer|Kammer]] des elsass-lothringischen Parlaments äußerte sich in einer [[Abstimmung (Stellungnahme)|Resolution]] am 14. Januar zu den Vorfällen. Während sie das Verhalten der Zivilbehörde verteidigte, verurteilte sie die Aktion des Militärs sowie den Freispruch des Regimentskommandeurs von Reuter. Landtagsabgeordnete verschiedener Parteien gründeten in Straßburg am 26. Februar die ''Liga zur Verteidigung Elsaß-Lothringens''. Das Parlament erließ zudem am 16. Juni eine Verordnung, nach der zukünftig alle [[Wehrpflicht]]igen den Dienst nur außerhalb des deutschen Reichslandes (also Elsass-Lothringen) ableisten sollen. Durch die Zabern-Affäre kam es auch zu personellen Veränderungen, infolge deren die beiden wichtigsten zivilen Positionen in Elsass-Lothringen neu besetzt wurden. Am 31. Januar wurde der [[Staatssekretär]] im [[Ministerium für Elsaß-Lothringen]], [[Hugo Zorn von Bulach|Hugo Freiherr Zorn von Bulach]], durch den [[Potsdam]]er Oberpräsidialrat [[Siegfried von Roedern|Siegfried Graf von Roedern]] ersetzt. Der [[Reichsstatthalter]] [[Karl von Wedel|Karl Graf von Wedel]] nahm am 18. April seinen Hut, woraufhin der Kaiser zur Enttäuschung der Elsässer den preußischen Innenminister [[Johann von Dallwitz]] in dieses Amt brachte. Dallwitz war ein entschiedener Verfechter des Obrigkeitsstaates und lehnte auch die Verfassung ab, die man dem Reichsland 1911 gewährt hatte. === Verarbeitung in Literatur und Sprache === Der Schriftsteller [[Heinrich Mann]] verarbeitete die Zabern-Affäre in seinem Roman ''[[Der Untertan]]''. Der Schriftsteller [[Ulrich Rauscher]] höhnte in einem Gedicht über den „braven Bürger“:<ref name="Rauscher"> Ulrich Rauscher: ''Den braven Bürgern''. In: ''[[Die Weltbühne|Die Schaubühne]]'', 15. Januar 1914, S. 70.</ref> :{{lang|de-1901|''Ob Euresgleichen auch zu Haufen<br />vor Bajonett und Säbelhieb –<br />Marsch, Marsch! Hopp, Hopp!&nbsp;– Spießruten laufen:<br />Ihr seid doch alle leutnantslieb!'' ::''Ihr fühlt nur unter Kolbenstößen<br />Euch wahrhaft wohl im Vaterland.<br />Verdammt, die sich derart entblößen,<br />nachdem sie selber sich entmannt!'' :''Euch werde fernerhin in Gnaden<br />der Säbel übers Hirn gehaut!<br />Ihr seid des Deutschen Reichs Kastraten!<br />Hurrah, du Eisenbraut!}}'' [[Kurt Tucholsky]] machte sich in einem Gedicht für den ''[[Vorwärts (Deutschland)|Vorwärts]]'' über den „Mut“ von Leutnant Forstner lustig:<ref> Theobald (Kurt Tucholsky): ''Der Held von Zabern''. In: ''[[Vorwärts (Deutschland)|Vorwärts]]'', Jg. 30, Nr. 318, 3. Dezember 1913.</ref> :'' '''Der Held von Zabern''''' : ''{{lang|de-1901|Ein «Mann» mit einem langen Messer,<br />und zwanzig Jahr –<br />ein Held, ein Heros und Schokladenesser,<br />und noch kein einzig Schnurrbarthaar.<br />Das stelzt in Zaberns langen Gassen<br />und kräht Sopran –<br />Wird man das Kind noch lange ohne Aufsicht lassen? –<br />Es ist die allerhöchste Eisenbahn! –<br />Das ist so einer, wie wir viele brauchen! –<br />Er führt das Korps!<br />Und tief bewegt sieht man die Seinen tauchen<br />nach Feinden tief in jedes Abtrittsrohr.<br />Denn schließlich macht man dabei seine Beute –<br />wer wagt, gewinnt!<br />Ein lahmer Schuster ist es heute,<br />und morgen ist’s ein Waisenkind.<br />Kurz: er hat Mut, Kuhrasche oder besser:<br />ein ganzer Mann! –<br />Denn wehrt sich jemand, sticht er gleich mit’s Messer,<br />schon, weil der and’re sich nicht wehren kann.}}''<br /> In Anlehnung an das Verhalten des Militärs fand der Begriff ''zabernism'' als Bezeichnung für den Missbrauch militärischer Gewalt oder für tyrannisches, aggressives Verhalten im Allgemeinen Eingang in die [[englische Sprache]]. == Zeitgenössische Zitate == * „''Wie uns angeblich noch keiner - um mit Bismarck zu reden - den preußischen Leutnant nachgemacht hat, so hat uns in der Tat noch keiner den preußisch-deutschen Militarismus ganz nachzumachen vermocht, der da nicht nur Staat im Staate, sondern geradezu ein Staat über dem Staat geworden ist (...)''“ ([[Karl Liebknecht]], bereits sieben Jahre vor der Zabern-Affäre)<ref>Karl Liebknecht in einem Vortrag vor dem Mannheimer Jugendkongress im Oktober 1906, dann wieder in seiner Schrift ''Militarismus und Antimilitarismus unter besonderer Berücksichtigung der internationalen Jugendbewegung''. Leipzig, 1907. Hier zitiert nach Volker R. Berghahn (Hg.): ''Militarismus''. Kiepenheuer & Witsch, Köln 1975, S. 91.</ref> * „''Leben wir in einer südamerikanischen Republik, wo jeder Oberst den Gerichtsbehörden das Gesetz diktieren darf, und hängen bei uns Leben und Freiheit der Bürger von den Entschlüssen einer Kasinogesellschaft ab?''“ ([[Theodor Wolff]], Publizist und Schriftsteller) * „''Wir müssen uns dagegen verwahren, daß ein akademisches und militärisches Maulheldentum Stimmträger der deutschen Gesinnung wird''“ ([[Theodor Heuss]] kurz vor den Vorfällen<ref>Theodor Heuss: ''Der deutsche Chauvinismus.'' In: ''[[März (Zeitschrift)|März]]'', 7. Jg./Nr. 34 vom 23. August 1913, S. 269</ref>)<br>„''Zabern ist nur ein Symptom.''“ ([[Theodor Heuss|ders.]] kurz nach den Vorfällen<ref>Theodor Heuss: ''Die Zaberner Schüssel.'' In: ''[[März (Zeitschrift)|März]]'', 8. Jg./Nr. 3 vom 17. Januar 1914, S. 99</ref>) * „''Immer feste druff!''“ ([[Wilhelm von Preußen (1882–1951)|Wilhelm von Hohenzollern]], der Sohn des Kaisers, in einem zum Jahreswechsel an [[Bertold von Deimling|General v. Deimling]] und Oberst v. Reuter gesandten Telegramm, dessen Text durch die Indiskretion eines elsässischen Telegrafenbeamten öffentlich bekannt wurde) * „''Und ist nicht das Morden und das Verstümmeln im Kriege der eigentliche Beruf und die wahre Natur jener 'Militärbehörden', deren gekränkte Autorität in Zabern die Zähne gezeigt hat?''“ ([[Rosa Luxemburg]])<ref>Rosa Luxemburg: ''Sozialdemokratische Korrespondenz'', Nr. 3. Berlin, 6. Januar 1914.</ref> == Literatur == * Erwin Schenk: ''Der Fall Zabern'', W. Kohlhammer, Stuttgart 1927. * Hans-Günter Zmarzlik: ''Bethmann Hollweg als Reichskanzler 1909–1914. Studien zu Möglichkeiten und Grenzen seiner innenpolitischen Machtstellung'' (Beiträge zur Geschichte des Parlamentarismus und der politischen Parteien, Bd 11), Droste-Verlag, Düsseldorf 1957, bes. S. 114–130. * [[Hans-Ulrich Wehler]]: ''Der Fall Zabern. Rückblick auf eine Verfassungskrise des wilhelminischen Kaiserreichs'', in: ''Die Welt als Geschichte'' 23, 1963, S.27–46; wieder als: ''Symbol des halbabsolutistischen Herrschaftssystems - Der Fall Zabern von 1913/14'', in: Hans-Ulrich Wehler: ''Krisenherde des Kaiserreichs 1871–1918. Studien zur deutschen Sozial- und Verfassungsgeschichte'', Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1970, S.65–83; noch einmal als: ''Der Fall Zabern von 1913/14 als Verfassungskrise des Wilhelminischen Kaiserreichs'', in: Hans-Ulrich Wehler: ''Krisenherde des Kaiserreichs 1871–1918'', Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1979 (2. Aufl.), S.70–88 und 449–458. * David Schoenbaum: ''Zabern 1913. Consensus Politics in Imperial Germany'', George Allen & Unwin, London 1982 (197 Seiten); ISBN 0-04-943025-4. * Rainer Nitsche (Hrsg.): ''Durchfall in Zabern. Eine Militärdemontage'', Transit Buchverlag, Berlin 1982; ISBN 3-88747-010-9. * Richard W. Mackey: ''The Zabern Affair, 1913–1914'', University Press of America, Lanham 1991; ISBN 0-8191-8408-X. * [[Gerd Fesser]]: [http://www.zeit.de/1993/46/ein-Glueck-wenn-jetzt-Blut-fliesst?page=all ''„...ein Glück, wenn jetzt Blut fließt!"'']. ''Zeitläufte'', in: [[Die Zeit]] Nr. 46/1993, S. 88. * [[Wolfgang J. Mommsen]]: ''War der Kaiser an allem schuld?'', Propyläen Verlag, Ullstein Heyne List, Berlin 2005, S. 203–209; ISBN 3-548-36765-8. == Anmerkungen == <references/> {{DEFAULTSORT:Zabern-Affare}} {{Exzellent}} [[Kategorie:Saverne]] [[Kategorie:Deutsches Kaiserreich]] [[Kategorie:Geschichte des Elsass]] [[Kategorie:Politische Affäre in Deutschland]] [[Kategorie:1913]] {{Link GA|fr}} [[als:Zabern-Affäre]] [[en:Saverne Affair]] [[es:Crisis de Zabern]] [[fr:Incident de Saverne]] [[ja:ツァーベルン事件]] [[sv:Zabernaffären]] 17rukc5i4s03s6h0l48gunnz2kwcq9x wikitext text/x-wiki Zahntroste 0 24541 27145 2010-03-06T22:13:56Z Luckas-bot 0 Bot: Ergänze: [[fi:Sänkiöt]] <!-- Für Informationen zum Umgang mit dieser Tabelle siehe bitte [[Wikipedia:Taxoboxen]]. --> {{Taxobox | Taxon_Name = Zahntroste | Taxon_WissName = Odontites | Taxon_Rang = Gattung | Taxon_Autor = [[Christian Gottlieb Ludwig|Ludw.]] | Taxon2_Name = Sommerwurzgewächse | Taxon2_WissName = Orobanchaceae | Taxon2_Rang = Familie | Taxon3_Name = Lippenblütlerartige | Taxon3_WissName = Lamiales | Taxon3_Rang = Ordnung | Taxon4_Name = Euasteriden I | Taxon4_Rang = ohne | Taxon5_Name = Asteriden | Taxon5_Rang = ohne | Taxon6_Name = Kerneudikotyledonen | Taxon6_Rang = ohne | Bild = Odontites luteus 190807a.jpg | Bildbeschreibung = [[Gelber Zahntrost]] (''Odontites luteus'') }} [[Bild:Odontites vulgaris 230807a.jpg|thumb|Habitus des [[Roter Zahntrost|Roten Zahntrostes]] (''Odontites vulgaris'')]] Die '''Zahntroste''' (''Odontites'') sind eine 26 [[Art (Biologie)|Arten]] umfassende Pflanzen[[Gattung (Biologie)|gattung]] aus der [[Familie (Biologie)|Familie]] der [[Sommerwurzgewächse]] (Orobanchaceae). Meist sind es [[einjährige Pflanze|einjährige]], [[krautige Pflanze]]n, einige Arten sind kurzlebig [[Ausdauernde Pflanze|ausdauernd]] und [[Verholzung|verholzen]]. Alle Zahntroste leben [[Halbschmarotzer|halbparasitisch]], indem sie mit Saugorganen ([[Haustorium|Haustorien]]) in die Wurzeln benachbarter Pflanzen einwachsen und über diese Verbindung von ihnen Wasser und Nährstoffe erhalten. Das Hauptverbreitungsgebiet der Gattung liegt im westlichen [[Mittelmeer]]raum, viele Arten kommen als [[Endemit]]en in einem sehr begrenzten Gebiet vor, nur drei Arten besiedeln ein größeres Gebiet. == Beschreibung == === Vegetative Merkmale === Zahntroste sind vorwiegend [[einjährige Pflanze|einjährige]], [[krautige Pflanze|krautige]] Pflanzen, wenige Arten sind kurzlebig [[ausdauernde Pflanze|ausdauernd]] und [[Verholzung|verholzend]]. Über Wurzel[[Haustorium|haustorien]] können sie benachbarte Pflanzen [[Parasitismus|parasitieren]]. Die meisten Vertreter wachsen aufrecht, nur wenige Arten wie ''[[Odontites corsicus]]'', ''[[Odontites maroccanus]]'' und ''[[Odontites violaceus]]'' bilden auf dem Boden aufliegende Triebe, an denen nur die [[Blütenstand|Blütenstände]] aufrecht wachsen. Die [[Blatt (Pflanze)|Laubblätter]] stehen kreuzgegenständig. Sie sind aufsitzend und ungeteilt, in der [[Knospenlage|Knospe]] sind die Hälften der [[Blattspreite]] eingerollt (revolut). Da viele Arten die Blätter nur teilweise entrollen, ist der Blattrand oftmals nach unten gebogen. Etwa zwei Drittel der Arten besitzen schmal-lanzettliche bis linealische Blätter, die durch die umgebogenen Blattränder oftmals [[heidekraut]]artig wirken. Die restlichen Arten haben breitere Blätter, die lanzettlich bis oval-lanzettlich sind. Der Blattrand ist bei den meisten Arten ganzrandig oder nur mit ein bis drei kleinen Zähnen besetzt, nur die Arten der ''Odontites vernus''-Gruppe, sowie ''[[Odontites cebennensis]]'' und ''[[Odontites lanceolatus]]'' besitzen Blätter mit vier bis acht deutlich ausgeprägten Zähnen. Alle Arten der Gattung sind sowohl mit einfachen als auch mit drüsigen [[Trichom]]en behaart. Die einfachen Trichome sind einzellig und mehr oder weniger starrborstig; je nach Art variieren Länge, Anordnung und Dichte. Die drüsigen Trichome treten in verschiedenen Formen auf. Neben den bei allen Arten auftretenden und taxonomisch unbedeutenden Trichomen des schildförmigen Drüsen- beziehungsweise Kurzdrüsen-Typs sind die verschiedenen Formen der Stieldrüsen-Trichome (langgestielte Köpfchentrichome) ein wichtiges Merkmal zur taxonomischen Einteilung der Gattung. So können diese fehlen, wenigzellig und breit elliptisch (lanceolatus-Typ), vielzellig und kugelig-elliptisch (pyrenaeus-Typ) oder vielzellig und kegelförmig (viscosus-Typ) sein. Die Länge der Stieldrüsen liegt meist zwischen 150 und 700&nbsp;μm, selten sind sie auch nur 50&nbsp;µm lang. Die schildförmigen Drüsen sind flach gebaute Drüsen aus einem einzelligen Stiel, der ins [[Epidermis (Pflanze)|Epidermisgewebe]] versenkt ist und einem flach gewölbten Schild aus schmalen, parallel angeordneten Zellen. Die Kurzdrüsen sind 20 bis 90&nbsp;µm lang, ihr Köpfchen besteht aus ein bis vier Zellen. Das [[Wurzel (Pflanze)|Wurzelssystem]] besteht nur aus wenigen, sehr großen Hauptwurzeln, von denen ein schwach ausgeprägtes Netzwerk aus feineren Wurzeln ausgeht. Das [[Xylem]] der Wurzeln ist sehr gut ausgebildet, wohingegen das [[Phloem]] nur schwach ausgeprägt ist. Wurzelhaare finden sich meist nur an jungen Sämlingen sowie in der unmittelbaren Umgebung der Haustorien.<ref name="Govier68">R. N. Govier et al.: ''Hemiparasitic Nutrition in Angiosperms. II: Root Haustoria and Leaf Glands of ''Odontites verna'' (Bell.) Dum. and their Relevance to the Abstraction of Solutes from the Host.'' In: ''New Phytologist'', Band 67, 1968. Seiten 963-972.</ref> Die mehrjährigen Arten ''[[Odontites squarrosus]]'', ''[[Odontites bocconii]]'' und ''[[Odontites linkii]]'' werden meist nur etwa vier Jahre alt. Durch jährlich an der Basis austreibende, teilweise sterile Seitentriebe entsteht eine [[Strauch|strauchige]] Wuchsform. Das Holz dieser Arten ist im Querschnitt zerstreut- bis halbringporig, wobei die Poren in lockeren, radialen Reihen angeordnet sind. Durch die Bildung mehrreihiger, nur wenige Poren aufweisende Lagen dickwandigerer Spätholzzellen sind Jahresringe auszumachen. Die [[Holzstrahl]]en bestehen aus radial kurzen Zellen, die in vielen Reihen langgestreckt sind und in wenigen Reihen quadratisch geformt sind. Die Holzstrahlen sind meist von drei bis fünf Reihen Scheidezellen umgeben. === Blütenstände und Blüten === [[Bild:Red bartsia 800.jpg|thumb|Blütenstand des [[Frühlings-Zahntrost]]es (''Odontites vernus'')]] Die [[Blütenstand|Blütenstände]] der Zahntroste sind vielblütige, stark verzweigte [[Traube]]n, deren Hauptachse nicht in einer [[Blüte]] endet (Polytelie). Je nach Art sind die Blühzonen der Blütenstände kurz, kompakt und dichtblütig oder bereits zur Blütezeit locker und gestreckt. Oftmals verlängert sich während der Fruchtreifung der Blütenstand erheblich, so dass er aus langgestreckten, starren und leicht verholzten Achsen besteht. Die Blütenstände stehen sowohl an den Haupt- als auch an den Seitensprossen, wobei der Hauptblütenstand mit einer basalen, bis zu 22 [[Knoten (Botanik)|Knoten]] umfassenden Hemmzone beginnt. In dieser Hemmzone stehen die sogenannten Interkalarblätter (laubblattartige [[Tragblatt|Deckblätter]] stark gehemmter, nicht aufblühender Blüten). Die Deckblätter werden zur Spitze des Blütenstands hin kleiner und sind stets kürzer als die Laubblätter; die Übergangszone zwischen Laub- und Deckblättern ist je nach Art unterschiedlich stark ausgeprägt. Die Blüten stehen meist paarweise in den Knoten des Blütenstands. Die Aufblüh-Reihenfolge ist bei den meisten Arten von unten nach oben, jedoch konnte bei einigen Arten eine umgekehrte Reihenfolge festgestellt werden. Die Blüten sind [[zygomorph]] und innerhalb der Gattung sehr formenreich: die Organe treten oftmals in vielfältig abgewandelten Formen auf. Die Länge der Blüten variiert zwischen 6 und 12&nbsp;mm. Der [[Kelchblatt|Kelch]] besteht aus vier verwachsenen Kelchblättern, die zwei Lippen mit insgesamt vier ganzrandigen, breit- bis schmaldreieckigen Zipfeln bilden. Der Kelch ist häufig mit Stieldrüsen besetzt, die sich oft, wie auch der gesamte Kelch, nach der Blütezeit vergrößern. Die aus fünf verwachsenen Kronblättern bestehende [[Kronblatt|Krone]] ist gelb oder rötlich-purpurn gefärbt, wobei von beiden Farbgruppen unterschiedliche Farbtöne und Helligkeiten auftreten. Die Krone besteht aus einer mehr oder weniger gebogenen Kronröhre sowie einem zweilippigen Kronsaum. Die aus zwei Kronblattzipfeln bestehende Oberlippe bildet einen flachen Helm, die Unterlippe ist dreizipfelig. Die vier [[Staubblatt|Staubblätter]] treten in zwei unterschiedlichen Formen auf, wobei die beiden unteren länger sind als die beiden oberen. Sie werden entweder vom Oberlippenhelm verdeckt oder stehen mehr oder weniger weit über die Krone hinaus. Bei allen Arten außer der ''Odontites luteus''-Gruppe und ''Odontites corsicus'' neigen sich die Staubblätter zusammen, so dass die [[Staubbeutel]] an den oberen stumpfen Enden durch schraubig gedrehte Haare miteinander verfilzt sind. Die unteren Enden sind grannig zugespitzt. Die [[Pollen]]körner sind bei fast allen Arten einheitlich gebaut: im Äquatorialquerschnitt sind sie fast dreieckig, die Pollenkornwand (Exine) ist zwischen den Keimspalten (Mesocolpi) stark verdünnt. An den Polen, sowie an den Rändern der [[Pollen#Apertur|Colpen]] ist das Retikulum weitmaschiger als an den Mesocolpen. Nur ''[[Odontites hollianus]]'', ''Odontites corsicus'' und ''[[Odontites rigidifolius]]'' weichen mehr oder weniger stark von diesem Aufbau ab. Der zweiblättrige [[Fruchtknoten]] enthält vier bis 40 [[Samenanlage]]n, die schräg von der [[Plazenta]] herabhängen. Die [[Narbe (Botanik)|Narbe]] ist köpfchenförmig. === Früchte und Samen === Die Früchte der Zahntroste sind [[Kapselfrucht|Kapseln]], die in der oberen Hälfte oder im oberen Drittel steifhaarig sind. Die Früchte öffnen sich fachspaltig, indem die Fruchtblätter entlang der Mittelrippe von oben nach unten aufreißen. Die größten Kapseln besitzt ''Odontites hollianus'' mit etwa 9,1&nbsp;mm Länge, die kürzesten ''[[Odontites viscosus]]'' und ''Odontites maroccanus'' mit jeweils etwa 3,5&nbsp;mm Länge. Die [[Same (Pflanze)|Samen]] sind spindelförmig, 1,2 bis 2,8&nbsp;mm lang und gerippt. == Verbreitung und Standorte == [[Bild:Odontites range map.svg|thumb|Verbreitungsgebiet der Gattung nach Bolliger (1996)]] Die meisten Arten der Gattung sind im westlichen [[Mittelmeer]]raum heimisch. Zwei Schwerpunktgebiete mit jeweils sechs vorkommenden Arten liegen in Nordwest[[afrika]], eines im mittleren [[Atlas (Gebirge)|Atlasgebirge]] in [[Marokko]], ein weiteres in Ost[[algerien]] und [[Tunesien]]. Ein weiterer Schwerpunkt mit insgesamt fünf Arten liegt im Nordosten [[Spanien]]s, vier der dort vorkommenden Arten sind [[Endemit|endemisch]]. Dieser Lokalendemismus ist innerhalb der Gattung weit verbreitet, viele Arten sind nur von kleinen Beständen in Gebirgen oder auf Inseln bekannt, etwa ein Drittel kommt nur noch in Restpopulationen vor und ist vom Aussterben bedroht. Nur drei Arten weisen ein größeres Verbreitungsgebiet auf: ''Odontites viscosus'' mit einem Verbreitungsschwerpunkt am Südhang der [[Pyrenäen]] reicht im Norden bis an die West- und Zentral[[alpen]]; Der [[Gelber Zahntrost|Gelbe Zahntrost]] (''Odontites luteus'') besiedelt in Mitteleuropa auch die sommertrockensten Gebiete und reicht vom Nordosten Spaniens bis zur [[Wolgaplatte]] und verstreut bis zum [[Kaukasus]], zur [[Krim]] und dem östlichen [[Taurusgebirge]]; der [[Frühlings-Zahntrost]] (''Odontites vernus'') reicht nördlich bis nach Süd[[skandinavien]], über weite Teile der gemäßigten Gebiete [[Eurasien]]s bis nach [[Ostasien]]. Die Standorte liegen in Höhenlagen zwischen 0 und 2500&nbsp;m. Die meisten Arten sind an trockene, oftmals felsig-steinige [[Trespen]]- und [[Steppe]]nrasen oder lichte [[Stein-Eiche]]n-, [[Flaum-Eiche]]n- und [[Kiefern]]wälder angepasst. Im Gegensatz dazu kommt der Frühlings-Zahntrost (''Odontites vernus'') hauptsächlich in frischen bis nassen und nährstoffreichen Rasengesellschaften vor und kann sogar die [[Salzwiese]]n der Ost- und Nordseeküsten besiedeln. Fast alle Arten haben einen sehr hohen Lichtbedarf, nur wenige, beispielsweise ''Odontites viscosus'', ''Odontites cebennensis'' und ''[[Odontites powellii]]'', wachsen auch an halbschattigen Standorten. == Entwicklung == Die Samen keimen im Frühjahr nach einer obligatorischen [[Keimruhe|Winterruhe]] (Kälteinduktion). Die [[Keimung]] erfolgt [[Keimung#Epigäische Keimung|epigäsich]]. Die kleinen [[Kotyledon|Keimblätter]] sind bis etwa 1,5&nbsp;mm lang; sie sind elliptisch und ganzrandig. In den Blattachseln am Hauptspross bilden sich im Laufe der Entwicklung Seitenäste, die sich noch ein weiteres Mal verzweigen können. Wie der Hauptspross bilden auch sie traubige Blütenstände. Vor oder spätestens zur Blütezeit werfen die meisten Arten der Gattung ihre Laubblätter ab, die Tragblätter werden meist später abgeworfen, so dass die Früchte an den völlig blattlosen Sprossen stehen. == Ökologie == === Parasitismus === Berührt eine Zahntrost-Wurzel die Wurzel einer anderen Pflanze, so versucht sie über einfache Kontaktorgane, die [[Haustorium|Haustorien]], eine Verbindung zu dieser Wurzel aufzubauen. Nur selten werden auch andere Pflanzenteile, wie beispielsweise oberirdische [[Sprossachse]]n oder [[Rhizom]]e befallen<ref name="Weber76">Hans Christian Weber: ''Über Wirtspflanzen und Parasitismus einiger mitteleuropäischer Rhinanthoideae (Scrophulariaceae).'' In: ''Plant Systematics and Evolution''. Band 125, 1976, Seiten 97–107. {{DOI|10.1007/BF00986775}}</ref>. Bei erfolgreichem Eindringen der Haustorien in den Wirt wird eine Verbindung zwischen dem [[Xylem]] beider Pflanzen hergestellt. Über diese Verbindung entziehen die Zahntroste ihren Wirten Wasser sowie darin gelöste organische Verbindungen und anorganische Nährionen. Voraussetzung für den Nährstofftransport in Richtung Zahntrost ist eine hohe Wasserabgabe durch die Blätter. Dies wird durch die Drüsen, die bei fast allen Zahntrost-Arten zahlreich auftreten, durch [[Guttation]] und vor allem tagsüber auch durch Transpiration erreicht<ref name="Govier68" />. Nur bei Arten wie dem Gelben Zahntrost (''Odontites luteus''), die an besonders sonnenreichen Standorten wachsen, sind weniger Drüsen vorhanden. Innerhalb der Sommerwurzgewächse wird der Parasitismus der Zahntroste als eine sehr einfache Form angesehen. Die Wurzelsysteme sind nur wenig umgebildet, die Haustorien sind als einfach aufgebaute Sekundärhaustorien (die also noch nicht zu Beginn der Sämlingsentwicklung entstehen) ausgeprägt. Zahntroste sind nicht wirtsspezifisch, das heißt, sie befallen nahezu alle Pflanzen in ihrer Nähe. Es kommt dabei häufig vor, dass sie auch Pflanzen der eigenen Art befallen. Die Wirtspflanzen zeigen keine offensichtliche Beeinträchtigung durch den Befall.<ref name="Weber80">Hans Christian Weber: ''Zur Evolution des Parasitismus bei den Scrophulariaceae und Orobanchaceae''. In: ''Plant Systematics and Evolution''. Band 136, 1980, Seiten 217–232. {{DOI|10.1007/BF01004627}}</ref> Da die Pflanzen eigenes [[Chlorophyll]] besitzen, können sie sich auch ohne Wirt ([[Autotrophie|autotroph]]) entwickeln ([[Fakultative Parasiten|Fakultativer Parasitismus]]). Vitalität, Grad der Verzweigung und auch die Fertilität sind jedoch stark von den parasitierten Wirten abhängig; rein autotroph wachsende Pflanzen sind deutlich schwächer und können oftmals keine [[Same (Pflanze)|Samen]] ausbilden. Besonders [[Gras|Gräser]] sind als Wirtspflanzen geeignet, da sie durch ihre zahlreichen Faserwurzeln gute Angriffsmöglichkeiten für die Haustorien bieten. === Bestäubung === Innerhalb der Gattung lassen sich zwei Typen von Bestäubungsmechanismen unterscheiden. Beim [[Homogamie|homogamen]] und zwingend [[Autogamie|autogamen]] (selbstbefruchtenden) Typ, der beispielsweise bei ''Odontites powellii'', ''Odontites corsicus'' und ''[[Odontites vulcanicus]]'' auftritt, findet bereits in der Knospe eine Selbstbefruchtung statt ([[Kleistogamie]]). Die Staubbeutel springen schon vor dem Aufblühen auf, der dann noch zurückgekrümmte [[Griffel (Botanik)|Griffel]] liegt so, dass sich die Narbe genau zwischen den Staubbeuteln befindet und somit bestäubt wird. In der geöffneten Blüte ragt der Griffel meist nicht aus der Blüte heraus, sondern ist im Helm verborgen. Der [[Protogynie|protogyne]] (vorweibliche) Typ fördert meist die [[Fremdbestäubung]]: Der empfangsbereite Griffel steht schon aus der noch nicht geöffneten Knospe heraus, während die Staubblätter im Inneren noch geschlossen sind. Diese springen frühestens zwei Tage später auf, wenn die Blüte bereits aufgeblüht ist. Von diesem Bestäubungstyp existieren verschiedene Varianten, von denen einige eine nachträgliche Selbstbestäubung ermöglichen (schwache Protogynie), andere diese jedoch komplett verhindern (starke Protogynie). Je nach Aufblühreihenfolge wird eine Befruchtung durch Pollen des gleichen Blütenstandes ([[Geitonogamie]], bei Aufblühfolge von unten nach oben) oder durch Pollen von anderen Blütenständen beziehungsweise Individuen ([[Xenogamie]], bei Aufblühfolge von oben nach unten) gefördert. Meist sind verschiedene [[Bienen|Bienen und Hummeln]] (Apiformes) die Bestäuber der protogynen Blüten ([[Melittophilie]]). Je nach Größe der Blüten unterscheiden sich die vorwiegenden Bestäuber: An den kleineren Blüten bis etwa 7&nbsp;mm Länge sind hauptsächlich [[Honigbienen]] (''Apis'') zu beobachten, während die größeren Blüten mit über 9&nbsp;mm Länge fast ausschließlich von [[Hummeln]] (''Bombus'') besucht werden. Die [[Zahntrost-Sägehornbiene]] hat sich auf den überwiegenden Besuch von Sommerwurzgewächsen spezialisiert ([[Oligolektie]]), neben den Zahntrosten sammelt sie gelegentlich auch an [[Augentroste]]n (''Euphrasia'') und [[Wachtelweizen]] (''Melampyrum'') Nektar.<ref name="Michez07">Denis Michez und Connal Eardley: ''[http://www.atlashymenoptera.net/biblio/26_Michez_Eardley_2007_Revision_Melitta.pdf Monographic revision of the bee genus Melitta Kirby 1802 (Hymenoptera: Apoidea: Melittidae)]''. In: ''Ann. soc. entomol. Fr. (n.s.)'', Band 43, Heft 4, 2007. Seiten 379–440.</ref> === Ausbreitung === Die Samen der Zahntroste sind nicht an eine besondere Form der [[Samenausbreitung|Ausbreitung]] angepasst und werden daher meist nur in unmittelbarer Umgebung der Pflanze ausgestreut. Obwohl sie sehr klein sind, ist das Gewicht der Samen für eine Windausbreitung ([[Anemochorie]]) zu hoch. Auch eine Verschleppung durch Tiere ([[Epizoochorie]]) ist sehr unwahrscheinlich, da die Samen nicht geflügelt sind, wie beispielsweise die der ''[[Bartsia]]'', und so nicht an glatten und feuchten Oberflächen kleben bleiben. Nur für wenige Arten kommt eine begrenzte Verbreitung durch Mitschleppen in [[Heu]] in Frage, hierzu zählen vor allem die verschiedenen Sippen der ''Odontites vernus''-Gruppe. === Fraßfeinde === Die [[Raupe (Schmetterling)|Raupen]] der [[Spanner (Schmetterling)|Spannerart]] ''[[Perizoma bifaciata]]'' ernähren sich [[Oligophagie|oligophag]] (nur wenige Nahrungspflanzen akzeptierend) unter anderem von den unreifen Samen des Gelben Zahntrostes (''Odentites luteus'') und des Frühlings-Zahntrostes (''Odontites vernus'').<ref name="Hausmann04">Axel Hausmann: ''Sterrhinae.'' In A. Hausmann (Hrsg.): ''The Geometrid Moths of Europe 2.'' Apollo Books, Stenstrup 2004, ISBN 87-88757-37-4</ref> Zudem wurden die Raupen der [[Gammaeule]] (''Autographa gamma'') aus der Familie der [[Eulenfalter]] (Noctuidae) am Frühlings-Zahntrost (''Odontites vernus'') gefunden.<ref name="Hosts">Vergleiche [http://www.nhm.ac.uk/jdsml/research-curation/research/projects/hostplants/ HOSTS - a Database of the World's Lepidopteran Hostplants], Abfrage vom 27. September 2008.</ref> == Systematik == === Äußere Systematik === Die Verwandtschaftsbeziehungen innerhalb der Familie der [[Sommerwurzgewächse]] (Orobanchaceae), der die Zahntroste angehören, sind noch nicht eindeutig geklärt. Die erste [[Molekularbiologie|molekularbiologische]] Untersuchung, in die eine Zahntrost-Art einbezogen war, wurde erst 2006 von [[Jonathan Bennett (Botaniker)|Jonathan Bennett]] und [[Sarah Mathews]] veröffentlicht.<ref name="Bennet06">Jonathan R. Bennet und Sarah Mathews: ''[http://www.amjbot.org/cgi/content/abstract/93/7/1039 Phylogeny of the parasitic plant family Orobanchaceae inferred from Phytochrome A]''. In: ''American Journal of Botany'', Band 93, Nummer 7, 2006. Seiten 1039–1051.</ref> Das folgende [[Kladogramm]] zeigt die auf Grundlage dieser Untersuchung vermuteten Verwandtschaftsverhältnisse. Dabei konnten Vertreter der Gattungen ''[[Bartsia]]'' und der [[Schuppenwurze]] (''Lathraea'') zum Teil nicht eindeutig eingeordnet werden, die Gattungen ''Bartsia'' und [[Teerkräuter]] (''Parentucellia'') ließen sich ebenfalls nicht eindeutig unterscheiden. ┌──────── ''[[Bartsia alpina]]'' #1 │ │ ┌── ''Lathraea'' (teilweise) ┌──┤ ┌──┤ │ │ │ └── [[Klappertöpfe]] (''Rhinanthus'') │ └──┤ │ └───── ''[[Rhynchocorys]]'' ┌──┤ │ │ ┌── ''Bartsia'' (teilweise) / ''[[Parentucellia]]'' │ │ ┌──┤ │ │ │ └── Zahntroste (''Odontites'') ┌──┤ │ ┌──┤ │ │ └──┤ └───── [[Augentroste]] (''Euphrasia'') │ │ │ │ │ └──────── ''[[Alpenrachen|Tozzia]]'' ─┤ │ │ └────────────── [[Wachtelweizen]] (''Melampyrum'') │ │ ┌────────────── ''Lathraea'' (teilweise) └──┤ └────────────── ''Bartsia alpina'' #2 Kladogramm vereinfacht nach <ref name="Bennet06"/> Die gelegentlich zu den Zahntrosten gezählten Gattungen ''[[Macrosyringion]]'', ''[[Odontitella]]'', ''[[Bornmuellerantha]]'' und ''[[Bartsiella]]'' sowie die wahrscheinlich ebenfalls nahe verwandten Gattungen ''[[Hedbergia]]'' und ''[[Nothobartsia]]'' wurden bisher noch nicht in molekulargenetische Untersuchungen einbezogen.<ref name="Bennet06"/> === Innere Systematik === Die Gattung ''Odontites'' umfasst der Monographie von Markus Bolliger (1996) folgend 26 Arten. Einige [[Phänetik|phänetisch]] sehr ähnliche Arten wurden in dieser Arbeit zu Artengruppen zusammengefasst; andere zuvor als Art beschriebene [[Taxon|Taxa]] wurden wiederum nur noch mit dem Status einer Unterart anerkannt. <div style="display:block" class="BoxenVerschmelzen"> <div style="clear:both; display:block" class="NavFrame"> <div class="NavHead"><div align="left">Arten der Gattung ''Odontites'' </div></div> <div class="NavContent"> {| width="100%" |- valign="top" | align="left" width="33%" | * ''Odontites bocconii''-Gruppe ** ''[[Odontites bocconii]]'' ** ''[[Odontites linkii]]'' * ''[[Odontites corsicus]]'' * ''[[Odontites hollianus]]'' * ''[[Odontites jaubertianus]]'' * ''[[Odontites kaliformis]]'' * ''[[Odontites lapiei]]'' * ''Odontites luteus''-Gruppe ** ''[[Odontites hispidulus]]'' ** ''[[Odontites lanceolatus]]'' ** [[Gelber Zahntrost]] (''Odontites luteus'') | align="left" width="33%"| * ''[[Odontites maroccanus]]'' * ''[[Odontites powellii]]'' * ''Odontites purpureus''-Gruppe ** ''[[Odontites discolor]]'' ** ''[[Odontites purpureus]]'' ** ''[[Odontites squarrosus]]'' * ''Odontites pyrenaeus''-Gruppe ** ''[[Odontites cebennensis]]'' ** ''[[Odontites pyrenaeus]]'' * ''[[Odontites rigidifolius]]'' | align="left" width="33%"| * ''Odontites triboutii''-Gruppe ** ''[[Odontites citrinus]]'' ** ''[[Odontites triboutii]]'' * ''Odontites vernus''-Gruppe ** [[Salz-Zahntrost]] (''Odontites litoralis'') ** [[Frühlings-Zahntrost]] (''Odontites vernus'') ** [[Roter Zahntrost]] (''Odontites vulgaris'') * ''[[Odontites violaceus]]'' * ''[[Odontites viscosus]]'' * ''[[Odontites vulcanicus]]'' |} </div></div></div> == Botanische Geschichte == [[Bild:Nsr-slika-243.png|thumb|upright|Historische Darstellung von ''[[Frühlings-Zahntrost|Odontites vernus]]'' (als ''Euphrasia odontites'') aus dem Jahr 1892.]] Die [[Erstbeschreibung]] der Gattung ''Odontites'' wurde 1757 von [[Christian Gottlieb Ludwig]] veröffentlicht.<ref name="Ludwig1757">Christian Gottlieb Ludwig: ''[http://gallica2.bnf.fr/ark:/12148/bpt6k97829f.image.r=historico.langFR.f133.pagination Institutiones Historico-Physicae Regni Vegetabilis]'', Verlag J. F. Gleditsch, Leipzig, 1757.</ref> Zwar beschrieb [[Carl von Linné]] bereits 1753 einige der heute zu den Zahntrosten gehörenden Arten, jedoch ordnete er sie den [[Augentroste]]n (''Euphrasia'') zu.<ref name="Linne1753">Linné beschrieb ''Euphrasia odontites'' (= ''Odontites vulgaris''), ''Euphrasia linifolia'', ''Euphrasia lutea'' (beide = ''Odontites luteus'') und ''Euphrasia viscosa'' (= ''Odontites viscosus''); vergleiche: Carl von Linné: ''[[Species Plantarum]]'', Verlag Lars Salvius, Stockholm, 1753. [http://www.botanicus.org/page/358625 Seite 604f.]</ref> In der Folge wurden die Arten immer wieder entweder als eigenständige Gattung geführt, teilweise wurden einzelne Artengruppen als eigene Gattungen ausgegliedert, oder aber die Arten wurden wahlweise den Augentrosten oder den ''[[Bartsia]]'' zugerechnet. Grund hierfür ist die morphologische Eigenständigkeit vieler Zahntrost-Arten, die eine Platzierung zwischen den beiden großen Gattungen ''Euphrasia'' und ''Bartsia'' nahelegt. Auch für die Gliederung innerhalb der Gattung wurden verschiedene Konzepte vorgestellt, von denen jedoch keines als allgemein anerkannt gilt. Eine erste Unterteilung der Gattung in die Sektionen ''Lasiopera'', ''Orthantha'' und ''Euodontites'' stammt von [[George Bentham]] aus dem Jahr 1846.<ref name="Bentham1846">George Bentham: ''[http://www.botanicus.org/page/162227 Odontites.]''. In: Alphonse de Candolle (Hrsg.): ''Prodromus systematis naturalis regni vegetabilis'', Band 10, 1846. Seiten 549–552.</ref> Später weicht er jedoch selbst von diesem Konzept ab und ordnet 1876 die Arten der Gattung ''Bartsia'' zu, wobei er nur noch die Sektionen ''Orthantha'' und ''Euodontites'' verwendet.<ref name="Bentham1876">George Bentham: ''[http://www.botanicus.org/page/658139 Genera plantarum :ad exemplaria imprimis in Herberiis Kewensibus servata definita]'', Band 2, Teil 2, Verlage Reeve & Co., [[Williams & Norgate]], London 1876.</ref> 1888 gliedert [[Anton Kerner von Marilaun]] die Arten um ''Odontites luteus'' in die Gattung ''Orthantha'' aus. Dieses Konzept wurde 1891 auch von [[Richard Wettstein]] und später von dessen Schüler [[Josef Hoffmann (Botaniker)|Josef Hoffmann]] übernommen. Hoffmann veröffentlichte ab 1897 unter dem Titel „Beitrag zur Kenntniss der Gattung ''Odontites''“ eine mehrteilige Monographie über die ihm bekannten europäischen Arten der Gattung. Seine Unterteilung innerhalb der Gattung in fünf unbenannte Gruppen ist vor allem durch Merkmale der Blüten begründet.<ref name="Hoffmann1897">Josef Hoffmann: ''Beitrag zur Kenntniss der Gattung Odontites.'' In: ''Österreichische Botanische Zeitschrift'', 47. Jahrgang, Nummer 4, April 1897. Seiten 113–117. {{DOI|10.1007/BF01795149}}</ref> Die Artengruppe um ''Odontites viscosus'' wurde 1911 von [[Gustave Beauverd]] als Gattung ''Dispermotheca'' ausgegliedert, die ''Orthantha'' erkennt er mit dem Status einer Untergattung von ''Odontites'' an. Zudem schlägt er vor, die Art ''Odontites aucheri'' in eine eigene Gattung oder eine eigene Sektion zu stellen, nimmt aber diese Umordnung selbst nicht vor. Die bisher letzte vorgenommene Einteilung der Arten innerhalb der Gattung stammt von [[Werner Rothmaler]] aus dem Jahr 1943, der die Zahntroste in die Sektionen ''Euodontites'', ''Orthantha'' und ''Dispermotheca'' unterteilt. Gleichzeitig setzt er den Vorschlag Beauverds um und gliedert ''Odontites aucheri'' in die von ihm neu aufgestellte Gattung ''[[Bornmuellerantha]]'' ein. Zudem errichtet er die Gattungen ''[[Macrosyringion]]'' und ''[[Odontitella]]'' und gliedert damit jeweils zwei weitere Arten aus ''Odontites'' aus.<ref name="Rothmaler43">Werner Rothmaler: ''Die Aufspaltung von Odontites Hall. ex. Zinn.'' In: ''Mitteilungen des Thüringischen Botanischen Vereins'', Neue Folge, Heft 50: ''Festschrift zum 80. Geburtstag von Joseph Bornmüller''. Verlag Gebr. Knabe KG, Weimar, 1943. Seiten 224–230.</ref> Erst 1996 erfolgt eine weitere monographische Behandlung der Gattung durch [[Markus Bolliger]]. Er verzichtet dabei auf eine Einteilung der Gattung in Sektionen, erkennt aber die von Rothmaler aufgestellten Gattungen an und gliedert ''Odontites rameauanus'' in eine weitere eigenständige und monotypische Gattung ''[[Bartsiella]]'' aus. Unabhängig davon, welches Gattungskonzept genutzt wurde, wurden die Arten der heutigen Gattung ''Odontites'' traditionell der Familie der [[Braunwurzgewächse]] (Scrophulariaceae) zugerechnet. [[Raffaello Bellini]] stellte 1907 eine Unterteilung der Familie auf, in der er alle parasitischen von den nicht-parasitischen Gattungen trennte. Die parasitischen Gattungen, so auch ''Odontites'', ordnete er der Unterfamilie Rhinanthoideae zu. Die natürliche Aufstellung dieser Unterfamilie wurde in der Folge zunächst vor allem durch [[Morphologie (Biologie)|morphologische]], später auch durch [[Molekularbiologie|molekularbiologische]] Untersuchungen bestätigt. Seit den frühen 1990er Jahren zeigte sich jedoch immer mehr, dass das klassische Familienkonzept der Braunwurzgewächse keine natürlichen Verwandtschaftsverhältnisse abbildete. Infolge dessen wurde zunächst 1999 von [[Nelson D. Young]] et al. vorgeschlagen, die Gattungen der bisherigen Unterfamilie Rhinathoideae der Familie der [[Sommerwurzgewächse]] (Orobanchaceae) zuzuordnen. Diese Einordnung wurde 2001 von [[Richard Olmstead]] et al. durchgeführt und 2003 auch in die [[Systematik der Bedecktsamer nach APG II]] übernommen.<ref name="Young99">Nelson D. Young et al.: ''[http://www.botanicus.org/page/556207 The evolution of parasitism in the Scrophulariaceae/Orobanchaceae: plastid gene sequences refute an evolutionary transition series].'' In: ''Annals of the Missouri Botanical Garden'', Band 86. Seiten 876–893.</ref><ref name="Olmstead01">Richard Olmstead et al.: ''Disintegration of the Scrophulariaceae''. In: ''American Journal of Botany'', Band 88, Heft 2, 2001. Seiten 348–361.</ref><ref name="APGII">Angiosperm Phylogeny Group: ''An update of the Angiosperm Phylogeny Group classification for the orders and families of flowering plants: APG II''. In: ''Botanical Journal of the Linnean Society'', Band 141. Seiten 399–436. {{DOI|10.1046/j.1095-8339.2003.t01-1-00158.x}}</ref> == Etymologie und Verwendung == Der Gattungsname geht auf [[Plinius der Ältere|Plinius den Älteren]] zurück. Er benennt eine Pflanze, die wahrscheinlich der Gattung angehört, mit dem Namen ''odontītis'', was wahrscheinlich vom [[Griechische Sprache|griechischen]] όδούς (Odous, ''Zahn''; Mehrzahl: Odontes) abgeleitet ist. Zum Teil geht man davon aus, dass diese Namensgebung auf die angebliche Wirksamkeit der Pflanzen gegen [[Zahnschmerzen]] zurückzuführen ist. Wahrscheinlicher ist aber, dass sich der Name auf die zahnförmig gezackten Ränder der Kelchblätter bezieht.<ref name="Genaust">Helmut Genaust: ''Etymologisches Wörterbuch der botanischen Pflanzennamen''. 3. Auflage, Birkhäuser, Basel 1996. Nachdruck. ISBN 3-937872-16-7.</ref> Andererseits ist es auch denkbar, dass die Analogie zwischen den Zähnen der Blätter und den Zähnen des Menschen dazu führte, dass der Pflanze eine entsprechende Wirksamkeit zugesprochen wurde.<ref name="Krampen94">Martin Krampen: ''Pflanzenlesebuch: Pflanzenstudium - Pflanzennutzung - Pflanzenpoesie.'' Georg Olms Verlag, 1994, ISBN 978-3487098296.</ref> Die Anwendung des bitter schmeckenden, als ''Herba Euphrasiae rubra'' bezeichneten Extraktes wurde jedoch schon Anfang des 19. Jahrhunderts als „lange außer Gebrauch“ bezeichnet.<ref name="Gräfe1834">Carl Ferdinand Gräfe: ''[http://books.google.de/books?id=UkZhAAAAIAAJ&pg=PA596 Encyclopädisches Wörterbuch der medicinischen Wissenschaften]''. 11. Band, Verlag von Veit et Comp., 1834.</ref> Auch zur Linderung von [[Menstruationsbeschwerden]] soll die Pflanze Anwendung gefunden haben, dazu wurden zerdrückte Pflanzen in die Schuhe gelegt.<ref name="Batsch1788">August Johann Georg Carl Batsch: ''[http://books.google.de/books?id=ZkQaAAAAYAAJ&pg=RA2-PA676#PRA2-PA457,M1 Versuch einer Anleitung zur Kenntniss und Geschichte der Pflanzen für academische Vorlesungen entworfen und mit den nöthigsten Abbildungen versehen].'' 2. Teil, Verlag Johann Jacob Gebauer, 1788.</ref><ref name="Mattuschka1777">Heinrich Gottfried Mattuschka: ''[http://books.google.de/books?id=37wXAAAAYAAJ&pg=RA2-PA101&lr=#PPA51,M1 Flora Silesiaca oder Verzeichniß der in Schlesien wildwachsenden Pflanzen]'', 2. Teil, Verlag Wilhelm Gottlieb Korn, Breslau und Leipzig, 1777.</ref> == Quellen == === Einzelnachweise === Die Informationen dieses Artikels entstammen zum größten Teil den unter Literatur angegebenen Quellen, darüber hinaus werden folgende Quellen zitiert: <references/> === Literatur === * Markus Bolliger: ''Monographie der Gattung Odontites (Scrophulariaceae) sowie der verwandten Gattungen Macrosyringion, Odontitella, Bornmuellerantha und Bartsiella''. In: ''Willdenowia: Annals of the Botanic Garden and Botanical Museum Berlin-Dahlem'', Band 26, 1996. Seiten 37–168. (Online: [http://www.bgbm.org/willdenowia/w-pdf/w26Bolliger37-60.pdf Teil 1], [http://www.bgbm.org/willdenowia/w-pdf/w26Bolliger61-88.pdf Teil 2], [http://www.bgbm.org/willdenowia/w-pdf/w26Bolliger89-121.pdf Teil 3], [http://www.bgbm.org/willdenowia/w-pdf/w26Bolliger122-168.pdf Teil 4]) ==Weblinks== {{Commons|Category:Odontites|Zahntroste}} {{Exzellent}} [[Kategorie:Sommerwurzgewächse]] [[bg:Зъбарче]] [[en:Odontites]] [[es:Odontites]] [[et:Kamaras]] [[fi:Sänkiöt]] [[hsb:Munčik]] [[lt:Skėstukas]] [[nl:Helmogentroost]] [[pl:Zagorzałek]] [[pt:Odontites]] 4v7cgbxjwvo9qhybkgbtm6hydvsgxfc wikitext text/x-wiki Frank Zappa 0 24542 27146 2010-05-01T13:35:14Z BNutzer 0 /* Orchestermusik */ Korrektur '''Frank Vincent Zappa''' (* [[21. Dezember]] [[1940]] in [[Baltimore]], [[Maryland]]; † [[4. Dezember]] [[1993]] in [[Laurel Canyon]], [[Kalifornien]]) war ein [[Vereinigte Staaten|amerikanischer]] Komponist und Musiker. Er veröffentlichte mehr als 60 Musikalben. Zappa hat die Rockmusik erheblich beeinflusst, sowohl durch seine von Stilanleihen und rhythmischer Vielfalt geprägten Kompositionen als auch durch seine Texte. Diese nahmen Bezug auf [[Popkultur]] und Zeitgeschehen und waren oft satirisch oder auch [[Dadaismus|dadaistisch]]-absurd geprägt. Er wurde in die [[Rock and Roll Hall of Fame]]<ref>[http://www.rockhall.com/inductee/frank-zappa Rock and Roll Hall of Fame] Frank Zappa in der Rock and Roll Hall of Fame</ref> aufgenommen und erhielt zwei [[Grammy Awards|Grammys]]. Zappa betätigte sich auch als Musikproduzent und Filmregisseur und komponierte orchestrale Stücke. Sein Hauptinstrument war die E-Gitarre, er war aber auch oft als Sänger zu hören und spielte Schlagzeug, E-Bass und Keyboards. Charakteristisch für Zappa sind seine mitunter in größeren dramaturgischen Zusammenhängen gestalteten Bühnenshows, seine (Musik-)Filme, die die Bildästhetik des Musikfernsehens vorformulieren halfen, sowie sein Wirken als autarker Musikproduzent, der alle Schritte der Produktentstehung steuerte und beeinflusste. [[Datei:Zappa.jpg|miniatur|hochkant=1.5|Frank Zappa im ''Armadillo World Headquarters'' in Austin, Texas am 13.&nbsp;September 1977]] == Leben == Frank Zappa war das älteste Kind des [[Sizilien|sizilianischen]] Einwanderers Francis Zappa und dessen Frau Rose Marie, die von einer [[Neapel|neapolitanischen]] Einwandererfamilie abstammte. Zappa hatte drei Geschwister, die Brüder Bobby und Carl sowie die Schwester Patrice. Franks Vater arbeitete in den US-Bundesstaaten Maryland und Florida an verschiedenen Einsatzorten für das amerikanische Verteidigungsministerium. Deshalb musste die Familie oft umziehen. Während der Jahre an der Ostküste litt Frank immer wieder an schweren Erkältungen und [[Asthma bronchiale|Asthma]]. Dies bewog die Eltern, im Dezember 1951 an die klimatisch begünstigtere Westküste umzuziehen.<!-- Barry Miles, S. 13–30 --> Bis zu seinem [[High School|High-School]]-Abschluss im Jahr 1958 hatte Zappas Familie insgesamt acht Mal den Wohnort gewechselt. Zappas Schulausbildung erfolgte an drei Highschools und drei weiteren [[College]]s. Die wiederholten Umzüge und die ständigen Krankheiten in Zappas jungen Jahren beeinflussten seine Persönlichkeitsentwicklung. Er wird als jemand beschrieben, der nur schwer Freundschaft schließen konnte. Seine zweite Ehefrau sagte sogar: „Zappa hat nicht geliebt.“<ref>Miles (2005), Seite 331</ref> Zappa galt als Eigenbrötler und Workaholic.<!-- Barry Miles, S. 346, 426 --><!-- Volker Rebell, S. 241f --> Der junge Zappa zog sich vor allem auf sich selbst zurück und ging seinen künstlerischen Neigungen nach. Der grafisch talentierte Schüler gewann zwei Gestaltungspreise,<!-- globalia.net, Chronologie. Stand: Juni 2008 --> seine ersten Kompositionen entstanden in dieser Zeit. An der Highschool durfte Zappa das Schulorchester dirigieren, als Collegestudent schrieb er die Musik für einen Hollywood-Film.<!-- globalia.net, Chronologie. Stand: Juni 2008 --> [[Datei:Frank and gail zappa 1988.jpg|miniatur|Frank Zappa und seine zweite Ehefrau Gail, 1988]] Nachdem Zappa das Musikstudium nach einem Semester abgebrochen hatte, beschäftigte er sich zunächst mit Grafik und Musik. Am College hatte er Kay Shermann kennen gelernt; das Paar heiratete am 28. Dezember 1960 und wohnte östlich von Los Angeles in Ontario. Beide waren berufstätig: sie als Banksekretärin, er unter anderem als Gestalter von Grußkarten, Handelsvertreter für Enzyklopädien und Schmuck oder als Angestellter einer Werbeagentur.<!-- Barry Miles, S. 78f --> Dann wandte sich Zappa mehr und mehr der Musik zu. Ab 1961 arbeitete er im [[Pal Recording Studio]] in [[Rancho Cucamonga|Cucamonga]], außerdem spielte er in unterschiedlichen Bands. Die Ehe mit Kay hielt nicht lange und blieb kinderlos. Das Paar wurde Anfang 1964 geschieden.<!-- Barry Miles, S. 101 --> Für das Verständnis einiger seiner Texte ist ein Zwischenfall bedeutsam, der sich im Frühjahr 1965 im Studio Z zutrug, dem ehemaligen Pal Recording Studio, in dem Zappa inzwischen wohnte. Für die akustische Untermalung eines „Herrenabends“ sollte er ein Tonband mit Geräuschen sexueller Aktivitäten produzieren. Zappa und seine damalige Freundin setzten sich vor die Studiomikrofone und erledigten den Auftrag. Beide wurden einige Tage später bei der Übergabe des Bandes verhaftet – der Auftraggeber entpuppte sich als Detective Sergeant der Bezirkspolizei. Zappa wurde wegen „Verschwörung zur Pornografie“ zu sechs Monaten Haft verurteilt. Zehn Tage Haft musste er absitzen, die Reststrafe wurde auf drei Jahre zur Bewährung ausgesetzt.<!-- Barry Miles, S. 106ff --> Der Rockjournalist [[Barry Miles]] beschreibt die für Zappa bedeutsame Episode ausführlich und schlussfolgert: „Zelle C war ein Trauma fürs Leben, und in mancherlei Hinsicht war er den Rest seiner Karriere damit beschäftigt, sein pornografisches Tonband Amerika in den Rachen zu stopfen, immer und immer wieder. Er würde den Amerikanern schon zeigen, wie ihr Land wirklich war.“<ref>Miles (2005), Seite 110</ref> Im Sommer 1966 lernte Zappa [[Gail Zappa|Adelaide Gail Sloatman]] kennen, die damals als Assistentin von Elmer Valentine arbeitete, dem Besitzer der Clubs [[Whisky a Go-Go]] und Trip in Los Angeles.<!-- Barry Miles, S. 148ff --> Im September 1967 – wenige Tage vor der ersten Europatournee seiner Band, den [[The Mothers of Invention|Mothers of Invention]] – heiratete Zappa seine hochschwangere Freundin. Noch während die Band in Skandinavien unterwegs war,<ref name="Giglist">[http://members.shaw.ca/fz-pomd/giglist/1967.html FZ-Giglist 1967] (Stand: Juni 2008)</ref> wurde Tochter [[Moon Unit Zappa|Moon Unit]] geboren. Es folgten die Söhne [[Dweezil Zappa|Dweezil]] (1969), [[Ahmet Zappa|Ahmet]] (1974) und die Tochter Diva (1979). Von kürzeren Aufenthalten in New York (März 1967 bis Mai 1968) <!-- BM 169, 197 --> und London (Dezember 1970 bis April 1971) <!-- BM, 242, 249 --> abgesehen, lebte Frank Zappa ab Mitte 1965 in den nördlichen Stadtbezirken von Los Angeles.<!-- globalia.net, Chronologie. Stand: Juni 2008 --><!-- Barry Miles, S. 141, 197, 211 --> Ende der 1970er Jahre entschloss sich Zappa, neben seinem Wohnhaus das Tonstudio [[Utility Muffin Research Kitchen]] bauen zu lassen, das am 1. September 1979 den Betrieb aufnahm. Damit unterlag die Veröffentlichung seiner Musik – einschließlich Produktion und Vertrieb – fast vollständig seiner Kontrolle. Im November 1991 wurde bekannt, dass Zappa an [[Prostatakrebs]] erkrankt war, wobei sich die Erkrankung zum Diagnosezeitpunkt schon in einem weit fortgeschrittenen Stadium befand.<!-- Barry Miles (Zweitausendundeins), S. 417, 422 --> Zappa starb am 4. Dezember 1993 und wurde auf dem Friedhof [[Westwood Village Memorial Park Cemetery]] in Los Angeles beigesetzt.<!-- Barry Miles, S. 434f. Anmerkung: Miles nennt den 6. Dezember 1993 als Todesdatum. Das ist offensichtlich ein Druckfehler, denn noch im Satz zuvor schreibt Miles über ein geplantes „Sonntags-Lunch“, an dessen Vortag Zappa auch Miles zufolge gestorben war: Besagter Sonntag war der 5. Dezember 1993. --> == Musikalischer Werdegang == === Prägung === Seine erste Schallplatte erhielt Zappa als Geschenk zu seinem siebten Geburtstag: ''All I want for Christmas is my two front teeth'' von ''[[Spike Jones]] and his City Slickers''. Dessen Art, Humor mit Musik zu verbinden, hatte einen nachhaltigen Einfluss nicht nur auf Zappas Kompositionen, sondern auch darauf, wie er seine Livekonzerte gestaltete.<ref>Miles (2005), Seite 33</ref> Zu Zappas frühen musikalischen Einflüssen zählt auch arabische Musik. Er sagte: „Irgendwo hörte ich das und war sofort begeistert.“ Im Radio hörte er als 13-Jähriger ''[[Gee (Lied)|Gee]]'' von den ''[[The Crows|Crows]]'' und ''"I"'' von den ''[[The Velvets|Velvets]]''. Der erste Tonträger, den sich Zappa selbst kaufte, war die [[Schallplatte#Entwicklung und Durchbruch der Vinylschallplatte|78er-Schallplatte]] ''Riot in Cell Block Number 9'' von den [[The Robins|Robins]]. Zappa selbst nannte die frühe [[Rhythm and Blues|Rhythm-and-Blues-Musik]] einen „Haupteinfluss – und vielleicht das, was mir wirklich die Ohren öffnete“. Die Zuneigung zur [[Doo Wop|Doo-Wop]]-Musik der frühen 1950er Jahre findet sich über seine gesamte Schaffenszeit hinweg in etlichen Kompositionen wieder.<ref>Miles (2005), Seite 35f</ref> Eine wichtige Begegnung mit Orchestermusik hatte Zappa, als er in den frühen 1950er Jahren seine erste Langspielplatte gebraucht kaufte. Er war in einem Zeitungsartikel auf sie aufmerksam geworden und hatte schon länger nach ihr gesucht: ''The Complete Works of [[Edgar Varèse]], Vol. 1'', eingespielt vom ''New York Wind Ensemble'' und dem ''Juilliard Percussion Quartet''. Besonders angetan hatte es ihm ''Ionisation'' – ein Stück für 13 Schlagzeuger. Er war von den Kompositionen so begeistert, dass er sich zum 15. Geburtstag ein Ferngespräch mit Varèse wünschte.<!--<ref>Miles (2005), Seite 37ff</ref>--> In den Fußnoten auf der Varèse-Plattenhülle wurden auch die Komponisten [[Béla Bartók]], [[Igor Fjodorowitsch Strawinski|Igor Strawinski]] und [[Anton Webern]] genannt. Zappa begann umgehend, sich nach Aufnahmen mit Werken dieser Vertreter der [[Neue Musik|Neuen Musik]] umzusehen.<!--<ref>Miles (2005), Seite 42</ref>--> Varèses Texturschichtungen und Collagen, seine Experimente mit Geräuschen, Stimmen, Tonbändern, Elektronik und Perkussion und auch das Provokationspotenzial seiner Musik haben Zappa, so Musikwissenschaftler [[Hans-Jürgen Schaal (Jazzautor)|Hans-Jürgen Schaal]], tief beeindruckt.<ref name="Schaal">Hans-Jürgen Schaal: Zwischen allen Stühlen – Frank Zappa, ''Das Orchester: Zeitschrift für deutsche Orchesterkultur und Rundfunk-Chorwesen, Mainz, Bd. 50, 2002, Seite 34-41</ref> Der junge Zappa war von der Musikdarstellung in Form von Noten fasziniert. Das war ein wichtiger Antrieb für ihn, selbst zu komponieren, aber auch eine Erklärung für den Stil mancher seiner Kompositionen. Sein Biograf Barry Miles zitiert ihn zunächst mit den Worten: „Ich mag es einfach, wie Noten auf dem Papier aussehen“; er ergänzt diesen Satz um ein weiteres Zitat, in dem Zappa über seine frühen Kompositionen sagte: „Ich hatte nicht den leisesten beknackten Schimmer, wie es klingen würde.“<ref>Miles (2005), Seite 42f</ref> Als Gitarrist wurde Zappa von Rhythm-and-Blues-Gitarristen wie [[Johnny Guitar Watson|Johnny „Guitar“ Watson]], [[Clarence Brown|Clarence „Gatemouth“ Brown]], Eddie Jones und [[Matt Murphy]] beeinflusst. Im Begleittext zu seinem ersten Album ''[[Freak Out!]]'' nannte er außerdem, neben anderen, [[Howlin’ Wolf]] und [[John Lee Hooker]]. === Erste Schritte === ==== Ausbildung ==== In der Schule lernte Zappa ab 1951 [[Schlagzeug]] – zunächst auf „Brettern“. Später spielte er im Schulorchester die Trommel. Während eines Wettbewerbs an der ''CA Keith McKillop’s Monterey Summer Percussion School'' entstand 1953 seine erste Komposition ''Mice'' – ein Solo für [[Kleine Trommel|Snaredrum]].<!--<ref>Miles (2005), Seite 33</ref>--> Ab 1956 besuchte er die Antelope Valley High School in [[Lancaster (Kalifornien)|Lancaster]]. Zu den frühesten Zappa-Kompositionen, die je aufgeführt wurden, gehören die Stücke ''A Pound For A Brown (On The Bus)'' und ''Sleeping In A Jar'', beide Teile eines Streichquartetts, das Zappa 1958 spielen ließ, als sein Musiklehrer ihm erlaubte, die ''Antelope Valley High School Big Band'' zu dirigieren.<!--<ref name="Chronologie_1">[http://globalia.net/donlope/fz/chronology/index.html FZ-Chronologie] (Stand: 9. Dezember 2006)</ref>--> Im Oktober 1958 wechselte Zappa zum [[Antelope Valley College|Antelope Valley Junior College]] in [[Lancaster (Kalifornien)|Lancaster]], wo er Donald Vliet alias [[Captain Beefheart]] kennen lernte. Etwa zu dieser Zeit brachte er sich selbst bei Gitarre zu spielen. Das Stück ''Lost In A Whirlpool'' (erstmals 1996 veröffentlicht auf dem Album ''The Lost Episodes'') wurde im Winter 1958/59 in einem leeren Klassenzimmer des Colleges aufgenommen und ist die früheste Aufnahme, auf der Zappa als Gitarrist zu hören ist.<ref>[http://globalia.net/donlope/fz/songs/Lost_In_A_Whirlpool.html Lost in a Whirlpool] (Stand: 9. Dezember 2006)</ref> Um [[Harmonik|Harmonielehre]] und [[Komposition (Musik)|Komposition]] zu studieren, schrieb sich Zappa im Frühjahr 1960 am Chaffee Junior College in [[Alta Loma]] ein. Nach etwas mehr als einem Semester hörte er wieder auf, weil er nach Ansicht von Barry Miles sein Ziel erreicht hatte: „Er verstand nun die Grundlagen der Musik.“<ref>Miles (2005), Seite 76f</ref> Zappa belegte noch einmal im Jahr 1961 Vorlesungen im Fach Komposition am Pomona College in [[Claremont (Kalifornien)|Claremont]].<!--<ref name="Chronologie_1"/>--> ==== Frühe Bands und Projekte ==== 1955 trat Zappa als Schlagzeuger der R&B-Band ''The Ramblers'' an der Highschool in San Diego bei, woraufhin ihm seine Eltern sein erstes Schlagzeug kauften. <ref>Miles (2005), Seite 43</ref><!--<ref name="IATAD">aus: Frank Zappa, Peter Occhiogrosso: ''I am the American Dream''. Wilhelm Goldmann Verlag, München, 1991. ISBN 3-442-32536-6</ref>(S. 31)--> Nach zwei Umzügen seiner Familie gründete Zappa 1957 in Lancaster die R&B-Gruppe ''The Black-Outs'', in der unter anderem Jim „Motorhead“ Sherwood mitspielte. Nach Zappas Ausstieg im Jahr 1958 nannte sich die Gruppe ''The Omens''.<!--<ref name="IATAD"/>(S. 49)--><ref>Miles (2005), Seite 80</ref> Außerdem spielte er in der ''Antelope Valley High School Big Band'' mit.<!--<ref name="Chronologie_1"/>--> Das Quartett ''The Boogie Men'' gründete Zappa im Frühjahr 1961, löste es aber kurze Zeit später wieder auf. Im Sommer 1961 hauchte Zappa den ''Black-Outs'' neues Leben ein, nur dass er dort jetzt Gitarre statt Schlagzeug spielte. Um Geld zu verdienen, war er außerdem Mitglied der Tanzkapelle ''Joe Perrino & The Mellotones''.<ref>Miles (2005), Seiten 79f</ref> Ab 1962 kümmerte sich Zappa vor allem um Studioprojekte. Mit [[Ray Collins (Rockmusiker)|Ray Collins]] absolvierte er 1963 einige Auftritte als ''Sin City Boys'' und als ''Loeb & Leopold''.<!--<ref name="Chronologie_1"/>--> Außerdem gründete er die kurzlebige Gruppe ''The Soots'', in der unter anderem [[Captain Beefheart]] mitspielte. Die Studioarbeit warf nicht die erhofften Erträge ab, daher gründete Zappa 1964 die Tanzband ''The Muthers''. Außerdem war er Mitglied der Hausband in dem Club ''The Village Inn''. <ref name="Zappalog 101">Norbert Obermanns: ''Zappalog.'' 2nd Edition, Rhino Books, Los Angeles, 1982, Seite 101</ref> Zappa arbeitete in den ersten Jahren nicht nur als Musiker, sondern verfolgte auch andere Projekte: 1959 schrieb er die Musik für den [[Low-Budget-Film]] ''Run Home, Slow'' (1965, Regie: Ted Brenner). Aufgenommen wurde die Musik aber erst 1963. Der Film selbst hatte am 15. Dezember 1965 Kinopremiere. <ref>Miles (2005), Seite 91</ref><!--<ref name="Chronologie_1"/>--> Ein weiteres Filmmusikprojekt, für das Zappa im Juni 1961 engagiert wurde, war der [[B-Movie|B-Film]] ''The World’s Greatest Sinner'' (1962, Regie: [[Timothy Carey]]). Im November 1961 wurde Zappa für [[Paul Conrad Buff|Paul Buff]] in dessen ''Pal Recording Studio'' tätig. Dort arbeitete er als Studiomusiker, Komponist, Tontechniker und Produzent mit etlichen Künstlern, die lokale Bedeutung besaßen, zusammen und nahm eine Vielzahl von Singles auf. Als Buff im Sommer 1964 den Auftrag erhielt, für ein anderes Tonstudio tätig zu werden, kaufte Zappa das Pal Studio und benannte es in ''Studio Z'' um.<ref>Miles (2005), Seiten 82, 102</ref> Als Perkussionist und mit eigenen Filmbeiträgen war Zappa im Mai 1962 an einem Multimedia-Experimental-Projekt von [[Don Preston]] beteiligt, der dazu unter anderem auch [[Bunk Gardner|Bunk]] und [[Buzz Gardner]] um sich versammelt hatte.<!--<ref name="Chronologie_1"/>--> Zappas Bestreben, im Musikgeschäft bekannt zu werden, verdeutlichen zwei Ereignisse des Jahres 1963. Im März trat er als Gast in der bekannten ''[[Steve Allen|Steve Allen Show]]'' im Fernsehen auf und gab dort sein ''Concerto For Two Bicycles'' zum Besten.<ref>''Concerto For Two Bicycles'', [http://www.youtube.com/watch?v=8e3I0iagWXU YouTube]</ref> Dass Zappa bei Allen, einem bekannten Jazzmusiker, keine Gelegenheit erhielt, als junger Komponist Ernst genommen zu werden sondern stattdessen nur auftreten konnte, weil er eine dadaistische Avantgarde-Performance darbot, bezeichnet der Musikjournalist [[Hans-Jürgen Schaal (Jazzautor)|Hans-Jürgen Schaal]] als „überlegene Sozialsatire, aber auch erste Resignation“.<ref name="Schaal" /><!-- S.37 --> Etwa zwei Monate später kam es am Mount St. Mary’s College in Los Angeles zu dem Konzert ''The Experimental Music of Frank Zappa'', bei dem etliche Partituren Zappas von Studenten des Collegeorchesters gespielt wurden.<ref>Miles (2005), Seiten 90, 95</ref> 1965 suchte die Gruppe ''The Soul Giants'' einen neuen Gitarristen. Zappa stieg ein und avancierte schnell zum Bandleader. Die Gruppe – ihr gehörten zu diesem Zeitpunkt die beiden Gründer [[Roy Estrada]] als Bassist und der Schlagzeuger [[Jimmy Carl Black]] sowie Ray Collins als Sänger und David Coronado als Saxophonist an – benannte sich mehrfach um. Zunächst in ''Captain Glasspack & His Magic Mufflers'', dann am Muttertag 1965 in ''The Mothers''. Der zwischenzeitlich hinzugekommene Gitarrist [[Henry Vestine]] wurde im Frühjahr 1966 durch Elliot Ingber ersetzt. Am 1. März 1966 erhielten die Mothers einen Plattenvertrag, gingen kurz darauf ins Studio, um ihr erstes Album ''[[Freak Out!]]'' aufzunehmen. Bevor dieses erscheinen konnte, musste sich die Gruppe auf Druck des [[Tonträgerunternehmen]]s in [[The Mothers of Invention]] umbenennen.<ref name="Zappalog 101"/> === The Mothers of Invention === Die [[The Mothers of Invention|Mothers of Invention]] bestanden über einen Zeitraum von etwa zehn Jahren. In dieser Zeit war die Gruppe in 18 unterschiedlichen Besetzungen auf Tourneen zu sehen. Unter Berücksichtigung der „Hot Rats Band“ sowie der beiden verschieden besetzten Wazoo-Orchester waren es 21 Besetzungen, die allesamt jeweils nur für wenige Konzerte bestanden. Schon die fünfköpfige Urbesetzung wurde während der Studioaufnahmen für das Debütalbum von Dutzenden weiterer Musiker unterstützt. Überdies veränderte Zappa die Formation bereits nach wenigen Konzerten: Der Gitarrist Elliot Ingber musste gehen, [[Don Preston]], [[Bunk Gardner]], [[Ian Underwood]], Billy Mundi und Jim „Motorhead“ Sherwood kamen hinzu. In der Vielzahl der Ensembles kristallisieren sich dennoch fünf Grundformationen heraus. Außer von Zappa hing das Spielvermögen der Livebands immer auch von den Fähigkeiten der für Zappas Musik wichtigen Rhythmusgruppe ab, und dort insbesondere vom Schlagzeuger.<!--<ref name="Chronologie_1"/> --> [[Jimmy Carl Black]] war bis zum Herbst 1969 Schlagzeuger der ersten fünf Mothers-Formationen. Sein Spiel bot das Fundament, auf dem unter anderem Don Preston, Ian Underwood, Bunk Gardner und Zappa ihre musikalischen Experimente und ausgedehnten [[Improvisation (Musik)|Improvisationen]] aufbauen konnten. Zusammengehalten wurden die für diese Mothers-Epoche typischen ausgedehnten, freien Musik- und Musiktheaterteile durch den von Zappa locker gesetzten kompositorischen Rahmen. Bezeichnend für diese Phase sind die Mothers-Auftritte im New Yorker ''Garrick Theatre'', wo die Band vom 23. März bis zum 5. September 1967 mit kurzen Unterbrechungen wochentags zweimal, an den Wochenendtagen dreimal das Rockmusical ''Pigs & Repugnant'' (Schweine und Widerlinge) aufführte.<ref>[http://members.shaw.ca/fz-pomd/giglist/1967.html FZ-Giglist 1967] (Stand: 16. Dezember 2006)</ref> Die Theaterperformance nach Happening-Art bot allerlei Scheußlichkeiten, derben Humor, gesellschaftskritische Seitenhiebe, Musikparodien und vieles mehr – unter anderem im Juli 1967 einen Gastauftritt von [[Jimi Hendrix]].<!--<ref>Miles (2005), Seite 167–175</ref>--> Für manche Kritiker waren die Shows nichts als „heiße Luft“, für andere dagegen „brillant bis großartig-fantastisch“.<ref>Rebell (1977), Seite 259</ref> ''[[Freak Out!]]'', das erste Album, das die Mothers of Invention 1966 veröffentlichten, war gleich ein aufwändig mit Begleittext versehenes [[Doppelalbum]]. Der Musikkritiker Mike Fish bezeichnet es als „eines der blendendsten Debüts“<ref name="Kostelanetz132">Mike Fish und Ben Watson: ''Frank Zappa on Disk'', Nachdruck des Artikels aus ''The Wire'', Bd. 91, September 1991. In: Kostelanetz (1997), Seite 132.</ref>: Die Platte enthält Satire und politische Kritik genauso wie Bezüge zum [[Doo Wop]] und zum [[Rhythm and Blues]] sowie autobiografische Referenzen. Eine ganze Langspielplattenseite verwendete Zappa auf eine perkussive Improvisation, gemischt mit Textkollagen und unartikulierten Lauten. Das 1968 erschienene Album ''[[We’re Only in It for the Money]]'' wurde als „erbarmungslose dunkle, wütende und düstere Antwort auf [[Sgt. Pepper’s Lonely Hearts Club Band|Sergeant Pepper]]“ bezeichnet<ref name="Kostelanetz132" /> und zeigt deutlich Zappas Rolle als Teil der Gegenkultur. Falsche Hippies werden genauso parodiert wie die Erschießung protestierender Jugendlicher durch die Polizei thematisiert wird. Im September 1968 treten Zappa und die Mothers of Invention zum ersten Mal vor einem deutschen Publikum bei den [[Internationale Essener Songtage|Internationalen Essener Songtagen]] auf. Nachdem im April 1969 auf dem Mothers-Album ''[[Uncle Meat]]'' schon [[Fusion (Musik)|Jazzrock]]-Passagen auftauchten,<ref name="allmusic-unclemeat">[http://www.allmusic.com/cg/amg.dll?p=amg&sql=10:gikvikk6bb29 ''Uncle Meat'' - Rezension] auf [[Allmusic]] (engl., mit Sound-Beispielen, Stand: März 2010)</ref> löste Zappa die Mothers im August auf und veröffentlichte ohne sie (abgesehen von [[Ian Underwood]]) im Oktober das Album ''[[Hot Rats]]''. Es gilt als eines der ersten Jazzrock-Alben überhaupt. [[Datei:FRANK ZAPPA3.jpg|miniatur|Frank Zappa, Theatre de Clichy, Paris, frühe 70er-Jahre]] Mit ''200 Motels'' stellte Zappa ein viersätziges Werk für Orchester und Rockband als Beitrag für das Musikfestival ''Contempo ’70'' an der [[University of California, Los Angeles|University of California]] zusammen. Es wurde am 15. Mai 1970 im [[Pauley Pavilion]] uraufgeführt. Mitwirkende waren die Mothers und das [[Los Angeles Philharmonic Orchestra]], dirigiert von [[Zubin Mehta]]. Aus Kostengründen wurden nur die Sätze eins, drei und vier dieses Werkes gespielt, mit dem Zappa ausprobieren wollte, „wie die Musik klingt, die ich in Motels [Anm.: während der Tourneen der Vorjahre] geschrieben habe“.<ref>Miles (2005), Seite 231ff</ref> Als Schlagzeuger wirkte an diesem Projekt der von der Rockmusik her kommende britische Schlagzeuger [[Aynsley Dunbar]] mit. In der Folge gehörte er den Mothers-Formationen sechs bis neun an. Die Musik wurde insgesamt straffer und rockiger. <!-- Was bedeutet denn "rockig" im enzyklopädischen Sinn? --> Als mit Bandversion Nr. 7 auch die ehemaligen Turtles-Leadsänger [[Mark Volman]] und [[Howard Kaylan]] zu den Mothers stießen, begann die Mothers-Epoche, die als „Vaudeville-Band“ bekannt wurde. Die Bühnenshows bis Ende 1971 waren auf das darstellerische und satirische Vermögen dieser beiden versierten Frontleute zugeschnitten. Zwei Zwischenfälle beendeten diese Mothers-Phase. Am 4. Dezember 1971 brach bei einem Konzert der Band im ''Casino Barrière'' in [[Montreux]] ein Brand aus, bei dem die gesamte Musikanlage der Band vernichtet wurde – das [[Deep Purple|Deep-Purple]]-Stück [[Smoke on the Water]] erzählt davon. Wenige Tage später, am 10. Dezember, wurde Zappa bei einem Konzert im ''Rainbow Theatre'', London, von einem Besucher von der Bühne in den Orchestergraben gestoßen. Dabei wurde er so schwer verletzt, dass er neun Monate im Rollstuhl verbringen musste. In der Folge war eines seiner Beine verkürzt (das Lied ''Dancing Fool'' vom Album ''Sheik Yerbouti'' enthält eine Referenz auf diesen Umstand), und auch seine Stimme klang um eine Terz tiefer. Zappa musste die Konzerttournee abbrechen und die Band auflösen. Zappa verwirklichte 1972, zunächst noch im Rollstuhl sitzend, zwei weitere Soloprojekte: ''[[Waka/Jawaka]]'' und ''[[The Grand Wazoo]]''. Erneut wandte er sich dem Jazzidiom zu, von dem er einmal sagte: „Jazz is not dead, it just smells funny.“ (Jazz ist nicht tot, er riecht nur eigenartig).<ref>aus: ''Be-Bop Tango (Of The Old Jazzmen’s Church)'' auf dem Live-Album "Roxy & Elsewhere"</ref> Zappa stellte dieses ausgedehnte Jazzrock-Projekt, an dem auf der Bühne 20 Musiker mitwirkten, während einer zweiwöchigen USA- und Europatournee vor. Anschließend wurde die Tournee mit halber Besetzung („Petit Wazoo“) weitere sechs Wochen in Amerika fortgesetzt.<!--<ref name="Chronologie_1"/>--> Ab Februar 1973 war Ralph Humphrey (Band Nr. 10 bis 14), ab Oktober 1973 auch [[Chester Thompson]] (Band Nr. 12 bis 16) Schlagzeuger der Mothers. Mit dem Geiger [[Jean-Luc Ponty]], dem Keyboarder [[George Duke]], der Perkussionistin [[Ruth Underwood]] und dem Trompeter Sal Marquez wirkten zu dieser Zeit einige vielseitig begabte Musiker in der Gruppe mit. Dies ermöglichte es Zappa, sich Musik ganz anders als bisher zu nähern. In zugänglichem Ton, aber nicht ohne zappatypische Ingredienzen, verschmolz er kunstfertig komplexe Jazzrock-Arrangements, Funk und andere Musikstile zu kompakten, nur drei bis sechs Minuten langen Liedern:<ref>[[:en:Over-Nite Sensation|Over-Nite Sensation]] (Stand: 16. Dezember 2006)</ref><!--<ref name="Chronologie_1"/>--> Das Album ''[[Over-Nite Sensation]]'' zeigt eine „virtuose außergewöhnliche Band“, die allerdings in den Augen eines Kritikers kontrastiert wird von „schorfigen, pornografischen Texten“.<ref>Mike Fish und Ben Watson: ''Frank Zappa on Disk'', Nachdruck des Artikels aus ''The Wire'', Bd. 91, September 1991. In: Kostelanetz, Seite 137.</ref> Das darauf folgende Album ''Apostrophe'', das als Nonsense-Themenalbum über einen Eskimo im Juni 1974 Platz 10 der [[Billboard (Magazin)|Billboard]]-Charts erreichte, wurde von dem Label [[DiscReet Records]], das Zappa mitbegründete, herausgegeben. Letzter Schlagzeuger der Mothers (Nr. 17 und 18) war [[Terry Bozzio]], der ab der USA-Tournee im Frühjahr 1975 dabei war. Für die Welttournee, die im Herbst 1975 begann und bis ins Frühjahr 1976 dauerte, baute Zappa die Mothers ein letztes Mal um: Dem zum [[Quintett]] geschrumpften Ensemble gehörten neben Zappa und Bozzio der Sänger und Saxofonist [[Napoleon Murphy Brock]], der Keyboarder André Lewis sowie mit dem Bassisten [[Roy Estrada]] ein Mitglied der ersten Mothers-Formation an.<!--<ref name="Chronologie_1"/>--> === Die Zappa-Bands === [[Datei:The famous mustache and goatee.jpg|miniatur|Frank Zappa, Toronto, 24. September 1977]] Nach Auflösen der Mothers kam es zu Auseinandersetzungen zwischen Zappa und [[Herb Cohen]]. Zappa hatte den langjährigen Manager entlassen, der daraufhin die Auslieferung des Albums ''[[Zoot Allures]]'' verzögerte. Um weiteren Schwierigkeiten mit Cohen aus dem Weg zu gehen, verzichte Zappa auf den Gruppennamen ''The Mothers of Invention'' und trat fortan nur noch unter eigenem Namen auf.<ref>Reichert (2000), Seite 87</ref> Bis auf Schlagzeuger Terry Bozzio tauschte Zappa das Personal für seine erste Band nach der Mothers-Ära komplett aus. Zum [[Line-up]] der USA- und Kanadatournee im Herbst 1976 gehörten der Gitarrist und Sänger [[Ray White]], die Sängerin und Keyboarderin Lady Bianca (alias Bianca Odin, alias Bianca Thornton),<ref>[http://www.united-mutations.com/o/bianca_odin.htm Lady Bianca] (Stand: 17. Dezember 2006)</ref> der Keyboarder und Geiger [[Eddie Jobson]] sowie der Bassist Patrick O’Hearn. Die im Frühjahr 1977 folgende Europatournee fand ohne Lady Bianca statt. An der Nordamerikatournee Ende 1977 und der Europatournee im Frühjahr 1978 nahm Eddie Jobson nicht mehr teil, dafür waren neben den Keyboardern Tommy Mars und [[Peter Wolf (Komponist)|Peter Wolf]] auch der Gitarrist und Sänger [[Adrian Belew]] und der Perkussionist Ed Mann hinzugekommen.<!--<ref name="Chronologie_1"/>--> [[Datei:Ike Willis.jpg|miniatur|Frank Zappa und Ike Willis, Buffalo, 25. Oktober 1980]] [[Vinnie Colaiuta]] war Schlagzeuger der Zappa-Band Nummer vier, die im Herbst 1978 auf Bühnen in Europa und Nordamerika zu sehen war. Terry Bozzio, Ray White und Adrian Belew waren gegangen. Neu dabei waren der Sänger und Gitarrist [[Ike Willis]], der [[Slide-Gitarre|Slide-Gitarrist]] Denny Walley sowie der Bassist [[Arthur Barrow]]. Für die Europatournee des Frühjahres 1979 stieß Warren Cuccurullo zu dieser Gruppe. Ein Jahr später gehörte Peter Wolf nicht mehr dazu, Vinnie Colaiuta legte eine Tourneepause ein. Letzteren ersetzte Zappa in seiner Band Nummer sechs für die USA-Europa-Tournee im Frühjahr 1980 durch den Schlagzeuger David Logeman. Außerdem war Ray White wieder dabei. 1980 gelang Zappa auch mit ''Bobby Brown'' (Album ''Sheik Yerbouti'') ein Top-Ten-Hit (Platz 4 in den deutschen Charts), mit dem er nicht nur in Deutschland einem breiteren Publikum bekannt wurde. Dieses Stück erreichte 1995 noch einmal Platz 32. Zur Wintertournee 1980 war Colaiuta zurückgekehrt, Band Nummer sieben gehörten außerdem der Gitarrist [[Steve Vai]] sowie der Keyboarder, Trompeter und Sänger Bob Harris an.<!--<ref name="Chronologie_1"/>--> Das Fundament für die letzten drei Zappa-Bands bildeten der Schlagzeuger [[Chad Wackerman]] sowie der Bassist [[Scott Thunes]], die Vinnie Colaiuta und Arthur Barrow seit der Herbsttournee 1981 durch Amerika abgelöst hatten. An die Stelle von Bob Harris trat in Band Nummer 8 der Keyboarder, Saxophonist und Sänger Bobby Martin. Für die vom Sommer bis zum Winter 1984 andauernde Tournee durch Nordamerika und Europa veränderte sich das Line-up der neunten Band kaum. Mit Napoleon Murphy Brock gab ein ehemaliges Mothers-Mitglied ein gerade zweiwöchiges Gastspiel. Der Keyboarder Allan Zavod ersetzte Tommy Mars. Im Februar 1988 ging zum letzten Mal eine Zappa-Band auf Tournee, die bis zum Juni des Jahres durch Nordamerika und Europa führte. Zappa hatte sein zehntes Ensemble erheblich verstärkt und zu einer Rockgruppe mit Bigbandqualitäten ausgebaut. Zur zwölfköpfigen Band gehörten außer Zappa, Willis, Thunes, Wackerman und Martin auch der Gitarrist, Keyboarder und Sänger [[Mike Keneally]], der Perkussionist Ed Mann, der Trompeter Walt Fowler, der Posaunist [[Bruce Fowler]] sowie die Saxophonisten Paul Carman, Albert Wing und Kurt McGettrick.<!--<ref name="Chronologie_1"/>--> === Orchestermusik === Bereits vor seiner Rockkarriere hatte Zappa Stücke für [[Orchester#Sinfonieorchester|Sinfonieorchester]] geschrieben. Die erste Aufführung fand 1963 am St. Mary’s College, Los Angeles, statt und wurde vom Hörfunksender KPFK ausgestrahlt. 1967 nahm er neben Aufnahmen mit den Mothers das für ein 40-köpfiges Orchester komponierte Album ''[[Lumpy Gravy]]'' auf<ref>[http://www.arf.ru/Notes/Lg/intro1.html Interview] im [[Melody Maker]], 1974 (Stand: Mai 2010)</ref> und veröffentlichte es 1968 als sein erstes Soloalbum<ref>Rebell (1977), Seite 261</ref>, laut Cover mit dem „Abnuceals Emuukha Electric Symphony Orchestra & Chorus“.<ref name="babyblau-lg">[http://www.babyblaue-seiten.de/album_1297.html ''Lumpy Gravy'' - Rezension] auf den [[Babyblaue Seiten|Babyblauen Seiten]] (Stand: Mai 2010)</ref> Nachdem Zappa 1971 für das Album und den gleichnamigen Film [[200 Motels]] mit dem [[Royal Philharmonic Orchestra]] zusammengearbeitet hatte, veröffentlichte er im Jahr 1979 das rein orchestrale Album ''[[Orchestral Favorites]]''; wiederum trägt das hier beteiligte Orchester den Namen „Abnuceals Emuukha Electric Symphony Orchestra“ - es handelt sich jedoch zum Teil um andere Musiker als 1967.<ref>[http://globalia.net/donlope/fz/lyrics/Orchestral_Favorites.html ''Orchestral Favorites] auf globalia.net (Stand: Mai 2010)</ref> Aufnahmen mit dem [[London Symphony Orchestra]] (Dirigent: [[Kent Nagano]]) erschienen 1983 und 1987. An diesen Aufnahmen war neuartig, dass die Instrumente mit jeweils eigenen Mikrofonen einzeln abgenommen worden waren, was Zappa ein nachträgliches [[Mischpult#Audio-Mischpult|Mischen]] und begrenzt nachträgliche Korrekturen erlaubte. In dem Begleittext zur zweiten Platte beklagte Zappa die „menschlichen Eigenarten“ der „mit falschen Tönen und verstimmten Passagen“ infizierten Aufnahme. Auch Kooperationen mit [[Pierre Boulez]] führten nicht zu großem Erfolg. Kurz vor seinem Tod fand Frank Zappa mit dem [[Ensemble Modern]] einen Klangkörper, der seine Orchesterkompositionen erfolgreich und mit großer technischer Präzision aufführte. Frank Zappas Orchesterwerk ''The Yellow Shark'' wurde im September 1992 vom Ensemble Modern in Frankfurt am Main im Beisein und zum Teil unter der musikalischen Leitung des Komponisten uraufgeführt. Die Begleitung der Tournee musste er jedoch wegen seiner fortschreitenden Prostatakrebserkrankung abbrechen. === Arbeit mit dem Synclavier === Zappa erwarb 1982 ein [[Synclavier]], einen [[Synthesizer]] mit [[Sampling (Musik)|Sampling]]-Modul. Es ermöglichte ihm das komfortable Eingeben auch komplexer Notensätze über [[Klaviatur]] oder Tastatur. Diese eingegebenen Stücke konnten dann bearbeitet, gespeichtert und schließlich abgespielt oder als Noten ausgedruckt werden. Zappa schätzte am Synclavier die hohe Präzision der Wiedergabe ohne die bei Musikern zuweilen auftretenden Ermüdungserscheinungen. Als Nachteil sah Zappa den hohen Aufwand zur Programmierung von [[Ausdruck in der Musik|musikalischem Ausdruck]] und im Vergleich zur Arbeit mit Musikern das Fehlen von [[Improvisation (Musik)|Improvisation]] und Spontaneität. Zappa nutzte direkt die elektronischen Eingabemöglichkeiten, seine Kompositionen entstanden direkt am Gerät. <ref>Watson (1997), Seite 458-459</ref> Zappa bemerkte in Bezug auf die Kosten des Geräts, dass das Synclavier nur halb so teuer gewesen sei, wie die Einspielungen mit dem London Symphony Orchestra, und dass er die Möglichkeit sehr schätze, seine Kompositionen noch im Entstehen jederzeit abspielen zu können ohne dafür fest angestellte Musiker vorhalten und bezahlen zu müssen.<ref> Rick Davies: ''Music Technology'', Februar 1987, Seite 48, zitiert nach Watson (1996), Seite 459</ref> Zappa arbeitete in den 1980er-Jahren gleichzeitig an 250 bis 300 Kompositionen und überarbeitete diese, wenn sich aufgrund technischen Ausbaus die Möglichkeiten seines Synclaviers erweiterten.<ref> Watson (1996, Seite 460)</ref> Auf dem Album ''[[Boulez Conducts Zappa: The Perfect Stranger]]'' vom August 1984 war das Synclavier erstmals - gemeinsam mit Orchestermusik, die von [[Pierre Boulez]] dirigiert wurde, - auf einer CD zu hören. Nach Barry Miles klingen die elektronisch am Synclavier erzeugten Stücke gegenüber den vom [[Ensemble InterContemporain]] eingespielten „mechanisch“ und das Album sei insgesamt „seltsam unausgewogen“<ref>Miles (2005), Seite 372</ref> Die drei Monate später von Zappa veröffentlichte Synclavier-Einspielung ''[[Francesco Zappa (Album)|Francesco Zappa]]'' bestand aus mehreren historischen Stücken des Barockmusikers [[Francesco Zappa]] und war rein elektronisch instrumentiert. Das Album ''Jazz From Hell'', erschienen im November 1986, bestand vornehmlich aus Stücken, die mit dem Synclavier aufgenommen worden waren. Barry Miles bemerkt, dass das Schlagzeug sich mechanisch wiederhole, die langen Töne nicht ausklängen und das Vibrato der Töne misslungen sei.<ref>Miles (2005), Seite 395</ref> Ben Watson hingegen sieht in dem Album eine „wunderbare Demonstration von Zappas fortgesetzter Fähigkeit, Melodien zu komponieren“. Zappas „surrealistisches Ohr für Klangfülle“ mache eine Melodie weniger zu einer Notenfolge auf dem Papier sondern zu einer Möglichkeit, die in den, wie Zappa es nannte, ''Aromen'' der Instrumente gebundenen „sozialsatirischen Energien“ zu erkennen. <ref>Watson (1997), Seite 469</ref> Das Album erhielt einen [[Grammy Awards|Grammy Award]] als ''Best Rock instrumental Performance (Orchestra Group or Solist)''. Für das Projekt ''The Yellow Shark'' nutze Zappa das Synclavier auch, um die [[Partitur]]en zu erzeugen. == Musik == Zappas Kompositionen sind aufgrund einer Reihe unterschiedlicher Merkmale unverwechselbar. Die [[Collage|collagehafte]] Kompositionstechnik, die [[Rhythmus (Musik)|rhythmische]] Vielfalt der Kompositionen, die Stil-Anleihen in vielen Bereichen der [[E-, U- und F-Musik|E- und U-Musik]], die immer wieder eingeflochtenen [[Musikzitat]]e, das ironische und satirische Ausmaß in Musik und Text, die ausgeklügelten [[Arrangement]]s – all das geht „über den engen Umkreis des als rocktypisch definierten Formenvorrats“<ref>Rebell (1977), Seite 251</ref> hinaus. Dabei montierte Zappa die verschiedenen Elemente in einen für ihn typischen Zusammenhang. Zappas Musikkonzept ist weiter gefasst als das im Rockgenre üblicherweise Gebotene. Er komponierte und arrangierte nicht nur für die Rockband (auch wenn diese Arbeiten in seinem Gesamtwerk den größten Anteil haben), sondern auch für die jazzorientierte Big Band und für unterschiedlich zusammengestellte Orchester verschiedener Besetzungsstärke vom [[Orchester#Kammerorchester|Kammerorchester]] bis hin zum Symphonieorchester. Dabei war Zappa offen für Einflüsse jedweder Art, machte Anleihen in den „unterschiedlichsten Formen und Stoffen“,<ref>Rebell (1977), Seite 234</ref> benutzte wie selbstverständlich Elemente unterschiedlichster Stilrichtungen und [[Gattung (Musik)|Gattungen]]. Trotz aller Verschiedenheit in den Arbeiten beispielsweise eines Edgar Varèse einerseits und den Liedern von R&B-Gruppen wie die [[The Robins|Robins]] andererseits – beides war für Zappa gute Musik, für ihn schien „die Seele aus der gleichen universellen Quelle zu kommen“.<ref>Miles (2005), Seite 42</ref> Ob Doo-Wop-Schlager oder [[Igor Fjodorowitsch Strawinski|Strawinsky]]-Strenge, bodenständiger Rhythm & Blues oder ausgelassener Spike-Jones-Klamauk, ob ungarische Folklore oder krachender Hardrock, minimalistische John-Cage-Klänge oder wilder Free-Jazz – das alles und noch vieles mehr verband Zappa mit Humor und Ironie zu Kompositionen, deren Anliegen Volker Rebell darin sieht, „eingefahrene Hörgewohnheiten zu attackieren und zu verunsichern“.<ref>Rebell (1977), Seite 251</ref> Zappa hatte für seine Arbeitsweise allerlei Fürsprecher – im popmusikalischen Sektor sowieso, aber auch im Bereich der zeitgenössischen Musik, wovon die gemeinsamen Projekte mit [[Zubin Mehta]], [[Pierre Boulez]] oder [[Kent Nagano]] Zeugnis ablegen. Im Auftrag des [[Kronos Quartet]]ts und des Aspen Bläserquintetts entstanden Kompositionen, mit dem [[Ensemble Modern]] studierte er im Rahmen des Projektes ''The Yellow Shark'' noch kurz vor seinem Tod 19 Kompositionen bis zur Aufführungsreife ein. Die posthum erschienene Zusammenstellung ''Strictly Genteel'' führt in Zappas Orchester-Œuvre ein. Der deutsche Musikkritiker Hans-Jürgen Schaal kommentierte diesen Werksausschnitt so: „Wir begegnen hier dem Vater von Punk und Postmoderne in Personalunion.“<ref>Hans-Jürgen Schaal: ''Der gelbe Hai.'' In: Süddeutsche Zeitung, 28. Oktober 1998.</ref> === Einflüsse der klassischen Moderne === Barry Miles verweist auf Einflüsse von [[Edgar Varèse]] in Zappas Werken:„Die Verwendung von Klangblöcken, das Primat von [[Klangfarbe]] gegenüber [[Stimmlage|Tonlage]] sowie variierende Taktzahlen, all das sind Kennzeichen von Varèses Schaffen“.<ref>Miles (2005), Seite 41</ref> Auch [[Hans-Jürgen Schaal (Jazzautor)|Hans-Jürgen Schaal]] verweist auf die Vorbildrolle moderner Komponisten:„Was [Zappa] an Varèse und Strawinsky inspirierte – Klangblöcke und Elektronik, komplexe Taktzahlen und metrische Verschiebungen, Geräuschfarben und seltsame harmonische Fortschreibungen -, das mutete er auch seiner Rockband und dem Publikum zu“.<ref name="Schaal"/><!-- Seite 37 --> Schaal führt die für Zappa typischen "rhythmischen Kapriolen", seine "bizarren Marschthemen" und abrupten Tempowechsel auf den deutlichen Einfluss Strawinskys zurück, der sich bereits in den frühen Werken der Mothers of Invention zeigt und sich teilweise auch als direktes Musikzitat in einzelnen Stücken nachweisen lässt, etwa in ''Duke of Prunes'' (Album ''Absolutely Free'').<ref name="Schaal"/><!--S. 36-->Der Soziologe [[Ronald Hitzler]] sieht allgemein in Zappas Komponieren eine „Umsetzung der antipuristischen, materialreichen und ‚konstruktiven‘ Auffassung Strawinskys auf die aktuelle musikalische Gesamtszene“.<ref name=Hitzler>Ronald Hitzler: Collagen eines Schelms. Zum ästhetischen Stil des Francis Vincent Zappa, in: ''jazzforschung'' Bd. 17, Graz 1985, {{ISSN|0075-3572}}, Seiten 111–133</ref><!--Seite 116--> === Collage, Zitat und Parodie === Auffällig ist Zappas collagenhafte Kompositionstechnik, bei der er seine Stücke in wochenlanger Detailarbeit mit musikalischen Schnipseln, Geräuschen oder Interview-Material durchsetzte.<ref name="Schaal"/> Rasend vorgetragene, auskomponierte Passagen lösen sich in zerbrechlich-wehmütigen Melodie-Wohlklang auf, der von mehreren [[Polyrhythmik|gleichzeitig gespielten Rhythmen]] und [[Gegenbewegung|gegenläufigen]] Melodien abgelöst wird, die zerrissen werden von elektronisch oder mit dem Tonband erzeugten Klangfetzen, um sich am Ende in höhnischem Bandgelächter aufzulösen. „Aberwitzig – aber witzig“ nennt der Musikjournalist [[Volker Rebell]] diese Kompositionstechnik, die sich in vielen Beispielen über Zappas gesamte Schaffensperiode hinweg findet. Der Soziologe [[Ronald Hitzler]] spricht von einem hohen Maß an Respektlosigkeit im Umgang mit Materialien, er konstatiert eine kontextuelle [[Dekonstruktion]] kanonisierter musikalischer [[Musikstil|Stile]] und Werte. In Zappas Montagen, die Hitzler als „zeit-kritisch-satirisch“ bezeichnet, löst sich die willkürliche Trennung zwischen den [[Gattung (Musik)|Gattungen]] und deren Limitierungen auf. Dabei greifen die Elemente in Zappas Kompositionen ineinander und [[Parodie|parodieren]] einander. Zappa nutzt Musikzitate gekonnt als „exotische Versatzstücke im Mosaik der Rhythmen und (Dis-)harmonien“. Dies ist etwa zu erkennen in den Jazz-Anleihen in ''The Eric Dolphy Memorial Barbecue'' (Album ''Weasels Ripped my Flesh'') und in ''Be-Bop Tango (of the Old Jazzmen’s Church)'' (Album ''Roxy and Elsewhere''), in der Bob-Dylan-Persiflage in ''Flakes'' (Album ''Sheik Yerbouti''), oder auch der Country-and-Western-Parodie in ''Harder Than Your Husband'' (Album ''You Are What You Is''). Auch eigene Stücke und Kompositionen werden immer wieder zitiert und neu interpretiert. Ästhetisch unterstreicht das Zitat beabsichtigte Aussagen und dient damit als Zusatz-Kommentar oder ironisch oder parodistisch als Anspielung auf „Wissenssedimente“.<ref name=Hitzler /><!-- Zitate und Inhalt Seite 116f.--> === Arrangement === Diffizile Architektur, Raffinement und Detailverliebtheit sind für die Arrangements kennzeichnend. Diese umfassen auf dem Notenblatt nicht selten 15 und mehr [[Pentagramm|Liniensysteme]]. Auffällig ist die oft unkonventionelle und oft für Rock-Bands atypische [[Instrumentation]]. Besonders charakteristisch ist die Vielzahl der [[Perkussion (Musik)|Perkussionssinstrumente]]: [[Vibraphon]], [[Marimbaphon]] und [[Xylophon]] dominieren, daneben werden Glocken, [[Aufschlagröhren]], Schellenreif, [[Triangel]] und andere [[Idiophon]]e eingesetzt. [[Keyboard|Tasteninstrumente]] kommen in praktisch allen Aufnahmen Zappas vor, dabei wird in der Regel das gesamte Klangspektrum genutzt, gern nutzt Zappa auch gerade verfügbare Neuentwicklungen, wie etwa den [[Minimoog]] auf den Album ''Fillmore East''. Neben der E-Gitarre, die außer Zappa auch andere Bandmusiker als Rhythmus, Lead, oder „Stunt-“Gitarre spielen, werden auch akustische Gitarren eingesetzt. Auch Blasinstrumente kommen häufig zu Gehör, auch für Rockbands weniger gebräuchliche, wie das [[Sarrusophon]], die Kontrabassklarinette oder das [[Basssaxophon]]. Zappa behält bei seinen Arrangements die volle Kontrolle, auch Ein- und Überleitungen sind präzise geplant und festgelegt. Charakteristisch in Zappas Schaffen sind die rasenden [[Unisono]]-Läufe mehrerer Instrumente, wobei oft Instrumente oder auch die menschliche Stimme kontrastierend eingesetzt werden. <ref>Ludwig (1990), Seite 178''f''</ref> === Takt, Metrum und Rhythmus === Zappa-typisch ist die in einzelnen Kompositionen wie in der Gesamtheit seiner Arbeit vorzufindende rhythmische Vielfalt. Laut Volker Rebell gibt es „kaum eine Taktart – und sei sie noch so verschroben – die bei Zappa nicht schon ausgetrommelt worden wäre“.<ref>Rebell (1977), Seite 252</ref> Schon die erste bekannte Zappa-Komposition – im Alter von zwölf Jahren schrieb er das Stück ''Mice'', ein Solo für Schlagzeug<ref>Miles (2005), Seite 33</ref> – lässt sein ausgeprägtes Interesse an Rhythmik erkennen. Dieses wird – auch optisch – deutlich an dem Stück ''[[The Black Page]]'', ebenfalls ein Stück für Perkussionsinstrumente, dessen Name auf die vielen Noten auf dem Notenblatt zurückgeht. Zappas [[Metrum (Musik)|Metrik]] verwendet unterschiedliche [[Takt (Musik)|Taktarten]], die häufig auch innerhalb eines Stückes wechseln.<ref>Der folgende Abschnitt zu Takt, Metrum und Rhythmik folgt Ludwig (1991), Seiten 79–116</ref> Neben dem 4/4-Takt, der hauptsächlich in rockbetonten Stücken und bei [[Solo (Musik)|Soli]] erscheint, verwendet Zappa häufig Dreiertakte wie 3/4-, 6/8- und 12/8-Takt. Zum Beispiel steht das Stück ''What’s The Ugliest Part Of Your Body'' (Album ''We’re Only In It For The Money'') im 6/8-Takt und ''The Illinois Enema Bandit'' (Album ''[[Zappa In New York]]'') im 12/8-Takt. Der 3/4-Takt findet sich häufiger, beispielsweise in ''King Kong'' (Album ''[[Uncle Meat]]''), ''Sofa'' (Album ''[[One Size Fits All]]'') oder ''Overture To A Holiday In Berlin'' (Album ''[[Burnt Weeny Sandwich]]''). Den 2/4-Takt setzt Zappa oft dort ein, wo Anklänge an Marschmusik deutlich werden sollen, etwa in ''Who Needs The Peace Corps'' (Album ''We’re Only In It For The Money''). Aber auch in Westeuropa ungebräuchlichere, ungerade Taktarten sind für Zappa charakteristisch. Dazu gehören der 5/4, 5/8, 7/4 und 7/8-Takt sowie [[Shuffle|ternär]], also im Shuffle-Rhythmus gespielte Metren. So sind einige Textzeilen des Liedes ''What’s The Ugliest Part Of Your Body'' (Album ''We’re Only In It For The Money'') im 7/8-Takt geschrieben. [[Datei:Zappas_Großer_Swifty.png|miniatur|590px|[[Datei:Loudspeaker.png]] [[Media:Zappas Großer Swifty-mit Drumsupport2.mid|Hörbeispiel:]] Wechsel vom 7/8- zum 6/8-Takt mit zusätzlichem (im Original nicht vorhandenem, zwecks Demonstration eingebautem) Schlagzeug im Titel ''Big Swifty'' vom Album ''[[Waka/Jawaka]]''.]] ''Big Swifty'' (Album ''[[Waka/Jawaka]]'') wechselt zweimal in [[Quinte]]n vom 7/8 zum 3/4-Takt und danach vom 5/8 zum 6/8-Takt, bis im Chorus schließlich der 4/4-Takt erreicht wird.<ref>Harvey Siders: ''Meet the Grand Wazoo'', in: ''Down Beat'' vom 9. November 1972, Seite 13 und Seite 36, zitiert in Ludwig (1991</ref> Generell sind ungerade Taktarten oft mit Grundmustern gekoppelt, die sich wiederholen. Aber auch verschiedene Metren mit wiederholten [[Pattern (Musik)|Patterns]], oder gleichbleibende Metren mit wechselnden Grundmustern kommen vor. In einigen Fällen setzt Zappa auch [[Polyrhythmik]] ein: In dem Stück ''Rubber Shirt'' überlagern sich so beispielsweise eine Bassspur im 4/4-Takt und eine Schlagzeugspur im 11/4-Takt. <ref>Liner notes zum Album ''Sheik Yerbouti''</ref> Die beiden Spuren wurden bei verschiedenen Anlässen aufgezeichnet und erst nachträglich im Studio kombiniert. Taktwechsel markieren auch oft inhaltliche oder melodische Übergänge und werden beispielsweise bei [[Motiv (Musik)|Motivwechseln]] sowie zur [[Phrase (Musik)|Phrasen]]- und [[Thema (Musik)|Themenformung]] eingesetzt. Bei einigen Stücken, wie ''The Dangerous Kitchen'' (Album ''The Man From Utopia''), ist die Metrik an den zugrundeliegenden Sprechtext angepasst. Dies führt zu beständigen Taktwechseln. Zappa selbst bekannte: „Mein besonderes Interesse gilt den unüblichen Taktarten.“<ref>Frank Zappa zitiert nach Volker Rebell: ''Frank Zappa. Freak-Genius mit Frack-Habitus'', in Jörg Gülden/Klaus Hoffmann (Hrsg.):''Rock Session. Magazin der populären Musik'', Bd. 1, Reinbek bei Hamburg 1977, Seite 252, zitiert in Ludwig (1991</ref> [[Datei:Rhythmische Variationen in Big Swifty.png|miniatur|375px|Rhythmische Variationen bei Frank Zappa am Beispiel des Stückes ''Big Swifty'' vom Album ''Waka/Jawaka''.]] Die Rhythmik in Zappas Musik ist stilbildend und sehr vielschichtig, oft steht sie im Vordergrund. Die [[Notenwert|Noten-]] und Pausenwerte weisen eine große Spannweite auf. Oft werden Triolen oder Quintolen verwendet. Triolen, Quartolen oder Quintolen werden dabei aber auch auf zwei oder mehr [[Zählzeit]]en gespielt. Diese sogenannten Tonlängen-Konflikte sowie die rhythmischen Akzentverschiebungen ([[Hemiole]]n) und Verschiebungen des Taktschwerpunktes ([[Synkope (Musik)|Synkopen]]) sind typisch für Zappa. Oft werden dadurch unerwartete Effekte erzielt. So werden in ''The [[Eric Dolphy]] Memorial Barbecue'' (Album ''Weasels Ripped my Flesh'') Hemiolen eingesetzt, um durch Verringern der Tonlängen über die Taktgrenzen hinweg eine deutliche Beschleunigung zu erzielen. Dabei bleibt jedoch das [[Tempo (Musik)|Tempo]], also die Anzahl der Grundschläge pro Minute, gleich.<!--- (Transponiert) cis2 b4v1b4 d4. es4vb4 es4 b4 |e8. b8. f8 b8 fis16 b16 ---> Die in einigen Stücken durch Akzentsetzung hervorgerufene asymmetrische Anordnung gleichförmiger Notenwerte vergleicht der Musikwissenschaftler Wolfgang Ludwig mit [[Igor Fjodorowitsch Strawinski]].<ref>Ludwig (1991), Seite 110</ref> Diese auch für die Jazzmusik charakteristische Technik findet sich beispielsweise in ''Igor’s Boogie'' auf dem Album ''[[Burnt Weeny Sandwich]]''. Auch rhythmisch-metrische [[Permutation]]en und [[Polymetrik]] sind ein bei Zappa häufig anzutreffendes Stilelement. Letztere findet sich beispielsweise in ''The little house I used to live in'' (Album ''[[Burnt Weeny Sandwich]]''): Dem anfänglichen Bassriff (11/8) wird eine Melodielinie mit einer Dauer von 12/8 Schlägen beigefügt. Bei jeder Wiederholung verschiebt sich der Anfang der Melodie um 1/8 Notenwert, <!--- (Takte 30–21 und 34–35)---> dem Stück wird so eine besondere Eigendynamik verliehen. Eine für Zappa typische rhythmische [[Variation (Musik)|Variation]] von Motiven und Phrasen wird beispielsweise in ''Big Swifty'' vom Album ''Waka/Jawaka'' verwendet. Zappa setzte häufig [[Augmentation (Musik)|Augmentation]] und [[Diminution]] ein. Dabei bleibt das Verhältnis der Notenwerte innerhalb eines Themas zueinander gleich, aber die Geschwindigkeit verändert sich, etwa bei ''Big Swifty''. <!--- Takte 17–20 bzw. Takte 13–17 ---> Abweichungen von rhythmischen Grundmustern finden sich bei fast allen Stücken Zappas. Mit der Ausnahme von [[Riff (Musik)|Riffbildungen]] und Begleitstimmen bei Soli gibt es in seinen Stücken selten Phasen, während deren ein bestimmter Rhythmus länger beibehalten wird. === Melodie === Zappa selbst legte großen Wert auf die Gestaltung von Melodien: ''“I’m interested in melodies and it’s the one thing I find lacking in most of the music today. […] It’s a big challenge to write a melody”'' (Ich interessiere mich für Melodien und das ist das, woran es der meisten Musik heutzutage mangelt. Es ist eine große Herausforderung, eine gute Melodie zu schreiben).<ref>Zitiert nach Frank Schaffer: ''The perspective of Frank Zappa'', in: ''Down Beat'', 13. September 1973, Seite 14, zitiert in Ludwig (1991), Seite 117</ref> Die Häufigkeitsanalyse der in Zappas Melodien vorkommenden [[Intervall (Musik)|Intervalle]] zeigt einen Unterschied zu in der Rockmusik üblichen Verteilungen. Das in Zappas Melodien am häufigsten verwendete Intervall ist die [[Quarte]], die etwa ein Drittel aller vorkommenden Tonhöhenänderungen ausmacht, gefolgt von der kleinen [[Terz (Musik)|Terz]] mit 23&nbsp;Prozent und der großen Terz mit 13&nbsp;Prozent. Auffällig sind außerdem die kleinen und großen [[Septime|Septsprünge]], deren Anteil 15&nbsp;Prozent beträgt. Die häufigen Quartsprünge sind recht ungewöhnlich, während Sekunden und Terzen „[…] bei der melodischen Gestaltung allgemein am häufigsten auftreten [dürften].“<ref>Ludwig (1991), Seite 117.</ref> In einer an den Jazz angelehnten Einteilung der Intervalle wird der Terz als primärer [[Konsonanz]] ein besonderer Wohlklang zugeschrieben, während die große Septime als [[Dissonanz]] gewertet wird. Die Quarte wird in ihrer Wirkung als differierend beschrieben.<ref>[[Frank Haunschild]]: ''Die neue Harmonielehre'', Band 1, AMA-Verlag, Brühl 1998, Seite 41</ref> Die Verwendung der genannten Intervalle durch Zappa zeigt damit eine große Bandbreite und ist ein charakteristisches Stilelement seiner Melodien. <br style="clear:both" /> [[Datei:Zappa YDTTCM.png|miniatur|410px|{{Audio|Zappa YDTTCM.mid|Hörbeispiel:}} Mehrfache Tonwiederholung aus ''You didn’t try to call me'' vom Album ''Freak Out!'']] Häufig sind bei Zappa auch [[Sequenz (Musik)|Sequenzen]] anzutreffen. Dabei werden gleiche Tonfolgen versetzt wiederholt, beispielsweise in der melodischen Sequenz in ''King Kong'' vom Album ''Uncle Meat''. Zappa setzt auch mehrfache Tonwiederholungen ein, etwa in dem Lied ''You didn’t try to call me'' auf dem Album ''Freak Out!'' [[Datei:Zappa AF.png|miniatur|220px|{{Audio|Zappa AF.mid|Hörbeispiel:}} Wechsel der Bewegungsrichtung in ''Absolutely Free'' vom Album ''We’re Only In It For The Money''.]] Typisch für die Melodien sind auch häufige Wechsel der Bewegungsrichtung, bei denen stufenweise zwischen Tonerhöhung und Tonerniedrigung gewechselt wird,<ref>Ludwig (1991), Seite 128''ff.''</ref> hier demonstriert an einem kurzen Ausschnitt des Liedes ''Absolutely Free'' vom Album ''We’re Only in It for the Money'': Von Note zu Note wechselt jeweils die Richtung, in der sich die Tonhöhe ändert. [[Datei:ZombieKrebsColoured.png|miniatur|440px|{{Audio|ZombieWoofKrebs1.mid|Hörbeispiel:}} Krebs in ''Zombie Woof'' vom Album ''Over-Nite Sensation''.]] Zappa setzt auch [[kontrapunkt]]ische Techniken ein, die gewöhnlich in Rockmusik nicht vorkommen. Dazu gehört beispielsweise der [[Krebs (Musik)|Krebs]], bei dem die Melodie erst vorwärts und dann erneut rückwärts gespielt wird, etwa in ''Zombie Woof'' vom Album ''[[Over-Nite Sensation]]''. Zu weiteren Stilelementen zählt der [[Triller (Musik)|Triller]], das rasche wiederholte Spielen zweier nahe beieinander liegender Töne. Insbesondere beim Vibrafon werden diese häufig eingesetzt, beispielsweise in ''What’s new in Baltimore'' vom Album ''Frank Zappa meets the Mothers of Prevention''. Auch [[Glissando|Glissandi]], rasche kontinuierliche Tonhöhenänderungen, finden sich in vielen Stücken. Bei den Gesangsstimmen fällt auf, dass die Verteilung der Gesangssilben auf die Melodietöne oft bewusst geformt wird: In bestimmten Abschnitten wird pro Silbe genau ein Ton gesungen, diese auch als [[Syllabik]] bezeichnete Technik wird etwa in der [[Bridge (Musik)|Bridge]] vom ''The Illinois Enema Bandit'' (Album ''Zappa in New York'') verwendet. Das Gegenteil – die Verteilung von mehreren Noten auf eine Silbe, die sogenannte [[Melisma]]tik – wird ebenfalls als Stilmittel eingesetzt, etwa in ''Advance Romance'' vom Album ''[[Bongo Fury]]''. === Harmonik === Die von Zappa verwendeten harmonischen Systeme und Verbindungen sind insgesamt betrachtet eher konventionell, was nicht ausschließt, dass sich im Einzelnen Spannung erzeugende [[Rückung|Akkordrückungen]] und Kontrast schaffende [[Stufentheorie (Harmonik)|Stufensprünge]] finden. Verwendet er klassische Harmonieschemata, sorgen [[Transitus|Durchgangsakkorde]], [[Modulation (Musik)|Modulationen]] und [[Dissonanz|dissonierende]] Harmonien für Variation. Allerdings sind viele Stücke auch [[Atonale Musik|atonal]]. Kelly Fisher Lowe verweist auf den Einfluss Stravinskys, der sich auch im Album ''200 Motels'' findet, wo die orchestrale Musik erstmals nicht nur in andere Stücke eingefügt wird, sondern selbst den Rahmen bildet.<ref>Lowe (2007), Seite 94</ref> Schon auf dem ersten Album Zappas finden sich atonale Passagen, etwa im zweiten Satz von ''Help, I’m a Rock'' (Album ''Freak Out!''), der mit ''2nd Movement: In Memoriam Edgar Varese'' betitelt ist<ref>Ludwig (1991), Seite 61</ref>, ebenso auf dem Album ''Lumpy Gravy''<ref>''Part II'', Zeit 4:26, nach Ludwig (1991), Seite 213</ref> und im Stück ''The Eric Dolphy Memorial Barbecue'' vom Album ''Weasels Ripped my Flesh''.<ref>Billy James: ''Necessity Is…: The Early Years of Frank Zappa'', 2. Auflage, London 2005, ISBN 0-946719-51-9, Seite 9</ref> === Der Gitarrist === Neben seinen Qualitäten als Komponist, Arrangeur und Bandleader konnte Zappa auf der E-Gitarre auch als Instrumentalist überzeugen. Er selbst sah sich an „als Komponisten, dessen Hauptinstrument eben die Gitarre ist“.<ref>Miles (2004), Seite 88</ref> Andere zählten ihn zu den talentiertesten und begabtesten Gitarristen seiner Zeit,<ref name=" Tibor ">Tibor Kneif: ''Sachlexikon Rockmusik''. Rowohlt, Hamburg 1985, ISBN 3-499-16223-7, Seite 97</ref> zu den „echten Gitarrenhelden der Sixties“<ref>Miles (2005), Seite 436</ref> oder „zu den eigenwilligsten und kompetentesten Gitarristen der Szene“.<ref name="Rebell">Volker Rebell: ''Frank Zappa – Freak-Genie mit Frack-Habitus''. In: ''Rocksession 1'', Rororo Sachbuch, 1977. ISBN 3-499-17086-8, Seite 257</ref> Bewundert wurde seine eigenwillige Spielweise, „etwa im Titel ''The Orange County Lumber Truck'' (Album ''Weasels Ripped My Flesh''), einem Stück, das in eines der swingendsten Gitarrensoli der Popmusik überhaupt mündet.“<ref>Rebell (1977), Seite 265</ref><!-- Volker Rebell zitiert Helmut Salzinger --> Typisch für seine Spielweise ist die große Experimentierfreude, mit der Zappa zu Werke ging. Ein Merkmal ist außerdem die für die Rockmusik ungewöhnliche Länge seiner Soli. Auf den beiden Doppel-CDs ''Shut Up ’N Play Yer Guitar'' und ''Guitar'' – beide enthalten ausschließlich Soli – sind die kürzesten Beiträge 1:39 und 2:12&nbsp;Minuten lang, die längsten dagegen 10:12 und 6:58&nbsp;Minuten lang. Zappa unterschied sich von vielen anderen Gitarristen auch dadurch, dass er bei seinem Spiel sämtliche [[Lage (Saiteninstrument)|Lagen]] des Griffbrettes einbezog. <ref>Miles (2005), Seite 335</ref> Seine Spieltechnik, die sich durch mitunter atemberaubende Schnelligkeit auszeichnet, hielt er selbst nicht für herausragend: „Ich bin kein virtuoser Gitarrenspieler. Ein Virtuose kann alles spielen, ich kann das nicht.“<ref>„I’m not a virutoso guitar player. A virtuoso can play ''anything'', and I can’t“, Ochigrosso 1989, Seite 179</ref> Allerdings sehe er sich durchaus in der Lage das zu spielen, was er kenne und habe dazu eine hinreichend schnelle manuelle Fertigkeit entwickelt. „Wenn ich einen Ton mit der rechten Hand anschlage, spiele ich mit der linken Hand fünf. Ich schlage nicht alle Noten an, die ich spiele. Ich mache auch Sachen, wo ich das Plektrum auf dem Griffbrett benutze, drücke es runter und schlage es zur selben Zeit. Es klingt dann ein bisschen nach einem bulgarischen Dudelsack-Sound.“<ref name="Fachblatt_1">Steve Rosen: ''Frank Zappa – Alles fing mit einem Schlagzeug für 90 Dollar an''. In: ''Fachblatt Musikmagazin'', Köln, Mai 1979, {{ISSN|0930-0171}}, Seite 6–19</ref> [[Datei:Zappa 16011977 01 300.jpg|miniatur|hochkant=1.5|right|Frank Zappa in der ''Ekeberghall'', Oslo, Norwegen am 16. Januar 1977.]] Wesentliche Einflüsse für den Gitarristen Zappa waren [[Guitar Slim]] und Johnny Watson. In seiner Autobiografie schrieb Zappa: „Obwohl ich nicht behaupten kann, dass ich heute fähig bin, ein Guitar-Slim-Lick zu spielen, so hatte doch seine ‚Quäle sie und würge sie‘-[[Attitüde]] einen starken ästhetischen Einfluss auf den Stil, den ich schließlich entwickelte.“<ref>Zappa (1991), Seite 202</ref> Auf Watson wurde er 1955 durch dessen ersten Hit ''Those Lonely Lonely Nights'' aufmerksam: „Watson ist der originale Minimalist unter den Gitarristen. Das Solo auf ‚Lonely Nights‘ – das ‚One-Note-Guitar-Solo‘: Das sagt doch alles. Auf den Punkt.“<ref name="Fachblatt_2">Noë Goldwasser: ''Frank Zappa – Musikalisches Inferno''. in: ''Fachblatt Musikmagazin'', Köln, April 1987, {{ISSN|0930-0171}}, Seiten 10–20</ref> Musikalisch orientierte Zappa sein Solospiel nach eigener Aussage an „sprachlich beeinflusster Rhythmik und Harmonie, sie sind beide entweder an der [[Pentatonik]] oder an vielen orientiert“.<ref name="Fachblatt_1"/> Grundlage seiner Improvisationen waren dabei oft Lieder in d-Moll. Zappa: „Tatsächlich stehen wohl 80&nbsp;Prozent unserer Stücke, die Soli enthalten, in dieser Tonart und enthalten die gleichen Taktwechsel. Ich liebe einfach d-Moll-Improvisationen; d-Moll mit einem vorangestellten Dur-Akkord ergibt einen netten [[Musiktheorie|modalen]] Effekt.“<ref>Miles (2005), Seite 437</ref> Das Ergebnis seiner „inhaltsvollen, inspirationsstarken“ und von „hohem Risiko und großer Experimentierfreude“<ref>Miles (2005), Seite 335</ref> getragenen Spielweise, die „auch Raum für spöttelnde [[Phrasierung]]en“ lässt, waren Soli, bei denen man am Ende „das Publikum vor Überraschung förmlich nach Luft schnappen hören“ konnte – für den Rockjournalisten [[Volker Rebell]] schlicht „außerhalb der Kategorien“.<ref>Rebell (1977), Seite 257,270</ref> Zappa arbeitete mit vielfältigen Gitarrenklängen. Beiträge auf akustischer Gitarre (zumeist auf einer [[Ovation (Unternehmen)|Ovation]] mit E-Gitarrenhals gespielt) finden sich ebenso wie die gesamte Bandbreite an E-Gitarrenklängen, von unverzerrt („clean“) über leicht verzerrt bis hin zu extrem übersteuerten Bombast-Sounds wie auf dem Album ''Tinsel Town Rebellion''. Die Klangfarbe beeinflusste Zappa vor allem mit dem [[Wah-Wah (Effektgerät)|Wah-Wah]]-Pedal, das er vornehmlich statisch einsetzte.<ref>Fachblatt Musik Magazin 5/1979, S. 11, zitiert nach Ludwig 1992</ref> Ebenfalls zu hören, wenn auch nicht allzu häufig, sind [[Phaser (Musik)|Phasing-]], [[Flanger|Flanging-]] oder [[Effektgerät (Musik)#Verzögerungszeitorientierte Effektgeräte|Choruseffekte]], seltener benutzte er ein [[Delay (Musik)|Echogerät]]. Für die weite Spannbreite zappaschen Spielvermögens stehen vom Charakter her so unterschiedliche Beiträge wie die rockig-wilden Soli in ''Rat Tomago'' (Album ''Sheik Yerbouti'') oder ''Willie The Pimp'' (Album ''[[Hot Rats]]''), das getragene, auf akustischen Instrumenten eingespielte Gitarrenduett ''Sleep Dirt'' (Album ''Sleep Dirt''), das swingende Solo in ''The Orange County Lumber Truck'' (Teilversion auf dem Album ''Weasels Ripped my Flesh''; vollständige Version auf ''Ahead of their Time''), das jazzige Solo in ''Grand Wazoo'' (Album ''[[The Grand Wazoo]]''), jeweils mit orientalischer Anmutung das Gitarreninstrumental ''Theme From The 3rd Movement of Sinister Footwear'' (Album ''You Are What You Is'') sowie das Eingangssolo in ''Filthy Habits'' (Album ''Sleep Dirt''), die getragene, gleichsam aus hingetupften Tönen bestehende Instrumentalnummer ''Pink Napkins'' (Album ''Shut Up ’N Play Yer Guitar''), melodiös-schwebende Soli wie in ''Inca Roads'' (Album ''One Size Fits All'') oder ''Any Kind Of Pain'' (Album ''Broadway The Hard Way''), das ebenso der Melodie wie treibendem Rock verpflichtete Solo in ''Son of Orange County'' (Album ''[[Roxy & Elsewhere]]'') oder ''Zoot Allures'' (Album ''Zoot Allures''), ein Gitarreninstrumental mit viel [[Rückkopplung|Feedback]]. === Der Textautor === So witzig sie im Detail sein können, so viel Widerspruch sie des Öfteren ausgelöst haben – Zappas Texte spielen in der Gesamtheit seines Schaffens eine eher untergeordnete Rolle. Diese für unvermeidliches Beiwerk haltend, sagte er dazu: „Ich erhebe nicht den Anspruch, ein Dichter zu sein. Meine Texte dienen allein der Unterhaltung und sind nicht zur inneren Anwendung gedacht.“<ref>Zappa (1991), Seite 207</ref> So betrachtet, haben sie ihre Funktion allerdings erfüllt. Zappas Vorgehensweise als Texter war, wie auch bei seinen Kompositionen, eine differenzierte. Der Haltung etlicher Kabarettisten seiner Zeit folgend, kümmerte auch Zappa sich in seinen Beiträgen nicht um die großen Linien der Politik, was ihn im Einzelfall aber nicht hinderte, an von ihm ausgemachten Missständen in der Gesellschaft harsche Kritik zu üben. So brandmarkte er in ''Trouble Every Day'' (Album ''Freak Out!'') die [[Watts-Aufruhr|Rassenunruhen]] Mitte der 1960er-Jahre in Los Angeles und die Art und Weise, wie die Medien das Unglück anderer vermarkteten; er kommentierte seine Haltung im Stück selbst mit den Worten: ''“I’m not black. But there’s a whole lots a times, I wish I could say, I’m not white”'' (Ich bin kein [[Afro-Amerikaner|Schwarzer]], aber sehr oft wünschte ich mir sagen zu können, dass ich kein Weißer bin). In dem Stück ''I’m the Slime'' vom Album ''Over-Nite Sensation'' betrachtete er die verführerische Allmacht des [[Fernsehen#Soziologische Betrachtung|Fernsehens]], die für ihn wie Schleim aus den Fernsehgeräten quoll. Er beschrieb nicht nur die Wirkmechanismen des Mediums mit den Worten ''“I may be vile and pernicious, but you can’t look away”'' („Ich mag abscheulich und schädlich sein, aber ihr könnt nicht wegsehen“), sondern nannte auch deren Nutznießer: ''“I am the tool of the government and industry too, for I am destined to rule and regulate you”'' („Ich bin das Werkzeug der Regierung und auch der Industrie, und ich bin dazu da, euch zu beherrschen und euer Verhalten zu bestimmen“). In ''Dumb All Over'' und ''Heavenly Bank Account'' (beide auf dem Album ''You Are What You Is'') brandmarkte er die Geldgier amerikanischer Fernseh-[[Evangelisten]], deren Verflechtungen mit der Politik und ihren Einfluss auf die Gesellschaft. Zappas Fazit: ''“Religious fanatics can make it be all gone”'' („Religiöse Fanatiker können alles ruinieren“). Zappa sah sich auch als Journalist, der über das Leben berichtete, so wie er es beobachtete.<ref>Miles 2005, Seite 274</ref> Dabei teilte er seine Beobachtungen schonungslos und ohne Rücksicht auf Tabus mit, wobei er jegliche Einordnung und Bewertung des Gesagten unterließ. Barry Miles nennt Zappas Sicht der Dinge „schonungslos satirisch“.<ref>Miles (2005), Seite 440</ref> Seine Texte sind ironisch, oft auch zynisch. Zappa war geprägt durch die aufkeimende sexuelle Revolution und setzte sich auch in seinen Texten mit dem Umgang der amerikanischen Gesellschaft mit der Sexualität auseinander. Dabei stellte er diese in der Regel klischeehaft und scherenschnittartig dar. Nicht nur in seinem bekannt gewordenen Auftritt in der CNN-Fernsehshow ''Crossfire'' bestand Zappa vehement auf dem im [[1. Zusatzartikel zur Verfassung der Vereinigten Staaten]] jedermann zugebilligten Recht der freien Rede. Auch sein Auftritt bei der Kongressanhörung am 19. September 1985 zum geplanten Verbot pornografischer Textbeiträge auf Schallplatten ist vor diesem Hintergrund zu sehen – dabei ging es dort nicht einmal um Zappas Beiträge, sondern unter anderem um das Stück ''Darling Nikki'' von [[Prince]]. Zappa sagte: „Aus mehr besteht doch Amerika gar nicht: ausgedrehte Sexualbegierden und extremer Drogenkonsum.“<ref name="Musikexpress">Sylvie Simmons: ''Frank Zappa''. In: ''Musik Express'', Sounds-Verlag, Hamburg, Juli 1982, {{ISSN|0723-4651}}, Seite 24–27</ref> Zappa legte sich bei Themen mit sexuellem Bezug keine Beschränkungen auf. So besang er etwa in ''Catholic Girls'' (Album ''Joe’s Garage'') sexuelle Erfahrungen von Jugendlichen in der Pubertät oder in ''Penis Dimension'' (Album ''Frank Zappa’s 200 Motels'') die Einstellung von Männern und Frauen zu ihrem Penis bzw. ihren Brüsten. In ''Dinah-Moe Humm'' (Album ''Over-Nite Sensation'') ging es um Gruppensex und Voyeurismus, in ''Brown Shoes Don’t Make It'' (Album ''[[Absolutely Free]]'') um die Phantasien eines Politikers über inzestösen Sex mit der minderjährigen eigenen Tochter und in ''Crew Slut'' (Album ''Joe’s Garage'') um die Beziehungen zwischen Bandmitgliedern und [[Groupie]]s. In ''Bobby Brown Goes Down'' (Album ''Sheik Yerbouti'') machte er [[Sexspielzeug]]e (den ''„Tower of Power“'') und [[Urophilie|urophile]] Sexualpraktiken ''(„golden shower“)'' zum Thema ebenso wie [[Stereotyp]]e über [[Homosexualität|Homosexuelle]]. Auch über [[Sexuell übertragbare Erkrankung|Geschlechtskrankheiten]] singt Zappa in ''Why does it hurt when I pee?'' (Album ''Joe’s Garage''). Zappa sah und beschrieb all das, ohne es zu kommentieren, er distanzierte sich auch nicht. Ihm wurde wegen dieser Haltung oft [[Sexismus]] und [[Misogynie|Frauenfeindlichkeit]] vorgeworfen, und er war deshalb auch bei Musikkritikern umstritten. Barry Miles kritisierte etwa an dem Stück ''Fine Girl'' (Album ''Tinseltown Rebellion''), dass es eine „Beleidigung der schwarzen Bevölkerungsgruppe darstelle“ und sah in dem Stück Zappas krasse Abneigung der Frauenbewegung zugrunde liegen<ref>Miles 2006, Seite 330</ref>. Kelly Fisher Lowe hingegen hält das Stück für dermaßen übertrieben, dass er von einer Parodie ausgeht<ref>Lowe 2007, Seite 162</ref>. Der Schriftsteller [[Carl-Ludwig Reichert]] bemerkt, dass Zappas „Sexual-Satiren“, die auf Empirie und Beobachtung der Realität beruhen würden, oft mit Pornographie verwechselt worden seien<ref name=reichert-2000-81>{{Literatur | Autor=Carl Ludwig Reichert | Titel=Frank Zappa | | Verlag=Deutscher Taschenbuch Verlag | Ort=München | Jahr=2000 | ISBN=3-423-31039-1 | Seiten=58 }}</ref>. Auch am Stück ''Easy Meat'' vom gleichen Album, in dem eine Frau als ''„easy meat“'', auf deutsch etwa „leichte Beute/Frischfleisch“, scheiden sich die Geister. Während Miles in dem Lied eine abfällige [[Misogynie|Attacke auf Frauen]] sieht und eine tief verwurzelte [[Doppelmoral]] bei Zappa konstatiert, sieht Lowe in dem Stück den „[[Stein von Rosetta]]“ für die Zappa-Kritik<ref>Lowe (2007), Seite 163</ref>. Er verweist darauf, dass auch die beschriebene Frau die Kontrolle über ihre Sexualität ausübt und eigene Wünsche formuliert und dass verschiedene Kritiker das Stück vollkommen unterschiedlich interpretieren. Jeder könne in das Stück das hereinlesen, was er wolle. Zappa verteidigte sich gegen Anwürfe stets, dass er seine Aufgabe in ''sozialer Dokumentation sehe'' und wird darin von Ben Watson unterstützt, für den Zappas Darstellung von „Menschen und Orten, von denen der ‚gebildete Mensch‘ nichts wissen will“ auch dessen „humorlosen, [[Sexismus|sexistischen]] Schrott“ rechtfertigt.<ref>Watson 2003, Seite xxx<!- sic! Seite 30 Vorwort --></ref> Auch anderen Themenbereichen näherte sich Zappa, indem er sie – eher belustigt – beschrieb. In ''Cosmik Debris'' (Album ''Apostrophe‘'') behandelte er den aufkommenden Esoterikboom, indem er ein Gespräch mit einem der hochstaplerischen „Gurus“ beschreibt, in dem dieser vergeblich versucht, dem Ich-Erzähler esoterischen ''„mumbo jumbo“'' zu verkaufen. Das Stück ''Valley Girl'' (Album ''Ship Arriving Too Late To Save A Drowning Witch''), zu dem Zappas Tochter [[Moon Unit Zappa|Moon]] den Text beigetragen hatte, beschrieb den selbstverliebten Szenejargon unreifer Teenies der besseren Gesellschaft und erreichte in den [[Billboard Charts]] Platz&nbsp;32. Oft widmete sich Zappa auch Zeiterscheinungen, so beispielsweise der Hippiekultur (''Flower Punk'', Album ''We’re Only in It for the Money''), der Discoszene (''Disco Boy'', Album ''Zoot Allures'') oder den Yuppies (''Yo Cats'', Album ''Frank Zappa Meets The Mothers Of Prevention''). Zappa hatte ein ausgeprägtes Faible für [[Dadaismus]] und für Absurdes, welches sich auch in seinen Texten widerspiegelte. So schilderte er in ''[[Montana (Lied)|Montana]]'' (Album ''Over-Nite Sensation'') den Wunsch, als Landwirt durch die weite Landschaft reitend mit einer großen [[Strass|strassbesetzten]] Pinzette Zahnseide zu ernten. In der Eskimo-Suite (Album ''Apostrophe (’)'') erzählt er die Geschichte des jungen Eskimos ''Nanook'', der sich an einem Robbenjäger rächt, indem er ihn mit Schnee blendet, der mit [[Alaskan Husky|Husky]]-Urin versetzt ist. Das Stück ''The Dangerous Kitchen'' vom Album ''The Man From Utopia'' setzt sich mit absurden Bedrohungen auseinander, die im Abfluss einer Küchenspüle lauern können. „Er nimmt sich des Alltäglichen an, überhöht es, lädt es mit Bedeutung auf und macht es derart zum Symbol für das Menschliche an sich“,<ref>Miles (2005), Seite 373</ref> beschreibt Barry Miles für dieses Stück Zappas Vorgehensweise als eine, wie man sie von Künstlern aus dem Bereich der [[Pop-Art]] kennt. Vor allem in der ersten Hälfte seiner Schaffensphase arbeitete Zappa des Öfteren auch in größeren dramaturgischen Zusammenhängen. Musikalisch ausgestaltete Sketche waren immer wieder Bestandteile seiner Bühnenshows. Beispiele waren das bereits 1967 über mehrere Monate hinweg live im Garrick-Theatre aufgeführte Rockmusical ''Pigs & Repugnant'', das fast 25&nbsp;Minuten lange Dramolett ''Billy The Mountain'' (Album ''[[Just Another Band from L.A.]]'') und die schon erwähnte, knapp elf Minuten und vier Stücke lange ''Yellow-Snow''-Suite über den Eskimo Nanook auf dem Album ''Apostrophe (’)''. Das Stück ''What Kind of Girl Do You Think We Are?'' (Album ''Fillmore East – June 1971'') bezeichnet Ben Watson als echte [[Rockoper]], an deren technische Errungenschaften andere Rockopern, wie [[Tommy (The Who)|Tommy]] nicht heranreichten.<ref> Watson (1997), Seite 190</ref> Um dramaturgisch noch größere Zusammenhänge ging es bei ''Frank Zappa’s 200 Motels'', ein abendfüllender Kinofilm und Doppelalbum, in dem Zappa das Tourneeleben einer Rockband beschreibt. Auf dem Dreifachalbum ''Joe’s Garage'' erzählte Zappa vom Kampf des Gitarristen Joe gegen Zensur und ein totales Musikverbot und verspottete in der Figur des L. Ron Hoover die Scientologen. Der ebenfalls als Dreifachalbum/Doppel-CD veröffentlichte Zyklus ''Thing Fish'' war ursprünglich als [[Broadway (Theater)|Broadway-Musical]] konzipiert. Erzählt wird die Geschichte des bösen Prinzen Thing Fish, der den guten, alten Broadway-Musicals wieder ihren Platz auf der Bühne verschaffen will. Einige seiner Beiträge fallen in die Kategorie „schnulziges Liebeslied“. Sie entsprangen Zappas Vorliebe für [[Rhythm and Blues]] und [[Doo Wop]], zwei Popmusikstile der 1950er-Jahre, die auf Zappas Kompositionen großen Einfluss hatten. Beispiele für solche banalen, keineswegs satirisch gemeinten Texte finden sich unter anderem in Stücken wie ''Love Of My Life'' und ''Fountain Of Love'' (beide auf dem Album ''Cruising With Ruben & The Jets'') und in ''Sharleena'' (Album ''[[Chunga’s Revenge]]''). Ein Lied wie beispielsweise ''Big Leg Emma'' (Album ''Zappa In New York'') zeigte, dass Zappa dieses Genre bisweilen auch mit einem Augenzwinkern zur Kenntnis nahm. ''“Touring can make you crazy”:'' Viele Texte Zappas befassten sich mit dem Rockmusikgeschäft und dessen Protagonisten. Seinen diesbezüglich reichlich vorhandenen Erfahrungen widmete er nicht nur ein ganzes Album samt abendfüllendem Kinofilm ''(Frank Zappa’s 200 Motels)''. Immer wieder finden sich auf seinen Alben Lieder, die sich mit verschiedenen Vorgängen im Rock auseinandersetzten. ''Stevie’s Spanking'' (Album ''Them Or Us'') beispielsweise beschrieb ein nächtliches Abenteuer seines Gitarristen Steve Vai mit einer Konzertbesucherin, während ''Punky’s Whips'' (Album ''Zappa In New York'') eine fiktive Romanze zwischen Schlagzeuger Terry Bozzio und einem PR-Foto des Angel-Gitarristen Punky Meadows schilderte. In ''Yo’ Mama'' (Album ''Sheik Yerbouti'') wurde Keyboarder Tommy Mars mit der Zeile ''“Maybe you should stay with yo’ mama”'' („Vielleicht solltest Du besser bei Deiner Mama bleiben“) bedacht, nachdem er während einer Bandprobe den Ablauf eines Zappastückes vergessen hatte. Die Tretmühle, durch welche aufstrebende Musiker hindurch müssen, wenn sie Karriere machen wollen, beschrieb Zappa im Titellied seines Albums ''Tinseltown Rebellion''. Zappa griff Tabus an und beförderte Verdrängtes ans Tageslicht. Er deckte Hohlheit und Selbstverliebtheit, Gemeinplätze und Ammenmärchen auf und gab diese dem Spott preis. Satire und Spott vermitteln sich dabei nicht alleine über Wortwahl und Tonfall, sondern sind „substanzieller Bestandteil von Komposition und Arrangement“.<ref>Rebell (1977), Seite 254</ref> Diese Ansicht des Rockjournalisten Volker Rebell wird durch eine Aussage Zappas bestätigt: „Zum Teil geht es mir nicht nur um den Inhalt, sondern ich schreibe auch nach klanglichen Gesichtspunkten.“<ref>Miles (2004), Seite 85</ref> Im Ergebnis gehen Text und Musik eine Wechselbeziehung ein und sind untrennbar miteinander verbunden, indem die Musik den Textinhalt kommentiert, während der Vokalbeitrag das musikalische Geschehen interpretiert. Diese für Zappa typischen Montagen aus Text und Musik sind beeinflusst vom oben erwähnten [[Spike Jones]]. Volker Rebell urteilte: „Wie kaum ein anderer Rockkomponist beherrscht Zappa das Œuvre der Musiksatire.“<ref>Rebell (1977), Seite 254</ref> So weit das Feld der von Zappa beackerten Themen ist, so umfangreich ist die Formenpalette, derer er sich dabei bediente. Es finden sich Beiträge im klassischen Aufbau mit [[Strophe]], [[Refrain]] und [[Hookline]] ebenso wie Textbeiträge in freiem Erzählstil. In gereimten Beiträgen finden sich der [[Reim#Paarreim|Paarreim]], der [[Reim#Kreuzreim|Kreuzreim]], [[Reim#Umarmender Reim|umarmende Reime]] oder auch der [[Reim#Schweifreim, auch Zwischenreim|Schweifreim]]; reine wie unreine Reime kommen vor, in einigen Texten wird auf den Reim ganz verzichtet. Die meisten Zappa-Texte werden gesungen, aber auch [[Sprechgesang]] findet sich in seinen Stücken. Zappa griff damit eine der afroamerikanischen Kultur entstammende Vortragsform auf, die im [[Blues]] als „Talking Blues“ ab etwa den 1920er-Jahren vorkam, und machte sie im Bereich der Popkultur einer größeren Zuhörerschaft bekannt, lange bevor [[Rap]] und [[Hip-Hop]] Massenwirkung entfalteten. Beispiele für diesen Sprechgesang finden sich in den Stücken ''Trouble Every Day'', ''I’m the Slime'', ''Dinah-Moe Humm'', ''Dumb All Over'' oder auch ''The Dangerous Kitchen''. == Haltungen == === Freak === Auch wenn sich Zappa in frühen Jahren durch Auftreten und Kleidung als [[Freak]] von bürgerlichen Idealen absetzte, distanzierte er sich recht schnell von der in den 1960er Jahren entstehenden [[Hippie]]-Bewegung. Die „Blumenkinder“ nahm er in seinen Liedern und in Konzertäußerungen häufig satirisch auf. Ein Versuch, sich zu ihrem Wortführer aufzuschwingen, hatte nur vorübergehend Erfolg. In seinen Liedern, in Interviews sowie Radio- und Fernsehspots sprach er sich immer wieder gegen Drogenkonsum aus – er versuchte auch, seine Bandmitglieder vom Konsum abzuhalten. ==== Hippie-Bewegung ==== In den frühen 1960er Jahren entwickelte sich in Amerika eine neue [[Jugendkultur]] mit regional jeweils deutlich unterschiedlicher Ausprägung. Die Szene San Franciscos wurde von den [[Hippie]]s geprägt, die in Los Angeles, wo auch Zappa lebte, jedoch als [[Freak]]s bezeichnet wurden. In deren Art zu leben sah Zappa zunächst ein adäquates „Mittel gegen die gnadenlose Konsumkultur Amerikas“.<ref>Miles (2005), Seite 138</ref> Mit der Forderung der Jugendlichen nach einer [[Bewusstseinserweiterung|Erweiterung des Bewusstseins]] im Sinne eines freien Denkens war er durchaus einverstanden. Freie Liebe, offene Ehen – auch diese von der Szene propagierten Gesichtspunkte einer anderen Lebensweise entsprachen seinem Lebensgefühl.<!--<ref>Miles (2005), Seite 147</ref>--> Während der nur kurzen Blütezeit dieser [[Subkultur]] in Los Angeles wurden die Mothers of Invention bekannt. Zappa nutzte die Beliebtheit der Band in der Szene und die nach Veröffentlichung des Albums ''Freak Out!'' vorhandenen Werbemittel, um seine eigenen Vorstellungen einer Gegenkultur in teils mehrseitigen Anzeigen und in Beilagen der Zeitung ''Los Angeles Free Press'' zu publizieren. Zappa wollte, dass sich die Gesellschaft veränderte, und er versuchte, seine Fans zu vereinnahmen, um dieses Ziel zu erreichen.<!--<ref>Miles (2005), Seite 147, 154</ref>--> In der Folge galten Zappa und die Mothers in den Augen vieler als Sprachrohr der Szene. Viele andere dagegen rieben sich an Zappas Deklarationen, empfanden diese, wie Barry Miles schreibt, „schlicht als aufgeblasen und patriarchalisch“.<ref>Miles (2005), Seite 154</ref> Sogar Mothers-Sänger Ray Collins bezog in einem Leserbrief öffentlich Stellung gegen Zappa.<!--<ref>Miles (2005), Seite 157</ref>--> Zunächst hatte Zappa über die Blumenkinder noch milde gespottet: „In San Francisco ging man etwas landeimäßig an die Sache heran.“<ref>Miles (2005), Seite 133</ref> Bald jedoch bemerkte er, wie die Szene auch von anderer Seite vereinnahmt wurde: „Als die Gegenkultur anfing, von den amerikanischen Medien wahrgenommen zu werden, war sie bereits fest in den Händen der Konzerne.“<ref>Miles (2005), Seite 139</ref> Er selbst begann, manche Ausformungen des Freak-Daseins satirisch zu kommentieren. Der Teil des Laurel Canyon, in dem damals viele [[Aussteiger]] wohnten (auch er selbst wohnte dort), war für ihn das „Freakreservat“ oder eine „halluzinogene Einöde“.<ref>Miles (2005), Seite 142, 147</ref> In manchen seiner Lieder machte er sich lustig über ''Hungry Freaks'' (Album ''Freak Out!'')<!--, fragte sie ''What’s the ugliest part of your body?'' (Album [[We’re Only in It for the Money]]) und lieferte die Antwort gleich mit: „I think, it’s your mind“ – dein Bewusstsein ist der hässlichste Teil deines Körpers-->. Auf dem Album [[Burnt Weeny Sandwich]] ist in dem im Sommer 1969 live aufgenommenen Lied ''The Little House I Used To Live In'' zu hören, wie Zappa einen Zwischenrufer abkanzelte: ''“Everybody in this room is wearing a uniform, and don’t kid yourself”'' („Jeder in diesem Raum trägt Uniform – und mach’ dir nichts vor“). Zappas Kritik wurde mit der Zeit immer harscher und gipfelte 1985 in dem auf ''Frank Zappa Meets The Mothers Of Prevention'' veröffentlichten Lied ''We’re Turning Again''. Darin tat Zappa die Hippie-Bewegung als „Folklore“ ab, deren Anhänger „keinen Sinn für Humor“ hätten, zu bequem seien, sich Sorgen zu machen, glaubten „sich nie zu täuschen“, mithin „total leer“ seien und ihre Gesinnung auf „Postern zum Aufhängen“ an die Schlafzimmerwand pappten.<ref name="Zonx">Frank Zappa: ''Zonx, Texte 1977–1994''. Zweitausendeins Frankfurt am Main 1996, ISBN 3-86150-179-1, Seite 530ff</ref> In ihrer Autobiografie schildert [[Jefferson Airplane|Jefferson-Airplane]]-Sängerin [[Grace Slick]], dass Zappa sich über die ganze Gegenkultur „unverblümt lustig“ gemacht habe, „die er ja doch mit am Laufen hielt“.<ref name="Grace Slick">[[Grace Slick]]: ''Somebody to love? A Rock and Roll memoir'', Warner, New York 1998, zitiert in Miles 2006, Seite 200.</ref> Zappa-Biograf Barry Miles schlussfolgert, Zappa sei nie ein Hippie gewesen, eher ein später [[Beatnik]] – ein Einzelgänger und ein „Mitreisender, der auf einem parallelen Kurs unterwegs war: alleine“.<ref>Miles (2005), Seite 438f</ref> ==== Drogen ==== Zappa [[Tabakrauchen|rauchte]] viel, er trank zudem reichlich Kaffee – und er machte sich über beide Angewohnheiten lustig: ''“To me, a cigarette is food. I live my life eating these things and drinking the ‚black water‘ in this cup here”'' („Für mich ist eine Zigarette ein Nahrungsmittel. Ich lebe mein Leben, esse diese Dinger und trinke das ,schwarze Wasser‘ in dieser Tasse hier“), sagte er während einer Lesung in San Francisco vor laufender Fernsehkamera.<ref name="Humor">Frank Zappa: ''Does Humor Belong in Music? '' Picture Music International, 1985, VHS Video</ref> Den Konsum von [[Droge]]n anderer Art lehnte er aber – vor allem für sich selbst – stets ab. In seiner Autobiografie ''I am the American Dream'' schilderte er, wie er zwischen 1962 und 1968 bei vielleicht zehn Gelegenheiten die „Freuden gesellig kreisender [[Marihuana]]joints“ ergründete: „Ich bekam einen trockenen Hals, und es machte mich schläfrig. Ich konnte nicht verstehen, warum andere das so sehr mögen. [...] Hätte ich es gemocht, so würde ich es vielleicht sogar noch heute nehmen – Rauchen an sich mag ich ja.“<ref name="IATAD">Frank Zappa, Peter Occhiogrosso: ''I am the American Dream''. Wilhelm Goldmann Verlag, München, 1991. ISBN 3-442-32536-6, Seite 257f</ref> Grace Slick sagte in ihrer Autobiografie: „Drogen waren nie Franks Sache.“<ref name="Grace Slick"/> Barry Miles behauptet sogar, Zappa hätte eine Zeit lang nicht einmal den Unterschied zwischen [[Haschisch]] und [[Heroin]] gekannt. Er schildert eine Anekdote, die sich nach einem Pink-Floyd-Konzert im [[UFO Club]] in London zutrug. Vor der Tür des Clubs schüttelte jemand Franks Hand und steckte ihm dabei ein Stück Haschisch zu. Frank hätte einen ratlosen Blick darauf geworfen und zum Erstaunen der umstehenden Hippies gefragt: „Was ist das?“<ref>Miles (2005), Seite 200</ref> Seine Gefängniserfahrung 1965 und die Furcht vor nicht selbst verschuldeter Wiederholung derselben mögen ihn dazu geführt haben, Besuchern zu verbieten, in seinem Haus Drogen zu nehmen.<!--<ref>Miles (2005), Seite 146</ref>--> „Es scheint mir auch ein unpraktischer Zeitvertreib zu sein, da man dafür ins Gefängnis kommen kann.“<ref>Miles (2004), Seite 70</ref> Eine weitere Ursache für Zappas ablehnende Haltung gegenüber Drogen sieht Barry Miles in einem Charakterzug des Künstlers: Zappa galt als „Kontroll-Freak“, der unbedingt das Heft des Handelns in der Hand behalten wollte.<ref>Miles (2005), Seite 147</ref> Hinter dem Drogenkonsum vermutete er eine Verschwörung der amerikanischen Regierung. „Die Drogen sind Teil der Strategie, mit der die Regierung uns alle unter Kontrolle hält.“<ref>Miles (2004), Seite 72</ref> Wenn es um die Arbeit ging – ob während der Proben, bei Aufnahmesessions im Tonstudio oder auf Tourneen –, bestand Zappa strikt darauf, dass seine Musiker keine Drogen nahmen. Viele seiner Musiker waren dennoch keineswegs abstinent, jedenfalls dann nicht, wenn die Arbeit getan war. Jimmy Carl Black: „Er fand das überhaupt nicht gut und blieb auf Distanz. Für uns war das in Ordnung – weil wir so mit Sicherheit mehr Spaß hatten als er.“<ref>Miles (2005), Seite 140</ref> Stattdessen beobachtete Zappa den Drogenkonsum seiner Mitmusiker und verarbeitete ihn in seinem Werk. So spielt etwa in dem Film [[200 Motels]] Keyboarder Don Preston die Rolle des Monsters Biff Debris, das in einem Labor mit halluzinogenen Substanzen experimentiert. Im 20. Jahr nach Gründung der Mothers hatte das Konsumieren von Drogen für einen Zappa-Musiker doch einmal Konsequenzen: Napoleon Murphy Brock musste nach wenigen Auftritten der 1984er US-Tournee wegen Drogenkonsums die Gruppe verlassen.<!--<ref>Miles (2005), Seite 380</ref>--> Ansonsten lag Zappas Einstellung gegenüber Drogen zwischen Toleranz und Distanz. Das bestätigte beispielsweise Zappas Tochter Moon, die von Miles so zitiert wurde: „Ich nahm keine Drogen, weil es die bei uns zu Hause nicht gab. Aber es hätte mich auch niemand aufgehalten.“<ref>Miles (2005), Seite 348</ref> [[Rosemarie Heinikel]], die in den 1960er- und 70er-Jahren in der Münchner Szene viel Umgang mit Musikern pflegte, schilderte in ihrer Autobiografie die Nacht, die sie nach einem Mothers-Konzert mit der Band und mit Zappa verbrachte. Mehrmals ist von kreisenden Joints die Rede: „Frank stellte mir den Aschenbecher aufs Bett […] Frank zog nicht am Joint.“<ref>[[Rosemarie Heinikel]]: ''Rosy Rosy.'' Rowohlt Taschenbuchverlag, Reinbek 1983. ISBN 3-499-15074-3</ref> Zwar nahm Zappa im Laufe seiner Karriere mehrere Anti-Drogen-Spots für Radio und Fernsehen auf,<ref>Norbert Obermanns: ''Zappalog.'' 2nd Edition, Rhino Books, Los Angeles, 1982, Seiten 98f</ref> er bezog aber auch Position gegen die amerikanischen Drogengesetze.<ref>Miles (2005), Seite 440</ref> Im März 1986 war Zappa in der bekannten Fernsehserie ''Miami Vice'' in der Rolle des Drogendealers Mario Fuente in der Folge ''Payback'' (deutscher Titel: ''Schuld um Schuld'') zu sehen.<ref>Carl-Ludwig Reichert: ''Frank Zappa''. DTV, München, 2000. ISBN 3-423-31039-1, Seite 119</ref> Zappas mehrdeutige Haltung im Blick auf Drogen brachte Ex-[[GTO’s|GTO]] Pamela Des Barres auf den Punkt. Er habe sie Mitte der 1960er-Jahre davon überzeugen wollen, dass Drogen sinnlos waren.<ref>Miles (2005), Seite 133</ref> === Politisches Engagement === Der Musikkritiker Ben Watson bezeichnet „Zappas Mothers of Invention“ als „politisch wirksamste musikalische Kraft seit [[Bertolt Brecht]] und [[Kurt Weill]]“ wegen deren radikalem, aktuellen Bezug auf die negativen Aspekte der Massengesellschaft. Seine Musik zog die Aufmerksamkeit der neuen Linken auf sich.<ref>Ben Watson, 1993, Seite 130</ref> Am 16. Oktober 1968 spielte Zappa mit den Mothers of Invention im [[Berliner Sportpalast]] und wurde dabei von Studenten aufgefordert, während des Konzertes zu einer Demonstration gegen die amerikanische Regierung aufzurufen. Zappa weigerte sich – Protestierende stürmten die Bühne und nannten die Band „Mothers of Reaction“.<ref>[http://taz.de/index.php?id=alltag-artikel&art=2461&no_cache=1 Barbara Bollwahn: ''Hausmeister des Rock <!--sic!-->n Roll'']. In: [[die tageszeitung|taz]], 29. August 2009 </ref>&nbsp;<ref>Carl-Ludwig Reichert: Frank Zappa''. DTV, München, 2000. ISBN 3-423-31039-1</ref>&nbsp;<ref>[http://members.shaw.ca/fz-pomd/giglist/1968.html FZ-Giglist 1968] (Stand: 9. Dezember 2006)</ref> Bei einer Vorlesung, die Zappa 1969 an der [[London School of Economics and Political Science|London School of Economics]] hielt, verurteilte er Demonstrationen als „unbrauchbar“ – Männer sollten statt dessen mit ordentlichen Frisuren das Establishment unterwandern und Frauen einflussreiche Männer heiraten.<ref>Mike Bourne: „An Interview with Frank Zappa“, ''Downbeat'' 1971, Seite 38, zitiert in Ben Watson (1993), Seite 131</ref> Dass diese Aussage durchaus auch ironisch, zumindest aber vielschichtig aufgefasst werden kann, zeigt sich im Liedtext von ''Brown Shoes don’t make it'' (Album ''Absolutely free''), in dem es über den angepassten Protagonisten heißt: ''“Smile at every ugly shine on your shoes and cut your hair. Be a jerk and go to work”'' („Lächle jeden hässlichen Glanz deiner Schuhe an und schneide dir die Haare. Sei ein Depp und geh zur Arbeit“). [[Datei:ZappaSenate1985.JPG|miniatur|Frank Zappa beim ''Congress Hearing'' am 19. September 1985]] Später wurde Zappa jedoch auch direkt politisch aktiv. Seit dem Album ''Fillmore East, June 1971'' forderte Zappa seine amerikanischen Fans immer wieder in Konzerten und auch auf den Plattenhüllen mit dem Hinweis ''“Don’t forget to register to vote”'' dazu auf, von ihrem Wahlrecht Gebrauch zu machen und sich in die Wählerlisten eintragen zu lassen. Eine 1985 durch die Ehefrauen damaliger US-amerikanischer Senatoren (allen voran [[Tipper Gore]]) ins Leben gerufene Kampagne des ''[[Parents Music Resource Center]]'' (PMRC) verlangte, anstößige Texte sollten verboten oder zumindest durch einen Aufkleber auf den Schallplatten gekennzeichnet werden. Zappa war nicht auf der Liste der zu zensierenden Künstler, wohl aber Kollegen wie [[Bruce Springsteen]] für ''I’m on Fire'' und [[Prince]] für ''Darling Nikki'' aus dem Film ''Purple Rain''. Frank Zappa setzte sich in der von ihm als ''Porn Wars'' bezeichneten Diskussion auf dem ''Congress Hearing'' am 19. September 1985 unter anderem mit [[John Denver]] für die Meinungsfreiheit ein. Teile der Anhörung verwendete er im Album ''Frank Zappa meets the Mothers of Prevention''. Zappa war der Meinung, dass Musik Menschen nicht zu verbotenen Handlungen anstiften könne: „Es gibt mehr Liebeslieder als andere Lieder. Wenn Musik Menschen veranlassen könnte, bestimmte Dinge zu tun, dann würden wir uns alle lieben.“<ref>[[Playboy (Magazin)|Playboy]], 2. Mai 1993,<!--- April 93, David Sheff?--> [http://www.science.uva.nl/~robbert/zappa/interviews/Playboy/ Onlinefassung]</ref> Zappa agierte aber dennoch durchaus provokant, zum Beispiel durch das Karikieren der Bekehrung von [[Cat Stevens]] zum Islam in seinem Cover zu ''Sheik Yerbouti'', mit ''Jewish Princess'' (Jüdische Prinzessin) und durch Bezug auf die Freiheiten der Hippie-Generation. Deutlich politische Bezüge finden sich zum Beispiel in dem Lied ''Son of Orange County'', der Heimat von [[Richard Nixon]], den Zappa mit den Worten ''“I am not a crook”'' (Ich bin kein Gauner) zitiert. Refrain-Text: ''“I just can’t believe you are such a fool”'' („Ich kann einfach nicht glauben, dass du solch ein Trottel bist“). Wegen des Liedes ''Jewish Princess'' wurde Zappa von [[B’nai B’rith]] –&nbsp;gleichwohl erfolglos&nbsp;– verklagt.<ref>[http://www.wiki.killuglyradio.com/index.php/Anti-Defamation_League_Of_The_B'nai_B'rith Anti-Defamation League Of The B'nai B'rith - Zappa Wiki Jawaka<!-- Automatisch generierter titel -->]</ref> <!--<ref> [http://www.rykodisc.com/catalog/dump/rykoalbums_744.asp]</ref> Link nicht mehr gültig --> Unter [[Václav Havel]] war Zappa Kulturattaché der [[Tschechoslowakei]]. In seiner 1989 erschienenen Autobiografie,<ref> ''Frank Zappa: The real Frank Zappa Book'' (1989)</ref> in der er sich als ''„practical conservative“'' (pragmatischer Konservativer) bezeichnete, entwickelte Zappa Ideen zum Steuerrecht, zur Verteidigung und anderen politischen Themen. Seine Kandidaturpläne für die US-Präsidentschaft, die er 1991 in einem Interview verkündete,<ref>Bob Guccione, JR: „Signs of the times“ in ''[[Spin (Zeitschrift)|Spin]]'', Juli 1991, abgedruckt in Kostelanetz (1997), Seite 222</ref> gab Zappa auf, als bei ihm eine Prostata-Krebserkrankung diagnostiziert wurde. == Anerkennung und Nachklang == 1988 erhielt Zappas Album ''Jazz from Hell'' einen [[Grammy Awards|Grammy Award]] in der Kategorie ''Best Rock Instrumental Performance''. Das Album war größtenteils auf dem [[Synclavier]] eingespielt worden und Zappa mutmaßte, die Nominierung sei ein Unfall gewesen oder beruhe auf einem „perversen Humorverständnis“ Vieler. Seine erste Begegnung mit der die Auszeichnung verleihenden [[National Academy of Recording Arts and Sciences]] hatte Zappa bereits 20&nbsp;Jahre früher. Mit den Mothers sollte er 1968 bei einem der offiziellen Grammy-Dinners für „Unterhaltung“ sorgen. Die Band tat es auf ihre Weise – und erntete Buhrufe. Wie der Rockjournalist Barry Miles berichtet, erschien Zappas Name erst im Jahr 1979 ein weiteres Mal in einem Grammy-Programm: Für das Album ''Sheik Yerbouti'' erhielt er zwei Nominierungen (''Best Rock Vocal Performance – male'' für ''Dancin’ Fool'' und ''Best Rock Instrument Performance'' für ''Rat Tomago''). 1982 nominierte die Academy Zappa und seine Tochter Moon für das Album ''Ship Arriving Too Late To Save A Drowning Witch'' in der Kategorie ''Best Rock Performance by a Duo or Group with Vocal'' für das Stück ''Valley Girl''. Posthum dann die letzten beiden Grammys: Zappa und seine Witwe Gail wurden 1995 für die Verpackung des Albums ''Civilization Phaze III'' in der Kategorie ''Best Recording Package – Boxed'' ausgezeichnet; 1997 wurde Zappas Lebenswerk mit dem [[Lifetime Achievement Award]] gewürdigt. Das Jazzmagazin [[Down Beat]] rief Frank Zappa im Dezember 1970 zum Pop-Musiker des Jahres aus. <!-- Carl-Ludwig Reichert, S. 69 --> Frank Zappa wurde im Jahr 1995 in die [[Rock and Roll Hall of Fame]] aufgenommen.<ref> [http://www.rockhall.com/inductee/frank-zappa Rock and Roll Hall of Fame] (Stand: Juni 2008)</ref> Das von den Mothers gespielte Lied ''Brown Shoes Don’t Make It'' wurde vom Kuratorium der Rock and Roll Hall of Fame in die Liste ''500 Songs That Shaped Rock and Roll'' aufgenommen.<ref>[http://www.rockhall.com/exhibithighlights/500-songs-km/ 500 Songs That Shaped Rock and Roll] (Stand: Juni 2008)</ref> Das US-amerikanische Musikmagazin [[Rolling Stone]] würdigte Zappas Arbeit mehrmals. In der Liste der ''100 besten Gitarristen aller Zeiten'', die im Jahr 2003 aufgestellt wurde, wird er auf Platz 45 geführt.<ref>[http://www.rollingstone.com/news/story/5937559/the_100_greatest_guitarists_of_all_time/ Rolling Stone: Die 100 besten Gitarristen aller Zeiten] (Stand: 31. Oktober 2006)</ref> In der Liste der [[500 beste Alben aller Zeiten (Rolling Stone)|500 besten Alben aller Zeiten]] erscheinen die Mothers-Alben Freak Out! auf Rang 243 und We’re Only In It For the Money auf Rang 296.<ref>[http://www.rollingstone.com/news/story/5938174/the_rs_500_greatest_albums_of_all_time/3 Die 500 besten Alben aller Zeiten] (Stand: Juni 2008)</ref> Auch in der Liste ''The Essential Rock Collection'' aus dem Jahr 1997 wird das Album Freak Out! genannt.<ref>[http://www.rocklist.net/rs200.html The Essential Rock Collection] (Stand: Juni 2008)</ref> Der Musikwissenschaftler Hans-Jürgen Schaal schreibt Zappa die Erfindung des „Underground“, des Konzept-Albums, des Rock-Doppelalbums, des Jazz-Rocks und die der „Popmusik als Gesellschaft-Satire und surrealistisches Welttheateter“ zu. Als erster habe Zappa die elektronisch verstärkte Bigband, elektronisch manipulierte Holzblasinstrumente, das [[Wah-Wah (Effektgerät)|Wah-Wah-Pedal]] und weitere Effektgeräte durchgesetzt.<ref name="Schaal" /><ref>Hierbei ist anzumerken, dass Zappa zwar all diese Dinge intensiv einsetzte und auch populär machte, allerdings ist nicht nachgewiesen, dass er tatsächlich das erster das Wah-Wah-Pedal nutzte, als erstes [[Doppelalbum]] wird auch ''[[Blonde on Blonde]]'' von [[Bob Dylan]] genannt.</ref> [[Datei:Frank zappa doberan.jpg|miniatur|Frank Zappa – Denkmal von Vaclav Cesak in Bad Doberan, dem Austragungsort der jährlichen Zappanale]] In [[Bad Doberan]] findet seit 1990 die [[Zappanale]] statt, das größte Zappa-Festival weltweit. Neben ehemaligen Zappa-Musikern wie [[Mike Keneally]], [[Ike Willis]], [[Napoleon Murphy Brock]], [[Jimmy Carl Black]] und anderen treten Zappa-Coverbands und von Zappa beeinflusste oder beeindruckte Musiker auf. Im Berliner [[Bezirk Marzahn-Hellersdorf]] wurde am 28.&nbsp;Juli 2007<ref>{{LuiseLexStr|art=a|bez=21|id=F648|kaupert=Frank-Zappa-Strasse-12681-Berlin|name=Frank-Zappa-Straße}}</ref> auf Initiative des Vereins [[ORWOhaus]] und auf Antrag der Partei [[Die Linke]] die 400&nbsp;Meter lange „Straße&nbsp;13“ nach Zappa benannt (Frank-Zappa-Straße).<ref>[http://www.beefheart.com/blog/uploaded_images/zappastrasse-704091.jpg Frank-Zappa-Straße] (blog beefheart.com)</ref> In der Straße steht ein Gebäude, das früher vom Filmhersteller [[ORWO]] genutzt wurde und in dem heute mehr als 150 Bands ihre Proberäume haben. Auch die Stadt Baltimore, in der Zappa geboren wurde, würdigte den Künstler: Im Jahr 2007 erklärte Bürgermeisterin Sheila Dixon den 9. August zum „Frank Zappa Day“.<ref>[http://www.munchkinmusic.com/zpz/clippings_baltimoresun.html Frank Zappa Day] Johnathan Pitts: Zappa redux. Baltimoresun.com, 5. August 2007. (Stand: Juni 2008)</ref> Im Mai 2008 sprach sich der Kunstausschuss von Baltimore dafür aus, in der Stadt ein Replikat der bronzenen Zappabüste aufzustellen, die seit 1995 in der litauischen Hauptstadt Vilnius steht.<ref>{{Der Spiegel|ID=57038148|Titel=Gail Zappa|Jahr=2008|Nr=21|Kommentar=zur Bronzebüste in Baltimore}}</ref> Nach einem seiner Lieder benannte sich die einflussreiche tschechische Underground-Band [[The Plastic People of the Universe|Plastic People of the Universe]]. Es gibt weltweit eine Vielzahl Gruppen, die Zappas Werk in unterschiedlicher Weise beeinflusst hat. Zu ihnen gehören auch die [[The Grandmothers|Grandmothers]], Klaus König Orchestra (Deutschland), Sammlas Mammas Manna (Schweden), Omnibus Wind Ensemble (Schweden), [[Ensemble Modern]], [[Steve Vai]], [[Mike Keneally]], Sheik Yerbouti (Deutschland), Le Concert Impromptu & Bossini (Frankreich) und nicht zuletzt [[Dweezil Zappa]], der in den Jahren 2006, 2007 und 2009 mit dem Projekt [[Zappa Plays Zappa]] auf Europatournee war. Auch in den Naturwissenschaften hat sich der Name Frank Zappas niedergeschlagen. Nach ihm benannt worden sind * das [[Gen]] „ZapA Proteus mirabilis“,<!-- sic! kein Tippfehler, das schreibt sich wirklich so! --> * der [[Fische|Fisch]] „Zappa confluentus“, * die [[Qualle]] „Phialella zappa“, * die [[Weichtiere|Molluske]] „Amauratoma zappa“, * die [[Spinne]] „Pachygnatha zappa“ und * der [[Asteroid]] „(3834) Zappafrank“, der zwischen Mars und Jupiter die Sonne umkreist.<ref>[http://homepage.ntlworld.com/andymurkin/Resources/MusicRes/ZapRes/natphen.html nach Zappa benannte Naturphänomene] (Stand: Juni 2008)</ref><!-- Barry Miles, S. 443 --> Eine Boeing 737-800 der [[Lauda Air]] mit dem Kennzeichen OE-LNR und der Seriennummer 33833 wurde im April 2005 ausgeliefert und „Frank Zappa“ getauft. <!-- [[Datei:LaudaAirOE-LNR-FrankZappa1.JPG|miniatur|Schriftzug „Frank Zappa“ rechts von der Kabinentür Lauda Air Flugzeug OE-LNR]] --> Der Hamburger Comiczeichner [[Wittek (Comiczeichner)|Wittek]] setzte das Zappa-Album ''Joe’s Garage'' 1994 in einen sechsseitigen Comic um, der in dem Magazin „Unangenehm“ veröffentlicht wurde. Nach dem Vorbild [[Cal Schenkel]]s wurde dabei nichts gezeichnet, der gesamte Comic besteht aus [[Collage]]n.<ref>[http://www.wittek0815comix.de/index.php?steuerung=index2&mehr=1&id=single&kategorie=unangenehm&shownews=602 Wittek-Comic zum Album ''Joe’s Garage''] (Stand: Juni 2008)</ref> == Veröffentlichungen == === Diskografie === In der folgenden Liste sind alle Alben Zappas erfasst, die entweder von Frank Zappa selbst oder vom [[Zappa Family Trust]] produziert oder genehmigt worden sind. {| style="float: left;" | colspan="3" | | valign="top" width="33%" | * ''[[Freak Out!]]'' – Juli 1966 * ''[[Absolutely Free]]'' – Mai 1967 * ''[[We’re Only in It for the Money]]'' – Januar 1968 * ''[[Lumpy Gravy]]'' – Mai 1968 * ''[[Cruising with Ruben & the Jets]]'' – November 1968 * ''[[Uncle Meat]]'' – April 1969 * ''[[Mothermania]]'' – April 1969 * ''[[Hot Rats]]'' – Oktober 1969 * ''[[Burnt Weeny Sandwich]]'' – Februar 1970 * ''Weasels Ripped My Flesh'' – September 1970 * ''[[Chunga’s Revenge]]'' – Oktober 1970 * ''Fillmore East – June 1971'' – August 1971 * ''200 Motels'' – Oktober 1971 * ''Just Another Band From LA'' – März 1972 * ''[[Waka/Jawaka]]'' – Juli 1972 * ''[[The Grand Wazoo]]'' – Dezember 1972 * ''[[Over-Nite Sensation]]'' – Juni 1973 * ''[[Apostrophe (’)]]'' – April 1974 * ''[[Roxy & Elsewhere]]'' – September 1974 * ''[[One Size Fits All]]'' – Juni 1975 * ''[[Bongo Fury]]'' – Juni 1975 * ''Zoot Allures'' – Oktober 1976 * ''Zappa In New York'' – März 1978 * ''Studio Tan'' – September 1978 * ''Sleep Dirt'' – Januar 1979 * ''Sheik Yerbouti'' – Februar 1979 * ''[[Orchestral Favorites]]'' – Mai 1979 * ''Joe’s Garage, Act I'' – September 1979 * ''Joe’s Garage, Act II & III'' – November 1979 * ''Tinsel-Town Rebellion'' – Mai 1981 * ''Shut Up ’N’ Play Yer Guitar'' – Mai 1981 * ''Shut Up ’N’ Play Yer Guitar Some More'' – Mai 1981 * ''Return Of The Son Of Shut Up ’N’ Play Yer Guitar'' – Mai 1981 * ''You Are What You Is'' – September 1981 * ''Ship Arriving Too Late To Save A Drowning Witch'' – Mai 1982 * ''The Man From Utopia'' – März 1983 | valign="top" width="33%" | * ''Baby Snakes'' – März 1983 * ''[[London Symphony Orchestra, Vol. 1]]'' – Juni 1983 * ''[[Boulez Conducts Zappa: The Perfect Stranger]]'' – August 1984 * ''Them Or Us'' – Oktober 1984 * ''Thing-Fish'' – November 1984 * ''[[Francesco Zappa (Album)|Francesco Zappa]]'' – November 1984 * ''The Old Masters Box 1'' – April 1985 * ''FZ Meets The Mothers Of Prevention'' – November 1985 * ''FZ Meets The Mothers Of Prevention, European Version'' – 1986 * ''Does Humor Belong In Music?'' – Januar 1986 * ''Jazz From Hell'' – November 1986 * ''The Old Masters Box 2'' – November 1986 * ''London Symphony Orchestra Volume II'' – September 1987 * ''The Old Masters Box 3'' – Dezember 1987 * ''Guitar'' – April 1988 * ''You Can’t Do That On Stage Anymore Volume I'' – Mai 1988 * ''You Can’t Do That On Stage Anymore Volume II'' – Juli 1988 * ''Broadway The Hard Way'' – Oktober 1988 * ''You Can’t Do That On Stage Anymore Volume III'' – November 1989 * ''The Best Band You Never Heard In Your Life'' – April 1991 * ''You Can’t Do That On Stage Anymore Volume IV'' – Mai 1991 * ''Make A Jazz Noise Here'' – Juni 1991 * ''You Can’t Do That On Stage Anymore Volume V'' – Juli 1992 * ''You Can’t Do That On Stage Anymore Volume VI'' – Juli 1992 * ''Playground Psychotics'' – Oktober 1992 * ''Ahead Of Their Time'' – März 1993 * ''The Yellow Shark'' – Oktober 1993 (zusammen mit dem Ensemble Modern) | valign="top" width="33%" | '''Offizielle Veröffentlichungen nach Zappas Tod''' * ''Civilization Phaze III'' – Dezember 1994 * ''The Lost Episodes'' – Februar 1996 * ''Läther'' – September 1996 * ''Frank Zappa Plays The Music Of Frank Zappa'' – 1996 * ''Have I Offended Someone?'' – April 1997 * ''Mystery Disc'' – September 1998 * ''Everything Is Healing Nicely'' – Dezember 1999 * ''FZ:OZ'' – August 2002 * ''Halloween'' – Februar 2003 (DVD-Audio) * ''Joe’s Corsage'' – Mai 2004 * ''Joe’s Domage'' – September 2004 * ''QuAUDIOPHILIAc'' – Oktober 2004 (DVD-Audio) * ''Joe’s XMasage'' – Dezember 2005 * ''Imaginary Diseases'' – Januar 2006 * ''Trance-Fusion'' – Oktober 2006 * ''The MOFO Project/Object'' – Dezember 2006 (4-CD) * ''The MOFO Project/Object'' – Dezember 2006 (2-CD) <!-- * ''The Frank Zappa AAAFNRAA Birthday Bundle'' – Dezember 2006 (bislang nur als Download auf www.iTunes.com) --> * ''Buffalo'' – April 2007 * ''The Dub Room Special!'' – September 2007 * ''Wazoo'' – Oktober 2007 * ''One Shot Deal'' – Juni 2008 * ''Philly 76'' - Dezember 2009 (2-CD)<br /><br />[[Datei:Drudelhexe1.jpg|miniatur|zentriert|Ein [[Drudel]] auf dem Cover der LP von 1982 ''Ship Arriving Too Late To Save A Drowning Witch'']] |} === Beat the Boots – die offiziellen Bootlegs === Frank Zappa wurde häufig das Opfer von [[Bootleg]]gern. Zappa ging das Problem auf seine Weise an: Langwierige Streitereien auf dem Rechtsweg vermeidend, gründete er mit Rhino-Records das [[Tonträgerunternehmen|Label]] ''Foo-Eee'' und kopierte nun seinerseits eine Auswahl von 15 bekannten Bootlegs einschließlich der Albumtitel und Coverdesigns. So entstand 1991 die ''Beat the Boots''-Serie, die –&nbsp;verteilt auf LPs und CDs&nbsp;– besagte 15 Bootleg-Alben enthält: (''Beat The Boots I+II'' jeweils als LP-Box, ''Beat The Boots&nbsp;I'' als einzelne CDs und ''Beat The Boots&nbsp;II'' als CD-Box). Es wäre allein angesichts ihrer Zahl blanker Unsinn, eine Liste aller je im Umlauf gewesenen Bootlegs anzulegen. Ihre Zahl geht in die Hunderte. Hierzu siehe [[#Weblinks|Weblinks]] und andere im Internet zu findende Zappa-Kataloge. An dieser Stelle seien daher lediglich die von Frank Zappa durch seine Veröffentlichung „geadelten“ Werke dieser findigen Konzertbesucher (mit dem Kassettenrekorder in der Gesäßtasche und dem Minimikrofon im Hut) genannt und kurz mit Aufnahmeort und -jahr erläutert. {|width="100%" align="center| |width="50% valign="top"| * ''Beat the Boots I'' – 1991, enthält: ** Frank Zappa: ''As An Am'' – Köln 1982, New York 1981 ** The Mothers of Invention: ''The Ark'' – Boston 1968 ** Frank Zappa: ''Freaks & Motherfu****'' – Los Angeles 1970 ** Zappa/Mothers: ''Unmitigated Audacity'' – South Bend/Indiana 1974 ** Frank Zappa: ''Anyway the wind blows # 1+2'' – Paris 1979 ** The Mothers of Invention: ''’tis the season to be jelly'' – Stockholm 1967 ** Frank Zappa: ''Saarbrücken 1978'' – Saarbrücken 1978 ** Frank Zappa: ''Piquantique'' – Stockholm 1973 |width="50% valign="top"| * ''Beat the Boots II'' – 1991, enthält: ** Zappa/Mothers: ''Disconnected Synapses'' – Paris 1970 ** Zappa/Mothers: ''Tengo na minchia tanta'' – New York 1970 ** Zappa/Mothers: ''Electric Aunt Jemima'' – Amsterdam, Denver, Essen 1968 ** Frank Zappa: ''At the Circus'' – München 1978 ** Zappa/Mothers: ''Swiss Cheese/Fire!'' – Montreux 1971 ** Zappa/Mothers: ''Our Man in Nirvana'' – Fullerton/Kalifornien 1968 ** Frank Zappa: ''Conceptual Continuity'' – Detroit 1976 |- |} === Zappa auf Rykodisc === Das Tonträgerunternehmen [[Rykodisc]] erwarb das Recht, die bis zu Zappas Tod erschienenen Alben zu veröffentlichen und aus diesem Material auch neue [[Kompilation (Medien)|Sampler]] und Mehrfachboxen herauszubringen. Letztere werden in der folgenden Liste aufgeführt. * ''Strictly Commercial'' – August 1995 * ''Strictly Genteel'' – Mai 1997 * ''Cheap Thrills'' – April 1998 * ''Son Of Cheap Thrills'' – April 1999 * ''Threesome No. 1'' – April 2002 (enthält ''Freak Out'', ''Absolutely Free'', ''We’re Only In It For The Money'') * ''Threesome No. 2'' – April 2002 (enthält ''Hot Rats'', ''Waka/Jawaka'', ''The Grand Wazoo'') * ''The Best of Frank Zappa'' – November 2004 * ''Zappa Catalog'' (enthält sämtliche Zappa-Werk-Alben und die hier gelisteten Ryko-Sampler) === Videografie === Ausschließlich Kinofilme und Kauf-Videos, die von Frank Zappa oder vom Zappa Family Trust produziert oder genehmigt worden sind. * [[200 Motels]] – Oktober 1971 (VHS, DVD) * ''[[Baby Snakes]]'' – Dezember 1979 (VHS, DVD) * ''The Dub Room Special!'' – Oktober 1982 (VHS, DVD) * ''Does Humor Belong In Music?'' – Januar 1985 (VHS, DVD) * ''Video From Hell'' – Januar 1987 (VHS) * ''Uncle Meat'' – Januar 1988 (VHS) * ''The True Story Of 200 Motels'' – Januar 1989 (VHS) * ''The Amazing Mr. Bickford'' – Mai 1989 (VHS) * ''Apostrophe(’) / Over-Nite Sensation'' – 2007 (DVD) * ''The Torture Never Stops'' – Mai 2008 (DVD) === Buchveröffentlichungen === * Frank Zappa/Ian Underwood: ''The Frank Zappa Songbook, Vol. 1''. Frank Zappa Music Inc./Munchkin Music Co., Los Angeles 1973. * Frank Zappa/Carl Weissner: ''Plastic People''. Zweitausendeins, Frankfurt 1977. * Frank Zappa/Carl Weissner: ''Plastic People – Corrected Copy''. Zweitausendeins, Frankfurt 1977. * Frank Zappa/Steve Vai: ''The Frank Zappa Guitar Book''. Hal Leonard, Milwaukee 1982, ISBN 0-7119-0223-2. * Frank Zappa: ''Them Or Us (The Book)''. Barfko Swill, Los Angeles 1984. * Frank Zappa/Peter Occhiogrosso: ''The Real Frank Zappa Book''. Poseidon Press, New York 1989, ISBN 0-671-63870-X. Autobiografie Zappas, auf Deutsch erschienen unter ''I am the American Dream''. Wilhelm Goldmann Verlag, München 1991, ISBN 3-442-32536-6. * Frank Zappa/Carl Weissner: ''Plastic People Songbuch Corrected Copy''. Zweitausendeins, Frankfurt am Main 1977. Liedtexte von ''Freak Out!'' bis ''Bongo Fury'' im Original von Frank Zappa korrigiert und übersetzt von Carl Weissner. * Frank Zappa/Carl Weissner: ''Zonx, Texte 1977–1994''. Zweitausendeins, Frankfurt am Main 1996, ISBN 3-86150-179-1. Liedtexte von ''Zoot Allures'' bis ''You Can’t Do That On Stage Anymore Volume IV'' im Original und übersetzt von Carl Weissner. * Frank Zappa/Andy Aledort: ''Hot Rats''. Hal Leonard, Milwaukee 2001, ISBN 0-634-02152-4. * Frank Zappa/Andy Aledort: ''Apostrophe (')''. Hal Leonard, Milwaukee 2002, ISBN 0-634-03321-2. <!-- === Film === * [[The World's Greatest Sinner]] – Juni 1962 (USA), Filmmusik von Frank Zappa * [[Run Home Slow]] – 15. Dezember 1965 (USA), Filmmusik von Frank Zappa * [[The Monkees - Head]] – 1968 (USA), Gastrolle als Frank Zappa mit einer Kuh === Fernsehen === * [[Miami Vice]] – 1984 (USA), Gastrolle als Mario Fuente * [[The Mike Douglas Show]] – 1976 (USA), Gaststar: Frank Zappa * [[Inca Roads]] – 1974 (USA), FZ / The Mothers Of Invention --> == Literatur == Hauptliteratur, die zur Erstellung des Artikels verwendet wurde und nicht notwendig einzeln mit Fußnoten referenziert wird: * [[Barry Miles]]: ''Zappa'', Deutsche Ausgabe, Rogner & Bernhard bei Zweitausendeins, Berlin 2005, ISBN 3-8077-1010-8. [http://www.merkur-online.de/nachrichten/kultur/kunstakt/art282,657193.html Rezension] * [[Barry Miles]] (Hrsg.)/Frank Zappa: ''In eigenen Worten''. Palmyra, Heidelberg 2004, ISBN 3-930378-54-X. * [[Volker Rebell]]: ''Frank Zappa – Freak-Genie mit Frack-Habitus'', In: ''Rocksession 1'', Rororo Sachbuch, 1977, ISBN 3-499-17086-8. * [[Carl-Ludwig Reichert]]: ''Frank Zappa'', DTV, München 2000. ISBN 3-423-31039-1. * Frank Zappa, Peter Occhiogrosso: ''I am the American Dream'', Wilhelm Goldmann Verlag, München, 1991. ISBN 3-442-32536-6. * [http://globalia.net/donlope/fz/chronology/index.html Chronologie auf „Globalia.net“] (Stand 12/2006) Weiterführende Literatur: <!-- Neue Autoren bitte alphabetisch einsortieren; Werke mehrfach genannter Autoren bitte chronologisch einsortieren (das jüngste nach oben) --> * Dominique Chevalier: ''Viva! Zappa. An alchemist and his work''. Omnibus Press 1986, ISBN 0-7119-0977-6. Englisch. Bebilderte Tour durch Frank Zappas frühe Karriere, einschließlich Diskografie und vielen Bildern. * Alain Dister: ''Frank Zappa. Der Rebell aus dem Untergrund''. Wilhelm Heyne Verlag, München 1980, ISBN 3-453-80042-7. Titel der Französischen Originalausgabe: ''Frank Zappa et les Mothers of Invention'' Hrsg.: Alain Dister, [[Urban Gwerder]], Paris 1975, ISBN 2-226-00196-4. Alain Dister hat die Karriere von Frank Zappa viele Jahre verfolgt. In seinem Buch, das in Frankreich ein großer Erfolg war, berichtet er über das Leben und die Karriere des Künstlers. * Manuel de la Fuente Soler: ''Frank Zappa en el infierno. El rock como movilización para la disidencia política.'' Biblioteca Nueva, 2006. ISBN 84-9742-592-8. * Michael Gray: ''Die Frank Zappa Story''. VGS Verlagsgesellschaft, Köln 1994, ISBN 3-8025-2300-8. * Richard Kostelanetz und John Rocco (Hrsg.): ''The Frank Zappa companion: four decades of commentary''. Schirmer Books, New York 1997, ISBN 0-02-864628-2. * Kelly Fisher Lowe: ''The Words and Music of Frank Zappa. With a new introduction by the author'', University of Nebraska Press : Lincoln and London 2007, ISBN 978-0-8032-6005-4 * Wolfgang Ludwig: ''Untersuchungen zum musikalischen Schaffen von Frank Zappa – Eine musiksoziologische und -analytische Studie zur Bestimmung eines musikalischen Stils''. (Europäische Hochschulschriften, Reihe XXXVI, Musikwissenschaft, Band 88), Verlag Peter Lang 1991, ISBN 3-631-45128-8. * Barry Miles: ''Zappa – A visual documentary by Miles''. Omnibus Press 1993, ISBN 0-7119-3099-6. Englisch. Illustrierte Chronologie der Karriere Frank Zappas. * Norbert Obermanns: ''Zappalog''. 2nd Edition, Rhino Books, Los Angeles, 1982. Standardwerk für Fans und Sammler der frühen 1980er Jahre, unter anderem mit Abbildungen der bis dahin weltweit erschienenen Singles- und LP-Varianten. * Thomas Phleps: [http://www.uni-giessen.de/~g51092/ZappaText.html ''„The Crux of the Biscuit …“ – Über politische und andere „Atrocities“ in der Musik Frank Zappas.''] In: Thomas Phlebs: ''Zwischen Adorno und Zappa. Semantische und funktionale Inszenierungen in der Musik des 20. Jahrhunderts.'' Reihe: Zwischen/Töne, Neue Folge 2. Weidler Buchverlag, Berlin 2001, ISBN 3-89693-184-9. * Andreas Rausch: ''Zappaesk''. Ehapa, Köln 2005: ISBN 3-7704-2888-9. * Wolfgang Reimers: ''Sozialkritik in der Rockmusik am Beispiel Frank Zappa''. Centaurus-Verlagsges., Pfaffenweiler 1985. X, ISBN 3-89085-044-8. * Neil Slaven: ''Electric Don Quichotte – Die Ultimative Geschichte von Frank Zappa'', Deutsche Ausgabe, Bosworth Music, 2006, ISBN 978-3-86543-042-7. * David Walley: ''No Commercial Potential: The Saga of Frank Zappa''. Updated Edition, Da Capo Press, New York 1996, ISBN 0-306-80710-6. Die erste Ausgabe erschien 1980 mit Zappas Kommentar „This book is going to be around for a long time“. * Ben Watson: ''Frank Zappa The Negative Dialectics Of Poodle Play''. Quartet Books Ltd, London 1995, ISBN 0-7043-0242-X. * Moon Unit Zappa: ''America the Beautiful''. Heyne Verlag 2001, ISBN 3-453-19061-0. Frank Zappas ältestes Kind, Moon Unit, verarbeitet in dem Roman ihr Leben als Tochter eines berühmten Vaters. == Weblinks == {{Wikiquote|Frank Zappa}} {{Commons|Frank Zappa}} * [http://www.zappa.com Offizielle Homepage des Zappa Family Trusts] (englisch) * [http://wiki.killuglyradio.com Frank-Zappa-Wiki auf ''killuglyradio.com''] (englisch) * [http://globalia.net/donlope/fz/index.html Texte, beteiligte Musiker und Hüllenabbildungen aller Alben Zappas auf ''globalia.net''] (englisch) * [http://lukpac.org/~handmade/patio/vinylvscds/ Detaillierte Aufstellung der verschiedenen Ausgaben von Zappas Alben] (englisch) * [http://progmaniac.de/zappa/ Zusammenstellung einiger Zappa-Bootlegs nach Jahrgängen auf ''progmaniac.de''] * [http://www.aaafnraa.de Anything Anytime Anywhere For No Reason At All – Leben und Werk von FZ auf ''aaafnraa.de''] * [http://www.spacelook.de/zappa/zappagigs.htm Konzertdatenbank auf ''spacelook.de''] * {{DM|118636200}} * {{PND|118636200}} == Einzelnachweise == <references /> {{Normdaten|PND=118636200|LCCN=n/81/048026|VIAF=100234697}} {{SORTIERUNG:Zappa, Frank}} [[Kategorie:US-amerikanischer Komponist]] [[Kategorie:Komponist (Jazz)]] [[Kategorie:Progressive-Rock-Musiker]] [[Kategorie:Rocksänger]] [[Kategorie:Rockmusiker]] [[Kategorie:Fusion-Musiker]] [[Kategorie:Gitarrist]] [[Kategorie:Frank Zappa|!]] [[Kategorie:Geboren 1940]] [[Kategorie:Gestorben 1993]] [[Kategorie:Mann]] {{Personendaten |NAME=Zappa, Frank |ALTERNATIVNAMEN=Zappa, Frank Vincent |KURZBESCHREIBUNG=US-amerikanischer Komponist, Musiker und Kultfigur der Underground-Musik |GEBURTSDATUM=21. Dezember 1940 |GEBURTSORT=[[Baltimore]], [[Maryland]], [[Vereinigte Staaten|USA]] |STERBEDATUM=4. Dezember 1993 |STERBEORT=[[Laurel Canyon]], [[Los Angeles]], [[Kalifornien]], [[Vereinigte Staaten|USA]] }} {{Exzellent|14. Dezember 2009|67957289}} {{Link FA|en}} {{Link FA|es}} {{Link FA|hr}} {{Link FA|sl}} [[ar:فرانك زابا]] [[ast:Frank Zappa]] [[bg:Франк Запа]] [[br:Frank Zappa]] [[bs:Frank Zappa]] [[ca:Frank Zappa]] [[cs:Frank Zappa]] [[da:Frank Zappa]] [[el:Φρανκ Ζάπα]] [[en:Frank Zappa]] [[eo:Frank Zappa]] [[es:Frank Zappa]] [[et:Frank Zappa]] [[fa:فرانک زاپا]] [[fi:Frank Zappa]] [[fr:Frank Zappa]] [[fy:Frank Zappa]] [[gd:Frank Zappa]] [[gl:Frank Zappa]] [[he:פרנק זאפה]] [[hr:Frank Zappa]] [[hu:Frank Zappa]] [[ia:Frank Zappa]] [[id:Frank Zappa]] [[io:Frank Zappa]] [[it:Frank Zappa]] [[ja:フランク・ザッパ]] [[ka:ფრენკ ზაპა]] [[ko:프랭크 자파]] [[la:Franciscus Zappa]] [[lb:Frank Zappa]] [[lv:Frenks Zapa]] [[nl:Frank Zappa]] [[nn:Frank Zappa]] [[no:Frank Zappa]] [[pl:Frank Zappa]] [[pt:Frank Zappa]] [[ro:Frank Zappa]] [[ru:Заппа, Фрэнк Винсент]] [[scn:Frank Zappa]] [[sh:Frank Zappa]] [[simple:Frank Zappa]] [[sk:Frank Zappa]] [[sl:Frank Zappa]] [[sr:Френк Запа]] [[sv:Frank Zappa]] [[tr:Frank Zappa]] [[uk:Френк Заппа]] [[zh:弗兰克·扎帕]] a1wm50uue7qtppwte3qbwg1gqli6iqc wikitext text/x-wiki Der Zauberberg 0 24543 27147 2010-04-17T21:53:05Z Magiers 0 Revert. Bitte auch keine [[WP:TF|Theoriefindung]] im Bild. Der Bezug zu Kohnstamm hat hier so lange nichts verloren, so lange er sich nicht in der Sekundärliteratur durchsetzt. [[Bild:Luftbild Davos.jpg|upright=1.25|thumb|Gebirgsgegend bei [[Davos]], Schauplatz des Romans]] '''''Der Zauberberg''''' ist ein 1924 erschienener [[Bildungsroman]] [[Thomas Mann|Thomas Manns]].<ref> Thomas Mann: Einführung in den Zauberberg für Studenten der Universität Princeton (1939): ''Der deutsche Bildungsroman, zu dessen Typ der «Wilhelm Meister» sowohl wie der «Zauberberg» gehören. </ref> Während seines siebenjährigen freiwilligen Aufenthaltes in der abgeschlossenen Welt eines Sanatoriums im Hochgebirge trifft der junge Held auf weltentrückte Figuren, die ihn mit [[Politik]], [[Philosophie]], aber auch [[Liebe]], [[Krankheit]] und [[Tod]] konfrontieren. ==<center> Titelblatt und Original-Einbände des Erstdrucks </center>== <center><gallery> Image:1924 Der Zauberberg (1).jpg| Titelblatt des Erstdrucks Image:1924 Thomas Mann Zauberberg Broschur.jpg| Interims-Broschur Image:1924 Der Zauberberg (2).jpg| Verlags-Leineneinband Image:1924 Der Zauberberg (3).jpg| Verlagseinband in Halbleder </gallery></center> == Inhalt == === Ankunft === Hans Castorp, einziges Kind einer [[Hamburg]]er Kaufmannsfamilie, wächst nach dem Tod seiner Eltern zunächst bei seinem Großvater, dann bei seinem Onkel ''Tienappel'' auf. Anschließend studiert er [[Schiffbau]]technik. Vor dem geplanten Eintritt als Volontär bei einer Schiffswerft reist er in die [[Schweiz]]er [[Alpen]], um dort im [[Sanatorium]] ''Berghof'' nahe [[Davos]] seinen Vetter ''Joachim Ziemßen'' zu besuchen. Ursprünglich beabsichtigt er, nur drei Wochen zu bleiben. Die Atmosphäre des von ''Hofrat Behrens'' und dem [[Psychoanalyse|Psychoanalytiker]] ''Dr. Krokowski'' geleiteten Sanatoriums übt jedoch eine eigenartige Faszination auf Castorp aus. Beim Mittagessen trifft er auf vor Atemnot röchelnde oder Blut hustende Patienten und auch auf die aufgrund ihres [[Pneumothorax]] aus der Lunge pfeifende ''Hermine Kleefeld.'' Er gewinnt den Eindruck, dass [[Krankheit]] den Menschen vergeistige und veredele, während Personen von robuster Gesundheit zu einer gewissen Einfalt neigten. Abstoßend findet er demgemäß die Kombination „krank und dumm“, wie er sie bei der „mörderlich ungebildeten“, zu fortwährenden Stilblüten neigenden ''Karoline Stöhr'' antrifft. === Der Mentor === Bald lernt Castorp den Literaten ''Lodovico Settembrini'' kennen, einen [[Humanismus|Humanisten]], [[Freimaurerei|Freimaurer]] und „individualistisch gesinnten [[Demokratie|Demokraten]]“, der ihm allmählich zum Freund wird. In zahllosen Belehrungen über [[Philosophie|philosophische]] und [[Politik|politische]] Fragen aller Art betätigt sich der Italiener als pädagogischer Förderer Castorps. Diesen erinnert die Mischung aus südländischer Erscheinung und abgetragener Kleidung an einen italienischen „Drehorgelspieler“. Der Humanist, dessen Leitstern die „Sonne der Aufklärung“ ist, bejaht, ehrt, liebt „den Körper (…), die Schönheit, die Freiheit, die Heiterkeit, den Genuss“. Er sieht sich selbst als Vorkämpfer der „Interessen des Lebens (…) gegen sentimentale [[Weltflucht]]“ und jedwede Romantik. Konsequenterweise erscheint ihm die nachklassische Musik „politisch verdächtig“, zumal sie es verstehe, zu manipulieren. Zwei Prinzipien lägen im ewigen Kampf um die Welt, „die [[Macht]] und das [[Recht]], die [[Tyrannis|Tyrannei]] und die [[Freiheit]], der [[Aberglaube]] und das [[Wissen]], das Beharren und der (…) [[Fortschritt]]“, [[Asien]] und [[Europa]]. Gemäß seiner Familientradition engagiert sich Settembrini im Sinne „der [[Zeitalter der Aufklärung|Aufklärung]], der vernunftgemäßen Vervollkommnung“. Analyse tauge zwar „als Werkzeug der Aufklärung und der [[Zivilisation]] (…) insofern sie dumme Überzeugungen erschüttert, natürliche Vorurteile auflöst und die Autorität unterwühlt (…) indem sie befreit, verfeinert, vermenschlicht und Knechte reif macht zur Freiheit“. Schädlich, „eine unappetitliche Sache“ sei sie indes, „insofern sie die Tat verhindert, das Leben an den Wurzeln schädigt.“ Eindringlich warnt Settembrini daher seinen Schützling davor, sich von dem morbiden Reiz der Anstalt beeindrucken zu lassen und drängt ihn mehrfach zur Abreise. === Madame Chauchat === Zum Anfang seines Aufenthaltes begegnet Castorp auch der 28-jährigen [[Russen|Russin]] ''Madame Clawdia Chauchat'', die „kirgisenäugige“ Gattin eines höheren Beamten aus [[Dagestan|Daghestan]], „schlaff, fiebrig und innerlich wurmstichig“. Obgleich verheiratet, trägt sie keinen [[Ringschmuck|Ehering]], hat dieser doch „etwas Abweisendes und Ernüchterndes, (…) ein Symbol der Hörigkeit“. Am Mittagstisch fällt sie häufig durch Zu-Spät-Kommen, lautes Türenschlagen, das Drehen von Brotkugeln und ähnliche Ungezwungenheiten auf. Von der ersten Begegnung an bringt Castorp der Russin neugieriges Interesse entgegen, lässt sich von seiner Tischgenossin ''Frl. Engelhart'' ausführlich über sie berichten. Schon mit Blick auf ihren zweifelhaften Gesundheitszustand sieht er in dem „stillen Verhältnisse“ zunächst aber lediglich „ein Ferienabenteuer, das vor dem Tribunal der Vernunft (… nicht bestehen) kann“. Sehr bald steigert sich jedoch die affektierte Anteilnahme in morbide Verliebtheit. Castorps Begehren wird noch durch eine gewisse Eifersucht auf Hofrat Behrens angeheizt, dem Frau Chauchat „beinahe täglich“ Modell für seine Ölgemälde sitzt. Settembrini warnt ihn eindringlich davor, ihren Reizen zu erliegen. In ihr sieht er ein Abbild des von ihm verachteten [[Asien]]s, der Heimat fortschrittsfeindlicher „[[Parther]] und [[Skythen]]“. Die im Sanatorium vorherrschende Sinnenlust erscheint ihm vor dem Hintergrund dekadenter Trägheit geradezu frevelhaft. Am schlechten Beispiel von Madame Chauchat bewahrheite sich seine These, wonach Krankheit nicht nur eine Folge, sondern eine Form der Liederlichkeit sei. Während eines [[Karneval]]sfestes bittet Castorp Frau Chauchat bei einem Zeichenspiel um einen Bleistift. Sie überreicht ihm „ein kleines silbernes Crayon (…), dünn und zerbrechlich (…), zu ernsthafter Tätigkeit nicht zu gebrauchen“. Es kontrastiert zu dem Stift, den sich Castorp einst in seiner Jugend von seinem [[Homosexualität|homoerotisch]] verehrten Mitschüler ''Přibislav Hippe'' ausgeliehen hatte, dem „versilberten Crayon mit einem Ring, den man aufwärts schieben musste, damit der rot gefärbte Stift aus der Metallhülse wachse“ – ein eindeutig phallisches Motiv. Nachdem Frau Chauchat ihre unmittelbar bevorstehende Rückreise nach Daghestan angekündigt hat, gesteht ihr Castorp in einer ergreifenden, großteils in [[Französische Sprache|französischer Sprache]] gehaltenen Szene seine Liebe. Eine sich anschließende Liebesnacht wird im Verlaufe des Romans nur behutsam angedeutet: Einerseits besitzt Hans Castorp nach diesem Abend das „Innenportrait“ Clawdia Chauchats, das diese nach eigener Auskunft in ihrem Zimmer aufbewahrt; wahrscheinlich hat Castorp sie also auf ihr Zimmer begleitet. Andererseits mahnt Clawdia ganz zum Ende des Kapitels, Castorp solle nicht vergessen, ihr ihren Bleistift zurückzugeben und lädt ihn damit indirekt zu einem Besuch in ihrem Zimmer ein. === Eingewöhnung === Nicht zuletzt mit Blick auf die äußere Routine des geregelten Sanatoriumlebens mit seinen festen Aufsteh-, Essens-, Untersuchungs- und Ruhezeiten nimmt Castorp die [[Zeit]] subjektiv anders wahr; sie wirkt auf ihn wie eine „ausdehnungslose Gegenwart“. Zunächst hält er sich für völlig gesund, eine Einschätzung, die die Klinikleitung nicht teilt. Auf Hofrat Behrens’ Rat bleibt er vorerst auf dem Berghof, nimmt zunehmend an therapeutischen Maßnahmen wie den Liegekuren teil. Castorp –&nbsp;der sich von Beginn seines Aufenthaltes an fiebrig fühlt&nbsp;– beginnt, an einer Erkältung zu leiden. Die resolute Oberin ''Adriatica von Mylendonk'' verkauft ihm ein Fieberthermometer, damit er, wie die anderen Berghofbewohner, mehrmals täglich seine Temperatur messen kann. Schließlich wird im Rahmen einer Untersuchung durch den Hofrat in Castorps Lunge eine „feuchte Stelle“ gefunden, was später bei einer [[Röntgen]]untersuchung bestätigt wird. So wird Hans Castorp ein regulärer Insasse des Sanatoriums. Die Tagesordnung der Patienten beginnt, „in seinen Augen das Gepräge einer heilig-selbstverständlichen Unverbrüchlichkeit anzunehmen, so dass ihm das Leben im Flachlande drunten (…) fast sonderbar und verkehrt erschien.“ Später besucht er Dr. Krokowskis Vortragsreihe, in welcher der [[Psychoanalyse|Psychoanalytiker]] die zentrale These behandelt, dass „Krankheitssymptom(e) (…) verkappte Liebesbetätigung und alle Krankheit verwandelte Liebe“ sei. Schließlich treibt Castorp diverse Studien etwa auf [[medizin]]ischem und [[Psychologie|psychologischem]] Gebiet. === Noch ein Mentor === Settembrini, unheilbar krank, verlässt den Berghof, um ins nahe gelegene „Davos-Dorf“ zu ziehen. Er bezieht Quartier im Haus eines „Gewürzkrämers“, in dem auch sein intellektueller Widerpart wohnt, der [[Askese|asketische]] [[Jesuiten|Jesuit]] Naphta, ein zum [[Katholizismus]] konvertierter galizischer [[Juden|Jude]] mit bewegter Vergangenheit. Naphta ist ein brillanter, rhetorisch begabter und [[Sophistik|sophistisch]]-kalter [[Logik]] verpflichteter Intellektueller, vor dessen Einflüssen Settembrini seinen jungen Freund erfolglos fernzuhalten versucht. In [[Anarchismus|anarcho]]-[[Kommunismus|kommunistischer]] Tradition strebt er nach der Wiederherstellung des „anfänglichen paradiesisch justizlosen und gottesunmittelbaren Zustands“ der „Staat- und Gewaltlosigkeit (…), worin es weder Herrschaft noch Dienst gab, nicht Gesetz noch Strafe, kein Unrecht, keine fleischliche Verbindung, keine Klassenunterschiede, keine Arbeit, kein Eigentum, sondern Gleichheit, Brüderlichkeit, sittliche Vollkommenheit.“ Nach Abschaffung „der Greuel des modernen Händler- und Spekulantentums (…) der Satansherrschaft des Geldes, des Geschäfts“ sei ein totalitärer, auf [[Terrorismus]] gestützter [[Gottesstaat]] zu errichten; das Prinzip der [[Freiheit]] sei ein überlebter [[Anachronismus]]. Zwischen Settembrini und Naphta kommt es in der Folge immer wieder zu heftigen Disputen über philosophische und politische Fragen, bei denen sich der Zuhörer Castorp beeindruckt zeigt, wie Naphta seinem bisherigen Lehrmeister Paroli bietet. === Ziemßens Weggang und Tod === Im Gegensatz zu Castorp drängt sein soldatischer Vetter Joachim Ziemßen darauf, den Berghof zu verlassen, um wieder aktiv und im Militärdienst zu leben. Er verlässt den Berghof gegen ärztlichen Rat, muss aber nach kurzem Dienst mit sich verstärkenden Leiden zurückkehren. Er stirbt diszipliniert und mit Haltung. Im Rahmen einer der von Dr. Krokowski geleiteten [[Spiritismus|spiritistischen]] Sitzungen wird sein Geist aus dem Totenreich heraufbeschworen. === Der Schneetraum === Hauptartikel: [[Hans Castorps Schneetraum]] Dieses Kapitel, „Schnee“, kann als Höhepunkt der zweiten Hälfte, vielleicht des ganzen Romans, bezeichnet werden, behält aber trotzdem „episodischen“ Charakter: Während eines [[Ski]]ausflugs im Hochgebirge, leichtfertig die Gefahr im „weißen Nichts“ der Schneelandschaft hinnehmend, gerät Hans Castorp in einen lebensbedrohlichen [[Schnee]]sturm. Er muss ihn im Windschatten eines Heuschobers abwarten und schläft, erschöpft von der ungewohnten Anstrengung, ein. In diesem [[Hans Castorps Schneetraum|Schneetraum]] sieht er zunächst eine „wunderschöne Bucht am Südmeer“, mit „verständig-heiterer, schöner, junger Menschheit“, „Sonnen- und Meereskinder“, die einander „mit Freundlichkeit, Rücksicht, Ehrerbietung“ begegnen. Im Rücken dieser verklärten Szenerie spielt sich freilich höchst Schauerliches ab: Zwei Hexen zerreißen und fressen über flackerndem Feuer ein kleines Kind. Halb erwacht und die beiden Traumbilder vergleichend, erkennt Hans Castorp, dass menschliche Form und Gesittung letztlich die Bewältigung des Grässlichen und Rohen in uns sind. Nun zweifelt er an seinen einseitigen Mentoren Settembrini und Naphta, aber auch an den Gegensatzpaaren „Tod-Leben“, „Krankheit-Gesundheit“, „Geist-Natur“. Der Mensch sei vornehmer als sie, und weil sie nur durch ihn existieren, sei er Herr über die Gegensätze. Aus Sympathie mit dem Menschengeschlecht beschließt Hans Castorp, das Wissen um den Tod zwar nicht zu verdrängen, aber fortan folgenden Leitsatz zu beherzigen, der als einziger im ganzen Roman kursiv gesetzt ist: ''Der Mensch soll um der Güte und Liebe willen dem Tode keine Herrschaft einräumen über seine Gedanken''. Hans Castorp hat diese Maxime schon bald vergessen, nachdem er dem Schneesturm rechtzeitig entkommen ist. Tatsächlich sind es im Wesentlichen Thomas Manns eigene Überlegungen, für ihn selbst und den Leser niedergeschrieben. === Eine königliche Persönlichkeit === Nach zwei Jahren kehrt ''Clawdia Chauchat'' zurück, in Begleitung ihres Liebhabers, des niederländischen Kaffee-Pflanzers ''Mynheer Pieter Peeperkorn''. Ungeachtet seiner Eifersucht zeigt sich ''Hans Castorp'' von den wirkungsvollen Auftritten des ''„Kaffeekönigs“'' beeindruckt. Gegen seine Persönlichkeit ''„verzwergen“'' die Intellektuellen ''Naphta'' und ''Settembrini''. Mit ''„sommersprossig-nagelspitzer Kapitänshand“'' trinkt Peeperkorn Wein aus Wassergläsern, er experimentiert mit Chinarinde, Schlangengiften und Drogen, das Leben betrachtet er als ''„ein hingespreitet Weib, mit dicht beieinander quellenden Brüsten (…), das in herrlicher, höhnischer Herausforderung unsere höchste Inständigkeit beansprucht, alle Spannkraft unserer Manneslust, die vor ihm besteht oder zuschanden wird.“'' ''Peeperkorn'' kann den intellektuellen Disputen zwischen ''Settembrini'' und ''Naphta'' wenig abgewinnen. Seine Bemerkungen sind oft nur ein vages Ungefähr. Auch gelingt es Peeperkorn häufig nicht, seine Sätze zu Ende zu führen. Er überzeugt einzig vermöge der Wucht seiner Persönlichkeit. Hans Castorp erlebt zu seinem Erstaunen, was persönliche Ausstrahlung und Charisma bewirken. Während einer schweren Erkrankung, den Verlust seiner Lebens- und Manneskraft befürchtend, stirbt Peeperkorn durch Suizid mit Gift, das er sich mit einem sonderbar konstruierten, an ''„das Beißzeug der Brillenschlange“'' erinnernden Apparat injiziert. ''Madame Chauchat'' verlässt den ''Berghof'' daraufhin für immer. === Der große Stumpfsinn === Gegen Ende des Romans verflachen die Aktivitäten der meisten Berghofbewohner, man langweilt sich oder vertreibt sich banal die Zeit mit Legen von [[Patience]]n, Briefmarkensammeln, Fotografieren, Schokoladeessen und [[Spiritismus|spiritistischen]] Sitzungen, in denen auch der bereits verstorbene Joachim Ziemßen erscheint. Castorp wendet sich indes mit Vergnügen dem neu angeschafften [[Grammophon]] zu, auf dem er sich u. a. Schuberts Lied [[Am Brunnen vor dem Tore|Der Lindenbaum]] anhört. Der zwischen Settembrini und Naphta von jeher schwelende weltanschauliche Streit eskaliert indes. Schließlich mündet er gar in einem [[Duell|Pistolenduell]], in dem Settembrini den Schuss auf Naphta verweigert, worauf sich dieser aus Wut und Verzweifelung selbst tötet. === Der Donnerschlag === Aus dem ursprünglich geplanten dreiwöchigen Aufenthalt im Sanatorium sind für Castorp mittlerweile sieben Jahre geworden. Erst der Ausbruch des [[Erster Weltkrieg|Ersten Weltkriegs]] ist der unerwartete „Donnerschlag“, der den vermeintlich „Endgültigen“ aus dem passiven Dasein in der Abgeschiedenheit des Berghofs reißt. Hastig kehrt die internationale Patientenschaft in ihre Herkunftsländer zurück, darunter auch Hans Castorp selbst. Dessen überstürzte Rückreise führt ihn jedoch in eine vollkommen veränderte –&nbsp;entbürgerlichte&nbsp;– Welt. Im letzten Kapitel zieht Castorp, Schuberts ''Lindenbaum'' auf den Lippen, in den Krieg. Als gewöhnlicher Heeressoldat im Schlachtgetümmel nimmt er an einem der zahllosen Angriffe an der Westfront teil. Dort gerät er schließlich aus dem Blickfeld des Lesers; sein Überleben im Kugelhagel bleibt ungewiss. == Interpretation == === Allgemeines === Der Zauberberg ist in manchem Sinne eine [[Parodie]] auf den klassischen deutschen [[Bildungsroman]]. Wie dessen übliche Protagonisten verlässt Hans Castorp sein Vaterhaus und begegnet im Sanatorium Kunst, Politik und der Liebe. Besonders in den Gesprächen mit seinen Mentoren Settembrini und Naphta lernt er eine Reihe verschiedener Ideologien kennen. Anders jedoch als im klassischen Bildungsroman führt die „[[Erziehung]]“ auf dem Zauberberg nicht dazu, Hans Castorp in ein tüchtiges und selbstbewusstes Mitglied der [[Bürgerliche Gesellschaft|bürgerlichen Gesellschaft]] zu wandeln. Vielmehr mündet sein persönlicher Entwicklungsprozess ins Leere, in die jede Individualität auflösenden Stahlgewitter des ersten Weltkriegs. === Zusammenhang mit „Der Tod in Venedig“ === Nach Bekunden des Autors war der ursprünglich als Novelle konzipierte Zauberberg in der Tat als heiter-ironisches Gegenstück, als „[[Satyrspiel]]“ zu der erst 1912 vollendeten Novelle „[[Der Tod in Venedig]]“ gedacht. Ihre Atmosphäre sollte „die Mischung von Tod und Amüsement“ sein, die Mann beim Besuch seiner Frau im Sanatorium kennengelernt hatte. „Die Faszination des Todes, der Triumph rauschhafter Unordnung über ein der höchsten Ordnung geweihtes Leben, die im ''Tod in Venedig'' geschildert ist, sollte auf eine humoristische Ebene übertragen werden.“ Und so stellt der Zauberberg in vielerlei Hinsicht die Antithese zur genannten Novelle dar. Dem etablierten Schriftsteller ''Gustav von Aschenbach'' steht hier ein junger, lebensunerfahrener Ingenieur gegenüber. Dem schönen polnischen Knaben ''Tadzio'' entspricht die „asiatisch-schlaffe“ Russin Madame Chauchat, der Cholera in Venedig schließlich die Tuberkulose im Sanatorium. === Zauber- und Bergsymbolik === Die Bezüge des Romans zu seinem Titel sind vielschichtig: Der „Zauberberg“ als Ort der Entführung ist spätestens seit dem [[Rattenfänger von Hameln]] ein Motiv der deutschen Literatur. In [[Joseph von Eichendorff|Eichendorffs]] Erzählung [[Das Marmorbild]] wird gleich zu Anfang ausdrücklich vor dem „Zauberberg“ gewarnt, in den „die Jugend“ gelockt wird und von wo „keiner wieder zurückgekehrt ist“. Die Geschichte selbst handelt explizit von der Verführungskraft des Verfalls in Form einer auf einer Anhöhe gelegenen Schlossruine, in der die Sinne (der Realitäts- wie der Zeitsinn) getäuscht werden. Der Schauplatz der Handlung in Manns Roman, das Sanatorium Berghof, liegt nicht nur geographisch im Gebirge, sondern stellt auch, wie der Zauberberg der alten Dichtungen, eine „hermetisch“ abgeschlossene Welt für sich dar. Ihre Abgeschiedenheit ermöglicht eine Konzentration von repräsentativen Charakteren, deren Handeln [[in nuce]] die sozialen, politischen und geistigen Auseinandersetzungen Europas vor dem [[Erster Weltkrieg|Ersten Weltkrieg]] widerspiegelt. Das Gebirge bildet überdies einen Gegensatz zu Castorps Heimat, dem nüchternen, geschäftlichen und (für Joachim Ziemßen) tödlichen „Flachland“. Erst hier, ins Hochgebirge hinaufgestiegen, vermag er, sich auch geistig über die Sphäre seiner großbürgerlichen Herkunft zu erheben und schließlich, im „Schneetraum“, die Versuchung der Todessehnsucht zu überwinden. Zum Blocksberg, wo sich im ersten Teil von [[Johann Wolfgang von Goethe|Goethes]] [[Faust I|Faust]] Hexen und Zauberer zu einem obszön-höllischen Fest treffen, wird das Sanatorium in jener grotesken mit „Walpurgisnacht“ überschriebenen [[Karneval]]sszene, während der Castorp Madame Chauchat seine Liebe gesteht. Hier, hinsichtlich der Seitenzahl in der Mitte des Werkes, klingt auch zum ersten Mal der Romantitel im von Settembrini gebrachten Goethezitat an: ''Allein bedenkt! Der '''Berg''' ist heute '''zauber'''toll, Und wenn ein Irrlicht Euch die Wege weisen soll, So müßt Ihr's so genau nicht nehmen'' (Walpurgisnacht, Faust I). Des Weiteren gemahnt das Sanatorium an den [[Venusberg (Sage)|Venusberg]], einen verbreiteten, nicht zuletzt aus [[Richard Wagner]]s Oper [[Tannhäuser und der Sängerkrieg auf Wartburg|Tannhäuser]] bekannten Topos der deutschen Literatur, eine Art „höllisches Paradies“, einen Ort der Wollust und Zügellosigkeit. Dort verläuft die Zeit anders: Der Besucher glaubt, im Venusberg nur wenige Stunden verbracht zu haben. Hat er aus ihm aber herausgefunden, so sind sieben Jahre vergangen. Auch Castorp geraten die ursprünglich geplanten drei ''Berghof''-Wochen letztlich zu sieben Jahren. Aber auch sonst sind Anspielungen auf [[Märchen]] und [[Mythologie]] allgegenwärtig: Settembrini vergleicht Hofrat Behrens mit dem Totenrichter [[Rhadamanthys]] und das Sanatorium Berghof mit dem Schattenreich, in dem Hans Castorp wie ein [[Odysseus]] hospitiert. Hans Castorp übernimmt zudem die Rolle des [[Orpheus]] in der Unterwelt: Der Berghof mit seiner „horizontalen Liegeweise“ und den unterkühlten Temperaturen, in dem Hofrat Behrens mit „blauen Wangen“ wie Radamanthys regiert, gleicht dem [[Hades]]. Im Kapitel „Fülle des Wohllauts“ ist es ausgerechnet eine Aufnahme des Cancans aus [[Jacques Offenbach|Offenbach]]s [[Orpheus in der Unterwelt]], die als erstes auf dem neuen Grammophon wiedergegeben wird, und Hans Castorp schafft es durch Auflegen einer Arie aus Gounods [[Faust (Gounod)|Margarete]] während einer spiritistischen Sitzung in Dr. Krokowkis Zimmer, den Geist Joachim Ziemßens zu beschwören und somit kurz dem Totenreich zu entreißen, so wie Orpheus durch seinen Gesang die Erlaubnis erwirkt, [[Eurydike (Nymphe)|Eurydike]] mit sich aus dem Totenreich zu nehmen. Mit dem Schneetraum in dem Kapitel „Schnee“ greift Thomas Mann den [[Nekyia]]-Mythos auf, die Hadesfahrt. Nach seiner Rückkehr vom [[Hades]] ist Hans Castorp vorübergehend in der Lage, tiefgreifende Schlussfolgerungen zu ziehen. – Behrens vergleicht die Vettern mit [[Dioskuren|Castor und Pollux]], Settembrini sich selbst mit [[Prometheus]]. – Die ungebildete Frau ''Stöhr'' bringt, wenngleich verwechselnd, [[Sisyphos]] und [[Tantalus]] ins Spiel. Die üppigen Krankenmahlzeiten werden mit dem [[Tischchen deck dich, Goldesel und Knüppel aus dem Sack|Tischlein-Deck-Dich]] aus dem Märchen verglichen, Frau Engelharts hartnäckige Suche nach Madame Chauchats Vornamen erinnert an die Königstochter im [[Rumpelstilzchen]]. Castorp trägt nicht nur den Vornamen der Märchenfigur [[Hans im Glück]], sondern teilt auch dessen frohgemute Naivität. Am Ende verliert er wie dieser den Lohn von sieben Jahren, endet sein vielschichtiger Reifeprozess auf dem Zauberberg doch mutmaßlich in einem sinnlosen Tod auf dem Schlachtfeld. Schließlich klingt auch das [[Sieben Schläfer von Ephesus|Siebenschläfer]]-Motiv an, als auf einer der allerletzten Seiten des Werks zum ersten und einzigen Male der Romantitel wörtlich erscheint: ''ein historischer Donnerschlag, mit gedämpftem Respekt zu sagen, der die Grundfesten der Erde erschütterte, für uns aber der Donnerschlag, der den '''Zauberberg''' sprengt und den Siebenschläfer unsanft vor seine Tore setzt''. Selbst der Verkauf des Thermometers durch die Oberin gerät zum Initiationsritus, der Castorp endgültig in die verschworene Gemeinschaft der ''Berghof''-Bewohner aufnimmt. Sogar der Name der Oberin ''Adriatica von Mylendonk'' scheint einer anderen Welt zu entstammen. „Mein Herr, hier mutet Manches mittelalterlich an.“, meint Settembrini hierzu. Die Märchen-Zahl [[Sieben]] taucht [[leitmotiv]]isch in zahlreichen Zusammenhängen des siebenteiligen Romans auf. Sieben Jahre verbringt Castorp auf dem Berghof; der groteske Karneval, ein Höhepunkt des Romans, findet nach sieben Monaten statt. Weiter taucht die Zauberzahl in den jeweils sieben Buchstaben langen Nachnamen der Vettern auf, in der Zahl der Tische im Speisesaal sowie als Quersumme in Castorps Zimmernummer 34. Settembrinis Name enthält die Zahl auf italienisch. Joachim Ziemßen stirbt um sieben Uhr. Als Mynheer Peeperkorn seinen Entschluss zum [[Suizid]] in einer pathetischen Zeremonie besiegelt, sind sieben Personen zugegen. === Krankheit und Tod === Krankheit und Tod sind in dem Roman allgegenwärtig. Nahezu alle Protagonisten leiden in unterschiedlichem Maße an [[Tuberkulose]], die auch den Tagesablauf, die Gedanken und Gespräche beherrscht („Verein Halbe Lunge“). Immer wieder sterben auch Patienten an der Krankheit, wie etwa Barbara Hujus, die dem Leser durch die düstere [[Viaticum|Viatikum]]-Szene im Gedächtnis bleibt, oder Vetter Ziemßen, der „heroisch“ wie ein antiker Held aus dem Leben scheidet. In den Gesprächen mit Settembrini und Naphta wird die Todesthematik schließlich auf eher [[Metaphysik|metaphysischer]] Ebene disputiert. Neben die krankheitsbedingten Todesfälle treten schließlich mehrere [[Suizid]]e (Peeperkorn, Naphta), ehe der Roman schließlich in einem mörderischen Krieg endet, dem „Weltfest des Todes“. Zum Tod und zur Krankheit in seinem Roman kommentiert Thomas Mann: „Was er (gemeint ist Castorp) begreifen lernt, ist, dass alle höhere Gesundheit durch die tiefen Erfahrungen von Krankheit und Tod hindurchgegangen sein muss (…). Zum Leben, sagt einmal Hans Castorp zu Madame Chauchat, zum Leben gibt es zwei Wege: der eine ist der gewöhnliche, direkte und brave. Der andere ist schlimm, er führt über den Tod, und das ist der geniale Weg. Diese Auffassung von Krankheit und Tod, als eines notwendigen Durchganges zum Wissen, zur Gesundheit und zum Leben, macht den Zauberberg zu einem [[Initiationsroman]].“ Im „Schnee“-Kapitel erreicht Castorp mit der Überwindung der Verfallenheit an den Tod einen entscheidenden Schritt seiner geistigen Entwicklung. In ironischer Brechung der hier gewonnenen lebensfreundlichen Maxime erlaubt der Autor seinem Protagonisten erst im letzten Kapitel, nach seiner Erkenntnis zu handeln und, nicht einmal freiwillig, die von Krankheit und Tod beherrschte Welt des Zauberbergs zu verlassen. === Zeit === Mit der Leben/Tod-Thematik ist der Begriff der [[Zeit]] verwoben, ein weiteres zentrales [[Motiv (Literatur)|Motiv]] im Zauberberg. Obwohl der Roman nahezu chronologisch aufgebaut ist, verläuft die Handlung nicht in gleichmäßiger Geschwindigkeit, sondern beschleunigt zunehmend. Die ersten fünf Kapitel, etwa die Hälfte des Textes, beschreiben [[Zeitlupe|zeitdehnend]] und detailreich lediglich das erste von Castorps sieben Zauberbergjahren, das dem Protagonisten täglich Neues, Interessantes bringt. Die letzten beiden Kapitel drängen, [[Zeitraffer|raffen]] und verdichten indes einen Zeitraum von sechs für Castorp eher von Routine und Monotonie geprägten Jahren; Mann verarbeitet dabei zitierend ein philosophisches Thema des von ihm verehrten [[Arthur Schopenhauer]], das „zeitlose Jetzt“, lat. [[nunc stans]]. Der Asymmetrie im Romanaufbau entspricht auf der Erzählebene eine verzerrte Zeitwahrnehmung durch den Protagonisten selbst. Schließlich wird im Roman fortwährend über das Phänomen der Zeit auch auf theoretischer Ebene diskutiert: Über die Frage etwa, inwieweit „Interessantheit und Neuheit des Gehalts die Zeit vertreibe, das heißt: verkürze, während Monotonie und Leere ihren Gang beschwere und hemme“ (kurzfristig). Erörtert wird auch das Problem der „Erzählbarkeit“ von Zeit, des Zusammenhangs zwischen der Dauer eines Berichts und der Länge des Zeitraums, auf den er sich bezieht (Erzählzeit, erzählte Zeit). === Erotik === Der Protagonist Hans Castorp teilt die [[Bisexualität|bisexuelle]] Orientierung seines Autors. So liebt er einerseits leidenschaftlich die Russin Clawdia Chauchat. Seine [[Homosexualität|homoerotische]] Ausrichtung kommt indes in seiner Neigung zu seinem Jugendfreund Přibislav Hippe zum Ausdruck, aber auch in der Faszination, die der lebenskräftige Weltmensch Peeperkorn auf Castorp ausübt. Verbunden werden die beiden Aspekte seiner Sexualität durch das Symbol des Bleistifts: Sowohl von Přibislav als auch von Clawdia borgt er sich einen „Crayon“. Während dieser „dünn und zerbrechlich ist“, erweckt der seines Schulfreundes, für den pubertierenden Castorp geradezu eine verehrte Reliquie, durch Größe und Gestalt [[Phallussymbol|phallische]] Assoziationen. Im Laufe des Romans wird die Thematik vielfach ironisch gebrochen: in Castorps Liebesschwüren auf dem Karneval, die keineswegs frei von Komik sind, in den Röntgenbildern, die Hofrat Behrens Castorp zu „Studienzwecken“ zeigt, „ein Frauenarm, Sie ersehen es aus seiner Niedlichkeit. Damit umfangen sie uns beim Schäferstündchen“, schließlich in der seltsamen Dreierbeziehung, die Castorp und Clawdia zu gemeinsamen Verehrern Peeperkorns werden lässt. Nicht zu vergessen die homoerotische Beziehung zwischen Castorp und Settembrini, erstmals referenziert durch Naphta, als Settembrini Castorps Bewunderung für Peeperkorn mit der Bemerkung kommentiert, dass dieser ihm doch bereits seine Clawdia weggenommen habe, und ihn fragt, warum er dagegen nichts unternehme. Naphta erinnert Settembrini daran, dass auch der Angesprochene selbst bisher nichts gegen Clawdia und Peeperkorn unternommen habe, die seiner und Naphtas Beziehung zu Castorp im Grunde nur hinderlich sind. Auch das homoerotische Interesse Fräulein Engelharts an Mme Chauchat ist zu erwähnen. Fräulein E. solidarisiert sich mit Castorp in der gemeinsamen Verehrung der Angebeteten, um solcherart quasi als Trittbrettfahrerin einer realistischeren Beziehung teilhaftig zu werden. Während des Karnevals sucht Frl. Engelhart die Nähe Castorps, auf dass der Blick Clawdias, der Castorp wahrnimmt, gleichzeitig auch auf sie falle. === Musik === Wie so oft bei Thomas Mann –&nbsp;etwa in den [[Buddenbrooks]] oder ganz besonders in [[Doktor Faustus]]&nbsp;– spielt auch im Zauberberg die Musik eine entscheidende Rolle. Die Musik steht hier für die von Hans Castorp letztlich überwundene „Sympathie mit dem Tod“ (eine Formulierung des Komponisten [[Hans Pfitzner]], die Thomas Mann oft aufgriff). In dem Kapitel „Fülle des Wohllauts“ bespricht Thomas Mann eingehend fünf Musikstücke: [[Giuseppe Verdi]]s ''[[Aida (Oper)|Aida]]'', [[Claude Debussy]]s ''[[Prélude à l’après-midi d’un faune]]'', [[Georges Bizet]]s ''[[Carmen (Oper)|Carmen]]'', [[Charles François Gounod|Charles Gounods]] ''[[Faust (Gounod)|Faust]]'' und [[Franz Schubert]]s ''[[Am Brunnen vor dem Tore]]''. Vor allem das zuletzt genannte Lied wird für Thomas Mann zum Inbegriff romantischer Todessehnsucht, deren Überwindung letztlich das große Thema des Zauberberg ist. Nicht umsonst summt Hans Castorp in der Schlussszene des Buchs, auf den Schlachtfeldern des [[Erster Weltkrieg|Ersten Weltkriegs]], den ''Lindenbaum'' vor sich hin. Hier wird der romantische Todeskult, wie er sich etwa in [[Richard Wagner]]s –&nbsp;von Thomas Mann sehr geschätzter&nbsp;– Oper ''[[Tristan und Isolde (Oper)|Tristan und Isolde]]'' findet, drastisch parodiert. === Figuren === Zahlreiche Zeitströmungen finden sich in bestimmten Figuren des vielschichtigen Zauberberg-Kosmos verkörpert. ==== Castorp ==== ''Hans Castorp,'' nach des Autors eigenem Bekunden ein „Gralssucher“ in der Tradition [[Parzival]]s, ein „reiner Tor“, bleibt blass und mittelmäßig gezeichnet. Er steht für das deutsche [[Bürgertum]], das sich, zwischen widersprüchlichen Einflüssen hin- und hergerissen, zu höchsten [[Humanismus|humanistischen]] Leistungen aufschwingen kann, aber auch [[Philister (Ästhetik)|dumpf-philiströser]] Kulturfeindlichkeit ebenso anheimfallen wie radikaler [[Ideologie]]. Wie oft bei Thomas Mann verbirgt sich hinter der Namenswahl auch hier eine tiefere Bedeutung. „Hans“ steht einerseits für den deutschen Allerweltsnamen schlechthin. Viele Märchenfiguren tragen ebenfalls diesen Namen, wie etwa der bereits erwähnte ''Hans im Glück.'' Wichtig ist zudem die biblische Konnotation: Hans als Kurzform von [[Johannes]] verweist auf den Lieblingsjünger [[Jesus Christus|Jesu]] sowie den [[Johannes (Evangelist)|Evangelisten]], dem die [[Offenbarung des Johannes|Offenbarung]] zuteil wird. Die auf Castorp wirkenden Einflüsse werden durch weitere Hauptfiguren des Werks vertreten: ==== Settembrini ==== ''Settembrini'' vertritt intellektuelle Aufgeklärtheit und Lebensbejahung. Tätigsein ist für ihn ein ethischer Wert. Er macht sich zu ''Hans Castorps'' Mentor und Erzieher. In dieser Rolle weist er ihn auf das Absurde hin, das in dessen Faszination von Krankheit und Tod liegt. Er warnt ihn auch vor dem fahrlässig-trägen Charakter der Russin ''Madame Chauchat'', einer Sanatoriumspatientin, in die sich ''Hans Castorp'' nachhaltig verliebt hat. In einer Szene veranschaulicht Thomas Mann symbolisch ''Settembrinis'' aufklärende (‚erhellende‘) Funktion, als er ''Hans Castorp'' im Dunkeln vorfindet und vor der Gesprächseröffnung das Deckenlicht anknipst. ''Settembrinis'' verehrtes Vorbild [[Carducci]] hat eine Hymne auf einen anderen, nicht geheueren Lichtbringer geschrieben, auf [[Luzifer]], „la forza vindice della ragione“. Sich selbst vergleicht ''Settembrini'' mit [[Prometheus]], der den Menschen das Feuer als technischen Fortschritt gebracht hat. Settembrini gibt sich im "''Zauberberg''" gegenüber Hans Castorp als [[Freimaurer]] zu erkennen. Von seinem Gegenspieler Naphta wird Settembrini als ''„Zivilisationsliterat“'' verspottet, einer Wortschöpfung Thomas Manns aus seinem Essay [[Betrachtungen eines Unpolitischen]]. Tatsächlich ist der Italiener und Intellektuelle als [[Karikatur]] des westlich orientierten, liberal-demokratischen Schriftstellertyps gedacht, wie ihn Thomas Manns Bruder und Schriftsteller-Rivale [[Heinrich Mann|Heinrich]] verkörperte. Parallel zur Entstehung des Romans vollzog sich die bemühte Hinwendung Thomas Manns zur Demokratie und zur [[Weimarer Republik]]. In Selbstzeugnissen hat Thomas Mann sich skeptisch geäußert über die extremen Standpunkte der Antagonisten ''Settembrini'' und ''Naphta'', aber hinzugefügt, dass ihm die Figur ''Settembrinis'' näher stehe als der doktrinäre Terrorist ''Naphta''. Die äußere Erscheinung ''Settembrinis'' orientiert sich an dem italienischen Komponisten [[Ruggero Leoncavallo]]. Der Name Settembrini ist eine Anspielung auf den Literaten und [[Freimaurerei|Freimaurer]] [[Luigi Settembrini]], der auch [[Meister vom Stuhl]] einer [[Freimaurerloge]] war.<ref>Eugen Lennhoff, Oskar Posner, Dieter A. Binder: ''Internationales Freimaurer Lexikon''. 5. Auflage 2006, Herbig Verlag, ISBN 978-3-7766-2478-6, Lemma Settembrini, S. 780</ref><ref>William R. Denslow, [[Harry S. Truman]]: ''10,000 Famous Freemasons from K to Z''. ISBN 1-4179-7579-2</ref> ==== Naphta ==== ''Naphta'' indes steht für die zersetzenden Kräfte, den [[Extremismus]] von beiden Seiten, wie er sich in der [[Weimarer Republik]] zunehmend etablieren konnte, für die Selbstzerstörung, die in ein [[Totalitarismus|totalitäres]] System führen sollten. Sein heterogen aus radikal-ideologischen Versatzstücken aller Art geformtes Weltbild trägt ebenso [[Kommunismus|kommunistische]], [[Anarchismus|anarchistische]] wie [[Faschismus|faschistoide]] Züge. In diesem Sinne ist seine Religiosität nicht nur christlich, sondern beispielsweise auch [[Pantheismus|pantheistisch]] orientiert. Zentrale religiöse und philosophische Werte werden durch brillant-kalte Intelligenz und [[Sophistik|sophistische]] [[Rhetorik]] ihres Sinnes entkleidet und ad absurdum geführt, „als wollte er wahrhaben, dass sich die Sonne um die Erde drehe“. Naphta verkörpert eine anti-humane, anti-aufklärerische Gedankenwelt. Er konkurriert mit Settembrini um die Gunst ihres wissbegierigen Schülers Hans Castorp. Letzterer erkennt an, dass die ätzende [[Rabulistik]] in den Wortgefechten zumeist obsiegt. Der Streit der beiden unversöhnlich gegeneinander stehenden Weltanschauungen eskaliert schließlich in einem Pistolenduell. Zuvor jedoch, im Schneekapitel, als er seine beiden Mentoren als „Schwätzer“ entlarvt, hat der umkämpfte Hans Castorp zugunsten Settembrinis eingestanden, dass jener es immerhin gut meine. Es ist gewiss kein Zufall, dass Naphta in Thomas Manns ursprünglicher Romankonzeption nicht vorgesehen war, sondern erst später eingearbeitet wurde. Als mögliche Vorbilder für die Figur werden eine Reihe radikaler Persönlichkeiten der Epoche genannt, u.&nbsp;a. [[Leo Trotzki]] und [[Georg Lukács]]. Bemerkenswert ist, dass Thomas Mann präfaschistisches, antihumanes Gedankengut ausgerechnet von einem [[Juden]] vertreten lässt – wie übrigens später auch im ''Doktor Faustus,'' wo faschistisches Denken durch den Juden Dr. Chaim Breisacher repräsentiert wird. ==== Clawdia Chauchat ==== ''Clawdia Chauchat'' verkörpert im Roman die [[Erotik|erotische]] Verführung, wenn auch in ihrer morbiden, zu „asiatischer Schlaffheit“ degenerierten Form. Vor allem seine Verliebtheit ist es, die Castorp länger als geplant auf dem Zauberberg verweilen lässt. Sinneslust, die männlichen Tatendrang hemmt – die Liste literarischer Vorbilder reicht von [[Circe]] bis hin zu den Nymphen in Wagners [[Tannhäuser und der Sängerkrieg auf Wartburg|Venusberg]]. Auffallend erscheint die vielfach zum Ausdruck kommende, an [[Charles Baudelaire|Baudelaires]] berühmtes Gedicht in den [[Les Fleurs du Mal|Fleurs du mal]] erinnernde Katzen-Symbolik: Als „kirgisenäugig“ wird die Russin bezeichnet, ihr Nachname erinnert an das französische ''chaud chat,'' „heiße Katze“. Im Vornamen tauchen Krallen auf, englisch ''claws'' genannt. In der Figur der Clawdia soll Thomas Mann eine Mitpatientin seiner Frau namens ''Clawelia'' literarisch verarbeitet haben. ==== Mynheer Peeperkorn ==== [[Datei:Gerhart Hauptmann 1912 von Max Liebermann.JPG||miniatur|Gerhart Hauptmann von [[Max Liebermann]] portraitiert in dem Jahr, in welchem er den Nobelpreis erhielt]] Der erst spät auftretende Mynheer Peeperkorn, Madame Chauchats neuer Liebhaber, zählt zu den markantesten Figuren des Romans. Von Settembrini als „dummer alter Mann“ geschmäht, erinnert er erkennbar an jene zwiespältigen Figuren aus Manns früheren Werken, denen der Autor bzw. sein jeweiliger Protagonist ob ihrer naiv-vitalen Kraft Bewunderung, Neid und Verachtung gleichermaßen entgegenbringt. Zu nennen sind insbesondere Herr ''Klöterjahn'' aus der Novelle „[[Tristan (Thomas Mann)|Tristan]]“ sowie [[Tonio Kröger]]s lebenskräftiger Freund ''Hans Hansen.'' Während diese aber nüchtern und sachlich dargestellt werden, trägt Peeperkorn mit seinem kruden Vitalitätskult groteske Züge. Er gerät zur Karikatur des Dionysischen. Den entgegengesetzten Charakter verkörpert Joachim Ziemßen, dem jeglicher dionysische Wesenszug fehlt. Peeperkorn und Ziemßen gehen letztlich an ihrer Einseitigkeit zugrunde – nicht jedoch der „mittelmäßige“ Hans Castorp. Im Laufe seines Aufenthalts auf dem Zauberberg gelingt es ihm, die Gegensätze ''[[apollinisch-dionysisch|apollinisch]]'' und ''[[apollinisch-dionysisch|dionysisch]]'' zu überwinden. Modell für ''Peeperkorn'' war Thomas Manns Schriftstellerkollege [[Gerhart Hauptmann]], der sich beim Lesen wiedererkannte (Bleistift-Marginalien in Hauptmanns Lese-Exemplar; Beschwerdebrief an den gemeinsamen Verleger S. Fischer). Auch [[Max Liebermann]] hatte anlässlich einer Lesung die Vorlage der narrativen Karikatur sogleich erkannt. ==== Joachim Ziemßen ==== Vetter ''Joachim Ziemßen'' schließlich erscheint als Vertreter der soldatisch-treuen Pflichterfüllung. Eine Figur, die sich –&nbsp;wenn auch nur vordergründig&nbsp;– den Herausforderungen des Lebens stellt und ihnen durch aktives Tätigwerden zu begegnen sucht. Trotz der vermeintlichen Andersartigkeit besteht zwischen Joachim und seinem Vetter Hans durchaus eine Seelenverwandtschaft. Hofrat Behrens spielt darauf an, wenn er die Vettern scherzhaft „Castor'''p''' und Pollux“ nennt. Zwischen beiden herrscht beredtes Schweigen – wichtig ist gerade das, was nicht offen gesagt wird. Parallel laufen auch die Liebesgeschichten der beiden Cousins ab. Während aber Hans sich allzu bereitwillig in den Rausch seiner Verliebtheit in Madame Chauchat ergibt, versagt sich Joachim, selbst heftig der ebenfalls russischen Mitpatientin ''Marusja'' verfallen, seinen Gefühlen freien Lauf zu lassen. Stattdessen setzt er, der ähnlich wie sein Vetter Gefährdete, willentlich alles daran, den hermetischen Mikrokosmos des Zauberbergs und seine körperliche, vor allem aber geistige Morbidität zu verlassen – um jedoch moribund zurückzukehren. Mit seinem stets tadellosen Benehmen und der ruhigen, zurückhaltenden Art gewinnt Joachim von Beginn an die Sympathie des Lesers für sich. Entsprechend anrührend ist das Kapitel „Als Soldat und brav“ (eine Zeile aus [[Johann Wolfgang von Goethe|Goethe]]s [[Faust I|Faust]] zitierend), welches seine resignative Rückkehr, sein stilles Leid und gefasstes Sterben schildert. Die Figur des „braven Joachim“ weckt Anklänge an das in Thomas Manns Werken wiederholt aufgegriffene Motiv des [[Sebastian (Heiliger)|heiligen Sebastian]]. Die Entschlossenheit, ein schweres Schicksal in Würde zu ertragen, erinnert an weitere bekannte Leistungsethiker wie ''Gustav Aschenbach'' oder ''Thomas Buddenbrook,'' die ebenso wie Joachim an ihrer selbstauferlegten Starre scheitern. ==== Weitere Figuren ==== Klinikleiter Hofrat ''Behrens'' trägt Züge des Dr. Jessen, jenes Mediziners, der seinerzeit Manns Frau Katia behandelt hatte. Vom Autor wird er wenig schmeichelhaft porträtiert, als „stiernackig (…) mit vorquellenden, blutunterlaufenen Augen, blauen Backen, Stumpfnase und riesigen Händen und Füßen“. Geredet haben soll Behrens' Vorbild wie „die Karikatur eines forschen Korpsstudenten“. Karikiert wird insbesondere auch Jessens Neigung, aus wirtschaftlichem Interesse den Patienten medizinisch nicht indizierte Verlängerungen ihres Aufenthalts anzuraten. Den Besucher Thomas Mann selbst etwa hatte der Mediziner seinerzeit wegen eines harmlos-lästigen [[Katarrh]]s ein halbes Jahr in der Klinik behalten wollen. Hinter ''Dr. Krokowski'' wird der Psychoanalytiker [[Georg Groddeck]] vermutet, der auch als Wegbereiter der [[Psychosomatik]] gilt. In seinem Sanatorium ''Marienhöhe'' bei [[Baden-Baden]] hatte er ab 1912 Vorträge gehalten, in denen er in ähnlicher Weise Zusammenhänge zwischen Liebe und Krankheit herstellt, wie dies Dr. Krokowski auf dem ''Berghof'' tut. Seine Thesen hat er insbesondere auch in dem 1913 veröffentlichten Werk „Nasamecu“ ''(natura sanat – medicus curat)'' niedergelegt. Auch fällt der lautliche Anklang „Kro“-„Gro“ auf. In der Person des Dr. Krokowski vereinte Thomas Mann mehrere Vorbilder: Neben [[Sigmund Freud]] ist Dr. Edhin Krokowski auch Dr. [[Richard von Krafft-Ebing]], dessen Werk Thomas Mann nachweislich bekannt war. Dr. Krokowski behandelt die „erschreckenden und unheimlichen Abwandlungen der Liebe“ und zwar in jenem „zugleich poetischen und gelehrten Stil“, der für Krafft-Ebings berühmtes Werk „[[Psychopathia sexualis (Krafft-Ebing)|Psychopathia sexualis]]“ charakteristisch ist. Für die ungebildete, ordinäre ''Frau Stöhr,'' die etwa „desinfiszieren“ statt „desinfizieren“ sagt und „kosmisch“ mit „kosmetisch“ verwechselt, hat eine gewisse Frau Plür Pate gestanden, eine von Katias Mitpatientinnen. == Entstehungsgeschichte == [[File:Portraetaufnahme von Thomas Mann 1905.jpg|miniatur|Thomas Mann auf einer Portraitaufnahme von 1905]] Äußerer Anlass für das Werk war ein Sanatoriumsaufenthalt von Thomas Manns Frau [[Katia Mann|Katia]] in [[Davos]] im Jahre 1912 (Waldsanatorium, Davos Platz, Dr. F. Jessen). In zahlreichen, heute nicht mehr erhaltenen Briefen hatte sie ihrem Mann vom Alltag in der Heilanstalt berichtet. Bei einem dreiwöchigen Besuch lernte ihn Thomas Mann auch aus eigener Anschauung kennen. Ursprünglich hatte er die Absicht gehabt, die dort empfangenen Eindrücke im Rahmen einer [[Novelle (Literatur)|Novelle]] zu verarbeiten; sie sollte „eine Art von humoristischem, auch groteskem Gegenstück“, ein „[[Satyrspiel]]“ zum 1912 erschienen [[Der Tod in Venedig|Tod in Venedig]] werden und in der [[Neue Rundschau|Neuen Rundschau]] veröffentlicht werden. Bereits 1913 begann Thomas Mann mit der Niederschrift und unterbrach hierfür sogar die Arbeit am [[Felix Krull]]. 1915 zwang ihn der Ausbruch des [[Erster Weltkrieg|Ersten Weltkriegs]] zu einer Pause. Die Arbeit sollte erst 1920 wieder aufgenommen werden, nachdem zwischendurch u.&nbsp;a. [[Herr und Hund]], der [[Gesang vom Kindchen]] sowie die [[Betrachtungen eines Unpolitischen]] erschienen waren. Die ursprünglich geplante „Novelle“ war mittlerweile zu einem zweibändigen Roman angewachsen, zu einer „ausgedehnten short story“, wie Thomas Mann später augenzwinkernd kommentieren sollte. 1924 erschien das Werk im [[S. Fischer Verlag]]. Im Zauberberg verwendete Motive und Anspielungen sind im Werk Thomas Manns schon in der 1903 erschienenen Erzählung [[Tristan (Thomas Mann)|Tristan]] vorweggenommen: Anton Klöterjahn bringt seine lungenkranke Frau Gabriele in ein Bergsanatorium. Dort lernt sie den Schriftsteller Detlev Spinell kennen. Dieser bringt sie dazu, ein Stück aus [[Richard Wagner|Wagners]] Oper [[Tristan und Isolde (Oper)|Tristan und Isolde]] auf dem Klavier vorzuspielen, obwohl ihr die Ärzte jede Anstrengung untersagt haben. == Wirkungsgeschichte == === Weimarer Republik === Beim Publikum stieß der ''Zauberberg'' sofort auf große Resonanz und erreichte bereits nach vier Jahren eine Auflage von 100.000 Exemplaren. Übersetzungen erfolgten bislang in 27 Sprachen, darunter alle größeren europäischen. Auf [[Englische Sprache|Englisch]] gibt es sogar fünf, auf [[Japanische Sprache|Japanisch]] zwei Versionen. Erhebliche Verärgerung rief der Roman indes bei einer ganzen Reihe von Zeitgenossen hervor, die im ''Zauberberg'' karikiert worden waren. Zu nennen ist insbesondere der alte [[Gerhart Hauptmann]], der –&nbsp;für den Bekanntenkreis Hauptmanns erkennbar&nbsp;– als äußerliches Vorbild für die Figur des trunksüchtigen, anti-intellektuell gezeichneten Lebemanns ''Mynheer Peeperkorn'' gedient hatte. Trotz eines wortreichen Entschuldigungsbriefes vom 11. April 1925, in dem [[Thomas Mann]] bekennt, sich „versündigt“ zu haben, sollte es –&nbsp;nach einer Version&nbsp;– bis zum Goethejahr 1932 dauern, bis Hauptmann seinem jüngeren Kollegen endgültig verzieh. Nach einer anderen Version war es nicht der Dichter Hauptmann selbst, der auf dieses Porträt ablehnend und mit vorübergehender Distanzierung reagierte, sondern lediglich seine Frau. Pikiert zeigte sich auch ''Dr. Jessen,'' der Davoser Anstaltsarzt, der 1912 Thomas Manns Frau Katia behandelt hatte, und sich unschwer im „geschäftstüchtigen“ Hofrat ''Prof. Behrens'' wiedererkannte. Aus Kollegenkreisen wurde ihm gar nahegelegt, den Autor zu verklagen, wobei jedoch die Erwartung einer gewissen Publicity für die Klinik und den Ort [[Davos]] mitgespielt haben mag. Jessen ließ indes die Sache letztlich auf sich beruhen. Auch im Übrigen stieß der Zauberberg bei der Ärzteschaft auf erhebliche Kritik. Vom fachlich-medizinischen Standpunkt konnte jedoch gegen die Schilderung des Sanatoriumsbetriebs nichts eingewandt werden. [[Walther Amelung]] schrieb hierzu: „Th. M. hatte das Heilstättenmilieu sehr richtig erfaßt. Die Angriffe von Ärzten waren unberechtigt. Der Autor hat sich sehr klug 1925 in der Deutsch. Med. Wochenschr. verteidigt; Hans Castorp kommt durch seinen Aufenthalt in Davos >in die Höhe<, versackt nicht.“ Der Verkehrsverein von Davos bestellte bei [[Erich Kästner]] im Jahre 1936 einen „heiteren Roman über Davos“, weil „Thomas Manns 'Zauberberg' den Ort in gesundheitlicher Hinsicht in Verruf gebracht hatte.“ Kästner verfasste den in Davos spielenden 'Zauberlehrling' mit Doppelgänger-Motiven und einem 'Zeus', der Blitze schleuderte. In den Kreisen der literarischen Fachwelt erfuhr der Zauberberg indes großteils positives Echo. Erwähnt sei etwa [[Arthur Schnitzler]], der, obgleich selbst Arzt, die Vorbehalte seiner Kollegen gegen den Roman nicht teilte. Wohlwollend urteilten auch [[Georg Lukács]], der sich zu Thomas Manns Verwunderung in der Figur des ''Leo Naphta'' nicht wiederfand, [[André Gide]] sowie [[Ernst Robert Curtius]]. Kritischer fielen indes die Voten von [[Carl Sternheim]], [[Alfred Döblin]] und [[Bertolt Brecht]] aus, der Mann als „regierungstreuen Lohnschreiber der [[Bourgeoisie]]“ schmähte. Die Begründung des [[Stockholm]]er Komitees für den [[Nobelpreis]] im Jahr 1929 bezog sich wegen der Abneigung des Jurymitglieds [[Fredrik Böök]] gegen Manns dritten Roman in erster Linie auf [[Buddenbrooks]]. === Drittes Reich === Die [[Nationalsozialismus|Nationalsozialisten]] schmähten zwar den ''Zauberberg'' als „Lob der Dekadenz“ und Verunglimpfung des von ihnen propagierten „soldatischen Heldentums“. Gleichwohl erschien das Werk nicht auf der schwarzen Liste von [[Joseph Goebbels|Goebbels']] Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda. === Nachkriegszeit === Nach seinem Tod geriet Thomas Mann als „großbürgerlicher“ Autor mit seinem Werk ''Der Zauberberg'' zunehmend in die Kritik linker Literatenkreise, wie etwa der [[Gruppe 47]]. Die von der [[68er-Bewegung]] geprägte Kritik erreichte ihren Höhepunkt im Thomas-Mann-Jahr 1975. Seither ist indes eine Mann-Renaissance zu beobachten. Insbesondere ist sie auch auf das Wirken des einflussreichen Kritikers [[Marcel Reich-Ranicki]] zurückzuführen, der in einem Interview bekannt hat, „keine besseren“ deutschen Romane zu kennen als [[Johann Wolfgang von Goethe|Goethes]] [[Die Wahlverwandtschaften|Wahlverwandtschaften]] und den ''Zauberberg.'' Der Roman ''Castorp'' des polnischen Schriftstellers [[Paweł Huelle]] handelt vom Studium des Protagonisten in [[Danzig]], wo dieser laut einem Hinweis im ''Zauberberg'' vier Jahre am [[Technische Universität Danzig|Polytechnikum]] zugebracht haben soll. Der Roman erschien 2004 in deutscher Sprache. == Verfilmung == Die erste Verfilmung war eine TV-Produktion des [[Sender Freies Berlin]] in Schwarzweiß unter der Regie von [[Ludwig Cremer]]. Premierendatum in Deutschland: 4. Januar 1968. Darsteller: [[Folker Bohnet]], Heinz Klevenow, [[Michael Degen]] und [[Curt Bois]]. An das Remake als Farbversion wagte sich 1981 der Münchner Filmproduzent [[Franz Seitz junior|Franz Seitz]], wobei [[Hans W. Geißendörfer]] Regie führte. Die deutsch-französisch-italienische Coproduktion weist eine Länge von 2½ Stunden in der Kino-, sowie 7 Stunden in der Fernsehfassung auf. Darsteller sind unter anderem [[Christoph Eichhorn]] als Castorp, [[Rod Steiger]] als Peeperkorn, [[Marie-France Pisier]] als Clawdia Chauchat, [[Hans Christian Blech]] als Hofrat Behrens, [[Flavio Bucci]] als Settembrini, [[Charles Aznavour]] als Naphta, [[Alexander Radszun]], [[Margot Hielscher]], [[Gudrun Gabriel]], [[Ann Zacharias]], [[Irm Hermann]], [[Kurt Raab]], [[Rolf Zacher]] und [[Tilo Prückner]]. == Musik == Der Kölner [[Minimal-Techno]]-Musiker [[Wolfgang Voigt]] veröffentlichte 1999 unter dem Projektnamen ''Gas'' das Album ''Zauberberg,'' welches im Titel und indirekt in den düsteren Klangkompositionen auf Manns Werk Bezug nimmt. Oper „Zauberberg“, nach dem Roman von Thomas Mann. Komponist: Robert Grossmann, Libretto: Rolf Gerlach. Uraufführung in Chur (Schweiz) 2002. == Lesungen == * Hörbuch als leicht gekürzte Lesung von [[Gert Westphal]], Verlag: Deutsche Grammophon, 15 CDs ISBN 382911317X * Hörbuch als leicht gekürzte Lesung von [[Gert Westphal]], Verlag: Deutsche Grammophon, 7 Cassetten, ISBN 3829100310 * Hörspielbearbeitung, Verlag: Der Hörverlag, 10 CDs, ISBN 3899402588 * Hörspielbearbeitung, Verlag: Der Hörverlag, 8 Kassetten, ISBN 3899402839 == Literatur == === Textausgaben === * ''Der Zauberberg.'' Große kommentierte Frankfurter Ausgabe. Bd 5/1-2. S. Fischer, Frankfurt am Main 2002, ISBN 3-10-048324-3 (Gut edierte Ausgabe, umfangreicher Kommentarband) * ''Der Zauberberg.'' Fischer-Taschenbuch, Frankfurt 1991, ISBN 3-596-29433-9 === Sekundärliteratur === * Helmut Gutmann: Das Musikkapitel in Thomas Manns ‚Zauberberg’. In: ''The German Quarterly 47.'' 1974, S. 415-431 * Sven Hanuschek: Keiner blickt dir hinter das Gesicht - Das Leben Erich Kästners, München 2003 * Nadine Heckner, Michael Walter: ''Thomas Mann. Der Zauberberg.'' Hollfeld, September 2006 * Eckard Heftrich: ''Zauberbergmusik. Über Thomas Mann.'' Frankfurt am Main 1975, ISBN 978-3-465-01120-0 * [[Rudolf Kassner]]: ''Geistige Welten.'' Ullstein, Frankfurt 1958, S. 85–90 * Hanjo Kesting: ''Krankheit zum Tode. Musik und Ideologie.'' In: ''Text + Kritik. Sonderband Thomas Mann.'' München 1976, S. 27-44 * Borge Kristiansen: ''Zu Bedeutung und Funktion der Settembrini-Gestalt in Thomas Manns Zauberberg.'' In: ''Gedenkschrift für Thomas Mann.'' Text und Kontext, Kopenhagen 1975, ISBN 87-980394-1-5, S. 95ff. * Hermann Kurzke: ''Wie konservativ ist der Zauberberg?'' In: ''Gedenkschrift für Thomas Mann.'' Text und Kontext, Kopenhagen 1975, ISBN 87-980394-1-5, S. 137ff. * Koopmann, Helmut: ''Der klassisch-moderne Roman in Deutschland. 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Die Peeperkorn-Affäre.}} == Einzelnachweise == <references /> {{Vorlage:Navigationsleiste Romane und Novellen von Thomas Mann}} {{Exzellent}} {{Normdaten|SWD=4099303-6}} {{DEFAULTSORT:Zauberberg, Der}} [[Kategorie:Thomas Mann]] [[Kategorie:Literarisches Werk]] [[Kategorie:Literatur (20. Jahrhundert)]] [[Kategorie:Literatur (Deutsch)]] [[Kategorie:Gesellschaftsroman]] [[Kategorie:Entwicklungsroman]] [[Kategorie:Roman, Epik]] [[Kategorie:Kultur (Kanton Graubünden)]] [[Kategorie:Davos]] {{Link FA|es}} [[bg:Вълшебната планина]] [[ca:La muntanya màgica]] [[cs:Kouzelný vrch]] [[en:The Magic Mountain]] [[es:La montaña mágica]] [[fi:Taikavuori]] [[fr:La Montagne magique]] [[he:הר הקסמים]] [[hu:A varázshegy]] [[it:La montagna incantata]] [[ja:魔の山]] [[la:Der Zauberberg]] [[nl:De Toverberg]] [[nn:Der Zauberberg]] [[no:Trolldomsfjellet]] [[pl:Czarodziejska Góra]] [[pt:A Montanha Mágica]] [[sv:Bergtagen (roman)]] [[uk:Зачарована гора]] [[zh:魔山 (小說)]] lazy19jbhx0mxlkknlicgoc66z7gycz wikitext text/x-wiki Der Zauberer von Oz 0 24544 27148 2010-05-03T18:07:57Z Regi51 0 Änderungen von [[Special:Beiträge/91.48.212.12|91.48.212.12]] rückgängig gemacht und letzte Version von Spuk968 wiederhergestellt {{Dieser Artikel|behandelt das Buch ''Der Zauberer von Oz''. Für die Verfilmung aus dem Jahr 1939, siehe [[Das zauberhafte Land]].}} [[Datei:Wizard title page.jpg|thumb|288px|Titelblatt der englischen Originalausgabe aus dem Jahre 1900]] '''Der Zauberer von Oz''' ist ein [[Kinder- und Jugendliteratur|Kinderbuch]] des [[Vereinigte Staaten|US-amerikanischen]] [[Schriftsteller]]s [[Lyman Frank Baum]]. Die [[Erzählung]] erschien 1900 unter dem Originaltitel '''The Wonderful Wizard of Oz''' (später auch unter dem Titel '''The Wizard of Oz''') mit [[Illustration]]en von [[William Wallace Denslow]]. Wegen des großen Erfolges schrieben Baum und andere Autoren zahlreiche Fortsetzungen. Die erste deutschsprachige Übersetzung erschien 1940 in der [[Schweiz]]. Viele US-Amerikaner sind mit dieser Erzählung aufgewachsen und mit ihr so vertraut wie deutschsprachige Mitteleuropäer mit den [[Märchen]] von [[Hänsel und Gretel]] oder [[Rotkäppchen]]. Zu ihrem Bekanntheitsgrad und Wiedererkennungswert trugen vor allem die Verfilmungen bei, deren bekannteste mit [[Judy Garland]] in der Rolle von „Dorothy“ im Jahr 1939 entstand ''([[Das zauberhafte Land]]).'' == Handlung == [[Datei:Cowardly lion2.jpg|thumb|Dorothy trifft den Löwen - Illustration der ersten Ausgabe]] [[File:Wickedwitchofwest.JPG|thumb|Die Böse Hexe des Westens]] === Die Hauptfiguren der Geschichte === Hauptfiguren der Erzählung sind Dorothy Gale, ein junges Mädchen aus [[Kansas]], ihr kleiner Hund Toto, die [[Vogelscheuche]], die gerne [[Verstand]] hätte, der Blechmann, dem das Herz fehlt, und der Feige Löwe. Die Gegenspieler von Dorothy und ihren Begleitern sind zahlreich. Zu ihnen zählen die Böse Hexe des Westens, [[Wölfe]], [[Raben und Krähen|Krähen]], [[Bienen]], die Geflügelten Affen, die der Goldenen Zauberkappe gehorchen müssen, Spinnen, Kampfbäume, Hammerköpfe und der titelgebende Zauberer von Oz selbst. === Im Land der Munchkins === Dorothy lebt gemeinsam mit ihrem Onkel Henry, ihrer Tante Emmy und dem Hund Toto auf einer Farm in [[Kansas]]. Als ein [[Wirbelsturm]] die Region heimsucht, gelingt es Dorothy nicht mehr rechtzeitig, in den Sturmkeller zu flüchten. Der Wirbelsturm reißt das gesamte Farmhaus mit sich und mit ihm Dorothy und ihren Hund. Nach stundenlanger Reise setzt der Sturm das Haus auf einer Wiese im Land der Munchkins ab und begräbt dabei die Böse Hexe des Ostens unter dem Haus. Diese herrschte bis dahin über die Munchkins. Gemeinsam mit den Munchkins begrüßt die Gute Hexe des Nordens die gelandete Dorothy und überreicht ihr die Silberschuhe, welche die Böse Hexe des Ostens trug, als sie vom landenden Farmhaus erschlagen wurde. Um den Weg nach Hause zurück zu finden, rät die Gute Hexe ihr, auf dem gelben Ziegelsteinweg in die Smaragdstadt zu gehen und dort den Zauberer von Oz um Hilfe zu bitten. Zum Abschied küsst die Gute Hexe Dorothy auf die Stirn und verspricht ihr, dass dieser Kuss sicherstellen werde, dass keiner ihr Schaden zufügen könne. Unterwegs auf dem Weg zur Stadt nimmt Dorothy die Vogelscheuche von dem Pfahl, an dem sie hängt; sorgt dafür, dass der Blechmann sich wieder bewegen kann und ermutigt den Feigen Löwen, mit ihr in die Stadt zu reisen. Alle drei sind davon überzeugt, dass der Zauberer von Oz ihnen das geben werde, was sie sich am meisten wünschen; der Vogelscheuche Verstand, dem Feigen Löwen Mut und dem Blechmann ein Herz. Sie schließen sich daher Dorothy und ihrem Hund Toto an. === In der Smaragdstadt === Als sie die Smaragdstadt erreichen, in der sie spezielle Brillen tragen müssen, um nicht vom Glanz der Stadt geblendet zu werden, dürfen sie nur einzeln vor den Zauberer von Oz treten. Jedem erscheint dieser in einer anderen Gestalt. Dorothy sieht ihn als gigantischen Kopf, die Vogelscheuche erblickt eine schöne Frau, dem Blechmann begegnet er als gefährliches Raubtier, und der Löwe sieht sich einem Ball aus Feuer gegenüber. Der Zauberer verspricht, jedem von ihnen zu helfen. Doch müssen sie zuerst eine Bedingung erfüllen; einer von ihnen hat die Böse Hexe des Westens zu töten, die über das Land Winkie herrscht. Gemeinsam mit ihren Begleitern macht Dorothy sich daher auf den Weg. Die Böse Hexe des Westens sendet Wölfe, Krähen, Bienen, ihre Winkie-Soldaten und letztlich die mit Hilfe der goldenen Zauberkappe herbei befohlenen geflügelten Affen Dorothy und ihrer Begleitung entgegen. Den geflügelten Affen schließlich unterliegen sie; Dorothy und der feige Löwe werden gefangen genommen, die Vogelscheuche und der Blechmann werden von den geflügelten Affen zerstört. === Im Palast der Bösen Hexe des Westens === [[File:Wicked Witch2.jpg|thumb|Illustration der Erstausgabe]] Als Gefangene muss Dorothy als Dienstmädchen der Bösen Hexe arbeiten, und der Feige Löwe soll ihre Kutsche ziehen. Der Löwe allerdings verweigert seine Arbeit, obwohl ihm als Strafe dafür kein Futter gegeben wird. Dorothy versorgt ihn jedoch heimlich nachts. Sie trägt immer noch die silbernen Schuhe, von denen magische Kräfte ausgehen. Mit einem Trick vermag es die Böse Hexe, an einen der Schuhe zu gelangen. Dorothy schüttet aus Zorn darüber der Hexe einen Eimer Wasser über den Kopf, worauf diese zerschmilzt. Die Winkies sind so erfreut, ihre Tyrannin durch Dorothy losgeworden zu sein, dass sie ihr helfen, die Vogelscheuche und den Blechmann wieder zusammenzusetzen. Vom Blechmann sind die Winkies so angetan, dass sie ihn bitten, ihr neuer Herrscher zu werden. Er nimmt das Angebot gerne an, will jedoch erst Dorothy helfen, nach Kansas zurückzukehren. === Zurück in der Smaragdstadt === Mit Hilfe der Goldenen Zauberkappe ruft Dorothy die Geflügelten Affen herbei, die sie und ihre Begleiter zurück in die Smaragdstadt tragen. Der Zauberer von Oz versucht, sich der Begegnung mit ihnen zu entziehen, lässt Dorothy und ihre Begleiter jedoch in den leeren Thronsaal vor, als Dorothy mit den Geflügelten Affen droht. Im Thronsaal entpuppt sich der Zauberer von Oz als weiser, alter Mann, den eine Ballonfahrt von [[Omaha]] in das Reich Oz verschlagen hatte. Wegen seines ungewöhnlichen Transportmittels hielten ihn die Einwohner für einen mächtigen Magier. Als Zauberer von Oz begann dieser, sein Reich zwischen den Herrschaftsgebieten von Hexen zu regieren. Mit Hilfe von raffinierten Effekten trat er als mächtiger Magier auf. Obwohl der Zauberer von Oz die Vogelscheuche, den Blechmann und den Feigen Löwen davon zu überzeugen versucht, dass ihnen weder Herz, Verstand noch Mut fehle, sondern lediglich der Glaube an sich selbst, muss er jedem erst eine Scheinarznei ([[Placebo]]) verabreichen, damit sie wirklich überzeugt sind, dass sie die Eigenschaften besitzen, die sie während der bisherigen Handlung bereits gezeigt haben. Um sein Versprechen gegenüber Dorothy und Toto einzulösen, sie wieder nach Kansas zurückzubringen, muss er jedoch seinen alten Heißluftballon reaktivieren und mit ihnen fahren. Ein letztes Mal zeigt er sich den Einwohnern als mächtiger Magier und ernennt die Vogelscheuche aufgrund ihres Verstandes zu seinem Nachfolger. Dorothy allerdings verpasst die Abfahrt des Ballons, da sie ihren Hund einfangen muss. === Der Weg nach Hause === Dorothy wendet sich nun an die Geflügelten Affen mit dem Wunsch, sie und Toto nach Hause zu tragen. Doch die Affen sind nicht in der Lage, die Wüste, die Oz umgibt, zu durchqueren. Die Bürger der Smaragdstadt raten Dorothy, sich an Glinda, die Gute Hexe des Südens zu wenden. Nach einer gefahrvollen Reise, bei der die Vogelscheuche, der Blechmann und der Feige Löwe noch einmal ihren Mut, ihren Verstand und ihr Herz unter Beweis stellen und der Löwe ein Königreich gewinnt, erreichen sie den Palast von Glinda, wo sie warmherzig empfangen werden. Erst Glinda verrät Dorothy, dass die silbernen Schuhe, die sie die ganze Zeit trug, magische Macht besitzen, sie nach Hause zu bringen. Unter Tränen trennt sich Dorothy von der Vogelscheuche, dem Blechmann und dem Feigen Löwen, die in ihr jeweiliges Königreich zurückkehren. Dorothy und Toto aber kehren nach Kansas zurück, wo sie freudig von ihrer Tante und ihrem Onkel in Empfang genommen werden. == Die Entstehungsgeschichte == [[Datei:L frank baum.jpg|thumb|Lyman Frank Baum, Autor des Buches ''Der Zauberer von Oz'']] Der 1856 geborene Lyman Frank Baum verfolgte während seiner beruflichen Laufbahn unterschiedlichste Interessen. Er war erst als [[Geflügel]]züchter erfolgreich, wurde dann [[Schauspieler]] und besaß kurzzeitig ein eigenes [[Theater]], für das er die Stücke schrieb und in deren männlicher Hauptrolle er selbst auftrat. Im Oktober 1888 eröffnete er in Aberdeen einen Gemischtwarenladen, den er ''Baum's Bazaar'' nannte, den er aber im Januar 1890 wieder schließen musste. 15 Monate lang besaß er eine eigene Zeitung, bis er diese 1891 wegen wirtschaftlicher Erfolglosigkeit wieder einstellen musste und als Vertreter für einen Chicagoer Glas- und Porzellangroßhändler zu arbeiten begann. Seine Schwiegermutter [[Matilda Joslyn Gage]], eine prominente Frauenrechtlerin, die bereits als Herausgeberin aktiv gewesen war, erlebte während dieser Zeit, wie er eines Abends seinen Söhnen Kindergeschichten erzählte. Sie legte ihm nahe, die Geschichten aufzuschreiben und zu veröffentlichen, und machte ihm Hoffnung, dass er damit so erfolgreich sein würde wie [[Lewis Carroll]] mit seinem Buch ''[[Alice im Wunderland]]''. Baum meldete tatsächlich am 17. Juni 1896 für zwei Sammlungen von Kindergeschichten Titelschutz an. ''Mother Goose in Prose'', eine Sammlung von Kindergedichten, die von [[Maxfield Parrish]] illustriert war, wurde 1897 veröffentlicht. Das Buch war nur mäßig erfolgreich, und sein Verleger Chauncy L. Williams musste seinen Verlag aufgrund einiger wirtschaftlicher Fehlentscheidungen Anfang 1898 an einen anderen Verlag verkaufen, der dieses Buch nicht wieder auflegte. Für Baum war jedoch der bescheidene Erfolg von ''Mother Goose in Prose'' der Anlass, seine Stelle als Handelsvertreter aufzugeben und gemeinsam mit seinem ehemaligen Verleger eine Zeitschrift für Schaufensterdekorateure zu gründen. Damit stand ihm der Chicagoer Presseklub offen, und er lernte dort [[William Wallace Denslow]] kennen, der als Künstler und Buchillustrator bereits einige Erfolge aufzuweisen hatte. Mit ihm gemeinsam schuf er das Bilderbuch ''Father Goose, his book'', für das sie die Firma ''George M. Hill Company'' als Verleger gewinnen konnten. Die Erstauflage von 5700 Exemplaren des ''Father Goose'' war sehr schnell verkauft, das Buch wurde zum erfolgreichsten Bilderbuch des Jahres 1900 und die Rezensenten, zu denen auch [[Mark Twain]] gehörte, fanden viel Lob für dieses Buch, das sie mit den Büchern von Lewis Carroll und [[Edward Lear]] verglichen. Der Erfolg war für den Verlag George M. Hill Company der Anlass, zwei weitere Bücher mit Gedichten von Baum zu veröffentlichen. ''The Army Alphabet'' und ''The Navy Alphabet'' wurden allerdings nicht von Denslow illustriert, sondern von [[Harry Kennedy]]. Schon lange bevor ''Father Goose'' sich als kommerzieller Erfolg erwies, hatte Baum gemeinsam mit Denslow die Arbeit an einem weiteren Kinderbuch, dem späteren ''Zauberer von Oz'' begonnen. Auch dieses Buch, für das Baum sich lange Zeit keinen passenden Titel auszudenken vermochte, sollte über den Verlag Hill erscheinen. Am 28. Mai 1900 erschienen die ersten gebundenen Exemplare, auch wenn das offizielle Copyright-Datum der August 1900 ist. Bereits nach 14 Tagen waren 5000 Bücher verkauft. In der Weihnachtssaison des Jahres 1900 war der ''Zauberer von Oz'' das am meisten gekaufte Kinderbuch. == Wirkungsgeschichte == === Die ersten Reaktionen der Kritiker === [[Datei:Mark Twain.jpg|thumb|180px|[[Mark Twain]] gehörte zu den ersten Rezensenten des ''Zauberer von Oz'']] Baum war bereits vor der Drucklegung fest davon überzeugt, ein ganz besonderes Buch geschaffen zu haben. Er schrieb den ''Zauberer von Oz'' bewusst als modernes Märchen, weil er die Geschichten der [[Brüder Grimm]] und [[Hans Christian Andersen]] zwar schätzte, aber sie wegen ihres literarischen Stils als nicht mehr zeitgemäß empfand. Die Kritiken seines Buches waren unterschiedlich – wieder wurde es mit [[Lewis Carroll]]s ''[[Alice im Wunderland]]'' verglichen und nicht immer fiel der Vergleich zu Gunsten von Baum aus. Eine Reihe anderer Kritiker betonten jedoch, dass dieses Buch sich deutlich von den üblichen Kinderbüchern unterscheide. Das ''Minneapolis Journal'' erklärte das Buch am 18. November 1900 zur besten Kindergeschichte des Jahrhunderts. Viele Rezensenten waren von den ungewöhnlich qualitätsvollen farbigen Illustrationen von Denslow beeindruckt und sahen sie als gleichwertig zu der Erzählung an. Die wenigen Besprechungen, die Baums spätere Bücher bei ihrem Erscheinen erhielten, als Baum längst nicht mehr mit Denslow zusammenarbeitete und farbige Illustrationen für Kinderbücher zum Standard geworden waren, weisen darauf hin, dass es tatsächlich die Illustrationen waren, die den ''Zauberer von Oz'' aus der Masse der Erscheinungen hervorhob und die Aufmerksamkeit der Kritiker auf dieses Buch lenkte. === ''Der Zauberer von Oz'' im Vergleich zu anderen Kinderbüchern seiner Zeit === Baum verwendete in ''Der Zauberer von Oz'' einen klaren, schnörkellosen Stil und vermochte mit nur wenigen Sätzen dem Leser die Atmosphäre zu vermitteln. {{Zitat|Wenn Dorothy von der Tür her in die Runde blickte, konnte sie nur sehen, was sie immer sah: die weite graue Prärie überall. Weder Baum noch Haus ragten aus der tellerflachen Landschaft empor, die bis zum Horizont reichte. Die Sonne hatte das gepflügte Land zu einer grauen Masse gebacken, die von kleinen Rissen durchzogen war. Nicht einmal das Gras war grün, denn die Sonne hatte die Spitzen der langen grünen Gräser verbrannt. Nun sahen sie so grau aus wie alles andere. Onkel Henry hatte das Haus vor Zeiten gestrichen, doch die Sonne hatte die Farben ausgebleicht. Und jetzt sah es genauso langweilig und grau aus wie die Umgebung.<br />'Tante Em war ein hübsches Mädchen gewesen, als sie hierher gezogen war. Doch Sonne und Wind hatten auch sie verändert. Der Glanz war aus ihren Augen verschwunden. Nüchtern und grau blickten sie drein. Sie hatten auch das Rot der Wangen und Lippen gelöscht, grau waren auch sie. Dünn und hager sah sie aus und lächelte nie.}} Mit diesem Realitätsbezug unterschied sich Baums Erzählung insbesondere von den in den USA seiner Zeit veröffentlichten Kinderbüchern, die häufig von der kleingeistigen, bigotten Moral der Sonntagsschulen geprägt waren, die in ihrer Erzählart sentimental waren, Kinder belehren und erziehen wollten. Für [[Cathleen Schine]] war die oben zitierte Passage aus dem ersten Kapitel später der Anlass, den ''Zauberer von Oz'' als einen ''„öden, flachen Schlag ins rosige Gesicht der Kinderliteratur“'' zu nennen – was positiv gemeint war. Baums Schreibstil unterschied sich gleichfalls deutlich von dem weitschweifigeren, literarischeren Stil seiner Zeitgenossen, was dem ''Zauberer von Oz'' in den kommenden Jahrzehnten gelegentlich den Vorwurf einbrachte, schlecht geschrieben zu sein. Trotz der häufigen Vergleiche zu ''Alice im Wunderland'' fiel keinem der zeitgenössischen Kritiker auf, wie „amerikanisch“ Dorothy im Vergleich zu Lewis Carrolls Figur der Alice war. Erst spätere Kritiker setzten sich ausführlich mit diesem Unterschied auseinander. Die Romanautorin Alison Lurie hielt in einer Besprechung für ''The New York Review of Books'' am 18. April 1974 fest, dass Alice ein typisches Kind der britischen oberen Mittelschicht sei: {{Zitat|Alice [ist] viel mehr mit Fragen des Benehmens und des sozialen Status beschäftigt. Sie macht sich Gedanken darum, wie man eine Maus richtig anredet, und sie ist froh, nicht in einem winzigen Haus wohnen zu müssen. Dorothy lebt bereits in einem winzigen Haus. Demographen würden sie als ein Mitglied der ländlichen Unterschicht einordnen, aber sie setzt ihre Gleichheit mit allen, die sie kennenlernt, als selbstverständlich voraus.}} [[Carol Ryrie Brink]], eine andere amerikanische Kinderbuchautorin, war eine der Ersten, die 1947 Baums Buch als eines der wenigen wirklich gelungenen amerikanischen Kinderbücher bezeichneten. === Für Kinder ungeeignet? === [[File:The Wonderful Wizard of Oz, 004.png|thumb|Der ängstliche Löwe, Illustration der Erstausgabe]] Die Erhebung von Baums Erzählung zum amerikanischen Kinderbuchklassiker durch [[Carol Ryrie Brink]] fiel in eine Zeit, als Baums Buch bereits heftig umstritten war. Viele Bibliothekare und Kritiker bemängelten, dass das Buch schlecht geschrieben sei. Dazu trug zum einen Baums einfacher, gradliniger Stil bei, der sich deutlich von den eher literarischen Erzählungen eines [[Hans Christian Andersen]], [[Kenneth Grahame]] oder eines [[Robert Louis Stevenson]] abhob. Zum anderen liebte Baum die Verwendung von Wortspielen, was von vielen Literaturkritikern als niveaulos und platt angesehen wurde. Negativ wirkte sich außerdem aus, dass man in Baums Bücher eine politische Botschaft hineinlas. Bereits 1938 bemängelte ein Journalist in einem Artikel mit der Überschrift ''The Red Wizard of Oz'', dass in den Bibliotheken der New York Public Library lediglich noch ''The Wizard of Oz'', aber keines der weiteren Oz-Bücher zu finden sei. Als Ursache vermutete der Journalist, dass man Baums Beschreibung von Oz einer marxistischen Utopie gleichsetze. Diese Interpretation von Baums Werken verstärkte sich während der [[McCarthy-Ära]]. 1957 erläuterte der Leiter der ''[[Detroit]] Public Library'', dass Baums Bücher nicht mehr öffentlich zugänglich aufbewahrt würden, sondern nur noch auf Anfrage ausleihbar wären. Er begründete dies damit, dass die Geschichten weder erbaulich noch erhebend, dass sie in ihrer Qualität schlecht seien, dass sie Negativismus förderten und längst bessere Kinderbücher zur Verfügung stünden. Im US-Bundesstaat [[Florida]] standen Baums Bücher ab 1959 auf einer Liste von Büchern, die von öffentlichen Büchereien weder verliehen noch angekauft oder über eine Schenkung angenommen werden dürften. Auch in [[Washington D. C.|Washington D.C.]] waren Baums Bücher bis 1966 nicht entleihbar. Diese Einstellung hat sich in den letzten Jahrzehnten geändert. Dazu hat nicht unwesentlich beigetragen, dass das MGM-Musical von 1939 ab 1956 jährlich im US-Fernsehen ausgestrahlt wurde und sich damit der Film und das Buch im Bewusstsein der US-amerikanischen Öffentlichkeit als Klassiker etablierten. 1961 erschien ein erster längerer [[Essay]] über den Autor Baum in einem angesehenen Literaturmagazin, 1990 widmete sich ein Fernsehfilm dem Autor Baum, und zum hundertjährigen Erscheinungsjubiläum des ''Zauberer von Oz'' im Jahre 2000 richtete die US-amerikanische [[Library of Congress]] eine Ausstellung zu Ehren von Baum und dem ''Zauberer von Oz'' aus. Trotzdem entschied noch 1986 ein Bundesrichter in Greeneville, [[Tennessee]], dass es gegen die Verfassung verstoße, wenn fundamentalistische Christen in der Schule zum Lesen des ''Zauberer von Oz'' gezwungen würden. Die Geschichte vom ''Zauberer von Oz'' sei antichristlich, weil sie gute Hexen beschreibe, die die Bibel nicht kenne, und weil sie die Auffassung vertrete, dass Intelligenz, Liebe und Mut vom Individuum selbst entwickelt werden könnten, statt sie als gottgegeben anzusehen. Diese Auffassung wird von den meisten christlichen Richtungen jedoch nicht geteilt. So wählte beispielsweise 1996 eine Vatikan-Kommission der katholischen Kirche die MGM-Verfilmung des Buches in einen nur fünfundvierzig Filme zählenden Kanon und begründete die Entscheidung damit, dass dieser Film die Perspektive der Kirche repräsentiere. === Wirkung auf andere Schriftsteller === [[File:The Wonderful Wizard of Oz, 014.png|thumb|Illustration der Erstausgabe]] Eine ganze Reihe von [[Schriftsteller]]n sind Verehrer dieses Kinderbuches. Zu ihnen zählen beispielsweise [[James Thurber]], [[F. Scott Fitzgerald]], [[Gore Vidal]], [[John Updike]] und [[Salman Rushdie]]. Viele Science-Fiction-Autoren haben im Laufe der mehr als 110 Jahre seit Erscheinen des Buches ihre Wertschätzung gegenüber diesem Werk zum Ausdruck gebracht. [[Robert A. Heinlein]] bezieht sich beispielsweise in seinen Büchern mehrfach auf Baums Bücher. So lässt Heinlein seine marsianische Heldin in ''Bürgerin des Mars'' (1963) sagen, dass ihre Vorstellungen von der Erde vorwiegend aus den Oz-Geschichten stammen. In [[Keith Laumers]] ''The Outside of Time'' spaltet sich 1814 die Erde in zwei Paralleluniversen, und in beiden schreibt ein Lyman F. Baum ein Buch mit dem Titel ''Zauberer von Oz''. In [[Ray Bradbury]]s Geschichte ''Die Verbannten'' aus der Erzählung ''[[Der illustrierte Mann]]'' gehört L. Frank Baum zu den verbotenen Schriftstellern, der gemeinsam mit Literaturgrößen wie [[Edgar Allan Poe]], [[Charles Dickens]], [[Henry James]] und [[Nathaniel Hawthorne]] auf den Mars verbannt wird, während auf der Erde ihre Bücher verbrannt werden. Parodistisch verwendet wird der ''Zauberer von Oz'' unter anderem von [[Terry Pratchett]] in ''Total verhext''. [[Tad Williams]] widmet dem ''Zauberer von Oz'' eine eigene VR-Simulation im zweiten Teil seines vierbändigen Romans [[Otherland]]. Der Strohmann, der Blechmann und der Löwe treten hier als böse und angsteinflößende Wesen auf; ihre ursprünglichen Eigenschaften hat Williams ins Negative verdreht. Als [[Reminiszenz]] an Dorothy kann die Figur der Emily verstanden werden: ein vielfach repliziertes Klonwesen, das die Weiten des Zauberlandes bevölkert und als „Menschenmaterial“ missbraucht wird. [[Stephen King]] verwendet Motive aus dem ''Zauberer von Oz'' an verschiedenen Stellen in seinem Werk. So zieht sich ''Der Große und Schreckliche Oz'' wie ein bedrohliches, ständig präsentes Leitmotiv durch seinen Roman ''[[Friedhof der Kuscheltiere]]''. In seinem Romanzyklus ''[[Der Dunkle Turm]]'' wird mehrfach auf den ''Zauberer von Oz'' Bezug genommen, insbesondere im vierten Band ''[[Glas (Roman)|Glas]]'', in dem sich die Gefährten der Suche in einem Smaragdpalast einer Figur stellen müssen, die sich als der Zauberer von Oz ausgibt. Der in Kanada geborene Schriftsteller [[Geoff Ryman]] verbindet in seinem Roman ''Was'' (1992, bislang nicht auf Deutsch erhältlich) eine sehr freie Neuerzählung der Geschichte von Dorothy aus Kansas und die der Schauspielerin [[Judy Garland]], Darstellerin der Dorothy in der Verfilmung von 1939, zu einem bewegenden Drama. Die ''Zauberland''-Reihe von [[Alexander Melentjewitsch Wolkow]] und weiteren Autoren nimmt Baums Stoff als Ausgangspunkt für eine literarisch eigenständige Fortsetzung. In [[Gregory Maguire]]s Roman [[Wicked – Die Hexen von Oz (Roman)|Wicked – Die Hexen von Oz. Die wahre Geschichte der bösen Hexe des Westens]] wird die politisch unruhige Zeit bevor Dorothy nach Oz kommt beschrieben. Er begleitet die grünhäutige Elphaba von ihrer Geburt über ihre Schulzeit, ihre Arbeit im Untergrund gegen den Zauberer von Oz bis zu ihrer Herrschaft im Westen und ihrem Tod. Dabei wird die böse Hexe des Westens als missverstandener, eigentlich guter Mensch mit Sehnsüchten und Wünschen und Hoffnungen betrachtet. Seit 2004 ist [[Wicked – Die Hexen von Oz (Musical)|Wicked – Die Hexen von Oz]] auch als Musical am Broadway und seit Herbst 2006 in London zu sehen. Im November 2007 startete das Musical in Stuttgart. === ''Der Zauberer von Oz'' als Allegorie === Die Vertrautheit mit den Figuren und der Handlung führte dazu, dass gelegentlich in US-amerikanischen Geschichts-, Psychologie- oder Wirtschaftsbüchern Figuren und Handlungsbestandteile dieser Erzählung verwendet werden, um historische Abläufe, Ideen und die Motivation von Personen zu erläutern. Der Autor Baum hat immer bestritten, dass seine Erzählung für irgendetwas eine [[Allegorie]] darstelle. Die Person des Zauberers von Oz ist dem damals in den USA populärsten Zauberkünstler [[Harry Kellar]] nachempfunden, was sich äußerlich in den Illustrationen von Denslow niedergeschlagen hat. ==== Verwendung in Psychologie- und Religionsbüchern ==== Der Psychologe [[Sheldon B. Kopp]] nutzte in einem Artikel, der 1970 in ''Psychology Today'' erschien, die Handlung der Erzählung, um den Prozess zu erläutern, den Patienten während einer psychologischen Therapie durchlaufen. Diese Idee wurde von der Psychologin Madonna Kolbenschlag in ihrem Sachbuch ''Lost in the Land of Oz'' noch ausführlicher aufgegriffen. Sie verwendet beispielsweise den Begriff „Dorothy-Muster“ für den Wandlungsprozess, den Frauen häufig erleben. Für sie symbolisiert Dorothy ein Wesen ''„…das lernt, indem es weggeht, und dort hingeht, wo es hingehen muss, für das es keine Vorbilder und wenige [[Mentoring|Mentoren]] gibt, das sich von den meisten Systemen, die von der dominanten männlichen Kultur geschaffen werden, entfremdet fühlt.“'' (Kolbenschlag, S.&nbsp;18–19) In seinem Buch ''The Zen of Oz: Ten Spiritual Lessons from Over the Rainbow'', untersuchte Joey Green Parallelen zwischen dem ''Zauberer von Oz'' und dem [[Zen-Buddhismus]]. Tatsächlich war Baum mit den Grundprinzipien des [[Buddhismus]] sehr gut vertraut, da seine Schwiegermutter, die einen großen Einfluss auf ihn ausübte, sich sehr für östliche Religionen interessierte. Andere Autoren nutzten die Erzählung ''Der Zauberer von Oz'', um Abläufe in Europa vor dem Ausbruch des [[Zweiter Weltkrieg|Zweiten Weltkriegs]] zu verdeutlichen, obwohl das Buch fast 40&nbsp;Jahre vor dessen Beginn publiziert wurde. ==== ''Der Zauberer von Oz'' als Allegorie auf die Situation der USA vor 1900 ==== [[Datei:1897MCK$.JPG|thumb|Karikatur von 1897, die Präsident McKinley als Mutter Hubbard, und den kleinen Hund Toto als [[Uncle Sam]] zeigt]] Eine der hartnäckigsten Theorien unterstellt, dass Baum seine Erzählung als [[Allegorie]] auf die politischen und ökonomischen Verhältnisse der USA zu Ende des 19. Jahrhunderts schrieb. Diese Idee wurde und wird sowohl von Literaturwissenschaftlern als auch von Nachfahren Baums lebhaft bestritten. Diese Idee ist auf das Jahr 1963 zurückzuführen, als der Geschichtslehrer Henry Littlefield begann, seine Geschichtsstunden über die Geschichte der USA im späten 19. Jahrhundert mit der Verwendung von Charakteren und Handlungen aus dem ''Zauberer von Oz'' lebendiger und spannender zu gestalten. Gemeinsam mit seinen Schülern suchte er nach Parallelen zwischen der Handlung der Erzählung und historischen Ereignissen vor 1900. 1964 publizierte er die von ihm und seinen Schülern gefundenen Parallelen in einem Artikel in der Zeitschrift ''American Quarterly''. Littlefield stellte niemals die Behauptung auf, dass Baum bewusst diese Themen in seiner Erzählung einbaute, verwies aber darauf, dass das Buch 1900 veröffentlicht wurde und Baum als politisch interessierter Mensch und Journalist mit der wirtschaftlichen und politischen Situation der USA seiner Zeit wohl vertraut gewesen sei. In den Folgejahren fand diese Idee eine Reihe von Nachahmern, die Littlefields Parallelen aufgriffen und weiter ausbauten. Dabei verfestigte sich zunehmend die Idee, dass Baum seine Erzählung tatsächlich als politische Allegorie auf seine Zeit schrieb und damit beispielsweise den republikanischen Präsidenten [[William McKinley]] mit seiner Geldpolitik angriff. Literaturwissenschaftler, die sich ausführlicher mit Baums politischen Ansichten auseinandergesetzt haben, bestreiten das. Aufgrund von Baums journalistischer Tätigkeit lässt sich belegen, dass Baum eher einer republikanischen Gesinnung zugeneigt war. Als Unterstützer von McKinley stehen Baums politische Grundüberzeugungen in klarem Widerspruch zu den publizierten Auslegungen des Buches. [[File:The Wonderful Wizard of Oz, 008.png|thumb|Illustration der Originalausgabe]] Zu den häufig zitierten Allegorien zählen beispielhaft die folgenden: * Die etwas warmherzige, gradlinige Dorothy symbolisiert die US-amerikanische Bevölkerung. * Die Böse Osthexe steht für den finanziellen Einfluss der Ostküste, wo die Großbanken und -unternehmen beheimatet waren. Die Unterdrückung der Munchkins symbolisiere daher die Unterdrückung des durchschnittlichen Amerikaners durch diese Wirtschaftskreise. * Die Vogelscheuche stellt den amerikanischen Farmer dar, dem zwar eine geringe Bildung nachgesagt wird, der jedoch viel pragmatischen Verstand besitzt. * Der Blechmann repräsentiert die in der US-amerikanischen Industrie beschäftigten Arbeiter. Diesen werde zwar Herzlosigkeit unterstellt; in Wirklichkeit zeichneten sie sich durch eine starke Kooperationsbereitschaft aus. * Der Feige Löwe steht für die Reformer unter den US-amerikanischen Politikern, und zwar insbesondere für [[William Jennings Bryan]]. * Der Zauberer von Oz symbolisiert wie die Böse Hexe des Ostens die politisch und wirtschaftlich einflussreichen Kreise innerhalb der USA. Obwohl sie in dem Ruf großer Macht stehen und hohes Ansehen genießen, sind sie letztlich nur Scharlatane und eher pathetisch als beeindruckend. Besonders diese Darstellung wird als Beispiel für Baums Überzeugung angesehen, das Herz der USA sei in der Arbeiterklasse und ihrem Wertesystem zu finden. Der Zauberer von Oz sei daher als Darstellung des Präsidenten [[William McKinley]] zu verstehen. Auch Ereignisse der weiteren Oz-Bücher, die Baum nach dem Erfolg von ''Der Zauberer von Oz'' schrieb, werden auf diese Weise interpretiert und gelegentlich als Beleg verwendet, dass Baum sich sehr wohl mit diesen Büchern auf die aktuelle wirtschaftliche Situation beziehe. Ein häufig dafür herangezogener Beweis ist das sechste Buch der Oz-Serie ''(The Emerald City of Oz)'', in dem Onkel und Tante von Dorothy, die sich wirtschaftlich nie wieder von den Sturmschäden des Tornados erholten, aufgrund von Schulden ihre Farm an eine Bank verlieren. Dorothy führt ihre Verwandten nach Oz, wo es keine Armen gibt. Niemand arbeitet für einen Lohn, sondern jeder nur für den Nutzen der Gemeinschaft. Alle Produktionsmittel gehören der Prinzessin Ozma von Oz, die dafür sorgt, dass jeder nach seinen Bedürfnissen versorgt werde. === Weiteres === Aufgrund des großen Erfolgs baute Baum den ''Zauberer von Oz'' zu einer Serie rund um das Land Oz aus. Auch andere Autoren griffen die Geschichte auf, um sie in weiteren Erzählungen fortzuspinnen. So nutzte beispielsweise der russische Autor [[Alexander Melentjewitsch Wolkow]] Baums Vorlage, um daraus seine mehrbändige und durchaus eigenständige Saga rund um den ''[[Der Zauberer der Smaragdenstadt|Zauberer der Smaragdenstadt]]'' zu entwickeln, indem er neue Figuren und Handlungsstränge hinzuerfand. == Die Illustration von Denslow == [[Datei:Alice par John Tenniel 25.png|thumb|Illustration von ''[[John Tenniel]]'' zu ''[[Alice im Wunderland]]'' aus dem Jahre 1865 – die meisten Kinderbücher des 19. Jahrhunderts waren mit solchen schwarzweißen Zeichnungen illustriert]] [[Datei:The_Great_Wave_off_Kanagawa.jpg|thumb|Denslow war wie viele seiner Zeitgenossen vom [[Japanischer Farbholzschnitt|Japanischen Farbholzschnitt]] beeinflusst. Hier ist der [[Holzschnitt]] von [[Katsushika Hokusai]] ''Die große Welle vor Kanagawa'' (ca. 1830) abgebildet]] [[File:The Wonderful Wizard of Oz, 011.png|thumb|Titelseite zu Kapitel 1 von Denslow]] Das Buch ''Der Zauberer von Oz'' unterschied sich vor allem durch seine ungewöhnlich prachtvollen und dem Kunststil der Jahrhundertwende entsprechenden Illustrationen von anderen Kinderbüchern seiner Zeit. Kinderbücher, die in dieser Zeit verlegt wurden, waren meistens mit schwarzweißen Zeichnungen versehen, die häufig nur skizzenhaft waren. Der Herstellungsprozess für das Buch war aufgrund der Illustrationen sehr aufwändig. Für die Farbtafeln in der Mitte des Buches waren vier Druckplatten erforderlich. Die erste war eine [[Radierung|Zinkradierung]], die als sogenannte „Schwarzplatte“ gedruckt wurde, und hinzu kamen drei [[Holzschnitt]]e, die jeweils in Rot, Gelb und Hellblau gedruckt wurden. Für die Illustrationen im Text wurden gleichfalls Zinkradierungen verwendet, die mit einem erst 1879 patentierten Druckverfahren farbig gedruckt wurden. Denslow war als Künstler stark vom [[Japanischer Farbholzschnitt|Japanischen Farbholzschnitt]] beeinflusst. Seit dem Jahre 1850 waren japanische Farbholzschnitte mit besonders hohem technischen und künstlerischen Niveau in großer Stückzahl nach Europa gelangt, hatten dort vor allem [[Impressionismus|Impressionisten]] wie [[Claude Monet]] und [[Edgar Degas]] geprägt und über die europäischen Künstler auch die nordamerikanischen Künstler beeinflusst. Denslows Arbeiten weisen mit dem kräftigen schwarzen Strich, den kompakten Farbflächen, der Konzentration auf das Wesentliche und den klar aufgebauten Strukturen die Beeinflussung durch die Japanische Kunst auf. Deutlich zu erkennen ist aber auch die Prägung durch den [[Jugendstil]]. Kunstkritiker zählen die Illustrationen, die Denslow für den ''Zauberer von Oz'' schuf, zu seinen besten Arbeiten, und der Kunstkritiker J.M. Bowles erklärte Denslow 1903 zum ''„Impressionisten für die Kleinen“'', der alles Unwesentliche aus seinen Zeichnungen verbanne. Auch viele der Rezensenten begeisterten sich an den Bildern, lobten diese mitunter mehr als den Text oder führten den Erfolg des Buches überwiegend auf sie zurück. Kritisiert wurde gelegentlich die wenig kindliche Zeichnung von Dorothy durch Denslow. Auch Baums spätere Äußerungen und die Briefe seiner Frau Maud lassen darauf schließen, dass Baum diese Einschätzung teilte. Jahre später schrieb er, dass ein Autor nur selten mit der Illustration seiner Figuren einverstanden sei, da sie selten mit seiner Vorstellung übereinstimmten. Die Zusammenarbeit zwischen Denslow und Baum endete 1901 aufgrund von Auseinandersetzungen im Rahmen der von Baum geplanten musikalischen Revue ''The Wizard of Oz''. Rivalitäten hatten zwischen den zwei Künstlern bereits seit dem großen Erfolg von ''Father Goose'' bestanden. Als ihr gemeinsamer Verleger bankrott ging, war es für sie einfach, die Zeit ihres gemeinsamen Schaffens zu beenden. == Übersetzungen == ''Der Zauberer von Oz'' wurde in mehr als vierzig Sprachen übersetzt; dabei wurde die Erzählung immer wieder den lokalen Gegebenheiten angepasst. So tritt in einigen hinduistischen Ländern eine Schlange anstelle des Blechmanns auf. Die erste autorisierte Übersetzung erfolgte erst 1932 und war eine Übersetzung ins [[Französische Sprache|Französische]]. Erst mit dem Erfolg des MGM-Musicals 1939 stieg die Anzahl der Sprachen, in die der ''Zauberer von Oz'' übersetzt wurde, deutlich an. 1939 wurde ''Der Zauberer von Oz'' als ''Волшебник Изумрудного города'' ''([[Der Zauberer der Smaragdenstadt]])'' erfolgreich in der [[Sowjetunion]] veröffentlicht. Der Autor [[Alexander Melentjewitsch Wolkow|Alexander Wolkow]] wählte dabei den Weg einer Nacherzählung, wobei er das Buch auch größeren redaktionellen Änderungen unterwarf und beispielsweise ein Kapitel hinzufügte, in dem Dorothy (die in Wolkows Interpretation den Namen Elli trägt) von einem Menschenfresser entführt wird. Da alle anderen Tiere des Zauberlandes sprechen können, kann auch ihr Hund Totoschka sprechen. Des Weiteren ist der Holzfäller aus Eisen, da dieses bekanntlich das einzige Material ist, das rostet. Nach dem Erfolg der Neuausgabe von 1959 schrieb Wolkow fünf Fortsetzungen. Nach seinem Tode setzten weitere Autoren die [[Zauberland-Reihe]] fort. Für die sechs Wolkow-Bücher schuf der russische Grafiker [[Leonid Wladimirski]] [[aquarell]]-ähnliche Zeichnungen. Anders als in den US-amerikanischen Illustrationen, die von W.W. Denslow geschaffen wurden, ist beispielsweise die vom russischen Illustrator Leonid Wladimirski gezeichnete Vogelscheuche eine kleine und rundliche Figur. Mit seiner grafischen Interpretation prägte Wladimirski die visuelle Wahrnehmung der Wolkow-Bücher in der Sowjetunion, der DDR und anderen Ländern. Die erste deutsche Übersetzung erfolgte 1940. In der [[Deutsche Demokratische Republik|DDR]] wurde vor allem die Übersetzung der russischen Nacherzählung von Alexander Wolkow ''[[Der Zauberer der Smaragdenstadt]]'' und deren Fortsetzungen bekannt. Eine DDR-Ausgabe des Originals erschien erst 1988. In der [[Deutschland|Bundesrepublik Deutschland]] erschien das Buch erstmals 1964. Bei den Übersetzungen tat man sich vielfach mit den englischen Eigennamen schwer. Der „Zauberer von Oz“ wurde zum „Zauberer von Oos“ beziehungsweise „vom Ozenreich“. Bis in die 1990er Jahre hinein wurde auf die Zeichnungen Denslows in Deutschland verzichtet. Den Übersetzungen gelingt es in unterschiedlichem Maße, den Charme der Erzählung von Baum wiederzugeben. So lautet die Übersetzung des Buchanfangs bei Alfred Könner aus dem Jahre 1996: {{Zitat|Dorothy wohnte mitten in der großen Prärie von Kansas – zusammen mit Onkel Henry, der ein Farmer war, und Tante Em, seiner Frau. Ihr Haus war klein, denn man hatte das Bauholz von weither herankarren müssen. Vier Wände, ein Boden und ein Dach, das war schon das ganze Haus. In der Stube standen ein verrosteter Herd, ein Küchenschrank, ein Tisch, drei oder vier Stühle und die Betten. Onkel Henry und Tante Em hatten ein großes Bett in einer Ecke. In einer anderen war Dorothys kleines Bett aufgestellt.<br />Eine Dachkammer gab es überhaupt nicht und auch keinen Keller, außer einer in die Erde gegrabenen Höhle, Sturmloch genannt. Dort verkrochen sich alle, wenn einer der gewaltigen Wirbelstürme heranzog. Die fegten auf ihrem Weg jedes Haus um. In der Mitte des Fußbodens war eine Falltür. Eine Leiter führte in das enge, finstere Loch.}} Die Übersetzung von Freya Stephan-Kühn aus dem Jahre 2001 weicht in kleinen Passagen davon ab: {{Zitat|Dorothy lebte mit Onkel Henry, einem Farmer, und Tante Em, seiner Frau, inmitten der großen Prärien von Kansas. Ihr Haus war klein, denn um es zu bauen, hatte man die Holzbalken meilenweit herbeikarren müssen. Es bestand aus vier Wänden und einem Fußboden, also einem Raum, darin ein rostiger Kochherd, ein Schrank für Geschirr, ein Tisch, drei oder vier Stühle und die Betten. Onkel Henry und Tante Em hatten ein großes Bett in einer und Dorothy ein kleines in einer anderen Ecke. Es gab keine Dachstube und keinen Keller – abgesehen von einem kleinem Loch im Fußboden. Das nannte man den Zyklon-Keller. Hier konnte die Familie Schutz suchen, wenn einer dieser gewaltigen Wirbelstürme durchs Land zog, die so mächtig sind, dass sie jedes Gebäude vernichten, das sich ihnen in den Weg stellt. In das kleine dunkle Loch gelangte man mit Hilfe einer Leiter, wenn man die Falltür im Fußboden geöffnet hatte.}} Auch Übersetzungen, denen es gelingt, den schnörkellosen Stil von Baums Originalversion auch im Deutschen beizubehalten, sind meistens nicht in der Lage, die Wortspiele Baums zu übersetzen. So spricht die Vogelscheuche in Alfred Könners Übersetzung mit krächzender Stimme. Im englischen Original hat die im Maisfeld stehende Vogelscheuche ''„a rather husky voice“'' – ''„husky“'' bedeutet nicht nur heiser, sondern beinhaltet auch das Wort ''„husk“'', mit dem das Hüllblatt des Mais bezeichnet wird. Kinder mögen im Allgemeinen solche Wortspiele, die ihre Sprachfähigkeit herausfordern und von ihnen geistige Beweglichkeit erfordern. Heutige Literaturkritiker lehnen dagegen reine Wortspiele, die auf zufälligen klanglichen Ähnlichkeiten beruhen, eher ab. Baum liebte Wortspiele und verwendete sie in seinen Büchern häufig – das mag zu der Kritik beigetragen haben, seine Bücher seien schlecht geschrieben (siehe auch Absatz ''[[#Für Kinder ungeeignet?|Für Kinder ungeeignet?]]'') == Verfilmungen == Die Erzählung wurde mehrfach sowohl für die Schauspielbühne als auch für den Film adaptiert. Eine erste [[Musical]]-Variante wurde bereits 1902 erstmals aufgeführt und erwies sich als sehr erfolgreich. Baum selber produzierte 1917 einen ersten Film, der die Erzählung zum Inhalt hat, und in einer Filmversion von 1925 spielte [[Oliver Hardy]] den Blechmann. Die bekannteste Verfilmung ist ''The Wizard of Oz'' von 1939 mit der jungen [[Judy Garland]] als Dorothy, die in Deutschland auch unter dem Titel ''[[Das zauberhafte Land]]'' bekannt ist. Dieser mit großen Problemen wie dem Austausch von Regisseuren produzierte Film war einer der ersten amerikanischen [[Farbfilm]]e und zählt bis heute in den USA zu den bekanntesten Filmen überhaupt. Der Bekanntheitsgrad der Figuren und Handlung ist daher auch eher auf diese Verfilmung als auf das Buch zurückzuführen. Die Musiknummern aus diesem Film, zu denen beispielsweise ''[[Over the Rainbow]]'' zählt, sind bis heute Ohrwürmer. Im Film wurden die silbernen Zauberschuhe durch optisch auffälligere rote Paillettenpumps ersetzt. Diese Pumps erzielten 1988 auf einer Versteigerung $&nbsp;165.000<ref name="OKee1997">Linda O’Keeffe: ''Schuhe – Eine Hommage an Sandalen, Slipper, Stöckelschuhe''. Köln: Könnemann Verlagsgesellschaft mbH., 1997. ISBN 3-89508-467-0.</ref> und im Mai 2000 sogar $&nbsp;666.000.<ref name="IMDb2007">[http://imdb.com/title/tt0032138/trivia The Wizard of Oz (1939) – Trivia.] In: The Internet Movie Database.</ref> Eine der bekanntesten Szenen des Films zeigt die Munchkins, wie sie um das Farmhaus tanzen, das die Böse Hexe des Ostens erschlagen hat und von der nur noch die roten Schuhe unter dem Haus herausragen. Diese Szene hat im englisch-sprachigen Raum wesentlich zu der Assoziation rote Schuhe – Hexen beigetragen. Vor diesem Hintergrund ist es auch zu sehen, dass der Autor [[Terry Pratchett]] eine seiner [[Scheibenwelt]]-Hexen mit roten Schuhen ausstattete. Auch im deutschsprachigen Raum ist diese Assoziation umgesetzt worden. So hat die böse Hexe Rabia in [[Bibi Blocksberg (Film)|Bibi Blocksberg]] einen Fetisch auf rote Schuhe. 2004 wurde ''Der Zauberer von Oz'' mit den [[Muppet Show|Muppets]] verfilmt. Die Rolle der Dorothy wurde in ''[[Muppets: Der Zauberer von Oz]]'' von [[Ashanti Douglas]] gespielt. Der 1974 erschienene Spielfilm ''[[Zardoz]]'' (Hauptdarsteller Sean Connery) erzählt vom Herrscher Zardoz, der sich als „Scharlatan“ basierend auf dem ''Wi – ZARD – of – OZ'' entpuppt. Des Weiteren bezieht sich die siebente Folge der fünften Staffel der [[Sitcom]] [[Scrubs – Die Anfänger|Scrubs]] explizit auf die Geschichte: Die Hauptdarsteller der Serien-Figuren schlüpfen in die bekannten Charaktere: Dr. Turk sucht ein Herz, Dr. Reed sucht den Verstand, Schwester Espinosa sucht den Mut und J.D. ist Dorothy Gale. Am Ende der Folge wird auch das Lied ''[[Over the Rainbow]]'' von Ted und seiner Band gesungen. Die 1971 erschienene türkische Verfilmung ''Ayşecik ve sihirli cüceler rüyalar ülkesinde'' (dt.: ''Die kleine Aysche und die sieben Zwerge im Land der Träume'') kombiniert Schneewittchen und den Zauberer von Oz. Als Alternativtitel hat sich für den Film ''The Turkish Wizard of Oz'' etabliert. Der Film wird kritisiert für das niedrige Budget der Filmaufnahmen und seine manchmal sinnlosen Filmszenen und geringe Werktreue, wird aber immer wieder als sehr unterhaltsam beschrieben, manchmal auch als die „albernste aber die unterhaltsamste Verfilmung“.<ref>[http://www.filmthreat.com/index.php?section=reviews&Id=1402 Independent Movies].</ref> Darüber hinaus wird in den diversen Filmkritiken immer wieder angemerkt, dass die Vogelscheuche in der türkischen Version expliziter homosexuell wirke als in den Hollywoodversionen. <ref>[http://www.mitternachtskino.de/aysecik.htm Kritik des Mitternachtskino].</ref><ref>[http://www.halcyon.com/piglet/movies2.htm Alle Oz-Verfilmungen].</ref> Dorothy heißt in dieser Version ''Ayşecik'' ''(Die kleine Aysche)'', weil die Hauptdarstellerin, der in diesem Film 17-jährige ehemalige Kinderstar [[Zeynep Değirmencioğlu]], in allen ihren Filmen ''Die kleine Aysche'' hieß. 1986 wurde in Japan mit „Ozu no mahōtsukai“ eine [[Zeichentrick]]-Version mit insgesamt 52 Folgen erstausgestrahlt. Produziert wurde es vom ''Nippon Animation Studio'', welches auch andere berühmte Kinderbuch-Klassiker (unter anderem [[Betty und ihre Schwestern]], [[Das Dschungelbuch]], [[Heidi (Roman)|Heidi]], [[Die Schatzinsel]]) umsetzte. In Deutschland lief die Anime-Serie unter dem Titel „Im Land des Zauberers von Oz“ in den 90er Jahren beim Privatsender RTL2. Es wurden darin außer dem ersten Oz-Roman auch die fortführenden Romane wie „Im Reich des Zauberers Oz“, „Ozma of Oz“ und „Dorothy in der Smaragdenstadt“ behandelt. Im Dezember 2007 realisierte RHI Entertainment und der Fernsehkanal SciFi die dreiteilige US-[[Miniserie]] ''Tin Man'' als überarbeitetes, modernes, sich aber weitgehend an das Buch haltende Science Fiction/Fantasy-Märchen unter der Regie von [[Nick Willing]] mit den Schauspielern [[Zooey Deschanel]], [[Richard Dreyfuss]], [[Alan Cumming]], [[Raoul Trujillo]], [[Neal McDonough]] und [[Kathleen Robertson]]. In Deutschland wurde die Serie 2009 als gekürzter Zweiteiler (Originalversion USA: drei Teile) auf [[SciFi]] ausgestrahlt. Auch die deutschen DVD- und BluRay-Versionen werden, anders als zum Beispiel in Großbritannien, als von 279 Minuten auf 178 Minuten geschnittene Version verkauft. == ''Der Zauberer von Oz'' in der Musik == === Revue === Bereits 1902 schrieb Baum eine musikalische Revue, deren Titel gleichfalls ''The Wizard of Oz'' lautete. Das ursprüngliche Manuskript stammte von Baum, der sich eng an sein Buch hielt. Julian Mitchell, der bereits erfolgreich eine Reihe von Musikrevues auf die Bühne gebracht hatte, hielt dieses Manuskript jedoch für wenig bühnentauglich. Er wollte die Inszenierung nur übernehmen, wenn das Libretto komplett umgeschrieben würde. Es entstand eine Nummernrevue, die nur noch wenig Ähnlichkeit mit dem Buch hatte. Dorothy wird von einer Kuh mit Namen Imogene statt dem Hund Toto begleitet, und eine Reihe neuer Figuren treten in der Bühnenhandlung auf. <!--Von wem stammte die Musik?--> Die Revue wurde am 16. Juni 1902 uraufgeführt und war von Beginn an ein großer Erfolg. Sie gilt als die erfolgreichste Revue ihrer Zeit. Sie wird heute jedoch nicht mehr gespielt, da weder die Musik noch das Libretto als zeitgemäß gelten. === Musical === Zu den Bühnenadaptionen zählt auch ein sehr erfolgreiches Musical, das unter dem Titel ''The wiz'' mit einer rein schwarzen Besetzung 1970 am Broadway aufgeführt wurde. Der Regisseur [[Sidney Lumet]] verfilmte 1978 diesen Musical-Stoff als [[The Wiz – Das zauberhafte Land]] mit [[Diana Ross]] als Dorothy und [[Michael Jackson]] als Vogelscheuche. Das erfolgreiche Broadway-Musical [[Wicked – Die Hexen von Oz (Musical)|Wicked – Die Hexen von Oz]] (Erstaufführung 2003), basiert auf dem [[Wicked – Die Hexen von Oz (Roman)|gleichnamigen Roman]] von [[Gregory Maguire]]. Wicked ist ein [[Revisionismus|revisionistischer]] Blick auf das Land und die Charaktere von Oz. === Musikalben === Seit mehr als 30 Jahren wird vermutet, dass das [[Pink Floyd|Pink-Floyd]]-Album ''[[The Dark Side of the Moon]]'' eine Vertonung des Filmklassikers von 1939 sei. Eine Reihe von Musikfans behaupten, dass bei einem parallelen Abspielen der CD und des Films die Musik von Pink Floyd die visuellen Eindrücke des Films gelegentlich sehr deutlich wiedergeben. So sei beispielsweise ein Fahrradklingeln auf dem Pink Floyd-Album in genau dem Moment zu hören, in dem im Film ein Fahrrad vorbei fährt. Und Pink Floyd sängen über den Sturz in einen Abgrund, wenn im Film Dorothy auf einem Zaun balanciere. Pink Floyd haben sich zu dieser Vermutung allerdings bis heute nicht positiv geäußert. Die spanische [[Heavy Metal|Heavy-Metal]]-Band [[Mägo de Oz]] benannte sich nach dem spanischen Titel dieses Werks. Die Band [[Toto (Band)|Toto]] benannte sich nach dem gleichnamigen Hund aus der Geschichte. Die amerikanische Noise-Rock Band MELVINS brachte 1989 das Album ''ozma'' heraus, eine Hommage an die Prinzessin. [[Thomas Bürkholz]] schrieb ein gleichnamiges Musical, das 2000 beim Theatersommer in [[Garmisch-Partenkirchen]] uraufgeführt wurde. Die deutsch-amerikanische [[Heavy Metal|Heavy-Metal]]-Band [[Demons & Wizards]] interpretierte in dem Song ''Wicked Witch'' das Werk auf eigene Art. Darin wird der Tod der Hexe des Westens mit dem Tod der Phantasie und Magie gleichgesetzt, was unabdingbar für das Erwachsenwerden sei. 1973 veröffentlichte [[Elton John]] das Album [[Goodbye Yellow Brick Road]]. Das Cover sowie das gleichnamige Lied nehmen Bezug auf „Der Zauber von Oz“. Das Cover des 1974 veröffentlichten Albums „Eldorado“ der Band [[Electric Light Orchestra]] zeigt die Filmszene, in der die Hexe des Ostens versucht, Dorothy die Schuhe zu entwenden. ''Blizzard of Ozz'' war der Titel des ersten Soloalbums, von [[Ozzy Osbourne]], nach seiner (ersten) Karriere als [[Gesang|Sänger]] bei der Band [[Black Sabbath]]. == Literatur == === Erstausgabe === * ''The Wonderful Wizard of Oz'' (auch ''The Wizard of Oz''). George M. Hill Company, Chicago/New York 1900. === Deutsche Übersetzungen === * ''Der Zauberer von Oz''. Übersetzung von [[Ursula von Wiese]]. Morgarten, Zürich 1940. * ''Der Zauberer Oz''. Übersetzung von [[Sybil Gräfin Schönfeldt]], Maria Torris. Dressler, Berlin 1964, Ravensburger 1975, Illustriert von [[Janosch]], Hamburg 1984. * ''Der Zauberer von Ozenreich''. Übersetzung von Marlene Schneider. Hallmark Cards, München 1969. * ''Der Zauberer Oz''. Illustriert von Eberhard Binder. Altberliner Verlag, Berlin 1988, ISBN 3-357-00113-6 * ''Der Zauberer von OZ''. Illustriert von [[William Wallace Denslow]]. Artia Verlag, Hanau 1999, ISBN 3-934236-04-9 * ''Der Zauberer von Oz''. Übersetzung von [[Freya Stephan-Kühn]] und illustriert von Klaus Müller. Arena Verlag, Würzburg 2001, ISBN 3-401-05702-2 * ''Der Zauberer von Oz''. Übersetzung von Alfred Könner. in: Michael Patrick Hearn (Hrsg): ''Alles über den Zauberer von Oz von L. Frank Baum.'' Europa Verlag, Hamburg 2003, ISBN 3-203-75550-5 === Weitere Oz-Romane von L. Frank Baum === * ''The Marvelous Land of Oz'' (auch ''The Land of Oz''). Reilly and Britton Company, Chicago 1904. : Deutsch: ''[[Im Reich des Zauberers Oz]]''. Übers. Christine Hettinger. Heyne, München 1981. * ''Ozma of Oz''. Reilly and Britton Company, Chicago 1907. : Deutsch: ''Prinzessin [[Ozma von Oz]]''. Übers. v. Christine Hettinger. Heyne, München 1981. * ''Dorothy and the Wizard in Oz''. Reilly and Britton Company, Chicago 1908. : Deutsch: ''[[Dorothy und der Zauberer in Oz]].'' Übers. v. Esmy Berlt. LeiV, Leipzig 1999. * ''The Road of Oz''. Reilly and Britton Company, Chicago 1909. : Deutsch: ''[[Dorothy auf Zauberwegen]]''. Übers. Esmy Berlt. LeiV, Leipzig 2000. * ''The Emerald City of Oz''. Reilly and Britton Company, Chicago 1910. : Deutsch: ''[[Dorothy in der Smaragdenstadt]]'' Übers. Esmy Berlt. LeiV, Leipzig 2001. * ''The Patchwork Girl of Oz''. Reilly and Britton Company, Chicago 1913. : Deutsch: ''[[Dorothy und das Patchwork-Mädchen]]'' Übers. Esmy Berlt. LeiV, Leipzig 2003. * ''Tik-Tok of Oz''. Reilly and Britton Company, Chicago 1914. * ''The Scarecrow of Oz''. Reilly and Britton Company, Chicago 1915. * ''Rinkitink in Oz''. Reilly and Britton Company, Chicago 1916. * ''The Lost Princess of Oz''. Reilly and Britton Company, Chicago 1917. * ''The Tin Woodman of Oz''. Reilly and Lee Company, Chicago 1918. * ''The Magic of Oz''. Reilly and Lee Company, Chicago 1919. * ''Glinda of Oz''. Reilly and Lee Company, Chicago 1920. === Weitere Oz-Bücher in deutscher Sprache === * [[Philip José Farmer]]: ''Ein Himmelsstürmer in Oz.'' Droemer Knauer, München 1985, ISBN 3-426-05800-6 * [[Joan D. Vinge]]: ''Oz – Eine phantastische Welt.'' Das Buch zum Film. Droemer Knauer, München 1982, 1991, ISBN 3-426-01382-7 === Oz-Comic in deutscher Sprache === * David Chauvel (Text), Enrique Fernández (Zeichnungen): ''Der Zauberer von Oz.'' Ehapa Comic Collection. Egmont-vgs-Verl.-Ges., Köln 2006, ISBN 3-7704-2915-X === Oz-Comic in englischer Sprache === * Eric Shanower (Text), Skottie Young (Zeichnungen): ''The Wonderful Wizard of Oz.'' Marvel Comics Group, 2009, ISBN 0785129219 === Sekundärliteratur === * Michael Patrick Hearn (Hrsg): ''Alles über den Zauberer von Oz von L. Frank Baum.'' Europa Verlag, Hamburg 2003, ISBN 3-203-75550-5 * Lucille Grindhammer: ''Nachwort.'' in: L. Frank Baum: ''The Wizard of Oz.'' Reclam Fremsprachtexte. Reclam, Stuttgart 1994, ISBN 3-15-009001-6 * Ranjit S. Dighe (Hrsg): ''The Historian's Wizard of Oz – Reading L. Frank Baum's Classic as a Political and Monetary Allegory.'' Praegur Publishers, Westport Con 2002, ISBN 0-275-97418-9 * Eleanor D. Payson: ''The Wizard of Oz and Other Narcissists.'' Julian Day Publications, Royal Oak Mich 2002, ISBN 0-9720728-3-7 == Weblinks == * [http://www.labbe.de/lesekorb/index.asp?themaid=96 Deutsche Textfassung online] * [http://www.gutenberg.org/etext/55 E-Book als Download] (engl.) vom [[Project Gutenberg]] * [http://ozproject.egtech.net/index.php Books of Oz] – Ausführliche Vorstellung fast aller Oz-Bücher (in englischer Sprache) == Einzelnachweise == <references/> {{Exzellent}} {{DEFAULTSORT:Zauberer von Oz, Der}} [[Kategorie:Literarisches Werk]] [[Kategorie:Literatur (19. Jahrhundert)]] [[Kategorie:Literatur (Englisch)]] [[Kategorie:Kinderliteratur]] [[Kategorie:Fiktive Welt]] [[Kategorie:Phantastische Literatur]] [[Kategorie:Literatur (Vereinigte Staaten)]] [[bg:Вълшебникът от Оз]] [[ca:El màgic d'Oz]] [[cy:Dewin Gwlad yr Os]] [[da:Troldmanden fra Oz]] [[en:The Wonderful Wizard of Oz]] [[eo:La mirinda sorĉisto de Oz]] [[es:El maravilloso Mago de Oz]] [[et:Võlur Oz]] [[fi:Ihmemaa Oz (kirja)]] [[fr:Le Magicien d'Oz (roman)]] [[he:הקוסם מארץ עוץ]] [[id:Penyihir Ozu]] [[it:Il meraviglioso mago di Oz]] [[ja:オズの魔法使い]] [[ka:ოზის საოცარი ჯადოქარი]] [[ko:오즈의 마법사]] [[lv:Brīnumainais burvis no Oza zemes]] [[nl:De tovenaar van Oz]] [[no:Trollmannen fra Oz]] [[pl:Czarnoksiężnik z Krainy Oz]] [[pt:The Wonderful Wizard of Oz]] [[ru:Удивительный волшебник из страны Оз]] [[sh:The Wonderful Wizard of Oz]] [[sv:Trollkarlen från Oz (bok)]] [[zh:绿野仙踪 (童话)]] apuql6v2zgxyfkhqu2gbzgyft3piw29 wikitext text/x-wiki Zaza-Sprache 0 24545 27291 27149 2010-05-21T19:10:20Z 216.38.133.254 Test fuer Aenderung. {{Infobox Sprache |Sprache= Zazaisch |Länder=[[Türkei]], [[Irak]], [[Georgien]], [[Kasachstan]] |Sprecher= 2–3 Millionen |Klassifikation=*[[Indogermanische Sprachen]] *: [[Indoiranische Sprachen]] *:: [[Iranische Sprachen]] *::: [[Nordwestiranisch]] *:::: [[Zaza-Gorani]] |KSprache= Zazaki |Amtssprache=- |ISO1=- |ISO2=zza |ISO3=zza (Makrosprache) ''Enthaltene Einzelsprachen:'' * diq (Dimli) * kiu (Kirmanjki) }} [[Datei:Iranian tongues de.svg|miniatur|321px|Zazaki in Nachbarschaft mit anderen modernen iranischen Sprachen]] '''Zazaki''' –&nbsp;deutsch auch ''Zaza-Sprache'' oder ''Zazaische Sprache''&nbsp;– ist die Sprache des Volkes der [[Zaza]] in der östlichen [[Türkei]]. Viele Zaza und manche Sprachwissenschaftler verwenden auch die Sprachbezeichnungen '''Dimilki''' sowie '''Kirmancki'''. Die Anzahl ihrer Sprecher wird auf zwei bis drei Millionen geschätzt. Sie wird vor allem in Ostanatolien gesprochen, durch Migrationsprozesse der letzten Jahrzehnte ist sie auch in West-, Mittel- und Nordeuropa verbreitet. Das Zazaki gehört zum [[Iranische Sprachen|iranischen]] Zweig der [[Indogermanische Sprachen|indogermanischen]] Sprachen. Zur Bezeichnungsfrage und zum historischem Hintergrund des Zaza-Volkes siehe den Artikel [[Zaza]]. == Die sprachliche Einordnung des Zazaki == === Zazaki als eigenständige nordwestiranische Sprache === Die Zaza-Sprache wird auch heute noch aus politischen und kulturellen Gründen oft als eine [[kurdische Sprache]], ja sogar als ein „kurdischer [[Dialekt]]“ betrachtet. (Zum politischen Hintergrund dieser Einschätzung siehe den Artikel [[Zaza]].) Dagegen stellt die [[Iranistik]] (die Wissenschaft der Erforschung der [[Iranische Sprachen|iranischen]] Sprachen) eindeutig fest: Zazaki ist eine eigenständige Sprache des nordwestlichen Zweigs der [[Iranische Sprachen|iranischen]] Sprachen, zu dem unter anderem auch die kurdischen Sprachen [[Kurmandschi]] und [[Sorani]] gehören. Innerhalb dieses nordwestlichen Zweiges bilden die kurdischen Sprachen –&nbsp;zusammen mit zentraliranischen Dialekten&nbsp;– eine [[Genetische Verwandtschaft in der Linguistik|genetische]] Untergruppe, das Zaza bildet demgegenüber zusammen mit dem [[Gorani]] eine selbständige Untereinheit [[Zaza-Gorani]], die möglicherweise engere Beziehungen zum [[Belutschi]] aufweist. (Siehe unten die Klassifikation der nordwestiranischen Sprachen.) Schon Sprachforscher des 19. Jahrhunderts (z.&nbsp;B. Peter Lerch) belegten, dass das Zazaki kein Dialekt des Kurdischen, sondern eine eigenständige Sprache innerhalb der iranischen Sprachfamilie ist. Dies bekräftigten die deutschen Iranisten Oskar Mann und Karl Hadank mit ihren vielfältigen Untersuchungen, aus denen 1932 die erste umfangreiche wissenschaftliche Grammatik des Zazaki unter dem Titel ''Mundarten der Zaza'' hervorging. Frühere Ansichten, Zazaki sei eine „kurdische Sprache im weiteren Sinne“ (so z.&nbsp;B. [[Ferdinand Justi]] 1880), gelten heute als überholt. (Näheres im Abschnitt zur Forschungsgeschichte.) Die Zaza-Sprache weist auffällige Gemeinsamkeiten mit der ausgestorbenen [[Mitteliranische Sprachen|mitteliranischen]] Sprache [[Parthisch]] auf, die das südwestiranische [[Persische Sprache|Persische]] und seine Vorgängersprachen nicht teilen. Allerdings kann man nicht nachweisen, dass das Parthische eine unmittelbare Vorgängersprache des Zaza gewesen ist. (Zur Herkunftsfrage der Zaza und ihrer Sprache siehe den Artikel [[Zaza]].) === Klassifikation der nordwestiranischen Sprachen === Die folgende Klassifikation beschreibt genauer die [[Genetische Verwandtschaft in der Linguistik|genetische]] Stellung des Zaza und der [[Kurdische Sprache|kurdischen]] Sprachen innerhalb der Gruppe der [[Iranische Sprachen|nordwestiranischen]] Sprachen. Einen Gesamtüberblick über die iranischen Sprachen und ihre Klassifikation bietet der Artikel [[Iranische Sprachen]]. * '''Nordwestiranisch''' &nbsp; 24 Sprachen, 31 Mio. Sprecher ** '''Medisch''' : [[Medische Sprache|Medisch]] † (altiranisch) ** '''Parthisch''' : [[Parthisch]]: † (mitteliranisch) ** '''Kaspisch''' *** '''Gilaki-Mazenderani''' : [[Gilaki]] (1,3 Mio), [[Mazanderani]] (2,2 Mio), [[Gurgani]] † *** '''Semnani''' : [[Semnani]], [[Sangisari]], [[Sorchei]], [[Lasgerdi]] (zusammen 50 Tsd) *** '''Taleshi''' : [[Taleshi]] (1 Mio) *** '''Azari''' : Iranisch-Azari („Süd-Tati“) (220 T) ** '''Kurdisch-Zentraliranisch''' *** '''Kurdisch''' : [[Kurdische Sprache|Kurmandschi]] (Nordwest-Kurdisch) (15-20 Mio), [[Sorani]] (Zentral-Kurdisch, Kurdi) (4 Mio), Südkurdisch (3 Mio) *** '''Zentraliranisch''' : Tafreshi, Mahallati-Chunsari, Kashani-Natanzi, Gazi, Yazdi-Kermani-Nayini, Kaviri, Sivandi ** '''Zaza-Gorani''' : Zaza (Zazaki, Kirmanjki, Kirdki, Dimli, 'So Be') (1,5 Mio), [[Gorani]] (Bajalani, Shabaki, Hawrami u.a.) (400-500 Tsd) ** '''Belutschi''' : [[Belutschi]] (Baloči) (6 Mio) Möglicherweise bilden Zaza-Gorani und [[Belutschi]] eine eigene genetische Einheit, diese Ansicht wird aber nicht von allen Forschern geteilt. == Zur Forschungsgeschichte der Zaza-Sprache == Bereits 1650 berichtete der türkische Reisende [[Evliya Çelebi]] darüber, dass die Sprache der Zaza sich deutlich von den „anderen kurdischen Arten“ abhebe und eine wechselseitige Verständigung zwischen dem Zaza und anderen „kurdischen Dialekten“ nicht möglich sei. Der russische Linguist Peter Lerch rechnete in einem Bericht von 1856 über die Völker [[Anatolien|Ostanatoliens]] die Zaza ohne genauere Untersuchung generalisierend zu den [[Kurden]]. F. Müller 1864 betrachtete das Zaza wie das [[Kurmandschi]] als [[Dialekt]]e des [[Persische Sprache|Neupersischen]] (!), F. Spiegel 1871 und W. Tomaschek 1887 bemerkten dagegen die großen Unterschiede zwischen dem Zaza und Kurmandschi. Als Erster untersuchte Oskar Mann (seit 1906) die [[Grammatik|grammatische Struktur]] des Zaza in aller Gründlichkeit, das er dabei als eigenständige nicht-kurdische Sprache erkannte. Er sah das Zaza in einem engerem Zusammenhang mit dem [[Gorani]]. Seine Klassifikation des Westiranischen hat in der [[Iranistik]] im Wesentlichen bis heute Bestand. Ein entscheidender Schritt in der Forschungsgeschichte war die Veröffentlichung der ersten Zaza-Grammatik von K. Hadank auf Basis des Materials von O. Mann im Jahre 1932. Diese erschien unter dem Titel ''Mundarten der Zaza'' als 10. Band der Serie der Kurdisch-Persischen Forschungen der Preußischen Akademie der Wissenschaften und behandelt vor allem den Süddialekt des Zaza. Als Resultat dieser Forschungsarbeit war nun völlig klar, dass das Zaza [[phonologisch]], [[Morphologie (Sprache)|morphologisch]], [[syntaktisch]] und [[Lexikologie|lexikologisch]] eine eigenständige Sprache innerhalb des [[Iranische Sprachen|Nordwest-Iranischen]] darstellt. Hadank sah –&nbsp;wie Mann&nbsp;– eine besondere Nähe des Zaza zum [[Gorani]], die Unterschiede zu den [[Kurdische Sprache|kurdischen]] Sprachen werden deutlich herausgearbeitet. J. Gippert wies 1996 auf die Gemeinsamkeiten des Zaza mit dem mitteliranischen [[Parthisch]]en hin, die sich deutlich vom [[Persische Sprache|Persischen]] abheben. Damit ist auch die Einordnung des Zaza als nordwestiranische Sprache endgültig bestätigt worden. (Persisch ist demgegenüber eine südwestiranische Sprache.) Einen detaillierten Überblick über die Forschungsgeschichte –&nbsp;insbesondere über sämtliche Belege der Eigenständigkeit des Zaza gegenüber den kurdischen Sprachen und den Versuch mancher kurdischer Wissenschaftler, das Zaza als eine kurdische Sprache darzustellen&nbsp;– gibt Z.&nbsp;Selcan in seiner umfangreichen Zaza-Grammatik von 1998, die den Norddialekt ([[Dersim]]-Dialekt) zugrunde legt. == Zazaki als Schriftsprache == Obwohl das Zazaki schon seit Jahrhunderten im osmanischen Reich gesprochen wurde, hat man es lange nicht schriftlich fixiert. Das älteste literarische Werk ist die religiöse Schrift ''Mewlid'' von Ehmedê Xasi aus dem Jahre 1898. Dieses Werk wurde 1899 in [[Arabisches Alphabet|arabischer Schrift]] und (erst) 1984 in lateinischer Schrift veröffentlicht. Ein weiteres bedeutsames zazaisches Werk ist Biyîşê Pêxemberî (Mewlûda Nebî) aus dem Jahre 1903 von Usman Efendiyo Babıc, es wurde erst 1933 in [[Damaskus]] in arabischer Schrift veröffentlicht. In lateinischer Schrift wurden Zazaki-Texte seit Anfang der 1980er Jahre in Deutschland, Schweden und Frankreich in mehreren Kulturzeitschriften publiziert. Wichtige Autoren sind [[Malmîsanij]], Ebubekir Pamukçu und Koyo Berz. Zur Dokumentation der zazaischen Sprache wurden in den Jahren 2001 und 2002 in einem von der [[Deutsche Forschungsgemeinschaft|Deutschen Forschungsgemeinschaft]] geförderten Projekt wichtige Quellen für ein zazaisch-deutsches Textkorpus zusammengetragen. Dies enthält längere Tonbandaufzeichnungen, handschriftlich festgehaltene Sprüche und Sprichwörter und spezielle lexikalische Listen. === Alphabete === Das zazaische Alphabet lehnt sich an das lateinische Alphabet an. Von einem Teil der Autoren wird das [[Zazaisches Alphabet|zazaische Alphabet]], das von Zaza-Intellektuellen mit Hilfe von Sprachwissenschaftlern wie C.&nbsp;M. Jacobson entworfen wurde, von einem anderen Teil das [[Kurdisch-lateinisches Alphabet|kurdisch-lateinische Alphabet]], das von [[Celadet Ali Bedirxan]] entworfen wurde, als Basis genommen. Ein wichtiger Unterschied ergibt sich bei der Schreibung der Kopula („bin“, „ist“ etc). In der zazaischen Schreibweise wird die Kopula direkt an das vorhergehende Wort angehängt, bei der Bedirxan-Schreibung wird sie getrennt. Ein Beispiel: * Deutsche Bedeutung: "Mein Name ist Munzur, ich bin 20 Jahre alt und komme aus Dersim. Ich bin mit meinem Vater jetzt im Dorf." * Zazaisch in Zaza-Schreibweise: ''Namey mı Munzuro, ez vist serriyan u Dêsım rawan. Ez be piyê xo ra nıka dewe derime.'' * Zazaisch in der Bedirxan-Orthographie: ''Namey mi Munzur o, ez vîst serrî yan û Dêrsim ra wan. Ez nika be pîyê xo ra dewe der îme.'' * Zazaisch aus Dersim (Kirmancki): ''Name mi Munzuro, ez vist serrderune u Dersim rawune. Ez nika ve piye xo dewe derune.'' == Dialekte == Es lassen sich mehrere Dialekte bzw. Dialektgruppen des Zazaki unterscheiden. Ludwig Paul (1998) führt folgende auf: * Norddialekte (Alevi-Dialekte): Dersim, Erzincan,Gümüshane, Varto, Hinis (Kirmancki, Zone ma) * Zentraldialekte: Palu, Bingöl (Kirdki) * Süddialekte: Çermik, Siverek, Çüngüş, Gerger (Zazaki, Dimili) * Randdialekte: Mutki, Aksaray, Sarız (Zazaki) * Übergangsdialekte: Kulp, Lice, Ergani, Maden (Zazaki, Kirdki) == Die sprachliche Struktur der Zaza-Sprache == ''Die Beispiele der folgenden Darstellung sind zu einem großen Teil der unten zitierten Grammatik von Zülfü Selcan (1998) entnommen, sie gelten damit also vor allem für den nördlichen Zaza-Dialekt (Dersim-Dialekt).'' === Das Phonemsystem === Die ''[[Konsonant]]en'' des Zaza sind in der folgenden Tabelle nach Bildungsart und -ort dargestellt: {| class="prettytable" |- bgcolor="#F2F2F2" !Artikulationsort !stimmhaft/-los ![[labial]] ![[dental]] ![[Alveolar|alveol.]] ![[Palatal|alv-palat.]] ![[velar]] ![[uvular]] ![[Laryngal|laryng.]] |- |rowspan="2"|[[Verschlusslaut]]e||[[stimmlos]]||p||t||.||tʃ<sup>h</sup> (ç)||k||q||. |- |[[stimmhaft]]||b||d||.||dʒ (c)||g||.||. |- |rowspan="2"|[[Reibelaut]]e||stimmlos||f||.||s||ʃ (ş)||x||.||h |- |stimmhaft||v||.||z||ʒ (j)||ʁ (ğ)||.||. |- |[[Halbvokal]]e||stimmhaft||w||.||.||j (y)||.||.||. |- |[[Nasal (Phonetik)|Nasale]]||stimmhaft||m||n||.||.||.||.||. |- |[[Lateral (Phonetik)|Lateral]]||stimmhaft||.||l||.||.||.||.||. |- |[[Vibrant]]en||stimmhaft||.||ɾ (r) / r (rr, R)||.||.||.||.||. |- |} In Klammern die übliche Darstellung der [[Phonem]]e in heutigen Zaza-Texten, die auf dem [[Türkische Lateinalphabete|türkischen Alphabet]] basiert. Der Laut /tʃ<sup>h</sup>/ wird durch [ç] und der Laut /dʒ/ durch [c] wiedergegeben. Das stimmlose /x/ entspricht dem deutschen /ch/ in „ach“. Das stimmhafte /ʁ/ dem deutschen Zäpfchen-r. Es gibt im Zaza zwei /r/-Laute, die hier mit [ɾ] und [r] wiedergegeben werden. Beides sind stimmhafte [[Vibrant]]en (Zungen-r). /r/ wird intensiver als /ɾ/ artikuliert. Die Unterscheidung hat [[Phonem]]charakter, wie folgende Beispiele zeigen: * ''pere'' „Geld“, aber ''perre'' „Flügel“ * ''tore'' „Brauch“, aber ''torre'' „Fangnetz“ * ''bırak'' „Liebhaber“, aber ''bırrak'' (auch ''bırrek'') „Säge“ Die ''[[Vokal]]e'' des Zaza sind /i, e (ê), ε (e), a, o, u, ü, ɨ (ı)/, es gibt keine [[Phonem|phonemische]] Unterscheidung von Lang- und Kurzvokalen. (In Klammern die in heutigen Zaza-Texten verwendeten Zeichen.) Das phonologische System des Zaza weist einige typische nordwestiranische Merkmale auf, dazu gehören: Zaza /z/ (< iran. /*dz/) und Zaza /b/ (< iran. /*dw/) Z.B. Zaza ''ber'', pers. ''dar'' „Tür“). === Nominalmorphologie === ==== Nominale Kategorien ==== Das [[Nomen]] ([[Substantiv]], [[Adjektiv]], [[Pronomen]]) des Zaza besitzt folgende Kategorien: {| class="prettytable" |- bgcolor="#F2F2F2" !Nr !Kategorie !Realisierungen |- |1||[[Genus]]||[[Maskulinum]] (m) / [[Femininum]] (f) |- |2||[[Numerus]]||[[Singular]] (sg) / [[Plural]] (pl) |- |3||[[Kasus]]||primär: [[Rectus]] / [[Obliquus (Kasus)|Obliquus]]; sekundäre Kasus vom Obliquus abgeleitet |- |4||[[Definitheit]]||bestimmt (unmarkiert) / unbestimmt (markiert) |- |5||Attributierung|| ''siehe unten'' |- |} ==== Split-Ergativität ==== Der meist (so auch bei Z. Selcan) „[[Nominativ]]“ genannte [[Rectus]] wird als [[Subjekt (Grammatik)|Subjekt]] des [[Intransitivität (Grammatik)|intransitiv]]en [[Verb]]ums (in allen [[Tempus|Tempora]]) und als Subjekt des [[Transitivität (Grammatik)|transitiven]] Verbums im [[Präsens]] verwendet, im [[Präteritum]] für das direkte [[Objekt (Grammatik)|Objekt]] (also als „[[Akkusativ]]“) des transitiven Verbs. Der Obliquus wird für das direkte Objekt des transitiven Verbs im Präsens und für den [[Agens (Linguistik)|Agens]] im Präteritum benutzt. Das Zazaki ist also eine sog. Split-[[Ergativsprachen|Ergativ-Sprache]], da die Ergativkonstruktion nur in einigen, aber nicht allen grammatischen Situationen auftritt. Eine eigentliche Ergativkonstruktion tritt nur bei transitiven Verben im Präteritum auf, der Obliquus ist dann der „[[Ergativ]]“, der Rectus der „[[Absolutiv]]“. Es ergibt sich damit folgende Verteilung der Kasusfunktionen im Zaza: {| class="prettytable" |- bgcolor="#F2F2F2" !Funktion !Intrans. Verb !Transit. Präsens !Transit. Präteritum |- |Subjekt (Agens)||Rectus||Rectus||Obliquus (Ergativ) |- |Direktes Objekt||.||Obliquus||Rectus (Absolutiv) |- |} Zwei Beispiele, die das Prinzip illustrieren: * ''malım cirani beno doxtori'' :Analyse: ''malım-Ø'' (Lehrer, RECTUS) ''ciran-i'' (Nachbar, OBLIQ) ''ben-o'' (bringen, PRÄS-Form) ''doxtor-i'' (Arzt, OBLIQ) :Übersetzung: „der Lehrer bringt den Nachbarn zum Arzt“ * ''malımi ciran berd doxtori'' :Analyse: ''malım-i'' (OBLIQ) ''ciran-Ø'' (RECT) ''berd-Ø'' (bringen, PRÄTERIT-Form) ''doxtor-i'' (OBLIQ) :Übersetzung: „der Lehrer brachte den Nachbarn zum Arzt“ Dazu weitere Details und Beispiele im Abschnitt über die Verbalmorphologie. ==== Kasusbildung ==== Die regelmäßige [[Kasus]]bildung der (definiten) Substantive wird an den Beispielen ''lacek'' m. „der Junge“, ''keyneke'' f. „das Mädchen“ und ''domani'' „die Kinder“ aufgezeigt: ''Die regelmäßige Deklination im Zaza'' {| class="prettytable" |- bgcolor="#F2F2F2" !Kasus !Präpos. !sg. m. !sg. f. !pl. !Bedeutung |- |[[Rectus]]||.||lacek-Ø||keynek-e||doman-i||''siehe oben'' |- |[[Obliquus (Kasus)|Obliquus]]||.||lacek-i||keynek-e||doman-an||''siehe oben'' |- |[[Genitiv]]||(yê)||lacek-i||keynek-e||doman-an||des Jungen etc |- |[[Dativ]]||.||lacek-i-rê||keynek-e-rê||doman-an-rê||für ... |- |[[Separativ]]||.||lacek-i-ra||keynek-e-ra||doman-an-ra||von ... weg |- |[[Sublativ]] 1||.||lacek-i-ro||keynek-e-ro||doman-an-ro||auf ... hinauf |- |[[Adessiv]]||.||lacek-i-de||keynek-e-de||doman-an-de||bei ... |- |[[Allativ]]||(e)ra||lacek-i||keynek-e||doman-an||zu ... hin |- |[[Sublativ]] 2||(e)ro||lacek-i||keynek-e||doman-an||auf ... hinauf |- |[[Illativ]]||(e)de||lacek-i||keynek-e||doman-an||in ... hinein |- |[[Komitativ]]||...be||lacek-i-ra||keynek-e-ra||doman-an-ra||zusammen mit ... |- |[[Vokativ]]||.||lac-o!||keyn-ê!||doman-ênê!||Junge! etc |- |} Die Endungen der primären Kasus sind also wie folgt verteilt: {| class="prettytable" |- bgcolor="#F2F2F2" !Kasus !sg.m. !sg.f. !pl. |- |[[Rectus]]|| -Ø|| -e|| -i |- |[[Obliquus (Kasus)|Obliquus]]|| -i|| -e|| -an |- |} Alle weiteren (sekundären) Kasus basieren auf dem Obliquus, von dem sie durch [[Suffix]]e oder [[Präposition]]en nach dem obigen Schema abgeleitet werden. (Die Kasusbezeichnungen für die lokativen Fälle schwanken in der Fachliteratur, die hier verwendeten entsprechen der Kasus-Nomenklatur des ''Metzeler Lexikon Sprache''.) ==== Definitheit ==== Nomina ohne weitere Kennzeichnung (etwa durch [[Artikel (Wortart)|Artikel]]) drücken [[Definitheit (Linguistik)|definite]] Formen aus (''lacek'' „der Junge“). Indefinite Formen erhalten die Endung /-ê/ (''lacek-ê'' „ein Junge“). Es ergeben sich durch [[Synärese (Linguistik)|Kontraktion]], [[Elision]] und [[Hiattilgung]] einige phonetische Besonderheiten. Dazu folgende (etwas vereinfachte) Beispiele: {| class="prettytable" |- bgcolor="#F2F2F2" !definit !indefinit !Bedeutung !zur Bildung |- |lacek||lacek-ê||der / ein Junge||regelmäßig |- |hêga||hêga-ê||das / ein Feld||kein Einschub des y nach a |- |çerme||çerm-ê||das / ein Fell||Kontraktion e-ê > ê |- |koli||koli-y-ê||das / ein Holz||Einschub des y nach i |- |kardi||kard-ê||das / ein Messer||Kontraktion i-ê > ê |- |manga||mang-ê||die / eine Kuh||Kontraktion a-ê > ê |- |} Im [[Plural]] wird das Unbestimmtheitssuffix durch /taê/ ersetzt: ''taê lacek-i'' „einige Jungen“. ==== Attributierung ==== Zusätzlich zu Genus, Numerus, Kasus und Definitheit (siehe oben) wird durch [[Morphem]]e am Nomen die ''Attributierung'' ausgedrückt, und zwar nur im [[Attribut (Grammatik)|attributiven]], in der Regel aber nicht im [[Prädikat (Grammatik)|prädikativen]] Fall (davon gibt es Ausnahmen). Dabei gilt folgende Regel: bei ''prädikativer'' Verwendung bleibt (wie im Deutschen) das [[Substantiv]] unverändert, das prädikativ gebrauchte [[Adjektiv]] erhält eine [[Suffix]][[kopula]] oder ein Verbalsuffix, das dem [[Genus]] und [[Numerus]] des Substantivs entspricht. In der ''attributiven'' Verwendung wandert –&nbsp;völlig anders als im Deutschen&nbsp;– diese Kopula als „Attributierungssuffix“ an das zu bestimmende Substantiv, das nachgestellte Adjektiv erhält die normalen Kasusendungen des Nomens. Es gibt also beim Übergang von der prädikativen zur attributiven Verwendung einen „Über-Kreuz-Tausch“ der Suffixe von Substantiv und Adjektiv. Dazu folgende Beispiele: {| class="prettytable" |- bgcolor="#F2F2F2" !Funktion !Kasus !Genus !Substantiv !Adjektiv !Bedeutung |- |Prädikativ||Rectus||m.sg.||her-Ø||gewr-'''o'''||der Esel (''her'') ist grau (''gewr'') |- |.||.|| f.sg.||her-e||gewr-'''a'''||die Eselin ist grau |- |.||.|| pl.||her-i||gewr-'''ê'''|| die Esel sind grau |- |Attributiv||Rectus||m.sg.||her-'''o'''||gewr-Ø||der graue Esel (Rectus) |- |.||.|| f.sg.||her-'''a'''||gewr-e||die graue Eselin (Rectus) |- |.||.|| pl.||her-'''ê'''||gewr-i||die grauen Esel (Rectus) |- |Attributiv||Obliquus|| m.sg.||her-'''ê'''||gewr-i||den grauen Esel (Obl.) |- |.||.||f.sg.||her-'''a'''||gewr-e||die graue Eselin (Obl.) |- |.||.||pl.||her-an-'''ê'''||gewr-an|| die grauen Esel (Obl.) |- |} ''Die Attributierungs-Suffixe sind fett gedruckt. ==== Izafe-Bindung ==== Wie in den meisten iranischen Sprachen gibt es auch im Zaza die Izafe-Bindung. Die Izafe (oder [[Ezafe]]) ist ein Verbindungssuffix (ursprünglich –&nbsp;in der mitteliranischen Periode&nbsp;– ein angehängtes [[Relativpronomen]]), das zwischen einem [[Substantiv]] und seinem nachgestellten [[Attribut (Grammatik)|Genitivattribut]] eingefügt wird. Hierbei steht das nachgestellte Genitivattribut im [[Obliquus (Kasus)|Obliquus]]. Für das Verbindungssuffix (Izafe) gilt folgendes Schema in Abhängigkeit von [[Genus]] und [[Numerus]] des voranstehenden Beziehungssubstantivs: {| class="prettytable" |- bgcolor="#F2F2F2" !Kasus !sg.m. !sg.f. !pl. |- |[[Rectus]]||-ê|| -a|| -ê |- |[[Obliquus (Kasus)|Obliquus]]||-ê|| -a|| -an-ê |- |} Dazu folgende Beispiele (''her'' „Esel“, ''ciran'' „Nachbar“, das Verbindungssuffix ist fett gedruckt): {| class="prettytable" |- bgcolor="#F2F2F2" !Kasus !Form mit Izafe !Bedeutung |- |'''Rectus'''||her-'''ê''' ciran-i||der Esel des Nachbarn |- |.||her-'''a''' ciran-i|| die Eselin des Nachbarn |- |.||her-'''a''' ciran-e|| die Eselin der Nachbarin |- |.||her-'''ê''' ciran-i|| die Esel des Nachbarn |- |.||her-'''ê''' ciran-an|| die Esel der Nachbarn |- |'''Obliquus'''||her-'''ê''' ciran-i||den Esel des Nachbarn |- |.||her-'''a''' ciran-i|| die Eselin des Nachbarn |- |.||her-'''a''' ciran-e|| die Eselin der Nachbarin |- |.||her-an-'''ê''' ciran-an|| die Esel des Nachbarn |- |.||her-an-'''ê''' ciran-an|| die Esel der Nachbarn |- |} Allerdings erlaubt das Zaza auch bei einigen wenigen Substantiven eine Umstellung der Genitivverbindung, bei der das Genitivattribut vor seinem Beziehungswort steht. Zum Beispiel kann „aus der Hand (''dest'') des Jungen (''lacek'')“ heißen: * ''dest-ê lacek-i-ra'' &nbsp; normale Folge, Genitivattribut nachgestellt, Izafe /-ê/ * ''lacek-i dest-ra'' &nbsp; Umstellung, Genitivattribut im Obliquus vorangestellt, keine Izafe ==== Pronomina ==== '''Personalpronomen''' Das [[Personalpronomen]] des Zazaki unterscheidet im [[Singular]] und der 3. Person [[Plural]] die [[Kasus]] [[Rectus]] und [[Obliquus (Kasus)|Obliquus]]. Zum Vergleich sind die [[Pronomina]] des [[Kurmandschi]], des [[Talyschische Sprache|Talysch]] und des [[Persische Sprache|Persischen]] beigefügt. ''Personalpronomen'' {| class="prettytable" |- bgcolor="#F2F2F2" !Pers/Num !Zazaki !Kurmand. !Talysch !Persisch !''Deutsch'' |- |colspan=6 style="text-align:center"|Nominative Personalpronomen (Rectus) |- |1.sg.||ez||ez||ez||man||''ich'' |- |2.sg.||tı||tu||te||to||''du'' |- |3.sg.m.||o||ew||av||u||''er'' |- |3.sg.f.||a||ew||av||u||''sie'' (sg.) |- |1.pl.||ma||em||ama||mā||''wir'' |- |2.pl.||şıma||hûn||şema||şoma||''ihr'' |- |3.pl.||ê||ew||avon||işān, inhā||''sie'' (pl.) |- |colspan=6 style="text-align:center"|Oblique Personalpronomen |- |1.sg.||mı(n)||min||me(n)||man||''mein(s), mir, mich'' |- |2.sg.||to||te||te||to||''dein(s), dir, dich'' |- |3.sg.m.||ey||wî||ay||u||''sein(s), ihm, ihn'' |- |3.sg.f.||ae||wê||ay||u||''ihr(s), ihr, sie'' |- |1.pl.||ma||me||ama||mā||''unser, uns'' |- |2.pl.||şıma||we||şema||şoma||''euer, euch'' |- |3.pl.||inan||wan||avon||işān, inhā||''ihre(s), ihnen, sie <font size=1>pl.</font>'' |} '''Demonstrativpronomen''' ''Demonstrativpronomen'' {| class="prettytable" |- bgcolor="#F2F2F2" !Form !Zazaki !Kurmandschi !Persisch !Deutsch |- |colspan=5 style="text-align:center"|Rectus |- |Maskulin||(ı)no||ev||in||dieser |- |Feminin||(ı)na||ev||in||diese |- |Plural||(ı)nê||ev||işān, inhā||diese |- |colspan=5 style="text-align:center"|Obliquus |- |Maskulin||(ı)ney||vî||in||diesen, diesem |- |Feminin||(ı)nae||vê||in||diese, dieser |- |Plural||(ı)ninan||van||işān, inhā||diese, diesen |- |} ==== Kopula ==== Die [[Kopula]], also das „ist“ im Zazaki, wird an das Adjektiv oder das Nomen und auch dem Verb angefügt. {| class="prettytable" |- bgcolor="#F2F2F2" |'''Zazaki''' |'''Deutsch''' |'''Verneinung (Zazaki)''' |'''Verneinung (Deutsch)''' |'''Adjektiv (Zazaki)''' |'''Adjektiv (Deutsch)''' |'''Verb (Zazaki)''' |'''Verb (Deutsch)''' |- |ez-an (an) |ich bin es |ez ni-yan |ich bin es nicht |ez gırs-an |ich bin groß |ez şon-an |ich geh-e |- |tı-yay (ay) |du bist es |tı ni-yay |du bist es nicht |tı gırs-ay |du bist groß |tı şon-ay |du geh-st |- |o-yo (o) |er ist es |o ni-yo |er ist es nicht |o gırs-o |er ist groß |o şon-o |er geh-t |- |a-wa (a) |sie ist es |a ni-ya |sie ist es nicht |a gırs-a |sie ist groß |a şon-a |sie geh-t |- |ma-yme (ime) |wir sind es |ma ni-yme |wir sind es nicht |ma gırs-ime |wir sind groß |ma şon-ime |wir geh-en |- |şıma-ê (ê) |ihr seid es |şıma ni-yê |ihr seid es nicht |şıma gırs-ê |ihr seid groß |şıma şon-ê |ihr geh-t |- |ê-yê (ê) |sie sind es |ê ni-yê |sie sind es nicht |ê gırs-ê |sie sind groß |ê şon-ê |sie gehen |} === Verbalmorphologie === ==== Verbale Kategorien ==== Die komplexe [[Verbalmorphologie]] des Zaza kann hier nur angedeutet werden. Man unterscheidet [[Finites Verb|finite]] und [[Infinites Verb|infinite]] Verbalformen. Die finiten Verbalformen weisen folgende Kategorien auf: {| class="prettytable" |- bgcolor="#F2F2F2" !Nr !Kategorie !Realisierungen |- |1||[[Person (Sprache)|Person]]|| 1., 2. und 3. Person |- |2||[[Numerus]]||[[Singular]] (sg.), [[Plural]] (pl.) |- |3||[[Genus]]||[[Maskulinum]] (m.), [[Femininum]] (f.) (nur in der 3.sg.) |- |4||[[Tempus]]||[[Präsens]], [[Präteritum]], [[Perfekt]]; [[Imperfekt]], [[Plusquamperfekt]]; teilw. [[Futur]] |- |5||[[Modus (Grammatik)|Modus]]||[[Indikativ (Modus)|Indikativ]], [[Kontinuativ]] (Verlaufsform), [[Konjunktiv]], [[Imperativ (Modus)|Imperativ]] |- |6||[[Diathese (Linguistik)|Diathese]]||[[Aktiv (Grammatik)|Aktiv]], [[Passiv (Grammatik)|Passiv]] |- |} Von den fünf Tempora unterscheiden Präsens, Präteritum und Perfekt nach Person, Numerus und Genus, während Imperfekt und Plusquamperfekt diese Kategorien nicht besitzen. (Das Plusquamperfekt unterscheidet 1. sg./pl.) Die infiniten Verbalformen sind zwei [[Infinitiv]]e (auf /-ene/ und /-ış/) und zwei [[Partizip]]ien (Agentiv-Partizip und Präterital-Partizip), auf die hier nicht näher eingegangen wird. ==== Split-Ergativität ==== Besonders auffällig ist –&nbsp;im Vergleich zum Deutschen, aber auch zu vielen anderen Sprachen&nbsp;– der Kasustausch von [[Rectus]] und [[Obliquus (Kasus)|Obliquus]] für [[Agens (Linguistik)|Agens]] bzw. [[Patiens]] beim ''[[Transitivität (Grammatik)|transitiven]]'' Verbum im Präsens und Präteritum, also die sog. Split-[[Ergativsprache|Ergativität]]. (Genauere Erklärung im Abschnitt „Nominalmorphologie“.) Hier einige Beispiele, die diesen auffälligen Sachverhalt verdeutlichen (''malım'' „Lehrer“, ''ciran'' „Nachbar“, ''doxtor'' „Arzt“, ''ben-'' Präsensstamm, ''berd-'' Präteritumstamm eines Verbs mit der Bedeutung „bringen“): ''Beispiele im Präsens:'' {| class="prettytable" |- bgcolor="#F2F2F2" !Subjekt<br />Rectus !Objekt<br />Obliq. !Prädikat !Ziel<br />Obliq. !Übersetzung |- |malım-Ø||ciran-i||ben-o||doxtor-i||der Lehrer bringt den Nachbarn zum Arzt |- |malım-e||ciran-i||ben-a||doxtor-i||die Lehrerin bringt den Nachbarn zum Arzt |- |malım-e||ciran-e||ben-a||doxtor-e||die Lehrerin bringt die Nachbarin zur Ärztin |- |malım-i||ciran-an||ben-ê||doxtor-an||die Lehrer bringen die Nachbarn zu den Ärzten |- |} Im Präsens besteht [[Kongruenz (Grammatik)|Kongruenz]] zwischen [[Subjekt (Grammatik)|Subjekt]] und [[Prädikat (Grammatik)|Prädikat]]. Im Präteritum vertauschen sich (bei transitiven Verben) die Endungen von Subjekt und [[Objekt (Grammatik)|Objekt]], Kongruenz besteht zwischen Objekt und Prädikat. ''Beispiele im Präteritum (transitives Verb):'' {| class="prettytable" |- bgcolor="#F2F2F2" !Subjekt<br />Obliq. !Objekt<br />Rectus !Prädikat !Ziel<br />Obliq. !Übersetzung |- |malım-i||ciran-Ø||berd-Ø||doxtor-i||der Lehrer brachte den Nachbarn zum Arzt |- |malım-i||ciran-e||berd-e||doxtor-i||die Lehrerin brachte die Nachbarin zum Arzt |- |malım-e||ciran-e||berd-e||doxtor-e||die Lehrerin brachte die Nachbarin zum Arzt |- |malım-an||ciran-i||berd-i||doxtor-an||die Lehrer brachten die Nachbarn zu den Ärzten |- |} Naheliegend ist eine Erklärung des Präteritums als Passivform „Der Nachbar (''Rectus'') wurde vom Lehrer (''Obliquus'') zum Arzt gebracht“. ==== Verbalstämme ==== Das Verbum im Zaza besitzt drei Verbalstämme: Präsens-, Konjunktiv- und Präteritalstamm. Die Bildung der [[Tempus|Tempora]] und [[Modus (Grammatik)|Modi]] von den Verbalstämmen zeigt folgendes Schema: {| class="prettytable" |- bgcolor="#F2F2F2" !Stamm !davon gebildete Formen |- |Präsensstamm||[[Indikativ (Modus)|Indikativ]], [[Kontinuativ]] [[Präsens]] |- |Konjunktivstamm||[[Konjunktiv]], [[Imperativ (Modus)|Imperativ]] [[Präsens]] |- |Präteritumstamm||alle anderen Tempora und Modi |- |} Im Folgenden werden einige Konjugations[[Paradigma|paradigmata]] des Verbums dargestellt. ==== Indikativ und Kontinuativ Präsens ==== [[Indikativ (Modus)|Indikativ]] und [[Kontinuativ]] [[Präsens]] werden vom Präsensstamm gebildet (Beispiel ''wan-en'' „lesen“): {| class="prettytable" |- bgcolor="#F2F2F2" !Num/Pers !Indik. Präs. !Bedeutung !Kontin. Präs. !Bedeutung |- |1.sg.||(ez) wan-en-an ||ich lese||ez-o wan-en-an ||ich lese gerade |- |2.sg.||(tı) wan-en-ay ||du liest||tı-yay wan-en-ay||du liest gerade |- |3.sg.m.||(o) wan-en-o||er liest||o-yo wan-en-o||er liest gerade |- |3.sg.f.||(a) wan-en-a||sie liest||a-wa wan-en-a||sie liest gerade |- |1.pl.||(ma) wan-en-ime||wir lesen||ma-yê wan-en-ime||wir lesen gerade |- |2.pl.||(şıma) wan-en-ê||ihr lest||şıma-yê wan-en-ê||ihr lest gerade |- |3.pl.||(ê) wan-en-ê||sie lesen||ê-yê wan-en-ê||sie lesen gerade |- |} Der [[Kontinuativ]] wird also durch [[Suffix]]e ([[Kopula]]) am Subjekt aus dem Indikativ Präsens gebildet. Diese Endungen können durch /-na-/ ([[Deixis|Nahdeixis]]) und /-ha -/ ([[Deixis|Ferndeixis]]) erweitert werden, z.&nbsp;B. ''tı-na-ya ben-i'' „du bringst gerade hin“ und ''tı-ha-wa ben-ay'' „du bringst gerade weg“. ==== Konjunktiv und Imperativ Präsens ==== [[Konjunktiv]] und [[Imperativ (Modus)|Imperativ]] [[Präsens]] werden vom Konjunktivstamm gebildet (Beispiel ''wan-'' „lesen“): {| class="prettytable" |- bgcolor="#F2F2F2" !Num/Pers !Konjunk. Präs. !Bedeutung !Imperativ (Präs.) !Bedeutung |- |1.sg.||(ke) (ez) bı-wan-an||(dass) ich lese||.||. |- |2.sg.||(tı) bı-wan-ê||du lesest||(tı) bı-wan-e||lies! |- |3.sg.m.||(o) bı-wan-o||er lese||(o) bı-wan-o||er soll lesen! |- |3.sg.f.||(a) bı-wan-o||sie lese||(a) bı-wan-o||sie soll lesen! |- |1.pl.||(ke) (ma) bı-wan-ime||(dass) wir lesen||(ma) bı-wan-ime||lesen wir! |- |2.pl.||(şıma) bı-wan-ê||ihr leset||(şıma) bı-wan-ê||lest! |- |3.pl.||(ê) bı-wan-ê||sie lesen||(ê) bı-wan-ê||sie sollen lesen! |- |} ==== Präteritum ==== Alle anderen [[Tempus|Tempora]] und [[Modus (Grammatik)|Modi]] werden vom Präteritumstamm (siehe oben) gebildet. Wie auch in anderen [[Iranische Sprachen|iranischen]] Sprachen [[Kongruenz (Grammatik)|kongruiert]] das transitive Verb im Präteritum und Perfekt mit dem Objekt, das im [[Rectus]] steht. Die [[intransitiv]]en Verben kongruieren in allen Tempora –&nbsp;also auch im Präteritum&nbsp;– mit dem Subjekt. Dadurch unterscheidet sich die Formenbildung intransitiver und transitiver Verben im Präteritum. Als Beispiele werden konjugiert ''men-d-ene'' „bleiben“ (intransitiv) und ''wen-d-ene'' „lesen“ (transitiv). {| class="prettytable" |- bgcolor="#F2F2F2" !Num/Pers !Indik. Prät.<br />intransit. !Bedeutung !Indik. Prät.<br />transitiv !Bedeutung !Kontin. Prät.<br />intransitiv !Bedeutung |- |1.sg.||ez mend-an||ich blieb||mı o/a/ê wend- Ø/e/i||ich las es (ihn) / sie (f)/ sie (pl)||ez-o mendan||ich blieb gerade |- |2.sg.||tı mend-ay||du bliebst||to .... wend- ...||du last es (ihn) / sie (f)/ sie (pl)||tı-ya menday||du bliebst gerade |- |3.sg.m.||o mend-Ø||er blieb||ey .... wend- ...||er las es (ihn) / sie (f)/ sie (pl)||o-yo mend||er blieb gerade |- |3.sg.f.||a mend-e||sie blieb||ae .... wend- ...||sie las es (ihn) / sie (f)/ sie (pl)||a-wa mende||sie blieb gerade |- |1.pl.||ma mend-ime||wir blieben||ma ... wend- ...||wir lasen es (ihn) / sie (f)/ sie (pl)||ma-o mendime||wir blieben gerade |- |2.pl.||şıma mend-i||ihr bliebt||şıma... wend- ...||ihr last es (ihn) / sie (f)/ sie (pl)||şıma-ê mendi||ihr bliebt gerade |- |3.pl.||ê mend-i||sie blieben||inan...wend- ...||sie lasen es (ihn) / sie (f)/ sie (pl)||ê-yê mendi||sie blieben gerade |- |} Das Kongruenzverhalten des transitiven Präteritums wird deutlicher, wenn man das Schema nach dem Objekt ordnet, das im Rectus steht: Beispiel ''berd-ene'' „wegbringen“. Die Subjekte sind beliebig gewählt: {| class="prettytable" |- bgcolor="#F2F2F2" !Num/Pers !Indik. Prät.<br />transitiv !Bedeutung |- |1.sg.||(to) ez berd-an||du brachtest mich weg |- |2.sg.||(mı) tı berd-ay||ich brachte dich weg |- |3.sg.m.||(ae) o berd-Ø||sie brachte ihn weg |- |3.sg.f.||(ey) a berd-e||er brachte sie weg |- |1.pl.||(inan) ma berd-ime||sie brachten uns weg |- |2.pl.||(ma) şıma berd-i||wir brachten euch weg |- |3.pl.||(şıma) ê berd-i||ihr brachtet sie weg |- |} Wörtliche Bedeutung (1.sg.) „ich wurde weggebracht, und zwar von dir“. ==== Perfekt ==== Das [[Perfekt]] wird wie das Präteritum vom Präteritalstamm (siehe oben) gebildet und unterscheidet ebenso intransitive und transitive Formen. Es entspricht [[semantisch]] nicht dem deutschen Perfekt, sondern beschreibt vom Sprecher nicht direkt beobachtete oder erlebte oder auch bezweifelte Handlungen. Die Beispiele entsprechen denen für das Präteritum (siehe oben). {| class="prettytable" |- bgcolor="#F2F2F2" !Num/Pers !Indik. Perf.<br />intransit. !Bedeutung !Indik. Perf.<br />transitiv !Bedeutung |- |1.sg.||(ez) mend-an||ich bin geblieben||mı o/a/ê wend- o/a/ê||ich habe es/sie (f)/sie (pl) gelesen |- |2.sg.||(tı) mend-ay||du bist geblieben||to ... wend- ...||du hast es/sie (f)/sie (pl) gelesen |- |3.sg.m.||(o) mend-o||er ist geblieben||ey ... wend- ...||er hat es/sie (f)/sie (pl) gelesen |- |3.sg.f.||(a) mend-a||sie ist geblieben||aye ... wend- ...||sie hat es/sie (f)/sie (pl) gelesen |- |1.pl.||(ma) mend-ime||wir sind geblieben||ma ... wend- ...||wir haben es/sie (f)/sie (pl) gelesen |- |2.pl.||(şıma) mend-ê||ihr seid geblieben||şıma... wend- ... ||ihr habt es/sie (f)/sie (pl) gelesen |- |3.pl.||(ê) mend-ê||sie sind geblieben||inan... wend- ...||sie haben es/sie (f)/sie (pl) gelesen |- |} ''Auf die Formenbildung der anderen Tempora und Modi kann hier nicht eingegangen werden. Dazu wird auf Z. Selcan (1998) verwiesen.'' ==== Imperfekt ==== Im Imperfekt werden Handlungen beschrieben, die nicht abgeschlossen sind. Das Imperfekt wird im Indikativ durch das Suffix ''-êne'' gebildet, im Kontinuativ wird zusätzlich das Präfix ''bı-'' gesetzt. {| class="prettytable" |- bgcolor="#F2F2F2" !Num/Pers !Indik. Imperf.<br />intransitiv !Bedeutung !Kontin. Imperf. <br />intransitiv !Bedeutung |- |1.sg.||ez mend-êne||ich war dabei zu bleiben||ez bı-mend-êne||wär ich geblieben |- |2.sg.||tı mend-êne||du warst dabei zu bleiben||tı bı-mend-êne||wärst du geblieben |- |3.sg.m.||o mend-êne||er war dabei zu bleiben||o bı-mend-êne||wäre er geblieben |- |3.sg.f.||a mend-êne||sie war dabei zu bleiben||a bı-mend-êne||wäre sie geblieben |- |1.pl.||ma mend-êne||wir waren dabei zu bleiben||ma bı-mend-êne||wären wir geblieben |- |2.pl.||şıma mend-êne||ihr ward dabei zu bleiben||şıma bı-mend-êne||wäret ihr geblieben |- |3.pl.||ê mend-êne||sie waren dabei zu bleiben||ê bı-mend-êne||wären sie geblieben |- |} ==== Plusquamperfekt ==== Die Bildung des Plusquamperfekts in Zazaki erfolgt mit dem Hilfsverb ''bi''. Es ist nur im Indikativ existent. {| class="prettytable" |- bgcolor="#F2F2F2" !Num/Pers !Indik. Plusqperf.<br />intransitiv !Bedeutung |- |1.sg.||ez mendı biya||ich war geblieben |- |2.sg.||tı mendi bi||du warst geblieben |- |3.sg.m.||o mendı bı||er war geblieben |- |3.sg.f.||a mendı bi||sie war geblieben |- |1.pl.||ma mendi bime||wir waren geblieben |- |2.pl.||şıma mendi bi||ihr ward geblieben |- |3.pl.||ê mendi bi||sie waren geblieben |- |} ==== Futur ==== Das Futur erhält man in Zazaki durch die Partikel ''do'', die dem Konjunktiv vorangestellt wird. {| class="prettytable" |- bgcolor="#F2F2F2" !Num/Pers !Futur !Bedeutung |- |1.sg.||ez do bı-man-an||ich werde bleiben |- |2.sg.||tı do bı-man-ê||du wirst bleiben |- |3.sg.m.||o do bı-man-o||er wird bleiben |- |3.sg.f.||a do bı-man-o||sie wird bleiben |- |1.pl.||ma do bı-man-ime||wir werden bleiben |- |2.pl.||şıma do bı-man-ê||ihr werdet bleiben |- |3.pl.||ê do bı-man-ê||sie werden bleiben |} == Literatur == * Blau, Joyce: ''Gurani et Zaza.'' in R. Schmitt (ed.) ''Compendium Linguarum Iranicarum.'' Reichert Verlag, Wiesbaden 1989. ISBN 3-88226-413-6. (Sehr knappe Darstellung.) * Vate Grubu: ''Ferhenge Kirmanchki – Tirki (Wörterbuch Zazaki – Türkisch).'' Avesta Verlag, Istanbul 2001. ISBN 975-7112-98-4. * Paul, Ludwig: ''Zazaki. Grammatik und Versuch einer Dialektologie.'' Beiträge zur Iranistik, 18. Wiesbaden 1998. * Selcan, Zülfü: ''Grammatik der Zaza-Sprache. Nord-Dialekt (Dersim-Dialekt).'' Wissenschaft & Technik Verlag, Berlin 1998. ISBN 3-928943-96-0. (Basis für den grammatischen Teil dieses Artikels.) * Lerch, Peter I. (1857/58): Forschungen über die Kurden und die Iranischen Nordchaldäer. St. Petersburg. * Mann, Oskar / Hadank, Karl (1932): Die Mundarten der Zâzâ, hauptsächlich aus Siverek und Kor. Leipzig. * Lynn Todd, Terry. (1985) [http://zazapress.tripod.com/turkish/Turkish.html#terry ''"A Grammar of Dimili"''] University of Michigan * Paul, Ludwig. (1998) [http://www.azargoshnasp.net/languages/zazaki/zazakipositionof.pdf ''"The Position of Zazaki Among West Iranian languages"''] University of Hamburg * Asatrian, Garnik. S. / Gevorgian, N. Kh. (1988):“ Zāzā Miscellany: Notes on some religious customs and institutions.“ In: Hommage et Opera Minora (Acta Iranica). Volume XII. Leiden. * Gajewski, Jon. (2004) [http://ocw.mit.edu/NR/rdonlyres/Linguistics-and-Philosophy/24-942Grammar-of-a-Less-Familiar-LanguageSpring2003/9ED64248-F6F0-4F4F-AADD-839C31DD715E/0/112622.pdf ''"Evidentiality in Zazaki"''] Massachusetts Institute of Technology * Larson, Richard. and Hiroko, Yamakido. (2006) [http://semlab5.sbs.sunysb.edu/~rlarson/lsa06ly.pdf ''"Zazaki as Double Case-Marking"''] Stony Brook University * C.M. Jacobson: Rastnustena Zonê Ma - Handbuch für die Rechtschreibung der Zaza-Sprache. Verlag für Kultur und Wissenschaft, 1993, Bonn * C.M. Jacobson: Zazaca okuma yazma el kitabi. Verlag für Kultur und Wissenschaft, 1997, Bonn. * Sandonato, M. (1994): Zazaki. Typological studies innegation, eds. Peter Kahrel, René van den Berg. S. 125-142. Amsterdam. * Bläsing, Uwe (1995): „Kurdische und Zaza-Elemente im türkeitürkischen Dialektlexikon“ . Etymologische Betrachtungen ausgehend vom Nordwestiranischen. In: Dutch Studies (Publishedd by Nell). Vol 1 Nr. 2. S. 173-218. Near Eastern languages and literatures. Leiden. * Bläsing, Uwe 1997: „Irano-Turcia: Westiranisches Lehngut im türkeitürkischen Dialektmaterial“. In: Studia Etymologica Craconviensia. Vol. 2. S. 77-150. Kraków. * Gippert, Jost (2007/2008): Zur dialektalen Stellung des Zazaki: Die Sprache. Zeitschrift für Sprachwissenschaft. Wiesbaden. == Weblinks == * [http://homepages.fh-giessen.de/kausen/wordtexte/Zaza.doc Ernst Kausen, Die Zaza-Sprache] (Basiert vor allem auf Selcan 1998 und ist die Grundlage dieses Artikels) (DOC) * [http://www.zazaki.de/deutsch/aufsaezte/EntwicklungZSpr_A5.pdf Zılfi Selcan, Die Entwicklung der Zaza-Sprache] (PDF; 476 kB) * [http://publikationen.ub.uni-frankfurt.de/volltexte/2009/6284/ Mesut Keskin, Zur dialektalen Gliederung des Zazaki. Magisterarbeit, Frankfurt 2008.] (PDF) * [http://www.kirmancki.de/Partikeln_im_Zazaki.pdf Arslan, İlyas (2007): Partikeln im Zazaki.] (PDF) * [http://www.zazaki.de/deutsch/index_de.html Online-Versionen einiger Arbeiten zur Zaza-Sprache] * [http://www.dilpak.de/dokument_z/z_index.html Zazaki für Kinder] * [http://www.zazaki-institut.de Die Online-Präsenz des Zazaki-Instituts] {{Wikipedia|diq|Zazaki}} {{Exzellent}} [[Kategorie:Einzelsprache]] [[Kategorie:Westiranische Sprachen]] [[Kategorie:Neuiranische Sprachen]] [[am:ዛዛኪኛ]] [[ar:زازاكي]] [[ast:Zazaki]] [[az:Zaza dili]] [[be:Зазакі]] [[bg:Зазаки]] [[br:Zazakeg]] [[bs:Zazaki jezik]] [[ca:Zazaqui]] [[ceb:Pinulongang Sasaki]] [[ckb:زازاکی]] [[cr:Zazaki]] [[crh:Zaza tili]] [[csb:Zazaki]] [[da:Zazaki]] [[diq:Zazaki]] [[el:Ζαζαϊκή γλώσσα]] [[en:Zazaki language]] [[eo:Zazaa lingvo]] [[es:Zazaki]] [[et:Zazaki keel]] [[fa:زبان دیملی]] [[fi:Zaza (kieli)]] [[fr:Zazaki]] [[fy:Sazaky]] [[ga:An Zazaki]] [[hr:Zazaki]] [[hu:Zazaki nyelv]] [[id:Bahasa Zazaki]] [[it:Lingua zazaki]] [[ja:ザザキ語]] [[ku:Zazakî]] [[mzn:زازاکی]] [[nl:Zazaki]] [[no:Zazaisk]] [[pl:Język zazaki]] [[pt:Zazaki]] [[ru:Зазаки]] [[simple:Zazaki]] [[sv:Zazaiska]] [[th:ภาษาซาซากิ]] [[tr:Zazaca]] [[zh:扎扎其語]] 51eap4fhguibvtemby10veubnkjokgk wikitext text/x-wiki Johann Heinrich Zedler 0 24546 27150 2010-05-03T04:59:41Z Dreizung 0 /* Von Zedler verlegte und betreute Werke (1726−1751) */ typo [[Datei:Zedler - Universal-Lexicon, Band 1 (Titelblatt).jpg|thumb|Das von Zedler verlegte ''Universal-Lexicon'' gilt heute als die bedeutendste deutschsprachige Enzyklopädie des 18. Jahrhunderts. Zedlers Name ist so eng mit dem Lexikon verbunden, dass das Werk heute zumeist kurz als „der Zedler“ bezeichnet wird. Entgegen der Angabe auf dem hier abgebildeten Titelblatt erschien der erste Band bereits zur Leipziger Michaelismesse des Jahres 1731.]] '''Johann Heinrich Zedler''' (* [[7. Januar]] [[1706]] in [[Breslau]]; † [[21. März]] [[1751]] in [[Leipzig]]) war ein [[Buchhändler]] und [[Verleger]]. Sein wichtigstes Verdienst war die Begründung des ''[[Grosses vollständiges Universal-Lexicon Aller Wissenschafften und Künste|Grossen vollständigen Universal-Lexicons Aller Wissenschafften und Künste]]'', das sich zur umfassendsten deutschsprachigen [[Enzyklopädie]] des 18. Jahrhunderts entwickelte. Nach einer Buchhändlerlehre gründete Zedler 1726 zunächst im obersächsischen [[Freiberg]] und dann 1727 in dem damaligen Verlags- und Buchhandelszentrum [[Leipzig]] eine eigene Verlagsbuchhandlung. Mit einer zwischen 1728 und 1733 erschienenen elfbändigen Ausgabe der Schriften [[Martin Luther]]s (sogenannte „Leipziger Lutherausgabe“, 1729–1734, 11 Bände, Registerband 1740) brachte er sein erstes größeres Verlagsprodukt auf den Markt. Als Gründungsverleger des 1731 begonnenen und zu seinen Lebzeiten auf insgesamt 64 Bände angewachsenen ''Universal-Lexicons'' geriet Zedler in einen langjährigen Konflikt mit der etablierten Leipziger Verlegerschaft und musste sein Projekt bis zur Mitte der 1730er Jahre immer wieder gegen die Klagen seiner Konkurrenten verteidigen. Spätestens im Frühjahr 1737 erfolgte der finanzielle Zusammenbruch und der Aufkauf des fortan nur noch nominell von Zedler geführten Verlags durch den Leipziger Geschäftsmann [[Johann Heinrich Wolf]]. Finanziert von Wolf konnte Zedler neben dem ''Universal-Lexicon'' auch andere zuvor begonnene Werke wie etwa die ''Allgemeine Staats- Kriegs- Kirchen- und Gelehrten-Chronike'' (1733–1754, 22 Bände) fortführen. Zedlers neue Verlagswerke wie etwa das Handelslexikon ''Allgemeine Schatz-Kammer Der Kaufmannschafft'' (1741–1743, 4 Bände und 1 Supplementband), [[Johann Gottlieb Siegel]]s Sammlung von [[Wechsel (Urkunde)|Wechsel]]<nowiki />ordnungen ''Corpus Juris Cambialis'' (1742, 2 Bände) oder der ''Historisch-Politisch-Geographische Atlas der gantzen Welt'' (1744–1749, 13 Bände) erschienen unter dem Namen des Leipziger Verlagsbuchhändlers [[Johann Samuel Heinsius der Ältere|Johann Samuel Heinsius d.Ä.]]. 1751 und damit nur ein Jahr nach dem alphabetischen Abschluss des ''Universal-Lexicons'' (bis 1754 folgten noch vier Supplementbände) starb Zedler im Alter von 45 Jahren. Sein Name lebt in der umgangssprachlichen Bezeichnung des ''Universal-Lexicons'' fort, das heute als „der Zedler“ bekannt ist. == Leben und Werk == === Herkunft, Ausbildung und erste Selbständigkeit in Freiberg === Johann Heinrich Zedler wurde 1706 als Sohn des Schuhmachers und Breslauer Bürgers Johann Zedler geboren. Vermutlich ohne vorherige gymnasiale Ausbildung<ref>Quedenbaum, ''Der Verleger und Buchhändler Johann Heinrich Zedler'', S. 13 bemerkt hierzu: „Es ist nicht anzunehmen, daß der junge Johann Heinrich eine höhere Schulbildung genossen hat, wenn er überhaupt zur Schule gegangen ist und nicht etwa von Hauslehrern unterrichtet wurde.“ Der biographische Artikel im ''Universal-Lexicon'' bleibt in diesem Punkt nebulös und erwähnt lediglich eine „Anweisung geschickter Lehrmeister“. Vgl. ''Zedler, (Johann Heinrich)'', in: [[Grosses vollständiges Universal-Lexicon Aller Wissenschafften und Künste]], Band 61 (1749), Sp. 309−311, hier Sp. 309.</ref> begann er eine Lehre bei dem Breslauer Buchhändler Brachvogel. Anschließend wechselte er in das Unternehmen des [[Hamburg]]er Buchhändlers und Verlegers Theodor Christoph Felginer und ging nach dessen Tod im Jahr 1726 ins sächsische [[Freiberg]]. Dort heiratete er im September die aus einer angesehenen Freiberger Kaufmanns- und Ratsherrenfamilie stammende, elf Jahre ältere Christiana Dorothea Richter (1695−1755), Schwester des Verlegers David Richter. Wohl durch die Mitgift seiner Frau mit den notwendigen finanziellen Mitteln ausgestattet, eröffnete er in Freiberg eine Buchhandlung.<ref>In dem Zedler zugedachten Artikel im ''Universal-Lexicon'' heißt es dazu: „Allein die göttliche Vorsehung hatte ihm Sachsen zu seinem künfftigen Aufenthalt ersehen. Und so geschahe es, daß er sich nicht nur mit des Kauff- und Handelsmanns zu Freyberg, Herrn Johann Friedrich Richters, Jungfer Tochter, ehelich verband, sondern auch daselbst eine Buch-Handlung mit glücklichem Erfolg auf richtete.“ Vgl. ''Zedler, (Johann Heinrich)'', in: Grosses vollständiges Universal-Lexicon Aller Wissenschafften und Künste, Band 61 (1749), Sp. 309−311, hier Sp. 309, [[s:de:Zedler:Zedler, (Johann Heinrich)|online abrufbar]] als Volltext im Projekt [[Wikisource]].</ref> Anders als in älterer Literatur dargestellt, betätigte Zedler sich zu dieser Zeit auch schon als Verleger.<ref>Bei Recherchen zu dem vorliegenden Artikel ist aufgefallen, dass es mindestens drei Werke gibt, die Zedler als Verleger und das sächsische Freiberg als Verlagsort nennen. Es handelt sich dabei um das 1726 erschienene ''Bethesda Portvosa, Das Hülffreiche Wasser Zum Langen Leben'', das ebenfalls 1726 erschienene ''Anatomia corporis humani'' von Christian Heister sowie das 1727 erschienene ''Ethica Salomonis Sacra Das ist: Die Geistliche Sitten-Lehre Des Predigers Salomonis'' des Theologen Gottlieb Jahn (1680−1760). Die in älterer Literatur zu findende Darstellung, Zedlers verlegerisches Engagement habe erst nach seiner Übersiedlung nach Leipzig begonnen (etwa Juntke, ''Johann Heinrich Zedler’s Grosses Vollständiges Universallexikon'', S. 16 oder Quedenbaum, ''Der Verleger und Buchhändler Johann Heinrich Zedler'', S. 36, der Beyers ''Quellen des Indifferentismi'' als „erstes Verlagswerk“ Zedlers bezeichnet), kann damit als überholt gelten.</ref> <center> {| border="0" width="30%" cellspacing="0" | valign="top" width="40%" | [[Datei:Zedler - Bethesda Portuosa (Titel).jpg|195px]] | valign="top" width="20%" | &nbsp;&nbsp; | valign="top" width="40%" | [[Datei:Zedler - Ethica Salomonis Sacra (Titel).jpg|201px]] |- | colspan="3" align="center" | Frühe Verlagswerke Zedlers: ''Bethesda Portvosa, Das Hülffreiche Wasser Zum Langen Leben …'', Freiberg und Leipzig 1726, sowie ''M. Gottlieb Jahns … Ethica Salomonis Sacra Das ist: Die Geistliche Sitten-Lehre Des Predigers Salomonis …'', Freiberg 1727. |} </center> Zedler blieb allerdings nur für kurze Zeit in Freiberg. Sein Biograph Gerd Quedenbaum vermutet, dass die Bergbaustadt zu jener Zeit keinen ausreichenden Absatzmarkt für einen Buchhändler bot (die [[Bergakademie]] wurde erst 1765 gegründet) und die Standortnachteile Freibergs Zedler schließlich bewogen, sein Unternehmen schon bald wieder aufzugeben.<ref>Quedenbaum, ''Der Verleger und Buchhändler Johann Heinrich Zedler'', S. 15f.</ref> === Eigenständiger Buchhändler und Verleger in Leipzig === ==== Beginn der Tätigkeit in Leipzig und erstes verlegerisches Großprojekt ==== [[Datei:Zedler - Luthers sämtliche Schriften.jpg|thumb|Zedlers erstes verlegerisches Großprojekt: ''Des Theuren Mannes GOttes, D. Martin Luthers Sämtliche … Schrifften und Wercke'', Titelblatt des ersten Teils, Leipzig 1729.]] Bereits 1727 verließ Zedler Freiberg und ging mit seiner Frau in die Universitäts- und Messestadt [[Leipzig]], wo sein Name noch im selben Jahr unter den insgesamt sechzehn im ''Leipziger Jahrbuch'' genannten Verlagsbuchhändlern auftaucht.<ref>Christoph Ernst Sicul, ''Annalium Lipsiensium'', Leipzig 1727, S. 419. Die vollständige Liste bei Quedenbaum, ''Der Verleger und Buchhändler Johann Heinrich Zedler'', S. 31.</ref> Im September kündigte Zedler sein erstes Verlagswerk nach der Übersiedlung nach Leipzig an: :''Bey Johann Heinrich Zedler, Buchhändler allhier in der Grimmischen Gasse in Kerstens Hause ist kürzlich zum Vorschein kommen: Johann Gotthard Beyers, Ursprüngliche Quellen des Indifferentismi, oder Ursachen der närrischen Meynung, man kan in allen Religionen selig werden; zur Befestigung der Wahrheit und Ausrottung der Irrthümer eröffnet, und dem Druck überlassen. Leipzig 1727''<ref>''Neue Zeitungen von gelehrten Sachen'', September 1727, S. 776, hier leicht gekürzt zitiert nach Quedenbaum, ''Der Verleger und Buchhändler Johann Heinrich Zedler'', S. 36.</ref> Die Anzeige erschien kurz vor Beginn der [[Leipziger Messe|Leipziger Michaelismesse]] im Oktober und zielte auf die zahlreichen Messebesucher ab, die die Stadt zu diesem Termin bevölkerten. Über den Erfolg dieses Unternehmens liegen keine Nachrichten vor, Quedenbaum vermutet aber, Zedlers Kapitaldecke könne bereits zu diesem Zeitpunkt „nicht sonderlich stark“ gewesen sein.<ref>Quedenbaum, ''Der Verleger und Buchhändler Johann Heinrich Zedler'', S. 37.</ref> Schon zu Beginn des Jahres 1728 erschien in dem Leipziger Blatt ''Neue Zeitungen von gelehrten Sachen'' eine weitere Verlagsankündigung, in der Zedler „Eine neue vermehrte und verbesserte Auflage der sämtlichen Deutschen Schriften und Wercke des sel. Lutheri“ anzeigte.<ref>''Neue Zeitungen von gelehrten Sachen'', Januar 1728, S. 60 und 63.</ref> Anders als die bisher vorliegenden Gesamtausgaben sollte die bei Zedler verlegte und von dem Leipziger Theologen [[Johann Gottlieb Pfeiffer]] angeregte Ausgabe keine chronologische, sondern eine thematische Zusammenstellung der Schriften [[Martin Luther]]s enthalten. Damit sollte das zunächst auf sieben Bände ausgelegte Werk für den Hochschulgebrauch geeigneter sein als alle bisher auf dem Markt befindlichen Gesamtausgaben. Dieses erste bedeutendere Verlagsprojekt Zedlers sollte durch die im [[Buchhandel im 18. Jahrhundert|Buchhandel des 18. Jahrhunderts]] übliche Praxis der [[Pränumeration]] finanziert werden. Interessenten sollten die ersten zwei Teile bis zur Ostermesse 1728 vorausbezahlen („pränumerieren“) und hierfür einen Rabatt erhalten. Die Lieferung sollte dann –&nbsp;gegen Pränumeration auf die folgenden zwei Teile&nbsp;– zur Michaelismesse Anfang Oktober erfolgen. Die Besonderheit bei Zedlers Angebot war die Tatsache, dass er das Werk „um die Helffte des sonst gewöhnlichen“ herabgesetzten Preises<ref>''Neue Zeitungen von gelehrten Sachen'', Januar 1728, S. 60 und 63.</ref> und damit so günstig anbot, dass ein späterer Nachdruck durch andere Buchhändler unprofitabel wurde. Da Zedler auf diese Weise kaum damit rechnen konnte, ausreichende Mittel für den Druck einwerben zu können, nahm er zusätzlich einen Kredit in Höhe von 2.665 [[Reichstaler]]n bei seinem Schwager David Richter auf. Selbst Zedler scheint durch den äußerst knappen Zeitrahmen des Unternehmens verunsichert gewesen zu sein. Obwohl er den Erscheinungstermin der ersten beiden Teile auf die Michaelismesse im Oktober 1728 festgesetzt hatte, ließ er sicherheitshalber die Jahreszahl 1729 auf das Titelblatt drucken. Trotz aller Unsicherheiten gelang es ihm aber, den genannten Liefertermin einzuhalten. Vierzehn Tage vor Messetermin erklärte er sich per Inserat bereit, auch noch nachträgliche Pränumerationen entgegenzunehmen.<ref>''Neue Zeitungen von gelehrten Sachen'', September 1728, S. 744.</ref> Damit war ihm innerhalb eines Jahres der Aufbau eines Verlagsbuchhandels gelungen, der mit den Lutherschen Schriften ein erfolgversprechendes Produkt im Sortiment führte. Die einzelnen Bände der Lutherausgabe –&nbsp;wie auch diejenigen späterer Verlagswerke&nbsp;– widmete Zedler hohen Standespersonen und folgte damit der zur damaligen Zeit gängigen Praxis. Die solchermaßen durch Widmungsvorrede und Portraitkupferstich geehrten Adressaten revanchierten sich nicht selten mit einer finanziellen Gegengabe oder durch die Verleihung von Ehrentiteln. Den ersten seiner Titel erhielt Zedler von Herzog [[Christian (Sachsen-Weißenfels)|Christian von Sachsen-Weißenfels]], dem er den dritten Teil der Schriften Luthers gewidmet hatte. Nach Auskunft des 1749 erschienenen Eintrags zu Zedler in dessen ''Universal-Lexicon'' überreichte Zedler den Band der Lutherausgabe –&nbsp;für damalige Zeiten keinesfalls üblich&nbsp;– eigenhändig zum Geburtstag des Herzogs. Christian, der nicht nur als großer Jagdliebhaber, sondern auch als Förderer der evangelischen Kirche bekannt war, verlieh Zedler daraufhin den Titel eines [[Kommerzienrat]]s.<ref>In dem genannten Lexikonartikel heißt es dazu: „Gleichwie nun unser Herr Zedler hierdurch der gantzen Evangelisch-Lutherischen Kirche einen gantz besondern Dienst gethan: Also ist er auch von denenjenigen grossen Fürsten, welchen er einen und den andern Theil der gemeldeten Lutherischen Schrifften aus unterthänigster Devotion zugeschrieben, mit vielen Gnadens-Bezeigungen angesehen worden. Wie denn unter andern der Durchlauchtigste Hertzog Christian zu Sachsen-Weissenfels, Höchstseligen Gedächtnisses, ihm den Character als Commercian-Rath aus eigener Bewegnis zu ertheilen Gnädigst geruhet, nachdem Sr. Höchstgedachten Durchlauchtigkeit gleich an Deroselben hohen Geburts-Tage im Jahr 1728 ein Theil der Lutherischen Schrifften von ihm war dediciret und persönlich überreichet worden.“ Vgl. ''Zedler, (Johann Heinrich)'', in: Grosses vollständiges Universal-Lexicon Aller Wissenschafften und Künste, Band 61 (1749), Sp. 309−311, hier Sp. 310, [[s:de:Zedler:Zedler, (Johann Heinrich)|online abrufbar]] als Volltext im Projekt [[Wikisource]]. Bei der im Artikel genannten Jahreszahl liegt ein Irrtum vor. Der dritte und vierte Teil der Schriften Luthers erschienen erst zur Ostermesse 1729. Vgl. Quedenbaum, ''Der Verleger und Buchhändler Johann Heinrich Zedler'', S. 50.</ref> ==== Ankündigung des ''Universal-Lexicons'' und erste Reaktionen ==== [[Datei:Neue Zeitungen von gelehrten Sachen - 1730-03-26 - 208.jpg|thumb|Zedler kündigt in den ''Neuen Zeitungen von gelehrten Sachen'' vom 26. März 1730 seinen Plan zum Druck eines ''grossen Universal-Lexicons aller Wissenschaften'' an und wirbt um Pränumeranten.]] Am 26. März 1730 gab Zedler in den ''Neuen Zeitungen von gelehrten Sachen'' den Auslieferungstermin für den siebten und achten Teils der Lutherschen Schriften bekannt. Gleichzeitig kündigte er sein nächstes Großprojekt an − das ''[[Grosses vollständiges Universal-Lexicon Aller Wissenschafften und Künste|Grosse vollständige Universal-Lexicon Aller Wissenschafften und Künste]]'': :''In des Commercien-Rath, Johann Heinrich Zedlers Buchhandlung allhier, ist der Titel sammt der Nachricht von dem grossen ''Universal-Lexico'' aller Wissenschafften, ohne Entgeld<!--sic!--> zu haben. Er lässt solches durch ''Subscription'' drucken, damit er dieses grosse Werck dem ''Publico'' um die Hellfte des sonst gewöhnlichen Preißes liefern kan, und nimmt biß künfftige Leipziger Oster-Messe 2 Rthl. ''Prænumeration'' zu dessen ersten Bande an. Er will auch denen ersten Hunderten, so sich dazu einfinden werden, ihre Exemplaria auf sauber Schreibe-Papier um eben den obigen Preiß liefern; derjenige, so zu 20 Exemplaren die ''Prænumeration colligiret'' oder schaffet, soll ein Exemplar umsonst haben. Es wird dieses gantze Werck ohngefähr aus 8 Folianten bestehen, und die ''Prænumeration'' nirgends als in Leipzig in des Verlegers Handlung gegen Scheine angenommen werden''<ref>''Neue Zeitungen von gelehrten Sachen'', 26. März 1730, S. 208.</ref> Zedler beabsichtigte also, die zahlreichen bisher verfügbaren Nachschlagewerke über die verschiedensten Wissensgebiete zu einem einzigen großen Werk zusammenzufassen. Dieser Plan eines vierundzwanzigjährigen und noch nicht drei Jahre im Verlagsgeschäft tätigen Jungunternehmers bedeutete eine Kampfansage an die etablierte Verlegerschaft Leipzigs. [[Johann Friedrich Gleditsch]] hatte im Jahr 1704 das ''[[Reales Staats- und Zeitungs-Lexicon|Reale Staats-und Zeitungs-Lexicon]]'' vorgelegt – das auf den Zeitungsleser und damit den Privathaushalt ausgerichtete Lexikon, das mit seiner dritten Auflage 1708 den Begriff [[Konversationslexikon]] gängig machte. [[Thomas Fritsch (Verleger)|Thomas Fritsch]] hatte 1709 mit dem ''Allgemeinen Historischen Lexicon'' das deutschsprachige Äquivalent zu [[Louis Moréri]]s ''[[Le grand dictionaire historique|Grand dictionaire historique]]'' nachgesetzt − ein auf Fachbibliotheken und Wissenschaftler ausgerichtetes mehrbändiges Großprojekt. 1721 war [[Johann Theodor Jablonski]]s ''Allgemeines Lexicon Der Künste und Wissenschafften'' hinzugekommen – ein handliches Werk, das stärker als die kompilierenden Konkurrenten inhaltlich durchgestaltet war. Eine Reihe kleinerer Nachschlagewerke für das allgemeine Publikum ergänzten das Spektrum mit Angeboten, die wie das ''[[Frauenzimmer-Lexicon]]'' bis in die bürgerliche Haushaltung und die Domäne der Frau reichten; von 39 Lexika aus der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts waren allein 14 bei Gleditsch erschienen.<ref>Kossmann, ''Deutsche Universallexika des 18. Jahrhunderts'', in: Archiv für Geschichte des Buchwesens 9 (1969), Sp. 1553−1590, hier Sp. 1566.</ref> Alle diese Werke standen nun in Gefahr, von Zedlers „Universal“-Lexikon überboten und vom Markt verdrängt zu werden. Die erste öffentliche Reaktion aus den Kreisen der etablierten Leipziger Verlegerschaft erfolgte fünf Wochen nach Zedlers Ankündigung. [[Caspar Fritsch]], Sohn des 1726 verstorbenen [[Thomas Fritsch (Verleger)|Thomas Fritsch]], fürchtete um den Absatz des ''Allgemeinen Historischen Lexicons'', dessen dritte Auflage der Verlag Fritsch Erben gerade vorbereitete. An Zedlers Angebot anknüpfend, boten nun auch Fritsch’ Erben ein Freiexemplar bei der gleichzeitigen [[Subskription]] von zwanzig Exemplaren an und versprachen darüber hinaus zusätzliche Sicherheit: „Zu der bey jetziger Zeit so nöthigen Sicherheit derer Subscribenten und Collectoren offerieren die Fritschischen Erben Caution auf alle erforderte und annehmliche Art.“<ref>Hier zitiert nach Quedenbaum, ''Der Verleger und Buchhändler Johann Heinrich Zedler'', S. 64.</ref> ==== Kampf um das kursächsische Druckprivileg ==== [[Datei:Zedler - Protokoll Verfügung gegen Zedler (letzte Seite).jpg|thumb|Letzte Protokollseite der Verfügung gegen Zedler mit der Ablehnung seines Privilegantrages, Leipzig 12. Oktober 1730.]] Um sein für die Ostermesse 1731 angekündigtes Lexikon gegen [[Raubdruck]]e zu schützen, beantragte Zedler am 13. September 1730 ein [[Kurfürstentum Sachsen|kursächsisches]] Druckprivileg. Solche werkbezogenen einzelstaatlichen [[Privileg|Privilegien]] wurden üblicherweise für eine Dauer von fünf bis zehn Jahren erteilt und sollten den Erstdrucker innerhalb der Landesgrenzen gegen fremde Nachdrucke absichern. Die für die Entscheidungsvorbereitung zuständige Leipziger Bücherkommission leitete zunächst das in solchen Fällen übliche Bekanntmachungsverfahren, die sogenannte „Insinuation“, ein. In dessen Rahmen wurde eine genaue Erläuterung des Druckvorhabens zusammen mit Zedlers Privilegantrag für die Dauer von einer Woche in allen Buchläden der Stadt ausgehängt. Innerhalb dieser Frist konnten Einsprüche gegen das Vorhaben eingelegt werden. Genau diesen Weg schlugen Caspar Fritsch und [[Johann Gottlieb Gleditsch (Verleger)|Johann Gottlieb Gleditsch]], der Sohn Johann Friedrich Gleditschs, ein. Fritsch argumentierte mit dem kursächsischen Privileg, das sein Vater für das ''Allgemeine Historische Lexicon'' im Jahr 1726 für zehn Jahre erhalten hätte und verwies darauf, dass man ein Werk wie das Zedlersche ''Universal-Lexicon'' nicht anders schaffen könne, als aus bereits vorhandenen Werken abzuschreiben oder zu paraphrasieren.<ref>In der Argumentation hieß es mit Bezug auf Zedlers ''Universal-Lexicon'' wörtlich: „[…] welches doch in der That kein anderes Werck, als daß ihr historisches Lexicon und andere bisher edirte Privat-Lexica ausgeschrieben und mit anderen Worten eingerücket werden […]“. Kirchhoff, ''Lesefrüchte aus den Acten des städtischen Archivs zu Leipzig'', in: Archiv für Geschichte des Buchwesens 14 (1891), S. 196−269, hier: S. 198.</ref> Zedler erhielt die von der Leipziger Bücherkommission vorbereitete und vom Oberkonsistorium, der zuständigen leitenden Behörde in [[Dresden]], gefällte Entscheidung über seinen Privilegantrag am 16. Oktober 1730. Das Oberkonsistorium folgte der Argumentation von Fritsch und Gleditsch, lehnte Zedlers Antrag ab und legte ihm bei Androhung einer Beschlagnahmung und 300 [[Taler]]n Strafe auf, :''[…] in das von ihm zu druckende Lexicon nichts, was in dem allgemeinen Historischen Lexico begriffen, am allerwenigsten aber die darinnen befindlichen Historica in sein neues Werck bringen, sondern sich deßen auf die in offtgedachten Privilegio bekundete Zeit gänzlich zu enthalten.''<ref>Vgl. die letzte Protokollseite der Verfügung wegen des ''Universal-Lexicons'', Leipzig 12. Oktober 1730, [[:Image:Zedler - Protokoll Verfügung gegen Zedler (letzte Seite).jpg|online abrufbar]] als Digitalisat bei [[Wikimedia Commons]].</ref> Mit diesem Urteil hatte Zedler die erste Runde in der Auseinandersetzung mit den konkurrierenden Leipziger Verlegern verloren. ==== Fortsetzung des Leipziger „Verlegerkriegs“ ==== [[Bild:Franckesche Stiftungen 1749.jpg|thumb|360px|Als Reaktion auf die Widerstände in Leipzig verlegte Zedler die Produktion des ''Universal-Lexicons'' in die Druckerei des von [[August Hermann Francke]] gegründeten Waisenhauses in Halle.]] Die Entscheidung des Dresdener Oberkonsistoriums hielt Zedler jedoch nicht davon ab, sein Projekt weiterzuverfolgen. Am 19. Oktober 1730 informierte er in den Leipziger ''Neuen Zeitungen von gelehrten Sachen'' darüber, dass er noch weitere Pränumerationen annehme und wies alle [[Plagiat]]s<nowiki />vorwürfe zurück. Zur „Ausarbeitung“ des ''Universal-Lexicons'' hätten sich „vornehme und gelehrte Männer gefunden, welche solches nicht nöthig, sondern gar wohl im Stande, ihre Articul selbsten auszuarbeiten“.<ref>Hier zitiert nach Quedenbaum, ''Der Verleger und Buchhändler Johann Heinrich Zedler'', S. 72.</ref> Gleichzeitig erklärte er, dass er sich auch durch Neider und Feinde nicht abbringen lassen werde, noch weitere wichtige Werke herauszubringen.<ref>Juntke, ''Johann Heinrich Zedler’s Grosses Vollständiges Universallexikon'', S. 23.</ref> Mit diesem Hinweis war sein neuestes Verlagsprojekt gemeint, ein umfangreiches Geschichtswerk unter dem Titel ''Allgemeine Staats-, Kriegs-, Kirchen- und Gelehrten-Chronicke''. Als Herausgeber konnte Zedler [[Jacob August Franckenstein]] gewinnen, der zu jener Zeit eine Professur für Natur- und Völkerrecht an der [[Universität Leipzig|Leipziger Universität]] innehatte und mit dem Verleger der ''Neuen Zeitungen von gelehrten Sachen'', [[Johann Burckhardt Mencke]], befreundet war. Am 24. Oktober 1730 schickte Zedler dem Rat der Stadt Leipzig den Vorabdruck des geplanten Titelblattes, diesmal jedoch ohne Privilegantrag. Erneut regte sich Widerstand in den Kreisen der eingesessenen Verleger. Auf deren Proteste hin forderte die Leipziger Bücherkommission von Zedler schließlich –&nbsp;sowohl das ''Universal-Lexicon'' als auch die Staatschronik betreffend&nbsp;– eine Einstellung der Produktion, die Herausgabe der bereits gedruckten Bogen und einen Verzicht auf weitere Werbemaßnahmen. Darüber hinaus hatte Zedler den Urteilsspruch des Oberkonsistoriums zu drucken und bekanntzumachen. Bei Zuwiderhandlung drohte ihm die Zahlung eines Strafgeldes von 100 Talern. Um die Auslieferung des ''Universal-Lexicons'' nicht zu gefährden, verlagerte Zedler die Produktion ins benachbarte [[Preußen]]. In [[Halle (Saale)|Halle]] stand er in Kontakt mit dem Juristen und dortigen Universitätskanzler [[Johann Peter von Ludewig]]. Neben seiner Tätigkeit an der Universität war Ludewig auch leitender Mitarbeiter des Kuratoriums für das Waisenhaus in Halle. Offenbar war er es, der bewirkte, dass die an das Waisenhaus angeschlossene Druckerei den weiteren Druck des ''Universal-Lexicons'' übernahm. Um auch in Preußen vor Nachdrucken geschützt zu sein, beantragte Zedler ein königlich-preußisches Druckprivileg sowie gleichzeitig auch ein kaiserliches. Das auf [[Karl VI. (HRR)|Karl VI.]] ausgestellte kaiserliche Privileg erhielt er am 6. April 1731, das königlich-preußische Privileg nur vier Tage später. ==== Fertigstellung des ersten Lexikonbandes und Beschlagnahme ==== Den für den ersten Band des ''Universal-Lexicons'' vorgesehenen Auslieferungstermin zur Ostermesse 1731 konnte Zedler nicht einhalten. Deshalb kündigte er in einem Inserat in den ''Neuen Zeitungen von gelehrten Sachen'' vom 15. April 1731 an, die Auslieferung werde zur Michaelismesse im Oktober stattfinden. Gleichzeitig zeigte er seine Ernennung zum königlich-preußischen und kurfürstlich-brandenburgischen Kommerzienrat an und versicherte, das Unternehmen stehe nun „unter anderweitigen Privilegiis und Freyheits-Begnadigungen der allerhöchsten Häupter“.<ref>Hier zitiert nach Quedenbaum, ''Der Verleger und Buchhändler Johann Heinrich Zedler'', S. 85.</ref> Als Herausgeber des ersten Bandes fungierte [[Jacob August Franckenstein]], das Vorwort schrieb Johann Peter von Ludewig. Über die weiteren Mitarbeiter dieses und aller weiteren Bände können bis heute nur Vermutungen angestellt werden. Der Zedler-Experte und heutige Direktor der Leipziger Universitätsbibliothek [[Ulrich Johannes Schneider]] deutet diese Anonymität –&nbsp;zumindest zu diesem frühen Zeitpunkt des Unternehmens&nbsp;– als verlegerische Strategie. Aufgrund der drohenden Klagen auf geistigen Diebstahl habe die Geheimhaltung der Namen seiner Mitarbeiter für Zedler einen Selbstschutz geboten.<ref>Schneider, ''Zedlers Universal-Lexicon und die Gelehrtenkultur des 18. Jahrhunderts'', in: Die Universität Leipzig und ihr gelehrtes Umfeld 1680−1780, hrsg. von Detlef Döring und Hanspeter Marti, Basel 2004, S. 195–213, hier S. 198.</ref> In seinem Vorwort zum ersten Band des Lexikons schrieb Johann Peter von Ludewig zu diesem Punkt, Zedler lasse :''keine LEXICA, wie ihme fälschlich Schuld gegeben worden, zusammen schreiben und anderer Leute ihre Arbeit drucken. Er hält und besoldet seine neun Musen oder Mitarbeiter darauf: daß jeder selbsten in seiner Arbeit oder ''metier'' sein Heil versuchen möge. Er will aber und kan denselben den Weg und Mittel nicht verwehren und verschliessen: daß Sie nicht hierzu dienliche Bücher brauchen, und also die vorhero geschriebene LEXICA mit ansehen. […] Der Verleger läßt seine, am Ende des Wercks zu benennende neun Musen sorgen, auf welchen Felsen Sie ihre Arbeit gründen.''<ref>[[Johann Peter von Ludewig]]: ''Vorrede über das Universal-Lexicon'', in: Grosses vollständiges Universal-Lexicon Aller Wissenschafften und Künste, Band 61 (1749), S. 15, [http://www.zedler-lexikon.de/blaettern/einzelseite.html?seitenzahl=0038&bandnummer=1&dateiformat=1&supplement=0 online abrufbar] als Digitalisat im [[JPEG File Interchange Format|JPEG-Format]] über [http://www.zedler-lexikon.de Zedlers Großes Universallexikon Online].</ref> Das Versprechen, die Namen der „neun Musen“ würden nach Abschluss des Werkes genannt, wurde später nicht eingehalten. Dass es sich tatsächlich um neun Beiträger handelte, wird von Schneider auch als „höchst fraglich“ eingeschätzt.<ref>Schneider, ''Zedlers Universal-Lexicon und die Gelehrtenkultur des 18. Jahrhunderts'', in: Die Universität Leipzig und ihr gelehrtes Umfeld 1680−1780, hrsg. von Detlef Döring und Hanspeter Marti, Basel 2004, S. 195−213, hier S. 199.</ref> Auf jeden Fall aber stellte das Erscheinen des ersten Bandes den Auftakt zu dem „größten europäischen Lexikon-Projekt des 18. Jahrhunderts“ (Schneider) dar.<ref>Schneider, ''Zedlers Universal-Lexicon und die Gelehrtenkultur des 18. Jahrhunderts'', in: Die Universität Leipzig und ihr gelehrtes Umfeld 1680−1780, hrsg. von Detlef Döring und Hanspeter Marti, Basel 2004, S. 195−213, hier S. 196.</ref> Die Reaktion der eingesessenen Leipziger Verleger auf das Erscheinen des ersten Bandes ließ nicht lange auf sich warten. Noch während der Michaelismesse 1731 erwirkten sie bei der Leipziger Bücherkommission eine Beschlagnahme aller bisher gedruckten und noch nicht ausgelieferten Exemplare. ==== Kompromiss, Schmähschrift, erneutes Druckverbot und Ausstieg Franckensteins ==== [[Datei:Charlatanerie der Buchhandlung (Titel).jpg|thumb|Titelblatt der 1732 veröffentlichten Schmähschrift ''Charlatanerie der Buchhandlung''. Die Abbildung zeigt den Verkaufsraum einer Buchhandlung. Der auf dem Tisch liegende Eigen<nowiki />[[Wechsel (Urkunde)|wechsel]] („Sola“) soll Zedlers mangelnde finanzielle Ausstattung illustrieren; die Schubfächer in der hinteren Wand sind mit „Universal. Lex.defect“, „Praenum.Zettul“ und „Lutheri Schriften“ beschriftet. Der Reiter auf der rechten Seite trägt einen Zettel mit der Aufschrift „Priv.“ (für „Privileg“). Der fingierte Verlegername „Claus Peter Mistkütze“ weckt Assoziationen an den fiktiven Verleger [[Pierre Marteau]].]] Zedler protestierte gegenüber der Leipziger Bücherkommission gegen die Beschlagnahme; die Kommission blieb aber bei ihrem einmal gefällten Urteil. Daraufhin wandte sich der Verleger an das Dresdener Oberkonsistorium und erzielte einen Teilerfolg. In seiner Entscheidung vom 14. Dezember 1731 erteilte ihm das Oberkonsistorium die Erlaubnis, seine Pränumeranten mit Exemplaren zu beliefern, die außerhalb Kursachsens gedruckt wurden. Mit diesem Kompromiss konnte Zedler seine Buchproduktion fortsetzen, durch die Transporte entstanden jedoch weitere Kosten. In dieser Situation erschien die Schmähschrift ''Charlatanerie der Buchhandlung, welche den Verfall derselben durch Pfuschereyen, Prænumerationes, Auctiones, Nachdrucken, Trödeleyen u.a.m. befördert''.<ref name="Charlatanerie">Die auf dem Titelblatt enthaltene Angabe „Zweyte Auflage“ diente vermutlich dazu, die Bedeutsamkeit der Schrift künstlich zu erhöhen. Da eine erste Auflage nicht zu ermitteln ist, bezweifelt Quedenbaum, ''Der Verleger und Buchhändler Johann Heinrich Zedler'', S. 102, dass es eine solche jemals gab.</ref> Sie gab an, „Von zwey d[er] Handlung Beflissenen unpartheyisch untersuchet“ zu sein und zielte eindeutig auf Zedler und seine Geschäftspraktiken. Das knapp neunzigseitige [[Pamphlet]] gibt den Dialog zweier Kaufleute wieder, die sich 1731 zufällig auf der Leipziger Michaelismesse wiedersehen. In ihrer Unterhaltung prangern sie die Missstände des Buchhandels ihrer Zeit an und gehen dabei ausführlich auf die angeblich unsauberen Geschäftspraktiken Zedlers und seine unzureichenden Finanzen ein. Zedler wird des Betrugs bezichtigt, die Autoren seines Lexikons der Dummheit. Über Johann Peter von Ludewig heißt es, man wisse nicht, woher er seinen Titel und sein Vermögen habe. Eine direkte Reaktion Zedlers auf die von seinen Gegnern initiierte Schmähschrift ist nicht überliefert, Ludewig schrieb am 11. Februar 1732 in den ''Wöchentlichen Hallischen Anzeigen'', „ein guter Freund“ habe eine Belohnung von zwölf [[Dukaten]], 53 1/3 Reichstaler, für denjenigen ausgeschrieben, der „von dieser Läster-Rotte ein und den andern entdecken würde“.<ref>Hier zitiert nach Quedenbaum, ''Der Verleger und Buchhändler Johann Heinrich Zedler'', S. 105.</ref> Zedlers Gegner ließen nicht locker. Sie wandten sich erneut an das Dresdener Oberkonsistorium und drangen auf die Zahlung der im Oktober 1730 verhängten Strafe von 300 Talern. Daraufhin forderte das Oberkonsistorium am 10. März 1732 einen erneuten Bericht der Leipziger Bücherkommission an. Als diese die beiden Streitparteien um Stellungnahme bat, reichten Zedlers Gegner eine 87-seitige Liste ihrer Plagiatsvorwürfe ein. Am 24. April entschied das Oberkonsistorium, dass Zedler die Strafe in Höhe von 300 Talern zu zahlen habe und verbot ihm den weiteren Druck innerhalb der kursächsischen Landesgrenzen. Am 26. Oktober 1732 ereilte Zedler ein weiterer Schlag: [[Jacob August Franckenstein]] teilte per Inserat in den Leipziger ''Neuen Zeitungen'' mit, dass er „wegen einiger ihme erregten Zunöthigungen künfftig mit der Zedlerischen Universal-Chronica nicht das geringste möge zu thun haben“. Doch Franckenstein stieg nicht nur aus der Arbeit an der Staatschronik aus, sondern legte kurze Zeit später auch sein Amt als Herausgeber des ''Universal-Lexicons'' nieder. Am 9. März 1733 schrieb er in den ''Wöchentlichen Hallischen Anzeigen'': :''Hr. Hofrath D. Franckenstein erklärt sich: daß er mit der Zedlerischen Verlags-Arbeit ferner nichtes zu thun haben wolle. Mithin er auch an solcher keinen fernern Theil nehme.''<ref>Hier zitiert nach Quedenbaum, ''Der Verleger und Buchhändler Johann Heinrich Zedler'', S. 131.</ref> Nur zwei Monate später, am 10. Mai 1733, starb Franckenstein. Nach seinem Tod übernahm [[Paul Daniel Longolius]] die Herausgeberschaft des ''Universal-Lexicons''. ==== Das Unternehmen gerät ins Wanken ==== [[Bild:Zedler - Reyher und Juncker Latinitatis Theatrum.jpg|thumb|Titelblatt der von Zedler verlegten und von [[Johann Matthias Gesner]] bearbeiteten Neuauflage des Wörterbuchs ''Theatrum Latinitatis''.]] Das Frühjahr 1733 war von drei Ereignissen geprägt, die erheblichen Einfluss auf Zedlers unternehmerisches Schicksal haben sollten. Im Februar brachte Zedler unter dem Titel ''Eröffnetes Cabinet Grosser Herren, oder Gegenwärtiger Zustand aller Reiche und Staaten der Welt, nebst andern Merckwürdigkeiten'' eine Monatsschrift im Taschenbuchformat heraus. Das neue Journal zielte auf das erwachende Interesse des Publikums an Nachrichten aus dem politischen, militärischen und höfischen Bereich. Anfangs war das bis 1735 in 25 Ausgaben erschienene ''Cabinet'' wohl noch ein Erfolg, Zedlers Biograph Gerd Quedenbaum urteilt jedoch, die Publikation sei „auf Dauer gewiß kein bemerkenswerter Umsatzträger“ gewesen.<ref>Quedenbaum, ''Der Verleger und Buchhändler Johann Heinrich Zedler'', S. 132.</ref> Im März 1733 kaufte Zedler zudem die Verlagsbuchhandlung des 1730 verstorbenen Unternehmers Johann Herbord Kloß. Kloß gehörte mit insgesamt 1.014 angebotenen Titeln mengenmäßig in das erste Drittel der Leipziger Buchhändler, sein Sortiment enthielt allerdings −&nbsp;von Zedler offenbar zunächst nicht bemerkt&nbsp;− einen hohen Anteil kaum oder gar nicht verkäuflicher Werke.<ref>Quedenbaum, ''Der Verleger und Buchhändler Johann Heinrich Zedler'', S. 132f.</ref> Mitte April schließlich kündigte Zedler in einer Zeitungsanzeige das Erscheinen eines neuen Verlagswerkes an. Es handelte sich um das von [[Andreas Reyher]] und [[Christian Juncker]] begründete einbändige Wörterbuch ''Latinitatis Theatrum Sive Lexicon Latino-Germanico-Graecum Universale'' in einer von [[Johann Matthias Gesner]] bearbeiteten Neuauflage. Noch im März hatte Zedler optimistisch einen Nachdruck der vergriffenen Werke aus dem Verlagsprogramm von Johann Herbord Kloß annonciert. Im Juni dagegen bereitete er bereits die Veräußerung von 10.000 gebundenen und ungebundenen Büchern aus dem von Kloß übernommenen Sortimentsbestand vor, der nach Einschätzung Quedenbaus zu einem hohen Anteil aus „Ramschware“ bestand.<ref>Quedenbaum, ''Der Verleger und Buchhändler Johann Heinrich Zedler'', S. 142.</ref> Der Verkauf fand in Form einer am 27. Juli veranstalteten [[Auktion]] statt, über deren Erfolg keine unmittelbaren Zeugnisse vorliegen. Indessen mehrten sich Hinweise darauf, dass Zedler in finanziellen Schwierigkeiten steckte und auf kurzfristige Gewinne angewiesen war. Am 5. Oktober veröffentlichte der Hallenser Buchhändler Johann Gottfried Oertel den Hinweis auf einen :''Catalogus von Büchern, welche die Zedlerische Handlung zu Leipzig bevorstehende Leipziger Michael-Messe, die erste Meß-Woche über, meistentheils um die Hälfte des sonst gewöhnlichen Preises vor baare Bezahlung dem Publico zum besten verlassen wird''.<ref>Hier zitiert nach Quedenbaum, ''Der Verleger und Buchhändler Johann Heinrich Zedler'', S. 152.</ref> Zedler versuchte also über Niedrigpreisangebote während der ersten Messewoche zu Bargeld zu gelangen. Der gewichtigste Grund hierfür war die Fertigstellung des elften und vorerst letzten Bandes der Lutherischen Schriften, dessen Erscheinen Zedler für eben jene Michaelismesse des Jahres 1733 angekündigt hatte. Damit lief nicht nur ein erfolgreiches und sichere Einnahmen garantierendes Verlagsprodukt aus. Mit der Fertigstellung des letzten Bandes ergab sich für Zedler auch die Schwierigkeit, offene Rechnungen begleichen zu müssen, ohne wie bisher auf die Einnahmen weiterer Pränumerationen zurückgreifen zu können. Bislang waren die Druckkosten des letzten Bandes immer aus Vorschüssen auf den nächsten gedeckt worden. Diese entfielen jetzt, die anstehenden Rechnungen mussten aber dennoch beglichen werden. Im Dezember 1733 brachte Zedler ein neues Verlagsprodukt auf den Markt. Mit dem ''Allerneuesten Kriegs-Staat, oder Gründliche Nachrichten von den heutigen Kriegs-Begebenheiten, welche mit Historischen, Politischen und andern Anmerckungen erläutert werden'' stellte er dem ''Cabinet'' ein weiteres Monatsblatt an die Seite. Doch nur wenige Monate später brachte der Leipziger Verleger [[Moritz Georg Weidmann (1686–1743)|Moritz Georg Weidmann]] mit dem ''Europäischen Staats-Secretarius'' ein direktes Konkurrenzprodukt zu Zedlers Monatsblättern heraus. Zedlers finanzielle Lage hatte sich indessen offenbar nicht grundlegend verbessert. Kurz vor Beginn der Ostermesse 1734 bemühte er sich erneut um eine Reduzierung seiner Lagerbestände durch Niedrigangebote. Ein Ende 1734 in den ''Hallischen Anzeigen'' angekündigtes Zeitschriftenprojekt unter dem Titel ''Lesens-würdige Neuigkeiten der Stadt und neuen Universität Göttingen'' kam vermutlich nie zustande.<ref>Quedenbaum, ''Der Verleger und Buchhändler Johann Heinrich Zedler'', S. 168.</ref> ==== Rettungsversuch: die Bücherlotterie ==== Im Frühjahr 1735 griff Zedler zu einem neuen Mittel, um seinen Warenbestand in Bargeld umzuwandeln. In einem eigens gedruckten Prospekt kündigte er eine Bücherlotterie an: :''Es hat der Herr Commercien-Rath Zedler zu Leipzig, durch seinen unermüdeten Fleiß, Sorge, und mit unbeschreibl. Kosten durch Edirung sowohl großer wichtiger Wercke, als kleiner nützlicher Bücher, auch Erkauffung anderer Handlungen, ansehnliche Lager an sich gebracht, und sich entschlossen, von diesen von GOtt gesegneten Bücher-Vorrath eine Summe von 10&nbsp;000 Rthl. gegen Bezahlung 5&nbsp;000 Rthl. dem Publico zum Besten zuverlassen, und solches auf eine so raisonnable Art, daß dabey einjeder sein Glücke machen, keiner aber nicht das allergeringste verlieren kan, und zwar folgender gestalt:'' :''1) werden 2&nbsp;000 Loose hierzu erfordert, und vor jedes 2&nbsp;1/2 Rhtl. bezahlt; dagegen'' :''2) empfängt ein jeder bey der Bezahlung eines Looses so gleich eben so viel an Büchern, als er bezahlet, nebst einen gedruckten Schein auf den zu hoffenden Gewinn, und kan so gleich'' :''3) einjeder aus den angefügten Büchern, von No.&nbsp;II bis XIII –&nbsp;die besten Wercke stecken aber in No.&nbsp;I&nbsp;– sich nach eigenen Belieben vor seine Einlage auslesen''<ref name="Lotterie">Kirchhoff, ''Lesefrüchte aus den Acten des städtischen Archivs zu Leipzig'', in: Archiv für Geschichte des Buchwesens 14 (1891), S. 196−269, hier: S. 199f.</ref> Zedler gab also insgesamt 2.000 Lose zu einem Einzelpreis von 2&nbsp;1/2 [[Reichstaler]]n aus. Der Käufer erwarb dabei zunächst das Recht, sich Bücher –&nbsp;gemäß seinem Spieleinsatz&nbsp;– aus den nach Wert aufsteigend gruppierten Bücherkörben „XIII“ bis „II“ auszuwählen.<ref>Kirchhoff urteilt über die von Zedler in die Lotterie aufgenommen Bücher der Körbe „XIII“ bis „II“, sie seien „in der Hauptmasse nur geringwerthig und selbst für die damalige Zeit schon veraltet.“ Vgl. Kirchhoff, ''Lesefrüchte aus den Acten des städtischen Archivs zu Leipzig'', in: Archiv für Geschichte des Buchwesens 14 (1891), S. 196−269, hier: S. 203.</ref> Diese Bücher gehörten ihm unabhängig von der später folgenden Verlosung. Die 100 wertvollsten, im Korb mit der Nummer „I“ enthaltenen Bücher wurden in der anschließenden Verlosung ausgespielt: :''5) Diese Einlage deren 2&nbsp;000 Loose jedes 2&nbsp;1/2 Rthl. betragen 5&nbsp;000 Rthl. wofür so viel Bücher so gleich ausgehändiget werden, welches also so viel als 2&nbsp;000 Gewinnste anzusehen, von denen übrigen 5&nbsp;000 Rthl. aber, welche dem Publico zum Besten gegeben werden, sollen'' :''6) 100 Neben-Gewinnste gemacht werden […]''<ref name="Lotterie"/> Aus Sicht des Loskäufers versprach dieses System doppelten Gewinn: unabhängig von der Verlosung durfte er Bücher auswählen und mitnehmen. Darüber hinaus nahm er an der späteren Ausspielung teil und behielt bis zuletzt die Hoffnung auf das Losglück. Die Ziehung sollte am 18. April und damit während der Ostermesse des Jahres 1735 stattfinden, was Zedler einen zusätzlichen Werbeeffekt beschert hätte. Eine soziale Komponente erhielt die Veranstaltung durch Zedlers Versprechen, einen Teil seiner Einnahmen dem Leipziger Waisenhaus zu stiften. Der Lotterieplan rief erneut Zedlers Konkurrenten auf den Plan. Angeführt von Weidmann appellierten sie an den Leipziger Stadtrat und das Oberkonsistorium in Dresden, die Lotterie zu verbieten. In einer daraufhin von Zedler angeforderten Stellungnahme monierte der Rat die Tatsache, dass sich auch das ''Universal-Lexicon'' unter den 100 Gewinnen des ersten Bücherkorbes befand und bekräftigte, dass das über das Werk verhängte Verkaufsverbot in Sachsen noch immer gelte. Da Zedler aus Dresden zunächst keine Antwort erhielt, musste er den angekündigten Termin für die Losziehung verstreichen lassen. Am 28. Mai wurde ihm schließlich mitgeteilt, die Lotterie sei genehmigt, aber nur unter der Auflage, dass er das ''Universal-Lexicon'' aus dem Angebot herausnehme. Damit war der wohl attraktivste Preis entfallen. Hinzu kam, dass gerade zu dieser Zeit Johann Christian Martini, einer der Konkurrenten Zedlers, sein Sortimentslager auflöste und den Markt mit Büchern überschwemmte. Als Zedler am 3. Oktober 1735 anlässlich der anstehenden Michaelismesse in den Hallischen Anzeigen inserierte, erfuhren die Leser, dass immer noch Lose zu haben waren. Kurze Zeit später erschien eine weitere Ankündigung Martinis, der für den 17. Oktober eine erneute Auktion ankündigte, auf der insgesamt 6.521 Bücher und 1.121 Kupferstiche versteigert werden sollten.<ref>Quedenbaum, ''Der Verleger und Buchhändler Johann Heinrich Zedler'', S. 192.</ref> Am 8. April 1736 bewarb Zedler seinen Lotterieplan erneut per Zeitungsinserat. Diesmal jedoch sollten die Lose nur noch zu einem reduzierten Preis von einem anstatt von 2&nbsp;1/2 Reichstalern zu haben sein. Quedenbaum schließt hieraus, Zedler sei zu diesem Zeitpunkt in so großer finanzieller Bedrängnis gewesen, dass er seinen Büchervorrat „um jeden Preis absetzen wollte“.<ref>Quedenbaum, ''Der Verleger und Buchhändler Johann Heinrich Zedler'', S. 198.</ref> ==== Finanzieller Zusammenbruch ==== Die Umstände von Zedlers finanziellem Zusammenbruch liegen weitestgehend im Dunkeln. Gesichert ist, dass Zedler die Zahlungsverpflichtungen gegenüber seinen Gläubigern ab einem bestimmten Zeitpunkt nicht mehr erfüllen konnte. In einem bei [[Albrecht Kirchhoff]] 1892 in Auszügen wiedergegebenen Bericht des Rates der Stadt Leipzig an die Landesregierung in Dresden vom 10. Oktober 1738 ist von dem „Zedlerischen Concurs“ die Rede.<ref>Vgl. Albrecht Kirchhoff: ''Die kaiserlichen Bücher-Privilegien in Sachsen'', in: Archiv für Geschichte des Deutschen Buchandels 15 (1892), S. 73–102, hier S. 97.</ref> Wann genau diese [[Insolvenz|Zahlungsunfähigkeit]] Zedlers eintrat, ist bislang nicht abschließend geklärt. Juntke schreibt in einer 1956 veröffentlichten Abhandlung, der Privilegienstreit habe Zedler „im Frühjahr 1735 finanziell zugrunde [gerichtet]“.<ref>Juntke, ''Johann Heinrich Zedler’s Grosses Vollständiges Universallexikon'', S. 28.</ref> Blühm nimmt diese Formulierung 1962 auf, legt sich aber mit dem Satz „Im Frühjahr 1735 kam es zum Konkurs“ zumindest in der Verfahrensfrage stärker fest.<ref>Blühm, ''Johann Heinrich Zedler und sein Lexikon'', in: Jahrbuch der Schlesischen Friedrich-Wilhelms-Universität zu Breslau 7 (1962), S. 184–200, hier S. 194.</ref> Quedenbaum widerspricht Blühm (allerdings ohne diesen explizit zu nennen) in beiden Punkten und legt anhand von Plausibilitätsprüfungen dar, dass es allenfalls –&nbsp;und zwar nicht vor 1736<ref>Quedenbaum, ''Der Verleger und Buchhändler Johann Heinrich Zedler'', S. 193.</ref>&nbsp;– zu einem [[Vergleich (Recht)|Vergleich]] gekommen sein könne, wobei die Umstände eines solchen Verfahrens „kaum mehr festzustellen“ seien.<ref>Im vollen Wortlaut: „Ob der tatsächlich zustande gekommene Vergleich […] nun freiwillig oder unter dem Druck der Gläubiger erfolgte, ob er gerichtlich oder außergerichtlich vereinbart wurde, ist letztendlich wohl kaum mehr festzustellen, in der Konsequenz aber auch unerheblich.“ Vgl. Quedenbaum, ''Der Verleger und Buchhändler Johann Heinrich Zedler'', S. 203.</ref> Hinsichtlich der Nachprüfbarkeit ist jedoch zu berücksichtigen, dass Quedenbaum bei den Arbeiten für seine 1977 veröffentlichte Zedler-Biographie die Leipziger Archivbestände unberücksichtigt ließ, zu denen Kirchhoff mit Bezug auf das ''Universal-Lexicon'' anmerkt, „die Acten der Bücher-Commission über dasselbe bilden bis zum Jahre 1738 vier dickleibige Fascikel.“<ref>Albrecht Kirchhoff: ''Die kaiserlichen Bücher-Privilegien in Sachsen'', in: Archiv für Geschichte des Deutschen Buchandels 15 (1892), S. 73–102, hier S. 94.</ref> Moderne biographische Abrisse wie etwa der von Winfried Müller in der ''[[Sächsische Biografie|Sächsischen Biografie]]'' aus dem Jahr 2003 umschiffen die Schwierigkeit, indem sie gar nicht genauer auf die Frage nach dem genauen Zeitpunkt und den Umständen von Zedlers finanziellem Zusammenbruch eingehen.<ref>Müller schreibt, dass Zedler „Mitte der 1730er-Jahre in ernsthafte finanzielle Bedrängnis geriet, die ihn zu einem Vergleich mit seinen Gläubigern und zur Aufgabe der Buchhandlung nötigte.“ Vgl. Winfried Müller: ''Zedler, Johann Heinrich'', in: [[Sächsische Biografie]], hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde e.V., bearb. von Martina Schattkowsky, online abrufbar über die Internet-Ausgabe der Sächsischen Biografie unter http://www.isgv.de/saebi/.</ref> === Wolf, Zedler, Heinsius === ==== Neubeginn und Kampf gegen den Nachdruck von Schultze ==== Das finanzielle Engagement des Leipziger Geschäftsmanns [[Johann Heinrich Wolf]] ermöglichte Zedler einen unternehmerischen Neubeginn. Im ''Universal-Lexicon'' wird Wolf als „Vornehmer Kauf- und Handelsmann“, „Cramer-Meister“ und als „besonderer Liebhaber der Wissenschaften“ beschrieben, der seine Zeit „mit nichts lieber als mit Lesung guter und gelehrter Bücher zubringet“.<ref>''Wolf, (Johana [sic] Heinrich)'', in: Grosses vollständiges Universal-Lexicon Aller Wissenschafften und Künste, Band 58 (1748), Sp. 769−772, hier Sp. 769, [http://www.zedler-lexikon.de/blaettern/einzelseite.html?seitenzahl=0398&bandnummer=58&dateiformat=1&supplement=0 online abrufbar] als Digitalisat im JPEG-Format über [http://www.zedler-lexikon.de/ Zedlers Großes Universallexikon Online]</ref> Quedenbaum vermutet, dass Wolf die gesamte weitere Finanzierung des Zedlerschen Verlags deshalb übernahm, weil er „genau im Zielgruppenbereich des Universal-Lexikons stand und damit in die Gruppe derer gehörte, die als Kleingläubiger mehr an der Fortsetzung der Werke als an deren Einstellung interessiert war.“<ref>Quedenbaum, ''Der Verleger und Buchhändler Johann Heinrich Zedler'', S. 221.</ref> Unterlagen wie etwa ein zwischen Zedler und Wolf abgeschlossener Vertrag sind allerdings nicht überliefert, so dass über die genauen Umstände der Geschäftsbeziehung keine Klarheit herrscht. Am 5. August 1737 war Zedlers kaiserliches Privileg für den Druck des ''Universal-Lexicons'' aufgehoben worden – angeblich weil Zedler es versäumt hatte, seine Pflichtexemplare am kaiserlichen Hof abzuliefern. Quedenbaum hält dies für unwahrscheinlich und vermutet, dass die Aberkennung des kaiserlichen Druckprivilegs auf die Einflussnahme des Buchdruckers und Verlegers Johann Ernst Schultze aus dem bayerischen [[Hof (Saale)|Hof]] zurückzuführen ist.<ref>Quedenbaum, ''Der Verleger und Buchhändler Johann Heinrich Zedler'', S. 218.</ref> Dieser wusste von dem finanziellen Zusammenbruch Zedlers, da er an dem Druck früherer Bände des Lexikons beteiligt gewesen war.<ref>Juntke, ''Johann Heinrich Zedler’s Grosses Vollständiges Universallexikon'', S. 30.</ref> Darüber hinaus hatte Schultze mit [[Paul Daniel Longolius]] einen geeigneten Herausgeber gefunden, denn dieser war 1735 zum Rektor des [[Jean-Paul-Gymnasium Hof|Hofer Gymnasiums]] berufen worden. Als früherer Mitarbeiter Zedlers verfügte Longolius über die nötige Erfahrung für die Herausgabe weiterer Lexikonbände. Auf die Behauptung hin, Zedler habe ihm das Privileg im Januar 1735 abgetreten, beantragte Schultze ein neues, auf seinen eigenen Namen ausgestelltes kaiserliches Privileg, das ihm am 11. Juni 1738 auch erteilt wurde. Schultze druckte einen 17. und 18. Band des ''Universal-Lexicons'' in Hof und versuchte diese kurze Zeit nach ihrem Erscheinen auch in Leipzig zu verkaufen. Hierzu schickte er den kaiserlichen Notar Bernhard Christian Groot aus Offenbach mit zwei Buchdruckergesellen als Zeugen zur Leipziger Bücherkommission. Die Bücherkommission verwies Groot jedoch direkt nach seiner Ankunft an den Leipziger Rat. Dieser nahm Groot kurzerhand die beiden von ihm als Beleg für Schultzes Rechte mitgebrachten Druckexemplare des Privilegs ab, ließ sein Gepäck nach weiteren Papieren untersuchen und warf ihn und die beiden Zeugen aus der Stadt. Das Motiv für diese Behandlung legte der Leipziger Rat in einem auf den 10. Oktober 1738 datierten Schreiben an die Landesregierung in Dresden offen, in dem es hieß :''Niemanden ohne Ew. K. M. allerhöchsten Erlaubniß in dero Landen, und noch darzu durch einen fremden ''Notarium'', welcher bey Ew. K. M. Landes Regierung nicht einmal ''immatriculiret'', etwas ''insinuiren'' zu laßen erlaubet''.<ref>Hier zitiert nach Albrecht Kirchhoff: ''Die kaiserlichen Bücher-Privilegien in Sachsen'', in: Archiv für Geschichte des Deutschen Buchandels 15 (1892), S. 73–102, hier S. 96.</ref> Für Zedler stellte dieser Beleg für den in der Praxis stark eingeschränkten Geltungsbereich kaiserlicher Bücherprivilegien einen Glücksfall dar, denn damit war die Fortführung seines Lexikons gesichert. Die Redaktion des ''Universal-Lexicons'' übernahm ab Band 19 der Leipziger Philosophieprofessor [[Carl Günther Ludovici]], der ein Studienkollege von Longolius war. Im Gegensatz zu Zedler verlegte der Hofer Buchdrucker Schultze in der Folge keine weiteren Bände des ''Universal-Lexicons'' mehr und musste seine Druckerei 1745 aufgrund finanzieller Schwierigkeiten an das Hofer Gymnasium verkaufen. ==== Rückzug ins Privatleben ==== [[Datei:Zedler Band 61 (1749), Sp. 309-312 (Hervorhebung).jpg|thumb|300px|Im 1749 erschienenen 61. Band des ''Universal-Lexicons'' heißt es zu Zedler, dieser habe nach der Übernahme des Verlages durch Wolf „die Ruhe den Handels-Geschäfften vorzuziehen sich entschlossen.“ Hervorhebung: Artikel „Zedler, (Johann Heinrich)“.]] Es scheint, als sei Zedler nach der finanziellen Übernahme seines Verlages durch Wolf zunehmend an den Rand gedrängt worden. Seit Carl Günther Ludovici die „Direction“ des 19. „und der noch zu gewartenden Bände“ des ''Universal-Lexicons'' übernommen hatte<ref>[[Carl Günther Ludovici]]: ''Vorrede zu dem XIX. und XX. Bande dieses grossen Universal-Lexicons […]'', in: Grosses vollständiges Universal-Lexicon Aller Wissenschafften und Künste, Band 19 (1738), S. 1−12, hier S. 3, [http://www.zedler-lexikon.de/blaettern/einzelseite.html?seitenzahl=0024&bandnummer=19&dateiformat=1&supplement=0 online abrufbar] als Digitalisat im JPEG-Format über [http://www.zedler-lexikon.de/ Zedlers Großes Universallexikon Online]</ref>, drückte er dem Werk zunehmend seinen eigenen Stempel auf. „Er machte“, wie Schneider die Veränderungen zusammenfasst, „nicht nur die Literaturangaben am Ende jedes Personenartikels zu einer einschlägigen und manchmal sehr ausführlichen Bibliographie, er setzte nicht nur die Binnengliederung längerer Artikel durch, sondern er nahm auch lebende Personen in das ''Universal-Lexicon'' auf“<ref>Schneider, ''Zedlers Universal-Lexicon und die Gelehrtenkultur des 18. Jahrhunderts'', in: Die Universität Leipzig und ihr gelehrtes Umfeld 1680−1780, hrsg. von Detlef Döring und Hanspeter Marti, Basel 2004, S. 195–213, hier S. 205.</ref> Seinen eigenen Buchladen hatte Zedler soweit ersichtlich zudem aufgeben müssen, denn eine zur Ostermesse 1739 erschienene Anzeige in den ''Neuen Zeitungen von gelehrten Sachen'' erklärte, dass die beiden zuletzt gedruckten Lexikonbände in „Wolfens Gewölbe, Auerbachs Hof gleich gegenüber“ ausgegeben werden sollten.<ref>Hier zitiert nach Quedenbaum, ''Der Verleger und Buchhändler Johann Heinrich Zedler'', S. 243.</ref> In dieser Situation zog sich Zedler offenbar zunächst ins Privatleben zurück. Der Artikel „Zedler, (Johann Heinrich)“ im 1749 erschienenen 61. Band des ''Universal-Lexicons'' bemerkt hierzu, Zedler habe nach der Übernahme des Verlages durch Wolf „die Ruhe den Handels-Geschäfften vorzuziehen sich entschlossen.“<ref>''Zedler, (Johann Heinrich)'', in: Grosses vollständiges Universal-Lexicon Aller Wissenschafften und Künste, Band 61 (1749), Sp. 309−311, hier Sp. 310, [[s:de:Zedler:Zedler, (Johann Heinrich)|online abrufbar]] als Volltext im Projekt [[Wikisource]].</ref> Zedler besaß in Wolfshain, einem von fünf Dörfern, die Herzog [[Moritz (Sachsen)|Moritz von Sachsen]] im Jahre 1544 der [[Universität Leipzig|Leipziger Universität]] geschenkt hatte, ein Landgut.<ref>Vgl. hierzu den Artikel ''Wolfshayn'', in: Grosses vollständiges Universal-Lexicon Aller Wissenschafften und Künste, Band 58 (1748), Sp. 1289, [http://www.zedler-lexikon.de/blaettern/einzelseite.html?seitenzahl=0658&bandnummer=58&dateiformat=1&supplement=0 online abrufbar] als Digitalisat im JPEG-Format über [http://www.zedler-lexikon.de/ Zedlers Großes Universallexikon Online].</ref> Quedenbaum, der Zedler als „ungestüm“ charakterisiert, vermutet, dass dieser die ihm aufgezwungene Ruhe in Wolfshain dazu nutzte, über neue Verlagsprojekte nachzudenken.<ref>Quedenbaum, ''Der Verleger und Buchhändler Johann Heinrich Zedler'', S. 250f.</ref> Sicher ist auf jeden Fall, dass sein seit der Verlagsübernahme angeschlagener Ruf es Zedler nicht länger erlaubte, seine neuen verlegerischen Ideen unter dem eigenen Namen zu verwirklichen. ==== Neue Projekte im Verlag Heinsius ==== [[Datei:Zedler - Allgemeine Schatz-Kammer der Kauffmannschafft.jpg|thumb|Titelblatt des ersten Bandes des unter dem Verleger-Namen Heinsius erschienenen Handelslexikons ''Allgemeine Schatz-Kammer Der Kaufmannschafft''. In der Aufmachung knüpft das Werk unverkennbar an Zedlers frühere Verlagsprodukte an.]] Ab 1740 erschien eine ganze Reihe von Verlagsprodukten Zedlers unter dem Namen des Leipziger Verlagsbuchhändlers [[Johann Samuel Heinsius der Ältere|Johann Samuel Heinsius]]. Den Auftakt bildete Zedlers Monatsblatt ''Cabinet'', das jetzt unter dem leicht veränderten Titel ''Neueröffnetes Cabinet Grosser Herren oder Gegenwärtige Staats- Hoff- Kriegs- und Commercien-Verfassung aller Europäischen Reiche und Staaten der Welt'' eine Fortsetzung fand. Über den genauen Erfolg das ''Neueröffneten Cabinets'' ist ebenso wenig bekannt, wie über die Gründe für die Aufnahme in das Verlagsprogramm von Heinsius, der seit 1739 bereits eine ähnliche Monatsschrift unter dem Titel ''Genealogisch-historische Nachrichten von den vornehmsten Begebenheiten, welche sich an den europäischen Höfen zugetragen'' verlegte. Nach zwei Jahren und sechs Ausgaben gab Zedler das Blatt allerdings an den Leipziger Buchhändler Wolfgang Heinrich Schönermarck ab. Nach dem Erscheinen weniger weiterer Ausgaben wurde das Blatt eingestellt. Im Jahr 1741 folgte mit dem ersten Band der ''Allgemeinen Schatz-Kammer Der Kaufmannschafft'' der Auftakt für ein zunächst auf vier Bände angelegtes Handelslexikon auf der Grundlage des ''Dictionnaire Universel de Commerce'' (dt. „Allgemeines Handelslexikon“) von [[Jacques Savary des Bruslons]]. Als verantwortlichen Redakteur nennt Zedler in einer Anzeige in den ''Wöchentlichen Hallischen Anzeigen'' Carl Günther Ludovici.<ref>„Es hat der gelehrte, unermüdete und scharfsinnige Professor, Herr Carl Günther Ludovici die direction des Werckes auf sich, welchen wir die Fortsetzung des Universal-Lexici zu dancken […]“, in: ''Wöchentlichen Hallischen Anzeigen'' vom 17. Oktober 1740. Hier zitiert nach Quedenbaum, ''Der Verleger und Buchhändler Johann Heinrich Zedler'', S. 265.</ref> Bereits 1742 wurde der die Buchstaben „S“ bis „Z“ umfassende vierte Band ausgeliefert, ein Jahr später erschien unter dem Titel ''Fortsetzung der Allgemeinen Schatz-Kammer Der Kauffmannschafft'' ein [[Supplement]]<nowiki />band mit Ergänzungen und Register. Ein zunächst für den Schluss des Werkes angekündigtes Verzeichnis unter dem Titel „Jetzt lebende Kaufmannschaft in und außer Deutschland“ wurde nicht realisiert. Der Grund hierfür war offenbar, dass sich einige der von Zedler angeschriebenen Städte der Mitarbeit verweigert hatten und damit nicht alle benötigten Informationen vorlagen.<ref>Vgl. ''Neue Zeitungen von gelehrten Sachen'', 1743, S. 536.</ref> Zedlers nächstes Verlagsprojekt war das ''Corpus Juris Cambialis'' von [[Johann Gottlieb Siegel]]. Siegel war ein anerkannter Spezialist für das komplizierte [[Wechsel (Urkunde)|Wechsel]]<nowiki />recht der Zeit. Sein ''Fürsichtiger Wechsel-Gläubiger'' erschien 1739 bereits in der vierten Auflage. Heinsius stellte das neue, auf zwei Bände ausgelegte ''Corpus Juris Cambialis'' in den ''Neuen Zeitungen'' im April 1742 vor und warb um Pränumeranten. Pünktlich zur Leipziger Michaelismesse desselben Jahres lagen beide Bände gedruckt vor und erschienen gemeinsam mit dem 33. und 34. Band des ''Universal-Lexicons'', das bis dahin bei „Schla“ angekommen war. Von der ''Allgemeinen Staats- Kriegs- Kirchen- und Gelehrten-Chronike'', die wie das Lexikon unter der Ägide Wolfs weitergeführt wurde, erschien gleichzeitig der 12., inhaltlich bis zum Jahr 1700 reichende Band. Im Anschluss an die ''Schatz-Kammer'' und das ''Corpus Juris Cambialis'' begann Zedler erneut ein verlegerisches Großprojekt. Grundlage für das unter dem Titel ''Historisch-Politisch-Geographischer Atlas der gantzen Welt: Oder, Grosses und vollständiges Geographisch- und Critisches Lexicon'' ab 1744 bei Heinsius erscheinende Werk war eine Übersetzung des ''Grand Dictionnaire Géographique Et Critique'' von [[Antoine-Augustin Bruzen de La Martinière]]. Für das deutschsprachige Publikum wurde der Text der neunbändigen Originalausgabe durch Hinzuziehung weiterer Lexika ergänzt, wobei – durch Literaturangaben im Text belegt – besonders häufig auf das Zedlersche ''Universal-Lexicon'' zurückgegriffen wurde. ==== Letzte Jahre und Tod ==== Über die genannten Werke hinaus hat Zedler wahrscheinlich auch noch weitere Arbeiten verlegt oder zumindest initiiert. Der Lexikonartikel „Zedler, (Johann Heinrich)“ aus dem Jahr 1749 bemerkt hierzu :''Uebrigens so hat er noch verschiedene grosse Wercke, die zum Theil bereits unter der Presse sind, theils noch in Zukunfft heraus kommen sollen, projectiret.''<ref>''Zedler, (Johann Heinrich)'', in: Grosses vollständiges Universal-Lexicon Aller Wissenschafften und Künste, Band 61 (1749), Sp. 309−311, hier Sp. 311.</ref> Auf welche Verlagsprojekte Zedlers sich dieser Hinweis bezieht, ist heute nicht mehr feststellbar. In den Jahren bis 1751 verlief die Arbeit an den unter der Ägide Wolfs stehenden oder bei Heinsius erscheinenden Werken jedoch in sehr geregelten Bahnen. Jeweils zur Oster- und Michaelismesse erschienen zwei Bände des ''Universal-Lexicons'' sowie jeweils zur Ostermesse ein Band der ''Allgemeinen Staats-, Kriegs-, Kirchen- und Gelehrten-Chronicke''. Die alphabetischen Bände des ''Universal-Lexicons'' konnten auf diese Weise bis 1750 abgeschlossen werden. Ludovici erweiterte es später noch um vier Supplementbände. Den größten Teil seiner letzten Lebensjahre verbrachte Zedler offenbar auf seinem Landgut in der Nähe Leipzigs. Hierzu heißt es im bereits erwähnten Lexikonartikel, Zedler habe sich :''bereits einer geraumen Zeit her denen Handlungs-Geschäfften entzogen, und die meiste Zeit des Sommers auf seinem Land-Gute zu Wolfshayn''<ref>''Zedler, (Johann Heinrich)'', in: Grosses vollständiges Universal-Lexicon Aller Wissenschafften und Künste, Band 61 (1749), Sp. 309−311, hier Sp. 311.</ref> zugebracht, es gleichwohl :''nicht unterlassen, durch nützliche Erfindungen denen Gelehrten, und durch kluge Rathschläge der Buchhandlung nützlich zu seyn.''<ref>''Zedler, (Johann Heinrich)'', in: Grosses vollständiges Universal-Lexicon Aller Wissenschafften und Künste, Band 61 (1749), Sp. 309−311, hier Sp. 311.</ref> Im September 1743 war Zedlers Förderer Johann Peter von Ludewig verstorben. Heinsius starb im Dezember 1750, sein Unternehmen wurde unter der Bezeichnung „Johann Samuel Heinsius Erben“ weitergeführt. Am 21. März 1751 verstarb auch Zedler. Angaben, dass er erst 1763 starb<ref>{{ADB|44|741|742|Zedler, Johann Heinrich|Franz Schnorr von Carolsfeld|ADB:Zedler, Johann Heinrich}}, sowie −&nbsp;offenbar darauf fußend&nbsp;− Juntke, ''Johann Heinrich Zedler’s Grosses Vollständiges Universallexikon'', S. 17.</ref>, sind inzwischen durch Belege aus dem Leichenbuch und dem Grabregister der Stadt Leipzig widerlegt. Der Eintrag im Leichenbuch lautet: :''Dienstag, den 23. Mart.'' :''gest/2 Ein Mann 46 Jahre, Hr. Johann Heinrich Zedler, Commercien-Rath und Buchhändler, in der Fleischer Gaße, St.J.[ohannis]''<ref>Hier zitiert nach Quedenbaum, ''Der Verleger und Buchhändler Johann Heinrich Zedler'', S. 305.</ref> Seine zu diesem Zeitpunkt 56-jährige Witwe Christiana Dorothea verließ Leipzig im Jahr 1754 und zog zurück nach Freiberg. Dort starb sie anderthalb Jahre später am 18. November 1755. Ihre Ehe mit Zedler war kinderlos geblieben. == Von Zedler verlegte und betreute Werke (1726−1751) == Eine historisch-kritische Bibliographie der von Zedler verlegten und betreuten Werke fehlt. Die Auswahl der hier aufgeführten Titel stellt das Ergebnis einer im Mai 2007 durchgeführten Suche in den Online-Katalogen deutscher Bibliotheken dar. Im Gegensatz zu den Aufnahmen in Bibliothekskatalogen wird hier nach Möglichkeit der Titel des Originals in ungekürztem Wortlaut wiedergegeben (bei Sammelwerken in Wortlaut und Form des ersten Bandes). Aus Online-Bibliothekskatalogen ermittelte und gekürzte Titel sind durch kursive Schrift ausgezeichnet. Bei der Wiedergabe von ungekürzten Titeln markiert der senkrechte Strich den Zeilenwechsel. Abkürzungen sind in eckigen Klammern aufgelöst. Besonders auffällige Formen der Hervorhebung werden hier als Großbuchstaben wiedergegeben. Weitere Auszeichnungen wie Kursivierungen, farbliche Hervorhebungen, etc. wurden aus Gründen der besseren Lesbarkeit nicht berücksichtigt. Aufgenommen wurden nur Werke, deren Druck zu Lebzeiten Zedlers abgeschlossen wurde. Angegeben wird das auf dem Titelblatt des jeweiligen Werkes angegebene Erscheinungsdatum. Dieses kann in Einzelfällen von dem tatsächlichen Datum des Erscheinens abweichen, weil Zedler offenbar immer dann spätere Jahreszahlen auf das Titelblatt drucken ließ, wenn er sich unsicher war, ob er das vorgesehene Erscheinungsdatum würde einhalten können. === Sammelwerke === * Des | Theuren Mannes GOttes, | D. Martin Luthers | Sämtliche | Theils von Ihm selbst Deutsch verfertigte, theils aus dessen | Lateinischen ins Deutsche übersetzte | SCHRIFFTEN UND WERCKE, | Welche aus allen vorhin | Ausgegangenen Sammlungen | zusammen getragen, | Und | Anietzo in eine bequemere und nach deren Materien eingerich- | tete Ordnung gebracht, | nach denen ältesten und besten Exemplarien mit | Fleiß übersehen und verbessert, mit verschiedenen in denen Altenburgischen und | andern Tomis ermangelnden Schrifften vermehret, und mit näthigen | Vorberichten versehen. […] Leipzig, | Verlegts Johann Heinrich Zedler […] :{| width="100%" | valign="top" align="left" width="33%" | * Theil 1 (1729) * Theil 2 (1729) * Theil 3 (1729) * Theil 4 (1729) * Theil 5 (1730) * Theil 6 (1730) * Theil 7 (1730) * Theil 8 (1730) | valign="top" align="left" width="33%" | * Theil 9 (1730) * Theil 10 (1730) * Theil 11 (1731) * Theil 12 (1731) * Theil 13 (1732) * Theil 14 (1732) * Theil 15 (1732) * Theil 16 (1732) | valign="top" align="left" width="33%" | * Theil 17 (1732) * Theil 18 (1732) * Theil 19 (1733) * Theil 20 (1733) * Theil 21 (1733) * Theil 22 (1734) |} * Grosses vollständiges | UNIVERSAL | LEXICON | Aller Wissenschafften und Künste, | Welche bishero durch menschlichen Verstand und Witz | erfunden und verbessert worden, | Darinnen sowohl die Geographisch-Politische | Beschreibung des Erd-Kreyses, nach allen Monarchien, | Käyserthümern, Königreichen, Fürstenthümern, Republiquen, freyen Herr- | schafften, Ländern, Städten, See-Häfen, Vestungen, Schlössern, Flecken, Aemtern, Klöstern, Ge- | bürgen, Pässen, Wäldern, Meernen, Seen, Inseln, Flüssen, und Canälen; samt der natürlichen Abhandlung | von dem Reich der Natur, nach allen himmlischen | lufftigen, feurigen, wässerigen und irrdischen Cörpern, und allen | hierinnen befindlichen Gestirnen, Planeten, Thieren, Pflantzen, Metallen, Mineralien, | Saltzen und Steinen [etc.] | Als auch eine ausführliche Historisch-Genealogische Nachricht von den Durchlauchten | und berühmtesten Geschlechtern in der Welt, | Dem Leben und Thaten der Käyser, Könige, Churfürsten | und Fürsten, grosser Helden, Staats-Minister, Kriegs-Obersten zu | Wasser und zu Lande, den vornehmsten geist- und weltlichen | Ritter-Orden [etc.] | Ingleichen von allen Staats-Kriegs-Rechts-Policey und Haußhaltungs- | Geschäfften des Adelichen und bürgerlichen Standes, der Kauffmannschaft, Handthierungen, | Künste und Gewerbe, ihren Innungen, Zünfften und Gebräuchen, Schiffahrten, Jagden, | Fischereyen, Berg-Wein-Acker-Bau und Viehzucht [etc.] | wie nicht weniger die völlige Vorstellung aller in den Kirchen-Geschichten berühmten | Alt-Väter, Propheten, Apostel, Päbste, Cardinäle, Bischöffe, Prälaten und | Gottes-Gelehrten, wie auch Concilien, Synoden, Orden, Wallfahrten, Verfolgungen der Kirchen, | Märtyrer, Heiligen, Sectirer und Ketzer aller Zeiten und Länder, | Endlich auch ein vollkommener Inbegriff der allergelehrtesten Männer, berühmter Universitäten | Academien, Societäten und der von ihnen gemachten Entdeckungen, ferner der Mythologie, Alterthümer, Müntz-Wissenschafft, | Philosophie, Mathematic, Theologie, Jurisprudentz und Medicin, wie auch aller freyen und mechanischen Künste, samt der Erklärung aller | darinnen vorkommenden Kunst-Wörter u.s.f. enthalten ist. […], Halle und Leipzig, | Verlegts Johann Heinrich Zedler | […] :{| width="100%" | valign="top" align="left" width="33%" | * [http://www.zedler-lexikon.de/blaettern/zedlerband.html?seitenzahl=4&bandnummer=01 Band 1, A – Am] (1732) * [http://www.zedler-lexikon.de/blaettern/zedlerband.html?seitenzahl=4&bandnummer=02 Band 2, An – Az] (1732) * [http://www.zedler-lexikon.de/blaettern/zedlerband.html?seitenzahl=4&bandnummer=03 Band 3, B – Bi] (1733) * [http://www.zedler-lexikon.de/blaettern/zedlerband.html?seitenzahl=4&bandnummer=04 Band 4, Bl – Bz] (1733) * [http://www.zedler-lexikon.de/blaettern/zedlerband.html?seitenzahl=4&bandnummer=05 Band 5, C – Ch] (1733) * [http://www.zedler-lexikon.de/blaettern/zedlerband.html?seitenzahl=4&bandnummer=06 Band 6, Ci – Cz] (1733) * [http://www.zedler-lexikon.de/blaettern/zedlerband.html?seitenzahl=4&bandnummer=07 Band 7, D] (1734) * [http://www.zedler-lexikon.de/blaettern/zedlerband.html?seitenzahl=4&bandnummer=08 Band 8, E] (1734) * [http://www.zedler-lexikon.de/blaettern/zedlerband.html?seitenzahl=4&bandnummer=09 Band 9, F] (1735) * [http://www.zedler-lexikon.de/blaettern/zedlerband.html?seitenzahl=4&bandnummer=10 Band 10, G – Gl] (1735) * [http://www.zedler-lexikon.de/blaettern/zedlerband.html?seitenzahl=2&bandnummer=11 Band 11, Gm – Gz] (1735) * [http://www.zedler-lexikon.de/blaettern/zedlerband.html?seitenzahl=2&bandnummer=12 Band 12, H – He] (1735) * [http://www.zedler-lexikon.de/blaettern/zedlerband.html?seitenzahl=2&bandnummer=13 Band 13, Hi – Hz] (1739) * [http://www.zedler-lexikon.de/blaettern/zedlerband.html?seitenzahl=2&bandnummer=14 Band 14, I] (1739) * [http://www.zedler-lexikon.de/blaettern/zedlerband.html?seitenzahl=2&bandnummer=15 Band 15, K] (1737) * [http://www.zedler-lexikon.de/blaettern/zedlerband.html?seitenzahl=2&bandnummer=16 Band 16, La – Le] (1737) * [http://www.zedler-lexikon.de/blaettern/zedlerband.html?seitenzahl=2&bandnummer=17 Band 17, Leis – Lm] (1738) * [http://www.zedler-lexikon.de/blaettern/zedlerband.html?seitenzahl=2&bandnummer=18 Band 18, Lo – Lz] (1738) * [http://www.zedler-lexikon.de/blaettern/zedlerband.html?seitenzahl=2&bandnummer=19 Band 19, Ma] (1739) * [http://www.zedler-lexikon.de/blaettern/zedlerband.html?seitenzahl=2&bandnummer=20 Band 20, Mb – Mh] (1739) * [http://www.zedler-lexikon.de/blaettern/zedlerband.html?seitenzahl=2&bandnummer=21 Band 21, Mi – Mt] (1739) * [http://www.zedler-lexikon.de/blaettern/zedlerband.html?seitenzahl=2&bandnummer=22 Band 22, Mu – Mz] (1739) | valign="top" align="left" width="33%" | * [http://www.zedler-lexikon.de/blaettern/zedlerband.html?seitenzahl=2&bandnummer=23 Band 23, N – Net] (1740) * [http://www.zedler-lexikon.de/blaettern/zedlerband.html?seitenzahl=2&bandnummer=24 Band 24, Neu – Nz] (1740) * [http://www.zedler-lexikon.de/blaettern/zedlerband.html?seitenzahl=2&bandnummer=25 Band 25, O] (1740) * [http://www.zedler-lexikon.de/blaettern/zedlerband.html?seitenzahl=2&bandnummer=26 Band 26, P – Pd] (1740) * [http://www.zedler-lexikon.de/blaettern/zedlerband.html?seitenzahl=2&bandnummer=27 Band 27, Pe – Ph] (1741) * [http://www.zedler-lexikon.de/blaettern/zedlerband.html?seitenzahl=2&bandnummer=28 Band 28, Pi – Pq] (1741) * [http://www.zedler-lexikon.de/blaettern/zedlerband.html?seitenzahl=2&bandnummer=29 Band 29, Pr – Pz] (1741) * [http://www.zedler-lexikon.de/blaettern/zedlerband.html?seitenzahl=2&bandnummer=30 Band 30, Q und R – Reh] (1741) * [http://www.zedler-lexikon.de/blaettern/zedlerband.html?seitenzahl=2&bandnummer=31 Band 31, Rei − Ri] (1742) * [http://www.zedler-lexikon.de/blaettern/zedlerband.html?seitenzahl=2&bandnummer=32 Band 32, Ro − Rz] (1742) * [http://www.zedler-lexikon.de/blaettern/zedlerband.html?seitenzahl=2&bandnummer=33 Band 33, S − San] (1742) * [http://www.zedler-lexikon.de/blaettern/zedlerband.html?seitenzahl=2&bandnummer=34 Band 34, Sao − Schla] (1742) * [http://www.zedler-lexikon.de/blaettern/zedlerband.html?seitenzahl=2&bandnummer=35 Band 35, Schle − Schwa] (1743) * [http://www.zedler-lexikon.de/blaettern/zedlerband.html?seitenzahl=2&bandnummer=36 Band 36, Schwe − Senc] (1743) * [http://www.zedler-lexikon.de/blaettern/zedlerband.html?seitenzahl=4&bandnummer=37 Band 37, Send − Si] (1743) * [http://www.zedler-lexikon.de/blaettern/zedlerband.html?seitenzahl=2&bandnummer=38 Band 38, Sk − Spie] (1743) * [http://www.zedler-lexikon.de/blaettern/zedlerband.html?seitenzahl=2&bandnummer=39 Band 39, Spif − Sth] (1744) * [http://www.zedler-lexikon.de/blaettern/zedlerband.html?seitenzahl=2&bandnummer=40 Band 40, Sti − Suim] (1744) * [http://www.zedler-lexikon.de/blaettern/zedlerband.html?seitenzahl=2&bandnummer=41 Band 41, Suin − Tarn] (1744) * [http://www.zedler-lexikon.de/blaettern/zedlerband.html?seitenzahl=2&bandnummer=42 Band 42, Taro − Teutschep] (1744) * [http://www.zedler-lexikon.de/blaettern/zedlerband.html?seitenzahl=2&bandnummer=43 Band 43, Teutscher − Th] (1745) * [http://www.zedler-lexikon.de/blaettern/zedlerband.html?seitenzahl=2&bandnummer=44 Band 44, Ti − Trao] (1745) | valign="top" align="left" width="33%" | * [http://www.zedler-lexikon.de/blaettern/zedlerband.html?seitenzahl=2&bandnummer=45 Band 45, Trap − Tz] (1745) * [http://www.zedler-lexikon.de/blaettern/zedlerband.html?seitenzahl=2&bandnummer=46 Band 46, V − Veq] (1745) * [http://www.zedler-lexikon.de/blaettern/zedlerband.html?seitenzahl=2&bandnummer=47 Band 47, Ver − Vers] (1746) * [http://www.zedler-lexikon.de/blaettern/zedlerband.html?seitenzahl=2&bandnummer=48 Band 48, Vert − Vis] (1746) * [http://www.zedler-lexikon.de/blaettern/zedlerband.html?seitenzahl=4&bandnummer=49 Band 49, Vit − Vn] (1746) * [http://www.zedler-lexikon.de/blaettern/zedlerband.html?seitenzahl=2&bandnummer=50 Band 50, Vo − Vrh] (1746) * [http://www.zedler-lexikon.de/blaettern/zedlerband.html?seitenzahl=2&bandnummer=51 Band 51, Vri − Uz] (1747) * [http://www.zedler-lexikon.de/blaettern/zedlerband.html?seitenzahl=2&bandnummer=52 Band 52, W − War] (1747) * [http://www.zedler-lexikon.de/blaettern/zedlerband.html?seitenzahl=2&bandnummer=53 Band 53, Was − Weh] (1747) * [http://www.zedler-lexikon.de/blaettern/zedlerband.html?seitenzahl=2&bandnummer=54 Band 54, Wei − Wend] (1747) * [http://www.zedler-lexikon.de/blaettern/zedlerband.html?seitenzahl=2&bandnummer=55 Band 55, Wene − Wiee] (1748) * [http://www.zedler-lexikon.de/blaettern/zedlerband.html?seitenzahl=2&bandnummer=56 Band 56, Wief − Wilk] (1748) * [http://www.zedler-lexikon.de/blaettern/zedlerband.html?seitenzahl=4&bandnummer=57 Band 57, Will − Wn] (1748) * [http://www.zedler-lexikon.de/blaettern/zedlerband.html?seitenzahl=4&bandnummer=58 Band 58, Wo − Woq] (1748) * [http://www.zedler-lexikon.de/blaettern/zedlerband.html?seitenzahl=4&bandnummer=59 Band 59, Wor − Wuq] (1749) * [http://www.zedler-lexikon.de/blaettern/zedlerband.html?seitenzahl=4&bandnummer=60 Band 60, Wur − Zar] (1749) * [http://www.zedler-lexikon.de/blaettern/zedlerband.html?seitenzahl=4&bandnummer=61 Band 61, Zas − Zet] (1749) * [http://www.zedler-lexikon.de/blaettern/zedlerband.html?seitenzahl=4&bandnummer=62 Band 62, Zeu − Zi] (1749) * [http://www.zedler-lexikon.de/blaettern/zedlerband.html?seitenzahl=4&bandnummer=63 Band 63, Zk − Zul] (1750) * [http://www.zedler-lexikon.de/blaettern/zedlerband.html?seitenzahl=4&bandnummer=64 Band 64, Zum − Zz] (1750) * [Nach Zedlers Tod erschienen bis 1754 noch vier Supplementbände] |} * Allgemeine | Staats- Kriegs- Kirchen- und | Gelehrten- | CHRONICKE | In welcher alle geist- und weltliche | Denckwürdigkeiten und Geschichte, | so sich vom Anfang der Welt | bis auf unsere Zeit zugetragen: | Und so wohl der Ursprung, | Aufnehmen, Glücks-Wechsel und | Untergang grosser Monarchien, Königreiche, Fürstenthümer, Freyer Staa- | ten, Länder und Städte, die Leben aller Römischen Kayser und Päbste, grosser Könige, Chur- | und anderer Fürsten, in und ausser der Christenheit, der berühmtesten Cardinäle, Bischöffe, | berühmter Helden, gelehrter Leute und Künstler: | Als auch | Die in Europa und andern Theilen der Welt geführten wichtig- | sten Kriege, | Schlachten, Belagerungen, Eroberungen, Siege, Niederlagen | und Gefangenschafften, errichteten Friedens- Neutralitäts- und Stillstands-Handlungen, Ver- | einigungen, Bündnisse, Kriegs-Declarationen, Maifesten, Cartellen, Guarantien, Empörungen, Ver- | räthereyen, Mordthaten, Executionnnene, Feuers-Brünste, Wasser-Fluthen, Sturm und Ungewitter, Schiffbrüche, Erdbe- | ben, grosse Theuerungen, wohlfeile Zeiten, und andere Wunder-Begebenheiten; | Ingleichen | Von Crönungen, Einzügen, Illuminationen, Feuerwercken, Freudens-Be- | zeugungen, Ritter-Spielen, Jubel-Festen, Exequien, Castris Doloris, und andern wichti- | gen Ceremonien, Staats-Veränderungen, und andern Merckwürdigkeiten; | Wie nicht weniger | Sichere Nachricht von denen Kirchen-Geschichten Alten und N. Testaments, | aus bewährter und berühmter Männer Schrifften und Bibliothecken mühsam zusammen | getragen, und ans Licht gestellet, | Mit hoher Potentaten Allergnädigsten Privilegiis. […] Leipzig, | Verlegts Johann Heinrich Zedler. | […] :{| width="100%" | valign="top" align="left" width="33%" | * Band 1 (1733) [Erschaffung der Welt − Christi Geburt] * Band 2 (1733) [Christi Geburt − 312] * Band 3 (1734) [313 − 1066] * Band 4 (1734) [1066 − 1300] * Band 5 (1734) [1300 − 1517] * Band 6 (1735) [1300 − 1517] * Band 7 (1739) [1517 − 1576] | valign="top" align="left" width="33%" | * Band 8 (1740) [1576 − 1600] * Band 9 (1740) [1601 − 1648] * Band 10 (1741) [1601 − 1648, Register] * Band 11 (1742) [1648 − 1679] * Band 12 (1743) [1679 − 1700] * Band 13 (1744) [1701 − 1710] * Band 14 (1745) [1701 − 1710] | valign="top" align="left" width="33%" | * Band 15 (1747) [1701 − 1710] * Band 16 (1748) [1701 − 1710] * Band 17 (1749) [1711 − 1730] * Band 18 (1750) [1711 − 1730] * [Nach Zedlers Tod erschienen bis 1754 noch drei weitere Bände] |} * Allgemeine | Schatz-Kammer | Der | Kauffmannschafft | Oder | Vollständiges | LEXICON | Aller | Handlungen und Gewerbe | So wohl in | Deutschland als auswärtigen Königreichen und Ländern, | Darinnen | Die Beschreibung aller und jeder zur Kauffmannschafft und Handlung gehörigen | Waaren, als Gold, Silber, Juwlen, Metalle, Berg-Sachen [etc.] wie auch aller Arten der Zeuge, | Stoffe, Seide, Wolle, Tuche, Leinwand, Leder, Rauchwerck [etc.] nicht weniger aller | Maerialien und Specereyen, | Insonderheit wie und woher solche Waaren, theils von sich selbst entstanden, theils durch | menschlichen Witz und Fleiß erfunden und verfertiget worden sind, deren Unterschied, Werth | und Unwerth, Nutzen und Gebrauch, | Ferner derer Kauffleute Privilegien und Rechte, Gebräuche, Innungen, Meß und Marckt-Freyheiten, Stapel- und Niederlags-Gerechtigkeiten, Societä- | ten, Colonien, Manufacturen, Schiffahrten, Banqven, Börsen, Leyhäuser und | Assecurantzen, oder Versicherungs-Kammern [etc.] | Ingleichen | Eine nöthige Nachricht von den berühmtesten Handels-Plätzen und See-Häfen, von Wech- | sel-Sachen, Buchhalten, Müntze, Maasse, Gewichte, Meilen und Stunden, wie auch alle bey der Kauff- | mannschafft vorkommende Kunst-Wörter und Redens-Arten, enthalten. | Nebst einem | Anhange | Derer jetzt florierenden Kauff- und Handels-Leute Namen, Conoirs, Fabriquen, | Handlungs-Compagnien, Waaren-Lager und Haupt-Waaren, die ein jeder selbst fabriciren lässet, oder | bey ihm aus der ersten und andern Hand zu haben sind. | Mit Hoher Potentaten allergnädigsten Privilegiis. | […] | Leipzig, verlegts Johann Samuel Heinsius, […], | Buchhändler in der Grimmischen Strasse. :* Theil 1: A − C (1741) :* Theil 2: D − L (1741) :* Theil 3: M − R (1742) :* Theil 4: S − Z (1742) :* Theil 5: Fortsetzung der Allgemeinen Schatz-Kammer Der Kauffmannschafft (1743) * Historisch Politisch-Geographischer | ATLAS | der gantzen Welt; | Oder | Grosses und vollständiges | Geographisch- und Critisches | LEXICON | Darinnen die Beschreibung des | Erd-Kreises, | Aller Monarchien, Käyserthümer, Königreiche, Chur- und Für- | stenthümer, Republiquen, freyen Staaten, Stände und Herrschaften, Länder, Städte, | Festungen, Seehäfen, Schlösser, Flecken, Aemter, Stiffter, Klöster, Gebürge, merckwürdigen | Höhlen, Bergwercke, Pässe, Wälder, Meere, Seen, Inseln, Vorgebirge, Klippen, Sand-Bäncke, | Meer-Engen, Quellen, Flüsse, Canäle, Gesund-Brunnen [etc.] | Nebst denen dazu gehörigen Denck- und Merckwürdigkeiten | enthalten: | Aus des berühmten Königl. Span. Geographi | Mr. Brvzen la Martiniere | Dictionnaire Geographique et Critique | ins Deutsche übersetzt, | Mit vielen tausend Artickeln vermehret und durchgängig aus den neuesten Geschichten verbessert, | sammt einer | Vorrede | von dem Nutzen und Vortrefflichkeit dieses Wercks | und denen Lexicis überhaupt, | von | Christian Wolffen, | Sr. Königl. Majestät in Preussen geheimen Rath, der Universität Halle Cantzlern, Professore Juris Naturæ | & Gentium und Matheseos, wie auch Professore honorario zu St. Petersburg, der Königl. Academie der Wissenschaften zu | Paris, wie auch der Königl. Groß-Britannischen und Königl. Preuss. Societät der Wissenschaften Mitgliede. | […] | Mit Röm. Käyserl. Königl. Pohln. Churfürstl. Sächs. | wie auch Königl. Preuss. und Churfürstl. | Brandenburgischen allergnädigsten Privilegiis. | Leipzig | Verlegts Johann Samuel Heinsius | […] :{| width="100%" | valign="top" align="left" width="33%" | * Theil 1: A (1744) * Theil 2: B (1744) * Theil 3: C (1745) * Theil 4: D, E, F (1745) * Theil 5: G − H (1746) | valign="top" align="left" width="33%" | * Theil 6: I − Ll (1746) * Theil 7: Lo − M (1747) * Theil 8: N − Ph (1747) * Theil 9: Pi − Szn (1748) * Theil 10: Sao − Szy (1748) | valign="top" align="left" width="33%" | * Theil 11: Ta − Uhz (1749) * Theil 12: Vi − Zz (1749) * Theil 13: Supplement (1750) |} * Allgemeines Juristisches | ORACVLVM, | Oder | Des Heil. Römisch-Teutschen Reichs | JURISTEN-FACULTÄT, | welche das | Römisch-Teutsche Bürgerliche und Peinliche Recht | nach denen im | Corpore Jvris Civilis Romani | befindlichen Büchern und Titeln derer Pandecten mit denen dahin zugleich in Institutionibus | und Codice nach denen Titeln einschlagenden Materien, als | Fürsten- Kriegs- Berg- Kauff- Wechsel- Schiff- See- Handel- und Innungs-Rechten, | und nach | Caroli Vti und andern Peinl. Hals-Gerichts-Ordnungen | durch vorgängige Einleitung des Göttlichen, Natur- und Völcker-Rechts in natürlichem | Zusammenhang historisch und critisch gründlich abhandelt, und durch | Responsa, Consilia, Envnciata, Decisiones | Observationes | Arbitragen, | Parere und Rechtliche Bedencken | erläutert, auch ieder abhandelten Rechts-Materie, mit denen besten Autoribus | überall bewähret. | Zu derer Richter, Consulenten, Auditeurs, Advocaten, Procuratoren und Notarien, | und aller Rechts-Gelehrten, auch anderer allgemeinen Nutzen und Besten | ans Licht stellet | Die Hochteutsche Rechtsgelahrte Societät. | […] | Leipzig, | Verlegts Johann Samuel Heinsius, […] :{| width="100%" | valign="top" align="left" width="33%" | * I. Theil (1746) * Des Ersten Theils II. Band (1747) * III. Band (1747) * IV. Band (1748) * V. Band (1748) | valign="top" align="left" width="33%" | * VI. Band (1749) * VII. Band (1749) * VIII. Band (1750) * IX. Band (1750) * X. Band (1751) | valign="top" align="left" width="33%" | * XI. Band (1751) * [Nach 1751 erschienen bis 1754 noch fünf weitere Bände sowie ein Registerband] |} * ''Eröffneter Schau-Platz der Allgemeinen Welt-Geschichte des gegenwärtigen Achtzehnten Jahrhunderts: welcher die Denck- und merckwürdigsten Kirchen-, Staats-, Gelehrten- Kunst- und Natur-Geschichte, so sich vom Jahre 1701 an bis auf die jetzigen Zeiten in allen Theilen des bewohnten Erd-Kreyses nach und nach zugetragen haben; Benebst vielen ausführlichen Lebens-Beschreibungen aller in diesem Jahrhunderte verstorbenen Kayser, Chur- und anderer Geist- und weltlichen Fürsten, wie nicht weniger der berühmtesten Staats-Gelehrten und sonst wohlverdiensten Personen / aus glaubwürdigen Schrifften, sichern Urkunden und mühsamer Correspondentz […] mit Summarien und einem vollst. Reg.'', [9 Tle.], Leipzig: Zedler, 1744-1752[?] === Monografien === * Bethesda Portvosa, | Das | Hülffreiche Wasser | Zum | LANGEN LEBEN | Insonderheit | In dem Lauchstädter Brunnen | bey Merseburg, | Und in dem | Schlacken-Bade | zu Freyberg, | Mit neuen Entdeckungen | Nach der | Historie, Chymie und Medicin, | Angewiesen von | D. Johann Friedrich Henckel, | Kön. Pohln. und Churfl. Sächsischen Land- Berg- | und Stadt-Physico und der Kön. Preußis. Societät | von Wissenschafften Mitgliede. | Freyberg und Leipzig | Verlegts Johann Heinrich Zedler, 1726. * ''D. Christiani Heisteri succintta Anatomia corporis humani: Ad usum medicinae Tyronum in Tabulas redacta'', Freibergae: J. H. Zedler, 1726 * M. Gottlieb Jahns | Past. in Ortrandt und der Haynischen Ephorie Adj. | ETHICA SALOMONIS | Sacra | Das ist: | Die Geistliche | Sitten-Lehre | Des Predigers Salomonis, | In welcher der Weg zur Seelen-Ruhe, als der höchsten und wahren | Glückseligkeit dieses Lebens, und so fort zur künfftigen ewigen See- | ligkeit zu gelangen, gezeiget wird, | So vorhin in richtiger Connexion, nach dem Sinne des Heil. Geistes, und | Erwegung des Grund-Textes, der Ortrandischen Gemeinde | In 46. Freytags-Predigten | Deutlich und schrifftmäßig vorgetragen worden, | Jetzo aber mit vorangesetzten nützlichen Tabellen und nöthigen Anmerckungen in Druck gegeben. | Freyberg, Verlegts Johann Heinrich Zedler 1727. * Johann Gotthard Beyers | Ursprüngliche | QUELLEN | Des | INDIFFERENTISMI | Oder | Ursachen der närrischen Meynung: | Man kan in allen Religionen | seelig werden, | Zur | Bevestigung der Warheit und Ausrottung | der Irrthümer | eröffnet, | und dem Druck überlassen. | Leipzig, | Verlegts Johann Heinrich Zedler, | Buchhändler in der Grimmischen Gaße, | in Kerstens Hause, 1727 * ''Der im Reiche derer Todten aufgerichtete Schauplatz unglücklicher Menschen, oder seltsame Lebens-Beschreibung solcher Personen, die durch ihr unartiges Leben ein trauriges Ende genommen, mit moralischen Anmerckungen zum Zeit-Vertreib des Frauenzimmers entworffen'', Leipzig: Zedler, 1728 * ''Die seltsamen Avanturen zweyer Personen, die durch thörigte Liebe ihren Fall gefunden: mit beygefügter Moral u. kurtzer Abhandlung von denen Temperamenten der Menschen u. bes. des Frauenzimmers'', Leipzig: Zedler, 1728 * Christian Michael Adolphi: ''De equitationis eximio usu medico dissertatio; In illustri academia Lipsiensi publice quondam pro cathedra explicata, iam secunda cura confecta ac aucta, ut novi opusculi mereatur titulum'', Lipsiae: Zedler, 1729 * Christian Michael Adolphi: ''Trias dissertationum medico chirurgicarum; Denuo recusarum'', Lipsiae: Zedler, 1730 * ''D. Joh. Gottfried Schaumburgs Einleitung Zum Sächßischen Rechte'', Leipzig: Zedler :* [Stück 1 (1727) und Theil 2 (1728) Wittenberg: Zimmermann] :* Theil 3 (1729) :* Theil 4 (1730) * Michael Rupert Besler: ''Gazophylacium Rerum Naturalium E Regno Vegetabili, Animali & Minerali depromtarum […] Oder Merckwürdige Naturalien-Cammer, Welche Besondere Stücke, sowohl aus dem Gewächs- als Thier- und Mineralien-Reiche […] vor Augen legt Mit Lateinischer und Teutscher Erklärung und Register versehen'', Leipzig: Zedler, 1733 * ''Daniel Caspars von Lohenstein sämtliche Geist- und Weltliche Gedichte: Nebst nöthigen Anmerckungen'', Leipzig: Zedler, 1733 * ''Ibrahim Sultan. Schauspiel Auf die Glückseligste Vermählung Beyder Röm. Kayser […] Herrn Leopolds und […] Frauen Claudia Felicitas […] / gewidmet durch Daniel Caspar von Lohenstein'', Leipzig: Zedler, 1733 * Latinitatis | Theatrvm | Sive | LEXICON | Latino-Germanico-Graecvm | Universale | Reyhero-Jvnckerianvm, | In Qvo | Ordine Nativo | Vocabulorvm Latinorum Origines, Genera, Flexiones, | Significationes variae, et Adpellationes | Germanicae pariter Graecaeque, | Similiter | Formvlae loquendi praestantiores, Sententiae, Facultatum | Scientiarumque Locvtiones peculiares, et Proverbia, | Cum Oratoribus, tum quoque Philosophis, Mathematicis, Medicis, Juris-Consultis, et Theologis | familiatiora, tum et recentiori aeuo vsurpata, et ad rectius intelligendos atque explicandos quoscunque | Autores Classicos nimium quantum facientis, continentur; | Adpositis vbique Notis Criticis ad distinguendas inter se | voces Obsoletas, Barbaras, Nouas, Theologicas, Philosophicas, Fictas, Poeticas, Dubias, | et Medii Aeui, ab iis, quae sund purae Latinitatis. | Opvs Sane omnibus elegantem ac puram linguam latinam docentibus ac discentibus perutile, | Cvm Indice Locvpletissimo | Ita nunc recognitum, emendatum, auctumque, vt plane nouum videri haberique possit, ejectis infinitis mendis, | Cvm Praefatione | Ioannis Matthiae Gesneri. | Cum Priuilegio S. Caes. mai. Regis Polon. et Electoris Saxoniae. | Lipsiae, | Sumptibus Ioan. Henrici Zedleri, | Ao. M DCC XXXIII [1733] * Dietrich Gotthard Eckard: ''Erklärung der Jurisprudentiae civilis, das ist: die gantze römische Rechts-Gelahrheit: nebst den gemeinen sächsischen Rechten und Jure Saxonico electorali, welche nach den Tituln derer Digestorum so in Corpore Juris Justinianei enthalten; in teutscher Sprache vorgetragen […]'', Leipzig, Bresslau: Zedler :* Theil 1: 1734 :* Theil 2: 1735 * D. Johann Gottlieb Siegels, | Jur. Feud. Prof. Publ. Ordin. der Universität Leipzig Syndici, des Königl. Pohl. und Churfl. | Sächs. Ober-Hof-Gerichts wie auch des Consistorii daselbst Advocati, | Corpvs Jvris | CAMBIALIS, | Das ist: | Vollständige Sammlung | derer auf den vornehmsten Handels-Plätzen auch anderer Orten in Europa | üblichen allerneuesten | WECHSEL-ORDNUNGEN, | welchen | Hr. D. Königs sel. über die Leipziger Wechsel-Ordnung | verfertigte Anmerckungen in vielen Stücken geändert und verbessert, | auch mit einer grossen Anzahl neuer Præjudicorum vermehret; | ingleichen | Ein summarischer Inhalt zu einer jeglichen Wechsel-Ordnung gehörig, | so wohl | Auserlesene bey dem Wechsel-Negotio vorgefallene Casus mit denen darüber | ertheilten | Pareres, | auch endlich | Eine zum Wechsel-Recht überhaupt dienliche | Einleitung, | worinne vieler | Wechsel-Ordnungen eigentlicher Verstand, und dunckler Stellen | deutliche Erklärung gezeiget wird, | Nebst einem vollständigen Register beygefüget. | II. Theile. | Mit Königl. Pohln. und Churf. Sächs. allergnäd. Privilegio. | Leipzig, verlegts Johann Samuel Heinsius, 1742. === Zeitschriften === * Eröffnetes | CABINET | Grosser Herren | Oder | Gegenwärtiger | Zustand aller Reiche | und Staaten der Welt, | Nebst andern | Merckwürdigkeiten, | […] Leipzig, in der Zedlerischen Handlung. | […] :* [1733−1735, 25 Ausgaben nachgewiesen] * Allerneuester | KRIEGS-STAAT, | Oder Gründliche Nachrichten | von den heutigen | Kriegs-Begebenheiten, | Welche | Mit Historischen, Politischen und an- | dern Anmerckungen erläutert | werden. | […] Leipzig, in der Zedlerischen Handlung. | […] :* [1733−1735, 14 Ausgaben] * Neueröffnetes | CABINET | Grosser Herren | Oder | Gegenwärtige | Staats- Hoff- Kriegs- | und Commercien-Verfassung | aller Europäischen Reiche und Staa- | en der Welt | […] | Leipzig, in Joh. Samuel Heinsii Buchladen, […] :* [1740−1742, 12 Ausgaben] == Literatur == '''Quellen''' * ''Zedler, (Johann Heinrich)'', in: [[Grosses vollständiges Universal-Lexicon Aller Wissenschafften und Künste]], Band 61 (1749), Sp. 309–311, [[s:de:Zedler:Zedler, (Johann Heinrich)|online abrufbar]] als Volltext im Projekt [[Wikisource]]. * ''Wolf, (Johana [sic] Heinrich)'', in: Grosses vollständiges Universal-Lexicon Aller Wissenschafften und Künste, Band 58 (1748), Sp. 769–772, [http://www.zedler-lexikon.de/blaettern/einzelseite.html?seitenzahl=0398&bandnummer=58&dateiformat=1&supplement=0 online abrufbar] als Digitalisat im [[JPEG File Interchange Format|JPEG-Format]] über [http://www.zedler-lexikon.de/ Zedlers Großes Universallexikon Online]. * ''Wolfshayn'', in: Grosses vollständiges Universal-Lexicon Aller Wissenschafften und Künste, Band 58 (1748), Sp. 1289, [http://www.zedler-lexikon.de/blaettern/einzelseite.html?seitenzahl=0658&bandnummer=58&dateiformat=1&supplement=0 online abrufbar] als Digitalisat im [[JPEG File Interchange Format|JPEG-Format]] über [http://www.zedler-lexikon.de/ Zedlers Großes Universallexikon Online]. * ''Charlatanerie der Buchhandlung, welche den Verfall derselben durch Pfuschereyen, Prænumerationes, Auctiones, Nachdrucken, Trödeleyen u.a.m. befördert, von zwey d. Handlung Beflissenen unpartheyisch untersuchet'', zweite Auflage<ref name="Charlatanerie"/>, Sachsenhausen 1732 (als Neudruck München [u.a.] 1987, ISBN 3-598-07237-6). '''Darstellungen''' * [[Ulrich Johannes Schneider]]: ''Zedlers Universal-Lexicon und die Gelehrtenkultur des 18. Jahrhunderts'', in: Die Universität Leipzig und ihr gelehrtes Umfeld 1680–1780, hrsg. von Detlef Döring und Hanspeter Marti, Basel 2004, ISBN 3-7965-2013-8, S. 195–213. * Gerd Quedenbaum: ''Der Verleger und Buchhändler Johann Heinrich Zedler 1706−1751: ein Buchunternehmer in den Zwängen seiner Zeit; ein Beitrag zur Geschichte des deutschen Buchhandels im 18. Jahrhundert'', Hildesheim [u.a.] 1977, ISBN 3-487-06241-0. * {{BBKL|z/zedler_j_h|autor=Werner Raupp|artikel=Zedler, Johann Heinrich|band=26|spalten=1576–1588}} (Enthält unter anderem eine Auswahl der von Zedler verlegten und betreuten Werke.) * Bernhard Kossmann: ''Deutsche Universallexika des 18. Jahrhunderts. Ihr Wesen und ihr Informationswert, dargestellt am Beispiel der Werke von Jablonski und Zedler'', in: Archiv für Geschichte des Buchwesens 9 (1969), Sp. 1553–1590. * Elger Blühm: ''Johann Heinrich Zedler und sein Lexikon'', in: Jahrbuch der Schlesischen Friedrich-Wilhelms-Universität zu Breslau 7 (1962), S. 184–200, [http://www.zedleriana.de/zlitbluehmtext.htm online abrufbar] als Volltext über die Webseite „Zedleriana. Materialien zu Zedlers Universal-Lexikon“. * Fritz Juntke: ''Johann Heinrich Zedler’s Grosses Vollständiges Universallexikon. Ein Beitrag zur Geschichte des Nachdruckes in Mitteldeutschland'', Halle an der Saale 1956, [http://www.zedleriana.de/zlitjuntketext.htm online abrufbar] als Volltext über die Webseite „Zedleriana. Materialien zu Zedlers Universal-Lexikon“. * Albrecht Kirchhoff: ''Die kaiserlichen Bücher-Privilegien in Sachsen'', in: Archiv für Geschichte des Deutschen Buchandels 15 (1892), S. 73–102. * Albrecht Kirchhoff: ''Lesefrüchte aus den Acten des städtischen Archivs zu Leipzig. 5: Klagen u. Mißstände im Anfang des 18. Jahrhunderts'', in: Archiv für Geschichte des deutschen Buchhandels 14 (1891), S. 196–269 (für Zedler relevant sind allein die ersten beiden Abschnitte „Eine Bücherlotterie im Jahre 1735“, S. 197–208 und „Die Bücher-Auctionen“, S. 208–229). == Weblinks == {{Commons|Johann Heinrich Zedler}} {{Wikisource|Johann Heinrich Zedler}} * {{DNB-Portal|118636316}} * [http://www.zedler-lexikon.de/ Zedlers Großes Universallexikon Online] − Online-Ausgabe des ''Zedlerschen Universallexikons''. Die gemeinsam von der [[Herzog August Bibliothek|Herzog-August-Bibliothek]] (HAB) Wolfenbüttel und der [[Bayerische Staatsbibliothek|Bayerischen Staatsbibliothek]] (BSB) München erstellte Onlineausgabe erlaubt den Zugriff auf die gesamten rund 288.000 Enzyklopädieartikel, die im [[JPEG File Interchange Format|JPEG-Format]] oder als [[PDF]] abgerufen werden können. In einem zur Zeit gemeinsam von der HAB Wolfenbüttel und der BSB München durchgeführten Forschungsprojekt werden alle Einträge des ''Universal-Lexicons'' 16 zentralen sachlichen Gruppen und deren zahlreichen Unterkategorien zugeordnet, um auf diese Weise erstmalig eine Inhaltsangabe des Lexikons zu ermöglichen. * [http://www.zedleriana.de Zedleriana – Materialien zu Zedlers Universal-Lexikon] (Redaktion Jutta Nowosadtko, Universität Essen) == Anmerkungen == <div class="references-small" style="-moz-column-count:2; column-count:2;"> <references /> </div> {{Exzellent}} {{Normdaten|PND=118636316|VIAF=15562859}} {{DEFAULTSORT:Zedler, Johann Heinrich}} [[Kategorie:Verleger]] [[Kategorie:Buchhändler]] [[Kategorie:Lexikograf]] [[Kategorie:Unternehmer (18. Jahrhundert)]] [[Kategorie:Person (Breslau)]] [[Kategorie:Deutscher]] [[Kategorie:Geboren 1706]] [[Kategorie:Gestorben 1751]] [[Kategorie:Mann]] {{Personendaten |NAME=Zedler, Johann Heinrich |ALTERNATIVNAMEN= |KURZBESCHREIBUNG=deutscher Buchhändler und Verleger |GEBURTSDATUM=7. Januar 1706 |GEBURTSORT=[[Breslau]] |STERBEDATUM=21. März 1751 |STERBEORT=[[Leipzig]] }} [[en:Johann Heinrich Zedler]] [[es:Johann Heinrich Zedler]] [[fr:Johann Heinrich Zedler]] [[pl:Johann Heinrich Zedler]] [[pt:Johann Heinrich Zedler]] gn5kbcfwqle1437dcaow4o93v9duhzc wikitext text/x-wiki Zeppelin NT 0 24547 27151 2010-04-18T20:00:11Z Helium4 0 /* Weblinks */ Meer, Japan, Südafrika [[Datei:Zeppelin NT im Flug.jpg|miniatur|Zeppelin NT im Flug]] '''Zeppelin NT''' ([[Zeppelin]] Neuer Technologie) ist eine [[Luftschiff]]-Baureihe, die seit den 1990er Jahren in [[Friedrichshafen]] gefertigt wird. Die Luftschiffe des NT-Typs sind die größten aktiven Luftschiffe und die einzigen mit einem inneren Gerüst, sogenannte [[Halbstarres Luftschiff|halbstarre Luftschiffe]]. Sie werden von der [[Zeppelin Luftschifftechnik]] GmbH&nbsp;&&nbsp;Co.&nbsp;KG (ZLT) gebaut, die Teil des Zeppelin-Konzerns ist und die Tradition der unter dem Namen von [[Ferdinand Graf von Zeppelin]] gegründeten Gesellschaften fortsetzen möchte. Diese konstruierten, bauten und betrieben im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts die weltberühmten Zeppelin-[[Starrluftschiff]]e. == Einsatzgebiete == [[Datei:Zeppelin NT Frankfurt.jpg|miniatur|Zeppelin NT über Frankfurt]] [[Datei:Zeppelin NT Mainau.jpg|miniatur|Zeppelin NT mit Gestaltung von [[Stefan Szczesny]] über dem Bodensee]] ===Rundflüge über Bodensee und Hinterland=== Seit August 2001 bietet die Deutsche Zeppelin-Reederei (DZR) [[Rundflug|Rundflüge]] mit den Zeppelin-NT-Luftschiffen an. Die Hüllen werden dabei als Werbefläche vermarktet. Die Schiffe können auch für ganze Werbekampagnen gemietet und gestaltet werden. Dies stellt ihre Hauptverwendung dar. Ein Rundflug ab [[Friedrichshafen]], dem Heimatflughafen der Zeppeline, dauert etwa 40–80 Minuten. Es gibt eine Ost-Route über [[Lindau (Bodensee)|Lindau]] – [[Bregenz]] – [[Rorschach]] sowie eine West-Route in Richtung [[Meersburg]] – [[Überlingen]] – [[Insel Mainau]] – [[Konstanz]]. Außerdem gibt es Routen unter anderen über [[Ravensburg]] (Friedrichshafen – [[Waldburg (Württemberg)|Waldburg]] – [[Tettnang]] – [[Ravensburg]] – [[Weingarten (Württemberg)|Weingarten]] – Friedrichshafen), zum [[Schloss Salem]] ([[Salem (Baden)|Salem]] – [[Markdorf]] – Meersburg) und zum [[Rheinfall]]-[[Schaffhausen]] (Insel Mainau – Meersburg – Konstanz – Schaffhausen). Gelegentlich werden auch noch andere Routen ab Friedrichshafen sowie von anderen Start- und Landeplätzen bedient. Daneben sind die Zeppeline auch immer wieder an anderen Orten für Rundflüge im Einsatz. ===Erdaufnahmen=== Die Luftschiffe werden ebenfalls als Beobachtungsplattform für die Bild- und Fernsehmedien, beispielsweise bei Großereignissen, eingesetzt. Durch die lange mögliche Einsatzdauer und den [[vibration]]sarmen Flug sind die Schiffe auch für Forschungsmissionen, etwa Umweltbeobachtungen, [[Troposphäre]]nforschung oder die Erkundung von [[Bodenschätze]]n, gut geeignet. So half der Zeppelin&nbsp;NT, als er anlässlich des [[Oktoberfest]]es 2002 über [[München]] unterwegs war, dem [[Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt|DLR]] und der [[ESA]] bei der Entwicklung des europäischen Navigationssystems [[Galileo (Satellitennavigation)|Galileo]], indem er Messfahrten über der Stadt unternahm, bei denen er einen [[Satellit (Raumfahrt)|Satelliten]] simulierte. Damit trat er in die Fußstapfen der früheren Luftschiffe [[LZ 126]] und [[LZ 130]], die bereits in den 1920er und 30er Jahren Funk- und Funkpeilversuche, damals teilweise für militärische Zwecke, über dem Atlantik, Deutschland und der [[Nordsee]] durchführten. Im Sommer 2004 führte ein Zeppelin&nbsp;NT bei Rundflügen über dem [[Bodensee]] eine nach unten gerichtete Kamera mit, die Bilder zur [[Langzeitbeobachtung]] der [[Uferzone]] durch das [[Seenforschungsinstitut]] lieferte. == Vergleich mit den historischen Zeppelinen == Es gibt mehrere markante Unterschiede zwischen der Zeppelin-NT-Bauweise und Zeppelinen vor 1940: * Im Gegensatz zu seinen Vorgängern ist der Zeppelin&nbsp;NT kein [[Starrluftschiff]], sondern ein [[halbstarres Luftschiff]]. * Der Zeppelin&nbsp;NT dient vorwiegend für touristische [[Rundflug|Rundflüge]] und als Werbeträger. Eine Verwendung als [[Verkehrsluftschiff]] im Liniendienst oder [[Militärluftschiff]] ist derzeit (Stand 2008) nicht vorgesehen. * Die bisher gebauten Luftschiffe vom Typ Zeppelin&nbsp;NT sind bei einer Länge von 75&nbsp;m und mit ihrem Hüllenvolumen von 8225&nbsp;m³ um den Volums-Faktor 10 bis 20 kleiner als die alten Zeppeline mit bis zu 200.000&nbsp;m³, die Reichweite ist zudem deutlich geringer. * Die äußere Hülle mit der inneren dreieckigen Tragstruktur ist gleichzeitig die einzige Gaszelle. Sie bestimmt auch die äußere Form. Früher waren mehrere, innerhalb der vieleckigen Struktur aufgehängte Gaszellen mit über dem Gerüst gespanntem Stoff verkleidet. * Als [[Traggas]] kommt statt des entzündlichen [[Wasserstoff]]s ausschließlich das mittlerweile problemlos verfügbare und auch bei allen anderen aktuellen Luftschiffen eingesetzte [[Helium]] zum Einsatz. Das [[Edelgase|Edelgas]] ist nicht brennbar, jedoch im Vergleich zum Wasserstoff doppelt so schwer und teurer. * Moderne Luftschiffe starten in aller Regel etwas schwerer als Luft, verbrauchen im Betrieb Kraftstoff und werden dadurch leichter, eventuell sogar leichter als Luft. Der aerostatische [[Auftrieb]] reicht zumindest beim Start nicht aus, um das Schiff allein in der Luft zu halten. Die fehlende Auftriebskraft wird durch die Motoren über Luftschrauben und in Fahrt durch den gegenüber der Flugrichtung in positivem Winkel angestellten Rumpf erzeugt (dynamischer Auftrieb). So auf Motorleistung zur Erzeugung dynamischen Auftriebs angewiesen, um sich in der Luft zu halten, „fliegt“ der Zeppelin&nbsp;NT, während Luftfahrzeuge, die alleine unter statischem Auftrieb aufsteigen (wie [[Ballon]]s oder die historischen „Zeppeline“), „fahren“. == Geschichte == Die Ära der historischen Zeppeline endete 1940, nachdem die beiden letzten Starrluftschiffe [[LZ 127|LZ&nbsp;127 „Graf Zeppelin“]] und [[LZ 130|LZ&nbsp;130 „Graf Zeppelin II“]] auf Befehl der Reichsführung [[Verschrottung|verschrottet]] und deren Hallen in Frankfurt/Main zerstört worden waren. Erst 1989 wurden die ersten offiziellen Studien, die die Machbarkeit für einen neuen Zeppelin aufzeigen sollten, angefertigt. Am Ende des folgenden Jahres zeigte eine Marktstudie ein Absatzpotenzial von damals bis zu 80 Zeppelinen. 1990 wurde auch ein Patent auf ein „halbstarres Luftschiff mit Druck gestützter Hülle“ <!--sic--> für die immer noch existierende, 1908 von Graf Ferdinand gegründete [[Luftschiffbau Zeppelin]] GmbH angemeldet. Daraufhin wurde im September 1993 die [[Zeppelin Luftschifftechnik]] GmbH & Co. KG (ZLT) gegründet. Hauptanteilseigner sind die Luftschiffbau Zeppelin GmbH und die [[ZF (Unternehmen)|ZF Friedrichshafen AG]]. 1995 begann der Bau des ersten Zeppelin&nbsp;NT. === Flugbetrieb === [[Datei:Zeppelin D-LZFN-smal.jpg|miniatur|350px|Der Zeppelin NT „Friedrichshafen“ am mobilen Landemast]] Der [[Jungfernflug]] des [[Prototyp (Technik)|Prototyps]] fand am 18. September 1997 statt. Im Juli 2000 wurde dieses erste Schiff vom Typ Zeppelin NT&nbsp;07 mit der internen Bezeichnung SN&nbsp;01 anlässlich des einhundertsten Jahrestages des ersten Zeppelinaufstiegs auf den Namen D-LZFN „Friedrichshafen“ getauft. Im Jahr darauf, am 26. April 2001, erhielt es nach knapp 1000 Flugstunden und 3600 Flugkilometern anlässlich der Luftfahrtmesse „AERO 2001“ in Friedrichshafen die [[Musterzulassung]] vom [[Luftfahrt-Bundesamt]]. Gleichzeitig wurde die Zeppelin Luftschifftechnik GmbH als Luftfahrt-Herstellbetrieb [[Zertifizierung|zertifiziert]]. In diesem Jahr begann auch der kommerzielle Betrieb und mit dem Baubeginn des zweiten Zeppelin NT&nbsp;07 die [[Serienfertigung]] dieses Luftschifftyps. Im Januar 2001 war die Deutsche Zeppelin-Reederei GmbH (DZR) als Tochterunternehmen der ZLG gegründet worden. Sie betreibt die Luftschiffe ähnlich einer [[Fluggesellschaft]]. Daneben vermarktet sie auch die Werbefläche auf der Hülle und bildet neue Piloten aus. Den gleichen Firmennamen trug bereits eine Betreibergesellschaft von Zeppelinen vor dem [[Zweiter Weltkrieg|Zweiten Weltkrieg]] (siehe auch [[DELAG]]). [[Datei:Zeppelin NT 2008-06-24.jpg|miniatur|D-LZZF im Juni 2008]] [[Datei:D-LZZF 2009-04-05.jpg|miniatur|D-LZZF im April 2009]] Das erste Serienluftschiff (SN&nbsp;02) wurde am 10. August 2001 auf den Namen D-LZZR „Bodensee“ getauft und nahm am 15. August den Passagierflugbetrieb auf. Bereits in den 1920er Jahren trug der Zeppelin [[LZ 120]] diesen Namen. Am 8. Februar 2003 startete dann das zweite Serienluftschiff (SN&nbsp;03) zu seinem Erstflug. Es trägt die Kennung D-LZZF. Im Mai des Jahres erhielt der Zeppelin&nbsp;NT die Zulassung für Nachtflüge unter [[Sichtflugregelung]] (NVFR). Der Prototyp „Friedrichshafen“ diente anfangs vor allem für die Pilotenausbildung, Sonderflüge und als „Vorführmodell“, während alle weiteren Schiffe kommerziell eingesetzt werden. Im Mai 2004 startete die D-LZFN „Friedrichshafen“ zu einer [[Osteuropa]]tour für ein neues [[BMW]]-Modell. Sie führte unter anderem in die [[Slowakei]], nach [[Rumänien]], [[Kroatien]], [[Slowenien]], in die [[Türkei]], nach [[Bulgarien]] und in die [[Ukraine]]. Es wurden auch wieder [[Zeppelinpost|Postflüge]] durchgeführt, deren Sonderstempel bei [[Philatelie|Philatelisten]] (Briefmarkensammlern) heute, wie auch schon bei den historischen Zeppelinen, sehr begehrt sind. [[Datei:Japan-NT-06-2004.jpg|miniatur|links|Der Zeppelin NT „Yokoso! Japan“ (ehemals ''„Bodensee“'')]] === Verkauf der „Bodensee“ nach Japan === Am 2. März 2004 wurde erstmals ein Zeppelin NT verkauft. Gleichzeitig begann die Ausbildung der zukünftigen Piloten, nachdem die Deutsche Zeppelin-Reederei als erstes Unternehmen weltweit die Zulassung als Luftschiffflugschule erhalten hatte. SN&nbsp;02 D-LZZR „Bodensee“ wurde am 12. April 2004 an die japanische [[Nippon Airship Corporation]] übergeben. Dabei waren mehr als 300 Gäste anwesend. Der Verkaufspreis betrug etwa sieben Millionen Euro. Der Schiffsname wurde von „Bodensee“ in JA101Z „Yokoso! Japan“ geändert. Das Luftschiff startete am 4. Juli 2004 nach zweitägiger Verspätung aufgrund schlechten Wetters zur Überführung nach [[Japan]]. Es sollte dabei der Weltfahrt-Route folgen, die [[LZ 127|LZ&nbsp;127 „Graf Zeppelin“]] bereits 1929 während seiner Weltumrundung genommen hatte, musste jedoch Ende September nach mehrmonatiger Wartezeit in Nordeuropa nach Friedrichshafen zurückkehren. Die russischen Behörden hatten die Überfluggenehmigung verzögert und mit Auflagen versehen, die eine Durchführung des aus mehreren Etappen bestehenden Fluges zu risikoreich erscheinen ließ. Daraufhin wurde das Schiff am 7. Dezember im italienischen Hafen [[Gioia Tauro]] auf ein [[Dockschiff]] verladen, das zwei Tage später in Richtung Japan aufbrach. Die Überführung von Deutschland nach Italien hatte zweieinhalb Wochen gedauert und auch über Frankreich geführt. Der Zeppelin wurde am Mastfahrzeug angekoppelt, auf das Schiff gezogen und dort mit diesem zusammen vertäut. Zuvor waren die Leitwerke und die seitlichen Luftschrauben abmontiert worden. Auf dem Schiff wurden auch die seitlichen Triebwerke abgenommen. Um das Luftschiff vor dem Seewetter zu schützen, wurden links und rechts vom Auftriebskörper vierstöckige Containerwände aufgestapelt. Die innere Tragstruktur wurde über Streben mit dem Schiff verbunden. Zwei Mitarbeiter der ZLT begleiteten den Transport. Das Schiff traf am 8. Januar 2005 im japanischen [[Kōbe]] ein. Am 14. Januar stieg das Schiff nach der Komplettierung zu einem Werkstattflug auf und wurde noch am selben Tag nach [[Nagoya]] überführt. Das Luftschiff soll in Japan hauptsächlich für Rund- und Werbeflüge genutzt werden, zu Beginn vor allem für die [[Expo 2005]] in der [[Präfektur Aichi]]. Die Überführung kostete rund eine Million Euro. Am 29. Juni 2007 erhielt der Zeppelin NT die Genehmigung für den Passagierbetrieb in Japan. === Diamantensuche in Afrika – letzter Einsatz der „Friedrichshafen“ === Am 1. August 2005 brach der Zeppelin „Friedrichshafen“ in den Süden [[Afrika]]s auf. Für den Diamanten-Konzern [[De Beers]] untersuchte er dort geologischen Formationen in [[Südafrika]], [[Namibia]] und [[Botswana]]. De Beers hatte dafür mit der Zeppelin Luftschifftechnik GmbH (ZLT) einen Zweijahresvertrag für rund 5,5&nbsp;Mio. Euro unterschrieben. Zuvor hatte das Luftschiff die Messgeräte und -verfahren an Salzstöcken in Niedersachsen getestet, deren Beschaffenheit bekannt ist. Der Konzern verspricht sich durch die Arbeit mit dem Zeppelin&nbsp;NT eine bessere Qualität der Daten. Ermöglicht wird dies durch die Eigenschaft des Luftschiffs, länger und vor allem vibrationsärmer in geringer Höhe (unter 100&nbsp;m) schweben zu können sowie manövrierfähiger zu sein, als Flugzeuge, Hubschrauber oder Ballone. Die ZLT betrat durch diesen Einsatz ein neues Geschäftsfeld in der Erdbeobachtung. Die Reise nach Afrika verlief ähnlich wie die des Zeppelins, der nach Japan verkauft worden war. Das mit dem Schriftzug „Diamonds for Development in Africa“ versehende Luftschiff hob am 1. August 2005 in Friedrichshafen für einen Flug nach [[Amsterdam]] ab. Dort traf es nach einem Tankstopp in Bonn am selben Tag ein und wurde auf das [[Dockschiff]] „[[Enterprise (Dockwise)|Enterprise]]“ mit Ziel Südafrika verladen. Nach einer 22tägigen Schiffsfahrt traf das Luftschiff in [[Kapstadt]] ein, wurde jedoch wegen des schlechten Wetters erst am 31. August entladen. Nach dem Zusammenbau wurde ein 50minütiger Testflug durchgeführt. Anschließend wurde der Zeppelin mit den Messinstrumenten ausgestattet und begann seine Arbeit. Die Erkundung erfolgte vor allem nachts, um den hohen Temperaturen und der starken Sonneneinstrahlung tagsüber zu entgehen. Im Januar 2007 flog der Zeppelin nach [[Gaborone]]/Botswana, um sich in einer eigens errichteten Halle der fälligen Jahresinspektion zu unterziehen. Am 20. September 2007 wurde der Zeppelin in [[Sekoma]]/Botswana mittags am Ankermast im geparkten Zustand durch eine [[Windhose]] schwer beschädigt<ref>http://www.suedkurier.de/2812711</ref> - genau zehn Jahre und zwei Tage nach dem Erstflug dieses ersten Zeppelin NT, und zwei Monate vor Ende des Vertrages mit De Beers. Die Windhose hatte das Schiff über den Ankermast gehoben und anschließend das Heck auf den Boden geschleudert. Das vorschriftsmäßig an Bord befindliche Mitglied der Mannschaft kam mit leichten Verletzungen davon. Nachdem ein Expertenteam die Beschädigungen am Zeppelin NT "Friedrichshafen" begutachtet und für irreparabel befunden hatte, wurde die Demontage des Zeppelins beschlossen.<ref>http://www.suedkurier.de/2816599</ref> Er hatte insgesamt 3.306 Flugstunden absolviert und wäre nach Beendigung des Auftrages abgewrackt worden.<ref>Mitgliederrundschreiben November 2007, Förderverein Zeppelin-Tourismus e.&nbsp;V.</ref> === Überwachungsaufgaben === Wie auch schon die „Friedrichshafen“ auf der [[Paris Air Show|Pariser Luftfahrtausstellung]] 2005, wurde der Zeppelin&nbsp;NT SN 03 auch für den [[Weltjugendtag 2005]] mit Überwachungstechnik bestückt und über [[Köln]] eingesetzt. Vor seinem Aufbruch in Friedrichshafen war SN 03 am 14. August 2005 von einem Pfarrer gesegnet worden. Die installierten Kameras sollten unter anderem Echtzeitbilder an die Polizeieinsatzzentrale übermitteln. === Ein Luftschiff für die USA === [[Datei:285022main airship ventures 1600-1200.jpg|thumb|Der vierte Zeppelin&nbsp;NT bei seiner Ankunft auf dem Moffet-Flugfeld]] Am 23. Januar 2006 gab die ZLT bekannt, dass die Baufreigabe für ein viertes Luftschiff vom Typ ''NT&nbsp;07'' erteilt worden war. Dieser vierte Zeppelin wurde im Juni 2007 von dem amerikanischen Unternehmen ''[[Airship Ventures|Airship Ventures, Inc.]]'' reserviert. Der Jungfernflug fand am 21. Mai 2008 mit der Kennung D-LZNT statt, wenig später erfolgte die Musterzulassung durch die US-Luftfahrtbehörde ([[Federal Aviation Administration|FAA]]).<ref>Pressemitteilung ZLT vom 26. Juni 2008</ref> Am 14. Oktober 2008 traf der Zeppelin dann nach einer 75tägigen Seereise in der USA ein und soll dort mit der Kennung N-704LZ vom Flugfeld [[Moffett Federal Airfield|Moffett-Flugfeld]] in [[Kalifornien]] aus unter anderem für Passagierrundflüge und wissenschaftliche Einsätze eingesetzt werden.<ref>http://www.airshipventures.com/airshipventures_pr_20070625_de.pdf</ref> <ref>http://www.zeppelin-nt.de/docs/pressemitt/ZLTandAVoption.pdf</ref> === Saisonbilanzen === *15. August 2001 erster Passagierflug. Bis Jahresende 2001 wurden mit den beiden ersten Schiffen bereits 3222 Passagiere befördert. *Bis November 2003 waren bereits rund 30.000 Passagiere befördert. *2005 wurden 10.400 Passagiere befördert, fünf Prozent mehr als im Jahr 2004.<ref>Financial Times Deutschland v. 22. November 2005</ref> *In der Saison 2006 wurden mit dem verbliebenen Luftschiff SN03 von der Deutschen Zeppelin-Reederei 8991 Passagiere befördert. Das Schiff leistete 1050 Flugstunden. Das Betriebsergebnis wird erstmals eine „schwarze Null“ sein. Die Gesamtpassagierzahl seit 2001 betrug 58.741. Das in Afrika eingesetzte Luftschiff „Friedrichshafen“ leistete 2006 901 Flugstunden. <ref>Mitgliederrundschreiben des Fördervereins Zeppelin-Tourismus e.&nbsp;V. vom Dezember 2006</ref> *Zum Ende der Flugsaison 2007 betrug die Gesamtflugdauer aller drei Zeppeline 8179 Stunden und es waren 73.000 Passagiere befördert worden. SN01 ''Friedrichshafen'' leistete 2007 bis zu seinem Ende 326&nbsp;h. SN02 in Japan war 350&nbsp;h in der Luft. Die am Bodensee stationierte SN03 leistete 1.174 Flugstunden und beförderte dabei 12.050 Passagiere. == Technik == In der Regel startet der Zeppelin&nbsp;NT mit etwa 350&nbsp;kg „Übergewicht“<ref>[http://www.zeppelinflug.de/seiten/D/zeppnt_faqs_uf.htm Zeppelin NT - Meist gestellte Fragen: Fährt oder fliegt der Zeppelin Neuer Technologie]</ref>. Er kombiniert wie fast alle modernen Luftschiffe die Leichter-als-Luft- und Schwerer-als-Luft-Technik, indem er den fehlenden [[Auftrieb]] durch Motorkraft erzeugt. Das Abwerfen von [[Ballast]] entfällt. Bei leichter Beladung und teilentleerten Kraftstofftanks kann der statische Auftrieb größer als das Gewicht des Schiffes werden. Wegen der Verwendung der Motorkraft zum [[Auftriebsausgleich]] und des geringen Betrages der Auftriebsänderung muss jedoch meist kein teures Helium aus der Hülle abgelassen werden. [[Datei:Zeppelin NT Gondel.jpg|miniatur|Gondel des Zeppelin NT]] Die Gondel hat eine Grundfläche von 26&nbsp;m² und bietet Sitzplätze für zwölf Passagiere und zwei Piloten. Die Sitze sind einreihig links und rechts des Ganges angeordnet. Im Heck der Gondel ist ein großes Panoramafenster eingebaut. Beim Passagiertausch zwischen zwei Rundflügen werden immer zwei Passagiere paarweise abwechselnd von und an Bord gebracht, um das Gewicht des Schiffes während dieses Vorganges nicht zu stark zu verändern. === Flugleistungen === [[Datei:Zeppelin NT in Kalifornien.jpg|miniatur|left|Bodenpersonal bei der Arbeit]] Der Zeppelin NT&nbsp;07 erreicht theoretisch Geschwindigkeiten von bis zu 125&nbsp;[[km/h]], fliegt üblicherweise in einer Höhe von etwa 300&nbsp;Metern und kann auf maximal 2600&nbsp;Meter steigen. Er hat eine Reichweite von etwa 900 Kilometern. Start und Landung können senkrecht und mit geringem Bodenpersonaleinsatz von nur drei Personen erfolgen. Dazu wird ein [[Ankermast]] verwendet, der sich in der Regel auf einem LKW befindet. Das Luftschiff kann damit auch geschleppt werden. Die für Touristenflüge übliche [[Geschwindigkeit]] von etwa 70&nbsp;km/h kann allein durch den Einsatz des Heckmotors erreicht werden. Die derzeitige (Entwicklungsstand Mitte 2005) maximale [[Startmasse]] beträgt 8040&nbsp;kg, bei einer Zuladung von 1900&nbsp;kg. === Tragstruktur === Das Modell NT&nbsp;07 verfügt innerhalb der Hülle auf der gesamten Länge des Schiffes über eine aus zwölf [[kohlenstofffaserverstärkter Kunststoff|Kohlenstofffaser]]-Dreiecken bestehende Trägerstruktur, die mit drei [[Aluminium]]-Längsträgern verbunden sind. An ihr sind Triebwerke, Gondel und Leitwerk befestigt. Die Tragstruktur wiegt nur etwa 1000&nbsp;kg und ist zusätzlich durch [[Aramid]]-Seile verspannt. === Hülle === Bei den historischen Zeppelinen waren die Gaszellen und die Hülle getrennt. Beim Zeppelin NT bildet die Hülle auch gleichzeitig die einzige Gaszelle. Ihr Volumen beträgt beim NT&nbsp;07 8225&nbsp;m³ bei einer Länge von 75 und einem Durchmesser von 14,2 Metern. Sie besteht aus einem dreischichtigen [[Laminat]] und ist mit Helium gefüllt. Die erste Schicht aus [[Tedlar]] (PVF) ist gasdicht, während die zweite Schicht aus [[Polyester]]gewebe der Hülle die notwendige Festigkeit verleiht. Die dritte Schicht besteht aus [[Polyurethan]], ist thermisch schweißbar und dient zum Verbinden der einzelnen Hüllen-Laminat-Bahnen. Zum Erhalt der äußeren Form steht die Hülle unter einem leichten Überdruck des [[Traggas]]es von etwa 5&nbsp;mbar. Dieser Überdruck wird wie bei [[Prallluftschiff]]en durch [[Ballonett]]s mit einem Gesamtvolumen von bis zu 2200&nbsp;m³ konstant gehalten. Die Hülle wurde beziehungsweise wird von [[ILC Dover]], einem US-amerikanischen Unternehmen, entwickelt und gefertigt. Trotz der Tedlar-Schicht diffundiert immer noch ein geringer Anteil des Heliums durch den Hüllenstoff. Die Klebefolien, mit denen die Schiffe farblich gestaltet werden und die je nach Wunsch des Werbekunden aufgebracht werden, sind daher [[Perforation|perforiert]], um Blasenbildung unter den Folien und deren Ablösung zu verhindern. Die Werbung kann auch in Form großer Banner an der Hülle angebracht werden. === Antrieb und Steuerung === [[Datei:GR NT Heckpropeller.jpg|miniatur|Die Heckpropelleranordnung]] [[Datei:Zeppelin NT Cockpit.jpg|miniatur|Das Cockpit]] Mit seinen drei 5,9-Liter-Vierzylinder-[[Boxermotor]]en vom Typ [[Lycoming O-360|Textron Lycoming IO-360]] mit einer [[Leistung (Physik)|Leistung]] von je 147&nbsp;[[Watt (Einheit)|kW]] und den schwenkbaren Luftschrauben verfügt der Zeppelin&nbsp;NT über sehr gute Manövriereigenschaften. Die Motoren sind nicht mehr wie bei früheren Zeppelinen umsteuerbar (vorwärts- und rückwärts laufend), sondern verfügen über [[Verstellpropeller]] zur Schubregelung und -umkehr. Die beiden seitlichen Motoren sind mit [[Zugpropeller]]n ausgerüstet, die um 120 Grad von der Horizontalen nach oben und weiter leicht nach hinten geschwenkt werden können. Der Heckmotor arbeitet mit einem [[Druckpropeller]], welcher um 90 Grad nach unten schwenkbar ist. Zusätzlich verfügt er über einen seitlich wirkenden Lenkpropeller, der ähnlich wie ein [[Querstrahlruder]] bei Schiffen funktioniert. Das Heckleitwerk besteht im Gegensatz zu früheren Zeppelinen nur noch aus drei Flossen, die in einem Winkel von je 120 Grad zueinander angeordnet sind. Die daran angebrachten Ruder werden durch das Flugsteuerungssystem entsprechend der geforderten Höhen- und Seitenruderfunktion angesteuert. Der Pilot steuert den Zeppelin NT über [[Fly-by-Wire]]-Technik mit einem Joystick, der Bewegungen in alle drei Raumrichtungen ermöglicht. == Rekorde == Der Zeppelin NT&nbsp;07 ist seit seinem Erstflug das größte aktive Luftschiff der Welt (Stand Anfang 2009). Am 27. Oktober 2004 stellte der amerikanische Milliardär und Abenteurer [[Steve Fossett]], nachdem er im Herbst 2004 als 14. Pilot die Lizenz zum Führen eines Zeppelin NT erworben hatte, mit dem ersten gebauten Schiff D-LZFN „Friedrichshafen“ einen neuen [[Fédération Aéronautique Internationale|FAI]]-Geschwindigkeitsweltrekord für alle Luftschiffklassen auf (die meisten wirklichen älteren Rekorde sind nicht von der FAI anerkannt). Er durchflog eine 1000-m-Messstrecke in beiden Richtungen mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 111,8 Kilometern in der Stunde. Der alte Rekord eines [[Lightship A-60|Lightship A-60+]] vom 19. Januar 2000 lag bei 92,8 Kilometern in der Stunde. == Ausblick == Im Mai 2009 wurde bekanntgegeben, dass der fünfte Zeppelin NT mit einer etwas verlängerten Gondel und einer erhöhten Anzahl von Sitzplätzen von zwölf auf 14 in Planung ist.<ref>Volker Geiling: ''Fünfter Zeppelin hat Platz für 14 Passagiere''. In: ''[[Südkurier]]'' vom 11. Mai 2009</ref> Die Konstruktionsweise des NT-07-Typs erlaubt es der ZLT, vergrößerte Versionen anzubieten, ohne Änderungen an der Grundkonzeption der Luftschiffe vornehmen zu müssen. Das Konzept für eine vergrößerte Variante wird bereits seit Mitte 2004 untersucht. Im Februar 2005 gab die ZLT dann bekannt, dass mit der Entwicklung eines größeren Typs begonnen wird. Er soll sich, im Gegensatz zum bereits bestehenden Modell NT&nbsp;07, Zeppelin NT&nbsp;14 nennen, wobei die 14 für ein Volumen von etwa 14.000 Kubikmetern steht. Die Passagierkapazität soll 19 Personen mit zwei Piloten und einem Flugbegleiter betragen. Die Abmaße werden etwa bei einer Länge von 85&nbsp;m und einem Durchmesser von 16&nbsp;m liegen. Die Musterzulassung durch die [[Europäische Agentur für Flugsicherheit]] (EASA) soll durch Aufbau auf die des Zeppelins NT&nbsp;07 vereinfacht werden. Das neue Modell soll auch den finanziell lohnenden Betrieb der Zeppeline ermöglichen und deutlich höhere Renditen erwirtschaften als die kleineren Modelle vom Typ Zeppelin NT&nbsp;07. Seit dieser Pressemitteilung wurde seitens des Unternehmens nichts mehr über den NT&nbsp;14 oder sogar noch größere Modelle veröffentlicht. Als Bauwerft war Friedrichshafen vorgesehen, wo zum damaligen Zeitpunkt nach dem Verkauf der „Bodensee“ nach Japan ein Platz in der Zeppelin-Luftschiffhalle frei geworden war. Zwischenzeitlich wurde dort der vierte Zeppelin vom Typ NT&nbsp;07 gebaut. Unabhängig von der Firma Zeppelin bzw. ZLT wurde mit dem Projekt „Zeppelin Europe Tours“ ein nochmals deutlich größeres Luftschiff (50.000 Kubikmeter) aufbauend auf dem technischen Konzept des Zeppelin NT spezifiziert, das für Städtetouren und Streckenflüge auf einem Rundkurs zwischen europäischen Städten mit rund 45 Passagieren eingesetzt werden könnte. == Siehe auch == * [[Liste aller Zeppeline]] == Literatur == * Rolf Zimmermann: ''Aufsteigen mit dem neuen Zeppelin NT.'' Stadler, Konstanz 2003. ISBN 3797704887 * Wolfgang Meighörner: ''Giganten der Lüfte.'' K. Müller, Erlangen 1996. ISBN 3860705954 == Einzelnachweise == <references /> == Weblinks == {{Commons|Zeppelin NT}} * [http://www.zeppelin-nt.de/ Zeppelin Luftschifftechnik GmbH] – die Herstellerfirma * [http://www.zeppelinflug.de/ Deutsche Zeppelin-Reederei] – bietet unter anderem Rundflüge mit dem ''Zeppelin NT'' an. * [http://Luftschiffseiten.de/ Luftschiffseiten.de] – viele Bilder und aktuelle Informationen * [http://www.zeppelin-europe-tours.com/ Zeppelin-Europe-Tours.com] – ein Konzept für eine größere Variante und dessen Verwendung * [http://www.zeppelin-museum.de/ Zeppelin-Museum.de] – Zeppelin Museum in Friedrichshafen * http://www.flugzeugforum.de/forum/showthread.php?t=24836 Forumsbeiträge zu 2 Zeppelintransporten über das Meer und Prospektionsflügen in Südafrika [[Kategorie:Zeppelin]] [[Kategorie:Luftschiff]] {{Exzellent}} [[en:Zeppelin NT]] [[fr:Zeppelin NT]] [[ja:ツェッペリンNT]] [[nl:Zeppelin NT]] [[pl:Zeppelin NT]] [[ru:Zeppelin NT]] l6on84p00wg5gv2y0v2p078nh9x96zo wikitext text/x-wiki Zeremonialschwert (Essen) 0 24548 27152 2010-02-23T12:48:59Z Summ 0 [[Bild:Essen_sword.jpg|thumb|Das Zeremonialschwert des Essener Domschatzes]] Das '''Schwert''' des [[Essener Domschatz]]es, häufig als '''Richtschwert der Heiligen Cosmas und Damian''' bezeichnet, war das [[Zeremonialschwert]] der Äbtissinnen des [[Stift Essen|Damenstifts Essen]]. Es handelt sich um ein kunsthistorisch wie schmiedetechnisches Einzelstück, das zudem für die Stadt [[Essen]] stadtgeschichtlich bedeutend ist. Das aus der Zeit der [[Liudolfinger|Ottonen]] stammende [[Schwert]], das heute in seiner goldbeschlagenen Scheide in der Essener Domschatzkammer ausgestellt ist, wurde 1988 in einem Forschungsprojekt unter Leitung des damaligen Essener [[Domkapitel|Domkapitulars]] Alfred Pothmann fachübergreifend untersucht. Bei diesen Untersuchungen wurden umfangreiche Erkenntnisse zur Schmiedetechnik und zur Geschichte des Schwertes gewonnen. == Geschichte == Das Schwert gelangte wahrscheinlich [[993]] als Geschenk Kaiser [[Otto III. (HRR)|Ottos III.]] an das Stift Essen <ref> [http://regesta-imperii.adwmainz.de/regesten/anzeige.php?pk=9570&offset=0&bandanzeige=1&begriffe=&q=&q2= Quelle] </ref>. Der Besuch Ottos III. im Stift Essen, dem seine Verwandte [[Mathilde II. (Essen)|Mathilde]] vorstand, stand nach neuerer Forschung vermutlich im Zusammenhang mit der Einrichtung einer [[Memorialwesen|Memorialstiftung]] für [[Otto II. (HRR)|Otto II.]], zu der auch der nicht mehr erhaltene goldene [[Schrein]] des [[Marsus (Heiliger)|Hl. Marsus]] gehörte. Nach der Essener Überlieferung gelangte bei dem Besuch auch die [[Kinderkrone Ottos III.|Krone]] der [[Goldene Madonna|Goldenen Madonna]] nach Essen. Die Umstände der Schenkung wie auch die Herkunft des Schwertes scheinen bereits früh in Vergessenheit geraten zu sein. Zeugnisse aus der Frühzeit der Stiftsgeschichte über die Verwendung des Schwertes gibt es nicht. Das Essener ''Liber Ordinarius'' aus dem 14. Jahrhundert, das die sakrale Verwendung der Gegenstände des Essener Stiftsschatzes dokumentiert, erwähnt das Schwert nicht, hieraus wird geschlossen, dass es zu dieser Zeit noch nicht als [[Reliquie]] angesehen wurde. Gegen Ende des 15. Jahrhunderts war der weltliche Ursprung des Schwertes vergessen, man glaubte nunmehr, das Schwert sei eine Reliquie, nämlich das Richtschwert der im 3. Jahrhundert hingerichteten Stiftspatrone [[Cosmas und Damian (Heilige)|Cosmas und Damian]]. Dieses ergibt sich aus der Inschrift ''Gladius cum quo decollati fuerunt nostri patroni'' („Das Schwert mit dem unsere Patrone enthauptet wurden“) und den auf den spätgotischen Ausbesserungen des Scheidenmundbleches (der Einfassung der Öffnung der Schwertscheide) eingravierten Figuren der beiden Heiligen. Das Reliquienverzeichnis des Essener Stifts vom 12. Juli 1626 verzeichnet das Schwert unter der Nr. 55 als ''Gladius sanctorum Cosmae et Damiani''. Als Reliquie wurde das Schwert auch bei Prozessionen mitgeführt, die Beschädigungen an dem Schwert stammen hauptsächlich aus dieser Zeit. Schwerter galten bereits im frühen Mittelalter in Anlehnung an eine Bibelstelle {{Bibel|Römer|13|4}} als Herrschaftssymbol und Symbol der Obrigkeit <ref> http://germazope.uni-trier.de/Projects/WBB/woerterbuecher/dwb/wbgui?lemid=GS22076 [[Deutsches Wörterbuch]] der Brüder Grimm, dort Bedeutung 8) </ref>. Möglicherweise ließen sich die Äbtissinnen schon im hohen Mittelalter das Schwert in ähnlicher Weise als Herrschaftszeichen vorantragen wie die Kaiser das [[Reichsschwert]], Belege dafür fehlen. Das Schwert gelangte jedoch zu einer Zeit nach Essen, als das Stift mit den Äbtissinnen Mathilde, [[Sophia (Gandersheim)|Sophia]] und [[Theophanu (Essen)|Theophanu]] Verwandte der ottonischen Kaiserfamilie regierten. Gerade Theophanu verwandte viel Energie auf die Ausschmückung des Stifts mit Prachtobjekten wie dem [[Theophanu (Essen)#Das Theophanu-Evangeliar|Theophanu-Evangeliar]] und die Einführung entsprechender Riten. Dazu dürfte auch das Vorhertragen des Schwertes gehören, das sie vermutlich aufgrund ihrer kaiserlichen Abstammung als Herrschaftsinsignie beanspruchte. Diesen Brauch führten ihre nicht mehr mit dem Kaiserhaus verbundenen Nachfolgerinnen weiter. Als man diesen Brauch nicht mehr mit dem Rechtsstand der Äbtissin verbinden konnte, verschob sich die Bedeutung vom Rechtssymbol zur Reliquie. Mit Sicherheit wurde das Schwert im Spätmittelalter der Fürstäbtissin als Symbol der Herrschaft vorangetragen, dieses berichtet, ohne weitere Details mitzuteilen, der Essener [[Kanoniker]] Wirich Hiltrop († 1617), der die Herausgabe einer Geschichte des Essener Stifts vorbereitete und dessen Notizen erhalten sind. Nach Hiltrop, der den Reliquiencharakter des Schwertes anzweifelte, ging der Brauch, der Äbtissin das Schwert voranzutragen, in den Wirren der Reformationszeit unter. Im 18. Jahrhundert wurde der Brauch, der Äbtissin bei festlichen Anlässen das Schwert voranzutragen, wieder aufgenommen und bis zur Aufhebung des Stiftes ausgeübt. Beim festlichen Einzug der letzten Essener Äbtissin [[Maria Kunigunde von Sachsen]] schritt dieser der Hofmarschall mit dem Schwert in der Hand voran. <!-- Zitat kommt noch; Jahreszahl wäre auch gut.--> [[Bild:Wappen_Stadt_Essen_DE.svg|thumb|100px|Das Essener Stadtwappen mit dem Schwert]] Der Glaube an das Schwert als Reliquie war in Essen tief verwurzelt. Das Schwert fand Aufnahme auf das 1473 erstmals nachgewiesene Briefsiegel der Stadt Essen, wie auch auf die 1483 gegossene Ratsglocke. Trotz der Einführung der Reformation durch den Rat der Stadt Essen wurde das [[Wappen]] mit dem Schwert weiter geführt und fand so Aufnahme in das heutige Essener Stadtwappen. Mit der Auflösung des Stiftes aufgrund der [[Säkularisation]] 1803 gelangte das Schwert wie die übrigen Sakralgegenstände des Domschatzes an die Kirchengemeinde, die aus der Pfarrgemeinde der Stiftsangehörigen hervorgegangen war. In deren Obhut blieb es bis zur Gründung des [[Bistum Essen|Ruhrbistums]] 1958. == Die ursprüngliche Waffe == <small> Eine Erklärung zu den waffentechnischen Fachbegriffen findet sich unter [[Schwert#Konstruktion|Schwert]]. </small> === Das Schwert === Das Schwert besteht klassisch aus der [[Klinge]], dem [[Knauf]] und der [[Parierstange]]. Diese Bauteile sind aus Metall gefertigt; lediglich der Schwertgriff war nicht aus Metall, sondern vermutlich in Holz gearbeitet. Der Griff ist nicht erhalten, die heutige Verzierung ist direkt auf der [[Erl (Klinge)|Angel]] angebracht. === Schmiedetechnik === [[Bild:Humann Tafel 11.JPG|thumb|Das Schwert mit Scheide, Vorder- und Rückseite]] Der wichtigste Bauteil des Schwertes ist die Klinge. Sie besteht aus Stahl, der in [[Damaszenerstahl|Damaszenertechnik]] geschmiedet wurde. Diese Fertigungstechnik stellt sicher, dass an der Schärfe der Klinge ein intensiver Verbund von sowohl harten, schneidhaltigen Stahlsorten als auch von elastischem Stahl besteht. Jeder Stahltyp allein hat schwerwiegende Gebrauchsnachteile: Ein Schwert aus [[Härte|hart]]em Stahl bräche wegen seiner Sprödigkeit sehr schnell bei Belastung. Ein Schwert nur aus [[Elastizität (Mechanik)|elastischem]] Stahl würde schnell stumpf. Damaszenerstahl kombiniert die [[Verschleißfestigkeit]] harter und die [[Bruchfestigkeit]] weicherer Stähle und vermeidet deren Nachteile. Die Klinge war damit schon durch ihre Verarbeitung besonders hochwertig. Das Klingenblatt wurde optisch durch eine Einlagearbeit aufgewertet, diese ist im Wesentlichen aus fünf kunstvoll ineinander verwobenen, im Querschnitt quadratischen Stäben unterschiedlicher [[Stahlsorte]]n gefertigt. Um die Stahlstäbe flechten zu können, ohne dass sie an den 29 Überkreuzungspunkten auftragen, sind die Stäbe an den Überkreuzungsstellen präzise halb ausgespart, so, wie der Kunstschreiner die [[Holzverbindung#Zinken|Eckverzapfung]] einer Schublade fingerverzahnend in Holz schreinert. Der entstandene Block wurde mit der Klinge verschweißt. Nach dem Formschmieden wurde das Schwert ausgekehlt: In der Blattmitte unterhalb der Damastzierung ist es dünner als zu den beiden Schneiden hin. Durch die Hohlkehle (fälschlich „[[Blutrinne]]“) ähnelt das Profil der Klinge in dem Bereich einer flachgeschlagenen Acht. === Schleiftechnik === Im Anschluss nach dem Schmiedeformen wurde das Schwert beschliffen, im unteren Teil zu seiner normalen Form, im oberen Drittel, nahe der Parierstange, so tief, dass das Flechtmuster der Einlagearbeit oberflächlich erkennbar wurde. Dieses Muster ist beim Essener Schwert besonders aufwändig gefertigt: zwei der fünf Stahlstäbe bekamen vor dem Verweben Mäntel mit stählernem, dünnstem [[Rödeldraht]]. Weder beim Verschmieden noch beim anschließenden Schleifen durfte ein einziger dieser dünnen Drähte durchtrennt werden, um nicht das Muster zu stören. Aufgrund der Materialverluste durch Abbrand beim Verschmieden und durch das Schleifen erforderte das Gelingen dieses Vorhabens ein herausragendes Können und die Erfahrung eines Meisterschmiedes. Die besondere Schmiedetechnik der Einlage war durch den Anschliff für den kundigen Betrachter erkennbar, der das Schwert als besonders hochwertig identifizieren konnte, was den Status des Trägers unterstrich. Nach Fertigstellung der Klinge wurde diese mit einer Griffhülse, über deren Aussehen nichts bekannt ist, da sie bei der Umgestaltung der Waffe entfernt wurde, und dem Knauf versehen. Der Besitzer wird es in einer Schwertscheide getragen haben, die heutige Schwertscheide ist nicht die ursprüngliche. === Einsatz des Schwertes === [[Datei:Otto I Manuscriptum Mediolanense c 1200.jpg|thumb|Das Bild demonstriert die Rolle des Schwertes als Machtsymbol: Otto I., ein möglicher Besitzer des Essener Schwertes, empfängt als Zeichen der Unterwerfung ein Schwert vom links knienden König. Der Gefolgsmann Ottos rechts trägt ein Schwert mit der Spitze nach oben als Zeichen der Richtgewalt Ottos, das Essener Schwert wurde in ähnlicher Weise den Äbtissinnen vorangetragen.]] Das fertige Schwert war eine funktionale, ausgesprochen gebrauchsfähige und gleichzeitig wertvolle Waffe, die von ihrem Besitzer entsprechend ihrer Bestimmung eingesetzt und sicherlich häufig bei Waffenübungen und wahrscheinlich auch im Ernstfall benutzt worden ist. Die Waffe wurde zwischen Herstellung und Eingliederung in den Stiftschatz mehrfach nachgeschliffen, was auf den intensiven Gebrauch schließen lässt. Wer der Besitzer und vermutlich auch Auftraggeber der Klinge war und wo die Klinge eingesetzt wurde, ist mangels Quellen nicht bekannt. Die Eingliederung in den Stiftsschatz lässt darauf schließen, dass der Besitzer gesellschaftlich hoch gestellt war und die Waffe in wichtigen historischen Konflikten eingesetzt wurde. Da Essen ein ottonisches [[Hauskloster]] war, kommen hierfür [[Otto I. (HRR)|Otto der Große]], [[Otto II. (HRR)|Otto II.]] oder auch der Bruder der Äbtissin Mathilde, Herzog [[Otto I. (Schwaben)|Otto von Schwaben]] in Betracht. Die populärste Spekulation ist dabei, dass das Schwert von Otto I. in der [[Schlacht auf dem Lechfeld]] geführt wurde. Wahrscheinlicher ist jedoch Otto II. als Benutzer, da das Schwert im Zusammenhang mit einer Memorialstiftung für diesen nach Essen gelangte. == Die Umwidmung zum Kunstwerk == === Technik der Verzierungen === Bei der Umwidmung der Waffe zum Kunstwerk war ein Meister der Goldschmiedetechnik am Werk, der, typisch für den frühmittelalterlichen Künstler, unbekannt ist. Der ursprüngliche Schwertgriff und die Parierstange wurden entfernt. Sodann wurden auf dem [[Schwertknauf]] Edelsteine in einfachen Kastenfassungen angebracht, zwischen denen Goldfiligran, teilweise in Form von Halbkügelchen oder spiralförmig gerollten Kegeln, angebracht ist. Der Griff - tatsächlich die Angel des Schwertes - wie auch die Ober- und Unterseite einer neuen Parierstange wurden ebenfalls mit Goldfiligran bedeckt. Die Seiten der Parierstange wurden außer mit Goldfiligran und Edelsteinen mit im [[Zellenschmelz]]verfahren angefertigten Emailletäfelchen verziert. Diese zeigen Stern- und [[Palmette]]nmuster in verschiedenen Farben. === Die Schwertscheide === [[Bild:Schwert Detail.jpg|thumb|Details des Rankendekors der Schwertscheide, gezeichnet von [[Georg Humann]]]] Den Kern der Schwertscheide bilden zwei gewölbte Bretter aus [[Obstbaum]]holz, vermutlich Kirsche, mit zugeschärften Kanten. Dieser Holzkern ist komplett mit getriebenen Goldplatten besetzt. Die [[Treibarbeit]] ist von hoher Handwerkskunst. Den größten Teil der Fläche nimmt Rankenwerk ein, mit sorgfältig verteilten Blättern in fantastischen Formen. Zwischen diesen Ranken hat der Künstler verschiedene fantastische Tiere eingestreut. Mit Ausnahme bestimmter vierfüßiger Tiere, die der Künstler auf der Vorderseite zweimal wiederholt hat, sind sämtliche [[Ornament (Bildende Kunst)|Ornament]]e nur einmal verwendet. Auffällig ist, dass das Rankenwerk der Rückseite stärkere Windungen, aber weniger und dünnere Blätter aufweist. Stilistisch deuten die fantastischen Blattformen auf byzantinischen Einfluss, Ranken wie Tiergestalten finden sich ähnlich am [[Siebenarmiger Leuchter (Essen)|Siebenarmigen Leuchter]] des [[Essener Münster]]s. Der filigrane Schmuck der Scheide hat durch die Jahrhunderte währende Benutzung gelitten, bereits im Mittelalter traten Beschädigungen am Klingenmund und der Spitze auf. Diese häufig beanspruchten Stellen wurden bereits im 15. Jahrhundert durch Silberbleche geschützt, die stilistisch der [[Spätgotik]] zuzuordnen sind. Das Ortstück trägt auf der Vorderseite die Abbildung der Heiligen Cosmas und Damian, auf der Rückseite ein geschlungenes Spruchband. Am Mundstück sind zwei Metallösen auf der Rückseite auffällig. Diese sind zu filigran, um als Aufhängung für ein Schwertgehänge zu dienen, wahrscheinlich dienten sie dazu, um das Schwert mittels einer durch die Ösen gezogenen und um den Schwertgriff geschlungenen Schnur in der Scheide zu fixieren. == Restaurierung und Forschung == Angeregt durch Vermutungen, das Essener Schwert sei ein Vorgänger des [[Reichsschwert]]es gewesen, wurde das Schwert ab 1989 in einem interdisziplinären Forschungsprojekt untersucht und restauriert. Beteiligt waren neben Kunsthistorikern Archäologen, Paläobiologen, Ingenieure sowie ein Schmied und Klingensachverständiger. Da in der Vergangenheit hauptsächlich kunsthistorische Untersuchungen zum Goldschmuck der Scheide und des Gefäßes vorgenommen worden waren, war Ziel der Untersuchung, besonders Erkenntnisse zur Klinge und Herkunft des Schwertes zu gewinnen. Oberstes Prinzip war bei diesen Untersuchungen, die Substanz des Schwertes nicht zu mindern, nirgendwo Material abzutragen oder zu zerstören. Dieses wurde durch die Förderung der [[Thyssen AG]], die ihre Laboratorien und Mitarbeiter zur Verfügung stellte, ermöglicht. Weiter war Ziel dieser Untersuchungen, einen Nachbau dieses Schwertes zu fertigen, um dadurch weitere Erkenntnisse zur Schmiedetechnik des Schwertes zu gewinnen. Der Nachbau, der durch den Schmied Manfred Sachse geschmiedet wurde, befindet sich heute ebenfalls in der Domschatzkammer. Da das Schwert niemals, wie die meisten erhaltenen Schwerter, [[Grabbeigabe]] war oder als Erdfund auf einem historischen Schlachtfeld gefunden wurde, sondern stets gepflegter [[Gebrauchsgegenstand]] oder Objekt sakraler Verehrung war, ist es außergewöhnlich gut erhalten. Der Erhaltungszustand erlaubt eine Vielzahl von Rückschlüssen auf seine Fertigung zu ziehen. === Abmessungen === Das Schwert ist heute etwa 94 cm lang, wovon 80,5 cm auf die [[Klinge]] und 13,5 cm auf das [[Heft (Griffstück)|Heft]] entfallen. Die [[Parierstange]] hat eine Länge von 14 cm. Die Breite des Klingenblattes an der Parierstange 5,5 cm, in der Mitte der Klinge 4,5 cm. Ungefähr 10 cm vom [[Ort (Waffe)|Ort]] (der Klingenspitze) entfernt geht die gleichmäßige Verjüngung der Klinge in eine stärkere Zuspitzung über. Die Länge der [[Scheide (Behälter)|Schwertscheide]] beträgt 82 cm, sie ist am [[Scheidenmundblech|Mundstück]] 7,5 cm, in der Mitte 6,5 cm und am [[Ortband|Ortbeschlag]] 5,5 cm breit. Die Klinge wiegt 823,8 g, der [[Knauf]] 238,7 g und die Parierstange 254,5 g. === Metallurgische Untersuchungen === [[Bild:Schwert Damaszierung.jpg|thumb|Das Schwert in einer radiografischen Aufnahme, deutlich erkennbar das Muster der Damaszierung]] Das Schwert wurde in den Laboratorien der [[Thyssen AG]] metallurgisch untersucht, wobei alle zerstörungsfreien Untersuchungsmethoden nach dem damaligen [[Stand der Technik]] (1988) angewendet wurden, wie *[[Durchstrahlungsprüfung]] ([[Radiografie]]), *[[Ultraschall]]prüfung ([[Sonografie]]), *[[Magnetstreuflussprüfung]] *[[Farbeindringverfahren|Farbeindringprüfung]] *[[Spektroskopie|Spektrometrische Prüfung]]. Weiter wurden Analysen der metallurgischen Bestandteile vorgenommen, die eine Zuordnung der verwendeten Metalle und Verarbeitungs- sowie Gebrauchseigenschaften erlaubten. Der Kohlenstoffgehalt im Stahl des Schwertes liegt im Angelbereich bei 0,7%, im Ortbereich bei 1,1%. Das bedeutet, dass der damalige Stahl bereits bei der Herstellung die Qualität eines hochwertigen [[Werkzeugstahl]]es hatte. Die chemische Zusammensetzung entspricht dem Stahl aus lothringischer [[Limonit|Minette]]. ==== Parierstange ==== Die Parierstange wies Korrosion und grobe Schleif- und Feilspuren auf, die weitaus weniger sorgfältig als die Klinge nachbearbeitet sind. Die achteckige Aussparung für die Durchführung der Angel ist gefeilt. Die Parierstange wurde an der Klinge durch Körnerhiebe fixiert, um einen [[Reibschluss]] zu erzeugen. Merkmale für eine eventuelle Verwendung einer Griffhülse waren nicht zu finden. Die Unterseite der Parierstange zeigt Wachsauflagen, die möglicherweise bei Anbringen der Goldauflagen erfolgten. ==== Knauf ==== Der Knauf zeigt Korrosion vergleichbar der Parierstange. Er ist präzise gelocht für die Angel. Er weist vier Feilkerben an der Knauf-Unterseite für die Befestigung der Goldauflagen auf. ==== Klinge ==== Die Klinge zeigte eine alte Korrosion, die inaktiv war, also sich durchverrostet zeigt. Es gab unterschiedlich helle und dunkle Partien. Die hellen Partien zeigten intensiven Glanz aus der Politur. Es waren Farbschattierungen vorhanden, die wie eine Marmorierung wirken. Mehrere Partien der Klinge hatten tiefe Korrosion; diese hat in diesen Partien die ursprüngliche Oberfläche zerstört. Die Regelmäßigkeit der Korrosionsmuster deutete auf unterschiedliche Materialien hin. Mittels Schaben wurde die Oberfläche vorsichtig freigelegt. Durch die folgenden Untersuchungen wurde festgestellt, dass die Ursache der regelmäßigen Korrosionsmuster eine vorher nicht bekannte [[Damaszierung]] der Klinge war, die durch die modernen Untersuchungsmethoden wieder erkennbar wurde. Das Schwert weist ein Gittermuster auf der Oberfläche der Klinge auf, das durch die Damaszierung hervorgerufen wird. Diese besteht aus fünf verflochtenen viereckigen Metallstäben, die aus drei Drähten von je 1,5&nbsp;mm Durchmesser, ein Draht als Seele, von den beiden anderen umwickelt, geschmiedet worden waren. Der eine Umwicklungsdraht besteht aus hoch kohlenstoffhaltigem Eisen, der andere aus kohlenstoffarmem Eisen. Diese Stäbe wurden in einem Gittermuster verflochten und verschweißt. Im Ergebnis ergab sich ein Muster aus Schrägkreuzen, bei dem die einzelnen Linien, die von den Stäben gebildet wurden, durch die unterschiedlichen Drahtsorten abwechselnd hell und dunkel schraffiert erschienen. Der gesamte entstandene Zierblock wurde dann mit der Klinge verschweißt. Die linienförmigen Schweißnähte sind mit Unvollkommenheiten erkennbar, die die Begrenztheit damaliger Herstellungstechnik zeigen und die vor der Korrosion auch sichtbar gewesen sind. Die ursprünglichen Effekte der Drahtwicklungen waren durch Magnetpulverprüfungen sichtbar zu machen. Zur Herstellung dieses Musters und seiner Verschmiedung in der Klinge müssen hoch spezialisierte Kenntnisse und Berechnungen des Schmiede-Abbrandes vorgenommen worden sein. Sowohl beim Verschweißen der Stäbe als auch beim späteren Spiegelschliff war sorgsam darauf zu achten, von den dünnen Ummantelungsdrähten keinen zu beschädigen, um nicht das Muster zu zerstören. Die Anfertigung der Rekonstruktion des Schwertes im Originalzustand ergab einen extrem hohen Grad an schmiedetechnischen Problemen bei dieser Partie der Klinge. Die Schwertklinge weist keine angesetzten Schneiden auf; die Klinge besteht mit Ausnahme der Einlagearbeit aus einem Stück Material. Beim Klingenmaterial handelt es sich um Damaszener-Stahl, vielfach gefaltet und verschmiedet. Die Anzahl der Faltungen ließ sich nicht mehr rekonstruieren; in der Reproduktion ergab das mehrfache Teilen und Neuverschmieden letztlich eine Lagenzahl vom mehr als 300, und die Eigenschaften der Reproduktion zeigen, dass das ursprüngliche Schwert eine ähnliche Anzahl von Stahllagen enthält. Die Klingenschultern (der Übergang vom breiten Klingenblatt zur Angel) weisen eine ungewöhnliche, unregelmäßige Form auf. An ihrer Breite war der Substanzverlust durch häufiges Nachschärfen deutlich erkennbar: Gemessen wurde eine maximal 63&nbsp;mm breite Klinge, die knapp 2&nbsp;cm unterhalb der Schultern nur noch 55&nbsp;mm breit ist. Die Klingenschultern sind 10 mm tief in die Parierstange eingelassen, was ungewöhnlich ist, da die wesentlich einfacher gestaltete Parierstange so die Ornamente der Klinge teilweise verdeckt. Es ist daher wahrscheinlich, dass die heutige Parierstange nicht die ursprüngliche ist, da die Ornamentik der Klinge ein äußeres Zeichen für deren Qualität war und die meisterliche Arbeit den Status des Trägers unterstrich. Der Schwertschmied, der ursprünglich die Klinge schuf, hätte die Parierstange sicher nicht in dieser Art befestigt. Die Ortpartie findet sich ebenso nicht in ihrer ursprünglichen Gestalt. Es fehlt Länge und die ursprünglich vorhandene Schwertspitze. Wahrscheinlich gingen diese beim vielfachen Nachschärfen verloren, das durch einen intensiven Gebrauch der Waffe vor ihrer Umgestaltung notwendig gewesen war. Aufgrund der starken Verjüngung der Klinge zum Ort hin und dem weit zum Gefäß gerückten Schwerpunkt der Klinge war anzunehmen, dass das Essener Schwert nicht mehr primär Hiebwaffe war. Es wird daher im Ursprungszustand über eine ausgeprägte Spitze verfügt haben. === Zustand von Scheide und Griff === Die Schwertscheide besteht aus zwei gewölbten, hölzernen Scheidenbrettern, die am Rand mit einer größeren Anzahl Metallstiften aneinander geheftet sind. Bekleidet sind die Außenseiten der Scheidenbretter mit zwei Streifen verzierten Goldblechs, die seitlich von sieben V-förmig geknickten Kantenstreifen aus vergoldetem Silberblech gehalten werden. Befestigt sind diese durch Stifte aus vergoldetem Silber und Messing. Mundstück und Ortstück sind aus vergoldetem Silber. Zur Untersuchung der Scheidenbretter wurden Mund- und Ortstück abgelöst. Die Scheidenbretter zeigten sich an den Enden verwittert und insbesondere am Ort stark abgestoßen. Ein abgewittertes Holzstück wurde an das Institut für [[Ur- und Frühgeschichte]] der [[Universität Kiel]] zur [[Paläobiologie|paläobiologischen]] Untersuchung übersandt. Diese ergab, dass es sich um Obstbaumholz, wahrscheinlich Kirsche, handelt. Eine Innenverkleidung der Schwertscheide aus Fellstreifen, die üblicherweise ein Herausgleiten der Klinge verhindern, fehlt. Am oberen Ende der Scheidenbretter waren Streifen unterschiedlicher Entfärbung des Holzes durch Verwitterung erkennbar: Unterhalb des oberen Randes befand sich ein etwa 1&nbsp;cm breiter, stark entfärbter Streifen, darunter eine Zone von etwa zwei Zentimeter Breite, der deutlich frischer wirkt, unter diesem beginnt der Bereich, wo das Holz durch die Scheidenbeschläge dauerhaft geschützt war. Hieraus wird geschlossen, dass die goldenen Scheidenbeschläge ursprünglich länger waren und auch den weniger entfernten Bereich schützten. Die Verkürzung dürfte im Zusammenhang mit der Anpassung von Ort- und Mundstück geschehen sein. Die Scheidenbretter sind daher älter als diese hochgotischen Ausbesserungen. Eine präzisere Altersbestimmung durch [[Dendrochronologie]] war nicht möglich, hierfür fehlt eine ausreichende Anzahl [[Jahresring]]e auf den Brettern wie auch Vergleichstabellen. Die [[Radiokohlenstoffdatierung]] versprach ebenfalls keinen Erfolg, da Steinobstgewächse sehr langlebig sind und diese Messmethode unterschiedliche Ergebnisse für Holz aus der Baummitte und rindennahes Holz liefert. Die Reliefs der Scheidenbeschläge waren getrieben. Diese sind zu großen Teilen zerdrückt, weil bei einer zeitgenössischen Ausbesserung vergessen wurde, Polstermaterial, möglicherweise Filz oder Rohwolle, hinter den getriebenen Goldblechverzierungen wieder einzulegen. Als Beleg hierfür wird angeführt, dass die V-förmigen Kantenbeschläge, die die Goldbleche halten, ältere Nagellöcher in den Goldblechen verdecken, was darauf schließen lässt, dass die Scheide ursprünglich einen durch die jetzt fehlende Polsterung größeren Umfang besaß. Besonders stark zerdrückt sind die Treibarbeiten im Bereich der dritten Rankenwindung der Rückseite und der dritten und vierten Rankenspirale der Vorderseite. Diese Stellen befinden sich dort, wo die Schwertscheide auf dem Unterarm eines Trägers aufliegen würde, sind also mutmaßlich Gebrauchsspuren aus der Zeit, als das Schwert als Zeremonialschwert verwendet wurde. Am Griff ist der untere Teil der Umkleidung der Griffzunge eine spätere Ausbesserung, was daran erkennbar ist, dass dort die Ranken durch tordierten Golddraht gebildet sind. Am oberen Teil befindet sich wie am Knauf Ranken aus geperltem Golddraht. Von den am Knauf angebrachten Edelsteinen sind sämtliche der Rückseite und zwei der Vorderseite verloren gegangen; an der Parierstange fehlen drei der vier Emailtäfelchen, zwei vorne, eine hinten. Insgesamt sind die Schäden am Schmuck des Schwertes durch den Gebrauch als Zeremonialschwert entstanden; das Schadensbild deckt sich genau mit den Berichten über die Verwendung. === Formenkundliche Analyse === Aus dem 10. Jahrhundert sind eine Vielzahl Schwerter erhalten, zumeist als Bodenfunde. Das Essener Schwert konnte daher mit anderen Schwertern seiner Zeit verglichen werden. Beim Essener Schwert sind Schneiden und Hohlkehlen voneinander abgesetzt, eine gängige Gestaltungstechnik im Hochmittelalter. Das Schwert war dadurch als eindeutig später als [[karolinger]]zeitlich zu datieren. Der Klingenquerschnitt ist mehrfach verändert: die Klinge ist längsoval im Bereich der Klingenwurzel, sechskantig im dekorierten Klingendrittel, und in der Ortpartie existiert eine beidseitige Hohlkehle. Es ist kein älteres Schwert bekannt, das eine solche Gliederung aufweist, die später zum Regelfall wurde. Diese Art der Gliederung wird zur Erstellungszeit des Schwertes entwickelt worden sein. Die Klinge stammt aus der zweiten Hälfte des 10. Jahrhunderts, die chemische Zusammensetzung des Stahls wie auch die Damaszierung lassen eine Fertigung im Frankenreich als wahrscheinlich erscheinen. === Zusammenfassung === Neben der bekannten Bedeutung des Schwertes als Kunstobjekt ergab die wissenschaftliche Untersuchung, dass das Essener Zeremonialschwert eine zuvor unbekannte Damaszierung besitzt. Die Massivtechnik der Damastarbeit ist ein Einzelfall. Eine Verwendung von Drähten zur Erzielung von Damasteffekten ist von anderen Klingen nicht bekannt, die Verwendung tordierter Damaste für Inschriften, Marken und Ornamenten ist zu dieser Zeit eher eine Ausnahme, üblicher waren aufgelagerte Damaste. Die meisterhafte Schmiedearbeit des Essener Schwertes stellt mit der anspruchsvollen Technik und der Gestaltung der subtilen Damasteffekte einen Höhepunkt europäischer Damaszierungen dar. == Literatur == * Georg Humann: ''Die Kunstwerke der Münsterkirche zu Essen'', Fredebeul & Koenen, Essen 1904 * Leonard Küppers, [[Paul Mikat]]: ''Der Essener Münsterschatz''. Fredebeul & Koenen, Essen 1966 * Alfred Pothmann (Hrsg.): ''Das Zeremonialschwert der Essener Domschatzkammer''. Aschendorff, Münster 1995, ISBN 3-402-06243-7 * Alfred Pothmann: ''Der Essener Kirchenschatz aus der Frühzeit der Stiftsgeschichte''. In: ''Herrschaft, Bildung und Gebet. Gründung und Anfänge des Frauenstifts Essen''. Klartext Verlag, Essen 2000, ISBN 3-88474-907-2 == Weblinks == [http://www.domschatz-essen.de/index.php?id=181 Webseite der Domschatzkammer Essen zum Prunkschwert] == Anmerkungen == <references/> {{Exzellent}} [[Kategorie:Kunstwerk (Kunsthandwerk)]] [[Kategorie:Schmiedekunst]] [[Kategorie:Schwert]] [[Kategorie:Insigne]] [[Kategorie:Stift Essen]] [[es:Espada de San Cosme y San Damián]] [[pl:Miecz ceremonialny (Essen)]] 836wibr1gf0jm4zx5f5y96ld89h1x0k wikitext text/x-wiki Zervixkarzinom 0 24549 27153 2010-04-24T20:36:59Z Kaisersoft 0 Änderungen von [[Special:Contributions/84.46.7.21|84.46.7.21]] ([[User talk:84.46.7.21|Diskussion]]) rückgängig gemacht und letzte Version von [[User:Gloecknerd|Gloecknerd]] wiederhergestellt {{Infobox ICD | 01-CODE = C53 | 01-BEZEICHNUNG = Bösartige Neubildung der Cervix uteri | 02-CODE = C53.0 | 02-BEZEICHNUNG = Endozervix | 03-CODE = C53.1 | 03-BEZEICHNUNG = Ektozervix | 04-CODE = C53.8 | 04-BEZEICHNUNG = Cervix uteri, mehrere Teilbereiche überlappend | 05-CODE = C53.9 | 05-BEZEICHNUNG = Cervix uteri, nicht näher bezeichnet }} Das '''Zervixkarzinom''' ([[latein]]isch ''Carcinoma cervicis uteri''), auch '''Kollumkarzinom''' (von [[latein]]isch ''Collum'' für „Hals“) oder '''Gebärmutterhalskrebs''' genannt, ist ein bösartiger ([[Malignität|maligner]]) [[Krebs (Medizin)|Tumor]] des [[Cervix uteri|Gebärmutterhalses]] (Cervix uteri). Es ist weltweit der zweithäufigste bösartige Tumor bei Frauen. [[Histologie|Histologisch]] handelt es sich in der Mehrheit der Fälle um ein [[Plattenepithelkarzinom]]. Die häufigste Ursache für ein Zervixkarzinom ist eine [[Infektion]] mit bestimmten Typen des [[Humane Papillomviren|humanen Papillomvirus]] (HPV). Das Zervixkarzinom verursacht zunächst keine Schmerzen, nur gelegentlich treten leichte Schmierblutungen auf. Erst wenn der Tumor größer wird und mit [[Ulcus|Geschwürbildung]] zerfällt, kommt es zu fleischwasserfarbigem, süßlich riechendem Ausfluss. Im Frühstadium ist die vollständige Entfernung der Veränderung durch eine [[Konisation]] ausreichend. Im fortgeschrittenen Stadium werden die Entfernung der ganzen Gebärmutter mit umliegendem Gewebe und manchmal auch weiterer Organe notwendig. Eine Untersuchung zur Früherkennung ist der [[Pap-Test]]. Eine [[Impfung]] mit dem [[HPV-Impfstoff]] verhindert eine Infektion durch die zwei bzw. vier häufigsten Hochrisiko-HPV-Typen und verringert damit das Risiko der Entstehung eines Zervixkarzinoms.<ref>Marra F, Cloutier K, Oteng B, Marra C, Ogilvie G: ''Effectiveness and cost effectiveness of human papillomavirus vaccine: a systematic review.'' Pharmacoeconomics 27 (2009), 127-47, PMID 19254046, {{DOI|10.2165/00019053-200927020-00004}}</ref> == Epidemiologie == Das Zervixkarzinom ist weltweit der zweithäufigste bösartige Tumor bei Frauen, im Jahr 2002 waren fast 500.000 Frauen erkrankt, 273.000 starben daran. In der weltweiten Todesursachenstatistik der [[Gynäkologie|gynäkologischen]] [[Malignom]]e steht besonders das in das umgebende Gewebe hineinwuchernde (invasive) Zervixkarzinom damit auf Rang eins, mit einer Sterblichkeit ([[Letalität]]) von über 60 Prozent.<ref name="streich">[http://www.tellmed.ch/include_php/previewdoc.php?file_id=2171 Streich M: ''Das Zervixkarzinom: praxisrelevante Aspekte. Prävention, Diagnostik, Therapie.'' Gynäkologie 6 (2005), 23–5]</ref> === Häufigkeit === Die Häufigkeit ([[Inzidenz (Medizin)|Inzidenz]]) beim Gebärmutterhalskrebs unterscheidet sich weltweit erheblich. Sie liegt in [[Finnland]] bei 3,6 und in [[Kolumbien]] bei 45 pro 100.000 Frauen pro Jahr. In Deutschland lag sie 2002 bei 13,3 pro 100.000. Die Inzidenz höhergradiger [[Präkanzerose]]n der [[Cervix uteri]] liegt um das 50- bis 100-Fache höher.<ref name="AWMF"/><ref name="Beckmann">[http://www.aerzteblatt.de/v4/archiv/pdf.asp?id=46160 Beckmann MW, Mehlhorn G, Thiel F, Breuel Ch, Fasching PA, Ackermann S: ''Therapiefortschritte beim primären Zervixkarzinom'', Dtsch Arztebl 102 (2005), A-979]</ref> Früher war es der häufigste Genitalkrebs der Frau, doch durch [[Screening|Früherkennungsuntersuchungen]] konnte die Häufigkeit in Mitteleuropa auf zirka 25 Prozent aller Genital[[karzinom]]e gesenkt werden. Dagegen zeigt die Inzidenz zervikaler Krebsvorstufen eine steigende Tendenz.<ref name="AWMF"/> In Deutschland ist der Gebärmutterhalskrebs die elfthäufigste [[Diagnose|diagnostizierte]] Krebsart. Gleichzeitig ist die Erkrankung die zwölfthäufigste Ursache für krebsbedingte Todesfälle.<ref>[http://www.aerzteblatt.de/v4/archiv/artikel.asp?src=heft&id=64888 HPV-Impfung: Die Studienwelt wurde erweitert, Dtsch Arztebl 2009; 106(23): A-1185]</ref><ref>[[Deutsche Krebsgesellschaft]]: [http://www.krebsgesellschaft.de/krebshaeufigkeit,11267.html Krebsneuerkrankungen in Deutschland im Jahr 2004]</ref> Jährlich erkranken in Deutschland etwa über 6000 Frauen neu an einem Zervixkarzinom, etwa 1800 sterben daran.<ref>Hampl M: ''Impfung gegen humane Papillomaviren. Eine neue Präventionsstrategie gegen Krebs.'' Pharmazie in unserer Zeit 37 (2007), 78-85 {{DOI|10.1002/pauz.200700245}}</ref> Die 5-Jahres-Überlebenswahrscheinlichkeit der Patientinnen beträgt etwa 60 %.<ref name="rki">[http://www.rki.de/cln_048/nn_199884/DE/Content/GBE/Gesundheitsberichterstattung/GBEDownloadsB/KID2008,templateId=raw,property=publicationFile.pdf/KID2008.pdf ''Übersicht der Krebserkrankungen''] des [[Robert Koch-Institut]]s (2008)</ref> === Erkennungsalter === Das Zervixkarzinom wird am häufigsten im Alter von 45 bis 55 Jahren diagnostiziert, Vorstufen können schon bei 20- bis 30-jährigen Patientinnen auftreten. Das mittlere Alter bei der Erstdiagnose des Zervixkarzinoms sank in den letzten 25 Jahren um 14 Jahre und liegt derzeit bei etwa 52 Jahren.<ref name="AWMF"/><ref name="Beckmann"/> In der Altersverteilung findet man einen Gipfel zwischen dem 35. und 54. Lebensjahr sowie einen weiteren Anstieg ab dem 65. Lebensjahr.<ref name="AWMF"/> 2003 zeigte die Erkrankungshäufigkeit eine veränderte Altersverteilung, weil die Diagnose deutlich häufiger bei Frauen in einem Alter zwischen 25 und 35 Jahren gestellt wurde als bei Frauen, die über 65 Jahre alt waren.<ref name="Beckmann"/> Die Erkrankung kann auch in der Schwangerschaft auftreten. Die Inzidenz beträgt hier 1,2 pro 10.000 Schwangerschaften.<ref name="streich"/> == Ursachen == Man geht davon aus, dass ein großer Teil der Gebärmutterhalskarzinome von den [[Humane Papillomviren|humanen Papillomviren]] (HPV) verursacht wird. Die auch Kondyloma-Viren genannten Erreger wurden früher zur Familie der [[Papovaviridae]] gezählt. Es sind kugelförmige, unbehüllte, doppelsträngige [[Desoxyribonukleinsäure|DNA]]-Viren (dsDNA) (aus der Gruppe der ''[[Papillomaviridae]]''), von denen insgesamt zirka 200 verschiedene Typen bekannt sind. Die meisten davon sind für den Menschen relativ harmlos, können aber unangenehme [[Condylomata acuminata|Feigwarzen]] im Genitalbereich verursachen. Die Typen 16 und 18 können bei 70 Prozent der Zervixkarzinome, der [[Zervikale intraepitheliale Neoplasie|zervikalen intraepithelialen Neoplasien]] und den [[Adenokarzinom]]en ''[[Carcinoma in situ|in situ]]'' nachgewiesen werden. Außerdem treten sie auch häufig beim [[Analkarzinom]] auf. Die Typen 6 und 11 sind für eher gutartige (d. h. nicht [[Metastase|metastasierende]] oder invasiv wachsende) Tumore wie Genitalwarzen verantwortlich und finden sich auch bei anderen Tumoren, wie z. B. bei Papillomen im [[Pharynx|Oropharynx]]. Außer diesen wurden aber bereits noch mindestens 18 weitere HP-Virentypen in Gebärmutterhalstumoren entdeckt. Nach dem heutigen Wissensstand kann nicht ausgeschlossen werden, dass auch andere Typen krankheitserregend (pathogen) sind. Für alle genannten HP-Virenarten ist im Gegensatz zum Beispiel zu den [[Influenza]]-Viren allein der Mensch der Haupt- oder [[Wirt (Biologie)|Reservoirwirt]]. Die Viren haben sich dem menschlichen Organismus angepasst. Eine Schädigung ihres Reservoirwirts hat für sie keinen vorteilhaften Effekt, da sie ja zur eigenen Vermehrung auf diesen angewiesen sind. Die dennoch von diesen Viren beim Reservoirwirt ausgelösten Gebärmutterhalskarzinome sind letztlich nur Nebeneffekte der [[Infektion]]. Weitere Faktoren wie Rauchen, genitale Infektionen, die Langzeiteinnahme von [[Antibabypille|oralen Kontrazeptiva]]<ref>Smith JS et al. ''Cervical cancer and the use of hormonal contraceptives: a systematic review.'' Lancet 361(2003), 1159-67. PMID 12686037</ref><ref>International Collaboration of Epidemiological Studies of Cervical Cancer: ''Cervical cancer and hormonal contraceptives: collaborative reanalysis of individual data for 16 573 women with cervical cancer and 35 509 women without cervical cancer from 24 epidemiological studies.'' Lancet 370 (2007), 1609–1621, {{DOI|10.1016/S0140-6736(07)61684-5}}</ref>, eine hohe Zahl an vorangegangenen [[Geburt]]en (hohe [[Parität (Medizin)|Parität]]) sowie die [[Immunsuppression|Suppression]] des [[Immunsystem]]s stehen in der Diskussion, bei High-risk-HPV-Infektionen die Krebsentstehung zu fördern.<ref name="AWMF">[http://www.uni-duesseldorf.de/AWMF/ll/032-033.htm 2k-Leitlinie ''Diagnostik und Therapie des Zervixkarzinoms''] der [[Deutsche Krebsgesellschaft|Deutschen Krebsgesellschaft e.V.]] und der [[Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe|Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe]]</ref><ref>Berrington de González A, Sweetland S, Green J: ''Comparison of risk factors for squamous cell and adenocarcinomas of the cervix: a meta-analysis.'' Br J Cancer 4 (2004), 1787-91, PMID 15150591</ref> Weitere prädisponierende Faktoren sind der frühzeitige Beginn des [[Sexualverkehrs]], hohe [[Promiskuität]], sowie mangelnde [[Sexualhygiene]] beider Partner und niedriger [[sozialer Status]]. Bekannt sind aber auch einige Erkrankungen bei teilweise sehr jungen Frauen ohne erkennbare Risikofaktoren. Eine der ersten wurde bereits 1887 beschrieben.<ref>Eckardt CT: ''Ein Fall von Cervixcarcinom bei einer neunzehnjährigen Jungfrau.'' Arch Gynecol Obstet 30 (1887), 471-478, {{DOI|10.1007/BF01976292}}</ref> === HPV-Infektion === [[Datei:Papilloma Virus (HPV) EM.jpg|thumb|HPV im [[Elektronenmikroskop]].]] Die Infektion mit diesen Viren findet meist im Jugendalter durch [[Kontaktinfektion]] beziehungsweise [[Schmierinfektion]] bei den ersten [[Sexualkontakt]]en statt. Anschließend können diese Viren jahrelang inaktiv bleiben. Nach heutigem Kenntnisstand erhöht sich das Erkrankungsrisiko durch frühen ersten [[Geschlechtsverkehr]], häufigen Partnerwechsel, mangelnde [[Hygiene]] durch die damit verbundenen Infektionen mit humanen Papillomviren (HPV). Allerdings ist auch ohne Sexualkontakt eine Infektion möglich, beispielsweise während der Geburt. Hier kann es sehr selten durch die HPV-Typen 6 und 11 zu Wucherungen (Larynxpapillome) am [[Kehlkopf]] bei den Säuglingen kommen.<ref>[http://www.tellmed.ch/include_php/previewdoc.php?file_id=2974 Hüsler M, Lauper U: ''Infektprophylaxe in der Schwangerschaft'' Gynäkologie 5 (2006), 6–12]</ref> Eine Übertragung anderer HPV-Typen auf diesem Weg scheint möglich. Eine Übertragung durch anderen Körperkontakt, wie zwischen Händen und Genitalien, scheint ebenfalls möglich.<ref>[http://www.pubmedcentral.nih.gov/picrender.fcgi?artid=1758241&blobtype=pdf Sonnex C, Strauss S, Gray JJ: ''Detection of human papillomavirus DNA on the fingers of patients with genital warts.'' Sexually Transmitted Infections 75 (1999), 317-9], PMID 10616355</ref> Andere Übertragungswege, wie über Schwimmbäder oder kontaminierte Toiletten, werden diskutiert, konnten aber bislang nicht nachgewiesen werden. Wenn es den Viren gelungen ist, in die [[Basalzelle]]n (in tiefen Zellschichten von [[Epithel]]ien auf oder in der Nähe der [[Basallamina|Basalmembran]] liegende Zellen) des Gebärmutterhalses einzudringen, bringen sie diese dazu, ihr Virenerbgut und die Eiweiße der kugelförmigen [[Virushülle|Virenhülle]] herzustellen, was sie selbst nicht können. Die Zellen müssen daher auch zur Teilung angeregt bzw. im Teilungszustand gehalten werden, damit sie das Virenerbgut herstellen können. Und genau bei diesem Vorgang treten folgende ''Fehler'' auf: Die Erregerviren schalten die Kontrollmoleküle der Gebärmutterhalszellen aus, die gewöhnlich eine Zellteilung begrenzen bzw. bei einem fehlerhaften Teilungsvorgang die Zelle in den [[Programmierter Zelltod|programmierten Zelltod]] ([[Apoptose]]) schicken können (p53 und pRB). Die Tumorbildung setzt noch zusätzlich den Einbau des Virusgenoms in das [[Genom]] der [[Wirt (Biologie)|Wirtszelle]] voraus. Dieser Vorgang ereignet sich spontan (zufällig), er ist nicht [[Enzym|enzymatisch]] gesteuert. Dies genügt in der Regel noch nicht für die Tumorbildung, begünstigt aber weitere Schädigungen, die letztlich zur Tumorbildung führen. Sobald die Tumorzellen die Basalmembran durchbrochen haben, können sie mit dem Blut oder der Lymphflüssigkeit in andere Körperregionen gelangen, sich dort vermehren und dadurch so genannte Tochtergeschwülste ([[Metastase]]n) erzeugen. Normalerweise erkennt ein gesundes und abwehrstarkes [[Immunsystem]] derartig veränderte Zellen und tötet sie ab. Etwa 70 Prozent der infizierten Patienten haben nach zwei Jahren das jeweilige Virus eliminiert. Allerdings gelingt es den betreffenden Erregern bei manchen Frauen, auf eine noch nicht bekannte Weise das Immunsystem zu überwinden. Bei Hochrisiko-HPV-Typen ist dies bei jeder 10. Infektion der Fall. Man spricht in solchen Fällen von einer ''persistierenden Infektion'', wenn die Viren länger als 6 bis 18 Monate nachweisbar sind. Eine solche ist nach heutiger Kenntnis Voraussetzung für die virusbedingte Entstehung von Krebs. Sind bei einer Frau 18 Monate nach der Erstdiagnose der HPV-Infektion noch Hochrisikotypen nachweisbar, ist die Wahrscheinlichkeit, an Gebärmutterhalskrebs zu erkranken, für die Frau etwa 300-mal so hoch wie für eine nicht (mehr) infizierte Frau.<ref>Cervixzentrum der [[Charité]] Berlin: [http://cervixcentrum.charite.de/2_hr/FAQ-HPV.pdf ''FAQ HPV'']</ref> Bei den betreffenden Frauen kann dann innerhalb von 10 bis 20 Jahren nach der Infektion ein Gebärmutterhalskrebs entstehen. Dieser Zusammenhang erklärt auch, warum dieser Krebs derzeit besonders bei Frauen im Alter von 35 bis 40 Jahren festgestellt wird und in letzter Zeit eine deutliche Tendenz zum jüngeren Alter zeigt. Es passt zu der in modernen Gesellschaften bestehenden Tendenz zu früherer sexueller Aktivität und der durchschnittlich größeren Zahl von Sexualpartnern. === Rauchen === Rauchen stellt einen unabhängigen [[Risikofaktor (Medizin)|Risikofaktor]] für die Entstehung eines Zervixkarzinoms dar.<ref>Kapeu AS, Luostarinen T, Jellum E, Dillner J, Hakama M, Koskela P, Lenner P, Löve A, Mahlamaki E, Thoresen S, Tryggvadóttir L, Wadell G, Youngman L, Lehtinen M: ''Is smoking an independent risk factor for invasive cervical cancer? A nested case-control study within Nordic biobanks.'' Am J Epidemiol 169 (2009), 480-8, PMID 19074773</ref> High-risk-HPV-infizierte Raucherinnen haben ein höheres Erkrankungsrisiko als high-risk-HPV-infizierte Frauen, die nie geraucht haben. Dabei ließ sich insbesondere ein erhöhtes Risiko für Plattenepithelkarzinome nachweisen, nicht für Adenokarzinome. Das Risiko ist offenbar abhängig von der Zahl der pro Tag gerauchten Zigaretten und dem Alter, in dem mit dem Rauchen begonnen wurde, und besteht auch bei ehemaligen Raucherinnen weiter. Krebserregende Abbauprodukte des Tabakrauchs ließen sich in der Gebärmutterhalsschleimhaut nachweisen. HPV-Infektionen bleiben bei Raucherinnen länger bestehen, so dass es hier öfter zu ''persistierenden Infektionen'' kommt.<ref>International Collaboration of Epidemiological Studies of Cervical Cancer, Appleby P, Beral V, Berrington de González A, Colin D, Franceschi S, Goodill A, Green J, Peto J, Plummer M, Sweetland S: ''Carcinoma of the cervix and tobacco smoking: collaborative reanalysis of individual data on 13.541 women with carcinoma of the cervix and 23.017 women without carcinoma of the cervix from 23 epidemiological studies.'' Int J Cancer 118 (2006), 1481-95, PMID 16206285</ref><ref>Berrington de Gonzalez A, Sweetland S, Green J: ''Comparison of risk factors for invasive squamous cell carcinoma and adenocarcinoma of the cervix: Collaborative reanalysis of individual data on 8.097 women with squamous cell carcinoma and 1.374 women with adenocarcinoma from 12 epidemiological studies.'' Int J Cancer 120 (2007), 885-91, PMID 15150591</ref> === Andere Genitalinfektionen === Es besteht der Verdacht, dass eine zusätzliche Infektion des Genitalbereichs mit anderen [[Sexuell übertragbare Erkrankung|sexuell übertragbaren Erregern]] wie [[Chlamydien]] und [[Herpes-simplex-Viren|Herpes simplex 2]] zur Krebsentstehung beitragen kann, wenn bereits eine Infektion mit high-risk-HPV besteht.<ref>[http://www.pubmedcentral.nih.gov/articlerender.fcgi?tool=pubmed&pubmedid=18830380 Al-Daraji WI, Smith JH: ''Infection and cervical neoplasia: facts and fiction.'' Int J Clin Exp Pathol 2 (2009), 48-64], PMID 18830380</ref><ref>Smith JS, Bosetti C, Muñoz N, Herrero R, Bosch FX, Eluf-Neto J, Meijer CJ, Van Den Brule AJ, Franceschi S, Peeling RW; IARC multicentric case-control study: ''Chlamydia trachomatis and invasive cervical cancer: a pooled analysis of the IARC multicentric case-control study.'' Int J Cancer 111 (2004), 431-9, PMID 15221973</ref> == Entstehung == Die Erkrankung entsteht durch Veränderungen von Zellen und schließlich Gewebestrukturen stufenweise aus einer sogenannten [[Zervikale intraepitheliale Neoplasie|Zervikalen intraepithelialen Neoplasie]] ([[Englische Sprache|englisch]] ''Cervical Intraepithelial Neoplasia'') (CIN I bis III). Dabei gelten die [[Dysplasie|dysplastischen]] Zellveränderungen bei CIN I und II als rückbildungsfähig. CIN III stellt dagegen eine [[Präkanzerose#Obligate Präkanzerose|obligate Präkanzerose]] dar. Das heißt, mehr als 30 Prozent entwickeln sich innerhalb von fünf Jahren in eine Krebserkrankung. Dabei werden unter CIN III wegen des gleichen biologischen Verhaltens die hochgradige [[Dysplasie]] und das [[Carcinoma in situ]] (CIS) zusammengefasst.<ref name="AWMF"/> ''Zervikale Intraepitheliale Neoplasien im [[Histologie|histologischen]] Bild unter dem [[Mikroskop]]:'' <div align="center"><gallery> Datei:Cervical intraepithelial neoplasia (1) normal squamous epithelium.jpg|Normales zervikales Epithel Datei:Cervical intraepithelial neoplasia (2) koilocytosis.jpg|CIN I Datei:Cervical intraepithelial neoplasia (3) CIN2.jpg|CIN II Datei:Cervical intraepithelial neoplasia (4) CIN3.jpg|CIN III </gallery></div> == Krankheitsverlauf/Symptome == Es entwickeln sich nur bei 2 bis 8 Prozent der HPV-infizierten Frauen Zellveränderungen, die ein Vorstadium für eine Krebserkrankung darstellen, oder sogar anschließend ein Karzinom. Zervixkarzinome bilden sich in der Regel völlig unauffällig und ohne Schmerzen. Nur gelegentlich können mehr oder minder leichte Schmierblutungen auf ein solches Geschehen hinweisen. Erst wenn der Tumor größer wird und unter [[Ulcus|Geschwürbildung]] zerfällt, kommt es zu fleischwasserfarbigem, süßlich riechendem Ausfluss, unregelmäßigen Blutungen und [[Kontaktblutung]]en beim [[Geschlechtsverkehr]]. Unbehandelt wächst der Tumor in [[Harnblase]], [[Mastdarm]] und andere Strukturen des kleinen Beckens wie die [[Harnleiter]] ein, beschädigt oder zerstört diese gar und führt dadurch zu Folgeerscheinungen, wie einer Stauung der [[Niere]]n oder [[Lymphödem]]en der Beine. Außerdem kann es zu Metastasen in anderen Körperregionen kommen, weil sich Tumorzellen über die [[Lymphgefäß]]e ([[Lymphogene Metastasierung|lymphogen]]) und den [[Blutkreislauf]] ([[Hämatogene Metastasierung|hämatogen]]) im Körper verteilen und an einem anderen Ort ansiedeln und vermehren können.<ref name="pschyrembel"/> Eine Schwangerschaft beeinflusst den Krankheitsverlauf nicht. Auch für die Kinder besteht keine direkte Gefahr.<ref name="streich"/> == Untersuchungsmethoden == Die Diagnose eines Zervixkarzinoms kann nur durch [[Histologie|histologische]] Untersuchung von Gewebestücken gestellt werden. Diese werden entweder durch eine gezielte [[Biopsie|Probenentnahme]] aus einem bei der [[Kolposkopie]] auffälligen Bereich am [[Cervix uteri|Muttermund]], eine [[Konisation]] nach wiederholt auffälligem [[Pap-Test]] oder eine [[Kürettage|Ausschabung]] bei Verdacht auf eine im Gebärmutterhalskanal befindliche Veränderung gewonnen. Bei nachgewiesenem Karzinom sind zur [[Stadienbestimmung (Onkologie)|Stadienbestimmung]] eine [[Röntgen]]untersuchung der [[Thorax|Lunge]], eine [[Sonografie]] durch die [[Vagina|Scheide]], eine Sonografie beider Nieren und der [[Leber]], eine [[Zystoskopie]] und [[Rektoskopie]] zum Ausschluss oder Nachweis eines Tumoreinbruchs in Harnblase oder [[Rektum|Enddarm]] notwendig. Ab dem Stadium [[FIGO]] IB2 wird zur Feststellung der Tumorausdehnung eine [[Magnetresonanztomographie|Kernspintomographie]] (MRT) empfohlen, da diese in Ergänzung zur Tastuntersuchung geeignet ist, die Größe des Tumors im kleinen Becken, die Beziehung zu den Nachbarorganen und die [[Infiltration (Medizin)|Eindringtiefe]] zu bestimmen.<ref name="AWMF"/> == Pathologie == Die Mehrheit aller invasiven Zervixkarzinome sind [[Plattenepithelkarzinom]]e (80 Prozent), gefolgt von den [[Adenokarzinom]]en (5–15 Prozent). Bevorzugte Entstehungsort ist die sogenannte Transformationszone, in welcher das Plattenepithel der Portio auf das Zylinderepithel des Zervix trifft.<ref>O. Reich. ''Ist die frühe Kohabitarche ein Risikofaktor des Zervixkarzinoms?'' Gynäkol Geburtshilfliche Rundsch 2005;45:251-256 {{DOI|10.1159/000087143}}</ref> Andere Tumorformen, wie Adenokankroide, adenosquamöse und mukoepidermoide Karzinome, sind selten. Als Besonderheit treten, ebenfalls selten, sogenannte Gartnergangkarzinome auf. Sie gehen vom Gartnerschen Gang, einem kleinen Teil des rückgebildeten [[Urnierengang|Wolffschen Ganges]] aus. Da sich dieser Tumortyp in der Tiefe entwickelt und erst im Verlauf in den Gebärmutterhalskanal durchbricht, hilft die übliche Früherkennung hier nicht.<ref name="pschyrembel">[[Willibald Pschyrembel|Pschyrembel W]], Strauss G, Petri E: ''Praktische Gynäkologie.'' 5. Auflage, Walter de Gruyter Verlag, 1991, 74–152, ISBN 3-11-003735-1</ref> [[Uterussarkom|Sarkome der Gebärmutter]] können sehr selten auch die Zervix befallen.<ref>[http://www.sciencedirect.com/science?_ob=ArticleURL&_udi=B6WG6-4GR33K3-6&_user=10&_rdoc=1&_fmt=&_orig=search&_sort=d&view=c&_acct=C000050221&_version=1&_urlVersion=0&_userid=10&md5=a541bc4e3cfa2f75c31cdfc20c5412c5 Wright JD, Rosenblum K, Huettner PC, Mutch DG, Rader JS, Powell MA, Gibb RK: ''Cervical sarcomas: An analysis of incidence and outcome.'' Gynecol Oncol 99 (2005), 348-351], PMID 16051326, DOI|10.1016/j.ygyno.2005.06.021</ref> Eine Sonderstellung nehmen dabei die [[Müllerscher Mischtumor|Müllerschen Mischtumore]] ein, bei denen [[karzinom]]atöse und [[sarkom]]atöse Komponenten im gleichen Tumor auftreten. Auch sie befallen eher den Gebärmutterkörper als die Zervix.<ref name="SM">Schmidt-Matthiesen H, Bastert G, Wallwiener D: ''Gynäkologische Onkologie – Diagnostik, Therapie und Nachsorge auf der Basis der AGO-Leitlinien.'' 10. Auflage 2002, Schattauer Verlag, 105, ISBN 3-7945-2182-X</ref> Die Tumortypisierung erfolgt nach der [[Weltgesundheitsorganisation|WHO]]-[[International Classification of Diseases for Oncology|Klassifikation]], die Stadieneinteilung vor einer Operation [[Klinik|klinisch]] nach der [[FIGO-Klassifikation]]. Nach einer operativen Behandlung erfolgt die Stadieneinteilung nach der [[TNM-Klassifikation|pTNM-Klassifikation]], welche eine histologische Beurteilung durch einen [[Pathologie|Pathologen]] einschließt und in der Stadienbezeichnung durch ein vorangestelltes kleines ''p'' angezeigt wird.<ref name="AWMF"/> Der [[Grading|Differenzierungsgrad]] des Krebsgewebes wird nach der [[Union internationale contre le cancer|UICC]] ''(Union Internationale Contre le Cancer)'' beurteilt.<ref name="SM"/> [[Datei:Endocervical adenocarcinoma (1).jpg|thumb|Histologie|Histologisches Bild eines [[Adenokarzinom]]s der [[Cervix uteri]]]] [[Datei:Squamous Carcinoma of Cervix.jpg|thumb|Aufgeschnittenes Operationspräparat: Gebärmutter (oben) mit Plattenepithelkarzinom der Zervix]] [[Datei:Squamous carcinoma of the cervix.jpg|thumb|Aufgeschnittenes Operationspräparat: Gebärmutter mit einem großen gutartigen Muskelknoten ([[Leiomyom]]), darunter der Gebärmutterhals mit großem Plattenepithelkarzinom, oben rechts und links die [[Adnexe|Eierstöcke mit Eileitern]].]] ''Stadien nach [[TNM-Klassifikation]] und [[FIGO]] (Fédération Internationale de Gynécologie et d'Obstétrique):''<ref name="AWMF"/><ref>L.-C. Horn, K. Schierle, D. Schmidt, U. Ulrich: ''Neues TNM/FIGO-Staging-System für das Zervix- und Endometriumkarzinom sowie maligne Müller'sche Mischtumoren (MMMT) des Uterus.'' Geburtsh Frauenheilk 69 (2009), 1078-81, {{DOI|10.1055/s-0029-1240644}}</ref><ref>L.-C. Horn, K. Schierle, D. Schmidt, U. Ulrich, A. Liebmann, C. Wittekind: ''Aktualisiertes TNM/FIGO-Staging-System für das Zervix- und Endometriumkarzinom sowie maligne Müller'sche Mischtumoren (MMMT) des Uterus. Fakten und Hintergrund.'' Pathologe 2010, PMID: 20084383</ref> {| class="prettytable" |- bgcolor="#D0DDEE" ! TNM ! FIGO ! Kriterien |- bgcolor="#E0EEFF" ! TX | | Primärtumor kann nicht beurteilt werden |- bgcolor="#E0EEFF" ! T0 | | Kein Anhalt für einen Tumor |- bgcolor="#E0EEFF" ! Tis | („Carcinoma in situ“) | Kein Durchbruch durch die Basalmembran ins gesunde Gewebe, entspricht einem CIN 3 |- bgcolor="#E0EEFF" ! T1 | I | Zervixkarzinom begrenzt auf den Gebärmutterhals |- bgcolor="#F0FFFF" | 1a | IA | Nur mikroskopisch sichtbar, [[Interstitium (Anatomie)|Stroma]]<b/>invasion bis einschließlich 5 mm (unter 7 mm horizontale Ausdehnung) |- bgcolor="#F0FFFF" | 1a1 | IA1 | Nur mikroskopisch sichtbar, Stromainvasion bis einschließlich 3 mm (unter 7 mm horizontale Ausdehnung) |- bgcolor="#F0FFFF" | 1a2 | IA2 | Nur mikroskopisch sichtbar, Stromainvasion mehr als 3 bis einschließlich 5 mm (unter 7 mm horizontale Ausdehnung), sogenanntes Mikrokarzinom |- bgcolor="#F0FFFF" | 1b | IB | Klinisch erkennbare Läsionen, begrenzt auf die Cervix uteri oder subklinische Läsionen mit größeren Maßen als Stadium IA |- bgcolor="#F0FFFF" | 1b1 | IB1 | Klinisch erkennbare Läsionen, nicht größer als 4 cm |- bgcolor="#F0FFFF" | 1b2 | IB2 | Klinisch erkennbare Läsionen, größer als 4 cm |- bgcolor="#E0EEFF" ! T2 | II | Zervixkarzinom, das die Gebärmuttergrenze überschritten hat, aber weder die Beckenwand noch das untere Drittel der Vagina erreicht |- bgcolor="#F0FFFF" | 2a | IIA | Ohne Infiltration des [[Parametrium]]s |- bgcolor="#F0FFFF" | 2a1 | IIA1 | Ohne Infiltration des Parametriums, nicht größer als 4 cm |- bgcolor="#F0FFFF" | 2a2 | IIA2 | Ohne Infiltration des Parametriums, größer als 4 cm |- bgcolor="#F0FFFF" | 2b | IIB | Mit Befall des Parametriums |- bgcolor="#E0EEFF" ! T3 | III | Befall des unteren Drittels der Vagina und/oder der Beckenwand und/oder [[Hydronephrose|Nierenstauung]] und/oder Nierenausfall |- bgcolor="#F0FFFF" | 3a | IIIA | Befall des unteren Drittels der Vagina, kein Befall der Beckenwand |- bgcolor="#F0FFFF" | 3b | IIIB | Befall der Beckenwand und/oder Hydronephrose oder Nierenausfall |- bgcolor="#E0EEFF" ! T4 | IV | Befall der Blase, des Enddarmes, Fernmetastasierung |- bgcolor="#F0FFFF" | 4 | IVA | Befall von Blase oder Rektum und/oder Überschreitung des kleinen Beckens |- bgcolor="#F0FFFF" | 4 | IVB | Fernmetastasen oder keine Beurteilung der Fernmetastasen |- bgcolor="#FFF5EE" ! Nx | | Es kann keine Aussage zu regionären Lymphknotenmetastasen getroffen werden. |- bgcolor="#FFF5EE" ! N0 | | Keine Metastasen in den regionären Lymphknoten. |- bgcolor="#FFF5EE" ! N1 | | Metastasen in den regionären Lymphknoten. |- bgcolor="#EEE9BF" ! M0 | | Keine Fernmetastasen nachweisbar. |- bgcolor="#EEE9BF" ! M1 | | Der Tumor hat Fernmetastasen gebildet. |- bgcolor="#FFFACD" | 1a | | Metastasen in anderen Lymphknoten (nicht regionäre, beispielsweise paraaortale, Lymphknoten). |- bgcolor="#FFFACD" | 1b | | Metastasen in den Knochen. |- bgcolor="#FFFACD" | 1c | | Metastasen in anderen Organen und/oder Strukturen. |} ''Typisierung der Zervixkarzinome:''<ref name="SM"/><ref name="SMK">Schmidt-Matthiesen H, Kühnle H: ''Präneoplasien und Neoplasien der Cervix uteri.'' in: Wulf KH, Schmidt-Matthiesen H: ''Klinik der Frauenheilkunde und Geburtshilfe.'' Band 11, ''Spezielle gynäkologische Onkologie I.'' 3. Auflage 1991, Urban und Schwarzenberg, 131–206, ISBN 3-541-15113-7</ref> {| class="wikitable" |- style="background: #DDFFDD;" ! [[Plattenepithelkarzinom]]e<br />(„Squamous lesion“) ! [[Adenokarzinom]]e<br />(„Glandular lesions“) ! Spezielle Erscheinungsformen<br />(„Other epithelial lesion“) |- valign="top" | * [[Epithel#Mehrschichtige Epithelien|Verhornende]] Karzinome * [[Epithel#Mehrschichtige Epithelien|Nicht verhornende]] Karzinome * [[Warze|Verruköse]] Karzinome | * Typische Adenokarzinome * Endometriode Karzinome * Klarzellkarzinome * [[Schleim|Muzinös]]-papilläre Karzinome * Serös-papilläre Adenokarzinome * Muzinös-kolloide (Gallert-)Karzinome ''Spezielle Varianten der Adenokarzinome:'' * [[Urniere|Mesonephritische]] Karzinome * Adenoid-zystische Karzinome Mischtypen | * Adenosquamöse Karzinome * Adenozystische Karzinome ''[[Neuroendokriner Tumor|Neuroendokrine]] Karzinome:'' * [[Karzinoid]]tumore * Kleinzellige Karzinome [[Grading|Undifferenzierte]] kleinzellige ''„non[[Endokrine Drüse|endokrine]]“'' Karzinome |} == Behandlung == [[Datei:Radiation Cervix Advanced1.JPG|thumb|Planung einer Strahlentherapie]] Die Therapie des Zervixkarzinoms und seiner Vorstufen richtet sich nach dem jeweiligen Stadium: === Behandlung der Krebsvorstufen === Eine [[Zervikale intraepitheliale Neoplasie|Zervikale intraepitheliale Neoplasie (CIN)]] I kann über maximal 24 Monate im Abstand von 6 Monaten regelmäßig zytologisch und kolposkopisch beobachtet werden, wenn die Veränderungen im äußeren Bereich der [[Portio vaginalis uteri|Portio]] gut zu kontrollieren sind. Dabei können sich die Veränderungen zurückbilden oder weiterentwickeln. Voraussetzung dafür ist die sichere Diagnose durch Probeentnahme und histologische Untersuchung. CIN I im Inneren des Gebärmutterhalses (intrazervikaler Sitz, nicht gut beobachtbar) sollten bald mit einer [[Konisation]] behandelt werden. Eine Verlaufskontrolle und damit eine Verschiebung der Behandlung ist auch bei der CIN II und III in einer [[Schwangerschaft]] möglich, um die Lebensfähigkeit des Kindes abzuwarten.<ref name="streich"/> Außerhalb einer Schwangerschaft sollte bei einer CIN II, die über 12 Monate bestehen bleibt, und bei der CIN III eine Operation durchgeführt werden.<ref name="AWMF"/> Beim ''[[Carcinoma in situ]]'' ist nach vollständiger Entfernung der Veränderung durch eine Konisation oder – im Falle einer abgeschlossenen Familienplanung – nach kompletter Gebärmutterentfernung ([[Hysterektomie]]) keine weitere Behandlung nötig. Bei unvollständiger Entfernung besteht die Möglichkeit einer erneuten Konisation. Eine Konisation kann bei strenger [[Indikation]]sstellung auch in der Schwangerschaft durchgeführt werden. Bei einem [[Carcinoma in situ]] mit vollständiger Entfernung der Veränderungen durch die Konisation kann die Schwangerschaft ausgetragen werden, das Risiko einer Frühgeburt ist dann erhöht. Eine normale Geburt ist möglich. Sechs Wochen nach der Geburt sollte dann eine erneute kolposkopische und zytologische Kontrolle erfolgen. <ref name="streich"/> === Behandlung des Gebärmutterhalskrebses === Im Stadium FIGO IA1 kann, wie bei den Krebsvorstufen, eine Konisation ausreichend sein, wenn der Tumor vollständig entfernt wurde und noch Kinderwunsch besteht, wobei dabei das Risiko für eine [[Cervix uteri#Schwangerschaft|Zervixinsuffizienz]] oder auch einer Zervix[[stenose]] in der Schwangerschaft erhöht ist. Ohne Kinderwunsch sollte eine einfache Gebärmutterentfernung erfolgen. Bei Lymphgefäßeinbrüchen ist eine zusätzliche [[Becken (Anatomie)|pelvine]] [[Lymphadenektomie|Lymphknotenentfernung]] angezeigt. In den Stadien IA2, IB, IIA, IIB ist eine erweiterte [[Hysterektomie]] ''(radikale Hysterektomie)'' und systematische [[Becken (Anatomie)|pelvine]], stadienabhängig gegebenenfalls eine paraaortale Lymphonodektomie (Entfernung aller an der [[Aorta]] gelegenen [[Lymphknoten]]) angezeigt. Hier kommt bislang die [[Wertheim-Meigs-Operation]] als Standardtherapie zum Einsatz. Bei Plattenepithelkarzinomen können bei jungen Frauen die Eierstöcke erhalten bleiben. Liegt ein Adenokarzinom vor, wird wegen einer höheren Metastasierungswahrscheinlichkeit in die Eierstöcke eine Entfernung auch bei jungen Frauen empfohlen. Je nach histologischem Befund ist nach der Operation eine [[Strahlentherapie]] oder [[Radiochemotherapie]] nötig. Die Klassifikation nach Piver, oder auch Rutledge-Piver, unterscheidet fünf Grade der Radikalität einer Hysterektomie beim Gebärmutterkalskrebs. Sie wurde nach den amerikanischen Gynäkologen M. Steven Piver und Felix Rutledge benannt.<ref>M Steven Piver, Felix Rutledge, Julian P. Smith: ''Five classes of extended hysterectomy for women with cervical cancer.'' Obstet Gynecol 44 (1974), 265-272, [http://journals.lww.com/obgynsurvey/Citation/1975/03000/Five_Classes_of_Extended_Hysterectomy_for_Women.27.aspx Vorschau]</ref> {| class="wikitable" |+ Klassifikation nach Piver |- style="background: #DDFFDD;" ! Piver-Stadium ! Bezeichnung ! Ausdehnung des Eingriffs |- valign="top" | I | extra[[Faszie|fasziale]] Hysterektomie | * keine nennenswerte Mobilisierung der [[Harnleiter]] |- | II | modifiziertradikale Hysterektomie | * Absetzen der ''[[Arteria uterina]]'' an der Überkreuzung des Harnleiters * Absetzen der [[Parametrium|Ligamenta sacrouterina und cardinalia]] auf halben Weg zum [[Kreuzbein]] bzw. zur Beckenwand * [[Resektion]] des oberen Scheidendrittels * Präparation der Ureteren ohne Herauslösen aus dem [[Ligamentum pubovesicale]] Letztlich handelt es sich um eine extrafasziale Hysterektomie mit Resektion der [[Parametrium|Parametrien]] [[Anatomische Lage- und Richtungsbezeichnungen|medial]] der Ureteren. |- | III | „klassische“ radikale Hysterektomie | * Absetzen der ''A. uterina'' am Ursprung (''[[Arteria iliaca interna]]'' oder ''[[Arteria vesicalis superior]]'') * Absetzen der ''Ligamenta sacrouterina'' und ''cardinalia'' nahe an ihren Ursprüngen (Kreuzbein, Beckenwand) * Resektion des oberen Scheidendrittels (bis zu Hälfte) * Freilegen und Darstellen (Präparation) der Harnleiter bis zur Einmündung in die [[Harnblase]] unter Schonung eines kleinen seitlichen Anteils des ''Ligamentum pubovesicale'' |- | IV | erweiterte radikale Hysterektomie | wie Piver III, jedoch mit * kompletter Herauslösung der Harnleiter aus dem ''Lig. pubovesicale'' * Resektion der ''A. vesicalis superior'' * Resektion von bis zu drei Vierteln der Scheide |- | V | - | wie Piver IV, jedoch zusätzlich * Resektion von Teilen der Harnblase und des unteren Harnleiteranteils mit Wiedereinnähen (Neuimplantation) des Harnleiters |} Als Alternativen stehen heute an Zentren die [[Totale mesometriale Resektion des Uterus|Totale mesometriale Resektion (TMMR)]] mit einer nervenschonenden Präparationstechnik (gezieltes Freilegen) in anatomisch-embryonalen Entwicklungsgrenzen, die [[Laparoskopische Chirurgie|laparoskopisch]] assistierte vaginale radikale Hysterektomie (LAVRH) mit nervenschonender [[Schauta-Stoeckel-Operation|vaginaler Radikaloperation]] und laparoskopischer Lymphknotenentfernung sowie die laparoskopische radikale Hysterektomie (LRH) mit vollständiger laparoskopischer Präparation zur Verfügung. Bei noch bestehendem Kinderwunsch kann in den Stadien IA2 und IB1 mit Tumoren < 2 cm über eine radikale [[Trachelektomie]] mit Lymphonodektomie und damit ein Erhalt der [[Fruchtbarkeit]] nachgedacht werden, wenn es sich um ein Plattenepithelkarzinom handelt, die Lymphknoten tumorfrei sind und keine weiteren Risikofaktoren vorliegen. Diese Verfahren stellen derzeit keine Routine dar, sie können jedoch sowohl durch Schonung der für die Harnblasen- und Darmentleerung verantwortlichen [[Nervus hypogastricus|Nerven]], wie eine Vermeidung einer [[Strahlentherapie|Nachbestrahlung]] nach der Operation bei der TMMR, oder dem Erhalt der Fruchtbarkeit bei der Trachelektomie, den Patientinnen Vorteile bieten.<ref name="AWMF"/> In den Stadien III und IV ist eine primäre kombinierte [[Strahlentherapie]] oder besser eine simultane [[Radiochemotherapie]] erforderlich.<ref name="streich"/> Bei einem zentralen Tumorsitz mit Blasen- und/oder Rektuminfiltration ist auch im Stadium IV eine Operation in Form einer [[Exenteration]] möglich, wenn die Beckenwand tumorfrei ist.<ref name="AWMF"/> === Behandlung in der Schwangerschaft === Im Stadium IA1 mit vollständiger Entfernung der Veränderungen durch eine [[Konisation]] kann die Schwangerschaft, wie bei der CIN III, ausgetragen und das Kind auf vaginalem Weg geboren werden. Sechs Wochen nach der Geburt ist eine kolposkopische und zytologische Kontrolle notwendig. In den Stadien IB bis IIA sollte bei einer frühen Schwangerschaft die entsprechende chirurgische Behandlung durchgeführt werden und damit die Schwangerschaft abgebrochen werden. Ist die Schwangerschaft bereits weiter fortgeschritten, ist eine baldige Geburt des Kindes mittels [[Kaiserschnitt|Schnittentbindung]] und anschließender radikaler Hysterektomie mit Lymphknotenentfernung anzuraten.<ref name="streich"/> === Behandlung des Rezidivs === Die Behandlung des Zervixkarzinom[[rezidiv]]s ist abhängig vom Befund und der vorangegangenen Behandlung. Eine Operation beim zentralen, also in Beckenmitte gelegenen Rezidiv ist möglich, meist im Sinne einer radikalen Hysterektomie nach früherer Strahlenbehandlung oder [[Exenteration]] nach bereits erfolgter [[Hysterektomie|Gebärmutterentfernung]]. Nicht vorbestrahlte Patientinnen können eine Strahlentherapie erhalten. Die Wertigkeit einer Radiochemotherapie beim Rezidiv ist noch nicht endgültig geklärt. Bei bereits vorbestrahlten Patientinnen mit Beckenwandrezidiv bestehen eingeschränkte [[Kuration|kurative]] Behandlungsansätze in speziellen Therapieverfahren: operativ ([[Lage- und Richtungsbezeichnungen|Lateral]] erweiterte endopelvine [[Resektion]], LEER) sowie die intraoperative Radiotherapie (IORT) oder die Kombination von beiden (Combined operative radiotherapy, [[Cort|CORT]]).<ref>[http://tumorzentrum-muenchen.de/fileadmin/manuale/839_Manual_Zervixkarzinom.pdf ''Manual Zervixkarzinom''] des Tumorzentrums München, 73-77, 2004</ref> == Vorbeugung == === Primäre Prävention === Die ''primäre [[Prävention]]'' besteht in einer Vermeidung von Risikofaktoren, wie genitalen Infektionen, [[Promiskuität|häufigem Partnerwechsel]] und [[Tabakrauchen|Rauchen]]. Seit dem Jahr 2006 besteht die Möglichkeit einer Impfung der Frau gegen einige der krebsauslösenden HP-Viren. Auch die Benutzung von [[Kondom]]en sowie die [[Zirkumzision]] des Mannes führen zu einer Senkung des Krebsrisikos, anders jedoch als bei anderen [[Sexuell übertragbare Erkrankung|sexuell übertragbaren Erkrankungen]], die einen zusätzlichen Risikofaktor darstellen, bietet das Kondom keinen sicheren Schutz vor Infektion.<ref name="AWMF2">*{{AWMF|http://www.uni-duesseldorf.de/AWMF/ll/015-027.htm|Prävention, Diagnostik und Therapie der HPV-Infektion und präinvasiver Läsionen des weiblichen Genitale''|2 + IDA|[[Deutsche Krebsgesellschaft|Deutschen Krebsgesellschaft e.V.]], der [[Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe|Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe]], des [[Berufsverband der Frauenärzte|Berufsverbandes der Frauenärzte]], der Deutschen Gesellschaft für [[Pathologie]], der Deutschen Gesellschaft für [[Urologie]], der [[Deutsche Krebsgesellschaft|Deutschen Krebsgesellschaft]], Deutsche STD-Gesellschaft und der Frauenselbsthilfe nach Krebs|06/2008}}</ref><ref>Manhart LE, Koutsky LA: ''Do condoms prevent genital HPV infection, external genital warts, or cervical neoplasia? A meta-analysis.'' Sex Transm Dis 29 (2002), 725-735, PMID 12438912</ref> ==== Impfung ==== ''Hauptartikel: [[HPV-Impfstoff]]'' 2006 wurde ein erster HPV-Impfstoff zugelassen, das von [[Sanofi Pasteur MSD]] auf Grundlage von Forschungsergebnissen des [[Deutsches Krebsforschungszentrum|Deutschen Krebsforschungszentrums]] und des amerikanischen National Institute of Health entwickelte ''Gardasil'' (quadrivalenter Impfstoff = wirksam gegen die vier HPV-Typen 6, 11, 16 und 18). 2007 wurde in der [[Europäische Union|Europäischen Union]] ein bivalenter Impfstoff (wirksam gegen die zwei HPV-Typen 16 und 18) von der Firma [[GlaxoSmithKline]] unter dem Handelsnamen ''Cervarix'' zugelassen. Die Hochrisiko-HPV-Typen 16 und 18 sind weltweit für etwa 70 % aller Zervixkarzinome bei der Frau verantwortlich. Die Papillomaviren vom Typ 6 und 11 sind primär verantwortlich für die Entstehung von [[Condylomata acuminata|Genitalwarzen]] (Feigwarzen). Beide derzeit zugelassenen Impfstoffe beugen der Entwicklung cervikaler intraepithelialer Neoplasien vor. Eine bereits bestehende HPV-Infektion kann nicht behandelt bzw. beseitigt werden. Ebenso wenig können die Folgen einer solchen Infektion, wie beispielsweise Gebärmutterhalskrebs oder dessen Vorstufen, mittels einer Impfung behandelt werden. Die Vorsorgeuntersuchung zur frühzeitigen Erkennung des Gebärmutterhalskrebses ([[Pap-Test]]) wird auch für geimpfte Frauen weiterhin empfohlen, da die Impfung nur gegen einen Teil der Papillomaviren wirksam ist. Nach einer Entscheidung des [[Gemeinsamer Bundesausschuss|Gemeinsamen Bundesausschusses]] von Juni 2007 übernehmen alle gesetzlichen Krankenkassen in Deutschland die Kosten der Impfung bei Mädchen im Alter zwischen 12 und 17 Jahren.<ref>[http://www.g-ba.de/informationen/aktuell/pressemitteilungen/189/ ''Gemeinsamer Bundesausschuss übernimmt Schutzimpfungen in den Leistungskatalog der Gesetzlichen Krankenversicherung''] Pressemitteilung des [[Gemeinsamer Bundesausschuss|Gemeinsamen Bundesausschusses]] vom 22. Juni 2007</ref> Inwieweit eine Impfung von Männern einen Einfluss auf die Prävention des Zervixkarzinoms hat, ist bislang nicht abschließend geklärt. Es gibt jedoch Hinweise auf einen positiven Einfluss auf die Vermeidung der HPV-Infektionen.<ref>Insinga RP, Dasbach EJ, Elbasha EH, Puig A, Reynales-Shigematsu LM: ''Cost-effectiveness of quadrivalent human papillomavirus (HPV) vaccination in Mexico: a transmission dynamic model-based evaluation.'' Vaccine. 26 (2007), 128-39, PMID 18055075</ref><ref>Lowy DR, Frazer IH: Chapter 16: Prophylactic human papillomavirus vaccines. J Natl Cancer Inst Monogr. 31 (2003), 111-6, PMID 12807954</ref> ==== Beschneidung des Mannes ==== Es ließen sich Zusammenhänge aufzeigen zwischen der [[Zirkumzision|Beschneidung]] des Mannes und dem Risiko der Frau, an Gebärmutterhalskrebs zu erkranken, da man bei beschnittenen Männern in geringerem Maße HP-Virus-Infektionen und [[Peniskarzinom]]e findet. Letztere Tatsache ist am ehesten durch die Vermeidung hygienischer Probleme erklärbar. Für die geringere Rate an HPV-Infektionen scheint die deutliche Verringerung der Schleimhautfläche verantwortlich zu sein, die anfälliger für kleinste Verletzungen und Infektionen ist als [[Haut]] oder dickere [[Epithel]]ien, wie auf der [[Glans penis]] des [[Penis]].<ref>[http://content.nejm.org/cgi/reprint/346/15/1105.pdf Castellsagué X, Bosch X, Munoz N, Meijer C, Shah K, De Sanjosé S, et al. ''Male circumcision, penile human papillomavirus infection, and cervical cancer in female partners.'' N Engl J Med 346 (2002), 1105–12], PMID 14746027, [http://www.cfpc.ca/cfp/2003/sep/vol49-sep-critical-1.asp Online-Referat: Rivet Ch: ''Circumcision and Cervical Cancer - Is there a link?'' Canadian Family Physician]</ref><ref>Hernandez BY, Wilkens LR, Zhu X, McDuffie K, Thompson P, Shvetsov YB, Ning L, Goodman MT. ''Circumcision and human papillomavirus infection in men: a site-specific comparison.'' J Infect Dis 15 (2008), 787-94, PMID 18284369</ref><ref>Nielson CM, Schiaffino MK, Dunne EF, Salemi JL, Giuliano AR: ''Associations between male anogenital human papillomavirus infection and circumcision by anatomic site sampled and lifetime number of female sex partners.'' J Infect Dis 199 (2009), 7–13, PMID 19086813</ref> Eine [[Metaanalyse]] aus dem Jahr 2007 konnte nach einer Literaturanalyse jedoch keinen Zusammenhang nachweisen.<ref>Van Howe RS. ''Human papillomavirus and circumcision: a meta-analysis.'' 1: J Infect 54(2007), 490-6, PMID 16997378</ref> Allerdings bestehen Zweifel an der Korrektheit letzterer Studie und damit auch deren Aussage.<ref>Castellsagué X, Albero G, Clèries R, Bosch FX: ''HPV and circumcision: a biased, inaccurate and misleading meta-analysis.'' J Infect. 55 (2007), 91-3, PMID 17433445</ref> === Sekundäre Prävention (Früherkennung von Krebsvorstufen) === Die Früherkennung des Zervixkarzinoms in Form einer [[Screening]]-Untersuchung ist eine sogenannte sekundäre Prävention durch Erkennung von Vorstufen eines Karzinoms durch [[Zervikalabstrich|Abstrichuntersuchungen]] ([[Pap-Test]]). In Deutschland sind die Mindestanforderungen für das Screening gesetzlich durch den [[Gemeinsamer Bundesausschuss|Gemeinsamen Bundesausschuss]] geregelt. Ab dem 20. Lebensjahr steht Frauen die Untersuchung einmal jährlich zu Lasten der [[Gesetzliche Krankenversicherung|Gesetzlichen Krankenversicherung]] zur Verfügung.<ref>[http://www.g-ba.de/downloads/62-492-387/RL_KFU_2009-06-18.pdf Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen über die Früherkennung von Krebserkrankungen („Krebsfrüherkennungs-Richtlinien“) (PDF-Dokument; 336 kB)]</ref> Die [[Abstrich (Medizin)|zytologische Abstrichentnahme]] erfolgt unter [[Gynäkologie|Spiegeleinstellung]] gezielt, möglichst unter [[Kolposkopie|kolposkopischer]] Kontrolle, von der [[Portio]]oberfläche sowie aus dem Zervikalkanal (mit einem Spatel oder einer kleinen Bürste). Ist bei der Spekuloskopie oder [[Kolposkopie]] vom [[Makroskopische Anatomie|makroskopischen]] Erscheinungsbild der Verdacht einer Veränderung vorhanden, sollte eine engmaschige Wiederholung der Abstrichuntersuchung durchgeführt werden. Bei wiederholt verdächtigen Befunden ist die Diagnostik um eine [[Histologie|histologische]] Probenentnahme zu erweitern. Bei [[Immunsuppression|immunsupprimierten]] Frauen wird zu zwei Früherkennungsuntersuchungen der Zervix im Jahr, alle zwei Jahre mit zusätzlichem Nachweis von Papillomviren, geraten.<ref name="AWMF2"/><ref>Petry KU, Scheffel D, Bode U, Gabrysiak T, Kochel H, Kupsch E, Glaubitz M, Niesert S, Kühnle H, Schedel I: ''Cellular immunodeficiency enhances the progression of human papillomavirus-associated cervical lesions.'' Int J Cancer 57 (1994), 836-840, PMID 7911455</ref> Die [[Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe]] empfiehlt unter Berücksichtigung neuer Studien in ihrer aktuellen Leitlinie zum Zervixkarzinom, bei Frauen ab 30 Jahren auch bei unauffälligem [[Pap-Test]] routinemäßig einen Nachweistest für Papillomviren durchzuführen.<ref name="AWMF"/>.<ref>[http://www.aerzteblatt.de/v4/archiv/pdf.asp?id=62456 Warpakowski A: ''Zervixkarzinom-Screening: Wann der HPV-Test sinnvoll ist.'' Dtsch Arztebl 105( 2008), A-2541]</ref><ref>[http://www.dggg.de/_download/unprotected/g_01_04_04_praevention_diagnostik_therapie_hpvinfektion.pdf Link zur Leitlinie “Prävention, Diagnostik und Therapie …” ]</ref> Während der Pap-Test bei einmaliger Durchführung etwa die Hälfte der Krebsfälle oder direkten Krebsvorstufen übersieht<ref>Ronco G. et. al Results at Recruitment From a Randomized Controlled Trial Comparing Human Papillomavirus Testing Alone With Conventional Cytology as the Primary Cervical Cancer Screening Test. J Nat Canc Inst 2006;98:765-744;</ref><ref>Mayrand MH et. al Human Papillomavirus DNA versus Papanicolaou Screening Test for Cervical Cancer. NEJM 2007;357:1579–1588</ref>, können mit der Kombination aus Pap-Test und Virusnachweis fast alle Krebsvorstufen erkannt werden.<ref>Petry KU et al. Inclusion of HPV testing in routine cervical cancer screening for women above 29 years in Germany: results for 8466 patients. Br J Cancer 2003;88:1570-72.</ref> Der Gemeinsame Bundesausschuss hat jedoch aufgrund der derzeitig vorliegenden Studiendaten die Aufnahme einer HPV-Testung als auch der [[Dünnschichtzytologie]], einer speziellen zytologischen Untersuchung, in das Krebsfrüherkennungsprogramm abgelehnt.<ref name="AWMF"/> Die Screening-Programme auf Gebärmutterhalskrebs unterscheiden sich in den Mitgliedsländern der [[Europäische Union|Europäischen Union]] hinsichtlich der empfohlenen Zeitintervalle, der eingeschlossenen Altersgruppen und der Organisation des Screenings.<ref name="DIMDI">[http://gripsdb.dimdi.de/de/hta/hta_berichte/hta110_bericht_de.pdf Frank W, Konta B, Peters-Engel C: ''PAP-Test zum Screening auf Zervixkarzinom''] [[Health Technology Assessment#HTA Prozesse|DAHTA@DIMDI]], 2005</ref> ''Zytologische Befunde und histologischer Befund in Papanicolaou-Färbung:'' <div align="center"><gallery> Datei:Pap test normal.jpg|Normale Plattenepithelzellen im Abstrich Datei:Pap test abnormal.JPG|Atypische Zelle im Abstrich (Mitte) Datei:Squamous cell carcinoma in the cervix, pap stain.jpg|Plattenepithelkarzinom (histologischer Schnitt) </gallery></div> In Deutschland werden die Befunde nach der ''Münchner Nomenklatur II'' klassifiziert, während in englischsprachigen Ländern meist die ''Bethesda-Klassifikation'' zum Einsatz kommt.<ref>[http://www.aixcyto.de/Literatur/SchenckMuenomBethesda.pdf Schenck U: ''Befundwiedergabe in der Zytologie: Münchner Nomenklatur II und Bethesda System 1991.'' in Scheck U (Hrsg.): ''Referateband der 13. Fortbildungstagung für klinische Zytologie München 1995.'' 224-33]</ref><ref name="Bethesda">[http://www.aafp.org/afp/20031115/1992.html Apgar BS, Zoschnick L, Wright TC: ''The 2001 Bethesda System Terminology.'' Am Fam Physician 68 (2003), 1992-8]</ref> Eine international verbindliche Klassifikation gibt es derzeit nicht.<ref name="schweiz">[http://www.aixcyto.de/Literatur/guidelines_2003-03-1393.pdf Arbeitsgruppe ''Guideline Zervixabstrich'': ''Guideline zum Vorgehen bei suspektem und positivem zytologischen Abstrich der Cervix Uteri.''Schweizerische Ärztezeitung 84 (2003), 82-92]</ref> ''Gegenüberstellung von Münchner Nomenklatur II mit Handlungsempfehlung und Bethesda-Klassifikation:''<ref name="DIMDI"/><ref name="Bethesda"/><ref>http://www.zervita.de/fileadmin/user_upload/zervita/PDF_Dateien/Frueherkennung/muenchner_nomenklatur_neu-23_3-07.pdf Empfehlungen der ''ZERVITA – Informationen und Aufklärung über Gebärmutterhalskrebs und HPV''</ref><ref name="AWMF2"/><ref name="schweiz"/> {| class="wikitable" align="center" |- style="background: #DDFFDD;" ! Münchner Nomenklatur II / Pap ! Münchner Nomenklatur II / Zytologischer Befund ! Empfehlung ! Bethesda-Klassifikation |- | I | Normales Zellbild | Routine-Kontrolle | Kein Anhalt für intraepitheliale Läsion oder Malignität |- | II | Deutliche entzündliche oder degenerative Veränderungen, unreife Metaplasie, HPV-Zeichen ohne wesentliche Zellkernveränderungen | Kontrolle in 1 Jahr | Kein Anhalt für intraepitheliale Läsion oder Malignität, geringgradige intraepitheliale Läsion (LSIL = Low grade squamous intraepithelial lesion) (bei HPV-Zeichen) |- | IIw/k (kein offizieller Bestandteil der Münchner Nomenklatur II, jedoch häufig angewandt) | Meist unzureichende Abstriche, die für eine Beurteilung nicht ausreichen, sowie Abstriche mit Zellveränderungen, die zwar nicht als definitiv abnorm, aber auch nicht als normal eingestuft werden können | Erneuter [[Zervikalabstrich|Abstrich]] (Abstrich wiederholen = w, Abstrich kontrollieren = k) | Atypische Plattenepithelzellen unklarer Bedeutung (ASC-US = Atypical squamous cells of undetermined significance), geringgradige intraepitheliale Läsion (bei HPV-Zeichen), atypische Drüsenzellen (AGC = Atypical glandular cells) |- | III | Schwere entzündliche oder degenerative Veränderung, die eine Beurteilung zwischen gut- und bösartig nicht zulässt. Auffällige Drüsenzellen, die eine Beurteilung zwischen gut- und bösartig nicht zulassen, ein Karzinom ist nicht sicher auszuschließen | Je nach klinischem Befund kurzfristige zytologische Kontrolle oder histologische Abklärung | Atypische Plattenepithelzellen unklarer Bedeutung, atypische Plattenepithelzellen – höhergradige intraepitheliale Läsionen (HSIL = High grade squamous intraepithelial lesion) nicht auszuschließen, atypische Drüsenzellen |- | IIID | Zellen einer leichten [[Dysplasie]] oder mäßigen Dysplasie | Erneute Abstrichuntersuchung und Kolposkopie in 3 Monaten, bei mehrfach auffälligen Befunden: histologische Klärung | Geringgradige intraepitheliale Läsion: milde Dysplasie, höhergradige intraepitheliale Läsion: mäßige Dysplasie |- | IVa | Hochgradig veränderte Zellen, (schwere) Dysplasie | Erneute Abstrichuntersuchung und Kolposkopie sowie [[Histologie|histologische]] Klärung. | Höhergradige intraepitheliale Läsion: schwere Dysplasie, [[Carcinoma in situ]] |- | IVb | Zellen einer schweren Dysplasie oder eines Carcinoma in situ, invasives Karzinom nicht auszuschließen | Erneute Abstrichuntersuchung und Kolposkopie sowie histologische Klärung | Kein Äquivalent |- | V | Zellen eines invasiven Zervixkarzinoms oder eines anderen invasiven [[Tumor]]s | Histologie|Histologische Sicherung | [[Plattenepithelkarzinom]], [[Adenokarzinom]], andere bösartige [[Tumor|Neubildung]] |- | 0 | Technisch unbrauchbare Abstriche (z.B. zu wenig Material oder unzureichende Fixierung) | Sofortige Abstrichkontrolle | Kein Äquivalent |} == Heilungsaussicht == Bei den [[Präkanzerose|Krebsvorstufen]] CIN I und II ist eine vollständige spontane Rückbildung möglich. Nach einer Behandlung des CIN III und Carcinoma in situ ist von einer vollständigen Heilung auszugehen. Allerdings kann es zu einem erneuten Auftreten solcher Veränderungen kommen. Das Risiko dafür scheint erhöht, wenn eine HPV-Infektion nach einer Konisation weiter besteht.<ref>Bodner K, Bodner-Adler B, Wierrani F, Kimberger O, Denk C, Grünberger W: ''Is therapeutic conization sufficient to eliminate a high-risk HPV infection of the uterine cervix? A clinicopathological analysis.'' Anticancer Res. 22 (2002), 3733-6, PMID 12552985</ref><ref>Nagai Y, Maehama T, Asato T, Kanazawa K: ''Persistence of human papillomavirus infection after therapeutic conization for CIN 3: is it an alarm for disease recurrence?'' Gynecol Oncol. 79 (2000), 294-9, PMID 11063660</ref> Die [[Prognose#Medizin, Psychologie und Veterinärmedizin|Prognose]] des invasiven Zervixkarzinoms ist abhängig von Stadium, [[Grading|Differenzierungsgrad]], Lymphknotenbefall, der Tumorart und der Behandlung. Dabei haben Adenokarzinome eine etwas schlechtere Prognose als Plattenepithelkarzinome. Auch eine alleinige Strahlentherapie ist mit einer etwas schlechteren Prognose im Vergleich zur operativen Behandlung verbunden.<ref name="SMK"/> Insgesamt liegt die 5-Jahres-Überlebensrate in Deutschland bei ca. 64 %, die 10-Jahres-Überlebensrate bei etwa 60 %.<ref name="rki"/> ''FIGO-Stadienabhängige 5-Jahres-Überlebensrate in Deutschland''<ref>[http://www.tumorregister-muenchen.de/facts/surv/surv_C53__G.pdf ''Überleben C53: Zervixkarzinom''] des Tumorregisters München (2007)</ref>: {| class="wikitable" |- style="background: #DDFFDD;" ! FIGO-Stadium ! 5-Jahres-Überlebensrate in Deutschland |- | IA | ca. 93 % |- | IB | ca. 92 % |- | IIA | ca. 63 % |- | IIB | ca. 50 % |- | III | ca. 40 % |- | IV | ca. 10 % |} == Geschichte == 1878 beschrieben der [[Pathologie|Pathologe]] [[Carl Ruge (Pathologe)|Carl Ruge]] und der [[Gynäkologie|Gynäkologe]] [[Johann Veit]] den Gebärmutterhalskrebs erstmalig als eigenes Krankheitsbild. Bis dahin hatte man zwischen Gebärmutterhals- und [[Endometriumkarzinom|Gebärmutterschleimhautkrebs (Endometriumkarzinom)]] nicht unterschieden. So hatte der deutsche Frauenarzt [[Adolf Gusserow]] 1870 als Erster ein Adenokarzinom (Adenoma malignum) des Gebärmutterhalses beschrieben. Er veröffentlichte die Erkenntnisse in seiner Arbeit ''Ueber Sarcome des Uterus''.<ref>Gusserow A: ''Ueber Sarcome des Uterus'', Arch Gynecol Obstet 1 (1870), 240–251, {{DOI|10.1007/BF01814006}}</ref> Der österreichische Gynäkologe [[Walther Schauenstein]] entwickelte 1908 die bis heute gültige [[These]] der stufenweisen [[Pathogenese]] des Zervixkarzinoms. Seine Arbeit zu histologischen Untersuchungen bei atypischem Plattenepithel an der [[Portio vaginalis uteri|Portio]] war eine der ersten Beschreibungen des Oberflächenkarzinoms der Zervix. Erste Gebärmutterentfernungen bei Krebserkrankungen der Gebärmutter auf vaginalem und abdominalem Weg wurden 1813 von [[Konrad Johann Martin Langenbeck]] in [[Kassel]] und 1822 von [[Johann Nepomuk Sauter]] in [[Konstanz]] durchgeführt. Die erste wissenschaftlich fundierte und reproduzierbare einfache [[Hysterektomie|Entfernung]] einer von Krebs befallenen Gebärmutter mittels eines Bauchschnittes führte am 30. Januar 1878 [[Wilhelm Alexander Freund]] in [[Breslau]] aus.<ref>Freund WA:'' Eine neue Methode der Exstirpation des ganzen Uterus.'' Berliner Klin Wochenschrift, 1878, 417–18</ref><ref>Freund WA:'' Eine neue Methode der Exstirpation des ganzen Uterus.'' Sammlung klinischer Vorträge. in: Volkmann R (Hrsg.): ''Verbindung mit deutschen Klinikern.'' 41 (1878), Verlag Breitkopf und Härtel, Leipzig, 911–924.</ref> Der Eingriff war jedoch damals noch sehr riskant.<ref>Credé B: ''Eine neue Methode der Exstirpation des Uterus.'' Arch Gynecol Obstet 14 (1879), 430-7, {{DOI|10.1007/BF01690793}}</ref><ref>Spiegelberg: ''Ein weiterer Fall von papillärem hydropischen Cervixsarcom und von Exstirpation nach Freund.'' Arch Gynecol Obstet 15 (1880), 437-47, {{DOI|10.1007/BF01687155}}</ref> Am 12. August 1879 gelang dem Chirurgen [[Vincenz Czerny]] in [[Heidelberg]] die Hysterektomie durch die Scheide.<ref>Zander J: ''Milestones in Gynecology and Obstetrics.'' in Ludwig H, Thomsen K (Hrsg.): ''Proceedings of the XIth World Congress of Gynecology and Obstetrics, Berlin, 1985.'' Springer Verlag, Heidelberg, 1986, 3–24, ISBN 3-540-15559-7</ref> Da die Ergebnisse besser waren als bei der Freundschen Operation, wurde in der Folgezeit die vaginale Operation bevorzugt.<ref>[http://www.nggg.de/site/100/pdfs/nggg_75_mit.pdf Dietel H: ''75 Jahre Nordwestdeutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe 1909 bis 1984.'']</ref><ref>[http://www.frauenarzt.de/1/2005PDF/05-10-pdf/2005-10-ludwig.pdf Ludwig H: ''Die Gründung der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie (1885)'' Frauenarzt 46 (2005), 928-32]</ref> [[Karl August Schuchardt]] führte 1893 in [[Stettin]] die erste erweiterte vaginale Gebärmutterentfernung durch, die 1901 von dem [[Wien]]er Gynäkologen [[Friedrich Schauta (Arzt)|Friedrich Schauta]], später von [[Walter Stoeckel]] an der [[Charité]] in Berlin und [[Isidor Alfred Amreich]] in Wien weiterentwickelt wurde.<ref>Possover M, Kamprath S, Schneider A: ''The historical development of radical vaginal operation of cervix carcinoma.'' Zentralbl Gynakol 119 (1997), 353-8, PMID 9340975</ref> Der österreichische Gynäkologe [[Ernst Wertheim]] entwickelte 1898 eine [[Wertheim-Meigs-Operation|radikale Operationsmethode]] über einen Bauchschnitt, die später der Amerikaner [[Joe Vincent Meigs]] weiterentwickelte.<ref>Käser O, Iklè FA: ''Atlas der gynäkologischen Operationen.'' Georg Thieme Verlag Stuttgart, 1965, 263-307</ref> [[Erich Burghardt]], ein österreichischer Gynäkologe, trug mit seinen Untersuchungen wesentlich zur Verminderung der operativen Radikalität bei Frühstadien des Zervixkarzinoms bei, das heißt zur Verkleinerung der Operation bei gleichen Heilungsergebnissen. [[Hans Hinselmann]], ein deutscher Gynäkologe, entwickelte 1925 mit der [[Kolposkopie]] das erste Verfahren zur Früherkennung des Gebärmutterhalskrebses. 1928 erarbeitete der griechische Arzt [[George Nicolas Papanicolaou]] mit dem Pap-Test ein weiteres Verfahren zur Frühdiagnostik dieses Tumors. Besondere Verdienste um die Einführung der [[Zytodiagnostik|Zytologie]] in Verbindung mit der Kolposkopie als Früherkennungsmethode erwarb sich [[Ernst Navratil]], ein österreichischer Gynäkologe. Am 9. Februar 1951 wurden bei einer 31-jährigen Patientin Zervixkarzinomzellen vom Muttermund entnommen, die später in Zellkulturen vermehrt und bis heute zu Forschungszwecken genutzt werden. Die Zellen wurden, nach der Patientin benannt, als [[HeLa-Zellen]] bezeichnet.<ref>[http://www.the-scientist.com/article/display/23796/ Sharrer T: ''HeLa Herself.'' The Scientist 20 (2006), 22]</ref> 1971 erfolgte die Einführung des Zervixkarzinomscreenings als Programm in der Bundesrepublik Deutschland.<ref name="DIMDI"/> 1974 veröffentlichte [[Harald zur Hausen]] erste Berichte über eine mögliche Rolle von Papillomviren beim Zervixkarzinom, wofür ihm 2008 der [[Nobelpreis für Physiologie oder Medizin]] verliehen wurde.<ref>[http://www.thieme-connect.de/ejournals/pdf/gebfra/doi/10.1055/s-2007-1022461.pdf zur Hausen: ''Papillomviren als Krebserreger.'' Geburtsh Frauenheilk 58 (1998), 291-6], {{DOI|10.1055/s-2007-1022461}}</ref> Seit den 90er Jahren des 20. Jahrhunderts kommt es durch die Einführung neuer Operationstechniken, wie der [[Trachelektomie]] oder der [[Totale mesometriale Resektion des Uterus|Totalen mesometrialen Resektion des Uterus]] und der Möglichkeit der [[Lymphadenektomie|Lymphknotenentfernung]] mittels einer [[Laparoskopische Chirurgie|Laparoskopie]], zu einer stärkeren Individualisierung der operativen Therapie des Zervixkarzinoms mit teilweise bewusst reduzierter, teilweise verbesserter Vollständigkeit (Radikalität) der [[Chirurgie|chirurgischen]] Karzinomentfernung. Ziel dieser Entwicklung ist, behandlungsbedingte Probleme, wie Blasen- oder Darmentleerungsstörungen durch Nervenschädigungen, oder Folgen einer bislang häufigen Strahlentherapie nach vorangegangener Operation zu vermeiden. In einigen Fällen kann sogar die Erfüllung eines Kinderwunsches ermöglicht werden. 2006 wurde der erste [[HPV-Impfstoff|Impfstoff]] gegen einige Typen von Papillomaviren, der Hauptursache des Gebärmutterhalskrebses, zugelassen. == Literatur == * Kaufmann M, Costa SD, Scharl A: ''Die Gynäkologie.'' Springer Verlag Berlin, 2. Auflage (2005), ISBN 3-540-25664-4 * Pschyrembel W, Strauss G, Petri E: ''Praktische Gynäkologie.'' Verlag Walther de Gruyter Berlin, 5. Auflage (1991), ISBN 3-11-003735-1 * Schadendorf D: ''Krebsfrüherkennung: Allgemeine und spezielle Aspekte der sekundären Prävention maligner Tumoren.'' Springer Verlag Berlin, 2003, ISBN 3-7985-1392-9 * Schmidt-Matthiesen H, Bastert G, Wallwiener D: ''Gynäkologische Onkologie: Diagnostik, Therapie und Nachsorge- auf der Basis der AGO-Leitlinien.'' Schattauer Verlag, 2002, ISBN 3-7945-2182-X * Wulf KH, Schmidt-Matthiesen H, Bender HG: ''Klinik der Frauenheilkunde und Geburtshilfe'', Band 11, ''Spezielle gynäkologische Onkologie I'', 4. Auflage (2001), Urban und Fischer Verlag, ISBN 3-437-21900-6 * zur Hausen H: ''Infections causing human cancer.'' Wiley-VCH-Verlag Weinheim, 2006, ISBN 3-527-31056-8 == Einzelnachweise == <references/> == Weblinks == * [http://tumorzentrum-muenchen.de/fileadmin/manuale/839_Manual_Zervixkarzinom.pdf ''Manual Zervixkarzinom''] des Tumorzentrums München (PDF-Datei; 1,03&nbsp;MB) * {{AWMF|http://www.uni-duesseldorf.de/AWMF/ll/032-033.htm|''Diagnostik und Therapie des Zervixkarzinoms''|2k|[[Deutsche Krebsgesellschaft|Deutschen Krebsgesellschaft e.V.]] und der [[Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe|Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe]]|01/2008}} * {{AWMF|http://www.uni-duesseldorf.de/AWMF/ll/015-027.htm|''Prävention, Diagnostik und Therapie der HPV-Infektion und präinvasiver Läsionen des weiblichen Genitale''|2 + IDA|[[Deutsche Krebsgesellschaft|Deutschen Krebsgesellschaft]], der [[Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe|Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe]], des [[Berufsverband der Frauenärzte|Berufsverbandes der Frauenärzte]], der Deutschen Gesellschaft für [[Pathologie]], der Deutschen Gesellschaft für [[Urologie]], der [[Deutsche Krebsgesellschaft|Deutschen Krebsgesellschaft]], Deutsche STD-Gesellschaft und der Frauenselbsthilfe nach Krebs|06/2008}} * [http://www.krebsinformationsdienst.de/tumorarten/gebaermutterhalskrebs/index.php ''Gebärmutterhalskrebs: Diagnose, Therapie, Nachsorge''], Informationen des Krebsinformationsdienstes des [[Deutsches Krebsforschungszentrum|Deutschen Krebsforschungszentrums]] * [http://www.krebsinformationsdienst.de/themen/vorbeugung/zervix-frueherkennung.php ''Gebärmutterhalskrebs: Früherkennung und Behandlung von Krebsvorstufen''], Informationen des Krebsinformationsdienstes des [[Deutsches Krebsforschungszentrum|Deutschen Krebsforschungszentrums]] * [http://www.zervita.de/ ZERVITA – Informationen und Aufklärung über Gebärmutterhalskrebs und HPV] {{Exzellent}} {{Gesundheitshinweis}} [[Kategorie:Krankheitsbild in Gynäkologie und Geburtshilfe]] [[Kategorie:Krebserkrankung]] [[Kategorie:Gebärmutter]] {{Link GA|tr}} [[af:Servikale kanker]] [[ar:سرطان الرحم]] [[bg:Рак на маточната шийка]] [[bs:Rak grlića materice]] [[cs:Karcinom děložního hrdla]] [[da:Livmoderhalskræft]] [[en:Cervical cancer]] [[es:Cáncer cervical]] [[fa:سرطان گردن رحم]] [[fi:Kohdunkaulan syöpä]] [[fr:Cancer du col utérin]] [[ga:Ailse mhuineál na broinne]] [[he:סרטן צוואר הרחם]] [[hi:सर्वाइकल कैंसर]] [[hr:Rak vrata maternice]] [[id:Kanker leher rahim]] [[it:Neoplasia della cervice uterina]] [[ja:子宮頸癌]] [[kn:ಗರ್ಭಕಂಠದ ಕ್ಯಾನ್ಸರ್‌]] [[la:Carcinoma cervicis uteri]] [[lt:Gimdos kaklelio vėžys]] [[ms:Barah pangkal rahim]] [[nl:Baarmoederhalskanker]] [[nn:Livmorhalskreft]] [[no:Livmorhalskreft]] [[pl:Rak szyjki macicy]] [[pt:Câncer cervical]] [[ro:Cancerul de col uterin]] [[ru:Рак шейки матки]] [[simple:Cervical cancer]] [[sk:Rakovina krčka maternice]] [[sl:Rak materničnega vratu]] [[sv:Livmoderhalscancer]] [[ta:கர்ப்பப்பை வாய்ப் புற்றுநோய்]] [[te:గర్భాశయ కాన్సర్]] [[tr:Rahim ağzı kanseri]] [[ur:سرطان عنقی]] [[vi:Ung thư cổ tử cung]] [[zh:子宮頸癌]] [[zh-yue:子宮頸癌]] 7h2uozon6qblmtpuxav0j6dky19u4t5 wikitext text/x-wiki Zilpzalp 0 24550 27154 2010-05-11T10:15:13Z Accipiter 0 rev., keine Verbesserung <!-- Für Informationen zum Umgang mit dieser Tabelle siehe bitte [[Wikipedia:Taxoboxen]]. --> {{Taxobox | Taxon_Name = Zilpzalp | Taxon_WissName = Phylloscopus collybita | Taxon_Rang = Art | Taxon_Autor = ([[Louis Jean Pierre Vieillot|Vieillot]], 1817) | Taxon2_Name = Laubsänger | Taxon2_WissName = Phylloscopus | Taxon2_Rang = Gattung | Taxon3_Name = Grasmückenartige | Taxon3_WissName = Sylviidae | Taxon3_Rang = Familie | Taxon4_Name = Singvögel | Taxon4_WissName = Passeri | Taxon4_Rang = Unterordnung | Taxon5_Name = Sperlingsvögel | Taxon5_WissName = Passeriformes | Taxon5_Rang = Ordnung | Taxon6_Name = Vögel | Taxon6_WissName = Aves | Taxon6_Rang = Klasse | Bild = Chiffchaff (Phylloscopus collybita).jpg | Bildbeschreibung = Zilpzalp (''Phylloscopus collybita'') }} Der '''Zilpzalp''' oder '''Weidenlaubsänger''' (''Phylloscopus collybita'') ist eine [[Vögel|Vogel]][[Art (Biologie)|art]] aus der [[Familie (Biologie)|Familie]] der [[Grasmückenartige]]n (Sylviidae). Dieser [[Laubsänger]] besiedelt große Teile der [[Paläarktis]] vom Nordosten Spaniens und Irland nach Osten bis zur [[Kolyma]] in [[Sibirien]]. Zilpzalpe sind klein, ohne auffallende Zeichnungen und bewegen sich meist gedeckt in höherer Vegetation. Sie fallen daher am ehesten durch den markanten Gesang auf, dem die Art ihren [[Onomatopoesie|lautmalenden]] deutschen Namen verdankt. Die Tiere bewohnen ein weites Spektrum bewaldeter Habitate und kommen auch häufig in Parks und den durchgrünten Randbereichen von Städten vor. Die Nahrung besteht vor allem aus kleinen und weichhäutigen Insekten. Der Zilpzalp ist je nach geografischer Verbreitung [[Kurzstreckenzieher|Kurz-]] bis [[Langstreckenzieher]]. Europäische Vögel überwintern im Bereich des [[Persischer Golf|Persischen Golfs]], im [[Mittelmeerraum]], in den Oasen der [[Sahara]], in der Trockensavanne südlich der Sahara sowie im ostafrikanischen Hochland. Die Art ist in Europa ein sehr häufiger Brutvogel und nicht gefährdet. == Beschreibung == Zilpzalpe sind kleine, kompakte und kurzflügelige [[Laubsänger]] mit recht großem Kopf und ohne auffallende Zeichnungen. Die Körperlänge beträgt 10–12&nbsp;cm, das Gewicht 6–10&nbsp;g. Die Geschlechter unterscheiden sich äußerlich und bezüglich des Gewichtes nicht, Männchen sind jedoch etwas langflügeliger als Weibchen. So hatten zur Brutzeit in [[Sachsen-Anhalt]] gefangene Männchen der [[Nominatform]] eine mittlere [[Flügellänge]] von 60,8&nbsp;mm und ein mittleres Gewicht von 8,2&nbsp;g; Weibchen erreichten im Mittel nur 54,5&nbsp;mm und ein mittleres Gewicht von 8,4&nbsp;g.<ref>U. N. Glutz v. Blotzheim und K. M. Bauer: ''Handbuch der Vögel Mitteleuropas''. Bd. 12, Teil II., AULA-Verlag, Wiesbaden, 1991: S. 1241. ISBN 3-89104-460-7</ref> Die Oberseite ist graubräunlich grün, der [[Bürzel]] ist häufig etwas heller grün. Kehle, Unterseite des Rumpfes und Unterschwanzdecken sind schmutzig weiß mit individuell sehr variablen Anteilen von Gelb und Beige auf Kehle und Brust. Vor allem im Herbst sind die Flanken häufig beigebraun überhaucht. [[Flügel (Vogel)|Schwungfedern]] und [[Steuerfeder]]n sind graubraun, die Säume der [[Konturfeder|Außenfahnen]] sind schmal gelbgrün gesäumt. Ein gelblicher [[Überaugenstreif]] ist vor dem Auge deutlich, hinter dem Auge meist nur undeutlich ausgeprägt. Der dunkle Augenstreif teilt den hellen Augenring durchgehend in eine untere und eine obere Hälfte. Der Bereich unterhalb der Augen und die Ohrdecken sind recht dunkel, so dass der untere Teil des hellen Augenrings dazu deutlich kontrastiert. Der kurze und feine Schnabel ist an der Basis und an den Seiten meist wenig auffallend hell orange, im übrigen dunkel hornfarben. Die Beine sind meist dunkelbraun oder grauschwarz, selten heller braun. In Mitteleuropa ist der Zilpzalp am ehesten mit dem sehr ähnlichen und ebenfalls häufigen [[Fitis]] (''Phylloscopus trochilus'') zu verwechseln; es handelt sich um [[Zwillingsart]]en. Der Fitis ist etwas schlanker und langflügeliger als der Zilpzalp. Die Beine des Fitis sind meist deutlich heller, der Überaugenstreif ist vor allem hinter dem Auge länger und deutlicher ausgeprägt. Die Handschwingenprojektion, das heißt der Überstand der [[Handschwinge]]n über die [[Schirmfeder]]n, ist beim Fitis wesentlich größer. Weiterhin hat beim Zilpzalp die fünfte Handschwinge von innen eine Verengung an der Außenfahne, die dort beim Fitis fehlt. Dieses sichere Unterscheidungsmerkmal ist jedoch nur erkennbar, wenn man die Tiere in der Hand hält. Anhand des Gesangs ist die Unterscheidung hingegen unproblematisch, dieser ist bei den beiden Arten sehr unterschiedlich. == Lautäußerungen == Der markante, recht eintönige Gesang, auf den sich der deutsche Name bezieht, klingt wie „zilp-zalp-zelp-zilp-zalp“, wobei die einzelnen Elemente in der Tonhöhe wechseln. Dazwischen werden oft 2 bis 5 harte, etwa wie „trrt“ klingende Laute eingebaut ({{Audio|Phylloscopus collybita 7029.ogg|Gesang anhören}}). Der Gesang erfolgt von Warten, häufig von noch unbelaubten Zweigen im inneren Randbereich der Krone größerer Bäume oder während der Bewegung in den Baumkronen. Der auch im Herbst häufig zu hörende Lockruf ist ein einfaches, weiches, pfeifendes und am Schluss betontes „huid“. Aggressives Verhalten wird oft von schnellen Trillern „ditztz…“ begleitet. Außerhalb der Brutzeit kommt ein verwaschenes „sfië“ vor.<ref>Hans-Heiner Bergmann, Hans-Wolfgang Helb: ''Stimmen der Vögel Europas.'' BLV Verlagsgesellschaft, 1982, ISBN 3-405-12277-5, Seite 293</ref> [[Datei:Phylloscopus collybita 090907.jpg|thumb|Zilpzalp nach der Vollmauser im frischen Gefieder auf dem Herbstzug Anfang September]] == Mauser == Die [[Mauser (Vögel)|Jugendmauser]] ist eine [[Mauser (Vögel)|Teilmauser]] und findet je nach Verbreitung zwischen Anfang Juli und Ende Oktober statt. Sie umfasst das Kleingefieder, ein bis drei [[Schirmfeder]]n und ein bis drei Steuerfedern. Die [[Mauser (Vögel)|Postnuptialmauser]] der [[adult]]en Vögel erfolgt als [[Mauser (Vögel)|Vollmauser]] je nach Ende der Zweitbrut zwischen Mitte Juli und Ende September, selten noch bis Mitte Oktober. Die vorbrutzeitliche Teilmauser ist individuell und auch unterartspezifisch unterschiedlich umfangreich; sie kann ganz ausfallen, aber neben Kleingefieder auch in variablem Umfang Schwingen und Stoßfedern umfassen. Diese Mauser findet meist im Winterquartier zwischen Ende Dezember und Ende Februar, zum Teil aber auch erst von März bis April statt. == Verbreitung und Lebensraum == [[Datei:Phylloscopus collybita.png|thumb|Verbreitung des Zilpzalps (gelb = Vorkommen nur zur Brutzeit, hellgrün = Vorkommen zur Brutzeit, in kleiner Zahl auch Überwinterung, grün = ganzjährige Vorkommen, blau = Winterquartier).]] Dieser Laubsänger besiedelt große Teile der [[Paläarktis]] vom Nordosten Spaniens und Irland nach Osten bis zur [[Kolyma]] in [[Sibirien]]. Die Nordgrenze der Verbreitung liegt recht einheitlich bei 66° bis 70°&nbsp;N in Skandinavien und Finnland, bei 69°&nbsp;N im europäischen Russland und bei 69° bis 72°&nbsp;N in Sibirien. Die Südgrenze der geschlossenen Verbreitung verläuft durch Nordostspanien, Nordgriechenland, die Ukraine und Südrussland, Nordkasachstan und durch Sibirien bei 62°&nbsp;N. Südlich davon gibt es räumlich isolierte Vorkommen auf der [[Krim]] sowie in einem Areal vom südlichen [[Turkmenien]] über [[Armenien]] bis zum Kaukasus und dem Norden der Türkei. In Europa hat die Art ihr Verbreitungsgebiet in den letzten etwa 200 Jahren deutlich nach Norden und Nordwesten ausgedehnt. Schleswig-Holstein wurde erst um 1850 besiedelt, Dänemark ab 1872. In den Niederlanden hat die Art ihr Areal bis in die 1990er Jahre ausgedehnt. In Irland hat sich die Art ebenfalls etwa seit 1850 stark ausgebreitet und auch in Schottland hat der Zilpzalp seine Verbreitungsgrenze nach 1950 weit nach Norden verschoben. Als Hauptgrund dieser Arealerweiterungen wird recht einheitlich die Zunahme und Ausdehnung geeigneter Lebensräume durch die Zerstörung und Trockenlegung der Moore und die anschließende Waldentwicklung sowie generell durch Aufforstungen betrachtet.<ref>U. N. Glutz v. Blotzheim und K. M. Bauer: ''Handbuch der Vögel Mitteleuropas''. Bd. 12, Teil II., AULA-Verlag, Wiesbaden, 1991: S. 1251. ISBN 3-89104-460-7</ref> Der Zilpzalp kommt von den Niederungen bis in Hochgebirge vor; aufgrund der Bindung an Wald reicht das zusammenhängende Siedlungsgebiet hier aber nur bis zur Waldgrenze, in Europa bis etwa 1400–1500&nbsp;m Höhe. Höchste Brutnachweise erfolgten in den Alpen in Höhen zwischen 1800 und 2060&nbsp;m über Meer.<ref>U. N. Glutz v. Blotzheim und K. M. Bauer: ''Handbuch der Vögel Mitteleuropas''. Bd. 12, Teil II., AULA-Verlag, Wiesbaden, 1991: S. 1250. ISBN 3-89104-460-7</ref> Die Art bewohnt ein weites Spektrum bewaldeter Habitate und kommt auch häufig in Parks und den durchgrünten Randbereichen von Städten vor. Bevorzugt werden Waldbereiche mit strukturierter Baumschicht, gut ausgebildeter Strauchschicht und zumindest lückiger Krautschicht und entsprechend strukturierte Grünanlagen. In einförmigen Beständen mit weitgehend fehlendem Unterwuchs, wie zum Beispiel in geschlossenen [[Rotbuche]]nwäldern, kommt die Art kaum vor. In Mitteleuropa werden die höchsten Siedlungsdichten in [[Erlenbruch]]wäldern und feuchten [[Auwald|Auwäldern]] mit 7 bis 14 Revieren/10&nbsp;ha erreicht. Nach Norden nimmt die Siedlungsdichte stark ab, so wurden in Südwestfinnland noch maximale Dichten von 11 bis 14 Brutpaaren/km² festgestellt.<ref>U. N. Glutz v. Blotzheim und K. M. Bauer: ''Handbuch der Vögel Mitteleuropas''. Bd. 12, Teil II., AULA-Verlag, Wiesbaden, 1991: S. 1260–1261. ISBN 3-89104-460-7</ref> == Systematik == Die Unterartengliederung des Zilpzalps und die Verbreitung und Abgrenzung dieser Unterarten wird seit langer Zeit kontrovers diskutiert. Aufgrund molekulargenetischer und gesanglicher Unterschiede<ref>Helbig, A. J., J. Martens, I. Seibold, F. Henning, B. Schottler und M. Wink: ''Phylogeny and species limits in the Palearctic Chiffchaff Phylloscopus collybita complex: mitochondrial genetic differentiation and bioacoustic evidence.'' Ibis 138 (4), 1996: S. 650–666.</ref> wurden Ende der 1990er Jahre vier bisherige Unterarten des Zilpzalps als eigene Arten bzw. Unterart einer dieser neuen Arten abgetrennt: ''P. canariensis'', [[Iberienzilpzalp]] (''P. ibericus'') und [[Bergzilpzalp]] (''P. sindianus''), wobei ''P. sindianus'' nun ''P. (collybita) lorenzii'' enthält.<ref name="avibase">[http://avibase.bsc-eoc.org/species.jsp?lang=DE&avibaseid=E1835E614A6ABD20 Der Zilpzalp auf Avibase]</ref> Zur Zeit werden meist noch sechs Unterarten anerkannt.<ref name="avibase"/> Die Übergänge sind vielfach fließend (klinal), die hier angegebenen Verbreitungsangaben erfolgen weitgehend nach Glutz von Blotzheim und Bauer<ref>U. N. Glutz v. Blotzheim und K. M. Bauer: ''Handbuch der Vögel Mitteleuropas''. Bd. 12, Teil II., AULA-Verlag, Wiesbaden, 1991: S. 1233–1237. ISBN 3-89104-460-7</ref>: * ''Phylloscopus collybita collybita'' (<span class="Person">Vieillot, 1817</span>): Die [[Nominatform]] brütet von Nordostspanien nach Osten bis Westpolen, bis zur westlichen Schwarzmeerküste und bis in den Westen der Türkei. Nach Norden reicht das Brutgebiet bis Nordschottland, Dänemark und Südschweden. * ''P. c. abietinus'' (<span class="Person">[[Sven Nilsson|Nilsson]], 1819</span>): Das Brutareal umfasst Skandinavien ohne Südschweden und das östliche Europa von Westpolen etwa bis zum [[Ural]]. Die Unterart ist feldornithologisch kaum von der Nominatform unterscheidbar, im Durchschnitt großer Serien ist sie oberseits etwas grauer und unterseits etwas heller mit weniger Gelb- und Grüntönen. Die Flügellänge ist etwas größer. * ''P. c. brevirostris'' (<span class="Person">[[Hugh Edwin Strickland|Strickland]]</span>, 1837): Brutvogel im Nordwesten der Türkei. Im Vergleich zu ''P. c. abietinus'' ist die Oberseite noch dunkler und grauer und die Unterseite noch weißlicher mit wenigen gelblichen Stricheln, die obere Brust ist hellbräunlich getönt. * ''P. c. caucasicus'' (<span class="Person">[[Wladimir M. Loskot|Loskot]]</span>, 1991): Brutvogel in den unteren Lagen des [[Kaukasus]]. Die Unterart ähnelt sehr ''P. c. abietinus''. * ''P. c. menzbieri'' (<span class="Person">Shestoperov</span>, 1937): [[Kopet Dag]] im Nordosten des [[Iran]]. Oberseits ebenfalls noch grauer getönt als bei ''P. c. abietinus'', nur auf dem Bürzel und den Flügeln mit einem Rest grünlichgelber Tönung, die Unterseite ist weißlich fast ohne Gelbtöne. * ''P. c. tristis'' (<span class="Person">[[Edward Blyth|Blyth]]</span>, 1843): Brutvogel in Mittel- und Ostsibirien. Der Oberkopf, der Nacken und der obere Rücken sind braungrau ohne grünlichen Ton; nur der Bürzel ist leicht grün getönt. Ohrdecken, Hals- und Brustseiten sind hell rostbeige. Im Winter des Geburtsjahres zeigen viele Individuen eine angedeutete helle Flügelbinde. Die Beine sind schwarz.<ref>L. Svensson, P. J. Grant, K. Mullarney, D. Zetterström: ''Der neue Kosmos Vogelführer''. Kosmos, Stuttgart; 1999: S. 306–307.</ref> Glutz von Blotzheim und Bauer erkennen eine weitere Unterart ''P. c. fulvescens'' an, die vom Uralvorland in Nordostrussland östlich der [[Petschora]] über Westsibirien bis an den [[Jenissej]], bis in das West-[[Sajan]], das [[Tannu-ola-Gebirge]] und bis in den mongolischen Südosten des [[Altai]] vorkommt.<ref>U. N. Glutz v. Blotzheim und K. M. Bauer: ''Handbuch der Vögel Mitteleuropas''. Bd. 12, Teil II., AULA-Verlag, Wiesbaden, 1991: S. 1279 und 1281. ISBN 3-89104-460-7</ref> Die Unterart wird von anderen Autoren nicht anerkannt und stattdessen mit ''P. c. tristis'' vereinigt, dessen Verbreitungsgebiet damit entsprechend größer wäre.<ref> z. B. [http://ibc.lynxeds.com/species/common-chiffchaff-phylloscopus-collybita Der Zilpzalp in The Internet Bird Collection (online)]</ref> [[Datei:Aphis.farinosa.-.lindsey.jpg|thumb|Blattläuse gehören zur Hauptnahrung des Zilpzalps. Hier die Art ''[[Aphis farinosa]]'' mit einer betreuenden Ameise]] == Nahrungssuche und Ernährung == Zilpzalpe suchen ihre Nahrung überwiegend in den mittleren und oberen Teilen der [[Baum]]kronen in Höhen ab 10 m, seltener auch in den unteren Teilen der Baumkronen sowie in der Kraut- und Strauchschicht und nur ausnahmsweise auf dem Boden. Sie sind dabei fast pausenlos in Bewegung und suchen Blätter und Zweige in flatternden Sprüngen und durch Hängen an Zweigen ab, machen aber auch kurze Rüttelflüge in den freien Luftraum über der Vegetation oder über kleinen Tümpeln. Sie schlagen dabei häufig mit dem Schwanz abwärts. Hauptnahrung sind ein breites Spektrum kleiner Insekten und deren Entwicklungsstadien, seltener kleine Spinnen, Asseln und Schnecken. Die Nestlinge werden überwiegend mit kleinen und weichhäutigen Wirbellosen gefüttert. Daneben werden in der Brutzeit in geringem Umfang, auf dem Zug im Spätsommer und Herbst hingegen etwas stärker auch Beeren und andere Früchte gefressen. Mageninhalte von zwischen August und Oktober in der Schweiz gefangenen Zilpzalpen bestanden zu 22 % aus Blattläusen, zu 18,6 % aus Larven [[holometabol]]er Insekten, zu 13,9 % aus [[Hymenoptera|Hymenopteren]] (davon knapp 1/5 Ameisen), zu 13,4 % aus [[Zweiflügler]]n, zu 12,1 % aus [[Wanzen]] und zu 11 % aus Käfern, der Rest bestand aus [[Zikaden]], [[Blattflöhe]]n, [[Springschwänze]]n, Spinnen und Schnecken. Im Frühjahr verzehren die Tiere gelegentlich auch Nektar und [[Pollen]].<ref>U. N. Glutz v. Blotzheim und K. M. Bauer: ''Handbuch der Vögel Mitteleuropas''. Bd. 12, Teil II., AULA-Verlag, Wiesbaden, 1991: S. 1275–1277. ISBN 3-89104-460-7</ref> == Fortpflanzung == Zilpzalpe sind am Ende des ersten Lebensjahres geschlechtsreif. Die Tiere leben überwiegend in einer [[monogam]]en Saisonehe, [[Bigynie]], also die Verpaarung eines Männchens mit zwei Weibchen, ist jedoch nicht selten. Offenbar findet meist auch dann eine Neuverpaarung statt, wenn beide Partner in die Nähe des vorjährigen Brutplatzes zurückkehren. Männchen treffen einige Tage bis Wochen vor den Weibchen in den Revieren ein, die Balz beginnt mit der Rückkehr der Weibchen. Männchen singen in Mitteleuropa dementsprechend von Mitte oder Ende März bis Mitte oder Ende Juli. Das Nest wird nicht selten auf, aber überwiegend niedrig über dem Boden errichtet. Es findet sich meist in Höhen zwischen 10 und 40&nbsp;cm und je nach Angebot variierend zum Beispiel in [[Brombeere]], hohem Gras, Brennnesseln, Jungfichten, jungen Laubbäumen und ähnlichem. Der Nistplatz wird vom Weibchen ausgewählt. Das mehr oder weniger runde und meist etwas unordentliche, geschlossene Nest hat einen seitlichen, ovalen Eingang und ist 7–13&nbsp;cm breit und 8–15&nbsp;cm hoch. Es besteht außen aus trockenen Halmen, Grasblättern und Moossprossen. Die Innenauskleidung erfolgt mit ähnlichem, aber feinerem Material, zusätzlich werden hierzu auch fast immer kleine Federn verwendet. Nur das Weibchen baut; es benötigt für ein Nest im Normalfall 4 bis 6, ausnahmsweise bis zu 12 Tage und fliegt in dieser Zeit 1200 bis 1500 mal mit Material zum Neststandort. Die Eiablage erfolgt in der Schweiz frühestens ab 8. April, meist Ende April und Anfang Mai; in Deutschland frühestens zwischen 16. und 20. April und in Nordostpolen ab Anfang Mai. Zweitbruten sind häufig, das späteste Schlupfdatum in der Schweiz war der 14. August, in Deutschland wurde die späteste Eiablage Anfang August nachgewiesen. Das Gelege besteht bei Erstbruten aus vier bis sieben, meist vier bis sechs Eiern; bei Zweitbruten meist aus 3 bis 5 Eiern. Die Eier sind auf weißem Grund fein oder mittelgrob dunkelbraun bis schwarz gefleckt. Eier aus Belgien messen im Mittel 15,1 × 11,9&nbsp;mm, Serien aus anderen Gebieten West- und Mitteleuropas ergaben sehr ähnliche Werte.<ref>U. N. Glutz v. Blotzheim und K. M. Bauer: ''Handbuch der Vögel Mitteleuropas.''. Bd. 12, Teil II., AULA-Verlag, Wiesbaden, 1991: S. 1264–1265. ISBN 3-89104-460-7</ref> Die Brutzeit beträgt 13–15, selten 16 Tage. Die Nestlingszeit dauert 14–15 Tage, nach 17 bis 19 Tagen können die Jungvögel schon kurze Strecken fliegen. Sie werden nach dem Ausfliegen noch 10–20 Tage lang von den Eltern geführt. Die Verluste von Gelegen und Nestlingen sind beträchtlich, bei fünf Untersuchungen aus Deutschland und der Schweiz wurden bezogen auf die Eizahl insgesamt Schlupfraten zwischen 58,7 und 84,9 % festgestellt, von den geschlüpften Nestlingen flogen 71,4 bis 95,5 % aus. Insgesamt kamen pro Brut je nach Gebiet zwischen 2,34 und 3,96 Junge zum Ausfliegen.<ref>U. N. Glutz v. Blotzheim und K. M. Bauer: ''Handbuch der Vögel Mitteleuropas.''. Bd. 12, Teil II., AULA-Verlag, Wiesbaden, 1991: S. 1267. ISBN 3-89104-460-7</ref> == Wanderungen == Der Zilpzalp ist je nach geografischer Verbreitung [[Kurzstreckenzieher|Kurz-]] bis [[Langstreckenzieher]]. Der Abzug aus den Brutgebieten erfolgt in Mitteleuropa ab Mitte August und dauert bis Mitte oder Ende Oktober mit einem Gipfel des Hauptweg- und Durchzuges Ende September bis Anfang Oktober. Letzte Nachzügler werden in Mitteleuropa im November und Dezember beobachtet. Die Zilpzalpe Ost- und Mittelsibiriens überwintern hauptsächlich in Indien, westsibirische Vögel im Iran und auf der [[Arabische Halbinsel|Arabischen Halbinsel]]. Europäische Vögel überwintern überwiegend im Bereich des [[Persischer Golf|Persischen Golfs]], im [[Mittelmeerraum]], in den Oasen der [[Sahara]], in der Trockensavanne südlich der Sahara sowie im ostafrikanischen Hochland. Die Art überwintert jedoch auch regelmäßig in West- und Südwesteuropa und einzelne Winternachweise liegen aus fast ganz Mitteleuropa und im Norden bis Südschweden vor. Der Heimzug beginnt ab Ende Februar. In Norddeutschland ziehen Zilpzalpe noch bis Anfang Mai durch, auf [[Öland]] beginnt der Heimzug Anfang April und dauert bis Mitte Juni. In Mitteleuropa werden die Brutreviere überwiegend Ende März bis Anfang April besetzt. Die nördlichsten Brutgebiete, zum Beispiel auf der südlichen [[Jamal-Halbinsel]], werden erst ab Ende Mai bis Anfang Juni erreicht.<ref>U. N. Glutz v. Blotzheim und K. M. Bauer: ''Handbuch der Vögel Mitteleuropas.''. Bd. 12, Teil II., AULA-Verlag, Wiesbaden, 1991: S. 1256–1257. ISBN 3-89104-460-7</ref> == Natürliche Feinde == Adulte Zilpzalpe haben wohl vor allem aufgrund ihres fast ständigen Aufenthaltes in der Deckung der Vegetation in Mitteleuropa kaum natürliche Feinde. Nach den Beutelisten von [[Otto Uttendörfer|Uttendörfer]] ist der [[Sperber (Art)|Sperber]] (''Accipiter nisus'') der einzige [[Greifvögel|Greifvogel]], der hier in nennenswertem Umfang Zilpzalpe erbeutet; von 193 Nachweisen der Erbeutung entfielen 187 auf Sperber. Auch im Nahrungsspektrum des Sperbers spielte der Zilpzalp aber mit 0,44 % aller Beutetiere nur eine sehr untergeordnete Rolle. Ausnahmsweise (jeweils ein- oder zweimal) wurde die Art bei [[Wanderfalke]], [[Mäusebussard]] und unter den Eulen bei [[Waldohreule]], [[Sperlingskauz]] und [[Schleiereule]] als Beute nachgewiesen.<ref>[[Otto Uttendörfer|O. Uttendörfer]]: ''Die Ernährung der Deutschen Raubvögel und Eulen.'' Reprint der 1. Aufl. von 1939, Aula-Verlag, Wiesbaden: S. 326 und 39. ISBN 3-89104-600-6</ref> == Mortalität und Alter == Zum Durchschnittsalter und zur Mortalität liegen nur wenige Angaben vor. Eine kleine farbberingte Population in Sachsen-Anhalt bestand zu 70,4 % aus Vögeln im zweiten Lebensjahr, zu 18,5 % aus Vögeln im dritten und zu 11,1 % aus Vögeln im vierten; die ältesten Individuen waren also noch nicht vier Jahre alt. Auf eine hohe Sterblichkeit deuten auch die relativ niedrigen Wiederfangraten von Fänglingen auf Malta hin, dort wurde eine Mortalität von 70 % pro Jahr errechnet. Der älteste auf Malta gefangene Zilpzalp war mindestens 6 Jahre und 6 Monate alt, in Thüringen war ein Tier im Brutrevier mindestens 6 Jahre 10 Monate alt und der älteste bisher bekannte Zilpzalp wurde in Großbritannien oder Irland beringt und im Alter von 7 Jahren und 8 Monaten tot gefunden.<ref>U. N. Glutz v. Blotzheim, K. M. Bauer: ''Handbuch der Vögel Mitteleuropas''. Bd. 12, Teil II., AULA-Verlag, Wiesbaden, 1991: S. 1267–1268 und die dort zitierte Literatur. ISBN 3-89104-460-7</ref><ref>Staav, R. und Fransson, T. (2008): ''EURING list of longevity records for European birds.'' [http://www.euring.org/data_and_codes/longevity.htm online] (Abgerufen am 20. September 2009)</ref> == Bestand und Gefährdung == Der Zilpzalp zählt zu den häufigsten Brutvögeln Europas. Gesicherte Angaben zum Weltbestand gibt es nicht, die [[IUCN]] gibt als grobe Schätzung allein für den europäischen Bestand 60 bis 120 Mio. Individuen an. In Europa war der Bestand zwischen 1970 und 2000 in fast allen Ländern stabil oder leicht zunehmend, leichte Abnahmen nach 1990 wurden für Irland, Belgien, Frankreich, Schweden und Finnland gemeldet.<ref>[http://www.birdlife.org/datazone/species/BirdsInEuropeII/BiE2004Sp7702.pdf Detailed species account from Birds in Europe: population estimates, trends and conservation status (BirdLife International 2004)] (PDF, englisch)</ref> Die Art ist laut IUCN weltweit ungefährdet. In Deutschland wird der Zilpzalp mit 2,8 bis 3,7 Millionen Brutpaaren im Jahr 2008 als derzeit fünfthäufigste Brutvogelart angesehen.<ref>Sudfeldt, C., R. Dröschmeister, C. Grüneberg, S. Jaehne, A. Mitschke & J. Wahl: ''Vögel in Deutschland – 2008.'' DDA, BfN, LAG VSW, Münster, 2008: S. 7. [http://www.dda-web.de/downloads/texts/publications/statusreport2008_ebook.pdf Volltext, PDF]</ref> == Quellen == === Einzelnachweise === <references/> === Literatur === * E. Bezzel: ''Kompendium der Vögel Mitteleuropas. Passeres – Singvögel.'' Aula, Wiesbaden, 1993: S. 288–293. ISBN 3-89104-530-1 * U. N. Glutz v. Blotzheim und K. M. Bauer: ''Handbuch der Vögel Mitteleuropas''. Bd. 12, Teil II., AULA-Verlag, Wiesbaden, 1991: S. 1232–1285. ISBN 3-89104-460-7 * L. Svensson, P. J. Grant, K. Mullarney, D. Zetterström: ''Der neue Kosmos Vogelführer''. Kosmos, Stuttgart; 1999: S. 306–307. ISBN 3-440-07720-9 == Weblinks == {{Wiktionary|Zilpzalp}} {{Commons|Phylloscopus collybita|Zilpzalp}} * {{IUCN |Year=2008 |ID=148482 |ScientificName=Phylloscopus collybita |YearAssessed=2008 |Assessor=BirdLife International |Download=13. Mai 2009 }} * {{IBC|ID=common-chiffchaff-phylloscopus-collybita|Titel=Phylloscopus collybita}} {{Exzellent|26. Februar 2010|71027647}} [[Kategorie:Grasmückenartige]] {{Link FA|en}} {{Link FA|sv}} {{Link GA|es}} [[bg:Елов певец]] [[br:Puig chip-chap]] [[ca:Mosquiter comú]] [[cs:Budníček menší]] [[cy:Siff-saff]] [[da:Gransanger]] [[en:Chiffchaff]] [[eo:Ĉifĉafo]] [[es:Phylloscopus collybita]] [[fi:Tiltaltti]] [[fr:Pouillot véloce]] [[ga:Tiuf-teaf]] [[he:עלווית חורף]] [[hu:Csilpcsalpfüzike]] [[io:Chifchafo]] [[is:Gransöngvari]] [[it:Phylloscopus collybita]] [[ja:チフチャフ]] [[lt:Pilkoji pečialinda]] [[lv:Čuņčiņš]] [[nl:Tjiftjaf]] [[nn:Gransongar]] [[no:Gransanger]] [[pl:Pierwiosnek zwyczajny]] [[pt:Felosa-ibérica]] [[ru:Пеночка-теньковка]] [[sk:Kolibiarik čipčavý]] [[sl:Vrbji kovaček]] [[stq:Jiepeke]] [[sv:Gransångare]] [[tr:Bayağı çıvgın]] [[uk:Вівчарик-ковалик]] [[zh:叽咋柳莺]] 0ngqumefca0dq2w4ll9cfhmagma5q8t wikitext text/x-wiki Zingst 0 24551 27155 2010-03-22T09:41:13Z Alma 0 /* Sehenswürdigkeiten und Museen */ steht eh in den weiterführenden Artikel {{Infobox Gemeinde in Deutschland |Wappen = Wappen Zingst.png |Breitengrad = 54/26/08/N |Längengrad = 12/40/59/E |Lageplan = Zingst in NVP.png |Lageplanbeschreibung= Lage der Gemeinde Zingst im Landkreis Nordvorpommern |Bundesland = Mecklenburg-Vorpommern |Landkreis = Nordvorpommern |Höhe = 2 |Fläche = 50.34 |PLZ = 18374 |Vorwahl = 038232 |Kfz = NVP |Gemeindeschlüssel = 13057096 |LOCODE = DE ZIS |Adresse = Hanshägerstr. 1<br />18374 Zingst |Website = [http://www.zingst.de/ www.zingst.de] |Bürgermeister = Andreas Kuhn }} Die deutsche [[Halbinsel]] '''Zingst''' liegt am östlichen Ende der Halbinsel [[Fischland-Darß-Zingst]] an der [[Ostsee]]. Sie gehört zum [[Landkreis Nordvorpommern]] in [[Mecklenburg-Vorpommern]]. Die [[Amt (Kommunalrecht)|amtsfreie]] Gemeinde Zingst umfasst fast die gesamte Halbinsel sowie die ihr südlich vorgelagerten Inseln [[Kirr]] und [[Barther Oie]]. Die Gemeinde ist seit 2002 ein staatlich anerkanntes [[Seeheilbad]]. Der Artikel behandelt beide Aspekte: die geografisch-naturräumliche Einheit Zingst und das politische Gemeinwesen Zingst. == Geologie, Klima und Naturraum == Die Halbinsel Zingst oder ''der Zingst'' ist der östliche Teil der Halbinsel Fischland-Darß-Zingst, die zwischen den Städten Rostock und Stralsund an der südlichen Ostseeküste liegt. Der Zingst schließt sich in einer Länge von knapp 20&nbsp;km und einer Breite von 2 bis 4&nbsp;km von Westen nach Osten östlich an die Halbinsel [[Darß]] an und wird nördlich von der Ostsee und südlich vom [[Barther Bodden]] und [[Grabow (Bodden)|Grabow]] begrenzt, die zur [[Darß-Zingster Boddenkette]] gehören. Durch Versandung ist die ehemals östlich vorgelagerte Insel [[Großer Werder (Zingst)|Großer Werder]] eine Halbinsel am Zingst geworden. Die Verbindung zum Darß im Westen ist eine nur etwa 100&nbsp;m breite Landbrücke direkt an der Ostsee. An dieser Stelle wurde im Jahre 1874 nach dem großen [[Ostseesturmhochwasser 1872]] der [[Prerower Strom]] künstlich geschlossen, der vorher Bodden und Ostsee verbunden hatte. Erst seit dieser Zeit ist Zingst keine Insel mehr. Der Siedlungskern des Ortes Zingst liegt zwischen dem ''Freesenbruch'' im Westen, der Ostsee im Norden, der ''Alten Kamminke,'' einem ehemaligen Meeresarm mit einem ihn umgebendem Sumpfgebiet, im Osten und dem [[Zingster Strom]] im Süden. Die Ortslage liegt kaum oberhalb des Meeresspiegels, so dass der Ort zum Schutz vor [[Sturmhochwasser]]n von Deichen eingeschlossen ist. Östlich des Hauptortes am Zingster Strom liegt der Ortsteil Müggenburg. Östlich der Ortschaft Zingst liegt ein größeres, sehr wildreiches Waldgebiet, der [[Osterwald (Zingst)|Osterwald]]. Daran schließen sich die [[Sundische Wiesen|Sundischen Wiesen]] an. Östlichster Punkt der Halbinsel ist der [[Pramort]]. === Geologie === Die ursprüngliche Insel Zingst ist eine geologisch sehr junge Landschaft. Der Entstehungsprozess begann mit dem Ende der [[Weichseleiszeit]] vor zirka 12.000 Jahren. Diese hinterließ hier eine [[Alt- und Jungmoräne|Jungmoränenlandschaft]]. Durch das abtauende Inlandeis hob sich das darunter liegende Land und die Senken wurden mit Wasser gefüllt, der Vorgänger der späteren Ostsee, der [[Ancylussee]] entstand. So blieben nur noch die herausragenden Höhenrücken als Inseln bestehen. Die Großformen der Küsten im südlichen Bereich der Ostsee formten sich durch die [[Littorina-Transgression]] vor etwa 7.000 bis 2.500 Jahren. Vor zirka 5.000 Jahren erreichte der Meeresspiegel sein heutiges Niveau, die Kerne des heutigen Darß und Zingst wurden zu Inseln. Vor 4.500 Jahren wurde der Salzwasserzustrom aus der Nordsee stark eingeschränkt. Die Ostsee süßt seitdem langsam aus. Durch die [[Küstenerosion]] (Landabtragung, Verdriftung und Ablagerung) erlangten die damaligen Inseln im Laufe der Zeit ihre heutige Gestalt. Vor etwa 1.500 Jahren kam es durch die immer länger werdenden [[Nehrung]]en zur Abschnürung der dahinter liegenden Buchten, so dass die Darß-Zingster Boddenkette entstand. Im Jahr 1874 schließlich wurde der Prerower Strom zwischen dem Darß und dem Zingst künstlich geschlossen. Gegen Ende des 20. Jahrhunderts wurde die ehemalige Insel Großer Werder durch Versandung der Meeresenge an den Zingst angeschlossen. Der Prozess der Landbildung geht im Osten der Halbinsel auch heute weiter. Zingst liegt zwischen den Anlandungsgebieten ''Darßer Ort'' und ''Bock,'' dadurch findet in West-Ost-Richtung ein Sedimenttransport statt, und der Strand vor Zingst verliert jährlich 40&nbsp;cm. Der Verlust wurde aber meist durch Sturmhochwasser verursacht, so dass dieser Prozess heute stark abgeschwächt ist. === Klima === [[Datei:Klimadiagramm-deutsch-Barth (MV)-Deutschland.png|miniatur|Klimadiagramm von Barth]] Das Klima von Zingst entspricht dem nordmecklenburgischen Küstenklima. Die Jahresmitteltemperatur beträgt 7,8 °C. Die Zahl der Frosttage beläuft sich auf 11,1 Tage und die Zahl der Sommertage (Temperaturen über 25 °C) auf 7,9 Tage. Die Niederschläge betragen relativ geringe 600 mm im Jahr. Die durchschnittliche Luftfeuchtigkeit ist durch die Meereslage sehr hoch. Dadurch beträgt die Zahl der trüben Tage auch 146. === Flora und Fauna === Der [[Osterwald (Zingst)|Osterwald]] gilt als einziges [[Regenmoor]] in [[Mecklenburg-Vorpommern]], das aber durch den menschlichen Eingriff teilweise ausgetrocknet wurde. Die Baumbestände umfassen hier unter anderem [[Birken]], [[Stieleiche]]n, [[Buchen]] und [[Kiefern]]. Weitere durch den Menschen angesiedelte Baumarten sind [[Erlen (Botanik)|Erle]], [[Fichten|Fichte]] und die [[Tannen|Tanne]]. Als Besonderheit gelten die 1955 gepflanzten [[Mammutbaum|Mammutbäume]]. Bei den Tierarten gibt es Populationen von [[Waldkauz]], [[Gabelweihe]] und [[Sumpfohreule]]. Auch [[Baummarder]] sind häufiger anzutreffen. Daran schließen sich östlich die [[Sundische Wiesen|Sundischen Wiesen]] an. Dieser Teil der Halbinsel sowie die umliegenden Ostsee- und Bodden-Gewässer und die südlich der Ortschaft Zingst gelegenen Vogelinseln Kirr und Barther Oie gehören zum [[Nationalpark Vorpommersche Boddenlandschaft]]. Der Bereich der Sundischen Wiesen ist sogar als Schutzzone I ausgewiesen. Am Beginn der Wiesen steht eine Station des Nationalparkamtes mit einer kleinen Ausstellung. Im Dünengebiet wachsen [[Strandhafer]] und [[Strandroggen]] mit ihren langen tiefgehenden Wurzeln, in den feuchten Spülsaumgebieten [[Strand-Milchkraut|Salzkraut]] und [[Salzmiere]]. Im Gebiet nördlich der Fahrstraße dominieren Zwergsträucher wie [[Krähenbeere]] und [[Heidekraut]]. Vereinzelt gibt es Kiefernwäldchen. In den südlich liegenden Gebieten an der Boddenküste wachsen die [[Bodden-Binse]], [[Straußgräser|Flutstraußgras]], [[Grasnelke]], [[Queller]] und die [[Salzmiere]]. Im Bereich der Sundischen Wiesen und den umliegenden Uferbereichen rasten während der Vogelflugzeit 9 der 15 bekannten [[Echte Gänse|Gänsearten]] und 35 verschiedene Küstenvogelarten. Östlich des Zingstes liegt einer der größten Rastplätze für [[Kranich (Art)|Kraniche]] in Europa, die hier bis zu einigen Wochen Rast machen. Die aus Skandinavien oder Nordrussland stammenden Kraniche ziehen ab Mitte August in größeren Rastgruppen über die Halbinsel. Die Zahl der rastenden Vögel erreicht zwischen Mitte und Ende Oktober ihren Höhepunkt mit mehreren 10.000 Vögeln. Der Abzug der Kraniche findet zwischen Mitte August und Mitte Oktober statt, gelegentlich auch noch im November. In [[Pramer Ort|Pramort]] an der Ostspitze der Halbinsel befindet sich ein Beobachtungspunkt. Der Zugang zum Pramort ist während der Zeit des Kranichzuges im Herbst reglementiert. Auch in der Nähe des Ortes Zingst befinden sich gegenüber der Insel Kirr einige Beobachtungsplätze. == Verkehr == [[Datei:Brücke Darß.jpg|miniatur|Die Meiningenbrücke aus der Luft]] Zingst ist mit dem Auto über die [[Landesstraße]] 21, die westlich am Ort vorbeiführt, zu erreichen. Diese verläuft von [[Ribnitz-Damgarten]] über [[Prerow]] entlang der Halbinselkette Fischland-Darß-Zingst bis nach [[Barth]]. Die Stadt Ribnitz-Damgarten ist 45&nbsp;km und die Stadt Barth 13&nbsp;km von Zingst entfernt. Durch Zingst führt eine Straße von der [[Meiningenbrücke]] aus durch den Ort und am Ostseedeich zurück zur Landstraße 21. Die Straße wurde 1880 von Zingst zum Timmort an der jetzigen Meiningenbrücke gebaut. Dort gab es dann eine Fähre nach Bresewitz. Nach Osten führt noch eine Fahrstraße über den Ortsteil Müggenburg bis zum Sundschlösschen am Rande der Sundischen Wiesen. Der weitere Fahrweg bis zum Pramer Ort ist für den Autoverkehr gesperrt und nur für Fahrräder offen. Durch Zingst führt der [[Ostseeküsten-Radweg]]. Die Deiche zum Zingster Strom und zur Ostsee sind als Fuß- und Radwege ausgewiesen. Große Teile des Ortes sind verkehrsberuhigt bzw. sind als Fußgängerzone ausgewiesen. Der Ort ist über die Buslinie 210 (Ribnitz-Damgarten – Born a. Darß – Barth − Stralsund) an das öffentliche Verkehrsnetz der Verkehrsgemeinschaft Nordvorpommern angeschlossen. In den Sommermonaten verkehren auch Busse aus verschiedenen Großstädten Deutschlands nach Zingst. Die nächstliegende Zugverbindung ist die [[Usedomer Bäderbahn]], welche von Barth im Stundentakt bis zum InterCity-Bahnhof [[Velgast]] verkehrt. Von 1911 bis 1947 war Zingst über die [[Darßbahn]] an das Eisenbahnnetz angeschlossen. Der Bahnhof existiert noch, aber die Gleise wurden nach dem [[Zweiter Weltkrieg|Zweiten Weltkrieg]] abgebaut und als Reparationsgüter in die UdSSR verbracht. Von dem am Zingster Strom liegenden Hafen werden Schifffahrtslinien nach [[Hiddensee|Vitte (Hiddensee)]], [[Ahrenshoop]], Barth und Stralsund bedient. Neben dem Hafen existiert noch ein Wasserwanderrastplatz. In der Nähe von Barth befindet sich auch der [[Ostseeflughafen Stralsund-Barth]]. == Geschichte == === Anfänge bis 1700 === [[Datei:Insel zingst 1700.jpg|miniatur|Der Zingst um das Jahr 1700]] Die ersten Besiedlungsspuren auf der ursprünglichen Insel stammen aus der mittleren [[Steinzeit]] vor 5000 bis 6000 Jahren. Am Ende der Weichseleiszeit lag der Meeresspiegel tiefer und die Insel war deshalb mit dem Festland verbunden. So wurden beim Ortsteil Müggenburg, auf den Sundischen Wiesen und an der Hohen Düne [[Feuerstein (Gestein)|Feuerstein]]<nowiki>werkzeuge</nowiki> aus dieser Zeit gefunden. In der jüngeren Steinzeit erreichte der Meeresspiegel das heutige Niveau. Aus dieser Zeit stammen Funde bei Prerow. Danach brach die nachweisbare Besiedlung der Insel ab. Sie wurde aber weiterhin wirtschaftlich vor allem durch bei Barth ansässige [[Slawen]] genutzt. So bedeutet der Name ''Zingst'' Heuinsel und leitet sich aus dem slawischen ''Zeno'' (Heu) ab. Im sumpfigen Umland des Prerower Stroms befinden sich Reste eines [[Slawischer Burgwall|slawischen Burgwalls]], die ''Hertesburg.'' Die nachfolgende deutsche Besiedlung im Rahmen der [[Ostkolonisation]] setzte sehr zögerlich ein. Bis zum Jahr 1292 gehörte die Insel zum Fürstentum Rügen. Die am Prerower Strom liegende Hertesburg nutzte der Landesfürst als Zollstelle. Im gleichen Jahr verkaufte [[Wizlaw II.]] von Rügen dem [[Kloster Neuenkamp|Zisterzienserkloster Neuenkamp]] für 2000 [[Sundische Mark]] die Insel. Dieses begann, erste Bauern auf Zingst anzusiedeln. Der Ostteil der Insel gehörte seit 1290 der Stadt Stralsund. Davon zeugen noch einige Grenzsteine im Osterwald. Stralsund nutzte das Land vor allem als Viehweide, woher sich auch der Name „Sundische Wiesen“ ableitet. Im 15. Jahrhundert waren die [[Vitalienbrüder|Likedeeler]] rund um den Zingst aktiv. Bis 1441 waren große Teile der Insel im Besitz des [[Kloster Hiddensee|Klosters auf Hiddensee]], dann wurde sie an den Herzog [[Barnim VIII.]] verkauft.<ref>Johannes Hinz: ''Pommern-Wegweiser durch ein unvergessenes Land.'' S. 81. Adam Kraft Verlag, Würzburg 1991, ISBN 3-8083-1195-9</ref> Mit Einverständnis seiner Vettern verpfändete er später das Land Zingst zusammen mit den Ländern Barth und Damgarten für 20.000 Gulden an seine Nichte Katharine von [[Herrschaft Werle|Werle]]. Im Jahr 1532 fanden die beiden Ortsbestandteile von Zingst, Pahlen und Hanshagen, sowie der fürstliche Viehhof ''Rothem Haus'' erstmals urkundlich Erwähnung. Andere Quellen sprechen dafür, dass Pahlen und Hanshagen bereits im 13. Jahrhundert als deutsch-slawische Siedlungen erwähnt wurden. Dabei ist der Name Pahlen slawischen und Hanshagen hingegen deutschen Ursprungs. Im Jahr 1578 kam es zum Grenzstreit zwischen Stralsund, Barth und Zingst, in dessen Folge Grenzsteine auf der Insel gesetzt wurden. Heute noch findet man einen Stein am so genannten „Dreiländereck“ im Osterwald. Im Jahr 1660 wurde an der Ostspitze von Zingst das Bauerndorf Pramort gegründet. Weitere Siedlungen sind Müggenburg, Bey den Wiesen und Straminke (später Forstgehöft). Die Siedlung Straminke fiel bis auf wenige Häuser dem Sturmhochwasser im Jahr 1625 zum Opfer. Im Jahr 1648 kam Zingst wie ganz [[Vorpommern]] in Folge des [[Dreißigjähriger Krieg|Dreißigjährigen Krieges]] unter schwedische Herrschaft. Auch nach dem Ende des [[Großer Nordischer Krieg|Großen Nordischen Krieges]] gehörte der Zingst bis zum [[Frieden von Kiel]] zu [[Schwedisch-Pommern]]. Ab 1815 wurde das Gebiet preußisch. === Zingster Seefahrtsgeschichte (1700–1914) === Die Haupterwerbsquellen um das Jahr 1700 waren neben dem Holz- und [[Torf]]abbau die Fischerei und in einem geringen Maße die Landwirtschaft. Schon frühzeitig spielte, bedingt durch die Insellage, auch die Seefahrt für Zingst eine große Rolle. Der Fischfang und auch die Verbindung zum Festland waren lebensnotwendig. Im 16. und 17. Jahrhundert kamen dann der Holz- und auch der Viehtransport hinzu. So bestanden Schiffsverbindungen zu den Eigentümern der Insel, der Hansestadt Stralsund und der Stadt Barth. Diese nutzten den Wald und auch die Wiesen auf der Insel. Der Schiffsverkehr stieg im Laufe des 18. Jahrhunderts stark an. So nahmen auch die Schiffsgrößen und die Seefestigkeit langsam mit dem Ansteigen der Warenströme zu. Zingst besaß, dank der günstigen Lage am Bodden und den damals noch zwei vorhandenen Zugängen zur Ostsee (Prerower Strom und über die Enge bei Barhöft), ideale Voraussetzungen zum Schiffshandel. In den meisten Fällen wurde Holz (meist wertvolles Kronholz) und Getreide nach Skandinavien verschifft. Im 18. Jahrhundert gelang es Zingst, im Warenhandel sogar Barth zu überflügeln. Für Zingst begann das ''Goldene Zeitalter der Segelschifffahrt.'' Schiffe und Besatzungen vom Zingst befuhren die Ostsee, die Nordsee, das Mittelmeer und auch die Ozeane. Die wirtschaftliche Bedeutung des Handels nahm stark zu. In der Zingster Werftstraße wurden auf drei Werften Schiffe mit einer Länge von bis zu 40&nbsp;m gebaut. Diese wurden teilweise in anderen Häfen komplett aufgetakelt. Die umliegenden größeren Hafenstädte waren sich der immer mehr zunehmenden Konkurrenz durch die „Schiffbauer“ bewusst und versuchten, den schwedischen König zu überzeugen, die an die kleinen Orte verliehenen Seefahrtsprivilegien zurückzunehmen, allerdings vergeblich. Der König nutzte die gut ausgebildeten Seeleute lieber als ''Kraunmatrosen'' in der eigenen Kriegsflotte. Bedingt durch die äußeren Faktoren, wie den Wegfall der [[Navigationsakte]] in England und die günstige Lage, wurde die Schifffahrt zum dominierenden Wirtschaftszweig in Zingst. Die Reedereien befanden sich meist in Barth (hier war ausreichend Geld vorhanden), während die Mannschaften in Zingst zu Hause waren. Ein anderer Teil der Schiffe wurde über die [[Partenreederei]]en betrieben. Im Jahr 1862 wohnten 63 Schiffer und 53 Steuerleute in Zingst. Um 1880 wohnten über 80 Kapitäne in Zingst. Die Fischerei versank ebenso wie die Landwirtschaft in der Bedeutungslosigkeit. Durch die im 19. Jahrhundert abnehmenden Warenströme in der Ostsee befuhren die Zingster Schiffer zunehmend auch die Ozeane. Die Mannschaften bzw. die Schiffe kamen teilweise jahrelang nicht mehr in ihre Heimathäfen zurück. Zwischen 1781 und 1823 wurden in Zingst 76 Schiffe gebaut, darunter vier [[Bark (Schiff)|Barken]], 19 [[Schoner]] und 14 [[Galeasse]]n. Im Raum der Boddenlandschaft mit Ribnitz und Barth entstanden 909 Schiffe. Im Vergleich dazu wurden in Rostock nur 600 Schiffe gebaut. Das größte je auf Zingst gebaute Schiff war die im Jahr 1864 gebaute Bark ''Nordpol'' mit 367&nbsp;[[Registertonne]]n. Das Schiff war 36&nbsp;Meter lang und hatte einen beachtlichen Tiefgang von 5,2&nbsp;Metern. Im Jahr 1844 eröffnete in Zingst die Navigationsvorschule, die der Grundausbildung zukünftiger Kapitäne und Steuerleute diente. Durch die aufkommende [[Dampfschiff]]fahrt und die damit steigenden Schiffsgrößen kam es zu einem Ende der steten Aufwärtsbewegung. Die modernen [[Großsegler]] und Dampfschiffe konnten in der Region nicht mehr rentabel betrieben werden. Hinzu kam der 1879 von [[Otto von Bismarck]] eingeführte Schutzzoll auf Getreide, der viele skandinavische Handelspartner vertrieb. Ende des 19. Jahrhunderts gab es noch einmal ein höheres Frachtaufkommen durch den Zubringerverkehr für die Häfen in Rostock, Stettin, Stralsund und Barth. An Zingst ging dieser Aufschwung vorbei. Viele Zingster Seeleute wanderten aus, so dass die Einwohnerzahl von 2.170 im Jahr 1879 auf 1.272 im Jahr 1912 sank. Nach dem [[Erster Weltkrieg|Ersten Weltkrieg]] wurde die Schifffahrt auf dem Zingst bedeutungslos. Der aufkommende Fremdenverkehr sorgte aber für eine teilweise Kompensation der verlorengegangenen Arbeitsplätze. Auch von Unglücken wurde die Zingster Schifffahrt nicht verschont. So starben auf der Zingster [[Reede]] am 13. Mai 1867 viele Seeleute, als sich ihr vor Anker liegendes Schiff bei aufkommendem Sturm losriss und an einer Sandbank zerschellte. Der auf [[Landgang (Seefahrt)|Landgang]] befindliche Kapitän musste den Untergang seines Schiffes und der Mannschaft hilflos mit ansehen. === Zingst als Seebad (1800 bis Zweiter Weltkrieg) === [[Datei:Werbung zingst 1881.jpg|miniatur|left|Tourismuswerbung aus dem Jahr 1881]] [[Datei:Stadtplan zingst.jpg|miniatur|Ortsplan von Zingst um das Jahr 1900]] [[Datei:Strand 1890.jpg|miniatur|Der Strand um das Jahr 1890]] [[Datei:Strandrestaurant zingst 1900.jpg|miniatur|Das Strandrestaurant um das Jahr 1900]] Die beiden Hauptorte von Zingst, Pahlen und Hanshagen, zählten schon im Jahr 1700 als eine Gemeinde und hatten nur einen [[Schultheiß|Schulzen]]. Pahlen lag im Südwesten des jetzigen Ortes und Hanshagen im Gebiet um den Hafen. Im Jahr 1823 entstand durch die Zusammenlegung der Orte ''Pahlen,'' ''Hanshagen'' und ''Am Rothem Haus'' der jetzige Ort Zingst. Nachdem der deutsche Gelehrte [[Georg Christoph Lichtenberg|Lichtenberg]] im Jahr 1793 auf die heilende Wirkung von Seebädern hinwies und nach englischem Vorbild solche auch für Deutschland forderte, eröffnete 1794 in [[Heiligendamm]] das erste deutsche [[Seebad]]. Wenig später entstanden entlang der Ostseeküste weitere Seebäder. Durch die abgeschiedene Lage der damaligen Insel Zingst kamen erst Mitte des 19. Jahrhunderts erste Urlauber nach Zingst. Das Sturmhochwasser von 1872 sorgte deutschlandweit für Schlagzeilen und das Interesse an der Insel wuchs. Im Jahr 1880 wurde die Straße von Barth nach Bresewitz gebaut. Von dort gab es dann eine kurze Fährverbindung nach Zingst zum Timmort (an der heutigen Meiningenbrücke). 1881 wurde das so genannte ''Bade-Comité'' in Zingst gegründet. Gründungsväter waren der Gastwirt Christian Rammin und der Schiffskapitän Rudolf Parow. Christian Rammin eröffnete auch das erste Strandrestaurant an der Ostsee. Die im gleichen Jahr gegründete Aktiengesellschaft errichtete am Ostseestrand ein Herren- und Damenbad. Die beiden Bäder waren jedoch über einen Kilometer voneinander entfernt. Diese Aufteilung hielt sich bis zum [[Erster Weltkrieg|Ersten Weltkrieg]]. Im Jahr 1898 übernahm die Gemeinde die Aktiengesellschaft und verwaltete das Badewesen nun selbst. Der Vorsitzende der Badverwaltung war der jeweilige Gemeindevorsteher. Die beiden Mitbegründer des Badewesens waren für das Warmbad (Parow) und das Kaltbad (Rammin) zuständig. Das Warmbad wurde 1898 eröffnet. Nachdem bereits 1906 über die Eröffnung eines Familienbades nachgedacht worden war, konnte dieses nach Ablehnung durch den Landrat jedoch erst 1913 eröffnen. Im Jahr 1913 erfolgte die Unterbringung der Gäste in fünf Hotels, neun Pensionen und zu 50 Prozent in Privathäusern in Zingst. Zur Versorgung gab es zwölf Gaststätten und Cafés. Die Zahl der Gäste überstieg im Jahr 1913 die Zahl der Einwohner um mehr als das Doppelte. Der Anstieg der Übernachtungszahlen war auch eine Folge der Eröffnung der Bahnstrecke Barth-Zingst-Prerow im Jahr 1911, durch die der Ort von Berlin oder Hamburg in weniger als fünf Stunden zu erreichen war. Eine weitere Steigerung wurde jedoch durch die doch hohen Preise verhindert. So kostete die Übernachtung in einer Pension zwischen 3,50 und 5 [[Goldmark|Mark]], während der Monatslohn eines Arbeiters 25 bis 30 Mark betrug. Der ausbrechende Erste Weltkrieg brachte den Badebetrieb fast völlig zum Erliegen. Nach dem Krieg erholte sich das Badewesen sehr schnell. Man badete jetzt nicht mehr in getrennten Bädern, sondern zusammen (Herren und Damen) vom [[Strandkorb]] oder der [[Sandburg]] aus. Deswegen wurden das Herren- und Damenbad 1925 abgebrochen. Das Familienbad existierte noch bis 1937. In den Jahren nach der [[Weltwirtschaftskrise]] nahm die Zahl der Übernachtungen stark zu. So wurden 1939 über 8.000 Übernachtungen gezählt. Der Charakter und die Ortsgröße änderten sich aber kaum. Im Jahr 1937 wurde Zingst [[Wehrmacht]]sstandort und [[Kraft durch Freude|KdF]]-Bad. Im Jahr 1937 fuhren sieben Sonderzüge 3.538 KdF-Urlauber nach Zingst. Der ausbrechende Zweite Weltkrieg brachte allerdings den Badebetrieb wieder völlig zum Erliegen. Während des [[Zweiter Weltkrieg|Zweiten Weltkrieges]] befand sich von 1940 bis 1945 auf dem Flakschießplatz ein [[Kriegsgefangene]]nlager, dessen Insassen in den Werken der [[Ernst Heinkel Flugzeugwerke]] von [[Barth]] [[Zwangsarbeit]] verrichten mussten. === DDR-Zeit (1945–1990) === Die Gemeinde war bis 1952 Teil des [[Landkreis Franzburg-Barth|Landkreises Franzburg-Barth]] und gehörte danach bis 1994 zum [[Kreis Ribnitz-Damgarten]] im [[Bezirk Rostock]]. Nach dem Krieg wurde Zingst Zufluchtsort für viele Umsiedler aus den Ostgebieten; es wurden sämtliche Ferienunterkünfte für diese benötigt. Durch die Umsiedler erhöhte sich die Einwohnerzahl von 2.100 im Jahr 1938 auf 3.340 im Jahr 1946. Anfangs war somit an einen Urlauberbetrieb nicht zu denken, doch bereits im Jahr 1946 übernachteten wieder 1.269 Urlauber, im Jahr 1949 über 10.000 Urlauber in Zingst. Der im Jahr 1947 gegründete [[Freier Deutscher Gewerkschaftsbund|FDGB]] kümmerte sich verstärkt um das Erholungswesen. Meist wurden die FDGB-Urlauber noch in privaten Unterkünften untergebracht. 1948 konnte jedoch ein neues Kurhaus am Hauptübergang zum Strand eröffnet werden, zu dem im Juni 1946 der Grundstein gelegt wurde. 1950 wurde der gesamte Ort an das Trinkwassernetz angeschlossen. Im Jahr 1952 wurden der Gemeinde Zingst die Ortsteile Müggenburg und Sundische Wiese zugeordnet. In den 1950er-Jahren stieg die Zahl der Übernachtungen durch die Erhöhung des Lebensstandards der Bevölkerung kontinuierlich an. Da für diesen Bedarf nicht genügend FDGB-Hotels zur Verfügung standen, wurden 1953 – wie an der gesamten Ostseeküste – viele private Besitzer unter falschen Anschuldigungen ersatzlos enteignet ([[Aktion Rose]]). In den 1960er-Jahren entstanden eine Vielzahl von [[Ferienlager|Kinderferienlagern]] und Betriebsferienheimen. Im Jahr 1970 wurde das große FDGB-Heim „Claus Störtebecker“ eingeweiht. Es bot über 200 Urlaubern Platz. In den Sundischen Wiesen befand sich seit den 1960er Jahren eine nicht besonders ergiebige Förderstätte von hochwertigem Erdöl. Dieses Öl wurde mit Tanklastwagen und später per Eisenbahn in die [[Sowjetunion]] transportiert, wo es als Raumfahrtbrennstoff benötigt wurde. Vermutlich wurde es daher auch als „Weißes Öl“ bezeichnet. Der verstärkte Seedeich wurde 1972 im Ortsbereich als Promenade freigegeben. Im Jahr 1979 wurde Zingst dann „staatlich anerkannter Erholungsort“. Während die Zahl der Einwohner nahezu konstant blieb, stieg die Zahl der Gäste auf über 65.000 pro Jahr an. Die höchsten Übernachtungszahlen gab es 1989, davon waren etwa zwei Drittel FDGB-Urlauber. Auch die Einwohnerzahl stieg leicht an, so lebten im Jahr 1989 in Zingst 3.500 Menschen. Dies ist bis heute die höchste Einwohnerzahl. === Gegenwart (seit 1991) === [[Datei:Stadt Zingst.jpg|miniatur|Luftbild von Zingst aus dem Jahr 2006]] Im Jahr 1991 wurden alle Ferieneinrichtungen des FDGB und der [[Bundeswehr]]standort geschlossen. Die Folge war eine hohe Arbeitslosenzahl im Ort. Durch den Ausbau der Infrastruktur und den Bau von Hotels und Ferienhäusern begannen die Übernachtungszahlen wieder zu steigen. Das ehemalige Kasernengelände wurde zu einem Campingplatz umgebaut. Im Jahr 1991 zog das Heimatmuseum an seinen jetzigen Standort im „Haus Morgensonne“. Schon 1992 erhielt Zingst als einer von wenigen Badeorten in den neuen Bundesländern die „Blaue Europaflagge“ für seine hervorragende Badewasserqualität. Im Jahr 1993 wurde die neue [[Seebrücke Zingst]] am Hauptübergang neben dem [[Kursaal|Kurhaus]] eröffnet. Das Kurhaus wurde 1998 abgerissen und im Jahr 2000 das neue an gleicher Stelle wieder eröffnet. Im Jahr 1994 eröffnete die „Mutter-Kind-Kurklinik“ der [[Barmer Ersatzkasse]] und 1996 das privatwirtschaftlich betriebene Kurmittelzentrum. Für dieses wurde 1997 eine Wasserleitung von der Ostsee gebaut. Seit dem 12. Juni 1994 gehört Zingst zum [[Landkreis Nordvorpommern]]. Im Jahr 2001 wurden erstmals über eine halbe Million Gästeübernachtungen registriert. Dem Ostseebad Zingst wurde im Jahr 2002 der staatlich anerkannte Titel „Ostseeheilbad“ verliehen. Im Jahr 2005 gab es laut Statistischem Landesamt 501.840 Übernachtungen von 84.333 Urlaubern und im Jahr 2006 525.757 Übernachtungen von 93.066 Urlaubern. === Militärstandort Zingst (1937–1993) === Durch die Wiederaufrüstung vor dem [[Zweiter Weltkrieg|Zweiten Weltkrieg]] fehlte der neu aufgebauten [[Luftwaffe (Wehrmacht)|Luftwaffe]] ein Bombenabwurf- und Schießgelände. Die Wahl fiel auf die [[Sundische Wiesen|Sundischen Wiesen]]. Am 30. Juni 1937 wurden die Bewohner der Wiesen zwangsumgesiedelt. In Zingst selbst entstand im Osten der Gemeinde eine Garnison einer Flaklehreinheit und in den Sundischen Wiesen ein Flakschießstand, ein Behelfsflugplatz und ein Bombenabwurfsgelände. Nach einer kurzen Unterbrechung nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die Sundische Wiese und auch Flächen beim Ort Zingst weiterhin militärisch genutzt. So unterhielt die [[Kasernierte Volkspolizei]] im Bereich der Hohen Düne bei [[Pramort]] einen Schießplatz. Nach Gründung der [[Nationale Volksarmee|NVA]] wurde das Gelände der nördlichen Sundischen Wiesen wieder als Flak-Schießplatz genutzt. Auf dem Kasernengelände befand sich unter anderem eine Ausbildungseinheit für Flugabwehrraketen [[SA-4 Ganef]] sowie eine Seefunkstelle der Volksmarine. Auch der Südteil der Halbinsel wurde militärisches Sperrgebiet. Auf dem Übungsplatz wurden zwischen 1970 und 1992 auch diverse Experimente mit [[Raketenexperimente auf Zingst|Höhenforschungsraketen]] durchgeführt. Der NVA-Truppenstandort bestand bis zum 31. Dezember 1990. Nach der Auflösung des Flaraketenausbildungszentrums 40 der NVA (FRAZ 40) wurde Zingst Standort einer Bundeswehrgarnison. Auch über eine Weiternutzung des Truppenübungsplatzes auf den Sundischen Wiesen wurde nachgedacht. Ende des Jahres 1991 aber gab die Bundeswehr den Standort an den Sundischen Wiesen auf und am 31. Mai 1993 schloss auch die Kaserne in Zingst ihre Pforten. Nach Schließung des Standortes wurden alle militärischen und auch landwirtschaftlichen Gebäude im Bereich der Sundischen Wiesen bis auf das Wachgebäude (jetzt Nationalparkinformationsstelle) zurückgebaut. Im Ort selbst wurde ein Teil des Kasernengeländes als Campingplatz umgestaltet, ein Teil wird vom Wasserschutz und von der Gemeindeverwaltung genutzt. === Raketenstartplatz Zingst (1970–1992) === * ''Artikel:'' [[Raketenexperimente auf Zingst]] Vom früheren NVA-Übungsplatz in den Sundischen Wiesen aus wurden zwischen 1970 und 1992 diverse Experimente mit Höhenforschungsraketen durchgeführt. Zu Beginn der 1970er-Jahre starteten hier 5 Raketen des polnischen Typs Meteor 1E. Ab dem 21. Oktober 1988 wurden hier russische Raketen des Typs MMR06-M gestartet. Auch nach der [[Wende (DDR)|Wende]] wurden die Versuche zunächst weitergeführt. Zwischen dem 14. Februar 1992 und dem 10. April 1992 wurden in Zingst noch einmal 19 russische Raketen des Typs MMR06-M gestartet. Obwohl noch weitere Raketen verfügbar waren, musste der Start von MMR06-M Raketen im April 1992 in Zingst eingestellt werden, da die zur Absicherung des Sperrgebiets benötigte Bundeswehr den Platz räumte. === Sturmhochwasser und Küstenschutz === Von einem Sturmhochwasser wird gesprochen, wenn der Wasserspiegel 1,5 Meter über dem mittleren Wasserspiegel liegt. Fünfzig Sturmhochwasser wurden in Zingst seit 1308 registriert. Allein zwischen 1596 und 1881 wurde Zingst von 15 schweren [[Sturmhochwasser]]n heimgesucht, welche tiefe Spuren in der Landschaft in Form von teils wassergefüllten Senken, wie Ellerbeck, Alte Tief, Hundetief und Alte Straminke (welche 1625 entstand) hinterließen. Das schlimmste war das [[Ostseesturmhochwasser 1872|Ostseesturmhochwasser von 1872]] mit 2,92 Meter über [[Normalnull]]. Im 20. Jahrhundert wurden sieben Sturmhochwasser registriert. Anfang des 19. Jahrhunderts wurde begonnen, erste Küstenschutzmaßnahmen zu ergreifen. So wurde 1848 die gesamte Ortschaft eingedeicht. Nach den schlimmen Erfahrungen im Jahr 1872 wurde der Ortsdeich verstärkt und 1874 ein Deich bis Prerow gebaut. Im Jahr 1913 wurde dieser Deich durchbrochen, da er im Laufe der Jahre einiges an Höhe verloren hatte. Nach 1900 wurde ein Schutzwald hinter dem Deich angelegt. In den Jahren von 1924 bis 1930 wurden über 400 [[Buhne]]n angelegt. Diese wurden von 1964 bis 1971 erneuert. 1964 wurde auch der Seedeich erneuert und auf 4 Meter ü. NN erhöht. Den boddenseitigen Deich erhöhte man ab 1976 auf 3 Meter. Die Deicherneuerung am Bodden findet immer noch statt. Das jetzige Deichsystem ist neben seiner ursprünglichen Schutzfunktion auch ein beliebter Rad- und Fußgängerweg. === Einwohnerentwicklung === {| | valign="top" style="width:250px;"| {| class="prettytable" ! style="background:#C0C0C0;text-align:left;" | Jahr ! style="background:#C0C0C0;text-align:left;" | Einwohner |- | 1700 <sup><small>a</small></sup> || align="right" | ca. 200 |- | 1782 <sup><small>a</small></sup> || align="right" | 260 |- | 1879 <sup><small>a</small></sup> || align="right" | 2.170 |- | 1890 <sup><small>a</small></sup> || align="right" | 980 |- | 1912 <sup><small>a</small></sup> || align="right" | 1.272 |- | 1938 <sup><small>a</small></sup> || align="right" | 2.100 |- | 1946 <sup><small>a</small></sup> || align="right" | 3.340 |- | 1989 || align="right" | ca. 3.500 |- | 31. Dezember 2002 <sup><small>b</small></sup> || align="right" | 3.211 |- | 31. Dezember 2003 <sup><small>b</small></sup> || align="right" | 3.223 |- | 31. Dezember 2004 <sup><small>b</small></sup> || align="right" | 3.222 |- | 31. Dezember 2005 <sup><small>b</small></sup> || align="right" | 3.215 |- |} | valign="top" | {| ! style="text-align:left;"| |- |- |Seit dem Ortszusammenschluss 1823 stieg die Einwohnerzahl bis 1879 stetig an. Durch den Rückgang des Seefahrtsgeschäftes und der damit verbundenen Einschränkungen fiel die Einwohnerzahl in den folgenden Jahren stark ab. Erst durch den aufkommenden Fremdenverkehr stieg seit 1890 die Zahl wieder an und überschritt vor dem Zweiten Weltkrieg die 2.000-Einwohner-Marke. Durch die Vertreibung und die damit einhergehende Umsiedlung deutscher Bürger stieg die Zahl der Einwohner in Zingst kurzfristig auf 3.340 (1946) an. Bis 1965 nahm die Bevölkerung wieder bis auf 3.000 Einwohner ab, um dann kontinuierlich bis 1989 auf den Höchststand von rund 3.500 Einwohnern zu steigen. Nach der [[Wende (DDR)|Wende]] blieb die Einwohnerzahl nahezu konstant, da sich die Arbeitslosenzahlen nur kurz erhöhten und keine größeren Industriebetriebe wegfielen wodurch die Abwanderung gering blieb. Die allgemeine [[Demografie|demografische]] Entwicklung (geringere Geburten- als Sterberate) in Deutschland schlägt sich auch in den Zahlen bis 2005 nieder. |- |} |} <small>Quellen: <sup><small>a</small></sup> Jörg Scheffelke: 110 Jahre Badewesen – Ostseebad Zingst, Ostsee-Zeitung, Greifswald 1991; <sup><small>b</small></sup> http://www.statistik-mv.de </small> == Ortsgliederung == Zingsts einziger Ortsteil ist ''Müggenburg,'' südöstlich des Hauptortes am Zingster Strom gelegen. Zu diesem gehört noch die Ansiedlung ''Klein Kirr'' auf der Insel Kirr. Die ehemaligen Siedlungen ''Pramort'' und ''Bey den Häusern'' wurden durch die militärische Nutzung der ''Sundischen Wiesen'' aufgegeben bzw. umgesiedelt. Das ehemalige Dorf ''Stramminke'' fiel dem Sturmhochwasser 1625 bis auf einige Häuser zum Opfer. == Politik == === Gemeinderat === Der [[Gemeinderat (Deutschland)|Gemeinderat]] besteht aus 15 gewählten Mitgliedern. Bei der Kommunalwahl am 7. Juni 2009 errang die [[CDU]] zehn Sitze (vorher 8), die [[SPD]] drei (zuvor zwei) und Die Linke zwei Sitze (unverändert). === Wappen === Das Wappen wurde am 16. März 1994 durch das Innenministerium genehmigt und unter der Nr. 16 der Wappenrolle von Mecklenburg-Vorpommern registriert. [[Blasonierung]]: „Halbgespalten und durch Wellenschnitt geteilt, vorn oben in Blau ein goldener Dreizack, hinten oben in Silber pfahlweise drei auffliegende schwarze Kraniche, unten in Gold ein roter Greif mit roter ausgeschlagener Zunge und goldener Bewehrung, in den Fängen einen silbernen Anker haltend.“ Die [[Heraldik|heraldischen]] Symbole von Wappen und Flagge weisen sowohl auf die Lage am Meer als auch auf die frühere Zugehörigkeit zur historischen Region [[Pommern]] hin. == Wirtschaft == Der dominierende Wirtschaftsfaktor auf der Halbinsel ist der [[Fremdenverkehr|Tourismus]]. Durch den Bau zahlreicher Ferienhäuser und Hotels stieg die Zahl der Übernachtungen seit der [[Wende (DDR)|Wende]] stetig an. Mehrere Zeltplätze befinden sich auf der Halbinsel. So wurden im Jahr 2001 erstmals über eine halbe Million Übernachtungen registriert. Die beiden größten Hotels sind das [[Steigenberger Hotels|Steigenberger]]-Hotel und das Resort-Hotel ''Vier Jahreszeiten'' mit knapp über und unter hundert Betten. Im Jahr 1994 eröffnete die „Mutter-Kind-Kurklinik“ der [[Barmer Ersatzkasse]] als nicht unwesentlicher Wirtschaftsfaktor ihre Pforten. Es gibt auch ein Pflegeheim des Roten Kreuzes mit über vierhundert Betten. Ehemals sehr wichtige Wirtschaftszweige, wie die Land- und Fischereiwirtschaft, spielen nur noch eine unbedeutende Rolle. Auch durch die Auflösung des Bundeswehrstandortes gingen Arbeitsplätze verloren. == Kultur == === Bildung === In Zingst existiert eine Schule, die Regionale Schule mit Grundschulteil (Realschule mit Hauptschulteil) in der Hafenstraße 1. Alle Schüler, die die gymnasiale Reife erreichen wollen, müssen dies auf einem auswärtigen Gymnasium machen. Dies bieten die Freie Gesamtschule Prerow und das Katharina-von-Hagenow-Gymnasium Barth an. === Sprache === Auf Zingst wird ''[[Westpommersch]]'' – heute auch ''Vorpommersch'' genannt – ein [[Dialekt]] der [[Ostniederdeutsche Sprache|Ostniederdeutschen Sprache]] gesprochen. Das Pommersch weist einige westslawische Einflüsse auf. Typisch ist eine harte, knappe Aussprache. Beispiele finden sich in der deutschsprachigen Literatur insbesondere bei den beiden Märchen der [[Brüder Grimm]] „Von dem Fischer un syner Fru“ und „Von dem Machandelboom“ sowie in dem später vertonten Gedicht „Mine Heimat“ ''(Wo die Ostseewellen trecken an den Strand …),'' in dem die Barther Dichterin Martha Müller-Grählert ihre vorpommersche Heimat beschreibt. === Regelmäßige Veranstaltungen === * Das Hafenfest in Zingst findet am dritten Wochenende im April statt. Es wird mit einem Volksfest im Hafen und verschiedenen Schiffen der Beginn der Schifffahrtssaison gefeiert. * Am Zweiten Septemberwochenende findet in Zingst ein [[Shanty]]chortreffen auf der Freilichtbühne am Zingster Kurhaus statt. * Meist im Juni treffen sich im und vor dem Hafen die [[Zeesenboot]]e um ihre traditionelle Regatta durchzuführen. * Die Zingster Klaviertage wurden von Lutz Gerlach im Jahr 2001 ins Leben gerufen und haben sich mittlerweile zu einem deutschlandweit bekannten Festival mit internationalen und nationalen Künstlern entwickelt. An unterschiedlichen Spielorten in Zingst können Besucher dieses Festivals von Jazz bis Klassik alle Facetten der Klaviermusik genießen. Das Ziel des Festivals ist es die Vielseitigkeit dieses Instrumentes zu zeigen. * Bei der Zingster Kunstmagistrale treffen sich Profi- und Hobbykünstler aus dem Bundesgebiet und stellen Werke ihres Schaffens zur Schau. == Sehenswürdigkeiten und Museen == {| align="right" width="110" | {|align="left" style="background:#f7f8ff; border:1px solid #8888aa; border-collapse:collapse; margin:10px; padding:5px; font-size:90%;" |valign="top"|[[Datei:Kirche zingst.jpg|130px|Peter-Pauls-Kirche]] |- |valign="top"|[[Datei:Portal friedhof zingst.jpg|130px|Eine der Sickerquellen im „Paradies“]] |- |valign="top"|[[Datei:Kapitaenshaus zingst.jpg|130px|Ein Kapitänshaus]] |- |valign="top"|[[Datei:Rettungsschuppen zingst 2006.jpg|130px|Der Rettungschuppen]] |- |valign="top"|[[Datei:Hafen Zingst.JPG|130px|Der Hafen mit Zeesenboot]] |- |valign="top"|[[Datei:Kurhaus zingst.jpg|130px|Das Kurhaus und Seebrücke]] |- |valign="top"|[[Datei:Meiningenbrucke zingst.jpg|130px|Die Meiningenbrücke]] |- |valign="top"|[[Datei:Sundische wiesen.jpg|130px|Die Sundischen Wiesen im nördlichen Teil]] |- |valign="top"|[[Datei:Pramer ort.jpg|130px|Aussichtspunkt am Pramer Ort]] |- |valign="top"|[[Datei:Hohe duene zingst.jpg|130px|Die Hohe Düne]] |- |} |} ;Evangelische Peter-Pauls-Kirche und Friedhof * ''Artikel:'' [[Peter-Pauls-Kirche Zingst|Peter-Pauls-Kirche]] Die [[Neugotik|neugotische]] Kirche stammt aus dem Jahr 1862 und wurde nach Vorarbeiten pommerscher Architekten von [[Friedrich August Stüler]], einem Schüler [[Karl Friedrich Schinkel|Schinkels]], vollendet. Die Kirche ist einer der jüngeren Kirchenbauten in der Region. Der Friedhof beherbergt außer dem Grab von Martha Müller-Grählert auch einige Kapitänsgräber. ;Zingsthof * ''Artikel:'' [[Zingsthof]] Der Zingsthof ist ein kirchliches Erholungs- und Rüstzeitheim der Berliner Stadtmission. Die „Bonhoeffer-Kapelle“, in der eine Gedenktafel angebracht ist, erinnert daran, dass der Theologe und Widerstandskämpfer in den 1930-er Jahren zweimal auf dem Zingsthof weilte. Zingst wird deshalb vielen Menschen, die Bonhoeffers Geschichte nachgehen, besucht. ;Kapitänshäuser Die ersten Kapitänshäuser wurden Mitte des 17. Jahrhunderts in Zingst gebaut. Diese Häuser waren meist größer als die anderen Gebäude im Ort und zur Unterscheidung zu den Steuermannhäusern (meist blau oder bunt) meist weiß gestrichen. Sie hatten ein voll ausgebautes Dachgeschoss und im Normalfall ein rotes Ziegeldach. Typische Kapitänshäuser sind die Häuser Strandstraße 47 und Hafenstraße 12. ;Rettungsschuppen In diesem wurden früher die Ruderrettungsboote und deren Ausrüstung untergebracht. Heute befindet sich hier ein Traditionskabinett der [[Deutsche Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger|Deutschen Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger]], welches die Arbeit und Geschichte der Rettungswache Zingst zeigt. Die Ortssektion Zingst wurde schon 1868 gegründet und der erste Rettungsschuppen wurde im selben Jahr gebaut. Dieser wurde 1872 beim Sturmhochwasser zerstört. Schon im Jahr 1873 wurde der zerstörte Bau durch das jetzige Gebäude ersetzt. Heute befindet sich die Gesellschaft auf dem Müggendorfer Weg. ;Heimatmuseum mit Pommernstube Das Heimatmuseum, ehemals ''Haus Morgensonne,'' ist ein als Kapitänshaus im Jahr 1867 errichteter Bau. Die Nutzung des Hauses wechselte vom Kapitänshaus, Pension, Depedanz (Unterkunft für in Ausbildung befindliche Jugendliche) und wird seit 1991 als Heimatmuseum genutzt. ;Hafen Der Zingster Hafen ist ein kleiner Hafen am [[Zingster Strom]]. Er beherbergt die Anlegestelle der [[Weiße Flotte (Stralsund)|Weißen Flotte]] und einen Fischverkauf. Er verfügt über 42 Liegeplätze und eine Slipanlage. Neben dem Hafen befinden sich das [[Traditionsschiff]] ''Mona Lisa'' und ein Wasserwanderrastplatz. ;Experimentarium In dieser für Kinder angelegten Ausstellung, werden an 25 bis 30 interaktiven Spielgeräten und Experimenten Naturgesetze auf dem Gebieten der Mechanik, Optik und Elektrotechnik veranschaulicht. Davor befindet sich noch ein Erlebniskinderplatz. ;Seebrücke Die 270 Meter lange und 2,5 Meter breite ''Seebrücke Zingst'' wurde am 22. Mai 1993 eingeweiht. Vor dem Zweiten Weltkrieg befand sich hier ein Anlegesteg für Schiffe. Ein Vorgängerbau, ein Steg, war 1947 durch Sturm und Eisgang abbruchreif. ;Kurhaus Das neue Kurhaus steht an der Stelle des alten Kurhauses, welches 1948 das Strandrestaurant ablöste. Es wurde im Jahr 1998 neu gebaut und im April 2000 eröffnet. Es beherbergt die Touristinformation, ein Restaurant und einen Bereich für Informations- und Kulturveranstaltungen. ;Hertesburg Die Hertesburg war eine ehemalige slawische Burg und mittelalterliche Zollstelle am Prerower Strom. Heute sind nur die Reste des Burgwalls zu sehen. ;Meiningenbrücke * ''Artikel:'' [[Meiningenbrücke]] Die Brücke ist eine Eisenbahndrehbrücke aus dem Jahr 1911. Sie wurde bis 1947 von der [[Darßbahn]] der Strecke Barth-Zingst-Prerow genutzt. Die Bahnstrecke wurde 1947 zurückgebaut und die Brücke wird derzeit als Autobrücke genutzt. ;Sundische Wiesen * ''Artikel:'' [[Sundische Wiesen]] Dieses [[Renaturierung|renaturierte]] Heide- und Feuchtwiesengebiet liegt im Ostteil der Halbinsel. Eine Informationsstelle des [[Nationalpark Vorpommersche Boddenlandschaft|Nationalparks Vorpommersche Boddenlandschaft]] befindet sich in einem ehemaligen Wachgebäude. ;Pramer Ort * ''Artikel:'' [[Pramer Ort]] Der Pramort ist der östlichste Teil der Halbinsel Zingst und ehemaliger Ortsteil von Zingst. Heute befindet sich hier eine [[Kranich (Art)|Kranich]]-Beobachtungsstelle. ;Hohe Düne Die bis zu 14 Meter hohe Düne liegt an der Nordostecke der Halbinsel Zingst. In der Nähe befindet sich ein Aussichtspunkt, welcher vom Pramort aus zu erreichen ist. ;Osterwald * ''Artikel:'' [[Osterwald (Zingst)|Osterwald]] Der Osterwald ist das größte Waldgebiet auf dem Zingst. Es liegt zwischen dem Ort Zingst und den Sundischen Wiesen und verfügt über einen wertvollen Baumbestand (Mammutbäume). == Persönlichkeiten == * [[Martha Müller-Grählert]] (* 20. Dezember 1876 in Barth, † 19. November 1939 in Franzburg) eine vorpommersche Heimatdichterin, in Zingst begraben * [[Reinhold Hoberg]] (* 4. Oktober 1859 in Berlin, † 25. Februar 1932 in Zingst), Maler * [[Franz Pflugradt]] (* 19. Januar 1861 Peenewerder, † 16. Februar 1946 in Zingst), Maler * [[Otto Lämmerhirt]] (* 28. Juni 1867 in Neusalz a.d.Oder, † 10. März 1935 in Zingst), Maler * [[Max Hünten]] (* 25. September 1869 in Düsseldorf, † 24. Mai 1936 in Zingst), Maler, Sohn des Schlachtenmalers [[Emil Hünten]] * [[Willy Knull]] (* 4. April 1891 in Zingst, † 19. November 1974 in Zingst), Maler, Zingster Original und Gastwirt im Gartenlokal „Strandpark“ * [[Kurt Klamann|Kurt ''„Kuddel“'' Klamann]] (* 17. April 1907 in Zingst † 1. April 1984 in Zingst), Maler, Zeichner und Journalist * [[Karl Heinz Kluge]] (* 19. Dezember 1915 in Gelsenkirchen), Maler * [[Gerhard Krause (Pastor)|Gerhard Krause]] (1887–1950), Pastor in Zingst und NS-Widerstandskämpfer, wurde verhaftet und entging 1945 nur knapp einem Todesurteil * [[Dietrich Bonhoeffer]] (* 4. Februar 1906 in Breslau; † 9. April 1945 im [[KZ Flossenbürg]]), Theologe und NS-Widerstandskämpfer, leitete ab 1935 das [[Predigerseminar]] der [[Bekennende Kirche|Bekennenden Kirche]] auf dem [[Zingsthof]], das später nach [[Zdroje (Stettin)|Finkenwalde]] umzog. == Literatur == ;Geschichte und Kultur * Jörg Scheffelke: ''110 Jahre Badewesen – Ostseebad Zingst.'' [[Ostsee-Zeitung]], Greifswald. * Jörg Scheffelke: ''125 Jahre Badewesen – Ostseebad Zingst.'' [[Sutton-Verlag|Sutton]], Erfurt, ISBN 3-89702-980-4 * Gerta Anders, Käthe Miethe (Hrsg.): ''Die Halbinsel Darß und Zingst.'' Hinstorff, Rostock, ISBN 3-356-00860-9 * Heinz Kiecksee, P. Thran, H. Kruhl: ''Die Ostseesturmflut 1872.'' Schriften des Deutschen Schiffahrtsmuseums. Bd 2. Westholstein. VA, Heide, ISBN 3-8042-0116-4 * Jörg Scheffelke, Wolfgang Eggert, Edwin Held, Joachim Schomann: ''Der Zingst.'' Sutton, Erfurt, ISBN 3-89702-812-3 * Konrad Billwitz, Haik Thomas Porada (Hrsg.): ''Die Halbinsel Fischland-Darß-Zingst und das Barther Land. Eine landeskundliche Bestandsaufnahme im Raum Wustrow, Prerow, Zingst und Barth''. Landschaften in Deutschland Band 71. Verlag Böhlau, 2009. ; Karten * Fischland, Darß, Zingst (Doppelkarte), 1 : 30.000, [[grünes herz]], Ilmenau/Ostseebad Wustrow, ISBN 978-3-929993-33-2 ;Natur * Harald Benke (Hrsg.): ''Die Darß-Zingster Bodden. Monographie einer einzigartigen Küstenlandschaft.'' Meer und Museum. Bd 16. Deutsches Meeresmuseum, Stralsund 2001. * Günter Schlungbaum, Henning Baudler, Mathias Krech, Bernd Kwiatkowski: ''Die Darß-Zingster Bodden. Eine Studie.'' Korrigierte 2. Fassung. Schriftenreihe des Landesamtes für Umwelt, Naturschutz und Geologie Mecklenburg-Vorpommern. Landesamt für Umwelt, Naturschutz und Geologie Mecklenburg-Vorpommern, Güstrow 2001,1, {{ISSN|0944-0836}} ;Reiseführer und Bildbände * Frank Thamm: ''Darß, Fischland und Zingst.'' Ellert und Richter, Hamburg, ISBN 3-89234-815-4 * Roland Buchwald: ''Fischland, Darß und Zingst. Landschafts- und Reiseführer für Wanderer, Wassersportler, Rad- und Autofahrer.'' [[grünes herz]], Ilmenau, ISBN 3-929993-52-X * Horst Prignitz, Thomas Grundner: ''Fischland, Darß, Zingst.'' Carl Hinstorff, Rostock, ISBN 3-356-01056-5 === Einzelnachweise === <references /> == Weblinks == {{Commons|Zingst}} {{Navigationsleiste Städte und Gemeinden im Landkreis Nordvorpommern}} {{Exzellent}} [[Kategorie:Zingst| ]] [[Kategorie:Ort im Landkreis Nordvorpommern]] [[Kategorie:Seebad (Deutschland)]] [[Kategorie:Halbinsel (Mecklenburg-Vorpommern)]] [[Kategorie:Halbinsel (Europa)]] [[Kategorie:Halbinsel (Ostsee)]] [[Kategorie:Ort in Pommern]] [[en:Zingst]] [[eo:Zingst]] [[nl:Zingst]] [[pl:Zingst]] [[ro:Zingst]] [[ru:Цингст]] [[vi:Zingst, Đức]] [[vo:Zingst]] co2xu24ddzfr2abh3mon9y66k4qcufg wikitext text/x-wiki Zitadelle Petersberg 0 24552 27157 2010-03-04T10:46:50Z Michael Sander 0 +kat [[Image:LuftbildPetersberg.jpg|thumb|350px|Zitadelle Petersberg (Luftbild 2006)]] [[Bild:Peterstor 1.jpg|thumb|350px|Peterstor (errichtet zwischen 1666 und 1668)]] Die '''Zitadelle Petersberg''' (auch ''Festung Petersberg'') ist eine ursprünglich [[Kurmainz|kurmainzische]], später preußische Stadtfestung des 17. bis 19. Jahrhunderts, die im Zentrum der [[Thüringen|thüringischen]] Landeshauptstadt [[Erfurt]] liegt. Sie gilt als eine der größten und besterhaltenen ihrer Art in ganz Europa und wurde 1665 auf Befehl des kurmainzischen Kurfürsten und Erzbischofs [[Johann Philipp von Schönborn]] als [[Zwingburg]] gegen die Stadt im neuitalienischen Stil errichtet. Im weiteren Verlauf sollte sie als nördlichste Festung das Kurfürstentum vor Angriffen der protestantischen Mächte schützen. Die strategische Bedeutung der Zitadelle erkannten später auch die Franzosen und die [[Preußen]], die sie Anfang des 19. Jahrhunderts für kurze Zeit besetzten. Mit dem [[Wiener Kongress]] im Jahre 1815 kam sie mit Erfurt zum preußischen Königreich und wurde bis zur deutschen [[Deutsches Reich|Reichsgründung]] 1871 als Befestigungsanlage genutzt. Sie blieb auch während der beiden Weltkriege und in der Nachkriegszeit ein zentraler militärischer Ort der Region. Ab 1963 war das Gelände der Öffentlichkeit teilweise zugänglich. Ab 1990 führten das Land Thüringen und die Stadt Erfurt Sanierungen in größerem Umfang durch. Heute befinden sich in den Gebäuden der Festung staatliche Ämter, Wohnungen sowie touristische und kulturelle Einrichtungen. == Geschichte == === Vorgeschichte === Die Stadt [[Erfurt]] war seit dem [[Frühmittelalter|frühen Mittelalter]] das kirchliche, politische und wirtschaftliche Zentrum [[Thüringen]]s und gehörte ab 750 zum [[Bistum Mainz|Erzbistum Mainz]]. Während der folgenden Jahrhunderte erlangte die Stadt weitgehende politische und wirtschaftliche Autonomie, die im Mittelalter zur Blüte der Stadt führte. Mit dem [[Westfälischer Friede|Westfälischen Frieden]] 1648 versuchte das Kurfürstentum Mainz über die Stadt Erfurt die Hoheit wieder zu erlangen, woraufhin diese Widerstand leistete und vom Kaiser mit der [[Reichsacht]] belegt wurde. Schließlich zwang ein Heer aus 15.000 kurmainzischen und französischen Soldaten die Stadt zur Aufgabe und Erfurt erhielt den Status einer Provinzstadt, die dem Kurfürsten von Mainz direkt unterstellt war. <ref> Hans Giesecke: ''Das alte Erfurt''. Verlag Koehler&Amelang, Leipzig 1972, S. 173-176 </ref> Um weiteren Aufständen vorzubeugen und als Schutz gegen die protestantischen Mächte ließ der kurmainzische Kurfürst und Erzbischof, [[Johann Philipp von Schönborn]], auf dem Gelände des Petersberges eine Zitadelle errichten. An deren Planung war vermutlich der Münsteraner Bischof Christoph Bernhard Reichsfreiherr von Galen beteiligt. <ref> Horst Moritz: ''Die Festung Petersberg unter Kurmainz 1664-1802''. Stadtmuseum Erfurt, Erfurt 2001, S. 6 </ref> Zu dieser Zeit befand sich auf dem Petersberg das Benediktinerkloster St. Peter und Paul (Peterskloster). Die erste Besiedelung durch die Benediktiner erfolgte um 1060. Zwischen 1103 und 1147 erbauten sie die Peterskirche und 1530 das Schirrmeisterhaus. === Errichtung der Zitadelle (1665–1707) === {| style="float:right; background:transparent; padding:0px; margin:0px;" |- valign="top" |[[Bild:Kommandantenhaus.jpg|thumb| Zufahrtsbrücke (errichtet 1670) mit Peterstor und Kommandantenhaus (errichtet 1669)]] |[[Bild:BastionFranz 2.jpg|thumb|Bastion Franz (errichtet um 1680)]] |} Am 1. Juni 1665 wurde der Grundstein der Zitadelle Petersberg gelegt, die anfangs noch Citadelle Johann Philippsburg hieß. Damit begann die erste von drei Bauphasen. Zunächst errichteten bis etwa 1669 fronende Bauern aus Erfurt gemeinsam mit italienischen Steinmetzen unter Leitung des Ingenieurs Wilhelm Schneider <ref> ebenda </ref> die vier der Stadt zugewandten [[Bastion]]en Martin, Philipp, Leonhard und Kilian im neuitalienischen Stil sowie das nach Antonio Petrini entworfene Peterstor mit Kommandantenhaus. Dabei wurde die neu entstandene Festungsmauer mit der alten Stadtbefestigung verbunden und in ihrem Fuß [[Fachbegriffe Festungsbau|Konterminen]] angelegt. In ihnen patrouillierten Soldaten, um im Belagerungsfall feindliche [[Mineur]]e frühzeitig zu lokalisieren und sie an ihrem Zerstörungswerk zu hindern. Zwischen 1675 und 1700 wurden die vier restlichen [[Bastion]]en Johann, Michael, Gabriel und Franz, die drei Kasernengebäude wie auch die beiden [[Ravelin]]s Anselm und Lothar realisiert. Sie sind Vorwerke in Form von Wallschilden, die vor den [[Kurtine]]n (Verbindungsmauer zwischen zwei Bastionen) zum Schutz errichtet wurden. Während des Baus kam es wiederholt zu Verzögerungen. Erst nach fast vierzig Jahren (1702) war die Festung von allen Seiten umschlossen. Damit endete der erste Bauabschnitt (1665–1702). Im 17. und dem 18. Jahrhundert lagen in den Kasernen des Petersbergs die 500 bis 800 Mann starke Mainzer Garnison zusammen mit der Erfurter Miliz. <ref> Horst Moritz: ''Die Festung Petersberg unter Kurmainz 1664-1802''. Stadtmuseum Erfurt, Erfurt 2001, S. 24 </ref> === Erste Modernisierung und anschließender Verfall (1707–1802) === {| style="float:right; background:transparent; padding:0px; margin:0px;" |- valign="top" |[[Bild:ObereKaserne.jpg|thumb|Obere Kaserne/Kaserne A (errichtet um 1675)]] |[[Bild:RavlinPeter 2.jpg|thumb|Rekonstruiertes Ravelin Peter (errichtet 1708)]] |} Während des [[Großer Nordischer Krieg|Großen Nordischen Krieges]] (1700–1721) bedrohten die Schweden die nördlichen Gebiete des Kurfürstentums, zu denen Erfurt gehörte. Aus diesem Grund entschloss sich Mainz zu einem Ausbau der Zitadelle Petersberg und engagierte dafür den Festungsbaumeister [[Johann Maximilian von Welsch]]. Nach dem Vorbild des französischen Festungsbaumeisters [[Sébastien Le Prestre de Vauban|Vauban]] legte er besonderen Wert auf die Verstärkung der Vorfestungen und Grabenverteidigungen. Das führte zur Errichtung von zwei [[Lünette (Festungsbau)|Lünetten]] sowie zwei weiteren [[Ravelin]]s (Wilhelm und Peter) mit kurzen Wallstücken (1708) und zu einem neuen [[Hornwerk]] vor der Bastion Gabriel (zwischen 1725 und 1728). Vermutlich stützte sich von Welsch dabei noch auf die ersten Baupläne der Festung. Des Weiteren wurde ein großer Festungsgraben mit einem gestaffelten Palisadensystem rund um die Festung angelegt und die Konterminen im Mauerwerk weiter ausgebaut. Um den Zugang zur Kernfestung besser kontrollieren zu können, erfolgte der Bau eines Wachgebäudes vor dem Ravelin Peter (1735). Mit der Fertigstellung der beiden Geschützkasematten in den Bastionen Philipp und Johann in Richtung der Bastion Franz (1737) ging die zweite Bauphase (1707–1737) zu Ende. Die hohen finanziellen Aufwendungen für die Instandhaltung der Gebäude und Anlagen sowie neue militärische Entwicklungen führten in 1770er Jahren zu neuen Überlegungen bei den Mainzer Verantwortlichen. Man dachte sogar über eine Schleifung der Festung nach. Doch mit dem [[Bayerischer Erbfolgekrieg|Bayerischen Erbfolgekrieg]] (1778–1779) änderte sich die Sichtweise. Die Festung mit ihren Außenwerken wurde weiter genutzt und notdürftige Reparaturen wurden vorgenommen. === Unter preußischer Herrschaft (1802–1871) === Durch den preußisch-französischen Sondervertrag von 1802 erhielt [[Preußen]] von Frankreich als Entschädigung für die verlorenen Gebiete links des Rheinufers unter anderem das [[Eichsfeld]] und Erfurt. Daraufhin besetzten preußische Truppen unter den Generälen von Voß und [[Wartensleben]] die Stadt mit dem Petersberg. Bereits im März 1803 wurde das Benediktinerkloster St. Peter und Paul (Peterskloster) von den neuen Besitzern der Zitadelle aufgelöst, um Platz für die wesentlich stärkere Besatzung zu haben. Außerdem sollte die Festung auf Grund ihrer wichtigen geopolitischen Lage erneuert werden. Doch diesen Plänen folgten zunächst kleine Reparaturen. Erst mit Ausbruch des Krieges zwischen Frankreich und Preußen (1806) wurden die Ausbauarbeiten wieder aufgenommen. Diese konzentrierten sich auf die Errichtung neuer Palisadenwände und einer dahinter liegenden Schanze ([[Glacis]]). Zudem wurde für den Fall einer Belagerung ein Lebensmittelvorrat angelegt, der die Mannschaft einen Monat lang ernähren sollte. [[Bild:GrundrißPetersberg 1814.jpg|thumb|Belagerung der Zitadelle durch die Alliierten 1813/1814]] Nach der Niederlage in der [[Schlacht von Jena und Auerstedt]] am 14. Oktober 1806 flüchteten Teile des zerschlagenen preußischen Heers in die schützende Zitadelle Petersberg. Bereits am Tag darauf kapitulierten die Preußen auf Befehl von [[Wilhelm I. (Niederlande)|Prinz Wilhelm von Oranien]] vor den napoleonischen Truppen. Bei der widerstandslosen Übergabe fiel den Franzosen der große Festungsvorrat an militärischen Gerätschaften in die Hände. Die etwa 1400 preußischen Soldaten kamen in Kriegsgefangenschaft. Am 23. Juni 1807 traf [[Napoléon Bonaparte]] in Erfurt ein, um sich sowohl die Stadt als auch die Festung direkt unterstellen zu lassen. Bei dieser Gelegenheit und im Rahmen des [[Erfurter Fürstenkongress|Erfurter Fürstenkongresses]] 1808 in Begleitung von [[Alexander I. (Russland)|Zar Alexander I]]. besuchte er die Befestigungsanlage des Petersbergs. In den folgenden Jahren herrschte Napoleon uneingeschränkt in Europa, so dass sogar wieder mit dem Gedanken gespielt wurde, die Anlage zu schleifen. Die Wendung sollte der [[Russlandfeldzug 1812|Russlandfeldzug]] 1812 bringen, in dem das französische Militär erstmals entscheidend geschlagen wurde und sich anschließend nach Westen zurückdrängen lassen musste. In der Zitadelle wurde am 24. Februar 1813 der Belagerungszustand ausgerufen und der Ausbau sowie die Reparatur der Verteidigungsanlagen aufgenommen. So wurden viele Gebäude mit bombensicheren Dächern versehen, der Glacis erneuert und [[Traverse]]n geschaffen, um die Einsicht von außerhalb zu beschränken. Lebensmittel für die 2000 Mann Besatzung und Pferdefutter wurden auf sechs Monate angelegt und in der zum Magazin umgewandelten Peterskirche eingelagert. Im April und im Oktober 1813 traf Napoleon letztmalig in Erfurt ein, um dabei die Zitadelle Petersberg zu besichtigen. Die [[Völkerschlacht bei Leipzig]] (16.–19. Oktober 1813) besiegelte den Untergang der napoleonischen Truppen. Teile der französischen Armee flohen nach dem Kampf in die Stadt Erfurt. Hier sollte sich das französische Heer sammeln und ein erstes Widerstandsnest gegen die Verfolger entstehen. Die Leitung für dieses Vorhaben erhielt Generalfeldmarschall Alexandre Dalton, der daraufhin am 25. Oktober 1813 mit dem Schließen aller Tore und Verkaufsläden die [[Blockade (Militär)|Blockade]] der Stadt einleitete. Nach drei Tagen hatte eine 34&nbsp;900 Mann starke Belagerungsarmee, bestehend aus dem II. preußischen [[Korps|Armeekorps]] unter [[Friedrich Graf Kleist von Nollendorf |Generalleutnant Graf Kleist von Nollendorf]] sowie österreichischen und russischen Truppenteilen, Erfurt von allen Seiten eng umschlossen und ihre Quartiere in den umliegenden Dörfern bezogen. Die Belagerungsgeschütze wurden in der Nähe der Schwedenschanze aufgestellt. Zunächst versuchten die Franzosen, sich durch Angriffe zu verteidigen und zerstörten dabei das Dorf [[Daberstedt]], um es als Quartier für die Belagerer unbrauchbar zu machen. Daraufhin wurden am 4. November 1813 die französischen Besetzer aufgefordert, die Zitadelle kampflos zu übergeben. Doch Generalfeldmarschall Alexandre Dalton erklärte: ''Der Kaiser hat mir die Verteidigung des Platzes Erfurt anvertraut. Ich werde seinen Erwartungen entsprechen, indem ich meine Pflicht tue. Ich kann mich auf ein anderes Arrangement nicht einlassen.''<ref> O. Kürsten: ''Der Petersberg: die Akropolis von Erfurt''. Band 27, Engelhard-Reyher-Verlag, Gotha 1943, S. 48</ref> Als dann auch noch am gleichen Abend das Dorf [[Ilversgehofen]] durch 1500 französische Männer überfallen wurde, waren die Belagerungstruppen zum Handeln gezwungen. Die wenige Tage zuvor durch den Kriegsrat besprochene ''Bewerfung des Petersberges'' sollte nun in die Tat umgesetzt werden. Dafür wurden am Abend des 5. Novembers zwei österreichische und russische [[Batterie (Militär)|Batterien]] im Dorf [[Erfurt-Marbach|Marbach]] sowie eine preußische Batterie im [[Steigerwald (Erfurt)|Steigerwald]] in Stellung gebracht und am 6. November sechs Uhr morgens das Feuer auf die Festung eröffnet. Schon nach kurzer Zeit brannten erste Gebäude auf dem Petersberg. Das Klostergebäude, die alte Hauptwache, Teile der Peterskirche und zahlreiche Häuser unterhalb des Berges fielen den Flammen zum Opfer. Trotz des starken Bombardements und erheblicher Zerstörungen kapitulierten die Franzosen nicht. Es kam zu einem Waffenstillstand, der in der folgenden Zeit nach und nach verlängert wurde. Während die französische Hauptstadt [[Paris]] im April 1814 von den verbündeten Truppen eingenommen wurde, befanden sich die napoleonischen Truppen weiterhin in der Zitadelle Petersberg. Erst am 5. Mai 1814 gab Generalfeldmarschall Alexandre Dalton auf und übergab die Zitadelle friedlich an die Preußen. Dazu hatte er von der französischen Regierung eine Vollmacht erhalten. Daraufhin zogen die 1700 französischen Soldaten mit 6 Geschützen unbehelligt nach [[Straßburg]] ab. {| style="float:right; background:transparent; padding:0px; margin:0px;" |- valign="top" |[[Bild:DefKaserne 2.jpg|thumb|Defensionskaserne (errichtet zwischen 1828 und 1831)]] |[[Bild:Friedenspulvermag 1.jpg|thumb|Friedenspulvermagazin Nr.5 (errichtet 1822), das einzige erhaltene seiner Art in ganz Deutschland]] |} Nach dem [[Wiener Kongress]] (1814-1815) kam es zu einer Neuordnung Europas. Als Ergebnis erhielt das Königreich Preußen unter anderem die Provinz Sachsen und die Stadt Erfurt. Die Festung Erfurt gehörte nun zu den am südlichsten gelegenen Befestigungsanlagen Preußens. Deshalb sollte sie als Festung ersten Ranges zusammen mit den beiden Zitadellen Petersberg und [[Zitadelle Cyriaksburg|Cyriaksburg]] ausgebaut werden. Damit begann der letzte Bauabschnitt (1815-1831). In diesem Zeitraum erfolgte zunächst die Reparatur der beschädigten Gebäude und Wehranlagen. Weiterhin entstanden nach dem [[Polygonalsystem|neupreußischen System]] zwischen 1823 und 1825 [[Kaponniere|Geschützkaponnieren]] zur Verteidigung des Festungsgrabens. An der Spitze der Bastion Martin entstand 1830 ein [[Kanonenhof]], und zwischen 1828 und 1831 erfolgte auf dem Gelände des völlig zerstörten Benediktinerklosters St. Peter und Paul der Bau einer Defensionskaserne. Sie sollte als Artilleriestellung die Einsicht des oberen Plateaus von Norden her einschränken und zusammen mit der Abschnittmauer die Festung in zwei unabhängige Abschnitte teilen. Außerdem ließ man zur Lagerung des Pulvers in Kriegs- oder Friedenszeiten 1822 auf dem Ravelin Anselm und dem Hornwerk Friedenspulvermagazine sowie um 1830 auf der Bastion Franz und Philipp Kriegspulvermagazine bauen. Als letzte Modernisierungsmaßnahme sollten sieben weit vorgeschobene [[Fort]]s aufgestellt werden, von denen aber nur die Nr. I vor der Auenschanze und die Nr. II auf der Schwedenschanze zwischen 1866 und 1869 realisiert wurden. Diese selbstständigen stark befestigten Außenwerke sollten den Beschuss der Kernfestung durch die damals aufkommenden Geschütze mit gezogenem Lauf verhindern. Neben dem Ausbau der Zitadelle kam es auch zu Veränderungen innerhalb der Besatzung. So wurde 1860 ein neues Regiment mit dem Namen 3. Thüringer Infanterie-Regiment. Nr. 71 gegründet, das bis zum Ersten Weltkrieg in der Defensionskaserne des Petersbergs stationiert war. [[Bild:BastionGabriel 1.jpg|thumb|Reste der Bastion Gabriel mit der Hornwerkkaserne (errichtet zwischen 1912 und 1913)]] === Von der Reichsgründung bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs (1871–1945) === Mit Gründung des [[Deutsches Reich|Deutschen Reichs]] 1871, wurden Preußen und die ihm früher feindlichen süddeutschen Staaten wie Bayern und Württemberg zu Verbündeten. Dadurch verloren zahlreiche Festungen an Bedeutung, die daraufhin offen gelegt oder sogar geschleift wurden. Auch für die Zitadelle Petersberg gab Kaiser [[Wilhelm I. (Deutsches Reich)|Wilhelm I.]] den Befehl zur Entfestigung (20. Juni 1873). Aus Geldmangel wurden schließlich nur die beiden Ravelins Peter und Wilhelm, das Hornwerk sowie die [[Kavalier (Festungsbau)|Kavaliere]] entlang der Mauern abgetragen. Des Weiteren wurde eine Zufahrtsstraße gebaut, wobei große Teile der Bastion Gabriel und die Lünette I. vollständig geschleift und verschiedene Festungsgräben gefüllt wurden. Nach einigen Jahren stieg das Interesse wieder am Militärstandort Petersberg, so dass man neue Gebäude, wie Werkstätten, Lagergebäude, die Hornwerkkaserne zwischen 1912 und 1913 und eine Militärarrestanstalt zwischen 1913 und 1914 errichtete. In Folge des [[Friedensvertrag von Versailles|Friedensvertrags von Versailles]] von 1919 kam es zu einer allmählichen Räumung der militärischen Einrichtungen. Bis 1933 erfolgte die teilweise Nutzung als Wohngebäude und als Quartier der [[Schutzpolizei]] sowie zwischenzeitlich der [[Freikorps]] Thüringen. 1921 wurde die Lauentorstraße fertig gestellt, die seither die Spitze der Bastion Martin von der Zitadelle trennt. In der Zeit des [[Nationalsozialismus]] wurde das Gelände auf dem Petersberg erneut zu militärischen Zwecken genutzt. Zwischen 1936 und 1938 dienten Teile der Kasernen als Quartier des neu aufgestellten motorisierten Infanterie-Regiments Nr.71 und zwischen 1938 und 1943 als Sitz von Verwaltungsstellen der Wehrmacht. Des Weiteren befand sich ab 1940 im Kommandantenhaus das Kriegsgericht 409. ID und im ehemaligen Polizeigefängnis eine Untersuchungshaftanstalt für politische Gefangene. In die Artilleriekaserne zogen das Heeresbauamt und in die Defensionskaserne ein Durchgangs- und Erfassungslager für Vertriebene ein. Die unterirdischen Konterminen bekamen zur Stadtseite hin neue Eingänge, in denen Erfurter Bürger bei [[Luftkrieg|Luftangriffen]] Zuflucht finden konnten. Im April 1945 wurde die Stadt mit der Zitadelle von den Amerikanern eingenommen. Mit dem 2. Juli 1945 gehörte die Stadt Erfurt und das Land Thüringen zur [[Sowjetische Besatzungszone|sowjetischen Besatzungszone]] (SBZ). === Nutzung nach dem Zweiten Weltkrieg === [[Bild:Monument deserter Erfurt-above.jpg|thumb|Denkmal für den unbekannten Wehrmachtsdeserteur vor der Bastion Philipp]] [[Bild:Bundesarbeitsgericht.jpg|thumb|[[Bundesarbeitsgericht]] auf dem ehemaligen Hornwerk]] In den ersten fünf Jahren nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs bestand eine Mischnutzung aus Wohnungen, Verwaltungs- und Gewerbegebäuden. Mit Gründung der [[DDR]] am 7. Oktober 1949 kam wieder Militär auf das Gelände. Gebäude vor der Bastion Johann wurden als Fahrbereitschaft der [[Ministerium für Staatssicherheit|Staatssicherheit]] und die Kasernen zwischenzeitlich als Quartier der Kasernierten Volkspolizei, einer Polizeischule und der [[Nationale Volksarmee|Nationalen Volksarmee]] (NVA) verwendet. Ab 1963 gelangte der Petersberg wieder in städtischen Besitz, wodurch das Gelände teilweise für die Öffentlichkeit zugänglich wurde. Die geringen Mittel der Stadt reichten jedoch nur zu einer notdürftigen Unterhaltung der Gebäude und Anlagen. Die Defensionskaserne und die Peterskirche wurden zu Lagerräumen umfunktioniert und in das Kommandantenhaus zog die [[Pionierorganisation]] ''Ernst Thälmann'' ein. Mit der Wende 1989/1990 errichtete die Stadt Erfurt eine Bauhütte auf dem Petersberg. Unter Leitung des städtischen Hochbauamtes erfolgte mit zahlreichen [[Arbeitsbeschaffungsmaßnahme|ABM]]-Kräften seither die Sanierung und Rekonstruktion der verschiedenen Anlagen und Gebäude. Gleichzeitig wurde am Fuße und auf der Krone der Festungsmauern ein Rundwanderweg über das gesamte Gelände eingerichtet. 1995 wurde durch den Künstler Thomas Nicolai das ''[[Deserteurdenkmal (Erfurt)|Denkmal]] für den unbekannten Wehrmachtsdeserteur und für die Opfer der NS–Militärjustiz'' vor der Bastion Philipp geschaffen. Es trägt die Inschrift ''Seid Sand, nicht das Öl im Getriebe der Welt'' von [[Günter Eich]] und besteht aus acht Stelen, von denen eine aus der Reihe hervortritt und den Fahnenflüchtigen symbolisieren soll. Im Kommandantenhaus der Zitadelle Petersberg war seit 1940 das Kriegsgericht 409 ID der Wehrmacht untergebracht, das rund 50 Deserteure zum Tode verurteilte und diese in der Nähe des Denkmals erschießen ließ. In Verbindung mit den Sanierungsarbeiten wurde ein Nutzungskonzept entwickelt, das eine Mischnutzung aus Verwaltungsgebäuden, Wohnungen sowie touristischen und kulturellen Einrichtungen vorsieht. So befindet sich seit 1993 in der Artilleriekaserne/Kaserne B und in der Neuen Hauptwache der Amtssitz des [[Thüringisches Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie|Thüringischen Landesamtes für Denkmalpflege und Archäologie]] (TLDA), in der Unteren Kaserne die [[BStU|Birthler-Behörde]] (Erfurter Außenstelle des Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR) sowie im Kommandantenhaus seit 1998 ein Jugendtreff und ein Folklore-Ensemble. Die Obere Kaserne, die Militärarrestanstalt sowie das Schirrmeisterhaus werden seit wenigen Jahren als Wohnhäuser und als Büroräume verwendet. Seit 1999 befindet sich das aus [[Kassel]] umgezogene [[Bundesarbeitsgericht]] in einem modernen Gebäude der Architektin [[Gesine Weinmiller]] auf dem ehemaligen Hornwerk. Für die unsanierte Defensionskaserne konnte bisher noch kein Nutzer gefunden werden. Zurzeit gibt es die Planung, sie als Jugendherberge und [[Kindermuseum]] zu nutzen. Auf dem ehemaligen [[Exerzieren|Exerzier-]] und [[Paradeplatz]] finden seit 2000 das jährliche Petersbergfest und Veranstaltungen der [[Bundeswehr]] statt. Die Zitadelle Petersberg ist heutzutage ein viel besuchtes Bauwerkensemble, das einen weiten Rundblick über die Stadt bietet. == Aufbau == [[Image:GrundrißPetersberg.jpg|thumb|300px|Lageplan der Zitadelle Petersberg (2009)]] Die Zitadelle Petersberg zählt zu den größten und besterhaltenen [[Festung|Stadtfestungen]] aus dem 17. Jahrhundert in Deutschland. Ihre Kernfestung erstreckt sich über eine Fläche von ca. 12 ha und besitzt einen unregelmäßigen, sternförmigen Grundriss, der sich aus den acht [[Bastion|Bastionen]] Martin, Gabriel, Michael, Johann, Franz, Philipp, Leonhard und Kilian im neuitalienischen Stil zusammensetzt. Auf der Bastionskrone führt ein kurmainzischer Postenweg mit einer mannshohen Brüstungsmauer und Wacherkern an den Bastionsspitzen fast vollständig um die Zitadelle. Die Mauern besitzen eine Länge von ca. 2 km bei einer Höhe zwischen 8 und 23 m und sind im 4 bis 6,5 m dicken Fußbereich von [[Minenkrieg|Konterminen]] durchzogen. In ihnen patrouillierten Soldaten, um im Belagerungsfall feindliche [[Mineur]]e frühzeitig zu lokalisieren und sie an ihrem Zerstörungswerk zu hindern. Rings um die Kernfestung liegen vorgelagert im ehemaligen Festungsgraben [[Ravelin]]s und [[Lünette (Festungsbau)|Lünetten]], die als eigenständige Verteidigungswerke die Nordwestseite stärken sollten. Des Weiteren gehörte dazu auch das [[Hornwerk]], das zusammen mit dem Ravelin Wilhelm und der Lünette I nach der Festungsaufhebung 1873 geschleift wurde. In das Innere der Zitadelle gelangt man über die Petersbrücke mit Peterstor, den ursprünglich einzigen Zugang und seit 1828 über das Anselmi-Hilfstor. Außerdem führen auf das Festungsgelände zwei Straßen aus der Zeit der Entfestigung 1873 und eine vor wenigen Jahren errichtete Treppe an der Bastion Franz. Die barocke Fassade des Peterstors wird von Wandpfeilern, Gesimsen und Löwenköpfen geschmückt und trägt zwischen einem durchbrochenen Dreiecksgiebel das Amtswappen des Kurmainzischen Kurfürsten [[Johann Philipp von Schönborn]]. In der [[Torbau|Torhalle]] liegen auf jeder Seite Kasematten und in der Decke sind zwei Fallgitter sowie Pechlöcher verankert. Die Petersbrücke wurde ursprünglich als Holzkonstruktion mit Zugbrücke errichtet und unter den Preußen 1864 mit Steinen eingewölbt. In der Kernfestung sind bis heute Überreste der Stadtmauertürme, Turm Nr. III, Hoher Glockenturm und Lauenturm zu finden, die mit Errichtung der Zitadelle zu Pulvermagazinen umfunktioniert und in ihrer Höhe mehrfach reduziert wurden. Der Lauenturm war zusammen mit dem Lauentor, einem Stadttor unterhalb der Bastion Martin, bis 1308 im Besitz der Grafen von Gleichen und nach dem gräflichen Wappentier, einem Löwen, benannt. Beim Durchbruch der Lauentorstraße 1921 wurde der Turm wieder entdeckt und dient mit der Bastion Martin seither als Aussichtsplattform. Der mittlere Bereich der Kernfestung wird als Oberes Plateau bezeichnet und erstreckt sich zwischen den Bastionen Leonhard, Philipp und der Verbindungsmauer der Bastionen Gabriel/Michael. In diesem Bereich liegt die [[Peterskirche (Erfurt)|Peterskirche]], die zwischen 1103 und 1147 als romanische dreischiffige [[Basilika|Pfeilerbasilika]] errichtet wurde und bis zur [[Säkularisierung]] 1803 als Klosterkirche des Benediktinerklosters St. Peter und Paul diente. 1813 zerstörten Artilleriegeschosse weite Teile der Klosteranbauten und wenig später wurde sie unter den Preußen dauerhaft zu einem [[Magazin (militärisches Vorratslager)|Magazin]] umgebaut. Heutzutage findet die Peterskirche als Kunstausstellungsraum Verwendung. Nach Nordwesten wird das Obere Plateau von der Defensionskaserne abgeschlossen, die zwischen 1828 und 1831 auf dem Gelände des ehemaligen Benediktinerklosters im preußischen Klassizismus errichtet wurde. Ihre nördlichen Mauern besitzen eine Stärke bis zu 2,5 m und sind über drei Stockwerke von Infanterie- und Artillerieschießscharten durchsetzt. Die ehemaligen Mannschaftsräume mit drei Eingangsportalen liegen auf der Südseite und boten durch Aufbau eines [[Mansarddach]]es 1912/13 für insgesamt 750 Soldaten Platz. Im Inneren besteht die Defensionskaserne aus zahlreichen einzelnen Abschnitten, die im Falle einer feindlichen Erstürmung durch einsetzbare Palisadenwände voneinander getrennt werden konnten. Nach Nutzung als Truppenunterkunft und Lager steht sie seit dem Jahr 2000 leer. An die Ostseite der Defensionskaserne schließt sich seit 1832 eine Seitenkaponniere mit Festungsbäckerei an, die noch heute genutzt wird. Im Norden des Oberen Plateaus liegt die 1675 erbaute Obere Kaserne, die zu den ältesten Kasernengebäuden Thüringens zählt. == Festungskommandanten == Unter kurmainzischer Regentschaft: *Generalmajor Baron von der Leyen (1665-1673) *Oberst Schütz von Holzhausen (1674-1680) *Oberst Johann Theodor Mortaigne (1680-1690) *Obristwachtmeister von Sommerlat (1690-1690), Interimskommandant *Baron Johann Adolf Langwert von Simmern (1690-1700) *Generalmajor [[Christoph Erhard von Bibra]] (1700-1706) *Generalmajor Johann Sigmund Freiherr von Hirschberg (1706-1718) *Generalmajor Georg Melchior von Harstall (1718-1733) *Generalmajor Philipp Wilhelm Lucas Freiherr von Rieth (1733-1748) *Generalmajor von Schwan (1748-1748), Interimskommandant *Generalleutnant Otto Christoph Baron von Hagen (1748-1770) *Generalleutnant Ludwig Wilhelm Baron von Harstall (1770-1773) *Generalleutnant Franz Arnold Freiherr von Brencken (1774-1776) *General von Rothelinsky (1776-1778), Interimskommandant *General von Faber (1778-1779), Interimskommandant *Generalmajor Ernst Friedrich Freiherr von Hagen (1780-1787) *Generalmajor Christoph Freiherr von Knorr (1788-1802) Unter preußischer Regentschaft: *Major Ludwig Karl von Prüschenk (1802–1806) *Oberst von Löwensprung (1815-?) Unter napoleonischer Regentschaft: *Generalfeldmarschall Alexandre Dalton (1806-1814) == Siehe auch == * [[Petersberg (Erfurt)|Petersberg]] * [[Fachbegriffe Festungsbau]] * [[Zitadelle Cyriaksburg]] == Einzelnachweise == <references /> == Literatur == *Rolf Berger: ''Die Peterskirche auf dem Petersberg zu Erfurt: eine Studie zur Hirsauer Baukunst''. 1. Auflage, Wehle, Witterschlick/Bonn 1994, ISBN 3-925267867 *Georg Dehio (Hrsg.): ''Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler Thüringen''. Deutscher Kunstverlag, München 1998, ISBN 3-422-03095-6 *Hans Giesecke: ''Das alte Erfurt''. Verlag Koehler&Amelang, Leipzig 1972 *Willibald Gutsche (Hrsg.): ''Geschichte der Stadt Erfurt''. Hermann Böhlaus Nachfolger, Weimar 1986, ISBN 3-7400-0095-3 *Mathias Haenchen: ''Die entwicklungsgeschichtliche Stellung der Klosterkirche auf dem Petersberg bei Erfurt in der Baukunst des europäischen Hochmittelalters''. Habilitationsschrift, Dresden 2003 *O. Kürsten: ''Der Petersberg: die Akropolis von Erfurt''. Band 27, Engelhard-Reyher-Verlag, Gotha 1943 *Horst Moritz: ''Die Festung Petersberg unter Kurmainz 1664-1802''. Stadtmuseum Erfurt, Erfurt 2001 *Horst Moritz: ''Die Festung Petersberg unter Preußen 1802-1918''. Stadtmuseum Erfurt, Erfurt 2002 *Placidus Muth: ''Über den Einfluß des königlichen Benedictiner Stiftes auf dem Petersberge zu Erfurt, auf die erste Urbarmachung der hiesigen Gegenden …''. Beyer & Maring, Erfurt 1798 *Stiftung Thüringer Schlösser und Gärten: ''700&nbsp;Jahre Erfurter Peterskloster: Geschichte und Kunst auf den Erfurter Petersberg 1103 – 1803''. Schnell & Steiner, Regensburg 2004, ISBN 3-7954-1675-2 * {{Literatur | Autor=Dieter Zeigert | Herausgeber=Thüringisches Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie | Titel= Militärbauten in Thüringen. Ein Katalog der Kasernenbauten mit ausführlicher Darstellung der militärhistorischen Umstände in Thüringen seit der deutschen Wehrverfassung von 1821 | Sammelwerk= |Band= | Verlag=Verlag Ausbildung + Wissen | Ort=Bad Homburg /Leipzig| Jahr=1997 | Seiten= | ISBN=3-927879-94-0}} == Weblinks == {{Commons|Zitadelle Petersberg}} * [http://www.petersberg.info/ Freunde der Citadelle Petersberg zu Erfurt e.V.] * [http://www.glashuette-petersberg.de/ Glashütte - Bar, Cafe, Restaurant auf dem Petersberg] * [http://www.erfurt-guide.de/citadelle_baeckerei.htm Festungsbäckerei der Zitadelle Petersberg] * [http://www.forum-konkrete-kunst-erfurt.de/index.php?option=com_content&task=view&id=18&Itemid=30 Forum Konkrete Kunst Erfurt auf der Zitadelle Petersberg] * [http://www.thueringen.de/denkmalpflege/start.htm Thüringer Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie auf der Zitadelle Petersberg] * [http://www.bstu.bund.de/cln_043/nn_710532/DE/Regionales/Aussenstelle-Erfurt/aussenstelle-erfurt__node.html__nnn=true Außenstelle Erfurt der Birthler-Behörde auf der Zitadelle Petersberg] * [http://www.erfurt-web.de/DenkmalDeserteur Denkmal für den unbekannten Wehrmachtsdeserteur] {{Coordinate |NS=50/58/43/N |EW=11/01/06/E |type=landmark |region=DE-TH}} {{Exzellent}} [[Kategorie:Festung in Thüringen|Petersberg]] [[Kategorie:Bauwerk in Erfurt]] [[Kategorie:Erfurt-Altstadt]] mem4o0b6guea49kjoa4dxd9hi2cah83 wikitext text/x-wiki Zitronenpresse 0 24553 27158 2010-05-01T16:47:16Z Oberlaender 0 /* Frühe Zitronenpressen */ [[Bild:LemonSqueezer.jpg|thumb|Einfache Zitronenpresse aus Kunststoff]] Eine '''Zitronenpresse''' ist ein Küchengerät zum Herauspressen von Saft aus [[Zitruspflanzen|Zitrusfrüchte]]n, wie [[Zitrone]]n oder [[Gewöhnliche Limette|Limone]]n. Vielseitiger einsetzbar ist die '''Zitruspresse''', mit der sich, oft mittels auswechselbarer Kegel, auch größere Früchte wie [[Orange (Frucht)|Orangen]], [[Grapefruit]]s und [[Pampelmuse]]n auspressen lassen. Auch dieses Gerät basiert aber auf dem wesentlich älteren Prinzip der Zitronenpresse. Das [[Fruchtfleisch]] der Zitrusfrüchte ist sehr wässrig. Der Fruchtsaft lässt sich aus den nur von dünnen Häuten umschlossenen Segmenten und den [[Emergenz (Botanik)|Saftschläuchen]] schon mit geringem Druck leicht herausquetschen. Deshalb kann man Zitronensaft auch einfach gewinnen, indem man die hälftig aufgeschnittene Zitrone von Hand ausdrückt. Effektiver ist es jedoch, dazu eine Zitronenpresse zu benutzen. Zitronensaft wird weltweit zum Kochen benutzt. In Europa wird er seit dem Mittelalter für viele Rezepte verwendet. Dennoch wurden Zitronen lange Zeit nur von Hand ausgedrückt. Zitronenpressen lassen sich erst für das frühe 18.&nbsp;Jahrhundert nachweisen. Seither sind verschiedene Modelle mit unterschiedlichen Funktionsprinzipien entwickelt worden, die aus einer Vielzahl verschiedener Materialien hergestellt werden. Bis Juni 2007 wurden über 300 Patente für neuartige Zitronenpressen angemeldet.<ref>Abfragen beim US Patent Office unter http://www.google.com/patents und beim Europäischen Patentamt unter http://ep.espacenet.com, Abruf 10. Juni 2007.</ref> Je nachdem, ob die Zitronenpresse für den Haushalt oder für die Gastronomie bestimmt ist, finden sich kleine handliche Modelle, die jedoch einen höheren Kraftaufwand verlangen, sperrigere Modelle, die mit wenig Kraftaufwand bedient werden können, oder elektrisch betriebene Pressen. == Geschichte == === Frühe Zitronenpressen === [[Bild:Zitruspresse2.jpg|thumb|Historische sizilianische Zitronenpresse aus Holz]] Die ältesten bekannten Zitronenpressen wurden in der türkischen Stadt [[Kütahya]] aufgefunden und stammen aus dem ersten Viertel des 18. Jahrhunderts.<ref>Carswell, S. 36</ref> Diese Keramikpressen im typischen Stil türkischer Töpferarbeiten des 18. Jahrhunderts weisen eine oberflächliche Ähnlichkeit zu heute üblichen Geräten mit Presskegel auf, sind aber anders konstruiert. Der Presskegel ist hohl und an der Basis perforiert. Im Innern enthält er eine Säule, die in einem Loch am Boden der Presse endet. Dank diesem Aufbau fließt erst dann Saft durch den Boden, wenn der Saftpegel eine bestimmte Höhe erreicht hat und über den Rand des innerhalb des Kegels liegenden Zylinder fließen kann. Derartige Exemplare wurden nicht massenweise produziert, sondern waren Spezialanfertigungen zur einfacheren Zubereitung des damals beliebten zitronensafthaltigen Getränks ''Sherbet.'' Eine weitere erhaltene türkische Zitronenpresse stammt aus dem Jahr 1741.<ref>A.Bongers: ''Türkische Kunst und Kultur aus osmanischer Zeit.'' Frankfurt am Main, 1985.</ref> Zitronen wachsen zwar nicht von Natur aus in der Nordtürkei, wurden aber im 17. und 18. Jahrhundert massenweise nach [[Konstantinopel]] importiert.<ref>Carswell, S. 33–34</ref> Im 18. Jahrhundert waren Pressen für Zitronen auch in Europa in Gebrauch. Vermutlich funktionierten diese nach dem Modell von [[Kartoffelpresse]]n: zangenartige Geräte, die, wie moderne [[Knoblauchpresse]]n, die Früchte mit einem Stempel in einen Zylinder mit Löchern drücken, aus denen der Saft herausrinnt. Der Schriftsteller [[Jean Paul]] erwähnt schon 1798 solche ''Zitronendrücker:'' ''„… ich sage, wenn ihr nicht an jeder Stundentraube die Minutenbeere auskeltertet wenigstens mit einigen Zitronendrückern – – – was würde denn am Ende daraus werden?“''<ref>http://gutenberg.spiegel.de/jeanpaul/hesperus/hesp402.htm Jean Paul, ''[[Hesperus oder 45 Hundposttage|Hundposttage]],'' Bayreuth, 1819: 43. Tag.</ref> Vermutlich gebrauchte man aber nicht unbedingt speziell angefertigte Zitronendrücker, sondern benutzte auch einfach die vorhandenen Kartoffelpressen für Zitronen. Dies legt ein Zitat aus ''[[Die Käserei in der Vehfreude (Roman)|Die Käserei in der Vehfreude]]'' von [[Jeremias Gotthelf]] aus dem Jahr 1850 über die Kunden etwas zweifelhafter reisender Händler nahe: ''„Diesen armen Teufeln ergeht es oft an solchen Märkten wie den Zitronen zu S. im B.: dort werden sie nämlich zu drei verschiedenen Malen zu Punsch gepreßt, das erstemal mit dem Daumen, das zweitemal mit der Faust, das drittemal mit einem Erdäpfeldrücker.“''<ref>http://gutenberg.spiegel.de/gotthelf/vehfreud/vehfr192.htm</ref> Dieses Zitat beschreibt anschaulich, dass das mechanische Auspressen dem Ausdrücken von Hand letztlich überlegen ist. In England erfuhren Zitronenpressen erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts weite Verbreitung, in Frankreich wahrscheinlich noch später, da sie nicht in Wörterbüchern erwähnt wurden.<ref>Carswell, S. 29–30</ref> === Mechanisierung im 19. Jahrhundert === [[Bild:Chichester1860.jpg|thumb|Patent von L.S. Chichester, 1860, ältestes US-Patent für eine Zitronenpresse]] Ende des 19. Jahrhunderts wurde eine große Zahl von Patenten auf neuartige Zitronenpressen angemeldet. Bis heute (Juni 2007) verzeichnet das [[United States Patent and Trademark Office]] über 200 Patente für Zitronenpressen, der überwiegende Teil dieser Patente wurde zwischen 1880 und 1910 angemeldet. Das älteste US-Patent wurde von Lewis S. Chichester am 3. Juli 1860 angemeldet. Es handelte sich um ein zangenförmiges Modell aus Gusseisen. Nach der Patentbeschreibung war das Modell von Chichester gegenüber den herkömmlichen Pressen mit weniger Kraftaufwand zu bedienen.<ref>US Patent Nr. 28967, Patentbeschreibung, im Internet erreichbar unter [http://www.google.com/patents?id=S_FmAAAAEBAJ&dq=lemon+squeezer&num=100&as_drrb_ap=q&as_minm_ap=1&as_miny_ap=2007&as_maxm_ap=1&as_maxy_ap=2007&as_drrb_is=b&as_minm_is=1&as_miny_is=1776&as_maxm_is=1&as_maxy_is=1862]</ref> Ein vergleichbares hölzernes Gerät wird seit 1857 unter Studenten des [[Trinity College (Dublin)|Trinity College]] in Dublin weitergegeben. Ursprünglich ein Utensil für die Zubereitung von Punsch, etablierte William W. Niles, später Bischof von [[New Hampshire]], den Brauch, jeweils am „Class Day“ den ''Lemon Squeezer'' an den vielversprechendsten Folgejahrgang weiterzugeben. Es entwickelten sich daraufhin Kämpfe und Rivalitäten um die Auszeichnung, der Lemon Squeezer wurde in der Folge mehrfach geraubt, so dass inzwischen mehrere angeblich originale Geräte im Umlauf sind. Die Tradition besteht bis heute fort.<ref>http://www.trincoll.edu/AboutTrinity/traditions/lemon.htm</ref> Die um die Jahrhundertwende des 19./20. Jahrhunderts eingereichten Patente zeigen eine Vielzahl verschiedener Funktionsprinzipien. Sie reichen vom kleinen Modell für die Benutzung bei Tisch, mit dem sich einzelne Zitronenschnitze über einem Glas oder Gericht ausquetschen lassen, bis hin zur mechanisch aufwändigen Apparatur, die mit Schraubzwingen fest am Küchentisch oder einer Theke befestigt wird. Auffällig ist dabei, dass fast alle diese Patente lediglich Druck auf die Zitrone beziehungsweise die Zitronenhälfte ausüben, ohne dass die Zitronenhälfte dabei gedreht würde. Die Patente variieren vor allem in den verschiedenen Mechanismen, auf welche Weise dieser auf die Frucht einwirkende Druck erzeugt wird. Dabei machte man sich meist die [[Hebelgesetz|Hebelwirkung]] oder die Presswirkung von [[Spindelpresse]]n zunutze. Wie groß der Anteil der tatsächlich jemals für den Markt produzierten Geräten unter diesen Patenten war, lässt sich nicht mehr nachvollziehen. <gallery> Bild:Hurley1887.jpg|US-Patent für eine Zitronenpresse von Hurley, 1887 Bild:Dunlap1890.jpg|Dunlap, 1890 Bild:Barrett1893.jpg|Barrett, 1893 Bild:Wilson1886.jpg|Wilson, 1886 Bild:Morgan1896.jpg|Morgan, 1896 Bild:Walker1897.jpg|Walker, 1897 Bild:Filler1910.jpg|Filler, 1910 Bild:Carroll1915.jpg|Carroll, 1915 </gallery> <br clear="all" /> === Das „Ei des Columbus“: Zitronenpressen aus Pressglas === [[File:Zitruspresse IMGP2755 wp.jpg|thumb|left|Zitronenpresse aus Pressglas]] [[Bild:Kunstakademie Dresden Kuppel.jpg|thumb|Die Kuppel der [[Hochschule für Bildende Künste Dresden|Kunstakademie Dresden]] wird wegen ihrer Form Zitronenpresse genannt.]] [[Bild:St. Engelbert Köln.jpg|thumb|[[St. Engelbert (Köln)|St. Engelbert]] in Köln, erbaut 1930–1932]] ''„Dann sprachen sie noch über die Zitronen-Presse aus Glas, das ‚Ei des Columbus‘, wie er es nannte. Das heißt, er sprach, und sie gähnte innerlich, verständnisvoll und teilnehmend. ‚Wenn man bedenke, in früheren Zeiten, schrecklich. Den Daumen-Krampf konnte man bekommen, und der halbe Saft blieb in der Zitrone sitzen, und die unnötigen Kerne waren im Glase. Jetzt aber, mit der gläsernen Zitronen-Presse für 50 Heller, der Saft rinnt dir wie ein klares Bächlein in die untere Rinne, während die unnötigen Kerne in der oberen Rinne liegen. Die Schale selbst aber ist innen trocken wie die Wüste Gobi. Jetzt erst könnte ein Wucherer und eine [[Prostitution|Kokotte]] sagen: „Ich habe ihn ausgepresst wie eine Zitrone!‘“''<ref>http://gutenberg.spiegel.de/altenbrg/prosaskz/flirt.htm Die Zitronenpresse aus Glas erscheint auch in einer weiteren Kurzgeschichte Altenbergs: „Weshalb gibt es keinen Neuerer, keinen Revolutionär, keinen Anbahner und Pfadfinder unter den Gasthausbesitzern und Cafetiers?! Zum Beispiel: zum Tee eine gläserne Zitronenpresse zu erhalten, um den ganzen edlen Saft der Zitrone sogleich und bequem herauszubekommen?!“ Peter Altenberg: Bilderbögen des kleinen Lebens, 1909, S. 46.</ref> lässt [[Peter Altenberg]] in der 1900 veröffentlichten Prosaskizze ''Flirt'' den Protagonisten zu seiner Angebeteten sagen und beschreibt damit eindringlich, dass die kleinen Zitronenpressen aus [[Pressglas]], die gegen Ende des 19. Jahrhunderts als Küchengeräte für den Hausgebrauch aufgekommen waren, nicht nur bestechend einfach funktionierten, sondern auch preisgünstig und für jeden erschwinglich waren. In einem seit 1873 erscheinenden Kochbuch heißt es deshalb auch: ''„Um allen Saft aus einer Zitrone zu gewinnen, bricht man die abgeschälte Zitrone auseinander, macht in jedes Stück derselben der Länge nach einen Schnitt und preßt es aus. Macht man dagegen Querschnitte, so bleibt der größte Teil der Saftzellen unverletzt und man erhält folglich nur sehr wenig Saft. Neuerdings fehlt wohl auch in keinem Haushalte mehr die kleine gläserne vorzügliche Zitronenpresse.“''<ref>M. S. Kübler, ''Das Hauswesen,'' 15. Auflage, Stuttgart, 1905, S. 418.</ref> Dieses gläserne „Ei des Columbus“ war die erste Zitronenpresse außerhalb der Türkei, mit der man Zitronen nicht bloß ausdrücken, sondern durch die Drehbewegung der Zitronenhälfte auf einem geriffelten Kegel auch noch den letzten Safttropfen aus der Frucht herauspressen konnte. Im Grunde ist dieses Prinzip bis heute unverändert geblieben und verkörpert die sprichwörtliche Zitronenpresse, ein Begriff, der im übertragenen Sinne auch Gebäude wie die St.-Engelbert-Kirche des Architekten [[Dominikus Böhm]] in [[Köln-Riehl]]<ref>http://www.kirche-des-monats.de/2003/11/haupttext.html</ref>, die Kuppel der [[Hochschule für Bildende Künste Dresden|Kunstakademie Dresden]] von [[Constantin Lipsius]]<ref>Erwin de Haar: ''Im Zeichen der Hoffnung,'' 1961, S. 41.</ref> oder die Filzhüte (Lemon Squeezer Hats) der Neuseeländischen Armee<ref>http://www.diggerhistory.info/pages-uniforms/nz-slouch.htm</ref> anschaulich beschreibt. Bis heute werden Zitronenpressen in Abwandlung dieses Urmodells aus verschiedenen Werkstoffen angefertigt. == Funktionsweise == [[Bild:Zitronenpresse-mit-zitrone.jpg|thumb|Edelstahl-Zitronenpresse mit Presskegel]] [[Bild:Flemonsqueezer-fish.JPG|thumb|Presse für Zitronenschnitze in Fischform]] [[Bild:Westmark Limona Zitronenzange, ca. 1970.JPG|thumb|Zitronenzange Limona der Firma Westmark, ca 1970]] [[Bild:Wooden lemon squeezer.jpg|thumb|Hölzerner Presskegel]] [[Bild:Kurbelzitronenpresse1.JPG|thumb|Zitronenpresse aus Kunststoff mit Handkurbel, ca 1960]] Grundsätzlich wird bei allen Zitronenpressenmodellen Druck auf die Frucht ausgeübt, so dass die den Saft in der Frucht haltenden Häute aufplatzen und der Saft herauslaufen kann. Die Zitronenpresse selbst muss diesem Druck standhalten, weshalb weiche, leicht verformbare Materialien ungeeignet sind. Weil der Zitronensaft [[Citronensäure|sehr sauer]] ist, eignen sich auch nur säurebeständige Materialien. Je nach Modell wird die gesamte ungeschälte Frucht, eine Zitronenhälfte oder ein Zitronenschnitz gepresst. Zitronenzangen oder -drücker, Hebelpressen und kleine Pressen für einzelne Schnitze produzieren Zitronensaft ausschließlich mithilfe des aufgewendeten Pressdrucks. Bei Zitronenzangen wird die Frucht in einem Zylinder oder einer Halbkugel mit einem walzen-, kegel- oder -halbkugelförmigen Gegenstück in einer Art [[Zange]] gequetscht, so dass der Saft durch Löcher in dem Zylinder herausläuft. Dabei werden Kerne und Fruchtfleisch im Innern zurückgehalten. Diese Pressen bestanden ursprünglich in der Regel aus Holz, heute auch aus rostfreiem Metall. Der Saft tritt auf der Rückseite der Presse aus, so dass der Saft außen an der Zitronenschale entlang fließt. Dabei nimmt der Saft zusätzlich [[ätherisches Öl|ätherische Öle]] aus der Schale auf. Diese Methode wird in einer weiterentwickelten Form bei den in der Gastronomie gebräuchlichen [[Hebelgesetz|Hebel]]pressen angewandt. Dabei handelt es sich um fest stehende schwere Geräte. Das Fruchtfleisch wird durch die Hebelwirkung einer Halbkugel zerquetscht, die von oben auf die auf einem Kegel aufsitzende Zitronenhälfte drückt. Der austretende [[Fruchtsaft]] wird durch einen [[Filter (Fluidtechnik)|Filter]] beziehungsweise ein [[Sieb]] von Fruchtfleisch und Kernen abgetrennt. Moderne Hebelpressen sind aus Edelstahl gefertigt. Kleine Zitronenpressen zur Entsaftung einzelner Zitronenschnitze funktionieren ebenfalls nach dem Zangenprinzip. Sie bestehen meist aus Edelstahl oder Kunststoff. Es gibt zwei unterschiedliche Grundmodelle, die in verschiedenen dekorativen Varianten erhältlich sind, zum Beispiel in Vogel- oder Fischform. Bei dem einem Modell liegt der Zitronenschnitz längs in einer kleinen Wanne, von oben drückt ein zungenartiges Gegenstück auf das Fruchtfleisch und der Saft tritt aus Löchern unterhalb des Scharniers aus. Bei dem anderen Modell liegt der Zitronenschnitz quer in einer Zange, die aus zwei schaufelartigen Teilen besteht, wobei der Saft an den Seiten der Schaufeln austritt. Bei der Methode, die sich allgemein für den Hausgebrauch durchgesetzt hat, wird der Saft aus der halbierten Frucht gepresst, indem diese auf einem balligen Kegel, dessen Oberfläche eine Längsrippenstruktur hat, hin- und hergedreht wird. Bei mechanisch oder elektrisch angetriebenen Geräten dreht sich der Kegel unter der Frucht. Entlang der Längsrillen läuft der Saft in ein Auffanggefäß. Anders als Pressen, die nur mittels Druck funktionieren, werden bei diesem Funktionsprinzip die das Fruchtfleisch umschließenden Häute schon durch die Drehbewegung über dem gerippten Kegel aufgerissen. In Kombination mit dem auch hier erforderlichen Anpressdruck tritt der Saft leicht aus. Das einfachste Modell, das sich dieses Prinzip zunutze macht, ist der Presskegel an einem einfachen Griff. Solche Presskegel werden traditionell aus Holz hergestellt, es gibt aber auch Exemplare aus Kunststoff. Nachteilig an diesem Modell ist, dass Kerne und Fruchtfleisch nicht zurückgehalten werden und der saure Zitronensaft fast zwangsläufig über die Hände des Benutzers abläuft. Das ursprünglich weit verbreitete Modell aus Pressglas weist eine um den Kegel herumlaufende Rinne auf, in der sich der Saft sammelt. Kerne und Fruchtfleisch werden durch einen Zackenkranz am Rande der Rinne abgefangen. Einige Modelle haben zudem einen Haltegriff oder eine Haltemulde und eine Ausgießnase. Heute werden solche Pressen meist aus Kunststoff hergestellt. Etwas aufwändigere zweiteilige Modelle aus Metall oder Kunststoff bestehen aus einem abnehmbaren Oberteil, in dessen Mitte der Kegel sitzt, mit Löchern oder Schlitzen, durch die der Saft in das darunter befindliche Auffanggefäß abläuft. Dieses Gefäß ist meistens mit einer Schütte, gelegentlich auch mit einem Griff versehen. Genauso funktionieren Pressen, die in oder auf einen Becher gestellt werden können, in den dann der Zitronensaft abfließen kann. Bei fast allen Zitronenpressen dieses Typs weist der Reibkegel gleichseitige und gleichwinklige Keilschnitte auf. Eine Designstudie von [[Wilhelm Wagenfeld]] konnte in den 1950er Jahren jedoch zeigen, dass ungleichseitige und ungleichwinklige sägeförmige Einschnitte zu einer besseren Ausnutzung der Frucht führen. Allerdings lösten die sägeförmigen Rippen wesentlich mehr Häute aus der Zitronenschale, so dass auch zum Abfiltern von Häuten und Kernen eine andere Lösung gefunden werden musste.<ref>Wilhelm Wagenfeld: ''Gedanken und Erfahrungen des Formgestalters.'' In:''gestaltete industrieform in deutschland.'' Düsseldorf, 1954, S. 35–42.</ref> Weniger kraftraubend sind Zitronenpressen, bei denen sich der Kegel unter der Zitrone dreht. Bei einem manuell angetriebenen Gerät wird die Bewegung einer Handkurbel mechanisch auf den Kegel gelenkt, so dass dieser sich dreht. Weil damit nicht mehr die Früchte hin- und her-, sondern nur eine Handkurbel gedreht werden muss, sind diese Geräte angenehmer zu bedienen und für große Mengen besser geeignet. Bei elektrischen Zitronenpressen wird der Kegel über ein Untersetzungsgetriebe von einem Elektromotor – oft ein [[Synchronmotor]] – angetrieben. Die Drehbewegung startet, wenn eine Fruchthälfte auf den Kegel gedrückt wird. Automatische Saftpressen übernehmen zusätzlich auch die Teilung der Früchte, das Andrücken und das Auswerfen. Sie sind für größere Mengen geeignet und werden in der Regel nur in der Gastronomie eingesetzt. Einen völlig anderen Ansatz verfolgen so genannte Zitronenausgießer: Dabei handelt es sich um scharfkantige Röhrchen, meist aus Metall, gelegentlich auch aus Kunststoff, mit eingeschliffenen Schlitzen, die komplett in eine ganze Zitrone hineingedreht werden. Die Schnittkanten des Rohres ritzen die Häute im Innern der Zitrone an. Wird die Zitrone nun mit der Hand zusammengedrückt, tritt an der Einstichstelle des Metallröhrchens der Saft aus. Diese Methode eignet sich besonders für kleine Mengen. Die Zitrone kann samt Ausgießer einige Tage im Kühlschrank aufbewahrt werden. <gallery> Bild:Zitronenpresse-2.jpg|Hebelpresse Bild:Elektrische Zitruspresse IMGP1952.jpg|Elektrisch betriebene Zitruspresse Bild:Zitronenausgiesser.jpg|Zitronenausgießer Bild:Mexcit.jpg|Zitronenzange </gallery> == Die Zitronenpresse als dekoratives Objekt == [[Bild:Juicy salif.jpg|upright|thumb|„Juicy Salif“, Design von Philippe Starck, hergestellt von Alessi]] [[File:Bundespresse IMGP3282 wp.jpg|upright|thumb|Zitronenpresse "Angie"]] Die einzige Zitronenpresse, die hauptsächlich wegen ihres Designs bekannt wurde, ist die Juicy Salif, 1987 entworfen von dem französischen Designer [[Philippe Starck]], seit 1990 produziert von der Firma [[Alessi (Design)|Alessi]]. Die Idee zum Design der Juicy Salif soll Starck beim Anblick eines Tintenfisches gekommen sein. Skizzen auf dem Papieruntersetzer eines Restaurants, wo Starck während des Essens seine Idee festhielt, belegen diese formale Ableitung des Designs.<ref>R. Roy: ''Creativity and Concept Design,'' Milton Keynes, 2004, S. 15/16.</ref> Das dreibeinige Modell aus Gussaluminium mit einem starren Kegel ist 29&nbsp;cm hoch und besitzt weder ein Auffanggefäß für den Saft, noch werden Kerne und Fruchtfleisch zurückgehalten. Nach Auffassung von [[Umberto Eco]] liegt dies vermutlich daran ''„daß der Auftraggeber gar keine echte Zitronenpresse haben wollte, sondern ein Kunstwerk und ''conversation piece,'' das die Käufer als eine abstrakte Skulptur begehren würden (die übrigens sehr schön anzusehen ist, dabei beunruhigend wie ein Tiefseeungeheuer) oder jedenfalls als ein Prestigeobjekt, nicht als ein Haushaltsgerät, das man praktisch benutzen kann.“''<ref>Umberto Eco: ''Quasi dasselbe mit anderen Worten,'' München, 2006, S. 25.</ref> Starck gilt unter anderem wegen dieses Entwurfs als Vertreter eines an [[Semantik]] orientierten Designs, das die kommunikative Funktion eines Gegenstandes höher bewertet als die praktische.<ref>Bernhard E. Bürdek: ''Design: history, theory and practice of product design.,'' Basel, 2005, S. 151.</ref> Starck soll in der Tat auf Kritik an der Funktionsfähigkeit seines Objektes erklärt haben, die eigentliche Funktion sei nicht das Auspressen von Zitronen, sondern die Initiierung von Konversation.<ref>Ulrich Krohs: ''Eine Theorie biologischer Theorien: Status und Gehalt von Funktionsaussagen und informationstheoretischen Modellen'' Berlin, 2004, S. 161 Fn 13.</ref> Dies wird umso deutlicher angesichts einer Jubiläumsausgabe mit Goldbeschichtung, die die Firma Alessi im Jahr 2000 in einer Auflage von 9999 nummerierten Exemplaren herausbrachte und mit der Warnung versah: ''„Juicy Salif Gold ist ein Sammlerobjekt. Benutzen Sie es nicht als Zitronenpresse: Bei Kontakt mit säurehaltigen Substanzen könnte die Vergoldung Schaden erleiden.“''<ref>zit. nach Umberto Eco: ''Quasi dasselbe mit anderen Worten,'' München, 2006, S. 25.</ref> In der Folge haben Alessi und auch andere Produzenten von Haushaltsartikeln wie beispielsweise [[Koziol]] weitere Designerzitronenpressen auf den Markt gebracht. Ein neues ''conversation piece'' zu kreieren, gelang dabei jedoch bisher nicht. Die Zitronenpresse Juicy Salif ist dagegen zum vielfach abgebildeten und zitierten Emblem nicht nur für die Firma Alessi und den Designer Philippe Starck, sondern auch für die postmoderne Designverliebtheit der 1980er Jahre geworden.<ref>Guy Julier: ''The Culture of Design,'' London, 2000, S. 69; Peter Dormer: ''The Culture of Craft: Status and Future,'' Manchester 1996, S. 135.</ref> == Nachweise == <references/> == Literatur == * John Carswell: ''The Lemon-Squeezer; an Unique Form of Turkish Pottery.'' In IVème congrès international d’art turc, S. 29–45. Éditions de l’Université de Provence, Aix-en-Provence 1971, ISBN 2-85399-015-X == Weblinks == {{Commons|Category:Lemon squeezers|Zitronenpressen}} * [http://www.sign-lang.uni-hamburg.de/hlex/konzepte/L8/L800.htm „Zitrone auspressen“ in Gebärdensprache] * [http://eos.dik.maschinenbau.tu-darmstadt.de/projects/cadp_catia/deutsch/WebR5/index.html Konstruktion einer Zitronenpresse, Praktikum für Maschinenbaustudenten] {{Gesprochene Version |datei=De-Zitronenpresse-article.ogg |länge=23:11 min |größe=6,99 MB |version=http://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Zitronenpresse&oldid=48163478 |exzellent=nein }} [[Kategorie:Küchengerät]] {{Exzellent}} [[en:Lemon squeezer]] [[es:Exprimidor]] [[nl:Citruspers]] [[sv:Citruspress]] 3clnc0idcsr9qxest16uszyxw0eogfy wikitext text/x-wiki Zitzengallenfliege 0 24554 27159 2009-03-25T16:50:16Z Factumquintus 0 <!-- Für Informationen zum Umgang mit dieser Tabelle siehe bitte [[Wikipedia:Taxoboxen]]. --> {{Taxobox | Taxon_Name = Zitzengallenfliege | Taxon_WissName = Agathomyia wankowiczi | Taxon_Rang = Art | Taxon_Autor = [[Johann Andreas Schnabl|Schnabl]], 1884 | Taxon2_WissName = Agathomyia | Taxon2_Rang = Gattung | Taxon3_Name = Tummelfliegen | Taxon3_WissName = Platypezidae | Taxon3_Rang = Familie | Taxon4_Name = Deckelschlüpfer | Taxon4_WissName = Cyclorrhapha | Taxon4_Rang = Teilordnung | Taxon5_Name = Zweiflügler | Taxon5_WissName = Diptera | Taxon5_Rang = Ordnung | Taxon6_Name = Neuflügler | Taxon6_WissName = Neoptera | Taxon6_Rang = Überordnung | Bild = | Bildbeschreibung = }} Die '''Zitzengallen'''- oder '''Pilzgallenfliege''' (''Agathomyia wankowiczi'') - eine Art der [[Tummelfliegen]] (Platypezidae) - ist bekannt für die Bildung von zitzenförmigen [[Pflanzengalle|Gallen]] an der Unterseite des [[Flacher Lackporling|Flachen Lackporlings]] (''Ganoderma applanatum''), eines [[Porenpilze]]s. == Merkmale == Die Zitzengallenfliegen sind Fliegen mit einer Körpergröße von 4,3 Millimetern bei den Männchen und 4,7 bis 5,0 Millimetern bei den Weibchen. Sie weisen einen [[Geschlechtsdimorphismus]] auf, wobei die Männchen etwas dunkler sind als die Weibchen und größere [[Komplexauge|Komplexaugen]] haben, die sich zentral berühren. Der Kopf ist mit einer schwarz-grauen Färbung deutlich dunkler als Brust und Hinterleib. Die Augen sind vor allem im unteren Drittel rötlich-braun, die [[Fühler (Biologie)|Antennen]] gelb, wobei das dritte Antennensegment deutlich größer als die ersten beiden ist und eine fadenförmige Geißel trägt. Die Beborstung der Antenne ist wie die des gesamten Kopfes schwarz, gelb sind hingegen [[Labium (Insekt)|Labium]] und [[Palpus]]. Der Brustabschnitt ist auf der Rückenseite leicht aufgewölbt und bildet einen Buckel. Er ist gelb-orange gefärbt, wobei die Seitenflächen ([[Pleura|Pleuren]]) deutlich heller sind; die Beborstung ist braun bis schwarz. Die Flügel sind durchsichtig gelb und von einer charakteristischen, braunen Flügeladerung durchzogen. Eine der Flügelzellen ist deutlich verdunkelt. Die [[Haltere]] ist orange. Auch die Beine sind gelb-orange mit einer hellgelben und braunen Fleckung. Der Oberschenkel ([[Femur (Gliederfüßer)|Femur]]) der Vorderbeine besitzt eine lange Borste, die ein Viertel der Länge des Unterschenkels ([[Tibia (Gliederfüßer)|Tibia]]) beträgt. Diese sind bei allen Beinen leicht gebogen und ebenfalls mit mehreren deutlich erkennbaren Borsten ausgestattet. Männchen und Weibchen unterscheiden sich durch die Länge und Ausstattung dieser Borsten. Die Fußglieder ([[Tarsus (Gliederfüßer)|Tarsen]]) des letzten Beinpaares sind wie bei anderen Tummelfliegen verbreitert. Die ersten sechs Segmente des Hinterleibs sind wie der Thorax gelb-orange, die Segmente vor den Genitalien deutlich dunkler bis schwarz. Die männlichen Genitalien sind braun-gelb und werden unter den Hinterleib eingeschlagen, die Weibchen besitzen einen gelben Eiablageapparat ([[Ovipositor]]). == Verbreitung und Lebensraum == [[Image:Ganoderma applanatum03.jpg|thumb|300px|Flacher Lackporling mit Zitzengallen]] Die Verbreitung der Zitzengallenfliege ist durch die Abhängigkeit vom Wirtspilz gekoppelt mit der Verbreitung des Lackporlings und beschränkt sich entsprechend auf [[Laubwald|Laub-]] und Laubmischwälder. Obwohl der Lackporling auch in den gemäßigten Zonen Nordamerikas vorkommt, ist die Verbreitung der Fliegen auf Europa sowie Nordasien beschränkt. Dabei reicht das Verbreitungsgebiet von den [[Niederlande|Niederlanden]] über [[Deutschland]], [[Dänemark]], [[Schweden]], [[Österreich]] und die [[Schweiz]], [[Polen]], [[Ungarn]] und [[Tschechien]] bis in den [[Balkanhalbinsel|Balkan]]. Im Gebiet der ehemaligen [[Sowjetunion]] sind Funde sowohl im europäischen Teil ([[Moskau]], [[Sankt Petersburg]]) als auch im [[Amur|Amurgebiet]] in Asien belegt. Weil die Fliegen erst in den letzten 50 Jahren in den westlichen Niederlanden und in Belgien auftauchten wird eine Vergrößerung des Verbreitungsgebietes in den Westen angenommen. In Großbritannien gibt es bislang erst sechs Funde von Zitzengallen, eine natürliche Verbreitung liegt dort also wahrscheinlich nicht vor. In Mittel- und Osteuropa ist die Zitzengallenfliege in Gebieten mit Lackporlingen relativ häufig anzutreffen, besonders zur Anflugzeit auf die Pilze und in deren direkter Umgebung. Aus anderen Gebieten liegen häufig nur Einzelfunde oder indirekte Nachweise durch Pilzgallen vor. == Larvalentwicklung == Die Larvalentwicklung der Fliegen erfolgt in tropfenförmigen Gallen an der Unterseite des mehrjährigen Lackporlings. Es hat sich dabei herausgestellt, dass sich die Larven dieser Art ausschließlich von diesem Pilz ernähren ([[Monophagie]]). Der Anflug auf die Pilze und die Eiablage beginnen im Frühsommer und dauern etwa vier Wochen an. Die Weibchen finden die Pilze wahrscheinlich optisch vor allem durch die weißen Wülste aus frischem [[Myzel]], die sich zu dieser Zeit bei den Pilzen ausbilden. Diese Theorie wird von der Beobachtung untermauert, dass der Anflug immer auf diese Wülste gerichtet ist und sich die Weibchen dort absetzen. Entsprechend werden nur solche Pilze ausgewählt, deren Myzelaufbau in die Zeit der Eireife bei den Fliegenweibchen fällt. Wie die Fliegen den Lackporling von anderen ähnlichen Arten mit gleichem Myzelaufbau unterscheiden, ist bislang nicht geklärt; wahrscheinlich spielen hier chemische Reize eine Rolle. Die sich entwickelnden Larven sind [[Asseln|asselförmig]], breit abgeflacht und mit Borsten bestückt. Sie sind durch die sehr dünne Chitinhülle des Körpers weiß mit einer braunen Bänderung an den Segmentgrenzen, werden maximal fünf bis sechs Millimeter lang und ernähren sich vom Pilzmyzel der Gallenschicht. Die Entwicklungsdauer vom Ei bis zur Puppe beträgt zwischen 34 und 75 Tagen, wobei drei Larvenstadien ausgebildet werden. Eine synchrone Larvalentwicklung gibt es nicht, es gibt also immer Larven mehrerer Stadien im Pilz. Von Juli bis August lassen sich die Larven der ersten Jahresgeneration durch ein an der Unterseite der Gallen gebildetes Loch zu Boden fallen und vergraben sich dort zur [[Verpuppung]], die zwischen vier und 17 Tage andauert. Allerdings bilden nur etwa 10 Prozent dieser Puppen eine neue Generation aus, der Rest verfällt in eine [[Dormanz]] und überwintert im Boden. Die zweite Larvengeneration entwickelt sich vom späten August bis in den Oktober. == Gallenbildung == Die Bildung von Gallen an [[Pilze|Pilzen]] ist untypisch; in Mitteleuropa ist der Lackporling die einzige dadurch charakterisierte Pilzart. Die Gallenbildung wird durch die Eiablage des Weibchens induziert, wobei die genaue Ursache bislang ungeklärt ist. Etwa eine Woche nach der Eiablage schließt der Pilz an der betroffenen Stelle seine Poren und bildet aus dem [[Trama]] eine linsenförmige Galle aus. Die Röhrenschicht, die die [[Spore|Sporen]] des Pilzes enthält, wird an dieser Stelle vom Gallgewebe verschlossen, bei großflächiger Gallenbildung unterbleibt die [[Sporulation]] vollständig. Unterhalb der Galle entwickelt der Pilz eine harte Abschlussschicht aus [[Chitin]], die etwa 0,2 Millimeter dick wird. Nachdem die Larven die Gallen im Herbst verlassen haben, werden die Gallenhohlräume wieder mit Pilzmaterial gefüllt, und unterhalb der Gallen bildet sich die nächste Röhrenschicht für das folgende Jahr. Auf diese Weise kann man in alten [[Konsole (Pilz)|Konsolen]] mehrere Gallengenerationen nachweisen, eine Zählung ergab bis zu 600 Gallen an einem Pilz über mehrere Jahre. == Konkurrenten und Feinde == Pilzmyzelien stellen für eine ganze Reihe von Insektenarten die Hauptnahrungsquelle dar ([[Mycetophagie]]), entsprechend gibt es viele Nahrungs[[Konkurrenz (Ökologie)|konkurrenten]]. Es handelt sich vor allem um die Larven und ausgewachsenen Individuen ([[Imago (Zoologie)|Imagines]]) verschiedener Käfer, insbesondere der [[Schwammkäfer]] (Cisidae, vor allem ''Cis nitidus''). Hinzu kommen die Larven von verschiedenen [[Echte Motten|Mottenarten]] sowie weitere [[Fliegen]]- und [[Mücken]]larven. Besonders die Konkurrenz mit den Larven der [[Echte Motten|Echten Motte]] ''Morophagus boleti'', die die Basis der Gallen befressen, führt nach den Erkenntnissen von [[Walter Rühm]] und G. Strübing häufig zum Absterben der Larven der Zitzengallenfliegen. Insgesamt wird der Konkurrenzdruck allerdings als eher gering beurteilt. Räuber, die die Larven in den Gallen jagen, sind nicht bekannt. Es kann davon ausgegangen werden, dass verschiedene Insekten der [[Bodenfauna]], etwa [[Laufkäfer]] (Carabidae) oder [[Ameisen]] (Formicidae) die Puppen im Boden fressen. Die adulten Fliegen werden wie andere Kleininsekten auch von größeren insektenfressenden Tieren wie [[Webspinnen]], [[Käfer|Käfern]] oder anderen Fliegen erbeutet. Auch spezifische [[Parasitoide]] sind nicht bekannt. == Taxonomie == Die erste Erwähnung der Zitzengallenfliege als ''Agathomyia wankowiczii'' stammt von [[Johann Andreas Schnabl]] aus dem Jahr 1884, der das Weibchen dieser Art als ''Callomyia wankowiczii'' beschrieb. 1903 wurde das [[Taxon]] von [[Mario Bezzi]] als Synonym der Art ''Agathomyia aurantiaca'' in die Gattung ''Agathomyia'' überstellt. 1904 beschrieb [[Leander Czerny]] das Männchen der Art und stellte die Eigenständigkeit gegenüber ''A. aurantiaca'' wieder her. Eine umfassende Beschreibung der Tiere erfolgte 1960 durch [[Willi Hennig]]. Der Zusammenhang zwischen den Zitzengallen am Lackporling und den Larven der Fliegen konnte allerdings erst 1962 durch H. Weidner und F. Schremmer unter Mitarbeit von Hennig aufgedeckt werden. == Literatur == * Rühm W, Strübing G (1993): ''Biozönotische Konnexe in baumbesiedelnden Pilzen: Der Lackporling ''Ganoderma applanatum'' (Pers., per S.F. Gray) und die monophage Zitzengallenfliege ''Agathomyia wankowiczi'' Schnabl, 1884'', Angewandte Zoologie 4/93 * Eisfelder I, Herschel K (1967): ''Agathomyia wankowiczi Schnabl, die Zitzengallenfliege aus ''Ganoderma applanatum'', Westfälische Pilzbriefe Band 6. [http://wwwuser.gwdg.de/~rjahn/Pilzbriefe/PB_Bd_6_2.pdf PDF] * Chandler PJ (2001): ''The Flat-footed Flies (Diptera: Opetiidae and Platypezidae) of Europe'', Fauna Entomologica Scandinavica 36, Leiden ISBN 9004120238 * Weidner H, Schremmer F (1962): ''Zur Erforschungsgeschichte, zur Morphologie und Biologie der Larve von ''Agathomyia wankowieczi'' Schnabl, eine an Baumpilzen Gallen erzeugende Dipterenlarve'', Ent. zool. Mus. Hamburg 2; 355-366 {{Exzellent}} [[Kategorie:Zweiflügler]] 0wh2fiv8qg0ka9qpig70x9axpeonwc4 wikitext text/x-wiki Zofingen 0 24555 27160 2010-05-01T10:24:40Z Voyager 0 /* Persönlichkeiten */ <!--schweizbezogen--> {{Infobox Ort in der Schweiz |NAME_ORT = Zofingen |BILDPFAD_KARTE = Karte Gemeinde Zofingen 2007.png |BILDPFAD_WAPPEN = Coat of arms of Zofingen.svg |REGION-ISO = CH-AG |BEZIRK = [[Zofingen (Bezirk)|Zofingen]] |BFS = 4289 |PLZ = 4800 |UN/LOCODE = CH ZLL |BREITENGRAD = 47.290276 |LÄNGENGRAD = 7.944445 |HÖHE = 439 |FLÄCHE = 11.07 |EINWOHNER = <!--wird durch eine zentralisierte Vorlage eingebunden--> |STAND_EINWOHNER = <!--wird durch eine zentralisierte Vorlage eingebunden--> |WEBSITE = www.zofingen.ch }} '''Zofingen''' ([[schweizerdeutsch]] {{IPA|ˈtsɔ.fɪ.ɡə}}<ref name="name">{{Literatur | Autor=Beat Zehnder | Herausgeber=Historische Gesellschaft des Kantons Aargau | Titel=Die Gemeindenamen des Kantons Aargau | Sammelwerk=Argovia | Band=Band 100 | Verlag=Verlag Sauerländer | Ort=Aarau | Jahr=1991 | Seiten=488–489 | ISBN=3-7941-3122-3}}</ref>, [[Französische Sprache|franz.]] ''Zofingue'') ist eine Kleinstadt und [[Politische Gemeinde|Einwohnergemeinde]] in der [[Schweiz]] und der Hauptort des [[Zofingen (Bezirk)|gleichnamigen Bezirks]] im [[Kanton Aargau]]. Sie liegt im äussersten Südwesten des Kantons im [[Wigger (Fluss)|Wiggertal]], an der Grenze zum [[Kanton Luzern]], und bildet den südlichen Schwerpunkt eines Ballungsgebietes, das sich über [[Oftringen]] und [[Aarburg]] und bis nach [[Olten]] und [[Trimbach SO|Trimbach]] im [[Kanton Solothurn]] erstreckt. Die Stadt liegt nahe dem Kreuzungspunkt der wichtigsten Nord-Süd- und West-Ost-Verkehrswege der Schweiz. Mit mehr als 10'000 Einwohnern ist Zofingen die siebtgrösste Gemeinde des Kantons. Das benachbarte [[Mühlethal]] wurde am 1. Januar 2002 eingemeindet. == Geographie == Die mittelalterliche [[Altstadt]] liegt am Rand des [[Wigger (Fluss)|Wiggertals]]. Östlich davon erheben sich vier durch kleine Täler getrennte Hügel. Von Nord nach Süd sind dies der Bärenhubel, der Finkenherd, der Heitern und das Bergli. Diese vorspringenden Hügel gehören zu einem lang gestreckten, breiten und stark gegliederten Hügelzug, der das Wiggertal vom angrenzenden [[Uerke]]ntal trennt. Zwei Täler reichen weit nach Osten in den Hügelzug hinein, das über einen Kilometer lange Riedtal an der luzernischen Kantonsgrenze sowie das knapp drei Kilometer lange Mühletal an der nördlichen Gemeindegrenze. In letzterem liegt das ehemals eigenständige Dorf [[Mühlethal]]. Die östlichen zwei Drittel des Gemeindegebiets sind (mit einigen Ausnahmen) fast vollständig mit [[Wald]] bedeckt.<ref name="swisstopo">Landeskarte der Schweiz, Blatt 1109, Swisstopo</ref> [[Datei:Zofingen 1884.jpg|thumb|Zofingen im [[Siegfriedatlas]] (1884)]] Westlich der Altstadt erstreckt sich eine flache, bis zu zwei Kilometer breite Ebene. Entlang der Bahnlinie verläuft der Altachenbach. Dieser fliesst in einem durchschnittlichen Abstand von 600 Metern parallel zur Wigger, welche die westliche Stadtgrenze bildet. Das Gebiet westlich der Altstadt ist dicht besiedelt und weist im nördlichen Teil eine ausgedehnte Industriezone auf. Das überbaute Gebiet ist mit demjenigen von [[Oftringen]] und [[Strengelbach]] zusammengewachsen, wobei das Oftringer Gemeindegebiet bis etwa zweihundert Meter an den nördlichen Rand der Altstadt heranreicht.<ref name="swisstopo"/> Die Fläche des Stadtgebiets beträgt 1107 Hektaren, davon sind 525 Hektaren bewaldet und 367 Hektaren überbaut. Der höchste Punkt befindet sich auf dem 661 Meter hohen Rottannhubel an der östlichen Stadtgrenze, der tiefste auf 421 Metern an der Wigger. Nachbargemeinden sind [[Oftringen]] im Norden, [[Safenwil]] im Nordosten, [[Uerkheim]] und [[Bottenwil]] im Osten, das luzernische [[Wikon]] im Süden, [[Brittnau]] im Südwesten sowie [[Strengelbach]] im Westen. == Geschichte == === Vor der Stadtgründung === Die ältesten Siedlungsspuren stammen aus der [[Jungsteinzeit]], wie einzelne Funde von [[Faustkeil]]en und anderen Steinwerkzeugen beweisen. Im 3. Jahrhundert v. Chr. siedelten sich die [[Helvetier]] an und gründeten ein Dorf, das sich bald zu einer Priestersiedlung entwickelte. Es war wahrscheinlich eines jener 400 helvetischen Dörfer, die [[Gaius Iulius Caesar|Julius Caesar]] in ''[[De Bello Gallico]]'' erwähnte. 1826 fand der Amtsschreiber am Südwesthang des Heiternhügels die Überreste eines [[Römisches Reich|römischen]] [[Gutshof]]es. Er war im späten 1. Jahrhundert n. Chr. entstanden und diente zur Lebensmittelversorgung des [[Römische Militärlager#Legionslager|Legionslagers]] in [[Vindonissa]] (heute [[Windisch AG|Windisch]]). Das Herrenhaus erreichte nach zahlreichen Erweiterungen eine Länge von 120 Metern; der Zofinger Gutshof ist somit der grösste, der bis jetzt auf dem Gebiet des Kantons Aargau entdeckt worden ist.<ref name="roemer">{{Literatur | Autor=Martin Hartmann, Hans Weber | Titel=Die Römer im Aargau | Verlag=Verlag Sauerländer | Ort=Aarau | Jahr=1985 | Seiten=213–214 | ISBN=3-7941-2539-8}}</ref> Im Jahr 259 durchbrachen die [[Alamannen]] den [[Obergermanisch-Raetischer Limes|Obergermanisch-Rätischen Limes]] und zogen plündernd und mordend durch das [[Mittelland (Schweiz)|Mittelland]]. Die römischen Truppen mussten sich über die [[Alpen]] zurückziehen und konnten die Invasoren erst im Jahr 270 wieder zurückdrängen. Etwa um diese Zeit wurde der Gutshof aufgegeben. Zwischen 401 und 406 zogen sich die Römer endgültig über die Alpen zurück. Ein paar Jahrzehnte später begannen die Alamannen mit der Besiedlung des fast völlig entvölkerten Mittellands. Die Wortendung «-ingen» lässt darauf schliessen, dass die Siedlung Zofingen während der ersten Besiedlungsphase etwa um das Jahr 500 herum entstand. Der Ortsname leitet sich vom [[althochdeutsch]]en ''Zofingun'' ab, was «bei den Leuten des Zofo» bedeutet.<ref name="name" /> Die Siedlung wurde bald zum religiösen Zentrum der Region und um 600 entstand die erste Pfarrkirche. Bei Grabungen in den Jahren 1979 und 1980 stiessen Archäologen auf zwei Steinkistengräber alemannischer Adeliger mit goldenen Beigaben aus dem 7. Jahrhundert. === Frohburger und Habsburger === [[Datei:Zofingen-Stiftskirche.jpg|thumb|upright|Turm der Stadtkirche]] Ein befestigter Hof neben der Kirche gilt als erster Stammsitz der [[Frohburg (Adelsgeschlecht)|Grafen von Frohburg]]. Diese zogen im 10. Jahrhundert in die repräsentative [[Frohburg (Burg)|Frohburg]] bei [[Trimbach SO|Trimbach]] und wandelten die Kirche Ende des 12. Jahrhunderts in ein dem [[Mauritius (Heiliger)|Hl. Mauritius]] geweihtes [[Chorherren]]stift um. Darum herum entwickelte sich ein mit Mauern und Gräben geschütztes Markt- und Verwaltungszentrum am Handelsweg von [[Basel]] nach [[Luzern]]. Die erste urkundliche Erwähnung des Chorherrenstifts und Zofingens erfolgte im Jahr 1201. Wann genau das [[Stadtrecht]] verliehen wurde, ist nicht bekannt. Bereits in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts wurde in Zofingen mit der Prägung eigener [[Münze]]n begonnen, die sich in der heutigen Nordwestschweiz grosser Beliebtheit erfreuten. Um 1250 begann der Niedergang der Frohburger, die sich in drei Linien aufgeteilt hatten. Sie mussten im Jahr 1274 fast ihren gesamten Besitz an König [[Rudolf I. (HRR)|Rudolf I.]] verkaufen. Im September 1299 erwarben die [[Habsburg]]er Zofingen, die eigentliche Heimat der Frohburger. 1348 forderte die [[Pest]] in Zofingen viele Opfer. Die [[Juden]], welche für die Verbreitung der Epidemie verantwortlich gemachte wurden, wurden aus der Stadt vertrieben. Bereits unter den Frohburgern war die Stadt vom Amt [[Aarburg]] abgetrennt worden und bildete einen eigenen Gerichtsbezirk mit [[Niedere Gerichtsbarkeit|niederer]] und [[Hohe Gerichtsbarkeit|hoher Gerichtsbarkeit]]. Unter der Herrschaft der Habsburger erlangten die Zofinger vor allem in wirtschaftlichen Bereichen immer mehr Autonomie, auch ihre Amtspersonen durften sie selbst wählen. Ende Januar 1361 fand in Zofingen ein Lehenstag statt. Sämtliche Inhaber eines [[Lehen]]s in den [[Vorderösterreich|österreichischen Vorlanden]] mussten persönlich in der Stadt erscheinen und ihre Lehen bestätigen lassen; es handelte sich um mehr als 900 Personen aus dem [[Elsass]], aus Süddeutschland, dem [[Thurgau]] und dem Aargau. Beim Einfall der [[Gugler]] im Jahr 1375 kam Zofingen im Vergleich zu den Regionen weiter westlich relativ glimpflich davon. Als die Spannungen zwischen [[Luzern]] und den Habsburgern immer mehr zunahmen, hielt Zofingen treu zu den Habsburgern und kämpfte am 9. Juli 1386 in der [[Schlacht bei Sempach]] an deren Seite. Zwölf Zofinger fielen, darunter [[Niklaus Thut]]. Der Alt-[[Schultheiß|Schultheiss]] soll kurz vor seinem Tod das Zofinger [[Banner (Fahne)|Banner]] verschluckt und so vor dem Zugriff der [[Alte Eidgenossenschaft|Eidgenossen]] bewahrt haben. Diese Legende entstand im 16. Jahrhundert, seither wird Niklaus Thut als Stadtheld verehrt. 1388 belagerten die [[Bern]]er die Stadt, konnten sie aber nicht einnehmen. Erst sechs Jahre später wurde ein Friedensvertrag zwischen Habsburg und den Eidgenossen unterzeichnet. 1393 wütete ein Brand in der Unterstadt, 1396 legte ein weiterer Brand fast die gesamte Stadt in Schutt und Asche. === Herrschaft der Berner === [[Datei:Zofingen-Niklaus-Thut-Platz.jpg|thumb|Niklaus-Thut-Platz]] Der habsburgische Herzog [[Friedrich IV. (Tirol)|Friedrich IV.]] fiel 1415 beim [[Konzil von Konstanz]] in Ungnade, nachdem er den Gegenpapst [[Johannes XXIII. (Gegenpapst)|Johannes XXIII.]] zur Flucht verholfen hatte. Der deutsche König [[Sigismund (HRR)|Sigmund]] forderte die Eidgenossen auf, den Aargau im Namen des Reiches zu erobern. Bern zögerte nicht lange und schickte sofort Truppen los. Die Zofinger liessen die Berner am 18. April 1415 kampflos in die Stadt einmarschieren. Als Gegenleistung für das Entgegenkommen wurden nicht nur die bestehenden Rechte bestätigt, die Autonomie der Stadt konnte erweitert werden. 1444 fanden in Zofingen nach der [[Schlacht bei St. Jakob an der Birs]] die Friedensverhandlungen zwischen [[Frankreich]] und der Eidgenossenschaft statt. Die Stadt war noch dreimal von grossen Bränden betroffen: 1423 und 1462 in der Oberstadt, 1473 in der Unterstadt; allerdings waren die Zerstörungen bei weitem nicht so gravierend wie noch 1396. Zofingen besass die [[niedere Gerichtsbarkeit]] über [[Bottenwil]], verkaufte diese jedoch im Jahr 1496 an Bern. Seit dem 15. Jahrhundert existierten vier [[Zunft|Zünfte]]: Die Ackerleutenzunft, die Metzgernzunft, die Schützenzunft und die Gesellschaft zu Schneidern. Neu entstehende Berufsgattungen schlossen sich einem dieser vier Zünfte an, da neue Zünfte nicht mehr zugelassen wurden. Sie besassen keinen politischen Einfluss, sondern waren reine Berufsorganisationen. Der Handel und das Handwerk blühten; Zofingen war weit herum bekannt für die Zinngiesser, die Glockengiesser und die Glasmaler. Ein bedeutender Wirtschaftsfaktor waren die grossen Wälder im Besitz der Stadt, das Zofinger Holz war aufgrund der hohen Qualität sehr begehrt. Besonders hoch gewachsene [[Tannen]] wurden bis nach [[Genua]] exportiert, wo Schiffbauer sie zu Masten verarbeiteten. 1528 beschloss Bern die Einführung der [[Reformation]] und setzte diese Massnahme in allen Untertanengebieten durch. Sämtliche Klöster wurden aufgelöst und deren Vermögen konfisziert, auch das Zofinger [[Chorherren]]stift war davon betroffen. Anstelle der Chorherren verwaltete nun ein von Bern eingesetzter Stiftsschaffner die umfangreichen Güter, das Gebäude diente nun auch als Schule. Die Stadt bemühte sich fast zwanzig Jahre lang vergeblich um einen Anteil am Stiftsvermögen (die Einkünfte des Stiftes waren über zehn Mal grösser als jene der Stadt). Die südliche Stadtgrenze war zugleich Konfessionsgrenze, denn die angrenzenden luzernischen Untertanengebiete waren katholisch geblieben. Oft vergnügten sich die Einwohner Zofingens an Festen in der weit weniger sittenstrengen Nachbarschaft; wer dabei ertappt wurde, dem drohten empfindliche Strafen. [[Datei:Zofingen 1715.jpg|thumb|upright|Zofingen im Jahr 1715]] Eine grosse Pestepidemie im Jahr 1552 forderte über 800 Tote, etwa die Hälfte der damaligen Stadtbevölkerung. 1611 und 1612 starben nochmals rund 380 Personen an der Pest. Nach dem [[Schweizer Bauernkrieg]] von 1653 fand in Zofingen das [[Militärgericht|Kriegsgericht]] statt, bei dem über mehrere Anführer der aufständischen Bauern das [[Todesstrafe|Todesurteil]] verhängt wurde. Im [[Erster Villmergerkrieg|Ersten Villmergerkrieg]] von 1656 diente Zofingen als Sammelpunkt der Berner Truppen, die jedoch bei [[Villmergen]] vernichtend geschlagen wurden. Beim [[Zweiter Villmergerkrieg|Zweiten Villmergerkrieg]] im Jahr 1712 war Zofingen wiederum Aufmarschgebiet, diesmal war die Stadt jedoch auf Seiten der Sieger. Im 17. und frühen 18. Jahrhundert wurden die Holzhäuser in der Altstadt allmählich durch [[barock]]e Steinbauten ersetzt. Reiche Stadtbürger liessen ausserhalb der Stadtmauern repräsentative Landsitze errichten. Um etwa 1640 hatte Bern begonnen, die Herstellung von [[Textil]]ien gezielt zu fördern. Zofingen war wegen der Nähe zu den wichtigsten Handelsrouten besonders gut für die Ansiedlung von [[Manufaktur]]en geeignet. Zuerst war die [[Tuch]]weberei vorherrschend, ab 1700 erlebten die Herstellung von [[Flachsfaser|Leinen]] und [[Baumwolle|Baumwolltüchern]] einen Aufschwung, ab 1720 die [[Seidenband]]fabrikation. Nach 1780 wurde die reine Produktion aufgrund zunehmender ausländischer Konkurrenz durch Weiterverarbeitung und Handel ergänzt. In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts verbreiteten sich die Ideen der [[Zeitalter der Aufklärung|Aufklärung]] in der führenden Schicht. Die Forderungen nach Gleichheit und Menschenrechten, die sich nach Beginn der [[Französische Revolution|Französischen Revolution]] verbreiteten, fanden in Zofingen jedoch allgemein wenig Gehör. Dies ganz im Gegensatz zu [[Aarau]], wo der Widerstand gegen die alte Herrschaftsordnung besonders gross war. Die Zofinger genossen unter der Herrschaft Berns nach wie vor eine besonders weitreichende Autonomie und fürchteten im Falle politischer Umwälzungen den Verlust alter [[Privileg]]ien. Die übrigen Städte des [[Berner Aargau]]s entzogen sich zu Beginn des Jahres 1798 der Kontrolle Berns und weigerten sich, Truppen zum Schutz vor den herannahenden [[Frankreich|Franzosen]] zu entsenden. Zofingen hingegen hielt weiterhin treu zu den «Gnädigen Herren» und bot Ende Februar das städtische Regiment auf. Doch bereits am 5. März kapitulierte Bern. Am 12. April proklamierte der französische General [[Guillaume-Marie-Anne Brune]] die [[Helvetische Republik]]. Zofingen wurde gegen den Willen der Stadtregierung dem neu geschaffenen Kanton Aargau hinzugefügt, der damals lediglich die ehemaligen Berner Untertanengebiete umfasste. === 19. Jahrhundert === [[Datei:Zofingen 1805.jpg|thumb|Ansicht von 1805]] Im neuen helvetischen [[Zentralismus|Zentralstaat]] waren die Kantone reine Verwaltungseinheiten, die weiter in [[Bezirk|Distrikte]] und [[Munizipalität]]en unterteilt waren. Zofingen wurde mit den übrigen Munizipalitäten gleichgestellt und verlor sämtliche Vorrechte. Die Stadt war nun Hauptort des Distrikts Zofingen, der östlich der [[Wigger (Fluss)|Wigger]] dem heutigen [[Zofingen (Bezirk)|Bezirk]] entsprach. Das Gebiet westlich der Wigger mit den Munizipalitäten [[Brittnau]], [[Murgenthal]], [[Rothrist]], [[Strengelbach]] und [[Vordemwald]] gehörte aber zum [[Kanton Bern]]. Dies war insofern problematisch, als die Stadt dort grosse Waldgebiete besass. Das Aufspüren und die Bestrafung von illegalen Holzfällern wurden dadurch stark erschwert. Nicht alle mochten sich mit den neuen Verhältnissen anfreunden. Anhänger der alten Ordnung versuchten mehrmals mit [[Petition]]en einen Anschluss an den Kanton Bern zu erreichen, was die Besatzungsmacht jedoch nicht duldete. Als die französischen Truppen sich im Jahr 1802 für einige Monate zurückzogen, hatten die Berntreuen eine Zeitlang die Oberhand und ignorierten die Anweisungen aus Aarau. Die am 19. März 1803 von [[Napoléon Bonaparte]] unterzeichnete [[Mediation (Geschichte)|Mediationsakte]] beendete alle Wiedervereinigungsträume, Zofingen gehörte nun endgültig zum Kanton Aargau. Das Gebiet westlich der Wigger wurde dem Bezirk Zofingen angefügt. Der [[Wiener Kongress]] bestätigte, dass Zofingen Teil des Kantons Aargau bleiben würde. Der Stadtrat suchte nach Möglichkeiten, Zofingen über den Status eines gewöhnlichen Bezirkshauptorts zu heben. Der Vorschlag, die [[Tagsatzung]]en der Eidgenossenschaft hier durchzuführen, war jedoch chancenlos. Nach und nach öffnete sich die Stadt dem [[Liberalismus]] und diente als Versammlungsort liberaler Gesellschaften. So wurde hier 1819 die [[Zofingia]] gegründet, die älteste noch bestehende [[Studentenverbindung]] der Schweiz. Zofingen entwickelte sich zu einer Hochburg der liberalen Kräfte: Bis in die 1960er Jahre blieb die [[Freisinnig-Demokratische Partei|FDP]] die dominierende politische Partei, bis 2005 wurde kein einziger Vertreter einer anderen Partei zum Stadtpräsidenten gewählt. Als Zeichen der Öffnung begann 1819 der Abbruch der mittelalterlichen Befestigungsanlagen, der 1825 abgeschlossen wurde. Zwanzig Jahre später waren die Stadttore verschwunden. Doch erst ab 1850 begann sich die Bebauung über das historische Stadtzentrum auszudehnen; zuerst entlang der Hauptstrassen in der Ebene, dann zunehmend an den östlich gelegenen Hügeln. Die [[Industrie]] siedelte sich hauptsächlich an der Wigger an. Die [[Industrialisierung]] begann sich im Vergleich zu anderen aargauischen Städten relativ spät durchzusetzen. Hauptgrund war die geringe Wasserkraft der Wigger. 1843 gab es in Zofingen erst eine einzige [[Fabrik]]. Dank des zunehmenden Einsatzes von [[Dampfmaschine]]n erlebte die Zofinger Industrie ab 1855 eine Blütezeit, in der zahlreiche neue Unternehmen entstanden, vor allem in der [[Textilindustrie]]. Parallel dazu sank die Bedeutung der [[Landwirtschaft]] und des [[Handwerk]]s. Damit verbunden war zudem der Niedergang der [[Zunft|Zünfte]]; die letzte löste sich 1871 auf. An Stelle der Zünfte trat der 1837 gegründete Handwerker- und Gewerbeverein. Die Fabrikanten und Kaufleute schlossen sich 1855 im Handels- und Industrieverein zusammen, der ersten Vereinigung dieser Art im Kanton Aargau und eine der ersten der Schweiz. Nach der Gründung des schweizerischen Bundesstaates im Jahr 1848 war Zofingen weiterhin bestrebt, den Standortvorteil nahe dem Kreuzungspunkt der wichtigsten Handelswege zu nutzen und eine grössere Rolle zu spielen. Die Stadt bewarb sich als Standort des [[Bundesgericht (Schweiz)|Bundesgerichts]], unterlag aber deutlich gegen [[Lausanne]]. Eine neue Chance für Prestigegewinn bot sich 1851, als ein nationales [[Telegrafie|Telegrafennetz]] geplant wurde. Tatsächlich bekam Zofingen 1852 den Zuschlag als Standort des Telegrafenhauptamts. [[Datei:Zofingen_Bahnhof_1856.jpg|thumb|Der Bahnhof im Jahr 1856]] Ab 1853 plante und baute die [[Schweizerische Centralbahn]] (SCB) ihr Stammnetz. Die Zofinger Stadtbehörden setzten sich aktiv dafür ein, dass die Stadt der Knotenpunkt der Nord-Süd- und der Ost-West-Hauptlinien werden sollte. Für die Verbindung zwischen [[Zürich]] und [[Bern]] schlugen sie eine Streckenführung von [[Olten]] über Zofingen und [[Vordemwald]] nach [[Langenthal]] vor. Doch die SCB entschied sich stattdessen für die direkte Route von [[Olten]] über [[Murgenthal]] entlang der [[Aare]]; statt Zofingen wurde somit Olten der zentrale [[Eisenbahnknoten|Knotenpunkt]]. Die Strecke Aarau – Olten – Zofingen – [[Emmenbrücke]] wurde am 9. Juni 1856 eröffnet. Die Verlängerungen nach [[Basel]] und [[Luzern]] folgten 1858 und 1859. Das Telegrafenhauptamt zog bereits 1857 nach Olten um. Rund zwanzig Jahre nach der Eröffnung der Bahnlinie Basel – Luzern ergab sich für Zofingen doch noch die Möglichkeit, zu einem Bahnknotenpunkt aufzusteigen. Die [[Schweizerische Nationalbahn]] (SNB) plante eine «Volksbahn» vom [[Bodensee]] an den [[Genfersee]], als Konkurrenz zu den «Herrenbahnen» SCB und [[Schweizerische Nordostbahn|NOB]]. Zofingen beteiligte sich mit 17,5&nbsp;Prozent am Aktienkapital und war damit der grösste Aktionär. Der Abschnitt [[Konstanz]]–[[Winterthur]] wurde 1875 eröffnet, der Abschnitt Winterthur–[[Wettingen]]–[[Lenzburg]]–Zofingen am 6. September 1877. Geplant war eine dritte Etappe von Zofingen über Langenthal und [[Utzenstorf]] nach [[Lyss]]. Doch dazu kam es nicht mehr, denn bereits im Februar 1878 ging die SNB in Konkurs. Die Stadt litt jahrzehntelang an den finanziellen Folgen dieses Fiaskos; die letzte Obligation wurde erst im Dezember 1943 abbezahlt. Der Konkurs war auf zwei Faktoren zurückzuführen: Eine rein nach politischen Gesichtspunkten gewählte Linienführung sowie eine Wirtschaftskrise, die bis weit in die 1880er hinein anhielt. Diese traf vor allem die [[Textilindustrie]] hart und zahlreiche traditionsreiche Unternehmen verschwanden. Gegen Ende der 1880er Jahre folgte eine zweite «Gründerzeit». Der Schwerpunkt in der Textilindustrie verschob sich von der Tuchherstellung zur Ausrüstungs- und Bekleidungsindustrie. Zugleich gewannen die chemische und die grafische Industrie immer mehr an Bedeutung. Trotz der tiefgreifenden Krise machte der Ausbau der Infrastruktur grosse Fortschritte. 1876 nahm das städtische [[Gaswerk]] den Betrieb auf, 1888 folgte das Bezirksspital, 1890 die [[Wasser]]versorgung. Der Anschluss ans [[Elektrizität]]snetz erfolgte 1896. === 20. Jahrhundert === [[Datei:Zofingen.jpg|thumb|Luftansicht von Zofingen: Rechts die Altstadt, vorne der Heiternplatz, links das Industriequartier]] Die meisten Zofinger Unternehmen profitierten von den Auswirkungen des [[Erster Weltkrieg|Ersten Weltkrieges]], weil die ausländische Konkurrenz wegfiel. Wegen der hohen [[Inflation]] verarmten jedoch weite Teile der Bevölkerung; bei Kriegsende war ein Fünftel der Stadtbevölkerung auf Lebensmittelnothilfe angewiesen. Nach einer kurzen Rezession nahm die Zahl der in der Industrie Beschäftigten bis 1929 nochmals um über 50 % zu, von 1500 auf 2300. Die Hälfte dieses Wachstums war auf das Unternehmen [[Ringier]] zurückzuführen. Es hatte 1833 als kleine [[Buchdruck]]erei begonnen und stieg in den 1920er Jahren zum grössten Arbeitgeber der Stadt auf, einige Jahrzehnte später zum grössten Medienkonzern der Schweiz. Die Textilindustrie, die etwa die Hälfte aller Industriearbeitsplätze anbot, stagnierte hingegen. 1930 wurde eine katholische Pfarrkirche gebaut, damit hatten die Katholiken nach über 400 Jahren wieder ein eigenes Gotteshaus in Zofingen. Die [[Weltwirtschaftskrise]] hatte auf die Zofinger Industrie vergleichsweise geringe Auswirkungen, da die besonders betroffene [[Maschinenindustrie]] hier kaum vertreten war. Während des [[Zweiter Weltkrieg|Zweiten Weltkriegs]] herrschte akuter Arbeitskräftemangel, weil viele Industriearbeiter Militärdienst leisten mussten. Von September 1943 bis August 1945 bestand in Zofingen ein Krankenlager für bis zu 180 [[Internierung|internierte]] Soldaten aus verschiedenen europäischen Ländern. Nach dem Krieg nahm die Bedeutung der Maschinen- und Apparateindustrie rasch zu. Die 1947 gegründete [[Müller Martini]] AG stieg innerhalb weniger Jahrzehnte zum weltweit grössten Hersteller von Maschinen für die Druckweiterverarbeitung auf. Mitte der 1960er Jahre arbeiteten mehr als zwei Drittel aller Beschäftigten in der Industrie. Da die Baulandreserven weitgehend überbaut waren, wuchs das Siedlungsgebiet mit jenem der Nachbargemeinden [[Oftringen]] und [[Strengelbach]] zusammen. Während der 1960er Jahre versuchte der Kanton, das unaufhaltbar scheinende Wachstum in die richtigen Bahnen zu lenken. Geplant war eine polyzentrische Stadt mit dem Namen [[Aarolfingen]] (Aarau–Olten–Zofingen), die 330'000 Einwohner zählen sollte. Doch die Wirtschaftskrise der 1970er Jahre bereitete diesen Grossstadtträumen ein rasches Ende. Die Bevölkerung Zofingens ging leicht zurück und die Textilindustrie brach regelrecht ein. Zahlreiche Unternehmen wurden liquidiert oder wandelten sich zu reinen Immobiliengesellschaften. Mitte der 1990er Jahre betrug der Anteil der in der Textilindustrie Beschäftigten nur noch fünf Prozent. Die wenigen verbleibenden Unternehmen überlebten, weil sie sich auf hochwertige Nischenprodukte spezialisierten. === 21. Jahrhundert === Das benachbarte [[Mühlethal]] wurde am 1. Januar 2002 eingemeindet. Bereits 1874 war der Anschluss angestrebt worden, doch Zofingen weigerte sich, diese verarmte, fast ausschliesslich landwirtschaftlich geprägte Gemeinde aufzunehmen. Weitere Eingemeindungsgesuche scheiterten 1895, 1897, 1911, 1921 und 1937. Immerhin war die Stadt bereit, jährliche Unterstützungsbeiträge zu zahlen; in den 1960er Jahren beteiligte sie sich am Schulhausneubau. 1970 war es dann aber Mühlethal, das eine Fusion ablehnte, denn dank dem neu eingeführten Finanzausgleich konnten die Steuern spürbar gesenkt werden. Innerhalb der nächsten dreissig Jahre verdoppelte sich die Bevölkerung Mühlethals. Die neu zugezogenen Einwohner waren allerdings eher nach Zofingen orientiert, vor allem in wirtschaftlicher Hinsicht. Als die Fusionsfrage 1998 wieder auf der Tagesordnung stand, gab es nur noch wenig Widerstand. Bei der Volksabstimmung vom 13. Juni 1999 wurde die Fusion in beiden Gemeinden deutlich angenommen, mit 2669:316 Stimmen in Zofingen und 333:67 Stimmen in Mühlethal.<ref>{{Internetquelle |url=http://www.zofingen.ch/pages/index.cfm?dom=1&rub=356 |titel=Was lange währt, wird endlich gut… |hrsg=Stadt Zofingen |zugriff=2010-01-04}}</ref> Im Januar 2008 gaben die Gemeindebehörden von Zofingen und [[Uerkheim]] ihre Absicht bekannt, die Machbarkeit einer Fusion der beiden Gemeinden zu prüfen.<ref>{{Internetquelle |url=http://azonline.servicebase.ch/pages/index.cfm?dom=113&rub=100211482&arub=100211482&orub=100211474&osrub=100211482&Artikel_ID=101747233 |titel=Händedruck für die gemeinsame Zukunft? |hrsg=[[Aargauer Zeitung]] |datum=2008-01-21 |zugriff=2010-01-04}}</ref> Sie befindet sich noch in Abklärung. Bei positiver Beurteilung soll sie gemäss Bundesamt für Statistik auf den 1.&nbsp;Januar 2011 in Kraft treten. == Sehenswürdigkeiten == === Altstadt === [[Datei:Zofingen-Pulverturm.jpg|thumb|upright|Pulverturm]] Die historische Altstadt ist eine der am besten erhaltenen der Schweiz. Sie hat die Form eines unregelmässigen Rechtecks mit einer Länge von 470 Metern und einer maximalen Breite von 225 Metern. Sie wird in Nord-Süd-Richtung von der Hinteren und der Vorderen Hauptgasse durchzogen, mehrere schmale Gassen stellen Querverbindungen her. Zofingen war die grösste der acht Städte, welche die Grafen von Frohburg zur Sicherung ihres Machtbereichs gegründet hatten. Das heutige Erscheinungsbild wurde im 17. und frühen 18. Jahrhundert geprägt, als die Holzhäuser aus dem Mittelalter nach und nach durch Steinbauten im [[Barock]]stil ersetzt wurden. Das zentrale Wahrzeichen ist die Stadtkirche [[Mauritius (Heiliger)|St. Mauritius]], die ehemalige Kirche des [[Chorherren]]stiftes. Bei Renovierungsarbeiten sind die Überreste von mehreren Vorgängerbauten aufgetaucht, die ersten Grundmauern wurden um das Jahr 600 errichtet. Die ältesten Elemente des heutigen dreiteiligen [[Kirchenschiff]]s stammen aus dem 11. Jahrhundert. Die Westseite wie auch die Ostseite mit dem [[Chor (Architektur)|Chor]] und der [[Krypta]] sind im Laufe der Jahrhunderte mehrfach verändert worden. An der Westseite steht der über 60 Meter hohe, im Jahr 1649 errichtete Kirchturm. Am Kirchplatz steht der St. Urbanhof, die Lehensverwaltung des ehemaligen [[Kloster St. Urban|Klosters St. Urban]]; die ältesten Teile stammen aus dem 13. Jahrhundert. Östlich der Stadtkirche befindet sich der nach dem Zofinger Stadthelden [[Niklaus Thut]] benannte Platz, mit dem im Jahr 1894 von der Studentenverbindung [[Zofingia]] gestifteten Niklaus-Thut-Brunnen in der Mitte. An der Südseite des Platzes steht das Rathaus (1795), das bereits 1475 und 1606 völlig neu gebaut worden war. Von den Vorgängerbauten sind der Archivturm (1482) und das angrenzende Weibelhaus (1606) erhalten geblieben. [[Datei:Zofingen-Folterturm.jpg|thumb|left|upright|Folterturm]] Die aus dem frühen 14. Jahrhundert stammenden [[Ringmauer]]n waren im 19. Jahrhundert durch die militärtechnische Entwicklung obsolet geworden und hinderten die Stadt an der Ausdehnung. Deshalb wurden sie zwischen 1819 und 1825 abgerissen und die davor liegenden Gräben eingeebnet. An ihrer Stelle umringt heute eine Gartenanlage die Altstadt. Die [[Stadttor]]e wurden zwischen 1837 und 1846 abgebrochen. An der Hinteren Hauptgasse befindet sich die 1602 erbaute [[Lateinschule]]. In derselben Gasse ist auch das Stadthaus zu finden. Dieses ist zwar erst 1938 anstelle der abgebrochenen Spitalscheune erbaut worden, fügt sich aber dennoch gut in das Stadtbild ein; heute ist hier ein Teil der Stadtverwaltung untergebracht. Ein zweites Stadthaus befindet sich in der Vorderen Hauptgasse. Es entstand im Jahr 1930; das Erdgeschoss mit den [[Arkade]]n war zuvor Teil des alten Spitals gewesen, das sich mindestens seit 1263 an dieser Stelle befunden hatte. Die Türme der Ringmauer sind erhalten geblieben, von zwei Ausnahmen abgesehen. Der Folterturm (oder Streckturm) befindet sich an der Westseite direkt gegenüber dem Bahnhof und diente während Jahrhunderten als [[Gefängnis]]. Der Münzturm an der Nordostseite ist Teil des Münzhofs. In diesem Gebäude waren während der Herrschaft der Habsburger die Zofinger Münzen geprägt worden, die in der ganzen Nordwestschweiz im Umlauf waren, dann jedoch durch die Berner Währung verdrängt wurden. Der Pulverturm (2006 vollständig renoviert) steht an der Südostecke und diente zur Aufbewahrung des [[Schießpulver|Schiesspulvers]]. Der Stiftsturm an der Ostseite war der Standort der [[Propst]]ei, der Verwaltung des Chorherrenstiftes. Abgebrochen hingegen wurden der Hafner- und der Hellmühleturm. === Übriges Stadtgebiet === [[Datei:Zofingen_Gemeindeschule.jpg|thumb|Gemeindeschulhaus (um 1890)]] Östlich an die Altstadt schliesst sich eine parkähnliche Zone mit öffentlichen Bauten an. Sie wird dominiert durch das zwischen 1873 und 1876 im [[Neorenaissance]]-Stil erbaute Gemeindeschulhaus, eines der monumentalsten Schulgebäude der Schweiz des 19. Jahrhunderts. Flankiert wird das Gebäude einerseits durch das Stadtmuseum (1899–1901), andererseits durch das Alte Schützenhaus (1813–1822). Auf der Kuppe des Heiternhügels befindet sich der so genannte Heiternplatz. Dabei handelt es sich um einen 200 Meter langen und 150 Meter breiten rechteckigen Platz, der auf allen Seiten von [[Linden (Botanik)|Linden]] umgeben ist. Er war 1745 eingeebnet worden und diente einst als [[Musterung]]sgelände. Heute ist er ein idealer Standort für Volksfeste und kulturelle Veranstaltungen. Oft wird der Heiternplatz als «schönster Festplatz der Schweiz» bezeichnet. Neben dem Heiternplatz befinden sich der «Hirschpark» und der Obstsortengarten. Der «Hirschpark» ist ein 1897 eröffneter [[Wildpark]] mit einer Fläche von 3,5&nbsp;Hektaren. Neben zahlreichen [[Hirsche|Hirscharten]] können [[Wildschwein]]e und [[Europäischer Mufflon|Europäische Mufflons]] beobachtet werden. Beim Obstsortengarten handelt es sich um ein 9 Hektaren grosses Gelände mit über 700 Hochstamm-[[Obstbaum|Obstbäumen]], auf denen nicht weniger als 190 verschiedene Obstsorten wachsen. Der von der Stiftung [[ProSpecieRara]] betreute Garten spielt eine wichtige Rolle für den Fortbestand alter und wenig bekannter Obstsorten. Am Südwesthang des Heitern befand sich einst ein römischer [[Gutshof]]; besonders gut erhalten geblieben sind dort zwei [[Mosaik]]fussböden, die durch neoklassizistische Schutzgebäude aus dem Jahr 1831 vor dem weiteren Zerfall bewahrt werden. Die Mosaiken zeigen geometrische Muster wie Rauten und Rhomben.<ref name="roemer"/> 1609 entstand im Nordwesten, damals weit ausserhalb der Stadtmauern gelegen, das [[Siechenhaus]]. Hier wurden Personen mit ansteckenden Krankheiten versorgt, das Betreten der Stadt war ihnen nicht erlaubt. Weit im Osten an der Grenze zu [[Bottenwil]] erhebt sich auf einem Hügel die Ruine der [[Burg]] Bottenstein, die im 13. Jahrhundert im Auftrag der gleichnamigen [[Ministeriale]]nfamilie erbaut wurde. Bereits Mitte des 15. Jahrhunderts wurde die Burg verlassen und zerfiel zu einer Ruine, heute sind nur noch die Grundmauern übrig geblieben. == Wappen == Die Blasonierung des Stadtwappens lautet: «Dreimal geteilt von Rot und Weiss.» Das Zofinger Wappen wurde seit 1387 als Siegel an Urkunden verwendet. Mit den vier Querbalken (rot, weiss, rot, weiss) besitzt es eine grosse Ähnlichkeit mit dem [[Österreichisches Wappen|österreichischen Wappen]]. Damit wird an die Habsburger erinnert, die von 1299 bis 1415 über die Stadt herrschten. Die älteste farbige Darstellung des Zofinger Banners ist in der [[Tschachtlanchronik]] des Berner Ratsherren Bendicht Tschachtlan aus dem Jahr 1470 zu finden.<ref>{{Literatur | Autor=Joseph Galliker, Marcel Giger | Titel=Gemeindewappen des Kantons Aargau | Verlag=Lehrmittelverlag des Kantons Aargau | Ort=Buchs | Jahr=2004 | Seiten=327 | ISBN=3-906738-07-8}}</ref> == Bevölkerung == Bevölkerungsentwicklung <small>(ohne [[Mühlethal]])</small>:<ref>[http://www.ag.ch/staag/daten/gemeinden/bez10.pdf Bevölkerungsentwicklung der Gemeinden im Bezirk Zofingen], Statistisches Amt des Kantons Aargau</ref> {| class="wikitable" |- class="hintergrundfarbe5" align="center" | align="left" | '''Jahr''' || 1764 || 1803 || 1850 || 1900 || 1930 || 1950 || 1960 || 1970 || 1980 || 1990 || 2000 |- class="hintergrundfarbe1" align="center" | align="left" | '''Einwohner''' || 1884 || 1678 || 3559 || 4591 || 5563 || 7393 || 8779 || 9292 || 8643 || 8746 || 8647 |} Am {{EWD|CH-AG}} lebten {{EWZ CH|CH-AG|4289}} Menschen in Zofingen, der Ausländeranteil betrug {{FormatZahl|{{Metadaten Ausländeranteil CH-AG|4289}} }} %. Bei der Volkszählung im Jahr 2000 bezeichneten 88,3 % Deutsch als ihre Hauptsprache, 3,6 % Italienisch, 1,5 % Portugiesisch, 1,4 % Serbokroatisch, 0,9 % Französisch, 0,6 % Spanisch, je 0,5 % Englisch und Türkisch.<ref>[http://www.ag.ch/staag/gemeinden/GemPages/4289.html Gemeindeporträt], Statistisches Amt des Kantons Aargau</ref> Der Anteil der ausländischen Bevölkerung liegt knapp unter dem kantonalen Durchschnitt von 19,3 %. Bis 1950 stieg der Anteil langsam, aber kontinuierlich an. Zwischen 1950 und 1970 erfolgte dann eine Verdreifachung, als vor allem viele [[Italien]]er zuzogen. Noch heute bilden die Italiener die grösste Ausländergruppe (rund 4,5 % der Bevölkerung), gefolgt von Portugiesen, Bürgern der ehemaligen jugoslawischen Staaten und Deutschen. 1764 führte Bern erstmals eine [[Volkszählung]] durch; damals war Zofingen die grösste Stadt des Aargaus, 1850 war sie immerhin die zweitgrösste nach [[Aarau]]. Doch trotz eines kontinuierlichen Wachstums (mit Ausnahme der 1970er Jahre) haben seither weitere Gemeinden Zofingen überholt, da sich die Baulandreserven auf das flache, unbewaldete Drittel im Westen beschränken. Nach der Eingemeindung von Mühlethal stieg die Einwohnerzahl auf über 10'000, damit ist Zofingen statistisch gesehen eine [[Stadt]]. [[Datei:Zofingen1.JPG|thumb|Kirche der Vereinigung Apostolischer Christen]] Im 19. Jahrhundert galt Zofingen als reformierte Hochburg, im Jahr 1850 betrug der Anteil der Katholiken lediglich knapp drei Prozent. Dieser Anteil ist nach 1900 aufgrund der Zuwanderung aus der übrigen Schweiz und den Mittelmeerländern kontinuierlich angestiegen und beträgt heute rund ein Drittel. Bei der Volkszählung 2000 (noch ohne Mühlethal) waren 48,8 % reformiert, 31,0 % römisch-katholisch, 3,3 % muslimisch und 1,7 % christlich-orthodox; 1,2 % gehörten anderen Glaubensrichtungen an. Die Homepage der Stadt Zofingen gibt per 31. Januar 2009 55% Protestanten und 35% Katholiken an. Die [[Vereinigung Apostolischer Christen]] hat in Ruhbank an der Ortsgrenze zu Oftringen ihr ersterbautes und grösstes schweizerisches Kirchengebäude. == Politik und Recht == === Legislative === Anstelle einer [[Gemeindeversammlung]] vertritt der von den Zofinger Stimmberechtigten gewählte Einwohnerrat die Anliegen der Bevölkerung. Er besteht aus 40 Mitgliedern und wird im [[Proporz]]wahlverfahren gewählt. Ihm obliegt das Genehmigen des Steuerfusses, des Voranschlages, der Jahresrechnung, des Geschäftsberichts und der Kredite; ausserdem kann er Reglemente erlassen. Die Amtsdauer beträgt vier Jahre. Bei den bisherigen Wahlen erzielten die Parteien folgende Sitzzahlen:<ref>[http://www.zofingen.ch/pages/index.cfm?srv=cms&rub=87&Artikel_ID=289 Sitzverteilung Einwohnerrat Zofingen]</ref> {| class="wikitable" |- bgcolor="#EFEFEF" ! Partei ! 1965 ! 1969 ! 1973 ! 1977 ! 1981 ! 1985 ! 1989 ! 1993 ! 1997 ! 2001 ! 2005 ! 2009 |- | [[Freisinnig-Demokratische Partei|FDP]] || 15 || 13 || 14 || 13 || 13 || 13 || 12 || 12 || 13 || 12 || 11 || 9 |- | [[Sozialdemokratische Partei der Schweiz|SP]] || 13 || 11 || 9 || 9 || 10 || 9 || 7 || 8 || 10 || 12 || 12 || 11 |- | [[Schweizerische Volkspartei|SVP]] || 3 || 3 || 3 || 3 || 4 || 6 || 7 || 5 || 8 || 10 || 8 || 10 |- | Dynamische Mitte <sup>1</sup> || || || || || || || || || 6 || 6 || 6 || 6 |- | [[Christlichdemokratische Volkspartei|CVP]] || 2 || 2 || 2 || 3 || 3 || 3 || 2 || 2 || || || |- | [[Evangelische Volkspartei|EVP]] || 3 || 3 || 5 || 6 || 5 || 4 || 4 || 4 || || || 3 || 3 |- | [[Landesring der Unabhängigen|LdU]] || || || 1 || 2 || 2 || 2 || 2 || 1 || || || || |- | Freunde des ER || 4 || || || || || || || || || || || |- | Freie Bürger || || 3 || || || || || || || || || || |- | Aktives Zofingen || || 5 || 6 || 4 || || || || || || || || |- | Läbigs Zofige || || || || || 3 || 3 || 5 || 4 || 2 || || || |- | [[Autopartei]] || || || || || || || 1 || 3 || || || || |- | Jungliberale || || || || || || || || 1 || 1 || || || |- | farbtupfer || || || || || || || || || || || ||1 |} <sup>1</sup> [[Christlichdemokratische Volkspartei|CVP]], [[Landesring der Unabhängigen|LdU]], [[Grünliberale Partei|GLP]] (ab 2009) und Parteilose, bis 2005 auch [[Evangelische Volkspartei|EVP]] Auch auf Gemeindeebene finden sich verschiedene Elemente der direkten Demokratie. So stehen der Bevölkerung fakultative und obligatorische [[Referendum|Referenden]] sowie das [[Initiativrecht]] zu. === Exekutive === Ausführende Behörde ist der [[Stadtrat]]. Seine Amtsdauer beträgt vier Jahre und er wird im Majorzverfahren ([[Mehrheitswahlverfahren]]) vom Volk gewählt. Er führt und repräsentiert die Gemeinde. Dazu vollzieht er die Beschlüsse des Einwohnerrates und die Aufgaben, die ihm von Kanton und Bund zugeteilt wurden. Als Vorsteher der Exekutive übt der [[Gemeindepräsident|Stadtammann]] seine Tätigkeiten im Vollamt aus, die übrigen Stadträte im Nebenamt. Die sieben Stadträte der Amtsperiode 2010–2013 sind: * Hans-Ruedi Hottiger (parteilos), [[Gemeindepräsident|Stadtammann]] * Annegret Dubach-Lemberg ([[Sozialdemokratische Partei der Schweiz|SP]]), Vizeammann * Christiane Guyer ([[Grüne Partei der Schweiz|Grüne]]) * Katharina Hagmann ([[Christlichdemokratische Volkspartei|CVP]]) * Rolf Moor ([[Freisinnig-Demokratische Partei|FDP]]) * Therese Müller-Widmer ([[Schweizerische Volkspartei|SVP]]) * Hans-Martin Plüss (SP) === Judikative === Für Rechtsstreitigkeiten ist das Bezirksgericht Zofingen zuständig. Die Stadt Zofingen bildet einen [[Friedensgericht|Friedensrichterkreis]]. == Wirtschaft == [[Datei:Zofingen-Ringier.jpg|thumb|Hauptsitz des Ringier-Konzerns]] In Zofingen gibt es rund 9000 Arbeitsplätze, davon 1 % in der Landwirtschaft, 54 % in der Industrie und 45 % im Dienstleistungsbereich.<ref>[http://www.ag.ch/staag/daten/BZ2005/index.html Betriebszählung 2005], Statistisches Amt des Kantons Aargau</ref> Fast ein Drittel der Arbeitsplätze des Bezirks sind im Hauptort konzentriert. Zofingen ist damit nicht nur das wirtschaftliche Zentrum des südwestlichen Aargaus, auch zahlreiche Gemeinden im Nordwesten des [[Kanton Luzern|Kantons Luzern]] zählen zum Einzugsgebiet. Mehrere international tätige Konzerne haben ihren Hauptsitz in Zofingen. Am bekanntesten ist das Verlagshaus [[Ringier]], der grösste Printmedienkonzern der Schweiz (u.&nbsp;a. [[Blick (Zeitung)|Blick]], [[Schweizer Illustrierte]], [[Tele (Schweizer Zeitschrift)|Tele]], [[Glückspost]], zahlreiche Beteiligungen in Osteuropa und Asien). Die [[Müller Martini]] AG ist der weltweit grösste Hersteller von Systemen für die Druckweiterverarbeitung, sie entwickelt und produziert Anlagen und Systeme für die grafische Industrie weltweit. Die [[Siegfried Holding]] ist ein bedeutender Fabrikationsbetrieb für pharmazeutische Wirkstoffe. Die Modehandelskette [[Tally Weijl]] hatte von 1996 bis 2006 ihren Hauptsitz in Zofingen. 2008 verlegte die [[PostFinance]] der Schweizerischen Post eines ihrer beiden Rechenzentren nach Zofingen.<ref>{{Internetquelle |url=http://www.post.ch/post-startseite/post-konzern/post-medien/post-medienmitteilungen?year=2005&checksum=FF27C05A8E71B67649B469505A55EF5F&viewId=3828&newsId=19974 |titel=PostFinance schafft 150 Vollzeitstellen in Zofingen |hrsg=[[Die Schweizerische Post]] |datum=2005-10-13 |zugriff=2010-01-04}}</ref> Neben diesen Konzernen gibt es noch rund 700 kleine und mittlere Unternehmen, wobei die auf hochwertige Nischenprodukte spezialisierte [[Textilindustrie]] einen überdurchschnittlich hohen Anteil aufweist. Diese Unternehmen sind im Gewerbeverein Zofingen und im Handels- und Industrieverein Zofingen zusammengeschlossen. Trotz sinkender Erträge besitzt die [[Forstwirtschaft]] noch immer eine gewisse Bedeutung. Die [[Bürgergemeinde|Ortsbürgergemeinde]] Zofingen besitzt eine Waldfläche von über 14,5&nbsp;km², die sich auf acht Gemeinden in den Kantonen Aargau und Luzern verteilt; sie ist damit nach dem Kanton die zweitgrösste Waldeigentümerin im Aargau. Von nationalem Interesse ist der [[Bio Marché]], die bedeutendste Schweizer Bio-Messe, die seit dem Jahr 2000 im Frühsommer in Zofingen stattfindet und jedes Jahr rund 30'000 Besucher aus der Schweiz und dem angrenzenden Ausland anzieht.<ref>[http://www.biomarche.ch Bio Marché - die grösste Schweizer Bio-Messe]</ref> == Verkehr == [[Datei:Zofingen-Bahnhof.jpg|thumb|SBB-Bahnhof]] Zofingen ist verkehrstechnisch ausgezeichnet erschlossen. Zwei Kilometer nordwestlich der Stadt liegt das Autobahndreieck Wiggertal, wo die [[A2 (Schweiz)|A2]] auf die [[A1 (Schweiz)|A1]] trifft; die zwei wichtigsten [[Autobahn]]en der Schweiz. Die Autobahnausfahrt befindet sich in unmittelbarer Nähe auf dem Gebiet der Nachbargemeinde [[Oftringen]]. Wichtige Hauptstrassen führen über [[Aarburg]] nach [[Olten]], über [[Langenthal]] und [[Burgdorf BE|Burgdorf]] nach [[Bern]] und nach [[Luzern]]. Der [[Schweizerische Bundesbahnen AG|SBB]]-Bahnhof befindet sich an der Haupttransitachse [[Basel]]–[[Luzern]]–[[Sankt Gotthard (Pass)|Gotthard]]–[[Mailand]], stündlich halten mehrere Schnell- und Regionalzüge. Seit der Eröffnung der [[Neubaustrecke Mattstetten–Rothrist]] am 12. Dezember 2004 gibt es direkte Schnellzüge nach Bern, ohne Umweg über [[Olten]]. Eine weitere Bahnlinie führt von Zofingen über [[Suhr AG|Suhr]] nach [[Lenzburg]]. Vom Bahnhof aus verkehren Buslinien nach [[Aarburg]], [[Brittnau]], [[Murgenthal]], [[Richenthal]], [[St. Urban LU|St. Urban]], [[Schöftland]] und [[Vordemwald]]. Der Betrieb dieser Linien wurde im Jahr 2003 neu ausgeschrieben und an [[SBB-Bus Zofingen/Reiden|SZR]], einer Tochtergesellschaft von SBB und [[BDWM Transport]], vergeben. Die Übergabe hätte im Dezember 2004 erfolgen sollen, doch die bisherige Konzessionsinhaberin [[Postauto]] konnte dies mit juristischen Schritten um zwei Jahre hinauszögern. == Kultur == Die Anfänge der Stadtbibliothek reichen bis ins Jahr 1693 zurück. Mit über 100'000 Werken ist sie heute die zweitgrösste [[Bibliothek]] des Aargaus, nach der [[Aargauer Kantonsbibliothek|Kantonsbibliothek]] in [[Aarau]]. Seit 1974 ist sie in der ehemaligen Lateinschule untergebracht. Das im Jahr 1901 eröffnete Stadtmuseum geht auf Schenkungen des Textilindustriellen Gustav Straehl und des Apothekers Hermann Fischer-Siegwart zurück; diese stellten 150'000&nbsp;Franken (nach heutigem Wert ungefähr 6&nbsp;Millionen) für den Bau eines [[Museum]]s sowie ihre Privatsammlungen zur Verfügung. Durch weitere Schenkungen konnte das Museum sukzessive erweitert werden. Heute umfasst es zwei Abteilungen: Die Historische Abteilung befasst sich mit der Stadtgeschichte Zofingens sowie mit der Entwicklung der Druckindustrie und der Geschichte der [[Zofingia]]. In der Naturhistorischen Abteilung befindet sich eine umfangreiche [[Naturalien]]sammlung.<ref>[http://www.zofingen.ch/pages/index.cfm?dom=1&rub=286 Stadtmuseum Zofingen]</ref> Das Alte Schützenhaus beherbergt die städtische Kunstsammlung sowie private Sammlungen. Es ist vor allem auf [[bildende Kunst]] und moderne Malerei spezialisiert, wobei bevorzugt Werke von Künstlern aus der Region gezeigt werden.<ref>[http://www.kunsthauszofingen.ch Kunst im alten Schützenhaus]</ref> Jedes Jahr findet im August in der Altstadt ein Kunstmarkt statt, an dem Künstler aus der ganzen Schweiz ihre Werke ausstellen und verkaufen. [[Datei:Heiternplatz.JPG|thumb|Der Heiternplatz im Oktober 2005]] Im Stadtsaal finden regelmässig Theateraufführungen und klassische Konzerte statt, in der «Kleinen Bühne» zusätzlich auch literarische Vorlesungen. Der Kulturverein «OX. Kultur im Ochsen» organisiert im Saal der «Genossenschaft Ochsen» Konzerte verschiedenster Stilrichtungen und fördert die regionale Rock und Rapszene.<ref>[http://www.oxx.ch/ OX. Kultur im Ochsen]</ref> 1991 fand auf dem Heiternplatz erstmals das [[Heitere Open Air]] mit bekannten Pop- und Rockbands aus dem In- und Ausland statt, das sich zu einem Grossanlass mit 35’000 Besuchern entwickelt hat. In unregelmässigen Abständen wird auch ein «Classic Open Air» durchgeführt: Zahlreiche Opernstars wie [[Plácido Domingo]] und [[Montserrat Caballé]] sind schon in Zofingen aufgetreten.<ref>[http://www.heitere.ch Heitere Open Air]</ref> Der «Kulturverein Hirzenberg» veranstaltet seit 2003 im Hirzenberg regelmässig klassische Konzerte mit international renommierten Künstlern. So traten im Rahmen des «Hirzenberg-Festivals» beispielsweise das [[Casal-Quartett]], das Tecchler Trio, [[Thomas Demenga]] und Alex Porter auf.<ref>[http://www.hirzenberg.ch Kulturverein Hirzenberg]</ref> Jährlich am Abend des 4. Dezember findet der Klauseinzug statt. Mehrere [[Nikolaus von Myra|Samichläuse]] ziehen von der Sälistrasse in die Altstadt ein. Begleitet werden sie von ihren [[Schmutzli]], einer [[Trycheln|Trychler-Gruppe]] und [[Chlauschlöpfen|Geisslechlepfern]] aus [[Winikon LU|Winikon]] sowie Zofinger Schulkindern mit Laternen. Auf dem Kirchplatz findet anschliessend die Bescherung der Kinder statt: Nach aufgesagtem Samichlaus-Sprüchlein erhalten diese Nüsse und Mandarinen. ; Zofinger Kinderfest [[Datei:DSC03294.JPG|thumb|Das Zofinger [[Kadettenverband Schweiz#Kulturelle Bedeutung|Kadettencorps]] mit der erbeuteten Freischarenfahne (rechts), im Hintergrund die brennende Freischarenburg]] Den Höhepunkt im Festkalender bildet das Zofinger Kinderfest, jeweils am ersten Freitag im Juli.<ref>[http://www.zofingen.ch/pages/index.cfm?dom=1&rub=333 Zofinger Kinderfest]</ref> Es beginnt mit dem vorabendlichen Zapfenstreich-Konzert mit anschliessendem Festbetrieb in der Altstadt. Das eigentliche Fest am Freitag beginnt – nach der Tagwache durch Kanonenschüsse und einem kurzen Konzert der Stadtmusik – mit einem Umzug der Schuljugend durch die Stadt, unterbrochen durch eine Feier in der Stadtkirche. Am Nachmittag folgt auf dem nahe gelegenen Heitern das Kadettenmanöver mit anschliessenden Vorführungen der Schulen. Nach einem Bankett findet das Fest mit einem Fackelumzug hinunter in die Stadt seinen Abschluss. Nicht fehlen dürfen an diesem Tag die traditionellen Wurstweggen, Kinderfestkuchen und zum Bankett der Weisswein aus dem Zofinger Rathauskeller sowie der von der Stadtmusik gespielte [[Gruß an Kiel|Zofinger Marsch]]. Das Zofinger [[Kadettenverband Schweiz#Kulturelle Bedeutung der Kadetten|Kadettencorps]] wurde anfangs des 19. Jahrhunderts gegründet und ist neben jenem von [[Lenzburg]] eines der letzten in seiner Urform noch existierenden in der Schweiz. Früher war das Kadettenwesen eine ganzjährige Einrichtung und obligatorisch für Knaben, wurde jedoch über die Jahre auf die kulturellen Komponenten im Rahmen des Kinderfestes reduziert. Die Schüler können sich heute für das Kadettenwesen oder andere Wahlprogramme (z.&nbsp;B. Fahnen malen und sportliche Vorführungen) entscheiden. Auch Mädchen sind seit dem Jahr 2000 bei den Kadetten willkommen. Im Jahr 2002 wurde der erste weibliche Kadettenhauptmann erkoren. Die Kinderfestwoche erfährt ihren inoffiziellen Auftakt inzwischen schon seit Jahren am vorhergehenden Montag durch den weitherum beliebten Anlass «New Orleans meets Zofingen» mit diversen Konzerten aus den Bereichen [[Jazz]] und [[Blues]] in der Altstadt.<ref>[http://www.new-orleans-meets.ch/ New Orleans meets Zofingen]</ref> == Bildung == Zofingen ist das Bildungszentrum des südwestlichen Aargaus. In den städtischen Schulen werden alle Schultypen unterrichtet, so dass es den Jugendlichen möglich ist, hier ihre gesamte Ausbildung bis zur Erlangung der Hochschulreife zu absolvieren. Über das ganze Stadtgebiet verteilt sind sieben [[Kindergarten|Kindergärten]]. Die [[Primarschule]], die [[Realschule]] und die [[Sekundarschule]] werden im 1877 erbauten zentralen Gemeindeschulhaus unterrichtet; das Dorf Mühlethal besitzt ein eigenes Primarschulhaus. Die [[Bezirksschule]] ist in einem 1958 eröffneten Neubau neben der Gemeindeschule untergebracht. Einen markanten Ausbau des Bildungswesens erfuhr die Stadt im Jahr 1977 mit der Eröffnung des Bildungszentrums Zofingen (BZZ). Dort sind die [[Kantonsschule]], die Berufsschule, die kaufmännische Handelsschule, die Heilpädagogische Sonderschule, die Erwachsenenbildung und die Berufsberatung untergebracht; die Pädagogische Fachhochschule (Institut für die Primarstufe) wird mittelfristig aus Zofingen wegziehen. == Sport und Freizeit == Auf der [[Leichtathletik]]-Anlage «Trinermatten» fanden schon zahlreiche nationale und internationale Wettkämpfe statt, darunter mehrmals Schweizermeisterschaften. Sehr beliebt sind auch das [[Schwimmbad]] sowie die [[Kletterwand]] in der Mehrzweckhalle. Mannschaftssportarten sind in Zofingen eher untervertreten. Bekannte Ausnahmen bilden der [[TV Zofingen]], der in der dritthöchsten [[Handball]]-Liga spielt, sowie der [[SC Zofingen]] in der [[1. Liga (Schweiz)|1. Liga]] der [[Fußball|Fussball]]-Meisterschaft.<ref>[http://tvzofingen.ch/ TV Zofingen]</ref><ref>[http://www.sczofingen.ch/ SC Zofingen]</ref> Zofingen ist seit 1989 Austragungsort des [[Powerman Zofingen]], der jährlich im September stattfindenden offiziellen [[Duathlon]]-Weltmeisterschaft über die Langdistanz.<ref>[http://www.powerman.ch Powerman Zofingen]</ref> Für Jugendliche stehen die Freizeitanlage Spittelhof und der Jugendtreff «Planet Z» zur Verfügung. Das Nachtleben ist eher nach [[Olten]] und [[Aarau]] orientiert. == Persönlichkeiten == <small>Die nachfolgenden Personen wurden in Zofingen geboren oder stehen in Verbindung mit der Stadt (Liste nach Geburtsjahr geordnet).</small> * [[Niklaus Thut]] († 1386), legendärer Stadtheld * [[Johann Rudolf Rudolf]] (1646-1718), Theologe * [[Johann Georg Altmann]] (1697–1758), Theologe * [[Samuel Ringier]] (1767-1826), entwarf das Aargauer Kantonswappen * [[Samuel Friedrich Siegfried]] (1809−1882), Regierungs-, National- und Ständerat * [[Hermann Siegfried]] (1819–1879), Topograph und Kartograph * [[Arnold Ringier]] (1845-1923), Regierungsrat * [[Hans Lehmann (Kunsthistoriker)|Hans Lehmann]] (1861–1946), Kunsthistoriker * [[Werner Sutermeister]] (1868–1939), Schüttelreimer * [[Gottfried Keller (FDP)|Gottfried Keller]] (1873–1945), Ständerat * [[Emil Keller]] (1878–1965), National- und Regierungsrat * [[Walther Geiser]] (1897–1993), Komponist und Musikpädagoge * [[Erich von Däniken]] (* 1935), Schriftsteller * [[Ernst Halter]] (* 1938), Schriftsteller und Publizist * [[Hansjörg Schneider (Dramatiker)|Hansjörg Schneider]] (* 1938), Dramatiker und Schriftsteller * [[Johannes Siegrist]] (* 1943), Medizinsoziologe * [[Josef Imbach]] (* 1945), Theologe und Franziskaner * [[Michael Ringier]] (* 1949), Verleger * [[Walter Siegfried]] (* 1949), Performer * [[Therese Frösch]] (* 1951), Nationalrätin * [[Roger Lille]] (* 1956), Schriftsteller * [[Dieter Ammann]] (* 1962), Musiker und Komponist * [[Andreas Urs Sommer]] (* 1972), Philosoph == Abgeleitete Namen == * ''Zofi'' ist der Dackel des Reporters Ringgi in der Kinderbuchserie [[Ringgi und Zofi]]. * ''Zofingia'' ist der Kurzname des [[Schweizerischer Zofingerverein|Schweizerischen Zofingervereins]]. == Literatur == * {{Literatur | Autor=August Bickel | Titel=Zofingen von der Urzeit bis ins Mittelalter | Verlag=Verlag Sauerländer | Ort=Aarau | Jahr=1992 | ISBN=3-906419-09-6 | Kommentar=Geschichte des Raumes Zofingen von den ersten Siedlungsspuren bis zur Stadtgründung}} * {{Literatur | Autor=Christian Hesse | Titel=St. Mauritius in Zofingen | Verlag=Verlag Sauerländer | Ort=Aarau | Jahr=1993 | ISBN=3-7941-3602-0 | Kommentar=Verfassungs- und sozialgeschichtliche Aspekte eines mittelalterlichen Chorherrenstiftes}} * {{Literatur | Autor=Edith Hunziker, Bruno Meier, Annemarie Roth, Dominik Sauerländer | Titel=Zofingen vom Mittelalter bis 1798 – Eine selbstbewusste Landstadt unter Habsburg und Bern | Verlag=hier+jetzt | Ort=Baden | Jahr=2004 | ISBN=3-906419-83-5 | Kommentar=detaillierte Stadtgeschichte von der Stadtgründung bis zum Ende der Berner Herrschaft, mit zahlreichen Abbildungen}} * {{Literatur | Autor=Christian Lüthi, Manuela Ros, Annemarie Roth, Andreas Steigmeier | Titel=Zofingen im 19. und 20. Jahrhundert – Eine Kleinstadt sucht ihre Rolle | Verlag=hier+jetzt | Ort=Baden | Jahr=1999 | ISBN=3-906419-02-9 | Kommentar=detaillierte Stadtgeschichte Zofingens als Aargauer Bezirkshauptort, mit zahlreichen Abbildungen, Plänen und Statistiken}} * {{Literatur | Autor=Kurt Blum, Peter Fehlmann, Rudolf Hunziker | Titel=Zofingen – Eine Stadt zeigt ihr Gesicht | Verlag=Verlag Zofinger Tagblatt | Ort=Zofingen | Jahr=2000 | ISBN=3-909262-05-8 | Kommentar=Bildband mit Fotos aus Zofingen und Umgebung}} * {{Literatur | Autor=Franz Oswald, Peter Baccini | Titel=Netzstadt – Einführung in das Stadtentwerfen | Verlag=Birkhäuser Verlag | Ort=Basel | Jahr=2003 | ISBN=3-7643-6962-0 | Kommentar=Städtebautheorie, Erläuterung der [[Netzstadt]] am Beispiel der «Stadt an der Wigger», bestehend aus Aarburg, Oftringen, Rothrist, Strengelbach und Zofingen}} == Weblinks == {{Commonscat|Zofingen|Zofingen}} * [http://www.zofingen.ch Offizielle Website der Stadt Zofingen] * [http://www.zofingenregio.ch Zofingen Regio] == Einzelnachweise == <references /> {{Navigationsleiste Bezirk Zofingen Aargau}} {{Exzellent}} [[Kategorie:Zofingen| ]] [[Kategorie:Ort im Kanton Aargau]] [[Kategorie:Schweizer Gemeinde]] [[als:Zofingen]] [[ca:Zofinguen]] [[da:Zofingen]] [[en:Zofingen]] [[eo:Zofingo]] [[es:Zofingen]] [[fr:Zofingue]] [[id:Zofingen]] [[it:Zofingen]] [[nl:Zofingen (gemeente)]] [[pl:Zofingen]] [[pt:Zofingen]] [[rm:Zofingen]] [[ru:Цофинген]] [[simple:Zofingen]] [[sk:Zofingen]] [[sr:Цофинген]] [[sv:Zofingen (kommun)]] [[vi:Zofingen]] [[vo:Zofingen]] [[zh:祖芬根]] [[zh-min-nan:Zofingen]] cj7mvgjcuwgd09qvxtqvjp05hgm0yjq wikitext text/x-wiki Zöliakie 0 24556 27161 2010-05-10T18:40:39Z Bunia 0 /* Pathophysiologie */ {{Vorlage:Infobox ICD | BREITE = | 01-CODE = K90.0 | 01-BEZEICHNUNG = Zöliakie }} Die '''Zöliakie''' (Synonyme: '''glutensensitive''' oder '''gluteninduzierte Enteropathie''', '''intestinaler Infantilismus'''; bei Erwachsenen auch '''nichttropische''' oder '''einheimische Sprue''', '''Glutenunverträglichkeit''', '''Heubner-Herter-Krankheit''') ist eine [[chronisch]]e Erkrankung der [[Dünndarm]]schleimhaut auf Grund einer Überempfindlichkeit gegen Bestandteile von [[Gluten]], das in vielen [[Getreide]]sorten vorkommende ''Klebereiweiß''. Die Unverträglichkeit bleibt lebenslang bestehen, sie ist zum Teil [[gen]]etisch determiniert und kann derzeit nicht ursächlich behandelt werden. Durch glutenhaltige Nahrungsmittel entsteht eine [[Entzündung]] der Dünn[[darmschleimhaut]] mit oft ausgedehnter Zerstörung der Darm[[epithel]]zellen. Dadurch können [[Nährstoffe]] nur schlecht aufgenommen werden und verbleiben unverdaut im Darm. [[Symptom]]e sind dementsprechend [[Gewichtsverlust]], [[Durchfall]], [[Erbrechen]], [[Appetitlosigkeit]], Müdigkeit, Misslaunigkeit und im Kindesalter nicht zuletzt eine Gedeihstörung. Die Schwere des Krankheitsbildes kann sehr unterschiedlich sein, was das Erkennen erschwert. Eine nicht therapierte Zöliakie erhöht die Gefahr des [[Non-Hodgkin-Lymphom]]s (ein aggressiver [[Lymphknoten]]-[[Krebs (Medizin)|Krebs]]) sowie wahrscheinlich auch für [[Karzinom]]e des Verdauungstrakts wie [[Darmkrebs]]. Zöliakie ist bei fünf bis zehn Prozent der Patienten mit einem [[Diabetes mellitus|Diabetes mellitus Typ 1]] vergesellschaftet. Die Behandlung der Zöliakie besteht derzeit ausschließlich in einer glutenfreien [[Diät]]. == Allergene == Bei den Allergenen handelt es sich um bestimmte Bestandteile von [[Gluten]]. Je nach Getreideart haben diese Allergene eine unterschiedliche Zusammensetzung aufgrund der [[Evolution]] der Getreidearten.<ref>{{Literatur | Autor = Jacqueline Coutts, Richard Fielder | Titel = Management of Food Allergens | Jahr = | Verlag = Wiley-Blackwell | Ort = | ISBN = 1-4051-6758-0 | Seiten = 157ff }}</ref> *'''Weizen''': &alpha;-/&beta;/&omega;-[[Gliadin]] (Zöliakie), C-C-Allergen ([[Bäckerasthma]]), CBP2 *'''Gerste''': Amylase-Inhibitoren IAM1 und CMb (beide Bäckerasthma) *'''Hafer''': [[Avenin]] A, E und F (Zöliakie) *'''Roggen''': [[Secalin]]? (Zöliakie) == Epidemiologie == Die Häufigkeit der Erkrankung schwankt in verschiedenen Ländern teilweise erheblich. Außerdem unterscheiden sich die Häufigkeitsangaben danach, ob die Diagnose erst aufgrund von klinischen Symptomen oder schon aufgrund eines Suchtests im Serum gestellt wird. Unter alleiniger Berücksichtigung der symptomatischen Fälle reicht die Häufigkeit ([[Prävalenz]]) von 1:10.000 in Dänemark und den USA bis zu 1:300 in Schweden und Großbritannien. Weltweit wird eine durchschnittliche Häufigkeit von etwa 1:3350 angegeben. Zieht man auch die durch [[Screening]]untersuchungen diagnostizierten Fälle hinzu, erhöht sich die Prävalenz auf 1:500 in Deutschland und Dänemark und etwa 1:110 in den USA und Großbritannien, im weltweiten Durchschnitt ungefähr 1:270.<ref name="keller"> R. Keller: ''Klinische Symptomatik „Zöliakie, ein Eisberg“''. In: ''Monatsschrift Kinderheilkunde.'' Heidelberg 151.2003, 706-714. {{ISSN|0026-9298}}</ref> Steigende Erkrankungszahlen in Schweden bei gleichzeitig konstant bleibender Häufigkeit im genetisch verwandten Norddänemark werden auf eine in Schweden übliche frühe Zufütterung von getreidehaltiger [[Beikost]] zurückgeführt.<ref name="keller" /> Allzufrühes Zufüttern scheint das Risiko für eine Zöliakie zu erhöhen.<ref name="zimmer"> K. P. Zimmer: ''Pathophysiologie der Zöliakie.'' In: ''Monatsschrift Kinderheilkunde.'' Heidelberg 151.2003, 698-705. {{ISSN|0026-9298}}</ref> Bei Menschen mit einem [[Down-Syndrom]] (Trisomie 21) wird das Auftreten einer Zöliakie zudem etwas häufiger als bei Menschen ohne diese [[Chromosom|chromosomale]] Besonderheit beobachtet. Die Zöliakie hat zwei Manifestationsgipfel: einen im Säuglingsalter, einen im vierten Lebensjahrzehnt. Frauen sind häufiger betroffen als Männer. == Ursachen == [[Datei:Wheat close-up.JPG|thumb|[[Weizen]], ein wichtiger Lieferant des Klebereiweißes. Weiter ist es in [[Roggen]], [[Gerste]], [[Hafer]], [[Dinkel]] und [[Grünkern]] nachgewiesen.]] Eine familiäre Häufung bei Verwandten ersten Grades und insbesondere [[Zwilling#Formen der Zwillingsbildung|eineiigen Zwillingen]] legt einen [[Vererbung (Biologie)|erblichen]] Faktor bei der Entstehung einer Zöliakie nahe. Tatsächlich findet sich bei mehr als 95&nbsp;Prozent der betroffenen Menschen auch eine bestimmte Konstellation von sogenannten [[Human Leukocyte Antigen|Histokompatibilitätsantigenen]] (HLA), nämlich HLA DQ2 und DQ8. Allerdings besitzen insgesamt 25&nbsp;Prozent aller Menschen diese HLA−Konstellation, wobei etwa 98&nbsp;Prozent von ihnen das Klebereiweiß ohne Probleme vertragen, sie entwickeln eine Toleranz gegen die schädigenden Anteile, die von den übrigen zwei Prozent offenbar nicht erreicht wird. Warum das so ist, kann noch nicht mit letzter Sicherheit beantwortet werden. Die Forschungen richten sich auf weitere [[Genetik|genetische]] Merkmale, aber auch auf [[Infektion]]en als mögliche mitauslösende Faktoren.<ref name="zimmer" /> == Pathophysiologie == [[Datei:Coeliac Disease de.jpg|thumb|400px|Schematische Darstellung der Veränderungen an der Darmschleimhaut entsprechend der Marsh-Klassifikation]] Inzwischen ist eine Reihe von schädigenden Abschnitten des Klebereiweißes genau identifiziert worden. Sie gehören alle der alkohollöslichen Fraktion an (sogenannte Prolamine), werden [[Gliadin]] genannt und enthalten als [[Aminosäure]]n besonders viel [[Prolin]] und [[Glutamin]]. Bei entsprechend veranlagten Menschen führen diese Eiweißabschnitte ([[Peptid]]e, Ketten aus 50–100 Aminosäuren) zu einer komplexen Reaktion der [[Darmschleimhaut]] und des [[Immunsystem]]s. Schleimhautzellen des Dünndarmes ([[Enterozyt]]en) produzieren vermehrt verschiedene HLA-Klassen (HLA I, DR und DQ). Bestimmte Abschnitte des Klebereiweißes (Gliadinpeptide) binden an den vermehrt gebildeten HLA-DQ2-Antigenen. Diese Bindung wird dadurch verstärkt, dass aus der zahlreich im Peptid vorhandenen Aminosäure Glutamin [[Glutaminsäure]] gebildet wird. Diese Glutaminsäurebildung wird durch das [[Enzym]] Gewebstransglutaminase vermittelt. Mit dieser Veränderung passt der entsprechende Abschnitt des Gliadin besser in die „Taschen“ der HLA-Proteine. Der Komplex aus Gliadinpeptid und HLA-DQ2-Antigen bindet wiederum an spezielle [[Lymphozyt]]en (CD4+-[[T-Lymphozyt|T-Helferzellen]]) und ruft in diesen eine vermehrte Produktion von verschiedenen entzündungsauslösenden Botenstoffen ([[Interferon#Gamma-Interferon|Interferon-γ]], [[Tumornekrosefaktor|TNF-α]], [[Interleukin#Interleukin-6|Interleukin-6]] und [[Interleukin#Interleukin-2|Interleukin-2]]) hervor. Im weiteren Prozess der Entzündung werden verschiedene [[Antikörper]] gebildet, von denen noch nicht bekannt ist, ob sie ursächlich an der Entstehung der Zöliakie oder anderen, mit Zöliakie assoziierten [[Autoimmunerkrankung]]en beteiligt sind. Neben Antikörpern gegen das Klebereiweiß selbst (Gliadin-Antikörper, AGA) treten auch sogenannte [[Autoantikörper]] gegen körpereigene Antigene auf. 1997 wurde die Gewebstransglutaminase als hauptsächlich verantwortliches Autoantigen identifiziert. Aufgrund dieser Befunde wird die Zöliakie aus pathophysiologischer Sicht als eine Mischform aus [[Allergie]] und Autoimmunerkrankung verstanden. Dabei stellt die allergische Komponente in Form der Überempfindlichkeit gegen das körperfremde Eiweiß Gliadin den auslösenden Faktor dar, während für die Ausprägung der Symptome die autoimmunologische Reaktion gegen körpereigene Strukturen verantwortlich ist. Letztlich endet der Entzündungsvorgang in einem programmierten Zelltod ([[Apoptose]]) der Enterozyten, der schließlich zu einem mehr oder weniger ausgeprägten Verlust von Dünn[[darmzotte]]n (Zotten[[atrophie]]) führt.<ref name="zimmer" /> Die so geschädigte Dünndarmschleimhaut ist nun nicht mehr in der Lage, die zugeführte Nahrung in ausreichendem Umfang in die Blutbahn zu überführen, weil die Resorptionsfläche verkleinert ist. == Symptome == [[Datei:Celiac 3.jpg|thumb|Bild einer Darmspiegelung bei einem Patienten mit Zöliakie]] Die klassischen Symptome einer Zöliakie sind durch die [[Verdauung]]sstörung bedingte chronische Durchfälle, zum Teil mit großvolumigen, übelriechenden, und durch die gestörte [[Fettverdauung]] auch glänzenden, klebrigen Stühlen ([[Steatorrhoe]]). Betroffene Kinder haben keinen Appetit, [[erbrechen]] oft und nehmen nicht oder nicht ausreichend an Gewicht zu. Später kann auch das Längenwachstum beeinträchtigt sein, der Kinderarzt spricht von einer ''Gedeihstörung''. Die Kinder sind missmutig und fallen durch dünne Arme und Beine und besonders durch einen vorgewölbten geblähten Bauch auf. Seitdem die Untersuchung von zöliakiespezifischen Antikörpern im Blut in die [[Diagnostik]] eingeführt wurde, hat sich die Erkennung des Krankheitsbildes grundsätzlich gewandelt. Menschen, bei denen die Zöliakie beispielsweise im Rahmen von Familienuntersuchungen gefunden wurde und die eine fast vollständige Zottenatrophie aufweisen, können nur schwache und teilweise auch unspezifische Symptome zeigen. Die Tatsache, dass nur ein Teil von ihnen die typischen Symptome zeigt, ist unter dem Begriff „Eisbergphänomen“ in die Literatur eingegangen.<ref name="keller" /> Bei ihnen treten Bauchschmerzen, paradoxerweise sogar [[Obstipation|Verstopfung]], Wachstumsverzögerungen und verzögerte [[Pubertät]] bei Kindern, Verringerung des Kalkgehaltes der Knochen ([[Osteopenie]]) durch verminderte [[Calcium]]aufnahme, Eisenmangel[[anämie]] durch verminderte Eisenresorption, [[Gelenkentzündung]]en, Atemwegsinfekte, Defekte des [[Zahnschmelz]]es und psychische Auffälligkeiten (Konzentrationsstörungen, Depression) auf. Bei Frauen kann es aufgrund einer nicht-diagnostizierten Zöliakie zu Infertilität (Unfruchtbarkeit) oder häufigen Frühgeburten kommen, auch ohne dass die klassischen Symptome vorhanden sind. Außerdem werden heute neben einer aktiven Zöliakie weitere Verlaufsformen unterschieden: Bei der ''silenten Zöliakie'' weisen Patienten eine (fast) vollständige Zottenatrophie auf, haben jedoch keine oder nur geringe unspezifische Symptome, insbesondere keine Zeichen einer Ernährungsstörung. Der Begriff der ''latenten Zöliakie'' wird dann angewandt, wenn zwar zu einem früheren Zeitpunkt einmal eine Zottenatrophie unter glutenhaltiger Nahrung bestanden hat, diese sich aber unter glutenfreier Diät wieder normalisieren konnte und unter erneuter glutenhaltiger Ernährung normal geblieben ist. Schließlich beschreibt der Begriff ''potentielle Zöliakie'' Menschen, die nie die klassischen Veränderungen der Dünndarmschleimhaut aufwiesen, aber dennoch zöliakietypische immunologische Abweichungen aufweisen.<ref name="keller" /> Die Ausprägung hinsichtlich der Empfindlichkeit gegen Gluten und der Intensität der Symptome ist individuell verschieden. Einige Menschen zeigen auch beim Verzehr größerer Mengen an glutenhaltigen Lebensmitteln nur leichte Symptome in Form von Bauchschmerzen und Verstopfung. Auf der anderen Seite gibt es auch Betroffene, die selbst auf geringste Spuren von Gluten mit einer schweren Symptomatik reagieren. Als Autoimmunerkrankung ist die Zöliakie mit anderen Erkrankungen, bei denen sich das Immunsystem gegen körpereigenes Gewebe richtet, häufig vergesellschaftet. Die häufigste Begleiterkrankung einer Zöliakie ist der [[Diabetes mellitus]] Typ 1, bei dem Antikörper gegen die insulinproduzierenden Zellen der Bauchspeicheldrüse gebildet werden. Etwa fünf bis zehn Prozent aller Personen mit Zöliakie sind auch an einem Typ-1-Diabetes erkrankt und umgekehrt ebenso etwa der gleiche Anteil Typ-1-Diabetiker an einer Zöliakie. Auch für eine entzündliche Erkrankung der Schilddrüse, die [[Hashimoto-Thyreoiditis]], die ebenfalls als Autoimmunerkrankung gilt, wurde ein wechselseitig gehäuftes Auftreten zusammen mit einer Zöliakie beschrieben. Eher bei Erwachsenen kann es zu einem bläschenförmigen Hautausschlag mit starkem [[Juckreiz]] ([[Dermatitis herpetiformis Duhring]]) kommen. Nur etwa ein Zehntel von ihnen hat Symptome seitens des Magen-Darm-Traktes. == Diagnostik == Der entscheidende Anfangsverdacht ergibt sich aus einer sorgfältigen Erhebung der Vorgeschichte ([[Anamnese (Medizin)|Anamnese]]) mit Erfragen auch unspezifischer Beschwerden und den Befunden bei der körperlichen Untersuchung. Soll eine Zöliakie danach weiter abgeklärt werden, kann zunächst eine Untersuchung verschiedener Antikörper im Blut erfolgen. === Serologische Diagnostik === Üblicherweise werden Antikörper gegen Gliadin vom [[Immunglobulin A|IgA]] und [[Immunglobulin G|IgG]]-Typ (AGA IgA und IgG), Endomysiumantikörper (EMA) vom IgA-Typ (= Autoantikörper gegen die Gewebstransglutaminase (tTG-A)) bestimmt. Letztere weisen mit 87,4-98,2 % die höchste [[Spezifität]] (Anteil der Gesunden, bei denen die Untersuchung negativ ist) und mit 86,5-97,2 % die höchste [[Sensitivität]] (Anteil der betroffenen Menschen, bei denen die Untersuchung auch tatsächlich positiv ausfällt) auf. Die tTG-Antikörper sind jedoch immer vom IgA-Typ. Da aber bis zu 11 % der Zöliakie-Patienten gleichzeitig nicht in der Lage sind, ausreichend IgA zu produzieren (IgA-Mangel), muss immer auch die Gesamtkonzentration an IgA mitbestimmt werden, damit man falsch-negative Befunde nicht übersieht. Außerdem muss bedacht werden, dass bei Kindern unter zwei Jahren die Sensitivität der EMA nur etwa 80 % beträgt. In diesem Alter haben deshalb die Gliadin-Antikörper (AGA vom IgA- und IgG-Typ) besondere diagnostische Bedeutung. Die Antikörperbestimmungen eignen sich auch zur Verlaufskontrolle unter glutenfreier Diät, da ihre Konzentrationen mit zunehmender Therapiedauer unter die Nachweisgrenze absinken.<ref name="buderus">S. Buderus, M. J. Lentze: ''Serologische Diagnostik der Zöliakie''. In: ''Monatsschrift Kinderheilkunde.'' Heidelberg 151.2003, 715-718. {{ISSN|0026-9298}}</ref> === Histologie === [[Datei:Coeliac path.jpg|thumb|Mikroskopisches Bild der geschädigten Dünndarmschleimhaut mit Zottenatrophie, Kryptenhyperplasie und Einwanderung von Lymphozyten]] Wird der Verdacht auf das Vorliegen einer Zöliakie durch positive Antikörperbefunde erhärtet, muss die Diagnose entsprechend den Empfehlungen der europäischen Gesellschaft für pädiatrische Gastroenterologie, Hepatologie und Ernährung ([[ESPGHAN]]) durch eine anschließende Dünndarm[[biopsie]] gesichert werden. Dabei wird&nbsp;– heutzutage zumeist mittels einer Magenspiegelung ([[Gastroskopie|Gastroduodenoskopie]])&nbsp;– eine kleine Schleimhautprobe aus dem absteigenden Anteil des [[Duodenum]] entnommen. Es gelingt nicht immer, die geeignete Lokalisation zur [[Biopsie]] zu finden. Die entnommenen Gewebestücke werden von einem Spezialisten feingeweblich ([[Histologie|histologisch]]) am Mikroskop untersucht, wobei zunächst bei geringer Vergrößerung (50fach) der Aufbau der Dünndarmschleimhaut beurteilt wird. Bei stärkerer Vergrößerung wird anschließend untersucht, ob die Schleimhaut eine Vermehrung von Entzündungszellen aufweist. Für die Diagnose einer Zöliakie sind hierbei die innerhalb der Deckschicht ([[Epithel]]) gelegenen [[Lymphozyt]]en entscheidend. Bei grenzwertigen Befunden kann die histologische Standardfärbung noch um eine [[Immunhistologie]] erweitert werden, mit der sich die intraepithelialen Lymphozyten besser quantifizieren lassen. [[Goldstandard (Verfahren)|Goldstandard]] für die Beurteilung der Dünndarmbiopsie sind die sogenannten Marsh-Kriterien: Zahl der in die Schleimhaut eingewanderten Lymphozyten, Zottenlänge im Verhältnis zu den Krypten, Zellteilungsrate, Anzahl der Entzündungszellen in der [[Lamina propria]] (Darmwandschicht direkt unterhalb des Epithels) und Beurteilung des Bürstensaums in einer speziellen Färbung ([[PAS-Färbung]]). Eine andere, beispielsweise infektiöse Ursache der Entzündung sollte durch eine Suche nach Mikroorganismen wie [[Morbus Whipple|Tropheryma whipplei]], [[Giardia intestinalis|Lamblien]] und [[Kryptosporidien]] ausgeschlossen werden. Die 1990 revidierten diagnostischen Kriterien der ESPGHAN fordern zudem eine klare klinische Besserung nach Einleitung der Therapie. Kontrollbiopsien, die früher noch üblich waren, sind demnach nur bei spezieller [[Indikation]] angezeigt wie zweifelhaftem klinischen Erfolg unter glutenfreier Diät, Zweifel an der Initialdiagnose oder zur Abgrenzung gegen eine vorübergehende Glutenintoleranz.<ref name="keller" /> === Differentialdiagnose === Obwohl das Krankheitsbild bei typischem Verlauf recht eindeutig ist, ergeben sich selbst aus einer anscheinend typischen, aber eben nicht spezifischen Histologie der Dünndarmsschleimhaut noch einige mögliche [[Differentialdiagnose]]n. Auch Nahrungsmittelallergien (vor allem Kuhmilch- und Sojaeiweiß) oder verschiedene Infektionen des Darmtraktes können zu einer ähnlichen Schleimhautschädigung führen. Seltene und meist offensichtliche Ursachen sind eine so genannte [[autoimmune Enteropathie]], [[Immundefekt]]e, [[AIDS]], Abstoßungsreaktionen nach Transplantation, Bestrahlung oder Behandlung mit [[Zytostatikum|Zytostatika]], erhebliche Mangelernährung oder die sogenannte [[Mikrovillusatrophie]]. Im Zweifelsfalle kann auch eine probeweise glutenfreie Diät vorgeschlagen werden. Ein Erfolg mit Verschwinden der Beschwerden wäre ein klarer Hinweis auf Zöliakie. Weitere wichtige Differentialdiagnose ist die [[Zystische Fibrose]], die durch den Schweißtest (Pilocarpin-Iontophorese-Test) durch den gemessenen Chlorid-Gehalt im Schweiß, ausgeschlossen werden sollte. Weiterhin sollte an angeborene [[Pankreasinsuffizienz]], angeborene intestinale Enzymdefekte (beispielsweise Laktase- oder Saccharasemangel), tropische [[Sprue]], kollagene Sprue, [[Morbus Crohn]] und [[Morbus Whipple]] gedacht werden.<ref>{{Literatur | Autor = | Titel = Säuren - Basen - Schlacken | Jahr = 2007 | Verlag = Springer | Ort = Wien | ISBN = 978-3-211-29133-7 | Seiten = }}</ref> == Behandlung == Momentan ist die einzige gesicherte Möglichkeit, die Krankheit zu behandeln, eine lebenslange glutenfreie [[Diät]], wodurch sich die Darmschleimhaut wieder erholt und auch die Risiken der Langzeitfolgen sinken. Strikt zu vermeiden sind alle Getreidesorten mit hohem Glutengehalt ([[Weizen]], [[Gerste]], [[Roggen]], wie auch deren botanisch verwandten Ursorten [[Dinkel]], [[Grünkern]], [[Kamut]], [[Einkorn]], [[Emmer (Getreide)|Emmer]] sowie die Roggen-Weizen-Kreuzung [[Triticale]]). Bislang ist auch der Verzicht auf die Grasgattung [[Hafer]] empfohlen, obwohl sich die chemische Zusammensetzung der Prolamine von der bei Weizen unterscheidet und Hafer in Finnland und England für erwachsene Menschen mit Zöliakie in moderaten Mengen und unter ärztlicher Kontrolle freigegeben wurde.<ref name="teeffelen"> A. van Teeffelen-Heithoff: ''Diätetische Grundlagen der Zöliakiebehandlung''. In: ''Monatsschrift Kinderheilkunde.'' Heidelberg 151.2003, 719-725. {{ISSN|0026-9298}}</ref> Wildreis ist nunmehr für die Ernährung bei Zöliakie zugelassen.<ref name="kniel"> ''DZG aktuell''. 2005,1, S.29. {{ISSN|0947-5222}}</ref> Insbesondere bei verarbeiteten Lebensmitteln und Fertigprodukten muss genau darauf geachtet werden, dass keine glutenhaltigen Zutaten verwendet wurden. Da Gluten technologisch gerne als [[Emulgator]], zum Gelieren, Stabilisieren und als Träger von Aromastoffen eingesetzt wird, ist dies nicht immer auf den ersten Blick zu erkennen. Eine ausführliche Produktliste ist über die [[Deutsche Zöliakiegesellschaft|Deutsche Zöliakiegesellschaft e. V.]] (DZG) zu beziehen. [[Datei:Sorghum.jpg|thumb|Alternative zu glutenhaltigen Getreidesorten: Hirse]] Als Alternative zu den glutenhaltigen Getreidearten ausdrücklich erlaubt sind [[Hirse]], [[Mais]], [[Reis]], [[Amarant (Pflanzengattung)|Amarant]], [[Tapioka]], [[Echter Buchweizen|Buchweizen]], [[Quinoa]], [[Sojabohne]]n, [[Teff]], [[Kastanien|Kastanie]], [[Kochbanane]]. Ein Teil dieser Arten wird beispielsweise auch zur Herstellung von [[Glutenfreies Bier|glutenfreiem Bier]] verwendet. Ohnehin erlaubt sind [[Gemüse]] einschließlich [[Kartoffel]]n, [[Salat (Speise)|Salate]], [[Frucht (Botanik)|Früchte]], [[Fleisch]] und [[Speisefisch|Fisch]], [[Ei]]er, [[Milch]] und [[Milchprodukt]]e. [[Datei:Symbol für glutenfreie Nahrungsmittel.svg|thumb|left|Symbol für glutenfreie Nahrungsmittel; eingetragenes Markenzeichen beim DPMA]] Glutenfreie Speziallebensmittel erhielt man bisher fast nur in [[Reformhaus|Reformhäusern]], später aber auch in Fachgeschäften für glutenfreie Ernährung und in einzelnen regulären Lebensmittelgeschäften. Inzwischen finden sich glutenfreie Frisch- und Fertigprodukte auch in Supermärkten von Handelsketten. Laut dem [[Codex Alimentarius]] Standard 118-1981 beträgt der Grenzwert für glutenfreie Produkte 20 ppm.<ref name="CA118">''[http://www.codexalimentarius.net/download/standards/291/CXS_118e.pdf Codex Standard 118-1981 for "Gluten-free Foods"]''. (Online, PDF-Datei, ca. 20&nbsp;KBbyte)</ref> In Deutschland produzierte glutenfreie Lebensmittel halten in der Regel den 20ppm-Grenzwert ein. Da zu Beginn der Therapie bei einigen Patienten durch die ausgedehnte Schädigung der Schleimhaut auch die Milchzucker-Verdauung beeinträchtigt sein kann (sekundäre [[Laktoseintoleranz]]), müssen diese vorübergehend auch auf eine milchzuckerarme Ernährung achten. Insbesondere Milch und Milchprodukte sind durch [[Sojamilch]] zu ersetzen.<ref name="teeffelen" /> Ein derzeitiger Forschungsansatz zur Entwicklung einer neuen Behandlungsmöglichkeit der Zöliakie besteht in einer [[Enzymersatztherapie]]. Neuerdings ist es gelungen, Enzyme aus keimendem Getreide oder einem Pilz zu isolieren, die das Gluten in kleine Stücke zerschneiden können. Die Bruchteile könnten dann vom Immunsystem der betroffenen Menschen nicht mehr erkannt werden und würden dementsprechend auch keine Entzündung mehr auslösen. Der theoretische Ansatz sieht vor, die Enzyme in Tabletten zu verpacken. Eingenommen vor oder während einer Mahlzeit könnte die Mischung in der Nahrung enthaltenes Gluten unschädlich machen. Im Labor hat sich die Enzymmischung bereits bewährt. Schwierigkeiten bereiten derzeit noch die unterschiedlichen Säuregrade in Magen und Darm. Für eine wirksame Behandlung müsste sichergestellt sein, dass die Enzyme auch bei unterschiedlichen [[pH-Wert]]en zuverlässig arbeiten. Außerdem ist die Geschwindigkeit der Gluten-Verdauung entscheidend, denn das Gluten muss komplett zerlegt sein, bis es im Darm ankommt, damit die Therapie ausreichend Sicherheit bietet.<ref>''[[Süddeutsche Zeitung]].'' München 176.2006, 16. {{ISSN|0174-4917}}</ref> == EU-Verordnung == Die Verordnung (EG) Nummer 41/2009 befasst sich mit der Zusammensetzung und Kennzeichnung von Lebensmitteln (Ausnahme: Säuglingsanfangs- und folgenahrung), die für Menschen mit einer Glutenunverträglichkeit geeignet sind. Die EU-Verordnung lässt bestimmte Glutenhöchstgehalte in den betreffenden Lebensmitteln zu, da es technisch sehr schwierig ist, vollständig glutenfreie Lebensmittel zu produzieren. Mögliche Deklarationsstufen bei Lebensmitteln, die für Menschen mit Glutenunverträglichkeit angeboten werden: * „''sehr geringer Glutengehalt''“: Es dürfen höchstens 100&nbsp;mg Gluten pro Kilogramm Lebensmittel enthalten sein * „''glutenfrei''“: Der Höchstgehalt an Gluten beträgt 20&nbsp;mg/kg * „''Lebensmittel mit Hafer''“: maximal 20 mg/kg Gluten. Der Hafer muss so hergestellt sein, dass Verunreinigungen mit Gerste, Roggen, Weizen und deren Kreuzungen ausgeschlossen sind. Die Verordnung gilt seit 10. Februar 2009 und tritt mit 1. Januar 2012 in Kraft. Wenn ein Lebensmittel diese Anforderungen bereits jetzt erfüllt, darf es in den Verkehr gebracht werden. <ref>[http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=OJ:L:2009:016:0003:0005:DE:PDF Verordnung (EG) Nr. 41/2009]</ref> == Geschichte == Der Ausdruck Zöliakie leitet sich vom [[Altgriechische Sprache|altgriechischen]] κοιλία, ''koilia'' „Bauch, Unterleib“ (von κοίλος, ''koilos'' „hohl“) ab. Die ''bauchige Krankheit'' wurde von [[Aretaios|Aretaeus von Kappadozien]] schon im zweiten Jahrhundert vor Christus erwähnt. Allgemein gilt [[Samuel Gee]] als Erstbeschreiber der Krankheit. Er berichtete 1888 von der „coeliac affection“ und meinte damit eine Verdauungsstörung, die vor allem Kleinkinder betraf. Erst 1950 wurde schließlich von H. W. Dicke das Weizengliadin als entscheidender schädlicher Faktor identifiziert. Die Zottenatrophie wurde von [[Margot Shiner]] aus London 1957 erstmals beschrieben. Ein Jahr später erfolgte mit der Erstbeschreibung der Gliadin-Antikörper durch E. Berger aus Basel die Einführung der serologischen Diagnostik. Die neuen Erkenntnisse über das Krankheitsbild führten erstmals 1969 zur Verabschiedung der diagnostischen Kriterien für die Zöliakie durch die Europäische Gesellschaft für pädiatrische Gastroenterologie, Hepatologie und Ernährung (ESPGHAN), die sogenannten „Interlaken-Kriterien“. Diese gelten heute in der revidierten Fassung von 1990. Aus den achtziger Jahren des letzten Jahrhunderts datiert die Entdeckung der Endomysium-Antikörper als hochspezifischer serologischer Marker. Schließlich wurde 1997 die Gewebetransglutaminase (tTG) als entscheidendes Antigen für diese Antikörper erkannt.<ref name="keller" /> == Sonstiges == Seit 2002 findet in der Regel am 3. Wochenende im Mai der '''Welt-Zöliakie-Tag''' statt. Er ist von der Dachorganisation der Europäischen Zöliakie-Gesellschaften (''AOECS'' - Association of European Coeliac Societies) ins Leben gerufen worden. Mit vielfältigen Aktionen soll an diesem Tag das Thema „Zöliakie und glutenfreie Ernährung“ einer möglichst breiten Öffentlichkeit näher gebracht werden. Darüber hinaus vermittelt und stärkt ein gemeinsam begangener Thementag das Gefühl der Zusammengehörigkeit der Menschen mit Zöliakie. == Einzelnachweise == <references/> == Literatur == * W. Holtmeier und W. F. Caspary: ''[http://www.ojrd.com/content/1/1/3 Celiac disease.]'' in: ''Orphanet Journal of Rare Diseases'' 1, 2006, 3. {{DOI|10.1186/1750-1172-1-3}} PMID 16722573 {{ISSN|1750-1172}} ([[Open Access]]) * W. Kiess: ''Therapie in der Kinder- und Jugendmedizin.'' Urban & Fischer Verlag bei Elsevier, 2007, ISBN 978-3-437-23200-8 == Weblinks == * [http://alf3.urz.unibas.ch/pathopic/getpic-fra.cfm?id=008128 Mikroskopisches Präparat bei Sprue] auf PathoPic * [http://www.aafp.org/link_out?pmid=12507163 Wissenschaftlicher Übersichtsartikel der American Academy of Family Physicians] (englisch) * [http://www.dzg-online.de Deutsche Zöliakie-Gesellschaft] {{Gesundheitshinweis}} {{DEFAULTSORT:Zoliakie}} [[Kategorie:Krankheitsbild in der Gastroenterologie]] [[Kategorie:Krankheitsbild in der Kinderheilkunde]] {{Exzellent}} {{Link FA|en}} [[ar:داء بطني]] [[bs:Celijakija]] [[ca:Celiaquia]] [[cs:Celiakie]] [[da:Cøliaki]] [[en:Coeliac disease]] [[eo:Celiakio]] [[es:Celiaquía]] [[eu:Gaixotasun zeliako]] [[fa:بیماری سلیاک]] [[fi:Keliakia]] [[fr:Maladie cœliaque]] [[he:כרסת]] [[hr:Celijakija]] [[hu:Lisztérzékenység]] [[it:Celiachia]] [[ja:セリアック病]] [[lv:Celiakija]] [[nl:Coeliakie]] [[no:Cøliaki]] [[oc:Celiaquia]] [[pl:Celiakia]] [[pt:Doença celíaca]] [[ro:Celiachie]] [[ru:Целиакия]] [[sh:Celijakija]] [[simple:Coeliac disease]] [[sk:Celiakia]] [[sl:Celiakija]] [[sr:Целијачна болест]] [[sv:Glutenintolerans]] [[tr:Çölyak hastalığı]] [[ur:مرض سیلیئک]] 9eq55zi628mxj22cg0bliuu7dhfzfyl wikitext text/x-wiki Zugspitze 0 24557 28174 27361 2010-12-05T20:18:54Z 188.195.144.200 /* Wetterwarte Zugspitze */ linkfix {{Infobox Berg |BILD=Zugspitze Westansicht.JPG |BILDBESCHREIBUNG=Zugspitzmassiv von Westen (Zugspitzgipfel links) |HÖHE=2962.06 |HÖHE-BEZUG=DE-NHN |LAGE=[[Bayern]], [[Deutschland]]/ [[Tirol (Bundesland)|Tirol]], [[Österreich]] |GEBIRGE=[[Wettersteingebirge]], [[Ostalpen]] |DOMINANZ=24.6 |DOMINANZ-BEZUG=[[Acherkogel]] |SCHARTENHÖHE=1746 |SCHARTE-BEZUG=[[Parseierspitze]] |SCHARTE=[[Fernpass]] |BREITENGRAD=47.42102817044747 |LÄNGENGRAD=10.984783172607422 |REGION-ISO=DE-BY |GESTEIN=[[Wettersteinkalk]]<ref> ''Geologische Karte von Bayern mit Erläuterungen'' (1:500.000). Bayerisches Geologisches Landesamt, 1998. </ref> |ALTER=[[Trias (Geologie)|Trias]] |ERSTBESTEIGUNG= 27. August 1820 durch [[Josef Naus]], [[Johann Georg Tauschl]], Messgehilfe Maier |LEICHTESTE ROUTE=Reintal-Route |BESONDERHEITEN=Höchster Berg Deutschlands,<br>Eigene [[Postleitzahl (Deutschland)|PLZ]]: 82475 Zugspitze |BILD1=Schema Umgebung Zugspitze.svg |BILD1-BESCHREIBUNG=Umgebung der Zugspitze }} Die '''Zugspitze''' ist mit 2962&nbsp;Metern über [[Normalhöhennull]] der höchste [[Berg]] Deutschlands und des [[Wettersteingebirge]]s. Sie liegt südlich von [[Garmisch-Partenkirchen]] und über ihren Westgipfel verläuft die Grenze zwischen Deutschland und Österreich. Südlich des Berges schließt sich das Zugspitzplatt an, eine [[Karst]]-[[Hochfläche]] mit zahlreichen Höhlen. An den Flanken der Zugspitze befinden sich drei Gletscher, darunter die beiden größten Deutschlands: der [[Schneeferner#Nördlicher Schneeferner|Nördliche Schneeferner]] mit 30,7 [[Hektar]] und der [[Höllentalferner]] mit 24,7 Hektar; außerdem der [[Schneeferner#Südlicher Schneeferner|Südliche Schneeferner]] mit 8,4 Hektar. Erstmals bestiegen wurde die Zugspitze am 27. August 1820 von [[Josef Naus]], seinem Messgehilfen Maier und dem [[Bergführer]] Johann Georg Tauschl. Heute gibt es drei [[Normalweg]]e auf den Gipfel: Von Nordosten aus dem [[Höllental (Wetterstein)|Höllental]], von Südosten aus dem [[Reintal (Wetterstein)|Reintal]] und von Westen über das ''Österreichische Schneekar''. Mit dem [[Jubiläumsgrat]], der Zugspitze, [[Hochblassen]] und [[Alpspitze]] verbindet, führt eine der bekanntesten Gratrouten der [[Ostalpen]] auf die Zugspitze. Für Bergsteiger gibt es in der unmittelbaren Umgebung zahlreiche Unterkünfte. Direkt an der Zugspitze befinden sich das [[Münchner Haus]] auf dem Westgipfel und die [[Wiener-Neustädter-Hütte]] in der Westflanke. Auf den Zugspitzgipfel führen drei [[Luftseilbahn|Seilbahnen]]. Die erste, die [[Tiroler Zugspitzbahn]] wurde 1926 gebaut und endete auf einem Grat unterhalb des Gipfels, bevor die Endstation 1991 auf den Gipfel verlegt wurde. Eine [[Zahnradbahn]], die [[Bayerische Zugspitzbahn]], führt durch das Innere der Nordflanke und endet auf dem Zugspitzplatt, von wo eine weitere Seilbahn zum Gipfel hinauf führt. Mit der Bayerischen Zugspitzbahn und der [[Eibseeseilbahn]], der dritten Luftseilbahn, gelangen jährlich durchschnittlich 500.000 Menschen auf den Gipfel. Im Winter bedienen neun [[Skilift]]e ein [[Skigebiet]] auf dem Zugspitzplatt. In der 1900 eingeweihten meteorologischen Station und der Forschungsstation [[Schneefernerhaus]] werden hauptsächlich Klimaforschungen betrieben. == Geographie == === Lage und Umgebung === [[Datei:ZugspitzeJubilaeumsgratHoellental.JPG|thumb|Blick von der [[Alpspitze]] auf den Zugspitzgipfel mit [[Höllentalferner]] 2007]] Die Zugspitze ist mit einer Höhe von 2962&nbsp;Metern (Ostgipfel) der höchste Berg des Zugspitzmassivs. Dieser Wert nach dem [[Amsterdamer Pegel]] wird als offizielle Höhe vom [[Landesamt für Vermessung und Geoinformation Bayern]] genannt.<ref> {{Internetquelle |url=http://www.zugspitze.de/diebzb/pdf_ulpr/Zugspitze-Hoehe.pdf |titel=Zugspitze XXL:Deutschlands höchster Berg zeigt seine wahre Größe|autor=Eva-Maria Greimel |hrsg=Presseinformation Bayerische Zugspitzbahn Bergbahn AG | format= PDF | zugriff=8. August 2009}}</ref> Nach dem in Österreich verwendeten 27&nbsp;cm tiefer liegenden [[Meter über Adria|Triester Pegel]] wird dieselbe Höhe angegeben. Ursprünglich hatte die Zugspitze drei [[Berggipfel|Gipfel]] Ost-, Mittel- und Westgipfel. Als einziger davon ist der vollständig in Deutschland liegende Ostgipfel in seiner ursprünglichen Form erhalten geblieben. Der Mittelgipfel fiel 1930 einer Seilbahn-Gipfelstation zum Opfer. 1938 wurde der Westgipfel gesprengt, um Bauplatz für eine geplante Flugleitstelle der [[Wehrmacht]] zu gewinnen. Diese wurde jedoch nie gebaut. Ursprünglich hatte die Höhe des Westgipfels 2964&nbsp;Meter betragen.<ref> Toni Hiebeler: ''Zugspitze – Von der Erstbesteigung bis heute''. Mosaik, München 1985, S.&nbsp;25. </ref> [[Datei:Zugspitze-Luftbild.JPG|thumb|Luftbild vom Zugspitzmassiv]] Die Zugspitze erhebt sich elf Kilometer südwestlich von [[Garmisch-Partenkirchen]] und knapp sechs Kilometer östlich von [[Ehrwald]]. Über den Westgipfel verläuft die Grenze zwischen Deutschland und Österreich. Damit gehört das Zugspitzmassiv zum deutschen Bundesland [[Bayern]] und zum österreichischen [[Tirol (Bundesland)|Tirol]]. Verwaltende Gemeinden sind [[Grainau]] und [[Ehrwald]]. Nach Westen fällt das Zugspitzmassiv in das Tal der [[Loisach]] ab, die das Massiv nach Nordosten in einem Bogen umfließt, während von ihm im Osten die Flüsse [[Hammersbach (Loisach)|Hammersbach]] und [[Partnach]] entspringen. Südlich trennt das ''Gaistal'' mit der [[Leutascher Ache]] das Wettersteingebirge von der [[Mieminger Kette]]. Im Norden befindet sich der [[Eibsee]] zu Füßen der Zugspitze. Der nächsthöhere Berg in der Umgebung ist der [[Acherkogel]] ({{Höhe|3008}}) in den [[Ötztaler Alpen]], so dass für die Zugspitze der [[Dominanz (Geographie)|Dominanz]]-Wert 24,6&nbsp;Kilometer beträgt. Als Referenzpunkt für die [[Schartenhöhe]] dient die [[Parseierspitze]] ({{Höhe|3036}}). Um sie von der Zugspitze zu besteigen, muss bis zum [[Fernpass]] ({{Höhe|1216}}) abgestiegen werden, so dass sich eine Schartenhöhe von 1746&nbsp;Metern ergibt.<ref> {{Internetquelle |url=http://www.peakbagger.com/peak.aspx?pid=10012 |titel=Zugspitze |autor= |hrsg=peakbagger.com| sprache= Englisch |zugriff=8. August 2009}} </ref> ==== Zugspitzmassiv ==== Das [[Massiv]] der Zugspitze umfasst weitere Gipfel. Nach Süden wird das Zugspitzplatt in einem Bogen vom [[Zugspitzeck]] ({{Höhe|2820}}) und [[Schneefernerkopf]] ({{Höhe|2874}}), den [[Wetterspitzen]] ({{Höhe|2747}}), dem [[Wetterwandeck]] ({{Höhe|2698}}), den [[Plattspitzen]] ({{Höhe|2679}}) sowie den [[Gatterlköpfe|Gatterlköpfen]] ({{Höhe|2490}}) umrahmt. Das Massiv endet mit dem ''Gatterl'' ({{Höhe|2024}}), einer [[Scharte (Geographie)|Scharte]] zum [[Hochwanner]] hin. Von der Zugspitze nach Osten verläuft der ''Jubiläumsgrat'' in Richtung [[Alpspitze]] und [[Hochblassen]] über die [[Höllentalspitzen]]. In nordöstlicher Richtung zieht der kurze ''Riffelwandkamm'' über die [[ Riffelwandspitzen]] ({{Höhe|2626}}) und die [[Riffelköpfe]] ({{Höhe|2459}}), zur Riffelscharte ({{Höhe|2161}}). Von hier verläuft der ''Waxensteinkamm'' über die [[Riffelspitzen]] bis hin zum [[Waxenstein]].<ref name="Alpenvereinskarte"> ''Alpenvereinskarte 4/2 – Wetterstein und Mieminger Gebirge Mitte'' (1:25.000). 5. Auflage. Alpenvereinsverlag, München 2007. </ref> ==== Zugspitzplatt ==== [[Datei:Zugspitze-Wettersteinkamm.jpg|thumb|left|Zugspitzplatt über dem Reintal 2006]] Das ''Platt'' (auch Zugspitzplatt) ist eine [[Hochfläche]] unterhalb des Zugspitzgipfels in südlicher und südöstlicher Richtung auf einer Höhe zwischen 2000 und 2650&nbsp;Metern. Es bildet den Abschluss des Reintals und ist durch [[Verwitterung]], [[Karst|Verkarstung]] und [[Gletscher|glaziale]] Überprägung entstanden. Die Fläche enthält [[Rundhöcker]], [[Doline]]n, [[Karre (Rinne)|Karren]] oder Schratten als Folge der Eiszeiten. Außerdem sind von verschiedenen [[Kaltzeit]]en [[Moräne]]n zurückgeblieben. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts war das ''Platt'' zum letzten Mal vollständig vergletschert. Heute besteht es zu 52&nbsp;Prozent aus [[Schutt]], zu 32&nbsp;Prozent aus [[Anstehendes Gestein|anstehendem Gestein]] und zu 16&nbsp;Prozent, vor allem im mittleren und unteren Bereich, aus Böden mit Vegetation.<ref> {{Internetquelle |url=http://www.umweltgeol-he.de/WerdenfelserGeotope.Wetterstein.ZugspitzplattUndPlattumrahmung.htm |titel=Zugspitzplatt und Plattumrahmung |autor=Hubert Engelbrecht |hrsg=| sprache= |zugriff=13. August 2009}} </ref> === Klima === [[Datei:Klimadiagramm Zugspitze 1961-1990.PNG|thumb|Klimadiagramm Zugspitze: Normalperiode 1961-1990]] Klimatisch gesehen liegt die Zugspitze in der [[Gemäßigte Zone|gemäßigten Klimazone]] und im Bereich der [[Westwindzone]]. Als erstes hohes [[Orografie|orografisches]] Hindernis dieser Westwinde in den Alpen ist die Zugspitze Wetterereignissen besonders ausgesetzt. Es kommt zum „Nordstau der Alpen“, der die feuchten Luftmassen staut und für intensive Niederschläge sorgt. Andererseits hat die Zugspitze damit gleichzeitig eine abschirmende Funktion für südlicher gelegene Alpenteile. Dem Nordstau entgegengesetzt wirkt die [[Föhn]]-Wetterlage, die an 60&nbsp;Tagen pro Jahr in der Region auftritt. Dabei strömen trockene und warme Luftmassen von Süd nach Nord. Sie können im Winter für außergewöhnlich hohe Temperaturen sorgen. Allerdings herrscht auf der Zugspitze trotzdem durchschnittlich an 310&nbsp;Tagen Frost. Vergleichbare Werte sind erst wieder auf [[Spitzbergen (Insel)|Spitzbergen]] im [[Arktischer Ozean|Arktischen Ozean]] anzutreffen. Für die [[Normalperiode]] zwischen 1961 und 1990 betrug der jährliche Durchschnittsniederschlag auf der Zugspitze 2003,1&nbsp;[[Niederschlag#Niederschlagshöhe|mm]], niederschlagsreichster Monat war dabei der April mit 199&nbsp;mm, niederschlagsärmster der Oktober mit 108,8&nbsp;mm.<ref name="Mittelwerte"> {{Internetquelle |url=http://www.dwd.de/bvbw/appmanager/bvbw/dwdwwwDesktop?_nfpb=true&_pageLabel=_dwdwww_klima_umwelt_klimadaten_deutschland&T82002gsbDocumentPath=Navigation%2FOeffentlichkeit%2FKlima__Umwelt%2FKlimadaten%2Fkldaten__kostenfrei%2Fausgabe__mittelwerte__node.html__nnn%3Dtrue |titel=Klimadaten: Mittelwerte 1961-1990 |autor= |hrsg=Deutscher Wetterdienst | format= ZIP/Exel | zugriff=9. August 2009}} </ref> Im Vergleich betrug der Wert für das Jahr 2008 1814,5&nbsp;mm, auch hier war wiederum der niederschlagreichste Monat der April mit 360,8&nbsp;mm und niederschlagärmster der Mai mit 49,4&nbsp;mm.<ref name="Daten2008"> {{Internetquelle |url=http://www.dwd.de/bvbw/appmanager/bvbw/dwdwwwDesktop?_nfpb=true&_pageLabel=_dwdwww_klima_umwelt_klimadaten_deutschland&T82002gsbDocumentPath=Navigation%2FOeffentlichkeit%2FKlima__Umwelt%2FKlimadatenzentren%2FNKDZ%2Fkldaten__akt%2Fausgabe__monatswerte__node.html__nnn%3Dtrue |titel=Klimadaten: Fortlaufende Monatswerte|autor= |hrsg=Deutscher Wetterdienst | format= | zugriff=9. August 2009}} </ref> Die durchschnittliche Temperatur in dieser Normalperiode betrug -4,8&nbsp;[[Grad Celsius]], wobei der Juli sowie der August mit 2,2&nbsp;°C am wärmsten und der Februar mit -11,4&nbsp;°C am kältesten waren.<ref name="Mittelwerte"/> Verglichen damit betrug die Durchschnittstemperatur im Jahr 2008 -3,8&nbsp;°C, am wärmsten war der August mit 3,7&nbsp;°C und am kältesten der März mit -11,4&nbsp;°C.<ref name="Daten2008"/> Durchschnittlich schien die Sonne in der Normalperiode an 1846,3&nbsp;Stunden im Jahr, am sonnenreichsten war der Oktober mit 188,8&nbsp;Stunden und am sonnenärmsten der Dezember mit 116,1&nbsp;Stunden.<ref name="Mittelwerte"/> Im Jahr 2008 gab es an 1906,1&nbsp;Stunden Sonnenschein, den wenigsten im März mit 113&nbsp;Stunden und den meisten im August mit 212,2&nbsp;Stunden.<ref name="Daten2008"/> 2009 war gemäß der Wetterbilanz des [[Deutscher Wetterdienst|Deutschen Wetterdienstes]] die Zugspitze mit -4,2&nbsp;°C im [[Jahresmittel]] der kälteste Ort Deutschlands.<ref>Mechthild Henneke: ''Wetterextreme in Deutschland 2009''. In: ''[[Südkurier]]'' vom 28. April 2010.</ref> Die tiefste, im Februar 1940, gemessene Temperatur auf der Zugspitze betrug -35,6&nbsp;°C. Der Juli 1957 brachte die Höchste, deren Wert 17,9&nbsp;°C betrug. Eine [[Bö|Sturmbö]] am 12. Juni 1985 erreichte mit 335&nbsp;km/h die höchste auf der Zugspitze gemessene Windgeschwindigkeit. Im April des Jahres 1944 maßen die Wetterbeobachter eine Schneehöhe von 8,3&nbsp;Metern.<ref name="fz75ff">Bernd Ritschel, Tom Dauer: ''Faszinierende Zugspitze''. Bruckmann, München 2007, S.&nbsp;75ff.</ref> === Geologie === [[Datei:Zugspitze 1.jpg|thumb|Die Nordwand der Zugspitze vom [[Eibsee]] aus]] Alle gebirgsbildenden Schichten bestehen aus [[Sedimente und Sedimentgesteine|Sediment]]en des [[Mesozoikum]]s, die sich ursprünglich auf dem Meeresboden abgelagert haben. Der Sockel des Berges besteht aus [[Muschelkalk]]-Schichten, der obere Bereich wird von [[Wettersteinkalk]] gebildet. Mit bis zu 800&nbsp;Meter hohen Steilwänden bildet vorwiegend Wettersteinkalk aus der oberen [[Trias (Geologie)|Trias]] die Wände, Grate, Türme und das Gipfelgestein des Gebirges. Aufgrund des häufigen Vorkommens von marinen Kalkalgen im Wettersteinkalk ist davon auszugehen, dass dieses Gestein einst in einer Lagune entstand. Die Farbe des Gesteins variiert zwischen grauweiß und hellgrau bis gefleckt. An mehreren Stellen sind [[Blei]] und [[Zinkerz]]e enthalten. Diese [[Bodenschatz|Bodenschätze]] wurden zwischen 1827 und 1918 im [[Höllental (Wetterstein)|Höllental]] durch [[Bergbau]] gewonnen. Die dunkelgrauen, fast waagerechten und zum Teil mit Gras bewachsenen Schichten des Muschelkalks ziehen sich vom Fuß der Großen Riffelwandspitze bis zu den Ehrwalder Köpfen hin. Bei einem Blick auf die Zugspitznordwand ist zu erkennen, dass das Bergmassiv aus ursprünglich zwei Gebirgen bestand, die übereinander geschoben wurden.<ref> Stephan Beulke: ''Alpenvereinsführer Wetterstein''. 4. Auflage. Bergverlag Rother, München 1996, S.&nbsp;20ff, ISBN 978-3-7633-1119-4. </ref> === Flora und Fauna === [[Datei:Eibsee & Zugspitze.jpg|thumb|[[Eibsee]] vor der Zugspitze: Bewaldung an der Nordseite]] [[Datei:Alpen Zugspitze Alpendohle 2.jpg|thumb|Alpendohle am Zugspitzeck]] Im schattigen, feuchten Norden des Massivs gibt es bis in Höhen von über 1800&nbsp;Meter [[Latschenkiefer]]n-, darunter vorwiegend [[Fichten]]wälder. Nach Süden hin wandelt sich das Bild in [[Lärchen]]- und [[Kiefern]]wälder und in einen Mischwald aus [[Buchen]] und [[Bergahorn]]. Auch dort wachsen Latschenkiefern auf höheren Lagen bis über 2000&nbsp;Metern. An geschützten Standorten stehen [[Türkenbund]] und [[Cypripedium|Frauenschuh]]. Bis in eine recht große Höhe gedeihen der [[Alpen-Mohn]] und der [[Gegenblättriger Steinbrech|Gegenblättrige Steinbrech]]. In den Geröllhalden gibt es [[Hellerkräuter|Heller-]] und [[Hornkräuter]] sowie den [[Weiße Silberwurz|Weißen Silberwurz]]. Nach der Schneeschmelze sprießen [[Dunkler Mauerpfeffer]] und [[Schnee-Enzian]] als Erste, ihre Samen beginnen bereits im Herbst zu keimen. Auch die bekannten Alpenblumen [[Edelweiß]] und [[Enziane|Enzian]] blühen an der Zugspitze. In den Felsen um die Zugspitze befindet sich der Lebensraum der [[Gämse]]n. Auf der Südseite des Massivs sind [[Murmeltier]]e verbreitet. Am Zugspitzgipfel gibt es hauptsächlich [[Bergdohle]]n, die von fütternden Menschen angezogen werden. Etwas tiefer ist der Bereich der [[Alpenschneehuhn|Schneehühner]], [[Schneehase]]n und [[Schneefink]]en. Die Wälder um die Zugspitze beherbergen [[Rotwild]], [[Auerhahn|Auer-]] und [[Spielhahn|Spielhähne]]. Auf den Gletschern leben [[Gletscherfloh|Gletscherflöhe]] und [[Bärtierchen]].<ref> Heinrich Schott: ''Die Zugspitze – Gipfel der Technik, Triumphe und Tragödien''. Süddeutscher Verlag, München 1987, S.&nbsp;116ff. </ref> === Gletscher === Im Zugspitzmassiv befinden sich drei der fünf deutschen Gletscher, neben dem [[Höllentalferner]], der [[Schneeferner#Südlicher Schneeferner|Südliche]] und der [[Schneeferner#Nördlicher Schneeferner|Nördliche Schneeferner]]. ==== Höllentalferner ==== [[Datei:Höllentalferner E.JPG|thumb|Höllentalferner 2009]] Der Höllentalferner liegt nordöstlich der Zugspitze in einem [[Kar (Talform)|Kar]] unterhalb des [[Jubiläumsgrat]]es im Süden und den [[Riffelwandspitzen]] im Westen und Norden. Er ist nach Nordosten [[Exposition (Geographie)|exponiert]]. Das Nährgebiet wird von einer [[Senke (Geographie)|Mulde]] gebildet, in der sich große [[Lawine]]n-Schneemengen sammeln. Nach Süden hin schottet der Jubiläumsgrat den Gletscher vor Sonneneinstrahlung gut ab. Diese Umstände führten dazu, dass der Gletscher zwischen 1981 und 2006 nur einen relativ geringen Flächenverlust hatte.<ref> {{Internetquelle |url=http://www.lrz-muenchen.de/~bayerischegletscher/htf.htm |titel=Höllentalferner |autor= Wilfried Hagg |hrsg=Bayerische Gletscher |zugriff=8. August 2009}} </ref> Seinen neuzeitlichen Höchststand hatte der Höllentalferner um 1820 mit einer Größe von 47 [[Hektar]]. Danach verlor er kontinuierlich an Fläche, bis er sich zwischen 1950 und 1981 wieder um 3,1 Hektar auf 30,2 Hektar vergrößerte. Seitdem verlor der Gletscher bis 2006 eine Fläche von 5,5 Hektar und war damals nur noch 24,7 Hektar groß. Sein höchster Punkt befand sich 2006 auf 2569 und sein niedrigster auf 2203&nbsp;Metern.<ref> {{Internetquelle |url=http://www.lrz-muenchen.de/~bayerischegletscher/htf/htf_topo.htm |titel=Fläche und Höhen des Höllentalferners |autor= Wilfried Hagg |hrsg=Bayerische Gletscher |zugriff=8. August 2009}} </ref> ==== Schneeferner ==== [[Datei:Nördlicher Schneeferner.JPG|thumb|Nördlicher Schneeferner und Wintersportinfrastruktur 2009]] [[Datei:Südl.Schneeferner.jpg|thumb|Südlicher Schneeferner 2003]] ;Nördlicher Schneeferner Südwestlich der Zugspitze befindet sich zwischen ''Zugspitzeck'' und [[Schneefernerkopf]] der nach Osten exponierte Nördliche Schneeferner. Er ist mit einer Fläche von 30,7 Hektar (2006) der größte deutsche Gletscher. Um das Jahr 1820 war das komplette Zugspitzplatt vergletschert, von diesem ''Plattgletscher'' sind nur noch der Nördliche und der Südliche Schneeferner übrig geblieben. Grund für die relativ konstante Flächenentwicklung des nördlichen Schneeferners in den letzten Jahren ist trotz fehlenden Schattens die günstige [[Gelände]]beschaffenheit. Sie führt dazu, dass der Gletscher eher an Mächtigkeit als an Fläche verliert oder gewinnt. In der jüngeren Vergangenheit wurde der Gletscher darüber hinaus von den Skigebietsbetreibern künstlich genährt, indem große Schneemengen mit [[Pistenraupe]]n auf den Gletscher geschoben wurden, um die Skisaison zu verlängern. Zu Beginn der 1990er Jahre wurde zudem begonnen, den Nördlichen Schneeferner im Sommer mit Kunststoffplanen abzudecken, um ihn vor der Sonneneinstrahlung zu schützen.<ref> {{Internetquelle |url=http://www.lrz-muenchen.de/~bayerischegletscher/nsf.htm |titel=Nördlicher Schneeferner |autor= Wilfried Hagg |hrsg=Bayerische Gletscher |zugriff=8. August 2009}} </ref><ref> {{Internetquelle |url=http://www.taz.de/index.php?id=archivseite&dig=2007/05/18/a0139 |titel=Pflaster für den Gletscher. |autor=Max Hägler |hrsg=taz.de |zugriff=8. August 2009}} </ref> Einen letzten Hochstand hatte der Nördliche Schneeferner im Jahr 1979, als er 40,9 Hektar maß. Bis zum Jahr 2006 verringerte sich seine Fläche auf 30,7 Hektar. Der höchste Punkt lag dabei auf 2789 und der niedrigste auf 2558&nbsp;Metern.<ref> {{Internetquelle |url=http://www.lrz-muenchen.de/~bayerischegletscher/nsf/nsf_topo.htm |titel=Fläche und Höhen des Nördlichen Schneeferners |autor= Wilfried Hagg |hrsg=Bayerische Gletscher |zugriff=8. August 2009}} </ref> ;Südlicher Schneeferner Der Südliche Schneeferner wird umrahmt von den [[Wetterspitzen]] und dem [[Wetterwandeck]]. Auch er ist ein Rest des großen ''Plattgletschers''. Der südliche Schneeferner reicht bis hinauf zum [[Gebirgsgrat|Grat]] und hat deshalb keinen Schutz vor der Sonneneinstrahlung. Inzwischen ist er durch einen freigetauten Felsriegel in zwei Becken geteilt. Es ist umstritten, ob der Südliche Schneeferner noch als Gletscher einzustufen ist.<ref> {{Internetquelle |url=http://www.lrz-muenchen.de/~bayerischegletscher/ssf.htm |titel=Südlicher Schneeferner |autor= Wilfried Hagg |hrsg=Bayerische Gletscher |zugriff=8. August 2009}} </ref> Auch der Südliche Schneeferner hatte 1979 seinen letzten Hochstand, als er eine Fläche von 31,7 Hektar umfasste. Diese ging jedoch bis 2006 auf 8,4 Hektar zurück. Der höchste Punkt des Gletschers befand sich auf 2665 und der niedrigste auf 2520&nbsp;Metern.<ref> {{Internetquelle |url=http://www.lrz-muenchen.de/~bayerischegletscher/ssf/ssf_topo.htm |titel=Fläche und Höhen des Südlichen Schneeferners |autor= Wilfried Hagg |hrsg=Bayerische Gletscher |zugriff=8. August 2009}} </ref> === Höhlen === Unterhalb des Zugspitzplatts haben chemische Verwitterungsvorgänge im Wettersteinkalk eine große Zahl an [[Höhle]]n und [[Schacht (Geologie)|Schächten]] geschaffen. In den 1930er Jahren wurden die Höhlen auf 300 geschätzt. Bis 1955 waren 62 Höhlen bekannt und bis 1960 wurden nochmals 47 Höhlen entdeckt. Erste Forschungen in den Höhlen gab es 1931. Weitere größere Forschungs-Expeditionen fanden 1935, 1936 sowie zwischen 1955 und 1968 statt. Während einer Expedition 1958 wurde der ''Finkenschacht'' entdeckt. Er ist 131&nbsp;Meter tief, 260&nbsp;Meter lang und trifft auf einen Wasserlauf. Es gibt Vermutungen, dieser Wasserlauf könnte eine Verbindung zum [[Quellgebiet|Ursprung]] der [[Partnach]] sein.<ref group="Anm.">Den Vermutungen nach gibt es unter dem Zugspitzplatt einen See, der die Partnach speist. Berechnungen zu Folge gibt das Platt 350 Liter Wasser pro Sekunde ab, die Partnachquelle jedoch mindestens 500 (bis zu einigen Tausend Litern). Die Differenz soll von einem Höhlensee ausgeglichen werden, der die Partnach zusätzlich speist. </ref><ref> Heinrich Schott: ''Die Zugspitze – Gipfel der Technik, Triumphe und Tragödien''. Süddeutscher Verlag, München 1987, S.&nbsp;136ff.</ref><ref> {{Internetquelle |url=http://www.lochstein.de/hoehlen/D/bayalpen/all_inn/zugspitze/zugspitze.htm |titel=Landschaft und Höhlen des Zugspitzplatts |autor= Franz Lindenmayr |hrsg= |zugriff=13. August 2009}} </ref> == Name == Ab dem frühen 14. Jahrhundert begann die Aufnahme von Namen aus dem Wettersteingebirge in Verträge und Karten, die sich im 15. Jahrhundert intensivierte. 1536 wurde ein Grenz-Vertrag aus dem Jahr 1500 präzisiert, in dem der Verlauf über eine „''Schartten''“<ref name="Hauslauer"> Johannes Haslauer: ''"Nur für sehr geübte Steiger". Voralpinistische Annäherungen an das Wettersteingebirge und die Zugspitze''. In: Walter Theil (Hrsg.): ''Alpenvereinsjahrbuch – Berg 2010''. Band 134. Alpenvereinsverlag, München 2009, S.&nbsp;163, ISBN 978-3-937530-50-5 </ref> festgelegt wurde. Im 17. Jahrhundert bekam die Scharte im Vertrag die Ergänzung „''jetzt Zugspüz genant''“<ref name="Hauslauer"/>. Die erwähnte Scharte bezieht sich auf einen Geländeeinschnitt am Gipfel der Zugspitze und wird in weiteren Quellen immer wieder verwendet. Im Mittelalter war „Scharte“der verbreitete Name für die Zugspitze.<ref name="Hauslauer"/> Die Zugspitze wurde erstmals 1590 namentlich erwähnt. In einer Beschreibung der Grenze zwischen der [[Grafschaft Werdenfels]] und Österreich heißt es, dass selbige „''von dem Zugspitz und über den Derle''“<ref name="a"> Fritz Schmitt: ''Alpinmonographie: Wetterstein – Täler, Grate, Wände''. Bergverlag Rother, Ottobrunn 1979, S.&nbsp;58. </ref> und weiter zu einer [[Loisach]]-Brücke verläuft. Ein weiterer Grenzvertrag besagte 1656: „''Der höchste Wetterstain oder Zugspitz''“.<ref name="a"/> Aus der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts stammt eine Karte, die ''das [[Reintal (Wetterstein)|Reintal]] in der Graftschaft Werdenfels'' zeigt. Sie stellt das Reintal vom Reintaler Hof bis zum Zugspitzplatt dar und beinhaltet markante Punkte in der Umgebung, Details zur Weidenutzung und Wegverläufe, darunter auch den Weg über den damals wesentlich größeren Schneeferner in die Gipfelregionen der Zugspitze. Ein eindeutiger Weg zum Gipfel ist auf der Karte nicht zu erkennen.<ref> Kurt Brunner, Thomas Horst: ''[http://retro.seals.ch/openurl?rft.issn=1015-8480&rft.issue=35&rft.date=2007&lPage=3 Eine Karte des Zugspitzgebiets (18. Jh.) und die Wirrnisse um die Erstbesteigung].'' In: ''Cartographica Helvetica − Heft 35''. 2007, S.&nbsp;3–7.</ref> Der Name der Zugspitze leitet sich vermutlich von den „Zugbahnen“ der [[Lawine]]n ab, die hier im Winter von den oberen Bereichen des Massivs ins Tal abgehen und charakteristischen Lawinenüberreste mit Steinen und Geröll hinterlassen. Beim [[Eibsee]] gibt es mehrere [[Flurstück]]e mit dem gleichen Namensbezug: ''Zug'', ''Zuggasse'', ''Zugstick'', ''Zugmösel'' oder ''Zugwankel''.<ref name="a"/> Bis ins 19. Jahrhundert war als Name ''der'' Zugspitz gebräuchlich. In einer Karte aus dem Jahr 1836 wurde daraus ''die'' Zugspitze.<ref> Toni Hiebeler: ''Zugspitze – Von der Erstbesteigung bis heute''. Mosaik, München 1985, S.&nbsp;252. </ref> == Gipfelkreuz == [[Datei:Alpen Zugspitze Gipfelkreuz Bayern.jpg|thumb|Gipfelkreuz der Zugspitze]] [[Datei:ZugspitzeGipfel.JPG|thumb|Ostgipfel mit Gipfelkreuz]] Seit 1851 steht auf dem Gipfel der Zugspitze ein [[Gipfelkreuz]]. Die treibende Kraft zur Errichtung eines Kreuzes auf dem Gipfel war der Pfarrer Christoph Ott. In seiner Eigenschaft als meteorologischer Beobachter auf dem [[Hoher Peißenberg|Hohen Peißenberg]] sah er die Zugspitze aus der Ferne und ärgerte sich darüber, dass „''der erste Fürst der bayerischen Gebirgswelt sein Haupt kahl und schmucklos in die blauen Lüfte des Himmels emporhebt, wartend, bis patriotisches Hochgefühl und muthvolle Entschlossenheit es über sich nehmen würden, auch sein Haupt würdevoll zu schmücken.''“<ref> Bernd Ritschel, Tom Dauer: ''Faszinierende Zugspitze''. Bruckmann, München 2007, S.&nbsp;35. </ref> Daraufhin organisierte er für den 11. bis 13. August 1851 eine Expedition mit dem Ziel, auf der Zugspitze ein Gipfelkreuz zu errichten. Durch die [[Partnachklamm]] und das [[Reintal (Wetterstein)|Reintal]] erreichten 28 Träger unter der Führung von Forstwart Karl Kiendl die Zugspitze. Die 610&nbsp;[[Gulden]] und 37&nbsp;[[Kreuzer (Münze)|Kreuzer]] teure Unternehmung war erfolgreich. Als Ergebnis stand ein 28-teiliges, 14&nbsp;[[Fuß (Maßeinheit)|Fuß]] hohes, vergoldetes Kreuz aus Eisen auf dem Westgipfel. Pfarrer Ott selbst bestieg die Zugspitze jedoch erst 1854. Nach 37 Jahren hatte das Kreuz durch zahlreiche Blitzeinschläge Schaden davongetragen, dazu waren die Halterungen stark beschädigt. Im Winter 1881–1882 wurde es daher zum ersten Mal ins Tal gebracht und dort renoviert. Am 25. August 1882 brachten sieben Bergführer und 15 Träger das Kreuz wieder nach oben. Weil inzwischen eine [[Baracke|barackenartige]] Unterkunft auf dem Westgipfel errichtet worden war, platzierten die Männer das Kreuz auf dem Ostgipfel. Dort verblieb es ungefähr 111&nbsp;Jahre, bis es am 18. August 1993 erneut demontiert wurde. Die Beschädigungen stammten dieses Mal nicht nur von Wettereinflüssen, sondern auch von amerikanischen Soldaten, die am Kriegsende 1945 auf das Kreuz geschossen hatten. Weil das Gipfelkreuz nicht mehr zu reparieren war, wurde eine originalgetreue Nachbildung angefertigt. Nach zwei Monaten transportierte die Zahnradbahn das neue Kreuz am 12. Oktober zum Zugspitzplatt, von wo es mit dem [[Hubschrauber]] zum Gipfel geflogen wurde. Das neue Kreuz hat eine Höhe von 4,88&nbsp;Metern.<ref> Bernd Ritschel, Tom Dauer: ''Faszinierende Zugspitze''. Bruckmann, München 2007, S.&nbsp;35ff. </ref> Es wurde 2009 für 15.000&nbsp;Euro renoviert und neu vergoldet und steht seit 22. April 2009 wieder auf dem Ostgipfel.<ref> {{Internetquelle |url=http://www.br-online.de/bayern/wege-und-ziele/zugspitze-gipfelkreuz-einweihung-ID1239715496338.xml |titel=Zugspitze - Das Gipfelkreuz steht wieder |autor= |hrsg=BR-online |zugriff=9. August 2009}} </ref> == Chronik == [[Datei:Zugspitze (Luftbild).jpg|thumb|Luftbildaufnahme des Gipfels]] Für Aufsehen sorgte am 19. März 1922 der Pilot Franz Hailer, der ein Flugzeug mit [[Kufe]]n auf dem Schneeferner landete. Am 29. April 1927 gelang [[Ernst Udet]] der Start auf dem Schneeferner mit einem [[Segelflugzeug]], er erreichte nach 25&nbsp;Minuten Flug [[Lermoos]]. Per Seilbahn war der in Einzelteile zerlegte Flieger auf die Zugspitze transportiert worden. Im Winter 1931/32 wurde eine Poststelle der damaligen [[Deutsche Postgeschichte 1919–1945|Reichspost]] auf der Zugspitze eingerichtet. Sie existiert noch heute im Restaurant ''Sonn Alpin'' mit der Anschrift: ''82475 Zugspitze''. Vier Jahre nach dem Segelflugstart gelang 1931 der erste [[Ballon]]start von der Zugspitze. Im April 1933 wurde der Berg von 24 [[Sturmabteilung|SA-Männer]]n besetzt, die auf dem Turm der Wetterstation eine [[Hakenkreuz]]-Fahne hissten. Einen Monat später formierten sich SA- und [[Schutzstaffel|SS]]-Männer auf dem Schneeferner in Form eines Hakenkreuzes. Am 20. April 1945 warf die [[United States Army Air Forces|US-Luftwaffe]] über der Zugspitze Bomben ab, welche die Talstation der Tiroler Zugspitzbahn zerstörten und das Kammhotel beschädigten. Nach Beendigung des Krieges beschlagnahmten die Alliierten die Zugspitzbahn und das Schneefernerhaus. 1948 nahm die [[Deutsche Bundespost]] eine [[Richtfunk]]anlage auf dem Gipfel in Betrieb. Im September desselben Jahres balancierten drei [[Artist]]en auf Stahlseilen zwischen Ost- und Westgipfel. Zwei Mitglieder der [[Traber (Artistenfamilie)|Traber]]-Familie fuhren dieselbe Strecke 1953 auf einem Hochseil mit dem Motorrad. Seit 1953 findet auf dem ''Gatterl'' jährlich die ''[[Gatterlmesse]]'' statt. Anlass ist das Gedenken an den Lawinentod von vier [[Bayerische Grenzpolizei|bayerischen Grenzpolizisten]] 1952 und an alle tödlich Verunglückten im Zugspitzgebiet.<ref> {{Internetquelle |url=http://www.zugspitzbahn.at/zugspitzbahn/de/gatterlmesse.html |titel=Gatterlmesse 2009 |autor= |hrsg=Tiroler Zugspitzbahn| sprache= |zugriff=23. Oktober 2009}}</ref> Im Jahr 1962 zerstörte ein Brand das Kammhotel bei der Bergstation der Tiroler Zugspitzbahn. Das [[Erdbeben von Friaul 1976]] wirkte auf der Zugspitze besonders stark: Der diensthabende Meteorologe befürchtete dabei, der Beobachtungsturm könnte einstürzen.<ref> Heinrich Schott: ''Die Zugspitze – Gipfel der Technik, Triumphe und Tragödien''. Süddeutscher Verlag, München 1987, S.&nbsp;200. </ref> Auf dem Zugspitzplatt wurde 1981 eine [[Kapelle (Kirchenbau)|Kapelle]] gestiftet, die der Erzbischof von München und Freising, [[Benedikt XVI.|Josef Ratzinger]], im Oktober ''[[Mariä Heimsuchung]]'' weihte. Am 25. März wurde in der Gipfelstation ein Geldautomat installiert, der aber mittlerweile wieder demontiert ist. 1995 erfolgte die Eröffnung eines 450 Quadratmeter großen Ausstellungsraumes auf dem Gipfel, in dem Künstler halbjährlich wechselnd ihre Werke präsentieren. Ebenfalls 1995 wurde der Grenzverkehr zwischen Deutschland und Österreich auf dem Gipfel freigegeben.<ref name="c"> Bernd Ritschel, Tom Dauer: ''Faszinierende Zugspitze''. Bruckmann, München 2007, S.&nbsp;116ff. </ref> Seit dem Jahr 2000 wird jährlich der [[Zugspitz-Extremberglauf]] ausgetragen. Er sorgte im Juli 2008 für ein großes [[Massenmedien|mediales]] Echo, als nach einem sommerlichen [[Wettersturz]] zwei Teilnehmer an Erschöpfung und Unterkühlung starben.<ref> {{Internetquelle |url=http://www.sueddeutsche.de/bayern/450/448184/text/ |titel=Zwei Tote bei Extrem-Berglauf – Staatsanwaltschaft untersucht Zugspitz-Drama |autor= |hrsg=sueddeutsche.de| sprache= |zugriff=14. August 2009}} </ref> Ende August 2009 balancierte der Schweizer Freddy Nock auf dem Seil der [[Zugspitz-Gletscherbahn]] vom Zugspitzplatt zum Gipfel. Die 995&nbsp;Meter lange und bis zu 56% steile Strecke (Höhenunterschied: 348&nbsp;Meter) legte er ungesichert in 50 Minuten zurück.<ref> {{Internetquelle |url=http://www.br-online.de/bayerisches-fernsehen/rundschau/zugspitze-nock-hochseilartist-ID1251483620888.xml |titel=Nerven wie Drahtseile |autor= |hrsg=br-online.de.| sprache= |zugriff=23. Oktober 2009}} </ref> == Alpinismus == === Erstbesteigung === [[Datei:Joseph Naus 1824.jpg|thumb|upright|Josef Naus 1824 (Zeichnung: H. v. Aggenstein)]] Es gibt einige Vermutungen über die Erstbesteigung der Zugspitze. Eine Zeitentabelle auf einer Karte aus dem 18. Jahrhundert beschreibt den Weg „''ybers blath uf Zugspitze''“<ref> Bernd Ritschel, Tom Dauer: ''Faszinierende Zugspitze''. Bruckmann, München 2007, S.&nbsp;9. </ref> und gibt eine realistische Dauer von 8,5&nbsp;Stunden an, so dass angenommen wird, der Gipfel könnte schon vor 1820 bestiegen worden sein. Der Historiker Thomas Linder glaubt, dass Hirten oder Jäger mindestens bis in die Gipfelregionen vorgestoßen sind. Denkbar ist auch, dass [[Schmuggler]] Wege über den Zugspitz-Gipfel benutzten.<ref> Bernd Ritschel, Tom Dauer: ''Faszinierende Zugspitze''. Bruckmann, München 2007, S.&nbsp;10. </ref> Bereits 1804 hatten in der Umgebung kartographische Aufnahmen für die ''Grafschaft Werdenfels'' stattgefunden. Es gibt Mutmaßungen, dass auf Grund dieser Arbeiten der kurfürstliche Ingenieur-Geograph [[Alois von Coulon]] auch den Gipfel erreicht hatte. Da Coulon für das ’’Topographische Bureau’’ arbeitete, ist es jedoch unwahrscheinlich, dass dort die Besteigung nicht zur Kenntnis genommen worden wäre.<ref> Bernd Ritschel, Tom Dauer: ''Faszinierende Zugspitze''. Bruckmann, München 2007, S.&nbsp;16.</ref> Die erste nachgewiesene Besteigung der Zugspitze gelang am 27. August 1820 dem [[Leutnant]] [[Josef Naus]] und dem [[Bergführer]] [[Johann Georg Tauschl]]<ref group="Anm.">Tauschl wird auch immer wieder als ''Deuschl'' genannt. Ritschel/Dauer bezeichnen dies als einen ungeklärten Irrtum. Hiebeler nennt die Tagebucheintragung ''Tauschl'' von Josef Naus einen Fehler.</ref> zusammen mit Naus' Messgehilfen und Offiziersburschen Maier. Bereits am 21. Juli hatte Naus den Weg durch das Reintal bis zum Nördlichen Schneeferner erkundet. Der Leutnant befand sich im Rahmen eines Vermessungsauftrages des ''Königlich Bairischen Topographischen Bureaus'' für den ''Atlas von Bayern'' im [[Werdenfelser Land]]. Als Gruppe stiegen die drei zusammen mit [[Hauptmann (Offizier)|Hauptmann]] Jetze und Leutnant Antlischek am 26. August zur Hirtenunterkunft ''Angerhütte'' auf. Am 27. August um vier Uhr morgens starteten die drei Erstbesteiger in Richtung Zugspitzplatt und Zugspitzgipfel. Vom Schneeferner aus versuchten sie den Westgipfel über den Westgrat zu erreichen. Der erste Versuch schlug fehl, ein zweiter war erfolgreich. Den Westgipfel erreichten sie schließlich um 11.45 Uhr, wo sie als Zeichen ihrer Anwesenheit einen [[Wanderstock|Bergstock]] mit Tuch hinterließen. Ein Gewitter und Schneefall ließen die Erstbesteiger schnell wieder absteigen. Sie kehrten am 28. August gegen drei Uhr nachts zur Hirtenhütte zurück. Der Bergführer Tauschl erhielt einen Lohn von zwei Gulden und 42 Kreuzer.<ref> Bernd Ritschel, Tom Dauer: ''Faszinierende Zugspitze''. Bruckmann, München 2007, S.&nbsp;9ff. </ref> === Erschließungsgeschichte === [[Datei:Max Wolfinger Zug-Spitz am Eib-See 1864.jpg|thumb|Zugspitze 1864 (Ölgemälde Max Wolfinger)]] Im Jahr 1823 erreichten [[Simon Resch]] und der „Schaf-Toni“ zum ersten Mal den Ostgipfel. Auch die zweite Besteigung des Ostgipfels am 18. September 1834 gelang Simon Resch mit seinem Sohn Johann und dem Bergführer Johann Barth. Da Reschs erste Besteigung angezweifelt worden war, wurde dieses Mal auf dem Gipfel ein Feuer angezündet. Am 27. kam es zur dritten Besteigung des Ostgipfels durch die königlichen Forstgehilfen Franz Oberst und Schwepfinger zusammen mit Johann Barth. Oberst errichtete am Gipfel eine Fahnenstange mit Bayern-Flagge, die vom Tal aus sichtbar war. Die erste Besteigung von Österreich aus gelang im August 1837. Von Ehrwald aus stiegen die Vermesser Joseph Feuerstein und Joseph Sonnweber auf den Westgipfel und hinterließen dort eine Signalstange mit ihren Initialen. Zum dritten Mal wurde der Westgipfel am 10. September 1843 durch den Schafhirten Peter Pfeifer bestiegen. Er erkundete den Weg für eine Gruppe von acht Bergsteigern, die den Gipfel später im Auftrag von Bayerns [[Marie Friederike von Preußen|Kronprinzessin Marie]] erreichten. Sie ließ den Weg für eine eigene Besteigung der Zugspitze prüfen. Am 22. September 1853 stand mit [[Karoline Pitzner]] die erste Frau auf der Zugspitze. Eine erste Überschreitung zwischen West- und Ostgipfel glückte 1857 Dr.&nbsp;Härtringer aus München und dem Bergführer Joseph Ostler. Den irischen Brüdern Trench und dem Engländer Cluster gelang am 8. Juli 1871 unter Führung der Brüder Joseph und Joseph Sonnweber die Besteigung des Westgipfels durch das ''Österreichische Schneekar''. Der Weg durch das Höllental auf die Zugspitze wurde am 26. September 1876 zum ersten Mal von Franz Tillmetz, Franz Johannes mit den Führern Johann und Joseph Dengg begangen. Die erste Winterbesteigung des Westgipfels fand am 7. Januar 1882 statt, die Begeher waren Ferdinand Kilger, Heinrich Schwaiger, Josef und Heinrich Zametzer sowie Alois Zott. Der ''Jubiläumsgrat'' wurde am 2. September 1897 in seiner ganzen Länge erstmals durch [[Ferdinand Henning]] begangen. Die Besteigungszahlen der Zugspitze stiegen jährlich stark an. Wurde der Gipfel 1854 22 mal bestiegen, gab es bis zum Jahr 1899 schon 1600 Besteigungen. Vor dem Bau einer Seilbahn im Jahr 1926 waren es schon über 10.000.<ref> Bernd Ritschel, Tom Dauer: ''Faszinierende Zugspitze''. Bruckmann, München 2007, S.&nbsp;16ff. </ref> === Normalwege === ==== Zugspitzplatt über Reintal oder Gatterl ==== [[Datei:Reintal vom Gatterl HQ.jpg|thumb|Blick vom ''Gatterl'' ins Reintal]] Der leichteste der [[Normalweg]]e führt durch das [[Reintal (Wetterstein)|Reintal]] und ist der Weg der Erstbesteiger. Gleichzeitig ist er auch der längste Anstieg. Ausgangspunkt ist das Skistadion ({{Höhe|730}}) von [[Garmisch-Partenkirchen]]. Durch die [[Partnachklamm]] führt der Weg entlang der Partnach zur ''Bockhütte'' ({{Höhe|1052}}), wo das Reintal beginnt. Oberhalb der Partnach, die zwischendurch versickert, führt der Weg bis zur [[Reintalangerhütte]] ({{Höhe|1370}}). Bis dorthin ist der Anstieg relativ flach, wird danach aber steiler. Von der Hütte geht es durchs ''Brunntal'' hinauf zur [[Knorrhütte]] ({{Höhe|2057}}), die am Ostrand des Zugspitzplatts steht. Hier trifft auch die Variante von Ehrwald über das Gaistal und das ''Gatterl'' auf den Reintalweg. Über das Zugspitzplatt führt die Route nun in Richtung Nördlicher Schneeferner. Oberhalb der Station ''Sonn-Alpin'' beginnt am ''Punkt 2815'' der versicherte Teil des Anstieges zum Zugspitzgipfel. Insgesamt sind auf der Tour 2232&nbsp;[[Höhenmeter]] zu überwinden, die reine Gehzeit beträgt zwischen acht und zehn Stunden.<ref> Bernd Ritschel, Tom Dauer: ''Faszinierende Zugspitze''. Bruckmann, München 2007, S.&nbsp;113f. </ref><ref name="Alpenvereinskarte"/> ==== Höllental ==== [[Datei:Hoellentalangerhuette Richtung Zugspitze.jpg|thumb|Blick von der Höllentalangerhütte Richtung Zugspitze]] [[Datei:Zugspitze-Wiener-Neustaedter-Huette.jpg|thumb|Österreichisches Schneekar mit Hütte und Seilbahntrasse]] In [[Hammersbach (Grainau)|Hammersbach]] ({{Höhe|758}}) beginnt der Anstieg über das [[Höllental (Wetterstein)|Höllental]], entlang des [[Hammersbach (Loisach)|Hammersbaches]]. Der Weg durch die Höllentalklamm wurde in den Jahren 1902 bis 1905 gebaut. Dabei wurden in der 1026&nbsp;Meter langen Klamm zwölf Tunnel mit einer Länge von 288&nbsp;Metern geschaffen. Weitere 569&nbsp;Meter Weg wurden als Halbprofil aus dem Fels gesprengt, während 120&nbsp;Meter auf [[Steg (Brücke)|Stegen]] und 49&nbsp;Meter über Geröll verlaufen. Die Baukosten betrugen insgesamt 57.000 [[Goldmark]]. Jährlich durchqueren rund 60.000 Menschen die Klamm.<ref> Peter Schwarz: ''Der Bau des Höllentalklammweges 1902 bis 1905''. In: Walter Theil (Hrsg.): ''Alpenvereinsjahrbuch – Berg 2009''. Band 133. Alpenvereinsverlag, München 2008, S.&nbsp;252ff, ISBN 978-3-937530-29-1. </ref> Auf dem ''Stangensteig'' kann die Klamm auch umgangen werden. Nach der Klamm folgt die [[Höllentalangerhütte]] ({{Höhe|1381}}), danach wird der ''Höllentalanger'' überquert. Oberhalb davon quert man das ''Brett'' mit Stahlstiften in einer [[Felswand]]. Über den ''Grünen Buckel'' geht es auf den Höllentalferner zu. Der Gletscher ist im Sommer meist [[Ausaperung|aper]], sodass für seine Überquerung [[Steigeisen]] nötig sind. Noch größere Schwierigkeiten bereitet aber die [[Randkluft]], da sich das Eis durch Abschmelzung immer weiter vom Fels entfernt. Nach dem Ferner führt ein [[Klettersteig]] auf den Gipfel der Zugspitze. Auf dieser Tour sind 2204&nbsp;Höhenmeter zu überwinden, für die zwischen sieben und acht Stunden benötigt werden. Es besteht auch die Möglichkeit, über den ''Riffelsteig'' vom Eibsee auf die Höllentalroute zu gelangen. Über die ''Riffelscharte'' trifft der Steig vor dem ''Brett'' auf den Tourverlauf.<ref> Bernd Ritschel, Tom Dauer: ''Faszinierende Zugspitze''. Bruckmann, München 2007, S.&nbsp;113. </ref><ref name="Alpenvereinskarte"/> ==== Österreichisches Schneekar ==== Ein dritter Aufstieg führt über das ''Österreichische Schneekar''. Ausgangspunkte sind der Eibsee ({{Höhe|950}}) oder Ehrwald ({{Höhe|1000}}). Die beiden Wege treffen oberhalb des ''Gamskars'' zusammen. Danach geht es weiter zur [[Wiener-Neustädter-Hütte]] ({{Höhe|2209}}) und durch das ''Österreichische Schneekar'', an dessen Ende wiederum ein Klettersteig beginnt. In dessen Verlauf wird der ''Stopselzieher'', eine natürliche Auswaschungshöhle durchstiegen. Der Weg trifft dann auf die versicherten Passagen des Reintal-Anstieges. In acht Stunden sind dabei mindestens 2012&nbsp;Höhenmeter zu überwinden.<ref> Bernd Ritschel, Tom Dauer: ''Faszinierende Zugspitze''. Bruckmann, München 2007, S.&nbsp;114. </ref><ref name="Alpenvereinskarte"/> === Jubiläumsgrat === [[Datei:Jubiläumsgrat West HQ.jpg|thumb|Jubiläumsgrat Westteil: Blick von der Mittleren Höllentalspitze zur Zugspitze]] Eine der bekanntesten Gratrouten der Ostalpen ist der [[Jubiläumsgrat]], der von der Zugspitze nach Osten verläuft und über die Innere ({{Höhe|2737}}), Mittlere ({{Höhe|2740}}) und Äußere [[Höllentalspitzen|Höllentalspitze]] ({{Höhe|2716}}) sowie die [[Vollkarspitze]] ({{Höhe|2630}}) zum [[Hochblassen]] ({{Höhe|2707}}) führt. Davor zweigt die Route in Richtung ''Grießkarscharte'' ({{Höhe|2463}}) und zur Alpspitze ({{Höhe|2628}}) ab. Der Grat wurde zwischen 1909 und 1915 von der DAV-Sektion München teilweise mit Drahtseilen versichert. Ursprünglich wurde die Tour ''Jubiläumsweg'' genannt, nach einer tragischen Rettungsaktion 1979 ersetzte die Bezeichnung ''Jubiläumsgrat'' diese irreführende und Einfachheit suggerierende Benennung.<ref> Heinrich Schott: ''Die Zugspitze – Gipfel der Technik, Triumphe und Tragödien''. Süddeutscher Verlag, München 1987, S.&nbsp;188. </ref> Während der Tour, die kein reiner Klettersteig ist, müssen immer wieder unversicherte Passagen bewältigt werden, die dem unteren [[Schwierigkeitsskala (Klettern)|III. Schwierigkeitsgrad]] entsprechen. Die klettertechnische [[Schlüsselstelle]] ist eine glatte Rinne (III-). Im Bereich der Vollkarspitze befindet sich die klettersteigtechnische Schlüsselstelle ([[Schwierigkeitsskala (Klettern)#Klettersteige|D]]). Die Schwierigkeiten auf der ungefähr acht Kilometer langen Kletterstrecke liegen um I und II sowie B. Normalerweise kann die Begehung im Sommer an einem Tag bewältigt werden. Zwischen Mittlerer und Äußerer Höllentalspitze steht die ''Höllengrathütte'' ({{Höhe|2684}}), eine [[Biwakschachtel]]. Sie wird meist bei Winterbegehungen genutzt, bei denen die Tour in zwei Abschnitte gegliedert wird. Ein Zustieg zur Tour ist auch von der Knorrhütte über den ''Brunntalgrat'' möglich und trifft im Bereich der Inneren Höllentalspitze auf die Route.<ref> {{Internetquelle |url=http://www.bergsteigen.at/de/touren.aspx?ID=1496 |titel=Tourenbuch: Jubiläumsgrat Zugspitze |autor= |hrsg=bergsteigen.at |zugriff=9. August 2009}} </ref> === Unterkünfte === [[Datei:WienerNeustaedterHuette.JPG|thumb|Wiener-Neustädter Hütte 2006]] [[Datei:Münchner Haus.JPG|thumb|Münchner Haus 2005]] [[Datei:Schneefernerhaus.JPG|thumb|Schneefernerhaus 2006]] Im Bereich der Zugspitze befinden sich zahlreiche [[Berghütte]]n. Im Höllental ist die [[Höllentalangerhütte]] ({{Höhe|1381}}) mit 88 [[Matratzenlager]]n ein Stützpunkt. Unterkünfte im Reintal sind die [[Reintalangerhütte]] ({{Höhe|1370}}) mit 90 Schlafplätzen und am Rand des Zugspitzplatts die [[Knorrhütte]] ({{Höhe|2051}}) mit 108 Übernachtungsplätzen. Die Knorrhütte war 1855 die erste Hütte im gesamten Wettersteingebirge. Alle Hütten sind je nach Witterung von Mai bis Oktober geöffnet. Direkt an der Zugspitze befinden sich mit der [[Wiener-Neustädter-Hütte]], dem [[Münchner Haus]] und dem [[Schneefernerhaus]] drei weitere Hütten. ==== Wiener-Neustädter-Hütte ==== Als erste Hütte an der Zugspitze wurde die [[Wiener-Neustädter-Hütte]] ({{Höhe|2209}}) im Jahr 1884 erbaut. Sie dient für den bereits 1879 eröffneten Klettersteig durch das ''Österreichische Schneekar'' als Stützpunkt. Die Hütte befindet sich am Westrand des Kars und steht unterhalb der Tiroler Zugspitzbahn. Vom [[Österreichischer Touristenklub|Österreichischen Touristenklub]] betrieben, bietet sie 34 Bergsteigern in der Zeit von Juli bis Oktober eine Übernachtungsmöglichkeit. Der [[Winterraum]] ist für 14 Personen vorgesehen und hat keine Koch- und Heizmöglichkeiten. ==== Münchner Haus ==== Seit 1883 steht knapp unter dem Westgipfel eine Unterkunft. Damals errichtete die [[Alpenvereinssektion]] München eine Holzhütte mit Platz für zwölf Personen. Obwohl eine weitere touristische Erschließung des Gipfels auch kritisiert wurde, forderten in der Folge immer mehr Mitglieder den Bau einer größeren Hütte. So wurde schließlich das [[Münchner Haus]] ({{Höhe|2959}}) errichtet. Zunächst wurde 1896 ein 200&nbsp;Quadratmeter großer Bauplatz in den Fels gesprengt. Die bis zum 19. September 1897 errichtete Berghütte kostete 36.615 Goldmark. Sie war mit einer 21&nbsp;Kilometer langen Telefonleitung und einem 5,5&nbsp;Kilometer langen [[Blitzableiter]] versehen. In den Jahren 1911 bis 1914 wurde die Hütte erweitert und erhielt ihr heutiges Aussehen. Sie bietet 30 Betten zur Übernachtung und ist von Mai bis Oktober geöffnet. Es übernachten dort durchschnittlich 2000 Personen pro Jahr, hinzu kommen Tagestouristen.<ref> Bernd Ritschel, Tom Dauer: ''Faszinierende Zugspitze''. Bruckmann, München 2007, S.&nbsp;89ff. </ref> ==== Schneefernerhaus ==== Das [[Schneefernerhaus]] ({{Höhe|2656}}) war ab 1930 zunächst der Bahnhof der [[Bayerische Zugspitzbahn|Bayerischen Zugspitzbahn]]. Im Juni 1931 wurde das angebaute [[Hotel]] eingeweiht. Nach dem Krieg beschlagnahmten die US-Streitkräfte das Haus als ''Recreation Facility'' (Erholungszentrum). Erst 1952 wurde es wieder freigegeben und renoviert, Wiedereröffnung war im Dezember desselben Jahres. Am 15. Mai 1965 ereignete sich ein schweres Lawinenunglück. Die Lawine hatte sich oberhalb des Hauses gelöst und war über die Sonnenterrasse hinweggefegt. Dabei verloren zehn Menschen das Leben und 21 wurden schwer verletzt. Ende der 1980er Jahre wurde der Bahnhof verlegt und der Hotel- und Gastronomiebetrieb im Januar 1992 eingestellt. Zwischen 1993 und 1997 erfolgte der umfangreiche Umbau zu einer Forschungsstation, die bereits 1996 in Betrieb genommen wurde. Während der Arbeiten kam es 1994 zu einem Brand, der den fünften Stock und das Dachgeschoss völlig zerstörte.<ref> Bernd Ritschel, Tom Dauer: ''Faszinierende Zugspitze''. Bruckmann, München 2007, S.&nbsp;69ff. </ref> == Skisport == [[Datei:Zugspitzplatt oberes Skigebiet April 2006.jpg|thumb|Skigebiet im Bereich des Nördlichen Schneeferners]] Seit 1949 gibt es auf dem ''Zugspitzplatt'' ein [[Skigebiet]], gegenwärtig betrieben von der ''Bayerischen Zugspitzbahn Bergbahn AG'' auf einer Höhe von 2000 bis 2720&nbsp;Metern. Die Skifahrer erreichen es über die [[Seilbahn]]en von Ehrwald und Eibsee aus oder mit der Zahnradbahn. Von den Zugspitz-Gipfelstationen der Seilbahnen bringt eine [[Luftseilbahn|Großkabinenbahn]] die Wintersportler zur Station ''Sonn Alpin'', wo sich auch die einzigen [[Restaurant]]s des Gebiets befinden. Über das Platt verteilt werden die Skifahrer von sechs Liften transportiert. Es gibt eine [[Sesselbahn]] sowie fünf [[Schlepplift]]e, von denen drei als „Zwillinge“, das heißt mit zwei gleich langen nebeneinander verlaufenden Anlagen betrieben werden. Diese neun Lifte haben eine mögliche Förderleistung von 11.640 Personen pro Stunde. Die größte Kapazität hat dabei die Sesselbahn mit 2200&nbsp;Personen. Insgesamt sind die Beförderungsanlagen 6050&nbsp;Meter lang und überwinden einen Höhenunterschied von 1535&nbsp;Metern. Der längste Lift ist der Schlepplift ''Weißes Tal'' mit 1250&nbsp;Metern und einem Höhenunterschied von 350&nbsp;Metern. Das Gebiet besteht aus 13&nbsp;[[Skipiste]]n mit mittlerer Schwierigkeit (rot) und einem Pistenverbund leichter Schwierigkeit (blau) auf dem Nördlichen Schneeferner. Daraus ergibt sich ein Gesamthöhenunterschied von zirka 2900&nbsp;Metern und eine Gesamtpistenlänge von ungefähr 20&nbsp;Kilometern, darunter 14&nbsp;Kilometern mit mittlerer Schwierigkeit. Längste Piste ist der ''Super G'' mit 2,9&nbsp;Kilometern bei 500&nbsp;Metern Höhenunterschied. Darüber hinaus bestehen ein [[Fun-Park]] und die Möglichkeit, den Gebrauch von [[LVS-Gerät|Lawinenverschüttetensuchgeräten]] zu trainieren.<ref> {{Internetquelle |url=http://www.zugspitze.de/so_dokumente/zugspitze_technik_plattlifte.pdf |titel=Skilifte auf dem Zugspitzplatt |autor= |hrsg=Bayerische Zugspitzbahn Bergbahn AG | format= PDF |zugriff=9. August 2009}} </ref><ref> {{Internetquelle |url=http://ski3.intermaps.com/zugspitzbahn/index.swf?Lang=de&chn=zoom2&Reg=zmP2&Aktuell=Lifte |titel=Interaktiver Pistenplan |autor= |hrsg=Bayerische Zugspitzbahn Bergbahn AG | format= |zugriff=9. August 2009}} </ref> Für [[Skitouren]]geher ist besonders die Route von Ehrwald über das Gatterl von Bedeutung.<ref> {{Internetquelle |url=http://mediadb.alpin.de/pdf/2008_12_Tiefschneetage.pdf |titel=ALPIN-Tiefschneetage 2009: Mittelschwere Touren (Tour 7: Gatterl) |autor= |hrsg=[[Alpin (Zeitschrift)|ALPIN]] | format=PDF | zugriff=31. Oktober 2009}} </ref> Die „Neue Welt“ genannte Abfahrt vom Schneefernerkopf nach Ehrwald gilt als extrem schwierige und gefährliche Steilabfahrt, die neben Steigungen bis zu 40° auch [[Abseilen|Abseilstellen]] aufweist.<ref> {{Internetquelle |url=http://www.summitpost.org/route/156280/neue-welt.html |titel=Skiroute: Neue Welt |autor= |hrsg=summitpost.org | format= | zugriff=31. Oktober 2009}} </ref> == Bahnen == === Tiroler Zugspitzbahn === [[Datei:TirolerZugspitzbahn.JPG|thumb|Blick auf die Stütze II in der Nähe der Wiener-Neustädter-Hütte]] Die erste [[Luftseilbahn]] ins Zugspitzmassiv war die [[Tiroler Zugspitzbahn]]. 1923 wurde in [[Reutte]] die ''Österreichische Zugspitzbahn AG'' gegründet, die 1924 eine [[Konzession]] zum Bau einer Seilbahn von Ehrwald auf das Zugspitzeck erhielt. Nach 14&nbsp;Monaten Bauzeit war die Bahn bis Juli 1926 fertig gestellt und ein Hotel, genannt ''Kammhotel'' errichtet. Die Bahn endete auf 2805&nbsp;Metern, sodass mit ihr der Gipfel nicht direkt erreicht werden konnte. Um Skifahrer auf das Zugspitzplatt zu befördern, war ein Tunnel nötig. Er wurde zwischen 1927 und 1929 gebaut und war 700&nbsp;Meter lang. 1937 übernahm die ''Bayerische Zugspitzbahn AG'' mit 99&nbsp;Prozent die Mehrheit an der Österreichischen AG. Im selben Jahr wurde der Tunnel bis zum Schneefernerhaus verlängert. Nach dem Krieg wurde die Seilbahn als ''Deutscher Besitz im Ausland'' enteignet und ging wieder in österreichisches Eigentum über. Am 15. Mai 1964 erfolgte die Eröffnung einer Gipfelseilbahn als Verbindung der österreichischen Endstation mit dem Gipfel.<ref> Heinrich Schott: ''Die Zugspitze – Gipfel der Technik, Triumphe und Tragödien''. Süddeutscher Verlag, München 1987, S.&nbsp;68ff. </ref> Im Juli 1991 war der Neubau der Seilbahn von Ehrwald auf den Gipfel abgeschlossen. Sie ist 3,6&nbsp;Kilometer lang und führt von Ehrwald-Obermoos ({{Höhe|1225}}) über drei Stützen auf die Zugspitze ({{Höhe|2950}}). Im Februar 2003 beschädigte ein Brand in der Talstation die Bahn schwer. Sie konnte im August desselben Jahres wieder eröffnet werden.<ref name="c"/> [[Datei:Zugspitzbahn001.jpg|thumb|left|Triebwagen im ''Gletscher-Bahnhof'']] [[Datei:Zugspitztunnel.svg|thumb|left|Verlaufs-Schema der Zahnradbahn 1930]] === Bayerische Zugspitzbahn === Als in der Schweiz zwischen 1896 und 1912 eine [[Zahnradbahn]] auf das [[Jungfraujoch]] gebaut wurde, gab es auch erste Pläne für eine technische Erschließung der Zugspitze. Ein erstes Gesuch lehnte Prinzregent [[Luitpold von Bayern]] 1899 ab, weil er „''keinerlei Verkehrsbedürftnis''“<ref> Bernd Ritschel, Tom Dauer: ''Faszinierende Zugspitze''. Bruckmann, München 2007, S.&nbsp;44. </ref> sah. 1914 wurde erstmals eine Planungsgenehmigung für eine solche Bahn erteilt, die jedoch wegen des [[Erster Weltkrieg|Ersten Weltkrieges]] scheiterte. 1925 wurde eine weitere Konzession erteilt, die allerdings verfiel. Am 1. April 1928 erhielt ein [[Konsortium]] mit einem Kapital von fünf Millionen [[Reichsmark]] die Genehmigung für den Bau einer Bahn zwischen Garmisch-Partenkirchen über den Eibsee hinauf zur Zugspitze, genannt [[Bayerische Zugspitzbahn]]. Die Fertigstellung war für den Beginn der [[Oberammergauer Passionsspiele]] 1930 geplant. Um diese knappe Bauzeit einhalten zu können, wurde der [[Zugspitztunnel]] nicht nur von unten herauf gebohrt, sondern auch von oben und mit Hilfe der ''Fenster I'', ''III'', ''IV'' und ''0'' in der Nordwand vorangetrieben. Über diese künstlichen Wandöffnungen wurden die Arbeiter durch Hilfsseilbahnen mit dem nötigen Material versorgt. Insgesamt bewegten teilweise bis zu 2500&nbsp;Arbeiter 85.000&nbsp;[[Kubikmeter]] Erde und 160.000&nbsp;Kubikmeter Fels. Sie verbrauchten dabei knapp 198&nbsp;[[Tonne (Einheit)|Tonnen]] Sprengstoff. Bei den Bauarbeiten verloren zehn Menschen ihr Leben. Am 8. Februar gelang der Tunnel-Durchbruch zum Zugspitzplatt. Die Eröffnung der Bahn war am 8. Juli 1930, das Hotel Schneefernerhaus am Bahnhof Zugspitzplatt wurde wie die Gipfelseilbahn am 20. Januar 1931 eröffnet. Die Seilbahn wurde 1977 zu einer Großkabinenbahn ausgebaut und 1992 erneut modernisiert. 1950 erbaute man eine Verbindungsseilbahn zwischen Schneefernerhaus und Zugspitzplatt, die 1966 erneuert wurde. Zwischen 1985 und 1988 wurde der Endbahnhof nach unten verlegt, so dass er seitdem mitten im Skigebiet endet. Zwischen Garmisch ({{Höhe|705}}) und Grainau ({{Höhe|751}}) verläuft die Bahn als [[Reibungsbahn]] und im Anschluss daran bis zur Endstation ''Gletscher-Bahnhof'' ({{Höhe|2588}}) als Zahnradbahn. Die Strecke ist insgesamt 19&nbsp;Kilometer lang, wovon 4,4&nbsp;Kilometer durch den Zugspitz-Tunnel verlaufen. Eine Fahrt dauert ungefähr 45&nbsp;Minuten. Vom Bahnhof führt die [[Zugspitz-Gletscherbahn]] auf den Gipfel. Auf der Bahnstrecke kam es jeweils 1999 und 2000 zu Kollisionen, bei denen mehrere Menschen verletzt wurden.<ref name="b"> Bernd Ritschel, Tom Dauer: ''Faszinierende Zugspitze''. Bruckmann, München 2007, S.&nbsp;43ff. </ref> === Eibseeseilbahn === [[Datei:Zugspitze 10.jpg|thumb|Talstation Eibsee]] Erste Pläne für eine Seilbahn vom Eibsee zur Zugspitze gab es bereits 1909 mit der Genehmigung zur Projektierung, die 1911 verlängert wurde. Das Projekt scheiterte jedoch an mangelnden Finanzierungsmöglichhkeiten.<ref name="b"/> 1960 erhielt die Bayerische Zugspitzbahn AG die Konzession für die [[Eibseeseilbahn]]. Bis zum Dezember 1962 wurde eine 4500&nbsp;Meter lange Seilbahn zwischen Eibsee ({{Höhe|1000}}) und Gipfel gebaut. Sie verläuft über zwei 65 und 85&nbsp;Meter hohe Stützen und überwindet 2000&nbsp;Höhenmeter. Die Neigung beträgt bis zu 46&nbsp;Grad. Bei der [[Jungfernfahrt]] am 1. Dezember 1962 führte eine Blockade des elektronischen Bremssystems zu einem Abbruch der Eröffnung. Die Kabine mit den Ehrengästen war mitten auf der Strecke steckengeblieben. Seilprobleme bei Stürmen sorgten dafür, dass die Bahn ihren Betrieb erst am 15. Mai 1963 aufnehmen konnte. 1973 wurde die obere Stütze von einer Lawine schwer beschädigt.<ref> Heinrich Schott: ''Die Zugspitze – Gipfel der Technik, Triumphe und Tragödien''. Süddeutscher Verlag, München 1987, S.&nbsp;173ff. </ref> == Forschung == === Wetterwarte Zugspitze === [[Datei:Zugspitze mit Signal 1900.jpg|thumb|Einweihung des Observatoriums 1900]] Zwischen 1899 und 1900 wurde am Münchner Haus ein [[Meteorologie|meteorologisches]] [[Meteorologisches Observatorium|Observatorium]], die ''Königlich Bayerische Meteorologische Hochstation Zugspitze'', angebaut und am 19. Juli 1900 eingeweiht. Erster Wetterbeobachter war der spätere [[Antarktis|Antarktisforscher]] [[Josef Enzensperger]], der dort oben sieben Monate überwinterte. Das Observatorium wird seit dem 11. November 1952 vom [[Deutscher Wetterdienst|Deutschen Wetterdienst]] betrieben. Seit der Inbetriebnahme gibt es von der Zugspitze fast lückenlose Wetterbeobachtungen. Die einzige Unterbrechung der Messreihen trat nach dem Zweiten Weltkrieg zwischen dem 5. Mai und dem 9. August 1945 ein. Die im 24-Stunden-Dienst betriebene Station liefert täglich 24 stündliche Wettermeldungen mit [[Temperatur]], [[Luftdruck]], Strahlung, [[Windgeschwindigkeit]] sowie Art und Grad der [[Bewölkung]]. Alle sechs Stunden erfolgt eine [[Niederschlag]]smessung und alle zwölf Stunden die Aufnahme der Temperatur-Extremwerte, des Erdbodenzustandes und der [[Schneehöhe]]. Die tägliche Sonnenscheindauer misst ein [[Autograf]]. Seit 1994 ist die Wetterwarte Teil des ''Integrierten Mess- und Informationssystems zur Überwachung der Umweltradioaktivität'' (IMIS) des Deutschen Wetterdienstes. Bei diesen Messungen werden in jedem Winter erhöhte [[Caesium|Caesium 137]]-Werte gemessen, weil vermehrt [[Radioaktivität|radioaktiv]] verseuchtes Holz verbrannt wird. Diese Radioaktivität ist noch die Folge der [[Katastrophe von Tschernobyl]], wobei die Werte aber unbedenklich sind. Als 1998 in einem spanischen [[Stahlwerk]] versehentlich eine Kapsel mit Caesium 137 verbrannt wurde, überschritten die Werte mit 0,000022&nbsp;[[Becquerel (Einheit)|Becquerel]] zum bisher einzigen Mal deutlich den Normalwert.<ref name="fz75ff"/><ref> {{Internetquelle |url=http://www.dwd.de/bvbw/generator/DWDWWW/Content/Oeffentlichkeit/KU/KUPK/Wir__ueber__uns/Praesenz/Wetterwarten/Zugspitze,templateId=raw,property=publicationFile.pdf/Zugspitze.pdf |titel=Wetterwarte Zugspitze |autor= |hrsg=Deutscher Wetterdienst | format=PDF |zugriff=7. Dezember 2009}} </ref> Neben der vom [[Deutscher Wetterdienst|Deutschen Wetterdienst]] (DWD) betriebenen Wetterwarte werden auf dem Gipfel auch Daten für Forschungsprojekte am ''Institut für Meteorologie und Klimaforschung'' (IMK-IFU) des [[Karlsruher_Institut_für_Technologie|Karlsruher Instituts für Technologie]] (KIT) gesammelt. Dort beschäftigt man sich mit dem Einfluss menschlicher Aktivitäten auf die chemische Zusammensetzung der Erdatmosphäre. <ref> {{Internetquelle |url=http://www.uni-protokolle.de/nachrichten/id/81312/ |titel=IFU wechselt ins Forschungszentrum Karlsruhe |autor=Joachim Hoffmann |hrsg=uni-protokolle.de | format= |zugriff=14. August 2009}} </ref> <ref>{{Internetquelle | url=http://imk-ifu.fzk.de | titel=Internetauftritt des IMK-IFU | format= | zugriff=28. September 2009}} </ref> Außerdem ist die Zugspitze Teil des [[Global Atmosphere Watch]]-Programms, das weltweit klimarelevante Stoffe in der Atmosphäre misst. Dafür wurde auf dem Dach der Gipfelstation ein [[Spektrometer]] eingebaut, das die Dicke der [[Atmosphäre]]n-Schichten feststellt. === Schneefernerhaus === [[Datei:LIDAR Zugspitze.JPG|thumb|Wasserdampf-[[Light detection and ranging|LIDAR]]]] Nach der Schließung des Hotels [[Schneefernerhaus]] und dem Umbau zu einer Forschungsstation (1993–1997), begannen ab 1996 verschiedene Institutionen ihre Forschung. Die Station wird ''Umwelt-Forschungsstation Schneefernerhaus'' (UFS) genannt. Sie kann ganzjährig mit den Seilbahnen oder mit einer Sonderfahrt bis zum alten Bahnhof mit der Zahnradbahn erreicht werden. Die Grundausstattung stammt aus Mitteln des [[Bundesministerium für Bildung und Forschung|Bundesforschungsministeriums]] und der [[Deutsche Bundesstiftung Umwelt|Deutschen Bundesstiftung Umwelt]]. Als Dauermieter sind in der UFS der Deutsche Wetterdienst mit Meteorologie und radiologischen Messungen und das [[Umweltbundesamt]] mit luftchemischen Messungen beschäftigt. Zur Zeit (Stand: 2009) finden folgende Forschungsprojekte statt: Die UFS bearbeitet ein Projekt, in dem atmosphärische Messdaten von Satelliten auf ihre Verwertbarkeit getestet werden. Das [[Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt|Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt]] und das [[Deutsches Fernerkundungsdatenzentrum|Deutsche Fernerkundungsdatenzentrum]] beteiligen sich an einem globalen Netzwerk, das eine Früherkennung von Klimasignalen in den oberen Luftschichten ermöglichen soll. In 87&nbsp;Kilometern Höhe, der [[Mesopause]], wird dazu mit Hilfe eines [[Infrarotspektroskopie|Infrarotspektrometers]] der sogenannte [[Airglow]] gemessen. Ein weiteres Projekt ist die Messung von klimarelevanten Spurenstoffen in der [[Troposphäre]]. Das [[Karlsruher Institut für Technologie]] befasst sich am Schneefernerhaus mit der vertikalen Verteilung von Wasserdampf in der Atmosphäre, die mit [[LIDAR]] gemessen wird. Daneben werden regionale Klimaszenarien berechnet, die eine Abschätzung der langfristigen Wasserverfügbarkeit erlauben. Das Meteorologische Institut der [[Ludwig-Maximilians-Universität München]] beschäftigt sich mit der Analyse von Wolken und Schnee für die Klima- und Wettervorhersage. Mit einem [[Mikrowellen]]-[[Radiometrie|Radiometer]] wird der Flüssigkeitsgehalt von Wolken bestimmt. Mehrere Institute arbeiten an einem Vorhaben, das mit Hilfe von [[Fernerkundung]] die mikrophysikalischen Eigenschaften von Schnee bestimmen soll. Die [[Freie Universität Berlin]] forscht an den [[Streuung (Physik)|Streueigenschaften]] von [[Aerosol]]en, die hauptsächlich in Luftschichten bis 3000&nbsp;Meter auftreten, weshalb das Schneefernerhaus ein geeigneter Forschungsstandort ist. Forschungsschwerpunkt des [[Helmholtz Zentrum München|Helmholtz-Zentrums München]] ist die [[kosmische Strahlung]] und deren Auswirkung auf das Klima. An einem Verfahren zur Probeentnahme aus der Troposphäre zum Zweck der Bestimmung darin enthaltener organischer Schadstoffe arbeitet die [[Masaryk-Universität]]. Die Ludwig-Maximilian-Universität München und das [[Bayerisches Landesamt für Umwelt|Bayerische Landesamt für Umwelt]] überwachen Bayern vom Schneefernerhaus aus [[Seismologie|seismologisch]]. Die medizinische Abteilung der [[Technische Universität München|Technischen Universität München]] untersucht Auswirkungen des Hochgebirgsklimas auf [[Allergie]]n. Das [[Rechtsmedizin|rechtsmedizinische]] Institut der Ludwig-Maximilians-Universität befasst sich mit den Auswirkungen von Luftdruck und Klima in der Höhe auf die [[Atemalkoholbestimmung]].<ref> {{Internetquelle |url=http://www.schneefernerhaus.de/UFS-Aktivitaeten.pdf |titel=Überblick über aktuelle Forschungs- und Arbeitsschwerpunkte |autor=Zentrum für Höhen- und Klimaforschung in Bayern |hrsg=Umweltforschungsstation Schneefernerhaus | format=PDF |zugriff=14. August 2009}} </ref> == Sendeanlagen Zugspitze == [[Datei:Ehrwalder zugspitzbahn .JPG|thumb|Sendeanlagen auf österreichischer Seite des Gipfels]] Von der Zugspitze aus wird auf der Frequenz 102,7&nbsp;[[Megahertz|MHz]] mit 2&nbsp;[[Watt (Einheit)|kW]] [[Effektive Strahlungsleistung|ERP]] das Programm [[Antenne Bayern]] abgestrahlt. Das Versorgungsgebiet besteht aus großen Teilen [[Oberbayern]]s und Teilen des Regierungsbezirks [[Schwaben (Bayern)|Schwaben]]. In Nordtirol ist der Sender durch topografische Abschattungen nur in begrenzten Gebieten in ausreichender Qualität empfangbar. Auf der österreichischen Seite der Zugspitze befindet sich eine Sendeanlage der [[Österreichische Rundfunksender GmbH|ORS]]. Dort werden die Programme [[Ö1]] (91,6&nbsp;MHz), [[Radio Tirol]] (95,3&nbsp;MHz), [[Ö3]] (97,1&nbsp;MHz) und [[FM4]] (100,7&nbsp;MHz) des [[Österreichischer Rundfunk|Österreichischen Rundfunks]] ausgestrahlt. Durch die exponierte Lage des Senders sind diese Frequenzen auch im südwestlichen Oberbayern und im südlichen Regierungsbezirk Schwaben zu empfangen. Sowohl auf deutscher als auch auf österreichischer Seite gibt es Antennenträger für [[Richtfunk]]. Auf dem Turm der Wetterwarte des Deutschen Wetterdienstes befindet sich eine [[Amateurfunkdienst|Amateurfunk]]-[[Relaisstation|Relaisstelle]] mit dem [[Rufzeichen]] DB0ZU für die [[Amateurband|Frequenzbereiche]] [[2-Meter-Band|2&nbsp;Meter]], [[70-Zentimeter-Band|70]] und 23&nbsp;Zentimeter. == Literatur == * Bernd Ritschel, Tom Dauer: ''Faszinierende Zugspitze''. Bruckmann, München 2007, ISBN 978-3-7654-4550-7 * Heinrich Schott: ''Die Zugspitze – Gipfel der Technik, Triumphe und Tragödien''. Süddeutscher Verlag, München 1987, ISBN 978-3-7991-6338-5 * [[Toni Hiebeler]]: ''Zugspitze – Von der Erstbesteigung bis heute''. Mosaik, München 1985, ISBN 978-3-8819-9216-9 * Fritz Schmitt: ''Alpinmonographie: Wetterstein – Täler, Grate, Wände''. Bergverlag Rother, Ottobrunn 1979, ISBN 978-3-7633-7134-1 ;Karten * [[Kompass Karten|Kompass]] Wander-, Bike- und Skitourenkarte: ''Blatt 25 Zugspitze, Mieminger Kette'' (1:50.000). Rum/Innsbruck 2008, ISBN 978-3-8549-1026-8 * Bayerisches Landesvermessungsamt: ''Topographische Karte Blatt 8531/8631: Zugspitze'' (1:25.000). 2007, ISBN 978-3860-38316-2 * Deutscher Alpenverein: ''Alpenvereinskarte 4/2 – Wetterstein und Mieminger Gebirge Mitte'' (1:25.000). 5. Auflage. Alpenvereinsverlag, München 2007, ISBN 978-3-9287-7720-9 == Filmographie == *''Die Zugspitze – Berg der Kontraste''. Wolfgang Thaler, 2007 *''[[Gipfelsturm]]''. Bernd Fischerauer, 2006: Spielfilm über die Erstbesteigung 1820 *''Die Unverfrorenen – Eine Wintersaison auf der Zugspitze''. Birgit Meißner, 2004: Fünfteilige Dokumentation aus verschiedenen Perspektiven über einen Winter auf und an der Zugspitze == Weblinks == {{Commonscat|Zugspitze}} {{Wiktionary|Zugspitze}} *{{Peakbagger|10012}} *[http://www.klettersteig.de/main.asp?KSID=88 Höllental-Route] – Klettersteig.de *[http://www.sueddeutsche.de/reise/340/302336/text/ Reintal-Route] – Sueddeutsche.de *[http://www.alpin.de/tourenbuch/news/1d5f2766-cf39-4a81-a563-9e4318b643c6 Jubiläumsgrat] – [[Alpin (Zeitschrift)|ALPIN]]-Tourenbuch *[http://www.geodaten.bayern.de/BayernViewer2.0/index.cgi?rw=4423440&hw=5254020&layer=TK&step=4 Topographische Online-Karte für die Zugspitzumgebung] – BayernViewer == Anmerkungen == <references group="Anm."/> == Einzelnachweise == <references/> {{Exzellent|1. November 2009|66241266}} [[Kategorie:Berg in den Alpen]] [[Kategorie:Berg in Bayern]] [[Kategorie:Berg in Europa]] [[Kategorie:Berg in Tirol]] [[Kategorie:Wettersteingebirge]] [[Kategorie:Garmisch-Partenkirchen]] [[Kategorie:Wintersportgebiet in Deutschland]] [[Kategorie:Wintersportgebiet in Österreich]] [[Kategorie:Amateurfunk]] [[bar:Zugspitz]] [[bg:Цугшпице]] [[bs:Zugspitze]] [[ca:Zugspitze]] [[cs:Zugspitze]] [[cy:Zugspitze]] [[da:Zugspitze]] [[en:Zugspitze]] [[eo:Zugspitze]] [[es:Zugspitze]] [[et:Zugspitze]] [[eu:Zugspitze]] [[fi:Zugspitze]] [[fr:Zugspitze]] [[ga:Zugspitze]] [[gl:Zugspitze]] [[he:צוגשפיצה]] [[hr:Zugspitze]] [[hu:Zugspitze]] [[id:Zugspitze]] [[is:Zugspitze]] [[it:Zugspitze]] [[ja:ツークシュピッツェ]] [[lt:Cūgšpicė]] [[mr:त्सुगस्पिट्से]] [[ms:Zugspitze]] [[nl:Zugspitze]] [[nn:Zugspitze]] [[no:Zugspitze]] [[pl:Zugspitze]] [[pnb:سوگسپتزے]] [[pt:Zugspitze]] [[ro:Zugspitze]] [[ru:Цугшпитце]] [[simple:Zugspitze]] [[sk:Zugspitze]] [[sv:Zugspitze]] [[tr:Zugspitze]] [[zh:楚格峰]] 3crtww9ekhkfoy578krcfcmztayjjlt wikitext text/x-wiki Zweite Kamtschatkaexpedition 0 24558 28181 28180 2011-01-15T14:36:31Z Cryo 540 Änderungen von [[Special:Contributions/Cryo|Cryo]] ([[User talk:Cryo|Diskussion]]) rückgängig gemacht und letzte Version von [[User:SteveK|SteveK]] wiederhergestellt [[Datei:Jefferys - The Russian Discoveries.jpg|thumb|360px|Eines der wichtigsten Einzelergebnisse der Expedition war die kartografische Erfassung und Darstellung des nordöstlichen Teils Asiens. Im Jahr 1754 veröffentlichte das Geografische Departement der Sankt Petersburger Akademie der Wissenschaften eine Karte mit dem Titel ''Nouvelle Carte des Découvertes faites par des Vaisseaux Russiens'', die auch die Schiffsrouten [[Vitus Bering]]s und [[Alexei Iljitsch Tschirikow]]s festhielt. Die neugewonnenen geografischen Informationen fanden großen Anklang in ganz Europa und wurden schnell verbreitet. Eine englische Übertragung der Karte mit dem Titel ''The Russian Discoveries'' fertigte der Londoner Kartograf [[Thomas Jefferys]] an (hier als Nachdruck aus dem posthum von Robert Sayer herausgegebenen ''American Atlas'' aus dem Jahr 1776).]] Die '''Zweite Kamtschatkaexpedition''' war eine zwischen 1733 und 1743 durchgeführte Forschungs- und Entdeckungsreise unter der Leitung des Marineoffiziers [[Vitus Bering]], deren Teilnehmer [[Sibirien]] erforschten, die nördlichen Küsten des [[Russisches Reich|Russischen Reiches]] vermaßen und Seewege vom ostsibirischen [[Ochotsk]] nach [[Nordamerika]] und [[Japan]] erkundeten. Zu den unter zum Teil beachtlichen Strapazen gewonnenen Ergebnissen der Expedition gehören die Entdeckung [[Alaska]]s, der [[Aleuten]], der [[Kommandeurinseln]] und der [[Beringinsel]], die genaue kartografische Erfassung der nördlichen und nordöstlichen Küsten Russlands und der [[Kurilen]], die Widerlegung der Legende von der Existenz sagenhafter Länder im [[Pazifischer Ozean|Nordpazifik]] und die ethnografische, historische und naturwissenschaftliche Erforschung [[Sibirien]]s und [[Kamtschatka]]s. Mit dem Scheitern einer Umrundung der nordöstlichen Spitze Asiens auf dem Seeweg zerschlug sich der seit Beginn des 16. Jahrhunderts gehegte Wunsch einer wirtschaftlichen Nutzung der [[Nordostpassage]]. Mit über 3.000 direkt und indirekt beteiligten Personen war die Zweite Kamtschatkaexpedition eines der größten Expeditionsvorhaben der Geschichte. Die Gesamtkosten des vom russischen Staat finanzierten Unternehmens beliefen sich auf die für damalige Zeiten unvorstellbar hohe Summe von geschätzten 1,5 Millionen [[Rubel]]n, was ungefähr einem Sechstel der Einnahmen Russlands im Jahr 1724 entsprach.<ref>Hintzsche / Nickol, ''Die Große Nordische Expedition'', S. 200.</ref> Mit Bezug auf ihren Umfang und ihre Bedeutung wird die Expedition auch als „Große Nordische Expedition“ bezeichnet. == Vorgeschichte: Erste wissenschaftliche Erkundungen Sibiriens und Berings erste Expedition == Der Beginn der systematischen geografischen Erkundung und wissenschaftlichen Erforschung des östlichen Teils Asiens im 18. Jahrhundert geht auf die Initiative des ab 1689 in Russland regierenden Zaren [[Peter der Große|Peter I.]] (1672–1725) zurück. Dieser war auf seiner in den Jahren 1697 und 1698 unternommenen Studienreise durch verschiedene Länder Europas zur Schaffung einer eigenen Akademie der Wissenschaften angeregt worden. In den Jahren 1723/24 nahm dieser Plan konkrete Gestalt an. Um auf wissenschaftlichem Gebiet Anschluss an das übrige Europa zu erlangen und die Ausbildung eigener Fachleute auf eine dauerhafte Grundlage zu stellen, entschied Peter, ausländische Gelehrte nach Russland zu berufen und eine eigene russische Akademie in [[Sankt Petersburg]] zu schaffen. [[Datei:Sankt Petersburg - Akademie der Wissenschaften (Durchschnitt 1741).jpg|thumb|340px|Zeitgenössische Abbildung des Hauptgebäudes der russischen [[Russische Akademie der Wissenschaften|Akademie der Wissenschaften]] in [[Sankt Petersburg]]. Tafel ''Durchschnitt von der Kayserlichen Bibliothec, und Kunstkammer gegen Morgen'' aus einer 1741 erschienenen Serie von 12 Radierungen, der ersten Gemeinschaftsarbeit aus der künstlerischen Werkstatt der Petersburger Akademie.]] Im Dezember 1725 wurde diese Einrichtung feierlich eröffnet. Junge, zumeist deutschsprachige Wissenschaftler bildeten im ersten Jahrzehnt nach ihrer Gründung den personellen Kern der Akademie. Eine ihrer Aufgaben bestand in der Ausrichtung und wissenschaftlichen Begleitung von Expeditionen in bislang unbekannte Teile des russischen Kaiserreichs. Noch zu Lebzeiten Peters fand die Reise des deutschen Mediziners [[Daniel Gottlieb Messerschmidt]] (1685–1735) statt, der zwischen 1720 und 1727 West- und Zentralsibirien bereiste und dabei Untersuchungen zur Geografie, Mineralogie, Botanik, Zoologie, Ethnografie, Philologie sowie zur Wirtschaft und zum Handel anstellte. Heute gilt Messerschmidts Expedition als Auftakt zur wissenschaftlichen Erforschung Sibiriens. Kurz vor seinem Tod im Februar 1725 unterzeichnete der Zar den Befehl zu einer weiteren großen Expedition gen Osten. Peter war im Laufe seines Lebens mehrmals mit [[Gottfried Wilhelm Leibniz]] (1646–1716) zusammengetroffen und war von diesem bei ihrem letzten Treffen in Bad Pyrmont 1716 mit der Frage konfrontiert worden, ob es eine Landverbindung zwischen der nordöstlichen Spitze Asiens und Nordamerika gebe. Diese Frage besaß unter anderem vor dem Hintergrund der Diskussion über den Ursprung der Menschheit beträchtliche Relevanz. Wollte man den Glauben an den gemeinsamen Ursprung aller Menschen nicht aufgeben, so stellte sich für den Fall, dass Asien und Nordamerika nicht miteinander verbunden waren, die Frage, auf welchem Weg der Mensch in die [[Neue Welt]] gelangt war. Um abschließende Gewissheit über die Existenz einer Landverbindung zwischen den beiden Kontinenten zu erlangen, schickte Peter der Große 1719 die beiden russischen [[Geodät]]en [[Iwan Michailowitsch Jewreinow|Iwan Jewreinow]] (1694–1724) und [[Fjodor Luschin]] († 1727) an den östlichen Rand seines Reiches. Da Jewreinows und Luschins Expedition jedoch zumindest hinsichtlich der Beantwortung der Frage nach der Landverbindung erfolglos blieb, gab Peter 1724 den Auftrag zu einer erneuten Entdeckungsreise, der sogenannten „[[Erste Kamtschatkaexpedition|Ersten Kamtschatkaexpedition]]“.<ref>In bewusster Abgrenzung zu der traditionellen, etwa von Raymond H. Fisher in seiner 1977 erschienenen Schrift ''Bering's voyages: whither and why'' vertretenen Auslegung über die Suche nach einer Landverbindung als wichtigstem Ziel der Ersten Kamtschatkaexpedition hebt Carol Urness die kartographische Erfassung des östlichen Russlands als Hauptzweck der Reise hervor. Vgl. Carol Urness: ''The First Kamchatka Expedition in Focus'', in: Møller / Lind (Hrsg.), Under Vitus Bering's Command, Århus 2003, S. 17–31 (Zusammenfassung der Thesen ihres 1987 erschienenen Buches ''Bering's First Expedition: A re-examination based on eighteenth-century books, maps, and manuscripts'').</ref> Geleitet wurde dieses von 1728 bis 1730 dauernde Unternehmen von dem dänischen Kapitän [[Vitus Bering|Vitus Jonassen Bering]] (1681–1741), der seit 1704 als Marineoffizier in der kaiserlich-russischen Flotte diente. Mit seinem an der Mündung des Kamtschatkaflusses gebauten Schiff ''St. Gabriel'' brach Bering in den Jahren 1728 und 1729 zweimal nacheinander in nordöstlicher Richtung auf und erreichte auf einer nördlichen Breite von 67 Grad einen [[Kap Deschnjow|Punkt]], an dem sich die Küste nicht weiter nach Norden erstreckte. Aufgrund der schlechten Wetterbedingungen gelang es ihm jedoch beide Male nicht, das nordamerikanische Festland zu sichten. Trotz der neuen Erkenntnisse zur Geografie der nordöstlichen Küste Sibiriens wurde der von Bering nach seiner Rückkehr angefertigte Expeditionsbericht kontrovers diskutiert. Da die Beantwortung der Frage nach der genauen Lage Nordamerikas immer noch ausstand, schlug Bering selbst eine weitere Forschungsreise vor, die „Zweite Kamtschatkaexpedition“. == Die Expedition == === Planungen und Vorbereitungen === ==== Berings Expeditionsplan und die beiden Seeabteilungen ==== [[Datei:Vitus Bering.jpg|thumb|200px|Ölgemälde eines unbekannten Meisters, entstanden Mitte des 18. Jahrhunderts. Das Bild wurde lange Zeit für ein Porträt des Entdeckers [[Vitus Bering|Vitus Jonassen Bering]] gehalten. Nach einer Exhumierung Berings im Jahr 1991 und einer anschließenden forensischen Untersuchung geht man jedoch heute davon aus, dass der dänische Schriftsteller [[Vitus Pedersen Bering]] († 1675), ein Onkel des Entdeckers, dargestellt ist.]] Im Zentrum der neuen Expeditionspläne Berings standen die Vermessung der nördlichen Küsten des russischen Reiches, der Ausbau des Hafens von [[Ochotsk]] als Zugang zum [[Pazifischer Ozean|Pazifischen Ozean]], die Suche von Seewegen nach Nordamerika und Japan, die Erschließung der sibirischen Bodenschätze und schließlich die Absicherung der russischen Herrschaft im östlichen Teil Asiens. Die Rahmenbedingungen für dieses gigantische Vorhaben erwiesen sich als äußerst günstig. Die ab 1730 regierende Zarin [[Anna (Russland)|Anna Iwanowna]] (1693–1740) war bestrebt, das Werk Peters des Großen fortzusetzen und die territoriale und ökonomische Expansion ihres Reiches weiter voranzutreiben. Mit dem [[Ukas]] vom 17. April 1732 erging ein Erlass der Zarin zur Aussendung einer neuen Expedition, dem am 2. und 15. Mai 1732 zwei Ukasse des russischen Senats an das Admiralitätskollegium zur Vorbereitung des Unternehmens und zur Einsetzung von Vitus Bering als dessen Leiter folgten. Ein Ukas des Senats vom 2. Juni 1732 verpflichtete die [[Russische Akademie der Wissenschaften|Sankt Petersburger Akademie der Wissenschaften]] zur Abfassung von Instruktionen für den wissenschaftlichen Teil der Reise. Ein weiterer Ukas des Senats an Bering vom 27. Dezember 1732 schließlich betraf die Organisation und die Aufgaben der Expedition. Zur Erfüllung ihrer Ziele wurde die Expedition in drei Gruppen mit jeweils einer oder mehreren Abteilungen untergliedert. Die Aufgabe der nördlichen Gruppe bestand in der Vermessung und kartografischen Erfassung der nördlichen Küste Russlands zwischen dem am [[Weißes Meer|Weißen Meer]] gelegenen Hafen [[Archangelsk]] und dem Fluss [[Anadyr (Fluss)|Anadyr]] in Ostsibirien. Die Erfüllung dieser Aufgabe stellte die Grundlage für die Beantwortung der Frage nach der [[Nordostpassage]] als Verbindung Europas mit dem [[Pazifischer Ozean|Pazifik]] dar und zielte darauf ab, eine Alternative zu den teuren Landtransporten im russischen Chinahandel und eine nördliche Seeroute nach Indien zu finden. Die pazifische Gruppe der Expedition bestand aus zwei Abteilungen. Die erste, von Vitus Bering selbst geleitete Abteilung, sollte von [[Ochotsk]] aus [[Kamtschatka]] erkunden und sich dann auf die Suche nach dem legendären „Joao-da-Gama-Land“ (auch „Compagnieland“) machen. Dieses war nach dem portugiesischen Seefahrer [[Joao da Gama]] benannt worden, der im Jahr 1589 behauptet hatte, nördlich von Japan Land entdeckt zu haben. Vom „Joao-da-Gama-Land“ aus sollte Berings Gruppe anschließend weiter nach Osten bis zur Küste Nordamerikas vordringen. Die zweite pazifische Abteilung stand unter der Leitung des dänischen Kapitäns [[Martin Spangberg]] (gest. 1757 oder 1761), der Bering bereits auf der Ersten Kamtschatkaexpedition zur Seite gestanden hatte und die Aufgabe erhielt, von Ochotsk aus den Seeweg nach Japan und China zu erkunden. ==== Die akademische Abteilung und ihre Instruktionen ==== [[Datei:Johann Georg Gmelin.jpg|thumbnail=Johann Georg Gmelin (Ausschnitt).jpg|140px|Gmelin]] Die akademische Abteilung der Expedition wurde von drei Professoren der [[Russische Akademie der Wissenschaften|Sankt Petersburger Akademie der Wissenschaften]] angeführt. Zur Erforschung der Tier- und Pflanzenwelt sowie der Bodenschätze der bereisten Gebiete berief die Akademie den württembergischen Naturforscher und Botaniker [[Johann Georg Gmelin]] (1709–1755). Gmelin hatte in Tübingen studiert und war mit einer Arbeit zur chemischen Zusammensetzung eines Heilwassers promoviert worden. Auf Drängen seines ehemaligen akademischen Lehrers [[Georg Bernhard Bilfinger]] (1693–1750) folgte Gmelin diesem 1727 nach Russland. Dort erhielt er im Jahr 1731 einen Lehrstuhl für Chemie und Naturgeschichte. Zur Durchführung ethnologischer und historischer Studien wählte die Akademie den deutschen Historiker und Geografen [[Gerhard Friedrich Müller]] (1705–1783) aus. Müller hatte in Rinteln und Leipzig studiert und war 1725 über die Vermittlung eines Studienfreundes nach Sankt Petersburg gekommen. 1730 wurde er zum außerordentlichen, ein Jahr später zum ordentlichen Professor der Geschichte berufen. Aus seiner intensiven Beschäftigung mit der russischen Geschichte ging 1732 der erste Band der ''Sammlung rußischer Geschichte'' hervor. Aufgrund seines überheblichen Auftretens als Sekretär der Kanzlei geriet Müller mit anderen Akademiemitgliedern in Streit. Deshalb beruhte seine Teilnahme an der Expedition nicht allein auf dem Wunsch, auf der Reise direkten Zugang zu den geschichtlichen Quellen zu haben, sondern auch darauf, Abstand von Sankt Petersburg zu gewinnen. [[Datei:Louis de l'Isle de la Croyere.jpg|thumbnail=Louis de l'Isle de la Croyere (Ausschnitt).jpg|140px|Croyère]] Auf Vorschlag des noch von Peter dem Großen nach Sankt Petersburg berufenen Astronomen [[Joseph Nicolas Delisle]] (1688–1768) betraute die Akademie der Wissenschaften dessen jüngeren Bruder [[Louis De l'Isle de la Croyère]] (1690–1741) mit astronomisch-geografischen und physikalischen Messungen. Louis diente der Akademie zunächst als [[Adjunkt (Beruf)|Adjunkt]] für Astronomie. 1727 berief ihn die Akademieleitung zum Professor und schickte ihn auf eine drei Jahre dauernde Vermessungsreise nach [[Archangelsk]] und zur Halbinsel [[Kola]], so dass er bereits vor Beginn der Reise nach Sibirien Expeditionserfahrungen gesammelt hatte. Dennoch gehörte Croyère zu den umstrittensten Teilnehmern der akademischen Abteilung, weil seine Fähigkeiten später sowohl von Gmelin als auch von Müller stark angezweifelt wurden. Die Teilnehmer der akademischen Gruppe unterstanden als einzige nicht dem Kommando Berings, sondern der Sankt Petersburger Akademie. Jeder der Professoren erhielt genaue Weisungen über das zu absolvierende Forschungsprogramm. Die Instruktionen für Croyère und die ihn begleitenden [[Geodät]]en verfasste sein Bruder Joseph Nicolas. Gmelin schrieb die Instruktionen für seine naturgeschichtlichen Forschungsarbeiten selbst. Ergänzende Anweisungen erhielt er von dem Anatomen [[Johann Georg Duvernoi]] (1691–1759), der wie Georg Bernhard Bilfinger zu seinen ehemaligen akademischen Lehrern in Tübingen gehörte. Unter anderem wollte Duvernoi wissen, ob die Menschen in Sibirien ihre Ohren bewegen könnten, ob ihre Gaumenzäpfchen einfach, gespalten oder dreizipfelig seien oder ob auch die sibirischen Männer Milch in den Brüsten hätten.<ref>Hintzsche / Nickol, Die Große Nordische Expedition, S. 78.</ref> Der Physiker [[Daniel Bernoulli]] (1700–1782) verfasste für Croyère und Gmelin Instruktionen zur Durchführung einer Reihe von physikalischen Messungen. Der Historiker Müller entwarf seinen Arbeitsplan selbst. Seine wichtigsten Ziele bestanden in der Erforschung der Geschichte aller während der Expedition bereisten Städte und der Sammlung möglichst vieler Sprachproben von sibirischen Volksgruppen, mit denen er zusammentreffen würde. Sonderinstruktionen erhielten die beiden zur akademischen Abteilung gehörenden Maler Johann Christian Berckhan (gest. 1751) und Johann Wilhelm Lürsenius (gest. nach 1770). Die Akademie wies die Forscher außerdem an, Berichte in russischer und lateinischer Sprache über den Stand und die Ergebnisse der Expedition anzufertigen. Zur Durchführung ihrer Arbeiten wurden den Teilnehmern der akademischen Abteilung zahlreiche astronomische, geodätische und physikalische Messinstrumente zur Verfügung gestellt. Der sibirische Gouverneur und die Statthalter waren gehalten, den Forschern alle erforderliche Unterstützung zukommen zu lassen. === Die Reisen der drei Expeditionsgruppen (1733–1743) === ==== Die akademische Abteilung ==== Nachdem die beiden pazifischen Abteilungen unter [[Martin Spangberg]] und [[Vitus Bering]] [[Sankt Petersburg]] bereits im Februar und April 1733 in Richtung Osten verlassen hatten, machte sich die akademische Gruppe am 8. August 1733 auf den Weg. Neben den drei Akademiemitgliedern [[Johann Georg Gmelin|Gmelin]], [[Gerhard Friedrich Müller|Müller]] und [[Louis De l'Isle de la Croyère|Croyère]] gehörten zu der akademischen Gruppe die russischen Studenten [[Stepan Petrowitsch Krascheninnikow|Stepan Krascheninnikow]], Alexei Grolanow, Luka Iwanow, Wassili Tretjakow und Fjodor Popow, der Student und Übersetzer Ilja Jaontow (gest. 1739), die [[Geodät]]en [[Andrei Krassilnikow]] (1705–1773), Moisei Uschakow (gest. vor 1743), Nikifor Tschekin und Alexandr Iwanow (gest. 1738), der Instrumentenmacher Stepan Owsjanikow (gest. 1738) sowie die Maler Johann Christian Berckhan und Johann Wilhelm Lürsenius. Zu ihrem Schutz wurden zwölf Soldaten, ein Korporal und ein Trommler abkommandiert. Als Transportmittel zu Land dienten Pferde; auf den Flüssen wurden Lastkähne eingesetzt. Ihre Reiseroute führte die akademische Abteilung zunächst über [[Nowgorod]], [[Kasan]], [[Jekaterinburg]] und [[Tjumen]] bis [[Tobolsk]], wo sie im Januar 1734 ankamen. Im Mai trennten sich Gmelin und Müller von dem übrigen Teil der Gruppe, der unter die Leitung [[Louis De l'Isle de la Croyère|Croyères]] gestellt wurde, und reisten bis Dezember 1734 den [[Irtysch]] aufwärts über [[Semipalatinsk]], [[Nowokusnezk|Kusnezk]] nach [[Tomsk]] und weiter nach [[Jenisseisk]]. Über [[Krasnojarsk]] und [[Nischneudinsk|Udinsk]] erreichten sie Anfang März 1735 [[Irkutsk]]. Dort ließen sie einen Teil ihres Gepäcks zurück und machten sich auf, das Gebiet um den [[Baikalsee]] zu erkunden. Sie studierten das Handelstreiben in der russisch-chinesischen Grenzstadt [[Kjachta]] in [[Daurien|Transbaikalien]] und statteten den Bergwerken von [[Argun (Stadt)|Argun]] einen Besuch ab. Den Winter verbrachten sie wieder in Irkutsk. Müller beschäftigte sich im örtlichen Archiv mit der Durchsicht und Abschrift von Dokumenten und Gmelin studierte die im Sommer gesammelten Pflanzen. [[Datei:Irkutsk (1735).jpg|thumb|500px|center|Blick auf [[Irkutsk]]. Federzeichnung aus dem Jahr 1735.]] Das nächste Reiseziel war [[Jakutsk]], wo die Teilnehmer der akademischen Abteilung mit Bering zusammentreffen und gemeinsam nach [[Kamtschatka]] weiterreisen sollten. Nach ihrer Abreise aus Irkutsk reisten die beiden Gelehrten zunächst den vereisten Fluss [[Angara]] entlang bis [[Ilimsk]], wo sie das Osterfest feierten. Als die [[Lena (Arktischer Ozean)|Lena]] im Mai eisfrei war, setzten sie ihre Reise mit Booten stromabwärts fort und erreichten Jakutsk im September 1736. Hier waren inzwischen auch fast alle Mitglieder der beiden pazifischen Abteilungen versammelt und so hatten Gmelin und Müller große Probleme, überhaupt eine Unterbringung zu finden. Zu allem Unglück brach am 8. November 1736 in Gmelins Unterkunft Feuer aus. In seinen später verfassten Reiseerinnerungen beschrieb er die nächtliche Situation: :''Um neun Uhr hörte man Sturm läuten, und es hieße, daß Feuer ausgekommen wäre; bald darauf wurde gesagt, es brennte das Haus, darin ich wohnte. Wir eilten alle dahin; aber alle Hülfe war vergeblich […] Wer konnte bestürzter seyn als ich? da ich mich auf einmahl aller Hülfsmittel zu künftigen Wahrnehmungen, vornehmlich der Bücher und Instrumenten, aller meiner vorher verfertigten Aufsätze auf einmal beraubet sahe''<ref>''Johann Georg Gmelins Reise durch Sibirien von dem Jahr 1733–1743'', Teil 2, Göttingen 1751, S. 446. [http://dz-srv1.sub.uni-goettingen.de/sub/digbib/loader?ht=VIEW&did=D17897&p=502 Online abrufbar] über das Digitalisierungszentrum der [[Niedersächsische Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen|Niedersächsischen Staats- und Universitätsblibliothek Göttingen]].</ref> Aus dem ausgebrannten Haus ließen sich nur einige Bücher sowie Gmelins Barschaft retten; zum Teil waren die Münzen durch die Hitze geschmolzen. Der Verlust der botanischen Schriften traf Gmelin besonders hart. Sofort nach dem Brand setzte er ein Schreiben an den Senat in Sankt Petersburg auf und bat um Ersatz für die verlorenen Bücher und wissenschaftlichen Instrumente. Ihren Instruktionen zufolge sollten die Mitglieder der akademischen Gruppe von Jakutsk aus direkt nach [[Kamtschatka]] aufbrechen. Als sie jedoch von Bering erfuhren, dass der auf Kamtschatka benötigte Proviant dort noch nicht eingetroffen war, entschieden sie, zunächst den Studenten [[Stepan Petrowitsch Krascheninnikow|Stepan Krascheninnikow]] vorauszuschicken. Dieser erhielt den Auftrag, in [[Bolscherezk]] als dem südlichsten Ort der Halbinsel für geeignete Quartiere zu sorgen und dann einen botanischen Garten mit einheimischen Wildkräutern anzulegen, um Gmelins spätere Arbeit zu erleichtern. Für die Erforschung Kamtschatkas trugen Gmelin und Müller dem Studenten ein umfangreiches Arbeitsprogramm auf. Krascheninnikow sollte :''einen Anfang mit den Wahrnehmungen des Wetters machen, die Ebbe und Fluth des Kamtschatkischen Meeres fleißig aufzeichnen, den feuerspeyenden Berg und die warmen Länder, Fische, vierfüßige und beydes, im Wasser und auf dem Lande lebende Tiere, Vögel, auch alles, was die See auswirft, fleißig sammlen und beschreiben und alle Nachrichten, die von Kamtschadalen, Korjaken und Kurilen zu bekommen wären, sowohl in Ansehung ihrer Lebensart, Kleidung, Götzendienstes, Sitten und Gebräuchen, Handels und Wandels, als auch ihrer Erzählungen von der Abkunft, durch sichere Kundschaften zusammen bringen und auf das genaueste beschreiben''<ref>''Johann Georg Gmelins Reise durch Sibirien von dem Jahr 1733–1743'', Teil 2, Göttingen 1751, S. 538f. [http://dz-srv1.sub.uni-goettingen.de/sub/digbib/loader?ht=VIEW&did=D17897&p=594 Online abrufbar] über das Digitalisierungszentrum der Niedersächsischen Staats- und Universitätsblibliothek Göttingen.</ref>. Schließlich, so begründete Gmelin die Entscheidung in seinem Reisebericht, sei schon genügend Zeit verflossen und weder Müller noch er hätten sonderliche Lust, „ewige Bürger von Sibirien zu werden“<ref>''Johann Georg Gmelins Reise durch Sibirien von dem Jahr 1733–1743'', Teil 2, Göttingen 1751, S. 538. [http://dz-srv1.sub.uni-goettingen.de/sub/digbib/loader?ht=VIEW&did=D17897&p=594 Online abrufbar] über das Digitalisierungszentrum der Niedersächsischen Staats- und Universitätsblibliothek Göttingen.</ref>. [[Datei:Stepan Petrowitsch Krascheninnikow.jpg|thumb|240px|[[Stepan Petrowitsch Krascheninnikow]] wurde nach dem Ende der Expedition Professor an der russischen Akademie der Wissenschaften und veröffentlichte 1755 sein Werk Описание земли Камчатки (''Beschreibung des Landes Kamtschatka'').]] Am 9. Juli 1737 reiste Krascheninnikow zusammen mit den Expeditionsteilnehmern der pazifischen Abteilung unter der Führung von Vitus Bering nach [[Ochotsk]] ab. Auf der anschließenden Schiffsreise über das [[Ochotskisches Meer|Ochotskische Meer]] entging Krascheninnikow beim Untergang des Schiffes ''Fortuna'' nur knapp dem Tod und verlor seine Vorräte und sein Reisegepäck. Notdürftig richtete er sich in Bolscherezk, dem an der Westküste der Halbinsel gelegenen damaligen Handelszentrum Kamtschatkas, ein und erforschte während der nächsten knapp vier Jahre auf insgesamt fünf Routen die Tier- und Pflanzenwelt der Halbinsel, zeichnete Karten und stellte eine Vielzahl wissenschaftlicher Untersuchungen an. Im September 1740 kam der Arzt und Naturforscher [[Georg Wilhelm Steller]] (1709–1746) auf Kamtschatka an. Steller hatte nach seinem Studium zunächst als Lehrer am Waisenhaus [[August Hermann Francke]]s (den heutigen [[Franckesche Stiftungen|Franckeschen Stiftungen]]) in [[Halle (Saale)|Halle]] gearbeitet. Ohne Aussicht auf eine akademische Karriere in Preußen und angelockt von Nachrichten über die Zweite Kamtschatkaexpedition war er in russische Dienste getreten und im November 1734 in Sankt Petersburg angekommen. Nachdem Anfang 1735 eine Erweiterung des wissenschaftlichen Stabes der Expedition beschlossen worden war, reiste er der akademischen Abteilung hinterher, um als Assistent Gmelins botanische Studien durchzuführen. Anfang 1739 traf er im sibirischen [[Jenisseisk]] auf Gmelin und Müller. Diese hatten inzwischen entschieden, nicht selber nach Kamtschatka zu reisen und schickten an ihrer Statt Steller auf die Reise nach Osten. Als dieser am 8. Oktober 1740 schließlich in Bolscherezk eintraf, informierte er sich zunächst auf der Grundlage eines ausführlichen schriftlichen Berichtes Krascheninnikows über dessen bisherige Arbeit. Da im hereinbrechenden Winter kaum botanische Arbeiten durchzuführen waren, unternahm Steller gemeinsam mit Krascheninnikow einen Abstecher in eine nahe gelegene Siedlung der einheimischen [[Itelmenen]], bevor er Anfang 1741 mit Hundeschlitten zu einer fast zwei Monate dauernden Reise durch den Süden der Halbinsel aufbrach. Nach seiner Rückkehr erreichte ihn ein Schreiben Berings, in dem er aufgefordert wurde, diesen als Arzt auf der Seeexpedition nach Nordamerika zu begleiten. Im Jahr 1742 erhielt auch Krascheninnikow den Befehl, Kamtschatka zu verlassen, traf dann in Sibirien mit Gmelin und Müller zusammen und kehrte gemeinsam mit beiden 1743 nach Sankt Petersburg zurück. ==== Die nördliche Gruppe ==== Die nördliche Gruppe stand vor der Aufgabe, die gesamte Küste zwischen [[Archangelsk]] und der heutigen [[Beringstraße]] zu vermessen und kartografisch zu erfassen. Grundlage hierfür war die seit dem 16. Jahrhundert diskutierte Idee von der Existenz einer [[Nordostpassage]] und damit einer nördlichen Seehandelsverbindung zwischen [[Europa]] und [[Kaiserreich China|China]]. Eine solche Route durch das [[Arktischer Ozean|Nordpolarmeer]] wäre für den russisch-chinesischen Handel erheblich kostengünstiger gewesen als die aufwändigen Landtransporte durch [[Zentralasien]]. [[Peter der Große|Peter I.]] hatte die Idee einer Suche nach der Nordostpassage während seiner Regentschaft aufgegriffen und seinen Berater Fjodor Saltykow (gest. 1715) mit der Entwicklung detaillierter Pläne für die Erkundung des nördlichen Küsten des Zarenreichs beauftragt. Die von Saltykow in den Jahren 1713 und 1714 entwickelten Vorschläge wurden zur Grundlage des Expeditionsplanes für die nördliche Gruppe der Großen Nordischen Expedition. Dieser sah vor, im Landesinneren am [[Ob]] und an der [[Lena (Arktischer Ozean)|Lena]] Schiffe zu bauen, die dann bis zu den jeweiligen Flussmündungen segeln und von dort aus die Küste erkunden sollten. Ein in [[Tobolsk]] am Ob gebautes Schiff sollte von der Mündung aus nach Osten segeln und mit einem an der Lena gebauten Schiff zusammentreffen, das seinerseits nach Westen segeln sollte. Ein drittes, ebenfalls an der Lena gebautes Schiff erhielt den Auftrag, ostwärts bis nach [[Kamtschatka]] zu fahren. Zur Versorgung und besseren Orientierung der einzelnen Gruppen war die Errichtung von Magazinen und Signaltürmen entlang der Küstenlinie vorgesehen. [[Datei:Laptev Sea map.png|thumb|360px|Zwischen [[Karasee]] und [[Laptewsee]] liegt die Halbinsel [[Taimyrhalbinsel|Taimyr]], deren nördlichsten Punkt der Russe [[Semjon Iwanowitsch Tscheljuskin|Semjon Tscheljuskin]] im Frühjahr 1742 erreichte.]] Die Erfüllung ihrer Aufgaben stellte sich für die Expeditionsteilnehmer der nördlichen Gruppe schon bald als schwierig und verlustreich heraus. Allein vier Anläufe brauchte Dmitri Owzyn (gest. 1757), bis er nach der 1734 erfolgten Fertigstellung seines Schiffes in Tobolsk schließlich im Jahr 1737 aus westlicher Richtung kommend die Mündung des [[Jenissei]] erreichte. Einer von Leutnant [[Wassili Prontschischtschew]] (1702–1736) geführten Gruppe gelang es erst im zweiten Anlauf, die Halbinsel [[Taimyrhalbinsel|Taimyr]] zwischen [[Laptewsee]] und [[Karasee]] aus östlicher Richtung kommend zu umfahren. Sowohl Prontschischtschew als auch seine ihn begleitende Frau und ein Großteil der Mannschaft verloren bei diesem Unternehmen ihr Leben. Drei Jahre später unternahm Kapitän [[Chariton Prokofjewitsch Laptew|Chariton Laptew]] einen neuen Versuch, die Taimyrhalbinsel von Osten aus zu umrunden. Zunächst erreichte er zusammen mit seiner Mannschaft die [[Chatangabucht]], wo sie einfache Unterkünfte und Proviant zum Überwintern vorfanden. Als sie im nächsten Jahr wieder aufbrachen, wurde ihr Schiff jedoch vom Packeis eingeschlossen und zerdrückt. Nachdem Laptew zunächst eine von seinem Steuermann [[Semjon Iwanowitsch Tscheljuskin|Semjon Tscheljuskin]] (um 1700–nach 1760) angeführte Gruppe zu Fuß zur Erkundung der Insel losgeschickt hatte, brach er im April 1741 selber in Begleitung eines Matrosen und eines jakutischen Führers auf. Während der nächsten Monate durchquerten Tscheljuskin und Laptew die Taimyrhalbinsel und vermaßen deren Küste. Tscheljuskin erreichte dabei im Frühjahr 1742 deren nördlichsten Punkt, das später nach ihm benannte [[Kap Tscheljuskin]]. In ihren an das Sankt Petersburger Admiralitätskollegium gerichteten Berichten stimmten später beide darin überein, dass die Seeroute um die Halbinsel aufgrund des Packeises nicht für den Schiffsverkehr geeignet sei. Das dritte Schiff unter der Führung von Leutnant Peter Lassenius (auch ''Lassinius'', gest. 1735) sollte 1735 von der Lena aus ostwärts aufbrechen. Allerdings blieben Lassenius und seine Besatzung schon im Mündungsgebiet der Lena im Eis stecken und versuchten zu überwintern. Beim Eintreffen einer Hilfsexpedition im Frühjahr 1736 waren 42 der ursprüngliche 52 Expeditionsteilnehmer bereits gestorben, unter ihnen auch Lassenius. Daraufhin entsandte Bering eine neue Gruppe unter dem Kommando von [[Dmitri Jakowlewitsch Laptew|Dmitri Laptew]] (gest. nach 1762), einem Cousin Chariton Laptews, an die nördliche Küste Sibiriens. In östlicher Richtung vorstoßend erreichte Dmitri Laptew im Sommer 1739 den Fluss [[Indigirka]], bevor sein Schiff vom Eis eingeschlossen wurde. Nach einer Überwinterung ließ Laptew kleinere Boote bauen, um im Eis besser manövrieren zu können, und gelangte auf diese Weise 1740 bis zur Mündung des Flusses [[Kolyma]]. Nachdem er erneut im Eis überwintern musste, entschied Laptew sich schließlich, auf dem Landweg bis zur Mündung des [[Anadyr (Fluss)|Anadyr]] am südlichen Rand der [[Tschuktschen-Halbinsel|Tschuktschenhalbinsel]] weiterzureisen. Im Ergebnis stand damit fest, dass die schwierigen klimatischen Bedingungen eine wirtschaftliche Nutzung der Nordostpassage nicht zuließen. Dennoch gelang den Teilnehmern der nördlichen Gruppe die bis auf die Halbinsel [[Kola]] und die Tschuktschenhalbinsel vollständige kartografische Erfassung der nördlichen Küsten Sibiriens. Die erste Bewältigung der Nordostpassage in westöstlicher Richtung gelang dagegen erst am Ende des 19. Jahrhunderts, als der schwedische Polarforscher [[Adolf Erik Nordenskiöld]] mit seinem Dampfer ''Vega'' 1878/79 durch das nördliche Eismeer bis zur [[Beringstraße]] vorstieß. ==== Die pazifischen Abteilungen ==== ===== Die Japanreisen Spangbergs ===== [[Datei:Delisle - L'Asie (Ausschnitt Jesso Japan).jpg|thumb|280px|Ausschnitt aus der 1700 entstandenen Karte ''L'Asie'' von [[Guillaume Delisle]] (1675–1726), dem älteren Bruder des Expeditionsteilnehmers [[Louis De l'Isle de la Croyère]]. Östlich der Mündung des Flusses [[Amur]] hat Delisle das legendäre Land [[Jesso]] („Terre d'Yeco“) eingezeichnet, das im Süden direkt an [[Japan]] anschließt. Delisles Unsicherheit über die genaue Lage Jessos zeigte sich unter anderem darin, dass er es auf anderen Karten mit [[Kamtschatka]] gleichsetzte (siehe dazu die weiter unten befindliche Karte aus dem Jahr 1723).]] Die erste pazifische Abteilung unter der Leitung des dänischen Kapitäns [[Martin Spangberg]] (1698?–1761; auch: ''Spanberg)'' war damit beauftragt worden, den Seeweg nach [[Japan]] zu erkunden und damit einen direkten Handelskontakt zwischen Japan und dem russischen Kaiserreich zu ermöglichen. Spangberg stand seit 1720 im Dienst der russischen Marine und hatte Vitus Bering bereits zwischen 1728 und 1730 auf der [[Erste Kamtschatkaexpedition|Ersten Kamtschatkaexpedition]] begleitet. Im Jahr 1732 wurde er als Teilnehmer der Zweiten Kamtschatkaexpedition bestimmt. Neben der Erkundung einer Seeroute von [[Kamtschatka]] zur Mündung des [[Amur]] und weiter nach [[Japan]] bestand seine Aufgabe in der Suche nach dem Land „Jesso“ (auch „Jedso“ oder „Jeso“) von dem angenommen wurde, dass es womöglich mit [[Japan]] verbunden sei. Nach seiner Ankunft in [[Ochotsk]] ließ Spangberg dort zwischen 1734 und 1737 zwei Schiffe bauen. Im Juni 1738 liefen die [[Brigantine (Schiff)|Brigantine]] ''Erzengel Michail'' unter dem Kommando Spangbergs und die Doppel[[schaluppe]] ''Nadeshda'' (russ. für „Hoffnung“) unter Leutnant William Walton gemeinsam mit der noch von der Ersten Kamtschatkaexpedition stammenden ''St. Gabriel'' unter Alexander Scheltinga mit südlichem Kurs aus dem Hafen von Ochotsk aus. Von der ''Nadeshda'' und der ''St. Gabriel'' musste Spangberg sich aufgrund von Schäden schon bald trennen und so erreichte er allein mit der ''Erzengel Michail'' die zur Südgruppe der [[Kurilen]] gehörende Insel [[Urup (Insel)|Urup]], bevor er sich aufgrund ungünstiger Wetterbedingungen zur Rückreise entschied. Dabei bestimmte er die geografische Lage von 31 weiteren Kurileninseln, bis er wieder auf Kamtschatka eintraf, wo er überwinterte. Nach dem Bau eines neuen Schiffes und der Reparatur der übrigen unternahm Spangberg im Mai 1739 einen erneuten Anlauf. Dabei geriet er in einen Sturm, der die Schiffe trennte. Unabhängig voneinander erreichten Walton und Spangberg im Juni die japanische Insel [[Honshū]]. Dabei kam es vor der Insel Aji an der [[Oshika-Halbinsel]] im damaligen Fürstentum von [[Sendai]], sowie getrennt davon in Amazu auf der [[Bōsō-Halbinsel]], zu ersten Kontakten mit japanischen Fischern und später auch zum Austausch von Handelsgütern und Geschenken. Nach weiteren Erkundungsfahrten kehrten alle Teilnehmer der pazifischen Abteilung unter Spangberg Ende August 1739 über Kamtschatka nach Ochotsk zurück. Da Spangberg seine Aufgabe der Erkundung und kartografischen Erfassung des Seeweges nach Japan erfolgreich gelöst hatte, schickte Bering ihn in Begleitung von Walton zur Berichterstattung nach [[Sankt Petersburg]] zurück. Eine umfassende Schilderung dieser Japankontakte findet sich in Band drei der "Sammlung rußischer Geschichte" von [[Gerhard Friedrich Müller]]<ref>Gerhard Friedrich Müller (1758): "Nachrichten von Seereisen, und zur See gemachten Entdeckungen, die von Rußland aus längst den Küsten des Eißmeeres und auf dem Ostlichen Weltmeere gegen Japon und Amerika geschehen sind" (= "Sammlung rußischer Geschichte", 3(1-3)). Teil der zehnbändigen, von 1732 bis 1818 veröffentlichten "Sammlung rußischer Geschichte". St. Petersburg: Kayserliche Academie der Wissenschaften. S. 168-183. [http://gdz.sub.uni-goettingen.de/dms/load/img/?PPN=PPN331674475&DMDID=dmdlog3 Online abrufbar]</ref>, deren Vorlage offenbar Spangbergs Tagebuch war. In Sankt Petersburg wurden Spangbergs Ergebnisse jedoch angezweifelt, und so machte er sich im Mai 1742 mit vier Schiffen erneut nach Japan auf. Im Rahmen dieser Reise erreichte Alexander Scheltinga die Ostküste der Insel [[Sachalin]], die er für das legendäre „Jesso“ hielt. Spangberg selbst musste erfolglos umkehren und reiste im August 1745 ohne offiziellen Befehl nach Sankt Petersburg zurück, weshalb er degradiert und bis Ende 1747 unter Arrest gestellt wurde. ===== Die Amerikareisen Berings und Tschirikows ===== Acht Jahre nach Beginn der Expedition konnte Bering eines der wichtigsten Ziele des Unternehmens, die Erkundung des Seeweges nach Nordamerika, in Angriff nehmen. Unter der Leitung des russischen Schiffbaumeisters Adrei Kusmin (gest. 1744) war im Jahr 1737 in der Nähe des Flusses [[Ochota]] am [[Ochotskisches Meer|Ochotskischen Meer]] mit dem Bau von zwei [[Paketboot]]en begonnen worden. Der Bau der beiden Schiffe ging nur langsam voran, weil Baumaterialien ausblieben und schwierige Witterungsbedingungen die Arbeiten verzögerten. Im Sommer 1739 kam das Segeltuch auf 40 Pferden in Ochotsk an und Anfang November 1739 waren die Zimmermannsarbeiten beendet. Mitte des Jahres 1740 wurden die beiden Paketboote zu Wasser gelassen und auf die Namen der beiden [[Apostel]] [[Peter und Paul]] getauft. Am 6. August 1740 war der Bau schließlich beendet und rund einen Monat später, am 8. September, liefen die beiden Schiffe aus Ochotsk aus und segelten nach Bolscherezk auf [[Kamtschatka]], wo sie überwinterten. [[Datei:Delisle - Carte d'Asie (Compagnieland).jpg|thumb|300px|[[Guillaume Delisle]] vermutete das legendäre „Joao-da-Gama-Land“ oder „Compagnieland“ von der Mündung des Flusses [[Amur]] aus in südöstlicher Richtung (in der Karte rechts oben unter der Titelkartusche als „Terre de la Compagnie“ eingezeichnet). Ausschnitt aus dem Atlasblatt ''Carte d'Asie'' aus dem Jahr 1723.]] Am 29. Mai 1741 stachen das Flaggschiff ''St. Peter'' unter dem Kommando von Vitus Bering und die ''St. Paul'' unter dem Befehl von [[Alexei Iljitsch Tschirikow|Alexei Tschirikow]] von [[Petropawlowsk-Kamtschatski|Petropawlowsk]] aus in See und nahmen Kurs Ost-Südost, um das legendäre „Joao-da-Gama-Land“ (auch „Compagnieland“) zu suchen. [[Louis De l'Isle de la Croyère]] hatte Berings Offizieren auf einem 1741 abgehaltenen Vorbereitungstreffen eine Karte seines Bruders präsentiert, in der die Lage dieses legendären Landes eingezeichnet war. Tatsächlich war mit dem „Joao-da-Gama-Land“ aber wohl die Inselgruppe der [[Kurilen]] gemeint und so segelten Bering und Tschirikow bis Mitte Juni ohne Aussicht auf Erfolg südwärts. Nachdem man schließlich beschlossen hatte, den Kurs auf Nord-Nordost zu ändern, trennte ein Sturm die beiden Schiffe. Am 16. Juli sichtete die Mannschaft der ''St. Peter'' auf 58° 14' nördlicher Breite Land – es war [[Alaska]]. Der Bering zugeteilte Naturforscher [[Georg Wilhelm Steller]] schrieb dazu in der Rückschau: :''Nicht weniges Vergnügen hatte man nunmehr, da wir unterm Lande waren, und die mit sich streitenden Affekten der hohen Einbildung von sich und künftigen Belohnungen und die pathetischen Reden anzuhören. Einige wollten sogleich dem Lande sich nähern und Hafen aufsuchen. Andere stellten dieses sehr gefährlich vor. Aber ein jeder handelte für sich, und niemand stellte dem Herrn Kapitän-Kommandeur etwas vor. Die Beratschlagungen und Kommission, so man am Lande sonst wegen Kleinigkeiten gepflogen, wurden hier in dem wichtigsten Geschäfte und dem Hauptpunkt der zehn Jahre gedauerten kamtschatkischen Expedition nunmehr unterlassen, und man sah nichts Gemeinschaftliches und Einiges unter uns, als daß wir in einem Fahrzeug zusammen eingeschlossen waren.''<ref>Georg Wilhelm Steller, ''Tagebuch seiner Seereise aus dem Petripauls Hafen in Kamtschatka bis an die westlichen Küsten von Amerika, und seiner Begebenheiten auf der Rückreise'', hier zitiert nach Posselt, Die große nordische Expedition, S. 242.</ref> [[Datei:Kayak island.jpg|thumb|300px|„Kap St. Elias“ auf [[Kayak Island]].]] Am 20. Juli, dem nach dem biblischen Propheten [[Elija]] benannten Eliastag, ankerte die ''St. Peter'' vor einer der Küste vorgelagerten Insel, dem heutigen [[Kayak Island]]. In der irrigen Annahme, eine Landspitze erreicht zu haben, wurde der Landeplatz „Kap St. Elias“ getauft. Während die Mannschaft die Wasservorräte der ''St. Peter'' auffüllte, wurde Steller in Begleitung des [[Kosaken]] Foma Lepichin an Land abgesetzt. Er stieß zunächst auf eine verlassene Feuerstelle und Reste einer Mahlzeit und entdeckte dann einen Vorratskeller, in dem er mit geräuchertem Fisch gefüllte Vorratsbehälter aus Baumrinde, Riemen aus Pflanzenfasern, Pfeile, sowie verschiedene Gräser und Kräuter fand. Bei seiner weiteren Erkundung der Insel sah er Rauch aufsteigen, Menschen begegnete er allerdings nicht. Anschließend sammelte Steller Pflanzen. Ein [[Diademhäher]], den sein Begleiter erlegt hatte und den Steller bereits in einem Buch über die nordamerikanische Tier- und Pflanzenwelt gesehen zu haben meinte, überzeugte ihn schließlich, wirklich in Nordamerika gelandet zu sein. Doch Kapitän Bering, der eine Wetterverschlechterung befürchtete und schon allzu viel Zeit bei der Suche nach dem „Joao-da-Gama-Land“ verloren hatte, drängte schon nach kurzer Zeit wieder zum Aufbruch. Verbittert notierte Steller später in seinem Reisebericht: :''Die Zeit, welche hier zu Untersuchungen angewendet ward, hatte mit den Zurüstungen ein arithmetisches Verhältnis; zehn Jahre währte die Vorbereitung zu diesem großen Endzweck, zehn Stunden wurden der Sache selbst gewidmet.''<ref>Georg Wilhelm Steller, ''Tagebuch seiner Seereise aus dem Petripauls Hafen in Kamtschatka bis an die westlichen Küsten von Amerika, und seiner Begebenheiten auf der Rückreise'', hier zitiert nach Posselt, Die große nordische Expedition, S. 251.</ref> [[Datei:Waxell - Aleuten vor den Schumagininseln.jpg|thumb|300px|Sven Larsson Waxell, erster Offizier auf der ''St. Peter'', hielt die erste Begegnung mit den [[Ureinwohner Alaskas|Ureinwohnern Alaskas]] in einer Zeichnung fest. Das Bild zeigt einen [[Unangan]] mit federgeschmückter Kopfbedeckung in einem [[Kajak]].]] Am Morgen des 21. Juli verließ die ''St. Peter'' die Insel wieder und segelte zwei Wochen lang an der Küste Alaskas entlang. Inzwischen war auf dem Schiff die Mangelkrankheit [[Skorbut]] ausgebrochen. Am 30. und 31. August ließ Bering vor einer kleinen Inselgruppe ankern, um die Wasservorräte aufzufüllen. Dort wurde der erste an Skorbut gestorbene Matrose Nikita Schumagin bestattet. Nach ihm wird die Inselgruppe noch heute als [[Schumagininseln]] bezeichnet. Hier kam es Anfang September 1741 auch zu einer ersten Begegnung mit den Ureinwohnern, den Alëuten oder [[Unangan]]. Auf der Rückfahrt geriet die ''St. Peter'' in schlechtes Wetter und heftige Stürme. Ein Großteil der Mannschaft sowie Kapitän Bering selbst war schwer an Skorbut erkrankt. Darüber hinaus wurden die Wasservorräte knapp. Am 4. November 1741 kam Land in Sicht. Steller schrieb: :''Wie groß und ausnehmend die Freude bei allen über diesen Anblick gewesen, ist nicht zu beschreiben. Die Halbtoten krochen hervor, um solches zu sehen, und jedermann dankte Gott herzlich für diese große Gnade.''<ref>Georg Wilhelm Steller, ''Tagebuch seiner Seereise aus dem Petripauls Hafen in Kamtschatka bis an die westlichen Küsten von Amerika, und seiner Begebenheiten auf der Rückreise'', hier zitiert nach Posselt, Die große nordische Expedition, S. 272.</ref> Als am 5. November zwei Ankerseile rissen und das Schiff auf ein Riff auflief, war die Entscheidung gefallen, an der Küste zu überwintern. Anstatt jedoch auf Kamtschatka, wie zunächst angenommen, war die Besatzung der ''St. Peter'' auf einer Insel mehr als 500 Kilometer östlich des Festlandes gelandet. Obwohl es auf der von Polarfüchsen, Seeottern und Rebhühnern bevölkerten Insel ausreichend Nahrung gab, verstarben einige der an Skorbut erkrankten Expeditionsteilnehmer, unter ihnen auch Vitus Bering. Einen Tag nach seinem Tod, am 9. Dezember 1741, wurde er auf der später nach ihm benannten [[Beringinsel]] bestattet. Mit Frühlingsbeginn verbesserte sich die Lage der Gestrandeten, die den Winter in Erdhütten überstanden hatten. Steller ließ der Nahrung vitaminreiche Kräuter hinzufügen und so erholten sich die Skorbutkranken wieder. Aus den Resten der ''St. Peter'' wurde ein neues Boot gezimmert und Steller untersuchte in der Zwischenzeit die Tier- und Pflanzenwelt der Insel. Nach dem Aufbruch in Richtung Kamtschatka am 13. August 1742 erreichte er gemeinsam mit 45 überlebenden Besatzungsmitgliedern und seinen Beschreibungen der später nach ihm benannten [[Stellersche Seekuh|Stellerschen Seekuh]] im Gepäck nach dreizehntägiger Seereise den Hafen von [[Petropawlowsk-Kamtschatski|Petropawlowsk]]. [[Alexei Iljitsch Tschirikow|Tschirikow]] war nach der Trennung der beiden Schiffe mit der ''St. Paul'' in Richtung Nordost weitergesegelt. Er erreichte Nordamerika am 15. Juli 1741 und damit einen Tag vor Bering. Am 17. Juli schickte er in der Nähe der späteren Stadt [[Sitka]] ein Beiboot mit dem Steuermann Awram M. Dementjew und zehn Mann der Besatzung zu einer Erkundung an Land. Als die Männer nach sechs Tagen noch nicht zurückgekehrt waren, entsandte Tschirikow seinen Bootsmann Sidor Saweljew mit drei weiteren Besatzungsmitgliedern in dem zweiten Beiboot an Land. Doch auch diese kehrten nicht zurück. Am darauffolgenden Tag kam es zu einem Kontakt mit einigen Ureinwohnern, die sich der ''St. Paul'' mit [[Kajak]]s näherten. Da Tschirikow über kein weiteres Beiboot verfügte, mit dem er das Schicksal seiner verschwundenen Besatzungsmitglieder hätte aufklären können, entschied er sich am 27. Juli zum Aufbruch. Das Schicksal der 15 Männer blieb bis heute im Dunkeln. Auch die Rückreise von Tschirikows Gruppe geriet zu einem Überlebenskampf. Die frischen Nahrungsmittel gingen zur Neige und die Wasservorräte waren aufgebraucht. Am 9. September gelang es den Männern, bei einer weiteren Begegnung mit einigen [[Unangan]] vor der [[Adak Island|Insel Adak]] Trinkwasser gegen Messer einzutauschen. Im Verlauf der weiteren Reise blieb ihnen jedoch nichts anderes als Regenwasser. Tschirikow selbst erkrankte so stark an Skorbut, dass er nicht mehr auf Deck gehen konnte und das Kommando an seinen Steuermann Iwan Jelagin (gest. 1766) abgeben musste. Unter Jelagins Führung erreichte die ''St. Paul'' im Oktober 1741 schließlich ihren Zielhafen [[Petropawlowsk-Kamtschatski|Petropawlowsk]] auf Kamtschatka. Von den ursprünglich 75 Mann kamen nur noch 51 zurück; alle Offiziere bis auf Tschirikow und Jelagin waren unterwegs gestorben. Am 10. Oktober 1741, dem Tag ihrer Ankunft auf Kamtschatka, starb auch der Astronom [[Louis De l'Isle de la Croyère]] an den Folgen seiner Skorbuterkrankung. Eine im nächsten Jahr unternommene Fahrt blieb weitestgehend erfolglos. Tschirikow, der nach Berings Tod als Expeditionsleiters nachgerückt war, begabt sich über [[Ochotsk]] nach [[Jakutsk]], um dort weitere Anweisungen aus Sankt Petersburg abzuwarten. Auf seinen Vorschlag, eine weitere Fahrt nach Nordamerika zu unternehmen, ging das Admiralitätskollegium jedoch nicht ein. Im September 1743 wurde die Zweite Kamtschatkaexpedition offiziell für beendet erklärt. === Die Ergebnisse und ihre Rezeption durch das gelehrte Europa === Eines der am raschesten in Europa rezipierten Ergebnisse der Zweiten Kamtschatkaexpedition war die kartographische Erfassung der nördlichen und nordöstlichen Küsten [[Sibirien]]s sowie [[Kamtschatka]]s, der Inselkette der [[Kurilen]] und [[Japan]]s. Im Jahr 1745 erschien der von der Sankt Petersburger Akademie der Wissenschaften herausgegebene ''Atlas Rossijskoj'', der eine Generalkarte Russlands im Maßstab von ungefähr 1&nbsp;:&nbsp;8,9 Millionen sowie 19 Spezialkarten des [[Russisches Reich|Russischen Kaiserreichs]] enthielt. Neun Jahre später veröffentlichte die Petersburger Akademie die Karte ''Nouvelle Carte des Découvertes faites par des Vaisseaux Russiens aux côtes inconnues de l'Amérique Septentrionale avec les Pais adiacents''<ref>Das Digitalisat eines 1758 angefertigten Nachdrucks der Akademie-Karte ist online abrufbar über das Projekt [[Gallica]] der [[Bibliothèque nationale de France|Französischen Nationalbibliothek]] in Paris unter der Adresse [http://gallica.bnf.fr/ark:/12148/btv1b6700199v http://gallica.bnf.fr/ark:/12148/btv1b6700199v].</ref> (circa 1&nbsp;:&nbsp;14 Mill.), die auch in einer russischsprachigen Ausgabe erschien und später mehrfach nachgedruckt wurde. Mit den während der Expedition gewonnenen Erkenntnissen war es erstmals möglich geworden, eine genauere Vorstellung von der gesamten Küstenlinie des russischen Reiches zu gewinnen, und auch die Legende von der Existenz sagenhafter Länder wie dem „Joao-da-Gama-Land“ oder dem Land „Jesso“ war widerlegt. Der Traum von einer wirtschaftlichen Nutzung der [[Nordostpassage]] hatte sich zerschlagen. Im Gegensatz zu der Veröffentlichung der neu erworbenen geographischen Kenntnisse erstreckte sich die Publikation der übrigen Expeditionsergebnisse über einen längeren Zeitraum und war von zahlreichen Hindernissen geprägt. Folkwart Wendland, der die Informationsverbreitung anhand mehrerer Beispiele nachgezeichnet hat, führt dies sowohl auf den „zeitweise desolaten Zustand der Petersburger Akademie“ als auch auf die restriktive Informationspolitik der russischen Regierung zurück.<ref>Folkwart Wendland, ''Das Russische Reich am Vorabend der Großen Nordischen Expedition'', in: Doris Posselt (Hrsg.): Die große nordische Expedition, München 1990, S. 332–384, hier S. 369.</ref> Diese hatte allen Expeditionsteilnehmern ein strenges Veröffentlichungsverbot auferlegt und behandelte die eingesandten Berichte der Forscher als Verschlusssache. Die kaiserlich-russische Akademie der Wissenschaften sollte die alleinige Verfügungsgewalt über die neuen Erkenntnisse haben, weil diese unter enormen Anstrengungen erworben worden waren und ihnen darüber hinaus eine hohe wirtschaftspolitische und strategische Bedeutung beigemessen wurde.<ref>Folkwart Wendland, ''Das Russische Reich am Vorabend der Großen Nordischen Expedition'', in: Doris Posselt (Hrsg.): Die große nordische Expedition, München 1990, S. 371.</ref> Auf diese Weise erschienen die Publikationen der Expeditionsteilnehmer in einem Zeitraum zwischen 1747 und 1793, zum Teil unerlaubt und bei weitem nicht vollständig. [[Datei:Müller - Sammlung Rußischer Geschichte (Titelblatt des neunten Bandes, 1764).jpg|thumb|200px|Titelblatt des neunten Bandes aus Müllers ''Sammlung Rußischer Geschichte'', Sankt Petersburg 1764.]] Zwischen 1732 und 1764 veröffentlichte [[Gerhard Friedrich Müller]] seine Forschungsergebnisse in insgesamt neun Bänden der Monographienreihe ''Sammlung rußischer Geschichte''. Er hatte bis zu seiner Rückkehr nach Sankt Petersburg im Jahr 1743 eine Vielzahl regionaler Archive besucht und dort Unmengen von Dokumente durchgesehen, kopiert und – wenn auch nur in geringerem Ausmaß – zugleich wissenschaftlich ausgewertet. Dabei waren ihm unter anderem Papiere in die Hände gefallen, die den Beleg dafür enthielten, dass die [[Beringstraße]] schon lange Zeit vor der Durchfahrung durch [[Vitus Bering]] von dem [[Kosaken|kosakischen]] Pelztierjäger und Händler [[Semjon Iwanowitsch Deschnjow|Semjon Deschnjow]] (um 1605–1673) durchquert worden war. Müller, der schon vor seinem Aufbruch nach Sibirien ein gespanntes Verhältnis zum Leiter der Petersburger Akademie [[Johann Daniel Schumacher]] (1690–1761) gehabt hatte, arbeitete nach seiner Rückkehr unter erschwerten Bedingungen. Schumacher und der russische Schriftsteller und Naturwissenschaftler [[Michail Wassiljewitsch Lomonossow]] (1711–1765) hielten Müller für unpatriotisch und warfen ihm vor, seine Arbeit nicht schnell genug zu erledigen. Gleichzeitig wurde Müller mit Aufgaben überhäuft. Obwohl er sich im Jahr 1747 verpflichtete, Zeit seines Lebens in Russland zu bleiben, eskalierte der Streit 1750 und Müller wurde für ein Jahr von der Liste der Professoren der Akademie gestrichen. Diese Arbeitsbedingungen besserten sich erst nach seiner Aufnahme in den Führungsstab der Geographischen Abteilung der Akademie im Jahr 1753. Aufgrund seiner herausragenden Leistungen als Historiker gilt Müller heute als „Vater der sibirischen Geschichtsschreibung“. Der Naturforscher [[Karl Ernst von Baer]] (1792–1876) urteilte im 19. Jahrhundert über Müllers im Rahmen der Zweiten Kamtschatkaexpedition erworbene Verdienste: „Wären damals nicht unter Müllers Leitung Abschriften aus allen Sibirischen Archiven genommen worden, so wären diese Nachrichten längst für immer verloren gegangen“<ref>Hier zitiert nach Folkwart Wendland, ''Das Russische Reich am Vorabend der Großen Nordischen Expedition'', in: Doris Posselt (Hrsg.): Die große nordische Expedition, München 1990, S. 365.</ref> [[Datei:Gmelin - Flora Sibirica - Paeonia anomala L 3-2.gif|thumb|200px|Darstellung der auf der Halbinsel Kola, in Westsibirien und im Altaigebirge verbreiteten Asiatischen [[Pfingstrosen|Pfingstrose]] (''Paeonia anomala L.'') von Johann Wilhelm Lürsenius, der die akademische Gruppe als Zeichner begleitete. Nach seiner Rückkehr nach Sankt Petersburg im Jahr 1743 arbeitete Lürsenius im Auftrag der Akademie der Wissenschaften an der Bebilderung von Gmelins ''Flora Sibirica''.]] Der Naturforscher [[Johann Georg Gmelin]] veröffentlichte die botanischen Ergebnisse seiner Reise in dem mehrbändigen Werk ''Flora Sibirica sive historia plantarum Sibiriae'' (zumeist kurz ''Flora Sibirica)''. Während er die Publikation des ersten und den zweiten Bandes in den Jahren 1747 und 1749 noch selbst besorgen konnte, übernahm nach seinem Tod sein Neffe Samuel Gottlieb Gmelin (1744–1774) in den Jahren 1768 und 1769 die Herausgabe des dritten und des vierten Bandes. Die Veröffentlichung des bereits in Manuskriptform vorliegenden fünften Bandes konnte nie realisiert werden. In seiner Beschreibung der sibirischen Pflanzenwelt erwähnt Gmelin insgesamt 1.178 Arten, die durch knapp dreihundert Kupferstiche nach den Vorlagen der Zeichner Johann Christian Berckhan, Johann Wilhelm Lürsenius und Johann Cornelius Decker ergänzt wurden. Neben dieser Beschreibung der Pflanzen und ihrer detailreichen bildlichen Darstellung sind die von Gmelin während der Expedition gewonnenen Erkenntnisse auf dem Gebiet der [[Geobotanik]] hervorzuheben, aufgrund derer Gmelin heute als einer der Mitbegründer der Pflanzengeographie gilt. Neben der ''Flora Sibirica'' veröffentlichte Gmelin, der 1749 einen Ruf als Professor für Botanik und Chemie an der [[Eberhard-Karls-Universität Tübingen|Universität Tübingen]] erhalten hatte, entgegen den Vereinbarungen mit der russischen Akademie der Wissenschaften einen detaillierten Bericht über die Reisen der akademischen Gruppe. Dieser erschien in den Jahren 1751 und 1752 in vier Bänden unter dem Titel ''Reise durch Sibirien, von dem Jahr 1733 bis 1743'' im Verlag der Witwe [[Abraham Vandenhoeck]]s in Göttingen. Der Mathematiker [[Leonhard Euler]], mit dem Gmelin korrespondierte, schickte aus [[Berlin]] eines der „[[Corpus Delicti|corpora delicti]]“ an die Kanzlei der Petersburger Akademie unter Johann Daniel Schumacher, der sich in seinen bereits zuvor gehegten Zweifeln an der Vertrauenswürdigkeit Gmelins bestätigt sah. Im gelehrten Europa dagegen geriet die Veröffentlichung der ''Reise durch Sibirien'' zu einem großen Erfolg. Aus heutiger Sicht liegt der Wert der Reisebeschreibung nicht allein in der Vielzahl der in ihr enthaltenen völkerkundlichen und geowissenschaftlichen Beobachtungen, sondern auch in den Informationen zum Reiseverlauf der akademischen Gruppe. [[Stepan Petrowitsch Krascheninnikow|Stepan Krascheninnikow]], der an der Expedition als Student teilgenommen hatte, erhielt nach seiner Rückkehr eine Professur an der Sankt Petersburger Akademie der Wissenschaften. Im Auftrag der Akademie hielt er seine Forschungsergebnisse in dem zweibändigen Werk ''Opisanie Zemli Kamcatki'' (dt. „Beschreibung des Landes Kamtschatka“) fest, dessen Veröffentlichung im Jahr 1755 er jedoch nicht mehr erlebte, da er kurz zuvor starb. Mit welch großem Interesse die Expeditionsergebnisse von der gelehrten Welt Europas aufgenommen wurden, lässt sich anhand der Publikationsgeschichte dieses Werkes ablesen. Neun Jahre nach der russischen Erstausgabe erschien eine gekürzte englische Übersetzung, auf deren Grundlage 1766 eine deutsche Übersetzung entstand. Ein Jahr später erschien – ebenfalls auf der Grundlage der gekürzten englischen Ausgabe – eine französische Fassung. Weitere zwei Jahre später publizierte der französische Astronom Abbé [[Jean Chappe d’Auteroche]] (1722–1769) eine neue französische Übersetzung auf der Grundlage des russischen Originals. 1770 erschien die erste niederländische Übersetzung und ein Jahr später eine deutsche Übersetzung der französischen Ausgabe von Chappe d'Auteroche. Im Jahr 1786 schließlich folgte eine gekürzte zweite Auflage des russischsprachigen Originals. [[Datei:Eine Kamtschadalische Winterhütte von innen (aus Steller, Beschreibung von dem Lande Kamtschatka).jpg|thumb|360px|''Eine Kamtschadalische Winterhütte von innen''. Illustration aus Stellers ''Beschreibung von dem Lande Kamtschatka''.]] Neben Krascheninnikow schrieb auch der Arzt und Naturforscher [[Georg Wilhelm Steller]] einen Bericht über seine Reise durch Kamtschatka. Dieses 1774 unter dem Titel ''Beschreibung von dem Lande Kamtschatka'' lange nach Stellers Tod von Johann Benedict Scherer veröffentlichte Werk enthält neben exakten geographischen und naturkundlichen Beschreibungen auch ausführliche Passagen über die Bewohner Kamtschatkas. Eine Besonderheit des Werkes liegt in der deutlichen Stellungnahme, mit der Steller die Unterdrückung der einheimischen Volksgruppe der [[Itelmenen]] durch die [[Kosaken]] verurteilt. Diese Position hatte Steller schon während seines Aufenthaltes auf der Halbinsel an den Rand eines Hochverratsprozesses gebracht, als er sich in einer nach Sankt Petersburg versandten Protestnote über das Verhalten des russischen Kommandanten Wassili Chemetevski gegenüber den Itelmenen beschwerte. Bemerkenswert ist jedoch nicht allein der für die damalige Zeit ungewöhnliche Respekt Stellers gegenüber der fremden Kultur der Ureinwohner, sondern auch seine wissenschaftliche Vorgehensweise. Anders als Gmelin und Müller, die während ihrer Reise eine Bibliothek von mehreren hundert Bänden mit sich führten, reiste Steller nur mit leichtem Gepäck. Darüber hinaus versuchte er sich an die Ernährungsgewohnheiten der von ihm untersuchten Völker anzupassen und bediente sich auf seinen Reisen durch Kamtschatka itelmenischer Boote und Hundeschlitten. Sein Interesse an der Naturheilkunde der Itelmenen und der Frage, warum die Ureinwohner im Gegensatz zu den Expeditionsteilnehmern nicht an [[Skorbut]] litten, retteten Steller während seiner Teilnahme an der Schiffsreise der pazifischen Gruppe unter Bering letztendlich das Leben. In seinem Nachwort zu dem 1996 erschienenen Neudruck von Stellers ''Beschreibung von dem Lande Kamtschatka'' hebt der deutsche Ethnologe Erich Kasten die Teilnahme Stellers am Leben der von ihm untersuchten Völker hervor und macht in dessen Forschungstätigkeit „erste Ansätze zu der heute geführten Debatte um indigenes Wissen oder „native knowledge“ im Ressourcen-Management in zirkumpolaren Gebieten“ aus.<ref>Erich Kasten: ''Nachwort'', in: Beschreibung von dem Lande Kamtschatka von Georg Wilhelm Steller, hrsg. von Erich Kasten und Michael Dürr, Neudruck der Ausgabe von 1774, Bonn 1996, ISBN 3-86097-031-3, S. 281–294, hier: S. 292. Der Band ist [http://www.siberian-studies.org/publications/PDF/Steller.pdf online abrufbar] als [[PDF]]-Dokument über den von Kasten und Dürr betriebenen Server siberian-studies.org.</ref> Eine besondere Rolle in der Rezeption des Stellerschen Werkes spielte der deutsche Naturforscher und Geograph [[Peter Simon Pallas]] (1741–1811). Ihm wurde von der russischen Akademie der Wissenschaften die Leitung einer zwischen 1768 und 1774 durchgeführten Expedition anvertraut, die ihn vom mittleren [[Ural]] über [[Westsibirien]] bis zur [[Kaspische Senke|kaspischen Senke]] führte. Im Rahmen der Vorbereitung auf dieses Unternehmen stieß Pallas auf Materialien der Zweiten Kamtschatkaexpedition. Dabei erkannte er, dass ein Teil der Dokumente noch nicht ausgewertet und veröffentlicht worden war. Um das unter enormen Anstrengungen gewonnene Wissen vor dem Vergessen zu retten, gab Pallas in den Jahren 1781 und 1793 insgesamt vier Werke Stellers heraus, darunter dessen ''Topographische und physikalische Beschreibung der Bering-Insel'' und das während der Seereise mit Bering verfasste Tagebuch. Darüber hinaus veröffentlichte er, teilweise in kommentierter und bearbeiteter Form, weitere Arbeiten Stellers in seinen beiden Zeitschriften ''Stralsundisches Magazin'' und ''Neue Nordische Beyträge''. Über die reine Herausgebertätigkeit hinaus verwendete Pallas die von der Petersburger Akademie verwahrten Sammlungsobjekte und Dokumente der Zweiten Kamtschatkaexpedion aber auch für seine eigenen Veröffentlichungen, wie etwa für die ''Flora Rossica'' oder die ''Zoographia Rosso-Asiatica''. Mit der Veröffentlichung der biographischen Skizze ''Zuverläßige Nachrichten von den letzten Schicksalen des Herrn Georg Wilhelm Steller'' leistete er einen wichtigen Beitrag zur Lebensgeschichte des deutschen Naturforschers, dessen genaue Todesumstände bis heute immer wieder Anlass für Spekulationen gegeben haben. Bezüglich des Gesamtbildes der Expeditionsergebnisse zieht Folkwart Wendland das folgende Fazit: „Die Ergebnisse der Großen Nordischen Expedition waren grandios und beeindrucken uns auch heute noch wegen ihrer Komplexität, der Einsatzbereitschaft und des Mutes der vielen bekannten und unbekannten Expeditionsteilnehmer und Helfer“, räumt jedoch gleichzeitig ein, dass „auf Grund der im einzelnen ungenügenden Vorbereitung, Durchführung und inkonsequenten Leitung, gerade der pazifischen Gruppe Berings, große Fehler gemacht wurden, die viele Menschen unnötigerweise das Leben kosteten“.<ref>Folkwart Wendland, ''Das Russische Reich am Vorabend der Großen Nordischen Expedition'', in: Doris Posselt (Hrsg.): Die große nordische Expedition, München 1990, S. 368.</ref> == Neuere Forschungen zur Zweiten Kamtschatkaexpedition == Seit der Öffnung russischer Archive für ausländische Historiker in den 1990er Jahren hat die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit der Zweiten Kamtschatkaexpedition neuen Aufschwung genommen. Gemeinsam mit Forschern der heute in [[Moskau]] beheimateten [[Russische Akademie der Wissenschaften|Russischen Akademie der Wissenschaften]] und der dänischen [[Universität Århus]] beschäftigen sich die [[Franckesche Stiftungen|Franckeschen Stiftungen]], die im 18. Jahrhundert enge kulturelle, religiöse und wissenschaftliche Beziehungen zu Russland unterhielten, intensiv mit der Geschichte der deutsch-russischen Wissenschaftsbeziehungen im 18. Jahrhundert. In diesem Zusammenhang entstand unter anderem die Publikationsserie „Quellen zur Geschichte Sibiriens und Alaskas aus russischen Archiven“, in der die Franckeschen Stiftungen gemeinsam mit dem Archiv der Russischen Akademie der Wissenschaften bislang unveröffentlichte Dokumente und Manuskripte der Expeditionsteilnehmer in wissenschaftlich-kritischen Ausgaben publizierten. Gleichzeitig wurden russisch-deutsche Ausstellungsprojekte realisiert und Workshops mit deutschen und russischen Wissenschaftlern veranstaltet. Im Jahr 2005 fand an Bord eines Schiffes auf dem sibirischen Fluss [[Ob]] eine wissenschaftliche Tagung mit dem Titel „300 Jahre akademische Forschung zu Jugra – von Müller bis Steinitz“ statt, in deren Rahmen auch einige Stationen der Expedition angesteuert wurden. Während die meisten der während der Expedition gesammelten Objekte im Laufe der Jahrhunderte verloren gingen oder über unterschiedliche europäische Länder verstreut wurden, lagern heute noch zahlreiche handschriftliche Dokumente im Archiv der Russischen Akademie der Wissenschaften und im Russischen Staatsarchiv für alte Urkunden (RGADA) in Moskau. Ein besonderer Fund gelang dem Mitarbeiter der Franckeschen Stiftungen und Herausgeber der Reihe „Quellen zur Geschichte Sibiriens und Alaskas aus russischen Archiven“, Wieland Hintzsche, der 2001 ein verschollen geglaubtes Reisetagebuch [[Georg Wilhelm Steller]]s in Sankt Petersburg fand.<ref>Dazu Wieland Hintzsche: ''The Travel Journals of Georg Wilhelm Steller'', in: Møller / Lind, Under Vitus Bering's Command, Århus 2003, S. 171–178, sowie der Bericht in der deutschsprachigen Ausgabe der Zeitschrift [[National Geographic]] vom August 2001, S. 108–111.</ref> Es handelt sich dabei um den rund 330 Seiten umfassenden ersten Teil des Stellerschen Tagebuches, den dieser zwischen Dezember 1737 und Februar 1739 abfasste. Neben den naturwissenschaftlichen Beobachtungen enthalten diese wiederentdeckten handschriftlichen Notizen Informationen zu dem alltäglichen Leben auf der Reise und gewähren neue Einblicke in Stellers Reisevorbereitungen in Moskau. [[Datei:Anna Christina Bering - Brief an den Vater (Ochotsk, 1740).jpg|thumb|260px|Brief Anna Christina Berings an ihren Vater Matthias Pülse (geschrieben in [[Ochotsk]] am 5. Februar 1740)]] Die russische Forscherin Natascha Ochotina Lind und der dänische Historiker Peter Ulf Møller fanden bei ihrer Arbeit im Moskauer Archiv der auswärtigen Politik des russischen Kaiserreiches (AVPRI) bislang unbekannte Briefe der Familie [[Vitus Bering]]s. Diese Briefe – und hier vor allem die Informationen, die seine Frau Anna Christina Bering betreffen – eröffnen Einblicke in das bislang unbekannte Privatleben Berings.<ref>Dazu Natasha Ochotina Lind: ''The First Pianist in Okhotsk. New information on Anna Christina Bering'', in: Møller / Lind, Under Vitus Bering’s Command, Århus 2003, S. 51–62.</ref> Anna Christina Bering begleitete ihren Mann auf der Zweiten Kamtschatkaexpedition bis nach [[Ochotsk]] und korrespondierte während der Reise unter anderem mit ihrem Vater, dem [[Wyborg|Vyborger]] Kaufmann Mathias Pülse (auch ''Pylse'' oder ''Piilse''), und ihrem 1721 geborenen zweiten Sohn Jonas, der das Gymnasium in [[Tallinn|Reval]] besuchte, während zwei seiner jüngeren Geschwister gemeinsam mit den Eltern an der Expedition teilnahmen. Eine Auswahl dieser Briefe wurde inzwischen in einem von Lind und Møller herausgegebenen Sammelband aus dem Jahr 2003 veröffentlicht.<ref>''The Bering Letters from Okhotsk, February 1740'', in: Møller / Lind, Under Vitus Bering’s Command, Århus 2003, S. 237–269.</ref> Ein besonderer Schwerpunkt des Interesses liegt auf der Person und dem Werk [[Gerhard Friedrich Müller]]s, dessen Geburtstag sich 2005 zum 300. Mal jährte. Hervorzuheben ist hierbei insbesondere die in diesem Zusammenhang vorgenommene Neubewertung der völkerkundlichen Aspekte der Expedition. Gudrun Bucher konnte anhand einer Untersuchung der 1740 von Müller verfassten Instruktionen an [[Johann Eberhard Fischer]] (1697–1771) darlegen, dass der Beginn der wissenschaftlichen [[Ethnologie]], der bislang im Allgemeinen auf die Arbeiten von [[August Ludwig von Schlözer]] (1735–1809) in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts zurückgeführt wurde, Müller zugeschrieben werden muss.<ref>Vgl. Gudrun Bucher: ''„Von Beschreibung der Sitten und Gebräuche der Völcker“: die Instruktionen Gerhard Friedrich Müllers und ihre Bedeutung für die Geschichte der Ethnologie und der Geschichtswissenschaft'', Stuttgart 2002, ISBN 3-515-07890-8 sowie dies.: ''Gerhard Friedrich Müller's Instructions and the Beginning of Scientific Ethnography'', in: Møller / Lind, Under Vitus Bering's Command, Århus 2003, S. 135–144.</ref> Müller hatte bei der Sankt Petersburger Akademie der Wissenschaften aufgrund seines schlechten Gesundheitszustandes Ende des Jahres 1737 um seine Abberufung von der Expedition nachgesucht. Der daraufhin nach Sibirien entsandte Rektor des Sankt Petersburger Akademischen Gymnasiums Johann Eberhard Fischer wurde von Müller mit umfangreichen Instruktionen ausgestattet. Der letzte und mit 923 Einzelpunkten bei weitem umfangreichste Teil dieser Instruktionen bezog sich auf die von Fischer vorzunehmenden ethnologischen Studien. Folgt man Bucher, so muss dieses detaillierte – wenn auch von Fischer kaum erfüllte – Forschungsprogramm zur systematischen Beschreibung der sibirischen Völker und ihrer Sprachen heute als Beginn der modernen Ethnologie gewertet werden. == Literatur == ; Moderne Ausgaben schriftlicher Quellen * ''Dokumente zur 2. Kamčatkaexpedition 1730–1733: Akademiegruppe'', bearbeitet von Wieland Hintzsche und Natasha Ochotina Lind unter Mitarbeit von Heike Heklau, Halle 2004, ISBN 3-931479-63-3 (Quellen zur Geschichte Sibiriens und Alaskas aus russischen Archiven, Band 4,2) * ''Georg Wilhelm Steller: Briefe und Dokumente 1739'', bearbeitet von Wieland Hintzsche, Halle 2001, ISBN 3-930195-67-4 (Quellen zur Geschichte Sibiriens und Alaskas aus russischen Archiven, Band 3) * ''Georg Wilhelm Steller, Stepan Krašeninnikov, Johann Eberhard Fischer: Reisetagebücher 1735 bis 1743'', bearbeitet von Wieland Hintzsche, Halle 2000, ISBN 3-930195-64-X (Quellen zur Geschichte Sibiriens und Alaskas aus russischen Archiven, Band 2). * ''Georg Wilhelm Steller: Briefe und Dokumente 1740'', bearbeitet von Wieland Hintzsche, Halle 2000, ISBN 3-930195-61-5 (Quellen zur Geschichte Sibiriens und Alaskas aus russischen Archiven, Band 1) * Doris Posselt (Hrsg.): ''Die große nordische Expedition: von 1733 bis 1743. Aus Berichten der Forschungsreisenden Johann Georg Gmelin und Georg Wilhelm Steller. Mit 82 zeitgenössischen Abbildungen und 2 Routenkarten'', München 1990, ISBN 3-406-33596-9 (Lesefreundliche Ausgabe, die die interessantesten und typischsten Textpassagen in moderner Schreibung und Zeichensetzung wiedergibt). * Carol Urness (Hrsg.): ''Bering's voyages: the reports from Russia'', Fairbanks 1986, ISBN 0-912006-22-6 (Übersetzung von [[Gerhard Friedrich Müller]]s 1758 als dritter Band seiner „Sammlung rußischer Geschichte“ erschienenen ''Nachrichten von Seereisen, und zur See gemachten Entdeckungen'' mit Kommentaren, Illustrationen und Karten). * Peter Ulf Møller / Natasha Okhotina Lind (Hrsg.): ''Until death do us part: the letters and travels of Anna and Vitus Bering'', translated by Anna Halager, Fairbanks 2007, ISBN 978-1-889963-94-5. * Sven Waxell, ''The American Expedition'', translated by M. A. Michael, London, Edinburgh, Glasgow, 1952. ; Karten * Wieland Hintzsche und Thomas Nickol (Hrsg.): ''Monumenta Sibiriae: Quellen zur Geschichte Sibiriens und Alaskas aus russischen Archiven'', Gotha 1996, ISBN 3-623-00480-4 (Enthält 19 lose Karten in einer Mappe und ein Beiheft mit Erläuterungen). ; Darstellungen * Marcus Köhler: ''„Völker-Beschreibung“. Die ethnographische Methodik Georg Wilhelm Stellers (1709–1746) im Kontext der Herausbildung der „russischen“ ėtnografija'', Saarbrücken 2008. * Peter Ulf Møller / Natasha Okhotina Lind (Hrsg.): ''Under Vitus Bering's Command. New perspectives on the Russian Kamchatka Expeditions'', Århus 2003, ISBN 87-7288-932-2 (Sammelband mit Aufsätzen eines international besetzten Forscherkreises. Die Mehrzahl der Aufsätze entstand im Zusammenhang eines 1998 in Kopenhagen abgehaltenen Workshops zum Thema. Der Band enthält sowohl englisch- als auch russischsprachige Beiträge, die durch Abstracts in der jeweils anderen Sprache ergänzt werden. Einige der Beiträge beruhen auf neueren Quellenstudien, die erst durch die Öffnung russischer Archive für ausländische Historiker in den 1990er Jahren möglich wurden. Unverzichtbar ist die von Peter Ulf Møller zusammengestellte Bibliografie). * Folkwart Wendland: ''Das Russische Reich am Vorabend der Großen Nordischen Expedition, der sogenannten zweiten Kamtschatka Expedition'', in: Doris Posselt (Hrsg.): Die große nordische Expedition: von 1733 bis 1743. Aus Berichten der Forschungsreisenden Johann Georg Gmelin und Georg Wilhelm Steller, München 1990, ISBN 3-406-33596-9, S. 332–384. * Raymond H. Fisher, ''Bering's Voyages. Whither and Why'', Seattle and London, 1977. <!-- Orcutt Frost: ''Bering: the Russian discovery of America'', New Haven [u.a.] 2003, ISBN 0-300-10059-0. --> ; Biographien von Expeditionsteilnehmern * Tatjana Fjodorova, Birgit Leick Lampe, Sigurd Rambusch und Tage Sorensen, ''Martin Spangsberg: A Danish Explorer in Russian Service'', Esbjerg, ohne Jahr (englisch mit deutschem Resümee auf S. 274–285). * Vasilii A. Divin, ''The Great Russian Navigator, A. I. Chirikov'', translated and annotated by Raymond H. Fisher, Fairbanks 1993 (manchmal zu subjektiv Russisch). * P. Lauridsen, ''Vitus Bering: The Discoverer of Bering Strait, translated by J. E. Olson, Chicago 1889, Reprint Freeport/NY 1969. * Lütgen, Kurt, ''Vitus J. Bering'', Balve 1976 (Jugendbuch). * Erik Amburger, ''Vitus Berings Nachkommen in Russland'', in: Personalhistorisk Tidsskrift 3 (1936), S. 35–38. ; Ausstellungskataloge * ''Terra incognita Sibirien: die Anfänge der wissenschaftlichen Erforschung Sibiriens unter Mitwirkung deutscher Wissenschaftler im 18. Jahrhundert; eine Ausstellung der Franckeschen Stiftungen zu Halle in Zusammenarbeit mit dem Archiv der Russischen Akademie der Wissenschaften St. Petersburg'', Halle (Saale) 1999 (Schmaler Band, der die Tafeln der Wanderausstellung stark verkleinert und mit knappen Erläuterungen versehen wiedergibt). * Wieland Hintzsche (Hrsg.): ''Die Große Nordische Expedition: Georg Wilhelm Steller (1709−1746); ein Lutheraner erforscht Sibirien und Alaska; eine Ausstellung der Franckeschen Stiftungen zu Halle, [12. Mai 1996 bis 31. Januar 1997]'', Gotha 1996, ISBN 3-623-00300-X (Opulent bebilderter und umfassender Ausstellungskatalog mit einführenden und sehr anschaulich geschriebenen Texten zu den unterschiedlichen Aspekten der Expedition). == Weblinks == [[Datei:Golowatschewski - Georg Thomas von Asch.jpg|thumb|[[Georg Thomas von Asch]]. Ölgemälde von [[Kirill Golowatschewski]] aus dem Jahr 1780. Von 1771 bis zu seinem Tod schickte Asch zahlreiche Materialien aus Russland nach Göttingen. Heute steht ein Teil der seltenen Bücher, Karten und Manuskripte der „Sammlung Asch“ auf den Seiten des russisch-amerikanischen Projektes „Meeting of frontiers − Встреча на границах“ online zur Verfügung.<ref>[[Library of Congress]], Meeting of Frontiers: Collections from Goettingen State and University Library (SUB) − [http://frontiers.loc.gov/intldl/mtfhtml/mfdigcol/subcoll.html The Georg von Asch Collection].</ref>]] Einer der größten Bestände an wissenschaftshistorisch bedeutsamen Schriften und Karten zur Entdeckung und Erschließung des nordostasiatischen Raumes im 18. Jahrhundert befindet sich im Besitz der [[Niedersächsische Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen|Niedersächsischen Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen]] (SUB Göttingen). Ein Teil dieser Materialien, die durch die Vermittlung des ehemaligen Göttinger Studenten Baron [[Georg Thomas von Asch]] (1729–1807) und den Göttinger Gelehrten [[August Ludwig von Schlözer]] (1735–1809) nach Deutschland gelangten, wurde in den Jahren 2001 und 2002 im Rahmen des von der [[Deutsche Forschungsgemeinschaft|Deutschen Forschungsgemeinschaft]] geförderten Projektes „Digitalisierung der seltenen Bücher, Karten und Manuskripte zur Erforschung Sibiriens aus der Sammlung Asch“ eingescannt und online zugänglich gemacht. Angeboten werden die Materialien auf dem Webserver des [[Göttinger Digitalisierungszentrum]]s (GDZ) als digitale Sammlung mit der Kurzbezeichnung „Sibirica“ sowie auf dem Webserver der [[Library of Congress]] im Rahmen des Projektes „Meeting of Frontiers“. '''Digitalisate der Sammlung „Sibirica“ (Auswahl)''' * [[Gerhard Friedrich Müller]]: ''Sammlung rußischer Geschichte'', 9 Bände, Sankt Petersburg 1732–1764 (später fortgesetzt von Ewers und von Engelhardt), [http://www-gdz.sub.uni-goettingen.de/cgi-bin/digbib.cgi?PPN331635313 online abrufbar] über das Digitalisierungszentrum der SUB Göttingen (enthält als Band 3: ''Nachrichten von Seereisen, und zur See gemachten Entdeckungen, die von Rußland aus längst den Küsten des Eißmeeres und auf dem Ostlichen Weltmeere gegen Japon und Amerika geschehen sind'', Sankt Petersburg 1758). * [[Johann Georg Gmelin]]: ''Flora Sibirica sive historia plantarum Sibiriae'', 4 Bände, Petropoli 1747–1769, [http://www-gdz.sub.uni-goettingen.de/cgi-bin/digbib.cgi?PPN330224352 online abrufbar] über das Digitalisierungszentrum der SUB Göttingen. * Johann Georg Gmelin: ''Leben Herrn Georg Wilhelm Stellers'', Frankfurt 1748, [http://www-gdz.sub.uni-goettingen.de/cgi-bin/digbib.cgi?PPN332169898 online abrufbar] über das Digitalisierungszentrum der SUB Göttingen. * Johann Georg Gmelin: ''Reise durch Sibirien, von dem Jahr 1733 bis 1743'', 4 Bände, Göttingen 1751–1752, [http://www-gdz.sub.uni-goettingen.de/cgi-bin/digbib.cgi?PPN249663295 online abrufbar] über das Digitalisierungszentrum der SUB Göttingen. * [[Stepan Petrowitsch Krascheninnikow]]: ''Opisanie Zemli Kamcatki'', 2 Bände, Sankt Petersburg 1755, [http://www-gdz.sub.uni-goettingen.de/cgi-bin/digbib.cgi?PPN330962647 online abrufbar] über das Digitalisierungszentrum der SUB Göttingen. * [[Georg Wilhelm Steller]]: ''Beschreibung von dem Lande Kamtschatka, dessen Einwohnern, deren Sitten, Nahmen, Lebensart und verschiedenen Gewohnheiten'', hrsg. von Johann Benedict Scherer, Frankfurt a. M. [u.a.] 1774, [http://www-gdz.sub.uni-goettingen.de/cgi-bin/digbib.cgi?PPN330841254 online abrufbar] über das Digitalisierungszentrum der SUB Göttingen. {{Commons|Zweite Kamtschatkaexpedition}} == Anmerkungen == <references /> [[Kategorie:Europäische Expansion|Kamtschkaexpeditition 2]] [[Kategorie:Expedition|Kamtschkaexpeditition 2]] [[Kategorie:Geschichte von Alaska|Kamtschkaexpeditition 2]] [[Kategorie:Wissenschaft (Russland)|Kamtschkaexpeditition 2]] [[Kategorie:Geschichte Sibiriens|Kamtschkaexpeditition 2]] {{Exzellent}} [[da:2. Kamtjatka-ekspedition]] [[en:Second Kamchatka expedition]] [[es:Segunda expedición a Kamchatka]] [[fr:Deuxième expédition du Kamtchatka]] [[nl:Tweede Kamtsjatka-expeditie]] [[ru:Вторая Камчатская экспедиция]] [[sah:Иккис Камчатка экспедицията (1733 - 1743)]] 6xq7huqx08nighhlzannmnupynvu19q wikitext text/x-wiki Zwerchfell 0 24559 27164 2010-04-27T15:23:38Z Broadbot 0 Bot: Ergänze: [[da:Mellemgulvet]] {{Infobox Muskel| Name= Zwerchfell (''Diaphragma'')| BILD= [[Bild:Image391-blank.gif|250 px]]| BILDBESCHREIBUNG= | Ursprung= Lendenteil (''Pars lumbalis''): [[Lendenwirbel]] <br> Rippenteil (''Pars costalis''): Innenseite der siebten bis letzten [[Rippe]] <br> Brustbeinteil (''Pars sternalis''): [[Brustbein]] (''Processus xiphoideus'')| Ansatz= Centrum tendineum| Funktion= [[Inspiration (Medizin)|Inspiration]] (Einatmung)| Nerv=[[Nervus phrenicus]] aus dem [[Plexus cervicalis]]| Segment=C3-C5 }} Das '''Zwerchfell''' ([[latein]]isch ''Diaphragma'' [{{IPA|diaˈfragma}}], [[Latinisierung|latinisiert]] von [[griechische Sprache|griechisch]] ''διάφραγμα'', von [[altgriechische Sprache|altgriechisch]] ''διαφράσσω'' (''diafrásso'')) ist eine [[Skelettmuskel|Muskel]]-[[Sehne (Anatomie)|Sehnen]]-Platte der [[Säugetiere]], welche die [[Brusthöhle|Brust-]] und die [[Bauchhöhle]] voneinander trennt. Es hat eine [[kuppel]]<nowiki></nowiki>förmige Gestalt und ist der wichtigste [[Atemmuskulatur|Atemmuskel]]. Die [[Muskelkontraktion]] des Zwerchfells führt zu einer [[Inspiration (Medizin)|Einatmung]] (''Inspiration''). Beim Menschen ist es 3 bis 5&nbsp;mm dick und leistet in Ruhe 60 bis 80&nbsp;% der zur Inspiration benötigten Muskelarbeit. Eine dem Zwerchfell vergleichbare Struktur besitzen außer den Säugetieren nur die [[Krokodile]]. == Worterklärungen == Der Name „Zwerchfell“ leitet sich vom veralteten deutschen Wort ''zwerch'' („quer“) ab. Der Bestandteil „Fell“ stammt von [[germanische Sprachen|germanisch]] ''*fel'' für „Haut“ ([[indogermanische Sprache|indogermanisch]] ''*pel-'', vgl. [[Pelle]], ''sich pellen'' für „häuten“) ab, in derselben Bedeutung auch in [[Trommelfell]], [[Peritoneum|Bauchfell]] oder Tier[[fell]]. Da das [[Lachen (Ausdrucksform)|Lachen]] eine stark beschleunigte Folge von Atembewegungen darstellt und das Zwerchfell an diesem Vorgang beteiligt ist, gibt es im Deutschen eine Reihe diesbezüglicher Redewendungen und Wortzusammensetzungen („Zwerchfellattacke“). Im [[Antikes Griechenland|antiken Griechenland]] hielt man das Zwerchfell für den Sitz der [[Seele]], weshalb das Wort „phren“ (φρήν) für beide Begriffe steht. Daher kommt das Wort auch in der Bezeichnung der [[Psychiatrie|psychisch]]en Krankheit [[Schizophrenie|Schizo''phren''ie]] vor. Der medizinisch-lateinische Begriff ''Diaphragma'' kommt ursprünglich ebenfalls aus dem [[Altgriechisch]]en (''διάφραγμα'' [{{IPA|dɪˈapʰragma}}], ''διά'' „durch, hindurch“, ''φραγμα'' „Trennwand“) . Er wird sowohl in der Anatomie für weitere Trennwände, durch die etwas hindurch tritt, wie beim [[Beckenboden]] (''Diaphragma pelvis'' und ''Diaphragma urogenitale'') oder dem ''[[Keilbein#Innenrelief|Diaphragma sellae]]'' (zwischen [[Gehirn]]basis und [[Hypophyse]]) als auch außerhalb der Anatomie verwendet (→ [[Diaphragma]]). ==Anatomischer Aufbau== [[Bild:Diaphragma.png|350px|thumb|right|Zwerchfell des Menschen von unten]] Der muskulöse Anteil des Zwerchfells wird nach dem [[Ursprung und Ansatz|Ursprung]] in drei Anteile untergliedert: Lenden-, Brustbein- und Rippenteil. Alle drei Anteile enden in einer gemeinsamen '''Sehnenplatte''' (''Centrum tendineum''), die aus den miteinander verflochtenen [[Sehne (Anatomie)|Sehnenfasern]] besteht. Das Verhältnis zwischen dem muskulösen und dem sehnigen Anteil ist innerhalb der Säugetiere variabel. [[Hunde]] und [[Katzen]] besitzen eine kleine, schmale und Y-förmige Sehnenplatte, bei den übrigen [[Haustiere]]n und beim Menschen ist sie V- bis [[Herz (Symbol)|herzförmig]] und stellt die größte Zwerchfellportion dar. Der '''Lendenteil''' (''Pars lumbalis'') entspringt an der Bauchseite (''ventral'') der [[Lendenwirbelsäule]]. Er besteht aus einem rechten (''Crus dextrum'') und einem linken Schenkel (''Crus sinistrum''). Diese „Zwerchfellpfeiler“ stellen Muskelstränge dar, die beim Menschen nach oben, bei den Tieren infolge der horizontalen Körperorientierung nach vorn ziehen. Der rechte Schenkel ist kräftiger und kann in zwei (Mensch: ''Crus mediale'' und ''Crus laterale'') oder drei Unterabschnitte unterteilt werden. Am Lendenteil gibt es drei sehnige Bögen. Die Quadratus- (''Ligamentum arcuatum laterale'') und die Psoasarkade (''Ligamentum arcuatum mediale'') umgreifen bauchseitig die beiden Anteile des [[Musculus iliopsoas]], die Aortenarkade (''Ligamentum arcuatum medianum'') den Aortenschlitz (s.&nbsp;u.). [[Bild:Thorax-withdiaphragm-dog.png|thumb|210px|left|Seitliche Zwerchfellprojektion und Zwerchfellansatzlinie, Hund.<br><small>(römische Ziffern=Rippennummern)</small>]] Der Lendenteil grenzt seitlich an den '''Rippenteil''' (''Pars costalis''), der an den [[Rippe]]n (''Costae'') bzw. an den Rippenknorpeln entspringt. Die Verbindungslinie der einzelnen Ursprünge an den Rippen (''Zwerchfellansatzlinie'') verläuft schräg und ist bei den einzelnen Säugetierarten infolge variierender Rippenzahlen unterschiedlich. Als Richtwert verläuft sie rückenseitig (''dorsal'') von der letzten Rippe bauchwärts (''ventral'') zur siebten Rippe. Der Grad der Schrägstellung variiert tierartlich vergleichend also in Abhängigkeit von der Länge des Brustkorbs bzw. der Rippenzahl. Bei einigen Meeressäugern ([[Wale]], [[Seekühe]]) liegt das Zwerchfell fast horizontal. Da sich die [[Lunge]] in den Raum seitlich des Scheitelpunkts der Zwerchfellkuppel bis maximal zu dieser Ansatzlinie ausdehnen kann (''Recessus costodiaphragmaticus''), bestimmt die Zwerchfellansatzlinie auch das maximale Lungen[[Perkussion (Medizin)|perkussion]]<nowiki>sfeld</nowiki>. Der Rippenteil grenzt bauchseitig an den kleinen '''Brustbeinteil''' (''Pars sternalis''). Er entspringt am Ende des [[Brustbein]]s (''Sternum''), am sogenannten Schwertfortsatz (''Processus xiphoideus''). Das Zwerchfell ist von einer [[Faszie]] bedeckt und auf der Brusthöhlenseite von [[Pleura|Brustfell]] (''Pleura diaphragmatica''), auf der Bauchhöhlenseite von [[Peritoneum|Bauchfell]] (''Peritoneum'') überzogen. Die Kuppelform des Zwerchfells kommt durch den [[Unterdruck]] in der [[Pleurahöhle]] und das Bestreben der Lunge, sich zusammenzuziehen („Retraktionskraft“ der Lunge) zustande. [[Bild:Diaphragma-cat.jpg|thumb|300px|'''Brusthöhle mit Zwerchfell von rechts, Katze''' <br><small>1 Rippenteil des Zwerchfells, 2 rechter Schenkel des Lendenteils des Zwerchfells, 3 Centrum tendineum des Zwerchfells, 4 Aorta, 5 Ductus thoracicus, 6 Speiseröhre, 7 rechte Lunge (Lobus caudalis), 8 Vena cava caudalis, 9 Nervus phrenicus, 10 rechte Lunge (Lobus accessorius), 11 Herz im Herzbeutel, 12 Arcus lumbocostalis (Bochdalek-Lücke), 13 letzte, 13. Rippe, 14 Rippenbogen, 15 Leber, 16 Zwölffingerdarm</small>]] Im Zwerchfell gibt es drei größere Öffnungen. Der '''Aortenschlitz''' (''Hiatus aorticus'') befindet sich rückenseitig zwischen den beiden Schenkeln des Lendenteils. Er ist schräg angeordnet und reicht beim Menschen vom ersten [[Lendenwirbel]] bis zum elften [[Brustwirbelsäule#Brustwirbel|Brustwirbel]]. Durch den Aortenschlitz ziehen die Hauptschlagader (''[[Aorta]]'') und ein großer [[Lymphsammelstamm]], der [[Ductus thoracicus]]. Der '''Speiseröhrenschlitz''' (''Hiatus oesophageus'') liegt zwischen den Unterabschnitten des rechten Lendenschenkels, beim Menschen in Höhe des zehnten Brustwirbels. Durch den Speiseröhrenschlitz ziehen die [[Speiseröhre]] (''Oesophagus'') sowie die beiden Hauptstämme des 10. [[Hirnnerven]], des [[Nervus vagus]] (''Truncus vagalis anterior'' und ''posterior'', bei Tieren als ''Truncus vagalis ventralis'' und ''dorsalis'' bezeichnet). Die dritte größere Öffnung ist das '''Hohlvenenloch''' (''Foramen venae cavae''). Es befindet sich in der Sehnenplatte. Durch dieses Loch zieht die [[Vena cava inferior|untere Hohlvene]] (''Vena cava inferior'', bei Tieren ''Vena cava caudalis''). Im Gegensatz zu den beiden Schlitzen, in denen die durchtretenden Strukturen verschiebbar gelagert sind, ist die Hohlvene in einem festen Bindegewebsring mit dem Zwerchfell verwachsen. Diese Verwachsung ist für die Formveränderung des Zwerchfells bei der Kontraktion verantwortlich und verhindert das Zusammenfallen der Vene. Darüber hinaus gibt es einige kleinere Öffnungen. Im rechten Lendenschenkel befindet sich eine Öffnung für die [[Vena azygos]] und den [[Nervus splanchnicus major]]. Rückenseitig vom Aortenschlitz tritt der [[Grenzstrang]] (''Truncus sympathicus'') durch das Zwerchfell. Zwischen den muskulösen Anteilen liegen nur durch lockeres [[Bindegewebe]] verschlossene, muskelfreie Bezirke. Die ''[[Dominique Jean Larrey|Larrey]]-Spalte'' (''Trigonum sternocostale sinistrum'') und das ''[[Giovanni Battista Morgagni|Morgagni]]-Loch'' (''Trigonum sternocostale dextrum'') liegen links bzw. rechts zwischen Rippen- und Brustbeinteil. Durch sie zieht die ''Vena epigastrica superior'' (bei Tieren ''Vena epigastrica cranialis''), der Endast der inneren Brustkorbvene (''Vena thoracica interna''). Zwischen Rippen- und Lendenteil liegt beidseitig die ''[[Vincent Alexander Bochdalek|Bochdalek]]-Lücke'' (''Trigonum lumbocostale'', in der Veterinäranatomie ''Arcus lumbocostalis''). An diesen Stellen ist das Zwerchfell am schwächsten, weshalb hier am häufigsten [[Abszess|Eiteransammlungen]] (Abszesse) durchbrechen oder [[Zwerchfellhernie|Zwerchfellbrüche]] auftreten. Weitere Schwachstellen sind der Aorten- und der Speiseröhrenschlitz, da hier ebenfalls nur lockeres [[Bindegewebe]] die Öffnung stabilisiert. Brusthöhlenseitig grenzt das Zwerchfell an die [[Lunge]]n, das [[Mediastinum]] und bei einigen Säugetieren (Mensch, [[Raubtiere]]) auch an den [[Herzbeutel]], bauchhöhlenseitig vor allem an die [[Leber]]. Bei den [[Wiederkäuer]]n hat nur die rechte Zwerchfellseite Kontakt zur Leber, durch die großen [[Magen#Magen der Wiederkäuer|Vormägen]] wird die Leber nach rechts verdrängt und die linke Zwerchfellhälfte steht in unmittelbaren Kontakt zu [[Netzmagen|Netz-]], [[Blättermagen]] und [[Pansen]]. == Versorgung des Zwerchfells == [[Bild:Image806.png|thumb|left|Brustsitus des Menschen mit Nervus phrenicus]] Die Nervenversorgung ([[Innervation]]) des Zwerchfells erfolgt durch den Zwerchfellnerv ([[Nervus phrenicus]]). Dieser entspringt beim Menschen aus dem dritten bis fünften Halssegment (C3 bis C5) des [[Rückenmark]]s und ist Teil des Halsgeflechts ([[Plexus cervicalis]]). Darüber hinaus können sogenannte Nebenphrenici (''Nervi phrenici accessorii'') vorkommen, also zusätzliche [[Nerv]]en aus den Halssegmenten C5 bis C7. Bei den meisten Säugetieren kommen alle Phrenikusanteile aus dem fünften bis siebten Halssegment, der Nervus phrenicus der Tiere entspricht also dem Nebenphrenicus des Menschen. Ein geringer Anteil der Zwerchfellmuskulatur wird auch von Ästen der [[Spinalnerv]]en der hinteren Brustsegmente innerviert. Die zentrale Steuerung des Zwerchfells erfolgt über das [[Atemzentrum]] im [[Medulla oblongata|verlängerten Mark]] und in der [[Pons|Brücke]]. Von hier aus werden die [[Wurzelzelle|motorischen Wurzelzellen]] des Nervus phrenicus im Halsmark willensunabhängig rhythmisch angeregt. Das Zwerchfell unterliegt damit teilweise einer [[Autonomes Nervensystem|autonomen Steuerung]]. Wie die übrige Skelettmuskulatur ist das Zwerchfell aber auch willkürlich beeinflussbar. Dies erfolgt über Nervenbahnen aus der [[Großhirnrinde]], die beispielsweise das „Luftanhalten“ ermöglichen. [[Bild:Celiac ganglion.jpg|thumb|270px|'''Aortenschlitz und Blutgefäße des Zwerchfells einer Katze.<br>''' 1 Linker Zwerchfellschenkel, 2 Aortenschlitz, 3 Aorta, 7 ''A. phrenica caudalis'', 15 ''A. abdominalis cranialis'' (15' Zwerchfellast). <br><small>14 Nebenniere 16 Magen, 17 Leber, 18 Niere</small>]] Die [[Blutversorgung]] erfolgt über mehrere kleinere [[Arterie]]n. Aus der inneren Brustkorbarterie (''[[Arteria thoracica interna]]'') entspringen beidseitig die ''Arteria pericardiacophrenica'' (nur beim Menschen) und die ''Arteria musculophrenica'' (alle Säugetiere). Darüber hinaus ziehen aus dem [[Aorta thoracica|Brustteil der Aorta]] beim Menschen die ''Arteria phrenica superior'' (obere Zwerchfellarterie) und aus dem Bauchteil der Aorta bei allen Säugetieren die ''Arteria phrenica inferior'' (untere Zwerchfellarterie, bei den Tieren als hintere Zwerchfellarterie, ''Arteria phrenica caudalis'', bezeichnet) an das Zwerchfell. Bei einigen Säugetieren (z.&nbsp;B. [[Raubtiere]], [[Echte Schweine|Schweine]]) versorgt auch die vordere Baucharterie (''Arteria abdominalis cranialis'') das Zwerchfell mit. Der Blutabfluss erfolgt über die gleichnamigen [[Vene]]n. == Entstehung == [[Bild:Diaphragma-embryo.png|thumb|270px|Embryonale Entstehung des Zwerchfells]] Beim [[Embryo]] ist die Leibeshöhle zunächst ungeteilt und wird hier als ''[[Coelom|intraembryonales Coelom]]'' bezeichnet. Das Zwerchfell entsteht zunächst im vorderen [[Hals]]bereich aus vier unterschiedlichen [[Anlage (Biologie)|Anlagen]]. Die Sehnenplatte entsteht aus dem [[Septum transversum]]. Es handelt sich hierbei um eine aus dem [[Mesoderm]] auswachsende Trennwand, die von der Bauchseite in Richtung Rücken wächst, ohne diesen jedoch zu erreichen. Von der rückenseitigen Wand des Coeloms wachsen dem Septum transversum die sogenannten pleuroperitonäalen [[Membran (Trennschicht)|Membranen]] (''Membranae pleuroperitoneales'') entgegen. Aus dem rückenseitigen [[Gekröse]] der Speiseröhre (''Mesoesophagus dorsalis'') entsteht der Lendenteil des Zwerchfells. Der Abschnitt im Winkel zwischen Rippen und Zwerchfell (''Recessus costodiaphragmaticus'') entsteht aus der Körperwand selbst. In die später muskulösen Anteile wandern Muskelvorläuferzellen ([[Myoblast]]en) der [[Myotom]]e des Halses ein, wodurch sich auch die überwiegende Innervation aus Ästen der Halsnerven erklärt. Das Zwerchfell erfährt in der weiteren Entwicklung mit der Streckung des Halses und der Verlagerung des Herzens beim Embryo eine Verlagerung nach [[kaudal]] (beim Menschen nach unten, bei Tieren entsprechend nach hinten) in seine endgültige Position. ==Funktion== :→ ''Hauptartikel'' [[Atmung]] Das Zwerchfell ist „Motor“ der sogenannten [[Bauchatmung|Zwerchfellatmung]] (weniger treffend auch „Bauchatmung“ genannt). Die Rolle des Zwerchfells bei der [[Inspiration (Medizin)|Einatmung]] (''Inspiration'') wird durch weitere Muskeln, die sogenannten [[Atemmuskulatur|Inspirationsmuskeln]] unterstützt, welche durch ein Anheben der Rippen zu einer weiteren Vergrößerung des Brustkorbs beitragen ([[Brustatmung]]). Das Verhältnis von Brust- zu Zwerchfellatmung variiert tierartlich sowie alters-, trainings- und belastungsabhängig und kann darüber hinaus auch willkürlich beeinflusst werden. Bei Säuglingen und alten Menschen dominiert die Zwerchfellatmung, bei Erwachsenen bewegt sie 60 bis 80&nbsp;% der eingeatmeten Luft. Bei den meisten Säugetieren kann durch die Brustatmung selbst bei einer [[Plegie|kompletten Lähmung]] des Zwerchfells eine für Ruhe und geringe Belastung ausreichende Belüftung der Lunge aufrecht erhalten werden. [[Datei:Respiration.gif|right|Atemmechanik]] Das zum Brustraum gewölbte Zwerchfell [[Muskelkontraktion|kontrahiert]] sich beim Einatmen. Beim Menschen verkürzt es sich dabei um maximal 30 bis 34&nbsp;%. Bei dieser Kontraktion flacht es sich ab und die Kuppelform geht in eine [[Kegel (Geometrie)|Kegel]]</b>form über. Zu dieser Formveränderung trägt die feste Verbindung mit der unteren Hohlvene am Scheitel der Zwerchfellkuppel bei, das Hohlvenenloch verlagert sich nur wenig nach unten und vorn (bei Tieren entsprechend nach hinten und unten, fachsprachlich ''kaudoventral''). Außerdem bewirkt die Kontraktion des Zwerchfells auch ein geringgradiges Anheben der unteren Rippenränder und damit auch eine gewisse Erweiterung des Brustkorbs. Durch die Zwerchfellaktion wird vor allem der Raum im Winkel zwischen Brustwand und Zwerchfell, der ''Recessus costodiaphragmaticus'', erweitert. Durch diesen Vorgang wird der Brustraum vergrößert und somit der Unterdruck in der hermetisch abgeschlossenen Pleurahöhle erhöht. Der Brustfellüberzug der Lunge (''Pleura pulmonalis'') ist bei den meisten Säugetieren durch einen Flüssigkeitsfilm, die sogenannte Pleuraflüssigkeit, [[Adhäsion|adhäsiv]] mit der Innenauskleidung (ebenfalls aus Brustfell) der Brusthöhle und damit auch mit dem Zwerchfell verbunden. Lunge und innere Brusthöhlenwand/Zwerchfell sind also wie zwei angefeuchtete, aufeinander gelegte Glasscheiben verbunden, die sich zwar nicht voneinander abheben lassen, aber gegeneinander verschieblich sind. Da diese Flüssigkeit sich nicht ausdehnen kann, wird mit der Vergrößerung der Brusthöhle auch die Lunge erweitert. Nun strömt bei geöffneter [[Stimmritze]] Luft in die Lungen, da der äußere [[Luftdruck]] größer ist als der Druck in der Lunge. Bei einigen Säugetieren ([[Elefanten]], [[Tapire]]) sind die beiden Brustfellblätter miteinander verwachsen, hier muss die Lunge natürlich der Brusthöhlenerweiterung erst recht folgen. Die Kontraktion des Zwerchfells verdrängt die Organe des [[Oberbauch]]s (bzw. der vorderen Bauchhöhle bei Tieren) nach unten (bzw. hinten). Durch eine Erschlaffung der [[Bauchmuskulatur]] und Vorwölbung der Bauchdecke wird den Organen jedoch der notwendige Raum bereitgestellt, so dass es bei normaler Atmung zu keinem Druckanstieg in der Bauchhöhle kommt. Da die Bauchbewegung jedoch nur eine passive Folgeerscheinung ist, sollte der Begriff „Zwerchfellatmung“ dem der „Bauchatmung“ vorgezogen werden. Beim Ausatmen (''Exspiration'') entspannt sich das Zwerchfell. Durch die [[Bindegewebe#Elastisches Bindegewebe|elastischen Fasern]] in der Lunge sowie die [[Oberflächenspannung|Oberflächenkräfte]] in den [[Lunge|Lungenbläschen]] (Retraktionskräfte) zieht sich die Lunge zusammen und das Zwerchfell wieder in die Kuppelform zurück. Die Ausatmung vollzieht sich während der Atmung in Ruhe also ohne eine aktive Mitwirkung von Muskeln. Neben der Atemfunktion kann das Zwerchfell zusammen mit den Bauchmuskeln zum Druckaufbau in der Bauchhöhle eingesetzt werden, nämlich wenn sie sich gleichzeitig kontrahieren, die Vorwölbung des Bauches also unterbunden wird. Dies findet z.&nbsp;B. beim [[Stuhlgang]] oder bei [[Wehe|Presswehen]] statt. Bei Ausatemtechniken wie der [[Atemstütze]] wirkt das Zwerchfell mit der übrigen Atemmuskulatur zusammen. Auf die Beteiligung des Zwerchfells beim Lachen wurde bereits im Abschnitt „Wortbedeutungen“ hingewiesen. Der Lendenteil des Zwerchfells unterstützt als „äußerer Schließmuskel“ den unteren [[Speiseröhre]]nschließmuskel, einen komplexen Verschlussmechanismus am Übergang von der Speiseröhre zum [[Magen]]. Die Kontraktion des Zwerchfells führt durch eine Verengung des Speiseröhrenschlitzes zu einem Druckanstieg im Speiseröhrenschließmuskel mit jeder Einatmung. Schließlich sind die durch das Zwerchfell hervorgerufenen Veränderungen des Drucks innerhalb der Brusthöhle für den Bluttransport in den [[Vene]]n der Brusthöhle von Bedeutung. == Funktionsstörungen und Erkrankungen == Eine [[Krampf|Verkrampfung]] des Zwerchfells führt zum – in der Regel harmlosen – [[Schluckauf]] (''Singultus''). Hierbei handelt es sich um einen [[Myoklonie|klonischen Krampf]]. Nach neuerer Ansicht werden die ebenfalls zumeist harmlosen [[Seitenstiche]] durch eine Verkrampfung des Zwerchfells infolge einer Sauerstoffunterversorgung verursacht. Andauernde und damit lebensgefährliche Zwerchfellkrämpfe können beispielsweise beim [[Tetanus|Wundstarrkrampf]] auftreten.[[Bild:Diaphragmatic-rupture dog.jpg|thumb|260px|left|Röntgenaufnahme einer rechtsseitigen Zwerchfellruptur beim Hund mit Verlagerung von Leber (4), Milz (7) und Magen (8). 3 zeigt auf die erhaltene linke Zwerchfellansatzlinie.]] Infolge erhöhter Drücke in einer der beiden Körperhöhlen kann es zu Lageveränderungen des Zwerchfells kommen. Ein [[Zwerchfellhochstand]] entsteht durch einen erhöhten Druck in der Bauchhöhle, wie zum Beispiel durch [[Hepatomegalie|Lebervergrößerung]], [[Splenomegalie|Milzvergrößerung]], [[Magenüberladung]], [[Tumor]]e oder [[Schwangerschaft]]. Ein ''Zwerchfelltiefstand'' kann durch eine [[COPD|obstruktive Lungenerkrankung]] oder einen [[Pleuraerguss]] entstehen. Bei diesen Lageveränderungen des Zwerchfells ist die Atmung eingeschränkt. Eine Verletzung des Zwerchfells, zum Beispiel eine Durchbohrung ([[Perforation]]) mit einem spitzen Gegenstand oder eine [[Zwerchfellruptur]], kann lebensbedrohliche Folgen haben, wenn dadurch kein Unterdruck im Brustraum erzeugt werden kann ([[Pneumothorax]]). Bei der [[Fremdkörpererkrankung der Wiederkäuer]] perforieren Fremdkörper aus dem [[Netzmagen]] das Zwerchfell und können eine eitrige [[Perikarditis|Herzbeutelentzündung]] oder [[Lungenentzündung]] hervorrufen, Störungen der Atemmechanik treten aber praktisch nie auf. [[Bild:Peritoneopericardial diaphragmatic hernia.JPG|thumb|250 px|Peritoneoperikardiale Zwerchfellhernie bei einer Katze, Sektionssitus]] Als [[Zwerchfellhernie]] (''Hernia diaphragmatica'') bezeichnet man ein Hindurchtreten von Bauchhöhlenorganen durch das Zwerchfell in den Brustraum. Eine Zwerchfellhernie kann durch eine Fehlbildung des Zwerchfells angeboren sein, sie wird bei einem von 2.500 Neugeborenen beobachtet. Dabei kann der Bauchhöhleninhalt in die Pleurahöhle, das [[Mediastinum]] oder sogar in die [[Herzbeutel]]höhle (''peritoneoperikardiale Zwerchfellhernie'', häufigste angeborene Hernie bei [[Haushund|Hund]] und [[Hauskatze|Katze]]) vorfallen. Nach der Geburt sind Zwerchfellhernien zumeist [[Trauma (Medizin)|trauma]]tisch ([[Unfall|Unfälle]], schweres Heben, [[Schwangerschaft]], [[Übergewicht]], [[Sport]]) bedingt. Dabei unterscheidet man echte Zwerchfellhernien, bei denen eine Aussackung des Bauchfells die vorgefallenen Organe umgibt, und Zwerchfellrupturen, die ohne Bildung eines Bruchsacks aus Bauchfell einhergehen. Hernien treten am häufigsten an den Schwachstellen des Zwerchfells (Bochdalek-Lücke, Morgagni-Loch und Larrey-Spalte) oder im Bereich des Aorten- oder Speiseröhrenschlitzes ([[Hiatushernie]]) auf. Eine Hiatushernie begünstigt den Rückfluss (''Reflux'') von saurem Mageninhalt in die Speiseröhre, da das Zwerchfell dann nicht zum Verschlussmechanismus des unteren Ösophagussphinkters beitragen kann. Beim [[Hyperventilation]]ssyndrom kommt es aufgrund einer [[psychische Störung|psychischen Störung]] zu einer Erhöhung der Kontraktionsfrequenz („Zwerchfellsneurose“). [[Bild:TrichinellaZysten.jpg|thumb|Muskelzysten der Trichine ''Trichinella spiralis'']] Eine [[Entzündung]] des Zwerchfells wird als ''Diaphragmitis'' bezeichnet. Sie ist eine lokalisierte Muskelentzündung ([[Myositis]]), die meist mit Zwerchfellhochstand, Schmerzen und Bewegungseinschränkung des Zwerchfells einhergeht. Eine ausschließlich auf das Zwerchfell begrenzte Muskelentzündung ist aber äußerst selten. Eine häufige Ursache war der Befall mit [[Trichinen]] (''Trichinellose''). Diese [[parasit]]äre Erkrankung ist durch die bei allen [[Schlachttier]]en, die keine reinen [[Pflanzenfresser]] sind, gesetzlich vorgeschriebene [[Trichinenuntersuchung]] weitestgehend zurückgedrängt. Bei der Trichinenschau wird eine Muskelprobe aus dem Lendenteil des Zwerchfells (Zwerchfellpfeiler) des Schlachttieres entnommen und [[mikroskop]]isch auf das Vorhandensein von Trichinen untersucht. Eine Schädigung des Zwerchfellnerven ([[Nervus phrenicus#Phrenikuslähmung|Phrenikuslähmung]]) oder eine [[Querschnittslähmung]] oberhalb des Ursprungs des Zwerchfellnerven und damit einer Unterbrechung zwischen dem Taktgeber Atemzentrum und den Wurzelzellen des Phrenikus führt zu einer [[Relaxatio diaphragmatica|Lähmung des Zwerchfells]]. Bei einseitiger Schädigung des Nerven kommt es zu einer [[Paradoxon|paradoxen]] Zwerchfellbewegung (''Kienböck-Zeichen''): Das Zwerchfell bewegt sich auf der erkrankten Seite bei der Einatmung infolge des höheren Unterdrucks auf- und bei der Ausatmung durch den Druckanstieg abwärts. Eine einseitige Durchtrennung des Zwerchfellsnervs (''Phrenikotomie'') wurde früher zur Ruhigstellung einer Lunge z.&nbsp;B. bei [[Tuberkulose]] durchgeführt. Gefährlicher als Phrenikuslähmungen sind den ganzen Körper betreffende (''generalisierte'') Störungen der [[Motorische Endplatte|neuromuskulären Überleitung]] (z.&nbsp;B. bei der [[Myasthenia gravis|myasthenischen Krise]], bei [[Botulismus]] oder durch [[Curare]] und andere [[Muskelrelaxans|Muskelrelaxantien]]), weil sie die gesamte Atemmuskulatur beeinträchtigen und zu einer [[Apnoe]] führen. == „Zwerchfell“ der Krokodile == Krokodile besitzen eine [[Bindegewebskapsel]] um die Leber, die eine Trennwand zwischen Brust- und Bauchhöhle bildet. Sie entspricht am ehesten dem Septum transversum (s. o.) der Säuger, da auch bei den Säugetieren die Leber im Septum transversum entsteht und sie bei Erwachsenen durch kurze [[Leber#Leberbänder|Leberbänder]] eng mit dem Zwerchfell verbunden ist. [[Bild:Crocodile-diaphragmaticus.png|thumb|350px|Leberkolbenmechanismus bei Krokodilen]] Der paarige Zwerchfellmuskel (''Musculus diaphragmaticus'') der Krokodile entspringt beidseits am [[Becken (Anatomie)|Becken]] und der Innenseite der letzten Rippe. Der Muskel zieht sich fächerförmig verbreiternd nach vorn und setzt größtenteils an der Leberkapsel an. Einige Fasern ziehen [[Lage- und Richtungsbezeichnungen|medial]] bis zum [[Herzbeutel]]. Der Zwerchfellmuskel ist damit am ehesten mit dem Lendenteil der Säugetiere vergleichbar, obwohl Zwerchfell und Zwerchfellmuskel der Krokodile nicht [[Homologie (Biologie)|homolog]] sind. Bei der Kontraktion verlagern beide Zwerchfellmuskeln die Leber nach hinten, die Leber bewirkt also, wie der [[Kolben (Technik)|Kolben]] einer [[Pumpe]] („Leberkolbenmechanismus“, engl. ''hepatic piston''), eine Erweiterung der Brusthöhle und damit der Lungen. Diese besondere Atemmechanik ist dafür verantwortlich, dass bei den Krokodilen äußerlich kaum Atembewegungen sichtbar sind. == Literatur == *M. A. van Herwaarden, M. Samsom, A. J. Smout: ''The role of hiatus hernia in gastro-oesophageal reflux disease''. in: ''European journal of gastroenterology & hepatology.'' Current Science, London 16.2004, S.831-835. PMID 15316404 {{ISSN|0954-691X02}} *R. Klinke, H.-C. Pape, St. Silbernagl (Hrsg.): ''Lehrbuch der Physiologie''. Stuttgart, Thieme 2005 (5. Aufl.). ISBN 3-13-796003-7 *C. Plathow u.&nbsp;a.: ''Measurement of diaphragmatic length during the breathing cycle by dynamic MRI, comparison between healthy adults and patients with an intrathoracic tumor''. in: ''European radiology''. Springer, Berlin-Heidelberg 14.2004, S.1392-1399. PMID 15127220 {{ISSN|0938-7994}} *A. Ratnovsky, D. Elad: ''Anatomical model of the human trunk for analysis of respiratory muscles mechanics''. in: ''Respiratory physiology & neurobiology.'' Elsevier, Kidlington 148.2005, S.245-262. PMID 16143282 {{ISSN|1569-9048}} *G. H. Schuhmacher, G. Aumüller: ''Topographische Anatomie des Menschen.'' Urban & Fischer, München-Jena 2004. ISBN 343741366X *F.-V. Salomon, H. Geyer, U. Gille (Hrsg.): ''Anatomie für die Tiermedizin''. Enke-Verlag, Stuttgart 2004. ISBN 3830410077 == Weblinks == *[http://www.utah.edu/unews/releases/01/nov/alligator.html Atmung bei Alligatoren] (englisch) {{wiktionary|Zwerchfell}} {{commons|Category:Diaphragm|Zwerchfell}} {{Exzellent|29. April 2006|16164613}} [[Kategorie:Atmungsapparat]] [[Kategorie:Zwerchfell| ]] [[ar:حجاب حاجز]] [[arc:ܚܠܒܐ (ܨܪܘܝܘܬܐ)]] [[bs:Dijafragma]] [[ca:Diafragma (múscul)]] [[cs:Bránice]] [[cy:Diaffram y thoracs]] [[da:Mellemgulvet]] [[en:Thoracic diaphragm]] [[es:Diafragma (anatomía)]] [[eu:Diafragma]] [[fa:دیافراگم (کالبدشناسی)]] [[fi:Pallea]] [[fiu-vro:Vaheliha]] [[fr:Diaphragme (organe)]] [[hak:Vàng-kak-mo̍k]] [[he:סרעפת]] [[hr:Ošit]] [[hu:Rekeszizom]] [[it:Muscolo diaframma]] [[ja:横隔膜]] [[ko:횡격막]] [[la:Diaphragma]] [[lb:Munnefell]] [[lt:Diafragma]] [[mk:Дијафрагма]] [[nl:Middenrif]] [[nn:Mellomgolv]] [[no:Mellomgolv]] [[pl:Przepona (mięsień)]] [[pt:Diafragma (músculo)]] [[ru:Диафрагма (анатомия)]] [[sh:Ošit]] [[simple:Diaphragm]] [[sk:Bránica (časť tela)]] [[sl:Trebušna prepona]] [[sq:Diafragma (organ)]] [[sr:Дијафрагма]] [[sv:Mellangärde]] [[tg:Диафрагма]] [[th:กะบังลม]] [[tl:Bamban (anatomiya)]] [[uk:Діафрагма (анатомія)]] [[zh:橫膈膜]] lb2xc3bpyvraaifn7hq8qy372djd9fp wikitext text/x-wiki Zwergklapperschlangen 0 24560 27165 2010-03-22T12:43:56Z CommonsDelinker 0 Rattlesnake_hemipene.jpg entfernt, wurde auf Commons von [[commons:User:Polarlys|Polarlys]] gelöscht. Grund: Per [[commons:Commons:Deletion_requests/File:Rattlesnake_hemipene.jpg]] <!-- Für Informationen zum Umgang mit dieser Tabelle siehe bitte [[Wikipedia:Taxoboxen]]. --> {{Taxobox | Taxon_Name = Zwergklapperschlangen | Taxon_WissName = Sistrurus | Taxon_Rang = Gattung | Taxon_Autor = [[Samuel Garman|Garman]], [[1884]] | Taxon2_Name = Grubenottern | Taxon2_WissName = Crotalinae | Taxon2_Rang = Unterfamilie | Taxon3_Name = Vipern | Taxon3_WissName = Viperidae | Taxon3_Rang = Familie | Taxon4_Name = Schlangen | Taxon4_WissName = Serpentes | Taxon4_Rang = Unterordnung | Taxon5_Name = Schuppenkriechtiere | Taxon5_WissName = Squamata | Taxon5_Rang = Ordnung | Taxon6_Name = Reptilien | Taxon6_WissName = Reptilia | Taxon6_Rang = Klasse | Bild = Sistrurus miliarius barbouri 070731.jpg | Bildbeschreibung = [[Zwergklapperschlange]] ''Sistrurus miliarius barbouri'' }} Die '''Zwergklapperschlangen ''' (''Sistrurus'') sind eine [[Gattung (Biologie)|Gattung]] innerhalb der [[Grubenottern]] (Crotalinae) und damit auch innerhalb der [[Vipern]] (Viperidae). Je nach Quelle handelt es sich um zwei oder drei nur in Nordamerika verbreitete Arten mit Körperlängen um 50 Zentimeter. Mit den [[Klapperschlangen]] (''Crotalus'') teilen sie das kennzeichnende Merkmal der [[Schwanzrassel]], einer aus Hornringen bestehenden Struktur am Schwanzende, mit der rasselnde Geräusche als Warnlaut produziert werden können. Das Hauptunterscheidungsmerkmal zu den Klapperschlangen besteht in der Beschuppung des Kopfes, die bei den Zwergklapperschlangen aus großen Schilden und bei den Klapperschlangen aus vielen Einzelschuppen besteht. == Merkmale == === Äußere Merkmale === [[Bild:Sistrurus cantenatus edwardsi.jpg|thumb|240px|Massassauga (''Sistrurus catenatus'')]] Die Arten der Zwergklapperschlangen unterscheiden sich im Körperbau nur unwesentlich von den Klapperschlangen, bleiben jedoch deutlich kleiner als die meisten Angehörigen dieser Gattung. Zwergklapperschlangen erreichen im Normalfall eine Körperlänge von etwa 50 Zentimetern, die [[Massassauga]] (''S. catenatus'') kann maximal einen Meter, die beiden anderen Arten können maximal etwa 75 Zentimeter lang werden. Die Männchen werden dabei meist länger als die Weibchen, während letztere häufig massiver gebaut und damit schwerer sind. Stark gekielte Rücken- und Flankenschuppen umgeben die Körpermitte. Die Grundfärbung ist bei allen Zwergklapperschlangen dem Lebensraum angepasst und meistens grau bis braun, manchmal bläulich oder rötlich. Auf dem Rücken tragen sie häufig dunkle, rechteckige Flecken, die bei der gemeinen [[Zwergklapperschlange]] (''S. miliaris'') ein rötlich-braunes bis orangefarbenes Rückenband unterbrechen. Weitere Flecken können im Nackenbereich oder auf dem Kopf vorkommen. Die Bauchseite besteht wie bei den meisten Schlangen aus einer Reihe von ungekielten Bauchschuppen (Ventralia) und ist meist einfarbig hell. Ein [[Sexualdimorphismus]] neben der Größe existiert nicht, bei den nördlichen [[Population (Biologie)|Populationen]] der Massassauga gibt es jedoch einen hohen Anteil [[Melanismus|melanistischer]] Tiere. Der eher flache Kopf setzt sich deutlich vom schlanken Hals ab. Er ist meistens dreieckig und hat seine breiteste Stelle hinter den Augen, in dieser Form aber nicht so ausgeprägt wie bei den Klapperschlangen. An dieser breitesten Stelle liegen die sehr großen [[Giftdrüse]]n. Die Schnauze ist meistens mehr oder weniger abgerundet. Die Beschuppung des Oberkopfes besteht im Unterschied zu den Klapperschlangen aus neun großen Kopfschilden. Bei Klapperschlangen ist der Oberkopf mit Ausnahme der [[Supraocularia]] (Überaugenschilder) mit kleinen Schuppen bedeckt und nur im Bereich der vorderen Schnauze haben sie weitere Schilder wie das unpaare [[Rostrale]] direkt über der Mundöffnung sowie die beiden Nasale (Schuppen um die Nasenöffnung), die die Nasenöffnungen überdecken. Die Schuppen und Schilder der Zwergklapperschlangen sind weitestgehend gleichförmig ohne hornähnliche Auswüchse. Der Kopf ist entsprechend der Körperfärbung meist einförmig dunkel, wobei sich nur bei der Zwergklapperschlange ein deutlich abgesetztes Schläfenband über die Augen zum Mundwinkel zieht. Der Schwanz ist im Vergleich zu anderen Schlangen sehr kurz. Da Zwergklapperschlangen bodenlebend sind, brauchen sie keinen langen Schwanz, der beim Klettern eingesetzt werden kann. Außerdem kann ein kurzer Schwanz einfacher zum Vibrieren gebracht werden, um die Schwanzrassel einzusetzen. Der Schwanz wird zur Spitze hin meist heller, eine Verdunklung davor gibt es nicht. Das Schwanzende wird durch die Rassel gebildet, die deutlich kleiner als die der Klapperschlangen ist und nur einen relativ leisen Ton hervorbringt, ähnlich dem Brummen eines großen Insekts. Es handelt sich dabei um die ehemaligen Schuppen der Schwanzspitze, die als einzige bei der Häutung nicht abgeworfen wird. Entsprechend wird die Rassel bei jeder [[Häutung]] verlängert. In freier Wildbahn brechen die Endglieder der Rassel gelegentlich ab, sodass die Anzahl nur bei jungen Schlangen der bisherigen Anzahl der Häutungen entspricht. === Sinnesorgane === [[Bild:Sistrurus catetanus.jpg|thumb|240px|Kopf der [[Massassauga]] (''Sistrurus catenatus'')]] Die [[Sinnesorgan]]e der Klapperschlangen konzentrieren sich, wie bei allen Schlangen, auf den Kopf. Dabei spielen vor allem die [[Auge]]n, das [[Jacobson-Organ|Jacobsonsche Organ]] sowie die [[Grubenorgan]]e eine wichtige Rolle. Die Augen sind speziell an die Nachtsicht angepasst, die senkrechten [[Pupille]]n sind daher tagsüber schlitzförmig verengt. Die [[Iris (Auge)|Iris]] entspricht in ihrer Färbung meistens der Farbe des Kopfes oder des Farbstreifens, der über das Auge führt, und ist entsprechend bei der Zwergklapperschlange und der Massassauga dunkelbraun bis schwarz und bei der [[Mexikanische Zwergklapperschlange|Mexikanischen Zwergklapperschlange]] (''S. ravus'') hell. Das Jacobsonsche Organ entspricht dem anderer [[Schuppenkriechtiere]]. Es liegt im Oberkiefer und analysiert die Moleküle, die durch die beiden Zungenspitzen an sie herangeführt werden. Im Sinnesorgan enden [[Nervenfaser]]n, die über den [[Riechnerv]] mit dem Gehirn verbunden sind. Eine Besonderheit der [[Grubenottern]] und damit auch der Zwergklapperschlangen ist das beidseitig zwischen den Nasenlöchern und den Augen gelegene [[Grubenorgan]], mit dessen Hilfe [[Wärmestrahlung]] wahrgenommen wird. Mit Hilfe der Grubenorgane können Zwergklapperschlangen wie Klapperschlangen Temperaturdifferenzen von 0,2 bis 0,4&nbsp;°C ausmachen und auf diese Weise die meist [[Homoiothermie|warmblütigen]] Beutetiere sehr gut erkennen. Auch [[Eidechsen]] können erkannt werden, da diese meist etwas wärmer als die Umgebung sind. === Giftapparat === Der Giftapparat der Zwergklapperschlangen besteht wie bei den Klapperschlangen aus den langen [[Giftzahn|Giftzähnen]] und den [[Giftdrüse]]n, die im Kopf hinter den Augen lokalisiert sind. Die Giftzähne sitzen bei allen Vipern am Vorderende des stark verkürzten Oberkieferknochens und liegen im Ruhezustand nach hinten in den Mundraum eingeklappt, sie werden beim Öffnen des Mauls ausgeklappt. Sie liegen in einer fleischigen Scheide, die sich beim Ausklappen zurückzieht und die Zähne freigibt. Die Zähne enthalten einen Giftkanal, der bis zur Giftdrüse führt, mit einer Austrittsöffnung nahe der Zahnspitze (Röhrenzahn, solenoglypher Zahn). Die Giftdrüsen sind von Muskulatur umgeben, die beim Biss das Gift aus den Drüsen drückt. [[Trockenbiss]]e, also Bisse ohne Giftabgabe, sind bei Klapperschlangen eher selten. == Verbreitung und Lebensraum == === Verbreitungsgebiet === Das Verbreitungsgebiet der Massassauga zieht sich diagonal durch die [[USA]] und reicht dabei im Süden bis hinter den östlichen Bereich der Grenze [[Mexiko]]s und im Norden, im Bereich der [[Große Seen|Großen Seen]], auch nach Süd-[[Ontario]], [[Kanada]], hinein. Südöstlich schließt sich das Verbreitungsgebiet der Zwergklapperschlange an, das bis zu den südlichen und östlichen Küsten der USA reicht. Die Mexikanische Zwergklapperschlange findet sich dagegen nur in einem isolierten Gebiet im Hochland Südmexikos. === Lebensraum === Alle drei Arten sind Bodenbewohner, man findet sie nur selten in Bäumen oder Büschen oder in Gewässern, obwohl vor allem die Massassauga gut schwimmen kann. Die östliche Unterart der Massassauga (''S. catenatus catenatus'') lebt dabei vor allem im Osten ihres Verbreitungsgebietes in Wald- und Sumpfgebieten, die anderen beiden Unterarten sowie die anderen Arten der Zwergklapperschlangen bevorzugen dagegen trockenere Gebiete und sind in Steppen- bis Wüstengebieten zu finden. Die Zwergklapperschlange kommt in Teilen ihres Verbreitungsgebietes zwar ebenfalls in Feuchtgebieten vor, bevorzugt hier jedoch gewöhnlich trockene [[Mikrohabitat]]e. Die Mexikanische Zwergklapperschlange ist eine ausgesprochene Hochlandart. == Lebensweise == === Aktivität === Die Aktivität der Zwergklapperschlangen ist, wie bei allen wechselwarmen Wirbeltieren, sehr stark abhängig von der Temperatur und entspricht der der Klapperschlangen. Entsprechend ändern sich die Aktivitätszeiten vor allem in Gebieten mit ausgeprägten Jahreszeiten. Die Massassauga ist in ihrem nördlichen Verbreitungsgebiet entsprechend während der wärmsten Jahreszeit vor allem nacht- und dämmerungsaktiv. Im Herbst und Frühjahr verschiebt sich diese Aktivität in die frühen Morgenstunden oder sogar in die Tagesstunden, in denen die Sonnenstrahlung zur Erwärmung benötigt wird. Während des Winters halten sie dagegen eine [[Winterruhe]] und ziehen sich in ein geeignetes Versteck zurück.<ref>Richard A. Seigel: ''Ecology and conservation of an endangered rattlesnake, Sistrurus catenatus, in Missouri, U.S.A.'' Biological Conservation 35, 1986; Seiten 333 bis 346.</ref> Im Frühjahr ist bei allen Arten eine erhöhte Gesamtaktivität feststellbar, da in dieser Zeit die Paarungszeit liegt und die Männchen nach potentiellen Geschlechtspartnerinnen suchen. === Ernährung === Zwergklapperschlangen ernähren sich im Gegensatz zu den meist größeren Klapperschlangen vor allem von Eidechsen und Amphibien, nur sehr selten dagegen von nestjungen Vögeln oder kleinen Säugetieren. Ihre Beute jagen die Zwergklapperschlangen wie die Klapperschlangen als [[Lauerjäger]]. Dabei warten sie an geeigneten Stellen so lange, bis ein Beutetier mit der richtigen Größe vorbeikommt. Die Beute wird durch die Sinnesorgane des Kopfes wahrgenommen und lokalisiert, wobei die Erkennung von wechselwarmen Tieren deutlich schwieriger ist als die der im Vergleich zur Umwelt sehr warmen Säugetiere. Beim Angriff stößt die Schlange den Vorderkörper nach vorn und öffnet dabei das Maul, wobei die Giftzähne ausgeklappt und dann in die Beute geschlagen werden. Die Beute wird danach meistens festgehalten, da Eidechsen keine Wärmespur hinterlassen und entsprechend nicht verfolgt werden können. === Fortbewegung === Die Fortbewegung erfolgt bei Klapperschlangen wie bei anderen Schlangen auch, vor allem durch Schlängeln, wobei sich die Tiere mit Teilen ihres Körpers von Unebenheiten des Untergrundes seitlich abstoßen, oder durch Kriechen auf den Bauchschuppen, wobei immer erst der Vorderkörper vorgeschoben und dann der Hinterkörper nachgezogen wird. === Fortpflanzung und Entwicklung === Alle Zwergklapperschlangen sind lebendgebärend ([[Ovoviviparie|ovovivipar]]). Unterschiede bestehen bei den Arten vor allem in der Größe des Wurfes und der Paarungs- und Geburtszeiten. Die Paarungszeit fällt in das Frühjahr. Die Jungschlangen kommen dann im Sommer zur Welt, eine zweite Generation kann nach der Überwinterung im Frühjahr folgen. Sowohl die Männchen als auch die Weibchen verpaaren sich in der Paarungszeit mit möglichst vielen Partnern. Wie bei den Klapperschlangen kann es zwischen Männchen zu ritualisierten Konkurrenzkämpfen kommen, um einzelne Weibchen zu begatten. Sie finden die Weibchen über eine Duftspur von [[Pheromon]]en, der sie folgen. Bei den Paarungskämpfen umschlingen sich die konkurrierenden Männchen mit den Vorderkörpern und versuchen dabei, den Gegner zu Boden zu drücken. Die Paarung erfolgt wie bei anderen Schlangen dadurch, dass das Männchen seinen [[Hemipenis]] in die [[Kloake (Biologie)|Kloake]] des Weibchens einführt und sein Sperma abgibt. Die [[Ovulation]] erfolgt erst nach der [[Begattung]]. Bei den Arten, die sich im Sommer oder Herbst verpaaren, kann zwischen den beiden Ereignissen eine relativ lange Zeit liegen, in der die [[Spermium|Spermien]] im weiblichen Geschlechtstrakt in einer speziellen Kammer gelagert werden. Nach der Ovulation kommt es zur Befruchtung der Eier, womit die Entwicklung der Jungschlangen beginnt. Die trächtigen Weibchen verbringen deutlich mehr Zeit damit, sich zu sonnen und damit den Körper aufzuwärmen und sammeln sich bei einigen Arten an besonders geeigneten Stellen. Bei der Geburt sind die Jungschlangen nur vor einer dünnen Eihülle eingeschlossen, aus der sie nach wenigen Minuten ausbrechen und sich von der Geburtsstelle entfernen. [[Brutpflege]] ist bei Zwergklapperschlangen unbekannt. Wie bei allen anderen Schlangen, kommt es auch bei den Zwergklapperschlangen zu regelmäßigen [[Häutung]]en, um ein Wachstum zu ermöglichen. Die erste Häutung erfolgt dabei im Alter von wenigen Tagen, danach häuten sich die Jungschlangen mehrmals im Jahr. Nach Erreichen des Erwachsenenalters nimmt die Anzahl der Häutungen auf durchschnittlich zwei bis drei pro Jahr ab, wobei die erste Häutung meistens im Frühjahr nach der [[Winterruhe]] stattfindet. Anders als alle anderen Schlangen werden bei Klapperschlangen und Zwergklapperschlangen die Schuppen der Schwanzspitze nicht gehäutet, und diese bilden die mit jeder Häutung länger werdende Schwanzrassel. Dabei kommt es in der Phase vor der Häutung erst zu einer Verdickung der Hornschicht der Schwanzschuppe, darunter bildet sich die neue Schuppe aus. Die ältere verhakt sich in der neuen Schuppe und kann deshalb nicht abgeworfen werden. === Fressfeinde, Droh- und Abwehrverhalten === [[Bild:Lampropeltis getula getula.jpg|thumb|240px|[[Königsnatter]] (''Lampropeltis getula'')]] Zwergklapperschlangen haben wie Klapperschlangen trotz ihrer effektiven Verteidigungsmöglichkeiten durch ihr hochpotentes Gift eine Reihe von Feinden, die sie töten und auch fressen. Dazu gehören fleischfressende Säugetiere wie [[Fuchs|Füchse]], [[Kojote]]n und auch [[Haushund]]e und [[Hauskatze]]n, verschiedene Vögel wie etwa [[Falken]] und der [[Wegekuckuck]] (''Geococcyx californianus'') sowie verschiedene Schlangenarten. Zu Letzteren gehören vor allem die ungiftige [[Königsnatter]] (''Lampropeltis getula''), die gegen das Gift der Zwergklapperschlangen immun ist und diese durch Umschlingen tötet, sowie größere Klapperschlangenarten. Die Hauptverteidigungsstrategie der Klapperschlangen ist ihre [[Tarnung]], die sie durch ihre Färbung sowie ihr Verhalten erhalten. Außerdem verstecken sie sich häufig unter Steinen oder in Gebüschen. Wenn diese passive Verteidigung nicht funktioniert, kommt es zu einer aktiven und aggressiven Verteidigung, die vor allem gegenüber großen Säugetieren eingesetzt wird. Sie rollen sich dann am Boden zusammen und benutzen ihre Schwanzrassel, um einen deutlichen Warnlaut zu produzieren, dabei fixieren sie den potenziellen Gegner und beißen im Extremfall auch zu. Die Warnung durch die sehr laute Rassel ist vor allem bei Huftieren sehr effektiv, die eher zufällig auf Zwergklapperschlangen treffen und diese zertreten könnten. == Systematik == === Externe Systematik === [[Bild:Crotalus horridus.jpg|thumb|240px|Wald-Klapperschlange (''Crotalus horridus'')]] Die nächsten Verwandten der Zwergklapperschlangen stellen wahrscheinlich die [[Klapperschlangen]] dar, die als einzige andere Schlangengattung eine Schwanzrassel ausgebildet haben. Sie teilen weitere Merkmale, darunter beispielsweise die sehr stark an trockene und warme Habitate angepasste Lebensweise. Als Hauptunterscheidungsmerkmal haben sie eine andere Beschilderung des Kopfes, die bei den Zwergklapperschlangen aus mehreren großen Schilden besteht und bei den Klapperschlangen in zahlreiche Einzelschuppen aufgelöst ist. Ebenfalls in die nähere Verwandtschaft der Klapperschlangen und Zwergklapperschlangen werden die [[Dreieckskopfottern]] (''Agkistrodon'') sowie die [[Amerikanische Lanzenottern|Amerikanischen Lanzenottern]] (''Bothrops'') gestellt. Ein mögliches [[Kladogramm]] der näheren Verwandten der Klapperschlangen ist entsprechend:<ref> Christopher L. Parkinson, Scott M. Moody, Jon E. Alquist: ''Phylogenetic relationships of the ‚Agkistrodon complex‘ based on mitochondrial DNA sequence data.'' In Symp. zool. Soc. London 70, 1997; Seiten 63–78</ref> ---- Amerikanische Grubenottern (Crotalinae; nur angegebene Gattungen) | |-- [[Amerikanische Lanzenotter]] (''Bothrops'') '-- N.N. |-- [[Dreieckskopfottern]] (''Agkistrodon'') '-- N.N. |-- '''Zwergklapperschlangen''' (''Sistrurus'') '-- [[Klapperschlangen]] (''Crotalus'') Neben diesen Untersuchungen gibt es auch einige Arbeitsgruppen, die die [[Monophylie]] der Klapperschlangen in Frage stellen und die Zwergklapperschlangen als Teil der Gruppe ansehen. Begründet wird dies dadurch, dass der einzige wesentliche Unterschied in der Beschuppung des Kopfes liegt und diese bereits bei den Vorfahren beider Gruppen in der Form großer Schuppen ausgebildet und daher bei den Zwergklapperschlangen als [[Plesiomorphie|plesiomorph]] betrachtet werden muss. Diese Annahme wird durch molekulargenetische Studien teilweise bestätigt<ref> beispielsweise bei Christopher L. Parkinson: ''Molecular Systematics and Biogeographical History of Pitvipers as Determined by Mitochondrial Ribosomal DNA Sequences.'' Copeia, Vol. 1999, No. 3 (Aug. 2, 1999); Seiten 576–586 ([http://links.jstor.org/sici?sici=0045-8511%2819990802%293%3A1999%3A3%3C576%3AMSABHO%3E2.0.CO%3B2-Z&size=LARGE Abstract])</ref><ref name=Murphy />, teilweise jedoch auch widerlegt<ref>beispielsweise bei Alec Knight, David Styer, Stephan Pelikan, Jonathan A. Campbell, Llewellyn D. Densmore III, David P. Mindell: ''Choosing Among Hypotheses of Rattlesnake Phylogeny: A Best-Fit Rate Test for DNA Sequence Data.'' Systematic Biology 42, No. 3 (Sep., 1993); Seiten 356–367 ([http://links.jstor.org/sici?sici=1063-5157%28199309%2942%3A3%3C356%3ACAHORP%3E2.0.CO%3B2-Z&size=LARGE Abstract])</ref>. === Arten === Innerhalb der Zwergklapperschlangen sind nur drei Arten mit einigen Unterarten bekannt:<ref>Artenliste nach Mattison 1996 und [http://www.itis.gov/servlet/SingleRpt/SingleRpt?search_topic=TSN&search_value=174301 ITIS]</ref> * [[Zwergklapperschlange]] (''Sistrurus miliarius'', [[Carl von Linné|Linnaeus]] [[1766]]) * [[Massassauga]] (''Sistrurus catenatus'', [[Constantine S. Rafinesque-Schmaltz|Rafinesque]] [[1818]]) * [[Mexikanische Zwergklapperschlange]] (''Sistrurus ravus'' [[Edward Drinker Cope|Cope]], [[1865]]) Nach neueren Untersuchungen wird die Mexikanische Zwergklapperschlange allerdings als Schwestergruppe aller [[Klapperschlangen]] betrachtet und entsprechend als ''Crotalus ravus'' eingeordnet, entsprechend hat die Gattung ''Sistrurus'' nach diesen Untersuchungen nur noch zwei Arten.<ref name=Murphy>R.W. Murphy, J. Fu, A. Lathrop, J. V. Feltham und V. Kovac: ''Phylogeny of the rattlesnakes (Crotalus and Sistrurus) inferred from sequences of five mitochondrial DNA genes.'' und C. L. Parkinson, J. A. Campbell und P. Chippindale: ''Multigene phylogenetic analysis of pitvipers, with comments on their biogeography.'' Beide in: G. W. Schuett, M. Höggren, M. E. Douglas and H. W. Greene (eds.): ''Biology of the vipers.'' Eagle Mountain Publishing, Eagle Mountain, Utah, 2002.</ref> == Schlangengift == Das Gift der Zwergklapperschlangen entspricht in seiner Grundzusammensetzung dem der Klapperschlangen und ist wie die meisten [[Schlangengift|Viperngifte]] [[Blutgift|hämotoxisch]], es zerstört also Blutzellen und die Wände der Blutgefäße. Es unterscheidet sich damit von den lähmenden [[Nervengift|Neurotoxinen]], die vor allem bei [[Giftnattern]] zu finden sind. Hämotoxine führen vor allem zu Gewebszerstörungen, inneren Blutungen und Schwellungen und sind sehr schmerzhaft, im Vergleich zu den meisten Neurotoxinen töten sie allerdings weniger schnell. Unter den Zwergklapperschlangen gibt es, anders als bei den Klapperschlangen, keine Arten, die auch neurotoxische Komponenten produzieren. Die genaue Zusammensetzung des Giftes ist bis heute nicht bekannt und variiert zwischen den Arten. Im Gegensatz zu den Giften der Klapperschlangen sind die der Zwergklapperschlangen weit weniger gut erforscht. == Menschen und Klapperschlangen == === Giftwirkung beim Menschen === Das Gift der Zwergklapperschlangen ähnelt dem der meisten Klapperschlangen. Aufgrund der eher kleinen Giftmengen, die von den Tieren injiziert werden, ist es allerdings vergleichsweise harmlos. Hinzu kommen die kurzen Giftzähne, die ein tiefes Eindringen in das Gewebe nicht ermöglichen. Durch die oft schnelle Verfügbarkeit ärztlicher Hilfe und verschiedener [[Antivenin|Gegengift]]e kommt es meistens nur zu einer stark schmerzenden Schwellung der Bissstelle mit lokaler Blutzellen- und Gewebezerstörung. Todesfälle durch den Biss von Zwergklapperschlangen sind unbekannt. === Bedrohung und Schutz === Zwergklapperschlangen werden in Teilen ihres Lebensraumes vor allem in den USA ebenso wie die Klapperschlangen stark verfolgt. Hinzu kommen [[Wildfang|Wildfänge]] für die [[Terrarium|Terrarienhaltung]]. Neben der aktiven Bejagung spielt vor allem eine Zerstörung des Lebensraumes eine große Rolle, durch die diese Arten zurückgedrängt werden. In der Roten Liste bedrohter Tierarten der [[IUCN]] ist allerdings keine der Arten enthalten. === Forschungsgeschichte === 1758 beschrieb [[Carl von Linné]] in seiner ''[[Systema naturae]]'' die Klapperschlangen sowie die [[Wald-Klapperschlange|Wald-]] und die [[Schauer-Klapperschlange]], die bereits vorher in verschiedenen Veröffentlichungen Erwähnung fanden. Die Zwergklapperschlange wurde erst 1766 als ''Crotalus miliarius'' beschrieben. Die Massassauga erkannte 1818 [[Constantine Samuel Rafinesque]] als eigene Art, die Mexikanische Zwergklapperschlange wurde 1865 durch [[Edward Drinker Cope]] entdeckt. Erst 1884 beschrieb [[Samuel Garman]] die Zwergklapperschlangen als eigene Gattung ''Sistrurus''. === Mythologie und Kulturgeschichte === In der Mythologie und Kulturgeschichte gibt es in der Regel keine Trennung zwischen Klapperschlangen und Zwergklapperschlangen, letztere finden zudem als sehr kleine Arten sehr viel weniger Beachtung als die besonders großen oder besonders giftigen Klapperschlangenarten. Die auf beide Gattungen zutreffenden Aspekte der Kulturgeschichte werden entsprechend bei der [[Klapperschlangen#Mythologie_und_Kulturgeschichte|Mythologie und Kulturgeschichte der Klapperschlangen]] behandelt. == Quellen und weiterführende Informationen == === Zitierte Quellen === Die Informationen dieses Artikels entstammen zum größten Teil den unter Literatur angegebenen Quellen, darüber hinaus werden folgende Quellen zitiert: <references /> === Literatur === * Chris Mattison: ''Rattler! – A natural history of Rattlesnakes''. Blandford, London 1996, ISBN 0-7137-2534-6. * Dieter Schmidt: ''Schlangen. Biologie, Arten, Terraristik''. bede-Verlag, Ruhmannsfelden 2006, ISBN 3-89860-115-3. * Jonathan A. Campbell, Edmund D. Brodie (Hrsg.): ''The Biology of the Pit Vipers''. Selva, Tyler, Texas 1992. === Weblinks === {{Commons|Sistrurus|Zwergklapperschlangen (''Sistrurus'')}} * [http://www.klapperschlangen.de/ Rattlesnake pit (Klapperschlangen.de)] – Umfassende Informationsseite zu Klapperschlangen, Schwerpunkt Terraristik * [http://www.gifte.de/Gifttiere/sistrurus-arten.htm Klapperschlangen auf Gifte.de] – Giftinformation {{Exzellent}} [[Kategorie:Vipern]] [[en:Sistrurus]] [[fr:Sistrurus]] [[pl:Sistrurus]] [[ru:Карликовые гремучники]] [[zh:侏儒響尾蛇屬]] 6ezxepi95erjrvgx09rrkuhd1cnundl wikitext text/x-wiki Zwergschnäpper 0 24561 27166 2010-02-28T19:12:13Z VolkovBot 0 Bot: Ergänze: [[ru:Малая мухоловка]] Ändere: [[sk:Muchárik malý]] <!-- Für Informationen zum Umgang mit dieser Tabelle siehe bitte [[Wikipedia:Taxoboxen]]. --> {{Taxobox | Taxon_Name = Zwergschnäpper | Taxon_WissName = Ficedula parva | Taxon_Rang = Art | Taxon_Autor = ([[Johann Matthäus Bechstein|Bechstein]] 1792) | Taxon2_Name = Höhlenschnäpper | Taxon2_WissName = Ficedula | Taxon2_Rang = Gattung | Taxon3_Name = Schmätzer | Taxon3_WissName = Saxicolinae | Taxon3_Rang = Unterfamilie | Taxon4_Name = Fliegenschnäpper | Taxon4_WissName = Muscicapidae | Taxon4_Rang = Familie | Taxon5_Name = Singvögel | Taxon5_WissName = Passeri | Taxon5_Rang = Unterordnung | Taxon6_Name = Sperlingsvögel | Taxon6_WissName = Passeriformes | Taxon6_Rang = Ordnung | Bild = Ficedula parva.jpg }} Der '''Zwergschnäpper''' (''Ficedula parva'') ist ein in Mitteleuropa seltener Singvogel. Der obligate Zugvogel gehört zur Gattung der [[Höhlenschnäpper]] (''Ficedula''), die in etwa 30 Arten in der [[Paläarktis]] von Westeuropa bis [[Südostasien]] vertreten ist. Zusammen mit dem [[Taiga-Fliegenschnäpper]] (''Ficedula albicilla'') und dem [[Kaschmir-Fliegenschnäpper]] (''Ficedula subrubra''), die früher beide als [[Unterart]]en von ''Ficedula parva'' geführt wurden, bildet er eine [[Superspezies]]. Der Schwerpunkt der Verbreitung von ''Ficedula parva'' liegt in der südlichen [[Boreale Zone|borealen Zone]] Europas bis zum [[Ural]]. Kleine Populationen bestehen im zentralen und nördlichen [[Mitteleuropa]] sowie in Südosteuropa. == Aussehen == [[Datei:Red-throated Flycatcher (Ficedula parva) at Sindhrot near Vadodara, Gujrat Pix 112.jpg|thumb|300px|Zwergschnäpper]]Der Zwergschnäpper ist mit gut 11 Zentimetern Körperlänge einer der kleinsten Fliegenschnäpper. Er ist damit nur geringfügig größer als ein [[Zaunkönig (Art)|Zaunkönig]]. Ältere Männchen sind auf Grund ihrer rötlich-orangen Brust und des mausgrauen Kopfes unverkennbar, doch erscheint dieses Alterskleid erst im zweiten Lebensjahr und häufig weisen auch ältere Männchen nur eine undeutliche Rotfärbung der Kehle auf. Bestes Erkennungsmerkmal sind, neben der geringen Größe, die weißen äußeren Steuerfedern, die stark mit dem tiefen Schwarz des übrigen Schwanzes kontrastieren. Dies erzielt eine Wirkung, die durch häufiges Stelzen und Fächern des Schwanzes noch verstärkt wird. Die Grundfärbung von Kopf und Rücken ist ein mattes, eher dunkles Braun; starke Gefiederzeichnungen fehlen. Kehle, Brust und Bauch der Männchen im ersten Lebensjahr und der Weibchen sind hell mit einem gelblichen Anflug an den Flanken. Eine gelblich-orange, schmale Flügelbinde ist nur schwach angedeutet. Auffallend sind die großen, schwarzen, hell umrandeten Augen sowie die von unten gesehen deutlich orange-gelbe Schnabelbasis. Jungvögel sind stärker braungelblich gefärbt, ausgefärbte Weibchen zeigen mehr Grau- und blasse [[Naturfarben#Isabellfarbe|Isabelltöne]], der rostrote, an ein [[Rotkehlchen]] erinnernde Kehl- und Brustbereich fehlt bei den Weibchen. Die Schwanzzeichnung ist jedoch in allen Altersstufen und bei beiden Geschlechtern markant. == Stimme == Der Zwergschnäpper ist als Bewohner der oberen Stamm- und Kronenregionen alter Bäume nur selten zu sehen, fällt aber durch seinen lauten, weittragenden Reviergesang auf. Die lange, drei bis vier Sekunden dauernde Strophe wird fast immer durch leise ''zit''- bzw. ''tsiit''-Laute eingeleitet; darauf folgt die reintönende, etwas abfallende, mehrteilige Strophe, die etwas an den Gesang eines [[Fitis]] erinnern kann. Die Strophen sind individuell sehr verschieden. Beim Singen werden oft die Schwanzfedern gespreizt, die Flügel leicht ausgebreitet und die Kehlfärbung präsentiert. Vorgetragen wird der Gesang auf Singwarten, die meist im mittleren Stammabschnitt, häufig auf unbelaubten oder abgestorbenen Ästen liegen. In der Regel beginnt der Zwergschnäpper schon kurz vor dem Landen zu singen und vollendet die Strophe dann im Sitzen. Die Gesangsaktivität der Art währt allerdings nur wenige Wochen und erlischt mit Verpaarung und Brutbeginn völlig. Auch bei schlechtem Wetter singt die Art kaum. Die hellen, kurzen und scharfen Rufe sind nur in unmittelbarer Nähe vernehmbar. Häufig ist eine Kombination aus einem schnarrenden ''Tzrrt'', das trotz der bedeutend geringeren Lautstärke etwas an den Störungsruf des Zaunkönigs erinnert, mit einem melodiösen, flötenden ''Ülii'' zu vernehmen. <ref> Beaman (1998) S. 706 </ref> === Stimmbeispiel === [http://www.xeno-canto.org/sounds/uploaded/XTVEPHMPPJ/Ficedula_parva_song_1988_07_02_2A_216-237_Poland_Bialowiza_primary_forest.mp3 Hörbeispiel - Territorialer Gesang] == Verbreitung == [[Datei:ficedula_parva_distr.png|thumb|290px|Verbreitungsgebiete von ''F. parva'', ''F. albicilla'' und ''F. subrubra'' <br /> <small> '''orange''': Brutgebiete von ''F. parva'' <br /> '''dunkelblau''': Hauptüberwinterungsgebiete von ''F. parva'' <br /> '''dunkelorange''': Brutgebiete von ''F. albicilla'' <br /> '''hellblau''': Hauptüberwinterungsgebiete von ''F. albicilla'' <br /> '''purpur''': Brutgebiet von ''F. subrubra'' <br /> '''gelb''': Überwinterungsgebiete von ''F. subrubra''. <br /> '''rote Striche''': Kontaktzone zwischen ''F. parva'' und ''F. albicilla''</small>]] ''Ficedula parva'' besiedelt in einem breiten Gürtel Ost- und Nordosteuropa, ostwärts etwa bis zur Westabflachung des [[Ural-Gebirges]]. Nach Norden reicht das Hauptverbreitungsgebiet stellenweise bis zum Polarkreis, nach Süden hin werden der mittlere [[Balkanhalbinsel|Balkan]] und die [[Karpaten|Ostkarpaten]] erreicht. Weiter nach Osten schwankt die Südgrenze der geschlossenen Verbreitung etwa um 50° nördlicher Breite. Ein weiteres großes Brutgebiet liegt in den bewaldeten Stufen des [[Kaukasus]], in den Vorbergen des [[Elburs]]-Gebirges, des nördlichen [[Zagros]]-Gebirges sowie im Bergland des südwestlichen [[Turkmenistan]]. Im [[Oblast Perm]] sowie etwas nördlich und südlich davon besteht eine breite [[Intergradation|Kontaktzone]] zum sehr nahe verwandten [[Taiga-Fliegenschnäpper]], dessen Verbreitungsgebiete sich ostwärts anschließen und bis zur [[Pazifik]]küste reichen. Davon zum Teil isoliert und in ihren Bestandszahlen meist individuenarm bestehen Vorkommen in Österreich westwärts bis [[Vorarlberg]], in [[Bayern]], und in einigen Gebieten Nord- und Mitteldeutschlands. Die dichtesten Zwergschnäpperbestände Deutschlands liegen im Osten nahe der polnischen Grenze. Auch an der [[Bulgarien|bulgarischen]] [[Schwarzes Meer|Schwarzmeerküste]] sowie stellenweise im westlichen sowie im östlichen [[Pontisches Gebirge|Pontischen Gebirge]] kommt die Art vor. In [[Skandinavien]] ist der Zwergschnäpper im südöstlichen [[Finnland]] ein regelmäßiger und nicht seltener Brutvogel, er brütet jedoch stellenweise auch im südwestlichen Finnland sowie an einigen Stellen in [[Schweden|Südschweden]] sowie ganz vereinzelt in [[Norwegen|Südnorwegen]]. In Südwestdeutschland, der [[Schweiz]] und in [[Dänemark]] werden jährlich Brutzeitbeobachtungen gemacht, stabile Vorkommen bestehen zurzeit wahrscheinlich jedoch nicht. 2003 konnte in der Ostschweiz ([[Prättigau/Davos (Bezirk)|Bezirk Prättigau/Davos]]) der erste Brutnachweis für diese Art in der Schweiz erbracht werden. == Lebensraum == [[Datei:Red-breasted flycatcher (Ficedula parva).jpg|thumb|250px|Zwergschnäpper im Winterquartier in Indien]]Die Habitatstrukturen der Art sind entsprechend der klimatisch recht unterschiedlichen Verbreitungsgebiete sehr vielfältig. Meist wird jedoch ein geschlossener, alter und hochstämmiger Baumbestand mit Verjüngungsinseln und nicht zu dichtem Kronenschluss bevorzugt. Ideale Zwergschnäpperbiotope weisen häufig ein unruhiges Bodenrelief auf, oft liegen sie in steilen Hanglagen, an tief eingeschnittenen Flussläufen oder in Schluchten. Wassernähe, ein gewisser Anteil an Totholz oder durch Sturmereignisse oder Schneebruch geschädigter Bäume, sowie absterbende, ausgebrochene oder tote Äste im oberen Stammbereich sind für optimale Lebensraumstrukturen der Art ebenfalls wesentlich. Sind diese Voraussetzungen gegeben, kann die Baumartenzusammensetzung der besiedelten Wälder sehr unterschiedlich sein. Eine Bevorzugung von alten Laubmischwäldern scheint zu bestehen, doch brütet der Zwergschnäpper auch in der nordrussischen Fichten[[Boreale Zone|taiga]], in aufgelockerten alten Eichenbeständen und, wenn auch nur selten, in [[Streuobstwiese]]n mit alten, hochstämmigen Obstbäumen. Reine [[Kiefern]]wälder werden jedoch in der Regel nicht besiedelt. In Mitteleuropa sowie auf dem Balkan werden [[Rotbuche|Rotbuchen-]] sowie [[Hainbuche]]nbestände bevorzugt aufgesucht, diesen können aber verschiedene andere Baumarten wie [[Eichen|Eiche]], [[Ahorne|Ahorn]] oder [[Birken|Birke]] beziehungsweise [[Fichten|Fichte]] und [[Tannen|Tanne]] beigemischt sein. Ebenso unterschiedlich ist die vertikale Verteilung seiner Brutgebiete. Zwergschnäppervorkommen finden sich im Tiefland ebenso wie in der [[Waldgesellschaften Mitteleuropas|collinen]] und [[Waldgesellschaften Mitteleuropas|montanen]] Stufe. In einigen Verbreitungsinseln brütet er bis nahe an die jeweilige Baumgrenze, in [[Armenien]] fast bis in Höhen von 2300 Metern. Die mitteleuropäischen Vorkommen sowie die Brutplätze in Südosteuropa liegen mehrheitlich in der collinen und submontanen Höhenstufe. == Nahrung und Nahrungserwerb == Zwergschnäpper ernähren sich überwiegend [[Fleischfresser|carnivor]] von Insekten und kleineren Spinnentieren. Verschiedene [[Ameisen]], kleine Käferarten, [[Schwebfliege]]n und echte [[Fliegen]] sowie kleine [[Schmetterlinge|Schmetterlingsarten]] und deren [[Schmetterlinge#Der Lebenszyklus der Schmetterlinge|Entwicklungsstadien]] spielen sowohl in der Ernährung adulter Vögel als auch als [[Nestling]]s</b>nahrung die Hauptrolle. Gelegentlich werden auch kleine Schnecken verspeist. Im Herbst wird als Beikost Beerennahrung aufgenommen, insbesondere Beeren des [[Schwarzer Holunder|Schwarzen]] und des [[Roter Holunder|Roten Holunders]] sowie [[Johannisbeeren]] und [[Brombeeren]]. Der Zwergschnäpper wendet verschiedene Jagdtechniken an: Als Wartenjäger erbeutet er vorbeifliegende Insekten in einem kurzen, selten über mehr als zwei Meter reichenden Jagdflug. Blätter, insbesondere Blattränder und Blattunterseiten, sowie einzelne Stammabschnitte werden in einem eher an einen [[Laubsänger]] erinnernden Suchflug inspiziert und entdeckte Beutetiere in einem rüttelnden Schwirrflug abgelesen. Meist sucht und erjagt die Art ihre Beute im oberen Stammabschnitt sowie im Kronenbereich der Bäume ihres Reviers; gelegentlich können Zwergschnäpper in der Strauchschicht und selten auch auf dem Boden beobachtet werden. == Verhalten == === Allgemein === Der Zwergschnäpper ist tagaktiv, verlängert aber in der Balz- und Brutzeit seine Aktivitätsphase in die Dämmerungs- und frühen Nachtstunden. Während des Gesangsgipfels in der Balzzeit beginnen die Männchen schon etwa eine Stunde vor Tagesbeginn zu singen, einzelne singen auch bis in die frühe Nacht hinein. Innerhalb dieser Zeit ist die Art streng territorial, außerhalb eher einzelgängerisch, nur selten in kleinen Gruppen, zuweilen auch mit anderen Kleinvögeln vergesellschaftet. Während der Balzzeit besonders, aber auch außerhalb dieser, fällt häufiges Schwanzzucken und Schwanzwippen auf; der Schwanz wird auch oft nach [[Zaunkönig (Art)|Zaunkönigart]] gestelzt und leicht gefächert, sodass die markanten Farbabzeichen sichtbar werden. === Aggressions- und Feindverhalten === Rivalisierende Männchen versuchen einander durch heftiges Singen und durch Imponierposen zu vertreiben. Manchmal stürzen sie auch aufeinander zu, ein Körperkontakt unterbleibt dabei aber in der Regel. Gegenüber potentiellen Feinden verhält sich der Zwergschnäpper meist sehr scheu und während der Brutperiode auch außerordentlich ruhig. Bei Störungen können frische Gelege sehr schnell aufgegeben werden. Dieses unauffällige und sehr vorsichtige Verhalten ändert sich mit dem Schlüpfen der Küken. Jetzt warnt das Männchen schon vor sehr weit entfernten potentiellen Feinden, bei weiterer Annäherung dieser, versuchen beide Eltern den Eindringling mit [[Schnabelknappen]], Flügelflattern und Sturzflugattacken vom Nistplatz zu vertreiben. === Wanderungen === [[Datei:Ficedula pava migration.png|thumb|290px|Weg – und Rückzugsstrecke nordosteuropäischer Vögel]] Der Zwergschnäpper ist in seinem gesamten Verbreitungsgebiet ebenso wie die beiden mit ihm sehr nahe verwandten Arten ''Ficedula albicilla'' und ''Ficedula subrubra'' ein obligater Zugvogel; er gehört zu den in der europäischen Vogelwelt seltenen Südostziehern. ''Ficedula parva'' zieht einzeln oder in kleineren Trupps vor allem während der Nacht. Nur bei ungenügendem Nahrungsangebot an den Tagesrastplätzen zieht die Art auch bei Tageslicht weiter. Der Wegzug beginnt bereits im August und erreicht seinen Höhepunkt Mitte September. Nachzügler werden bis Anfang Oktober in ihren Brutgebieten angetroffen. Der Heimzug erfolgt sehr zügig. Mitte März räumen die ersten Wegzieher ihre Überwinterungsgebiete, erst Anfang Mai haben alle Zieher ihre Winterquartiere verlassen. Die Männchen beginnen bis zu zwei Wochen vor den Weibchen mit dem Wegzug und kommen auch dementsprechend früher im Brutgebiet an. In Mitteleuropa erscheinen die ersten Heimzieher in der letzten Aprildekade. Wie bei anderen Zugvögeln auch, liegen Hinweise auf sich verändernde Zugdaten vor. <ref> Mitrus ''et al.'' (2005) </ref> Die Hauptüberwinterungsgebiete liegen im Nordwesten des Indischen Subkontinents. Sie reichen von [[Pakistan|Nordwestpakistan]] und den westlichen und südlichen Vorbergen des [[Himalaya]]s südwärts bis [[Karnataka]] und ostwärts etwa bis [[Bihar]] und [[Orissa]]. Mit den Überwinterungsgebieten von ''Ficedula albicilla'' überlappen sie nur in wenigen schmalen Streifen. Ganz wenige Individuen überwintern bereits in Ostgriechenland, etwas mehr im [[Irak|Ostirak]] beziehungsweise in [[Iran|Westiran]] sowie im Osten der [[Arabische Halbinsel|Arabischen Halbinsel]]. In den Überwinterungsgebieten streifen die Vögel, meist in kleinen Trupps und oft vergesellschaftet mit anderen Arten, weiträumig umher. === Umkehrzug === Wie bei anderen Zugvögeln auch, wird bei dieser Art relativ häufig das Phänomen des [[Umkehrzug]]s festgestellt. Dabei ziehen insbesondere Jungvögel in eine Richtung ab, die der ''richtigen'' Zugrichtung entgegengesetzt ist. Die Ursachen dieser Fehlleitungen sind nicht erschöpfend erforscht, doch werden zurzeit vor allem meteorologische Bedingungen als Auslöser diskutiert. Solche Fehlzieher erreichen oft im September und auch später noch die Nordseeküste, Südengland und Westfrankreich. Vor allem auf den [[Scilly-Inseln]] werden regelmäßig, in manchen Jahren sogar gehäuft, Zwergschnäpper beobachtet. Ein Teil dieser Vögel kann sich umorientieren und zieht dann in korrekter Himmelsrichtung, meist aber etwas südlicher weiter. Möglicherweise handelt es sich bei den Zwergschnäppern, die in Nordostafrika und dem südlichen [[Naher Osten|Nahen Osten]] beobachtet werden, um solche Vögel. == Brutbiologie == Die meisten Zwergschnäpper erlangen nach der ersten Rückkehr aus dem Winterquartier, also mit knapp einem Jahr, die [[Geschlechtsreife]], viele dieser Einjährigen besetzen zwar ein Territorium, schreiten aber noch nicht zur [[Brut]]. Die Territoriumsbegründung und -behauptung sowie die [[Balz]] selbst nehmen nur eine relativ kurze Zeit in Anspruch, selten mehr als 2 bis 3 Wochen; während dieser Zeitspanne, die in Mitteleuropa zwischen Anfang Mai und Mitte Juni liegt, können Zwergschnäpper recht auffällig sein. Die Männchen besetzen sofort nach Ankunft ein Territorium, das durch Balzflüge und laute Reviergesänge markiert wird. Während dieser fliegt das Männchen mit flattrigen, zittrigen Flügelschlägen von einer Singwarte zur nächsten. Erscheint ein Weibchen im Revier, beginnt das Männchen geeignete Niststellen zu zeigen, schlüpft in Höhlen, Nischen oder Halbhöhlen, in denen es ein ritualisiertes Nestmulden vollführt. Später beteiligt sich auch das Weibchen an diesen Nistplatzexplorationen. Der [[Begattung|Kopulation]] gehen mehrminütige Verfolgungsflüge voraus, unterbrochen von Imponierposen, bei denen das Männchen den Schwanz stelzt und fächerartig spreizt. Manchmal tänzelt das Weibchen mit hängenden Flügeln um das Männchen herum. === Neststandort und Nest === Der Zwergschnäpper ist Nischen-, Höhlen- oder Halbhöhlenbrüter. Häufig nützt er kleine Schadstellen im Stammbereich, Astausbrüche, Nischen, die durch abstehende Rindenteile entstanden, oder Nisthöhlen der [[Tannenmeise]] oder des [[Kleinspecht]]s als Brutplatz. Manchmal baut die Art auch relativ freistehende, napfförmige Nester in Zweigquirlen. Auch Nistplätze in Felsspalten wurden festgestellt. Nur sehr selten nimmt der Zwergschnäpper Nistkästen an. Eine Nistbaumpräferenz kann nicht einheitlich festgestellt werden, eine Bevorzugung von [[Hainbuche]]n und [[Linden (Botanik)|Linden]] könnte aber vorliegen. <ref> Mitrus & Socko (2004) </ref>; auch die Höhen, in denen die Nester errichtet werden, sind sehr unterschiedlich; sie reichen von Bodennähe bis in beträchtliche Höhen von 20 Meter und mehr. Das Nest wird fast ausschließlich vom Weibchen erbaut, das Männchen beteiligt sich an seiner Errichtung nur in den ersten Tagen durch Heranschaffen von Nistbaumaterial. Freistehende Nester sind dicht verwobene, napfförmige Konstruktionen, an den üblichen Nischen- und Halbhöhlenstandorten sind die Nester jedoch mehr lose, verhältnismäßig voluminöse Ansammlungen von Nistmaterial. Hauptsächlich werden verschiedene [[Moose]], feine Zweige und Halme, Stängel, [[Farne]], manchmal auch dürre Blätter zum Nestbau verwendet. Die Auskleidung der Nistmulde besteht aus unterschiedlichen Raupengespinsten, Spinnfäden, aufgelesenem Wildhaar, zuweilen auch aus Federn. === Gelege und Brut === Das [[Gelegenest|Gelege]] besteht aus 4–7 kurzovalen, fast einfarbigen, hell rostbraun oder lehmgelb wirkenden [[Ei]]ern mit einer durchschnittlichen Größe von 16,6 × 12,7 Millimetern. Das Legeintervall beträgt 24 Stunden, meist nach dem vierten Ei beginnt das Weibchen fest zu brüten. Die Brutdauer beträgt etwa 15 Tage; in dieser Zeit wird das Weibchen vom Männchen etwa zwei bis drei Mal in der Stunde gefüttert. Auch in den ersten Tagen nach dem Schlupf versorgt das Männchen die [[Nestling]]e und das Weibchen allein mit Futter. Zuerst übergibt es die Nahrung dem Weibchen, etwa ab dem vierten Lebenstag der Küken füttert es selbst. Ab dieser Zeit beginnt auch das Weibchen zu jagen. Während der Aufzuchtszeit sind die Futterreviere der Art sehr klein, selten entfernen sich die Altvögel weiter als 100 Meter vom Nest. Die Jungen verbleiben etwa 16 Tage im Nest, nur bei Störungen verlassen sie es schon etwas früher. Schon flügge werden sie noch einige Tage von den Eltern betreut, bevor sie [[Dispersionszug|dismigrieren]]. Die Brutperiode variiert regional recht stark; früheste Vollgelege wurden gegen Ende der ersten Maidekade festgestellt, die Mehrheit der Zwergschnäpper beginnt aber erst Mitte Juni mit der Eiablage und der Brut. Zwergschnäpper brüten einmal im Jahr, nur bei Gelegeverlust oder bei Brutaufgabe kommt es regelmäßig zu kleineren Nachgelegen. == Bestandssituation == Der Zwergschnäpper und der Taiga-Zwergschnäpper gelten zurzeit nicht als gefährdet; für ''Ficedula albicilla'' stehen jedoch nur wenige Daten zur Verfügung. Da der Zwergschnäpper zu den eher schwer zu kartierenden Arten gehört, könnte es sein, dass einige Brutvorkommen insbesondere am Westrand seines Verbreitungsgebietes noch nicht entdeckt wurden. Die Art könnte zumindest kurzfristig von den Sturmereignissen der letzten Jahre profitieren, da sich mit steigendem Totholzanteil mancher Waldgebiete die Verfügbarkeit geeigneter Beutetiere ebenso verbessert wie das Angebot an passenden Nistplätzen. Die Bestandssituation des Kaschmir-Fliegenschnäppers wird nach IUCN jedoch mit ''VU'' (=''vulnerable'') bewertet. Das nur kleine Verbreitungsgebiet dieser Art und ihre nur geringe Individuenanzahl lassen ''Ficedula subrubra'' bei fortschreitender Lebensraumzerstörung als sehr gefährdet erscheinen. == Namensherleitung == Mit ''Zwerg''~ werden in der deutschen Namensgebung Arten bezeichnet, die in ihrer Gattung die kleinsten sind. Die absolute Größe spielt dabei keine Rolle. Der Namensteil ''Schnäpper'' beschreibt die vorherrschende Jagdmethode dieser Gattung. [[Plinius der Ältere]] beschreibt im 10. Band seiner Naturgeschichte kleine, nach Mücken oder Fliegen schnappende Singvögel, die er ''Ficedulae'' nennt. Ein Wortteil steht wahrscheinlich mit ''ficus'' = ''Feige, Feigenbaum'' in Zusammenhang. ''Parva'' ist die weibliche Form des lateinischen Adjektivs ''parvus'' und bedeutet ''klein.'' <ref> Wember (2005) </ref> == Einzelnachweise == <references/> == Literatur == * Hans Günther Bauer, Peter Berthold: ''Die Brutvögel Mitteleuropas. Bestand und Gefährdung.'' Aula-Verlag, Wiesbaden 1997. S. 402 ''f.'' ISBN 3-89104-613-8. * Mark Beaman/Steve Madge: ''Handbuch der Vogelbestimmung. Europa und Westpaläarktis''. Ulmer-Stuttgart 1998. S. 705–706, ISBN 3-8001-3471-3. * Urs N. Glutz von Blotzheim (Hrsg.): ''[[Handbuch der Vögel Mitteleuropas]].'' Bearbeitet u. a. von Kurt M. Bauer und Urs N. Glutz von Blotzheim. Aula-Verlag, Wiesbaden. 2. durchgesehene Auflage 1989. Bd. 13/1, S. 80–118, ISBN 3-89104-022-9. * Ulrich Brendel: ''Vögel der Alpen''. Ulmer-Stuttgart 1998. S. 110–111, ISBN 3-8001-3502-7. * Michael Dvorak et al. (Bearb.): ''Atlas der Brutvögel Österreichs. 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AULA-Wiebelsheim 2005, ISBN 3-89104-678-2. == Weblinks == {{Commons|Ficedula parva|Zwergschnäpper}} * {{IUCN |Year=2008 |ID=147369 |ScientificName=Ficedula parva |YearAssessed=2008 |Assessor=BirdLife International |Download=1. Januar 2009 }} * [http://www.birdlife.org/datazone/species/index.html?action=SpcHTMDetails.asp&sid=6520&m=0 Informationen von birdlife international 2005; en] * [http://www.birdlife.org/datazone/species/BirdsInEuropeII/BiE2004Sp6520.pdf Informationen von birdlife europe 2001–2004; en] (PDF-Datei; 219&nbsp;kB) * {{IBC|ID=red-breasted-flycatcher-ficedula-parva|Titel=Ficedula parva}} === Bilder === * [http://calla.ecn.cz/images/o_prirody/chlum/ficedula_parva.jpg Voll ausgefärbtes, mehrjähriges Männchen] * [http://www.avesphoto.com/website/NA/species/FLYRBR-1.htm Jungvogel im ersten Herbst] * [http://perso.wanadoo.fr/michelbj/oiseaux_chn/gobemouche_nain/gobemouche_nainAA03.jpg Ausgefärbtes Weibchen] * [http://www.birdphotography.co.uk/KashmirFlycatcher.htm Kaschmir Fliegenschnäpper – adultes Männchen] * [http://mangoverde.com/birdsound/images/00000010964.jpg Taiga-Fliegenschnäpper – adultes Männchen] {{Exzellent}} {{DEFAULTSORT:Zwergschnapper}} [[Kategorie:Fliegenschnäpper]] [[bg:Червеногуша мухоловка]] [[br:Flouperig jave ruz]] [[cs:Lejsek malý]] [[en:Red-breasted Flycatcher]] [[eo:Malgranda muŝkaptulo]] [[fi:Pikkusieppo]] [[fr:Gobemouche nain]] [[gl:Papamoscas paporrubio]] [[hu:Kis légykapó]] [[ja:オジロビタキ]] [[lt:Mažoji musinukė]] [[mn:Хурган намнаа]] [[ms:Burung Sambar Api Bukit]] [[nl:Kleine vliegenvanger]] [[no:Dvergfluesnapper]] [[pl:Muchołówka mała]] [[pt:Papa-moscas-pequeno]] [[ru:Малая мухоловка]] [[sk:Muchárik malý]] [[sv:Mindre flugsnappare]] [[tr:Küçük sinekkapan]] [[zh:红喉姬鹟]] 8af9sngz3kvsh7yfv1yg9ejoaalxqf9 wikitext text/x-wiki Zystenniere 0 24562 27430 27429 2010-07-03T18:09:51Z Cervidae 392 Zurück auf Kuebi {{Infobox ICD | BREITE = | 01-CODE = Q61.1 | 01-BEZEICHNUNG = Polyzystische Niere, autosomal-rezessiv<br />infantiler Typ | 02-CODE = Q61.2 | 02-BEZEICHNUNG = Polyzystische Niere, autosomal-dominant<br />Erwachsenentyp | 03-CODE = Q61.3 | 03-BEZEICHNUNG = Polyzystische Niere, nicht näher bezeichnet }} [[Bild:Polycystic kidneys, gross pathology 20G0027 lores.jpg|thumb|Präparat von polyzystischen Nieren]] [[Bild:Lammnieren.jpg|thumb|Im Vergleich dazu gesunde Nieren (vom [[Lamm]])]] '''Zystennieren''', auch als '''polyzystische Nieren''' bezeichnet, ([[Englische Sprache|engl.]]: ''polycystic kidney disease'', '''PKD''') sind eine Gruppe ernsthafter, meist [[Erbkrankheit|erblich]] bedingter, [[Krankheit|Erkrankung]]en der [[Niere]]n.<ref name="wang">S. Wang u. a.: [http://jasn.asnjournals.org/cgi/content/full/15/3/592 ''The autosomal recessive polycystic kidney disease protein is localized to primary cilia, with concentration in the basal body area.''] In: ''J Am Soc Nephrol'' 15, 2004, S.&nbsp;592–602. PMID 14978161</ref> Durch die Bildung einer Vielzahl ([[Griechische Sprache|griech.]]: [[Liste griechischer Wortstämme in deutschen Fremdwörtern#P|poly]] = πολύς = „viel“) von flüssigkeitsgefüllten Kammern beziehungsweise Bläschen, den sogenannten [[Zyste (Medizin)|Zysten]], sind die Nieren in ihrer [[Glomeruläre Filtrationsrate|Filterfunktion]] erheblich eingeschränkt. Bei einer [[Nierenzyste]] handelt es sich demgegenüber um eine ''einzelne'' Zyste, die im Rahmen einer Untersuchung als in aller Regel harmloser [[Befund (Medizin)|Zufallsbefund]] erwähnt wird. Genetisch bedingte Zystennieren sind die häufigste lebensbedrohliche Erbkrankheit beim Menschen und eine der Hauptursachen für [[chronisches Nierenversagen]]. Eine [[Heilung]] ist nur durch eine [[Nierentransplantation]] möglich. == Symptome == Erste [[Symptom]]e, die auf Zystennieren hinweisen können, sind [[Arterielle Hypertonie|Bluthochdruck]], blutiger Urin ([[Hämaturie]]), wiederholte [[Harnwegsinfekt]]e, eine Zunahme des Bauchumfangs und Schmerzen im Bauchraum. Etwa ein Drittel der Patienten bleibt, selbst bis zum Zeitpunkt des terminalen (endgültigen) Nierenversagens (''end-stage renal failure'', ESRF), ohne Symptome. Dies erschwert eine frühzeitige Diagnose erheblich.<ref name="faber"/><ref>J. Milutinovic u. a.: ''Autosomal dominant polycystic kidney disease: symptoms and clinical findings.'' In: ''Q. J. Med.'' 53, 1984, S.&nbsp;511–522. PMID 6240069</ref> Die von polyzystischen Nieren betroffenen Patienten klagen häufig über [[Schmerz]]en in der seitlichen [[Flanke (Anatomie)|Flanke]] des [[Rücken]]s oder des [[Abdomen|Bauches]]. Die Schmerzen können dabei vorübergehend oder dauerhaft dumpf und quälend sein. Der Schmerz ist vermutlich durch das ausgedehnte Zystenwachstum bedingt. Zudem werden umgebende Organe durch die extreme Dehnung der Nierenkapsel (''Capsula fibrosa renalis'') verdrängt. Die Schmerzen können durch [[Punktion]] der Zysten, beispielsweise [[perkutan]], das heißt durch die Haut hindurch, oder [[Minimal-invasive Chirurgie|minimal-invasiv]] durch [[Laparoskopische Chirurgie|laparoskopische]] [[Dekortikation]] der Zysten, kurzfristig gelindert werden.<ref>L. W. Elzinga u. a.: ''Surgical management of painful polycystic kidneys.'' In: ''Am. J. Kidney Dis.'' 22, 1993, S.&nbsp;532–527. PMID 8213792</ref><ref>L. W. Elzinga u. a.: ''Surgery in the management of autosomal dominant polycystic kidney disease.'' In: ''Am. J. Kidney Dis.'' 1992, S.&nbsp;89–92. PMID 1739090</ref><ref>D. Frang u. a.: ''A new approach to the treatment of polycystic kidneys.'' In: ''Int. Urol. Nephrol.'' 20, 1988, S.&nbsp;13–21. PMID 3360583</ref><ref>L. W. Elzinga u. a.: ''[http://jasn.asnjournals.org/cgi/reprint/2/7/1219 Cyst decompression surgery for autosomal dominant polycystic kidney disease.]'' In: ''J Am Soc Nephrol'' 2, 1992, S.&nbsp;1219-1226. PMID 1591362</ref><ref name="faber"/> Durch die Neubildung von Zysten sind diese Maßnahmen nicht nachhaltig, so dass die entsprechenden Eingriffe wiederholt werden müssen.<ref>B. J. Lifson u. a.: ''Role and long-term results of laparoscopic decortication in solitary cystic and autosomal dominant polycystic kidney disease.'' In: ''J. Urol.'' 159, 1998, S.&nbsp;702–705. PMID 9474129</ref> Die Behandlung ändert zudem nichts am Verlauf der Krankheit.<ref name="faber"/> Bei etwa 30 bis 50 % der Patienten erfolgt die Erstdiagnose „polyzystische Nieren“ über blutigen Urin ([[Hämaturie]]). Die Ursache für die Blutungen sind meist [[Ruptur|Risse]] der Zysten. Die Blutungen selbst sind weitgehend ungefährlich und kommen von selbst zum Stillstand.<ref name="faber"/> Patienten mit Zystennieren scheiden – bedingt durch die eingeschränkte Nierenfunktion – erhöhte Mengen von körpereigenen [[Protein|Eiweißen]] (Proteine) über den [[Urin]] aus. Scheidet der Körper tgl. 20 bis 200&nbsp;[[Gramm|Milligramm]] [[Albumin]] aus, so spricht man von einer [[Mikroalbuminurie]]. Werden noch größere Mengen an Albumin ausgeschieden, so wird dies ''Makroalbuminurie'' genannt.<ref>A. B. Chapman u. a.: ''Overt proteinuria and microalbuminuria in autosomal dominant polycystic kidney disease.'' In: ''J Am Soc Nephrol'' 5, 1994, S.&nbsp;1349–1354. PMID 7894001</ref> Sind im Harn größere Proteine als Albumin nachweisbar liegt eine [[Proteinurie]] vor. Letztere ist mit [[Teststreifen]], die in den Urin gehalten werden, einfach nachweisbar. Die Mikroalbuminurie ist deutlich schwieriger feststellbar. Protein- und Mikroalbuminurie sind ein Indiz für eine eingeschränkte Funktion der Niere. Polyzystische Nieren sind nur eine mögliche Erkrankung, die zu dieser Funktionsstörung führen können. Eine [[arterielle Hypertonie]] („Bluthochdruck“) liegt bei 50 bis 75 % der Patienten mit polyzystischen Nieren vor. Der Blutdruck der Betroffenen ist häufig bereits vor einem Leistungsabfall der Nierenfunktion ([[Glomeruläre Filtrationsrate]], GFR) deutlich erhöht.<ref>P. A. Gabow u. a.: ''Renal structure and hypertension in autosomal dominant polycystic kidney disease.'' In: ''Kidney international'' 38, 1990, S.&nbsp;1177–1180. PMID 2074659</ref><ref name="gabow1993">P. A. Gabow: ''Autosomal dominant polycystic kidney disease'' In: ''NEJM'' 329, 1993, S.&nbsp;332–342. PMID 8321262</ref><ref>A. B. Chapman und P. A. Gabow: ''Hypertension in autosomal dominant polycystic kidney disease.'' In: ''Kidney Int Suppl'' 61, 1997, S.&nbsp;71–73. PMID 9328971</ref> <!-- hier gehts weiter! === Polyzythämie ===--> == Diagnostik == [[Bild:MBq_Zystennieren.jpg|thumb|Zystennieren beidseits (gelb umrandet) in einer [[Magnetresonanztomographie]]]] Die Diagnose wird in der Regel durch eine [[Sonografie]] („Ultraschall“)<ref>P. A. Gabow u.&nbsp;a.: [http://jasn.asnjournals.org/cgi/reprint/8/1/105 ''Utility of ultrasonography in the diagnosis of autosomal dominant polycystic kidney disease in children.''] In: ''J Am Soc Nephrol'' 8, 1997, S.&nbsp;105–110. PMID 9013454</ref> oder andere [[Bildgebendes Verfahren (Medizin)|bildgebende Verfahren]], wie beispielsweise der [[Magnetresonanztomographie]],<ref>[http://www.sciencedaily.com/releases/2006/05/060517180738.htm ''Polycystic Kidney Disease: MRI Provides An Early Alert To Progression.''] In: ''Science Daily'' vom 17. Mai 2006</ref> gestellt.<ref> W. C. O'Neill u.&nbsp;a.: ''Sonographic assessment of the severity and progression of autosomal dominant polycystic kidney disease: the Consortium of Renal Imaging Studies in Polycystic Kidney Disease (CRISP).'' In: ''Am J Kidney Dis'' 46, 2005, S.&nbsp;1058–1064. PMID 16310571</ref> Mit der Sonographie können in modernen Geräten Zysten bis herab zu einer Größe von 5&nbsp;mm diagnostiziert werden. Die [[Früherkennung von Krankheiten|Früherkennungsrate]] bei 20-jährigen Patienten liegt bei etwa 90 %.<ref>K. M. Koch u.&nbsp;a.: ''Klinische Nephrologie.'' Urban&Fischer-Verlag, 1999, S.&nbsp;437–459. ISBN 978-3-437-21730-2</ref> Die [[Computertomographie]] bietet zwar eine höhere Auflösung mit besserer Bildqualität, sie wird jedoch vor allem wegen der [[Strahlenbelastung]] nicht für Patienten-[[Screening]]s, sondern nur bei speziellen diagnostischen Fragestellungen eingesetzt.<ref name="faber"/> Die [[Biopsie]], bei der eine kleine Menge von Nieren- aber auch Lebergewebe entnommen wird, dient im Kindesalter der [[Diagnose#Differentialdiagnose|Differenzierung]] zwischen ARPKD und ADPKD (''[[early-onset]]''). Damit können [[Morphologie (Biologie)|morphologische]] Veränderungen der [[Basallamina|Basalmembran]] schon zu einem sehr frühen Zeitpunkt nachgewiesen werden. Über die Bestimmung einer [[kongenitale Leberfibrose|kongenitalen Leberfibrose]] erfolgt die Diagnose einer ARPKD.<ref name="faber"/> Nach Osathanondh und Potter werden die Zystennieren pathologisch-anatomisch in folgende Typen eingeteilt:<ref>V. Osathanondh und E. L. Potter: ''Pathogenesis of polycystic kidneys.'' In: ''Arch. Path.'' 77, 1964, S.&nbsp;459–465. PMID 14120681</ref> {| class="wikitable" |- style="font-weight:bold" valign="top" | width="21" height="13" | Typ | width="90" | Befall | width="82" | Nierengröße | width="96" | Zystengröße | width="104" | Glomeruli | width="130" | Gallengangzysten | width="87" | Überlebenszeit |- | height="26" align="center" | I | beidseitig | vergrößert bis stark vergrößert | gleichmäßig weit (12 mm) | normal | vorhanden | Neugeborenenperiode |- | height="26" align="center" | II | beidseitig, einseitig oder partiell | vergrößert oder verkleinert | unterschiedlich groß | vermindert und abnormal | nicht vorhanden | Erwachsenenalter |- | height="38" align="center"| III | meist bilateral | vergrößert | unterschiedlich groß, zum Teil sehr weit | glomeruläre Zysten | gelegentlich, dann aber nur in umschriebenen Arealen | Erwachsenenalter |- | height="26" align="center"| IV | beidseitig | verkleinert | klein, subkapsulär gelegen | Glomeruli vermindert, glomuläre Zysten | nicht vorhanden | Erwachsenenalter |} Die so definierten Typen ermöglichen in der Praxis jedoch oft keine eindeutige [[Klassifikation]]. Neben der pathoanatomischen Beschreibung von Nieren und Leber spielt daher die familiäre Vorgeschichte ([[Anamnese (Medizin)|Anamnese]]) eine wichtige Rolle. Für die erblich bedingten Fälle von Nierenzysten werden daher meist die genetisch fundierten Begriffe ''[[autosom]]al-[[Dominanz (Genetik)|dominant]]'' und ''autosomal-[[rezessiv]]'' verwendet.<ref>B. Hermanns u.&nbsp;a.: ''Pathologie und Genetik erblicher Zystennieren.'' In: ''Der Pathologe'', 24, 2003, S.&nbsp;410–420. PMID 14605845</ref> Durch die Identifizierung von potenziell betroffenen Genen ist eine nichtinvasive beweisende [[Molekularbiologie|molekulargenetische]] Diagnostik möglich. Dieses Verfahren kann in vielen Fällen die invasive [[Biopsie]]-Diagnostik ersetzen und eine [[Ätiologie|ätiologische]] Klassifizierung ermöglichen. Diese Klassifizierung eröffnet wiederum Wege für [[Therapie|differentialtherapeutische]] Möglichkeiten zur Behandlung der Erkrankung. Die [[Sensitivität]] für ein richtig positives Ergebnis liegt dabei bei ungefähr 95&nbsp;%.<ref name="faber"/> Eine [[Korrelation]] zwischen [[Genotyp]] und [[Phänotyp]] ist nur eingeschränkt möglich.<ref>[http://www.ukaachen.de/go/show?ID=4042387&ALTNAVID=4617272&DV=0&COMP=page&ALTNAVDV=0 ADPKD (Autosomal Dominante Polyzystische Nierenerkrankung)] Universitätsklinikum Aachen, eingesehen am 30. September 2008</ref> Die Mutationsanalytik gestaltet sich beim [[PKD1|PKD1-Gen]] durch seine Größe (46 kodierende Exons und 14,2 kb des [[Transkription (Biologie)|Transkripts]]) schwierig. Hinzu kommt, dass bei dem betroffenen [[Chromosom 16 (Mensch)|Chromosom 16)]] auf [[Genlocus]] p13.1 die ersten 33 Exons von PKD1 in drei homologen Kopien (HG-A ≈21 kb, HG-B ≈17 kb und HG-C ≈8,5 kb; HG = homologes Gen) vorliegen. Dies erschwert die spezifische Vervielfachung mittels [[Polymerase-Kettenreaktion]] (PCR) erheblich.<ref name="helmig"/> Aus der [[Molekularbiologie|molekulargenetischen]] Diagnostik ergibt sich eine besondere Problematik. Die frühe Diagnose der genetischen Veranlagung des Patienten ermöglicht auf der einen Seite [[Prophylaxe|prophylaktische Maßnahmen]] und eine frühe unterstützende Therapie. Auf der anderen Seite werden Angehörige und Patient möglicherweise schon im Kindesalter des Betroffenen mit der Wahrscheinlichkeit des Ausbruchs einer lebensbedrohlichen Krankheit in mehreren Jahrzehnten konfrontiert. Risiken und Nutzen müssen vor einer Diagnose daher sorgfältig abgewägt werden.<ref>F. Hildebrandt und M. Wolf: [http://resources.metapress.com/pdf-preview.axd?code=v26641p11w267224&size=large ''Pathologie und Genetik hereditärer Zystennieren.''] In: ''Medizinische Therapie'' Springer, 2005, S.&nbsp;927–939. ISBN 978-3-540-21226-3</ref> Bei Patienten mit familiärer Veranlagung ([[Prädisposition]]) kann die Diagnose per Sonographie ab dem 20. Lebensjahr gestellt werden, wenn pro Niere mindestens zwei Nierenzysten nachweisbar sind. Fehlende Zysten schließen dagegen bei über 30-jährigen die Erkrankung aus.<ref name="kuehn"/><ref>R. G. Elles u.&nbsp;a.: [http://www.pubmedcentral.nih.gov/articlerender.fcgi?tool=pubmed&pubmedid=8182715 ''Diagnosis of adult polycystic kidney disease by genetic markers and ultrasonographic imaging in a voluntary family register.''] In: ''J Med Genet'' 31, 1994, S.&nbsp;115–120. PMID 8182715</ref> == Pathogenese == Die Entstehung und Entwicklung von Zystennieren, die [[Pathogenese]], beruht auf einer zystischen Degeneration der sogenannten ''Tubuli'' (Harnkanälchen) in den Nieren. Diese führt bei der autsomal-dominant-vererbten PKD im Verlauf von Jahrzehnten zu einer zunehmenden Vergrößerung der Nieren. Es kann dabei zu einer Funktionseinschränkung bis hin zum völligen Verlust der Nierenfunktion kommen. Beide Nieren sind gleichmäßig betroffen. Mehrere hundert Zysten, die in ihrer Erscheinung prall elastisch sind, können dabei pro Organ ausgebildet werden. Masse und Volumen der Nieren können dadurch erheblich anwachsen. Während eine gesunde Niere durchschnittlich eine Masse von 160&nbsp;[[Gramm|g]] aufweist, können polyzystische Nieren bis zu 8&nbsp;[[Kilogramm|kg]] bei bis zu 40×25×20&nbsp;cm<sup>3</sup> (= 20&nbsp;Liter) Volumen erreichen (gesunde Niere: 12×6×3&nbsp;cm<sup>3</sup> = 0,216&nbsp;Liter). Trotz des erheblich gesteigerten Platzbedarfs des Organs kommt es nur relativ selten zu Funktionsstörungen der benachbarten Organe.<ref>L. F. Fried u. a.: [http://content.karger.com/produktedb/produkte.asp?typ=fulltext&file=ajn18318 ''Duodenal obstruction in polycystic kidney disease. Case report and review of the literature.''] In: ''Am. J. Nephrol.'' 18, 1998, S.&nbsp;318–320. PMID 9653836</ref> Die Zysten finden sich sowohl am Nierenmark (''Medulla renis''), als auch an der Nierenrinde (''Cortex renalis''). Prinzipiell kann dabei jeder Bereich eines [[Nephron]]s eine Zyste ausbilden. Bevorzugt betroffen sind jedoch die [[Nierenkörperchen|Glomeruli]] und die [[Nephron|Henlesche Schleife]]. Gefüllt sind die Zysten mit dem sogenannten ''Tubulusharn''. Der Durchmesser einer einzelnen Zyste kann von wenigen Millimetern bis über 100&nbsp;mm sehr stark variieren. Große Zysten können so mehrere hundert Milliliter Tubulusharn enthalten. Das Innere der Zysten besteht aus einem einschichtigen [[Epithel|Plattenepithel]] oder einschichtigem isoprismatischen (kubischen) [[Epithel]]. Mit dem Fortschreiten der Erkrankung können sowohl die Anzahl, als auch die Größe der vorhandenen Zysten zunehmen.<ref name="faber"/> == Ätiologie == Polyzystische Veränderungen in den Nieren sind ein Krankheitsbild, das bei einer Reihe von Erkrankungen auftritt. Sie können als Abweichung von der normalen Entwicklung der Nieren sporadisch entstehen oder im erwachsenen Leben erworben werden („erworbene Zystennieren“). Die weitaus häufigere Ursache ([[Ätiologie]]) für diese Erkrankung sind aber durch [[Vererbung (Biologie)|Vererbung]] übertragene Defekte in bestimmten [[Gen]]en ([[Zystenniere#hereditäre Zystennieren|„hereditäre Zystennieren“]]). Den mit Abstand größten Anteil hat dabei die '''autosomal-dominante polyzystische Nierenerkrankung''' (engl.: ''autosomal-dominant polycystic kidney disease'', '''ADPKD''').<ref name="wilson"/> Diese Erkrankung ist die häufigste erbliche Ursache eines [[chronisches Nierenversagen|chronischen Nierenversagens]]: Etwa 7 % aller Dialysepatienten leiden an ihr.<ref>U. Frei und H. J. Schober-Halstenberg: [http://www.quasi-niere.de/berichte/online/de/05/kapitel_7.html#7.1 ''Nierenersatztherapie in Deutschland.''] In: ''QuaSi-Niere Jahresbericht 2005/2006'' Berlin, Deutschland</ref> Daneben verursachen verschiedene andere – erheblich seltenere – Erbkrankheiten Polyzystennieren. Auch erworbene Zystennieren können sich – vor allem bei Dialysepatienten – einstellen.<ref>G. M. Fick und P. A. Gabow: ''Hereditary and acquired cystic disease of the kidney.'' In: ''Kidney Int'' 46, 1994, S.&nbsp;951-964. PMID 7861721</ref> Da der weitaus größte Teil von Zystennieren durch die ADPKD hervorgerufen wird, findet der Begriff „Zystenniere“ oft eine [[synonym]]e Anwendung für die ADPKD. == Erbliche Zystennieren == Die Mehrzahl polyzystischer Nierenerkrankungen ist erblich ([[Vererbung (Biologie)|hereditär]]) bedingt. Dabei kann eine Vielzahl von verschiedenen Genen betroffen sein und so die Krankheit auslösen. Die nachfolgend aufgeführten Syndrome stellen eine Auswahl der wichtigsten erblich bedingten polyzystischen Nierenerkrankungen dar.<ref>R. Rohatgi: ''Clinical manifestations of hereditary cystic kidney disease.'' In: ''Front Biosci'' 13, 2008, S.&nbsp;4175–4197. PMID 18508505</ref> Ein Teil der Erkrankungen wird dem sogenannten [[NPH-MCKD-Komplex]] zugerechnet. '''Übersicht über hereditäre polyzystische Nierenerkrankungen'''<ref name="kuehn"/> {| class="wikitable" |- style="font-size:11pt;font-weight:bold" | Gen | Chromosom<br /><small>Genlocus</small> | Protein | Erkrankung | Inzidenz | Alter *) |- style="background-color:#FFDEAD;" |style="font-weight:bold" align="right"| Autosomal-dominant | &nbsp; | &nbsp; | &nbsp; | &nbsp; | &nbsp; |- | [[PKD1]] | [[Chromosom 16 (Mensch)|16]] p13.3 | [[Polycystin-1]] | [[#Autosomal-dominante polyzytische Nierenerkrankung|ADPKD]] | 1:500-1000 | ca.50 |- | [[PKD2]] | [[Chromosom 4 (Mensch)|4]] q21-q23 | [[Polycystin-2]] | ADPKD | 1:3500-7000 | ca.70 |- style="background-color:#F0F0F0;" | VHL | [[Chromosom 3 (Mensch)|3]] p26-p25 | [[VHL30]] | [[Morbus Hippel-Lindau|Von-Hippel-Lindau]] | 1:35.000 | 20-30 |- | TSC1 | [[Chromosom 9 (Mensch)|9]] q34 | [[Hamartin]] | [[Tuberöse Sklerose]] | 1:10.000 (beide zusammen) | 30-40 |- | TSC2 | 16 p13.3 | [[Tuberin]] | Tuberöse Sklerose | &nbsp; | &nbsp; |- style="background-color:#F0F0F0;" | ? | [[Chromosom 1 (Mensch)|1]] q21 | &nbsp; | [[Medullär-zystische Nierenerkrankung Typ 1]] | 1 bis 9 : 1.000.000 (Typ 1+2)<ref>orpha.net: ''[http://www.orpha.net/consor/cgi-bin/Disease_Search.php?lng=DE&data_id=10332 ''Nierenkrankheit, medulläre zystische, autosomal-dominante, mit oder ohne Hyperurikämie''] eingesehen am 4. Oktober 2008</ref> | 62 |- style="background-color:#F0F0F0;" | UMOD | 16 p12.3 | [[Uromodulin]] | [[Medullär-zystische Nierenerkrankung Typ 2]] | &nbsp; | 32 |- style="background-color:#FFDEAD;" |style="font-weight:bold" align="right" | Autosomal-rezessiv | &nbsp; | &nbsp; | &nbsp; | &nbsp; | &nbsp; |- | [[PKHD1]] | [[Chromosom 6 (Mensch)|6]] p21.2-p12 | [[Fibrocystin]] | [[Zystenniere#Autosomal-rezessive polyzystische Nierenerkrankung|ARPKD]] | 1:20.000 | <20 |- style="background-color:#F0F0F0;" | NPHP1 | [[Chromosom 2 (Mensch)|2]] q13 | [[Nephrocystin-1]] | [[Nephronophthise]] (juvenile) | ca. 1:100.000 (alle NPHP) | 13 |- style="background-color:#F0F0F0;" | NPHP2 | [[Chromosom 9 (Mensch)|9]] q22-q31 | [[Inversin]] | Nephronophthise (infantile) | &nbsp; | <1 |- style="background-color:#F0F0F0;" | NPHP3 | 3 q22.1 | [[Nephrocystin-3]] | Nephronophthise (adoleszente) | &nbsp; | 19 |- style="background-color:#F0F0F0;" | NPHP4 | 1 p36.22 | [[Nephroretinin]] | Nephronophthise | &nbsp; | 21 |- style="background-color:#F0F0F0;" | NPHP5 | &nbsp; | Nephrocystin 5 | Nephronophthise | &nbsp; | 13 |- style="background-color:#F0F0F0;" | NPHP6 | &nbsp; | Nephrocystin 6 | Nephronophthise | &nbsp; | &nbsp; |- style="background-color:#F0F0F0;" | GLIS2 | 16 p13.3 | GLI-Similar Protein 2<ref>M. Attanasio u. a.: ''Loss of GLIS2 causes nephronophthisis in humans and mice by increased apoptosis and fibrosis.'' In: ''Nature Genet'' 39, 2007, S.&nbsp;1018–1024. PMID 17618285</ref> | Nephronophthise | &nbsp; | &nbsp; |- | BBS1 | [[Chromosom 11 (Mensch)|11]] q13.1 | [[BBS1-Protein]] | [[Laurence-Moon-Biedl-Bardet-Syndrom|Bardet-Biedl-Syndrom]] | 1:140.000 (alle BBS) | &nbsp; |- | BBS2 | 16 q21 | [[BBS2-Protein]] | Bardet-Biedl-Syndrom | &nbsp; | &nbsp; |- | ARL6 | 3 p13-p12 | [[BBS3-Protein]]<br/>ADP-ribosylation factor-like protein 6 | Bardet-Biedl-Syndrom | &nbsp; | &nbsp; |- | BBS4 | [[Chromosom 15 (Mensch)|15]] q22.3-q23 | [[BBS4-Protein]] | Bardet-Biedl-Syndrom | &nbsp; | &nbsp; |- | BBS5 | 2 q31.1 | [[BBS5-Protein]] | Bardet-Biedl-Syndrom | &nbsp; | &nbsp; |- | MKKS | [[Chromosom 20 (Mensch)|20]] p12 | [[BBS6-Protein]] | McKusick-Kaufman-Syndrom | &nbsp; | &nbsp; |- | BBS7 | 4 q27 | [[BBS7-Protein]] | Bardet-Biedl-Syndrom | &nbsp; | &nbsp; |- | TTC8 | [[Chromosom 14 (Mensch)|14]] q31.3 | [[BBS8-Protein]] | Tetratricopeptide Repeat Domain 8 | &nbsp; | &nbsp; |- | BBS9 | [[Chromosom 7 (Mensch)|7]] p14 | [[PTHB1]] | Bardet-Biedl-Syndrom | &nbsp; | &nbsp; |- | BBS10 | [[Chromosom 12 (Mensch)|12]] q21.2 | [[BBS10-Protein]] | Bardet-Biedl-Syndrom | &nbsp; | &nbsp; |- | TRIM32 | 9 q33.1 | [[Zinkfingerprotein HT2A]] | Tripartite motif-containing 32 | &nbsp; | &nbsp; |- | BBS12 | 4 q27 | [[BBS12-Protein]] | Bardet-Biedl-Syndrom | &nbsp; | &nbsp; |- style="background-color:#FFDEAD;" |style="font-weight:bold" align="right"| X-chromosomal-dominant | &nbsp; | &nbsp; | &nbsp; | &nbsp; | &nbsp; |- | [[CXORF5]] | [[X-Chromosom|X]] p22.3-p22.2 | OFD1 | [[Oro-fazio-digitales Syndrom Typ 1]] | 1:250.000 | &nbsp; |- style="background-color:#FFDEAD;" |style="font-weight:bold" align="right"| Unbekannter Erbgang | &nbsp; | &nbsp; | &nbsp; | &nbsp; | &nbsp; |- | ? | ? | &nbsp; | [[Markzystenniere]] | 1:5000 | 40-50 |- style="background-color:#F0F0F0;" | ? | ? | &nbsp; | [[Multizystische Nierendysplasie]] | &nbsp; | <10 und 50-60 |} <nowiki>*</nowiki>) mittleres Alter bis zur terminalen Niereninsuffizienz === Autosomal-dominante polyzystische Nierenerkrankung === [[Bild:Autodominant 01.png|thumb|Der autosomal-dominante Erbgang]] Die autosomal-[[Dominanz (Genetik)|dominante]] polyzystische Nierenerkrankung (ADPKD), auch '''zystische Nierendegeneration Potter Typ III'''<ref name="buchholz">B. Buchholz: [http://www.freidok.uni-freiburg.de/volltexte/1788/ ''Funktionelle Interaktion von Polycystin 2 und TRPV4.''] Dissertation, Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, 2004.</ref> genannt, ist die häufigste lebensbedrohende Erbkrankheit beim Menschen. Weltweit gibt es etwa 5 Millionen von der ADPKD betroffene Menschen. Die [[Inzidenz (Medizin)|Inzidenz]] liegt bei 1:500 bis 1:1000.<ref name="wilson">P. D. Wilson: [http://content.nejm.org/cgi/content/extract/350/2/151 ''Polycystic kidney disease.''] In: ''N Engl J Med'' 350, 2004, S.&nbsp;151–164. PMID 14711914</ref> In den USA ist die Erkrankung beispielsweise zweimal häufiger als [[Multiple Sklerose]] und zehnmal häufiger als [[Sichelzellenanämie]].<ref name="faber"/> Männer und Frauen sind gleich häufig betroffen. Ebenso spielen Rasse und Herkunft keine Rolle. Die [[Symptom]]e werden in der Regel erst im Erwachsenenalter beobachtet. Der Erbgang der ADPKD ist autosomal-dominant ([[Monogenetische Erkrankung|monogenetisch]])<ref>A. R. Gallagher u. a.: ''Molecular basis of autosomal-dominant polycystic kidney disease.'' In: ''Cellular and Molecular Life Sciences'' 59, 2002, S.&nbsp;682–693. PMID 12022474</ref> mit vollständiger [[Penetranz (Genetik)|Penetranz]].<ref>Universitätsklinikum Aachen: [http://www.ukaachen.de/go/show?ID=4042387&ALTNAVID=4617272&DV=0&COMP=page&ALTNAVDV=0 ''ADPKD (Autosomal Dominante Polyzystische Nierenerkrankung)''] eingesehen am 11. November 2008</ref> <ref>D. W. Bianchi u. a.: ''Fetology.'' McGraw-Hill Professional, 2000, ISBN 0-838-52570-9 S.&nbsp;632.</ref> Bedingt durch den autosomal-dominanten Erbgang erbt im statistischen Mittel die Hälfte der Kinder von ihren Eltern das mutierte Gen und wird selbst an ADPKD erkranken. Etwa 50 % aller Mutationsträger erleiden eine progressive Niereninsuffizienz.<ref name="kuehn">W. Kühn und G. Walz: [http://www.aerzteblatt.de/v4/archiv/artikel.asp?id=57422 ''Autosomal dominante polyzystische Nierenerkrankung.''] In: ''Ärzteblatt'' 104/2007, A 3022-8</ref> Im Alter von durchschnittlich 58 Jahren ist bei der Hälfte der ADPKD-Patienten eine [[Nierenersatztherapie]] indiziert.<ref>P. A. Gabow u. a.: ''Factors affecting the progression of renal disease in autosomal dominant polycystic kidney disease.'' In: ''Kidney Int'' 41, 1992, S.&nbsp;1311–1319. PMID 1614046</ref> Als [[systemische Erkrankung]] sind bei der ADPKD häufig auch andere Organe – in den meisten Fällen die [[Leber]] – von einer Zystenbildung betroffen.<ref>A. C. Ong und P. C. Harris: ''Molecular pathogenesis of ADPKD: the polycystin complex gets complex.'' In: ''Kidney Int'' 67, 2005, S.&nbsp;1234–1247. PMID 15780076</ref> Je nach Autor haben bis zu 75 % der von der ADPKD Betroffenen Leberzysten.<ref name="faber"/> ==== Genetik ==== [[Bild:Types of mutations 01.png|thumb|Beispiele für Punktmutationen]] Bisher wurden [[Mutation]]en in zwei verschiedenen Genen als Ursache der Erkrankung bei ADPKD-Patienten nachgewiesen: Die Gene [[PKD1]] und [[PKD2]]. PKD1 liegt beim Menschen auf [[Chromosom 16 (Mensch)|Chromosom ]] Genlocus p13.3-p13.12. Es [[Genetischer Code|kodiert]] das Protein [[Polycystin-1]]. Bei Patienten mit signifikanten Mutationen in PKD1 erreicht die Niereninsuffizienz im Alter von durchschnittlich 50 Jahren ihr Endstadium, womit eine Nierenersatztherapie angezeigt ist. Patienten mit Mutationen in PKD2, das auf [[Chromosom 4 (Mensch)|Chromosom 4]] Genlocus q21-q23 liegt und Polycystin-2 kodiert, erreichen dieses Stadium erheblich später, im Alter von durchschnittlich 70 Jahren (''[[late onset]]''). Etwa 85 % der Patienten mit ADPKD tragen eine oder mehrere Mutationen in PKD1. Die restlichen circa 15 % entfallen auf Mutationen in PKD2.<ref>S. Rossetti u. a.: [http://www.pubmedcentral.nih.gov/articlerender.fcgi?tool=pubmed&pubmedid=11115377 ''Mutation analysis of the entire PKD1 gene: genetic and diagnostic implications.''] In: ''Am. J. Hum. Genet.'' 68, 2001, S.&nbsp;46-63. PMID 11115377 </ref> Auf zellulärer Ebene betrachtet handelt es sich bei der ADPKD um einen rezessiven Mechanismus. Eine Bedingung für die Krankheit ist als erstes eine [[Mutation|Keimbahnmutation]] in einem der PKD1- beziehungsweise PKD2-[[Allel]]e. Als zweites muss eine [[Mutation|somatische Mutation]], ein sogenannter ''second hit'' stattfinden, damit die Zystenbildung initiiert wird.<ref>G. G. Germino: ''Autosomal dominant polycystic kidney disease: a two-hit model.'' In: ''Hosp Pract'' 32, 1997 S.&nbsp;81-2, 85-8, 91-2. PMID 9078975</ref><ref>Y. Pei u. a.: [http://jasn.asnjournals.org/cgi/content/full/10/7/1524 ''Somatic PKD2 mutations in individual kidney and liver cysts support a "two-hit" model of cystogenesis in type 2 autosomal dominant polycystic kidney disease.'' In: ''J Am Soc Nephrol'' 10, 1999, S.&nbsp;1524-1529. PMID 10405208</ref> Dieser Verlust der [[Heterozygotie]] (''loss of heterocygosity'', LOH) findet bei der ADPKD offensichtlich immer statt.<ref>F. Qian u. a.: ''The molecular basis of focal cyst formation in human autosomal dominant polycystic kidney disease type I.'' In: ''Cell'' 87, 1996, S.&nbsp;979-987. PMID 8978603</ref> Die initiale somatische Mutation kann auf dem jeweils anderen Gen liegen. In diesem ''Transheterozygotie'' genannten Fall ist die Keimbahnmutation auf PKD1 und die somatische Mutation auf PKD2, beziehungsweise umgekehrt.<ref>T. Watnick u. a.: ''Mutations of PKD1 in ADPKD2 cysts suggest a pathogenic effect of trans-heterozygous mutations.'' In: ''[[Nature|Nature Genetics]] 25, 2000, S.&nbsp;143-144. PMID 10835625</ref> Im Tiermodell wurde festgestellt, dass Keimbahnmutationen die beiden Allele eines PKD–Gens betreffen [[Perinatalperiode|perinatal]] tödlich sind.<ref name="hackmann">K. Hackmann: [http://bieson.ub.uni-bielefeld.de/volltexte/2005/719/pdf/DissHackmann.pdf ''Untersuchungen zur Expression der murinen Gene Pkd1 und Pkd2, den orthologen Genen der Autosomal Dominanten Polyzystischen Nierenerkrankung (ADPKD).''] Dissertation, Universität Bielefeld, 2005.</ref> Mit dem ''second hit'' verliert die betroffene Zelle die Fähigkeit die [[Zellproliferation|Proliferation]] zu hemmen und wird so der Ausgangspunkt für die Bildung einer neuen Zyste.<ref name="kuehn"/> Ein wichtiges Indiz für die Richtigkeit der ''Second-hit-Theorie'' sind Versuche mit [[Knockout-Maus|Knockout-Mäusen]], bei denen PKD1 beziehungsweise PKD2 abgeschaltet ([[Deletion|Gendeletion]]) wurden. So erkranken nur ''homozygote'' Tiere, während die [[Heterozygotie|Heterozygoten]] eine nahezu normale Entwicklung nehmen.<ref>W. Lu u. a.: ''Late onset of renal and hepatic cysts in Pkd1-targeted heterozygotes.'' In: [[Nature|Nature Genetics]] 21, 1999, S.&nbsp;160–161. PMID 9988265</ref><ref>G. Wu u. a.: ''Somatic inactivation of Pkd2 results in polycystic kidney disease.'' In: ''Cell'' 93, 1998, S.&nbsp;177–188. PMID 9568711</ref> Die ''Second-hit-Theorie'' dient auch als Erklärung dafür, dass nur etwa 1 % aller Nephrone bei der ADPKD Zysten bilden, obwohl alle Zellen die vererbte Mutation tragen.<ref name="kuehn"/> Ab 1995 vermutete man noch ein drittes Gen, PKD3 genannt, als weitere mögliche Ursache für die ADPKD.<ref>N. Bogdanova u. a.: ''Genetic heterogeneity of polycystic kidney disease in Bulgaria.'' In: ''Hum Genet'' 95, 1995, S.&nbsp;645–650. PMID 7789949</ref><ref>M . C. Daoust u. a.: ''Evidence for a third genetic locus for autosomal dominant polycystic kidney disease.'' In: ''Genomics'' 25, 1995, S.&nbsp;733–736. PMID 7759112</ref> Später wurden bei vier weiteren Familien mit Zystennieren aus verschiedenen Ländern Mutationen beobachtet, die ihre Ursache weder in PKD1 noch in PKD2 hatten.<ref>A. D. Paterson und Y. Pei: [http://www.nature.com/ki/journal/v54/n5/full/4495376a.html ''Is there a third gene for autosomal dominant polycystic kidney disease?''] In: ''Kidney International'' 54, 1998, S.&nbsp;1759–1761. PMID 9844156</ref><ref>M. Koptides und C. C. Deltas: ''Autosomal dominant polycystic kidney disease: molecular genetics and molecular pathogenesis.'' In: ''Hum Genet'' 107, 2000, S.&nbsp;115–126. PMID 11030408</ref> Die Existenz dieses Gens wird mittlerweile bezweifelt.<ref>M. Consugar u. a.: ''PKD3 revisited with improved PKD1 and PKD2 haplotyping and mutation screening.'' In: ''J Am Soc Nephrol'' 16, 2005, S.&nbsp;358A.</ref><ref>A. D. Paterson und Y. Pei: [http://ndt.oxfordjournals.org/cgi/content/full/14/12/2965 ''PKD3-to be or not to be?''] In: ''Nephrol Dial Transplant'' 14, 1999, S.&nbsp;631–614. PMID 10570111</ref><ref>Y. Pei u. a.: [http://www.pubmedcentral.nih.gov/articlerender.fcgi?tool=pubmed&pubmedid=11156533 ''Bilineal disease and trans-heterozygotes in autosomal dominant polycystic kidney disease.''] In: ''Am J Hum Genet'' 68, 2001, S.&nbsp;355-363. PMID 11156533</ref><ref name="rosetti">S. Rosetti und P. C. Harris: [http://jasn.asnjournals.org/cgi/reprint/18/5/1374 ''Genotype–Phenotype Correlations in Autosomal Dominant and Autosomal Recessive Polycystic Kidney Disease.''] In: ''J Am Soc Nephrol'' 18, 2007, S.&nbsp;1374–1380. PMID 17429049</ref> '''Die Häufigkeit der verschiedenen Mutationstypen bei der ADPKD:'''<ref name="boucher"/> {| class="wikitable" |- | '''Gen''' | '''Loci''' | '''Exons''' | '''Mutationstyp''' | '''Häufigkeit (%)''' |- | | PKD1 | 16p13.3 | 46 (14.1 kb) | [[Punktmutation#Substitution|Nonsense]] | align="right" |33 |- | | | | | [[Frameshift]] | align="right" | 28 |- | | | | | [[Punktmutation|In-frame]] | align="right" | 6 |- | | | | | [[Spleißen (Biologie)|Splicing]] | align="right" | 14 |- | | | | | [[Punktmutation#Substitution|Missense]] | align="right" | 19 |- | | | | | | |- | | PKD2 | 4q21–q23 | 15 (5 kb) | [[Punktmutation#Substitution|Nonsense]] | align="right" | 37 |- | | | | | [[Frameshift]] | align="right" | 39 |- | | | | | [[Spleißen (Biologie)|Splicing]] | align="right" | 17 |- | | | | | [[Punktmutation#Substitution|Missense]] | align="right" | 6 |- | | | | | [[Deletion]] | align="right" | 1 |} ==== Molekulare Ursachen und Zystenbildung ==== [[Bild:PKD1PKD2.png|thumb|Schematische Darstellung von PKD1 und PKD2 an einer Zelle.<ref>C. Stayner und J. Zhou: ''Polycystin channels and kidney disease.'' In: ''Trends in Pharmacological Sciences'' 22, 2001, S.&nbsp;543–546. PMID 11698076</ref>]] Die von den betroffenen Genen codierten Proteine Polycystin-1 und Polycystin-2, sowie das vom [[PKHD1]]-Gen kodierte [[Fibrocystin]], liegen an der Basis des [[Zilie|primären Zilium]] der [[Nephron|Zellen des Nierenkanälchen (Nierentubuluszellen)]]. Das Primärzilium ist ein haarfeiner Zellfortsatz, von dem jede Zelle jeweils nur einen einzigen ausbildet. Nach den gegenwärtigen Erkenntnissen spielt bei allen zu Zystennieren führenden Erkrankungen eine Fehlfunktion des Primärziliums die entscheidende Rolle für die Ausbildung von Zysten.<ref name="boucher">C. Boucher und R. Sandford: [http://www.nature.com/ejhg/journal/v12/n5/full/5201162a.html ''Autosomal dominant polycystic kidney disease (ADPKD, MIM 173900, PKD1 and PKD2 genes, protein products known as polycystin-1 and polycystin-2).''] In: ''Eur J Hum Genet'' 12, 2004, S.&nbsp;347–354. PMID 14872199</ref><ref>T. Watnick und G. Germino: [http://www.nature.com/ng/journal/v34/n4/full/ng0803-355.html ''From cilia to cyst.''] In: ''Nature Genetics'' 34, 2003, S.&nbsp;355–356. PMID 12923538</ref> Die Primärzilien der Tubuluszellen ragen in das Tubuluslumen und dienen dort wahrscheinlich der Wahrnehmung der Flüssigkeitsströmung. Zudem ist das Primärzilium bei der [[Mitose|Zellteilung]] an der räumlichen Ausrichtung der Mitosespindel beteiligt.<ref>B. K. Yoder: [http://jasn.asnjournals.org/cgi/content/abstract/18/5/1381 ''Role of Primary Cilia in the Pathogenesis of Polycystic Kidney Disease.''] In: ''J Am Soc Nephrol'' 18, 2007, S.&nbsp;1381–1388. PMID 17429051</ref> Die beiden Polycystine bilden einen [[Calcium]]-regulierenden [[Ionenkanal]], der für Calcium-Ionen durchlässig ist. Der Polycystin-Komplex spielt mit mehreren Signalwegen und mechano-sensorischen Funktionen eine wichtige Rolle im Primärzilium. Die physiologische Funktion dieses [[Organell|Zellorganells]] ist bisher noch weitgehend unverstanden.<ref>B. K. Yoder u. a.: ''Molecular pathogenesis of autosomal dominant polycystic kidney disease.'' In: ''Expert Rev Mol Med'' 17, 2006, S.&nbsp;1-22. PMID 16515728</ref> Der Ursprung der Zysten kann in jedem Abschnitt eines Nephrons – vom [[Nierenkörperchen|Glomerulum]] bis zu den Sammelgängen (''Tubulus renalis colligens'') – seinen Ausgangspunkt haben. Erreichen die Zysten einen Durchmesser von über 0,2&nbsp;mm, so haben sie keine Verbindung mehr zu den [[Nephron|Nierenkanälchen]] (''Tubuli'').<ref>K. D. Gardner u. a.: ''Why renal cysts grow.'' In: ''Am J Physiol'' 266, 1994, F353-359. PMID 8160782</ref><ref name="helmig">S. Helmig: [http://deposit.ddb.de/cgi-bin/dokserv?idn=976072238&dok_var=d1&dok_ext=pdf&filename=976072238.pdf ''Populationsgenetische Untersuchung an dem PKD 1 Gen der Katze im Hinblick auf das Polyzystische Syndrom.''] Dissertation, Justus-Liebig-Universität Gießen, 2005.</ref> Damit sich die Zysten ausbilden können, muss sich die Anzahl der Zellen innerhalb der Zystenwand erhöhen. Dies geschieht durch eine exzessive Proliferation der Epithelzellen der Nieren. Dabei ist das Protein [[MTOR|mTor]] (''mammalian Target of Rapamycin'') [[Genregulation|hochreguliert]]. Im Zystenlumen muss sich außerdem, durch eine erhöhte Sekretion und/oder einen verminderten Abfluss, Flüssigkeit ansammeln. Diese transepitheliale Flüssigkeitssekretion ist abhängig von der sekundär aktiven Chloridionen-Sekretion. Die Chloridionen-Sekretion wird über den CFTR (''cystic fibrosis transmembrane conductance regulator'') oder über einen kalziumabhängigen Chloridkanal geregelt. Beide befinden sich in der [[Apikal#Biologie|apikalen]] [[Zellmembran]].<ref name="helmig"/> ==== Verlauf und Prognose ==== Der Verlauf der ADPKD ist langsam [[Progredienz|progredient]] (fortschreitend). Bereits vor dem Einsetzen der Niereninsuffizienz ist bei den betroffenen Patienten eine Störung der Harnkonzentrierung (Wasserrückresorption) feststellbar.<ref name="gabow1993"/><ref>D. Rizk und A. B. Chapman: ''Cystic and inherited kidney diseases.'' In: ''Am J Kidney Dis'' 42, 2003, S.&nbsp;1305–1317. PMID 14655206</ref><ref name="buchholz"/> Die Nierenfunktion erfährt im Anfangsstadium der Erkrankung durch die Zystenbildung keine Einschränkung. Erst ab einer Nierengröße von 1000&nbsp;cm<sup>3</sup> nimmt die Leistung ab. Liegt das Nierenvolumen oberhalb von 1500&nbsp;cm<sup>3</sup>, so reduziert sich die glomeruläre Filtrationsrate jährlich um etwa 4 bis 5&nbsp;ml·min<sup>-1</sup>. Durchschnittlich nimmt das Volumen der Nieren bei Patienten mit einem Nierenvolumen über 750&nbsp;cm<sup>3</sup> pro Jahr um über 5 % zu.<ref name="kuehn"/> Die ersten Symptome der Erkrankung werden meist im Alter zwischen 30 und 40 Jahren wahrgenommen. Allgemein liegt hier jedoch eine große Variationsbreite – oft auch innerhalb einer Familie – vor.<ref>M. H. K. Shokeir: ''Expression of adult polycystic kidney disease in childhood: a longitudinal study.'' In: ''Clin. Genet.'' 14, 1978, S.&nbsp;61–72. PMID 688689</ref> In fast allen Fällen führt die Erkrankung zur terminalen Niereninsuffizienz (endgültiges Nierenversagen). Frauen erreichen dieses Stadium durchschnittlich sechs Jahre später als Männer.<ref>N. Gretz u. a.: ''Is gender a determinant for evolution of renal failure? A study in autosomal dominant polycystic kidney disease.'' In: ''Am J Kidney Dis'' 14, 1989, S.&nbsp;178–183. PMID 2672797</ref> Ein weiteres Überleben ist dann nur noch durch eine Nierenersatztherapie, das heißt Dialyse oder Nierentransplantation, gewährleistet. Es ist noch nicht vollständig geklärt, warum polyzystische Nieren letztlich zur terminalen Niereninsuffizienz führen. Über die [[Atrophie|Druckatrophie]] des Parenchyms alleine lässt sich der Mechanismus nicht erklären. Chirurgische Eingriffe wie beispielsweise Punktionen bewirken keine Verzögerung des Krankheitsverlaufes. Aus [[Histologie|histologischen]] Untersuchungen lässt sich schließen, dass die Hypertonie ein wichtiger Faktor für das Fortschreiten (Progression) der Niereninsuffizienz ist.<ref name="faber"/> Neben der Genetik hat auch die Umgebung und die Lebensweise des Patienten einen Einfluss auf den Verlauf der ADPKD. Bei Frauen wurde beispielsweise festgestellt, dass mehrere [[Geburt|Entbindungen]], sowie andere [[estrogen]]e Faktoren den Krankheitsverlauf erheblich verschlechtern.<ref>R. Sherstha u. a.: ''Postmenopausal estrogen therapy selectively stimulates hepatic enlargement in women with autosomal dominant polycystic kidney disease.'' In: ''Hepatology'' 26, 1997, S.&nbsp;1282–1286. PMID 9362373</ref> Das im Vergleich zu Frauen beschleunigte Wachstum der Zysten und das frühzeitigere Erreichen des terminalen Nierenversagens bei Männern, wird ebenfalls auf hormonelle Einflüsse zurückgeführt.<ref>P. C. Harris u. a.: [http://jasn.asnjournals.org/cgi/content/full/17/11/3013 ''Cyst number but not the rate of cystic growth is associated with the mutated gene in ADPKD.''] In: ''J Am Soc Nephrol'' 17, 2006, S.&nbsp;3013–3019. PMID 17035604</ref><ref>R. Magistroni u. a.: ''Genotyperenal function correlation in type 2 autosomal dominant polycystic kidney disease.'' In: ''J Am Soc Nephrol'' 14, 2003, S.&nbsp;1164–1174. PMID</ref> Auch das [[Tabakrauchen]] beeinflusst – insbesondere bei Männern – die Progression der ADPKD negativ. Eine mögliche Erklärung sind hierbei die bekannten negativen Effekte des Rauchens auf die [[Blutgefäß]]e. <ref>S. R. Orth u. a.: [http://www.nature.com/ki/journal/v54/n3/abs/4490321a.html ''Smoking as a risk factor for end-stage renal failure in men with primary renal disease.''] In: ''Kidney Int'' 54, 1998, S.&nbsp;926–931. PMID 9734618</ref><ref>S. R. Orth u. a.: ''Smoking as a risk factor for end-stage renal failure in patients with primary renal disease.'' In: ''Contrib Nephrol'' 130, 2000, S.&nbsp;109–123. PMID 10892557</ref><ref name="rosetti"/> ==== Lebenserwartung ==== [[Bild:PKD_survival_01.png|thumb|Vergleich der Überlebensrate von Patienten mit ADPKD. In Blau: Mutationen in PKD1. In Rot: Mutationen in PKD2. In Grün: Kontrollgruppe ohne ADPKD.<ref name="hateboer">N. Hateboer: ''Comparison of phenotypes of polycystic kidney disease types 1 and 2.'' In: ''[[The Lancet]]'' 353, 1999, S.&nbsp;103–107. PMID 10023895</ref>]] In einer Studie wurden 333 Patienten aus 31 Familien mit PKD1 und 291 Patienten mit PKD2 aus ebenfalls 31 Familien, mit einer 398 Personen starken, geografisch identischen, Kontrollgruppe verglichen. PKD1-Patienten erreichten ein mittleres Alter von 53,0&nbsp;Jahren (±1,8&nbsp;Jahre; 95 % Wahrscheinlichkeit). PKD2-Patienten kamen dagegen auf durchschnittlich 69,1&nbsp;Jahre (±2,2&nbsp;Jahre; 95 %), während die Personen aus der Kontrollgruppe 78,0&nbsp;Jahre (±4,2&nbsp;Jahre; 95 %) wurden (siehe dazu nebenstehende Grafik).<ref name="hateboer"/> ==== Todesursachen ==== In einer retrospektiven Studie wurde die Todesursache von 129 Patienten mit ADPKD analysiert. Danach verstarben 36 % an einer [[Herzerkrankung]] und 24 % an [[Infektion]]en. Bei den Infektionen lag in 94 % der Fälle eine [[Sepsis]] (Blutvergiftung) vor. Bei den [[Obduktion]]en wurde bei 89 % aller Patienten eine [[Herzhypertrophie]] und bei 81 % eine [[Koronare Herzkrankheit]] festgestellt. Ein [[Neurologie|neurologisches]] Ereignis führte bei 12 % der Patienten und die Ruptur eines [[Aneurisma#Hirn-Aneurysmata|Hirn-Aneurysma]] bei 6 % zum Tod. Durch Bluthochdruck bedingte Hirnblutungen waren in 5 % und ein [[ischämischer Schlaganfall]] bei 1 % der Patienten die Todesursache. Kein Patient verstarb an [[Nierenkrebs]].<ref>G. M. Fick u. a.: ''Causes of death in autosomal dominant polycystic kidney disease.'' In: ''J Am Soc Nephrol'' 5, 1995, S.&nbsp;2048-2456. PMID 7579053</ref> === Autosomal-rezessive polyzystische Nierenerkrankung === [[Bild:Autorecessive 01.png|thumb|Der autosomal-rezessive Erbgang]] Die autosomal-[[rezessiv]]e polyzystische Nierenerkrankung ('''ARPKD'''), auch als '''Schwammniere''' oder '''Potter I-Niere''' bezeichnet, manifestiert sich bereits in der Kindheit. Die [[Prävalenz]] dieser Erkrankung liegt bei Neugeborenen im Bereich von 1:6000 bis 1:40.000, durchschnittlich bei 1:20.000. Die Erkrankung ist somit relativ selten. Die [[Penetranz (Genetik)|Penetranz]] ist vollständig.<ref>Mayo Medical Clinic: [http://www.mayomedicallaboratories.com/test-catalog/Clinical+and+Interpretive/88912 ''Autosomal Recessive Polycystic Kidney Disease (ARPKD), Known Mutation.''] eingesehen am 11. November 2008</ref> Etwa jeder siebzigste Mensch ist Träger der Mutation (siehe Grafik autosomal-rezessiver Erbgang).<ref>R. Witzgall: [http://www.uni-regensburg.de/Fakultaeten/nat_Fak_III/Anatomie/Witzgall/CurrMolMed_5,_455_(2005).pdf ''New Developments in the Field of Cystic Kidney Diseases.''] In: ''Current Molecular Medicine'' 5, 2005, S.&nbsp;455–465. PMID 16101475</ref> Mutationen im [[PKHD1]]–Gen – das beim Menschen auf [[Chromosom 6 (Mensch)|Chromosom 6]], [[Genlocus]] p21.1-p12 liegt – können zur Ausbildung von Zystennieren führen.<ref name="zerres">K. Zerres u.a.: ''Autosomal recessive polycystic kidney disease.'' In: ''J Mol Med'' 76, 1998, S.&nbsp;303–309. PMID 9587064</ref><ref name="shaikewitz">S. T. Shaikewitz u. a.: [http://jasn.asnjournals.org/cgi/reprint/3/12/1858 ''Autosomal recessive polycystic kidney disease: Issues regarding the variability of clinical presentation.''] In: ''J Am Soc Nephrol'' 3, 1993, S.&nbsp;1858–1862. PMID 8338916</ref><ref name="kappe">E. C. Kappe: [http://geb.uni-giessen.de/geb/volltexte/2008/5997/ Molekularbiologische Untersuchungen am PKD1-Gen der Katze.''] Dissertation, Justus-Liebig-Universität Giessen, 2008.</ref> Das von PKHD1 kodierte Protein [[Fibrocystin]] findet sich zusammen mit [[Polycystin-2]] im [[Basalkörper]] der [[Zilie|primären Zilien]]. In der [[apikal]]en Domäne polarisierter epithelialer Zellen ist es offensichtlich in die Bildung der [[Nephron|Tubuli]] und/oder der Aufrechterhaltung der Architektur des [[Lumen (Biologie)|Lumens]] des [[Sammelrohr]]s involviert.<ref>M. Z. Zhang u. a.: ''PKHD1 protein encoded by the gene for autosomal recessive polycystic kidney disease associates with basal bodies and primary cilia in renal epithelial cells.'' In: ''Proc Nat Acad Sci'' 101, 2004, S.&nbsp;2311-2316. PMID 14983006</ref> Dem entsprechend sind bei der ARPKD im wesentlichen die Sammelrohre von der Zystenbildung betroffen.<ref name="faber"/> Die ARPKD manifestiert sich bei Patienten bereits in sehr jungen Jahren (''[[early onset]]''). Der Altersbereich beträgt 0 bis 20&nbsp;Jahre. Die mittlere Lebenserwartung der betroffenen Kinder beträgt sechs Jahre. Man unterscheidet zwischen [[Perinatalperiode|perinataler]] (28. Schwangerschaftswoche bis sieben Tage nach der Geburt), [[Neugeborenes|neonataler]] (neugeboren), [[Infantilismus|infantiler]] (kindlich) und [[juvenil]]er (jugendlich) Form. Je geringer das Alter der Manifestation ist, um so schlechter ist dabei die [[Prognose#Der Begriff Prognose in der Medizin|Prognose]].<ref name="faber">U. Faber: [http://deposit.ddb.de/cgi-bin/dokserv?idn=961993413 ''Langzeitverlauf bei Adulter Polyzystischer Nierendegeneration nach Nierentransplantation.''] Dissertation, Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, 2000.</ref> === NPH-MCKD-Komplex === :''→ siehe Hauptartikel [[NPH-MCKD-Komplex]], [[Medullär-zystische Nierenerkrankung Typ 2]], [[Medullär-zystische Nierenerkrankung Typ 1]], [[Nephronophthisis]]'' Der NPH-MCKD-Komplex (''nephronophthisis-medullary cystic kidney disease'') ist eine Gruppe von genetisch bedingten Erkrankungen der Niere, die zu einer Zystenniere führt. Der Erbgang ist im Fall der Nephronophthisis autosomal-rezessiv, während er bei den beiden Formen der medullär-zystischen Nierenerkrankung autosomal-dominant ist. Die Erkrankungen haben als gemeinsames Krankheitsbild die Ausbildung von Zystennieren an der Rinde-Mark-Grenze (kortikomedulläre Grenze). Alle Krankheiten des NPH-MCKD-Komplexes führen in Abhängigkeit vom betroffenen Gen in bestimmten Altersbereichen zum terminalen Nierenversagen. === Bardet-Biedl-Syndrom === :''→ siehe Hauptartikel [[Laurence-Moon-Biedl-Bardet-Syndrom]]'' Das Bardet-Biedl-Syndrom (BBS) ist eine sehr seltene oligogenetische<ref>L. M. Guay-Woodford: ''Renal cystic diseases: diverse phenotypes converge on the cilium/centrosome complex.'' In: ''Pediatric Nephrology'' 21, 2006, S.&nbsp;1369–1376. PMID 16823577</ref> Erbkrankheit mit autosomal-dominantem Erbgang. Die Ursache der Erkrankung sind Mutationen auf den BBS-Genen 1 bis 12. Neben der Ausbildung von polyzystischen Nieren<ref name="kuehn"/><ref>T. Benzing u. a.: ''[http://jasn.asnjournals.org/cgi/content/full/18/5/1389 Wnt signaling in polycystic kidney disease.]'' In: ''J Am Soc Nephrol'' 18, 2007, S.&nbsp;1389-1398. PMID 17429050</ref> kommt es zu einer [[Degeneration]] der [[Netzhaut]], kindlicher [[Adipositas]], [[Geistige Behinderung|geistiger Behinderung]], [[Missbildung]]en des [[Harn- und Geschlechtsapparat]]es und [[Polydaktylie]] (Vielfingerigkeit).<ref>S. J. Ansley u. a.: ''Basal body dysfunction is a likely cause of pleiotropic Bardet–Biedl syndrome.'' In: ''[[Nature]] 425, 2003, S.&nbsp;628–633. PMID: 14520415</ref> === Tuberöse Sklerose === :''→ siehe Hauptartikel [[Tuberöse Sklerose]]'' Bei der autosomal-dominant vererbten tuberösen Sklerose sind einzelne Nierenzysten häufig. Seltener tritt auch eine polyzystische Nierenerkrankung auf. Ursache hierfür sind meist größere Deletionen, die sowohl das bei der tuberösen Sklerose betroffene TSC2-Gen als auch das PKD1-Gen betreffen; beide Gene sind in enger Nachbarschaft auf [[Chromosom 16 (Mensch)|Chromosom 16]] lokalisiert.<ref>Sampson et al.: ''Renal cystic disease in tuberous sclerosis: role of the polycystic kidney disease 1 gene.'' Am J Hum Genet. 1997 Oct;61(4):843-51. PMID 9382094</ref> === Oro-fazio-digitales Syndrom Typ 1 (OFD 1) === [[Bild:X-chromosomal-dominant-Mutter.png|thumb|Der X-chromosomal-dominante Erbgang]] :''→ siehe Hauptartikel [[Oro-fazio-digitales Syndrom Typ 1]]'' Das Oro-fazio-digital Syndrom Typ 1, auch Papillon-Leage-Psaume-Syndrom genannt, ist eine sehr seltene [[X-Chromosom|X-chromosomal]]-dominant vererbte Krankheit. Die Prävalenz liegt bei Neugeborenen bei etwa 1:250.000. Die Krankheit weist eine Reihe unterschiedlicher Symptome, vor allem im Gesichts- und Mundbereich auf, sowie der bei vielen Patienten zu beobachtenden Neigung zu polyzystischen Nieren.<ref>A. A. Connacher u. a.: ''Orofaciodigital syndrome type I associated with polycystic kidneys and agenesis of the corpus callosum.'' In: ''J. Med. Genet.'' 24, 1987, S.&nbsp;116–122. PMID 3560170</ref> Letztere werden meist oft sehr spät diagnostiziert, wenn die Niereninsuffizienz schon weit fortgeschritten ist.<ref>S. A. Feather u. a.: ''Oral-facial-digital syndrome type 1 is another dominant polycystic kidney disease: clinical, radiological and histopathological features of a new kindred.'' In: ''Nephrol. Dial. Transplant'' 12, 1997, S.&nbsp;1354–1361. PMID 9249769</ref> Die Erkrankung ist für das männliche Geschlecht [[pränatal]] tödlich.<ref name="prati">E. Prati: [http://www.orpha.net/data/patho/GB/uk-OFD1.pdf ''Oro-facio-digital sydrome type 1.''] In: ''Orphanet Encyclopedia'' Oktober 2004</ref> Beim [[Oro-fazio-digitales Syndrom Typ 2]], ''OFD2'' beziehungsweise ''Mohr-Syndrom'' genannt, werden keine Veränderungen an den Nieren beobachtet. == Erworbene Zystennieren == Eine besondere Form der Endstadiumniere, die als ''sekundäre polyzystische Transformation'' oder auch als ''erworbene Zystenniere'' (engl.: ''acquired cystic kidney disease'', '''ACKD''') bezeichnet wird, entwickelt sich bei 40 bis 50 % aller Patienten nach Langzeitdialyse.<ref>K. Zerres und S. Rudnik-Schöneborn: ''Polyzystische Nierenerkrankungen.'' In: ''Handbuch der Molekularen Medizin'' Springer-Verlag, Band 7 (Teil 2), 2000, S.&nbsp;281–295.</ref> Sie ist eine sehr ernst zu nehmende [[Komplikation]] beim terminalen Nierenversagen (ESRD).<ref name="matson">M. A. Matson und E. P. Cohen: ''Acquired cystic kidney disease: occurrence, prevalence, and renal cancers.'' In: ''Medicine (Baltimore)'' 69, 1990, S.&nbsp;217–226. PMID 2374506</ref> Bei [[Transplantation|Transplantierten]] können dabei sowohl die eigenen Nieren als auch das Transplantat betroffen sein.<ref>W. Remmele: ''Pathologie 5.'' Springer, 1997, ISBN 3-540-61098-7 S.&nbsp;172.</ref> Ursache für die Ausbildung der erworbenen dialysebedingten Zystennieren ist meist eine mehrjährige Dialyse wegen [[Analgetikanephropathie]]. Bei Patienten mit terminaler Niereninsuffizienz treten Zysten an den Nieren sehr häufig auf. Häufigkeit und Zystengröße wachsen mit zunehmender Dialysedauer an.<ref>Universität Basel:[http://alf3.urz.unibas.ch/pathopic/fulltxt.cfm?id=1410 ''Sekundäre Zystenniere nach Dialyse wegen Analgetika-Nephropathie.''] Abbildung eines Histologischen Präparates, eingesehen am 8. September 2008</ref> Von der Erkrankung sind beide Geschlechter gleich häufig betroffen, wobei das Alter der Patienten keine Rolle spielt. Die Wahrscheinlichkeit, dass sich als weitere Komplikation eine [[Nierenkrebs]]erkrankung einstellt, ist signifikant – insbesondere bei männlichen Patienten – erhöht.<ref name="matson"/> == Therapie == [[Bild:Sirolimus.svg|thumb|Sirolimus (Rapamycin)]] Derzeit gibt es kein zugelassenes Medikament zur Behandlung einer polyzystischen Nierenerkrankung. Bei etwa 50 % aller ADPKD-Patienten – die das Gros der Patienten mit einer polyzystischen Nierenerkrankung bilden – wird im Laufe ihres Lebens eine Nierenersatztherapie notwendig. Eine Heilung ist nur durch eine [[Nierentransplantation]] möglich. === Adjuvante Maßnahmen === Der Einstellung des arteriellen Blutdruckes, meist mit Hilfe von [[ACE-Hemmer]]n, hat als adjuvante Maßnahme eine besondere Bedeutung bei polyzystischen Nieren. Darüber hinaus gibt eine Reihe von Empfehlungen für Patienten mit Zystennieren, die zwar ebenfalls keine Heilung ermöglichen, aber die Krankheitsfortschritt (Progression) für den Patienten günstiger gestalten. Da [[Koffein]] im Verdacht steht das Zystenwachstum zu beschleunigen,<ref>F. A. Belibi u. a.: [http://jasn.asnjournals.org/cgi/content/full/13/11/2723 ''The effect of caffeine on renal epithelial cells from patients with autosomal dominant polycystic kidney disease.''] In: ''J Am Soc Nephrol'' 13, 2002, S.&nbsp;2723–2729. PMID 12397042</ref> sollten Patienten auf koffeinhaltige Getränke möglichst verzichten.<ref name="faber"/> Eine salzarme [[Diät]] hilft den Blutdruck zu senken, der mit einer gestörten Ausscheidung von Natrium-Ionen in Zusammenhang steht.<ref>M. Schmid u. a.: ''Natriuresis-pressure relationship in polycystic kidney disease.'' In: ''J. Hypertens.'' 8, 1990, S.&nbsp;277–283. PMID 2159509</ref> [[Nichtsteroidales Antirheumatikum|Nichtsteroidale Antirheumatika]], [[Analgetikum|Mischanalgetika]], bestimmte [[Antibiotikum|Antibiotika]] und andere [[Nephrotoxin|nierentoxische]] Medikamente sollten weitgehend gemieden werden. Zysteninfektionen werden dagegen möglichst frühzeitig mit zysten- beziehungsweise [[Galle|gallengängigen]] Antibiotika behandelt.<ref>B. Z. Colleen: ''Polycystic Kidney Disease: An Overview and Commentary.'' In: ''Dialysis and Transplantation'' 28, 1999, S.&nbsp;468–474.</ref> === Nierenersatztherapie === [[Bild:GambroAK200.jpg|thumb|Eine Hämodialysemaschine vom Typ Gambro AK200]] :''→ siehe Hauptartikel [[Nierenersatztherapie]]'' Nur die Nierenersatztherapie, das heißt Dialyse oder Nierentransplantation, sichert nach der terminalen Niereninsuffizienz das Überleben des Patienten. In den meisten Fällen erfolgt die Dialyse in Form der ''Hämodialyse'', da durch die übergroßen Nieren – und oft auch Leber – der Bauchraum sehr beengt ist und eine ''Peritonealdialyse'' somit nicht möglich ist. Die Nierentransplantation ist – wenn möglich – der Dialyse vorzuziehen. Sie ermöglicht die Wiederherstellung der körperlichen Leistungsfähigkeit, der [[Lebensqualität]] und der [[Integration (Soziologie)|sozialen Integration]] der Patienten. Sie verbessert außerdem die Lebenserwartung gegenüber der Dialyse erheblich. Problematisch sind die langen Wartezeiten auf Spendernieren, bedingt durch die geringe Anzahl an verfügbaren Spendernieren. Polyzystische Nieren werden – gegenüber der früheren üblichen Praxis – nur in Ausnahmefällen, wenn beispielsweise die Nierenvolumina eine kritische Größe angenommen haben, prätransplantativ entfernt.<ref>H. H. Knispel u. a.: ''Transplantation in autosomal dominant polycystic kidney disease without nephrectomy.'' In: ''Urol. Int.'' 56, 1996, S.&nbsp;75–78. PMID 8659014</ref><ref name="faber"/><ref>Y. Pirson u. a.: ''Outcome of renal replacement therapy im autosomal dominant polycystic kidney disease.'' In: ''Nephrol Dial Transplant'' 11, 1996, S.&nbsp;24–28. PMID 9044324</ref> === Zukünftige Therapieansätze === Die Behandlung von Patienten mit Zystennieren verursacht alleine in den USA jährliche Kosten in Höhe von über 1 Mrd US$.<ref name="grantham">J. J.Grantham: [http://www.pubmedcentral.nih.gov/articlerender.fcgi?tool=pubmed&pubmedid=12053711 ''Polycystic kidney disease: old disease in a new context.''] In: ''Trans Am Clin Climatol Assoc'' 113, 2002, S.&nbsp;211–224. PMID 12053711</ref> Diese Summe ergibt sich im wesentlichen aus den Kosten für die nach dem terminalen Nierenversagen notwendige Nierenersatztherapie. Vermehrung und Größenzunahme der dünnwandigen, flüssigeitsgefüllten Zysten hängt zwei Prozessen ab: [[Zellproliferation|Proliferation]] von Zellen des Zystenepithels und [[Sekretion]] von Flüssigkeit in die Zysten. Beide Prozesse sind von [[Cyclisches Adenosinmonophosphat|cAMP]] abhängig. cAMP stimuliert den [[Ras (Protein)|Ras]]/[[MAP-Kinase-Weg]] und führt so zu einem abnormalen Zellwachstum. Zudem aktiviert cAMP den [[Cystic Fibrosis Transmembrane Conductance Regulator|CFTR]]-[[Chloridkanal]] und fördert so die Flüssigkeitssekretion in die Zysten. <ref>Calvet JP.: ''Strategies to inhibit cyst formation in ADPKD.'' In.: ''Clin J Am Soc Nephrol.'' 2008 Jul;3(4):1205-11. PMID 18434615</ref> Derzeit in Erprobung befindliche Therapieansätze setzen an beiden cAMP-abhängigen Prozessen an, um Zystenbildung und -wachstum zu verlangsamen. ==== Bildgebende Verfahren und Untersuchung neuer Therapieansätze ==== Das Durchschnittsalter bei Diagnosestellung der ADPKD liegt derzeit bei 27 Jahren. Wenn eine Nierenfunktionseinschränkung eintritt, kommt es zu einer raschen Abnahme der [[glomeruläre Filtrationsrate|GFR]] von ≈5.9 ml/min pro Jahr. Bislang war keine randomisierte Studie in diesem späten Stadium der Erkrankung in der Lage, den günstigen Effekt einer Behandlung nachzuweisen. Wegen der langen präsymptomatischen Phase und des späten Auftretens der [[Niereninsuffizienz]] sind die [[Primärer Endpunkt|primären Endpunkte]], welche üblicherweise bei Studien zu chronischen Nierenerkrankungen untersucht werden, wie Zeit bis zur Dialysebehandlung, Verdoppelung des Serum-[[Kreatinin]]s oder Tod, bei Studien zu polyzystischen Nierenerkrankungen nur bedingt brauchbar.<ref>A. B. Chapman: ''Approaches to testing new treatments in autosomal dominant polycystic kidney disease: insights from the CRISP and HALT-PKD studies.'' In: ''Clin J Am Soc Nephrol.'' 3, 2008, S.&nbsp;1197–1204. PMID 18579674</ref> Aus diesem Grund wurde das ''Consortium for Radiologic Imaging Studies of Polycystic Kidney Disease'' (CRISP) gegründet, dessen Aufgabe es ist, bildgebende Verfahren zu untersuchen, die in den Frühstadien Aussagen zum Erkrankungsverlauf ermöglichen. Ein wichtiges Ergebnis der Untersuchungen von CRISP mittels [[Magnetresonanztomographie]] ist, dass bei Patienten mit ACPKD, die Zysten kontinuierlich und quantifizierbar wachsen, und das Zystenwachstum mit der Abnahme der Nierenfunktion korreliert. Das heißt eine stärkere Zunahme der Zystengröße ist mit einer schnelleren Abnahme der Nierenfunktion assoziiert.<ref>J. J. Grantham u. a.: ''Volume progression in polycystic kidney disease.'' In: ''NEJM'' 354, 2006, S.&nbsp;2122–2230. PMID 16707749</ref> ''HALT-Polycystic Kidney Disease'' (HALT-PKD) ist eine prospektive Studie, mit der aktuell die Auswirkungen einer Blockade des [[Renin-Angiotensin-Aldosteron-System]]s und/oder einer strikten Blutdruck-Kontrolle im Frühstadium der Erkrankung auf das Zystenwachstum untersucht wird, bzw. in späteren Stadien der Erkrankung die Auswirkung auf Verdopplung des Serum-Kreatinins, Dialysebeginn und Tod. ==== Hemmung der Zellproliferation ==== [[Bild:FKBP-sirolimus-mTOR complex 1FAP.png|thumb|Modell der Rapamycin-bindenden Domäne von mTOR (rot) in einem Komplex mit Rapamycin (Pink) and FKBP12 (blau).]] In den letzten Jahren konnten mit dem zunehmenden molekularbiologischen Wissen über die Ursachen der PKD neue Therapieansätze gefunden werden. Einige dieser Ansätze befinden sich zurzeit in der [[klinische Studie|klinischen Erprobung]]. Initiierend war dabei aber eher ein Zufallsbefund: bei einigen Patienten, die eine Fremdniere erhalten hatten, wurde in einer [[Retrospektive Studie|retrospektiven Studie]] festgestellt, dass die verbliebene polyzystische Niere an Volumen nicht weiter zunahm, sondern teilweise sich die Zysten etwas zurückbildeten.<ref>J. M. Shillingford u. a.: [http://www.pubmedcentral.nih.gov/articlerender.fcgi?tool=pubmed&pubmedid=16567633 ''The mTOR pathway is regulated by polycystin-1, and its inhibition reverses renal cystogenesis in polycystic kidney disease.''] In: ''Proc Natl Acad Sci'' 103, 2006, S.&nbsp;5466–5471. PMID 16567633</ref> Die Anzahl der Patienten in der ersten Studie war mit n=4 statistisch zwar nicht aussagekräftig, in verschiedenen [[Modellorganismus|Tiermodellen]] konnte der Effekt jedoch statistisch sicher nachgewiesen werden.<ref>Y. Tao u. a.: [http://jasn.asnjournals.org/cgi/content/full/16/1/46 ''Rapamycin Markedly Slows Disease Progression in a Rat Model of Polycystic Kidney Disease.''] In: ''J Am Soc Nephrol'' 16, 2005, S.&nbsp;46–51. PMID 15563559</ref><ref>P. R. Wahl u. a.: [http://ndt.oxfordjournals.org/cgi/content/full/21/3/598 ''Inhibition of mTOR with sirolimus slows disease progression in Han:SPRD rats with autosomal dominant polycystic kidney disease (ADPKD).''] In: ''Nephrol Dial Transplant'' 21, 2006, S.&nbsp;598–604. PMID 16221708</ref> Die offensichtliche Ursache für diese Verbesserung war die Einnahme von [[Sirolimus]] (Rapamycin), das den Patienten als [[Immunsuppressivum]] verabreicht wurde. Patienten mit einer Spenderniere müssen, um eine Abstoßung des Fremdorgans durch das körpereigene [[Immunsystem]] zu vermeiden, zeitlebens Immunsuppressiva einnehmen.<ref>S. M. Flechner u. a.: ''Transplantation.'' 74, 2002, S.&nbsp;1070–1076. PMID 12438948 </ref> Derzeit laufen in verschiedenen Ländern breit angelegte klinische Studien zur Überprüfung der Wirksamkeit von Sirolimus für eine mögliche Therapie polyzystischer Nieren.<ref>Q. Qian u. a.: ''Sirolimus reduces polycystic liver volume in ADPKD patients.'' In: ''J Am Soc Nephrol'' 19, 2008, S.&nbsp;631–638. PMID 18199797</ref><ref>C. L. Edelstein: ''Mammalian target of rapamycin and caspase inhibitors in polycystic kidney disease.'' In: ''Clin J Am Soc Nephrol.'' 3, 2008, S.&nbsp;1219–1226. PMID 18587045</ref> Neben Sirolimus und [[Derivat (Chemie)|Derivaten]] dieser Verbindung, wird auch an anderen potenziellen Substanzen geforscht, die zum Teil andere Signalwege nutzen. So sind beispielsweise die [[Cyclisches Adenosinmonophosphat|cAMP]]-[[Antagonist (Pharmakologie)|Antagonisten]] [[Somatostatin]]<ref name="masoumi">A. Masoumi u. a.: ''Potential pharmacological interventions in polycystic kidney disease.'' In: ''Drugs'' 67, 2007, S.&nbsp;2495–2510. PMID 18034588</ref> und [[Antidiuretisches Hormon|Vasopressin]]<ref name="masoumi"/> potenzielle Wirkstoffe, da erhöhte Werte von cAMP die Proliferation und Sekretion zystischer Epithelzellen stimulieren.<ref>F. A. Belibi u. a.: ''Cyclic AMP promotes growth and secretion in human polycystic kidney epithelial cells.'' In: ''Kidney Int'' 66, 2004, S.&nbsp;964–973. PMID 15327388</ref><ref>T. Yamaguchi u. a.: ''cAMP stimulates the in vitro proliferation of renal cyst epithelial cells by activating the extracellular signal-regulated kinase pathway.'' In: ''Kidney Int'' 57, 2000, S.&nbsp;1460–1471. PMID 10760082</ref> [[Triptolid]] ist ein kleines Molekül, das aus einem traditionellen chinesischen Medikament (''Thunder God Vine'') isoliert wurde, und das anti-proliferative und pro-[[Apoptose|apoptotische]] Eigenschaften aufweist. Triptolide fördert die Calcium-Freisetzung durch einen Polycystin-2 abhängigen Stoffwechselweg und hemmt im Tiermodell Zystenbildung und Zystenwachstum.<ref>[http://www.sciencedaily.com/releases/2007/03/070305202704.htm ''Triptolide: A Potential Drug For Polycystic Kidney Disease.''] In: ''Science Daily'' vom 12. März 2007</ref><ref>[http://www.sciencedaily.com/releases/2008/04/080402120508.htm ''Experiments Point To New Treatments For PKD.''] In: ''Science Daily'' vom 6. April 2008</ref><ref>S. J. Leuenroth u. a.: ''Triptolide Reduces Cystogenesis in a Model of ADPKD.'' In: ''J Am Soc Nephrol'' 19, 2008, S.&nbsp;1659–1662. PMID 18650476</ref><ref>S. J. Leuenroth u. a.: [http://www.pubmedcentral.nih.gov/articlerender.fcgi?tool=pubmed&pubmedid=17360534 ''Triptolide is a traditional Chinese medicine-derived inhibitor of polycystic kidney disease.''] In: ''Proc Natl Acad Sci'' 104, 2007, S.&nbsp;4389–4394. PMID 17360534</ref> ==== Hemmung der Flüssigkeitssekretion ==== Bei Patienten mit polyzstischer Nierenerkrankung sind die Spiegel von [[Antidiuretisches Hormon|antidiuretischem Hormon (Vasopressin)]] erhöht. Der V2-Vasopressin-Rezeptor wird im [[Nephron|distalem Tubulus]] und [[Nephron|Sammelrohr]] [[Genexpression|exprimiert]], der Stelle des Nephron, an der die Zystenbildung stattfindet. Vasopressin stimuliert über den V2-Rezeptor die Bildung von cAMP im distalen Tubulus.<ref>V. E. Torres: ''Role of vasopressin antagonists.'' In: ''Clin J Am Soc Nephrol.'' 3, 2008, S.&nbsp;1212–1218. PMID 18434616</ref> Im Tiermodell hemmen V2-Rezeptor-Antagonisten die Bildung von cAMP, Größenzunahme der Nieren und Zystenbildung und schützen die Nierenfunktion.<ref>V. E. Torres u. a.: ''Effective treatment of an orthologous model of autosomal dominant polycystic kidney disease.'' In.: ''Nat Med'' 10, 2004, S.&nbsp;363–364. PMID 14991049</ref> Der V2-Rezeptor-Antagonist [[Tolvaptan]] erwies sich bei Patienten mit ADPKD in [[Klinische_Studie#Phasen_einer_Studie|Phase II/III-Studien]] als sicher und gut verträglich. Eine Placebo-kontrollierte Doppelblindstudie an Patienten mit ADPKD, normaler Nierenfunktion und einem Nierenvolumen über 750&nbsp;ml wird derzeit durchgeführt. == Komplikationen == [[Bild:MBq Harnleiterstein.jpg|thumb|Nierenstein in eine computertomografischen Aufnahme (siehe roter Pfeil)]] Typische Komplikationen bei Zystennieren sind [[Arterielle Hypertonie|Blutdruckerhöhung]] durch Stimulation des [[Renin-Angiotensin-Aldosteron-System]]s und [[Harnwegsinfekt]]e. Von den Harnwegsinfekten sind – bedingt durch die kürzeren Harnwege – insbesondere weibliche Patientinnen stark betroffen. In den meisten Fällen handelt es sich um [[Infektion]]en der [[Harnblase]] durch [[Gram-Färbung|gramnegativ]]e und [[Nosokomiale Infektion|nosokomial]]e Keime. Die Behandlung der Harnwegsinfekte erfolgt symptomatisch, vorzugsweise mit [[Lipophilie|lipophilen]] [[Antibiotika]]. Extreme Infektionen, wie beispielsweise eine [[Pyonephrose]] (eine eitrige [[Hydronephrose]]), können zur Entfernung der betroffenen Niere ([[Nephrektomie]]) führen.<ref name="faber"/> Während die Häufigkeit von [[Nierenstein]]en in der Bevölkerung bei etwa 5 % liegt, sind 10 bis 34 % der Patienten mit polyzystischen Nieren von diesen Ablagerungen betroffen. Eine mögliche Ursache für das erhöhte Vorkommen von Nierensteinen ist der niedrige [[pH-Wert]] im Urin der Betroffenen.<ref>V. E. Torres u. a.: ''Renal stone disease in autosomal dominant polycystic kidney disease.'' In: ''Am. J. Kidney Dis.'' 22, 1993, S,&nbsp;513–519. PMID 8213789</ref><ref name="faber"/> Je nach Autor und durchgeführter Studie haben 25 bis 75 % aller ADPKD-Patienten mit Zystennieren auch [[Leberzyste]]n.<ref>J. Milutinovic u. a.: ''Liver cysts in patients with autosomal dominant polycystic kidney disease.'' In: ''Am. J. Med.'' 68, 1980, S.&nbsp;741–744. PMID 7377224</ref><ref name="higashi">E. Higashihara u. a.: ''Clinical aspects of polycystic kidney disease.'' In: ''J. Urol.'' 147, 1992, S.&nbsp;329–332. PMID 1732586</ref><ref>Y. Itai u. a.: [http://www.ajronline.org/cgi/reprint/164/2/339 ''Hepatobiliary cysts in patients with autosomal dominant polycystic kidney disease: prevalence and CT findings.''] In: ''Am. J. Roentgenol.'' 164, 1995, S.&nbsp;339–342. PMID 7839965</ref> Die Anzahl der Leberzysten nimmt mit dem Alter der Patienten zu. Frauen sind von größeren und einer höheren Anzahl von Zysten an der Leber betroffen.<ref> P. A. Gabow u. a.: ''Risk factors for the development of hepatic cysts in autosomal dominant polycystic kidney disease.'' In: ''Hepatology'' 11, 1990, S.&nbsp;1033–1037. PMID 2365280</ref> Durch die Zysten kann die Leber erheblich vergrößert und regelrecht von Zysten durchsetzt sein. Die Funktion der [[Parenchym]]zellen ist in den meisten Fällen jedoch nicht beeinträchtigt.<ref>E. Levine u. a.: [http://www.ajronline.org/cgi/reprint/145/2/229 ''Liver cysts in autosomal-dominant polycystic kidney disease: clinical and computed tomographic study.''] In: ''Am. J. Roentgenol.'' 145, 1985, S.&nbsp;229–233. PMID 3875218</ref><ref>A. Telenti u. a.: ''Hepatic cyst infection in autosomal dominant polycystic kidney disease.'' In: ''Mayo Clin. Proc.'' 65, 1990, S.&nbsp;933–942. PMID 2198396</ref> So sind beispielsweise die Werte der [[Leberenzyme]] und des [[Bilirubin]] normal. Weiterreichende Komplikationen ergeben sich eher durch die Platzbeanspruchung der teilweise extrem vergrößerten Leber. Möglich sind dabei beispielsweise ein Hochstand des [[Zwerchfell]]s, eine Verengung einzelner Darmabschnitte, was zu einem erschwerten Nahrungstransport führen kann und die [[Obstruktion (Medizin)|Obstruktion]] größerer Blutgefäße, wie beispielsweise der ''[[Vena cava inferior]]''.<ref name="faber"/> Die ARPKD führt in der Leber zu einer Fibrose, [[Leberzirrhose|Zirrhose]] und zu einem erhöhten Druck in der [[Pfortader]] ([[portale Hypertension]]).<ref name="faber"/> In anderen Organen wie beispielsweise [[Bauchspeicheldrüse]], [[Milz]] oder [[Eierstock|Eierstöcke]] finden sich Zysten bei Patienten mit polyzystischen Nieren erheblich seltener.<ref name="higashi"/> Bereits 1904 wurde ein Zusammenhang zwischen polyzystischen Nieren und [[Aneurysma#Aneurysma spurium/falsum|zerebralem Aneurysma]] beschrieben. Die Daten über die Prävalenz schwanken zwischen 4,5 und 22,5 %.<ref>W. I. Schievink u. a.: [http://jasn.asnjournals.org/cgi/reprint/3/1/88 ''Saccular intracranial aneurysms in autosomal dominant polycystic kidney disease.''] In: ''J. Am. Soc. Nephrol.'' 3, 1992, S.&nbsp;88–95. PMID 1391712</ref><ref>A. B. Chapman u. a.: ''Intracranial aneurysms in autosomal dominant polycystic kidney disease.'' In: ''NEJM'' 327, 1992, S.&nbsp;916–920. PMID 1513348</ref> Ein möglicher Riss (Ruptur) des betroffenen Blutgefäßes ist eine der gefürchtetsten Komplikationen bei Zystennieren und in nahezu 50 % der Fälle tödlich.<ref name="faber"/> == Zystennieren in der Veterinärmedizin == [[Bild:PKD cat.jpg|thumb|Eine Zystenniere bei einer 13 Jahre alten Katze im Ultraschall]] ''→ Hauptartikel: [[PKD der Katze]]'' Auch in der [[Veterinärmedizin|Tiermedizin]] sind Zystennieren weit verbreitet. Insbesondere bei [[Perserkatze]]n ist dieses Krankheitsbild häufig anzutreffen. Bei ihnen werden Zystennieren autosomal-dominant vererbt. Die Ursache sind – wie in den meisten Fällen beim Menschen – Mutationen des PKD1-Gens. Dieses befindet sich bei Katzen auf dem Chromosom E3. Bei betroffenen Perserkatzen liegt eine [[Punktmutation]] in [[Exon]] 29 des PKD1-Gens vor.<ref>L. A. Lyons u. a.: [http://jasn.asnjournals.org/cgi/content/full/15/10/2548 ''Feline Polycystic Kidney Disease mutation identified in PKD1.''] In: ''J. Am. Soc. Nephrol.'' 15, 2004, S.&nbsp;2548–2555. PMID 15466259</ref><ref name="kappe"/> == Geschichtliches == [[Bild:William Osler 1881.jpg|thumb|William Osler (1881)]] [[Felix Lejars]] (1863–1932) benutzte in seiner [[Dissertation]]<ref>F. Lejars: ''Du gros reins polykystique de l'adulte.'' Dissertation, 1888, Paris</ref> 1888 erstmals den Begriff ''polyzystische Nieren''.<ref>B. Schulze: [http://www.medreports.de/medpdf06/mreport44_06.pdf Zystennieren: Auf dem Weg zu einer behandelbaren Erkrankung.] In: ''MedReport'' 44, 2006, S.&nbsp;5.</ref> Der [[Kanada|kanadische]] Mediziner [[William Osler]] beschrieb sie 1915.<ref>W. Osler: ''The diagnosis of polycystic kidney.'' In: ''Internat Clin'' Philadelphia, 2, 1915, S.&nbsp;1–5.</ref><ref>L. P. Brendan u. a.: [http://arpa.allenpress.com/arpaonline/?request=get-document&doi=10.1043%2F1543-2165(2008)132%5B261:DSWOPA%5D2.0.CO%3B2 ''Did Sir William Osler Perform an Autopsy at The Johns Hopkins Hospital?''] In: ''Archives of Pathology and Laboratory Medicine'' 2, 132, 2007, S.&nbsp;261–264.</ref> Bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts befassten sich nur wenige Veröffentlichungen mit diesem Krankheitsbild. Dalgaard erkannte 1957 in seiner [[Dissertation]] als erster den autosomal-dominanten Erbgang der ADPKD.<ref>O. Z. Dalgaard: ''Bilateral polycystic disease of the kidneys.'' In: ''Acta Med Scand'' 328, 1957, S.&nbsp;1–255. PMID 13469269</ref> 1985 wurde von Reeders und Kollegen der Genlocus von PKD1 auf Chromosom 16 beim Menschen entdeckt.<ref>S. T. Reeders u. a.: ''A highly polymorphic DNA marker linked to adult polycystic kidney disease on chromosome 16.'' In: ''[[Nature]]'' 317, 1985, S.&nbsp;542–544. PMID 2995836 </ref> == Einzelnachweise == <div class="references-small"> <references /> </div> == Literatur == === Fachartikel === * W. Kühn und G. Walz: ''[http://www.aerzteblatt.de/v4/archiv/artikel.asp?src=suche&id=57422 ''Autosomal dominante polyzystische Nierenerkrankung.]'' In: ''Dtsch Arztebl'' 104, 2007, S.&nbsp; A3022–8. * S. Shab-Par: ''[http://www.medizin-medien.info/dynasite.cfm?dssid=4171&dsmid=83091&dspaid=653327 ''Polyzystische Nierenerkrankung: Everolimus im Probelauf.]'' In: ''ClinCum'' 10, 2007. * I. Ishikawa: ''Acquired renal cystic disease.'' In: ''The Cystic Kidney'' Kluwer, 1990, ISBN 9-780-79230-3923 S.&nbsp;351–377. * J. J. Grantham und P. A. Gabow: ''Polycystic Kidney Disease.'' In: ''Diseases of the Kidney'' Little Brown, 1988, S.&nbsp;583–615. === Fachbücher === * M. L. Watson (Editor): ''Polycystic kidney disease.'' Oxford Univ. Press, 1996. ISBN 0-192-62578-0 * H. M. Sass und P. Schröder (Herausgeber): ''Patientenaufklärung bei genetischem Risiko.'' LIT Verlag, 2003, S.&nbsp;147–198. ISBN 3-825-84987-2 === Patienteninformationen === * A. B. Chapman und L. M. Guay-Woodford: ''The Family and ADPKD: A Guide for Children and Parents.'' Polycystic Kidney Research Foundation, 1997, ISBN 0-961-45675-2 === Populärwissenschaftlich === * T. Kotlorz: [http://www.welt.de/welt_print/article1046844/Neue_Hoffnung_fuer_Nierenkranke.html ''Neue Hoffnung für Nierenkranke.''] In: ''[[Die Welt]]'' Ausgabe vom 23. Juli 2007 * H. Jänz: [http://www.welt.de/print-welt/article221322/Hoffen_auf_die_Niere.html ''Hoffen auf die Niere.] In: ''Die Welt'' Ausgabe vom 3. Juni 2006 == Weblinks == * [http://www.pkdcure.de PKD Familiäre Zystennieren e. V.] * [http://www.urologielehrbuch.de/adpkd.html Urologielehrbuch: Autosomal dominante polyzystische Nierenerkrankung (ADPKD)] * [http://www.zystennieren.de/ zystennieren.de] Ruhr-Universität Bochum * {{PathoPic|001455|Postmortales Angiogramm einer Zystenniere}} * {{PathoPic|008917|ADPKD (Potter Typ I)}} * {{PathoPic|008959|Polyzystische Niere nach terminaler Niereninsuffizienz}} * {{PathoPic|008885|ARPKD (Potter Typ I)}} * {{PathoPic|000957|Zwei polyzystische Nieren und eine Transplantatniere}} {{Gesundheitshinweis}} {{Exzellent}} [[Kategorie:Krankheitsbild in der Nephrologie]] [[Kategorie:Krankheitsbild in der Urologie]] [[Kategorie:Fehlbildung]] [[Kategorie:Erbkrankheit]] [[en:Polycystic kidney disease]] [[es:Enfermedad poliquística renal]] [[et:Autosomaalne dominantne polütsüstneer]] [[fr:Polykystose rénale]] [[it:Rene policistico]] [[ja:多発性嚢胞腎]] [[nl:Polycysteuze nieren]] [[pl:Wielotorbielowatość nerek]] [[pt:Doença do rim policístico]] [[sv:Polycystisk njursjukdom]] [[tl:Mabukol na karamdaman ng bato]] [[zh:多囊性腎病變]] fj5y7qn9u7zhe98acgqpt15xgapcuuz wikitext text/x-wiki Vorlage:Navigationsleiste Babylonische Astronomie 10 24563 27170 2008-11-18T11:42:52Z W!B: 0 so? {{Navigationsleiste |TITEL=Babylonische Astronomie |INHALT= [[Babylonischer Kalender|Kalendersystem]]&nbsp;&#124; [[Babylonische Mathematik|Rechensystem]]<br /> [[Ephemeriden-Texte (Babylonien)|ACT-Texte]]&nbsp;&#124; [[Astronomische Beobachtungstexte (Babylonien)|Astronomische Beobachtungstexte]]&nbsp;&#124; [[Astrolab B]]&nbsp;&#124; [[Enuma Anu Enlil]]&nbsp;&#124; [[GADEx-Texte (Babylonien)|GADEx-Texte]]&nbsp;&#124; [[Kidinnu]]&nbsp;&#124; [[Nabu-rimanni]]&nbsp;&#124; [[Nibiru]]&nbsp;&#124; [[Venus-Tafeln des Ammi-saduqa]] }}<noinclude> [[Kategorie:Vorlage:Navigationsleiste Geschichte|Babylonische Astronomie]] </noinclude> 7fr1b4ei4918jj86rbjqiguwtrzbd94 wikitext text/x-wiki Vorlage:BibISBN/0863141765 10 24564 27171 2009-11-04T22:54:44Z Chatter 290 +Kat {{BibRecord | Autor = E. 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ISBN 0-8020-3142-0 ([http://www.biographi.ca/009004-119.01-e.php?&id_nbr={{{1}}} englisch], [http://www.biographi.ca/009004-119.01-f.php?&id_nbr={{{1}}} französisch])<noinclude> == Beschreibung == Vorlage mit einem [[Wikipedia:Datenbanklinks|Datenbanklink]] zur Einbindung von Weblinks zur Datenbank des Dictionary of Canadian Biography / Dictionnnaire biographique du Canada : <nowiki>{{DCB|Parameter 1|Parameter 2}}</nowiki> == Aufbau == * Parameter 1: ID-Nummer der Biografie * Parameter 2: Name der Person, falls abweichend von Artikeltitel [[Kategorie:Vorlage:Datenbanklink|Dictionary of Canadian Biography]] </noinclude> kazivjszk92zj2hpid1hjie4d26i8p3 wikitext text/x-wiki Vorlage:Info ISO-3166-2:CA-BC 10 24576 27185 2008-05-27T18:44:11Z Boente 0 Neu erstellt {{#switch: {{lc:{{{1|}}} }} |continent = Nordamerika <!--Administration--> |level = 1 |maxlevel= 1 |acronym = BC |top = CA |upper = CA |lemma = British Columbia |admname = British Columbia |admtype = Provinz |0 = Kanada |1 = British 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Dazu eignet sich etwa die [[Vorlage:Literatur]], bei der die Vorlage:Zeno-Werk dann unter dem Parameter <code>Online</code> verwendet werden kann. :<code><nowiki>{{</nowiki>Literatur | Autor=Jules Verne | Titel= Reise nach dem Mittelpunkt der Erde | Sammelwerk=Bekannte und unbekannte Welten. Abenteuerliche Reisen von Julius Verne | Band=Band III | Auflage=1. | Verlag=Gebrüder Légrády | Ort=Wien/Pest/Leipzig | Jahr=1873 | Originaltitel= Voyage au centre de la terre | Originalsprache= frz. | Übersetzer= | Online= '''<nowiki>{{</nowiki>Zeno-Werk|/Literatur/M/Verne,+Jules/Romane/Reise+nach+dem+Mittelpunkt+der+Erde|2. Aufl. 1874|ref=ja}}''' }}</code> {{Literatur | Autor=Jules Verne | Titel= Reise nach dem Mittelpunkt der Erde | TitelErg= | Sammelwerk=Bekannte und unbekannte Welten. Abenteuerliche Reisen von Julius Verne | Band=Band III | Auflage=1. | Verlag=Gebrüder Légrády | Ort=Wien/Pest/Leipzig | Jahr=1873 | Originaltitel= Voyage au centre de la terre | Originalsprache= frz. | Übersetzer= | Online= {{Zeno-Werk|/Literatur/M/Verne,+Jules/Romane/Reise+nach+dem+Mittelpunkt+der+Erde|2. 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[[Heilbronn|Heilbronn]] poly 198 269 199 268 202 268 203 267 206 267 207 266 208 266 209 265 210 264 209 263 208 262 206 261 216 261 216 263 217 264 218 265 219 265 220 266 221 267 222 267 223 266 224 265 226 265 227 264 230 264 230 265 229 266 229 267 228 268 227 269 227 273 227 274 229 275 230 276 231 276 232 275 233 274 234 274 235 275 237 276 240 276 241 275 242 275 243 274 244 274 245 273 246 272 247 272 247 273 248 274 246 275 246 276 246 277 245 278 244 278 242 279 241 280 241 281 240 281 239 282 238 282 238 284 237 284 235 285 234 286 233 286 233 286 232 289 232 289 232 291 231 290 230 290 229 289 227 289 227 290 226 290 226 294 225 294 225 296 224 297 221 297 221 293 220 292 219 291 218 290 210 290 210 289 209 288 208 287 207 286 206 285 205 285 204 284 203 283 202 283 201 282 202 281 203 280 203 279 202 278 201 277 201 276 200 275 201 274 201 274 200 273 199 272 198 272 [[Ilsfeld|Ilsfeld]] poly 55 179 60 179 61 178 62 178 63 177 65 177 66 176 68 176 69 175 71 175 72 174 74 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[[Jagsthausen|Jagsthausen]] poly 87 165 91 165 92 166 97 167 98 165 102 165 103 166 106 167 107 165 108 165 109 166 111 166 112 165 113 165 112 166 112 169 113 170 113 176 114 177 113 178 113 179 114 180 115 181 115 182 114 182 113 183 112 184 113 185 114 186 115 187 114 188 113 189 114 190 114 191 113 191 112 190 111 191 110 192 110 193 109 192 108 192 107 193 106 194 105 193 99 193 98 194 95 194 94 195 93 196 92 196 91 197 90 197 89 196 89 195 90 194 89 193 88 192 89 191 88 190 87 189 88 188 89 187 90 186 90 185 91 184 91 182 90 181 89 180 88 179 87 178 87 177 86 176 86 173 87 172 87 170 88 170 89 169 90 168 89 167 88 166 [[Kirchardt|Kirchardt]] poly 268 161 270 160 271 159 272 158 272 159 274 157 276 157 276 156 277 155 277 154 284 154 285 155 286 155 287 156 294 156 294 160 295 161 297 160 298 161 301 161 302 162 305 162 305 163 306 164 306 165 307 166 305 166 304 167 303 167 302 168 301 169 300 170 299 171 298 172 298 173 298 174 296 174 295 175 295 177 294 177 293 178 294 179 294 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[[Neckarwestheim|Neckarwestheim]] poly 227 92 236 92 237 93 237 93 238 94 242 94 243 95 245 95 246 94 247 93 248 92 248 95 249 96 250 97 252 97 252 100 250 101 247 101 247 101 246 102 246 104 247 104 247 107 246 109 246 110 247 111 246 112 246 113 246 117 247 117 247 118 248 119 248 121 249 123 250 124 251 124 252 124 253 124 254 123 254 123 256 124 261 124 262 126 266 125 265 126 264 128 263 128 262 128 260 128 260 128 259 126 258 126 249 126 249 126 248 126 247 126 243 125 243 124 240 124 240 125 238 125 238 126 231 126 230 127 229 127 228 128 227 129 226 129 225 130 224 131 223 130 222 132 221 132 220 133 219 134 218 135 216 135 216 134 215 134 214 133 214 132 213 132 212 130 210 129 210 128 209 128 209 124 210 125 212 124 213 122 213 120 212 120 212 118 213 117 214 116 214 114 215 113 215 112 216 112 217 113 218 113 219 112 220 112 220 110 221 110 222 110 223 109 224 108 224 103 225 101 225 99 226 98 226 96 227 95 [[Neudenau|Neudenau]] poly 225 133 226 132 227 132 228 131 229 129 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poly 137 236 138 236 139 235 140 235 141 234 142 235 143 235 144 234 145 233 146 233 147 232 150 232 150 233 151 234 152 235 153 234 154 234 155 233 161 233 162 232 163 232 164 233 165 234 166 235 167 236 168 237 169 238 170 239 171 240 172 241 173 242 173 244 172 244 171 245 170 246 170 247 169 247 168 248 165 248 164 247 161 247 160 248 159 248 158 249 157 248 154 248 153 249 152 249 152 248 152 247 152 246 151 245 150 244 148 244 147 245 142 245 141 246 141 245 140 244 139 243 137 243 139 243 140 242 141 241 141 240 140 239 141 238 140 237 139 236 [[Nordheim (Württemberg)|Nordheim]] poly 257 241 257 240 256 239 258 238 258 237 258 236 257 235 256 235 257 234 257 233 258 232 258 231 259 229 260 228 260 226 259 225 259 224 258 223 259 222 258 216 255 216 256 213 257 212 257 211 258 210 259 209 261 209 262 210 263 210 264 211 265 212 265 211 267 211 268 210 269 209 274 209 276 210 275 213 276 214 277 215 278 216 279 216 280 217 282 216 282 216 283 217 285 218 286 218 287 217 289 217 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(Württemberg)|Pfaffenhofen]] poly 250 53 256 53 256 54 258 55 258 56 258 57 259 58 260 59 262 60 263 60 263 61 263 63 263 63 263 65 263 66 266 66 268 67 270 67 271 68 272 69 272 70 272 72 268 72 267 73 266 74 265 75 264 76 264 78 263 79 263 80 262 80 261 79 257 79 256 78 254 78 253 79 252 80 251 80 251 79 250 79 249 78 249 73 248 72 248 71 247 70 247 67 246 67 246 62 247 61 247 58 248 57 248 56 249 55 250 54 [[Roigheim|Roigheim]] poly 114 204 118 204 119 203 120 203 121 202 122 202 123 201 124 202 125 203 127 203 128 202 129 201 130 200 130 199 129 198 130 198 131 197 132 196 132 193 131 192 132 191 132 190 131 189 130 188 129 188 128 187 127 186 126 185 127 184 130 184 131 185 132 186 133 186 134 187 135 188 136 189 138 189 139 190 140 190 141 191 141 193 142 194 143 195 144 195 144 196 145 197 146 198 147 199 146 199 145 200 144 201 145 202 145 204 142 204 141 205 140 206 139 207 139 209 138 210 137 211 137 212 138 213 139 214 140 214 141 215 142 216 145 216 146 217 147 217 141 217 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135 128 [[Siegelsbach|Siegelsbach]] poly 179 252 180 251 181 252 182 252 182 253 183 253 184 252 185 251 185 250 184 249 185 248 184 247 184 246 185 245 187 245 188 246 188 247 189 248 190 249 191 249 192 250 194 250 195 251 197 251 198 252 199 253 200 254 201 255 203 255 204 256 210 256 211 257 212 257 213 258 215 258 216 259 207 259 206 260 205 261 206 262 207 263 208 264 207 264 206 265 203 265 202 266 199 266 198 267 197 268 196 267 195 267 194 268 193 268 192 269 191 269 190 268 189 267 188 266 187 265 187 264 186 263 185 262 186 261 187 260 187 256 186 255 185 254 [[Talheim (Landkreis Heilbronn)|Talheim]] poly 182 168 185 168 186 169 188 169 189 170 190 170 191 169 195 169 196 168 196 169 197 170 197 171 198 172 199 173 199 174 200 175 204 175 204 179 203 178 201 178 200 177 197 177 196 176 193 176 192 177 189 177 189 176 188 175 187 175 186 174 186 173 187 172 186 171 185 170 184 170 183 169 182 169 [[Untereisesheim|Untereisesheim]] poly 219 243 220 242 221 242 222 241 223 241 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[[Wüstenrot|Wüstenrot]] poly 48 264 51 264 52 263 55 263 57 262 57 261 65 261 66 260 69 260 70 261 71 261 72 262 74 262 75 263 77 263 78 264 82 264 81 265 81 266 80 267 79 268 79 269 78 270 78 272 77 273 77 275 78 276 78 277 77 277 76 278 76 281 75 282 75 285 74 286 74 288 73 289 73 290 73 291 72 290 71 290 70 289 66 289 65 288 63 288 62 287 58 287 57 286 54 286 53 287 53 289 52 290 51 291 50 290 49 290 49 285 48 284 48 283 51 283 52 282 52 278 51 277 51 276 52 275 51 274 52 273 52 272 51 271 51 269 51 268 46 268 47 267 49 267 50 266 50 265 [[Zaberfeld|Zaberfeld]] desc bottom-right }}<noinclude> Diese Vorlage erzeugt eine [[Verweissensitive Grafik|anklickbare Karte]] (eine sogenannte [[Hilfe:Bilder#Imagemaps|Imagemap]]) mit den Gemeinden des [[Landkreis Heilbronn|Landkreises Heilbronn]]. Verwendung mit Standardmaßen: <nowiki>{{</nowiki>{{PAGENAME}}|Bild.png}} <nowiki>{{</nowiki>{{PAGENAME}}|Bild.png|Name der Gemeinde}} Verwendung mit abweichenden Maßen: <nowiki>{{</nowiki>{{PAGENAME}}<nowiki>|Bild.png|thumb|299x299px|…}}</nowiki> <nowiki>{{</nowiki>{{PAGENAME}}<nowiki>|Bild=Bild.png|Maße=thumb{{!}}299x299px|Alt=…}}</nowiki> Es dürfen nur Bilder mit einer Basisgröße von 345&nbsp;×&nbsp;307 Pixeln eingesetzt werden. Die zur Verfügung stehenden Karten sind in der [[commons:Category:Locator maps of municipalities in the Landkreis Heilbronn|Kategorie ''Locator maps of municipalities in the Landkreis Heilbronn'']] aufgezählt. [[Kategorie:Vorlage:Imagemap Landkreis (Deutschland)|Heilbronn]] [[Kategorie:Vorlage:Baden-Württemberg|Imagemap Landkreis Heilbronn]] </noinclude> kwrcamysuhn5eabpzche3jbjeav6o5b wikitext text/x-wiki Vorlage:Navigationsleiste Städte und Gemeinden im Landkreis Heilbronn 10 24610 27223 2009-12-02T12:41:18Z Obersachsebot 0 Bot: Ergänze: [[id:Templat:Cities and towns in Heilbronn (district)]] {{Navigationsleiste |BILD=[[Datei:Wappen Landkreis Heilbronn.svg|40px|Wappen des Landkreises Heilbronn]] |TITEL=Städte und Gemeinden im [[Landkreis Heilbronn]] |INHALT= [[Abstatt]]&nbsp;&#124; [[Bad Friedrichshall]]&nbsp;&#124; [[Bad Rappenau]]&nbsp;&#124; [[Bad Wimpfen]]&nbsp;&#124; [[Beilstein (Württemberg)|Beilstein]]&nbsp;&#124; [[Brackenheim]]&nbsp;&#124; [[Cleebronn]]&nbsp;&#124; [[Eberstadt (Württemberg)|Eberstadt]]&nbsp;&#124; [[Ellhofen]]&nbsp;&#124; [[Eppingen]]&nbsp;&#124; [[Erlenbach (Landkreis Heilbronn)|Erlenbach]]&nbsp;&#124; [[Flein]]&nbsp;&#124; [[Gemmingen]]&nbsp;&#124; [[Güglingen]]&nbsp;&#124; [[Gundelsheim (Württemberg)|Gundelsheim]]&nbsp;&#124; [[Hardthausen am Kocher]]&nbsp;&#124; [[Ilsfeld]]&nbsp;&#124; [[Ittlingen]]&nbsp;&#124; [[Jagsthausen]]&nbsp;&#124; [[Kirchardt]]&nbsp;&#124; [[Langenbrettach]]&nbsp;&#124; [[Lauffen am Neckar]]&nbsp;&#124; [[Lehrensteinsfeld]]&nbsp;&#124; [[Leingarten]]&nbsp;&#124; [[Löwenstein]]&nbsp;&#124; [[Massenbachhausen]]&nbsp;&#124; [[Möckmühl]]&nbsp;&#124; [[Neckarsulm]]&nbsp;&#124; [[Neckarwestheim]]&nbsp;&#124; [[Neudenau]]&nbsp;&#124; [[Neuenstadt am Kocher]]&nbsp;&#124; [[Nordheim (Württemberg)|Nordheim]]&nbsp;&#124; [[Obersulm]]&nbsp;&#124; [[Oedheim]]&nbsp;&#124; [[Offenau]]&nbsp;&#124; [[Pfaffenhofen (Württemberg)|Pfaffenhofen]]&nbsp;&#124; [[Roigheim]]&nbsp;&#124; [[Schwaigern]]&nbsp;&#124; [[Siegelsbach]]&nbsp;&#124; [[Talheim (Landkreis Heilbronn)|Talheim]]&nbsp;&#124; [[Untereisesheim]]&nbsp;&#124; [[Untergruppenbach]]&nbsp;&#124; [[Weinsberg]]&nbsp;&#124; [[Widdern]]&nbsp;&#124; [[Wüstenrot]]&nbsp;&#124; [[Zaberfeld]] }}<noinclude> [[Kategorie:Vorlage:Navigationsleiste Städte und Gemeinden der Landkreise in Baden-Württemberg|Heilbronn]] [[da:Skabelon:Byer i Landkreis Heilbronn]] [[en:Template:Cities and towns in Heilbronn (district)]] [[id:Templat:Cities and towns in Heilbronn (district)]] [[it:Template:Circondario di Heilbronn]] [[ja:Template:ハイルブロン郡の市町村]] [[nl:Sjabloon:Navigatie district Heilbronn]] [[pl:Szablon:Powiat Heilbronn]] [[ro:Format:Heilbronn]] [[ru:Шаблон:Германия:Район Хайльбронн:Города]] [[vi:Bản mẫu:Cities and towns in Heilbronn (district)]] </noinclude> ozf67k8g8cue81bcc5m4tdxo86fh3cj wikitext text/x-wiki Vorlage:Fishbase 10 24611 27224 2010-05-07T13:41:07Z Haplochromis 0 {{ #if: {{booland|{{{g|}}}|{{{s|}}}}} | [http://filaman.uni-kiel.de/Summary/SpeciesSummary.php?genusname={{{g}}}&speciesname={{{s}}}&lang=German {{#if:{{{Name|}}}|{{{Name}}}|{{PAGENAME}}}}] auf [[FishBase|Fishbase.org]] (englisch) }}{{ #if: {{{Gattung|}}} | [http://filaman.uni-kiel.de/Eschmeyer/GeneraSummary.cfm?ID={{{Gattung}}} {{#if:{{{Name|}}}|{{{Name}}}|{{PAGENAME}}}}] auf [[FishBase|Fishbase.org]] (englisch) }}{{ #if: {{{Fischfamilie_ID|}}} | [http://filaman.uni-kiel.de/Summary/FamilySummary.cfm?ID={{{Fischfamilie_ID}}} {{#if:{{{Name|}}}|{{{Name}}}|{{PAGENAME}}}}] auf [[FishBase|Fishbase.org]] (englisch) }}{{ #if: {{{Ordnung|}}} | [http://filaman.uni-kiel.de/Summary/OrdersSummary.cfm?order={{{Ordnung}}} {{#if:{{{Name|}}}|{{{Name}}}|{{PAGENAME}}}}] auf [[FishBase|Fishbase.org]] (englisch) }}<noinclude>== Zweck == Diese Vorlage ermöglicht die Verlinkung weiterführender Informationen zu Fischen. == Parameter == {| class="wikitable" |- class="hintergrundfarbe5" ! Parameter ! Pflichtfeld ! Beschreibung ! Standardwert ! Hinweis |- | Name | style="text-align:center;" | [[Bild:No-Symbol.svg|16px|Nein]] | Name des Fisches bzw. der Gattung | Seitenname | optionaler Name, falls der anzuzeigende Name vom Seitennamen abweicht |- | g | style="text-align:center;" | [[Bild:No-Symbol.svg|16px|Nein]] | lateinischer Gattungsname | | Verweis auf eine Fischart mittels des lateinischen Gattungs- und Artennamens (benötigt die Angabe des Parameters <tt>s</tt>) |- | s | style="text-align:center;" | [[Bild:No-Symbol.svg|16px|Nein]] | lateinischer Artenname | | Verweis auf eine Fischart mittels des lateinischen Gattungs- und Artennamens (benötigt die Angabe des Parameters <tt>g</tt>) |- | Gattung | style="text-align:center;" | [[Bild:No-Symbol.svg|16px|Nein]] | lateinischer Gattungsname | | Verweis auf eine Fischgattung mittels eines lateinischen Gattungsnamens (es sind keine weiteren Parameter anzugeben) |- | Fischfamilie_ID | style="text-align:center;" | [[Bild:No-Symbol.svg|16px|Nein]] | ID der Fischfamilie | | Verweis auf eine Fischfamilie mittels einer ID (es sind keine weiteren Parameter anzugeben) |- | Ordnung | style="text-align:center;" | [[Bild:No-Symbol.svg|16px|Nein]] | lateinischer Ordnungsname | | Verweis auf eine Fischordnung mittels eines lateinischen Ordnungsnamens (es sind keine weiteren Parameter anzugeben) |} == Beispiele == * Verweis auf eine Fischart mittels des lateinischen Gattungs- und Artennamens ** <code><nowiki>{{fishbase|g=Clupea|s=harengus%20harengus}}</nowiki></code> ** [http://www.fishbase.org/Summary/SpeciesSummary.php?genusname=Clupea&speciesname=harengus%20harengus Atlantischer Hering] auf [[FishBase|Fishbase.org]] (englisch) * Verweis auf eine Fischgattung mittels eines lateinischen Gattungsnamens ** <code><nowiki>{{fishbase|Gattung=Glyptoperichthys}}</nowiki></code> ** [http://www.fishbase.org/Eschmeyer/GeneraSummary.cfm?ID=Glyptoperichthys Glyptoperichthys] auf [[Fishbase|Fishbase.org]] (englisch) * Verweis auf eine Fischfamilie mittels einer ID ** <code><nowiki>{{fishbase|Fischfamilie_ID=289}}</nowiki></code> ** [http://filaman.uni-kiel.de/Summary/FamilySummary.cfm?ID=289 Sägebarsche] auf [[Fishbase|Fishbase.org]] (englisch) * Verweis auf eine Fischordnung mittels eines lateinischen Ordnungsnamens ** <code><nowiki>{{fishbase|Ordnung=Scorpaeniformes}}</nowiki></code> ** [http://filaman.uni-kiel.de/Summary/OrdersSummary.cfm?order=Scorpaeniformes Panzerwangen] auf [[Fishbase|Fishbase.org]] (englisch) [[Kategorie:Vorlage:Datenbanklink|Fishbase]] </noinclude> sgcjrjolggu3rs2l5aob6ji926sv4cg wikitext text/x-wiki Vorlage:Navigationsleiste Sächsische Schmalspurbahnen 10 24612 27225 2007-12-31T16:57:04Z Rolf-Dresden 0 lf. {{Navigationsleiste | |TITEL=[[Sächsische Schmalspurbahnen]] (im Betrieb) |INHALT= [[Mügelner Netz|Döllnitzbahn]]&nbsp;&#124; [[Fichtelbergbahn]]&nbsp;&#124; [[Lößnitzgrundbahn]]&nbsp;&#124; [[Weißeritztalbahn]]&nbsp;&#124; [[Zittauer Schmalspurbahn|Zittauer&nbsp;Schmalspurbahn]] }}<noinclude> [[Kategorie:Vorlage:Navigationsleiste Schienenverkehr|Sächsische Schmalspurbahnen]] </noinclude> 1b6683ja4be5h4yytnv48rjwsbjkgxm wikitext text/x-wiki Vorlage:BibISBN/3861325845 10 24613 27226 2009-10-21T17:55:45Z Cvf-ps 0 Ralf Michael Hennemann: Haie & Rochen weltweit {{BibRecord | Autor = Ralf Michael Hennemann | Titel = Haie & Rochen weltweit | ISBN = 3861325845 | Jahr = 2001 | Verlag = Jahr Top Special | Ort = Hamburg | Auflage = 1. | LCCN = | Sprache = | GBS-id = | Seite = {{{Seite|}}} | Kommentar = {{{Kommentar|}}} | record = {{{record|}}} | format = {{{format|}}} }} nnpyztp349uruhzo7nwr7wpy42zw7vz wikitext text/x-wiki Vorlage:Filmportal.de Titel 10 24614 27227 2010-01-28T11:19:31Z PDD 110 korr. * ''[{{{URL|}}} {{{TITEL|{{PAGENAME}}}}}]'' bei [[filmportal.de]]<noinclude> == Verwendung == Dies ist ein Vorlage für deutsche Filmtitel, die in der Datenbank [[Filmportal.de]] erfasst sind. Die Vorlage sollte unter den Weblinks nach den [[Wikimedia]]- und den offiziellen Links stehen. Als erste Variable ist immer die URL des Films anzugeben. <pre> * {{Filmportal.de Titel|URL=http://www. ...}} </pre> === Bei vom Lemma abweichendem Filmtitel === Sofern das [[Lemma (Lexikografie)|Lemma]] vom eigentlichen Filmtitel abweicht, sollte man als zweite Variable den korrekten Filmtitel angeben. Dies ist zum Beispiel bei Spezifikationen wie ''[[Algol (Film)]]'' der Fall. <pre> * {{Filmportal.de Titel|URL=http://www. ...|TITEL=Filmtitel}} </pre> === Personennamen === Für Regisseure, Schauspieler und andere Mitarbeiter an einem Filmprojekt sollte die [[Vorlage:Filmportal.de Name]] verwendet werden. == Siehe auch == [[Vorlage:IMDb Titel]], [[Vorlage:Crew united Titel]] [[Kategorie:Vorlage:Datenbanklink Film und Fernsehen|Filmportal.de Titel]] </noinclude> ju6v2vgyc5ws4fnu871d5gwgisdvqcb wikitext text/x-wiki Vorlage:Navigationsleiste Filme von Dennis Gansel 10 24615 27228 2009-07-16T10:41:23Z PWS 0 neu angelegt {{Navigationsleiste Filmographie |Regisseur=[[Dennis Gansel]] |Filme= [[Das Phantom (2000)|Das&nbsp;Phantom]]&nbsp;&#124; [[Mädchen, Mädchen|Mädchen,&nbsp;Mädchen]]&nbsp;&#124; [[Napola – Elite für den Führer|Napola&nbsp;–&nbsp;Elite&nbsp;für&nbsp;den&nbsp;Führer]]&nbsp;&#124; [[Die Welle (2008)|Die&nbsp;Welle]] }}<noinclude> [[Kategorie:Vorlage:Navigationsleiste Regisseure|Gansel]] </noinclude> q92m75k9msynjcuijda5qmfnfjh8eb4 wikitext text/x-wiki Vorlage:ISSN-Link 10 24616 27229 2010-05-04T17:02:51Z Entlinkt 0 + Kat (bitte nicht mit der Begründung „Vorlage ist veraltet“ entfernen, sie ist noch 650-fach eingebunden) <noinclude> {{Veraltete Vorlage|[[Vorlage:Infobox Publikation|Infobox Publikation]] mit dem Feld "issn" oder eine verwandte Infobox}} </noinclude><span id="issnlink" class="issnlink" style="padding-right:20px;">ISSN: [http://dispatch.opac.d-nb.de/DB=1.1/CMD?ACT=SRCHA&IKT=8&TRM={{{1}}} {{{1}}}] {{#if: {{{2|}}} |, [http://dispatch.opac.d-nb.de/DB=1.1/CMD?ACT=SRCHA&IKT=8&TRM={{{2}}} {{{2}}}] }}</span><noinclude> Diese Vorlage erzeugt einen Link auf den [[Bibliothekskatalog|Katalog]] der [[Zeitschriftendatenbank]]. == Verwendung == Der Vorlage können ein oder zwei [[Internationale Standardseriennummer|ISS-Nummern]] übergeben werden. ; Verwendung mit einem Parameter: <code><nowiki>{{ISSN-Link|0173-8437}}</nowiki></code> ; Verwendung mit zwei Parametern: <code><nowiki>{{ISSN-Link|0029-6082|0937-6488}}</nowiki></code> == Siehe auch == * [[Vorlage:ISSN]] [[Kategorie:Vorlage:mit absoluter Positionierung|ISSN-Link]] </noinclude> cnpso0d80lm2g8zlu7d8fu2i6k0qrq7 wikitext text/x-wiki Vorlage:Hiero/Nebtiname 10 24617 27230 2009-12-02T16:30:07Z Obersachsebot 0 Bot: Ergänze: [[ru:Шаблон:Hiero/имя по Небти]] {|border="0" cellspacing="0" cellpadding="0" align="{{{2|left}}}" | <hiero>G16</hiero> |height="48px" width="0px"| {{{1}}} |}<noinclude> [[Kategorie:Vorlage:Fremdsprachenunterstützung|{{PAGENAME}}]] [[ru:Шаблон:Hiero/имя по Небти]] </noinclude> 09pi1b20p2eekj5a40d4n8np6nyy6z2 wikitext text/x-wiki Portal:Ägyptologie/Farbe1 0 24618 27231 2010-03-08T10:41:05Z GDK 0 #FFE39B<noinclude> {| class="prettytable" width="50%" |- ! 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colspan="7" | Farbübersicht zum Portal:Ägyptologie |- align="center" | Vorlage | bgcolor="{{Portal:Ägyptologie/Farbe1}}" | [[Portal:Ägyptologie/Farbe1]] | bgcolor="{{Portal:Ägyptologie/Farbe2}}" | [[Portal:Ägyptologie/Farbe2]] | bgcolor="{{Portal:Ägyptologie/Farbe3}}" | [[Portal:Ägyptologie/Farbe3]] | bgcolor="{{Portal:Ägyptologie/Farbe4}}" | [[Portal:Ägyptologie/Farbe4]] | bgcolor="{{Portal:Ägyptologie/Farbe5}}" | [[Portal:Ägyptologie/Farbe5]] | bgcolor="{{Portal:Ägyptologie/Farbe6}}" | [[Portal:Ägyptologie/Farbe6]] |- align="center" | Farbwert | bgcolor="{{Portal:Ägyptologie/Farbe1}}" | {{Portal:Ägyptologie/Farbe1}} | bgcolor="{{Portal:Ägyptologie/Farbe2}}" | {{Portal:Ägyptologie/Farbe2}} | bgcolor="{{Portal:Ägyptologie/Farbe3}}" | {{Portal:Ägyptologie/Farbe3}} | bgcolor="{{Portal:Ägyptologie/Farbe4}}" | {{Portal:Ägyptologie/Farbe4}} | bgcolor="{{Portal:Ägyptologie/Farbe5}}" | {{Portal:Ägyptologie/Farbe5}} | bgcolor="{{Portal:Ägyptologie/Farbe6}}" | {{Portal:Ägyptologie/Farbe6}} |- align="center" | Farbe | bgcolor="{{Portal:Ägyptologie/Farbe1}}" | | bgcolor="{{Portal:Ägyptologie/Farbe2}}" | | bgcolor="{{Portal:Ägyptologie/Farbe3}}" | | bgcolor="{{Portal:Ägyptologie/Farbe4}}" | | bgcolor="{{Portal:Ägyptologie/Farbe5}}" | | bgcolor="{{Portal:Ägyptologie/Farbe6}}" | |} </noinclude> c4r2kq9khv69aahnnn3h7tm6qg5tter wikitext text/x-wiki Vorlage:Info ISO-3166-2:DE-HB 10 24624 27237 2009-09-07T00:33:47Z Entlinkt 0 Positionskarte <onlyinclude>{{#switch: {{lc:{{{1|}}} }} |continent = Europa <!--Administration--> |level = 1 |maxlevel= 1 |acronym = HB |top = DE |upper = DE |lemma = Freie Hansestadt Bremen |admname = Freie Hansestadt Bremen |admtype = Land |0 = Deutschland |1 = Bremen |2 = |map = Deutschland Bremen |flag = Flag of Bremen.svg }}</onlyinclude>{{Vorlage:Info ISO-3166-2/Info}} j4b3gyc0v471mdnuf37e3ees45h8gv3 wikitext text/x-wiki Vorlage:Navigationsleiste Ortsteile von Wetzlar 10 24625 27238 2009-12-15T19:43:49Z Philipp Wetzlar 0 Stadtbezirke ergänzt {{Navigationsleiste |BILD=[[Bild:Wappen Wetzlar.svg|50px]] |TITEL=Stadtbezirke und Stadtteile von [[Wetzlar]] |INHALT= ''Stadtbezirke'': [[Wetzlar-Altstadt|Altstadt]]&nbsp;&#124; [[Wetzlar-Neustadt|Neustadt]]&nbsp;&#124; [[Wetzlar-Hauserberg|Hauserberg]]&nbsp;&#124; [[Wetzlar-Büblingshausen|Büblingshausen|]]&nbsp;&#124; [[Wetzlar-Sturzkopf|Sturzkopf]]&nbsp;&#124; [[Wetzlar-Stoppelberger Hohl|Stoppelberger Hohl]]&nbsp;&#124; [[Wetzlar-Nauborner Straße|Nauborner Straße]]&nbsp;&#124; [[Wetzlar-Silhöfer Aue|Silhöfer Aue]] (Westend)&nbsp;&#124; [[Wetzlar-Altenberger Straße|Altenberger Straße]]&nbsp;&#124; [[Wetzlar-Dalheim|Dalheim]]&nbsp;&#124; [[Wetzlar-Dillfeld|Dillfeld]]&nbsp;&#124; [[Wetzlar-Niedergirmes|Niedergirmes]]<br /> ''Stadtteile'': [[Blasbach]]&nbsp;&#124; [[Dutenhofen]]&nbsp;&#124; [[Garbenheim]]&nbsp;&#124; [[Hermannstein]]&nbsp;&#124; [[Münchholzhausen]]&nbsp;&#124; [[Nauborn]]&nbsp;&#124; [[Naunheim (Wetzlar)|Naunheim]]&nbsp;&#124; [[Steindorf (Wetzlar)|Steindorf]] }}<noinclude> [[Kategorie:Vorlage:Navigationsleiste Gemeindegliederung (Hessen)|Wetzlar]] </noinclude> oedke77hjymra6hn1mqs3qsbrlcfj17 wikitext text/x-wiki Vorlage:Navigationsleiste Städte und Gemeinden im Lahn-Dill-Kreis 10 24626 27239 2009-12-02T10:50:22Z Obersachsebot 0 Bot: Ergänze: [[ru:Шаблон:Германия:Район Лан-Дилль:Города]] {{Navigationsleiste |BILD=[[Bild:Wappen Lahn-Dill-Kreis.svg|40px|Wappen des Lahn-Dill-Kreises]] |TITEL=Städte und Gemeinden im [[Lahn-Dill-Kreis]] |INHALT= [[Aßlar]]&nbsp;&#124; [[Bischoffen]]&nbsp;&#124; [[Braunfels]]&nbsp;&#124; [[Breitscheid (Hessen)|Breitscheid]]&nbsp;&#124; [[Dietzhölztal]]&nbsp;&#124; [[Dillenburg]]&nbsp;&#124; [[Driedorf]]&nbsp;&#124; [[Ehringshausen]]&nbsp;&#124; [[Eschenburg]]&nbsp;&#124; [[Greifenstein (Hessen)|Greifenstein]]&nbsp;&#124; [[Haiger]]&nbsp;&#124; [[Herborn]]&nbsp;&#124; [[Hohenahr]]&nbsp;&#124; [[Hüttenberg (Hessen)|Hüttenberg]]&nbsp;&#124; [[Lahnau]]&nbsp;&#124; [[Leun]]&nbsp;&#124; [[Mittenaar]]&nbsp;&#124; [[Schöffengrund]]&nbsp;&#124; [[Siegbach]]&nbsp;&#124; [[Sinn (Hessen)|Sinn]]&nbsp;&#124; [[Solms]]&nbsp;&#124; [[Waldsolms]]&nbsp;&#124; [[Wetzlar]] }}<noinclude> [[Kategorie:Vorlage:Navigationsleiste Städte und Gemeinden der Landkreise in Hessen|Lahn-Dill-Kreis]] [[ca:Plantilla:Districtes rurals d'Alemanya Lahn-Dill]] [[da:Skabelon:Byer i Kreis Lahn-Dill]] [[en:Template:Towns and municipalities in Lahn-Dill-Kreis]] [[ru:Шаблон:Германия:Район Лан-Дилль:Города]] </noinclude> em2f6ub1knyc7ljbur2w1isstmombfb wikitext text/x-wiki Vorlage:MacTutor Biography 10 24627 27240 2010-05-04T09:03:40Z 91.52.151.195 , ''[http://www-history.mcs.st-andrews.ac.uk/{{#switch: {{{page|}}} | bio = Biographies | cur = Curves | ex = Extras | ht = HistTopics | misc = Miscellaneous | soc = Societies | #default = Biographies }}/{{{id}}}.html {{{title|{{PAGENAME}}}}}].'' In: ''[[MacTutor History of Mathematics archive]].'' (englisch)<noinclude> <div style="margin:1em; padding:1em; border:solid 1px #FF0040; background-color:#FFFFFF"> == Funktion == Diese Vorlage ist für Weblinks auf Seiten des [[MacTutor History of Mathematics archive]] (http://www-history.mcs.st-and.ac.uk/) gedacht, die immer nach dem gleichen Schema aufgebaut sind. == Parameter == Die Vorlage besitzt drei Parameter: ; Parameter id : Der Parameter gibt den Seitennamen, der zu verlinkenden Seite an (Pflichtangabe). ; Parameter title: Der Parameter gibt einen alternativen Linktext an (Optionale Angabe; Grundeinstellung ist ''<nowiki>{{PAGENAME}}</nowiki>''). ; Parameter page: Dieser Parameter bezeichnet den Namensraum im MacTutor History of Mathematics archive, in dem die Seite liegt (optionale Angabe; Grundeinstellung ist ''Biographies''). Die Parameterwerte für die Namensräume sind: :*Biographies: ''kein Verwendung des Parameters page'' (alternativ auch: bio) :*Curves: '''cur''' :*Extras: '''ex''' :*HistTopics: '''ht''' :*Miscellaneous: '''misc''' :*Societies: '''soc''' == Verwendungsbeispiel == Man möchte im Artikel [[Topologie (Mathematik)]] die Seite http://www-history.mcs.st-and.ac.uk/HistTopics/Topology_in_mathematics.html verlinken. Hierzu muss in den Artikel folgender Quelltext eingegeben werden: <nowiki>* {{MacTutor Biography|id=Topology_in_mathematics|title=A history of Topology|page=ht}}</nowiki> und man erhält: * {{MacTutor Biography|id=Topology_in_mathematics|title=A history of Topology|page=ht}} Den Parameter id ist die Angabe direkt vor .html (ab dem letzten Schrägstrich). Die Überschrift der verlinkten Seite ist der Parameterwert für title. Stimmt die Überschrift mit dem Lemma in Wikipedia überein, braucht dieser Parameter nicht verwendet zu werden. Der Namensraum kann direkt aus dem Link abgelesen werden; die Parameterwerte für die Namensräume stehen in obiger Liste. </div> [[Kategorie:Vorlage:Datenbanklink|MacTutor Biography]] [[als:Vorlage:MacTutor Biography]] [[en:Template:MacTutor]] </noinclude> 5rtbmxuvzahqcqhpmqbr5kfgpwm3u9k wikitext text/x-wiki Vorlage:ANNO 10 24628 27241 2010-04-30T18:54:15Z AleXXw 0 +1 <includeonly>{{#if: {{{AUTOR|}}}|{{{AUTOR}}}:&nbsp;|}}[http://anno.onb.ac.at/cgi-content/anno?apm=0{{#if:{{{1|}}}|&aid={{{1}}}|}}{{#if:{{{2|}}}|&datum={{{4}}}{{#switch: {{{3}}} | 1 | 01 = 01 | 2 | 02 = 02 | 3 | 03 = 03 | 4 | 04 = 04 | 5 | 05 = 05 | 6 | 06 = 06 | 7 | 07 = 07 | 8 | 08 = 08 | 9 | 09 = 09 | 10 | 11 | 12 = {{{3}}} |#default = FEHLER }}{{#switch: {{{2}}} | 1 = 01 | 2 = 02 | 3 = 03 | 4 = 04 | 5 = 05 | 6 = 06 | 7 = 07 | 8 = 08 | 9 = 09 | 10 | 11 | 12 | 13 | 14 | 15 | 16 | 17 | 18 | 19 = {{{2}}} | 20 | 21 | 22 | 23 | 24 | 25 | 26 | 27 | 28 | 29 = {{{2}}} | 30 | 31 = {{{2}}} |#default = FEHLER }}{{#if: {{{1|}}}|{{#if: {{{2|}}}|{{#if: {{{5|}}}|&seite={{{5}}}|}}|}}|}}}} {{#if: {{{6|}}}|''{{{6}}}''|{{#if: {{Boolxor|{{{1|}}}|{{{2|}}}}}|Von der Österreichischen Nationalbibliothek digitalisierte Ausgaben|{{#if: {{{5|}}}|Artikel|Gesamtausgabe}}}}}}]{{#if: {{{1|}}}|{{#if: {{{2|}}}|{{#if: {{{6|}}}|. 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Bitte diesen Fehler [[Vorlage Diskussion:ANNO|hier]] melden!''' </span>}}''|}}{{#if: {{{AB|}}}|, Abendblatt |{{#if: {{{ZUSATZ|}}}|, {{{ZUSATZ|}}} }}}}{{#if: {{{2|}}} |{{#if: {{{1|}}}|,|&nbsp;vom}} {{#switch: {{{2}}} | 1 | 01 = 1 | 2 | 02 = 2 | 3 | 03 = 3 | 4 | 04 = 4 | 5 | 05 = 5 | 6 | 06 = 6 | 7 | 07 = 7 | 8 | 08 = 8 | 9 | 09 = 9 | 10 | 11 | 12 | 13 | 14 | 15 | 16 | 17 | 18 | 19 = {{{2}}} | 20 | 21 | 22 | 23 | 24 | 25 | 26 | 27 | 28 | 29 = {{{2}}} | 30 | 31 = {{{2}}} |#default = FEHLER }}. {{Monat Name-Nummer|{{{3}}}|F|AT}} {{{4}}}|}}{{#if: {{{5|}}}|, S. {{#if: {{{AB|}}}{{{ALTSEITE|}}}|{{{ALTSEITE|{{{AB}}}}}}|{{{5}}}}}|}} (Online bei [[Anno (Austrian Newspapers Online)|ANNO]])</includeonly><noinclude> {{Dokumentation}} </noinclude> bpy7qgrl433tk0r70bt43zwnftvibfk wikitext text/x-wiki Vorlage:AZ 10 24629 27242 2010-03-02T15:32:49Z AleXXw 0 Jänner anstatt Januar <noinclude> == Vorlage für Verweis auf die Arbeiter-Zeitung mit Link auf die Online-Ausgabe == Die [[Arbeiter-Zeitung]] ist eine der wenigen deutschsprachigen Zeitungen der Nachkriegszeit, die ein frei zugängliches, fast vollständiges Online-Archiv bietet: Die Jahrgänge von 1945 bis 1989 stehen zur Verfügung und bieten sich für Links zu aktueller Berichterstattung zu Ereignissen aus diesen Jahren an. == Syntax == <pre><nowiki> {{AZ|Titel|Jahr|Monat|Tag|Seite}} </nowiki></pre> Die Seite ist optional, default ist 1. Das sollte so aussehen: {{AZ|Titel|Jahr|Monat|Tag|1}} Beilage: Wenn die Seite Teil einer Beilage ist, ist nach der Seite der Parameter „b“ anzugeben. <pre><nowiki> {{AZ|Titel|Jahr|Monat|Tag|Seite|b}} </nowiki></pre> {{AZ|Titel|Jahr|Monat|Tag|1|b}} == Beispiele == <pre><nowiki> {{AZ|Ein Russe flog in den Weltraum|1961|4|13|1}} </nowiki></pre> <pre><nowiki> {{AZ|Der Dienst am Kunden hat immer Vorrang|1973|2|24|12|b}} </nowiki></pre> {{SORTIERUNG:Arbeiter-Zeitung}} [[Kategorie:Vorlage:Datenbanklink]] [[Kategorie:Vorlage:Österreich]] </noinclude><includeonly>''[http://www.arbeiter-zeitung.at/cgi-bin/archiv/flash.pl?seite={{{2}}}{{padleft:{{{3}}}|2}}{{padleft:{{{4}}}|2}}{{#ifeq: {{{6}}} | b | _B | _A}}{{padleft:{{{5|1}}}|2}};html=1 {{{1}}}].'' In: ''[[Arbeiter-Zeitung]].'' {{#ifeq: {{{6}}} | b | Beilage.}} Wien {{{4}}}.&nbsp;{{Monat Name-Nummer|{{{3}}}|F|AT}} {{{2}}}, S.&nbsp;{{{5|1}}}.</includeonly> njwez756xkqp643x2hsh36h2gufwymd wikitext text/x-wiki Vorlage:Info ISO-3166-2:AT-9 10 24630 27243 2009-09-15T02:07:06Z Entlinkt 0 {{#switch: {{lc:{{{1|}}} }} |continent = Europa <!--Administration--> |level = 1 |maxlevel= 1 |acronym = 9 |top = AT |upper = AT |admname = Wien |lemma = Wien |admtype = Bundesland |0 = Österreich |1 = Wien |2 = |map = Österreich Wien |flag = Flag of Wien.svg }}<noinclude>{{Info ISO-3166-2/Info}}</noinclude> bqf9z1yud0a0d9reqyga06pn00054gc wikitext text/x-wiki Vorlage:Info ISO-3166-2:CH-BS 10 24631 27246 2008-05-23T07:37:47Z Visi-on 0 {{#switch: {{lc:{{{1|}}} }} |continent = Europa <!--Administration--> |level = 1 |maxlevel= 1 |acronym = BS |top = CH |upper = CH |lemma = Kanton Basel-Stadt |admname = Kanton Basel-Stadt |admtype = Kanton |0 = Schweiz |1 = Basel-Stadt |2 = |map = Schweiz |flag = Bale-coat of arms.svg }}<noinclude>{{Vorlage:Info ISO-3166-2/Info}}</noinclude> 884xewbmf4qk0k3zu6xjcne1sccfyzz wikitext text/x-wiki Vorlage:Navigationsleiste Klassische Philologie in Göttingen 10 24632 27247 2010-01-21T15:35:43Z Jonathan Groß 12 nach der Aufstellung bei U. Schindel übernommen {{Navigationsleiste |BILD=[[Datei:Uni Göttingen Siegel.png|50px|Logo der Universität Göttingen]] |TITEL=[[Liste der Klassischen Philologen an der Georg-August-Universität Göttingen|Inhaber der Lehrstühle für Klassische Philologie]] an der [[Georg-August-Universität Göttingen|Universität Göttingen]] |INHALT= [[Johann Matthias Gesner]] (1734–1761)&nbsp;&#124; [[Christian Gottlob Heyne]] (1763–1812)&nbsp;&#124; [[Christoph Wilhelm Mitscherlich]] (1814–1835)&nbsp;&#124; [[Karl Friedrich Hermann]] (1842–1856)&nbsp;&#124; [[Ernst Curtius]] (1856–1868)&nbsp;&#124; [[Kurt Wachsmuth]] (1869–1877)&nbsp;&#124; [[Karl Dilthey]] (1877–1887)&nbsp;&#124; [[Wilhelm Meyer (Philologe)|Wilhelm Meyer]] (1887–1889)&nbsp;&#124; [[Friedrich Leo]] (1889–1914)&nbsp;&#124; [[Richard Reitzenstein]] (1914–1928)&nbsp;&#124; [[Eduard Fraenkel]] (1928–1931)&nbsp;&#124; [[Kurt Latte]] (1931–1935)&nbsp;&#124; [[Hans Drexler]] (1940–1945)&nbsp;&#124; [[Kurt Latte]] (1946–1957)&nbsp;&#124; [[Karl Deichgräber]] (1957–1969)&nbsp;&#124; [[Klaus Nickau]] (1970–2000)&nbsp;&#124; [[Heinz-Günther Nesselrath]] (seit 2001) [[Georg Ludolf Dissen]] (1814–1837)&nbsp;&#124; [[Ernst von Leutsch]] (1837–1883)&nbsp;&#124; [[Ulrich von Wilamowitz-Moellendorff]] (1883–1897)&nbsp;&#124; [[Georg Kaibel]] (1897–1901)&nbsp;&#124; [[Eduard Schwartz]] (1902–1909)&nbsp;&#124; [[Paul Wendland]] (1909–1915)&nbsp;&#124; [[Max Pohlenz]] (1916–1937)&nbsp;&#124; [[Karl Deichgräber]] (1938–1946)&nbsp;&#124; [[Walter F. 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'''Y:''' Sofern das [[Lemma (Lexikografie)|Lemma]] vom eigentlichen Film- oder Serientitel abweicht, muss man als 2. Variable den richtigen Filmtitel angeben. Dies ist zum Beispiel bei Spezifikationen, wie ''[[Titanic (1997)]]'' der Fall. [[Kategorie:Vorlage:Datenbanklink Film und Fernsehen|Rottentomatoes]] [[als:Vorlage:Rotten-tomatoes]] [[en:Template:Rotten-tomatoes]] [[es:Plantilla:Rotten-tomatoes]] </noinclude> bzxtot1s50zmhqqeroyhankqdydmury wikitext text/x-wiki Vorlage:Deutschlandlastig 10 24636 27251 2010-01-03T22:57:44Z Chaddy 11 <onlyinclude>{| id="Vorlage_Deutschlandlastig" {{Bausteindesign3|class=noprint}} | [[Datei:Flag of Germany.svg|24px|Deutschlandlastige Artikel|verweis=Wikipedia:Deutschlandlastige Artikel]] | style="width: 100%;" | Dieser Artikel oder Absatz stellt die [[Wikipedia:Deutschlandlastige Artikel|Situation in Deutschland]] dar. 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In: ''Straßennamenlexikon des [[Luisenstädtischer Bildungsverein|Luisenstädtischen Bildungsvereins]]'' (beim&nbsp;[[Kaupert#Straßenführer|Kaupert]])}} | {{#switch:{{{art|-}}} | a | h = [http://luise-berlin.de/strassen/bez{{{bez|}}}{{{art}}}/{{{id|}}}.htm {{#if: {{{bez|}}} | |!!! ''' FEHLER! Parameter ''bez'' fehlt'''}}{{#if: {{{id|}}} | | !!! ''' FEHLER! Parameter ''id'' fehlt'''}}{{#ifeq: {{{art}}} | h | ''}}{{{name|** FEHLER! Parameter ''name'' fehlt}}}{{#ifeq: {{{art}}} | h | ''}}{{#ifeq: {{{abk|}}} | | ]. In: ''Straßennamenlexikon des [[Luisenstädtischer Bildungsverein|Luisenstädtischen Bildungsvereins]]'' | ] bei Luise}} | - = [http://luise-berlin.de/strassen Straßennamenlexikon] des [[Luisenstädtischer Bildungsverein|Luisenstädtischen Bildungsvereins]] | #default = '''FEHLER! 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95551 <!--Schwerin, Landeshauptstadt--> | 13005000 = 57866 <!--Stralsund, Hansestadt--> | 13006000 = 44730 <!--Wismar, Hansestadt--> | 13051001 = 2847 <!--Admannshagen-Bargeshagen--> | 13051002 = 530 <!--Alt Bukow--> | 13051004 = 11294 <!--Bad Doberan, Stadt--> | 13051006 = 1285 <!--Bartenshagen-Parkentin--> | 13051007 = 1110 <!--Bastorf--> | 13051008 = 358 <!--Benitz--> | 13051009 = 2586 <!--Bentwisch--> | 13051010 = 1270 <!--Biendorf--> | 13051011 = 830 <!--Blankenhagen--> | 13051013 = 1715 <!--Börgerende-Rethwisch--> | 13051014 = 484 <!--Bröbberow--> | 13051015 = 3092 <!--Broderstorf--> | 13051016 = 823 <!--Cammin--> | 13051089 = 7329 <!--Dummerstorf--> | 13051019 = 4271 <!--Elmenhorst/Lichtenhagen--> | 13051020 = 1740 <!--Gelbensande--> | 13051021 = 222 <!--Gnewitz--> | 13051022 = 4278 <!--Graal-Müritz--> | 13051023 = 191 <!--Grammow--> | 13051028 = 825 <!--Hohenfelde--> | 13051033 = 378 <!--Kassow--> | 13051036 = 334 <!--Kirch Mulsow--> | 13051037 = 754 <!--Klein Kussewitz--> | 13051040 = 3195 <!--Kritzmow--> | 13051041 = 4832 <!--Kröpelin, Stadt--> | 13051042 = 7210 <!--Kühlungsborn, Stadt--> | 13051043 = 2917 <!--Lambrechtshagen--> | 13051045 = 262 <!--Mandelshagen--> | 13051046 = 1084 <!--Mönchhagen--> | 13051047 = 4104 <!--Neubukow, Stadt--> | 13051049 = 1797 <!--Nienhagen--> | 13051050 = 160 <!--Nustrow--> | 13051051 = 2504 <!--Papendorf--> | 13051053 = 931 <!--Pölchow--> | 13051054 = 711 <!--Poppendorf--> | 13051059 = 890 <!--Reddelich--> | 13051062 = 2270 <!--Rerik, Stadt--> | 13051063 = 924 <!--Retschow--> | 13051064 = 2712 <!--Roggentin--> | 13051066 = 2468 <!--Rövershagen--> | 13051067 = 314 <!--Rukieten--> | 13051068 = 5831 <!--Sanitz--> | 13051071 = 5206 <!--Schwaan, Stadt--> | 13051072 = 536 <!--Selpin--> | 13051073 = 1396 <!--Stäbelow--> | 13051074 = 476 <!--Steffenshagen--> | 13051075 = 581 <!--Steinfeld--> | 13051076 = 146 <!--Stubbendorf--> | 13051077 = 3987 <!--Tessin, Stadt--> | 13051078 = 477 <!--Thelkow--> | 13051079 = 561 <!--Thulendorf--> | 13051080 = 316 <!--Vorbeck--> | 13051082 = 799 <!--Wiendorf--> | 13051083 = 796 <!--Wittenbeck--> | 13051084 = 395 <!--Zarnewanz--> | 13051085 = 1395 <!--Ziesendorf--> | 13051086 = 5685 <!--Satow--> | 13051087 = 514 <!--Am Salzhaff--> | 13051088 = 1175 <!--Carinerland--> | 13052001 = 462 <!--Alt Tellin--> | 13052002 = 357 <!--Altenhagen--> | 13052003 = 5984 <!--Altentreptow, Stadt--> | 13052004 = 550 <!--Bartow--> | 13052005 = 758 <!--Basedow--> | 13052007 = 624 <!--Beggerow--> | 13052008 = 944 <!--Bentzin--> | 13052010 = 200 <!--Bredenfelde--> | 13052011 = 569 <!--Breesen--> | 13052012 = 180 <!--Breest--> | 13052013 = 351 <!--Briggow--> | 13052015 = 1091 <!--Burow--> | 13052016 = 394 <!--Daberkow--> | 13052017 = 4829 <!--Dargun, Stadt--> | 13052018 = 12219 <!--Demmin, Hansestadt--> | 13052019 = 265 <!--Duckow--> | 13052020 = 525 <!--Düvier--> | 13052021 = 740 <!--Faulenrost--> | 13052022 = 1395 <!--Gielow--> | 13052024 = 388 <!--Gnevkow--> | 13052025 = 312 <!--Golchen--> | 13052026 = 984 <!--Görmin--> | 13052028 = 255 <!--Grammentin--> | 13052029 = 428 <!--Grapzow--> | 13052030 = 286 <!--Grischow--> | 13052032 = 741 <!--Groß Teetzleben--> | 13052033 = 524 <!--Gültz--> | 13052034 = 462 <!--Gülzow--> | 13052035 = 127 <!--Hohenbollentin--> | 13052038 = 911 <!--Ivenack--> | 13052039 = 3295 <!--Jarmen, Stadt--> | 13052040 = 1086 <!--Jürgenstorf--> | 13052042 = 366 <!--Kittendorf--> | 13052044 = 665 <!--Knorrendorf--> | 13052045 = 351 <!--Kriesow--> | 13052046 = 701 <!--Kruckow--> | 13052047 = 667 <!--Kummerow--> | 13052048 = 252 <!--Lindenberg--> | 13052049 = 4320 <!--Loitz, Stadt--> | 13052050 = 7494 <!--Malchin, Stadt--> | 13052051 = 278 <!--Meesiger--> | 13052053 = 453 <!--Mölln--> | 13052054 = 232 <!--Kentzlin--> | 13052055 = 2060 <!--Neukalen, Stadt--> | 13052056 = 793 <!--Nossendorf--> | 13052059 = 287 <!--Pripsleben--> | 13052063 = 447 <!--Ritzerow--> | 13052064 = 312 <!--Röckwitz--> | 13052065 = 1056 <!--Rosenow--> | 13052067 = 815 <!--Sarow--> | 13052070 = 427 <!--Schönfeld--> | 13052071 = 614 <!--Siedenbollentin--> | 13052073 = 268 <!--Sommersdorf--> | 13052074 = 5978 <!--Stavenhagen, Reuterstadt, Stadt--> | 13052078 = 1241 <!--Tutow--> | 13052079 = 569 <!--Tützpatz--> | 13052082 = 435 <!--Verchen--> | 13052083 = 541 <!--Völschow--> | 13052085 = 426 <!--Warrenzin--> | 13052086 = 600 <!--Werder--> | 13052087 = 617 <!--Wildberg--> | 13052088 = 683 <!--Wolde--> | 13052092 = 350 <!--Zettemin--> | 13052093 = 947 <!--Borrentin--> | 13052094 = 574 <!--Hohenmocker--> | 13052095 = 821 <!--Kletzin--> | 13052096 = 616 <!--Siedenbrünzow--> | 13052097 = 556 <!--Utzedel--> | 13052098 = 951 <!--Sassen-Trantow--> | 13053002 = 446 <!--Alt Sührkow--> | 13053003 = 884 <!--Altkalen--> | 13053004 = 909 <!--Baumgarten--> | 13053005 = 655 <!--Behren-Lübchin--> | 13053007 = 1785 <!--Bernitt--> | 13053008 = 358 <!--Boddin--> | 13053013 = 7585 <!--Bützow, Stadt--> | 13053015 = 562 <!--Dahmen--> | 13053016 = 307 <!--Dalkendorf--> | 13053017 = 978 <!--Diekhof--> | 13053019 = 231 <!--Dreetz--> | 13053020 = 326 <!--Finkenthal--> | 13053021 = 441 <!--Glasewitz--> | 13053022 = 3105 <!--Gnoien, Stadt--> | 13053026 = 682 <!--Groß Roge--> | 13053027 = 308 <!--Groß Schwiesow--> | 13053028 = 1109 <!--Groß Wokern--> | 13053029 = 967 <!--Groß Wüstenfelde--> | 13053031 = 30445 <!--Güstrow, Stadt--> | 13053032 = 1019 <!--Gutow--> | 13053033 = 465 <!--Hohen Demzin--> | 13053034 = 482 <!--Hohen Sprenz--> | 13053035 = 798 <!--Hoppenrade--> | 13053036 = 952 <!--Jördenstorf--> | 13053037 = 1157 <!--Jürgenshagen--> | 13053039 = 900 <!--Klein Belitz--> | 13053041 = 284 <!--Klein Upahl--> | 13053043 = 3437 <!--Krakow am See, Stadt--> | 13053044 = 905 <!--Kuchelmiß--> | 13053045 = 339 <!--Kuhs--> | 13053047 = 5703 <!--Laage, Stadt--> | 13053048 = 3297 <!--Lalendorf--> | 13053049 = 659 <!--Langhagen--> | 13053050 = 542 <!--Lelkendorf--> | 13053054 = 760 <!--Lohmen--> | 13053056 = 264 <!--Lühburg--> | 13053057 = 954 <!--Lüssow--> | 13053060 = 631 <!--Mistorf--> | 13053062 = 1101 <!--Mühl Rosin--> | 13053067 = 147 <!--Penzin--> | 13053068 = 799 <!--Plaaz--> | 13053075 = 477 <!--Reimershagen--> | 13053078 = 677 <!--Rühn--> | 13053080 = 533 <!--Sarmstorf--> | 13053083 = 817 <!--Steinhagen--> | 13053086 = 1204 <!--Tarnow--> | 13053087 = 9100 <!--Teterow, Stadt--> | 13053088 = 422 <!--Thürkow--> | 13053091 = 507 <!--Walkendorf--> | 13053092 = 1434 <!--Wardow--> | 13053093 = 361 <!--Warnkenhagen--> | 13053094 = 1012 <!--Warnow--> | 13053095 = 403 <!--Wasdow--> | 13053098 = 661 <!--Zehna--> | 13053099 = 465 <!--Zepelin--> | 13053102 = 566 <!--Dobbin-Linstow--> | 13053103 = 735 <!--Dolgen am See--> | 13053104 = 1644 <!--Gülzow-Prüzen--> | 13053105 = 538 <!--Schorssow--> | 13053106 = 637 <!--Schwasdorf--> | 13053107 = 478 <!--Sukow-Levitzow--> | 13053109 = 801 <!--Prebberede--> | 13054001 = 815 <!--Alt Krenzlin--> | 13054002 = 384 <!--Alt Zachun--> | 13054003 = 322 <!--Balow--> | 13054004 = 477 <!--Bandenitz--> | 13054007 = 255 <!--Belsch--> | 13054009 = 477 <!--Besitz--> | 13054010 = 476 <!--Blievenstorf--> | 13054011 = 287 <!--Bobzin--> | 13054013 = 10628 <!--Boizenburg/ Elbe, Stadt--> | 13054014 = 747 <!--Brahlstorf--> | 13054015 = 541 <!--Brenz--> | 13054016 = 342 <!--Bresegard bei Picher--> | 13054017 = 229 <!--Bresegard bei Eldena--> | 13054018 = 372 <!--Brunow--> | 13054021 = 298 <!--Dambeck--> | 13054022 = 486 <!--Dersenow--> | 13054024 = 3260 <!--Dömitz, Stadt--> | 13054027 = 1365 <!--Dümmer--> | 13054028 = 1311 <!--Eldena--> | 13054030 = 517 <!--Gallin--> | 13054031 = 482 <!--Gammelin--> | 13054034 = 365 <!--Göhlen--> | 13054035 = 538 <!--Gorlosen--> | 13054037 = 5963 <!--Grabow, Stadt--> | 13054039 = 656 <!--Gresse--> | 13054040 = 816 <!--Greven--> | 13054041 = 215 <!--Groß Krams--> | 13054042 = 1024 <!--Groß Laasch--> | 13054043 = 11927 <!--Hagenow, Stadt--> | 13054045 = 862 <!--Holthusen--> | 13054046 = 612 <!--Hoort--> | 13054047 = 172 <!--Hülseburg--> | 13054049 = 299 <!--Karenz--> | 13054051 = 565 <!--Karstädt--> | 13054052 = 657 <!--Kirch Jesar--> | 13054054 = 1315 <!--Klein Rogahn--> | 13054056 = 592 <!--Kogel--> | 13054057 = 856 <!--Körchow--> | 13054058 = 251 <!--Kremmin--> | 13054060 = 802 <!--Kuhstorf--> | 13054063 = 349 <!--Lehsen--> | 13054064 = 288 <!--Leussow--> | 13054065 = 756 <!--Lübesse--> | 13054066 = 647 <!--Lüblow--> | 13054067 = 4612 <!--Lübtheen, Stadt--> | 13054069 = 12585 <!--Ludwigslust, Stadt--> | 13054071 = 516 <!--Malk Göhren--> | 13054072 = 1359 <!--Malliß--> | 13054074 = 428 <!--Milow--> | 13054075 = 224 <!--Möllenbeck--> | 13054076 = 479 <!--Moraas--> | 13054077 = 373 <!--Muchow--> | 13054078 = 770 <!--Neu Gülze--> | 13054079 = 1996 <!--Neu Kaliß--> | 13054081 = 6701 <!--Neustadt-Glewe, Stadt--> | 13054083 = 781 <!--Nostorf--> | 13054084 = 2876 <!--Pampow--> | 13054086 = 396 <!--Pätow-Steegen--> | 13054087 = 700 <!--Picher--> | 13054089 = 795 <!--Prislich--> | 13054090 = 500 <!--Pritzier--> | 13054091 = 1982 <!--Rastow--> | 13054092 = 548 <!--Redefin--> | 13054095 = 266 <!--Schossin--> | 13054096 = 767 <!--Schwanheide--> | 13054097 = 522 <!--Setzin--> | 13054098 = 203 <!--Steesow--> | 13054099 = 1366 <!--Stralendorf--> | 13054100 = 325 <!--Strohkirchen--> | 13054101 = 934 <!--Sülstorf--> | 13054102 = 877 <!--Teldau--> | 13054103 = 396 <!--Tessin b. Boizenburg--> | 13054106 = 514 <!--Toddin--> | 13054107 = 434 <!--Uelitz--> | 13054109 = 2787 <!--Vellahn--> | 13054110 = 1438 <!--Vielank--> | 13054111 = 476 <!--Warlitz--> | 13054112 = 541 <!--Warlow--> | 13054113 = 669 <!--Warsow--> | 13054117 = 4864 <!--Wittenburg, Stadt--> | 13054118 = 2737 <!--Wittenförden--> | 13054119 = 946 <!--Wöbbelin--> | 13054121 = 4656 <!--Zarrentin am Schaalsee, Stadt--> | 13054122 = 426 <!--Zierzow--> | 13054123 = 149 <!--Zülow--> | 13054124 = 2972 <!--Wittendörp--> | 13054125 = 688 <!--Grebs-Niendorf--> | 13054126 = 823 <!--Lüttow-Valluhn--> | 13054127 = 600 <!--Bengerstorf--> | 13055002 = 150 <!--Beseritz--> | 13055003 = 711 <!--Blankenhof--> | 13055004 = 1841 <!--Blankensee--> | 13055005 = 835 <!--Blumenholz--> | 13055008 = 1162 <!--Brunn--> | 13055009 = 5029 <!--Burg Stargard, Stadt--> | 13055010 = 312 <!--Cammin--> | 13055011 = 964 <!--Carpin--> | 13055012 = 828 <!--Cölpin--> | 13055020 = 6772 <!--Friedland, Stadt--> | 13055021 = 157 <!--Genzkow--> | 13055022 = 163 <!--Glienke--> | 13055023 = 238 <!--Godendorf--> | 13055028 = 1253 <!--Groß Nemerow--> | 13055029 = 329 <!--Grünow--> | 13055032 = 522 <!--Hohenzieritz--> | 13055033 = 811 <!--Holldorf--> | 13055035 = 755 <!--Klein Vielen--> | 13055037 = 530 <!--Kratzeburg--> | 13055039 = 192 <!--Kublank--> | 13055043 = 549 <!--Mildenitz--> | 13055044 = 3499 <!--Mirow, Stadt--> | 13055045 = 735 <!--Möllenbeck--> | 13055046 = 336 <!--Neddemin--> | 13055047 = 277 <!--Neetzka--> | 13055049 = 1209 <!--Neuenkirchen--> | 13055050 = 21669 <!--Neustrelitz, Stadt--> | 13055051 = 1140 <!--Neverin--> | 13055053 = 157 <!--Petersdorf--> | 13055054 = 509 <!--Pragsdorf--> | 13055055 = 323 <!--Priepert--> | 13055058 = 704 <!--Roggentin--> | 13055061 = 436 <!--Schönbeck--> | 13055062 = 282 <!--Schönhausen--> | 13055066 = 484 <!--Staven--> | 13055069 = 955 <!--Trollenhagen--> | 13055070 = 709 <!--Userin--> | 13055071 = 117 <!--Voigtsdorf--> | 13055074 = 3163 <!--Wesenberg, Stadt--> | 13055076 = 560 <!--Woggersin--> | 13055078 = 3888 <!--Woldegk, Stadt--> | 13055079 = 1531 <!--Wulkenzin--> | 13055080 = 733 <!--Wustrow--> | 13055081 = 338 <!--Zirzow--> | 13055082 = 4779 <!--Feldberger Seenlandschaft--> | 13055083 = 1210 <!--Groß Miltzow--> | 13055084 = 384 <!--Helpt--> | 13055085 = 529 <!--Eichhorst--> | 13055086 = 583 <!--Wokuhl-Dabelow--> | 13055087 = 1289 <!--Lindetal--> | 13055088 = 939 <!--Datzetal--> | 13055089 = 1351 <!--Galenbeck--> | 13055090 = 808 <!--Sponholz--> | 13056004 = 568 <!--Alt Schwerin--> | 13056005 = 402 <!--Altenhof--> | 13056006 = 642 <!--Ankershagen--> | 13056007 = 409 <!--Bollewick--> | 13056008 = 135 <!--Buchholz--> | 13056009 = 474 <!--Bütow--> | 13056010 = 590 <!--Fincken--> | 13056011 = 646 <!--Göhren-Lebbin--> | 13056012 = 283 <!--Gotthun--> | 13056013 = 123 <!--Grabow-Below--> | 13056014 = 1006 <!--Grabowhöfe--> | 13056015 = 362 <!--Groß Dratow--> | 13056017 = 477 <!--Groß Gievitz--> | 13056018 = 131 <!--Groß Kelle--> | 13056019 = 783 <!--Groß Plasten--> | 13056022 = 180 <!--Hinrichshagen--> | 13056023 = 686 <!--Hohen Wangelin--> | 13056024 = 589 <!--Jabel--> | 13056027 = 751 <!--Kargow--> | 13056028 = 150 <!--Kieve--> | 13056029 = 245 <!--Klein Lukow--> | 13056030 = 1164 <!--Klink--> | 13056031 = 414 <!--Klocksin--> | 13056033 = 172 <!--Krukow--> | 13056035 = 171 <!--Lapitz--> | 13056036 = 546 <!--Lärz--> | 13056037 = 486 <!--Leizen--> | 13056039 = 505 <!--Ludorf--> | 13056041 = 6930 <!--Malchow, Stadt--> | 13056042 = 403 <!--Mallin--> | 13056044 = 227 <!--Massow--> | 13056045 = 386 <!--Melz--> | 13056047 = 1772 <!--Möllenhagen--> | 13056049 = 348 <!--Moltzow--> | 13056050 = 129 <!--Neu Gaarz--> | 13056051 = 699 <!--Nossentiner Hütte--> | 13056052 = 286 <!--Penkow--> | 13056053 = 2836 <!--Penzlin, Stadt--> | 13056054 = 398 <!--Priborn--> | 13056055 = 151 <!--Puchow--> | 13056056 = 2192 <!--Rechlin--> | 13056057 = 5266 <!--Röbel/Müritz, Stadt--> | 13056060 = 438 <!--Schloen--> | 13056061 = 404 <!--Schwarz--> | 13056062 = 552 <!--Schwinkendorf--> | 13056063 = 656 <!--Sietow--> | 13056064 = 358 <!--Silz--> | 13056065 = 273 <!--Stuer--> | 13056066 = 451 <!--Torgelow am See--> | 13056067 = 374 <!--Varchentin--> | 13056068 = 474 <!--Vielist--> | 13056069 = 460 <!--Vipperow--> | 13056070 = 499 <!--Vollrathsruhe--> | 13056071 = 550 <!--Walow--> | 13056072 = 21223 <!--Waren (Müritz), Stadt--> | 13056073 = 536 <!--Wredenhagen--> | 13056074 = 216 <!--Zepkow--> | 13056075 = 202 <!--Zislow--> | 13056076 = 1225 <!--Fünfseen--> | 13056077 = 474 <!--Lansen-Schönau--> | 13057002 = 721 <!--Ahrenshoop--> | 13057005 = 972 <!--Altenpleen--> | 13057006 = 1768 <!--Bad Sülze, Stadt--> | 13057008 = 439 <!--Bartelshagen II b. Barth--> | 13057009 = 8815 <!--Barth, Stadt--> | 13057013 = 1134 <!--Born a. Darß--> | 13057020 = 1049 <!--Dettmannsdorf--> | 13057021 = 534 <!--Deyelsdorf--> | 13057022 = 1614 <!--Dierhagen--> | 13057024 = 261 <!--Drechow--> | 13057026 = 830 <!--Eixen--> | 13057027 = 749 <!--Elmenhorst--> | 13057028 = 1541 <!--Franzburg, Stadt--> | 13057029 = 940 <!--Fuhlendorf--> | 13057030 = 601 <!--Glewitz--> | 13057031 = 609 <!--Grammendorf--> | 13057032 = 642 <!--Gransebieth--> | 13057036 = 10655 <!--Grimmen, Stadt--> | 13057037 = 364 <!--Groß Kordshagen--> | 13057038 = 835 <!--Groß Mohrdorf--> | 13057040 = 133 <!--Hugoldsdorf--> | 13057041 = 527 <!--Jakobsdorf--> | 13057043 = 241 <!--Karnin--> | 13057047 = 630 <!--Klausdorf--> | 13057049 = 1858 <!--Kramerhof--> | 13057051 = 339 <!--Kummerow--> | 13057054 = 660 <!--Löbnitz--> | 13057055 = 592 <!--Lüdershagen--> | 13057056 = 930 <!--Lüssow--> | 13057057 = 4869 <!--Marlow, Stadt--> | 13057060 = 368 <!--Neu Bartelshagen--> | 13057062 = 1918 <!--Niepars--> | 13057064 = 740 <!--Pantelitz--> | 13057065 = 622 <!--Papenhagen--> | 13057067 = 983 <!--Preetz--> | 13057068 = 1665 <!--Prerow--> | 13057069 = 1995 <!--Prohn--> | 13057070 = 721 <!--Pruchten--> | 13057074 = 16309 <!--Ribnitz-Damgarten, Stadt--> | 13057075 = 1417 <!--Richtenberg, Stadt--> | 13057076 = 1245 <!--Saal--> | 13057077 = 304 <!--Schlemmin--> | 13057079 = 781 <!--Semlow--> | 13057081 = 518 <!--Splietsdorf--> | 13057083 = 2619 <!--Steinhagen--> | 13057104 = 5488 <!-- Sundhagen --> | 13057085 = 2769 <!--Tribsees, Stadt--> | 13057086 = 1304 <!--Trinwillershagen--> | 13057087 = 1931 <!--Velgast--> | 13057088 = 258 <!--Weitenhagen--> | 13057089 = 553 <!--Wendisch Baggendorf--> | 13057090 = 1020 <!--Wendorf--> | 13057091 = 745 <!--Wieck a. Darß--> | 13057093 = 1237 <!--Wittenhagen--> | 13057094 = 1244 <!--Wustrow--> | 13057095 = 1079 <!--Zarrendorf--> | 13057096 = 3203 <!--Zingst--> | 13057097 = 4171 <!--Süderholz--> | 13057098 = 482 <!--Divitz-Spoldershagen--> | 13057099 = 739 <!--Gremersdorf-Buchholz--> | 13057100 = 370 <!--Millienhagen-Oebelitz--> | 13057101 = 522 <!--Kenz-Küstrow--> | 13057102 = 2088 <!--Ahrenshagen-Daskow--> | 13057103 = 703 <!--Lindholz--> | 13058001 = 1312 <!--Alt Meteln--> | 13058003 = 3710 <!--Bad Kleinen--> | 13058005 = 645 <!--Barnekow--> | 13058007 = 619 <!--Benz--> | 13058008 = 326 <!--Bernstorf--> | 13058009 = 398 <!--Bibow--> | 13058010 = 1181 <!--Blowatz--> | 13058012 = 525 <!--Boiensdorf--> | 13058014 = 2545 <!--Boltenhagen--> | 13058015 = 748 <!--Börzow--> | 13058016 = 2222 <!--Brüsewitz--> | 13058018 = 1265 <!--Carlow--> | 13058019 = 552 <!--Cramonshagen--> | 13058020 = 550 <!--Dalberg-Wendelstorf--> | 13058118 = 1406 <!--Damshagen--> | 13058022 = 4052 <!--Dassow, Stadt--> | 13058023 = 206 <!--Dechow--> | 13058025 = 2955 <!--Dorf Mecklenburg--> | 13058026 = 803 <!--Dragun--> | 13058028 = 5753 <!--Gadebusch, Stadt--> | 13058029 = 2617 <!--Gägelow--> | 13058030 = 877 <!--Glasin--> | 13058031 = 824 <!--Gottesgabe--> | 13058032 = 688 <!--Grambow--> | 13058034 = 10815 <!--Grevesmühlen, Stadt--> | 13058035 = 166 <!--Grieben--> | 13058038 = 378 <!--Groß Molzahn--> | 13058041 = 293 <!--Groß Siemz--> | 13058042 = 754 <!--Groß Stieten--> | 13058045 = 405 <!--Hanshagen--> | 13058047 = 666 <!--Hohen Viecheln--> | 13058048 = 420 <!--Holdorf--> | 13058049 = 1158 <!--Hornstorf--> | 13058050 = 2715 <!--Insel Poel--> | 13058051 = 479 <!--Jesendorf--> | 13058053 = 876 <!--Klein Trebbow--> | 13058054 = 3077 <!--Klütz, Stadt--> | 13058055 = 330 <!--Kneese--> | 13058056 = 396 <!--Köchelstorf--> | 13058058 = 945 <!--Krembz--> | 13058059 = 563 <!--Krusenhagen--> | 13058060 = 406 <!--Lockwisch--> | 13058062 = 239 <!--Lübberstorf--> | 13058063 = 1346 <!--Lübow--> | 13058064 = 1478 <!--Lübstorf--> | 13058065 = 5070 <!--Lüdersdorf--> | 13058066 = 1540 <!--Lützow--> | 13058067 = 711 <!--Mallentin--> | 13058068 = 260 <!--Menzendorf--> | 13058069 = 495 <!--Metelsdorf--> | 13058071 = 1026 <!--Mühlen Eichsen--> | 13058072 = 265 <!--Nesow--> | 13058073 = 2096 <!--Neuburg--> | 13058074 = 3986 <!--Neukloster, Stadt--> | 13058075 = 301 <!--Niendorf--> | 13058076 = 333 <!--Papenhusen--> | 13058078 = 181 <!--Passee--> | 13058079 = 380 <!--Perlin--> | 13058080 = 561 <!--Pingelshagen--> | 13058081 = 531 <!--Plüschow--> | 13058082 = 728 <!--Pokrent--> | 13058084 = 3026 <!--Rehna, Stadt--> | 13058086 = 390 <!--Rieps--> | 13058087 = 259 <!--Roduchelstorf--> | 13058088 = 1065 <!--Roggendorf--> | 13058089 = 437 <!--Roggenstorf--> | 13058090 = 215 <!--Rögnitz--> | 13058091 = 583 <!--Rüting--> | 13058117 = 826 <!--Schildetal--> | 13058093 = 1095 <!--Schlagsdorf--> | 13058094 = 4419 <!--Schönberg, Stadt--> | 13058095 = 974 <!--Seehof--> | 13058096 = 2664 <!--Selmsdorf--> | 13058098 = 649 <!--Testorf-Steinfort--> | 13058099 = 189 <!--Thandorf--> | 13058100 = 732 <!--Upahl--> | 13058101 = 374 <!--Utecht--> | 13058102 = 774 <!--Veelböken--> | 13058103 = 784 <!--Ventschow--> | 13058104 = 334 <!--Vitense--> | 13058105 = 3588 <!--Warin, Stadt--> | 13058106 = 622 <!--Warnow--> | 13058107 = 282 <!--Wedendorf--> | 13058108 = 593 <!--Zickhusen--> | 13058109 = 751 <!--Zierow--> | 13058110 = 1334 <!--Zurow--> | 13058111 = 351 <!--Züsow--> | 13058113 = 1875 <!--Kalkhorst--> | 13058114 = 2689 <!--Bobitz--> | 13058115 = 991 <!--Königsfeld--> | 13058116 = 1487 <!--Hohenkirchen--> | 13059002 = 13737 <!--Anklam, Stadt--> | 13059003 = 641 <!--Bandelin--> | 13059005 = 380 <!--Bargischow--> | 13059006 = 776 <!--Behrenhoff--> | 13059007 = 987 <!--Benz--> | 13059008 = 255 <!--Blesewitz--> | 13059009 = 576 <!--Boldekow--> | 13059011 = 685 <!--Brünzow--> | 13059012 = 444 <!--Buddenhagen--> | 13059013 = 315 <!--Bugewitz--> | 13059014 = 286 <!--Buggenhagen--> | 13059015 = 467 <!--Butzow--> | 13059016 = 401 <!--Dargelin--> | 13059017 = 538 <!--Dargen--> | 13059018 = 1086 <!--Dersekow--> | 13059019 = 479 <!--Diedrichshagen--> | 13059021 = 2110 <!--Ducherow--> | 13059022 = 204 <!--Garz--> | 13059023 = 193 <!--Gribow--> | 13059025 = 1415 <!--Groß Kiesow--> | 13059027 = 471 <!--Groß Polzin--> | 13059028 = 2893 <!--Gützkow, Stadt--> | 13059029 = 917 <!--Hanshagen--> | 13059031 = 816 <!--Hinrichshagen--> | 13059032 = 916 <!--Hohendorf--> | 13059033 = 203 <!--Iven--> | 13059036 = 282 <!--Kamminke--> | 13059037 = 1436 <!--Karlsburg--> | 13059038 = 3131 <!--Karlshagen--> | 13059039 = 646 <!--Katzow--> | 13059040 = 1176 <!--Kemnitz--> | 13059041 = 856 <!--Klein Bünzow--> | 13059042 = 334 <!--Kölzin--> | 13059043 = 550 <!--Korswandt--> | 13059044 = 1669 <!--Koserow--> | 13059045 = 757 <!--Krien--> | 13059046 = 1887 <!--Kröslin--> | 13059047 = 258 <!--Krummin--> | 13059048 = 174 <!--Krusenfelde--> | 13059049 = 1356 <!--Lassan, Stadt--> | 13059050 = 428 <!--Levenhagen--> | 13059051 = 320 <!--Liepen--> | 13059052 = 1055 <!--Loddin--> | 13059053 = 874 <!--Loissin--> | 13059055 = 2041 <!--Lubmin--> | 13059057 = 742 <!--Lühmannsdorf--> | 13059059 = 362 <!--Lütow--> | 13059060 = 604 <!--Medow--> | 13059062 = 1028 <!--Mesekenhagen--> | 13059063 = 828 <!--Mölschow--> | 13059065 = 905 <!--Murchin--> | 13059066 = 621 <!--Neetzow--> | 13059069 = 647 <!--Neu Boltenhagen--> | 13059070 = 614 <!--Neu Kosenow--> | 13059071 = 148 <!--Neuendorf A--> | 13059072 = 172 <!--Neuendorf B--> | 13059073 = 302 <!--Neuenkirchen--> | 13059074 = 2332 <!--Neuenkirchen--> | 13059075 = 339 <!--Peenemünde--> | 13059077 = 374 <!--Postlow--> | 13059078 = 420 <!--Pudagla--> | 13059080 = 214 <!--Putzar--> | 13059081 = 646 <!--Rankwitz--> | 13059084 = 158 <!--Rossin--> | 13059085 = 822 <!--Rubenow--> | 13059086 = 714 <!--Rubkow--> | 13059087 = 472 <!--Sarnow--> | 13059088 = 420 <!--Sauzin--> | 13059089 = 321 <!--Schmatzin--> | 13059091 = 746 <!--Spantekow--> | 13059093 = 351 <!--Stolpe--> | 13059094 = 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Halbjahr 2009], Statistisches Amt des Kantons Aargau | #default= <strong class="error">Ungültiges Metadaten-Schlüsselwort <tt>{{{2}}}</tt></strong>[[Kategorie:Vorlage:Metadaten Einwohnerzahl/Fehler]] }} | {{#switch: {{{1}}} | CH-AG = 22.0 <!--Kanton Aargau --> | 4001 = 19.9 <!--Aarau--> | 4002 = 10.6 <!--Biberstein--> | 4003 = 31.9 <!--Buchs--> | 4004 = 8.1 <!--Densbüren--> | 4005 = 15.1 <!--Erlinsbach--> | 4006 = 17.8 <!--Gränichen--> | 4007 = 9.2 <!--Hirschthal--> | 4008 = 15.0 <!--Küttigen--> | 4009 = 11.6 <!--Muhen--> | 4010 = 27.2 <!--Oberentfelden--> | 4011 = 23.0 <!--Rohr--> | 4012 = 30.7 <!--Suhr--> | 4013 = 22.5 <!--Unterentfelden--> | 4021 = 25.9 <!--Baden--> | 4022 = 10.2 <!--Bellikon--> | 4023 = 13.7 <!--Bergdietikon--> | 4024 = 17.3 <!--Birmenstorf--> | 4026 = 21.7 <!--Ennetbaden--> | 4027 = 23.0 <!--Fslisbach--> | 4028 = 11.5 <!--Feienwil--> | 4029 = 26.4 <!--Gebenstorf--> | 4030 = 23.6 <!--Killwangen--> | 4031 = 13.7 <!--Künten--> | 4032 = 17.5 <!--Mägenwil--> | 4033 = 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<!--Sarmenstorf--> | 4077 = 13.0 <!--Tägerig--> | 4078 = 8.6 <!--Uezwil--> | 4079 = 10.1 <!--Unterlunkhofen--> | 4080 = 23.8 <!--Villmergen--> | 4081 = 12.6 <!--Widen--> | 4082 = 33.5 <!--Wohlen--> | 4083 = 18.0 <!--Zufikon--> | 4084 = 10.1 <!--Islisberg--> | 4091 = 10.1 <!--Auenstein--> | 4092 = 44.4 <!--Birr--> | 4093 = 9.8 <!--Birrhard--> | 4094 = 14.0 <!--Bözen--> | 4095 = 25.6 <!--Brugg--> | 4096 = 9.9 <!--Effingen--> | 4097 = 16.1 <!--Elfingen--> | 4098 = 7.4 <!--Gallenkirch--> | 4099 = 6.2 <!--Habsburg--> | 4100 = 20.3 <!--Hausen--> | 4101 = 7.5 <!--Hottwil--> | 4103 = 12.7 <!--Linn--> | 4104 = 18.5 <!--Lupfig--> | 4105 = 3.3 <!--Mandach--> | 4106 = 9.1 <!--Mönthal--> | 4107 = 12.9 <!--Mülligen--> | 4108 = 8.2 <!--Oberbözberg--> | 4109 = 4.0 <!--Oberflachs--> | 4110 = 13.6 <!--Remigen--> | 4111 = 17.5 <!--Riniken--> | 4112 = 10.7 <!--Rüfenach--> | 4113 = 7.6 <!--Scherz--> | 4114 = 26.5 <!--Schinznach-Bad--> | 4115 = 13.4 <!--Schinznach-Dorf--> | 4117 = 4.3 <!--Thalheim--> | 4118 = 17.7 <!--Umiken--> | 4119 = 7.8 <!--Unterbözberg--> | 4120 = 13.3 <!--Veltheim--> | 4121 = 21.9 <!--Villigen--> | 4122 = 10.3 <!--Villnachern--> | 4123 = 28.6 <!--Windisch--> | 4131 = 9.9 <!--Beinwil am See--> | 4132 = 10.7 <!--Birrwil--> | 4133 = 32.2 <!--Burg--> | 4134 = 10.5 <!--Dürrenäsch--> | 4135 = 15.8 <!--Gontenschwil--> | 4136 = 16.3 <!--Holziken--> | 4137 = 7.6 <!--Leimbach--> | 4138 = 9.6 <!--Leutwil--> | 4139 = 34.4 <!--Menziken--> | 4140 = 18.6 <!--Oberkulm--> | 4141 = 35.8 <!--Reinach--> | 4142 = 7.1 <!--Schlossrued--> | 4143 = 8.0 <!--Schmiedrued--> | 4144 = 14.7 <!--Schöftland--> | 4145 = 22.6 <!--Teufenthal--> | 4146 = 25.6 <!--Unterkulm--> | 4147 = 8.7 <!--Zetzwil--> | 4161 = 14.5 <!--Eiken--> | 4162 = 17.6 <!--Etzgen--> | 4163 = 25.7 <!--Frick--> | 4164 = 3.9 <!--Gansingen--> | 4165 = 10.8 <!--Gipf-Oberfrick--> | 4166 = 9.7 <!--Herznach--> | 4167 = 14.2 <!--Hornussen--> | 4168 = 8.1 <!--Ittenthal--> | 4169 = 13.9 <!--Kaisten--> | 4170 = 28.3 <!--Laufenburg--> | 4171 = 10.0 <!--Mettau--> | 4172 = 15.4 <!--Münchwilen--> | 4173 = 4.5 <!--Oberhof--> | 4174 = 9.6 <!--Oberhofen--> | 4175 = 9.1 <!--Oeschgen--> | 4176 = 15.2 <!--Schwaderloch--> | 4177 = 17.3 <!--Sisseln--> | 4178 = 10.7 <!--Sulz--> | 4179 = 13.7 <!--Ueken--> | 4180 = 8.9 <!--Wil--> | 4181 = 9.2 <!--Wittnau--> | 4182 = 4.8 <!--Wölflinswil--> | 4183 = 8.6 <!--Zeihen--> | 4184 = 10.9 <!--Mettauertal--> | 4191 = 11.5 <!--Ammerswil--> | 4192 = 14.2 <!--Boniswil--> | 4193 = 15.8 <!--Brunegg--> | 4194 = 21.4 <!--Dintikon--> | 4195 = 7.3 <!--Egliswil--> | 4196 = 21.6 <!--Fahrwangen--> | 4197 = 14.4 <!--Hallwil--> | 4198 = 11.2 <!--Hendschiken--> | 4199 = 23.7 <!--Holderbank--> | 4200 = 24.1 <!--Hunzenschwil--> | 4201 = 27.8 <!--Lenzburg--> | 4202 = 14.5 <!--Meisterschwanden--> | 4203 = 19.4 <!--Möriken-Wildegg--> | 4204 = 26.6 <!--Niederlenz--> | 4205 = 23.5 <!--Othmarsingen--> | 4206 = 18.2 <!--Rupperswil--> | 4207 = 17.7 <!--Schafisheim--> | 4208 = 8.7 <!--Seengen--> | 4209 = 22.4 <!--Seon--> | 4210 = 14.4 <!--Staufen--> | 4221 = 9.1 <!--Abtwil--> | 4222 = 12.7 <!--Aristau--> | 4223 = 12.5 <!--Auw--> | 4224 = 8.9 <!--Beinwil (Freiamt)--> | 4225 = 11.2 <!--Benzenschwil--> | 4226 = 4.9 <!--Besenbüren--> | 4227 = 7.8 <!--Bettwil--> | 4228 = 13.3 <!--Boswil--> | 4229 = 8.7 <!--Bünzen--> | 4230 = 5.6 <!--Buttwil--> | 4231 = 9.5 <!--Dietwil--> | 4232 = 9.2 <!--Geltwil--> | 4233 = 6.3 <!--Kallern--> | 4234 = 15.6 <!--Merenschwand--> | 4235 = 9.3 <!--Mühlau--> | 4236 = 21.1 <!--Muri--> | 4237 = 8.3 <!--Oberrüti--> | 4238 = 9.7 <!--Rottenschwil--> | 4239 = 15.6 <!--Sins--> | 4240 = 9.9 <!--Waltenschwil--> | 4251 = 5.5 <!--Hellikon--> | 4252 = 24.2 <!--Kaiseraugst--> | 4253 = 12.6 <!--Magden--> | 4254 = 21.6 <!--Möhlin--> | 4255 = 31.2 <!--Mumpf--> | 4256 = 10.7 <!--Obermumpf--> | 4257 = 8.1 <!--Olsberg--> | 4258 = 28.0 <!--Rheinfelden--> | 4259 = 7.7 <!--Schupfart--> | 4260 = 34.1 <!--Stein--> | 4261 = 10.4 <!--Wallbach--> | 4262 = 7.7 <!--Wegenstetten--> | 4263 = 11.2 <!--Zeiningen--> | 4264 = 9.7 <!--Zuzgen--> | 4271 = 39.7 <!--Aarburg--> | 4272 = 1.0 <!--Attelwil--> | 4273 = 7.3 <!--Bottenwil--> | 4274 = 8.0 <!--Brittnau--> | 4275 = 5.8 <!--Kirchleerau--> | 4276 = 15.9 <!--Kölliken--> | 4277 = 12.2 <!--Mooslerau--> | 4279 = 15.1 <!--Murgenthal--> | 4280 = 31.2 <!--Oftringen--> | 4281 = 7.3 <!--Reitnau--> | 4282 = 18.9 <!--Rothrist--> | 4283 = 16.1 <!--Safenwil--> | 4284 = 5.9 <!--Staffelbach--> | 4285 = 24.7 <!--Strengelbach--> | 4286 = 9.3 <!--Uerkheim--> | 4287 = 3.4 <!--Vordemwald--> | 4288 = 1.9 <!--Wiliberg--> | 4289 = 15.9 <!--Zofingen--> | 4301 = 6.3 <!--Baldingen--> | 4302 = 7.0 <!--Böbikon--> | 4303 = 39.7 <!--Böttstein--> | 4304 = 38.6 <!--Döttingen--> | 4305 = 15.6 <!--Endingen--> | 4306 = 15.9 <!--Fisibach--> | 4307 = 9.8 <!--Full-Reuenthal--> | 4308 = 19.2 <!--Kaiserstuhl--> | 4309 = 25.8 <!--Klingnau--> | 4310 = 37.5 <!--Koblenz--> | 4311 = 29.0 <!--Leibstadt--> | 4312 = 13.0 <!--Lengnau--> | 4313 = 14.2 <!--Leuggern--> | 4314 = 12.4 <!--Mellikon--> | 4315 = 27.9 <!--Rekingen--> | 4316 = 31.2 <!--Rietheim--> | 4317 = 18.6 <!--Rümikon--> | 4318 = 10.3 <!--Schneisingen--> | 4319 = 17.7 <!--Siglistorf--> | 4320 = 11.1 <!--Tegerfelden--> | 4321 = 10.0 <!--Unterendingen--> | 4322 = 7.1 <!--Wislikofen--> | 4323 = 34.3 <!--Bad Zurzach--> | #default= <strong class="error">Ungültiger Metadaten-Schlüssel <tt>{{{1}}}</tt></strong>[[Kategorie:Vorlage:Metadaten Einwohnerzahl/Fehler]] }} }}</includeonly><noinclude> Diese [[Wikipedia:WikiProjekt Metadaten|Metadatenvorlage]] enthält die prozentualen Anteile der Ausländer an den Einwohnerzahlen der [[Politische Gemeinde|Politischen Gemeinden]] des [[Kanton Aargau|Kantons Aargau]] vom {{#time: j. F Y |{{Metadaten Ausländeranteil CH-AG||STAND}} }}. == Quelle == * {{Metadaten Ausländeranteil CH-AG||QUELLE}} == Anmerkung == Diese Metadatenvorlage muss den selben Stand haben wie die [[Vorlage:Metadaten Einwohnerzahl CH-AG]] und daher zeitgleich aktualisiert werden. [[Kategorie:Vorlage:Metadaten|Auslanderanteil CH-AG]] [[Kategorie:Vorlage:Schweiz|Metadaten Auslanderanteil CH-AG]] </noinclude> jzdcvhi1ooy08cz2w2rhhpes38rll00 wikitext text/x-wiki Vorlage:Metadaten Einwohnerzahl CH-AG 10 24660 27275 2010-05-02T10:19:25Z Septembermorgen 0 /* Anmerkungen */ <includeonly>{{#if: {{{2|}}} | {{#switch: {{{2|}}} <!-- Stand und Quelle sind unabhängig vom Gemeindeschlüssel --> | STAND = 2009-12-31 | QUELLE = [http://www.ag.ch/staag/daten/B01/archiv_ag/bevs2009.xls Bevölkerungsstatistik, 2. Halbjahr 2009], Statistisches Amt des Kantons Aargau | #default= <strong class="error">Ungültiges Metadaten-Schlüsselwort <tt>{{{2}}}</tt></strong>[[Kategorie:Vorlage:Metadaten Einwohnerzahl/Fehler]] }} | {{#switch: {{{1}}} | TIMESTAMP = 2009-12-31 | Quelle = [http://www.ag.ch/staag/daten/B01/archiv_ag/bevs2009.xls Bevölkerungsstatistik, 2. Halbjahr 2009], Statistisches Amt des Kantons Aargau, abgerufen am 17. April 2010 | CH-AG = 604263 <!--Kanton Aargau--> | B1901 = 69626 <!--Bezirk Aarau --> | B1902 = 130060 <!--Bezirk Baden --> | B1903 = 68178 <!--Bezirk Bremgarten --> | B1904 = 46669 <!--Bezirk Brugg --> | B1905 = 37765 <!--Bezirk Kulm --> | B1906 = 28612 <!--Bezirk Laufenburg --> | B1907 = 52559 <!--Bezirk Lenzburg --> | B1908 = 31569 <!--Bezirk Muri --> | B1909 = 43234 <!--Bezirk Rheinfelden --> | B1910 = 64063 <!--Bezirk Zofingen --> | B1911 = 31928 <!--Bezirk Zurzach --> | 4001 = 19471 <!--Aarau--> | 4002 = 1383 <!--Biberstein--> | 4003 = 6712 <!--Buchs (AG)--> | 4004 = 737 <!--Densbüren--> | 4005 = 3544 <!--Erlinsbach (AG)--> | 4006 = 6530 <!--Gränichen--> | 4007 = 1436 <!--Hirschthal--> | 4008 = 5505 <!--Küttigen--> | 4009 = 3544 <!--Muhen--> | 4010 = 7261 <!--Oberentfelden--> | 4011 = 3313 <!--Rohr (AG)--> | 4012 = 9577 <!--Suhr--> | 4013 = 3926 <!--Unterentfelden--> | 4021 = 17843 <!--Baden--> | 4022 = 1545 <!--Bellikon--> | 4023 = 2374 <!--Bergdietikon--> | 4024 = 2515 <!--Birmenstorf (AG)--> | 4026 = 3008 <!--Ennetbaden--> | 4027 = 5215 <!--Fislisbach--> | 4028 = 885 <!--Freienwil--> | 4029 = 4600 <!--Gebenstorf--> | 4030 = 1789 <!--Killwangen--> | 4031 = 1613 <!--Künten--> | 4032 = 1893 <!--Mägenwil--> | 4033 = 4653 <!--Mellingen--> | 4034 = 8090 <!--Neuenhof--> | 4035 = 3404 <!--Niederrohrdorf--> | 4037 = 3808 <!--Oberrohrdorf--> | 4038 = 8160 <!--Obersiggenthal--> | 4039 = 1980 <!--Remetschwil--> | 4040 = 10749 <!--Spreitenbach--> | 4041 = 1578 <!--Stetten (AG)--> | 4042 = 2870 <!--Turgi--> | 4044 = 6527 <!--Untersiggenthal--> | 4045 = 19905 <!--Wettingen--> | 4046 = 1366 <!--Wohlenschwil--> | 4047 = 4157 <!--Würenlingen--> | 4048 = 5397 <!--Würenlos--> | 4049 = 4136 <!--Ehrendingen--> | 4061 = 1638 <!--Arni (AG)--> | 4062 = 4525 <!--Berikon--> | 4063 = 6291 <!--Bremgarten (AG)--> | 4064 = 913 <!--Büttikon--> | 4065 = 3126 <!--Dottikon--> | 4066 = 843 <!--Eggenwil--> | 4067 = 1396 <!--Fischbach-Göslikon--> | 4068 = 2225 <!--Hägglingen--> | 4069 = 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{{#time: j. 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[[Kategorie:Vorlage:Metadaten Einwohnerzahl CH|AG]] </noinclude> jszk4zu7eppr0crd1lttec19d0oodj7 wikitext text/x-wiki Vorlage:Navigationsleiste Bezirk Zofingen Aargau 10 24661 27276 2009-12-29T22:50:49Z DidiWeidmann 0 {{Navigationsleiste |BILD=[[Datei:Wappen Aargau matt.svg|35px|Wappen des Kantons Aargau]] |TITEL=Politische Gemeinden im [[Zofingen (Bezirk)|Bezirk Zofingen]] |INHALT= [[Aarburg]]&nbsp;&#124; [[Attelwil]]&nbsp;&#124; [[Bottenwil]]&nbsp;&#124; [[Brittnau]]&nbsp;&#124; [[Kirchleerau]]&nbsp;&#124; [[Kölliken]]&nbsp;&#124; [[Moosleerau]]&nbsp;&#124; [[Murgenthal]]&nbsp;&#124; [[Oftringen]]&nbsp;&#124; [[Reitnau]]&nbsp;&#124; [[Rothrist]]&nbsp;&#124; [[Safenwil]]&nbsp;&#124; [[Staffelbach AG|Staffelbach]]&nbsp;&#124; [[Strengelbach]]&nbsp;&#124; [[Uerkheim]]&nbsp;&#124; [[Vordemwald]]&nbsp;&#124; [[Wiliberg]]&nbsp;&#124; [[Zofingen]] <p> [[Kanton Aargau]]&nbsp;&#124; [[Bezirk (Schweiz)#Kanton Aargau|Bezirke des Kantons Aargau]]&nbsp;&#124; [[Gemeinden des Kantons Aargau]] }}<noinclude> [[Kategorie:Vorlage:Navigationsleiste Politische Gemeinden|Zofingen Aargau]] [[als:Vorlage:Navigationsleiste Bezirk Zofingen]] [[eo:Ŝablono:Zofingo (distrikto)]] [[en:Template:Municipalities of the district of Zofingen]] [[fr:Modèle:Navigation commune district Zofingen]] [[it:Template:Zofingen]] [[nl:Sjabloon:Navigatie district Zofingen]] [[rm:Template:Zofingen]] [[ru:Шаблон:Швейцария:Округ Цофинген:Города]] [[vi:Bản mẫu:Municipalities of huyện Zofingen]] </noinclude> 3imawksw8nd32dabbs0662ko5yn8toj wikitext text/x-wiki Vorlage:Infobox Berg 10 24662 27277 2010-04-16T09:30:27Z PaterMcFly 0 Fix <onlyinclude>{| class="wikitable float-right infobox" style="margin-top: 0; width:330px;" ! 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''Benutzung:'' <code><nowiki>{{PathoPic|010042|invertiertes Harnblasenpapillom}}</nowiki></code><br /> Die Nummer des Präparates, im Beispiel die 010042, ist hinter dem Link als '''id=XYZ''' auf der jeweiligen Seite des Objektes zu finden (im Beispiel: <nowiki>http://alf3.urz.unibas.ch/pathopic/getpic-fra.cfm?id=010042</nowiki>). Gegebenenfalls ist die Seite aus der Auswahlliste mit „in neuem Fenster öffnen“ ([http://alf3.urz.unibas.ch/pathopic/srch-f-thu.cfm Suchmenü von Pathopic]) zu finden. Eine Anleitung zur Benutzung von PathoPic gibt es hier [http://alf3.urz.unibas.ch/pathopic/intro.htm]</div> [[Kategorie:Wikipedia:Redaktion Medizin/Vorlagen|PathoPic]] [[Kategorie:Vorlage:Datenbanklink|PathoPic]] </noinclude> soqned8150g9d6hie6zrmg0i1fltk5k wikitext text/x-wiki Programmierkurs: Delphi: Pascal: Rekursion 0 24666 27282 2010-05-20T09:11:34Z 80.136.90.108 Die Seite wurde neu angelegt: „<nowiki>--~~~~Unformatierten Text hier einfügen[[[[Link-Text]]<nowiki>[[Media:Unformatierten Text hier einfügen]][[Media:[[Media:Beispiel.ogg]][[Media: == Beisp…“ <nowiki>--~~~~Unformatierten Text hier einfügen[[[[Link-Text]]<nowiki>[[Media:Unformatierten Text hier einfügen]][[Media:[[Media:Beispiel.ogg]][[Media: == Beispiel.ogg == ---- ''''''Fetter Text''''''''Kursiver Text'''''''''Fetter Text'''''''''Fetter Text'''''''''Fetter Text'''''''''Fetter Text'''''''''Fetter Text'''''''''Fetter Text'''''''''Fetter Text'''''''''Fetter Text'''''''''Fetter Text'''''''''Fetter Text'''[[[http://www.example.com Link-Text]] == == ]''''''''''''''''''''''''''''''''''']]]]</nowikFetter TextKursiver TextInterner LinkExterner Link (http:// beachten)Ebene-2-ÜberschriftDateilinkMediendatei-LinkMathematische Formel (LaTeX)Unformatierter TextDeine Signatur mit ZeitstempelHorizontale Linie (sparsam verwenden)i>]]</nowiki>Fetter TextKursiver TextInterner LinkExterner Link (http:// beachten)Ebene-2-ÜberschriftDateilinkMediendatei-LinkMathematische Formel (LaTeX)Unformatierter TextDeine Signatur mit ZeitstempelHorizontale Linie (sparsam verwenden)Fetter TextKursiver TextInterner LinkExterner Link (http:// beachten)Ebene-2-ÜberschriftDateilinkMediendatei-LinkMathematische Formel (LaTeX)Unformatierter TextDeine Signatur mit ZeitstempelHorizontale Linie (sparsam verwenden) l1n2c3hcm3y0u0cwwdtv538ar3wkqda wikitext text/x-wiki Hauptseite 0 24667 28596 28595 2012-11-13T19:01:05Z Hoo man 425 Fix <span style="font-size:200%;">Dieses Wiki ist geschlossen. Die Entwicklung geht weiter in den [//deployment.wikimedia.beta.wmflabs.org/wiki/ Wikimedia Labs]</span> __NOTOC__ __NOEDITSECTION__ mxy1x68kf3kbfagxwxe3tp2agm9nmsi wikitext text/x-wiki Peter Weiß 0 24672 27341 27338 2010-06-07T16:04:28Z YMS 441 Weiterleitung nach [[Selbstporträt mit Palette (Manet)]] erstellt #REDIRECT [[Selbstporträt mit Palette (Manet)]] oyi4ex4h57x8jm26qltc5cglbkewq5u wikitext text/x-wiki Vorlage:Test 10 24673 27344 27340 2010-06-07T16:52:05Z YMS 441 Test?!? po9m6axd0mwdpf51djgjhzukivbl0yv wikitext text/x-wiki Anatomie 0 24676 28160 27367 2010-10-29T00:31:10Z 68.42.97.238 .jpg -> .svg [[Datei:Human_anatomy_planes.svg|miniatur|xx]] Ist im Allgemeinen der Aufbau aller Lebewesen. Im Speziellen der Tiere. == Weblinks == {{commonscat|anatomy}} rfvtdl5xm29kibin5y6qemp1jqmugoi wikitext text/x-wiki MediaWiki:Wikimedia-copyright 8 24678 27379 27378 2010-06-08T01:10:22Z Eloquence 410 Der Text ist unter der Lizenz <a href="http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/deed.de">„Creative Commons Attribution/Share-Alike“</a> verfügbar; zusätzliche Bedingungen können anwendbar sein. Falls es sich um einen importierten Wikipedia-Artikel handelt, kann die Originalversion mit vollständiger Autorenliste unter <a href="http://de.wikipedia.org{{localurl:{{PAGENAME}}}}">http://de.wikipedia.org{{localurl:{{PAGENAME}}}}</a> eingesehen werden. Weitere Einzelheiten sind in den <a href="http://wikimediafoundation.org/wiki/Nutzungsbedingungen">Nutzungsbedingungen</a> beschrieben. lcwjz6parzm0ozkrfi8abx4thnh5327 wikitext text/x-wiki Kategorie:Römische Stadt 14 24685 27404 2010-06-13T17:05:29Z Saibo 445 Die Seite wurde neu angelegt: „Hier nur Römische Städte bitte.“ Hier nur Römische Städte bitte. 1zwne3fviflpbaw3msxhjcj3zbjgtbo wikitext text/x-wiki Kategorie:Irdische Stadt 14 24686 27405 2010-06-13T17:07:10Z Saibo 445 neu Hier alle irdischen Städte, die nicht einem Land oder Kontinent zugehörig sind. 1pm8l60x0190d413i42lq9fpfi0uky0 wikitext text/x-wiki ITunes 0 24687 27409 2010-06-14T20:21:32Z Guandalug 277 Testing {{DISPLAYTITLE:iTunes}} iTunes - Testseite (Displaytitle-Test) kqy05u93qobxphi8zdzxvgyzuhitiwm wikitext text/x-wiki Kinetische Energie 0 24688 27414 27411 2010-06-17T21:19:13Z 20percent 176 substub ;) :<math>E_\mathrm{kin} = \frac{1}{2} m v^2</math> jlkxo1e59tcuy5ugw64wtmfumxj9rlr wikitext text/x-wiki Neu 0 24694 27433 2010-07-04T21:11:25Z 92.75.166.46 Die Seite wurde neu angelegt: „Test“ Test bop1vj5i98maix36pjrpgep1w6hnxfe wikitext text/x-wiki Kategorie:Objektkategorie 14 24696 27740 27498 2010-07-09T16:36:03Z Gruß Tom 304 removed [[Category:!Hauptkategorie Modellübersichten]]; added [[Category:!Hauptkategorie Modell 01]] using [[Help:Gadget-HotCat|HotCat]] {{Kategoriegraph}} {{Kategoriegraphl}} Hier sind sachgebietsübergreifende [[Wikipedia:WikiProjekt Kategorien/Einordnung von Kategorien#Objektkategorie („ist ein“-Einordnung)|Objektkategorien]] eingeordnet. [[Kategorie:!Hauptkategorie Modell 01]] t56w8g44b8c1ykqy04lo7eeawcqv9ww wikitext text/x-wiki Kategorie:Fiktives Objekt 14 24697 28012 27962 2010-07-27T09:38:07Z SDB 471 {{Kategoriegraph}} {{Kategoriegraphl}} [[Kategorie:Fiktion]] [[Kategorie:Fiktive Struktur04]] [[Kategorie:Objekt04]] bulj26upvh4mwzm9p6uxnmctbrzal6i wikitext text/x-wiki Vorlage:Kategoriegraph 10 24698 27439 27438 2010-07-06T09:30:25Z Gruß Tom 304 fix {| class="float-right toccolours plainlinks" style="border-style:solid;" |- class="hintergrundfarbe5" ! Kategoriegraph de:WP |- | style="text-align:center;" | Graph der Oberkategorien <br /> als [{{fullurl:tools:~dapete/catgraph/graph.php|wiki=dewiki&cat={{BASEPAGENAMEE}}&format=png&links=wiki}} png] oder [{{fullurl:tools:~dapete/catgraph/graph.php|wiki=dewiki&cat={{BASEPAGENAMEE}}&format=svg&links=wiki}} svg] ---- Graph der Unterkategorien <br /> als [{{fullurl:tools:~dapete/catgraph/graph.php|wiki=dewiki&cat={{BASEPAGENAMEE}}&format=png&links=wiki&sub=1}} png] oder [{{fullurl:tools:~dapete/catgraph/graph.php|wiki=dewiki&cat={{BASEPAGENAMEE}}&format=svg&links=wiki&sub=1}} svg] |}{{#if:{{{kurz|}}}|<br style="clear:both" />}} <noinclude> <div style="margin:1em 0; padding:1em; border:solid 1px #FF0040; background-color:#FFFFFF;"> * '''Funktion:''' Diese Vorlage dient zur Visualisierung des Kategoriebaums unter Benutzung des [http://toolserver.org/~dapete/catgraph/ CatGraph]-Werkzeuges von [[Benutzer:Dapete|Dapete]]. Es visualisiert den [[Graph (Graphentheorie)|Graphen]] aller Ober- bzw. Unterkategorien der aktuellen Kategorie. * '''Verwendung:''' Einfach <code><nowiki>{{Kategoriegraph}}</nowiki></code> in die gewünschte Kategorieseite einbinden. Die Vorlage funktioniert ''nur'' auf Kategorieseiten sowie den zugehörigen Diskussionsseiten. * '''Anmerkung:''' Die Vorlage soll helfen, den Nutzen des CatGraph-Werkzeugs für die Kategoriepflege zu überprüfen. Daher ist die ''massenhafte Verwendung nicht gewünscht'', zumal sie nach der Testphase (Ende 2007) voraussichtlich gelöscht wird. Der Einsatz ist hauptsächlich in zentralen Kategorien sinnvoll (Beispiel: [[:Kategorie:Messtechnik]]). Für angemeldete Benutzer gibt es die Möglichkeit, die CatGraph-Funktionalität auf allen Kategorieseiten durch ein [[Benutzer:xorx/monobook.js|Benutzerskript]] zur Verfügung zu stellen. Sollte sich CatGraph als unverzichtbar erweisen, ist eine Einbindung in das Mediawiki geplant. * '''Hinweis:''' Der [[Internet Explorer]] in der Version 6.0 unterstützt keine Anzeige von [[Scalable Vector Graphics|SVG]]-Dateien. * '''Parameter:''' Wenn man <code><nowiki>{{Kategoriegraph|kurz=ja}}</nowiki></code> benutzt, wird die Tabelle das Verzeichnis auch bei kurzen Beschreibungen nicht überlappen. </div> [[Kategorie:Vorlage:Linkbox|Kategoriegraph]] [[bar:Vorlage:Kategoriegraph]] </noinclude> d0q7i0o25pr9ei61lst1gbbxbwi4pt9 wikitext text/x-wiki Vorlage:Kategoriegraphl 10 24699 27874 27868 2010-07-09T21:55:19Z Gruß Tom 304 f {| class="float-right toccolours plainlinks" style="border-style:solid;" |- class="hintergrundfarbe5" ! Kategoriegraph lab:WP |- | style="text-align:center;" | Graph der Oberkategorien <br /> als [{{fullurl:tools:~dapete/catgraph/graph.php|wiki=labs&lang=de&cat={{BASEPAGENAMEE}}&format=png&links=wiki}} png] oder [{{fullurl:tools:~dapete/catgraph/graph.php|wiki=labs&lang=de&cat={{BASEPAGENAMEE}}&format=svg&links=wiki}} svg] ---- Graph der Unterkategorien <br /> als [{{fullurl:tools:~dapete/catgraph/graph.php|wiki=labs&lang=de&cat={{BASEPAGENAMEE}}&format=png&links=wiki&ns=14&sub=1}} png] oder [{{fullurl:tools:~dapete/catgraph/graph.php|wiki=labs&lang=de&cat={{BASEPAGENAMEE}}&format=svg&links=wiki&ns=14&sub=1}} svg] |}{{#if:{{{kurz|}}}|<br style="clear:both" />}} <noinclude> <div style="margin:1em 0; padding:1em; border:solid 1px #FF0040; background-color:#FFFFFF;"> * '''Funktion:''' Diese Vorlage dient zur Visualisierung des Kategoriebaums unter Benutzung des [http://toolserver.org/~dapete/catgraph/ CatGraph]-Werkzeuges von [[Benutzer:Dapete|Dapete]]. Es visualisiert den [[Graph (Graphentheorie)|Graphen]] aller Ober- bzw. Unterkategorien der aktuellen Kategorie. * '''Verwendung:''' Einfach <code><nowiki>{{Kategoriegraph}}</nowiki></code> in die gewünschte Kategorieseite einbinden. Die Vorlage funktioniert ''nur'' auf Kategorieseiten sowie den zugehörigen Diskussionsseiten. * '''Anmerkung:''' Die Vorlage soll helfen, den Nutzen des CatGraph-Werkzeugs für die Kategoriepflege zu überprüfen. Daher ist die ''massenhafte Verwendung nicht gewünscht'', zumal sie nach der Testphase (Ende 2007) voraussichtlich gelöscht wird. Der Einsatz ist hauptsächlich in zentralen Kategorien sinnvoll (Beispiel: [[:Kategorie:Messtechnik]]). Für angemeldete Benutzer gibt es die Möglichkeit, die CatGraph-Funktionalität auf allen Kategorieseiten durch ein [[Benutzer:xorx/monobook.js|Benutzerskript]] zur Verfügung zu stellen. Sollte sich CatGraph als unverzichtbar erweisen, ist eine Einbindung in das Mediawiki geplant. * '''Hinweis:''' Der [[Internet Explorer]] in der Version 6.0 unterstützt keine Anzeige von [[Scalable Vector Graphics|SVG]]-Dateien. * '''Parameter:''' Wenn man <code><nowiki>{{Kategoriegraph|kurz=ja}}</nowiki></code> benutzt, wird die Tabelle das Verzeichnis auch bei kurzen Beschreibungen nicht überlappen. </div> [[Kategorie:Vorlage:Linkbox|Kategoriegraph]] [[bar:Vorlage:Kategoriegraph]] </noinclude> 0m1b4fdhac358xnay61db8kjyni9kj1 wikitext text/x-wiki Kategorie:Sachsystematik 14 24700 27744 27603 2010-07-09T16:36:40Z Gruß Tom 304 removed [[Category:!Hauptkategorie Modellübersichten]]; added [[Category:!Hauptkategorie Modell 01]] using [[Help:Gadget-HotCat|HotCat]] {{Kategoriegraph}} {{Kategoriegraphl}} Diese Kategorie ist das [[Stammverzeichnis]] der Wikipedia-Themengebiete. Hier sind alle thematischen [[Sacherschließung|Sachgebiete]] eingeordnet, die keine Unterkategorie anderer Sachgebiete sind. Die einzelnen Sachgebietskategorien fallen jeweils in die Zuständigkeit eines oder mehrerer [[Wikipedia:WikiProjekt Kategorien/Fachbereiche|Wikipedia-Fachbereiche]], die sich um Wartung und Unterstruktur ihres Kategoriebaums kümmern. {{Commonscat|Topics|Topics – Commons nach Sachgebieten}} [[Kategorie:!Hauptkategorie Modell 01]] so2p5mqx61xwnn0dv8skrxw2veh5q8x wikitext text/x-wiki Kategorie:Fiktion 14 24701 27445 2010-07-06T11:52:56Z Gruß Tom 304 Testenvironment de:Wiki-Kat-Proj {{Kategoriegraph}} {{Kategoriegraphl}} {{Commonscat|Fiction}} [[Kategorie:Sachsystematik]] 4asfflc9p70ctz9q4blhzyj8pk7oxp7 wikitext text/x-wiki Kategorie:!Hauptkategorie Modell 02 14 24704 27927 27877 2010-07-27T06:27:09Z Gruß Tom 304 new key for [[Category:!Hauptkategorie Modellübersichten]]: "Tom" using [[Help:Gadget-HotCat|HotCat]] <div style="text-align: right;"><br />Kategoriegraph [http://toolserver.org/~dapete/catgraph/graph.php?wiki=dewiki&cat=!Hauptkategorie&format=svg&links=wiki&sub=1 Hauptkategorie de:WP]</div> {{Kategoriegraphl}} °°°°°°°°°°°°°°°°° !!!! Achtung hier befindet sich das Modell 02 der der !Hauptkategorie !!!! °°°°°°°°°°°°°°°°°°°°° °°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°° Testenvironment de:Wiki-Kat-Projektes °°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°° °°°°°°°°°°°°°°°°°°°° Modell 02 = Projekt [[Benutzer Diskussion:Gruß_Tom]] °°°°°°°°°°°°°°°°°°°°° <div class="hintergrundfarbe2" style="border: solid 1px #8FAACC; padding:0.3em 1em 0.3em 1em"> '''Diese [[WP:KAT|Kategorie]] ist die Oberkategorie aller Kategorien.''' Sie bildet den Einstiegspunkt ([[Stammverzeichnis]]) in das hierarchische Kategoriensystem der Wikipedia. Die [[:Kategorie:Sachsystematik]] enthält eine Übersicht der Haupt-Themengebiete. Unter [[Spezial:Kategorien]] ist eine (nicht-hierarchische) Auflistung aller Kategorien zu finden. Für weitere Suchmöglichkeiten siehe [[Hilfe:Suche]]. {{Commonscat|CommonsRoot|CommonsRoot}} </div> <!-- Als Wurzel des Kategorienbaums ist diese Kategorie zur Zeit nicht kategorisiert. Das Auftreten unter den nichtkategorisierten Kategorien (Spezialseite) ist nicht problematisch. Daher bitte keine Kategorisierung (z.B. Selbstkategorisierung) ohne Rückfrage auf der Diskussionsseite einfügen. --> [[Kategorie:!Hauptkategorie Modellübersichten|Tom]] qupghmdpxeze36x307jhgjr83ozhc6k wikitext text/x-wiki Kategorie:!Hauptkategorie Modell 01 14 24705 27876 27522 2010-07-09T22:10:50Z Gruß Tom 304 <div style="text-align: right;"><br />Kategoriegraph [http://toolserver.org/~dapete/catgraph/graph.php?wiki=dewiki&cat=!Hauptkategorie&format=svg&links=wiki&sub=1 Hauptkategorie de:WP]</div> {{Kategoriegraphl}} °°°°°°°°°°°°°°°°° !!!! Achtung hier befindet sich das Modell 01 der der !Hauptkategorie !!!! °°°°°°°°°°°°°°°°°°°°° °°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°° Testenvironment de:Wiki-Kat-Projektes °°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°° <div class="hintergrundfarbe2" style="border: solid 1px #8FAACC; padding:0.3em 1em 0.3em 1em"> '''Diese [[WP:KAT|Kategorie]] ist die Oberkategorie aller Kategorien.''' Sie bildet den Einstiegspunkt ([[Stammverzeichnis]]) in das hierarchische Kategoriensystem der Wikipedia. Die [[:Kategorie:Sachsystematik]] enthält eine Übersicht der Haupt-Themengebiete. Unter [[Spezial:Kategorien]] ist eine (nicht-hierarchische) Auflistung aller Kategorien zu finden. Für weitere Suchmöglichkeiten siehe [[Hilfe:Suche]]. {{Commonscat|CommonsRoot|CommonsRoot}} </div> <!-- Als Wurzel des Kategorienbaums ist diese Kategorie zur Zeit nicht kategorisiert. Das Auftreten unter den nichtkategorisierten Kategorien (Spezialseite) ist nicht problematisch. Daher bitte keine Kategorisierung (z.B. Selbstkategorisierung) ohne Rückfrage auf der Diskussionsseite einfügen. --> [[Kategorie:!Hauptkategorie Modellübersichten]] c8pulh4kirnnrpt497vdobhxds4dotj wikitext text/x-wiki Kategorie:!Hauptkategorie Modell 03 14 24706 27930 27878 2010-07-27T06:28:24Z Gruß Tom 304 new key for [[Category:!Hauptkategorie Modellübersichten]]: "Zollwurf" using [[Help:Gadget-HotCat|HotCat]] <div style="text-align: right;"><br />Kategoriegraph [http://toolserver.org/~dapete/catgraph/graph.php?wiki=dewiki&cat=!Hauptkategorie&format=svg&links=wiki&sub=1 Hauptkategorie de:WP]</div> {{Kategoriegraphl}} --------- ++++++ Diese Seite wird das '''Kategoriemodell''' von "'''[[Benutzer:Zollwurf|Zollwurf]]'''" abbilden. Bitte daher keine eigenwilligen Änderungen vornehmen. Danke. --[[Benutzer:Zollwurf|Zollwurf]] 16:55, 7. Jul. 2010 (UTC) ++++++ </br> --------- °°°°°°°°°°°°°°°°°°°° Modell 03 = Projekt [[Benutzer Diskussion:Zollwurf]] °°°°°°°°°°°°°°°°°°°°° <div class="hintergrundfarbe2" style="border: solid 1px #8FAACC; padding:0.3em 1em 0.3em 1em"> '''Diese [[WP:KAT|Kategorie]] ist die Oberkategorie aller Kategorien.''' Sie bildet den Einstiegspunkt ([[Stammverzeichnis]]) in das hierarchische Kategoriensystem der Wikipedia. Die [[:Kategorie:Sachsystematik]] enthält eine Übersicht der Haupt-Themengebiete. Unter [[Spezial:Kategorien]] ist eine (nicht-hierarchische) Auflistung aller Kategorien zu finden. Für weitere Suchmöglichkeiten siehe [[Hilfe:Suche]]. {{Commonscat|CommonsRoot|CommonsRoot}} </div> <!-- Als Wurzel des Kategorienbaums ist diese Kategorie zur Zeit nicht kategorisiert. Das Auftreten unter den nichtkategorisierten Kategorien (Spezialseite) ist nicht problematisch. Daher bitte keine Kategorisierung (z.B. Selbstkategorisierung) ohne Rückfrage auf der Diskussionsseite einfügen. --> [[Kategorie:!Hauptkategorie Modellübersichten|Zollwurf]] qhyu73h4oaemz6z8hkmaprx91akkmuh wikitext text/x-wiki Kategorie:!Hauptkategorie Modellübersichten 14 24707 28200 28092 2011-03-11T00:50:36Z CroMagnon 557 reserved Modell 07 for "project discussion" cat tests <div style="text-align: right;"><br />Kategoriegraph [http://toolserver.org/~dapete/catgraph/graph.php?wiki=dewiki&cat=!Hauptkategorie&format=svg&links=wiki&sub=1 Hauptkategorie de:WP]</div> {{Kategoriegraphl}} °°°°°°°°°°°°°°°°° !!!! Attention / Achtung hier befinden sich Modelle der der !Hauptkategorien !!!! °°°°°°°°°°°°°°°°°°°°° °°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°° Test-Environment de:Wiki-Kat-Projekt °°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°° ________________________Seitenbestand aktuell siehe: [http://de.labs.wikimedia.org/w/index.php?title=Spezial:Alle_Seiten&from=Hauptseite&namespace=0] ____________________ °°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°° Overview / Übersicht der Modellvarianten °°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°° Projektzuweisung nach eigener Wahl: * Modell 01 reserved for joint presentation up to [http://en.wikipedia.org/wiki/Consensus consensus] * Modell 02 reserved (17:18, 7. Jul. 2010 (UTC) [[:Kategorie:!Hauptkategorie Modell 02]] up to choice of Gruß_Tom [http://de.labs.wikimedia.org/w/index.php?title=Kategorie:!Hauptkategorie_Modell_02&diff=27485&oldid=27471] * Modell 02.2 reserved (06:08, 27. Jul. 2010 (UTC) [[:Kategorie:!Hauptkategorie Modell 02.2]] up to choice of Gruß_Tom [http://de.labs.wikimedia.org/w/index.php?title=Kategorie:!Hauptkategorie_Modell_02.2&diff=27917&oldid=27916] * Modell 02.3 reserved (06:24, 27. Jul. 2010 (UTC) [[:Kategorie:!Hauptkategorie Modell 02.3]] up to choice of Gruß_Tom [http://de.labs.wikimedia.org/w/index.php?title=Kategorie:!Hauptkategorie_Modell_02.3&diff=27925&oldid=27924] * Modell 02.4 reserved ( 2010 (UTC) [[:Kategorie:!Hauptkategorie Modell 02.4]] up to choice of Gruß_Tom [http://de.labs.wikimedia.org/w/index.php?title=Kategorie:!Hauptkategorie_Modell_02.2&diff=27917&oldid=27916] * Modell 02.5 reserved ( 2010 (UTC) [[:Kategorie:!Hauptkategorie Modell 02.5]] up to choice of Gruß_Tom [http://de.labs.wikimedia.org/w/index.php?title=Kategorie:!Hauptkategorie_Modell_02.2&diff=27917&oldid=27916] * Modell 03 reserved (16:56, 7. Jul. 2010 (UTC) [[:Kategorie:!Hauptkategorie Modell 03]] up to choice of Zollwurf [http://de.labs.wikimedia.org/w/index.php?title=Benutzer_Diskussion:Zollwurf&diff=prev&oldid=27479] * Modell 04 reserved ([[Benutzer:SDB|SDB]] 00:01, 9. Jul. 2010 (UTC) [[:Kategorie:!Hauptkategorie Modell 04]] up to choice of [[Benutzer:SDB|SDB]]) * Modell 04.2 reserved ([[Benutzer:SDB|SDB]] 18:29, 28. Jul. 2010 (UTC) [[:Kategorie:!Hauptkategorie Modell 04.2]] up to choice of [[Benutzer:SDB|SDB]]) * Modell 05 reserved ([[Benutzer:Summ|Summ]] 12:24, 9. Jul. 2010 (UTC) [[:Kategorie:!Hauptkategorie Modell 05]] up to choice of [[Benutzer:Summ|Summ]] * Modell 06 reserved (15:00, 30. Juli 2010 (UTC) [[:Kategorie:!Hauptkategorie Modell 06]] up to choice of [[Benutzer:Milgesch]] [http://de.labs.wikimedia.org/w/index.php?title=Kategorie:!Hauptkategorie_Modell_06&diff=28081&oldid=27881] * Modell 07 reserved (00:50, 11. Mär. 2011 (UTC)) [[:Kategorie:!Hauptkategorie Modell 07]] up to choice of [[Benutzer:CroMagnon|CroMagnon]] 00:50, 11. Mär. 2011 (UTC) * Modell 08 free [[:Kategorie:!Hauptkategorie Modell 08]] up to choice of * Modell 09 free [[:Kategorie:!Hauptkategorie Modell 09]] up to choice of Nicht mehr zugeordnete Kategorien finden sich mit [http://de.labs.wikimedia.org/wiki/Spezial:Nicht_kategorisierte_Kategorien dieser] Auswertung. * '''Löschhölle''' ist hier die [[:Kategorie:Orkus]] Obsoletes bitte dort eintragen - "geext" wird gelegentlich ;-) ====== HotCat ========> wird verfügbar, wenn man sein Monobook wie auf [http://de.labs.wikimedia.org/wiki/Benutzer:Gruß_Tom/Hotcat_V_2.2_monobook.js dieser Seite] konfiguriert. 03l65h8btvl39dqea55wez0ihzfj16h wikitext text/x-wiki Kategorie:Nichtindizierte Seiten 14 24710 27523 27474 2010-07-08T12:26:06Z Gruß Tom 304 clean phoiac9h4m842xq45sp7s6u21eteeq1 wikitext text/x-wiki Kategorie:!Hauptkategorie Modell 05 14 24711 27880 27802 2010-07-09T22:12:25Z Gruß Tom 304 <div style="text-align: right;"><br />Kategoriegraph [http://toolserver.org/~dapete/catgraph/graph.php?wiki=dewiki&cat=!Hauptkategorie&format=svg&links=wiki&sub=1 Hauptkategorie de:WP]</div> {{Kategoriegraphl}} °°°°°°°°°°°°°°°°° !!!! Achtung hier befindet sich das Modell 05 der der !Hauptkategorie !!!! °°°°°°°°°°°°°°°°°°°°° °°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°° Testenvironment de:Wiki-Kat-Projektes °°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°° °°°°°°°°°°°°°°°°°°°° Modell 05 = Projekt [[Benutzer Diskussion:Summ]] °°°°°°°°°°°°°°°°°°°°° <div class="hintergrundfarbe2" style="border: solid 1px #8FAACC; padding:0.3em 1em 0.3em 1em"> '''Diese [[WP:KAT|Kategorie]] ist die Oberkategorie aller Kategorien.''' Sie bildet den Einstiegspunkt ([[Stammverzeichnis]]) in das hierarchische Kategoriensystem der Wikipedia. Die [[:Kategorie:Sachgebiet als Thema]] enthält eine Übersicht der Haupt-Themengebiete. Unter [[Spezial:Kategorien]] ist eine (nicht-hierarchische) Auflistung aller Kategorien zu finden. Für weitere Suchmöglichkeiten siehe [[Hilfe:Suche]]. {{Commonscat|CommonsRoot|CommonsRoot}} </div> <!-- Als Wurzel des Kategorienbaums ist diese Kategorie zur Zeit nicht kategorisiert. Das Auftreten unter den nichtkategorisierten Kategorien (Spezialseite) ist nicht problematisch. Daher bitte keine Kategorisierung (z.B. Selbstkategorisierung) ohne Rückfrage auf der Diskussionsseite einfügen. --> [[Kategorie:!Hauptkategorie Modellübersichten]] 6eoi54cycfpkn8f47ydtpatzx0186vr wikitext text/x-wiki Kategorie:!Hauptkategorie Modell 04 14 24712 27931 27896 2010-07-27T06:29:00Z Gruß Tom 304 new key for [[Category:!Hauptkategorie Modellübersichten]]: "SDB" using [[Help:Gadget-HotCat|HotCat]] <div style="text-align: right;"><br />Kategoriegraph [http://toolserver.org/~dapete/catgraph/graph.php?wiki=dewiki&cat=!Hauptkategorie&format=svg&links=wiki&sub=1 Hauptkategorie de:WP]</div> {{Kategoriegraphl}} °°°°°°°°°°°°°°°°° !!!! Achtung hier befindet sich das Modell 04 der der !Hauptkategorie !!!! °°°°°°°°°°°°°°°°°°°°° °°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°° Testenvironment de:Wiki-Kat-Projektes °°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°° °°°°°°°°°°°°°°°°°°°° Modell 04 = Projekt [http://de.wikipedia.org/wiki/Benutzer:SDB User: SDB] °°°°°°°°°°°°°°°°°°°°° <div class="hintergrundfarbe2" style="border: solid 1px #8FAACC; padding:0.3em 1em 0.3em 1em"> '''Diese [[WP:KAT|Kategorie]] ist die Oberkategorie aller Kategorien.''' Sie bildet den Einstiegspunkt ([[Stammverzeichnis]]) in das hierarchische Kategoriensystem der Wikipedia. Die [[:Kategorie:Sachsystematik]] enthält eine Übersicht der Haupt-Themengebiete. Unter [[Spezial:Kategorien]] ist eine (nicht-hierarchische) Auflistung aller Kategorien zu finden. Für weitere Suchmöglichkeiten siehe [[Hilfe:Suche]]. {{Commonscat|CommonsRoot|CommonsRoot}} Dieser Kategorienbaum ist zu lesen: Die Wikipedia ist ein System von Artikeln. Dieses Artikelsystem kann nach inhaltlichen und strukturellen Elementen aufgegliedert werden. </div> <!-- Als Wurzel des Kategorienbaums ist diese Kategorie zur Zeit nicht kategorisiert. Das Auftreten unter den nichtkategorisierten Kategorien (Spezialseite) ist nicht problematisch. Daher bitte keine Kategorisierung (z.B. Selbstkategorisierung) ohne Rückfrage auf der Diskussionsseite einfügen. --> [[Kategorie:!Hauptkategorie Modellübersichten|SDB]] rpoghx5ldw1c3xwmerm93zft2h7r36k wikitext text/x-wiki Kategorie:Wikipedia:Exzellent 14 24715 27604 27595 2010-07-09T07:36:27Z Gruß Tom 304 removed [[Category:!Hauptkategorie Modellübersichten]]; added [[Category:Wikipedia:]] using [[Help:Gadget-HotCat|HotCat]] {{Kategoriegraph}} {{Kategoriegraphl}} Die Kategorie '''[[Wikipedia:Exzellente Artikel|Exzellent]]''' enthält alle von den Wikipedianern als herausragend bewerteten Artikel. Unter dem Ausrufezeichen werden Artikel aufgelistet, die derzeit zur Abwahl stehen, möglicherweise also bald nicht mehr in dieser Kategorie auftauchen. Siehe auch [[:Kategorie:Wikipedia:Lesenswert|lesenswerte Artikel]]. Aus der Zählung muss der „Artikel“ * Wikipedia:Exzellente Artikel herausgenommen werden. Die Zahl der exzellenten Artikel ist also um eins geringer als die hier angezeigte Zahl. [[Kategorie:Wikipedia:Bewertete Seite|Exzellent]] [[Kategorie:Wikipedia:]] p9cvejq93fqclq9qnrwjuyugxf3955v wikitext text/x-wiki Kategorie:Sachsystematik02 14 24716 27496 2010-07-08T08:28:59Z Gruß Tom 304 c {{Kategoriegraph}} {{Kategoriegraphl}} Diese Kategorie ist das [[Stammverzeichnis]] der Wikipedia-Themengebiete. Hier sind alle thematischen [[Sacherschließung|Sachgebiete]] eingeordnet, die keine Unterkategorie anderer Sachgebiete sind. Die einzelnen Sachgebietskategorien fallen jeweils in die Zuständigkeit eines oder mehrerer [[Wikipedia:WikiProjekt Kategorien/Fachbereiche|Wikipedia-Fachbereiche]], die sich um Wartung und Unterstruktur ihres Kategoriebaums kümmern. {{Commonscat|Topics|Topics – Commons nach Sachgebieten}} [[Kategorie:!Hauptkategorie Modell 02]] ph61yeudgkmpx1v4zqufs155j6hpm5s wikitext text/x-wiki Kategorie:Räumliche Systematik02 14 24717 27942 27920 2010-07-27T07:10:14Z Gruß Tom 304 added [[Category:WP:Content 02.3]] using [[Help:Gadget-HotCat|HotCat]] {{Kategoriegraph}} {{Kategoriegraphl}} Die Kategorie bietet einen alternativen Einstieg in die Enzyklopädie über eine ''Räumliche Systematik'' an. Themenkategorien sind nach räumlichen Begriffen zusammengefasst. Im Gegensatz dazu fächern die !-Kategorien thematische Sachgebiete nach räumlichen Begriffen (Kontinent, Kulturkreis, Ort, Region und Staat) auf. [[Kategorie:!Hauptkategorie Modell 02]] [[Kategorie:!Hauptkategorie Modell 02.2]] [[Kategorie:WP:Content 02.3]] t9pisqacrmrac4d3l5nvjq81a1zg81i wikitext text/x-wiki Kategorie:Technik02 14 24718 27500 2010-07-08T08:42:49Z Gruß Tom 304 c+ {{Kategoriegraph}} {{Kategoriegraphl}} {{Portal|Technik}} [[Technik]] ist die Anwendung von besonderen Methoden, Prinzipien oder Naturgesetzen, einzeln oder in Kombination, um bestimmte Wirkungen zu erzielen. {{Commonscat|Technology}} {{Dateikat|Technik}} [[Kategorie:Sachsystematik02]] e4l5gp64nexyuxkumxw6s6owkg32thy wikitext text/x-wiki Kategorie:Technisches Fachgebiet02 14 24719 27501 2010-07-08T08:46:02Z Gruß Tom 304 c+ {{Kategoriegraph}} {{Kategoriegraphl}} [[Kategorie:Technik02|!]] px42d29ow9x6q9tvrkn2ndbi1nbjl8o wikitext text/x-wiki Kategorie:Militärtechnik02 14 24720 27503 2010-07-08T08:51:52Z Gruß Tom 304 c+ {{Kategoriegraph}} {{Kategoriegraphl}} Diese Kategorie enthält Unterkategorien und Artikel zu '''ausschließlich militärisch''' genutzter Technik. Die Strukturierung der Kategorien folgt den Gesichtspunkten der Militärtechnik, sie enthält allerdings auch weitere Typisierungskategorien, in denen Zuordnungen nach anderen Gesichtspunkten möglich sind. {{Commonscat|Military equipment}} [[Kategorie:Technisches Fachgebiet02]] [[Kategorie:Militärwesen02|Technik]] qpbj8zoselesi225zc4j0pa8u8ycfm4 wikitext text/x-wiki Kategorie:Bauteil (Geschütz)02 14 24721 27505 27504 2010-07-08T08:58:05Z Gruß Tom 304 f {{Kategoriegraph}} {{Kategoriegraphl}} Diese Kategorie enthält Artikel zu '''Bauteilen''' von [[Geschütz]]en. Baugruppen wie komplette Verschluss-Systeme finden sich in der [[:Kategorie:Baugruppe (Geschütz)02]]. [[Kategorie:Baugruppe (Geschütz)02]] [[Kategorie:Bauteil02|Geschuetze]] [[Kategorie:Militärtechnik02|Waff30]] hm0ro8h6lue9uq7h3ac68rlu9wovi5i wikitext text/x-wiki Kategorie:Bauteil02 14 24722 27506 2010-07-08T09:01:43Z Gruß Tom 304 c+ {{Kategoriegraph}} {{Kategoriegraphl}} [[Kategorie:Technik02]] [[Kategorie:Technisches Objekt02]] jii5rz8i7jcnuu5ocqqdh72oymb0usb wikitext text/x-wiki Kategorie:Technisches Objekt02 14 24723 27507 2010-07-08T09:05:29Z Gruß Tom 304 c+ {{Kategoriegraph}} {{Kategoriegraphl}} Derzeit in Löschdiskussion !!! [[Kategorie:Produkt nach Verwendung02]] o1q40y8ns40y3csz1vodvwkcwmjdjwj wikitext text/x-wiki Kategorie:Produkt nach Verwendung02 14 24724 27508 2010-07-08T09:07:01Z Gruß Tom 304 c+ {{Kategoriegraph}} {{Kategoriegraphl}} Hier werden ausschliesslich die Produkte selbst eingetragen * Zur Einteilung der Produkte siehe [[:Kategorie:Produktklassifikation]] [[Kategorie:Produkt02| Verwendung]] ehrgaf4k4imkyun9vas8j6fjuz1xxoh wikitext text/x-wiki Kategorie:Produkt02 14 24725 27509 2010-07-08T09:08:45Z Gruß Tom 304 c+ {{Kategoriegraph}} {{Kategoriegraphl}} Diese ist eine Kategorie für Produktkategorien. Bitte keine einzelnen Produkte einkategorisieren, sondern immer nur in die jeweiligen Unterkategorien. [[Kategorie:Objektkategorie02]] n3vn22a6pkmtceob5q08bfkefoe6v3p wikitext text/x-wiki Kategorie:Objektkategorie02 14 24726 27510 2010-07-08T09:10:59Z Gruß Tom 304 c+ {{Kategoriegraph}} {{Kategoriegraphl}} Hier sind sachgebietsübergreifende [[Wikipedia:WikiProjekt Kategorien/Einordnung von Kategorien#Objektkategorie („ist ein“-Einordnung)|Objektkategorien]] eingeordnet. [[Kategorie:!Hauptkategorie Modell 02]] j3jc3tlcercmcwcj4abi3yqrju7vplc wikitext text/x-wiki Rauchabsauger 0 24727 27511 2010-07-08T10:53:09Z Gruß Tom 304 Kopie für Testbestand [[Bild:Rauchabsauger Leo 2A4.jpg|thumb|Rauchabsauger eines [[Leopard 2|Leopard&nbsp;2&nbsp;A4]]]] [[Datei:PZM Munster Rheinmetall Rauchabsauger.jpg|thumb|Rauchabsauger ohne Ummantelung]] Ein '''Rauchabsauger''' ist ein Teil moderner [[Geschütz]]e, der verhindert, dass erhebliche Teile der beim Schuss entstehenden Verbrennungsgase das [[Lauf (Schusswaffe)|Geschützrohr]] durch den nach dem Schuss zu öffnenden [[Verschluss (Waffentechnik)|Verschluss]] verlassen. Rauchabsauger werden üblicherweise nur bei Geschützen eingesetzt, deren Verschluss sich in einem geschlossenen [[Kampfraum]] befindet, um diesen vor übermäßigem Einströmen von Verbrennungsgasen nach dem Öffnen des Verschlusses zu schützen. Anderenfalls können diese Gase die Besatzung beeinträchtigen (Giftwirkungen wie Reizungen und Atembeschwerden) sowie unter Umständen (unvollständige Verbrennung) mit Luft explosionsfähige Gemische bilden. == Wirkungsweise == Der Rauchabsauger besteht als technisches Gerät aus einem Hohlkörper (zum Beispiel aus [[Glasfaserverstärkter_Kunststoff|GFK]] oder Metall) in Form einer Hülse von etwa 50 bis 70&nbsp;cm Länge, der über das Geschützrohr geschoben und dort gasdicht fixiert wird. Innerhalb des Bereichs dieser Hülse befinden sich (in der Regel vier) von außen nach innen schräg nach vorn gerichtete [[Bohrung]]en in der Außenwand des Geschützrohres. Durch den [[Treibladung]]sabbrand bildet sich zwischen [[Projektil|Geschoss]] und Verschlussboden ein [[Überdruck]], der –&nbsp;nachdem das Geschoss die Bohrungen passiert hat&nbsp;– auch in den Hohlraum des Rauchabsaugers strömt. Nachdem das Geschoss das Rohr verlassen hat, fällt der Druck im Rohr rasch auf den Umgebungsdruck ab und die nunmehr noch unter höherem Druck stehenden Gase im Rauchabsauger strömen durch die Bohrungen in das Rohr zur Mündung hin. Auf diese Weise entsteht (durch den offenen Verschluss) ein Sog, durch den die sich noch im Rohr befindlichen Verbrennungsgase nach vorn mitgerissen und aus dem Rohr transportiert werden. Die Wirkung beruht auf der Funktionsweise der [[Strahlpumpe]]. [[Kategorie:Bauteil (Geschütz)02]] [[Kategorie:Artillerie02]] [[en:Bore evacuator]] [[fr:Extracteur de fumées]] [[ja:排煙器]] [[pl:Przedmuchiwacz lufy]] [[sv:Krutgasejektor]] q413uy2kv2ubysnptgfkqwfe66w2ais wikitext text/x-wiki Kategorie:Objektkategorie03 14 24728 27524 2010-07-08T14:43:02Z Zollwurf 469 Modell 3 {{Kategoriegraph}} {{Kategoriegraphl}} Hier sind [[Wikipedia:WikiProjekt Kategorien/Einordnung von Kategorien#Objektkategorie („ist ein“-Einordnung)|Objektkategorien]] eingeordnet. [[Kategorie:!Hauptkategorie Modell 03]] oh6kcwiw4rpy5xtbtbl6m8lcnw52r75 wikitext text/x-wiki Kategorie:Räumliche Systematik03 14 24729 27525 2010-07-08T14:45:50Z Zollwurf 469 Modell 03 {{Kategoriegraph}} {{Kategoriegraphl}} Die Kategorie bietet einen alternativen Einstieg in die Enzyklopädie über eine ''Räumliche Systematik'' an. Themenkategorien sind nach räumlichen Begriffen zusammengefasst. [[Kategorie:!Hauptkategorie Modell 03]] hkavi0lny1fz3700dpszrxljykfscy3 wikitext text/x-wiki Kategorie:Sachsystematik03 14 24730 27526 2010-07-08T14:48:11Z Zollwurf 469 Modell 03 {{Kategoriegraph}} {{Kategoriegraphl}} Diese Kategorie ist das [[Stammverzeichnis]] der Wikipedia-Themengebiete. Hier sind alle thematischen [[Sacherschließung|Sachgebiete]] eingeordnet, die keine Unterkategorie anderer Sachgebiete sind. Die einzelnen Sachgebietskategorien fallen jeweils in die Zuständigkeit eines oder mehrerer [[Wikipedia:WikiProjekt Kategorien/Fachbereiche|Wikipedia-Fachbereiche]], die sich um Wartung und Unterstruktur ihres Kategoriebaums kümmern. {{Commonscat|Topics|Topics – Commons nach Sachgebieten}} [[Kategorie:!Hauptkategorie Modell 03]] 85fhz70w4qvibxm7rnvzxd2lxolgrp8 wikitext text/x-wiki Kategorie:Zeitliche Systematik03 14 24731 27697 27527 2010-07-09T16:04:14Z Zollwurf 469 vorläufig ohne Belang Diese Kategorie ordnet die Wikipedia-Artikel nach Zeit: * historische Artikel nach Zeitalter in der '''[[:Kategorie:Zeitalter]]''' * historische [[Zeittafel]]n in der '''[[:Kategorie:Zeittafel]]''' * beliebige Artikel mit Bezug zu einem bestimmten Zeitabschnitt (einschließlich Gegenwart und Zukunft) in den Kategorien '''Zuordnung nach ...''' * Artikel zu bestimmten Themen und mit Bezug zu einem bestimmten Zeitabschnitt (einschließlich Gegenwart und Zukunft) in den übrigen Kategorien wie der [[:Kategorie:Werk nach Jahr]] pipqaq9nj4zgqne7xphlrlpwokyrpci wikitext text/x-wiki Helgoland 0 24732 27539 27529 2010-07-08T15:31:04Z Zollwurf 469 TESTFALL ----------------------------------- '''Helgoland''' (auf [[Halunder|Helgoländer Friesisch]] ''Deät Lun'' („Das Land“), [[Englische Sprache|englisch]] ''Heligoland'', bei antiken Schriftstellern ''Abalus'' oder ''Basileia'' genannt) ist [[Deutschland]]s am weitesten vom [[Festland]] entfernte [[Insel]]. Die [[Nordsee]]-Insel Helgoland liegt in der [[Deutsche Bucht|Deutschen Bucht]] und besteht aus der Hauptinsel, die sich in Unter-, Mittel- und Oberland gliedert, und der seit 1721 abgetrennten Insel ''[[Düne (Insel)|Düne]]''. Der Name der Insel wird häufig mit [[niederdeutsch]] ''Heiliges Land'' identifiziert, andere vermuten den gleichen Wortstamm wie beim Wort ''[[Hallig]]''. (...) [[Kategorie:Helgoland| ]] [[Kategorie:Ort im Kreis Pinneberg]] [[Kategorie:Kurort in Schleswig-Holstein]] [[Kategorie:Insel (Europa)]] [[Kategorie:Insel (Schleswig-Holstein)]] [[Kategorie:Insel (Nordsee)]] [[Kategorie:Friesland]] [[Kategorie:Autofreier Ort]] [[Kategorie:Ehemaliger Kreis in Schleswig-Holstein|Helgoland]] 8b740q2zvrgf5h0kdkbi784zxeo8wn6 wikitext text/x-wiki Kategorie:Insel (Schleswig-Holstein) 14 24733 27530 2010-07-08T15:12:40Z Zollwurf 469 Modell 03 [[Kategorie:Insel (Deutschland)|Schleswig-Holstein]] nna6is3ip4xb7oc7pxyl18pbsqpfxuq wikitext text/x-wiki Kategorie:Insel (Deutschland) 14 24734 27531 2010-07-08T15:13:28Z Zollwurf 469 Modell 03 [[Kategorie:Insel nach Staat|Deutschland]] 7gl863fvsrb4oz8idci6vuzt4f3b15c wikitext text/x-wiki Kategorie:Insel nach Staat 14 24735 27538 27532 2010-07-08T15:27:37Z Zollwurf 469 [[Kategorie:Insel 03|Staat, Deutschland]] 5hlajyy43vtt0v61ylynpu2dcsov5c4 wikitext text/x-wiki Kategorie:Insel 03 14 24736 27554 27553 2010-07-08T16:20:12Z Zollwurf 469 [[Kategorie:Geographisches Objekt 03|Insel]] 304b18forj9hamhpctpc88y3k8lqffm wikitext text/x-wiki Kategorie:Geographisches Objekt 03 14 24737 27561 27534 2010-07-08T16:49:32Z Zollwurf 469 [[Kategorie:Objektkategorie03|Geographisches Objekt 03]] [[Kategorie:Räumliche Systematik03|Geographisches Objekt 03]] 1nw6so0wm0e2z4bs538a8hdgfkciksa wikitext text/x-wiki Kategorie:Insel (Europa) 14 24738 27535 2010-07-08T15:24:39Z Zollwurf 469 Modell 03 [[Kategorie:Insel nach Kontinent|Europa]] qd1wkv19vvgfwme03mfzqrvaowqk785 wikitext text/x-wiki Kategorie:Insel nach Kontinent 14 24739 27537 27536 2010-07-08T15:26:58Z Zollwurf 469 [[Kategorie:Insel 03|Kontinent, Europa]] 4uxbmwg3dwuv9jj4vlmn4t1f0b80da5 wikitext text/x-wiki Kategorie:Insel (Nordsee) 14 24740 27674 27546 2010-07-09T15:09:19Z Zollwurf 469 Modell 03 (katfix) [[Kategorie:Insel (Atlantischer Ozean)|Nordsee]] 6bels75pfq95es1r93nsrubpagndhcm wikitext text/x-wiki Kategorie:Insel nach Meer 14 24741 27672 27549 2010-07-09T15:04:54Z Zollwurf 469 Modell 03 [[Kategorie:Insel nach Gewässertyp|Meer]] 460n4bv0uh3tbkesr3t9l4uatys0o8u wikitext text/x-wiki Kategorie:Insel (Atlantischer Ozean) 14 24742 27671 27544 2010-07-09T15:03:10Z Zollwurf 469 katfix [[Kategorie:Insel nach Meer|Atlantik]] aazensimhwjvxd9966mi8s66qsnhynl wikitext text/x-wiki Kategorie:Insel nach Ozean 14 24743 27675 27545 2010-07-09T15:12:37Z Zollwurf 469 LÖSCHEN {{subst:Löschen|FEHLER! --[[Benutzer:Zollwurf|Zollwurf]] 15:12, 9. Jul. 2010 (UTC)}} tvyo0yfdzj2xj25cvhraj8el7knffn3 wikitext text/x-wiki Kategorie:Geographisches Thema 03 14 24745 27550 2010-07-08T16:03:54Z Zollwurf 469 Modell 03 [[Kategorie:Räumliche Systematik03|Geoobjekte]] fiiek92berfnyl37y1qzjcvz640z1dl wikitext text/x-wiki Kategorie:Inseln 03 14 24746 27551 2010-07-08T16:06:12Z Zollwurf 469 Modell 03 [[Kategorie:Geographisches Thema 03|Inseln]] 3dbi1e5nhjbziwy5pzau1tb6rs1rndv wikitext text/x-wiki Kategorie:Helgoland 14 24747 27704 27698 2010-07-09T16:16:37Z Zollwurf 469 Modell 03 [[Kategorie:Schleswig-Holstein nach Inseln|Helgoland]] [[Kategorie:Europa nach Inseln|Helgoland]] rt08chthscnh9nf75sou8l0th140qe9 wikitext text/x-wiki Geographie 03 0 24748 27555 2010-07-08T16:22:54Z Zollwurf 469 Modell 03 [[Kategorie:Sachsystematik03|Geographie]] kgikn24z5k901q8ysxs2lu65ij9qaj4 wikitext text/x-wiki Insel 0 24749 27556 2010-07-08T16:35:17Z Zollwurf 469 Testfall Begriff, Quelle: wikipedia.de TESTFALL: -------------------------- Eine '''Insel''' ist eine in einem [[Meer]] oder [[Binnengewässer]] liegende, auch bei [[Flut]] über den [[Wasserspiegel]] hinausragende [[Landmasse]], die vollständig von [[Wasser]] umgeben ist, aber nicht als [[Kontinent]] gilt. Mehrere räumlich relativ nahe beieinander gelegene Inseln können eine [[Inselgruppe]] bilden. (...) [[Kategorie:Geographischer Begriff|Insel]] 0gw860ruyi9jkti3wnqtrqh1by01amw wikitext text/x-wiki Kategorie:Geographischer Begriff 14 24750 27557 2010-07-08T16:39:41Z Zollwurf 469 Modell 03 [[Kategorie:Geographische Definition|Begriff]] 4ln00iyfc86944y64c6ilv4z1lv50hc wikitext text/x-wiki Kategorie:Geographische Definition 14 24751 27559 27558 2010-07-08T16:41:54Z Zollwurf 469 [[Kategorie:Geographie 03|Definitionen]] c3aftaoqr342s32mxoxe63q1o8mhxzv wikitext text/x-wiki Kategorie:Geographie 03 14 24752 27560 2010-07-08T16:45:04Z Zollwurf 469 Modell 03 [[Kategorie:Sachsystematik03|Geographie]] kgikn24z5k901q8ysxs2lu65ij9qaj4 wikitext text/x-wiki Kategorie:Chemisches Element 14 24753 27562 2010-07-08T17:31:46Z Gruß Tom 304 c+ {{Kategoriegraph}} {{Kategoriegraphl}} [[Kategorie:Sachsystematik02]] bg5rfe5pemdlvur471p11ahj4wsd9nv wikitext text/x-wiki Kategorie:Fleischfressende Pflanze 14 24754 27571 27563 2010-07-08T17:47:36Z Gruß Tom 304 removed [[Category:Sachsystematik02]]; added [[Category:Pflanzentyp02]] using [[Help:Gadget-HotCat|HotCat]] {{Kategoriegraph}} {{Kategoriegraphl}} [[Kategorie:Pflanzentyp02]] fgwgjr6hxyzmfwep8gpgdv90o6v8uzn wikitext text/x-wiki Kategorie:Deutscher 14 24755 27564 2010-07-08T17:36:28Z Gruß Tom 304 c+ {{Kategoriegraph}} {{Kategoriegraphl}} [[Kategorie:Sachsystematik02]] bg5rfe5pemdlvur471p11ahj4wsd9nv wikitext text/x-wiki Kategorie:Wissenschaft02 14 24756 27565 2010-07-08T17:38:50Z Gruß Tom 304 c+ {{Kategoriegraph}} {{Kategoriegraphl}} [[Kategorie:Sachsystematik02]] bg5rfe5pemdlvur471p11ahj4wsd9nv wikitext text/x-wiki Kategorie:Wissenschaftliches Fachgebiet02 14 24757 27566 2010-07-08T17:40:24Z Gruß Tom 304 c+ {{Kategoriegraph}} {{Kategoriegraphl}} [[Kategorie:Wissenschaft02]] 9xv5tmaopd1t7arkealt310g59noh2k wikitext text/x-wiki Kategorie:Naturwissenschaft02 14 24758 27567 2010-07-08T17:42:04Z Gruß Tom 304 c+ {{Kategoriegraph}} {{Kategoriegraphl}} [[Kategorie:Wissenschaftliches Fachgebiet02]] q23dtyo34qlnp5foqqwgspqml2xcihl wikitext text/x-wiki Kategorie:Biologie02 14 24759 27568 2010-07-08T17:44:03Z Gruß Tom 304 c+ {{Kategoriegraph}} {{Kategoriegraphl}} [[Kategorie:Naturwissenschaft02]] hl9cwcq0rlgn73wma8uivk27qc3edzr wikitext text/x-wiki Kategorie:Botanik02 14 24760 27569 2010-07-08T17:45:02Z Gruß Tom 304 c+ {{Kategoriegraph}} {{Kategoriegraphl}} [[Kategorie:Biologie02]] q6d5bpk3undc9i8v0ybiz60awy3p0jg wikitext text/x-wiki Kategorie:Pflanzentyp02 14 24761 27570 2010-07-08T17:46:25Z Gruß Tom 304 c+ {{Kategoriegraph}} {{Kategoriegraphl}} [[Kategorie:Botanik02]] 7jfz480clg3hhnhhtgcbt646kw7cxno wikitext text/x-wiki Kategorie:Thematische Systematik04 14 24762 27575 2010-07-09T00:07:50Z SDB 471 Die Seite wurde neu angelegt: „[[Kategorie:!Hauptkategorie Modell 04]]“ [[Kategorie:!Hauptkategorie Modell 04]] rxs33v6whp4nb7udzhn4wnerwa95861 wikitext text/x-wiki Strukturelle Systematik04 0 24763 27579 27578 2010-07-09T00:11:37Z SDB 471 {{SLA}}, sollte Kategorie werden - [[Benutzer:SDB|SDB]] 00:11, 9. Jul. 2010 (UTC) dazkpkmhen5n2hd13ox2syjqwwtzbct wikitext text/x-wiki Kategorie:Strukturelle Systematik04 14 24764 28045 28032 2010-07-27T10:58:37Z Gruß Tom 304 ich seh sonst nix {{Kategoriegraphl}} Ersetzt bisherige [http://de.wikipedia.org/wiki/Kategorie:Objektkategorie! de.-Kategorie:Objektkategorie] und entspricht formal, allerdings nicht deckungsgleich [http://en.wikipedia.org/wiki/Category:Structure en-Category:Structure]. Eventuell auch als [http://de.wikipedia.org/wiki/Entität Entität] wiederzugeben (''Sammelbegriff für alles Existierende bzw. Seiende. So gehören Gegenstände, Eigenschaften, Prozesse usw. usf. zur Klasse der Entitäten.'') In diesem Kontext wäre die Kategorie:!Hauptkategorie die Kategorie:System, die zwei Systematiken kennt, die der Struktur (siehe [http://de.wikipedia.org/wiki/System System]: ''Muster von Systemelementen und ihrer Wirk-Beziehungen (Relationen) untereinander, also die Art und Weise, wie die Elemente eines Systems aufeinander bezogen sind (durch Beziehungen „verbunden“ sind), so dass ein System entsteht und sich erhält).'') und die des Themas (als ''abstrakter Inhalt'' eines Systems) Anders als en.wikipedia setze ich den Begriff Struktur über den Begriff des Konzepts ''noch nicht eingegliedert'' * Kategorie:Struktur nach Eigenname (siehe zur Unterscheidung von anderen Namen [http://de.wikipedia.org/wiki/Eigenname Eigenname]: ''"Ein Eigenname, auch Nomen proprium, bezeichnet einzelne Dinge oder Wesen. ... Zusammen mit den Gattungsnamen (Appellativa) und den Stoffnamen (Kontinuativa) bilden sie die Nomina (Namen im allgemeinen Sinne)."'') --- ''Nachfolgende Aufstellung ist ein erster Versuch und noch nicht vollständig.'' * Kategorie:Abstraktion ([http://en.wikipedia.org/wiki/Category:Abstraction en]) ** Kategorie:Fiktion ** Kategorie:Hypothese ** Kategorie:Idee ** Kategorie:Konzept ** Kategorie:Modell ** Kategorie:Theorie * Kategorie:Terminologie (Begriff) ([http://en.wikipedia.org/wiki/Category:terminology en]) ** Kategorie:Bezeichnung *** Kategorie:Abkürzung (gekürzte Benennung) *** Kategorie:Benennung (Name) **** Kategorie:Eigenname **** Kategorie:Gattungsname **** Kategorie:Stoffname *** Kategorie:Notation *** Kategorie:Nummer *** Kategorie:Zeichen ??? ** Kategorie:Fachbegriff * Kategorie:Affekt ** Kategorie:Emotion * Kategorie:Anatomie (Menschen, Tiere, Pflanzen) ([http://en.wikipedia.org/wiki/Category:anatomy en]) * Kategorie:Differenz ([http://en.wikipedia.org/wiki/Category:difference en]) ** Kategorie:Dichtonomie ** Kategorie:Konflikt ** Kategorie:Rivalität ** Kategorie:Schisma ** Kategorie:Vergleich * Kategorie:Eigenschaft * Kategorie:Form (Gattung, Typ) * Kategorie:Gestaltung (Design) ** Kategorie:Farbe ** Kategorie:Kontrast * Kategorie:Gut ([http://en.wikipedia.org/wiki/Category:goods en]) ** Kategorie:Betriebsstoff ** Kategorie:Produkt *** Kategorie:Dienstleistung *** Kategorie:Druckerzeugnis **** Kategorie:Zeitung **** Kategorie:Zeitschrift *** Kategorie:Erzeugnis (Gerät, Maschine) *** Kategorie:Zwischenerzeugnis ** Kategorie:Hilfsstoff ** Kategorie:Konsumgut *** Kategorie:Gebrauchsgut *** Kategorie:Verbrauchsgut ** Kategorie:Produktionsgut *** Kategorie:Investitionsgut *** Kategorie:Vorleistungsgut ** Kategorie:Rohstoff * Kategorie:Handlung und Verhalten * Kategorie:Identität ([http://en.wikipedia.org/wiki/Category:identity en]) ** Kategorie:Anonymität ** Kategorie:Identifikation ** Kategorie:Geschlecht ** Kategorie:Nationalität * Kategorie:Komponente (Bestandteil) [http://en.wikipedia.org/wiki/Category:components en]) * Kategorie:Konvention ([http://en.wikipedia.org/wiki/Category:cultural_conventions en]) ** Kategorie:Auszeichnung ([http://en.wikipedia.org/wiki/Category:awards en]) ** Kategorie:Brauchtum und Ritual (Fest, Feier, Umgangsform) Achtung: de.-Kategorien "Ritual" und "Feste und Brauchtum" überschneiden sich derzeit!) *** Kategorie:Fest *** Kategorie:Grußhandlung *** Kategorie:Ritus *** Kategorie:Zeremonie ** Kategorie:Eid (Gelübde, Gelöbnis, Versprechen) ** Kategorie:Rekord ([http://en.wikipedia.org/wiki/Category:records en]) ** Kategorie:Tradition * Kategorie:Lebewesen ** Kategorie:Vielzellige Tiere * Kategorie:Lebensabschnitt * Kategorie:Muster * Kategorie:Objekt ([http://commons.wikimedia.org/wiki/Category:objects commons] und [http://en.wikipedia.org/wiki/Category:objects en]) ** Kategorie:Objekt nach Eigenname ([[http://en.wikipedia.org/wiki/Category:objects by name]) ** Kategorie:Objekt nach Sachgebiet ([http://en.wikipedia.org/wiki/Category:objects by topic]) *** Kategorie:Objekt der Alltagskultur *** Kategorie:Historisches Objekt *** Kategorie:Künstlerisches Objekt *** Kategorie:Politisches Objekt *** Kategorie:Rechtliches Objekt *** Kategorie:Religiöses Objekt *** Kategorie:Technisches Objekt *** Kategorie:Wirtschaftliches Objekt *** Kategorie:Wissenschaftliches Objekt *** etc. *** <small> für die derzeitigen Sachgebiete Gesellschaft und Kultur sehe ich keine Zukunft, da nicht klar abgrenzbar</small> ** Kategorie:Objekt nach Räumlicher Systematik (Staat, Standort, etc.) ** Kategorie:Objekt nach Status ([http://en.wikipedia.org/wiki/Category:objects by status en]) *** Kategorie:Fiktives Objekt *** Kategorie:Hypothetisches Objekt *** Kategorie:Unmögliches Objekt *** Kategorie:Reales Objekt ** Kategorie:Objekt nach Zeitlicher Systematik (nach Jahr, nach Epoche, etc.) * Kategorie:Ordnung ** Kategorie:Chaos ** Kategorie:Formation ** Kategorie:Hierarchie ** Kategorie:Sammlung ** Kategorie:Sortierung * Kategorie:Organisation ([http://en.wikipedia.org/wiki/Category:organizations en]) * Kategorie:Person * Kategorie:Personengruppe * Kategorie:Prinzip ([http://en.wikipedia.org/wiki/Category:principles en]) ** Kategorie:Doktrin ** Kategorie:Gesetz ** Kategorie:Regel * Kategorie:Prozess * Kategorie:Stoff oder Motiv (derzeit Unterkategorien im Plural, z.B. Literarische Stoffe und Motive) * Kategorie:Werk * Kategorie:Zeichen ??? ** Kategorie:Denkmal ** Kategorie:Gebärde ** Kategorie:Geste ** Kategorie:Isigne ** Kategorie:Laut ** Kategorie:Markierung ** Kategorie:Symbol ([http://en.wikipedia.org/wiki/Category:symbols en]) ''noch nicht zugeordnet'' * Kategorie:Literarische Figur [[Kategorie:!Hauptkategorie Modell 04]] 4ucv8985dicbkxuwd1u60rvhrf45zn8 wikitext text/x-wiki Kategorie:Räumliche Systematik04 14 24765 27581 2010-07-09T00:13:21Z SDB 471 Die Seite wurde neu angelegt: „[[Kategorie:Thematische Systematik04]]“ [[Kategorie:Thematische Systematik04]] 8qr6ql8dmt8hss63zd8q4stfs690co6 wikitext text/x-wiki Kategorie:Zeitliche Systematik04 14 24766 27582 2010-07-09T00:14:20Z SDB 471 Die Seite wurde neu angelegt: „[[Kategorie:Thematische Systematik04]]“ [[Kategorie:Thematische Systematik04]] 8qr6ql8dmt8hss63zd8q4stfs690co6 wikitext text/x-wiki Kategorie:Sachsystematik04 14 24767 27583 2010-07-09T00:15:26Z SDB 471 Die Seite wurde neu angelegt: „[[Kategorie:Thematische Systematik04]]“ [[Kategorie:Thematische Systematik04]] 8qr6ql8dmt8hss63zd8q4stfs690co6 wikitext text/x-wiki Kategorie:Fachübergreifende Schlagwortkategorie 14 24769 27735 27597 2010-07-09T16:35:09Z Gruß Tom 304 removed [[Category:!Hauptkategorie Modellübersichten]]; added [[Category:!Hauptkategorie Modell 01]] using [[Help:Gadget-HotCat|HotCat]] {{Kategoriegraph}} {{Kategoriegraphl}} <noinclude>Hier sind Kategorien, die jeweils Artikel aus beliebigen [[:Kategorie:Sachsystematik|Wikipedia-Sachgebieten]] mit Bezug zu einem bestimmten Thema enthalten, geordnet nach Themengruppen (wie zum Beispiel Personen oder Organisationen) zusammengefasst. Hier sollen nur Kategorien eingeordnet werden, die nicht in die [[:Kategorie:Sachsystematik|Sach-]], [[:Kategorie:Räumliche Systematik|Orts-]] oder [[:Kategorie:Zeitliche Systematik|Zeitsystematik]] passen. So ist z. B. die [[:Kategorie:Organ als Thema]] ''nicht'' hier einzuordnen, weil sie keine Artikel aus beliebigen Sachgebieten enthält, sondern nur aus den zwei Bereichen Medizin und Zoologie; sie passt also in die Sachsystematik. <!--{{Commonscat|Categories by topic}}--> [[Kategorie:!Hauptkategorie Modell 01]] 73ghxjz1ygn1g8o5kxygen2gee25pd6 wikitext text/x-wiki Kategorie:Räumliche Systematik 14 24770 27742 27598 2010-07-09T16:36:24Z Gruß Tom 304 removed [[Category:!Hauptkategorie Modellübersichten]]; added [[Category:!Hauptkategorie Modell 01]] using [[Help:Gadget-HotCat|HotCat]] {{Kategoriegraph}} {{Kategoriegraphl}} Die Kategorie bietet einen alternativen Einstieg in die Enzyklopädie über eine ''Räumliche Systematik'' an. Themenkategorien sind nach räumlichen Begriffen zusammengefasst. Im Gegensatz dazu fächern die !-Kategorien thematische Sachgebiete nach räumlichen Begriffen (Kontinent, Kulturkreis, Ort, Region und Staat) auf. [[Kategorie:!Hauptkategorie Modell 01]] 0ghmweyss8n3xjrg2a5qohnwl4pm6rl wikitext text/x-wiki Kategorie:Zeitliche Systematik 14 24771 27745 27599 2010-07-09T16:37:06Z Gruß Tom 304 removed [[Category:!Hauptkategorie Modellübersichten]]; added [[Category:!Hauptkategorie Modell 01]] using [[Help:Gadget-HotCat|HotCat]] {{Kategoriegraph}} {{Kategoriegraphl}} Diese Kategorie ist das [[Stammverzeichnis]] der Wikipedia-Themengebiete. Hier sind alle thematischen [[Sacherschließung|Sachgebiete]] eingeordnet, die keine Unterkategorie anderer Sachgebiete sind. Die einzelnen Sachgebietskategorien fallen jeweils in die Zuständigkeit eines oder mehrerer [[Wikipedia:WikiProjekt Kategorien/Fachbereiche|Wikipedia-Fachbereiche]], die sich um Wartung und Unterstruktur ihres Kategoriebaums kümmern. {{Commonscat|Topics|Topics – Commons nach Sachgebieten}} [[Kategorie:!Hauptkategorie Modell 01]] 8i40gr85l6285by9jd7eyq5mul70dpk wikitext text/x-wiki Kategorie:Wikipedia: 14 24772 27937 27737 2010-07-27T06:51:45Z Gruß Tom 304 added [[Category:WP:Betrieb 02.3]] using [[Help:Gadget-HotCat|HotCat]] {{Kategoriegraph}} {{Kategoriegraphl}} Diese Kategorie enthält Kategorien und Seiten zur internen Organisation der Wikipedia. Seiten im [[Hilfe:Namensräume|Wikipedianamensraum]] sollten innerhalb dieses Kategoriebaums kategorisiert werden. {{Commonscat|Wikipedia}} [[Kategorie:!Hauptkategorie Modell 01]] [[Kategorie:WP:Betrieb 02.3]] nri0jb878duwqcqzscbwxaz2mana8ry wikitext text/x-wiki Kategorie:Zeitliche Systematik02 14 24773 27944 27921 2010-07-27T07:10:26Z Gruß Tom 304 added [[Category:WP:Content 02.3]] using [[Help:Gadget-HotCat|HotCat]] {{Kategoriegraph}} {{Kategoriegraphl}} Diese Kategorie ist das [[Stammverzeichnis]] der Wikipedia-Themengebiete. Hier sind alle thematischen [[Sacherschließung|Sachgebiete]] eingeordnet, die keine Unterkategorie anderer Sachgebiete sind. Die einzelnen Sachgebietskategorien fallen jeweils in die Zuständigkeit eines oder mehrerer [[Wikipedia:WikiProjekt Kategorien/Fachbereiche|Wikipedia-Fachbereiche]], die sich um Wartung und Unterstruktur ihres Kategoriebaums kümmern. {{Commonscat|Topics|Topics – Commons nach Sachgebieten}} [[Kategorie:!Hauptkategorie Modell 02]] [[Kategorie:!Hauptkategorie Modell 02.2]] [[Kategorie:WP:Content 02.3]] ozoe28gyfobadw7qoh41o8y3g6ujd5h wikitext text/x-wiki Kategorie:Fachübergreifende Schlagwortkategorie02 14 24774 27606 2010-07-09T07:48:17Z Gruß Tom 304 c+ {{Kategoriegraph}} {{Kategoriegraphl}} <noinclude>Hier sind Kategorien, die jeweils Artikel aus beliebigen [[:Kategorie:Sachsystematik|Wikipedia-Sachgebieten]] mit Bezug zu einem bestimmten Thema enthalten, geordnet nach Themengruppen (wie zum Beispiel Personen oder Organisationen) zusammengefasst. Hier sollen nur Kategorien eingeordnet werden, die nicht in die [[:Kategorie:Sachsystematik|Sach-]], [[:Kategorie:Räumliche Systematik|Orts-]] oder [[:Kategorie:Zeitliche Systematik|Zeitsystematik]] passen. So ist z. B. die [[:Kategorie:Organ als Thema]] ''nicht'' hier einzuordnen, weil sie keine Artikel aus beliebigen Sachgebieten enthält, sondern nur aus den zwei Bereichen Medizin und Zoologie; sie passt also in die Sachsystematik. <!--{{Commonscat|Categories by topic}}--> [[Kategorie:!Hauptkategorie Modell 02]] 4qj2pvhzq3a0g7p1z13a2xp75gldbio wikitext text/x-wiki Kategorie:!Hauptkategorie Modell 06 14 24775 28087 28081 2010-08-01T07:20:43Z Gruß Tom 304 catsort <div style="text-align: right;"><br />Kategoriegraph [http://toolserver.org/~dapete/catgraph/graph.php?wiki=dewiki&cat=!Hauptkategorie&format=svg&links=wiki&sub=1 Hauptkategorie de:WP]</div> {{Kategoriegraphl}} °°°°°°°°°°°°°°°°° !!!! Achtung hier befindet sich das Modell 05 der der !Hauptkategorie !!!! °°°°°°°°°°°°°°°°°°°°° °°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°° Testenvironment de:Wiki-Kat-Projektes °°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°° °°°°°°°°°°°°°°°°°°°° Modell 06 = Projekt [[Benutzer:Milgesch]] °°°°°°°°°°°°°°°°°°°°° <div class="hintergrundfarbe2" style="border: solid 1px #8FAACC; padding:0.3em 1em 0.3em 1em"> '''Diese [[WP:KAT|Kategorie]] ist die Oberkategorie aller Kategorien.''' Sie bildet den Einstiegspunkt ([[Stammverzeichnis]]) in das hierarchische Kategoriensystem der Wikipedia. Die [[:Kategorie:Sachsystematik]] enthält eine Übersicht der Haupt-Themengebiete. Unter [[Spezial:Kategorien]] ist eine (nicht-hierarchische) Auflistung aller Kategorien zu finden. Für weitere Suchmöglichkeiten siehe [[Hilfe:Suche]]. {{Commonscat|CommonsRoot|CommonsRoot}} </div> <!-- Als Wurzel des Kategorienbaums ist diese Kategorie zur Zeit nicht kategorisiert. Das Auftreten unter den nichtkategorisierten Kategorien (Spezialseite) ist nicht problematisch. Daher bitte keine Kategorisierung (z.B. Selbstkategorisierung) ohne Rückfrage auf der Diskussionsseite einfügen. --> [[Kategorie:!Hauptkategorie Modellübersichten|Milgesch]] ofj4j8ht9dbf74fm007uqlzg6wrf1ol wikitext text/x-wiki Kategorie:!Hauptkategorie Modell 07 14 24776 28201 28090 2011-03-11T00:52:45Z CroMagnon 557 <div style="text-align: right;"><br />Kategoriegraph [http://toolserver.org/~dapete/catgraph/graph.php?wiki=dewiki&cat=!Hauptkategorie&format=svg&links=wiki&sub=1 Hauptkategorie de:WP]</div> {{Kategoriegraphl}} °°°°°°°°°°°°°°°°° !!!! Achtung hier befindet sich das Modell 07 der der !Hauptkategorie !!!! °°°°°°°°°°°°°°°°°°°°° °°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°° Testenvironment de:Wiki-Kat-Projektes °°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°° °°°°°°°°°°°°°°°°°°°° Modell 07 = Projekt [[wikipedia:de:Benutzer Diskussion:CroMagnon]] °°°°°°°°°°°°°°°°°°°°° <div class="hintergrundfarbe2" style="border: solid 1px #8FAACC; padding:0.3em 1em 0.3em 1em"> '''Diese [[WP:KAT|Kategorie]] ist die Oberkategorie aller Kategorien.''' Sie bildet den Einstiegspunkt ([[Stammverzeichnis]]) in das hierarchische Kategoriensystem der Wikipedia. Die [[:Kategorie:Sachsystematik]] enthält eine Übersicht der Haupt-Themengebiete. Unter [[Spezial:Kategorien]] ist eine (nicht-hierarchische) Auflistung aller Kategorien zu finden. Für weitere Suchmöglichkeiten siehe [[Hilfe:Suche]]. {{Commonscat|CommonsRoot|CommonsRoot}} </div> <!-- Als Wurzel des Kategorienbaums ist diese Kategorie zur Zeit nicht kategorisiert. Das Auftreten unter den nichtkategorisierten Kategorien (Spezialseite) ist nicht problematisch. Daher bitte keine Kategorisierung (z.B. Selbstkategorisierung) ohne Rückfrage auf der Diskussionsseite einfügen. --> [[Kategorie:!Hauptkategorie Modellübersichten]] 5ibnjcwnijv2sivhp31fk674x3p2xuf wikitext text/x-wiki Kategorie:Thema 14 24777 27854 27853 2010-07-09T19:53:34Z Summ 472 {{Kategoriegraph}} {{Kategoriegraphl}} Diese Kategorie enthält alles, was zum Artikelnamensraum der Wikipedia gehört. ''Themenkategorie:'' Die eingeordneten Artikel erfüllen das Kriterium "gehört zu" gegenüber den Namen '''aller''' Oberkategorien bis zu dieser hier. < Kategorien mit dem Zusatz 05 sind die bisherigen Kategorien ohne Änderung ihres Inhalts > [[Kategorie:!Hauptkategorie Modell 05]] t1z7lj5n6bacjygtgw2x199kvmz375x wikitext text/x-wiki Kategorie:Objekt 14 24778 27871 27857 2010-07-09T20:22:15Z Summ 472 ''Objektkategorie:'' Die Artikel in dieser Kategorie erfüllen das Kriterium "ist ein/e" gegenüber '''allen''' Namen ihrer Oberkategorien bis zu dieser hier. [[Kategorie:Thema|!]] kr53der7wib2gg6gsnd2e3nkks509zd wikitext text/x-wiki Kategorie:Thema nach Sachgebiet 14 24779 27794 27792 2010-07-09T17:49:02Z Summ 472 Die Seite wurde geleert. phoiac9h4m842xq45sp7s6u21eteeq1 wikitext text/x-wiki Kategorie:Thema nach räumlicher Zuordnung 14 24780 27858 27791 2010-07-09T19:55:27Z Summ 472 ''Themenkategorie'' (rund um ein räumlich eingegrenztes Thema) [[Kategorie:Thema| Räumliche Systematik]] f0w297cmqzberzdsdr9iuu7la5c5a0d wikitext text/x-wiki Kategorie:Thema nach zeitlicher Zuordnung 14 24781 27859 27815 2010-07-09T19:55:47Z Summ 472 ''Themenkategorie'' (rund um ein zeitlich bestimmtes Thema) [[Kategorie:Thema| Zeitliche Systematik]] 2ypqetgsnewu6kt44q36ua2qmhh73t6 wikitext text/x-wiki Kategorie:Lebensabschnitt als Thema 14 24782 27813 27709 2010-07-09T18:55:46Z Gruß Tom 304 übernahme von de:WP {{Kategoriegraph}} {{Kategoriegraphl}} [[Kategorie:Fachübergreifende Schlagwortkategorie]] n3v204ftm83zpzwh1zzhs86krk3iswm wikitext text/x-wiki Kategorie:Literarische Figur als Thema 14 24783 27814 27710 2010-07-09T18:58:45Z Gruß Tom 304 übernahme von de:WP {{Kategoriegraph}} {{Kategoriegraphl}} Diese Kategorie sammelt alle Themenkategorien zu Literarischen Figuren. Artikel zu Literarischen Figuren findet man unter [[:Kategorie:Literarische Figur]]. [[Kategorie:Fachübergreifende Schlagwortkategorie]] m2lyqke63olniun2fexgylga2xe72t1 wikitext text/x-wiki Kategorie:Organisation als Thema 14 24784 27827 27712 2010-07-09T19:29:06Z Gruß Tom 304 01 {{Kategoriegraph}} {{Kategoriegraphl}} [[Kategorie:Fachübergreifende Schlagwortkategorie]] n3v204ftm83zpzwh1zzhs86krk3iswm wikitext text/x-wiki Kategorie:Person als Thema 14 24785 27828 27716 2010-07-09T19:29:28Z Gruß Tom 304 01 {{Kategoriegraph}} {{Kategoriegraphl}} [[Kategorie:Fachübergreifende Schlagwortkategorie]] n3v204ftm83zpzwh1zzhs86krk3iswm wikitext text/x-wiki Kategorie:Werk als Thema 14 24786 27885 27829 2010-07-09T22:20:48Z Gruß Tom 304 KatDef gem. Vorschlag SDB von Vorlage Summ <div style="text-align: right;"><br />Kategoriegraph [http://toolserver.org/~dapete/catgraph/graph.php?wiki=dewiki&cat=Werk_als_Thema&format=svg&links=wiki&sub=1 Hauptkategorie de:WP]</div> {{Kategoriegraphl}} Ein Werk ist ein individuelles menschliches Erzeugnis, das als solches besondere Beachtung findet. Produkte, die in Serie gefertigt werden, gehören in die Kategorie:Produkt. [[Kategorie:Fachübergreifende Schlagwortkategorie]] t1hspa5f16ovdq3pxnx17d9of2toa87 wikitext text/x-wiki Kategorie:Objekt nach räumlicher Zuordnung 14 24787 27861 27806 2010-07-09T19:56:52Z Summ 472 ''Objektkategorie'' (nur Objekte nach räumlicher Eingrenzung) [[Kategorie:Thema nach räumlicher Zuordnung|!]] [[Kategorie:Objekt|!Räumliche Systematik]] 7vph693hrtkt0tac8x609qh452677qu wikitext text/x-wiki Kategorie:Objekt nach zeitlicher Zuordnung 14 24788 27866 27818 2010-07-09T20:00:17Z Summ 472 ''Objektkategorie'' (nur zeitlich bestimmte Objekte) [[Kategorie:Thema nach zeitlicher Zuordnung|!]] [[Kategorie:Objekt|!Zeitliche Systematik]] pphucpholmi3asi7yddvy328fqt9500 wikitext text/x-wiki Kategorie:Objekt nach Sachgebiet 14 24789 27856 27796 2010-07-09T19:54:25Z Summ 472 ''Objektkategorie'' (nur Objekte) [[Kategorie:Sachgebiet als Thema|!]] [[Kategorie:Objekt|!Sachgebiet]] elbxm36xli1ew0syixwkrmtz0ru9ctd wikitext text/x-wiki Kategorie:Werk nach Jahr 14 24790 27851 27823 2010-07-09T19:52:21Z Gruß Tom 304 01 {{Kategoriegraph}} {{Kategoriegraphl}} [[Kategorie:Werk]] 1m4rhhsv6uh7mxknsj5hfzniynwx5eq wikitext text/x-wiki Kategorie:Zeitalter 14 24792 28038 28033 2010-07-27T10:08:54Z SDB 471 Alternativer Name Kategorie:Epoche [[Kategorie:Struktur nach Zeitlicher Systematik04]] gwkkp7m0tkvrqvbqn2vgn17fue2zoop wikitext text/x-wiki Kategorie:Literatur 14 24793 27741 27638 2010-07-09T16:36:04Z Summ 472 Die Seite wurde geleert. phoiac9h4m842xq45sp7s6u21eteeq1 wikitext text/x-wiki Kategorie:Recht 14 24794 27731 27646 2010-07-09T16:33:08Z Summ 472 Die Seite wurde geleert. phoiac9h4m842xq45sp7s6u21eteeq1 wikitext text/x-wiki Kategorie:Rechtsquelle 14 24795 27729 27635 2010-07-09T16:32:02Z Summ 472 Die Seite wurde geleert. phoiac9h4m842xq45sp7s6u21eteeq1 wikitext text/x-wiki Kategorie:Werk 14 24796 27975 27850 2010-07-27T09:00:30Z SDB 471 {{Kategoriegraph}} {{Kategoriegraphl}} [[Kategorie:Objektkategorie]] [[Kategorie:Reales Objekt04]] amocjnqg1x2aucvtz7uf9x31itysmgf wikitext text/x-wiki Kategorie:Literarisches Werk 14 24797 27748 27647 2010-07-09T16:38:23Z Summ 472 Die Seite wurde geleert. phoiac9h4m842xq45sp7s6u21eteeq1 wikitext text/x-wiki Kategorie:Person 14 24798 28015 27973 2010-07-27T09:47:30Z SDB 471 {{Kategoriegraph}} {{Kategoriegraphl}} [[Kategorie:Objektkategorie]] [[Kategorie:Reale Struktur04]] brdza01iq6o1eldz8dtvrfllwzc5j4u wikitext text/x-wiki Kategorie:Werk nach Staat 14 24799 27727 27643 2010-07-09T16:31:02Z Summ 472 Die Seite wurde geleert. phoiac9h4m842xq45sp7s6u21eteeq1 wikitext text/x-wiki Kategorie:Ort als Thema 14 24800 27725 27648 2010-07-09T16:30:02Z Summ 472 Die Seite wurde geleert. phoiac9h4m842xq45sp7s6u21eteeq1 wikitext text/x-wiki Kategorie:Autor 14 24802 27746 27650 2010-07-09T16:37:12Z Summ 472 Die Seite wurde geleert. phoiac9h4m842xq45sp7s6u21eteeq1 wikitext text/x-wiki Kategorie:Geographisches Objekt 14 24803 28006 27987 2010-07-27T09:31:23Z SDB 471 [[Kategorie:Objekt nach Sachgebiet04]] [[Kategorie:Geographische Struktur04]] lippze9xeuywoh7in8fulyyvpcku3ra wikitext text/x-wiki Kategorie:Insel nach Gewässertyp 14 24805 27673 2010-07-09T15:07:41Z Zollwurf 469 Modell 03 [[Kategorie:Insel 03|Meer]] lka0ghczj2umldvb2y8wr1z6vw9jt3s wikitext text/x-wiki Heard (Insel) 0 24806 27678 2010-07-09T15:31:52Z Zollwurf 469 Modell 03 TESTFALL ----------------------------------- Die [[Insel]] '''Heard''' liegt im südlichen [[Indischer Ozean|Indischen Ozean]] etwa 430 Kilometer südöstlich der [[Kerguelen]] und 1.500 Kilometer nördlich der [[Ostantarktis]]. Zusammen mit einigen vorgelagerten Eilanden (u.a. ''Shag Island'') und den 43 Kilometer westlich gelegenen [[McDonald-Inseln]] bildet sie das [[Australische Außengebiete|australische]] Außengebiet [[Heard und McDonaldinseln]]. (...) [[Kategorie:Insel (Indischer Ozean)]] [[Kategorie:Insel nach abhängigem Gebiet (Australien)]] [[Kategorie:Insel ohne Kontinentalbezug]] [[Kategorie:Unbewohnte Insel]] [[Kategorie:Doppelinsel]] l6kye5jnde1e4db30ea9nc2i8yvee4e wikitext text/x-wiki Kategorie:Strukturen als Thema04 14 24807 27683 27681 2010-07-09T15:40:59Z SDB 471 Ersatz für [http://de.wikipedia.org/wiki/Kategorie:Fachübergreifende Schlagwortkategorie] [[Kategorie:Thematische Systematik04]] s0iow78gw8vqaa8zsep95kb8bnpf4g7 wikitext text/x-wiki Kategorie:Struktur nach Sachgebiet04 14 24808 27684 2010-07-09T15:42:39Z SDB 471 Die Seite wurde neu angelegt: „[[Kategorie:Strukturelle Systematik04]]“ [[Kategorie:Strukturelle Systematik04]] 1th4sjw5g6j88kg0ptl8qx64jc7n1gy wikitext text/x-wiki Kategorie:Struktur nach Räumlicher Systematik04 14 24809 27685 2010-07-09T15:43:23Z SDB 471 Die Seite wurde neu angelegt: „[[Kategorie:Strukturelle Systematik04]]“ [[Kategorie:Strukturelle Systematik04]] 1th4sjw5g6j88kg0ptl8qx64jc7n1gy 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[[Help:Gadget-HotCat|HotCat]] <div style="text-align: right;"><br />Kategoriegraph [http://toolserver.org/~dapete/catgraph/graph.php?wiki=dewiki&cat=!Hauptkategorie&format=svg&links=wiki&sub=1 Hauptkategorie de:WP]</div> {{Kategoriegraphl}} °°°°°°°°°°°°°°°°° !!!! Achtung hier befindet sich das Modell 02.2 der der !Hauptkategorie !!!! °°°°°°°°°°°°°°°°°°°°° °°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°° Testenvironment de:Wiki-Kat-Projektes °°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°° °°°°°°°°°°°°°°°°°°°° Modell 02.2 = Projekt [[Benutzer Diskussion:Gruß_Tom]] °°°°°°°°°°°°°°°°°°°°° <div class="hintergrundfarbe2" style="border: solid 1px #8FAACC; padding:0.3em 1em 0.3em 1em"> '''Diese [[WP:KAT|Kategorie]] ist die Oberkategorie aller Kategorien.''' Sie bildet den Einstiegspunkt ([[Stammverzeichnis]]) in das hierarchische Kategoriensystem der Wikipedia. Die [[:Kategorie:Sachsystematik]] enthält eine Übersicht der Haupt-Themengebiete. Unter [[Spezial:Kategorien]] ist eine (nicht-hierarchische) Auflistung aller Kategorien zu finden. Für weitere Suchmöglichkeiten siehe [[Hilfe:Suche]]. {{Commonscat|CommonsRoot|CommonsRoot}} [[Kategorie:!Hauptkategorie Modellübersichten|Tom]] ege96qpc5x7nsbmcqv15rwwplt5iybc wikitext text/x-wiki Kategorie:Sachsystematik02.2 14 24879 27943 27922 2010-07-27T07:10:19Z Gruß Tom 304 added [[Category:WP:Content 02.3]] using [[Help:Gadget-HotCat|HotCat]] {{Kategoriegraph}} {{Kategoriegraphl}} Diese Kategorie ist das [[Stammverzeichnis]] der Wikipedia-Themengebiete. Hier sind alle thematischen [[Sacherschließung|Sachgebiete]] eingeordnet, die keine Unterkategorie anderer Sachgebiete sind. Die einzelnen Sachgebietskategorien fallen jeweils in die Zuständigkeit eines oder mehrerer [[Wikipedia:WikiProjekt Kategorien/Fachbereiche|Wikipedia-Fachbereiche]], die sich um Wartung und Unterstruktur ihres Kategoriebaums kümmern. {{Commonscat|Topics|Topics – Commons nach Sachgebieten}} [[Kategorie:!Hauptkategorie Modell 02.2]] [[Kategorie:WP:Content 02.3]] grlums2anwlthgkievogo7eg9cy3l84 wikitext text/x-wiki Kategorie:!Hauptkategorie Modell 02.3 14 24880 27945 27929 2010-07-27T07:11:42Z Gruß Tom 304 <div style="text-align: right;"><br />Kategoriegraph [http://toolserver.org/~dapete/catgraph/graph.php?wiki=dewiki&cat=!Hauptkategorie&format=svg&links=wiki&sub=1 Hauptkategorie de:WP]</div> {{Kategoriegraphl}} °°°°°°°°°°°°°°°°° !!!! Achtung hier befindet sich das Modell 02.3 der der !Hauptkategorie !!!! °°°°°°°°°°°°°°°°°°°°° °°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°° Testenvironment de:Wiki-Kat-Projektes °°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°° °°°°°°°°°°°°°°°°°°°° Modell 02.3 = Projekt [[Benutzer Diskussion:Gruß_Tom]] °°°°°°°°°°°°°°°°°°°°° <div class="hintergrundfarbe2" style="border: solid 1px #8FAACC; padding:0.3em 1em 0.3em 1em"> [[Kategorie:!Hauptkategorie Modellübersichten|Tom]] l3ofmlvcmglt6p7wa5tntik79x67vgn wikitext text/x-wiki Kategorie:WP:Content 02.3 14 24881 27933 27932 2010-07-27T06:44:42Z Gruß Tom 304 {{Kategoriegraph}} {{Kategoriegraphl}} Diese Kategorie ist das [[Stammverzeichnis]] aller enzyklopädischen Inhalte der Wikipedia. Hinweis: Inhalte, die für Betrieb und Verwaltung der Wikipedia genutzt werden, finden sich in der [[:Kategorie:WP:Betrieb 02.3]] [[Kategorie:!Hauptkategorie Modell 02.3]] du07bt0zw7msd9geze9oqr5srr42ma9 wikitext text/x-wiki Kategorie:WP:Betrieb 02.3 14 24882 27939 27938 2010-07-27T06:53:21Z Gruß Tom 304 {{Kategoriegraph}} {{Kategoriegraphl}} Diese Kategorie ist das [[Stammverzeichnis]] aller Inhalte der Wikipedia, die für den '''Betrieb''' der Enzyklopädie genutzt werden. Dazu zählen insbesondere: * Hilfebereiche der Wikipedia * Gemeinschaftsbereiche der Wikipedia * Portal & Projektbereiche der Wikipedia * [[:Kategorie:Wikipedia:]] * Hinweis: Bereiche die für enzyklopädische Inhalte der Wikipedia genutzt werden, finden sich in der [[:Kategorie:WP:Content 02.3]] [[Kategorie:!Hauptkategorie Modell 02.3]] fzsindxs2p4i0riv2wkyldemo3xr67c wikitext text/x-wiki Kategorie:WP:Content:Medien 02.3 14 24883 27948 27947 2010-07-27T07:19:38Z Gruß Tom 304 new key for [[Category:WP:Content 02.3]]: "023" using [[Help:Gadget-HotCat|HotCat]] {{Kategoriegraph}} {{Kategoriegraphl}} Diese Kategorie ist das [[Stammverzeichnis]] aller '''Mediendateien''' zu enzyklopädischen Inhalten der Wikipedia. [[Kategorie:WP:Content 02.3|023]] malygjbi31h1pp5tfg848n5wi8gl5bf wikitext text/x-wiki Kategorie:WP:Vorlagen 02.3 14 24884 27950 27949 2010-07-27T07:54:55Z Gruß Tom 304 removed [[Category:!Hauptkategorie Modell 02.3]]; added [[Category:WP:Betrieb 02.3]] using [[Help:Gadget-HotCat|HotCat]] {{Kategoriegraph}} {{Kategoriegraphl}} Diese Kategorie beinhaltet Vorlagen, die zur Darstellung der Wikipediainhalte genutzt werden. [[Kategorie:WP:Betrieb 02.3]] asfnu8ud77vaeze45pl0yq2mrm7laou wikitext text/x-wiki Kategorie:Fiktive Struktur 14 24885 27954 27951 2010-07-27T08:40:19Z SDB 471 {{SLA}}, falscher Name osnha3erd1w8ljwjo2c5bm8rnh53jxx wikitext text/x-wiki Kategorie:Hypothetische Struktur 14 24886 27956 27952 2010-07-27T08:41:03Z SDB 471 SLA, falscher Name - [[Benutzer:SDB|SDB]] 08:41, 27. Jul. 2010 (UTC) 129978sktb36jttuqfbni68cuisiee6 wikitext text/x-wiki Kategorie:Reale Struktur 14 24887 27961 27953 2010-07-27T08:43:14Z SDB 471 SLA, falscher Name - [[Benutzer:SDB|SDB]] 08:43, 27. Jul. 2010 (UTC) dzuy1r7n7e1y8oqxedbhkhkkb8ydste wikitext text/x-wiki Kategorie:Fiktive Struktur04 14 24888 27955 2010-07-27T08:40:41Z SDB 471 Die Seite wurde neu angelegt: „[[Kategorie:Struktur nach Status04]]“ [[Kategorie:Struktur nach Status04]] okl35s39tp9mvzdbicggwzqmyu7eji3 wikitext text/x-wiki Hypothetische Struktur04 0 24889 27958 27957 2010-07-27T08:42:00Z SDB 471 SLA, falscher Name - [[Benutzer:SDB|SDB]] 08:42, 27. Jul. 2010 (UTC) s2083pzj2hnfw7y7pgpmwftdus0nfav wikitext text/x-wiki Kategorie:Hypthetische Struktur04 14 24890 27967 27959 2010-07-27T08:50:29Z SDB 471 SLA falsche Schreibweise - [[Benutzer:SDB|SDB]] 08:50, 27. Jul. 2010 (UTC) 6bphq6ingijbiiykztvdtc74555pi6b wikitext text/x-wiki Kategorie:Reale Struktur04 14 24891 27960 2010-07-27T08:42:52Z SDB 471 Die Seite wurde neu angelegt: „[[Kategorie:Struktur nach Status04]]“ [[Kategorie:Struktur nach Status04]] okl35s39tp9mvzdbicggwzqmyu7eji3 wikitext text/x-wiki Kategorie:Fiktive Welt 14 24892 28021 27969 2010-07-27T09:54:10Z SDB 471 Alternativer Name zu "Fiktive Welt" wäre "Fiktiver Raum" [[Kategorie:Fiktion]] [[Kategorie:Fiktive Struktur04]] [[Kategorie:Raum04]] q0coic9kuyl01tp7hy8gwss0psfzanw wikitext text/x-wiki Kategorie:Fiktiver Ort 14 24893 27964 2010-07-27T08:46:45Z SDB 471 Die Seite wurde neu angelegt: „[[Kategorie:Fiktive Welt]]“ [[Kategorie:Fiktive Welt]] hgedl26fa44vzf6oqbsjuxxr0mal7tc wikitext text/x-wiki Kategorie:Hypothetische Struktur04 14 24894 27966 2010-07-27T08:49:53Z SDB 471 Die Seite wurde neu angelegt: „[[Kategorie:Struktur nach Status04]]“ [[Kategorie:Struktur nach Status04]] okl35s39tp9mvzdbicggwzqmyu7eji3 wikitext text/x-wiki Kategorie:Hypothetische Welt04 14 24895 28022 27970 2010-07-27T09:54:30Z SDB 471 Alternativer Name zu "Hypothetische Welt" wäre "Hypothetischer Raum" Siehe [http://de.wikipedia.org/wiki/O%E2%80%99Neill-Kolonien], [http://de.wikipedia.org/wiki/Kosmischer_String], [http://de.wikipedia.org/wiki/Ur_%28Kontinent%29], etc. [[Kategorie:Hypothetische Struktur04]] [[Kategorie:Raum04]] 5zpw7cm2ac2odogtk69dv2ehaltq1cd wikitext text/x-wiki Kategorie:Reales Objekt04 14 24896 28011 27971 2010-07-27T09:37:36Z SDB 471 [[Kategorie:Reale Struktur04]] [[Kategorie:Objekt04]] me9mnnoy7u6ypzh6efuosmguk8i0bgr wikitext text/x-wiki Kategorie:Reale Welt04 14 24897 28023 27993 2010-07-27T09:55:09Z SDB 471 In Analogie zur Räumlichen Systematik: [[:Kategorie:Thema nach Kontinent]], [[:Kategorie:Thema nach Kulturkreis]], [[:Kategorie:Thema nach Ort]], [[:Kategorie:Thema nach Region]], [[:Kategorie:Thema nach Staat]] [[Kategorie:Reale Struktur04]] [[Kategorie:Raum04]] 5a1efmeobhtk6wy105kuzbxzoxd069c wikitext text/x-wiki Kategorie:Objekt nach Sachgebiet04 14 24898 27977 2010-07-27T09:02:31Z SDB 471 Die Seite wurde neu angelegt: „[[Kategorie:Struktur nach Sachgebiet04]]“ [[Kategorie:Struktur nach Sachgebiet04]] ohguprop6n376k4u5wst6d1l1zrp7oz wikitext text/x-wiki Kategorie:Ort 14 24899 28026 27988 2010-07-27T09:57:43Z SDB 471 [[Kategorie:Geographischer Raum04]] f6751d6u6a9zqei9xfbvt71y5ukz0vs wikitext text/x-wiki Kategorie:Staat 14 24900 28029 27989 2010-07-27T09:59:16Z SDB 471 [[Kategorie:Politischer Raum04]] 5c042lrpuq1290mc8clnlq2u1z89r3n wikitext text/x-wiki Kategorie:Kontinent 14 24901 28025 27990 2010-07-27T09:56:27Z SDB 471 [[Kategorie:Geographischer Raum04]] f6751d6u6a9zqei9xfbvt71y5ukz0vs wikitext text/x-wiki Kategorie:Kulturraum 14 24902 27991 2010-07-27T09:12:08Z SDB 471 Die Seite wurde neu angelegt: „[[Kategorie:Reale Welt04]]“ [[Kategorie:Reale Welt04]] kgho1m5eacgok77oswyu26jjl3bgk5j wikitext text/x-wiki Kategorie:Region 14 24903 28028 27992 2010-07-27T09:58:41Z SDB 471 [[Kategorie:Geographischer Raum04]] f6751d6u6a9zqei9xfbvt71y5ukz0vs wikitext text/x-wiki Kategorie:Thema nach Kontinent 14 24904 27999 27994 2010-07-27T09:19:39Z SDB 471 [[Kategorie:Räumliche Systematik]] [[Kategorie:Räumliche Systematik04]] jnnna1t9f5nkutacw4mxtiu398xp4kw wikitext text/x-wiki Kategorie:Thema nach Kulturkreis 14 24905 28000 27995 2010-07-27T09:20:08Z SDB 471 [[Kategorie:Räumliche Systematik]] [[Kategorie:Räumliche Systematik04]] jnnna1t9f5nkutacw4mxtiu398xp4kw wikitext text/x-wiki Kategorie:Thema nach Ort 14 24906 28001 27996 2010-07-27T09:20:38Z SDB 471 [[Kategorie:Räumliche Systematik]] [[Kategorie:Räumliche Systematik04]] jnnna1t9f5nkutacw4mxtiu398xp4kw wikitext text/x-wiki Kategorie:Thema nach Region 14 24907 28002 27997 2010-07-27T09:20:58Z SDB 471 [[Kategorie:Räumliche Systematik]] [[Kategorie:Räumliche Systematik04]] jnnna1t9f5nkutacw4mxtiu398xp4kw wikitext text/x-wiki Kategorie:Thema nach Staat 14 24908 28003 27998 2010-07-27T09:21:15Z SDB 471 [[Kategorie:Räumliche Systematik]] [[Kategorie:Räumliche Systematik04]] jnnna1t9f5nkutacw4mxtiu398xp4kw wikitext text/x-wiki Kategorie:Geographische Struktur04 14 24909 28005 28004 2010-07-27T09:30:47Z SDB 471 [[Kategorie:Struktur nach Sachgebiet04]] [[Kategorie:Struktur nach Räumlicher Systematik04]] mrgyo4x1q5u3fx1eg9r59g22bf053kk wikitext text/x-wiki Kategorie:Geographischer Raum04 14 24910 28027 28007 2010-07-27T09:58:14Z SDB 471 [[Kategorie:Geographische Struktur04]] [[Kategorie:Reale Welt04]] ecaqxar07vtne8n0f858diwg564n2jl wikitext text/x-wiki Kategorie:Terminologie04 14 24911 28019 28008 2010-07-27T09:52:05Z SDB 471 Alternativer Name "Kategorie:Begriff" [[Kategorie:Strukturelle Systematik04]] lbrnfa0w6t9clggftf7xl8nhp5dmfq6 wikitext text/x-wiki Kategorie:Objekt04 14 24912 28020 28009 2010-07-27T09:52:32Z SDB 471 Alternativer Name Kategorie:Gegenstand [[Kategorie:Strukturelle Systematik04]] n0vkmlkh0txk0pb0m9vnclcxctu9byz wikitext text/x-wiki Kategorie:Raum04 14 24913 28024 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wikitext text/x-wiki Kategorie:Jahr 14 24917 28034 2010-07-27T10:06:04Z SDB 471 Die Seite wurde neu angelegt: „[[Kategorie:Struktur nach Zeitlicher Systematik04]]“ [[Kategorie:Struktur nach Zeitlicher Systematik04]] cgkzxgon96jh3jzbadydt90wwkbvw68 wikitext text/x-wiki Kategorie:Jahrhundert 14 24918 28035 2010-07-27T10:06:21Z SDB 471 Die Seite wurde neu angelegt: „[[Kategorie:Struktur nach Zeitlicher Systematik04]]“ [[Kategorie:Struktur nach Zeitlicher Systematik04]] cgkzxgon96jh3jzbadydt90wwkbvw68 wikitext text/x-wiki Kategorie:Jahrtausend 14 24919 28036 2010-07-27T10:06:51Z SDB 471 Die Seite wurde neu angelegt: „[[Kategorie:Struktur nach Zeitlicher Systematik04]]“ [[Kategorie:Struktur nach Zeitlicher Systematik04]] cgkzxgon96jh3jzbadydt90wwkbvw68 wikitext text/x-wiki Kategorie:Jahrzehnt 14 24920 28037 2010-07-27T10:07:04Z SDB 471 Die Seite wurde neu angelegt: „[[Kategorie:Struktur nach Zeitlicher Systematik04]]“ [[Kategorie:Struktur nach Zeitlicher Systematik04]] cgkzxgon96jh3jzbadydt90wwkbvw68 wikitext text/x-wiki Kategorie:Orkus 14 24922 28057 28056 2010-07-27T21:49:13Z Gruß Tom 304 new key for [[Category:!Hauptkategorie Modellübersichten]]: "009900" using [[Help:Gadget-HotCat|HotCat]] In dieser Kategorie werden ausschließlich zur Löschung anstehende Kategorien eingetragen, die dann bei Gelegenheit einsorgt werden. --[[Benutzer:Gruß Tom|Gruß Tom]] 21:47, 27. Jul. 2010 (UTC) [[Kategorie:!Hauptkategorie Modellübersichten|009900]] ehnu1j54uznqnvmw7f663vgqam6z7cy wikitext text/x-wiki MediaWiki:Gadgets-definition 8 24923 28059 2010-07-27T22:04:08Z Gruß Tom 304 Übernahme Gadgets von de:WP == Bearbeitungswerkzeuge == * toolserver-integration|toolserver-integration.js * Extra-Editbuttons|Extra-Editbuttons.js * Vorlagenmeister|Vorlagenmeister.css|Vorlagenmeister.js * wikEd|wikEd.js * HotCat|HotCat.js * Einleitung-bearbeiten|Einleitung-bearbeiten.js * Rechtschreibpruefung|Rechtschreibpruefung.js * bkl-check|bkl-check.js * contribsrange|contribsrange.js == Navigation == * navigation-popups|navigation-popups.js * Suchfokus-Hauptseite|Suchfokus-Hauptseite.js * Pfeil-hoch|Pfeil-hoch.css|Pfeil-hoch.js * editsection-left|editsection-left.css|editsection-left.js * editsection-right|editsection-right.css|editsection-right.js * revisionjumper|revisionjumper.js == Veränderung_der_Oberfläche == * Personendaten|Personendaten.css * WikiMiniAtlas|WikiMiniAtlas.js * OpenStreetMap|osm.js * PrettyLog|PrettyLog.js * PB|PB.js * revisionCounter|revisionCounter.js * markAdmins|markAdmins.js == Lesehilfen == * Screenreader-Optimierung|Screenreader-Optimierung-TOC.js * Rot-Gruen-Sehschwaeche|Rot-Gruen-Sehschwaeche.css * Doppel-s-Schreibung|Doppel-s-Schreibung.js * Zeitzonenkonverter|Zeitzonenkonverter.js lc6lwwo7v33azz9bb05nv31w2bptbny wikitext text/x-wiki MediaWiki:Gadget-HotCat.js 8 24925 28063 2010-07-27T22:21:29Z Gruß Tom 304 HC Gadget / import de:WP //<source lang="javascript"> /* HotCat V2.2b Ajax-based simple Category manager. Allows adding/removing/changing categories on a page view. Supports multiple category changes, as well as redirect and disambiguation resolution. Also plugs into the upload form. Search engines to use for the suggestion list are configurable, and can be selected interactively. Authors: V0.0: July 2007 - 2010-05-26: original version by [[User:Magnus Manske]], with lots of additions by many editors, notably [[User:Dschwen]], [[User:TheDJ]], [[User:Superm401]], and [[User:Lupo]]. No explicit license, assumed multi-licensed GFDL and CC-BY-SA-3.0 per normal wiki submissions. V2.0: April-May 2010: [[User:Lupo]]. Complete rewrite reusing only a little code from V0.0. V2.1: May 2010: [[User:Merlissimo]] (added features: namespace case insensitive, subcategory engine, category template mapping for removing; developed at de-Wikipedia.) V2.2: May 2010: [[User:Lupo]] (porting additions from de-WP to the Commons, auto-localization of template namespace name, cleanup, various other improvements. New features: highlighting of changed categories, enabling/disabling save button, search engine name localization, parent category engine). License: Quadruple licensed GFDL, GPL, LGPL and Creative Commons Attribution 3.0 (CC-BY-3.0) Choose whichever license of these you like best :-) */ // Globals: // (inline script on the page): // wgNamespaceNumber, wgCanonicalSpecialPageName, wgNamespaceIds (optional), wgFormattedNamespaces (optional) // wgScript, wgServer, wgArticlePath, wgScriptPath, wgAction, wgPageName, wgTitle, wgUserName, wgIsArticle, // wgArticleId // ajax.js // sajax_init_object // wikibits.js // addOnloadHook, window.ie6_bugs, importScript if (typeof (HotCat) == 'undefined') { // Guard against double inclusions // Configuration stuff. var HotCat = { // Localize these messages to the main language of your wiki. messages : { cat_removed : 'Entferne [[Kategorie:$1]]' ,template_removed : 'Entferne {{[[Kategorie:$1|$1]]}}' ,cat_added : 'Ergänze [[Kategorie:$1]]' ,cat_keychange: 'neuer Sortierschlüssel für [[Kategorie:$1]]: ' ,cat_notFound : 'Kategorie "$1" konnte nicht gefunden werden' ,cat_exists : 'Kategorie "$1" bereits enthalten; nicht ergänzt' ,cat_resolved : ' (Weiterleitung [[Kategorie:$1]] aufgelöst)' //wird nicht für dewiki benötigt ,uncat_removed: 'entferne {{uncategorized}}' //wird nicht für dewiki benötigt ,prefix : '[[WP:HC|HC]]: ' // Some text to prefix to the edit summary. ,using : '' // Some text to append to the edit summary. Named 'using' for historical reasons. If you prefer // to have a marker at the front, use prefix and set this to the empty string. ,multi_change : '$1 Kategorien' // $1 is replaced by a number ,commit : 'Speichern' // Button text. Localize to wgContentLanguage here; localize to wgUserLanguage in a subpage, // see localization hook below. ,ok : 'OK' // Button text. Localize to wgContentLanguage here; localize to wgUserLanguage in a subpage, // see localization hook below. ,cancel : 'Abbrechen' // Button text. Localize to wgContentLanguage here; localize to wgUserLanguage in a subpage, // see localization hook below. ,multi_error : 'Quelltext konnte nicht abrufen werden. Deine Änderungen wurden deshalb nicht gespeichert.' // Localize to wgContentLanguage here; localize to wgUserLanguage in a subpage, // see localization hook below. } ,category_regexp : '[Cc][Aa][Tt][Ee][Gg][Oo][Rr][Yy]|[Kk][Aa][Tt][Ee][Gg][Oo][Rr][Ii][Ee]' // Regular sub-expression matching all possible names for the category namespace. Is automatically localized // correctly if you're running MediaWiki 1.16 or later. Otherwise, set it appropriately, e.g. at the German // Wikipedia, use '[Cc][Aa][Tt][Ee][Gg][Oo][Rr][Yy]|[Kk][Aa][Tt][Ee][Gg][Oo][Rr][Ii][Ee]', or at the // Chinese Wikipedia, use '[Cc][Aa][Tt][Ee][Gg][Oo][Rr][Yy]|分类|分類'. Note that namespaces are case- // insensitive! ,category_canonical : 'Kategorie' // The standard category name on your wiki. Is automatically localized correctly if you're running // MediaWiki 1.16 or later; otherwise, set it to the preferred category name (e.g., "Kategorie"). ,categories : 'Kategorien' // Plural of category_canonical ,disambig_category : null // Any category in this category is deemed a disambiguation category; i.e., a category that should not contain // any items, but that contains links to other categories where stuff should be categorized. If you don't have // that concept on your wiki, set it to null. ,redir_category : null // Any category in this category is deemed a (soft) redirect to some other category defined by the first link // to another category. If your wiki doesn't have soft category redirects, set this to null. ,links : {change: '(±)', remove: '(−)', add: '(+)', restore: '(×)', undo: '(×)', down: '(↓)', up: '(↑)'} // The little modification links displayed after category names. ,tooltips : { change: 'Ändern' ,remove: 'Entfernen' ,add: 'Neue Kategorie hinzufügen' ,restore: 'Wiederherstellen' ,undo: 'Zurücksetzen' ,down: 'durch Unterkategorie ersetzen' ,up: 'durch Überkategorie ersetzen' } // The tooltips for the above links ,addmulti : '<span>+<sup>+</sup></span>' // The HTML content of the "enter multi-mode" link at the front. ,multi_tooltip : 'Mehrere Kategorien ändern' // Tooltip for the "enter multi-mode" link ,disable : function () { // Return true to disable HotCat return ( wgNamespaceNumber < 0 // Special pages; Special:Upload is handled differently || wgNamespaceNumber == 10 // Templates || wgNamespaceNumber == 8 // MediaWiki || wgNamespaceNumber == 2 && wgTitle && wgTitle.length >= 3 && wgTitle.lastIndexOf ('.js') + 3 == wgTitle.length // User scripts || typeof (wgNamespaceIds) != 'unknown' && ( wgNamespaceNumber == wgNamespaceIds['creator'] || wgNamespaceNumber == wgNamespaceIds['timedtext'] ) ); } ,uncat_regexp : null // A regexp matching a templates used to mark uncategorized pages, if your wiki does have that. // If not, set it to null. ,existsYes : 'http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/thumb/b/be/P_yes.svg/20px-P_yes.svg.png' ,existsNo : 'http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/thumb/4/42/P_no.svg/20px-P_no.svg.png' // The images used for the little indication icon. Should not need changing. ,template_regexp : '[Tt][Ee][Mm][Pp][Ll][Aa][Tt][Ee]|[Vv][Oo][Rr][Ll][Aa][Gg][Ee]' // Regexp to recognize templates. Like "category" above; autolocalized for MW 1.16+, otherwise set manually here. // On the German Wikipedia, you might use '[Tt][Ee][Mm][Pp][Ll][Aa][Tt][Ee]|[Vv][Oo][Rr][Ll][Aa][Gg][Ee]'. ,template_categories : { 'Begriffsklärung': '[Bb]egriffsklärung' , 'Geographische Lage gewünscht': '[Ll]agewunsch|[Cc]oordinate' , 'Wikipedia:Überarbeiten': '[Üü]berarbeiten' , 'Wikipedia:Quellen fehlen': '(?:[Bb]elege|[Qq]uelle)[_ ]fehlen' , 'Wikipedia:Lückenhaft': '[Ll]ückenhaft' , 'Wikipedia:Neutralität': '[Nn]eutralität|[Pp]OV|[Nn]POV' , 'Wikipedia:NurListe': '(?:Nur[_ ]?)?Liste' , 'Wikipedia:Unverständlich': '[Aa]llgemeinverständlichkeit|[Uu]nverständlich' , 'Wikipedia:Defekte Weblinks': '[Dd]efekter[_ ]Weblink[_ ]Bot' , 'Wikipedia:Widerspruch': '[Ww]iderspruch' } // a list of categories which can be removed by removing a template // key: the category without namespace // value: A regexp matching the template name, again without namespace // If you don't have this at your wiki, or don't want this, set it to an empty object {}. ,engine_names : { searchindex : 'Indexsuche' ,pagelist : 'Seitenliste' ,combined : 'Kombinierte Suche' ,subcat : 'Unterkategorien' ,parentcat : 'Überkategorien' } // Names for the search engines ,capitalizePageNames : true // Set to false if your wiki has case-sensitive page names. MediaWiki has two modes: either the first letter // of a page is automatically capitalized ("first-letter"; Category:aa == Category:Aa), or it isn't // ("case-sensitive"; Category:aa != Category:Aa). It doesn't currently have a fully case-insensitive mode // (which would mean Category:aa == Category:Aa == Category:AA == Category:aA) // HotCat tries to set this corretcly automatically using an API query. It's still a good idea to manually // configure it correctly; either directly here if you copied HotCat, or in the local configuration file // MediaWiki:Gadget-HotCat.js/local_defaults if you hotlink to the Commons-version, to ensure it is set even // if that API query should fail for some strange reason. // Stuff changeable by users: ,bg_changed : '#F8CCB0' // Background for changed categories in multi-edit mode. Default is a very light salmon pink. ,no_autocommit : false // If true, HotCat will never automatically submit changes. HotCat will only open an edit page with // the changes; users must always save explicitly. ,suggest_delay : 100 // Time, in milliseconds, that HotCat waits after a keystroke before making a request to the // server to get suggestions. ,editbox_width : 40 // Default width, in characters, of the text input field. ,suggestions : 'combined' // One of the engine_names above, to be used as the default suggestion engine. ,fixed_search : false // If true, always use the default engine, and never display a selector. ,use_up_down : true // If false, do not display the "up" and "down" links }; importScript ('MediaWiki:Gadget-HotCat.js/' + wgUserLanguage); // Localization hook to localize HotCat.messages.commit and HotCat.messages.multi_error. For German, the // file would be "MediaWiki:Gadget-HotCat.js/de", and its contents could be for instance // // HotCat.messages.commit = 'Speichern'; // HotCat.messages.ok = 'OK'; // HotCat.messages.cancel = 'Abbrechen'; // HotCat.messages.multi_error = 'Seitentext konnte nicht vom Server geladen werden. Die Änderungen können ' // +'leider nicht gespeichert werden.'; // No further changes should be necessary here. (function () { // First auto-localize the regexps for the category and the template namespaces. if (typeof (wgFormattedNamespaces) != 'undefined') { function autoLocalize (namespaceNumber, fallback) { function create_regexp_str (name) { if (!name || name.length == 0) return ""; var regex_name = ""; for (var i = 0; i < name.length; i++){ var initial = name.substr (i, 1); var ll = initial.toLowerCase (); var ul = initial.toUpperCase (); if (ll == ul){ regex_name += initial; } else { regex_name += '[' + ll + ul + ']'; } } return regex_name.replace (/[ _]/g, '[ _]').replace(/([\\\^\$\.\?\*\+\(\)])/g, '\\$1'); } fallback = fallback.toLowerCase(); var canonical = wgFormattedNamespaces["" + namespaceNumber].toLowerCase(); var regexp = create_regexp_str (canonical); if (fallback && canonical != fallback) regexp += '|' + create_regexp_str (fallback) for (var cat_name in wgNamespaceIds) { if ( typeof (cat_name) == 'string' && cat_name.toLowerCase () != canonical && cat_name.toLowerCase () != fallback && wgNamespaceIds[cat_name] == namespaceNumber) { regexp += '|' + create_regexp_str (cat_name); } } return regexp; } if (wgFormattedNamespaces['14']) { HotCat.category_canonical = wgFormattedNamespaces['14']; HotCat.category_regexp = autoLocalize (14, 'category'); } if (wgFormattedNamespaces['10']) { HotCat.template_regexp = autoLocalize (10, 'template'); } } // Utility functions. Yes, this duplicates some functionality that also exists in other places, but // to keep this whole stuff in a single file not depending on any other on-wiki Javascripts, we re-do // these few operations here. function bind (func, target) { var f = func, tgt = target; return function () { return f.apply (tgt, arguments); }; } function make (arg, literal) { if (!arg) return null; return literal ? document.createTextNode (arg) : document.createElement (arg); } function param (name, uri) { if (typeof (uri) == 'undefined' || uri === null) uri = document.location.href; var re = RegExp ('[&?]' + name + '=([^&#]*)'); var m = re.exec (uri); if (m && m.length > 1) return decodeURIComponent(m[1]); return null; } function title (href) { if (!href) return null; var script = wgScript + '?'; if (href.indexOf (script) == 0 || href.indexOf (wgServer + script) == 0) { // href="/w/index.php?title=..." return param ('title', href); } else { // href="/wiki/..." var prefix = wgArticlePath.replace ('$1', ""); if (href.indexOf (prefix) != 0) prefix = wgServer + prefix; // Fully expanded URL? if (href.indexOf (prefix) == 0) return decodeURIComponent (href.substring (prefix.length)); } return null; } function hasClass (elem, name) { return (' ' + elem.className + ' ').indexOf (' ' + name + ' ') >= 0; } function capitalize (str) { if (!str || str.length == 0) return str; return str.substr(0, 1).toUpperCase() + str.substr (1); } function wikiPagePath (pageName) { // Note: do not simply use encodeURI, it doesn't encode '&', which might break if wgArticlePath catually has the $1 in // a query parameter. return wgArticlePath.replace('$1', encodeURIComponent (pageName).replace(/%3A/g, ':').replace(/%2F/g, '/')); } // Text modification var findCatsRE = new RegExp ('\\[\\[\\s*(?:' + HotCat.category_regexp + ')\\s*:\[^\\]\]+\\]\\]', 'g'); function replaceByBlanks (match) { return match.replace(/(\s|\S)/g, ' '); // /./ doesn't match linebreaks. /(\s|\S)/ does. } function find_category (wikitext, category, once) { var cat_regex = null; if(HotCat.template_categories[category]){ cat_regex = new RegExp ('\\{\\{\\s*(' + HotCat.template_regexp + '(?=\\s*:))?\\s*' + '(?:' + HotCat.template_categories[category] + ')' + '\\s*(\\|.*?)?\\}\\}', 'g' ); } else { var cat_name = category.replace(/([\\\^\$\.\?\*\+\(\)])/g, '\\$1'); var initial = cat_name.substr (0, 1); cat_regex = new RegExp ('\\[\\[\\s*(' + HotCat.category_regexp + ')\\s*:\\s*' + (initial == '\\' || !HotCat.capitalizePageNames ? initial : '[' + initial.toUpperCase() + initial.toLowerCase() + ']') + cat_name.substring (1).replace (/[ _]/g, '[ _]') + '\\s*(\\|.*?)?\\]\\]', 'g' ); } if (once) return cat_regex.exec (wikitext); var copiedtext = wikitext.replace(/<\!--(\s|\S)*?--\>/g, replaceByBlanks) .replace(/<nowiki\>(\s|\S)*?<\/nowiki>/g, replaceByBlanks); var result = []; var curr_match = null; while ((curr_match = cat_regex.exec (copiedtext)) != null) { result.push ({match : curr_match}); } result.re = cat_regex; return result; // An array containing all matches, with positions, in result[i].match } function change_category (wikitext, toRemove, toAdd, key) { function find_insertionpoint (wikitext) { var copiedtext = wikitext.replace(/<\!--(\s|\S)*?--\>/g, replaceByBlanks) .replace(/<nowiki\>(\s|\S)*?<\/nowiki>/g, replaceByBlanks); // Search in copiedtext to avoid that we insert inside an HTML comment or a nowiki "element". var index = -1; findCatsRE.lastIndex = 0; while (findCatsRE.exec(copiedtext) != null) index = findCatsRE.lastIndex; // We should try to find interwiki links here, but that's for later. return index; } var summary = []; var nameSpace = HotCat.category_canonical; var cat_point = -1; // Position of removed category; if (key) key = '|' + key; var keyChange = (toRemove && toAdd && toRemove == toAdd && toAdd.length > 0); if (toRemove && toRemove.length > 0) { var matches = find_category (wikitext, toRemove); if (!matches || matches.length == 0) { return {text: wikitext, 'summary': summary, error: HotCat.messages.cat_notFound.replace ('$1', toRemove)}; } else { var before = wikitext.substring (0, matches[0].match.index); var after = wikitext.substring (matches[0].match.index + matches[0].match[0].length); if (matches.length > 1) { // Remove all occurrences in after matches.re.lastIndex = 0; after = after.replace (matches.re, ""); } if (toAdd) { nameSpace = matches[0].match[1] || nameSpace; if (key == null) key = matches[0].match[2]; // Remember the category key, if any. } // Remove whitespace (properly): strip whitespace, but only up to the next line feed. // If we then have two linefeeds in a row, remove one. Otherwise, if we have two non- // whitespace characters, insert a blank. var i = before.length - 1; while (i >= 0 && before.charAt (i) != '\n' && before.substr (i, 1).search (/\s/) >= 0) i--; var j = 0; while (j < after.length && after.charAt (j) != '\n' && after.substr (j, 1).search (/\s/) >= 0) j++; if (i >= 0 && before.charAt (i) == '\n' && (after.length == 0 || j < after.length && after.charAt (j) == '\n')) i--; if (i >= 0) before = before.substring (0, i+1); else before = ""; if (j < after.length) after = after.substring (j); else after = ""; if (before.length > 0 && before.substring (before.length - 1).search (/\S/) >= 0 && after.length > 0 && after.substr (0, 1).search (/\S/) >= 0) before += ' '; cat_point = before.length; wikitext = before + after; if (!keyChange) { if(HotCat.template_categories[toRemove]) { summary.push (HotCat.messages.template_removed.replace (/\$1/g, toRemove)); } else { summary.push (HotCat.messages.cat_removed.replace ('$1', toRemove)); } } } } if (toAdd && toAdd.length > 0) { var matches = find_category (wikitext, toAdd); if (matches && matches.length > 0) { return {text: wikitext, 'summary': summary, error : HotCat.messages.cat_exists.replace ('$1', toAdd)}; } else { if (cat_point < 0) cat_point = find_insertionpoint (wikitext); var newcatstring = '[[' + nameSpace + ':' + toAdd + (key || "") + ']]'; if (cat_point >= 0) { wikitext = wikitext.substring (0, cat_point) + '\n' + newcatstring + wikitext.substring (cat_point); } else { if (wikitext.length > 0 && wikitext.substr (wikitext.length - 1, 1) != '\n') wikitext += '\n'; if (wikitext.length > 0 && wikitext.substr (wikitext.length - 2, 1) != '\n') wikitext += '\n'; wikitext += newcatstring; } if (keyChange) { var k = key || ""; if (k.length > 0) k = k.substr (1); summary.push (HotCat.messages.cat_keychange.replace ('$1', toAdd) + '"' + k + '"'); } else { summary.push (HotCat.messages.cat_added.replace ('$1', toAdd)); } if (HotCat.uncat_regexp) { var txt = wikitext.replace (HotCat.uncat_regexp, ""); // Remove "uncat" templates if (txt.length != wikitext.length) { wikitext = txt; summary.push (HotCat.messages.uncat_removed); } } } } return {text: wikitext, 'summary': summary, error: null}; } if (wgAction == 'edit') { // Legacy code based on URI parameters, can add/remove/change only one single category. Still // used for single-category changes. var toRemove = param ('hotcat_removecat'); var toAdd = param ('hotcat_newcat'); if (toAdd) { toAdd = toAdd.replace (/_/g, ' ').replace (/^\s+|\s+$/g, ""); if (toAdd.length == 0) { toAdd = null; } else if (HotCat.capitalizePageNames) { toAdd = capitalize (toAdd); } } if (toRemove) { toRemove = toRemove.replace (/_/g, ' ').replace (/^\s+|\s+$/g, ""); if (toRemove.length == 0) { toRemove = null; } else if (HotCat.capitalizePageNames) { toRemove = capitalize (toRemove); } } if (toAdd || toRemove) { addOnloadHook (function () { if (!document.editform || !document.editform.wpTextbox1) return; var comment = param ('hotcat_comment') || ""; var cat_key = param ('hotcat_sortkey'); var result = change_category (document.editform.wpTextbox1.value, toRemove, toAdd, cat_key); var do_commit = !HotCat.noCommit && !result.error && param ('hotcat_nocommit') != '1'; document.editform.wpTextbox1.value = result.text; if (result.summary && result.summary.length > 0) document.editform.wpSummary.value = HotCat.messages.prefix + result.summary.join ('; ') + comment + HotCat.messages.using; document.editform.wpMinoredit.checked = true ; if (result.error) alert (result.error); if (do_commit) { // Hide the entire edit section so as not to tempt the user into editing... var content = document.getElementById ('bodyContent') // monobook & vector skin || document.getElementById ('mw_contentholder') // modern skin || document.getElementById ('article'); // classic skins if (content) content.style.display = 'none'; document.editform.submit(); } }); } return; } // The real HotCat UI function evtKeys (e) { e = e || window.event || window.Event; // W3C, IE, Netscape var code = 0; if (typeof (e.ctrlKey) != 'undefined') { // All modern browsers // Ctrl-click seems to be overloaded in FF/Mac (it opens a pop-up menu), so treat cmd-click // as a ctrl-click, too. if (e.ctrlKey || e.metaKey) code |= 1; if (e.shiftKey) code |= 2; } else if (typeof (e.modifiers) != 'undefined') { // Netscape... if (e.modifiers & (Event.CONTROL_MASK | Event.META_MASK)) code |= 1; if (e.modifiers & Event.SHIFT_MASK) code |= 2; } return code; } function evtKill (e) { e = e || window.event || window.Event; // W3C, IE, Netscape if (typeof (e.preventDefault) != 'undefined') { e.preventDefault (); e.stopPropagation (); } else e.cancelBubble = true; return false; } var catLine = null; var onUpload = false; var editors = []; var commitButton = null; var commitForm = null; var multiSpan = null; var pageText = null; var pageTime = null; var pageWatched = false; var watchCreate = false; var watchEdit = false; var minorEdits = false; var is_rtl = false; var serverTime = null; function setMultiInput () { if (commitButton || onUpload) return; commitButton = make ('input'); commitButton.type = 'button'; commitButton.value = HotCat.messages.commit; commitButton.onclick = multiSubmit; if (multiSpan) { multiSpan.parentNode.replaceChild (commitButton, multiSpan); } else { catLine.appendChild (commitButton); } // Get the preferences, so that we can set wpWatchthis correctly later on. Also get information // about whether the current user watches the page. Must use Ajax here. if (wgUserName) { var request = sajax_init_object (); request.open ('GET', wgServer + wgScriptPath + '/api.php?format=json&action=query&meta=userinfo&uiprop=options&prop=info&inprop=watched&titles=' + encodeURIComponent (wgPageName), true); request.onreadystatechange = function () { if (request.readyState != 4) return; if (request.status == 200 && request.responseText && request.responseText.charAt(0) == '{') { var json = eval ('(' + request.responseText + ')'); if (json && json.query) { if (json.query.userinfo && json.query.userinfo.options) { watchCreate = json.query.userinfo.options.watchcreations == '1'; watchEdit = json.query.userinfo.options.watchdefault == '1'; minorEdits = json.query.userinfo.options.minordefault == 1; } if (json.query.pages) { for (var p in json.query.pages) { pageWatched = typeof (json.query.pages[p].watched) == 'string'; break; } } } } }; request.setRequestHeader ('Pragma', 'cache=yes'); request.setRequestHeader ('Cache-Control', 'no-transform'); request.send (null); } } function checkMultiInput () { if (!commitButton) return; var has_changes = false; for (var i = 0; i < editors.length; i++) { if (editors[i].state != CategoryEditor.UNCHANGED) { has_changes = true; break; } } commitButton.disabled = !has_changes; } function currentTimestamp () { var now = new Date(); var ts = "" + now.getUTCFullYear(); function two (s) { return s.substr (s.length - 2); } ts = ts + two ('0' + (now.getUTCMonth() + 1)) + two ('0' + now.getUTCDate()) + two ('00' + now.getUTCHours()) + two ('00' + now.getUTCMinutes()) + two ('00' + now.getUTCSeconds()); return ts; } function performChanges () { // Don't use the edit API or LAPI, it's always bothersome to report back errors like edit // conflicts. Instead, make one remote call (blocking, because we can't continue anyway if // it doesn't succeed), getting the page text. Perform the changes on the text, then construct // a form to submit all this as a diff. // Note: we have to do this even if we already got the page text. Other scripts may have already // edited the text, and we don't necessarily get an edit conflict with ourself. Use case: open // a file page, add an image note through ImageAnnotator, then change the categories. If HotCat // still operates on the page text loaded initially, it'll delete the just added note again, and // somehow the MediaWiki software does not produce an edit conflict. if (wgArticleId != 0) { var request = sajax_init_object (); var uri = wgServer + wgScriptPath + '/api.php?format=json&action=query&titles=' + encodeURIComponent (wgPageName) + '&prop=info%7Crevisions&inprop=watched&rvprop=content%7Ctimestamp&meta=siteinfo'; request.open ('GET', uri, false); // Yes, synchronous request.send (null); if (request.status == 200 && request.responseText && request.responseText.charAt(0) == '{') { setPage (eval ('(' + request.responseText + ')')); } } else { pageText = null; } if (pageText === null) { alert (HotCat.messages.multi_error); return; } // Create a form and submit it if (!commitForm) { var formContainer = make ('div'); formContainer.style.display = 'none'; document.body.appendChild (formContainer); formContainer.innerHTML = '<form method="post" enctype="multipart/form-data" action="' + wgScript + '?title=' + encodeURIComponent (wgPageName) + '&action=edit">' + '<input type="hidden" name="wpTextbox1" />' + '<input type="hidden" name="wpSummary" value="" />' + '<input type="checkbox" name="wpMinoredit" value="1" />' + '<input type="checkbox" name="wpWatchthis" value="1" />' + '<input type="hidden" name="wpEdittime" />' + '<input type="hidden" name="wpStarttime" />' + '<input type="hidden" name="wpDiff" value="wpDiff" />' + '</form>'; commitForm = formContainer.firstChild; } var result = { text : pageText }; var changed = [], added = [], deleted = [], changes = 0; for (var i=0; i < editors.length; i++) { if (editors[i].state == CategoryEditor.CHANGED) { result = change_category ( result.text , editors[i].originalCategory , editors[i].currentCategory , editors[i].currentKey ); if (!result.error) { changes++; if (!editors[i].originalCategory || editors[i].originalCategory.length == 0) { added.push (editors[i].currentCategory); } else { changed.push ({from : editors[i].originalCategory, to : editors[i].currentCategory}); } } } else if ( editors[i].state == CategoryEditor.DELETED && editors[i].originalCategory && editors[i].originalCategory.length > 0) { result = change_category (result.text, editors[i].originalCategory, null, null); if (!result.error) { changes++; deleted.push (editors[i].originalCategory); } } } // Fill in the form and submit it commitForm.wpMinoredit.checked = minorEdits; commitForm.wpWatchthis.checked = wgArticleId == 0 && watchCreate || watchEdit || pageWatched; if (wgArticleId > 0) { if (changes == 1) { if (result.summary && result.summary.length > 0) commitForm.wpSummary.value = HotCat.messages.prefix + result.summary.join ('; ') + HotCat.messages.using; commitForm.wpMinoredit.checked = true; } else if (changes > 1) { var summary = []; var shortSummary = []; // Deleted for (var i=0; i < deleted.length; i++) { summary.push ('−[[' + HotCat.category_canonical + ':' + deleted[i] + ']]'); } if (deleted.length == 1) shortSummary.push ('−[[' + HotCat.category_canonical + ':' + deleted[0] + ']]'); else if (deleted.length > 1) shortSummary.push ('− ' + HotCat.messages.multi_change.replace ('$1', "" + deleted.length)); // Added for (var i=0; i < added.length; i++) { summary.push ('+[[' + HotCat.category_canonical + ':' + added[i] + ']]'); } if (added.length == 1) shortSummary.push ('+[[' + HotCat.category_canonical + ':' + added[0] + ']]'); else if (added.length > 1) shortSummary.push ('+ ' + HotCat.messages.multi_change.replace ('$1', "" + added.length)); // Changed for (var i=0; i < changed.length; i++) { if (changed[i].from != changed[i].to) { summary.push ('±[[' + HotCat.category_canonical + ':' + changed[i].from + ']]→[[' + HotCat.category_canonical + ':' + changed[i].to + ']]'); } else { summary.push ('±[[' + HotCat.category_canonical + ':' + changed[i].from + ']]'); } } if (changed.length == 1) { if (changed[0].from != changed[0].to) { shortSummary.push ('±[[' + HotCat.category_canonical + ':' + changed[0].from + ']]→[[' + HotCat.category_canonical + ':' + changed[0].to + ']]'); } else { shortSummary.push ('±[[' + HotCat.category_canonical + ':' + changed[0].from + ']]'); } } else if (changed.length > 1) { shortSummary.push ('± ' + HotCat.messages.multi_change.replace ('$1', "" + changed.length)); } if (summary.length > 0) { summary = summary.join ('; '); if (summary.length > 200 - HotCat.messages.prefix.length - HotCat.messages.using.length) { summary = shortSummary.join ('; '); } commitForm.wpSummary.value = HotCat.messages.prefix + summary + HotCat.messages.using; } } } commitForm.wpTextbox1.value = result.text; commitForm.wpStarttime.value = serverTime || currentTimestamp (); commitForm.wpEdittime.value = pageTime || commitForm.wpStarttime.value; commitForm.submit(); } function resolveMulti (toResolve, callback) { for (var i = 0; i < toResolve.length; i++) { toResolve[i].dab = null; toResolve[i].dabInput = toResolve[i].lastInput; } if (noSuggestions) { callback (toResolve); return; } var request = sajax_init_object (); if (!request) { noSuggestions = true; callback (toResolve); return; } var url = wgServer + wgScriptPath + '/api.php'; // Use %7C instead of |, otherwise Konqueror insists on re-encoding the arguments, resulting in doubly encoded // category names. (That is a bug in Konqueror. Other browsers don't have this problem.) var args = 'action=query&prop=info%7Clinks%7Ccategories&plnamespace=14&pllimit=50' + '&cllimit=' + (toResolve.length * 10) // Category limit is global, link limit is per page + '&format=json&titles='; for (var i = 0; i < toResolve.length; i++) { args += encodeURIComponent ('Category:' + toResolve[i].dabInput); if (i+1 < toResolve.length) args += '%7C'; } if (url.length + args.length + 1 > 2000) { // Lowest common denominator: IE has a URI length limit of 2083 request.open ('POST', url, true); request.setRequestHeader ('Content-Type', 'application/x-www-form-urlencoded'); } else { url += '?' + args; args = null; request.open ('GET', url, true); } request.onreadystatechange = function () { if (request.readyState != 4) return; if (request.status != 200) { callback (toResolve); return; } resolveRedirects (toResolve, eval ('(' + request.responseText + ')')); callback (toResolve); }; request.setRequestHeader ('Pragma', 'cache=yes'); request.setRequestHeader ('Cache-Control', 'no-transform'); request.send (args); } function resolveOne (page, toResolve) { var cats = page.categories; var lks = page.links; var is_dab = false; var is_redir = typeof (page.redirect) == 'string'; // Hard redirect? if (!is_redir && cats && (HotCat.disambig_category || HotCat.redir_category)) { for (var c = 0; c < cats.length; c++) { var cat = cats[c]['title']; // Strip namespace prefix if (cat) { cat = cat.substring (cat.indexOf (':') + 1).replace(/_/g, ' '); if (cat == HotCat.disambig_category) { is_dab = true; break; } else if (cat == HotCat.redir_category) { is_redir = true; break; } } } } if (!is_redir && !is_dab) return; if (!lks || lks.length == 0) return; var titles = []; for (var i = 0; i < lks.length; i++) { if ( lks[i]['ns'] == 14 // Category namespace && lks[i]['title'] && lks[i]['title'].length > 0) // Name not empty { // Internal link to existing thingy. Extract the page name and remove the namespace. var match = lks[i]['title']; titles.push (match.substring (match.indexOf (':') + 1)); if (is_redir) break; } } for (var j = 0; j < toResolve.length; j++) { if (toResolve[j].dabInput != page.title.substring (page.title.indexOf (':') + 1)) continue; if (titles.length > 1) { toResolve[j].dab = titles; } else { toResolve[j].inputExists = true; // Might actually be wrong... toResolve[j].icon.src = HotCat.existsYes; toResolve[j].text.value = titles[0] + (toResolve[j].currentKey != null ? '|' + toResolve[j].currentKey : ""); } } } function resolveRedirects (toResolve, params) { if (!params || !params.query || !params.query.pages) return; for (var p in params.query.pages) resolveOne (params.query.pages[p], toResolve); } function multiSubmit () { var toResolve = []; for (var i = 0; i < editors.length; i++) { if (editors[i].state == CategoryEditor.CHANGE_PENDING || editors[i].state == CategoryEditor.OPEN) toResolve.push (editors[i]); } if (toResolve.length == 0) { performChanges (); return; } resolveMulti ( toResolve , function (resolved) { var firstDab = null; var dontChange = false; for (var i = 0; i < resolved.length; i++) { if (resolved[i].lastInput != resolved[i].dabInput) { // We didn't disable all the open editors, but we did asynchronous calls. It is // theoretically possible that the user changed something... dontChange = true; } else { if (resolved[i].dab) { if (!firstDab) firstDab = resolved[i]; } else { if (resolved[i].acceptCheck(true)) resolved[i].commit(); } } } if (firstDab) { CategoryEditor.makeActive (firstDab); } else if (!dontChange) { performChanges (); } } ); } var cat_prefix = null; var noSuggestions = false; var suggestionEngines = { opensearch : { uri : '/api.php?format=json&action=opensearch&namespace=14&limit=30&search=Category:$1' // $1 = search term ,handler : // Function to convert result of uri into an array of category names function (responseText, queryKey) { if (responseText.charAt (0) != '[') return null; var queryResult = eval ('(' + responseText + ')'); if ( queryResult != null && queryResult.length == 2 && queryResult[0].toLowerCase() == 'category:' + queryKey.toLowerCase() ) { var titles = queryResult[1]; if (!cat_prefix) cat_prefix = new RegExp ('^(' + HotCat.category_regexp + ':)'); for (var i = 0; i < titles.length; i++) { cat_prefix.lastIndex = 0; var m = cat_prefix.exec (titles[i]); if (m && m.length > 1) { titles[i] = titles[i].substring (titles[i].indexOf (':') + 1); // rm namespace } else { titles.splice (i, 1); // Nope, it's not a category after all. i--; } } return titles; } return null; } } ,internalsearch : { uri : '/api.php?format=json&action=query&list=allpages&apnamespace=14&aplimit=30&apfrom=$1' ,handler : function (responseText, queryKey) { if (responseText.charAt (0) != '{') return null; var queryResult = eval ('(' + responseText + ')'); if (queryResult && queryResult.query && queryResult.query.allpages) { var titles = queryResult.query.allpages; var key = queryKey.toLowerCase(); for (var i = 0; i < titles.length; i++) { titles[i] = titles[i].title.substring (titles[i].title.indexOf (':') + 1); // rm namespace if (titles[i].toLowerCase().indexOf (key) != 0) { titles.splice (i, 1); // Doesn't start with the query key i--; } } return titles; } return null; } } ,subcategories : { uri : '/api.php?format=json&action=query&list=categorymembers&cmnamespace=14&cmlimit=max&cmtitle=Category:$1' ,handler : function (responseText, queryKey) { if (responseText.charAt (0) != '{') return null; var queryResult = eval ('(' + responseText + ')'); if (queryResult && queryResult.query && queryResult.query.categorymembers) { var titles = queryResult.query.categorymembers; for (var i = 0; i < titles.length; i++) { titles[i] = titles[i].title.substring (titles[i].title.indexOf (':') + 1); // rm namespace } return titles; } return null; } } ,parentcategories : { uri : '/api.php?format=json&action=query&prop=categories&titles=Category:$1&cllimit=max' ,handler : function (responseText, queryKey) { if (responseText.charAt (0) != '{') return null; var queryResult = eval ('(' + responseText + ')'); if (queryResult && queryResult.query && queryResult.query.pages) { for (var p in queryResult.query.pages) { if (queryResult.query.pages[p].categories) { var titles = queryResult.query.pages[p].categories; for (var i = 0; i < titles.length; i++) { titles[i] = titles[i].title.substring (titles[i].title.indexOf (':') + 1); // rm namespace } return titles; } } } return null; } } }; var suggestionConfigs = { searchindex : {name: 'Search index', engines: ['opensearch'], cache: {}, show: true, temp: false} ,pagelist : {name: 'Page list', engines: ['internalsearch'], cache: {}, show: true, temp: false} ,combined : {name: 'Combined search', engines: ['opensearch', 'internalsearch'], cache: {}, show: true, temp: false} ,subcat : {name: 'Subcategories', engines: ['subcategories'], cache: {}, show: true, temp: true} ,parentcat : {name: 'Parent categories', engines: ['parentcategories'], cache: {}, show: true, temp: true} }; function CategoryEditor () { this.initialize.apply (this, arguments); }; CategoryEditor.UNCHANGED = 0; CategoryEditor.OPEN = 1; // Open, but no input yet CategoryEditor.CHANGE_PENDING = 2; // Open, some input made CategoryEditor.CHANGED = 3; CategoryEditor.DELETED = 4; CategoryEditor.makeActive = function (toActivate) { for (var i = 0; i < editors.length; i++) { if (editors[i] != toActivate) editors[i].inactivate (); } toActivate.is_active = true; if (toActivate.dab) { toActivate.showSuggestions (toActivate.dab, false, null, null); // do autocompletion, no key, no engine selector toActivate.dab = null; } }; CategoryEditor.prototype = { initialize : function (line, span, after, key) { // If a span is given, 'after' is the category title, otherwise it may be an element after which to // insert the new span. 'key' is likewise overloaded; if a span is given, it is the category key (if // known), otherwise it is a boolean indicating whether a bar shall be prepended. if (!span) { this.isAddCategory = true; // Create add span and append to catLinks this.originalCategory = ""; this.originalKey = null; this.originalExists = false; span = make ('span'); span.className = 'noprint'; if (key) { span.appendChild (make (' | ', true)); if (after) { after.parentNode.insertBefore (span, after.nextSibling); after = after.nextSibling; } else { line.appendChild (span); } } else if (line.firstChild) { span.appendChild (make (' ', true)); line.appendChild (span); } this.linkSpan = make ('span'); this.linkSpan.className = 'noprint'; var lk = make ('a'); lk.href = '#catlinks'; lk.onclick = bind (this.open, this); lk.appendChild (make (HotCat.links.add, true)); lk.title = HotCat.tooltips.add; this.linkSpan.appendChild (lk); span = make ('span'); span.className = 'noprint'; if (is_rtl) span.dir = 'rtl'; span.appendChild (this.linkSpan); if (after) after.parentNode.insertBefore (span, after.nextSibling); else line.appendChild (span); this.normalLinks = null; this.undelLink = null; this.catLink = null; } else { if (is_rtl) span.dir = 'rtl'; this.isAddCategory = false; this.catLink = span.firstChild; this.originalCategory = after; this.originalKey = (key && key.length > 1) ? key.substr(1) : null; // > 1 because it includes the leading bar this.originalExists = !hasClass (this.catLink, 'new'); // Create change and del links this.makeLinkSpan (); if (!this.originalExists && this.upDownLinks) this.upDownLinks.style.display = 'none'; span.appendChild (this.linkSpan); } this.line = line; this.engine = HotCat.suggestions; this.span = span; this.currentCategory = this.originalCategory; this.currentExists = this.originalExists; this.currentKey = this.originalKey; this.state = CategoryEditor.UNCHANGED; this.lastSavedState = CategoryEditor.UNCHANGED; this.lastSavedCategory = this.originalCategory; this.lastSavedKey = this.originalKey; this.lastSavedExists = this.originalExists; editors[editors.length] = this; }, makeLinkSpan : function () { this.normalLinks = make ('span'); var lk = null; if (this.originalCategory && this.originalCategory.length > 0) { lk = make ('a'); lk.href = '#catlinks'; lk.onclick = bind (this.remove, this); lk.appendChild (make (HotCat.links.remove, true)); lk.title = HotCat.tooltips.remove; this.normalLinks.appendChild (make (' ', true)); this.normalLinks.appendChild (lk); } if (!HotCat.template_categories[this.originalCategory]) { lk = make ('a'); lk.href = '#catlinks'; lk.onclick = bind (this.open, this); lk.appendChild (make (HotCat.links.change, true)); lk.title = HotCat.tooltips.change; this.normalLinks.appendChild (make (' ', true)); this.normalLinks.appendChild (lk); if (!noSuggestions && HotCat.use_up_down) { this.upDownLinks = make ('span'); lk = make ('a'); lk.href = '#catlinks'; lk.onclick = bind (this.down, this); lk.appendChild (make (HotCat.links.down, true)); lk.title = HotCat.tooltips.down; this.upDownLinks.appendChild (make (' ', true)); this.upDownLinks.appendChild (lk); lk = make ('a'); lk.href = '#catlinks'; lk.onclick = bind (this.up, this); lk.appendChild (make (HotCat.links.up, true)); lk.title = HotCat.tooltips.up; this.upDownLinks.appendChild (make (' ', true)); this.upDownLinks.appendChild (lk); this.normalLinks.appendChild (this.upDownLinks); } } this.linkSpan = make ('span'); this.linkSpan.className = 'noprint'; this.linkSpan.appendChild (this.normalLinks); this.undelLink = make ('span'); this.undelLink.style.display = 'none'; lk = make ('a'); lk.href = '#catlinks'; lk.onclick = bind (this.restore, this); lk.appendChild (make (HotCat.links.restore, true)); lk.title = HotCat.tooltips.restore; this.undelLink.appendChild (make (' ', true)); this.undelLink.appendChild (lk); this.linkSpan.appendChild (this.undelLink); }, makeForm : function () { var form = make ('form'); form.method = 'POST'; form.onsubmit = bind (this.accept, this); this.form = form; var text = make ('input'); text.type = 'text'; text.size = HotCat.editbox_width; if (!noSuggestions) { text.onkeyup = bind ( function (evt) { evt = evt || window.event || window.Event; // W3C, IE, Netscape var key = evt.keyCode || 0; if (key == 38 || key == 40) { // Up and down arrows // In case a browser doesn't generate keypress events for arrow keys... if (this.keyCount == 0) return this.processKey (evt); } else { if (key == 27) this.resetKeySelection (); // ESC // Also do this for ESC as a workaround for Firefox bug 524360 // https://bugzilla.mozilla.org/show_bug.cgi?id=524360 var dont_autocomplete = (key == 8 || key == 46 || key == 27); // BS, DEL, ESC if (this.engine && suggestionConfigs[this.engine] && suggestionConfigs[this.engine].temp && !dont_autocomplete) { this.engine = HotCat.suggestions; // Reset to a search upon input } this.state = CategoryEditor.CHANGE_PENDING; var self = this; window.setTimeout (function () {self.textchange (dont_autocomplete);}, HotCat.suggest_delay); } } ,this ); text.onkeydown = bind ( function (evt) { evt = evt || window.event || window.Event; // W3C, IE, Netscape this.lastKey = evt.keyCode || 0; this.keyCount = 0; // Handle return explicitly, to override the default form submission to be able to check for ctrl if (evt.keyCode == 13) this.accept (evt); } ,this ); // And handle continued pressing of arrow keys text.onkeypress = bind (function (evt) {this.keyCount++; return this.processKey (evt);}, this); } text.onfocus = bind (function () { CategoryEditor.makeActive (this); }, this); this.text = text; this.icon = make ('img'); var list = null; if (!noSuggestions) { list = make ('select'); list.onclick = bind (function () { if (this.setValueFromList ()) this.textchange (); }, this); list.ondblclick = bind (function (e) { if (this.setValueFromList ()) this.accept (e); }, this); list.onchange = bind (function (e) { this.setValueFromList (); this.text.focus(); }, this); list.onkeyup = bind ( function (evt) { evt = evt || window.event || window.Event; // W3C, IE, Netscape if (evt.keyCode == 27) { this.resetKeySelection (); this.text.focus(); var self = this; window.setTimeout (function () {self.textchange (true);}, HotCat.suggest_delay); } else if (evt.keyCode == 13) { this.accept (evt); } } ,this ); if (!HotCat.fixed_search) { var engineSelector = make ('select'); for (var key in suggestionConfigs) { if (suggestionConfigs[key].show) { var opt = make ('option'); opt.value = key; if (key == this.engine) opt.selected = true; opt.appendChild (make (suggestionConfigs[key].name, true)); engineSelector.appendChild (opt); } } engineSelector.onchange = bind ( function () { this.engine = this.engineSelector.options[this.engineSelector.selectedIndex].value; this.textchange (true, true); // Don't autocomplete, force re-display of list } ,this ); this.engineSelector = engineSelector; } } this.list = list; function button_label (id, defaultText) { var label = null; if ( onUpload && typeof (UFUI) != 'undefined' && typeof (UIElements) != 'undefined' && typeof (UFUI.getLabel) == 'function') { try { label = UFUI.getLabel (id, true); // Extract the plain text. IE doesn't know that Node.TEXT_NODE == 3 while (label && label.nodeType != 3) label = label.firstChild; } catch (ex) { label = null; } } if (!label || !label.data) return defaultText; return label.data; } // Do not use type 'submit'; we cannot detect modifier keys if we do var OK = make ('input'); OK.type = 'button'; OK.value = button_label ('wpOkUploadLbl', HotCat.messages.ok); OK.onclick = bind (this.accept, this); this.ok = OK; var cancel = make ('input'); cancel.type = 'button'; cancel.value = button_label ('wpCancelUploadLbl', HotCat.messages.cancel); cancel.onclick = bind (this.cancel, this); this.cancelButton = cancel; if (list) form.appendChild (list); if (this.engineSelector) form.appendChild (this.engineSelector); form.appendChild (text); if (!noSuggestions) form.appendChild (this.icon); form.appendChild (OK); form.appendChild (cancel); form.style.display = 'none'; this.span.appendChild (form); }, display : function (evt) { if (this.isAddCategory && !onUpload) { var newAdder = new CategoryEditor (this.line, null, this.span, true); // Create a new one } if (!commitButton && !onUpload) { for (var i = 0; i < editors.length; i++) { if (editors[i].state != CategoryEditor.UNCHANGED) { setMultiInput(); break; } } } if (!this.form) { this.makeForm (); } if (this.list) this.list.style.display = 'none'; if (this.engineSelector) this.engineSelector.style.display = 'none'; this.currentCategroy = this.lastSavedCategory; this.currentExists = this.lastSavedExists; this.currentKey = this.lastSavedKey; this.icon.src = this.currentExists ? HotCat.existsYes : HotCat.existsNo; this.text.value = this.currentCategory + (this.currentKey != null ? '|' + this.currentKey : ""); this.originalState = this.state; this.lastInput = this.currentCategory; this.inputExists = this.currentExists; this.state = this.state == CategoryEditor.UNCHANGED ? CategoryEditor.OPEN : CategoryEditor.CHANGE_PENDING; // Display the form if (this.catLink) this.catLink.style.display = 'none'; this.linkSpan.style.display = 'none'; this.form.style.display = 'inline'; CategoryEditor.makeActive (this); // Kill the event before focussing, otherwise IE will kill the onfocus event! var result = evtKill (evt); this.text.focus(); this.text.readOnly = false; checkMultiInput (); return result; }, open : function (evt) { var result = this.display (evt); var v = this.lastSavedCategory; if (v.length == 0) return result; if (this.engine && suggestionConfigs[this.engine].temp) this.engine = HotCat.suggestions; this.textchange (false, true); // do autocompletion, force display of suggestions return result; }, down : function (evt) { var result = this.display (evt); var v = this.lastSavedCategory; if (v.length == 0) return result; this.text.readOnly = true; // This request may be very slow! this.engine = 'subcat'; this.textchange (false, true); return result; }, up : function (evt) { var result = this.display (evt); var v = this.lastSavedCategory; if (v.length == 0) return result; this.engine = 'parentcat'; this.textchange (false, true); return result; }, cancel : function () { if (this.isAddCategory && !onUpload) { this.removeEditor(); // We added a new adder when opening return; } // Close, re-display link if (this.list) this.list.style.display = 'none'; if (this.engineSelector) this.engineSelector.style.display = 'none'; this.form.style.display = 'none'; if (this.catLink) this.catLink.style.display = ""; this.linkSpan.style.display = ""; this.state = this.originalState; this.currentCategory = this.lastSavedCategory; this.currentKey = this.lastSavedKey; this.currentExists = this.lastSavedExists; if (this.state == CategoryEditor.UNCHANGED) { if (this.catLink) this.catLink.style.backgroundColor = 'transparent'; } else { if (!onUpload) { try { this.catLink.style.backgroundColor = HotCat.bg_changed; } catch (ex) {} } } checkMultiInput (); }, removeEditor : function () { var next = this.span.nextSibling; if (next) next.parentNode.removeChild (next); this.span.parentNode.removeChild (this.span); for (var i = 0; i < editors.length; i++) { if (editors[i] == this) { editors.splice (i, 1); break; } } checkMultiInput (); var self = this; window.setTimeout (function () {delete self;}, 10); }, rollback : function (evt) { this.undoLink.parentNode.removeChild (this.undoLink); this.undoLink = null; this.currentCategory = this.originalCategory; this.currentKey = this.originalKey; this.currentExists = this.originalExists; this.lastSavedCategory = this.originalCategory; this.lastSavedKey = this.originalKey; this.lastSavedExists = this.originalExists; this.state = CategoryEditor.UNCHANGED; if (!this.currentCategory || this.currentCategory.length == 0) { // It was a newly added category. Remove the whole editor. this.removeEditor(); } else { // Redisplay the link... this.catLink.removeChild (this.catLink.firstChild); this.catLink.appendChild (make (this.currentCategory, true)); this.catLink.href = wikiPagePath (HotCat.category_canonical + ':' + this.currentCategory); this.catLink.title = ""; this.catLink.className = this.currentExists ? "" : 'new'; this.catLink.style.backgroundColor = 'transparent'; if (this.upDownLinks) this.upDownLinks.style.display = this.currentExists ? "" : 'none'; checkMultiInput (); } return evtKill (evt); }, inactivate : function () { if (this.list) this.list.style.display = 'none'; if (this.engineSelector) this.engineSelector.style.display = 'none'; this.is_active = false; }, acceptCheck : function (dontCheck) { this.sanitizeInput (); var value = this.text.value.split('|'); var key = null; if (value.length > 1) key = value[1]; var v = value[0].replace(/_/g, ' ').replace(/^\s+|\s+$/g, ""); if (HotCat.capitalizePageNames) v = capitalize (v); this.lastInput = v; if (v.length == 0) { this.cancel (); return false; } if ( !dontCheck && ( v == this.lastSavedCategory && key == this.lastSavedKey || wgNamespaceNumber == 14 && v == wgTitle ) ) { this.cancel (); return false; } this.currentCategory = v; this.currentKey = key; this.currentExists = this.inputExists; return true; }, accept : function (evt) { this.noCommit = (evtKeys (evt) & 1) != 0; var result = evtKill (evt); if (this.acceptCheck ()) { var toResolve = [this]; var original = this.currentCategory; resolveMulti ( toResolve , function (resolved) { if (resolved[0].dab) { CategoryEditor.makeActive (resolved[0]); } else { if (resolved[0].acceptCheck(true)) { resolved[0].commit ( (resolved[0].currentCategory != original) ? HotCat.messages.cat_resolved.replace ('$1', original) : null ); } } } ); } return result; }, close : function () { if (!this.catLink) { // Create a catLink this.catLink = make ('a'); this.catLink.appendChild (make ('foo', true)); this.catLink.style.display = 'none'; this.span.insertBefore (this.catLink, this.span.firstChild.nextSibling); } this.catLink.removeChild (this.catLink.firstChild); this.catLink.appendChild (make (this.currentCategory, true)); this.catLink.href = wikiPagePath (HotCat.category_canonical + ':' + this.currentCategory); this.catLink.title = ""; this.catLink.className = this.currentExists ? "" : 'new'; this.lastSavedCategory = this.currentCategory; this.lastSavedKey = this.currentKey; this.lastSavedExists = this.currentExists; // Close form and redisplay category if (this.list) this.list.style.display = 'none'; if (this.engineSelector) this.engineSelector.style.display = 'none'; this.form.style.display = 'none'; this.catLink.style.display = ""; if (this.isAddCategory) { if (onUpload) { var newAdder = new CategoryEditor (this.line, null, this.span, true); // Create a new one } this.isAddCategory = false; this.linkSpan.parentNode.removeChild (this.linkSpan); this.makeLinkSpan (); this.span.appendChild (this.linkSpan); } if (!this.undoLink) { // Append an undo link. var span = make ('span'); var lk = make ('a'); lk.href = '#catlinks'; lk.onclick = bind (this.rollback, this); lk.appendChild (make (HotCat.links.undo, true)); lk.title = HotCat.tooltips.undo; span.appendChild (make (' ', true)); span.appendChild (lk); this.normalLinks.appendChild (span); this.undoLink = span; if (!onUpload) { try { this.catLink.style.backgroundColor = HotCat.bg_changed; } catch (ex) {} } } if (this.upDownLinks) this.upDownLinks.style.display = this.lastSavedExists ? "" : 'none'; this.linkSpan.style.display = ""; this.state = CategoryEditor.CHANGED; checkMultiInput (); }, commit : function (comment) { // Check again to catch problem cases after redirect resolution if ( ( this.currentCategory == this.originalCategory && (this.currentKey == this.originalKey || this.currentKey === null && this.originalKey.length == 0 ) ) || wgNamespaceNumber == 14 && this.currentCategory == wgTitle ) { this.cancel (); return; } if (commitButton || onUpload) { this.close (); } else { if (this.list) this.list.style.display = 'none'; if (this.engineSelector) this.engineSelector.style.display = 'none'; // Execute change from this.originalCategory to this.currentCategory|this.currentKey, var editlk = wgServer + wgScript + '?title=' + encodeURIComponent (wgPageName) + '&action=edit'; var url = editlk + '&hotcat_newcat=' + encodeURIComponent (this.currentCategory); if (this.currentKey != null) url += '&hotcat_sortkey=' + encodeURIComponent (this.currentKey); if (this.originalCategory.length > 0) url += '&hotcat_removecat=' + encodeURIComponent (this.originalCategory); if (comment) url = url + '&hotcat_comment=' + encodeURIComponent (comment); if (this.noCommit || HotCat.no_autocommit) url = url + '&hotcat_nocommit=1'; document.location = url; } }, remove : function (evt) { this.doRemove (evtKeys (evt) & 1); return evtKill (evt); }, doRemove : function (noCommit) { if (this.isAddCategory) { // Empty input on adding a new category this.cancel (); return; } if (!commitButton && !onUpload) { for (var i = 0; i < editors.length; i++) { if (editors[i].state != CategoryEditor.UNCHANGED) { setMultiInput(); break; } } } if (commitButton) { this.catLink.style.textDecoration = 'line-through'; try { this.catLink.style.backgroundColor = HotCat.bg_changed; } catch (ex) {} this.originalState = this.state; this.state = CategoryEditor.DELETED; this.normalLinks.style.display = 'none'; this.undelLink.style.display = ""; checkMultiInput (); } else { if (onUpload) { // Remove this editor completely this.removeEditor (); } else { // Execute single category deletion. var editlk = wgServer + wgScript + '?title=' + encodeURIComponent (wgPageName) + '&action=edit'; if (noCommit || HotCat.no_autocommit) editlk += '&hotcat_nocommit=1'; document.location = editlk + '&hotcat_removecat=' + encodeURIComponent (this.originalCategory); } } }, restore : function (evt) { // Can occur only if we do have a commit button and are not on the upload form this.catLink.style.textDecoration = ""; this.state = this.originalState; if (this.state == CategoryEditor.UNCHANGED) { this.catLink.style.backgroundColor = 'transparent'; } else { try { this.catLink.style.backgroundColor = HotCat.bg_changed; } catch (ex) {} } this.normalLinks.style.display = ""; this.undelLink.style.display = 'none'; checkMultiInput (); return evtKill (evt); }, // Internal operations setValueFromList : function (idx) { if (typeof (idx) == 'undefined') idx = this.list.selectedIndex; if (idx >= 0 && idx < this.list.options.length) { var v = this.text.value.split ('|'); this.text.value = this.list.options[idx].text + (v.length > 1 ? '|' + v[1] : ""); this.inputExists = true; // Might be wrong if from a dab list... if (this.icon) this.icon.src = HotCat.existsYes; return true; } return false; }, selectEngine : function (engineName) { if (!this.engineSelector) return; for (var i = 0; i < this.engineSelector.options.length; i++) { this.engineSelector.options[i].selected = this.engineSelector.options[i].value == engineName; } }, sanitizeInput : function () { var v = this.text.value || ""; v = v.replace(/^(\s|_)+/, ""); // Trim leading blanks and underscores var re = new RegExp ('^(' + HotCat.category_regexp + '):'); if (re.test (v)) v = v.substring (v.indexOf (':') + 1); if (HotCat.capitalizePageNames) v = capitalize (v); // Only update the input field if there is a difference. IE8 appears to reset the selection // and place the cursor at the front upon reset, which makes our autocompletetion become a // nuisance. FF and IE6 don't seem to have this problem. if (this.text.value != null && this.text.value != v) this.text.value = v; }, makeCall : function (url, callbackObj, engine, queryKey) { var cb = callbackObj; var e = engine; var v = queryKey; var r = sajax_init_object (); cb.requests.push (r); r.open('GET', url, true); r.onreadystatechange = bind ( function () { if (r.readyState == 4) { if (r.status != 200) cb.dontCache = true; if (r.status == 200 && r.responseText != null) { var titles = e.handler (r.responseText, v); if (titles && titles.length > 0) { if (cb.allTitles == null) { cb.allTitles = titles; } else { cb.allTitles = cb.allTitles.concat (titles); } } } cb.callsMade++; } if (cb.callsMade == cb.nofCalls) { if (!cb.dontCache && !suggestionConfigs[cb.engineName].cache[v]) { suggestionConfigs[cb.engineName].cache[v] = cb.allTitles; } this.text.readOnly = false; if (!cb.cancelled) this.showSuggestions (cb.allTitles, cb.noCompletion, v, cb.engineName); if (cb === this.callbackObj) this.callbackObj = null; delete cb; } } ,this ); r.setRequestHeader ('Pragma', 'cache=yes'); r.setRequestHeader ('Cache-Control', 'no-transform'); r.send (null); }, callbackObj : null, textchange : function (dont_autocomplete, force) { // Hide all other lists CategoryEditor.makeActive (this); if (noSuggestions) { // No Ajax: just make sure the list is hidden if (this.list) this.list.style.display = 'none'; if (this.engineSelector) this.engineSelector.style.display = 'none'; if (this.icon) this.icon.style.display = 'none'; return; } // Get input value, omit sort key, if any this.sanitizeInput (); var v = this.text.value; // Disregard anything after a pipe. var pipe = v.indexOf ('|'); if (pipe >= 0) v = v.substring (0, pipe); if (this.lastInput == v && !force) return; // No change if (this.lastInput != v) checkMultiInput (); this.lastInput = v; this.lastRealInput = v; if (v.length == 0) { this.showSuggestions([]); return; } if (!sajax_init_object ()) { noSuggestions = true; if (this.list) this.list.style.display = 'none'; if (this.engineSelector) this.engineSelector.style.display = 'none'; if (this.icon) this.icon.style.display = 'none'; return; } if (this.callbackObj) this.callbackObj.cancelled = true; var engineName = suggestionConfigs[this.engine] ? this.engine : 'combined'; if (suggestionConfigs[engineName].cache[v]) { this.showSuggestions (suggestionConfigs[engineName].cache[v], dont_autocomplete, v, engineName); return; } var engines = suggestionConfigs[engineName].engines; this.callbackObj = {allTitles: null, requests: [], callsMade: 0, nofCalls: engines.length, noCompletion: dont_autocomplete, engineName: engineName}; for (var j = 0; j < engines.length; j++) { engine = suggestionEngines[engines[j]]; var url = wgServer + wgScriptPath + engine.uri.replace (/\$1/g, encodeURIComponent (v)); this.makeCall (url, this.callbackObj, engine, v); } }, showSuggestions : function (titles, dontAutocomplete, queryKey, engineName) { this.text.readOnly = false; this.dab = null; if (!this.list) return; if (noSuggestions) { if (this.list) this.list.style.display = 'none'; if (this.engineSelector) this.engineSelector.style.display = 'none'; if (this.icon) this.icon.style.display = 'none'; this.inputExists = true; // Default... return; } var haveEngine = !!engineName; if (haveEngine) { haveEngine = this.engineSelector != null; } else { if (this.engineSelector) this.engineSelector.style.display = 'none'; } if (queryKey) { if (this.lastInput.indexOf (queryKey) != 0) return; if (this.lastQuery && this.lastInput.indexOf (this.lastQuery) == 0 && this.lastQuery.length > queryKey.length) return; } this.lastQuery = queryKey; // Get current input text var v = this.text.value.split('|'); var key = v.length > 1 ? '|' + v[1] : ""; v = capitalize (v[0]); if (titles) { var vLow = v.toLowerCase (); titles.sort ( function (a, b) { if (a.indexOf (b) == 0) return 1; // a begins with b: a > b if (b.indexOf (a) == 0) return -1; // b begins with a: a < b // Opensearch may return stuff not beginning with the search prefix! var prefixMatchA = (a.indexOf (v) == 0 ? 1 : 0); var prefixMatchB = (b.indexOf (v) == 0 ? 1 : 0); if (prefixMatchA != prefixMatchB) return prefixMatchB - prefixMatchA; // Case-insensitive prefix match! var aLow = a.toLowerCase(), bLow = b.toLowerCase(); prefixMatchA = (aLow.indexOf (vLow) == 0 ? 1 : 0); prefixMatchB = (bLow.indexOf (vLow) == 0 ? 1 : 0); if (prefixMatchA != prefixMatchB) return prefixMatchB - prefixMatchA; if (a < b) return -1; if (b < a) return 1; return 0; } ); // Remove duplicates and self-references for (var i = 0; i < titles.length; i++) { if ( i+1 < titles.length && titles[i] == titles[i+1] || wgNamespaceNumber == 14 && titles[i] == wgTitle ) { titles.splice (i, 1); i--; } } } if (!titles || titles.length == 0) { if (this.list) this.list.style.display = 'none'; if (this.engineSelector) this.engineSelector.style.display = 'none'; if (engineName && suggestionConfigs[engineName] && !suggestionConfigs[engineName].temp) { if (this.icon) this.icon.src = HotCat.existsNo; this.inputExists = false; } return; } var firstTitle = titles[0]; var completed = this.autoComplete (firstTitle, v, key, dontAutocomplete); if (engineName && suggestionConfigs[engineName] && !suggestionConfigs[engineName].temp) { this.icon.src = completed ? HotCat.existsYes : HotCat.existsNo; this.inputExists = completed; } if (completed) { this.lastInput = firstTitle; if (titles.length == 1) { this.list.style.display = 'none'; if (this.engineSelector) this.engineSelector.style.display = 'none'; return; } } if (!this.is_active) { this.list.style.display = 'none'; if (this.engineSelector) this.engineSelector.style.display = 'none'; return; } var nofItems = (titles.length > 5 ? 5 : titles.length); if (nofItems <= 1) nofItems = 2; this.list.size = nofItems; this.list.style.align = 'left'; this.list.style.zIndex = 5; this.list.style.position = 'absolute'; // Compute initial list position. First the height. var listh = 0; if (this.list.style.display == 'none') { // Off-screen display to get the height this.list.style.top = this.text.offsetTop + 'px'; this.list.style.left = '-10000px'; this.list.style.display = ""; listh = this.list.offsetHeight; this.list.style.display = 'none'; } else { listh = this.list.offsetHeight; } // Approximate calculation of maximum list size var maxListHeight = listh; if (nofItems < 5) maxListHeight = (listh / nofItems) * 5; function scroll_offset (what) { var s = 'scroll' + what; return (document.documentElement ? document.documentElement[s] : 0) || document.body[s] || 0; } function viewport (what) { if (typeof (is_safari) != 'undefined' && is_safari && !document.evaluate) return window['inner' + what]; var s = 'client' + what; if (typeof (is_opera) != 'undefined' && is_opera) return document.body[s]; return (document.documentElement ? document.documentElement[s] : 0) || document.body[s] || 0; } function position (node) { // Stripped-down simplified position function. It's good enough for our purposes. if (node.getBoundingClientRect) { var box = node.getBoundingClientRect (); return { x : Math.round (box.left + scroll_offset ('Left')) ,y : Math.round (box.top + scroll_offset ('Top')) }; } var t = 0, l = 0; do { t = t + (node.offsetTop || 0); l = l + (node.offsetLeft || 0); node = node.offsetParent; } while (node); return {x : l, y : t}; } // IE6 seems to report in this.text.offsetTop and this.text.offsetLeft global offsets?? // Possibly this has something to do with the special status of input elements in IE as // "windowed controls". Calculate the relative offsets manually. var textPos = position (this.text); var catLinePos = position (this.line); var textTop = textPos.y - catLinePos.y; var textLeft = textPos.x - catLinePos.x; if (window.ie6_bugs) { // IE6 somehow has a problem with inline-displayed forms (to which our list belongs), and will add the // offset of the beginning of the text to the offsets we'd normally calculate, which in particular with // right-aligned category lines as they occur in some older skins completely misplaces the lists, sometimes // even off-screen. This appears to affect only the horizontal positioning of the list and of the // engineSelector. Try to account for this bizarre behavior. Notes: dunno if that also occurs on IE7. var textStartPos = position (this.line.firstChild); textStartPos.x -= catLinePos.x; textLeft -= textStartPos.x; } var nl = textLeft; var nt = 0; var offset = 0; if (haveEngine) { this.engineSelector.style.zIndex = 5; this.engineSelector.style.position = 'absolute'; this.engineSelector.style.width = this.text.offsetWidth + 'px'; // Figure out the height of this selector: display it off-screen, then hide it again. if (this.engineSelector.style.display == 'none') { this.engineSelector.style.left = '-1000px'; this.engineSelector.style.top = textTop + 'px'; this.engineSelector.style.display = ""; offset = this.engineSelector.offsetHeight; this.engineSelector.style.display = 'none'; } else { offset = this.engineSelector.offsetHeight; } this.engineSelector.style.left = nl + 'px'; } if (textPos.y < maxListHeight + offset) { // The list might extend beyond the upper border of the page. Let's avoid that by placing it // below the input text field. nt = textTop + this.text.offsetHeight + offset + 1; if (haveEngine) this.engineSelector.style.top = textTop + this.text.offsetHeight + 'px'; } else { nt = textTop - listh - offset; if (haveEngine) this.engineSelector.style.top = textTop - offset + 'px'; } this.list.style.top = nt + 'px'; this.list.style.width = ""; // No fixed width (yet) this.list.style.left = nl + 'px'; // (Re-)fill the list while (this.list.firstChild) this.list.removeChild (this.list.firstChild); for (var i = 0 ; i < titles.length ; i++) { var opt = make ('option') ; opt.appendChild (make (titles[i], true)); this.list.appendChild (opt); } if (haveEngine) { this.selectEngine (engineName); this.engineSelector.style.display = ""; } this.list.style.display = 'block'; // Set the width of the list var scroll = scroll_offset ('Left'); var view_w = viewport ('Width'); var l_pos = position (this.list); if (this.list.offsetWidth < this.text.offsetWidth) { this.list.style.width = this.text.offsetWidth + 'px'; return; } // Make sure that the list fits horizontally into the browser window var w = this.list.offsetWidth; if (l_pos.x + w > scroll + view_w) { if (w > view_w) w = view_w; this.list.style.width = w + 'px'; this.list.style.left = nl - (l_pos.x + w - scroll - view_w) + 'px'; } }, autoComplete : function (newVal, actVal, key, dontModify) { if (newVal == actVal) return true; if (dontModify || newVal.indexOf (actVal) != 0) return false; // Actual input is a prefix of the new text. Fill in new text, selecting the newly added suffix // such that it can be easily removed by typing backspace if the suggestion is unwanted. if (!( this.text.setSelectionRange || this.text.createTextRange || typeof (this.text.selectionStart) != 'undefined' && typeof (this.text.selectionEnd) != 'undefined' ) ) return false; // Here we know that we can indeed select properly. If we can't doing this would be a major // annoyance. this.text.focus(); var start = actVal.length; this.text.value = newVal + key; if (this.text.setSelectionRange) // e.g. khtml this.text.setSelectionRange (start, newVal.length); else if (this.text.createTextRange) { // IE var new_selection = this.text.createTextRange(); new_selection.move ('character', start); new_selection.moveEnd ('character', newVal.length - start); new_selection.select(); } else { this.text.selectionStart = start; this.text.selectionEnd = newVal.length; } return true; }, processKey : function (evt) { if (this.lastKey == 38 || this.lastKey == 40) { // Up and down arrows if (this.list.style.display != 'none') { // List is visible, so there are suggestions this.highlightSuggestion (this.lastKey == 38 ? -1 : 1); // Kill the event, otherwise some browsers (e.g., Firefox) may additionally treat an up-arrow as // "place the text cursor at the front", which we don't want here. return evtKill (evt); } else if ( this.keyCount <= 1 && (!this.callbackObj || this.callbackObj.callsMade == this.callbackObj.nofCalls) ) { // If no suggestions displayed, get them, unless we're already getting them. this.textchange (); } } return true; }, highlightSuggestion : function (dir) { if (noSuggestions || !this.list || this.list.style.display == 'none') return; var curr = this.list.selectedIndex; var tgt = curr < 0 ? 0 : curr + dir; tgt = tgt < 0 ? 0 : tgt; if (tgt != curr && tgt < this.list.options.length) { if (curr >= 0 && curr < this.list.options.length) this.list.options[curr].selected = false; this.list.options[tgt].selected = true; // Get current input text var v = this.text.value.split('|'); var key = v.length > 1 ? '|' + v[1] : ""; var completed = this.autoComplete (this.list.options[tgt].text, this.lastInput, key, false); if (!completed) { this.text.value = this.list.options[tgt].text + key; } this.lastInput = this.list.options[tgt].text; } }, resetKeySelection : function () { if (noSuggestions || !this.list || this.list.style.display == 'none') return; var curr = this.list.selectedIndex; if (curr >= 0 && curr < this.list.options.length) { this.list.options[curr].selected = false; // Get current input text var v = this.text.value.split('|'); var key = v.length > 1 ? '|' + v[1] : ""; this.text.value = this.lastRealInput + key; this.lastInput = this.lastRealInput; } } }; // end CategoryEditor.prototype function initialize () { // User configurations. Do this here, called from the onload handler, so that users can // override it easily in their own user script files by just declaring variables. JSconfig // is some feature used at Wikimedia Commons. HotCat.no_autocommit = (typeof (hotcat_no_autocommit) != 'undefined' ? !!hotcat_no_autocommit : (typeof (JSconfig) != 'undefined' && typeof (JSconfig.keys['HotCatNoAutoCommit']) != 'undefined' ? JSconfig.keys['HotCatNoAutoCommit'] : HotCat.no_autocommit ) ); HotCat.suggest_delay = window.hotcat_suggestion_delay || typeof (JSconfig) != 'undefined' && JSconfig.keys['HotCatSuggestionDelay'] || HotCat.suggest_delay; HotCat.editbox_width = window.hotcat_editbox_width || typeof (JSconfig) != 'undefined' && JSconfig.keys['HotCatEditBoxWidth'] || HotCat.editbox_width; HotCat.suggestions = window.hotcat_suggestions || typeof (JSconfig) != 'undefined' && JSconfig.keys['HotCatSuggestions'] || HotCat.suggestions; if (typeof (HotCat.suggestions) != 'string' || !suggestionConfigs[HotCat.suggestions]) HotCat.suggestions = 'combined'; HotCat.fixed_search = (typeof (hotcat_suggestions_fixed) != 'undefined' ? !!hotcat_suggestions_fixed : (typeof (JSconfig) != 'undefined' && typeof (JSconfig.keys['HotCatFixedSuggestions']) != 'undefined' ? JSconfig.keys['HotCatFixedSuggestions'] : HotCat.fixed_search ) ); HotCat.bg_changed = window.hotcat_changed_background || typeof (JSconfig) != 'undefined' && JSconfig.keys['HotCatChangedBackground'] || HotCat.bg_changed; HotCat.use_up_down = (typeof (hotcat_use_category_links) != 'undefined' ? !!hotcat_use_category_links : (typeof (JSconfig) != 'undefined' && typeof (JSconfig.keys['HotCatUseCategoryLinks']) != 'undefined' ? JSconfig.keys['HotCatUseCategoryLinks'] : HotCat.use_up_down ) ); // Localize search engine names if (HotCat.engine_names) { for (var key in HotCat.engine_names) { if (suggestionConfigs[key] && HotCat.engine_names[key]) { suggestionConfigs[key].name = HotCat.engine_names[key]; } } } // Catch both native RTL and "faked" RTL through [[MediaWiki:Rtl.js]] is_rtl = hasClass (document.body, 'rtl'); if (!is_rtl) { if (document.defaultView && document.defaultView.getComputedStyle) { // Gecko etc. is_rtl = document.defaultView.getComputedStyle (document.body, null).getPropertyValue ('direction'); } else if (document.body.currentStyle) { // IE, has subtle differences to getComputedStyle is_rtl = document.body.currentStyle['direction']; } else { // Not exactly right, but best effort is_rtl = document.body.style['direction']; } is_rtl = (is_rtl == 'rtl'); } } function can_edit () { var container = null; switch (skin) { case 'cologneblue': container = document.getElementById ('quickbar'); // Fall through case 'standard': case 'nostalgia': if (!container) container = document.getElementById ('topbar'); var lks = container.getElementsByTagName ('a'); for (var i = 0; i < lks.length; i++) { if ( param ('title', lks[i].href) == wgPageName && param ('action', lks[i].href) == 'edit') return true; } return false; default: // all modern skins: return document.getElementById ('ca-edit') != null; } return false; } function setup_upload () { onUpload = true; // Add an empty category bar above the "watch this" box, and change the onsubmit handler. var ip = document.getElementById ('wpWatchthis'); if (!ip) return; var reupload = document.getElementById ('wpForReUpload'); var destFile = document.getElementById ('wpDestFile'); if ( (reupload && !!reupload.value) || (destFile && (destFile.disabled || destFile.readOnly))) return; // re-upload form... // Insert a table row with two fields (label and empty category bar) ip = ip.parentNode.parentNode; // The containing <tr> var newRow = make ('tr'); var labelCell = make ('td'); var lineCell = make ('td'); newRow.appendChild (labelCell); newRow.appendChild (lineCell); // Create the category line catLine = make ('div'); catLine.className = 'catlinks'; catLine.id = 'catlinks'; catLine.style.textAlign = 'left'; lineCell.appendChild (catLine); // Create the label var label = null; if ( typeof (UFUI) != 'undefined' && typeof (UIElements) != 'undefined' && typeof (UFUI.getLabel) == 'function') { try { label = UFUI.getLabel ('wpCategoriesUploadLbl'); } catch (ex) { label = null; } } if (!label) { labelCell.id = 'hotcatLabel'; labelCell.appendChild (make (HotCat.categories), true); } else { labelCell.id = 'hotcatLabelTranslated'; labelCell.appendChild (label); } labelCell.className = 'mw-label'; labelCell.style.textAlign = 'right'; labelCell.style.verticalAlign = 'middle'; // Change the onsubmit handler var form = document.getElementById ('upload') || document.getElementById ('mw-upload-form'); if (form) { var optionsTable = document.getElementById ('mw-htmlform-options'); if (optionsTable) optionsTable.width = '100%'; ip.parentNode.insertBefore (newRow, ip); form.onsubmit = (function (oldSubmit) { return function () { var do_submit = true; if (oldSubmit) { if (typeof (oldSubmit) == 'string') do_submit = eval (oldSubmit); else if (typeof (oldSubmit) == 'function') do_submit = oldSubmit.apply (form, arguments); } if (!do_submit) return false; closeForm (); // Copy the categories var eb = document.getElementById ('wpUploadDescription') || document.getElementById ('wpDesc'); for (var i = 0; i < editors.length; i++) { var t = editors[i].currentCategory; if (!t) continue ; var key = editors[i].currentKey; var new_cat = '[[' + HotCat.category_canonical + ':' + t + (key ? '|' + key : "") + ']]'; // Only add if not already present var cleanedText = eb.value.replace(/<\!--(\s|\S)*?--\>/g, "") .replace(/<nowiki\>(\s|\S)*?<\/nowiki>/g, ""); if (!find_category (cleanedText, t, true)) { eb.value += '\n' + new_cat; } } return true; }; }) (form.onsubmit); } } var cleanedText = null; function isOnPage (span) { var catTitle = title (span.firstChild.getAttribute ('href', 2)); if (!catTitle) return null; catTitle = catTitle.substr (catTitle.indexOf (':') + 1).replace (/_/g, ' '); var result = { title : catTitle, match : ["", "", ""] }; if (pageText === null) return result; if (cleanedText === null) { cleanedText = pageText.replace(/<\!--(\s|\S)*?--\>/g, "") .replace(/<nowiki\>(\s|\S)*?<\/nowiki>/g, ""); } result.match = find_category (cleanedText, catTitle, true); return result; } var initialized = false; function setup () { if (initialized) return; initialized = true; // Find the category bar, or create an empty one if there isn't one. Then add -/+- links after // each category, and add the + link. catLine = catLine // Special:Upload || document.getElementById ('mw-normal-catlinks') // MW >= 1.13alpha || getElementsByClassName (document , 'p' , 'catlinks')[0]; // MW < 1.13 var hiddenCats = document.getElementById ('mw-hidden-catlinks'); if (!catLine) { var footer = null; if (!hiddenCats) { footer = getElementsByClassName (document , 'div' , 'printfooter')[0]; if (!footer) return; // Don't know where to insert the category line } catLine = make ('div'); catLine.id = 'mw-normal-catlinks'; catLine.style.textAlign = 'left'; // Add a label var label = make ('a'); label.href = wgArticlePath.replace ('$1', 'Special:Categories'); label.title = HotCat.categories; label.appendChild (make (HotCat.categories, true)); catLine.appendChild (label); catLine.appendChild (make (':', true)); // Insert the new category line var container = (hiddenCats ? hiddenCats.parentNode : document.getElementById ('catlinks')); if (!container) { container = make ('div'); container.id = 'catlinks'; footer.parentNode.insertBefore (container, footer.nextSibling); } container.className = 'catlinks noprint'; container.style.display = ""; if (!hiddenCats) { container.appendChild (catLine); } else { container.insertBefore (catLine, hiddenCats); } } // end if catLine exists catLine.style.position = 'relative'; if (is_rtl) catLine.dir = 'rtl'; // Create editors for all existing categories function createEditors (line) { var cats = line.getElementsByTagName ('span'); // Copy cats, otherwise it'll also magically contain our added spans as it is a live collection! var copyCats = new Array (cats.length); for (var i = 0; i < cats.length; i++) copyCats[i] = cats[i]; var editor = null; for (var i = 0; i < copyCats.length; i++) { var test = isOnPage (copyCats[i]); if (test !== null && test.match !== null) { editor = new CategoryEditor (line, copyCats[i], test.title, test.match[2]); } } return copyCats.length > 0 ? copyCats[copyCats.length-1] : null; } var lastSpan = createEditors (catLine); // Create one to add a new category var editor = new CategoryEditor(catLine, null, null, lastSpan != null); if (!onUpload) { if (pageText !== null && hiddenCats) { hiddenCats.style.position = 'relative'; if (is_rtl) hiddenCats.dir = 'rtl'; createEditors (hiddenCats); } // And finally add the "multi-mode" span. (Do this at the end, otherwise it ends up in the list above.) var enableMulti = make ('span'); enableMulti.className = 'noprint'; if (is_rtl) enableMulti.dir = 'rtl'; catLine.insertBefore (enableMulti, catLine.firstChild.nextSibling); enableMulti.appendChild (make ('\xa0', true)); // nbsp multiSpan = make ('span'); enableMulti.appendChild (multiSpan); multiSpan.innerHTML = '(<a>' + HotCat.addmulti + '</a>)'; var lk = multiSpan.getElementsByTagName ('a')[0]; lk.onclick = function (evt) {setMultiInput (); checkMultiInput (); return evtKill (evt);}; lk.title = HotCat.multi_tooltip; lk.style.cursor = 'pointer'; } cleanedText = null; } function setPage (json) { if (json && json.query) { if (json.query.pages) { for (var p in json.query.pages) { var page = json.query.pages[p]; if (!page.revisions || page.revisions.length == 0) break; pageText = page.revisions[0]['*']; pageTime = page.revisions[0].timestamp.replace (/\D/g, ""); pageWatched = typeof (page.watched) == 'string'; break; } } // Siteinfo if (json.query.general) { HotCat.capitalizePageNames = (json.query.general['case'] == 'first-letter'); if (json.query.general.time) serverTime = json.query.general.time.replace (/\D/g, ""); } } } function getPage () { // We know we have an article here. if (wgArticleId == 0) { // Doesn't exist yet. pageText = ""; pageTime = null; setup (); } else { var url = wgServer + wgScriptPath + '/api.php?format=json&callback=HotCat.start&action=query&titles=' + encodeURIComponent (wgPageName) + '&prop=info%7Crevisions&rvprop=content%7Ctimestamp&meta=siteinfo'; var s = make ('script'); s.src = url; s.type = 'text/javascript'; HotCat.start = function (json) { setPage (json); setup (); }; document.getElementsByTagName ('head')[0].appendChild (s); window.setTimeout (setup, 4000); // 4 seconds. Just in case getting the wikitext takes longer. } } function run () { if (HotCat.started) return; HotCat.started = true; initialize (); if (is_rtl && window.ie6_bugs) return; // Disabled! IE6 with RTL is just too broken... if (wgNamespaceNumber == -1 && wgCanonicalSpecialPageName == 'Upload' && wgUserName) { setup_upload (); setup (); // Check for state restoration if ( typeof (UploadForm) != 'undefined' && typeof (UploadForm.previous_hotcat_state) != 'undefined' && UploadForm.previous_hotcat_state != null) UploadForm.previous_hotcat_state = setState (UploadForm.previous_hotcat_state); } else { if (!wgIsArticle || wgAction != 'view' || !can_edit() || HotCat.disable()) return; getPage (); } } // Legacy stuff function closeForm () { // Close all open editors without redirect resolution and other asynchronous stuff. for (var i = 0; i < editors.length; i++) { if (editors[i].state == CategoryEditor.OPEN) { editors[i].cancel(); } else if (editors[i].state == CategoryEditor.CHANGE_PENDING) { editors[i].sanitizeInput (); var value = editors[i].text.value.split('|'); var key = null; if (value.length > 1) key = value[1]; var v = value[0].replace(/_/g, ' ').replace(/^\s+|\s+$/g, ""); if (v.length == 0) { editors[i].cancel (); } else { editors[i].currentCategory = v; editors[i].currentKey = key; editors[i].currentExists = this.inputExists; editors[i].close (); } } } } function getState () { var result = null; for (var i = 0; i < editors.length; i++) { var text = editors[i].currentCategory; var key = editors[i].currentKey; if (text && text.length > 0) { if (key != null) text += '|' + key; if (result == null) result = text; else result = result + '\n' + text; } } return result; } function setState (state) { var cats = state.split ('\n'); if (cats.length == 0) return null; if (initialized && editors.length == 1 && editors[0].isAddCategory) { // Insert new spans and create new editors for them. var newSpans = []; var before = editors.length == 1 ? editors[0].span : null; for (var i = 0; i < cats.length; i++) { if (cats[i].length == 0) continue; var cat = cats[i].split ('|'); var key = cat.length > 1 ? cat[1] : null; cat = cat[0]; var lk = make ('a'); lk.href = wikiPagePath (HotCat.category_canonical + ':' + cat); lk.appendChild (make (cat, true)); lk.title = cat; var span = make ('span'); span.appendChild (lk); if (i == 0) catLine.insertBefore (make (' ', true), before); catLine.insertBefore (span, before); if (before && i+1 < cats.length) parent.insertBefore (make (' | ', true), before); newSpans.push ({element: span, title: cat, 'key': key}); } // And change the last one... if (before) { before.parentNode.insertBefore (make (' | ', true), before); } var editor = null; for (var i = 0; i < newSpans.length; i++) { editor = new CategoryEditor (catLine, newSpans[i].element, newSpans[i].title, newSpans[i].key); } } return null; } // Now export these legacy functions window.hotcat_get_state = function () { return getState(); }; window.hotcat_set_state = function (state) { return setState (state); }; window.hotcat_close_form = function () { closeForm (); }; addOnloadHook (run); })(); } // end if (guard) //</source> dn5tv2wf1wktx4oyjouln90v03hp6ay javascript text/javascript Kategorie:Fachbegriff04 14 24926 28066 2010-07-28T18:17:23Z SDB 471 Die Seite wurde neu angelegt: „[[Kategorie:Terminologie04]]“ [[Kategorie:Terminologie04]] ap6lv7ppjczxv40jp249h2i0p15w0gs wikitext text/x-wiki Kategorie:Orden und Ehrenzeichen 14 24927 28069 28068 2010-07-28T18:20:54Z SDB 471 [[Kategorie:Auszeichnung]] [[Kategorie:Auszeichnung04]] idqubc0jknivr6wkdbgypuvo6e81u0c wikitext text/x-wiki Kategorie:!Hauptkategorie Modell 04.2 14 24928 28093 28074 2010-08-01T07:33:33Z Gruß Tom 304 listsort * Archäologie als Thema ** Archäologie als Wissenschaft * Astronomie als Thema ** Astronomie als Wissenschaft * Auszeichnungen * Bezeichnungen * Biologie als Thema ** Biologie als Wissenschaft * Chemie als Thema * Energetik als Thema ** Energetik als Wissenschaften *** Energie'''form'''/-art/-typ **** Elektrische Energie **** Erneuerbare Energie **** Fossile Energie *** Energieträger *** Energieeinheit *** Fachbegriff (Energie) ** Energieform als Thema: *** Elektrische Energie als Thema *** Erneuerbare Energie als Thema *** Fossile Energie als Thema ** Energieträger als Thema ** Energieeinheit als Thema ---- ** Energiepolitik ** Energierecht ** Energietechnik ** Energiewirtschaft ---- ** Organisation (Energie) ** Person (Energie) ** Zeitschrift (Energie) ---- * Ernährung als Thema ** Ernährungswissenschaft * Erde als Thema ** Geowissenschaft ** Geographie als Thema *** Geographie als Wissenschaft * Ethik als Thema * Fiktionen * Geschichte als Thema ** Geschichtswissenschaft * Gesellschaft als Thema ** Gesellschaftswissenschaft * Gesundheit als Thema ** Gesundheitswissenschaft ** Medizin als Thema *** Medizin als Wissenschaft ** Pharmazie * Informatik als Thema ** Informatik als Wissenschaft * Informationen ** Informationswissenschaft * Klima und Wetter als Thema ** Metereologie * Kommunikation als Thema ** Kommunikationswissenschaft * Kultur als Thema ** Kulturwissenschaft * Kunst als Thema ** Kunstwissenschaft * Kybernetik als Thema * Literatur als Thema ** Literaturwissenschaft * Mathematik als Thema ** Mathematik als Wissenschaft * Medien ** Medienwissenschaft * Musik als Thema ** Musikwissenschaft * Organisationen ** Organisationslehre * Pädagogik als Thema ** Pädagogik als Wissenschaft * Personen (als Thema) ** Genealogie ** Biographie ** Person (=Individueller Mensch) * Personengruppen * Philosophie als Thema ** Philosophie als Wissenschaft * Physik als Thema * Planen und Bauen als Thema * Politik als Thema ** Politikwissenschaft * Produkte * Psychologie als Thema ** Psychologie als Wissenschaft * Recht als Thema ** Rechtswissenschaft * Religionen ** Kategorie:Religionswissenschaft ** Kategorie:Theologie ** Kategorie:Religion als Thema ** Kategorie:Religiöses Objekt * Sprache als Thema ** Sprachwissenschaft * Technik als Thema ** Ingenieurwissenschaft * Verkehrswesen als Thema * Werke ** Kunstwerke *** Filme **** Filmwissenschaft *** Theater **** Theaterwissenschaft * Wirtschaft als Thema ** Wirtschaftswissenschaft * Wissenschaft als Thma * Zeichen als Thema * Zeit als Thema ** Vergangenheit als Thema ** Gegenwart als Thema ** Zukunft als Thema *** Futurologie noch nicht eingeordnet: * Anthropologie * Demografie * Geschlechterforschun * Kriminologie (4 K, 82 S) * Prosopografie (5 S) * Rechtsextremismusforschung [[Kategorie:!Hauptkategorie Modellübersichten|SDB]] pypegpgde3mg7k4n1j6l9bjz4bfkkjm wikitext text/x-wiki MediaWiki:Gadget-toolserver-integration.js 8 24929 28077 28076 2010-07-29T12:32:44Z Gruß Tom 304 &format=svg&links=wiki&ns=14 -> &format=svg&links=wiki /* Integration vieler externer Hilfsfunktionen vor allem des Toolservers in die Oberfläche der Wikipedia mittels zusätzlicher Karteireiter an geeigneten Stellen abhängig vom Kontext der gerade dargestellten Seite (Artikel, Bildseite, Benutzerseite, Kategorie...). */ var tab_fist = "FIST"; var tab_fist_tooltip = null; var tab_autoreviewer = "Autoreviewer"; var tab_autoreviewer_tooltip = null; var tab_commonshelper = "Commonshelper"; var tab_commonshelper_tooltip = null; var tab_templatetiger = "Templatetiger"; var tab_templatetiger_tooltip = null; var tab_mydiff = "MyDiff"; var tab_mydiff_tooltip = null; var tab_gallery = "Gallery"; var tab_gallery_tooltip = null; var tab_orphans = "orphans"; var tab_orphans_tooltip = null; var tab_untagged = "Untagged"; var tab_untagged_tooltip = null; var tab_webchecklinks = "Weblink-Check"; var tab_webchecklinks_tooltip = null; var tab_navicheck = "NaviLinkCheck"; var tab_navicheck_tooltip = null; var tab_reviw = "Rev-IW"; var tab_reviw_tooltip = null; var tab_userpages = "UserPages"; var tab_userpages_tooltip = null; var tab_catscan = "CatScan"; var tab_catscan_tooltip = null; var tab_catgraph_article = 'Catgraph' var tab_catgraph_article_tooltip = null; var tab_catgraph_super = 'Catgraph-Super' var tab_catgraph_super_tooltip = null; var tab_catgraph_sub = 'Catgraph-Sub' var tab_catgraph_sub_tooltip = null; importScript('MediaWiki:Gadget-toolserver-integration.js/' + wgUserLanguage.split("-",2)[0]); function load_tsTools() { if (wgAction !== "view" && wgAction !== "edit" && wgAction !== "submit" && wgAction !== "history" && wgAction !== "purge" && wgAction !== "rollback") return; if(wgNamespaceNumber >= 0){ if (document.getElementById('ca-history')) addPortletLink('p-cactions', 'http://toolserver.org/~daniel/WikiSense/MyDiff.php?wiki=de.wikipedia.org&user=' + gti_escapeTitle(wgUserName) + '&title=' + gti_escapeTitle(wgPageName), tab_mydiff, 'ca-mydiff', null, null, document.getElementById('ca-history').nextSibling); } switch(wgNamespaceNumber){ case -1: if(wgCanonicalSpecialPageName == 'Contributions' && getInnerText(document.getElementById('contentSub').getElementsByTagName("a")[0]) == wgUserName) { addPortletLink('p-cactions', 'http://toolserver.org/~merl/UserPages/Changes/' + gti_escapeTitle(wgUserName) , tab_userpages, 'ca-userpages', tab_userpages_tooltip); addPortletLink('p-cactions', 'http://toolserver.org/~daniel/WikiSense/Gallery.php?wikilang=de&wikifam=.wikipedia.org&img_user_text=' + gti_escapeTitle(wgTitle) , tab_gallery, 'ca-gallery', tab_gallery_tooltip); } break; case 0: addPortletLink('p-cactions', 'http://toolserver.org/~merl/reverselanglinks/query.php?wiki=labs&lang=de&format=svg&links=wiki&ns=0&page=' + gti_escapeTitle(wgTitle), tab_reviw, 'ca-reviw', tab_reviw_tooltip); addPortletLink('p-cactions', 'http://toolserver.org/~magnus/fist.php?doit=1&language=de&project=wikipedia&data=' + gti_escapeTitle(wgPageName) + '&datatype=articles&params[catdepth]=0&params[random]=50&params[ll_max]=5&params[free_only]=1&params[commons_max]=5&params[commonsense]=on' + '&params[flickr_max]=5&params[flickr_new_name_from_article]=1&params[wts_max]=5&params[gimp_max]=5&params[esp_max]=5&params[esp_skip_flickr]=1&params[forarticles]=all&params[lessthan_images]=3&params[jpeg]=1&params[png]=1&params[gif]=1&params[svg]=1&params[min_width]=80&params[min_height]=80&sources[languagelinks]=1&sources[commons]=1&sources[flickr]=1&sources[wts]=1&sources[gimp]=1&sources[everystockphoto]=1', tab_fist, 'ca-fist', tab_fist); addPortletLink('p-cactions', 'http://toolserver.org/~timl/cgi-bin/wikilint?l=de&do_typo_check=ON&remove_century=ON&url=http://de.wikipedia.org/wiki/' + gti_escapeTitle(wgPageName), tab_autoreviewer, 'ca-autoreviewer', tab_autoreviewer_tooltip); addPortletLink('p-cactions', 'http://toolserver.org/~dapete/catgraph/graph.php?wiki=labs&lang=de&format=svg&links=wiki&sub=article&cat='+ gti_escapeTitle(wgPageName), tab_catgraph_article, 'ca-catscan_article', tab_catgraph_article_tooltip); addPortletLink('p-cactions', 'http://toolserver.org/~dispenser/cgi-bin/webchecklinks.py?page=de%3A'+ gti_escapeTitle(wgPageName), tab_webchecklinks, 'ca-webchecklinks', tab_webchecklinks_tooltip); break; case 2: case 3: if (document.getElementById('t-log') && wgTitle.indexOf('/') == -1){ //keine anonymen, keine Unterseiten addPortletLink('p-cactions', 'http://toolserver.org/~daniel/WikiSense/Gallery.php?wikilang=de&wikifam=.wikipedia.org&img_user_text=' + gti_escapeTitle(wgTitle) , tab_gallery, 'ca-gallery', tab_gallery_tooltip); addPortletLink('p-cactions', 'http://toolserver.org/~daniel/WikiSense/OrphanImages.php?wikilang=de&wikifam=.wikipedia.org&img_user_text=' + gti_escapeTitle(wgTitle), tab_orphans, 'ca-orphans', tab_orphans_tooltip); addPortletLink('p-cactions', 'http://toolserver.org/~daniel/WikiSense/UntaggedImages.php?wikilang=de&wikifam=.wikipedia.org&img_user_text=' + gti_escapeTitle(wgTitle), tab_untagged, 'ca-untagged', tab_untagged_tooltip); } break; case 6: addPortletLink('p-cactions', 'http://toolserver.org/~magnus/commonshelper.php?interface=' + wgUserLanguage + '&language=de&image=' + gti_escapeTitle(wgTitle) + '&project=wikipedia&username=' + wgUserName + '&commonsense=1&doit=Get+text' , tab_commonshelper, 'ca-commonshelper', tab_commonshelper_tooltip); addPortletLink('p-cactions', 'http://toolserver.org/~dapete/catgraph/graph.php?wiki=' + ((wgArticleId == 0) ? 'commons' : 'wikipedia') + '&lang=de&ns=6&cat='+ gti_escapeTitle(wgTitle), tab_catgraph_article, 'ca-catscan_article', tab_catgraph_article_tooltip); break; case 10: addPortletLink('p-cactions', 'http://toolserver.org/~merl/reverselanglinks/query.php?wiki=labs&lang=de&format=svg&links=wiki&ns=10&page=' + gti_escapeTitle(wgTitle), tab_reviw, 'ca-reviw', tab_reviw_tooltip); addPortletLink('p-cactions', 'http://toolserver.org/~kolossos/templatetiger/tt-table4.php?lang=de&offset=0&limit=30&template=' + gti_escapeTitle(wgTitle) , tab_templatetiger, 'ca-templatetiger', tab_templatetiger_tooltip); if(wgTitle.substr(0,17) == 'Navigationsleiste') addPortletLink('p-cactions', 'http://toolserver.org/~merl/specialpages/dewiki/Navigationsleistenwartung/' + gti_escapeTitle(wgTitle) , tab_navicheck, 'ca-navicheck', tab_navicheck_tooltip); break; case 14: addPortletLink('p-cactions', 'http://toolserver.org/~merl/reverselanglinks/query.php?wiki=labs&lang=de&format=svg&links=wiki&ns=14&page=' + gti_escapeTitle(wgTitle), tab_reviw, 'ca-reviw', tab_reviw_tooltip); addPortletLink('p-cactions', 'http://toolserver.org/~magnus/catscan_rewrite.php?language=de&project=wikipedia&interface_language=' + wgUserLanguage + '&categories='+ gti_escapeTitle(wgTitle), tab_catscan, 'ca-catscan', tab_catscan_tooltip); addPortletLink('p-cactions', 'http://toolserver.org/~dapete/catgraph/graph.php?wiki=labs&lang=de&format=svg&links=wiki&sub=0&cat='+ gti_escapeTitle(wgTitle), tab_catgraph_super, 'ca-catscan_super', tab_catgraph_super_tooltip); addPortletLink('p-cactions', 'http://toolserver.org/~dapete/catgraph/graph.php?wiki=labs&lang=de&format=svg&links=wiki&sub=1&cat='+ gti_escapeTitle(wgTitle), tab_catgraph_sub, 'ca-catscan_sub', tab_catgraph_sub_tooltip); default: // nothing } } function gti_escapeTitle( text ) { var re = new RegExp( "\\+", "g" ); text = text.replace( re, "%2B" ); re = new RegExp( "&", "g" ); text = text.replace( re, "%26" ); re = new RegExp( " ", "g" ); text = text.replace( re, "_" ); return text; } addOnloadHook(load_tsTools); tukpiorrh2xirfqj7eis1xyonsvbjt2 javascript text/javascript Kategorie:Massaker 14 24930 28078 2010-07-30T13:25:09Z 87.181.85.202 Die Seite wurde neu angelegt: „[[Kategorie:Pogrom]] [[Kategorie:Aufstand]] [[Kategorie:Kriegsverbrechen]]“ [[Kategorie:Pogrom]] [[Kategorie:Aufstand]] [[Kategorie:Kriegsverbrechen]] kl11bd4fshzc7lzf4tk7oaug8u85fxb wikitext text/x-wiki Kategorie:Militär 14 24932 28084 2010-07-30T13:59:25Z Milgesch 482 Die Seite wurde neu angelegt: „Eine Kategorie der Sachsystematik, angelegt um Kats darunter zu testen [[Kategorie:!Hauptkategorie Modell 06]]“ Eine Kategorie der Sachsystematik, angelegt um Kats darunter zu testen [[Kategorie:!Hauptkategorie Modell 06]] btoujyywdb3tmcr5orfqes7i6arzmeo wikitext text/x-wiki Kategorie:!Hauptkategorie Modell 08 14 24934 28088 2010-08-01T07:24:36Z Gruß Tom 304 c+ <div style="text-align: right;"><br />Kategoriegraph [http://toolserver.org/~dapete/catgraph/graph.php?wiki=dewiki&cat=!Hauptkategorie&format=svg&links=wiki&sub=1 Hauptkategorie de:WP]</div> {{Kategoriegraphl}} °°°°°°°°°°°°°°°°° !!!! Achtung hier befindet sich das Modell 08 der der !Hauptkategorie !!!! °°°°°°°°°°°°°°°°°°°°° °°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°° Testenvironment de:Wiki-Kat-Projektes °°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°° °°°°°°°°°°°°°°°°°°°° Modell 08 = Projekt [[Benutzer Diskussion:xyz]] °°°°°°°°°°°°°°°°°°°°° <div class="hintergrundfarbe2" style="border: solid 1px #8FAACC; padding:0.3em 1em 0.3em 1em"> '''Diese [[WP:KAT|Kategorie]] ist die Oberkategorie aller Kategorien.''' Sie bildet den Einstiegspunkt ([[Stammverzeichnis]]) in das hierarchische Kategoriensystem der Wikipedia. Die [[:Kategorie:Sachsystematik]] enthält eine Übersicht der Haupt-Themengebiete. Unter [[Spezial:Kategorien]] ist eine (nicht-hierarchische) Auflistung aller Kategorien zu finden. Für weitere Suchmöglichkeiten siehe [[Hilfe:Suche]]. {{Commonscat|CommonsRoot|CommonsRoot}} </div> <!-- Als Wurzel des Kategorienbaums ist diese Kategorie zur Zeit nicht kategorisiert. Das Auftreten unter den nichtkategorisierten Kategorien (Spezialseite) ist nicht problematisch. Daher bitte keine Kategorisierung (z.B. Selbstkategorisierung) ohne Rückfrage auf der Diskussionsseite einfügen. --> [[Kategorie:!Hauptkategorie Modellübersichten]] h494fu5l0v2vsntwd4cwdokq0ia8xcj wikitext text/x-wiki Kategorie:!Hauptkategorie Modell 09 14 24935 28089 2010-08-01T07:25:24Z Gruß Tom 304 c+ <div style="text-align: right;"><br />Kategoriegraph [http://toolserver.org/~dapete/catgraph/graph.php?wiki=dewiki&cat=!Hauptkategorie&format=svg&links=wiki&sub=1 Hauptkategorie de:WP]</div> {{Kategoriegraphl}} °°°°°°°°°°°°°°°°° !!!! Achtung hier befindet sich das Modell 09 der der !Hauptkategorie !!!! °°°°°°°°°°°°°°°°°°°°° °°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°° Testenvironment de:Wiki-Kat-Projektes °°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°° °°°°°°°°°°°°°°°°°°°° Modell 09 = Projekt [[Benutzer Diskussion:xyz]] °°°°°°°°°°°°°°°°°°°°° <div class="hintergrundfarbe2" style="border: solid 1px #8FAACC; padding:0.3em 1em 0.3em 1em"> '''Diese [[WP:KAT|Kategorie]] ist die Oberkategorie aller Kategorien.''' Sie bildet den Einstiegspunkt ([[Stammverzeichnis]]) in das hierarchische Kategoriensystem der Wikipedia. Die [[:Kategorie:Sachsystematik]] enthält eine Übersicht der Haupt-Themengebiete. Unter [[Spezial:Kategorien]] ist eine (nicht-hierarchische) Auflistung aller Kategorien zu finden. Für weitere Suchmöglichkeiten siehe [[Hilfe:Suche]]. {{Commonscat|CommonsRoot|CommonsRoot}} </div> <!-- Als Wurzel des Kategorienbaums ist diese Kategorie zur Zeit nicht kategorisiert. Das Auftreten unter den nichtkategorisierten Kategorien (Spezialseite) ist nicht problematisch. Daher bitte keine Kategorisierung (z.B. Selbstkategorisierung) ohne Rückfrage auf der Diskussionsseite einfügen. --> [[Kategorie:!Hauptkategorie Modellübersichten]] 2fotkgrvsnjt4riss69gwq39vud51aa wikitext text/x-wiki Kategorie:1130s births 14 24936 28102 28095 2010-08-02T05:39:34Z Gruß Tom 304 [[WP:HC|HC]]: Ergänze [[Kategorie:Orkus]] {{Template:Catgraph}} [[Category:12th-century births]] [[Kategorie:Orkus]] mqxqlks26q4ps0c1d87btr9gnxc1b26 wikitext text/x-wiki Vorlage:Catgraph 10 24937 28101 28097 2010-08-02T05:39:03Z Gruß Tom 304 {| class="float-right toccolours plainlinks" style="border-style:solid;" |- class="hintergrundfarbe5" ! Catgraph flaggedrevs.labs |- | style="text-align:center;" | Catgraph supercategories <br /> as [{{fullurl:tools:~dapete/catgraph/graph.php|wiki=labs&lang=flaggedrevs&cat={{BASEPAGENAMEE}}&format=png&links=wiki}} png] or [{{fullurl:tools:~dapete/catgraph/graph.php|wiki=labs&lang=flaggedrevs&cat={{BASEPAGENAMEE}}&format=svg&links=wiki}} svg] ---- Catgraph subcategories <br /> as [{{fullurl:tools:~dapete/catgraph/graph.php|wiki=labs&lang=flaggedrevs&cat={{BASEPAGENAMEE}}&format=png&links=wiki&ns=14&sub=1}} png] or [{{fullurl:tools:~dapete/catgraph/graph.php|wiki=labs&lang=flaggedrevs&cat={{BASEPAGENAMEE}}&format=svg&links=wiki&sub=1}} svg] |}{{#if:{{{kurz|}}}|<br style="clear:both" />}} [[Kategorie:Orkus]] 18g5v5hdha06wkrm2qe5f4t7mu26zng wikitext text/x-wiki Kategorie:Elefanten als Thema 14 24939 28104 28103 2010-08-02T22:07:17Z Gruß Tom 304 1 Version: AutomAuswahlCheck/Import-Cat+ Diese Kategorie enthält Artikel mit thematischem Bezug zur Kulturgeschichte der [[Elefanten]], einer taxonomischen Familie, und deren Verwandten. {{Commonscat|Elephantidae}} [[Kategorie:Tier als Thema]] [[af:Kategorie:Olifante]] [[an:Categoría:Elephantidae]] [[bg:Категория:Слонове]] [[ca:Categoria:Elefants]] [[cy:Categori:Eliffantod]] [[el:Κατηγορία:Ελεφαντίδες]] [[en:Category:Elephants]] [[eo:Kategorio:Elefantedoj]] [[es:Categoría:Elephantidae]] [[eu:Kategoria:Elephantidae]] [[fa:رده:فیل‌ها]] [[fi:Luokka:Norsut]] [[fr:Catégorie:Éléphantidé]] [[he:קטגוריה:פילים]] [[id:Kategori:Gajah]] [[io:Kategorio:Elefanti]] [[is:Flokkur:Fílar]] [[ja:Category:象]] [[ka:კატეგორია:სპილოსებრნი]] [[ko:분류:코끼리]] [[la:Categoria:Elephantes]] [[lb:Kategorie:Elefanten]] [[lt:Kategorija:Drambliai]] [[no:Kategori:Elefanter]] [[oc:Categoria:Elephantidae]] [[pt:Categoria:Elefantes]] [[ro:Categorie:Elephantidae]] [[ru:Категория:Слоны]] [[simple:Category:Elephants]] [[sk:Kategória:Slonovité]] [[sl:Kategorija:Sloni]] [[sv:Kategori:Elefanter]] [[ta:பகுப்பு:யானைகள்]] [[th:หมวดหมู่:ช้าง]] [[vi:Thể loại:Voi]] [[zh-min-nan:Category:Chhiūⁿ]] [[zh-yue:Category:象]] 5shrw7lefkym1ft2mi38f33lin9owj2 wikitext text/x-wiki Kategorie:Fiktives Tier 14 24940 28106 28105 2010-08-02T22:07:18Z Gruß Tom 304 1 Version: AutomAuswahlCheck/Import-Cat+ Vergleiche auch [[:Kategorie:Individuelles Tier]], [[:Kategorie:Anthropomorphe Comicfigur]] {{Commonscat|Fictional animals}} [[Kategorie:Fiktive Figur|Tier]] [[Kategorie:Lebewesen – sonstige Kategorien]] [[Kategorie:Tier als Thema| ]] [[bar:Kategorie:Fiktives Tier]] [[cs:Kategorie:Fiktivní živočichové]] [[da:Kategori:Fiktive dyr]] [[en:Category:Fictional animals]] [[es:Categoría:Animales de ficción]] [[fi:Luokka:Kuvitteelliset eläimet]] [[fr:Catégorie:Animal de fiction]] [[he:קטגוריה:בעלי חיים בדיוניים]] [[hu:Kategória:Kitalált állatok]] [[id:Kategori:Hewan fiktif]] [[it:Categoria:Animali immaginari]] [[ja:Category:架空の動物]] [[ka:კატეგორია:გამოგონილი ცხოველები]] [[ko:분류:가공의 동물]] [[nl:Categorie:Fictief dier]] [[nn:Kategori:Oppdikta dyr]] [[no:Kategori:Fiktive dyr]] [[pt:Categoria:Animais fictícios]] [[ru:Категория:Вымышленные животные]] [[simple:Category:Fictional animals]] [[sk:Kategória:Fiktívne živočíchy]] [[sv:Kategori:Fiktiva djur]] [[tr:Kategori:Hayalî hayvanlar]] [[vi:Thể loại:Sinh vật truyền thuyết]] [[vls:Categorie:Fictieve bêeste]] [[zh:Category:虛構動物]] 945qdkgxuz3lrll0jz8xansvcopodqj wikitext text/x-wiki Kategorie:Individuelles Tier 14 24941 28108 28107 2010-08-02T22:07:18Z Gruß Tom 304 1 Version: AutomAuswahlCheck/Import-Cat+ In diese Kategorie sollen alle '''Artikel über namentlich oder geschichtlich bekannte Tierindividuen''' einsortiert werden, die tatsächlich gelebt haben oder noch leben. * Fossilfunde, die (nach den heute gängigen Theorien) die Überreste tatsächlich gelebt habender Tiere darstellen, werden vorerst hier, ''und'' unter [[:Kategorie:Paläozoologie]] eingetragen, Hominine aber, deren Zuordnung als Tier (Menschenaffe) oder (Früh-)Mensch Thema der Forschung ist, siehe [[:Kategorie:Hominines Fossil]] * Für fiktive Tiere gibt es die [[:Kategorie:Fiktives Tier]] * Zur systematischen Kategorisierung von Tierarten, -familien oder -rassen existiert die [[:Kategorie:Vielzellige Tiere]]. {{Commonscat|Famous animals}} [[Kategorie:Lebewesen – sonstige Kategorien]] [[Kategorie:Tier als Thema| ]] [[ar:تصنيف:حيوانات شهيرة]] [[bg:Категория:Известни животни]] [[br:Rummad:Loened brudet]] [[ca:Categoria:Animals individuals]] [[cs:Kategorie:Slavná zvířata]] [[cy:Categori:Anifeiliaid enwog]] [[da:Kategori:Berømte dyr]] [[el:Κατηγορία:Διάσημα ζώα]] [[en:Category:Famous animals]] [[eo:Kategorio:Famaj bestoj]] [[es:Categoría:Animales famosos]] [[et:Kategooria:Kuulsad loomad]] [[fa:رده:جانوران مشهور]] [[fi:Luokka:Kuuluisat eläimet]] [[fr:Catégorie:Animal célèbre]] [[gl:Categoría:Animais famosos]] [[he:קטגוריה:בעלי חיים מפורסמים]] [[hu:Kategória:Híres állatok]] [[id:Kategori:Hewan terkenal]] [[it:Categoria:Animali famosi]] [[ja:Category:著名な動物]] [[ka:კატეგორია:ცნობილი ცხოველები]] [[ko:분류:유명한 동물]] [[la:Categoria:Animalia 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[[sk:Kategória:Chovateľstvo]] gtqoafeeer1z3lxv3tp2hv8tk6eznml wikitext text/x-wiki Kategorie:Tieropfer 14 24943 28112 28111 2010-08-02T22:07:18Z Gruß Tom 304 1 Version: AutomAuswahlCheck/Import-Cat+ {{Commons cat|Animal sacrifice|Tieropfer}} [[Kategorie:Opfer (Religion)]] [[Kategorie:Archäologischer Fachbegriff]] [[Kategorie:Tier als Thema| ]] [[en:category:animal sacrifice]] [[es:Categoría:Sacrificio de animales]] [[io:Kategorio:Animala sakrifiko]] [[pt:Categoria:Sacrifício animal]] rp7w8vqinet3iwgb02i74cnzxgmrw2f wikitext text/x-wiki Kategorie:Tier (Bildende Kunst) 14 24944 28114 28113 2010-08-02T22:07:18Z Gruß Tom 304 1 Version: AutomAuswahlCheck/Import-Cat+ {{commonscat|Animals_in_art|Tier in der Kunst}} [[Kategorie:Ikonografie]] [[Kategorie:Tier als Thema|!]] [[bar:Kategorie:Tier (Bildende Kunst)]] [[en:Category:Animals_in_art]] [[fr:Catégorie:Aspect culturel par animal]] 4ia3vfm9y52rpvtbvthxvtiwqvxnlbg wikitext text/x-wiki Freilichtbühne Mülheim an der Ruhr 0 24977 28186 2011-02-21T12:33:20Z Muelheimer 550 Übernahme aus Wikipedia / das Hochladen zweier von mir eingestellter Photos klappt jedoch nicht - Bitte um Hilfe ... vielen Dank !!l [[Datei:Freilichtbühne.JPG|links|thumb|Freilichtbühne Mülheim an der Ruhr]] Die '''Freilichtbühne Mülheim an der Ruhr''' ist ein seit 1936 bestehendes [[Freilichtbühne|Freilichttheater]] in [[Mülheim an der Ruhr]]. Die Anlage zählt mit 2.000 Sitzplätzen zu den größten Naturbühnen Deutschlands und ist die bedeutendste ihrer Art in der [[Metropolregion Rhein-Ruhr|Rhein-Ruhr-Region]]. == Lage == Die Freilichtbühne liegt nur wenige hundert Meter südlich des [[Kirchenhügel]]s. Direkt neben dem Altstadtfriedhof öffnet sich das Zuschauerrund in einem ehemaligen Steinbruch. Die Bühne ist eingebettet in einen stadtnahen Park, der außerhalb der Veranstaltungszeiten frei zugänglich ist. == Geschichte == Anfang der 1930er Jahre suchte Gartenamtsdirektor Fritz Keßler nach einer Möglichkeit, das Areal des ehemaligen Döringschen Steinbruchs vor dem Schicksal zu bewahren, eine Deponie für Bauschutt und Hausmüll zu werden. Keßler hatte eine Grünanlage im Sinn, für die jedoch die städtischen Haushaltsmittel - auch Mülheim litt unter der Weltwirtschaftskrise - nicht ausreichten. Als Arbeitsbeschaffungsmaßnahme konnte dieses Projekt schließlich mit Hilfe des "freiwilligen Arbeitsdienstes" kostengünstig durchgeführt werden: statt ursprünglich 29.800 Reichsmark musste die Stadt Mülheim nur noch 14.100 RM aufbringen. Mitte Mai 1933 lief die staatliche Förderung aus, die Anlagen blieben halbfertig. Auf Drängen von Keßler wurden zumindest die Wege noch fertiggestellt - durch städtische Fürsorgeempfänger, die dafür einen Zuschlag zu ihrer monatlichen Unterstützung erhielten. Noch im gleichen Jahr wurden die Arbeiten an den Grünanlagen - erweitert um den Bau einer Freilichtbühne - durch den Reichsarbeitsdienst fortgesetzt. Die Friedrich-Wilhelms-Hütte spendete 400 Sack Zement, das RWW legte eine Wasserleitung und die Schreinerei des Gartenamtes half bei den Holzarbeiten und stellte darüber hinaus mit Oberinspektor Erich Schulzke den Chefplaner. Drei Jahre später konnte die Grünanlage der Öffentlichkeit übergeben werden: Am 28. Juni 1936 - einem sommerlichen Sonntagabend - wurde mit Shakespeares "Sommernachtstraum" die Freilichtbühne feierlich eingeweiht. Die Nachfrage nach Karten für die knapp 3000 Plätze war gewaltig, eine Wiederholung am darauffolgenden Abend wurde angesetzt. Der 1939 beginnende Krieg beendete vorerst die Veranstaltungen und hinterließ seine Spuren. Ein in den Fels geschlagener Bunker diente den Anwohnern als Zuflucht und dem Evangelischen Krankenhaus als Lazarett. Die hölzernen Sitzbänke der Bühne wurden von der notleidenden Bevölkerung abgebrochen und als Brennmaterial verheizt. Nach Kriegsende konnten die Schäden schließlich nach und nach beseitigt werden. Auf die Wiedereröffnung am 30. Juni 1954 mit Bizets Oper "Carmen" folgte in den Jahren 1954 bis 1965 ein umfangreiches Programm mit insgesamt 56 Opern-, Operetten- und Schauspielaufführungen. Dann wurde es still um die Freilichtbühne. Im Sommer 1971, als zum ersten und einzigen Mal die Karl-May-Festspiele in Mülheim stattfanden, erlebte die Anlage an der Dimbeck mit dem "Geheimnis der Bonanza" noch einmal eine beeindruckende Renaissance, um dann erneut in einen langen Dornröschenschlaf zu fallen. == Aktuelles Programm == :[[Datei:MITTWOCHSREIHE regler produktion e.V..JPG|rechts|open air Freilichtbühne Mülheim]] Nach langen Programm- und Nutzungsdiskussionen im Jahre 2000 zwischen dem neugegründeten Verein der "Freunde der Europa-Freilichtbühne Mülheim" , der Stadt und den anderen kulturellen Einrichtungen hatte man entschieden, dass die Freilichtbühne eine Spielstätte für Jung und Alt mit vielfältigen Veranstaltungsausrichtungen werden soll. Die Bandbreite soll über Pop, Jazz, Klassik bis hin zu Theater und Comedy reichen. Im Jahre '''2003''' stieß der Verein Regler Produktion hinzu und zeigt sich seitdem für zahlreiche Veranstaltungen auf der großen als auch kleinen Bühne verantwortlich . Im Jahre '''2006''' wurde das Areal durch Verbesserung der Infrastruktur (feste Gastronomie-Einrichtung, Verbesserung der kleinen Bühne durch Sponsoren etc.) vor dem Saisonstart aufgewertet. Neben den Veranstaltungen auf der großen Bühne (Oldie Night, Irish Folk Festival) wurde durch Veranstaltungen im Rahmen der Fußball-Weltmeisterschaft ein wesentlich größeres Publikum mit Erfolg angesprochen. '''2007''' intensivierte die Regler Produktion die Arbeit mit der Twistzentrale, welche die Idee einbrachte die Veranstaltungen auf der kleinen Bühne umfangreicher, jeden Mittwoch, akustisch und eintrittsfrei zu gestalten. So entstanden 21 Termine sowie 4 Zusatztermine nach diesem Prinzip auf der kleinen Bühne mit dem Namen Sunset Folks. Die Realisierung wurde durch ca. 12 ehrenamtliche Mitarbeiter möglich, stammend aus der Twistzentrale und der Reglerproduktion. Die kleinen Gewinne, die durch Gastronomie sowie Sponsoring erzielt wurden, flossen ausschließlich in Optimierung von Bühne, Licht und sonstigem Equipment. Die Bands bekamen ihre Gage durch freiwillige Spenden des Publikums – „der Hut geht rum“. [[Datei:Reglerproduktion+Unterzeile.jpg|miniatur|links|]] Das Jahr '''2008''' war ein Durchbruch für die Veranstaltungsreihe Sunset Folks. Vor Saisonstart gab es eine erneute Optimierung des Areals (Bühne, umfangreiche Erdbewegung, Cocktail- und Infostand). In diesem Jahr wurden ca. 10.000 Besucher durch Sunset Folks und andere Veranstaltungen der Reglerproduktion erreicht. Darüber hinaus arbeitete die Reglerproduktion an Veranstaltungen des Vereines Freunde der Freilichtbühne mit. Aus finanziellen Gründen war eine Bespielung der großen Bühne in diesem Jahr nicht möglich. [[Datei:Mittwochsreihe logo regle produktion.JPG|miniatur|Mittwochsreihe - Kultur aus dem Hut!]] Im Jahr '''2009''' wurde der Name des Hauptbetreibers der Freilichtbühne von Verein der Freunde der Europa-Freilichtbühne in Mülheim an der Ruhr e. V. in Freunde der Freilichtbühne Mülheim an der Ruhr e. V. umbenannt. Seit dem Jahre '''2010''' führt die Regler Produktion das Konzept unter dem Namen Mittwochsreihe in Eigenregie fort. == Weblinks == * [http://www.muelheim-freilichtbuehne.de/ Homepage der Freunde der Freilichtbühne Mülheim] * [http://www.muelheim-ruhr.de/cms/die_muelheimer_freilichtbuehne1.html Stadt Mülheim: Die Freilichtbühne] * [http://www.regler-produktion.de/ Homepage der Regler Produktion e.V.] [[Kategorie:Freilichtbühne]] [[Kategorie:Mülheim an der Ruhr]] [[Kategorie:Kultur (Ruhrgebiet)]] [[Kategorie:Theater (Nordrhein-Westfalen)]] [[Kategorie:Thingbewegung]] {{Coordinate |NS=51.4219 |EW=6.8858 |dim=500 |type=landmark |region=DE}} 9vdpl125d0n405nodavqy4ybzhhgs9i wikitext text/x-wiki Kategorie:Wikipedia:Projektdiskussion 14 24982 28202 2011-03-11T00:53:49Z CroMagnon 557 Die Seite wurde neu angelegt: „[[Kategorie:!Hauptkategorie Modell 07]]“ [[Kategorie:!Hauptkategorie Modell 07]] 27snst1wsn105iri97s1kcb5erc6th5 wikitext text/x-wiki MediaWiki:Deletereason-dropdown 8 25003 28310 28251 2011-05-24T16:57:01Z Axpde 417 +1 * Allgemeine Löschgründe ** Wunsch des Autors * Inhaltliche Gründe ** Urheberrechtsverletzung ** Testseite ** Kein Artikel ** Unsinn ** Vandalismus ** Werbung qd8hsed59mtqwzhiilhlpus60mkiu5b wikitext text/x-wiki MediaWiki:Filedelete-reason-dropdown 8 25004 28250 2011-04-26T12:45:50Z Axpde 417 +5 * Allgemeine Löschgründe ** Wunsch des Autors * Inhaltliche Löschgründe ** Duplikat ** Urheberrechtsverletzung ** Testupload ** Unsinn ** Vandalismus ** Werbung 1w9msj4y25vvqlt4190lnaqco0nc20a wikitext text/x-wiki Vorlage:Interwiki redirect 10 25028 28358 28354 2011-07-13T17:11:36Z Axpde 417 sieht nicht gut aus <div style="min-height: 57px; border: 1px solid #aaaaaa; background-color: #f9f9f9; width: 50%; margin: 0 auto 1em auto; padding: .2em;"> <div style="float: left">[[Datei:Wikimedia-logo.svg|50px| ]]</div> <div style="margin-left: 60px">'''Interwiki-Weiterleitung''' <br />Diese Seite befindet sich unter [[:{{{1}}}|{{{2|{{{1}}}}}}]].</div> </div> <noinclude> == Verwendung == Diese Vorlage ist für die Weiterleitung auf andere [[Wiki]]s gedacht. Aus technischen Gründen ist es zur Zeit nicht möglich, in solchen Fällen normale [[Hilfe:Weiterleitung|Weiterleitungen]] zu verwenden. Bitte benutze ansonsten <code><nowiki>#WEITERLEITUNG [[Artikelname]]</nowiki></code> für Weiterleitungen innerhalb dieses Wikis. == Usage Note == This [[:en:Wikipedia:Redirect|redirect]] is for redirecting through different [[:en:Wiki|wikis]], which is currently impossible due to technical restrictions. 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Achtung hier befindet sich das Modell 02.4 von Themenkategorien !!!! °°°°°°°°°°°°°°°°°°°°° °°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°° Testenvironment de:Wiki-Kat-Projektes °°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°° °°°°°°°°°°°°°°°°°°°° Modell 02.4 = Projekt [[Benutzer Diskussion:Gruß_Tom]] °°°°°°°°°°°°°°°°°°°°° <div class="hintergrundfarbe2" style="border: solid 1px #8FAACC; padding:0.3em 1em 0.3em 1em"> '''Diese [[WP:KAT|Kategorie]] ist ein Testmodell für Themenkategorien. Unter [[Spezial:Kategorien]] ist eine (nicht-hierarchische) Auflistung aller Kategorien zu finden. Für weitere Suchmöglichkeiten siehe [[Hilfe:Suche]]. {{Commonscat|CommonsRoot|CommonsRoot}} </div> <!-- Als Wurzel des Kategorienbaums ist diese Kategorie zur Zeit nicht kategorisiert. Das Auftreten unter den nichtkategorisierten Kategorien (Spezialseite) ist nicht problematisch. Daher bitte keine Kategorisierung (z.B. Selbstkategorisierung) ohne Rückfrage auf der Diskussionsseite einfügen. --> [[Kategorie:!Hauptkategorie Modellübersichten|Tom]] 8j5flgtcwuy2ct2wt9hlchibcej9h98 wikitext text/x-wiki Kategorie:Landwehrkanal 14 25053 28434 28433 2011-11-18T09:47:06Z Gruß Tom 304 1 Version: Modell für Themenkategorien Diese Kategorie enthält Artikel mit Bezug zum Berliner [[Landwehrkanal]]. [[Kategorie:Berlin]] [[Kategorie:Schifffahrtskanal als Thema]] [[Kategorie:Deutschland nach Gewässer]] [[Kategorie:Europa nach Gewässer]] 6zkj9d22msmdkq2p6aiblg9mx127t85 wikitext text/x-wiki Kategorie:Datteln-Hamm-Kanal 14 25054 28436 28435 2011-11-18T09:47:06Z Gruß Tom 304 1 Version: Modell für Themenkategorien Diese Kategorie sammelt Artikel, die mit dem [[Datteln-Hamm-Kanal]] in Verbindung stehen (zum Beispiel aber nicht ausschließlich: Häfen & Marinas, Schleusen & Staustufen, Siedlungen & Firmen, Brücken & Parks, ...). Es ist deshalb eine Themenkategorie, die '''nicht''' als [[:Kategorie:Kanal in Nordrhein-Westfalen|Kanal in Nordrhein-Westfalen]] zu kategorisieren ist. {{Commonscat|Datteln-Hamm-Kanal}} [[Kategorie:Schifffahrtskanal als Thema]] [[Kategorie:Europa nach Gewässer]] [[Kategorie:Deutschland nach Gewässer]] [[Kategorie:Nordrhein-Westfalen nach Gewässer]] [[Kategorie:Ruhrgebiet]] 6bcwqfp19iq2jm6g2syhuw58v8br2z9 wikitext text/x-wiki Kategorie:Dortmund-Ems-Kanal 14 25055 28438 28437 2011-11-18T09:47:06Z Gruß Tom 304 1 Version: Modell für Themenkategorien Diese Kategorie sammelt Artikel, die mit dem [[Dortmund-Ems-Kanal]] in Verbindung stehen (zum Beispiel aber nicht ausschließlich: Häfen & Marinas, Schleusen & Staustufen, Siedlungen & Firmen, Brücken & Parks, ...). 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Es ist deshalb eine Themenkategorie, die '''nicht''' als [[:Kategorie:Zuordnung nach Kanal in Nordrhein-Westfalen|Kanal in Nordrhein-Westfalen]] zu kategorisieren ist. {{Commonscat|Datteln-Hamm-Kanal}} [[Kategorie:Zuordnung nach Schifffahrtskanal]] [[Kategorie:Zuordnung nach Europa nach Gewässer]] [[Kategorie:Zuordnung nach Deutschland nach Gewässer]] [[Kategorie:Zuordnung nach Nordrhein-Westfalen nach Gewässer]] [[Kategorie:Zuordnung nach Ruhrgebiet]] rnjw0w3pifebtoluj7pq96zoag12im8 wikitext text/x-wiki Kategorie:Zuordnung nach Dortmund-Ems-Kanal 14 25066 28460 28459 2011-11-18T10:08:26Z Gruß Tom 304 1 Version: Themenkatmodellierung Diese Kategorie sammelt Artikel, die mit dem [[Dortmund-Ems-Kanal]] in Verbindung stehen (zum Beispiel aber nicht ausschließlich: Häfen & Marinas, Schleusen & Staustufen, Siedlungen & Firmen, Brücken & Parks, ...). 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Es ist deshalb eine Themenkategorie, die '''nicht''' als [[:Kategorie:Zuordnung nach Kanal in Nordrhein-Westfalen|Kanal in Nordrhein-Westfalen]] zu kategorisieren ist. {{Commonscat|Rhein-Herne-Kanal}} [[Kategorie:Zuordnung nach Schifffahrtskanal]] [[Kategorie:Zuordnung nach Europa nach Gewässer]] [[Kategorie:Zuordnung nach Deutschland nach Gewässer]] [[Kategorie:Zuordnung nach Nordrhein-Westfalen nach Gewässer]] d5bq5nv1c265c1w46a3c0ft9wmrp2o5 wikitext text/x-wiki Kategorie:Zuordnung nach Wesel-Datteln-Kanal 14 25070 28468 28467 2011-11-18T10:08:26Z Gruß Tom 304 1 Version: Themenkatmodellierung Diese Kategorie sammelt Artikel, die mit dem [[Wesel-Datteln-Kanal]] in Verbindung stehen (zum Beispiel aber nicht ausschließlich: Häfen & Marinas, Schleusen & Staustufen, Siedlungen & Firmen, Brücken & Parks, ...). Es ist deshalb eine Themenkategorie, die '''nicht''' als [[:Kategorie:Zuordnung nach Kanal in Nordrhein-Westfalen|Kanal in Nordrhein-Westfalen]] zu kategorisieren ist. {{Commonscat|Wesel-Datteln-Kanal}} [[Kategorie:Zuordnung nach Schifffahrtskanal]] [[Kategorie:Zuordnung nach Europa nach Gewässer]] [[Kategorie:Zuordnung nach Deutschland nach Gewässer]] [[Kategorie:Zuordnung nach Nordrhein-Westfalen nach Gewässer]] [[Kategorie:Zuordnung nach Ruhrgebiet]] eu8rmxiwsh31cwsjcmm85qdnr3i52o9 wikitext text/x-wiki Kategorie:Zuordnung nach Teltowkanal 14 25071 28470 28469 2011-11-18T10:08:26Z Gruß Tom 304 1 Version: Themenkatmodellierung [[Kategorie:Zuordnung nach Deutschland nach Gewässer]] [[Kategorie:Zuordnung nach Schifffahrtskanal]] [[Kategorie:Zuordnung nach Europa nach Gewässer]] crl6t6npzpsm5o1eued79i8swz2pr62 wikitext text/x-wiki Kategorie:Zuordnung nach Sueskanal 14 25072 28472 28471 2011-11-18T10:08:26Z Gruß Tom 304 1 Version: Themenkatmodellierung {{Commonscat|Suez Canal}} [[Kategorie:Zuordnung nach Schifffahrtskanal]] [[Kategorie:Zuordnung nach Afrika nach Gewässer]] [[Kategorie:Zuordnung nach Ägypten]] [[ar:تصنيف:قناة السويس]] [[en:Category:Suez Canal]] [[fi:Luokka:Suezin kanava]] [[he:קטגוריה:תעלת סואץ]] [[ja:Category:スエズ運河]] [[ka:კატეგორია:სუეცის არხი]] [[ko:분류:수에즈 운하]] [[ru:Категория:Суэцкий канал]] [[th:หมวดหมู่:คลองสุเอซ]] [[tr:Kategori:Süveyş Kanalı]] [[uk:Категорія:Суецький канал]] [[yo:Ẹ̀ka:Ìladò Suez]] [[zh:Category:苏伊士运河]] sxbi6a4swtopayn41cpazjcijn1zljb wikitext text/x-wiki Kategorie:Zuordnung nach Linksemsisches Kanalnetz 14 25073 28474 28473 2011-11-18T10:08:26Z Gruß Tom 304 1 Version: Themenkatmodellierung In dieser Kategorie werden alle Kanäle, Schleusen und Bauwerke, sowie Geschichte und Zukunft des Linksemsischen Kanalnetzes erfasst. 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Es ist deshalb eine Themenkategorie, die '''nicht''' als [[:Kategorie:Zuordnung bei Kanal in Nordrhein-Westfalen|Kanal in Nordrhein-Westfalen]] zu kategorisieren ist. {{Commonscat|Datteln-Hamm-Kanal}} [[Kategorie:Zuordnung bei Schifffahrtskanal]] [[Kategorie:Zuordnung bei Europa bei Gewässer]] [[Kategorie:Zuordnung bei Deutschland bei Gewässer]] [[Kategorie:Zuordnung bei Nordrhein-Westfalen bei Gewässer]] [[Kategorie:Zuordnung bei Ruhrgebiet]] tcgls6iu8msu9bk6oabijvntvdunl95 wikitext text/x-wiki Kategorie:Zuordnung bei Dortmund-Ems-Kanal 14 25077 28485 28484 2011-11-18T18:03:49Z Gruß Tom 304 1 Version: themenkatmodelle Diese Kategorie sammelt Artikel, die mit dem [[Dortmund-Ems-Kanal]] in Verbindung stehen (zum Beispiel aber nicht ausschließlich: Häfen & Marinas, Schleusen & Staustufen, Siedlungen & Firmen, Brücken & Parks, ...). 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Es ist deshalb eine Themenkategorie, die '''nicht''' als [[:Kategorie:Zuordnung zu Kanal in Nordrhein-Westfalen|Kanal in Nordrhein-Westfalen]] zu kategorisieren ist. {{Commonscat|Wesel-Datteln-Kanal}} [[Kategorie:Zuordnung zu Schifffahrtskanal]] [[Kategorie:Zuordnung zu Europa zu Gewässer]] [[Kategorie:Zuordnung zu Deutschland zu Gewässer]] [[Kategorie:Zuordnung zu Nordrhein-Westfalen zu Gewässer]] [[Kategorie:Zuordnung zu Ruhrgebiet]] 88ugzoclgupkfakyy3dskaw43jbbils wikitext text/x-wiki Kategorie:Zuordnung zu Teltowkanal 14 25093 28518 28517 2011-11-18T18:05:27Z Gruß Tom 304 1 Version: themenkatmodelle [[Kategorie:Zuordnung zu Deutschland zu Gewässer]] [[Kategorie:Zuordnung zu Schifffahrtskanal]] [[Kategorie:Zuordnung zu Europa zu Gewässer]] 3atd6n4qurbgs6hz90kuhi6ftmekbim wikitext text/x-wiki Kategorie:Zuordnung zu Sueskanal 14 25094 28520 28519 2011-11-18T18:05:27Z Gruß Tom 304 1 Version: themenkatmodelle {{Commonscat|Suez Canal}} [[Kategorie:Zuordnung zu Schifffahrtskanal]] [[Kategorie:Zuordnung zu Afrika zu Gewässer]] [[Kategorie:Zuordnung zu Ägypten]] [[ar:تصنيف:قناة السويس]] [[en:Category:Suez Canal]] [[fi:Luokka:Suezin kanava]] [[he:קטגוריה:תעלת סואץ]] [[ja:Category:スエズ運河]] [[ka:კატეგორია:სუეცის არხი]] [[ko:분류:수에즈 운하]] [[ru:Категория:Суэцкий канал]] [[th:หมวดหมู่:คลองสุเอซ]] [[tr:Kategori:Süveyş Kanalı]] [[uk:Категорія:Суецький канал]] [[yo:Ẹ̀ka:Ìladò Suez]] [[zh:Category:苏伊士运河]] o7rs7xny3lru6l2h6cr8h2irlby98w3 wikitext text/x-wiki Kategorie:Zuordnung zu Linksemsisches Kanalnetz 14 25095 28522 28521 2011-11-18T18:05:27Z Gruß Tom 304 1 Version: themenkatmodelle In dieser Kategorie werden alle Kanäle, Schleusen und Bauwerke, sowie Geschichte und Zukunft des Linksemsischen Kanalnetzes erfasst. 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Es gibt allerdings einige wenige Funktionen der Software, die '''Administratoren''' vorbehalten sind. Vor allem das endgültige Löschen von Seiten samt aller vorherigen Revisionen und das Sperren von IP-Adressen zählen dazu. '''Administratoren sind keine Vertreter oder Angestellte des Diensteanbieters, der Wikimedia Foundation'''. Sie haben keine Sonderstellung gegenüber anderen Benutzern, insbesondere zählt ihre Stimme nicht mehr und weniger als die anderer Benutzer. Es handelt sich um normale Benutzer, bei denen man davon ausgeht, dass sie mit den eingeräumten Rechten (Löschen von Artikeln und IP-Sperren) keinen Unfug anstellen, Fehlverhalten wird geahndet. Für nicht-Administratoren sind diese Funktionen nicht zugänglich, um Vandalismus in Grenzen zu halten. {{Anker|aktiv}} <!-- Diesen Anker bitte vor dem Titel stehen lassen, er wird für Links gebraucht. --> == Administratoren == [[Spezial:Listadmins|Automatische Liste der Administratoren]] * {{BenutzerA|axpde‏‎}} * {{BenutzerA|Brion VIBBER‏‎}} * {{BenutzerA|Daniel 1992}} * {{BenutzerA|Gruß Tom‏‎}} * {{BenutzerA|Raymond‏‎}} == Bürokraten == * {{BenutzerA|axpde‏‎}} * {{BenutzerA|Brion VIBBER‏‎}} * {{BenutzerA|Raymond‏‎}} == Kandidaten == === Deadministrierung wegen Inaktivität === In diesem Testwiki gibt keine eigenen Regelungen zur Deadministrierung, daher werden nach den ansonsten üblichen Gepflogenheiten die nachfolgenden Benutzer mit mehr als einem Jahr Inaktivität zur Deadministrierung nominiert (Stand: 17:00, 3. Jan. 2012 (UTC)). Einsprüche bitte innerhalb der nächsten Woche! * <s>{{Benutzer|Avatar}} ist seit dem 22. 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